« —_— HARVARD “UNIVERSITEY. LiBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. gba. ( cCCUN RES i ) Weel ( ie? Hil ee ae PTS y HOVE. ie bi. Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Fiinfunddreissigster Band. Neue Folge, Achtundzwanzigster Band. Mit 17 Tafeln und 17 Abbildungen im Texte. T Jena, Verlag von Gustav Fischer 1901. Uebersetzungsrecht vorbehalten. JUN 25 1901 Tneh al fi Boveri, THropor, Zellen-Studien IV. Ueber die Natur der Centrosomen. Mit Tafel I— VIII und 38 Figuren im Text. Scuuutzz, L. &., Untersuehnti gen aber den Hereschilag dee Salpen. Mit Tafel IX—XI und 5 Figuren im Text , Linck, G., Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Ww iisten Meyer, Ericu, Der Saligaeser elie d im ‘Penaiokontial er Tena: Mit 3 Figuren im Text . : rine JerKE, Max, Zur Kenntnis der Ganda los: Ererdas! Mit Tafel XII und 4 Figuren im Text ; ‘ v. Linstow, Helminthen von den Ufern des Sickerachae ein Beitrag zur Helminthen-Fauna von Siid-Afrika. Mit Tafel XIII und XIV. Keruiy, Acnes, Beitrage zur Tanne eee Kenninis ce eee oeuneen im Tierreich. Mit Tafel XV und 2 Figuren im Text ca aehit oni cance Srasaaicn, Siremunp, Der Darm dor Getncesn. Mit Tafel XVI und XVII SNK eg N.S Mees ee ee WattHer, JoHannes, Jahresbericht der Medizinisch-natur- wissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena fir das Jahr 1900 Seite 409 429 495 543 , 1 - ° ~ . a a) i - . 2 - * he i; | y f fe 52 + * / a Ss ¢ wus. oe , AVVs herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Fiinfunddreissigster Band. Neue Folge, Achtundzwanzigster Band. Erstes bis drittes Heft. Mit 11 Tafeln und 11 Figuren im Text. - Inhalt. : BovERI, THEODOR, Zellen-Studien IV. Ueber die Natur der Centrosomen. Mit Tafel I—VIII und 3 Figuren im Text. SCHULTZE, L. S., Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. Mit Tafel’ IX XI und 5 Figuren im Text. LINcK, G., Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Rinden. MEYER, ERICH, Der Siisswasserkalk im Pennickenthal bei Jena. Mit 3 Figuren im Text. he Preis: 20 Mark. “' Jena, Verlag von Gustav Fischer. £307. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Ps i adbing: Ausgegeben am 21. Januar 1901. to X Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT | ering von Guftav Fifder in Jena. Soeben wurde vollftindig: Fis dett Cieten Weltmeeres. Sdhilderungen vow der dentfchen Tichfec-Expedition. Herausgegeben bon Carl Chun. Mit 6 Chromolithographien, 8 Helivgraviiren, 32 als Tafeln gedructten Yoll- bildern, 2 Karten und 390 YAb- bildDungen im Dert. Preis de volljtindigenr Werkes : beojdjiert ME. 18.—, cleqaut gebunden ME. 20.—. Auf der Suche nach der Borvet-Guijet. Ruvsfiihrlide Pro|pekte durd) jede Birhhandlg. xu erhalten. _ Frankfurter Zeitung 1900 v. 30. Septbr. No, 270: . « - Wenn schon Nansens Werk, das uns eine unbekannte, aber doch an Organismen arme Welt vor Augen fiihrt, so staunenswerte Erfolge hatte, so ist dem Chun’schen Werk eine noch pedeutendere Verbreitung gesichert. Beilage zur Allgemeinen Zeitung: a ee ee ee . Alle Erwartungen iibertreffen die landschaftlichen Photographien, welche als eaentvalle: Heliograviiren dem Werk beigegeben sind. .... Doch man sehe selbst! Und man wird zugestehen: Das ist ein Buch, welches man den Wiss- begierigen unserer Nation nicht genug empfehlen kann. Norddeutsche Allgemeine Zeitung: . . Mit regster Aufmerksamkeit und gespannter Anteilnahme wird sich jeder in diese gedanken- und inhaltreiche Darstellung vertiefen, die in gliicklichster Harmonie wissenschaft- liche Griindlichkeit und Anschaulichkeit mit der Form allgemeiner Verstindlichkeit verbindet und hier und da auch vom erfrischenden Hauche des Humors durchweht wird. ... Man sieht in greifbarer Deutlichkeit die Wunder der fremden Lander aufsteigen. Kurz, eine Fiille von neuer Erkenntnis, die dem Laien bisher verschlossenes Gebiet war. Neue Pidagogische Zeitung, 1900, No. 11: Von dem klassischen Werke liegen heute Lieferung 3 und 4 zur Besprechung vor. ... Die Ausstattung der Hefte ist vorztiglich: als ganz hervor- ragend sind einige Kunstbeilagen (Grenze des Treibeises, Bouvet- Insel, Eisberg, Landschaftsbilder vom Kaplande) zu bezeichnen. ‘ Breslauer Zeitung v. 28. Dezember 1900. . .. Alle die guten Erwartungen, die wir bei unserer damaligen Besprechung aus- sprachen, sie sind in vollem Masse in Erfiillung gegangen; wir haben eine Perle zu- gleich wissenschaftlicher und populadrer Litteratur vor uns, Miinchener Neueste Nachrichten v. 12. Dezember 1900. Der bekannte Verlag Gustav Fischer in Jena hat das Chun’sche Werk in geradezu mustergiltiger Weise mit grésster Eleganz und Gediegenheit ausgestattet und seinen eminenten Wert durch die Beifiigung von 6 Chromolithographien, 8 Heliograviiren 32 als Tafeln gedruckten Vollbildern, 2 Karten und 390 Abbildungen im Text noch wesentlich erhéht. Wir kénnen das Chun’sche Werk mit gutem Gewissen als eine der bedeutendsten, textlich wie in Bezug auf die Illustrationen gleich vollendeten Erzeugnisse der deutschen populirwissenschaft- lichen Litteratur allgemein empfehlen. APR 5 1901 Zellen-Studien IV. Ueber die Natur der Centrosomen. Von Dr. Theodor Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Mit Tafel I—VIII und 3 Figuren im Text. Einleitung. Lange Beschaftigung mit den Centrosomen in sehr verschie- denen Tiergruppen hat mich allméhlich zu der Ueberzeugung ge- fiihrt, daf es méglich ist, die mancherlei sich scheinbar wider- sprechenden Befunde, welche in der Litteratur tiber diese Bildun- gen zu Tage getreten sind, bis zu einem gewissen Grade mit- einander zu versdhnen und einige Satze von allgemeinerer Giltig- keit tiber ihre Morphologie aufzustellen. Zu diesem Behufe soll im folgenden an 4 Objekten der Kreislauf der Centrosomen von einem Punkt ihrer Existenz bis zu dem gleichen Punkt in der nichsten Zellengeneration verfolgt werden, worauf sich durch Vergleichung dieser und anderer, in der Litteratur beschriebener Objekte aus der Verschiedenartigkeit im einzelnen das iiberall Gleichartige herausheben wird. Das Bestreben, einen bei der Kern- und Zellteilung so wich- tigen Bestandteil unseres Elementarorganismus in allen Phasen seines Bestehens so weit, wie es unsere Untersuchungsmittel nur erlauben, zu analysieren, bedarf keiner Begriindung. Doch muf ich gestehen, da8 es weniger die blofe morphologische Erkenntnis ist, welche mich in diesem Falle anzieht, als vielmehr die physio- logische Bedeutung der Centrosomen, speciell bei der Zellteilung. Schon seit meinen ersten Veréffentlichungen im Jahre 1887 habe ich die Centrosomenfrage wesentlich von dieser Seite behandelt und aus den Geschehnissen in normalen wie in abnormen Zellen physiologische Schliisse gezogen, auf deren Berechtigung im all- gemeinen Teil naher eingegangen werden soll. Gewif wird hier wie anderwarts, nachdem fiirs erste schon der morphologische Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 1 2 Theodor Boveri, Befund eine gewisse physiologische Einsicht gewahren kann, weiterer Fortschritt nur durch das Experiment erreichbar sein, oder richtiger gesagt, durch das Studium in der Natur vor- kommender oder kiinstlich hervorgebrachter Abweichungen von dem normalen Verhalten und der Folgen dieser Abweichungen. Allein hierfiir ist eben eine genaue Kenntnis der morphologischen Verhaltnisse unerlafliche Vorbedingung. Denn wenn auch die schlieBliche Entscheidung durch das Experiment geliefert wird, miissen wir doch vor allem wissen, womit wir experimentieren. Dieses Bediirfnis war es hauptsachlich, was mich veranlafite, dem “Seeigel-Ei eine besonders ausfiihrliche Untersuchung zu widmen. Dieses Objekt steht hinsichtlich der Klarheit und Sicher- heit, mit der sich die Centrosomen und ihre Verianderungen de- monstrieren lassen, anderen Zellen weit nach. Aber als giinstigstes Experimentalobjekt, welches tiberdies im Leben mehr von den Wirkungen der Centrosomen erkennen Jat als die meisten anderen Zellen, verlangt es die minutidseste Untersuchung, die sich frei- lich auch insofern verlohnt, als wir hier einen besonderen Typus der Centrosomenteilung finden, der uns in den Stand setzt, andere sich ferner stehende zu verbinden. — Fir die Wahl eines zweiten Objektes, des Ascaris-Eies, waren vor allem historische Griinde mafieebend. Es mufte mit den modernen Hilfsmitteln gepriift werden, was von den alten Befunden an diesem Objekt, das die erste Grundlage fiir die Centrosomenlehre gebildet hat, noch zu Recht besteht. — Ganz allgemein aber waren, der Natur der Unter- suchung gemaf, nur solche Zellen in Betracht zu ziehen, die sich durch ihre GréSe und die GréSe ihrer Teile auszeichnen, die weiterhin in rascher und nachweisbar normaler Teilung begriffen sind und endlich in so grofSen Mengen zur Verfiigung stehen, dal alle Stadien zur Beobachtung kommen miissen. Solche Zellen sind die Ovocyten und manche Spermatocyten, die Eier und Blastomeren, welche tiberdies bei vielen Organismen durch die fast absolute Gleichzeitigkeit, mit der sich grofe Mengen von ihnen zur TeiJung bringen lassen, die Méglichkeit gewahren, die Succession der Stadien mit voller Sicherheit zu bestimmen. Ueberblickt man die neuere Litteratur iiber die Cytocentren, so zeigt sich, da sich die Studien auf diesem Gebiet in zwei Richtungen gespalten haben. Die eine sucht die Centrosomen in den — zumeist ruhenden — Zellen des erwachsenen Organismus oder auch des bereits weiter vorgeschrittenen Embryo auf. Sie Zellen-Studien. 3 fordert unsere Kenntnisse vor allem hinsichtlich des Vorkommens der Centrosomen tiberhaupt; dann aber ist sie dazu berufen, iiber die Lage des Centrosoms in der ruhenden Zelle und die Be- ziehungen, die es geometrisch oder strukturell zu anderen Zell- teilen einnimmt, Aufschliisse zu geben, woriiber ja in Zellen, die unmittelbar von einer Teilung zur nichsten schreiten, nichts zu ermitteln ist. Durch Feststellung solcher Beziehungen wird diese Richtung auch physiologische Ergebnisse zu Tage fordern oder wenigstens den Weg zu solchen zeigen kénnen, insofern aus ge- setzmibigen Lageverhaltnissen und Verbindungen Schliisse tiber die Funktion abzuleiten sind. Die andere, altere Richtung der Centrosomenforschnng be- schiftigt sich mit Zellen, die in rapider Teilung begriffen sind, wie Eiern und Furchungszellen. Sie sucht die Centrosomen in ihrem ganzen Kreislauf zu verfolgen und, soweit sie kann, ibre Rolle bei der Kern- und Zellteilung und, was damit aufs engste zusammenhingt, bei der Befruchtung zu ermitteln. Dieser Seite wird aber weiterhin auch die Aufgabe zufallen, in der Frage nach der Struktur der Cytocentren das entscheidende Wort zu sprechen. Denn sie hat es mit den gré8ten Zellen zu thun, in denen auch die Centren am gré8ten und am leichtesten zu analy- sieren sind; auferdem aber steht ihr, nach der Natur ihrer Objekte, der ganze Cyklus in den minimalsten Abstufungen und in vielen Fallen in gesicherter Reihenfolge zur Verfiigung, und sie vermag oft, wenn ein Stadium, fiir sich allein betrachtet, der Deutung Schwierigkeiten bereitet, durch Vergleichung mit den voraus- gehenden und folgenden die Lésung zu erbringen. Sich gegen- wirtig zu halten, was jeder dieser beiden Zweige zu leisten ver- mag, wird nicht ohne Nutzen sein; mancher Gegensatz ist dadurch entstanden, da die eine Richtung Fragen entscheiden zu kénnen glaubte, die in die Kompetenz der anderen gehoren. Es ist mir neuerdings gelungen, wovon unten ausfiihrlicher die Rede sein wird, in den Eiern und Blastomeren von Ascaris die Centrosomen im Leben zu sehen, allerdings nur in denjenigen Stadien, wo sie durch besondere Gréfe ausgezeichnet sind. Allein auch so ist die Beobachtung fiir einige Streitfragen von Bedeutung. Denn, wie ich schon friiher betonte (17, S. 61), sind die Centro- somen nicht resistente Gebilde, die sich mit Leichtigkeit dem lebenden Zustand entsprechend konservieren lassen; ein Satz, den die seitherigen Veréffentlichungen in der schlagendsten Weise be- 1# 4 Theodor Boveri, statigt haben. Wie wechselnd sich das Centrum der Astrosphare bei verschiedener Konservierung und gar erst unter der so triige- rischen Variabilitaét der Eisenhimatoxylinfirbung darstellen kann, geht daraus hervor, daf, wie es wiederholt vorgekommen ist, das- jenige, was der eine Autor an seinen Praparaten aufs deutlichste sieht, von einem anderen auf Grund anderer Praparate als nicht existierend bezeichnet wird. Es wird eine Hauptaufgabe der folgenden Untersuchungen sein, Gegensitze dieser Art aufzuklaren. Handelt es sich in dem eben Gesagten um Kontroversen der Centrosomenforscher untereinander, so sind diese Autoren kiirz- lich alle gemeinsam von einem Urteil getroffen worden, welches auf Grund ausfiihrlicher Erérterungen der Botaniker A. FIScHER (38) gefallt hat und das sich kurz dahin zusammenfassen lat, da es Centrosomen als specifische Gebilde tiberhaupt nicht giebt, und da8 somit auch alles, was tiber ihre Funktion behauptet worden ist, einfach dahinfallt. Bevor ich die Griinde fiir dieses Urteil untersuche, halte ich es fiir ersprieflich, das, was sich als das Allgemeinste und Wesentlichste an der Centrosomenlehre angeben laBt, in den Hauptziigen hierherzusetzen. Ich thue dies mit den Worten, in welche ich im Jahre 1887 (11, S. 153 ff.) meine Ergebnisse zusammengefaft habe. Obgleich in dieser Darstellung einige Punkte specieller ausgedriickt sind, als wir dies heute, wo wir eine gewisse Variabilitat der Phinomene kennen gelernt haben, thun wiirden, spricht sie das Essentielle meines Standpunktes doch auch jetzt noch vollkommen aus. ,Das Centrosoma, das bisher nur als Polkérperchen der Spindel bekannt war, ist ein selbstandiges dauerndes Zellenorgan, das sich, gerade wie die chromatischen Elemente, durch Teilung auf die Tochterzellen vererbt. Es reprasentiert das dynamische Centrum der Zelle; durch seine Teilung werden die Centren der zu bildenden Tochterzellen geschaffen, um die sich nun alle iibrigen Zellbestand- teile symmetrisch gruppieren. Jedes Tochtercentrosoma zieht die Halfte des Archoplasmas um sich zusammen und belegt mit Hilfe dieser in Fadchen ausstrahlenden Substanz1) die eine Seite eines jeden Kernelements, d. i. das eine der beiden im Mutterelement 1) Statt dessen wiirde man jetzt sagen: Um jedes Tochter- centrosoma entsteht aus gewissen Bestandteilen des Zellkérpers eine Astrosphare, und es differenzieren sich in manchen Fallen aus dem Kerninhalt ahnliche Fasern, die gleichfalls auf die Centrosomen centriert sind. Zellen-Studien. 5 vorbereiteten Tochterelemente, mit Beschlag, um dasselbe méglichst nahe an sich heranzuziehen!). Indem das noch ungeteilte Element diese Einwirkung von beiden Seiten in gleicher Weise erfahrt, wird es méglichst in die Mitte zwischen beiden Centrosomen, ge- wissermafgen auf die Grenze der von diesen beiden Kéorperchen beherrschten Gebiete gefiihrt, und so entsteht die chromatische Aequatorialplatte, die durch die Teilung der einzelnen Elemente in zwei parallele Platten zerfallt, welche nun infolge der entgegen- gesetzt gerichteten Bewegung der beiden Centralkiérperchen von- einander entfernt werden ?)., Wie die Aequatorialplatte, so gelangt auch die unter dem Namen der Zellplatte bekannte Scheidewand des Protoplasmakirpers sowie die Einschniirung der Zellenoberflache in der auf der Verbindungslinie der beiden Centrosomen in deren Mitte senkrechten Ebene zur Ausbildung. Das Centrosoma ist das eigentliche Teilungsorgan der Zelle, es vermittelt die Kern- und Zellteilung. Die aktive Thatigkeit des Kernes bei der Teilung besteht lediglich in der Kontraktion des Geriistes in die kompakten chro- matischen Elemente und in der Teilung dieser Kérper. Allein dieser Prozei, so wesentlich er auch ist, wiirde fiir sich allein nicht zu einer Kernteilung, sondern nur zu einer Verdoppelung der Zahl der chromatischen Elemente in einem einzigen Kern fiihren.... Fir die Entstehung zweier Kerne aus einem einzigen ist es notwendig, da die durch die Spaltung der chromatischen Elemente gebildeten Tochterelemente so in zwei Gruppen verteilt werden, daf sie beim Uebergang in den Zustand des ruhenden Kernes nicht mehr von einer einzigen Vakuole umschlossen werden kénnen. Diese 'Trennung geschieht ausschlieSlich durch die Thatigkeit der Centrosomen und ihrer Archoplasmakugeln. Am lehrreichsten fiir die Erkenntnis dieser Beziehungen sind jene wohl stets als pathologisch zu bezeichnenden Falle, wo mehr als zwei Centrosomen vorhanden sind.... Sie fiihren mich zu dem Schlu8, da8 sich die Zahl der entstehenden Tochterkerne weder nach der Qualitét, noch nach der Quantitat der Kernsubstanz richtet, sondern einzig und allein davon abhangt, wie vielen von den vor- handenen Centrosomen es gelingt, sich mit einem Teil der chroma- tischen Elemente in Verbindung zu setzen und so’ mit einem der iibrigen Centralkérperchen Spindeln zu bilden. Die Kernelemente verhalten sich hierbei genau wie sonst: ein jedes tritt nur mit zwei Polen in Beziehung und teilt sich nicht in so viele Stiicke, als Tochterkerne gebildet werden, sondern nur in zwei. Wie die Kernteilung, so ist auch die Zellteilung eine Funktion der Centrosomen. Es entstehen stets so viele Tochter- 1) Wobei allerdings ein gewisser Abstand nicht tiberschrit- ten wird. 2) Hierzu kann sich noch eine Verkiirzung der ziehenden Fasern gesellen, ja diese spielt in manchen Fallen die Hauptrolle. 6 Theodor Boveri, zellen, als Centrosomen vorhanden sind?!), und auch, wenn eines dieser Kérperchen bei der Kernteilung leer ausgeht, grenzt es einen Teil der Zellsubstanz fiir sich ab; es entsteht eine kernlose Zelle, die zu Grunde geht ?”).“ Fragt man sich, wie ein bewahrter Forscher wie A. FISCHER in einem Buch, dessen allgemeine wissenschaftliche Tendenz bei jedem Cytologen freudige Anerkennung finden wird, dazu kommt, das vorstehend Skizzierte und alles, was sich seit 13 Jahren darauf aufgebaut hat, als Irrtum und Phantasie zu bezeichnen, so werden sich folgende Griinde namhaft machen lassen. Fiscuer hat durch seiné Versuche festgestellt, da’ vieles, was wir an Strukturen in konservierten Zellen finden, wie Korner, Fadchen, ja sogar Strah- lungen, durch die Einwirkung der histiologischen Reagentien auf Eiweiflésungen hervorgebracht werden kann. Diese Erfahrungen machen ihn, und bis zu einem gewissen Grade mit vollem Recht, sehr skeptisch gegen alles, was sich, ohne im Leben sichtbar zu sein, als Struktur an konservierten Objekten darstellen laft. Da nun nach Fiscuer der Kreislauf der Centrosomen nur aus kon- servierten Praparaten zusammengesucht ist, so biirgt nichts dafiir, dafi es nicht lediglich zufallige, vielleicht artificielle Kérnchen, zum Teil aus dem Kern ausgestofene Nukleolen sind, die dann, wenn sie eine der Theorie giinstige Lage einnehmen, als ,,Centrosomen“ in Anspruch genommen werden. — Man hatte erwarten dirfen, daS ein Autor, der tiber ein grofes, von zahlreichen Forschern gepflegtes Arbeitsgebiet ein solches Urteil fallt, die in Betracht kommenden Objekte genauestens untersucht habe, um sich von der Leichtfertigkeit seiner Vorginger zu tiberzeugen. Aus FISCHER’S Darstellung laBt sich ersehen, daf ihm diese eigene Erfahrung vollig fehlt. Nur so wird es verstaéndlich, wie er dazu kommt, zu sagen, daf er der herrschenden Deutung seine eigene gegeniiber- stelle. Denn eine Kenntnis der Dinge selbst, tiber die er hier schreibt, wiirde ihn belehrt haben, daf es sich bei dem wesent- lichen Inhalt der Centrosomenlehre gar nicht um Deutung handelt. Freilich hatte ihm schon eine genauere Ueberlegung klar machen kénnen, da er sich mit seinen Erérterungen tiber unsere Frage auf einem Felde bewegt, das der Kompetenz des Protoplasma- 1) Dieser Satz ist, wie ich spiter gezeigt habe (19), wenigstens fiir das Seeigel-Ei nur mit gewissen Einschrinkungen giltig. 2) Die thatsichlichen Nachweise zu diesen Ausfiihrungen, so- weit nicht in dem Aufsatz selbst enthalten, finden sich im II. Heft meiner Zellen-Studien. Weiteres in 12, 16 und 19. Zellen-Studien. 7 technikers voéllig entriickt ist. Wenn wir eine Serie von Zellen- praparaten vor uns haben, die nachweislich genau und _ liickenlos die successiven Stadien konserviert repriisentieren, welche eine Zelle der gleichen Art von einer Teilung zur nichsten im Leben durchlauft, und wenn wir darin Strukturen finden, die in kon- tinuierlichen Uebergangen einen héchst sinnvollen Kreislauf dar- stellen, so mu etwas dem Entsprechendes im Leben vorhanden sein. Dazu kommt noch, dal vieles von diesem Lebenden an manchen Zellen auch sichtbar ist. Schon Mitte der 7Oer Jahre haben Birscutr und AUERBACH, O. HErtwic, Fou, FLEMMING u. a. in lebenden Eiern die Strahlensonnen beobachtet, in deren Mittelpunkten das konservierte Objekt die Centrosomen zeigt, und ich selbst vermochte 1888 (12) zum ersten Mal an lebenden Kiern und Blastomeren von Seeigeln zu verfolgen, da’ die beiden Radiencentren der karyokinetischen Figur aus einem vorher ein- fachen Centrum durch Teilung hervorgehen. Wiirde der Proto- plasmaforscher zu dem Resultat gelangen, dafi die Korperchen, die wir in unseren Praparaten in den Radiencentren finden, nicht so aussehen wie im Leben, so wiirde er hierin eine ge- wisse Autoritét beanspruchen kénnen; tiber die Herkunft und Schicksale dieser Kérperchen aber steht ihm von seinem Stand- punkt aus kein Urteil zu. Aehnlich verhalt es sich mit dem zweiten Argument FIScHER’s, das seinen Untersuchungen iiber die Grundlagen der Fiarbungs- technik entsprungen ist. Auch hier hat er, speciell mit dem, was er tiber die Eisenhimatoxylinfarbung sagt, in vielen Stiicken ganz recht; wie nahe ich hier mit ihm tibereinstimme, wird aus dem naichsten Kapitel hervorgehen, das lange vor dem Erscheinen von Fiscuer’s Buch geschrieben war und ja auch nur eine erweiterte Ausfiihrung von friiher (17, 8. 60 ff.; 46, S. 108) bereits kurz Mitgeteiltem enthalt. Aber Fiscurr iibersieht auch hier den Hauptpunkt, daf naimlich die Eisenhimatoxylinfirbung zwar ein sehr wertvolles Hilfsmittel fiir das Studium der Centrosomen ist, dali aber die Lehre von der Persistenz und den Wirkungen der Centrosomen yon dieser und jeder Farbung unabhangig ist; denn alles Prinzipielle ist schon zu einer Zeit festgestellt worden, wo man diese Kérperchen ohne jede Farbung studierte. Das fiir Fiscuer wichtigste Motiv zu seinem Zweifel ist wohl darin zu suchen, da er die Angaben iiber Centrosomen, die von einigen seiner botanischen Fachgenossen gemacht worden sind, als sehr bedenklich erkannt hat. Auch hierin kann man ihm, be- 8 Theodor Boveri, sonders auf Grund der wertvollen Untersuchungen, die wir STrRAs- BURGER und seinen Schiilern (98) verdanken, voll beistimmen. Es kann kaum mehr bezweifelt werden, daf auf pflanzlichem Gebiet Falle vorliegen, wo in der Ueberzeugung, was fiir tierische Zellen gilt, mtisse auch fiir pflanzliche gelten, zufallige Strukturen als Centrosomen beschrieben worden sind. Aber ein ganz ahnlicher falscher Analogieschluf, wie er hier in die Irre gefiihrt hat, findet sich nun auch bei Fiscuer selbst, indem er der Meinung ist, daB © das, was fiir ein pflanzliches Objekt widerlegt ist, damit fiir alle Zellen als irrtiimlich erkannt sei. Eine solche irrige Generali- sierung mag nahe liegen; die Sicherheit jedoch, mit der wir ihr bei FiscHek begegnen, kann nur aus der auf jeder Seite sich aus- pragenden auferordentlichen Unerfahrenheit erklart werden, mit der er nicht nur den tierischen Objekten, sondern auch dem, was tiber ihre Centrosomen und deren Wirkung bei der Zellteilung und Be- fruchtung geschrieben worden ist, gegeniibersteht. Ehe man hier weiter mit ihm diskutiert, wird man abwarten diirfen, bis er die notwendigsten Litteraturstudien gemacht haben wird, um _ itber- haupt die Grundlagen zu kennen, auf denen unsere gegenwartigen Vorstellungen tiber die Centrosomen und ihre Wirkungsweise ruhen. Muf sonach diese Kritik als in der Hauptsache ganzlich halt- los abgelehnt werden, so ist die Frage, ob nicht auf Grund anderer Erfahrungen eine Modifikation der herrschenden Anschauungen einzutreten hat. Ich habe hier die speziell von amerikanischen Forschern herriihrenden Erfahrungen im Auge, welche auf eine kiinstliche Erzeugung von Centrosomen hinzudeuten scheinen und von denen vor allem diejenigen Mor@an’s itiber »Kiinstliche Astrospharen‘ (84, 85) von Interesse sind. Ich werde im allgemeinen Teil auf diese Erscheinungen einzugehen haben; hier gentige die Bemerkung, daf meines Erachtens durch die in Rede stehenden Beobachtungen und Versuche, ihre volle Richtig- keit vorausgesetzt, nur bewiesen wird, daS Strahlungen im Proto- plasma auch auf andere Reize als die von Centrosomen ausgehen- den entstehen kénnen, und daf solche Pseudospharen unter Um- stinden mit den echten in Struktur und Wirkungsweise eine tiber alle Erwartung gehende Uebereinstimmung zeigen. In der Spharenlehre also werden diese Erfahrungen zu reformieren haben und manchen Theorien ein Ende bereiten. Aber eine zur normalen Zellvermehrung noétige Eigenschaft fehlt den kiinstlichen Astrospharen durchaus: die regulierte Zahl, und hier scheint Zellen-Studien. 9 mir eben der Punkt zu sein, wo die Centrosomen als specifische durch Zweiteilung sich vermehrende Gebilde ihre Unerlablichkeit dokumentieren '). Ich halte somit die Mdéglichkeit, da sich Centrosomen irgendwo aus indifferentem Protoplasma differenzieren kénnten, nach wie vor fiir héchst unwahrscheinlich und werde in dieser Ueberzeugung auch nicht erschiittert durch die kiirzlich veréffent- lichten Versuche von J. Logs (78), welche im Zusammenhang mit denen More@an’s der Annahme einer durch chemische Einwirkung moéglichen Erzeugung von Centrosomen besonders giinstig er- scheinen kénnten. Lorgs hat gefunden, daf sich unbefruchtete Seeigel-Eier zu normalen Larven entwickeln, wenn man sie auf etwa 2 Stunden in eine Mischung einer ?°/, Normallésung von MgCl, mit gleichen Teilen Seewasser und dann wieder in reines Seewasser bringt. Was hierbei im Ei vorgeht, dariiber macht Lors keine Angaben. Nach den Anschauungen, die ich iiber das Wesen der Befruchtung ausgesprochen habe (11, 16), steht diese Entdeckung Lorp’s mit der Frage nach einer Neubildung von Centrosomen in so engem Zusammenhang, daf eine kurze Be- sprechung hier am Platze sein diirfte. So wichtig und aussichts- reich die Versuche von Lorp sind, so anfechtbar scheinen mir die Schliisse zu sein, die er daraus gezogen hat. Dies wird sich zeigen lassen, ohne dafi} man einstweilen etwas von den feineren Vorgiangen weif, die die Einwirkung seiner Lésung im Ei hervor- ruft?), Lors kommt zu dem Resultat, daf bei dem Befruchtungs- prozeB nicht die Nukleine, sondern die Ionen des Spermatozoon das Wesentliche sind: bringt man zu dem unbefruchteten Ei diese bestimmten Ionen, indem man dem Wasser gewisse Salze zusetzt, so vermégen sie das Spermatozoon zu ersetzen. — Verweilen wir einen Augenblick bei der negativen Seite dieses Ergebnisses, so 1) Man mége dies nicht mifverstehen. Ich bin, wie ich von Anfang an (11) betonte, nicht der Meinung, da8 der von den Centrosomen abhingige Teilungsmechanismus nicht durch andere Mechanismen vertreten sein kénne. Aber wo die Teilung an diese specifischen Organe gekniipft ist, da kénnen sie, meines Erachtens, nicht durch artificielle Differenzierungen ersetzt werden. 2) Ich habe vor kurzem bei einem Aufenthalt an der russischen zoologischen Station in Villafranca versucht, die Lons’schen Ex- perimente zu wiederholen, um dabei zu ermitteln, in welcher Weise sich die Teilungsfigur im Ei ausbildet. Es gelang mir aber weder bei Strongylocentrotus- noch bei Sphaerechinus-Eiern, parthenogene- tische Entwickelung zu erzielen. 10 Theodor Boveri, darf ich bemerken, daf ich die Bedeutungslosigkeit der ,,Nukleine‘‘ (Kernsubstanzen) fiir die Befruchtung schon vor mehr als 10 Jahren fiir das Seeigel-Ei nachgewiesen habe, indem ich zeigte, daf einer- seits bei Anwesenheit eines Spermakerns der Eikern entbehrlich ist (14), andererseits bei Anwesenheit eines Eikerns der Sperma- kern gelihmt sein kann, ohne dal die Entwickelung beeintrachtigt ist e(U2)e): Was nun die positive Seite von Lorp’s Schluffolgerung an- langt, so geht er stillschweigend von der Voraussetzung aus, daf die Entwickelung des Eies in seinem Experiment genau so durch die Wirkung der Salzlésung veranlaft wird, wie bei der Be- fruchtung durch die Wirkung des eindringenden Spermatozoon. Diese Voraussetzung ist jedoch vorlaufig nicht begriindet. Denn wie, um einen Vergleich zu gebrauchen, ein an einem Abhang stehender eingehemmter Wagen sowohl durch einen vorgespannten ungehemmten Wagen von geniigender Masse, als auch durch Lésung seiner Hemmung in Bewegung gesetzt werden kann, ebenso ist, um die Teilung des Eies einzuleiten, gleichfalls ein doppelter Modus denkbar: 1) daf ein gehemmter Teilungsapparat des Eies zur Thitigkeit angeregt und 2) daf ein neuer hineingebracht wird. Bei der Befruchtung ist nach der von mir (11) und in ahnlicher Weise von VEsDOVSKY (100) aufgestellten Theorie das letztere der Fall; das Spermatozoon, das nebenbei unter Umstanden auch gewisse Hemmungen lést (vgl. 16, S. 432), bringt ein Centrosoma, d. i. einen neuen Teilungsapparat in das Ei und ersetzt dadurch denjenigen des Eies. Daf es dieses letzteren zur Entwickelung nicht bedarf, habe ich durch meine Versuche tiber die Befruchtung und Entwickelung rein protoplasmatischer Eifragmente bewiesen (14, 18). » Wenn also Lors mit der Behauptung, daf gewisse Ionen genau so wirken wie ein Spermatozoon, recht haben sollte, so wiirde dies, meiner Meinung nach, heifen, da8 die Ionen ein Centrosoma von der Qualitét eines Spermacentrosoms, oder daf sie 2 Furchungscentrosomen, wie sie dem sich teilenden Ei zu- kommen, im Eiprotoplasma hervorrufen kénnen. Es wiirde sich dann bei seinem Experiment, wie bei den Moraan’schen Ver- suchen, die ja mit dem gleichen Salz angestellt sind, um die 1) Eine zusammenfassende Darstellung dieser Versuche und ihrer Bedeutung habe ich in meinem Aufsatz Befruchtung (16, S. 424—433) gegeben. Zellen-Studien. in Erzeugung kiinstlicher Astrosphiaren handeln, nur mit dem fundamentalen Unterschied, da8 dieselben in Lorp’s Versuch in der Zahl, in der sie auftreten, und in allen Qualitaéten voll- ‘kommen denen entsprechen, die wir sonst durch Teilung ihrer Centren von einer Zellengeneration auf die nachste iiberliefert sehen. Allein es besteht noch eine zweite, von Lorep aufer acht ge- lassene Méglichkeit. Schon 1887, als ich meine Auffassung vom Wesen der Befruchtung zum ersten Mal darlegte, habe ich fiir die Parthenogenese die Annahme aufgestellt, daf bei dieser selb- stindigen Entwickelung des Eies die sonst eintretende Riickbildung des Eicentrosoma unterbleibe. Kénnte nun nicht. die Lorp’sche Parthenogenese des Seeigel-Kies in dieser Weise zu erklaéren sein? Es liegen ja gerade fiir das Seeigel-Ei verschiedene Erfahrungen vor, welche mit Entschiedenheit dafiir sprechen, daf hier ein »,Ovocentrum* vorhanden ist. Ich citiere hierzu einen Satz, den ich vor 3 Jahren geschrieben habe (19, S. 6): ,,Aus den Er- scheinungen, die O. und R. Herrwia und besonders neuerdings R. Hertwic und ZIEGLER ... . festgestellt haben, geht mit aller Sicherheit hervor, da’ diesem Kern (dem KEikern im Seeigel-Ei) ein Centrosoma beigesellt ist!)....“ Bei der Befruchtung spielt dieses Ovocentrum allem Anschein nach gar keine Rolle; gewisse Reize aber (R. Hertwic, 64, Zrnc- LER, 109, Boveri, 19) bringen es zu einer Wirksamkeit, die freilich in den bisherigen Experimenten eine sehr beschrankte war. Immerhin scheint es mir nach diesen Erfahrungen vorliufig das Nachstliegende zu sein, die Lors’schen Versuche in der Weise zu erklaren, dafi der verainderte Salzgehalt des Wassers das Ovo- centrum zur Aktivitit anregt, oder vielleicht richtiger, da8 die Versetzung in die Lorp’sche Mischung das Eiprotoplasma in eine Verfassung bringt, da das Ovocentrum wirken kann. Ist diese Erklarung richtig, so hat, trotz des gleichen Endresul- tates, die Wirkung des MgCl, mit der desSpermato- zoon gar nichts gemein”). Ich mufi mich damit begniigen, diese Vermutung hierher zu setzen. Gelingt der Lors’sche Versuch an hinlanglich durchsich- 1) In welcher Form dieses Ovocentrum vorliegt, braucht hier nicht weiter erértert zu werden. S. hieriiber Abschnitt C, Kapitel VED: 2) Es mag nebenbei bemerkt sein, da8 Grererr (47) schon im Jahre 1876 beobachtet hat, da’ bei Seesternen gelegentlich, und zwar ohne jede experimentelle Beeinflussung, Parthenogenese yorkommt. 12 Theodor Boveri. tigen Eiern, so wird es nicht schwer sein, nachzuweisen, wie es sich verhilt, und es wird sich dann zeigen, ob die Bedeutung des Experiments eine so revolutionare ist, wie der Autor annimmt. Wir stehen in der Centrosomenfrage gegenwartig in einer Periode der Reaktion. Nachdem die Bedeutung dieser Gebilde, sowohl was Verbreitung wie Funktion anlangt, von manchen Seiten sehr stark iiberschitzt worden ist, zeigen uns Erscheinungen, wie das Fiscner’sche Buch und die Vorstellungen einiger amerika- nischer Forscher, den nach meiner Meinung nicht minder ver- fehlten. Riickschlag. Aus diesen Extremen und in diesem Wider- streit wird sich allmahlich eine richtige Bewertung herausbilden. Es geht schon aus dem Titel dieser Arbeit hervor, daf der Gegensatz, in welchem meine Erfahrungen und Anschauungen tiber die Cytocentren zu denen M. HeipENnHAIN’s stehen, hier noch ein- mal zu erértern ist, und daf ich also auf die Schriften HrmpEn- HAIN’s von 1897 (55, 57), soweit sie unseren Gegenstand betreffen, werde einzugehen und auf seine Einwande gegen meine Auffassung werde zu antworten haben. Diese Erwiderung wird eine lediglich sachliche sein, und mau erwarte nicht, daf ich das, was es diesem Autor gefallen hat, tiber mich und meine Untersuchungen zu sagen, anders als durch Konstatierung des Sachverhaltes beant- worten werde. Wer das im folgenden an Thatsachen Nieder- gelegte gelesen haben wird und mit meinen friiheren Arbeiten be- kannt ist, der ist in der Lage, die Berechtigung und den Charakter der Angriffe M. Hemerennarn’s zu beurteilen. Ueber diese Art von Polemik ein weiteres Wort zu verlieren, darauf glaube ich verzichten zu diirfen. Abschnitt A. Zur Kritik der Eisenhamatoxylin-Farbung. Kiinstliche Centralkorperchen. Die folgenden Betrachtungen machen nicht den Anspruch, zur Theorie der histiologischen Farbungen etwas beizutragen; immerhin diirften die zu schildernden Thatsachen bei denjenigen Forschern, die jenem Problem nachgehen, einige Beachtung verdienen. Was Zellen-Studien. te ich hier beabsichtige, ist lediglich, darauf aufmerksam zu machen, welche Vorsicht bei der Deutung der Eisenhimatoxylinbilder, speciell fiir die Darstellung der Centrosomen, geboten ist. Der Reiz und grofe Wert der Eisenhimatoxylinfairbung liegt darin, da’ man mit ihrer Hilfe imstande ist, gewisse Elemente des mikroskopischen Bildes, die auf andere Weise nur wenig oder bei besonderer Kleinheit gar nicht mehr unterscheidbar sind, in tiefer Schwarzfirbung aus einer fast farblosen Umgebung mit einer nicht zu iiberbietenden Schirfe hervortreten zu lassen. Freilich enthalt diese extrem scharfe Differenzierung auch einige unmittelbare Nachteile, namlich einmal, daf alle in den schwarz gefarbten Teilen vielleicht noch vorhandenen Strukturen verschwinden miissen'), zweitens aber, daf alle nicht oder auch vermittelst einer Vor- oder Nachtinktion anders gefirbten Struk- turen der Umgebung um so weniger gut hervortreten. Besonders in der unmittelbaren Nachbarschaft des schwarz gefarbten Bereiches macht der Kontrast nach meinen oft wiederholten Erfahrungen eine Analyse viel schwieriger, als wenn die Eisenhimatoxylin- Farbung unterblieben ist, und es diirfte hauptsichlich diesem Um- stande zuzuschreiben sein, dafi KoSTANECKI und SIEDLECKI (73) im Ascaris-Ei die wirkliche Grenze des Centrosoms vollkommen iiber- sehen konnten. Doch ist dieser Umstand bei der Beurteilung von Eisen- hamatoxylin-Praparaten von viel geringerer Bedeutung als eine andere Erscheinung, welche ganz unabhangig von der Scharfe des Sehens zu Tauschungen fiihren muS und vielfach schon gefiihrt hat. Wer sog. gelungene Eisenhimatoxylin-Praiparate ohne ge- nauere Priifung der Methode betrachtet, dem wird ihre ungemeine Klarheit und Scharfe die Ueberzengung erwecken, daf in den schwarz gefairbten Teilen des Priparates cellulaire Elemente dar- gestellt seien, die, von ihrer Umgebung hochgradig different, durch eine duferst scharfe Grenze von ihr abgesetzt sind; ja es scheint die Eisenhimatoxylin-Farbung, was Klarstellung einer Grenze an- langt, jedes andere Farbungsverfahren weit zu tibertreffen. Allein einige Aufmerksamkeit bei éfterer Anwendung des Farbstoffes muf diese Zuversicht alsbald erschiittern. 1) Es ist deshalb sonderbar, wenn Autoren, welche Centro- somen lediglich mit Eisenhamatoxylin als durch und durch schwarze Kugeln dargestellt haben eine weitere Struktur derselben in Ab- rede stellen. 14 Theodor. Boveri, Das Eisenhimatoxylin-Bild kommt bekanntlich in der Weise zu stande, daf nach der Hamatoxylin-Behandlung zunachst alle Teile des Praparates, soweit sie sich tiberhaupt imbibieren, voll- kommen schwarz sind, und daf dann in der Eisenlésung einzelne sich rasch, andere sehr langsam entfairben, so daf schlieBlich das Bild einzelner aus hellem Grunde intensiv schwarz hervortretender Figuren entsteht. Fiir diese verschiedene Schnelligkeit der Ent- farbung mégen zum Teil chemische Unterschiede zwischen den einzelnen Zellenbestandteilen in Betracht kommen, gewil aber ist dieselbe in hohem Mae davon abhangig, ob der. einge- lagerte Farbstoff fiir die ihn auswaschende EHisen- lésung leichter oder schwieriger zuginglich ist. Wie bestimmend dieses Moment ist, dafiir fihre ich einen groben, aber darum gerade besonders klaren Fall an, den iibrigens jeder, der Ascaris-Kier schneidet, sich leicht zur Anschauung bringen kann. Diese Kier haben auf der Aufenseite ihrer Schale eine Substanzlage, die in vielen Farbstoffen, z. B. in Karmin und Hamatein, eine intensive Farbung annimmt. Auch in Kisen- himatoxylin bleibt diese Oberflachenschicht zunachst schwarz’), entfirbt sich jedoch friiher als das Chromatin und die Centro- somen, wenn auch an verschiedenen Stellen verschieden rasch. Nur da, wo zwei Kischalen einander beriihren, geht die Entfarbung viel langsamer von statten, und man erhilt so auf einer gewissen Entfarbungsstufe ein Bild, wie es in Fig. 16 (Taf. I) dargestellt ist, wo die Beriihrungsflache zweier Eischalen durch einen schwarzen scheibenformigen Fleck — im Durchschnitt eine kurze dicke Linie — markiert ist, waihrend alle tibrigen Teile schwach gefarbt oder bereits ganz farblos sind. Untersucht man ein solches Praparat mit starker VergréSerung, so zeigt sich, daf genau, soweit die beiden Schalen aneinander stoBen, die erwihnte Oberflachenschicht einer jeden Schale den Farbstoff festgehalten hat, wahrend er im iibrigen Bereich vollkommen ausgewaschen ist. Man kénnte vermuten, dali an der Beriihrungsstelle zweier Schalen jene Oberflachenschicht bei der Hartung chemisch be- sonders modifiziert werde, so da8 sie nun den Farbstoff fester binde. Dagegen spricht einerseits das Verhalten gegentiber anderen Farbstoffen, welche die Schicht stets gleichmasig um das ganze 1) Die eigentliche Schale nimmt in Hisenhiamatoxylin nur einen pla8-braunlichen Ton an, der beim Ausziehen sofort vollstandig verschwindet. Zellen-Studien. 15 Ki herum tingieren, mag der Farbstoff nur wenig oder stark aus- gezogen sein. Ganz ausgeschlossen aber wird eine solche An- nahme durch folgende Thatsache. Wenn man die in ihrer Ki- rohre gehirteten Eier spiter durch Zerklopfen voneinander isoliert und nun schneidet, so entfarben sie sich ringsum so, wie sonst an den freien Flichen, wihrend unter der gemachten Voraus- setzung, da’ an der Beriihrungsfliche eine besonders modifizierte Oberflachenschicht vorlage, die den Farbstoff linger halten wirde, diese auch nach der Isolation noch durch starkere Farbbarkeit ausgezeichnet sein miiBte. Umgekehrt zeigen Kischalen, die nach der Hiirtung wihrend der weiteren Praiparation deformiert worden und dadurch in gréferer Ausdehnung miteinander in Beriihrung gekommen sind, jene intensive Farbung nunmehr genau so weit, als sie sich jetzt beriihren. Die laingere Bindung des Farbstottes an den Beriihrungsflachen kann demnach nur so erklart werden, daf die auswaschende Eisenliésung hier nicht so rasch und in- tensiv wirken kann wie an den freien Flachen, indem offenbar die eigentliche Schalensubstanz, zwischen welche die sich be- riihrenden Oberflachenschichten gewissermafen eingepreft sind, sehr wenig durchlassig ist. Allgemein aber fiihrt uns diese Thatsache zu dem Resultat: ein Eisenhimatoxylin-Bild mit scharfstem Gegensatz gefarbter und ungefirbter Stellen kann dadurch bedingt sein, da an einer Stelle ein rein mechanisches Hindernis die Entfirbung, die an anderen chemisch und strukturell ganz gleichwertigen Stellen sich ohne Schwierigkeit vollzieht, verhindert. Indem die Entfarbung an den Stellen, wo die Eisenlésung direkt zutritt, sehr rasch und voll- kommen von statten geht, tiben Behinderungen fir das Hinzu- treten der differenzierenden Fliissigkeit, die bei anderen Farbungen gar nicht in Betracht kommen, den gréSten Eintluf aus. Auf solche Weise kénnen auch im Innern yon Zellen und Geweben Trugbilder verschiedener Art entstehen, wovon unten noch einiges zu erwahnen sein wird. Vor allem aber sei nun hier auf eine gerade fir Centrosomen-Untersuchungen wichtige Er- scheinung aufmerksam gemacht, die mit der dargelegten Eigen- schaft der Eisenhimatoxylin-Methode eng zusammenhangt und die ich als die ,Erscheinung der konzentrischen Ent- farbung“ bezeichnen will’). 1) Einiges hieriiber ist bereits in der Arbeit meines Schiilers, des Herrn Dr. E. First (46), mitgeteilt. - 16 Theodor Boveri, Verfolgt man die Entfairbung eines Schnittes mit starkerer Vergréferung, so kann man unter Umstanden wahrnehmen, daf sich die oberflachlichen Schichten etwas rascher entfarben als tiefere. Doch treten hierbei schlieSlich nur selten gréfere und stérende Differenzen auf, weil der Schnitt z. B. durch eine Zelle einen schwammigen Bau besitzt und so die Differenzierungsfliissig- keit sehr rasch in die Tiefe dringen und alle Teile ziemlich gleich- maig umspiilen kann. Viel ausgepriagter zeigt sich die in Rede stehende Erscheinung im Kleinen an gewissen Zellbestandteilen, vor allem an den Cen- trosomen. Ich verweise zundichst auf Figg. 7—10, 11—13 (Taf. I), welche Spermatocyten von Ascaris, und Figg. 73, 74, 87—89 (Taf. VI), welche Ascaris-Eier und Furchungszellen dar- stellen. Figg. 7—10 und 74, 87 zeigen die Centrosomen in ihrer richtigen Gréfe, so wie sie an ungefaérbten, in Wasser unter- suchten Praparaten oder mit anderen Farbungsmitteln erscheinen. Lat man nun auf ein solches Praparat die Eisenlésung langer einwirken, so entstehen allmahlich die Bilder der Figg. 11—13 bezw. 73 und 88—89b. Hs wird dabei‘’ — wie schon EK. First (46) diese Verhalt- nisse beschrieben hat — ,,die schwarze Kugel successive kleiner, und man kann, von der .. . wirklichen Gréfe an, jede beliebige Grofe bis zu einem kaum mehr wahrnehmbaren schwarzen Piinktchen erreichen.‘* Wie bereits dort mitgeteilt, habe ich ein und den- selben Schnitt in 5 verschiedenen Ktappen immer weiter extrahiert, wobei die schwarz gefirbte Kugel successive kleiner wurde, aber immer annihernd rund und aufs scharfste begrenzt blieb. ,,Dieser Umstand, dafi die Eisenlésung den Lack nicht diffus aus den Centrosomen extrahiert, sondern in konzentrischen Schichten nach und nach sozusagen wegfriBbt, ist es, der den Beobachter so leicht zu der Meinung verleiten kann, daS er in dem jeweils schwarz gefarbten Bereich ein reales Gebilde der Zelle vor sich habe. Denn nichts sieht mehr Vertrauen erweckend aus, als eine intensiv schwarz gefirbte, scharf begrenzte Stelle in einer entfarbten Um- gebung. Trotzdem handelt es sich in diesen verkleinerten schwarzen Kugeln um Artefakte; sowie man noch weiter entfarbt, bleibt an der friiheren Begrenzungsfliche keine irgendwie nachweisbare Struktur iibrig, welche berechtigen wiirde, gerade hier die Grenze des Centrosoms zu setzen.“ Auch andere Teile der Zelle zeigen diese Erscheinung, sehr deutlich z. B. die Chromosomen. Vergleicht man die 4 Bilder Zellen-Studien. 17 Fig. 87—89b (Taf. VI), so sieht man, wie genau parallel der konzentrischen Entfirbung und scheinbaren Verkleinerung der Centrosomen eine solche der Chromosomen sich vollzieht, so daf diejenigen der Fig. 89b nur noch den halben Durchmesser von denen der Fig. 87 zu besitzen scheinen. In Fig. 89a und 89b ist ein und dasselbe Praparat auf zwei sehr nahe bei einander liegenden Entfarbungsetappen abgebildet; schon hier ist von einem zum anderen die Abnahme in den Dimensionen der Chromosomen sehr deutlich. Ich denke, da’ schon die bisher angefiihrten Thatsachen iiber- zeugend genug sind; doch sei noch ein besonders frappanter Fall angefiihrt, bei dem jeder Zweifel, da es sich um eine artificielle Verkleinerung handelt, ausgeschlossen ist. Fast stets findet man an den Schnitten durch befruchtete Seeigel-Kier, wenigstens auf den Anfangsstadien, der Dotterhaut auBen einige nicht einge- drungene Spermatozoen anhangen. In der Regel zeigen dieselben das Bild der Fig. 14a, b, ¢ (Taf. I); der Kopf (Kern) ist intensiv schwarz, héchstens die Spitze etwas heller, das Mittelstiick tief dunkelgrau und fast stets einheitlich und homogen. Ist dagegen das Praparat stirker entfarbt, so kann man Bilder erhalten, wie sie in Fig. 14d—f gezeichnet sind. An Stelle von Kopf und Mittelstiick sieht man 3 oft aufs scharfste begrenzte schwarze Punkte, einen gréBeren, langlich-kegelf6rmigen, der dem Kopf entspricht, und in der Verlaingerung seiner Lingsachse 2 bald gréBere, bald kleinere quer gestellte, die im Mittelstiick ihre Lage haben. Die Bilder sind etwas variabel, was hauptsachlich durch die wechselnde Lage bedingt zu sein scheint. An manchen Sperma- tozoén zeigt sich dem Mittelstiick entsprechend ein queres Stab- chen (Fig. 14g); sieht man in der Richtung der Spermatozoen- achse, so erhalt man gewohnlich das Bild der Fig. 14h. Daf nun der kegelf6rmige schwarze Bereich im Kopf nicht den ganzen Spermakern reprasentiert, ist klar; des weiteren wird niemand annehmen, daf in diesem Kern eine centrale Differenzierung von der abgebildeten Form vorhanden sei. Ueberdies wird dies da- durch ausgeschlossen, dafi der schwarze Fleck je nach dem Grade der Entfarbung verschieden gro8 ausfallt. Wir haben es also hier sicher mit einem reinen Kunstprodukt als Folge konzentrischer Entfarbung zu thun. — Wie geringe Unterschiede nur nétig sind, um den Farbungsetfekt sehr verschieden zu gestalten, geht daraus hervor, daf der Kopf eines eingedrungenen Spermatozoon, welcher dem gleichen Ei und gleichen Schnitt angehért wie die eben be- Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 2 18 Theodor Boveri, sprochenen, und ebenso die freien Képfe benachbarter Schnitte des gleichen Objekttrigers vollkommen schwarz sind. Schon an den freien Spermaképfen ist es, wenn sie ober- flachlich entfarbt sind, schwierig, im Balsampraparat ihre Be- grenzung festzustellen. Denkt man sich nun ein solches Gebilde in eine ihm ziemlich gleichartige Umgebung versetzt, so wird es fast unméglich sein, seine wahre Grenze zu bestimmen, und man wird, wo andere Kriterien fehlen, nur zu leicht geneigt sein, sie dahin zu verlegen, wo die Schwarzfarbung aufhort. Noch in anderer Beziehung sind die fraglichen Praparate lehrreich. Die starke Entfarbung laf8t in dem Mittelstiick ein Doppelkérperchen zum Vorschein kommen. Die Bedeutung dieses Befundes kann hier unerértert bleiben; jedenfalls mu ihm eine reale, wenn auch vielleicht durch das Absterben deutlicher werdende Struktur zu Grunde liegen. Vielfach sind im Mittelpunkt von Astrosphiren solche Doppelkérperchen darstellbar, und es wird von manchen Seiten behauptet, daf sie nicht Einschliisse eines groBeren Kérperchens seien, sondern direkt in die ,,Sphare“ ein- gelagert. Findet sich an ihrer Stelle ein gréSerer Bereich schwarz gefairbt, so bezeichnet z. B. HeIDENHAIN dies als eine Ver- klumpungsfigur. Ich bezweifle nun keineswegs, daf in manchen Fallen dadurch, da zwei dicht benachbarte Kérperchen den zwischen ihnen abgelagerten Farbstoff der differenzierenden Fliissig- keit schwer zuginglich machen, ein scheinbar einheitliches Gebilde vorgetauscht wird; da jedoch nicht alle derartigen Bilder so zu deuten sind, zeigt das Mittelstiick des Seeigel-Spermatozoon. Denn daf8 der groBere einheitliche Kérper, den man bei starkerer Kisen- hiimatoxylin-Farbung erhilt, ein reales Gebilde ist, lehrt die Beob- achtung im Leben. So bin ich der Ueberzeugung, daf tiberall da, wo in einer Sphare an Stelle zweier kleiner Kérnchen ein be- trichtlich gréferer Bereich schwarz gefarbt werden kann, diesem Verhalten eine besondere Struktur zu Grunde liegen mub. Auch an den Spindelfasern und Polradien habe ich gelegent- lich die Erscheinung der konzentrischen Entfarbung konstatiert. Zu einer Zeit, wo diinne Radien bereits ganz entfarbt sind, kénnen dickere noch durch scharfe intensiv schwarze Linien markiert sein. so daf’ man unter Umstanden zu der Meinung verleitet werden kann, Bildungen von zweierlei Art vor sich zu haben. Zu erkliren scheinen mir diese Thatsachen so zu sein, dal die Eisenlésung nur sehr langsam ins Innere der genannten Zell- bestandteile vordringen kann und so zuerst den peripheren Schichten Zellen-Studien. 19 die Farbe entzieht, erst allmahlich den tieferen. Ja, die ungemein scharfe Grenze, bis zu welcher die Entfarbung an den Centro- somen und Chromosomen jeweils vorgedrungen ist, so dak volle Farblosigkeit direkt an intensivstes Schwarz stéSt, kénnte viel- leicht daftir sprechen, da8 gerade in der Imprignation mit dem ohne Zweifel sehr dichten Farbstoff ein Hindernis fiir das Kin- dringen der Eisenlésung gegeben ist, so daf& dieselbe nur immer an der jeweiligen Grenze ihre auflésende Wirkung entfalten kann. Von Wichtigkeit ist es nun, da8 die besprochene konzentrische Entfarbung nicht immer und iiberall eintritt, sondern da auch eine diffuse vorkommt, wobei der schwarze Bereich, ohne sich zu verkleinern, allmahlich blasser wird. Diese Art der Entfairbung findet sich nach den Angaben meines Schiilers, Prof. F. M. Mac FARLAND (79) stets an den Centrosomen der Ovocyten von Di- aulula. Aber auch an Objekten, die sonst in ausgepragtester Weise die konzentrische Entfirbung darbieten, wie an den Centro- somen der Ascaris-Spermatocyten, habe ich bei ganz gleicher Kon- servierung manchmal diffuse Entfirbung erhalten, wie Figg. 1—6 (Taf. I) lehren, wo die Centrosomen einen blassen grauen Ton zeigen und nur die Centralkérner schwarz geblieben sind. Da sich diese diffuse Entfarbung nur an Praparaten fand, die langere Zeit in Kanadabalsam eingeschlossen gewesen waren und dann wieder weiter entfarbt wurden, so mag es sein, daf diese Zwischen- prozeduren einen Anteil an ihrem Zustandekommen haben. In- tensiver habe ich mich um die Aufklirung dieser Verschieden- heiten, wie auch noch anderer zwischen der konzentrischen und diffusen KEntfarbung in der Mitte stehender Entfairbungseffekte nicht bemiht. Bei dieser Gelegenheit sei noch, um das Kapriziése der Kisen- hamatoxylin-Farbung weiterhin zu illustrieren, bemerkt, daf mir an Ascaris-EKiern, die in Alkohol-Essigsiure konserviert waren — eine Konservierung, welche im allgemeinen bei Eisenhimatoxylin- Behandlung eine vorziigliche Farbung der Centrosomen gestattet — ein Fall vorgekommen ist, in dem die Centrosomen bei dem ersten Auswaschen schon die Farbe vollstandig abgeben, so dal auf einem Entfairbungszustand, wo das Protoplasma noch grau, die Chromosomen in voller GréSe schwarz gefirbt sind, die Centro- somen sich in dem Grad ihrer Tinktion von der Umgebung nicht unterscheiden. Das Gesagte geniigt, um zu zeigen, wie variabel die Eisen- hamatoxylin-Farbung schon unter normalen Verhaltnissen ausfallen 2D * 20 Theodor Boveri, kann und mit welchen Kunstprodukten man bei ihrer Anwendung zu rechnen hat. Die herrschende Meinung scheint die zu sein, da8 stark entfarbte Praparate die zuverlissigsten seien. Das hier Mitgeteilte lehrt, da} in vielen Fallen das Gegenteil richtig ist. Jedenfalls zeigen meine Erfahrungen, daf es ganz unzulassig ist, bis zu einem beliebigen Grad zu extrahieren und das so ge- wonnene Bild ohne weiteres als dem wirklichen Verhalten ent- sprechend anzusehen; vielmehr ist es fiir jedes neu zu studierende Objekt, abgesehen von der Kontrolle durch andere Methoden, un- erlaflich, durch Entfirbung in Etappen die Wirkungsweise des Verfahrens zu erproben. Sowohl die friihesten Entfarbungs- stufen sind zu priifen, damit man sicher ist, ob nicht durch weiteres Auswaschen kiinstliche Verkleinerungen entstehen, als auch die Auswaschung successive bis zu fast vdélliger Entfarbung zu treiben, um festzustellen, ob in dem schwarz gefarbten Gebilde nicht noch feinere Strukturen enthalten sind. DaB die Nichtbefolgung dieser Forderungen zu irrigen Vor- stellungen tiber die Centrosomen fiihren muf, lehrt die Arbeit von KOSTANECKI und SIDLECKI tiber das Ascaris-Ei (vgl. die Arbeit vor Fursr [46] und das unten tiber diesen Gegenstand Gesagte). Neben den kiinstlich verkleinerten Centrosomen dieser Autoren kénnen aber noch andere Trugbilder vorkommen. So muf in Fallen, wo ein sich teilendes Centrosom Hantelform annimmt, bei konzentrischer Entfarbung, der diinnere Stiel zuerst alle Farbe verlieren, und das Bild zweier anscheinend bereits voneinander getrennter Centrosomen entstehen. Diese Erscheinung der scheinbaren Diskontinuitat habe ich im Groben sehr schén an eigentiimlichen Ballen von fettartig aussehenden, im allgemeinen kugeligen K6érpern beob- achtet, die man unter den kiinstlich entleerten Seeigel-EKiern sehr haufig antrifft und die wohl aus dem Ovarium stammen. Man findet darunter manchmal eingeschniirte und unregelmafig ge- lappte Formen, wie in Fig. 15a, b (Taf. I) zu sehen. Diese Ge- bilde zeigen sehr schén das Phinomen der konzentrischen Ent- farbung und, wie von vornherein nicht anders zu erwarten, eine vollstandige Entfarbung zuerst an den diinnsten Stellen. So wird der schwarz gefarbte Bereich hier unterbrochen, und in Fallen, wo dieser allein deutlich sichtbar wire, wiirde man glauben, zwei vollig getrennte Kérper vor sich zu haben. Auch scheinbar verschiedene Groé8e der beiden in einer Zelle vorhandenen Centrosomen kann, wie ich Zellen-Studien. 2i mich tiberzeugt habe, kinstlich hervorgebracht werden. Nachdem ich zuerst an Schnitten durch Ascaris-Spermatocyten beobachtet hatte, daf die Centrosomen nach der Eisenhiimatoxylin-Behandlung in dicken Schnitten durchgingig gréfer aussehen als in diinnen des gleichen Objekttragers, fand ich einen Fall, wo in einem Schnitt durch eine solche Zelle, deren eines Centrosom tief unten, das andere ganz oberflachlich lag, ersteres voll gefarbt war, wah- rend in dem hoch gelegenen die Farbe bis auf ein ganz kleines Piinktchen ausgewaschen war. Was nun die Forderung sehr weitgehender Entfarbung zum Zweck der Darstellung allenfalls vorhandener feinerer Strukturen anlangt, so handelt es sich speciell bei den Centrosomen haupt- sichlich um den Nachweis des von mir zuerst im Ascaris-Ei an ungefairbten Praiparaten aufgefundenen Centralkorns, das, wie ich nach meinen seitherigen Untersuchungen annehmen méchte, allen Centrosomen auf allen Stadien ihres Bestehens zukommt. Die Existenz dieses Gebildes laft sich mit Eisenhamatoxylin nur dann sicherstellen, wenn entweder die Substanz des Centrosoms selbst den Farbstoff sehr rasch abgiebt, so daf bei der Ditferen- aierung sofort das Centralkorn erscheint, oder wenn die Ent- farbung des Centrosoms diffus vor sich geht, wobei dann in dem allmahlich blasser werdenden Kérper ein centrales schwarzes Piinktchen mit immer gréferer Deutlichkeit hervortritt (Fig. 4—6, Taf. I). Entfarbt sich ein Centrosom dagegen konzentrisch, so fihrt die Extraktion zwar schlieBlich auch zur Darstellung eines kleinen schwarzen Piinktchens, allein dieses kénnte nach dem oben Gesagten ebenso gut ein Artefakt sein. Es giebt nur ein Sta- dium, wo die Eisenhamatoxylin-Methode bei konzentrischer Entfarbung das Vorhandensein der Centralkérner darthun kann: dann namlich, wenn beim Auswaschen zwei oder mehrere schwarze Piinktchen im Innern des Centrosoms iibrig bleiben. Denn diese miissen dann durch specifische Stellen bedingt sein. Wie nun die Eisenhimatoxylin-Methode an normalen Ob- jekten gewisse Teile so tiberaus scharf, ja man darf sagen, manch- mal unnatiirlich scharf hervorhebt, so bringt sie auch die Pro- dukte pathologischer Veranderungen der Zellen oder der bei der Konservierung auftretenden Ausfallungen unter Umstinden in gleicher Scharfe und Klarheit zur Anschauung. Auf diese Weise kommt eine zweite Art kiinstlicher Centralkérper zu- 22 Theodor Boveri, stande, denen freilich die Vergleichung mit den normalen ohne weiteres ihre richtige Stelle zuweist und die deshalb kaum einer besonderen Erwahnung bediirften, wenn nicht M. HetpEnHatn (55) solche pathologische Zustande zur neuen Grundlage seiner ,,Mikro- centren‘‘-Lehre gemacht hatte. In den verschiedensten Objekten naimlich zeigen die Centro- somen eine Neigung zu kérnigem Zerfall, den ich zwar meist nur in Zellen gefunden habe, die auch in ihrer Protoplasmastruktur eine krankhafte Beschaffenheit aufweisen, der aber doch auch in sonst scheinbar normalen Zellen eintreten kann. Dieser patho- logische Prozef, im einzelnen wechselnd verlaufend, besteht darin, daf die vorher homogen oder netzig-wabig erscheinende Substanz des Centrosoms sich differenziert in eine homogene Grundmasse und in mehr oder weniger zahlreiche Kérner von sehr wechselnder Grobe. Diese Kérner oder Trépfchen bleiben in Eisenhamatoxylin schwarz, wahrend die Gruudmasse sich rasch entfarbt. So be- richtet Mac FarLanp von Diaulula-Eiern (79, S. 248): ,,Im einem Stiick des Laiches zeigten alle Eier an Stelle der beschriebenen Centrosomen') unregelmabige Haufchen, aus einer grofen Menge winziger Kérnchen zusammengesetzt. Der ganze tibrige Zustand dieser Eier ]a8t keinen Zweifel, daf es sich hier um krankhafte Verinderungen handelt, die insofern nicht ohne Interesse sind, als sie darthun, wie leicht zerstérbar diese Gebilde sind.“ Ganz entsprechende pathologische Zustaénde habe ich auch in Ascaris- und Seeigel-Eiern nicht gar selten gefunden. Figg. 17 und 18 (Taf. 1) geben davon Beispiele. In Fig. 18, welche einen Schnitt durch eine Furchungszelle von Ascaris wiedergiebt, sind an Stelle des Centrosoms 4 schwarz gefarbte Kérperchen zu sehen, in Fig. 17 von einem Seeigel-Ei ist ein Zerfall der Centrosomen in sehr zahlreiche kleine Kérnchen eingetreten, die in ihrer Grofe ungefahr dem Centralkorn dieser Centrosomen entsprechen. Die vorstehenden Bemerkungen werden geniigen, um das, was ich schon im Jahre 1895 tiber das Eisenhaimatoxylin als Dar- stellungsmittel fiir Centrosomen gesagt habe (17, 8. 62), in jeder Hinsicht vollstandig zu rechtfertigen. 1) homogener Kugeln mit Centralkorn. Zellen-Studien. 23 Abschnitt B. Specieller Teil. 1. Die Teilung der Centrosomen in den Spermatocyten von Asearis megalocephala. Ueber die Gestalt und Gréfe der Centrosomen in den Ascaris- Spermatocyten, sowie tiber die Wirkung des Eisenhamatoxylins auf diese Kérperchen hat vor kurzem E. Ftrsr (46) in einer aus dem hiesigen zoologischen Institut hervorgegangenen Arbeit be- richtet, wobei sich eine volle Bestatigung der friiheren Angaben von Braver (21) ergeben hat. Ich kann deshalb hier auf diese beiden Arbeiten verweisen und mich auf eine genauere Analyse des Teilungsvorganges beschrinken. Zwar hat BRAUER auch diesen Prozefi im wesentlichen véllig richtig beschrieben; allein einmal vermochte ich gewisse Einzelheiten doch noch etwas genauer zu verfolgen, sodann aber gilt es, durch Darstellung der Verhaltnisse vermittelst der Eisenhaématoxylin-Methode auch diejenigen Autoren zu tberzeugen, die alles, was auf andere Weise iiber die Centro- somen ermittelt wird, mit Miftrauen ansehen zu miissen glauben. Ich verweise zunaichst auf die Figg. 7—10 (Taf. I), welche die Centrosomen in ihrer vollen Gréfe darstellen!). Wie First bereits gezeigt hat, kénnen die schon von Braver beschriebenen Kérperchen in Eisenhamatoxylin durch und durch schwarz gefarbt sein. Sie sind auf gewissen Stadien sehr grof, verkleinern sich dann wahrend der Ausbildung der ersten Teilungsfigur und_ be- sitzen kurz vor ihrer Teilung die in Fig. 7 dargestellte GréBe. Um diese volle Gréfe des Centrosoms in schwarzer Farbung zu erhalten, mu die Entfarbung auf einem Zustand unterbrochen werden, wo die Dotterkérner noch sehr dunkel und auch die Astrosphire noch in ihrem centralen Bereich grau gefarbt ist. Zieht man den Farbstoff noch mehr aus, so ist die gréfte Wahr- scheinlichkeit vorhanden, da auch die Centrosomen sich bereits vom Rande her zu entfarben beginnen. Dieses kugelige Centrosom nimmt gewohnlich wihrend der Metakinese eine l&ngsellipsoide Form an (Fig. 8), eine Gestalt- 1) Fir die meisten Abbildungen habe ich Schnitte gewahlt, welche auf der Achse der vorhergehenden Teilungsfigur anniherna senkrecht stehen, so daf von den Chromosomen in diesen Figuren nichts getroffen ist. 24 Theodor Boveri, veranderung, welche als erster Schritt zur Teilung anzusehen ist. Die Achse des Ellipsoids steht gewohnlich senkrecht zur Teilungs- achse, aber auch alle sonst denkbaren Stellungen kommen vor und fiihren dann zu ungewohnlicher Lagerung der Tochtercentrosomen, wovon BRAUER in Fig. 206 ein Beispiel gegeben hat. Die Teilung des Centrosoms beginnt mit einer Aufhellung im Aequator (Fig. 9), wobei es sehr schwer zu sagen ist, ob eine Einfurchung an dieser Stelle stattfindet. Nicht selten ist das gestreckte Centrosom ein wenig gebogen, und in diesen Fallen sieht es so aus, als wenn die Teilung auf der konkaven Seite beginne, was an gewisse Modi der Zellteilung erinnert. Die so gebildeten Halften sind nicht sofort kugelig, sondern gegeneinander abgeplattet; auch scheint es, als ob sie noch durch eine weniger farbbare Zwischenmasse miteinander verbunden waren. Daran schliefen sich Bilder mit 2 vollig getrennten, nahe benachbarten K6rperchen (Fig. 10), die allmahlich kugelig werden und bei ihrem weiteren Auseinander- riicken sehr erheblich an Gréf%e zunehmen. Die Verhaltnisse, welche Mac Faruanp (79) bei der Teilung der Centrosomen in den Ovocyten von Diaulula festgestellt hat, lieSen mich besondere Aufmerksamkeit darauf richten, ob vielleicht auch in dem vorliegenden Objekt bei der Centrosom-Teilung ein mittlerer Bereich desselben unter Verlust der Farbbarkeit in die Bildung einer Centralspindel eingeht. Ich glaube jedoch diese Méglichkeit ausschliefen zu diirfen. Das Aussehen des sich tei- lenden Centrosoms in der oben besprochenen Fig. 9 spricht aller- dings dafiir, daf eine minimale Aequatorialzone des _ ellipsoiden Kérpers nicht mit in die Tochtercentrosomen eingeht. Allein zu einer Centralspindel wachst dieser Bereich, tiber dessen Natur sich bei der Kleinheit der Verhaltnisse kein sicheres Urteil ge- winnen laft, nicht aus; er entschwindet bei der Weiterentwickelung vollig. Sobald die Tochtercentrosomen etwas weiter voneinander entfernt sind, zeigen ihre gegeneinander gekehrten Flachen eine ganz scharfe Begrenzung, und das Areal, das zwischen ihnen liegt, laft durchaus keine Zugehérigkeit zu ihnen erkennen. So glaube ich, da’ das Muttercentrosom vollkommen oder fast vollkommen in die beiden Tochtercentrosomen iibergeht. Was die Astrosphare anlangt, so lassen sich deren Radien bis an das Centrosom verfolgen. Wenn dieses sich streckt, wird auch die Gesamtheit der Radien ellipsoid (Fig. 8, 9). Auf die noch dicht nebeneinander liegenden Tochtercentrosomen sieht man Zellen-Studien. 25 bereits einige neue Radien centriert (Fig. 3, 4 u. 10), wenn auch duBerst blaf und verschwommen. Zwischen ihnen treten beim weiteren Auseinanderriicken neue auf (Fig. 5 u. 6), so daB bald 2 typische Astrospharen hergestellt sind. Die Frage, ob die beiden Tochtercentrosomen einfach die Radien des Muttercentro- soms oder wenigstens einige davon iibernehmen, glaube ich fast mit Sicherheit ausschliefen zu diirfen. Nach allem, was ich gesehen habe, scheinen die alten Radien bei der Teilung des Centrosoms zu zerfallen, vielleicht in ein schaumiges Plasma. tiber- zugehen, aus dem sich fast unmittelbar undeutliche, auf die Tochter- centrosomen eingestellte centrifugal wachsende Radien wieder differenzieren. Sind die Tochtercentrosomen weiter auseinander- gewichen, so treten in reicher Entfaltung von Pol zu Pol ver- laufende Fasern auf (Fig. 6), die mit den frei ausstrahlenden vollig tibereinstimmen und deren Komplex von jenen kaum ab- zugrenzen ist. Den Ausdruck ,Centralspindel* wiirde ich daher hier nicht fiir angebracht halten. Dafi im Vorstehenden ein Centrosom oder Central- kérper und dessen Teilung beschrieben worden ist, diirfte kaum bestritten werden. Das Gebilde farbt sich aufs beste in Kisenhaimatoxylin und zeigt Dimensionen, die im Verhaltnis zur GréBe der Zelle eher kleiner sind als z. B. die der Central- kérperchen, welche M. HEIDENHAIN (55) in den roten Blutkérperchen beim Entenembryo gefunden hat. Gleichwohl enthalt nun dieses Gebilde als centrale Differenzierung noch ein viel kleineres Kér- perchen, das von mir zuerst im Ascaris-Ei aufgefundene Cen tral- korn. Ich gebrauche fiir dieses Gebilde fortan neben dem Wort Centralkorn den friiher von mir, wenn auch nicht genau im gleichen Sinne vorgeschlagenen Terminus Centriol (Centriolum, ent- sprechend dem Terminus Nucleolus). Eine genaue Begriindung meiner Nomenklatur findet sich im Abschnitt D. Schon Braver hat dieses Korn in allen Stadien gefunden und seine Verdoppelung erkannt. Mit Eisenhaimatoxylin einen Beweis von seiner Existenz zu erbringen, ist nur unter gewissen Um- standen méglich. Schon im vorigen Abschnitt (S. 16) habe ich kurz auf die Bilder hingewiesen, welche fortgesetzte Entfarbung an den Centrosomen unserer Zellen hervorbringt. Das gewéhnliche Ver- halten ist dieses, dafi sich die Centrosomen konzentrisch ent- farben. Ich habe diesen Vorgang an zahlreichen markierten Zellen in einzelnen Etappen verfolgt; einige Beispiele fiir die zu erzielenden Artefakte sind in Fig. 11—13 dargestellt, von denen 26 Theodor Boveri, ich besonders die Fig. 12 hervorhebe, weil sie zeigt, wie der durch das Auswaschen sich verkleinernde schwarze Bereich immer annihernd die Form des urspriinglich gefarbten Kérpers bewahrt. So geben kugelige Centrosomen schlieBlich ein kleines kugeliges Piinktchen, ellipsoide einen kleinen ellipsoiden schwarzen. Fleck. Allein — und dies ist von grofer Wichtigkeit — in diesem letz- teren Fall geht die konzentrische Verkleinerung nicht bis zu volliger Entfarbung weiter, sondern es tritt ein Moment ein, wo sich der Jainglich schwarze Fleck in zwei in seiner Achse gelegene Piinktchen auflést: die beiden Centriolen. Ich kann darauf verzichten, derartige Bilder und ihre Be- deutung naher zu erértern, da, wie schon im vorigen Abschnitt erwihnt wurde, an einigen von meinen Praparaten, die langere Zeit in Kanadabalsam gelegen waren, bei weiterer Differenzierung in der Eisenlésung der in den Centrosomen abgelagerte Farbstoft diffus ausgezogen wurde, auf welche Weise die Bilder der Figg. 1—6 entstehen, wo in dem grau gefarbten Centrosom das oder die Centriolen direkt und auf allen Stadien als schwarze Piinktchen sichtbar werden. Wie Fig. 1 lehrt, kann das Centriol bereits geteilt sein, wenn das Centrosom noch vollig kugelig ist, seine Ver- doppelung ist demnach als der erste fiir uns erkennbare Schritt zur Teilung des Centrosoms anzusehen. Natiirlich ist von der Teilung des Centralkorns bei der Kleinheit der Verhaltnisse nicht viel zu sehen; doch habe ich verschiedene Stadien des Prozesses von den ersten Anfangen an, wo zwei schwarze Piinktchen dicht aneinander geschmiegt sind, vor Augen gehabt. Sind die Tochter- centriolen ein wenig voneinander entfernt, so fand ich sie manch- mal wie zwei parallele Scheibchen einander gegentiberstehend, und der ganze Eindruck ist der, daf, wenn wir diese Dinge so grol sehen kénnten wie etwa einen Zellkern, sich noch manche feinere Struktur daran méchte erkennen lassen. Wahrend der Streckung des Centrosoms riicken die Cen- triolen weiter auseinander und werden bei dessen Teilung zu den Mittelpunkten seiner beiden Abkémmlinge (Fig. 2, 3 u. ff.). Wir kénnen damit die Beschreibung des Vorganges abbrechen. Zum Schlu8 erwahne ich noch, daf ich wiederholt ungefarbte Schnitte durch Ascaris-Spermatocyten in Wasser untersucht habe, in welchem Medium die Centrosomen als sehr stark lichtbrechende Kugeln ungemein deutlich hervortreten. Zellen-Studien. 27 2. Die Teilung der Centrosomen in den Ovocyten von Diaulula sandiegensis. Der folgenden Darstellung liegen die Untersuchungen von F. M. Mac Faruanp (79) zu Grunde, der die Eireifung bei diesem Opisthobranchier im Jahre 1895/96 unter meiner Leitung im hie- sigen zoologischen Institut bearbeitet hat. Ich fiige eine kurze Schilderung seiner Befunde in diese Arbeit ein, einmal weil es sich um einen ganz besonders lehrreichen Fall einer Centrosomen- Teilung handelt, der, dank den giinstigen Untersuchungsbedingun- gen, mit einer bis dahin kaum sonst erreichten Klarheit verfolgt werden konnte, dann aber auch, weil ich in der Lage war, die Praparate Mac FarLAND’s genau zu studieren und so seine An- gaben wie diejenigen einer eigenen Untersuchung zu vertreten. Ich gebe zur Illustration des Vorganges einige Abbildungen bei, welche nach Praparaten und Zeichnungen Mac FARLAND’s angefertigt sind. Man wird die entsprechenden Bilder leicht in seiner Abhandlung finden. Leider sind die Tafeln der Mac Far- LAND’schen Arbeit etwas roh, die Figuren auf Tafel 20 direkt schlecht ausgefiihrt, weshalb ich bemerke, da8 die den Abbildungen zu Grunde liegenden Praparate an Schénheit und Klarheit nichts zu wiinschen tibrig lassen. Die von mir reproduzierten Bilder sind insofern schematisch, als sie lediglich die Centrosomen und Astro- spharen darstellen, ohne Riicksicht auf deren Lagerung in der Zelle und ohne Beriicksichtigung der allenfalls im Schnitt vor- handenen Chromosomen. Fig. 19 (Taf. II) zeigt das innere Centrosom der fertigen ersten Richtungsspindel, Fig. 26 die beiden Centrosomen der zWweiten Spindel auf einem Stadium, wo die Chromosomen -be- ginnen, sich zur Aequatorialplatte zu ordnen. Wie dieser letztere Zustand aus dem ersteren entsteht, wird durch die zwischen- liegenden Figuren klargestellt. Das Centrosom der ersten Richtungsspindel ist eine relativ srofe homogene Kugel mit einem kleinen Kiigelchen, dem Central- korn oder Centriol im Mittelpunkt. Die Teilung des Centrosoms wird eingeleitet durch die Teilung dieses Korns, iiber die bei der Kleinheit des Gebildes nichts Naheres zu ermitteln ist. Man sieht eben zunaichst an Stelle des einfachen Centralkorns deren 2, dicht nebeneinander, schatzungsweise von der halben GréBe des urspriinglichen und untereinander gleich grof (Fig. 20). Sind die beiden Centriolen weiter voneinander entfernt, so lat sich in 28 Theodor Boveri. manchen Fallen ein ungemein feines Fadchen zwischen ihnen er- kennen (Fig. 21). Ob wir darin eine bei der Teilung des Kérper- chens nachbleibende Briicke zu sehen haben, muf unentschieden bleiben. In der Richtung, in welcher die beiden Centriolen aus- einanderweichen, streckt sich das Centrosoma zu einem Ellipsoid, wobei es sich gleichzeitig vergréfert (Fig. 21 u. 22). Die ellipsoide Form geht dann unter weiterem Wachstum in eine Spindelform mit kugelig aufgetriebenen Enden tiber (Fig. 23). Wahrend dieser Vorginge vollzieht sich in der anfangs ganz gleichmabig homo- genen Substanz des Centrosoms eine Differenzierung, die damit beginnt, da8 die centralen Teile an Dichtigkeit abnehmen (Fig. 20 u. 21). Die dichtere Rindenzone zieht sich sodann mehr und mehr gegen die Pole des Ellipsoids zusammen (Fig. 22), um sich beim Uebergang zur Spindelform in den kugeligen Endanschwel- lungen um die beiden Centralkérner anzusammeln. Der mittlere Teil wird gleichzeitig netzig-faserig (Fig. 22 u. 23); er ist die Centralspindel, wihrend die Endanschwellungen die beiden neuen Centrosomen reprasentieren. Die folgenden Bilder zeigen, wie fortan der ganze Komplex noch sehr betrachtlich wachst und wie die einzelnen Teile sich scharfer gegeneinander absetzen (Fig. 25 u. 26). So finden wir schlieBlich in dem letzten Bilde wieder 2 kugelige Centrosomen vor, genau von der Beschaften- heit derjenigen der ersten Richtungsfigur, verbunden durch eine machtige Centralspindel. Auch bei diesem Objekt ist die Wirkung des Eisenhamatoxylins von grokem Interesse. Die Entfarbung ist eine diffuse, d. h. die differenzierende Fliissigkeit wirkt im Innern ebenso rasch wie an der Oberflache, und zwar, wie es scheint, so, daf die dichtesten Teile den Farbstoff am langsten halten. Noch auf Stadien, wie dem der Fig. 24, kénnen in den ersten Stufen der Entfarbung die beiden Centrosomen samt der Centralspindel als ein einheitlicher, gleichmabig schwarzer Koérper erscheinen, bei weiterem Auszichen wird zuerst die Centralspindel heller, und die neuen Centrosomen setzen sich als schwarze Kugeln von ihr ab (vgl. Fig. 44a bei Mac Faruanp), dann entfarbt sich die Centralspindel mehr und mehr und lat ihre Faserstruktur hervortreten, wahrend nun auch das Schwarz der Centrosomen in Grau tibergeht und damit die Centriolen als schwarze Piinktchen sichtbar werden. Durch weiteres Ausziehen kénnen auch die Centrosomen vdllig farblos gemacht werden, und als einzig gefairbte Teile bleiben die Centralkérner iibrig, bis schlieBlich auch diese unter allmahlicher Verkleinerung verschwinden. Zellen-Studien. 29 An dem Verhalten der Astrosphavre sind fiir unsere Betrach- tungen von Wichtigkeit: 1) dafi die Radien beim Uebergang des Centrosoms in die Spindel und wahrend der beginnenden Differen- zierung der Tochtercentrosomen noch immer auf den spindel- formigen Koérper als Ganzes centriert sind, 2) daf die neuen Radiensysteme nicht einfach Fadchen der alten Astro- sphare tibernehmen, sondern daf sie sich neu bilden, wahrend sich die alten Radien in centrifugaler Richtung allmahlich auflésen. Vergleicht man das beschriebene Centrosom und seine Teilung mit den unter 1. beschriebenen Verhaltnissen in den Ascaris- Spermatocyten, so kann tiber die Gleichwertigkeit dessen, was hier und dort als Centrosoma bezw. als Centriol bezeichnet worden ist, kein Zweifel bestehen. Auch die Anfangsstadien der Teilung: die Verdoppelung des Centralkorns, die darauf folgende Streckung des kugeligen Centrosoms zum Ellipsoid mit der entsprechenden Umformung der Astrosphare sind nahezu identisch. Allein im weiteren Verlauf tritt ein erheblicher Unterschied ein. Wahrend das Centrosom der Ascaris-Spermatocyten sich direkt in die beiden Tochtercentrosomen spaltet, bilden sich die Tochtercentrosomen in den Ovocyten von Diaulula durch Differenzierung aus dem ge- waltig anwachsenden Muttercentrosom. Und wenn man also auch diese beiden K6rper, wie Mac Faruanp (8S. 255) schreibt, ,,als durch Teilung aus einem Muttercentrosoma entstanden“ be- zeichnen darf, so ist dies doch in unserem Falle keine einfache Teilung in der Weise, daS das Muttercentrosoma ganz in den Tochtercentrosomen aufginge, sondern es bleibt ein betrachtlicher Rest tibrig, der gewissermafen ausgeschaltet und abgestofen wird: das ist die Centralspindel. 3. Die Centrosomen bei der Furchung des Eies von Kehinus microtubereulatus. a) Eigene Beobachtungen. Das Seeigel-Ei ist von allen Objekten, die mir bekannt sind. dasjenige, welches einer sicheren Darstellung der Centrosomen die gréften Schwierigkeiten bereitet. Dies pragt sich auch in der Litteratur, die dariiber vorliegt, deutlich aus. Seit dem Jahre 1891 sind die Centrosomen des Seeigel-Eies von Fou (43), BiTScHLI (26), E. B. Witson (105, 107), von mir (17), RemnKE (91), 30 Theodor Boveri, Hitt (67), KosTanecki (72) und ERLANGER (36) mehr oder weniger eingehend beschrieben worden, und von diesen Autoren stimmen nicht zwei vollstandig miteinander tiberein. Wie die zum Teil sehr weit auseinandergehenden Angaben zu erklaren sind, werde ich nach Darlegung meiner eigenen Befunde naher eroértern ; einstweilen sei bemerkt, da’ der eine Hauptgrund fiir die Ditfe- renzen der ist, daf die einen Autoren nur die Centrosomen, die anderen nur die Centriolen gesehen haben, ein zweiter, dab da und dort die durch mangelhafte Konservierung verdorbenen Struk- turen als normal betrachtet worden sind. BeZiiglich der Methode bemerke ich, da’ alle im folgenden besprochenen Praparate mit Pikrinessigséure gehirtet worden sind. Schon friiher hatte sich mir dieses von O. und R. Hertwie fiir Seeigel-Eier eingefiihrte Hartungsmittel vorziiglich bewahrt. Um aber auch die Wirkung anderer Methoden auf diese Kier kennen zu lernen, veranlafte ich Herrn W. R. Cor, bei einem Aufenthalt in Neapel die verschiedensten Konservierungsfliissigkeiten zu ver- suchen. Die Schnitte lehrten jedoch, daf keines der angewandten Mittel die Pikrinessigséure tibertrifft, ja daf{ die meisten ihr nicht entfernt gleichkommen. Mein Verfahren war neuerdings dies, daf die Kier etwa 8 Tage in der Pikrinessigsiure verweilten und dann mit auferster Lang- samkeit ausgewaschen wurden, derart, daf zuerst successive kleine Mengen von 50-proz. Alkohol zugesetzt wurden, dann ebenso all- mahlich 70-proz. u. s. f. Ich wandte diese vorsichtige Behandlung an, weil ich an anderen Serien die Erfahrung gemacht hatte, dal auf gewissen Stadien sehr haufig durch Schrumpfung und Zer- reikungen die im folgenden zu betrachtenden Strukturen fast ginzlich vernichtet werden, wie auch die Angaben der Litteratur zum Teil auf solche Bilder gegriindet sind. Ob wirklich das lange Harten und das allmahliche Ueberfiihren von einer Fliissigkeit in die andere die Ursache ist: jedenfalls fehlen an dem so be- handelten Material derartige Zerstérungen nahezu ganz. So sehr nun auch alle Anzeichen dafiir sprechen, da8 die Konservierung der in dieser Arbeit besprochenen Praparate eine gute ist, so muff doch eine gewisse Variabilitat der Bilder, be- sonders in den feinsten Verhialtnissen, davor warnen, alles, was an den einzelnen Praparaten zu sehen ist, als dem lebenden Zu- stand véllig entsprechend zu betrachten. Ich bemerke dies haupt- sachlich deshalb, weil manches in meinen Schnitten sichtbare Detail eine ausfiihrlichere Besprechung finden mii&te, wenn mir Zellen-Studien. 31 nicht mein stets wachsendes Miftrauen gegen die Zuverlassigkeit unserer Methoden, soweit es sich um feinste Zellstrukturen handelt, eine betrachtliche Zuriickhaltung auferlegen wiirde. Daf die Vor- ginge, auf die ich hier Gewicht lege, sich im wesentlichen so ab- spielen, wie ich sie beschreibe, dariiber wird die Succession der einzelnen Stadien keinen Zweifel lassen. Von praktischer Wichtigkeit ist die merkwiirdige Erscheinung, daf sich anscheinend ganz gleich konservierte Serien von Echinus- Kiern der Eisenhimatoxylin-Farbung gegeniiber ganz verschieden verhalten kénnen: in dem einen Falle — an solchen Objekten habe ich friher den Befruchtungsvorgang untersucht — lassen sich durch Eisenhimatoxylin die Centrosomen sehr deutlich darstellen, wogegen ein Nachweis der Centriolen nicht gelingt, im anderen Falle bringt die Eisenhimatoxylin-Methode auf den meisten Sta- dien nur diese Kérner als schwarze Piinktchen zu deutlicher An- schauung. Leider fehlt mir jeglicher Anhaltspunkt, um zu _be- stimmen, worauf diese Verschiedenheit beruhen kénnte. So lange nicht eine Konservierungs- und Fiarbungsmethode ausfindig ge- macht ist, die im gleichen Praparat beide Gebilde deutlich sicht- bar macht, so lange wird die Beschaffenheit und Teilung der Cen- trosomen des Seeigel-Eies nur durch Kombination dieser beiden Arten von Praparaten genau erforschbar sein. Ich beschreibe zuerst jene Serie, an welcher die Centro- somen besonders gut hervortreten. Dabei beginne ich mit dem Stadium der fertigen ersten Teilungsfigur und verfolge von hier die Schicksale des Centrosoms bis annahernd zu dem _ gleichen Zustand in den beiden primaren Furchungszellen. Fig. 27 (Taf. III) zeigt einen Schnitt durch ein Ei mit fertiger erster Furchungsspindel. Wie ich friiher beschrieben habe, finde ich hier die Centrosomen als wohlbegrenzte kugelige Gebilde von betrachtlicher GréBe. Wie klar sich diese Kugeln darstellen lassen, lehrt die Abbildung, die in keiner Weise tibertrieben ist. Der Verdacht, der gegen meine friihere Angabe ausgesprochen wurde, dafi es sich in dem, was ich hier Centrosom nenne, um einen Teil der ,,Sphare“ handle, mu8 angesichts dieses Bildes fiir jeden, der wei, was VAN BENEDEN als ,,sphére attractive’s bezeichnet hat, hinfallig werden. Sphare in diesem Praparat ware der dichtere Strahlenbereich, von welchem nach aufen mehr vereinzelte Radien ausstrahlen; der helle Hof im Umkreis des kugeligen Kérpers kénnte als VAN BENEDEN’s ,,Markschicht“ aufgefaft werden. Der kugelige Koérper selbst, welcher nicht einen Teil des Strahlen- 32 Theodor Boveri, systems, sondern dessen Centrum darstellt, ist das Centralkérper- chen oder Centrosoma. Ob die deutliche Abhebung desselben von der Astrosphare durch den hellen Hof dem lebenden Zustand véllig entspricht, lasse ich unentschieden. Ich besitze Praparate, wo sich stark ge- farbte Radien bis an das Centrosom verfolgen lassen. Doch kénnten diese Verschiedenheiten sehr wohl Stadiumsunterschiede sein. Denn wenn man sieht, wie sehr sich der Bereich um das Centrosom spater aufhellt (Fig. 28, 29), so dtirfte der Hof in Fig. 27 wohl der erste Anfang dazu sein. Aber auch wenn es sich hier um ein Artefakt handeln sollte, wiirde doch das regel- mabige Eintreten einer solchen in vielen hundert Fallen beobach- teten Abhebung den Beweis liefern, daf an jener Stelle zwei ganz verschiedenartige Zellbestandteile aneinander grenzen. Zur Erginzung des Gesagten fiihre ich vor allem die Bilder an, die man erhalt, wenn man ungefarbte Schnitte in Wasser untersucht. Man erkennt dann im Centrum der Strah- lung einen sehr stark lichtbrechenden, kreisrunden Fleck von der in Fig. 27 gezeichneten Groéfe, der besonders bei schwacherer Vergrékerung mit grofer Scharfe aus der Umgebung hervorleuchtet. Der Effekt ist ungefahr der eines Actinosphaerium-Kerns im lebenden Zustande, nur wesentlich deutlicher. Daf ein besonderer, von der Umgebung stark differenter Kérper vorliegen mu, unterliegt da- nach keinem Zweifel. Was nun die feinere Zusammensetzung dieses Centralkérper- chens anlangt, so la8t sich in seiner Substanz, die ich fortan als Centroplasma bezeichnen will, bei keiner Untersuchungsweise eine Spur einer radiaren Struktur erkennen. Im itibrigen aber sind die Bilder wechselnd. Das eine Extrem ist eine blasse, gleich- miafig strukturierte Kugel von einer vielleicht schaumigen Be- schaffenheit in auSerordentlicher Feinheit. Der Ton ist bei Kisen- himatoxylin-Behandlung ein gelbbrauner und der Gegensatz zu den matt-graublauen Radien ein sehr deutlicher. In anderen Fallen, wie dem abgebildeten, halten die Centrosomen das Eisen- hamatoxylin in betrachtlicher Menge fest, so daB sie bei schwacherer Vergréferung als ziemlich dunkle Kérper erscheinen. Die Farbung ist aber keine diffuse, sondern auf ein Fadchenwerk lokalisiert, das die ganze Kugel ziemlich gleichmaBig durchsetzt. Der Ver- gleich mit einem Kerngeriist drangt sich unwillkirlich auf; trotz- dem bin ich keineswegs tiberzeugt, daf diese Strukturen pra- formiert sind. Endlich habe ich allerdings nicht aus dieser Serie Zellen-Studien. 33 durch sehr langes (8-tigiges) Belassen in der Farbfliissigkeit Pra- parate erzielt, wo das Centrosom durch und durch schwarz ge- farbt aus vollkommen entfarbter Umgebung hervortritt (Fig. 54, Taf. IV), so da8 nun auch diejenigen Forscher, welche fiir ein Centrosom volle Schwarzfairbung fordern, zufriedengestellt sein diirften. Fig. 28 (Taf. II) giebt ein Stadium mit noch nahe benach- barten Tochterplatten. Die beiden Centrosomen sind betrachtlich auseinandergertickt, ihr Abstand von der zugehérigen Tochter- platte aber nicht kleiner, als in der vorigen Figur der Abstand von der Aequatorialplatte. Die Entfernung der Schwesterchromo- somen voneinander beruht also, wie nebenbei bemerkt sein mag, in den Anfangsstadien nicht auf einer Annéiherung derselben an die Pole, sondern sie geht parallel mit einem Auseinanderweichen der Pole selbst. Die Centrosomen sind auf diesem Stadium etwas order geworden und nicht mehr kugelig, sondern deutlich in der Richtung der Spindelachse abgeplattet. Nicht selten aber erfolgt die Abplattung nicht genau in der Richtung der Spindelachse, sondern etwas schief dazu. Entsprechend seiner Vergréerung ist das Centroplasma heller geworden, dadurch auch der Gegensatz zur Umgebung nicht mehr ein so scharfer, wenn auch vollkommen deutlich. Sehr auffallend hat sich die Astrosphare verindert. Viele Radien haben sich auf das Doppelte verlangert und erreichen fast die Kioberfliche. Vor allem aber fallt auf, da die dichte und stark farbbare Zone der Sphare — ich will sie kurzweg Ver- dichtungszone nennen — welche sich in Fig. 54 (Taf. 1V) fast direkt dem Centrosom anschlieSt, nun weit hinausgeriickt und daf an ihrer friiheren Statte eine Aufhellung (zone medullaire) ein- getreten ist, welche jedoch gleichfalls eine auBerst feine Radiar- struktur erkennen abt. Fig. 29 (Taf. Ill). Die Schwesterchromosomen sind weiter auseinandergewichen, die Centrosomen nicht; es hat also inzwischen eine Annaberung der Tochterplatten an die Pole stattgefunden. Die Centrosomen sind sehr stark aufgequollen und dabei auferst blaS geworden. Ihre Abplattung ist noch deutlicher als in dem vorhergehenden Stadium, und eine entsprechende Umformung macht sich nun auch an den friiher kugeligen Sphiaren bemerkbar. Fig. 30. Dieses Bild unterscheidet sich hinsichtlich seiner ganzen Konfiguration kaum von dem der Fig. 29, ja die Tochter- platten sind in ihrer Wanderung gegen die Pole im Vergleich zu Bd. XXXV. N. F. XXVIII. 3 34 Theodor Boveri, Fig. 29 eher noch etwas zurtick. Dagegen haben sich hier Um- formungen in den Centrosomen vollzogen, die fiir den weiteren Verlauf von der gréften Bedeutung sind. Ich habe Bilder, wie das in Rede stehende, lange Zeit als ungentigend kon- serviert angesehen; allein sie kehren auf diesem Stadium immer wieder und, was viel wichtiger ist, sie bilden einen fast unabweis- baren Uebergang zu dem nachsten, in Fig. 31 abgebildeten Sta- dium, an dessen Realitiit jeder Zweifel ausgeschlossen ist. Sucht man nach Uebergingen zwischen Fig. 29 und 31, so miissen sie in Bildern, wie dem der Fig. 30, gesehen werden. An Stelle des zwar wenig hervortretenden, aber immer noch als ein dichterer Kérper erscheinenden Centrosoms der Fig. 29 finden wir hier, annihernd von gleicher Form und Grofe, ein lichtes Areal, viel heller und offenbar weniger dicht als die um- gebende Sphire, so dai man an die ,,Astrocoele“ Fou’s erinnert wird; in diesem Bereich ist eine dichtere, intensiv farbbare und gegen die Umgebung sehr undeutlich und unregelmabig abge- grenzte Scheibe entstanden, die, der Abplattung des Centrosoms folgend, auf der Spindelachse annahernd senkrecht steht. Die Deutung dieses und ahnlicher Bilder kann meines Er- achtens nur die sein, dafi in dem Centroplasma eine Scheidung vor sich geht in zweierlei Substanzen: eine mehr locker gefiigte, wahrscheinlich stark wasserreiche und in eine sehr dichte, welche sich aus jener auf einen scheibenformigen Bereich zusammenzieht. Das Ende dieses Prozesses ist erreicht in Fig. 31. Die un- regelmaBige Scheibe der Fig. 30 hat sich zu einer diinnen Platte zusammengezogen, die auf dem Durchschnitt wie ein dicker schwarzer, nach beiden Enden sich zuspitzender Strich erscheint. Der lockere Bereich des urspriinglichen Centrosoms dagegen, welcher in der vorigen Figur von der Sphiare noch deutlich ab- gesetzt ist, hat sich inzwischen untrennbar mit ihr gemischt, und man kann schon auf diesem Stadium erkennen, daf sich die Radiirstruktur der Sphare, wenn auch sehr verschwommen, durch den hellen Hof hindurch bis in die Nahe der Platte fortsetzt. Ich méchte den beschriebenen Proze8 in den Satz zusammen- fassen: Das Centrosom zieht sich, indem es einen Teil seiner Substanz absté8t, zu einer diinnen, auf der Teilungsachse senkrecht stehenden Platte zu- sammen. Wie schon in den vorhergehenden Stadien eine Umformung der Sphare entsprechend der Abplattung des Centrosoms bemerk- Zellen-Studien. 35 bar war, so zeigt sich dies nun in ausgeprigtester Weise auf dem in Rede stehenden Stadium. Das Ei ist noch immer kugelig; die Chromosomen beginnen sich zur Bildung der Tochterkerne aufzulockern, doch kénnen neben den abgebildeten plattenformigen Centrosomen noch yoéllig kompakte Chromosomen gefunden werden. Ehe ich in der Betrachtung solcher, die Teilungsachse ent- haltenden Schnitte fortfahre, will ich hier eine Besprechung der Bilder einschalten, welche das Centrosom und seine Umgebung auf Schnitten senkrecht zur Teilungsachse sowohl auf den bisher betrachteten, als auch auf einigen noch weiter vorge- schrittenen Stadien gewihrt. In den Stadien der Figg. 27—29 sehen die Centrosomen bei polarer Ansicht typischer Weise ganz ebenso aus wie in der Seitenansicht. Ein wesentlicher Unter- schied tritt erst hervor, wenn sich das Centrosom zur Platte zu- sammenzieht. Eine polare Ansicht dieses Stadiums, ungefahr dem der Fig. 30 entsprechend, ist in Fig. 41 (Taf. IV) gezeichnet. Man sieht ein netzig-kérniges Areal, nicht véllig rund und sehr unregelmabig begrenzt, mit vorspringenden Zacken; das ist das in Kontraktion zur Platte befindliche Centrosoma. Dem Zustand der Fig. 31 (Taf. II) entsprechen polare An- sichten wie die der Fig. 42 (Taf. IV). Man ist vielleicht im ersten Augenblick tiberrascht, daf8 das so ungemein scharf ausgepragte Centrosom der Fig. 51 bei polarer Ansicht ein so zartes ver- schwommenes Bild geben soll. Allein wenn man bedenkt, wie diinn die Schicht von Centroplasma ist, die hier in der Richtung der optischen Achse vorliegt, so wird man verstehen, dal die beiden Bilder zusammengehéren. Die Platte ist nicht kreisrund, sondern langlich-oval, ihr Rand zwar annahernd glatt, aber auberst zart und unbestimmt, was nicht wunder nebmen kann, wenn man an den anderen Schnitten darauf achtet, zu welch einer ungemein feinen Kante sich der Rand zuscharft. Die Radien der Sphare lassen sich bis unmittelbar an diesen Rand verfolgen, ja es scheint nach Schnitten, wie dem der Fig. 31, als wenn ein besonders starker Kranz von Radien sich an den Rand der Platte ansetze. Dieses Stadium der Abplattung fiihrt nun fast unmerkbar iiber zur Zweiteilung des Centrosoms. Betrachtet man un- gefarbte Schnitte in Wasser auf dem Stadium spiater Anaphase oder beginnender Kernrekonstruktion, so kann man an vielen Pra- paraten bei polarer Ansicht sehr deutlich zwei starker licht- brechende Verdichtungen im Innern des Strahlenkranzes wahr- 3 * 36 Theodor Boveri, nehmen. Die entsprechenden Bilder an gefarbten und in Kanada- balsam eingeschlossenen Priparaten sind duferst zart und auch einigermafen wechselnd, was zum Teil wohl von verschiedenartiger Konservierung, zum Teil aber sicher von einer nicht geringen Variabilitat des Geschehens herriihrt. Ich beschreibe eine Serie von Zustainden, die ich weitaus am hiaufigsten angetroffen habe, und die in der Reihenfolge, in der ich sie angeordnet habe, wohl einer aus dem anderen entstanden zu denken sind. Schon in der besprochenen Fig. 42 (Taf. IV) zeigt sich in der Mitte des Centrosoms eine von der einen Langsseite zur anderen verlaufende Aufhellung, die als der erste Beginn der Zwei- teilung anzusehen sein diirfte. Ein unzweifelhaftes Teilungs- stadium giebt Fig. 43. Die Platte hat sich noch weiter gestreckt und ist hantelformig geworden: zwei rundliche Endanschwellungen sind durch einen breiten Stiel miteinander verbunden. Wahrend die Enden die friihere schaumig-retikulare Struktur beibehalten haben, ist das Maschenwerk des Verbindungsstieles deutlich zu Langsztigen angeordnet. Von grofem Interesse ist das Verhalten der Sphare., Innerhalb der Verdichtungszone, welche in annihernd rings gleichem Abstand das Centrosom umgiebt, findet sich ein lichteres Areal von einer ungemein feinen und verwickelten Struktur. Wahrend hier einerseits Faserztige sichtbar sind, welche sich als Fort- setzungen der peripheren alten Radien nach innen verfolgen lassen, stellen sich die angeschwollenen Enden der Centroplasmascheibe als neue Strahlencentren dar, was besonders in dem Auftreten von Radiensystemen, die dem Aequator zustreben und sich hier mit denen der anderen Seite durchkreuzen, zum Ausdruck kommt. Auch in der Verdichtungszone, deren Radien in der Hauptsache noch auf das Centrosom als Ganzes centriert sind, macht sich doch auch schon der Einfluf’ der beiden neuen Centren in einer deutlichen Ablenkung einzelner Radien bemerkbar. Es ist dies in der Zeichnung einigermafen angedeutet, doch ist es kaum moéglich, den Eindruck des Praparates selbst vollkommen wiederzugeben. Die vorziigliche Erhaltung dieser so auferordentlich zarten Strukturen scheint mir ein sicherer Beweis dafiir zu sein, da& die Konservierung der Praparate im wesentlichen dem lebenden Zustand entspricht. Das Bild der Fig. 44 (Taf. IV) schlieSt sich dem beschriebenen eng an. Die Zweiteilung ist dadurch eine noch scharfere ge- worden, daf} der Verbindungsstiel sich erheblich verdiinnt hat. Zellen-Studien. or Die Endanschwellungen, die in ihrer Form sich einem Rhombus nihern, heben sich nun viel auffallender ab. Die Sphare verhalt sich wie im vorigen Bild, nur haben die beiden innerhalb des alten Systems entstandenen neuen Strahlensysteme entschieden an Deutlichkeit gewonnen. Kehren wir nun von diesen polaren Ansichten wieder zu Schnitten zuriick, welche die Teilungsachse der Linge nach ent- halten, so ist es klar, da die Bilder verschieden sein miissen, je nach der Richtung, in welcher der Schnitt die sich streckenden und zur Teilung vorbereitenden Centrosomen getroffen hat. In dem Schnitt der oben schon besprochenen Fig. 31 (Taf. IL) sind offenbar die beiden Centrosomen nach ihrem gré$ten Durchmesser getroffen; eine leichte Aufhellung, bezw. Verdiinnung in der Mitte spricht dafiir, daf{ der Zustand ziemlich genau dem der Fig. 42 entspricht. Durchschnitte, welche den in Fig. 43 und Fig. 44 abgebildeten Flachenansichten des Centrosoms entsprechen, sind in Fig. 32 (Taf. Ilf) und 49 (Taf. IV) wiedergegeben. Fig. 32 zeigt den seltenen Fall, dafi die Teilungsrichtungen der beiden Centrosomen nicht parallel, sondern senkrecht zu einander stehen. Das linke Centrosom ist der Linge nach getroffen; man erkennt ganz deut- lich die in den Flachenansichten allerdings viel starker ausgepragte Zweiteilung. Wie dort, so laft sich auch hier erkennen, dai die beiden Endanschwellungen zu den Centren von zwei neuen Radien- systemen geworden sind. Ein fast identisches Bild zeigt das in Fig. 49 (Taf. IV) dargestellte Ei; doch ist gerade hier der Verlauf der neuen Radien besonders klar zu verfolgen. Die Anordnung derselben lafit keinen Zweifel, daf die Radien eines jeden der beiden neuen Systeme nicht auf einen Punkt_ hinstreben, sondern daf die Endanschwellung der bisquitférmi- gen Platte als Ganzes den Strahlenmittelpunkt bildet. Auf der rechten Seite der Fig. 32 ist das Centrosom senk- recht zu seiner Langsrichtung getroffen, und zwar enthalt der der Zeichnung zu Grunde liegende Schnitt die eine Endanschwellung in Gestalt eines nach den Seiten kantig zugeschirften Korpers, von dem ringsum, am starksten aber von den Kanten, Radien entspringen. Wenn durch die beschriebenen Prozesse auch bereits die beiden Tochtercentrosomen angelegt sind, so dauert es doch noch 38 ° Theodor Boveri, sehr lange, ehe sie zu vollstandiger Selbstaindigkeit gelangen; bis nach voller Ausbildung der Kerne bleiben sie aneinander gekoppelt. Die wichtigste Weiterbildung wahrend dieser Periode ist die, da8 die Zusammenziehung des Centrosoms, die zuniéchst nur in der Richtung der Teilungsachse stattgefunden und zur Abplattung ge- fiihrt hat, sich nun auch in allen anderen Richtungen vollzieht, so dafi das bisquitférmige Gebilde unter Beibehaltung dieser Form betrachtlich kleiner wird und dabei entsprechend an Farbbarkeit gewinnt. Ob diese Verkleinerung stets so weit geht, wie meine Abbildungen zeigen, ist nicht ganz sicher festzustellen, da der jeweilige Zustand des Kernes und auch die Durchschniirung des Zellkérpers nicht immer genau mit der namlichen Phase in der Umwandlung der Centrosomen parallel geht. Ich verweise zunaichst auf die polare Ansicht der Fig. 45 (Taf. IV), die sich leicht aus dem Zustand der Fig. 44 ableiten laSt. Die beiden Enden des Centrosoms sind noch annahernd rhombisch, aber viel dichter geworden; besonders intensiv farbbar ist der ganz kompakt gewordene Verbindungsstiel. Die Sphare hat sich kaum verandert; nur die beiden neuen Radiensysteme pragen sich noch scharfer als friiher aus. Durchschnitte in der Richtung der alten Teilungsachse aus dieser Periode sind in Fig. 50 und 51 wiedergegeben. Sie zeigen gleichfalls die auffallende Verkleinerung des Doppelcentrosoms, die in Fig. 50 ihren héchsten Grad erreicht hat. Zugleich lehren diese Bilder, wie sich das Centrosom dem entstehenden und wachsenden Kern annahert, bis es sich in seiner ganzen Linge der Kernmembran anschmiegt. Demgemaf ist auch in den ent- sprechenden Polaransichten stets wenigstens eine Kappe des Kernes mit in dem Schnitt enthalten, doch wurde dies vernachlissigt, um die Deutlichkeit des Bildes nicht zu beeintrachtigen. Allmahlich findet wieder eine Streckung des hantelf6rmigen Centrosoms statt, wie die Polaransicht Fig. 47 (Taf. IV) erkennen - laBt. Der Stiel der Hantel verlingert sich und scheint sehr haufig leicht S-foérmig gekriimmt zu sein. Die Endanschwellungen sind wenig hervortretend; nicht selterfand ich sie in eine oder einige feine Spitzen ausgezogen, wie dies in Fig. 47 zu sehen ist. Mit erdfter Deutlichkeit treten nun die beiden neuen Radiensysteme hervor. Aber auch die alte Astrosphire ist noch nicht erloschen, ihre Verdichtungszone formt sich ganz parallel mit der Streckung des Centrosoms um, und der Verlauf der peripheren Radien weist noch grofienteils auf das alte einheitliche Centrum hin, wenn auch Zellen-Studien. 39 bereits die neuen Centren anfangen, ihre Wirkung bis in die Peripherie zu erstrecken. Es kommen dabei Bilder zustande, die sich kaum zeichnen lassen: eine Durchkreuzung des alten und der neuen Systeme, die ich friiher (12) nach dem Leben als das Stadium der ,,Strahlenverwirrung“ beschrieben habe. Ein Langsdurchschnitt durch das sich teilende Ei wihrend der Streckungsperiode des Centrosoms ist in Fig. 33 (Taf. IID) wiedergegeben; die beiden Centrosomen sind der Linge nach zu sehen. Hier treten die Endanschwellungen gar nicht hervor; nur durch die darauf gerichteten neuen Radien werden sie markiert. Sie streben beiderseits tiber den Kern hinaus, der in seiner Form sehr auffallend von dem Centrosom beeinfluBt ist. Es scheint in der Kernvakuole eine Tendenz vorhanden zu sein, sich méglichst dicht dem schwach gekriimmten und hierin wahrscheinlich seiner- seits vom Kerne beeinflu’ten Centrosom anzuschmiegen. Zum letzten Mal begegnet uns hier die Verdichtungszone der alten Sphare, in ihrer Form bestimmt durch die in ihr gelegenen Ge- bilde: Centrosom und Kern. Die allmahliche Umgestaltung dieser Verdichtungszone von der Kugelform bis zu-dem eben beschriebenen Stadium stimmt aufs beste tiberein mit dem, was man an lebenden Eiern sieht und was bis auf diesen Tag durch die alten Zeichnungen von O. Hertwia (60, Taf. XII) noch immer am besten illustriert wird. Was dort als homogener, kérnchenfreier Fleck erscheint, entspricht genau dem Bereich, der in meinen Figuren durch die dufere Grenze der Verdichtungszone (Sphare im Sinne VAN BENEDEN’s) markiert wird. Damit ist fiir die bisher noch immer unsicher gewesene Deutung der Bilder, die das lebende Seeigel-Ei gewahrt, eine Grundlage gegeben, die vor allem zu dem Satze fihrt, da8 wir von denjenigen Teilen, welche im Praparat den deutlichsten radiaren Bau besitzen, namlich von der Verdichtungszone der Sphare und von allem, was innerhalb derselben gelegen ist, im Leben gar nichts wahrnehmen, so dafi man annehmen mu, daf die Sphiren-Radien im lebenden Seeigel-Ei tiberhaupt nur indirekt, d. h. dann sichtbar werden, wenn zwischengelagerte Eibestandteile, wie die Dotterkérnchen, durch die Radien in entsprechende Radiar- bahnen angeordnet werden. Solange nun auch bereits die beiden Tochtercentrosomen an- gelegt sind und eine gewisse Wirkung auf ihre Umgebung ent- falten, so ist es doch erst nach der vollen Durchschniirung des Eies in zwei Zellen, daf die Enden unseres Doppelcentrosoms sich 40 Theodor Boveri, scharfer individualisieren und, in gegenseitiger Beschrankung, den ganzen Zellleib zu beherrschen beginnen. Leider geht mein Ma- terial mit dieser Phase zu Ende, und nur einzelne in der Ent- wickelung vorausgeeilte Kier setzen mich in den Stand, den Vor- gang der Centrosomteilung noch tiber einige weitere Stadien zu verfolgen. Zwei Praiparate des Zweizellenstadiums nach eben erfolgter Durchschniirung sind in Fig. 34 und 35 (Taf. III) abgebildet. Die beiden Schnitte, beide die alte Teilungsachse enthaltend, stehen auf einander senkrecht. Fig. 34 zeigt den abermals gewachsenen Centrosombiigel der Linge nach. Seine Enden, die beiden 'Tochter- centrosomen, sind entschieden gewachsen und heben sich deutlicher von dem Verbindungsstiel ab. Sie haben dabei an Farbbarkeit verloren und lassen wieder deutlicher eine retikulare Struktur er- kennen. Die von ihnen entspringenden neuen Radien haben sich michtig verstarkt, vermehrt und in die Peripherie ausgedehnt. Damit ist die alte Sphaire verschwunden. Zur Erginzung dient Fig. 35, in welcher der in der Mitte durchschnittene Verbindungsstiel des Doppelcentrosoms als ein der Kernmembran anliegender, unregelmalig begrenzter schwarzer Punkt erscheint. Wer solche Bilder, die oft ungemein scharf sind, zum ersten Mal sieht, kénnte leicht auf den Gedanken kommen, das ganze Centrosom vor sich zu haben; allein schon der Ver- gleich mit den Nachbarschnitten des gleichen Kies lehrt, daf es. nur ein Durchschnitt durch den Biigel ist. Ich habe in Fig. 40a—d (Taf. III) 4 aufeinander folgende Schnitte durch ein 4hnliches Ei abgebildet, welche diese Verhiltnisse sehr klar illustrieren. Von der linken Furchungszelle sieht man in a das angeschnittene Ende des einen Tochtercentrosoms, in b dessen Hauptmasse neben einem Anschnitt des Kernes, in c den Kern in seiner gréSten Aus- dehnung getroffen, ihm anliegend den aus 2 Fasern bestehenden Verbindungsstiel, in d das andere Tochtercentrosom. In der rechten Zelle zeigt der Schnitt a das eine Ende des Kernes, an ihm herablaufend den Verbindungsstiel, in das eine Tochter- centrosom iibergehend, b enthailt den Haupttei] des Kernes und den durchschnittenen Biigel, c das andere Tochtercentrosom, von dem ein kleines Endchen noch in d enthalten ist. Je nach der Schnittrichtung stellt sich demnach das in Teilung begriffene Centrosom in sehr wechselnder Weise dar; doch lassen sich, wenn man einmal die Verhaltnisse richtig erkannt hat, die verschiedenen Bilder leicht aufeinander beziehen. Zellen-Studien. 41 Es macht den Eindruck, als sei es der Verbindungsstiel, der durch seine Streckung die Centrosomen auseinanderschiebt, bis sie an nahezu entgegengesetzten Seiten des Kernes angelangt sind (Fig. 34 und 52). Ist dieser Zustand erreicht, so beginnt sich der Stiel riickzubilden. Ein Bild dieser Art in polarer Ansicht, welches in diesem Punkte die genauesten Aufschliisse giebt, ist in Fig. 48 (Taf. IV) wiedergegeben; der Kern ist hier in seiner gréften Aus- dehnung eingetragen. Die jungen Tochtercentrosomen ragen zapfen- artig iiber den Kern, dem sie mit etwas verbreiterter Basis auf- sitzen, hinaus. Verfolgt man nun von diesem optischen Schnitte aus durch allmahliches Heben des Tubus die Kernoberfliche, so -erkennt man, daf sich zwischen den beiden Centrosomen noch Reste des friiheren Biigels in Gestalt einiger unregelmiifiger Striinge hinziehen. Dieses und ahnliche Bilder sprechen dafiir, daf der Biigel unter allmahlicher Auffaserung in loco aufgelést, also nicht in die beiden Tochtercentrosomen eingezogen wird. Das letzte Stadium, welches ich von dieser Serie besitze, ist das in Fig. 36 (Taf. III) abgebildete. Die beiden Zellen sind nicht genau im gleichen Zustande; in der linken ist der Biigel zwischen den beiden Centrosomen noch deutlich nachweisbar, wenn auch bereits in Entartung begriffen, die Centrosomen selbst liegen be- reits an nahezu opponierten Kernseiten, sind aber noch in der Richtung ihres Verbindungsstieles verlingert und imponieren noch immer als Endanschwellungen desselben. In der rechten Zelle ist von dem Biigel nichts mehr vorhanden; die Tochtercentrosomen sind dadurch ganz unabhangig voneinander geworden, sie haben sich mehr konzentriert und sitzen in Gestalt kurzer, abgestumpfter Kegel der Kernmembran auf. Eine miichtige Doppelstrahlung durchsetzt den ganzen Zellkérper. Damit sind wir unserem Ausgangsstadium, der fertigen Tei- lunesfigur, wenigstens so weit wieder nahe gekommen, da die Liicke, die uns noch davon trennt, leicht tiberbriickt werden kann. Der Hauptunterschied besteht darin, daS in der fertigen Spindel, wie sie Fig. 27 vom Ei zeigt, die Centrosomen noch etwas gréfer und kugelig geworden sind, sodann daf die Astrosphare sich wesentlich geindert hat, indem die peripheren Radien zum gréBten Teil riickgebildet und um das Centrosoma eine Aufhellung ein- getreten ist, welche dieses Kérperchen nun mit voller Deutlichkeit als etwas Specifisches hervortreten la8t. In welcher Weise dieses letztere Bild aus dem in Fig. 36 entsteht, dartiber kann eine 42 Theodor Boveri, Meinungsverschiedenheit kaum stattfinden, so daf ich auf eine nihere Erérterung verzichten darf. Vergleicht man Bilder, wie Fig. 36, 48, 52 und 53, mit einander, so fallen weitgehende Verschiedenheiten in der Gestalt der sich bildenden Tochtercentrosomen auf, von den gedrungenen Kérpern der Fig. 86 bis zu den weit tiber den Kern hinaus- ragenden diinnen Stiften der Fig. 53. Wie weit hierfiir Phasen- unterschiede, wie weit individuelle Variationen bedingend sind, vermag ich bei der Sparlichkeit, mit der diese Stadien in meinem Material vertreten sind, nicht zu entscheiden. Der Zustand der Fig. 53, den ich so ausgepragt nur in diesem einen Ei gefunden habe, diirfte wohl als Ausnahme anzusehen sein. Doch ist er gerade von besonderem Interesse wegen der Richtung der Spharen- strahlen, worauf ich im allgemeinen Teil zuriickkommen werde. Seit dem Erscheinen meiner Arbeit tiber die Centrosomen im befruchteten Seeigel-Ei (17) sind von verschiedenen Seiten, von M. D. Hitt (67), von KosTaNnecki (72), zuletzt von ERLANGER (36) in den Spharen dieser Eier kleine, in Eisenhimatoxylin intensiv firbbare Kérner nachgewiesen worden, die, in einem verschieden sich darstellenden ,,Hof“ gelegen, von allen diesen Autoren als Centrosomen in Anspruch genommen werden. Daf ein solches Korn in dem von mir beschriebenen und im Vorstehenden wohl iiber jeden Zweifel nachgewiesenen Centrosoma vorhanden sei, konnte mich um so weniger tiberraschen, als ich ja selbst zuerst in dem Centrosom des Ascaris-EKies ein derartiges ,Central- korn‘ aufgefunden hatte. Es ist also der Nachweis dieses Ge- bildes nicht etwa, wie man es darzustellen beliebt hat, eine Widerlegung meiner Auffassung, sondern nur eine mir sehr will- kommene Erginzung zu meinen Beobachtungen gewesen. Ich hatte selbst, eben auf Grund meiner Erfahrungen an Ascaris, eifrig nach diesem Korn im Seeigel-Ei gesucht, aber vergeblich. Da8 ich es, falls es an meinen damaligen, im Vorstehenden genauer _ be- schriebenen Praparaten tiberhaupt darstellbar ware, hatte finden kénnen, méchte ich glauben. In der That zeigte mir schon im Jahre 1896 eine in Neapel zu anderen Zwecken in Pikrinessigsiure eingelegte Serie von Echinus-Kiern, die mit Strongylocentrotus-Samen befruchtet waren, diese Centralkérner in jedem Priparat, und ebenso sind sie in einer mir von Herrn Kollegen Soporvra giitigst besorgten Serie Zellen-Studien. 43 von Echinus microtuberculatus, gleichfalls in Pikrinessigséure kon- serviert, aufs klarste zu sehen. Die im folgenden beschriebenen Praiparate stammen saimtlich aus dieser letzteren Serie. Schon oben habe ich auf die héchst merkwiirdige Thatsache aufmerksam gemacht, da’ sich die Centrosomen dieser Serie ganz anders gegen Kisenhamatoxylin verhalten als die der zuerst be- schriebenen. Dort sind die mit Eisenhimatoxylin behandelten Centrosomen auf dem Stadium der Aequatorialplatte gewéhnlich mikig gefirbt, sie nehmen mit ihrer Aufquellung immer mehr an Farbbarkeit und damit an Deutlichkeit ab. Erst das zur Platte zusammengezogene Centrosom fiirbt sich intensiver, um auf dem Stadium der verkleinerten Hantel die gréfte Affinitat fiir den Farbstoff zu gewinnen, die dann allmahlich wieder abnimmt. Die zweite Serie verhalt sich fast genau umgekehrt. Hier nimmt die Farbbarkeit der Centrosomen im allgemeinen mit der Vergréferung zu, so daf die kolossal aufgequollenen Centro- plasmen, wie sie in Fig. 58 (Taf. V) gezeichnet sind, in einer ganz hellen Umgebung nahezu schwarz gefarbt sein kénnen. Wenn dann die Hauptmasse des Centroplasmas abgestoSen wird und das hantelformige Doppelcentrosom sich zu differenzieren beginnt, nimmt die Fiarbbarkeit ab und zwar in dem Make, daf die dem Kern angeschmiegte Hantel nicht die leiseste Spur von Farbe fest- zuhalten vermag und so stets als ein helleres Areal aus der Um- gebung absticht. Die Tochtercentrosomen bewahren diese Eigen- schaft bis ungefihr zur Zeit der Kernauflésung; dann werden sie wieder farbbar. — Aber nicht nur das Verhalten gegen unsere Reagentien ist in diesen Eiern ein anderes; auch der Verlauf der Teilungsprozesse weicht nicht unerheblich von dem, was die andere Serie zeigte, ab. Ich beginne auch hier mit dem Stadium der fertigen ersten Furchungsspindel. Betrachtet man ungefarbte Schnitte in Wasser mit maliger Vergréferung (Obj. 7 von Lerrz), so treten, fast noch schirfer als in der anderen Serie, die Centrosomen mit aufer- ordentlicher Klarheit als stark lichtbrechende Kugeln hervor. So schwer es manchem modernen Zellenforscher fallen mag, ein Objekt in dieser einfachen Weise zu betrachten, so méchte ich doch dringend empfehlen, diese Art der Untersuchung wenigstens ein- mal anzuwenden, da dann sofort jeder Zweifel an der Richtigkeit meiner Angaben schwinden wird. Bei der Behandlung mit Eisenhimatoxylin verhalten sich die Centrosomen etwas verschieden. In manchen Fallen bleiben sie 44 Theodor Boveri, ziemlich dunkel und heben sich dann ebenso klar von der Um- gebung ab, wie die der Fig. 27 (Taf. II), ja selbst volle Schwarz- farbung kann, wie Fig. 54 (Taf. IV) lehrt, erzielt werden. Ge- wohnlich aber zeigen sie bei starkerer Entfarbung nur einen briunlichen Ton, der sie wenig hervortreten laBt. Das Centro- plasma dieser Serie macht auf dem in Rede stehenden Stadium einen nahezu homogenen Eindruck. Ist die Entfirbung gentigend vorgeschritten, so lassen sich in einem Ei wie im anderen die Centriolen nachweisen als schwarze Piinktchen, deren ungefahre Grébe aus Fig. 56 und 57 (Taf. V) zu ersehen ist. Ich glaube, dafi auf dem Stadium der Aequatorialplatte bereits in jedem Cen- trosom zwei Centriolen vorhanden sind‘). Die seltenen Falle, wo nur eines zu sehen ist, diirften wohl durch Deckung zu er- klaren sein. In allen gut konservierten Eiern fand ich die Schwestercentriolen, soweit sich dies schatzen lat, von gleicher Gréfe und als einfache Piinktchen, die so klein sind, daf ich eine Angabe iiber ihre Form fiir unméglich halte. In einer anderen Serie dagegen, die nach allen Anzeichen viel weniger gut kon- serviert ist, finde ich an Stelle dieser Kérnchen betrachtlich gréfere und oft unregelmaifig zackige oder wie aus mehreren Teilchen zusammengesetzte Gebilde, die ich bei ihrer grofen Variabilitat fiir Artefakte halten muf, und die, wie mir scheint, so zu erklaren sind, daf bei der Konservierung Teile des Centroplasmas sich um die Centriolen zusammengebacken und so eine gréfere farbbare Masse gebildet haben. Beziiglich der Lagerung der beiden Schwestercentriolen ist vor allem die Thatsache erwahnenswert, daf ihre Verbindungslinie zur Achse der karyokinetischen Figur jede beliebige Stellung einnehmen kann, und daf auch zwischen den beiden Centrosomen keinerlei Beziehung in der Stellung ihrer Centriolen zu bestehen scheint. Ich beschranke mich auf die Wiedergabe eines Falles, wo die Centriclen in dem rechten Centrosom in der gleichen op- tischen Ebene legen und ihre Verbindungslinie mit der alten Teilungsachse einen spitzen Winkel bildet, waihrend im _ linken das eine bei héherer, das andere bei tieferer Einstellung sichtbar wird und ihre Verbindungslinie auf der Teilungsachse ungefahr senkrecht steht. 1) Kostranecxr (72) hat in Fig. 8 einen Fall abgebildet, wo schon neben dem ersten Furchungskern in dem einen Pole 2 Cen- triolen vorliegen. Zellen-Studien. 45 Fast stets finde ich die Entfernung der Schwestercentriolen voneinander annihernd so, wie in dem rechten Centrosom der Fig. 56 (Taf. V); sie liegen meist in einem Durchmesser des kugeligen Centrosoms und das eine so weit von der Oberfliche abstehend, wie das andere. Doch kommen recht merkbare Ab- weichungen von dieser Regel vor. Die Figg. 57 und 58 zeigen Stadien, wie sie in Fig. 28—30 von der anderen Serie gezeichnet sind; die allgemeine Ueberein- stimmung ist leicht zu konstatieren, wenn auch der Habitus der Praparate ein ziemlich verschiedenartiger ist. Am auffallendsten verschieden ist das Verhalten der Centrosomen, welche mit ihrem Wachstum das Eisenhimatoxylin immer ziher festhalten. Man kénnte denken, das Praparat der Fig. 58 sei weniger entfirbt, allein dieser Einwurf wird sofort hinfallig, wenn man sieht, daf in einem und demselben Schnitt ganz ausnahmslos die Centro- somen auf Stadien der Fig. 56 blaf, auf denen der Fig. 58 tief dunkelgrau und die mittleren Zustainde entsprechend zwischen beiden gefarbt sind. Bei dieser Umwandlung verindert sich auch das Gefiige des Centroplasmas, es nimmt an denjenigen Praparaten, die ich fiir die besten halte, eine mit der Vergréferung immer deutlicher hervortretende wabige Struktur an. In anderen Pra- paraten zeigen sich mehr netzige Bildungen, mit stark farbbaren K6rnchen durchsetzt. Wie wir an der anderen Serie konstatiert haben, so ist auch hier die Vergré%erung der Centrosomen mit einer Formveranderung verbunden, fiir deren Feststellung vor allem Schnitte senkrecht zur Teilungsachse, da sie vollkommen eindeutig sind, in Betracht kommen. Sie lehren, in Kombination mit Schnitten, welche die Teilungsachse enthalten, da die Centrosomen bei ihrer Ver- eréfherung zunichst kugelig bleiben. Dann platten sie sich in der Richtung der Teilungsachse ab, sehen also bei polarer Ansicht noch kreisrund aus (Fig. 60); sie sind linsenférmig geworden. Endlich strecken sie sich in einer zur alten Teilungsachse senk- rechten Richtung. Diese Endform ist aus Fig. 58 und 62 zu er- sehen. In manchen Fallen scheint die Streckung mit der Ab- plattung Hand in Hand zu gehen, so da’ die Linsenform iber- sprungen wird. Wir wollen nun hier Halt machen, um uns den Schicksalen der Centriolen wahrend der besprochenen Periode zuzuwenden. Sowohl die dunklere Farbung des Centroplasmas als besonders seine veriinderte Struktur erschwert auf diesen Stadien die Auffindung dieser Kérperchen ungemein, ja macht sie in sehr 46 Theodor Boveri, vielen Fallen unméglich. Schon im Stadium der Fig. 57 beginnt sich dies geltend zu machen; doch gelang es mir hier meistens noch, die Centriolen unzweifelhaft zu erkennen. Von spateren Stadien dagegen sind mir nur sehr wenige Priaparate zu Gesicht gekommen, wo nicht wenigstens einige Kérnchen im Centroplasma verstreut waren, die nach Gréfe und Farbbarkeit ebenso gut Cen- triolen sein kénnten wie die beiden, die wir zur Zeit der Aequa- torialplatte gefunden haben. In der Regel sind auf Stadien, wie dem der Fig. 58, zahlreiche solche Kérnchen vorhanden. Sollte hier eine Vermehrung der Centriolen eingetreten sein, wie WILSON sie angenommen hat? Ich glaube, daf diese Annahme, so naheliegend sie einmal sein mochte, heute als sehr unwahrschein- lich bezeichnet werden muff. Der Uebergang der beiden in einem Spindelpol gelegenen Centriolen auf die zwei nachsten Pole ist fiir mehrere Objekte tiber allen Zweifel sichergestellt, und es ist gewil von vornherein anzunehmen, daf tiberall, wo im Muttercentrosom 2 solche Kérnchen vorhanden sind, ihre Bestimmung die gleiche sein wird. Man werfe einstweilen einen Blick auf Fig. 68, von welchem Stadium an mir der Nachweis je eines Centriols in den beiden auseinanderweichenden Tochtercentrosomen in fast allen genauer analysierten Fallen wieder mit Sicherheit méglich war. Sollten diese Centriolen Neubildungen sein? Oder sollten sie aus- gewahlt sein aus den auf eine grofe Zahl vermehrten Centriolen des Muttercentrosoms? Hier wird doch, ehe zwingende Griinde dagegen sprechen, die Annahme die meiste Berechtigung haben, daf die beiden Centriolen unverdndert fortbestehen und nur durch neben ihnen auftretende Kérnchen von gleichem Aussehen — und wie unendlich wenig will dies bei Gebilden von solcher Kleinheit sagen — fiir einige Zeit nicht mehr erkennbar sind. Im itbrigen sprechen meine Praiparate entschieden gegen eine Entstehung dieser letzteren Kérnchen durch Teilung der beiden Centriolen. Denn auf Stadien, wie dem der Fig. 57, wo die ersten tiberzahligen Koérnchen aufzutreten pflegen, finde ich sie oft in der Peripherie des Centrosoms, in weitem Abstand von den beiden unverandert erscheinenden primiaren. Das Wichtigste aber ist der Umstand, daf in den besprochenen ungiinstigen Stadien sehr hiufig eine besondere Struktur im Centro- plasma nachweisbar ist, durch welche 2 Kérnchen vor den anderen ausgezeichnet werden, so daf es kaum zu kiihn sein diirfte, sie als die Centriolen in Anspruch zu nehmen. Diese Struktur ist eine fadenformige Differenzierung, wie sie in Fig. 59, 60, 61 und 62 Zellen-Studien. 47 gezeichnet ist. Ich habe sie in so vielen Fallen gesehen, dal an eine Zufalligkeit des Praparates nicht zu denken ist. In seitlichen Ansichten der Teilungsfigur ist das Bild sehr ahnlich demjenigen der Platte in den Centrosomen der anderen Serie (Fig. 59), und es liegt auch in der That, wie verschiedene Kin- stellung lehrt, eine solche scheibenformige Verdichtung hier vor. Allein in dieser ist, wie die Polaransichten ergeben (Fig. 60 u. 62), noch ein besonderes Fiidchen vorhanden. Von Wichtigkeit ist nun, daf schon auf Stadien, wo die etwas auseinandergeriickten Cen- triolen noch mit voller Sicherheit diagnostiziert werden kénnen (Fig. 57), ein in wechselnder Weise sich darstellender Verbindungs- strang zwischen ihnen nachweisbar ist. Diesen Strang halte ich fiir identisch mit dem spateren Fiadchen, und 2 an den Enden dieses Fadchens mehr oder weniger deutlich hervortretende Kérn- chen miissen dann die Centriolen sein. Am klarsten fand ich diese Verhiltnisse auf einem Objekttrager, den ich mehr als 14 Tage in der Hamatoxylinlésung belassen und dann sehr lange mit der Eisenlésung behandelt hatte. Fig. 61 ist diesem Praparat entnommen. Es zeigt sich hier ein hellerer Hof im Umkreis des Fadchens, so daf dieses mit seinen Endkoérnchen in aller nur wiinschenswerten Deutlichkeit hervortritt 1). Auch ist gerade dieses Praparat durch das Fehlen anderer Kérnchen sehr giinstig. Aber auch, wo zahlreiche solche Kérnchen vorhanden sind, wird man durch Vergleichung einer grofen Zahl von Praparaten zu der Ueberzeugung gelangen, da 2 von ihnen, immer an gleicher ausgezeichneter Stelle wiederkehrend, von besonderer Art sind. Ist dieses richtig, so ergiebt sich aus der Vergleichung der einzelnen Stadien, da die Verbindungslinie der Centriolen, die anfanglich jede beliebige Stellung einnehmen kann, spiter in be- stimmter Weise orientiert wird. Sie stellt sich, wie mir scheint, zunachst senkrecht zur alten Teilungsachse und weiter in die Langsrichtung des Centrosoms. Da die beiden gestreckten Centro- somen fast ausnahmslos mit ihrer Lingsachse parallel stehen, so folgt daraus eine parallele Stellung der Verbindungslinie der Centriolen und als weitere Konsequenz die bekannte Stellung der beiden nachsten Teilungsfiguren: parallel zu einander und senk- recht zu der alten (vgl. Fig. 70). Diese Stellungsveraénderung der 1) Das Bild ist im héchsten Grade ahnlich dem in Fig. 21 von Diaulula gezeichneten (vgl. Mac Faruanp, Fig. 33). 48 Theodor Boveri, Centriolen diirfte aber vermutlich in einer Abhangigkeit stehen von der Formverainderung der Centrosomen; unter der einfachen Annahme, dal die Centriolen im Centrosom bei gegebener Ent- fernung voneinander eine stabile Gleichgewichtslage einzunehmen bestrebt sind, mtissen sie die konstatierten Lageverainderungen erleiden. Fraglich bleibt dann noch, wodurch die gleichsinnige Formveraénderung an beiden Centrosomen bedingt ist. Die Ab- plattung senkrecht zur alten Teilungsachse erklairt sich leicht aus der Symmetrie der Teilungsfigur; was aber die parallele Streckung der beiden Centrosomen anlangt, so méchte ich auf die Thatsache hinwéisen, daf die Teilungsachse des Eies niemals in einem Durch- messer, sondern stets ein wenig excentrisch liegt. Hat man nun die sich streckenden Centrosomen in polarer Ansicht vor sich, so zeigt sich, dafi die Streckung fast ausnahmslos senkrecht zu dem das Centrosom in der Mitte durchschneidenden gréften Kreis erfolet. Dies weist aber darauf hin, daf die parallele Streckung der beiden Centrosomen durch eine Struktur des Zellkérpers be- stimmt wird. Wir haben bei Betrachtung der anderen Serie gesehen, wie dort gerade auf den nun folgenden Stadien auSerst scharfe Bilder zu Stande kommen, indem sich das zur Scheibe zusammengezogene Centrosom sehr stark farbt und dadurch besonders auf dem Durch- schnitt aus der blassen Umgebung aufs deutlichste heraustritt. Die jetzt zu betrachtenden Praparate verhalten sich wesentlich anders, und es ware mir wahrscheinlich nicht méglich gewesen, iiber die nun folgende wichtige Periode an ihnen zur Klarheit zu kommen, wenn ich nicht in dem mir aus der anderen Serie be- kanuten Verlauf einen Fingerzeig gehabt hatte, wonach zu suchen sei. Die Ungunst der Priaparate fiir die fraglichen Stadien liegt darin, dafi derjenige Teil des Centroplasmas, der bei der Um- formung des Centrosoms abgestofen wird, sich noch fast ebenso intensiv farbt, wie das reduzierte Centrosom selbst. Da er den scheiben- und spiater hantelf6rmigen Kérper dicht umschlieft, wird dessen Erkennung sehr erschwert. In Fig. 59 und 63—65 sind die besten Bilder reproduziert, die mir zu Gesicht gekommen sind. Nach der ausitihrlichen Beschreibung der anderen Serie kann ich mich dariiber kurz fassen. Fig. 63 diirfte ungefihr der Fig. 30 entsprechen; die alte Grenze des Centrosoms beginnt zu _ver- schwinden. Einen ahnlichen, etwas vorgeschrittenen Zustand, etwa dem der Fig. 32 u. 49 entsprechend, sieht man in Fig. 64. In Zellen-Studien. 49 der Platte sind bereits zwei Verdichtungen ausgebildet, auf welche neue Radien centriert sind. Fig. 65 zeigt mit besonderer Klarheit das hantelférmige Doppelcentrosom; das Bild ist mit dem der Fig. 832 und 49 zu vergleichen. Der Nachweis der Centriolen wahrend dieser Periode ist an meinem Material héchst unsicher. Ich besitze kein Priparat, wo nicht wenigstens einige andere Kérnchen in dem fraglichen Bereich vorhanden sind, so daf nur die Lage und die Beschaffenheit der Umgebung zwei davon als etwas Besonderes kenntlich machen kann. Was ich in Fig. 63 und 64 gezeichnet habe, giebt sonach nicht genau die betreffenden Praparate wieder, sondern es sind subjektive Bilder, in welche nur diejenigen Koérnchen eingetragen sind, welche ich fiir die Centriolen halte. Ein hellerer Hof in ihrer Umgebung, in Fig. 64 auch die Richtung der neuen Radien, dienten hierbei als Kriterien. Das demonstrativste Praparat, das mir von den in Rede stehenden Stadien zu Gesicht gekommen ist, ist in Fig. 59 gezeichnet. In der linken Sphare ist unten, in der rechten oben ein winziges schwarzes Koérnchen zu sehen; beide sind auf einen gréferen Bereich hin die einzigen, und ihre Lage stempelt sie zu Centriolen. In der anderen Centrosom-Anschwellung einer jeden Seite ist dagegen ein gréSerer Bereich dunkel gefarbt. Aebnlich verhalt es sich mit dem Schnitt der Fig. 65, der ein etwas spiteres Stadium darbietet. Bis zu dem betrachteten Zustande hebt sich das Doppel- centrosom, wo es tiberhaupt deutlich erkennbar ist, als ein etwas dunklerer Bereich von der Umgebung ab. Wenn es sich nun dem Kernblaschen anzulegen beginnt, verliert es seine Farbbarkeit in Kisenhimatoxylin vollkommen und ist jetzt stets heller als die Um- gebung. Dadurch wird es auferst unscheinbar, und man muf schon suchen, um es zu finden. Als Wegweiser dienen die neuen Astrospharenstrahlen (Fig. 66, 68) und, etwa vom Stadium der Fig. 66 an, die Centriolen. Mit der Farbbarkeit im ganzen verlieren sich nimlich in den Endanschwellungen des Doppel- centrosoms auch die iiberzahligen Kérnchen, und es bleibt in jedem der beiden als helle Héfe erscheinenden Centrosomenenden ein einziges zuriick, das als etwas Specifisches ebenso wenig ver- kannt werden kann, wie die 2 Kérnchen auf dem Stadium der Aequatorialplatte. Ein Stadium, etwa dem der Fig. 51 entsprechend, ist in Fig. 66 wiedergegeben, alle 4 Centriolen sind im gleichen Schnitt getroffen; das hantelférmige Centrosom ist als ein hellerer Bereich Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 4 5O Theodor Boveri, zu erkennen. Zur Erginzung gebe ich einen Schnitt in der dazu senkrechten Richtung (Fig. 67), wo die beiden Centriolen bei wechselnder Einstellung untereinander zum Vorschein kommen. Es ist beachtenswert, wie hier nicht nur die Form der Sphare sich ganz anders darstellt, sondern auch die Form des Kernes, ja des Zellkérpers, eine andere ist. Der schon in der ersten Serie konstatierte Zusammenhang zwischen der Stellung des Centrosoms und der Form des Kernes giebt sich also auch hier aufs deut- lichste zu erkennen. Den Bildern Fig. 33 und 34 entspricht ungefaihr das der Fig. 68. Die Tochtercentrosomen sind am Kern herabgeriickt, sie sind gréBer geworden, zeigen sich aber in ihrer Form noch immer beeinfluBt durch den sie verbindenden Stiel, der hier freilich in seinem mittelsten Teile mehr zu erraten als wirklich klar zu sehen ist. Schon auf diesem Stadium glaubte ich einige Male die Teilung der Centriolen beginnen zu sehen. Recht abweichend von dem oben beschriebenen Verhalten der Radiensysteme ist das Aussehen der Spharen in den ent- sprechenden Bildern unserer Serie, sowohl in der Form, wie in der Beschaffenheit der Radien. Der erstgenannte Unterschied hangt offenbar mit der verschiedenen Form des Zellkérpers zu- sammen, indem, was hier nur nebenbei erwahnt sei, die Teilung in den Eiern der ersten Serie durch eine bis zur volligen Trennung fiihrende Einschniirung, in der zweiten in der Hauptsache durch Bildung einer Zellplatte geschieht. Ein Blick auf die einzelnen Bilder lehrt, wie in jedem Falle die Konturen der Zelle denen der beiden Sphiaren ungefihr folgen. Ob nun auch die Struktur- unterschiede — vor allem das Fehlen der in der ersten Serie so auffallenden Verdichtungszone — hiermit zusammenhangen, mu. ich unentschieden lassen. In einem wichtigen Punkte aber stimmen beide Serien voll- kommen iiberein, darin namlich, daf hier wie dort die Enden des hantelférmigen Centrosoms neue Strahlencentren darstellen, die die Elemente der alten Sphare BEET zu neuen auf sie gerichteten Radien umordnen. Dieses Ziel ist vollkommen erreicht in dem Bilde der Fig. 69, wo wir zwei neue Radiensysteme vor uns haben, die aber doch in ihrer gemeinsamen Form noch die Gestalt der alten Sphare erkennen lassen. Die Centrosomen, an nahezu opponierten Seiten des Kernes angelangt, liegen der Kernmembran nicht direkt auf; vielmehr ist der Kern an diesen beiden Enden auffallend ab- Zellen-Studien. 51 gestumpft, und zwischen der Kernmembran und dem Centrosom findet sich ein kegelférmiger Bereich, der keine Radidrstruktur erkennen lat. Die Centrosomen selbst sind gewachsen und be- ginnen sich abzurunden, die Centriolen sind in Teilung begriffen. Ich schlieBe die Betrachtung dieser Serie mit dem Stadium der Kernauflésung ab (Fig. 70). Der AnschlufS an das vorige Bild ist ein sehr enger. Man kann auch hier noch erkennen, daf zwischen Kern und Centrosomen ein Abstand war, so da die in Differenzierung begriffenen Spindelfasern zwar zum grofSten Teil aus achromatischen Bestandteilen des Kernes, in ihren End- abschnitten aber aus Material, das auBerhalb des Kernes gelegen war, entstehen. Die Centrosomen sind abermals etwas gewachsen und nahezu kugelig geworden; sie nehmen noch immer keine Spur von Farbung an. In 3 von den 4 Centrosomen sind die Cen- triolen sicher geteilt. Auf eine Abbildung der ausgebildeten Teilungsfigur kann ich verzichten, da sie mit der ersten Spindel vollkommen iiberein- stimmt. Ich habe im Vorstehenden den Cyklus der Centrosomen- Metamorphose von der fertigen ersten Teilungsfigur bis zu an- naihernd dem gleichen Zustande der nachsten Zellgeneration ver- folgt, anstatt, wie die meisten Autoren dies bisher gethan haben, mit der Befruchtung zu beginnen und den Verlauf nicht weiter als nach erfolgter Teilung zu betrachten oder noch friiher ab- zubrechen '). Es bestimmte mich dazu vor allem der Grund, daf ich fiir die Schicksale der Centrosomen von der Befruchtung bis zur Ausbildung der ersten Furchungsspindel nicht alle Stadien in solcher Klarheit besitze, wie fiir den weiteren Verlauf. Sodann aber war fiir die Wahl der spateren Periode auch noch der Um- stand bestimmend, daf die Entstehung der beiden ersten Teilungs- centren aus dem Spermacentrosoma bei aller Uebereinstimmung mit dem weiteren Verlauf doch ein Specialfall ist, der iiberdies nicht den ganzen Cyklus von einer Zellteilung bis zum gleichen Punkt der naichsten umfafSt. Das Spermacentrosom ist ein spe- cifisch ausgebildetes Centrosom, wie der Spermakern ein besonderer 1) Hierbei ist allerdings zu bemerken, da Retnxe (91) und ERLANGER (36) wohl versucht haben, die von ihnen beobachteten Centralgebilde noch weiter zu verfolgen, daf ihnen dies aber nicht gelungen ist. 4# yo Theodor Boveri, Kern ist. Einen Punkt aus der Geschichte der .Centrosomen im befruchteten Ei darf ich jedoch nicht vollig tibergehen. Von verschiedenen Autoren, zuerst von mir selbst, wurde an der Basis des eingedrungenen Spermatozoonkopfes ein kleines, intensiv farb- bares Kérperchen als Centrum einer Strahlenfigur beschrieben und als Centrosom bezeichnet. Die Frage ist: haben wir dieses K6r- perchen wirklich als ein Centrosom oder nur als ein Centriol auf- zufassen? — womit die weitere Frage zusammenhiangt, ob das Spermatozoon ein Centralkérperchen oder vielleicht nur ein nacktes Centriol ins Ei einfiihrt. Hierauf vermag ich nun zu antworten, daf das von mir an frisch eingedrungenen Spermaképfen beobachtete Kérperchen ohne Zweifel als Centrosom anzusehen ist‘). Zum Beweis gebe ich ein Bild (Fig. 55a und b, Taf. IV), welches in einem Ei mit IL. Rich- tungsspindel den bereits gedrehten Spermakern und auffallend weit von ihm abgeriickt, umgeben von einer kleinen Astrosphare, ein tief dunkelgrau gefarbtes Kérperchen zeigt, das die Form eines abgestumpften Kegels besitzt, dessen dem Kern zugekehrte Basis sockelartig verbreitert, dessen abgestumpfte Flache leicht gerundet ist. Genau die gleiche Form habe ich wiederholt konstatiert. Bei sehr starker Vergréferung und intensivem Licht glaube ich mit Sicherheit noch ein ganz kleines schwarzes Piinktchen im Centrum erkennen zu kénnen, wie dies in Fig. 55b angedeutet ist. Einen etwas spateren Zustand findet man in Fig. 71 (Taf. V) dar- gestellt. Das gewachsene Centrosom ist blasser gefarbt und lat aufs klarste 2 schwarze Kérnchen, die Centriolen, erkennen. Noch starker gewachsen ist das Spermacentrosoma der Fig. 72 (Taf. V), dementsprechend sind auch die Centriolen weiter voneinander entfernt. Wir haben demnach schon auf diesem friihen Stadium ein Gebilde von ganz der gleichen Beschaffenheit wie spiter: einen gréferen Kérper, das Centrosom, mit einem Centralgebilde, dem Centriol. Daf nicht das ganze Kérperchen der Fig. 55 ein Cen- triol sein kann, ergiebt sich schon aus seiner viel betrachtlicheren GréfBe, welche noch gestattet, die Form mit voller Sicherheit zu bestimmen, was bei den Centriolen nicht méglich ist. Aus dem Gesagten folgt, da8 ich, in Uebereinstimmung mit Witson und R. Herrwia, vollstindig an meiner friiheren Angabe 1) Das von Kosranecxr (72) abgebildete Korn dagegen ist, seiner Gréfe nach zu urteilen, das Centriol. Zellen-Studien. 53 festhalten mu, wonach die beiden relativ grofen Kugeln, die ich in der Furchungsspindel als Centrosomen bezeichnet habe, durch Wachstum aus den beiden Teilstiicken des Spermacentrosoms hervorgehen. So betrachtlich dieses Wachstum auch ist, so ist es doch kaum gréfer als das eines zu seiner vollen méglichen Groéfe anwachsenden Spermakernes; in welch letzterer Gréfenzunahme niemand etwas Auffallendes findet. Ist diese Beziehung klargestellt, so fragt es sich noch, in welchem Teile des Spermatozoon wir das im Ei auf- tretende ,,Sperma-Centrosoma‘s zu suchen haben. Ich bin der erste gewesen, der, wenn auch nur vermutungsweise, das Sperma- centrosoma vom Mittelstiick des Samenfadens ableitete!). In meiner Schrift vom Jahre 1895 sind diese Verhaltnisse nicht ein- gehender beriihrt; es heift dort nur gelegentlich, daf sich das Centrosom ,,aus der Region des Mittelstiickes‘‘ ablése. Da ich namlich damals freie Spermatozoen nicht untersucht hatte, war ich nicht sicher, ob das ganze Mittelstiick oder nur ein Teil des- selben das Centrosom repriisentiere. Ich habe nun in Fig. 14a—e (Taf. 1) einige freie Spermatozoen von Echinus microtuberculatus abgebildet, welche zeigen, daf das Mittelstiick dem spateren Spermacentrosoma sehr ahnlich ist, nur in allen Fallen ganz deutlich etwas gréfer. Ich médchte demnach annehmen, da’ im freien Spermatozoon das Centrosom noch von einer Hiille um- schlossen ist, die im Ei schwindet, daf aber das Mittelstiick an essentiellen Bestandteilen nichts weiter als das Centrosom ent- halt. Wie man also — nicht ganz exakt — den Kopf des Samenfadens mit dem Spermakern identifiziert, so wird man das Mittelstiick dem Centrosom gleichsetzen diirfen. Hier habe ich noch einmal auf die schon im Abschnitt A (S. 17) beschriebenen konzentrisch entfarbten Spermatozoen zuriick- zukommen, die in Fig. 14d—h (Taf. I) abgebildet sind und die im Mittelstiick zwei dunklere Stellen von verschiedener Gréfe und etwas wechselnder Form erkennen lassen. Daf diese Differen- zierungen den Centriolen entsprechen, ist nach ihrer Form nicht 1) In den Diskussionsbemerkungen zu meinem am 20. Dezember 1887 in der Ges. f. Morph. u. Phys. in Miinchen gehaltenen Vor- trag heift es (11, S. 163): ,Herr Dr. Bovrert bemerkt, da’ auch beim Spermafaden das Centrosoma auf und nicht im Kerne liege und wahrscheinlich dem Mittelstiick entspreche“. 