REE 6 rpc Hin ae Yd is PWD so bie HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. oa G Az h. ON He Arcguat =U) / 4 ) oo func. 2, IGos” we . iw ep Jenaische Zeitschrift fiir NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Neununddreissigster Band. Neue Folge, Zweiunddreissigster Band. Mit 24 Tafeln und 104 Abbildungen im Texte. Jena, Verlag von Gustav Fischer 1905. Alle Rechte vorbehalten. bahia It. Eeeenine, H., Zur Morphologie der Augenlider der Sauger. Mit 18 Pipdren im Text . GrrHarpT, Uuricu, Morphologische und firalverselrs Geadion tiber die Kopulationsorgane der Siéugetiere. Mit Tafel I und 3 Figuren im Text Hiuzneimer, Max, Studien iiber den spo dhatyns des ore. opteren. Mit Tafel II ‘ Husrucat, A. A. W., Die Abstammung dee Wescidon id Chordaten und aie Stellung der Ctenophoren und Plathel- minthen im System . , : : : Daiser, Maris, Beitrage zur Revatare der Oration von Bae cillus rossii Fasr. nebst einigen biologischen Bemerkungen. Mit Tafel III und IV. Gapziktnwicz, Wiroip, Ueber den feineton Han desi eens bei Malakostraken. Mit Tafel V—VIII und 6 Figuren im Text. Shae oes Od ot osabeens ois’ Usatiahs Gntenn) scan Gossnitz, W. v., Hin weiterer Beitrag zur ianaasiog des Beerchfsllen. Mit 1 Figur im Text ‘ Finvure, Hersert J., Zur Anatomie und Phaljeanio. von ree liotis. Mit Tafel IX—XIV. Frrnanpez, Micvret, Zur mikroskopischen Adana dee Blut- gefaflsystems der Tunikaten. Nebst Bemerkungen zur Phylogenese des Blutgefaifsystems der Tunikaten. Mit Tafel XV—XVIII und 12 Figuren im Text. : Heceine, H., Ueber die Driisen des Warzenhofes beim Men: schen. Mit 2 Figuren im Text Boveri, Turopor, Zellen-Studien V. Ueber die Abhangigkeit der Kerngréfe und Zellenzahl der Seeigel-Larven von der Chromosomenzahl der Ausgangszellen. Mit Tafel XIX und XX und 7 Figuren im Text . Seite 151 177 203 235 245 323 423 445 IV Inhalt. Torzaurr, Rosert J., Nieren- und Gonadenverhialtnisse von Haliotis. Mit Tafel XXI—XXIIT Scumipt, Hernricu, Zur Anatomie und Physiologie dat Gecko- pfote. Mit Tafel XXIV und 2 Figuren im Text . Hicker, Vatentin, Ueber die biologische Bedeutung der feineren Strukturen des Radiolarienskelettes. Nebst einem Anhang: Die Phaosphirien der , Valdivia“- und ,,Gau8“- Ausbeute. Mit 28 Figuren im Text. GerHarpDT, Unricu, Studien iiber den Geachloohtaampaene doe weiblichen Saugetiere. I. Die Ueberleitung des Kies in die Tuben. Mit 33 Figuren im Text .. . SAR HarcxeL, Ernst, Ueber die Biologie in Jena wabrond des 19. Jahrhunderts ce WattHer, JoHannes, Aus der Geacheehite re Natori schaftlichen Gesellschaften zu Jena . Jahresbericht der medizinisch - na Wir paRMengehAn CHER Gast schaft zu Jena fir das Jahr 1904 erstattet von BarnnarD Risepex, d. Z. I. Vorsitzenden . Seite 525 551 581 649 713 127 733 Jenaische Zeitschrift % NATURWISSENSCHAFT -medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena, Neununddreissigster Band. Neue Folge, Zweiunddreissigster Band. Erstes Heft. Mit 4 Tafeln und 21 Figuren im Text. Inhalt. EGGELING, H., Zur Morphologie der Augenlider der Sauger. Hierzu 18 Figuren im Text. ; GERHARDT, ULRICH, Morphologische und biologische Studien iiber die Kopulationsorgane der Sdugetiere. Hierzu Tafel I und 3 Figuren im Text. HILZHEIMER, MAx, Studien iiber den Hypopharynx der Hymenopteren. Hierzu Tafel “II. HusBREcHT, A. A. W., Die Abstammung der Anneliden und Chordaten und die Stellung der Ctenophoren und Plathelminthen im System. _ DarBer, MARIE, Beitrige zur Kenntnis der Ovarien von Bacillus _rossii Far. nebst einigen biologischen Bemerkungen. Hierzu Tafel II u. IV. ) . <>< Preis: 11 Mark. ay ena, | Verlag von Gustay Fischer. | 1904. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagshbuchhandlung. Ausgegeben am 10, Juni 1904. Verlag von Gustav Fischer in Jena, Festschrift Zum sicbzigsten Geburtstage von Ernst Haeckel. Herausgeveben von seinen Schiilern und Freunden. Mit 16 Tafeln und 109 Abbildungen im Text. Preis: 30 Wark. Inhalt. Strasburger, Eduard, Anlage des Embryosackes und Prothallium- bildung bei der Fibe nebst anschlieSfienden Erérterungen. Mit 2 Tafeln. Hertwig, Oscar, Ueber eine Methode, Froscheier am Beginn ihrer Entwickelung im Raume so zu orientieren, dai sich die Richtung ihrer Teilebenen und ihr Kopf- und Schwanzende bestimmen 1aBt. Mit 1 Tafel und 1 Figur im Text. Kiikenthal, W., Ueber einige Korallentiere des Roten Meeres. Mit 2 Tafeln und 2 Figuren im Text. Eggeling, H., Zur Morphologie des Manubrium sterni. Mit 1 Tafel und 43 Figuren im Text. Géppert, E., Der Kehlkopf von Protopterus annectens (OWEN). Anatomische Untersuchung. Mit 1 Tafel und 5 Figuren im Text. Walther, Johannes, Die Fauna der Solnhofener Plattenkalke. Bionomisch betrachtet. Mit 1 Tafel und 21 Figuren im Text. Biedermann, W., Die Schillerfarben bei Insekten und Végeln. Mit 16 Figuren im Text. Hertwig, Richard, Ueber physiologische Degeneration bei Actino- sphaerium Eichhorni. Nebst Bemerkungen zur Aetiologie der Geschwiilste. Mit 4 Tafeln. Stahl, Ernst, Die Schutzmittel der Flechten gegen Tierfraf. Braus, Hermann, Tatsichliches aus der Entwickelung des Extre- mitatenskelettes bei den niedersten Formen. Zugleich ein Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Skelettes der Pinnae und der Visceralbégen. Mit 2 Tafeln und 13 Figuren im Text. Lang, Arnold, Ueber Vorversuche zu Untersuchungen iiber die Varietatenbildung von Helix hortensis MULLER und Helix nemoralis L. Maurer, F., Das Integument eines Embryo von Ursus Arctos. Ein Beitrag zur Frage der Haare und Hautdriisen bei Saugetieren. Mit 1 Tafel und 4 Figuren im Text. Ziegler, Heinrich Ernst, Die ersten Entwickelungsvorgange des Echinodermeneies, insbesondere die Vorgange am Zellkérper. Mit i Tafel und 4 Figuren im Text. Verworn, Max, Die Lokalisation der Atmung in der Zelle. Fiirbringer, Max, Zur Frage der Abstammung der Saugetiere. AU G a ] I04 Zur Morphologie der Augentlider der Sduger. Von Dr. H. Eggeling, Privatdozent u. Prosektor am anatom. Institut der Universitat Jena. Mit 18 Figuren im Text. Gelegentlich meiner Untersuchungen iiber die Hautdriisen der Monotremen (1901) machte ich auch einige Beobachtungen iiber den Bau deren Augenlider, auf welche ich nur in Kiirze hinwies. Gleichzeitig stellte ich weitere Mitteilungen dariiber in Aussicht, da sich daran Fragen kniipften, die eine gesonderte Behandlung erheischten. Es handelte sich zunaichst um die Verbreitung des Vorkommens eines Tarsus und von Mersomschen Driisen in den Augenlidern der Saugetiere. Die in der Literatur dariiber vor- liegenden Angaben sind nicht sehr reichhaltig und wenig iiber- einstimmend. Die altesten, tiber eine gréSere Anzahl von Sadugern ausge- dehnten Untersuchungen von ZerIs (1835) weisen bei allen be- obachteten Formen das Vorhandensein von Mersomschen Driisen nach. Dem entgegen soll ein Tarsus eigentlich nur beim Menschen vorkommen, wenn man von einer unvollkommenen Ausbildung eines solchen beim Schwein absieht. Dagegen steht die Angabe von STANNIUS (1846, p. 401), daf& die beiden Augenlider der Sduger gewohnlich durch Knorpel gestiitzt wiirden. Mrrsomsche Driisen, meist zwischen Conjunctiva palpebrarum und Tarsus gelegen, sollen oft fehlen, beispielsweise bei den Cetaceen. Leider werden keine anderen Formen, die diesen Befund zeigen, namhaft gemacht. Augenwimpern seien bei Saéugern noch selten vorhanden. Lryp1G (1857, p. 243, 244) wies dann nach, daw der Tarsus der beiden Augenlider der Sauger nicht aus Knorpel, sondern aus festem Binde- gewebe besteht. Muxrpomsche Driisen, die als stirker entwickelte Talgdriisen zu deuten sind, glaubt Leypie als eine Eigentiimlich- Bd, XXXI1X, N, F. XXXIl. i 2 H. Eggeling, keit nur der Siuger ansehen zu sollen. Sie finden sich im oberen und unteren Lid, nicht in der Nickhaut, und fehlen wohl nur bei solchen Saugetieren, deren Haut ganz kahl ist und der Driisen- bildung entbehrt, so z. B. bei Cetaceen. Die von BLUMBERG (1867) untersuchten Siuger besitzen samtlich einen Tarsus und- MerBom- sche Driisen. Nach Owen (1868, p. 260) miindet auch bei Ceta- ceen an der Umschlagsstelle der Conjunctiva palpebrarum zur Conjunctiva bulbi eine Reihe von Merpomschen Follikeln aus. Eine ausfiihrlichere Darstellung riihrt her von Leuckart (1876). Er weist darauf hin, dafi Augenlider eigentlich nur bei Landtieren in voller Entwickelung vorkommen. Gewdohnlich seien bei Saugern am Lidrand Wimpern vorhanden, kénnten aber auch fehlen, wie bei Cetaceen und Katzen. Die Wimpern sind Haare, die starker entwickelt und regelmafiger angeordnet sind als die Haare, die sonst den Lidern aufsitzen, die aber gelegentlich (Hund, Schwein) auch selbst zu ansehnlicher GréSe heranwachsen kénnen. Die Wimpern sind begleitet von ebenfalls starker entwickelten Talg- driisen und bei gréferen Formen auch von Schweifdriisen. Von den Talgdriisen der Wimpern sind durchaus zu unterscheiden die Merpomschen Driisen, die neben ersteren vorkommen und eine eigene Driisenmiindung besitzen, also selbstandige Gebilde sind. Ihre Gestalt gleicht der der benachbarten Talgdriisen; sie sind sackférmig, traubenformig oder gefiedert und finden sich in der Zahl von 20—40 immer nur in einer einzigen Reihe, bald ein- geschlossen in den sogenannten Lidknorpel, bald eingelagert in ein weiches Bindegewebe, das wie beim Schwein, als Vorlaufer des Tarsalknorpels zu gelten hat. Leuckart glaubt, da Mer- Bomsche Driisen nur bei Saugern vorkommen. Ebenso sei der Tarsus offenbar eine Eigentiimlichkeit der Sauger, aber durchaus nicht aller Formen, sondern gelegentlich, so auch beim Hund, vertreten durch weicheres Bindegewebe. Das Sekret der MEIBOM- schen Driisen soll zum Einélen der Lidrander dienen und unter gewohnlichen Verhaltnissen das Ueberstrémen der Tranenfliissig- keit verhindern. In Hinsicht auf diese Funktion glaubt LeucKart, daS der ausschlieSliche Besitz von Merpomschen Driisen bei Saugern wohl bedingt sei durch die ansehnliche Gréfe von deren Tranen- driise. Diese sei beim Menschen noch gréfer als bei den meisten anderen Saiugern, und hier finde die excessive Entwickelung dieses Organs eine geniigende Erklarung in seiner mimischen Bedeutung (p. 278). Nach Mitnr-Epwarps (1876—77, p. 106, 107) kommen fast allen Saéugetieren wohlentwickelte Augenlider zu, von denen Zur Morphologie der Augenlider der Siuger. a das obere das gréfere ist. In beiden Lidern ist ein sogenannter Tarsalknorpel aus derbem Bindegewebe enthalten. Derselbe ist im oberen Lid ansehnlicher als im unteren. Am freien Lidrand stehen aufer bei Cetaceen und Didelphys Cilien, in deren Haar- balg eine kleine Gruppe von Talgdriisen miindet. Die viel gréferen Mersomschen Talgdriisen miinden am hinteren Teil des freien Lid- randes aus und fehlen bei Cetaceen. Ihre Anordnung ist bei den meisten Siugern dieselbe wie beim Menschen, nur sind die Driisen bei einigen Formen noch starker entwickelt und ausgestattet mit wohlcharakterisierten Lappen und Lappchen. Unter den von TARTUFERI (1880) untersuchten Siugetieren fehlen Gl. tarsales nur beim Delphin. WirprrsHemm gab friiher (1882, p. 441, 443) an, dafi erst bei Saiugetieren sehr bewegliche, von der tibrigen Haut durch Falten deutlich abgegrenzte Augenlider auftreten, deren freier Rand mit Cilien besetzt ist und in deren Innerem ein Tarsus sich entwickelt. Merrsomsche Driisen in typischem Verhalten finden sich nur bei Saugetieren und zwar bei allen Formen, mit Aus- nahme der Cetaceen. Sie liegen stets in einer einzigen Schicht, haufig in den Lidknorpel eingeschlossen, und miinden am freien Lidrand aus. Beim Kamel seien diese Driisen ersetzt durch eine auferordentlich entwickelte Talgdriise der Caruncula lacrymalis. Neuerdings scheint WieperRsHeIm (1902, p. 311) anzunehmen, daf auSer bei Cetaceen auch noch bei anderen Gruppen die MEI- BoMschen Driisen fehlen kénnen. Neu ist auSerdem die Angabe, die auch in der schematischen Fig. 218 zum Ausdruck kommt, da8 das Vorkommen der Gl. tarsales auf das obere Lid be- schrankt ist. Aus diesen zum Teil sehr widersprechenden Schilderungen geht jedenfalls soviel klar hervor, daf das Vorhandensein von Tarsus und Mersomschen Driisen nicht unbedingt zu den charakte- ristischen Eigenschaften der Augenlider der Séuger gehért. Es ware also ‘zunaichst die Aufgabe, die Verbreitung dieser Gebilde in den einzelnen Gruppen der Siugetiere zu erforschen. An die Feststellung dieser Tatsachen schliefen sich weitere Fragen an. Das Fehlen von Tarsus und Mersomschen Driisen bei manchen Saugetieren ist vielleicht nicht als die Folge einer Reduktion, sondern héchst wahrscheinlich als ein in mancher Hinsicht primi- tiver Zustand anzusehen. Beide Organe haben sich offenbar inner- halb der Gruppe der Saiugetiere entwickelt, und wir diirfen hoffen, durch Vergleichung einer gréferen Reihe von Befunden Aufschliisse tiber den phylogenetischen Entwickelungsgang der Augenlider zu 1# 4 H. Eggeling, erhalten. Aber auch auf die Feststellung der einzelnen Stadien in der Ausbildung von Tarsus und Mersomschen Driisen kommt es nicht allein an, sondern es ist zu versuchen, ob nicht aus der Form der Augenlider, der Ausdehnung der Haare auf denselben, der sie bewegenden Muskulatur, dem Apparat accessorischer Driisen (Tranendriisen, HArpERsche Driise) und zahlreichen anderen Momenten, vor allem auch aus dem Gebrauch des Auges und der Lebensweise der betreffenden Tiere sich Schliisse ziehen lassen auf die unter verschiedenen Bedingungen verschiedenen physiologischen Leistungen des Schutzapparats des Auges. Daraus waren dann diejenigen Faktoren zu ermitteln, welche auf die allmahliche Aus- bildung von Tarsus und Mersomschen Driisen einen bestimmenden Kinflu8 ausgetibt haben. Ein sehr bemerkenswerter Versuch in dieser Richtung liegt bereits von A. v. HALLER vor, wie in der Abhandlung von ZEIS (1835, p. 253) naher dargestellt und begriindet wird. Ich lasse seine hierauf beztiglichen Ausfiihrungen wortlich folgen: ,,Da ich nun unter allen von mir bis jetzt untersuchten Tieren nur allein beim Schwein den Tarsus habe nachweisen kénnen, so multe es mir natiirlich sehr auffallen, warum das Augenlid des Menschen vorzugsweise vor dem der Tiere damit begabt worden sei. Der Grund scheint mir darin zu liegen, da8 er nicht sowohl zum Schutze des Augapfels bestimmt ist, sondern vielmehr die még- lichst weite Eréffnung der Augenlidspalte vermitteln soll. HALLER *) driickt sich dariiber folgendermafen aus: Ut palpebra ora libera totam suam latitudinem teneat, in omni motu; neque utcunque contracta fiat secundum transversum diametrum angustior, natura simili fere artificio usa est, quo grandes tabulas pictas solemus distendere. Ut enim ad baculum eum extendimus, ita ad carti- laginem palpebra utravis firmatur, quam tarsum dicimus. Das Menschenauge unterscheidet sich nimlich vom Tierauge auffallend dadurch, daf die gréSere Eréfinung der Augenlidspalte zu beiden Seiten der Cornea noch die Sclerotica erblicken 1a8t, dies macht die Bewegung des Augapfels viel freier, denn um einen seitwarts gelegenen Gegenstand zu erblicken, ist es nicht notwendig, den Kopf seitwirts zu bewegen, sondern eine kleine Bewegung des Augapfels in der horizontalen Ebene entspricht diesem Zwecke vollkommen. Die Tiere haben zwar dieselben Augenmuskeln wie der Mensch, ja zum Teil noch einen mehr, den Grundmuskel, und 1) Elementa physiologiae, T. V, § IX. Zur Morphologie der Augenlider der Sauger. 5 es wiirde ihnen somit méglich sein, den Augapfel ebenso zu be- wegen wie wir, kénnte nicht ihre Augenlidspalte gerade nur so weit gedffnet werden, da8 allein die Cornea, aber nicht die Sclerotica entbl6ft wird, es findet also bei ihnen gerade das statt, was, wie HALLER angibt, beim Menschen durch den Tarsus verhiitet wird; die Augenlidspalte wird beim Oeffnen derselben in der horizontalen Richtung betrachtlich schmalJer, und der Mangel des Tarsus bei den Tieren kénnte deshalb schon vorausgesetzt werden. Die Be- weglichkeit des Augapfels in seiner Héhle wird aber insofern da- durch eingeschrankt, als bei einer starkeren Bewegung des Bulbus nach der Seite die Cornea sich sogleich unter dem dAuferen und inneren Augenwinkel teilweise verbiegt (wohl verbirgt? Ref.). Die fast allen Saugetieren eigene gréfere und freiere Beweglichkeit des langeren Halses und die mehr seitliche Stellung der Augen, welche bei den niederen Tierklassen noch bedeutender ist, ent- schadigt sie fiir diese Beschrankung. Deswegen konnten sie wohl die gréfere Beweglichkeit des Augapfels in der Augenhdéhle ent- behren. Auferdem entsteht aber aus dieser Einrichtung fiir sie der groSe Vorteil, daf bei einer engeren Augenlidspalte nicht so leicht fremde Koérper in das Auge fallen, als bei einer breiteren, was bei dem hilflosen Zustand der Tiere doch auch in Anschlag zu bringen ist. Sollten nun aber die Tiere ihre Cornea allein ohne die Sclerotica entbléfen, so diirften die den Augenwinkeln zupachst gelegenen Teile des Augenlides nicht wie beim Menschen mit aufgehoben werden, daher kommt aber die geéffnete Augenlid- spalte der Tiere einem Kreise, einige Unregelmifigkeiten abge- rechnet, ganz nahe, was nicht méglich wire, wenn sie einen Tarsus hatten. Dieser wiirde durch seine Starrheit bewirkt haben, da8 beim Oeffnen der Augenlidspalte jedesmal nicht allein die mittlere Portion des Augenlids, sondern wie beim Menschen auch die nach den Winkeln hin gelegenen Teile mitgehoben wiirden. Da aber ihre Augenlider seiner entbehren, so werden die den Augenlidern zunichst gelegenen Teile nur angespannt, und die Augenwinkel erscheinen daher als viel stumpfere Winkel als beim Menschen. Daf das Schwein einen Tarsus hat, spricht noch mehr fiir meine Behauptung, denn es 6ffnet sein Auge nur sehr wenig, so daB8 bei ihm die geéffnete Augenlidspalte viel breiter ist als hoch. Der Mensch braucht sein Auge nicht nur zum Sehen, es ist ihm auch Sprachwerkzeug. — Die Mienensprache beruht fast allein auf den Bewegungen, die wir mit unseren Augen machen, denn mit Hilfe der tbrigen Gesichtsmuskeln, ohne die der Augen und Augen- 6 H. Eggeling, lider, wiirden wir schwerlich im stande sein, unsere Gedanken und Empfindungen auf dem Gesichte auszudriicken. Wenn unser Auge aber ebenfalls nur die Cornea erblicken liefe? Wenn man auch bei uns nichts von der Sclerotica sahe? Wie dann? Gewil, wir wiirden nicht Stolz, Verachtung, Mi8billigung, alle Affekte des Geistes mit einem Blicke ausdriicken kénnen, ware es nicht még- lich gemacht, an denen, mit welchen wir sprechen, die kleinste Bewegung des Augapfels zu bemerken, indem die gréSere oder geringere Breite der blendend weifen Sclerotica ein Wahrnehmen jener Bewegungen sehr leicht zula£t. Ich glaube behaupten zu diirfen, daf ohne den Tarsus, so unwesentlich dieser Teil bisher erschienen sein mag, das menschliche Antlitz sich bei weitem nicht so von dem Gesicht der Tiere auszeichnen wiirde, als es der Fall ist.‘ Geleitet von den oben dargelegten Gesichtspunkten habe ich seit lingerer Zeit Beobachtungen tiber den Bau der Augenlider bei verschiedenen Formen gesammelt. In der vorliegenden Mit- teilung soll ein allerdings noch recht unvollkommener Ueberblick tiber die Verbreitung von Tarsus und Mersomschen Driisen in den gréferen Gruppen der Sauger gegeben und auf einige Beob- achtungen hingewiesen werden, die geeignet sind, die Entstehungs- weise der Mrrpomschen Driisen verstiéndlicher zu machen. Auf die von TarTUFERI (1880) ausfiihrlicher behandelten Moxuschen Driisen soll hier nicht naher eingegangen werden. Ihr Vorkommen und Verhalten ist nur insoweit berticksichtigt, als sie bei den von mir neu untersuchten Formen noch nicht beschrieben wurden. Ebenso finden gelegentliche Befunde von Tranendriisen hier nur kurze Erwahnung. Monotremen. Die Augenlider von Ornithorhynchus sind, wie ich schon friiher (1901, p. 190, 195) schilderte, an ihrer Auf enflache be- deckt von dichtstehenden Gruppen feiner Haare. Dieselben finden sich auch am freien Lidrand, sind aber nicht durch starkere Ent- wickelung als Wimpern hervorgehoben. Neben den Haargruppen finden sich kleine sackférmige Talgdriisen, die am freien Lidrand einen etwas ansehnlicheren Umfang besitzen als an der Aufen- fliche des Lides. Auferdem sind die Haargruppen begleitet von ziemlich stark ausgebildeten merokrinen Schlauchdriisen. Wie Fig. 1 zeigt, liegt den Lidern keine derbere Bindegewebsplatte, Zur Morphologie der Augenlider der Sauger. 7 Rex ) Pew | \s Ss oe Fann IH as iy “i fs \ teed, (ANT SSS Ve » Vi. Se Gm : Soa Be a \\ Se Haar F : eo en Yess Oylinderepithel—,,— Schweifdriise = 5 , Muskel Plattenepithel {\ Talgdriise \ CaS Haar Talgdriise © oF Cylinderepithel: YP OF Haar my & ‘? ¢ Me. 1. Senkrechter Schnitt durch die Mitte des oberen und unteren Augenlides von Ornithorhynchus. Vergr. 1:18. We 8 H. Eggeling, Cylinderepithel Schweifdriisen Muskel Haar Muskel. Plattenepithel Ss ee ea Ge EE ———— yf f— : SN A GA PAL aS Fi; - yO — Z . tPiin a ak rp PLE Ge { J a id UR ae, \ aif = re SchweiBdriisen Tarsus Muskel Fig. 2. Senkrechter Schnitt durch die Mitte des oberen und unteren Augenlides von Echidna. Vergr. 1: 18. ° Zur Morphologie der Augenlider der Siuger. 9 die als Tarsus bezeichnet werden kénnte, zu Grunde, auch Mereomsche Driisen fehlen. Das geschichtete Plattenepithel der Oberhaut dehnt sich ziemlich weit auf die Innenflache des oberen, etwas weniger weit des unteren Lides aus. Schweifdriise Parorbitaldriise Fig. 3. Senkrechter Schnitt durch oberes und unteres Augenlid eines Echidnafétus, Stad. 51b, gegen den duBeren Augenwinkel zu. Vergr. 1: 18. In der Umgebung der Augenspalte von Echidna findet sich, wie ich bereits friiher schilderte (1901, p. 189) ein ovaler, spar- lich behaarter Bezirk, der die Aufenflache der Augenlider dar- stellt und durch einen Wall von der umgebenden derben, dicht behaarten Haut sich abgrenzt. Auf Schnitten stellt sich das untere 10 H. Eggeling, Lid bis zu dem Hautwall gerechnet viel niedriger dar als das obere und doch scheint der Konjunktivalsack nach unten eine eréfere Ausdehnung zu besitzen als nach oben. Die sparlichen Haare der Lider erscheinen alle untereinander gleich, starkere Wimperhaare sind nicht zu unterscheiden. Alle Haare werden begleitet von sehr kleinen Talgdriisen, die beiderseits dem Haar- balg als kleine rundlich-langliche Vorw6élbungen ansitzen unterhalb der Einmiindungsstelle eines Schweifdriisenausfiihrganges in den Haarbalg. Die merokrinen, schlauchformigen Driisen besitzen einen sehr ansehnlichen Umfang und bilden dichte Knauel in der binde- gewebigen Grundlage der Lider. Kin Teil der Schlauche zeichnet sich durch die Gréfe des Lumens aus. Mersomsche Driisen fehlen, dagegen ist eine Art Tarsus als eine ansehnlichere derbere Bindegewebsplatte, die unterhalb der Conjunctiva palpebrarum liegt, wenigstens im unteren, nicht im oberen Lid wahrnehmbar. Dieselbe entbehrt jedoch einer scharfen Abgrenzung gegen die Umgebung. Das mehrschichtige Plattenepithel der Epidermis dehnt sich oben und unten sehr weit an der Innenflaiche der Augenlider aus (s. Fig. 2). Auf das Vorhandensein einer ansehnlichen Parorbitaldriise, die den merokrinen Hautdriisen zuzurechnen ist, im unteren Augen- lid nahe dem auferen Augenwinkel bei Echidnafé6ten sei hier nur nochmals hingewiesen (1901, p. 198, vergl. umstehende Fig. 3). Marsupialier. Auger der Angabe von Owen (1868), da’ im oberen Augen- lid des Kangaroo ein Knorpelstreif liege und bei Didelphys keine Cilien vorhanden sind, welch letzterer Punkt auch von MILNE- EpWARDS (1876) erwahnt wird, habe ich in der Literatur nichts Naheres iiber die Augenlider der Beuteltiere finden kénnen. Meine eigenen Untersuchungen erstrecken sich iiber fiinf Formen, die vier verschiedenen gréferen Gruppen angehéren. Bei einem jugendlichen Macropus spec. fallt an der Mitte des oberen freien Lidrandes ein Biischel sehr weit vorragender langer Cilien auf. Diese bilden eine obere Reihe, unterhalb welcher. noch 2—3 Reihen schwacherer Wimpern sich vorfinden. Am unteren Lid fehlen deutlicher ausgebildete Wimpern, die hier vorhandenen Haare sind nicht wesentlich verschieden von denen, welche in dichter Gruppierung die Aufenfliche der Lider oben sowohl wie unten bedecken. Unter ihnen iiberwiegen schwichere Haare, zwischen Zur Morphologie der Augenlider der Siuger. aa welchen vereinzelte stirkere Gebilde, die tief in der Lederhaut wurzeln, vorkommen. Die Haare werden begleitet von kleinen sack- formigen Talgdriisen, stiirkere kommen den Wimpern zu. SchweiB- driisen fehlen im ganzen Augenlid. Mrrspomsche Driisen sind sowohl im oberen wie im unteren Lid in einer einfachen Reihe vorhanden. Sie bilden einen weiten, langen, gestreckten Sack, dessen ganze Wandung mit zahlreichen kleinen, rundlichen Talgdriisensiickchen Haare Meibomsche Driise Muskel Epithelgrenze ? Talgdriise Haar Oilie Fig. 4. Senkrechter Schnitt durch die Mitte des oberen Augenlides von Macropus spec. juv. Vergr. 