54. Theodor Boveri, anzunehmen, wenn sie auch diese Kérnchen in sich enthalten mégen. Ueberhaupt ist es fraglich, ob wir in dieser Duplicitat des Mittelstiickes eine Eigenschaft lebensfrischer Spermatozoen erblicken diirfen; denn die fraglichen Samenfaiden hangen einem 25 Minuten nach dem Spermazusatz abgetéteten Ei aufen an und waren zu dieser Zeit wahrscheinlich bereits abgestorben. Nichts- destoweniger ist die Erscheinung interessant. Sie kann kaum etwas anderes bedeuten als einen Anlauf zur Zweiteilung des Spermacentrosoma, der vielleicht als Absterbeerscheinung eintritt, jedettfalls aber in der normalen Entwickelungstendenz dieses K6rperchens, wie sie sich im Eiprotoplasma entfalten wiirde, be- griindet sein mul. b) Litteratur. Es ist sehr lehrreich, vor Betrachtung der neueren Arbeiten einen kurzen Blick auf die grundlegenden Untersuchungen von O. Hertwia (60) und Fou (42) zu werfen, da schon hier einige Angaben tiber die Centrosomen zu finden sind, die bei aller, sowohl in der damaligen Fragestellung, wie in der Technik begriindeten Unvollkommenheit, doch in mancher Hinsicht iiber das hinaus- gehen, was neuerdings an Schnitten, mit komplizierten Farbungs- methoden und weit tiberlegenen optischen Hilfsmitteln, zur An- schauung gebracht werden konnte. O. Hertwie giebt fiir die erste Teilungsfigur des Toxo- pneustes- (Strongylocentrotus-)EKies an (S. 62), da’ die Spitze der Spindel als ein besonders deutlich erkennbares, dunkler geronnenes Korn hervortrete*). Er muf also, wenn auch wohl in etwas ver- dorbener Gestalt, die Centrosomen vor sich gehabt haben?). Ganz 1) Nach einer Serie von Echinus-Hiern, die mit Strongylo- centrotus-Sperma befruchtet sind, méchte ich annehmen, da die Centrosomen bei letzterer Art auf dem Stadium der Aequatorial- platte betrachtlich kleiner sind als bei Echinus. Aus dieser Differenz diirften sich vielleicht auch einige von den meinigen abweichende Angaben von Fou und Reryxe erkliren. 2) Die erste Beschreibung und Abbildung von Centrosomen hat, worauf Furst und HEruancer aufmerksam gemacht haben, Fiemuine (39) gegeben. Als zweite Angabe haben wir die oben citierte von O. Herrwic anzusehen, die wie diejenige FLEmmrne’s aus dem Jahre 1875 stammt. LErst als dritter in dieser Reihe der Zellen-Studien. 55 unzweideutig zeigen seine Bilder von Stadien mit Tochterplatten (Fig. 23 und 24) die scheibenformig abgeplatteten Centrosomen, die im Text (S. 63) als dunkle, scharf begrenzte Streifen be- schrieben werden. Auch erkennt man aus der Beschreibung 8. 64 und den allerdings nicht guten Abbildungen Fig. 25 und 26, dab O. Hertrwic noch wihrend der beginnenden Kernrekonstruktion, auf Stadien, die etwa meiner Fig. 32 entsprechen médgen, das ge- streckte (hantelférmige) Centrosom, und zwar in dem Ei der Fig. 25 der Linge nach, in dem der Fig. 26 im optischen Durchschnitt gesehen hat. — Noch na&her der Wirklichkeit kommen einige Abbildungen von Fou (42), gleichfalls von Strongylocentrotus-Eiern. Fig. 12 (Taf. VI) zeigt unter ac offenbar kérnig zerfallene Centrosomen, wie tiber- haupt Fou auch auf spateren Stadien die Centrosomen des Seeigel- Eies meist in einem Zustande kérnigen Zerfalles, als ,amas gra- nuleux“, gesehen hat. Fig. 13 (Taf. VI) diirfte meiner Fig. 30 eutsprechen, den Uebergang zur Abplattung vorstellend, welch letzterer Zustand aufs klarste in Fig. 14 abgebildet ist. Ganz ahnliche, in gewisser Beziehung besser erhaltene Bilder sind auf Taf. VIL zu sehen. Fig. 15 und 17 (Taf. VI) zeigen die ab- geplatteten Centrosomen neben den sich bildenden Tochterkernen, in Fig. 6 und 7 (Taf. VII) haben wir offenbar das hantelformige Doppelcentrosom im optischen Durchschnitt zu erkennen. Weiter hat Fou die Centrosomen nicht verfolgen kénnen. Er halt sie auf dem letzten Stadium fiir rundliche Kérperchen und 1a8t sie sich schlieSlich mit dem Kern vereinigen (S. 180), woran ja so viel richtig ist, daB sie sich etwa zu dieser Zeit dem Kerne dicht auflegen. Von For’s letzter Arbeit (43) kommen fiir unser Thema nur Fig. 9 und 10 in Betracht. Die letztere kénnte in dem ver- dorbenen Centrosom (For’s Astrocoele) das noch ungeteilte Centriol darstellen, in Fig. 9 dagegen handelt es sich ohne Zweifel um grobe Artefakte, auf deren Analyse ich verzichten zu diirfen glaube. — Ich schliefe hier eine Besprechung der kurzen Mitteilung von REINKE (91) an, weil die Befunde dieses Autors sehr nahe mit Centrosomen-Entdecker ware Van Benepren (3) zu nennen, der 1876 (nicht 1874, unter welcher Jahreszahl die Arbeit irriger Weise bei Van Boenepen und Neyvr citiert ist) diese Kérperchen bei Di- eyemiden beschrieben und abgebildet hat. 56 Theodor Bovert, den alten Angaben For’s tibereinzustimmen scheinen, und weil REINKE zu denjenigen Autoren gehért, welche nicht die Cen- triolen, sondern die ganzen Centrosomen, wenn auch in verdorbenem Zustande, gesehen haben. Da seine Schrift der Ab- bildungen entbehrt, ist eine véllig sichere Deutung dessen, was er beschreibt, nicht méglich. Er findet im Spindelpol ein Haufchen intensiv fairbbarer Kiigelchen, deren Zahl er auf 1—2 Dutzend schitzt und die er ,,Centralkérperchen“ nennt. Diese Kérnchen sind, wie sich aus meiner Darstellung der Verhaltnisse ergeben wird, weder Centralkérperchen (Centrosomen), noch Centriolen, sondern lediglich Zerfallsprodukte des Centrosoms. Was REINKE auf diesem Stadium unter ,,Sphare’ versteht, vermag ich ohne Kenntnis seiner Praparate nicht festzustellen; sicher ist nur, dal REINKE diesen Ausdruck nicht im Sinne VAN BENEDEN’sS ge- braucht, denn fiir eine ,sphere attractive’ auf dem Stadium der Aequatorialplatte muf strahlige Struktur als eines der obersten Characteristica gelten. Wenn ReEINKE von spateren Stadien schreibt, da8 die Sphire die Gestalt einer bikonvexen Linse, dann einer Birne annimmt, wahrend die ,,Gruppe der Centralkérperchen* in eine tellerférmige Platte iibergeht, so hat er hier offenbar a4hn- liche Bilder vor sich gehabt, wie sie in meinen Figg. 31 und 32 zu sehen sind. Was er Gruppe der Centralkérperchen nennt, ist das kérnig zerfallene Centrosom. Ueber das Stadium der Ab- plattung hinaus vermochte REINKE dieses Gebilde nicht zu ver- folgen. Hinsichtlich dessen, was ReInKE iiber meine friihere Arbeit sagt, mége die oben gegebene ausfiihrliche Darstellung meiner Befunde als Erwiderung angesehen werden, der ich nichts hinzu- zusetzen brauche. Nur gegen den Vorwurf, ich hatte Fou ganz unberechtigter Weise ,naive Tauschungen imputiert‘t, mu8 ich mich verwahren, indem ich mir bewuft bin, bei der Beurteilung der Fou’schen Darstellung mit all der Vorsicht vorgegangen zu sein, die man den Angaben eines anderen Autors schuldet. Man mag die Tauschungen, die Fou von den verschiedensten Seiteu vollig iibereinstimmend nachgewiesen worden sind, nennen, wie man. will, jedenfalls hat er, wie vor allem seine Fig. 1 zeigt, ganz zufallige Strukturen fiir Centrosomen gehalten. Nichts anderes aber habe ich von ihm behauptet. — Ganz kurz sei hier der Angaben BUTscuHLt’s (26) gedacht, der lediglich dem Centrosom im Stadium der Aequatorialplatte eine bildliche Darstellung und kurze Beschreibung vom Standpunkte Zellen-Studien. 57 seiner Strukturlehre. des Protoplasmas gewidmet hat. Ich kann dieses Bild nur so deuten, dal die ,,wenig umfangreiche Zone un- regelmabig netzigen Plasmas das Centrosom darstellt. Was Burscuut als Solches auffaft, naimlich einen centraJen Bereich dieser Zone, der ,,aus drei mit stark gefairbten Wandungen ver- sehenen Blaschen zu bestehen scheint‘, kann meines Erachtens nur eine sei es natiirliche, sei es kiinstliche Verdichtung im Innern des Centrosoms sein. Die Deutung als Centriol ist fiir das, was Birscu.ri zeichnet, ausgeschlossen. — Von den wichtigen Arbeiten Witson’s kann ich die erste, ge- meinsam mit A. P. MarHews herausgegebene hier iibergehen, da ich sie bereits in meiner friitheren Mitteilung kurz besprochen habe und da alle fiir unser Thema in Betracht kommenden Punkte in der zweiten Abhandlung (105) eine erneute Darstellung gefunden haben. ‘Trotz mancherlei widersprechender Befunde stimmen Witson’s Angaben doch in einem der wesentlichsten Punkte mit den meinigen tiberein, und zwar noch viel besser, als Witson selbst annimmt und bei der Kiirze meiner friiheren Mitteilung und dem Mangel an Abbildungen annehmen konnte. Wie er zutreffend be- merkt, ist das, was er mit STRASBURGER ,,Centrosphare“ nennt, das Centrosom, und zwar, wie ich hinzufiigen méchte, nicht allein das Centrosom meiner Auffassung; vielmehr entspricht es genau demjenigen Gebilde anderer Zellen, welches urspriinglich als Centralkérper oder Centrosom bezeichnet worden ist und von den meisten Autoren noch jetzt so bezeichnet wird (siehe den allgemeinen Teil und den Abschnitt Nomenklatur). Der Hauptgrund fiir Winson, das Wort Centrosphire vorzuziehen, ist wohl der gewesen, daf die so bezeichnete Bildung sich in seinen Praparaten viel weniger deutlich von der Sphire abhebt als in meinen, wo sie auf den meisten Stadien als ein wirklicher ,,Kérper“ erscheint; tibrigens nennt WiILson seine Centrosphare auch ge- legentlich ,,central body“, so da8 die Bezeichnung ,,Centralkérper- chen‘‘ auch ihm nicht voéllig unpassend erscheinen kann. Witson konnte mit Sicherheit verfolgen, daf die beiden Centrosomen (Centrospharen) der Spindel von dem Mittelstiick des eingedrungenen Spermatozoon abzuleiten sind. Diese Angabe Stimmt mit meinen friiher schon kurz mitgeteilten Befunden véollig tiberein, und der Gegensatz, den Witson konstatiert, liegt nur darin, da&’ er annimmt, das Kérperchen, welches ich als Centrosom des Spermakopfes bezeichnet habe, sei nur eine centrale Ditferen- zierung seiner ,,central mass‘‘, eine Annahme, die allerdings bei 58 Theodor Boveri, der Kiirze meiner Darstellung und bei der nichtssagenden Be- zeichnung des Centrosoms als eines winzig kleinen Kornchens sich wohl unwillkiirlich aufdrangen mute). Wie nun meine oben besprochenen Abbildungen lehren, ist mein Spermacentrosoma das Gleiche, was WILson in seiner Textfigur I als ,,central mass“ be- nennt, namlich das — wenig verkleinerte — Mittelstiick. Aber dieses Mittelstiick sieht in seinen Praparaten etwas anders aus als in den meinigen, es ist von Anfang an gréSer, mehr kugelig und farbt sich offenbar nur bla’, was wahrscheinlich in einer Ver- schiedenheit der untersuchten Arten seinen Grund hat. Viel erheblichere Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der spateren Schicksale der Centrosomen (Centrosphiiren). Auch Witson beobachtete ihre starke Aufquellung wahrend der Meta- kinese, so dafi zunachst unsere Ergebnisse in der Hauptsache iiber- einstimmen. Allein wahrend nach meinen Praparaten auf Stadien spiter Anaphase sich aus dem grofen Centrosom eine Platte differenziert und der Rest abgestoBen wird, um sich alsbald mit der Sphire zu vermengen und radiaire Struktur anzunehmen, findet Wison noch auf solchen Stadien nichts anderes als seine riesig aufgequollene Centrosphaire, ohne jede Spur der scheibenformigen Differenzierung. Ebensowenig scheint in seinen Praparaten von dem charakteristischen hantelférmigen Doppelcentrosom etwas nach- weisbar zu sein und von der nach meinen Befunden schon so friih- zeitig sich ausprigenden Doppelstrahlung. Demgema ist auch die Ableitung der beiden neuen Centrosomen von dem alten bei WILSON eine etwas unsichere; er glaubt (p. 463), da die neuen Centrosphiren von den Resten der alten, die er auf einem ge- wissen Stadium sich plétzlich rapid verkleinern laSt, herstammen. Wie die Bilder, mit denen Wiison diese Stadien illustriert, zu erkliren sind, wage ich nicht zu entscheiden. Sollte es sich lediglich um die Wirkung verschiedener Konservierungsmittel 1) Ich habe auf S. 17 meiner friiheren Arbeit ein Praparat genauer beschrieben, wo im gleichen Schnitt mit der zweiten Rich- tungsspindel der fast véllig gedrehte Spermakern enthalten ist, ,noch kegelférmig, also mit der Basis nach innen gerichtet, und davor das Spermacentrosoma von deutlicher Strahlensonne um- geben“. Es ist dies das Praparat, welches in Fig. 55a (Taf. IV) dieser Arbeit reproduziert und von welchem die Sperma-Elemente in Fig. 55b starker vergréfert abgebildet sind. Es ist also daraus zu ersehen, was ich damals, genau wie jetzt, unter dem Sperma- centrosom verstanden habe. Zellen-Studien. 59 handeln, so kann es keinem Zweifel unterliegen, da’ meine Pra- parate die besser erhaltenen sind. Wuitson’s Bilder waren dann so zu erklairen, daS — schon vom Stadium der Aequatorialplatte an — das Centroplasma in seinen Praparaten zu einer Art Detritus verdorben ist, in dem alles feinere Detail untergegangen ist. Wie ungemein leicht zerstérbar Centrosom und Sphare gerade in der Periode der Differenzierung der Platte sind, dafiir habe ich in einer sonst nicht schlecht konservierten Serie die deutlichsten Beweise. Witson’s Fig. IX und X A wiirden sich nach meiner Meinung nicht lediglich durch das Stadium voneinander unterscheiden, sondern vor allem dadurch, daf sie verschiedene Ansichten bieten, die um 90° gegeneinander gedreht sind. Fig. IX wiirde meiner Fig. 67, Fig. X A meiner Fig. 66 entsprechen. Auch hier aber waren die Centrosomen selbst nicht erhalten, so da8 sich nur aus der Form des strahlenfreien Bereiches ungefaihr ihre Gestalt be- stimmen lift. Endlich wire anzunehmen, daS in den Spharen der Fig. X A schon eine dicentrische Radienanordnung, wenn auch noch auferst unbestimmt, ahnlich meiner Fig. 66, vorhanden sein miifte. Stimmen Wiuson und ich bis hierher wenigstens in der Auf- fassung fast vollig tiberein, so ergiebt sich nun zwischen seinen Untersuchungen und meinen neueren ein voller Gegensatz beziig- lich der Centriolen. Diese sind nach Wrmson nicht urspriing- lich im Spermacentrosoma vorhanden, sondern sie entstehen »endogen“ in den bereits opponiert liegenden Centrosomen der ersten Teilungsfigur, zunichst eines oder 2, um allmahlich an Zahl immer mehr zuzunehmen und sich schlieflich als die Knoten- punkte des Centrosphiren-Netzwerkes darzustellen. Mit diesem Netzwerk gehen die Centriolen bei der Verkleinerung der Centro- sphire zu Grunde, und erst in den neuen Tochtercentrospharen treten wieder neue auf. — Ich glaube nicht, dal’ Winson diesen Standpunkt heute noch vertreten wird, so wenig wie ich selbst angesichts der neueren Arbeiten und vor allem meiner eigenen neuen Untersuchungen meine friihere der Wrison’schen in gewisser Beziehung fhnliche Ansicht aufrecht erhalten konnte. — Aus der sehr interessanten Arbeit von R. Herrwie (64) iiber die Entwickelung des unbefruchteten Seeigel-Eies habe ich hier nur die Angaben tiber das Spermacentrosoma kurz zu er- wahnen, die in dem Satze gipfeln, dafi das ganze Mittelstiick des Spermatozoon als Centrosoma anzusehen sei. Wie das oben Ge- sagte lehrt, stimme ich diesem Satze von jeher im wesentlichen 60 Theodor Boveri, vollkommen zu, nur mit dem geringfiigigen Unterschiede, daf ich auf Grund von GréSenvergleichungen annehmen muf, daf das Centrosom im Mitttelstiick des Spermatozoon noch von einer diinnen Hiille umgeben ist, die im Ei verschwindet. Sehr grof ist die Uebereinstimmung zwischen R. Herrwia’s Fig. 65 und meiner Fig. 55b; in beiden sieht man einen lang ausgezogenen Sperma- kern und eine Strecke von der Basis desselben entfernt ein dunkel firbbares Kérperchen, welches von einer Strahlung umgeben ist. In zwei Punkten verlangt jedoch mein Praparat eine andere Deutung, als R. Hertwia dem seinen gegeben hat. Erstens ist das dunkle Kérperchen in meinem Praparat unzweifelhaft das Centrosom und nicht, wie R. Herrwic sein Bild und auch meine friihere Angabe deutet, nur ein Teil desselben. Dies geht mit voller Sicherheit daraus hervor, da’ die in untibertrefflicher Klar- heit konservierten Radien einzig und allein auf dieses Kérperchen centriert sind. Zweitens aber lehrt eine Vergleichung meines Bildes mit den friiheren Stadien, daf dieses Kérperchen nicht lediglich eine Kappe des aufgequollenen Mittelstiickes, sondern in der Hauptsache dieses selbst ist. Die ungemein verschwommenen zwei Linien, die in meinem Praparat ganz ahnlich wie in demjenigen R. Hertwia’s vom Spermakern gegen das Centrosom ziehen, in meinem Falle aber dieses nicht erreichen, sondern divergierend endigen, umschliefen sicherlich kein kérperliches Gebilde; ich halte es fiir sehr wohl méglich, da’ wir in ihnen die geplatzte Hiille zu sehen haben, aus welcher das Centrosom selbst heraus- getreten ist. — Auch DoFLEIN (31) kommt zu dem Ergebnis, da’ das gesamte Mittelstiick des Seeigel-Spermatozoon dem Centrosom entspricht. Doch sind die weiteren Verainderungen, die er von diesem Teile im Ei beschreibt, unzweifelhaft pathologischer Natur, wie das bei Kiern, die mit Chloralhydrat oder Strychnin behandelt waren, nicht anders erwartet werden kann. — Schlieflich bleiben noch die Arbeiten von Hr (67), Kosra- NECKI (72) und ERLANGER (86) zu betrachten tibrig, welche drei Autoren darin tibereinstimmen, da sie das — von Hint und von KOSTANECKI unabhangig entdeckte — Centriol als Centrosom erklaren, wobei entweder jeder specifische Bereich um dasselbe iiberhaupt geleugnet oder, wenn anerkannt, zur Astrosphare ge- rechnet oder als ein besonderer Bereich zwischen ,,Centrosom‘ und Sphare unterschieden wird. Was zunachst die Arbeit von Hitt anlangt, so besteht zwischen Zellen-Studien. 61 ihm und mir, soweit seine ziemlich fragmentarischen Unter- suchungen reichen, fast nur ein Unterschied in der Benennung In seiner Fig. 6 finde ich sehr deutlich die Centrosomen mit den Centriolen abgebildet; die Zeichnung erinnert sehr auffallend an meine Fig. 70 (Taf. V) vom Zweizellenstadium. — Das Verdienst von KosTranreckr’s Untersuchungen liegt darin, da er auf einigen Stadien die Centriolen (yon ihm Centrosomen genannt) sehr klar beobachten konnte und zuerst richtig in ihrer auferordentlichen Kleinheit abgebildet hat. Gegentiber seiner Negation eines abgegrenzten Gebildes im Umkreis des Centriols glaube ich den gleichen Einwand geltend machen zu diirfen, den Furst (46, 8. 109 u. 110} gegen KosTraneck?’s und SIEDLECKI’S ganz entsprechende Angaben tiber das Ascaris-Ei erhoben hat. Die Abbildungen, soweit sie nicht tiberhaupt ftir mich und gegen KOSTANECKI sprechen, glaube ich so erkliren zu miissen, daf in den fraglichen Eiern eine sehr dicht gefiigte Sphaire unmittelbar bis an das in der Farbung nicht unterschiedene Centrosom heran- reicht. Daf man unter solchen Umstianden leicht zu der Annahme verleitet werden kann, die radiare Struktur erstrecke sich bis an das Centriol, davon habe ich mich selbst in abnlichen Fallen tiber- zeugt. Es scheint mir tibrigens sehr bezeichnend zu sein, da man fast nur mit der Lupe imstande ist, in KosTaNeckr’s Figuren, besonders in Fig. 4 und 5, die gezeichneten Sphirenstrahlen bis an das schwarze Piinktchen zu verfolgen. Fiir mein blobes Auge verlieren sich die Radien gegen das Centrum in ein gleichmafiges, fast homogenes Areal. Nun ist wohl kaum anzunehmen, daB8 KOSTANECKI das mikroskopische Bild gréfer gesehen hat, als er es zeichnet; alles, was in der Zeichnung nur mit der Lupe er- kennbar ist, kann als im Praparat iiberhaupt nicht erkennbar ge- wesen sein. — SchlieBlich aber verweise ich auf meine Beschreibung und meine Abbildungen. Es scheint mir, daf ein Gebilde, welches sich mit solcher Klarheit darstellen und durch alle Phasen des Zellteilungsprozesses unter ganz gesetzmibiger Metamorphose ver- folgen laft, wie das von mir beschriebene Centrosoma, einer An- zweifelung hinsichtlich seiner Realitét nicht mehr ausgesetzt sein diirfte. — Wie KOSTANECKI, so betrachtet auch ERLANGER ein kleines, sich intensiv farbendes Kérperchen als Centrosom. Nach seiner Beschreibung ist jedoch nicht anzunehmen, dafS er die Cen- triolen, wie sie von KosTANECKI und von mir dargestellt worden sind, gesehen hat. Denn er vermag an der von ihm beobachteten 62 Theodor Boveri, Bildung eine ,,Zusammensetzung aus mehreren Blaschen oder Alveolen“ zu erkennen, was an den Centriolen ihrer ungeheuren Kleinheit wegen unméglich ist. ERLANGErR’s Bilder diirften also wohl so zu erkliren sein, dafi sich Teile des zerstérten Centrosoms an die Centriolen angesetzt und mitgefarbt haben. Interessant ist ERLANGER’s Fig. 9, welche sehr deutlich das _ scheibenformige Centrosom mit 2 Centriolen erkennen Jaft (von ihm natiirlich anders gedeutet). Ein ahnliches sehr verschwommenes Bild zeigt seine Fig. 10 von einem Stadium, wo die Chromosomen sich gerade in einzelne Blischen umzuwandeln beginnen. Ueber dieses Sta- dium: hinaus hat ERLANGER weder von dem Centrosom, noch von den Centriolen (seinen Centrosomen) irgend etwas erkennen kénnen, ein Umstand, der neben dem Aussehen seiner Abbildungen gewif. zu dem Schlusse berechtigt, da’ seine Praparate nicht aufs beste erhalten waren, und da sie ihm auch in den friiheren Stadien nicht alles so, wie es im Leben vorhanden ist, dargeboten haben. 4, Die Centrosomen bei der Furehung des Eies von Asearis megalocephala. Dieses Objekt, an dem ich vor 13 Jahren den ersten Nachweis von der Persistenz der Centrosomen und ihrer Vermehrung durch Zweiteilung erbrachte, sei hier als letztes besprochen. Trotz mancher Anschliisse an die Verhiltnisse des Seeigel-Kies fiihrt es uns in der Einfachheit des Teilungsvorganges wieder auf unser erstes Objekt, die Spermatocyten von Ascaris, zurtick. a) Eigene Beobachtungen. Wie am Seeigel-Ei verfolge ich auch hier eine Periode, die sich von dem Stadium der fertigen Spindel des befruchteten Eies bis zu dem gleichen Stadium in den beiden Tochterzellen erstreckt. Ebenso wie dort soll der Verlauf an zwei Serien von Bildern be- trachtet werden, die sich bei unserem Objekt allerdings nur durch den verschiedenen Grad der Entfarbung unterscheiden: zuerst an solchen, welche das Centrosom in seiner jeweiligen vollen Gréfe schwarz gefairbt zeigen, und dann an stark entfarbten Schnitten, wo in dem blassen Centrosom die Centriolen zu sehen sind. Zellen-Studien. 63 Beziiglich der Art und Weise, wie sich die Ascaris-Eier dem Kisenhimatoxylin gegentiber verhalten, verweise ich auf die Arbeit von First (46) und auf das im Abschnitt A Gesagte. Wie First eezeigt hat, sind die Ergebnisse der Farbung bei allen tiberhaupt brauchbaren Konservierungsarten die gleichen. Als vorziigliches Hartungsmittel bewiéhrte sich mir schon seit laingerer Zeit eine Mischung von 100 Teilen 70-proz. Alkohol und 5 Teilen Eisessig. Alle abgebildeten Schnitte, mit Ausnahme des in Fig. 109 (Taf. VIIT) gezeichneten, stammen von solchem Material. Schon First hat den Satz ausgesprochen, daf man die mit Eisenhimatoxylin als schwarze Kugeln sich darstellenden Centro- somen von Ascaris zwar durch Entfarbung willkiirlich verkleinern, nicht aber durch Ueberfarbung kiinstlich vergréfern kann. Meine eigenen Untersuchungen bestiatigen dies vollkommen. Es sind mir zwar Falle vorgekommen, wo in wenig entfairbten Schnitten eine centrale Zone der Sphare (Markschicht) einen grauen Ton bewahrt hatte, wihrend die Rindenschicht bereits sehr hell war; allein niemals ist die Markschicht wirklich schwarz wie das Centrosom, so daf dieses auch in solchen Fallen noch als eine scharf begrenzte Kugel nachweisbar bleibt. Dagegen ist bei starker Differenzierung die gréfSte Wahr- scheinlichkeit gegeben, dal die schwarze Kugel durch konzentrische Entfairbung verkleinert ist, wie in Fig. 88 u. 89a und b (Taf. VI) zu sehen ist. Um also die Centromen des Ascaris-Eies mit Eisen- hamatoxylin in ihrer vollen GréBe darzustellen, ist es notwendig, den Farbstoff nicht zu stark auszuwaschen. Speciellere Angaben hierzu lassen sich nicht machen, da in den Eiern mancher Wiirmer die Centrosomen den Farbstoff viel zaher festhalten als in anderen. Fiir den Fall nun, da ein ktinftiger Untersucher dieses Objektes trotz Beachtung der gegebenen Vorschrift jene groBen schwarzen Kugeln, wie sie in meinen Figg. 85—87 abgebildet sind, nicht erhalten sollte, méchte ich bemerken, daf in den Eiern ver- schiedener Wiirmer nicht unbetrachtliche Verschiedenheiten in der Centrosomengré8e vorkommen, und daf die in Fig. 85—87 wieder- gegebenen die gréften sind, die ich gefunden habe. Auch mag es sehr wohl sein, dafi unsere Konservierungsfliissigkeiten, von denen wir ja gar nicht angeben kénnen, in welcher Konzentration und Zusammensetzung sie nach Durchdringung der Schale mit dem Ei in Beriihrung kommen, unter Umstinden quellend oder schrumpfend wirken, und daf hierdurch Unterschiede zwischen verschiedenen Praparaten bewirkt werden. Doch lehren die Beob- 64 Theodor Boveri, achtungen an lebenden Blastomeren, von denen sogleich die Rede sein wird, daf die in Fig. 85—87 gezeichnete Gréfe der Centro- somen sicher nicht erheblich iiber die Dimensionen im Leben hinausgeht. Endlich kénnte ein negatives Ergebnis bei Eisen- hamatoxylin-Behandlung noch darin seinen Grund haben, daf die Centrosomen den Farbstoff ebenso rasch abgeben wie das Proto- plasma. Dieser Fall ist mir an den Eiern eines Wurmes, dessen Kischliuche in Alkohol-Essigsiure eingelegt worden waren, vor- gekommen. Die Kier sind vorziiglich konserviert, eine Centro- somen- oder Centriolenfirbung aber war nicht zu erzielen. Nachdem bereits E. First ein Ascaris-Hi abgebildet hat, welches die Centrosomen auf dem Spindelstadium in voller Grofe schwarz gefarbt zeigt, kann ich auf Wiedergabe eines solchen Bildes verzichten und gebe statt dessen ein stark entfairbtes Pra- parat wieder, wo das Eisenhamatoxylin aus den Centrosomen so weit ausgezogen ist, daf nur ein schwarzes Piinktchen tibrig bleibt, das in seiner GréBe ungefahr dem Centriol entspricht, Fig. 73 (Taf. VI). Dieses Bild soll vor allem den Gegensatz meiner Beob- achtungen zu denen von KOSTANECKI und SrepLEcKI illustrieren, der darin besteht, daB sich an meinen Praparaten, mégen sie auch noch so stark entfarbt sein, das Centrosoma mit voller Sicherheit als eine scharf begrenzte homogene Kugel nachweisen 1Jaft. Ein sehr gutes Mittel, um die Centrosomen deutlich darzustellen, ist DELAFIELD’sches Himatoxylin, am klarsten aber zeigen sie sich, wie an den anderen Objekten auch, bei Betrachtung der ungefirbten Schnitte in Wasser. Freilich ist es, wie die ersten Centrosomen-Untersuchungen bei Ascaris lehren, gar nicht einmal notwendig, Schnitte zu machen. Ich habe kiirzlich wieder Eier in Pikrinessigsiure kon- serviert und in toto in Glycerin eingebettet, welche die Centro- somen ohne jede Farbung in uniibertrefflicher Deutlichkeit als kugelige Gebilde von nach dem Stadium verschiedener Groéfe er- kennen lassen. Das Wichtigste aber ist, dafS man sie auch im Leben sehen kann. Im Ki selbst ist dies aller- dings wegen der vielen Dotterkérner weniger gut méglich; in dotterarmen Furchungszellen dagegen, speciell in den von mir (20) als A und B unterschiedenen Zellen des primaren Ektoblasts ge- lingt es bei sehr gutem Licht nicht allzu schwer, sie lebend zur Anschauung zu bringen. Freilich sind die Bilder, wie Fig. 90 und 91 (Taf. VI) lehren, recht unscheinbar, auch gelang mir der Nachweis nur auf jenen Stadien, wo die Centrosomen sehr grof Zellen-Studien. 65 and die Spharen als deutliche Strahlensonnen erkennbar sind, also kurz vor, wahrend und nach der Zellteilung. In dieser Periode aber sind sie wirklich sichtbar, nicht nur als hellere Areale innerhalb der Radiensysteme, sondern als stirker lichtbrechende K6érperchen von etwas bliulichem Glanz. Auch die Abplattung wahrend der Zellteilung, von der unten die Rede sein wird, ist im Leben ganz klar zu sehen. Die Sphirenstrahlen, die in manchen Fallen sehr scharf ausgepragt sind, lassen sich im Leben nicht ganz an die Centrosomen verfolgen; sie verlaufen unmerklich in ihrer Umgebung. Nach all dem Gesagten scheint das Centrosom des Ascaris- Eies betrachtlich dichter zu sein als das des Seeigel-Eies. Eine Struktur lat es nach meinen Erfahrungen, wenn wir hier von den Centriolen absehen, héchstens andeutungsweise in Form einer kaum analysierbaren Kérnelung erkennen, und was man nach manchen Bildern (Fig. 18, Taf. I) als eine deutlichere Zusammen- setzung auffassen kénnte, ist, wie ich bereits im Abschnitt A dar- gelegt habe, nichts anderes als ein pathologischer Zerfall. Wie ich friiher schon gefunden hatte (13) und ERLANGER neuerdings bestitigt hat, sind die Centrosomen auf dem Stadium der Aequatorialplatte gewohnlich schon wieder kleiner geworden 4) ; eine weitere kontinuierliche Verkleinerung findet dann wahrend der Zellteilung statt, so dal auf Stadien, wo die Tochterchromo- somen beginnen, den neuen Kern zu bilden, die Gréfe des Cen- trosoms in der Regel ungefahr die der Fig. 77 ist. Doch kénnen noch auf diesem Stadium betrachtlich gréfere zur Beobachtung kommen. Ich hatte friiher die Centrosomen wihrend des ganzen hier betrachteten Zeitraumes kugelig gefunden, und auch in der grofen Zahl von Eiréhren, die ich seither untersucht habe, kommen solche Falle, bald als Regel, bald als Ausnahme vor. Daneben aber zeigt sich, bei manchen Individuen fast ohne Ausnahme, eine sehr charakteristische Umformung des Centralkérperchens, namlich zu einer Scheibe oder einem kurzen Kegel, dessen Achse stets genau in die Richtung der Teilungsachse fallt. Betrachtet man ein solches Centrosom vom Pole, so ist seine Begrenzung stets genau kreisférmig, aber der Durchmesser ist gegen friher gewachsen; sieht man es in der Seitenlage der Spindel, so erhalt man Bilder, die nach dem Stadium, aber auch 1) Doch habe ich auch Falle beobachtet, wo die Centrosomen gerade im Stadium der fertigen Spindel am griften waren. Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 5 66 Theodor Boveri, individuell verschieden sind (Fig. 74, 75, 76, Taf. VI; Fig. 108, 104, Taf. VIII). Schon auf dem Stadium der Aequatorialplatte, wenn das Ei noch kaum gestreckt ist, kann die Formveraénderung beginnen, wie Fig. 74 lehrt, wo das rechte Centrosom in der Richtung der Teilungsachse etwas verlingert ist, wahrend das linke bereits die charakteristische, gegen den Aequator gerichtete Kegelspitze gewonnen hat. Der Mantel des Kegels ist hier noch nach aufen gewodlbt, spater wird er mehr gerade (Fig. 104, Taf. VIII) oder eingezogen, wie ich 2 solche Falle in meiner Arbeit iiber die Entwickelung von Ascaris (Fig. 36 und 37, Taf. XLV) nach ganzen Hiern abgebildet habe. Ein weiteres Folgestadium, wenn auch manchmal schon sehr friihzeitig eintretend, ist dann dies, da& sich der Kegel sehr stark verkiirzt und dabei verbreitert (Fig. 75, Taf. VI, und Fig. 103, Taf. VIII). Bei dieser Ab- flachung kann der Gegensatz zwischen der basalen und der Mantel- flache ganz verschwinden; das Centrosom hat dann die Form einer flachen bikonvexen Linse. Auf diesem Stadium finde ich seine Begrenzung gewohnlich ziemlich verschwommen (Fig. 75). Zur Zeit, wo das Ei sich durchschniirt, besitzen die Centrosomen, die sich inzwischen betrachtlich verkleinert haben, nicht selten die Form ganz platter Scheiben (Fig. 76), ein Zustand, der in den Blastomeren, wo die Centrosomen bei der Zellteilung der Ober- fliche sehr nahe riicken, noch viel ausgepragter zur Beobachtung kommt. Ein Bild dieser Art findet sich bei KosTaNeckr und SIEDLECKI (73, Taf. X, Fig. 13). Nicht selten zeigen sich diese Scheiben im optischen Durch- schnitt wie aus drei Anschwellungen zusammengesetzt (Fig. 76), ein Bild, welches so zu erkléren ist, da das_ scheibenférmige K6rperchen einen verdickten Randwulst besitzt und auch im Cen- trum nach beiden Seiten ausgebaucht ist. Noch neben den in Bildung begriffenen Tochterkernen kénnen stark abgeplattete Centrosomen vorkommen; meistens aber sind dieselben auf diesem Stadium wieder zur Kugelform (Fig. 77, Taf. VI) oder wenigstens zur Form dicker, bikonvexer Linsen (Fig. 105 und 106, Taf. VIII) zuriickgekehrt. Stets ist die Abplattung des Centrosoms von einer ganz ent- sprechenden Abplattung des dichteren Teiles der Astrosphare und in vielen Praparaten von einer merkwiirdigen Differenzierung der- selben in zwei ganz verschieden aussehende Bereiche begleitet, die sich noch lange erhalt, wie dies aus Fig. 76 und 77 (Taf. VI) deutlich wird. Fast immer geht von der Kante des abgeplatteten Zellen-Studien. 67 Centrosoms ein Kranz stiirkerer Radien aus, die gegen den Aequa- tor leicht gebogen sind, ein Verhalten, welches schon in einigen Figuren von VAN Benepen und Neyt zu erkennen ist. Ich weise aut diese Verhaltnisse hier nur kurz hin, weil sie uns den engen dynamischen Zusammenhang zwischen Centrosom und Sphare klar vor Augen fiihren'). Die besprochene Abplattung von Centrosom und Sphare ent- spricht ohne Zweifel der sehr ahnlichen Umformung, welche auf dem gleichen Stadium im Seeigel-Ei eintritt (vgl. Fig. 30 und 31, Taf. Ill, mit Fig. 75 und 76, Taf. VI), wenn auch die Scheiben- form des Centrosoms bei Ascaris in etwas anderer Weise erreicht wird. Noch mehr aber als die Entstehungsart der Platte weichen die weiteren Schicksale derselben in den beiden Objekten von- einander ab. Wahrend bei Echinus die Scheibe direkt in das Doppelcentrosom itibergeht, kehrt sie bei Ascaris unter betracht- licher Verkleinerung zur Kugelform zuriick, um sich erst viel spiter zur Teilung anzuschicken. Kin Blick auf Fig. 73—80, in welch letzterem Bilde bereits eine Verdoppelung des Centrosoms zu konstatieren ist, lehrt, wie stark dieses Kérperchen in der Tochterzelle noch an GroéBe ab- nimmt. Wie diese kontinuierliche Verkleinerung von dem Stadium der Fig. 74 an bis zu dem Zeitpunkte der Verdoppelung zustande kommt, vermag ich nicht genau anzugeben. Natiirlich miissen gewisse Teile abgestoBen werden; allein dieser Proze8 scheint sich in den meisten Fallen so allmahlich zu vollziehen, daS er kaum bemerkbar ist und die abgestofenen Teile nicht als solche erkannt werden kénnen. Schon oben habe ich darauf hingewiesen, dal auf dem Stadium starkster Abplattung die Begrenzung der Centro- somen undeutlich ist (Fig. 75). In Fig. 79 ist von einem spateren Stadium ein solches unscharf begrenztes Centralkérperchen zu 1) Die Erscheinung, da8 in manchen Eiern die Abplattung des Centrosoms nicht zur Beobachtung kommt, ist sehr auffallend. Kine Erklarung fiir diese Verschiedenheiten lait sich vorlaufig nicht geben. Doch wire es denkbar, dai die Abplattung die Folge lokaler Spannungsveranderungen in den Radiensystemen ist, und da unter Umstinden bei der Abtétung die Spannung der Radien_beseitigt wird und das Centrosom in seine Gleichgewichtsform — die Kugel — guriickkehrt. Ist die Abplattung wirklich in dieser Weise zu erklaren, so ist sie in striktem Widerspruche mit denjenigen An- nahmen, welche die Zellteilung durch Zug der Radien zu er- klaren suchen. — 5 68 Theodor Boveri, sehen. Diese Bilder mégen mit der Auflésung peripherer Centro- plasmaschichten zusammenhangen. Auch ist hier auf Bilder hin- zuweisen, wie eines in Fig. 100 (Taf. VII) wiedergegeben ist. Es zeit eine Sphaire in polarer Ansicht und in derselben einen eréBeren, nach aufen scharf begrenzten, kreisformigen Fleck, der im Centrum einen kleineren, schwarz gefarbten enthalt. Der Durchmesser des grofen Bereiches entspricht ungefahr dem eines scheibenformig abgeplatteten Centrosoms, wie es in Fig. 75 bei schwacherer Vergréferung abgebildet ist. Dieses Areal ist im Vergleich zur Sphare sehr dicht und sieht bei schwacherer Ver- groéferung homogen aus; bei starkerer aber laBt es eine zarte Radiarstruktur erkennen und muf also zur Sphare gerechnet werden. Ich halte es nun fiir wahrscheinlich, da’ wir es hier mit einem der postulierten Uebergangszustande zu thun haben, wo das periphere Centroplasma sich von dem centralen gesondert und ahnlich wie beim Seeigel-Ei der Sphare angeschlossen hat. Wie dem aber auch sein mag, an der Verkleinerung der Centrosomen lassen die Eisenhimatoxylin-Praparate so wenig einen Zweifel, wie die Betrachtung ganzer ungefarbter Eier. Meine jetzigen Untersuchungen sind in diesem Punkte in vollem Einklang mit dem, was ich 1888 (13) angegeben und abgebildet habe. Es heift dort (S. 162), dafi das Centrosom in der primaren Blastomere wieder zu einem kleinen kugeligen Kérperchen geworden ist, ,etwa von der gleichen Groéfe, die es im Ei bei seinem ersten Auftreten erkennen lief“. ~ Die Kleinheit des Centrosoms zur Zeit seiner Teilung macht es notwendig, diesen Vorgang durch starker vergréferte Bilder, als es die bisher betrachteten sind, zu illustrieren. Solche sind auf Taf. VII in Fig. 92—97 dargestellt, und zwar von einem anderen Wurm, dessen Eier sich bei prinzipieller Uebereinstimmung des ganzen Verlaufes in einem nicht uninteressanten Punkte ab- weichend verhalten. Wahrend namlich bei den Objekten der Tafel VI die Teilung der Centrosomen in den primaren Blasto- meren annahernd senkrecht zur alten Teilungsachse erfolgt, zeigen die Eier der Tafel VII in dieser Beziehung alle nur denkbaren Variationen, wie ein Blick auf die Abbildungen erkennen abt, wobei allerdings gewisse Schiefstellungen vorherrschen. Diese Regellosigkeit ist jedoch, wie die Vergleichung mit den spiteren Stadien ergiebt, keineswegs abnorm; die ‘Tochtercentrosomen, Zellen-Studien. 69 welche zuerst ganz beliebig zu einander gestellt sein kénnen, wandern so lange, bis sie ihre typische Endstellung erreicht haben, d. i. bis ihre Verbindungslinie in der kleineren Blastomere in die alte Teilungsachse fallt, in der gréferen auf ihr senkrecht steht ?). Das friiheste Stadium, auf welchem ich eine Verdoppelung des Centrosoms beobachtet habe, ist in Fig. 92 wiedergegeben. Der Kern ist noch klein, die Sphire noch deutlich strahlig. Im Centrum eines ziemlich grofen helleren Areals, das als Mark- schicht bezeichnet werden kann, lat sich das Centrosom schon bei Zeriss E oder Lerrz VII als ein Doppelkorn erkennen. Bei starker VergréBerung gewinnt man den Eindruck, daf ein fast ungefarbtes, langliches Kérperchen vorliegt, in welchem zwei in- tensiv gefarbte, aber nicht scharf begrenzte Verdichtungen aus- gebildet sind. Ein nach dem Zustande von Zelle und Kern etwas spiateres Stadium zeigt Fig. 93. Von einer Markschicht der Sphare kann man hier kaum sprechen, wenn auch ein hellerer Hof im Umkreis des Centrosoms vorhanden ist. Die Strahlung ist viel weniger deutlich als in dem Praparat der Fig. 92. Das Centrosom er- scheint bei schwacherer Vergréferung einheitlich, in einer Richtung etwas verlangert. Bei starker VergréSerung erkennt man, daf es aus zwei dicht aneinander gelagerten, sich gegenseitig abplattenden Halften besteht, zwischen denen ein heller Spalt gerade noch wahrnehmbar ist. Ja, es mag sein, daf nur eine tiefe cirkulare Furche ein einheitliches Kérperchen unvollkommen in zwei zerlegt. Das Bild ahnelt ungemein denjenigen, welche M. HrmEeNHAIN (53, Taf. X, Fig. 13 u. 14) von dem Doppelcentrosom in den Salamander -Leukocyten, und KosraNEcKI und SIEDLECKI (73, Taf. XI, Fig. 50) von dem Doppelcentrosom eines Leukocyten von Proteus abgebildet haben. Diese Doppelcentrosomen, von etwas wechselndem Aussehen, scheinen von relativ langem Bestand zu sein. Denn ich habe niemals beobachtet, dafi sich die beiden Halften eher voneinander trennen, als bis der Kern seine volle Gréfe erreicht hat. Die ersten Stadien dieses Auseinanderriickens sind in meinem Material auSerordentlich selten. Ich kann mir dies nicht anders erkliren, als dafi die beiden K6érperchen sehr rasch bis auf eine gewisse Entfernung auseinanderweichen, worauf die weitere Entfernung 1) Vergl. hierzu die Arbeiten iiber die Entwickelung von Ascaris meg., z. B. Bovertr (20). 70 Theodor Boveri, wieder langsamer erfolgt+). Eine ganz ahnliche Erscheinung bietet ja das Chromatin dar. Stadien mit soeben getrennten Tochter- platten, wie ich eines in meiner Arbeit von 1888 (Fig. 65, Taf. IV) abgebildet habe, kommen im Vergleich zu den spaéteren sehr selten zur Beobachtung. Ein Stadium, wo die beiden Schwestercentrosomen um wenig mehr als ihren eigenen Durchmesser von einander entfernt sind, ist in Fig. 94 (Taf. VII) gezeichnet. Es schlieBt sich sehr eng an das Bild der Fig. 93 an. Die beiden K6érperchen sind von der nimlichen Gréfe wie jene und gleich ihnen in der Richtung ihrer Verbindungslinie abgeplattet. Obgleich ich das Praparat, nach- dem es gezeichnet war, noch einmal farbte und dann so wenig auszog, dal die Sphire fast schwarz blieb, ist der Bereich zwischen den beiden Kérperchen, die in einem hellen Hofe liegen und da- durch sehr deutlich hervortreten, ganz ungefarbt. Nichtsdesto- weniger laft sich ein Verbindungsstrang zwischen ihnen nach- weisen, der die gleiche Breite zu haben scheint wie die Schwester- centrosomen selbst. Die Sphare zeigt in ihrem dichten centralen Bereich kaum eine Spur strahliger Struktur, peripher lassen sich noch einige verschwommene radiare Ziige unterscheiden. Sind die Schwestercentrosomen etwas weiter voneinander ent- fernt, so nehmen sie gewohnlich Kugelgestalt an. Zwei Bilder dieser Art sind in Fig. 95 in der linken Zelle und in Fig. 96 (Taf. VII) gezeichnet. In beiden, besonders deutlich in dem der Fig. 96, laBt sich ein feines, leicht tingiertes Fadchen zwischen den Schwestercentrosomen verfolgen. Das so aneinander gekoppelte Paar liegt in einer kugeligen Sphare, deren sparliche ver- schwommene Radiarstruktur noch ein Rest der alten Strahlung zu sein scheint. Die besprochenen Bilder werden so zu deuten sein, daf eine schmale aquatoriale Zone des Muttercentrosoms unter Verlust ihrer Farbbarkeit zu einem Stiel auswachst, der als eine rudi- mentére Centralspindel aufgefaBt werden kénnte. In einer von den Serien, an denen ich diese Verhaltnisse eingehender verfolgte, verschwindet dieser Verbindungsstiel der Tochtercentrosomen sehr bald wieder, wie Fig. 97 (Taf. VII) lehrt, wo zwischen den noch 1) Es sei hier bemerkt, da’ Scuaupinn (96) die lange Dauer des Doppelcentrosoms und die plétzliche und sehr schnelle Sepa- ration der beiden Hialften bei den Heliozoen im Leben hat kon- statieren kénnen. Zellen-Studien. 71 nahe benachbarten Centrosomen der linken Zelle keine Spur des- selben oder auch nur einer Bahn, wo er gelegen haben kénnte, zu sehen ist. In anderen Eiréhren fand ich in manchen Fallen noch zwischen betrachtlich weiter von einander entfernten Schwester- centrosomen ein feines, oft etwas gekriimmtes Fadchen verlaufen (Fig. 81, Taf. VI; Fig. 99, Taf. VIL). In der Mitte dieses Fad- chens habe ich so haufig ein kleines, dunkel fairbbares Korn beob- achtet (Fig. 81, Taf. VI; Fig. 97a, Taf: VII), daf ich dasselbe kaum mehr als etwas Zufalliges ansehen kann?!). Wie dieses Verbindungsfaidchen schlieflich schwindet, ob es, wie ERLANGER will, in der Mitte reiZt und in die Tochtercentrosomen zuriick- gezogen wird, oder ob es in loco degeneriert, vermochte ich nicht festzustellen. Ueberblicken wir nun noch einmal im Zusammenhange die zeitlichen Verhaltnisse der Centrosomenteilung in Riicksicht auf den Gesamtzustand der Zelle, so miissen wir zwischen dem Zeitpunkte der Verdoppelung und dem des Auseinanderweichens unterscheiden. Die Verdoppelung erfolgt nach meinen Beobach- tungen friihestens auf Stadien, wo sich die beiden Schwesterzellen nach der Abschniirung von einander wieder breit aneinander gelegt haben und wo der Kern schon blaschenférmig geworden ist. Zwei von einander getrennte Centrosomen habe ich in keinem Falle friiher gefunden, als nachdem der Kern seine volle Gréfe erreicht und die beiden Blastomeren an ihrer Beriihrungsflaiche jene cha- rakteristischen Wiilste gebildet hatten, die zuerst HALLEz (51) beobachtet und als scheinbare Wiederverschmelzung der Zellen beschrieben hat?). Das gewohnliche Verhalten scheint zu sein, daf die Trennung der Schwestercentrosomen mit dem Uebergange des chromatischen Geriistes in das Spirem zusammenfallt. So sehen wir es in Fig. 94 (Taf. VII), und die sich anschlieSenden Stadien der Fig. 95, 96 und 97 zeigen den Kern in entsprechend fortgeschrittenen Phasen. 1) Auch an dem Fadchen, welches die beiden Centrosomen des Kies zunichst verbindet, habe ich dieses Kérnchen wahrgenommen. 2) Sollte es nétig sein, so bemerke ich, daf man natiirlich bei Untersuchung von Schnitten sehr haufig auf Stadien, wo bereits 2 Centrosomen vorhanden sind, im Schnitt nur eines trifft. Der mit dem Objekt bereits Vertraute wird schon aus den Neben- umstinden gewoéhnlich entnehmen kénnen, wie es sich verhalt. Doch ist es unerlaflich, Serienschnitte zu haben, um vollig sicher zu sein. @ Theodor Boveri, Ein einziger Fall ist mir vorgekommen, wo 2 Centrosomen, die ungefahr so weit wie die der Fig. 99 voneinander entfernt waren, neben einem Kerne mit feinem Geriist vorlagen. Dies diirfte schon als abnorm anzusehen sein; aber auch in diesem Falle wird die Trennung der Schwestercentrosomen nicht friiher eingetreten sein als nach voller Ausbildung des ruhenden Kernes. Diese meine neuen, an Schnitten und mit Eisenhaimatoxylin- Farbung gemachten Erfahrungen bestitigen aufs vollkommenste dasjenige, was ich im Jahre 1888 an ganzen Objekten und ohne specifische Farbung beschrieben hatte. Wie auf S. 168 jener friiheren Arbeit (13) hervorgehoben und in Fig. 75 (Taf. IV) ab- gebildet ist, beobachtete ich die Teilung des Centrosoms, d. h. 2 eben gebildete und noch verbundene Schwestercentrosomen auf Stadien, ,,wo das Kerngeriist sich bereits wieder in die einzelnen Faden zu kontrahieren beginnt“, also genau auf dem gleichen Stadium, welches wir in Fig. 94—96 angetroffen haben. Ueber die Teilung selbst heift es (S. 163): ,Die ersten Stadien des Teilungsprozesses sind natiirlich bei der Kleinheit des Objektes nicht klar zu erkennen. Immerhin glaube ich in manchen Pra- paraten an dem noch einfachen kugeligen Kérperchen lings eines erd8ten Kreises eine seichte Furche wahrnehmen zu kénnen, die als erste Andeutung einer Trennung in zwei Halften zu deuten wire.* Es waren dies ohne Zweifel jene in unseren Figg. 92 und 93 abgebildeten Zustinde, die sich nun mit Eisenhaématoxylin aufs klarste demonstrieren lassen. In Fig. 75 meiner friiheren Arbeit ist dann ein Bild gegeben, wo man ,,dicht benachbart 2 Centrosomen konstatieren kann, die durch ein deutliches Fadchen noch in unzweifelhafter Verbindung stehen“. Die Uebereinstimmung der in dieser Figur in beiden Blastomeren dargestellten Doppel- centrosomen mit unseren Figg. 95 und 96 ist eine vollkommene *). Auch die haufig zu beobachtende Krimmung des Verbindungs- fidchens, von der oben die Rede war, konnte ich schon damals als ein sehr allgemeines Vorkommnis feststellen. Dann heift es 1) In dem mir vorliegenden Exemplar meiner Zellen-Studien (Heft IL) und also wahrscheinlich auch in anderen sind die Figuren der Tafel IV infolge des nicht exakten Uebereinanderdruckens der einzelnen Platten etwas verdorben, und besonders die in Teilung begriffenen Centrosomen der Fig. 75 haben hierdurch gelitten. Die Betrachtung mit der Lupe lehrt, daf bei richtigem Druck die Tochtercentrosomen kleiner, der Verbindungsstiel diimner aus- sehen wiirde. Zellen-Studien. ue weiter (S. 163), da ,,die beiden Centralkérperchen, indem sie sich immer weiter von einander entfernen, zu ziemlich grofen, blassen Kugeln mit einem centralen Korn aufquellen‘. Dieses Wachstum, das ziemlich genau mit der zunehmenden Entfernung Schritt halt und bei dem die Centrosomen gewil auf das Tausendfache ihres urspriinglichen Volumens anschwellen kénnen, ist in seinen einzelnen Etappen in Fig. 81—87 (Taf. VI) dargestellt, die keiner Erlauterung bediirfen. Die ersten Stadien des Wachstums sind dann noch, aus anderem Material stammend, in Fig. 94—97 (Taf. VII), starker vergréfert, reprasentiert. Die Centrosomen sind stets aufs scharfste begrenzt und farben sich auf allen Stufen ihres Wachstums ganz gleichmafig durch und durch, so daf die Annahme, es handle sich in den spiteren groBen Kugeln nur um einen ,,Hof‘, der sich aus der Astrosphire im Umkreis eines kleinen ,,wirklichen Centralkérperchens‘ differenziert habe, jeder Begriindung entbehrt. Daf’ der Wachstumsproze8, wie er durch die Figurenreihen 81—86 (Taf. VI) und 94—97 (Taf. VII) illustriert ist, nicht etwa dadurch vorgetaéuscht wird, daf{ die Centrosomen der friihen Sta- dien durch konzentrische Entfarbung kiinstlich verkleinert waren, dies wird am besten durch die nicht seltenen Falle be- wiesen, in denen die beiden Blastomeren in der Vorbereitung zur Teilung verschieden weit gediehen sind, wie in Fig. 97 und be- sonders auffallend in Fig. 95. Stets sind dann die schwarzen Kugeln in der weiten vorgeschrittenen Zelle gréfer als in der anderen. Sodann ist hier nochmals zu betonen, dafi man an Stelle der kleinen Kiigelchen, die sich in den friihen Stadien nach der Teilung zeigen, durchaus keine gréferen Bereiche schwarz gefarbt erhalten kann, wie ich denn z. B. das Praparat der Fig. 94 bei nochmaliger Farbung in fast schwarzem Zustande belie’, ohne daf die beiden Centrosomen sich gréBer zeigen als in der Abbildung. Ueber das Verhalten der Astrosphare wahrend der zuletzt betrachteten Periode sei folgendes bemerkt. Nachdem das Cen- trosom aus seiner abgeplatteten Gestalt zur Kugelform zuriick- gekehrt ist, wird — manchmal etwas spaiter — auch die Sphire wieder annahernd kugelig; die verschieden ausgebildeten Radien- bereiche werden in Struktur und peripherer Erstreckung ziemlich gleichartig, die Anordnung zu radialen Faden verschwindet mehr und mehr und geht, wie ich friiher gefunden habe und ERLANGER 74 , Theodor Boveri, bestiitigen konnte, in vielen Fallen vollstandig verloren. Man findet dann im Umkreis des Centrosoms ein dicht kérniges, viel- leicht wabiges Plasma, das sich in seinem ganzen Habitus und auch in seinem Verhalten gegeniiber gewissen Farbstoffen von dem iibrigen Plasma sehr deutlich unterscheidet (Archoplasma). Diese Anhaiufung wird in manchen Fallen sehr klein und unscheinbar, indem ein grofer Teil der Astrosphérensubstanz sich im tibrigen Plasma verteilt oder sich in dieses verwandelt. In diesem Falle ist auch das Material, aus dem sich die neuen Spharen anlegen, zunichst auferst sparlich (Fig. 81, Taf. VI). In anderen Eiréhren ist die Sphaére auf allen Stadien von sehr apnsehnlicher Gréfe, und eine schwache Radiarstruktur erhalt sich dauernd, wenn auch nur in der Peripherie. Diese Verschieden- heiten diirften wohl von der verschiedenen Schnelligkeit abhangen, mit der sich die Eier entwickeln. Sowohl bei Ziichtungen der Eier innerhalb der dem Muttertier entnommenen Eiréhren, wie auch isolierter Eier unter dem Deckglase iiberzeugt man sich, daf die peripher bezw. vereinzelt gelegenen, also dem Sauerstoff gegen- iiber giinstiger gestellten, sich rascher entwickeln, unter Umstanden. so viel rascher, daS neben beweglichen Embryonen in der Peri- pherie friihe Furchungsstadien in der Mitte angetrofien werden. Ich halte es nun fiir sehr wahrscheinlich, daf sich die Sphare um so mehr rickbildet, je langsamer die Entwickelung vor sich geht, je mehr Zeit also zwischen zwei Zellteilungen vergeht. Die neuen Radien bilden sich, nachdem die Tochtercentro- somen etwa so weit voneinander entfernt sind wie in Fig. 95 und 96, durch Neugruppierung der Kérnchen oder Knétchen zu radial aut die neuen Centren eingestellten Linien, die anfangs sehr sparlich, kurz und undeutlich sind, um sich mit der weiteren. Entfernung der Centrosomen mehr und mehr auszupragen. Ein Uebergang alter Radien als solcher in die neuen Systeme erscheint voll- kommen ausgeschlossen. Zwischen den beiden Polen entwickeln sich, manchmal deutlicher, manchmal kaum wahrnehmbar, kon- tinuierlich gebogen verlaufende Strange, die sich im tbrigen von den anderen Radien in keiner Weise unterscheiden und sich so selten von jenen anderen als ein besonderer Komplex absondern lassen, daf ich es fiir unthunlich halte, hier von einer Central- spindel zu sprechen. Wie wir die Umformung des Centrosoms wahrend der Zell- teilung von einer entsprechenden Verinderung der Sphare und seine Verkleinerung von einer Riickbildung der Sphare begleitet Zellen-Studien. 15 fanden, so geht nun mit dem Wachstum der Tochtercentrosomen eine Entfaltung und Ausbreitung der beiden neuen Spharen Hand in Hand, wie dies aus einer Vergleichung der Fig. 81—86 (Taf. VI) ersichtlich ist. Ohne auf die Konstitution der Radiensysteme naher einzu- gehen, will ich doch bemerken, daf ich in vielen Fallen und gerade auf den Stadien, wo die Centrosomen am gré%ten sind, sehr deut- lich eine hellere Markschicht der Sphare gefunden habe (Fig. 85 und 86), ganz entsprechend den Abbildungen von VAN BE- NEDEN und Neyr. Ihre Unterscheidbarkeit von der Rindenzone wird dadurch bedingt, da sie das Eisenhaimatoxylin leichter ab- giebt, was natiirlich in einer irgendwie besonderen Konstitution seinen Grund haben mu. Entfarbt man starker, so verschwindet die vorher so deutliche Abgrenzung fast véllig. — Sehr eigentiim- lich ist es nun, da8 man in manchen Praparaten an Stelle dieser hellen Zone gerade umgekehrt eine schmale, auferst dichte Schicht der Sphare antrifft, so daf{ man hier wirklich bei schwacherer Vergréferung das Centrosom und die es umgebende Kugelschale fiir einen einheitlichen, sehr grofen K6érper halten kénnte. Bei stirkerer Vergréferung aber erscheint das Centrosom in typischer Gréfe, durch einen sehr deutlichen hellen Spalt von jener dichten Umhiillung abgesetzt, die ihrerseits durch radiare Struktur als ein Teil der Sphare gekennzeichnet ist. Schon im Jahre 1888 (13) habe ich im Mittelpunkte des Ascaris-Centrosoms ein auSerordentlich kleines Korn nachgewiesen, das seither so vielfach aufgefundene Centralkorn (Centriol), Ich vermochte dasselbe jedoch nicht auf allen Stadien zu sehen, sondern nur, solange die Centrosomen sehr gro und nicht stark lichtbrechend waren, etwa vom Ende der Knauelphase bis zur fertigen Spindel (Fig. 59); von da ab, in den sich verkleinernden Centralkérperchen, war es nicht mehr zu entdecken. Diesem Korn, speciell seinem Verhalten bei der Teilung des Centrosoms, sei nun eine genauere Betrachtung gewidmet, wobei ich hinsichtlich der Farbung desselben in Eisenhamatoxylin auf das im Abschnitt A Gesagte verweise: daf namlich, da sich die Centrosomen konzentrisch entfarben, ein Nachweis der Centriolen mit dieser Methode nur so lange méglich ist, als in einem noch einheitlichen Centrosom ihrer zwei oder mehr vorhanden sind. 76 Theodor Boveri, In einer Eiréhre fand ich nicht ganz selten schon auf dem Stadium der Aequatorialplatte 2 Centriolen, wie dies in Fig. 102 (Taf. VIII) in beiden Centrosomen zu sehen ist. Ein ahnliches Bild von einem Zweizellenstadium ist in Fig. 109 abgebildet. Ich bemerke nebenbei, dafi dieses Ei aus meinem alten Material von 1887 stammt. Ich brachte die in Glycerin eingeschlossenen Eier einiger Objekttrager in Paraffin und fertigte Schnitte davon an. Mehr als 2 Centriolen in einem Pole habe ich niemals beob- achtet, Wie im Seeigel-Ei, so scheinen auch bei Ascaris alle denkbaren Stellungen zwischen ihnen vorzukommen. Wahrend aber im Seeigel-Ei bei der Umformung des Centrosoms zur Scheibe die Centriolen in deren gréften Durchmesser zu liegen kommen, kénnen sie bei Ascaris auch in dem abgeplatteten oder kegel- formigen Centrosom beliebig gestellt sein (Fig. 103, 104, Taf. VIII; Fig. 98, Taf. VII), und der Kontrast zwischen der streng radiaren Symmetrie von Centrosom und Sphare mit der ganz variablen Stellung der Verbindungslinie der Centriolen ist ein sehr auf- fallender. Uebrigens gehéren auch auf diesem Stadium 2 ge- trennte Centriolen nicht zu den haufigen Erscheinungen; vielfach tritt gerade zu dieser Zeit die Teilung des Centriols ein; man findet 2 Kérnchen dicht nebeneinander. Erst wenn die 2 Schwester- zellen sich vollstéindig von einander abgeschniirt haben und die Chromosomen sich zum Geriist auflockern (Fig. 105, Taf. VIII), diirften zwei Centriolen in einem gewissen, ziemlich konstanten Abstand von einander die Regel sein. Sie verandern sich nicht wihrend der ndachstfolgenden Stadien (Fig. 106 und 107); in manchen Praparaten scheint eine zarte Briicke zwischen ihnen vor- handen zu sein. Was nun ihre Gréfe anlangt, so glaube ich mit Bestimmtheit behaupten zu kénnen, daf die 2 Schwestercentriolen von Anfang an gleich grof sind; tiber ihre absolute Gréfe dagegen sind ganz sichere Aufschliisse sehr schwer zu erlangen. Denn es unterliegt keinem Zweifel, daf sie sich dem Farbstoff gegeniiber ebenso ver- halten wie die Centrosomen, nur mit dem Unterschiede, daf sie ihn etwas zaher festhalten. Nachdem sie also durch Entfarbung des Centroplasmas als schwarze Piinktchen zum Vorschein ge- kommen sind, beginnt auch an ihnen der Proze8 der konzentrischen Entfirbung, bis sie an die Grenze der Wahrnehmbarkeit gelangen und dann verschwinden. Verschiedene Gréfe in den Praparaten ist also nicht als Verschiedenheit der Objekte selbst zu deuten, Zellen-Studien. TF und es besteht die gréfte Wahrscheinlichkeit, daf alle in meinen Zeichnungen abgebildeten etwas kleiner sind als in Wirklichkeit. Gehen wir tiber zu den Schicksalen der Centriolen bei der Teilung des Centrosoms, so wird man kaum zweifeln kénnen, daf die beiden Centroplasmaverdichtungen, welche die Teilung des Centrosoms einleiten, je ein Centriol zum Mittel- punkte nehmen; allein ein exakter Nachweis hierfiir ist an meinem Material sehr schwer zu erbringen. Denn wenn man auch in den durch Fig. 92—96 reprisentierten Teilungsstadien, und ebenso spater, durch kopzentrische Entfarbung an Stelle der gréSeren schwarzen Kugeln winzige schwarze Piinktchen erhalt, so kénnen dies eben von jetzt an wieder Kunstprodukte sein. Dieser Ein- wand gilt schon fir Fig. 108 (Taf. VIII); denn auf diesem Sta- dium muf nach sonstigen Erfahrungen die Verdoppelung des Centrosoms bereits vollzogen sein. Auch andere Methoden lassen hier im Stich. Die Substanz der Centrosomen ist zu der Zeit, wo diese Kérperchen am kleinsten sind, so dicht und _ stark licht- brechend, daf eine weitere Differenzierung nicht in ihnen erkenn- bar ist. Nur ein paar Eisenhamatoxylin-Praparate sind mir vor- gekommen, die etwas mehr zeigen, indem an ihnen das einge- treten war, was bei den Spermatocyten von Ascaris den Nachweis der Centriolen auf allen Stadien gestattet, nimlich diffuse Ent- farbung des Centroplasmas. Da die Bilder bei der Kleinheit der Verhaltnisse sehr undeutlich sind, beschranke ich mich darauf, an einer willkiirlich vergréSerten schematischen Figur zu erliutern, was ich zu sehen glaube (Fig. 93a). In dem noch kugeligen Muttercentrosom ist auf der erreichten Entfarbungsstufe ein grauer Ton auf zwei kalottenformige Bereiche beschrankt, die durch eine farblose aquatoriale Zone von einander getrennt sind; jede dieser beiden farbbaren Kalotten, die den sich bildenden Tochtercentro- somen entsprechen, enthalt eine schwarze Ditferenzierung, die wohl das Centriol reprisentiert. Das Bild erinnert lebhaft an das sich teilende Centrosom, wie es Mac Faruanp in der Diaulula-Ovocyte gefunden hat, und wie es in meiner Fig. 22 (Taf. II) abgebildet ist, nur dafi hier die Verhaltnisse viel gréSer und insofern etwas anders sind, als das Muttercentrosom eine langsellipsoide Form besitzt und demgemaf der zwischen die beiden farbbaren Kappen eingeschlossene Bereich betrachtlich breiter ist. Dafi die Centriolen in irgend einer Weise die Grundlagen fiir die Tochtercentrosomen bilden, dies ergiebt sich des weiteren noch aus den Stellungsverhaltnissen. Ich habe oben schon 78 Theodor Boveri, erwihnt, daB in einer meiner Serien die Teilung der Centro- somen fast ausnahmslos annahernd senkrecht zur alten Teilungs- achse erfolgt (Taf. VI). In dieser Serie zeigen auf den friiheren Stadien die Centriolen die gleiche Orientierung, wie dies in Fig. 107 (Taf. VIII), die dem gleichen Material angehért, zu sehen ist. In den Eiern eines anderen Wurmes, nach denen die Figuren der Tafel VII gezeichnet sind, variiert die Verbindungslinie der Tochtercentrosomen zwischen allen denkbaren Stellungen; doch traf ich besonders haufig die in Fig. 92, 95, 96 und 97 zu kon- statierende Schiefstellung an. Ganz entsprechend variabel ver- halten sich, solange sie nachweisbar sind, die Centriolen (Fig. 102—106, Taf. VIII), auch ihre Verbindungslinie zeigt weitaus am haufigsten die in Fig. 105 gezeichnete Schiefstellung. Nach all dem Gesagten und unter Beriicksichtigung des Um- standes, daS auf spaiteren Stadien, wenn die neuen Centrosomen gewachsen sind, an ungefirbten Glycerinpaparaten in jedem wieder ein Centriol mit Sicherheit nachgewiesen werden kann (Zellen- Studien, Heft IJ, Fig. 77), wird die Annahme, daf auch bei unserem Objekt im Centrum der Sphare auf allen Stadien zwei ineinander geschaltete Gebilde (Centrosom und Centriol) existieren, kaum zu kiihn sein. Die einzige andere Annahme, die man tberhaupt machen kénnte, wiire die, daf nach der Verkleinerung des Mutter- centrosoms die beiden Centriolen sehr stark wachsen, so dafi sie zu den beiden gréferen Bereichen werden, die in Fig. 92 (Taf. VID) gezeichnet und oben als die beiden Hilften des in Teilung be- vritfenen Centrosoms in Anspruch genommen worden sind. Als Konsequenz dieser Annahme wiirde sich ergeben, dafS die Centri- olen noch weiter wachsen bis zu den grofen Kugeln, wie sie in Fig. 86 (Taf. VI) dargestellt sind, d. h. daS sie zu den Centro- somen werden; denn die Kontinuitaét zwischen dem Kérperchen der Fig. 94 (Taf. VII) und dem der Fig. 86 (Taf. VI) kann meines Erachtens keinem Zweifel unterliegen. Dann wide weiter folgen, daB sich im Innern dieses Gebildes auf einem gewissen Stadium ein neues Centriol differenziert, dessen Teilstiicke ihrerseits wieder zu den Centrosomen der nachsten Generation heranwachsen wiirden. Ich erwihne diese Méglichkeit, weil sie nicht absolut auszu- schliefen ist; wie unwahrscheinlich eine derartige Annahme ist, glaube ich nicht weiter ausfiihren zu miissen. * Zellen-Studien. 79 b) Litteratur. Das Ascaris-Ei hat in letzter Zeit zwei ausfiihrlichere Be- arbeitungen an Schnitten erfahren, von KosTANECKI und SIEDLECKI (73) und von ERLANGER (35). Die erstere Abhandlung wurde eingehend in der Arbeit meines Schiilers, des Herrn Dr. Furst (46) besprochen, so daB ich auf die dort gegebene Kritik, mit der ich vollkommen tibereinstimme, verweisen kann. Der einzige Punkt, den ich auch meinerseits zur Sprache bringen méchte, ist der, ob die von diesen Autoren abgebildeten ,,Centralkérperchen“ meinen Centriolen entsprechen, d. h. ob es sich um Falle handelt, wo — infolge einer besonderen Praparationsweise — nur die Centriolen sich fairben, oder ob die gezeichneten Bilder als Produkte einer in einem bestimmten Moment ausgesetzen konzentrischen Entfarbung anzusehen sind. Es ist zweifellos, da8 unbedingt das letztere angenommen werden muf, und zwar erstens, weil die gefarbte Stelle in den verschiedenen Abbildungen sehr verschieden groB ist und die beiden Autoren selbst angeben, daf die Gri8e von dem Grade der Entfaltung abhingig ist, zweitens aber, weil der schwarze Fleck, den KosTaNeckr und SIEDLECKI zeichnen, in der Metakinese und wihrend der Zellteilung die oben beschriebene charakteristische Abplattung zeigt. Dies beweist mit aller Sicherheit, da hier ein konzentrisch entfarbtes Centrosom, nicht ein Centriol vorliegt ; denn dieses bewahrt wahrend der Abplattung des Centro- soms seine Kugelgestalt. Die spateren Stadien, in denen ich 2 Cen- triolen in dem noch einheitlichen Centrosom gefunden habe, werden bei KosraneckI und SiepLeckr iiberhaupt nicht behandelt. In ERLANGER’s Arbeit finde ich in betreff der Centrosomen eine vollkommene Bestatigung meiner friiheren Angaben, was freilich in der Darstellung dieses Autors kaum hervortritt. Die einzige wesentliche Abweichung von meinen Befunden betrifft die Kon- stitution des Centrosoms, das ERLANGER aus einer Anzahl von Vakuolen bestehen laéBt, die um eine centrale, ziemlich kleine und stark farbbare Alveole herumliegen sollen. Die letztere entspreche meinem Centralkorn. Ich habe diese Angabe, die nur durch ein Diagramm illustriert ist, an meinen Praparaten gepriift und vermag von einem solchen groben Wabenbau des Centrosoms nicht das Geringste zu erkennen. Ist eine solche Struktur vorhanden, so muf sie von solcher Feinheit sein, daf& sie an der Grenze des Wahrnehmbaren steht. Die Verdoppelung des Centriols hat Er- LANGER nicht beobachtet. 80 Theodor Boveri, Nachdem das Verhaltnis meiner neuen Befunde zu dem, was ich friiher gesehen hatte, schon oben dargelegt worden ist, bleibt nun noch tibrig, die Angaben von Van BeneDEN und Neyr (5) vom Standpunkt der neueren Erfahrungen aus einer Betrachtung zu unterziehen. Zwischen VAN BENEDEN und mir bestand eine erhebliche Differenz in 2 Punkten: 1) hinsichtlich der Struktur und zum Teil auch der Gréfe des Centrosoms, 2) tiber die Art und den Zeitpunkt der Teilung desselben. Was den ersteren Punkt anlangt, so war im allgemeinen kein Zweifel, da& das, was ich als Centralkérperchen oder Centrosoma benannt habe, dem Van BENEDEN’schen corpus- cule central gleichwertig ist. Bilder, wie die der Fig. 9 (Pl. I) und Fig. 2 und 5 (Pl. VI) bei Van BENEDEN und NrytT zeigen im Centrum der Sphare eine Kugel, die in ihrer GréBe mit dem Centrosom meiner entsprechenden alten Figuren voll- kommen iibereinstimmt. Ebenso klar ist die Uebereinstimmung mit meinen neuen Befunden. Man werfe einen Blick auf meine Fig. 76a und 83a (Taf. VI), welche vergréBerte Kopien nach Van Benepen und Neyt darstellen. Die corpuscules centraux in diesen Figuren sind ebenso gro8, wenn nicht gréBer als die Centrosomen meiner entsprechenden Zeichnungen. Allerdings finden sich in den Abbildungen von VAN BENEDEN und NeyrT die grofen Centrosomen, wie ich sie auf gewissen Stadien damals gefunden habe und jetzt ganz ebenso mit EKisenhamatoxylin demon- strieren kann, nicht vor. Dies riihrt aber offenbar, worauf ich friher nicht aufmerksam geworden war, in der Hauptsache daher, da8 die belgischen Autoren die in Betracht kommenden Stadien, nimlich diejenigen unmittelbar vor und nach der Auflésung des Kernes gar nicht abgebildet haben. Ihre Fig. 5 (Pl. I), mit Vor- kernen in Kniuelphase, entspricht ziemlich genau meiner alten Fig. 35 (Taf. ID, in der die Centrosomen kaum gréfer sind als bei VAN BreneDEN und Neryr. Ihr nachstes Bild (Fig. 7) ist sogleich ein Stadium mit weit voneinander entfernten Toch- terplatten und beginnender Durchschniirung des Zellkérpers. Aehnlich verhilt es sich mit ihren Bildern vom Zweizellen- stadium. Ihre Fig. 11 (Pl. 1) giebt ein Stadium der Knauel- phase, kaum spater als in der rechten Zelle meiner neuen Fig. 95 (Taf. VII); in ihrer Fig. 12 sind die Kerne bereits auf- gelést, in der einen Zelle die Chromosomen sogar schon zur Aequatorialplatte angeordnet. Stadien, wie ich eines seiner Zeit (13) in Fig. 77 (Taf. IV) und wie ich jetzt etwas frihere Zellen-Studien. 81 in Fig. 85 und 86 (Taf. VI) abgebildet habe, sind bei Van BreNEDEN und Neyt nicht vertreten. Und diese Stadien sind es eben, in denen die Centrosomen ihr gréftes Volumen erreichen. Die von mir selbst anfangs offen gelassene Moglichkeit, da8 das, was VAN Benepen und Neyr in einigen Figuren als corpuscule central abbilden, meinem Centralkorn entsprechen kénnte, ist daher mit Sicherheit auszuschliefen. Sollte dariiber bisher noch ein Zweifel méglich gewesen sein, so muf er angesichts meiner neuen Befunde schwinden. Wie meine jetzigen Praparate in voller Uebereinstimmung mit meinen friiheren lehren, sind die Centriolen von so extremer Kleinheit, daf sie sich auch bei starkster Vergréferung nur als kleine Piinktchen erkennen und zeichnen lassen. Demgegeniiber ist VAN BeneDEN’s corpuscule central, selbst da, wo er es am kleinsten zeichnet, noch immer ein ansehnliches Korperchen, fiir das er sogar eine weitere Zusammensetzung aus mehreren Kornchen beschreiben und in seinen Bildern deutlich ausdriicken konnte. Schon damit mu der Gedanke an eine Identitit mit dem Centriol hinfallig werden. Man betrachte die Centriolen in meiner Fig. 102 (Taf. VIII) und vergleiche damit die in Fig. 101 wiedergegebene, entsprechend vergréferte Kopie einer Figur von VAN Benepen und Neyt. Der Schluf ist unabweisbar: ihr corpuscule central entspricht meinem Centro- som; das Centriol ist in keiner einzigen von VAN Benepen’s Figuren zu sehen. Der Umstand nun, da aus den Abbildungen von Van BenepeN und Neyr nicht jener auffallende Gréfenwechsel der Centrosomen ersichtlich ist, den ich damals und jetzt in ganz gleicher Weise gefunden habe, erklirt sich nicht allein daraus, daS in der Abhandlung dieser beiden Autoren die Centrosomen auf jenen Stadien, wo sie am groéften sind, nicht dargestellt sind, sondern fast noch mehr daraus, dafi bei Van BeNEDEN und Neyt auch diejenigen Stadien, auf denen ich die Centrosomen am kleinsten gefunden habe, naémlich vor, wahrend und nach ihrer Teilung, nicht vertreten sind, worauf ich unten zuriickkommen werde. Beziiglich der Angabe Van Brnepen’s, daf das Centrosom aus einem Haufen von Kérnchen bestehe, kann ich nur annehmen, daS die Centrosomen in seinen Praparaten nicht gut erhalten waren und jenen kérnigen Zerfall zeigten, den ich im Abschnitt A beschrieben und in Fig. 18 (Taf. I) abgebildet habe. Wir kommen nun zu einer viel wichtigeren Frage, zu der nach dem Zeitpunkt der Teilung des Centrosoms. Bd, XXXV. N. F. XXVHI. 6 8? Theodor Boveri, Schon aus meiner ersten, vor VAN BENEDEN und Neyv’s Ver- dffentlichungen erschienenen Mitteilung (9) ist ersichtlich, daf ich noch in der ruhenden Blastomere ein einfaches Centrosoma gefunden habe, welches sich dann teilt. Nach VAN BENEDEN und Nreyr dagegen sind schon in den ersten Stadien der Kern- rekonstruktion, ja schon frither, in dem noch nicht ge- teilten Ei, in jedem Pole zwei, allerdings noch durch einen dicken Stiel verbundene Centrosomen vorhanden. In meiner aus- fiihrlichen Arbeit von 1888 muSte ich mich darauf beschrainken, die starke Differenz zwischen diesen Befunden und den meinigen zu konstatieren. Wie oben erwahnt, sah ich damals genau wie jetzt die Teilung, d. h. das iieemendermieken der Schwester- centrosomen, erst eintreten, nachdem der Kern seine volle Gréfe erreicht hat und gewéhnlich bereits Spuren der Knauelbildung erkennen laft. Ich méchte nun nicht unterlassen, zu betonen, ‘da das Material, auf welches sich meine Erfabrungen stiitzen, ein ungeheuer grofes und dabei auferst mannigfaltiges ist. Seit 1886 habe ich in Miinchen und hier eine grofe Anzahl von Kirdhren konserviert und zu Praparaten verarbeitet. Meine Untersuchungen iiber die Entwickelung von Ascaris, zum Teil experimenteller Natur, brachten mir immer wieder diese Stadien vor Augen. Mehrere Zoologen, die im hiesigen Institut arbeiteten, die Herren O. Meyer (83), W. R- Coz, A. APPELLOF, E. Ftrst (46), J. Hort u. a. haben Ascaris-Eier in toto oder an Schnitten untersucht, und ich hatte Gelegenheit, ihre Praparate zu sehen. Ausnahmslos bestatigte sich mir meine erste Erfahrung. Vollkommen hiermit iibereinstimmend sind, so weit sie reichen, die Beobachtungen von KosTaNnEcKI und SreDLECKI. Diese Autoren konstatieren ausdriicklich, da8 die im Stadium der Metakinese zu flachen Scheibchen abgeplatteten Centrosomen (ihre Fig. 13 zeigt diesen Zustand sehr gut) stets wieder kugelig werden, so dali die entstehende Tochterzelle ihre Existenz mit einem einfachen Centro- som beginnt (vergl. ihre Fig. 31); und auch wahrend der Riick- bildung der Strahlung und des Uebergangs zu der kérnigen Sphare haben KosTaNECKI und SrepLEcKI, wie aus ihren Angaben auf S. 204 hervorgeht, ein noch ungeteiltes Centrosom beobachtet. Wenn Ertancer den Ausfiihrungen dieser Autoren zum Teil widerspricht und die auch von ihm beobachtete Abplattung als die Vorbereitung zu einer Teilung des Centrosoms* ansehen zu mussen glaubt (S. 381), so hat er dafiir nicht nur nicht den geringsten Beweis erbracht, sondern er muf sich auch von seinen sdmtlichen Zellen-Studien. 83 eigenen in Betracht kommenden Figuren (Fig. 15, Taf. XVI, Fig. 1, 2, 3, 4, Taf. XVII) widersprechen lassen, die die Riickkehr der Scheibe zur Kugel und somit ein zunichst ganz einheitliches Centrosom in jeder Tochterzelle deutlich zeigen. Endlich ist zu erwahnen, daf VAN BENEDEN selbst in seiner grofen Abhandlung von 1883 in seinen Figg. 11, 12, ja selbst noch 13 auf Taf. XIXter, welche annahernd meinen Figg. 783—80 (Taf. VI) entsprechen, eine noch einheitliche, annahernd kugelige Sphire mit einem Centralkérperchen abgebildet hat. Zur Erginzung dieser an konservierten Objekten gewonnenen Resultate fiihre ich noch meine Beobachtungen an lebenden Eiern an. Ich habe neuerdings an zahlreichen Ascaris-Kiern die Zell- teilung im Leben verfolgt und dabei. wie oben schon erwahnt, in giinstigen Fallen die Centrosomen selbst, in anderen wenigstens die Radien der Sphiren und in ihrem Mittelpunkt ein dem Centro- som entsprechendes radienfreies Areal wahrnehmen kénnen. Be- trachtet man nun die sich teilenden Eier oder Blastomeren in der Richtung der Teilungsachse, so zeigt sich, da8 Centrosom und Sphire wahrend der Durchschniirung der Zelle vollstiindig kreisrund bleiben und daf diese Bildungen, so lange sie tiberhaupt verfolgt werden kénnen, was mir bis nach Deutlich- werden des Kernblischens méglich war, keine Andeutung einer Verdoppelung durch Streckung oder Einschniirung erkennen lassen. Mit der Konstatierung dieser Uebereinstimmung soll keines- wegs behauptet werden, daf nicht abnormer Weise einmal das Centrosom sich friiher teilen kénne, wenn auch solche Falle zu den allergréften Seltenheiten gehéren miikten. Allein jedenfalls trifft diese Annahme auf die Befunde von VAN BENEDEN und Neyt nicht zu; denn die Bilder, die sie geben, tragen die deut- lichsten Kennzeichen, da sie nicht eine abnorm frihzeitige Teilung des Centrosoms darstellen, sondern da es sich in dem, was die beiden Autoren fiir den Beginn einer Teilung gehalten haben, um nichts anderes handelt als um jene von KOsTANECKI und SreDLECKI, von ERLANGRR und von mir tibereinstimmend be- obachtete Abplattung wabrend der Metakinese und wahrend der Entstehung der Tochterzellen. Um dies zu beweisen, ist es notwendig, die Abbildungen von Van BeNEDEN und Neyt etwas genauer zu analysieren. Die Photogramme, die der Abhandlung beigegeben sind, lassen von den fraglichen Verhaltnissen nichts erkennen, was in Anbetracht der Kleinheit und Zartheit dieser Strukturen nicht wunder nehmen 6 * 84 Theodor Boveri, kann. Hat doch auch Ertancer, obgleich er Schnitte photo- graphieren konnte, in denen die Centrosomen intensiv gefarbt waren, darauf verzichten miissen, diese Kérperchen in den Teilungs- stadien zu reproduzieren. Auch die schematischen Figuren der Taf. VI kommen fiir unsere Frage nicht in Betracht; und wenn hier Fig. 13 neben einem ganz jungen Kern ein in Teilung be- griffenes Centrosom darzustellen scheint, so ist zu bemerken, daf ein derartiger Zustand in Wirklichkeit nicht vorkommt. Es bleiben also die nach der Natur gezeichneten Figuren der Taf. I iibrig. Die kritische Periode, in welcher die Teilung vor sich geht, wird auf dieser Tafel durch 2 Figuren begrenzt, Fig. 8, welche die beiden vor kurzem entstandenen primaren Blastomeren in einem Stadium zeigt, wo die Tochterchromosomen sich zur Bildung der Kerne anschicken, und Fig. 9, wo in diesen beiden Zellen die Kerne anfangen sich zur nachsten Teilung vorzubereiten. Ich habe die beiden Bilder!), welche bei VAN BenEDEN und NeEyYT ohne Zwischenstadien aneinander gereiht sind, in meinen Figg. 76a und 83a (Taf. VI) wiedergegeben, wobei ich mir nur die Ab- anderung erlaubt habe, die bei VAN BenepEeN und Neyr in viel kleinerem Mafstabe gezeichnete Fig. 9 (meine Fig. 83a) ungefahr in der gleichen GréSe zu zeichnen wie Fig. 8 (Fig. 76a). Ich stelle die beiden Bilder zum Vergleich neben meine entsprechenden Stadien, wodurch sich ohne weiteres ergiebt, welche Bedeutung ihnen zukommt. Was zunichst Fig. 9 (meine Fig. 83a) anlangt, so zeigt sie zwei vollig ausgebildete, noch in Kontakt stehende Spharen, ganz iibereinstimmend mit denen, die VAN BrNEDEN im Ei zeichnet und von denen er sagt (S. 57), daf sie simultan auftreten. Dieses Bild beweist also jedenfalls iiber die Teilung der Centrosomen und Sphiren gar nichts. Da neben einem intakten Kern zwei in Kontakt stehende strahlige Kugeln mit Centralkérperchen be- stehen kénnen, hat iibrigens schon im Jahre 1879 Fou fiir das Ei von Pterotrachea beschrieben und abgebildet. Als das einzige Bild, welches die Teilung darthun kénnte, bleibt sonach das der Fig. 8 tibrig”). Was es vorstellt, dartiber kann kein Zweifel sein: es zeigt das zur Scheibe abgeplattete Centrosom, ganz entsprechend meiner Fig. 76, und die damit Hand 1) d. h. von jedem nur die eine Blastomere. 2) Ein ihnliches Bild von einem noch jiingeren Stadium ist in Van Benepen’s Fig 7 (Pl. I) gezeichnet. Es diirfte ungefahr meiner Fig. 75 entsprechen. Zellen-Studien. 85 in Hand gehende Abplattung der Sphire. Das Bild ist, abgesehen von der feineren Ausfiihrung, die ich als ziemlich schematisch bezeichnen mu&, véllig korrekt, nur von dem Autor unrichtig gedeutet. Was Van Benepen als Streckung von Centrosom und Sphire zur Einleitung ihrer Teilung auffaSt, ist nichts anderes als die im optischen Schnitt sich darstellende Abplattung dieser Gebilde, die bei einer Drehung des Eies um seine Langs- achse in jedem Moment genau das gleiche Bild liefern wiirde’). Es kann bei der vollen Uebereinstimmung dieser Figur mit den Befunden von KosTaNECKI und StepLeckr, ERLANGER und mir nicht zweifelhaft sein, daS auch der weitere Verlauf in dem Material von VAN BeNepEN und Neyt der gleiche sein wiirde, wie oben beschrieben, daf also diese angeblich in Teilung be- criffenen Centrosomen und Sphiren sich wieder zur Kugel ab- runden wiirden. Allein diese folgenden Zustiinde von der Ent- stehung der Tochterkerne bis zu deren voller Ausbildung, also jene ganze wichtige Periode, in welcher sich die Abrundung des Centrosoms, seine Verkleinerung und Teilung, sowie die erste Gréfenzunahme der Tochtercentrosomen vollzieht, ist in den nach der Natur gezeichneten Bildern von VAN BENEDEN und NeyT gar nicht vertreten. Otfenbar war die Erhaltung der von den belgischen Forschern studierten Kier, wie ja schon aus ihren Angaben tiber die Kon- stitution der Centrosomen geschlossen werden mul, keine sehr gute, so dafi ihre Praparate die Sphiren und Centrosomen zwar auf jenen Stadien, wo sie auf der Hohe ihrer Entfaltung stehen, mit grofer Deutlichkeit darboten, wogegen sich in jener Periode, wo diese Bildungen klein und unscheinbar sind, d. i. vor, wahremd und nach der Teilung, nichts Sicheres von ihnen erkennen lief. Wenn es fiir diese Behauptung noch eines Beweises bediirfte, so wire er darin gegeben, daf den belgischen Autoren nicht nur in den Blastomeren diese Stadien vollig entgangen sind, sondern auch im Ei. Das Friiheste, was sie nachweisen konnten, 1) Die Tauschung, der Van BEnepen hier unterlegen ist, indem er die Stadien der Abplattung fiir Teilungsstadien gehalten hat, ist natiirlich bei Betrachtung ganzer Hier viel leichter méglich als an Schnitten, da die Begrenzung der Centrosomen und vor allem ihre Abgrenzung gegentiber den an die Kamte sich ansetzenden, haufig sehr starken Radien viel weniger deutlich ist. Ich habe ganze Eier von den in Fig. 75 und 76 abgebildeten Stadien gesehen, nach welchen man ohne grofen Zwang ein Bild, wie Van BENEDEN’s Fig. 7 (Pl. I), zeichnen kénnte. 86 Theodor Boveri, sind 2 bereits wohl ausgebildete, wenn auch noch in Kontakt stehende Spharen. Die von mir beschriebene einfache Archo- plasma-Anhadufung mit einem zunachst einfachen, dann doppelten Centrosom und die allmahliche Herausbildung der beiden Spharen — aus diesem Zustand, Verhaltnisse, die sowohl ERLANGER wie KOSTANECKI und SIEDLECKI ganz tibereinstimmend bestiitigt haben, hat Van BeNEDEN nicht erkennen kénnen. Anmerkung. Van Benepen’s Werk hat, mit vollem Recht, eine auferordentliche Wirkung ausgeiibt, und es ist fir diese Wirkung nicht sehr wichtig, wenn es sich nachtriaglich ergiebt, da die von diesem hervorragenden Forscher aufgestellte Behauptung einer Per- sistenz und Teilung der Centrosomen nicht auf einer wirklichen Beobachtung der in Betracht kommenden Stadien, sondern nur auf irrtiimlicher Deutung eines Zustandes und Ignorierung der folgenden beruhte. Immerhin ist dieser Sachverhalt fiir die Geschichte der Centrosomenfrage bemerkenswert, wie denn iiberhaupt vom histo- rischen Standpunkte aus hier eine Anmerkung am Platze sein diirfte. Obgleich das zeitliche Verhiltnis meiner Publikationen zu denen von Van Brenepen (und Neyr) bis auf den Tag genau klar liegt und sowohl in der Abhandlung der genannten Autoren, wie auch in meiner ausfihrlichen Arbeit vom Jahre 1888 dargestellt ist, zeigt sich in der Litteratur von Anfang bis in die neueste Zeit, daf eine Anzahl von Forschern, welche iiber diese Fragen schreiben, von einem Anteil meinerseits trotz Kenntnis meiner Arbeiten gar nichts zu wissen scheinen. Es geniige, anstatt vieler Namen einen ein- zigen ausgezeichneten zu nennen, denjenigen WaLpEYER’s, dem schon bei Abfassung seines bekannten, héchst verdienstvollen kritischen Referates von 1888 (102) derjenige Teil meiner ersten Mitteilung, der von den Centrosomen und ihrer Teilung handelt, entgangen war. Es mag zum Teil eine Wirkung dieses Aufsatzes WALDEYER’S gewesen sein, dali das gleiche Versehen in die Publikationen anderer Autoren tibergegangen ist. Ich habe mich gegeniiber diesen irrtiim- lichen Darstellungen des Verhialtnisses bisher darauf beschrankt, gelegentlich die Gleichzeitigkeit der in Betracht kommenden Ver- éffentlichungen zu erwahnen. Nachdem dies aber ohne Wirkung war und z. B. in einem neueren Referat Wanpryrer’s vom Jahre 1895 (103) in dem dort gegebenen historischen Ueberblick tber die Centrosomenfrage mein Name wieder vollstandig fehlt1), kénnte mein weiteres Ignorieren den Anschein erwecken, als wenn ich mit dieser Auffassung einverstanden sei. Deshalb konstatiere ich hier- mit, daf die erste Publikation, in der das Fortbestehen des Spindelpolkérperchens und die Teilung desselben in die beiden fir die nachste Karyokinese bestimmten Polkérperchen beschrieben ist, von mir herriihrt, und daf erst kurz darauf, ganz unabhangig davon, die Mitteilungen von Van BrenepEen und Neyr erschienen sind. Es 1) Aehnlich in Waupryrr’s Vortrag vom Jahre 1897: Be- fruchtung und Vererbung (104). Zellen-Studien. 87 gentigt, um dies klarzustellen, einen Satz aus dem Postskriptum zu der Abhandlung der beiden belgischen Forscher zu citieren (p. 78), welcher lautet: ,,De plus, plusieurs des faits relatés ci- dessus, en ce qui concerne l’origine, la destinée des sphéres attrac- tives, et notamment la division des corpuscules centraux, ont été observés par M. le Dr. Bovurt.« — Daf das Verhialtnis sich nun- mehr noch in weit héherem Mafe zu meinen Gunsten herausgestellt hat, bedarf nach dem oben Dargelegten keiner weiteren Ausfiihrung. Nachtragliche Anmerkung. Wie falsch die in Rede stehenden Verhiltnisse vielfach selbst von Autoren dargestellt werden, von denen man eine genaue Kenntnis derselben erwarten diirfte, dafiir kommt mir soeben wieder ein schlagendes Beispiel vor Augen. Fiemmine schreibt in einem Aufsatz »Ueber Zell- teilung“, der in No. 16 der Berliner klin. Wochenschrift (1900) erschienen ist, mit Riicksicht auf die Centrosomen in einer An- merkung (S. 3): ,,Entdeckt von E. Van Bryepun, 1875 — 1876; alsbald bestitigt von Boveri.“ — Diese Darstellung enthalt so viel Unrichtiges, als man in einen so kurzen Satz nur bringen kann. Erstlich sind die Centrosomen nicht zuerst von VAN BENEDEN, sondern von Fremmine selbst beschrieben worden, wie naher bei E. Furst (46, S. 103) ausgefithrt ist. Fremmine scheint auf diese Entdeckung zu Gunsten Van Benupen’s verzichten zu wollen; allein er kann nicht davon befreit werden, der erste gewesen zu sein, der Centrosomen als kirperliche Gebilde im Centrum der karyo- kinetischen Radiensysteme klar beschrieben und abgebildet hat. Daf er auf diese Entdeckung nicht viel Gewicht legt, ist gerecht- fertigt. Denn der blofe Nachweis kérperlicher Differenzierungen in den Polen der fertigen Spindel — und weiter ist weder FLemmine, noch im Jahre darauf Van Benepen gelangt — hatte fiir unsere Einsicht in die Zellteilungsphanomene kaum eine Bedeutung Ist ja doch Birscutr, der an Stelle dieser Centralkérperchen nur ,,Central- héfe“ unterscheiden konnte, als derjenige Forscher zu bezeichnen, der damals weitaus am tiefsten in das Wesen der karyokinetischen Er- scheinungen eingedrungen war. — Das Vorhandensein der ,,Spindelpol- kérperchen“ (corpuscules polaires) wurde von verschiedenen Autoren fiir mancherlei Zellen alsbald bestitigt, nicht aber, wie FLEMMING in dem oben citierten Satze behauptet, von mir; denn ich war damals ein 14jahriger Gymnasiast und habe erst etwa 10 Jahre spiter be- gonnen, mich mit cellularen Untersuchungen zu beschaftigen. Ich wei wohl, was Fremmine mit seiner Bemerkung im Auge hat; er meint meine Veréffentlichung vom Jahre 1887 (9), in der ich das Spindelpolkérperchen fiir die Blastomeren von Ascaris meg. als dauerndes Zellenorgan nachgewiesen, seine Vermehrung durch Zwei- teilung und seinen Anteil an der Bildung der Sphiren und indirekt am Aufbau der mitotischen Figur beschrieben habe. Allein hiermit habe ich nicht E. Van Benepen bestatigt, sondern diese Thatsachen, welche die Grundlage fiir die Lehre von den Centrosomen bilden, sind in dieser meiner Publikation tiberhaupt zum ersten Mal beschrieben. 88 Theodor Boveri, Abschnitt C. Allgemeiner Teil. Kapitel I. GréBe und Beschaffenheit der Centrosomen. Die Centriolen. Die Centrosomen sind entdeckt und in ihrer ganzen Geschichte von einer Teilung bis zur nachsten verfolgt worden, ehe man be- sondere Farbemittel zu ihrer Darstellung anwandte. Daraus geht schon hervor, da sie eine Eigenschaft besitzen miissen, welche sie — an konservierten Objekten') — von ihrer Umgebung unter- scheiden li8t. Diese Eigenschaft ist ihr starkes Lichtbrechungs- vermégen, wie es in Glycerin und besonders in Wasser zur Wirkung kommt. Ich habe schon in meinen ersten Veréffentlichungen auf. diese Eigenschaft ausdriicklich aufmerksam gemacht und wieder im Jahre 1895 auf die Wichtigkeit der Untersuchung ungefarbter Praparate in schwach lichtbrechenden Medien hingewiesen. Trotz- dem ist die Meinung fast allgemein verbreitet, daf die Centro- somen nur mit besonderen Farbemethoden dargestellt werden kénnten. Eine Ausnahme macht neuerdings E. BatLowrrz (1), der bei seinen schénen Untersuchungen iiber die Centrosomen im Salpenepithel wieder zu jenem einfachen Untersuchungsverfahren zuriickgekehrt ist und bei seinem Objekt die ungefarbten Centro- somen trotz ihrer Kleinheit so deutlich und scharf begrenzt findet, da8 sie leicht und sicher erkannt werden kénnen. Seine Beob- achtungen fiihren ihn zu dem Satze (S. 4), ,,daf es mit gréfSerer Sicherheit und mehr Konstanz gelingt, die Centrosomen an dem mit FLEMMiIne’scher Lésung fixierten, ungefarbten Material zu er- kennen, als durch specifische Tinktion an den mit Sublimat be- handelten Objekten sichtbar zu machen‘, eine Ueberzeugung, die mit dem, was ich 1895 (S. 62) hieriiber gesagt habe, aufs beste iibereinstimmt. In manchen Zellen wird dieses starke Lichtbrechungsvermégen vielleicht gentigen, um Centrosomen, auch wenn sie direkt in in- 1) Die Erkennung der Centrosomen im Leben scheint nur bei sehr wenigen Objekten méglich zu sein. Hierher gehéren einige einzellige Organismen, so nach der von LAuTERBORN (74) bestatigten Entdeckung Birscuui’s (24) gewisse Diatomeen, sowie einige Helio- zoen (SCHAUDINN, 96); sodann mach dem oben Mitgeteilten die Blastomeren von Ascaris meg. Zellen-Studien. 89 differentes Protoplasma eingebettet sind, mit Sicherheit aufzufinden. In den Objekten dagegen, die mir genauer bekannt sind, giebt es im Protoplasma noch mancherlei stark lichtbrechende Kérperchen von zum Teil ganz der gleichen Grife, so dai die Centrosomen, wenigstens auf gewissen Stadien, nur durch ihre Lage in einer specifischen Umgebung: der Sphiare, kenntlich werden. So sind z. b. die kleinen Centrosomen in den ruhenden Blastomeren von Ascaris ganz allein nur durch ihre Lage im Mittelpunkte der Sphare als solche nachweisbar. Freilich gilt dies nach meinen Erfahrungen nicht nur fir ungefirbte, in Wasser oder Glycerin untersuchte Praparate, sondern auch fiir alle Arten von Farbungen. Denn die im Protoplasma verstreuten Kérner, die mit den Centro- somen gleiche Gréfe und gleiches optisches Verhalten aufweisen, scheinen sich auch den Farbstoffen gegeniiber und speciell gegen das Eisenhimatoxylin ganz entsprechend zu verhalten. So ist auch am Eisenhimatoxylin-Priparat das Centrosom der ruhenden Ascaris-Blastomere von den bald sparlichen, bald zahlreichen ganz gleich aussehenden Kérnern nur durch seine Lage in einer be- sonderen Umgebung unterscheidbar. EKinen Farbstoff, der Centrosomen specifisch farbt, in dem Sinne, wie sich das Karmin als specifischer Chromatin-Farbstoff bezeichnen abt, giebt es bis jetzt nicht; und das nicht selten an- gefiihrte Argument, dal ein Gebilde als Centrosom anzusehen sei, weil es sich in Eisenhimatoxylin schwarz farbt, kann nicht das geringste Gewicht beanspruchen. Damit ist natiirlich nicht aus- geschlossen, dali es Zellen giebt, in deren Protoplasma andere schwarz farbbare Kérperchen vollstindig fehlen, so da das, was im Protoplasma dieser Zellen das Eisenhimatoxylin besonders stark festhalt, immer ein Centrosom ist. Gerade in diesen Fallen aber diirften die Centrosomen nach den Erfahrungen von mir und BatLowitz durch die Betrachtung der ungefarbten Objekte in Wasser oder Glycerin mit gleicher Sicherheit nachweisbar sein. Und so glaube ich, dai man im allgemeinen beziiglich der Darstellungsmittel fiir Centrosomen folgendes behaupten darf. Wo das Protoplasma und die Centrosomen so beschaffen sind, daf diese Kérperchen an gefirbten und speciell an Kisenhimatoxylin- Praparaten mit Bestimmtheit als solche kenntlich sind, da werden sie sich, wenn die Verhiltnisse nicht ganz minutidse sind, auch an ungefarbten Praparaten erkennen lassen. Wo dagegen die letztere Art der Untersuchung wegen Mangels einer specifischen Umgebung und wegen des Vorhandenseins ganz ahnlicher licht- 90 Theodor Boveri, brechender Kérperchen eine Erkennung der Centrosomen nicht gestattet, da diirfte auch in der Regel die Farbung nichts niitzen. Ich fiihre als Beispiel die Erfahrungen von Mac Faruanp tiber die Befruchtung des Eies von Pleurophyllidia californica an, wo die Sperma-Centrosomen, solange sie von einer Strahlung um- geben sind, als schwarze Piinktchen aufs klarste hervortreten, des- gleichen spater die von Strahlung umgebenen, ohne Zweifel damit identischen Centrosomen der ersten Teilungsfigur, wogegen auf den Zwischenstadien, in denen die Spharen fehlen, auch die Centro- somen nicht erkennbar sind, weil Hunderte von indifferenten Kornern des Protoplasmas sich genau ebenso darstellen. Mit diesen Auseinandersetzungen will ich der starken Ueber- schitzung entgegentreten, welche die Eisenhimatoxylin-Farbung erfahren hat; den hohen Wert dieser Methode erkenne ich jetzt, wie friiher, riickhaltlos an. Er liegt einmal in der bequemen und demonstrativen Art der Darstellung der Centrosomen an Dauer- praparaten und in der Moglichkeit, bei richtiger Anwendung der Methode (vgl. Abschnitt A) feinere Strukturen (Centriolen) in den- selben mit besonderer Klarheit zur Anschauung zu bringen; so- dann aber, und dies ist das Wichtigste, wird die intensive Schwarz- farbung auf hellem Grunde Centrosomen von einer Kleinheit noch erkennen lassen, die durch ihr bloBes Lichtbrechungsvermégen nicht mehr nachweisbar sind. Im allgemeinen sind die Centrosomen so kleine Kérperchen, daf schon dieser Umstand die Entscheidung, ob sie eine weitere Struktur besitzen, sehr erschweren mul. Beriticksichtigt man ferner, daf in letzter Zeit Centrosemen meist im Zustande tiefer Schwarz- farbung studiert worden sind, so lat sich leicht verstehen, da8 iiber ihre Struktur nur wenige Angaben vorliegen, ja dafi eine fir unsere Hilfsmittel nachweisbare weitere Zusammensetzung tiber- haupt als etwas den Centrosomen nicht Zukommendes in Abrede gestellt werden konnte. Bei dieser Frage ist nun zu unterscheiden zwischen dem Vor- handensein eines specifischen Centralgebildes, des Cen- triols, und einer feineren Struktur der das Centriol umgebenden Centrosomen-Substanz, des Centroplasmas. An dieser Stelle soll nur von diesem letzteren die Rede sein. Ich selbst finde das Centroplasma an der Mehrzahl der von mir untersuchten Objekte mit allen Methoden fast oder véllig homogen. Nur im Seeigel-Ei konnte ich eine feinere Struktur erkennen, die je nach der Konservierung einigermafien wechselnd ist und die ich an den Praparaten, die Zellen-Studien. 91 ich fiir die zuverlissigsten halte, als eine ungemein feine Schaum- struktur bezeichnen méchte. Daf ein ahnliches Gefiige auch anderwarts vorkommt, lehren z. B. die schénen Abbildungen So- Borra’s (97) vom Amphioxus-Ki, desgleichen diejenigen GrirFin’s (48) vom Thalassema-EKi (er bezeichnet die Centrosomen als Centro- spharen) und manche anderen Angaben der Litteratur. Da es sich in allen diesen Fallen um sehr grofe Zellen und demgemaS um sehr grofe Centrosomen handelt, so kénnte man denken, da’ hier eine Struktur, die tiberall besteht, zu Dimensionen ausgebildet sei, die uns in den Stand setzen, sie wahrzunehmen. Denn die gleich- mifige Schwarzfirbung, welche viele Centrosomen in Eisen- himatoxylin annehmen, ist durchaus kein Beweis fiir homogene Beschaffenheit; auch das netzig-wabige Seeigel-Centrosom kann sich bei diesem Verfahren als schwarze Kugel darstellen (Fig. 54, Taf. IV). Man kénnte aber auch annehmen, daf in jenen Fallen, wo eine Zelle sehr grofe Centrosomen nétig hat, in das eigentliche Centroplasma eine andere Substanz in Form von kleinsten Trépf- chen eingelagert sei, so daf das Centrosoma von der Furchungs- spindel eines Seeigel-Eies sich zu jenem des Ascaris-Eies etwa verhalten wiirde wie ein Actinosphaerium zu einer Amdobe. Als Kunstprodukte muf ich nach meinen Erfahrungen alle diejenigen Bilder bezeichnen, in denen in einer Sphare an Stelle eines einfachen, sei es homogenen, sei es wabigen Kérperchens, ein Haufen von Kérnchen zu sehen ist. Nachdem ich an den verschiedensten Objekten (vgl. Abschnitt A), bei denen tiber die normale Beschaffenheit der Centrosomen kein Zweifel bestehen kann, einen kérnigen Zerfall als Folge mangelhafter Konservierung oder pathologischer Verainderungen eintreten sah, halte ich mich fiir berechtigt, diejenigen Falle der Litteratur, in denen als Cen- trum der Astrosphire ein variabler Komplex von zahlreichen Kérnchen beobachtet worden ist, speciell also die Angaben M. HEIDENHAIN’s tiber die ,,Mikrocentren’ mehrkerniger Riesenzellen (55) in gleicher Weise zu beurteilen ‘). Als centrale Differenzierung enthalt das Centrosom ein noch viel kleineres Koérnchen, das Centralkorn oder Centriol, welches gleichfalls unter Umstinden ohne Farbung sichtbar sein 1) Herpenuary’s ,Mikrocentren“ in den Riesenzellen des Knochenmarkes verlangen allerdings eine andere, schon friiher von mir gegebene Deutung, worauf ich unten zuriickkomme. 92 Theodor Boveri, kann, so daS ich schon im Jahre 1888 im Stande war, es im Ascaris-Ei auf gewissen Stadien nachzuweisen. Das Centriol ist noch stirker lichtbrechend als das Centrosom, und dieser Umstand sowohl, wie sein Verhalten gegen das Eisenhamatoxylin weisen darauf hin, daf es dichter ist als das Centroplasma. Da8 dieses Gebilde ein Blaschen sei, wie Hicker (49) ftir das Ei von Sida crystallina und ERLANGER (35) fiir das Ascaris-Ei angegeben haben, mufi ich fiir die von mir studierten Objekte bestreiten ; ich finde das Centriol iiberall als ein Piinktchen, in Eisenhimatoxylin- Priparaten, in denen es gefarbt ist, als ein schwarzes Piinktchen, dessen Kleinheit jede weitere Analyse unméglich macht. Vergleicht man das Centrosom mit seinem Centralkorn, wie es im Seeigel-Ei, im Ei und den Spermatocyten von Ascaris, in den Ovocyten von Diaulula ganz tibereinstimmend vorliegt, in 3 Tiergruppen also, fiir die wir keinen Anhaltspunkt irgend naiherer Verwandtschaft haben, so wird man zu der Meinung ge- drangt, da in dieser Beschaffenheit des Centrosoms ein Verhalten von sehr allgemeiner Verbreitung gegeben sein miisse. Es diirfte daher an dieser Stelle eine kurze Erérterung am Platze sein, wie jene Falle, wo in der Sphare ausdriicklich ein nicht weiter zu- sammengesetztes Gebilde beschrieben worden ist, zu beurteilen sind. Zunichst sind solche Falle zu erwahnen, wo die Abbildungen keinen Zweifel lassen, da8 die Autoren als Centrosomen die Cen- triolen in Anspruch nahmen, wahrend sie die Centrosomen selbst zwar mehr oder weniger klar gesehen, aber als Sphare, Mark- schicht der Sphire, Centroplasma, Centrosphare oder anders be- zeichnet haben. Hierher gehéren, aufer den oben fiir das Seeigel-Ei aufgefiihrten Angaben von KOSTANECKI und ERLANGER, diejenigen von GriFFIn (48) fiir das Ei von Thalassema, von Mrap (80) fiir das Ei von Chaetopterus u. a. Hier handelt es sich also wesent- lich nur um eine Differenz in der Benennung, und wenn manche Darstellungen den Eindruck machen, als sei im Umkreis der Centriolen ein von der Sphare unterscheidbares Centralgebilde (Centrosom) nicht vorhanden, so glaube ich, aus den ganz ahn- lichen Angaben, welche fiir Ascaris nnd Echinus gemacht worden sind, vorliufig zu dem Schlusse berechtigt zu sein, dafi ungiinstige Untersuchungsbedingungen die Abgrenzung des Centrosoms gegen die Sphare tibersehen lieBen *). 1) Eine eingehendere Erérterung hieriiber siehe in Kapitel IIT: Das Verhialtnis von Centrosom und Centriol zur Sphire. Zellen-Studien. 93 Sodann sind Falle zu verzeichnen, wo ein unzweifelhaftes Centrosom vorliegt, fiir welches die Existenz von Centriolen in Abrede gestellt wird. Dahin gehéren die Angaben von SoporTa (97) fiir das Amphioxus-, von Benrens (2) fiir das Forellen-Ei. Daf die letzteren irrtiimlich sind, daran kann nach den Unter- suchungen Hennecuy’s (58), die neuerdings von W. Hrs (68) be- stiitigt worden sind, kein Zweifel bestehen. Mégen die Verbalt- nisse bei der Forelle auch in mancher Hinsicht noch unklar sein, so hat doch HenNneGuy in vielen seiner Figuren im Centrum der Sphire einen gréSeren kugeligen Kérper, das Centrosom, mit einem winzigen Korn, dem Centriol, abgebildet. Es diirfte kaum zu kiihn sein, auch beim Amphioxus das Gleiche anzunehmen, um so mehr, als Soporra in Fig. 29 (Taf. V) in den riesig aufgequollenen Centrosomen je ein kleines Kérperchen abgebildet hat, das sehr wohl dem Centriol entsprechen kénnte. Endlich beziiglich solcher Angaben, die sich auf sehr kleine Zellen beziehen, méchte ich folgendes zur Erwigung geben. Ich habe in Fig. 110 eine Zelle aus einer Blastula von Ascaris, in Fig. 1lla—c verschiedene Zellen aus einem alteren Embryo ab- gebildet; die Centrosomen besitzen ungefahr die gleiche relative GréBe wie im Ei. Ich habe derartige kleine Zellen in allen Sta- dien der Teilung gesehen; das Verhalten der Centrosomen ist genau das gleiche wie in den priméiren Blastomeren, das An- wachsen bei der Vorbereitung zur Teilung, die Abplattung wahrend der Anaphasen sind deutlich zu konstatieren. In diesen Centro- somen Centriolen nachzuweisen, war mir unméglich. Daf sie vor- handen sind, so gut wie in den Centrosomen des Zwei- und Vier- zellen-Stadiums, wird nicht zu bezweifeln sein; wenn sie hier schon an der Grenze der Sichtbarkeit stehen, so ist es nicht zu ver- wundern, daf sie bei der Verkleinerung aller Verhaltnisse, wie sie wihrend der Furchung eintritt, schlieBlich unter unser Wahr- nehmungsvermégen heruntergehen. Daraus diirfte aber zu schlieen sein, dafS man in kleinen Zellen, so in den meisten Gewebezellen, sowie in den Samenbildungszellen der meisten Organismen, auf einen Nachweis der Centriolen wegen ihrer Kleinheit nicht rechnen darf. Es scheint mir hier, wie nebenbei bemerkt sein mag, einer derjenigen Fille vorzuliegen, wo wir die Existenz von Strukturen annehmen miissen, ohne etwas davon zu sehen. 94 Theodor Boveri, Was nun die Gréenverhailtnisse des Centrosoms und seines Centralkorns anlangt, so geht schon aus dem gewaltigen Gréfenwechsel, welchen ein und dasselbe Centrosom von seiner Entstehung bis zu seiner Teilung unter Umstainden zu durch- laufen hat, hervor, daf bei einer Vergleichung der Centro- somengréfe verschiedener Zellen nur genau entsprechende Stadien mit einander verglichen werden diirfen. Diese Forde- rung ist bisher meistens aufer Acht gelassen worden, und der Kampf, der von gewissen Seiten gegen die Existenz grofer Centro- somen gefiihrt wird, beruht nicht allein auf einem verschiedenen Verhalten verschiedener Zellenformen und auf der Gewohnheit mancher Autoren, nur diejenigen Objekte als maSgebend anzu- sehen, die sie selbst studiert haben, sondern zum Teil auch darauf, daf{’ man die Centrosomen ruhender Zellen mit jenen von Zellen in Teilung vergleichen zu diirfen glaubte. Als diejenigen Stadien, welche wir von einer Zellenart zur anderen am sichersten vergleichen kénnen, sind einerseits das der vollen Zellenruhe, andererseits das der fertig ausgebildeten Teilungsfigur mit den zur Aequatorialplatte angeordneten Chromo- somen zu bezeichnen. Vergleicht man die Centrosomengréfe verschiedener Zellen auf diesen Stadien, so wird sich ganz im groben die gleiche Regel aufstellen lassen, die auch fiir den Kern gilt, daf das Centrosom um so grd68er ist, je groéBer die Zelle, des es angehort. Dieser Satz gilt ganz streng fiir grofe und kleine Zellen gleicher Art vom gleichen Organismus. Ich habe in Fig. 110 und 111 (Taf. VIII) Zellen aus verschieden alten Embryonen von Ascaris megalocephala wiedergegeben und neben die bei gleicher Vergréferung gezeich- neten Eier und primaren Blastomeren gestellt. Die Centrosomen dieser Zellen besitzen vielleicht 1/,,, und noch weniger von dem Volumen derer des Eies, aber im Verhaltnis zur GréBe der Zelle entsprechen sie aufs beste denen der Eier vom gleichen Stadium. Fast méchte man dies fiir selbstverstaindlich und kaum erwahnens- wert halten. Allein nachdem behauptet worden ist, da die Centralkérperchen Gebilde seien, in deren Natur es notwendig liege, daB sie tiber eine gewisse GréSe nicht hinausgehen, so dal sie auch in den gréBten Zellen ein gewisses Ma nicht iibersteigen kénnten, ist es nicht tiberfliissig, besonders auf jenen Parallelismus aufmerksam zu machen und ganz allgemein zu konstatieren, daS die Centrosomen in ihrer Gréfe der gleichen, zwischen sehr weiten Grenzen liegenden Variabilitét unterliegen, wie die Chromosomen, Zellen-Studien. 95 die Zellkerne, die Zellen selbst oder ein aus vielen Zellen auf- gebauter Organismus. Viel enger als die Beziehung der Centrosomengrié8e zur Grove der Zellen ist ihre Abhingigkeit von der Groé8e der Spindelfigur. Je gréfer die Spindel, um so gréBer sind die Centrosomen. Man vergleiche fiir die Richtigkeit dieses Satzes die Teilungsfiguren in den Eiern von Ascaris, von Echinus, von Amphioxus (Soporra, 97), von der Forelle (BEHRENS, 2), von Prostheceraeus (KLINCKOWSTROM, 71), von Thalassema (GRIFFIN, 48), in den Spermatocyten ven Ascaris (BRAUER, 21, FUrst, 46) und Helix (Murray, 86), in den Ovocyten von Diaulula (Mac FarLanp, 79) und Thysanozoon (VAN DER Srricut, 99), in den roten Blutkérperchen des Entenembryos (M. Hetpenmatn, 55, 56) und viele andere. Wiirde man alle diese Teilungsfiguren auf die gleiche Gréfe bringen, so wire die Uebereinstimmung in der GréBe der Centrosomen eine héchst auffallende. Allerdings giebt es von dieser Regel sehr weitgehende Aus- nahmen. So scheinen besonders bei dem klassischen Objekt der Wirbeltier-Histiologen, dem Salamander, relativ sehr kleine Centro- somen vorzukommen, was allerdings nur fir die Teilungsstadien gilt. Denn die Centrosomen ruhender Salamanderzellen sind relativ ungefahr ebenso grof wie die einer Ascaris-Blastomere. Allein sie wachsen bei der Vorbereitung zur Kernteilung nicht, sondern werden nach den schénen und sorgfaltigen Untersuchungen von Meves (81, Taf. IV, Fig. 52—57) entschieden kleiner, so daf sie in der fertigen Spindel, falls hier nicht durch konzentrische Ent- firbung kiinstliche Verkleinerung zu Stande gekommen ist, am kleinsten sind. Damit steht nun offenbar die andere Erscheinung in Zusammenhang, daf die neuen Radiensysteme, die sonst auf jenen Stadien, wo die Tochtercentrosomen sich von einander zu entfernen beginnen, noch sehr schwach entwickelt sind, in den Spermatocyten von Salamandra gerade waihrend der Trennung der Centrosomen am miachtigsten entfaltet sind (Mrves, Taf. IV, Fig. 52—55), um dann immer mehr abzunehmen, so daf an der fertigen Spindel (Fig. 57) kaum Spuren von Polradien zu sehen sind, wihrend in jenen Fallen, wo die Centrosomen wihrend der Karyokinese wachsen, auf diesem Stadium oder noch spiter die Strahlung am michtigsten ist. Dieses abweichende Verhalten der Strahlung in den Salamandra-Spermatocyten hangt aber wahr- scheinlich wieder irgendwie zusammen mit der miichtigen Ent- faltung der bei der Teilungsmechanik so wichtigen Centralspindel. 96 Theodor Boveri, Und so diirften gerade solche Ausnahmen das Vorhandensein gewisser allgemein giltiger Abhangigkeitsverhaltnisse fiir die GréBe der Centrosomen nahe legen. Beziiglich der Gréfe der Centriolen glaube ich behaupten zu diirfen, daf sie einigermafen der Grife der Centrosomen parallel geht. Die Centriolen des Seeigel-Eies und der Ovocyten von Diaulula sind, wie die Centrosomen dieser Zellen, erheblich groéfer als die entsprechenden Gebilde des Ascaris-Eies. Bei der- artigen Vergleichungen muf aber immer beriicksichtigt werden, daf bei der Darstellung der Centriolen mittelst Eisenhamatoxylins durch konzentrische Entfarbung kiinstliche Verkleinerung bis zu Piinkt- chen, die gerade noch wahrnehmbar sind, hervorgerufen werden kann, so daf es nicht statthaft ist, ein beliebig weit ausgezogenes Praparat als Grundlage fiir Angaben iiber die Grée der Centriolen zu wahlen. Eine sehr allgemeine Eigenschaft der Centrosomen scheint ihr rhythmischer Gré8enwechsel zu sein: dafi sie anwachsen und wieder klein werden, welch letzterer Prozef bereits mit der Teilung Hand in Hand gehen kann. Makig ist dieser Wechsel in den Spermatocyten von Ascaris, viel ausgepragter im Ascaris-Ki, sehr stark im Seeigel-Ei; denn man kann nicht umhin, den grofen ellipsoiden Kérper, wie er in den Figg. 58 und 62 (Taf. V) vorliegt, als Centrosoma zu bezeichnen. Dieses Wachstum der Centrosomen geht ganz kontinuierlich vor sich und geschieht sicher nicht durch Apposition, sondern ist, wie die damit einhergehenden Veranderungen in der Reaktion des ganzen Kérpers beweisen, ein intussuceptionelles, das sich einer weiteren Analyse ebenso entzieht, wie das Wachstum einer Zelle. Auffallender als das Heranwachsen diirfte vielleicht die Verkleinerung erscheinen, obgleich es auch dafiir nicht an Ana- logien fehlt. Ich fiihre die merkwiirdige Verkleinerung an, die Rickert (92) an den Chromosomen im Keimblaschen des Hai- fisch-Eies entdeckt hat. Merkwiirdigerweise fallt die gréSte Anschwellung des Centro- soms nicht tiberall mit der gleichen Phase des mitotischen Pro- zesses zusammen. Im Ascaris-Ei und ebenso in den Spermato- cyten dieses Wurmes sind die Centrosomen vor voller Ausbildung der Teilungsfigur am gréSten, im Seeigel-Ei vergréBern sie sich kontinuierlich wahrend der Bewegung der Tochterplatten, ahnlich verhalt es sich in den Ovocyten von Diaulula und, wie es scheint, Zellen-Studien. 97 in vielen anderen Fallen; in den Spermatocyten von Salamandra nehmen sie nach Meves, wie oben bereits erwihnt, schon wihrend ihrer Entfernung von einander an Grofe ab. Es wird unten eingehend zu betrachten sein, yon wie grofem Kinfluf diese Verschiedenheiten auf die Art der Centrosomen- Teilung sind; hier sei nur erwahnt, dal das gewaltige An- wachsen des Centrosoms, wie es z. B. im Seeigel-Ki stattfindet, nicht zu einer entsprechend kontinuierlichen Verkleine- rung fiihrt, sondern zu einer ganz ploétzlichen. Wéahrend bei Ascaris das Centrosom ganz allmihlich an Gréfe abnimmt, ohne da8 man fiir gewohnlich eine Abstofung geformter Teile wahrnehmen kann, st6St das Centrosom des Seeigel- Kies, nach- dem es seine volle Gréfe erreicht hat, den gréften Teil seiner Substanz fast plétzlich ab, und, ahnlich wie aus einer Algen- Zelle sich ein kleiner lebender Teil herauszieht und fortan die »Zelle“ reprisentiert, so bleibt als ,,Centrosom’ nur ein Teil zuriick, alles andere mischt sich mit dem umgebenden_,,Proto- plasma“. Ganz entsprechend wird bei Diaulula der gréfte Teil des riesig herangewachsenen Centrosoms als Centralspindel abge- worfen, nur ein kleiner Teil bleibt tibrig in Gestalt der Tochter- centrosomen. Kapitel IT. Teilung der Centrosomen. Die Teilung des Centrosoms wird eingeleitet und in manchen Fallen lange vorbereitet durch die Teilung des Centriols in zwei Tochtercentriolen. Von diesem Prozefi ist bei der Kleinheit der Verhaltnisse nichts Niheres zu ermitteln; oft wird es unmédglich sein, zu entscheiden, ob noch ein gestrecktes einfaches oder bereits zwei Centriolen vorliegen. Im iibrigen aber lassen sich so konti- nuierlich, entsprechend den Phasen der Kernmetamorphose, alle Stadien von einem einfachen kugeligen zu einem gestreckten und dann doppelten Centriol verfolgen, dal die Zweiteilung selbst unzweifelhaft ist. Ohne jede Ausnahme fand ich in den von mir untersuchten Objekten nach der Teilung zwei Centriolen, niemals mehr. Die beiden Schwestercentriolen zeigen fast immer gleiche Gréfe; doch kommt es vor, dal sie deutlich ungleich erscheinen. Beriicksichtigt man aber die Eigenschaften der Eisen- Bd, XXXY, N. F. XXVIIL Gi 98 Theodor Boveri, himatoxylin-Farbung, so wird man daraus noch nicht ohne weiteres schliefen diirfen, daf sie wirklich verschieden gro8 sind. Sind die Schwestercentriolen weiter yon einander entfernt, so kann man an manchen Objekten eine deutliche Briicke zwischen ihnen wahrnehmen. Ob dies eine bei der Teilung nachbleibende Verbindung oder eine sekundire Differenzierung ist, diirfte, wie schon Mac FARLAND hervorhob, sehr schwer zu entscheiden sein. Fiir das Seeigel-Ei méchte ich aber doch das letztere annehmen, Denn ich habe diese Briicke auf Stadien, wo die Centriolen bereits weit genug von einander abstehen, um die Erkennung einer Ver- bindtngsbriicke zu erméglichen, nicht gefunden, waihrend sie spater sehr deutlich wird. Ist die Teilung des Centriols, soweit wir beobachten kénnen, in allen Objekten wesentlich der gleiche Vorgang, so verlauft die Teilung des Centrosoms selbst unter verschiedenen Modi- fikationen. Diese Verschiedenheiten hangen vor allem davon ab, ob sich das Centrosom im Zustand seines groéSten Volumens oder erst nachdem es sich wieder verkleinert hat, zur Teilung anschickt. Im letzteren Falle, der durch die Spermatocyten und Furchungs- zellen von Ascaris reprasentiert wird und der wahrscheinlich fiir alle Zellen mit langer Ruhe zwischen zwei Teilungen typisch ist, verlaiuft die Teilung sehr einfach, besonders einfach in den Spermato- cyten von Ascaris. Hier streckt sich das Centrosom in der Richtung der Verbindungslinie der beiden Centriolen in die Linge, und um jedes Centriol schniirt sich die Halfte des Centroplasmas ab. Die Substanz des Muttercentrosoms scheint ganz oder fast ganz in die beiden Tochtercentrosomen aufzugehen, die sich alsbald zu Kugeln abrunden und nun wieder von neuem heranwachsen. Falls in den Blastomeren von Ascaris nicht jene oben als un- wabrscheinlich bezeichnete Eventualitaét verwirklicht ist, daf die neuen Centrosomen aus den beiden Centriolen des Muttercentrosoms durch Wachstum hervorgehen, so stimmt die Centrosomenteilung mit der in den Spermatocyten in der Hauptsache tiberein. Der einzige Unterschied ist der, da’ die Centrosomen, die bei der Teilung noch viel kleiner sind als die der Spermatocyten, sich nicht alsbald vollstindig von einander abschniiren, sondern dal eine aquatoriale Zone zu einem Stiele auswachst, der nach einiger Zeit verschwindet. Hat ERLANGER recht, da dieser Stiel in der Mitte reiZt und in die Tochtercentrosomen eingezogen wird, so geht auch hier das verkleinerte Muttercentrosom véllig in den Tochtercentrosomen auf; degeneriert der Stiel in loco, wie ich es Zellen-Studien. 99 fiir wahrscheinlicher halte, so hatten wir schon hier ganz deutlich ausgeprigt jene Abstofung von Substanz bei der Centrosomen- teilung, die in anderen Fallen zu so grofer Bedeutung gelangt. (Textfigur A, Reihe I, 8. 102.) Wesentlich anders nun gestalten sich die Verhaltnisse, wenn das Centrosoma sich in einem Stadium zur Teilung anschickt, wo es sein gréftes Volumen besitzt und wo dann Verkleinerung und Teilung in einander greifen. Einer der lehrreichsten Falle dieser Art ist der von Mac FarRLAND bei Diaulula festgestellte. Das Centrosom wiachst zu einem grofen, spindelf6rmigen Kérper heran, in dessen halbkugelig vorgewolbte Enden die Centriolen zu liegen kommen; um _ jedes Centriol differenziert sich ein homogener, offenbar besonders dichter Teil des wachsenden Muttercentrosoms, der mittlere Teil wird faserig (Centralspindel); er entspricht einigermafen dem Verbindungstiel des sich teilenden Centrosoms im Ascaris-Ei, nur da8 er viel machtiger ist. Dieser weitaus grékte Teil des riesig gewachsenen Muttercentrosoms geht spater im Protoplasma unter, die dichten Endknépfe, die sich allmahlich abrunden, reprisen- tieren die Tochtercentrosomen'). (Textfigur A, Reihe IV.) Kinen anderen Typus zeigt das Seeigel-Ki. Wie in den Ovo- cyten von Diaulula, so wird auch hier, nachdem das Centriol durch seine Spaltung die Teilung vorbereitet hat, das Centrosom nicht kleiner, sondern es nimmt noch sehr bedeutend an Volumen zu. Diese Vergroferung entspricht offenbar dem kolossalen Wachstum, welches das Diaulula-Centrosom in seinem Uebergange zur Spindel erleidet. Nur geht in diesem letzteren Falle mit der Vergréferung und Streckung Hand in Hand die Auseinanderbewegung der Tochtercentriolen nach den beiden Enden und damit die Ent- stehung zweier von Anfang an weit von einander entfernter Tochter- centrosomen, wiihrend bei Echinus auf dem entsprechenden Sta- dium die ‘Tochtercentriolen noch mehr central liegen. Damit hangt es ohne Zweifel zusammen, daf sich nicht gleich 2 véllig selbstandige Tochtercentrosomen differenzieren, sondern eine zuerst sehr verschwommene, allmahlich sich konzentrierende biscuit- formige Verdichtung als zunichst gemeinsame Anlage der Tochter- 1) Sollte die Centralspindel in den Zellen des Salamanders durch Wachstum aus einer bei der Centrosomenteilung bleibenden Verbindungsbriicke hervorgehen, so waren die Verhaltnisse wohl ebenso zu beurteilen, wie bei Diaulula. 7 100 Theodor Boveri, centrosomen entsteht!). (Textfigur A, Reihe III.) Die wesentliche Uebereinstimmung beider Typen besteht darin, da hier wie dort die Hauptmasse des groBen Centrosoms ausgeschieden wird; was bei Diaulula als Centralspindel abgestofen wird, geht bei Echinus als peripherer Hof verloren. Und ahnlich wie dort dieser der Auflésung bestimmte Teil als Centralspindel faserig wird, so nimmt auch der abgestofene Teil des Seeigel-Centrosoms fadige Struktur an, indem seine Substanz zur Anlage der neuen Spharen Verwendung findet. Dafi zwischen diesen beiden Modi kein prinzipieller Unter- schied besteht, lehren, abgesehen von manchen typischen Bildern, gewisse Abnormititen, welche im Seeigel-Ei dann auftreten, wenn das Centrosom sich sehr friihzeitig teilt, d. h. wenn die Cen- triolen schon wahrend der Aufquellung des Centrosoms an ent- gegengesetzte Enden geriickt sind. Zwei Falle dieser Art, im Sta- dium etwas verschieden, sind in Fig. 38 und 39 (Taf. III) ab- gebildet. Die Uebereinstimmung mit Diaulula ist ganz frappant. Fig. 38 zeigt. das Stadium der aus dem aufgequollenen Centrosom differenzierten Platte bei polarer Ansicht und entspricht ungefabr den typischen Stadien der Fig. 43 u. 44 (Taf. IV). Die Centriolen sind nicht nachweisbar, liegen aber ohne Zweifel in den beiden auferst zarten Endverdichtungen, zwischen denen sich der mittlere Teil der Platte als ein faseriger Komplex erstreckt. Die Endanschwel- lungen zeigen sich bereits als neue Strahlencentren. Wie nun das normaler Weise entstehende biscuitformige Doppelcentrosom sich zusammenzieht und verdichtet, so geschieht es auch in unserem abnormen Falle mit den an den Enden der Spindel sich aus- bildenden Tochtercentrosomen, und so ist das Bild der Fig. 39 zu erkliren, in dem nun auch die Centriolen und zwar in jedem Centrosom bereits zwei nachweisbar sind. Diese Zustainde sind so eng mit dem normalen Verlauf verwandt und stimmen anderer- seits so sehr mit den Verhaltnissen von Diaulula tiberein, daf sie die nahe Beziehung dieser beiden Typen aufs klarste illustrieren. Die Differenzierung aus einem gewaltig angewachsenen Mutter- centrosom, wie sie in diesen Fallen vorliegt und bei Diaulula sofort zu 2 vollig getrennten, bei Echinus normalerweise zu 2 hantel- formig verkntipften Tochtercentrosomen fiihrt, vollzieht sich nun 1) Die eigentiimliche Abplattung dieser Verdichtung hat offen- bar nichts mit der Centrosomteilung zu thun, sondern steht wohl, wie die ganz entsprechende Abplattung im Ascaris-Ei, mit der Mechanik der Karyokinese in Zusammenhang. Zellen-Studien. 101 offenbar bei manchen Objekten bereits auf einem Stadium, wo das Centriol noch ungeteilt ist oder die Schwestercentriolen noch ganz dicht nebeneinander liegen, und fiihrt so in dem noch deutlich begrenzten Centroplasma zur Bildung eines einfachen redu- zierten Centrosoms, das sich dann erst teilt. Dieser Typus ist mir aus eigener Erfahrung nicht bekannt, und ich muf mich daher hier ausschliefSlich auf die Litteratur stiitzen, wobei meine Deutung der beschriebenen Befunde an manchen Punkten von der- jenigen der Autoren etwas abweicht. Es liegen schon in der ailteren Litteratur Angaben vor, die sich, wie-mir scheint, auf einen derartigen Modus der Teilung beziehen. Ich nenne biervon die wegen ihrer scheinbaren Isoliertheit und Komplikation bis in die neueste Zeit fast unbeachtet gebliebenen Verhiltnisse, die Vrespovsk¥ (100) in seinen vorziiglichen Untersuchungen am Ei von Rhynchelmis konstatiert und neuerdings, gemeinsam mit MrAzexk (101) in verschiedener Beziehung ergainzt hat. Auch bei der Forelle diirften nach den Angaben yon HenneGuy (58) wohl aihnliche Verhaltnisse bestehen. Endlich rechne ich hierher den Teilungsmodus, den Grirrin (48) im Ei der Gephyree Thalassema festgestellt hat. Da dieser Forscher die vollstandigste Serie von Stadien gegeben hat, lege ich den folgenden Betrachtungen seine Darstellung zu Grunde. Grirrin beurteilt den Fall allerdings etwas anders als ich, d. h. er legt auf die Kigentiimlichkeiten, die ich gerade als die bedeutsamsten ansehe, kein besonderes Gewicht. Ich halte mich also hauptsiachlich* an seine Zeichnungen, von denen die wichtigsten auch in Wrtson’s meisterhaftem Handbuch (106) reproduziert sind. Beziiglich meiner Deutung verweise ich auf meine schematischen Figuren (Textfigur A, Reihe II, S. 102). Was Grirrin als Centrosom bezeichnet, ist, wie er selbst bei Besprechung meiner Terminologie hervorhebt, das Centriol, seine Centrosphire das Centrosom. Nach seinen Angaben nun ware zunichst ein nacktes Centriol vorhanden, auf welches direkt die Radien konvergieren und welches sich erst allmahlich mit einer nicht strahlig gebauten Kugel umgiebt. Es scheint mir kaum zweifelhaft, daf es sich hier um Verhialtnisse handelt, wie ich sie im Seeigel-Ei gefunden habe, wo auch bei gewisser Konservierung das Centrosom selbst kurz nach der Teilung so aufferst unschein- bar ist, daS man wohl glauben kénnte, das Centriol sei direkt das Strahlencentrum. Ich glaube also als sicher annehmen zu kénnen, da8 schon der in Grirrin’s Fig. 10 und 11 sichtbare ,,helle Hof das Centrosom reprisentiert, welches in Fig. 12 gewachsen und 102 Theodor Boveri, 4 _— — i pe | ae al Br. jm. | ae ae ss Ne JN. oe ee BONY ZAINJINS @ Zellen-Studien. Ill ao I il AB [= a b @ = suk y.. ‘= @)- | ae. —— Alt | a “NI \\ , ‘ 4 € aA a SS ZI wii ZI : af Th a 103 IV AMIS “aN ——_ a SSS “A IN PSone | onion Tey Zo) cieerin Te sicrenutareran cates Dich ee DCR Eran J c,see = see \22= ——— Se | ee 104 Theodor Boveri, in Fig. 13 zu einer sehr grofen Kugel geworden ist, so daf die Verhialtnisse bis hierher vollkommen denen im Ascaris-Ei ent- sprechen wiirden. In diesem grofen Centrosom riickt nun (GRIFFIN, S. 170) das sich verdoppelnde Centriol nach aufen (Textfigur A, IIc) und im Umkreise dieser beiden K6rnchen differenziert sich ein kleiner, kugeliger Koérper (Fig. A, Ifd), eine Erscheinung, deren Uebereinstimmung mit den Vorgaéngen bei Diaulula und Echinus ({1Id und IVd) ohne weiteres klar ist. Wie dort, bleibt das alte grofBe Centrosom noch eine Zeit lang Strahlencentrum; bei der Teilung des reduzierten Muttercentrosoms (Ile und f) bilden sich allmahlich die neuen Spharen, zum Teil aus dem zertallenden abgestoBenen Centroplasma !). Dieser Fall, so eigenartig er zunachst vielleicht aussieht, fiihrt doch wieder zuriick auf den Ascaris-Typus (Fig. A, Reihe I). Der Unterschied ist nur der, da® sich bei Ascaris das Muttercentrosom allmahlich verkleinert, d. h. den gréfSten Teil seiner Substanz unmerkbar abgiebt, so daf er sofort in der Umgebung verschwinden kann, wogegen bei Thalassema diese Reduktion plétzlich geschieht, indem sich der Bereich, der iibrig bleiben soll, zu einer Zeit ab- — grenzt, wo das urspriingliche Centrosom als Strahlencentrum noch langere Zeit erhalten bleibt. Auf der anderen Seite ist auch der Anschluf an Echinus ein sehr enger, wie die Schemata der Fig. A, Reihe III) unmittelbar lehren?). Endlich bietet der Teilungstypus im Thalassema-Ei in der Art, wie sich die Tochtercentrosomen an der Peripherie des groSen Muttercentrosoms differenzieren, eine gewisse Beziehung zu Diaulula (Fig. A, Reihe IV) dar. In beiden Fallen fassen die Tochtercentrosomen das abgestofene Centroplasma zwischen sich, und es bildet sich unter ihrem Ein- flu8 aus dieser Substanz ein zwischen beiden ausgespanntes, spindelférmiges Fasersystem, hinsichtlich dessen allerdings keine volle Vergleichbarkeit besteht, worauf ich unten nochmals zuriick- komme. 1) Hiermit fast identische Verhiltnisse sind in der soeben er- schienenen schénen Arbeit von W. R. Cox (30) fir das Ei der Nemertine Cerebratulus beschrieben. Auch hier finden sich die Centriolen, ehe sie auseinanderriicken, von einem kleinen kugeligen Kérper umgeben, dem reduzierten Centrosom (Cor’s Fig. 36), welches sich dann teilt (Fig. 38). 2) Nach gewissen Litteraturangaben ware es sogar denkbar, dai es Seeigel-Eier giebt, bei denen das reduzierte Centrosom nicht direkt als Platte, sondern als eine central gelegene kleine Kugel entsteht. Zellen-Studien. 105 Echinus umgekehrt, obgleich in der Hauptsache zwischen Thalassema und Diaulula einzureihen, zeigt wieder gewisse An- schliisse an Ascaris, indem die Konzentration des hantelférmigen Doppelcentrosoms sich in der Lingsachse des alten Centrosoms, nicht excentrisch volizieht, so dal das abgestofene Centroplasma gleichmaSig nach aufen zu liegen kommt (vgl. Reihe I und IId). Schon oben habe ich bemerkt, da meiner Meinung nach unter den durch das Thalassema-Ei reprasentierten Typus auch des Rhynchelmis-Ki fallt; jedoch bestehen hier gewisse Modi- fikationen, auf die ich noch etwas niher eingehen will. Ich mul vorausschicken, daf es mir nicht fiir alle Abbildungen der grofen Abhandlung VespovskyY’s (100) vollig klar ist, wie dieselben auf einander zu beziehen sind, und da8 ich wieder manches von dem, was VEspovskKY und MrAzex (101) neuerdings beschrieben und abgebildet haben, mit den friiheren Befunden nicht recht zu ver- einigen weil, Sicher aher scheint mir zu sein, da’ wir es im Rhynchelmis-EKi mit einem riesig anwachsenden Centrosom [VEJ- pOvskY’s Periplast')] zu thun haben, in welchem sich um das (noch einfache ?) central gelegene Centriol ein reduziertes Centro- som differenziert, welches alsbald zum Centrum eines neuen kleinen Radiensystems wird. VrEspOVSKY und MrAzex geben zwar an, daf sich die Strahlen direckt an das Centriol (von ihnen Centro- som genannt) ansetzen. Allein wenn man ihre Bemerkung be- riicksichtigt, daf wohl infolge der Strahlenbildung das friiher kaum sichtbare Korn von jetzt an viel gréfer ist, diirfte die Annahme gerechtfertigt sein, daf dieses bedeutend gréfere Kérnchen das Centriol + Hiille, d. h. ein Centrosom in meinem Sinne ist. Das Eigentiimliche an diesem Objekt nun ist dieses, da das reduzierte Centrosom, schon vor seiner Teilung, in dem _peri- pheren Centroplasma, von dem es umgeben wird, eine kleine Astrophare hervorruft, wihrend dieses Centroplasma selbst als ein deutlich begrenztes und in seiner weitaus gréBeren peripheren Ausdehnung nicht radiair strukturiertes Areal seinerseits noch das Centrum einer machtigen Astrosphire darstellt, so da8 hier also zwei Spharen — VeJpDOvskY spricht ganz zutreffend von ,,endo- gener“ Entstehung — in einander geschaltet sind. So abweichend die Bilder, die auf diese Weise zu Stande kommen, aussehen, so ist doch, genauer betrachtet, der Unterschied gegeniiber den Ver- 1) Ob alles, was Vespovsxy Periplast nennt, dem Centrosom (Centroplasma) gleichzusetzen ist, méchte ich unentschieden lassen. 106 Theodor Boveri, haltnissen im Ascaris-Ei gar kein so sehr grofer. Denn auch hier ist ja das noch einfache verkleinerte Centrosom stets der Mittel- punkt der Radien, die sich ihm unmittelbar anfiigen und die offenbar aus dem abgestofenen Centroplasma gebildet sind. Die Differenz besteht nur darin, daf bei Ascaris die wahrend der Reduktion sich differenzierenden neuen Radien einfach als die innere Fortsetzung der alten erscheinen, wogegen bei Rhynchelmis das periphere Centroplasma noch lange Zeit seine Selbstandigkeit und seine Abgrenzung bewahrt und sich so seinerseits als ein Strahlencentrum darstellt. Wiirde sich somit das Rhynchelmis-Ki sehr nahe den oben aufgestellten Typen anschliefSen, so ist nun noch ein Punkt zu erwihnen, der vielleicht eine Besonderheit darstellt. Schon in seiner ersten Abhandlung hat VEspovskY in einigen Fallen, so in Fig. 5 und 6 (Taf. VII), in dem einen der beiden vor kurzem gebildeten Tochtercentrosomen noch ein kleineres Kérperchen ab- gebildet, das seinerseits eine kleine Astrosphaére um sich hat. Fir ein Centriol wire dieses Gebilde viel zu grof. Was aus ihm wird, dariiber lehren die Abbildungen der folgenden Stadien nichts; in Fig. 3, 7 und 8 (Taf. VII) ist von dem Gebilde nichts zu sehen. So méchte man an Zufilligkeiten einiger Priparate denken, um so mehr als VEspOvskY dieses Innenkérperchen nur immer in dem einen der beiden Schwestercentrosomen gefunden zu haben scheint; allein die neue Mitteilung enthalt eine Abbildung, die etwas ganz Aehnliches darstellt. In dem noch ungeteilten reduzierten Centro- som der Fig. 5 sind abermals zwei winzige Astrospharen gezeichnet. Aber auch hier ist nicht ganz klar, was aus diesen Bildungen wird. Immerhin ist es denkbar, daf es sich um eine merkwiirdige Anticipation handelt, der Art, daf’ sich in dem Centrosom, ehe es sich von seinem Schwestercentrosom abschniirt, also ehe es die ihm zufallende Rolle zu spielen beginnt, schon wieder als centrale Differenzierung ein neues reduziertes Centrosom ausbildet, dasjenige, welches spiter durch seine Teilung die Pole fiir die itibernachste Mitose zu liefern hat. Ist diese Interpretation richtig, so ware im Rhynchelmis-Ei ein besonderer und jedenfalls der am meisten spezialisierte Typus eines Cytocentren-Kreislaufes gegeben. Wie dem aber auch sein mag, jedenfalls verdient hervorgehoben zu werden, da Vespovsky schon 1887/88 einen sehr komplizierten und deshalb lange Zeit unverstanden und unbeachtet gebliebenen Modus der Centrosomenteilung im wesentlichen richtig be- schrieben hat. ie ae Zellen-Studien. 107 Sucht man aus dem Gesagten das allgemein Giltige der Centrosomenteilung zu abstrahieren, so wird sich etwa folgendes sagen lassen. Die Centren fiir die Entstehung der beiden Tochtercentro- somen sind allem Anschein nach gegeben in den Centriolen, in der Weise, da da, wo ein Tochtercentriol liegt, sich schlieBlich ein neues Centrosom bildet. Falls also ein Centrosom sich simultan in drei Stiicke teilt zur Bildung einer dreipoligen Teilungsfigur, so wird man annehmen miissen, daf in dem Muttercentrosom drei Centriolen vorhanden waren. Ueber die dynamischen Be- ziehungen hierbei etwas auszusagen, ist natiirlich unméglich, be- sonders da wir bei der Kleinheit der Verhiltnisse gar nicht wissen kénnen, ob wir tiberhaupt das Wesentliche sehen. Es sei nur daran erinnert, da man friiher mit Unrecht die Zellkerne als Bildungscentren fiir die Tochterzellen betrachtete, weil sie eben das Einzige waren, was man als centrale Differenzierung der Zellen wahrnehmen konnte. In manchen Zellen wird die zufallige, wenigstens in Riick- sicht auf die alte Teilungsachse véllig variable Lagerung, welche die Tochtercentriolen bei ihrer Entstehung gewinnen, beibehalten, und so ist die hierdurch bestimmte Anfangsstellung der Tochter- centrosomen gleichfalls vollkommen variabel. Dies ist der Fall bei Ascaris. In anderen Zellen, so im Seeigel-Ei, werden die anfinglich ganz beliebig gestellten Tochtercentriolen in eine be- stimmte Lage gebracht, ehe die Differenzierung in zwei neue Centrosomen beginnt, und so haben diese dann von Anfang an eine bestimmte Stellung in der Zelle. Ich mochte auf Grund dieser Thatsachen die Rolle des Centriols im Centrosom mit derjenigen vergleichen, die das Centro- som seinerseits in der Zelle spielt. Die Durchschnirung der Zell- substanz richtet sich nach der Stellung der Centrosomen, ist also direkt von ihr abhingig. Allein das Protoplasma hat unter Umstinden die Fahigkeit, die Stellung der Centrosomen zu bestimmen, und seine Teilungsrichtung ist also indirekt doch durch seine eigene Konstitution bestimmt. Kin ahnliches Ver- hiltnis scheint zwischen Centrosom und Centriol zu bestehen. Was nun den verschiedenen Verlauf des Teilungsvorgangs anlangt, so ist dieser bedingt durch das Ineinandergreifen zweier Vorgiinge. Erstens, das Muttercentrosom teilt sich unter dem Einflu8 der beiden Tochtercentriolen in zwei Hiilften; zweitens, dasselbe ist wahrend seiner Thatigkeit unter Umstinden riesig 108 Theodor Boveri, angewachsen und kehrt wieder zu seiner urspriinglichen GréBe zuriick. Je nach dem verschiedenen Zusammentreffen dieser beiden Vorginge und je nach der verschiedenen Raschheit, mit der sie verlaufen, treten die oben beschriebenen auffallenden Unterschiede auf, fiir die sich vorlaufig folgende Regeln aufstellen lassen: 1) Tritt die Riickkehr des Centrosoms zu seinem kleinsten Volumen ein, so lange nur ein Centriol vorhanden ist oder die Schwestercentriolen dicht beisammen liegen, so entsteht ein einfaches, kugeliges, verkleinertes Centrosom — reduziertes Muttercentrosom (Ascaris, Thalassema, Fig. A, Reihe I und IId). Sind die Centriolen beim Eintritt dieses Reduktionsprozesses bereits weiter entfernt, so ist das reduzierte Muttercentrosom in dieser Richtung gestreckt und geht alsbald in ein hantelformiges Doppelcentrosom tiber (Echinus, Fig. A, Reihe IiId und e). Sind die Centriolen beim Eintritt des Reduktionsprozesses sehr weit von einander entfernt, so entstehen direkt 2 selbstaindige Tochter- centrosomen (Diaulula, Fig. A, Reihe IV d). 2) Tritt die Reduktion sehr langsam ein, so mischt sich das abgestoBene Centroplasma sofort mit der Umgebung und schlieBt sich wahrscheinlich den Radien der Astrosphire an, so dal man das allmahlich kleiner werdende Centrosom stets als Mittelpunkt einer unter Umstianden bis an seine Oberflache zu verfolgenden radiaren Struktur antrifit (Ascaris, Fig. A, Reihe Id, e). Tritt die Differenzierung des reduzierten Muttercentrosoms dagegen plétzlich ein, so besteht neben dem, bezw. den beiden reduzierten Centrosomen das alte noch eine Zeit lang fort, und es tritt eine gewisse Konkurrenz zwischen beiden ein, indem das alte noch ein Radiencentrum darstellt, wiahrend allmahlich das reduzierte Cen- trosom oder die beiden Tochtercentrosomen bereits als solche in Thatigkeit treten. So kommt es hier zu der merkwiirdigen Durch- kreuzung des alten und der neuen Systeme, wie sie besonders bei Echinus und Thalassema deutlich ist, bis schlieSlich mit dem Untergang des abgestofenen Centroplasmas die alten Radien gleich- falls verschwinden. 3) In allen Fallen scheint das abgestofBene Centroplasma unter dem Einfluf8 des reduzierten Centrosoms oder der Tochter- centrosomen zu fadiger Differenzierung befaihigt zu sein, welche in ihrer Anordnung verschieden ausfallt je nach der Lage des abgestofenen Teiles zu dem reduzierten Muttercentrosom, bezw. den beiden Tochtercentrosomen. Hier laft sich allgemein, wenn auch nicht vollig streng, sagen: es entstehen fadige Gebilde in der Zellen-Studien. 109 Richtung der Kraftlinien, wie sie einander anziehenden Polen ent- sprechen!). Liegt also der abgestofene Teil im Umkreis des noch einfachen reduzierten Centrosoms, so entsteht eine monocentrische Radiairstruktur (Ascaris, Rhynchelmis); bilden sich direkt zwei kleine Tochtercentrosomen, so gewinnt das abgestofene Centro- plasma eine dicentrische Faserstruktur (Echinus). Bei der Mehrzahl der beschriebenen Typen kann man im strengen Sinne des Wortes von einer Teilung des Centrosoms reden, und wenn jemand sagen wollte, daf das ,,eigentlich Teilungs- fihige’‘ das Centriol sei, so ware zu erwidern, dal, so gut die Zellteilung immer eine Teilung bleibt, wenn sie auch als ab- hingig von gewissen in ihr gelegenen Organen erkannt ist, ebenso auch die Verdoppelung der Centrosomen mit Fug und Recht als eine Zweiteilung bezeichnet wird?). Selbst bei dem durch Diaulula repriisentierten Typus wird gegen die Bezeichnung ,,T eilung™ kaum eine Einwendung zu erheben sein. Immerhin ist es bemerkenswert, daf der Teilungsvorgang an kleinen Centrosomen viel klarer ist als an jenen, die sich als machtig angeschwollene Gebilde zur Teilung anschicken. Diese letzteren bereiten uns hierin eine abnliche Enttéiuschung, wie die grofen, dotterreichen Eizellen, mit denen sie tberhaupt eine ge- wisse Uebereinstimmung darbjeten. Wie wir bei diesen mit Nahr- stoffen tiberladenen Eiern von einer partiellen Furchung sprechen, so diirfte auch fiir manche Centrosomen der Ausdruck : partielle Teilung nicht unangebracht sein. Denn ganz ahnlich, wie die groBe, dotterreiche Eizelle bei Beginn der Entwickelung die Dottermassen plétzlich oder mehr allmahlich eliminiert, so stoBen auch die groKen Centrosomen bei ihrer Teilung den grébten Teil ihrer Substanz ab. Es macht den Kindruck, als wenn von dem Plasma der so stark aufgequollenen Centrosomen nur ein kleiner Teil ,aktive'’ Substanz reprasentiere, eben derjenige, der sich um die beiden Centriolen zusammenzieht und abgrenzt und dadurch die Teilung bewirkt. So legt gerade diese Vergleichung den Ge- danken nahe, daf das riesige Wachstum der Centrosomen auf der 1) Warum der Vergleich der karyokinetischen Strahlungen mit den magnetischen Kraftlinien nur ein ganz oberflichlicher ist, habe ich schon 1888 (13, S. 183) an den Erscheinungen bei den mehr- poligen Figuren dargelegt. 2) Im iibrigen kénnen wir nicht wissen, ob nicht auch in den Centriolen noch kleinere Centralgebilde vorhanden sind. 110 Theodor Boveri, Einlagerung einer mebr passiven Fiillmasse, eines Centrodeuto- plasma, wenn ich so sagen darf, beruht, aus dem sich vor oder bei der Teilung das Centroprotoplasma absondert. Ich méchte an dieser Stelle die groBe Uebereinstimmung her- vorheben, in welcher die vorgetragene Auffassung mit derjenigen steht, die R. Herrwia in seiner Abhandlung tiber die Fortpflan- zungsverhaltnisse von Actinosphaerium (65) ausgesprochen hat, eine Uebereinstimmung, die mir um so wichtiger zu sein scheint, als die Objekte, aus denen sich unsere Ergebnisse ableiten, sehr ver- schiedene sind. Die Erfahrungen R. Herrwia’s beziehen sich vor allem auf Protozoen, speciell Actinosphaerium, sodann auf jene merkwiirdigen Veraénderungen, zu denen der Eikern im unbefruch- teten Seeigel-Ei durch gewisse Reize angeregt werden kann. Wie die Anschaungen, die R. Herrwia in seiner letzten Arbeit tiber die Centrosomen geaiufert hat, sich sehr eng an meine friiher mit- geteilte Auffassung anschliefen, so bestatigen hinwiederum meine neueren Erfahrungen viele seiner zuletzt entwickelten Vorstellungen. Besonders nahe begegnen wir uns in der Betonung des rhyth- mischen GréSenwechsels der Centrosomen, wobei R. HErTrwie zu dem gleichen Ergebnis einer auf der Hohe der Entfaltung ein- tretenden Reduktion kommt, die ich bei gewissen Typen realisiert finde. Der fiir Actinosphaerium aufgestellte Satz (S. 75): ,,Aus alledem geht hervor, dafi sich das Centrosom nicht auf dem Zu- stande seiner gréften Massenentwickelung teilt, sondern im redu- zierten Zustande“, kénnte ebenso gut fiir das Ascaris- oder fiir das Seeigel- Ei gesagt sein. Allerdings besteht hierbei insofern ein Unterschied, als nach R. Herrwiae bei dieser Reduktion nur 2 Centriolen ibrig bleiben sollen, die durch Wachstum die neuen Centrosomen liefern, wahrend nach meinen Untersuchungen um jedes Centriol ein Teil des Centroplasmas bestehen. bleibt, der die Anlage des neuen Centrosoms darstellt. Daf dies fiir die oben beschriebenen Objekte, besonders fiir die Ascaris-Spermato- cyten, die Ovocyten von Diaulula und die Echinus-Eier so ist, scheint mir nicht anfechtbar zu sein. MHieraus abzuleiten, daf es iiberall so sein miisse, dazu berechtigen uns unsere Kenntnisse tiber die Funktionen der einzelnen Teile nicht. Doch darf be- merkt werden, daf das kleine Korn oder die beiden Kérner, die R. Hertwie als Centriolen bezeichnet, sehr wohl reduzierte Cen- trosomen in meinem Sinne, d. h. Centriolen mit sehr dichter Zellen-Studien. Pt Centroplasmahiille sein kénnten, wofiir auch, wenn wir von den Metazoen auf die Protozoen bis in so feine Details schliefen diirfen, ihre nicht unbetriichtliche Gréfe sprechen wiirde. Ganz ebenso halte ich es fiir méglich, da’ bei der Centro- somenteilung, die VAN DER Srricur (99) fiir die Ovocyten von Thysanozoon beschrieben hat, die in Fig. 42 (Pl. XIX) abgebildeten Schwestercentren nicht die Centriolen, wie sie z. B. in Fig. 36 (Pl. XVIII) vorliegen, sind, sondern Centrosomen in meinem Sinne. Sie sind betrachtlich gréSer als die friiheren Centriolen und zeigen auch einen anderen Habitus). Wie nahe an die Grenze des Ent- scheidbaren diese Verhaltnisse gehen kénnen, wurde oben fiir die Blastomeren des Ascaris-Kies gezeigt; ohne Zweifel verhalten sich andere Objekte ganz ahnlich. Unter diesen Umstianden scheint mir fiir manche der beschriebenen Faille eine erneute Untersuchung von den im Vorstehenden aufgestellten Gesichtspunkten aus dringend notwendig zu sein. Ich habe frither (13, 8. 114) fiir die Chromosomen aus- einandergesetzt, daf wir unterscheiden miissen zwischen Teilung (Verdoppelung) und Trennung, d. h. zwischen der im Mutter- element eingetretenen Sonderung in 2 Tochterelemente und einer so volligen Lésung des Zusammenhanges zwischen beiden, daf sie, wenn frei beweglich, in ganzer Lange auseinanderfallen wiirden. Ich habe damals dargelegt, dal, mag die Verdoppelung auch noch so lange vor der Bildung der Teilungsfigur vollzogen sein, die Trennung nicht friiher als in der fertigen Spindel?) erfolgen darf, soll der Zweck der Karyokinese, die richtige Verteilung der Schwesterchromosomen, bewirkt werden. Es scheint mir nun nétig zu sein, auch fiir die Centro- somen eine solche Unterscheidung zu machen, wenn auch in etwas anderer Art. Hier ist nicht die Unterscheidung eines Tei- lungsstadiums mit noch bestehender Verbindung und eines solchen mit geléster von Wichtigkeit*), sondern es handelt sich um die 1) Die Bilder, die Van per Srricur von den Cytocentren und Spharen der II. Richtungsspindel giebt, sind so variabel, dal sie fiir Schliisse tiber die Struktur dieser Bildungen nicht in Betracht kommen kénnen. 2) d. i. nachdem die Chromosomen von beiden Seiten her mit Spindelfasern besetzt sind. 3) Im Falle von Diaulula sind die Schwestercentrosomen noch fast bis zu ihrer eigenen Teilung durch die bei ihrer Bildung ent- standene Centralspindel verkniipft. 112 Theodor Boveri, Unterscheidung zwischen jenem Stadium, wo die beiden Schwester- centrosomen zwar gebildet, aber noch so dicht verbunden und be- nachbart sind, daf sie der Sphare gegenitiber einen einheitlichen Mittelpunkt reprasentieren (Fig. 92, Taf. VID), und dem Stadium, wo sie beginnen, sich voneinander zu entfernen und eine di- centrische Strahlenanordnung zu bedingen oder wenigstens zu er- méglichen (Fig. 94—97). Ich méchte diese beiden Vorgange als den der Verdoppelung und den der Separation unter- scheiden. In manchen Fallen, so bei Diaulula und Echinus, wo sich die Tochtercentrosomen gleich in betrachtlicher Entfernung yon einander differenzieren, sind Verdoppelung und Separation vereint. Ihre Unterscheidung ist dagegen von Bedeutung bei Centrosomen, die bei ihrer Teilung sehr klein sind, und speciell in Fallen mit langer Zellenruhe, indem hier die Verdoppelung meist schon unmittelbar nach Entstehung der Zelle, die Sepa- ration aber erst als Einleitung zur nachsten Zellteilung einzutreten scheint. Das erstere Stadium méchte ich, um das noch Einheit- liche des Gebildes auszudriicken, als das des Doppelcentro- soms bezeichnen und von zwei Centrosomen erst dann sprechen, wenn die Separation begonnen hat. Eine scharfe Grenze zwischen den beiden Etappen besteht natiirlich nicht. Wie fiir die Chromosomen'), so kann es auch fiir die Centro- somen keinem Zweifel unterliegen, daf die Verdoppelung eine selbstindige LebensiuBerung ist und nicht von aufen, etwa durch einen von entgegengesetzten Seiten thatigen Zug bewirkt wird ?). Des weiteren aber scheint mir Grund zu der Annahme vorhanden zu sein, daf auch die erste Separation in den meisten, wenn nicht in allen Fallen eine Funktion der Centrosomen selbst ist. Wir kennen jetzt fiir mehrere Falle die Erscheinung, da ein ge- wisser Bereich des Muttercentrosoms zu einem Stiel oder einer Centralspindel auswiachst. Diese Bildungen diirften die gleiche Funktion besitzen, die wir von den ganz ahnlichen Verbindungs- stielen der Infusorienkerne kennen, daf sie die Schwestergebilde bis auf eine gewisse Entfernung auseinandertreiben. Wodurch die weitere Auseinanderbewegung bewirkt wird, hat uns hier nicht zu beschaftigen. Nur ganz kurz mag hier die Frage beriihrt werden, ob sich ein Centrosoma in gewissen Fallen in verschieden- 1) Vel. -Boverr. 13, ts.) 113: 2) Naheres hieriiber in Kapitel V. Zellen-Studien. 13 wertige Halften teilt. Die Vermutung liegt nahe, daf da, wo 2 Schwesterzellen in ihren Qualititen, vor allem aber in ihrer Gréhe verschieden sind, eine Verschiedenheit der Centrosomen das Bedingende sein kénnte. Halten wir uns in dieser Frage an das, was zu sehen ist, so ist mir weder aus eigener Erfahrung, noch aus der Litteratur ein Fall bekannt, wo, etwa bei den Ovo- cytenteilungen oder bei der Entstehung von Mikromeren, die Schwestercentrosomen bei ihrer Entstehung sich verschieden dar- gestellt hatten. Auch bei der ersten Teilung des Ascaris-Eies, das, wie schon Hauurez (51) erkannt hat, in 2 an GréfSe und Qualitaét verschiedene Tochterzellen zerfallt, sind die Centrosomen, die fiir die beiden Blastomeren bestimmt sind, nicht zu unter- scheiden. Allerdings sind Fille beschrieben worden, wo bei in- aqualer Zellteilung die beiden Cytocentren in spateren Stadien verschieden aussehen. Allein hier ist die Annahme einer differen- tiellen Teilung nicht im mindesten mehr berechtigt, als die einer nachtraglichen verschiedenen Einwirkung der protoplasmatischen Umgebung. — Gewisse Experimente von Driescu+) tiber Ver- anderung des Furchungstypus, wenn auch nicht zur Priifung dieser Frage unternommen, sprechen im gleichen Sinne. Es scheint mir aus denselben unweigerlich hervorzugehen, da8 die Mikromeren- bildung des Seeigel-Kies, also eine sehr ausgepragte inaquale Zellteilung, lediglich in Verhaltnissen des Protoplasmas, nicht aber in einer differentiellen Centrosomenteilung ihren Grund hat. Ob eine solche tiberhaupt vorkommt, dies festzustellen bleibt weiteren Forschungen vorbehalten. Endlich sei hier noch die Behauptung M. HemeEnnatrn’s be- sprochen, dai die Centralkérper sich durch Knospung ver- mehren. Daf diese Behauptung, mag sie sich nun auf Centrosomen oder Centriolen beziehen, in der Allgemeinheit, in der sie von ihrem Autor aufgestellt wird (55, 5. 255), keiner Widerlegung bedarf, ist klar. Es fragt sich nur, ob sie tiberhaupt fiir irgend einen Fall Giltigkeit beanspruchen kann. Die Objekte, fiir welche HerEnHAIN diese Art der Vermehrung beschreibt, sind gewisse Siugetier- Zellen, speciell die Lymphocyten vom Kaninchen-Knochenmark. Zunachst ist zu erwahnen, dal} die Abbildungen, die HemreNnHAIN 1) Vgl. dessen soeben erschienene zusammenfassende Dar- stellung in den Ergebnissen der Anatomie und Entwickelungs- geschichte (34). Bd, XXXV, N. F. XXVIII. 8 114 Theodor Boveri, von den fraglichen Zellen giebt, fiir eine Vermehrung (Fort- pflanzung) der dargestellten Kérperchen, welcher Art dieselbe auch sein mége, iiberhaupt nichts beweisen. Ein Vorgang, wie Teilung oder Knospung, kann entweder durch Beobachtung im Leben nachgewiesen werden, oder dadurch, da’ von konservierten Objekten eine Serie von Zustinden gegeben werden kann, von denen einer aus dem anderen sich ableiten lat und deren richtige Aneinanderfiigung durch andere damit parallel gehende Prozesse, deren Verlauf bereits klargestellt ist, garantiert wird. Wenn also z. B. in den Centrosomen des Seeigel-Eies in manchen Fallen ein kugeliges Centriol, in anderen ein gestrecktes, in wieder anderen zwei gefunden werden, und wenn diese verschiedenen Befunde der Art mit den im Leben zu verfolgenden Teilungsphasen zusammen- fallen, daf das einfache Centriol immer auf den friiheren, das doppelte auf spateren Stadien, das gestreckte auf mittleren zur Beobachtung kommt, so ist damit die Teilung bewiesen. Betrachtet man nun die fraglichen Gebilde der Leukocyten, wie sie HEIDENHAIN in 55, S. 244 wieder reproduziert hat, so wird man aus diesen Bildern den Beweis einer Vermehrung und speciell einer Vermehrung durch Knospung nicht entnehmen kénnen. Vor allem muf es fraglich erscheinen, ob die verschiedenen Kérperchen, die sich neben einander finden, tiberhaupt Gebilde von gleicher Wertigkeit sind. Den meisten Bildern namlich ist gemeinsam, daf zwei intensiv schwarze Kiigelchen vorliegen, die durch eine einseitig vorspringende, 6fter geknickte, schwaécher firbbare Briicke verbunden sind. Oft ist die Mitte dieser Briicke verdickt, und die Eigenschaften der Eisenhamatoxylinfarbung machen es sehr wahrscheinlich, dafi bei starkerer Entfarbung nur dieser verdickte mittlere Bereich die Farbe bewahrt, wahrend die Seitenteile schon farblos sind. So wiirde dann das Bild eines dritten Kérperchens entstehen, wie es in vielen Figuren zu sehen ist. Die Bilder HeIpENHAIN’s erinnern sehr entschieden an gewisse Falle, die ich von dem sich teilenden Centrosom der Ascaris- Blastomeren oben beschrieben habe (Fig. 97a), wo auch in der Mitte des Verbindungsstieles einseitig vorspringend ein kleines K6érperchen sichtbar ist, von welchem es hier nicht zweifelhaft ist, da8 niemals ein Centrosom daraus wird. Auch KosraNneckr und SIEDLECKI (73) bilden an dem Doppelcentrosom von Salamandra- Leukocyten ein kleines Kérperchen ab, das dem bei Ascaris zu beobachtenden wohl entsprechen kénnte. Wenn HerpeENHAIN fiir drei seiner Bilder in der Figuren- Zellen-Studien. 115 erklirung sagt, daf hier das kleinste Centralkiérperchen als soeben neu entstanden zu denken sei, so scheint mir durch diese Aus- drucksweise das Gewicht, welches den fraglichen Bildern fiir die Behauptung einer Hnosvuie zukommt, ziemlich richtig gekenn- zeichnet zu sein. Zu alledem bedenke man noch, da die Figuren in nahezu 5000-facher Vergriéferung gezeichnet sind. Danach scheint es mir zwar wohl méglich zu sein, da bei den Leukocyten des Kaninchens ein solcher Prozef, wie Hetpen- HAIN ihn sich denkt, vorkommt; und ich werde unten einen Versuch machen, zu zeigen, wie eine derartige Vermehrung sich mit der typischen ohne Zwang in Hinklang bringen lieBe. Aber der Beweis fiir ihr Vorkommen steht noch aus. Jedenfalls darf jetzt schon behauptet werden, daf auch, wenn dieser Beweis ge- liefert wire, dieser Fall eine hoger titd vorstellen wiirde, die um so weniger als Paradigma dienen kann, als niemand anzugeben vermag, was aus einem solchen Leukocyten weiterhin wird, ob er sich tiberhaupt noch teilt, ob er zur Bildung einer Hommnlen zwel- poligen Teilungsfigur befahigt ist oder ob er unter Bildung mehr- poliger Mitosen zu einer Riesenzelle entartet. Aus dem Gesagten ergiebt sich, was ich hinzuzufiigen nicht unterlassen will, dal die konstatierte Unsicherheit in der Natur des untersuchten Objektes ihren Grund hat, nicht in der Unter- suchung; und ich erkenne das, was HEIDENHAIN an den Leuko- cyten an Beobachtung geleistet hat, jetzt wie friiher riick- haltlos an. Kapitel III. Das Verhiltnis von Centrosom und Centriol zur Sphiire. Diese Beziehungen sollen hier nur so weit betrachtet werden, als sie mit den vorstehend behandelten Eigenschaften der Contra: somen in Zusammenhang stehen. Alle diejenigen Beziehungen, welche die Natur der Spharen betretfen, haben uns hier nicht zu beschiftigen. Doch ist es notwendig, einige Bemerkungen iiber die Spharen selbst vorauszuschicken, insofern nimlich fiir unsere Probleme eine richtige Fragestellung hiervon abhanet. Fiir VAN BeneDEN (5) war bekanntlich das corpuscule central nur einfach das Insertionsorgan fiir die Radien der sphére attractive, 8# 116 Theodor Boveri, die als ein dauerndes Zellenorgan jenes Kérperchen als dauerndes Centralgebilde enthalten sollte. Demgegentiber habe ich, trotz srofker Uebereinstimmung mit Van BENeEpEN hinsichtlich der Be- ziehung zwischen Centrosom und Sphare wihrend des karyo- kinetischen Prozesses, von Anfang an als dauerndes Organ nur das Centrosoma betrachtet, die Sphire dagegen als eine Bildung, welche durch die Einwirkung des Ceutrosoms auf die Zellsubstanz hervorgebracht wird, wie am besten das Sperma-Centrosoma lehrt, welches als ein ganz nacktes Kérperchen sich seine Astrosphare aus protoplasmatischen Bestandteilen einer anderen Zelle erzeugt. Aber auch viele Falle von Centrosomenteilung, bei denen die specifische Substanz der alten Sphire im Umkreis des sich teilenden Centrosoms erhalten bleibt, belehren uns dariiber, dafi die neuen Centren ihre Strahlensysteme als etwas der Struktur nach Neues, oft sogar in direktem Widerstreit mit der noch fortbestehenden monocentrischen Strahlung erregen!). Die im Anschluf an die freilich nur angedeutete Auffassung VAN BENEDEN’S, von RABL, HEIDENHAIN, KOSTANECKI U. a. ge- iuBerten Vorstellungen, wonach dauernde Radiensysteme bei der Teilung der Centrosomen in zwei Halften zerlegt werden und sich in den Tochterzellen, etwa durch Radienspaltung, wieder erganzen sollen, konnten bisher nicht ftir einen einzigen Fall auch nur im eeringsten wahrscheinlich gemacht werden. Die Radiensysteme um jedes neugebildete Cen- trosom entstehen neu; und damit erheben sich in Bezug auf die Struktur und Teilung der Centrosomen die folgenden Fragen: 1) Von welchem Teile des Centrosoims hangt die Spharen- bildung und tiberhaupt die ganze Beziehung zur Sphire ab? 1) Auf die Frage nach der Substanz der Spharen gehe ich hier nicht naiher ein. Daf das Plasma der Spharen des Ascaris-Kies und vieler anderer Zellen sich von dem iibrigen Protoplasma dieser Zellen unterscheidet, kann sowohl nach meinen friiheren Erfahrungen, als auch nach Farbungsversuchen an Schnitten, die ich seither ge- macht habe, keinem Zweifel unterliegen. Ob es sich dabei, wie ich frither aunehmen zu miissen glaubte, um einen besonderen dauernd unterscheidbaren Protoplasmabestandteil handelt, der, fiir gewéhn- lich iiberall verteilt, sich um die Centrosomen ganz oder teilweise zusammenzieht und zu radiaéren Ziigen anordnet, oder um eine Um- wandlung des gewéhnlichen Plasmas unter dem Einfluf jener Cen- tren, lasse ich unentschieden. Unter allen Umstinden findet eine Ansammlung dichterer Zellsubstanz um die Centrosomen und Zuriick- dringung von Zwischensubstanz statt. Zellen-Studien. 117 2) Steht die Teilung des Centrosoms mit der Spharenbildung in einem gewissen Verhiiltnis ? Die erste Frage laft sich genauer so formulieren: ist es das Centroplasma oder das Centriol, welches die Strah- lung erregt und, sie beeinflussend oder von ihr beeinflu&t, als ihr ,Centrum* in irgend einem Sinne anzusehen ist? Hier habe ich vor allem zu betonen, daf die Spharenstrahlen in allen von mir untersuchten Objekten nicht bis an das Centriol herangehen, oder mit anderen Worten, daf das Gebilde, welches ich mit VAN BenepEN Centralkérperchen oder Centrosoma nenne, keinen strahligen Bau besitzt. Dies ist sogar vorlaiufig cines der obersten Charakteristiken des als Centrosoma zu bezeichnenden Ge- bildes, womit nicht in Widerspruch steht, dafi das abgestofene Centroplasma sich metamorphosieren und zum Aufbau neuer Spharenstrahlen Verwendung finden kann. Wenn also das Centriol ,,Radiencentrum“ sein soll, so kann es dies von vornherein nicht im Sinne eines Insertionsorgans sein, als welches allein das Centrosom in Betracht kommt, sondern lediglich in der Bedeutung, daf es, ahnlich wie ein Magnetpol Eisenfeile, gewisse Protoplasmateilchen in radiare Bahnen ordnet, eine Wirkung, die es entfalten wiirde durch eine nicht strahlig beeinflu8bare Substanz (Centroplasma) hindurch, ahnlich einem in Papier gewickelten Magnet. Diese Annahme ware unter Zuhilfenahme einiger Hilfsan- nahmen fiir die meisten Objekte wohl zulassig, indem da, wo das Centrosom kugelig ist und das Centriol in dessen Mittelpunkt liegt, die Radien ebenso wohl auf das Centriol als auf das Centro- som centriert sind. Dagegen scheinen mir die Erfahrungen, die ich am Seeigel-Ei gemacht habe, die Annahme, dafi die Centriolen die Strahlung erregen, nicht zu gestatten. Ich verweise dazu auf Fig. 46, 47, 49 (Taf. IV). Die Centriolen sind bei der Centro- somenteilung wie spater winzig kleine, annihernd kugelige K6rper- chen, die Radien der neuen Systeme miiften also, wenn in diesem Koérnchen ihr Centrum gegeben ware, auf einen Punkt zusammen- laufen. Das ist jedoch, wie besonders einzelne Seitenansichten (Fig. 49) erkennen lassen, nicht der Fall. Die Radien sind zwar in ihrem Verlauf nicht gleichmabig auf die ganze Centroplasmascheibe verteilt, sondern konvergieren deutlich auf zwei Stellen, in denen nach den Bildern der anderen Serie die Centriolen liegen. Allein wenn man nun alle Strahlen in diese Anlagen der Tochtercentro- 118 Theodor Boveri, somen verlangert, so ergiebt sich, daf sie nicht in dem Centriol zusammentreffen kénnen. Neben diesem Argument giebt es dann noch eine ganze Reihe anderer, welche eine direkte Beziehung des Centriols zur Sphare ebenso unwahrscheinlich machen, wie sie andererseits itiberein- stimmend auf das Centrosom als deren Centralorgan hinweisen. Ich fiihre davon vor allem die auffallende Beziehung an, die zwischen dem Wachstum des Centrosoms und der Ver- ainderung der Sphare (Wachstum, Verainderung in der Beschaffen- heit der Radien etc.) besteht (vergl. besonders die Abbildungen von Ascaris-Eiern, Fig. 81—87, Taf. VI), wahrend zwischen Centriol und Sphare eine solche Beziehung nicht nachweis- bar ist. Eine zweite wichtige Thatsache ist die, daB sich die Gestalt der Sphare mit der Form des Centrosoms 4dndert. Sehr klar ist dies zu sehen beim Uebergang des Diaulula-Centrosoms zur Spindel, wie schon Mac Faruanp betont und dahin zusammen- gefaikt hat, da’ ,als Centrum der ,organischen Radien‘ nicht das Centralkorn, sondern das ganze Centrosom angesehen werden mug‘. Ein ganz entsprechender -Zusammenhang zwischen Cen- trosom und Sphire tritt uns bei der voriibergehenden Abplat- tung des Centrosoms entgegen, wie sie besonders im Ascaris-Ei vorkommt und mit einer ganz entsprechenden Umformung und Differenzierung der Sphare parallel geht. Die Centriolen, auf diesem Stadium meist schon in der Zweizahl vorhanden, stehen zu dieser Umformung der Sphire in gar keiner Beziehung, wie am besten daraus hervorgeht, dafi die Abplattung von Centrosom und Sphaire sich in der Richtung der alten Teilungsachse vollzieht, wihrend die Verbindungslinie der Centriolen jeden beliebigen Winkel dazu bilden kann (Fig. 103, Taf. VIII). Die gleiche Erscheinung, nur wieder in anderer Form, zeigt sich an den eigentiimlichen, lang -stiftférmigen Centrosomen, wie sie im Seeigel-Ei und dessen Tochterzellen zur Beobachtung kommen und kaum als Abnormitat aufgefaft werden diirfen. Ich habe einen solchen Fall in Fig. 53 (Taf. IV) abgebildet. Auch hier richtet sich der Verlauf der Radien nach der Form des Centrosoms. Es ist bei Beurteilung dieser Erscheinungen gleichgiltig, ob man die betrachteten Umformungen der Sphare als durch Ver- ainderung des Centrosoms bedingt ansieht, oder ob man die meines Erachtens unwabhrscheinlichere Ansicht vertritt, dal} die Spharen Zellen-Studien. 119 durch eine in ihnen selbst gelegene Ursache, oder von ihrer Um- gebung aus bestimmt, ihre Form verindern und die Centrosomen entsprechend umgestalten; in keinem Falle sehen wir etwas, was auf eine Einwirkung oder Beeinflassung der Centriolen deuten kénnte. Auf Grund dieser Thatsachen glaube ich fiir die mir be- kannten Objekte den Satz aufstellen zu kénnen, daf das Cen- triol weder als Insertionspunkt der Radien, noch als Erregungscentrum fiir dieselben angesehen werden kann. Die ganze Beziehung zur Sphare liegt dem Centrosom ob; das Centriol dagegen hat in diesem die Funktion eines Central- und Teilungs- organs. Ob andere Erfahrungen dazu nétigen werden, diesen Satz zu modifizieren oder umzustofen, wird die Zukunft zeigen. Schon jetzt liegen ja Angaben vor, wonach die Spharenstrahlen entweder dauernd oder wenigstens zu gewissen Zeiten direkt bis an Kérper- chen herantreten sollen, von denen nach ihrer Gréfe, nach dem Zeitpunkte ihrer Teilung und anderen Merkmalen kaum ein Zweifel sein kann, daf sie Centriolen sind. So ist es nach LILLIE (77) bei Unio, nach Merap (80) bei Chaetopterus. Nachdem jedoch fir Ascaris und Echinus ganz entsprechende Annahmen mit Unrecht gemacht worden sind, scheint mir auch fir die ge- nannten Objekte eine Nachpriifung notwendig zu sein. Bevor eine solche vorliegt, sei es gestattet, einige Méglichkeiten nam- haft zu machen, wie die in Rede stehenden Angaben von meinem Standpunkte aus erklirt werden kénnen. Die Verhiltnisse im Ei von Ascaris und Echinus legen vor allem die Vermutung nahe, da8 es sich in manchen der hierher gehérigen Fille um_ nichts anderes als eine optische Tauschung handelt, die dadurch zustande kommt, daf sich in den betrettenden Praparaten das wahrschein- lich kérnige oder schaumige Centroplasma gegentiber den Spharen- strahlen nur sehr undeutlich abgrenzt, und daf das Auge sich aus den Granulationen des Centroplasmas unwillkiirlich Ziige zu- sammensetzt, die in der Verléingerung der peripheren Radien liegen und also eine Fortsetzung derselben bis an das Centriol vortiuschen. Schon E. Furst (46) hat auf diese Méglichkeit den Angaben von KOsSTANECKI und SIEDLECKI gegentiber hingewiesen und hierbei folgenden Versuch empfohien (S. 109): ,,Man mache auf ein Blatt Papier einen schwarzen Punkt, umgebe diesen mit Bleistift mit einem kreisformigen Hof einer zarten, ganz gleich- 120 Theodor Boveri, mifigen Kérnelung und fiige daran nach aufen, ohne scharfe Ab- grenzung, kérnige Radien, die auf den schwarzen Punkt centriert. sind. Betrachtet man dieses Bild, so glaubt man auch in dem centralen Hof eine Radialstruktur mit grofer Deutlichkeit zu er- kennen; bedeckt man die Radien wieder durch ein Stiick Papier mit kreisformiger Oeffnung, welche gerade den centralen Hof frei- laft, so ist man iiberrascht, da dieser Eindruck wieder vollig verschwindet. Der Versuch zeigt also, wie leicht der Eindruck einer radiaren Struktur entstehen kann, ohne daf dieselbe an der betreffenden Stelle wirklich vorhanden ist.‘ Eine zweite Méglichkeit, die unter Umstanden zu Tauschungen fiihren kénnte, ergiebt sich aus den Erfahrungen A. FiscHER’s (38) tiber die kiinstliche Erzeugung von Strahlungen in Eiweifkérpern. Es ist nicht undenkbar, daf im Centroplasma mancher Zellen Be- dingungen vorliegen, die denen in einer toten Hollundermarkzelle, die mit Eiweif impragniert ist, ahnlich sind, und daf sich also bei der Einwirkung von Reagentien, um das Centriol als dichteren Korper, kiinstliche Strahlungen ausbilden kénnten. Viel- leicht lieSen sich auf diese Weise manche Widerspriiche der Litteratur erkliren. Die allgemeine Meinung ist ja die, daf, wenn bei zwei identischen Objekten an dem einen nach der Konservierung radiare Struktur sich findet, am anderen nicht, der erstere Zu- stand als dem Leben entsprechend anzusehen sei. Vielleicht ist es viel richtiger, das Gegenteil anzunehmen. Wenigstens ist nicht einzusehen, warum in einer vorziiglich konservierten Radienkugel plétzlich von einer bestimmten Zone an nach innen die Radien verdorben sein sollten. Viel eher scheint es mir auf Grund der Experimente Fiscner’s méglich zu sein, da ein homogenes Areal bei der Konservierung radiare Struktur annimmt. Endlich ist es mit meiner Auffassung nicht unvertriglich, daf in Centrosomen eine Radiiarstruktur im Leben wirklich vorhanden ist; nur mii£te dieselbe von der der Sphare wesentlich ver- schieden sein. Um dies naher zu erkliren, kniipfe ich an die Verhialtnisse des sich teilenden Centrosoms in den Ovocyten von Diaulula an. Dort wird, wie Mac Faruanp gezeigt hat, eine mittlere Zone des in einer Dimension sehr stark wachsenden Muttercentrosoms zur Centralspindel, wihrend die Enden sich zu den beiden Tochtercentrosomen individualisieren. Der zur Central- spindel auswachsende Teil stellt zunachst mit den Tochtercentro- somen ein Ganzes dar, beide gehen ohne scharfe Grenze in einander iiber; nach aufen ist der ganze Komplex aufs scharfste abgegrenzt. Zellen-Studien. 121 In dem spindelf6rmigen Kérper entwickelt sich nun allmahlich eine Faserung, die man zunachst geneigt sein méchte, mit den Radien- systemen der Sphéren in eine Rubrik zu stellen, die aber gegen- iiber diesen Strahlen, welche die Centrosomen im Protoplasma erregen, folgende wichtige Unterschiede aufweist. Vor allem be- steht sie nicht aus selbstiindigen, gestreckt verlaufenden Fadchen, sondern sie zeigt sich zusammengesetzt aus anastomosierenden Balkchen ; sie ist ein Netzwerk, vielleicht ein Schwammwerk, dessen Hauptziige einen der Spindelachse parallelen Verlauf nehmen. Schon dieser Umstand spricht dagegen, daf diese Faserung von den sich differenzierenden Tochtercentrosomen nach Art von Sphirenstrahlen hervorgerufen wird; vielmehr diirfte die nachst- liegende Deutung die sein, dali bei dem Wachstum des Gebildes eine Scheidung in einen dichteren und einen weniger dichten Be- standteil stattfindet, und daf der dichtere sich in der Streckungs- richtung des spindelférmigen Kérpers mitstreckt. Ein wichtigeres Argument im gleichen Sinne ist dieses, dal’ die Faserung der Centralspindel sich ausbildet, lange bevor die Tochtercentrosomen zur Spharenbildung befahigt sind (vgl. die Figuren auf Taf. I). Endlich zeigt der faserige Kérper seine Gegensatzlichkeit zur Sphare aufs klarste darin, daf die Radien der alten Sphare stets auf die wachsende Spindelfigur als Ganzes centriert sind, daf diese also das Sphairencentrum reprasentiert. Dieser Fall beweist, da’ in einem Centrosom eine faserige Struktur auftreten kann, welche von der Fadenstruktur der Spharen ihrer Entstehung nach prinzipiell verschieden ist. Es ware nun sehr wohl denkbar, da’ auch in einem kugeligen Centrosom bei seinem Heranwachsen zu einer immer gréferen Kugel eine ahnliche Differenzierung in eine dichtere und eine weniger dichte Sub- stanz stattfinden und daf in diesem Falle nun, bei dem all- seitigen konzentrischen Wachstum, eine radiaére Streckung der dichteren Teile eintreten kénnte. Diese Radiarstruktur des Centro- soms wiirde in die Verlangerung der Spharenstrahlen zu liegen kommen, und so wiirde die Sphare sich scheinbar bis an das Centriol erstrecken. Scheinbar; denn die Radiarstruktur des Centrosoms und die radiare fadige Anordnung proteplas- matischer Bestandteile um dasselbe wiirden nicht viel mehr mit einander zu schaffen haben als die in einem befruchteten Ei von dem im Mittelpunkt angelangten Spermocentrum bis zur Ei- oberfliche sich erstreckende Strahlensonne mit der Radiarstruktur der das Ei umgebenden Zona pellucida. 122 Theodor Boveri, Ob diese Erklirungsweise fiir manche Falle zutrifft, werden weitere Untersuchungen festzustellen haben. Doch kann schon jetzt bemerkt werden, dafi manche Bilder, welche in einem Bereich, der offenbar dem Centrosom entspricht, Radiirstruktur aufweisen, einen auffallenden Gegensatz derselben in ihrer Beschaffenheit gegentiber den Spharenstrahlen darbieten. Es sei hierfiir nur auf Fig. TF bei Lillie (77) hingewiesen. Wir kommen nun zu unserer zweiten Frage: ob die Teilung des Centrosoms mit der Spharenbildung in irgend welcher Beziehung steht. Schon aus den vorhergehenden Erérterungen geht eine solche Beziehung insofern hervor, als nach jeder Teilung friiher oder spaiter um jedes Tochtercentrosom eine neue Sphare entsteht. Da nun die Sphare nicht eine dauernde und stets gleiche Bildung ist, sondern, von minimalen Anfangen ausgehend, sich immer machtiger entfaltet, in diesem Zustand ihre karyokinetische Wirk- samkeit ausiibt und dann wieder dahinschwindet, so fragt es sich, wie viele solche ,,Sphairen“ zwischen 2 Teilungen entstehen kénnen, oder anders ausgedriickt, ob jede Generation von Centrosomen zur Erzeugung einer oder mehrerer Sphiaren befiahigt ist+). Diese fiir das Verhaltnis der Centrosomen zur Zellteilung hochwichtige Frage mus, wie mir scheint, dahin beantwortet werden, daf normaler- weise jedes Centrosom nur einmal eine Sphire erzeugen kann. Doch ist hier eine Unterscheidung zu machen, deren Erlauterung ich an die Verhialtnisse im Ascaris-Ei ankniipfen will. Wir finden dort die Astrospharen in ihrer Ausbildung mit dem Wachstum der Centrosomen Schritt halten; mit der Reduktion der Centro- somen bilden sich auch die Spharen wieder zuriick. Aber doch findet wahrend dieser letzteren Periode noch einmal eine Neu- bildung von Strahlen und, wenn man also will: eine Spharen- Neubildung statt; denn wir sehen an das reduzierte Centro- som direkt Radien herantreten. Allein eine wirkliche, aus weit auslaufenden Fadchen bestehende Strahlensonne bildet sich um das Muttercentrosom nicht mehr aus, solche entstehen erst wieder um die Tochtercentrosomen. Aus dieser Betrachtung diirfte her- vorgehen, daf der Ausdruck Sphare oder Astrosphaire, mit dem alle beliebigen Differenzierungen im Umkreis des Centrosoms be- 1) Von Fallen, wo die Sphire vor oder auf ihrer vollen Ent- faltung durch Herstellung abnormer Bedingungen unterdriickt wird und darauf wieder normale Bedingungen eintreten, ist hier abgesehen. Zellen-Studien. 195 zeichnet zu werden pflegen, nicht fiir alle hier vorliegenden Be- ziehungen ausreicht. Schon Fou (43) hat dies erkannt. Er betont nachdriicklichst, daf man die im Seeigel-Ei in der Umgebung der Cytocentren auf verschiedenen Stadien auftretenden Radien- systeme nicht identifizieren diirfe; er unterscheidet Spharen, die nur aus Strahlungen (rayonnements), und solche, die aus Strahlen (rayons) zusammengesetzt sind. Die ersteren haben nach seiner Auffassung auf den Namen wirklicher ,,Asteren‘ keinen Anspruch. Ob sich nun eine derartige Unterscheidung wird durchfiihren lassen, ist mir zweifelhaft; wohl aber glaube ich, da es zweck- mavig sein wird, fiir die zu karyokinetischer Wirksamkeit be- fihigten Radiensysteme einen besonderen Ausdruck einzufihren, sie etwa als ,Kinosphéren*“ aus dem, was man indifferent Sphire nennt, herauszuheben. Danach ware z. B. das Radien- system, das im Ei um das Spermatocentrum auftritt, wahrschein- lich keine Kinosphare. Der oben schon ausgesprochene Satz wiirde jetzt genauer so zu formulieren sein, dafi’ um jedes Centrosomen-Individuum nor- maler Weise nur einmal eine Kinosphare auftritt und also nur ein einmaliger karyokinetischer Prozef an dieses Centrosom ge- kniipft ist. — Es ist dies nichts anderes als eine Umschreibung der Thatsachen; allein die Betonung, die durch diese Umschreibung dem Sachverhalt gegeben wird, ist, wie mir scheint, von grofer Wichtigkeit. Dies wird sich unten zeigen, wo von dem Ver- haltnis der Centrosomenteilung zur Zellteilung die Rede sein wird. Kapitel IV. Kriterien, ob Centrosom oder Centriol. Im Vorstehenden sind schon die wesentlichsten Kennzeichen enthalten, die sich einerseits fiir Centrosomen, andererseits fiir Centriolen aufstellen lassen, und die, wo es sich um die Frage handelt, was in einem bestimmten Falle vorliegt, als Kriterien zu dienen haben. Ich stelle die einzelnen Punkte hier tibersichtlich zusammen, wobei aber auch gerade diejenigen Momente, welche mit Unrecht als entscheidende Merkmale angesehen worden sind, besprochen werden sollen. 124 Theodor Boveri, 1) Die Gréke im Verhaltnis zur Zelle. Die Centri- olen sind von so extremer Kleinheit, daf sie selbst in den gréften Zellen, wie den Eiern, auch mit den stirksten Vergréferungen nur als kleine, nicht weiter analysierbare Piinktchen erscheinen. In sehr kleinen Zellen lassen sie sich tiberhaupt nicht mehr nach- weisen, und wenn also in einer kleinen Zelle ein Kérperchen ge- funden wird, das bei Eisenhaimatoxylinfirbung sofort deutlich hervortritt, vielleicht schon mit einem Trockensystem, wie LeEITz. 7, erkannt werden kann, so ist die Wahrscheinlichkeit sehr grof, daf es sich um das Centrosom handelt '). Absolute Regeln aber werden sich fiir die Gréfe unserer Gebilde nicht aufstellen lassen. Es wird wahrscheinlich Zellen geben, in denen die Centriolen gréfer sind als in anderen die Centrosomen, so gut wie es in manchen Organismen Zellkerne giebt, die gréfer sind als in anderen die Zellen, und Zellen, die groBer sind als ganze aus Tausenden von Zellen aufgebaute Tiere. 2) Das Verhalten zum Eisenhamatoxylin. Fir samt- liche im speciellen Teil besprochenen Objekte wurde gezeigt, dab je nach dem Grad der Entfirbung und nach gewissen in der Konservierung begriindeten Unterschieden des Priparates, im einen Falle das ganze Centrosom durch und durch schwarz gefairbt sein kann, wihrend in einem anderen in dem entfairbten Centrosom nur ‘das oder die Centriolen schwarz bleiben. Ja, man kann an einem und demselben Praparat durch Entfairbung in Etappen zuerst das Centrosom, dann dessen Centriolen in schwarzer Farbung zur Darstellung bringen. Die Schwarzfarbung in Eisenhimatoxylin ist sonach im allgemeinen kein Kennzeichen, ob ein Centrosom oder Centriol vorliegt?). Dazu kommt dann noch, daf sich in manchen Zellen die Centrosomen konzentrisch entfarben, und da- durch Kunstprodukte in jeder beliebigen GréfSe zwischen Centrosom und Centriol hergestellt werden kénnen. Wenn also in einem Praparat bei beliebiger Extraktion des 1) Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daf ich die (schwarz gefarbten) Centrosomen des Ascaris-Eies auch im Zustand ihres kleinsten Volumens, wie in Fig. 94, mit Lerrz 7 leicht und deutlich erkennen kann. Die Centriolen sind bei dieser Vergréferung noch nicht unterscheidbar. 2) Nur in sehr grofen Zellen, wie manchen Eizellen, wo die Centrosomen sehr grof und locker gebaut sind, halten dieselben den Farbstoff nicht fest, so daf hier, wie es scheint, nur die Cen- triolen in schwarzer Farbung darstellbar sind. Zellen-Studien. 125 Farbstoffes im Mittelpunkt der Sphare ein schwarz gefarbter Bereich bleibt, so hat sich der Beobachter nicht allein die Frage: ob Centrosom oder Centriol, vorzulegen, sondern er wird tberdies festzustellen haben, ob er nicht ein Artefakt vor sich hat, welches weder dem einen, noch dem anderen entspricht, ganz abgesehen von den Produkten des pathologischen kérnigen Zerfalles, welche in ihrem Aussehen von Centriolen oder Centrosomen nicht zu unterscheiden sind. 3) Der Zeitpunkt der Teilung. Das Centriol teilt sich betrachtlich friiher als das Centrosom. In Ei von Ascaris, von Thalassema (GRIFFIN) und Chaetopterus (MEApD), in den Ovocyten von Thysanozoon (VAN DER StricHt) kommen schon auf dem Stadium der Aequatorialplatte zwei Centriolen zur Beobachtung, im Ei von Echinus sogar noch friiher, ehe itiberhaupt die Spindel gebildet ist. Die Teilung des Centrosoms selbst scheint dagegen normaler Weise nirgends friiher als in der Metakinese zu beginnen, in den Ascaris-Blastomeren und so wahrscheinlich in vielen anderen Objekten erfolgt sie erst im Ruhezustande der Zelle. Doppel- kérner zur Zeit der Aequatorialplatte oder friiher werden also mit grofer Sicherheit als Centriolen in Anspruch genommen werden diirfen. 4) Das Verhaltnis zur Astrosphare. Dieses ist wohl das wichtigste Kennzeichen. Ein Koérper, an den die Spharenradien direkt herantreten, ist das Centro- soma. Sodann scheinen die in vielen Fallen zu beobachtenden Abweichungen der Sphaire von der Kugelgestalt stets von einer entsprechenden Umformung des Centrosoms begleitet zu sein, wahrend sie auf die Centriolen ohne Einfluf sind. Ein im Mittel- punkt der Sphare liegender Kérper, der zu erheblicher Abweichung von der Kugelgestalt befaihigt ist, dtirfte sonach immer das Centro- som sein. — In vielen Fallen wird die oben beschriebene Centroplasma- AbstoSung und die Art der Teilung fiir die Centrosomnatur be- weisend sein, wie ja auch der Nachweis eines in das eine Kérper- chen eingeschlossenen kleineren die Wertigkeit beider ergiebt. Ueberhaupt wird sich in Fallen, wo das Schicksal der fraglichen Bildungen von einer Teilung zur nachsten in allen Phasen verfolgt worden ist, selten ein Zweifel erheben kénnen. Wo aber die Ungunst des Objekts nur einzelne Stadien zur Beobachtung kommen laBt, sollte man sich der Aufstellung allgemeiner Gesetze enthalten. 126 Theodor Boveri, Betrachtet man von den angeftihrten Gesichtspunkten aus die Centralgebilde, die in den Zellen von Wirbeltieren beschrieben worden sind, so kann man fiir die meisten fast mit Sicherheit behaupten, daf es Centrosomen, nicht Centriolen, sind. Ich citiere die Abbildungen FLEmMMina’s (40, Taf. XIV) und M. Heren- HAIN’S (53, Taf. X, Fig. 9, 12, 13, 14 u. a.) von Leukocyten des Salamanders, ferner die Fig. 50 (Taf. XI) bei KosTaneckr und SIEDLECKI (73) von einem Leukocyten des Proteus, die Ab- bildungen von M. HemeNnHAIN und TH. Conn (57) von _ ver- schiedenen Zellenformen des Entenembryos, von M. HrIpENHAIN (55) von embryonalen roten Blutkérperchen der Ente, die Bilder LeNHOSSEK’s (75, Taf. I, Fig. 19—27) von interstitiellen Zellen aus dem Hoden des Katers, sowie zahlreiche Abbildungen von Meves (81, Taf. IV) von ruhenden oder zur Teilung sich vor- bereitenden Spermatocyten des Salamanders. Vergleicht man die in den genannten Figuren von zumeist rubenden Zellen dargestellten Centralgebilde in Riicksicht auf ihre Gréfe mit den Centrosomen von ruhenden oder soeben zur Teilung sich anschickenden Ascaris-Blastomeren (Fig. 92—97, Taf. VII), so wird man sie entschieden als Centrosomen, und zwar die meisten als grofe Centrosomen, die der roten Blutkérperchen des Entenembryos sogar als aufergewéhnlich grofe bezeichnen miissen. Und wenn manche Autoren glauben, diese Kérperchen kénnten nicht meinen Centrosomen entsprechen, weil sie so klein seien, so erlaube ich mir demgegeniiber auf meine friiheren Ab- bildungen von Eiern und Blastomeren von Ascaris (13, Fig. 29, 32, 34, 74, 86) zu verweisen, wo die Centrosomen ungefahr die gleiche relative Gréfe haben, ja eher kleiner sind, als in den Abbildungen der genannten Autoren. Ein Unterschied liegt, soweit sich dies gegenwartig tibersehen lift, nur darin, daf die Centro- somen in den aufgefiihrten Zellen der Wirbeltiere bei der Mitose nicht oder nur wenig zu wachsen, ja manche sich sogar zu ver- kleinern scheinen, wihrend ich bei Ascaris ein sehr starkes Wachs- tum hatte konstatieren kénnen. Daf dieses Wachstum wirklich stattfindet, davon werden meine neuen Abbildungen und die vielen Bestatigungen an anderen Objekten nunmehr keinen Zweifel mehr bestehen lassen. Es verhalt sich eben nicht ein Objekt wie das andere. Ist es richtig, dal sich viele der namhaft gemachten Angaben iiber die Cytocentren in Wirbeltierzellen auf Centrosomen be- ziehen, so diirfte erwartet werden, dafi diese Kérperchen als cen- Zellen-Studien. 127 trale Differenzierung ein Centriol enthalten. Diese Méglichkeit wird von M. HerpenHain aufs bestimmteste bestritten, ja er er- klart es als ganz irrtiimlich (55, S. 246), eine weitere Zusammen- setzung seiner Centralkérper auch nur zu vermuten. ,,Sie sind wahre histologische, morpbologisch nicht mehr teil- bare Einheiten.“ Es diirfte geniigen, Hemennatn’s Beweise aufzuzihlen, um zu zeigen, welches Gewicht ihnen zukommt. Ab- gesehen davon, daf er an seinen Objekten und mit seinen Dar- stellungsmitteln eine weitere Zusammensetzung der Centralkérper- chen nicht zu erkennen vermag, sind fiir ihn folgende Griinde maeebend : 1) weil sie drehrund sind — wie die Himmelskorper ; 2) weil ihre GréBe in bestimmte enge Grenzen fallt — wie z. B. die des Menschen; 3) wegen ihrer vollkommenen Analogie mit abhnlichen histo- logischen Kinheiten, wie den Chromatinktigelchen ALTMANN’s — deren morphologische Einheit, vorausgesetzt, da sie nicht tiber- haupt artificielle Bildungen sind, ebenso problematisch ist; 4) wegen der merkwiirdigen Art, wie sie durch Knospung aus einem unbestimmbar kleinen Anfang hervorwachsen — wie alle Knospen, die an irgend einem organischen Korper entstehen. Kapitel V. Ueber das Verhiiltnis der Centrosomenteilung zur Zellteilung. Die regulire Kern- und Zellteilung wird vorbereitet durch eine Figur, die aus zwei monocentrischen Radiensystemen be- steht, welche die Elemente des Kernes in einer Aquatorialen Platte zwischen sich fassen. Alle Abweichungen von dieser di- centrischen Anordnung, sei es daf die Figur nur aus einem Radiensystem oder dafi sie aus mehr als zweien besteht, fiihren zu einer ungeregelten Verteilung der Kernelemente und entweder iiberhaupt nicht zu einer Zellteilung, oder zur Bildung von Tochterzellen, die nicht die typische Zahl von Chromosomen enthalten’) und in vielen Fallen auch in Bezug auf ihre Zell- 1) Ueber die Frage, warum mehrpolige Teilungsfiguren als pathologisch zu bezeichnen sind, vgl. 13, S. 178 ff. 128 Theodor Boveri, substanz anders beschaffen sind, als wenn sie durch Vermittelung einer dicentrischen Figur gebildet worden waren. Alle diese Falle mit uni- oder mehr als bipolaren Teilungsfiguren sind daher als Abnormitaten zu bezeichnen, was auch durch unsere Er- fahrungen tiber die Schicksale derartiger Zellen bestatigt wird. Multipolare Mitosen kommen reichlich nur bei degenerativen oder direkt pathologischen Prozessen (in Geschwiilsten) vor, deren End- resultat an der krankhaften Beschaffenheit der Zellen keinen Zweifel 1a8t; und wo man, wie bei Seeigeln, die Entwickelung von Kiern verfolgen kann, in denen auf irgend eine Weise mehrpolige Teilungsfiguren entstanden waren, zeigt sich, dafi niemals eine Larve daraus hervorgeht. Das hier vorliegende Problem ist also dieses: Wodurch ist die zu normaler Teilung notwendige Bipolaritat der Teilungsfigur bedingt? Nachdem altere Vorstellungen, wie die einer Bestimmung der Polzahl durch die Beschaffenheit des Kernes, speciell durch seine Gréfe, als ausgeschlossen bezeichnet werden kiénnen'), sind, falls die Erzeugung der karyokinetischen Radiensysteme tiberhaupt an specifische Gebilde der Zelle gebunden ist, von vornherein drei Moglichkeiten denkbar : 1) Ein zuerst einfaches Gebilde (Centrosom) teilt sich zufolge der ihm innewohnenden Eigenschaften aktiv in 2 Kdérperchen, welche durch den Einfluf’, den sie auf die Zelle ausiiben, zu den Polen der ‘Teilungsfigur werden. Indem um jeden Pol eine Tochterzelle entsteht, ist in dieser zunaichst wieder ein einfaches Centrosom vorhanden, das sich in gleicher Weise zweiteilt. 2) Ein zuerst einfaches Gebilde (Centrosom) wird durch ent- gegengesetzt auf dasselbe einwirkende Spannung (Radienspannung), die durch irgend eine zweistrablige Struktur des Zellkérpers be- dingt ist, passiv in zwei Stiicke auseinandergezogen, von denen jedes einen Pol darstellt. Wie bei der sub 1) aufgestellten Még- lichkeit beginnt die Tochterzelle ihre Existenz mit einem Central- gebilde, das durch einen in der neuen Zellstruktur bedingten zwei- seitigen Zug wieder in zwei gespalten wird. 3) Es ist eine Einrichtung vorhanden, welche bewirkt, da die Spharen-erzeugenden Gebilde (Centralkérper), deren Zahl eine 1) Natiirlich gilt dies nicht fiir jene Kerne — ,Centronuclei“ — die das Aequivalent der Centrosomen in sich enthalten. Hier- tiber im Kapitel VII, b. Zellen-Studien. 129 beliebige ist, aber mindestens zwei betragen mul, an zwei Stellen — den Polen der Teilungsfigur — angesammelt werden. Diese Koérperchen miissen sich zwar vermehren, damit immer die nétige Minimalzahl von zweien vorhanden ist; eine direkte Beziehung dieser Vermehrung zu der der Zelle besteht jedoch nicht. Die erste und zweite dieser Méglichkeiten haben gemein, daf ein zuerst einfacher Kérper (Centrosom) vorhanden ist, der aktiv oder passiv in zwei zerfallt. Der zweiten und dritten ist gemeinsam, daf die Bipolaritit der Teilungsfigur nicht durch eine Higenschaft der Centrosomen, sondern des Protoplasmas bewirkt wird. Alle drei Méglichkeiten sind vertreten worden; mich selbst haben meine Erfahrungen von Anfang an zu dem Ergebnis gefihrt, daf die erste in der Natur verwirklicht ist, die zweite hat einen Verteidiger in C. Rast gefunden, eine nicht ganz klare Mischung der zweiten und dritten charakterisiert den Standpunkt M. Herpennain’s. a) Eigene Auffassung. Wenn ich zunachst meine eigene Auffassung naher auseinander- setze, so mége ein kurzer Riickblick auf meine friiheren Aeufe- rungen in dieser Frage gestattet sein. Nachdem ich bei Ascaris megalocephala die Persistenz des Spindelpolkérperchens in der Tochterzelle und dessen Zweiteilung entdeckt hatte, durch welchen Vorgang die fiir die nachste Teilung bestimmten Polkérperchen (Centrosomen) gebildet werden, habe ich (11) in Uebereinstimmung mit VAN BENEDEN!) die Zweiteilung des Centrosoms als die Ursache fiir die Zweiteilung der Zelle in Anspruch ge- nommen und in Zusammenfassung der Darlegungen, wonach sowohl die Kern- wie die Zellteilung eine Funktion der Centro- somen sei, den Satz aufgestellt (S. 153): ,Das Centrosoma repraisentiert das dynamische Centrum der Zelle; durch seine Teilung werden die Centren der zu bil- denden Tochterzellen geschaffen, um die sich nun alle itibrigen Zellbestandteile symmetrisch grup- pieren.“ Dabei wurde das Centrosoma als Erregungscentrum 1) Es ist aus der Darstellung von Van BrnepEn und Neyt nicht zu ersehen, ob sie an eine aktive oder passive Teilung des Centrosoms gedacht haben. Nach der ganzen Auffassung Van Bernepen’s ist das letztere wahrscheinlicher. Bd. XXXV. N. F. XXVIHI. 9 130 Theodor Boveri, der Astrospharen betrachtet, und das Auftreten der bei der Zell- teilung und Befruchtung zu beobachtenden Radiensysteme in fol- gender Weise beurteilt (S. 156): ,,Wo in einer Zelle eine Strahlen- sonne im Protoplasma vorliegt, da ist dieselbe verursacht durch ein specifisches Kérperchen von den oben dargelegten Eigen- schaften: ein Centrosoma. Doppelte oder mehrfache Strahlungen in einer Zelle haben entweder darin ihren Grund, da8 von Anfang an 2 oder mehrere solche Kérperchen vorhanden sind, oder darin, dali das oder die urspriinglich vorhandenen sich geteilt haben‘‘ 4). Den gleichen Standpunkt wie damals habe ich im Jahre 1895 (17) wieder vertreten und noch naher ausgefiihrt. Meine Ergebnisse sind dort in den Satz zusammengefaft (S. 68), ,,daB- das Centrosoma ein vollkommen und stets selbstandiges Gebilde ist, das sich — vielleicht die Befruchtung ausgenommen — nie- mals mit anderen seinesgleichen vereinigt oder zu einer héheren Einheit verbindet; des weiteren, dak die normale Vermehrung der Centrosomen iberall durch fortgesetzte Zweiteilung geschiebt, mag nun das gesetzmafige Eintreten der Zellteilung jedes Tochtercentrosom einer neuen Zelle zuweisen oder Unterdriickung der Zellteilung alle jeweils bestehenden Centrosomen in einer Zelle zusammen- halten; und endlich, daf die Fortpflanzung des Centro- soma im strengsten Verhaltnis steht zur Teilung der Zelle, der Art, daf bei jeder normalen karyokinetischen Zellenvermehrung auf jede Teilung des der Zelle zunaichst in der Einzahl zukommenden Centrosoms eine Teilung der Zelle folgt®. Diese Satze ruhen einerseits auf der Feststellung der normalen Geschehnisse, die sich von einem Spindelpol zu den beiden Polen der niichsten Mitose beobachten lassen, andererseits auf der Analyse mehrpoliger Teilungsfiguren nach Entstehung und Schicksal. Ueber die erstere dieser beiden Grundlagen ist nach dem, was die vorigen Kapitel enthalten, nicht viel zu sagen. Doch sei hier noch auf die nun bald uniibersehbare Litteratur hingewiesen, in der fiir die verschiedensten Zellen in den Spbaren zuerst ein, dann 2 Kérperchen beschrieben werden, deren jedes wieder zu einem neuen Pole wird. Ob die beschriebenen Kérperchen im einzelnen Falle die Centrosomen oder Centriolen sind, ist gleichgiltig ; 1) Ausfithrlichere Darlegungen finden sich in den Zellen-Studien, Heft 2, Jena 1888. Zellen-Studien. . 131 dariiber kann kein Zweifel sein, daf die regulire Folge bipojarer Figuren mit einer Zweiteilung ihrer Centralgebilde parallel geht. Hierzu méchte ich sodann aus meiner eigenen Erfahrung — und diese ist eine ziemlich betrachtliche und vielseitige — noch be- merken, daf ich niemals in einer jungen Sphire mehr als ein Centrosom mit einem Centriol gefunden habe; des weiteren, dal mir niemals ein Fall vorgekommen ist, wo an Stelle eines Doppel- centrosoms ein drei~ oder mehrteiliges vorgelegen hatte. Und wenn ich es auch fiir fast sicher halte, da8 pathologischer Weise solche simultane Mehrteilungen vorkommen, so zeigt doch die Einhelligkeit jener Beobachtungen an nachweislich normalen Zellen, dafS der Zweiteilung der Zelle Zweiteilung des Centrosoms entspricht. In dem Gesagten ist eigentlich schon enthalten, daf auf jede Centrosomenteilung normaler Weise eine Zellteilung trifft. Diese prinzipiell héchst wichtige Thatsache zeigt sich am durchsichtigsten in jenen Fallen (Ascaris-Blastomere), wo die Zelle bei der Ab- schniirung von ihrer Schwesterzelle ein Centrosom in Gestalt des Spindelpolkérperchens erhalt, worauf dieses sich nach einiger Zeit zweiteilt und die so entstandenen 2 neuen Centrosomen durch ihre Einwirkungen auf Protoplasma und Kern eine neue bipolare Figur hervorrufen. In Abhangigkeit davon erfolgt dann die Zwei- teilung der Zelle, womit wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zuriickgekehrt sind. Dieser Verlauf kann insofern modifiziert sein, als zur Zeit, wo sich die beiden Schwesterzellen von einander abschniiren, in jeder das Polkérperchen schon geteilt ist, so daf die Zelle ihre selbstaindige Existenz bereits mit 2 Centrosomen beginnt. Besonders ausgepragte Falle dieser Art bieten das Ei der Forelle (HENNEGUY, 58) und das von Thalassema (Grirrin, 48). Noch ehe sich eine Spur einer Einschniirung des Zellkérpers zeigt, haben sich hier in jedem Pole 2 Tochtercentrosomen gebildet, von denen jedes in der noch fortbestehenden alten Astrosphare seine eigene schwache Strahlung zu erzeugen beginnt. Derartige Falle sind von einem eroken Interesse fiir das Problem der Zellteilungsmechanik; an der Richtigkeit der von mir aufgestellten Sitze andern sie nichts. Sie zeigen nur, da’ die durch die dicentrische Figur bedingte Bipolaritét der Mutterzelle, welche zur Durchtrennung des Proto- plasmas fiihrt, etwas linger bestehen bleiben kann als die beiden Centren, so daf deren Teilung auf jene Verfassung noch nicht sogleich umgestaltend einwirkt. Das Wichtige ist, daf auch in Q* 132 Theodor Boveri, diesen Fallen die neue Zelle auch in der Folge nie mehr als zwei Centrosomen enthalt. Denn ehe diese sich so weit ent- wickelt haben, um sich wieder zu teilen, ist auch bereits der Kern wieder aus seiner Ruhe zuriickgekehrt und eine neue karyo- kinetische Figur entstanden. Ich bin zu diesen Darlegungen genétigt, um den Mibverstand- nissen zu begegnen, denen meine friiheren Erérterungen (17) aus- gesetzt waren. Ich habe damals gesagt (S. 63), dali das Centro- soma der entstehenden Zelle in der Einzahl zukommt, und habe dies mit Riicksicht auf Objekte, wie das Forellen-Ei, dahin naher bestimmt, daf man ,als den Moment der Entstehung einer Tochterzelle sehr wohl das Stadium ansehen kénne, wo die Centrosomen, von ihren Radiensystemen umgeben, durch deren Vermittlung mit je einer Halfte der sich teilenden Chromosomen in Verhindung getreten sind, und damit genau bestimmt ist, was jeder Tochterzelle an essentiellen Bestandteilen zukommen wird“. Wenn daher M. Hemennain (55, p. 251) erklart, jene Forde- rung, daf die entstehende Zelle nur ein Centrosom besitze, beruhe auf einer Petitio principii, indem ,,in den Erlauterungen so ungefahr erklart werde, daS, wenn das ,Centrosom“ sich teile, auch die Zelle schon virtuell geteilt sei‘, so liegt dieser Behauptung nur eine sehr grobe, bei HrtpenHain freilich nicht ungewohnliche Entstellung meiner Ausfiihrungen zu Grunde‘); denn nicht eine Phase aus der Vermehrung des Centrosoms habe ich als den Zeitpunkt bezeichnet, wo tiber die Entstehung der Tochterzellen entschieden sei, sondern eine Phase aus der Teilung der Zelle, indem thatsichlich auf dem Stadium der Aequatorialplatte der Bereich und Kernbestand einer jeden Tochterzelle genau bestimmt ist. Bis zu dieser Zeit aber enthalt, soweit wir wissen, jeder Pol normaler Weise nur ein Centrosom. Nach wie vor halte ich demnach meine friihere Formulierung den Thatsachen fiir véllig entsprechend: daf das Centrosoma der entstehenden Zelle in der Einzahl zukommt, indem eben diese Einheit es ist, welche bewirkt, da8 sich eine neue Zelle um sie bildet. Oder ganz allgemein, da’ die Zweiteilung der Zelle durch die Zweiteilung des Centrosoms bedingt wird. 1) An Stelle meines Satzes (S. 64), daf in einer normalen Zelle nicht mehr als zwei Centrosomen vorhanden sein _ diirfen, schiebt mir Hetmernuarn (S§. 250) die Behauptung unter, »eine normale Zelle diirfe eigentlich nur ein Centrosoma besitzen“. Zellen-Studien. 133 Ich bemerke jedoch, daf der Satz: das Centrosom kommt der entstehenden Zelle in der Einzahl zu, unter Umstiinden kénnte aufgegeben werden miissen, ohne dafi dabei das Wesentliche in meiner Auffassung beriihrt wiirde. Ich habe schon oben darauf hingewiesen, daf wir nicht wissen, worauf die Erzeugung und vor allem die Umbildung der Strahlensysteme beruht. Es ware nicht vollig undenkbar, daf ein einmaliger Anstof gentigen kénnte, sie hervorzubringen, und da sie als in sich selbst ruhende Bildungen alle weiteren Umwandlungen, die zur Teilung von Kern und Proto- plasma n6tig sind, ohne Einwirkung eines Centralgebildes durch- laufen kénnten. Dann kénnte das Centrosom, vorausgesetzt, dal seine beiden Halften zunichst inaktiv bleiben, sich schon in der neu gebildeten Sphire teilen. Das Wesentliche an meiner Auf- fassung ist nur dieses, daf die Herstellung von gerade zwei Punkten, an denen die Erzeugung von Radiensystemen veranlabt wird, die Folge einer aktiven Zweiteilung eines yorher in der Einzahl vorhandenen Gebildes, d. h. ausschlieflich eine Funktion der Centrosomen selbst ist, und da’ keine sekundiren Einfliisse von Seiten der Zelle vorhanden sind, welche diese zum normalen Verlauf der Zellteilung nétige Bipolaritat bewirken. Ob die frag- liche Centrosomen-Zweiteilung bereits lange vollzogen ist, ehe sie zu einer Wirkung auf die Zellsubstanz kommt, oder ob sie der neuen bipolaren Anordnung der Zellsubstanz unmittelbar voraus- geht, ist irrelevant. Auch im ersteren Falle wiirde jede Zellteilung auf einer ihr vorausgehenden und zu ihr gehérenden Centrosomen- zweiteilung beruhen. Diese aus dem normalen Verlauf geschépfte Auffassung wird nun aufs vollkommenste bestitigt, ja meines Erachtens als die einzig mégliche bewiesen durch die Zustinde, welche in Zellen eintreten, die bei ihrer Entstehung eine Ueberzahl von Cen- trosomen erhalten haben. Wir kennen bisher zwei Modi, wie dieser Fall eintreten kann: 1) durch Polyspermie, 2) durch Unterdriickung einer oder mehrerer Zellteilungen bei ungestértem Ablauf der inneren Vorgiinge. Betrachten wir zuerst die Polyspermie-Erscheinungen, wie sie vor allem fiir das Seeigel-Ei festgestellt sind, so ist schon seit den grundlegenden Untersuchungen von Fou (42) und O. und R. Hertwic (60, 66) bekannt, daB in Eiern, in welche 2 oder mehr Spermatozoen eingedrungen sind, vier- oder mehrpolige Teilungsfiguren entstehen. O. und R. Herrwie (66, p. 155) glaubten 134 Theodor Boveri, diese Thatsache dadurch erkliren zu kénnen, daf bei der Ver- einigung zweier Spermakerne mit dem Kikern der erste Furchungs- kern wesentlich mehr Masse besitzt als bei normaler Befruchtung ; sie hielten es fiir ,,denkbar, dafi eine gewisse GréSenzunahme des Kernes allein schon ausreicht, Vierteilung zu erzeugen, gleich- giltig ob dieselbe durch abnormes Wachstum oder durch Auf- nahme eines zweiten Spermatozoon veranlaft wurde“. Diesen Anschauungen setzte ich, nachdem ich inzwischen bei Ascaris die Individualitat der Centrosomen und ihre Vermehrung durch Zweiteilung erkannt hatte, die andere Erklirung gegeniiber, da jedes Spermatozoon ein Centrosom ins Ei einftihrt, welches sich nach einiger Zeit teilt. Hieraus ergaben sich auf die Polyspermieerscheinungen folgende Schliisse (11, 8. 158): ,,Ist es... richtig, da bei der normalen Befruchtung das Centrosoma des eingefiihrten Spermatozoons sich nach einer bestimmten Zeit in zwei solche Kérperchen teilt, welche, indem sie sich von einander entfernen, die einfache Strahlung in eine doppelte tiber- fihren, so mu auch bei der polyspermen Befruchtung nach Ab- lauf der gleichen Zeit an Stelle jeder einfachen Strahlung eine doppelte vorhanden sein, also doppelt so viele Strahlensonnen als Spermatozoen eingedrungen sind. Diese Forderung scheint durch die Untersuchungen Fou’s und der Briider Hertwie voll- kommen bestatigt zu werden. Gelangen 2 Spermakerne, jeder mit seiner Strahlung ausgestattet, zur Verschmelzung mit dem Eikern, so entsteht stets eine karyokinetische Figur mit vier Polen, waihrend jeder nicht zur Kopulation gelangende Spermatozoenkopf fiir sich allein eine zweipolige Figur, einen Spermaamphiaster erzeugt.“ Dafi diese Erkliirung richtig war, daran kann heute kein Zweifel mehr bestehen. Es ist hier also ausschlieBlich die Zweiteilung der ursprtinglich vorhandenen Cen- trosomen, wonach sich die Zahl der Pole bestimmt. Vollig iibereinstimmend hiermit sind die Ergebnisse bei Unterdriickung der Zellteilung, die auf verschiedene Weise bewirkt werden kann. Auch hier verdanken wir den Unter- suchungen von O. und R. Hertwia die ersten wichtigen That- sachen. Die beiden Forscher vermochten dadurch, da’ sie normal befruchtete Seeigel-Eier, die kurz vor der Teilung standen, auf einige Zeit in Chinin- oder Chlorallésung brachten, die Durch- schniirung des Protoplasmas zu verhindern. Die Teilungsfigur bildete sich zuriick und das gesamte Chromatin vereinigte sich schliesslich wieder in einem einzigen ziemlich grofen Kern. Wenn Zellen-Studien. 135 nun die gelihmte Teilungsfaihigkeit wieder erwachte, zeigten sich um diesen Kern vier Pole und es entstanden verschiedene Typen vierpoliger Teilungsfiguren. Auch diese Thatsachen wurden von den Briidern Hertwic in der bei dem damaligen Stand unserer Kenntnisse nichstliegenden Weise gedeutet (S. 153), ,,da der Kern in seinen Umgestaltungen aufgehalten wird und sich wesentlich verspitet teilt; in der Zwischenzeit hat er sich aber durch Sub- stanzaufnahme vergréfert, wodurch es ihm erméglicht wird, sich direkt in 4 Stiicke zu teilen.““ — Die Erkenntnis der Individua- litat der Centrosomen verlangte auch hier eine andere Deutung welche ich 1888 (13, 8. 187) gegeben habe: ,,Durch die Einwir- kung von Chinin und Chloral wird zwar der Einflu8 der Centro- somen auf Protoplasma und Kern gelahmt; wie aber das Wachs- tum der Kernsubstanz ungestért fortschreitet, so geht auch die Entwickelung der Centrosomen ungchindert ihren Gang, und so erleiden diese beiden Kérperchen schon im ungefurchten Ei die Teilung, welche bei nicht aufgehobener Einwirkung derselben auf Kern und Protoplasma erst in den beiden Furchungszellen ein- treten wiirde. So sind, wenn nach dem Erléschen der Chinin- und Chloralwirkung die Wechselbeziechungen zwischen den einzelnen Zellenorganen wieder hergestellt sind, 4 Centralkérperchen vor- handen, die nun zur Entstehung einer entsprechenden Teilungs- figur Veranlassung geben miissen.“‘ Auch die Richtigkeit dieser Erklirung ist heute nicht mehr zweifelhaft. Ich habe selbst seither durch Einwirkung sowohl von Druck wie von Kalte Zellteilungen unterdriickt und die entstehen- den Folgezustinde studiert. Einiges hiervon habe ich bereits kurz mitgeteilt (19), eine ausfiihrlichere Darstellung wird in anderem Zusammenhang erfolgen. Bei diesen Versuchen zeigte sich aus- nahmslos, daf die Zahl der Pole bei jeder neuen Teilung oder jedem neuen Teilungsversuch doppelt so gro8 ist als die Zahl der- jenigen, die bei der letzten Teilung (Teilungsversuch) in die be- treffende Zelle zu liegen kamen. Der reinste Fall dieser Art ist aber der, den ich gleichfalls an Seeigel-Eiern festgestellt habe (19), wo infolge einer Abnormitat bei der ersten Teilung alles Chromatin in die eine Blastomere gerat, wahrend die andere nur ein Centrosoma enthalt. Die kern- haltige Blastomere furcht sich ungestért weiter, die kernlose ist nicht zur Teilung befihigt!). Nichtsdestoweniger kommt es hier 1) Auf gewisse Differenzen dieses Befundes von einem ahn- lichen, den Zimever (109) seither gemacht hat, werde ich an anderer Stelle zu sprechen kommen. 136 Theodor Boveri, zu einer ganz regelmafigen Vermehrung der Centrosomen yon 1 auf 2, von 2 auf 4, von 4 auf 8 u. s. w., ganz so wie in dem kernhaltigen Teil, nur daf in diesem letzteren auf jede Centro- somenteilung eine Zellteilung folgt und somit jede der jeweils vor- handenen Zellen nie mehr als 2 Centrosomen enthalten kann. Die volle Uebereinstimmung dieses Verhaltens mit meiner Auffassung ist ohne Weiteres klar; was sich aus demselben gegen die sonst aufgestellten Ansichten ergiebt, soll bei der Erérterung dieser Hypothesen, zu der ich jetzt tibergehe, zur Sprache kommen. b) Rasu’s Hypothese. Die oben schon kurz erwahnte Auffassung Rasw’s, die sich in dem III. Teil der Abhandlung tiber den Bau und die Entwick- lung der Linse (89) zusammengefa8t findet, kann ich am besten mit des Autors eigenen Worten wiedergeben. Rasu erklart (8. 119), es sei nichts weniger als selbstverstandlich, daf sich eine Zelle unter normalen Umstinden immer nur in 2 Zellen teilt. ,,Die Thatsache wird aber verstandlich, wenn man annimmt, dal die Faden der Filarmasse oder die Geriistbalken des Zellleibes, oder wie wir uns sonst ausdriicken wollen, von zwei Seiten her in gleicher Starke an das Centrosoma angreifen. Bei dieser Anordnung wird es verstiindlich, warum sie, wenn sie sich kontrahieren, das Cen- trosoma nach zwei Richtungen auseinanderziehen und damit auch die Zweiteilung des Zellkerns einleiten. Den Grund der Zwei- teilung sehe ich also in der Organisation der Zelle: diese Organi- sation kann, wenn sie eine Zweiteilung bewirken soll, nur eine bilateral-symmetrische‘) sein. Wird die bilaterale Symmetrie ge- stért, greifen die Geriistbalken nicht mehr von 2, sondern von 3 oder mehr Seiten in gleicher Starke an das Centrosoma an, so werden sogenannte pluripolare Teilungsfiguren die notwendige Folge sein“. Was also nach meiner Anschauung in der Konstitution des Centrosoms begriindet ist, verlegt Ras in die Konstitution des Zellkérpers. Griinde fiir diese Annahme liegen, soweit ich sehen kann, nicht vor. Denn erstens ist von einer Zellenorganisation, 1) Rasx’s Vorstellungen verlangen nicht notwendig eine bi- lateral-symmetrische Organisation der Zelle. Auch geht aus seinen weiteren Ausfithrungen hervor, daf er unter bilateraler Symmetrie das versteht, was man in der Promorphologie als z wei- strahlige Symmetrie bezeichnet. Zellen-Studien. Las wie sie Rasu verlangt, nichts bekannt; ist ja doch seine bilaterale Symmetrie etwas lediglich seiner Hypothese zu Liebe Angenommenes. Damit leugne ich natiirlich nicht, daf es zweistrahlig- und bilateral- symmetrische Zellen giebt; allein dieser geometrischen Zellen- symmetrie entspricht, wo sie iiberhaupt vorhanden ist, durchaus nicht immer die Teilungsrichtung des Centrosoms, so daf die von Rast postulierte Symmetrie mit dieser sichtbaren gar nichts zu thun hatte. Zweitens aber ist durch den Nachweis, dal die dicentrische Fadenanordnung nicht durch Spaltung aus der mono- centrischen entsteht, sondern eine Neubildung ist, der Voraus- setzung eines auf das Centrosoma von zwei Seiten einwirkenden Zuges jeder Boden entzogen. Positiv aber spricht gegen die Hypothese Rasv’s schon der Vorgang der Centrosomenteilung an und fiir sich. Wenn ein K6érper durch entgegengesetzt gerichteten Zug passiv zerrissen wird, so mul dies unter ganz charakteristischen Formveranderungen vor sich gehen, von denen uns die Centrosomenteilung nirgends etwas zeigt. Vor allem aber ist hier von Wichtigkeit, dal die Teilung des Centrosoms durch einen in seinem Innern sich abspielenden Vorgang eingeleitet wird, zu einer Zeit, wo dieses Kérperchen meist noch voéllig kugelig ist: durch die Teilung des Centriols. Dieser Prozef ist schon deshalb von jedem Radienzug ausgeschlossen, weil die Radien nicht bis an das Centriol heran- reichen. Sollte man aber unsichtbare Fortsetzungen der Astro- spharenradien sich bis an dieses Kérnchen erstrecken lassen, so erfolet doch, wie oben gezeigt wurde, seine Teilung so unabhangig yon den Zellenachsen und in so schlagendem Gegensatz zu der Symmetrie der Astrosphiare, da’ eine mechanische Abhangigkeit dieser Teilung von der Zellenstruktur ausgeschlossen ist. Da nun die Individualisierung der beiden Tochtercentrosomen aus dem Centroplasma des Muttercentrosoms um die beiden Centriolen er- folet, so ist damit auch die Verdoppelung des Centrosoms als unabhangig von der Zellstruktur erwiesen. Ebenso steht der Rasu’schen Hypothese alles entgegen, was wir von pluripolaren Mitosen wissen. Ich habe oben dargelegt, wie solche entstehen kénnen; in allen diesen Fallen hat sich gezeigt, daf die Centrosomen sich genau so durch Zweiteilung vermehren, wie in normalen Zellen, und daf die Mehrpoligkeit auf Stérungen bei der Bildung der betreffenden Zellen: Vereinigung von mehr als zweien bei der Befruchtung oder Vereinigtbleiben von Schwester- zellen, beruht. Allerdings méchte ich selbst bezweifeln, daf alle 138 Theodor Boveri, pluripolaren Figuren in dieser Weise entstehen; vor allem die nicht selten beobachteten dreipoligen Figuren diirften ver- mutlich auf eine simultane Dreiteilung des Centrosoms zuriickzufiihren sein, wofiir ja bei HrtppnHarn (55, 8. 261) An- haltspunkte vorliegen!). Warum eine solche simultane Mehr- teilung eintritt, bleibt nach meiner Theorie dunkel, wie ja auch die normale Zweiteilung des Centrosoms oder die der Chromo- somen und tiberhaupt jede aktive Teilung eines organischen Ge- bildes wohl unter Umstanden um eine Stufe zuriickverlegt werden kann, ihrem letzten Grunde nach jedoch unerklarbar ist. Jedenfalls aber leistet die Rasi’sche Hypothese, daf simultane Mehrteilung des Centrosoms durch Stérung in der Symmetrie der Zelle bedingt sei, ganz abgesehen von allem, was sonst gegen diese passive Zer- legung spricht, nicht im geringsten mehr. Denn wenn man eine Umbildung der zweistrahligen Zellensymmetrie in eine dreistrahlige supponieren will, kann man ebenso gut eine entsprechende Um- stimmung in der Centrosomen- oder Centriolenstruktur annehmen. Im iibrigen hat aber auch hier die RABi’sche Hypothese alle posi- tiven Befunde gegen sich. Man mag Seeigel-Eier und Blastomeren in irgend eine Form bringen — es lassen sich in dieser Be- zichung, wie ich anderwarts zeigen werde, sehr mannigfaltige Stérungen erzielen — an der Zweiteilung der Centrosomen andert sich dabei nichts. Damit diirfte diese Anschauung als in jeder Beziehung un- begrtindet nachgewiesen sein. Wende ich mich nun zu der dritten Méglichkeit, daf beliebig viele ,,Centralkérper’ auf zwei Punkte verteilt und so zu den Polen der mitotischen Figur werden, so miissen hier noch zwei Modalitaéten unterschieden werden. Entweder die zahlreichen K6rperchen sind in einen einheitlichen Kérper eingelagert, der sich aktiv oder passiv zweiteilt, oder sie sind selbstaindig, und es bestehen zwei vorausbestimmte Punkte in der Zelle, an denen sie 1) Hemennarn spricht (S. 258) von der ,,Boverr’schen un- eingeschrankten Vorstellung von einem Organ, dem _,,Centrosoma“, das ein fiir allemal mit der Fahigkeit der Zweiteilung ausgestattet sein soll“. Er nimmt es hier, wie gewéhnlich, nicht genau mit dem, was ich gesagt habe. Denn sowohl S. 64 wie S. 68 (17) habe ich betont, da’ die normale Vermehrung der Centrosomen durch Zweiteilung geschieht, womit als Abnormit&t das Vorkommen einer simultanen Mehrteilung zugegeben ist. Zellen-Studien. 139 sich ansammeln. Was diese letztere Méglichkeit anlangt, so ge- niigt es, zu ihrer Widerlegung die Erscheinungen der Polyspermie anzufiihren. Ist in der Zelle eine Bipolaritiét vorhanden, welche die vorhandenen Centrosomen an zwei Punkten ansammelt, so miissen die 4 Centrosomen, die bei der Dispermie auftreten, gleichfalls auf diese zwei Punkte lokalisiert werden. Daf dies nicht der Fall ist, mag noch etwas niiher an einem bestimmten Objekt, dem Ascaris-Ei, erlautert werden, welches fiir diese Frage besonders gecignet ist. Das sich furchende Ascaris-EKi besitzt eine im lebenden Zustande sehr deutliche Heteropolie, die vor allem durch die einseitige Anhiufung des Dotters bedingt ist. Schon zur Zeit, wo die Vorkerne im Ruhezustande neben einander liegen, ist dieses Verhalten erkennbar. Die Stellung der Centrosomen der ersten Furchungsspindel wird durch diese Heteropolie des Eies be- Stimmt, die Achse der fertigen Spindel fallt mit der Eiachse zu- sammen. Im dispermen Ei ist, wie ich feststellen konnte, die Dotterverteilung genau die gleiche; man kann ein lebendes dispermes Ascaris-Ei von einem monospermen nach der Proto- plasma-Beschaffenheit nicht unterscheiden. Wenn also im normal befruchteten Ei der eine Pol in die dotterreiche, der andere in die dotterarme Hilfte des Eies’ zu liegen kommt, so miiSten nach der obigen Annahme auch im disperm befruchteten Ei nur zwei Pole an den gleichen Stellen zu finden sein. Thatsachlich aber treten stets 4 annaihernd Aquidistante Pole auf, von denen in allen von mir beobachteten Fallen 2 die typische Lage haben, die 2 anderen mit ihrer Verbindungslinie senkrecht zur Eiachse orientiert sind. So bleibt also als letztes noch die Annahme einer Einlage- rung oder Zusammenfiigung der in beliebiger Zahl vorhandenen Kérperchen zu einem gréferen Koérper tibrig. Soll ein der- artiges Konglomerat ein Gefolge normaler Mitosen garantieren, so muf es sich durch Zweiteilung vermehren, und auf jede solche Verdoppelung muf eine Zellteilung treffen. Damit haben wir aber im Prinzip die oben sub 1 und 2 aufgefiihrten Verhaltnisse ; das Gesamtgebilde entspricht dem Centrosom, die zahlreichen »Ceutralkérper“ aber sind Inhaltskérper oder durch besondere Beschaffenheit unterschiedene Unterabteilungen desselben. Das Wesentliche an dem Verhiiltnis eines solches Gebildes zur Zell- teilung ist auch hier seine Zweiteilung, und da diese nach dem, was oben gegentiber der Rasi’schen Hypothese auseinander- gesetzt worden ist, keine passive sein kann, eine ak tive Zwei- 140 Theodor Boveri, teilung in meinem Sinn. Die Frage ist hierbei nur noch, ob es solche Gebilde tiberhaupt giebt, und damit kommen wir zu den von M. HeImDENHAIN vertretenen Vorstellungen. C. Die Mikrocentren-Lehre M. HEIDENHAIN’s. Die Objekte, auf die sich HEIDENHAIN bezieht, sind Zellen von Siugetieren: Leukocyten, Riesenzellen des Knochenmarks und Riesenzellen aus einer mesenterialen Lymphdriise vom Kaninchen. Auf Grund seiner Befunde an diesen Zellen hat HrImENHAIN seine Mikrocentren-Lehre aufgestellt, deren wesentlicher In- halt folgendes ist. Ein Centrosoma in meinem Sinne, also ein Kérperchen, wie ich es oben fiir verschiedene Objekte in Ueber- einstimmung mit meinen friheren Befunden beschrieben habe, giebt es nicht. In den Spharen finden sich kugelige Kérper ohne weitere Struktur!), die tiber eine bestimmte Gréfe nicht hinaus- gehen, die ,Centralkérper“. Diese vermehren sich durch Knospung, und zwar ohne bestimmte Beziehung zur Zellteilung, so dafi nicht nur zwei, sondern auch drei, vier, ja Hunderte neben einander in einer Zelle vorhanden sein kénuen, unter Um- stinden alle in eine gemeinsame Zwischenmasse eingebettet oder durch zarte Substanzbriicken alle oder in Gruppen mit einander verbunden. Jede solche Gruppe, deren die Zelle eine oder zahl- reiche enthalten kann, ist ein Mikrocentrum. Ein solches kann durch den bereits genannten Prozef} der Knospung von einem Centralkérper aus, andererseits aber auch dadurch entstehen, dal viele urspriinglich getrennte Centralkérper zusammenriicken. Eine direkte Beziehung der Vermehrung der Central- kérper zur Zellteilung kann unter diesen Umstanden natiirlich nicht bestehen (55, S. 257). Ich habe meine Ansicht tiber diese Lehre schon friiher (17) eingehend dargelegt und verweise beziiglich vieler Einzelaus- fiihrungen, die ich nicht noch einmal wiederholen will, auf das dort Gesagte. Die Quintessenz meiner damaligen Einwande ist dieses, dafi HrrpENHAIN zweierlei ganz verschieden zu _ beur- teilende Bildungen als vollkommen gleichwertig zusammengeworfen hat, namlich einerseits ein Einzelcentrosoma, andererseits einen Centrosomenhaufen, wie ein solcher nur in abnormen Zellen durch 1) Vgl. hiertiber das oben 8. 127 Gesagte. Zellen-Studien. 141 Unterdriickungen von Zellteilungen zustande kommen kann. Beides nennt er ,,Mikrocentrum*‘, und indem er nun Sitze aufstellen will, die fiir beides gelten, mu er das Wesentliche an der Ver- mehrungsweise der Centrosomen ganz ignorieren und eine direkte Beziehung dieser Vermehrung zur Teilung der Zelle leugnen. Betrachtet man die beiden Arten von Mikrocentren als das, was sie sind, so fiigen sie sich nach Hemennatn’s eigener Darstellung vollkommen den von mir entwickelten und auch im Vorstehenden wieder begriindeten Aufstellungen: diejenigen ,,Mikrocentren“, welche Einzelcentrosomen sind, vermehren sich — typischer Weise — durch Zweiteilung und jedes Tochtercentrosom wird wieder zu einem karyokinetischen Pol; diejenigen, welche Cen- trosomenhaufen sind, zeigen ein entsprechendes Verhalten an ihren Konstituenten. Eine Eigenschaft, durch welche sich der Haufen als eine héhere Einheit dokumentieren und dem Einzel- centrosom einer normalen Zelle in irgend einer Weise gleichwertig erscheinen wiirde, existiert nicht. Die Aufstellung des Begriffes ,Mikrocentrum“ kann daher nur dazu fihren, klare Verhaltnisse zu verwirren. M. Hempennwain hat nun gegen diese meine Kritik eine Er- widerung gerichtet, und wenn Schmihungen widerlegen kénnten, so wire meine Autfassung, ja man darf sagen, alles, was ich je in der Centrosomenfrage an Befunden beschrieben und an Ge- danken gedufert habe, als abgethan zu betrachten. Anders, wenn man das Sachliche in den Auseinandersetzungen Heipennarn’s herauszuschilen sich bemiiht. Hier tritt zunachst trotz aller Verschleierungen wieder klar hervor, daf alles, was HeEmENHAIN an Thatsachen anfihrt, wie ich schon friiher be- tonte, mit meiner Centrosomenlehre vollkommen ibereinstimmt. HemeENHAIN giebt an verschiedenen Stellen zu (S. 252, 255), dal zu Beginn der Mitose eine Zweiteilung des ,,Centrosoma“ oder Microcentrums eintrete, daf man ,,in zwangloser Weise von einer Zweiteilung der Mikrocentren‘‘ sprechen kinne, und seine weiteren Ausfiihrungen lassen keinen Zweifel, daf’ er nunmehr von einer aktiven, nicht etwa durch Zug von aufen bewirkten Zweiteilung spricht. Damit ist im Grunde alles zugegeben, was ich behaupte. Wenn Heipennarn angeblich gegen mich hinzufiigt, dali man diese Teilung nicht als ,Fortpflanzung im engeren Sinne“ be- zeichnen kénne, daf sie ,,kein eigentlich so zu nennender Fort- pflanzungsprozef* sei, so mnf ich bemerken, daf ich erstens mich niemals dariiber ausgesprochen habe, ob die Zweiteilung der 142 Theodor Boveri, Centrosomen eine Fortpflanzung im engeren oder weiteren Sinn,. eine eigentliche oder uneigentliche ist, und daf ich zweitens diese von HEIDENHAIN erfundene Distinktion iiberhaupt fiir sinnlos halte. Denn danach ware die Teilung einer Zelle kein Fortpflanzungs- prozeli, die Teilung eines vielzelligen Organismus noch weniger; und doch ist der Ausdruck Fortpflanzung (im biologischen Sinn) gerade von diesen kompliziertesten Gebilden genommen. Das. Wort driickt nichts anderes aus, als da ein in irgend einer Weise einheitliches organisches Gebilde in zwei oder mehrere zerlegt wird, die in ihrer Weise wieder ein Ganzes darstellen. Welche Krafte diese Teilung bewirken, ist ganz gleichgiltig, ja nicht ein- mal, dafi das Gebilde die Teilung durch in ihm gelegene Ur- sachen erleidet, gehért notwendig zum Begriff der Fortpflanzung, wofiir nur an die Fortpflanzung von Pflanzen durch Stecklinge erinnert sei. Im tibrigen aber liegt ja der Streitpunkt gar nicht in dieser Wortspielerei; denn das Wort ,,Fortpflanzung‘, das ich bei der ganzen Erérterung tberhaupt nur einmal gebraucht hatte, kann ich entbehren. Was ich gegen HEIDENHAIN betonte, war die Zweiteilung als Eigenschaft der Cytocentren, die Thatsache, da diese Gebilde, mégen sie im tibrigen beschaffen sein, wie sie wollen, sich normaler Weise in zwei zu karyokinetischer Wirk- samkeit befaihigte Stiicke teilen und nicht in mehr; und weiterhin, da8 auf jede dieser Teilungen zufolge der Wirkungsweise der Teilstiicke normaler Weise eine Zellteilung folgt. Diese neben der Erzeugung der Radiensysteme fundamentalste und generellste Eigenschaft der Cytocentren hatte Hremennarn durch Schatfung seines Mikrocentrenbegriffes zur Unkenntlichkeit verschleiert, denn weder seinen Centralkérpern noch seinen Mikrocentren — und ein drittes giebt es nicht — kommt diese Eigenschaft der Zweiteilung und der Parallelismus dieser Zweiteilung mit der der Zelle gene- rell zu. Ich kénnte mich mit dieser Konstatierung begntigen. Da aber HEIDENHAIN seit meinen friiheren Erérterungen noch ein weiteres Objekt fiir seine Auffassung ins Feld gefiihrt hat, und da auf der anderen Seite meine Anschauungen tiber die Morphologie der Cytocentren inzwischen bestimmtere Gestalt angenommen haben, halte ich es fiir ersprieflich, die Grundlagen seiner Lehre noch einmal Revue passieren zu lassen. In den meisten Objekten, die HEIDENHAIN neuerdings unter- sucht hat, findet er, wie andere Autoren, als Regel zwei dicht benachbarte Centralkérperchen, also ein Doppelcentrosom, Zellen-Studien. 143 wie es bei den von mir studierten Objekten rasch voriibergeht, in vielen Zellen aber, in denen sich die Teilung friihzeitig ein- leitet und eine relativ lange Zellenruhe durchgemacht wird, von langem Bestand ist. Wenn HrtpenHaIn in manchen dieser Falle, wie z. B. gelegentlich in den roten Blutkérperchen des Enten- embryo, an Stelle dieses Doppelcentrosoms Bildungen findet, die aus 3 oder 4 Kdorperchen zusammengesetzt sind, so kommen andererseits auch mehrpolige Teilungsfiguren vor (S. 260 und 261), sodaf diese Thatsachen, soweit die der Natur der Sache nach auferst liickenhaften Beobachtungen tiberhaupt ein Urteil gestatten, mit den sonstigen Erfahrungen tiber die Vermehrung der Centrosomen und ihr Verhaltnis zur Mitose in bester Ueber- einstimmung stehen. Auch die Annahme einer Knospung diirfte durch die Bilder, die HEIDENHAIN von den genannten embryonalen Zellen giebt, kaum nahegelegt werden. Wir kommen nun zu den Kaninchen-Leukocyten. Ich habe schon oben (8S. 113 ff.) hervorgehoben, dal aus dem, was HEmENHAIN fiber die ,,Mikrocentren“ dieser Zellen mitgeteilt hat, der Beweis einer Knospung, ja tiberhaupt einer Vermehrung der gefundenen Kdorperchen nicht zu entnehmen ist. Ware nicht bereits nachgewiesen gewesen, daf} die Polkérperchen der Teilungs- figuren auf einander folgender Zellgenerationen durch Teilung aus einander entstehen, so hatten die Hemennarn’schen Bilder kaum die Vermutung einer Vermehrung rechtfertigen kénnen. Wir bekommen nur Stadien von ruhenden Zellen zu sehen, und dadurch ist schon die blobe Deutung der fraglichen Kérperchen sehr erschwert. Ich habe friiher (17) die Ansicht ausgesprochen, da8 die von HeEImpENHAIN abgebildeten Kérner Inhaltskérper (Teile) eines einheitlichen Centrosoms seien, und habe fiir dieselben den Namen ,,Centriolen‘t vorgeschlagen, allerdings nicht streng in dem Sinne, den ich jetzt dieser Bezeichnung beilege. Ob die HetpEn- HAIN schen Centralkérper der Leukocyten Centriolen in diesem letzteren Sinne seien, ist schwer zu entscheiden. HerIDEN- HAIN’sS Versicherung, dafi ein gréferer Koérper, in den sie einge- schlossen seien, nicht existiere, wiirde sie zu Centrosomen stempeln; allein wenn man bedenkt, daf HrtpENHAIN diejenigen Bilder, wo er wirklich einen einheitlichen gréferen Koérper findet, als Verklumpungsfiguren bei Seite schiebt, so kann jene Be- hauptung nicht sehr viel Gewicht beanspruchen. Fiir die folgenden Betrachtungen sei nun angenommen, daS die dunkel gefarbten Koérperchen eines jeden Mikrocentrums Centrosomen, bezw. 144 Theodor Boveri, Unterabteilungen eines in Vermehrung begriffenen Centrosoms seien. Die zu untersuchende Frage ist dann diese: Zwingen die yon HEIDENHAIN an den Leukocyten des Kaninchens ermittelten Thatsachen dazu, die aus so vielerlei Beobachtungen erschlossene direkte Abhingigkeit der Zellteilung von der Teilung der Centro- somen aufzugeben oder einzuschranken ? Bei Erérterung dieser Frage stelle ich mich vdollig auf den Standpunkt HerpENHAIN’s und nehme also als erwiesen an, dah alle von ihm gefundenen Kérperchen Centralkérperchen sind und daf die kleinen aus den grofen durch Knospung entstehen. Denken wir uns als Ausgangspunkt (Textfigur B, a) ein ein- faches Centralkérperchen, welches durch Knospung ein kleines solches Gebilde aus sich hervorgehen lat (b), @ 2 oder, wie ich es lieber ausdriicken méchte, welches durch eine stark inaquale Teilung Se b in ein sehr grofes und ein sehr kleines Toch- tercentrosoma zerfallt, so ist es nicht nur c méglich, sondern sogar sehr wahrscheinlich, daf dieses kleine K6rperchen die Eigen- schaften seines riesigen Schwestercentrosoms d nicht sofort besitzt, sondern erst mit seinem Heranwachsen zu ungefahr der gleichen —_— Gréfe gewinnt. Daf die Centrosomen mit dem es. Wachstum ihre Eigenschaften andern, muf ja auch aus den typischen Verhaltnissen bei Lali! pet der A4qualen Centrosomenteilung geschlos- eo @: sen werden. Wir erhalten also erst nach einiger Zeit neben dem von Anfang an grofen Tochter- 3 @ centrosom ein ihm an Qualitét gleiches Schwestercentrosom, und nun erst kénnen Textfigur B. beide sich trennen und in bekannter Weise die Zellteilung bewirken. Wahrend des Heran- wachsens des kleinen Centrosoms kann zwar dessen groBes Schwester- gebilde schon seinerseits wieder die gleiche inaquale Teilung inaugurieren, mit anderen Worten: eine neue Knospe treiben (d); diese aber tibt nach unserer Annahme, daf die Knospe erst durch ihr Heranwachsen die Qualitiéten ihres grofen Schwestercentrosoms erwirbt, auf die Zellsubstanz und auf die Prozesse, die sich zwischen den beiden anderen abspielen, zunachst keine Einwirkung aus. Sie bleibt einfach bei der Separation der beiden ausge- Zellen-Studien. 145 wachsenen Centrosomen an dem einen, offenbar an dem erzeugenden hingen. Dann hatten wir (e) in der einen Tochterzelle ein einziges ausgewachsenes Centrosom, in der anderen ein solches mit junger Knospe, und der weitere Verlauf (f, g) ware der gleiche, wie oben angenommen: immer wiirden, so lange tiberhaupt eine normale Zellvermehrung stattfindet, die beiden jeweils ausgewachsenen Centrosomen sich von einander trennen und den Anstof zu einer Zellteilung geben, ehe die nachstjiingere Knospe die hierzu notigen Eigenschaften erlangt hat. Diese Art, die HrtpeNHAIN’schen Befunde zu erklaren, hat ein gewisses Analogon in den Vorgiingen, die wir bei der unge- schlechtlichen Vermehrung einer Hydra finden. Auch hier kann neben der altesten Knospe noch eine zweite, jiingere, ja noch eine dritte und vierte, immer jiingere vorhanden sein. Die Qualititen des Muttertieres und die Fahigkeit, sich abzuschniiren, erhalt aber die Knospe erst mit einer gewissen GriSe, so daf zu einer und derselben Zeit nur eine sich vom Muttertier trennt. Es ent- stehen also simultan stets nur zwei selbstaindige Gebilde, die sich fortan unabhangig ernéihren, die unabhangig ihren Ort ver- findern kénnen: die sich ablésende Knospe und das eventuell mit jiingeren Knospen ausgestattete Muttertier; wir haben also hier die gleiche Zweiteilung, wie wir sie fiir den HemenuAIN’schen hypothetischen Fall der knospenden Centrosomen angenommen haben. Nur freilich ist fiir die Hydra diese simultane Zerlegung in nur zwei Individuen ganz gleichgiltig, da nichts Komplizierteres von ihrer gemeinsamen Wirkung abhangt, und so erscheint die Hervorhebung dieser Thatsache hier kiinstlich, wogegen bei dem Centrosom gerade in diesem Punkte ‘das Essentielle legt, indem sich dieses Kérperchen nicht in mehr als 2 Stiicke zerlegen darf, wenn es normal funktionieren soll. Diese Betrachtung fiihrt wieder zuriick auf die im Kapitel II gemachte Unterscheidung zwischen Verdoppelung und Sepa- ration, ja die Notwendigkeit dieser Unterscheidung wiirde gerade im vorliegenden Falle eine besonders klare Illustration erhalten. Die Verdoppelung ware hier in dem Knospungsvorgang ge- geben: aus dem einfachen Muttercentrosom individualisieren sich 2 ihren Zusammerhang bewahrende Tochtercentrosomen, ein sehr grokes und ein zunachst sehr kleines. Und hiervon ware zu unterscheiden die Separation, d. i. das Auseinanderweichen dieser beiden Schwestercentrosomen zu 2 je einen Pol bildenden Bd, XXXV, N. F. XXVIIL. 10 146 Theodor Boveri, Stiicken1). Verdoppelung und Separation wiirden auch hier inso- fern genau parallel laufen, als auf jeden Prozef der ersteren Art ein solcher der zweiten traife. Allein die beiden Prozesse waren, da die Separation erst erfolgen kann, nachdem das kleine Kérper- chen des Doppelcentrosoms zur Gréfe seines Schwestergebildes herangewachsen ist, durch ein langes Zeitintervall getrennt. Durch diese Eigentiimlichkeit wird es erméglicht, dai, ohne Stérung der Normalitit der Zellteilung, an dem bereits ausgewachsenen Schwestercentrosom die Verdoppelung fir die ibernachste Zellteilung eintreten kann, ehe zwischen den beiden in Rede stehenden Schwestercentrosomen die Se paration fiir die nachste vollzogen ist. Auf diese Weise entstehen dreiteilige, unter Umstanden vierteilige Centrosomen, welche der direkten Ab- hangigkeit der Zellteilung von der Centrosomenteilung auf den ersten Blick zu widerstreiten scheinen, bei genauerer Analyse diese Abhingigkeit aber gerade in besonders instruktiver Weise bestitigen. Sie lehren vor allem, dai, von so fundamentaler Bedeutung bei der Centrosomenteilung auch die Verdoppelung ist, der fiir die Normalitat der Zellteilung direkt mabgebende Vorgang in der Separation liegt. Durch die im Vorstehenden gegebene vollig ungezwungene und mit den Hrtpennatn’schen Bildern in geniigender Harmonie stehende Erklirung wiirde sich auch eine solche abweichende Fortflanzungsart der Centrosomen mit dem, was zahllose andere Objekte gelehrt haben, in Einklang bringen lassen; die normale Zellteilung wiirde auch hier in gleicher Weise auf Zweiteilung des Centrosoms beruhen, auf jede Knospung wiirde eine Separation, auf jede Separation eine Zellteilung treffen. Der einzige wesent- liche Unterschied wire wohl nur der, da bei den Kaninchen- Leukocyten die beiden Schwesterzellen in Bezug auf ihre Centren nicht vollig gleichgestellt sind, indem die eine langer brauchen wird, bis sie wieder eine herangewachsene Centrosomenknospe besitzt, als die andere (Textfigur B e, f, g, S. 144). Allein bei Zellen, wie den Lymphocyten, die nach ihrer Teilung nichts mehr mit einander zu schaffen haben, spielt dies keine Rolle. — Sodann konnten natiirlich auch viel leichter abnorme Zustinde eintreten als bei der gewohnlichen Centrosomenteilung. Denn wenn die zweite Knospe 1) Einen ganz entsprechenden Gegensatz zwischen Verdoppelung und Separation bietet unser vorhin gebrauchtes Beispiel der un- geschlechtlichen Vermehrung der Hydra. Zellen-Studien. 147 reif wird, ehe zwischen dem Muttercentrosom und der ersten Knospe die Separation mit ihren mitotischen Konsequenzen voll- zogen ist, so wird eine dreipolige Figur entstehen miissen. Gerade derartige Vorkommnisse sind nun aber bei den Leukocyten offenbar iuferst hiaufig, sie fiihren zur Bildung der Riesenzellen (HEmEN- HAIN). Und so erhalt auch von dieser Seite meine Erklirungs- weise noch eine gewisse Stiitze. Ich bemerke nochmals, daf diese Auseinandersetzungen nur unter der unbewiesenen Voraussetzung gelten kénnen, da8 die Centrosomen der Kaninchen-Leukocyten sich so verhalten, wie HEIDENHAIN annimmt. LEinstweilen gehéren diese Zellen, was in ihrer Natur begriindet ist, in Bezug auf ihre Centren zu den ungeniigend erforschten Objekten, und es diirfte nicht leicht eine Zellenform geben, die sich weniger als Paradigma fiir eine Dar- stellung der Beschatfenheit und Fortpflanzung der Centrosomen, wie deren Beziehung zur Zellteilung eignet, als diese. Ist ‘nun bei den Leukocyten ihr Schicksal nur unsicher, so ist das zweite Objekt, welches HrEIpENHAIN seiner Mikrocentren- Lehre zu Grunde gelegt hat, bereits ein unzweifelhaft patho- logisches. Es sind dies die Riesenzellen des Knochen- markes. Wenn ich diese Zellen pathologisch nenne, so soll das nicht heifen, daf ich ihre Herbeiziehung verwerfe; im Gegen- teil, nichts scheint mir lehrreicher zu sein, als die Vorstellungen, zu denen uns der immer gleiche Verlauf in den normalen Zellen fiihrt, an dem Verhalten solcher abnormen Falle zu priifen und, wenn notig, zu berichtigen; und ich habe das Dankenswerte in HEIDENHAIN’s Analyse der Riesenzellen voll anerkannt. Allein man darf die durch die pathologische Verfassung dieser Zellen sich erklirenden Verhaltnisse nicht als etwas Typisches ansehen und in das, was die normalen darbieten, hineinkonstruieren. HemENHAIN hat gegen meine friihere Kritik seiner Auffassung folgende sachlichen Einwénde erhoben. Er fiihrt zunachst aus (S. 266), da’ ich, vermutlich wegen Fliichtigkeit beim Lesen, schon das Thatsachliche seiner Befunde nicht richtig wiedergegeben hatte. Ich hatte jedes Kérperchen des’ sog. Mikrocentrums als ein Centrosoma in Anspruch genommen, wahrend er ausdriicklich angegeben habe, dafi er im Stadium der Anaphase Ofter in jedem Pole zwei Centrosomen gefunden habe. Es mii8te also nicht ein, sondern 2 solche Kérperchen ein Centrosom in meinem Sinne vorstellen. — Wenn hier ein Irrtum unterlief, so kann ich die Schuld daran nur meinem Gegner zuschieben. Das Wort ,,ofter, 10* 148 Theodor Boveri, so gebraucht, wie HemENHAIN es in fraglichem Zusammenhang thut, bedeutet: in einer nicht gerade kleinen, aber immerhin in einer Minderzah| der beobachteten Fille. Ich hatte also volles Recht, als den typischen Fall anzunehmen, da’ die Centrosomen der vielpoligen Teilungsfiguren bei der Riickkehr in den Ruhe- zustand einzeln vorliegen'). Ich konnte aber diese Einzelheiten deshalb véllig aufer Betrachtung lassen, weil durch sie, wie sie sich bei genauerem Studium auch herausstellen mégen, an meiner Argumentation gar nichts gedndert wird. Ich habe behauptet: das HrmENHAIN’sche Mikrocentrum der Riesenzellen ist nichts anderes als ein Centrosomenhaufen. Ob es nun ein Haufen von, Einzelcentrosomen oder von Doppelcentrosomen oder von solchen Gebilden ist, wie HEIDENHAIN sie in den Lymphocyten findet, ist ganz irrelevant. Ja, noch mehr, wenn in dem Haufen immer je 2 (oder 3) K6rperchen zu einer Einheit verbunden sind, so tritt der Charakter des ganzen ,,Mikrocentrums" als eines blofen Haufens nur noch klarer hervor ?). HEIDENHAIN glaubt, meine Beweisfiihrung dadurch widerlegen zu kénnen, dafS er sagt: Das Element, aus dem jede Zweier- eruppe zusammengesetzt ist, ist das gleiche, aus dem der ganze Haufen zusammengesetzt ist; also muf der Haufen das Gleiche sein — wenn auch nicht vollkommen, wie er jetzt einraumt — was die Zweiergruppe ist; stellt diese in gewissem Sinne eine Einheit dar, so thut es auch die grofe Anhaufung von solchen Gruppen, wie die Riesenzelle sie enthalt. — Wie falsch diese Argumentation ist, zeigt ein einfaches Beispiel. Wenn man zahl- reiche gleichalterige, von ihrer Dotterhaut befreite Seeigel-Eier auf dem Zweizellen-Stadium in dichte Berihrung bringt, so kann man bei schwacher Vergréferung, welche nichts von der inneren Struktur erkennen lat, nicht mehr sagen, welche zwei zusammen- gehéren. Nach der Art, wie HEIDENHAIN die ,,Mikrocentren‘: der 1) Ueberdies stellen sich nach HerEnnHatn’s eigenen Angaben Centrosomen, die er als zweiteilig ansehen zu miissen glaubt, in Eisenhimatoxylin nicht selten als einheitliche schwarze Kugeln dar, was er dann eine ,, Verklumpung“ nennt. 2) Damit erledigt sich auch HerpEnHatn’s Behauptung (8. 263), der Gegensatz, in den ich die Mikrocentren der Riesenzellen zu denen der Leukocyten stelle, sei in der Weise von mir erschlichen, da ich die gleichen Koérperchen in den Leukocyten Centriolen, in den Riesenzellen Centrosomen nenne. Wer meine Ein- wendungen aus meiner eigenen Arbeit kennt, wird wissen, was er von dieser Behauptung zu halten hat. Zellen-Studien. 149 Riesenzellen beurteilt, ware dieser Haufen zweizelliger Eier im wesentlichen das Gleiche wie ein zweizelliges Ei. Der Haufen besteht ja in der That aus den gleichen Elementen wie die »AWeiergruppe’. Hier ergiebt sich eben, daf nicht der momentane, dem Auge sich darbietende Zustand, sondern die Geschichte fiir die Beurteilung mafeebend ist. In welcher Weise die fragliche Ansammlung entstanden ist und vor allem, was aus ihr wird, das ist die Frage. Wie nun der Haufen zweizelliger Kier, sowohl wenn man ihn auseinander- fallen, als wenn man ihn sich weiterentwickeln laft, zeigt, dal. er aus lauter unter einander gleichwertigen, selbstandigen Gebilden besteht, die gar nichts mit einander zu thun haben, so zeigt sich ein Gleiches an den Centrosomen, welche die ,,Mikrocentren“ der Riesenzellen zusammensetzen. In Vorbereitung zur Zweiteilung (vielleicht in Knospung) kommen sie, jedes einem Spindelpol ent- stammend, aus den multipolaren Mitosen, in diesem Zustande tiber- dauern sie die Zellenruhe, bei der Vorbereitung zum _ nichsten mitotischen ProzeS spaltet sich jedes in 2 (vielleicht unter Umstinden 3) Stiicke, von denen jedes einen neuen Pol bildet, und wieder in Vorbereitung zu neuer Teilung kehren sie, in — ungefihr — doppelter Anzahl, in die Zellenruhe zuriick. Es ist dies, wenn auch nicht so klar za verfolgen und vielleicht mit ge- wissen Unregelmibigkeiten, der gleiche Prozef, den ich an Seeigel- Blastomeren verfolgt habe (19), die infolge gewisser Stérungen bei ihrer Entstehung zwar ein Centrosoma, aber keinen Kern er halten hatten. Das Centrosom teilt sich hier, wie in einer normalen Blastomere, in 2 Tochtercentrosomen, die sich wie die Pole einer Spindel gegenitiberstehen, aber es erfolet wegen Mangels an Kern- substanz keine Zellteilung. Die beiden Spharen bilden sich zuriick, wie wenn die Zellteilung eingetreten ware, jedes Centrosom teilt sich nach einiger Zeit wieder, wir haben nun 4 Centrosomen, jedes von seiner Sphare umgeben, dann 8,16u.s. w. Ein Unter- schied liegt nur darin, daf in meinem Falle die jeweils vor- handenen Centrosomen ungefiihr an der Stelle, wohin sie wihrend der héchsten Entfaltung ihrer Sphaire zu liegen kamen, liegen bleiben, so daf sie auf spaiteren Stadien, wo ihrer viele gebildet sind, die ganze Protoplasmamasse ziemlich gleichmaBig durch- setzen, wahrend sie in den Riesenzellen des Knochenmarkes eine gewisse Neigung zeigen, sich im Mittelpunkte der ruhenden Zelle anzusammeln. Daf durch diese Anhaufung nicht eine hdéhere Einheit hergestellt wird, geht schon aus den spateren Schicksalen 150 Theodor Boveri, der daran beteiligten Centrosomen hervor; noch besser aber do- kumentiert sich das Nebensichliche dieser Anhiufungen durch die aulerordentlichen Variationen, die HemENHAIN in der Anordnung und Dichte derselben gefunden hat‘). So konnte ich schon friiher (17, S. 67) sagen, daf an diesen sog. Mikrocentren der Riesenzellen nichts vorhanden sei, ,,was auf irgend eine Zusammengehorigkeit zu einer Einheit schliefen liefe, sei es durch eine nachweisbare Verkniipfung, sei es durch irgend eine alle Kérperchen umfassende, nur von einer Einheit ausgehbare Wirkung“. HEIDENHAIN hat zur Widerlegung dieses Satzes nochmals auf das Auftreten gemeinschaftlicher Strahlenfiguren und konzentrischer (?) Protoplasmaschichtung im Umkreis seiner Mikrocentren hingewiesen. Er iibersieht dabei, daf ein H aufen von gleichartigen und in keiner Weise zu einer héheren Einheit verbundenen Gebilden in mancher und speciell physikalischer Hinsicht genau die gleiche Wirkung austiben kann wie das Einzelgebilde. Protozoen, die irgend ein Reiz zu einem Haufen versammelt hat, werden in ihrem gemein- samen Umkreis genau die gleiche Erscheinung einer konzentrischen Sauerstoffabnahme bewirken, wie ein einziges solches Tierchen. Oder um ein anderes Beispiel anzufiihren: wie das einzelne frische Seeigel-Ei bei Spermazusatz alsbald von einer dichten Spermato- zoensphare umgeben ist, so zeigt sich die gleiche Erscheinung an einem Haufen sich dicht beriihrender Eier. Was aber speciell das Phinomen der Zellenstrahlung anlangt, so ist, wie ich schon friiher betont habe, das Auftreten einer zu- nachst einheitlich aussehenden Strahlung kein Beweis fir einen einheitlichen Erreger. Dies lehren mit voller Sicherheit die bei Seeigel-Eiern haufig zu beobachtenden Falle hochgradiger Poly- spermie, wobei es vorkommt, dafi 2 oder mehrere Spermaképfe 1) Nachdem Herenwain gezeigt hat, daf das Centrosoma der Leukocyten eine Tendenz hat, den Mittelpunkt des Zellkérpers einzunehmen, wird man annehmen miissen, daf den Anhaufungen der vielen Centrosomen einer Knochenmarksriesenzelle im Zellen- mittelpunkt die gleiche Ursache zu Grunde liegt. Da nun in diesem letzteren Falle nicht angenommen werden kann, daf jedes Centrosom mit der ganzen Zellenoberflache durch gleich lange Ra- dien verkniipft ist und also die Anhaufung der Centrosomen im Mittelpunkt der Zelle unméglich auf dem sog. ,,Spannungsgesetz“ beruhen kann, so ist damit ein neuer gewichtiger Einwand gegen die Zulassigkeit dieser Erklarungsweise auch fiir die Leukocyten gegeben. Zellen-Studien. 151 dicht nebeneinander liegen. Sind dieselben so gelagert, dal sie ihre Centrosomen einander zukehren, so erregen diese gemeinsam ein mehr oder weniger einheitliches Radiirsystem. Schon bei O. und R. Herrwia (66) sind in Fig. 2 (Taf. VIL) und Fig. 19 (Taf. ID) Fille dieser Art im Umkreis nahe benachbarter Spermaképfe ab- gebildet; ich selbst habe ganz ahnliche Zustande im Leben und an Schnitten gesehen. Wenn dies aber schon bei 2 oder 3 Centro- somen moglich ist, wie viel mehr muf es der Fall sein, wenn mehr als hundert solche Kérperchen dicht zusammengelagert sind. Das Wichtige fiir die Beurteilung solcher Strahlungen, welche mehrere selbstaindige Centrosomen umfassen, ist dieses, daf dieselben nicht als ,.Kinospharen“*) zur Bildung karyokinetischer Figuren fiihren. Vielmehr werden sie, indem die erregenden Centrosomen sich teilen und alle dadurch gebildeten Tochtercentrosomen sich voneinander entfernen, aufgelist, und es bildet sich um jedes vor- handene Centrosom eine Kinosphire aus; jedes Centrosom fiir sich wird zu einem karyokinetischen Pole. Wie dies in den soeben erwihnten Fallen von Polyspermie. verfolgt werden kann, so gilt es nach Herpennatn’s eigenen Befunden fir die Riesenzellen des Knochenmarkes. Kinzig die Zahl und Teilungs- art der beim letzten mitotischen Prozef vorhandenen Centrosomen ist maSgebend fiir die Zahl der Pole im nachstfolgenden ; ob die Centrosomen in der Zwischenzeit sich in der Mitte die Zelle an- gesammelt haben oder weit zerstreut liegen, ist ohne jede Be- deutung. Wenn daher HEIpENHAIN schlieSlich fragt, worin sich denn iiberhaupt die Einheit des fraglichen Mikrocentrums dokumentieren solle, wenn nicht durch die von ihm beobachteten Erscheinungen, so ist darauf zu antworten: Wenn der aus mehr als 100 zu- sammenriickenden Centrosomen entstandene Haufen sich z. B. in 2 Halften teilen wiirde, von denen jede zu einem Pole einer normalen Teilungsfigur wiirde, dann miifte der ganze Komplex als eine héhere Einheit angesehen werden. Doch etwas derartiges existiert weder hier, noch, so viel wir bis jetzt wissen, in irgend einem anderen Falle. HetpEnHaIn hat zwar an verschiedenen Stellen seiner neueren Arbeiten gewisse An- gaben FarMER’s (37) ins Feld gefiihrt, durch welche angeblich seine Auffassung vollkommen bestatigt, die meinige aufs schlagendste widerlegt wird. Farmer soll nachgewiesen haben, da8 sich bei 1) Vgl. beziiglich dieses Ausdruckes die Erérterungen auf S. 123. 152 Theodor Boveri, der Sporenbildung von Fossombronia in jeder Zelle zunichst vier Centren finden, die sich paarweise vereinigen, so daf eine typische zweipolige Figur entsteht. Die Vereinigung mehrerer Central- kérperchen zu einer héheren Einheit sei damit erwiesen. — Untersucht man die in Betracht kommenden Bilder Farmer’s, so ist zunachst nicht zu verstehen, wie dieser Autor selbst zu den Schliissen gelangen konnte, die er gezogen hat. Eine vierpolige Anlage der Teilungsfigur ist in keiner seiner Abbildung auch nur andeutungsweise zu sehen. Manche Figuren deuten auf drei Pole. Doch haben alle diese Figuren, speciell Fig. 2, 3 und 8, Merkmale an sich, welche die Vermutung nahe legen, da& von An- fang, an nur zwei Pole vorhanden und in den eigentiimlichen drei- lappigen Figuren Bildungen gegeben sind, welche der ,figure ypsiliforme* entsprechen, die VAN BeNEDEN (4) bei der Ent- stehung der I. Richtungsspindel von Ascaris beschrieben und in Abbildungen veranschaulicht hat, welche zu einer jeden der FARMER- schen Figuren ein véllig entsprechendes Gegenstiick liefern. Auch Bilder, wie sie Harper (52, Taf. XI, Fig. 4) von Erysiphe ge- geben hat, diirften auf die Bedeutung der Farmer’schen Abbildungen einiges Licht werfen. — Von einem Nachweis, daf die 2 definitiven Spindelpole durch Verschmelzung je zweier urspriinglicher Pole entstehen, fehlt jede Spur, und Farmer sagt selbst, daf er den Prozel dieser Verschmelzung nicht gesehen habe. Endlich mu8 es als sehr fraglich bezeichnet werden, ob in diesen Zellen iiber- haupt Centralkérperchen yorkommen; FArMeEr’s Angabe da in der Sphare oft ein winziges Kérnchen unterscheidbar ist, von welchem er annehme, dai es ein Centrosom sei, wird kaum als ein Beweis anzusehen sein. Mit diesen Einwendungen méchte ich nicht den FaArMer’schen Untersuchungen zu nahe treten; kein Beobachter kann mehr er- kennen, als sein Objekt darbietet. Auf welchen Fundamenten aber ruht die Herpennarn’sche Lehre, wenn diese Farmer’schen Be- obachtungen bei jeder Gelegenheit (55, 57, S. 207, 252, 269, 270) seine ultima ratio darstellen ! — HEImENHAIN hat nun neuerdings (55) fiir seine Mikrocentren- Lehre noch ein drittes Objekt beigebracht: in Entartung begriffene vielkernige Riesenzellen unbekannter Herkunft, welche er in einer mesenterialen Lymphdriise eines Kaninchens aufgefunden hat. Das ,,Mikrocentrum“ soll hier aus einer verschieden grofen Zahl, bis etwa 50 Centralkérpern bestehen, die durch eine Zwischenmasse yerbunden sind. Die einzelnen Zellen-Studien. 153 Centralkérper des gleichen Mikrocentrums kénnen verschieden erof und verschieden stark gefiirbt sein. Gewohnlich ist nur ein Mikrocentrum vorhanden, doch kénnen es auch mehrere (bis zu acht) sein. — Welche Bedeutung dieses Objekt fiir die Erkenntnis der cellularen Centren beanspruchen kann, dafiir seien einige An- gaben HEIDENHAIN’s tiber dasselbe angefiihrt. Die fraglichen Riesenzellen sind (S. 225) ,,in zweifacher Hinsicht pathologischer Natur“. Sie sind ,,erstlich auf Grund eines pathologisches Prozesses . entstanden, und zweitens sind zwar nicht alle, aber viele von ihnen in cellulirer Degeneration begriffen’’. Niemals wurde (S. 229) weder eine direkte noch eine indirekte Kernteilung oder auch nur Spuren einer solchen an diesen Zellen wahrgenommen; viele zeigen die deutlichen Erscheinungen des inneren Verfalls‘. Ich habe im Abschnitt A dargelegt, wie leicht zerstérbar die Centrosomen sind, so daf ich fast bei allen mir bekannten Ob- jekten einzelne Faille von k6rnigem Zerfall beobachtet habe, der zu genau den gleichen Bildern fiihrt, die HeEIpDENHATN an den fraglichen Riesenzellen gefunden hat. Wenn man nun bedenkt, daf8 dieser kérnige Zerfall in Zellen auftreten kann, die in jeder Beziehung dem Zustand einer normalen gesunden Zelle viel naher stehen, als das in Rede stehende Objekt, so wird kaum ein Zweifel méglich sein, wie diese ,,Mikrocentren“ und ,,Centralkérper“ zu deuten sind. Ihr Verhaltnis zur Struktur und Vermehrung der Centrosomen ist das gleiche, wie das eines im Absterben zerfallen- den Eies zum Furchungsprozef. Mehr ist dariiber nicht zu sagen. Damit haben wir die saimtlichen Grundlagen der HEIDEN- HAIN’schen Mikrocentren-Theorie und also auch diese Theorie selbst kennen gelernt; iiber ihre Berechtigung im Ganzen brauche ich dem Gesagten nichts mehr hinzuzufiigen. Kapitel VI. Das Centrosom als cyklisches Gebilde. Zur Theorie der Centrosomenwirkung bei der Zellteilung. Im vorigen Kapitel glaube ich bewiesen zu haben, daf die normale Succession karyokinetischer Teilungen in den mit Centro- somen ausgestatteten Zellen darauf beruht, da8 ein der entstehenden Zelle in der Einzahl zukommendes Centrosom sich aktiv zweiteilt, worauf die beiden so gebildeten Centrosomen vermége der ihnen 154 Theodor Boveri, innewohnenden Eigenschaften eine Kern- und Protoplasmateilung zwischen sich bewirken, so daf jede Tochterzelle ihre Existenz wieder mit einem Centrosom beginnt und nun der gleiche Vor- gang sich wiederholt. Es fragt sich nunmehr, welche Eigenschaften den Centrosomen zukommen, um diesen Parallelismus, der fiir die Lebensfahigkeit des von einer Zelle abstammenden oder abhangigen Organismenteiles notwendig ist, zu sichern; um zu garantieren, daf das Centrosom nicht wirkt, ohne sich geteilt zu haben, und daB es sich nicht wiederholt teilt, ohne dazwischen seine Wirkung zu entfalten, in welch beiden Fallen pathologische Zustande ent- stehen wiirden. Vor allem ist zu ermitteln, ob die Centrosomen selbst-diese notwendige Fixierung ihrer Zahl beherrschen, oder ob dieselbe von anderen Teilen der Zelle abhangig ist. Diesen Fragen sollen die folgenden Betrachtungen gewidmet sein. Die Ueberschrift verspricht vielleicht mehr, als die folgende Analyse leistet; denn diese soll von einer allgemeinen Theorie der Centrosomenwirkung nur eine Seite behandeln. Hieriiber mogen noch ein paar Worte vorausgeschickt werden. Die Beziehung der Centrosomen zur Kern- und Protoplasmateilung ist nicht eine direkt mechanische, in der Weise etwa, wie ein zusammenschnurrender Ring ein in ihm eingelagertes Gebilde zerteilen wurde, sondern sie liegt darin, daB die Centrosomen Vorgange im Kern und Proto- plasma veranlassen, welche zu einer geregelten Halbierung und Verteilung des Kernmaterials und im Zusammenhang damit zu einer entsprechenden Zweiteilung des Zellkérpers fihren. Eine Theorie der Centrosomenwirkung wiirde also zweierlei zu umfassen haben: 1) die Natur dieser Einwirkung an sich, 2) die in den Eigenschaften des Centrosoms begriindete Regelung dieser Kin- wirkung, der Art, daf sie zu einer normalen Teilung fiihren muf; gleichgiltig, worauf sie beruht. Ueber die erste Seite, vor allem also iiber die Frage, auf welchen Eigenschaften der Centrosomen die Bildung und eventuell die weitere Beeinflussung der Kino- sphiiren beruht, jenes Mediums, vermittelst dessen die Centrosomen ihre wichtigsten, vielleicht alle ihre Wirkungen in der Zelle be- thitigen, enthalten die folgenden Betrachtungen nichts, denn hieriiber wissen wir noch nichts, auer daf die Strahlungen durch irgend eine Einwirkung der Centrosomen auf die Umgebung veranlaft werden. Was die einmal gebildeten Strahlen leisten, dariiber ist ja bereits manches sehr Wichtige ermittelt, doch gehért dies nicht in eine Theorie der Centrosomenwirkung. Was uns im folgenden be- schiftigen wird, ist also lediglich die Frage, welche Kigenschaften Zellen-Studien. 155 die Centrosomen besitzen, um ihre Wirkung auf Kern und Proto- plasma so auszuiiben, daf eine Succession von normalen Teilungen gewahrleistet wird. Kine Untersuchung hieriiber scheint vielleicht von sekundaérem Interesse zu sein, und doch ist sie es nicht. Denn die Bedeutung der Centrosomen fiir die Zellteilung ist viel weniger eine direkt mechanische als eine regulatorische. Nach Erfahrungen, wie den von MoraGan (85) mitgeteilten — und ahnliche habe ich selbst gemacht — diirfte es kaum zweifelhaft sein, dafi die Faihigkeit, sich in Stiicke durchzuschniiren, dem Protoplasma auch solcher Zellen, die Centro- somen besitzen, ohne Beteiligung dieser Koérperchen eigen ist. Der Mechanismus der Protoplasmateilung, vielleicht in lokaler Veraénderung der Oberflichenspannung beruhend, liegt dem- nach im Protoplasma selbst; was die Centrosomen dabei bewirken, ist meiner Meinung nach nur dieses, daf dieser Mechanismus in einem bestimmten Zeitpunkte, namlich im Anschluf an die Kernteilung, und an einem bestimmten Orte, namlich in der Mitte zwischen den beiden Tochterkernen, in méglichst exakter Weise zur Thatigkeit gebracht wird. Aehnlich ist es mit der Kernteilung. Man braucht nur die Tafeln zu betrachten, die in den von STRAS- BURGER und seinen Schiilern herausgegebenen Cytologischen Studien (98) enthalten sind, um sich zu tiberzeugen, da der zweipolige Fadenapparat, der die geregelte Verteilung der Chromosomen leitet, in gewissen Zellen ohne Centrosomen, ja ohne etwas irgend damit Vergleichbares, in einer fundamental anderen Weise, entsteht. Auch hierbei sind also die Centrosomen nichts iiberhaupt Unerlafliches, sondern offenbar nur das beste Mittel, um die Bipolaritat der Teilungsfigur in einfachster und exaktester Weise herzustellen und die Kernteilung raumlich und zeitlich aufs genaueste mit der Zell- teilung zu verbinden. Ich méchte sagen: die Teilung mit Cen- trosomen ist die eleganteste Lésung einer Aufgabe, die auch auf andere und wohl mehrfach andere Weise gelést werden kann *). Bei dieser wesentlich regulatorischen Bedeutung der Centro- somen ist die Frage, auf welchen Eigenschaften die exakte Rege- lung ihrer Wirkung beruht, im Grunde das Kardinalproblem ihrer Funktion. Einstweilen wird sich dariiber Folgendes sagen lassen. Das Centrosom ist nicht ein Kérperchen mit stets gleichen Kigenschaften, sondern ein cyklisch sich veranderndes Gebilde ”). 1) Wenn auch nicht in der gleichen Zellenart. 2) Vgl. Zellen-Studien, II, 8. 90/91, 186/187. 156 Theodor Boveri, Wenn dies auch an vielen Objekten ihrer Kleinheit wegen kaum oder gar nicht nachweisbar ist, so lassen dagegen die grofen Zellen, wie die Ovocyten, Eier und ersten Furchungszellen, diese héchst wichtige Thatsache aufs klarste erkennen. GréfSe, Form, Struktur und Reaktion der Centrosomen ‘ndern sich successive in gesetzmibiger Weise, und es vollzieht sich so in jeder Zelle ein Kreislauf, der sich in den Tochterzellen genau ebenso wiederholt. Mit diesem Wandel in den Eigenschaften der Centrosomen gehen streng parallel Veranderungen in der Zellsubstanz, die sich be- sonders in der Entstehung, Um- und Riickbildung der Spharen aiuBern, Veranderungen, die also in ihrem Verlauf in irgend einer Weise -an den Kreislauf der Centrosomen gebunden erscheinen. Daf der Umbildungskreis der Centrosomen nicht eine Wieder- spiegelung cyklischer Veranderungen ist, die sich primar in der Zellsubstanz oder im Kern abspielen, dafiir haben wir den sichersten Beweis in dem von mir (19) an einer grofien Zah] von Exemplaren beocbachteten Falle, wo eine primaire Blastomere eines Seeigel-Eies (genauer: eines Eibruchstiickes) nur ein Centrosoma, aber keinen Kern erhalten hatte. Ohne daf es hier zu einer Teilung der Protoplasmamasse kommt, vermehrt sich das Centrosoma von 1 auf 2, von 2 auf 4, von 4 auf 8 u. s. w., wobei alle sonst zu beobachtenden Erscheinungen des Centrosomencyklus: Wachstum, Abplattung, Reduktion, und auch die Begleiterscheinungen in der Zellsubstanz ganz ebenso durchlaufen werden, wie bei einer nor- malen Furchung. Daf dieser Kreislauf nicht vom Kerne abhingt, ist damit unmittelbar bewiesen; aber auch da eine cyklische Ver- inderung im Protoplasma das primum movens sei, ist nicht denkbar. Denn centrosomenlose Protoplasmastiicke machen einen solchen sich rasch wiederholenden Kreislauf von Veranderungen, wie er hier zu postulieren ware, nicht durch. Wenn ich diese somit als autonom erkannte Succession von Verinderungen des Centrosoms einen cy klischen Prozef nenne, so soll damit ausgedriickt sein, daf das Centrosom bei seiner Um- bildung nicht an irgend einem Punkte Halt machen und von da ricklaiufig auf einen friheren Zustand zurick- gehen kann; sondern es liegt offenbar in seiner Konstitution, sich nur in einer bestimmten Richtung zu verindern, um als End- punkt dieses Weges den Ausgangspunkt wieder zu erreichen, wor- auf der gleiche Cyklus von Neuem anhebt. Mit diesem Cyklus ist nun, wenn auch nicht un- lésbar, so doch sehr fest die Einrichtung verknipft, Zellen-Studien. 157 daB auf einer gewissen Stufe eine Zweiteilung sich einleitet, so dab das Centrosoma seinen Ausgangs- punkt nicht mehr als ein Kérperchen, sondern ver- doppelt wieder erreicht. In den beiden konstatierten Momenten, der cyklischen Verinderung und in der mit jedem Cyklus verbundenen Zweiteilung sind diejenigen zwei Fundamentaleigenschaften der Centrosomen ausgesprochen, in denen das Gesetzmafige ihrer Wirkung begriindet ist. Die Qualitateninderung, die wir oben konstatiert haben, lift uns verstehen, daf das Centrosoma nicht in allen Stadien seiner Existenz befaihigt ist, die zur Er- regung des Protoplasmas, vielleicht auch des Kernes, nétige Wirkung, die wir waihrend der karyokinetischen Prozesse beobachten, aus- zuiiben, sondern da es diese Fihigkeit auf einem bestimmten Punkte seines cyklischen Entwickelungsganges gewinnt, um sie nach einer gewissen Zeit wieder zu verlieren. Und da nun jedes Cen- trosom diesen bestimmten Punkt nur einmal erreicht, indem mit jedem Cyklus eine Zweiteilung verbunden ist, so folgt, daf jedes Centrosom wihrend seiner Existenz nur einmal eine ,,kinetische Periode durchliuft oder, wie schon im Kapitel III konstatiert, nur eine Kinosphare erzeugt; die nachste kinetische Periode betrifit bereits seine beiden Tochtercentrosomen. Dieser Satz wird, abgesehen von dem, was der normale Ver- lauf unmittelbar lehrt, am klarsten durch Versuche illustriert, die ich 1896 (23) mitgeteilt habe und die darauf ausgehen, die Wir- kung des Centrosoms, soweit sie sich in der Durchschntirung des Protoplasmas auBert, bis nach Ablauf seiner kinetischen Periode hintanzuhalten und den weiteren Verlauf zu verfolgen. Es sind verschiedene Méglichkeiten vorhanden, um eine solche Laihmung zu erzielen; Kalte, Pressung und chemische Agentien kommen in Be- tracht. Hier seien nur die Abkiihlungsversuche kurz be- sprochen. Abkiihlung geringeren Grades scheint bei Zellen, die in Teilung begriffen sind, nichts weiter zu bewirken, als Stillstand aller Prozesse, ohne dafi eine Veranderung der Strukturen eintritt. So kann man Eier von Ascaris durch Versetzen in eine Temperatur von ca. + 4° auf Tage und Wochen auf dem gerade erreichten Furchungsstadium erhalten; ihr Aussehen bleibt dabei das gleiche. Sowie man sie wieder in eine ihnen zusagende Temperatur bringt, geht die Entwickelung ungestért da weiter, wo sie unterbrochen worden war. Starkere Abkithlung auf — 2 bis 3° hat dagegen, wie O. Hertwic (61) fiir Seeigel-Eier festgestellt hat, vollstandige 158 Theodor Boveri, Riickbildung der Strahlung zur Folge, also eine Zerstérung der Struktur, welche von den Centrosomen hervorgerufen wird und vermittelst deren sie auf die Teilungsvorginge einwirken; beim Wiedererwirmen stellt sich die Einwirkung der Centrosomen auf das Protoplasma wieder her, die Strahlungen erscheinen wieder. Auf Grund unserer vorausgehenden Betrachtungen ist nun zu er- warten, dafi der weitere Verlauf bei diesen Experimenten ein ver- schiedener sein mu8 je nach dem Zeitpunkt, in welchem man die von den Centrosomen hervorgerufenen Strukturen zum Verschwinden bringt. Geschieht dies wihrend der kinetischen Periode so werden die Centrosomen bei der Wiederherstellung ihrer Be- ziehungen zum Protoplasma die riickgebildeten Kinospharen wieder erzeugen kénnen und der Teilungsvorgang wird normal ablaufen; wirkt dagegen die Kalte nach Ablauf der kinetischen Periode der Centrosomen, aber bevor die Wirkung auf das Protoplasma, die wahrend dieser Periode eingetreten ist, zur Zell- teilung gefiihrt hat, so wird eine nochmalige Entstehung der zur Teilung fiihrenden Protoplasmaanordnung nicht modglich sein und die Zellteilung ausbleiben miissen. Die Versuche bestatigen diese Erwartung. Brachte O. Herrwia Eier vor der Kernauflésung oder auf dem Spindelstadium in die Kaltemischung und dann wieder in Zimmertemperatur, so erfolgte eine normale Zweiteilung. Eier dagegen, in denen ich kurz vor oder wahrend der Proto- plasmadurchschniirung durch Einwirkung der Kalte Riickbildung ihrer Spharen veranlafte, brachten es nach dem Wiedererwarmen in keinem Fall zur Teilung. Selbst da, wo die Furche fast schon durchgegangen war, bildet sie sich wieder zuriick und es spielen sich nun in dem einheitlich gebliebenen Ei genau die gleichen Prozesse ab, die normaler Weise auf die beiden primaren Blas- tomeren geschieden sind, so da’ also nach einiger Zeit 4 Cen- trosomen und 4 Spharen gebildet sind, die eine im einzelnen ver- schiedene, unter allen Umstanden aber pathologische Teilung be- wirken. Daf ein solches Experiment mit diesem Erfolg méglich ist, beruht darauf, da’, wie schon mehrfach betont, die Wirkung der Centrosomen bei der Zellteilung eine indirekte ist. W. His spricht in seinen sehr anregenden Betrachtungen tiber die Beziehungen der Centrosomen zu den Sphiren (68, S. 443) von Ringwellen, die sich um die Centrosomen ausbreiten, immer weitere Kreise be- schreiben und allmahlich der Zellenoberfliche zustreben. Dieses Bild ist ganz geeignet, um die Thatsache der zeitlichen Diffe- Zellen-Studien. 159 renz zwischen der unmittelbaren Wirkung der Centrosomen und der Endwirkung der von ihnen ausgelésten Vorginge klar zu machen; bis die Welle ausgelaufen ist und ihre Wirkung zu Ende gebracht hat, kann der Wellenerreger schon geschwunden sein oder seine Fahigkeit der Wellenerzeugung verloren haben. So ist es ja auch zu erklairen da die beiden Centrosomen einer mitotischen Figur sich bereits vor Beginn der Zelldurchschniirung teilen kénnen, ohne daf hierdurch eine Stérung entsteht. Denn ehe die von den 4 neuen Centrosomen ausgehenden Wellen ihre Wirkung entfalten kénnen, sind die von den beiden Muttencentro- somen hervorgebrachten Wellen mit ihren Leistungen zu Ende ge- kommen, d. h. die Zelle ist in 2 Tochterzellen geteilt, deren jede 2 vor oder in ihrer kinetischen Periode stehende Centrosomen besitzt. Wir diirfen also sagen: muf die kinetische Phase in dem Kreislauf des Centrosoms voriibergehen, ohne da die von ihm ausgelisten Vorginge, welche mit der Zellteilung endigen, diese ihre normale Wirkung bethatigen kénnen, so ist dieses namliche Centrosoma nicht befihigt, noch einmal auf seinen kinetischen Zustand zuriickzukehren; es kann in dieser Zelle nicht noch ein- mal eine zweipolige mitotische Figur entstehen, sondern nur eine vierpolige, weil erst die nachste Centrosomengeneration wieder zur Erzeugung von Kinosphiaren befahigt ist. Was nun die Einrichtung anlangt, daf’ zu jedem Centrosomen- cyklus eine Zweiteilung gehért, so lift sich diese Verkniipfung nach dem, was wir tiber die Vorgiinge bei der Centrosomenteilung wissen, noch etwas niher analysieren. Wir haben gesehen, dab die Teilung des Centrosoms vorbereitet wird durch eine Zwei- teilung des zunachst einfachen Centriols. Die beiden Tochter- centriolen reprasentieren die Mittelpunkte fiir die beiden zu bildenden Tochtercentrosomen; und so wenig wir tiber die dyna- mischen Beziehungen hierbei aussagen kénnen, so werden wir doch kaum fehl gehen, wenn wir die Verdoppelung des Centriols als die Bedingung fiir die Zweiteilung des Centrosoms betrachten. Ist dies aber richtig, so kénnen wir die cyklische Wiederkehr der Centrosomenteilung genauer so formulieren: In den Kreislauf des Centrosoms fillt regulirer Weise eine Zweiteilung des Centriols, und zwar, wie die Beobachtung lehrt, erfolgt dieselbe, ehe das Centrosom in seine akinetische Phase eintritt oder spatestens wihrend derselben. Durch die Wirkung, welche die beiden Tochter- 160 Theodor Boveri, centriolen ausiiben, wird dann wahrend dieser akinetischen Periode die Zweiteilung des Centrosoms herbeigefiihrt, so da’ dasselbe vor Erreichung der nachsten kinetischen Periode verdoppelt ist. Wiirde die Teilung des Centriols abnormer Weise unterbleiben, so wiirde nach dieser Auffassung das Centrosom als das gleiche einheitliche K6érperchen seinen inaktiven Zustand erreichen, das es vorher war, es wiirde ungeteilt in den nachsten Cyklus ein- treten und eine monocentrische karyokinetische Figur er- zeugen. Ich habe in der That Falle beobachtet, welche dieser Forderung entsprechen. Bei meinen nicht verdffentlichten Unter- suchungen tiber die Spermatogenese des Flufkrebses, mit denen ich in den Jahren 1885 und 13886 beschaftigt war, sind mir 2 Falle von monocentrischen Mitosen vorgekommen, von denen ich einen in Fig. 37a und b (Taf. III) wiedergebe. Die Zellen waren durch vorsichtiges Zerklopfen der Hodenacini isoliert worden. Die Methode hat den Vorzug, dafi die Zellen gedreht werden und so jeder Zweifel tiber die Anordnung der Teile ausgeschlossen werden konnte. Ueberdies méchte ich glauben, daf man auf Schnitten diese Art von Abnormititen nur schwer entdecken wiirde. Die beiden Falle stimmen vollkommen mit einander tiberein. In beiden enthalt die Zelle nur ein Centrosom, welches ungefaihr den Mittel- punkt einnimmt. Von ibm gehen nach allen Richtungen an- nihernd gleich lange Fadchen aus, an denen die in Form einer Kugelschale angeordneten Chromosomen befestigt sind. Durch Zertriimmern der einen Zelle konnten einzelne Chromosomen mit ihrer Faser isoliert werden. Ob zwischen diesen Fadchen, die den Spindelfaserhalften einer normalen Mitose entsprechen, noch andere verliefen, vermag ich nicht mehr festzustellen, doch gingen sie jedenfalls nicht tiber die Chromosomenschicht hinaus. Die etwa 100 Chromosomen — es ist dies die typische Zahl in den Spermatocyten — sind ringsum ziemlich gleichmabig in der Kugel- fliche verteilt, wie dies aus den beiden um 90° gegeneinander gedrehten Ansichten ersichtlich ist. Die Bedeutung dieser eigenartigen Vorkommnisse fiir die Auffassung der karyokinetischen Figur soll an einem anderen Orte besprochen werden. Hier geniigt es, auf die Existenz solcher Falle aufmerksam zu machen, welche beweisen, daf zur Ent- stehung der mitotischen Figuren nicht eine Zwei- oder Mehr- poligkeit notwendig ist, sondern daf auch das einzelne Cen- trosom, sobald es in seine Aktivititsperiode eintritt, fiir sich allein alles das hervorruft, was sonst jeder Pol einer dicentrischen oder Zellen-Studien. 161 polycentrischen Figur erzeugt. Auch die Halbspindeln und ,Facherkerne“, die R. Herrwia (64) bei der Entwickelung des unbefruchteten Seeigel-Eies gefunden hat, diirften in dieser Weise zu deuten sein. Dem Unterbleiben der Teilung des Centriols, wie es fiir die eben besprochenen Fille vorausgesetzt wurde, wiirde gegeniiber- stehen eine Mehrteilung desselben, welche dann zu _ einer simultanen Mehrteilung des Centrosoms fihren wiirde. Ob solche Falle wirklich vorkommen, ist noch nicht sichergestellt, wenn auch gewif sehr wahrscheinlich. Besonders die nicht selten zu beobachtenden dreipoligen Figuren diirften in dieser Weise zu erklaren sein. Andere Falle mehrpoliger Teilungsfiguren da- gegen entstehen, wie nachgewiesen, durch Unterdriickung der Protoplasmateilung bei regulirem Ablauf aller sonstigen Prozesse, wodurch Centrosomen, die auf ver- schiedene Zellen verteilt sein sollten, in einer Zelle zusammen- bleiben. Bei manchen Arten der Zellvermehrung, so bei der Furchung, scheinen die einzelnen Centrosomen-Cyklen ohne Hemmung auf einander zu folgen, so dal eine Phase ohne Stillstand in die andere tibergeht. In der Regel dagegen steht der Cyklus in einem gewissen Punkte still, um erst auf einen Reiz von Seiten der Zellsubstanz weiterzulaufen. Dieser Stillstand wird naturgemaf in die Periode der Inaktivitat fallen, und es scheint nach den histiologischen Befunden, daf es das Stadium ist, auf dem die Tochtercentrosomen gebildet, aber noch mit einander verbunden sind, also das Stadium des Doppelcentrosoms oder Diplosoma (ZimmMERMANN), welches den Dauerzustand der Centrosomen darstellt. In der That wird dieses un- mittelbar vor der nachsten kinetischen Periode stehende Stadium dasjenige sein, welches eine ruhende Zelle zu méglichst rascher Finleitung des Teilungsprozesses befahigt, und welches wir sonach als das zweckmiaigste fiir den Dauerzustand ansehen diirfen. Auf Grund vorstehender Betrachtungen méchte ich meine Auffassung von dem Verhaltnis des Centrosoms zur Zellteilung in folgende Satze zusammenfassen: Zum Zweck der Teilung hat sich in der typischen Metazoen- Zelle in Gestalt des Centrosoms ein Apparat ausgebildet, der die Bd. XXXV. N. F. XXVIII. ital 162 Theodor Boveri, karyokinetischen Prozesse maschinenmafig zum Ablaufen bringt. Auf gewisse, in den einzelnen Fallen jedenfalls sehr verschiedene Reize hin setzt die Zelle das gehemmte Centrosoma in Bewegung, worauf dieses in seinem Entwickelungscyklus weiterschreitet und die mit seiner Umbildung verkniipften Erscheinungen, welche wir kurz als karyokinetische bezeichnen kénnen, hervorruft. Ob dabei die Chromatinmetamorphose direkt durch den gleichen Reiz von Seiten des Protoplasmas ausgelést oder erst indirekt durch das Centrosom veranlaft wird, ist noch festzustellen'). Bei dieser Regelung des Zellteilungsvorganges ist der Zelle als Ganzes aufer der Auslésung jede weitere Einwirkung genommen. Die Be- herrgschung des Teilungsprozesses ist den Centrosomen so vollig iiberantwortet, da’ der normale Verlauf der Teilung ganz auf das normale Verhalten der Centrosomen gegriindet ist. Dieses normale Verhalten liegt, abgesehen von der selbstverstindlichen Voraus- setzung, dali die Centrosomen an sich von einer der gesunden Zelle zukommenden Beschatfenheit sind, darin, da8 die zur Teilung schreitende Zelle mindestens 2 und nicht mehr als 2 vor ihrer kinetischen Periode stehende Centrosomen enthalt. Bedingt aber ist dieser Zustand dadurch, dafi 1) zufolge der Art, wie die Cen- trosomen wihrend ihrer kinetischen Phase auf Kern und Zell- substanz einwirken, jedes in einer Zelle vorhandene Centrosom typischer Weise einen Teil des Protoplasmas fiir sich als Tochter- zelle abgrenzt, so daf jede entstehende Zelle ein Centrosom ent- halt, und da 2) das Centrosom durch eine nicht weiter analysicr- bare Regulation die Eigenschaft besitzt, sich schon wahrend oder unmittelbar nach dieser Aktivititsperiode zur Zweiteilung vor- zubereiten und vor Erreichung der nachsten kinetischen Periode zu verdoppeln, wodurch die postulierte Zweizah1 hergestellt ist. Unterbleibt diese Teilung abnormer Weise, oder wird die Zelle nach der Verdoppelung des Centrosoms des einen dieser beiden K6rperchen beraubt, oder enthalt sie infolge irgend einer Ab- normitét mehr als 2 zur karyokinetischen Wirksamkeit Dbefahigte’ Centrosomen, so ist sie nach allen unseren Erfahrungen nicht im Stande, diesen Mangel oder Ueberschu8 zu korrigieren; vielmehr folet jedes vorhandene Centrosom den in ihm liegenden Tendenzen, ob auch die Zeile oder ihre Abkémmlinge dariiber zu Grunde gehen. 1) Vgl. Boveri (19). Zellen-Studien. 163 Kapitel VIL. Entstehung der Centrosomen. Die in den vorigen Kapiteln aufgestellten Satze iiber die Beschaffenheit und Wirkungsweise der Centrosomen bediirfen noch einer Priifung in Bezug auf die Ausdehnung, in der sie giltig sind. Es kann heute keinem Zweifel mehr unterliegen, da die karyokinetische Teilung nicht in allen Zellen unter Betei- ligung von Centrosomen abliuft. Die Centrosomen sind sicher nicht Gebilde von der Wertigkeit der Chromosomen. Man braucht nur an die Verhiltnisse bei vielen Protozoen, den meisten Pflanzen, in den Ovocyten vieler Tiere zu denken, um zu erkennen, daf es sich in den Centrosomen um Gebilde zur Erzeugung ge- wisser Effekte handelt, die durch andere Einrichtungen ersetzt sein kénnen*); Einrichtungen, die zum Teil wahrscheinlich als Vorstufen fiir das Auftreten typischer Centrosomen anzusehen sind, so da’ das Homologon dieser Kérperchen angegeben werden kann, wihrend andere Zellen sich von Anfang an in ganz anderen Bahnen entwickelt haben mégen ”). Ist nun in dieser Hinsicht die Giltigkeit der Centrosomen- lehre sicherlich eine beschrankte, so ist eine andere Frage die, ob eine Einschrankung der aufgestellten Satze auch in der Rich- tung einzutreten hat, daf in Organismen, deren Zellteilung durch Centrosomen vermittelt wird, diese Kérperchen nicht dauernde Organe, sondern voriibergehende Bildungen sind, daS sie, wenn geschwunden, in irgend einer Weise wieder neu gebildet werden, oder da’ gar neben den durch Teilung sich forterbenden unter gewissen Umstainden neue entstehen kénnen. Auch bei dieser Frage werden wir aber nochmals eine scharfe Unterscheidung vor- zunehmen haben. Unter Neubildung kann man Verschiedenerlei verstehen und hat damit in Bezug auf die Centrosomen in der That 2 ganz 1) Vgl. das auf 8. 155 Gesagte. 2) Mit Riicksicht auf solche Méglichkeiten habe ich schon 1888 (18, S. 9) geschrieben: ,Ist es richtig, daf die ganze achromatische Figur nur als Mittel zur richtigen Verteilung der chromatischen Elemente von Bedeutung ist, dann haben diese Variationen, meines Erachtens, nichts Auffallendes. Denn es scheint mir wohl annehm- bar zu sein, dai, wie bei verschiedenen Typen der vielzelligen Tiere, so auch bei verschiedenen Zellarten der gleiche Zweck hier auf diese, dort auf eine andere Weise erreicht werden kénne.“ pas 164 Theodor Boveri, verschiedene Entstehungsarten bezeichnet. Einmal bedeutet Neu- bildung von Centrosomen einen Vorgang, bei dem auf ge- wisse Reize hin an beliebigen Stellen im Protoplasma und in ganz wechselnder Zahl Gebilde auftreten, welche die Qualitaten von Centrosomen besitzen sollen. Auf der anderen Seite wird als Neubildung eine an bestimmte Teile der Zelle gebundene, in genau regulierter Weise sich vollziehende Differenzierung eines Centrosoms bezeichnet. Die erstere Art von Centrosomenbildung wird man am besten kiinstliche Erzeugung nennen, sie hatte, wenn wir an die Qualitiiten der Centrosomen denken, etwas vom Charakter einer Urzeugung an sich. Die zweite Art dagegen ware zu vergleichen gewissen Prozessen, die uns besonders klar an einzelligen Orga- nismen entgegentreten und fiir die ich als Beispiel eine Thatsache aus den Lebenserscheinungen von Paramaecium anfiihren will. Wie R. Hertwie gezeigt hat, geht das Cytostom dieses Infusoriums durch eine Art von Teilungsprozef auf die beiden Tochtertiere iiber, es vererbt sich also regulirer Weise wie ein durch Zwei- teilung sich vermehrendes Centrosom. Geht aber einem kern- haltigen Paramaecium das Cytostom verloren, so vermag das Tier dasselbe an der richtigen Stelle neu zu bilden oder, wie wir hier sagen: zu regenerieren. In ahnlicher Weise wiirden wir auch die zweite oben aufgefiihrte Méglichkeit einer Centrosomenneubildung den Regenerationserscheivungen im allgemeinsten Sinne des Wortes einzureihen haben. Inwieweit die beiden Méglichkeiten in der Natur verwirk- licht sind, soll im folgenden untersucht werden. Da die Angaben iiber den ersteren Modus die Entstehung der Centrosomen in das Protoplasma verlegen, wihrend diejenigen tiber den letzteren sich auf den Kern beziehen, kénnen wir dieses Merkmal unserer Einteilung zu Grunde legen. a) Neubildung von Centrosomen im Protoplasma. Kiinstliche Astrospharen. Alle Argumente, welche eine Neubildung von Centrosomen im Protoplasma, bezw. einen Uebergang gewéhnlicher Protoplasma- Mikrosomen in Centrosomen darthun sollen, scheinen mir in hohem Make anfechtbar zu sein. Der Hinweis darauf, daf Centrosomen oder Centriolen in vielen Fallen ebenso aussehen und so reagieren, wie jene indifferenten Kérnchen des Protoplasmas, ist vollig hin- Zellen-Studien. 