36: 1. besetzt ist. Diese miinden in den Hohlraum des Sackes ein, welcher selbst mit einer kurzen verengten Strecke am freien Lid- rand hinter den Reihen der Cilien nach innen hin, gegen den Konjunktivalsack, sich 6ffnet. Eine als Tarsus zu bezeichnende derbere Differenzierung des Bindegewebes des Augenlides lief sich nicht nachweisen. Ueber die Ausdehnung des mehrschichtigen Plattenepithels an der Innenflaiche des Lides und die Lage der Grenze gegen das Uebergangsepithel der Conjunctiva kann ich keine Aussagen machen, da der Konservierungszustand des Pra- parats dies nicht gestattet (s. Fig. 4). Dasyurus Gerorrer. (Fig. 5) besitzt in 3—4 Reihen vereinzelte, starker entwickelte Wimperhaare am freien Lidrand. Dieselben 12 H. Eggeling, treten aber bei duferer Betrachtung nicht scharf hervor, zumal sie, wie die iibrigen Haare, hauptsachlich nach hinten gerichtet zu sein scheinen. Am freien Rand des unteren Lides sind sie schwicher und undeutlicher als am oberen. Auf der AuSenflache der Lider sind die Haare sparlich und klein, begleitet von-winzigen, rundlichen Talgdriisen. Die letzteren stellen dagegen an den Cilien sehr ansehnliche, gelappte Organe dar. SchweiSdriisen fehlen auch hier im Augenlid, dagegen sind Mrrpomsche Driisen oben und unten vorhanden. Auch hier erscheinen sie im ganzen als ein weiter, lang gestreckter Sack, der mit sehr enger Miindung hinter ‘ 4, \ cag \ \ \ Ms ; \ WS A QO’. * \ W\ wy Ne Meibomsche Driise SS ip PNG Sa) BS AN '@-- Muskel v : SB SAA ZZ? a WS \ So Vii EN 5 Wh NaN RNa, A pest p14: (m. 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Nachfolgende Arbeit wurde im Laboratorium der Universitit Ziirich ausgefiihrt. Ich spreche daher Herrn Professor ArNoLD LANG meinen aufrichtigen Dank aus, sowohl fiir das giitige Ueber- lassen von Material wie auch fiir das freundliche Interesse, das er am Fortschritte meiner Arbeit zeigte. Ferner ist es mir eine an- genehme Pflicht, Herrn Professor HescHEeter fiir sein freundliches Entgegenkommen und die vielen wertvollen Ratschlage aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse tiber Molluskenanatomie zu danken. Auch Fraulein GoLpscumip von Ziirich bin ich fiir die kiinstlerische Ausfiihrung des Aquarellbildes (Fig. 1) fir meine Arbeit sehr verpflichtet. Herr Prof. Yves DeLAGE hat mir waihrend des Sommers 1902 giitigst die Benutzung eines Tisches im Labo- ratorium LAcaze-Duruiers gestattet, wodurch ich die giinstige Gelegenheit erhielt, wertvolles Material zu sammeln und biologische Beobachtungen zu machen. Auch meiner Universitat, the Uni- versity of Wales, und besonders meinem Freunde und Lehrer, Herrn Professor AinswortH Davis, bin ich fir die Férderung meiner Untersuchungen sehr verbunden. Eine neue Bearbeitung der Anatomie von Haliotis tuberculata scheint vielleicht auf den ersten Blick nicht durchaus notwendig, weil die Wissenschaft den bekannten Arbeiten von LAcaze- Dutuiers, MILNE-Epwarpbs, THIELE, HALLER und WEGMANN viele Angaben iiber dieses Tier verdankt. Jedoch hoffe ich, dai es mir gelungen ist, die Kenntnis dieses primitiven Mollusks zu fordern, 246 Herbert J. Fleure, zerstreute Angaben zusammenzufassen und zweifelhafte Kinzel- heiten nachzupriifen, den Zusammenhang zwischen Struktur und Lebensweise hier und da genauer zu schildern und somit die Lésung des phylogenetischen Problems einen kleinen Schritt vor- wirts zu bringen. Um den Umfang dieser Arbeit zu beschranken, habe ich mir erlaubt, den historischen Teil méglichst kurz zu fassen. Eine lange Darstellung friiherer Angaben ist auch jetzt, seit dem Er- scheinen der Abteilung ,,Gastropoden“ von Simrotu, in BRONNS Klassen und Ordnungen des Tierreichs, weniger notwendig. Ks ist mir gelungen, das Epithel u. s. w. einiger Organe ein- gehender zu schildern, als es bisher geschehen war. Die Dis- kussion tiber die Blutgefaife und die Beschreibung des Magens, der linken Niere, der Zweignerven der Pleurovisceralkonnektive und der Otocysten enthalt Verschiedenes, das meines Wissens neu ist. Die Kommissur zwischen den Vorderfu8nerven und die ventro- lateralen Skelettstiicke des Zungenapparates werden ebenfalls zum erstenmal beschrieben. Ferner bringen die Beobachtungen iiber die Vorgainge beim Umwenden in die natiirliche Lage des Tieres und bei der Nahrungsaufnahme, sowie die Diskussion im zweiten Kapitel neue Punkte vor. Es ist die Pflicht jedes Forschers, seine Ansichten tiber die Phylogenie der untersuchten Tiere zu dufSern. Da ich aber im zweiten Kapitel versuchen werde, die Stammesgeschichte klarzu- legen, ist es weniger notwendig, diese Frage schon jetzt eingehend zu diskutieren. Die Trochiden und Turbiniden sind ohne Zweifel sehr nahe Verwandte unseres Tieres, das eine ahnliche, wenn auch nicht so starke, aufere Asymmetrie und die gleiche Spezialisierung des Nervensystems vorweist. In Bezug auf die Radula und das Nervensystem ist Pleuro- tomaria wahrscheinlich primitiver als Haliotis, in Bezug auf das Herz aber und die Organe der Branchialhéhle ist ein umgekehrtes Verhalten festzustellen. Pleurotomaria und Haliotis sind wahrscheinlich nahe Ver- wandte, doch nicht voneinander abstammend, sie haben sich sehr frih, doch nicht so friih wie die Docoglossen und Fissurelliden vom gemeinsamen Stamm der Prosobranchier abgezweigt. Die Verhaltnisse des Nervensystems und der linken Niere scheinen mir Beweise fiir die Ansicht, da’ die Monotocardier von den Trochiden und Haliotiden nicht abstammen. Weitere Unter- Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 247 suchungen tiber Stomatelliden und Scissurelliden wiirden unsere Kenntnisse tiber die phylogenetische Stellung von Haliotis wahr- scheinlich bedeutend férdern. Folgende Beschreibung stiitzt sich hauptsdchlich auf Pri- parate von Haliotis tuberculata, doch wurde auch H. iris ge- schnitten und studiert. I. Allgemeine Uebersicht der Organisation von Haliotis tuberculata. FuS8, Mantel u. s. w. Zur Orientierung tiber die allgemeinen Verhaltnisse der Kérper- teile verweise ich auf die beiliegenden Skizzen (Fig. 1—4). Die Merkmale der Schale sind in systematischen Werken (29 und 32) vorziglich beschrieben, weshalb ich nicht naher auf dieses Thema einzugehen brauche. Das Tier, Haliotis tuberculata, kriecht zwischen den rotbraunen oder griinen Meeralgen umher, deren Farbung mit derjenigen der Schale tibereinstimmt. Beim erwachsenen Tiere ist die Aehnlich- keit und deshalb sein Schutz noch gréfer, weil sich kleine Moos- tiere, Serpuliden, Algen u. s. w. auf der Oberfliche der Schale angesiedelt haben. Wohl bekannt ist die Reihe der Liécher auf der linken Seite der Schale, unter denen die 6 (zuweilen 5 oder 7) jiingsten offen bleiben. Die gelbe Fufsohle ist die ventrale Flache einer grofen mus- kulésen Masse, welche aus dem Fufe, den Schalenmuskeln und dem Epipodium gebildet wird. Die Schalenmuskeln bestehen aus dorsalwarts ziehenden Fasern, das Epipodium wird jederseits durch einen Fortsatz der muskulésen Masse gebildet. Wiahrend das Tier kriecht, ist die FuSsohle der Oberflache des Felsens fest angelegt. Das Kriechen kommt durch abwech- selndes Zusammenziehen und Ausdehnen der verschiedenen Regionen des Fufes zu stande. Der zusammengezogene Teil des Fufes entfernt sich von der Oberfliche des Gesteins, streckt sich dann wieder aus, und tritt so in Beriihrung mit derselben, aber jedesmal an einer Stelle, die gegeniiber der friiheren Ansatzstelle um ein Stiick verschoben ist. Die Strémung des Blutes innerhalb des Fufes spielt auch eine Rolle bei diesem Vorgange. 248 Herbert J. Fleure, Die Sohle ist oval, am Vorderrande aber findet sich ein Kin- schnitt, in welchem wir die Schnauze bemerken, so daf an jeder Seite der Schnauze ein Lappen des Fufes vorspringt (Fig. 2). Im zusammengezogenen Zustande dienen die 2 Lappen der Schnauze als Schutz, und sie vervollstandigen dann den ovalen Umrif des FuBes; nur am Hinterende tritt der Schwanzfortsatz des Fufes etwas spitzig aus dem ovalen Umrif hervor. Die Seiten des Fufes und der vortretende Teil der Schnauze sind mit ganz kleinen Hautwarzen bedeckt, die durch schmale Rinnen voneinander getrennt sind. Diese Rinnen sind stark pig- mentiert und sehen schwarz aus; sie vereinigen sich haufig und bilden auf diese Weise schwarze Streifen (Fig. 1 u. 3). Der Rand und die ventrale Flache des Mantels sind pigmentiert, und auch die entsprechenden Teile des Epipodiums haben dunkle Farbung. Eine groe Menge von Fiihlern finden sich an beiden Seiten des Tieres, sie ragen vom Epipodium vor, das einen starken muskulésen Fortsatz an beiden Seiten des Fufes darstellt. Die mehr dorsal gelegenen Fiihler sind griin, lang und ziemlich regel- mifig angeordnet; die anderen, unter denen sich aber auch ziem- lich lange griine Fihler finden, zeigen im allgemeinen braunes und schwarzes Pigment. Die Fiihler letzterer Art sind oft fingerformig verzweigt. Die Rinnen zwischen diesen Fortsatzen sind auch pigmentiert, der Kontrast zwischen stark pigmentierten Rinnen und weniger pigmentierten Warzen ist aber gar nicht so scharf wie weiter unten auf den Seiten des Fufes selbst. Die Schnauze tragt ein Paar braungriine Kopffiihler, die, ihrer Linge nach, einen tiefer gefairbten braunen Streifen zeigen. Hinter diesen Tentakeln befinden sich die kleineren Fortsatze, welche die Augen tragen. Eine Stirnhautfalte tritt auch zwischen den Augenfortsitzen hervor. Wenn das Tier unter Wasser kriecht, sieht man noch 3 weitere Fiihler durch das alteste offene und die 2 jiingsten Locher der Schale hervortreten. Diese Fihler sind braungriin oder fast pigmentlos. Beim Kriechen zeigt das Tier auch den Schwanzfortsatz des Fufes, der sich etwas hinter den Enden des Epipodiums aus- streckt. Hier fallen die tief pigmentierten Seiten des Fubes viel mehr auf als die hellere dorsale konkave Flache, deren Epithel mit Sinneszellen reichlich versehen ist. Obige Beschreibung sucht folgende Tatsachen hervorzuheben: Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 249 1) Die hervortretenden Teile des Tieres besitzen eine Schutz- farbung; sogar die Fiihler haben eine gewisse Aehnlichkeit mit den Meeralgen der Umgebung. 2) Es kommen zahlreiche Sinnesorgane vor, welche Kindriicke aus der ganzen Umgebung des Tieres aufnehmen kénnen. Der Eingeweidesack ist um den grofen Schalenmuskel ge- lagert und mit diesem, aber nicht mit dem Fufe selbst, verwachsen. Die Eingeweidemasse erstreckt sich von der Kopfregion auf der linken Seite des Muskels nach hinten bis zur kleinen Spiral- windung an dem rechten Hinterende der Schale. Vom Hinterteil der Kingeweidemasse geht das kegelférmige Coecum derselben nach rechts und vorn, immer an die Seite des grofen Schalenmuskels angelegt (Fig. 4). An der linken Seite des Muskels sieht man das Dach der Branchialhéhle — eine spezielle Bildung des Mantels. Die Branchialhéhle und ihr Dach sollen bei spiterer Gelegenheit (s. u. Respirationsorgane und Sinnesorgane) besprochen werden. Gegen das Vorderende der Branchialhéhle, zwischen ihrem linken Seitenrand und dem Manteirand, sieht man ein kleines Oval — die Ansatzstelle des kleineren linken Schalen- muskels an der Schale (Fig. 4). Der grofe, zentral gelagerte Schalenmuskel ist der der rechten Seite. Hinten und an den Seiten des Tieres kann man am Mantel- rand 2 Lappen unterscheiden, einen dorsalen und einen ventralen Lappen (Fig. 5 u. 6). Gleich hinter dem linken Schalenmuskel biegt sich der dorsale Lappen nach oben und verbindet sich mit diesem Muskel (Fig. 4). Weiter vorn ist der Mantelrand stark entwickelt, bleibt aber einfach, d. h. ohne Duplikatur. Auf der linken Seite liegt der eingebogene Schalenrand zwischen den beiden Lappen. Nach hinten wird der ventrale Lappen immer grofer, und hinter dem Pericard gehen die Fasern einer speziellen Ver- dickung der K6rperwand in den Mantelrand nach hinten und rechts hiniiber. In der Hinterregion ist der Mantelrand ziemlich verbreitert, doch ist er vom Eingeweidesack verdeckt. Rechts hinten ist der dorsale Lappen kurz und dick; nach vorn aber wird er langer und ist nur mit dem Schalenmuskel verwachsen (Fig. 4). Schalen- muskel, dorsaler und ventraler Mantellappen bilden zusammen eine nach hinten offene Tasche, in der das kegelférmige Coecum frei liegt. Weiter vorn ist der Mantelrand stark entwickelt, bleibt aber einfach, ebenso wie auf der linken Seite. In Wirklichkeit gleichen die Verhaltnisse denjenigen auf der 950 Herbert J. Fleure, linken Seite; nur hat sich hier der grofe Schalenmuskel nach hinten ausgestreckt, und die Verbindung desselben mit dem dor- salen Lappen hat sich gleichzeitig nach hinten verlangert, wodurch dann die soeben erwahnte Tasche zu stande gekommen ist. Nihere Beschreibung der Kérperwand und der dazu eehérenden Organe mit Ausnahme der Sinnesorgane und der Organe der Branchialhéhle : Die wichtigsten Zellarten des Epithels sind die indifferenten Zellen, die Stiitzzellen, die Sinneszellen und die Driisenzellen. THIELE unterscheidet mukése und viskése Driisenzellen. Nach meinen Beobachtungen aber sind seine Einteilungsgriinde un- gentigend. Die Sttitzzellen, welche die Liicken zwischen den anderen spezialisierten Zellen ausfiillen sollen, wechseln in ihrer Form. Unter dem Epithel der Kérperwand, d. h. der Wand des Eingeweidesackes, das aus niedrigen, wenig spezialisierten Zellen besteht, befindet sich im allgemeinen Ringmuskulatur. Die Fasern der Ringmuskulatur legen sich an die Basalmembran des Epithels an und sind viel dichter gelagert als die darunter liegenden Liangsfasern und radiar gelagerten Fasern. Die muskulése Masse besteht aus dem Fufe, den Schalen- muskeln und dem Epipodium. Das Epithel der FuSsohle ist hoch und enthalt viele lange, mit basalen Kernen versehene Sinneszellen (Fig. 10). Becher- formige Driisenzellen sind ziemlich haufig und haben auch basale Kerne. Die Kerne der indifferenten Zellen sind ungefahr in der Mitte gelagert. Die Cuticula ist natiirlich ziemlich stark entwickelt. Die Sinneszellen sind ganz besonders haufig beim Epithel der seit- lichen Vorderlappen des Fufes (Fig. 8). Bedeutend niedriger ist das Epithel in der Spalte zwischen Schnauze und Fuf (Fig. 8), und hier kommen becherférmige, fiir Erythrosin besonders empfindliche Driisenzellen sehr haufig vor. THIELE, der die Haut im allgemeinen sehr genau untersucht hat, beschreibt eine vordere Fufdriise, die er bei einem ganz jungen Tier gefunden hat (34). Ganz vorn im Fufe fand er eine kurze Langsrinne, die in ein Blindsickchen endete, das von ziemlich grofen subepithelialen Driisenzellen umgeben war. LEinige subepitheliale Driisenzellen finden sich bei meinen Tieren am Hinterende der Spalte zwischen den 2 seitlichen Vorderlappen des Fufes, d. h. an der Stelle, Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 251 wo sich diese Lappen vereinigen, und hier ist das Epithel sonst niedrig (Fig. 8), wie THIELE angibt. Diese Bildung scheint mir keineswegs auffallig genug, um als eine besondere Driise aufgefait werden zu kénnen, doch hat THIELE vielleicht ein noch jiingeres Tier untersucht, bei dem sie groéBer war. Die Seiten des Fufes und die Schnauze tragen iiberall kleine Hautwarzen (Fig. 8), dic THieLe genau beschrieben hat. Das Epithel der Warzen (Fig. 9) enthalt viele becherférmige Driisen- zellen und zeigt Mangel an Pigment; dagegen sind die Rinnen zwischen den Warzen von braunschwarz pigmentiertem Epithel ausgekleidet (Fig. 8 u. 9). Die Angabe Turenes, daf in der Regel unter jeder Warze sich eine Blutlakune der Oberflache nahert, kann ich nicht bestitigen. Das Epithel des Epipodiums soll im Kapitel iiber die Sinnes- organe besprochen werden. Niedriger und weniger spezialisiert ist das Epithel, das die dorsalen Teile der muskulésen Masse, d. h. die Seiten des grofen Schalenmuskels, auskleidet. Das spezialisierte Epithel der dorsalen Oberflache des grofen Schalenmuskels, d. h. der Ansatzstelle des- selben gegen die Schale, hat THrELE am zutreffendsten beschrieben. Die Zellen dieses Haftepithels (Fig. 7) sind mafig hoch und be- sitzen ziemlich grofe, meistens verlingerte Kerne. In der Zell- substanz entwickeln sich Cylinder, welche die Muskelfasern bis an die Schalenoberfliche fortzusetzen scheinen. Auch die Zellen der Kérperwand, die in Beriihrung mit der inneren Schalenoberfliche stehen, besitzen dieselben grofen Kerne, und zwischen diesen Zellen kommen auch Stiitzzellen vor. Es scheint, dafX diese Zellen mit den speziellen Kernen die Ab- sonderung der inneren Schalenschichten besorgen. Der subepitheliale Teil der zentralen muskulésen Masse (Fu und grofer Schalenmuskel) besteht hauptsiachlich aus bestimmt gruppierten Muskelfasern, die sich durch unregelmabige, mit Blut erfiillte Liicken erstrecken. Die Mehrzahl der Fasern strecken sich aus zwischen der FuSsohle und dem oberen Ende des Muskels, das sich an die Schale anheftet. Im dorsalen Teile liegen sie so dicht zusammen, da8 nur winzig kleine Blutlakunen zwischen ihnen auftreten kénnen. Subepithelial ist das Epipodium nicht scharf abgegrenzt, seine Fasern gehen in den FuS tiber und umgekehrt. Bedeutend stirkere Gruppen von Fasern erstrecken sich in lateraler Richtung unmittelbar unter den beiden Breitseiten des Epipodiums. bd. XXXIX. N. F, XXXIL 17 252 Herbert J. Fleure, Der Mantelrand ist eine seitliche Falte des Kérperepithels und besteht deshalb aus einem dorsalen und einem ventralen Epithel, wozu auch etwas subepitheliales Gewebe hinzukommt. Fig. 5 zeigt die Struktur des Mantelrandes auf der linken Seite des Tieres. | Das Epithel der dorsalen Flache ist ein gewohnliches Pflaster- epithel, das der Peripherie des dorsalen Lappens ein ziemlich niedriges Haftepithel. Das Epithel der Spalte zwischen dem dorsalen und dem ven- tralen Lappen ist dagegen ziemlich hoch und besteht hauptsachlich - aus Driisenzellen; es ist in Langsfalten gelegt, die sehr konstant bleiben. Die Zellen der grofen obersten Falte (D.F. Fig. 5) sind besonders schén und regelmabig (Fig. 5a). Gegen die Peripherie des ventralen Lappens sind die Zellen pigmentiert. Vermutlich sondern das Haftepithel und die ahnlichen Zellen der Kérperwand die inneren, das Epithel in der Spalte die auSeren Schalenschichten ab, ebenso die Pigmentzellen méglicherweise auch das Pigment der Schale. Auf der Unterseite des ventralen Lappens an der Peripherie kommen viele Sinneszellen vor, und diese Region des Mantelrandes ist mit Nervendsten reichlich versorgt. Auf der Unterseite, weiter entfernt von der Peripberie, sind die Zellen niedriger, und hier finden sich zahlreiche Driisenzellen, die wahrscheinlich Schleim absondern. Nach hinten kommt eine Liangsfalte zum Vorschein, so daf der ventrale Lappen im Querschnitt so aussieht, als ob er an der Peripherie gespalten ware. Auf der rechten Seite ist der ventrale Lappen sehr grof und besitzt eine Spalte am Rande. Der dorsale Lappen ist oben be- sprochen worden. Die Stelle, welche der Spalte zwischen den Lappen der linken Seite entspricht, mu hier eine flache gegen die Schale angelegte Oberflache darstellen (Fig. 6). Das Haft- epithel der dorsalen Flache der muskulésen Masse geht in der Vorderregion in das Pflasterepithel des inneren Teiles dieser Region tiber. Lateralwirts aber sind die Zellen héher und deut- lich driisig. Gegen den Oberrand des ventralen Lappens sind die Zellen wieder kleiner, jedoch bleiben sie driisig und sind in tiefe enge Falten gelegt, die jedenfalls nattirlich und nicht durch die Konservierung hervorgerufen sind, diese Zellen sind pigmentiert. Dagegen sind die Zellen an einer Seite der der Peripherie nachststehenden Falte auSerordentlich lang (Fig. 6). Auf der Unterseite des Ventrallappens entspricht das Epithel Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 253 demjenigen, das von der entsprechenden Region der linken Seite beschrieben wurde. Das dorsale Epithel des Mantelrandes auf der rechten Seite liegt ttber dem kegelférmigen Coecum und ist ein niedriges, nicht spezialisiertes Epithel. Pigmentstreifen kommen an der Unterseite des ventralen Lappens vor, von denen einer in gewisser Ent- fernung von der Peripherie besonders entwickelt ist. Das innere Gewebe des Mantels besteht aus Bindegewebe und Muskelfasern, von welchen die wichtigsten sind: a) Fasern, die sich quer zur Liangsachse des Tieres erstrecken und unmittelbar unter der dorsalen Oberfliche des Mantelrandes verlaufen. Hinten und auf der linken Seite heften sie sich an der Peripherie des dorsalen Lappens an die Schale an (Fig. 5). Weiter vorn auf der rechten Seite (Fig. 6), wo die Peripherie des dor- salen Lappens mit dem Rande des grofen Schalenmuskels ver- wachsen ist, geht das Haftepithel des Mantels in jenes der musku- lésen Masse iiber; b) Fasern, die von a) abzweigen und sich gegen die Peripherie des ventralen Lappens oder, auf der rechten Seite, hauptsichlich des Unterteiles des ventralen Lappen verbreiten. Durch ihre Ver- kiirzung miissen sie den freien sensiblen Rand gegen die Schale anziehen ; c) mehr oder weniger unregelmafige Fasern, die hauptsachlich in der dorsoventralen Richtung schrag verlaufen. II. Lebensweise und Stammesgeschichte. Wenn wir die Stammesgeschichte von Haliotis verfolgen wollen, ist es zuerst nétig, ein Bild jenes Vorfahren zu geben, von dem wir Haliotis herleiten. Wir werden hier den letzten gemeinsamen Vorfahren der Prosobranchier als unseren Ausgangspunkt nehmen und zunichst versuchen, das Bild dieses hypothetischen Tieres zu entwerfen. Dieses Thema, die Anatomie des letzten gemeinsamen Vorfahren der Prosobranchier, habe ich schon in einer Abhandlung tiber die Evolution of the Docoglossa“ (10) behandelt, und versuchte dort, gestiitzt auf die Tatsachen der Paliontologie, der Embryologie und der vergleichenden Anatomie, eine Beschreibung dieses Tieres zu geben; deshalb werde ich mich hier mit einer kurzen Zusammen- fassung begniigen. Die Beschreibung dieses Vorfahren kann Vit 254 Herbert J. Fleure, natiirlich nur provisorisch sein, auch ist das beschriebene Tier eher ein allgemeiner Typus einiger sehr naher Verwandter als ein Tier, das wirklich einmal in der beschriebenen Form gelebt hatte. Der Bequemlichkeit halber habe ich diesem hypothetischen Typus den Namen ,,Prostreptoneur“’ gegeben, weil er die Torsion der Gastropoden schon erfahren hatte und deshalb die gekreuzten Pleurovisceralkonnektive zeigte. Die Torsion mu die friihere vollkommene au8erliche Sym- metrie zerstért haben, wir nehmen aber an, daf die Abweichung vom symmetrischen Bau noch gar nicht so grof war, wie wir sie bei verschiedenen Nachkommen (Pleurotomaria, Trochus u. s. w.) antreffen. Diese Hypothese stiitzt sich auf folgende Betrachtungen: a) Die Schalenmuskeln bei dieser Gruppe waren urspriinglich paarig und lateral, und ihre Symmetrie entspricht einer fast symmetrischen Schale. b) Die Schalen ganz junger Tiere verschiedener Arten sind auch nach der Torsion fast symmetrisch, wie BouTAN bei Haliotis und bei den Docoglossen beobachtet hat. c) Unter den altesten Vorderkiemern findet man eine be- sondere Tendenz zu einer éuferen Symmetrie. Die Docoglossen sind auferlich symmetrisch, es gibt fast symmetrische Formen unter den Scissurelliden, und die Fissurelliden zeigen keine so eroke Abweichung vom symmetrischen Bau, wie wir sie bei den hoheren Gastropoden antreffen. d) Unter den alleraltesten Fossilien dieser Gruppe kommen mehr oder weniger kegelférmige Schalen und andere symme- trische Formen vor, z. B. die Bellerophontiden. Vielleicht war der rechte Muskel schon der wichtigere des Paares. Der Fu war mafgig lang und ziemlich breit besonders nach vorn; auf seiner posterodorsalen Seite befand sich ein Operculum. Dies lehrt uns, daf sich das Tier fast vollstandig in seine Schale zurtickziehen konnte. Héchstwahrscheinlich konnte es, jedenfalls in seiner Jugend- zeit, auf der Oberfliche des Wassers kriechen, mit dem Korper im Wasser und der FufSsohle nach oben. Vielleicht konnte es auch schwimmen. Es war auf dem Wege der Anpassung zu einer wirklich kriechenden Lebensweise innerhalb der Gezeitenzone und des oberen Teiles des Flachwassers. Die verschiedenen Organ- systeme des ,,Prostreptoneurs‘ sind in meiner schon erwahnten Abhandlung besprochen, auf welche ich verweise. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 255 Der Darmkanal des ,,Prostreptoneurs war ahnlich demjenigen, den wir bei Haliotis finden, weshalb eine lange Beschreibung iiber- fliissig ist. Sowohl die Verhaltnisse des Munddarmes und seiner Er- weiterungen u. s. W., wie auch diejenigen des Magens und seines spiraligen Coecums sind bei Haliotis offenbar sehr primitiv, weichen aber vom Verhalten des Vorfahren der Gastropoden vielleicht da- durch ab, da letzterer auch einen Kristallstielsack im Magen hatte. Die Lage und der Zustand der sogen. Verdauungsdriise des »Prostreptoneurs“ sind noch problematisch. Nach der Ansicht Woopwarps, die ich im Kapitel iiber dieses System zu unterstiitzen versuche, hat Pleurotomaria die primi- tiven Verhiltnisse des Nervensystems am besten erhalten. Dieser Satz gilt insbesondere in Bezug auf das Pleuralzentrum und die Ver- bindung der Pleurovisceralkonnektive mit dem Schlundring. Die Spezialisierung der pleuralen und visceralen Bildungen bei Haliotis bezieht sich auf die weitere Ausbildung des Epipodiums und die Lokalisierung des osphradialen Gewebes. Sonst sind Nerven- system und Sinnesorgane bei Haliotis noch sehr primitiv. Die Herzkammer lag noch ziemlich symmetrisch und war vom Enddarm durchbohrt. Die Vorhéfe waren fast gleich gro und symmetrisch gelagert. Die Aorta zeigte ziemlich deutliche Wan- dungen und war mit dem Sinus um den Zungenapparat nur in der Kopfregion verbunden. Die Ktenidien von Haliotis in ihrer Struktur, Blutversorgung u. s. w. haben die primitiven Verhaltnisse in hohem Grade bei- behalten, nur waren die Ktenidien des ,,Prostreptoneurs“ wahr- scheinlich bedeutend kiirzer. Die rechte Niere des Vorfahren besaf einen perikardialen Trichtergang, in den sich der Leitungsweg der Geschlechtsdriise éffmete, und einen Ausfiihrungsweg mit wenig spezialisiertem Epithel. Sie war ausgedehnt und intervisceral wie diejenige der modernen Gastropoden. Die linke Niere hatte sich noch nicht in einen Papillarsack umgewandelt. Sie besafi einen perikardialen Trichtergang und echtes Nierenepithel mit exkretorischen Zellen, war aber schon viel kompakter als die rechte. Die Geschlechtsdriise dehnte sich auf der Oberfiaiche der Eingeweidemasse aus, wie bei den mo- dernen Gastropoden. Unter der Nachkommenschaft des ,,Prostreptoneurs* befindet sich Haliotis, ein Tier, das sich an eine ziemlich spezialisierte 256 Herbert J. Fleure, Umgebung angepaft hat. Haliotis tuberculata bewohnt jenen Teil der Gezeitenzone, der nur bei tieferer Ebbe frei liegt, kommt aber auch im oberen Teile des Flachwassers vor. Sie kriecht hauptsichlich auf der Unterseite der gréferen Steine umher, d. h. derjenigen, die grof oder fest genug sind, um nur selten von den Wellen bewegt zu werden. Haliotis besucht auch die kleinen geschiitzten Spalten in den Seiten der Felsen. Sie kommt dann gewéhnlich in engen Raumen vor. Hier wird das Tier von den Wellen viel weniger gestért als auf den freien Oberseiten der Felsen und Gesteine, die Bewegung ist aber viel miihsamer wegen des Mangels an freiem Raum und weil die Meeralgen u. s. w. den Weg versperren. In dieser Umgebung ist das Wasser oft unrein, wodurch die Respiration erschwert wird. Die Respirationsorgane sind daher sehr gut ausgebildet und zum Schutze ihres zarten Gewebes gegen Fremdkérper in eine besonders tiefe Branchialhéhle gelagert, die mit speziellen Schutzvorrichtungen versehen ist. Eine hohe Schale in der Form von Pleurotomaria oder Bellerophon ware in dieser Umgebung sehr unbequem, weshalb wir verstehen, daf im Laufe der Zeit die natiirliche Zuchtwahl immer niedrigere Spiralen auswihlen mufte, so da schlieflich eine ver- flachte Schale geziichtet wurde. Diese Verflachung mubBte das Einziehen des Tieres in die Schale erschweren und diese Schutz- einrichtung schlieBlich ganz verunméglichen. Deswegen hat sich das Operculum zuriickgebildet und wir finden Schutzeinrichtungen anderer Art. Das Tier kann sehr fest am Gestein seiner Um- gebung haften, weil die Fufsohle im Laufe von Generationen in die Breite gewachsen ist und sich zu einem Adhasionsorgan ent- wickelt hat; iiber ihr breitet sich die flache dachabnliche Schale aus, die fast das ganze Tier decken kann. Schon bei dem ,,Prostreptoneur“ war der linke Schalenmuskel wahrscheinlich kleiner als der rechte, weil der erstere den Lauf des respiratorischen Wasserstromes zum wichtigeren Ctenidium verhinderte. Deswegen hat sich die Spirale eher auf ihre linke als auf ihre rechte Seite niedergelegt, und diese Verflachung hat die weitere Reduktion des linken Schalenmuskels verursacht. Bei der Verflachung ist die duBerliche Asymmetrie natiirlich viel gréfker geworden. Die Fischer der Kanalinseln bemerken, da’, wenn in einem Jahre die Tintenfische (Octopus) haufig zu finden sind, Haliotis verhaltnismafig selten ist. Man hat auch Octopus beobachtet, wie Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 257 er Haliotis angriff, so da’ wir ihn als einen Feind dieser Schnecke betrachten miissen, obgleich sie nicht seine beliebteste Beute ist. Auch die Seesterne greifen Haliotis an. Wenn das Tier von Wellen oder Feinden oder auf andere Weise gestért wird, fait es mit der breiten Fufsohle, die sich auf dem Gestein ausbreiten kann, sogleich auSerordentlich festen Halt. Fortwahrend wird von den Driisenzellen der Sohle Schleim ab- gesondert. Um sich noch weiter zu schiitzen, zieht das Tier seinen Schalenmuskel zusammen, und dabei wird die dachformige Schale so nahe wie mdéglich an die Oberfliiche des Gesteines gebracht. Wegen der flach ausgebreiteten Form der Schale ist es bei der Zusammenziehung von Vorteil, da die Muskelfasern ziemlich senkrecht von der Schale zur Fufsohle verlaufen, weil dadurch die Kraft der Zusammenziehung direkt wirksam ist; ein weiterer Vor- teil beim Anziehen der Schale ist die symmetrische Lage der Fasern. Aus diesen Betrachtungen erklairt sich die Hypertrophie des schon vorher gréSeren rechten Schalenmuskels und seine Ver- lagerung vom Rande bis zum Zentrum des Tieres. Die Haupt- fasern sind mit dem einen Ende an der Innenflaiche der Schale befestigt, das andere Ende befindet sich unmittelbar oder fast unmittelbar unter dem Epithel der Fulisohle, die sich fest gegen die Felsenoberflache anlegt. Wegen der zentralen Lage des grofen Schalenmuskels und seiner grofen Insertionsflache verlaufen viele Fasern ziemlich senkrecht zwischen der Schale und der Fufsohle. Weil das Tier gewéhnlich auf der Unterseite der Gesteine kriecht, wirkt sein Gewicht der Adhiasion entgegen, und auch deswegen ist ein zentraler Schalenmuskel von Vorteil, weil das Kraftzentrum der Adhasion sich in der Nahe des Schwerpunktes befindet. Bei der Zusammenziehung verktirzt das Tier zunachst die Muskeln des Mantelrandes und des Epipodiums, wodurch es fast den ganzen K6rper unter den Schutz der Schale bringt. Die einzigen Koérperteile, die noch ungeschiitzt bleiben, sind die starken warzenahnlichen Fortsatze des Epipodiums. Die Farbung des Tieres erklirt sich zum Teil als Schutz- einrichtung gegen Feinde, wie die Tintenfische (Octopus), die sich bei der Jagd hauptsichlich durch den Gesichtssinn leiten lassen. Zum Teil mag das Pigment der Kérperwand vielleicht durch direkte Wirkung des Lichtes auf die Haut entstanden sein. Es ist auch méglich, da8 die Fairbung der Haut ferner als Schutz der unterliegenden Blutlakunen gegen Lichtstrahlen dient, jedenfalls 258 Herbert J. Fleure, hat das Pigment bei Landtieren und Menschen sehr oft diesen Zweck. Wenn diese Vermutung wohlbegriindet wire, wiirden sich die Pigmentstreifen an den Tentakeln, auf der ventralen Oberflache des Mantels u. s. w. vielleicht dadurch erkliren lassen. Es ist auch bemerkenswert, da Haliotis sich gewéhnlich in dunklen Winkeln versteckt. Das so haufige Vorkommen von Fiihlern und anderen Sinnes- organen um den ganzen Schalenrand herum erklart sich als Schutzvorrichtung unter den speziellen Lebensbedingungen des Tieres, das in eng begrenzten Raiumen bleibt, wo Meeralgen, Ge- steine u. s. w. den Weg haufig versperren. Obgleich das Tier in so mannigfaltiger Weise Eindriicke seiner unmittelbaren Umgebung aufnehmen kann, fallt es hier und da vom Gesteine ab, wenn es an dessen unregelmafiger, mit Hinder- nissen versehener Oberfliiche umherkriecht. Weil die Schale der schwerste Teil des Kérpers ist, wird sie beim Fall nach unten zu liegen kommen, dann ist das Tier den Wellen und seinen Feinden preisgegeben und die Gefahr wird noch erhéht, weil die blof- gelegte Fufsohle gelb ist und darum von der Umgebung scharf absticht. Daher hat zweifellos die natiirliche Zuchtwahl dahin gewirkt, da8 bei dieser Gelegenheit das Verhalten des ‘Lieres die Gefahr méglichst vermindert. Zu diesem Zwecke biegen sich die lateralen Rainder der FuB- sohle gegeneinander (Fig. 3), wodurch die so auffallende gelbe Oberflache der letzteren zum Teil verdeckt wird. Dadurch wird die FuBsohle schmaler und die Fasern, die der Langsachse des Tieres mehr oder weniger parallel verlaufen, werden sich deshalb in der Langsrichtung freier ausstrecken kénnen. Zunachst verlaingert sich der Schwanzfortsatz des Fufes, und mit demselben sucht das Tier eine passende Stelle am Boden, fest und glatt genug, um beim Umwenden als Stiitzpunkt zu dienen. Hierbei leisten die Fiihler der Hinterenden des Epipodiums gute Dienste, und vielleicht auch das Sinnesepithel der Oberseite des Schwanzfortsatzes. Sobald das Tier eine passende Stelle gefunden hat, fabt die Spitze der Sohle des Schwanzfortsatzes (Fig. 3) festen Halt und die Muskelfasern, die von dieser Spitze bis zur Ansatzstelle des Schalenmuskels gegen die $chale verlaufen, verkiirzen sich und ziehen dadurch den Korper des Tieres etwas naiher an den Stiitz-_ punkt. ~ Auf diese Weise wird die Beriihrung des Bodens fiir einen Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 259 weiteren Teil der FuSsohle erméglicht. Dieser Prozef wird wieder- holt, bis die Kraft des Zusammenziehens geniigt, um die Schale (und den Kérper) vom Boden aufzaheben, und nachher treten immer gréfere Teile der Sohle mit dem Boden in Beriihrung. So erhalt die Schale allmahlich eine aufrechte Lage und kommt schlieSlich wieder tiber den K6rper zu liegen. Dann fallt natiir- * lich das Tier mit der Sohle nach unten und kann wieder auf dem Boden kriechen. Kine méglichst grofe Bewegungsfreiheit des Schwanzfortsatzes ist bei diesem Verfahren sehr vorteilhaft und wird durch die zentrale Lage des Schalenmuskels gesichert. Paarige Muskeln auf den Seiten kinnten so mannigfaltige Bewegungen nicht erméglichen. Die Méglichkeit des Eintretens von Fremdkérpern in die Branchialhéhle bildet bei der Lebensweise des Tieres eine be- sondere Gefahr. Auch wird der Respirationsprozef oft durch triibes Wasser gehemmt, weil das Tier immer nahe am Boden bleibt. Um die nur zeitweise eintretenden giinstigen Bedingungen még- . lichst vollstandig auszunutzen, haben sich die Ktenidien bedeutend verlangert, wahrend sich die Branchialhéhle gleichzeitig vertieft hat; das Osphradium ist auch, nach den Angaben BeRNarps (2), héher entwickelt als bei den anderen Diotocardiern. Das Vorhandensein eines Schlitzes, und besonders eines so langen Schlitzes wie er fiir den Austritt des Wasserstromes aus einer so tiefen Branchialhéhle nétig wire, wiirde aber die Gefahr des Eintretens von Fremdkérpern erhéhen, weshalb die natiirliche Zuchtwahl Formen geziichtet hat, die mehr und mehr die Tendenz zur Umwandlung des Schlitzes in eine Serie kleiner Locher zeigten. Die Entstehung dieser immer zunehmenden Serie von Léchern verlangte in der schalenbildenden Zone des Mantels eine periodische Aenderung der sekretorischen Tiatigkeit, und die Erklarung einer solchen Periodizitét bietet Schwierigkeiten. Es ist selbstverstindlich, da8 der Schlitz sich am Rande schliefen und sich auf diese Weise in ein Loch umwandeln konnte. Mit dem weiteren Wachstum des Schalenrandes wurde das Loch spiter ziemlich weit vom Rand entfernt; so teilte sich der Wasser- strom und flof8 teilweise durch das Loch, teilweise am Rande nach aufen. Der am Rande austretende Strom mute das Wachstum der Schale an seinem Austrittspunkte verhindern, weshalb sich ein neuer Schlitz entwickelte und sich spater in ein zweites Loch umwandelte. J Bei Haliotis aber sind die Verhaltnisse weiter differenziert. © 260 Herbert J. Fleure, Es gibt 6 (5—7) offene Locher und der Austritt des respira- torischen Wasserstromes findet hauptsichlich durch das zweit-, dritt- und viertilteste statt.. Die zwei jiingsten kommen bei dieser Funktion weniger in Betracht, durch diese letzteren treten aber zwei der Schlitztentakel des Mantels hervor (Fig. 1 u. 4). Wegen des Wachstums des Schalenrandes muf jeder Tentakel sich pe- riodisch von seinem Loch trennen und mit dem nachst jiingeren ° in Verbindung treten. Vermutlich ist es auf diese Weise zu stande gekommen, dafi ein Schlitztentakel periodisch am Rande -hervor- trat und das Wachstum der Schale verhinderte, so daf ein neuer Schlitz (spéter ein neues Loch) sich bildete. Beim Tiere aber sehen wir, daf das neue Loch schon fast fertig gebildet ist, bevor sich der Tentakel vom alten Loch trennt, und diese Tatsache erméglicht die weitere Vermutung, daf mit der Zeit schon die Anstrengung des Tentakels, wenn er wegen des Wachstums der Schale nur noch mit Schwierigkeit durch das alte Loch hervor- treten kann, als Reizmittel zur Bildung eines neuen Schlitzes dient. Ohne weitere Kenntnisse, besonders der Embryologie, ware es nicht angezeigt, weiter in die Entwickelungsgeschichte dieser Serie von Léchern einzugehen. Die Umwandlung des Schlitzes in eine Reihe von Loéchern hat die Gefahr des Eintretens von Fremdkérpern in die Branchial- héhle bedeutend vermindert, doch bleibt es nach wie vor von Vorteil fiir das Tier, die Branchialhéhle vollstaéndig schlieken zu kénnen, wenn, durch das Osphradium oder, durch die zahlreichen anderen Sinnesorgane, Eindriicke aus der Umgebung erhalten werden, die Gefahr anzeigen. Die muskulésen Rander des Mantels an den Seiten des Schlitzes kénnen sich fest aneinander legen, um den Eintritt von oben zu versperren. Dann muf nur noch die grofe vordere Oeffinung der Branchialhéhle geschlossen werden. Da der kleine linke Schalenmuskel in der linken Wandung des vorderen Teiles der Branchialhéhle von der Schale bis zum Fue verliuft, wird die Verkiirzung desselben die Oeffnung ver- kleinern. Auf der dorsalen Seite der Oeffnung zieht sich der ver- dickte Mantelrand zusammen und die Falten, die dadurch ent- stehen, schlieBen den Weg teilweise ab. Auf der ventralen Seite der Oeffnung ist das Epipodium sehr stark entwickelt, und beim Zusammenziehen entstehen Falten, wie beim Zusammenziehen des Mantelrandes. Diese Falten helfen die Oeffnung vollstandig ab- schliefen. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 261 Zum Schlusse sei wiederholt, daf die Verflachung des Tieres die ungiinstige Einwirkung des Wellenschlages vermindert hat. Die Ausbreitung der Fufsohle hat die Adhisionsflache und damit die Adhasionskraft zu gleicher Zeit vergréfert, wir finden aber die volistindig ovale Form des Fufes der Docoglossen nicht, weil, im Gegensatz zu den Docoglossen, das Kriechen fiir Haliotis in erster Linie wichtig ist, wahrend sich bei den Docoglossen eine andere Schutzvorrichtung entwickelt hat. Ul. Der Darmkanal. Der Bequemlichkeit halber habe ich meine Beschreibung in 4 Hauptabschnitte eingeteilt: A. Beschreibung des Mundes und des Munddarmes. Die hintere Grenze des Munddarmes setze ich, mit WEGMANN, ganz willkiirlich an die Stelle, wo die dorsale und die ventrale Klappe in den Hohlraum des Darmes vorspringen. Hierbei kommen auch die Buccaldriisen, die Buccaltaschen und der Zungenapparat in Betracht. B. Beschreibung des Schlundes oder Oesophagus, der von der soeben erwahnten Grenze bis in die Nahe der rechten Hinterecke der Eingeweidemasse verlauft. Dort biegt der Darm sehr scharf um und dann andert sich der Charakter der Darmwand. Diesen Punkt nehme ich willkiirlich an als die Grenze zwischen Oeso- phagus und Magen, obgleich WEGMANN (38) den letzteren Teil des hier genannten Oesophagus als Magen betrachtet und Hanuemr (16) die Region vor und nach der Umbiegung. C. Beschreibung des Magens, der von rechts nach links im hintersten Teile der EKingeweidemasse verliuft. Die Beschreibung der grofen sogen. Verdauungsdriise und des spiraligen Coecums gehért auch hierher. D. Beschreibung des Diinndarmes und seiner Endregion, des Enddarmes. A. Mund und Munddarm. Die Schnauze ist von einem Epithel ausgekleidet, das dem- jenigen an den Seiten des Fu es (s. 0. 1. Kap.) sehr ahnlich ist und ist mit ganz dhnlichen Hautwarzen versehen (Fig. 9). In der Kérperwand unter diesem Epithel befinden sich hauptsachlich: 262 Herbert J. Fleure, a) ein Sphinktermuskel, der aus Ringfasern besteht; b) mehr oder weniger radiale Fasern, besonders solche, die sich bis in die zahlreichen Papillen der Lippen erstrecken. Das Epithel der Lippen und ihrer Papillen enthalt zahlreiche hohe Sinneszellen, zwischen denen sich auch Driisenzellen und Stiitzzellen befinden. Letztere kommen natiirlich besonders in den Rinnen zwischen den Papillen vor, und hier sind die Zellen pig- mentiert. Dieses Epithel sondert eine deutliche Cuticula ab (Fig. 25a). Innerhalb des Mundes finden wir folgende Ein- und Aus- buchtungen der Darmwand, die mit derselben beschrieben werden miissen : . 1) Das dorsolaterale Epithel auf jeder Seite springt nach vorn und unten vor (Fig. 15 u. 18) und der vorspringende Teil sondert eine sehr dicke Cuticulabildung ab, die den Kiefer darstellt. 2) Das Gewebe unter der ventralen Wand des Rohres hat sich differenziert zur Bildung des Stiitzbestandteiles des Zungen- apparates, der, immer von Darmepithel ausgekleidet, nach vorn und oben in den Darmraum vorspringt. 3) In der ventralen Oberflache ist eine lange Ausbuchtung, die Radulascheide, deren Sekret, die Radula, in der Vorderregion auf der dorsalen Oberfliche des Stiitzbestandteiles des Zungen- apparates liegt. 4) An der dorsalen Wand sind zwei grofe Ausbuchtungen, die Buccaltaschen (Fig. 16 u. 20). 5) Gleich vor den Oeffnungen der Buccaltaschen befinden sich die Oeffnungen der Buccal- oder sogen. Speicheldriisen, die auch durch Ausbuchtung des Darmepithels entstanden sind. Innerhalb des Mundes ist das ventrolaterale Darmepithel mabig hoch, sondert aber eine auSerordentlich dicke Cuticula ab (Fig. 25b). In dieser Region hat Hatter Sinnesknospen oder ,,Geschmacks- becher*' gefunden, deren Existenz ich nicht bestatigen kann, die Cuticula ist hier tiberall dick und die Zellen sind fast alle gleich. Weiter hinein bildet das Epithel des Munddarmes, wie oben (1) erwihnt, ein Paar seitliche Wiilste, auf deren Oberflichen ein Paar Kieferplatten abgesondert werden. Hier bestatigen meine Beobach- tungen die Angaben TureLes (35). Das Epithel des vorspringenden Wulstes (Fig. 30) besteht aus sehr regelmafigen Zellen mit hellen Kernen und deutlichen Nukleolen. Die Zellen sind offenbar durch kleine Liicken voneinander getrennt. Solche Zellen bekleiden die gegen den Darmraum gekehrte Seite des Wulstes; gegen die _dorsale‘Darmwand und an der lateralen Seite des Wulstes (Fig. 18) Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis, 263 hért diese Spezialisierung auf. Das nicht so spezialisierte benach- barte Epithel sondert eine gewéhnliche, aber dicke Cuticula ab, die mehr oder weniger iiber die eigentliche Kiefersubstanz hinaus- ragt (Fig. 18). Das spezialisierte Epithel sondert Stibchen ab. Ein Staibchen, das gerade an der posterodorsalen Grenze dieses Epithels abgesondert wird, wird mit dem Wachstum nach vorn und unten geschoben. Auf diese Weise kommt seine Basis mit anderen Zellen dieses Epithels in Kontakt und erhalt von diesen letzteren eine weitere Absonderung, u.s.w. Diese kontinuierlichen Absonderungen verlangern die Stabchen, die zuerst unter der so- eben erwaihnten gewodhnlichen Cuticula liegen, spiter aber gegen den Rand des Kiefers frei vortreten und dann dunkelbraun sind. Vermutlich hat die Cuticula urspriinglich den ganzen Kiefer aus- gekleidet. In diesem Falle ware der Kiefer wahrscheinlich durch eine weitere Spezialisierung einer Cuticula entstanden, welche der- jenigen der ventrolateralen Wand (Fig. 25b) ahnlich war. In dem tieferen Teil der letzteren ist die abgesonderte Cuticula jeder Zelle von derjenigen der benachbarten Zelle abgegrenzt. Bei der Kieferplatte hat die besondere Entwickelung dieser begrenzten Stiicke (die Staébchen) das Abbrechen der auferlichen Cuticula- schicht gegen die Spitze verursacht, oder vielleicht ist die Cuticula der Kieferspitze durch den Gebrauch abgerieben worden. Das Epithel des Spaltraumes zwischen dem Kieferwulste und der eigent- lichen Darmwand ist sehr niedrig, am Hinterende des Raumes aber ist es gefaltet und etwas driisig, wie HALLER beschrieben hat, nur ist er zu weit gegangen, wenn er von einer besonderen Driise sprach. Der Zungenapparat springt nach vorn und oben in den Darm- raum vor. Er besteht aus dem modifizierten Epithel (Radula- scheide u. s. w.) der Darmwand, der Radula und dem _ unter- liegenden Gewebe (Stiitzbestandteil). Unter der Spitze des Apparates bleibt ein kleiner Sack, dessen obere Wand Spezialisierung zeigt. Im einfachsten Falle sollte sich die obere Wand des Sackes an ihrem Vorderrand umbiegen und in den Boden des eigentlichen Munddarmes oder, in der Median- region, in das Epithel des Zungenapparates tibergehen. In der Tat aber finden wir kompliziertere Verhaltnisse. In der Medianlinie befindet sich eine Ausbuchtung, der Sub- radularhécker (Fig. 14 u. 18). Meine Beobachtungen tiber diese Bildung stimmen mit den Angaben WercGmanns nicht tberein Er sagt: 264 Herbert J. Fleure, La membrane élastique est trés lisse, sauf au sommet, ou il se développe une partie cornée rugueuse parcourue par des bourrelets transversaux, peu élevés, mais durs et résistants, qui constituent une sorte de rape. Cette portion est jaune, et quand le bulbe est retiré, elle s’oppose juste aux machoires supérieures, On peut done considérer cette formation cornée comme une machoire inférieure impaire.