165 fallig, wenn man bedenkt, was wir denn tiberhaupt von den Kigen- schaften sowohl der Centrosomen und Centriolen wie jener Kérn- chen zu erkennen vermégen. Ich glaube, man braucht auf dieses Argument nicht weiter einzugehen. Eine genauere Betrachtung dagegen erfordern die fiir verschiedene Zellen nachgewiesenen multiplen Strahlenfiguren, von denen nach der Ansicht einiger Autoren die beiden fiir die Mitose bestimmten Sphiaren nur ein besonders ausgezeichnetes Paar sein sollen. Solche vielfache Strahlungen hat zuerst Carnoy (29) in den Ovocyten von Ascaris megalocephala gesehen; dann hat REINKE (90) fiir Bindegewebszellen aus dem Bauchfell der Salamander- larve das Vorkommen von sekundaren und tertiaren Centren neben den typischen priméren beschrieben, und endlich wurde von Meap (80) in den Ovocyten des Anneliden Chaetopterus das Auftreten einer grofen Zahl von kleinen ,,Asteren‘t nachgewiesen, neben denen erst nach einiger Zeit die zwei fiir die erste Richtungsspindel bestimmten Astrosphiren, durch ihre Gré’e erkennbar, auftreten, so da Meap sie von jenen kleinen indifferenten ableiten zu miissen glaubt. Ks ist nun vor allem fraglich, ob es sich in diesen ver- schiedenen Fallen um vergleichbare Bildungen handelt. Wenn ich zunichst die Abbildungen von ReInKe betrachte, so muf ich ge- stehen, da sie mich von dem Vorhandensein ,,sekundarer oder tertiarer Centren“ nicht tiberzeugen. Da8 die Fadchen eines Netz- werkes, wie REINKE es zeichnet, gelegentlich radidr auf einen Punkt oder ein hier gelegenes Korn zusammenlaufen, erscheint ebenso selbstverstindlich wie bedeutungslos. Etwas weiteres aber vermag ich in den Abbildungen nicht zu sehen, mit Ausnahme der Fig. 9, welche nach meiner Meinung einen abnormen Fall mit drei Centrosomen vorstellt. Demnach scheinen mir die Befunde Rervke’s fiir unsere Frage keinerlei Bedeutung zu haben. Was sodann die von Carnoy beschriebenen multiplen Strahlen- systeme bei Ascaris betrifft, so diirfte auch ihnen gegeniiber gréfte Vorsicht geboten sein. Unter der grofen Zahl von Eiréhren ver- schiedener weiblicher Spulwiirmer, deren Ovocyten mir bei meinen eigenen Arbeiten und denen meiner Schiiler vor Augen gekommen sind, waren zwei, in denen der Zellkérper fast samtlicher Ovo- cyten von mehr oder weniger zahlreichen radiir strukturierten Kugeln durchsetzt war. Die Ausdehnung und Anordnung dieser Kugeln legt die Vermutung sehr nahe, da8 den Figuren Carnoy’s die gleichen Bildungen zu Grunde lagen. Damit wire ihnen aber 166 Theodor Boveri, die Bedeutung von ,,Spharen“, wie sie nach den Befunden First’s (46) ausnahmsweise an den Richtungsspindeln von Ascaris vor- kommen, genommen. Denn die radiar gebauten Kugeln in meinen Praiparaten, so unerklarbar sie auch sonst sind, sind sicherlich nicht Systeme protoplasmatischer Fadchen oder Kérnchenreihen sondern eigentiimlich glinzende dichte Massen, die fast den Ein- druck fremder Einlagerungen machen. Muf ich somit die Angaben Carnoy’s gleichfalls vorlaufig als unsichere bezeichnen, so bleiben noch die Befunde Mran’s bei Chaetopterus tibrig. Da hier kurz vor der Bildung der I. Rich- tungsspindel eine groBe Zahl von Strahlensystemen auftreten, die von echten jungen Spharen nicht zu unterscheiden sind, mu8 an- gesichts der Abbildungen Mxrap’s unbedingt zugegeben werden. Fraglich bleibt nur, ob alle diese Radiensysteme durch Centro - somen bedingt sind. Diese Annahme ist gewif8 sehr naheliegend ; ich selbst habe friiher (11), als es sich darum handelte, die alteren Angaben der Litteratur tiber Protoplasmastrahlungen mit den Be- funden iiber die Centrosomen in Beziehung zu setzen, als leiten- den Grundsatz die These aufgestellt: Wo im Protoplasma eine Strahlensonne vorliegt, da ist dieselbe bedingt durch ein Cen- trosoma. Allein seitdem BUTSCHLI gezeigt hat, wie leicht in Sub- stanzen, die in ihrer Consistenz und Struktur dem Protoplasma ahnlich sind, spharenartige Bildungen erzeugt werden kénnen, und besonders nachdem Fiscuer seine wichtigen Ergebnisse iiber kiinst- liche Strahlungen in Eiweifk6rpern mitgeteilt hat, wird man sich hiiten miissen, jede radiare Anordnung im Protoplasma als durch ein Centrosom bedingt anzusehen. Die bei Mreap als ganz selbstverstindlich ausgesprochene Auschauung, dafi die beiden Astrosphairen der I. Ovocytenspindel aus jenen multiplen Strahlungen entstehen, ist, so nahe sie dem Autor auch liegen mochte, doch nur eine Hypothese, wie schon daraus hervorgeht, dafi Mrap es unentschieden lassen muf (S. 196), ob die echten Astrospharen durch Wachstum und weitere Ausbil- dung von zweien jener indifferenten Radiensysteme oder durch Fusion von solchen entstehen. Unter diesen Umstinden ist die dritte Annahme ganz ebenso berechtigt, daf die beiden Spharen der Richtungsspindel mit jenen kleinen Radiensystemen iiberhaupt nichts zu thun haben, sondern Bildungen eigener Art sind. Ich halte es also zunachst fiir das Wahrscheinlichste, da8 in der vor der Teilung stehenden Ovocyte I. Ordnung von Chaetopterus zwei Centrosomen vorhanden sind, die sich aber wegen Zellen-Studien. 167 ihrer Kleinheit beim Mangel einer Sphaire nicht nachweisen lassen. Erst wenn sie ihre Wirkung auf das Protoplasma auszuiiben beginnen, werden sie als solche erkennbar; gleichzeitig oder vielleicht schon etwas friiher treten aber auch als voriibergehende Strukturen jene Pseudospharen auf, die vermutlich in eine Kategorie gehéren mit den sogleich zu besprechenden kiinstlichen Astrosphiren, die Mor@an durch Veriinderung des Salzgehaltes des Wassers hervor- gebracht hat, wofiir besonders der Umstand spricht, da auch in Meap’s Fall die multiplen Strahlensysteme bei der Uebertragung in ein anderes Medium auftreten: von der Leibeshéhlenfliissigkeit in Seewasser, dem MrAp einen hoéheren Salzgehalt zuschreiben zu miissen glaubt. Sollte sich aber bei weiterer Untersuchung ergeben, dal die beiden Spharen der I. Richtungsspindel wirklich zwei von jenen zahlreichen sind, die vorher die ganze Ovocyte durchsetzen, so wiirde auch damit noch immer nicht bewiesen sein, daf es sich um eine Neubildung von Centrosomen handelt. Denn es ware denkbar, daf in den Ovocyten I. Ordnung eine starke Ver- mehrung des urspriinglichen einfachen Centrosoms stattgefunden hat, so daB schlieSlich zahlreiche vorhanden sind, die sich dann wieder bis auf eines (oder zwei) riickbilden. Es ware dieser Prozef vergleichbar der Vermehrung der Infusorien-Nebenkerne vor der Konjugation, wobei dann auch alle so gebildeten Kerne bis auf einen zu Grunde gehen. Gerade fiir die Ovocyten aber wire ein solcher als Reminiscenz zu deutender ProzeS nicht ganz unwahrscheinlich; denn wie noch jetzt die Richtungskérperbildung erkennen lat, sind in der Ovogenese urspriinglich vorhandene Zellteilungen mehr oder weniger vollstindig riickgebildet worden; und solche unterdriickte Zellteilungen kénnten eben noch hier und dort durch Centrosomenteilungen angedeutet sein. Diesen Befunden an normalen Zellen reihen sich nun endlich Moraan’s (84, 85) kiinstliche Astrospharen an, dadurch hervorgebracht, daf Eier in gewisse Salzlésungen gebracht und nach einiger Zeit wieder in ihr normales Medium (Seewasser) zuriickversetzt werden. Daf diese Prozedur in verschiedenen Kiern sphirenartige Bildungen an beliebigen Punkten im indifferenten Protoplasma hervorrufen kann, diirfte durch MorGan’s Befunde tiber jeden Zweifel sichergestellt sein; aber damit nicht genug, sollen sich diese artificiellen Spharen unter Umstainden dem Kern gegeniiber ganz so wie die karyokinetischen Radiensysteme ver- 168 Theodor Boveri, halten, und MORGAN spricht es direkt aus, dafi unter den von ihm gesetzten Bedingungen Centrosomen de novo entstehen, die vollkommen auf diese Bezeichnung Anspruch machen kénnen. So interessant nun auch die thatsiachlichen Ergebnisse MorGAN’s jedenfalls sind, so muf doch gesagt werden, daf dieselben einen héchst fragmentarischen Charakter besitzen, was gewif} mit den grofen Schwierigkeiten der Untersuchung zusammenhangt. Erstlich laft sich das, worauf es ankommt, nur an Schnitten erkennen, und da MorGan sich immer nur auf einzelne Schnitte bezieht, weil man niemals, was alles in dem Ei vorhanden ist. Zweitens ver- halten sich die einzelnen Eier, selbst des gleichen Individuums, offenbar so verschieden gegentiber dem abnormen Medium, daf die Konstruktion des Verlaufs aus verschiedenen abgetéteten Exem- plaren etwas sehr Unsicheres ist. Und diese Unsicherheit wachst noch dadurch auSerordentlich, daS die Liicken zwischen den ein- zelnen Stadien, die MorGANn an einander reiht, zum Teil sehr grof sind. Dadurch wird tiber manche Frage von fundamentaler Be- deutung ein Urteil tiberhaupt unméglich gemacht. Unter diesen Umstanden wird es gerechtfertigt sein, wenn ich von einer Analyse der Mora@an’schen Befunde im einzelnen absehe und mich darauf beschrianke, meine Ansicht tiber das Wesentlichste auszusprechen. Vor allem scheint es mir von der grofkten Wichtigkeit zu sein, daf& in der gleichen Zelle neben ein- ander sowohl echte Kinospharen oder Modifikationen von solchen, als auch kiinstliche Strahlungen vorhanden sein kénnen. Diese Thatsache hat MoreGan fiir die Ovocyten von Cerebratulus fest- gestellt. Hier treten einerseits als voriibergehende Bildungen die kiinstlichen Astrospharen auf, andererseits verwandelt die Salz- lésung die Spharen der Richtungsspindeln in riesige Strahlensonnen, in deren ,,Mittelzone“ nach einiger Zeit eine Menge kleiner Spharen entstehen, die sich dann im Protoplasma verteilen. Fiir diese letzteren Gebilde ware es nun durchaus moglich, daf sie nicht kiinstliche, sondern echte durch Centrosomen bedingte Spharen, wenn auch von ganz abnormer Art, waren. Denn es ist nach den Bildern Moraan’s (speciell Fig. 67) denkbar, da sich die Centriolen der Richtungsspindel sehr stark vermehren und dab diese Kérperchen nach einiger Zeit aus dem riesig angewachsenen Centroplasma kleine Centrosomen um sich bilden, welche ihrerseits zur Bildung von Spharen Veranlassung geben. Auch fiir das Seeigel-Ei halte ich es fiir nahezu sicher, dab die in Mor@an’s Versuchen auftretenden Astrosphiren von zweier- Zellen-Studien. 169 lei Art sind. Wir wissen besonders durch die Untersuchungen von O. und R. Herrwic (66, 64) und von Zreauer (109), dak durch mancherlei Reize am Eikern des Seeigel-Kies Strablungen hervorgerufen werden, die wir nicht in die Kategorie der kiinst- lichen Astrosphairen MorGaAn’s stellen diirfen. Denn erstens sind sie an den Eikern gebunden und zweitens treten sie in gewissen Fallen, so in den R. Herrwie’schen Strychninversuchen in regu - lierter Zahl: eines oder zwei, auf, wenn sie auch unter anderen Bedingungen multipolar sind. Hier haben wir es, wie schon 6fter hervorgehoben, mit Strahlungen zu thun, die offenbar auf der An- wesenheit eines Kicentrosoms oder seines Aequivalents beruhen, also echte Sphiren sind. Da ihr Auftreten durch sehr verschieden- artige Reize ausgelést werden kann, auf der einen Seite Strychnin und Chloral, auf der anderen durch den Reiz des eingedrungenen, aber an seiner Vereinigung mit dem Kikern verhinderten Sperma- kopfes, so ist es sehr wahrscheinlich, dafi die von MorGan be- nutzten Salze, speciell das Magnesiumchlorid, die gleiche Wirkung haben; und ich habe schon in der Einleitung die Lorp’sche Par- thenogenese des Seeigel-Eies, die ja gleichfalls durch MgCl,-Lésung hervorgebracht wird, in dieser Weise erklart. Ist dies richtig, so ist kaum zu bezweifeln, dali MorGan bei seinen Versuchen mit Arbacia-Eiern zweierlei Strahlungen neben einander gehabt hat: die durch das Ovocentrum, bezw. dessen Abkémmling be- dingten und rein artificielle. Damit stehen auch seine Figuren, soweit sie tiberhaupt ein Urteil gestatten, im Einklang; denn solche Spharen, wie sie in Fig. 2 und 18 im Umkreis der Chromo- somen des Eikerns abgebildet sind, scheinen frei im Protoplasma nicht vorzukommen; es ware jedenfalls eine sonderbare Unter- lassung, wenn MorGAN sie nur nicht abgebildet hatte. Gegen diese Deutung kénnte vielleicht eingewendet werden, da’ die im Umkreis des Kerns auftretenden Figuren in der Regel, vielleicht immer, pluripolar sind. Allein dies liefe sich in ein- facher Weise so erkliren, daf wihrend des Liegens in der MorGAN- schen Salzlésung eine mehrmalige Teilung des Ovocentrums oder eine pathologische simultane Mehrteilung stattgefunden hat‘). Auch 1) Der wesentliche Unterschied zwischen den Moraan’schen und den Loxp’schen Versuchen wiirde wahrscheinlich darin beruhen, da’ sich bei letzteren das Ovocentrum, wenigstens in jenen Fallen, wo aus dem Ei etwas wird, in zwei Tochtercentrosomen teilt und unmittelbar darauf die erste Kern- und Zellteilung erfolgt, worauf der Prozef in gleicher Weise weitergeht. 170 Theodor Boveri, in den Chloralversuchen von O. und R. Herrwie sind die Mitosen des Eikerns direkt pluripolar, wahrend in den Strychninexperi- menten von R. Herrwic ausnahmslos einpolige oder zweipolige Figuren auftreten. Ist diese Erklarung richtig, so méchte ich weiterhin glauben, da auch die Pole der sog. ,nuclear spindles‘, die sich bei Morean’s Arbacia-Versuchen auf spiteren Stadien zeigen, von dem Eicentro- soma, und zwar durch Vermittelung der Centren jener eben be- sprochenen Sphiren abstammen. MorGan sagt zwar, dal die nuclear spindles mit den zuerst auftretenden Spharen in keiner Beziehung zu stehen scheinen; allein das Wenige, was hier an Be- weismitteln vorliegt, kénnte sehr wohl so zu deuten sein, da sie nicht von den rein ktinstlichen Strahlungen abzuleiten sind. Eine genetische Beziehung der nuclear spindles zu einzelnen der friiher vorhandenen Spharen ist absolut nicht auszuschlieBen. Wenn Moraan diese Beziehung leugnet, so scheint er hierzu be- sonders auch dadurch veranlaft worden zu sein, da ihm die beiderlei Bildungen als etwas sehr Verschiedenartiges vorkommen. Ich halte jedoch die Aufstellung eines solchen Gegensatzes nicht fiir gerechtfertigt. Der ganze Unterschied ist der, da8 im einen Falle lediglich die achromatische Kernsubstanz oder der zwischen dem Centrosom und den Chromosomen gelegene Bereich faserig differenziert wird, im anderen die ganze protoplasmatische Um- gebung. Auch in dieser Hinsicht sind wieder die Ergebnisse von O. und R. Herrwie von grofer Bedeutung, indem sie beweisen, da8 es offenbar nur sehr geringfiigige: Unterschiede in den Be- dingungen bedarf, damit die eine oder andere Art von Figuren entsteht. Die Annahme einer Neubildung von Centrosomen entbehrt also so weit jeder Begriindung. Nun hat aber MorGan noch ein Argument angefiihrt, dem er offenbar eine grofe Bedeutung bei- mift, da nimlich die Centrosomen der fraglichen nuclear spindles in Proportion zur Zahl der Kernelemente auftreten. Where many chromosomes form a group there are present several nuclear spindles with their centrosomes, where few chromosomes form a group a single nuclear spindle develops“ (p. 464). Ehe ich zu einer Erklarung dieser Erscheinung schreite, wird es am Platze sein, darauf hinzuweisen, daf es fiir diejenigen Falle, welche uns in der vorliegenden Frage ein Urteil gestatten, auSer Zweifel steht, da’ eine direkte Beziehung zwischen der Zabl der Chromo- somen und der Kernelemente nicht existiert. Schon im Jahre 1888 Zellen-Studien. 171 (13, S. 187) habe ich diese fiir die Centrosomenlehre fundamentale Frage an der Hand verschiedener abnormer Falle im Ascaris-Ki ausfiihrlich erértert und bin dort zu dem Schluf gekommen, ,,daf zwischen der Menge der Kernsubstanz und der Zahl der Pole keinerlei Beziehungen obwalten“. ,,Der Kern, ob gro8, ob klein, trifft unter allen Umstanden die namlichen Vorbereitungen zur Teilung, die in der Bildung isolierter chromatischer Elemente und deren Spaltung in zwei Halften bestehen; zu wie viel neuen Kernen sich diese Tochterelemente gruppieren werden, ob sie alle wieder in einen einzigen Kern zusammenkommen, oder ob 2, 3 oder mehr Tochterkerne entstehen werden, darauf ist die Kern- substanz ohne allen Einfluf. Der Kern teilt sich nicht, sondern er wird geteilt.“ Zwingen nun die MorGan’schen Befunde, diese Satze umzu- stofen? Meiner Meinung nach durchaus nicht; seine Resultate stehen im Gegenteil damit in vollem Einklang. Denken wir uns namlich eine mitotische Figur mit zahlreichen Polen, wie solche in den Anfangsstadien der Mora@an’schen Arbacia-Versuche vor- liegen, so wird jeder Pol im allgemeinen nur eine geringe Zahl von Tochterchromosomen an sich zu binden vermégen (vergl. hieriiber meine Ausfiihrungen in 13, 8. 180ff.). Fir den weiteren Verlauf giebt es nun zwei Méglichkeiten. Riickt ein Pol mit seinen Chromosomen von den iibrigen weit ab, so wird hier ein einzelner kleiner Kern entstehen. Beim nachsten mitotischen Prozel bildet sich an dieser Stelle, falls das Centrosom sich normal geteilt hat, eine zweipolige Spindel mit so vielen Chromosomen, als in den Kern eingegangen waren. Die andere Méglichkeit ist die, da viele Pole mit ihren Chromosomen nahe bei einander liegen bleiben. Dann entsteht aus allen Tochterplatten ein gemeinsamer riesiger Kern, der von samtlichen beteiligten Chromosomen umgeben ist. In diesem Falle mu bei der nachsten mitotischen Periode wieder eine multipolare Figur entstehen, zwischen deren Polen sich sehr viele Chromosomen verteilt finden. Damit haben wir die einfachste Erklarung fiir die von More@an konstatierte, natiirlich nur sehr annahernde Proportionalitat. Fasse ich nach diesen Auseinandersetzungen meine Meinung iiber die im Seeigel-Ei zu beobachtenden Strahlungen zusammen, so miissen hier dreierlei Bildungen scharf unterschieden werden: 1) Strahlensysteme, die durch das Spermocentrum und dessen Abkémmlinge bedingt sind. Sie sind thitig, und zwar, wie ich schon friiher (16) aus meinen Versuchen tiber die Befruchtung 172 Theodor Boveri, kernloser Eifragmente geschlossen habe, ausschlieSlich thatig bei der normalen Entwickelung. 2) Strahlensysteme, die durch das Ovocentrum und dessen Abkémmlinge bedingt sind. Auf ihnen beruht die Entwickelung bei der von Logs entdeckten Parthenogenese. 3) Strahlungen, die unter dem Einflu8 gewisser Agentien iiberall im Protoplasma auftreten kénnen, um nach kiirzerer oder langerer Zeit wieder zu verschwinden, die von MoraGan entdeckten kiinstlichen Astrospharen. Sowohl das Spermocentrum wie das Ovocentrum vermehrt sich typischer Weise durch Zweiteilung. Fir letzteres scheint mir dies durch die Strychninversuche von R. Hertwie (64) bewiesen zu sein. Wie oben schon erwihnt, ist eine solche typische Ver- mehrung des Ovocentrums und seiner Abkémmlinge fir die Lorp’sche Parthenogenese anzunehmen. Spermo- und Ovocentrum kénnen jedoch, wie ich aus gewissen Experimenten von O. und R. Hertwia (66) scblieSen zu miissen glaube, unter abnormen Bedingungen eine simultane Mehrteilung erleiden, welche stets pathologische Produkte zur Folge hat. Was schlieBlich Moraan’s Versuche anlangt, so handelt es sich bei ihnen neben den voriibergehenden und an den mitotischen- Prozessen ginzlich unbeteiligten artificiellen Astrospharen um das in pathologischer Vermehrung begriffene Ovocentrum und dessen Abkémmlinge. Die spateren Generationen dieser Ab- kémmlinge erregen aus einem unbekannten Grunde keine Proto- plasmastrahlung. So sehr ich von der Richtigkeit der gegebenen Deutung iiber- zeugt bin, so méchte ich doch nicht unterlassen, hier noch die Frage zu untersuchen, welchen Einflu$ auf unsere Vorstellungen es haben miifte, wenn weitere Untersuchungen zeigen wirden, daf wirklich rein kiinstliche Astrospharen bei giinstiger Lage an dem Aufbau karyokinetischer Figuren beteiligt sein konnen. Gewi8 ware damit etwas sehr Wichtiges festgestellt, niémlich dieses, dal echte Kinosphiren auf andere als die von Centrosomen ausgehen- den Reize entstehen kiénnen. Fir die Centrosomenlehre selbst aber wiirde es ‘sich noch darum handeln, zu zeigen, was aus dem Centrum einer solchen Sphire wird. Ist es ein selb- standiges Gebilde mit der Fahigkeit, sich durch Teilung zu ver- mehren, so da seine Teilstiicke wieder Kinospharen erzeugen, dann ist bewiesen, da’ Centrosomen kiinstlich erzeugt werden kénnen. Bildet sich dagegen ein derartiges teilungsfahiges Central- Zellen-Studien. 173 gebilde nicht, sondern entstehen alle diese folgenden Sphiren samt ihren Centren wieder ganz neu, so kénnen diese Centren, mégen sie sich auch noch so klar als in Kisenhamatoxylin schwarz farb- bare Kérperchen darstellen, auf den Namen Centrosomen keinen Anspruch machen. Diese Frage nach der Teilungsfiihigkeit, nach dieser neben der Spharenerregung zweiten Fundamentaleigenschaft der Centro- somen, wird von MorGANn gar nicht bertihrt. Und doch ist darin die weitere gewichtige Frage eingeschlossen, ob die kiinstlichen Centralkérper im Stande sind, die durch Erbschaft von einer Zellengeneration auf die nachste tibertragenen Centrosomen zu ersetzen oder nicht. Denn die Bildung von Kinosphaéren ge- niigt, wie im vorigen Kapitel ausfihrlich gezeigt worden ist, nicht, um eine Zelle zu normaler Vermehrung zu befahigen und damit einen lebensfahigen Organismus entstehen zu lassen oder zu er- halten; es miissen vielmehr Einrichtungen vorhanden sein, welche bewirken, dafi in der Zelle vor der Teilung 2 und nicht mehr als 2 Kinospharen auftreten. Diese Einrichtungen sind aber, wie oben gezeigt, gegeben in dem durch Zweiteilung sich vermehrenden Centrosom'). Daf diese Fahigkeit der Zweiteilung oder tiber- haupt der Teilung den Centren der kiinstlichen Astrosphairen Mor@an’s zukommt, scheint mir nach allem, was er tiber die peripher ge- legenen Strahlungen mitteilt, ausgeschlossen zu sein. Und damit ist in meinen Augen ihr Urteil gesprochen. Daran wiirde auch die, fiir mich freilich sehr unwahrschein- liche Moglichkeit nichts andern, daf die kiinstlichen Astrospharen unter Umstianden mitotische Vorgiinge bewirken, die denen in nor- malen Zellen sehr tiuschend ahnlich sehen. So iiberraschend ein solches Verhalten auch ware, ohne Analogie scheint es mir nicht zu sein. GewifS wird man annehmen miissen, dafi die Spharen- bildung urspriinglich tiberall von Centrosomen abhangig war; allein die Sphire ist eine Differenzierung des Protoplasmas, und es ist denkbar, daf das Protoplasma in manchen Zellen hierin so selbstandig geworden ist, dal ein gewisser Reiz, der unter ab- normen Verhaltnissen auch von etwas anderem als einem Centro- 1) Deshalb heift es in meiner Definition des Centrosoma (17, 8. 60): Unter Centrosoma verstehe ich ein der entstehenden Zelle in der Einzahl zukommendes distinktes dauerndes Zellenorgan, das, durch Zweiteilung sich vermehrend, die Centren fiir die entstehenden Tochterzellen lefert. 174 Theodor Boveri, ginge auszulésen, die zur Durchfiihrung des karyokinetischen Prozesses notwendig sind. Ich glaube, da wir in der Ontogenese viele solche Prozesse haben, die urspriinglich in ihrem Verlauf durch andere bewirkt, nun unabhaingig von diesen ablaufen; einen etwas ferner liegenden, aber seiner Sicherheit wegen brauch- paren Vergleich bieten gewisse Sexualverhiltnisse. Die kom- plizierten sekundaren Geschlechtsfunktionen, als Erektion, Be- gattungstrieb, Coitus, Ejakulation, sind urspriinglich alle durch die Hoden veranlaft. Allein diese Mittel, den Samen an den richtigen Ort zu bringen, sind so selbstandig geworden, daf sie in typischer Succession durch blofe Vorstellungen ausgelést werden. kénnen, nach¢em Hoden gar nicht mehr vorhanden sind. Diesem Be- eattungsvorgang ohne mannliche Geschlechtsdriise méchte ich die Bildung und Thitigkeit der kiinstlichen Astrospharen vergleichen *). So wenig der Coitus ohne Sperma dem weiblichen Organismus die Entwickelungsfihigkeit seiner Zeugungsstoffe gewahrt, ebensowenig sind die centrosomenlosen Astrosphiren im Stande, jene geregelten Kern- und Zellteilungen zu veranlassen, welche zur Entwickelung eines Organismus unumginglich notwendig sind. Nachdem ich hiermit gezeigt zu haben glaube, daf alle auf- gefiihrten Erscheinungen nicht im Entferntesten einen Beweis fiir eine Neubildung von Centrosomen bilden, méchte ich noch auf einige Thatsachen hinweisen, welche von: ganz allgemeinen Ge- sichtspunkten aus gegen Annahmen sprechen, wie sie im Vor- stehenden betrachtet worden sind. Wenn eine Zelle von einer mit einem Centrosom ausgestatteten Mutterzelle durch karyo- kinetische Teilung abstammt, muf auch sie bei ihrer Entstehung ein Centrosom enthalten. Warum nun nicht auf dem einfachen und fir zahlreiche Falle sicher nachgewiesenen Weg der Zwei- teilung aus diesem Korperchen, die beiden fiir die nachste Teilung notwendigen Centrosomen entstehen sollen, ist nicht einzusehen. Wozu Riickbildung und dann wieder Neubildung, und gar Neu- bildung von zahlreichen Centren, welche fiir die Auswahl von 2 schlieBlich funktionierenden oder fiir die Verschmelzung der- selben zu 2 Polen wieder besondere Krafte verlangen ? Wenn iiberhaupt eine Auswahl], oder Bildung von zwei Centrosomen aus einer gréferen Anzahl stattfinden 1) Immer unter der Voraussetzung, da§ diese artificiellen Ge- bilde das, was Morean ihnen zuschreibt, in der That leisten. Zellen-Studien. 175 kann, so miifte man diese Erscheinung doch vor allem dort er- warten, wo sie wirklich notwendig wire, nimlich, wo eine Zelle in- folge einer Abnormitat eine Ueberzahl von Centrosomen enthilt. Allein davon ist nichts bekannt. Wenn, wie dies bei Seeigel-Hiern durch Unterdriickung der Zellteilung so leicht erreichbar ist, die Zahl der Centrosomen abnorm erhdht worden ist (vel. Bovert, 19), so zeigt sich, da’ die Eizelle dieser Ueberzahl von Centrosomen einfach preisgegeben ist, sie vermag sich ihrer nicht zu erwehren. Ganz ebenso ist es nach Herpennain in den Riesenzellen des Knochenmarks, und das Gleiche zeigen die Erscheinungen der Polyspermie. Falls nicht, wie bei der physiologischen Polyspermie gewisser Wirbeltiere und Arthropoden die iiberzahligen Sperma- képte gleich von Anfang an in den Dotter eliminiert oder erstickt werden, entstehen, der Zahl der eingedrungenen Spermaképfe ent- sprechend, multiple Sphiiren und veranlassen ein pathologisches Produkt. Um angesichts solcher Thatsachen die Lehre von der Permanenz der Centrosomen zu erschiittern, sind sicherlich bessere Beweismittel nétig, als sie bisher erbracht werden kounten. Im Anschluf an die erédrterten Fragen sei hier noch kurz die gleichzeitig von LennossiéK (76) und Henneguy (59) aufgestellte Hypothese erwahnt, wonach die Basalkoérperchen an den Cilien der Flimmerzellen als Centrosomen oder Centriolen anzusehen waren. Eine weitere Erérterung tiber die Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese scheint mir unfrucht- bar zu sein; es handelt sich einfach darum, ob die Entstehung der Basalkérperchen aus dem der Fiumnery ote bei ihrer Bildung zukommenden Centrosom nachgewiesen werden kann oder nicht. Wird sich bei dieser Feststellung ergeben, da8 die Hypothese richtig war, so erhebt sich die wichtige Frage, wie es mit der Teilungs- Piekeit solcher Zellen bestellt ist. Nach Hennequy teilen sich die Flimmerzellen tiberhaupt nicht mehr; er ist der Meinung, daf die zahlreichen Centren nur noch dazu an sind, die auBere Be- wegung zu beherrschen. Dann wiirde beziiglich des Verhaltnisses der Centrosomen zur Zellteilung hier nichts Neues vorliegen; der Schluf, den ich friiher aus den bekannten Thatsachen gezogen habe (17): da eine normale Zelle nicht mehr als héchstens 2 Centrosomen besitzen diirfe, miiBte nur, wie dies ja auch damals schon gedacht war und aus dem Zusammenhang hervorgeht, dahin pracisiert werden, daS in einer zu. normaler Teilung be- fahigten Zelle nicht mehr als 2 Centrosomen vorhanden sein 176 Theodor Boveri, kiénnen, wogegen in Zellen, die sich nicht mehr teilen, zu anderen Zwecken eine Vermehrung der Centrosomen stattfinden kénute. Lennosstk hat darauf aufmerksam gemacht, da Hammar (50) eine karyokinetische Teilung von Flimmerzellen beobachtet haben will. Bestiatigt sich diese Angabe, fiir die ich in den Abbildungen Hammar’s keinen Beweis erkennen kann, so ware es eine fiir die Centrosomenlehre héchst interessante Frage, in welcher Weise die Teilungsfigur entsteht. LENHOSSEK’s Lésung (S. 118), daf dabei von den Basalkérperchen einfach 2 als Polkérperchen Ver- wendung finden, klingt zwar sehr einfach, dirfte aber der Zelle selbst nicht ohne komplizierte Einrichtungen méglich sein. Immer- hin wire es denkbar, daf bei der angenommenen Vermehrung des der Zelle zunichst in der Einzahl zukommenden Centrosoms, ver- mittelst einer Art indiqualer Teilung, wie sie z. B. bei der Furchung des Ascaris-Eies zwischen den Blastomeren zu konstatieren ist, einer der Abkémmlinge besondere Qualitaten bewahrt, die dieses Kérperchen allein zur Einleitung eines karyokinetischen Prozesses befahigen, wahrend die anderen diese Eigenschaft verlieren; oder, wie man es ausdriicken miifte, wenn man die Erzeugung der Teilungsfigur als Charakteristikum des Centrosoms beibehalten wollte: da® sich von dem urspriinglicheu Centrosom eine Anzahl von besonderen Kérperchen als Cilienkérperchen abgespalten haben. b. Neubildung von Centrosomen aus dem Kern. Homologie des Centrosoms. Nachdem ich im vorigen Abschnitt dargelegt habe, dafi alle Behauptungen einer Neubildung von Centrosomen aus dem Proto- plasma einer ernstlichen Kritik nicht standhalten kénnen, fragt es sich, ob vielleicht der ,Kern“ befahigt ist, Centrosomen neu zu bilden. In diesem Sinne spricht R. Hertwia (65, p. 70) von einer Neubildung des Centrosoma bei Actinosphaerium und ist der Meinung, daf Aehnliches weiter verbreitet sein mége. So heigt es dort: ,.ch méchte daher an dieser Stelle der Er- wigung Raum geben, ob man in der Neuzeit in der pflanzlichen und tierischen Histologie nicht allzu sehr bereit ist, aus der Anwesen- heit von Strahlungen einen Riickschluf auf die Anwesenheit von Centrosomen zu machen und demgemaf etwaige, wenn auch undeutliche, Strukturen als solche zu deuten, was zur Folge haben mui, da man, die Centrosomen fiir Dauerorgane der Zelle er- klarend, sich selbst der Méglichkeit beraubt, tiber ihre Entwicke- lung ins Klare zu kommen.“ Zellen-Studien. lyr | Ehe ich nun auf diese Frage niher eingehe, ist es notwendig, ein in neuerer Zeit vielfach erértertes Problem zu besprechen, ob nimlich in Zellen, welche keine Centrosomen ent- halten, Aequivalente dieser Bildungen vorhanden sind. Viele Autoren stimmen in der Meinung tiberein, dal wir in achromatischen Teilen gewisser Kernformen, wie sie besonders bei Protozoen vorkommen, das Homologon des Centrosoms zu erkennen haben; BUrrscutr (24), R. Herrwie (62—65), LauTeRBoRN (74), M. HeEIDeNnAIN (54), ScHAUDINN (94—96) u. a. haben sich in diesem Sinne gediuSert, und es ist vor allem R. Herrwic wiederholt und mit den gewichtigsten Argumenten fiir eine solche Gleichsetzung eingetreten. Ich selbst bin hierbei mehrfach als Gegner der- selben angefiihrt worden, jedoch nicht mit Recht. Denn was ich bei meiner Erérterung dieser Frage 1895 (17) hervorhob, war nur, daS unsere Kenntnisse meines Erachtens zu_ liickenhaft seien, um ein sicheres Urteil zu gestatten; fiir positiv verfehlt habe ich lediglich die Hypothese erklart, dal das Centrosom der Metazoenzelle dem Mikronucleus, der Kern dem Makronucleus der Ciliaten zu vergleichen sei. Nachdem ich kurz darauf an Mac FarRLAND’s Priaparaten die auferordentliche Uebereinstimmung einer Centrosomenteilung mit der Teilung gewisser Protozoenkerne kennen gelernt hatte und nachdem gleichzeitig in unserer Kenntnis der Teilungsvorginge bei Protozoen wichtige Fortschritte erreicht worden waren, habe ich mich schon 1896 (19) der zuerst von R. Hertwic formulierten Auffassung im wesentlichen ange- schlossen. Fiir unsere gegenwartigen Betrachtungen wiirde es zu weit abliegen, die mannigfachen Zustinde, welche bei den Einzelligen bisher konstatiert worden sind, auf ihr Verhaltnis zur Centro- somenlehre zu untersuchen; ich verweise hier auf die Erdérte- rungen von R. Hertwie (64, 65), LAuTERBORN (74), SCHAUDINN (96), CALKiIns (27), E. B. Wruson (106) u. a. Die Protozoenkerne, um die es sich bei unseren Vergleichungen handelt, sind solche, welche trotz des Mangels von Centrosomen doch eine Ankniipfung an die Verhaltnisse der Metazoen gestatten; Kerne namlich, wie sie auch in gewissen Zellen der letzteren wiederkehren, deren Teilung zwar unter der Erscheinung einer zweipoligen ,,Spindel“ ablauft, bei denen diese Spindel aber nicht als etwas Sekundares zwischen 2 vorher vorhandenen Polen (Centrosomen) auftritt, sondern direkt durch Umformung des ganzen Kernes in einen spindel- formigen, faserigen Kérper entsteht, dessen Enden sich unter Um- Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 12 178 Theodor Boveri, stiinden durch eine besondere Ausbildung von dem mittleren faserigen Bereich abheben kénnen. Solche Kernteilungsformen kennen wir einerseits von den Ovocyten verschiedener Tiere; ich habe auf ihr Vorkommen und ihre auffallende Abweichung von den typischen Mitosen der Metazoen, wie auf ihre grofe Uebereinstimmung mit Protozoen- kernen zuerst bei Nematoden aufmerksam gemacht (10); sehr verbreitet sind sie andererseits bei Protozoen, speciell in der Klasse der Ciliata. Nachdem nun Mac Faruanp fiir die Ovocyten von Diaulula zum ersten Mal den Nachweis erbracht hat, daf hier bei der Teilung des Centrosoms ein spindelférmiger Kérper ent- steht, an dessen Polen sich die Tochtercentrosomen differenzieren, ist es méglich, eine Reihe aufzustellen, welche von dem Typus der Teilung eines Infusorien- Nebenkernes zu demjenigen tberleitet, wie er z. B. im Ascaris-Ei verwirklicht ist. Die nebenstehende Figur C wird dies anschaulich machen. Querreihe I zeigt einen schematischen Lings- und Querschnitt (a und b) durch den Mikronucleus eines ciliaten Infusorimus im Spindelstadium. Innerhalb der lingsellipsoiden Kernmembran hat sich die achromatische Kernsubstanz zu einem parallelen Faser- werk differenziert, und diese Fasern laufen an den beiden Enden in ein anscheinend dichteres polares Areal zusammen (vergl. hier- iiber R. Herrwic (63). Das Chromatin ist im Innern der Spindel zur Aequatorialplatte angeordnet. Einen wesentlich gleichen Typus zeigen uns die Ovocyten- spindeln bei Ascaris (vergl. meine Beschreibung und die zugehorigen Abbildungen von Asc. megalocephala und lumbricoides, 10, 8. 74 und 75). Auch hier ist es der Kern (Keimblaschen), bezw. eine ihn durchsetzende dichte, achromatische Substanz, welche durch Streckung und Differenzierung die Spindel liefert, auch hier wird die Bipolaritat der Teilungsfigur durch den Kern selbst bewirkt. Genau wie bei den betrachteten Protozoenkernen fehlt jede Be- ziehung der Pole zur Zellsubstanz, wie dort liegen die Chromosomen im Innern des spindelférmigen Kérpers. Bemerkenswert ist, dal bei Ascaris megalocephala, wie Furst (46) gezeigt hat, in den beiden dichteren Polansammlungen manchmal je ein winziges Kornchen zur Beobachtung kommt, das vielleicht als Centriol zu deuten ist. Querreihe II unserer Figur stellt einen Kernteilungstypus dar, der bei aller Uebereinstimmung mit dem vorigen doch schon einen ersten Schritt zu der spiter so hochgradigen Sonderung zwischen 179 Zellen-Studien. Textfigur C. i II II’ Ill IV * 12 180 Theodor Boveri, den zunichst eng vereinigten Elementen darstellt. Es ist ein Typus, wie ihn die den Mikronuclei der typischen Ciliaten zu ver- gleichenden Kerne der Opalinen darbieten. Wie schon Prirznur (87) gezeigt hat, fiillt hier die Faserspindel das Kernblaschen nicht véllig aus, sondern es bleibt ein, wohl nur von Kernsaft ausge- fiillter Raum rings um die Spindel tibrig. Die Chromosomen der Aequatorialplatte durchsetzen die Spindel nicht mehr, sondern sind auf ihrer Oberfliche im Kreis angeordnet (IIb). Es scheint, als ob von den Spindelpolen eine sehr schwache Protoplasmastrahlung ausgehe'). Eine nur untergeordnete Variation dieses Verhaltens wire die hypothetische in IL‘ gezeichnete, wo die Spindel nicht axial verlauft, sondern an die eine Seite geriickt ist. In beiden Fallen haben wir einen von der Spindel, wenn auch nur voribergehend, unterscheidbaren Kernraum, in welchem die Chromosomen liegen. Dieser zunichst so unscheinbare Gegensatz fiihrt nun auf einer héheren Stufe zu einer vollkommenen Scheidung und damit zu Verhaltnissen, von denen wir einen relativ primitiven Typus in den Ovocyten von Diaulula verwirklicht finden. Kin Schema hiervon, welches auf die den Ovocytenteilungen specifischen Kigen- tiimlichkeiten keine Riicksicht nimmt, ist in Querreihe II ge- zeichnet. Fig. a und c stellen im Liings- und Querschnitt ein Stadium dar, wo der Kern kurz vor der Auflésung steht, Fig. b und d entsprechende Ansichten der fertigen Teilungsfigur. Wir begegnen hier der gleichen Faserspindel, wie in dem sich teilen- den Infusorienkern; aber die bisher diffusen Verdichtungen an den Polen haben sich jetzt zu besonderen Kérpern (Centrosomen) individualisiert, die nun eine von jener Faserung streng zu unterscheidende machtige Strahlung im Proto- plasma (Astrosphare) erregen. Wie in unserem Typus II liegen die Chromosomen nicht innerhalb der Spindel, sondern in ihrem Umkreis (Fig. Id), wohin sie vermittelst gewisser von den Centrosomen erregter Fasern (Zugfasern) gefiihrt zu werden scheinen. So bietet also der Querschnitt durch die fertige Teilungs- figur mit dem des Typus II eine auffallende Uebereinstimmung dar; nur fehlt die Abschliefung nach auSen, die Kernmembran. Dies fiihrt uns nun auf den wichtigsten Unterschied zwischen den 1) Diese Angaben stiitzen sich auf eine Untersuchung, mit welcher Herr E. Trrcumann zur Zeit im hiesigen zoologischen In- stitut beschaftigt ist. Zellen-Studien. 181 beiden Typen, denjenigen nimlich, der sich in dem gegenseitigen Verhalten der chromatischen und achromatischen Bestandteile der karyokinetischen Figur ausprigt, wenn beide nunmehr in den Ruhezustand iibergehen. Bei den Typen I und II ist die Spindel mit den Chromosomen wihrend der Teilungsstadien durch die Kernmembran, welche beide gemeinschaftlich umschlieft, zu einem einheitlichen Gebilde vereinigt, im Typus III nicht. Wenn nun hier die voriibergehende Bindung der Chromosomen an die Spindel sich gelést hat, sind die beiden Bestandteile von einander unab- hangig geworden; die Chromosomen erzeugen fiir sich allein eine ringsum abgeschlossene Vakuole, den ,,Kern“, neben dem der von der Spindel persistierende Teil: das zum Centrosoma individuali- sierte Spindelende, als ein selbstandiger Kérper bestehen bleibt. Dieses Centrosoma reprasentiert also den achromatischen Bestand- teil des friiheren Kernes, es wachst bei der naichsten Teilung wieder zur Spindel aus, deren Enden sich zu 2 neuen Centrosomen differenzieren und durch die unter ihrer Einwirkung entstehenden, in den sich auflésenden Kern eintretenden Fasern die Chromo- somen zum Zwecke ihrer geregelten Verteilung wieder an die Spindel fesseln. Zu betonen ist fiir unseren Typus III noch die véllige Auf- lésung der Faserspindel nach Ablauf der Teilung. Die Kontinuitat von einer Spindel zur nachsten wird durch die jeweiligen Spindel- enden, soweit sie sich zu Centrosomen individualisiert haben, ver- mittelt. Im Grunde ist diese AbstoBung das Gleiche, was uns die Schwestermikronuclei der Infusorien in der AbstoSung ihres Ver- bindungsstieles darbieten. Die beiden Vorgiinge sind nur graduell von einander verschieden !). Aus dem durch Diaulula reprasentierten Typus leitet sich nun unser letzter (Querreihe IV) in folgender Weise ab. Nachdem die 1) Dem besprochenen Typus diirften, wenn auch unter gewissen Modifikationen, die Zustinde einzureihen sein, die ScHAUDINN’s wert- volle Untersuchungen bei Paramoeba eilhardi (94) aufgedeckt haben, sowie wahrscheinlich auch die Verhialtnisse bei Noctiluca (IsHrkawa 69, Catxins 28, Dortern 32). Was bei Noctiluca Sphire genannt wird, wiirde sonach, wenigstens in seinem inneren Teil, auf diesen Namen keinen Anspruch machen kénnen, es miifte der Centralspindel + Centrosomen von Diaulula, bezw. dem bei der Teilung zur Spindel werdenden Bestandtei]l des Infusorien-Mikronucleus gleich- gesetzt werden. Catrxins’ ,,Centrosomen“, wenn sie nicht tiberhaupt gufallige Bildungen sind (Dortery), miiften als Centriolen in Anspruch genommen werden. 182 Theodor Boveri, Anordnung der Chromosomen zur Aequatorialplatte nicht mehr im Innern der Faserspindel, sondern auferhalb derselben zu Stande kommt, und zwar bewirkt durch Strahlen, die von den zu Centro- somen individualisierten Spindelenden erregt werden, kann die primire Faserspindel tiberhaupt ganz in Wegfall kommen; wir sehen sie in manchen Zellen noch durch ein zwischen den Schwester- centrosomen ausgespanntes Fadchen reprasentiert (IVa), das weiterhin vdéllig schwindet. Das Centrosom einer jeden Radien- kugel teilt sich ohne Bildung eines spindelférmigen Zwischen- bereichs direkt in 2 ebensolche Tochtercentrosomen. Die , Spindel, die in diesem Falle auftritt (IVb), ist also mit ‘derjenigen der friiheren Typen nicht zu vergleichen, mag sie sich nun aus Protoplasma oder aus Kernbestandteilen aufbauen. Sie besteht aus Fasern, die erst unter der strahlenerregenden Wirkung der Centrosomen entstehen und die den im Typus III zu den Chromosomen ziehenden Fasern entsprechen. Hier diirfte noch eine Bemerkung iiberdie,,Centralspindel* am Platze sein. Wir haben dieselbe in unserem Typus III aus dem Centrosoma hervorgehen sehen; es scheint jedoch, daf ein ganz aihnlich aussehendes Gebilde in manchen Fallen erst unter dem Einfluf der bereits véllig von einander gelésten Schwester- centrosomen aus dem Protoplasma entsteht, in der namlichen Weise wie die Spharenstrahlen. In diesem Falle ware die Central- spindel nur ein besonders ausgebildeter Bereich der beiden in ein- ander tibergehenden Spharen. Wenn dies wirklich zutrifft, so miissen wir zwei Arten von Centralspindeln unterscheiden, die sich vielleicht funktionell, aber nicht genetisch entsprechen. Ich will die mit dem Centrosom genetisch zusammengehorige Spindel fortan von jenen Spindelfiguren, die sich aus Spharenstrahlen aufbauen, als Netrum) unterscheiden. Den gleichen Namen hat die in- tranukleire Spindel des Typus I und II zu fiihren, die nach den vorausgehenden Betrachtungen damit homolog ist”). Auch ist wohl nichts dagegen einzuwenden, den achromatischen Komplex, als welcher die Spindel im ruhenden Kerne fortbesteht, Netrum zu nennen. 1) tO vnveoy die Spindel. 2) Das sog. Nucleolo-Centrosoma, wie es z. B. bei Hu- glena vorkommt (BLuocumann, 7, Kruren, 70), ist wahrscheinlich als ein im Innern des Kernes verbleibendes, konzentrierteres und schirfer individualisiertes Netrum aufzufassen. Zellen-Studien. 183 Stimmt man der vyorgetragenen Homologisierung zu, so wird es zweckmabig sein, eine klare begriffliche Scheidung ‘einzu- fiihren. Ist der Kern des Infusoriums, der das Aequivalent des Centrosoms in sich enthalt, ein Kern, so ist der Furchungskern des Ascaris-Eies, der hiervon nichts mehr besitzt, sondern ein Cen- trosom neben sich hat, genau genommen, kein Kern, oder um- gekehrt. Und da sich der Name ,,Nucleus* urspriinglich auf die Zellen der Metazoen bezieht, so diirfte es sich empfehlen, fiir Betrachtungen, wie sie uns hier beschaftigen, diejenigen Kerne, die das Cytocentrum in sich enthalten und zu denen vor allem Protozoenkerne gehéren, mit einem anderen Namen zu belegen, sie etwa Centronuclei zu nennen. Der Centronucleus diffe- renziert sich auf einer héheren Stufe in einen Nucleus und ein extranukleares Centrosom?). Diese Absonderung des Centrosoms ist jedoch nicht notwendig so zu denken, daf der zuriickbleibende Kern das vorher in ihm gelegene Cytocentrum nunmehr voll- stindig verloren haben miisse; vielmehr kénnte ein diffuses Cyto- centrum hier fortbestehen und nur neben dem individualisierten Centrosom fiir gewéhnlich nicht zur Wirkung kommen. Mit anderen Worten: Centrosom und Centronucleus kénnen in einer Zelle neben einander bestehen. Entwerfen wir uns nun auf Grund der betrachteten hypo- thetischen Reihe ein Bild, wie die Centrosomen entstanden sein kénnen, so wird sich folgendes sagen lassen: Ihr Aequivalent zeigt sich zuerst in dem zur Teilung schreiten- den Centronucleus in Gestalt der beiden dichteren Polmassen. Die Centrosomen werden also hier nur reprasentiert durch die in geringem Grade differenten Enden eines in Zweiteilung begriffenen und dabei die Form einer faserigen Spindel durchlaufenden Korpers, des Netrums. Selbstindigkeit kommt diesen Enden, soweit wir wissen, nicht zu; es scheint nicht, daf sie dauernd als gesonderte Bereiche vorhanden sind und durch Zweiteilung zu den Polplasmen des nachsten Netrums werden; sondern da dieses in sich selbst die fiir seine Zweiteilung nétige Eigenschaft besitzt, in eine bipolare Anordnung tiberzugehen, wobei sich dann eben jedes Ende zu einem vyoriibergehenden Poiknopf differenziert. Centrosomen entstehen aus diesem Zustande dadurch, dal diese Polknépfe sich mehr und mehr individualisieren, wobei es 1) Der Ausdruck ,Kern“ mag als indifferent fiir beide beibe- halten werden. 184 Theodor Boveri, zweifelhaft bleibt, ob hierbei schon die Centriolen eine Rolle spielen. Es ist nach allen bisherigen Erfahrungen nicht wahr- scheinlich, daf diese in den typischen Centrosomen vorhandenen Differenzierungen schon den primitiven Centronuclei der Protozoen zukommen. Meine eigenen Untersuchungen in dieser Beziehung hatten, wie diejenigen anderer Forscher, bisher ein durchaus negatives Ergebnis. Es scheint sonach, dafi die Centriolen sekun- dare Differenzierungen der Centrosomen sind. Sollten sie aber schon im Centronucleus vorhanden sein und etwa durch ihre Teilung und Lokalisierung die Bipolaritat des Netrums bewirken, so wiirde die Umgestaltung, welche die vorstehenden Betrach- tungen zu erleiden hatten, sich von selbst ergeben. Kehren wir nach dieser Abschweifung zu der Individualisierung der Centrosomen zuriick, so wiirde mit derselben einhergehen die Fahigkeit der Strahlenerregung (Spharenbildung) und im Zusammenhang damit, die perinetrale Lagerung der; Chro- mosomen. Der wichtigste Fortschritt ist aber der, daf sich nun das jeweilige Netrum nach der Teilung als solches auflést. Es persistiert von ihm in jeder Tochterzelle als dauerndes ,,Organ‘ nur der Polknopf und aus diesem ,,Centrosoma* geht nun das nichste Netrum als dessen bei der Streckung differenzierte Aequa- torialzone hervor, wahrend die beiden Enden die neuen Centro- somen darstellen. Das Verhaltnis ist also allmahlich das um- gekehrte geworden. Waren die Polkappen zuerst polare Diffe- renzierungen des in Zweiteilung begriffenen Netrums, so stellt sich jetzt das Netrum als eine aquatoriale Differenzierung der Pol- masse (des Centrosoms) dar. So erscheinen von nun an die Cen- trosomen als das Wesentliche und Dauernde, das Netrum wird zu einem voriibergehenden Verbindungsbereich bei der Centro- somenteilung, der im weiteren Verlauf des phylogenetischen Weges zu einem diinnen Stiel degenerieren und ganz in Wegfall kommen kann, womit dann das durch Zweiteilung sich ver- mehrende Centrosom in reinster Gestalt vorliegt'). Die karyokinetische Wirksamkeit ist damit ganzlich in die strahlen- erregende Fahigkeit der Centrosomen tibergegangen. Es ware denkbar, daS auch mit diesem Zustande der phylo- genetische Weg noch nicht beendigt ist. Wie an Stelle des Ne- trums allmahlich dessen polare Differenzierungen in Gestalt der 1) Hieraus ergiebt sich, daf der einfachste Typus der Cen- trosomenteilung phylogenetisch nicht der erste, sondern der letzte ist. Zellen-Studien. 185 Centrosomen zu Dauergebilden werden, so kénnten nun auf einer folgenden Stufe die centralen Differenzierungen der Centrosomen: die Centriolen, allein die Kontinuitéit von einer Zellengeneration zur nichsten vermitteln und sich nur vor jeder Zellteilung aus der Umgebung ein Centrosom differenzieren, welches seinerseits dann die Sphare hervorbringt. Hiertiber werden weitere Unter- suchungen Licht bringen. Fragt man sich, worin der Fortschritt liegt, der durch die Individualisierung eines neben dem Kerne gelegenen Teilungs- apparates erzielt wird, so wird man vor allem die viel innigere Beziehung anfiihren dtirfen, in welche die Kern- teilung sowohl zeitlich wie raumlich zur Proto- plasmateilung gebracht wird. Bei den Protozoen mit reinem Centronucleus scheint das Protoplasma in sich die Fahig- keit zur Zweiteilung zu haben, ohne da hierzu ein sich ver- doppelndes Centralorgan nétig ist; denn Falle, wie die Zweiteilung des vielkernigen Actinosphaeriums oder der vielkernigen Opalina ranarum, waren sonst nicht mdéglich. Kernteilung und Proto- plasmateilung sind hier also relativ unabhingige Vorginge. Dies aindert sich mit dem Auftreten der Centrosomen. Das sphiaren- erzeugende Centrosom macht seinen Einfluf’ gleichzeitig im Kern und im Protoplasma geltend, und in allen Fallen, wo es darauf ankommt, die Kernteilung streng an die Protoplasmateilung zu binden und zugleich jedem Kern einen ganz bestimmten Zellen- bezirk zuzuweisen, unter Verhaltnissen also, wie sie fiir die Onto- genese der Metazoen maSgebend sind, wird die Bildung von Centrosomen ein Fortschritt sein. Wo dagegen auf eine solche geregelte Protoplasmateilung nichts mehr ankommt, wie bei den Teilungen der Ovocyten (Richtungskérperbildung), bei denen es sich ja nur noch um die Beseitigung des einen Kernes handelt, da kann der Teilungsapparat wieder auf den primitiven Zustand zuriicksinken, wenn er es auch, wie z. B. die Ovocytenteilungen der Seeigel und Mollusken beweisen, nicht in allen Fallen thut‘). 1) Mit der vorgetragenen Anschauung steht scheinbar in Wider- spruch, daf nach der Entdeckung R. Herrwic’s bei Actinosphaerium die Individualisierung der Centrosomen gerade denjenigen Kern- teilungen vorausgeht, die den Ovocytenteilungen der Metazoen ver- gleichbar sind. Es ist jedoch zu beachten, da’ die Centrosomen- bildung schon eintritt, ehe die Primarcyste in die Sekundarcysten zerlegt ist, so dal} das Erscheinen von Centrosom und Sphare doch an eine Zellteilung gekniipft erscheint, die mit einer Kernteilung eng verbunden ist. 186 Theodor Boveri, Ein anderes Motiv fiir das Selbstindigwerden eines im Proto- plasma lokalisierten, zur Strahlenerregung befahigten Centrosoms kénnte ein von der Teilung unabhangiges Bediirfnis nach radiarer Struktur der Zelle sein. In dieser Weise sind vielleicht die Ver- haltnisse bei Heliozoen zu deuten, deren Kenntnis wir den wich- tigen Untersuchungen ScHaupinn’s (96) verdanken. Endlich kénnte der Dualismus von Centrosom und Kern, wie er durch die Individualisierung des ersteren zu einem extra- nukleiren Zellenorgan geschaffen wird, die Bedeutung haben, dal die Teilung zweier oder mehrerer Kerne unter die Herrschaft eines einfachen Teilungsapparates gestellt werden soll. Ein solches Ausgreifen auf 2 Kerne besteht ja in der That bei der Befruch- tung der meisten bisher untersuchten tierischen Kier, wo das dem Spermakern zugesellte Teilungsorgan auch die Teilung des Ki- kernes mit iibernommen hat. Dieser letzte Punkt fiihrt mich nun auf die Besprechung einer Hypothese, die bei phylogenetischen Betrachtungen tiber die Herkunft der Centrosomen bisher eine besonders grofe Rolle ge- spielt hat, daf naimlich als Ausgangspunkt ein zweikerniger Zustand, in meiner Terminologie ein Zustand mit 2 sich par- allel _teilenden Centronuclei anzunehmen sei, von denen der eine durch Verlust des Chromatins zum Centrosoma, der andere durch Verlust des Cytocentrums zu einem chromatischen Nucleus wiirde. Dieser Gedanke findet sich zuerst bei BUrscHur (24); auch R. Herrwic (62, 65) hat ihn als eine Méglichkeit in Be- tracht gezogen; am konsequentesten tritt er uns neuerdings bei ScHaupINN (95) und LauTERBoRN (74) entgegen. So wenig nun gegen diese Méglichkeit etwas einzuwenden ist, so wenig dirften die bisher geltend gemachten Argumente zu ihren Gunsten sprechen. Die sog. ,Nebenkernschleifen“, die manchen Centro- somen beigesellt sind und die man als rudimentére Chromosomen des zum Centrosoma gewordenen Centronucleus ansehen zu miissen glaubte, diirften nach den Untersuchungen Murray’s (86) wohl kaum mehr auf diese Deutung Anspruch machen kénnen. Die Frage wird also die sein, ob der postulierte Ausgangszustand zweier sich neben einander parallel teilender Centronuclei irgendwo besteht. Wir kennen ein solches Verhalten von den ciliaten In- fusorien in dem Dualismus von Makro- und Mikronucleus; allein daf dieser Zustand nicht zu dem Dualismus von Kern und Cen- trosoma fiihren kann, ist seit meiner Erérterung dieser Frage (17) wohl allgemein anerkannt. Man hat nun neuerdings in der, wie Zellen-Studien. 187 der Name sagt, zweikernigen Amoeba binucleata, deren Teilung SCHAUDINN (95) beschrieben hat, einen Ersatz fiir die Ciliaten zu finden geglaubt. ScHAUDINN selbst, LAUTERBORN und R. Hertwia (65) haben dieses Protozoon als Ausgangspunkt einer Reihe auf- gestellt, welche schlieflich zu dem typischen Gegensatz von Cen- trosom und Kern fiihren wiirde. Hierbei wurde jedoch iibersehen, dali bei Amoeba binucleata von einem Dualismus, wie er sowohl zwischen dem Makro- und Mikronucleus der Ciliaten, wie auch zwischen Kern und Centrosoma besteht, gar nicht die Rede sein kann. Denn wir haben hier ja nicht 2 sich parallel teilende Kerne, die in ihren beiderseitigen Abkémmlingen von Generation zu Generation neben einander hergehen; sondern es handelt sich hier offenbar um die gleiche Erscheinung wie bei den zweikernigen Opalina-Arten (vgl. ZELLER, 108), dal namlich die Kernteilung der zugehérigen Zellteilung au8erordentlich vorauseilt. So besteht der, einer jeden Zellteilung vorausgehende zweikernige Zustand ungemein lang. Kommt es endlich zur Protoplasmateilung, so schicken sich die Tochterkerne schon ihrerseits wieder zur Teilung an, so daf die Tochtertiere bereits als zweikernig ihre Existenz beginnen. Wie dieser Zustand zu einer Einmischung des einen Centronucleus in die Teilung des anderen fiihren und damit der eine zum Nucleus, der andere zum Centrosom werden soll, ist nicht einzusehen. Die vorlaufig einzige Grundlage, wie man die in Rede stehende Differenzierung an die parallele Teilung zweier Kerne ankniipfen kénnte, ist meines Erachtens in der Befruchtung gegeben. Hier sehen wir ja in der That die Teilung zweier Kerne vermittelt durch ein zu dem einen Kern, dem Spermakern, gehériges Cen- trosoma, das selbst bei Lahmung des Spermakernes die Teilung des Eikernes dirigiert (BovertI, 12). Versetzen wir diesen Zu- stand auf eine primitive Form zuriick, so wiirde also das Spermato- zoon einen Centronucleus, das Ei nur einen Nucleus beisteuern. Da nun urspriinglich, wie uns die Konjugation lehrt, in den beiden kopulierenden Zellen Centronuclei vorhanden sind, so wiirden wir zu dem Resultat kommen: es findet eine sexuelle Differenzierung in der Weise statt, da die weibliche Zelle ihren Teilungsapparat verliert+) und die Teilung ihres Kernes von dem Centronucleus der mannlichen Zelle mitbesorgt wird. Dies wiirde von Seiten dieses miannlichen Centronucleus eine Wirkung iiber sich selbst hinaus verlangen, womit tiberhaupt der erste Schritt zu einer 1) oder inaktiv werden lat (siehe unten). 188 Theodor Boveri, Gegensitzlichkeit von Teilungsapparat und Kern gethan ware. Man kénnte, wenn auch nicht vollig zutreffend, sagen: in Hinsicht auf den weiblichen Kern ist der mannliche Centronucleus bereits ein Centrosom. Die letzte Stufe wire dann die, daf die Stellung, welche der miannliche Centronucleus zum Eikern ein- nimmt, zu einer entsprechenden Scheidung in ihm selbst fihrt: er wurde sich in einen dem Ei-Nucleus entsprechenden Sperma- Nucleus differenzieren und in ein Centrosom, welches nun den beiden Kernen gleich gegeniibersteht. — Diese Hypothese wiirde mit den ahnlichen bisher aufgestellten zwar insofern iiberein- stimmen, als sie von einer parallelen Teilung zweier Centronuclei ausgeht, sie wiirde aber darin von ihnen abweichen, daf sie den einen der beiden Centronuclei nicht zum reinen Centrosom werden laft; denn er wiirde sein Chromatin nicht verlieren, sondern nur von sich absondern. Nach den vielen fiir unser Problem so auferst forderlichen Ergebnissen der letzten Jahre steht zu hoffen, daf weitere Aus- breitung unserer Kenntnisse Zustainde aufdecken wird, die auf die Art und die Motive der Centrosomenbildung neues Licht zu werfen geeignet sind. Einstweilen bemerke ich, daf ich mit R. Hertwie darin vollig tibereinstimme, daf ich als Ausgangspunkt fiir die phylogenetische Entstehung der Centrosomen durchaus nicht einen zweikernigen Zustand fiir notwendig halte. — Ich habe oben von den Vorteilen gesprochen, welche die Individualisierung der Centrosomen fiir das Zellenleben mit sich bringen dirfte; hier mag nun noch darauf aufmerksam gemacht werden, daf sie auch nicht ohne Nachteile ist. Wenn 2 oder mehr Centronuclei in einer Zelle vereinigt sind und sich teilen, wie in einem vielkernigen Protozoon, so stéren sie einander gegenseitig nicht; jeder Centronucleus teilt sich in 2 normale Tochtercentronuclei. Auch kénnen, wie wir dies bei der Kon- jugation sehen, 2 Centronuclei sich an einander legen und _ sich gemeinsam teilen oder vorher véllig verschmelzen; niemals greift die Bipolaritaét des einen stérend in die des anderen ein: die beiden spindelférmigen Centronuclei legen sich so neben einander, daf je ein Ende des einen mit einem des anderen zusammentrifft ; ist aber ein einheitlicher konjugierter Centronucleus entstanden, so liefert er wie jeder sonstige direkt eine zweipolige Spindel *). 1) Diese Thatsachen sind es vor allem, die dagegen sprechen, da8 den Polknépfen des Netrums im Centronucleus schon Individualitit zukommt. Zellen-Studien. 189 Ist dagegen die Differenzierung eingetreten und es bestehen in einer Zelle anstatt unserer beiden Centronuclei zwei Kerne mit je einem Centrosom, so kénnen die beiden Systeme und werden es in der Regel, falls sie nur nahe genug liegen, beim niachstfolgenden Teilungsschritt in einander eingreifen, indem jedes Centrosom dem anderen Kern gegeniiber sich ebenso verhalt, wie gegeniiber dem eigenen, und jedes Tochtercentrosom seinem Schwestercentrosom durchaus nicht anders gegentibersteht als allen iibrigen in der gleichen Zelle vorhandenen Tochtercentrosomen. Mit anderen Worten: es wird eine pathologische Teilungsfigur entstehen!) und ein pathologisches Produkt; die Individualitat der Centrosomen giebt Gelegenheit zu Stérungen, die auf dem primitiven Zustand nicht vorkommen kénnen. Die im Vorstehenden vertretene Auffassung lat sich in zu- treffender Weise in den zuerst von R. Herrwia aufgestellten Satz formulieren, dafi ,das Centrosoma als ein selbstandig gewordener Kernteil aufzufassen ist’. Doch wird man sich hierbei klar sein miissen, dafi durch diesen Satz nur eine Etappe in der Ge- schichte des Cytocentrums ausgedriickt ist; er darf nicht so aufgefaBt werden, als enthalte er eine endgiltige Aussage tiber den Ursprung der Centrosomen. Dies ware nur dann der Fall, wenn gezeigt werden kénnte, dafi der ,,k ern‘ in seiner urspriing- lichsten Form ein durch und durch gleichartiges Gebilde ist, das sich spiter in verschiedene Bestandteile differenziert, von denen einer schlieSlich in Gestalt des Centrosoms aus dem Kern austritt. Allein von einem solchen Zustand wissen wir nichts. Es ist ganz ebenso gut. méglich, ja vielleicht wahrscheinlicher, daf das, was sich als Centrosom vom Kern ablést, auf einer tieferen Stufe in den Kern aufgenommen worden ist, oder besser gesagt, dal ein im Protoplasma aufgetretenes Cytocentrum sich mit anderen im Protoplasma entstandenen Differenzierungen zu einem einheit- lichen Gebilde, einem ,,Kern‘‘, vereinigt hat (vergl. CALKINS, 27). Die bisherigen Erérterungen beziehen sich auf das Problem, wie die Centrosomen phylogenetisch entstanden sind; 1) Vgl. hierzu meine Ausfiihrungen in 11 und in 13, S. 166/167. Die besprochenen Eigentiimlichkeiten individualisierter Cytocentren sind es, welche fiir die Vereinigung von Ei- und Samenzelle zur ersten Embryonalzelle besondere Kinrichtungen fordern, wie ich sie in der Riickbildung oder Inaktivitét des Ei-Centrosoma als gegeben erkannte. 190 Theodor Boveri, wir kehren nun zuriick zu der zu Anfang dieses Abschnittes aufgeworfenen Frage, wie diejenigen Falle zu beurteilen sind, wo sich in einer Zelle vor unseren Augen aus dem ,,Kern“ heraus ein neues Centrosoma bildet. Diesen Vorgang hat ScHAUDINN (94) bei Heliozoen beobachten kénnen, R. Herrwie (65) hat ihn fiir Actinosphaerium beschrieben, und auch im unbefruchteten Seeigel-Ei konnte dieser Forscher (64) am Eikern die Entstehung mitotischer Figuren verfolgen, bei denen es zur Bildung von centrosomenahnlichen Kérpern kam. Nach der oben aufgestellten Distinktion sind fiir Falle dieser Art zwei Méglichkeiten in Betracht zu ziehen: entweder der Kern, der ein Centrosoma erzeugt, ist ein Centronucleus, er enthilt also das Aequivalent des Centrosoms in sich und dessen Herausdifferenzierung ist ein Vor- gang, vergleichbar dem angenommenen phylogenetischen; oder der fragliche Kern ist ein Nucleus, dann mu8 er, wenn wirklich das Vorhandensein eines neben ihm gelegenen Centrosoms aus- geschlossen werden kann, im Stande sein, Centrosomen durch eine nicht weiter analysierbare Art von ,,Regeneration“ hervorzu- bringen. Wir wollen zunichst die erste Alternative ins Auge fassen. Schon oben habe ich hervorgehoben, daf das Selbstandigwerden eines extranukleiren Centrosoms dem ,,Kern“ die Qualitat des Centronucleus nicht notwendig rauben miisse. Wie der Darmkanal auf einer tieferen Stufe diffus gewisse Funktionen austibt, die sich spiater auf besondere von ihm abgegliederte Organe lokalisieren, daneben aber in diffuser Weise doch dem Darmrohr noch zukommen, so wiirden wir uns ein Gleiches fiir das Cytocentrum zu denken haben. Das Netrum, als dessen individualisierte Enden wir die Centrosomen auffassen, kénnte sich immer wieder mit dem Chromatin im Kern vereinigen und diesem damit die Fihigkeit bewahren, unter Umstanden wieder Centro- somen zu bilden. Zu betonen ist jedoch hierbei, daf dieses inner- halb des Kerns gelegene potentielle Centrum neben dem Centro- soma niemals zur Wirkung kommt, es erbt sich — vielleicht in Form von Spindelfasern — von einer Zellgeneration auf die nachste fort, tibt aber, solange tiberhaupt ein Centrosom neben ihm thatig ist, eine Einwirkung auf die karyokinetischen Prozesse nicht aus. Um dies klar zu machen, brauche ich nur auf zwei Erschei- nungen hinzuweisen, deren auferordentliche Bedeutung fiir die Centrosomenlehre ich schon friiher (13, p. 182ff.; 15, p. 55ff.) erértert habe. Der Inhalt zweier oder dreier Kerne wird Zellen-Studien. 191 ebenso zu einer zweipoligen Teilungsfigur vereinigt, wie der eines einzigen Kernes, falls in der betreffenden Zelle nicht mehr als 2 Centrosomen wirksam sind; und umgekehrt wird ein einziger Kern zur Bildung von 3, 4, 6 etc. Tochterkernen gezwungen, wenn die Zahl der ihn umgebenden und mit Kernelementen in Ver- bindung tretenden Centrosomen 3, 4, 6 etc. betragt. Der uns hier besonders interessierende Eikern des Seeigel-Kies macht keine Ausnahme von dieser Regel. Die nachstliegende Erklarung fiir diese Thatsachen ist natiir- lich die, daf den fraglichen Metazoenkernen jede Spur eines immanenten Cytocentrums fehlt, da sie reine Nuclei sind. Allein wenn wir beachten, wie sich der Eikern im Seeigel-Ei unter Um- stinden verhalt, wo kein Centrosoma neben ihm vorhanden ist oder wo die Spermacentrosomen nicht an ihn herangelangen kénnen (O. und R. Hertwic, 66, R. Herrwic, 64, ZreEGLER, 109, Bovertr, 19), so smd wir unbedingt genétigt, ihm die Eigenschaften eines Centronucleus zuzuerkennen, mit der Fahigkeit, unter der EKinwirkung gewisser Reize individualisierte Centrosomen aus sich heraus zu bilden, falls die normaler Weise durch die Befruchtung ihm zugefiihrten fehlen. Sind dagegen die letzteren unter sonst gleichen Bedingungen vorhanden, so bleibt das intranukleire Cyto- centrum gewissermafen latent‘). Am ehesten wird uns, um ein derartiges Verhialtnis ver- staindlich zu machen, die Vergleichung mit gewissen Regenerations- erscheinungen der Metazoen dienen kénnen. Der Tubularia-Stiel”) bleibt, solange ihm ein Hydranth aufsitzt, immer nur Stiel, er ist ein Teil des nicht individualisierten Cénosarks; sobald der Hydranth weggeschnitten ist, individualisiert sich aus dem der Schnittflache angrenzenden Teil des Stieles ein neuer Hydranth. Aehnlich wire es in unserem Falle. Was fiir gewohnlich, d. h. beim Vorhandensein individualisierter Centrosomen, nur_,,achro- 1) Schon im I. Heft meiner Zellenstudien, S. 75 findet sich dieses merkwiirdige Verhialtnis angedeutet. Es heift dort: ,Der Kern des Seeigel-Eies besitzt, wie das Keimblischen von Ascaris, an sich die Fahigkeit, die faserige Differenzierung durchzumachen und sich zu teilen (er ist, wie ich jetzt sagen wiirde, ein Cen- tronucleus). Allein dieser Prozef ist hier normaler Weise mit dem Auftreten zweier korperlicher Pole des Protoplasmas (der zwei Sperma- centrosomen) verbunden, die an den Kern herantreten und ihn zwingen, eine dicentrische Anordnung zwischen ihnen anzunehmen.“ 2) Vgl. E. E. Bicxrorp (6). 192 Theodor Boveri, matische Kernsubstanz‘ ist, individualisiert, nachdem das Centro- soma fehlt, ein solches aus sich heraus. Diese Betrachtungsweise fiihrt zu der schon friiher von mir vertretenen Anschauung (17, S. 33), daf’ das Centrosoma ein specifisches Zellenorgan nicht in dem Sinne ist, daf es aus einer specifischen chemischen Substanz bestehen miisse, sondern daf, ahnlich wie Stielzellen der Tubularia zu Hydranthenzellen werden, Teilchen einer im Kern enthaltenen Substanz, dadurch daf sie sich in besonderer Weise verandern und an einander gruppieren, sich zu einem Centrosoma umorgani- sieren. Aus dem Gesagten ergiebt sich, daf das im vorigen Abschnitt mehyfach erwihnte Ovocentrum des Seeigel-Eies nicht als individualisiertes Centrosom zu denken ist, sondern als ein intra- nukledéres lJatentes Cytocentrum. Der Eikern der Echiniden ist ein Centronucleus; er entspricht in dieser Beziehung, wie ich bereits 1887 (10, S. 75) hervorgehoben habe, dem Keimblaschen von Ascaris. Hier erhebt sich nun die Frage, wie die fraglichen Kerne zu dieser Eigenschaft kommen und ob vielleicht alle Metazoen- kerne Centronuclei sind mit der Faihigkeit, bei ein- tretendem Bediirfnis Centrosomen zu erzeugen? Dah dies letztere der Fall sei, halte ich fiir unwahrscheinlich, fiir ein bestimmtes Objekt, das Ascaris-Ei, sogar fiir ausgeschlossen, und zwar auf Grund gewisser friiher von mir mitgeteilter Beobachtungen. Ich habe zwei Falle beschrieben (13, 8. 169, und 17, 8. 20), wo in Eiern von Ascaris meg. die Reifungsprozesse abgelaufen waren und der Eikern vor der Auflésung stand, bezw. sich bereits auf- gelést hatte, ohne da8 das Spermatozoon in Thatigkeit getreten war. In dem einen Falle war das Spermatozoon gelaihmt in der Eiperipherie liegen geblieben, im anderen war gar keines vorhanden. In beiden Eiern war nun keine Spur von faseriger Differenzierung, von Centrosomen, Spindel, Spharen etc. vorhanden, obgleich nach dem Zustande der Chromosomen eine zweipolige Figur zu erwarten gewesen wire. Ich schliebe daraus, dafS der Eikern von Ascaris ein reiner Nucleus ist, der die — offenbar primitive — Fahigkeit der Centrosomenbildung vollkommen verloren hat!). Das Gleiche mochte ich fiir die meisten Metazoen annehmen; doch werden nur 1) Nicht alles, was wir mit dem Verlegenheitsausdruck ,achro - matische Kernsubstanz bezeichnen, reprasentiert demnach ein Cytocentrum. Zellen-Studien. 193 Versuche, bei denen einer, nach ihren sonstigen Eigenschaften zur Teilung geneigten Zelle das Centrosom genommen, der Kern aber gelassen wird, in dieser Frage eine Entscheidung bringen kénnen. Ist es nun richtig, daf der Eikern im Ascaris-Ei und somit auch der mit ihm ganz identische Spermakern ein Nucleus ist, wihrend das Keimblaschen sich als Centronucleus dokumen- tiert, so muf ein Vorgang existieren, welcher entweder dem Keim- blaschen selbst oder einem seiner Vorfahrenkerne den Charakter des Centronucleus verleiht. Und hier ist gewif die vorliufig nachstliegende Annahme die, da’ das Centrosoma der letzten Ovogonien-Generation seine Selbstindigkeit aufgiebt und sich mit dem Kerne vereinigt. Fiir Fille, wie sie Sana (93) und besonders EK. First (46) beschrieben haben, wo statt der typischen Ovocyten- spindeln (Netren) solche mit Centrosomen und Strahlungen vor- liegen, ware anzunehmen, daf entweder jene Vereinigung unter- blieben ist oder da sich von dem Centronucleus wieder Centro- somen abgespalten haben. In dbnlicher Weise waren wohl die Erscheinungen bei der Parthenogenese von Artemia, wie sie Braver (22) beschrieben hat, zu beurteilen. Die bei der Furchung auftretenden Centrosomen waren aus dem bei der Ovocytenteilung fungierenden Netrum abzuleiten. Auch fiir den Kern des Seeigel-Eies wire es denkbar, daf sein Cytocentrum aus dem inneren Centrosoma der II. Ovocyten- spindel hervorgeht, wenn auch vielleicht mehr dafiir spricht, daf bei den Seeigeln in allen Kernen ein latentes Cytocentrum erhalten bleibt. Kin Gleiches miissen wir fiir die Kerne der von SCHAUDINN auf diese Verhaltnisse untersuchten Heliozoen annehmen. Wir kommen so zu dem Ergebnis, da8 es sich in den be- trachteten Fallen, streng genommen, nicht um eine Neubildung von Centrosomen handeln wiirde. Denn wenn auch das Centro- soma als individualisiertes Gebilde vorher nicht vorhanden war, so entsteht es doch nicht als etwas eigentlich Neues, so wie es die kiinstlich erzeugten Centrosomen Morean’s thun wiirden, sondern nur durch eine in genau regulierter Weise sich vollziehende Um- bildung eines schon vorhandenen Cytocentrums. Ich mochte fir diese Art der Bildung von Centrosomen einen Ausdruck anwenden, den Drizscu (33) fiir die eigentiimlichen Regenerationsvorgange der Tubularien eingefiihrt hat: Reparation. Gewisse Cen- tronuclei sind im Stande, unter bestimmten Be- dingungen Centrosomen zu reparieren. Bd. XXXV. N. F. XXVIII. 13 194 Theodor Boveri, Von dieser Reparation wiirde ich als Regeneration (im engeren Sinn) den Fall unterscheiden, daf ein reiner Nucleus, dessen essentieller Bestandteil also nur Chromatin ware, die Bildung eines neuen Centrosoms veranlassen kénnte. Es ware dieses Ver- mégen mit demjenigen in Parallele zu stellen, welches wir an Proto- zoen sehen, denen ein Teil ihres Kérpers mit bestimmten Organen weggenommen, der Kern aber erhalten geblieben ist. Wie hier die Anwesenheit des Kernes der Zelle die Tendenz und Fahigkeit verleiht, die fehlenden Teile wieder zu ersetzen, so wirde in unserem Falle der Mangel des Centrosoms als ein Defekt an der Totalitat der Zelle empfunden und durch eine regulatorische Ein- wirkung von Seiten des Kernes der fehlende Teil wieder gebildet werden. Ich halte es jedoch nach unseren gegenwartigen Kennt- nissen fiir unwahrscheinlich, daf Centrosomen in dieser Weise regeneriert werden. Man kénnte vielleicht die Art, wie nach R. Hertwic die Abspaltung des Centrosoms vom Kern bei Actino- sphaerium verlaiuft, auf die erérterte Méglichkeit beziehen. Allein es scheint mir doch viel naher zu liegen, auch hier die Bildung des Centrosoms an das Netrum des Kernes anzukniipfen, wobei dessen dichte Impragnation mit Chromatin einen, wohl neben- sichlichen, Uebergang dieser Substanz auf das Centresom zur Folge hat. Bei einer Ersetzung zu Grunde gegangener Centro- somen, wie ich sie als Regeneration gekennzeichnet habe, miifte wohl eher an eine Wirkung des Kernes gedacht werden, die sich ohne direkte Verwendung eines vorher schon geformten Kern- teiles vollzieht. In dem Satze R. Hertwie’s, den ich Eingangs dieses Ab- schnittes citiert habe, ist die Vermutung ausgesprochen, daf die Riickbildung von Centrosomen, nachdem sie ihre Funktion bei der Zellteilung erfillt haben, und ihre Wiederbildung (aus dem Kerne) zum Zweck der nachsten Teilung eine weit verbreitete, um nicht zu sagen gewodhnliche Erscheinung in den Zellen der Metazoen sein diirfte. Dieser Meinung kann ich mich nicht anschliefen. Denn wir vermégen nun doch fiir eine geniigende Zahl von Zellen, ja man darf fast sagen: fiir alle, bei denen eine genaue Unter- suchung moglich war, zu verfolgen, wie sich das Centrosom als solches durch Teilung von einer Zellengeneration auf die nachste forterbt; und wie zih sich diese Kérperchen erhalten, dies lehren in uniibertrefflicher Weise jene abnormen Faille, wo eine Zelle eine gréfere Zahl von Centrosomen in sich birgt, die sich nun bei jedem weiteren Teilungsschritt verdoppeln. In gleichem Sinne Zellen-Studien. 195 sprechen die in rascher Folge sich mehrenden Erfahrungen tiber das Vorhandensein von Centrosomen in den lange oder dauernd ruhenden Gewebszellen. Hier ist kein Zweifel mehr méglich, daf die Centrosomen zu Dauerorganen geworden sind. Ich méchte diese Betrachtungen nicht schlieBen, ohne eine allgemeinere Bemerkung hinzuzufiigen. Es lat sich verstehen, da8 Forscher, die die Centrosomen nur bei den héchsten Tieren zum Gegenstand ihrer Studien machen und sie hier als scharf individualisierte, aufs klarste begrenzte und durch Farbung dar- stellbare Kérperchen finden, jenem Grenzgebiet, das hier behandelt wurde, mit einem gewissen Unbehagen, ja mit Antipathie gegen- tibertreten. Und etwas Niederschlagendes haben Erérterungen wie die vorstehenden in der That an sich; denn kaum auf andere Weise wird es uns so deutlich zum Bewuftsein gebracht, wie un- endlich oberflichlich sich unsere Erkenntnis an diesen cellularen Phanomenen herumbewegt. Auf der anderen Seite aber ist das sozusagen Vage und Verschwommene, das die Centrosomenlehre durch das Zuriickgehen auf die urspriinglichsten Zellenformen er- halt, etwas Selbstverstindliches. Was uns hier begegnet: daf die auf der héchsten Stufe sich darbietenden Merkmale schwinden und selbst der Name nicht mehr paft, dies ist uns ja auf anderen Gebieten etwas langst Gewohntes. Wir stofen uns nicht daran, da die Saiugetiere in ihren niedersten Reprasentanten nicht wirk- lich siugen, daf die Wirbeltiere, wenn wir bis zu den niedersten herabsteigen, keine ,,Wirbel‘‘-Tiere mehr sind, dafi wir zwischen Protozoen und Metazoen, zwischen Tier und Pflanze keine scharfe Grenze zu ziehen vermégen. Solche Erfahrungen sind, wo wir zum ersten Mal in einem neuen Gebiet auf sie stoBen, unserem Bediirfnis nach Definition und Rubriken unbequem und doch im Grunde das Beste, was wir wiinschen kénnen. Denn es ist in der historischen Natur eines jeden organischen Gebildes mit Notwendig- keit begriindet, dafi, wenn wir nur diese ganze Geschichte kennen, eine einheitliche charakteristische Benennung, eine scharfe Definition und Begrenzung unméglich ist. Dabei miissen wir uns eben immer gegenwartig halten, daf mit der Schwierigkeit einer klassi- fikatorischen Darstellung zugleich unsere Einsicht in das Werden der organischen Welt gewachsen ist. Und dies ist doch die Haupt- sache. 13 * 196 Theodor Boveri, Abschnitt D. Nomenklatur. Im speciellen Teile dieser Arbeit habe ich, im Kinklang mit meinen friiheren Befunden bei Ascaris, den Nachweis gefiihrt, dai die Astrosphare in ihrem Mittelpunkt ein zusammengesetztes Gebilde enthalt: einen gréferen Kérper (Centrosom) mit einem kleineren Korn (Centriol). Da8 dieser gréfere Kérper nicht kurzer Hand ais ein ,,Teil der Sphare‘‘ abgethan werden kann, braucht nach allem, was oben tiber ihn gesagt worden ist, nicht weiter begriindet zu werden. Wenn die Erscheinungen, die wir beobachten koénnen, richtig beschrieben werden sollen, mitissen wir in der Astrosphire noch zwei in einander geschaltete Bildungen unter- scheiden, die durch besondere Namen zu bezeichnen sind. Wie man sie nennen will, ist dabei gleichgiltig, und man moége, wenn meine Bezeichnungen nicht passend scheinen, andere wahlen. Was ich fiir sie beanspruche, ist lediglich dies, daB sie 1) historisch die richtigen und 2) an allen von mir betrachteten Objekten im gleichen Sinne gebraucht worden sind. Auf diese beiden Punkte will ich noch etwas naher eingehen. Bei der Entscheidung der Frage, welches Gebilde den Namen Centralkérperchen oder Centrosom?) zu fihren habe, handelt es sich nur darum, festzustellen, fiir welches er eingeftihrt worden ist. Ich stimme darin vollkommen mit FLemmine tberein, der sagt (41, S. 238): ,,Um aus den Verwirrungen herauszu- kommen .. . scheint es mir am besten, ganz genau historisch zu verfahren und den Namen Centralkérper (sollte eigentlich heiBen: Centralkérperchen) gerade so anzuwenden, wie ihn VAN BENEDEN 1) Diese beiden Ausdriicke habe ich (11) fir Van BENEDEN’S corpuscule central zuerst gebraucht. Wie Fuemmine (41, 8. 238) und Muvus (82, 8. 496) zu der Meinung kommen, ich wolle unter Centro- som etwas anderes verstanden wissen als das VAN BenepEn’sche corpus- cule central, wei8 ich nicht. In meiner ersten Veréffentlichung, in der ich das Wort Centrosom gebraucht habe, ist damit bezeichnet ein auferhalb des Kernes gelegenes specifisches Kérperchen, ,,das ich ,Centrosoma“ oder mit Van Benspen und Nuyr ,Central- koérperchen (corpuscule central)“ nenne“ (S. 152). Und in meiner letzten Verdffentlichung (17, S. 61) habe ich mich aus- driicklich gegen die Annahme verwahrt, daf mein Centrosom mit dem zu identifizieren sei, was VAN BrnepEN ,,Markschicht der Sphare“ nennt. Zellen-Studien. 197 gemeint hat.“ Diesen Weg also wollen wir im folgenden ein- schlagen. Bekanntlich wird die Entdeckung der Centralkérperchen VAN BENEDEN zugeschrieben, wenn auch, wovon oben schon die Rede war, FLEmMinG und O. HerTwiG an anderen Objekten entsprechende Gebilde schon etwas friiher beschrieben hatten. VAN BENEDEN aber war es jedenfalls, der diesem an den Enden der Teilungs- spindel nachweisbaren Koérperchen als ,corpuscule polaire“ zuerst einen Namen gegeben hat, und dieses Polk érperchen der Spindel ist spater von vielen Beobachtern bei der Teilung von Zellen beobachtet worden. Im Jahr 1887 taufte VAN BENEDEN sein corpuscule polaire in ,corpuscule central“ um, eine Bezeichnung, die tibrigens schon 1879 Fou im gleichen Sinn ge- braucht hatte. In For’s (42) Figurenerklarung (S. 299) bedeutet ac — corpuscule central d’un aster. Wenn man nun an die histiologischen Methoden und optischen Hilfsmittel der 7Oer Jahre denkt und daneben betrachtet, was die Autoren damals als corpuscule polaire oder central abgebildet haben, so ist kein Zweifel médglich: soweit sie tiberhaupt etwas Deutliches gesehen haben, ist es das Gebilde gewesen, welches ich Centrosom nenne, nicht dessen centrale Differenzierung. Von be- sonderer Wichtigkeit ist es natiirlich, festzustellen, was Van BENEDEN selbst unter diesen Bezeichnungen verstanden hat. Seiner Darstellung liegen neben anderen Objekten zwei zu Grunde, die im speciellen Teile dieser Arbeit ausfihrlich behandelt worden sind: die Kier und Spermatocyten von Ascaris megalocephala. Statt einer weitlaufigen Erérterung reproduziere ich zwei seiner Bilder in Fig. 7a (Taf. I) und Fig. 101 (Taf. VIII) und bitte, sie mit den meinigen zu vergleichen). Ich denke nicht, daf sich an- gesichts dieser Gegeniiberstellung noch eine Stimme erheben wird, um zu behaupten, was Van BENEDEN abgebildet hat, entspreche meinem Centralkorn oder Centriol. Sein corpuscule central ist iiberall, wenn auch manchmal in verdorbener Gestalt, das gleiche Gebilde, das ich Centralkérperchen genannt habe; das von mir beschriebene centrale Korn (Centriol) hat VAN BrNEpDEN iiber- haupt nicht gesehen. Damit fallt nattirlich von selbst die von manchen Seiten ausgesprochene Annahme, dal mein Central- 1) Auch vergleiche man hier nochmals die in Fig. 76a und Fig. 83a (Taf. VI) reproduzierten Abbildungen von Van BrnepEN und Nryr mit meinen entsprechenden Figuren. 198 Theodor Boveri, kérperchen mit VAN Benepen’s Markschicht der Sphare zu identifizieren sei, und es ist fast tiberfliissig, noch auf meine Figg. 85, 86, Taf. VI, zu verweisen, wo im Umkreis des zu seiner vollen Gréfe gelangten Centrosoms die Markschicht ganz so, wie VAN BENEDEN sie gezeichnet hat, zu sehen ist. Ist damit gezeigt, da8 meine Anwendung des Wortes ,,Central- kérperchen vollkommen der VAN BENEDEN’schen entspricht und daf also z. B. die in Fig. 102 (Taf. VIII) von einem Ascaris- ki gezeichneten Kugeln samt ihren 2 winzigen Kdérnchen die Centralkérperchen oder Centrosomen im urspriinglichen Sinne des Wortes*) darstellen, so versteht es sich von selbst, daf auch die in jeder Hinsicht gleichwertigen Kugeln, wie sie in Fig. 27, 54, 56 und 19, 20 vom Seeigel-Ei und der Ovocyte von Diaulula ab- 1) In seinen Untersuchungen tiber Thysanozoon (99) teilt Van pER Srricut mit (S. 389), da Van BenepeEn sich entschieden da- hin geaufert habe, daf in den Ovocyten von Thysanozoon das winzige Kérnchen, welches man sofort als das Aequivalent meines Centralkorns erkennt, seinem corpuscule central entspreche. Wenn Van Benepen dieses Korn jetzt als corpuscule central be- zeichnen will, so ist dagegen nichts einzuwenden; wenn er aber mit jener AeuSerung sagen wollte, dai das von Van Der Srricur gefundene Korn seinem friiher bei Ascaris beschriebenen corpuscule central entspreche, so befindet er sich in einem Irrtum. Es giebt nicht leicht eine entschiedenere Uebereinstimmung, als sie zwischen den Bildern Van per Srricut’s und denen VAN Brnepen’s besteht. Man sieht hier und dort die dunklere dichtere Rindenschicht der Sphiare, man sieht die hellere, schwacher radial gezeichnete Markschicht der Sphire, in dieser hier .wie dort ein kugeliges dichteres Kérperchen, so grof, daf man leicht Strukturen darin erkennen kann, das alte Van Bunepen’sche corpuscule central. Was Van per Srricut’s Figuren mehr zeigen, ist ein in diesem kugeligen Kérperchen gelegenes kleines Korn, das Centriol, welches Van BrENEDEN entgangen war. — Uebrigens widerspricht Van BenepEN mit dieser bei VAN DER StricuT gemachten Aeuferung nicht nur seiner alten Bezeichnungsweise fiir das Ascaris-Hi, sondern auch der Terminologie, die er ganz neuerdings (1897) fiir Objekte angewandt hat, die der von VAN DER Srricut untersuchten Polyclade (Thysanozoon) aufs nachste verwandt sind, namlich einige andere Polycladen, deren KEireifung und Befruchtung Francorre (44) in einer unter Van Brnepen’s Aegide ausgefiihrten interessanten Arbeit beschrieben hat. Sowohl in der Abhandlung Francorte’s wie in VAN Benepen’s Bericht iiber dieselbe (45) wird als cor- puscule central die grofe in der Sphire enthaltene Kugel be- zeichnet; das von VAN DER SrricuT nachgewiesene kleine Korn hat Francorre gar nicht beobachtet. Zellen-Studien. 199 gebildet sind, als Centralkérperchen bezeichnet werden miissen. Dariiber noch ein Wort zu verlieren, scheint mir unnétig zu sein. Ist aber in diesem Punkte kein Zweifel méglich, dann ist es klar, daf auch der noch viel gréSere Kérper, der im Seeigel-EKi wahrend der Anaphasen aus dieser Kugel wird (Fig. 58), als Central- kérperchen zu bezeichnen ist und daf tiberhaupt in dem Kreis- lauf, den ich von diesem Gebilde beschrieben habe, die Schick- sale eines Centralkérperchens beschrieben worden sind. Wenn es sich dabei nun herausstellt, dafi das Centralkérperchen ein komplizierteres Gebilde ist, als man bisher vielfach annahm, und daf es sich in seinen Schicksalen bei manchen Objekten anders verhalt als nach den gangbaren Vorstellungen, so miissen eben, wie stets bei einem Fortschritt der Wissenschaft, diese Vor- stellungen geindert werden. Schon mehrfach wurde im Laufe dieser Arbeit erwahnt, daf’ nach manchen Angaben, so besonders nach denen von VAN DER StTrRIcut fiir Thysanozoon (99), das Central- kérperchen nicht als Ganzes von einer Zellengeneration auf die nachste iibergehen soll, sondern nur das Centriol, um welches dann erst wieder ein neues Centrosom entsteht. Nachdem ich im Seeigel-Ei Verhaltnisse festgestellt habe, die mit denen in den Ovocyten von Thysanozoon die gréfte Aehnlichkeit haben, dabei aber zeigen konnte, daf doch eine wirkliche Kontinuitaét der Centrosomen besteht, die nur bei mancher Praparationsweise auferst schwer nachweisbar ist, diirften VAN DER STRICHT’s und ahnliche Angaben wohl noch der Bestatigung bediirfen. Sollte es sich aber wirklich so verhalten, wie er es angiebt, dann miissen wir eben unsere Anschauung, daf das Centralkérperchen tiberall ein dauerndes Zellenorgan sei, aufgeben, so gut wir dies fiir den Kern langst thun muften. Und wie wir gewisse Formen der Karyokinese eine indirekte (nur durch das Chromatin ver- mittelte) Kernteilung nennen, so kénnten wir in solchen Fallen von einer indirekten, nur durch das Centriol vermittelten, Centrosomenteilung sprechen. Ich habe mich bisher nur an den morphologischen Befund und die fiir denselben eingefiihrte Bezeichnungsweise ge- halten. Nun ist noch darauf hinzuweisen, daf} auch nach unserer physiologischen Auffassung nur das gréBere der beiden Ge- bilde historisch auf den Namen Centralkérperchen Anspruch machen kann. Stets hat man unter Centralkérperchen das Centrum der Astrosphire verstanden, sei es als Erregungs-, sei es als Insertionscentrum. In beider Bedeutung kann, wie oben dargelegt, 200 Theodor Boveri, nur das gréfere K6érperchen als Centralorgan der Sphare an- gesehen werden. Wie sind nun die Befunde der Wirbeltierhistio- logen nach der von VAN BenepeN und mir aufge- stellten Terminologie zu bezeichnen? Meine Untersuchungen zeigen, wie schwer es unter Umstanden sein muf zu entscheiden, ob ein Centrosom oder Centriol vorliegt. Wer kénnte, wenn ihm von den Furchungszellen des Pferdespul- wurms nichts anderes bekannt ware als das in Fig. 94 dargestellte Stadium,mit 2 kleinen, schwarz gefarbten Kérperchen, angeben, ob dies die Centrosomen oder Centriolen sind? Aehnlich aber stehen wir, der Natur der Sache nach, den histiologischen Befunden gegentiber, wozu als ein weiteres ungiinstiges Moment die Klein- heit der Elemente kommt. Zieht man noch in Erwagung, daf in Fallen, wo die Eisenhamatoxylinmethode zur Darstellung der Centren dient, die konzentrische Entfarbung eine gewisse Rolle spielen wird, so wird man zugeben miissen, daf uns zu einer sicheren Entscheidung fiir die meisten Litteraturangaben noch die ndétigen Grundlagen fehlen. Ich selbst war friiher geneigt, die zuerst von FLEMMING bei Salamandra gefundenen Doppelkérperchen als Cen - triolen in Anspruch zu nehmen, und ich habe speciell die von M. HemENHAIN in den Kaninchen-Leukocyten nachgewiesenen Kérperchen als solche gedeutet. Auch viele anderen Autoren teilen offenbar diese Meinung. Wenn ich neuerdings wieder zweifelhaft geworden bin und eher dazu neige, die fraglichen Kérperchen als Centrosomen anzusehen, so bestimmt mich dazu vor allem folgender Grund. Ich habe schon oben hervorgehoben und an einem Beispiel dargethan, daf sich die Gréfe der Centrosomen, wenn auch nicht streng, nach der Gréfe der Zellen richtet. Wie klein sind nun die meisten Gewebezellen der Wirbeltiere im Vergleich zu einem Ascaris- oder gar zu einem Seeigel-Ei! Wenn hier jene Regel nur einigermaSen anwendbar ist, so miissen wir in einer solchen Zelle ganz winzig kleine Centrosomen erwarten; und wenn man nun die Doppelkérperchen betrachtet, wie sie von FLEMMING, HEIDENHAIN, ZIMMERMANN, MervES, LENHOSSEK u. a. von ruhenden Zellen abgebildet worden sind, so wird man zu dem Schluf’ kommen: der Gré&e nach sind es die Centrosomen, ja sogar groBe Centrosomen, wo- mit weiterhin stimmen wiirde, dai die Existenz eines gréferen Kérpers in ihrem Umkreis von den meisten Autoren entschieden bestritten wird. Daf sich in Centrosomen von solcher absoluten Zellen-Studien. 201 Kleinheit nicht noch kleinere Gebilde erkennen lassen, ist selbst- verstindlich, und der Nachweis von Centriolen kann hier also gar nicht erwartet werden. Es giebt gewif manches wichtige Problem in betreff der Centrosomen, fiir welches gerade die hochdifferen- zierten Gewebezellen von griéfter Bedeutung sind; allein fir Fragen tiber Struktur und Strukturveranderung dieser Gebilde kénnen sie nicht mafgebend sein. Hier werden stets die groBen Zellen, wie Kier und Furchungszellen, die wir iiberdies leicht in allen Phasen von einer Teilung zur nachsten beobachten kénnen, als Paradigma dienen miissen. Ich michte das Gesagte dahin zusammenfassen: Wenn die Histiologen die von ihnen in den Gewebezellen gefundenen Doppel- kérperchen ,Centralkérperchen* oder »Centrosomen” nennen, so haben sie nicht nur vollkommen recht, diese Namen promiscue zu gebrauchen, sondern sie folgen damit auch hochst wahrscheinlich der alten Nomenklatur von VAN BENEDEN und mir, indem es in der That nahezu sicher ist, da8 diese Kérperchen den Gebilden entsprechen, die VAN BENEDEN und ich fir das Ascaris-Ei beschrieben haben. Sollte sich aber wider Erwarten ergeben, daf die fraglichen Kérperchen der Histiologen in manchen Fallen den von mir bei Ascaris entdeckten winzigen Kornern, den Centralkérnern oder Centriolen, entsprechen, so wiirde es vielleicht méglich sein, sie auch so zu nennen. Zum Schluf scheint es mir nicht unniitz zu sein, iiber die Zweckmafigkeit der vorgeschlagenen Termini noch einiges zu sagen. Ich habe fiir ,,Centralkérperchen“ die Bezeichnung ,,Centro- soma‘ eingefiihrt, weil es mir schien, daf fiir dieses Gebilde ein klarer und einfacher technischer Ausdruck am Platze sei. In dieser Meinung, da cellulare Teile und Konfigurationen mit besonders fiir sie gebildeten wissenschaftlichen Namen bezeichnet werden sollen, finde ich mich ja wieder in voller Uebereinstimmung mit Fiemuine, der selbst die Nomenklatur der Zelle mit einer Reihe griechischer Namen bereichert hat. Der Ausdruck ,,Central- kérperchen“ geht noch zur Not als technischer Ausdruck, indem das Diminutivum ihn iiber eine ganz indifferente Bezeichnung einigermawen hinaushebt. Héchst ungeeignet als wissenschaftlicher Name ist dagegen das Wort ,,Centralkérper“; denn es ist der nichstliegende und stets gebrauchte Ausdruck fiir irgend ein in irgend einem Mittelpunkt gelegenes korperliches Gebilde. So kann 202 Theodor Boveri, man diesem Wort iiberall begegnen?), und zum Beweis dafiir, wie wenig gerade die Sprache des Zellenforschers auf dasselbe als auf eine indifferente Bezeichnung zu verzichten gewillt ist, sei nur angefiihrt, dal seit der Zeit, wo wir die cellularen Centren als ,centralkérper“’ benennen, dieser Ausdruck von Birscuir und von Born fiir ganz andere Teile von Zellen verwendet worden ist, von Birscuur (23) fiir einen centralen Bereich in Bakterien, den er damals fiir den Kern zu halten geneigt war, von Born (8) fir ein im Amphibien-Keimblaschen zu beobachtendes, ,,mehr oder weniger kugeliges Centrum, welches die Chromatinfadenstrange und zwischen diesen eine wechselnde Zahl verkleinerter und haufig abgeblafter Nukleolen enthalt“t (S. 21). Aber damit nicht genug, ergiebt sich schon allein fir die Sphirenlehre die Not- wendigkeit, den indifferenten Ausdruck Centralkérper neben einem Terminus technicus zur Verfiigung zu haben, wie MorGan’s kiinst- liche Astrosphaéren lehren, welche die deutlichsten Central- kérper, d. h. centrale kérperliche Differenzierungen, aber keine Centrosomen enthalten. Da8 unter solchen Umstanden das Bediirfnis nach einem un- zweideutigen, womdglich aus dem Vorrat einer toten Sprache gebildeten Terminus technicus besteht, ist klar. Das Wort »Centrosoma® ist ein solcher, und daf er brauchbar ist, dies scheint’ mir durch seine Anwendung sowohl fiir tierische wie pflanzliche Objekte in allen Sprachen, in denen iiber die Zellen geschrieben wird, erwiesen zu sein. In der That diirfte er allen Anforderungen, die an einen technischen Ausdruck gestellt werden kénnen, geniigen. Er ist erstens sinngemaf und bezeichnend und in dieser Hinsicht denr Wort Centralkérperchen jedenfalls gleich- wertig; er ist zweitens, worauf FLEMMING mit Recht stets grofen Wert legt, kurz und in der jetzt gewohnlich gebrauchten Form »Centrosom“ dem Wort Centralkérperchen, auch nachdem es um seine Diminutiv-Endung gestutzt worden ist, in dieser Hinsicht erheblich tiberlegen; er ist drittens so bestimmt fixiert, wie es ein technischer Ausdruck in den biologischen Wissenschaften tiber- haupt sein kann. Gerade diese EKigenschaft ist ihm zwar von manchen Seiten abgesprochen, dagegen fiir den Ausdruck ,,Central- kérper betont worden, daS die Histiologen unter ihm iiberall 1) So bezeichnete z. B. Firemmine seiner Zeit den Sperma- kern des Seeigel-Eies als Centralkérper der Spermastrahlung. Zellen-Studien. 203 dieselben im ganzen Tierreich wiederkehrenden kleinen, in Eisen- haimatoxylin schwarz farbbaren, kugeligen Kérperchen verstiinden, deren Gleichwertigkeit zweifellos sei. Wie es mit dieser ,durch- gangigen morphologischen Identitat* der ,,Central- kérper“ bestellt ist, habe ich oben dargethan. In der That hat HEIDENHAIN, der in dieser Beziehung am konsequentesten zu sein glaubt, als Centralkérper in diesem angeblich strengen Sinne bezeichnet: 1) unzweifelhafte Centrosomen; denn die schwarzen »Centralkérper“, die er z. B. in seiner Fig. 12a (55, S. 261) ab- bildet, kénnen nach ihrer GréSe und nach der Art, wie die Spindelfasern sich bis an ihre Oberflaiche heran verfolgen lassen, nur Centrosomen sein; 2) unzweifelhafte Centriolen; denn er betrachtet die z. B. von KOSTANECKI im Seeigel-Ei nachgewiesenen Kérnchen, deren Identitat mit meinen Centriolen unzweifelhaft ist, als ,Centralkérper“ ; 3) Farbungsartefakte, die in ihrer GréfSe zwischen Centrosomen und Centriolen in der Mitte stehen, hervorgebracht durch konzentrisches Auswaschen des Eisenhimatoxylins; auch diese Kunstprodukte, welche in der Arbeit von KosTaNecki und SIEDLECKI eine so grofe Rolle spielen, bezeichnet HerpEnHarn (55, S. 247) als ,,Centralkérper“ ; 4) pathologische Produkte, namlich die Granula bei kérnigem Zerfall der Centrosomen, so in den vielkernigen Riesen- zellen der Kaninchenlymphdriise (55). Wenn also der Terminus Centrosom bisher nicht itiberall im gleichen Sinne angewendet worden ist, so teilt er dieses Geschick vollkommen mit der Bezeichnung Centralkérper; und es besteht kein Hindernis, beide von Anfang an _ gleich- bedeutenden Ausdriicke von jetzt an streng fiir dasjenige Gebilde zu gebrauchen, fiir das sie eingeftihrt worden sind, und die in demselben nachweisbaren kleineren Gebilde mit einem besonderen Namen zu belegen. | Diese Einschlisse als ,Centralkérper“ zu benennen, wenn das ganze Gebilde ,Centrosoma* heift, ist kaum an- gingig. Denn abgesehen von der historisch gleichen Bedeutung beider Ausdriicke, ist ja der eine nur eine wortliche Uebersetzung des anderen. Sodann aber ist fiir jene Falle, wo diese in Rede stehenden kleineren Gebilde richtig erkannt, d. h. als Hin- schliisse des wirklichen Centralkérperchens nach- 204 Theodor Boveri, gewiesen worden sind (von mir im Ascaris-EKi, von BRAUER in den Spermatocyten von Ascaris, von Mac Faruanp bei Diaulula), langst ein besonderer deutscher Ausdruck fir dieselben eingefiihrt, der nicht nur kiirzer, sondern auch bezeichnender ist, namlich Centralkorn. Fir dieses deutsche Wort habe ich in vorstehender Arbeit den Terminus technicus Centriol (Centriolum) gebraucht, eine Be- zeichnung, die ich 1895 (17, S. 66) fir kleine Kérperchen vor- geschlagen habe, die sich als Einschltisse des Centrosoms darstellen. Ich habe damals die Centriolen nicht ausdriicklich mit den Centralkérnern identifiziert, aber eine Identitat beider auch nicht ausgeschlossen. Nachdem bereits viele Autoren diesen neuen Ter- minus acceptiert und fiir Centralkorn gebraucht haben, scheint es mir zweckmabgig zu sein, ihn weiter in diesem Sinne zu gebrauchen. Wie hier eine Diminutivbildung von ,,centrum“ zu einem technischen Ausdrucke gemacht worden ist, so diirfte es sich tiber- haupt empfehlen, alle auf die Centrosomen und ihre Bestandteiie beziiglichen Termini durch Zusammensetzung mit dem Worte ,Ccentrum* zu bilden, und umgekehrt alle so zusammengesetzten Ausdriicke nur fiir die in Rede stehenden Teile der Zelle anzu- wenden. So habe ich im Vorstehenden die Substanz des Centro- soms ,,.Centroplasma® genannt, ein Ausdruck, der ja schon friher yon manchen Autoren ungefihr im gleichen Sinne verwendet worden ist, wihrend ERLANGER die Substanz der Sphare so be- zeichnet hat. Ich sehe mit FLremmine keinen Grund fiir eine derartige Anwendung des Wortes, die nur zu Verwirrungen fiihren mus. Hat man fiir die Substanz der Sphiare einen besonderen Namen ndtig, so ist hierfiir der alte Ausdruck Arehiplasma (Archoplasma) vorhanden, den man, wenn man ihn vermeiden will, durch ,Sphairoplasma* ersetzen kénnte. Der Terminus »yArchiplasma‘ oder der SrraspurGer’sche Namen ,,Kino- plasma* ist jedoch deshalb meines Erachtens vorzuziehen, weil es darauf ankommt, eine Bezeichnung zu haben, welche auch dann auf diese Substanz paBt, wenn sie nicht zu einer ,,Sphare“ zu- sammengezogen ist. Es giebt Falle, wo man von den cellulairen Centren zu sprechen hat, ohne daf ein so bestimmter Ausdruck wie Centrosoma passend erscheint, sei es, daf die Darstellungsmittel ein scharf begrenztes kérperliches Gebilde tberhaupt nicht erkennen lassen }), 1) In manchen Fallen dieser -Art kénnte man anstatt von Centrosomen von ,Centroplasmen*“ sprechen. Zellen-Studien. 205 wie es lange Zeit fiir das Seeigel-Ei der Fall war, sei es, da’ sich nicht entscheiden lat, ob das, was zur Beobachtung kommt, das Centrosom oder Centriol ist; oder auch da, wo es sich um jene im Kapitel VI, Absatz b beschriebenen phylogenetischen Vor- stufen handelt, welche noch nicht als ,Centrosomen“ bezeichnet werden kénnen. Solchen Bediirfnissen nach einem ganz indifferenten Ausdruck entspricht am besten der, soviel ich weil, zuerst von E. VAN BEeNEDEN vorgeschlagene Terminus ,,Cytocentrum*, den ich im Laufe der vorstehenden Betrachtungen vielfach gebraucht habe. Ihm schliefen sich dann voéllig sinngemaif die specielleren Termini von Fou: Ovo- und Spermocentrum an. Manche Autoren gebrauchen da, wo ich den Ausdruck Cyto- centrum anwende, den Hetpennarn’schen Terminus ,,Mikro- centrum“, wobei jedoch zu bemerken ist, dafi nach HEIDEN- HAIN’s Aufstellung diese beiden Begriffe sich nicht decken. Denn das Wort Mikrocentrum im Sinne HemeEnnatn’s bedeutet das eine Mal ein einzelnes, wenn auch unter Umstanden in Zwei- oder Mehrteilung begriffenes Cytocentrum (Centrosoma), das andere Mal einen Cytocentrenhaufen, so daf also z. B. HEemen- HAIN’S Figg. 51 und 60 von Riesenzellen des Knochenmarkes (54) nur ein einziges Mikrocentrum, aber zahlreiche Cytocentren dargestellt enthalten. Daf der Begriff des Mikro- centrums in dieser Fassung unhaltbar ist, glaube ich schon friiher (17) und wieder oben (Kapitel V, Absatz c) gezeigt zu haben. Aber selbst wenn diese urspriingliche Bedeutung, um derentwillen vor allem der Terminus aufgestellt worden ist, fallen gelassen wiirde, diirfte er kein gliicklicher sein. Zwei Motive kénnten fiir seine Bildung in Betracht kommen; 1) da8 er ein bezeichnen- der Ausdruck ist fiir das, was er benennen soll, 2) da eine phylogenetische Wertigkeit durch ihn hervorgehoben wird. Beide Bedingungen erfiillt er nicht. Das Mikro- verlangt ein Makro-, das nicht existiert; denn niemand wird das Verhaltnis von Centrosoma und Kern durch ihre Gegentiberstellung als Mikro- und Makrocentrum gekennzeichnet finden. So kénnte der Aus- druck nichts anderes bezwecken, als die Konception M. HEIDEN- HAIN’s zu perpetuieren, wonach das Centrosoma dem Mikronucleus, der ,,kern‘‘ dem Makronucleus der ciliaten Infusorien entspreche, eine Anschauung, deren Unhaltbarkeit zweifellos ist. Ich stelle zum Schlu& die von mir gebrauchten Termini tiber- sichtlich zusammen: 206 Theodor Boveri, 1) Centrosoma = Centralkérperchen (corpuscule central, corpuscule polaire), die gréfere der beiden in einander geschal- teten kérperlichen Differenzierungen im Centrum der Spharen. Doppelcentrosom, ein in Zweiteilung begriffenes Centro- som, dessen Hialften noch zu einem einheitlichen Ké6rper ver- bunden sind. — Der Prozef, durch den ein solches zweiteiliges Centrosom entsteht, ist der der Verdoppelung, im Gegensatz zu dem der Separation, worunter die Trennung der beiden Halften zu zwei neuen Spharenmittelpunkten zu verstehen ist (vgl. 8.111). Ein in simultaner Dreiteilung begritfenes Centrosom ware als Tripelcentrosom zu bezeichnen. 2) Centroplasma, die Substanz des Centrosoms. 3) Centriol = Centralkorn, das kleine in Ein- oder Zwei- zahl vorhandene Korn in der Mitte des Centrosoms. 4) Cytocentrum, indifferenter Ausdruck fiir das Central- organ der Sphare oder dessen Aequivalent. Das Centrosoma ist ein individualisiertes Cytocentrum. 5) Centronucleus, ein Kern, der ein Cytocentrum, sei es diffus, sei es konzentriert, in sich enthalt (vgl. S. 183). 6) Netrum, im urspriinglichsten Falle der aus achromatischen Teilen des Centronucleus sich differenzierende zweipolige Faden- apparat (Spindel), sodann die aus manchen Centrosomen (Typus Diaulula) bei deren Teilung hervorgehende Centralspindel (vgl. S. 182). 7) Kinetische Periode des Centrosoms, diejenige, wihrend deren das Centrosom im Stande ist, eine zu karyokine- tischer Wirkung befahigte Sphare (Kinosphare) zu erzeugen (vgl. S. 157 und S. 123). 8) Reparation des Centrosoms, Bildung eines Centro- soms aus einem diffusen Cytocentrum des Kernes (vgl. 8. 193). 9) Regeneration des Centrosoms, Bildung eines solchen ohne Ankniipfung an ein bereits vorhandenes Cytocentrum (vgl. S. 194). Zellen-Studien. 207 Litteraturverzeichnis. 1) Batuowirz, E., Ueber Sichtbarkeit und Aussehen der unge- firbten Centrosomen in ruhenden Gewebszellen. Zeitschr. f. wiss. Mikr. u. mikr. Techn., Bd. XIV, 1897. 2) Brnrens, G., Die Reifung und Befruchtung des Forelleneies. Dissert. 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Fig. 14. Spermatozoen von LEchinus microtuberculatus, in a—c voll gefarbt, in d—h konzentrisch entfarbt, h das Mittel- stiick in der Richtung der Spermatozoenachse gesehen. Vergr. ca. 2000. Fig. 15. Fettahnliche Kérperchen aus dem Ovarium von Echinus microtuberculatus mit konzentrischer Entfarbung des Eisen- hamatoxylins. Fig. 16. Schnitt durch eine Gruppe von Ascaris-Eiern. Nur die in verschiedener Hohe getroffenen Schalen sind gezeichnet. Eisenhimatoxylin. An den Beriihrungsstellen der Schalen bleiben bei der Entfarbung schwarze Flecken iibrig. Fig. 17. Schnitt durch ein Ei von Echinus microtuberculatus. Pikrinessigséure, Eisenhamatoxylin. Vergr. ca. 930. Kérniger Zer- fall der Centrosomen (plurikorpuskulares Mikrocentrum nach M. HeIDENHAIN). Fig. 18. Schnitt durch eine Furchungszelle von Ascaris me- galocephala. Pathologischer Zerfall des Centrosoms (plurikorpus- kulares Mikrocentrum nach M. Herpennatn). 214 Theodor Boveri, adel ate Fig. 19—26. Centrosomen und Sphiaren aus Ovocyten von Diaulula sandiegensis (nach F. Mac Faruanp). Vergr. ca. 1000. Das innere Centrosom der I. Ovocytenspindel (Fig. 19) teilt sich (Fig. 20—26) in die beiden Centrosomen der II. Ovocyten- spindel unter Bildung eines Netrums (Centralspindel). Manele i Fig. 27— 36. Eier und primiare Blastomeren von Kchinus microtuberculatus, Pikrinessigsiure, Hisenhamatoxylin. Vergr. ca. 1000. Fig. 27. Stadium der Aequatorialplatte. Kugelige Centrosomen mit schwammiger Struktur. Fig. 28. Tochterplatten. Die Centrosomen vergréfert. Fig. 29. Tochterplatten weiter auseinandergeriickt. Die Cen- trosomen noch gréfer und in der Richtung der Teilungsachse stark abgeplattet. Fig. 30. Umwandlung des Centrosoms zur Scheibe. Fig. 31. Scheibenférmige Centrosomen im Durchschnitt. Be- ginn der Kernblaschenbildung. Fig. 32. Streckung des Eies. Aus den Chromosomen sind Gruppen von Kernblischen entstanden. Die scheibenfoérmigen Cen- trosomen in beginnender Zweiteilung in, ausnahmsweise, zu einander senkrechten Richtungen. Entstehung der Doppelstrahlung in der_ alten Astrosphare. Fig. 33. Das Ki in Durchschniirung begriffen. Ruhende Kerne. Einem jeden angeschmiegt das langgestreckte Doppelcentrosom mit Doppelstrahlung. Fig. 34. Das Hi in 2 Zellen geteilt. Das Doppelcentrosom lang tiber den gestreckten Kern hingezogen. Deutliche Doppel- strahlung. Fig. 35. Entsprechendes Stadium in einem zum vorigen senk- rechten Durchschnitt. Querschnitt durch den Verbindungsstiel des Doppelcentrosoms. Fig. 36. Etwas spateres Stadium. In jeder Zelle 2 Tochter- centrosomen, in der linken noch durch einige Fasern verbunden. Fig. 37a und b. Spermatocyte von Astacus fluviatilis. Fuem- miInG’sche Flissigkeit. Boraxkarmin. Isolationspraparat. b gegen a um ca. 90° gedreht. Im Centrum der Zelle ein Centrosoma. Die Chromosomen als Kugelschale um dasselbe angeordnet, Fig. 38. Ei yon Echinus microtuberculatus. Stiick eines Schnittes senkrecht zur Teilungsachse. Ungewéhnliche Form der Centrosomenteilung. Vergr. ca. 1000 Zellen-Studien. 215 Fig. 39. Desgleichen, etwas spiteres Stadium. In jedem Tochtercentrosom 2 Centriolen sichtbar. Vergr. ca. 1000. Fig. 40a—d. Vier Schnitte durch ein zweizelliges Stadium von Echinus microtuberculatus, um die verschiedenen Durchschnitte durch die Centrosomen zu zeigen. Vergr. ca. 540. Tafel TV. Eier und primaire Blastomeren yon Echinus microtuberculatus. Pikrinessigsiure, Eisenhimatoxylin. Fig. 41—48. Schnitte senkrecht zur Teilungsachse des Kies, das eine Centrosom enthaltend. Vergr. ca. 930. Fig. 41. Scheibenférmiges Centrosom von der Flache. Fig. 42. Beginn der Zweiteilung. Fig. 43 und 44. Deutlich ausgepragte Zweiteilung. Die Platte geht in eine diffuse Hantel iiber. Doppelstrahlung innerhalb der alten Sphire. Fig. 45. Das hantelférmige Centrosom kleiner und dichter geworden. Fig. 46 und 47. Streckung desselben mit immer starker aus- gepragter Doppelstrahlung. Fig. 48. Die Endanschwellungen an entgegengesetzten Enden iiber den gestreckten Kern hinausragend; der Mittelteil in Auf- lésung. Die alte Sphare fast erloschen. _ Fig. 49—53. Schnitte, welche die alte Zellteilungsachse ent- halten, zugleich in der Richtung der Streckung und Teilung des Centrosoms. Fig. 49. Deutliche Zweiteilung des scheibenformigen Centro- soms mit sehr gut ausgepraigter Doppelstrahlung. Vergr. ca. 1000. Fig. 50. Verkleinertes hantelférmiges Centrosom, im Begriff, sich dem entstehenden Kern anzulegen. Vergr. ca. 930. Fig. 51. Das hantelférmige Centrosom dem Kern angeschmiegt. Vergr: ca. 930. Fig. 52. Streckung des hantelférmigen Centrosoms, so da8 die Enden an opponierte Seiten des Kernes zu liegen kommen. So- wohl die Enden als der Verbindungsstiel in einigem Abstand yom Kerne. Vergr. ca. 1000. Fig. 53. Ungewohnliche Stiftform der Tochtercentrosomen, die noch durch einen iiber den Kern laufenden Strang verbunden sind. Vergr. ca. 930. Fig. 54. Ei in Metakinese. Die Centrosomen durch und durch schwarz gefarbt. Vergr. ca. 1000. 216 Theodor Boveri, Fig. 55a. Ovocyte II. Ordnung. Links oben die II. Rich- tungsspindel, neben dem Ei der I. Richtungskérper. Im entgegen- gesetzten Pole der gedrehte Spermakern; davor das Mittelstiick mit Strahlung. Vergr. ca. 1000. Fig. 55b. Ein Stiick des gleichen Schnittes, starker vergréfert. Vergr. ca. 2000. Tafel V; Fig. 56-—%0. Kier und primare Blastomeren von HEchinus microtuherculatus. Pikrinessigsiure, Hisenhamatoxylin. Darstellung der Centriolen. Vergr. ca. 930. Fig. 56. Stadium der Aequatorialplatte. Centrosomen sehr bla’. In jedem 2 Centriolen. Fig. 57. Tochterplatten soeben véllig von einander gelést. Centrosomen gréfer und starker farbbar. In jedem 2 Centriolen. Fig. 58. Tochterplatten weit auseinandergewichen. Die stark vergréferten Centrosomen in der Richtung der Teilungsachse ab- geplattet, kérnig und sehr stark farbbar. In jedem 2 durch ein Fadchen verbundene Kérnchen als Centriclen zu deuten. Fig. 59. Etwas spateres Stadium. Umbildung der Chromo- somen zu Kernblaschen. Das Praparat ist sehr stark entfarbt. In jeder Sphaire ein auf der Teilungsachse senkrechtes Fadchen mit schwarzen Kérnchen an den Enden (Centriolen). Fig. 60. Schnitt senkrecht zur Teilungsachse. Stadium zwischen dem der Fig. 57 und dem der Fig. 58. Centrosom noch kreis- formig begrenzt; 2 durch ein Fadchen verbundene Centriolen. Fig. 61. Schnitt wie der der Fig. 58, stirker entfarbt. In dem gestreckten Centrosom eine Aufhellung, in der ein in der Langsrichtung verlaufendes Fadchen mit Centriolen an den Enden sehr deutlich hervortritt. Fig. 62. Gleiches Stadium, Schnitt senkrecht zur Teilungsachse, Die beiden Centriolen mit ihrem Verbindungsfadchen sehr deutlich, Fig. 63. AbstoSung des ,,Centrodeutoplasma‘. Die Centriolen mit ihrem Verbindungsfadchen jederseits zu erkennen. Kleine kugelige Kernblaschen gebildet. Fig. 64. Etwas spateres Stadium. Die Kernblaschen gréfer. Hantelférmige Centrosomen mit Doppelstrahlung in der alten Sphire. Fig. 65. Gleiches Stadium, sehr stark entfarbt. Das hantel- férmige Doppelcentrosom tritt sehr klar heraus; in der einen An- schwellung das Centriol deutlich, in der anderen dunkler gefarbten weniger gut hervortretend. Fig. 66. Zweizellen-Stadium. In jeder Blastomere ein noch kleiner Kern. Die hantelférmigen Centrosomen véllig ungefarbt, dem Kern angeschmiegt, der in gleicher Richtung gestreckt ist. In jeder Anschwellung ein Centriol. Zellen-Studien. Pale Fig. 67. Gleiches Stadium. Schnittrichtung senkrecht zu der der Fig. 66. Die beiden Centriolen einer jeden SBlastomere legen unter einander und sind nur bei verschiedener Einstellung sichtbar. Fig. 68. Zweizellen-Stadium. Kerne gewachsen. Die Tochter- centrosomen mit je einem Centriol weiter am Kern auseinander- geriickt. Fig. 69. Spateres Stadium. Die Schwestercentrosomen an opponierten Kernseiten. In jedem bereits 2 Centriolen erkennbar. Fig. 70. Kerne in Auflésung. Spindelbildung im Gange. In 3 der 4 Centrosomen 2 Centriolen erkennbar. Fig. 71. Spermakopf im Ei mit seiner Sphare. Im Centrum derselben blasses, langliches Centrosom mit 2 Centriolen. Vergr. ca. 2000. Fig. 72. Desgleichen, etwas Alter. Patel “Val Fig. 73—89. Eier und primare Blastomeren von Ascaris me- galocephala bivalens. Alkohol-Essigsaure. Eisenhamatoxylin. Vergr. ca. 1400. In Fig. 74—87 volle Schwarzfarbung der Centrosomen, in Fig. 73, 88 und 89a und b konzentrische Entfarbung verschiedenen Grades. Die Figuren reprasentieren den Centrosomen-Cyklus von einem bestimmten Stadium der Mutterzelle bis zu dem gleichen Stadium der Tochterzelle und sollen besonders den Wechsel in der Gr68e und Gestalt der Centrosomen illu- Strieren. Fig. 73. Ei mit fast fertiger Aequatorialplatte. Die kugeligen Centrosomen entfarbt bis auf ein kleines Piinktchen, das in seiner Gréfe ungefahr dem Centriol entspricht. Fig. 74. Aequatorialplatte. Volle Schwarzfarbung der Centro- somen. Das linke zeigt die charakteristische Kegelform mit nach aufen gerichteter Basis. Fig. 75. Ei gestreckt. Weit entfernte Tochterplatten. Die Centrosomen zu bikonvexen Scheiben abgeplattet. Fig. 76. Ei in Durchschniirung. Centrosom stark abgeplattet, es lat sich ein mittlerer Bereich von einem Ringwulst unterscheiden, was im optischen Schnitt das Bild dreier Anschwellungen hervorruft. Fig. 76a. Kopie der Fig. 8 (Pl. I) von Van Benepen und Neyr (5). Fig. 77. Primare Blastomere. Kernblaschen noch nicht ge- bildet. Centrosom wieder annihernd kugelig, aber gegen das der Fig. 74 sehr betrachtlich kleiner geworden. Fig. 78. Desgleichen, etwas spiateres Stadium. Junger Kern, Centrosom weiter verkleinert. 218 Theodor Boveri, Fig. 79. Desgleichen, noch spater. Grofer ruhender Kern. Centrosom abermals kleiner geworden. Fig. 80. Desgleichen. Centrosom noch kleiner, in Teilung begriffen. Fig. 81. Desgleichen. Zwei noch nahe benachbarte Tochter- centrosomen, durch ein feines Fadchen verbunden. Um jedes die umgebenden Teile der kleinen alten Sphare neu centriert. Fig. 82. Desgleichen. Schwestercentrosomen weiter entfernt. Sie sind gewachsen, ebenso die Sphiren. Fig. 83. Desgleichen. Schwestercentrosomen weiter ausein- andergerii¢kt, stirker gewachsen, ebenso die Spharen. Fig. 83a. Kopie der Fig. 9 (Pl. I) von Van Benepen und Neyt (5). Fig. 84. Primare Blastomere. Die Schwestercentrosomen aber- mals vergréfert und weiter von einander entfernt. Die beiden gréfer gewordenen Sphiaren vollstindig von einander getrennt. Fig. 85. Desgleichen. Die beiden machtig entfalteten Sphiren im Begriff, den Kern zwischen sich zu fassen. Die Centrosomen bedeutend gewachsen. Deutliche Mark- und Ruindenschicht der Sphare. Fig. 86. Desgleichen. Die Centrosomen an entgegengesetzten Seiten des Kernes. Sie haben das Maximum ihrer Grofe erreicht. Thre Peripherie bereits diffus entfarbt. Deutliche hellere Markschicht der Sphare. Fig. 87. Desgleichen. Fertige Teilungsfigur. Centrosomen be- — reits etwas kleiner geworden. Fig. 88. Desgleichen. Fertige Teilungsfigur. Centrosomen kon- zeutrisch entfarbt. Fig. 89. Desgleichen. Konzentrische Entfairbung der Centro- somen, in a ist die Schwarzfairbung auf einen noch ziemlich an- sehnlichen, in b nach abermaliger Entfarbung auf einen kleinen Punkt reduziert. Auch die Chromosomen erleiden hierbei eine scheinbare Verkleinerung. Fig. 90. Lebende Blastomere des Vierzellenstadiums von Ascaris meg., unmittelbar vor der Teilung, in der Richtung der Teilungsachse gesehen. In der Mitte das Centrosom erkennbar, von Strahlung umgeben. Fig. 91. Desgleichen; 2 Centrosomen opponiert am Kern- blaschen. Tartele VoLae Fig. 92—97a. Primire Blastomeren von Ascaris megalocephala bivalens. Alkohol-Essigsiure; Eisenhimatoxylin. Vergr. ca. 2000. Die Figuren zeigen die Teilung des Centrosoms und das erste Anwachsen der Tochtercentrosomen. Zellen-Studien. 219 Fig. 92. Jiingstes vou mir beobachtetes Stadium einer Ver- doppelung in dem noch einheitlichen Centrosom. Fig. 93. Aehnliches Stadium. Das Centrosom durch eine helle Furche verdoppelt. Fig. 93a. Centrosom des in Fig. 80 (Taf. VI) dargesteliten Schnittes schematisch in willkiirlicher Vergréferung. Fig. 94. Die beiden Schwestercentrosomen beginnen ausein- anderzuriicken. Ein blasser Strang zwischen ihnen erkennbar. Fig. 95. In der linken Blastomere die Centrosomen noch nahe benachbart mit deutlichem Verbindungsstrang. Sie sind gegeniiber denen der Fig. 94 bereits etwas gewachsen. In der rechten Blasto- mere sind die Schwestercentrosomen bereits weiter entfernt und dementsprechend betrachtlich gewachsen, um jedes auch bereits eine deutliche Strahlung differenziert. Fig. 96. Aehnliches Stadium wie in der linken Zelle der Fig. 95. Feines Fadchen zwischen den Schwestercentrosomen. Fig. 97. In der linken Blastomere die Tochtercentrosomen etwas weiter von einander entfernt als in Fig. 96. Sie sind dem- entsprechend gewachsen, das Verbindungsfadchen geschwunden. Es beginnen sich Radien auf die beiden Centrosomen einzustellen. — In der rechten Blastomere sind die Schwestercentrosomen bereits weiter von einander entfernt (das eine, hell gezeichnete, liegt be- deutend tiefer) und demgemaf groéfer; die Strahlungen sehr gut ausgebildet. Fig. 97a. Schwestercentrosomen ahnlich wie in den linken Blastomeren der Fig. 95 und 96. Der Verbindungsstrang winkelig gebogen und im Winkel ein kleines Korn. Fig. 98. Primaire Blastomere von Ascaris megalocephala in Teilung. Das entfarbte Centrosom stark abgeplattet (vergl. Fig. 75, Taf. VI vom Ei); 2 Centriolen sichtbar. Vergr. ca. 2000. Fig. 99. Primare Blastomere von Ascaris meg. Abnorm lang nachweisbare Briicke zwischen den Schwestercentrosomen. Vergr. ca. 2000. Fig. 100. Durchschnitt durch Sphare und Centrosom aus einem Ei von Ascaris meg. senkrecht zur Spindelachse. Stadium wie Fig. 75 (Taf. VI) und Fig. 103 (Taf. VIIT). Vergr. ca. 2000. Tatel: Vine Fig. 101. Stark vergréferte Kopie der Fig. 2 (Pl. VI) von Van BenepEN und Neyr (5). Fig. 102 —109. LEier und primaire Blastomeren von Ascaris meg. bivalens. Alkohol-Essigsiure, Eisenhimatoxylin. Vergr. ca. 2000. Darstellung der Centriolen. 220 Theodor Boveri, Fig. 102. Stadium der Aequatorialplatte. In jedem Centrosom 2 Centriolen nachweisbar. Fig. 103. Tochterplatten noch nahe benachbart. Abplattung des Centrosoms; 2 Centriolen. Fig. 104. Etwas spateres Stadium; 2 Centriolen. Fig. 105—108. Primare Blastomeren in verschiedenen Stadien der Kernrekonstruktion bis zu voller Ruhe. Ueberall 2 Centriolen in dem noch einfachen Centrosom. Fig. 100. Primare Blastomere mit fast fertiger Aequatorial- platte. In jedem Centrosom 2 Centriolen. Fig. 110 und 1llla—c. Zellen aus Embryonen verschiedenen Alters von Ascaris megalocephala, um die Gréife der Centrosomen zu zeigen. Vergr. ca. 2000. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. Von Dr. phil. L. S. Sehultze, Privatdozenten der Zoologie, Jena. Mit Tafel IX—XI und 5 Figuren im Text. Uebersicht. Einleitung. I. Die spontanen Herzbewegungen bei unver- sehrtem Kreislauf. A. Die Herzthatigkeit bei lebenskraftigen Tieren . 1. Die zusammengesetzte Herzperiode as ‘ a) Die absolute: Lange der einzelnen Pulsationsreihen b) Das Langenverhiltnis der ab- und advisceralen Pulsationsreihen c) Die Frequenz der Pulsationen. in den ab- und in den advisceralen Reihen . ; d) Schwankungen der Frequenz des Herzschlages am Individuum . e) Die Frequenz des Her zachligs ‘bei den ver- schiedenen Arten f) Dauer der Wechselpause . : ; 2. Die einfache Herzperiode oder Pulsation , a) Anfang der Pulsation. b) Die fortschreitende peristaltische Welle c) Vorginge am jeweiligen Arterienende des Herzens d) Pausen . , : B. Absterbe- Erscheinungen : C. Giftwirkungen . II. Die spontanen Herzreize. A. Autotopie der.spontanen Herzreize . 1. Isolierung 2. Bedeutung des Centralner vensystems : B. Centralisierung oder diffuse Verteilung der Reizher de bei Salpen und Ascidien? BS ae ny aioe C. Die Blutfillung D. Neuro- oder myogene Natur der spontanen Herzreize? Ill. Die Ursachen des periodischen Stromrich- tungs- Wechsels im TunicatenkOrper. A. Der Kreislauf des Blutes 3 B. Bisherige Anschauungen iiber die “Ursachen der Strom- umkehr Seite LO OP WS) bo Ww wp Or cw Oo bo ow Zan iS sie hanlitiztes Seite 1. Der Nutzen der periodischen Stromumkehrungen . 291 2. Periodische Blutdruck-Aenderungen als Ursache des periodischen Stromrichtungs-Wechsels . . . . . 294 C. Versuch einer Analyse . . 302 1. Verhalten des Reizcentrums A wahrend der Thatig- keit des entgegengesetzten Centrums B . . . . 303 2. Das. Leitungsvermoégem) %; 2 = 5... = =) See 3.. Die: Erregbarkeity. a0 0: Gai -aft. + © ee (4. Reizerzeugmng). .. oc) 5m oy on me , see, ee D. Das Zustandekommen der charakteristischen Herz- thatigkeit der Tunicaten . . fate? 338s es eee 1 "Eine koordinierte Bewegung in Gestalt regel- mafiger, stets vom Herzende ausgehender Pulsationen 315 2. Wie treten die Faktoren zum periodischen Wechsel der Stromesrichtung zusammen? . ..... .. als 3. Die Wechselpausen ‘ if +g whe. at oe ee Schlug. Litteratur. Figuren- Erklarung ROM EP ONRNIACE TR) / 25 Die einzig im Tunicaten-Kérper zu beobachtende Erscheinung, daf§’ ein anatomisch wohl gesondertes Herz abwechselnd bald in der einen, bald in der entgegengesetzten Richtung das Blut durch den K6rper treibt, ist oft beschrieben, aber weit seltener und nur unvollsténdig experimentell untersucht worden. Einer eingehenden Experimentaluntersuchung ist aber der periodische Wechsel der Kontraktionsrichtung des Tunicaten-Herzens des- halb um so mehr wert, als bei der morphologisch wohlbegriin- deten Gleichwertigkeit des Tunicaten- und Vertebraten-Herzens ein physiologischer Vergleich beider noch néaher liegt als die zum Teil gut gelungenen Versuche anderer Autoren, das Herz eines weiter abseits stehenden Wirbellosen mit dem der Wirbel- tiere in Parallele zu setzen. TH. W. ENGELMANN, der mich vor drei Jahren in das Studium der Wirbeltier-Herzthatigkeit einfiihrte, hat mir fiir Fragen aus dem Gebiete der Cirkulation nachhaltiges Interesse eingepflanzt; ich wandte es im vergangenen Sommer den Bewegungen des Salpen-Herzens zu, die seit ihrer zweimaligen Entdeckung durch VAN HASsSELT (17) und EscuscnHoutz (11) wohl jeden fesseln, der diese glashellen Planktontiere lebend untersucht. Einen mehrmonatlichen Aufenthalt am Mittelmeer ermég- lichte mir die Bewilligung eines Urlaubes und die Zuwendung eines Stipendiums aus der P. von RitTerR’schen Stiftung fiir phylogenetische Zoologie durch meinen hochverehrten Lehrer EK. HAECKEL, dem ich hier meinen herzlichsten Dank wiederhole. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 223 I, Die spontanen Herzbewegungen bei unversehrtem Kreislauf. A. Die Herzthiitigkeit bei lebenskriftigen Tieren. Kine genaue Kenntnis des Herzschlages im normalen Tier ist nattirlich unentbehrlich fiir die Beurteilung der spiter zu schildernden experimentell hervorgerufenen Verinderungen. Die Vernachlassigung dieses Ausgangspunktes hat in der That, wie sich zeigen wird, friiher wiederholt zu Irrtiimern gefiihrt. Die Zahl der gleich gerichteten Pulsationen bis zur jedesmaligen Umkehr der Stromesrichtung ist ein wertvoller, weil Auferst empfindlicher Indikator, wenn es gilt, die Wirksamkeit irgend eines Kingriffes auf die Herzthitigkeit zu priifen. Aber diese Pulsationszahl variiert auch spontan oft betrichtlich. Um sie in dem eben angedeuteten Sinne eindeutig verwerten zu kénnen, ist es daher erforderlich, die Art der Variation und ihre Ab- hangigkeit von den diuferen Bedingungen und der individuellen Disposition des Tieres auf méglichst breiter Basis festzustellen. Das ist der Sinn der folgenden Tabellen. Ihre Zahl lief sich nicht noch weiter reduzieren, da die Untersuchung ver- gleichend auf 5 verschiedene Arten ausgedehnt werden sollte: auf Salpa africana-maxima Forsk., Cyclosalpa pinnata (FORSK.) und Salpa democratica-mucronata Forsx. Die Tabellen ent- halten gleichzeitig Material tiber die Frequenz der Herzschlage, tiber die, was die Salpen betrifft, nur sparliche und korrektur- bediirftige Angaben vorliegen. 1. Die zusammengesetzte Herzperiode. Zur Orientierung ist hier zunachst die Nomenklatur zu er- lautern, die im folgenden angewandt wird. In ihrem Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie sprechen Voct und Yune (38, 8. 281 ff.) von einem vorderen und einem hinteren Ende des Salpen-Herzens. Das ist an sich durchaus berechtigt, erschwert aber einen Vergleich mit dem Ascidien-Herzen, dessen beide Enden nach denselben Autoren vorwirts gerichtet sind. Der rein topographischen Unterscheidung zog ich daher eine allgemeingiltigere Benennung der Herzenden nach den Hauptkanilen vor, in die sie sich fortsetzen. Das 224 L. §& Schultze, vordere Ende des Salpen-Herzens sei daher das hypobran- chiale, das hintere das viscerale Herzende genannt. Die Kontraktionen des Herzens in der Richtung auf die Ein- geweide (vom vendsen hypobranchialen — zum aarteriellen vis- ceralen Herzende) werden nach dem Vorschlage KRUKENBERG’S (21, S. 158) als ad-viscerale, die entgegengesetzten (vom jetzt venésen visceralen — zum arteriell-hypobranchialen Herz- ende gerichteten) als ab-viscerale Herzschlige bezeichnet. Die aufeinander folgenden gleichgerichteten Schlige bilden eine Pulsatiopnsreihe. Die sehr variable Pause, die zwischen einer ab- und einer advisceralen Reihe liegt, also den Wechsel der Stromrichtung einleitet, sei die Wechselpause genannt. Als zusammengesetzte Herzperiode, die uns zu- nichst beschaftigen wird, bezeichnen wir den Ablauf einer ab- visceralen und einer advisceralen Pulsationsreihe nebst der einer jeden folgenden Wechselpause. Zur Untersuchung wurden die Tiere in ein cylinderférmiges, mit Seewasser gefiilltes Standglas gesetzt, den Mund nach oben gekehrt, und halb in auf-, halb in durchfallendem Lichte beob- achtet. Das Herz, ein kurzer, Herenaphe weiter, bogenférmig gekriimm- ter, zarter Beutel, der seine Epicard ~~ Konvexitit (,Riicken“) nach rechts kehrt, liegt auf der rech- Myocard ten Seite der Bauchfliche des Koérpers. Bei Salpa africana- maxima nimmt es den Raum zwischen dem Vorderende des Pericard Kingeweideknéuels und dem Hinterende der Hypobranchial- Fig. 1. Schematischer Querschnitt rinne ein. Bei Cyclosalpa pin- durch das Herz einer Salpe. nata dagegen, deren Darm zu keinem Nucleus aufgerollt ist, liegt das Herz in dem Winkel, den der Kiemenbalken mit dem gerade nach vorn ziehenden Darmkanal bildet, ventral und rechts neben dem Hinterende der Hypobranchialrinne. Die muskulése Herzwand schligt sich dorsal direkt in das epitheliale Pericard um, ohne daf sich die Umschlagsriander selbst beritihrten (s. Fig. 1). Der so entstehende Liangsspalt des Herzens wird durch eine Herzraphe (VAN BENEDEN und JULIN, 1, p. 82) verschlossen, die zum Epicard gehdrt. Endocard Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 225 Die Zeitmessungen wurden derart vorgenommen, da ich Anfang und Ende jeder Pulsationsreihe, deren einzelne Schlige gezihlt wurden, wo es nétig war, auch Anfang und Ende der Wechselpause laut angab, wihrend der Priparator CIALONA, dessen Zuverlissigkeit in diesem Punkte zuvor erprobt wurde, den Stand der Sekundenuhr im Augenblicke jeder lauten Zihlung notierte. Dreierlei bestimmt den Charakter der zusammengesetzten Herzperiode: 1) die absolute Zahl der Pulsationen und das Ver- hialtnis dieser Pulsationszahlen in den ab- und advisceralen Reihen; 2) die Frequenz der Pulsationen; 3) die Dauer der Wechselpause. a) Die Zahl der einander folgenden gleich gerich- teten Pulsationen oder die absolute Lange der einzelnen Pulsationsreihen ist fuferst verainderlich. Eine allgemeine oder auch nur inner- halb der Art giltige Norm 1a8t sich nicht aufstellen, da die Zahl schon an einem und demselben Individuum innerhalb weiter Grenzen schwankt. Bei Beurteilung der Verschieden- heiten, die gleichzeitig frisch eingefangene Tiere in Bezug auf ihre Herzthitigkeit zeigen, mu der unkontrollierbare Einfluf aller der unbekannten Umstinde in Betracht gezogen werden, die vor dem Fang auf das Tier eingewirkt haben. Dazu kommt offenbar noch eine von duferen Bedingungen unabhingige in- dividuelle Variabilitat der Pulsationsreihen-Linge. Denn selbst an Tieren einer und derselben Kette, die durch ihren Zu- sammenschluf noch relativ am meisten Garantie bieten, da sie sich auch vor dem Fang unter annihernd gleichen Bedingungen be- funden haben, zeigen vergleichende Beobachtungen betrachtliche Verschiedenheiten in der Reihenlinge. Um hier eine Normal- zahl festzustellen, wire eine groke Statistik erforderlich, die fiir die verschiedenen Arten, Generationen, Altersstadien und fiir die verschiedenen Individuen den Einflu8 der Jahreszeit, der Wassertemperatur, des Sauerstoffgehaltes im Wasser, des Er- nihrungszustandes etc. einzeln und mit anderen Faktoren kom- biniert feststellt. Uns kommt es hier vor allem darauf an, die spontan ein- tretenden Verinderungen der Pulsationsreihen- Lange an ge- fangen gehaltenen Tieren kennen zu lernen, um sie mit Sicher- heit von denjenigen Veranderungen unterscheiden zu kénnen, Bd, XXXV.N. F. XXVIII. 15 226 L. 8. Schultze, die sich als Folgen bestimmter experimenteller Eingriffe ergeben. Es 148t sich leicht konstatieren, dag ein Aufenthalt in nicht erneuertem, also sauerstoffarmem Wasser sehr bald eine Verlangerung der einzelnen Pulsa- tionsreihen zur Folge hat: s. Tab. 21—23. Da an heifien Tagen die kleinen im Zimmer stehenden Aquarien sich allmahlich erwarmten und Temperatur-Unterschiede von mehreren Graden vielleicht nicht ohne Einflu8 auf den Herz- schlag sind, wurde der eben genannte Satz nur auf diejenigen Faille basiert, in denen die Temperatur des Wassers so gut wie konstant blieb. Das trifft in vollkommener Weise in den Fallen zu, in denen schon wihrend der kurzen Zeit der Beobachtung selbst eine allmahliche Verlingerung sowohl der ab- als der advisceralen Reihen eintritt: | rain te): Salpa africana-maxima (gener. catenaria), 71/, cm lang, bei 21° C. Aby. |W.P| Adv. [W-P. 15 20 | 3 ara 25 | 14 20 | 2 23 | 3 NG) eon 2 . Zone WA VW 23a 2 19 AS ||? Ue eee NS 19 28 | 2 18 23| 2 YO | 28 | 2 18 24 | 2 19 | 28 | 2 18 | 22 2 : 19 29 | 2 1S eet nee 20 | 297| ag 19 | 23! 2 7 ee) Se 1) In dieser und allen folgenden Tabellen ist die Zahl der sich folgenden abvisceralen (Abv.) und der sich folgenden ad- visceralen (Adv.) Einzelpulsationen mit grolen Ziffern angegeben. Die Zeit, die jede Pulsationsreihe zu ihrem Ablauf braucht, ist jedesmal rechts neben der ihr zugehérigen Pulsationszahl in kleinen Ziffern angegeben. Ebenfalls mit kleinen Ziffern ist die Dauer der Wechselpause (W.-P.) notiert; wo die Wechselpause ihrer Kiirze wegen nicht besonders notiert wurde, ist ihre Dauer in die Pulsa- tionszeit mit eimgerechnet. Demnach sind die Tabellen, z. B. Tab. 1, folgendermafen zu Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 227 Rabe: Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), 8,2 em lang, bei 19° C. Pab. 3: Salpa democratica-mucronata (gen. solitaria), 7mm lang, bei 21° C. Die Wechselpause betrug kaum 1 Sek. Tabs-2: al, oc Abv. |W.-P| Adv. |W.-P. Aby. Adv. Zahl ae Zahl poe Zan any Tatil pies SOc 3 5H | 132] 2 38 19 i185) 14 42 | 102; 2 GG 459) 3 40 21 15 12 48 | 112] 3 81 | 186| 3 40 23 i) 17 5O | 115] 2 Sle 185.) 3 44 20 18 14 By | 1200/03 85 | 189} 3 56 29 22 15 52 | 120| 2 80 | 178| 2 59 30 a 15 54 | 120] 2 86 | 189] 3 68 34 Zl 16 Bam ako 4 OFF | 197 at 81 41 28 19 ARR LEO 3 ORF 197 3 86 42 26 20 5H | 118 | 2 92 | 200] 3 87 43 33 20 78 41 315) 22 87 44 3D 22 Da sich die Tiere wihrend dieser Beobachtungen in einem relativ engen Gefif befanden, sind auch diese Verlingerungen der Pulsationsreihen auf die schnell zunehmende Verschlechterung des Wassers zurtickzufiihren, die in gréferen Behaltern sich erst nach Stunden bemerkbar macht. Daf§ aber auch ohne sichtliche Verinderungen des um- ~ gebenden Mediums, unvermittelt, aus unbekannten Griinden die Linge der Pulsationsreihen sich findern kann, ist fiir den Ex- perimentierenden ebenfalls von Wichtigkeit. Denn diese plitz- lichen Schwankungen verpflichten ihn, auch in schwierigen Fallen durch mehrfache Wiederholungen des Versuches die Un- verstehen: Das Herz der Salpe fiihrt zunichst 15 sich unmittelbar foleende abviscerale Pulsationen in 20 Sekunden aus. Nach einer Pause von 3 Sekunden, wahrend der das Herz still steht (Wechsel- pause), zieht sich das Herz in entgegengesetzter Richtung zusammen und fiihrt jetzt 17 adviscerale Pulsationen in 25 Sekunden aus. Nach einer abermaligen Wechselpause von 2 Sekunden beginnt eine zweite zusammengesetzte Herzperiode mit 14 abvisceralen Schlagen etc. b= 998 L. 8. Schultze, abhingigkeit seines Resultates von eventuell gleichsinnig ge- richteten spontanen oder durch Zufalligkeiten in der Versuchs- anordnung hervorgerufenen Schwankungen der Herzthatigkeit zu erweisen. Der Hauptmangel der KRUKENBERG’schen Experimente ist der, da8 dieser Punkt vernachlassigt ist, und daf sich der Autor gleichzeitig mit der Beobachtung einiger weniger Pul- sationsreihen begntigte, die deshalb nicht beweisend, zum Teil direkt irrefiihrend sind, weil auf die vorliufig unerklarlichen, spontanen Schwankungen der Reihenlange, die am Versuchstiere leicht auftreten, keine Rticksicht genommen ist. Die folgenden warnenden Beispiele solcher unerklirter Schwankungen mégen zugleich zeigen, dali der Herzschlag der Salpen keineswegs immer die Regelmikigkeit aufweist, die C. Voer (37) beobachtet und als charakteristisch fiir die ganze Gruppe hingestellt hat: Tab. 4. Salpa democratica-mucronata (gen. sol.), 1 cm lang, bei 21° C. Die Wechselpause betrug hier und in der folgenden Tabelle nur Bruchteile einer Sekunde. Tha b:.5; Salpa africana-maxima (gen. cat.), 4 cm lang, bei 24° C. Tab. 4. taney Aby. Adv. Abv. Adv. Zeit Zeit Zeit Zeit Zahl in Sek. aoe |in Sek. Zahl in Sek. Zahl in Sek. 23 15 15 10 16 15 29 32 25 13 17 10 21 22 45 45 28 14 19 1 40 | 4! 52 54 36 1 14 8 43 45 57 56 17 9 6 4 ? 50 44 45 78 47 i 7 9 54 50 26 27 30 16 20 12 4? 39 56 56 38 18 19 17 55 52 57 56 148 63 26 15 52 50 65 60 47 24 20 13 59 57 65 63 63 62 71 68 88 85 87 82 In der letzteren Tabelle ist ein auffallend schnelles, sprung- weise erfolgendes Anwachsen der Reihenlange zu beobachten. der > o Untersuchungen itiber den Herzschlag der Salpen. 229 Im Gegensatz hierzu eine Vorstellung von der Regel- mifigkeit der Reihenlingen zu geben, wie sie in jeder untersuchten Arten anzutreffen ist, dienen die folgenden Tabellen : Tab: 6: Salpa africana-maxima (gen. cat.), 13,2 em lang, 81/, Stunden nach dem Fange, 20,7 C. Abv. | W.-P a 2 Adv. | W.-P. Zahl Zahl_| Zeit in Sek. | Zahl | Zeit in Sek. | Zahl Zeit in Sek. 106 175 2 108 180 I 107 177 2 WS 186 I 104 173 I Hilal 185 2 104. 170 2 111 182 2 106'"| 173 he hy ioe leat 2 Tab. 4. Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), 7 cm lang, 2 Stunden nach dem Fange, bei 21° C. TabsS: Salpa democratica-mucronata (gen. cat.), 7 mm lang, bei Bie, C, Tab.-k. Tab. 8. Aby. |W-P.| Adv. | W.-P. Aby. ae) Zahl| Zeit in Sek. |Zahl| Zeit in Sek. ani. Zeit Izani| . Zeit aR in Sek. | in Sek 35 | 78 2 43 | 100 2 36 | 82 3 45 | 103 2 45 25 36 20 36 | 79 2 43 | 102 3 46 25 38 25 BD |.79 2 44 | 101 2 52 30 40 25 abal 82 2 45 98 2 51 28 42 27 50 29 4? 24 47 27 38 19 ASi le iign enn f3ge |) 22 Ap |W aol a useNlie 5 22 Ae zn 35h | 23 Ag || oe 9 see wlantee defeas 1.33 1126 230 L. 8. Schultze, b) Das Langenverhdltnis der ab- und advisceralen Pulsationsreihen ergiebt sich aus einem Vergleich der beiderseitigen Schlagzahl- summen, die am Fuffe jeder Tabelle angegeben sind. Auch hier gilt, was vorher von der absoluten Linge der Pulsationsreihen gesagt wurde, dafi es unméglich ist, ein Normalmaf anzugeben. Sowohl an einem und demselben Individuum unter verschiedenen Bedingungen als an verschiedenen Individuen unter gleichen Bedingungen varliert das Liangenverhiltnis der ab- und ad- visceralen Reihen. KRUKENBERG sagt: ,Das Salpenherz leistet in dieser Beziehung das Moéglichste. Es lat sich innerhalb ge- wisser, aber weiter Grenzen kaum ein Fall ausfindig machen, den man nicht beobachten kénnte. Von 100 ununterbrochen folgenden advisceralen Schligen und Einem, diesen entsprechen- den Riickschlage einerseits, und von 100 abvisceralen Pulsa- tionen mit einem nachfolgenden Schlage nach entgegengesetzter Richtung andererseits werden alle Ueberginge zur Beobachtung gelangen kénnen“ (8. 162/163). Diese Angabe, mit der KRUKENBERG zu motivieren sucht, daf es nicht der Miihe wert sei, derartigen Erscheinungen naher zu treten, ist stark itibertrieben, und die Geringschatzung, die der Autor dabei den normalen Verhaltnissen des Herz- schlages gegentiber zeigt, ist hier am wenigsten angebracht. Schon da das Liingenverhiltnis der ab- und advisceralen Pul- sationsreihen, wie es sich nach gewissen Eingriffen in die Cirku- lation darstellt, in die allgemeine Frage nach den Ursachen des periodischen Stromrichtungswechsels direkt hineingezogen worden ist, muf den, der diese Frage férdern will, auf das Studium der entsprechenden Verhiltnisse am unversehrten Tiere fiihren, Die Gréfe der Variabilitait in der Linge der ab- und advisceralen Pulsationsreihen bei gleich grofen und _ unter gleichen Bedingungen gehaltenen Artgenossen illustrieren die folgenden Tabellen: ab. oy Salpa democratica-mucronata (gen. sol.), 1 cm lang, 5 Stunden nach dem Fang, bei 21° C. Die Wechselpause betrug kaum 1 Sek. Tab. 10. Salpa democratica-mucronata (gen. sol.) etc., wie in Tab. 9. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 231 Tab 9. Tab. 10. ie | Ge * PS agar ena Tie ah Goin Zoi an Zahl | ny , ae ice Sek een Sek. | Bale gets 25h) HO WG) Lig't WA Cim ete hunoohubinee 23 | 13 7 5 80 38 62 37 20.) az 8 8 80 38 67 38 Oe i r2 Ye 5 82 39 70 41 20) 13 10 6 80 39 81 46 [9*\F “xe 9 8 89 45 Tai 39 2Ale A ean 8 9 85 43 15 42 2 te 8 5 85 42 86 48 ZO) |) pete iS) 6 89 | 44 83 | 46 20 14 7 5 94 48 BA syne 19 | 10 Bln OF gel S26 aula 18 a es Ye 931 | 4s6 | 818 | 46, 247 | 138 | 100 | 78 Wahrend also im ersteren Fall (Tab. 9) die advisceralen Schlige zu den abvisceralen sich verhalten wie 100: 247, ist das Verhiltnis unter véllig gleichen Bedingungen im zweiten Falle 100:114. Schon unentwickelte gleichartige Knospen im Innern der Amme, wo die Existenzbedingungen doch wohl als relativ gleich- formig angenommen werden kénnen, zeigen starke individuelle Ver- schiedenheiten. Tab: 1. Salpa democratica-mucronata (gen. cat.), 1,2 mm. lange Stolo- Knospe. Wechselpause sehr kurz. ‘Taib., I 2e Ebenso grofe Knospe aus derselben Kette wie die in Tab. 11. Tab let: Tab: 12: Abv.. ; | Adv. Abv ‘ Adv i‘. Zeit | Zeit Zeit Zeit Zabl | in Sek | Zabl lin sek. Zbl Jin Sek) 44% in Sek, 100 44 1GOe eeeo 104 re) Coal uaa ae 190 88 92 | 38 Tie ese ETC 70 290) 132 | 252 98 56 27 150 67 PEM | Ce Wie se ae In der ersten Knospe verhalten sich adv. P.: aby. P. = 100:115 in der zweiten Knospe = 100: 45. 232 L. 8. Schultze, Was den Wechsel dieser Verhaltnisse an einem und dem- selben Individuum betrifft, so berichtet KRUKENBERG, daf nach lingerer Gefangenschaft nicht selten ein Zurticktreten der advisceralen Pulsationen den abvisceralen gegentiber zu beobachten sei. Als Erginzung diene der spéter in anderem Zusammenhang mitgeteilten Fall in Tab. 23 a und b, der umge- kehrt eine Ueberhandnahme der _ urspriinglich minder- zahligen advisceralen Pulse zeigt. c) Die Frequenz der Pulsationen in den ab- und advisceralen Reihen. verhalt sich bei den Salpen nach KRUKENBERG folgendermafen: ,yeder abviscerale Schlag bedarf am normalen Tiere ungleich lingere Zeit als ein Schlag nach entgegengesetzter Richtung. Ich sehe als Regel das Verhaltnis an, wo 12 adviscerale Schlage 15—20 Sekunden und die darauf folgenden 3—6 abvisceralen Schlige inkl. der zwischen beiden Schlagfolgen meist bestehen- den Pause ungefihr die gleiche Zeit gebrauchen; zu 3 abvis- ceralen Schligen allein bedarf das Herz fiir gewdhlich 6 oder 7 Sekunden“ (S. 163). Ist diese Angabe richtig, dann wire da- mit eine physiologische Ungleichheit der beiden Puls-erzeugenden Herz-Enden erwiesen, die fiir die Lehre vom Zustandekommen eines koordinierten Wechsels der Blutstromrichtung in Betracht zu ziehen wire. Unterschiede in der Frequenz der ab- und advisceralen Pulse kénnen bei der Kleinheit der hier in Betracht kommenden Zeiten nur durch zahlreiche und genau ausgefiihrte Einzel- messungen festgestellt werden, mit den oben genannten wenigen und oberflichlich geschitzten Zahlen KRUKENBERG’s ist nichts gedient. Meine den KRUKENBERG’schen widersprechenden Resul- tate ergeben sich aus einer tabellarischen Berechnung!) und Ver- gleichung der Zeiten, deren immer 100 ab- und 100 adviscerale Pulsationen bediirfen. Die Zeit der Wechselpausen wurde in allen Fallen den Pulsationszeiten mit zugerechnet; das durfte geschehen, da die beiden Wechselpausen jeder zusammengesetzten 1) Da Bruchteile von Sekunden in unserem Fall innerhalb der Beobachtungsfehlergrenze lagen, wurde bei der Berechnung die erste Decimale der Endsumme als 1 zugezihlt, wenn sie mehr als 5 be- trug, nicht beriicksichtigt, wenn sie kleiner war. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 233 Periode entweder gleich lang oder ihre Differenz im Verhaltnis zu den Pulsationszeiten so gering ist, daf sie vernachlissigt ~ werden kann. Das Ergebnis meiner Beobachtungen war, dali die Fre- quenz der abvisceralen und der advisceralen Pulsationen im allgemeinen die gleiche ist. Als Belege seien aus der Statistik folgende typische Fille fiir jede der drei untersuchten Arten mitgeteilt: Mabe Lay Salpa africana-maxima (gen. cat.), 13,5 em lang, 7 Stunden nach dem Fang, bei 20,2° C. ibe leap GE Ww-P. Zahl Zeit in Sek. Zahl Zeit in Sek. 74 12 I 101 174 2 73 123 I 98 175 2 73 117 2 100 174 2 77 129 2 109 187 2 84 141 2 114 195 2 82 156 2 121 205 2 Die Berechnung ergiebt, daf je 100 abviscerale Pulsationen 175 Sek., ebenso viel adviscerale P. 174 Sek. bediirfen. Tab. 14. Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), 2,8 mm lange Knospe im Innern des Solitir-Tieres. Lain 15; Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), 12 mm lang, bei 22° C (aus einer jungen freien Kette von 16 Individuen). Tab. 14. arb 15: Aby 7 Adv. Abv. Adv. Zeit Zeit | Zeit Zeit Zahl | in Sek. aos | in Sek. Zahl | in Sek| Zabl F in Sek. 66 102 54 84 123 117 102 | 87 68 101 37 G7 135 122 110 96 132, 15 \iaee 112 95 139 | 120 110 90 113 | 100 97 | 95 934 L. S. Schultze, Tai ayl6: Cyclosalpa pinnata (gen. sol.), wahrend der Gefangenschaft geboren, 3 cm lang, bei 21° C. Abv. Ady. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 125001 145 1260 143 135 155 132 152 140 163 126 136 135 159 122 140 139 3 My) Pe? 153 Diese 3 Tabellen zeigen fiir 3 verschiedene Entwickelungs- stadien von Cyclosalpa, daf trotz weitgehender individueller Dif- ferenz des Herzrhythmus im ganzen, doch im einzelnen Individuum die Frequenz der ab- und advisceralen Pulsationen die gleiche ist: in den 3 Fallen brauchten je 100 abviscerale Pulsationen 151, 90 und 117 Sek., die ihnen entsprechenden ad visceralen Pulsationen 155, 87 und 113 Sek. Die geringe Differenz der einander entsprechenden Zahlen liegt innerhalb der Grenze der Beobachtungsfehler. Tvaibe alan: Salpa democratica-mucronata (gen. cat.), 1,7 mm lang, bei bei 21° C (aus einer Kette von 35 Individuen). Abv. | Adv. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 67 33 136 73 56 30 166 82 Dil 30 149 75 50 25 110 70 51 30 140 74 50 28 138 70 49 25 141 71 48 27 146 73 43 25 127 65 100 abviscerale Pulsationen brauchen in diesem Falle 54 Sek., 100 adviscerale P. 52 Sek. Wie notwendig es ist, zur Feststellung der Norm derartige wie die vorhergehenden Beobachtungen auf mdglichst viele Individuen auszudehnen, geht daraus hervor, da zwischen den typischen Fallen auch deutliche Ausnahmen zu finden sind, die mit der Regel leicht verwechselt werden kénnen, wenn man Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 235 sie (wie es KRUKENBERG offenbar geschah) zufillig allein erhilt. In diesen Ausnahmefillen ist das Tempo bald der ab-;, bald der advisceralen Herzschlige ein schnelleres. Tab. 22a (S. 237) zeigt ein Vorherrschen der advisceralen, die folgenden Tabellen dagegen eine gréfere Schnelligkeit der ab- visceralen Pulse: ab. Loe Salpa africana-maaima (gen. cat.), 11,5 cm lang, bei 20,5° C. Taba L9} Salpa africana-maxima (gen. cat.), 12 cm lang, bei 20,5° C. Tabewts: Tabs £9: Abv. Adv. Abv. Adv. as ah Zeit Zeit Zeit ably Vin Solfo eat tar Seith) Ye 2 Bt 0 Hersek tee Fin Sele Ba | so iG anes 49 | 67 29 | 50 30 | 47 20 37 50 75 32 52 3D, |, 49 20 37 bd 78 33 | 55 oa. ty 52 22 38 Soman 53 22 38 In diesen Fallen brauchen je 100 abviscerale Pulsationen 150 und 143 Sek., waihrend die gleiche Anzahl advisceraier Pulsationen erst in 178 und 167 Sek. ablauft. In gleichem Sinne, aber auffallend stark wich von der Regel der Herzschlag eines (vielleicht geschidigten) Cyclosalpa-Embryo ab, der sich durch den wasserklaren Kérper des Muttertieres gut beobachten lief: Mt alb., 20: nae aay Zahl | Zeit in Sek. | Zahl | Zeit in Sek. ope tenes 6 23 40 | 53 5] 16 45 87 6 23 76 III 3 II 39 62 3 13 28 102 6 16 36 56 1 10 28 48 2 8 36 53 2 II 35 56 5 17 236 L. 8. Schultze, Diese Tabelle lehrt, daf, wahrend 100 abviscerale Pulse nur 164 Sek. brauchen, die gleiche Zahl advisceraler Pulsationen 400 Sek. in Anspruch nimmt! Diese Verlangsamung des Herzschlages kommt, wie in den meisten Fallen, so auch hier nicht durch einen verlangsamten Ablauf der einzelnen, peristaltischen Welle, sondern durch Verzégerungen in der Aufeinanderfolge der Wellen zustande. Fiir Salpa democratica-mucronata enthalt die Tab. 3 (S. 227) ein Beispiel von Ueberwiegen der abvisceralen Pulse: 100 ab- viscerale P. brauchen hier 51 Sek., ebenso viel adviscerale dagegen 71 Sek. d) Schwankungen der Frequenz des Herzschlags am Individuum. Die respiratorische Rolle des Salpen-Blutes ist experimentell noch nicht erwiesen worden, ,,es ist farblos, erleidet an der Luft keine Farbenverainderung und kénnte sehr wohl nur von nutritiver Bedeutung fiir den Organismus der Salpen sein“ (21;-S: 162). In Uebereinstimmung hiermit steht, was KRUKENBERG an Salpen beobachtet zu haben glaubt, die er in nicht erneuertem Seewasser lingere Zeit gehalten hatte; er sagt dartiber: ,,von dem Gesichtspunktce aus, daf& der fiir die Gewebeatmung er- forderliche Sauerstoff durch das Blut den einzelnen Zellen des Salpenkérpers zugeleitet wird, .... hitte man glauben sollen, daf das Herz bei eintretender Atemnot rascher schlagen.. . wiirde; derartiges wird aber nicht beobachtet. Ein Mechanismus wie er am Respirationsapparate der Sdugetiere nachgewiesen, durch den die Respirationsmuskeln bei Kohlensiureanhaufung und Sauerstoffmangel im Blut zu kraftiger Thatigkeit angeregt werden, existiert am Salpenherzen nicht“ (S. 162). Leider mu ich auch in diesem Punkte wieder KRUKENBERG entgegentreten: eine Verschlechterung des Atem- wassers, wie sie sich in einem engen Gefa& sehr bald ein- stellt, hat unverkennbar neben einer Vergréferung der einzelnen Pulsationsreihen eine betrichtliche Beschleunigung der Herzschliage zur Folge: aa Deez leas Salpa africana-maxima (gen. cat.), 13,5 cm lang, bei 18,3° C, eine Stunde nach dem Fange. ak. 21D: Dasselbe Tier wie in Tab. 21a, bei 18,4° C, zwei Stunden nach dem Fange. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 237 Tab. 21a. Tab. 21b. Abv. [W.P| Adv. |w.-P. 55.0 San ee ae en Zahl |Zeit in Sek.| Zahl|/Zeit in Sek. Zahl Zeit in Sek.| Zahl/Zeit in Sek. ie) 45: | 22 ABO Ass: | 3 AQi OS Wael B5.| T6zahae2 Dining y)> TOBA: Wiez2. 3 Hall tage Wal (Gol| wes: 1 tr Bi |) 61 I 34 | 72 4 51 | 102 2 1104] 200 I JOj»|..60: | 2 [AO | 82 2 5 | rom 2 MPAs) 205 4) ir ein 73+) ot “WeBoal 76 | = 5 ip || 100k ere TOI 198: |. 2 BI Sm ly cai p4ath SB] 145 58 | 105 | 1 | 92] 177) 2 35 | 70 2 ST | 65 4 64 | 118 I Q7| 185 | 1 29 | 6 | 3 | 36| 7 I 64 | 118) 1 95| 179 | 2 Gace es I 98 | 180 3 BB | 99 | gai 172] Im frischen Wasser fiihrte das Herz, wie sich aus diesen Tabellen ergiebt, je 100 ab- und adviscerale Pulsationen in 212 und 210 Sek. aus, nach einer Stunde, im verschlechterten Wasser dagegen leistet es dieselbe Arbeit schon in 188 und 193 Sek. Die Leistungsfahigkeit des Herzens steigert sich bei einem anderen Individuum noch weiter: Tab. 22a. Salpa africana-maxima (genat.), 13 cm lang, bei 185° C, zwei Stunden nach dem Fange. Tab. 22b. Dasselbe Tier wie in Tab. 21a, bei 19,2° C, le Stunden nach dem Fange. anee cen ae Tabee22 be art Abv. |W.-P] Adv. [W.-P. Abv. |W.-P| Adv. !W.-P. Zahl |Zeit in Sek. Zahl)/Zeit in Sek. Zahl |Zeit in Sek.| Zahl|Zeit in Sek. Pie OSs 3) 11 DO) | glOon |) 2 VAY, W249") 21 aE SO7a pe 2 25 | 66 3 56 | 119 2 146 | 247 2 1189 | 306 2 29 | 74 3 54 | 118 2 153 | 258 | 2 7179] 293 2 Pe ee Sheol On LZ. Ws 144| 243 | 2 1133) 223] 2 7; 67 3 56 | 122 2 135 | 228 I 175 | 286 2 atl 71 $ 56 | 119 2 111 | 196 2 1159 | 258 2 DAS O25 3 ya aes fe: PAGE Eby | 2 89 | 151 2 24 | | 3 ila Dls eas 130/219 | 2 |144| 240] 2 56 |126| 3 | 72|147| 3 170] 276| 2 1205] 330] 2 2D | O45 33 64) e227 180 | 293 | 2 |212| 339] 2 Dida ghsO, || 13 69> p23San 38 HAR rex 3 RO TOT 2 238 L. S. Schultze, Wahrend dieses Herz nach 2-stiindiger Gefangenschaft des Tieres zu je 100 ab- und advisceralen Pulsationen 254 und 212 Sek. nétig hatte, bedarf es 5!/, Stunden spiter zur gleichen Arbeit nur 171 und 165 Sek. Fir Cyclosalpa konnte das gleiche Ver- halten nachgewiesen werden. Tab. 23a. Cyclosalpa pinnata (gen. sol.), 8,5 cm lang, bei 21° C, eine Stunde nach dem Fange. Tab. 23 b; Dasselbe Tier wie in Tab. 23a, bei 22° C, sieben Stunden nach dem Fange. Tab. 23a. Tabi Zab: Aby. [W.-P. Zah\ |Zeit in Sek. Adv. [w.-P. Abv. |w.-P| Ady. |WoP, Zahl Zeit inSek. Zahl|Zeit in Sek.| Zahl|Zeit in Sek. 3a 69 2 ea 70 | 2 86 130 2 Ee 143 2 36 | 76 2 ail 69 | 2 86 | 129 2 | LOL | 246nhee 33 | 69 2 Sis 168 2 88 | 129 | 2 |102] 148! 2 41 85 2 oA | 7a |e 89 | 127 I 102 | 146 I Al | 8&4 2 | 386 | 88 2 S90) 127.) a L021) aC riae 40 | 80 2 34 71 | 39 | 79 2 DON 72 2 39 | 79 2. | oO) ay 41 | 79 2 38 | 80 2 43 84 2 41 | 79 2 Dieses Herz brauchte anfangs 208 und 220 Sek. zu je 100 ab- und advisceralen Pulsationen. 6 Stunden spiter leistete es die gleiche Arbeit in 148 und 147 Sek. In keinem der angefiihrten Faille war eine Abnahme der Kontraktionsgré8e des Herzens zu beobachten. Die Temperatur des Wassers blieb wihrend der einzelnen Beobachtungen so gut wie konstant. Daf die geringen Temperatur-Unterschiede, die zu verzeichnen waren, fiir die hier festgestellte Steigerung der Pulsfrequenz nicht verantwortlich zu machen sind, geht aus den friiher (S. 226ff.) mitgeteilten Tabellen 1—3 hervor. Jede von ihnen lehrt bei weiterer (analog der im Vorhergehenden aus- gefiihrten) Berechnung, dai ohne jede mefbare Tempe- raturerhéhung bei schnell zunehmender Verschlechterung ~ des Atemwassers in den letzten 5 oder 6 zusammengesetzten Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 239 Perioden die Frequenz des Herzschlages eine merklich gré8ere als in den ersten Perioden ist. Die nihere Priifung, ob Sauerstoffmangel oder Anhiufung von Kohlensiure oder anderer Stoffwechselprodukte die ge- steigerte Herzthitigkeit hervorruft, hoffe ich spiater in Angriff nehmen zu kénnen, zugleich mit einer Untersuchung des Tem- peratur-Kinflusses, tiber den bis jetzt nur spirliche Notizen vor- liegen (KNOLL, 20). e) Die Frequenz des Herzschlages bei den ver- schiedenen Arten. Aus dem Vorstehenden ergiebt sich, da’ man zur Fest- stellung der normalen Schlagfrequenz des Herzens sich an frisch eingefangene Tiere halten mu. KRUKENBERG versuchte auf dem Meere selbst zu beobachten, aber im Boote lift sich nicht die erforderliche Genauigkeit der Zeitmessungen erzielen. Besser ist es deshalb, die Tiere gleich nach dem Fange im Laboratorium zu untersuchen, nachdem man sie dort noch einmal vorsichtig in frisch mitgebrachtes Wasser umgeschopft hat. Die folgenden Angaben sind Mittelwerte und beziehen sich auf annihernd oder vollkommen erwachsene Vertreter dreier Arten, deren beide Generationen im Spatfriihling und Sommer im Hafen von Messina gefangen und bei einer Wassertemperatur von ca. 20° C beobachtet wurden. Fiir die beiden gréferen Arten, Salpa africana-maxima (Individuen von 10—13 cm Linge) und Cyclosalpa pinnata (Individuen von ca. 8 cm Linge) ergab sich eine Frequenz von 26—380 Schligen in der Minute. Das Herz der viel kleineren Salpa democratica-mucronata dagegen (in ca. 1 em langen Exemplaren untersucht) fiihrte in der Minute durchschnittlich 107 Pulsationen aus. Die kurzen Angaben KNoLL’s (20) tiber die Frequenz des Herzschlages bei einigen Salpen sind zwar als Basis seiner Ver- suche iiber den Einfluf’ von Temperatur-Steigerungen brauchbar, kénnen aber nicht als Ausdruck der normalen Schlagzahl dienen, da er zum Teil ganz unreife Tiere vor sich hatte und iiber Alter und Versuchs-Bedingungen (mit Ausnahme der Temperatur) keine Notizen gemacht wurden. Zu beriicksichtigen ist immer, dai die Bedingungen, die den empfindlichen Herzrhythmus der Salpe beeinflussen kénnen, in ihrer Wirkung auf das frei lebende Tier vor der Gefangen- 240 L. 8S. Schultze, schaft sich nicht tibersehen lassen. Auf die Nachwirkung solcher unkontrollierbaren Verschiedenheiten der Existenzbedingungen sind wohl die Abweichungen zuriickzufiihren, die unter gleichen Beobachtungsverhaltnissen an gleichzeitig eingefangenen Tieren, ceteris paribus, zu Tage traten. f) Die Dauer der Wechselpause betrigt am ungeschwichten Herzen der Salpa democratica- mucronata kaum 1 Sek., bei den gré8eren Arten schwankt sie zwischen 1 und 4, ausnahmsweise 5 Sek. (s. die Tabellen). Die den abvisceralen Pulsationsreihen folgenden Wechselpausen sind in der Regel denen gleich, die auf die advisceralen Reihen folgen. Nur in einem Falle (Tab. 21a) war eine merkliche einseitige Verlangerung der letzteren bemerkbar. 2. Die einfache Herzperiode oder Pulsation. Wihrend bei Wirbeltieren der Ursprung der Herzkon- traktionen sich oben in den muskulésen Venen verliert, beginnt bei den Tunicaten, denen kontraktile Gefaifansitze fehlen, die abviscerale sowohl als die adviscerale Welle in einem ganz be- stimmten Bezirk des Herzens selbst (s. Taf. X, Fig. ¥*); auf der sogen. Ventralflaiche, unmittelbar neben der Uebergangs- stelle des Herzens in die Venenwurzeln. Von da greift die An- fangskontraktion nach der Dorsalseite tiber und pflanzt sich dann in der Lingsrichtung des Herzens weiter fort. Ueber den a) Anfang der Pulsation giebt schon die Blutbewegung in den gréferen Ge- fi8en in der Nachbarschaft des Herzens Aufschlu8. Der Weg, den die grofen Blutkérperchen nehmen, 1a8t sich bei der Durch- sichtigkeit des Kérpers — solange der Strom eine gewisse Ge- schwindigkeit nicht tibersteigt — mit blofem Auge, auf dem Nucleus mit der Lupe sicher verfolgen. Die Bewegung des Blutes ist keine kontinuierliche, sie schreitet stohweise fort. Unmittelbar vor Beginn jeder Pulsation steht der Blutstrom einen Moment still. Eine voriibergehende Sistierung der Herzthitigkeit ist nicht der Grund dieses Still- standes, denn noch ehe die peristaltische Welle das entgegen- Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 241 gesetzte Herzende erreicht hat, setzt schon die foleende Welle ein. Durch die Kontraktion des vendsen Herzendes im Beginn der Pulsation wird vielmehr das entsprechende Ostium stark verengt, der Blutstrom staut sich infolgedessen, ja haufig sieht man ihn eine kurze Strecke weit vom Herzen wieder zuriick- weichen, dann ist die Kontraktion des Herzendes eine besonders kraftige gewesen. Sobald aber die Erschlaffung folgt, wird das Blut angesogen und beim Fortschreiten der peristaltischen Welle mit grofer Schnelligkeit in das Herz beférdert. Dieser Still- stand oder auch Riickflu8 des Blutes am venésen Herzende im Anfang der Systole ist ebensowohl bei S. africana-maaxima als bei Cyclosalpa, bei ab- und bei advisceralen Pulsationen nach- zuweisen. Betrachtet man bei advisceralen Pulsationen das vendése (also hypobranchiale) Herzende von S. afric.-maxima (cat.) oder von Cyclosalpa pinnata (cat.) unter der Lupe bei durchfallendem Lichte, so sieht man im Beginn der peristaltischen Welle den Anfangsteil der ventralen Herzwand weit hinauf in das Lumen der Venenmiindung vorgestreckt werden. Nicht immer wihrend der ganzen Pulsationsreihe und nicht bei allen Tieren ist diese Erscheinung in gleicher Weise ausgepragt, bei abvisceralen Pulsationen, also am visceralen Venenende des Herzens, wo auch die Beobachtung ungiinstiger ist, tritt sie stets weniger deutlich zu Tage. Dieser zipfelformig in die Blutbahn einspringende Teil des kontrahierten vendsen Herzendes sei kurz der Kon- traktions-Zipfel genannt (s. Taf. X, Fig. 1 und 3 ka). Dieser Zipfel kann, wie sich an dem durchsichtigeren Herzen von Cyclosalpa gut beobachten lift, wiaihrend der ganzen ad- visceralen Pulsationsreihe ununterbrochen sichtbar sein. Aus seiner héchsten Lage in den Venenwurzeln schligt er beim Fort- schreiten der peristaltischen Welle, einen Bogen von ca. 100° beschreibend, in das Herzlumen zuriick, um im Beginn der nachsten Systole, dem Blutstrom entgegen, wieder in die Venenwurzeln gehoben zu werden. Man wiirde diesen Klappen-ahnlichen Wandabschnitt fiir einen anatomisch praformierten Herzteil halten, wenn er nicht bei den einen Individuen schon nach jedem Herzschlag, bei anderen erst nach der Umkehr der Blutstromrichtung, regelmifig voll- kommen verschwinde. In letzterem Falle biegt sich der Kon- traktionszipfel, der mit der letzten advisceralen Welle aus dem Anfangsteil der Venen in das Herzlumen umschliagt, im Beginn Bd, XXXV, N. F. XXVIII. 16 249 L. 8. Schultze, der Wechselpause in die Venenmiindung zurtick, verharrt in dieser Stellung (s. Taf. X, Fig. 1, vgl. auch Fig. 3), bis die erste ab viscerale Welle vom entgegengesetzten Herzende sich néahert und verstreicht dann spurlos. Bei Salpa afric.-mazxima (cat.) findet nach dem letzten advisceralen Schlag eine ganz analoge Kontraktion des bis dahin venédsen Herzendes statt. | Diese Kontraktion und das eben genannte Umbiegen des Kontraktionszipfels in die Venen ist der letzte vergebliche Ver- such des Herzendes, noch einen Schlag zustande zu bringen. Man sieht tiberhaupt oft (besonders bei Cyclosalpa pinnata) am Ende der Pulsationsreihen die Herzschlage erschwert werden: die Anfangskontraktion am dufersten Herzende — im Verhiltnis zur mittleren Geschwindigkeit, mit der die Welle tiber das Herz geht, an sich schon in allen Pulsationen trige — wird stark verlangsamt und ist schlieflich dem unsichtbaren Widerstande, der sich ihr entgegenstellt, nicht mehr gewachsen (vergl. vAN HASSELT, 17, 8S. 79). In den oben genannten Fillen, in denen der Kontraktions- zipfel wiahrend der ganzen advisceralen Reihen ununterbrochen sichtbar ist, sind wir zu der Annahme gezwungen, da an diesem venésen Herzende die Erschlaffung nur eine unvollstandige ist. Der Grund hierfiir kann in einer derartigen Verlangsamung des Anfanges der peristaltischen Welle liegen, da8 eine neue Kon- traktion schon einsetzt, noch ehe die Erschlaffung beendet ist. Der eingekriimmten Gestalt des weiten Herzschlauches ent- sprechend hat b) die fortschreitende peristaltische Welle auf der konvexen Riickenseite des Herzens (s. S. 224) einen lingeren Weg als auf der eingezogenen Bauchseite zu durch- laufen. Dazu kommt, daf dorsal das Herz von dem auch seiner- seits fixierten Pericard festgehalten wird. In halb durch-, halb auffallendem Lichte erscheint die Kon- traktionswelle des Salpenherzens als eine weifliche Figur, die tiber das sonst durchsichtige oder doch nur schwach getriibte Herz hingleitet (s. Taf. X, Fig. 2 und 4). Sie hat altere Autoren zu Irrtiimern verleitet, so beschreibt sie van HASSELT (17, 8. 80) als eine spiralig fortschreitende Bewegung, Costa hielt sie sogar fiir eine bewegliche Spiralklappe des Herzens. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 243 Wihrend die Kontraktionswelle auf der Bauchseite des Herzens scharf einschneidet, zerteilt sie sich breit auf der Riicken- seite. Die halbmondférmige Figur, die je nach der Richtung, in der man beobachtet, mehr oder weniger deutlich hervortritt, be- zeichnet die Stelle, wo das Myocard in das Pericard sich um- schligt. Die zwischen diesem dorsalen Teile der Kontraktions- zone und der ventralen Furche wie eine Scheidewand quer durch die Herzhéhle sich ausspannende triibe Lamelle wird von den tief eingeschniirten, eng aneinander gepreften Teilen der Herz- wand gebildet. Die Kontraktionsfigur auf der fixierten Dorsal- seite des Herzens giebt einen besseren Anhaltspunkt zur Ver- folegung des Kontraktionsverlaufs als die langsamer fortschreitende tiefe Einschniirung in der unruhig auf- und niederwogenden Bauchfliche des Herzens. Schon eine Beobachtung ohne weitere Hilfsmittel lehrt, da8 die Kontraktionswelle auch an frisch eingefangenen, lebens- kraftigen Tieren nicht immer gleichma8ig fortschreitet. Ungefihr in der Mitte des Herzens, bald auch mehr nach dem arteriellen Herzende zu, verlangsamt sie sich merklich, zégert einen Moment und lauft dann mit der alten Anfangsgeschwindig- keit schnell ab. Auch diese Erscheinung zeigt alle individuellen Abstufungen, bald ist sie auf den ersten Blick zu sehen (so besonders bei Tieren, die in langerer Gefangenschaft gehalten wurden), bald ist sie nur schwach angedeutet. Bei mehreren Individuen fiel auf, daf§ die peristaltische Welle im ersten Abschnitt ihrer Bahn glatt, im zweiten Abschnitt dagegen holperig fortschritt. Um das ruhende Herz von Cyclosalpa pinnata liuft das weite Pericard bei der Durchsichtigkeit seines Herzansatzes scheinbar allseitig frei herum. Naht aber die Kontraktionswelle, dann néhert sich ihm die Herzwand bis zum Verschwimmen der beiderseitigen Konturen (s. Taf. X, Fig. 2 und 4). Das Pericard von S. afric.-maxima stellt keinen so geriumigen Beutel dar, wie das der vorher genannten Art, Herz- und Pericard-Kontur sind auf der Dorsalseite auch des ruhenden Herzens oft nicht zu unterscheiden. Meist sieht man vor Ablauf der einen Welle am Arterien- ende den Anfang einer neuen Welle am Venenende des Herzens. Dies Zahl der: ‘gleichzertig -wber%das “Herz” fort- schreitenden Wellen ist abhingig von der Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Wellen und von der Schnelligkeit, mit der GS 244 LS. Schultze, sie sich folgen, also von der Frequenz der Pulsationen, die wir friiher besprochen hatten. Bei den beiden gré8eren Arten sah ich stets nur 2 Wellen gleichzeitig tiber das Herz gehen, bei der kleinen S. democratica-mucronata konnte C. Voat (87, S. 32) bis zu 7 sich hintereinander reihende Einschntirungen des Herzens fortschreiten sehen. Die Dauer der Einzelpulsation oder die Geschwindig- keit des Leitungsvermégens der Herzmuskelfasern fiir den Kon- traktionsreiz versuchte ich, bei der Unméglichkeit einer Selbst- registrierung des Herzens auf der beruSten Trommei, mit Hilfe einer Zihlung von Metronom-Schligen wihrend der Beobachtung, und Messung der durchlaufenen Strecke sicher zu bestimmen. Allein bei der Kleinheit der Zeitriume, die um den Wert von 1 Sekunde schwanken, ist es mir nicht gelungen, Verschieden- heiten der Geschwindigkeit, die sich dem blo&en Auge wohl zu erkennen gaben, zahlenmafig festzuhalten. Wahrend am Venenende des Herzens eine einheitliche Pul- sation stattfindet, derart, da’ maximale Kontraktionen und voll- stindige oder unvollstindige Erschlaffungen regelmafig mitein- ander abwechseln, sind c) am jeweiligen Arterienende des Herzens haufig, zuweilen regelmabig, gemischte Kontraktions-Erscheinun- gen zu beobachten, die — wie sich zeigen wird — mit dem Zustandekommen des Stromrichtungs- Wechsels im Tunicaten- korper in Zusammenhang stehen. Wir wollen das hypobranchiale Herzende eines Kettentieres von Cyclosalpa pinnata nach Ablauf einer advisceralen Pulsations- reihe ins Auge fassen. Es steht geéffnet still, den Kontraktions- zipfel in die bisherige Venenmiindung vorgestreckt, die Wechsel- pause ist eingetreten. Jetzt naihert sich vom entgegengesetzten Herzende her die erste abviscerale Welle, der Kontraktionszipfel — verschwindet, das Herzende tritt fiir einen Moment in voll- kommene Diastole. Die jetzt folgenden Vorgiinge laufen duferst schnell ab und sind auf einen engen Raum zusammengedringt, erfordern deshalb gespannte Aufmerksamkeit des Beobachters. Unmittelbar vor dem Eintreffen des maximal kontrahierten Teiles der ersten abvisceralen Welle sieht man das hypobranchiale Herz- ende aktiv sich kraftig zusammenziehen. Die dadurch erzeugte Kinschniirung der ventralen Herzwand verschwindet entweder ebenso schnell, wie sie auftrat, zugleich mit der an- Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 245 kommenden abvisceralen Kontraktionswelle, oder sie schreitet der letzteren bald eine minimale, bald eine deutlich mefSbare Strecke weit entgegen. Diese kurz voriibergehende Kontraktion des jeweilig arteriellen Herzendes um die Zeit des Eintreffens der hier endenden peristaltischen Welle sei die antiperi- staltische Zuckung genannt. Genau analog dem Hypobranchial-Ende verhalt sich nach Umkehr des Blutstroms das viscerale Ende des Herzens. Hier tritt unmittelbar vor der Ankunft einer advisceralen Welle eine kiemenwirts gerichtete aktive Kontraktion auf. Die antiperistaltische Zuckung erscheint bei vielen Indivi- duen dem ungeiibten Auge als ein blofer Lichteffekt, den die ablaufende peristaltische Welle hervorruft, oder auch als das Ende dieser Welle selbst. Da es nicht ausgemacht ist, daf andere Beobachter diesem Irrtum, in den ich selbst anfangs verfiel, entgehen, sei noch folgendes hervorgehoben: Eine optische Taiuschung kénnte dadurch hervorgerufen werden, da der dorsale Teil der Kontraktionswelle einen lingeren Weg als der ventrale zu durchlaufen hat; die ventrale EKinschntirung der Herzwand langt etwas friiher als der dorsale Teil der Kontraktions- zone am Herzende an und koénnte so eine Kontraktion des Herz- endes vor Ankunft der peristaltischen Welle vortiuschen. Diesen naheliegenden Einwand machen Beobachtungen am langsamer schlagenden Herzen hinfallig. Bei Betrachtung lediglich der Bauchflaiche des Herzens sieht man haufig zwischen der peristaltischen und der ihr entgegeneilenden antiperistaltischen Einschniirung eine Zone ruhender Herzwand liegen. Die antiperistaltische Zuckung variiert im einzelnen sehr. Bei den einen Individuen tritt sie immer nur vor den ersten Pulsationen einer Reihe auf, nach einigen Schligen ist dann statt der Zuckung nur noch ein momentanes Flimmern der Muskelfasern zu sehen, das schlieflich ebenfalls verschwindet. Bei anderen gleichzeitig eingefangenen Individuen ist dagegen die antiperistaltische Zuckung wahrend der ganzen Pulsations- reihe, bei anderen wieder in wechselnden Intervallen zu _ be- obachten. Mehrfach trat regelmafig wihrend der antiperistaltischen Zuckung der oben genannte Kontraktionszipfel auf, der sonst nur am jeweilig venédsen Herzende gesehen wird; er sprang im Moment jeder Zuckung betrachtlich in das Herzlumen vor und verschwand dann vollkommen. Lehrreich sind jene Fille, in denen eine peristaltische Welle 246 L. S. Schultze, sich verspitet. Dann verstirkt sich die antiperistaltische Zuckung zu einer kraftigen Welle, die bis zur Herzmitte fortschreiten kann, um hier mit der ihr entgegenkommenden Welle zusammen- zuprallen. Unter Umstinden k6énnen antiperistaltische Erscheinungen die sonst so scharf durch die Wechselpause markierte Umkehr der Kontraktionsrichtung des Herzens ganz verwischen. So zeigte ein erwachsenes Solitirtier von Cyclosalpa pinnata (nach 9-stiindiger Gefangenschaft) gegen Ende jeder Pulsationsreihe ein langsam immer starker werdendes Hervor- treten der antiperistaltischen Zuckung am jeweilig arteriellen visceralen sowohl als hypobranchialen Herzende. Die Zuckungen, die mit Unterbrechungen schon wahrend der ganzen Pulsationsreihe sichtbar waren, verstiirken sich jetzt zu anfangs. kurzen antiperistaltischen Wellen, die allmahlich bis zur Herz- mitte vordringen, um dort mit der noch immer thatigen Peristaltik zusammenzutreffen. In dem Mafe nun, als die Antiperistaltik weiter tiber die Herzmitte hinaus fortschreitet, verkiirzen sich die peristaltischen Wellen, und so gelangt schlieflich die erstere zur Alleinherrschaft; ohne da eine Wechselpause eingetreten wire, ist das bisher venése Herzende allmihlich arteriell geworden. Es schien mir wiinschenswert, die im Vorhergehenden nur an Cyclosalpa festgestellten antiperistaltischen Er- scheinungen fiir Salpa africana-mazxima zu bestitigen. Die Beobachtung ist hier weniger gtinstig, da das Herz dieser Art durch das Blut stirker getriibt wird als das von Cyclosalpa. Durch Drehen des Standglases, in dem die Tiere mit Glasstiben wie in einem engen Kiafig, ohne irgend einem Druck ausgesetzt zu sein, in bestimmter Stellung gehalten werden, durch geeignete Abblendung des Lichtes und Wahl einer ca. 6mal vergréSernden Lupe mit gentigendem Abstand muf man sich ein vollkommen tibersichtliches Bild des hypobranchialen Herzendes verschaffen ; das viscerale liegt dem stérenden Nucleus zu nahe an. Stellt man in der angegebenen Weise wihrend einer ab- visceralen Pulsationsreihe das arterielle Herzende eines er- wachsenen Kettentieres yon S. afric-mazxima ein, so erkennt man auch hier bei Ankunft einer abvisceralen Welle die anti- peristaltische Zuckung wieder. In der Mitte der Pulsationsreihe erscheint die Zuckung als kurzes Flimmern der Muskelfasern, das leicht mit dem Ende der ablaufenden peristaltischen Welle verwechselt werden kann. Aber die Kontraktion des arteriellen Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 247 Herzendes tritt auch auf, wenn die fiir gewohnlich hier ab laufende Welle das Herzende tiberhaupt nicht erreicht, wenn sie — wie das am Anfang jeder abvisceralen Pulsation geschah — unter Bildung einer tiefen Falte in einiger Entfernung vom Herzende erlahmte. Dann ist am arteriellen Herzende statt eines kurzen Flimmerns eine deutliche Kontraktion wahrzunehmen, die kurze Zeit anhalt, um dann gleichzeitig mit der stecken gebliebenen abvisceralen Kontraktionswelle zu verschwinden. Gegen Ende der Pulsationsreihe tritt die antiperistaltische Natur der sonst schwachen Kontraktion des arteriellen Herzendes besonders klar zu Tage. Das Flimmern der Muskelfasern verstirkt sich, greift weiter nach der Herzmitte tiber; von den entgegenkommenden Wellen erreicht dann nur noch jede zweite das Ende des Herzens, die dazwischen liegende Welle wird von der antiperistaltischen Zuckung geradezu zurtickgeworfen. Diese Erscheinung kiindigte regelmifig eine Umkehr des Blutstromes an. Die Umkehr der Kontraktionsrichtung (Taf. X, Fig. 1 und 3) des Salpenherzens geschieht derart, daf die letzte der abvisceralen Wellen, die nicht zuriickgeworfen wurde, statt abzulaufen, im Moment der antiperistaltischen Zuckung als Dauerkontraktion, in Gestalt einer Einschntirung der ven- tralen Herzwand vor dem bis jetzt arteriellen Herzende Halt macht (Fig. 3, vgl. Fig. 1). Die von diesem Herzende selbst ausgehende antiperistaltische Kontraktion halt gleichfalls wahrend der Wechselpause an (ap.d). Dieser Krampf wird erst am Ende der Wechselpause dadurch gelést, da& die antiperistaltische Dauerkontraktion sich plétzlich verstirkt und als erste Welle der neuen (jetzt advisceralen) Pulsationsreihe tiber das Herz geht, ohne daf vorher ein Verstreichen der abvisceralen Dauer- falte (abv. w) festzustellen ist. Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob dieser Teil der Herzwand erst nach oder schon kurz vor dem Passieren der ersten advisceralen Welle erschlafft. Es wurde schon oben angedeutet, daf die antiperistaltische Zuckung keineswegs an allen Individuen zu sehen ist. Auch da, wo sie fehlt, halt am bisherigen arteriellen Herzende die letzte ablaufende Welle der Pulsationsreihe als Dauerkontraktion an, auch sie verschwindet erst mit dem Einsetzen der ersten Welle der neuen Pulsationsreihe. Wihrend zur Zeit der Wechselpause solche Dauerkontraktionen auftreten, tritt wihrend der tibrigen Pulsationen, wenn die peri- staltische Welle (und event. auch eine antiperistaltische Zuckung) 248 LS. Schultze, abgelaufen ist, das Arterienende des Herzens stets in kurze aber vollstindige Diastole ein. Genau die analogen Vorginge wie am hypobranchialen Ende wiederholen sich (das konnte fiir Cyclosalpa, die keinen Nucleus besitzt, festgestellt werden) nach der Umkehr des Blutstromes am Visceralende des Herzens. Fassen wir noch einmal kurz die Vorginge zusammen, die wihrend einer zusammengesetzten Periode an den beiden Herzenden von Salpa africana-maxima und Cyclosalpa pinnata sich hintereinander abspielen : Das Herz im ganzen befindet sich im Stadium 1) Nach Abgang der letzten Welle einer ab- visceralen Pulsationsreihe: vergeblicher Ansatz zu einer letzten gleich gerichteten Pulsation am visceralen Herzende (Vor- springen des Kontraktionszipfels in die bis- herige Venenmiindung). 2) Kurze, vollstandige Diastole dieses Endes, wihrend am entgegengesetzten hypobran- chialen Herzende die erste Pulsation der advisceralen Reihe einsetzt. 3) Eine antiperistaltische Zuckung am_ vis- ceralen Herzende (kurz vor dem Ablaufen | der Peristaltik in der der ersten advisceralen Pulsation). » Richtung auf die 4) Gleichzeitig mit dem Ende der antiperi- Eingeweide. staltischen Zuckung: Ablauf der ersten advisceralen Welle. 5) Kurze, vollstandige Diastole etc. (Vorgange wie bei 2—4). Ablauf zahlreicher advisceraler Wellen. der Wechselpause. eee 6) Ankunft der letzten advisceralen Welle: Dauerkontraktion dieser und der anti- § der Wechselpause. peristaltischen Zuckungswelle. 7) Uebergang dieser Dauerkontraktion in die , erste Welle der abvisceralen Pulsations- reihe. der Peristaltik in der Ablauf zahlreicher abvisceraler Wellen. 4 Richtung von den 8) Entstehen der letzten abvisceralen Welle Eingeweiden weg. mit stark verzégerter Anfangskontraktion. Forts. wie bei 1 ete. J Der Austritt des Blutes in die Arterien ist gleich wie sein Eintritt in die venédsen Ostien kein gleichmafiger: die Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 249 Erschlaffung des arteriellen Herzendes nach Ablauf der peri- staltischen Welle hat bei den meist stark verlangsamt sich folgenden Anfangspulsationen jeder Reihe einen kurzen Riickflu8 des Blutes zum Herzen zur Folge. Nach Wiederherstellung der schnelleren Pulsfolge aber iibt diese Erschlaffung keine oder doch nur eine schwache Saugwirkung aus, weil in den sich erweiternden Herzabschnitt sogleich von hinten her das Blut sich ergieft, das die nachstfolgende peristaltische Welle vor sich hertreibt. Immerhin verursacht die rhythmische Erschlaffung des arteriellen Herzendes einen kurzen Stillstand des Blutstromes nach jeder Austreibung. Das gilt fiir die ab- und fiir die ad- visceralen Schlage. Mit Ausnahme der gleich zu schildernden Fille folgt der peristaltischen Welle, wie wir sehen, noch ehe sie abgelaufen ist, eine neue; d) Pausen, wihrend deren die gesamte Herzthiatigkeit voriibergehend ruht, treten innerhalb einer Pulsationsreihe bei Salpa africana-maxima nur unmittelbar nach einer Wechselpause auf: am Anfang sowohl der ab- als der advisceralen Reihe fallt das Herz oft ganz regelmafig (besonders wenn die Tiere lange gefangen ge- halten wurden) nach jeder Pulsation in vollkommenen Stillstand, der bei den einen Individuen kurz voriibergeht, bei anderen um ein Mehrfaches linger als die vorhergehende Wechselpause an- halten kann. Nach jeder der ersten 6—8 Pulsationen einer Reihe tritt dieser Herzstillstand oft ohne weiteres zu Tage, aber er wird sichtlich immer kiirzer, und allmahlich stellt sich die schnellere Schlag- folge wieder her, die dann bis zum Eintritt der Wechselpause eingehalten wird. Veranderungen des Rhythmus sind jedenfalls ohne feinere zeitmessende Versuche bei Salpa africana-maxima nicht nachweisbar. Bei Cyclosalpa pinnata, die ebenfalls haufig die beschriebenen Pausen am Anfang einer Pulsationsreihe zeigt, ist auch vor der Wechselpause der Rhythmus des Herzschlages ein anderer als in der Mitte der Reihe. Die letzten Pulsationen sind verlangsamt, und eine Pause sucht sich zwischen sie ein- zuschalten. Das letztere spricht sich darin aus, da& das Herz noch vor Ablauf der Kontraktionswelle in den bereits wieder 250 L. 8. Schultze, erschlafften Teilen jene Einschniirungen erhalt, die fiir das still- stehende Herz charakteristisch sind (s. unten). Treten diese Falten, wenn auch nur fiir einen Moment auf (die nachste Welle beseitigt sie wieder), so ist man sicher, dal eine Wechselpause unmittelbar bevorsteht. Zuweilen pausiert aber gegen Ende und noch innerhalb der Reihe die Herzthitigkeit voriibergehend: die Wechselpause scheint eingetreten zu sein, es folgen aber zunachst noch eine, oder auch mehrere, durch Pausen getrennte Pulsationen in der alten Richtung, und dann ‘erst setzt die Wechselpause ein. Das stillstehende Herz der untersuchten Salpen zeigt regelmaiBig an seiner Ventralfliche eine oder mehrere Ein- kerbungen*), zwischen denen sich die Herzwand bauchig vorwélbt (s. Taf. 1X, Fig. 1, 2 und 7, und Taf. X, Fig. 1 und 3). Man darf diese Ruhefalten nicht lediglich auf ein passives Einsinken der elastischen Herzwand zuriickfiihren. Die Thatsache, da’ ganz die gleichen Falten sich immer da ausbilden, wo infolge von Stérungen die Kontraktionswelle stehen bleibt, dafi ferner bei lingerem Sistieren der Herzthatigkeit diese scheinbar fixen Kerben langsam fortwandern k6énnen, diese Thatsachen sprechen wohl dafiir, da die Herzfalten aktiven, mittelstarken, lokalen Dauer- kontraktionen der Muskeln ihre Entstehung verdanken. Bb. Absterbe-Erscheinungen. Wenn wir spiter den Einfluf gewisser Gifte zu priifen haben, die schnell zum Tode fiihren, ist die Kenntnis der unter gewohn- lichen Verhaltnissen an gefangenen Tieren zu beobachtenden Ab- sterbeerscheinungen des Herzens notwendig, um von diesen letzteren die specifischen Giftwirkungen unterscheiden zu kénnen. Eine der haufigsten Absterbeerscheinungen des Herzens be- steht darin, daf die Koordination der Bewegungen aufge- 1) Aeltere Autoren (Escuricut, 12, S. 322; Sars, 34, S. 66) hielten diese Einkerbungen fiir den Ausdruck einer echten Kamme- rung des Salpenherzens. Trotzdem schon Huxtzy (18, 8. 591) auf diesen Irrtum hingewiesen hatte, spukt diese ,Gliederung in hinter einander liegende Abteilungen“ noch bis in die neueste Litteratur hinein: Kwyoux (20, S. 10), Kruxenpere (21, S. 167), M. Enwarps (29, S. 93). Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 251 hoben wird. Beispiel: Auf eine bestimmte Zahl normaler abvis- ceraler Pulsationen, die der vorherrschenden Schlagzahl entsprechend das Ende der Reihe hatte bezeichnen sollen, folgten bei einer Cyclo- saipa unerwartet noch 40 weitere Pulsationen, durch Pausen ge- trennt, waihrend deren das Herz die charakteristischen Ruhefalten zeigte. Dann setzte plotzlich, ohne daf die Peristaltik ruhte, die Antiperistaltik ein: von jedem Herzende gingen dann Wellen aus, die beide meist in der Mitte des Herzens aufeinander trafen und dort erloschen. Von diesen Pulsationen bleiben schlieSlich nur die der einen Reihe erhalten, sie gelangen bald kaum bis zur Mitte des Herzens und werden immer schwicher. Unter der Lupe sieht man tber die ventrale Herzwand langsame, unregelmabige Be- wegungen schleichen, so schwach, daf es unméglich ist, anzugeben, woher sie kommen und wo sie enden. Umgefihr 1!/, Stunde nach dem Auftreten der ersten Unregelmifigkeit steht das Herz dauernd still. Bei anderen absterbenden Kettentieren von Cyclosalpa pinnata sind an jedem Herzende gleichzeitig schwache Dauerkontraktionen wahrzunehmen, deren jede sich nach einiger Zeit zu einer fort- schreitenden Kontraktionswelle vertieft. Gehen die beiden Wellen gleichzeitig ab, dann treffen sie ungefihr in der Mitte des Herzens zusammen, und wihrend die Ruhefalte, in der sie enden, die Herzmitte in schwacher Kontraktion halt, treten schon an den beiden Herzenden die verlingerten Anfangskontraktionen neuer Wellen auf. Geht die eine Welle friiher als die andere ab, so endet sie meist, bald verstreichend, in der Mitte des Herzens. Die genannten Stérungen der Koordination treten bei anderen Individuen nur einseitig auf: nach einer ganz bestimmten Anzahl kompleter abvisceraler Pulsationen greifen anfangs schwach, spaiter immer starker werdend, antiperistaltische Wellen stérend in die Peristaltik ein. Wahrend so die ab viscerale Peristaltik all- mahlig verdringt wird, ohne daf eine Wechselpause eingetreten ware, folgt eine typische Wechselpause auf das Ende der ad- visceralen Reihe. Mit auffallender Regelmafigkeit kann so das sterbende Herz ungefabr eine Stunde lang schlagen, um dann nach einigen Minuten absoluter Unordnung dauernd still zu stehen. Ebenfalls eine einseitige Verinderung des Herzschlages ist kurz vor dem Tode in Bezug auf die Lange der Pulsations- reihen zu vermerken, die Vernachlissigung solcher Falle hat, wie sich zeigen wird, zu Irrtiimern bei der Deutung von Gift- wirkungen gefiihrt: 952 L. S: Schultze, Mit einer abnorm verlaingerten Pulsationsreihe endete das Herz eines Solitairtieres von Cyclosalpa pinnata. Gleichzeitig ununter- brochen ablaufende peristaltische und antiperistaltische Wellen waren die ersten Vorboten des Todes. Bald erloschen die advisceralen Wellen ganz, und nun folgten ohne Unterbrechung 2415 vollkommen regelmafige abviscerale Wellen, 38—44 in der Minute. Eine starkere Hemmung, die am lebenskraftigen Tiere nicht hervortrat, erlitt jede Welle in der Mitte ihres Weges. Mit den letzten 150 Schlagen trat Ermtidung ein, es zeigten sich nach jedem Schlage fifr einen Moment die bekannten Ruhefalten, die letzten 40 Pulse waren im Gegensatz zu allen vorhergehenden keine maximalen Kontraktionen mehr. Vergeblich suchten von Zeit zu Zeit wahrend der langen abvisceralen Reihe antiperistaltische Wellen vom Hypobranchialende des Herzens her durchzubrechen. Erst als die lange Reihe zu Ende ging, drangen adviscerale Wellen bis zur Herzmitte vor, aber schon nach ca. 70 Schlagen erloschen sie. Die letzten langsamen und schwachen Schlage waren wieder kiemenwarts gerichtet, dann blieb das Herz stehen. Ein zweiter Fall, an einem im Mutterleib absterbenden 9 mm langen Embryo von Cyclosalpa beobachtet, sei hier mitgeteilt, weil er — ohne daf das Tier einem operativen Eingriff ausgesetzt ge- wesen wire — das Resultat von Experimenten bestatigt, bei denen ein solcher Eingriff mit seinen ersten direkten Reizwirkungen nicht zu umgehen ist. Das Interessante dieses Falles ist, daf die vielen 100 Schlage, die sich ununterbrochen gleich ge- richtet (abvisceral) folgen, eine unverkennbare Perio- dicitat aufweisen, einen Wechsel von langsamer und von schneller sich folgenden Pulsen. Wir kommen auf diese Erschein- ungen in der allgemeinen Frage tiber das Zustandekommen des Stromrichtungs-Wechsels im Tunicatenkérper eingehend zuriick. Nach Stillstand des Herzens dauern die Atembewegungen des Tieres noch eine Zeitlang fort‘). Der Anteil der Kérper- muskulatur an der Cirkulation war da deutlich zu erkennen. Mit jeder Kontraktion wurde das Blut in den benachbarten Gefaifen energisch fortgetrieben, bei der Erschlaffung der Muskeln flo8 es gréBtenteils auf demselben Wege zuriick. Bis in die Nahe des 1) Kwout (20, 8. 13) fand, da’ bei Tod infolge Temperatur- steigerung umgekehrt das Herz die Thitigkeit der Muskelreifen iiberdauerte. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 253 Herzens war in den grofen GefaiSen ein den Muskelbewegungen ent- sprechendes schwaches Steigen und Sinken des Blutes zu bemerken. Wir miissen jetzt zu gewissen C. Giftwirkungen, die KRUKENBERG beschrieben hat, Stellung nehmen. Denn einmal sind die Resultate dieser Versuche mit der spiter zu erérternden Frage tiber den Anteil nervéser Centralorgane am Herzschlag der Salpen in Zusammenhang gebracht worden, andererseits sollen hier einige jener Falle vorliegen, in denen die Anzahl der gleichge- richteten Schlige in sicherer Weise vergréfert oder verkleinert werden kann. Um so bemerkenswerter sind diese Angaben, als die Vergiftungen mit Helleborein und Nicotin nur die advisceralen Pulsationsreihen, also nur das hypobranchiale Herzende beeinflussen sollen. Die hier zu Tage tretende physiologische Ungleichheit der beiden Herzenden resp. der hier lokalisierten normalen Reizherde ware natiirlich in der Frage nach dem Zustandekommen des perio- dischen Richtungswechsels der Herzkontraktionen nicht gleich- giltig. Endlich hat auch LaniILue die Nicotinwirkung auf das Salpenherz in der Frage nach den Ursachen des _periodischen Stromrichtungswechsels verwertet. Was den ersten Punkt, den Anteil von Nervenelementen an der Herzthatigkeit betrifft, so kommt KRUKENBERG (21, S. 175) zu folgendem Endergebnis: ,,Die Folgen der Helleborein- und Nicotinvergiftung .. . scheinen mir darauf hinzuweisen, daf die Umkehr der Pulsationen auf reflektorischem Wege erfolgt und durch Ganglien vermittelt wird.‘ Den Beweis fiir diese Auffassung bleibt KRUKENBERG schuldig; es kénnte sich nach dem gegen- wartigen Stand unserer Kenntnisse auch nur um einen entfernten Analogie-Beweis handeln, der sich auf ahnliche liickenhafte Beob- achtungen aus anderen Tiergruppen stiitzt. Die reflektorischen Ganglien, die KRUKENBERG annimmt, sind, wie er ausdriicklich betont (S. 166) im Salpenherzen selbst gelegen. Und doch sagt er S. 169 iiber diesen Punkt: ,,So sehr ich mich bemiihte, auf toxikologischem Wege Ganglien im Salpenherzen . . . nachzu- weisen, so blieben doch alle meine Versuche erfolglos.‘‘ Der Autor schwankt also in seinen SchluSfolgerungen unsicher hin und her, und leider muf hinzugefiigt werden, da auch die thatsich- liche Grundlage, auf der er fut, haltlos ist. 254 L. 8. Schultze, KRUKENBERG hat ,,Stoffe aufgefunden, durch welche die Zahl der Pulsschlige nach ein und derselben Richtung einerseits ver- mehrt und andererseits verkleinert werden kann. Ersteres gelingt durch Helleborein, letzteres durch Nicotin.“ Das a) Nicotin soll die Zahl der advisceralen Pulse vermindern. Ueber den Herzschlag der Tiere vor der Vergiftung, der bei der anerkannten Verdanderlichkeit der Pulsationsreihen zur Beurteilung der Giftwirkung notwendig ist, tiber die Kon- zentration des Giftes und tiber die Dauer seiner Einwirkung fehlt jegliche Angabe. Dieser Mangel machte eine Nachuntersuchung notwendig. Aus einer frisch bereiteten wasserigen Nicotinlésung von 1 Proz. wurde je nach der erwiinschten Konzentration eine ver- schieden abgestufte Mischung mit Seewasser hergestellt und dieses Wasser vorsichtig dem Glase mit bekanntem Kubikinhalt zugefiillt, in dem die Tiere vorher beobachtet worden waren. Das zu- gegossene Gift wurde schon durch die energischen Atembewegungen des Tieres in wenigen Sekunden gleichmafig verteilt. In dem ersten Falle wurde auf} diese Weise das Tier in eine Giftlésung von 1:10000 versetzt. Tab. 24. Salpa africana-maxima (gen. cat.), 10 cm lang, bei 25° C (Nicotinwirkung I). Abv | Adv. a Zeit Zahl 4 Sek. | Zahl in Sek. 21 32 25 38 O0\ Syl sagee 24 qi 23 35 26 38 22 33 24 gS. aS 23 34 24 apne 23 37 25 36 22 34 24 36 23 36 27 38 25 38 26 37 24 35 25 38 ie | Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 25! Abvy. Adv. Zeit Zeit Zahl in Sek. Zahl in Sek. 22 30 20) 30 23 33 23 35 B # 99 32 12 290 SZ ? ? 9 63 = 8 2 12 6 ten ee. 2S: 3 9 10 37 ate 1 80 5 1 ie Das erste Anzeichen der Vergiftung trat 21/, Min. nach Zu- satz der Liésung auf, als Unregelmafigkeit in der abvisceralen Pul- sationsfolge (bei *): es schalteten sich antiperistaltische Wellen in die dadurch beeintrachtigte Peristaltik ein. Dann folgt eine starke Verkiirzung beider Pulsationsreihen; immer linger werdende, unregelmafige Pausen trennen die einzelnen Herzschlage und nach ca. 1/, Stunde bleibt das Herz endgiltig stehen. Die Kérperreifen und Oeffnungs-Sphinkteren kontrahieren sich noch langere Zeit und kraftig weiter. Die Verlangsamung des Herzschlages in diesen und den folgenden Beobachtungen werden nicht durch einen langsameren Ablauf der Kontraktion, sondern durch eine Vergréferung der Pausen verursacht. Die Einzelkontraktion ist fast bis zum Tode des Herzens maximal. Die folgende Tabelle zeigt den Verlauf der Vergiftung bei einer Konzentration von 1:25000: Tab. 25 s. 8. 256. Erst 5 Min. nach Zusatz des Nicotins treten jetzt die vorher genannten Erscheinungen auf, die Einzelheiten ergeben sich selbst aus den Tabellen. Nach 11/, Stunden stand das Herz dauernd still, wie das vorhergehende ventral von einigen Ruhefalten ein- geschniirt. Es kénnte den vorhergehenden Beobachtungen entgegen ge- halten werden, daf sie die specifische Giftwirkung von den sekundar sich zugesellenden allgemeinen Absterbeerscheinungen nicht ge- niigend trennen, dafi der schnell eintretende Tod des Herzens eine Entfaltung typischer Vergiftungs-Symptome nicht zuliefe. Um deshalb den Herztod weiter hinauszuschieben und zugleich eine moglichst grofe Zahl von Pulsationsreihen beobachten zu kénnen, wurde die Wirkung einer Nicotinlésung von 1:100000 gepriift: Tab. 26 s. 8. 257. 256 L.5. Schutze, Tab. 25: Salpa africana-maxima (gen. cat.), 11 cm lang, bei 24° C (Nicotinwirkung II). Abv. Adv. Zahl |ZeitinSek.| Zahl (Zeit in Sek. 55 70 | 59 [one 63 79 66 87 eS "= 567 84 66 83s 68 86 70 89 E 74 88 84 104 2 75 gt 84 103 51 60 45 59 61 71 45 65 *58 67 15 25 18 25 10 36 10 14 6 10 7 IO 6 IO 115) 28 9 13 ef 7 15 5 9 < 12 24 10 18 s 4 9 et 2 = 6 14 6 14 = 6 16 12 29900 4 II 4 12 ge s 9 5 io se 4 13 3 9 ox 2 6 4 18 = 41) 16 13 26 = 19 32 14 32 5 13 4 IE 3 8 5) 14 3 8 3 8 2 6 2 9 2 5 3 11 1) Zwischen die ab- und advisceralen Pulse dieser Periode ist eine Pause von 2°/, Minuten eingeschaltet. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 257 Tab. 26. Salpa africana-maxima (gen. cat.), 10 cm lang, bei 25° C (Nicotinwirkung III). Abv. Adv. 2 Zeit Zeit Zahl in Sek. Zahl in Sek. a 13 9 13 il 14 8 15 G 12 9 15 os a 13 9 15 5 ih 14 9 16 Se 8 14 10 18 Ss vi 12 9 16 = 8 14 9g 16 7 13 9 15 | 12 9 17 {i 13 9 17 9g I5 12 20 i= 10 18 13 22 A 10 18 14 22 8 10 17 12 i B 9g 18 Wal 16 @ 10 18 13 23 Og 9 15 12 20 = 10 17 13 B= 10 17 12 2h = 9 15 12 200 OS Es folgten nun je 31 ab- und adviscerale Pulsationsreihen, deren zeitlicher Verlauf im einzelnen genau registriert wurde und sich in jeder Beziehung als véllig iibereinstimmend mit den Pul- sationen des unversehrten Tieres erwiesen hat, so daf er hier nicht wiedergegeben zu werden braucht. Dann wurden 30 ccm der Lésung von 1:25 000 zugesetzt, so da’ die Konzentration von 0,001 auf 0,00132 stieg. Es ist wohl anzunehmen, daf die bald darauf zu beobachtende Giftwirkung auch ohne diesen Zusatz eingetreten ware. Die folgende Tabelle der Herzthaitigkeit vom Moment des Zusatzes an wird hier ungekiirzt wiedergegeben, denn nur so beweist sie, das in der That in keinem Stadium der Vergiftung jene Erscheinungen eintreten, die Kruxenpere festgestellt zu haben glaubt : Bd. XXXV. N. F. XXVIII 17 L. 8. Schultze, 258 Fortsetzung der Tab. 26. 10° Ree eee ooh Sere OS. MA ee Gee OS, ON aS RR eh OO ON ee ee Lal _ Loma Lal Lal ee) Lal Lal N b = ee = 1d Had cH Hid Hoo ON Hd Hd HoH HH Ho I © WHO OH NH OO 1D Tt OO N ee ees aes Omroenom a cae elon oe une mca comin: tan @n comcon hay Qin CONE OS Seki eae ON eal = _ Palietede 2 | GUE ON CA HON! NR SCU IMC EN P= G97CO 1 GN CICILY Gt oc N a tgs (2) e686 SESS RS DS 6 OS Sooo So Nesey See ed SS BOON etl (oor Sesae oN N (Se IT Ts a = I ly a ee et ian) Ul | _ aS) ; > 45 xe} A 2 rare < i a S DHOOCOH OOOO OHAHMOAHANMAMDHANOAHMAN AANA Ow & a mort yx N —~ + +) Jetzt wurden 30 ccm der Lésung 1 : 25000 zugegossen. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 259 Dem Nicotin entgegengesetzt wirkt nach KruKENBERG das b) Helleborein. Dieses Gift soll die advisceralen Pulsationsreihen ver - mehren. Die Angaben KRUKENBERG’s tiber die Helleboreinwirkung sind zwar in einigen Punkten'’ genauer als die iiber den Einfluf des Nicotins, aber weder fiir die Existenz reflektorischer, die Umkehr der Pulsationen beherrschender Ganglien, noch fiir eine einseitige Wirkung des Giftes auf das hypobranchiale Herzende beweisend. Denn nur im Anfangsstadium der Vergiftung ist gleichzeitig das Verhalten der abvisceralen Pulsationsreihe, also des vis- ceralen Herzendes mit beriicksichtigt worden, und aus den zwei Zahlen, die dieses Verhalten charakterisieren, geht jedenfalls so viel hervor, dafS auch die abvisceralen Reihen verlangert werden. Aus den spateren Stadien der Vergiftung jedoch, in denen die einseitige Verlingerung der Pulsationsreihen am prag- nantesten hervortreten soll, wird immer nur die Pulszahl einer beliebig herausgegriffenen advisceralen Reihe mitgeteilt, die zur Kontrolle unentbehrlichen ab visceralen Pulse sind nicht gezahlt worden. Um sich aber ein Bild von der Giftwirkung machen zu kénnen, sind zusammenhingende Beobachtungen notwendig. Die folgende Tabelle illustriert die Wirkung des Helleboreins, in der Konzentration 1: 1000, in Seewasser gelést (KRUKENBERG wandte eine Konzentration von 1—2 pro mille an). aby 27. Salpa africana-maxima (gen. cat.), 9'/, cm lang, bei 26,5° C (Helleboreinwirkung I). Zahl ae Zahl ae 44. 47 AT 50 me 44 48 bi 55 a 54. 58 47 522 40 45 48 51 E 54 59 49 | 54 a! x =] 260 L. 8S. Schultze, Abv. Fail... dt ana Zant a8 axle ee eS ee ee 3 = ll 39 43 38 4? 49 48 65 69 5D 30 33 56 Ul 83 67 66 73 89 66 80 112 52 74 90 53 77 74 39 61 65 32 52 61 22 38 47 20 35 42 11 20 5 12 20 38 8 17 17 7 13 20 6 12 21 9) 14 16 6 13 26 19) II 3 is — 21 6 12 Oy 6 17 26 5 13 4 if 23 31 4 23 24 1 22 26 8 20 33 5 12 3 2 8 21 6 14 18 ae 10 10 2 8 8 5) 12 20 1 OOOT : | Sunsgures1ogeT[ey ut Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 261 Von einer schnell voriibergehenden Verkiirzung der Pulsations- reihen abgesehen, die als mechanische Reizwirkung des Zutrichterns der Giftlésung aufzufassen ist, ist unter dem Einflu8 des Giftes zunichst eine unregelmaSige Verlangerung beider Pulsationsreihen zu _ konstatieren (wie in KRUKENBERG’S Versuch), dann ein starkes Absinken der Reihenlingen, besonders der abvisceralen Pulse. Gleichzeitig tritt von jetzt ab hier und da Peristaltik und Antiperistaltik gleichzeitig auf, auch laingere Pausen schalten sich ein. Nach dem letzten in der Tabelle notierten abvisceralen Herzschlage folgen sich, immer schwaécher werdend, zuweilen durch Pausen getrennt, mebrere hundert adviscerale Schlaige, wahrend deren das viscerale Herzende unthatig bleibt. Bald héren dann diese Herzschlige ganz auf, nur die Kérpermuskeln, obwohl sehr geschwicht, bleiben noch eine Zeitlang thiatig, dann tritt auch hier der Tod ein. Vergleichen wir diese Befunde mit denen KRUKENBERG’S, So zeigt sich, dafi die rein zahlenmabigen Angaben in beiden Be- obachtungen im allgemeinen itibereinstimmen, daf KRUKENBERG aber dadurch zu einem irrtiimlichen Schlu8 gefiihrt wurde, daf er nur mit willkiirlich gewahlten Daten arbeitete: auch er beobachtete zunachst eine Verlaingerung beider Pulsationsreihen. Die dann von verschiedenen Individuen notierten grofen Zahlen der ad- visceralen Pulse (240, tiber 400, tiber 1200), die auch in unserer Beobachtung sich wiederfinden und die er irrtiimlich als specifische Helleboreinwirkung auffafte, sind Absterbe-Erscheinungen des Herzens, die in ganz gleicher Form auch an unvergifteten Tieren zu beobachten sind, wenn sie nach langerer Gefangenschaft in ungewechseltem Wasser zu Grunde gehen. Vergl. die S. 252 be- schriebenen Absterbe-Erscheinungen. Daf eine solche einseitige Verlangerung der einen Pulsations- reihe, wie sie die letztgenannten Zahlen KruKENBERG’s belegen sollen, keine specifische Helleboreinwirkung ist, geht ferner direkt aus folgendem Falle hervor, der im tibrigen analog dem zuerst mitgeteilten verlief: Tab; 28 s. 8. 262. Es steigt zunachst und fallt dann wieder die Pulszahl wenig- stens in den advisceralen Reihen. Der Herztod, im einzelnen hier nicht zahlenmafig notiert, erfolete aber ohne jenes einseitige Ueberwiegen der advisceralen Pulsfolgen, gleich- miafig an beiden Herzenden erléschen nach und nach die Kon- traktionen. — 262 L. 8. Schultze, abi Zs: Salpa africana-maxima (gen. cat.), 14 cm lang, bei 26° C (Helleboreinwirkung II). Abv. Adv. Zahl _Zahl__|ZeitinSek.| Zahl__| Zeit in Sek in Sek. Zahl Zeit in Sek. 14 22 28 4 Ae 18 28 37 57 oe 20 30 36 47 a fu sh 28 39 SO wines 29 32 44 48 os 20 27 oil 50 21 30 43 | 56 ai 27 47 | 58 8 14 33 | 44 2 30 Hil 64 3 16 23 48 60 an 16 2 48 = 2? 31 59 | 74 = 14 22 5p) mallnene g. 21 25 84 160 o 18 27 94 6* 29 32 86 iadil Olaso oxi 18 38 dine 8 _ 2 9 49) /0its -comntites 9 66 47 | 63 2 15 32 1 | 3 Zz 8 83 192 4 20 | Sisal lsd 76 5 35 30 | 127 Die Versuche mit Nicotin und Helleborein lehren, da es in der That méglich ist, die Zahl der gleich gerichteten Herzschlage schnell und sicher zu verkiirzen (Nicotin) oder zunachst zu verlangern (Helleborein), Aber die Giftwirkungen berechtigen keineswegs zu dem Schluf8 auf eine physiologische Ungleichheit der beiden Herz- enden, denn das hypobranchiale sowohl als das viscerale Herzende unterliegt der specifischen Giftwirkung. Das schlieBt nicht aus, dafi unter Umstinden das eine Herzende der Giftwirkung besser widersteht als das andere, wie ja auch das langsam absterbende unvergiftete Herz bald in dem jeinen, bald in dem anderen Ende sich als widerstandsfahiger erweist. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 263 Auf die Angaben LAHILLE’s kommen wir spater zuriick. Die Frage nach der Beteiligung von Ganglienzellen am Herz- schlag wird durch die Nicotin- und Helleboreinyergiftungen in keiner Weise erhellt. Eine Nachpriifung der tibrigen von KruKEn- BERG erprobten Giftwirkungen (Curare, Kampher, Atropin, Vera- trin, Chinin, Strychnin und Muscarin) hatte wenig Interesse, da sie keine entscheidenden Resultate ergeben haben und mit solchen Ungenauigkeiten behaftet sind, da’ die Untersuchung ganz von neuem hatte anfangen miissen. Und das wire fiir die Fragen, die uns hier speciell interessieren, nicht lohnend gewesen, da unsere liickenhaften toxikologischen Erfahrungen auf dem Gebiete der Wirbellosen noch nicht zu solchen SchluSfolgerungen berechtigen, wie sie KRUKENBERG unbestimmt vorschwebten. II. Die spontanen Herzreize. A. Autotopie der spontanen Herzreize'). Empfangt das Salpenherz seine Kontraktionsreize von aufen oder enthalt es die Reizquelle, welcher Art sie auch sein mag, ausschlieBlich in sich selbst? 1) Im folgenden wird zur Frage der Automatie des Salpen- herzens Stellung genommen. Das Wort ,Automatie“ wird oft in zweifach-verschiedenem Sinne gebraucht. Man macht damit in den einen Fallen eine Aussage lediglich iiber den Ort der Reizerzeugung: das Salpenherz ist automatisch thiatig, wenn es die motorische Reizquelle, mag sie diffus oder centralisiert sein, in sich selbst enthalt. In anderen Fallen wird als automatisch in erster Linie die Art und Weise der Reizerzeugung charakterisiert: automa- tisch in diesem Sinne ist die Reizerzeugung im Atemcentrum des Saugetierhirns, weil dieses Centrum im eigenen Stoffwechsel schon den Reiz zu seiner specifischen Funktion enthalt. Reflektorisch- werden im Gegensatz dazu diejenigen Centren genannt, die erst durch Erregung anderer, mit ihnen verbundener Nervenelemente in Gang gesetzt werden (Reflexcentren des Hustens, Niesens etc.). Ein warnendes Beispiel von Unklarheit, hervorgerufen durch Vermengung dieser beiden nicht-identischen Automatiebegriffe sind die Angaben Kruxrnpere’s iiber das Salpenherz: Nachdem er 8. 155 die Streitfrage aufgeworfen hatte, ob die alternierenden Herzbewegungen der Tunicaten ,,automatisch oder reflektorisch“ erfolgen, entscheidet er sich S. 161 dahin, daf das Herz der Salpen ,automatisch* thatig ‘ist, d. h. dal es Nanen fiir den Wechsel der 264 L. 8S. Schultze, Das erstere ist mehrfach behauptet und experimentell zu stiitzen versucht worden, das letztere hat zuerst Toparo (35, S. 40) vermutet. Experimentell hat KRuKENBERG (21) die Frage in Angriff genommen, aber nicht beweisend, denn seine ,,Isolierungs“- Versuche stehen auf schwachen Fiiffen. 1. Isolierung. KRUKENBERG liste den Eingeweidekniuel aus der Salpe heraus und sah-dann, wie das ,,fast rein isolierte“ Herz sowohl ad- als abviscerale Pulsationen ausfiihrte. Eine Isolierung des Herzens ohne Blutergu8 ist, wie die Erfahrung lehrt, nur nach Unter- bindung der beiden Herzenden méglich. Ein Bluterguf’ aus dem Herzen hat, wie KRUKENBERG behauptet, sofortigen, dauernden Stillstand der Herzthaitigkeit zur Folge; die Thatsache, daf in seinem Experiment das Herz ohne Schutzmafregeln gegen Ver- blutung ruhig weiter schlug, und die reservierte Ausdrucksweise des Autors lassen es unklar, ob denn das Herz wirklich isoliert war oder ob es mit dem iibrigen Koérper, speciell dem Lakunen- system noch irgendwie in Zusammenhang stand. Das Salpenherz lift sich zwar, ohne es zu verletzen, aus dem Kérper véllig herausschneiden, aber nur bis zu einem gewissen Grade isolieren, wenn man die natiirlichen Bedingungen seiner Thatigkeit einigermafen erhalten will. Herzwand und Pericard gehéren anatomisch so eng zusammen (s. 8. 224), daf eine Trennung beider, selbst wenn sie sich reinlich ausfiihren liefe, einen starken Eingriff bedeuten wiirde. Herz und Pericard sind ferner aus der schliipfrigen, zihen Gallerte, in der sie eingebettet sind, ohne Zerrung der zarten Teile nicht zu entfernen. Solche Gallerte bildet (mit einer ihr anhaftenden Epithellamelle) an der Um- schlagstelle des Herzens in das Pericard den Abschlu8 der Herz- Richtung seiner Kontraktionen . . . die motorischen Centren in sich selbst“ tragt. S. 175,dagegen weist er ausdriicklich darauf hin, dafS seiner Auffassung nach ,die Umkehr der Pulsationen auf reflektorischem Wege erfolgt“. Um solche verwirrende Scheinwiderspriiche zu vermeiden, ist es zweckmiafig, den mehrdeutigen Begriff der Automatie zu spalten und einerseits von autonomer im Gegensatz zu reflektorischer Reizerzeugung, andererseits von autotoper im Gegensatz etwa zu allotoper Reizerzeugung zu sprechen. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 265 héhle nach aufen; hier isolieren wollen, hieBe, das Herz dorsal aufschlitzen. Schneidet man das Herz an beiden Enden unmitteJbar am Ursprung der grofen Gefife scharf ab und lost es mit der um- gebenden Gallertmasse aus dem Kérper heraus, sodaf das isolierte Stiick einen Wiirfel von knapp 1 cm Seite darstellt, dann fangt das Herz bald wieder regelma8ig zu schlagen an, wenn die erste Reizwirkung voriibergegangen ist. Ein schmales, haarscharfes Messer, wie es bei Augenoperationen gebraucht wird, eine extra spitze Augenscheere und eine Mausezahnpincette, um das Tier, ohne es zu driicken, fassen zu kénnen, sind die ge- eignetsten Instrumente, denn eine Dehnung oder Quetschung kann den Versuch vereiteln. Das isolierte Herz! kollabiert nicht gleich vollstandig, es bilden sich nur Dauerfalten in der ventralen Herzwand aus, die hier wohl als lokales passives Einsinken der Herzwand aufzufassen sind; sie werden von den schwachen Kontraktionswellen hin und her bewegt. Bei manchen Herzen sieht man statt einer Kon- traktionswelle nur eine matte Bewegung tiber das Herz gleiten. Immerhin folgen sich abwechselnd, zuweilen mit grofer Regel- maBigkeit ab- und adviscerale Pulsationsreihen (s. Tab. 29). Wechselpausen kénnen, wie das ebenfalls die Tab. 29 zeigt, wegfallen. Folgen sich die einzelnen Pulse langsam, so schalten sich oft, sowohl bei ab- als bei advisceralen Reihen, antiperi- staltische Wellen zwischen die vorherrschende Peristaltik ein. Tab. 29. Isoliertes Herz einer Cyclosalpa pinnata (gen. cat.). Abv. W.-P. Ady. Zahl | Zeit in Sek. | Zahl |Zeitin Sek. 32 | 70 3 | 73 207 31 65 3 58n 11h itG5 32 | 61 | 5 60 | 182 3Dyi4 linandd 4 S2 tl eas 32 | 69 5 70. | 329 36.0) ye o2 3 72, | zed 28h else o4 4 86 | 250 Cy pnee| | 3 90 256 24a iumsypal tl 18 70. | 184 266 L. 8. Schultze, Das Lingenverhaltnis der entgegengerichteten Pulsationsreihen wechselt mit den verschiedenen Individuen: auf 3—4 abviscerale folgten am isolierten Herzen einer Salpa africana-maxima durch- schnittlich 60 (!) adviscerale Pulsationen, wihrend bei einem anderen Tiere derselben Kette folgendes Verhaltnis sich zeigte: Tab. 30a. Isoliertes Herz einer Salpa africana-maxima (gen. cat.) Abyvy. Adv. - Yahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 28 45 74 go dl 53 59 117 Di 42 70 119 29 62 81 102 29 51 81 102 Die Pulsationen desselben Herzens unmittelbar vor der Iso- lierung zeigt: Tab. 30b. Abv. Ady. Zahl | Zeit in Sek. | Zahl | Zeit in Sek. 44 67 53 75 45 70 53 78 43 67 54 78 4G 70 54. 80 AT 70 57 84 Da in den vorhergehenden Versuchen das Salpenherz samt den ihm anhaftenden Teilen aus dem K6rper herausgeschnitten wurde, so ist die Frage nicht abzuweisen, ob etwa in diesen Nachbarteilen die spontanen Kontraktionsreize entstehen und von da dem Herzen zugeleitet werden. Die spiter mitzuteilenden Zerstiickelungs-Versuche, bei denen die Isolierung eine vollstandige war, verneinen diese Frage, ebenso die histologische Untersuchung, denn Ganglienzellen und Nervenfasern, die hier allein in Betracht kiimen, sind in der mit herausgeschnittenen Herznachbarschaft nicht zu finden. Die Isolierungsversuche beweisen, was fiir die Ascidien schon behauptet, aber von anderer Seite wieder bestritten worden war: da der regelmafige Wechsel von ab- und advisceralen Pulsationen nicht durch periphere Ursachen hervorgerufen wird. Nicht Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 267 nur die Reizerzeugung an sich, sondern auch ihr alternierender Charakter ist autotoper Natur. Das schlieSt natiirlich nicht aus, daf, analog den Verhiltnissen am Wirbeltierherzen, ein hemmender oder beschleunigender, oder in unserem Falle auch ein die Alternation der Pulse modifizierender Einflu8 von seiten des Centralnervensystems ausgeht. Eine Unter- suchung dieses Punktes wird auch nahe gelegt durch eine Notiz KRUKENBERG’S (21, S. 169) tiber ,,Beschleunigungen undefinierbarer Natur, die am Herzen jeder lebenskraftigen Salpe zeitweise auf- treten‘.. Um 2. die Bedeutung des Centralnervensystems fiir den Herzschlag zu priifen, wurde das Ganglion der Salpe mit schnell folgenden Induktions-Schligen gereizt (pu Bors-Reymonp’s Schlitten-Induk- torium, Chrom-Tauchelement von 1 1 Inhalt) und vor, wihrend und nach der Reizung der Herzschlag registriert. Die Reizwirkung auf die motorischen Centren des Hirnes ‘u8erte sich in Kon- traktionen der Kérpermuskulatur, die je nach der Strom- stirke variierten. Dabei war mehrfach zu beobachten, daf im Moment des Beginns der Reizung mit den Wechselstrémen die ganze Reifenmuskulatur des Kérpers sich gleichzeitig krampfartig zusammenzog, dann erschlaffte und wahrend der Dauer der Reizung in Ruhe blieb; erst im Moment des Aufhérens der Reizung verfiel sie wieder in kurzen, aber starken Krampf mit eingeschalteten, schnell sich folgenden unvollstaéndigen Erschlaffungen. Das Ganglion wurde durch Abpraparieren des diinnen, tiber ihm lagernden Mantelteiles etwas freigelegt; um es ruhig zwischen den Platinelektroden zu halten, muften die Tiere festgesteckt werden, doch so, daf nicht die fiir die Atmung wichtigen Kon- traktionen der Muskelreifen und Oeffnungs-Sphinkteren, sondern nur die Ortsbewegungen verhindert wurden. Ist dann das Ganglion zwischen die ca. 2 mm abstehenden Elektrodenenden gelagert, so wurden zunachst die Herzschlige des ungereizten Tieres még- lichst lange beobachtet, um eine gentigende Basis fiir spaitere Ver- suche zu gewinnen. Dabei sind die spontanen Schwankungen in der Zahl der gleich gerichteten Pulsationen einer Reihe zu beachten. Sind diese Schwankungen grof und gleichzeitig unregelmafig, dann ist die groéfte Vorsicht bei der Verwertung der Reizbefunde geboten. Eine Verkiirzung der Pulsationsreihen nach Reizung des Ganglions ist zwar nicht selten zu beobachten, sie diirfte aber erst 268 L. 8. Schultze, dann kausal als Folge dieser centralen Erregung aufgefa’t werden, wenn sie sich durch die Regelmifigkeit ihres EKintreffens, ihrer GréBe unter gleichbleibenden Bedingungen oder durch irgend ein anderes Kennzeichen von den vorher beobachteten spontanen Schwankungen der Reihenlinge unterschiede. Um in jedem Falle das zur Entscheidung nétige Material zusammen zu haben, darf man sich die Mithe nicht verdrieBen lassen, eine Stunde lang, unter Umstinden auch linger, die Herzschlige jedes einzelnen Tieres ununterbrochen zu beobachten. Die so erhaltenen Tabellen sollen hier nicht- wiedergegeben werden, da sie zur Selbstkontrolle wohl notig waren, aber das Endresultat nicht modifizieren. Von den Tabellen, die eindeutige Resultate gaben, da die Beobachtungstiere einen konstanteren Herzschlag hatten, sei hier eine typische mitgeteilt : Maibaca t. Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), bei Reizung des Ganglions. Reizung Abv. | Adv. Reizung ~ — 3 | Zeit | Zeit Zabl | in Sek. | 49%! | in Sek 65 89 78 108 66 89 91 120 v. Schlag | — 8 , y. Schlag Rollenab- a ate eciigl | od | i he stand 10 Iya) 76 83 109 64 88 88 117 v. Schlag 8 v. Schlag inane ee ; BS fis Rana a8 65 86 80 104 v. ee : ellase v. Schlag Rollenab- 20—25 | Be oe > / 3085 stand 0 v. Schlag 50 bis Ende| 51 ‘f D5 | ip v. Schlag} 45 65 78 |v. Schlag AO bis Ende Dither sl alin 59 {40 bis Ende dto. 52 70) eee 69 54 73 68 93 dauernde . dto. 55 74 58 78 Reizung Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 269 Diese Tabelle zeigt, wie alle anderen, da’ durch die Reizung des Ganglions weder die Lange der Pulsa- tionsreihen noch die Frequenz der Schlaige irgend- wie beeinflu&t wird. Auch die Wechselpausen zeigten vor, waihrend und nach der Reiznng nicht die geringste Verschiedenheit. Wir kommeu also zu dem Schluf, daf das Hirn der Salpen, im Gegensatz zu dem der Wirbeltiere und vieler wirbellosen Tiere, keine den Herzschlag modifizierenden Centren enthalt. Wenn das richtig ist, dann miiften auch andere als elektrische Reize, etwa der mechanische, in der Durchschneidung der Nerven- stimme gegebene Reiz wirkungslos sein. Das Ganglion ware iiberhaupt vollkommen entbehrlich wenn nicht ein indirekter Einflu8 des Ganglions irgend welcher Art, etwa unter Vermittelung der Muskelthatigkeit besteht, diirfte der Herzschlag hirnloser Tiere in nichts von dem der intakten Salpe sich unterscheiden. Macht man mit einer Exstirpation des Ganglions diese Gegen- probe auf die elektrischen Reizversuche, so fallt eine Erscheinung auf, die schon ihrer Konstanz wegen bemerkenswert ist: sofort nach Exstirpation des Ganglions sinkt, meist un- vermittelt, die Zahl der gleich gerichteten Schlage, die Pulsationsreihen verkiirzen sich. Die Verkiirzung betrifft entweder gleichzeitig die ab- und die advisceralen Reihen, wie es die folgenden Tabellen zeigen: Tab. 32a. Salpa afric.-maxima (gen. cat.), vor der Exstirpation des Ganglions. Tab. 32b. Dasselbe Tier, unmittelbar nach Exstirpation des Ganglions (waihrend des Eingriffes lief nur 1 zusammenges. Herzperiode ab). Tab. 32a. Tab. 32b. Abv. | Adv. Abv. Adv. | Zeit Zeit Zeit Pe Zeity | BOE A Saou Ca Sok.) © ABU sees 1) | ii Sek: OT Llane 33 | 50 13 20 22 34 ZO. 45 Bde. | 255 SPA) PE 25 37 33 50 a7 53 16 25 22 35 33. | 50 39 56 15 25 24 35 33. | 50 38 54 14 25 25 36 270 L. 8. Schultze, Oder die Verkiirzung betrifft nur die eine der Pulsations- reihen, wie aus folgenden Daten ersichtlich ist: Tab. 33a. Salpa afric.-maxima (gen. cat.), vor Exstirpation des Ganglions. Labia dD Dasselbe Tier unmittelbar nach Exstirpation des Gan- glions. Tab. 33a. Tab. 33b. ibe | Nay Noe | Nau | Zeit | Zeit Zeit Zeit Zabl |; Gok. | 222! |insek. 75! | in sek.| 222! | in Sek. 28 2 Sque lan eae 17 25 36 53 OAT 40 33 50 19 31 35 50 29 44 34 51 19 32 Al. ra) eso 2 41 34 49 19 31 5 en eS; 30 45 32 49 23 37 AQ, vase Wahrend in diesen Fallen jede einzelne der verglichenen Pulsationsreihen (in den Tab. 33 die in abvisceraler Richtung) nach der Exstirpation des Ganglions kiirzer ist als die des in- takten Tieres, tritt in anderen Fallen dieses Verhaltnis nur an Durchschnittszahlen zu Tage. So zeigte eine Salpa afric.-maz. (cat.) vor dem Eingriffe 16 ab- und 20 adviscerale Schlage in der zusammengesetzten Periode, wahrend nach der Operation die Zahl der Schlage auf 11 und 18 herabsank (Durchschnitts- werte aus je 10 zusammengesetzten Perioden berechnet). Die Entfernung des Ganglions (sie mag noch so schonend und schnell geschehen) hatte also regelmaBig eine bestimmte Ver- ainderung des Herzschlags zur Folge. Diirfen wir hierin den Ausdruck eines Ausfallens von Reizwirkungen sehen, die am intakten Tier das Hirn auf das Herz ausiibt? Die folgenden Experimente verneinen diese Frage, zeigen aber zugleich, dafi auf Wegen, die noch véllig dunkel sind, eine ganz bestimmte Beeinflussung des Herzschlages von der Peripherie aus moglich ist: Untersuchungen itiber den Herzschlag der Salpen. Tab. 34a. 271 Salpa africana-maxima (gen. solit.), unversehrtes Tier vor dem Versuch. Aby. | W.-P. Adv. | W-P. Zahl Zeit in Sek. Zahl Zeit in Sek. 33 54 2 42 64 2 33 55 I 42 63 4 30 52 I 42 66 3 31 50 I 4? 65 2 34. 54 I 43 67 2 34 55. I 43 65 2 515) 57 I 45 67 3 3D 54 I 44 67 2 a 57 I 45 69 I 38 61 1 AG. |v aii6o 3 Am Ende der letzten Reihe wurde nun das Ganglion ent- fernt. Wahrenddessen ist nur eine ab- und eine adviscerale Reihe verstrichen; die folgende Tabelle, am enthirnten Tiere aufgenommen, bildet also mit dieser EKinschrinkung die direkte Fortsetzung des in der vorhergehenden Tabelle registrierten Herzschlages: Tab. 34b. Dasselbe Tier, unmittelbar nach Exstirpation des Ganglions. Abv. Adv. Zahl | Zeit in Sek.]| Zahl | Zeit in Sek. 18 28 28 41 17 28 25 30 21 31 30 45 22 35 d 48 23 38 3 52 26 41 37 55 26 42 40 58 27 43 41 59 29 45 3 63 29 45 45 _ 65 Die Tabelle zeigt, aufer dem unvermittelten Abfall der Schlagzahl in der ab- und advisceralen Reihe, wie sich allmahlich die héhere Schlagzahl des normalen Tieres wieder herstellt, in 272 L. 8. Schultze, diesem Falle schneller in den advisceralen, langsamer in den ab- visceralen Reihen. Nach Ablauf der letzten Pulsationsreihe wurde nun dem Tiere ein ca. 1/, cm langes Stick der Hypobranchialrinne mit angrenzender Kérperwand ausgeschnitten: Tab. 34e. Dasselbe Tier, unmittelbar nach Exstirpation eines Stiickes der Hypobranchialrinne aus der Gegend des_ exstirpierten Ganglions. Abv. Adv. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 11 16 20 35 bff 25 3) 44 19.04 29 Oar | 39 Zl 34 48 66 25 36 yh 73 De 48 61 87 30 43 60 83 34 51 68 93 34 50 19 107 36 55 80 108 Sofort sinkt abermals die Schlagzahl beider Pulsationsreihen betrachtlich herunter, um sich bald wieder zur Norm des unver- sehrten Tieres zu erheben. (Das hierbei zu beobachtende starke Ansteigen der advisceralen Pulse bis auf 80 darf auf Grund einer einzelnen Beobachtung nicht ohne weiteres mit dem Eingriff in Zusammenhang gebracht werden; nur zahlreiche Beobachtungsreihen wiirden dariiber entscheiden kénnen, ob hier auch spontan — wie es bei laingerem Aufenthalt des Tieres in ungewechseltem Wasser stets stattfindet — eine Erhéhung stattgefunden haben wiirde oder nicht). Dieser und analoge Versuche beweisen, daf aufer der Ex- stirpation des Ganglions auch andere Verletzungen den Herz- schlag modifizieren kénnen. Da8 es aber ausschlieBlich, auch im Falle der Enthirnung, die Verletzung an sich und nicht eine Abhaingigkeit vom Central- nervensystem ist, die die Pulsationsreihen verkiirzt, beweist fol- gender Versuch: Untersuchungen itiber den Herzschlag der Salpen. 273 Tabs3 5a: Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), unversehrtes Tier vor dem Versuch. Abv. | Ady. Zalienl emer an Sek. | Zahl | Zeit in Sek. 12 | 18 | 1k 27 9 Te «haiti a ae WW 20 19 29 10 19 Vaal 25 10 18 18 28 9 17 16 26 inl 21 2] 31 li 18 19 29 11 19 20 30 12 21 23 35 Mit einem scharfen Scheerenschnitte wurde diesem Tiere nun der ganze vorderste Kérperteil, in einer Entfernung von 1 cm vor dem unberiihrten Ganglion durchschnitten: Tab. 35b zeigt das plotzliche Absinken der beiderseitigen Pulsationsreihen nach Abtrennung der vorderen K6rperhalfte : Abv. Adv. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 7 12 16 24 %) 16 £7 26 8 17 17 27 9 18 18 29 11 20 5 II 3 7 15 26 4 8 15 26 5 10 15 25 5 10 irl 25 7 15 19 29 9 16 22 33 13 21 Yl 41 8 15 27 40 13 23 26 38 10 19 245) 39 Bd. XXXV. N. F. XXVIUL 18 o74 L. 8. Schultze, Nachdem sich das Tier erholt und die Pulsationszahl der Reihen annaihernd die normale Héhe wieder erreicht hatte, wurde jetzt das vollkommen unversehrte Ganglion entfernt, eine im Verhiltnis zur vorhergehenden minimale Verwundung, was den Verlust an Korpermasse betrifft. Die unmittelbar an die vorher- gehende sich anschliefende Mabe aOic illustriert den Herzschlag nach Exstirpation des Ganglions aus dem bereits verletzten Tier: Abv. ee ae qo Adv. re Zeit 1 Prec Soe Zahl | Zeit in Sek. 13 30 44 iB) 25 amely 44 60 Aid 30 52 68 ee 29 21 30 We 26 48 64 17 28 44 70 18 31 34 44 iid 30 47 60 18 36 44 57 19 31 | 55 71 Diese Tabelle zeigt, da jetzt eine Ausschaltung des Cen- tralnervensystems ohne jeden LEinfluf’ auf den Herzschlag ist. Die Tendenz der Pulsationsreihen, sich zu verlaingern, war schon vor der Exstirpation zu erkennen und ist — wie wir schon friiher sahen — auch am unverletzten Tiere keine seltene Er- scheinung. Das allgemeine Resultat der vorhergehenden Reiz- und Ex- stirpations-Versuche ist also der Nachweis, daf’ im Gegensatz zum Wirbeltierherzen der Herzschlag der Salpen vom Centralnervensystem direkt unabhangig ist. Die letzte Versuchsreihe beweist endgiltig, daB nicht eine nervése Abhangigkeit des Herzens vom Hirn, sondern nur die relative Gréfe des Substanzverlustes das Absinken der Pulsa- tionsreihen bei Exstirpation des Ganglions bedingt. Auf die bei Gelegenheit der diesbeztiglichen Versuche er- mittelte Thatsache, dafi von extracardialen Punkten aus der Herz- schlag der Salpen sich bestimmt modifizieren la8t, haben wir spater zurtickzukommen. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 275 . B. Centralisierung oder diffuse Verteilung der Reizherde ? Nachdem im Vorhergehenden gezeigt wurde, daf ausschlief- lich in der Herzwand selbst die Kontraktionsreize erzeugt werden, ist jetzt zu entscheiden, ob die Reizerzeugung in bestimmten Regionen des Herzens lokalisiert ist oder ob die Fahigkeit spon- taner Rhythmicitaét allen seinen Teilen zukommt. Ueber das Herz der Ascidien berichtet Lors (25, S. 16). dafS Experimente eines Dr. Linaite folgendes Resultat ergeben haitten: Die Quelle der Herzthatigkeit ist auf zwei kleine Regionen an den beiden Herzenden beschrankt. Beweis: ,,Schnitt er diese beiden Stiicke aus dem Herzen heraus, so schlugen sie ununterbrochen weiter, wahrend das dazwischen liegende lange Mittelstiick nicht mehr pulsierte.‘ Wie verhalt sich in diesem Punkte das Herz der Salpen? So viel steht fest, dafi im unverletzten Tiere die peristaltischen Wellen ausnahmslos auch hier an den Herzenden anheben. Es ist trotzdem nicht ausgeschlossen, daf jeder Teil der Herzwand rhythmische Reize zu erzeugen imstande ist, da aber aus Griinden auf die wir nachher zuriickkommen, nur bestimmte Reizquellen wirksam werden und dann gleichzeitig den Rhythmus des Herz- schlags bestimmen. Trennt man ein Salpenherz von den, GefaSwurzeln ab, lést es aus dem Pericard heraus und schneidet es in Stiicke, so er- lischt zunachst jede zusammenhangende Bewegung, nur ungeordnete, langsame, wurmartige Kontraktionen der einzelnen Fasern sind unter dem Mikroskop zu sehen. Die Herzstiickchen miissen vor schnellem Absterben durch Zufliefenlassen frischen Seewassers ge- schiitzt werden. Sie werden zu diesem Zweck am besten in das von H. E. Zreauer (41) konstruierte Durchstrémungs - Kompressorium eingeschlossen, das mir gute Dienste leistete. Die Beobachtungen wurden dann, um jede direkte Reizwirkung der Zerstiickelung voriibergehen zu lassen, erst nach einigen Stunden vorgenommen, nach Abstellung des Zuflusses, um stérende Einfliisse von seiten. des Wasserstroms auszuschlieSen. In dem Falle, der hier als Beleg angefiihrt sei, wurde das Herz eines Einzeltiers von Cyclosalpa pinnata in 4 annahernd gleich grofe Stiicke zerschnitten. Die Untersuchung 31/, Stunden spiter zeigte, dal jedes einzelne Herzstickchen rhythmische Zuckungen ausftihrte. Die Zuckungen er- 18* 276 L. S. Schultze, griffen bald einen gréferen, bald einen kleineren Teil der Herz- wand und zeigten in jedem Stiick ein anderes Tempo. In der uns hier interessierenden Frage kommen nur die Bewegungen der beiden mittleren Herzausschnitte in Betracht. In einer Beob- achtungsreihe von 200 ununterbrochen sich folgenden Zuckungen kommen in dem einen Stiicke auf je 10 Schlage: 13,. 15; 15,:/18)) 18) 19¢ 17): 19, -18,° 28) 1S, 220: meee 19, 20, 22, 22, 24, 25 Sek. Das jetzt stehen bleibende Herzstiick nahm nach Zuflu8 frischen Seewassers seine Thatigkeit wieder auf. Eine halbe Stunde nach der ersten Beobachtung brauchte es jetzt zu je 10 Schlaigen: 20, 24, 25, 25, 26, 25, 28, 27, 28, 29 etc. Sek. Das inzwischen beobachtete zweite Mittelstiick des Herzens brauchte dagegen zu je 10 Schlagen: 38, 45, 52, 58, 62, 56, 56, 49, 52, 55 etc. Sek. Der Gegensatz zwischen den hier am Salpenherzen gewonnenen Resultaten und den oben mitgeteilten Angaben Loxp’s tiber das Ascidienherz veranlafte mich zu einer Nachuntersuchung der letzteren. Dem blofgelegten, kraftig schlagenden, langen Herz- schlauch von Ciona intestinalis L. wurde der mittlere Teil aus- geschnitten, nachdem er zuvor an beiden Enden mitsamt dem Pericard unterbunden worden war. Wahrend die im K6rper zuriick- gelassenen Jangen Endstticke des Herzens weiter pulsierten, blieb in der That der isolierte Teil still stehen. Wartet man aber ge- duldig eine Viertelstunde nach der anderen ab, dann sieht man auch hier, wie bei den Salpen, den Puls wieder erwachen. Dann kann der isolierte Herzteil stundenlang weiterschlagen, mit einer RegelmaBigkeit wie sie im intakten Tiere nicht gréfer sein kénnte. Einige Zahlen mégen dies belegen: das ca. 4 mm lange, isolierte Herzmittelstiick einer erwachsenen Ciona intestinalis fihrte hinter einander in jeder Minute: 13, 12, 13,13, 13j)04, 13,174,015, 15313, 15) 15. Slimane kraftige Zuckungen aus. Bei einem anderen Mittelstiick waren in jeder Minute: 6,''D; 6; 6, 6) TSIGIG AS Me Te SiG MS ronete: Zuckungen zu ziahlen. Es ist nicht nétig, das Beweismaterial zu vermehren. Die Zerstiickelungsversuche lehren iibereinstimmend, daf nicht nur die Enden, sondern auch beliebige mittlere Ab- schnitte des Herzens der Salpen und der Ascidien die Fahigkeit besitzen, wirksame rhythmische Kontraktionsreize spontan zu entwickeln. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 277 Diese diffuse Verteilung der Reizquellen hat den Vorteil, daf8 bei einer voriibergehenden Schidigung der normal allein wirksamen Reizherde benachbarte Teile die Fiihrung iiber- nehmen kénnen, sie verhiiten so eine Unterbrechung der Cir- kulation. Die hier auftauchende Frage nach dem Zustandekommen einer koordinierten Bewegung der physiologischen Teilstiicke wird spater erortert. C. Die Blutfiillung. Ist die Blutfiillung des Herzens eine Vorbedingung fiir die charakteristische Alternation wirksamer ab- und advisceraler Reize? KRUKENBERG bejaht es fiir das Salpenherz: ,,Stach ich irgend eine seiner drei Abteilungen (s. S. 250, Anm.) mit einer Nadel an, so hérte, wenn ein Blutergu8 die Folge der Verletzung war, die Pulsation am ganzen Herzen sofort auf. Das blutleere Salpenherz pulsierte nicht (21, S. 167). Diese Angabe KRUKENBERG’S ist in ihrem Hauptpunkt falsch. Ein Stich kann allerdings wie jede andere Mifhandlung einen Stillstand der Be- wegung hervorrufen; aber ein so empfindliches Gebilde wie das Salpenherz will nicht auf diese primitive Art angezapft werden. Man schneide mit einem Augenmesser in unmittelbarer Nihe des visceralen Herzendes die grofen GefifSe durch und trenne dann vollends den ganzen Nucleus ab. Blut entleert sich augen- blicklich. Der Grad der Blutfiillung des abgetrennten Herzens war beim Isolierungsversuch ohne Interesse; jetzt wurde jedesmal vor und nach dem Eingriff das Herz auf diesen Punkt hin genau kontrolliert. Die Salpa africana-mazxima, in deren Herz man unter der Lupe die grofen dichtgedrangten Blutkérperchen deutlich wie die Flocken eines Schneegestébers durcheinander wirbeln sieht, eignet sich dazu am besten. Nur diejenigen Herzen wurden weiter untersucht, die sich derart verblutet hatten, daf nach dem Schnitt keine Blutkérperchen mehr zu entdecken waren. Das Herz bleibt nach dem Eingriff zunachst stillstehen; es kann trotz der Verblutung und der Zartheit seiner Wand lange Zeit sein -normales pralles Aussehen bewahren. Nach einiger Zeit treten sowohl ab- als adviscerale Pulsationen auf, die bald rein voneinander getrennt sind, bald einzeln eingeschaltete antiperistaltische Wellen aufweisen. Die Kontraktionen sind im Bereich der beiden Herzenden, von denen sie ausgehen, oft sehr schwach, nur im Mittelstiick des 278 L. 8. Schultze, Herzens kommt es dann zur Ausbildung tiefer Kinschniirungen der ventralen Herzwand. In Tab. 36a. Salpa afric.-maxima (gen. cat.), vom Nucleus abgeschnittenes blutleeres Herz, 1 Stunde nach dem Eingriffe. Tab. 36a Abv. Adv. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. 13 110 33 45 17 119 36 48 ital 98 39 55 13 95 33 50 15 104 34 46 13 105 36 60 12 101 on 57 {2 84 36 53 14 105 38 65 6 57 30 45 ist die Thitigkeit eines véllig blutleeren Herzens registriert, zu einer Zeit, als es schon zu einem runzeligen Schlauch zusammen- geschnurrt war, dessen Lumen noch nicht halb so grof als normal war. In Tab. 36b Abv. | Adv. Zahl | Zeit in Sek.| Zahl | Zeit in Sek. So atl i 11 17 T 10 10 17 8 12 13 20 9 T3 10 15 7 12 8 II fl 12 14 19 8 13 IA 16 On II iy | 16 8 12 9 | 13 6 IO 10 | 15 ist zum Vergleich die Herzthatigkeit der intakten Salpe unmittel- bar vor Abtrennung des Nucleus dargestellt. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 219 Die beiderlei Pulsationsreihen verhalten sich am_ blutleeren Herzen zuweilen verschieden; die abvisceralen Schlige kénnen durch lange Pausen getrennt sein, in die sich vereinzelte adviscerale Wellen einschleichen. Dann folgten zuweilen bedeutend schneller, zahlreicher und in regelmabigem Tempo die advisceralen Wellen, die keine gleichzeitige Autiperistaltik aufkommen liefen; erst wenn sie gegen Ende der Reihe sich verlangsamten, setzten nach einer Wechselpause oder auch direkt die abvisceralen Pulse wieder ein. Die stundenlang anhaltenden, regelmabigen Pulsationen blut- leerer Herzen, die ich beobachten konnte, beweisen, daf bei den Salpen die Blutfitillung keine Vorbedingung fiir die Wirksamkeit regelmaSig abwechselnder ab- und advisceraler Herzreize darstellt. Fiir die Ascidien gilt dasselbe, wie ich mich an Ciona intestinalis L., Beobachtungen KRUKENBERG’s bestitigend, tiber- zeugt habe. Die Frage, ob im einzelnen eine Abhangigkeit des Herzschlags vom intracardialen Druck resp. der Wandspannung besteht, wie sie von BIEDERMANN (3, 8. Off.) fiir das Schneckenherz nachgewiesen wurde, la8t sich am Salpenherzen, der dufersten Zartheit der Teile wegen, nur auf primitive Weise untersuchen (s. 8S. 300 ff.). D. Neuro- oder myogene Natur der spontanen Herzreize. Die Entscheidung dartiber, welche histologischen Bestandteile des Herzens die Quelle der spontanen Kontraktionsreize darstellen, wird dadurch erschwert, daf die anatomische Grundlage der Frage nicht feststeht. Die Angaben der Autoren tiber den feineren Bau des Tunicatenherzens widersprechen sich schon in relativ einfachen Punkten, und diese miissen erst klargestellt werden, ehe die viel heiklere Untersuchung der Herzwand auf Ganglienzellen und Nervenfasern einsetzen kann. VAN BENEDEN und JuLIN (1, p. 318 ff.) sprechen dem Herzen der Tunicaten ein Endocard ab, die Muskelfibrillen selbst sollen die Herzhéhle abschliefen. Das wird speciell auch fiir unser Objekt, die Cyclosalpa pinnata, angegeben. Demgegeniiber be- hauptet LAHILLE (23, p. 33ff.), auf Untersuchungen an Pegea confoederata fubend, da& ein unzweifelhaftes Endothel nach innen von der Muskelschicht sich finde. Aber der Autor steht doch noch unter dem Einflusse der Anschauung von VAN BENEDEN und 280 L.. 8S. Schultze, JULIN, wenn er sich selbst widersprechend, kurz darauf angiebt, die kontraktile Substanz der Wandzellen wiirde unmittelbar vom Herzblut bespiilt. Ferner sei daran erinnert, daf Toparo zwei Schichten am Salpenherzen unterschieden hat, ,,uno esterno, formato. da un semplice piano di cellule musculari striate ..., Valtro interno fatto da un delicatissimo strato omgeneo e trasparente di sostanza elastica‘’’ (35, p. 38/39). Eine eigene Untersuchung dieser Verhaltnisse an zahlreichen Individuen beider Generationen von Cyclosalpa pinnata und Salpa africana-maxima ergab folgendes: Den Abschluf der Herzhéhle bildet zu innerst ein Endocard, das nicht als Endothelium be- zeichnet werden kann, da seine Zellen keinen endo- und epithe- lialen Charakter haben, sondern typisches Bindegewebe bilden (Taf. IX, Fig. 6). Der helle, gekérnelte Plasmakérper der Endo- cardzellen zieht sich in mannigfach gestaltete Fortsatze aus, bald nehmen infolgedessen die Zellen Spindel-, bald Sternform an, bald sind sie baumartig verdstelt u. s. w. In der centralen Plasma- masse liegt ein heller, farbloser Kern mit dunklerem, scharfem Nu- cleolus. Alle diese Zellen sind in eine durchsichtige, feste Zwischen- substanz eingebettet und lassen sich deshalb als zusammenhangende Lage mit Nadeln aus dem Herzen herauspraparieren. Diese diinne Haut kann sich bei der Konservierung leicht von der Muskulatur ablésen und in die Herzhéhle einsinken; das tauscht dann hier und da auf Schnitten ein direktes Angrenzen der Muskelzellen an die Herzhéhle vor. VAN BENEDEN und JuLIN haben das Endocard ebenfalls gesehen, aber, wie LAHILLE richtig vermutet hat, irrtiim- lich fiir ein Pericard gehalten. Oeffnet man aber ein Salpenherz, breitet es aus und betrachtet es von der Innenflaiche, so tritt beim Senken des Tubus stets zuerst die beschriebene Bindege- websschicht und erst bei weiterem Senken die Muskellage des Herzens zu Tage. Schnitte durch das Herz lassen an der Endo- cardnatur der Zellenlage ebenfalls keinen Zweifel und zeigen zugleich, wie leicht ohne Kontrolle auf Flachenpriparaten das Bindegewebe mit einem Plattenepithel verwechselt werden kann, wie es geschehen ist. Die Herzhéhle wird dadurch zuweilen betrachtlich eingeengt, dafi von der gallertigen und faserigen Masse, in die das Herz eingebettet ist, ein Teil zwischen Endocard und Muskelwand sich eindrangt. Vielleicht steht diese eingewucherte Masse in gene- tischem Zusammenhang mit der ,,rete tendinea“, die Toparo (35, p. 39) am Embryo von Cyclosalpa pinnata beschrieben hat. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 281 Im Endocard von Cyclosalpa pinnata und S. afric.-maxima sind haufig (zum Teil schon bei Tieren, die noch am Stolo der Mutter hangen) eigentiimliche Cysten zu beobachten (Taf. IX, Fig. 4). Es sind ellipsoidische, ca. 50 « lange, 45 w breite Koérper mit starker Hiilse und einem wurmartig zusammengerollten oder zu- sammengeballten, im Leben schwach griinlichen Inhalt, der grobe, stiirker lichtbrechende Kérner und ein gréferes, kernahnliches Gebilde, das sich stirker fairbt als der tibrige Cysteninhalt, hervor- treten lift. Eine néahere Untersuchung dieser Gebilde, die wohl als Parasiten (tierischer oder pflanzlicher Natur?) resp. als deren Jugendformen, in jedem Falle als Fremdorganismen aufzufassen sind, multe, als zu weit vom Wege abfiihrend, unterbleiben. Das Pericard des Salpen-Herzens (Taf. IX, Fig. 5), zuerst von Toparo (35, 8S. 38) erkannt, von VAN BENEDEN und JULIN bei der mikroskopischen Untersuchung tibersehen, besteht aus einem einschichtigen Plattenepithel, das, von der Flache betrachtet, scharfe, meist unregelma8ig polygonale Zellgrenzen zeigt. Die Befunde an den von mir untersuchten Arten stimmen mit den Resultaten LAumue’s (23, S. 34) an Pegea confoederata iiberein. Der Bau der Herzmuskelzellen entspricht in typischer Form den physiologischen Anforderungen, die an ein Herz gestellt werden: einmal der Ausdauer in der Aufeinanderfolge und dann dem schnellen Ablauf der rhythmischen Kontraktionen. Die letztere Fahiekeit giebt sich, wie fast iiberall im Tierreich, so auch in unserem Falle in einer deutlichen Querstreifung der Muskel- fibrillen zu erkennen (vgl. BrepERMANN, 4, S. 33 f.). Was die Ausdauer der Arbeitsleistung anlangt, so haben die vergleichenden Untersuchungen Knouw’s (19, S. 633 ff.) gelehrt, daf iiberall im Tierreich gerade diejenigen Muskeln, die am an- dauerndsten in Anspruch genommen werden, die protoplasma- reichsten Muskelfasern enthalten. Mit Recht sieht er in dieser Verteilung von Sarkoplasma und Fibrillen eine Stiitze der ver- breiteten Anschauung Ranvyier’s, dafi das Sarkoplasma eine her- vorragende Rolle im Stoffwechsel der kontraktilen Elemente spielt, Die Muskelzellen des Salpen-Herzens zeigen ebenfalls einen Proto- plasmareichtum, hinter dem die Ausbildung kontraktiler Substanz sehr zuriicktritt. In diesem und den folgenden Punkten stimmen meine Resultate mit denen von VAN BeNEDEN und JULIN voll- kommen iiberein (s. deren Taf. X, Fig. 5a u. b). Im Protoplasma jeder Zelle liegen mehrere grofe, helle Kerne mit deutlichem Kernkérperchen. Die kontraktilen Fibrillen, deren jede einzelne 282 L. 8S. Schultze, die oben genannte Querstreifung zeigt, laufen einander parallel, einseitig, an der endocardialen Flache des Sarkoplasmas entlang. Nachdem so wenigstens in den Hauptziigen der histologische Aufbau des Salpen-Herzens nachgepriift ist, kénnen wir uns jetzt dem Punkte zuwenden, der hier fiir uns das meiste Interesse hat: Sind im Herzen oder in seiner nachsten Umgebung nervése Elemente nachweisbar, die als Quelle oder als Regulatoren seiner rhythmischen Thiatigkeit aufzufassen sind? Die Unter- suchung auf Ganglienzellen wurde am lebenden, macerierten und auf die verschiedenste Weise fixierten und gefarbten Material, auf Schnitten, Zupf- und Flaichenpraéparaten vorgenommen. Auber den allgemeinen Methoden der Konservierung mit Sublimat, Formol, FLemMina’scher, PerENy1’scher Mischung etc. und nach- folgender Farbung mit Borax-, Para- und Pikrokarmin, Karm- alaun, Cochenille, Hamatoxylinen und Anilinfarben, wurde die Fliissigkeit vom Raru’s (Osmium- frei mit Tannin- resp. Holzessig- behandlung), die Osmiumfixierung mit folgender Reduktion in rohem Holzessig noch von MAHRENTHAL, die ebenfalls speciell fiir Nervenelemente Wirbelloser empfohlene Osmium-Essigsaure- Methode, die vitale Firbung mit Methylenblau, endlich die Ver- goldungen nach RAaNvieR und Goner und die bekannten Ver- silberungsmethoden des letzteren an unserem Objekte angewendet. Doch lege ich gerade auf die Impragnationen nach Go.at, die ich der Vollstaindigkeit halber anwandte, in unserem Falle keinen groben Wert, da sie bekanntlich selbst an ihrem giinstigsten Ob- jekte, dem Gehirn, als ,,launisch‘’ bekannt und negative Be- funde fiir das Fehlen von Ganglienzellen in vielen Fallen nicht beweisend sind. Noch weniger kennen wir fiir wirbellose Tiere die Bedingungen fiir das Zustandekommen der gewiinschten Re- aktion; das kénnte nur durch lange, speciell auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungsreihen fiir die einzelnen Arten festgestellt werden. Waren Ganglienzellen vorhanden, so miiften sie doch wohl durch eine der angewandten Methoden darstellbar sein, sie wiirden sich bei der Durchsichtigkeit der Gewebe ohne Zweifel auch am frischen Material zu erkennen geben. Auf eine naheliegende Tauschung méchte ich hier aufmerksam machen: ihres Sarko- plasmareichtums wegen besitzen die kontraktilen Wandzellen des Herzens noch eine betrichtliche Plasticitat. Nicht selten trifft man daher nach der Préparation unter anderen Formen Zellen an, deren Hauptmasse sich kugelig zusammengeballt hat, wihrend Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 283 der Rest in einen um das Mehrfache langeren feinen Fortsatz ausgezogen ist. Solche Gebilde kénnen zuweilen auch noch bei mittlerer Vergréferung Ganglienzellen sehr ahnlich werden. Kommt dann in das kugelig zusammengeballte, oft dunkler er- scheinende Plasma einer der grofen, hellen, blaschenférmigen Kerne mit dem dunklen Nucleolus zu liegen, dann wird die Tauschung eine frappante, und es bedarf der besten Systeme, um sie als solche zu erkennen. Nervenfasern, deren autonome Erregbarkeit ENGELMANN (10, S. 546 ff.) wieder betont und als die Quelle spontaner Herzreize nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen hat, waren in keinem Teile des Herzens zu finden. Das Endergebnis unserer mikroskopischen Untersuchung des Salpen-Herzens stimmt mit denen friiherer Autoren iiberein: Ransom (81, 8. 325 f.), Van BENEDEN und Jutin (1, 8. 321) und Knott (20, S. 17) haben ebenfalls vergeblich nach nervésen Elementen im Tunicaten-Herzen gesucht. Und so miissen wir mit der Sicherheit, die tiberhaupt ein negativer Befund auf rein em- pirischem Gebiet zula8t, den Standpunkt vertreten, da Ganglien- zellen und Nervenfasern dem Salpen-Herzen fehlen, da8 es die motorischen Reize ausschlieBlich im Stoffwechsel seiner sarkoplasmareichen Muskel- zellen selbst entwickelt. Dieser Schlu8 steht keineswegs isoliert da. In der Physiologie des Wirbeltierherzens hat sich bekanntlich die Ueberzeugung vom myogenen Ursprung der Herzthitigkeit immer mehr Bahn ge- brochen. Zu dem Nachweis, daf notorisch ganglienfreie Abschnitte des Cirkulations-Systems spontan rhythmische Pulsationen des ganzen Herzens hervorrufen kénnen (ENGELMANN, 9, 8. 120, 134), zu dem ilteren Nachweis BrepERMANN’s (2, 8. 259 ff.), dal selbst _Skelettmuskeln, durch Curare dem EinfluS des Nervensystems vollig entzogen, in bestimmten Salzlésungen tagelang ,,mit der Regelmafigkeit eines schlagenden Herzens‘ pulsieren, zu diesen und anderen von ENGELMANN (10) kritisch beleuchteten Beweisen fir die rein muskulare Natur der hier in Betracht kommenden rhyth- mischen Kontraktiousreize gesellt sich als ein neuer unser Befund am Herzen der Salpen. Wie dieser relativ komplizierte und doch so wohl koordinierte, sich selbst regulierende Bewegungsmechanismus arbeitet, werden wir im folgenden weiter im einzelnen zu ergriinden suchen. Q84 'L. 8. Sehultze, III. Die Ursachen des periodischen Stromrichtungs- wechsels im Tunicaten-Korper. A. Der Kreislauf des Blutes. Die Anordnung des Gefafsystems im Tunicaten-Koérper ist theoretisch und experimentell von verschiedenen Gesichtspunkten aus in die Erérterung iiber die Ursachen der periodischen Strom- umkehr hereingezogen worden. Wir hatten friiher gesehen, daf die Stromumkehr durch rein periphere Eingriffe bestimmt beeinflubt werden kann, ohne daf eine nervése Leitung anzunehmen ist (Ex- stirpation des Ganglions, S. 269 ff.); weiterer Schluffolgerungen hatten wir uns enthalten. Unsere Aufgabe ist es jetzt zunachst, die Resultate zu priifen, die in der Frage nach der Bedeutung des peripheren Gefifsystems fiir den periodischen Stromrichtungs- wechsel des Blutes in der Litteratur niedergelegt sind. Da zeigt sich, da die Thatsachen, von denen man ausgeht, revisionsbediirftig sind, sobald man sich nicht auf die Ascidien beschranken will, sondern auch die Salpen mit in Betracht zieht. Die neuesten, spe- ciell auf diesen Punkt gerichteten Unter- suchungen sind die von Vo@r und YUNG (38, S. 281 ff.). Die beiden Autoren unter- scheiden : 1) Einen KGrperkreislauf, der vom vorderen Herzende ausgeht und ebenda endet: Die Summe der in der Kieme lingsverlaufenden Hauptkanile setzt den sog. Kiemenstrom (K) zu- sammen, der sich vorn in der Nahe des Ganglions gabelt. Die Gabelaste folgen ; der Flimmerschlinge und vereinigen sich Fig. 2. Schema des . a ’ Eiarcieleniod den oaleee auf der Bauchseite des Koérpers zum Endo- nach den Angaben von Stylstrom (4), der in das vordere Herz- Voer und Yune. ende miindet. Kiemen- und Endostyl- strom kommunizieren vielfach miteinander einerseits in Bahnen, die den Muskelreifen parallel laufen, anderer- seits vermittels des tibrigen, diffuseren MantelgefaSnetzes. 2) Der Nucleolarkreislauf geht vom hinteren Herzende aus und endet ebenda. Die Hauptkanaile (VV) gehen in das Lakunensystem des Eingeweidekniuels tiber. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 285 3) Nucleolar- und Kérperkreislauf kommunizieren in engen peripheren Verbindungsbahnen: einmal in der Kier- stocks- resp. Stolostrémung (V,.), die von den Kanalchen der letzten Muskelreifen sich abzweigt, die Eikammer resp. den Stolo versorgt und dann in das hintere Herzende eintritt. Eine zweite Verbindung der beiden Kreislaufe bewerkstelligen Endbaéumchen die vom Nucleus und den Mauskelreifen zur Egestionséffnung treten (V,). Diese Darstellung des Kreislaufs, die sich hauptsachlich auf Beobachtungen am lebenden Tier (S. democr.-mucron.) stiitzt, fiihrt zu unvermeidlichen Schwierigkeiten, sobald man sich die Thatigkeit des Herzens vergegenwartigt: Zieht sich das Herz in advisceraler Richtung (a—b) zusammen, so miiSte es nach der geschilderten Anordnung der Kanaile und bei dem sicher er- - wiesenen Mangel einer Klappenvorrichtung (vergl. S. 241) sowohl vom Kiemen- als vom Endostylstrom her das Blut ansaugen, um es bei der nachsten gleichgerichteten Kontraktion zum Nucleus zu beférdern. Nach dem Wechsel der Kontraktionsrichtung miifte das Blut umgekehrt sowohl im Kiemen- als im Endostylstrom vom Herzen weg in die vorderen Korperteile getrieben werden. Thatsiachlich aber strémt es in diesen beiden Hauptkandalen stets in entgegengesetzter Richtung, wie Voar und Yuna in Ueberein- stimmung mit alteren Autoren, an S. democratica-mucronata be- obachtet haben und ich fiir beide Generationen von S. africana- maxima und Cyclosaipa pinnata bestaitigen kann. Und zwar flieBt das Blut bei abvisceralen Pulsationen: im Kiemenstrom zum Herzen, im Endostylstrom vom Herzen weg; bei ad visceralen Pulsationen: im Kiemenstrom vom Herzen weg, im Endostylstrom zum Herzen hin. Dieser bisher tibersehene Widerspruch der anatomischen Dar- stellung mit der physiologischen Forderung veranlaSte mich zu einer erneuten Untersuchung der Gefafverteilung an Injektionspraiparaten. Mit einer PrAvaz’schen Spritze wurde dem lebenden Herzen von S. africana-maxima und Cyclosalpa eine feine Aufschwemmung von Berliner Blau injiziert, die auch nach der Konservierung der Tiere in Formol, nach sofortiger Unterbindung des Stichkanals, die GefaBverteilung gut zur Anschauung brachte. Die Abbildungen (Taf. IX, Fig. 1, 2 u. 7) geben den Verlauf der Haupt- gefafe wieder, wie es sich bei schwachen Injektionen darstellt ; stirkere Injektionen, die auch das periphere Kanalsystem fiillen, sind — wo es auf die Hauptkanale ankommt — unzweckmabig, 286 L. S. Schultze, da die Kapillaren die grofen Kanale oft so dicht umspinnen, dag ihr Verlauf undeutlich wird. Das tibereinstimmende Resultat der Untersuchung, die sich auf zahlreiche Individuen beider Arten und Generationen erstreckte, ist, daf’ bei den Salpen der Kiemen- kanal nicht vom vorderen (wie der Endostylkanal), sondern vom hinteren Herzende entspringt. Daraus erklart sich, da8 in beiden Kanalen das Blut stets in entgegengesetzter Richtung strémt. Es erklart sich auch, warum Voa@r und Yune bei ihren Versuchen den Kiemenkanal zu injizieren, ,,eine Art Widerstand“ empfanden, als existiere an der Herzmiindung der Kiemengefafe ein Klappen- apparat, dessen Existenz wir indessen nicht auf andere Weise nachweisen konnten* (S. 281). Sie richteten eben ihre Kaniile nach dem der Kiemenkanalmiindung gerade entgegengesetzten Herzende. Die Voat-Yuna’sche Darstellung der Gefafverteilung stiitzt sich hauptsaichlich auf mikroskopische Beobachtung der kleinen, nicht injizierbaren S. democratica-mucronata; bei der vollstiindigen Durchsichtigkeit des Tieres, die GefaSkonturen oft gar nicht hervortreten lat, und bei der keineswegs einfachen Topo- graphie der Herzregion ist der Irrtum der Autoren erklarlich. Auch M. Epwarps (28) ist in einen ahnlichen Irrtum ver- fallen, er laft mit aller Deutlichkeit das Lakunennetz der Kieme in einem Gefaife sich sammeln, das in das vordere Herzende miindet. Dieses Gefaf tibergeht.er freilich ganz mit Stillschweigen in einer spateren Bemerkung (29, 8. 94) tiber diese Partie des Kreislaufs der Salpen. Mein entgegengesetzter Befund einer hinteren Einmiindung der groBen Kiemengefaffe in das Herz ist nur eine Bestitigung zahlreicher Alterer Angaben, die vielfach unbe- riicksichtigt gebheben sind, zum Teil wohl, weil sie nebenbei manchen Irrtum enthalten: s. EscuscHoutTz, 11, 8. 738, Taf. V, Fig. 7. — Quoy und Gamarp, 30, Taf. VI, Fig. 8. — Sars, 34 5S. 66. — Lruckart, 24, S. 44, Taf. I, Fig. 18. — Carus, 5, Taf. XVIII, Fig. 31. — Wagner, 39, S. 12. — Toparo, 36, 8. 13, s. auch DeLaGe und H&rouarD 6, Taf. XXX, Fig. 2. Auch tiber den Ursprung und die Hauptverzweigung der iibrigen grofen Blutkaniile gehen die Ansichten noch auseinander. ToparO (36) behauptet im Gegensatz zu seinen Vorgingern, dal der vom vorderen Herzende entspringende Hauptstamm sich nicht gabelig teilt, um sich im Mantel zu verzweigen, da’ er vielmehr geradlinig zum vorderen Korperpol zieht. Meine Injektionen haben ergeben, dal gerade bei S. afric.-maxima, die TopaARo im Auge hat, gleichzeitig sowohl eine Gabelteilung zur Mantel-Versorgung als auch eine geradlinige, mundwarts gerichtete Fortsetzung der Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 287 vorderep Hauptkaniile vorhanden ist (s. Taf. [X, Fig. 1). Da die Autoren bald nur das erstere, bald nur das letztere gesehen haben, da ferner diese anatomischen Verhaltnisse im einzelnen variieren, so kam es zu widersprechenden, aber sich doch nicht gegenseitig ausschliefenden Angaben. Toparo spricht ferner kurzweg von einem einheitlichen, die EKingeweide und die Kiemen versorgenden Gefafstamm, in den sich das hintere Herzende der Salpen fortsetzen soll (tronco posteriore o splancnico). Er hat die fiir den Kreislauf nicht gleich- giltige Thatsache tibersehen, daf ein selbstindiges Viscerobranchial- system und ein selbstindiger Intestinalstamm vom hinteren Herz- ende ausgeht (s. Taf. IX, Fig. 1, 2, 3 u. 7). Dieser letztere schlieSt die Cirkulation im Nucleus an die iibrigen grofen Blut- kanale an, vollzieht also auf direktem Wege, was seine Anasto- mosen mit dem peripheren Mantelkanalsystem (die Toparo richtig beobachtet hat) nur indirekt bewerkstelligen. Injiziert man auch die peripheren Kanale und verfolet man zur Kontrolle die Blutkérperchen auf ihrem Wege im lebenden Tiere, dann stellt sich der Kreislauf in der Salpe (Taf. IX, Fig. 3) folgendermafen dar: 1) Bei abvisceralen Pulsationen dringt das Blut aus dem vorderen Herzende in die Hypobranchial- und die groBen vorderen MantelgefiBe ein. Beide Gefifgruppen sind schon nahe ihrem Ursprung aus dem Herzen durch Anastomosen verbunden (Taf. IX, Fig. 1 und 7 rechts), in anderen Fallen entspringen aber die Mantel- gefafe tiberhaupt nicht selbstandig aus dem Herzen, sondern gehen als starke Seiteniiste von den Hypobranchialkanalen ab (Taf. IX, Fig. 2 und 7 links). Aus den Hypobranchial-Mantelgefafen wird das Blut durch unziahlige Seiten- und Endverzweigungen im ganzen pracardialen Kérperabschnitt verteilt, es durchstrémt in erster Linie das dichte Kanalnetz des Mantels und der Muskelbander, versorgt die Ingestionsregion, die es in ringférmig verlaufenden Gefafien umspinnt, und tritt auf diesem Wege auch in das Lakunen- system des Ganglions mit den Sinnesorganen und in das der Kieme ein. Ueberallhin anastomosierende, den Koérper reifenartig umfassende Mantelkanale leiten das Blut aus den ventral und nach vorn ziehenden Hauptstammen auch in die dorsalen und hinteren K6rperregionen. Der Teil des Blutes, der die Kieme durchspiilt hat, wird in den grofen Kiemenkanalen direkt nach hinten beférdert. Aus diesen Kiemenkandélen tritt das Blut teils unmittelbar von hinten her in das Herz zuriick, teils durch die starken Visceralkanile erst in den Nucleus ein, durchstrémt ihn 288 L. 8S. Schultze, und gelangt dann, stark venés geworden, durch die grofen In- testinalstimme ebenfalls zum Herzen. 2) Bei advisceralen Pulsationen dringt das Blut aus dem hinteren Herzende a) durch die grof en Intestinalkanaile in den Nucleus ein und wird von da durch ein reich verzweigtes Gefab- netz — zum Teil auch unter Umgehung des Nucleus durch gréfere Kanale direkt — in den Mantel, zunachst nur der hinteren Kérper- abschnitte, gefiihrt. Ein Teil des Blutes, das den Nucleus durch- flossen hat, strémt dann in den Visceralkanadlen der Kieme zu. Kin anderer Teil dringt aus der hinteren Kérperregion auf Um- wegen in den allseitig ausstrahlenden Anastomosen des Mantels in die vorderen Kérperregionen ein. Hier findet eine Vermischung statt mit dem Blute, das b) — ebenfalls aus dem hinteren Herz- ende, aber direkt durch den Branchio-visceral-Strunk — in die groBen Kiemenkanile ausgetrieben wurde. Dieses Blut durch- stromt die Kieme, bespiilt, am vorderen Kérperende angelangt, das Ganglion und die Sinnesorgane und gelangt von da in das allge- meine Kanalsystem des Mantels. Aus allen diesen Teilen stromt es in die groBen tunicalen und hypobranchialen Sammelkanale, um auf diesem Wege wieder zum Herzen zuriickbeférdert zu werden. Bei denjenigen Salpen, deren Eingeweide nicht aufgeknauelt sind, ist die Blutverteilung die gleiche, man braucht im Vorhergehenden nur das Wort ,Nucleus* durch ,,Darm und Geschlechtsorgane“, die der Kieme parallel langsgestreckt sind, zu ersetzen. — Wahrend nach der Voar-Yuna’schen Vorstellung der Kreis- lauf der Salpen unvermittelt neben dem der Ascidien stand, tritt pach der hier gegebenen Korrektur die nahe Verwandtschaft beider Klassen auch im Blutkreislauf wieder zu Tage. Wir kénnen also das, was friihere Autoren tiber die Ursachen des Stromrichtungs- wechsels im Hinblick auf die Cirkulation der Ascidien gesagt haben, auch auf die Salpen ausdehnen. Zuvor ist es aber ndtig, die prinzipielle Uebereinstimmung des Blutkreislaufes in beiden Gruppen durch einen Vergleich der Hauptkanale und ihres Ur- sprungs vom Herzen darzuthun. In der Benennung der Blutkandle ist kein einheit- liches Prinzip mafegebend gewesen. Ganz verfehlt ist die Nomen- klatur Lacaze-DuTuisr’s, der sowohl die aus dem hinteren als die aus dem vorderen Herzende austretenden Hauptkanale als Aorten bezeichnet, also die einmal willkiirlich zu Grunde gelegte Kon- traktionsrichtung des Herzens nicht einmal konsequent beibehalt (22, S. 531 ff.). Man sollte doch bei der anatomischen Bezeich- Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 289 nung der Blutkanale bei den Tunicaten tiberhaupt nicht von Venen und Arterien reden. Dagegen ist es zur ersten Orientierung gewif niitzlich, die Hauptstiimme rein topographisch als Bauch- und Riickenkanadle zu unterscheiden, wie es MILNE-Epwarps (27, 8. 4ff.) gethan hat. Aber von den friiher hiufigen Verwechselungen von Riicken- und Bauchseite der Salpen ganz abgesehen, die genannten topo- graphischen Bezeichnungen sind auch in neuerer Zeit nicht ein- heitlich verwendet worden: wahrend die einen unter Dorsalkanal den in der Kieme laufenden Hauptkanal der Salpen verstehen, geben andere, so ToDARO (36), in Uebereinstimmung mit LEUCKART (24), einem Liangskanal der dorsalen Mantelflache diesen Namen. Die Bezeichnung ,,Ventralsinus’S ferner wird von ROULE (33) in zweifach verschiedenem Sinne angewandt. Da man mit rein topographischen Namen nicht auskam, hat man einen Teil der Kanale nach den Organen benannt, zwischen denen sie den Strom hin und her leiten (Roun, 32, S. 115ff.). Das Mibliche dieses Verfahrens liegt darin, daf es schwerfallige Doppelnamen nétig macht, die sich auBerdem bei einem Versuche, die Blutkanale der Ascidien mit denen der Salpen in Parallele zu setzen, mehrfach als unzulinglich erweisen: Es unterliegt keinem Zweifel, da8 der groke dorsale Kiemen- kanal der Ascidien, der sinus viscéro-branchial ROULE’s, dem Langs- kiemenkanal der Salpen entspricht. Es ware aber unstatthaft, ihn hier bei den Salpen als ,,viscéro-branchial’‘ zu bezeichnen, da er auch mit dem Herzen in direkter weiter Verbindung steht, dem- nach mit ebenso viel Recht cardio-branchial oder ,,branchio- cardiaque zu nennen ware. Die letztere Bezeichnung reserviert aber Route dem Liangskanal, der bei den Ascidien (und Salpen) der Bauchseite des Kiemenkorbes (resp. der Kérperwand) ent- lang lauft. Im Interesse einer einheitlichen Nomenklatur der Blutkanale bei Ascidien und Salpen scheint es mir deshalb das Zweck- maigste zu sein, die Hauptbahnen nicht nach den Organen, die sie verbinden, sohdern, wie VoaT und YunG teilweise gethan haben, nach dem einen Organ zu benennen, an das sie nach ihrem Abgang vom Herzen unmittelbar herantreten. Demnach bezeichne ich den in der ventralen Mittellinie des Kérpers der Ascidien und Salpen verlaufenden Hauptkanal nicht wie RovuLer als sin. branchio- cardiaque — denn dieser Name kénnte auch dem dorsal davon gelegenen Kiemenkanal der Salpen zukommen — bezeichne ihn Bd. XXXV. N. F, XXVIL. 19 929() L. 8S. Schultze, vielmehr kurz als Hypobranchialkanal, da er in beiden Gruppen aus dem Herzen direkt an die Hypobranchialrinne tritt, die er bis zum vorderen Kérperende begleitet. Die Roue’sche Be- zeichnung branchio- cardiaque ist auch deshalb fallen zu lassen, da dieser ventrale Hauptkanal gerade bei den Salpen (der Riick- bildung ihrer Kiemen entsprechend) in seiner ganzen Lange vom Kiemenbalken vollig isoliert ist. Die neu vorgeschlagenen einheitlichen Bezeichnungen der Hauptkanaile im Salpen- und Ascidienkérper sind im folgenden (links) den gleichbedeutenden, in der Ascidienlitteratar verstreuten Namen (rechts) gegeniibergestellt. Das Folgende giebt also mit. der Synonymik zugleich die wesentlichsten bisher noch liicken- haften Homologien des Cirkulationssystems der Salpen und As- cidien : grand sinus toracique ou ventral. (Mitnr-Epwarps, 27, S. 8.) aorte branchio-cardiaque. (Lac.- Dutuiers, 22, S. 561.) sinus ventral (im engeren — 1) Canalis hypobranchi- Sinne), sinus branchio -cardi- alis resp. die ihm entsprechen- aque, sinus branchial inférieur den Parallelstimme. (Taf. IX, Ou ventral. (Rovts, 32, S. 124, Fig. 8, hbr.c.) 33, 5. 97.) Bauchkanal , Endostylstrom. (Voer und Yune, 38, 8. 313, 284 ob.) great dorsal branchial channel. (Hancock, 16, 8. 322.) aorte viscérale, vaisseau cardio- splanchnique. (Lac.-Durutmrs, 22, p. 539.) aorte cardio-stomacale, sinus cardio-viscéral. (Rove, 32, S. GSS) eo ae) Herzeingeweidekanal, (Voer und Yune, 38, 8. 318.) =) { 2) Canalis intestinalis | ( sinus dorsalis. (Mitne-Epwarps, | resp. die Gesamtheit der In- testinalkaniale (7. ¢). Di roH ton)! sinus viscéro- branchial, sinus branchial supérieur ou dorsal. (Rovtz, 32, 8. 129.) Eingeweidekiemenkanal. (Voer und Yune, 38, 8. 314.) great ventral branchial channel. 3) Canalis branchialis + canales viscerales (br.c. + v.¢). (Hancock, 16, 8. 322.) Untersuchungen itiber den Herzschlag der Salpen. 291 ad 1. Als sinus ventral im weiteren Sinne_ bezeichnen Route (38, S. 97) und Lanitin (23, S, 292) den Hauptteil des Kanalsystems, der als lokale Differenzierung das Herz entstehen laft und dadurch in einen vorderen Abschnitt (unseren Can. hypo- branchialis) und in einen hinteren Abschnitt (unseren Can. inte- stinalis) geteilt wird. ad 2. Die fiir den Kreislauf wichtige Unterscheidung von Intestinal- und Visceralkanalen ist darin begriindet, dal zwischen die Intestinal kanale (direkt vom Herzen entspringend) und die Branchialkanile das enge Lakunensystem der Hingeweide ein- geschaltet ist, wahrend die Visceralkanale (bei den Ascidien ohne direkte Verbindung mit dem Herzen, bei den Salpen durch den Truncus branch.-visc. an das Herz angeschlossen) und die Branchialkanile in weiter, direkter Kommunikation miteinander stehen. ad 3. Dem Truncus branchio-visceralis der Salpen entspricht nach dem gegenwirtigen Stand unserer Kenntnisse kein ahnlicher kurzer Hauptkanal. Diese Verbindung der Branchio-visceralkaniale mit dem Herzen wird bei den Ascidien nur durch Eingeweide- lakunen vermittelt. Ein niherer Vergleich des Kreislaufs der Salpen nach unserer oben gegebenen Darstellung mit der des Ascidien-Kreislaufs von Route (I. c.) ergiebt eine Uebereinstimmung beider Gruppen in allen Hauptpunkten. In welchem Sinne ist nun der Blutkreislauf im Tunicaten-K6rper zur Erklirung der periodischen Stromumkehr verwertet worden ? B. Bisherige Anschauungen tiber die Ursachen der Strom- umkehr im Tunicaten-Koérper '). 1. Der Nutzen der periodischen Strom-Umkehrungen und Roule’s Folgerung. Wir besprechen hier hier zunichst einen Erklirungsversuch, der trotz mangelhafter Durchfiihrung des Punktes, auf den er abzielt, doch Beriicksichtigung verdient, weil er an sich wertvolle Daten enthalt. 1) Die Annahme Costa’s, daf die Umkehr des Blutstroms durch eine abwechselnd in entgegengesetzter Richtung sich bewegende Spiralklappe im Innern des Herzens bewerkstelligt werde, hat nur historisches Interesse. Quoy und Gaimarp (30, S. 112) sprechen von einer ,,Drehung des Herzens“, aber nicht, wie Levcxarr (24, S. 42) verstand, im Sinne einer Ursache des Stromrichtungs-Wechsels, sondern im Sinne der peristaltischen Zusammenziehungen, die auch vAN Hassett (17, S. 80) irrtiimlich als Spiraldrehungen aufgefalt hatte. iS) 292 L. S. Schultze, Route (32) kommt auf Grund seiner Untersuchungen itber den Kreislauf der Ciona intestinalis zu folgendem Schlu&: Die Blutverbindung zwischen den Organen wird zum Teil zwar durch créfere Blutkanaile, zum grofen Teil aber auch durch ein za- sammenhangendes, Kapillar-artiges Lakunennetz mit auBerst engen Maschen hergestellt. Das Blut verliert daher auf diesem Wege von einem Organ zum anderen mehr Sauerstoff, als wenn es aus- schlieBlich in gréferen GefaSstammen oder Lakunen flésse; die Organe am Ende der Bahn werden infolgedessen am sparlichsten mit Sauerstoff bedacht. Erst eine Umkehr des Blutstroms kann diesen Mangel wieder kompensieren, indem es den genannten Organen jetzt auf direktem Wege frisch durchatmetes Blut zufihrt. Auch fiir den Kreislauf der Salpen, wie er sich nach unseren Injektionen jetzt darstellt (s. Taf. IX, Fig. 3), ist offenbar die Stromumkehr fiir eine gleichwertige Blutversorgung der Organe von Wichtigkeit. Ein absolut bindender Beweis dafiir wiirde freilich nur geliefert werden kénnen durch vergleichende Analysen von Blut, das einer und derselben Kérperregion, einmal bei abvisce- ralen, ein anderes Mal bei advisceralen Pulsationen entnommen wird. Aber die weitgehend kapillare Natur der gesamten Blut- bahn fordert auch bei den Salpen zu Konsequenzen heraus, die man, solange Analysen fehlen, als erste Orientierungsversuche gewifi gelten lassen wird. Das Herz soll zunachst in advisceraler Richtung schlagen: das Blut verlaft also das Herz in den blau gezeichneten Kanalen ; es strémt aufer durch den Nucleus auch durch die Kieme!) und nimmt hier reichlich Sauerstoff auf. Der O kommt direkt dem Gehirn mit den benachbarten Sinnen und der ganzen vorderen Mantelpartie zu gute. Dann sammelt sich das Blut allmahlich in den roten Kanalen, auf seinem Wege dahin hat es schon viel O abgegeben: die vordere ventrale Mantelpartie erhalt also relativ wenig O, das Blut tritt dann, immer venéser werdend, in das Herz zuriick und bespiilt, schlieflich stark venés, den Nucleus und die hintere Partie des Mantels. 1) Dem Mantel der Salpen, wie N. Wacner es ohne weiteres thut, respiratorische Funktionen zuzuschreiben, ist ungerechtfertigt. Wir miissen in jedem Falle demjenigen Organ die Hauptrolle bei der Respiration zusprechen, bei dem der Gasaustausch mit specifisch dieser Funktion angepaften Mitteln und direkt, nicht wie im Mantel durch die kompakte Testa hindurch, stattfindet, wenn diese Cellulose sich tiberhaupt als durchlassig erweisen sollte. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 293 Bei abvisceralen Pulsationen strémt dem Herzen direkt aus der Kieme frisch durchatmetes Blut zu, das dann in die rot ge- zeichneten Kanale eintritt: Jetzt erhalt also die vordere ventrale Partie des Mantels O-reiches Blut, wahrend Gehirn, Sinne und vordere dorsale Mantelpartieen immer venéser werdendes Blut er- halten. Das Blut versorgt sich nun in der Kieme mit neuem O, und dieser kommt dann (Visceralkanale) unmittelbar auch dem Nucleus und der hinteren Mantelregion zu gute, die beide vor der Wendung des Stromes stiefmiitterlich bedacht worden waren. Es ist ferner hervorzuheben, daf doch wohl auch im Tunicaten- Kérper das Blut vom Darm resorbierte Nahrstoffe aufnimmt, die dann unter dem Drucke der Herzpumpe allenthalben durch die Lakunenwand in die Gewebe transsudieren. Auch in diesem Punkte ist der Richtungswechsel der Herzkontraktionen von Be- deutung: Bei abvisceralen Pulsationen bespiilt die Kieme ein relativ nahrungsarmes Blut, denn die Nahrstotfe, die durch die Intestinal- kanaile dem Blutstrom zugeleitet und im Hypobranchialstrom weitergefiihrt werden, kommen in erster Linie den Mantelorganen zu gute. Bei advisceralen Pulsationen dagegen strémt das nahrungs- reiche Blut durch die Visceralkanale direkt dem Kiemensystem zu. Alle diese Verhaltnisse lassen sich tabellarisch folgender- mafen zusammenstellen: Bei abvisceralen Pulsationen die Sauerstoff- die Nahrsaft- ist versorgung versorgung 1) i. d. anterio-ventralen Mantel- | stark stark region 2) in Gehirn, Sinnen u. anterio- schwach schwach dorsaler Mantelregion 3) in der Kieme ae schwach 4) im Nucleus und der hinteren | stark — Mantelregion Bei ad visceralen Pulsationen 1) i. d. anterio-ventralen Mantel- schwach schwach region 2) im Gehirn ete. stark mittelstark 3) in der Kieme ae stark 4) im Nucleus und der hinteren schwach — Mantelregion 294 L. 8S. Schultze, Daf nach dem Vorstehenden die Gleichméfigkeit der Sauer- stoff- und Nahrstoffverteilung im Kérper nur eine Folge der -Stromumkehr ist, scheint selbstverstaindlich. RouLe aber spitzt seine Erérterung dadurch zu einem kausalen Erklarungsversuch zu, daii er die Notwendigkeit einer gleichmafigen Sauerstoffzufuhr und die sie bedingende Kapillar- lakunare Beschaffenheit der Blutbahn als unmittel- bare Ursache, ,,cause directe“ der charakteristi- schen Herzthatigkeit der Tunicaten hinstellt. Es ist kaum anzunehmen, daf hier lediglich eine grobe Ver- wechselung von Ursache und Wirkung vorliegt. Dem Routx’schen Gedankengang liegt vielmehr die an sich zwar fruchtbare An- schauung zu Grunde, daf eine Organisation, wenn sie von Anfang an einen Nutzen fiir das Tier hat, im Wirkungsbereiche der natiirlichen Zuchtwahl liegt, also im allgemeinen, den Darwiy’schen Prinzipien entsprechend, auf dem Wege der Selektion vervoll- kommnet werden kann. In unserem Falle wiirde dann — wenn wir den Gedanken einmal durchfiihren wollen — der Nutzen einer gleichmafigen arteriellen Blutverteilung, von dessen erstem ge- legentlichen Auftreten ab, zugleich als eine der Ursachen anzusehen sein, die eine Fixierung und extreme Weiterbildung der dies- beziiglichen Kreislaufverhaltnisse im Kampfe ums Dasein allmahlich herbeigefiihrt haben. Aber Route hat diese Idee so unbestimmt-skizzenhaft ge- geben, daf sie wohl als Fragment einer angedeuteten phylogene- tischen Hypothese, niemals aber auch nur als Versuch einer physiologischen Erklarung der Tunicaten-Herzthitigkeit, wie sie sich heute vor unseren Augen abspielt, gelten kann. 2. Periodische Blutdruck-Aenderungen als Ursache des periodischen Stromrichtungs-Wechsels. Der Entdecker des Richtungswechsels der Herzkontraktionen bei den Tunicaten hat sich auch die Frage nach den Ursachen dieser Erscheinung vorgelegt und glaubte sie in dem Widerstand gefunden zu haben, den die Blutkérperchen nach einer gewissen Zahl gleichgerichteter Pulsationen der Herzarbeit entgegenstellen (17, S. 80). Auf den gleichen Gedanken ist spiter Toparo (86, S. 40) gekommen, er macht speciell die rete tendinea (s. S. 280 unten) fiir das periodische Stocken und Wenden des Stromes verantwortlich. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 295 Vor Toparo hatte Nic. Wagner (39,8. 10 ff.) auf Grund seines Studiums vor allem des peripheren Gefifsystems der Tunicaten die Hypothese aufgestellt, da Ueberfiillung der Kapillaren not- wendig von Zeit zu Zeit eine Stromumkehr zur Folge habe. Diese WAGNER’sche These ist spiiter von LAHILLE (23, S. 290 ff.) ohne Kenntnis der Litteratur noch einmal aufgestellt und scharfer pracisiert worden. Wir miissen diese Anschauung trotz ihrer Schwache eingehender beriicksichtigen, da sie der letztgenannte Autor durch zahlreiche Experimente stiitzt, die weniger ihrer Tendenz als deswegen beachtenswert sind, weil sie einen der dunkelsten Punkte der Tuni- caten-Herzthatigkeit zur Sprache bringen(s.8. 300ff.). LAHILLE giebt folgendes Schema des Blutkreislaufs im Tuni- caten-Korper: Summe aller Blutkandle in der Kieme Dorsalsinus Herz Ventralsinus Summe der Eingeweide- Blutkanile Fig. 3. Schema des Blutkreislaufs der Tunicaten nach LAHILLE. Voraussetzung dabei ist, a) dafi die im Schema punktiert an- gegebenen Verbindungsbabnen des dorsalen und ventralen Sinus fiir die zu demonstrierende Anschauung anatomisch und _ physio- logisch unberiicksichtigt bleiben kénnen; b) daf die Summe der dorsalen Blutkanale kleiner ist als die der ventralen; der Dorsal- sinus ist enger als der ventrale, in dessen Wand das Herz sich differenziert hat. Diese Ungleichheit soll die notwendige und aus- reichende Vorbedingung der periodischen Stromumkehr sein. Wir wollen es auf sich beruhen lassen, daf die erste Voraus- setzung in dieser allgemeinen Fassung, auf Grund unserer vorher gegebenen Darstellung des Kreislaufs der Salpen sehr angreifbar, und daf die zweite Voraussetzung nicht erwiesen ist. Wir wollen nur den Kernpunkt der 296 L. 8. Schultze, Anschauung LAn#ILLE’s herausgreifen: er besteht in folgendem: Bei abvisceralen Pul- sationen treibt das Herz zur Kieme mehr Blut als gleichzeitig durch den Dorsalsinus abfliefen kann. Infolgedessen entsteht. ein Ueberdruck im Kiemensystem, dem schlieflich das Herz nicht mehr gewachsen ist. Gleichzeitig entsteht im Eingeweidesystem, dem mehr Blut entzogen als zugefiihrt wird, ein Unterdruck. Beide Faktoren bedingen nacb einer Zeit stetigen Anwachsens schlieSlich eine riicklaiufige, also adviscerale Blutstrémung, da eine Fliissig- keit auf'dem Weg des geringsten Widerstandes vom Orte héheren zum Orte niederen Druckes abflieft. So kommt eine periodische Stromumkehr mit mechanischer Notwendigkeit zustande. Nehmen wir als richtig an, daS infolee ungeniigenden Ab- flusses, im Innern des jeweilig arteriellen Lakunensystems der Blutdruck stetig wichst und nach allen Seiten hin, also auch in der Richtung zuriick auf das Herz sich immer stirker geltend macht. Dann wird in dem Moment, in dem der Blutdruck des. iiberfiillten Lakunensystems dem Gegendruck gleich wird, den das Herz durch seine Kontraktion ausiiben kann, ein Stillstand der Herzbewegung eintreten. Mag nun auch infolge dieser Beein- trachtigung der Herzthatigkeit und unter der gleichzeitigen Wir- kung des} Unterdruckes im dahinter liegenden Lakunensystem, lediglich nach den Gesetzen der Fliissigkeitsmechanik, eine riick- laufige Blutstrémung einsetzen, so ist damit doch keineswegs ein Grund fiir eine jetzt eintretende aktive Kontraktion des Herzens in entgegengesetzter Richtung nachgewiesen. Ebenso wie er theoretisiert so experimentiert LAHILLE auch, als ob das Cirkulationssystem der Tunicaten ein rein mechanisches Pumpwerk ware, vom Herzen als einer physiologisch indifferenten (23, S. 298) Triebfeder im Gang gehalten, in Rhythmus und Schlagrichtung aber ausschlieBlich abhaingig vom Volumen der Behalter und von der Schnelligkeit und Quantitat der Flissigkeit, die in ihnen kreist. Betrachten wir dagegen, ohne die Gesetze der Fliissigkeits- mechanik aufer acht zu lassen, die vom Autor ganz beiseite ge- schobenen Eigenschaften des lebendigen Herzmuskels selbst, dann fallt beim ersten gelungenen Isolierungsversuch das _ physi- kalische Kartenhaus zusammen. Die Thatsache, da8 ein vollig aus dem Kérper herausgelistes Herz regelmaifig ab- und adviscerale Pulsationen ausfiihrt (S. 264 ff.) beweist, daB periodische Stromum- kehrungen jedenfalls auch vom Herzen selbst eingeleitet werden. Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 297 Wenn demnach auch der Versuch, die Ursache der Strom- umkehr ausschlieBlich im peripheren Lakunensystem zu lokalisieren, verfehlt ist, so lieen sich doch die Experimente und Beobachtungen LAHILLE’s zu Gunsten der Auffassung verwerten, dai Blutdruckande- rungen den Stromrichtungswechsel insofern mit bestimmen, als sie ihn je nach den Umstanden ver- zogern oder beschleunigen. Das einfachste und exakteste Mittel, den EinfluS des Blut- druckes auf die Herzthitigkeit zu priifen, ware eine Variierung dieses Druckes nach Einbinden einer Kaniile, deren fliissigen In- halt man in verschieden abgestufter Weise auf das Innere des Kanalsystems wirken lassen kann. Leider ist diese Methode bei der Zartheit der Teile und der diffusen Verteilung der Lakunen- riume, die an sich wandungslose Bindegewebsliicken darstellen, hier nicht anwendbar. Erste Gruppe der von LAHILLE herangezogenen Thatsachen. Sie sollen folgende These beweisen: Je gréfer (resp. kleiner) die Hohlraume sind, in die das Herz Blut pumpt, um so langerer (resp. kiirzerer) Zeit bedarf es, bis der Ueberdruck daselbst der Herz- Energie aquivalent wird und dann eine Stromumkebr herbeifihrt. Beweis 1: Eine frisch eingefangene Salpa africana maxima, deren Kérpermuskulatur in bestiandiger Thatigkeit war und dadurch die zum Kiemensystem gerechneten Mantelkanéile komprimierte, fiihtte 4—8 adviscerale, aber nur 2—4 abviscerale, also kiemen- warts gerichtete Pulsationen aus. (Der Ueberdruck im komprimierten Kiemensystem wuchs schneller als im nicht komprimierten Ein- geweldesystem. ) Beweis 2: Kine Salpa africana maxima, unter dem Einfluf von Kohlensaiure oder nach 40-stiindiger Gefangenschaft in unge- wechseltem Wasser, fiihrte weniger haufige Kontraktionen der Kérpermuskeln aus. Das Kiemensystem wurde also weniger kom- primiert, infolgedessen wuchs der Ueberdruck daselbst langsamer als vorher: die Pulsationsreihen verlaingern sich. Beweis 3: Nach Zusatz sauerstoffreichen Wassers gestalten sich die Verhialtnisse wieder wie in Beweis 1. Beweis 4: Die Zahl der gleichgerichteten Pulsationen bei Individuen von Phallusia mammillata wachst (der Ueberdruck im jeweilig arteriellen Lakunensystem steigt langsamer an), wenn das Tier, in ungewechseltem Wasser gehalten, weniger hiaufig seine Muskeln kontrahiert. Beweis 5: Ein Druck mit der Pincette vor dem vorderen Herzende ruft Stromumkehr hervor. 998 L.’S. Schultze, Beweis 6 (observ. 7—9): Bei operativen Eingriffen beliebiger Art kontrahiert sich die ganze Muskulatur der Phallusien stark. Infolgedessen starke Kompression der Blutraume, schnelleres An- wachsen des Ueberdruckes, haufigerer Wechsel der Stromrichtung. Zweite Gruppe von Thatsachen. Sie sollen folgende These beweisen: Bei schnellerem Rhythmus der Pulse wachst im jeweilig arteriellen Lakunensystem der stromumkehrende Ueberdruck schneller als bei langsamerer Pulsfolge. Schlagt also das Herz schneller, so tritt der Wechsel der Stromrichtung entsprechend haufiger ein. Beweis 1 (observ. 6): Phallusia mammillata, in eine Nicotin- lésung gebracht, wechselt haufiger als vorher die Kontraktions- richtung. Gleichzeitig ist der ,intervalle des contractions“ jetzt durchschnittlich 6, vorher betrug er 8. Nicotin ruft also Puls- frequenz hervor, und diese letztere hat einen schnelleren Wechsel der Stromrichtung zur Folge. Beweis 2 (observ. 11): Lanmun sah das Herz einer frischen Phallusia seine Schlage verlangsamen, angestrengt arbeiten und dann einen Moment still stehen. Darauf schlug es in derselben Richtung weiter: Die forcierten Schlige und die folgende Pause geniigten, den fast schon maximalen Ueberdruck im Lakunen- system zu vermindern, deshalb konnte das Herz in der alten Rich- tung weiter schlagen. Dritte Gruppe von Thatsachen. Sie sollen folgende These beweisen: Nach einem Blutverlust muS, da die Quantitaét der Fliissigkeit im Kanalsystem abgenommen hat, der stromumkehrende Ueberdruck langsamer anwachsen, muf also der Wechsel der Strom- richtung seltener sein als vorher. Beweis (in observ. 9): Bringt man einer Phallusia einen Blut- verlust bei, soist am folgenden Tage die Zahl der gleichgerichteten Pulsationen gréfer als vorher. Vierte Gruppe von Thatsachen. Sie sind nach keiner Richtung diskutierfahig und werden nur der Vollstindigkeit halber hier angereiht. Obsery. 10 beruht auf der Voraussetzung, da’ die Zahl der Pulsationen in der Richtung auf den verletzten Korperabschnitt, im Vergleich mit den entgegengerichteten Pulsen nach der Ope- ration geringer ist als vorher. Die eigenen Zahlen LanILue’s er- weisen diese Voraussetzung als Irrtum. Noch willkirlicher als die in observ. 11 mitgeteilte Schlul- folgerung ist die in der observ. 