‘ In meinen Schnitten (Fig. 29) ist die Cuticula des Hécker- epithels bedeutend diinner als diejenige (Fig. 25a) der gegentiber- liegenden Darmwand. Das Epithel ist in Querfalten gelegt und besteht aus Stiitzzellen, zwischen denen Driisenzellen und vielleicht auch einige Sinneszellen vorkommen. Auf jeder Seite des Héckers streckt sich nach oben ein offenbar sehr variabler Fortsatz, der sich dicht an den Rand und an die aufere Oberfliche des ventralen Teiles des Kiefers anlegen kann (s. die punktierten Linien Fig. 18). Beim Zuriickziehen des Zungenapparats treten die Rander der Kiefer zusammen, um die abgeschabten Stiicke in den Munddarm zu fiihren, und diese Verbindung zwischen Zungenapparat und Kieferrand sichert wahrscheinlich die Wirksamkeit des Vorganges. Sonst ist das Epithel, da8 den Zungenapparat bedeckt, dem- jenigen ahnlich, das den Kiefer absondert. Es sondert selbst eine dicke Cuticula ab, auf welche sich der ausgewachsene Teil der Radula ausbreitet. Diese Cuticula hat man ,,Basalmembran der Radula* genannt. Die Radulascheide stellt eine Ausbuchtung der ventralen Mund- darmwand dar, die sich vom Darm durch die Einbuchtung der ventrolateralen Wande der letzteren abschlieSt (Fig. 19 und 20). Das Vorderende der Radulascheide streckt sich deshalb bis an die lateralen Wainde des Munddarms, d. h. es bedeckt die ganze Breite des Zungenapparats (Fig. 19 und 20) und besteht aus einem medianen und einem Paar seitlicher Teile. Letztere kénnten ,Raduladivertikel* genannt werden und sind von gewéhnlichem niedrigem Epithel ausgekleidet. Die seitlichen Einbuchtungen treffen sich in der Medianlinie und ihre verwachsenen Enden biegen sich ventralwirts, so dal die nun geschlossene Radulascheide im Querschnitt eine fast zwei- kammerige Form annimmt. An der medioyentralen Linie des Querschnittes finden wir die Anlage des Rhachiszahnes, die Anlagen der Lateral- und Marginal- zahne entwickeln sich auf den Seitenwinden der Scheide, so da die Zahne, die sich im ausgewachsenen Zustande zu duferst be- Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 265 finden, gegen die dorsale Seite der Scheide liegen. Die Spitze der Radulascheide ist gegabelt. Der Rhachiszahn (Fig 24a) ist sehr einfach gebildet und besitzt nur ein laterales Zihnchen. Der erste Lateralzahn (Fig. 246) ist nicht stark, und auch der zweite, obgleich er (Fig. 24c) machtiger ist und bei weitem nicht so stark, wie die drei folgenden Glieder der Reihe (Fig. 24d—f), die zu oberst auf den Randern der Lingsrinne des Zungenapparats (s. u.) liegen. Mit dem sechsten Zahne fingt auf jeder Seite die Serie der Marginalziihne an, auf deren eingekriimmten Randern sich lateral- warts allmahlich Zaihnchen entwickeln, bis auf 5 Paar Spitzen pro Zahn; die alleriufersten Zihne besitzen keine Zahnchen. Vom sechsten Zahne an nehmen die Marginalzihne an Breite ab. Man sieht auf den ersten Blick, daf die Radula von Haliotis viel mehr spezialisiert ist als die von Pleurotomaria, obgleich die Borstenbiindel der Zihne des letzteren Tieres bei Haliotis nicht vorhanden sind. Mit dieser kurzen Beschreibung der Radula werde ich mich begniigen, weil ihre Merkmale schon oft beschrieben worden sind. Die schon langst bekannte Bildung der Zahne braucht auch nur kurz erértert zu werden. Der Querschnitt der Radulascheide zeigt uns (a) die Aufen- wand, (b) das Gewebe der erwahnten Einbuchtung der dorsalen Wand, das den freien Raum ausfiillt, und (c) die Zahnanlagen zwischen (a) und (b). Das Epithel der AuSenwand sendert eine Cuticula ab, deren Stiickchen die Zahnanlagen darstellen. Das Epithel, das die dorsale Einbuchtung auskleidet, fiillt die Zwischenraume zwischen diesen Anlagen aus und sondert Cuti- cularschichten ab, welche die Anlagen allmahlich verdicken. Das Vorriicken der Zaihne wird durch das Wachstum verursacht, wo- bei die Zihne immer weiter nach vorn gelagerten Zellen gegen- iiber zu liegen kommen und neue Cuticularschichten erhalten. Auf der Oberseite (Epithel der Einbuchtung) bilden die neuen Schichten die Form des Zahnes aus, auf der Unterseite bilden sie zuerst die Anlagen und dann die Basalmembran der Radula. Die Zellen, besonders die des Epithels der Einbuchtung, sind in ihrer Gréfe sehr verschieden, je nachdem sie z. B. gegenitiber einer Zahnspitze oder zwischen zwei Zihnen liegen. Sie sind gewodhn- lich cylindrisch mit mehr oder weniger median gelagerten Kernen. Der Stiitzbestandteil des Apparats zeigt eine V-Form, d. h. seine dorsale Oberflache besitzt eine Liingsrinne, auf deren Seiten der ausgewachsene Teil der Radula liegt. Dieser Teil des Apparats besteht aus Skelettbildungen und Muskulatur. 266 Herbert J. Fleure, Erstere sind zweierlei Art — Knorpelstiicke und derbe Stiicke oder Schichten von Bindegewebe. Das schon gut bekannte Knorpel- gewebe besteht aus kleinen viereckigen Gruppen von 2—4 Zellen, mit einer Schicht Knorpelsubstanz um die Zellgruppe herum. Die andere Art von Skelettgewebe gleicht dem Gewebe, das unter den Epithelfalten des Darmes vorkommt; es besteht aus multipolaren oder ziemlich einfachen Bindegewebezellen und einer offenbar strukturlosen gallertaéhnlichen Grundsubstanz. Es finden sich ein Paar starker, langgestreckter Hauptknorpel und ein Paar kleinerer hinterer Nebenknorpel, die das Hinterende der Hauptknorpel umhiillen und mit denselben in dieser Gegend durch ihre zusammengewachsenen auferen Schichten fest ver- bunden sind. Im aéu8eren Teil sind die Zellen in Schichten statt in viereckigen Paketen gelagert. Die Hauptmasse des Hinter- knorpels befindet sich an der Seite des Hauptknorpels und nicht hinter dem letzteren. Im Querschnitt stellen die Hauptknorpel eine V-Form dar. Am ventralen Rande, d. h. an der Spitze des ,V“ und gegen das Hinterende sind diese Knorpelstiicke durch ein Band von Knorpel- substanz verbunden (Fig. 14). Das Skelettgewebe mit gallertihnlicher Grundsubstanz zeigt die Tendenz, sich im allgemeinen unter dem den Apparat aus- kleidenden Epithel zu entwickeln. Es befindet sich hauptsachlich: a) An der Spitze des erwihnten ,V“, wo sich die Haupt- knorpel beritihren, b) hinter jener Stelle, wo sich der Munddarm von der Radula- scheide abtrennt, c) an den Seiten des Munddarms in der vorderen Region, und in der Gegend des Kiefers, d) unter dem Epithel in der Gegend des Subradularhéckers, e) besondere getrennte Verdickungen der letzt erwahnten Gewebeschicht stellen ein Paar Skeletteile dar, die unmittelbar unter dem Muskel (13) liegen (Fig. 18 und 19). Diese, meines Wissens noch nicht bekannten, Stiicke haben ein besonderes mor- phologisches Interesse, weil ihre Lage und Verhaltnisse denen der ,cartilages lateraux inférieurs“ (AMAUDRUT, 1) von Patella ent- sprechen. Die Muskeln, welche die Zunge bewegen (Fig. 14) teile ich der Bequemlichkeit halber in 4 Gruppen ein: Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 267 a) Die Muskeln, welche die Zungenknorpel und Kérperwand verbinden, b) die Muskeln, welche das eine Ende gegen die Basal- membran der Radula ansetzen, c) die mit b verwandten Muskeln, welche durch die erwaihnten Bindegewebsschichten verlaufen oder sich an die derben Stiicke anheften, d) die Muskeln, die zwischen den verschiedenen Knorpeln verlaufen. a) In der ersten Gruppe befinden sich: 1) Die Protraktormuskeln, die vom ventralen und ventro- lateralen Vorderrand der Hinterknorpel bis zur ventralen und ventrolateralen Lippenregion verlaufen. 2) Muskeln, welche die Seiten der Hauptknorpel mit der ventrolateralen Kopfwand verbinden. Diese Muskeln liegen ziem- lich weit vorn. 3) Ein unpaarer Muskel, der vom Hinterende des Stiitz- apparates nach hinten bis zur grofen Muskelmasse (Fub- und Schalenmuskel) verlauft. Verkiirzung von 1) zieht die Zunge vorwarts (Vorstiilpen des Zungenapparates). Beim vorgestiilpten Zustande der Zunge sind die Muskeln 2) und besonders 3) straff gespannt, weshaib ihre Verkiirzung den Apparat wieder zuriickzieht. b) Unter der zweiten Gruppe sind: 4) Kin Paar Muskeln, die sich nahe an der Medianlinie auf der ventralen Seite befinden. Die Vorderenden dieser Muskeln haben ihre Ansatzstelle gegen die innere Oberflaiche des Subradular- héckers, und am Hinterende verlieren sich die Fasern in dem Gewebe, das die pleuropedale Nervenmasse bedeckt. 5) Ein Paar Muskeln, die sich vorn mit der inneren Oberflache des Subradularhickers, seitlich von 4), verbinden und am Hinter- ende sich an den ventralen Vorderrand der Hinterknorpel, ansetzen. 6) Ein ganz diinnes Band, das von der Unterseite der Radula- scheide nach vorn in der Medianebene frei verlauft. Auf dem Wege teilt es sich und die zwei Teile heften sich, einer auf jeder Seite, zwischen den Ansatzstellen von 4) und 5), an die innere Oberflache des Héckers an. Dieses Band hat AMAUDRUT zuerst beschrieben. 7) Viele Muskelfasern, die sich an den Seiten des Apparates an die Basalmembran anheften und bis zu den lateralen Randern der Knorpel verlaufen. Bd, XXXIX. N. F. XXXII. 18 268 Herbert J. Fleure, 8) Ein Paar Muskeln, die in der Rinne des V verlaufen. Die Hinterenden dieser Fasern beften sich an die inneren Oberflachen der Hinterknorpel an, die Vorderenden breiten sich gegen die Unterseite der Basalmembran des freiliegenden Teiles der Radula aus und heften sich an diese Membran an. 9) Fasern, die mit 2) verlaufen, aber sich an die Seiten des Héckers statt an die Seiten der Hauptknorpel anheften. Ueber die Funktion dieser Muskeln la8t sich folgendes vermuten. 4) erhilt die Spannung der Basalmembran (und Radula) in der Liangsrichtung, besonders beim vorgestiilpten Zustande des Apparates aufrecht. 5) ist auch dabei beteiligt, mu aber haupt- sachlich beim zuriickgezogenen Zustande des Apparates in Funktion treten. Im letzteren Zustande sind die Fasern 4) etwas schlaff, weil das Hinterende ziemlich fest an derselben Stelle bleibt, wihrend das Vorderende sich mit dem Apparat nach hinten bewegt. 4) 5) und 6) zusammen beherrschen die Bewegungen des Hockers. 7) erhalt die Spannung der Basalmembran in der Querrichtung und 8) den Kontakt dieser Membran mit dem unterliegenden Stiitz- apparat aufrecht. 9) funktioniert in Beziehung auf die vorderste Region der Membran wie 7) auf den tibrigen Teil der Membran. c) In der 3. Gruppe befinden sich: 10) Muskelfasern, die sich an den ventrolateralen Binde- gewebsstiicken anheften und in der Querrichtung verlaufen, d. h. die zwei Stiicke miteinander, mit dem dorsolateralen Epithel des Apparates und vielleicht auch mit dem Hécker verbinden. 11) Muskelfasern, die in das Bindegewebe der Trennungs- linie zwischen Munddarmraum und Radulascheide ausstrahlen, und sich am Hinterende hauptsichlich mit der Radulascheide verbinden, 10) vermittelt offenbar die Regulierung des Unterteiles der Basal- membran und 11) reguliert die Kommunikation zwischen Darm- raum und Radulascheide. 10) scheint weniger entwickelt und differenziert zu sein als bei Patella und es laft sich fragen, ob die Bindegewebsstiicke und Muskeln Anlagen der weiter ent- wickelten Einrichtungen von Patella darstellen. d) Die 4. Gruppe von Muskeln besteht aus: 12) Muskelfasern, welche die Haupt- und Hinterknorpel ver- binden. Sie setzen sich gegen die Hauptknorpel, besonders an den lateralen Randern und einem Paar Hocker auf ihrer ven- tralen Oberflache an. 13) Muskelfasern, welche die Hautknorpel auf ihrer ventralen Seite verbinden. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 269 12) reguliert die Verhaltnisse zwischen Haupt- und Hinter- knorpeln und 13) vermittelt die innige Beriihrung der ventralen Rander der Hauptknorpel. Verkiirzung von 13) 6ffnet wahr- scheinlich die V-Rinne in der dorsalen Oberfliche des Apparates. Im Kapitel tiber das Blutgefi®system wird erwihnt, da8 die Radulascheide innerhalb der Héhlung der Aorta liegt. Einige der unregelmafigen Fasern der Aortawand verlaufen frei nach der Wand der Radulascheide. Obige Beschreibung bestitigt in den meisten Punkten die Angaben AmaAupruts (1). Der spezialisierte Zweck seiner Arbeit macht es aber hier und da schwierig, seine Angaben iiber ein einzelnes Tier zusammenzufassen. Die oben erwahnten derben Stiicke Bindegewebe (p. 266) hat er nicht gesehen. Haliotis frift hauptsaichlich die Diatomeen und Meeralgen seiner Umgebung. Beim Fressen legt das Tier seine papillésen Lippen an die Oberflache der Alge an, wenn letztere durch- sichtig ist, kann man den Vorgang genauer beobachten (Fig. 12). Zuerst strecken sich die Papillen der Lippen an den beiden Seiten aus, wodurch die Mundéffnung in der Richtung der Querachse am breitesten wird, so wie der Mund der Docoglossen im normalen Zustande. Dieser Kontrast zwischen den beiden Gruppen 1aBt sich bei weiterer Beobachtung aus der Lebensweise erklaren. Wegen des festen Haltes ist es ein Vorteil fiir Haliotis, wenn im zu- sammengezogenem Zustande die FuSsohle (Adhasionsorgan) eine ovale Form annimmt. Deswegen miissen sich die vorderen Lappen der FuBsohle, die dem Schutz der Schnauze dienen, an den Seiten der Schnauze nach vorn ausstrecken, um die letztere vollstandig zu umbhiillen und das Oval zu vervollstandigen; diese Lappen aber kénnen nicht sehr breit sein, weshalb die Schnauze, der Wirksamkeit halber, méglichst eng sein muf. Der breite Mund der Docoglossen dagegen ist bei der ganz anderen Schutz- einrichtung dieser Tiere kein Nachteil, und erméglicht das Ab- reifen der Diatomeen, Meeralgen u. s. w. von einer gréSeren Oberfliiche. Nach dem Ausstrecken der Lippenpapillen sieht man sehr deutlich mehr oder weniger konzentrische Reihen von weif- lichen Papillen mit dazwischen verlaufenden dunkel pigmentierten Rinnen (Fig. 12). Zunachst zieht sich der zentrale, d. h. innere Teil der Lippen von der Algenoberfliche weg, worauf man inner- halb des Randes die zwei seitlichen Kieferplatten sieht, die sich sogleich voneinander abheben, um das Vorstiilpen des Zungen- 18* 270 Herbert J. Fleure, apparates zu erméglichen. Die Spitze des Apparates beriihrt beim Vorstiilpen die Alge, und wenn das Tier auf dem Punkt ist, das Organ zuriickzuziehen, wird von der Radula ein kleines Stiick der Alge abgeschabt. Dann wird der Apparat weiter zuriickgezogen, bis er innerhalb der Lippen verschwindet und die zentralen Pa- pillen derselben mit der Alge wieder in Beriihrung kommen, um den Bissen in den Darm zu beférdern. Es ist bemerkenswert, da die auferen Papillen der Lippen sich beim Fra fortwahrend gegen die Alge anlegen, so daf die abgeschabten Sticke nicht entwischen kénnen. Gleich unter der Spitze des Apparates befindet sich der Subradularhécker (Fig. 14), der, wie THIELE vermutet, mit der Radula zusammen die Stiicke ins Innere zu beférdern hilft. Die borstigen hervortretenden Rainder der Kiefer helfen wahrscheinlich auch mit. Gehen wir jetzt tiber zur eigentlichen Darmwand! Das Epithel in der unmittelbaren Gegend des Mundes ist oben beschrieben worden bis auf dasjenige der Kieferwiilste und des Zungenapparates. Weiter nach hinten in der dorsalen Wand treffen wir folgende Spezialisierungen: In der Medianlinie (Fig. 18—20) be- finden sich verlangerte Zellen mit langlichen Kernen (Fig. 32), diese Zellen tragen im allgemeinen Flimmerhaare, zwischen ihnen kommen aber auch Driisenzeller mit mehr rundlichen Kernen vor. An den Seiten der medianen longitudinalen Einbuchtung befinden sich ein Paar Langsrinnen (Fig. 18—20), welche zahlreiche Driisen- zellen und dazwischen liegende Stiitzzellen (Fig. 26e) besitzen. Lateralwarts von diesen Rinnen biegt sich die Darmwand nach unten (Fig. 18—20) und hier sind die Zellen denen der Medianregion ahnlich. Dann biegt sich die Wand lateralwarts und hier miindet auf jeder Seite eine Buccaldriise in den Darm ein. An den Seiten dieser Oeffnungen ist der Darmraum in der Querrichtung ziemlich ausgedehnt, und im Dach dieses lateralen Teiles sind die Zellen lang, besitzen eine unregelmafige Cuticula und lassen sich in Driisenzellen und Stiitzzellen einteilen (Fig. 26a u.b). In der Nahe der Einmiindungen der Buccaldriisen selbst sind die Driisenzellen niedriger und denen der Buccaldriisen ahnlicher (Fig. 27). Das soeben erwaihnte Band von langen Zellen (Fig. 18—20) stellt ein charakteristisches Merkmal des Munddarmes dar. An seiner Seite befindet sich eine kleine dorso-laterale Aus- buchtung (d. h. eine Rinne), deren Epithel viel niedriger, jedoch driisig ist (Fig. 19). In dieser Rinne, aber bedeutend weiter nach Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 271 hinten, findet sich das Vorderende der Oeffnung der Schlundtasche (Fig. 20). Ventralwirts nehmen die Zellen noch an Hoéhe ab und werden bald nur gewoéhnliche Zellen eines niedrigen Epithels. Hier erscheint in einer gewissen Kbene (Fig. 19 u. 20) die Einbuchtung, welche die Radulascheide und ihre Divertikel vom eigentlichen Darmraum trennt (s. oben). Die Buccaltaschen stellen ein Paar ovale Ausbuchtungen der dorsalen Darmwand dar, die durch lange schlitzfoérmige Oeffnungen in den Darmraum einmiinden. Ihr Epithel ist hoch und besteht aus Driisenzellen und Stiitzzellen. Das Vorderende der Taschen- éfinung befindet sich fast unmittelbar hinter der Oeffnung der Buccaldriise (Fig. 16). Die Buccaldriisen sind acinés gebildet, ein Ausfiihrungsgang ist aber kaum differenziert, nur gegen die Kinmiindung in den Munddarm kommen Stiitzzellen haufiger vor. Die Driisenzellen der dorsalen Munddarmwand sind sehr ver- schieden, jedoch lassen sie sich auf einen allgemeinen Typus zu- rickfiihren. Die Driisenzellen der lateralen Teile des Daches (Fig. 26) und der Buccaltaschen (Fig. 28) sind sehr verlangert, diejenigen aber der Buccaldriisen (Fig. 27) und der dorsolateralen Furchen (Fig. 26¢) bedeutend niedriger. Das Protoplasma zeigt immer eine Netzwerkstruktur und der Kern ist fast immer basal gelagert. Die auffailligen Unterschiede beziehen sich hauptsachlich auf die Empfindlichkeit des Protoplasmas und besonders des Se- kretes fiir Kernfarbstoffe. Mit Hamatoxylin farben sich z. B. das Netzwerk und ganz besonders die Sekrettropfen der Zellen der Buccaltaschen tief blau, dasjenige der Zellen der Buccaldriisen weniger und dasjenige der Dachzellen des Munddarmes noch weniger, dasjenige der laingsten Zellen am allerwenigsten. Die obere Halfte einer Driisenzelle ist sehr oft leer, wahrscheinlich weil das Sekret beim Tod der Zelle ausgepreBt wird. Der ober- flaichlichste Teil der Zellen laf%t sich mit Plasmafarbstoffen deut- lich farben, bildet aber kaum eine wirkliche Cuticula. Die ventrale Munddarmwand ist oben bis auf die Radula- scheide beschrieben worden und ist in Fig. 15 abgebildet. In der Hinterregion sind die Zellen denjenigen der gegenitiberliegenden Regionen der Dorsalwand ziemlich ahnlich, d. h. im lateralen Teil kommen viele Driisenzellen vor, die aber vorn bedeutend niedriger sind als die entsprechenden der Dorsalwand; im medianen Teile dagegen sind die Zellen hoch, regelmafig und bewimpert. Als die hintere Grenze des Munddarmes werden hier die dorsale und die ventrale Klappe betrachtet, die in der Medianregion in ungefaihr 272 Herbert J. Fleure, derselben Querebene nach hinten in den Darmraum vorspringen. Das Epithel der Klappen gleicht ungefahr demjenigen der benach- barten Munddarmwand. Nachtrag zur Beschreibung des Munddarmes. In der Vorderregion unter der Basalmembran des zu Tage tretenden Teiles der Radula zeigt das Epithel, welches die Basal- membran absondert, eine ganz kleine mediane Liangsrinne, die fiir sich allein kaum bemerkenswert ware (Fig. 31). Sie entspricht aber einer viel gréferen Ausbuchtung bei Fissurella und bei Emarginula ist diese Ausbuchtung noch bedeutend voluminéser. Ich glaube, daf Scissurella auch ein Ueberbleibsel dieser Aus- buchtung besitzt. Bei Emarginula, wo diese Bildung am besten entwickelt ist, ist ihr Epithel in Langsfaltchen gelagert und die Zellen sind lang, empfindlich fiir Haimatoxylin und mit rundlichen semibasalen Kernen versehen. Der Raum dieser Rinne enthalt immer einen undeutlichen Inhalt, der vielleicht ein Absonderungs- produkt darstellt. Unter dem ventralen Epithel im hinteren Teile befindet sich gallertahnliches Bindegewebe. Bei Fissurella ist das Epithel regelmabiger und statt des soeben erwahnten Bindegewebes finden wir weiter nach hinten wirkliche Knorpelsubstanz. Bei Haliotis ist die Rinne ganz klein und die Zellen unterscheiden sich kaum von dem benachbarten Epithel. Das gallertaéhnliche Binde- gewebe ist auch hier vorhanden, die Muskeln (s. oben) heften sich daran an. Die Funktion dieser Ausbuchtung ist problematisch. B. Der Schlund. Zwischen den oben erwahnten Klappen fangen die Seiten- winde des Darmes (Schlundes) an sich auszubuchten, um die Schlundtaschen zu bilden (Fig. 11 u. 19—23). Diese groSen Taschen erstrecken sich weit nach hinten und breiten sich gegen den zen- tralen Teil des Schlundes aus, weshalb das Ganze den Eindrack macht, als ob der Darm sehr breit ware und in seiner dorsalen und ventralen Wand grofe Langsfalten besie. Auf der dorsalen Seite ist der zentrale Teil breiter als auf der ventralen, weshalb sich in der dorsalen Wand zwei getrennte Langsfalten finden, wahrend die ventrale Wand eine gegabelte Falte zeigt. Diese Taschen bleiben ihrer ganzen Linge nach mit dem zentralen Teile des Schlundes in offener Kommunikation. Der Schlund ist, Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 273 auf dem Wege nach hinten, durch die riesige Entwickelung des groBen Schalenmuskels nach links geschoben. Die Lage der Langsfalten sollte die Wirkung der Torsion der Eingeweidemasse um 180° zeigen, wie das bei anderen primitiven Gastropoden der Fall ist. Eine starke Torsion ist stets vorhanden, jedoch erreicht sie nicht 180°, wahrscheinlich weil der Druck der Diinndarm- schlinge auf der rechten Seite des Schlundes diese Wirkung ge- stért hat. Die gegenseitigen Verhiltnisse des Schlundes und seiner Taschen u. s. w. lassen sich am besten durch Abbildungen er- klaren, weshalb ich auf Fig. 19—23 verweise. Das Schlundepithel besitzt iiberall eine braune Farbe und ist in Falten gelegt. Die Falten der Schlundtaschen verlaufen schrag, weshalb sie in mikroskopischen Praparaten in mannigfaltiger Weise geschnitten sind, sie besitzen sekundare Faltchen und _ papillen- ahnliche Bildungen. Die Zellen des Taschenepithels sind massig, aber sehr verschieden hoch, sie besitzen gewohnlich semibasal ge- lagerte Kerne, welche in den langen Zellen lang, in den niedrigen Zellen aber rundlich sind (Fig. 33b). Das ganze Epithel ist mehr oder weniger driisig und man kann nicht von einer wirklichen Cuticula sprechen. Ein auffalliger Unterschied zwischen diesen Zellen und denen der Ausbuchtungen des Munddarmes_besteht darin, daf sich letztere mit Kernfarbstoffen, erstere aber mit Plasmafarbstoffen stark farben lassen. Das Epithel des zentralen Teiles des Schlundes ist in breiteren Falten gelagert. Die Zellen, besonders auf der Hohe der Falten, sind langer als diejenigen der Taschen und lassen sich in Driisenzellen und Stiitzzellen einteilen (Fig. 33a). Wo iiberhaupt eine solche Differenzierung stattfindet, wird die Oberflache eines driisigen Epithels gew6hnlich regelmafiger als sonst, das gilt auch hier. Die Driisenzellen farben sich stark mit Kernfarbstoffen, und ihr Protoplasma in der unteren Halfte der Zelle zeigt eine Netzwerkstruktur, die obere Halfte, d. h. die Reservoirregion, ist oft leer. Dieses Epithel sondert eine deutliche Cuticula ab, Cilien aber habe ich nicht gefunden. Hinter dem Ende der Schlundtaschen geht der zentrale Teil des Schlundes in ein enges Rohr iiber. In dieser Region des Schlundes sind die Epithelfalten sehr regelmafig und folgen der Langsrichtung. Der Querschnitt des Schlundes ist oval, doch lassen Lage und Form dieses Ovals keine Riickschliisse auf die Torsion ziehen. Die Zellen dieser Region sehen denjenigen des zentralen Teiles der vorhergehenden Region ziemlich ahnlich, in diesem Falle aber ist das Epithel zweifellos bewimpert, die Zellen sind auch etwas 274 Herbert J. Fleure, enger und linger (Fig. 34). Diese enge Region geht bald in den breiten Teil des Schlundes iiber (Fig. 11), der auf der linken Seite des Tieres nach hinten bis in die hintere Eingeweidemasse verlauft und immer breiter wird. Die Falten des Epithels der vorher- gehenden Region setzen sich hier fort, werden aber enger und, im Hinterteile, weniger regelmaBig; sie héren kurz vor dem Ende des Schlundes auf. Gegen die rechte Hinterecke der Kingeweidemasse biegt der Darm sehr scharf um und an diese Stelle setze ich die Grenze zwischen Schlund und Magen. Das Epithel dieses Teiles des Schlundes ist sehr regelmabig, ziemlich hoch und von fast lauter gleichen Zellen gebildet. Das Protoplasma dieser Zellen farbt sich mit den gewdhnlichen Plasmafarbstoffen. Die Zellen sind mit rundlichen semibasalen Kernen versehen und besitzen eine ziemlich dicke, regelmafkige, durchlécherte Cuticula (Fig. 35). Die Zellen erweisen sich durch das Vorhandensein von ,,Sekrettropfen‘, die im Darmraum in ihrer Nahe liegen, entweder als Sekretzellen oder Resorptions- zellen. Da wir es aber mit einem Abschnitt des Vorderdarmes zu tun haben, wird die erste Auffassung der Tatsache wahrschein- lich entsprechen. An dieser Stelle ist noch zu bemerken, daf der Schlund von Haliotis mit dem sogenannten Kropfe der Docoglossen im weiteren Sinne homolog ist, obgleich die Taschen der vorderen Schlundregion in beiden Fallen zum Teil anders entwickelt sind, und obgleich die Langsfalten am Anfang des Schlundes bei den Docoglossen viel weiter nach hinten sich verfolgen lassen als bei Haliotis. Die Entwickelung der Schlundfalten ist bei den Docoglossen tiberhaupt viel komplizierter als bei Haliotis. C. Der Magen. Der Magen verliuft in der Hinterregion der Kingeweidemasse parallel mit dem letzten Teile des Schlundes (Fig. 11). Weil das Wachstum des Schalenmuskels die friiheren Lagerungsverhaltnisse der Organe gestiért hat, werde ich hier die eine Seitenwand des Magens ,,A‘“, die andere ,,B‘‘ nennen. Seitenwand A liegt gegen die Schlundwand und stellt die topographische Vorderwand dar, Seitenwand B dagegen die topographische Hinterwand (s. Fig. 17). Analwirts geht der Magen in den Diinndarm iiber, ein Schnitt durch diese Region ist in Fig. 39 abgebildet. An der Basis der Seitenwand A sehen wir eine zwischen zwei Epithelfaltchen Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 275 befindliche Rinne. Diese Hauptrinne des Magens verlauft mund- warts bis zur Grenze des Schlundes und analwirts bis weit in den Diinndarm. Die Zellen der Rinne sind sehr niedrig, diejenigen der Faltchen aber hoch und bewimpert. Auf dem Boden des Magens an der Seite der Rinne befindet sich ein Band hohes Epithel, das viele Driisenzellen enthalt, welche fiir Kernfarbstotfe sehr empfind- lich sind, dazu auch bewimperte Zellen (Fig. 38). Im folgenden versuche ich den Magen nach mikroskopischer und makroskopischer Untersuchung zu beschreiben, und zwar vom anal gerichteten bis zum oralen Ende fortschreitend. Dabei sehen wir (Fig. 39—42 u. Fig. 17) a) da das driisige Band auf dem Magenboden in den ersten Schnitten immer breiter wird, b) daf die Bewimperung der Darmwand mehr und mehr ab- nimmt, c) daf dem Epithel der dorsalen Wand und der Seitenwand B eine starke Cuticula zukommt, d) daf ein driisiges Band, dem schon erwahnten ahnlich, aber enger, in der Wand A an der Seite der Hauptrinne vortritt. Es bleibt nicht sehr lang erkennbar. Im dorsalen Teile der Seitenwand A miinden Leitungswege der grofen sogenannten Verdauungsdriise in den Darmraum ein (Fig. 17). Die zwei Oeffnungen (O, u.0,) hat WeGmann schon be- schrieben, HALLER aber hat diese Resultate bestritten. Neuer- dings hat THreLe (35) die Angaben WrGManns bestitigt. Am Boden des Magens erscheinen an der Seite der Haupt- rinne andere Rinnen, die immer schrig zur Hauptrinne verlaufen und das erwahnte driisige Band gegen die Seite B verschieben. Die Rinnen sind in Wirklichkeit Nebenrinnen der Hauptrinne (Fig. 17). Aehnliche Nebenrinnen entstehen auch an der Seiten- wand A und diese kommen hauptsachlich von der Oeffnung O;. Sie verlaufen unter und auf der gegen den Schlund gekehrten Seite einer groBen Einbuchtung des Epithels (Fig. 17 u. 20—21), von welcher eine Erhéhung des Epithels dorsalwarts ausgeht. Eine Rinne geht von der Oberseite dieser Einstiilpung auch nach dur Oeffnung Oz. Das Epithel dieser Rinnen ist bewimpert. Das Epithel der Seitenwand A behalt seine Bewimperung bis in die Héhe der Grenze zwischen Schlund und Magen bei. Wahrend die Rinnen des Magenbodens aufwarts (gegen den Schlund) einen immer gréSeren Teil desselben bedecken, nimmt das driisige Band jetzt an Breite ab und verschwindet schlieflich. 