12: Der weniger kontraktile Abschnitt einer Poly- cyclus-Larve kann dem Vorhof eines Vertebratenherzens verglichen werden. Bei den Vertebraten ist der Vorhof nach der Seite des geringsten Widerstandes gerichtet. Daher ist auch der vorhofahn- Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 299 liche Abschnitt des genannten Larvenherzens dem Teil des Kanal- systems zugekehrt, in dem ein geringerer Druck herrscht, in diesem Falle also nach dem Visceralteil des Kanalsystems, wohin die grofere Zahl der Pulse gerichtet ist. (!) Die in den ersten drei Gruppen enthaltenen Beobachtungen LAHILLE’s sind an sich im allgemeinen richtig, aber fiir die Thesen, die sie beweisen sollen, belanglos auf Grund folgender Erfahrungen. a) Der Blutdruck-aindernde Einflu8 der Muskelthatig- keit auf die Linge der einzelnen Pulsationsreihen ist auferst zweifelhaft, denn an gleichzeitig frisch eingefangenen, gleich muskelthatigen Tieren sieht man hier die abvisceralen, dort die advisceralen Pulse tiberwiegen. Andererseits sieht man an Tieren, deren Muskelthatigkeit eine ungleiche ist, bei den einen schwacher, bei den anderen starker, doch in beiden Fallen die gleichen Pulsationsreihen tberwiegen. Trotzdem auf das Kanalsystem des Eingeweidesackes die Wirkung der in der Kiemenregion konzentrierten Ké6rpermuskeln gleich oder fast gleich O sein soll (23, S. 293), lehrt doch die Erfahrung (auch die der LaniLue’schen Experimente!), da nicht nur die kiemenwarts gerichteten, sondern gleichzeitig auch die advisceralen Pulsationsreihen, auf die vermeintlichen Blutdruck- anderungen reagieren. ’b) Die Mittel, die Laninte angewandt hat, um Druckande- rungen im Lakunensystem in bestimmtem Sinne herbeizufihren, betreffen sicher nicht nur den Blutdruck (wenn sie ihn tiberhaupt betreffen), verindern vielmehr nach den verschiedensten Richtungen hin, zum Teil tiefgreifend, die Lebensbedingungen der Versuchstiere. Diese direkt herbeigefiihrten Verainderungen, die LAWILLE nicht beriicksichtigt, haben, wie sich im einzelnen sicher nachweisen 1a8t, auch unabhaingig vom Blutdruck eine kraftige Wirkung auf den Herzschlag: Eine anhaltende Gefangenschaft der Tiere in stehen- dem Wasser hat, auch ohne daf die Muskelthatigkeit und damit eventuell der Druck im Lakunensystem verandert wird, eine Ver- langerung der Pulsationsreihen zur Folge. Die friiher mitgeteilten Beobachtungen (Tab. 21—23, 8. 226 oben und S. 237 f.) an Tieren, deren Muskelthatigkeit zu den verschiedenen Beobachtungszeiten sich unverandert zeigte, belegen das. 300 L. 8. Schultze, Jede Alteration des Herzens, eine geringfiigige Dehnung oder ein Druck auf die Nachbarteile beeinfluSt, oft stark, die Herzthatigkeit, wie jeder erfahrt, der mit Tunicaten experimentiert. LAHILLE hat hier die direkte Reizwirkung auf das Herz und die etwaigen Folgen einer Blutdrucksteigerung nicht auseinanderge- halten. Das Nicotin erhodht an sich schon, wie die friiher mit- geteilten Versuche beweisen, die Haufigkeit der Stromumkehrungen, indem es die Reihenlinge verkiirzt. An eine Abhangigkeit der Pulsationsreihen-Lange von der Pulsfrequenz ist im Sinne LAHILLE’s um so weniger zu denken, als unsere Experimente, wie die Ta- bellen S. 254 ff. lehren, gerade eine Verlangsamung der Schlag- folee mit gréBerer Haufigkeit der Stromumkehrungen bei Nicotin- vergiftung nachgewiesen haben, also gerade das Gegenteil der LAHILLE’schen Voraussetzung. c) Um den Einflu8 des Blutdruckes auf die Strom-Umkehrungen einwandsfrei priifen zu kénnen, ist es nach dem Vorhergehenden notwendig, die Beobachtungen von der Muskelthatigkeit des Tieres und von dem irrefiihrenden Einflu8 der bisher sorglos eingefiihrten Hilfsfaktoren méglichst unabhingig zu machen. Eine Verringerung oder Erhéhung des Blutdruckes wird demnach am besten durch Oeffnen resp. Komprimieren der GefaB8e in weiter Ent- fernung vom Herzen und am unversehrten Tiere vorgenommen. Die Beobachtung soll ferner nicht, wie es geschah, stundenlang unterbrochen, die Muskelthitigkeit des Tieres, wenn méglich, unverdndert erhalten werden. Die beim Versuch unumgingliche Verletzung des K6rpers ist gewif ein Faktor, der auch seinerseits, d. h. unabhangig vom Blut- druck, den Herzschlag beeinflussen kénnte, obgleich man sich bei dem erwiesenen Mangel einer direkt nervésen Beeinflussung des Herzens kein klares Bild von diesem Vorgang machen kann. Doch wird im folgenden die eventuell stérende Wirkung der Verletzung dadurch aufgehoben, daf es sich in beiden einander erganzenden Versuchen um eine Verletzung (Schnittverwundung resp. Quetschung) der gleichen Kérperteile handelt. Versuch 1), auf eine Verringerung des Blutdruckes im Lakunensystem abzielend, wurde friiher (S. 273) in anderem Zusammenhang mitgeteilt. Er zeigt, da% eine Oeffnung der Blut- kanile des vorderen Kérperendes (durch scharfes Abschneiden der Ingestionsregion), die einen Blutergu8 herbeifiihrte, eine Ver- kiirzung der Pulsationsreihen, also eine erhéhte Frequenz der Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 301 Stromumkehrungen zur Folge hatte (die Kontraktionen der Muskel- reifen im Moment des Eingrifis und nach dem Eingriff waren nicht gréfer und haufiger als vorher). Versuch 2: Um eine Erhéhung des Blutdruckes zu bewirken, wurde die Ingestionsregion an derselben Stelle, wo sie im ersten Versuch durchschnitten wurde, mit einem Seiden- faden fest eingeschniirt. Infolgedessen sind jetzt die Blutkanale rings in der Nachbarschaft der Ligatur stark komprimiert. Tab. 37 zeigt die Wirkung auf den Herzschlag. Der Seidenfaden war schon vor der Beobachtung lose um die Ingestionsgegend gelegt worden und konnte daher schnell, und ohne das Tier anderweitig zu reizen, zugezogen werden. Tab. 37a. Cyclosalpa pinnata (gen. cat.), 6 cm lang, unversehrtes Tier, bei 26° C. Wash: aug b; Dasselbe Tier gleich nach Umschniirung des Kérpers ca. 1/, cm vor dem Ganglion. Kein Blutverlust, sondern Kompression der Kanaile im Umkreis der Ligatur. Tabs 3a: Tab. 37b. Abv Adv Abv. Ady Zeit Zip Weil Zeit a 'in Sek | Zahl in Sek Zahl in Sek Zahl in Sek 32 51 | 23 44 38 58 28 ao 30 48 24 46 50 go 35 61 31 50 DAUM 8 a4 50 83 36 60 29 48 | 21 40 48 73 34 60 Wie man sieht, tritt sofort eine entschiedene Verlange- rung der Pulsationsreihen ein, die Frequenz der Stromumkeh- rungen sinkt. Wenn sich auch aus diesen Versuchen eine Abhangig- keit der Stromumkebr von Blutdruck-Aenderungen (und zwar im entgegengesetzten Sinne, als LAHILLE beweisen wollte) ergiebt, so mufS doch bedacht werden, da’ — von in- dividuellen Variationen ganz abgesehen — starke Schwankungen der Reihenlange auch spontan eintreten, entweder ganz un- vermittelt und ohne da Kontraktionen des Tieres etwaige Blut- druck-Aenderungen herbeigefiihrt hatten, oder langsam mit der 302 LS. Schultze, Zeit sich ausbildend, ebenfalls ohne daf gleichzeitige Blutdruck- Aenderungen anzunehmen sind. Die Frage, mit welchen Mitteln der Tunicaten-Organismus die Frequenz des Stromrichtungswechsels bestimmt, kénnen wir vorliufig nicht beantworten. Somit kommen wir zu dem Endresultat, da8 Blutdruck- inderungen (und andere Faktoren, deren Wirkungsweise im einzelnen ebenfalls noch dunkel ist) die Stromumkehrungen von verschiedenen Seiten beeinflussen kénnen, wenn sie auch nicht — wie von verschiedenen Seiten zu beweisen versucht wurde — die ausschlaggebende Ursache des periodischen Stromrichtungswechsels im Tunicaten-Kérper darstellen. C. Versuch einer Analyse. Eine summarische Behandlung der Frage nach den Ursachen des Stromrichtungs-Wechsels im Tunicaten-Koérper, wie sie die vorher besprochenen Theorien und Experimente versuchten, hat, wie wir sahen, nicht zum Ziele gefiihrt. Wir mtissen das Problem zunaichst zerlegen, um spiiter eine einheitliche Vorstellung vom Zustandekommen des periodischen Stromrichtungs-Wechsels an- streben zu k6énnen. Der Wechsel in der Kontraktionsrichtung des Herzens setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen: Sistierung der Peristaltik, Wechselpause, Eintritt der Antiperistaltik. Jede dieser drei Erscheinungen kann auf dreierlei verschiedene Weise zustande kommen: Entweder durch Vera&nderungen in der Erzeugung der spontanen Reize, oder durch Verande- rungen der Erregbarkeit der Muskelfasern, oder endlich durch Verainderungen des Leitungsvermégens fiir den mo- torischen Reiz. Es kann demnach die Sistierung der Peristaltik hervorgerufen sein: a) durch eine Ermattung der Reizquelle, die voriibergehend bis zum vollstaindigen Aufhéren der Reizerzeugung fihren kann; b) durch eine Herabsetzung oder Aufhebung der Erregbarkeit des Herzendes; c) durch eine Herabsetzung oder Aufhebung der Leitungs- fahigkeit fiir den motorischen Reiz. Die Wechselpause kann folgenden Umstanden ihre Ent- stehung verdanken : Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 303 a) Das Reizcentrum A+) ist schon ermattet, ehe am _ ent- gegengesetzten Herzende das Centrum B sich erholt hat (und um- gekehrt). b) Die Erregbarkeit des Herzendes A ist schon erloschen, bevor sie am Herzende B wieder hergestellt ist (und umgekehrt). c) Es ist — unabhingig von einer spater zu wiirdigenden refraktiiren Phase im Gefolge der letzten peristaltischen Welle und der antiperistaltischen Zuckung — das physiologische Leitungs- vermégen der Herzmuskeln voriibergehend erloschen. d) Es muf aber auch in Betracht gezogen werden, daf még- licherweise das Reizcentrum A an seiner Bethaitigung durch die letzte von B kommende Welle eine Zeitlang behindert wird. Wie sich auf Grund dessen eine Wechselpause herausbilden wiirde, braucht hier zunachst nicht verfolgt zu werden. Der Eintritt der Antiperistaltik kann _hervor- gerufen sein: a) durch eine neue Kraftigung der betreffenden Reizquelle; b) durch eine Wiederherstellung des physiologischen Leitungs- vermogens. — Es ware vielleicht nicht schwer, aus diesen Faktoren sich eine oder auch mehrere Theorieen tiber den Stromrichtungs-Wechsel im Tunicaten-K6érper zurecht zu kombinieren. Unsere Aufgabe aber wird es sein, experimentell und auf Grund der Beobachtungen am unverletzten Tiere zu entscheiden, welche der angefiihrten még- lichen Falle als den thatsichlichen Verhaltnissen entsprechend weiter verwertbar sind. 1) Verhalten des Reizcentrums A wahrend der Thatigkeit des entgegengesetzten Centrums B}). Fiir diejenigen Falle, in denen die friiher (S. 245 ff.) beschriebene antiperistaltische Zuckung auftrat, ist zwar der Beweis geliefert, dafi wihrend der Peristaltik die Reizerzeugung zur Anti- peristaltik nicht sistiert. Das ermattete oder absterbende Herz 1) Es ist zwar friiher (S. 275 f.) nachgewiesen worden, daf jeder Abschnitt des Herzens imstande ist, spontan rhythmische Kontrak- tionsreize zu erzeugen. Aber aus Griinden, die spiiter (S. 315 ff.) er- értert werden sollen, wird am intakten Tiere nur an den beiden Herz- enden von dieser Fahigkeit Gebrauch gemacht. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn im Folgenden von einem wirksamen Reizcentrum A und einem ebensolchen Centrum B gesprochen wird. 304 L. S. Schultze, zeigte ferner klar, wie die antiperistaltische Zuckung tiber die Peristaltik ganz allmahlich die Herrschaft gewinnen kann und schlieflich bis zum Eintritt der nachsten Wechselpause allein fort- dauert. Aber es verdient doch hervorgehoben zu werden, daf antiperistaltische Erscheinungen wahrend der Peristaltik nicht tiber- all zu sehen sind. Ist in den Fallen, wo die antiperistaltische Zuckung nicht nachweisbar ist, die antiperistaltische Reizquelle an sich unfahig, thatig zu sein? Zur Entscheidung dieser Frage ist eine Beobachtung des einen Herzendes unter Ausschluf jeglichen Einflusses vom anderen Herz- ende her “notwendig. Trennt man einer Salpe, deren Herz keine antiperistaltischen Erscheinungen wahrend der Peristaltik zeigt, das viscerale Ende vom iibrigen Herzen ab, so tritt zunachst Stillstand des Herzens ein. Ist diese direkte Reizwirkung des Schnittes voriiber, so nimmt das intakt gebliebene hypobranchiale Herzende seine Thatig- keit wieder auf, es folgen sich, anfangs schneller und kraftiger, spiter langsamer und schwacher zahlreiche ausschlie8lich gleich gerichtete (hier adviscerale) Pulsationen. Schwankte die Zahl dieser Schlage unmittelbar vor der Operation zwischen 20 und 3 pro Periode, so folgen sich jetzt bis zum Tode des Herzens iiber 100, zuweilen weit iiber 1000 Schlage in rein advisceraler Richtung, ohne daf Pausen eintraten, in denen die Herzthatigkeit zu Gunsten einer etwaigen Antiperistaltik erléschte. Daf diese Pulsationen nicht auf eine erst durch den Eingriff hervorgerufene Veranderung des beobachteten Reizcentrums zurtick- zufiihren sind, beweisen — abgesehen von dem unmittelbar nach der Operation eintretenden Herzstillstand, der als diese direkte Reiz- wirkung des Schnittes anzusehen ist — die nachher mitzuteilenden Versuche, in denen die gleichgerichteten Pulsationen stundenlang und mit einer Regelmabigkeit sich folgen, die jeden Verdacht auf eine direkte Nachwirkung der Verletzung selbst ausschlieBt. Mehrfach wiederholte Experimente haben gezeigt, da8 die- selben Erscheinungen, die am Herzende A_ bei Ausschaltung von B zu beobachten sind, auch am Herzende B auftreten, wenn A aus- geschaltet wird. Damit ist erwiesen, da8B jedes Herzende an und fir sich imstande ist, eine viel gré8ere Reihe von Pul- sationen auszufiihren, als es thatsachlich ausfihrt, wenn beide Herzenden, in ihrem natitrlichen Zu- sammenhang belassen, sich gegenseitig beeinflussen. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 305 Wenn also am intakten Herzen das eine Ende nach einer bestimmten Anzahl von Schligen die Peristaltik einstellt, um der Antiperistaltik zu weichen, so ist doch seine Reizquelle noch nicht versiegt, sie wird vielmehr durch die Thiatigkeit des entgegengesetzten Herzendes entweder ganz oder (antiperistaltische Zuckung) zum gréften Teil nur verhindert wirksam zu Tage zu treten. Ferner zeigen die Experimente noch, daf wahrend der Ak- tivitat des einen Herzendes am entgegengesetzten Herzende auch die Erregbarkeit und das Leitungsvermégen in einer der herrschen- den entgegengesetzten Kontraktionsrichtung nicht verloren geht, sondern nur latent bleibt. : Was ist dann aber der Grund dieser abwechselnden Unter- driickung des einen Herzendes durch die Thatigkeit des anderen? Kine absolute einseitige Steigerung der physiologischen Leistungsfaihigkeit am Ende jeder Reihe kann nicht der Grund sein, sie mite ja mit jeder Umkehr des Blutstroms immer starker werden und schlieSlich ins Unendliche wachsen. Es fragt sich daher nur, ob eine abwechselnd eintretende und spater wieder sich ausgleichende Herabsetzung der Reizerzeugung, oder der Erregbarkeit oder des physiologischen Leitungsvermégens dem jeweilig kraftigeren Herzende es moéglich macht, die Thatigkeit des anderen Herzendes zu unter- driicken. Wie das im einzelnen geschieht, ist eine Frage, die spater zu besprechen wire. Eine Herabsetzung jedes einzelnen der genannten drei Faktoren muS (wenn wir nicht die gezwungene Annahme machen wollen, da8 eine gleichzeitige Steigerung eines anderen der drei Faktoren den Effekt wieder aufhebt) eine Abnahme der Pulsfrequenz herbeifiihren. Es ist demnach festzustellen: Tritt gegen Ende einer Pulsationsreihe am unverletzten Herzen oder in den tber- zihligen Pulsationen nach Abtrennung des einen Herzendes eine Verlangsamung der Herzschlage ein? Kine Verlangsamung der Herzschlige am Ende der Pulsations- reihe konnte am unverletzten Tiere zwar haufig, aber durchaus nicht immer mit Sicherheit festgestellt werden. Deshalb ist auch hier eine experimentelle Inangriffnahme der Frage erwiinscht, denn dann lassen sich durch Ausschaltung der antiperistaltischen Reize in der dadurch kiinstlich verlangerten Peristaltik etwaige Verlangsamungen sicherer und bequemer nach- weisen. Bd. XXXY. N, F. XXVIII, 20 306 L. 8. Schultze, Dabei ist freilich auferste Schonung des Herzens Vorbedingung, Statt zu schneiden legt man am besten mit einer krummen Nadel einen Seidenfaden um das in situ befindliche Herz, schneidet (um jeden Druck durch Nachbarteile zu vermeiden) dem Faden seinen Weg im Korper bis zur Oberflaiche des Herzens vor und zieht dann die Schlinge fest zu. So vermeidet man ein Oeffnen des Herzens und einen Blutergufs. Hat man auf diese Weise das eine Herzende abgeschniirt, so tritt sofort ein meist langer und voll- standiger Stillstand ein. Wenn sich das Herz aber erholt hat, schlagt”es viele Stunden weiter, und zwar stets nur in der Rich- tung nach der Abschniirungsstelle. Ich habe itiber 1700 Schlige ununterbrochen beobaehtet, ohne jemals auch nur einen Ansatz zu einer Antiperistaltik zu bemerken. Hier interessieren uns in erster Linie die Schwankungen der Pulsfrequenz, die jetzt zu Tage treten. Bei allen abgeschniirten Herzen, die ich auf diesen Punkt hin untersuchte, war ausnahmslos eine bald mehr bald minder regel- maBige aber stets unverkennbare Periodicitat der gleich gerichteten Pulsationen zu beobachten: es wechselten langsamere und schnellere Reihen miteinander ab. Diese Periodicitaét lat sich am kiirzesten und scharfsten graphisch wiedergeben. In den Figuren I—III auf Taf. XI sind die miteinander abwechselnden langsamen und schnelleren Pulsationsreihen der unterbundenen Herzen dargestellt. Auf der Ordinatenachse ist die Zahl der Pulse, auf der Abscissenachse die Zeit in Sek. abgetragen. Die Zahlung der Sekunden beginnt immer am Anfang jeder Reihe von neuem: Die Zahlen oberhalb der Abscissen geben also direkt die Sekunden an, die wahrend einer einzelnen Pulsationsreihe verstrichen. Die Figur giebt demnach vergleichenden Aufschluf : 1) tiber die Zahl der Pulse einer Reihe (== der Hohe der Ordinate), « 2) tber die Dauer einer Pulsationsreihe (= der Lange der Abscisse). 3) Wenn das Verhialtnis von Schlagzahl und Zeit in jeder Reihe dasselbe bliebe, dann wire der Winkel « dessen Tang. dieses Verhaltnis darstellt, stets der gleiche, d. h. die Pulslinien miiften parallel laufen. Je mehr sich das genannte Verhaltnis andert, desto weniger parallel werden die Pulslinien. Der Unterschied ihrer Steilheit giebt also ein direktes Bild der Frequenz-Schwankungen. In Fig. I sind die abvisceralen Pulsationen eines am hypo- branchialen Ende umschniirten Herzens von Salpa africana-maxima Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 307 (gen. cat.), */, Stunde nach dem Eingriff, dargestellt. Die Pul- sationen waren schwach, keine tiefen Einschniirungen der ventralen Herzwand, nur wellenartige Bewegungen liefen vom Visceralende des Herzens zur Ligatur. Dieselben Erscheinungen sind auch am Herzen von Cyclosalpa pinnata zu beobachten: s. Fig. If (Solitirtier, 4 Stunden nach dem Kingriff). Um dasselbe, was bisher nur fiir das Visceralende des Herzens festgestellt wurde, auch fiir das entgegengesetzte Reizcentrum am Hypobranchialende zu illustrieren, dient Fig. If]. Hier ist die Thatigkeit eines am visceralen Ende abgeschniirten Herzens von Cyclosalpa pinnata (gen. sol.), 5 Stunden nach der Operation, dargestellt. Das Herz dieses Tieres zeigte nahe seinem Hypo- branchialende eine Ruhefalte. Die Pulsationen bestanden darin, dafi sich diese Ruhefalte rhythmisch vertiefte zu einer kriftigen EKinschntirung der ventralen Herzwand, in deren Bereich die Muskulatur ihr welliges, silberweifes Kontraktionsaussehen an- nimmt. Die Kontraktion halt deutlich einen Moment in maximaler Gréfe an und verstreicht dann schnell. Die Periodicitaét jedes der beiden physiologisch isolierten Herzenden, die im Vorhergehenden festgestellt wurde, ist noch niher zu charakterisieren: die langsamen und die schnellen Pul- sationsreihen sind nicht nur durch den Gesamtrhythmus ihrer Pulse unterschieden, auch innerhalb der beiderlei Pul- sationsreihen andert sich vielmehr der Rhythmus der Pulse in bemerkenswert verschiedener Weise, auch in der Kraft der Einzelkontraktionen treten Verschieden- heiten zu Tage. Der Anfang der schnelleren Pulse ist meist schon mit bloSem Auge erkennbar, er hebt sich durch die Gleichmafigkeit seines schnelleren Tempos vom Ende der weniger gleichmaBigen langsamen Pulsationsreihe deutlich ab. In einem Falle wurde das Ende der langsamen Pulsationsreihe regelmafig dadurch angezeiet, daf zwei Pulsationen sich auffallend schnell folgten, wie es inner- halb einer Periode sonst nie zu beobachten war. Fir die Frage der Frequenzschwankungen innerhalb der Reihe sind natiirlich nur diese Falle einer scharfen Trennung der beiderlei Pulsfolgen verwertbar. Gegen Ende der schnelleren Reihe ist eine minimale Ver- langsamung; der Pulsfolge wahrzunehmen, die ohne besondere zeit- messende Vorrichtungen zahlenmafig nicht auszudriicken und nur dem Geiibteren sichtbar ist, dann aber so regelmiafig auftritt, dal 20 * 308 119, (Semen lana, man auch ohne Kenntnis der Periodenlange das Ende der Reihe vorhersagen kann. Das Ende der Reihe ist trotz dieser Verlang- samung scharf abgeschnitten. Die letzte Kontraktion entsteht und lauft ebenso schnell ab wie die vorhergehenden. Jener resultatlose Ansatz zu einer letzten gleich gerichteten Kontraktion, wie sie sich am intakten Herzen in einer Dauerkontraktion des bisher venédsen Herzendes am Ende der Reihe ausspricht (S. 242, 248), fehlte stets in den Fallen, wo auf diesen Punkt geachtet wurde. Das Tempo der langsamen Pulse zeigte gerade das umgekehrte Verhalten wie das der schnelleren Reihe: ihre Frequenz ist am Anfang der Reihe am kleinsten, dann steigt sie stetig bis zum Ende der Reihe an. Die Regelmafigkeit dieses Verhaltens ist bemerkenswert: Tab. 38 zeigt die Zunahme der Frequenz innerhalb jeder der langsamen Pulsationsreihen (I—V), die (mit schnelleren Reihen abwechselnd) vom isolierten Hypobranchialende des Herzens einer Cyclosalpa pinnata (sol.) ausgingen. ; ft I. TEE TV: V. Zahl a. Schlage |10|10| 9[10| 10 10) 6]10/10| 7]10 10/10} 5 [10/10] 3 | ie tee 7743 }39] x4 37) 24 die Briudeskeno Zeit in Sek. {78 82 40 | 40 a 9 77 57| 24 We 53 | Auch in der Starke der Kontraktionen traten bei diesem besonders giinstigen Objekt konstante Unterschiede der beiderlei Pulsationen hervor. Wahrend in der schnelleren Reihe die Pulsationen stets sich gleich blieben, den Umstanden ent- sprechend maximal zu nennen sind, sind in den ersten langsamen Pulsen die Kontraktionen betrachtlich schwacher, sie gehen dem- entsprechend auch schneller voriiber und erst allmiahlich nehmen sie mit der Frequenz auch an Kraft und Dauer zu. Eine Dauer- kontraktion des Herzteiles, an dem die letzte Kontraktion einer Reihe endet (am intakten Herzen stets zu beobachten, s. 8. 247), ist am umschniirten Herzen nicht vorhanden. Die regelmabige Periodicitat der gleich gerichteten Pulsationen am umschniirten Herzen, die sich sowohl in der Frequenz als in der Stiirke und Dauer der Kontraktionen ausspricht, und die frither am intakten Herzen beschriebenen antiperistaltischen Erscheinungen, berechtigen zu folgendem Schlu8: Die schnelleren Pulsa- tionen des am visceralen(resp.am hypcobranchialen) o Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 309 Ende umschniirten Herzens sind den normalen ad- visceralen (resp. den abvisceralen) Pulsationsreihen des intakten Herzens gleichzusetzen. Die lang- samen Pulsationen des umschniirten Herzens ent- sprechen zeitlich am intakten Herzen der Ruhe des arteriellen Herzendes wahrend der ausschlag- gebenden Thatigkeit des entgegengesetzten Reiz- centrums am venésen Ostium. Die langsameren Pulsationsfolgen des umschniirten Herzens sind demnach das Aequivalent der antiperistaltischen Zuckungen am intakten Tier. Dem widerspricht es nicht, daf am normalen Herzen die antiperistaltischen Erscheinungen zu- weilen tiberhaupt nicht, zuweilen in ihrem Rhythmus von dem der Peristaltik abhangig gefunden werden. Die herrschende Peristaltik, in den Umschniirungsversuchen einseitig ausgeschaltet, kann im intakten Organ die antiperistaltischen Erscheinungen unter Um- stinden ganz zurtickdrangen, unter Umstanden aber wohl auch befordern: ,,Es macht den Eindruck, als ob dieser Erfolg (der Peristaltik) auf dem mechanischen Wegraéumen schiidlicher Be- dingungen durch die Kontraktion, also auf einer Art physiologischer Massage beruhe. Vermutlich hat dieser positive, giinstige Einflu8 immer statt und wird nur durch die gleichzeitig anwesenden nega- tiven, ermitidenden Wirkungen der Kontraktion mehr oder weniger verdeckt oder selbst tiberkompensiert’ (ENGELMANN, 9, 5. 148). In unserem Falle wiirde sich der wohlthatige Einfluf der Herzthatigkeit selbst, wo er zu Tage tritt, schon bei schwacher Kontraktion, also schon im nichsten Umkreise des maximal kontrahierten Teiles der fortschreitenden peristaltischen Welle bemerkbar machen. Die zeitmessenden Abschniirungsversuche ergeben, da bei dem jedesmaligen Wechsel der Kontraktionsrichtung beide Herz- enden Veranderungen erfahren: sie zeigen einerseits eine Herabsetzung der Leistungsfahigkeit am bisher venésen Herzende, andererseits eine Steigerung der Leistungsfahigkeit des arteriellen Herzendes zur Zeit der Wechselpause. Um zu ermitteln, wie das Zusammenwirken dieser abwechseln- den re- und progressiven Verainderungen eine Wechselpause und eine Koordination der Bewegungen, d. h. eine reinliche Trennung von Peristaltik und Antiperistaltik herbeifiihren kann, ist zu ent- scheiden, welcher der friiher genannten 3 Faktoren, ob die Reiz- erzeugung, ob die Erregbarkeit oder ob das Leitungsvermégen fiir 310 L. 8. Schultze, den Reiz, an beiden Herzenden alternierend, periodisch herabgesetzt und gesteigert wird. 2. Das Leitungsvermégen der Herz-Muskelfasern fiir den motorischen Reiz erfahrt im Verlaufe jeder zusammengesetzten Periode Veranderungen, die sich schon dem blofen Auge zu erkennen geben. Die peristaltische Welle lauft merklich langsamer ab um die Zeit der Wechselpause, am Ende jeder Pulsationsreihe zeigte das Herz von Cyclosalpa pinnata eine starke Verlangsamung des Kontraktionsverlaufes (S. 242, 307/308). Ferner lehrte die Beobachtung des normalen Herzschlages, dai — unabhangig von einer antiperistaltischen Zuckung — die letzte Welle jeder Pulsationsreihe am arteriellen Herzende nicht wie die vorhergehenden schnell verstreicht, sondern eine Zeitlang blockiert wird (S. 247), daf ferner die ersten Wellen einer Pulsationsreihe, auch wenn keine antiperistaltische Zuckung auftritt, oft nicht bis zum arteriellen Herzende vordringen (S. 247 oben). Diese Beob- achtungen lehren, dai beim Nahen der Wechsel- pause, unter Umstanden tiber ihre Dauer hinaus, das physiologische Leitungsvermégen der Herz- muskulatur herabgesetzt ist. 3. Die Erregbarkeit des Herzendes und ihre Schwankungen wurden mit Hilfe elektrischer Reizung (Dupots-Reymonp’s Schlitten-Induktorium) gepriift. Ueber die Reizung des Salpen-Herzens mit Wechselstrémen sagt Ransom: Not only did the current not produce inhibition of the beats, but I was unable to observe any such change in the direction of the rhythmical contractions as was described by Drew-Smiru. The uncertainty however of the exact course of the current in this method of procedure diminishes the value of negative results‘ (31, S. 326). Die Schwierigkeit liegt thatsichlich in der richtigen Wahl der Stromstirke und der Elektroden. Das Salpen-Herz kann nur in situ, wahrend das Tier sich in seinem natiirlichen Element befindet, untersucht werden. Wechselstréme, die vor dem Ein- tauchen der Elektroden in Wasser so stark wirkten, daf die Funken sprangen und die Schlage schmerzten, waren ohne jede sichtbare Wirkung, sobald man die Elektrodenenden unter Wasser beriihrte. Um einen Reiz auf das Herz im Wasser auszuiiben, bedarf es daher starker Stréme, bei deren Anwendung ein Teil der Elek- Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. dll tricitét auch den Tierkérper, einen im Verhiltnis zum Wasser ja schlechten Leiter, benutzt, bedarf es ferner méglichst wenig ein- getauchter Elektroden, deren freie Enden so lang sind, daf ibre Ebonitisolierung nicht mit dem Wasser in Beriihrung kommt, denn auch bei den besten Instrumenten dringt gelegentlich Wasser ein, das die Isolierung aufhebt. Ich benutzte 1—2 Chrom-Tauchelemente von je 1 Liter Inhalt, die freien Elektrodenenden waren 3—4 cm lang. Man entfernt am besten vor der Untersuchung das Ganglion der Salpe, um die stérenden Bewegungen der Muskelreifen auf- zuheben (die Sphinkteren der In- und Egestionséffnung bleiben in Thatigkeit), und sticht die Elektroden so in den Kérper ein, daf sie das Herz, ohne es zu driicken oder verletzt zu haben, zwischen sich fassen. Leider ist das Salpen-Herz zu zart, als dafi es gelange, seine Bewegungen graphisch aufzuzeichnen durch Aufsetzen eines Hebels oder durch Suspension nach ENGELMANN’s Methode. Die hierbei nétigen Manipulationen greifen so tief in die natiirlichen Bedingungen der Herzthatigkeit ein, daf’ die diinne einschichtige Zellenlage, selbst wenn sie die Kraft hatte, den Schreibhebel zu bewegen, keine Kurve des normalen Kontraktionsverlaufes giebt. Deshalb beschrinken sich die folgenden Angaben auf das, was ohne weitere Hilfsmittel unter der Lupe sich feststellen lat, zunichst tiber die Erregbarkeit des Herzmuskels wahrend einer Kinzelpulsation. Beide Generationen der Salpa africana-maxima und der Cyclo- salpa, die hypobranchialen sowohl als die visceralen Enden des Herzens, wurden untersucht. Wir werden spater sehen, daf durch Momentanreize, die in variierbar schneller Aufeinanderfolge einem der beiden Herzenden appliziert werden, der Rhythmus des Herzschlags beliebig ver- iindert werden kann. Es ist hier aber eine Grenze gegeben, tiber die hinaus die Pulsfrequenz sich nicht steigern lat. Folgen sich die Reize so schnell, da8 der zweite schon eintrifft, noch ehe die durch den ersten hervorgerufene peristaltische Welle z. B. die Herzmitte erreicht hat, dann sieht man — wenn itiberhaupt eine Wirkung zu Tage tritt — nur eine bald schwachere, bald stirkere lokale Kontraktion des gereizten Herzendes, zuweilen auch eine kurze peristaltische Welle, die aber nicht tber das Herz wegliuft, sondern unterwegs stecken bleibt. ah? L. 8S. Schultze, 7 In anderen Fallen hat der zweite Reiz, wenn er dem ersten (kiinstlichen oder spontanen) Reiz unmittelbar auf dem Fufe folgt, iiberhaupt keinen sichtbaren Effekt, wahrend er in einem etwas spiteren Stadium, aber noch wahrend des Ablaufs der ersten Welle appliziert, eine schnell folgende zweite Welle auslést. Das rechtzeitige Eintreffen einer ‘spontanen Kontraktion, das bei regelmabiger Pulsfolge (nur Herzen, die dieser Anforderung geniigten, wurden untersucht) sich mit Sicherheit an der Hand der Sekundenuhr voraussagen laft, kann dadurch verhindert werden, daf’ man unmittelbar vorher eine peristaltische Welle kiinstlich -hervorruft. Die spontane Kontraktion des Herzens, die kurz darauf hitte einsetzen sollen, wird dadurch unterdriickt. Als Resultat der Versuche, Extrawellen in die Peristaltik ein- zuschalten, ergiebt sich also die Thatsache, daB im Verlaufe jeder einzelnen Kontraktion des Salpen-Herzens ein Stadium auftritt, in dem die Leitungsfihigkeit fiir den motorischen Reiz und die Erregbarkeit der Muskelfasern herabgesetzt oder ganz aufgehoben ist. Dem entspricht am Wirbeltierherzen das zuerst von MAREY (26) beschriebene, von ENGELMANN (7, 8) weiter charakterisierte refraktare Stadium. Es ist selbstverstindlich, daf bei diesen Versuchen fiir jedes Tier zunaichst die Reizschwelle festzustellen ist, um nicht mit tiber- maximalen Reizstirken zu arbeiten. In welcher Phase der Kinzel- kontraktion der refraktiire Zustand der Herzmuskeln eintritt und wie lange er anhalt, laSt sich ohne die graphische Methode nicht naher priacisieren. Wenden wir uns von den Verinderungen der Erregbarkeit, die im Gefolge der einzelnen peristaltischen Welle auftreten, zu der Frage, ob auch am Ende jeder Reihe gleich gerichteter Pulsationen die Erregbarkeit der Herzmuskeln sich andert. Am ermiidenden Skeletmuskel der Wirbeltiere spricht sich eine Abnahme der Erregbarkeit bei gleichbleibender Reizstirke bekanntlich in einem allmahlichen Absinken der KontraktionsgréBe aus; das Herz der Wirbeltiere dagegen giebt, was die Kontraktions- grébe anlangt, keinen Mafstab fiir die EKrregbarkeit seiner Muskulatur ab, da es sich auf einen einzelnen Reiz hin entweder maximal oder tiberhaupt nicht zusammenzieht. Dem entspricht es, daf bei Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 313 Reizung mit verschieden starken wirksamen Strémen die Kon- traktionsgréBe von der Reizstirke sich unabhingig erweist. Wie verhilt sich in dieser Beziehung ‘das Salpen-Herz ? Nihert man allmihlich die beiden Spiralen des Dusors’schen Schlittens so tritt bei einem bestimmten Rollenabstand als prompte Reaktion auf jede momentane Reizung eine maximale Kontraktion des Herzens auf. Vergréfert man darauf wieder den Rollenab- stand nur um einige Millimeter, so reagiert das Herz ttberhaupt nicht mehr. Die Reaktion tritt aber sofort beim alten Abstand wieder auf. Und dann kann man die Rollen bis zur vollstandigen Deckung bringen, ohne daf die Kontraktion des Herzens gréBer wiirde als unmittelbar nach Ueberschreiten des Schwellenwertes. Die GréSe der Kontraktion wird dadurch gemessen, daf man die ‘liefe der ventral einschneidenden Kontraktionsfalte, d. h. den Abstand ihres tiefsten Punktes von der Riickenwand des Herzens unter der Lupe genau visiert. Die Kontraktionsgréf%e des Herzens erweist sich nach dem Gesagten als unabhangig von der Starke des Reizes, indem sie schon bei minimalen Reizen maximal ist. Es ist natiirlich nicht ausgeschlossen, da’ unter Umstiinden kleinste, den verschiedenen Reizintensitaiten ent- sprechende Abstufungen der Kontraktionsgréfe zu Tage treten, wenn es einmal gelingt, die letztere an unserem Objekt so exakt zu messen, wie es an anderen Herzen die graphische Methode er- moglicht. Hier jedoch geniigt es zuniichst, festzustellen, daf wahr- nehmbare Schwankungen der Kontraktionsgréfe, wie sie sich am Ende jeder Pulsationsreihe offenkundig zeigen, durch Variierung der Reizstarke sich nicht hervorrufen lassen. Wir hatten bei unseren Umschniirungsversuchen gesehen, daf in einem Zeitpunkt, der am unverletzten Tiere dem Ende einer Pulsationsreihe und dem Anfang der Unthitigkeitsperiode des bis dahin aktiven Herzendes entspricht, ein betrachtliches Absinken der Kontraktionsgréfe eintritt, allmahlich steigt sie dann wieder, um am Anfang der neuen Pulsationsreihe ihre normale Héhe wieder zu erreichen. Diese periodischen Schwankungen der Kontraktions- gréfe sind nun auf eine Abnahme der Erregbarkeit der be- treffenden Herzenden zu beziehen, da nach den vorher mitgeteilten Versuchen Schwankungen der Reizstiirke, die allein noch in Be- tracht kamen, wie im Experiment, so wohl auch am spontan thatigen Herzen entsprechende Schwankungen der KontraktionsgréBe nicht hervorrufen. 314 L. 8S. Schultze, Nach dem gegenwartigen Stande unserer Erfahrungen ist also die Auffassung die begriindetste, da, wie innerhalb der einzelnen Herzperiode (refraktéres Stadium), so auch innerhalb der zusammengesetzten Periode, und zwar am Ende jeder Pul- sationsreihe eine Herabsetzung der Erregbarkeit des bis dahin thitigen Herzendes stattfindet. Ein direkter Beweis dafiir, der dadurch zu erbringen wire da8 am Ende einer Pulsationsreihe erst ein stirkerer als sonst schon wirksamer Reiz zur Einschaltung einer kiinstlichen Systole notwendig” ist, st6é8t bei unserem Objekt auf uniiberwindliche Schwierigkeiten. Ob die 4. Intensitat der Reizerzeugung im Verlaufe einer zusammengesetzten Herzperiode Verande- rungen erfahrt oder nicht, ist schwer festzustellen. Die Frage ist nach dem Vorhergehenden fiir uns deshalb nicht brennend, weil schon eine Herabsetzung der Erregbarkeit an den Herzenden ein ausreichender Grund fiir die periodische Abnahme der Peri- Sstaltik ist. D. Das Zustandekommen der charakteristischen Herzthiitig- keit der Tunicaten. Versuchen wir jetzt, auf Grund der experimentell und durch Beobachtung des unversehrten Tieres festgestellten Thatsachen uns eine geschlossene Vorstellung vom Mechanismus des Herz- schlags der Salpen zu bilden. Da die Herzthatigkeit in den tib- rigen Tunicaten-Gruppen, soweit sie bekannt ist, in allen wesent- lichen Punkten mit der unseres Objektes tibereinstimmt, so wird das tiber die Salpen zu sagende wohl auch fiir die Ascidien und trotz der rudimentiren Natur ihres Herzens auch fiir die Copelaten gelten kénnen. Wir sahen, daf’ in den plasmareichen Muskelzellen des Herzens selbst die rhythmischen Kontraktionsreize sich spontan entwickeln (S. 263— 283). Die Thatsache, daf sich das Herz aus einer Summe an sich schon und in eigenem Tempo arbeitsfahiger Zellgruppen zusammensetzt, die Erfahrung ferner, dali’ weder im Herzen selbst noch auferhalb im Centralnervensystem irgend welche Nerven- elemente vorhanden sind, die man als Regulatoren der komplizierten und doch so wobl geordneten Herzbewegungen erwarten sollte, diese Erfahrungen stellen uns zunichst vor die Frage, wie unter diesen Umstinden, von der Umkehr des Blutstroms ganz abgesehen, Untersuchungen itiber den Herzschlag der Salpen. 315 1. eine koordinierte Bewegung in Gestalt regel- miBig sichfolgender, stets vom Herzende ausgehen- der Pulsationen zustande kommt ? Drei Eigenschaften der Muskelzellen des Salpenherzens geben die Antwort darauf: a) Die erste von ihnen besteht in dem beim Mangel von Nervenelementen ohne weiteres einwandfrei zu Tage tretenden Leitungsvermégen der Muskulatur fiir den motorischen Reiz. Trifft der spontane (oder kiinstliche) Kontraktionsreiz die erste Muskelzelle, so pflanzt er sich, wie zunaichst allgemein gesagt werden kann, auch auf die iibrigen Muskelzelien fort und bringt sie ihrem Abstand von der primir erregten Zelle entsprechend nacheinander ebenfalls zur Kontraktion. b) Der zweite Faktor, der eine Koordination der Bewegungen erméglicht, ist die specielle Verteilung der Energie- verhaltnisse im Salpenherzen. Da ist eine Thatsache hervorzuheben, die sich schon vorher bei den Zerstiickelungsversuchen ergeben hatte, aber hier erst ihren rechten Platz findet: die isolierten Enden des Herzens zeigen wie die des umschniirten Herzens (s. S. 306 ff.) ein peri- odisches Steigen und Fallen ihrer rhythmischen Thatigkeit, lang- same und schnelle Pulsfolgen lésen sich ab. Die isolierten Mittel- stiicke des Herzens dagegen pulsieren gleichmafig fort. Am intakten Herzen wird also (bei gleicher Gesamtleistung der einzelnen Herzabschnitte) jedes der Herzenden im Vergleich zur Herzmitte periodisch leistungskraftiger und -schwacher werden, d. h. ceteris paribus periodisch langsamer und schneller rhythmisch thatig sein. c) Der dritte und wichtigste Koordinationsfaktor sind die refraktiren Eigenschaften, die zeitweilige Aufhebung der Erregbarkeit und des Leitungsvermégens der Muskelfasern, die wir vorher auch am Salpenherzen aufgefunden hatten. d) Welches Resultat fiir den Herzschlag hat nun ein Zu- sammenwirken der genannten drei Faktoren ? GASKELL (14, S. 78 ff., vergl. 15, S. 57 ff.) und Mc WILLIAM (40, S. 197 ff.) haben am Wirbeltierherzen gezeigt, da immer der am schnellsten pulsierende Herzabschnitt den Rhythmus der Pulse bestimmt; neuerdings hat Lorp (25, S. 13), ohne seine Vorganger zu kennen, noch einmal den gleichen Gedanken ausgesprochen. Den Grund dieser Erscheinung sieht in Uebereinstimmung mit IIL. os ; ! | 316 L. 8. Schultze, den englischen Autoren ENGELMANN in den refraktiren Eigen- schaften des Herzmuskels, er sagt: ,die lahmende Wirkung, welche erfahrungsgemi8, wie alle anderen, so auch die von den Venenmiindungen herkommenden Kontraktionswellen voriibergehend auf die Herzmuskelsubstanz ausiiben, muf verhindern, da die an den mehr stromabwarts gelegenen Stellen, in langsamerem Tempo sich entwickelnden inneren Reize einen sichtbaren Erfolg haben‘ (10, 8. 548). Bei ihrer Bedeutung fiir das Zustandekommen der charakte- ristischen “Herzthatigkeit der Tunicaten erscheint es notwendig, sich einmal an einem Einzelfall die oben genannte Wirkung der refraktéaren Erscheinungen auf ein System ver- schiedener eigenrhythmisch thatiger Herzmuskel- fasergruppen zu vergegenwirtigen (vergl. die S. 311 ff. und S. 320 f. mitgeteilten Experimente). é i ” 4 | | | | | | il i AUT OOOO OOOTTD.___YUOOO_OO._ I _ IN a, b, @s d, E VP Y, Fig. 4. | | | | | In dieser Figur sind die zeitlichen Verhiltnisse der Rhyth- micitit verschiedener Herzabschnitte fiir einen idealen Fall wieder- gegeben. Dargestellt ist in I. dér EKigenrhythmus eines mittleren Herzabschnittes; in IJ. der jeweilig schnellere Eigenrhythmus eines Herz-Endes; in IIIT der Rhythmus des mittleren Herzabschnittes (I.) unter dem Einfluf der vom Herzende herkommenden schnelleren Reizfolge (II). Die Dauer des refraktiiren Stadiums ist schraffiert angegeben. + bezeichnet den Moment des Eintreffens eines Reizes, der keinen sichtbaren Erfolg hat. Der mittlere Herzabschnitt mége eine Zeit lang selbstiindig pulsiert haben. Da trifft mit @ der erste vom venésen Ostium herkommende Kontraktionsreiz ein, er ist aber im mittleren Herz- abschnitt wirkungslos (+), da er in das refraktére Stadium fallt, das im Gefolge der Kontraktion a, eingetreten ist. Nach kurzer Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 317 Zeit trifft in der Herzmitte der nachstfolgende spontane Reiz (/) von den Venenostien an. Das refraktire Stadium der Muskulatur, auf das der Reiz « stie’, ist jetzt voriiber; der Reiz @ lést also eine Kontraktion des mittleren Herzabschnittes aus (0,), die sich zum Arterienursprung fortpflanzt. Inzwischen ist aber auch ein autogener Reiz im Herzmittel- stiick fillig geworden. Dieser Reiz (b) fallt in das refraktare Stadium der von # ausgelésten Kontraktion und bleibt deshalb wirkungslos. Ist dieses Stadium wieder gehoben, dann trifft den mittleren Herzabschnitt der dritte von den Ostien kommende Reiz (vy), der ebenso wie der folgende (0) wirksam ist (¢, und d,), da er (im Gegensatz zu dem dann folgenden autogenen Reiz c) nicht mit einer refraktaren Phase zusammenfillt. So kommt es, dali — wie die Figur zeigt — die schnelleren Pulse des Herz-Endes die Herzmitte zwingen, ihren langsameren Kigenrhythmus zu Gunsten einer einheitlichen Schlagfolge des ganzen Herzens aufzugeben. Wir beschranken uns auf die Demonstration dieses einfachen idealen Falles, da eine weitere Verfolgung des Prinzipes uns hier zu weit abfiihren wiirde. Nur einem Einwand, der nach dem Vorhergehenden nicht unberechtigt ist, miissen wir noch begegnen: Bisher war nur von einer zeitweiligen Herabsetzung der Erregbarkeit durch die Kon- traktion die Rede. Die voriibergehende lahmende Wirkung der Systole bezieht sich aber auch auf das Leitungsvermégen der Muskulatur, dessen Herabsetzung vorher (S. 311, 312) auch fiir das Salpen-Herz nachgewiesen worden war. Die Frage ist deshalb nicht abzuweisen: Muf nicht die Herabsetzung des Leitungsver- moégens ihrerseits ein Hindernis werden fiir die Fortpflanzung des von den Venenostien kommenden Kontraktionsreizes, so da’ die gute Wirkung im Sinne einer Koordination, die durch die vor- tibergehende Erregbarkeitsabnahme angebahnt ist, durch die gleichzeitige Herabsetzung des Leitungsvermégens wieder ent- wertet wird? Demgegeniiber muf im Auge behalten werden: Mégen auch einige Fasergruppen der Herzmitte im Momente des Eintreffens einer Kontraktionswelle unfahig sein, den Reiz weiter zu leiten, so werden doch bei der Verschiedenheit der Einzelrhythmen immer eine Anzahl Fasern das refraktare Stadium bereits itiberwunden haben. Diese Fasern kénnen zwar ohne Mithilfe der angrenzenden Fasergruppen keine nennenswerte Kontraktion des zugehorigen 318 L. S. Schultze, Herzabschnittes herbeifiihren, sie kénnen aber den peristaltischen Reiz weiterleiten, denn dazu gentigt —- wie zahlreiche Unter- suchungen am Wirbeltierherzen gezeigt haben — schon eine minimale Muskelbriicke. Aus dem Vorhergehenden erhellt, daf wihrend der Zeit seiner erhéhten Energie (schnellere Reizfolge) das Ende des Herzens den Rhythmus der Pulse alleinherrschend bestimmt. In der dann folgenden Zeit herabgesetzter Energie wiirden die Reizquellen der Herz- Mitte in Kraft treten kénnen, wenn sich die Herzenden nicht in so exakter Weise ablisten, daf das eine immer in das Maximum seiner Leistungsfahigkeit tritt, wenn das andere erlahmt. Wie gleichzeitig diese abwechselnde Starkung und Schwichung der Energie in den beiden Herzenden eine periodische Stromumkehr herbeifihren muf, wird im folgenden untersucht. 2. Wie treten die Faktoren zum periodischen Wechsel der Stromesrichtung zusammen? Betrachten wir das Herz, wie es von seinem einen Ende aus regelmifig sich folgende peristaltische Wellen in der Richtung von A nach B entsendet. Dann tritt, wie wir sahen, nach einer je dem Individuum und den aéuferen Bedingungen nach wechselnden Zahl von Pul- sationen eine Herabsetzung der Erregbarkeit und des Leitungs- vermégens der Muskulatur des Herzendes A ein (nicht zu ver- wechseln mit den vorher besprochenen refraktiiren Erscheinungen, die im Gefolge jeder Einzelkontraktion auftreten). Von den Folgen der Erregbarkeits-Abnahme interessieren uns hier in erster Linie die den Rhythmus der Pulse betreffenden: am Ende der Pulsations- reihe tritt eine Verlangsamung der Schlige auf (s. S. 305 unt. Halfte u. ff.). Es ist dabei in unserem Zusammenhange gleichgiltig, ob diese Verlangsamung lediglich durch eine Erregbarkeitsabnahme der Muskulatur (Erhéhung der Reizschwelle, lingere Zeit erforderliches Anwachsen der ungeschwiicht sich entwickelnden spontanen Reize zu wirksamer Starke) herbeigefiihrt ist, oder ob auch die Intensitit der Reizerzeugung selbst am Ende der Pulsationsreihe abnimmt. Wahrend so die Peristaltik in der Richtung A—B erlahmt, hat sich allmahlich die Erregbarkeit im Herzende B wieder hergestellt. Die hier sich entwickelnden spontanen Reize kénnen aber (wie sich aus der Wiirdigung der refraktiren Erscheinungen ergiebt und auch experimentell sich zeigen lift) erst dann eine zusammen- Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 319 hingende Pulsationsreihe in der Richtung B—A_hervorbringen, wenn sie sich schneller folgen als die Pulsationen in der Richtung A—B. Vorher kénnen wohl kurze antiperistaltische Zuckungen, aber keine tiber das Herz verlaufenden Wellen aufkommen. Es findet da gewissermafien ein Wettstreit der Centren A und B statt um die Vorherrschaft iiber das Herz. Daf schlieSlich immer der schneller arbeitende Herzabschnitt, wenn auch raumlich noch so eng begrenzt, doch fiir das ganze Herz Rhythmus und Richtung der Kontraktionen bestimmt, laft sich als kombinierte Wirkung der refraktiren Eigenschaften und des allgemeinen Leitungsver- moégens der Herzmuskelfasern an demselben Diagramm veranschau- lichen, daf uns 8. 316 die Vorherrschaft der Herz-Enden beim Zustandekommen der Einzelpulsation illustrierte: b aA (EE a oh ee : | | | | | | | | | ual | ! es | if an Fe ILL. ANAT IATA II O_O UT TN MAAN OL b (i d, é, i D, t > J a eer AGN | | ! | | | 1 = | \ ' \ | | ] ! ' | | | | | | \ | \ \ | \ \ ' | | \ | Fig. 5. Nur die Bezeichnungen sind zu verindern: In I. ist die Reiz- folee des jeweilig langsameren Herzendes, in II. die gleich- zeitig erzeugte Reizfolge des entgegengesetzten schnelleren Herzendes wiedergegeben. Beide Reizfolgen streiten um die Vor- herrschaft iiber das Herz, das Endresultat ist in III. dargestellt. Alle senkrecht untereinander stehenden Punkte der drei Zeilen gehoren auch hier immer dem gleichen Zeitmoment an. Dauer des refraktiren Stadiums schraffiert. Der erste Reiz a des schnelleren Herzendes ist unwirksam, weil er in das refraktire Stadium fallt, das im Gefolge des wirk- samen Reizes a von der langsamen Reihe her eintrat. Der niachste Reiz # aber ruft eine Kontraktion hervor, da er erst nach Ablauf des refraktaéren Stadiums fallig wird. Der jetzt folgende Reiz b von der langsamen Reihe ist unwirksam, erst die folgenden Reize 320 L. 8. Schultze, y und 0 von der schnelleren Reihe lésen eine Kontraktion aus, da ihnen kein refraktires Stadium in den Weg tritt, u. s. w. Dieser absichtlich einfach gewahlte Fall zeigt, daf die schnelleren Reizfolgen weit weniger Gefahr laufen, mit einem refraktéren Stadium zu kollidieren als die langsameren Reizfolgen. Die ersteren werden deshalb vorwiegend oder ausschlieBlich zur Geltung kommen. Bindender als diese allgemein orientierenden Erwagungen sind die folgenden Experimente, ausgefiihrt am Salpen-Herzen zur Priffung des Abhaingigkeitsverhaltnisses zwi- schen der jeweilig vorherrschenden Kontraktions- Richtung des Herzens und dem Rhythmus der ver- schiedenen Reizfolgen an den beiden Enden: Einmalige momentane Reizung eines Herzendes mit Wechsel- strémen ruft prompt, wenn sie nicht in ein Stadium der Unerreg- barkeit fallt, je eine peristaltische Welle hervor. Das ruhende Herz konnte auf diese Weise in Bewegung gesetzt, und am thitigen Herzen der Rhythmus betrichtlich beschleunigt werden. Die starkste Beschleunigung der Herzschlige wird aber durch Dauerreizung mit Wechselstrémen hervorgerufen. Vom Moment des ersten Stromschlusses an entsendet das gereizte Herzende schnell sich folgende, zum Teil sich hastig iiberstiirzende Wellen. Man hat es ganz in der Hand, durch verschieden lange anhaltende Reizung die Linge der einen Pulsationsreihe beliebig zu variieren ; die Zahl der gleich gerichteten Pulsationen lat sich auf diese Weise bis um das 60-fache der normalen vergréfern! Solange die Reizung, und damit die Beschleunigung der Pulse A—B anhalt, so lange kann keine Welle vom entgegengesetzen Herzende her durchbrechen. Reizt man kraftig das Herzende A zur Zeit der Thatigkeit des Endes B, so wird in jedem Falle vom Moment der wirksamen Reizung ab bis zu ihrem Aufhéren die langsamere Peristaltik B—A véllig unterdriickt. Auf gleiche Art la8t sich bekanntlich auch am Herzen der Wirbeltiere kiinstliche Antiperi- staltik hervorrufen ; der Vergleich mit dem Tunicaten-Herzen ergab sich den Autoren unmittelbar (vgl. 14, 8. 79, und 25, S. 15). Ein Beispiel von dem richtungs- und rhythmusbestimmenden Einflu8 des am schnellsten arbeitenden Herzendes sei hier aus den Protokollen mitgeteilt: die Zahl der advisceralen Pulsationen einer Salpa africana-maxima (cat.) unmittelbar vor der Reizung betrug 18, 19, 17, 21, 18 und 19 Schlige. Mit den dazwischen liegen- den abvisceralen Schligen (9, 10, 12,11, 13 und 12) wurden in Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 321 summa 179 Pulsationen in 4 Min. ausgefiihrt. Vom Momente der einseitigen Reizung (des hypobranchialen Herzendes) ab liefen da- gegen in derselben Zeit 389 und zwar ausschlieSlich adviscerale Wellen iiber das Herz). Es laft sich also auch experimentell zeigen, was vorher als Konsequenz aus den Vorversuchen und deren Kombination im Diagramm sich ergeben hatte: dafi immer das am schnellsten schlagende Ende des Salpen-Herzens Richtung und Rhythmus der Pulse alleinherrschend bestimmt. Wir verstehen nun auch den Ausgang des Wettstreits der beiden Herzenden: Sobald der Moment eintritt, daf die von A ausgehenden Pulsationen langsamer werden als die sich immer schneller folgenden Reize oder auch Pulsationsansitze bei B, dann gewinnt nach dem im Vorstehenden begriindeten Prinzip die Peristaltik in der Richtung B—A die Oberhand. Die Umschniirungsversuche hatten erwiesen, daf trotz der jeweilig herrschenden Peristaltik die antiperistaltische Arbeits- fahigkeit des jeweilig arteriellen Herzendes, wenn auch geschwacht, fortbesteht (S. 505). Die vorher gewiirdigte Grundlage einer ko- ordinierten Bewegung der einzelnen Herzabschnitte garantiert, da vom ermatteten arteriellen Herzende keine Stérung der herrschenden Peristaltik ausgeht. Bedingung ist freilich, dafi diese Peristaltik die nétige Frequenz besitzt. Denn die Beob- achtung lehrt, was ebenfalls verstandlich ist, da8 bei abnormer Verlangsamung der herrschenden Peristaltik von dem im Stadium der gesunkenen Energie befindlichen arteriellen Herzende her ver- einzelte antiperistaltische Wellen durchdringen, was bei schnellerer Pulsfolge niemals der Fall ist. 1) Bei einer einmaligen Beobachtung eines mit Wechselstrémen gereizten Herzens von Salpa (spec.?) haben auch Foster und Drw- SmirxH (13, S. 336) eine Verlangerung der einen (welcher?) Pulsa- tionsreihe gesehen. Doch sind ihre Angaben (besonders was die Stellung der Elektroden betrifft) zu unbestimmt, als daf ich be- rechtigt ware, diese eingestreute Notiz als Stiitze meiner Versuchs- resultate anzufiihren. Wie die kiinstliche Beschleunigung der einen Reizquelle bei elektrischer Reizung, so liefert auch eine Reihe von Beobachtungen am unberiihrten Tier unzweideutige Beweise dafiir, daf immer der am schnellsten schlagende Herzabschnitt Rhythmus und Richtung der Pulse bestimmt. Bd, XXXV, N. F. XXVIII. 21 322 L. 8S. Schultze, Nach einiger Zeit spielen sich nun am Herzende B dieselben Veriinderungen mit demselben Effekt ab, die vorher am Ende A zur Unterdriickung der Kontraktionen gefiihrt hatten. 3) Die Wechselpause. Man sollte erwarten, da8B nach dem Sistieren der Peristaltik bei A (dieser Moment aft sich bei Beobachtung lebenskraftiger Tiere meist scharf bestimmen) ohne weiteres die bei B schon bereit gehaltenen Reize wirksam werden. Die nachste der hier eventuell beobachteten antiperistaltischen Zuckungen koénnte sich sofort als antiperistaltische Welle tiber das Herz fortpflanzen. Statt dessen tritt die Wechselpause ein. Um sie zu verstehen, muf man sich der Vorginge erinnern, die am bisher arteriellen Herzende zur Zeit der Wechselpause sich abspielen (s. Taf. X, Fig. 1 und 3). Bemerkenswert ist da vor allem, da’ immer die letzte Welle der Pulsationsreihen in der Gegend des _ bisher arteriellen Herzendes stecken bleibt. Ob das nur der extreme Ausdruck jener Herabsetzung des Leitungsvermégens ist, die am Ende jeder Pulsationsreihe zu beobachten war, oder ob die ihrer Natur nach ganz unbekannten Prozesse der Reizerzeugung am jetzt aktiv werdenden Herzende hier eine entscheidende Rolle spielen, ist dunkel. Die Thatsache jedenfalls, daf der Kontraktions- reiz der letzten Pulsation sich nicht wie der der vorhergehenden Pulse bis zum Herzende fortpflanzt, daf die Welle vielmehr stehen bleibt, ist fiir das Zustandekommen der Wechselpause von Be- deutung. Da, wie wir sahen, zur Zeit der Kontraktion das Leitungs- vermégen der Muskulatur herabgesetzt oder aufgehoben ist, so bedeutet die Dauerkontraktion der letzten peristaltischen Welle ein Hindernis fiir die Fortpflanzung des ersten wirksamen antiperistal- tischen Reizes. Infolgedessen tritt zwischen beiden entgegengerich- teten Pulsationsreihen eine kurze Pause, die Wechselpause, ein. Schaltet man die Peristaltik aus, wie es in den Umschniirungs- versuchen geschehen ist, so fallt jede Verzégerung im Ablauf der ersten Welle, die das aktiv werdende Herzende entsendet, weg (s. S. 308 unten). Diese Thatsache spricht dafiir, da’ in der That die Dauerkontraktion der ersten Welle einer Reihe auf die Wirkung der letzten ablaufenden Welle der vorhergehenden, ent- gegengerichteten Reihe zuriickzufiihren ist. In den die Mehrzahl bildenden Fallen, in denen die Dauer der Wechselpause haarscharf mit den beschriebenen Kontraktions- erscheinungen zusammenfallt, ist unsere Auffassung vom Zustande- Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 323 kommen der Wechselpause ausreichend begriindet. Es darf aber nicht vergessen werden, da auch unabhangig von refraktiren Folgen der letzten peristaltischen Welle, besonders bei ermatteten Herzen, nach Ablauf einer Pulsationsreihe eine allgemeine Ab- nahme der Leistungsfahigkeit die Dauer der Wechselpause beein- flussen kann: die Wechselpause wird dadurch stark in die Lange gezogen, daf das eine Herzende schon erlahmt ist, noch ehe das entgegengesetzte Ende sich erholt hat. Fassen wir kurz die Daten zusammen, die im letzten Abschnitt iiber das Zustandekommen des periodischen Richtungswechsels der Herzkontraktionen ermittelt wurden: 1. Die unmittelbar wahrnehmbare allgemeine Fahigkeit des Herzens, den Kontraktionsreiz von Faser zu Faser wirksam fort- zupflanzen, die speciellen Einschrinkungen dieser Fahigkeit, die in den refraktaren Eigenschaften der Muskelfasern be- eriindet sind, bestimmte und verschieden lokalisierte Unter- schiedeinder Rhythmicitat der Reizquellen, diese drei Fak- toren bedingen, daf trotz der friiher nachgewiesenen Autonomie aller einzelnen Herzbezirke, statt eines riumlich und zeitlich ungeord- neten Zuckens ein koordiniertes Zusammenwirken aller Herzbezirke zustande kommt in Gestalt regelmabig sich folgender, stets von den Herzenden ausgehender Kontraktionswellen. 2. a) Die beiden ausschlaggebenden Reizquellen an den Herz- enden verhalten sich physiologisch gleichartig. In beiden tritt nach einer gewissen Zeit der Arbeit Herabsetzung der Erreg- barkeit und des Leitungsvermégens ein: das hat an dem betreffenden Herzende zur Folge ein Sinken der Fre- quenz in der Erzeugung an sich wirksamer Reize. b) Die refraktaéren Eigenschaften der Herzmuskelfasern bedingen es nun, daf immer dasjenige Herzende Rhythmus und Richtung der Pulse alleinherrschend bestimmt, dessen Reizfrequenz jeweilig am wenigsten gesunken ist, dieses Herzende ,verurteilt also das entgegengesetzte langsamere Herzende zur Unthatigkeit. In dieser Zeit der Unthitigkeit regeneriert sich aber Erregbarkeit und Leitungsvermégen, wiahrend beides im thatigen Herzende gleichzeitig abnimmt. So tritt allmahlich der Moment ein, wo die wirksamen Reize in dem bisher thatigen venédsen Herz- ende sich langsamer folgen als die im Arterienende des Herzens: dann verhelfen wieder die refraktiiren EKigenschaften der Muskel- 21* 324 L. 8. Schultze, fasern diesem letzteren Herzende zur Alleinherrschaft, und unter seiner Fiihrung wendet sich der Blutstrom. c) Die genannten physiologischen Eigenschaften des Herzens bieten die Garantie, da selbst bei véllig regelloser Herzthatigkeit — wie sie abnormerweise, an geschadigten Tieren, gelegentlich auftritt, und wie sie phylogenetisch wohl als indifferenter Aus- gangspunkt des charakteristischen Blutkreislaufes der Tunicaten anzusehen ist — die Alternation der beiden wirksamen Reizquellen sich immer von selbst wieder einstellt. Das Salpen-Herz ist in dieser Beziehung, bei dem friiher nach- gewiesehen Mangel extra- und intracardialer Nervenelemente, ein schénes Beispiel rein. myogener Selbststeuerung eines streng koordinierten Bewegungsmechanismus. — Ist mit den hier abschliefenden Untersuchungen die charak- teristische Herzthatigkeit der Salpen oder allgemein die periodische Umkehr des Blutstroms im K6érper der Tunicaten erklart? Wenn man unter erklaren versteht: eine bisher unerkannte, zu- sammengesetzte Erscheinung in einfache, bekannte Komponenten auflésen, und aus dem Zusammenwirken der Komponenten das Ganze wieder ableiten, so glaube ich, in den Hauptpunkten we- nigstens am Ziele zu sein. Es ist selbstverstandlich, daf jene ,bekannten Komponenten“, die myogene Erzeugung spontaner rhythmischer Kontraktionsreize, das physiologische Leitungs- Vermégen, die refraktiren Erscheinungen der Muskelfasern und andere Faktoren, die wir am Salpen-Herzen ermittelt und zu wiirdigen hatten, selbst wieder der Erklarung bediirftig sind. Aber diese Probleme ragen iiber den Rahmen unserer speciellen Aufgabe hinaus, sie liegen auf dem Gebiete der allgemeinen Muskelphysiologie. Von dort her ist wohl der nichste Vorstof zur tieferen Erkenntnis auch der Erscheinung auszufiihren, die uns hier beschaftigt hat. Die Untersuchungen zu vorstehender Arbeit wurden zum groéiten Teil im zoologischen Laboratorium der Universitat in Messina ausgefiihrt. Dem damaligen Direktor, Euc. Ficarsr, und meinem Freunde K. KwretTntewskI danke ich von Herzen fiir die freundschaftliche Aufnahme, die ich bei ihnen fand! Wo mein Instrumentarium nicht ausreichte, hat mir der Professor fir pharmakologische Physiologie, GaGuro, in liebenswiirdigster Weise die Mittel seines Instituts zur Verfiigung gestellt ; auch ihm meinen aufrichtigen Dank! 1) 2 —— 12) 13) 14) 15) 16) 17) Untersuchungen iiber den Herzschlag der Salpen. 325 Litteratur. Van Benepen, E., et Junin, Cu., Recherches sur la morphologie des Tuniciers, Gand 1886. BrepErMANN, W., Beitrage zur allgemeinen Nerven- und Muskel- physiologie. 6. Mitteilung: Ueber rhythmische, durch chemische Reizung bedingte Kontraktionen quergestreifter Muskeln. Sitz.- Ber. d. math.-naturw. Klasse d. K. Akademie der Wissensch., Bd. LXXXII, Abt. 3, 1880. ) — Beitrage zur allgemeinen Nerven- und Muskelphysiologie. 14. Mitteilung: Ueber das Herz von Helix pomatia. Sitz.-Ber. d. K. Akad. d. Wissenscbh., Bd. LXXXIX, Abt. 3, 1884. — Hlektrophysiologie, Jena 1895. Carus, J. V., Icones zootomicae, 1. Halfte, Leipzig 1857. Devace, Y., et Hirovuarp, E., Traité de zoologie concréte. T. VIII, Les procordés, Paris 1898. ) Enceimann, Tu., W., Beobachtungen und Versuche an suspen- dierten Herzen. 3. Abhandl.: Refraktiire Phase und kompen- satorische Ruhe in ihrer Bedeutung fiir den Herzrhythmus. Arch. f. d. ges. Physiologie, Bd. LIX, 8. 309 ff, 1894. — Ueber den Einflu8 der Systole auf die motorische Leitung in der Herzkammer etc. Arch. f. d. ges. Physiologie, Bd. LXII, 1896. ) — Ueber den Ursprung der Herzbewegungen und die physio- logischen Eigenschaften der grofen Herzvenen des Frosches. Arch. f. d. ges. Physiologie, Bd. 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Hancock, A., On the anatomy and physiology of the Tunicata, read june 1867. Journ. of the Linnean Society London, Zoology, Vol. IX, 1868. van Hassett, Extrait d’une lettre de van Hassnxr, datée de Buitenzorg (ile de Java), le 12 aotit 1821, sur les Biphores. Ann. de Sciences naturelles. T. III, 1824. 326 | L. §. Schultze, 18) Huxuey, Tu. H., Observations upon the anatomy and physiology of Salpa and Pyrosoma. Philosophical Transactions of the Royal Society of London 1851, part. II. 19) Knoxu, Pu., Ueber protoplasmaarme und protoplasmareiche Mus- kulatur. Denkschr. d. K. Akad. d. Wissensch. Wien, math.- naturw.-Klasse, Bd. LVIII, 1891. 20) — Uber die Herzthitigkeit bei einigen Evertebraten und deren Beeinflussung durch die Temperatur. Sitz.-Ber. d. K. Akad. d. Wissensch. Wien, math.-naturw.-Klasse, Bd. CII, 1893. 21) Kruxenperc, C. Fr. W., Vergleichend-physiologische Studien zu -unis, Mentone und Palermo, 3. Abteil., Heidelberg 1880. 22) pe Lacaze-Duruiers, H., Les Ascidies simples des cétes de France. Archives de Zoologie expérimentale et générale, T. ITI, 1874. 23) Lannie, F., Contributions a étude anatomique et taxonomique des Tuniciers. Theses prés. 4 la Fac. d. Sciences de Paris, Toulouse 1890. 24) Luuckart, R., Zoologische Untersuchungen. 2. Heft. Zur Ana- tomie und Entwickelungsgeschichte der Tunicaten, Giefen 1854. 25) Los, J., Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie mit besonderer Beriicksichtigung der wirbellosen Tiere, Leipzig 1899. 26) Marry, Des mouvements que produit le coeur lorsqui’l est soumis 4 des excitations artificielles. Comptes rendus d. s. de Académie des Sciences, T. LX XXII, Paris 1876. (Die Arbeit in den Travaux du laboratoire de M. Marny, Il, 1875, war mir unzuganeglich. ) 27) Mitne-Epwarps, H., Observations sur les Ascidies composées des cétes de la manche, Paris 1841. 28) — Beitrag in: G. Cuvier, Le régne animal, édition ete. par une réunion de disciples de Cuvinr, Paris. Les Mollusques, Pl. 122. 29) — Lecons sur la physiologie et ’anatomie comparée de homme et des animaux, T. ITI, Paris 1858. 30) Quoy et Garmarp, Voyage de découvertes de l’Astrolabe ete. Isis von Oxen, 1836, p. 95 ff, 31) Ransom, W. B., On the cardiac rhythm of invertebrata. Journ. of Physiology, Vol. V, No. 4, 1884. 32) Roun, L., Recherches sur les Ascidies simples des cétes de Provence. Annales du Musée d’Histoire naturelle de Marseille, Zoologie, T. II, 1884. 33) — Recherches sur les Ascidies simples des cétes de Provence. Annales des Sciences naturelles, Zoologie, Sér. 6, T. XX, 1885. 34) Sars, M., Fauna littoralis Norvegiae etc., Lief. 1, Christiania 1846. 35) Toparo, Fr., Sopra lo sviluppo e Vanatomia delle Salpe. Atti della Reale Accademia dei Lincei, Sér. 2, T. II, 1875. 36) — Studi ulteriori sullo sviluppo delle Salpe. Reale Accademia dei Lincei Anno CCLXXXII, Roma 1886. 37) Voet, C., Recherches sur les animaux inférieurs de la Médi- terranée. Second mémoire: Sur les Tuniciers nageants de la mer de Nice. Mémoires de l'Institut national Genevois, T. II, 1854. Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen. 327 38) Voaer, C., und Yune, E., Lehrbuch der praktischen vergleichenden Anatomie, Bd. II, Braunschweig 1889—1894. 39) Wagner, Nic., Recherches sur la circulation du sang chez les Tunicaires. Mélanges biologiques tirés du Bulletin de l’Académie Impériale des Sciences de St. Pétersbourg, T. VI, p. 10 ff, 1866. 40) Mc Wiuuiam, J. A., On the structure and rhythm of the heart in fishes, with especial reference to the heart of the eel. Journ. of Physiology, Vol. VI, 1885. 41) Zireter, H. E., Die beiden Formen des Durchstrémungs-Com- pressoriums. Zeitschr. fiir wissenschaftl. Mikroskopie und fiir mikroskop. Technik, 1897, Bd. XIV, p. 145ff. Figurenerklirung. Tafel IX. Die aus dem vorderen (hypobranchialen) Herzende kommenden Kanile sind rot, die aus dem hinteren (visceralen) Ende ent- springenden Kanale sind blau gezeichnet. Die ersteren funktionieren bei abvisceralen Pulsationen als Arterien, die letzteren als Venen. Bei advisceralen Pulsationen ist das Umgekehrte der Fall. Rove hat in seiner Ciona-Monographie (32, S. 124, Taf. VII) die Farbenbezeichnung nach der jeweilig arteriellen oder vendsen Beschaffenheit des Blutes gewahlt; mir schien es zweckmiliger, nach der jeweiligen Richtung des Blutstromes zum Herzen hin oder vom Herzen weg Venen und Arterien zu unterscheiden. Die den Kreislauf betreffenden Figg. 1, 2 und 7 sind absichtlich nicht nach mehreren Praparaten kombiniert, sondern nach je einem Priiparat gezeichnet worden. Fragen, wie die, ob langs der Kiemen stets mehrere Hauptstaimme hinziehen (Fig. 1), aber oft nur einer von ihnen bei der Injektion zu Tage tritt (Fig. 2 und 7), oder ob in den verschiedenen Generationen und Arten thatsichlich anatomische Verschiedenheiten in diesem Punkte existieren, solche und ahnliche Fragen wurden als in unserem Zusammenhang nebensichlich nicht weiter verfolgt. Die nihere Vergleichung bezog sich nur auf die im Text erérterten Hauptpunkte. Fig. 1. Herzregion eines Solitirtieres von Salpa africana- maxima, von der Bauchflaiche des Tieres gesehen, ca. 3mal ver- grofert. Hypobranchialrinne weggelassen. Fig. 2. Herzregion eines Kettentieres von Cyclosalpa pinnata. Orientierung wie in Fig. 1, ca. 4mal vergr. Fig. 3. Schema des Blutkreislaufes der Salpen, nach Injektions- praparaten und Beobachtungen am lebenden Tier gezeichnet. Fig. 4. Cyste aus dem Endocard einer Cyclosalpa pinnata (cat.), 500 mal vergr. Fig. 5. Pericard von Salpa africana-maxima, 300 mal vergr. F lachen-Dauerpraparat. 328 L. S. Schultze, Untersuch. iiber den Herzschlag der Salpen- Fig. 6. Endocard von Salpa africana-maxima, 600 mal vergr., von der Flache gesehen, frisches Material. Fig. 7. Herzregion eines jungen Kettentieres von Salpa africana- maxima, 21/, mal vergr. Orientierung wie in Fig. 1. a fedlinke Herzen von Cyclosalpa pinnata (cat.) in den Hauptphasen ihrer Thiatigkeit, nach dem Leben, unter der Lupe gezeichnet, ca. 10 mal vergréfert. Das Hypobranchialende des Herzens ist stets nach oben, das Visceralende nach unten gekehrt. Das Tier ist halb von rechts gesehen, so dafi das Herz gerade zwischen aufsteigendem Darm und der Kienie erscheint. Ein Teil der ,Riicken‘-Flache des Herzens, die Umschlagstelle der Muskulatur in das Pericard ist sichtbar. Fig. 1. Das Herz wahrend der Wechselpause nach einer ad- visceralen Pulsationsreihe. Fig. 2. Fortschreitende abviscerale Welle. Fig. 3. Das Herz waihrend der Wechselpause nach einer ab- visceralen Pulsationsreihe. Fig. 4. Ablaufende ite und fortschreitende 2te (oberhalb) adviscerale Welle. Mattel. Xe s/i8. 306% Abkirzungen. abv.w Ende der letzten abvisceralen Welle. adv.w Ende der letzten advisceralen Welle. ap.d Antiperistaltische Dauerkontraktion. b Bassinartige Erweiterungen der GefaSwurzeln. br Kieme (Branchia). br.c Branchialkanile (Kiemeniste des Truncus branchio-visceralis). ce Herz (Cor). ec Endocardzellen. g Ganglion. gw Gefaiwurzel. hbr.c Hypobranchialkanile. Hbr.E Hypobranchialende des Herzens. i.c Intestinalkanile. ig Ingestionséffnung. int Intestina (Darm und Geschlechtsorgane). K.Z Kontraktionszipfel. n Nucleus. pe Pericard. rf Ruhefalte des Herzens. st Stolo. t Tunica. t.c Haupttunicalkanale. tr.br.-v Truncus branchio-visceralis. v.c Visceralkanale (Eingeweidediste des ‘Truncus branchio- visceralis. V.E Visceralende des Herzens. zw Zwischensubstanz. Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Wiisten. Von G. Linek. (Mitteilung aus dem GrofSherzogl. mineralog. Museum zu Jena.) Auf der Reise, welche ich jiingst nach Kordofan unternahm, ist mir die oxydierende Wirkung der tropischen Atmosphire am ersten Regentage nach langer Trockenzeit in héchstem Mafe auf- gefallen. Alles, was man von Eisen bei sich tragt, Waffen und Messer, Schliissel und Schlosser, alles ist binnen kiirzester Zeit mit einer dicken Rostrinde tiberzogen. Diese Beobachtung legte mir den Gedanken nahe, daf auch die Bildung der gelben, braunen und schwarzen Rinden, welche fast alle Gesteine in der Wiiste bedecken, und welche zu sehen ich in der Gegend von Assuan, wie in der nubischen Wiiste zwischen’ Wadi Halfa und Abu Hamed Gelegenheit hatte, wesent- lich der oxydierenden Wirkung der Atmosphire ihre Entstehung verdanke. Ueber die thatsichlichen Verhialtnisse betreffend das Vor- kommen der dunkelen Rinden geben das bereits erschienene') und das demnachst erscheinende Buch WaAtTHeER’s ausfiihrlichen Be- scheid, und ich kann es darum unterlassen, auf sie hier niher einzugehen. Nur tiber einige besondere Verhialtnisse, welche ich an der Sammlung, die mir Herr Prof. WALTHER in liebens- wiirdigster Weise zur Verfiigung stellte, studieren konnte, seien mir hier einige Worte gestattet. Die Rindenbildung beginnt meist in den Vertiefungen. Dieses sieht man an einem Feuersteine, wo die Schwarzung in den feinen 1) J. Watruer, Die Denudation in der Wiiste und ihre geo- logische Bedeutung. Abh. d. mathem.-phys. Kl. d. kgl. sachs. Akad. d. Wissensch., Bd. XIV, 1891, S. 453—461. 330 Gehinick, Narben des splitterigen Bruches beginnt und sich von da aus iiber den ganzen Stein verbreitet. Deutlich ist dieses Vorgehen von den Vertiefungen aus an einem Granit von Sierra de los Dolores oder an einem quarzitischen Ger6éll aus nubischem Sand- stein, wo nur die Zwischenmittel zwischen den Quarzkérnern dunkel gefarbt sind, oder auch an grofen Geschieben von Fettquarz vom Wadi Gharandel, welche ebenfalls nur an allen feinen Spriingen und Vertiefungen dunkel gefarbt sind. Dann tberzieht das far- bende Material allmahlich das ganze Gestein, aber vielfach, ja man kann sagen meist, ist eine schmale, bis zu mehreren Milli- metern breite Impragnationszone von gelber, brauner oder braun- roter Farbung vorhanden, und nicht selten sieht man die Rinden- bestandteile auf feinen Kliiftchen in das Innere des Gesteines einige Millimeter weit vordringen. Bei einem Sandstein von van Horn in den Eagle Mts. ist die Rinde schwarzer Glaskopf, der auch eine einige Millimeter breite Kluft in dem Gestein ausfiillt. Schmale, tiefere Kliifte der Gesteine sind nicht selten mit einem pulverfoérmigen Ueberzug von Brauneisenerz oder mit einem schwarzen, manganhaltigen Staube bedeckt. Die bisherige Ansicht tiber die Entstehung dieser Rinden will ich nur mit wenigen Worten rekapitulieren. RusseGGer*) halt sie fiir Glasmassen. O. Fraas?) macht auf die im Innern weichen, aber mit einer harten Rinde versehenen Kalksteine Aegyptens aufmerksam und betrachtet als Ursache Verwitterung von innen nach aufen unter dem Einflu& der seltenen Regengiisse, des beharrlichen Sonnen- brandes und des alle Gesteine durchdringenden und die Luft er- fiillenden Chlornatriums. v. ZirteL *) beschreibt die Impragnation der Sandsteine der libyschen Wiiste, erwihnt deren bis zu 20—25 Proz. steigenden Gehalt an Eisenoxyd und Braunstein und zeigt, da es in diesen Sandsteinen zur Bildung vollstandiger Psilomelanknollen kommt, denen die Rinden der Sandsteine in ihrer Zusammensetzung Ahn- lich sind. Er spricht weiterhin die Rinden auf den Kalk- und Sandsteinen der Wiiste als eine Verwitterungserscheinung an, welche hervorgebracht wurde durch die Oxydationen des vor- 1) Russeecer, Jahrbuch f. Min. Geol. etc., 1838, S. 630. 2) Fraas, O., Aus dem Orient. Stuttgart 1867, 8. 199 ff 3) v. Zrrrer, Beitrige zur Geologie und Palaontologie der libyschen Wiiste. Palaeontographica, Bd. XXX, 8. 58—59. Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Wiisten. 331 handenen Eisen- und Mangangehaltes unter Mitwirkung der De- flation und ihrer abtragenden und polierenden Eigenschaften. J. WaurTHer'), welcher die eingehendste Schilderung der einschligigen Verhiltnisse giebt, nennt die Rinden wegen des Schutzes, den sie den Gesteinen gegen die Wirkung der Wind- erosion gewahren, Schutzrinden. Er macht auf die weite Ver- breitung dieser Gebilde aufmerksam und zeigt, da8 sie sich iiberall in der Wiiste bilden und gebildet haben an Orten, welche von flieSendem Wasser nie bespiilt worden sind, sogar auf Flichen, welche noch die Spuren altéigyptischer Meiselhiebe tragen. Er ist der Ansicht, daf’ eine Mitwirkung von Wasser ausgeschlossen sei und macht darauf aufmerksam, daf nicht in allen Fallen eine Beziehung zwischen Eigenfarbe des Gesteins und zwischen Farbe der Rinde vorhanden ist. Fernerhin scheint es ihm wahr- scheinlich, da8 die Intensitat der Farbung in irgend einer Be- ziehung zum Kieselsiuregehalt des Gesteins steht und dab wiederum nur bestimmte Modifikationen der Kieselsiure der Far- bung besonders giinstig seien, weil namlich die weifen Ver- witterungsrinden der Feuersteine nicht gefarbt sind. So spricht denn WALTHER die Ansicht aus, da’ die Entstehung der Schutz- rinde zuriickzufiihren bezw. abhangig sei einerseits von der Be- sonnung und andererseits von einem gewissen Kieselséuregehalt des Gesteins. Der Mangan- und Eisengehalt stamme aber nur zum Teil aus dem Gestein selbst, zum anderen Teile aus dem Wiistenstaube, und das Wasser als Trager der Verinderungen werde ersetzt durch die intensive Hitze der Wiistenluft. GOLDSCHMIDT”) sieht die Rindenbildung in der Entstehung eines Kisen- und Mangansilikates oder eines solchen, mit Oxyd gemischt, begriindet. OpruTscHew *) beschreibt Rinden aus den Wiisten Central- asiens und zeigt, daf sie nur bei harteren Gesteinen, nicht aber bei weichen Thonen und thonigen Sandsteinen vorkommen. Auch er macht darauf aufmerksam, daf hartere Gesteinsteile dunkler ge- farbt sind als weichere, oder dal die letzteren tiberhaupt nicht mit 1) Waururr, |. c. 2) Goupscumipt, Ueber Wiistensteine und Meteoriten. Min. u. petrogr. Mitteil., 1895, Bd. XIV, S. 181—141. 3) W. OsrurscHew, Ueber die Prozesse der Verwitterung und Deflation in Centralasien. Verh. russ. min. Ges. St. Petersburg (2) Bd. XXXIII, 1895, S. 229. Vgl. des Referat im N. J. f. Min. Geol. etc., 1897, Bd. II, S. 469. 332 Gadi mols, einer Rinde iiberzogen sind. Er glaubt, da sich die ,,Rinden auf Kosten des in den Gesteinen enthaltenen Eisens und der Kieselsiure bilden, welche mit noch nicht genauer erforschten Mitteln und Wegen auf die Oberflache hinausgezogen werden“. Aebnlich spricht sich R. Sacusse!) gelegentlich der Unter- suchung eines Dolomites vom Toten Meere aus, indem er erklart, daf die Karbonatlésungen unter dem Einflusse der Insolation und Verdunstung an die Oberflache gezogen wiirden und dort unter Freiwerden von Kohlensdure Eisen- und Manganoxydverbindungen absetzten. Diesen beiden letzteren Erklarungen miéchte ich entgegen- halten, daf einerseits nach WALTHER der Eisen- und Mangan- gehalt keineswegs immer aus dem Gestein selbst stammt und daf andererseits in den bis zu grofer Tiefe so tiberaus trockenen Ge- steinen der Wiiste, welche zudem noch eine haufig sehr lockere oder gar sandige Beschaffenheit zeigen, ein Emporsteigen von Lésungen bis zur Oberflache infolge Kapillaritaét kaum denkbar, bei lose und einzeln auf dem Sand oder Gestein liegenden Ge- rollen geradezu unméglich ist. Darin sind aber alle einig und auch ich bin damit ein- verstanden, dali wir es in den Rinden mit einer Neubildung von Mineralstoffen zu thun haben, welche in ihrem chemischen Bestand wesentlich von dem des bedeckten Gesteins abweichen. Auch sind wir alle darin einig, daf die Besonnung bei der Bildung eine Rolle spielt. Den elementaren Bestandteilen nach haben wir es — soweit iiberhaupt chemische Untersuchungen méglich sind und vorliegen?) — mit Bildungen zu thun, welche wesentlich aus wechselnden Mengen von Mangansuperoxyd und Eisenhydroxyd bestehen und daneben noch einen schwankenden Gehalt an Kieselséure, Thon- erde, Phosphorsaure etc. besitzen. Die Rinden kénnen nun nur entstehen, wenn eine Umsetzung der vorhandenen Stoffe vor sich geht. Zum Zustandekommen einer solchen Umsetzung oder Reaktion ist es natiirlich ndtig, daB die betreffenden Stoffe entweder in gasformigem oder in fliissigem Zustande vorhanden sind. Da aber die geringe Hohe der Temperatur in den Tropen — ich selbst habe in Kordofan 1) R. Sacussz, Beitrage zur chemischen Kenntniss der Mine- ralien, Gesteine und Gewachse Palistinas. Ztschr. d. d. Palastina- Vereins, Bd. XX, 1897, S. 6. 2) s. WALTHER, l. c. Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Wiisten. 333 bei direkter Bestrahlung des Thermometers zwischen 60 und 70° C gemessen — den gasformigen Zustand der Kérper ebenso ausschlieft, wie deren Schmelzung, so ist natiirlich nur an das Wasser als lésendes Agens zu denken. Auch mein Herr Kollege WALTHER glaubt neuerdings, wie er mir mitzuteilen die Giite hatte, an die Mitwirkung von Wasser. Es ist nur die Frage, wie man sich die Herkunft dieses Wassers denkt. Aber nach den neueren Mitteilungen der Reisenden giebt es ja keine Gegend auf der Erde, wo nicht von Zeit zu Zeit einmal ein Niederschlag, und sei es auch nur Tau, fallt. Dieser Tau nun scheint mir, auch wenn er nur einmal nach Wochen oder Monaten fallt, die Hauptbedingung fiir die Bildung der Rinde zu sein. Da jedoch der Tau nur ein kurzes Dasein hat, ist es wesentlich, daf er eine stairkere Reaktionsfahigkeit auf die Gesteine besitzt, als es in gemafigten Klimaten der Fall ist, um in dieser kurzen Zeit seiner Existenz eine auflésende oder ausziehende Thatigkeit auf das unterliegende Gestein oder den dasselbe bedeckenden Staub auszuiiben. Diese besondere Fahigkeit scheint mir begriindet in der Anwesenheit der Kohlensiure, welche, wie manche andere der atmospharischen Luft beigemengte Gase oder wie die der Atmosphare mechanisch beigemengten Salze, im Tau in gréferen Mengen vorhanden ist als im Regen 4). Es muf ferner die Méglichkeit einer schnellen Oxydation ge- geben sein; diese aber wird, wie ich durch zahlreiche Versuche habe bestitigen kénnen, durch die Anwesenheit gewisser Elektro- lyte auferordentlich gesteigert. Zu diesen Elektrolyten, welche in der Wiistenluft vorhanden sind, gehért das tiberall in der Atmosphare vorhandene salpetersaure Ammoniak?) und das in der Wiistenluft stets verbreitete Chlornatrium. Auf kohlen- saures Kisenoxydul tiben verdiinnte Lésungen dieser beiden Salze eine geradezu rapide Oxydationswirkung aus. Bei ca. 60—70° C 1) Der Nebel und Rauhreif enthalt nach den Untersuchungen Boussincautt’s das 5—20-fache an Salpetersiure und Ammoniak gegeniiber dem Regen. Siehe van Besser, Hygienische Meteo- rologie, Stuttgart 1895, 8. 43. 2) Vergl. ebenda, sowie Minrz und Marcano, Comptes rendus, T. CVIII, 8. 1062. Auch Ozon und Wasserstoffsuperoxyd kénnen hier eine Rolle spielen. Von ersterem sind im Mittel 0,019 mg in 1 cbm Luft enthalten (mit einem Maximum im Sommer) und vom Wasserstoffsuperoxyd sind in 1 cbm 0,2 g enthalten (ebenfalls mit einem Maximum im Sommer). Siehe van Besser, S. 47 u. 49. 334 Ga iniek> ist schon nach wenigen Stunden ein grofSer Teil des pulverformigen Eisenspates unter Abscheidung von Eisenhydroxyd zersetzt. Aber auch andere Mineralien, wie Hornblende und Augit werden, nach wiederholtem Eindampfen mit diesen Lésungen bei ca. 60—70° C binnen wenigen Tagen unter Bildung von Eisenoxydhydrat deut- lich angegriffen. Diese Versuche erklairen uns aber auch zugleich die Wirkung der tropischen Sonne. Sie wirkt wesentlich durch die Warme, verstiirkt so die zersetzende Wirkung der Lésungen und _ be- schleunigt die Oxydationsvorginge. Sie verhindert auch die Bil- dung wasserreicherer Zersetzungsprodukte. Ich betrachte somit die Rinde der Wiisten- gesteine als Produkt der chemischen Verwitterung unter den besonderen Verhaltnissen des tropischen Wiistenklimas und zerlege die Vorgainge folgendermafen : 1) Impragnation der Gesteinsoberflache mit Tauwasser ; 2) Auflésung und Zersetzung vorhandener Mineralien unter der erhéhten Wiistentemperatur ; 3) Oxydation der Lésung unter Beihilfe der im Wasser ge- lésten salzigen Bestandteile der Luft; 4) Austrocknung und Krystallisation der neugebildeten Ver- bindungen durch die Sonne. Da8 dabei auBer Eisen und Mangan eine ganze Reibe von anderen Bestandteilen mit in die Rinde aufgenommen werden, ist bei der Art ihrer Entstehung vollig natiirlich, und der Umstand, daS an der Unterseite, d. h. der der Sonnenwiarme nicht aus- gesetzten Seite keine Rinde sich bildet, findet seine Erklarung darin, daf sich dort wegen der viel geringeren Temperaturunter- schiede bei Tag und bei Nacht kein Tau absetzt und auch im Falle vorhandener Bergfeuchtigkeit die stark erhitzende Wirkung direkter Sonnenbestrahlung fehlt. Ich habe jetzt nur noch auf einige besondere Verhaltnisse und Fragen einzugeben, welche mit dem Vorkommen der Rinden in Zusammenhang stehen. Eine dieser Fragen lautet: Warum trifit man diese Rinde nur in den tropischen Wiisten und nicht in den Tropen iiberhaupt? Ich habe in den Savannen und Savannenwaldern Kordofans keine Spur davon gefunden, auch nicht an jenen Stellen, die so salzreich sind, daf die Eingeborenen dort nach Beendigung der Regenzeit ihr Kochsalz gewinnen. Die Ursache des Fehlens der Rinde ist in der Hautigkeit der Regengiisse zu suchen, indem die Produkte der chemischen Ueber die dunkelen Rinden der Gesteine der Wiisten. 339 Verwitterung entweder oberflaichlich weggefiihrt werden oder mit dem Wasser in die Tiefe dringen. Sollte sich aber in der trockenen Jahreszeit ein dtinner Ueberzug auf dem Gestein bilden, so wiirde er der zerstérenden Wirkung der tropischen Regen schnell wieder zum Opfer fallen. Aber die Bildung solcher Rinden dauert meist lange, sehr lange, hat doch WALTHER gezeigt, daf zwar die Kalksteine mit altagyptischen Meiselhieben eine leichte Braéiunung zeigen, aber an den Graniten der Pyramiden ist keine Spur von Rinde. Weiter kénnte man nun sagen: Mit der Haufig- keit des Taues muf die Dicke der Rinden zunehmen. Das wird im Anfangsstadium wirklich der Fall sein; jedoch nach einer ge- wissen Zeit, wenn namlich die schiitzende Rinde eine gewisse Dicke erreicht hat, wird sie gar nicht mehr oder nicht mehr wesentlich wachsen, und nach Verlauf von langen Zeitriumen werden alle Rinden ecinander sehr ahniich geworden sein. Ein besonderes Interesse verdienen auch die Nummuliten- kalke Aegyptens und Arabiens. Die Nummuliten allein sind dunkel, nahezu schwarz gefarbt, nicht blof{ oben, sondern rund herum, wo sie nicht an dem Gestein haften. Ihre Umgebung ist durch die Winderosionen derart abgetragen, dal sie oft nur noch auf kleinen Stielen dem Gestein aufsitzen. WatrHer hat in der schwarzen Farbung der Nummuliten, in der Rindenbildung, die Ursache fiir den Widerstand gegen die Winderosionen zu sehen geglaubt. Ich bin entgegengesetzter Meinung. Wie bei uns die Versteinerungen aus den Kalksteinen herauswittern, also widerstandsfahiger sind als ihre Umgebung, so werden auch die hiarteren Nummuliten durch den erodierenden Sand aus dem Kalkstein sozusagen herauspri- pariert und somit sind sie den rindenbildenden Verhaltnissen viel, viel langer ausgesetzt, als der leicht abzuschleifende Kalkstein, bei dem es gerade infolge der rasch fortschreitenden Sanderosion gar nicht zur Rindenbildung kommen kann. Was ich eben gesagt habe mit Bezug auf die Nummuliten und die sie beherbergenden Kalke, gilt nun auch mutatis mutandis fiir die verkieselten Kalke und die Kalke mit Einschliissen von harteren Geréllen. Die verkieselten Stellen des Kalkes oder die harteren Gerdlle setzen der Winderosion einen viel gréBeren Widerstand entgegen als ihre Umgebung. Darum kommt es bei ihnen zur Rindenbildung und bei ihrer Umgebung nicht. Auch die Bildung einer harten, kaum gefarbten Rinde an den Kalksteinen, wie sie von Fraas (I. c.) erwahnt wird, kann auf Grund des oben Erérterten ihre Erklairung finden. Der Kalk wird 336 G. Linck, Rinden der Gesteine der Wiisten. an der Oberflaiche von dem kohlensaurehaltigen Tau gelést. Die Lésungen durchtranken die obersten Schichten des Gesteins und verdunsten dann unter dem Einflu8 der Sonnenbestrahlung, und damit fiillen sich die Poren mit neu krystallisiertem, kohlensauerem Kalk, die Oberfliche verhartet. Nachdem ich so glauben kann gezeigt zu haben, daf in der That die dunkle Rinde der Gesteine in der Wiiste weiter nichts als ein Produkt der chemischen Verwitterung unter den besonderen klimatischen Verhaltnissen der Wiiste ist, bleibt mir nur noch mitzuteilen, daf man diese Rinde auch kiinstlich nachahmen kann, indem man Gesteine mit einer Lésung von Eisenchlorid, Mangan- chlorid und etwas Kochsalz befeuchtet und dann wiederholt mabig etwas iiber die Siedetemperatur des Wassers erwirmt. Noch voll- kommener gelingt die Oxydation nach Zusatz von wenig salpeter- saurem Ammoniak. So habe ich Rinden auf Feuerstein, auf Quarz, auf Gneis, auf Sandstein hergestellt, welche von den natiir- lichen nicht zu unterscheiden sind. Ich bin mir dabei. natiirlich wohl bewubt, daf meine Versuchsanordnung nicht vollstandig mit den natiirlichen Verhaltnissen iibereinstimmt, aber sie unter- scheidet sich davon wesentlich nur in quantitativer, nicht aber in qualitativer Hinsicht. Ich habe ja auch in Stunden und Minuten erreichen wollen, was die Natur in Tausenden von Jahren schafft. Der Siisswasserkalk im Pennickenthal bei Jena. Von Erich Meyer, stud. geol. Mit 3 Figuren im Text. Das Pennickenthal bei Jena durchstrémt der ,,Fiirstenborn“ in einer Linge von ca. 3 km, um sich beim Dorfe Wé6llnitz, 350’ unter dem Niveau der Quelle, in die Saale zu ergiefen. Diese kleine, in trockener Zeit ginzlich versiegende Wasser- ader, die auch nach starken Regenperioden heutigentags kaum 0,5 qm im Querschnitt erreichen mag, hat im Laufe der Jahre einen stellenweise 50—70 m breiten und tiber 10 m Machtigkeit erreichenden Absatz von Siif{wasserkalk gebildet, der etwa 100 m unterhalb der Quelle beginnt und fast bis zum Dorfe hinab durch 8 Steinbriiche und viele kleinere Gruben aufgeschlossen ist. Da das Studium dieser Ablagerung auf recht anregende Fragen fihrt, so ist es vielleicht von allgemeinem Interesse, hier den Aufbau, das Alter und die fragliche Entstehung dieser Sinter- bildungen eingehender zu betrachten ‘). Aufbau und Alter. Wie die meisten Seitenthalchen der Saale bei Jena, ist auch das Pennickenthal an seiner Miindung bis tief in den R6th des um- 1) An dieser Stelle méchte ich Herrn Prof. J. Watrser in Jena meinen warmsten Dank aussprechen, der mir die Anregung zu der vorliegenden Arbeit gab, und bei meiner Unerfahrenheit in derartigen Untersuchungen mich in der wirksamsten und freund- lichsten Weise durch Rat und That unterstiitzte. Bd, XXXV. N. F. XXVIII 29 J 338 Erich Meyer, saute gebenden ‘Trias- YI v. Weg «1. Bach plateaus _ einge- schnitten, reicht aber an der Quelle des Fiir- stenborns bis in den unteren Wel- lenkalk hinauf. Seine Mittel- linie zu _ beiden Seiten des Baches erfiillt, wie ge- sagt, die Kalk- ablagerung, um- siumt von einem Streifen ,,Gerdlle- lehm und L6f“ (s. Geol. Karte: Sektion Jena, aut- genommen von E. E. ScHMIptT), der seine Her- kunft von den umgebenden stei- len Hohen durch die in ihm enthal- tenen Muschel- kalkfragmente deutlich genug verrat. Er bildet (mindestens stel- lenweise) das Lie- S gende des Siib- VD wasserkalkes, scheint ihn aber aa auch seitlich, wie das Strombett einen Fluf, ein- zudimmen, in- dem noch wah- rend der Kalk- bildung neues ce 00s | | | Oreo HP rege VUMa cop Going pforlebivey COCK ") Bago "Oost we ES Ee "IR mGromy WW wovou ver Ww 4a) vb smuGoy Wy 22170G29 i} ° . | \ \ | S \ \ zs) g | 4 ‘Os | apriaryrigo : "YIOOC . 6 bu ‘weray < iypocok ‘ 199 | 49 Q 2 a Qo ‘ Q ucts deo (o} a | | | | FY awe oy > chuacaterrbosiw. ell "OS Oh cole Der SiiRwasserkalk im Pennickenthal bei Jena. 339 Material von den Bergen herabgespiilt wurde, das sich seitlich anlagerte. Mit Sicherheit wiirden dieses Verhaltnis erst Bohrungen erweisen. Jedenfalls berechtigt ein nur lokal nachgewiesenes Auf- lagern des Kalkes auf dem L6f uns noch nicht zu der Annahme, daB die ganze Kalkablagerung jiinger sei als der LOB. Das Lingsprofil bestimmte ich durch ein rohes Nivellement. Es zeigt eine ausgesprochene Terrassenstruktur, doch so, da8 auch noch das Planum jeder Stufe eine mehr oder minder grofe Neigung aufweist. Der Oberflichenform entspricht der Schichten- bau, nur ist hier die Neigung meist geringer, die Stufenform also noch ausgesprochener (Fig. 1). Die Steinbriiche vom Dorfe bis zur Quelle habe ich mit den Buchstaben A bis H, die kleineren Gruben mit den Zahlen 7 bis 9 bezeichnet. Die Schichtenfolge springt besonders in den Mannewitz gehérigen Briichen 6, C, D und dem cafion-aihnlichen Graben, der C mit D verbindet, sehr klar in die Augen!) und Jaft sich in annahernd gleicher Ausbildung dann cFig. Pe mehr oder minder leicht in den tibrigen Langosorofil Succh Sie St6z. O3- O, Steinbriichen —_ wie- AE dererkennen. Hauptsichlich lassen sich folgende Schichten trennen (Fig. 2): a) Gelber, ge- schichteter Kalk mit zahllosen Blattabdriicken; ca. 5 m machtig. Nur in ,,G“ ist seine Sohle und noch 50 cm des ihn unterteufenden, ungeschichteten, knolligen Kalkes erschlossen. Von Schnecken fand ich hier an seiner Sohle: Gulnaria ovata Dre. und Succinea oblonga Drp. ”). In diesem geschichteten Kalke finden sich diinne, humosere Banke. Unter ihnen fallt in Steinbruch G eine 2—3 dm miachtige, 1) Einen Lageplan sowie die Profile der Steinbriiche und Gruben habe ich nebst einigen erginzenden Bemerkungen und den gesammelten Fossilien in der geologischen Sammlung zu Jena deponiert. 2) Herr Dr. A. Werss, Hildburghausen, hatte die Giite, mir diese, sowie die weiterhin aufgefiihrten Schnecken zu bestimmen. 22% 340 Erich Meyer, weiche ,,kohlefiihrende Schicht“ (Fig. 1, Signatur [ ) auf, der Holzkohlestiickchen bis zu Nufgréfe beigemischt sind, so daf sie stellenweise fast schwarz erscheint. Diese Kohle macht die Anwesenheit des Menschen im Pennicken- thal zu jener Zeit vielleicht wahrscheinlich. Scherben und andere Artefakte, wie sie in der gleich zu besprechenden ,,Kulturschicht“ C vorkommen, konnte ich freilich trotz mehrstiindigen Suchens in der ,,kohlefiihrenden Schicht nicht entdecken. Von Schnecken fanden sich daselbst: Helix cf. hortensis, incarnata (cf. Ehlota) sp., Vitrea crystallina, Polita cellaria, radiatula, Vallonia costata, pulchella ‘). Diese Funde sind tbrigens das Ergebnis einer nur fliichtigen, sehr unvollstandigen Lese, nach Herrn Dr. A. Weiss ,,sind die- selben den recenten Conchylien der Gegend von Jena — soweit sie eine genaue Bestimmung zulassen — ahnlich; ausgestorbene oder ausgewanderte Arten sind bei den wenigen (gesammelten) Arten nicht vorhanden“. b) Auf a lagert in einer durchschnittlichen Machtigkeit von 2—3 m, stellenweise etwas discordant, ungeschichteter, schmutzig- weifer, teils miirbe-kriimeliger, teils knolliger Kalk mit festeren Rohr- und Blatterbinken, und ebenso wie a durchzogen von diinnen, grauen, humoseren Schichten. Schnecken, die in ihm recht haufig, habe ich hier nicht gesammelt; von Pflanzen fanden sich: vorherrschend Blatter und Friichte der Eiche, daneben Spitz- ahorn, Buche, Linde, Haselnu8 und Weifdorn (Crataegus oxy- acantha?), wahrend man heute wohl im ganzen Thale vergeblich nach einer Eiche, Buche oder Linde suchen diirfte. — Bei fort- vesetztem Sammeln kénnte man auch hier jedenfalls die Zahl der gefundenen Species leicht bedeutend vermehren. c) Es folgt eine 2—5 dm miachtige, fett-thonige, durch Holz- kohle grau gefarbte ,,Kulturschicht‘, in der man — besonders in den Mannewitzischen Steinbriichen — geradezu massenhaft Sauge- tierknochen, prahistorische Scherben (darunter solche mit Nagel- eindriicken und solche mit Schnurverzierungen auf einem besonders aufgelegten Randstreifen) und andere Artefakte findet, als: Netz- 1) Vergl. Anm. 2 8. 339. 2) Bestimmt unter freundlichem Beistande von Herrn Garten- inspektor Rerric im botanischen Garten von Jena. Der Siibwasserkalk im Pennickenthal bei Jena. 341 senker von schwach gebranntem Thon, ein Steinbeil'), Feuerstein- messer !), ein Stiickchen Bronzenadel und durchbohrte Perlmutter- plaittchen von Unio; dazu kommen Quarzstiicke, die nur der Mensch hierher gebracht haben kann, wahrscheinlich um sie zu seiner Tépferarbeit zu verwenden. Ebenso sicher weisen die vor- handenen Knochen, lauter Haus- und Jagdtieren angehorig, auf den Menschen hin. Eine fliichtige Bestimmung derselben in der anatomischen Sammlung zu Jena ergab das Vorkommen von Pferd, Rind, Schaf, Hirsch, Schwein+) und Hund (oder allenfalls Wolf). Besonders reichlich fanden sich die Knochenreste und Arte- fakte in cylindrischen Herdgruben, die aus der Kulturschicht direkt in den liegenden Kalk etwa 0,5 m tief hinabreichen, bei einem Durchmesser von 1,5 m. Schon Prof. KLoprrLetscH hat von solehen Feuerstitten im Pennickenthal gesprochen. Sie scheinen am haufigsten in der Gegend der Steinbriiche B bis D, wo demnach die Hauptansiedelung der damaligen Thal- bewohner gelegen haben mu, wofiir auch die massenhafte An- reicherung von Knochen und Artefakten an dieser Stelle spricht. Doch findet man auch in £& eine solche Grube angeschnitten, und das sehr haufige Vorkommen von Scherben und Kohle, das die Identifizierung der Kulturschicht bis hinauf in die obersten Stein- briiche erméglicht, gestattet wohl den Schluf, dal die oberen Teile des Thales, wenn auch spirlicher, ebenfalls bewohnt waren. Zwei wabrend des Juli 1899 in Steinbruch C neu aufgedeckte Herdgruben waren im unteren Teile erfillt von kopfgrofen Steinen und Holzkohle, im oberen Teile herrschte ein sehr fetter Thon mit Knochenresten und Scherben vor. Die genannten Funde erméglichen eine recht genaue Alters- bestimmung der Kulturschicht. Nach Herrn Prof. Verworn fallt ihre Ablagerung in den Aus- gang der jiingeren Steinzeit. Auf das Nahen der Bronzezeit ”) deutet namlich, wie er die Freundlichkeit hatte mir mitzuteilen, die vorgeschrittene Technik, welche sich in dem aufgelegten Rande einer der Scherben zeigt, besonders aber die Bronzenadel hin. Zur Identifizierung der Kulturschicht in den oberen Stein- briichen und Gruben habe ich das Vorkommen von Scherben be- 1) Die so bezeichneten Fossilien wurden von Herrn Prof. VeERWORN gesammelt, die iibrigen von mir. 2) EKtwa 1500 v. Chr. 342 Erich Meyer, nutzt; denn Holzkohlen findet man nicht allein in dieser Schicht, sondern auch zerstreut in den liegenden Kalken ziemlich haufig ; und andere Artefakte nebst Saugetierknochen habe ich nur in den Steinbriichen B—D, letztere auch in A gefunden. Von den sehr zahlreichen Schnecken habe ich nur gelegent- lich ein paar aus A mitgenommen; es waren: Helix incarnata, obvoluta, arbustorum var. depressa, Torquilla sp., Succinea sp., Hyalina cellaria, Clausilia sp., Patula rotundata !). d) Auf der Kulturschicht lagert zum Teil direkt, zum Teil durch eine diinne Sinterschicht getrennt, oft in mehrfachen, deutlich ab- gegrenzten Lagen eine bis zu 6 m Machtigkeit (Steinbruch D) erreichende Schottermasse, offenbar Bergsturzmaterial von den umgebenden Muschelkalkhoéhen, das sich aus kantigen Steinen von Erbsen- bis FaustgréBe (selten griferen Blécken) und einem lehmigen Bindemittel zusammensetzt. Die Sohle jeder Lage bildet gréberer Schotter, dann ist allmihlich immer feineres Material nachgespiilt und aufgelagert, bis wahrscheinlich ein neuer Berg- sturz neue Massen groben Gerdélls in Bewegung setzte. Das Alter der gesamten Ablagerung diirfte, wie auch Herr Dr. A. WEISS annimmt, nicht tiber das Altalluvium hinausgehen. Mit der Kulturschicht wiirden wir dann in die Uebergangsperiode von der neolithischen zur Bronzezeit gelangen; und die auf- lagernden Schottermassen sind somit trotz ihrer lokalen Miachtig- keit ganz junge Bildungen. Noch heute dauert in dem Bachbette die Sinterbildung fort, und die Schnelligkeit, mit der Algen, Moose und hineinhangendes Gras von dicken Krusten umhiillt werden, iiberzeugt uns, dai unter gleich bleibenden Bedingungen eine verhaltnismabig kurze Zeit zur Bildung einer solchen Ablagerung geniigt. Um_ hier wenigstens einen ungefihren Anhalt zu gewinnen, legte ich auf Herrn Prof. WauruHer’s Rat Schieferplattchen von 5 X 6 cm Gréfe im Bachbette vom 5. Juli bis zum 27, August aus und erhielt folgende Beobachtungsreihe: 1) Vergl. Anm. 2 8, 339, Der SiiBwasserkalk im Pennickenthal bei Jena. 343 Wassertemperatur Ent- |————— Auf der Ta- fernung den 6, Aug. den 7. Aug. fel abgesetz- No. lyon der| 1899 mit- \morgens bei| ter kohlen- Bemerkungen Quelle tags 1h bei/Sonnenauf- |gaurer Kalk im m |22” © Luft-|gang u. 16° in g temperatur | Lufttemp. 1 90 ot? 9,4° 0,01 Beginn des Absatzes 24| 340 10,2° — 0,05 |bei H 3| A460 — — 0,7 _ 4) 580 11,1° = 1,5 oberhalb G 5| 840 12,39 1OO° OG unterhalb G 6} 930 -- -- 7,1 _ 7] 1190 | - 13,59 10,2° 3,D bei F 8 | 1600 12,3° LORS, a3 zwischen Eu. D 3 | 1950 -— — 4,4 unterhalb B 10 | 2050 13,0° 11,2° 5,6 oberhalb A Diese diirftigen Beobachtungen zeigen wenigstens, wie ab- hangig das Ausfallen des Kalkes von der Héhe der Wassertempe- ratur ist, direkt oder indirekt. Die geringe Kalkmenge der Tafel 7 erklart sich vielleicht aus dem ungiinstig gewahlten Platz (unter einer Briicke), die geringe Temperatur unterhalb wird veranlakt durch das Zustrémen einer starken Quelle zwischen No. 7 und No. 8. Sie besa8 die Temperatur von 10,5° und driickte die Wasser- wirme an jenem warmen Tage bei der Einmiindungsstelle von 14,0° auf 12,0° herab. Einer Altersschétzung auf Grund dieser Daten, welche etwa 10000 Jahre als Maximum fiir die ganze Kalkbildung ergeben wiirde, indem man 1 mm geringsten Jahres- niederschlag annehmen kénnte, ist wohl kein Wert beizulegen; doch mag diese Zahl zur ungefaihren Orientierung hier ge- nannt sein. Entstehung der Kalkablagerung. Die Frage nach der Entstehung dieser Sinterbildungen st6Bt auf einige Schwierigkeiten. Am natiirlichsten scheint zunichst die Annahme, der gelbe, geschichtete Kalk habe sich in Teichen auf den verschiedenen Terrassenstufen niedergeschlagen, zumal man sonst die Breite der Ablagerung bei der Geringfiigigkeit des Wasserlaufes zunachst nicht begreift; denn auch friiher konnte dieser bei der Beschrankt- 344 Erich Meyer, heit des Niederschlagsgebietes kaum viel machtiger sein. Dennoch mufS diese Ansicht einer genaueren Betrachtung und Messung weichen. Mit ihr im Widerspruch steht das auf allen Terrassen ziem- lich gleiche Einfallen der geschichteten Kalke nach der Saale zu, das schwerlich auf spatere, tektonische Bewegungen zurtickfiihrbar ist. Es sind zudem fast tiberall die unteren Enden der Terrassenstufen durch Steinbriiche erschlossen. Man mite hier also die Kalkschichten am ehemaligen Teichstrande aus- keilen sehen, was nirgends der Fall ist. Endlich liefert einen sehr schla- genden Gegenbeweis Steinbruch G, wo man rechts und links nicht nur das schénste Profil durch eine (den ganzen Steinbruch durchquerende) Kaskade, sondern auch deren Ursache, einen gestirzten Baum, erblickt (Higse3): In einem Teiche aber konnte ein gefallener Baum keine der- artige Kaskadenbildung erzeugen. Da8 vollends der ungeschichtete Kalk und die Kulturschicht nicht in Teichen zum Absatz kamen, zeigt schon ein blofer Blick auf das Lingsprofil von Steinbruch A, Bund C (Fig. 2), wo man diese Schichten im Bogen nach der folgenden Terrasse zu abfallen sieht. Annehmbarer, wenn auch vielleicht noch nicht in allen Stiicken befriedigend, scheint mir der folgende Erklarungsversuch : Heutzutage flieft der Bach in einem kiinstlichen Bette, das Ofters geréumt werden muh, wenn es der Kalkabsatz nicht aus- fiillen soll. Geschaihe dies, so wiirde der Bach, gleich einigen unbedeutenden Quellen des Thales, sein Wasser stark ausbreiten und in diinner Schicht, weit langsamer als jetzt durch Gras und Moos sickern, sich dabei stark erwairmen und mehr Kalk ab- setzen, als es jetzt der Fall ist. Bald wiirde sich ein flacher Ricken bilden, das Wasser wiirde seitlich seinen Weg suchen und so in wechselndem Laufe allmahlich eine breite Ablagerung bilden, ohne daf wir uns gréfere Teiche auf den einzelnen Stufen zu denken hatten. Am Ende jeder Stufe wiirde sich eine kleine Kaskade bilden, und es kénnte hier wohl auch ein lokales Ein- schneiden des Bachbettes in den frither gebildeten Sinter erfolgen (wie heute bei der kiinstlichen Kaskade in Steinbruch D). Der Siikwasserkalk im Pennickenthal bei Jena. 345 Den geschilderten Zustand glaube ich fiir das Pennickenthal annehmen zu miissen, ehe der Mensch hier eingriff. Die verschiedenen Kalkfacies kann vielleicht schon die An- nahme einer wechselnden Vegetation erklaren: die gelben, ge- schichteten Kalke scheinen in einem Laubwalde abgesetzt zu sein, wo Moos und Krauter zuriicktraten und abgefallenes Laub reich- lich den Boden deckte. Dieses wurde tiberrieselt und gab Anlaf zu der plattig-blattrigen Struktur des Sinters. Dann eroberten, wie es scheint, Moose und mit der von ihnen zuriickgehaltenen Feuchtigkeit auch Rohr und andere wuchernde Sumpfgewachse das Terrain. In dieser schwammigen Masse kam die Blatterung des Kalkes nicht mehr zum Ausdruck, es bildeten sich die kriimeligen, unregelmaSigen Tuffe, wohl mit lokalen Blatt- anhiufungen und durchzogen von humoseren Schichten, doch nicht von geschichteter Struktur, sondern meist kriimelig und knollig ausgebildet. Der Mensch mag wihrend seiner Anwesenheit dem Bache dann ein festes Bett gegeben oder auch allein durch die An- hiufung von Abfallen Gelegenheit zur Entstehung der fetten, thonigen und nicht so kalkreichen Kulturschicht gegeben haben. Spaiter mag auch das lockere Bergsturzmaterial, durch welches das Wasser sickerte, mit dem es seinen Kalkabsatz mischte, eine deutliche Schichtung verhindert haben, doch nicht ohne Mit- wirkung eines wuchernden Moosteppichs, der in seinem filzigen Gewebe sowohl den chemischen, wie den mechanischen Absatz auffing. Die Analyse eines unreinen, ungeschichteten Kalkes von der Sohle des Steinbruches A ergab 91 Proz. in verdiinnter Salzsaiure lésbarer Substanz (wohl ziemlich ausschlieSlich CaCO,) und 2 Proz. Humus (als Gliihverlust des Riickstandes); als Rest blieben 7 Proz. lehmiger Substanz'). Eine Analyse des recenten Kalkes, der sich im Bachbett an flottierende Algen und etwas Moos angesetzt hatte ergab die entsprechenden Zahlen: 93—94, 2—3 und 4. Unter dem Mikroskop war der Anblick der stark doppel- 9 1) Gerade an dieser Stelle unterliegt — wie mir leider erst spater klar wurde — der Absatz besonderen Bedingungen, es ist eine Art Strudelloch unterhalb der grofen Kaskade des Stein- bruchs A, in dem sich alle im Wasser mitgefiihrten Stoffe natiir- lich in wirrem Gemenge absetzten. Gerade diese Analyse erlaubt also keine Schltisse auf die bei ruhigem Rieseln abgesetzten Kalke. 346 E. Meyer, Der Siikwasserkalk im Pennickenthal bei Jena. brechenden Pflanzenfasern und Kérnchen, die nach Auflésung des Kalkes in Salzsiure zuriickgeblieben waren, bei beiden Proben der gleiche, nur dafi einmal die Kérnchen, das andere Mal die Fasern vorherrschten. Ob die hier versuchte Erklarung fiir die Entstehung des Sinters die richtige, besonders ob sie geniigt, um die stellenweise chaotische Lagerung des ungeschichteten Kalkes zu begriinden, kann ich nicht sagen. Die wenigen Untersuchungen, welche meine beschrankte Zeit erlaubte, sind zu einer sicheren Beantwortung der angeregten Fragen ungeniigend. Auch mangeln mir Er- fahrungen tiber 4hnliche Ablagerungen an anderen Orten. Eine Entscheidung kénnte hier nur durch eine groBe Zahl genauer Analysen und durch eine vollstindigere Sammlung der Fossilien bewirkt werden. Der Zweck dieses Aufsatzes war der, die betreffenden Fragen aufzuwerfen, sie etwas naher zu beleuchten und im gliicklichsten Falle jemand, der etwa ein ahnliches Gebiet behandelt, zu ihrer definitiven Beantwortung anzuregen. Berichtigung zu den ,,Untersuchungen tiber den Herzschlag der Salpen von L. 8. SCHULTZE": Der Visceralkanal (v.c.) in Taf. IX Fig. 2 entspringt nicht direkt vom Herzen, sondern ist an die etwas tiefer ge- legene, nach rechts abgehende Fortsetzung des Truncus branchio- visceralis (é.br.-v.) ununterbrochen anzuschlieBen. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2135 Verlag von Gustav Fiseher in Jena. Pauna Arctica. Kine Zusammenstellung der arktischen Tierformen, mit beson- derer Beriicksichtigung des Spitzbergen-Gebietes auf Grund der Ergebnisse der Deutschen Expedition in das Nérdliche EKismeer im Jahre 1898. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen herausgegeben von Dr. Fritz R6mer und Dr. Fritz Schaudinn in Frankfurt’ a. M. : in Berlin. Erste Lieferung. Mit 7 Tafeln, 2 geograph. Karten und 12 Abbildungen im Text, 1900. Preis: 25 Mark. Zweite Lieferung. Mit 1 Tafel, 1 Kartenskizze und 18 Abbildungen im Text. 1900. Preis: 15 Mark. Inhaltsverzeiechnis. W. Kiikenthal, Die Wale der Arktis. Caesar Schaeffer, Die arktischen und subarktisechen Collembola. James A. Grieg, Die Ophiuriden der Arktis. W. Weltner, Die Cirripedien der Arktis. F. Doflein, Die dekapoden Krebse der arktischen Meere. Soeben erschien: Dritte Lieferung. Mit 2 Tafeln und 19 Abbildungen im Text. 1900. Preis: 18 Mark. Inhaltsverzeichnis. Hans Lohmann, Die Appendicularien. Walter May, Die arktische, subarktische und subantarktische Aleyonaceenfauna. Carl Zimmer, Die arktischen Cumaceen. Ludwig Hube rt , Arktische Seesterne. Olaf Bidenka p, Die cee I. Teil: Die Bryozoen von Spitzbergen und Konig-Karls-Land. Von den Antillen gum fernen Westen, Reiseskizzen eines Naturforschers von Dr. Franz Doflein in Miinchen. Mit 87 Abbildungen im Text. 1900. Preis; brosch. 5 Mark, elegant geb. 6 Mark 50 Pf. {K2>> Bei der Spirlichkeit der deutschen Reiselitteratur iiber Westindien wird dieses Werk ganz besonderes Interesse erregen. Es giebt in vornehmer Ausstattung und _ textlicher Gediegenheit kenntnisreiche Schilderungen von Land und Leuten, von Flora und Fauna, von Natur und sozialen Zustinden in Westindien und Kalifornien und bietet ausserordent- lich viel Wissenswertes. 3} Die Entwicklung der Biologie im 19. Jahrhundert. Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher zu Aachen am 17. September 1900 gehalten von Oscar Hertwig, Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der Berliner Universitit. Preis: 1 Mark. Oswald’ Weigel, LeipZig, Kénigsstrasse |. . wereesees Special-Antiquariat fiir naturwissenschaftliche Literatur. »weewwy Kataloge gratis und franko. Zoologie, Palaeontologie, Mineralogie (Bibl. F. v. Hauer). 4947 Nummern. Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie. 964 Nummern. Zoologie (incl. Palaeozoologie). 5380 Nummern. Philosophie, Paedagogik. 1985 Nummern. 95—97- Botanik (Bibl. O. Boeckeler, J. Lange, J. Forssell). 95. Phanerogamae Florae. 38889 Nummern, — 96. Botanica historica, generalis et systematica, 1872 Nummern. — 97. Cryptogamae. 2277 Nummern. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Zellen-Studien. Theodor Boveri, Professor an der Universitat Wiirzburg. Heft 4: Ueber die Natur der Centrosomen. Mit 8 lithogr. Tafeln und 3 Textfiguren. Preis: 15 Mark. eek Anthropologie als Wissenschaft und Lehrfach. Kine akademische Antrittsrede von Dr. Rudolf Martin, a. o. Professor der Anthropologie an der Universitat Ziirich. Preis: So Pf. Palaontologische Abhandlungen. W. Dames und BE. Koken. Neue Folge. Vierter Band. (Der ganzen Reihe achter Band.) 1. Kaunhowen, F., Die Gastropoden der Maestrichter Kreide. Mit 13 Tafeln. Preis: 25 Mark. 2. Tornquist, A. Der Dogger am-Espinazito-Pass, nebst einer Zu- sammenstellung der jetzigen Kenntnisse von der argentinischen Juraformation. Mit 1o Tafeln, 1 Profilskizze und 1 Textfigur. Preis: 22 Mark. 3. Scupin, Hans, Die Spiriferen Deutschlands. Mit 10 Tafeln, 14 Abbil- dungen im Text und einer schematischen Darstellung. Preis: 28 Mark. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, 2135 bbd. Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Fiinfunddreissigster Band. Neuve Folge, Achtundzwanzigster Band. Viertes Heft. Mit 6 Tafeln und 6 Figuren im Text. Inhalt. JERKE, Max, Zur Kenntnis der Oxyuren des Pferdes. Mit Tafel XII und 4 Figuren im Text. v. Linstow, Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees, ¢in Beitrag zur Helminthen-Fauna von Siid-Afrika. Mit Tafel”XIII u. XIV. KELLY, AGNES, Beitrigee zur mineralogischen Kenntnis der Kalkaus- scheidungen im Tierreich. Mit Taf..XV und 2 Figuren im Text. : SUSSBACH, SIEGMUND, Der Darm der Cetaceen. Mit Tafel! XVI und XVII. Jahresbericht der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena fiir das Jahr 1900 erstattet von JOHANNES WALTHER. —~ der Gesamtlinge ein; am Schwanzende stehen jederseits 4 pra- und 1 postanale gestielte Papillen; die Cirren sind ungleich und 0,26 und 0,19 mm lang; hinter der Geschlechtséffnung steht eine Art Saugnapf (Fig. 5). Das 140—160 mm lange und 0,90 mm breite Weibchen hat einen 35.6 langen Oesophagus; die Vagina liegt ganz vorn, und die einen entwickelten Embryo enthaltenden Eier sind 0,044 mm lang und 0,036 mm breit. ° Spiroptera spec.? F, 1590. Aus Mus minimus Prrs., Magen. Langenburg am Nyassa-See ; 2. Il. 98; geschlechtlich unentwickelt. Spiroptera Nyctinomi n. sp. Fig. 6. F. 1591. Aus Nyctinomus Martiensseni Prrs., in Cysten der Magenwand. Langenburg am Nyassa-See; 4. III. 98. Eine Larve, die in kugelférmigen, 0,28 mm grofen Cysten liegt; der Kérper ist kurz und dick, die Lange betragt durch- schnittlich 0,39 mm, die Breite 0,042 mm; Oesophagus 3-5» Schwanz- ende -;4, der ganzen Korperlinge; die Haut ist quergeringelt ; am abgerundeten Kopfende stehen 2 rundliche Vorspriinge (Fig. 6); am Schwanzende bemerkt man eine kleine Spitze; ahnliche encystirte Nematodenlarven wurden von vy. SreBOLD unter dem Namen ? Trichina spiralis, von Drestna unter dem Namen Tri- china affinis und von mir unter dem Namen Spiroptera (Filaria) Vesperuginis beschrieben. Heterakis recurvata n. sp. Fig. 7. F. 1592. Aus Eurystomus afer Gmeu., Darm. Langenburg am Nyassa-See; 18. VII. 98. Die Cuticula ist glatt; am abgerundeten Kopfende bemerkt man 6 im Kreise stehende Papillen; das Kopfende ist nach der Riickenseite gekriimmt, und das Schwanzende ist zugespitzt; der Oesophagus, der beim Mannchen 4, beim Weibchen + der ganzen Lange einnimmt, trigt am Ende einen kugelférmigen Bulbus. Das 6,78 mm lange und 0,23 mm breite Mannchen hat einen Schwanz, der y54 der Gesamtlinge ausmacht und nach der Bauch- Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 4138 seite gekriimmt ist; die langen und breiten Cirren messen 0,88 mm ; an der Bauchseite steht ein langgestreckter Saugnapf, der links und rechts von radiir zusammenstrahlenden Muskeln eingefaSt wird; jederseits stehen 2 pri- und 6 postanale Papillen (Fig. 7). Das Weibchen ist 9,26 mm lang und 0,43 mm breit, der Schwanz nimmt ;4 der Linge ein; die Vagina Jiegt etwas vor der Kérpermitte und teilt die Linge im Verhaltnis von 11: 15; das Schwanzende ist lang zugespitzt, und die sehr zahlreichen Eier sind 0,049 mm lang und 0,036 mm breit. Heterakis cristata n. sp. Figs Siu 9: 3857. Aus Balearica regulorum BeNN., Darm. Langenburg am Nyassa-See; 3. III. 98. Die Haut ist quergeringelt; starke Krausen in den Seiten- linien reichen yom Kopfende 1,22 mm weit nach hinten; das Kopfende tragt 3 Lippen, wie bei Ascaris; die beiden ventro- lateralen sind linger und fiihren an den einander zugekehrten Flaichen 2 stumpfe Zihne; die dorsale ist langer als breit, vorn gerade abgeschnitten und in der Mitte verbreitert (Fig. 8); das Schwanzende ist konisch zugespitzt ; der Oesophagus nimmt } der ganzen Linge ein. Das Mannchen wird 38 mm lang und 1,34 mm breit; das Schwanzende macht ~ der Gesamtlinge aus; an der Bauchseite steht ein kreisférmiges, nach hinten erweitertes, saugnapfartiges Gebilde; jederseits finden sich 2 pra- und 7 postanale, sehr grofe, hinten sich beriihrende Papillen. Beim 57 mm langen und 1,76 mm breiten Weibchen nimmt der Schwanz ,); Teil der Linge ein; die sehr dickschaligen Kier sind 0,091 mm lang und 0,062 mm breit. Physaloptera dilatata Rup. F. 1716. Aus Papio Langheldi Mrcu. Langenburg am Nyassa-See. Physaloptera acuticauda Mot. F. 1589. Aus Elanus caeruleus Desr., Magen. Kalinga, Uhehe, Udschungu-Berge, Nyassa-See. 27* 414 v. Linstow, Dispharagus invaginatus n. sp. HW rpxelOwue, Tilt 3860. Aus dem Magen eines nicht bestimmten Vogels. Langen- burg am Nyassa-See; 23. IV. 98. Die Cuticula ist in Abstinden von 0,035 mm gréber und von 0,008 mm feiner quergeringelt; am Kopfende stehen 2 konische dorsoventrale Lippen, vorn am Ko6rper sieht man Halskrausen, die bis 0,57 mm nach hinten laufen, dann wieder zuriickbiegen und sich in der Dorsal- und Ventrallinie 0,24 mm vom Kopfende zu einer Schlinge vereinigen, ahnlich wie bei Dispharagus anthuris; 0,7 mm vom Kopfende steht dorsal und ventral eine grofe, drei- spitzige Nackenpapille (Fig. 10). Das Mannchen wird 8,46 mm lang und 0,22 mm breit; der Oesophagus nimmt ¢y das abgerundete Schwanzende j der ganzen Lange ein; an dem in der gewohnlichen Weise gebildeten Schwanzende stehen jederseits 4 pri- und 5 postanale Papillen; die ungleichen Cirren messen 0,062 und 0,047 mm. Das 9,55 mm lange und 0,31 mm breite Weibchen hat einen Oesophagus von ;» Koérperlange; das Schwanzende ist merk- wirdig gebildet; ein von 4 Langsrippen gesttitzter, hyaliner Haut- trichter tiberragt nach hinten das abgerundete Schwanzende weit (Fig. 11); in diesen Trichter miindet der Anus und dicht davor die Vagina, so da8 man oft Eier in demselben findet, die 0,029 mm lang und 0,018 mm breit sind; der Uterus fiillt fast den ganzen weiblichen K6rper aus. Pterocephalus viviparus v. Linsr. F. 1802. F. 1811. Aus Equus Crawshayi Pocock, Magen, Blinddarm und Dickdarm. Rukwa-See; 25. VI. 99. Diesen merkwiirdigen Nematoden fand ich unter der bei Ascaris attenuata angefiihrten Berliner Sammlung und habe ihn a. a. O.1) beschrieben; diese Exemplare waren in Equus Béhmi Mrcu. am oberen Bubu in Ostafrika gefunden. Oxyuris tenuicauda 2D. sp. Miesal2) ao be: F. 1799. F. 1801. Aus Equus Crawshayi Pocock, Crassum, besonders Regio colialis. Rukwa-See; 25. VI. 99. 1) 1c. 8. 12—13, Taf. I, Fig. 22—24, 26, 27; Taf. IV, Fig. 41. Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 415 Die Haut ist quergeringelt ; die Mundéffnung ist sechsseitig, ohne Lippen, Zihne oder Papillen (Fig. 12); es sind nur Weibchen vorhanden, deren Kérper vorn verdickt ist, wahrend das Schwanz- ende stark und fadenférmig verdiinnt ist, so daf die Gestalt an Oxyuris flagellum erinnert; die Linge betrigt 50—75 mm, die Breite vorn 0,66 mm, am Schwanzende hinten 0,032; der Oeso- phagus ist kurz, vorn verdickt, in der Mitte verdiinnt und hinten mit einem Bulbus versehen, er nimmt 3); der ganzen Lange ein; die Vagina liegt vor der Mitte, und der durch sie gebildete vordere K6rperabschnitt verhalt sich zum hinteren wie 11:50; der Schwanz macht ;,5 der Gesamtlinge aus; die Kier sind 0,078 mm lang und 0,034 mm breit, und die auf ere Schale ist an einem Pole unterbrochen (Fig. 13); das Keimblischen ist sehr grof und deutlich. Oxysoma acuticauda n. sp. Fig. 14. F. 1808. Aus Numida Rikwae Rcnp., Darm. Usanga am Rukwa-See; 26. V. 99. Das Kopfende ist abgerundet und besitzt keinen Mundbecher ; der Oesophagus, welcher beim Miinnchen ;,4> beim Weibchen a der Lange einnimmt, hat am Ende einen kugelférmigen Bulbus; der Anfang des Darmes ist verdickt; das Schwanzende macht beim Mannchen =, und beim Weibchen ;;.7 der ganzen Lange aus und ist bei beiden Geschlechtern fein zugespitzt. Das 10,5 mm lange und 0,39 mm breite Mannchen hat gleiche, 0,88 mm lange Cirren und jederseits 3 pra- und 5 postanale Pa- pillen; in der Gegend der Wurzel der Cirren steht in der Bauch- linie eine gestreckte, saugnapfahnliche Grube (Fig. 14). Das Weibchen ist 14,8 mm lang und 0,51 mm breit; die vor der Kérpermitte liegende Vagina teilt den Kérper im Verhaltnis von 11:14; die Kier sind 0,047 mm lang und 0,034 mm breit. Die Art ist dem aus der anderen erwahnten Berliner Samm- lung stammenden Oxysoma gracile v. L.+) aus Francolinus nahe verwandt. Oxysoma tricirratum 2. sp. Fig. 15. F. 1803. Aus Sternothaerus nigricans Donnporr, Darm. Rukwa-See; 27. VI. 99. Dye S20) TatVv, Hig: 64 u.-65. 416 iy as tow; Die Cuticula ist glatt und das Kopfende ist abgerundet und mit 6 im Kreise stehenden, langgestielten Papillen versehen; der Oesophagus nimmt bei beiden Geschlechtern 3 der Lange ein und endigt mit einem kugelférmigen Bulbus; das Schwanzende ist bei Mannchen wie Weibchen zugespitzt, bei letzterem lang; es nimmt beim Mannchen ss beim Weibchen 57 der ganzen Kéorper- lange ein. Das 17 mm lange und 0,55 breite Mannchen ist dadurch ein Unikum unter simtlichen bekannten Nematoden, daf es 3 Cirren besitzt; die beiden AuSeren messen 0,95, der mittlere 0,70 mm (Fig? 15); die auBeren sind an der Aufenseite mit Knétchen be- setzt; an der Riickseite sind sie punktiert; jederseits stehen 6 postanale Papillen, 3 dicht hinter der Kloake, 3 ganz hinten, und auferdem findet sich 1 unpaare praanale. Das Weibchen wird 19,1 mm lang und 0,55 mm breit; die Vagina liegt hinter der Kérpermitte; der durch sie gebildete vordere Kérperabschnitt verhalt sich zum hinteren wie 5:3; die Eier sind 0,11 mm lang und 0,07 mm breit. Trichocephalus dispar Rup. F. 1718. Aus Cercopithecus rufoviridis Gkorrr.. Langenburg am Nyassa-See; 30. XI. 98. Gordiiden. Chordodes capillatus n. sp. Fig. 16. 3854. Aus Rhombodera scutata Korscn, einer Mantide von Langenburg am Nyassa-See; 31. XII. 97. Das weibliche Exemplar, eine Larve, ist 219 mm lang und 2,01 mm breit; die Farbe ist schwarzlich-braun, das konisch ver- jiingte Kopfende ist hellbraun; das Schwanzende ist napfférmig eingezogen. Die Cuticula ist fein und dicht mit gleichmaSigen Buckeln besetzt und erscheint chagriniert; man unterscheidet 3 Areolen-Arten: 1) rundliche mit etwas hellerem Hof, welche die Hauptmasse ausmachen; 2) in Gruppen gestellte dunklere, ebenfalls mit hellerem Rande; die Gruppen erscheinen bei schwacher Vergréferung wie dunkle Flecke; 3) in der Mitte dieser letzteren dunkle, einzelne, im Innern und am Rande heller, von denen Biischel hyaliner, langer Haare ausgehen, die oft in 4 Bischel geordnet sind und bei auffallendem Licht wei erscheinen. Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. ALT Chordodes tuberculatus n. sp. Bigot F. 1810. Aus dem Nyassa-See bei Langenburg; 15. IV. 99, bei 160 m Tiefe gedregt. Ein weibliches Exemplar, 195 mm lang und 0,48 mm breit, das dunkelbraun mit dunkleren Flecken und bei auffallendem Lichte metallisch glinzend ist; beide Kérperenden sind abgerundet, das vordere ist verdiinnt; die Cuticula zeigt 4 Areolen - Arten: 1) runde mit heller Mitte und strahliger Zeichnung; 2) in den dunklen Flecken rundlich erhabene, 3) in deren Mitte schlankere, auf deren Spitze Granulationen stehen; 4) unter ihnen einzelne dicke mit einem fingerférmigen Aufsatz. Chordodes digitatus n. sp. Fig. 18. F. 1805. Aus einem Tiimpel auf dem Unyika-Plateau, noérd- lich vom Konde-Land; 11. VII. 99. Die GréSenverhiltnisse sind folgende bei den einzelnen Ex- emplaren: Lange Breite 140 mm 0,84 mm DOs es Ooaeee 80, 0,56, OL 0,41 ,, (Rudiment) 50 ” 0,44 ” ” Die Farbe ist hellbraun mit dunkelbraunen Flecken; beide K6rperenden sind abgerundet, und das Kopfende ist stark ver- diinnt. Die Cuticula fiihrt 3 Areolen-Arten: 1) runde, granulierte, welche die Hauptmasse ausmachen; 2) runde mit einer hyalinen, fingerformigen Verlangerung und 3) gréfere, nach aufen erweiterte, mit biischelférmigen Filamenten; diese letzteren bedingen die dunklen Flecken. Chordodes echinatus n. sp. Fig. 19. F, 1722. Aus dem Lumbiva-Fluf8 bei Langenburg. Das eine Exemplar ist 59 mm lang und 0,40 mm breit; die Farbe ist hellbraun; das Kopfende ist abgerundet, das Schwanz- ende gerade abgestutzt; die ganze Cuticula ist mit dicht gedrangten Langsreihen besetzt, die von sehr feinen, sich mit den konvexen 418 v. Linstow, Flachen beriithrenden Hakchenpaaren gebildet werden, die 0,0052 mm hoch sind und etwa die Form der sog. Wappenlilien haben, eine Cuticula-Bildung, wie sie bei den Gordien bisher noch nicht beobachtet ist. In Afrika sind bisher an Gordiiden gefunden: Chordodes capensis CAMERANO (1895); die Cuticula tragt lange, isolierte Faden ; Chordodes ferox CAMERANO (1897) mit wesentlich anders ge- bildeter Cuticula als bei unseren Arten; Parachordodes Raphaelis CamERANOo (1893) gehért einem anderen Genus an; Gordius crassus GRUBE (1849) und Gordius verrucosus Barrp (1853) sind nicht erkenntlich be- schrieben. Mermithen. Spinifer Filleborni n. gen., n. spec. Fig. A—E. F. 1822. Aus einem Termiten-Bau; am Nyassa-See, Weg zu den Wawayi von Bulongwa aus, 2300 m hoch. Eine merkwiirdige, Mermisartige Larve, zu den Pluromyariern gehdrig. Der kleine, am Grunde eines Termiten-Baues gefundene Nemathelminthe bildet runde, flache, aus 2—3 Windungen be- stehende Teller von 1,14 mm Durchmesser (Fig. A). Gestreckt gedacht, betragt die Lange 7,30 mm und die Breite vorn 0,26 mm; nach hinten nimmt sie ab, und in der Gegend der Stachel betragt sie 0,16 mm. Das Kopfende ist breit abgerundet (Fig. B); die Mundéffnung ist, wie bei Mermis aquatilis Dug., nach der Ventral- linie geriickt; hier beginnt ein chitindses Oesophagusrohr, das sich in Windungen 0,31 mm weit nach hinten verfolgen 1aBt; dann verbreitert sich der Oesophagus und besteht aus einer dicken Schicht Cirkulairfasern, im Innern aus Langsziigen (Fig. E 6), die ein kleines Lumen frei lassen. Die dicke Cuticula ist ungeringelt und 0,0043 mm breit (Fig. E ¢); die Muskulatur ist 0,0125 mm dick und wird durch 4 Lingswiilste in 4 Liangsfelder geteilt (Fig. Em); die Breite der dorsalen verhalt sich zu der ventralen wie 4:3. Der Dorsal- und Ventralwulst entspringen mit schmaler Basis (Fig. E d und v); letzterer ist nach innen starker verbreitert; die Ventrolateralwiilste wurzeln etwas ventralwarts von den Seiten- Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 419 linien und haben eine breite Basis (Fig. E vl). Darm und Anus fehlen, ebenso Geschlechtsorgane, und der ganze Korper ist, wie bei Mermis, mit 0,0052—0,0091 mm grofen Fettkiigelchen aus- gefiillt (Fig. Ef). 0,85 mm vom abgerundeten Schwanzende stehen 2 mit den durchbohrten Spitzen die Cuticula durchsetzende, in seitlicher Lage sick deckende Stacheln (Fig. C, D), die 0,106 mm lang sind; an die Basis treten nach den verschiedensten Rich- tungen strahlende Muskelziige. In der Gegend der Stacheln ist die Cuticula an einer 0,32 mm langen Stelle dorsal verdickt (Fig. C). Vermutlich haben wir es hier mit einem Termitengast zu thun, der den zahlreichen Ameisengiasten an die Seite zu stellen wire, deren JANET") nicht weniger als 1246 Arten aufzahlt. Bei Mermis leben die Larven parasitisch; die Muskulatur be- steht aus 6 Feldern, und die Stachel vor dem Schwanzende fehlen. Der einzige aus Termes bekannte Parasit ist Isakis (Isacis) migrans Lesps 2); die Art gehdrt iibrigens zu Rhabditis; das Mannchen hat 2 gleiche Spicula; die Gattung Isacis ist neuer- dings von Parona®) genau definiert; der Oesophagus ist sehr kurz und breit, das Mannchen hat nur 1 Spiculum und 2 Pa- pillenreihen ; unsere Form hat aber weder mit Rhabditis noch mit Isacis etwas zu thun. Acanthocephalen. Echinorhynchus taeniatus n. sp. Fig. 20—22. F,. 1797. Aus Numida Rikwae Rcnw., Darm. Am Rukwa- See; 26. V. 99. Man kennt eine Anzahl von Echinorhynchen, welche regel- mafige, rundliche Anschwellungen zeigen, so daf man den Kérper rosenkranzférmig genannt hat, wie Echinorhynchus taenioides Dres., Ech. spira Dies. und Ech. echinodiscus Dies., welche von HAMANN *) eingehend beschrieben sind; bei dieser Art aber sieht man regel- 1) Rapports des animaux myrmécophiles avec les Fourmis, Limoges 1897. 2) Annales Sc. nat., 4. sér. Vol. V, Paris 1856, p. 335—336, pl. VII, fig. 10—15. 8) Atti Soc. Ligust. Sc. natur., Vol. VII, Fasc. 2, Genova 1896, p- 4—6, tab. I, fig. 11—19. 4) Nemathelminthen, II, Jena 1895, S. 3—26, Taf. I—III. 420 v. Linstow, mibige Absatze, welche eine Gliederung vortaéuschen, die am Hinterrande im optischen Liangsschnitt seitlich spitzwinklige Kon- turen zeigen, so dafi der Korper ganz dem einer Tanie gleicht (Fig. 20). Die Lange betragt 36—70 mm, die Breite 0,99—2,37 mm; man zaihlt etwa 70 scheinbare Segmente, die an einer 5 mm grofen Strecke am Kopfende fehlen; ganz hinten werden sie undeutlich, vorn erscheinen die Konturen gesagt wie bei Tanien. Das Rostel- lum ist sehr kurz und schmal und tragt nur 3 Querreihen von je 6 Haken, die 0,27 mm lang sind; der Wurzelast ist kurz und breit und nur wenig linger als der Hakenast (Fig. 21); die Lemnisken sind 2,10 mm lang und 0,27 mm breit; die elliptischen Fier haben eine Lange von 0,078 mm und eine Breite von 0,042 mm; sie besitzen 2 dicke Schalen, von denen die daufere gewellte Langs- linien zeigt (Fig. 22). a Trematoden. Distomum hepaticum ABILD. var. aegyptiaca Looss. 3863. 3864. Aus Ovis aries, Leber, und Bos zebu, Leber. Langenburg am Nyassa-See; 13. III. 98. Diese Varietit ist von Looss') in ausgezeichneter Weise be- schrieben; seine Exemplare waren 25—31 mm lang, wahrend unsere eine Lange von 48 mm bei einer Breite von 10 mm erreichten; die einheimischen Exemplare werden 25—28 mm lang und sind verhaltnismabig breiter. Cestoden. Taenia africana n. sp. 7”), F. 1701. F. 1712. Aus Homo sapiens, Darm. Langenburg am Nyassa-See. Die Traiger dieses Parasiten waren in beiden Fallen Schwarze, Askaris, die vielfach rohes Zebu-Fleisch essen. 1)-Recherches sur la faune parasitaire de l’Egypte, I, Le Caire 1896, p. 33 —36, pl. III, fig. 16, pl. XI, fig. 117—118. 2) Centralblatt fiir Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Bd. XXVIII, 1900, I. Abt., No. 16, S. 485—490, Fig. 1—13. Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 421 Die Gesamtliinge betragt etwa 1275 mm; der Scolex ist 1,38 mm breit, 1,03 mm dick und 0,47 mm lang; er ist schmaler als der auf ihn folgende Proglottidenkérper; die Saugnapfe sind 0,63 mm grof und haben ein kleines, 0,088 mm breites Lumen, dessen Rander rundliche Vorbuchtungen zeigen, von denen radiare Strahlungen nach der Peripherie gehen; ein scheitelstindiger, 5, Saugnapf ist 0,06 mm gro’; eine Hakenbewaffnung fehlt. Alle Proglottiden sing breiter als lang; die GréSenverhaltnisse sind: Linge Breite Dicke dicht hinter dem Scolex 0,16 mm 1,78 mm 0,59 mm vorn il ot 9) duals OS 5 Taka in der Mitte 2 s 7 ne NOOU.S weiter hinten 3 Me 9 reer aha (072 am Ende 7 he, ENE goF | f Volle Geschlechtsreife ist eingetreten in Gliedern, die 2 mm lang und 7 mm breit sind; die Gesamtzahl der Glieder betragt etwa 600, Geschlechtsreife ist beim 150. vorhanden, die letzten enthalten nur den Uterus mit Eiern. Die Geschlechtsétfnungen stehen, unregelmiBig abwechselnd, genau in der Mitte des Pro- glottidenrandes. Die sehr grofen Hauptlingsgefife, von denen jederseits eines vorhanden ist, sind am Hinterende der Proglottiden durch eine Anastomose verbunden, deren Durchmesser einem Drittel des dorsoventralen Glieddurchmessers gleichkommt; die Gefife verlaufen sehr stark geschlingelt, und ihren Windungen folgen jederseits 3 Hauptlingsnerven, von denen der mittlere der eréfere ist und einen halbmondférmigen Querschnitt hat; die Nerven liegen eng an der Aufenwand des GefaBes. Der birnférmige Cirrusbeutel ist 0,44 mm lang und 0,13 mm breit; der in ihm Jiegende Cirrus ist 0,052 mm breit; er macht in der verbreiterten Innenseite des Cirrusbeutels eine Schlinge, und die das Lumen auskleidende Membran traigt nach aufen gerichtete Borsten. Das Vas deferens ist ungemein stark entwickelt; es nimmt 2 des Proglottiden-Querdurchmessers ein und erfiillt die ganze zwischen den Transversalmuskeln liegende Markschicht, die 0,32 mm stark ist, wahrend die von sehr reichen Windungen er- fiillte Schicht von vorn nach hinten 0,09—0,10 mm mift; die sehr zahlreichen rundlichen oder ovalen Hoden messen 0,053— 0,070—0,088—0,114 mm. Der Keimstock besteht aus facherformig liegenden Driisen- schlauchen, welche im Querdurchmesser im 2. und 3. Viertel liegen, von vorn nach hinten aber nur einen schmalen Teil frei lassen; 422 v. Linstow, alle Schliuche strahlen mit dem diinnen, inneren Ende nach der hinten im Gliede in der Mittelachse liegenden Schalendriise zu. Der Dotterstock liegt hinter der letzteren am hinteren Gliedrande und ist von links nach rechts 1,70 mm breit, von vorn nach hinten 0,072 mm lang. Die Vagina ist 0,035 mm breit; dicht hinter dem Genitalsinus ist sie verbreitert; ihr Verlauf ist fast geradlinig von diesem bis zur Schalendriise, und in ihrer ganzen Lange ist die Innenwand mit dicht gestellten, nach aufen ge- richteten Borsten besetzt, die in der erwahnten Erweiterung Querfalten bilden; umgeben ist sie vom Anfang bis zum Ende von einer Schicht kugelférmiger Kerne. Die dickschaligen Eier sind kugelrund und 0,0312—0,0338 mm grof; seltener findet man ovale von 0,0390 mm Lange und 0,0338 mm Breite; die Schale besteht aus radiair gestellten Stabchen und die Haken der Onko- sphare sind 0,0078 mm grof. Der Uterus erscheint bei Quetsch- praparaten dem blofen Auge als einheitliche Masse; er besteht aus einem in der Mittelachse von vorn nach hinten ziehenden Hauptstamm, von dem nach links und rechts 15—20—24 ungeteilte Querstamme ausgehen, die 0,18 mm breit sind und eine groéfere Lange als der Hauptstamm haben. Taenia saginata GOEZE ist mit dieser Art nahe verwandt, unterscheidet sich aber in allen Punkten von ihr. Bei einer mittleren Lange von 4000 mm zahlt man durchschnittlich 1000 Glieder, die in der Mitte quadratisch, dann aber viel langer als breit werden; die letzten sind 3—4mal langer als breit; die Ge- schlechtsreife tritt etwa mit dem 500. Gliede ein und Proglottiden von 3,16 mm Lange und 5,84 mm Breite zeigten noch keine Spur von Geschlechtsorganen; die Geschlechtséffnungen stehen stets hinter der Mitte des Proglottidenrandes. Nach aufen vom Liangs- gefaif verlauft ein Hauptnerv, der rundlich im Querschnitt erscheint und vom Gefaéf durch einen Raum getrennt ist, der 3 des Quer- durchmessers entspricht. Der Scolex ist knopfférmig gegen den Anfang der Proglottidenkette verdickt, und die Saugnapfe haben ein grofes, kreisférmiges Lumen. Die weiblichen Geschlechts- organe liegen im 4. und 5. Fiimftel des Langsdurchmessers der Glieder; die Dotterstécke bilden 2 Halbkugeln, die Vagina hat im Innern keine Borsten; das Vas deferens bildet einen schmalen Strang; die ovalen Kier sind 0,042 mm lang und 0,034 mm breit; der Uterus besteht aus einem mittleren Laingsstamm, von dem nach links und rechts am Ende dichotomisch verzweigte Queraste ausgehen, die so weit voneinander getrennt sind, daf man sie bei Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 423 Quetschpraparaten mit blobem Auge deutlich als gesonderte Aeste erkennen kann; jederseits stehen 20—80 solcher Aeste, und der Hauptstamm ist 5—7mal linger als dieselben. Taenia (Moniezia) amphibia n. sp. Fig. 23 u. 24. 3853. Aus Hippopotamus amphibius, Dinndarm. Dofera am Nyassa-See; 16. V. 97. In dem ganzen, sehr reichen Material findet sich kein einziger Scolex; die innere Organisation aber macht es zweifellos, daf die Art zum Subgenus Moniezia gehért, da sie in allen wesentlichen Punkten vollkommen der gleicht, welche Stites und HassaA.u ') bei Taenia (Moniezia) planissima Sr. und H. und ZcHOKKE ”) bei Taenia (Moniezia) expansa Rup. beschrieben, die auch in pflanzenfressenden Séugetieren leben. Die Lange betragt bis 410 mm, die Breite vorn 0,21, hinten 8 mm; die geschlechtsreifen Glieder sind 5,13 mm breit und 0,03 mm lang; alle sind viel breiter als lang. Die Geschlechtséffnungen stehen doppelseitig am vorderen Drittel des Gliedrandes. Die Cuticula ist 0,0023 mm breit; unter derselben liegt eine diinne Schicht Ring- und Langs- muskeln; als Parenchymmuskeln findet man transversale, welche die Rinden- von der Marksubstanz trennen, nach aufen von diesen longitudinale, die stark entwickelt sind und in Biindeln zusammen- liegen, im Innern dorsoventrale. Jederseits liegen 2 GefaBe, ein grékeres, auferes und ventrales und ein kleineres, inneres, dorsales. Der Hauptlingsnerv ist vom gréferen Gefaf nur durch eine diinne Schicht getrennt. Die subcutane Zellschicht ist 0,010 mm breit; sehr auffallend sind die Kalkkérperchen, die 0,042 mm_ grof, kugelformig und nicht konzentrisch, sondern radiar geschichtet sind; sie sind stark lichtbrechend und farben sich nicht. Der cylindrische Cirrusbeutel (Fig. 23 c) ist 0,26 mm Jang und 0,086 mm breit, der 0,010 mm breite Cirrus ist unbedornt und an einigen Gliedern 0,052 mm weit vorgestreckt; das Vas deferens (Fig. 23 vd) liegt in vielen Schlingen aufgerollt. Die Hoden (Fig. 23h) sind ungemein zahlreich und in der ganzen Mark- substanz da verteilt, wo keine weiblichen Organe liegen, von einem 1) Bulletin No. 4, U. S. Departm. agricult., Bureau of animal industry, Washington 1893, p. 15—22, pl. I, I, fig. 1—6, pl. HL 2) Recherches sur la structure des Cestodes, Geneve 1888, p. 93—114, pl. II, fig. 31—835, pl. III, fig. 36—38. 424 vy. Linstow, Hauptlingsgefa8 zum anderen; sie sind klein und rundlich, 0,012 mm grof. Die weiblichen Organe liegen beiderseits im 1. und 4. Viertel des Querdurchmessers. Die Vagina erweitert sich 0,71 mm vom Rande zu einem 0,31 mm langen und 0,11 mm breiten Recepta- culum seminis (Fig. 237); die tibrigen Organe sind jederseits fast zu einer Kugelform zusammengelagert; zu hinterst liegt der rundliche Dotterstock (Fig. 23d), die Dotterstockszellen sind 0,0047 mm gro; vor ihm liegt die kugelférmige Schalendriise (Fig. 23s), und nach vorn, links und rechts erstrecken sich radiar die Schlauche des Keimstockes, dessen Zellen 0,0078 mm messen (Fig. 23%). Die Eier zeigen eine weit abstehende, membranése Hiille, die 0,075 mm grof ist; im Innern liegt ein sog. birn- formiger Apparat; die Onkosphare ist 0,023 mm grof, deren Haken 0,0104 mm messen (Fig. 24). Taenia (Anoplocephala) spatula n. sp. Fig. 25—28. F. 1792. Aus Heterohyrax mossambica Prrs., Diinndarm. Am Rukwa-See; 18. VI. 99. Die Lange des im vorderen Drittel verbreiterten Kérpers be- tragt 35—44 mm; gleich hinter dem Scolex wachst die Breite und erreicht 9,5 mm, um hinten bis auf 5,5 mm wieder abzu- nehmen (Fig. 25). Der kleine Scolex ist 0,99 mm breit und 0,83 mm dick; die Saugnipfe sind 0,43 mm grof8 (Fig. 28), und Haken fehlen. Die Proglottiden sind sehr kurz, durchschnittlich 0,47 mm lang, und so gleicht die Tanie duferlich einer Schisto- cephalus-Larve aus Gasterosteus. Die Geschlechtséffnungen stehen randstindig und einseitig, dicht hinter der Mitte des Gliedrandes; man zihlt etwa 100 Glieder. An jeder Seite verlauft ein Haupt- langsgefaB $—2 des Querdurchmessers vom Rande_ entfernt (Fig. 27 g); zahlreiche kleinere Gefafe durchziehen in geschlangel- tem Verlaufe die Glieder nach allen Richtungen (Fig. 27 kg), auf einigen Querschnitten sieht man ihrer 25—30; sie gehen von einer Proglottide in die andere iiber und erstrecken sich nach dem Rande bis tiber den Lingsnerven hinaus; das Hauptgefaf (Fig. 26 g) ist kleur und dickwandig und liegt der einen Ké6rperoberfliche niher. Nach aufen von ihm verlaufen jederseits 3 Langsnerven (Fig. 26 ). Unter der Cuticula liegen Ring- und Lingsmuskeln, darunter folgen 2 Liingsmuskellagen, dann Transversal- und endlich / Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 425 Dorsoventralmuskeln. Schon 10 mm vom Kopfende sieht man hervorragende Cirren; sie sind cylindrisch, 0,044 mm breit und treten 0,79 mm weit vor; im Lumen tragen sie Borsten; der Cirrusbeutel nimmt 4+ des Querdurchmessers ein (Fig. 27 ¢); die zahlreichen kleinen Hoden reichen links und rechts bis an die Gefaife und sind 0,052—0,078 mm gro (Fig. 27h). Die Vagina fiihrt in ein sehr langes Receptaculum seminis, das + des Quer- durchmessers einnimmt (Fig. 277); der Keimstock pimmt mit seinen beiden Fliigeln das mittlere Drittel des letzteren ein (Fig. 27k); seine Zellen sind 0,078—0,104 mm gro8; der kleine Dotterstock liegt dahinter (Fig. 27 d) und hat Zellen von 0,052 mm Gréfe. Eier waren noch nicht entwickelt. In Hyrax-Arten sind nicht weniger als 5 Tanien-Arten ge- funden : 1) Taenia (Arhynchotaenia) critica PAGENSTECHER ') ist 40 mm lang und 4 mm breit; die Saugnapfe nehmen 2 des Scolex ein, die Glieder sind viel kiirzer als breit, man zahlt 100—150, die einseitigen Geschlechtséffnungen stehen in der Mitte des Glied- randes ; lebt in Cysten der Leber und in der Gallenblase und ragt mit dem Hinterende in den Darm hinein. 2) Taenia (Arhynchotaenia) Ragazzii Serrr?). Lange 250 mm, Breite 5 mm; der unbewaffnete, fiinfeckige Scolex ist nicht ver- dickt dem folgenden Kérper gegentiber; es sind 400—500 Glieder vorhanden, die kiirzer als breit sind; die Geschlechtséffnungen stehen einseitig; im Darme. 3) Taenia (Anoplocephala) Pagenstecheri Serrr3). Lange 40—70 mm, Breite 3—4 mm, Scolex knopfférmig verdickt, 70—80 Glieder, Geschlechtséfinungen einseitig, am Hinterende der Pro- glottidenrander, Eier in Kapseln; im Darme. 4) Taenia (Anoplocephala) hyracis Rup. var. hepatica Nas- sonow‘). Lange 170 mm, Breite 5 mm, 185—200 Glieder, die kiirzer als breit sind, Scolex birnférmig verdickt; in den Gallen- gangen. 1) Zeitschr.. fiir wissensch. Zoolog., Bd. XXX, 1877, S. 171; Servi, Atti Soc. Ligust. Sc. natur., Vol. II, Genova 1891, p. 6—9, tav. IX, fig. 1—4. 2) ibid., p. 9—11, tav. IX, fig. 5 u. 6. 3) Atti soc. Ligust. Sc. natur. e geogr., Anno VIII, Genova 1897, p. 28—32, tav. IX, fig. 22—26. 4) Endoparasiten aus Hyrax syriacus, Warschau 1897, 8. 201 —211, Taf. I, Fig. 1—3. 426 v. Linstow, Alle diese Arten sind unbewaffnet, bewaffnet aber ist 5) Taenia Paronai Monisez!). Lange 63 mm, Breite 9 mm, Glieder viel kiirzer als breit; am Scolex ein Rostellum mit Haken. Taenia (Drepanidotaenia) parvirostellata n. sp. Fig. 29—831. F, 1593. Aus Eurytomus afer Gmeu., Darm. Langenburg am Nyassa-See; 18. III. 98. Der Korper ist diinn und langgestreckt; die Lange betragt 50 mm, die Breite dicht hinter dem Scolex 0,088, ganz hinten 0,84 mm; ganz vorn sind die Proglottiden 0,018 mm lang, die letzten 0,19 mm, alle sind viel breiter als lang; die Hinterrander iiberragen die Vorderrander der folgenden weit, so da die Kon- turen sageformig sind. Der Scolex ist 0,24 mm breit, und die Saugnapfe messen 0,065 mm, im Scheitel steht ein kleines Rostel- lum mit 8 Haken (Fig. 29), die eine schlanke Form haben und * 0,013 mm lang sind (Fig. 30). Der Querschnitt der Glieder ist eirund; jederseits verlauft ein gréferes, 0,044 mm breites und ein kleineres, 0,014 mm breites Gefif; die Geschlechtséffnungen stehen einseitig im vorderen Viertel des Gliedrandes. Am Hinter- rande der Proglottide liegt der fast kugelf6rmige Dotterstock, da- vor links und rechts die beiden langlich-runden Keimstockfliigel ; in jeder Proglottide liegen 3 grofe Hoden, die ungefahr ebenso groh sind wie die beiden Keimstockhalften; das Receptalum se- minis, in das die Vagina miindet, und der Cirrusbeutel liegen nebeneinander; beide sind sehr grof}§ und ragen weit in die K6rperhalfte hinein, welche den Geschlechtséffnungen entgegen- gesetzt ist. Die 0,052 mm grofen Eier haben eine von der Onkosphire weit abstehende membranése Hille; erstere ist 0,023 mm lang und 0,013 mm breit (Fig. 31). Taenia Leptoptili n. sp. inquir. F. 1807. Aus Leptoptilus comenifer Lrss., Darm. Am Rukwa-See. Ein Exemplar einer scolexlosen, 140 mm langen, vorn 0,12 mm, hinten 1 mm breiten Tanie; die Glieder sind kurz, die letzten sind 0,079 mm lang. 1) Parona, Annal. Mus. civic. Stor. natur. Genova, 2. ser., Vol. II, 1885, p. 431—433, tav. VI, fig. 13; tav. VI, fig. 10—12. Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. 427 Taenia (Anoplocephala) Pagenstecheri Srrrr. F. 1796. Aus Heterohyrax mossambica Prrs., Diinndarm. Am Rukwa-See; 18. VI. 99. Taenia (Anoplocephala) perfoliata Gowzn. F. 1793. F. 1794. Aus Equus Crawshayi Pocock, Colon, Crassum, Regio colialis. Am Rukwa-See; 25. VI. 99. Identisch mit Taenia Zebrae Rupoipat, welcher Name aber, da er nur ein provisorischer ist, nicht an die Stelle von Taenia perfoliata zu setzen ist. Taenia Linstowi Parona. F. 1795. Aus Numida Rikwae Rcnw. Am Rukwa-See; 26. V. 99. Cysticercus Clariae n. sp. Fig. 32 —34., F, 1596. F. 1710. Aus Clarias spec.?. Wiedhafen am Nyassa- See; 3. III. 99. Merkwiirdige gestielte Cysten an der AuSenwand des Darmes eines Welses (Fig. 82); die Cysten sind mit dem Stiele 2,23 mm lang, die Cysten selber sind bis 0,81 mm grof; in ihnen liegt ein birnférmiger Cysticercus (Fig. 33); der Scolex hat 4 Saugnipfe und kein Rostellum; in der Scheitelgegend bemerkt man einen vierstrahligen, verdstelten Spalt (Fig. 34). Duthiersia fimbriata Dins. 3851. 3852. F. 1713. Aus Varanus albigularis Daup., Darm, und Varanus spec? Langenburg am Nyassa-See; 4. I. 98; ILL. 98. Pentastomen. Porocephalus gracilis Dirs. F. 1711. F. 1719. F. 1720. Aus Pelotrophus microlepis GunTu., Bagrus spec.? und Muraena spec. ?, periésophageales Ge- webe, Darmwand, Mesenterium. Langenburg am Nyassa-See, Kivira-Flu8; 22. II. 99. Porocephalus spec. ? F. 1812. Aus Clarias spec.?, Leibeshéhle. Rukwa-See; 26. VI. 99. Bd, XXXV. N. F. XXVIII 98 428 v. Linstow, Helminthen von den Ufern des Nyassa-Sees. Erklirung der Abbildungen. ¢ Cirrusbeutel, + Receptaculum seminis, vd Vas deferens, h Hoden, k Keimstock, d Dotterstock, s Schalendriise, g Gefa8, kg kleines Gefa8. Tafel XiliiIound XLV: Fig. 1 u. 2. Strongylus brachylaimus. Fig. 1 Kopfende; Fig. 2 mannliches Schwanzende. Fig. 3. Filaria bicoronata, Kopfende. Fig. 4 u. 5. Filaria acetabulata. Fig. 4 Kopfende; Fig. 5 miannliches Schwanzende. Fig. 6. Spiroptera Nyctinomi. Fig. 7. Heterakis recurvata, mannliches Schwanzende. Fig. 8 u. 9. Heterakis cristata. Fig. 8 Kopfende; Fig. 9 minnliches Schwanzende. Fig. 10 u. 11. Dispharagus invaginatus. Fig. 10 Nackenpapille; Fig. 11 weibliches Schwanzende. Fig. 12 u. 13. Oxyuris tenicauda. Fig. 12 Mundéffnung; Fig. 13 Ei. Fig. 14. Oxysoma acuticauda, mannliches Schwanzende. Fig. 15. Oxysoma tricirratum, mainnliches Schwanzende. Fig. 16—19. Cuticularbildung von: Fig. 16 Chordodes capil- latus; Fig. 17 Ch. tuberculatus; Fig. 18 Ch. digitatus; Fig. 19 Ch. echinatus. Fig. 20—22. Echinorhynchus taeniatus. Fig. 20 Tier in natiir- licher Gréfe; Fig. 21 Haken; Fig. 22 Ei. Fig. 23 u. 24. Taenia (Moniezia) amphibia. Fig. 23 Flachen- schnitt einer Proglottide; Fig. 24 Ei. Fig. 25—28. Taenia (Anoplocephala) spatula. Fig. 25 Tier in natiirlicher Gréfe; Fig. 26 Randteil eines Querschnittes; Fig. 27 Flachenschnitt einer Proglottide; Fig. 28 Scolex von der Scheitelflache. Fig. 29—831. 'Taenia (Drepanidotaenia) parvirostellata. Fig. 29 Scolex; Fig. 30 Haken; Fig. 31 Ei. Fig. 32—34, Cysticercus Clariae. Fig. 32 Darm von Clarias mit den gestielten Cysten; Fig. 33 eine Cyste mit Stiel, vergréSert; Fig. 34 Scolex von der Scheitelflache. Fig. A—EH. Spinifer Fiilleborni. A das ganze Tier; B Kopf- ende; C Schwanzende; D Stachel; E Querschnitt durch die Oeso- phagusgegend. ¢ Cuticula, m Muskeln, 6 Oesophagus, hintere Halfte, f Fettkiigelchen, d Dorsal-, vy Ventral-, vl Ventrolateralwulst. Beitrage zur mineralogischen Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. Von Agnes Kelly. Mit Taf. XV und 2 Figuren im Text. Hinleitung. Die vorliegende Arbeit wurde in der Absicht unternommen, zu priifen, aus welchen Mineralsubstanzen und Mineralformen tierische Schalen bestehen, und daraus Schliisse zu ziehen auf den Krystallisationsvorgang, somit auf die Physiologie der Schalen- bildung. Es wurde angenommen, daf, ahnlich wie der Petrograph durch die Untersuchung von Gesteinsschliffen zu Folgerungen tiber die Verhaltnisse bei der Gesteinsbildung gelangt, durch das Stu- dium von Schalenschliffen einiges Licht auf die Schalenbildung geworfen werden kénnte. Bei Schalen wird die Sache sehr ver- einfacht durch die Thatsache, dal sie aus fast reinem Calcium- karbonat, allerdings mit einer Beimengung von ungefahr 3 Proz. organischer Substanz, aber nur mit Spuren anderer mineralischer Stoffe bestehen. Natiirlich war bei einer solchen Untersuchung durchaus not- wendig, zunichst Kenntnis tiber die beim Calciumkarbonat még- lichen krystallisierten Modifikationen und deren Verbreitung in den mannigfaltigen tierischen Ausscheidungen zu erlangen, und Nachforschungen hinsichtlich dieser beiden Fragen bilden den Gegenstand vorliegender Arbeit. Die Bedingungen bei der Ent- stehung der verschiedenen Modifikationen des Calciumkarbonats und die Gesetzmafigkeiten ihrer Verbreitung sind zu wenig be- kannt, um daraus zur Zeit befriedigende Schltisse auf die Phy- siologie der Schalenbildung ziehen zu kénnen. Beim Calciumkarbonat kommen in Betracht: 1) Calcit. Kann krystallisieren bei gewéhnlichen Tempera- turen sowohl, als bei Temperaturen bis jedenfalls 100° C; be- 28* 430 Agnes Kelly, deutend schwerer léslich als Aragonit, beim Erhitzen bis tber 400° C beginnt CO, zu entweichen; sonst findet keine Ver- iinderung statt. Specifisches Gewicht 2,715, Harte 3. System rhomboédrisch, Spaltbarkeit nach den Rhomboéder- flachen R.; Zwillingslamellierung nach —!/, R; optischer Cha- rakter einachsig negativ; ¢, — 1,4863; wo, = 1,6985; w—e =e, 2) Aragonit. Auskrystallisieren aus Lésungen bei ge- wohnlicher Temperatur ist bis jetzt nicht einwandfrei nachgewiesen. Leichter léslich als Calcit (Footer 1900). Wandelt sich bei ca. 405° in Calcit um. Specifisches Gewicht 2,945, Hiirte 4. System orthorhombisch; Spaltbarkeit unvollkommen; op- tischer Charakter zweiachsig negativ; Achsenwinkel 31°; a, = 1,5331; 8, = 1,6816; y, = 1,6859; y—a = 0,156. 3) Ktypeit. Krystallisiert aus heien Quellen, wird beim Erhitzen in Calcit umgewandelt. Specifisches Gewicht 2,58—2,70. Optischer Charakter einachsig positiv. Doppelbrechung niedrig, 0,020 (Lacrorx 1898). 4) Conchit. Eine neue Form des CaCO,, bildet meistens den mineralischen Bestandteil der Schalen, daher der Name (xoyxy == Schale) (KELLY 1900). Eine Beschreibung seiner Eigenschaften bildet einen der Abschnitte dieser Abhandlung. In Ktiirze sollen sie nachstehend aufgezihlt werden: Krystallisiert aus Loésungen bei 30°—100° C, wahrscheinlich leichter léslich als Calcit, wandelt sich bei ca. 305° C in Calcit um. Specifisches Gewicht 2,87. Bedeutend harter als Calcit, Spaltbarkeit unsicher, optischer Charakter einachsig negativ; ¢, — 1,523, w, = 1,662, w—e == 0,139. 5) Amorphes Calciumkarbonat. Die Verhaltnisse, unter welchen dasselbe im Tierreiche gelegentlich vorkommt, er- méglichten das Studium seiner Eigenschaften. Die Beschreibung der letzteren ist in einem der folgenden Abschnitte enthalten. Nachstehend eine Aufzihlung derselben: Ausgefallt bei gewébn- licher Temperatur aus Lésungen von Calciumsalzen durch Kar- bonate, wird nachtraglich krystallinisch. In trockenem Zustande wird es bei 160°—170° C krystallinisch. Specifisches Gewicht niedrig, wahrscheinlich ca. 2,1. Brechungsindex fiir D 1,538 oder niedriger. | Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 481 Geschichtliches. Die mineralogische Zusammensetzung der Schalen wurde durch Zoologen und Mineralogen in der ersten und zu Anfang der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts wiederholt zum Gegenstand von Untersuchungen gewablt. Bournon (1808) erérterte in seinem ,,Traité complet de la chaux carbonatée et de laragonite’ ziemlich ausfiihrlich die mine- ralogische Struktur der Schalen. Er beabsichtigte zu zeigen, da8 Schalen einfach krystallinisches CaCO, waren, durchaus analog dem unorganischen CaCO,. Sie enthalten allerdings etwas organische Substanz, bestehen aber der Hauptsache nach aus einer ziemlich reinen Varietiét von CaCO,. Beim Zerschlagen der Schale von Strombus gigas erhielt er Bruchstiicke, an denen er die Winkel des Kalkspat-Rhomboéders zu finden glaubte. Er ermittelte das specifische Gewicht der Schalen von 9 Species und erhielt als mittleren Wert 2,7791, die Grenzwerte betrugen ungefahr 2,7 und 2.8. Die Hirte fand er auch betriachtlich grofer als beim Kalk- spat, aber er nimmt an, daf die Struktur die héheren Werte von Harte und specifischem Gewicht erklirlich macht. In der Prismen- schicht von Pinna beschreibt er Winkel von 120° in Quer- schliffen der Prismen. Hesse (1826) fand, da’ fossile Echinodermenstacheln aus Kalkspat bestinden und daf die morphologische Achse der Stacheln parallel zur Hauptachse des Krystalls liege. von Bucu (1828) gab an, daf sowohl recente als fossile Austern die Spaltbarkeit des Kalkspates zeigten. DE LA Bkcue (1834) veréffentlichte in seinen ,,Researches on Theoretical Geology‘ 27 Bestimmungen des specifischen Ge- wichtes verschiedener Schalen; davon waren nur 6 unter 2,71, welchen Wert er fiir Kalkspat angiebt, wahrend 16 ein specifisches Gewicht iiber 2,80 besafen. NECKER (1839) stellte fest, daf Mollusken- und RankenfiiSler- schalen Kalkspat ritzen, woraus er folgerte, daf sie nicht aus Kalkspat, sondern aus Aragonit bestiinden. Allein die Richtung, in welcher die Ritzung stattfindet, ist nicht angegeben, somit haben jene Angaben geringeren Wert. Lrypour (1856) machte eine Reihe von Beobachtungen im konvergenten polarisierten Lichte und fand, dal die Stacheln von 432 Agnes Kelly, Cidaris optisch einachsig sind, auch Ostrea und viele Muschel- schalen, ebenso Ammoniten. Dagegen war Meleagrina margaritifera zweiachsig. Ferner stellte er Versuche mittelst Aetzfiguren an und erhielt an den Prismen von Pinna Dreiecke, welche deren Calcitcharakter beweisen; an Perlmutterschichten erhielt er Sechsecke, welche ihm auf Aragonit zu deuten schienen. Er kam zu dem Schlusse, daf alle Skelettstrukturen im Tierreiche krystallinisch waren, und zwar entweder Calcit oder Aragonit. Einige Ausscheidungen waren nur Calcit, z. B. Cidaris und einige Muscheln, einige nur Aragonit, z. B. Meleagrina, andere Calcif neben Aragonit, z. B. Pinna. Ferner giebt er an, daB die Oberflaiche der Muschelschalen senkrecht zur Hauptachse sei. G. Ros (1858) ging etwas tiber Leypour’s Untersuchungen hinaus, indem er sowohl Harte und specifisches Gewicht, als auch die Form der Nadeln in Betracht zog. Bei der Vergleichung der Harte einer Schale mit Kalkspat legt er dar, daf die Richtung, in der man am Kalkspatkrystall ritzt, angegeben werden muf. Die Ergebnisse aller seiner Beebachtungen fiihren ihn zu dem Schlusse, daB Pinna, Mytilus, Unio und Anodon aus Calcit und Aragonit bestehen, Ostrea, Pecten und Spondylus nur aus Calcit, Strombus, Paludina und wahrscheinlich alle Schnecken, ferner Pectunculus und Arca nur aus Aragonit bestehen. Sorpy (1879) ging von der Ueberlegung aus, daf das speci- fische Gewicht die besten Anhaltspunkte fiir die mineralogische Struktur der tierischen Schalen gabe. Er bestimmte in sehr zahl- réichen Fallen das specifische Gewicht, und darauf und auf die Harte griindete er seine Ansichten iiber die Verbreitung von Calcit und Aragonit. Er stellte keine gréBere Reihe optischer Beobach- tungen an, weil er annahm, da die Krystallstruktur der Schalen selten einheitlich genug sei, um eine Interferenzfigur zu geben. In der Perlmutterschicht beobachtete er ein zweiachsiges Achsen- bild und schloB daraus, daf sie Aragonit sei. Das Vorkommen von Calcit und Aragonit folgt nachstehend in aller Kiirze nach seinen Angaben : Foraminifera, Calcit, daneben kann etwas Aragonit sein. Alcyonaria, Calcit, wahrscheinlich mit etwas Aragonit. Madreporaria, Aragonit. Echinodermata, Calcit. Polyzoa, Calcit und Aragonit. Annelida, wahrscheinlich Calcit. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 433 Crustacea, wahrscheinlich Calcit, Cirripedia aber wahr- scheinlich Calcit und Aragonit. Brachiopoda, Calcit. Cephalopoda, Aragonit. Gastropoda, meist Aragonit, Patella ist Calcit. Lamellibranchiata, meist Aragonit, Ostrea und Pecten Calcit, Pinna, Mytilus und Spondylus Calcit und Aragonit. Sorsy zeigt ferner, dafi die Schalen, deren Substanz er fiir Calcit halt, viel stabiler sind als diejenigen, in denen er Aragonit annimmt. Die ersteren zeigen in den altesten Formationen ihre urspriingliche Struktur erhalten, waihrend die letzteren, ausge- nommen in den jiingsten Lagerstitten, entweder als Steinkern oder giinzlich verandert gefunden werden. VON GUMBEL (1884) und CornisH und KENDALL (1888) zeigten, dafi es unmoglich sei, zweierlei Klassen von Schalen nach ihrer Lésungsgeschwindigkeit zu unterscheiden; bei Gelegenheit von Versuchen mit Calcit, Aragonit und tierischen Schalen fanden sie, daf die Beschaffenheit der Aggregate stets den groéften Einflug haben mite. Cornish und KENDALL (1883) wandten ihr Augen- merk auf die in den Coralline Crag enthaltenen Fossilien, teils Schalen, teils Steinkerne. Die als Schalen erhaltenen Vorkommnisse stimmen, der Hauptsache nach, mit den Schalen itiberein, welche Sorsy fiir Calcit halt, die Steinkerne hingegen mit den fiir Ara- gonit angesehenen. Der specielle Fall von Kalkschwammnadelchen ist sehr griindlich bearbeitet worden. SoLuas (1885) leitete aus dem specifischen Gewicht 2,62 und den Brechungsindices, welche er folgendermafen bestimmte: ¢ = 1,485 und w = 1,650, die An- schauung ab, daf’ die Nadelchen Kalkspat sein mif£ten. 1886 zeigte er ferner, daf in einer Lésung von doppelkohlensaurem Kalk parallele Fortwachsung stattfand. von EBNer (1887) erhielt exaktere Werte fiir die Brechungsindices der Schwammnadelchen, und mittelst Aetzfiguren zeigte er, dal} jedes Nadelchen ein Calcit- individuum sei. Er beobachtete auch, dafi das Achsenbild negativ und einachsig sei. Bipper (1898) machte eine Reihe von Beob- achtungen iiber die Achsenbilder von Schwammnadelchen und fand dabei stets Uebereinstimmung mit Kalkspat. Von Echinodermen erhielt v. EBNER (1887) in Skelett- praparaten aus allen Klassen Achsenbilder und an den Stacheln von Ophiothrix fragilis Aetzfiguren, welche dem Calcit ent- sprachen. 434 Agnes Kelly, H. A. Merrs giebt in einer durch Woopwarp (1892) heraus- gegebenen Schrift einen Bericht tiber die Priifung von Nadeln, welche den Callus von Velates conoideus, einer fossilen Neritide, bilden. Das specifische Gewicht war héher als bei Calcit. Die mikroskopische Untersuchung zeigte, da8 einige Teilchen un- zweifelhaft Calcit waren, sowohl hinsichtlich der Zwillingslamel- lierung, als auch im optischen Charakter, aber ein Teil des Pulvers schien ihm mehr Aragonit zu sein, kleine zerknickte Faserchen mit gerader Ausléschung, ohne Spaltbarkeit und mit der Doppel- brechung des Aragonits. ° Gang der Untersuchung. Um neues Licht in die Frage nach dem mineralogischer Charakter tierischer Schalen zu bringen, gab es nur einen Weg, die Anwendung neuer Methoden; davon kamen besonders die optischen in Betracht, die sich seit der Zeit der meisten friiheren Untersuchungen sehr vervollkommnet haben. Zuerst wurde eine einfache Priifung unter dem Polarisationsmikroskop vorgenommen, und diese bestatigte das schon von Leypotr und Sorsy festge- stellte allgemeine Resultat hinsichtlich der Anordnung der Krystalle in tierischen Schalen, namlich da’ die Hauptachsen der Krystalle fast immer mehr oder weniger parallel zu einander und senkrecht zu der Oberflache der Ausscheidung stehen. In Globigerina- und anderen Foraminiferenschalen hatten Sorsy und vy. Espner konstatiert, da jede Kammer sich wie ein Spharolith verhielt und im parallelen polarisierten Lichte das charakteristische schwarze Kreuz und Farbenringe gabe. Daher miissen die Lingsachsen aller Krystallindividuen einer jeden Kammer normal zur Ober- flache stehen, wie in einem Spharolith. Ich konnte dhnliche schwarze Kreuze auch in folgenden kompletten Schalen sehen, nimlich in Foraminifera perforata, in Cypris, in den Glochidien von Anodonta, in Embryonen von Ianthina com- munis und in verschiedenen transparenten Lamellibranchiaten- und Gastropodenschalen. Isolierte Bruchstiicke der oben genannten Schalen gaben im konvergenten polarisierten Lichte ein Achsen- bild in der Mitte des Gesichtsfeldes, ein weiterer Beweis dafiir, daf die Hauptachsen der Krystalle normal zur Oberflache ge- richtet sind. Dies fiihrte zu der Idee, da’ Tangentialschliffe von Schalen, insbesondere von Weichtierschalen, auch Interferenzbilder Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 435 im konvergenten, polarisierten Lichte geben wiirden, und daB&B durch das Studium derselben mit Sicherheit festgestellt werden kénnte, ob die Schalen Calcit oder Aragonit oder vielleicht auch Ktypeit sind. So viele Tangentialschliffe von Schalen, die Ver- tretern aller Tierklassen entnommen waren, auch gepriift wurden, so ergaben sich nur in verhaltnismaifig wenig Fallen Schwierig- keiten, wenn es galt, Interferenzfiguren zu erhalten; z. B. war bei einigen Weichtieren der Parallelismus der Nadeleben nur annahernd, bei einigen Krustentieren fand sich iiberhaupt sehr wenig Calcium- karbonat, und bei einigen Korallen waren die Nadelchen sehr klein, dabei die Sekretionsoberflache sehr unregelmaBig; aber auch in diesen Fallen gelangte ich schlieSlich zum Ziele, und fast bei allen beobachteten Arten sah ich zuletzt an irgendwelchen Stellen Interferenzfiguren. Keine dieser Interferenzfiguren schien zu Ara- gonit zu passen und einen optischen Winkel von 31° zu haben. Alle waren negativ und die meisten einachsig; eine ziemliche Anzahl von Préparaten aus der Innenschicht von Muschelschalen war Jedoch schwach zweiachsig mit einem Achsenwinkel selten iiber 10°; dieser hatte jedoch keinerlei konstanten Wert. Uebrigens ist das eine nicht ungewdhnliche Erscheinung bei einachsigen Mineralien. Wo eine Lamellarstruktur vorkommt, z. B. in der Perlmutterschicht von Pinna und Anodonta, konnte eine einachsige Interferenzfigur immerhin auf Aragonit hindeuten, wenn man an- nimmt, daf die Achsenebene in einer Halfte der Lamellen senk- renkt zur Achsenebene der anderen Hialfte steht, wobei die erste Medianebene normal zur Oberfliche liegt. Bekanntlich kann ein- achsiger Glimmer kiinstlich hervorgebracht werden durch Auf- einanderlegen zweier Systeme gleich dicker Lamellen zweiachsigen Glimmers, wenn die Achsenebenen in den zwei Systemen recht- winklig zu einander gestellt werden. Nun gab aber ein einziges Prisma aus der du8ersten Schichte von Pandorina inaequi- valvis, welche aus diinnen parallelen Prismen bestand, ein ein- achsiges Achsenbild, welches nicht auf Aragonit bezogen werden konnte. Demgema8 schien zuerst die einzige Alternative tbrig zu bleiben, da8 alle Kalksekretionen im Tierreiche Calcit und zwar ausschlieSlich Calcit sein michten. Dagegen sprach jedoch die Thatsache des hohen specifischen Gewichtes fast aller Weichtier- schalen. Unter 27 Arten fand pe LA Bkcue nur 6 leichter als Calcit, von den iibrigen waren viele sehr erheblich schwerer. Bei meinen eigenen Bestimmungen an recenten Schalen waren von 436 Agnes Kelly, 38 Muschelschalen nur 6 so leicht oder leichter als Calcit, von 25 Schneckenschalen waren 2 leichter als Calcit, die meisten waren sehr erheblich schwerer. Daf das hohe specifische Gewicht nicht etwa auf eine Beimischung einer von Calciumkarbonat verschie- - denen chemischen Verbindung zuriickzufiihren ist, ergiebt sich aus folgenden Betrachtungen: 1) Analysen: Cardium edule erwies sich als so gut wie reines Calciumkarbonat mit einer kleinen Beimengung organischer Substanz. Das Mittel aus 2 quantitativen Analysen ergab: CO, = 42,45 Proz. CaQi—154,6305;, 97,08 Proz. Der Prozentgehalt an CaO wurde bestimmt durch Lésung der Schale in Saure, Fallung mittelst Ammoniumoxalat bei Gegenwart yon Ammoniumchlorid und Ammoniak, Auswaschen des so er- haltenen Calciumoxalats und Gliihen zu 54,64, wahrend der Pro- zentgebalt an Asche, durch einfaches Glihen der Schale bestimmt, — 54,62 gefunden wurde. Demnach kann die Schale als einzigen nicht fliichtigen Bestandteil nur CaO haben. An flichtigen Sub- stanzen mit hdherem specifischen Gewicht als 2,72 giebt es nur organische Halogenverbindungen, und durch kein Verfahren konnte etwas anderes erreicht werden als der sehr zweifelhafte Nachweis minimaler Spuren eines vorhandenen Chlorids. 2) Verhalten beim Erhitzen. Durch mehrstiindiges Er- hitzen auf 305° und dariiber sinken die specifischen Gewichte von Cardium- und Strombus-Schalen yon 2,803 bezw. 2,792 auf etwas weniger als 2,715 herab. Die nichste Beobachtungsreihe bestand in Messungen der Brechungsindices. Da die optische Achse meistens genau senk- recht zur Wachstumsoberfliche steht, war es méglich, auf einer polierten Tangentialfliche die Brechung des ordentlichen und auSerordentlichen Strahles durch die Methode der Totalreflexion yon WoLLASTON zu messen. Bei Strombus wurde fiir den ordent- lichen Strahl als Mittelwert 1,661, fiir den auSerordentlichen Strahl 1,523 erhalten. Aehnliche Resultate wurden gewonnen fiir Cy- rena, Mactra stultorum und die Perlmutterschichten von Anodonta, Pinna und Nautilus, wahrend die Prismen- schicht von Pinna und die Aufenschicht von StraufSeneierschalen Werte ergaben, die gut mit denen des Calcits tibereinstimmten. Dies fiihrte bereits zu der Idee, da% dabei ein neues Mineral beteiligt sein kénnte, aber es bestand das Gefiihl, dafi man mit Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 437 den an solchen Oberflichen bestimmten Werten der Brechungs- indices keine einwandsfreien Resultate bekommen kénnte, weil die Unebenheit der Oberflaiche, die Gegenwart organischer Substanz und der Mangel an absolutem Parallelismus unter den Krystall- individuen stérend gewirkt haben konnten. Deshalb wurde eine grofe Anzahl von Bestimmungen des ordentlichen und auferordentlichen Strahles unter dem Mikroskop mit einem Nicol mittelst THouLErT’scher Lisungen vorgenommen, deren Brechungsindices bestimmt werden konnten. Die besten Werte (@ = 1,661 und ¢« = 1,524) wurden erhalten fir die diinnen Prismen von Pandorina, welche genau parallel zur optischen Achse sind. Durch direkte Vergleichung mit Aragonit- nadeln konnte bestimmt werden, dafi die Abweichung zwischen ¢ fiir das vorliegende Mineral und q@ fiir Aragonit gréfer, sowie die Abweichung zwischen w fiir die Substanz und / oder y fiir Aragonit sehr betrachtlich gréBer war als die Fehlergrenze bei der Bestimmung. AuSerdem hatten die Prismen ein specifisches Gewicht von 2,84, und beim Erhitzen auf 305°, nicht auf 405 °, wie es bei Aragonit der Fall ist, wurden sie zu Calcit mit einem specifischen Gewicht von 2,715. Daraus konnte kein anderer SchluS gezogen werden, als dah wir eS mit einer neuen Mineralsubstanz zu thun haben, und aus der wesentlichen Uebereinstimmung der Indices und der speci- fischen Gewichte, sowohl als aller anderen Eigenschaften, wurde geschlossen, dai Strombus, Cyrena, Pandorina und fast alle tibrigen Molluskenschalen aus diesem neuen Mineral bestehen. AuSerdem wurde gefunden, dafi die Nadelchen, welche verschiedene, friiher fiir Aragonit gehaltene Aggregate zusammensetzen, einachsige Achsenbilder geben und in allen ihren Eigenschaften den Krystallen von Pandorina entsprechen. Vorliegende Arbeit wurde begonnen im Zoological Department des University College London und vollendet im zoologischen und im mineralogischen Institut der Universitat Miinchen. Ich bin sowohl den Herren Professoren der genannten Institute, Prof. Wewtpon, Prof. Herrwia und Prof. Grotu, als den folgenden Herren, welche mir bei meiner Arbeit behilflich waren, namlich Dr. FowLer, Dr. Travers, Dr. Porter, Dr. WEINSCHENK, Dr. Mureoct, Herrn W. J. Pore und schlieflich fiir die Uebersetzung meines englisch geschriebenen Manuskriptes ins Deutsche Herrn Reallehrer Ditu zu grofem Danke verpflichtet und méchte dies hier zum Ausdruck gebracht haben. 438 Agnes Kelly, Conehit. Die Eigenschaften dieses Minerals wurden zum Teil an natiir- lichen Vorkommnissen, zum Teil an dem in Schalen gefundenen Conchit festgestellt, je nach dem jeweils vorliegenden brauchbaren. Materiale. Der gréf%te Uebelstand bei allen Bestimmungen war die Unméglichkeit, Conchitkrystalle von wiinschenswerter Gréfe zu erhalten; alle Beobachtungen muften entweder an mehr oder weniger kompakten Krystallaggregaten vorgenommen werden, deren Orientierung mehr oder weniger deutlich war, oder an sehr kleinen Nadelchen. Deshalb konnten die meisten Eigenschaften nur mit annihernder Genauigkeit ermittelt werden. Chemische Zusammensetzung des Conchits. Kine Anzahl von Schalen, die nachgewiesenermawen aus Conchit be- standen, wurden qualitativ und quantitativ analysiert. Im all- gemeinen bestanden sie, abgesehen von den stets vorhandenen 29—6 Proz. organischer Substanz, aus sehr reinem CaCO,;. Spuren. von Phosphaten oder Magnesium bildeten die haufigste Verun- reinigung; in Cardium edule konnte ich weder Phosphate, noch Magnesium nachweisen. Kaum nachweisbare Spuren von NaCl bildeten hier die einzige Verunreinigung. Die Analyse ergab: CO, = 42,45 Proz. CaOy= 54/63) 5, 97,08 Proz. Der Rest von 2,92 Proz. war organische Substanz und_ vielleicht auch etwas Wasser. Bei anderen Schalen, in denen auch nur CaCO, und organische Substanz gefunden worden waren, wurde CaO durch Gliihen be- stimmt und daraus das CaCO, berechnet. Cyrena z. B. gab 97,2 Proz. CaCO,, bei Nautilus wurde im Auferen Teile der Schale 94,75 Proz., im Septum 95,96 Proz. CaCO, gefunden. Von dem mineralisch vorkommenden Conchit wurde keine quantitative Analyse ausgefiihrt. Derselbe bestand nach quali- tativer Priifung fast ausschlieBlich aus CaCO,. In Kesselsteinen fanden sich geringe Spuren von Eisen; Sprudelstein von Karlsbad war ganz frei von Kisen. Entstehung des Conchits. Es waren noch die Be- dingungen, unter denen Conchit aus Lésungen auskrystallisiert, festzustellen; wie einige gelegentliche Beobachtungen zeigten, spielt die Temperatur eine bedeutsame Rolle. Eine im Jahre 1900 Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 4839 gebildete Inkrustation aus Karlsbad, welche bei 70° ausgeschieden wurde, war zweifellos Conchit. Eine direkte Bestimmung der Brechungsindices ergab ¢ = 1,522 und w = 1,661. In dem Wasser- destillierapparat des mineralogischen Laboratoriums in Miinchen zeigte sich die von Leitungswasser von gewohnlicher Temperatur umgebene Kiihlschlange mit Krusten bedeckt, die aus CaCO, mit geringen Spuren von Eisen bestehen. Am oberen Ende, wo die Kihlschlange sich heifi anfiihlte, fand sich ein reichlicher Krusten- ansatz, das untere kalte Ende war so gut wie frei von Krusten- bildung. Es wurden Proben solcher Ansatze der Reihe nach von oben nach unten entnommen und untersucht. Proben vom oberen Ende erwiesen sich durch ihr hohes specifisches Gewicht (= 2,85), durch ihre Brechungsindices und durch ihr ganzes Aussehen als reiner Conchit. Proben von der Mitte der Ktihlschlange, wo die Temperatur ziemlich niedrig gewesen sein muf, waren gleichfalls Conchit; die untersten Krustenbildungen bestehen jedoch aus einem Gemenge von Conchit und Calcit, welch letzterer durch die Spaltbarkeit und Zwil- lingslamellierung kenntlich war. Krusten in Miinchener Wasser- badern bestanden ebenfalls aus Conchit mit etwas Calcit. Conchit- nadelchen wurden nachgewiesen an der Oberflache verdampfenden Leitungswassers bei 85°—100°. Aus einer konzentrierten Lésung von doppeltkohlensaurem Kalk bekam ich durch Verdunstung bei gewohnlichen Temperaturen nur Calcit, aber schon bei 30° ein Gemisch von Calcit und Conchit, von 30°—100° ebenfalls Conchit und Calcit, obgleich bei 100° sehr viel Conchit und sehr wenig Calcit zu erhalten war. Daraus geht deutlich hervor, da8 erhéhte Tempe- ratur die Conchitbildung begiinstigt, obgleich sie nicht immer von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Im Tierreiche z. B. ist der Einflu8 der Temperatur nicht zu spiiren, die Ausscheidungen bei gewohnlicher Temperatur sind meistens Conchit (Korallen, Mollusken), wahrend in den Vogeleierschalen, welche in den Ei- leitern bei ungefahr 37° ausgeschieden sein miissen, nur Calcit vorkommt. Obwohl ich wie Vater (1894 und 1895) bei meinen Versuchen nur Calcit bei gew6hnlicher Temperatur fand, so beweist doch das Vorkommnis von Molluskenschalen aus. Conchit, da seine Entstehung bei solchen Temperaturen méglich ist. Da die Temperaturen bei der Ausscheidung des Conchits genau dieselben sind, welche G. Ross (1860) fiir Aragonit angegeben hat, scheint es mir wahrscheinlich, daf er Conchitnadelchen fiir Ara- gonit gehalten hat; er deutete nimlich ganz allgemein das Vor- kommen von prismatischen oder nadelf6rmigen Calciumkarbonat- 440 Agnes Kelly, Krystallen auf Aragonit, wihrend doch Conchit gerade wie Aragonit in der Form von Prismen oder Nadeln vorkommt. Da8 der Nieder- schlag von CaCO, aus heien Lésungen von CaCl, und Na,CO,, oder (NH,), CO, Aragonit und nicht Conchit ist, ergiebt sich aus der Léslichkeit. Aragonit fand ich sowohl bei ungefihr 100° wie auch bei 168° C (im Kessel bei 7,5 Atm. Druck) aus Leitungs- wasser ausgeschieden. Die Konzentration der natirlichen Wasser, aus welchen CaCO; ausgeschieden wurde, scheint méglicherweise Einfluf auf die ent- stehende Modifikation zu haben. Ich fand, da’ Ablagerungen in gewohnlichen Kesseln aus London, Rugby und Oxford, wo das Wasser verhaltnismafig wenig Calciumbikarbonat enthielt, Calcit waren, wihrend ahnliche Ablagerungen aus dem sehr kalkhaltigen Wasser aus Miinchen wie auch die Ablagerungen aus Karlsbader Wasser Conchit waren. Da Conchit aller Wahrscheinlichkeit nach darin dem Aragonit gleicht, dafs er eine gréfere Loslichkeit hat und folglich weniger stabil ist als Calcit, werden wohl die Ausscheidungen aus Lésun- gen yon Aragonit oder Conchit statt der stabileren Form Calcit weitere Beispiele fiir OSTwALp’s (1896) Regel sein, daf beim Ver- lassen irgend eines Zustandes und dem Uebergange in einem sta- bileren nicht der unter den vorhandenen Verhialtnissen stabilste aufgesucht wird, sondern der nachstliegende. Lésungsgeschwindigkeit. von Gtmpen (1884) be- stimmte den Gewichtsverlust mehrerer Varietaiten des Calcium- karbonates in Wasser, durch welches 2 Monate lang ein konti- puierlicher Strom von CO, geleitet wurde. Die Abnahme in Gewichtsprozenten war: Bei Schalen, die nachweisbar Conchit sind, 0,41—2,75, bei Calcit in verschiedenen Aggregatzustainden 0,033—1,90, bei Ara- gonit in grobfaseriger Form 0,111. Er schlieft daraus, daf die Loéslichkeit in erster Linie abhangt von der Beschaffenheit des Ageregats und nur nebenher von der Krystallform des Calcium- karbonats. CorNnisH und KeENbDALL stellten 1888 ahnliche Ver- suche mit Schalen an und gelangten zu ahnlichen Ergebnissen, namlich daf reiner krystallinischer Calcit und Aragonit sich als feines Pulver mit annahernd der gleichen Geschwindigkeit auf- lésen, desgleichen Calcitschalen und Schalen, welche ich jetzt als Conchit festgestellt habe, wenn sie gleichfalls fein gepulvert sind. Dagegen, wenn Pecten opercularis (Calcit) und Pectun- culus glycemeris (Conchit) in Wasser suspendiert wurden, Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 441 durch welches man CO, leitete, verlor Pectunculus durch Lésung 2—3 mal so viel in Prozenten als Pecten, wahrscheinlich in erster Linie wegen struktureller Unterschiede. Beim Behandeln mit schwacher Essigsiure und Beobachtungen liber die Menge der abgegebenen Kohlenséure ist ein Unterschied in der Lésungsgeschwindigkeit des Calcits und Conchits auch nicht zu erkennen. Dr. H. W. Foore hat freundlichst die Léslichkeit zu be- stimmen versucht und teilte mir mit, dafi er kein genitigend reines Material habe finden kénnen und daher keine gut iiberein- stimmende und zuverlissige Resultate bekommen hatte. Zwar gab der Niederschlag von reinen CaCl, und (NH,),CO, oder Na,COs tibereinstimmende Resultate, aber die so erhaltenen Werte stimmten bei drei verschiedenen Temperaturen genau mit denen von Aragonit. Folglich muff der Niederschlag Aragonit sein und nicht Conchit, wie ich in meinen friiheren Mitteilungen iiber Conchit berichtet habe. Folgende Betrachtungen machen es aber wahrscheinlich, dag Conchit weniger stabil ist und daher eine gréBere Léslichkeit hat als Calcit: 1) Versuche tiber die kiinstliche Bildung von Dolomit. KtLeEmeEnT (1894) erhielt ein Gemenge von MgCO, und CaCO, aus CaCO, durch folgendes Verfahren. Fein ge- pulvertes CaCO, wurde mit Krystallen von MgSO, und einer ge- sittigten Lésung von NaCl in einem leicht verschlossenen Kélbchen eine bestimmte Zeit lang auf konstanter Temperatur erhalten. Dann wurde das CaCO; und MgCO, filtriert und gewaschen und sodann der Prozentgehalt an MgCO, bestimmt. Mit Aragonit bei einer Temperatur von 91° bei 48-stiindiger EKinwirkung wurde 34,6 Proz., von 90° in 68 Stunden 38 Proz. MgCO, erhalten. Mit Kalkspat nach dem Erhitzen in einer offenen Réhre bei 90° und 48-stiindiger EKinwirkung wurde nur 1,6 Proz. MgCO, gefunden, in einem verschlossenen K6élbchen bei 100° in 10 Stunden. nur Spuren von MgCO,. Aehnliche Versuche wurden mit Korallen an- gestellt. Madrepora prolifera, auf 90° 46 Stunden lang er- hitzt, gab 38,5 Proz, Madrepora humilis 41,4 Proz. und Stylopora sp.? 41,9 Proz. MgCO,. Madrepora besteht, wie ich spaiter zeigen werde, aus Conchit; also beweisen jene Versuche nicht, daf’ Madrepora aus Aragonit besteht, wie KLEMENTS annahm, da Conchit ihm eben unbekannt war, sondern da der Conchit dem Aragonit ihnelt und sich vom Calcit unterscheidet hinsichtlich seines Verhaltens bei der Entstehung eines Gemisches 442 Agnes Kelly, yon MgCO, und CaCO, unter den obigen Bedingungen. Er unterscheidet sich vom Aragonit, indem er MgCO, eben schneller bildet. Da alle wichtigeren riffbildenden Korallen nachweisbar Conchit sind, so ist obiges von grofer Wichtigkeit, indem es ein Licht auf den Prozef der Dolomitbildung wirft. 2) Stabilitat von Fossilien. Daf Conchit jedenfalls eine mittelmafige Bestandigkeit hat, kann aus der Thatsache ersehen werden, daf tertiare Fossilien mit ganz unverandertem Conchit gefunden werden. Kin Exemplar von Unio flabellatus aus dem oberen Miocén von Dachau bei Miinchen zeigte die Innen- und Aufenschicht ganz unverdndert. Da8 aber Conchit-Fossilien im ganzen viel weniger stabil als solche von Calcit sind, geht aus den Beobachtungen von Sorsy, CorNnIsH und KENDALL hervor. Sorpy fand (1879) bei der Unter- suchung einer grofen Reihe von Kalken nur jene Schalen und Skelettgebilde in ihrer urspriinglichen Form erhalten, welche aus Calcit bestanden, die tibrigen, welche nicht, wie er glaubte, aus Aragonit, sondern aus Conchit zusammengesetzt waren, fanden sich als Steinkern, Grus oder auf jede Weise zerstért und un- kenntlich vor. CornisH und KENDALL (1888) veréffentlichten eine Liste iiber Schalen und Steinkerne, welche in ,,Coralline Crag“ gefunden wurden. Hier finden wir, daf die meisten Muschel- schalen und alle Schneckenschalen, Scalaria ausgenommen, als Steinkern vorkommen. Diese Arten bestehen aus Conchit, wie spiter gezeigt werden wird. Polyzoa (80 Arten), Terebratula, Anomia, Ostrea, Pecten (5 Arten), Lima (7 Arten), Pinna, Echinus, Balanus und Krebsscheren kommen als gut erhaltene Schalen vor, und diese bestehen alle nachweislich aus Calcit. Nur Serpula, dessen recente Réhre Conchit ist, kommt auch als Schale vor. Im Seewasser ist Conchit ebenfalls leichter léslich wie Calcit, so dafi in gréferer Tiefe nur Calcitschalen vorkommen. KENDALL (1896) zeigt namlich, daf Pteropodenschalen (Conchit) nur bis zu 2743 m (1500 Faden) vorkommen, wahrend Globigerina (Calcit) bis zu 5349 m (2945 Faden) reicht. Verhalten beim Erhitzen. Conchit gleicht Aragonit darin, daS er bei héheren Temperaturen in Calcit verwandelt wird, unterscheidet sich aber von diesem dadurch, daf der Ueber- gang bei viel niedrigerer Temperatur stattfindet. Der Unterschied zeigt sich 1) durch Parallelversuche, indem man Aragonit Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 443 und Conchit auf die gleiche Temperatur erhitzt. Es kann sehr leicht beobachtet werden, daf a) wenn man Conchit mit Aragonit zusammen auf einem Objekttriger in die Flamme eines halb zu- gedrehten Bunsen-Brenners halt, der Conchit in Calcit verwandelt wird, wie man aus der Verinderung seiner optischen EKigenschaften erkennt, wihrend der Aragonit unveraindert bleibt und nicht einmal Risse bekommt; b) bei mehrstiindigem Erhitzen in einem eisernen Rohr im Bleibad (Schmelzpunkt des Bleies 325° C) Conchit in Calcit tibergeht, was sich aus der Verainderung des specifischen Gewichtes und der optischen Eigenschaften erkennen lait, wahrend Aragonit ganz unverandert bleibt; c) durch halbstiindiges Erhitzen in Quecksilberdampf (Siedepunkt 360°) Conchit umgewandelt wird, Aragonit sich dabei aber nicht andert. 2) Durch Bestimmungen der Umwandlungstempe- raturen. Die wirksamen Temperaturen bei der Umwandlung von Aragonit und von Conchit wurden annahernd bestimmt mittelst eines Luftbades, wobei die Temperatur gemessen wurde mittelst eines Quecksilberthermometers mit 13 Atmospharen Kohlensiuredruck. Dasselbe gestattete eine Ablesung bis 540°. Aragonit. Es war gefunden worden, daf Aragonitkrystalle zersprangen und zu Calcit wurden, wenn sie einige Zeit in mit Stopfen verschlossenen eisernen Réhren verblieben, welche in ge- schmolzenem Zink (Schmelzpunkt 412°) lagen. Auch wurden sie zersprungen vorgefunden, wenn sie 7 Stunden lang einer Temperatur von 373—380° C ausgesetzt gewesen waren; aber obgleich Ver- suche bei verschiedenen Zwischentemperaturen angestellt wurden, so wurde doch erst bei 405° ein Uebergang von Aragonit in Calcit beobachtet, was durch den Wechsel des zweiachsigen Achsenbildes in ein einachsiges konstatiert wurde. Conchit. Wie oben angegeben, hatte sich gezeigt, da Conchit bei 325° C (Schmelzpunkt des Bleies) in Calcit iiberzu- gehen beginnt. Mittelst des Luftbades wurden verschiedene Temperaturen unter 300° in Anwendung gebracht, ohne daf eine Verainderung hatte beobachtet werden kénnen. Bei Temperaturen zwischen 300— 310° wurde eine Umwandlung wahrgenommen, die sich a) in einer Veranderung des optischen Verhaltens, b) in der Erniedrigung des Index ¢ von 1,523 auf 1,4863 und c) in dem Auftreten einer Zwillingslamellierung auBerte. An diesen drei Kenn- zeichen sowohl, als an der Verminderung des specifischen Gewichtes von 2,87 auf 2,715 ist die Umwandlung beim Erhitzen in allen Fallen zu konstatieren. Bd. XXXV. N. F. XXVIII. 29 444 Agnes Kelly, Die Richtung der Hauptachse bleibt beim Erhitzen unverindert. Das kann auf verschiedene Weise erkannt werden, namlich: a) Beim Erhitzen von Conchitschliffen senkrecht zur optischen Achse erscheint nach wie vor ein Interferenzbild in der Mitte des Gesichtsfeldes. Dies zeigte sich deutlich, wenn Tangential- schliffe aus Perlmutterschichten von einer ganzen Reihe Schalen, nimlich von Nucula, Trigonia, Mytilus, Lithodomus, Anodonta, Donax, Venus, Pandorina, Turbo, Trochus, Nautilus und Spirula, erhitzt wurden; das Gesamtaussehen war “verindert. Das Achsenbild aber war immer in der Mitte des Gesichtsfeldes. b) Wenn man Prismen von Lithodomus oder Pandorina erhitzt, kann man erkennen, da das Conchitprisma ein Kalkspat- prisma wird, und daf die Ausléschung stets parallel zur Haupt- achse ist. Der Wert fiir ¢ hat sich dabei von 1,523 auf 1,4863 erniedrigt, und wahrend vor dem Erhitzen weder deutliche Spalt- barkeit noch Zwillingslamellierung vorhanden waren, sah man nach dem Erhitzen Gleitflichen und Spaltungslinien, welche Winkel von ca. 45° mit der Langsachse der Prismen bilden, gerade wie das in Kalkspatprismen vorkommt. Bemerkenswert in dieser Beziehung ist die Beobachtung, dah die Innenschicht eines Ammoniten von Lafatsch bei Hall in Tirol (unterer Muschelkeuper der Alpen) dieselbe Orientierung zeigte wie eine Perlmutterschicht, obgleich jene aus Calcit bestand. Wenn wir aus der Analogie zu den Schalen von Nautilus und Spirula schlieBen wollen, daf jene Schicht urspriinglich Conchit war, dann haben wir auch in diesem Falle eine Umwandlung von Conchit in Kalkspat ohne Aenderung der Lage der optischen Achse. Specifisches Gewicht. Dasselbe wurde bestimmt an kleinen Bruchstiicken durch Suspension in specifisch schweren Flissigkeiten. Die angewandten Fliissigkeiten waren Aethylen- dibromid und Bromoform oder THouLerT’sche Lésung, und die specifischen Gewichte dieser Fliissigkeiten wurden bestimmt mittelst der SPENGEL’schen Réhre oder der WeEsTPHAL’schen Wage. Die Bruckstiicke wurden in den Lésungen sorgfaltig ausgekocht, um die Luft auszutreiben. Nattrlicher Conchit. Die meisten in der unorganischen Natur vorkommenden Arten des Conchits, z. B. Eisenbliite, ent- hielten gasférmige Einschliisse, welche nur schwierig auszutreiben waren, oder waren porés; daher konnte bei solchen Substanzen Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 445 das specifische Gewicht nicht exakt bestimmt werden. Das am schwersten befundene Beispiel war ein Kesselstein mit kaum nennenswerten Spuren von Eisen; derselbe gab 2,865; Sprudelstein von Karlsbad und andere Krustenbildungen gaben Werte zwischen 2,830 und 2,845. Conchit in Schalen. Das specifische Gewicht der von mir untersuchten Schalen war héchstens 2,845. Die in Betracht kommenden Schalen waren alle recent, und demnach enthielten sie noch organische Substanz und vielleicht etwas Wasser. Zur Be- rechnung des_ specifischen Gewichtes des mineralischen Anteils war die Bestimmung des specifischen Gewichtes der vorhandenen organischen Substanz ndétig. Sie geschah in Gemischen von Aethylendibromid und Alkohol. Der héchste fiir reine organische Substanz d. h. fiir eine solche, welche ohne Zuriicklassung von Asche verbrannte, gefundene Wert war jener fiir das Operculum von Livonia pica, einer Trochide, namlich 1,477. In Fallen, wo die organische Substanz erst durch Entkalkung erhalten werden mu, kénnen nur annadhernd richtige Werte erhalten werden aus dem Grunde, weil das specifische Gewicht etwas verschieden aus- fallt, je nachdem das Entkalkungsmittel in wiasseriger oder alko- holischer Lésung angewendet wird und je nachdem man zuerst trocknet oder nur entwassert. Folgende Werte wurden gefunden: organische Substanz von StrauBeneierschale 1,395, von Nautilusschale 1,35, von Astacus- panzer 1,34, von Iuluspanzer 1,36. Wo wie in den meisten Mollusken- schalen die organische Substanz nicht mehr als 2—6 Proz. betragt, kann ein Wert von 1,35 als hinlanglich genau betrachtet werden. Das specifische Gewicht von Cyrena wurde als Mittelwert mehrerer Bestimmungen = 2,831, von Cardium = 2,821 ge- funden. Das specifische Gewicht von Conchit wiirde aus Cyrena berechnet = 2,874 sein, aus Cardium 2,866. Aller Wahrscheinlich- keit nach ist selbst der Wert 2,874 eher unter als tiber dem wahren specifischen Gewicht des Conchits. Harte. Wie schon durch NecKER (1839) festgestellt worden ist, sind die meisten Weichtierschalen harter als Kalkspat. Ich fand, daf z. B. Strombus (Conchit) islandischen Doppelspat in der Richtung der kurzen Diagonale der Rhomboéderfliche sehr deutlich ritzte, wahrend die Prismen von Pinna (Calcit) nicht ritzten. Man kann ferner beobachten, wie sehr viel leichter Kalk- spat und aus Kalkspat bestehende Schalen mit einem Messer geritzt werden als Conchit. 20)" 446 Agnes Kelly, Optische Eigenschaften. In den optischen Eigenschaften unterscheidet sich Conchit sehr deutlich von Calcit und Ktypeit und weniger von Aragonit. Er unterscheidet sich von Aragonit dadurch, da8 er, an einem einzigen Prisma von Pandorina ge- messen, einachsig (méglicherweise nur sehr nahezu einachsig) ist, von Ktypeit dadurch, daf er negativ einachsig ist, und vom Calcit durch seine viel geringere Doppelbrechung. Im Index « weicht er sehr vom Calcit ab, im Index vom Aragonit. Brechungsindices. Diese wurden sehr sorgfaltig und mit allen verwendbaren Methoden gemessen, weil sie das Merkmal sind, wodurch Conchit sich am unzweideutigsten von Aragonit unterscheidet. Eine Reihe von Bestimmungen fiir Na- Licht wurde zuerst mittelst der Methode der Totalreflexion nach Wo.uaston ausgefiihrt, wobei ein gewohnlicher Spektroskoptisch mit Collimator und Fernrohr, sowie ein Prisma aus Boraxglas vom Index 1,907 und dem Winkel 45°3' zur Anwendung kamen. Die Fliissigkeit zwischen dem Prisma und der zu untersuchenden Platte war Methylenjodid. Die Formel, welche die Beziehungen zwischen dem Winkel i der totalen Reflexion und dem Brechungs- index ausdriickt, heift m — sin A Ym,? — sin? i + sin i cos A, wobei A der Winkel des Prismas ist und m, = 1,907. Obgleich die Methode an sich bei Ablesungen an polierten Kalkspat- flichen auf + 1.bis + 1,5 Ejinheiten in der 4. Decimale stimmende Resultate ergab, so ging ihre Genauigkeit sicherlich nicht weiter als auf + 2 Einheiten in der 3. Decimale bei den polierten Schalenoberflachen, welche zur Untersuchung benutzt wurden, und welche aus Krystallageregaten bestanden, demnach nicht geeignet waren, eine véllig scharfe Grenze zu liefern. Weiter sind die Werte sehr vom Planparallelismus der Platte abhingig, eine Abweichung von nur 12‘ verursacht einen Fehler von = 0,002 in ¢ und 0,001 in w. Aus einer gréSeren Reihe von Beobach- tungen an Strombus gigas wurden als Mittelwerte ¢, = 1,527, w,, = 1,661 erhalten. Die bei mehreren Bestimmungen an Cyrena gefundenen Indices waren ¢, = 1,527 und w, = 1,662. Zur Be- stimmung des Brechungsindex fiir den auferordentlichen Strahl wurden auch an anderen Schalen einige Beobachtungen angestellt, besonders an Perlmutterschichten, aber die Resultate waren noch weniger genau, da die Praparate minder sorgfaltig geschlitfen waren. Anodonta, Mactra und Nautilus z. B. ergaben fir é 1,522, Trigonia und Pinna 1,524 und Turbo 1,527. Herr Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 447 W. J. Pore hatte die Giite, Werte fiir « mittelst eines ABBE- Putrricnu’schen Krystall-Refraktometers fiir mich zu messen. Er erhielt fir Strombus ¢, = 1,523, fir Cyrena e, = 1,526. Dr. MELCZER fiihrte an einem ahnlichen Instrument eine sorgfiltige Bestimmung der Indices einer sehr gut geschliffenen und polierten Strombusplatte aus, und bekam die Werte «@ = 1,523, @ = 1,659, y = 1,662, da sie sich zweiachsig zeigte. Mit einem Aahnlichen Refraktometer erhielt ich fiir Strombus ¢ = 1,522—1,526, w = 1,661, fir Cyrena ¢ = 1,526, fir Anodonta w = 1,659, fiir Mactra w = 1,663, fir Trigonia w = 1,659, fiir Turbo wo = 1,660, fir Haliotis ¢ = 1,520 und fiir Cardium ¢ = 1,524. Fiir eine Platte aus Karlsbad erhielt ich als Mittelwerte vieler Beob- achtungen ¢ = 1,522 und w = 1,663; fiir eine Platte aus Sieben- biirgen ¢ = 1,520 und fiir eine weniger gute aus Michelsberg é = 1,525 und w = 1,661. Besonders durch jene Werte von ¢, welche wir an Schalen bekommen, zeigt es sich, daf wir es hier nicht mit Aragonit zu thun haben. Die beiden Fehlerquellen, namlich die Unregelmavigkeit in der Anordnung der Krystallchen und das Vorhandensein von organischer Substanz mit dem Brechungsindex 1,55—1,6 bringen es mit sich, daf ein zu hoher Wert von « gefunden wird, und doch erreichen wir niemals 1,530 (a fiir Aragonit). Mikroskopische Methoden. Als das geeignetste Material fiir die mikroskopische Bestimmung der Brechungsindices erwiesen sich die Conchitprismen in der AuSenschicht von Pandorina inaequivalvis, da sie leicht isoliert werden konnten und unter allem zur Verfiigung stehenden Material die gréften Conchit- nadeln darboten. Die so erhaltenen Resultate bleiben innerhalb der experimentellen Fehlergrenzen die gleichen bei der Unter- suchung der Prismen aus Sepia, der Otolithen von Gadus und bei jenen von natiirlich vorkommendem Karlsbader Conchit. Das eingeschlagene Verfahren bei der Untersuchung der Krystalle bestand darin, den unteren Nicol allein zu brauchen, die Krystalle so zu legen, da ihr Hauptschnitt senkrecht zur Polarisationsebene des Polarisators fiir w stand, oder parallel dazu fiir ¢, und dann ein Konzentrationsverhaltnis fiir THou- LET’sche Lésung zu finden, bei welchem die Krystalle ganz un- sichtbar wurden. Die Brechungsindices der Krystalle und der Lésung waren dann die gleichen, und derjenige der Lésung:konnte bestimmt werden. Letzteres konnte mittelst eines ABBE’schen 448 Agnes Kelly, Refraktometers oder auch auf folgende Weise erreicht werden: das specifische Gewicht der Liésung konnte bestimmt werden durch die WESTPHAL’sche Wage, und daraus wurde mit Hilfe der Goup- ScuMipT’schen Tabellen der Brechungsindex berechnet. Es zeigte sich, dafi die bei der Methode mittelst des specifischen Gewichtes erhaltenen Resultate den durch direkte Bestimmung am Refrakto- meter gewonnenen bis za einer Einheit in der 3. Decimal- stelle gleich kamen. Deshalb wurden weitere Bestimmungen mittelst der Methode des specifischen Gewichtes ausgefiihrt, weil diese entschieden die einfachere ist. Der Versuchsfehler betrug schlieBlich = 1 bis + 1,5 Einheiten in der 3. Dezimale. Der Fehler war zum Teil auf die Kleinheit der Krystalle zuriick- zufiihren, derenhalber eine ziemlich starke VergréSerung ange- wendet werden mufte, zum Teil auf das einfarbige Licht, welches bei der grofen Dispersion der THouLer’schen Lésung nétig war, und welches nicht intensiv genug war, um die Methode zu einer sehr empfindlichen zu machen. Als Mittelwert aus vielen Ver- suchen ergab sich fiir ¢, — 1,524, fiir o, = 1,661. Es zeigt sich aber, daf fiir ¢« ein Gemisch von Cederné] und Monobromnaphthalin wegen der geringen Dispersion genauere Resultate gab. Dadurch ergab sich bei einem Karlsbader Vor- kommen ein Wert zwischen 1,522 und 1,523. Fir w wurde Me- thyleniodid gebraucht und man erbielt den Wert 1,660. Schlief- lich wurde w wieder durch die THouLer’sche Loésung bestimmt, aber um den Einfluf der Dispersion zu beseitigen, wurden immer parallele Versuche mit Calcit gemacht unter der gleichzeitigen Annahme, daf der Fehler im Zurichten der Fliissigkeit bei Calcit unter sonst gleichen Umstinden auch als der Einstellungsfehler bei Conchit angesehen werden kann. Der so korrigierte Wert war 1,662. Als Mittelwerte aus der ganzen Reihe der optischen Unter- suchungen kann man ¢ = 1,523 und w = 1,662 annehmen. Doppelbrechung. Aus den Brechungsindices ¢, — 1,523 und w, = 1,662 berechnet, betragt diese fir Conchit 0,139, wahrend sie fiir Calcit auf 0,172 kommt. Daf sie merklich geringer ist als beim Calcit, kann durch Vergleich von Calcit und Conchit im gleichen Schliff beobachtet werden. Mehrere Praparate wurden hergestellt, in welchen ein Conchitschliff von Calcitschliffen umgeben war. Durch dieses Verfahren konnte jeder Mangel im Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 449 Parallelismus des gesamten Praparates leicht entdeckt werden, und die Méglichkeit, daf die niedrigere Doppelbrechung des Conchits auf eine geringere Dicke seines Schliffes zuriickzufiihren gewesen wire, war damit vermieden, denn beim Schleifen wiirden eher die dufSeren Calcitstiickchen als das innere Conchitstiickchen zu diinn werden. Die einzige Fehlerquelle war die Unsicherheit, ob die Oberflichen der Schlitfe direkt am Glas anlagen. Der Unterschied im Verhalten der Calcit- oder Conchit- prismen wurde beobachtet in einigen auBerst diinnen Schliffen von Pinna, welche senkrecht zur Oberflache entnommen waren, wobei neben der auSeren Schicht von Calcitprismen und der Perlmutterschicht eine Innenschicht von Conchitprismen vorhanden war. Die Conchitprismen zeigten Farben niedrigerer Ordnungen als die Calcitprismen. Es wurden auch einige Priparate senkrecht zur optischen Achse angefertigt mit der inneren Schicht von Chama (Conchit) in der Mitte, umgeben von Prismen aus Pinna oder Terebratula (Calcit). Die Achsenbilder wurden untersucht, und in allen Fallen zeigte Conchit weniger Ringe als Calcit, was bei gleicher Dicke der Schliffe niedrigere Doppelbrechung bedeutet. Bei der Her- stellung einer grofen Anzahl von Schliffen aus Conchitschalen zum Zwecke der Beobachtung von Achsenbildern war im Vergleich zu der Schwierigkeit, die gleiche Wahrnehmung bei Calcitpraparaten zu machen, die Leichtigkeit bemerkenswert, Schliffe zu erhalten, in welchen keine oder nur ein oder zwei farbige Ringe zu sehen waren. Conchit-Krystalle kénnen vorkommen als: 1) im Querschnitt unregelmiabig polygonale Prismen und Nadelchen mit gerade Ausléschung. Solche wurden gesehen in der Innenschicht von Lithodomus (Fig. 2), in der AuSenschicht von Pandorina, in den Otolithen von Gadus u. s. w. und von Mineralsubstanzen in Inkrustationen von Karlsbad, von Schem- nitz in Ungarn u.s.w. Die Nadelchen kénnen Krystall- spharoide bilden, wie in Schildkrétenschalen oder in einem Vor- kommen von Schemnitz. Die auf der Oberfliche des Wassers bei ungefaihr 70° C entstandenen Nadelchen bilden ein rechtwinkliges Gitter und zeigen an Durchkreuzungsstellen ganz kleine, aber gut abgegrenzte Beriihrungsflachen. 2) Tafeln parallel zur Basis: alle Perlmutterschichten. 3) Nadeln mit einer Ausléschungsschiefe von ca, 60° kommen bei Strombus vor (Fig. 4) und sind méglicherweise nach einer Kante ve.langerte Rhomboéder. Da man sich aber nicht iiberzeugen konnte, 450 Agnes Kelly, daf die Nadeln in annahernd gleich orientierte Schliffen annahernd gleiche Ausléschungsschiefen gaben, ist es auch méglich, dal solche Bildungen sich nicht auf die Krystallstruktur beziehen. Aehnliche Nadeln kommen bei Cardium, bei einigen anderen Blattkiemern und den meisten Gastropoden vor. Vorkommen des Conchits. Kesselstein, Krustenbild- ungen an Kiihlschlangen und in Wasserbidern haben sich durch ihr specifisches Gewicht = 2,85—2,865, durch das einachsige negative Achsenbild und durch die Uebereinstimmung ihrer Indices mit Conchit, als solcher und nicht etwa als Calcit, Aragonit oder Ktypeit erwiesen. Es fand sich ferner, dafS an verschiedenen Orten Ablagerungen von CaCo, vorkommen, welche im allge- meinen ein betrachtlich héheres specifisches Gewicht als 2,715 haben, welche ein einachsiges Achsenbild geben, wo ein solches moglicherweise beobachtet werden kann, und negativen Charakter der Doppelbrechung aufweisen und deren Indices auf Conchit stimmen, welche Ablagerungen demnach als Conchit anzusehen sind. In allen diesen Ablagerungen besafien die einzelnen Nadeln in hinlanglicher Weise Prismenform, um eine Bestimmung von € zu erméglichen. Die Bestimmungen von ¢ und @ sind deshalb sehr wichtig, weil es sich zeigt, daf in dickeren Schliffen von sehr feinfaserigem Aragonit einachsige, negative Achsenbilder vorkommen kénnen. Diinnere Schliffe zeigen gewéhnlich schon zweiachsige Achsenbilder, doch ist die Méglichkeit einer Ver- wechselung mit einem einachsigen Achsenbild oft nicht ganz ausgeschlossen. In folgenden Ablagerungen liefen sich ¢ und w so genau messen, daf sich das Mineral zweifellos als Conchit erweist: Aus Karlsbad. Grof-pisolithischer Erbsenstein (viel gréfer ausgebildet als jener aus Ktypeit) und dessen Matrix, s = 2,835. Aggregat von langen parallelen Nadeln, s = 2,83. Krystallaggregat mit nicht so deutlich paralleler Aneinanderlagerung, s = 2,82. Alle untersuchten Proben zeigten einachsige negative Achsenbilder. Erbsenstein und dessen Matrices erlitten beim Erhitzen eine Um- wandlung, die durch das verdnderte Aussehen der einzelnen Schichten im Erbsenstein und durch das Herabgehen des spe- cifischen Gewichtes der Matrix von 2,835 auf 2,66 erkannt wurde. Aus Michelsberg in Béhmen. Wellenformige blauliche Inkrustationen, s = 2,73. Radiale Anordnung der Nadeln. Ein- achsiges negatives Achsenbild. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 451 Aus Siebenbitirgen. Gelbliche Krustenbildung, s = 2,81. Einachsig negativ. Aus Manno bei Lugano. Weifliche, radial-faserige Masse, s = 2,86. Einachsig negativ. Aus Florenz. Erbsenstein und Matrix, s = 2,82. Ein- achsig negativ. In folgenden Ablagerungen waren die Nadeln meistens kleiner und oft nicht gut voneinander zu trennen. Nach vielen sorg- faltigen Beobachtungen der Indices bin ich zu dem Schlusse ge- kommen, dali sie alle Conchit sind, doch in Fallen wie Ober- zeyring, welcher vielleicht am wenigsten genau bestimmbar war, mute man die Messungen an einer Reihe von zusammenhangenden, sehr kleinen Krystillchen machen und deshalb waren Fehler leicht moglich, Aus dem Yellowstone-Park. Sinter, s = 2,784. Negativ. Erleidet Umwandlung beim Erhitzen. Aus Schemnitz in Ungarn. Braune Masse, s = 2,757. Besteht aus Krystallsphiroiden. Blaue wellenformige und blaue veraistelte Krustenbildung. Das specifische Gewicht war in beiden Fallen infolge gasférmiger Einschliisse niedrig; es trat aber beim Erhitzen eine Umwandlung ein. Einachsiges negatives Achsenbild. Aus Altsohl in Ungarn, Schwarzbraune Krustenbildung, § = 2,757. Einachsiges negatives Achsenbild. Aus Moldowa in Stid-Ungarn. Blaue Inkrustation, s = 2,82. Einachsig oder nahezu und negativ. Aus dem Banat in Sitid-Ungarn. Blaue Inkrustation tiberrindet von derbem Calcit, s = 2,80. Einachsig negativ. Aus Ringenwechsel bei Schwatz in Tirol. Blaue Inkrustation, s = 2,829. Einachsiges negatives Achsenbild. Aus Schlof Tauern in Tirol. bBraune Inkrustation ab- wechselnd gelagert mit Calcit, s == 2,81. Einachsig negativ. Aus Laas in Tirol. Weife Inkrustation abwechselnd ge- lagert mit Calcit, s = 2,76. Einachsig negativ. Aus Oberzeyring in Steiermark. Geschichtete Ab- lagerung, wobei die Nidelchen vertikal zur Oberfliche standen, Ss = 2,78. LEinachsig negativ. 452 Agnes Kelly, Aus Eisenerz und Erzberg in Steiermark. Die Ver- kittung einer Breccie von Eisenspat. Weife Inkrustationen. Kin- achsig negativ. Eisenbltite von verschiedenen Fundorten, z. B. Erzberg, wurde untersucht. Der Einschliisse und Porositét halber war das specifische Gewicht niedrig, ¢ stimmte aber unverkennbar auf Conchit oder Aragonit, w stimmte entweder auf Conchit oder auf Aragonit, daher bestehen einige Eisenbliite aus Conchit, andere aus Aragonit. Aus Leogang in Salzburg. Blaue Inkrustation, s = 2,73. Aus Miemo in Toskana. Weibe Lage eingeschaltet zwi- scher zwei Calcitschichten, s = 2,80. Einachsig oder nahezu und negativ. Aus Viconago bei Marchivolo in Lombardei. WeiBe, radial-faserige Ablagerung, s = 2,80. Einachsig negativ. Bemerkenswert ist, dal viele der oben erwahnten Orte Erz- lagerstaitten sind, wahrend Eisenbliite bekanntlich an Eisenstein- lagerstatte abgeschieden wird. Im Laufe dieser Untersuchungen fand ich Erbsensteine von CaCO,, welche einachsige, positive Achsenbilder gaben, und daher Ktypeit sein muften (Monte Albani bei Rom, Tivoli bei Rom, Florenz, Bayreuth, Siebenbtirgen, ebenso Karlsbad). Amorphes Calciumkarbonat. Bekanntlich erscheint das Calciumkarbonat zunachst in der Gestalt runder Ballchen, welche nicht depolarisieren, wenn jenes aus kalten, wasserigen Lésungen frisch ausgefallt ist. Jene werden beim Stehen sehr schnell krystallinisch, wie man unter dem Pola- risationsmikroskop beobachten kann. Wenn man Lésungen von Chlorcalcium und kohlensaurem Kalium innerhalb einer sehr dick- fliissigen Gummilésung diffundieren la8t, wird die Reaktion da- durch sehr verzégert; im Verlaufe einiger Stunden bildeten sich tiberhaupt keine Ktigelchen, und obgleich schlieBlich Calcit- rhomboéder und Krystallspharoide entstanden, verblieben einige Kiigelchen auf die Dauer amorph, ohne dafi Anzeichen eines Ueber- ganges in die krystallinische Beschaffenheit an ihnen wahrnehm- bar waren. Sobald man sie mit Wasser befeuchtete, wurden sie gleich krystallinisch. Fiir Versuchszwecke konnten so Kiigelchen erhalten werden; es fand sich jedoch, daS man viel leichter zum Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 453 Ziele gelangt, wenn man sich einen Vorrat von Calciumkarbonat organischen Ursprunges verschafit. Die Oesophagaldriisen des Regenwurmes sind mit genau ebensolchen Kiigelchen erfiillt, neben welchen in den vorderen und manchmal auch in den hinteren Driisen auch Calcitkonkretionen vorkommen kénnen. Die Kiigel- chen bleiben auf die Dauer amorph, wenn die herauspraparierten Driisen bei 100° C getrocknet und die letzten Spuren von Wasser mit absolutem Alkohol entfernt sind. Auf diese Weise wurde ein Vorrat von amorphem Calciumkarbonat erhalten, an welchem einige seiner Eigenschaften ermittelt wurden. Das CaCO, der getrockneten Driisen wurde aus dem durch Gliihen erhaltenen CaO durch Rechnung ermittelt und zu 50,59 Proz. gefunden. Andere anorganische Salze waren nicht nach- zuweisen. Frische Kiigelchen werden beim Befeuchten mit Wasser sofort krystallinisch, langer aufbewahrte Proben zeigten sich etwas widerstandsfihiger gegeniiber der Kinwirkung des Wassers, wahr- scheinlich wegen der Erhartung der diinnen Haut aus organischer Substanz, welche nachweisbar jedes Kiigelchen umgiebt. Die Kiigelchen schiefen beim Uebergang in den krystallinischen Zu- stand nicht zusammen und zeigen tiberhaupt in ihrem Verhalten keine Verainderung, auBer daf sie nunmehr eine sehr kraftige Doppelbrechung annehmen. Bei niederer Temperatur ist amorphes CaCO, stabil. Eine lange Roéhre, welche Kiigelchen vom Regenwurm enthielt, wurde einige Stunden lang in fliissige Luft gestellt, und das CaCO, blieb dabei amorph, ebenso wie bei gewéhnlicher Temperatur. Eine Erhéhung der Temperatur auf 160—170° tber 0° geniigt, um die Kiigelchen in den krystallinischen Zustand tiber- zufiihren. Da die amorphe Form von CaCO, die allerlabilste zu sein scheint, so hatte sie die gré8te Léslichkeit haben sollen. Es wird aber kaum méglich sein, dies durch Versuche nach- zuweisen. Da es nicht méglich war, die Kiigelchen frei von organischer Substanz zu erhalten, so war nur ein annahernd richtiger Wert fiir das specifische Gewicht zu erlangen. Die angewandte Methode bestand darin, daf die Driisen, und in gleicher Weise Stiicke kalkfreien Gewebes herausgenommen und getrocknet wurden. Durch Aufschneiden der Driisen tiberzeugte man sich, dal die- 454 Agnes Kelly, selben keine Calcitkonkretionen enthielten. Das specifische Ge- wicht der getrockneten Driisen war 1,707, das der Gewebe des Tieres 1,306. Das specifische Gewicht des CaCO, in den Driisen ist folglich 2,09. Dal dieser Wert dem wahren specifischen Ge- wicht einigermafen nahe kommt, wird durch die auf abnliche Weise erhaltenen Werte fiir das specifische Gewicht der Calcium- salze in Astacus oder Lulus wahrscheinlich gemacht. Astacus. Specifisches Gewicht des Panzers = 1,824 ” a5 » entkalkten Panzers = 1,354 CaCO, + Ca,(PO,), = 54,52 Proz.. Specifisches Gewicht der Kalksalze = 2,2 Tu) aes: sn ee “des Panzers 1,824 ” ‘. », entkalkten Panzers = 1,363 CaCO, + Ca,(PO,), = 56,26 _—_,, Specifisches Gewicht der Kalksalze = 2,2. Astacus sowohl als Iulus enthalten ungefihr 6 Proz. Ca;(PO,),, so daf die Resultate nicht gerade als exakte Werte fiir das specifische Gewicht des amorphen CaCO, gelten kénnen. Da das Ca,(PO,),. im Tierreich wahrscheinlich ein ziemlich niederes specifisches Gewicht hat, so beeinflu8te es vielleicht nicht zu sehr die obigen Ergebnisse. Der Brechungsindex wurde durch die mikroskopische Methode mit einer Fliissigkeit annahernd bestimmt. Irgend eine wisserige Lésung war fiir diesen Zweck nicht zu brauchen, da durch eine solche die Kiigelchen krystallinisch geworden wiiren; deshalb wurde Cedernholzél angewendet, welchem man Dimethyl- anilin tropfenweise beimischte. Als Mittelwert ergab sich 1,538, es fragt sich nur, ob das der Brechungsindex der Kugel oder der organischen Hiille ist. Jedenfalls kann der Brechungsindex der Kugel nicht tiber 1,538 betragen. Auch bei starkster VergréBerung und bei Anwendung der besten Mikroskope wurde keine Spur von Doppelbrechung beobachtet. Da amorphes CaCO, die labilste Form von CaCO, ist, miBte es, wenn die Umstinde es erméglichen, immer zuerst aus Liésun- gen ausgeschieden werden, wenn OstwaLp’s Regel von allgemeiner Giltigkeit ist. Die Bedingungen seiner Entstehung in organischer und anorganischer Natur sind aber noch nicht untersucht. Man weil} auch nicht, ob es beim Uebergang in den krystallinischen Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 455 Zustand sich immer direkt in Calcit oder méglicherweise auch in Aragonit, Conchit oder Ktypeit umwandelt. Es kann sein, daf nur die Umwandlung in Calcit méglich ist. Wenn sein Ausbleiben ein Auskrystallisieren der wahrscheinlich niachst labilsten Form Conchit verursacht, dann wiirde seine Ab- oder Anwesenheit das entscheidende Moment fiir das Vorkommen des Conchits bezw. Calcits sein. Die Vorkommnisse des amorphen CaCO, im Tierreich, sowohl da, wo es amorph bleibt, als auch da, wo es spater kry- stallinisch wird, sind noch nicht untersucht. In der Gestalt von Kiigelchen kann es aber bei Helix im Schleim, in den Zellen des Mantelrandes und in dem Mantel wahrgenommen werden. Hier wurde am Aufbrausen bei Siurezusatz die Gegenwart eines Kar- bonates erkannt, das Fehlen von Doppelbrechung bewies, daf die amorphe Form vorlag. Amorphes CaCO, kann ferner nachgewiesen werden in den Hautskeletten verschiedener Gliederfiifler und in den Eierschalen einer Natter. Die Panzer von Astacus, Iulus und Squilla, sowie die Eierschalen einer Natter brausten stark bei Saure- zusatz, jedoch zeigte sich entweder keine Spur von Doppel- brechung, oder es waren nur einzelne, hier und da im Bereiche eines Schliffes verstreute Krystallspharoide sichtbar. Eine Analyse von Astacus-Panzer ergab: CaO = 30,44 Proz. COL — p27 h2 90 PO — ae ome 54.52 Proz. oder CaCO; 48,5 Proz. und Ca,(PO,), 6,1 Proz. Organische Sub- stanz aus der Differenz — 45,48 Proz. Auch Scumipr teilt eine Analyse mit, welche, in Prozenten von CaCO; und Ca,(PO,), ausgerechnet, geben wiirde: CaCO, == AQ 20" PrOZ, Cas(PO,4)» aE 7,02 ” 53,27 Proz. Die Resultate stimmen so genau wie méglich iiberein, da Panzer von verschiedenen Exemplaren von Astacus analysiert wurden. 456 Agnes Kelly, Iulus gab bei der Analyse: C20 = 31,29" Proz. CO 2 —aaioO er. eC —— erat 56,26 Proz. oder CaCO, 49 Proz. und Ca,(PO,), 7,3 Proz. Squilla enthalt nach Scumipt’s Analyse: CaCO, 19,51. Proz. Ca,(PO,), 17,66 ” oil t. Broz. Die Eierschalen der Natter wurden nicht quantitativ unter- sucht, zeigten aber sowohl CaCO, als Ca,(PO,). in betrachtlichen Mengen. Augenscheinlich ist die Thatsache, da diese Panzer keine Doppelbrechung zeigen, nicht darauf zuriickzufiihren, da’ das CaCO, in zu geringer Menge vorhanden ist; denn ein Praparat, welches den, wenn auch nur 19,51 Proz. CaCO, enthaltenden Panzer in seiner ganzen Dicke umfaSt, mu8 doch viel mehr CaCO, reprasen- tieren als die diinne Schale von Cypris, welche z. B. Doppel- brechung zeigt und im konvergenten polarisierten Licht ein deut- liches Kreuz giebt. AufSerdem fand sich, wenn mehrere Tage lang in Wasser oder mit Eau de Javelle maceriert wurde, daf durch die ganzen Praparate hindurch krystallinisches CaCO, ge- wohnlich in der Form von Krystallspharoiden auftrat. Auch wenn man bis zur Verkohlung der organischen Substanz erhitzte, wurde Depolarisation erhalten. Daraus ergiebt sich, daf’ diese Panzer sowohl, als die Natter- eierschale amorphes CaCO, enthalten, welches beim Macerieren oder Erhitzen krystallisiert. Die Thatsache, da8 die Einwirkung des Wassers Krystall- bildung veranla8t, macht es erklarlich, warum amorphes CaCO, nicht als Mineral gefunden wird. Die Méglichkeit des Vorkommens von CaCO, in amorpher Gestalt scheint mir auf eine zulaissige Erklarung einiger tierischer Kalkausscheidungen mit den physikalischen Eigenschaften des Calcits hinzuweisen, wobei die aufere Form freilich durch or- ganische Faktoren bedingt wird. Solche Ausscheidungen sind die Nadelchen in Kalkschwammen und das Geriist von Stachel- hautern. Bekanntlich kann die allgemeine Form der Naidelchen bei Kalk-, Kiesel- und Hornschwammen ahnlich sein; auferdem hat v. Esner (1887) gezeigt, daB ,,die Gestalt der Kalknadelchen Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 457 keine Beziehung zur Krystallform des Kalkspates aufweist‘, und Mincuin (1898) giebt an, dali die Gestalt eines Nadelchens durch die Lage und Zahl der Zellen bedingt wird, welche jenes aus- scheidet. Wenn wir annehmen, daf das frisch ausgeschiedene CaCO, gerade wie die Kieselsubstanz amorph ist, dann hangt offenbar die Gestalt der Ausscheidung nur von organischen Be- dingungen ab. Bei der Krystallisation wiirde alsdann die bereits vorhandene Form beibehalten bleiben, es kénnte dann noch allen- falls eine parallele Fortwachsung stattfinden. Thatsachlich hat MINCHIN (1898) gezeigt, dai bei Clathrina contorta und cere- brum jeder Arm der dreistrahligen Nadel zuerst als ein Kigelchen in einer Zelle erscheint, und daf die Nadel im Verlaufe ihrer Ausbildung erst dann doppelbrechend wird, wenn sich die 3 Arme vereinigt haben. Eine ahnliche Erklarung kann wohl auch fiir die Maschenstruktur des Echinodermengeriistes zutreffen. Caleiumphosphat im Tierreich. Ueber die Mineralogie des Calciumphosphats im Tierreich ist bisher nur sehr wenig bekannt. Buca (1828) nimmt an, daf es in Knochen als Apatit vorkommt, obgleich er zugiebt, daf ,,Apatit in der Form des Knochens nicht mehr erkannt werden kann“. Sorsy (1879) glaubt, da8 vorhandenes Phosphat das_ specifische Gewicht von tierischen Schalen iiber 2,715 zu erhéhen imstande ist. Hauptsichlich um zu beweisen, daf dies nicht richtig ist, gebe ich die folgende Zusammenstellung dessen, was im minera- logischen Sinne tiber das im Tierreich vorkommende Ca;(PO,), bekannt ist. Ich habe bisher Ca,(PO,),. in folgenden zwei Arten des Vor- kommens beobachtet: 1) Im krystallinischen Zustand in Knochen und Zahnen. Sehr viele friihere Analysen von Knochen und Zahnen finden sich in ScHLOSSBERGER’s Thierchemie. In Knochen variiert die gesamte Mineralsubstanz, hauptsachlich Ca,(PO,), und CaCO;, von 50—80 Proz., das CaCO, von 1—25 Proz.; in Zaihnen die Mineralsubstanz von 56—98 Proz., das CaCO, von 1—8 Proz. Da die Krystallmodifikation in Knochen und Zahnen die nimliche zu sein scheint, so ist es wegen des durch- aus wechselnden Prozentgehaltes an CaCO, wahrscheinlich, daf die Krystalle nicht aus irgend einer Verbindung von Karbonat und Phosphat, sondern nur aus Phosphat bestehen. Das specifische 458 Agnes Kelly, Gewicht der Calciumsalze in Knochen kann annahernd durch Rechnung ermittelt werden. Der héchste Prozentgehalt an Ca- Salzen, wie er sich fiir den Hiiftknochen des Menschen in ScHLoss- BERGER’S Tabellen angegeben findet, betragt 69,82 Proz., wovon 4.4 Proz. CaCO, ist. Das héchste in den Tabellen gefundene specifische Gewicht fiir den Hiiftknochen war 1,997. Nimmt man das specifische Gewicht der organischen Substanz als 1,3—1,4 und des CaCO, als 2,1—2,9, so betrigt dasjenige des Calciumphosphats rund 2,3. von Espner 1877 bestimmte die optischen Charaktere der Krystallmodifikation in den Knochen und kam zu dem SchluB, da8 dieselben positiv einachsig oder mdglicherweise zweiachsig mit einem optischen Winkel von jedenfalls nicht tiber 20° waren. Auferdem ist leicht zu beobachten, daf die Brechungsindices ziemlich hoch sind, und die Doppelbrechung sehr niedrig ist. Ziemlich dicke Knochenschliffe verwandelten bei Subtraktion das Rot 1. Ord. in Gelb, bei Addition in Blau. Einige Messungen waren angestellt, um einen Kombinationswert beider Brechungs- indices zu erhalten. Mit Appr’s Refraktometer bekam ich dafiir 1,565, durch mikroskopische Messungen 1,56. 2) In der Form von Kigelchen in Kierschalen ete. Wegen ihrer sehr geringen Gréfe war eine direkte Bestimmung der chemischen Zusammensetzung dieser Kiigelchen nicht méglich. In allen Fallen aber, in denen Kiigelchen wahrnehmbar waren, konnte Phosphat durch die Priifung mit Ammoniummolybdat nach- gewiesen werden. Im Winterdeckel von Helix findet sich in der Asche nach WicKE (SCHLOSSBERGER’s Thierchemie) 5,73 Proz. Ca,(PO,),. Fiir die Schildkréteneierschale giebt GMELIN (SCHLOSSBERGER’s Thierchemie) 7,3 Proz. Calciumphosphat an. Im Otolithen von Gadus fand ich 2,85 Proz. Ca;(PO,),. In den Kierschalen aller Vogel, einer Natter, von Bulimus ob- longus, in Lopbohelia und schlieBlich in allen Fallen, in denen solche Kiigelchen wahrzunehmen waren, wurde ein Phosphat- gehalt nachgewiesen, und da nicht einmal Magnesium immer vor- handen ist, so bleibt nichts tibrig, als anzunehmen, daf das Phosphat in der Form eines Calciumsalzes zugegen ist. Das specifische Gewicht aller Kiigelchen enthaltenden Gebilde ist niedriger gefunden worden, als aus ihrer sonstigen mineralischen Zusammensetzung zu erwarten gewesen ware. Das specifische Gewicht des Winterdeckels von Helix mit 95,18 Proz. Mineral- substanz, Calcit und Ca,(PO,),, betrug nur 2,55, das macht fir Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 459 die gesamte Mineralsubstanz 2,6 aus. Unter Beriicksichtigung der organischen Substanz erreicht das specifische Gewicht aller Kier- schalen kaum den Wert 2,6. Auch Gebilde aus Conchit, welche betrachtliche Mengen Phosphat enthalten, ergaben gleichfalls ein verhaltnismabig niedriges specitisches Gewicht, z. B. Lophohelia 2,802, Gadus-Otolith 2,74, Schildkréteneierschale 2,757. Der Brechungsindex ist niedriger als 1,486, d. h. in Eierschalen, in welchen man Kiigelchen zwischen Calcitkérnchen eingebettet findet, ist der Brechungsindex der ersteren stets niedriger als fiir den auferordentlichen Strahl des Calcits. Die Kiigelchen scheinen tiberhaupt keine depolarisierende Wirkung aus- zuliben; sie miissen demnach entweder amorph sein oder dem tesseralen System angehéren. Das in Crustaceenpanzern beobachtete Phosphat ist wahr- scheinlich gleichfalls amorph oder tesseral, denn bei Astacus und Squilla bemerkte ich iiberhaupt keine Depolarisation, und bei Cancer konnte ich nicht die Ueberzeugung gewinnen, dah irgend eine andere Krystallform als Calcit vorhanden war. Uebersicht tiber die Kalkgebilde im Tierreiche. Von den Formen des Calciumkarbonates sind nur Calcit, Conchit und die amorphe Varietét im Tierreich zu finden. In keinem Falle konnte Aragonit sicher nachgewiesen werden. Keine krystallinische Schale und kein Skelettgebilde schien seinen héchsten Brechungsindex zwischen 1,681—1,685 zu haben oder ein zwei- achsiges Achsenbild mit einem optischen Winkel von 30° zu geben oder beim Erhitzen in der fiir Aragonit charakteristischen Weise zu zerspringen; alle aber besaSen die Natur von Krystallen, welche in ihren Eigenschaften entweder mit Calcit oder Conchit in Ueber- einstimmung gebracht werden konnten. Die Verbreitung des Calcits oder Conchits scheint in sehr geringem Grade von genetischen Beziehungen abzuhangen. Als allgemeine Regel finden wir, dafi die Schneckenschalen aus Conchit bestehen, Patella und Ianthina aber aus Calcit. Die Rohre von Teredo ist Calcit, von Gastrochaena und Serpula Conchit. Unter den Korallen bestanden die Skelette aller unter- suchten Madreporaria aus Conchit, ebenso das Skelett von Heliopora, wahrend die Skelette der iibrigen untersuchten Alcyonarien (Alcyonidae, Tubiporidae, Pennatuli- Bd. XXXV. N. F. XXVIII. 30 460 Agnes Kelly, dae, Corallidae und Isidae) Calcit waren. Dasselbe Tier enthalt héufig zugleich Ausscheidungen von Calcit und von Conchit; die duBeren Schichten der Pinna- und Mytilus-Schalen sind Calcit, wihrend die inneren aus Conchit bestehen; die Rohre von Teredo ist Calcit, die Schale Conchit. Das Gehaiuse von Helix ist Conchit, der Winterdeckel ist Calcit, die Eierschale ist Calcit, der Liebespfeil ist Conchit. Die Bedingungen, welche fir das Auftreten der einen oder der anderen Form in der anorganischen Natur gelten, sind noch nicht exakt festgestellt, und die Art ihres Vorkommens im Tier- reich wirft kein Licht auf diese Frage. Es ist schwer einzusehen, wie die Umstainde, unter welchen die Calcitschale eines Pecten sich bildet, wesentlich sich unterscheiden kénnen von denen, unter welchen die Conchitschale eines Pectunculus sich bildet, und noch schwerer, wenn man es mit zwei Schichten derselben Schale, z. B. der auSeren Calcit- und der inneren Conchitschicht einer Pinna oder eines Mytilus zu thun hat. Demnach ist zur Zeit die physiologische Bedeutung des Vor- kommens von Conchit oder Calcit ganzlich unbekannt. Allgemeine Methoden zur Identifizierung von Caleit und Conehit. Da Calcit und Conchit in ihren Eigenschaften einander ziem- lich nahe kommen, so ist es nicht immer sehr leicht, zwischen beiden zu entscheiden, besonders in dem bei tierischen Ausschei- dungen haufigen Falle, wo die Nadelchen sehr klein sind; und wenn in einem Falle Aragonit vorkommen sollte, so ware die Unterscheidung von Conchit um so schwieriger, da die Kigen- schaften dieser beiden Minerale einander noch viel naher kommen. Die Merkmale, an welche man sich gehalten hat, waren ver- schieden fiir verschiedene Tiergruppen und je nach den ver- schiedenen Umstianden. Sie sollen in Kiirze nachstehend zu- sammengefaht werden : 1) Specifisches Gewicht. Wo dasselbe einwandfrei be- stimmt werden kann, ist es ein sehr zuverlassiges Mittel, zu priifen, daf eine Schale nicht Calcit ist. Calcit hat das specifische Gewicht 2,715; wenn also eine recente Schale, die vermuthlich 2—6 Proz. organische Substanz enthalt, eine Ziffer — 2,715 oder héher er- giebt, so kénnen wir schlieBen, da8 dieselbe — wenn einachsig — Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 461 aus Conchit (specifisches Gewicht 2,87) besteht. Infolge der Porositiit gewisser Einschliisse, wie auch mit Riicksicht auf die organische Substanz ist es leicht zu erklaren, wie ein Conchit- oder auch ein Calcitgebilde einen erheblich niedrigeren Wert er- geben kann als 2,87 bezw. 2,715, aber unmoéglich ist es, dal es einen héheren Wert ergiebt. 2) Spaltbarkeit und Zwillingslamellierung. Spalt- barkeit nach dem Rhomboéder R und Zwillingslamellierung nach —1, R sind itiberaus charakteristisch fiir Calcit, wihrend weder Spaltbarkeit noch Zwillingslamellen in Conchit wahrgenommen worden sind. “Wenn wir daher eine Schale zu feinem Pulver zer- reiben und zahlreiche Lamellenbildungen und vielleicht auch rhom- boédrische Spaltbarkeit beobachten, so diirfen wir sicher auf Calcit schlieBen. Die Abwesenheit der Lamellierung ist jedoch an und fiir sich kein Kennzeichen dafiir, dai wir es mit Conchit zu thun haben; die Kleinheit der Krystalle oder vorhandene organische Structur kénnen ihr Auftreten auch in Calcitgebilden verhindern. 3) Optische Merkmale. Calcit und Conchit stimmen untereinander darin tiberein, da8 sie negativ und einachsig sind, aber sie unterscheiden sich in den Werten fiir ¢ und w; Be- stimmungen des ordentlichen Strahles liefern zwar kaum eine be- friedigende Unterscheidung zwischen Calcit und Conchit, aber eine bessere zwischen Calcit und Conchit einerseits und Aragonit andererseits, wihrend im Gegensatz dazu Bestimmungen des aufer- ordentlichen Strahles zuweilen kaum zwischen Conchit und Aragonit, wohl aber zwischen Aragonit und Conchit einerseits und Calcit andererseits unterscheiden lassen. Ordentlicher Strahl. Nadelchen aus Skelettbildungen von ungefahr 150 Arten aus allerlei Gruppen im Tierreiche wurden verglichen mit THouLrer’scher Lésung vom Brechungsindex 1,662, keines davon zeigte einen sicher erkennbaren héheren Wert; Ara- gonitnidelchen, welche in dieser Fliissigkeit gepriift wurden, er- gaben ein sehr wesentlich héheres Resultat. Durch mikroskopische Bestimmung der Brechung des ordentlichen Strahles war es aber unmoéglich, gentigend sicher Calcit und Conchit zu unterscheiden; Messungen vermittelst der Methode der Totalreflexion zeigten, da8 w fiir Conchit etwas gréfer ist als bei Calcit, und unter giinstigen Bedingungen zeigt eine Vergleichung von Calcit- und Conchit- nadelchen in einer Lésung mit dem Brechungsindex 1,662, da8 Conchit einen etwas héheren Wert fiir w hat als Calcit. Gewéhn- lich aber liegt die Differenz innerhalb der Versuchsfehlergrenzen. 30 * 462 Agnes Kelly, Schwierigkeiten bei den Bestimmungen des auferordent- lichen Strahles boten sich hinsichtlich der Orientierung. Da Calcit und Conchit einachsig und negativ sind, hat der Index des auSerordentlichen Strahles sein Minimum in Scbliffen parallel zur optischen Achse, variiert mit dem Winkel, den der Schliff mit der optischen Achse bildet, wobei er seinen Maximalwert gleich dem des ordentlichen Strahles in Schliffen senkrecht zur optischen Achse erreicht. In Fallen, wie z. B. bei den Prismen von Pan- dorina oder irgend einem prismatischen Gebilde, bestand diese Schwierigkeit nicht, da die Prismen derart auf ihre Seitenflachen gelegt werden konnten, daf sie parallel zur optischen Achse lagen. Die Beziehung zwischen dem Winkel © (mit der optischen Achse) und dem Index m wird durch die Formel 1 sin? @ cos? O a ais 9 m? w? €2 ausgedriickt. Beim Kalkspat ergiebt das il sin? © cos? © m? — (1,6585)? T (14863)? Bei der Berechnung finden wir folgende Werte fiir m: 0° = 1,4863 95° = 15131 5° — 1.4874 30° = 1,5243 10° = 1,4908 35° == 1,5369 15° = 1,4962 45° — 1.5653 20° = 1,5040 Erst bei Winkeln von 30° jederseits zur optischen Achse ge- langen wir zu Zahlen, welche mit dem Minimalwert fir Conchit iibereinstimmen. Fiir den Conchit lautet die Gleichung 1 sin? O cos? O m? — (1,662)? * (1,523)? Bei der Ausrechnung finden wir fiir m: 10° = 1,527 iO heal 20° = 1,537 Wie beim Kalkspat fallen Winkel bis zu 10° beiderseits von der optischen Achse fast in den Bereich der Fehlergrenzen bei der Beobachtung. In Weichtierschalen, wenn die Niadelchen zur Basis parallele Tafeln oder Rhomboéder vorstellen, ist es unméglich, einfache Krystalle zu erhalten, welche fiir die Bestimmung von « passend Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 463 orientiert sind, und ich mute mich zu diesem Zweck auf kleine Bruchstiicke oder Schliffe beschrainken, bei welchen die bei- gemengte organische Substanz auch einigen EinfluS auf das Resultat gehabt haben mag. Die folgenden Werte waren fiir die Brechungsindices verschiedener organischer Hautchen gefunden worden: Deckel von Livonia pica, doppelbrechend, 1,550 und 1,567, Haut auf der inneren Seite eines Straufeneies 1,6, Periostracum von Strombus 1,55. In Korallen und Polyzoen, bei welchen die Niidelchen nicht senkrecht zu irgend einem zusammenhangenden Stiick Oberflaiche gelagert sind, wurde der Index an einem fein gepulverten Priiparat bestimmt, und wenn die Nadelchen im all- gemeinen prismatisch ausgebildet sind, konnte man ziemlich zu- verlassig einen Minimalwert finden durch Priifung einer hin- reichenden Zahl von Stiickchen. Da Calcit und Conchit sich in der Doppelbrechung (Calcit 0,1722, Conchit 0,139) unterscheiden, werden wir in Schliffen parallel zur optischen Achse bei Calcit Farben von héherer Ord- nung erhalten als bei Conchit, und in Schliffen senkrecht zur optischen Achse bekommen wir bei Calcit mehr Ringe im Inter- ferenzbild als bei Conchit. Das kann nur einige vorlaufige An- haltspunkte geben, kann aber nicht als entscheidend angesehen werden. Der allgemeine Habitus der Krystalle liefert oft einen brauchbaren Anhaltspunkt fiir die Entscheidung, ob Calcit oder Conchit vorliegt. Calcitnidelchen sind im Tierreiche gewoéhnlich viel gréfer als jene von Conchit und oft weniger genau parallel in ihrer Richtung, so daf man in einer senkrecht zur optischen Achse praparierten Calcitschale, z. B. in Eierschalen, Kreuze be- obachtet, die gegenseitig etwas iibereinander greifen, waihrend ein ahnliches Praparat aus einer Conchitschale, z. B. von Cyrena, ein einfaches, oft nicht ganz scharfes Kreuz und zuweilen einen kleinen optischen Winkel, von Strombus, mitunter auch nur teil- weise sich deckende Kreuze liefert, welche aber héchstens durch zwei Systeme von Krystillchen veranlaft werden. Die Hauptformen der im Tierreich beobachteten Conchit- nadelchen sind weiter oben schon aufgezahlt worden. Die Formen, in denen Calcit vorkommt: sind 1) Rhomboéder, z. B. Helix- Eierschale. 2) Prismen, gewohnlich begrenzt durch die Basis und durch eine Pyramide. Dieselben kénnen bei Pinna einen Durch- messer von 0,08 mm erreichen, waihrend die Conchitprismen von Pandorina einen Durchmesser von nur 0,012 mm aufweisen. 464 Agnes Kelly, 3) Koérneraggregate, deren Korner in der Richtung der Hauptachse verlaingert sind, z. B. Eierschalen, oder ohne Verlangerung in irgend einer Richtung, z. B. Retepora, und Konkretionen, wie im Regenwurm oder im Ohr des Sturio. 4) Krystallspharoide, z. B. bei Corallium rubrum. 5) Spicula, z. B. bei Schwaimmen, deren Form keine Beziehung zur Krystallachse von Calcit hat. 6) Die lockeren Stacheln und Platten von Echinodermata, deren morphologische Achse mit der Krystallachse zusammenfallt. Die Aetzfiguren waren ohne Bedeutung, natiirlich waren keine an den Krystallaggregaten von Conchit zu sehen, und selbst unter’ verschiedenen Calcitschalen erhielt ich solche (wie auch Leypo.T) nur bei Pinna. Verhalten beim Erhitzen. Wenn Calcit erhitzt wird, verindert er sich nicht unterhalb jener Temperaturen, bei welchen er CO, abgiebt, wahrend Conchit beim Erhitzen auf Temperaturen oberhalb 305° in Calcit tibergeht. Um eine Temperatur zu er- zielen, welche itiber der Umwandlungstemperatur des Conchits liegt, aber unter der Temperatur, bei welcher CO, entwickelt wird, wurden die zu untersuchenden Praparate immer mit einigen Aragonitnadelchen erwarmt, bis letztere oben Risse bekamen, was bei ca. 400° C geschieht. Je nach den Umstinden kénnen wir die durch Erhitzung bewirkte Umwandlung konstatieren an 1) der Veranderung des specifischen Gewichtes. Das specifische Gewicht von Cyrena z. B. vermindert sich von 2,83 auf 2,71; 2)dem Auftreten von Spaltbarkeit und Zwillings- lamellierung. Wenn Nadelchen vorliegen, welche vor dem Erhitzen weder deutliche Spaltbarkeit noch Zwillingslamellierung aufweisen, wie dies bei Conchit oder auch Aragonit der Fall ist, aber nach dem Erhitzen beide Erscheinungen zeigen, kénnen wir daraus den Schluf ziehen, daf eine Umwandlung irgend einer anderen Form des CaCO, in Calcit stattgefunden hat, und aus anderen Erscheinungen kénnen wir entnehmen, ob urspriinglich Conchit vorhanden war; 3) der Aenderung in den optischen Merkmalen. a) Aenderung im Gesamtaussehen. Diese ist am deut- lichsten bei Perlmutterschichten. Ein unveranderter Schliff parallel zur Oberflaiche ist fast genau senkrecht zur optischen Achse, die Krystalle sind sehr klein und ihre Achsen parallel, die Depolari- sation ist klein (Fig. 2). Nach dem Erhitzen ist die allgemeine Orien- tierung nicht wesentlich verandert, aber die Krystalltafeln sind gréfer, Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 465 ihre Anordnung unregelmifiger geworden; man hat nunmehr das Bild eines kérnigen Aggregates vor sich (Fig. 3). b) Aenderung des Minimalwertes von e. Wenn in einem pulverformigen Praparat einer Schale die einzelnen Stiickchen vor dem Erhitzen Indices von nicht unter 1,523 geben, und wenn nach dem Er- hitzen zahlreiche Bruchstiickchen mit einem Index von weniger als 1,523, einzelne sogar mit ungefaéhr 1,4863 gefunden werden, so ist der direkte Beweis fiir die Umwandlung von Conchit in Calcit geliefert. Protozoa. Nur die Foraminifera perforata wurden in Betracht gezogen, mit den Imperforata war nichts anzufangen, da sie Aggregatpolarisation zeigten und aus duferst feinen, nicht orientierten Kérnchen bestanden. Sorias (1885) hat zwar fiir Milliola, Peneroplis, Spirulina und Orbiculina das specifische Gewicht bestimmt und Werte = 2,7—2,722 gefunden, welche sowohl fiir Conchit als auch fiir Calcit passen kénnten. Fiir Perforata hat Soutias (1885) ebenfalls Bestimmungen yom specifischen Gewicht gemacht. Bei Globigerina, Textularia, Rotalia, Discorbina, Nodosaria, Nomonina und La- gena bekam er Werte = 2,626—2,674, fiir Polytrema — 2,65, die Mehrzahl der von ihm gefundenen Werte lag zwischen 2,65 bis 2,674, woraus zu schlieBen ist, dai die Perforata aus Calcit bestehen. Sorpy (1879) und v. Epner (1887) hatten beobachtet, daf die Kammern von Globigerina und Polystomella ein Krystallsphéroidkreuz von negativem Charakter zwischen ge- kreuzten Nicols zeigten; wie v. EBNER sagt, ist daraus zu folgern, dali optisch negative einachsige Krystallindividuen senkrecht zur Oberflache der Schale orientiert sind. Ich fand, da8 alle untersuchten Foraminifera perforata im konvergenten polarisierten Lichte ein negatives Kreuz zeigten, demnach entweder Calcit oder Conchit waren. Da bei Erhitzung auf iiber 400° keine Verainderung wahrnehmbar war, und in den Fallen, welche eine Messung von « erlaubten, dieser Index mit Calcit iibereinstimmte, ebenso wie die von SoLuas angegebenen specifischen Gewichte, so kann man mit Sicherheit schlieBen, da nur Calcit vorkommt. Gewohnlich war die Struktur zu fein, um die Zwillingslamellierung geniigend deutlich hervortreten zu lassen, bei Nummulites wurde letztere sehr deutlich wahrgenommen, aber falls es sich um Fossilien handelt, ist man nie sicher, ob der Calcitcharakter urspriinglich oder sekundar ist. 466 Agnes Kelly, In dieser Gruppe wurden die folgenden Beobachtungsergebnisse erhalten : Name Achsenbild Basen Bemerkungen Lagenidae Lagena elinachsig negativ Vaginula " Cristellaria x . | Rotalidae Cymbalopora _ " Rotalia z, a keine Veranderung beim Erhitzen auf 400°. Planorbulina . 5 Globigerinidae Globigerina re - keine Veranderung beim Erhitzen auf 400 ®. Nummulinidae Nummulites 4 . é == 1,486 |Zwillingslamellierung vorhanden. Amphistegina - i e == 1,486 Polystomella vd x e == 1,486 |keine Verinderung beim Erhitzen auf 400°. Operculina B: 2 €== 1,486 Coelenterata. Wie oben erwahnt, glaubt Sorpy (1879) des specifischen Gewichtes und der Harte wegen, daf Alcyonaria Calcit mit wahrscheinlich etwas Aragonit seien und Madreporaria Aragonit. von Epner (1887) schlieSt aus Untersuchungen mit einem Nicol, daf die einzelnen Nadeln, aus denen die Skelette der Madreporaria bestehen, ahnlich wie Kalkspatprismen sich verhalten, namlich negativ einachsig sind, und da die optische Achse in der Langsrichtung verlauft. Bei Melithaea ochracea (Alcyonaria) kamen stabférmige Kalkkérper vor, welche wie einfache Krystalle sich verhalten. Die optische Achse ist in der Langsrichtung, und sie sollen wahrscheinlich aus Calcit bestehen. In den Arbeiten von v. Kocn (1882), FowLer und Miss OGiLvie habe ich wenig tiber die mineralogische Beschaffenheit der Skelette finden kénnen, obgleich letztere das Aussehen im gewohnlichen Lichte sehr eingehend beschrieben hat. Bemerkens- wert ist, dafS die Anlage des Skelettes des Asteroides caly- cularis nach Kocn aus Krystallsphaéroiden bestehen soll, die ein Kreuz zwischen gekreuzten Nicols geben. In der schon friiher erwaihnten Abhandlung von KLEMENT Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 467 (1894) tiber die kiinstliche Darstellung von Dolomit stellte er fest, daf8’ Madrepora sicher nicht aus Kalkspat, sondern aus einer Modifikation von CaCO, besteht, welche nach seinen Angaben noch labiler sein miisse als Aragonit. In einer Arbeit von G. C. Bourne (1899) teilt Sots einige Bestimmungen von specifischen Gewichten verschiedener Coelente- raten mit. Spongodes spicula 2,63—2,7, Heliopora 2,82, Euphyllia 2,77, Madrepora 2,78. Man kann schon daraus entnehmen, dai Heliopora, EKuphyllia und Madrepora nicht aus Calcit bestehen. Beobachtungen. Das specifische Gewicht wurde innerhalb dieser Gruppe mit einiger Sorgfalt (Luft durch Kochen ausgetrieben etc.) bestimmt. Da ich 2,802 fiir das specifische Gewicht von Heliopora fand, wahrend Sotuas 2,82 mitteilte, wird es sich wohl eher auf die Unterschiede der gleichen Species entnommenen Proben zurtickfiihren lassen als auf Fehler in irgend einer der Bestimmungen. Was die optischen Bestimmungen betrifft, war in dieser Gruppe die Deutlichkeit der erhaltenen Achsenbilder am schwichsten. Bei Tubipora und Mopsea ergaben sich ganz unzweifelhafte einachsige negative Achsenbilder ; aber obgleich auch in einigen anderen Korallen éinachsige negative Achsenbilder beobachtet wurden, so gelang das nur nach einigem Suchen, und auf ein wirklich deutliches und scharfes kamen sehr viele verzerrte, welche ebenso gut zweiachsig sein kénnen. Durch sorgfaltige Messungen von w, welches nie héher als 1,662 gefunden wurde, kann man aber mit einiger Sicherheit entscheiden, da8 nicht etwa Aragonit vorliegt. Der Nachweis von Conchit vermittelst Messungen von « gelingt bei dieser Gruppe auch nur mit geringer Sicherheit. Nach langem Suchen in gepulverten Praparaten fanden sich entweder Stiickchen mit einem Index kleiner als 1,523 oder nicht. War der Index kleiner, so bewies das die Gegenwart von Calcit, im anderen Falle konnte mit nicht vélliger Sicherheit auf Conchit geschlossen werden. Nur bei Heliopora, wo Prismen erhalten wurden, die fiir diese Gruppe verhaltnismavig grof} waren, konnte ¢ gut bestimmt werden, und wurde = 1,523 gefunden. Durch das Auftreten von Zwillings- lamellierung und von Werten fiir ¢ zwischen 1,486 und 1,523 erst nach Erhitzen kann das Vorhandensein von Conchit unzweifelhaft nachgewiesen werden. Die Beobachtungen, welche ich in dieser Gruppe gemacht habe, waren folgende: Agnes Kelly, 468 Speci- Name fisches Achsenbild Brechungsindices Zwillings- Erhitzung bei 400° Gewicht lamellierung Hydrocorallinae Millepora sp. 2,758 /einachsig neg. € == 1,523, w = 1,662 |keine veraindert, zeigt Zwill. Distichopora rosacea 2,781 - es f—— Dao ——alOGoun as veraindert, zeigt Zwill. u. éE= 1,486 Stylaster rosacea 2,756 fa GO 25.mcl——wl Goose os verandert, zeigt Zwill. Alcyonaria Tubipora musica 2,709 a f é== 1,486, w = 1,658 |vorhanden Heliopora coerulea 2,802 a é ¢ == 1,523, wm = 1,662 |keine verandert, Zwill. u. ¢ == 1,486. Pennatula phosphorea (spi- cula) — €—= 1,486, wo = 1,658 keine Verinderung Aleyonium digitatum (spi- cula) — <= 1550 vorhanden re Corallum rubrum 2,009 ‘s - €== 1,486, o = 1,658 - Mopsea sp. — k - ¢== 1,486, » = 1,658 Isis sp. 2,69 * £ é—= 1,486, w = 1,658 a5 Madreporaria Flabellum 2,785 se Ns €== 1,523, w = 1,662 |keine ver., Zwill. Lophohelia 2,802 F - = e213, ——el 2m c f= 4st: Astraea — TS kaya periy—— Wahoyey |e 4 Se elo Maeandrina 2,820 & . ¢ == 1523, (9 == 1662). «=, 5 % Galaxea 2,781 SE elope (iy —— aXe . Fungia 2,81 a f—— 1D AoE) ——— Ne OO one - 5 Eupsammia 2,76 &——= 1-525, 01—— 662i) - ; Dendrophyllia ramea 2,802 . s f== 1523, s0=—1,662)\— a 7 Madrepora 2,811 ) , f= Oo, Rola sl OOLNe i , Porites Sl O25 Ol OO2 |. x, ; Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 469 Hydrocorallinae. An drei untersuchten Beispielen ergab sich aus dem specifischen Gewicht, aus den Indices und dem Ver- halten beim Erhitzen, daf’ Conchit vorlag. Anthozoa. Alcyonaria. Nidelchen von Alcyonium digi- tatum bestehen aus einem kleinen Krystallaggregat mit mehr oder weniger radialer Anordnung. Durch das Verhalten beim Erhitzen, ferner durch das Auffinden von Bruchstiickchen mit ¢ kleiner als 1,50 und mit ganz deutlicher Zwillingslamellierung dirften wir uns tiberzeugt halten, da’ wir es mit Calcit zu thun haben. Pennatula phosphorea, Nadelchen. Dieselben stellen lange Stabchen vor, mit der Lingsachse des Stabchens parallel zur optischen Achse. Daher war es méglich, ¢ genau zu bestimmen ; der Wert dafiir war 1,486, beim Erhitzen auf 400° trat auch keine Veranderung ein; folglich mu8 Calcit vorliegen. Bei ge- lindem Druck zersprangen die Nadelchen in Langsbruchstiicke ; es war aber unmoéelich, Zwillingslamellierung hervorzurufen. Die kalkige Achse von Pennatula liefert ein einachsiges Achsen- bild, wurde aber wegen der organischen Materie nicht weiter untersucht. Tubipora musica, Corallium rubrum, Isis sp. und Mopsea_ erwiesen sich als Calcit durch das Vorhandensein von Zwillingslamellen, durch das specifische Gewicht und den Wert fiir «, Heliopora dagegen als Conchit durch das specifische Gewicht, den Wert von ¢ und das Verhalten in der Hitze. Alle untersuchten Madreporaria, sowohl Perforata als Imperforata waren Conchit, wie sich aus dem specifischen Gewicht, den Indices und aus dem Verhalten beim Erhitzen ergab. Stachelhiuter. Die oben erwihnten Ergebnisse von HESSEL, LrypoLT und v. Espner tiber Spaltbarkeit, Achsenbilder und Aetz- figuren bei Echinodermenskeletten schienen deren Calcitcharakter schon sehr sicher festzustellen; demnach war es kaum notig, neue Beobachtungen zu machen. Ich teile nur folgendes mit: Die von organischer Substanz durch Auskochen in Kalilauge befreiten Stacheln von Echinus ergaben ein specifisches Gewicht von etwas weniger als 2,6, die Stacheln von Cidaris (fossil) 2,7. Zwillingslamellierung wurde in gepulverten Praparaten von Echinus-, Ophiura-, Antedon- und Asterias-Skeletten wahrgenommen. In Laterna aristotelis von recentem Kchinus, wo krystallinischer kompakter Calcit vorkommt, waren deutlich die drei Spaltungsrichtungen des Rhomboéders zu beobachten, und 470 Agnes Kelly, gleicherweise waren sowohl in ganzen Echinus-Stacheln als auch in Schliffen parallel zu ihrer Erstreckung, besonders in der kom- pakteren Aufenschicht diese Spaltungen deutlich nachweisbar. Dieselben Schliffe dienten ferner zu einer sehr zuverlassigen Be- stimmung von ¢, welches sich = 1,486 ergab. In den gepulverten Praparaten wurde der Minimalwert von ¢ immer zu ungefahr 1,486 gefunden, w stimmte immer auf 1,658. Wie v. EBNER an- gab, sind einachsige Achsenbilder bei Skelettgebilden aus allen 5 Klassen wahrzunehmen. Schalengewebe von Echinus, Ophiura, Antedon und Asterias wurde auf ungefaihr 400° erhitzt, das Calciumcarbonat blieb dabei ganz unverandert. Polyzoa ectoprocta. AuBer den Angaben von Sorsy, das wegen des specifischen Gewichtes Polyzoenskelette aus Calcit und Aragonit bestehen miissen, habe ich keine mineralogischen Er- gebnisse tiber diese Gruppe finden kénnen. Das specifische Gewicht von Retepora war 2,654. Die Zwillingslamellierung des Calcits wurde an Skeletten von folgenden Arten wahrgenommen: Scrupocellaria reptans, Cel- laria sp, Membranipora pilosa, Retepora cellulosa, Palmicellaria lorea, Lepralia sp. und Flustra sp., sowie auch die Brechungsindices « — 1,486 und w = 1,658. Negative einachsige Achsenbilder wurden an Scrupocellaria, Membranipora, Retepora und Palmicellaria gesehen. Der allgemeine Habitus war derjenige des Calcits, die Kérnchen waren dabei meist gréfer und in ihrer Gestalt unregelmabiger, als das bei Conchit gewéhnlich der Fall ist. Aus allen diesen Griinden darf man die Geriiste dieser Gruppe als Calcit be- zeichnen. Brachiopoda. Mit Ausnahme von Sorpy’s Angabe, daf alle Brachiopodenschalen Calcit sind, habe ich auch hier noch keine Notiz tiber ihre mineralogische Beschaffenheit finden kénnen. Zwar schreibt VAN BreMMELEN iiber die Schale, aber nicht in diesem Sinne. Ich habe nur die Schale von Terebratula untersucht und fand, daf sie aus Prismen von 0,04—0,05 mm Durchmesser besteht. Das specifische Gewicht war 2,68; es war ferner die Spaltbarkeit unter 45° zur Liangsachse der Prismen sehr deutlich; Zwillings- lamellierung, desgleichen ein negativ einachsiges Achsenbild im Tangentialschliffe. Die Brechungsindices waren ¢ = 1,486 und Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 471 @ = 1,658, daher ist ihr Calcitcharakter ganz zweifellos fest- gestellt. Mollusea. Die Hauptfrage, die mineralogische Struktur tierischer Schalen betreffend, hat man vornehmlich mit Material aus diesem ‘Tierstamm zu lésen gesucht, so daf die gesamte Litteratur tiber unser Thema sich hauptsichlich auf Mollusken bezieht. Alle nach Sorsy’s Publikation (1879) erschienenen Arbeiten tiber Weichtierschalen tragen wenig oder nichts zur Kenntnis der mineralogischen Struktur bei. EnrensAum (1884) beobachtete ein einachsiges Kreuz in der Prismenschicht von Pinna, ferner die Spaltbarkeit in den Prismenschichten von Pinna und Mytilus. In den Arbeiten von TuLLBERG, Naruusius, BLuMRicH und THIELE wird die mineralogische Struktur nicht beriicksichtigt. Bemerkens- wert in der Abhandlung von Moynier pE VILLEPOIx ist die Beobachtung, da die Anlage der duSeren Schicht von Anodonta aus Krystallspharoiden besteht. StmrotH in Bronn’s Tierreich (1899) giebt an, daf in einigen Gastropodenembryonen die erste Anlage der Kalkschale aus Aragonit besteht, liefert aber keinen genligenden Beweis dafiir. Beobachtungen. Bei 13 sorgfaltigen Bestimmungen des specifischen Gewichtes an verschiedenen Exemplaren der Species Cardium edule, alle vom gleichen Fundort, ergaben sich Resultate von 2,790—2,821. Da bei ein und derselben Species im giinstigsten Falle das specifische Gewicht bis zu 0,03 differieren kann, begniigte ich mich bei der Ausfiihrung einer grofen Reihe von Bestimmungen mit Resultaten, die auf + 0,01 stimmten, und zwar wurden diese ermittelt durch Vergleich mit einer Reihe von Lésungen, die jeweils um 0,02 differierten. Achsenbilder waren besonders leicht in Tangentialdiinnschliffen in den inneren Schichten aller Muschelschalen zu finden. Viele waren genau ein- achsig, einige aber schwach zweiachsig mit einem Achsenwinkel von ca. 5°—15°, der aber nicht in jedem Praparat konstant war, wie dies iiberhaupt oft bei einachsigen Mineralien vorkommt. Die Prismenschicht innerhalb der Perlmutterschicht von Lithodomus zeigt zuweilen einen optischen Winkel von ungefaihr 30°. Bei einigen Schneckenschalen, wo zwei sich durchkreuzende Serien von Nadelchen mit nicht genau parallelen optischen Achsen vor- handen waren, z. B. bei Cypraea, erschien das Achsenbild oft verzerrt, und erst bei einem sehr diiunen Schliff wurde thatsachlich der einachsige Charakter unzweifelhaft festgestellt. “ a = “ 13991 = ‘goq't =3 GPSS sijeeioq euronry = po Coal wee Or Ga de i GL eorpueyst vurddp = or) 00 = a Ceca = ay AUeaou creqouMne) ogy 2 vondyjo eiesy = euley| ZOO'T = ‘eza'T = 3 ~ 1S Gey UOT OS way Ya au ne usta 4IOPUBIOA 299°, = a ue P'S erouur(z = t SuniepuyslaA ouley ggo'T = © ‘oar Tt —=3 . “ O1‘S “ elegne (T “urenbs euurg q1opue.oA 299 [=o i 2 ELS 3 ereuur(Z =“ : os 4 SEO OF OST ter ale OLG | MOIog exegny (T ‘stpe snpaATy tc « Fem. 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IVS LY, T1'Z =8 ‘J1opugs98A qIopURIOA “ Z99'T = ‘eoq'l =3 Z99'T = ‘ezo'l =3 Z99'T = ‘ego'T =3 Z99'T = ‘esq'T =3 Z99T = ‘ezoil =3 99 = ‘egcil =3 Z99'T = © ‘esol =3 299 T = ‘ezg'T = 3 II || Z99'T = © ‘eaq'l =3 Z99'T = © ‘ego'T = 3 99'T = ‘ea’ —=3 Z99'T = ‘ezg', =3 it a“ 179 cc ‘Sou Sisyovutoe SISYOVIOMZ 10d -IN0M Jopo «you SISYORIOMZ SVM4O BISyORIOMZ 109 -IU0M JEpoO ATOUT ‘Sou SIsyoe -TOMZ Uo9[loMNnZ “ « ‘Sou SISyovute : ‘sou SISPORIOMZ SVAyO ‘Sou SISyoRure ‘sou SIsyouutoe qone “sou Sisyor -IOMZ U9[loMnZ “ “ snyepnovut (sndoddiy) euoeprty, eyfAqdosoem vumeyyg wns WOTGo : e[npe wuNIpieg ‘ds voroqiAg VUIIUIUL 9d.1TC eUul[[eo Snuo A UWINI0Z[NYS BAVOVT ‘ds eirepnoiqo19g snjnounsd xvod enstxo 8 eyoqornd eure, eydasourAjod euosstor(y ‘YOQ-W]19q ‘YALOUUL WOUISTIg (Z qoross104yjNU10 J (T ~ eseydoyyy, snaopoywwy SNAOFIPIVSIVUL OTUL] 66 ‘TUT (Z 4 “ qyoIqog “yne (T ‘eousAo eyuopouy eourod sefoXo Ioo veuorhO JlopuRIOA eutoy| 799‘. = © ‘eza'T =: ? 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Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 475 Sundopuari9A ouloy ‘WBY]-TIM7Z “Gaepurs8a SUNAOPURIOA IULOy “ “ “ “ 4c “ “URT-|[IMZ “1opur4t98A euloy UOpULYIOA [Ay ue ‘ ac “ 299'T = ‘eza'T =3 Z99'T = ‘ega'| =3 699'T = ‘eza'T =3 Z99'T = ‘eat =3 2991 = ‘ega', =3 2991 = ‘eza'T =3 99'T = © ‘esa’, =3 Z99'T = ‘ezg'T =3 Z99'1 = ‘ega'T =3 299'T = ‘ezc'l =3 Z99'T = ‘eza'T =3 gco'l = ‘9gPpT =3 699 =o ‘egq'] =3 2 QC — eae ¢ ‘ Gc [= SISUOJIOY XI[OFT SI[VUSRIS voOvVUUILT suvidep vishidy eyernqus BportAyg = syepAy voulmepy SNyVySlO BlevULIed Bales uwNnTToqT ‘ds “ vovdoime vovidio tuvotjed sed steqssody SVSL SnquIo.4g ‘ds snjouio A ‘ds wiereog ‘ds vjoytaan y, wiediAtA BuIpnyeg ‘ds viieypuduy BOlOj4l] BULIOIUT ‘ds woyen OSITA snu0g ‘ds vag ‘ds susny wnjepun wnurpong VILOJVOIOU VTTOQUIN[OD mnayoodsiod umtrepog SIUNWIMOD VUIQULT ‘ds v0 N ‘ds oqany, ‘ds snyooay, : — = onl is ia * al te zi S Bd “ “ “ 3 it c90'T—o ‘ecne') = 2 | pes eIMNM vtovyoosjses ‘WUeT-T[IMZ “YatopuRr0A eurey| Z99'T = ‘ego, == z # GOs'S WNLo}IUISBA UNI [o10dsy — = 9gP[ =3 e z g9'Z SI[VAvU OpeJoy, wolyorpoyosnyy = wepuvyioa 3 . 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Bei Pinna kommen als weitere Beweise hinzu das Auftreten der fiir Kalkspat charakteristischen Aetzfiguren beim Behandeln mit Ameisensiure, ferner die geringe Harte und die Unveranderlichkeit beim Erhitzen auf 400°. Die auferen ,,Prismen‘‘-Schichten von Pecten und Anomia waren nur bei jungen Schalen vorhanden und bestanden aus diinnen hexagonalen Tafeln parallel zur Basis. Die Tafeln waren viel zu klein, als daf sie hatten isoliert und be- stimmt werden kénnen; aber da die inneren Schichten Calcit sind, so ist es schlieflich wahrscheinlicher, daf diese auch Calcit sind, als Conchit. Der Beweis dafiir, daf die inneren Schichten von Pecten und Anomia sowohl als die ganze Schale von Lima (bei welcher Gattung in den untersuchten ausgewachsenen Exem- plaren keine aiufere Prismenschicht gefunden wurde) aus Calcit be- stehen, ist geliefert durch das specifische Gewicht (2,65—2,65), die Zwillingslamellierung, sowie durch das Nichteintreten einer Um- wandlung beim Erhitzen und speciell bei Lima durch den Wert fiir « = 1,486. « wurde bei Anomia, Pecten und Ostrea nicht bestimmt wegen des Mangels von Nadeln parallel zur optischen Achse. Die innerste Schicht fast aller tibrigen Muschelschalen besteht aus einer mehr oder weniger typisch entwickelten Perlmutter- schicht — eine typische Perlmutterschicht besteht aus einer Reihe von Lamellen aus organischer Substanz, an welchen sich jeweils diinne Tafeln parallel zur Basis befinden —, doch sind in Bezug auf ihre mineralogische Zusammensetzung die auferen und inneren Schichten gewéhnlich ziemlich ahnlich. Bei Cyrena zeigt sich nur ein schwacher Unterschied zwischen Innen- und . AuBenschicht; bei Mactra ist die auferste Schicht weniger durchsichtig. Bei Anodonta und Unio aber treffen wir einen scharfen Gegensatz zwischen Innen- und AufSenschicht. Die erstere hat typischen Perlmuttercharakter, die letztere ist an- scheinend prismatisch; bei der Priifung unter dem Polarisations- 31* 478 Agnes Kelly, mikroskop zeigt sich aber, daB wir es mit strahligen Krystall- aggregaten zu thun haben, bei welchen die Aneinanderlagerung jedem einzelnen Aggregat eine polygonale Gestalt verleiht (Fig. 1). Dreissena hat einen ganz ahnlichen Schalenbau, nur mit dem Unterschied, dafi keine so deutliche Abgrenzung zwischen duferer und innerer Schicht oder zwischen den strahligen Aggregaten unter sich besteht. Da sich also im allgemeinen kein scharfer mineralogischer Gegensatz zwischen den auferen und inneren Gehauseschichten zeigte, so wurde in der Regel nur der innere Teil der Schalen untersucht, weil er wegen seiner dichteren Beschaffenheit und regelmaifigeren Anordnung das giinstigere Untersuchungsobjekt war. Nur bei Anodonta und Pandorina wurden beide Schichten einer Untersuchung unterworfen. Bei allen Perlmutter- schichten, ebenso bei der auBeren Schicht von Anodonta er- gaben Beobachtungen iiber das specifische Gewicht und iiber das Verhalten unter dem Mikroskop und beim Erhitzen den vollgiltigen Nachweis von Conchit. Bei Pandorina ist auferhalb der Perl- mutterschicht eine Prismenschicht vorhanden, die derjenigen von Pinna zu gleichen scheint, aber das specifische Gewicht und das Verhalten unter dem Mikroskop und beim Erhitzen fiihren zu dem Resultat, daf die Prismen aus Conchit bestehen. Sie sind den innerhalb der Perlmutterschicht bei Lithodomus und mitunter auch bei Pinna, sowie bei Haliotis unter den Gastropoden gefundenen kleinen Prismen ganz abnlich, und ebenso wie bei diesen liegen ihre Achsen parallel zu den Achsen der Tafeln in der Perlmutterschicht. Seaphopoda. Die Dentalium-Schale wurde durch die Indices und das specifische Gewicht als Conchit erkannt. Gastropoden. Bei der iiberwiegenden Mehrzahl der Schnecken erwiesen sich die Schalen hauptsiachlich durch das_ specifische Gewicht und die Brechungsindices als Conchit, nur Patella, Ianthina und Scalaria haben Calcitschalen, wie sich aus dem Vorhandensein von Zwillingslamellen, sowie aus den mit Kalkspat iibereinstimmenden Befunden der Indices und des_ specifischen Gewichtes ableitet. Mrrrs giebt an, da einige Kérnchen aus dem Callus von Velates, einer fossilen Neritide, Calcit sind. Dies kann auf eine Veranderung beim Versteinerungsprozef zuriick- zufiihren sein, aber bis zu einer erschépfenden Untersuchung der Molluskenschalen ist es nicht ausgeschlossen, da8 ein Teil einer Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 479 der Hauptmasse nach aus Conchit bestehenden Schale Calcit sein kann. Perlmutterschichten, welche mit jenen in Muschelschalen voll- kommen vergleichbar sind, liegen nur bei Haliotis, Trochus und Turbo vor. Die allgemeine Struktur der Schneckenschalen eleicht mehr derjenigen von Strombus, die Nadeln haben eine Auslischungsschiefe von ca 60°, ihre Lingsachse ist ca. 40° zu der Oberfliche geneigt, und es giebt deren zwei Serien, die sich unter ca. 100° kreuzen (Fig. 4). Cephalopoda. Nautilus und Spirula zeigen typische Perlmutterschichten, die beim Erhitzen eine Umwandlung erlitten ; der Wert fiir ¢ stimmt bei Spirula und Sepia auf Conchit, daher miissen sie aus Conchit bestehen, obgleich sie ein niedrigeres specifisches Gewicht aufweisen als Calcit. Aehnlich wie Ianthina, auch eine schwimmende Form, von den itibrigen Gastropoden, unterscheidet sich auch Argonauta argo von den anderen Cephalopoden dadurch, daf ihre Schale aus Calcit besteht, wie es aus der Zwillingslamellierung ersichtlich ist. Schalen von Weichtierembryonen und Larven. Be- merkenswerter Weise kann gerade in den Fallen, in denen die Schale des erwachsenen Tieres Conchit ist, diejenige des Embryos und der Laryen aus Calcit bestehen. Die Schalen der Glochidia von Anodonta und jugendlicher Formen von Dreissena zeigen keine Umwandlung beim Erhitzen auf 400°, miissen demnach als Calcit angesehen werden. Die Jugendform vom Ianthina, deren erwachsene Exemplare Calcitschalen haben, lieBen, in der an- gegebenen Weise gepriift, ebenfalls Calcit erkennen. Schneckendeckel. Die Deckel von Turbo und Nerita sind kalkig, und nach ihrem specifischen Gewicht und nach ibren Indices bestanden sie aus Conchit. Der Winterdeckel von Helix pomatia besteht jedoch aus Calcit, was am deutlichsten aus der Zwillingslamellierung zu ersehen ist. Es ist ferner beachtens- wert, dafi er Phosphateinlagerungen enthalt wie die Vogeleier- schalen. Das Spiculum amoris von Helix ist negativ einachsig, der Wert fiir ¢ ist vor dem Erhitzen = 1,523, nachher sinkt er auf 1,486, demnach ist es als Conchit anzusehen. Muschel- und Chitopodenréhren. Es wurden untersucht die von Teredo aus der Gruppe der Pholadiden, sowie die von Gastrochaena und Aspergillum aus den von Gastrochae- 480 Agnes Kelly, niden erzeugten Réhren, und zwar mit dem Ergebnis, dah Teredo aus Calcit besteht (specifisches Gewicht, Zwillings- lamellierung, Indices), wahrend Aspergillum und Gastro- chaena sich als Conchit erwiesen (specifisches Gewicht, Indices und Verhalten bei héherer Temperatur). An der Roéhre von Serpula fand ich, daf sie aus sehr kleinen prismatischen Nadeln besteht; deren Conchitnatur ergiebt sich aus dem_ specifischen Gewicht 2,793 und aus den Indices ¢ = 1,523 und w = 1,662. In allen untersuchten Réhren waren die Nadeln im allgemeinen senkrecht zur Oberfliche angeordnet, was bewiesen wurde durch die Achsenbilder (einachsig und negativ), welche im Tangential- schliff beobachtet wurden. Crustacea. Die einzige mir bekannte friihere Angabe iiber die mineralogische Beschaffenheit der Crustaceenpanzer ist von Sorsy, namlich daf sie wahrscheinlich aus Calcit bestehen. Beobachtungen. Grofe Schwierigkeiten verursachte die vorhandene organische Substanz, welche nicht einmal mittelst Eau de Javelle so vollstindig beseitigt werden konnte, daf man gute Bestimmungen hatte ausfiihren k6énnen. Sowohl deshalb, als wegen des vorhandenen Ca;(PO,), hat die Bestimmung des specifischen Gewichtes geringen Wert. Das Verhalten des CaCO, in der Hitze wurde in gleicher Weise oft verschleiert ; soweit sich erkennen lief, trat beim Erhitzen keine Umwandlung des CaCO, ein, aber wegen der Veranderung des gesamten Aussehens durch Verkohlung kénnte méglicherweise eine Umwandlung iibersehen worden sein. Speci- Zwillings- | penitz Name fisches | Achsenbild Brechungsindices lamellie- | suf 4 Gewicht rung Nl ] i Cypris einachsig neg. — = lanverandl Lepas anatiferal 2,64 , » €== 1,486, o = 1,658|vorhanden F Balanus tintin-| | nabulum 2620 ee » c= 1,486, » — 1,658 is 3 Oniscus asellus — | 4 | — a — Homarus vul- garis ae » €= 1,486, w= 1,658 —_— — Cancer pagurus|unter 24 2“ ee OO) — 1,658| ~- — Einachsige Achsenbilder wurden auch bei folgenden Arten gesehen : Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 481 Gammarus locusta, Remipes sp., Nerocila maculata, Eupagurus bernhardus, Idotea entomon, Dromia vulgaris, » Ungulata, Porcellana sp., Palinurus sp., Portunus sp. Galathea sp., Folgerungen. Die kleinen Schalen von Cypris zeigten keine Umwandlung beim Erhitzen und bestehen daher aus Calcit. Die Cirripedia haben einen sehr hohen Gehalt an CaCO, ; bei Lepas treffen wir nach Scamipt 96,01 Proz. Kalksalze, wovon 0,67 Proz. Ca;(PO,), ist. In Balanus findet sich nach SCHLOSSBERGER 41,3 Proz. CO,, dies wiirde 93,86 Proz. CaCO, entsprechen. Die specifischen Gewichte sind 2,64 resp. 2,62, passen somit gut zu Calcit, sowie auch die Indices. Folglich ist das Vorhanden- sein von Calcit bewiesen; dies ist ferner konstatiert durch die Beobachtung von Zwillingslamellierung und das Ausbleiben einer Umwandlung beim Erhitzen. Oniscus unterscheidet sich von den anderen Isopoden durch den verhaltnismafig hohen Gehalt an CaCO,. Zwillings- lamellen waren sehr deutlich zu sehen, die zum Nachweis von Calcit ausreichten. Unter den Decapoden dienten Cancer und Homarus und die sogen. ,Krebsenaugen“ von Astacus als Untersuchungs- material, allein die Beobachtungen fielen wegen des hohen Ge- haltes an organischer Substanz (nach alterer Angabe in ScHLoss- BERGER’S Thierchemie fiir Homarus 23—45 Proz.) nicht genau aus. Es konnten wegen der organischen Struktur Zwillings- lamellen nur an den _ ,,Krebsenaugen‘‘ wahrgenommen werden, welche daher als Calcit anzusehen sind. Die Bestimmung von « bei Cancer und Homarus ergab jedoch einen mit Calcit tiberein- stimmenden Wert; wir schlieBen daraus, daf Cancer- und Homarus-Panzer auch aus Calcit bestehen. In allen untersuchten Crustaceen-Panzern wurde also Calcit und zwar nur dieser gefunden. Otolithen. Koxen (1884) sagte, da’ Otolithen von Tele- ostiern Calcit seien, lieferte aber dafiir keinen direkten Beweis. Der Otolith von Gadus wurde ziemlich eingehend unter- sucht. Er bestand aus 95,26 Proz. Mineralsubstanz [CaCO, und Ca,(PO,),], wovon 92,41 Proz. CaCO, war. Das specifische 482 Agnes Kelly, Gewicht wurde zu 2,74 gefunden. Tangentialschliffe gaben ein- achsige negative Achsenbilder. Man konnte durch Druck einzelne Prismen bekommen, an denen die Werte fiir ¢ und w sehr genau bestimmt werden konnten, und zwar wurde ¢ = 1,523, w = 1,662 gefunden. Bei héherer Temperatur fand eine Umwandlung statt, wobei der ganze Otolith zerfiel. Zwillingslamellen wurden erst nach dem Erhitzen sichtbar, und der Wert von ¢ ist nunmehr 1,486, gleich demjenigen von Calcit. Daraus schliefen wir, da8 er aus Conchit besteht. Die den Otolith zusammensetzenden Conchitnadeln waren in Kolumnen angeordnet; sowohl die Kolumnen als die Nadeln standen im allgemeinen senkrecht zur Oberfliche; jede Kolumne zeigte aber eine strahlige Anordnung der Nadeln, so daf im Tangential- schliff der einzelnen Kolumne zwischen gekreuzten Nicols ein Kreuz gesehen wurde, welches demjenigen in der ,,Prismenschicht‘ von Anodonta gleicht, nur daf in Otolithen die Kolumnen un- gefahr 0,85 mm Durchmesser besitzen, wahrend bei Anodonta der Kolumnendurchmesser nur 0,083—0,075 mm betragt. Die in den Otocysten von Sturio gefundenen Konkretionen glichen dem Otolithen von Gadus nicht, eher den Konkretionen, welche man in der vorderen Oesophagealdrtise des Regenwurmes antrifft, indem beide ein specifisches Gewicht von ungefahr 2,715 und Zwillingslamellierung zeigten, daher waren sie als Calcit anzusehen. In den Otocysten des Frosches und in den SWAMMERDAM- schen Driisen fanden sich kleine, linsenférmige Stabchen, die gerade Ausléschung zeigten. Die in den Otocysten sind etwas gré8er, sonst gleichen sie sich in allen Eigenschaften. Die in den SWAMMERDAM’schen Driisen gefundenen Nadeln sind durch ROSE (1858) beschrieben worden, welcher sie fiir Aragonit hielt. Wegen ihrer Umwandlung beim Erhitzen, durch welches ¢ auf 1,486 sinkt und die Zwillungslamellierung des Calcits hervorgerufen wird, sind sie entweder Conchit oder Aragonit, wobei die Brechungs- indices eher auf Conchit schlieBen lassen. Aehnliche Nadeln, welche Rose in den Otocysten von Protopterus und in dem Halssack des Geckos fand, sind aller Wahrscheinlichkeit nach gleichfalls Conchit, speciell bei Gecko beobachtete Rose eine be- trichtliche Erniedrigung des specifischen Gewichtes beim Erhitzen. Eierschalen. Ueber den mineralogischen Charakter der Eierschalen konnte ich in der Litteratur nur beztiglich der Gattung Helix Angaben finden. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 483 TuRPIN (1832) beschrieb die Kierschalen von Helix aspera und hortensis, wobei er angiebt, daf’ durch Druck Rhomboéder erhalten werden. Rose (1858) fand, dafi Turprn’s Resultate auch fir Helix pomatia gelten: es soll sich bei dieser Species eine Gruppierung von Hauptrhomboédern des Kalkspats finden, die alle mit ihrer Hauptachse senkrecht zur Oberflaiche stehen. Man kann die drei Endkanten in den Rhomboédern meistens deutlich er- kennen und sieht dabei, daf sie alle in den verschiedenen Rhombo- édern eine verschiedene Lage haben. Innerhalb der diese Rhombo- éder enthaltenden Schicht befindet sich ,,eine diinne, weife Haut, welche einzelne Krystalle von Kalkspat enthalt, die aber in der Regel undeutlich und unvollkommen sind“. Die organische Struktur und der gesamte Habitus der Vogel- und Reptilieneierschalen sind sehr ausfiihrlich durch Natrausrus beschrieben worden, der es jedoch nicht fiir méglich zu halten vermochte, daf dieselben Kry- stallkérner enthaiten sollten, welche irgendwelchen unorganischen Ablagerungen analog waren. Beobachtungen. Obgleich die Eierschalen des Straufes, des Alligators und des Haushuhnes in Aethylendibromid und Bromoform ausgekocht, Schalen und Mischung alsdann einige Stunden lang unter den Recipienten der Luftpumpe gestellt und ebenso lange auf 80° erhitzt wurden, erreichte aus irgend einem Grunde der Wert fiir das specifische Gewicht nach Ab- rechnung der organischen Substanz nur 2,6. Zwillings- lamellierung wurde in allen Eierschalen aufer bei Schildkréten- eiern wahrgenommen. An zerbrochenen Eierschalen wurden meistens elanzende Rhomboéderspaltungsflachen wahrgenommen. Alle Eier- schalen, diejenigen von Schildkréten ausgenommen, geben im Tangentialschliff ein negatives einachsiges Achsenbild. Die Haupt- achsen der K6rner waren nahezu senkrecht zur Oberflache, wenigstens insoweit, als zu einer guten mikroskopischen Be- stimmung von ¢ in radialen Schliffen nétig ist. Beim Straufenei, wo im auferen Teile der Schale die Kérnchen mit ihren optischen Achsen fast genau parallel zu einander und senkrecht zur Ober- fliche stehen, war es méglich, an einem polierten Tangentialschlitf durch die Methode der Totalreflexion nach WoLuasTon Werte fiir é und zu erhalten. Dieselben waren ¢ = 1,485 und w = 1,656, stimmten also mit denen des Calcits innerhalb der Versuchsfehler- erenzen iiberein. Mit Ausnahme der Schildkréteneier erleiden Kierschalen keinerlei Umwandlung bei 400° C, nur daf die organische Substanz verkohlt. Bei Schildkréteneiern tritt eine 484 Agnes Kelly, nachweisbare Umwandlung ein, die hinsichtlich der Prismen durch die Aenderung des Wertes ¢ von 1,523 auf 1,486 charak- terisiert ist. Beobachtungsreihe. oe ee Speci- Twili Name fisches | Achsenbild Brechungsindices 1 ae Gewicht amellierung A ae ee Mollusca Ampullaria sp| — jeinachsig neg. — vorhanden Helix pomatia} — is ‘ o == 1,658 ‘5 Bulimus oblon- gus 2,599 5 » |€= 1,486, o — 1,658 . Reptilia Emys sp. 2,757 -— e == 1,523, m = 1,662 |keine Alligator sp. | 2,572 5 , |€ = 1,486, o = 1,658 |vorhanden Aves Struthio 2,553 . » |€ = 1,486, o = 1,658 4 Emu 2,5 z » |€= 1,486, wo = 1,658 i Gallina dome- stica 2,465 » |€ == 1,486, wo = 1,658 Anser sp. 2,54 - , |€=1,486, o— 1,658 a Alca sp. 2,4 5 » |&== 1,486, o = 1,658 Fe Larus sp. 2,4 e , \€ = 1,486, o = 1,658 Pica sp- 2,3 Be . |€= 1,486, wo — 1,658 - Die Schildkréteneierschale steht einzig unter allen untersuchten Hierschalen da, insofern sie aus Conchit besteht (durch das specifische Gewicht, die Brechungsindices und das Verhalten beim Erhitzen nachgewiesen). Die Nadeln sind zu Krystallspharoiden von ungefabr 0,17 mm Durchmesser angeordnet. Phosphatkérnchen bilden konzentrische Ringe um den Mittelpunkt eines jeden Krystallspharoids (Fig. 5). Alle iibrigen untersuchten kalkigen Eierschalen gleichen ein- ander in der allgemeinen Struktur und in ihrem Aufbau aus Calcit. Die innerste Schicht aller Eierschalen, die ,Mammillarschicht™ (von Narnustus), ist mehr oder weniger genau spharolithisch und gleicht darin den Schildkréteneierschalen. Dies fiihrte zu der Idee, daf die Innenschicht auch darin den Schildkréteneierschalen gleichen und sich von der Aufenschicht dadurch unterscheiden michte, da sie aus Conchit besteht. Daf dies bei Bulimus- Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 485 oder StrauBeneierschalen, wo die Struktur am leichtesten zu ermitteln war, nicht der Fall ist, zeigen sowohl das Vorkommen yon Zwillingslamellen und Werte fiir ¢, die viel kleiner sind als 1,523, als der ganze Habitus der Krystallkérnchen. Betrachtet man die Innenfliche von Bulimus oblongus- oder Alli- gator-Eierschalen, so erscheint diese Schicht nicht durchweg gleichartig, sondern zusammengesetzt aus mehr oder weniger deut- lich abgegrenzten weifen Flecken. Bei Vogeleierschalen kann dies wegen der gréferen Menge organischer Substanz und der Kiigel- chen von Ca,(PO,), weniger leicht wahrgenommen werden. Ein Tangentialschliff von Bulimus zeigt, daf jeder weie Fleck aus strahlig gruppierten Krystallkérnchen besteht, die nicht nadel- formig, sondern von einiger Dicke, sogar Rhomboéder sind. Dem- zufolge ist das zwischen gekreuzten Nicols beobachtete Kreuz von viel unregelmafigerem Charakter als das bei Schildkréten auf- zufindende. Bei Alligator und den meisten Végeln kann man wegen der Phosphatkérnchen weiter nichts herausbekommen, als da8 die Aggregate strahlig gruppiert sind, aber beim StrauSenei sind die Spharolithen etwas kleiner als bei Bulimus, sonst sind sie ganz ahnlich. Eine solche Mammillarschicht, wie bei Bu- limus, bildet fast die gesamte Eierschale von Ampullaria, und die ganze Eierschale von Helix, wobei die Aggregate eine ziem- lich zusammenhangende Hiille um das Ei bilden, und die Kérnchen verhiltnismabig gro’, manchmal rhomboédrisch und 6fters Zwil- lingsbildungen sid. Wie Rose angiebt, sollen die Hauptachsen senkrecht zur Oberflache stehen; dies ist aber nur einigermafen _zutretfend, weil in einem Tangentialschliff der Austritt der Achse nicht immer senkrecht ist, sondern oft ziemlich schief. Die Aufenschichten aller Eierschalen sind alle sehr gleichartig und bestehen aus unregelmafig gestalteten Kalkspat- kérnchen, deren Hauptachsen ungefahr senkrecht zur Oberflache stehen. Die Gruppierung derselben ist durchaus vergleichbar mit derjenigen, wie man sie in Krustenbildungen von CaCO, an Schilfrohr etc. in Fliissen von Derbyshire gefunden hat. Die Radialschliffe verschiedener Kierschalen zeigen unter- einander verhaltnismaBig geringe Verschiedenheit. Ampullaria hat aufer der inneren Mammillarschicht eine diinne, aus unregel- mafigen, locker aneinander gelagerten Prismen bestehende Schicht. Die EKierschalen von Bulimus, Alligator, Strauf, Huhn und Gans haben unregelmafige, dicht aneinander gelagerte Prismen, nur daf beim Strau8 die Prismen verhaltnismakig viel 486 Agnes Kelly, linger sind (Fig. 9). Eierschalen von Emu besafen in den unter- suchten Exemplaren auSerhalb der Mammillarschicht 4 Schichten ; in der Reihenfolge von innen nach aufen kam zuerst eine Schicht, vergleichbar der Auenschicht der Hiihnereierschale, sodann folgte eine Schicht aus viel gréferen Kérnchen; alsdann reihte sich eine lose, unregelmaBige Schicht kleiner Kérnchen an, und schlieSlich ganz aufen eine sehr regelmafige Prismenschicht (Fig. 10). Man kann sogar mit dem blofen Auge diese 5 Schichten unterscheiden, denn die beiden inneren sind weil, die Schicht aus grofen K6érn- chen blau, die unregelmafige Schicht wei, und die auferste Prismenschicht dunkel griinlich-braun. Diejenigen Punkte, in welchen Radialschliffe sich voneinander unterscheiden, sind die GréfSe und Verbreitung der Einlagerungen von Ca,(PO,), und der Gehalt an organischer Substanz (bei Bulimus 4,5 Proz., bei Alligator und Huhn 4,2 Proz. und bei dem Strauf 3,37 Proz.). Bei Bulimus und Alligator sind die Phosphatkiigelchen anscheinend von ziemlicher Gréfe, oft wegen Anhaufung mehrerer Kiigelchen. In Vogeleierschalen sind die Kiigelchen klein, am gr6éften bei Alken. Sie sind thatsachlich in die Calcitkérnchen eingebettet, denn man kann am Rande von Bruchstiicken die Héhlungen sehen, aus denen die Ktigeichen herausgefallen sind, wie es auch am Operculum von Helix wahrgenommen werden kann. Im allgemeinen kann man als Regel feststellen, da8 die Kiigelchen haufiger in der inneren Schicht der Kierschalen sind als in der auferen (Fig. 8); weitaus am selt- samsten treten sie uns in der mittleren Schicht von StrauSeneier- schalen entgegen. Hier haben wir unregelmafig mehrkantige Prismen, und in jedem findet sich bei der Betrachtung eines Querschliffes ein gew6hnlich dreieckiger Kern mit vielen Kiigelchen und eine aufere Zone aus klar durchsichtigem CaCO,. Das Aus- sehen, wie es sich im allgemeinen darbietet, ist schon durch NatTuusius sorgfaltig beschrieben und abgebildet worden. Eine zulassige Erklarung genannter Erscheinungen ist die, daf in den ersten Stadien der Schalenbildung viel Phosphat ausgeschieden wird, daher enthalten die anfanglich entstandenen Krystalle viel Phosphat, aber sie sind entweder schon von vornherein untereinander nicht zusammenhaingend oder sie wurden erst waihrend des Wachstums- prozesses auseinandergertickt. Spater wird weniger Phosphat ausgeschieden, und es erfolgt eine parallele Fortwachsung, um eine dichte Schale zu bilden, durch Anlagerung reinen Kalkspats an den mit Einsprenglingen erfillten. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 487 Die organische Substanz durchzieht wie ein feines Netzwerk die gesamte Substanz der Krystallkérnchen in den Eierschalen von Bulimus, Alligator und der Vé6gel. Durch vorsichtige Entkalkung mittels einer schwachen Liésung von Pikrin- siure und Nigrosin in verdiinntem Alkohol kénnen Dauerpraparate der organischen Substanz erhalten werden. Sie findet sich immer besonders reichlich in der Umgebung der Phosphatkiigelchen, bei Alkeneierschalen z. B. sieht man deren Umrisse in der nach der Entkalkung zuriickbleibenden organischen Substanz. In der mittleren Schicht der Straufeneierschale erscheinen die im tangen- tialen Schalenschliff gesehenen undurchsichtigen Dreiecke nach der Entkaltung als opake Stellen, an denen ganz vorzugsweise organische Substanz angehauft ist. Es zeigt sich ferner, daf in der- selben Schale die Phosphatkiigelchen einigermafen in Reihen parallel zur Oberflache angeordnet sind (Fig. 9); man sieht namlich nach TEE SBE Sah lO ORES FBI NEE BE GAY NYE RMB SE PRE EE, Fig. 1. Strau®Beneierschale. Entkalkter Radialschliff X 18. Zeigt das Netzwerk von organischer Substanz, das itiberall in den Kornchen vor- handen ist. Besonders reichlich findet sich dasselbe in der Mammillarschicht, in den phosphathaltigen Kernen der Kérnchen und in Linien parallel zur Oberfliche. der Entkalkung und Farbung in der organischen Substanz ent- sprechende dunkle Linien, welche ebenfalls parallel zur Ober- fliche verlaufen (Textfig. 1). Die Eierschale von Helix unter- scheidet sich von jenen der Gattung Bulimus, der Reptilien und Végel darin, daf es unméglich ist, in der Substanz der Krystallkérner selbst irgendwelche organische Substanz nach- zuweisen. Ein entkalkter Schliff zeigt innen und aufen eine strukturlose Membran und dazwischen ein Netzwerk von weniger dichtem Gewebe mit leeren Raumen, in denen die Kérnchen ge- 488 Agnes Kelly, wesen waren (Textfig. 2.). Vielleicht ist dieses Verhalten charak- teristisch fiir Mammillarschichten iiberhaupt, so daB die Helix- Eierschale sich nur wie eine solche verhalt. Tangentialschliffe von Eierschalen machen im parallelen polarisierten Licht den Eindruck eines kérnigen Aggregates ohne irgend welche einheitliche Orientierung, denn obgleich die Kérnchen alle annahernd parallel zur Basis getroffen werden, sind die Winkel, welche die Achsen der einzelnen Krystalle untereinander bilden, ero genug, um zu verursachen, dafi jedes Kérnchen eine andere Farbe zeigt. Sie unterscheiden sich voneinander in ihrem Aus- sehen ein wenig mehr als die Radialschliite, hauptsichlich was den + SUAS See aX Fig. 2. Eierschale von Helix pomatia. Entkalkter Radialschliff 135. Zeigt das innere und auBere Haiutchen und die Hohlraéume, in denen die Kiystai!xGrnchen waren. Grad der Regelmafigkeit ihrer Kérnchenumrisse anbelangt. Bei Bulimus sind einige Kérnchen dreieckig; die Umrisse sind ge- wobnlich polygonal und die Begrenzuag geradlinig. Beim Alligator und in der Schicht der Emu-Eierscnale mit den gréitea Kérnchen sind die Umrisse nicht viel komplizierter; im den Vogeleierschalen ist im allgemeinen die Kérnchenbegrenzung héchst kompliziert und auBerordentich zackig, z. P. Hiihnereierschale (Fig. 6). Ferner unterscheiden sich die Korner beztiglich ihres Durchmessers ; derselbe betragt beim Strau&, Alligator und Emu 0,2 bis 0,3 mm, beim Huhn, bei Bulimus und bei der Gans nur 0,1 bis 0,2 mm. Anscheinend wird die Gréfe der Kérnchen durch kleine Unter- schiede in den obwaltenden Bedingungen beeinfluBt. So waren z. b. die Kérnchen in den Hiihnereierschalen aus der Londoner Gegend viel gré8er und von viel komplizierterem Umyri8 als in den Schalen der Eier, welche man in Miinchen zu kaufen bekommt. Thatsachlich bestand hinsichtlich des Aussehens im Tangential- schiitf zwischen diesen beiden Sorten von Hiihnereierschalen ein ungefahr ebenso grofer Unterschied, wie man ihn beim Vergleich von Schalen aus systematisch mdglichst verschiedenen Vogelarten wahrnehmen kann. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 489 Zusammenfassung. Als Resumé tiber die bereits erérterte Verbreitung des Calcits und Conchits im Tierreich diene folgendes. Mit Riicksicht darauf, da’ der mineralogische Charakter tierischer Schalen keine strenge Abhangigkeit von der systematischen Stellung zeigte, ist es wahrscheinlich, da8 ein erschépfendes Studium von Schalen aus allen einzelnen Tierstimmen noch Ergénzungen der Resultate liefern wird, welche sich auf die Untersuchung von etwas iiber 150 Arten griindet, aber sie in ihren Grundziigen kaum andern kann. Foraminifera perforata Calcit. Kalkschwamme Calcit. Hydrocorallinae Conchit. Alcyonaria Calcit, nur Heliopora Conchit. Madreporaria Conchit. Echinodermata Calcit. Polyzoa ectroprocta Calcit. Brachiopoda Calcit. Mollusca, Lamellibranchia Conchit, nur Anomia, Ostrea, Pecten und Lima und AuBenschichten von Pinna und Mytilus Calcit. Scaphopoda Conchit. Gastropoda Conchit, nur Patella, Ianthina und Scalaria Calcit. Cephalopoda Conchit, nur Argonauta Calcit. Deckel von Turbo und Nerita Conchit, von Helix Calecit. Roéhre von Teredo Calcit, von Gastrochaena, Aspergillum und Serpula Conchit. Crustacea Calcit. Otolithen von Teleostei und Amphibia Conchit, von Sturio Calcit. Eierschalen von Mollusken, Reptilien und Voégeln Calcit, nur Emys Conchit. 490 Agnes Kelly, Litteraturverzeichnis. pE LA Brcns, 1834, Researches on theoretical geology, London. Van BemMEten, 1883, Untersuchungen tiber den anatomischen und histologischen Bau der Brachiopoda testicardinia. Jenaische Zeitschr., Bd. XVI. Bipper, 1898, The skeleton and classification of Calcareous Sponges. Proc. Royal Soc. London, Vol. LXIV. Buumercu, 1890, Das Integument der Chitonen. Zeitschr. wiss. Zool., Bd. LII. Bourne, G. C., 1899, Studies on the structure and formation of the Calcareous Skeleton of the Anthozoa. Quart. Journ. Micr. Sci., Vol. XLI. pe Bournon, 1808, Traité complet de la chaux carbonatée et de Varagonite, Vol. I, London. v. Bucn, 1828, Ueber Silifikation organischer Kérper. Abh. der Berliner Akad. Cornisu and Kenpaut, 1883, Aragonite shells in the coralline crag. Geol. 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Sci., Vol. XXV. — 1886, idem, Il. Ibidem, Vol. XX VII. — 1887, idem, III. Ibidem, Vol. XXVIII. — 1888, idem, IV. Ibidem, Vol. XXVIII. — 1890, idem, V. Ibidem, Vol. XXX. vy. GimprL, 1884, Ueber die Beschaffenheit der Molluskenschale. Zeitschr. geol. Ges, Bd. XXXVI. Hessex, 1826, Kinfluf des organischen Kérpers auf den anorganischen, Marburg. Kery, Acnes, 1900, Ueber Conchit. Sitz-Ber. der bayer. Akad. Bd. XXX. — 1900, Conchite. Mineralogical Magazine, Vol. XII. Kenpatu, 1896, On the cause of the Bathymetric Limit of Pteropod Ooze. Rep. Brit. Ass. Kirment, 1894, Ueber die Bildung des Dolomits. Tscum. miner.- petr. Mitt., Bd. XIV. v. Kocn, 1882, Ueber die Entwickelung des Kalkskelettes von Asteroides calycularis ete. Mitt. aus Zool. Stat. Neapel, Bd. III. Koxen, 1884, Ueber Fischotolithen. Zeitschr. geol. Ges., Bd. XXXVI. Lacrorx, 1898, Sur la Ktypeite, nouvelle forme de carbonate de calcium, différente de la calcite et de Varagonite. Comptes rendus. 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Ostwaup, 1896, Studien iiber die Bildung und Umwandlung fester Kérper, I. Zeitschr. phys. Chemie, Bd. XXII, 8. 309. Rosr, Gustav, 1837, Ueber die Bildung des Kalkspats und des Aragonits. Poee. Ann., Bd. XLII. — 1856, Ueber die heteromorphen Zustainde der kohlensauren Kalkerde. Erste Abhandlung. Abh. der Berliner Akad. Bd, XXXV, N. F. XXVIII. 32 492 Agnes Kelly, Rost, Gustav, 1858, Ueber die heteromorphen Zustinde der kohlen- sauren Kalkerde. Zweite Abhandlung. Vorkommen des Aragonits und Kalkspaths in der organischen Natur. Abh. der Berliner Akad. — 1860, Dritte Abhandlung. Monatsber. der Berliner Akad. ScuiosspurGER, 1856, Thierchemie. Erste Monographie: Die Knorpel und Knochen. Zweite Monographie: Die Bindegewebe. Die kohlensauren Erden im Thierreich. Scumipt, C., 1845, Zur vergleichenden Physiologie der wirbellosen Thiere, Braunschweig. Srvrotu, 1899, Bronn’s Tierreich, Bd. III, 8. 246. Sortas, 1885, Physical characters of calcareous and siliceous sponge- spicules. Sci. Proc. 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Proc. Zool. Soc. London. Mineralog. Kenntnis der Kalkausscheidungen im Tierreich. 493 Figurenerklirung. Masten) exeV= Die Photographien waren alle im parallelen polarisierten Lichte gemacht. Fig. 1. Anodonta cygnea. Tangentialschliff der auferen Schicht, X 80. Die Kolumnen zeigen alle spharolithische Kreuze mit Ringen. Fig. 2. Lithodomus dactylus. Tangentialschliff der Perlmutterschicht und der innerhalb der Perlmutterschicht kleinen Prismen, X 80. Die Perlmutterschicht (links unten) zeigt eine aiuferst feinkérnige Struktur, die Prismen (rechts oben) eine griébere k6rnige Struktur mit geradlinigen Umrissen. Fig. 3. Lithodomus dactylus. Ein 4hnlicher Schliff durch die Perlmutterschicht allein nach dem Erhitzen, 80. Statt der fuferst feinkérnigen Struktur kann man jetzt eine viel grébere kérnige Struktur mit sehr unregelmifigen Umrissen wahr- nehmen. Fig. 4. Strombus gigas. Radialschliff, x 30. Die deut- lichsten, einander immer parallelen Linien sind die Anwachslinien (fast vertikal), man sieht auch die zwei Serien von Nadeln, welche sich zu ca. 100° kreuzen und jede einen Winkel von ca. 40° mit den Anwachslinien bilden. Fig.5. Schildkréteneierschale. Tangentialschliff, 80. Zeigt die radiale Anordnung der Nadeln und konzentrische An- ordnung der Phosphatkiigelchen in dem Sphirolith. Fig.6. Hiithnereierschale. Tangentialschliff, x 30. Aus- sehen wie ein kérniges Aggregat. Umrisse der Kérnchen sehr kompliziert. Fig. 7. Straufeneierschale. Tangentialschliff der mittleren Schicht, X 30. Zeigt die dreieckigen Kerne der Krystallkérnchen, in denen das Calciumphosphat abgelagert ist. 32* 494 A. Kelly, Mineralog. Kenntn. d. Kalkausscheid. im Tierreich. Fig. 8. Hithnereierschale, Radialschliff, XK 13. Zeigt Mammillarschicht und Aufenschicht. Der innerste Teil der AuSen- schicht ist wegen der organischen Substanz undurchsichtig. Fig. 9. StrauBeneierschale. Radialschliff, X 13. Zeigt die Mammillarschicht, die Mittelschicht mit den undurchsichtigen Phosphatkernen (hie und da zu sehen), die Aufenschicht mit Prismen parallel zu einander und zur optiscken Achse, und schlieflich die Ablagerung von Phosphat in der Aufenschicht in Linien parallel zur Oberflache. Fig. 10. Emu-Eierschale. Radialschliff, & 13. Zeigt die fiinf Schichten: Mammillarschicht, erste weile Schicht, blaue Schicht, unregelmafige weife Schicht und griinlich-braune Prismenschicht. Der Darm der Cetaceen. Von Siegmund Siissbach. Mit Tafel XVI und XVII. Einleitung. Das reiche Material an Walembryonen, welches mir mein ver- ehrter Lehrer, Herr Professor KUkEnTHAL, fiir diese Unter- suchungen iiberlief, bot die Gelegenheit, die Angaben friiherer Beobachter nachzupriifen und unter Zusammenstellung der in der Litteratur verstreuten Angaben tiber den Darmkanal auch anderer als der hier untersuchten Walarten eine Erklarung fiir die merk- wirdige Ausbildung des Cetaceendarmes zu versuchen. Zwar haben schon Weper (33) und Bouvier (35) derartige Zusammen- stellungen gegeben, indessen stets nur unter Beriicksichtigung einzelner Punkte der Organisation und unter Vernachlassigung anderer. Betreffs der Ausfiihrung sei bemerkt, da’ ich die Verhaltnisse der Ampulla duodenalis nicht mitbehandelt habe, da diese von JUNGKLAUS in seiner Arbeit tiber den ,,Magen der Cetaceen“ (44) bereits eingehend dargestellt sind. Meine eigenen Untersuchungen beziehen sich auf den Darm von: 1) Phocaena communis LEss., 2) Delphinapterus leucas (PALLAs), 3) Hyperoodon rostratus (PONTOPPIDAN), 4) Balaenoptera physalus (L.). Fiir die Anregung zu dieser Arbeit, sowie fiir die giitige Ueberlassung des seltenen und kostbaren Materiales sage ich Herrn Professor KUKENTHAL meinen ergebensten Dank. 496 Siegmund Siissbach, I. Historisches und eigene Befunde. Phocaena communis Less. '). Angaben iiber den Darmkanal des Braunfisches finden sich bei Hunter (1), LAackprpE (2), Camper (5), Lesson (6), F. Cu- vieR (9), Rapp (10), Jackson (13), FLOWER (30), CLELAND (31) und WEBER (33). Alle Untersucher stimmen darin tiberein, da’ ein Blinddarm nicht vorhanden ist. Auch eine plétzliche Aenderung des Um- fanges, wodurch auferlich eine Sonderung in Dimn- und Dick- darm zustande kommen US ist von keinem der Untersucher gefunden worden. Die Verlagerung des Darmes in der Bauchhéhle und die Ausbildung seines Mesenteriums haben Hunrer, Rapp, FLOWER und WEBER untersucht. In diesem Punkte widersprechen die iibereinstimmenden Befunde der spateren Forscher dem Berichte HuntTer’s. Dieser sagt namlich, nachdem er den die Wurzel des Diinndarmgekréses von Balaenoptera umegreifenden Colonbogen geschildert hat, da die Wale, welche kein Coecum besitzen, bei denen man also von einem Colon nicht eigentlich sprechen kénne, einen vom Rectum gebildeten Bogen zeigen, welcher um die tibrigen Darmteile ebenso herumzieht, wie es das Colon bei dem im Be- sitze eines Blinddarmes befindlichen thut. Demgegeniiber finden Rapp, FLowrER und WEBER ein einfaches, ununterbrochen fort- laufendes Gekrése, ,,ein Mesenterium commune, das sich vom Magen bis zum Rectum erstreckt, an der Wirbelsaule festgeheftet ist und den ganzen Darmkanal vom Duodenum bis zum Rectum tragt’’. Dasselbe ist, wie WEBER weiterhin berichtet, ,,entsprechend der Lange des Darmkanales nach Art einer Krause in zahlreiche Falten gelegtt. Weitere Besonderheiten sind an dem Mesenterium nicht wahrzunehmen. Rapp hebt besonders hervor: ,,Einzelne Abteilungen des Darmkanales sind nicht so fixiert in ihrer Lage, wie es beim Menschen und vielen Saugetieren der Fall ist.“ Vom Pylorus an abwarts ist der Darmkanal, wie LACEPEDE nach Mayor angiebt, und wie Rapp an einer 1,099 m langen 1) Fir die Reihenfolge der Angaben iiber die einzelnen in diesem beschreibenden Teile behandelten Wale ist die von FLowmr (22) gegebene Systematik bestimmend gewesen; in der Namengebung bin ich Ktxentuat: , Wale der Arctis“, Fauna arctica, Lief. II, 1900, gefolgt. Der Darm der Cetaceen. 497 Phocaena ebenfalls fand, 12mal so lang wie der Kérper. Nach einer Messung von JACKSON ergab sich bei einem 1,346 m langen Exemplare eine Darmlange von 18,669 m, woraus er das Ver- haltnis zur Kérperlange als 14 : 1 (genauer 13,87 : 1 [Verfasser]) feststellt. LacrepEpE, Lesson, F. Cuvier und Rapp sind darin einig, daf der Umfang des Darmkanales, ohne schroffe Veranderungen zu zeigen, sich vom Duodenum aus allmahlich verringert. Wahrend aber die ersten drei diese Verschmilerung bis zum Anus_ hin fortschreitend angeben, teilt Rare mit, daf’ der Darm, bevor er an der Harnblase heruntergeht, noch einmal etwas weiter wird, am Ende jedoch das Intestinum rectum sich wieder verjiingt. Abweichend von diesen vier Autoren, nur im letzten Punkte die Angabe Rapp’s bestatigend, beschreibt Jackson diese Ver- haltnisse folgendermaSen: Die untere Halfte des Darmes, im Durchschnitt tiber zeige- fingerdick, nimmt nach abwarts etwas zu, um sich in einer Ent- fernung von 30,5 cm, oder etwas mehr vom Anus wieder be- deutend zu verengern, wahrend die obere Halfte, mit Ausnahme ihres Anfangsteiles, in fast ihrer ganzen Ausdehnung kaum die Dicke eines kleinen Fingers besitzt. Auch untereinander sind Cuvier und Rapp verschiedener Ansicht tiber den Grad der Ver- schmilerung des Darmes vom Duodenum an. Ersterer berichtet, daf die Verengerung eine nur ganz geringe ist, wahrend nach Rapp’s Angabe der Umfang am Beginne ,,des Ileum‘S 5,2 cm be- trug und der Darm nach und nach um die Halfte enger wurde. Die Innenfliche des Darmrohres haben HunTER, LACEPEDE, Rapp, JACKSON und CLELAND untersucht und tbereinstimmend longitudinal verlaufende Falten der Mucosa gefunden, welche nach LAcEPEDE von ansehnlicher Héhe sind. CLELAND giebt an, dab die starksten auf der dem Mesenterialanheftungsrande entgegen- gesetzten Seite entwickelt sind. Hunrer vertritt die Auffassung, jede einzelne dieser Schleimhautfalten durchziehe den Darm in seiner ganzen Linge. Dem widerspricht indessen die Angabe Jackson’s, dali sie dies nur mehr oder weniger thaten (,,more or less throughout‘). Auch Rapp’s Darstellung steht im Gegensatz zur Ansicht Hunrer’s. Nach ihm finden sich in verschiedenen Entfernungen vom Pylorus im Umkreise der Innenflache die Langs- falten in verschiedener Anzahl, und zwar zwischen 5 und 8; ,oft verbinden sich zwei miteinander, oft endigt sich eine zugespitzt“. Im ,,Intestinum rectum“ fehlen die Schleimhautfalten. 498 Siegmund Sissbach, Ueber diese Langsfalten berichtet er weiter, sie schwainden im Gegensatz zu denen der Speiserohre selbst bei der starksten Ausdehnung nicht. In ihrer Entwickelungsgeschichte unterschieden sie sich von den KrerKrING’schen Falten beim Menschen dadurch, daf diese erst nach der Geburt auftreten, dagegen habe er ,,die Langenfalten schon im Darmkanal eines nur 7 Zoll (= 18,3 cm) langen Delphinfétus‘* gefunden. Andere als die Lingsfalten der Schleimhaut werden von keinem der Autoren erwahnt; CLELAND und Jackson heben sogar besonders hervor, daf Querfalten bei Phocaena nicht vorkommen. RupotpHt und Mecket leugnen, der erstere in seinem »GrundrifS der Physiologie‘, Berlin 1821— 1828 (citiert nach Oppel, 43), der letztere in seinem ,,System der vergleichenden Anatomie“ (7), das Vorhandensein von Zotten beim Braunfisch. Rapp dagegen erklart nach seinen Befunden, dali ,,gerade bei Delphinus phocaena“ die Zotten sehr deutlich seien. ,,Sie sind plattgedriickt, am freien Ende zugespitzt.“ Pryer’sche Plaques fanden sich nach Rapp an der dem An- heftungsrande des Mesenteriums gegentiberliegenden Seite, wo sie gewohnlich zwei nebeneinander laufende Langsfalten eine Strecke weit bedeckten. Die einzelnen waren etwa 7,8 cm lang und er- schienen als ,,dicke, glandulose Streifen von der Breite eines kleinen Fingers“. Auch JAcKson beobachtete einige Plaques von ansehnlicher Lange (der gréfte war 38,1 cm lang); die Breite der einzelnen schwankte zwischen 1,27 und 1,905 cm. Fir eigene Untersuchungen standen zu meiner Ver- fiigung 2 erwachsene Tiere, und zwar: 1) ein ¢ von 116 cm Riickenlange, 2) ein 2 von 126 cm Riickenlange, auSerdem 3) der dem Kérper entnommene, konservierte Darmkanal eines 50 cm langen Phocaena-Embryos. Die Verlagerung des Darmkanales konnte in den beiden ersten Fallen festgestellt werden. Die Masse der Darmschlingen erfiillte die Bauchhéhle, soweit sie von den iibrigen Baucheingeweiden frei gelassen war, vollig und entzog nach ventraler Eréffnung der Leibeshéhle ebenso wie bei den landlebenden Saugetieren die Nieren gainzlich dem Anblick des Beobachters. Das Situsbild Taf. XVI, Fig. 1 stellt die bei dem ¢ Exemplare vorgefundenen Verhaltnisse dar. Der Darm der Cetaceen. 499 Der Darmkanal war durch ein gleichmabig und ununterbrochen an der dorsalen Leibeswand verlaufendes Mesenterium an dieser befestigt. Er zeigte keine Sonderung in Diinn- und Dickdarm; die Veranderungen seines Kalibers waren ganz allmahliche. Ein Blinddarm war nicht vorhanden. Bei dem 116 cm langen ¢ maf der Darm vom Pylorus bis zum Anus 13,59 m; seine Lange verhielt sich also zu derjenigen des Kérpers wie 11,715: 1. Bei dem 126 cm langen 9, dessen Darmlainge 13,80 m betrug, stellte sich dieses Verhaltnis wie meoD : 1* Der Umfang des Darmkanales, welcher bei dem ¢ Exemplare hinter der Ampulla duodenalis 4,2 cm betrug, verringerte sich ganz allmahlich mit der zunehmenden Entfernung vom Pylorus bis auf ein Mindestmafi von 2,2 cm, welches auf 1139 cm hinter demselben festgestellt wurde. Von da an nahm er wieder ver- haltnismaBig schnell zu und betrug 16 cm vor dem Anus wieder 3,9 cm. Entsprechend zeigten sich diese Verhaltnisse bei dem 2 Exem- plare. Die folgenden Zahlen erlautern dies am besten. Der Darmumfang betrug: 20 cm hinter dem Pylorus 4,3 cm 239 ” ” ” oh) 4,2 ” 303 29 9 ” ” 4,2 ” 328 79 ” 29 7 3,7 ” 590 ” 9 ” ? 3,3 ” 605 ” ” 9 ” 3,1 %9 892 ” 9 ” ” 3,1 ” 915 rh) ” oP) ” 2,9 97 1040, 3 e 5 Papo) se 1057 ” 29 9 ” 2,6 11890 ” Pe) 9 ” 3,3 29 1217 PP) 9 19 3 3,6 ” 32 ,, vor dem Anus 2 Uden In beiden Fallen folgte auf die gegen das Ende hin ein- getretene Erweiterung eine ziemlich rasche Verjiingung des Darmes zum Anus. Die Ergebnisse beztiglich der Kaliberverhaltnisse bestatigen die entsprechenden Angaben Rapp’s vollkommen. Der Darmkanal des 50 cm langen Embryos war nicht voll- standig; es fehlte das Anfangs- und Endstiick. Infolgedessen 500 Siegmund Siissbach, wurde er nicht gemessen, da aus den so gewonnenen Zahlen keinerlei sichere Schliisse hatten gezogen werden kénnen. Die Innenflache zeigte charakteristische Schleimhautfalten. Sie verliefen in der Hauptsache in der Langsrichtung des Darmes. Die Zahl der nebeneinander liegenden Langsfalten war in den oberen Abschnitten des Darmkanales am gréften. Sie nahm mit der Verengerung des Darmrohres allmahlich ab. In der End- erweiterung vor dem Anus wurden dafiir die einzelnen Falten hoher und derber; in einem Falle, namlich bei dem erwachsenen 6 Exemplare, vergréferte sich sogar ihre Zahl nochmals. Dieselbe betrug auf dem Querschnitte bei dem: 1) Embryo von 50 cm Lange am Anfange des Darmrohres 8, in der Mitte ,, A 6, am Ende 33 we Ds 2) 2 von 126 cm Riickenlange 33 cm hinter dem Pylorus 8, i 7 3 m ph 9 ” ’ 6 £5 i. * BNET, ho); 9g 99 oP) ph) %9 4, 12) e S - see OA 28 cm vor dem Anus 41), 3) g von 116 cm Riickenlange 32 cm hinter dem Pylorus 8, 103,5\%,, “ a ay aos 420° ,, me ie sy Os Me os * s awe EON ae ae ma a Ph ae 14 ,, vor dem Anus ae) Diese Verhaltnisse werden durch Taf. XVI, Fig. 2—6 ver- anschaulicht. Entgegen dem Berichte JAcKson’s und CLELAND’s wurden hier und da unregelmafig, meist quer verlaufende, niedrige Ver- bindungsfalten zwischen je zwei Liangsfalten gefunden. Diese kamen am haufigsten in den weiten Darmtheilen, besonders am pylorialen Ende vor. Fig. 5 soll dieses erlautern. Bei den beiden erwachsenen Exemplaren waren wahrend des Transportes der Kadaver das Epithel und die oberflachlichen 1) Dort waren sie derber als diejenigen in den oberen Partien. 2) Diese waren derber und héher als in den oberen Partien. Der Darm der Cetaceen. 5OL Schichten der Schleimhaut in weitgehendem Mage zerstért worden, so daf die Innenflaiche, mit Ausnahme der starken Liangsfalten, fast durchgingig glatt erschien. Dagegen zeigte die vollstindig erhaltene Mucosa an dem konservierten Darme des Embryos deutliche Zotten im ganzen Verlaufe des Darmtractus, welche der Innenwand in den oberen Teilen ein rauhes, in den unteren ein sammetartiges Aussehen verliehen. Sie bekleideten nicht nur die Teile der Innenflache, welche zwischen den Liangsfalten lagen, sondern auch diese selbst (Fig. 5 und 6). Verfolet man den Verlauf der Lingsfalten auf gréSere Knt- fernungen hin, so ergiebt sich, entgegen Hunrer’s Ansicht, dal die einzelne Falte den Darm nicht in seiner ganzen Lange durch- zieht. Vielmehr verstreicht sie sowohl an ihrem pylorial- wie analwirts gekehrten Ende, bezw. erhebt sich ganz allmahlich von der iibrigen Schleimhautfliche. Meist befindet sich das analwarts gerichtete Ende einer Falte an dem mesenterialen Rande; indessen kann man sie auch an anderen Stellen im Um- kreise des Darmlumens sich analwarts abplatten sehen. Beziiglich der Lage des pylorialwarts gekehrten Endes einzelner Lingsfalten im Umkreise der inneren Darmwand herrscht vollends Regellosig- keit. Daraus geht hervor, wie auch eine entsprechende Unter- suchung zeigt, dali CreLAnp’s Ansicht, die Lingsfalten seien an der dem Mesenterialansatz gegeniiberliegenden Seite am starksten entwickelt, irrig ist. Im Gegenteil finden sich auf verschiedenen Querschnitten die je an derselben Seite verlaufenden Langsfalten ganz verschieden stark entwickelt, je nachdem sie einem ihrer Enden mehr oder weniger nahe getroffen sind. Mitunter verbinden sich auch, wie es Rapp beschreibt, mehrere Langsfalten unter spitzem Winkel, so daf scheinbar Gabelungen derselben entstehen. Delphinus delphis L. Der Darm des gemeinen Delphins entspricht in seiner Or- ganisation in den grofen Ziigen dem des Braunfisches. Er unter- scheidet sich nach Rapp (10) von diesem nur durch seine be- trachtlich héhere relative Lange und die geringe Gréfe seiner Zotten. Die erstere ist nach seiner Angabe 15mal so grof wie die des Kérpers. Ueber die Zotten sagt er: ,,Bei Delphinus del- phis erscheint die Schleimhaut, mit unbewaffnetem Auge betrachtet, glatt. Durch Hilfe einer starken Lupe erkennt man etwas Sammet- artiges oder vielmehr Gekérntes.“ 502 Siegmund Siissbach, AuSer Rapp haben Hunter (1), MAYER (8) und JAcKsoN (13) den Darmkanal dieses Delphininen beschrieben. Hunter beschrankt sich darauf, das Fehlen des Blinddarmes zu berichten. JACKSON untersuchte einen 96,5 cm langen Embryo, bei welchem er eine Darmlinge von 6,30 m fand. Daraus ergiebt sich ein Verhaltnis zur Kérperlinge wie 6,5: 1. Im iibrigen fand er die Schleimhautfalten durchaus lings verlaufend und sparlich an Zahl, etwas unterhalb der Mitte des Darmverlaufes einen schmalen, 20,3 cm langen PEyrr’schen Plaque, 2 kleinere weiter aufwarts und sehr zahlreiche, aber an Ausdehnung unbedeutende im Endabschnitte des Darmes. Eine von den anderen abweichende Schilderung giebt MAyYEr. Trotzdem er namlich nichts von einem plétzlichen Wechsel im Umfang an irgend welcher Stelle des Darmverlaufes berichtet, so- gar ausdrticklich das Fehlen des Blinddarmes und einer bedeu- tenderen Klappe im postpylorialen Tractus intestinalis verzeichnet, unterscheidet er dennoch einen Diinn- und Dickdarm. Dieser letztere soll den 45. Teil der Linge des Diinndarmes besitzen und sich in folgenden drei Punkten von demselben unterscheiden : 1) Die Schleimhaut zeigt im Diinndarme 4, im Dickdarme 7 breite Laingenfalten. 2) Zwischen den Schleimhautfalten ist die Oberflache in jenem glatt, in diesem sammetartiger. 3) Im Diinndarme finden sich PEyEr’sche Plaques, im Dick- darme nicht. Die Plaques liegen ,,zwischen den mittleren Falten‘‘, womit offenbar die an der dem Anheftungsrande des Mesenteriums ent- gegengesetzten Seite gelegenen gemeint sind. Der letzte, welcher sich ,,an der Einmiindung in den Dickdarm‘ findet, ist beinahe 31,4 cm lang. ,,Die Haut des Dickdarmes ist sehr diinn. In der Nahe des Afters und davon ungefihr 15,7 cm entfernt geht der Dickdarm in einen ganz engen, réhrenformigen, dickwandigen Mastdarm tiber, dessen innere Flache ganz dicht und glatt ist.“ Lagenorhynchus albirostris Gray. Der Darm dieses Odontoceten wurde untersucht von VaNn BENEDEN (16), CLELAND (31) und WEBER (84). Dieser hat allein neben den Verhaltnissen der Schleimhaut die Anheftung und Gréfenentwickelung des Darmes beriicksichtigt. Der Darm der Cetaceen. 503 »Ver ganze Darmkanal ist an ein Mesenterium commune auf- gehingt, das sich vom Pylorus bis zum Rectum erstreckt. Das Mesenterium selbst ist ohne weitere Komplikation an der Wirbel- siiule festgeheftet.“* Ein Coecum fehlt. Die Darmlange steht zu der des Kérpers im Verhaltnis von etwa 8,8: 1, ,,ein Verhaltnis, das nicht iibereinstimmt mit der Lange des Darmes der Delphin- arten im engeren Sinne“, welche eine gréfere Darmlainge besitzen. ,1n diesem Punkte gleicht Lagenorhynchus vielmehr Orca und Globiocephalus.“ Nach CLELAND soll oberhalb des sich allmahlich verengernden letzten Teiles des Rectums eine Erweiterung des Darmrohres sich finden, in welcher die im itibrigen Darmkanal sehr regelmabig ver- laufenden Faltensysteme der Schleimhaut als unregelmibige Streifen Vertiefungen begrenzen, die wiederum durch niedrigere Faltchen in kleinere Riume geschieden sind, welche durch enge Poren mit dem Darmlumen in Verbindung stehen. In den hoher gelegenen Darmteilen fand er, an der dem Anheftungsrande des Mesenteriums gegeniiberliegenden Seite am starksten entwickelt, Langsfalten, wie die des Braunfisches, auferdem aber, dicht gedrangt, quere Er- hebungen. Van BENEDEN und Weser fanden ebenfalls in den oberen Teilen des Darmes in der Langsrichtung verlaufende Schleimhaut- falten, durch quergestellte, in regelmafigen Abstanden dicht neben- einander angeordnete Falten verbunden, so dal, wie VAN BENEDEN ausfiihrt, die Innenflaiche in vierseitig begrenzte, alveolendhnliche Raume geteilt wurde. Dagegen fanden diese beiden Forscher in den letzten Abschnitten des Darmrohres weder eine Erweiterung des Rectums, noch die Anordnung der Schleimhaut, wie sie CLE- LAND beschreibt. Weser betont dies ausdriicklich und giebt VAN BENEDEN Recht, welcher berichtet, da8 die sich weiter pylorialwarts findenden queren Verbindungsfalten, je naher dem Rectum, desto schwacher und niedriger werden und schlieflich ganz verschwinden, so daf am Ende nur noch die Langsfalten bestehen. Globiocephalus melas (TRaIz1.). Der Darm von Globiocephalus ist von JACKSON (13), TURNER (20) und Murie (27) untersucht worden. Dieser letztere beschreibt die Verlagerung und Gliederung des Darmes in folgender Weise: Es findet sich kein Blinddarm, 504 Siegmund Siissbach, keine plétzliche Kaliberveranderung und auch von der Ein- miindung des Ductus hepato-pancreaticus abwarts keine Klappen- einrichtung, welche eine Einteilung in Diinn- und Dickdarm még- lich machte. Die Darmschlingen fiillen den von den tibrigen Organen der Bauchhéhle in dieser frei gelassenen Raum vollstindig aus und verdecken dabei sogar einzelne Abteilungen des Magens. Der Durchmesser des Darmrohres nahm nach Murr vom Duodenum aus allmahlich ab und vergréferte sich dann in der letzten kurzen Strecke des Rectums wieder ziemlich schnell. Da- mit stimmt JAcKson’s Angabe iiberein, dali’ der Darm der Quere nach durchschnittlich 3,77 cm, im oberen Teile 8,37 cm und an der breitesten Stelle des Rectums 5,1 cm maf. Das Verhaltnis der Darmlainge zur K6rperlange fand: MurIgE wie 9:1, JACKSON p> hee 5a WiLiraMs (nach Muriz) , 7:1. Die Ausbildung der Schleimhautfalten ist nach Murm und JACKSON in einzelnen Abschnitten des Darmes verschieden. Der erstere fand bei seinem Exemplare ungefahr 2 m hinter dem Pylorus beginnend eine Strecke von tiber 11 m mit quer- gestellten Valvulae conniventes bedeckt. Von da ab begann all- miahlich das Auftreten sich kreuzender, schrag und langs ver- laufender Falten. Die letzteren erreichen weiter analwarts nach und nach eine starkere Ausbildung als jene. Sie ziehen dann, durch kurze Querleisten verbunden, paarweise, durch schmale Zwischenraume getrennt, in ununterbrochenem Verlaufe fast parallel lings der Richtung des Darmes hin. Ungefahr 90 cm vor dem Anus bestehen fast nur noch die an Hohe und Breite stark ver- gréferten Langsfalten, waihrend die kurzen Schrag- und Quer- leisten kleiner geworden sind und durch weitere und tiefere Zwischenraume voneinander getrennt werden. Nach Jackson zeigten sich in den letzten 3—3,65 m des Darmkanales unregelmifige, ,mebhr langs als quer“ verlaufende Schleimhautfalten, wahrend der iibrige Darmkanal scharf aus- geprigte, quer verlaufende Valvulae conniventes aufwies. TURNER berichtet nur von dem Vorhandensein dieser letzteren. Er fand nahe am Ende des Rectums einen machtigen PEYER- schen Haufen. Jackson beobachtete weder solche noch Solitar- follikel. Der Darm der Cetaceen. 505 Dagegen zihlte Murm 24 Prysr’sche Plaques und meint, es kénnten, trotz seiner aufmerksamen Untersuchung, ihm noch einige entgangen sein. Je nach ihrer Lage in der oberen, nur mit Querfalten versehenen Hialfte des Darmrohres, oder in den weiter analwirts gelegenen Teilen, wo die Langsfaltung vor- herrschte, war ihre Gestalt verschieden. Die pylorialwarts ge- legenen waren oval, 2—3mal linger als breit und ragten von der Mucosa aus ins Lumen vor. Die anderen stellten schmale, lange Streifen dar und waren zwischen je 2 Liangsfalten in der Tiefe verborgen. Einige von ihnen erreichten die betrichtliche Lange von 0,254 m. Grampus rissoanus (Drsw.). Der Darm von Grampus rissoanus wurde, wie der von Globio- cephalus, dem er in allen Einzelheiten der Ausbildung héchst ahnlich ist, von Mure (25) und Turner (37) untersucht. Bei dem von ersterem untersuchten 2,007 m langen Exem- plare betrug die Darmlange 14,377 m, verhielt sich also zu der des Koérpers wie 7: 1. TURNER giebt ebenfalls die Darmlange eines von ihm unter- suchten Tieres dieser Species, leider aber nicht genau die Gréfe des Exemplares selbst an. Beide Forscher stimmen darin tiberein, daf die Anordnung der Schleimhautfalten und der Prypr’schen Plaques der von Morice bei Globiocephalus beschriebenen durchaus_ entspricht. Ebenso fehlt auch hier ein Blinddarm und eine Sonderung in Diinn- und Dickdarm. Hinzuzufiigen ist noch, dafi Turner die Darmwand in der ersten Halfte dicker fand als in dem folgenden Teile. Das Rectum behielt nach seiner Beobachtung die Form eines cylindrischen Rohres bis fast an den Anus bei, verengerte sich also erst ganz kurz vor dem Ende. Delphinapterus leucas (Pa.uas). Der Darm dieses Wales ist von BArcLAyY (4), Wyman (17), Watson und Youne (29) und SrruTuHers (42) untersucht worden. Sie machen siamtlich Angaben tiber die Lange desselben, Watson und YounG, spiter STRUTHERS geben Zusammenstellungen 506 Siegmund Siissbach, der von ihnen und den friiheren Untersuchern gefundenen Be- ziehungswerte der Darmlange zur Korperlange. Danach fand ihn: BARCLAY wie 6'/,: 1, WYMAN » tsGartode Watson und Youne , 61/,:1, STRUTHERS : silabelg sek Das Verhialtnis ist also ein ziemlich konstantes. Ein Blinddarm kommt nach ihren iibereinstimmenden Angaben nicht vor, ebensowenig eine scharfe Sonderung in Diinn- und Dickdarm. Die Breite betrug bei den Exemplaren von Watson und Youna@ unmittelbar hinter der Ampulla duodenalis bei leerem Darme 62'/, mm und verminderte sich von da an; am Rectum betrug sie 311/, mm. Auch SrruTuHeErs berichtet eine allmahliche Abnahme des Umfanges. Wenn die ersteren an der unteren Halfte des Darmrohres Unregelmafigkeiten im Kaliber fanden, welche durch hier und da auftretende Einschniirungen hervor- gerufen waren, so scheint diese Anordnung doch keine natiirliche, sondern auf postmortaler Verainderung beruhende gewesen zu sein, da anderenfalls eine derartige auffallende Eigentiimlichkeit sicher auch von den tibrigen Beobachtern gesehen worden ware. Die Innenflache des Darmes ist mit Valvulae conniventes aus- gestattet, welche Wyman im oberen Teile besonders scharf aus- gepragt fand. Damit stimmt der Bericht SrruTHrErs’ iiberein, daf die Querfalten der Mucosa in der ersten Halfte haufig und breit seien, in der Mitte des Darmes schmaler und weniger an Zahl, und dafi sie darauf immer schwacher, aber wieder zahlreicher wiirden. Im Bereiche der letzten 30,5 cm vor dem Anus ist die Schleimhautfliche glatt. Die Angaben von Watson und YounG hiertiber sind noch genauer. Nach ihnen beginnt das Auftreten der Falten 25 mm hinter der Einmiindungsstelle des vereinigten Ausfiihrganges von Leber und Pankreas. Dort sind sie unbe- deutende, schwache Erhebungen, dann aber werden sie rasch breiter und erheben sich bis zu 1,905 cm vom Grunde der inneren Darmwand. Dazwischen finden sich kleinere Falten, die sich tiber einen nur geringen Teil des inneren Umkreises ausdehnen. Die breiteren finden sich in dieser Anordnung nur in der oberen Halfte des Darmes, dann wird ihre Verteilung unregelmafiger, sie selbst niedriger, so daB sie in den unteren 2,735 m des Darm- rohres kaum noch zu bemerken sind. Dieselben Forscher fanden 18 PEyEr’sche Plaques im Verlaufe Der Darm der Cetaceen. 507 des Darmes. Diese waren breit, von unregelmafiger Form; ihr lingster Durchmesser fiel mit der Verlaufsrichtung des Darmes zusammen. Sie lagen im Allgemeinen an der der Mesenterial- anheftung gegenitiberliegenden Seite. Der erste fand sich 1,575 m hinter dem Pylorus. Die dem duodenalen Anfangsteile naher ge- legenen waren umfanglicher als die spiteren, sie hatten hier eine Linge von 22,5 cm, in der unteren Halfte mafen sie dagegen nur 5 oder héchstens 7,5 cm, bis auf einen 27,5 cm vor dem Anus endigenden, welcher alle anderen an Ausdehnung itibertraf; er war 40 cm lang und nahm an seiner breitesten Stelle den ganzen inneren Umfang des Darmrohres ein. Zur eigenen Untersuchung stand mir ein ¢ Embryo von 22,9 cm Riickenlinge und 19 cm direkter Lange zur Verfiigung. Den Situs des Darmkanales zeigt Taf. XVI, Fig. 7. Nach Entfernung der Leber sah man denselben in seiner Hauptmasse zu einem Kniuel zusammengedringt, welcher den hinteren Teil der Nieren frei Jie’, zwischen denen das Rectum nach hinten zog. Die Art, wie der Darm distalwirts einen grofen Teil der Lingenausdehnung der Bauchhohle frei laBt, stellt einen Unter- schied gegentiber dem Verhalten von Phocaena dar. Indessen sind diese Verhaltnisse weder von entsprechend jungen Phocaena- Embryonen, noch von dem erwachsenen Delphinapterus bisher fest- gestellt. Daher ist kein Schlu8 aus diesem Befunde mit Sicherheit aufzustellen. Das Mesenterium lief gleichmaSig und ununterbrochen an der dorsalen Leibeswand hin; weder ein Blinddarm, noch eine Sonde- rung in Diinn- und Dickdarm war auferlich wahrnehmbar. Die Linge des Darmkanales betrug 79,4 cm, verhielt sich also zur Riickenlinge des Embryos wie 3,467: 1. Schleimhautfalten waren in diesem jugendlichen Stadium noch nicht ausgebildet, dagegen war das Lumen fast vollkommen durch die Menge der dicht stehenden Zotten ausgefiillt. Orcella brevirostris Owen. ANDERSON (28) teilt mit, daf der Darm dieses Wales weder Schrig- noch Querfalten aufweist, sondern nur runzelige Er- hebungen (rugae), welche teils lings, teils quer, oder schrag ge- richtet sind und mehr oder weniger rautenformige Vertiefungen umschliefen. Bd, XXXV. N. F. XXVIII. 33 508 Siegmund Sissbach, Platanista gangetica (LeBEcx). Bei 2 untersuchten Exemplaren von 1,829 bezw. 1,676 m Liinge fand ANDERSON (28) eine Gliederung des Darmes in Dinn- darm und Dickdarm, an der Vereinigungsstelle derselben ein kurzes, 8,87 bezw. 5,1 cm langes, mit seinem blinden Ende kopf- wirts gelagertes Coecum vom selben Kaliber wie der Dickdarm. »Hierdurch unterscheidet sich Platanista von allen tibrigen Zahn- walen.“ Beziiglich der Verhaltnisse des Mesenteriums macht dagegen ANDERSON keine besonderen Angaben, woraus hervorzugehen scheint, da sie sich von denen der tibrigen Zahnwale nicht unter- scheiden, also auch hier ein Mesenterium commune vorhanden ist. Der Diinndarm des gréferen Tieres war 7,34 m lang, der des kleineren 6,757 m. Die Lange des Dickdarmes des erwachsenen Tieres giebt ANDERSON auf 61 cm an. Hiernach ergiebt sich fiir das gréBere Exemplar ein Verhiltnis der Kérperlange zur Darmlange wie 1 : 4,3. Der Diinndarm verengt sich betrachtlich, je mehr er sich dem Dickdarme nihert. Von der Eintrittsstelle des Ductus choledochus communis an bedecken Valvulae conniventes die Innenflache des Diinndarmes in grofer Zahl und dicht gedrangt bis hinab zu seinen letzten 1,2 oder 1,5 m. Dort wechseln glatte Lingsfalten von tiber 5,1 cm Lange mit Strecken querer Faltung der Mucosa ab; bisweilen ist diese auch in den letzten 5,1 bis 7,6 cm und mehr glatt. Daher sind die Valvulae conniventes allein als konstant aufzufassen. Sie beginnen in den oberen Teilen des Diinndarmes als kurze, schwache Querfalten und werden allmahlich immer kraftiger, je weiter abwarts. Sie sind tibrigens etwas schrag gegen die Richtung des Darmverlaufes gestellt, und die auBersten Enden der einzelnen, einander gegeniiberstehenden iiberdecken sich oft. Es kommen auch Falten zur Ausbildung, welche in schrager Richtung die Faltenreihen der beiden Seiten des Darmes verbinden. Die untere Halfte des Rectums weist Langsfalten auf. Am Mesenterialrande, wie an der gegeniiberliegenden Seite der Diinndarmschleimhaut liegen zahlreiche Solitarfollikel. Physeter macrocephalus Lac. JACKSON (13) fand an einem 4,877 m langen Exemplare eine Darmlange von 79,247 m, also ein Verhiltnis beider zu einander == ] : T64/,. Der Darm der Cetaceen. 509 Der Durchmesser des Darmes betrug im Durchschnitt 2,5 cm, im Anfangsteile 3,77 cm, in der Mitte und davon analwarts weniger als 2,5 cm. In den letzten 3,658 m erweiterte sich der Darm von einem Umfange von iiber 5,77 cm zu 21,75 cm. Ein Coecum war nicht vorhanden. In einer Anfangsstrecke von einigen Fuf war die Mucosa im allgemeinen glatt, indessen fanden sich eine Anzahl von Falten, welche als eigentliche Valvulae conniventes bezeichnet werden kénnen, da sie sich nicht tiber den ganzen Umfang des inneren Umkreises der inneren Darmwand ausdehnten. Hierauf folgte bis etwa 12 m vor dem After eine Darmstrecke mit dicht stehenden Schleimhautfalten. Diese waren nicht quer gestellt und das Lumen unvollstindig umfassend, wie es fiir die Valvulae conniventes beim Menschen typisch ist, sondern sie verliefen mehr oder weniger schrig gegen die Verlaufsrichtung des Darmes und standen so dicht gedringt, da sie einander scheinbar tiberdeckten. — Von 12 m vor dem After an abwiirts nahm die Mucosa allmahlich ein ,merkwiirdiges Aussehen“ an, indem die Falten unansehnlicher wurden und unregelmafig zu verlaufen begannen. Die Schleim- haut der dem Mesenterialansatz gegentiberliegenden Seite wurde schlieflich nahezu ganz glatt; die tibrige Halfte bis zu zwei Dritteln der inneren Darmwand war dick und mit breiten, meist quer gerichteten, runzeligen Erhebungen versehen; einzelne der- selben waren auch langsverlaufend. — In den letzten 6—7,5 m war die Schleimhaut glatt. Im Endabschnitt des Darmes fanden sich einige sehr kleine, aber als solche unverkennbare Pryer’sche Plaques. Hyperoodon rostratus (Ponropripan). Untersuchungen itiber den Darm des Déoglings sind von Hunter (1), DestonacHaAmps (12), Vrourk (14), Escuricut (15), WEBER (33) und Bouvier ausgefiihrt worden. Seine Linge wurde von DEsLONGCHAMPS, VROLIK, WEBER und Bouvier gemessen. Dieser giebt eine Zusammenstellung der Messungsresultate. Danach verhalt sich die Darmlinge zur K6rper- lange nach der Angabe von: DESLONCHAMPS bei einem ¢ wie 3,46: 1, VROLIK 4 og nQua) hd Guta WEBER x 1D oO heed Oo crete BOUVIER ‘ SLOCUn Ly “StOiat 2 abe 33* 510 Siegmund Siissbach, Bouvier betont, daf dieser Verschiedenheit in der relativen Darmlainge keine sexuellen Unterschiede zu Grunde liegen. Fehler der Messung seien ausgeschlossen. Es liege also eine betrichtliche individuelle Veréanderlichkeit des Verhaltnisses von Darm- und Kérperlange bei Hyperoodon vor. Nach Hunter, Vrouik und Bouvier findet sich kein Blind- darm; VRouik hebt auSerdem noch hervor, da8 keine Sonderung in. Diinn- und Dickdarm vorhanden sei. Derselbe berichtet in Uebereinstimmung mit DESLONGCHAMPS und Bouvier, da sich der Durchmesser des Darmes allmahlich verringert. Eine terminale Erweiterung kommt nach des letzt- genannten Autors Angabe nicht vor. Die Wanddicke schwankt nach Vrouik zwischen 4 und 6 mm. In den proximalen Teilen des Darmes finidet sich eine wabige Anordnung der Schleimhaut. Alle sind darin einig, daf, je weiter pylorialwirts, in desto héherem MaSe die Waben erster Ordnung in ihrem Grunde solche zweiter, ja sogar dritter Ordnung enthalten. Ebenso stimmen sie mit Ausnahme von Bouvisr, welcher hiertiber nichts berichtet, tiberein, daf diese Waben nicht senkrecht zur Langsachse des Darmrohres stehen; VROoLIK und DESLONGCHAMPS widersprechen aber den Angaben von HunTER und EsScHRIcHT in der Frage, nach welcher Richtung ihre Achsen geneigt seien. Jene behaupten, daf sich die Waben pylorialwarts 6ffnen. Vroutik sucht dies durch die Angabe zu beweisen, er habe in diesen ,,cellen‘‘ Reste von Cephalopodenschulpen gefunden ; DESLONGCHAMPS, welcher den Darm nur von einer gelb-braunlichen Masse ohne Hartgebilde erfiillt fand, erklairt, ,,durch diese Stellung ihrer Oeffnungen seien die Waben aufs beste in den Stand ge- setzt, den Durchtritt des Speisebreies durch den Darm zu verlang- samen. Hunrer und Escuricut dagegen berichten, die Waben seien analwirts gedffnet. Der letztere giebt hiertiber an: ,,Hine Sonde, unter eine der gréferen Klappen gebracht, tritt nach auBen und vorn gleich in eine der kleineren Héhlen bis zum Boden der- selben, wie man solches leicht an der auferen Flache des Darm- rohres, etwa 1“ (= 26 mm) weiter nach vorn, sieht und fihlt.“ Die in den vorderen Darmteilen herrschende wabige Anord- nung erhalt sich nach HunTER bis nahe an den Anus. Auch DESLONGCHAMPS giebt nur an, daS die ,,poches valvulaires“ in der ersten Halfte des Darmkanales gréSer und zahlreicher sind als in der letzten. Nach der Darstellung Bouvier’s und VRoLIK’s dagegen folgt nach allmahlichem Uebergange auf die Darmteile Der Darm der Cetaceen. 511 mit Schleimhautwaben eine Strecke mit vorherrschenden Langs- falten. Diese sind nach Bouvier durch regelmafige niedrige Querfiltchen verbunden, so da’ die ganze Anordnung ein strick- leiterahnliches Ansehen erhalt. Die Querfiltchen werden anal- wirts stetig unbedeutender und sind 30 cm vor dem Anus voll- kommen geschwunden. — Vrouik berichtet nichts von queren Erhebungen zwischen den Lingsfalten. Im letzten Teil des Darmes kommt nach ihm nochmals eine netzartig-maschige Anordnung der Schleimhautfalten zustande, spater wird die Mucosa glatt und gewinnt kurz vor dem Anus 3 Reihen von _ Schleim- hautfalten. Nach Escuricut entwickelt sich nach dem Afterende zu eine sehr merkwiirdige Abanderung der Faltung: ,,Diese wird immer einfacher, die Héhlen enthalten zuletzt keine ahnlichen Zellen zweiter und dritter Ordnung, ihre Eintrittséffnungen werden mehr langlich, viereckig, und die ganze bisher so eigentiimliche Faltung besteht zuletzt nur aus zwei Systemen von Falten, von denen das eine stirkere immer mehr als Langsfalten, das andere schwachere als Querfalten auftritt — eine in der Reihe der Waltiere sehr gewohnliche Form der Darmschleimfliche.“ VROLIK giebt an, da’ keine Zotten im Darme von Hyperoodon vorhanden seien, giebt aber zu, daf dieser Befund durch den Zustand des von ihm untersuchten Exemplares veranlaft gewesen sein kénne. SchlieSlich ist noch zu erwahnen, daf Bouvier bis herab zu einer Entfernung von» 5—6 cm vom Anus Driisen beschreibt, welche gruppenweise in Krypten ausmiinden. Danach waren die Lirperktun’schen Driisen als zusammengesetzt tubulése bei dem Dégling ausgebildet. Zur eigenen Untersuchung stand mir der mit seinem Mesenterium aus seiner natiirlichen Umgebung entnommene Darm- kanal eines 55 cm langen Embryos zur Verfiigung, an welchem der Anfangsteil mit der Ampulla duodenalis und vom distalen Ende mindestens das Rectum fehlte. Eine Messung des mir itbergebenen zusammenhangenden Darmteiles ergab eine Linge von 148,7 cm. Die Gesamtlinge des Darmkanales mag also etwas mehr als das Dreifache der K6rperlinge betragen haben. Der Umfang, an 5 Stellen gemessen, betrug fast durch- gehend 11 mm mit ganz geringen Abweichungen. Ein Blinddarm war nicht vorhanden. 512 Siegmund Sitssbach, Die betrachtliche Langenausdehnung des durch die Abtrennung von der dorsalen Leibeswand geschaffenen freien Randes des Mesenteriums lief im Verein mit der Anordnung der Darm- schlingen deutlich erkennen, da8 das Darmrohr an einem an seiner Basis der Kérperachse parallel verlaufenden Mesenterium commune befestigt gewesen war. Keine Spur einer Ueberkreuzung irgend einer Abteilung des Darmkanales durch eine andere war vorhanden, kein Zeichen, welches auf eine Querstellung eines gesonderten Teiles des Mesenteriums schlieBen lief. Die innere Darmwandung zeigte in den oberen Abschnitten einen wabigen Bau, gebildet von Schleimhautfalten, welche regellos ineinander tibergingen, ohne daf man eine oder mehrere bestimmte Hauptrichtungen des Verlaufes einzelner Faltensysteme feststellen konnte. In der Tiefe der auf diese Art gebildeten Waben verliefen, wiederum in verschiedenen Richtungen, niedrigere Falten, welche ihrerseits Waben zweiter Ordnung umschlossen (Taf. XVI, Fig. 8). Mikroskopische Lingsschnittpraiparate zeigten, daf die Rander der die Waben umgrenzenden Falten analwarts gekehrt waren. Je weiter analwarts, desto einfacher und tibersichtlicher wird die Anordnung der Falten. Man sieht ein Faltensystem dominieren, welches von der Seite der Anheftung des Mesenteriums schrag nach den Seiten hin und pylorialwarts verliuft. Der Winkel, welchen diese dabei mit der Verlaufsrichtung des Darmes pylorial- warts bilden, ist ein ziemlich betrachtlicher, jedoch kleiner als ein rechter. Daneben finden sich in der Tiefe hier tiberall niedrigere, nicht ganz regelmaBig, in der Hauptsache aber quer zur Richtung der Hauptfalten verlaufende Faltchen (Taf. XVI, Fig. 9). Die Regellosigkeit des Verlaufes der Faltensysteme in den oberen Darmteilen geht durch alle Ueberginge in die gleich- mafigere Anordnung in den hinteren Darmteilen tber. Diese allmaihlichere Veranderung vollzieht sich auf folgende Weise: Indem die schragen Hauptfalten der hinteren Partien vom mesenterialen Rande aus pylorialwarts divergieren, miissen sie natiirlich. auf der gegeniiberliegenden Seite konvergieren. Dort vereinigen sie sich aber nicht nur mit ihren Enden, sondern man kann beobachten, da sich héaufig eine von ihnen tiber die Stelle des Zusammentreffens hinaus noch eine Strecke fortsetzt (Taf. XVI, Fig. 9). Dadurch aber kommt eine Stérung in die Anordnung in den voraufgehenden Darmteilen. Der Darm der Cetaceen. 513 Man kann sich vorstellen, daf durch veranderte Zugwirkungen diejenigen quer zur Richtung der Hauptfalten verlaufenden Faltchen, welche auf dieser Seite des Darmrohres liegen, langer werden und sich héher erheben. Sie erreichen den Fu der beiden Haupt- falten, zwischen denen sie verlaufen, und zwar gewohnlich nicht gleichzeitig, steigen allmaéhlich an der zuerst erreichten, spater auch an der gegeniiberliegenden empor und gelangen schlieflich an der ersteren zu gleicher Héhe, wie diese selbst besitzt. So findet man sie thatsachlich in gewissen Teilen des Darmkanales ausgebildet. Noch weiter pylorialwirts erkennt man itiberhaupt nicht mehr, dafi sie urspriinglich nicht von gleicher Bedeutung waren, wie die Schrigfalten. Sie haben mit diesen eine durchaus gleichmabige Hohe, Dicke und verhaltnismafige Starrheit erreicht. Gleichzeitig entstehen im Innern der sich bildenden Waben, wahrscheinlieh auch wieder durch Zugwirkung, sekundire Faltchen. — Indem nun diese Stérung der urspriinglichen Anordnung in progressivem MaB8e pylorialwarts weitergeht, breitet sich die damit verbundene Entwickelung von der dem Mesenterialrande gegenitiberliegenden Scite nach rechts und links immer weiter aus, bis in den vorderen Partien die ganze Innenfliche in unregelmafig umgrenzte Waben mit sekundiren Waben gegliedert erscheint. Zu erwahnen ist noch, daf sich im ganzen Darmkanale, so- weit er zur Untersuchung vorlag, walzenformige, an ihrem Ende abgestumpfte Zotten vorfanden. Mesoplodon bidens Sownsry. TuRNER (32) fand, daf die Schleimhautfalten eine netzartige Anordnung zeigen. Die einzelnen so gebildeten Maschen sind Wiederum in mehrere kleine Taschen geteilt. Deimmnach ware die Anordnung bei Mesoplodon eine durchaus ahnliche wie im oberen Teile des Darmes von Hyperoodon. Ziphius spec. Scorr und ParKErR (36) berichten, da8 der Darm von Ziphius keine Sonderung in Diinn- und Dickdarm zeigt und in allen seinen Abschnitten einen gleichmafig kreisrunden Querschnitt besitzt. Er hatte bei einem 4,85 m langen Tiere eine Lange von 22,55 m, verhielt sich also in dieser Hinsicht zur Kérperlange wie 4,649 : 1. 514 Siegmund Siissbach, Seine Innenfliche war mit Scheimhautfalten versehen, die, in verschiedenen Richtungen sich kreuzend, netzartig miteinander verbunden waren. Diese Gestaltung entspricht ebenfalls der von Hyperoodon bekannten. Balaenoptera physalus (L.). Murie (18) untersuchte ein Exemplar von 18,28 m Lange, dessen Diinndarm yom Pylorus an 75,589 m maf. Der Umfang desselben betrug in den oberen Teilen ungefihr 17,8 bis 27,9 cm. Die Lange des Dickdarmes wurde nicht genau festgestellt; Muri schitzt sie auf héchstens 12,50 m. Das Coecum besa mafige GréSenverhaltnisse und hatte eine lichte Weite von 29,37 cm. Die Mocusa des Mitteldarmes zeigte nach Murte zwei Falten- systeme, und zwar Langsfalten, von zahlreichen queren Erhebungen gekreuzt, so daf eine Reihenfolge von zweierlei Vertiefungen ent- stand (,,the whole forming a series of cavities of two sizes‘). Im Coecum und durch das Colon bis ins Rectum sich fort- pflanzend findet er Querfalten, welche im Coecum nahe neben- einander liegen und eine betrachtliche Breite haben, allmahlich aber schmaler werden und durch weitere Abstinde voneinander getrennt sind. Fir eigene Untersuchungen standen zu meiner Ver- fiigung : 1) eine ¢ Embryo von 81,6 cm Riickenlange, 2) ein 2 Embryo von 122 cm Riickenlinge, 3) der aus dem Korper enthnommene Darmkanal eines Embryos von 104 cm Lange. Nach Eréfinung der Leibeshéhle zeigte es sich, da der hauptsachlich von den Diinndarmschlingen gebildete Darmknauel sich nur wenig weiter als die Leber distalwarts erstreckte und einen groBen Teil der Nieren unbedeckt lief (Taf. XVII, Fig. 10 u. 11). Stets war ein kurzer, aber deutlich entwickelter Blinddarm an der Grenze von Mittel- und Hinterdarm vorhanden. Ein kurzes Colon transversum war durch eine fast rechtwinklige Flexura coli si- nistra scharf vom Colon descendens abgesetzt, wahrend es durch eine weniger deutliche, schwach bogenférmige Flexura coli dextra mit dem Colon ascendens in Verbindung stand. — Eine Grenze von Colon descendens und Rectum ist auferlich nicht wahrnehmbar. Sie bilden ein zusammenhiingendes Rohr mit glatter AuSenflache, Der Darm der Cetaceen. 515 das fast geradegestreckt verliuft und in seiner ganzen Ausdehnung nur wenige sanfte Wellenkriimmungen aufweist, welche eben hin- reichen, den Eindruck der starren Geradlinigkeit aufzuheben. Es findet eine Ueberkreuzung einer gesonderten Radix mes- enteri durch eine deutliche Flexura duodeno-jejunalis und ventral davon durch den Colonbogen statt. Die Diinndarmschlingen be- ginnen unmittelbar hinter der Durchtrittsstelle der ersteren unter dem Mesenterium. Durch die von der Radix mesenterii aus- gehende, sehr stratfe und sehr wenig nachgiebige Mesenterialplatte sind nicht nur die Mitteldarmschlingen, sondern auch Colon ascen- dens und transversum an der hinteren Leibeswand befestigt. Das ganze Gebilde reprasentiert nichts weiter als die primitive embryonale Nabelschlinge, deren Schenkel sich in der der Rich- tung des Uhrzeigers entgegengesetzten Richtung umeinander ge- dreht und sich schlieflich tiberkreuzt haben, worauf der absteigende Schenkel die Menge der Mitteldarmschlingen aus sich hervorgehen lie’. Diese sind infolge der Starrheit der Mesenterialplatte, welche den Kriimmungen des Mitteldarmes nur in einer entsprechenden Zahl steifer Krausen und Faltchen nachgiebt, gezwungen, um ein- ander ausweichen zu kénnen, sich gruppenweise rechts und links von der Flache des Mesenteriums zu verlagern. Die Ueberlagerung des absteigenden Teiles des Duodenums durch das Colon ascendens zeigt Taf. XVII, Fig. 12. Die Mae der einzelnen Darmabschnitte waren folgende : 1) ¢ Embryo von 81,6 cm Riickenlainge: Lange des Mitteldarmes 4,226 m, i » Hinterdarmes 0,274 ,, ‘ » Blinddarmes 0,011 , Der Umfang betrug: 11,6 cm hinter dem Pylorus Ico Cis 231 ” ” ” ” 1,5 ” 17 ~—~«,:~«XVor der Einmiindung in den Hinterdarm 1,1 ,, Umfang des Coecum if Oi <,. et , Colon ascendens TeOn 5». descendens im Anfange Oe, Die Darmschlingen sind am Beginn des Mitteldarmes gréfer, weiter und freier; sie werden allmahlich immer kiirzer, die ein- zelnen Schleifen drangen sich immer naher zusammen. 2) 2 Embryo von 122 cm Riickenlinge: Linge des Mitteldarmes 5,698 m, es » Hinterdarmes 0,42 _,, " , DBlinddarmes 0,014 ,, 516 Siegmund Siissbach, Der Umfang dieses Darmes betrug: 16 cm hinter dem Pylorus 2,4 cm, 194) \y %: 43 a LS.y 403 ,, r Ai . WA 4, 19 ,, vor der Einmiindung in den Hinterdarm 1,6 ,, 4 ,, ,, derselben tT Gs Umfang des Coecum 239) 08 AID ,, Colon ascendens an der Einmiin- . dung des Mitteldarmes 2 Sly é i », Colon ascendens 4 cm hoher 2,6)0,,, ye i », descendens Zeil i » Rectums 2219: Die Innenflaiche zeigt charakteristische Faltenbildung der Schleimhaut. Die Hauptrichtung dieser Falten ist im Diinndarme eine schrage, und zwar beginnen dieselben mit grofer Regelmabig- keit in der Linie, in welcher an der Aufenseite das Mesenterium angeheftet ist, und ziehen von dort aus in ziemlich spitzem Winkel pylorial- und seitwirts. Sie zeigen sich auf dem Querschnitt in den proximalen Teilen zahlreicher als in den weiter distal ge- legenen, und zwar geschieht diese Abnahme allmahlich. So zeigten sich bei dem: 1) Embryo von 122 cm Lange 14,3 cm hinter dem Pylorus 10 Schragfalten, 4 m ” ” ) d ” kurz vor dem Coecum 7 2) Embryo von 104 cm Linge 15 cm hinter dem Anfang 9 ss 56,4 ,, dahinter 8 % 52 ~,, vor dem Coecum it Pa 3) Embryo von 81,6 cm Lange 28,1 cm hinter dem Pylorus 8 25a: x = Ps 6 kurz vor dem Coecum 5 oy] Neben diesen finden sich namentlich in den oberen Teilen des Darmes der alteren beiden Embryonen Falten zweiter Ordnung, welche die Verlaufsrichtung dieser ersten kreuzen. Aber sie verbinden nicht zwei benachbarte Schragfalten miteinander, sie reichen nicht von der einen bis zur anderen hin, sondern sowohl von der proximalen, wie von der distalen Flaiche der primaren Falten strahlen sie zu den benachbarten heriiber. Dabei greifen Der Darm der Cetaceen. 517 sie gegenseitig in die Liicken zwischen den gegeniiberliegenden ein (Taf. XVII, Fig. 13). Im Coecum, wie im gesamten Colon der beiden alteren Em- bryonen waren keine eigentlichen Falten vorhanden, wohl aber war die Schleimhaut in sehr regelmaifigen, kurzen Abstanden ring- formig verdickt (Taf. XVII, Fig. 16). 12—14 cm vor dem Anus verschwanden diese Anschwellungen; von da an war die Schleim- haut glatt. Die ganze Oberfliche des Mittel- wie des Hinterdarmes zeigte sich zudem rauh, im Anfang des Mitteldarmes mehr flockig. Sie war tiberall dicht mit walzenférmigen, abgestumpften Zotten be- setzt, welche im distalen Teile des Mitteldarmes dadurch am meisten auffielen, daf die Schleimhautfalten dort niedriger waren und ganz allmahlich pylorialwirts an Héhe zunahmen. (Vergl. Wat, XVII, Figs 13, 14, 15): Am Uebergange des Mitteldarmes in den Hinterdarm tritt eine Valvula ileo-coecalis bei diesen Embryonen nicht deutlich hervor; durchschneidet man aber die Darmwandung, so sieht man auch in dem jiingsten (81,6 cm langen) die Ringmuskelschicht bis dicht unter die innere Schleimhautoberflache vordringen. Balaenoptera musculus L. Die Beschreibung eines 227 cm langen Embryos durch WEBER (33) zeigt, daf Gliederung und Verlagerung des Darmkanales in derselben Weise ausgebildet ist, wie es im Vorhergehenden fiir Balaenoptera physalus (L.) dargestellt wurde. Eine genaue Messung hat weder er, noch TurNER (23) vor- genommen. Der Umfang der von diesem untersuchten Darmteile schwankte zwischen 50 und 76 cm. An der Schleimhaut der Innenflache fand er starke ,,Valvulae conniventes‘, von denen einige sich iiber zwei Drittel, andere iiber die Hiilfte des Umkreises der Innenseite erstreckten. Die starksten ragten wenigstens 2,5 cm in das Darm- lumen vor. Die Muscularis des Darmes war dick und Lings- wie Ringfaserschicht kraftig entwickelt. , Balaenoptera rostrata (Fapr.). Der Darmkanal dieses Bartenwales wurde untersucht von Hunter (1), Vrouimk (11), Escuricnur (15), Carre und Maca- LISTER (21), PERRIN (24), WEBER (33) und StruTHERS (42, 8. 132). 518 Siegmund Siissbach, Aus den Berichten von Hunter, Escuricut, CARTE and MACALISTER und WEBER geht hervor, daf Gliederung, Verlagerung und mesenteriale Befestigung derjenigen von Balaenoptera phy- salus (L.) und Balaenoptera musculus L. entspricht. Nur das Colon transversum ist nach Werper hier auSerst kurz und bildet eigentlich nur einen stark bogenférmigen Uebergang des Colon ascendens in das Colon descendens. Nur Vrouik beschreibt die Situsverhaltnisse in einer ganz abweichenden Weise. Indessen ist es sicher, worauf auch ESCHRICHT hinweist, daf sein Exemplar infolge starker Gasansammlungen im Magen beziiglich der proximal gelegenen Teile des Tractus in- testinalis postmortale Lageverainderungen aufwies. Die Lange des Darmes ist mit Ausnahme von VROLIK und WEBER von simtlichen eingangs genannten Autoren gemessen worden. Das Verhaltnis zwischen Darmlange und Korperlange fanden : HUNTER wie 55° =: 1, ESCHRICHT Aid Shee CarTE und MacaLisTeR ,, 6,275: 1, PERRIN D264 Die Lange des Diinndarmes verhielt sich zu der des Kérpers nach den Messungen von Hunter wie 5:1, nach Carte und MACALISTER Wie 5,82: 1, nach PERRIN wie 4,87 : 1, nach STRUTHERS wie 4,655 : 1. Escuricut hat durch Vergleichung verschieden alter Em- bryonen gefunden, daf der Diinndarm bei den jiingeren verhalt- nismafig weit kirzer ist. So fand er ihn bei einem 28,8 cm langen Foetus kaum 21/,mal, bei einem 89 cm langen Embryo ungefaihr 4mal so lang wie den Kérper und giebt an, daf er nach der Geburt wohl das Fiinffache der Kérperlange erreichen mag. Hingegen scheine der Dickdarm fast die gleiche Lange von etwa 1/, der Korperlange beizubehalten. So maf er bei einem 0,209 m langen Embryo 0,0585 m, bei einem 0,288 m langen 0,0845 m, bei einem 0,8965 m langen 0,301 m. Nach der Messung HunTeEr’s war der Hinterdarm halb so lang wie der Kérper; nach der von Carte und MacatistTErR verhielt sich die Liinge des Dickdarmes zur Korperlinge wie 1 : 2,45, nach der Prerrin’s wie 1 : 2,57. Der Blinddarm vergréfert sich bei den Embryonen nach EScHRICHT nur sehr wenig mit zunehmendem Alter. Seine relative Linge nahm ungefahr von 1/,, bis etwa !/,) der Kérperlinge zu. Der Darm der Cetaceen. 519 Nach der Messung von Carts und Macaristrer verhielt sich seine Lange zu der des Koérpers wie 1 : 28,75. Ueber den Umfang des Darmes haben Escuricut fiir Km- bryonen verschiedener Gréfe, Carre nnd MacauisTer fiir das von ihnen untersuchte Exemplar Mitteilungen gemacht. Jener hebt hervor, da’ bei kleineren Embryonen der Dickdarm nur die Weite des Diinndarmes hat, bei gréferen etwa den doppelten Durch- messer erreicht, ,,also wohl um 4mal weiter“ war, ,,welches Ver- haltnis nach der Geburt nicht bedeutend mehr zuzunehmen scheint‘. Nach Carre und Macauister schwankt der Umfang in den verschiedenen Abteilungen des Diinndarmes zwischen 10,2 und 13,97 cm, und zwar war das Duodenum am weitesten, das Jejunum am engsten, das Ileum hielt die Mitte. Der Diinndarm nahm also allmahlich vom Duodenum aus an Umfang ab und gegen sein Ende hin wieder zu. Am Anfang des Hinterdarmes ist der Umfang sehr grof und nimmt allmablich bedeutend ab, er betragt am Coecum 17,8 cm, in der Mitte des Verlaufes des Colons 12,7 cm, am Rectum in der Nahe des Anus 5,1 cm. Im Verlaufe des Diinndarmes fanden dieselben in verschie- denen Abstinden voneinander 4 merkwiirdige Erweiterungen aus- gebildet. Indessen aus dem Umstande, dafi an deren breitesten Stellen die Muscularis fast ganz fehlte, so da8 scheinbar nur Mu- cosa und Serosa an diesen Strecken die Darmwand bildeten, geht deutlich hervor, daf diese Erweiterungen erst postmortal durch Auftreibung infolge von Gasansammlungen entstanden sein miissen. Ueberdies waren sie, wenn ihr Vorkommen ein normales ware, yon anderen Beobachtern ebenfalls gefunden worden. Die Ausbildung der Mucosa ist von Hunter, Vroiix, Escu- RICHT, CARTE und MACALISTER und STRUTHERS untersucht worden. Nach Hunter haben die Falten der Schleimhaut nur im Duodenum eine bestimmte Richtung und Anordnung. Dort sind es in einiger Entfernung voneinander stehende Langsfalten, zwi- schen denen sich seitliche Querfalten finden. In den tibrigen Teilen des Diinndarmes aber ist der Verlauf der Falten ein un- regelmaBiger, je nach dem kontrahierten oder erschlafften Zustande der Muscularis verschiedener; bei Kontraktion der Lingsmuskel- schicht stellen sie sich longitudinal und zeigen ,,a serpentine course“. In Colon und Rectum dagegen finden sich Schleimhautfalten, liber deren Verlaufsrichtung er nichts Niheres angiebt; vielmehr 520 Siegmund Siissbach, beschrinkt er sich auf die Erklarung, daf sie vollkommen vom Grade der Kontraktion des Darmes abhangig seien. In den letzten 10—13 cm ist das Rectum eng, driisig, seine Innenflaiche glatt; der Anus selbst ist sehr eng. Ganz im Gegensatz zu dieser Darstellung beschreibt Vroum im Diinndarm Querfalten als das hauptsiachliche Faltensystem. Nach Escuricut ziehen vom Ende der Ampulla duodenalis bis zum Blinddarm herab 5 oder 6 Langsfalten; ,,dazu kommen aber noch zahlreiche Querfalten, die jedoch weder zu zahlen, noch zu messen sind, indem die Schleimhaut des Vaagewalles tiberhaupt sehr schlaff ist, und die Falten, zumal die Querfalten, durch das Ziehen leicht verwischen‘.. Im Dickdarm fand er sehr ausge- sprochene Querfalten dicht aneinander stehend und fast ringformig. Die griindlichste Beschreibung dieser Verhaltnisse haben Carre und MACALISTER gegeben. Sie finden in den oberen Teilen des Darmes in verschiedenen Abstinden an der Innenwand an- geordnet, stets in gleicher Entfernung vom Pylorus 5 oder 6 Falten, die ,,hauptsachlich (principally)“ in der Langsrichtung angeordnet waren. Diese waren hier und da durch Querfalten verbunden, welche am besten am konkaven Rande, der Anheftungsseite des Mesenteriums, ausgeprigt waren. Mitunter flossen die primaéren Falten unter einem spitzen Winkel zusammen. Ihre Erhebung iiber die tibrige Schleimhaut betrug 12,7—19,05 mm, die der Querfalten etwas iiber 6,35 mm. Im Ileum nehmen die Querfalten an Gréfe zu und verdrangen die anderen. Am Colon endlich beschreiben CARTE und MACALISTER eine nicht deutlich ausgepragte Reihe von Einschniirungen. SrruTHERS beschreibt ebenfalls in den oberen zwei Dritteln des Diinndarmes Liangsfalten, 6—7 an Zahl, in der Breiten- ausdehnung des aufgeschnittenen Darmrohres, zwischen ihnen sekundare, quergerichtete Unebenheiten, in dem unteren Drittel dagegen vorherrschend Querfalten, die dort eng aneinander gedrangt erscheinen. Im Colon findet er Querfalten, die schwach ausgebildet schon im Blinddarm beginnen. Die Scheimhaut des Diinndarmes fand Vrouik mit Zotten besetzt. Auch Escuricat hebt hervor, daf sie ,nach der Geburt wenigstens’* mit etwa 2,18 mm hohen Zotten reichlich besetzt ist, so deutlich, wie er es bei keinem anderen Wale gefunden habe. Lymphnoduli haben Vroi~ik und Carte und MACALISTER im Diinndarm gefunden. Wahrend sich jener darauf beschrankt, ihr Vorkommen festzu- Der Darm der Cetaceen. 521 stellen, berichten die letzteren, daf sich Haufen von Solitirfollikeln im feianam: Solitirfollikel nnd ausgedehnte Peyer’sche Plaques im Tleum vorfinden. Megaptera boops (Fasr.), Der Darm des Buckelwales ist von Escuricut (15) unter- sucht worden. Seine Ergebnisse sind folgende: Die Verlagerung des Darmes in der Bauchhéhle und auch die Ausmessungen des Diinn- darmes und Dickdarmes sind im allgemeinen dieselben beim »Keporkak‘, wie bei Balaenoptera rostrata. Bei einem 73,6 cm langen Embryo fand er den ziemlich stark geknauelten Diinndarm gegen 4mal so lang als den Korper, bei einem 183,4 cm langen etwas iiber 4mal so lang. Der Dickdarm hatte auch hier etwas iiber */, der Kérperlange. Der Blinddarm ist verhaltnismafwig kiirzer als beim ,,Vaagewall‘, etwa 1/,,, der K6rperlange bei dem 78,6 cm langen Embryo. Die Schleimhaut zeigt folgende Verhaltnisse: »Ven ganzen Diinndarm entlang sitzen sehr starke Querfalten, durch Reihen von kurzen Langsfalten dermafen verbunden, daf sie mit ihnen zusammen die ganze Darmfliche in eleichseitig vier- eckige Raume abteilen. Die Querfalten laufen alle miteinander parallel, jedoch nicht streng in die Quere, sondern zugleich etwas schrag. Jede Querfalte nimmt fast die ganze Weite des Darmes ein, nimlich bis auf die zunachst an der Insertionsstelle des Ge- kréses liegenden Regionen. Siimtliche Falten haben eine be- deutende Hohe, sind aber stark geneigt, namentlich so, daf ihre freien Rainder nach hinten sehen. Jedes der Vierecke, von 2 der kleinen Langsfalten und 2 gleich langen Teilen der Querfalten gebildet, stellt die Miindung einer Héhle dar. Durch niedrigere Bptepringe wird jede der Héhlen in etwa vier Raiume geteilt, welche 1—2—3" (= 2,6—5,2—7,8 em) tiefe Blindsacke darstellen, deren blinde Enden, als Folge der starken Neigung der Falten, zwischen 1—3“ weiter nach vorn an die diuferen Darmhaute stofen.“ Die Schleimflache ist sammetartig, jedoch nicht durch Zotten, ahnlich den Darmzotten der Siugetiere und Vogel, sondern anes durch eine feine Faltung, wie z. B. am Darme des Stirs. Vie eben beschriebene Form der Darmschleimfliche ist bereits beim 91,7 cm langen Foetus sehr deutlich ausgesprochen. Nur sind die Zellen ungleich weniger tief, und zusammen erscheinen sie wie ein schénes Netzwerk der ganzen Diinndarmflaiche entlang.“‘ 522 Siegmund Siissbach, Im Dickdarm finden sich dieselben deutlichen, dicht aneinander stehenden und fast ringférmigen Querfalten, wie bei Balaenoptera rostrata. II. Zusammenfassung. Fassen wir nun zum Zwecke spiterer Vergleichung die im Vorigen mitgeteilten Befunde zusammen, so miissen wir von vorn- herein die Zahn- und die Bartenwale als Tiergruppen verschiedenen Ursprunges getrennt behandeln. Ferner wird es sich empfehlen, unter den Zahnwalen vorlaufig die teutophagen von den nicht teutophagen Formen gesondert zu betrachten, um feststellen zu kénnen, ob und gegebenen Falles in welcher Wechselbeziehung die Art der Nahrung zu der Gestaltung des Darmes dieser Gruppen steht. Hierbei folgen wir zunichst der von Escuricut (15) ge- gebenen und von Bouvier (35) angenommenen und erganzten — Einteilung der Wale nach der Art ihrer Nahrung, soweit sie die Zahnwale betrifft. A. Nicht teutophage Zahnwale In dieser Gruppe finden wir Gattungen mit der verschieden- artigsten Ausbildung des Darmes: Phocaena communis LEss., Delphinus delphis L., Lagenorhynchus albirostris Gray, Orca gladiator Gray, Orcella brevirostris OWEN, Platanista gangetica (LEBECK). Sie alle stimmen in der Befestigung des Darmes durch ein Mesenterium commune, sowie, mit einziger Ausnahme von Platanista, im Mangel eines Blinddarmes tiberein. Dagegen zeigen sie beziiglich des Verhaltens ihrer Darmlange zur Korperlinge die mannigfachsten Verhiltnisse, wie die folgende Aufstellung zeigt. Verhaltnis der Darmlinge zur Kérperlinge bei: Phocaena wie 11,4 :1 (G. CuviER), 5 sv : 1 (Rapp), 8 S Ad iis d(Veri Der Darm der Cetaceen. 523 Phocaena @ wie 11,95 :1 (Verf.), + tint : 1 (Jackson), Delphinus (Foetus) ,, 6,5 :1 5 15 : 1 (Rapp), Lagenorhychus at 8.8 nL QWEBER) Orca wis § : 1 (Escuricat), “ mati : 1 (REINHARDT), Orcella epee : 1 (ANDERSON), Platanista oo} SAS ase be Hieraus geht hervor, da’ Phocaena und Delphinus delphis von den Tieren dieser Gruppe den weitaus langsten Darm besitzen, Platanista gegeniiber den anderen einen auffallend kurzen Darm, wahrend die tibrigen in der Mitte stehen. Die Anordnung der Schleimhautfalten zeigt noch gréfere Verschiedenheiten. Hierbei ist Orcella mit unregelmafigen, bald langs, bald quer oder schrég verlaufenden Schleimhautfalten am primitivsten ausgestattet. Ebenso entfernt sich auch Platanista mit seinen ein wenig schrag gestellten Valvulae conniventes, die hier und da durch Verbindungsfalten miteinander zusammenhangen, von der bei den iibrigen herrschenden Anordnung. Bei diesen, und zwar Phocaena, Delphinus und Lagenorhyn- chus, verlaufen die Schleimhautfalten in der Langsrichtung, bei den beiden ersteren durch seltene und unregelmafig verlaufende, bei Lagenorhynchus mit Ausnahme des Endabschnittes des Darmes durch dicht gedrangte, quere Erhebungen verbunden. Da diese nach den oberen Teilen hin an Starke zunahmen, so entstanden dort bei Lagenorhynchus vierseitig begrenzte, Alveolen ahnliche Raume. Besonders sei hier noch darauf hingewiesen, da die einzelnen Langsfalten, wie bei Phocaena nachgewiesen wurde, nicht den Darm in seiner ganzen Linge durchziehen, sondern daf sie anal- wie pylorialwarts allmahlich verstreichen. Ebenso kann nicht aufrecht erhalten werden, daf sie an der dem Mesenterialansatz gegeniiberliegenden Seite am starksten entwickelt seien, sondern man findet durch Vergleichung verschiedener Querschnitte, daf jede einzelne Falte, mag sie nun im Umkreis der inneren Darm- wandung wo immer sich befinden, verschieden weit in das Lumen vorspringt, je nachdem sie mehr in der Mitte ihres Verlaufes oder an ihrem Ende getroffen ist. — SchlieSlich mu& noch erwahnt werden, dafi plétzliche Kaliberschwankungen des Darmrohres bei nicht teutophagen Zahnwalen im allgemeinen nicht angetroffen Bd. XXXV.N. F. XXVIII. 34 524 Siegmund Sissbach, werden. Die einzige Ausnahme macht hier wiederum Platanista, bei welchem der nach seinem Ende hin bedeutend verengte Diinn- darm durch eine feine Oeffnung in den weiten Dickdarm aus- mindet. Im iibrigen finden wir nur ganz allmahliche Aenderungen des Umfanges. Eine allgemein giltige Anschauung itiber die Weitenverhaltnisse des Darmes der nicht teutophagen Wale laSt sich infolge der gerade in diesem Punkte sparlichen Berichte nicht gewinnen; doch scheint es, wenigstens fiir Delphinus und, nach CLELAND’s Mitteilung, fiir Lagenorhynchus, wahrscheinlich zu sejn, dafi sich ihr Darm ebenso, wie der von Phocaena, nach- dem er sich in den ersten drei Vierteln seines Verlaufes allmahlich verengert hat, gegen sein Ende hin nochmals erweitert und erst kurz vor dem After sich wiederum verengt. B. Teutophage Zahnwale. Alle Gattungen dieser Gruppe, zu welcher Bouvier nach Escuricut’s Vorgange auger den Physeteriden FLOWER’s dessen Beluginae und Globiocephalus, sowie nach den Angaben P. FIscHEr’s und BuRMEISTER’s Grampus und Pontoporia zahlt, stimmen in der Befestigung des Darmes durch ein Mesenterium commune und in dem ganzlichen Fehlen eines Coecums iiberein. Ueber die auch in dieser Gruppe dauferst verschiedenen Lingenverhaltnisse des Darmes mag die folgende Zusammen- stellung Aufschlu8 geben. Verhaltnis der Darmlange zur Koérperlange bei: Globiocephalus melas 9 : 1 (Murie), s z 8 : 1 (Jackson), 7 7 : 1 (WILLIAMS), i » (Embryo) 61/, : 1 (GULLIVER) }), Grampus rissoanus 7 : 1 (Murts), Delphinapterus leucas 61/, : 1 (BARCLAY), ‘ P 6 : 1 (Wyman), , m 61/, : 1 (Watson und Youne), . iH 71/3 : 1 (STRUTHERS), : 5 3,467: 1 (Verf.), (Embryo von 22,9 cm) Monodon monoceros 11 : 1 (nach MEcKEL, ohne An- gabe des Autors), 1) Citat nach Watson und Youne (29). Der Darm der Cetaceen. 525 Pontoporia 32 : 1 (BURMEISTER), Physeter macrocephalus 161/, : 1 (Jackson), Hyperoodon rostratus ¢ 3,46 : 1 (DESLONGCHAMPS), a i 2 3,95 : 1 (BOUVIER), i i z 4,6 :1 (VROLIK), ” " 2 4,9 :1 (WEBER), Ziphius spec. 4.649: 1 (Scorr und Parker), Ziphiorhynchus cryptodon 5 : 1 (BURMEISTER) Man ersieht daraus, da& die Ziphioinen einerseits, anderer- seits die teutophagen Delphininen unter sich ziemlich gleiches Ver- halten zeigen. Delphinapterus steht in der Mitte zwischen beiden Gruppen, wihrend Monodon, Physeter und vor allen anderen Pontoporia Verhiltnisse aufweisen, die sich weit von denen der iibrigen entfernen. Hinsichtlich der Schleimhautfalten der Innenwand zeigt Del- phinapterus die einfachsten Verhaltnisse. Im ganzen Verlaufe des Darmes, bis etwa 30 cm vor dem Anus eines erwachsenen Exem- plares treten Querfalten auf, welche in der ersten Halfte seines Verlaufes am starksten entwickelt sind und am dichtesten stehen. Darauf werden sie schwacher und weniger zahlreich, um gegen das Ende zu weiterhin an Starke ab-, dafiir aber an Zahl wieder zuzunehmen. Auch Globiocephalus und Grampus zeigen in den oberen Darmteilen Querfalten von starker Entwickelung, an deren Stelle nach der Mitte zu ein System sich kreuzender, schrag und langs verlaufender Schleimhautfalten tritt. Von diesen wiederum werden gegen das Ende des Darmverlaufes hin die schragen immer schwicher und sparlicher, so da8 schlieSlich nur noch die Langs- falten zu beobachten sind. Recht eigenartige Verhialtnisse zeigen die Physeteriden, und unter diesen weicht das Verhalten Physeters von dem der Zi- phioinen ab. Der erstere zeigt im Verlaufe seines Darmkanales in ver- schiedenen Strecken fiinf verschiedene Arten der Entwickelung seiner Innenwand, die freilich nicht unvermittelt aufeinander folgen, sondern allmahlich ineinander tibergehen. Im Anfange des Darm- tractus ist dessen Schleimhaut glatt, worauf zunachst kurze Valvulae conniventes in allmahlich zunehmender Zahl und Gréfe sich von der tibrigen Mucosa erheben. Diese nehmen nach und nach eine schrige Stellung zur Verlaufsrichtung der Darmwand an, so daS auf Querschnitten der Anschein eines spiraligen Ver- laufes der Schleimhautfalten hervorgerufen wird. Zu Beginn des a4* 526 Siegmund Siissbach, letzten Sechstels des Darmtractus findet sich dann die Mucosa an der dem Mesenterialansatze gegeniiberliegenden Seite glatt, in den tibrigen Teilen des inneren Umfanges mit unregelmafigen Runzeln bedeckt. Zuletzt hért auch dieses auf, und die Schleim- haut entbehrt aller Falten oder selbst runzeligen Erhebungen. Die Ziphioinen schlieflich zeigen in den ersten Teilen ihres Darmverlaufes von unregelmafig ineinander laufenden Falten um- grenzte Waben, die wiederum in ihrer Tiefe faltige Erhebungen zweiter und dritter Ordnung erkennen lassen, welche ihrerseits Waben zweiter und dritter Ordnung umgrenzen. Je weiter nach hinten, desto mehr tritt ein System vom mesenterialen Rande schrag nach pylorialwarts verlaufender Falten in den Vordergrund, welche durch kleinere Falten zweiter Ordnung zunachst noch in Verbindung stehen. Diese bleiben mehr und mehr in der Tiefe zwischen den Hauptfalten verborgen, indem sie sich mit einem ihrer Enden an eine derselben anlehnen, mit dem anderen in der Tiefe verstreichen. Plétzliche Kaliberveranderungen des Darmrohres treten bei den Teutophagen nirgends auf. Die vereinzelte Angabe Rappr’s nach Manpt, daf bei Monodon eine Scheidung in Diinn- und Dickdarm bestehe, ist zu wenig ausfthrlich, um hier beriicksichtigt werden zu kénnen. Ueber die Weitenverhaltnisse des Darmrohres wird von Grampus, Delphinapterus und Hyperoodon berichtet, daf eine all- mahliche Verschmalerung vom Ende der Ampulla duodenalis an bis zum Anus hin erfolgt, wahrend bei Globiocephalus und Physeter nach der anfanglich gleichmafigen langsamen Verschmalerung bei ersterem im letzten 1/,,, bei Physeter sogar im letzten '/,, des Verlaufes nochmals eine ziemlich rasche, aber doch allma&hlich fortschreitende Erweiterung folgte, bevor sich der Darm zum After hin verengerte. C. Bartenwale. Die Bartenwale zeigen samtlich eine Gliederung ihres Darm- kanales in einen Diinndarm und Dickdarm und stimmen auch darin tiberein, da sie an der Einmitindungsstelle des ersteren in diesen ein deutlich entwickeltes Coecum besitzen. Rapp berichtet zwar im Anschluf an RoussEL DE VAUzEME, daf dem ,,eigentlichen Wallfisch der siidlichen Hemisphare“ der Blinddarm fehle, indessen ist dies wenig wahrscheinlich, da nach LackprkpE der ,,Baleine franche“ ein echtes Coecum zukommt. Der Darm der Cetaceen. 527 Ueber die Mesenterialverhiltnisse des Grénlandswales und des Nordkapers liegen keinerlei Mitteilungen vor. Die Finnwale stimmen in dieser Beziehung unter sich vollig iiberein. Stets findet sich eine ununterbrochen fortlaufende Mesenterialplatte, welche proximalwairts von der Rectum und Colon descendens tragenden Strecke eine grofe Darmschleife festhalt, deren ab- steigender Schenkel durch die Masse der Diinndarmschlingen dar- gestellt wird, waihrend der aufsteigende aus Colon ascendens und transversum besteht. Indem nun unter Teilnahme der sie fest- haltenden Mesenterialplatte eine Drehung der beiden Schenkel umeinander im umgekehrten Sinne der Urzeigerdrehung um mehr als 180° stattgefunden hat, zeigt sich die Radix mesenterii umgriffen von einem durch Duodenum und den Anfangsteil des Jejunum gebildeten, nach rechts und proximalwarts offenen Bogen, sowie ventral hiervon von einem distalwarts offenen Colonbogen. Das Verhaltnis von Darmlainge zur Korperlange ist bei den verschiedenen Gattungen und Arten der Bartenwale, soweit hieriiber Untersuchungen angestellt worden sind, ein wenig wechselndes. Es betragt bei: Balaenoptera physalus (L.) [Embryo von 81,6 cm Lange] 5,25 :1 (Verf.), [Embryo von 122 cm Lange] 5,026: 1 (Verf.), ” ” ” " rostrata (FABR.) 9,5 :1 (HUNTER), * 4 be 5,3 :1 (Escuricut), ‘ Lp se 6,275: 1 (CARTE und MACALISTER), Hs un a 5,264 : 1 (PERRIN), Magaptera boops (F'aBr.) [Embryonen] ca. 41/, : 1 (Escuricut). Noch weit konstanter ist das Verhaltnis der Linge des Dick- darmes zur Koérperlange, welches sich bei den von Escuricu’ an Balaenoptera rostrata und Embryonen von Megaptera boops an- gestellten Untersuchungen, wie auch bei den vom Verfasser unter- suchten Embryonen als 1!/, : 1 herausstellte. Die Gestaltung der Darmschleimhautflache von Balaenoptera physalus (L.), Balaenoptera rostrata und Megaptera boops lassen sich auf denselben Typus zuriickfiihren. Im Coecum und Dick- darm ist dieselbe bei allen dreien von ringférmigen, mehr oder weniger dicht aneinander gereihten Falten oder wulstigen Er- hebungen bedeckt. Und nur im Diinndarm zeigt Megaptera eine Abweichung von den beiden anderen. Balaenoptera rostrata be- 528 Siegmund Sissbach, sitzt nimlich, wie aus den Schilderungen von HunrER und Carte und MACALISTER hervorzugehen scheint, im weitaus gréB8ten Teile des Verlaufes fast genau dieselbe Anordnung seiner Schleimhaut- falten, wie sie durch die Untersuchung der 2 in dieser Arbeit beschriebenen Embryonen von Balaenoptera physalus (L.) fiir diese Art festgestellt wurde. Dort ist ein System von Falten vor- herrschend, welche, von der mesenterialen Seite der Innenwand ausgehend, in schriger Richtung unter einem zum Verlanf des Darmes ziemlich spitzen Winkel pylorialwarts ziehen. Neben diesen finden sich in den weiteren, namentlich aber den oberen Teilen Falten zweiter Ordnung, deren Verlaufsrichtung die der Falten erster Ordnung kreuzt. Sie strahlen alternierend von den gegentiberliegenden Seiten zweier Falten erster Ordnung aus, ver- binden diese aber nicht miteinander, sondern verstreichen schon vorher, indem sie gegenseitig in die Liicken der von jenseits aus- gehenden Faltchen eingreifen. Hiermit stimmt die Anordnung bei Balaenoptera rostrata mit Ausnahme des letzten Abschnittes des Diinndarmes, in welchem sich nur Querfalten finden, vollkommen tiberein. Vielleicht muf man auch, indem man CarTE und MACALISTER folgt, darin einen Unterschied gegen Balaenoptera physalus feststellen, da die sekundiren Faltchen bei Balaenoptera rostrata die Schragfalten erster Ordnung wirklich verbinden. Indessen ist dieser Schluf nicht notwendig, da HUNTER und STRUTHERS nicht nur nichts derartiges berichten, sondern jener ausdricklich nur von seitlich von den Falten erster Ordnung abgehenden Querfalten, dieser nur von sekundéren, quergerichteten Unebenheiten spricht. Megaptera boops zeigt ebenfalls in den unteren Abschnitten des Diinndarmes nur Querfalten, wie Balaenoptera rostrata. Auch in den oberen Teilen unterscheidet sie sich von dieser, wie von Balaenoptera physalus nur dadurch, daf die Schragfalten erster Ordnung, welche Escuricat hier als ,,Querfalten“ bezeichnet, welche jedoch ,,zugleich etwas schrag verlaufen‘t, wie schon aus dieser Bezeichnung hervorgeht, fast einen rechten Winkel mit der Verlaufsrichtung des Darmes bilden, und daf die Falten zweiter Ordnung bei ihr dazu gelangen, die primaren Schragfalten unter- einander zu verbinden. Da nun sdmtliche Falten eine bedeutende Hoéhe haben und mit ihren freien Randern stark analwarts geneigt sind, so entstehen Héhlungen, welche durch vierseitig begrenzte Oeffnungen zugaénglich sind, und deren blindes Ende pylorialwarts gekehrt ist. Der Darm der Cetaceen. 529 Von Balaenoptera musculus L. untersuchte TuRNER einige Darmteile, welche durchweg nur Querfalten enthielten; da aber jede Angabe dariiber fehlt, aus welcher Gegend sie entnommen waren, so kann aus diesem Befunde héchstens auf eine Ueber- einstimmung mit dem Bau des unteren Diinndarmteiles von Balaenoptera rostrata und Megaptera geschlossen werden. Auch in den Kaliberverhaltnissen des Darmes zeigen Balaeno- ptera physalus (L.) und rostrata groBe Aehnlichkeit. Der Diinn- darm verengert sich von vorn her allmahlich, um vor seiner Kin- miindung in den Hinterdarm sich wiederum allmahlich auszudehnen, wobei er jedoch seinen urspriinglichen Umfang nicht wieder erreicht. Der Hinterdarm nimmt gewoéhnlich vom Coecum aus langsam an Umfang ab. Ill. Vergleichung. a) der nicht teutophagen Zahnwale mit den teuto- phagen; b) der Zahnwale mit den Bartenwalen. a) Vergleichen wir nunmehr den Bau des Darmes der nicht teutophagen mit dem der teutophagen Zahnwale, so sehen wir eine vollige Uebereinstimmung in Bezug auf die Befestigung des Darmrohres durch ein ununterbrochen an der dorsalen Leibeswand verlaufendes Mesenterium (commune), sowie in dem, Platanista ausgenommen, itiberall sich zeigenden Fehlen eines Blinddarmes. Auch plétzliche Kaliberschwankungen zeigen sich nirgends, auBer bei der Einmiindung des Diinndarmes von Platanista in den Dickdarm. Ebenso finden wir bei allen Arten, tiber die dies- beziigliche Angaben existieren, eine allmahliche Verschmilerung des Darmrohres vom Ende der Ampulla duodenalis an abwarts, welche bei einzelnen teutophagen, wie nicht teutophagen Arten, und zwar bei Phocaena communis, Lagenorhynchus albirostris, Globiocephalus melas und Physeter macrocephalus, in den untersten Teilen des Darmrohres nochmals durch eine Erweiterung abgelést wurde, bevor sich der Darm schlieSlich zum After hin verengerte. Grofe Mannigfaltigkeit zeigen dagegen die Zahnwale_ hin- sichtlich der Linge ihres Darmrohres, sowie der Gestaltung seiner Schleimhautflache. Man wird kaum mit Berechtigung die Regel aufstellen diirfen, daZ die teutophagen im allgemeinen einen kiirzeren Darm haben. 530 Siegmund Sissbach, Hiergegen sprechen nicht nur die zwei exorbitanten Ausnahmen, die ichthyophage Platanista mit ihrer kurzen relativen Darmlange von 4,3 und die teutophage Pontoporia mit ihrer ungeheuerlichen Ver- haltniszahl 32, sondern auch Monodon (11,1), sowie Physeter (16'/,). Bemerkenswert scheint es jedoch, daf sich hinsichtlich der Langenentwickelung die teutophagen Delphininen Globiocephalus und Grampus eng an Lagenorhynchus und Orca und damit an die nicht teutophagen Delphininen anschliefen und andererseits die Ziphioinen sehr konstante Verhiltnisse zeigen. Was die Schleimhautfalten und ihre Ausbildung betrifft, so ist die Mannigfaltigkeit woméglich noch gréfer. Hierin zeigen nur Phocaena und Delphinus, Globiocephalus und Grampus, schlie8- lich die Ziphioinen jedesmal annihernd gleiche Ausbildungsweise, jede der iibrigen Gattungen eigenartige und von der der anderen verschiedene Entwickelung. Globiocephalus und Grampus schlieSen sich in der Faltenanordnung, wenigstens in den mittleren Darm- teilen, ziemlich eng an Lagenorhynchus an, wahrend die Aus- bildung im oberen und Endabschnitt ihres Darmes durchaus nicht mit der dieses Wales tibereinstimmt. Im speciellen verweise ich auf die beziiglichen Ausfihrungen in der vorhergehenden Zusammenfassung. Wahrend eine direkte Vergleichung und der Versuch, die verschiedene Faltenanordnung der einzelnen Zahnwalgattungen in Beziehung zu einander zu bringen, zur Zeit unmdglich erscheint, tritt andererseits ein Wechselverhaltnis zwischen Darmlinge und dem Grade der Komplikation der Faltensysteme zu Tage. Bei der ungeheuren Kérpermasse einzelner Walarten ist es notwendig, dal die aufgenommene Nahrung so vollstandig, wie irgend méglich, ausgenutzt werde. Hierzu gehért eine méglichst groke verdauende und resorbierende Darminnenflache. Diese kann entweder durch entsprechende Langenentwickelung des Darmrohres, oder durch Faltung seiner Innenfliche geschaffen werden. In der That zeigt sich nun, bei teutophagen wie nicht teuto- phagen Gattungen, da, je komplizierter die Ausbildung der Scheimhautfaltensysteme, je mehr sie geeignet sind, durch ihre Anordnung den Chymus auf seinem Wege durch den Darm fest- zuhalten, desto geringer seine Lange ist und umgekehrt. Als Beweis hierfiir mége unter den nicht teutophagen das Verhaltnis von Platanista und Lagenorhynchus zu Phocaena und Delphinus, unter den teutophagen Zahnwalen das der Ziphioinen zu Physeter dienen. Der Darm der Cetaceen. 531 Die auferst dicht gedrangte Anordnung und das weite Vor- springen der Falten in das Lumen, wie es sich bei einigen Zahn- walen findet, scheint nun der Thatigkeit des Darmes mehr hinder- lich als foérdernd zu sein, insofern sie scheinbar nur einen ganz schmalen Weg fiir den Speisebrei tibrig lassen. Indessen muf man in Erwaigung ziehen, welcher Art dieser Speisebrei ist. Wo immer sich Angaben tiber den Darminhalt der Wale finden, wird er als eine schleimige Fliissigkeit bezeichnet, eine Beschaffenheit, welche er offenbar der griindlichen Einwirkung des zusammengesetzten Cetaceenmagens verdankt. Nur Vroui« fihrt an, dafi er im Darme des Hyperoodon Ueberreste von Cephalo- podenschulpen gefunden habe. Die schleimig-fliissige Beschaffenheit aber befahigt den Speise- brei, in die feinsten Zwischenraume zwischen den Schleimhaut- falten, in die vertieften Alveolen der Mucosa der oberen Darm- teile von Lagenorhynchus, wie von Hyperoodon einzudringen, von wo er spater durch die Peristaltik des Darmes wieder ent- fernt wird. b) Ein Vergleich des Darmkanales der Zahn- und Barten- wale zeigt, wie der so vieler anderer Organsysteme, eine weit- gehende Divergenz. Finden wir bei den Zahnwalen keine Scheidung in Diinn- und Dickdarm und, mit Ausnahme von Platanista, auch den stetigen Mangel eines Blinddarmes, so ist bei den Bartenwalen beides stets vorhanden. Bei den ersteren finden wir stets ein Mesenterium commune ohne jede Spur einer Sonderung oder Umgreifung einzelner Mes- enterialstrecken durch Darmteile, bei den Mysticeten eine stetige Umegreifung der Radix mesenterii durch die Flexura duodeno- jejunalis und den Colonbogen. Gliederung, wie Befestigung und Verlagerung des Darmes zeigen sich also durchaus verschieden fiir beide Gruppen. So weitgehend auch diese Divergenz erscheint, so giebt es doch auch ein gemeinsames Merkmal in den Darmverhaltnissen beider Ordnungen. Dieses besteht in dem Vorhandensein von Schleimhautfaltensystemen. Es ist wohl das Nachstliegende, anzunehmen, da diese Falten- systeme sich deshalb bei beiden Ordnungen ausbildeten, weil der Darminhalt bei beiden Gruppen — bei den Bartenwalen schon durch die Beschaffenheit der planktonischen Nahrung selbst, bei 532 Siegmund Sissbach, den Zahnwalen infolge der intensiven Kinwirkung des kompli- zierten Magensystems — schleimig-breiiger Natur ist. Nun hatten wir gesehen, daf die Zahnwale im allgemeinen einen langeren Darm, die Bartenwale einen kiirzeren besitzen. Bei den Zahnwalen mit langem Darme fanden wir einfachere Schleimhautfalten als bei denen mit kurzem Darme und den Bartenwalen. Es ergiebt sich daraus, daf Linge des Darmes und geringere oder héhere Ausbildung des Systems der Schleimhautfalten in innigster Beziehung stehen. * Ein langer Darm hat einfachere Schleimhautfalten, ein kurzer Darm kompliziertere. IV. Der Darm der temporiren Wassersiugetiere. Es fragt sich nun, ob und welche Veranderungen der Darm temporarer Wasserséugetiere erlitten hat. Die Untersuchung mehrerer Seehunde und einer Fischotter ergab nun zusammen mit einer Vergleichung ihres Darmkanales mit dem nahe verwandter oder in der Ausbildung des Tractus intestinalis nahestehender terrestrischer Saugetiere folgendes: I. Phoca vitulina zeigte eine Sonderung in Diinn- und Dick- darm und an deren Vereinigungsstelle ein mit seinem blinden Ende proximalwarts gekehrtes Coecum. Die Befestigung dieses Darmtractus erfolgte durch ein Mesenterium commune, dessen die Diinndarmschlingen tragender Teil quer von rechts und proximal nach distalwarts und links verlief. Eine Umgreifung der Wurzel des Diinndarmgekréses fand nicht statt. Der Dickdarm stieg, schwach gebogen, auf der linken Seite herab. Der Blinddarm war von ansehniicher Lange; er betrug bei 2 Exemplaren von 83 bezw. 101 cm Lange 4 cm. Das Verhaltnis der Kérperlange zur Darm- lange betrug im ersten Falle 1: 12,48, im zweiten 1 : 14,924). Der Hinterdarm maf im ersten Falle etwas iiber die Halfte, im zweiten tiber 3/, der Ké6rperlange. Die Darmschleimhaut war faltenlos. Der Mitteldarm verschmalerte sich allmahlich vom Duo- denum aus bis zu seiner Einmiindung in den Hinterdarm. Dieser war nicht unbedeutend breiter als der erstere. 1) Bei einer von Weser untersuchten Otaria Gillespii stellte sich dieses Verhaltnis sogar wie 1 : 17,2. Der Darm der Cetaceen. 533 Dieselbe Gliederung, Verlagerung, Befestigungsweise und Faltenlosigkeit der Schleimhaut zeigt Viverra genetta; Viverra civetta unterscheidet sich nur durch die Verlagerung des Hinter- darmes nach der rechten Seite. Indessen zeigten beide einen viel kiirzeren Darmkanal, namlich ein Verhaltnis zur Korperlange von 4,346 : 1 (Viverra civetta) bezw. 4,8: 1 (Viverra genetta). II. Der Darm der Fischotter war nicht in Diinn- und Dick- darm gegliedert und auch nicht durch den Besitz eines Coecums ausgezeichnet. Gleichwohl findet eine Ueberkreuzung einer dadurch von dem Mesorectum gesonderten Radix mesenterii durch 2 der Flexura duodeno-jejunalis und dem Colonbogen entsprechende Darmbégen statt. Die Schleimhautflache ist faltenlos. In allen diesen Kigentiimlichkeiten stimmt Lutra mit den iibrigen Musteliden tiberein. Das Verhaltnis ihrer Darmlange zur Kérperlange betrug 4.82:1, bei einem Ictonyx capensis dasselbe 2,5135: 1. Auch in G. Cuvirer’s Tabelle der Darmlingen steht die Fisch- otter mit dem Verhiltnis 5,8: 1 allen iibrigen Musteliden weit voran; zunichst folgt ihr der Iltis mit 5,6: 1 und erst in weitem Abstande der Baummarder mit 4,3: 1, wahrend die tibrigen noch geringere Liinge des Darmkanales zeigen. Wir sehen also, da& der Darm der temporéren Wasserséuge- tiere sich von dem ihrer terrestrischen Verwandten oder der- jenigen terrestrischen Saugetiere, welche die gleiche Gliederung, Verlagerung und Befestigung ihres Darmkanales besitzen, durch seine bedeutendere Lange unterscheidet. Diese Veradnderung scheint um so gréSer zu werden, je voll- kommener die Anpassung an das dauernde Leben im Wasser wird. Wenigstens spricht hierfiir die Vergleichung der Linge des Fischotterdarmes mit dem der Pinnipedier. Fiir diesen Unterschied und die Art der fortschreitenden Verinderung iiberhaupt Jaft sich eine recht befriedigende Er- klarung in dem Umstande finden, dai diese Tiere Fischfresser sind, welche ihre Beute ganz oder unvollkommen zerbissen her- unterschlingen miissen. Da sie iiberdies einen einfachen Magen besitzen, so muf ihr Darm desto intensiver arbeiten. Als Folge hiervon kann man sich die Verlangerung ihres Darmkanales erklaren. 534 Siegmund Sissbach, V. Betrachtung des Darmbaues der terrestrischen Siugetiere. Die Einzelergebnisse der Untersuchungen an _terrestrischen Saugetieren hier wiederzugeben, erscheint nicht notwendig, da sie nicht in den Rahmen dieser Arbeit gehéren und auch zum gréften Teil eine unntitze Wiederholung von bereits Bekanntem darstellen wiirden. Daher erscheint es angebracht, zusammenfassend tiber sie zu berichten. Die von mir untersuchten Tiere gehéren mit wenigen Aus- nahmen den Ordnungen der Carnivoren, Perissodactylen, Artio- dactylen, Nager und Primaten an. Zunachst muf vorausgeschickt werden, daf die Untersuchung im allgemeinen die bekannte Gesetzmafhigkeit bestatigte, daf der Darm der Fleischfresser kiirzer und einfacher gebaut ist als der der Pflanzenfresser. Im einzelnen zeigte sich der Darm in den grofen Ziigen seiner Verlagerung, Befestigung, sowie dem Fehlen oder Vorhandensein eines Coecums durch Ordnungs-, mehr noch durch Familiencharak- tere bestimmt. — Die Befestigung fand in allen Fallen, mit Aus- nahme der Viverrinen und Feliden, ferner von Erinaceus und Dasypus, welche ein ununterbrochenes Mesenterium besaSen, unter Umereifung eines Gekrésabschnittes durch Flexura duodeno-jeju- nalis und Colonbogen statt. Dieser Mesenterialteil tragt tiberall, mit Ausnahme der Musteliden und Ursinen, welche keine Sonderung in Mittel- und Hinterdarm zeigen, die Mitteldarmschlingen. Bei diesen Gruppen treffen daher die obigen Bezeichnungen der beiden Darmbégen nicht zu, die Befestigungsart ist indessen genau die gleiche. Die Mesenterialverhaltnisse der meisten Saugetiergruppen sind von KuaatTscH (40) eingehend behandelt. Fiir unsere Betrachtung diirfte das Gesagte gentigen. Ein Blinddarm fehlt nur den Musteliden, Ursinen, Erinaceus und Dasypns. Ebenso ist bei denjenigen Gruppen, welche durch einen langen Hinterdarm ausgezeichnet sind, die Verlagerung desselben je nach der Zugehorigkeit zu einer bestimmten Ordnung oder Familie eine ganz bestimmte. Beziiglich der bei den Nagern herrschenden Verhaltnisse verweise ich auf TULLBERG (45), wo die Gestaltung des Darmes sehr eingehend behandelt ist. Im iibrigen kann ich mich begniigen, auf die aus dem Anfangsteile des Colon ascendens Der Darm der Cetaceen. 535 bei Perissodactylen und Artiodactylen hervorgehenden Darmgebilde, die Doppelschlinge des Colons bei den Equiden, das flache Colon- labyrinth der selenodonten und die schneckenférmige, entsprechende Bildung der bunodonten Artiodactylen hinzuweisen. Gegeniiber den eben besprochenen Eigentiimlichkeiten des Darmbaues sind die Liaingenverhaltnisse des Darmes innerhalb der gleichen Familie iuBerst wechselnde, ja sogar individuellen Schwan- kungen unter den Vertretern derselben Art unterworfen. Immerhin kann man bei den terrestrischen Saugetieren die Regel stets bestatigt finden, daf mit kurzem Hinterdarme kurzer Mitteldarm, mit langem Hinterdarme ein mehr oder weniger ver- lingerter Mitteldarm stets gleichzeitig angetroffen wird. Die Darme ohne Sonderung von Mittel- und Hinterdarm werden bei terrestrischen Tieren stets kurz gefunden. Es ist nun weiterhin bemerkenswert, daf bei den Gruppen mit langem Hinterdarme die Art der Verlagerung dieses mit der Linge des Mitteldarmes in Wechselbeziehung steht, und zwar in der Art, daf, je leichter die Mitteldarmschlingen dem Hinterdarme innerhalb der Bauchhoéhle ausweichen kénnen, desto kiirzer ihre Gesamtlangenentwickelung ist. So finden wir bei den Primaten, wo das Colon als hufeisen- formige Spange das Jejuno-ileum umgreift, eine relativ mafige Linge des Mitteldarmes; bedeutender schon bei den Equiden mit ihrer einen grofen Teil der Bauchhéhle erfiillenden Doppelschlinge des Colon ascendens. Noch mehr werden die Mitteldarmschlingen in ihrer Beweg- lichkeit durch die voluminése Colonschnecke der Suiden einge- schrankt, welche sie von der linken Seite der Bauchhoéhle fast vollkommen verdraingt, und in noch héherem Grade durch das flache Colonlabyrinth der selenodonten Artiodactylen, das sich fest an das Centrum der die Diinndarmschlingen tragenden Mesenterial- scheibe anlegt. Dem entsprechen vollkommen die zunehmenden Verhaltniszahlen der Linge ihres Mitteldarmes. Durch Untersuchung junger Embryonen von Rindern und Schweinen ergab sich mir, da’ die innerhalb der Familie konstante Art der Verlagerung des Hinterdarmes schon auf Stadien durch- gefiihrt ist, auf welchen noch eine recht geringe relative Darm- lange gefunden wird. — Daraus geht hervor, da bei der Wechsel- beziehung zwischen Lange und Verlagerung des Hinterdarmes einerseits und der Laingenentwickelung des Mitteldarmes anderer- seits die Verhaltnisse des Hinterdarmes fiir diejenigen des Mittel- darmes in hohem Grade mafgebend sind. 536 Siegmund Sissbach, Wie aber kann man sich die Art dieses Einflusses vorstellen ? Vielleicht am treffendsten durch folgende Ueberlegung: Soll in einem Behaltnisse von gegebenen Dimensionen eine Anzahl von Gegenstinden untergebracht werden, deren Gesamt- volumen genau dem Rauminhalte des Behiltnisses entspricht, so wird dies, wenn alle zu verpackenden Gegenstande starre Koérper sind, nur dann méglich sein, wenn zufallig die Gestalt derselben eine derartige Nebeneinanderlagerung gestattet, daS ihre Gesamt- form der Gestalt des Hohlraumes des Behalters kongruent wird. Auf ‘mannigfache Art dagegen wird sich die Aufgabe lésen lassen, wenn ein hinreichender Teil der zu verpackenden Gegenstande lose und schmiegsam ist, so dafi man mit ihnen die zwischen den starren Gegenstinden entstehenden Zwischenraume ausfillen kann. Ganz analog verhalt es sich mit der Unterbringung des Darmes in der Bauchhoéhle, nur daf es sich hier mehr um eine bequeme Verlagerung als um ein volliges Erfiillen dieser durch jenen handelt. Die Ausmessungen der Bauchhéhle sind also ebenfalls ein be- stimmender Faktor fiir die Langenentwickelung des Darmes. Die Bauchhoéhlendimensionen sind hauptsiachlich bestimmt durch: 1) die Zahl und Lange der distal vom Hiatus aorticus dia- phragmatis gelegenen, frei entwickelten Rumpfwirbel; 2) die Lange des Os sacrum, welche durch die Zahl der Wirbel, die es zusammensetzen, sowie den geringeren oder starkeren Grad ihrer Verwachsung bedingt wird; 3) die Stellung des Zwerchfelles ; 4) die Form des Beckens. Eine Verainderung auch nur eines dieser Faktoren wahrend der phylogenetischen Entwickelung einer Tiergruppe wird also in der Langenentwickelung des Darmes entsprechende Veranderungen nach sich ziehen miissen. Wenden wir nun die bei der Betrachtung der terrestrischen Sdugetiere gewonnene Erkenntnis auf die Wassersiuger an. Zunachst kénnen wir mit Bestimmtheit sagen, daf mit der Anpassung an das Wasserleben wie die ganze Korperform, so auch die Ausmessungen der Bauchhéhle und damit die Langenentwicke- lung des Darmes durchgreifende Veradnderungen durchgemacht haben miissen. Der Darm der Cetaceen. 537 Der Kérper nimmt mehr und mehr eine nach hinten spindel- formig verjiingte Gestalt an. So entsteht bei den Pinnipediern eine Verengerung des Beckens gegeniiber den terrestrischen Carni- voren und eine Verringerung des arithmetischen Mittels der dorso- ventralen Durchmesser der Bauchhéhle, wodurch eine bedeutende Verminderung ihres Rauminhaltes zustande kommt. Dem wider- spricht scheinbar die bedeutende Langenentwickelung ihres Darmes ; aber nur scheinbar, denn der Darm der Pinnipedier ist in hervor- ragendem Male diinnwandig und schmiegsam und vermag sich dem gegebenen Raume daher besser einzufiigen als ein rigiderer und kiirzerer Darm, wie ihn die landlebenden Raubtiere besitzen. Deshalb also kann trotz der Verkleinerung der Bauchhohle der Pinnipedierdarm die ansehnliche Linge erreichen, die er hat. Die Wale, die ebenfalls von landlebenden, vierfiiigen Saugern abstammen, werden wohl wihrend ihrer phylogenetischen Ent- wickelung ein ahnliches Stadium mit gleicher Verminderung des Bauchhoéhlenraumes durchgemacht haben. Im weiteren Verlaufe aber trat wiederum eine Vergréferung desselben, durch zwei Ver- anderungen bedingt, ein. Durch den Verlust ihrer Hinterextremitaiten und das Rudi- mentirwerden des Beckengiirtels wurden die zuvor zum Kreuz- bein verwachsenen Wirbel frei und konnten sich daher zur voll- stindigen Lange der iibrigen Lendenwirbel entwickeln. Daraus folgt eine bedeutende Lingenzunahme der dorsalen Bauchhohlen- begrenzung. Ferner schreitet eine schon bei den Pinnipediern zu be- achtende Verkiirzung der ventralen Brustwand gegentiber der dorsalen weiter fort. Dadurch erhalt das Zwerchfell eine schrage Stellung von seiner dorsalen Anheftungsstelle nach ventral- und kopfwairts, indem bei den Walen die Zahl der echten Rippen, sowie die Lange des Brustbeines sich verringert. Hieraus ergiebt sich eine Vergréferung der Langenausdehnung der Bauchhéhle in ihrem ventralen Teile, welche die durch die . Verringerung des transversalen Durchmessers entstandene Ver- kleinerung mehr oder minder aufzuheben vermag. Wir haben gesehen, da der Darm der Wale in seiner Aus- bildung durch mannigfache Faktoren beeinflusst wird, deren Zu- sammenhang zu entwirren wir zur Zeit nicht imstande sind. Immerhin bleibt als greifbares Resultat bestehien, daf Zahn- und Bartenwale in konvergenter Entwickelung die Schleimhaut- 538 Siegmund Sissbach, faltensysteme erworben haben, ebenso daf die gréfere Langen- entwickelung des Darmes einiger Zahnwale als Ersatz fiir die geringere Komplikation ihrer Schleimhautfaltensysteme betrachtet werden kann. AuSerdem zeigen die mehrfachen weitgreifenden Divergenzen in der Ausbildung des Darmes beider Ordnungen von neuem die Auffassung bestatigt, daf zwischen ihnen keine direkten genetischen Beziehungen bestehen. 1) 13) 15) Der Darm der Cetaceen. 539 Litteraturverzeiehnis. Hunrrr, Joun, Observations on the structure and Oeconomy of Whales. Philosophical Transactions, Vol. LX XVII, London 1787. Lacrpmpx, Histoire naturelle des Cétacés, Paris 1804. Cuvinr, G., Vorlesungen iiber vergleichende Anatomie, Bd. III. Uebersetzt von Mucxern, Leipzig 1810. Barcuay, Ueber den Bau der Beluga (Delphinus albicans 10g, Delphinapterus beluga Lactpnpr). Mercxerr’s Deutsches Archiy fiir Physiologie, Bd. IV, 1818. Camper, Pierre, Observations anatomiques sur la structure intérieure et le squelette de plusieurs espéces de Cétacés. Publiées par son fils Aprrmy-Gittes Campnr, Paris 1820. Lxsson, Complétement des cuvres de Burron, T. I, Cétacés, Paris 1828. Mrcxer, J. F., System der vergleichenden Anatomie, Bd. IV, Halle 1829. - ) Mayr, Beitrige zur Anatomie des Delphins. Zeitschr. f. Phy- siologie, herausg. von TimpEmMaNN und Treviranus, Bd. V Heidelberg und Leipzig 1835. Cuvisr, F., Histoire naturelle des Cétacés, Paris 1836. Rapp, Wituerm, Die Cetaceen, zoologisch-anatomisch darge- stellt, Stuttgart u. Tiibingen 1837. Vronix, Ontleedkundige aanmerkingen over den nordschen Vinvisch (Balaenoptera rostrata). Tijdschrift voor Natuurlijke Geschiedenis en bhysiologie, 4. Teil, Leiden 1837/38. Euprs-Destonecuamps, Remarques zoologiques et anatomiques sur l’Hyperoodon. Mém. Soc. Linn. de Normandie, Vol. VII, 1842. Jackson, J. B. S., Dissection of a Spermaceti Whale and three other Cetaceans. Boston Journ. Nat. Hist. Vol. V, No. 2, Boston 1845. Vrorrk, Natuur- en Ontleedkundige Beschouwing van den Hyperoodon. Natuurkundige Verhandelingen van de Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen te Haarlem, 1848. Escuricut, Danien Friepricn, Zoologisch - anatomisch - physio- logische Untersuchungen iiber die nordischen Wallthiere, Leipzig 1849. ’ Bd, XXXV. N, F. XXVIII 35 540 Siegmund Siissbach, 16) Van Beyupen, P. J., Recherches sur la faune littorale de Belgique, Cétacés, 1860. 17) Wyman, Description of a ,,White Fish or ,,White Whale‘ (Beluga leucas Lesson). Boston Journ. Nat. Hist, Vol. VII, No. 4, Boston 1863. 18) Murin, On the anatomy of a Fin-Whale (Physalus antiquorum Gray). Proc. Zool. Soc. London, 1865. 19) Fiscuer, M. P., Note sur un Cétacé (Grampus griseus) échoué sur les cdtes de France. Annales des Sciences naturelles, (5) T Vin ise. 20) Turner, A Contribution to the anatomy of the Pilot Whale (Globicephalus Svinewal Lacnrxpe). Journ. of. Anat. and Physiol., Vol. II, 1868. 21) Carre and Macauister, On the anatomy of the Balaenoptera rostrata. Philosophical Transactions, Vol. CLVIII, 1868. 22) Frower, Witiram Henry, Description of the skeleton of Inia geoffrensis and of the skull of Pontoporia Blainvillii, with Remarks on the systematic position of these animals in the order Cetacea. Transact. Zool. Soc., Vol. VI, P. III, London 1869. 93) Turner, O. W., Account of the great finnerwhale stranded by Longniddry. ‘Transact. Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XX VI, 1870. 24) Prrrin, Notes on the anatomy of Balaenoptera rostrata. Proc. Zool. Soc. London, 1870. 25) Murs, On Risso’s Grampus, G. rissoanus. Journ. of Anat. and Physiol., Vol. V, 1871. 26) Frowser, Lectures on the comparative anatomy of the organs of digestion of the Mammalia. The Medical Times and Gazette, 1872, 0 so. Ae 27) Muris, J., On the organization of the Caaing Whale (Globio- cephalus melas), London 1873. 28) Anperson, J., Anatomical and zoological researches, compris. an account of the zoological results of the two expeditions to Western Yunnan in 1868 and 1875; and a monograph of the © two Cetacean genera Platanista and Orcella, London 1878. 29) Warson and Youne, The anatomy of the Northern Beluga (B. catodon Gray, Delphinapterus leucas Pauu.) compared with © that of other Whales. Transact. Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XXIX, 1879. 30) Frower, W. H., Abstract of Lectures on the anatomy, physio- logy and zoology of the Cetacea. The British Medical Jour- CH melictos tat) Ee dO CipLanpD, Joun, Notes on the viscera of Porpoise (Phocaena communis) and white-beaked Dolphin (Delphinus albirostris). — Journ. of Anat. and Physiol., Vol. XVIII, London 1884. Turner, W., The anatomy of a second specimen of SowERsy’s © Whale (Mesoplodon bidens) from Shetland. Journ. of Anat. and Physiol., Vol. XX, 1885. 31 Ss 32 Ww 33) 34) 35) 36 S74 37) 38) 39) 40) 41 —— 42) 43) 44) 45) 46) Der Darm der Cetaceen. 541 Weser, Max, Studien tiber Saugetiere. JI. Beitrage zur Ana- tomie und Phylogenie der Cetaceen. Jena, Gustav Fischer, 1886. — Ueber Lagenorhynchus albirostris Gray. Tijdschr. Nederl. Dierkundige Vereeniging, (2) Deel 1, Leiden 1887. Bovvirr, E. L., Les Cétacés souffleurs. These d’Aggrégation de Pharmacie, Lille 1889. Scorr and Parker, On a specimen of Ziphius recently obtained near Dunedin. ‘Transact. Zool. Soc. London, Vol. XII, 1890. Turner, W., Notes on some of the viscera of Risso’s Dolphin (Grampus griseus). Journ. of Anat. and Physiol., Vol. XXVI, London 1891. Bouvier, E. L., Observations anatomiques sur l’Hyperoodon rostratus Linusenore. Ann. des Sciences naturelles, (7) T. XIII, 1892. Turner, W., The lesser Rorqual (Balaenoptera rostrata) in the Scottish seas, with observations on its anatomy. Proc. Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XIX, 1892. Knaatscu, H., Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbeltiere. I. Amphibien und _ Reptilien. II. Saugetiere. Morphol Jahrb., Bd. XVIII, 1892. KixentHat, W., Vergleichend-anatomische und entwickelungs- geschichtliche Untersuchungen an Waltieren. Denkschriften der Medizinisch - naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Bd. III, Jena 1893. STRUTHERS, JOHN, On the external charakters and some parts of the anatomy of a Beluga (Delphinapterus leucas). Journ. of Anat. and Physiol., Vol. XXX, Edinburgh 1895. Oppret, AtBuRT, Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie. Bd. Il. Schlund und Darm. Jena, Gustay Fischer, 1897. JuNGKLAUS, FriepricH, Der Magen der Cetaceen. Jenaische Zeitschr. f. Naturwissenschaft, Bd. XXXII, 1898. TycHoo Tunitperc, Ueber das System der Nagetiere. Eine phylogenetische Studie. Upsala 1899. KtxentoaL, W., Die Wale der Arktis. In: Fauna arctica, Bd. I, Lieferung 2, Jena 1900. 35* 542 Siegmund Siissbach, Der Darm der Cetaceen. Erklirung der Abbildungen. Tafel XVI und XVII. Fig. 1. Situs der Baucheingeweide einer 126 cm langen @ Phocaena. J, LZ. linker Leberlappen; lig. susp. hep. Ligamentum suspensorium hepatis; S¢. Magen; C.U. Cornua uteri; Ut Uterus; Lig.t. Ligamentum latum uteri. (1/, nat. Gr.) Fig. 2, 3, 4. Stiicke der Darmschleimhaut dieser Phocaena von 32 cm hinter dem Pylorus (Fig. 2), 1117 cm hinter dem Pylorus (Fig. 3) und 14 em vor dem Anus (Fig. 4). (Nat. Gr.) Fig. 5 und 6. Stiicke vom Anfang (Fig. 5) und Ende (Fig. 6) der Innenwand eines Darmes von Phocaena (Embryo 50 cm). (2: 1.) Fig. 7. Situs der Baucheingeweide eines 22,9 cm langen ¢ Embryos von Delphinapterus leucas. Die Leber ist entfernt. St. Magen; R.d. rechte Niere; J. R. Intestinum rectum. (Nat. Gr.) Fig. 8 und 9. Stiicke der Darmschleimhaut eines 55 cm langen Embryos von Hyperoodon rostratus. Der Darm ist an der Seite der Anheftung des Mesenteriums eréffnet. (3: 1.) Fig. 10. Situs der Baucheingeweide eines 81,6 cm langen g Embryos von Balaenoptera physalus (L.). 7. LZ. rechter Leber- lappen; R.s. linke Niere; Coec. Blinddarm; C.a. Colon ascendens; I.R. Rectum. (?/, nat. Gr.) Fig. 11. Situs der Baucheingeweide eines 122 cm langen 9 Embryos von Balaenoptera physalus (L.). Die Leber ist entfernt. St. Magen; R.s. linke Niere; Ov. Ovarium; C.U. Cornu uteri; Lig.l.. Ligamentum latum uteri; J. Ende des Mitteldarmes; Coee. Blinddarm; C.a. Colon ascendens; I.R. Rectum. (1/, nat. Gr.) Fig. 12. Situs der Baucheingeweide eines 81,6 cm langen ¢ Embryos von Balaenoptera physalus (L.) von der rechten Seite. Die Leber ist entfernt. Amp.duod. Ampulla duodenalis; D, Duo- denum; C.a. Colon ascendens; Coec. Blinddarm; J. Endstiick des Mitteldarmes; Ft. d. rechte, R.s. linke Niere. (1/, nat. Gr.) Fig. 18, 14, 15. Stiicke der Darmschleimhaut des 122 cm langen @ Embryos von Balaenoptera physalus (L.) vom Anfang (Fig. 13), aus der Mitte (Fig. 14) und vom Ende (Fig. 15) des Mitteldarmes. (2: 1.) Fig. 16. Stiick von der Innenfliche des Colon descendens eines 104 cm langen Embryos von Balaenoptera physalus (L.). (Clone) Jahresbericht der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena fiir das Jahr 1900 erstattet von Johannes Walther, d. Z. II. Vorsitzenden. I, Sitzungen. Im Laufe des Jahres fanden 15 Gesamtsitzungen und 7 Sitzun- gen der Gesellschaft fiir Heilkunde statt, in denen 21 bezw. 20 Vortrage und Demonstrationen gehalten wurden. A. Gesamtsitzungen, 1, Sitzung am 19. Januar. Herr Verworn: Ueber die physiologische Wirkung des Strychnins. 2. Sitzung am 2. Februar. Herr Harcxe.: Ueber die Stammesgeschichte der Cephalopoden. 3. Sitzung am 16. Februar. Herr Aversacu: Ueber Energie und Entropie. 4. Sitzung am 2. Marz. Herr Ampronn: Demonstration einiger alter Mikroskope. » WERWORN: Ueber Rindenreizung beim Frosche. 5. Sitzung am 4. Mai. Herr Wautuer: Ueber die Sinterterrassen des Fiirstenbrunnen- thales. 6. Sitzung am 18. Mai. Herr Zinater: Zur Embryologie der Fische. 544 Herr Herr Herr Jahresbericht. 7. Sitzung am 1. Juni. Gumprecut: 1) Einige Reaktionen der Spinalflissigkeit. 2) Versuche tiber die Einwirkung des Jods auf die Cirkulation. 3) Demonstration der gerichtlich-medizinischen Samm- lung. 8. Sitzung am 15. Juni. ZinuEN: Ueber die phylogenetische Entwickelung der Pyramidenbahn und die bewu8ten Bewegungen bei den héheren Wirbeltieren. 9. Sitzung am 29. Juni. ZineLtER: Ueber die Bezahnung der Fische. WINKELMANN: Ueber die Verwendung des remanenten Magnetismus (Telephonograph). 10. Sitzung am 13. Juli. von BarpDELEBEN: Ueber die Neuronentheorie mit Demon- stration ApAtuy’scher Praparate. 11. Sitzung am 27. Juli. Bryswancer: Ueber Veranderungen der Grofhirnrinde bei funktionellen Geisteskrankheiten. Verworn: Ueber Ermiidungserscheinungen des Riicken- markes. 12. Sitzung am 2. November. Knorr: Ueber die geographische Lage von Jena. Wautuer: Ueber Spuren der Eiszeit im Saalthal. 13. Sitzung am 16. November. L. Scuutrze: Ueber die Herzthiatigkeit bei den Tunicaten, 14. Sitzung am 30. November. BispERMANN: Ueber die Abscheidung des kohlensauren Kalkes durch Mollusken. I. 15. Sitzung am 14. Dezember. BiepeRMANN: Ueber die Abscheidung des kohlensauren — Kalkes durch Mollusken. II. B. Sitzungen der Sektion fiir Heilkunde Herr ” ” (Bericht erstattet von Herrn Privatdozent Dr. E. Herren). 1. Sitzung am 11. Januar. Wacenmann: Vorstellung eines Falles von pulsierendem Exophthalmus. Grozer: Quantitative Zuckerbestimmung nach einer neuen — Methode. DorscH: Xerose der Bindehaut. Jahresbericht. 545 2. Sitzung am 26. Januar. Herr Srinrzina: Huntrrneron’sche Chorea. , Bropmann: Neuritis ascendens traumatica nicht-infektidser Natur. 3. Sitzung am 9. Februar. Herr Lancemax: Doppelte linksseitige Niere. » GrRonkz: Ueber doppelte untere Darmanlage. » Dansaver: Korasorr’sche Verwirrtheit. 4. Sitzung am 22. Februar. Herr Krause: Ueber postsyphilitische Demenz. » Hrumann: Ueber Fremdkérpercystitis. 5. Sitzung am 10. Mai. Herr Srinrzine: Ueber Basnpow’sche Erkrankung mit Tachy- kardie. » GrRogper: Ueber die Infektionswege der Pleura. » Kouier: Zur Agglutinationsfrage. 6. Sitzung am 5. Juli. Herr Bryswaneer: Vorstellung eines Falles von Schadel- mifbildung durch Geburtstrauma. ,» Krause: Atypische Frirepreicu’sche Ataxie. , Marrues: Demonstration eines Falles von Appison’scher Krankheit und eines Falles von Lichen ruber planus. 7. Sitzung am 22. November. Herr Wacunmann: Drei Falle von doppelter Perforation des Bulbus durch Eisensplitter. , Kuntze: Ueber Plattenepithel-Carcinom des Uterus. » Groxun: Darstellung von Knochenhéhlen. Srinrzinc: Demonstration eines Falles von multiplem Myelom. II. Bibliothekarischer Bericht, erstattet von dem Bibliothekar der Gesellschaft, K. K. Mixurr. Zu den Gesellschaften, Redaktionen u. s. w., mit denen die Gesellschaft im Jahre 1899 Tauschverkehr unterhielt, kamen im Jahre 1900 keine neuen hinzu. In einem Falle schweben noch die Verhandlungen tiber Tausch. Der Tauschverkehr umfafkt also gegenwartig 96 Gesellschaften und Redaktionen. Aufverdem ging eine Anzahl von periodischen Veréffentlichungen und einzelnen Schriften teils als Geschenk, teils mit der Bitte um Tausch ein, ohne daf auf letztere eingegangen werden konnte. Die Gesellschaft spricht fiir alle Schenkungen ihren Dank aus. Die Einginge wurden, den Satzungen entsprechend, der Universitiits- bibliothek iiberwiesen. 546 =. Jahresbericht. Es stellte sich demnach im Jahre 1900 die Liste der Gesell- schaften und Redaktionen, deren Veréffentlichungen die Medizinisch- naturwissenschaftliche Gesellschaft teils im Tauschverkehr, teils als Geschenk erhielt, folgendermafen: Ort: Berlin ” Bonn ” Breslau Chemnitz Danzig Elberfeld Frankfurt a. M. Freiburg i. B. Giefen Halle Hamburg Heidelberg Helgoland Kiel Kassel ) Kénigsberg i. P. Magdeburg Miinchen Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Schriften: Deutsches Reich. Deutsche Chemische Gesellschaft Centralblatt. Gesellschaft naturforsch. Freunde Sitzungsberichte. Naturhistor. Verein d. Rheinlande Verhandlungen. Niederrhein. Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde Sitzungsberichte. Schlesische Gesellschaft f. vater- landische Kultur Jahresberichte. Naturwiss. Gesellschaft Bericht. Naturforschende Gesellschaft Schriften. Naturwissenschaftlicher Verein Jahresberichte. Senkenberg. naturf. Gesellsch. Abhandlungen. - 43 ss Berichte. Naturforschende Gesellschaft Berichte. Zoologische Jahrbiicher, Abt. fiir Systematik etc. - * Abt. fiir Ontogenie ete. Kaiser]. Leopold.-Carol, Akademie der Naturforscher Verhandlungen. 3 He Katalog der Bi- bliothek. | Naturforschende Gesellschaft Abhandlungen. Thiiringisch-Sachsischer Natur- wissenschaftlicher Verein Zeitschrift. a a Bericht. Naturwissenschaftlicher Verein Abhandlungen. Verhandlungen. ” ” Morphologisches Jahrbuch. Biologische Anstalt s i Wiss. Kommission z. Untersuch. Veréftentlichun- d. deutschen Meere gen. Botanisches Centralblatt. Physikal.-dkonomische Gesellsch. Schriften. Naturwissenschaftlicher Verein Jahresberichte u. Abhandlungen. K. B. Akademie d. Wissensch., Math.-physik. Klasse Abhandlungen. a Fs Sitzungsberichte. A y Festreden. Ornithologischer Verein Jahresbericht. Physikalisch-mediz. Gesellschaft Sitzungsberichte. | cs 5 , Verhandlungen. 33) Graz 34) Krakau 35) Prag Bp)», 37) Triest 38) Wien os) my, 51) Bologna 52) ; 53) Florenz 54) - 55) Mailand 56) . 57) Messina 58) % 59) Neapel Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Oesterreich-Ungarn., Naturw. Verein f. Steiermark Akademie der Wissenschaften K. Boéhmische Gesellschaft der Wissenschaften ” ” Societa Adriatica di Scienze Natur. Kais. Akad. der Wissenschaften, Math.-naturw. Klasse ” Kk Geologische Reichsanstalt ” K. K. Zoolog-botan. Gesellech. Schweiz. Schweizer. Naturf. Gesellsch. ” ” ” ” ” Institut National Genevois ” ” ” Société de Physique et d'Histoire naturelle Italien. Accademia delle Scienze dell’ Istituto di Bologna ” ” Societa Botanica Italiana ” ” >p) Societa Italiana di Scienze Naturali ” ” ” R. Accademia Peloritana ” R. Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche ” Zoologische Station Societa Toscana diScienze Naturali ” >p) ” 7 Laboratorio di Anatomia normale 547 Schriften: Mitteilungen. Anzeiger. Sitzungsberichte. Jahresberichte. Bullettino. Denkschriften. Sitzungsberichte. Anzeiger. Jahrbuch. Verhandlungen. Abhandlungen. Verhandlungen. Denkschriften. Verhandlungen. Compte Rendu. Bulletin. Mémoires. Mémoires. Memorie. Rendiconti. Nuovo Giornale. Bullettino. Atti. Memorie. Atti. 350. Anniversario dell’ Universita. Atti. Rendiconti. Mitteilungen. Atti: 1) Memorie. 2) Processi verbali. Ricerche. Archives Italiennes de Biologie. Archivio per le Scienze Mediche. 548 70) Caen 72) Marseille goysruate 75) Paris ” Lowen 90) Liittich 91) Amsterdam 92) . 94) ’s Gravenhage 95) Haarlem 96) Leiden Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: R. Accademia delle Scienze Memorie. 5 Es Atti. i ie Osservazioni me- teorologiche. Frankreich. Société Linnéenne de Normandie Bulletin. 34 # 3 Mémoires. Musée d’Histoire natur. (Zoologie) Annales. Faculté des Sciences Annales. Annales de l'Institut Colonial. Musée d’Histoire naturelle Archives. ) Bulletins. L’Année Biologique. Société de Biologie Comptes Rendus. Société zoologique de France Mémoires. - Bs Bulletin. Archives de Zoologie expérimentale. ” ” ” Belgien. Académie R. des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts ” ” Bulletins. Mémoires. Mém. couronnés (8°), s . Mém. cour. (4°). a < Annuaire. Société entomologique Annales. “ Mémoires. La Cellule. Archives de Biologie. . ” ” Holland. K. Akademie van Wetenschapen, Wis- en natuurkundige Afdeel. Verhandelingen. ms 7 » Verslagen. 3 5s » Jaarboek. K. Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indie Musée Teyler Nederlandsche Dierkundige Ver- eeniging Tijdschrift. Archives. Tijdschrift. - Aanwinsten van de Bibliotheek. ” ” Cambridge Mublin ” ” Edinburgh ” 7 London Oxford Kopenhagen ” Christiania 7 Stockholm Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: GroSbritannien. Philosophical Society R. Dublin Society Royal Society ” ” R. Physical Society Linnean Society ” ” R. Microscopical Society Royal Society Zodlogical Society ” ” 549 Schriften: Transactions. Proceedings. Economic Procee- dings. Scientific 3 s Trans- actions. Transactions. Proceedings. Proceedings. Transactions. Journal. Proceedings. Journal. Philosoph. Trans- actions. Proceedings. Record. List of Members. Year Book. Reports to the Ma- laria Committee. Transactions. Proceedings. List of Fellows. "Annals and Magazine of Natural History. Quarterly Journal of Microscopical Science. Dianemark. K. Danske Videnskab. Selskab Skrifter. ” ” ” Norwegen. Norske Medicinske Selskab ” ” ” Schweden. Oversigt. Forhandlinger. Norsk Magazin. Nordiskt Medicinskt Arkiv. Svenska Likare Sallskap Hygiea. Foérhandlingar. K. Svenska Vetenskaps- Akademie Handlingar. ” ” ” ” n ” Bihang. Ofversigt. Lefnadstecknin- gar. 550 Orit: Upsala ” Helsingfors Moskau ” St. Petersburg ” Jassy Halifax Montreal Ottawa Baltimore bh Boston Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Kongl. Vetenskapssocietet Nova Acta. Universitat Bulletin of the Geolog. Instit. - Lakare Férenings Foérhandlingar. RuBland. Finska Vetenskaps Societet Acta. a 3 - Ofversigt. Bidrag till Kan- nedom of Finn- lands Natur och Folk. a : : Observations mé- téorolog, Société Impériale des Naturalistes Bulletin. Bs a a5 Nouveaux Meé- moires. | Comité géologique Mémoires. ss es Bulletin. Akademie der Wissenschaften Bulletin. Institut Impér. de Médecine ex- périmentale Archives. | Rumanien. Société des Médecins et des Na- turalistes Bulletin. . Nordamerika. I. Canada. Nova Scotian Instit. of Science Proceedings and Transactions. Royal Society of Canada Proceedings and Transactions. Geolog. and Nat. History Survey of Canada Reports. Il. Vereinigte Staaten. Johns Hopkins University Circulars. ” ” ” Bio- logical Laboratory Memoirs. Society of Natural History Memoirs. i, s e 3 Proceedings. Occasional Pa- pers. Jahresbericht. 551 Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: 154) Cambridge Mus, of Comparative Zodlogy Memoirs. 155) 3 er oe z = Annual Report. 156) ” AG . Bulletins. 157) : The American Naturalist. 158) Chicago Academy of Sciences Report. 159) S % A Bulletin of the Geol. and. Nat. Hist. Survey. 160) St. Louis Missouri Botanical Garden Annual Report. 161) New Haven Connecticut Academy of Arts and Sciences Transactions. 162) The American Journal of Science. 163) Philadelphia Journal of Comparative Medicine. 164) a Academy of Natural Sciences Proceedings. 165) Rock Island Augustana Library Publications. 166) Tufts’ College (Mass.) Studies. 167) Washington U. 8S. National Museum Bulletins. 168) 4 A 7 " Special Bulletins. 169) " . . . Proceedings. 170) 2 Smithsonian Institution Report. E71) ‘ U. S. Geological Survey Bulletins. 172) a . . Ss Annual Reports. 173) ” ” ” ” Monographs. Siidamerika, EChile 174) Santiago Deutscher wissensch, Verein Verhandlungen. 175) ” Société scientifique du Chili Actes. 176) ss Instituto de Hijiene Revista. 177) . - * Boletin. Il. Argentinien. 178) Cordoba Academia Nacional de Ciencias Boletin. III. Brasilien. 179) S. Paulo Museu Paulista Revista. Australien. 180) Melbourne Royal Society of Victoria Proceedings. 181) a : 5 . Fy Transactions. 182) Sydney Royal Society of New South Wales Journal and Pro- ceedings. 183) 4 , ee cs » Abstracts of Pro- ceedings. 184) a Linnean Soc. ,_ , ; . Proceedings. 185) i Australasian Association Report. 552 Jahresbericht. Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Japan, 186) Tokio College of Science, Imperial Uni- versity Journal. AS7)' s, Medicinische Fakultéit der K. Universitat Mitteilungen. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1900: 1) Jenaische Zeitschrift, Bd. XX XIII oder N. F. Bd. XXVI Heft 3 u. 4 und Bd. XXXIV oder N. F. Bd. XXVII Heft 1—4. 2) Denkschriften: Semon, Forschungsreisen, Heft 16 u. 17, oder Denkschriften, Bd. VI, 3 und VIII, 5. III. Kassenbericht. Die Einnahmen betrugen 2062 M. 20 Pf. Dazu kommen 3000 M., die Herr Verlagsbuchhindler Dr. G. Fiscnpr in hoch- herziger Weise der Gesellschaft gestiftet hat. Die Ausgaben betrugen 4836 M. 84 Pf. Den vorhandenen Barmitteln steht eine gréfere, noch unbe- glichene Schuld gegeniiber, so daf das Vereinsjahr mit einem Fehl- betrag von etwa 500 M. abschheft. Da die Veréffentlichung der durch ,,Smmon’s Forschungsreisen“ begonnenen Denkschriftenbinde ihrem Ende entgegengeht, ist zu hoffen, da der Fehlbetrag im Laufe der beiden nachsten Jahre gedeckt werden wird. IV. Vorstand, Tauschkommission, Mitglieder. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten im Jahre 1900: THeopor ZipHeEN, I. Vorsitzender, Ernst Harcxet, II. Vorsitzender und Kassenwart, Max Firerincer, Herausgeber der Zeitschrift, Kart Konrap Miurer, Bibliothekar. Da Herr E. Hancxen im Juli eine Forschungsreise antrat, legte er sein Amt nieder und Herr JoHannes WALTHER wurde an seiner Stelle gewahlt, der vom Oktober auch den Vorsitz fihrte, nachdem Herr ZinHpn einem Rufe nach Utrecht folgte. Die Tauschkommission wurde gebildet von dem Vorstand und den Herren Gustav Fiscuer, Ernst Stant, ADOLF WINKELMANN. Zum I. Vorsitzenden fiir das Jahr 1901 wurde in der Schlub- sitzung vom 14. Dezember Herr GANGE Jahresbericht. 553 gewahlt. Die anderen Mitglieder des Vorstandes wurden durch Zuruf wiedergewiihlt, so da’ sich der Vorstand fiir das Geschafts- jahr 1901 folgendermafen zusammensetzt: CuristiAN GAnan, I. Vorsitzender, JoHANNES Waurtuer, II. Vorsitzender und Kassenwart, Max Firsrinerr, Herausgeber der Zeitschrift, Kart Konrap Miurer, Bibliothekar. Tauschkommission: der Vorstand, sowie die Herren G. Fiscunmr, K. Srant, A. WINKELMANN. Im Jahre 1900 hatte die Gesellschaft den Tod ihres altesten Mitgliedes, Prof. Dr. Hurmann Scuirrer zu beklagen. Augerdem schieden folgende Mitglieder aus: Herr H. Bravs, Herr Tu. Prerrrer, , ..DANSAUER, » A. STEUER, ie Ce ONAS, » A. SrRvBExt, a Ke KRAUSE, . LH. ZIEHEN. Neu aufgenommen wurden die Herren: Dr. Srepenrorr, Dr. ZscuIMMeER, Assistenzarzt Dr. med. Tuoms, Oberstabsarzt Dr. med. Frezie, Oberlandesgerichtsrat V. Bornezn, Dr. K6uumr, Privatdozent Dr. H. Marruns, Assistent Dr. Gross, Institutsdirektor BraucKMANN, Privatdozent Dr. LemMERMANN, Privatgelehrter Heinricu FRI&sz, prakt. Arzt Dr. med. Bryper. Dr. Hermann Ttrcx, Die Zahl der Mitglieder (Ehren-Mitglieder und ordentliche Mitglieder) am Schluf des Jahres 1900 betragt mithin 100. Mitgliederverzeichnis. Friihere Ehrenmitglieder waren: Jahr der Ernennung Karu Scurmprr (+ 1867) 1855 Drierrich Grore Kinser (7 1862) 1857 Louis Sorer (7 1890) 1864 ALBERT von Brzonp (7 1868) 1866 THomas Huxuey (7 1895) 1867 Marruras Jacop ScHuEe men (+ 1881) 1878 Oskar Scumipt (7 1886) 1878 Cuarutes Darwin (7 1882) 1878 Franz von Riep (+ 1895) 1892 I. Ehrenmitglieder. 1) Cart Grcensavr, Heidelberg 1873 2) Orromar Domricu, Meiningen 1892 3) Ernst Harcxer, Jena (1861) 1894 4) Bernnarp Sicismunp Scnuntze (1858) 1897 554 Jahresbericht. II. Ordentliche Mitglieder. 1) Prof. Dr. Ernst ABBE 2) Prof. Dr. AmBRronn 3) Prof. Dr. Fenix AUERBACH 4) Prof. Dr. Kart von Barbe eBen, Hofrat 5) Dr. Hans Bercer, Assistenzarzt 6) Prof. Dr. WinHEtm Birpermann, Hofrat 7) Dr. med. G. Brnpmr, prakt. Arzt 8) Prof. Dr. Orro Binswaneer, Hofrat 9) Dr. Frirz Bockxenmann, prakt. Arzt, Sanititsrat 10) Oberlandesgerichtsrat V. Bornean Jena Rudolstadt Jena 11) Institutsdirektor BravckMann Wenigenjena 12) WitHetm Bourz, Realschuldirektor a. D. 13) Dr. Srrerriep Czapsxi, Fabrikleiter 14) Prof. Dr. Bertnotp DELBRicK 15) Prof. Dr. WitHELmM DreTMER 16) Prof. Dr. Doves 17) Prof. Dr. Paut DupEn Jena 18) Dr. Hetyricn HEecerine, Geh. Staatsrat, Univ.- Kurator 19) Dr. Gustav ErcuHorn, prakt. Arzt 20) Prof. Dr. Hermann EnGEtuarpt, Med.-Rat 21) Dr. med. Fresie, Oberstabsarzt 22) Dr. Gustav Fiscusr, Verlagsbuchhandler 23) Prof. Dr. P. FrRaissE 24) Heinricu Frimsn, Privatgelehrter 25) Prof. Dr. Gortitos FrRrEGE 26) Prof. Dr. Max Fursrincer, Geh. Hofrat 27) Dr. Caristian GANGE, Privatdozent 28) Prof. Dr. Avaust GArtner, Geh. Hofrat 29) Dr. Ernst Ginsz, prakt. Arzt 30) Prof. Dr. Grora Gorz, Geh. Hofrat 31) Dr. Kart Grar, prakt. Arzt 32) Dr. Grosper, Assistenzarzt 33) Dr. Groun, Assistenzarzt 34) Dr. phil. Gross 35) Prof. Dr. Ferpinanp Gumprecut, Med.-Rat 36) Prof. Dr. GurzmerR 37) Dr. Ernst Herren, Privatdozent ) Dr. Hernrich Hinumany, Assistenzarzt ) Prof. Dr. Jonannes KeEssEL 40) Prof. Dr. Orro Knopr 41) Prof. Dr. Lupwie Knorr 42) Rupotr Kocn, Bankier 43) Wityue~m Kocu, Bankier n Weimar Jena Jahr der Aufnahme 1863 1899 1889 1873 1898 1888 1900 1882 1875 1900 1900 1892 1885 1885 1875 1899 1894 1887 1891 1888 1900 1885 1899 1900 1874 1888 1875 1886 1893 1889 1898 1899 1899 1900 1892 1899 1898 1898 1886 1889 1889 1893 1893 Jahresbericht. 44) Dr. phil. Konier 45) Dr. Karu Koxerscn, Gymnasiallehrer 46) Dr. O. Kixnemann, Medizinalassessor 47) Dr. LemmMermann, Privatdozent 48) Prof. Dr. Gorrnos Linck 49) Hermann Maser, Rechtsanwalt 50) C. Marruns, Stadtrat 51) Prof. Dr. Max Marruss 52) Dr. H. Marrnues, Privatdozent 53) Prof. Dr. Winnetm Miurer, Geh. Hofrat 54) Dr. Kart Konrap Miuurr, Direktor d. Univ.-Bibl. 55) Dr. Max Pauty, Fabrikdirektor a. D. 56) Ernst Prerersr, Institutsdirektor 57) Ernst Pixrz, Institutslehrer 58) Gorru. Prissrnc, Fabrikdirektor 59) Dr. Kart Pourrica 60) Dr. Pavt Rass, Privatdozent 61) Prof. Dr. Bernnarp Riepet, Geh. Med.-Rat 62) Dr. Paunt RiepEn 63) Prof. Dr. RosenTHAL 64) Dr. Leo Sacusn, Gymnasialprofessor a. D. 65) Dr. Orro Scuortr, Fabrikleiter 66) Dr. Morrrz Scuuttsss, Stabsarzt 67) Pavut Scuutrzn, Oberinspektor 68) Dr. Leo Scuunrzn, Privatdozent 69) Prof. Dr. Frrepricn Scuvuz 70) Prof. Dr. Morirz Seren, Geh. Med.-Rat 71) Prof. Dr. SerrrGast 72) Dr. Lucas Stepert, prakt. Arzt, Med.-Rat 73) Dr. StspenTorr 74) Prof. Dr. Frrix Sxurscu 75) Prof. Dr. Ernst StTaHu 76) Prof. Dr. Roprricu Stinrzine, Hofrat Dr. Hernricnu Stroy, Privatdozent, Institutsdirektor 77) 78) Prof. Dr. Rupotr StTRAUBEL 79) Dr. R. Truscuer, Arzt, Privatgelehrter 80) Prof. Dr. Jonannes Tuomasn, Geh. Hofrat 81) Dr. med. THomn, Assistenzarzt 82) Prof. Dr. Auaust THon, Geh. Justizrat 83) Dr. phil. H. Turck 84) Prof. Dr. Max Vrerworn 85) Aueusr Voer, Landkammerrat 86) Prof. Dr. August WaAGENMANN 87) Prof. Dr. Jonannes WALTHER 88) Dr. Wernert, prakt. Arzt 89) Frreprich Winemann, Apotheker Ba. XXXV. N, F. XXVILL. 555 Jahr der Aufnahme Jena 36 1900 1891 1895 1900 1894 1893 1896 1891 1900 1865 1891 1897 1887 1893 1890 LS9t 1899 1889 1893 1897 1876 1882 1896 1879 1899 1898 1864 1896 1881 1900 1884 1881 1890 1877 1894. 1873 1879 1900 1896 1900 1891 1897 1892 1886 1897 1893 556 Jahresbericht. Jahr der Aufnahme 90) Prof. Dr. Apouer Winketmann, Geh. Hofrat Jena 1886 91) WitHetm Winker, Privatgelehrter 3) LSet 92) Prof. Dr. Apotr W1tTzEL » |) 4893 93) Prof. Dr. Lupwic Wotrr gl 1892 94) Prof Dr. Hetnricnh Ernst ZieGuer » 1898 95) Dr. ZscuimmMeEr 5: 4 al360 96) Dr. RicHarp Zsigmonpy rm 1897 Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 2177 Verlag von Gustav Fiseher in Jena. Die | Spiele der Menschen. Von Karl Groos, Professor der Philosophie in Basel. 1899, Preis: brosch. 10 Mark, gebunden 11 Mark. Pidagog. Blitter, 1899, Heft 6: Alles in allem hat der Vertasser ein Werk geboten, das das Interesse aller Psycho- logen, Eltern und berufsmissigen Erzieher in héchstem Masse zu erregen imstande ist. Auch diejenigen, die die Kindheit und die Welt des schénen Scheins, in der sie lebt, nicht mit den Augen des modernen Entwicklungstheorikers anzuschauen gewdhnt sind, werden dem Verfasser das unbestreitbare Verdienst zuerkennen miissen, diese Welt in eine Be- leuchtung geriickt zu haben, die fiir die Erkenntnis ihres Wesens manches Dunkel aufhellt. Die Entwicklung der Biologie im 19. Jahrhundert. Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher zu Aachen am 17. September 1900 gehalten von Oscar Hertwig, Direktor des anatomisch-biologischen Instituts der Berliner Universitit. Preis: 1 Mark. Lehrbuch der Zoologie. Dr. Richard Hertwig, o. 6. Prof. d. Zoologie u. vergl. Anatomie a. d. Univ. Miinchen. Fiinfte umgearbeitete Auflage. Mit 570 Abbildungen im Text, 1900, Preis: 11 Mark 50 Pf., geb. 18 Mark 50 Pf. Studien tiber den Milchsaft und Schleimsaft der Pflanzen. Von Prof. Dr. Hans Molisch, Vorstand des pflanzenphbysiologischen Instituts der deutschen Universitéit Prag. Mit 33 Holzschnitten im Text. Preis: 4 Mark. Die Reizleitung und die reizleitenden Strukturen bei den Pflanzen. Von Dr. B. Némee, Privatdozent der Botamk an der k. k, boOhmischen Université in Prag, Mit 3 Tafeln und 1o Abbildungen im Text. Preis: 7 Mark. Oswald Weigel, Leipzig, Kénigsstrasse |. weeceores Special-Antiquariat fiir naturwissenschaftliche Literatur. = eew Kataloge gratis und franko. N. F. 87. Geologie, Palaeontologie, Mineralogie (Bibl. F. v. Hauer). 4947 Nummern. » 92. Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie. 964Nummern. » 93. Zoologie (incl. Palaeozoologie). 5380 Nummern. » 94. Philosophie, Paedagogik. 1985 Nummern. » 95—97- Botanik (Bibl. O. Boeckeler, J. Lange, J. Forssell). 95. Phanerogamae Florae. 38889 Nummern, — 96. Botanica historica, . generalis et systematica. 1872 Nummern, — 97. Cryptogamae, 2277 Nummern. Verlag von Gustay Fischer in Jena. Die moderne Weltanschauung und der Mensch. Sechs Offentliche Vortrage von. Dr. phil. Benjamin Vetter, Prof, an der kgl. sachs. technischen Hochschule zu Dresden, a 2. Januar 1893, Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Ernst Haeckel in Jena. Dritte Auflage. 1901. Preis: steif broschiert 2 Mark, gebunden 2 Mark 50 Pf. Internationale Litteraturberichte, Leipzig, 14. Mai 1896. »Klar und waty** modchte ich diesen 6 Vortraégen des der Wissenschaft zu friih eaiaccenan Professor Vetter aufs Titelblatt schreiben. Sie sind das Glaubensbekenntnis eines Naturforschers, der fest tiberzeugt ist von der Wahrheit der modernen naturwissen- schaftlichen Weltanschauung. Solehe Biicher bekommt man nicht alle Tage zu lesen. Man legt sie aber auch nicht nach einmaligem Lesen aus der Hand, sondern greift immer wieder danach und freut sich an dem schénen Seelenfrieden des Verfassers. Jeder Leser schliesst sich sicherlich den Worten Ernst Haeckels an, der eine Vorrede zu diesem letzten Werke seines begabten Schiilers geschrieben hat. ,,Moge der wertvolle und wohlgeformte Baustein, welchen Benjamin Vetter in diesen Vortrigen zum Ausbau der einheitlichen modernen Weltanschauung geliefert hat, nicht allein seinen “weck erfiillen, sondern auch ein bleibender Denkstein fiir ihn selbst bleiben, eine schéne Erinnerung an die wissenschaftliche Ueberzeugungstreue und den lauteren Charakter des edlen und feinfiihlenden Naturforschers.‘‘ Victor Jungmann. Studien ther die Narkose, Zugleich ein Beitrag zur allgemeinen Pharmakologie. Von Dr. Overton, Privatdozent der Biologie und Assistent der Botanik a, d. Universitat Ziirich. Preis: 4 Mark 50 Pf. Heitrag aur Systematik und Genealogie der Reptitien. ee s Von Max Fiirbringer. BY Preis: 2 Mark 50 Pf. Diesem Hefte liegt ein Prospekt der Verlagshandlung iiber ,,Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres* bei. Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena. — 2177 t o> ci = + . ‘ - 4 - i m3:9 — \ 7 > 2: @ _ —— = = 7 ; ~ ‘ - 7 5 ¢ a a_4.< 7 . 2 . . — . £ — i 7 r 7 - 7 = a & ‘a : : “7 x t - ; - t - ‘ = Ea = ‘ : - * _ i] F) = ba: = = * . 7 ri ’ “= be or i - i ‘ u - - » + : fs i = - 3 “3 ry LJ iT - 7 = 1 \' a - ey 2 - ? ; Jenaische Zeitscuiti: Bd. ANVIL Tate 1: lis Zellen-Studien. Boveri, , » Tak I. Jenaische Zeitschrift: BdXXVIM. a, ? Sith Anst.v. Werner Winter, Frankfurt 7M. Verlag von. Gustav fischer wm Jena. Boveri, Zellen-Studien IV. - 7 - Jenuische Zeitschritt Ba. XXVUL Bovert, Zellen-Studien W. Jah Anstr Warmer 4Winter Frankfurt. aie Tat: Mt. Studien IN: Zellen - Jenaische Zeitschritt, Bd XXVUL. Boveri, octet is ‘lig \ Se t = \ \ _ | Boveri, Zellen- Studien. IV. : Verlag ver Gustav Fischer om Jena H - > rm “i . * i ’ #F , Ss nd & ' t { % ‘ ‘ . ‘ a y i Ks 1 ) 1 > - ’ * . . < ‘ fe + _ ese PAS i Ti ag NS gE I er SE a a ee ete sce Tl —— an ©: pO i EGE BA IEE ELLIO LRN IED Tota i ac te ee EEE ON et ee — “. ~~ SoS wrr ye on Es Mn Oe _ Takv. 58. 50. ee : 60. ¥ Ea Boveri, Zellen-Studion IN? - br. \ \ | a ad Zeitschrift, Ba NNXV- ; . : Tal. 9 ee p/ 3 / f -te. eee: ir bry. L a Sion tee = mf Verlv.Gustav Fischer Jena hakaviheaan Cereal , 7. j < a { aad eR gi ened ee Od et Peete eel ave aa Sw ee ha ' a! nad ; , q a = \ : : iy | Ka i Uv - “ ] <— d ‘ ij ’ at ‘ A ' © Le 1 b ’ € Taf: X1. Tenaische Zeitschrift Bd XXXV. | | | Tacenhies eae Niessen Sand (aaa | | | ite pt nent aos ties S La ie acral | | | | | | 8 | Heel ap --}--f tps | | | | 1 | ---4---+-4---- 7 ona | I | | 2 | | | | | Sic kane | | [tN | | | cd | | | 7 a | | ise \ * | | | | | I | 1 | , | | | : Sihalaen Via Fel i ae aece . \ | I | | | ! i=) leit | Ss eine Lea iF | | | | i] | | =e. || | | u eel Gi | | rit te ! he! | | | | | ¢ ara Ne |i : | | foal a) t . mete a) awe . 3S beer rir = Bt inal wnactegeepp typ : S| i ee g 3 ree sa | o S$ 8 Teel ! ~ S 3 es ea tit | 5 1M feelin cae Sd s Tele BCS Si aca cae eal rat Wt | | Bake lite mM 3 iil th | 2 3 | tar (hen i L ) BS 2 | 8 > Ue 1 RvMeal . > > “ | | Mey nt 8 8 Saletan! ©) we het $ S ete) ea i i 5 s S ae eA | | % eit ! | I faz) S {| | ~ 3 > bel nary oat Rieter yeh ey iN & | oa! § § eta be ie S Wee ee eo aa sy il i | | I | s s ey alieg (es u tt $ N Sar Peay 8 < | an We g § | > 1 I | Hite iia} 5 AM 1 | LI ti allie elie Mite ) 5 | 5 = | il | | i tl iy I | | : : Henne , g | | é |! oes i ja! 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