276 Herbert J. Fleure, Am Boden des Darmes, genau an der Stelle, wo er umbiegt, d. h. wo der Schlund in den eigentlichen Magen iibergeht, be- findet sich eine grofe Rinne, welche mit der Hauptrinne des Magens in enger Verbindung steht, welche sich aber einige Milli- meter in den Schlund fortsetzt (Fig. 17). An der Basis dieser groBen Rinne miinden die zwei Leitungswege (O,—O,) des topo- graphisch rechten Teiles der Verdauungsdriise in den Darmraum ein. Diese grofe Rinne (Rinne Y) und die jetzt verflachten Boden- rinnen lassen sich bis in das spiralige Coecum verfolgen (Fig. 40—42). Letzteres stellt eine Ausbuchtung der Darmwand dar, an der Stelle, wo der Magen sich am weitesten nach der rechten Seite des Kérpers erstreckt. Auf der Seite B der Bodenrinnen nimmt eine Einstilpung des Epithels allmahlich zu, bis sie das spiralige Coecum vom Darm- raum zum Teil abtrennt. Dadurch befinden sich nachher die Boden- rinnen und die soeben erwahnte Rinne Y in der Wand des Coecums (Fig. 17 u. 42). Cilien sind beim Epithel des spiraligen Coecums und bei dem der Darmwand in der Gegend desselben haufig vorhanden. In der Wand des Coecums sind die Zellen der grofen Rinne Y niedrig, die neben der Rinne dagegen sehr eng und hoch und mit riesigen Cilien versehen (Fig. 42). Sonst ist das Epithel des Coecums mafig hoch und zum gréften Teil bewimpert; es ist im grofen ganzen demjenigen der benachbarten Magenwand ziemlich ahnlich und hat nicht einen ausgesprochen driisigen Charakter. An der Stelle, wo der Schlund in den Magen iibergeht, ist die Seitenwand A verstiarkt und verdickt (Fig. 17 u. 41) und von ihr springt eine klappenartige Bildung in den Darm vor, die den Riicktritt der Nahrung u. s. w. vom Magen in den Schlund ver- hindern muB. Das System von Rinnen u. s. w. beweist den funktionellen Zusammenhang des Magens mit der sogenannten Verdauungsdriise. Der Inhalt des Coecums kann leicht in die Leitungswege des anderen Organes eintreten und vice versa. Dagegen verhindert die Einstiilpung des Epithels, welche das Coecum vom Darme zum Teil abtrennt, offenbar den Eintritt grober Stiicke ins Coecum, jedenfalls findet man nur selten unverdaute Nahrungsstiicke entweder im Coecum oder in den Leitungswegen der Verdauungsdriise. Die Verhaltnisse der Rinnen des Magens scheinen fir eine sekretorische Funktion der Verdauungsdriise zu sprechen, obgleich Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 277 bei héheren Gastropoden dieses Organ immer mehr als Resorptions- organ aufgefaft wird. Kine solche Auffassung bei den niederen Gastropoden 1a8t aber den langen Diinndarm ohne Erklarung und scheint auch sonst sehr fraglich. Ich habe viele Untersuchungen durchgefiihrt in der Hoffnung, irgend ein Ueberbleibsel einer Kristallstielscheide zu entdecken, weil Moore (24) eine solche Bildung fiir verschiedene Gastro- poden und fiir Nautilus beschrieben hat. Stets habe ich kleine Ausbuchtungen des Epithels gefunden, besonders eine unter dem vorspringenden Wulste der Seitenwand A, und eine im Driisen- band des Magenbodens, doch sind dies vielleicht nur unbedeutende Faltungen, von der Entwickelung des Wulstes resp. des Driisen- bandes verursacht. Der Magen von Haliotis lift sich nach vorliegender Be- schreibung sehr gut mit dem von Trochus vergleichen, der sich auf der ,,Diinndarmseite“ der U-Kurve befindet. Bei Pleurotomaria muf} man aber die beiden Seiten der U-Kurve zum Magen, jeden- falls zum Magen im histologischen Sinne, rechnen, weil eine deut- liche Grenze, durch plétzliche Verengerung des Rohres, das sich sofort wieder erweitert, auf der proximalen Seite der U-Kurve bezeichnet wird. Auch mit dem Magen von Scissurella und Fissu- rellidae stimmt derjenige von Haliotis, von Einzelheiten abgesehen, ziemlich genau tiberein. Der Magen bei den Docoglossen hat sich bedeutend verlangert und das spiralige Coecum hat sich riickge- bildet, offenbar weil hier der sehr lange Magen und Diinndarm bei der Resorption mitwirken; auch besteht fast keine Gefahr des Verlustes der verdauten Nahrung. Hier ist noch zu bemerken, daf die Cephalopoden ein spira- liges Coecum besitzen, in welches die Leitungswege der Verdauungs- driise direkt einmiinden. Bei ihnen findet sich auch eine deutliche Klappe zwischen Coecum und Darmraum. Die Leitungswege sind hier lang und eng und es ist fast undenkbar, da sie nicht Aus- fiihrungsginge eines Sekretionsorganes darstellen. Vie Gestalt und Lage der Verdauungsdriise ist wesentlich - durca die 4auBere Form des Tieres bedingt, sie unterscheidet sich z. B. auffallig von dem gleichen Organe der Cephalopoden, die gro8 und kompakt ist. Offenbar ist diese Besonderheit der Form mit der Torsion in Beziehung zu setzen. Das wahrscheinlich kompakte paarige Organ des Vorfahren ohne Torsion konnte sich nicht einfach um 180° drehen, ohne seine 278 Herbert J. Fleure, Gestalt wesentlich zu aindern. Eine acinése ,,Driise“ ist ein auSer- ordentlich plastisches Organ; sie hat sich, wahrend der Torsion und der gleichzeitigen Verengerung und Verlingerung der Ein- geweidemasse, an die Darmwand angeschmiegt. Ob, nach der Torsion, irgend eine Spur des paarigen Zustandes geblieben ist, scheint fraglich. Es wurde oben erwahnt, daf dieses Organ bei Haliotis durch vier Oeffnungen in den Darm einmiindet, von denen sich zwei (O, und O,) auf dem Darmboden an der Grenze zwischen Schlund und Magen und zwei (O; und O,) -auf der dorsalen Wand des Magens gegen die Seite A befinden. Die Oeffnungen O, und O, sind mit jenem Teile des Organes verbunden, welcher die Masse des kegelférmigen Coecums bildet und sich auf der rechten Seite des Tieres bis in das Ueberbleibsel der Spirale der Eingeweidemasse erstreckt; O; und O, mit jenem Teile, der sich bis ziemlich weit nach vorn auf der linken Seite des Schalenmuskels erstreckt. Das Organ ist jetzt paarig, aber es hat, offenbar nach der Torsion, durch die Verlagerung und Hypertrophie des grofen Schalenmuskels zweifellos seine Gestalt geaindert. Es wird sich deshalb fragen, ob der jetzige paarige Zustand dem urspriinglich paarigen entspricht oder sich wieder sekundar ausgebildet hat. Das Organ besteht aus vielfach verastelten Schliuchen, deren Aeste schlieflich in geschlossenen Spitzen enden. Die Zellen der Spitzen (Fig. 36) sind zylindrich und nur mafig hoch, besitzen mehr oder weniger basal gelagerte Kerne und fairben sich sehr stark mit Kernfarbstoffen. Die Zellen der Schliuche dagegen sind ziemlich unregelmafig und sehr hoch (Fig. 36). Der Kern liegt mehr oder weniger gegen die Zell- basis, die auch fiir Kernfarbstoffe sehr empfindlich ist. Der obere Teil der Zelle ist mit Kérnchen oder Trépfchen ausgefillt und eine Zone der Zelle gegen die freie Oberfliche farbt sich mit Plasma- farbstoffen. Die lebenden Zellen besitzen ein braungriines Pigment, werden aber auffallig griin nach Aufenthalt in der Giisonschen Fixierungsfliissigkeit. Die Hauptschliuche des Organes sind von einem mafig hohen Epithel ausgekleidet, dessen Zellen breit sind und grofe basale Kerne besitzen (Fig. 37). Der oberste Teil dieser Zellen ist mit Koérnchen ausgefiillt, die im konservierten Zustande braun sind. Eine dicke Cuticula iiberzieht das Epithel und zeigt vertikale Striche, die offenbar Leitungswegen fiir das Sekret des Epithels entsprechen. Unter dem Epithel befindet sich eine diinne Schicht Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 279 faserigen Bindegewebes und auferhalb der letzteren kommen an verschiedenen Stellen Gruppen von Plasmazellen vor (s. u. ,Binde- gewebe“ im Kapitel iiber das Blutgefafsystem). Macmunn hat die Vermutung geaufert, daS die Zellen an den Spitzen der Schlauche junge Stadien der tiitigen Zellen sind und daf sie sich rasch vermehren, um zerfallene Zellen des Schlauches zu ersetzen. D. Der Diinndarm unterscheidet sich vom Magen durch die relative Enge des Rohres. Die Hauptrinne des Magens setzt sich ohne Aenderung bis weit in den Diinndarm fort, und das gilt auch fiir das driisige Band des Magenbodens, doch verengert sich letzteres allmahlich und verschwindet schlieBlich. Analwarts steigt die Hauptrinne an derjenigen Wand aufwarts, die dem Schlund anliegt, und die Zellen der gegeniiberliegenden Wand werden etwas hoher und weniger regelmafig als vorher. Die ganze Diinndarmwand ist bewimpert. Bald verflacht sich die Hauptrinne, wahrend andere Rinnen erscheinen. Erstere verandert sich dann so, daf sie geeignet wird, den Kot in Ballen zu formen. Im Teile des Diinndarmes, der nach hinten verlauft, befindet sich in der rechten Wand eine viel schwachere Rinne, welche die Fortsetzung der Hauptrinne, darstellt und sich weiter bis gegen den After fortsetzt (Fig. 83). Im konservierten Zustande ist das Darmepithel der Aftergegend stark gefaltet. Unter den Darmfalten hier und in dem anderen Teil des Darmes ist Bindegewebe (Fig. 63) mit gallertihnlicher Grund- substanz stark entwickelt. Um dieses mehr oder weniger entwickelte Bindegewebe liegt die Ringmuskulatur des Darmes, welche in den verschiedenen Regionen verschieden stark entwickelt ist. Auferhalb des letzteren befindet sich das Gewebe des Hamocils. IV. Das Nervensystem und die Sinnesorgane. Die so beriihmte Arbeit von Lacaze-DutTuriers (17) tiber das Nervensystem von Haliotis ist in den meisten Punkten von spateren Autoren bestitigt worden, besonders von THIELE (33, 35), der seine Untersuchungen mit Schnittserien durchfiihrte. TureLe hat die 280 Herbert J. Fleure, Angaben Lacaze-Dututers hier und da verbessert und HALLER (15, 16), Pensenrer (27) und andere haben die Auffassung dieses Autors in Bezug auf die ventralen Markstrange u. s. w. kor- rigiert. Das System ist deshalb jetzt ziemlich genau bekannt und ich werde mich mit einer méglichst kurzen Zusammenfassung be- gniigen (Fig. 49). In einigen Punkten stimmen meine Resultate mit den friiheren nicht vollkommen tiberein, auch ist es mir gelungen, die Nerven in der Gegend des Visceralganglions weiter zu verfolgen, als sie bis jetzt beschrieben waren. Die Form des Schlundrings stellt fast ein Viereck dar dessen vordere Seite linger als die hintere ist und dessen lateral ge- lagerte Seiten je aus zwei einander parallel Jaufenden Konnektiven bestehen. Die Vorderseite bildet die Cerebralkommissur, deren oberer Teil fast keine Nervenzellen besitzt, dagegen sind letztere im unteren Teile derselben ziemlich haufig. Lateralwarts ver- schwindet der Unterschied zwischen oberen und unteren Teilen, und in dieser Gegend befinden sich die Nervenzellen hauptsachlich an der dorsalen Oberflaiche der Kommissur. Die cerebrale ganglidse Region, der die Vorderecken des Vier- ecks entsprechen, hat THIELE besonders ausfiihrlich beschrieben und in wesentlichen Punkten stimmen meine Resultate mit den seinigen tiberein, doch glaube ich, da er das Cerebralganglion zu scharf zu begrenzen sucht. Eine ganglidse Region ist stets vorhanden, stellt aber nur eine Anlage des Cerebralganglions héherer Gastropoden dar (Figg. 18, 49, 50, 52, 53). An den Vorderecken des Vierecks verdickt sich die Kom- missur und hier sind Nervenzellen an der auferen Oberflache be- sonders haufig. An der inneren Oberfliche tritt zuerst eine Furche und bald, weiter oben, eine zweite auf, wodurch diese Region eine teilweise Abgrenzung in 3 Abschnitten zeigt, von denen der oberste Abschnitt die Fortsetzung der Kommissur darstellt. Mit der Kommissur oder mit dem oberen Abschnitte der ver- dickten Region vereinigen sich (Fig. 50 und 53). a) jederseits 2 Nerven (Fig. 50), von denen jeder einen basalen Zweig in die vorderen Lippen abgibt. b) Ein Nerv zur Kopffalte. c) Ein Nery, der sich im Stiele des Augenfortsatzes aio und sich dann in ein gangliéses Netzwerk unter dem Sinnesepithel des Auges auflést (Fig. 50 und 53). Dieser Nerv versorgt die Muskulatur und das Sinnesepithel des Fortsatzes, wie Lacazz- Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 281 DurTaHiers schon erwaihnt hat. Ich habe die Fasern des Augen- nerven bis in den oberen Abschnitt des Schlundrings zweifellos verfolgen kénnen. d) Ein Nerv zur Kopfwand (Fig. 50). Mit dem mittleren Abschnitte der verdickten Region ver- einigen sich: a) Der Tentakelnervy. Einige Fasern vom Tentakelnery ver- binden sich aber mit dem oberen Abschnitt (Fig. 50 und 52). b) Zwei Nerven zum Vorderteile des Epipodiums (Fig. 52). Mit dem unteren Abschnitt vereinigt sich der Stammnerv oder vielmehr Markstrang der hinteren Lippe. Dieser Markstrang gibt kurz nach seinem Ursprung einen Seitenzweig ab, welcher das Konnektiv des Buccalganglions darstellt. Dieses Konnektiv tritt in die Muskulatur des Zungenapparates ein und steigt darin bis zur dorsalen Oberfliche derselben, gibt aber vorher einen diinnen Zweignerv ab, der bis ins Gewebe des Subradularhéckers verlauft. Den Markstrang oder Nervenstrang der Hinterlippe betrachte ich, mit THIELE, als eine Kommissur (Labialkommissur), weil die Strange der beiden Seiten sich vereinigen, obgleich die Verbindung diinn ist. Nervenzellen finden sich fast auf der ganzen Lange, treten aber in der Nahe des Ursprungs der Kommissur besonders hiaufig auf und bilden hier die Anlage eines Labialganglions. Etwas weiter nach hinten trennen sich die drei erwahnten Abschnitte der ganglidsen Region voneinander. Der untere Teil setzt sich ins Buccalkonnektiv und in die Labialkommissur fort. Die Fortsetzung des oberen Teiles ist das Cerebropleuralkonnektiv, die des mittleren Teiles das Cerebropedalkonnektiv; die beiden letzteren verlieren ihre Nervenzellen sehr bald, das Cerebropleural- konnektiv gibt aber vorher einen Zweignerv zur Kopfwand ab (Fig. 19). Es wurde oben erwihnt, da8 der mittlere Teil; fortgesetzt ins Cerebropedalkonnektiv, das Innervationszentrum fiir die vordere Region des Epipodiums darstellt, weshalb es nicht mdglich ist, die Innervationsverhaltnisse als Beweis gegen die Ansicht Huxtrys und PELSENEERs iiber die Homologie des Epipodiums anzuwenden. Die Verbindung des Tentakelnervs hauptsachlich mit diesem Teile der ganglidsen Region ist vielleicht ein Beweis fiir die Homo- logie des Kopftentakels mit den epipodialen Fortsatzen. Die Ver- bindung des Augennervs mit dem oberen Teile spricht gleicherweise fiir Auffassung dieses Sinnesorganes als einer eigentlichen Kopf- wandbildung. Diese Vermutungen hat schon TuteLe geaufert, 282 Herbert J. Fleure, es bleibt aber fraglich, ob solche Schliisse nicht zu weit gehen. Der Zweignerv der Labialkommissur (s. 0.) steigt an der Seite des Munddarms bis auf die dorsale Oberflaiche der Zungenmuskulatur und gibt dann einen Nerv zu dieser Muskulatur und andere kleine Nerven zur Darmwand ab. Auf der dorsalen Oberflache verdickt er sich sogleich und bildet die Anlage des Buccalganglions héherer Gastropoden. Diese paarigen Ganglienanlagen erstrecken sich nach hinten unmittelbar unter der Munddarmwand und iiber der Muskulatur des- Zungen- apparats. Ihre hinteren Enden sind durch eine Kommissur ver- bunden, die aber auch gangliés ist. Vom Vorderende jeder Ganglienanlage zweigt der groBe Darm- wandnerv ab, welcher auf die dorsale Munddarmwand steigt und Zweige zur dorsalen Klappe des Schlundes, zur Buccaldriise und zur Darmwand abgibt. Etwas weiter nach hinten zweigen ein Paar laterale Schlundnerven und noch andere kleine Nerven von dem Nervenstrang ab. Von der Kommissurregion, eher als von den Ganglienanlagen, zweigt ein ventraler Schlundnerv ab, der mit dem gleichen Nerv der anderen Seite anastomosiert. Weiter gibt die Kommissur noch 2 Paar Nerven ab, eines zum lateralen Teile der Radulascheide, das andere zum zentralen Teile derselben und zur Gegend der ventralen Schlundklappe. Die verschiedenen dorsalen und ventralen Schlundnerven ver- zweigen sich auf der Darmwand und vereinigen sich mit dem Nervengeflecht der letzteren, das sich dadurch hauptsichlich, wenn nicht ausschlieflich, mit dem zentralen Nervensystem des Tieres verbindet. Kehren wir jetzt zum Schlundring zuriick! Die 2 Konnektive (Cerebropleural- und Cerebropedal-) ver- laufen zusammen nach hinten und bleiben auf einer langen Strecke vollstandig zellenlos. Ungefahr unter dem Hinterende des Zungen- apparats werden sie wieder gangliés, vom Cerebropleuralkonnektiv zweigt ein Nerv zur Korperwand ab. Ein Nerv des Epipodiums und der Kérperwand verbindet sich mit dem Cerebropedalkonnektiv in derselben Gegend. Bald nach- her vereinigen sich die 2 Konnektive, so dafi sich jetzt ein grosses ganglidses Band an jeder Seite findet, das aus einer dorso- lateralen Pleuralzone und einer mehr ventralen Pedalzone besteht, doch, wie THIELE angibt, lassen sich die zwei nicht genau von- einander trennen. Letztere nimmt auf ihrer ventralen Seite den grofen Nery aus der Vorderregion des FuSes auf und weiter Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 283 dorsalwarts einen Epipodialnerv. Jetzt vereinigen sich die paarigen Bander durch eine Kommissur. Diese ganglidse Kommissur bildet den hinteren Abschnitt des Schlundrings und enthalt Fasern, die zwischen den Pedalzonen sowohl wie zwischen den Pleuralzonen verlaufen. Mit Faserfairbung habe ich Nervenfasern vom unteren Teile der Pedalzone der einen Seite bis zum entsprechenden Teile der anderen Seite verfolget (Fig. 55). Von der Pleuralzone an jeder Seite entspringen zwei Nerven- strange, ein auferer, der Pleuralnerv, und ein innerer, das Pleuro- visceralkonnektiv (Fig. 49). Der Pleuralnerv verliuft dorsalwirts in der Kérperwand oder, auf der rechten Seite, durch den Vorderteil des groSen Schalen- muskels, um den Mantelrand zu erreichen. Innerhalb des Mantels teilt er sich in einen Vorder- und einen Hinterzweig, die sich gegen den Mantelrand weiter verzweigen. Es ist sehr schwer die feinsten Zweignerven auf Schnittpraparaten befriedigend zu ver- folgen, doch glaube ich, daf die Endiste der Hinterzweige der Pleuralnerven gegenseitig anastomosieren. Die Verhaltnisse der Vorderzweige werden spater besprochen. . Die durch die Vereinigung des Nervs des vorderen FuBteils mit dem Cerebropedalkonnektiv entstandene Pedalzone des gan- glidsen Bandes bildet jederseits den Anfang des ventralen Mark- stranges. Diese Markstrange verlaufen ziemlich gerade bis zum Hinterende des Fufes, immer vom pedalen Blutsinus umhiillt. Sie besitzen eine charakteristische Form, weil ihrer auferen Seite ent- lang eine tiefe Furche verlauft, auf dem Querschnitt teilt die Furche den Strang unvollkommen in einen oberen und einen unteren Teil. Das Innere des Stranges wird von Nervenfasern gebildet, die Ober- flache nehmen Nervenzellen ein. Mit ihrer ventralen Region (unter der Furche) vereinigen sich die auSeren und inneren Nerven der Fufsohle und die Kom- missuren, welche die zwei Markstringe zusammen verbinden. Mit der dorsalen Region vereinigen sich andere Nerven, welche das Epipodium und, wie THIELE gezeigt hat, den Schalenmuskel ver- sorgen. Nervenzellen sind hier und da, doch nicht sehr haufig, in den Kovamissuren und Zweignerven vorhanden. _ Mit Faserfiirbung habe ich Nervenfasern verfolgen kénnen (Fig. 57—59). a) Von den Epipodialnerven und den Schalenmuskelnerven bis unter die Furche. NM 6.0.4). \A -0.0.018 19 284 Herbert J. Fleure, b) Von den Fufsohlennerven und den Kommissuren bis tiber die Furche. Da die Furche auch nicht (Fig. 53—56) die Trennungslinie bildet zwischen der Fortsetzung von Cerebropleural- und Cerebro- pedalkonnektiv, so darf man zweifellos mit HALLER, PELSENEER und TureLe annehmen, daf ihr keine grofe morphologische Be- deutung zukommt. Jeder Markstrang ist deshalb eine morphologische und histo- logische Einheit. Sein Vorderende setzt sich in das Cerebropedal- konnektiv und in den Vorderfu8nerv fort, steht aber auch in intimer Verbindung mit der Ursprungsregion des Pleuralnervs und des Pleurovisceralkonnektives. Der Nerv des vorderen Fufteiles jeder Seite verzweigt sich vielfach innerhalb der seitlichen Vorderlappen der Fufsohle, deren Epithel besonders viele Sinneszellen enthalt. Erwahnenswert ist, daf die medianen Zweige dieser Nerven durch eine Kommissur verbunden sind, welche Nervenzellen an ihrer Oberfliche besitzt (Fig. 54). Meines Wissens ist eine derartige Verbindung bis jetzt nur von Paludina beschrieben, und dort ist sie nur eine Anastomose zwischen feinen Nervenasten. Wie THIELE angibt, bilden die reichlich verzweigten Epipodial- nerven gegen den Rand des Organes ein Nervengeflecht, das einige Nervenzellen besitzt und die Sinnesfortsatze des Epipodiums versorgt. Es wurde oben erwihnt, daf die Pleurovisceralkonnektive vom Schlundring in der Nahe des Ursprungs der Pleuralnerven, d. h. sehr nahe dem Anfang der ventralen Markstrange abzweigen. Diese Konnektive sind bei Haliotis besonders lang, weil die Branchialhéhle so auSerordentlich tief ist, doch bleiben sie durch- aus ganglids und zeigen keine echten begrenzten Ganglien (Fig. 49). Das rechte oder Supraésophagealkonnektiv ist stark und ver- lauft iiber den Schlund nach links, es liegt teilweise unter und links von der Diinndarmschlinge. Auf der linken Seite erreicht. es die Ursprungslinie des Mantels und das Vorderende der Stiitz- membran des Ctenidiums. Hier biegt es scharf nach hinten, gibt einen Zweig ab, und verliuft weiter der Anheftungslinie des. Ctenidiums entlang. Der Zweigstrang schwillt bald an, um ein Ganglion zu bilden und gibt zu gleicher Zeit einen Nerv zum Mantel ab. Dieser Mantelnerv versorgt den linken Rand des Schlitzes im Dach der Branchialhéhle und seine Endaste anasto- mosieren mit denjenigen des Vorderzweiges des Pleuralnervs, der hier verlauft. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 285 Vom Ganglion entspringen zwei Nerven, von denen der eine das Osphradium und der andere das Ctenidium durch viele Zweige versorgt. Aeste der beiden anastomosieren unter sich in der Gegend der Spitze des Ctenidiums. Das linke oder subésophageale Pleurovisceralkonnektiv ver- lauft nach rechts unter dem Schlunde und unter dem rechten Konnektive. Auf der rechten Seite steigt es gegen den grofen Schalenmuskel bis zur Ursprungslinie des rechten Schlitzlappens des Mantelrandes. An dieser Stelle schwillt es so stark an, daf man fast von einem Ganglion (Subésophagealganglion) sprechen kann. Von dieser Verdickung ‘verlaiuft das Konnektiv selbst nach hinten der erwahnten Ursprungslinie entlang, gibt aber zuerst zwei Zweignerven ab. Der eine Zweig geht in die Stiitzmembran des Ctenidiums tiber und bildet sogleich ein Osphradialganglion, dem der anderen Seite ahnlich und mit entsprechenden Nerven versehen. Der andere Zweig geht in den Mantel iiber und ver- sorgt den rechten Rand des Schlitzes, an dessen Hinterende er mit dem entsprechenden Nerv des linken Schlitzrandes anasto- mosiert. Vorn anastomosieren Endaste dieses rechten Schlitznervs mit Endasten des Vorderzweiges des linken Pleuralnervs. Auf dem Wege nach hinten bleiben die Pleurovisceralkonnektive langere Zeit in der Nahe der Basis der ctenidialen Stiitzmembran. Gegen das Hinterende der Branchialhéhle aber wenden sie sich all- mahlich einander zu und verbinden sich schlieflich miteinander, wodurch eine verdickte, besonders ganglidse Region zu stande kommt, welche die Anlage des Visceralganglions héherer Gastro- poden darstellt (Fig. 49—51). Diese verdickte Region befindet sich etwas rechts von der Medianlinie der Branchialhéhle unter ihrem Hinterende. Auf dem Wege nach hinten entspringen vom rechten Kon- nektive (Fig. 51): a) Ein Nerv zur rechten Niere und zu den weiteren Teilen der Geschlechtsdriise. b) Bald nach a), der grofe Nerv zur Geschlechtsdriise; dieser Nerv ist auch verzweigt. c) Kleine ‘Nerven zur benachbarten Korperwand (Wand der Branchialhohle). d) Ungefihr am Anfang der ganglidsen Verdickung ein Nerv, dessen Zweige gehen: 1. Zur Gegend des rechten renoperikardialen Trichterganges. 2. Zur Wand des rechten Vorhofes. 19 * 286 Herbert J. Fleure, 3. Zur rechten Perikardwand und zum benachbarten Gewebe. Auf dem Wege nach hinten entspringen vom linken Kon- nektive (Fig. 51): a) Ein Nerv zur Aortawand und zum benachbarten Gewebe. Dieser Nerv la8t sich bis weit nach hinten verfolgen. b) Kleine Nerven zur Kérperwand. c) Kurz vor dem Anfang der ganglidsen Verdickung ein Nerv, dessen Zweige gehen: 1. Zur Gegend des linken renoperikardialen Trichterganges, mit sekundiren Zweigen, welche die linke Niere, den linken Vor- hof und teilweise die linke Perikardwand versorgen. Diese Zweige entsprechen ungefahr denjenigen der anderen Seite (p. 285). 2. Zur linken Hinterwand des Perikards und von dort bis in die Wandung der Herzkammer. Von der verdickten Region (Ganglienanlage) selbst trennt sich der groSe unpaare Visceralnerv. Dieser Nerv steigt bis ins Dach der Branchialhéhle und von ihm entspringen seitliche Zweige, die die Gegend der rechten resp. der linken Nierenédffnung ver- sorgen. Weiter teilt sich der Nerv und ein Zweig verlauft nach vorn an jeder Seite des Enddarmes, dessen Wandung wie das Dach der Branchialhéhle von sekundairen Zweigen versorgt wird. Diese Einzelheiten sind deswegen von Interesse, weil sie zeigen, daf im Nervensystem von Haliotis sich noch wichtige Reste einer ehemaligen symmetrischen Anordnung nachweisen lassen. St6- rungen der Symmetrie zeigen sich in der einseitigen Entwickelung der Geschlechtsdriise, der Hypertrophie der rechten Niere und der Verschiebung des Perikards etwas nach links. THIELE (34) hat das Epipodium von Haliotis als Homologon des Notéums von Chiton aufgefaft und dabei das Nervengeflecht des ersteren als Homologon der Seitenstringe des letzteren erklart. Nach dieser Ansicht wiirde die Mantelhéhle (inkl. Branchialhéhle) der Gastropoden kein wirklich homologes Organ bei Chiton finden, und die Nervenversorgung eines Systemes von Sinnesorganen in einem Fall ware homolog mit der Nervenversorgung der respi- ratorischen Organe, der Nierendffnungen und des Afters im anderen. Diese Annahme wiirde eine grofe Scheidewand zwischen den Klassen der Mollusken bedeuten, sie scheint mir indessen tiber- fliissig zu sein. Die Méglichkeit einer respiratorischen Tatigkeit des Epi- podiums bei jungen und vielleicht bei erwachsenen Tieren, ist leicht erklirbar als Konsequenz der freien Lage des Organes Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 287 und ist jedenfalls bei der Diskussion der morphologischen Frage kaum mafgebend; die epipodialen Fortsatze sind zweifellos als Sinnesorgane entwickelt worden, und ein basaler Blutsinus ist keineswegs ein konstantes Merkmal dieser Gebilde. Ich sehe dar- um keinen Grund, die gewohnliche Auffassung: das Epipodium ist ein Teil des Fufes und der Mantel das Homologon des Notiums von Chiton, aufzugeben. In dem friheren Abschnitt, in welchem ich die Kérperform von Haliotis aus der Lebensweise des Tieres zu erkliren ver- suchte, habe ich auf die grofe Wichtigkeit des Epipodiums fiir die speziellen Lebensbedingungen der Gattung hingewiesen. Ge- stiitzt darauf, glaube ich, dali das Organ zwar phylogenetisch alt ist, daf es aber bei Haliotis eine ganz besondere Ausbildung er- reicht hat. Die Folge davon ist eine stirkere Entwickelung des Nervengeflechtes, welche Entwickelnng wir also nicht als ein von weiteren Vorfahren tibernommenes Merkmal zu betrachten hatten, sondern als eine ziemlich spat erworbene Eigentiimlichkeit der Gattung und ihrer unmittelbaren Ahnen und Verwandten (z. B. Trochus). Die Funktion des Epipodiums, Eindriicke aus der ganzen Umgebung aufzunehmen, ist besonders wichtig zum Schutze der Branchialhoéhle, und hierin sehe ich die Ursache, weshalb der An- fang des Pleurovisceralkonnektives und des Markstranges, der auch das Epipodium versorgt, sich nahern. Bei den Monotocardiern dagegen erhalten die Kopforgane die meisten Eindriicke, und gerade hier sind die Pleuralganglien (die Urspriinge der Pleurovisceralkonnektive) in der Nahe der Cerebral- ganglien. In dieser Beziehung wiirden dann Haliotis und Trochus auf der einen Seite und die Monotecardier auf der anderen be- sondere Entwickelungsstufen von dem primitiven Zustande dar- stellen, der noch bei Pleurotomaria fortdauert. Diese Ansicht, welche auch von Woopwarp (40) unterstiitzt wurde, scheint mir natiirlicher als die von THreLe, der die Verhaltnisse der Pleural- ganglienanlagen bei Haliotis als urspriinglich auffaSt, und von hier aus die V/rhiltnisse bei Pleurotomaria resp. den Monoto- cardiern ableiten will. Die Ansicht, daf in dieser Beziehung Pleurotomaria eher als Haliotis und Trochus die primitiven Ver- haltnisse aufweist, wird durch die Beobachtung Woopwarps ge- gestiitzt, da Pleurotomaria einen geringeren Grad von Konzen- tration im Nervensystem der Pleuralregion zeigt. Auch die Docoglossen, nach den Angaben HAuters (16) iiber 288 Herbert J. Fleure, Lottia u. s. w. néihern sich mehr Pleurotomaria als Haliotis, ob- gleich die besondere Entwickelung des Mantelrandes bei den Doco- glossen eine gréfere Konzentration der pleuralen Abschnitte her- vorgerufen hat. Die Sinnesorgane. Sinneszellen sind fast tiberall im Epithel zerstreut, stellen- weise aber finden sie sich so stark gehauft, daf wir von einem Sinnesorgan sprechen kénnen. Die Sinnesorgane von Haliotis sind die Kopftentakel, die Augen, die Otocysten, die epipodialen Fortsiitze, die Schlitztentakel des Mantelrandes und die Osphradien mit den subpallialen Sinnesorganen. Dazu kommen noch in Betracht verschiedene Stellen im auferen Epithel, die mit Sinneszellen reichlich versehen sind. Zu ihnen gehéren die Lippen, die seitlichen Vorderlappen des Fufes, die Oberseite des Hinterendes (Schwanzfortsatzes) des Fufes, die Kopffalte, die Seiten der Kiemen, welche das abfiihrende Gefa8 enthalten, der Mantelrand. Die Kopftentakel, welche schon von FLEMMING und von THIELE beschrieben wurden, sind von einem Epithel tiberzogen, das in Zotten angeordnet ist (Fig. 43 u. 44). . An den Zotten, hauptsachlich im Zentrum derselben, kommen lange Sinneszellen vor, zwischen denen kleinere, oben verbreiterte Stiitzzellen zerstreut sind; diese Sinnesknospen werden von Stiitz- zellen eingehiillt, unter denen Driisenzellen hier und da vorkommen. Der grofe Tentakelnerv verlauft durch das Zentrum des Ten- takels, mit ihm verbinden sich viele Nervenzweige, die vom Sinnes- epithel kommen. Die Muskulatur des Tentakels besteht aus Lings- und Querfasern; die Langsmuskulatur besteht aus vielen ganz ge- trennten Fasern, unter denen sich die von der Gegend des Nervs ausgehenden Querfasern ausbreiten; letztere sind hauptsichlich Re- traktoren der Zotten. Die Muskulatur erhalt, wie ich glaube, ihre Nervenversorgung von dem beschriebenen Tentakelnerv. Auf der dorsalen Seite des Tentakels befindet sich ein dunkles Band (Fig. 1), das nach Parren (26) in eine Rinne mit hohen, und von hohem Epithel ausgekleideten Wiilsten versenkt ist. Diese Rinne stellt nach Parren vielleicht ein Sehorgan dar. Meine Beob- achtungen stimmen nicht mit den Angaben PATrens iiberein. Das dunkle Band zeigt weder Falten noch Zotten und sticht dadurch von seiner Umgebung ab (Fig. 43). Seine Zellen -— alle von Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 289 gleicher Art — sind nur mafig hoch und hauptsiachlich im unteren Teile durch ein dunkles Pigment gefirbt. Die Augen von Haliotis wurden zuletzt von Patren (26) be- schrieben, dessen Beobachtungen aber von den friiheren Angaben in manchen Punkten abweichen. Nach Hincer (13) u. a. haben die Rhipidoglossa Becheraugen mit kleinen Oeffnungen nach aufen, der Raum des Bechers wiirde von einem Glaskérper ausgefiillt, unter dem durchsichtige Staibchen der Epithelzellen vorkommen. Nach PATTEN dagegen waren Stabchen und Glaskérper nur der innere Teil der Cuticula des Epithels, der iufere Teil der Cuticula tiber der Becheréffpung und dem benachbarten Epithel wiirde zu einer Linse entwickelt, die auSerhalb der kleinen Becherdffnung liegt. Unter der Linse wire der Glaskérper vorhanden, der nach unten gegen die angeschwollenen Enden der Zellenstabchen nicht abzu- grenzen ware. Wie HEssE angibt, ist das Auge von Haliotis wegen der Fein- heit seiner Elemente auferordentlich schwer zu untersuchen. ,,Die Zellen“, sagt er, ,stehen hier sehr dicht gedrangt und sind sehr schlank, so daf ich nicht alle Einzelheiten genau erkennen konnte“. Beim Epithel beschreibt HEssz: a) Sehzellen, welche sehr schlank sind. Der langliche Kern der Sehzelle liegt ein wenig unter der halben Héhe der Zellen. Die Zellen enthalten in ihren distalen Teilen reichlich kérniges Pigment. An der Oberfliche gehen die Zellen in Fasern tiber. Der Fibrillenpinsel ist als Stabchen zu bezeichnen. b) Inditferente Zellen mit basal gelegenem grofen Kern, denen offenbar die Ausscheidung der cuticulaihnlichen Deckschicht zuzu- schreiben ist. Gegen die Oberflache des Epithels verschmalern sie sich sehr und ihr distales Ende ist deshalb an den Schnitten meist durch die pigmentierten Enden der Sehzellen verdeckt. Meine Beobachtungen stimmen mit denen von Hesse voll- standig tiberein. Ich méchte nur hinzufiigen, da8 etwas Pigment auch den stabchenlosen Zellen zuzukommen scheint, seine Ver- teilung hat aber jede“falls wenig morphologische Bedeutung. Weil Haliotis ein sehr tngiinstiges Objekt fiir die Untersuchung des Augenepithels darstellt, habe ich mich aber nicht so sehr mit dieser Frage beschaftigt. Die auSeren Enden der Sehzellen besitzen lange, angeschwollene Stibchen, bei denen eine gewisse fibrillare Struktur zu sehen ist. Die abgerundeten auBeren Enden der Stabchen liegen im offenbar homogenen Glaskoérper. 290 Herbert J. Fleure, Auf meinen Schnitten war die Oeffnung des Bechers schmaler als Parren in seiner Abbildung angibt und ich habe seine, durch die Verdickung der Cuticula gebildete Linse nicht gesehen. Der Augenfortsatz ist ziemlich lang, besitzt aber keine so regelmakige Muskulatur wie der Kopftentakel. Das ihn beklei- - dende Epithel enthalt viele Sinneszellen, welche, gleich den Muskelfasern, wie LAcAzE Duruirrs angibt, ihre Nervenversor- gung vom Augennerv erhalten. Wo der Augennerv den Augen- becher erreicht, verzweigt er sich und geht in ein ganglidses Nervengeflecht iiber, von dem die Sehzellen versorgt werden. Die Kopffalte oder Stirnhautfalte verliuft quer iiber dem Kopfe zwischen den beiden Augenfortsitzen, ihr Epithel enthalt, wie THIELE angibt, viele Sinnesknospen oder Gruppen von Sinnes- zellen, besonders vorn, und die Nervenversorgung verbindet sich mit dem oberen Abschnitt der cerebralen gangliésen Region. Die Otocysten von Haliotis wurden friiher von LAcAzE-DUTHIERS untersucht und seither hat THreLEe (33) ihre Nerven bis in den Schlundring verfolgt. Die Otocysten (s. Fig. 46 u. 47) sind von faserigem Binde- gewebe eingebiillt, das ein Band zwischen den beiden Kapseln bildet und mehr lateral in das Gewebe tibergeht, welches den hinteren Teil des Schlundringes bedeckt. Das bindegewebige Band ist weder so deutlich noch so lang wie z. B. bei Patella. Die Kapsel ist fast spharisch, doch etwas abgeflacht, nur an einem Punkt auf der Seite, wo der Nerv die Otocystenwand erreicht, buchtet sich die Epithelwand ein bischen aus, und die Ausbuch- tung stellt wahrscheinlich einen Rest der phylogenetisch alteren Verbindung des Kapselraumes mit der auferen Oberflache des Korpers, d. h. des Kanales der Otocyste dar, der noch bei Yoldia etc. vorhanden ist. Die Wand der Otocyste wird von einer Schicht Epithel gebildet, deren Zellen durchschnittlich maBig hoch, cylindrisch und mit wenigen Cilien versehen sind. Ihr Kern ist oval, ziemlich grof und fast basal gelagert. An der Basis der Zelle sieht man manchmal die Verbindung mit dem Nerv. Die Otoconien sind sehr zahlreich und von sehr verschiedener Gréfe, die gréBeren Steine sind besser abgerundet als die ganz kleinen. Innerhalb jedes Steines befindet sich bald im Zentrum, bald mehr auf der Seite ein dunkler Punkt, der offenbar das Wachstumszentrum darstellt. Die Verteilung des Nervs ist von einem gewissen Interesse; der Nerv erreicht die Epithelwand an der Stelle, wo sie sich ein Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 291 biBchen ausbuchtet, wie oben gesagt wurde, und ein Teil desselben breitet sich gleich auf der Unterseite des Otocystenepithels aus, ein zweiter Teil verlauft in der Vorderwand der Otocyste bis zum gegentiberliegenden Pol und verteilt sich von dort aus an die Zellen. Es war unméglich die Verteilung ganz genau zu verfolgen, jedoch ist die Vermutung erlaubt, daf die Innervierung ziemlich symmetrisch von den zwei Polen der Kapsel ausgeht, eine Kin- richtung, welche fiir ein statisches Organ sehr gut angepaSt wire. Ganglienzellen habe ich nicht finden kénnen. Der Nerv verbindet sich, wie THIELE angibt, mit dem Schlund- ring in dem Winkel zwischen der eigentlichen Pleuralzone oder Anlage des Pleuralganglions und der pleuropedalen Querkommissur. Die Fasern lassen sich nicht bis in die Konnektive zum Cerebral- ganglion verfolgen. Andere Sinnesorgane. Die Schlitztentakel des Mantels und die Tentakel des Epipodiums gleichen den Kopftentakeln in der Struktur (Fig. 48). Die anderen Fortsitze des Epipodiums sind weniger differenziert. So wurde oben erwihnt, da auf der Fufseite und der Kopfwand sich kleine Hautwarzen befinden, welche viele Driisenzellen besitzen; diese Warzen kommen auch auf der Unterseite des Epipodiums vor. Gegen den Rand dieses Organes werden die Driisenzellen aber seltener, auch verbreitet sich das Pigment ziemlich gleichmafig auf allen Zellen und ver- schwindet dann mehr oder weniger. Sinneszellen kommen an diesen Warzen auch vor, besonders gegen den Rand zu; sie sind natiirlich auch bei den Warzen der Seitenteile des Fufes vor- handen. Ein solches Verhalten la8t sich in der Kopfregion weniger deutlich feststellen. An der Basis der untersten Epipodialtentakel sind, wie THIELE beschreibt, Sinnesknospen vorhanden, deren Zellen bedeutend héher als die benachbarten sind, sie zerfallen wie gewohnlich in Sinneszellen und Stiitzzellen. Das Osphradium von Haliotis hat BERNARD so ausfiihrlich be- schrieben, daf ich auf seine Arbeit verweise und nur hinzufiige, da’ meine Beobachtupgen seine Angaben bestatigen. Die subpallialerx Sinnesorgane, welche THIELE entdeckt hat, lassen sich am besten als Fortsetzungen der Osphradien be- schreiben. Das linke zeigt sich als ein ziemlich deutliches Band von Sinnesepithel, welches von der Basis des Osphradiums um den kleinen linken Schalenmuskel herumzieht. Das rechte ist nicht so deutlich entwickelt. Es ist schwer die Innervierung dieser Bander yon Sinnes- 292 Herbert J. Fleure, epithel genau festzustellen, doch glaube ich, dai die nahe der Basis des Osphradiums liegenden Sinneszellen vom Kiemenganglion aus innerviert werden. In der Nahe der itibrigen Sinneszellen ver- lauft der Pleuralnerv und es ist wahrscheinlich, da& er Zweige an diese Zellen abgibt. Das Epithel ist gewohnlich etwas gefaltet und, wie THIELE angibt, bedeutend niedriger als dasjenige des Osphradiums selbst, es gebt allmahlich ins gewéhnliche K6rper- epithel tiber. Die verschiedenen Stellen im Kérperepithel, welche mit Sinnes- zellen reichlich versehen sind, erheischen keine lange Diskussion, nur méchte ich noch einige Worte tiber das spezialisierte; Epithel der dorsalen Seite des Schwanzfortsatzes (Fig. 48) einfiigen. Dieser Teil wurde von WEGMANN mit Unrecht als eine hintere Fufdriise beschrieben, und andere Autoren haben sich mit einer Verneinung der Angaben WrEGMANNS begniigt. Das Epithel dieser Region ist viel héher als das der tibrigen Teile der dorsalen Oberflaiche des Fufes, es ist eher demjenigen der Fufsohle ahnlich. Es besteht aus Sinneszellen und Stiitz- zellen und ist mit Nervenfasern reichlich versorgt, welche vom Hinterende der Markstringe ausgehen. Es ist in Querfalten ge- legt, welche auf den Seiten etwas gréfer sind als in der Mitte, sie besitzen Sekundarfalten. Vermutungen iiber die Funktion dieser Region wurden bei der Diskussion der Lebensweise geiufert. Sie tritt vielleicht in Funktion beim Kriechen, wenn der Schwanzfortsatz mehr oder weniger ausgestreckt ist und auch in verschiedener Weise, beim Umwenden des auf dem Riicken liegenden Tieres. Die Fufsohle am Hinterende, d. h. die ventrale Flache des Schwanzfortsatzes, ist sehr reichlich mit Sinneszellen und Nerven versehen. V. Zirkulations- und Respirationsorgane. Das Gefafsystem ist namentlich von MILNE-Epwarps (23) und H. Wremann (38) untersucht worden. Auch Remy Perrier macht dariiber Bemerkungen in seiner grofen Arbeit (28) ,Le rein des Gastéropodes Prosobranches*. Die folgende Beschreibung bestatigt in den meisten Punkten die Resultate dieser Forscher; die theo- retischen Schliisse WeGMANNs aber verwerfe ich mit PERRIER Voll- standig. Meine Beschreibung der Blutbahnen in der Gegend der Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 293 linken Niere und des basibranchialen Sinus geht weiter als die der anderen Forscher. Die Angaben iiber die Wandungen der Blutbahnen enthalten auch verschiedene Einzelheiten, welche vor- her nicht bekannt waren. Meine Untersuchungen iiber das Blutgefai®system wurden mittels Schnittserien und Praparaten sowohl von injizierten als auch von nicht injizierten Tieren durchgefiihrt. Blutkreislauf. Das zentrale Organ des Systems ist das Herz, das eine Herz- kammer und zwei Vorhéfe besitzt (Fig. 4). Es liegt hinter der BranchiaJhohle und ist vom Perikard ganz umschlossen. Die Herz- kammer ist vom Enddarm durchbohrt, der nach vorn und rechts durch das Perikard zieht. Der Hohlraum der Kammer wird umschlossen von der Musku- latur ihrer eigenen Wandung und von der Muskulatur der Darm- wandung, d. h. er ist nur eine Schizocélliicke, daher laft sich seine Begrenzung nicht genau angeben. Aus dem gleichen Grunde ist es auch unmdglich die vom Herzen ausgehenden Blutkanale genau zu beschreiben; vom Vorderende geht etwas Blut ins Dach der Branchialhéhle tiber, es handelt sich aber kaum um eine spezielle ,Arterie‘, wie WEGMANN beschreibt (Fig. 61). Vom Hinterende der Kammer aus strémt das Blut in einen groBen Raum, der etwas links unter dem Perikard liegt (Fig. 60). Dieser Raum, den man Bulbus arteriosus nennt, ist nicht scharf begrenzt, von ihm aber geht nach vorn die deutlich begrenzte Aorta ab. Ebenfalls vom Bulbus zieht nach hinten und rechts die yAorta visceralis*, welche die im Eingeweidesack liegenden Organe versorgt, vornehmlich die Verdauungsdriise, die Geschlechtsdriise und den Magen. Die grofe Aorta gibt, kurz nach ihrem Ursprung vom Bulbus, einen Zweig ab, welche” gleichfalls die im Eingeweidesack liegenden Organe versorgt, naéchdem er sich wieder verzweigt hat. Eine von diesen unvollkommen begrenzten Blutbahnen geht nach der dorsalen Seite, wihrend die zwei anderen mehr an der ventralen Seite des Eingeweidesackes bleiben. Die Blutriume im Eingeweidesack werden von den eben er- wihnten Gefifen fast vollstindig versorgt, die Raume aber unter dem Epithel der rechten Niere sind von den anderen zum Teil 294 Herbert J. Fleure, getrennt und diese erhalten ihre Blutversorgung hauptsichlich auf anderen Wegen. Das Blut gelangt vom Bulbus durch einen Kanal auch in den Mantel und zwar an der Stelle, wo sich ein Muskel zwischen den Mantel und die hintere ventrale Seite des Perikards erstreckt. Ferner sind die Blutraume des Mantels tiberall in Verbindung mit den anderen Blutlakunen des K6rpers. Die grofe Aorta selbst lauft nach vorn und umschlieBt die Radulascheide vollstaéndig, weshalb das Blut ziemlich direkt einen Sinus erreicht, welcher den Zungenapparat umschlieBt. Von diesem Sinus und von der die Radulascheide umschlieSenden Aorta werden die nahe liegenden Eingeweide zum Teil mit Blut versorgt; ferner steht er in Verbindung mit einem Blutraum, welcher den Pleuro- pedalteil des Schlundrings enthalt. Von letzterem Raume flieft. das Blut weiter in verschiedene Kanale. Die zwei gréften davon begleiten die grofen Markstrange, andere versorgen die Vorder- lappen des Fufes. Die Zweige dieser lakuniren Raiume versorgen die ganze muskulése Masse (Ful + Schalenmuskel + Epipodium). Die Blutkanale des Eingeweidesackes vereinigen sich im linken Teile seiner dorsalen Seite direkt unter der Oberfliche und bringen das Blut von den unregelmabigen Raiumen des Sackes in die Liicken unter dem Epithel der rechten Niere. Das Blut in den unzahligen kleinen Liicken des Fufes sammelt sich hauptsichlich in einem median gelegenem Raume, der mit den allgemeinen Hohlriumen des Kopfes, aufer dem schon er- wahnten speziellen Sinus, in Verbindung steht; von diesen flieft es weiter in einen grofen und ziemlich eigenwandigen Sinus unter dem Epithel der rechten Niere (Fig. 66—69 und 73 V.N.) Aus allen Blutriumen der rechten Niere, speziell aber aus dem grofen Sinus, geht das Blut durch einen Zweigkanval in einen sehr wichtigen Quersinus tiber, den sog. Basibranchialsinus. Er verlauft quer am Hinterende der Branchialhéhle, und aus ihm ent- springen die zufiihrenden Blutbahnen der beiden Kiemen. Auf der rechten Seite des Basibranchialsinus zweigt ein anderes kleines GefaS ab, das nach hinten lauft und spater besprochen wird. Der Basibranchialsinus steht auch in Verbindung mit den Liicken unter dem Epithel der linken Niere, dariiber lassen meine Schnitt- praparate keinen Zweifel, obgleich Perrier das nicht festgestellt hatte. Nachdem das Blut die Kiemen durchlaufen hat, geht es in die abfiihrenden Gefife derselben und flie&t nach hinten, wobei es Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 295 sich mit dem Blute mischt, das von anderen Gefaifen aus dem Mantel hergeleitet wird. Am Hinterende der Branchialhéhle treten diese Gefi®e in das Perikard hinein, oder besser gesagt lassen sich vom Perikard um- schlieBen. Die angeschwollenen im Perikard liegenden GefaBteile sind die zwei Vorhéfe rechts und links von der Herzkammer, die jedoch nicht ganz symmetrisch angelegt sind (Fig. 4), der linke ist etwas nach vorn, der rechte etwas nach hinten verschoben. Die Vorhéfe haben auch nicht die gleiche Gestalt, der linke ist gréfer und dicker als der langgestreckte rechte. Der Blutstrom durch den linken Vorhof mu8 direkter und stirker sein als der- jenige durch den rechten. Der Zweig des basibranchialen Sinus, der oben erwihnt wurde und der nach hinten lauft, zeigt interessante Verhaltnisse, die noch nicht beschrieben worden sind. Er (Fig. 64—72) teilt sich namlich und ein Kanal geht nach rechts (B.Brr.), um sich mit dem abfiihrenden Kiemengefifke dieser Seite an der Basis der Kieme, somit ganz in der Nahe der Perikardwand, zu vereinigen. Ein anderer Zweig geht nach links (B.Br.l.) auch in der Nahe der unteren Vorderwand des Perikards und tritt in Ver- bindung mit den Liicken unter dem Epithel der linken Niere und weiter mit dem abftihrenden Kiemengefafe der linken Seite. Noch ein dritter Zweig geht dorsalwarts (B.Br.d.) in der Nihe der oberen Vorderwand des Perikards und tritt in Verbindung mit den Liicken unter dem Epithel der linken Niere auf der dorsalen Seite der letzteren. Es wurde schon oben erwihnt, dafi die Verbindung zwischen dem Munddarmsinus (welcher um den Zungenapparat herumliegt) und dem Sinus, welcher die pleuropedale Nervenmasse enthalt, ziemlich bestimmt ist und jedenfalls den direkten Durchgang des Blutstromes erlaubt. Diese Verbindung ist aber nicht ein voll- stindig begrenzter Kanal mit eigener Wand, also kann man nach meiner Ansicht kaum von darin liegenden Klappen sprechen. Aber es findet sich in dieser Gegend viel verschiebbares Gewebe, und wenn der Fuf ipfolge Blutzufuhr anschwillt, so wird dieses Gewebe mehr oder weniger fest gegen den Zungenapparat ge- driickt und die Verbindung zwischen den beiden Sinus dadurch abgeschlossen. Die Fahigkeit des Anschwellens des Fufes ist mit Bezug auf die Lokomotion von grofer Wichtigkeit, also mu auch die Méglichkeit eines Abschlusses der FuShohlraume fiir das Tier von Wert sein. Fiir die nahere Beschreibung der Blutbahnen der 296 Herbert J. Fleure, Nieren verweise ich auf die Beschreibung dieser Organe im nachst- folgenden Kapitel. Wandungen der Blutkanale. In Querschnitten durch das Perikard kann man folgendes be- obachten (s. Fig. 60.) a) Im Zentrum den Hohlraum des Enddarmes, b) das Darmepithelrohr, c) die das Darmepithel umschliefende Muskelschicht, welche hier und da fast verschwindet, jedoch mit der Muskelschicht der iibrigen Teile des Darmes vollkommen homolog ist, d) den Hohlraum der Herzkammer, e) die von (f) tiberzogene Muskulatur der Herzkammer, f) das Perikardepithel der Herzwand, ¢) den Hohlraum des Perikards, h) das Perikardepithel der Aufenwand (d. h. das somatische Epithel des Céloms), i) die das somatische Célothel umgebende Muskulatur. An gewissen Stellen geht (e), immer von (f) ausgekleidet, in die diinne Muskulatur der Vorhéfe iiber (Fig. 60), und diese setzt sich an der Basis des Vorhofes in die somatische Muskulatur (#) fort. An der Basis des Vorhofes treffen sich selbstverstandlich das Perikardepithel (f) des Herzens und dasjenige (£4) der auferen Perikardwand. Die Muskulatur des Vorhofes ist schwach ent- wickelt, bildet aber Muskelbriicken, welche durch den Hohlraum des Vorhofes von einer Wand bis zur anderen quer hintiber ver- laufen (Fig. 60 und 61). Die Wand der Herzkammer dagegen ist stark und dick, ihre auferen Fasern sind dicht zusammengelagert und bilden fast einen Ringmuskel, die inneren Fasern verlaufen in allen Richtungen und bilden viele Briicken von der Aufenwand bis zur inneren Wand (Muskulatur des Darmes (c) oben). Die Muskelfasern sind von einem kernhaltigen Bindegewebe umhiillt. Aus diesen Angaben tiber die Muskulatur des Herzens und des Perikards kann man schliefen, da’ die Muskulatur (e) der Herzkammer nur ein sehr spezialisierter Teil der Muskulatur der Perikardwand (7) ist, entweder durch Delamination vom Perikard- epithel oder durch Aggregation der Muskelfasern des benachbarten Gewebes entstanden. Noch ein Beweis fiir diese Ansicht ist, daB auch am Vorder- und am Hinterende des Perikards die Muskulatur (e) in (@) tibergeht (Fig. 60 und 61). Ferner ist die Herzkammer am Vorderende keineswegs geschlossen und am Hinterende geht Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 297 sie in den Bulbus arteriosus iiber, der gewi8 nur eine teilweise begrenzte SchizocélJticke darstellt. Die Wand der Aorta wird von Muskelfasern gebildet (Fig. 73), die mehr oder weniger zirkulir angeordnet sind, auch die Wande der gréSeren Blutriume im Fufe und unter dem Epithel der reehten Niere sind ziemlich bestimmt; trotzdem ist es aber immer klar (Fig. 62 u. s. w.), daf die Wand jeder Blutbahn nur eine lokale Anordnung der Muskulatur und des Bindegewebes des Schizocéls darstellt. Von einem wirklichen Endothel ist gar keine Rede. Das Schizocé]l ist nur an einigen Stellen von Gewebe ganz ausgefillt, also gibt es tiberall Blutriume. Das Gewebe des Schizo- céls nennt man Bindegewebe; es ist von LeypiG, BERNARD U. a. beschrieben worden und meine Beobachtungen bestitigen die friiheren Angaben. Die typische Bindegewebszelle ist mafig grof und hat ver- zweigte Fortsitze. Der Kern farbt sich stark mit Haimatoxylin und ist gewohnlich von einer Protoplasmaansammlung umbhiillt. Von dieser urspriinglichen Gestalt lassen sich Entwickelungsstufen bis zu Faserzellen verfolgen. Eine andere Art von Bindegewebszellen sind die ,,Plasmazellen“ (Leypic, 22), welche klein, rund oder oval und sehr empfindlich gegen Farbstoffe sind. Sie kommen im Gewebe der Stiitzmembran des Ctenidiums und unter dem Epithel der rechten Niere haufig vor und liegen oft in einer offenbar strukturlosen Grundsubstanz; sie sind aber besonders zahlreich und grof an gewissen Stellen zwischen den Schlauchen der grofen Verdauungsdrise. In der Stiitzmembran des Ctenidiums ist das Gewebe ziemlich kompakt und viele Zellen sind fast in Fasern umgewandelt. Die typischen multipolaren Zellen finden sich besonders haufig unter den Falten des Diinndarmepithels und im gallertaéhnlichen Binde- gewebe des Zungenapparates. Hier liegen sie in strukturloser Grundsubstanz, in der sich hier und da Blutliicken angelegt haben. Die Bindegewebszellen oyinen sich mehr oder weniger (Fig. 63) regelmaBig um diese kléinen Blutliicken herum, und man kann fast. von einer Wand der Liicke sprechen, doch handelt es sich nur um mehr oder weniger regelmaBige Anordnung benachbarter Binde- gewebszellen. Man kann daher ganz im allgemeinen sagen, dab die GefaBe von Haliotis, welche eigene Wandungen zeigen, diese letzteren aus dem in der Nahe liegenden Gewebe (Muskulatur oder Bindegewebe) gebildet haben. 298 Herbert J. Fleure, Dies stimmt mit den Angaben Breraus (3) tiber Pulmonaten nicht vollkommen iiberein. Dieser Forscher fand zwar bei den grofen Kanilen auch nur eine Wandung aus Muskelfasern ohne eine Spur von Epithel. Dagegen sah er bei den ganz kleinen Kanilen Wiinde, die aus sehr verlingerten Zellen (Pseudoepithel) bestehen. Sie sind teilweise von Bindegewebszellen umgeben, es zeigt sich aber ein Unterschied zwischen Bindegewebe und Pseudoepithel. Die Zellen des letzteren sind nach Brraus Ansicht im grofen ganzen homolog den Muskelfasern der gréferen Gefafe. Von einem solchen Pseudoepithel habe ich nichts konstatieren kénnen. Es sei noch bemerkt, daf zwei Blutstréme durch den Kopf verlaufen, der eine vom spezialisierten Kopfsinus (um den Zungen- apparat) nach den Fufriumen, der andere vom Fue nach dem grofen Kanale unter dem Epithel der rechten Niere. Die zwei Stréme sind nicht vollstandig getrennt und es folgt daraus, dak man in ihrer Feststellung leicht zu weit gehen kénnte. Im ganzen Blutkreislauf ist nur ein Teil der Aorta genau begrenzt, also gibt es gar nichts, das mit dem Blutgefifsystem z. B. der Saugetiere wirklich vergleichbar ist. Nachtrag. Fiir die Bewegung des Blutes kommt natiirlich in erster Linie die Pulsation des Herzens in Betracht, aber jedenfalls wird die regelmabige Bewegung des Zungenapparats, der in einem Blutsinus liegt, auf das Strémen des Blutes einen grofen Einfluf ausiiben. In Bezug auf die Lokomotion ist es sehr wichtig, ob sich im einen oder anderen Korperteil mehr Blut befindet, denn durch An- schwellen und Zusammenziehen verschiedener Teile des Fufes kriecht das Tier auf den Gesteinen. Wenn irgend ein FuBteil an- schwillt, so werden seine Liicken mit Blut gefiillt. Es ist des- halb unméglich, eine konstante bestimmte Richtung fiir den Blut- strom anzunehmen, sie variiert je nach dem Bediirfnis der ver- schiedenen K6rperteile, nur im Herzen und mehr oder weniger in den Ctenidien und im Kopfe ist sie wahrscheinlich ziemlich regelmabig. Beitrage zur Stammesgeschichte des BlutgefaB- systems. Die Trennung der Begriffe ,Leibeshéhle“ oder ,Célom“ und »Hamocél* bei den Mollusken und deren Erklirung verdankt die Wissenschaft Ray LANKESTER (21), der gezeigt hat, daf der Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 299 Perikardraum nicht mit dem Blutgefaisystem, sondern mit den Nieren und Gonaden in Verbindung steht. Seine weitere Schluffolgerung, daf eine Hypertrophie des Himocéls das Célom auf das Perikard beschrankt habe, entspricht bei den Arthropoden der Wirklichkeit vielleicht in héherem Grade als bei den Mollusken; es ist wohl méglich, daf die Vorfahren der Mollusken ein ebenso beschrainktes Célom besafen, als wir bei ihrer Nachkommenschaft finden. Die Ansicht LanKestTers, daf die Blutbahnen der Mollusken im Bindegewebe des Kérpers ent- standen sind, wird bestatigt. In seiner grofen Abhandlung ,Beitrige zu einer Trophocdél- theorie“ benutzt Lane (18) die friiheren Angaben iiber Hamocél und Célom und seine eigenen Forschungen, um _ verschiedene Thesen itiber die Entstehung des BlutgefaBsystems aufzustellen. Es sind Thesen 60—75, welche die Mollusken betreffen, meine Beob- achtungen tiber Haliotis bestatigen sie in allen wesentlichen Punkten. Im Folgenden sind freie Zusammenfassungen verschiedener Teile jener Thesen, welche Haliotis und die nachstverwandten Tiere in engerer Weise betreffen, gegeben. a) Die urspriingliche Form des Zentralteiles des Hamocdls der Mollusken ist die eines den Enddarm allseitig umgebenden kontraktilen Blutsinus, dessen Innenwand vom Epithelrohr des Darmes, dessen AuSenwand von der Muscularis der Splanchnopleura zweier seitlicher Célomsackchen gebildet wird (aus der These 60). b) Wenn innerhalb des Blutsinus das Darmepithelrohr noch von einer besonderen, ihm anliegenden, mesodermalen Schicht aus- gekleidet ist, so ist diese letztere sekundaér von benachbarten Ge- weben aus hinzugekommen (aus der These 62). c) Die beiden Célomsicke (die zusammen das Perikard_bil- den) eutwickeln sich mit den Gonadensaicken aus einer und der- selben paarigen Anlage. ,In Bezug auf die Muskulatur in der Gegend dieser Organe vermutet Lane, daf es sich vielleicht um die primare Kérpermuskulatur der acélomen Vorfahren handelt {aus der These 63). d) Da die Wand des Darmblutsinus (d. h. des Herzens) von der Splanchnopleura der beiden perikardialen Célomblasen gebildet wird, speziell die dem Sinus zugekehrte Muscularis von der dem splanchnischen Célothel aufen anliegenden Muskelschicht der Peri- kardblasen, so mu, wenigstens urspriinglich, die Muskelwand des Darmblutsinus an der Austrittstelle des Darmes aus diesem letzteren Bd, XXXIX. N, F. XXXIl. 20 300 Herbert J. Fleure, vorn und hinten, d. h. mit dem vorderen und hinteren Ende der sie erzeugenden Perikardwand aufhéren, was auch bei vielen Formen tatsiichlich der Fall zu sein scheint (These 64). e) Es bildet sich dabei tiber und unter dem Herzen, wo die beidseitigen Célomsaicke zusammenstofen, je eine Nabt, ein schmales Mesocardium. Die beiden Mesocardien werden frihzeitig resorbiert, nur bei den Chitonen erhalt sich das dorsale, vielleicht auch Spuren des ventralen (aus der These 66). f) Es ist die Vermutung erlaubt, daf& der Vorhof jederseits ein Rest eines vertikalen oder horizontalen hohlen Dissepimentes ist, also einer Gefa&schlinge von Artikulaten entspricht. In diesem Falle miif&te die Perikard-Célomblase urspriinglich in zwei Paaren vorhanden gewesen sein, wofiir gewisse ontogenetische Befunde zu sprechen scheinen (aus der These 72). ¢) Das Herz (inkl. Vorhéfe) ist urspriinglich der einzige eigenwandig-muskulése Bestandteil des BlutgefaSsystems der Mol- lusken. Alle iibrigen Teile sind urspriinglich lakunaire Kanale des zwischen den Organen in der Muskulatur und im Bindegewebe des. Korpers auftretenden Schizocéls. Um sie herum kann das umgebende Bindegewebe eine Art eigene Wand bilden (aus der These 74). h) Wenn in GefaSen eine eigene Muskulatur oder ein Epithel vorkommt, kann man sich folgendes denken. Die die Herzwand bildende mediane Wand der embryonalen Perikardblasen wird zwei- schichtig. Die fiir die Herzwand innen liegende Schicht wuchert. vielleicht aus dem Herzen in die arteriellen Schizocélkanale hin- aus, dieselben dann innen auskleidend. In den kleinsten Arterien (wenn es ein Epithel gibt) wurden die Muskelfasern immer mehr verkiirzt, also in ein Pseudoepithel umgewandelt (aus der These 75). An diese Thesen méchte ich folgende Bemerkungen ankniipfen: These 60. Haliotis ist dafiir ein treffender Beleg; diese Form hat die urspriingliche Gestalt der Herzkammer erhalten. These 62. Bei Haliotis und wahrscheinlich auch bei anderen Rhipidoglossen sind diese Verhialtnisse moéglichst einfach. Das. Darmepithel ist vom Ringmuskel mehr oder weniger umhiillt und diese Muskulatur tritt auch an dem Teile des Enddarmes auf, der vom Perikard umgeben ist. Die Muskulatur der Herzwand wird vom duferen Teile dieses Ringmuskels und von der Mus- kulatur der an das Herz angrenzenden Perikardwand gebildet, wie oben erwahnt wurde. These 63. Derselbe Ursprung gilt sicher auch fiir die nicht regelmakig angeordnete Muskulatur im Kérper von Haliotis. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 301 These 64. Es ist oben erwihnt worden, da8 die Muskulatur der Herzkammer nur ein stellenweise verdickter Teil der das Perikardepithel begleitenden Muskulatur ist. Wrrrsrern (39) ist zu demselben Resultat gelangt durch seine Untersuchungen iiber Cryptoplax, darum ware es vielleicht besser, die These 64 ganz zu streichen. These 66. Beide Mesocardien sind bei Haliotis fast voll- kommen verschwunden. In einer friiheren Arbeit iiber die Doco- glossen aber habe ich gezeigt, daf bei diesen Tieren das dorsale Mesocardium noch vorhanden ist. Ueber These 72 werden im niachsten Abschnitte einige Be- merkungen folgen. Mit These 74 stimmen alle meine Resultate vollkommen tiberein. Man kann ohne Zweifel sagen, da’, wenn irgendwo ein Blutsinus mehr oder weniger eigenwandig ist, die Wand vom umgebenden Gewebe gebildet wird. Diese These gilt auch fiir das Herz selbst. Da These 74 bei Haliotis so vollkommene Bestitigung findet, ist die These 75 fiir die Erklarung der Gefafverhaltnisse dieses Tieres nicht mehr noétig, ebenso ist sie iiberfliissig fiir die Er- klarung der GefaSverhaltnisse verschiedener anderer primitiver Prosobranchier, welche auch vollstindig entsprechend These 74 sich verhalten. Brre@u aber hat bei Pulmonaten andere Verhalt- nisse gefunden, welche sich durch diese These erklaren lassen. Wir miissen ferner mit Hilfe dieser Thesen die Entstehungs- geschichte des BlutgefaBsystems zu entwerfen versuchen. These 60 erlaubt uns die Vermutung, dafi ein Darmblutsinus den zuerst differenzierten Teil des Systems darstellte, alle anderen Raiume waren zu dieser Zeit nur unregelmaifige Liicken im Schi- zocoél. Bei dem Urmollusk bedurfte gewifS der Kopf und _ viel- leicht auch schon die ventrale Seite der gréften Blutmenge. Dar- um mute das reinste Blut im Darmblutsinus nach vorn strémen, um den Kopf zu erreicher.. Wegen diesem Vorwartsstrémen des Blutes war es ein Vorteil, das pulsierende Organ am Hinterende zu entwickeln, in dieser Gegend wurde das Perikard in den Go- nadensaickchen ausgehéhlt, um einen freien Raum um die pul- sierende Herzkammer herum auszubilden. Das Vorwirtsstrémen des Blutes im Darmblutsinus mufte immer einen Mangel an Blut am Hinterende verursachen, also mufte die Strémung von der hinteren Region der Kérperhaut zum Sinus in der Wand des Enddarmes besonders stark und regelmaBig werden. Hieraus erklart sich, wie ich glaube, die Spezialisierung 20 * 302 Herbert J. Fleure, der hinteren Koérperregion bei typischen Formen zum Zwecke der Respiration. Obgleich wir die urspriingliche Lage und Form der Respirationsorgane bei den Mollusken nicht genau kennen, kénnen wir doch mit Sicherheit sagen, dafi am Hinterende des Kérpers sehr friih ein Paar Ctenidien entwickelt worden sind. Die Blutlakunen zwischen den Respirationsorganen und dem Darmblutsinus miissen sich sehr friih geordnet haben, um die Strémung mehr direkt zu gestalten. Es mufte auf beiden Seiten ein Kanal entstehen, welcher von der Haut bis zum Hinterende des Sinus lief. Bei der weiteren Entwickelung wurden wahrschein- lich diese Kandale fiir die Pulsation zur Mithilfe- herangezogen. Um die dafiir nétige freie Lage zu erhalten, hat sich das Perikard um die Wande dieser Kanale herum ausgedehnt, auf diese Weise sind wahrscheinlich die ersten Anlagen der Vorhéfe entstanden. Diese Entstehungsgeschichte der Vorhéfe stimmt vollstandig mit allen Grundsatzen der ,,Trophocéltheorie“’ tiberein und _ bietet vielleicht eine einfachere Alternative als die These 72. Die Fort- dauer des Darmblutsinus auf der ganzen Strecke vom Mund bis zum After ware denkbar, wenn der Darm immer ganz gerade von vorn nach hinten verlaufen wiirde. Bei den Chitoniden aber finden wir Darmschlingen und gleich hier ist der nach vorn ziehende Blutkanal vom Darm getrennt. Ganz vorn aber sehen wir noch die urspriinglichen Verhaltnisse. Hier 6ffnet sich der arterielle Kanal in den um den Munddarm (Zungenapparat) liegenden Sinus. Es Jat sich zunachst fragen, warum das fiir den Ful be- Stimmte Blut hauptsachlich durch diesen weit nach vorn ge- lagerten Sinus flieBt. Ich glaube die Antwort ist die, da8 hier mehr als anderswo sich die Muskulatur des Darmes (speziell des Zungenapparates) und die der ventralen Kérperwand verbinden. In dieser Region treten auch die Markstrange in den Fuf hinein und mit den Muskelfasern und diesen Markstrangen k6nnen natiir- lich auch Blutkanale parallel verlaufen. Obgleich die dorsolaterale Oberflaiche der muskulésen Masse an das Himocél angrenzt, so sind doch die Fasern der Masse so dicht aneinander gelagert, daf an solchen Stellen nicht viel Blut in die Muskelmasse ein- treten kénnte. Der Munddarmsinus hat aber noch den anderen grofen Vorteil fiir das Tier, da8 der Blutstrom in demselben immer von der regelmafigen Pulsation des Zungenapparates verstarkt werden mu. Diese Betrachtungen erkliren die Fortdauer dieses Sinus und den Kreislauf des Blutes von der Aorta durch den- selben nach dem Fuf. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 303 Die unmittelbaren Vorfahren der Gastropoden (ohne Torsion) hatten wahrscheinlich eine U-formige Darmschlinge, ahnlich der- jenigen der Cephalopoden, diese Form des Darmes hat vermut- lich die Trennung der Aorta von der Darmwand bedingt, weil es fiir das Blut wichtig ist, immer auf dem kiirzesten Wege nach dem Kopfe zu gelangen. Der urspriingliche Darmblutsinus ist deshalb bei den Pragastropoden nur am vorderen (Munddarm- sinus) und am hinteren Ende (Herzkammer) erhalten geblieben. Die Torsion der Gastropoden hat aber diese Verhiltnisse noch mehr verandert. Sie hat den Enddarm nach rechts und vorn gedreht, weshalb man ihn bei den gegenwirtigen Gastropoden hinter und tiber dem Kopfe findet. Das Herz ist dem Enddarm gefolgt und liegt spiter nicht sehr weit vom Kopfe, der Weg des Blutes nach dem Kopfe durch die Blutliicken der Darmwandmuskulatur wire deshalb ein sehr grofer Umweg. Durch die Torsion ist natiirlich das friihere Vorderende des Herzens zum Hinterende geworden und umge- kehrt. Die vollstindige Trennung des Herzens vom Darm tritt bei den Gastropoden, z. B. bei den Docoglossen und bei den Monotocardiern, erst spater ein. Bei Haliotis selbst sind die Verhaltnisse zum Teil sehr primitive, die zwei Vorhéfe sind noch nicht sehr verschieden, doch ist der linke gréfer und dicker als der langgestreckte rechte (Fig. 4). Der linke Vorhof ist nur ein wenig nach vorn gedreht. Die Branchialhéhle aber hat sich vertieft und deshalb ist das Perikard weiter nach hinten zu liegen gekommen. Bei Haliotis ist eine gréfere Anzahl von Blutkanilen genau abgegrenzt als bei vielen anderen mehr spezialisierten Gastropoden, ob dies aber ein primitives Merkmal ist, scheint mir fraglich. Sehr eigentiimliche Verhialtnisse der Blutkanile in der Gegend der linken Niere und des Basibranchialsinus sind oben beschrieben worden. Ueber den Ursp’ung und die Ursachen dieser Verhalt- nisse kénnte man Vermutungen aufstellen, doch will ich mich auf moglichst wenig beschranken, weil genaue Beobachtungen tiber diese Verhaltnisse bei verwandten Tieren heute noch fehlen. Hier mache ich nur darauf aufmerksam, daf die basale Verbindung zwischen dem ,,Vas afferens“ und dem ,,Vas efferens* des Cteni- diums ganz so aussieht, als ob sie sich durch eine VergréSerung eines der sehr kleinen, aber entsprechenden Kanale im Ctenidium selbst entwickelt hatte. Ein Teil dieses komplizierten Kanalsystems dient sicherlich als Verbindung zwischen den Vorhéfen und sichert 304 Herbert J. Fleure, Gleichheit des Druckes auf beiden Seiten des Herzens. Offenbar ist es besser, nicht von abftihrenden und zufiihrenden Gefifen dieser Gegend zu sprechen, tiberhaupt sollte man in Beziehung auf einen grofen Teil des Tieres nicht von einer bestandigen Richtung des Blutstromes sprechen, die Strémung ist von den jeweiligen Bewegungen des Fufes sehr stark abhangig. Be- merkenswert ist auch ein Kontrast zwischen dem Blutkreislauf bei Chiton und Patella einerseits und bei Haliotis andererseits. Bei Chiton und Patella Jauft das Blut vom Herzen durch eine -eigene, obgleich kaum scharf begrenzte Blutbahn nach vorn und tritt erst in der Kopfregion in den um den Zungenapparat liegenden Sinus. Vom letzteren flieft das Blut weiter: a) in den Fuf wie bei Haliotis; b) in die Eingeweidemasse durch eine Blutbahn, welche die Radulascheide umhiillt. Bei Haliotis hingegen ist die ganze Radulascheide von der nach vorn Jaufenden Aorta umhiillt. Die Verhaltnisse bei Chiton und Patella sind offenbar primitiver, bei Haliotis dagegen haben wir eine durch die sekunddre Verlagerung des Herzens nach hinten entstandene Neuanpassung. Die Atmungsorgane und die Branchialhéhle. Der Atmung dienen hauptsichlich die paarigen Ctenidien, welche in der Branchialhéhle liegen. Eine sehr eingehende und exakte Beschreibung ist schon von BERNARD (2) gegeben worden, der die Organe der Branchialhéhle ausfiihrlich darstellt, weshalb hier nur eine kurze Bestitigung mit einigen neuen Einzelheiten folgen wird. Schon im ersten Abschnitte sind die Lage der Branchial- héhle, der Schlitz in ihrem vorderen Abschnitte und die Tentakel des letzteren besprochen worden. Das Dach der Branchialhéhle stellt eine besondere Erweiterung des Mantelrandes dar, und sein Vorderrand, der den Schalenrand absondert, hat ungefahr dieselbe Struktur wie der Mantelrand der rechten Seite. Hier aber ist die Muskulatur bedeutend verstarkt, da viele Retraktorfasern im Rande sich finden, Im Epithel des Daches der Branchialhéhle sind ein. Paar Mucusdriisen (Hypobranchialdriisen) differenziert, von denen die linke viel gréBer als die rechte ist, die sich nur an der Seite des Enddarmes befindet, waihrend die linke sich fast bis zum Vorder- ende des Daches ausstreckt (Fig. 4). Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 505 Das driisige Epithel ist in grofen Falten angeordnet (Fig. 73), welche in der Hinterregion nach dem After gerichtet sind, weiter nach vorn aber immer mehr quer zu liegen kommen. Es finden sich zweierlei Zellarten (Fig. 78), sehr lange Driisenzellen, die in der Tiefe der Falten noch bedeutend langer sind als auf ihrer Hohe, und bewimperte Stiitzzellen, die sich nicht bis zur Basis des Epithels ausstrecken. Letztere kommen auf der Hohe der Falten besonders haufig vor. Die Anordnung der Falten zeigt, da die Umhiillung von Exkrementkérpern mit Mucus eine wich- tige Funktion der Driisen darstellt, doch dient die Sekretion auch zum Schutz des zarten Gewebes des Ctenidiums gegen andere Fremdko6rper. Einzellige Mucusdriisen kommen in der Wand der Branchial- héhle, die aus ziemlich niedrigem Epithel gebildet ist, tiberall vor und sind an dem Rande des Ctenidiums, der das zufiihrende Ge- faB enthalt, sehr haufig (Fig. 75 u. 76). Links und rechts springen die Ctenidien als Lingswiilste an den Seitenwinden der Branchialhéhle vor. Jedes Ctenidium be- steht aus paarigen Blattern, die sich auf jeder Seite der Achse anordnen. Die der Wand zugekehrte Seite der Achse enthalt die abfihrende, die der Branchialhéhle zugekehrte Seite die zufiihrende Blutbahn des Ctenidiums. An der Basis des Ctenidiums leitet die abfiihrende Blutbahn in den Vorhof, die beiden zufiihrenden Ge- fafe werden dagegen nicht weit von dem Hinterende durch einen Quersinus (Basibranchialsinus) verbunden, dessen weitere Verbin- dungen oben beschrieben wurden. Hinter diesem Sinus bleibt die durch seine Wande gebildete Verbindung bestehen (Fig. 73), so da8 die zufiihrende Seite des Ctenidiums am Hinterende mit dem Dach der Branchialhéhle verbunden ist. Diese Tatsache ist von Interesse, weil bei den Trochiden eine ahnliche Verbindung sich viel weiter nach vorn ausdehnt, d. h. in Haliotis haben wir die erste Anlage des Trochuszustandes, der wahrscheinlich hervorgerufen worden ist, weil die Ctenidienblatter dabei viel besser und freier auf- gehingt wurden. Die Stiitzmembran des Ctenidiums ist von niedrigem Epithel bedeckt, unter dem querlaufende Muskelfasern haufig vorkommen, aber auch Bindegewebszellen, die ein ziemlich kompaktes Gewebe (s. oben) bilden. Mit dem abfiihrenden Sinus verbinden sich unregelmafige Blutbahnen vom Mantelrande u. s. w. Die abfiihrende Blutbahn ist eine Erweiterung des Raumes in dieser Membran. An der Innenseite der Seitenwinkel dieser Blutbahn verlaufen Léngs- 306 Herbert J. Fleure, muskeln (Fig. 74), die zur Zusammenziehung des Ctenidiums dienen, auf die Blatter gehen sie nicht tiber. Die zufiihrende Blutbahn befindet sich an der freien Seite der Achse und ist von einem héheren Epithel (Fig. 75) ausgekleidet, bei dem Mucuszellen haufig vorhanden sind. Unter dem Epithel sind einige querverlaufende Muskelfasern, welche sich ein bifchen in die Blatter an den Seiten erstrecken. Wieder unter diesen Fasern sind andere, welche langsge- richtet sind. Das Blatt stellt eine besondere Ausstiilpung des Epithels dar, deren zwei Flachen sehr nahe aneinander liegen, so daf das Blatt sehr diinn ist, es ist auch im mittleren Teile schrig vefaltet. Das Epithel ist an der zufiihrenden Seite des Blattes niedrig und driisig, gegen die andere aber héher, bewimpert und mit Sinneszellen versehen: es liegt iiberall einer deutlichen Basal- membran an. An der abfiihrenden Seite kommt noch (Fig. 73—77) chitinartiges Stiitzgewebe vor, das eine U-formige Gestalt besitzt. Die eine Halfte des U liegt im einen, die andere im nachsten Blatt. Die Basis des U ist an der Seite gegen das Epithel etwas ausgedehnt und dient hier als Ansatzstelle fiir die besprochene Muskulatur, dorsalwarts im Blatt (gegen die zuftihrende Seite) wird das Chitin immer diinner. An der abfiihrenden Seite, wo das Chitin vorkommt, ist das iiberliegende Epithel hoch und besteht aus Wimperzellen und Sinneszellen (Fig. 76). In einer Zone tiber dem diinneren Teile der Chitinstiicke liegt iiber dem hohen Epithel eine ziemlich dicke Masse, offenbar aus verklebten Cilien gebildet. Diese kissenahnlichen Bildungen miissen die Blatter des Cteni- diums voneinander abheben. Meines Wissens sind sie bis jetzt nur von Chitoniden (PLATE, 30) und Lamellibranchiern beschrieben worden. Sie kommen auch bei anderen Rhipidoglossen (z. B. Emarginula) vor. Die innere Fliche des Chitins ist von ganz dtinnem Binde- gewebe ausgekleidet. Solche Gewebselemente kommen auch sonst im Blatte vor. Zwischen den zwei Flachen des Blattes verlaufen sehr zahlreiche faserige Briicken. Ein Nerv verlauft dem Rande des Blattes entlang. Sonst sind zwei seitliche Nerven in der abfiihrenden (Fig. 74) und drei in der zufihrenden Blutbahn (Fig. 75) des Ctenidiums vorhanden. Sie vereinigen sich untereinander und mit dem Blattnerven, und sind mit den Zweigen des Kiemennervs verbunden (s. oben Nervensystem). Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 307 VI. Das Célom und die verwandten Organe. Die Annahme ist wahrscheinlich, da8 der Teil des Céloms der Mollusken, der durch das Perikard repriisentiert wird, durch Er- weiterung des hinteren Teiles der Geschlechtsdriise oder eher durch Vergréferung des Anfangsteiles des Ausfiihrungsganges zu stande gekommen ist. Die Ausfiihrungsginge iibernahmen die exkretorische Funktion von primitiveren Nierenbildungen und dienten trotzdem noch als Leiter der Geschlechtsprodukte, die jetzt durch das Perikard durchgehen muften. Da aber das Perikard einen freien Raum fiir das pulsierende Herz bildete, ist eine Verbesserung eingetreten, und schon bei den primitivsten Gastropoden 6ffnet sich die Geschlechtsdriise direkt in den An- fangsteil (d. h. in den perikardialen Kanal) der Niere. Offenbar sehr friih in der Entwickelung der Mollusken hat die (urspriinglich) linke Geschlechtsdriise zugenommen, wahrend die rechte sich verkleinerte und schlieSlich ganz verschwand. Da- durch ist auch der (urspriinglich) linke Ausfiihrungsweg der wichtigere des Paares geworden und hat bei den unmittelbaren Ahnen der Gastropoden zweifellos die meisten Exkretionsprodukte ausgeleitet. Das Ctenidium dieser Seite wurde dann vom Exkret viel eher belastigt als das andere (das urspriinglich rechte), das dadurch eine grifere Wichtigkeit erlangte. Hierin sehe ich, wie ich schon in einer kleinen vorliufigen Abhandlung besprochen habe, die Ursache, die der Torsion bei den Gastropoden die Richtung gab. Der TorsionsprozeB hatte als Ziel hauptsachlich die Verbesserung der Lage der Bran- chialhéhle, die Lage des wichtigeren (urspriinglich rechten) Cteni- diums wurde um so giinstiger, je héher die Branchialhéhle auf der rechten Seite des Tieres zu liegen kam, weil es dabei immer freier tiber dem After und die wichtigere Nierenéffnung zu stehen kam. Nach Vervollstandigung der ‘orsion sollte sich dann das wichtigere Ctenidium auf der linken, der wichtigere Ausfiihrungsweg auf der rechten Seite befinden, Verhaltnisse, die fiir die primitiven Proso- branchier ganz typisch sind. Das Perikard. GROBBEN (11) hat schon iiber die Perikardialdriise geschrieben und Perrier, HALier u. a. iiber die Nieren. Ueber die erste kann ich nichts neues erwaihnen, das Perikardepithel ist im all- gemeinen sehr flach, nur am Rande des Vorhofes sind die Zellen 308 Herbert J. Fleure, (Perikarddriisenzellen) héher und oft mit vielen Kérnchen ver- sehen. Sie besitzen offenbar eine exkretorische Tatigkeit. Die rechte Niere liegt rechts vom Perikard (Fig. 4), erstreckt sich aber unter die benachbarten Eingeweide sowie auch weit nach vorn bis zur Kopf- wand, zwischen den Darmschlingen und der K6rperwand (Fig. 73). Sie miindet unter und etwas rechts vom Enddarm nach aufen, nicht weit vom Hinterende des Daches der Branchialhohle (Fig. 73). Der Endabschnitt der Niere ist nicht spezialisiert, wie es bei Pleuro- tomaria und Trochus der Fall ist, er fiihrt von der Oeffnung im Dach der Kiemenhéhle zuriick bis zur rechten Vorderwand des Perikards, wo sich der perikardiale Kanal befindet. Hauer (16) hat meines Wissens als erster die Verbindung zwischen der rechten Niere und dem Perikard beschrieben, seine Resultate wurden aber von Perrier (28), ERLANGER (8) und anderen bestritten; es ist mir friiher gelungen, den Befund HALLERs zu be- stitigen. Kiirzlich sind von TorzauEr (37) gleichlautende Angaben gemacht worden. Die Oeffnung ins Perikard befindet sich ganz in der rechten Vorderecke des Perikards; in den ziemlich kurzen Kanal miindet der Leitungsweg der Geschlechtsdriise ein; die Oeffnung in die Niere ist ziemlich breit (Fig. 81 und 82). Der Kanal ist hauptsachlich von Nierenepithel ausgekleidet, nur ganz am Ende gegen das Perikard kommt das flache Epithel des letzteren vor. Am Ende gegen die Niere finden sich noch, wie ich glaube, Mucuszellen. Die Niere selbst stellt eine Epithelwand zwischen einem Blut- sinus auf der einen Seite und dem Ausfiihrungsgang auf der anderen vor, nur ist die Oberflache durch Faltung und Aus- sackungen bedeutend vergréfert und die Tatigkeit des Organes dadurch erhéht worden. Unter dem Epithel befinden sich tberall Blutriume, fast immer ohne eigene Wandung und innerhalb dieser Raiume befinden sich multipolare Bindegewebszellen, Fasern u. s. w., welche ein unregel- mafiges Netzwerk bilden. Unter dem Epithel ist oft eine Schicht strukturloser Grundsubstanz vorhanden, besonders an Stellen, wo ° zwei Epitheloberflachen nahe aneinander zu liegen kommen. An solchen Stellen findet man in der Grundsubstanz, wie PERRIER beschreibt, kleine runde und ovale Plasmazellen und auch hier und da mehr faserartige Zellen. Im vorhergehenden Kapitel Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 309 wurde erwihnt, daf das Blut die Blutriume unter dem Epithel dieser Niere hauptsachlich durch zwei grofe Blutbahnen erreicht: a) Ein ziemlich gut begrenzter Sinus, der von der Kopfhiéhle bis zum Basibranchialsinus unter dem Nierenepithel verlauft (Fig. 66—69 und 73). b) Die Blutbahn, welche das Blut vom hinteren Teile des Eingeweidesackes zur rechten Seite der Niere bringt. Die grote Blutbahn (a) besitzt eine eigene, aus Muskelfasern _ gebaute Wand; sie laft sich verfolgen von der Kopfhéhle bis zum Basibranchialsinus, in den sie sich 6ffnet. Trotz der deutlichen Begrenzung dieser Blutbahn steht sie sehr hiufig mit den un- regelmafigen Blutliicken des Organes in Verbindung. Prrrier ist der Meinung, daf das Blut durch das grofe Gefaéf& von der Kopf- héhle zum Basibranchialsinus strémt!, ohne von den auszu- scheidenden Substanzen gereinigt zu werden. Nach meiner An- sicht wird dieser direkte Weg nur im Notfalle benutzt, z. B. im Falle eines Mangels an Blut im Ctenidium; gewoéhnlich muf sich das Blut dieses Gefafes mit demjenigen der unregelmafigen sub- epithelialen Blutliicken des Organes haufig mischen. Man darf iiber- haupt dem Tiere einen zu regelmafigen Blutkreislauf nicht zuschreiben. PERRIER und Hauer haben das Nierenepithel beschrieben, doch kann ich weder die eine noch die andere Beschreibung be- stitigen. Haier hat folgende Zellarten gesehen: a) Zellen mit grofen Kernen und griinen Kérnchen: b) Zellen mit kleinen Kernen und gelblichen Kérnchen; c) kleinere Zellen in der Urinkammer. Die Zellarten a und b waren nie zusammen in derselben Aus- sackung vorhanden. Fir PERRIER gibt es: a) Lange bewimperte Zellen mit Kornchen. Diese Zellen kommen hauptsachlich in der Nahe der Gefa£e vor. b) Vacuolisierte Zellen gine Cilien oder K6rnchen. c) Sehr regelmakig bewimperte Zellen der Urinkammer, Von diesem Epithel sagt er: ,,on ne saurait mieux comparer qu’a celui du tube digestif.“ Nach meinen Beobachtungen gehért weitaus die grofe Mehr- zahl der Zellen zu einer Art, obgleich das Bild etwas variiert. Die Zellen sind (Fig. 79) ziemlich grof und von sehr verschiedener Hohe; die Lage des Kernes, welcher grof und oval ist, variiert stark; im Protoplasma finden sich tiberall zerstreut dunkle Kérnchen, die sich jedoch hauptsachlich gegen die freie Oberflache sammeln. 310 Herbert J. Fleure, Die Oberfliche der Zellen ist ziemlich unregelmafig und Cilien scheinen nicht vorhanden zu sein. Der oberfliichliche Teil der Zelle ist oft vakuolisiert und aufgeblasen, und auf Schnittpra- paraten hiaufig von der Zelle getrennt. Hier und da findet man schmiilere, fast oder ganz kérnchenlose Zellen, die aber auch grofe, doch etwas schmialere Kerne besitzen und méglicherweise junge Stadien der gewoébnlichen Zellen darstellen. Die Zellen, die der Muskelwand der groSen Blutbahn anliegen, sind schmaler und besitzen weniger Kérnchen, offenbar weil die Wandung zwischen Blutraum und Nierenepithel die exkretorische Tatigkeit der Zelle verhindert. Gegen die Nierendffnung zu werden die Zellen bedeutend kleiner, sind aber immer von derselben Art, Kérnchen werden immer seltener. Die unmittelbare Umgebung der Oeffnung ist von einem ganz niedrigen Epithel ausgekleidet. Cilien habe ich nicht gesehen. Meine Praparate stammen von in Sublimat konservierten Tieren, bei denen z. B. die Cilien der Diinndarmzellen und die Umrisse der Zellen der groSen Verdauungsdriise vollkommen konserviert waren. Die Bilder (Fig. 79) sind nach 8 w dicken Schnitten gezeichnet worden; es wurde Celloidin-Paraffineinbettung und Farbung mit Himatoxylin (DELAFIELD) und Erythrosin ange- wendet. Ich habe gleiche Resultate auch von anderen und anders behandelten Schnitten bekommen. Die Geschlechtsdriise ist das veriinderlichste Organ des Molluskenkoérpers; sie entwickelt sich immer an solchen Stellen, wo etwas freier Raum das be- soudere Wachstum zur Brunstzeit ohne Aenderung der Ko6rper- form erlaubt. Bei Haliotis entwickelt sich deshalb die Driise auf der Oberfliche der hinteren Eingeweidemasse und des kegel- formigen Coecums. Sie erstreckt sich auch zwischen der Niere und der Kérperwand auf der linken Seite des grofen Schalenmuskels. bis weit nach vorn (Fig. 4). Ein Leitungsweg der Driise fiihrt, wie schon erwaéhnt, in den renoperikardialen Kanal (Fig. 4 und 81). TosuLer (36) hat einen zweiten Leitungsweg bei Parmophorus gefunden, und TorzAuER hat einen entsprechenden fiir Haliotis beschrieben, den ich aber nicht gefunden habe. Die Bildung der Geschlechtszellen ist eine spezielle Frage, die ich ganz auf der Seite gelassen habe. Leider habe ich in Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 311 meiner vorlaufigen kleinen Arbeit (9), in der ich das Vorkommen des rechten renoperikardialen Kanales bestatigte, einige Irrtiimer hinzugefiigt, die, wie ich spiter fand, durch die schlechte Kon- servierung des Materials verursacht wurden. Damals fand ich Geschlechtszellen tiberall in der Nierenhéhle, weshalb ich natiirlich dachte, da’ das Tier zur Brunstzeit konserviert worden sei; die Zellen waren aber unreif und lagen nur frei wegen der teilweisen Auflésung des Gewebes. Die Brunstzeit fallt im englischen Kanale in den Sommer, hauptsachlich von Juni bis August. HALLER hat die rechte Nierenéffnung als die der Geschlechts- driise eigene Miindung nach aufen beschrieben, eine jedenfalls ganz falsche Auffassung der Verhiltnisse, wie PERRIER, PELSENEER, THIELE u. a. gezeigt haben. Die linke Niere ist schon von HALLER, PERRIER u. a. beschrieben worden. HALLER glaubt, daf dieses Organ nur eine Aussackung des Ausfiihrungs- ganges der rechten Niere darstellt, die zwei Nieren sind aber voll- kommen voneinander getrennt, wie von vielen anderen Autoren angegeben worden ist. Die linke Niere steht in grofem Gegensatz zur rechten. Sie bildet einen verhaltnismaSig kleinen Sack zwischen der linken Seite des Daches des Perikards (Fig. 4 und 66—72) und der Branchialhohle. Der Gegensatz zeigt sich in der Struktur makro- skopisch und mikroskopisch ebenso scharf: das Epithel dieser Niere ist zu langen Papillen ausgebildet, die sich in den zentralen freien Raum vorstiilpen. Der Gegensatz zur rechten Niere ist ebenso scharf in Bezug auf die Blutbahnverhaltnisse. Wrcamann beschreibt Blutbahnen zwischen den Lakunen unter dem Epithel dieser Niere und dem Basibranchialsinus einerseits; und den beiden Vorhéfen anderer- seits. Fir Prerrier sind war die Verbindungen mit den Vorhéfen wichtig. Ich habe folgende Blutbahnen gefunden (Fig. 64—72): 1) Zwischen den Blutraumen dieser Niere und denen des an- - grenzenden Gewebes — d. h. zwischen denen der Perikardwand und der Wand des hinteren Teiles der Branchialhohle. 2) Zwischen dem Basibranchialsinus und einem ziemlich scharf begrenzten Raume an der rechten Vorderecke der Niere. (Dieser Raum ist auch mit den allgemeinen Blutraumen der Niere ver- bunden) (B.Br.X). 312 Herbert J. Fleure, 3) Zwischen dem eben erwahnten Raume und dem zweiten vom hinteren Aste des Basibranchialsinus abzweigenden Kanale (s. o. p. 295 und Fig. 69 B.Br.l). 4) Der eben genannte Kanal, mit dem vorher erwahnten Raume schon verbunden, fiihrt weiter, bis er sich schlieSlich ins linke abfiihrende KiemengefaiS 6ffnet, an der Stelle, wo dieses ins Perikard eintritt (Fig. 7T0—72). 5) Der dritte (s. 0. p. 295), vom hinteren Ast des Basibran- chialsinus ausgehende Kanal tritt in Verbindung mit den Liicken unter dem Epithel des dorsalen Teiles der Niere (6.Br.d). Das Blut, das durch 2), 3), 4) und 5) an diese Niere ge- langt, mufi schon von den exkretorischen Stoffen ziemlich gut ge- reinigt sein, weil es so kurz vorher das Epithel der rechten Niere passiert hat. In einem Punkte aber verhalten sich das rechte und das linke Organ gleich, jedes hat seinen perikardialen Kanal. Der Kanal der linken Niere, den ich vorher nicht gefunden hatte, befindet sich ganz am Vorderende des Perikards und verlauft vom Boden der Niere schraég nach hinten, um in den Boden des Perikards einzumiinden (Fig. 83—85). Die Zellen am Ende des Kanals gegen die Niere gleichen denjenigen des Nierenepithels. Weiter im Kanal nehmen die Zellen an GréBSe ab, die Kerne bleiben aber gro8. Der gréfte Teil des Kanals ist vom flachen Perikard- epithel ausgekleidet, eine Tatsache, die uns lehrt, da8 der Kanal in die Lange gezogen worden ist. Dieser Kanal ist schon von PreRRIER und ERLANGER beschrieben worden. Auch in Bezug auf das Epithel dieser Niere kann ich weder die Beschreibung Prerrirrs noch die Angaben HALLEerRs durchaus bestatigen. Hauer beschreibt fiir eine Papille der Niere einen zentralen Stiel von Fasern, der dann von Epithel tiberzogen ist. PERRIER dagegen hat einen Blutraum im Zentrum der Papille gefunden, von einer dicken Bindegewebsschicht umgeben, die von einem ganz kleinzelligen Epithel bedeckt wird. Gleichwie Perrier angibt, finde ich einen Blutraum im Zen- . trum der Papille, dann eine Bindegewebsschicht, dann das deckende Epithel (Fig. 80). Von der Beschreibung PrErriers weiche ich mit der Angabe ab, daf erstens die Bindegewebsschicht nur sehr mafig entwickelt ist und zweitens, da’ die Zellen des Epithels ziemlich grof und hoch sind. Wie er angibt, findet man etwas Schleim im Nierenraum. Das Epithel ist demjenigen der anderen Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 313 Niere nichts weniger als ahnlich, die Zellen sind viel regelmafiger und besitzen keine pigmentierten Kiérnchen. Die Zellen sind ziem- lich hoch und ungefahr viereckig, sie besitzen sehr deutliche Kerne, welche eher iiber als unter der Mitte der Zellen liegen. Der oberste Teil der Zelle ist fiir Farbstoffe ziemlich empfindlich, eine Tatsache, welche den Irrtum Prrriers vielleicht verursacht hat. Die Zellbasis ist angeschwollen und weniger deutlich. Sie liegt gegen den zentralen Blutraum der Papille, in welchem Blut- kérperchen und Bindegewebe vorkommen. PERRIER (28) beschreibt ,,des masses, que les coupes montrent comme s’etant deposées dans les mailles mémes du tissu con- jonctif de la papille .. . cette masse est comme formée de_ba- tonnets fasciculés ... des sortes de... crystalloides qui sont entrainés par le courant sanguin“. Diesen Befund kann ich teilweise bestatigen, nur glaube ich, dafS diese farblosen lichtbrechenden Ké6rnchen, die in kleinen Gruppen liegen, gewohnlich innerhalb der Zellen des Epithels und nicht im Bindegewebe des zentralen Raumes liegen. PERRIER hat hauptsichlich die lebenden Papillen beobachtet, das habe ich auch getan, dazu aber habe ich noch andere Beobachtungen aus- gefiihrt, die ich hier beschreibe: a) Eine ganz frische Papille wurde mit schwacher Essigséure behandelt. Die Saure hat das Gewebe der Papille aufgehellt, wo- durch die kleinen K6érnchen viel starker auffielen. Sie stehen in kleinen Gruppen und haben jedes vielleicht eine Lange von 0,02 mm. b) Die jetzt durchsichtige Papille mit den auffallenden K6érn- chen wurde mit stirkerer Kssigsiure behandelt, aber erst nach _ betrachtlicher Erwarmung lésten sich diese Kérnchen zum Teil auf. c) Eine ahnliche Papille wurde mit dem Mrintonschen Reagens behandelt. Die Kérnchen waren aber zu klein, als daf eine Far- bungsreaktion beobachtet werden konnte. d) Kine frische Papi wurde mit Salpetersiure (gleicher- weise mit Salzsiure) behandelt. Mit schwacher Saure erfolgte keine Reaktion, mit starkerer Saiure und nach Anwendung von Warme verschwanden die Kérnchen mit dem Gewebe. e) Kine frische Papille wurde mit Kalilauge behandelt. Dabei lésten sich die Kérnchen zweifellos auf. f) Eine frische Papille wurde mit Pepsinlésung (dazu eine Spur Salzséure) behandelt. Die Lésung wirkt langsam ein, nach einiger Zeit aber quellen die Kérnchen auf und werden schlieflich weniger deutlich. 314 Herbert J. Fleure, Reaktionen a—d zeigen, dafi wir es wahrscheinlich nicht mit einem Metallsalz zu tun haben und erlauben die Vermutung, daf die Kérnchen organischer Natur seien. Diese Resultate gebe ich aber unter Vorbehalt; ich hoffe, diese Frage eingehender unter- suchen zu kénnen. Es unterliegt jedenfalls keinem Zweifel, da8 dieses Organ sich in Bezug auf die Funktion von der rechten Niere scharf unter- scheidet. Das Epithel, die Verhaltnisse der Blutbahnen, der In- halt der Zellen, die Struktur und Lage des Organes sind in den beiden Fallen sehr verschieden. Das morphologische Interesse fiir die Niere liegt in ihren Beziehungen zu den Torsionsvorgaingen die oben besprochen wurden, und in der Frage nach der Homologie der einzigen Niere héherer Prosobranchier (Monotocardier). In meiner kleinen vorlaufigen Abhandlung habe ich versucht, die Ansicht Prrriers zu unterstiitzen und die Niere der Mono- cardier vom hinteren Abschnitte der rechten Niere einer Haliotis abzuleiten; die linke Niere ware dann der Nephridialdriise der Monocardier homolog. Seither aber haben die Zeugnisse fiir die entgegengesetzte Ansicht zugenommen. Miss DrumMonp (6) hat die ontogenetischen Befunde ERLANGERs bestitigt und THIELE hat eine Nephridialdriise bei der linken Niere von Trochus gefunden, und dazu auch die rechte Niere der primitiven Rhipidoglossen als Homologon des Nebenorganes des weiblichen Geschlechtsapparates bei Neritiden aufgefaft. Ich kann hier kein neues Licht auf diese schwierige Frage werfen und muf deshalb diese Diskussion iiber- gehen, nur méchte ich hinzufiigen, dag, wenn man die Niere der Monotocardier von der linken Niere der Diotocardier ableitet, die Monotocardier von einem Diotocardier abstammen miissen, bei dem die linke Niere noch nicht in einen Papillarsack umgewandelt ist. Woopwarp (40) hat einen Schritt in der Richtung dieser An- nahme gemacht, indem er bei der Diskussion des Nervensystems die Ansicht unterstiitzt, da8 Pleurotomaria eher als Trochus die Stammform der Monotocardier darstellt. Wenn wir aber an dieser Homologie der linken Niere mit der Niere der Monotocardier fest- halten wollen, sollten wir noch weiter zuriickgehen, weil offenbar schon bei Pleurotomaria die linke Niere nicht mehr ein rein exkretorisches Organ ist, sondern ein Papillarsack, aihnlich dem von Haliotis. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 315 Verzeichnis der zitierten Literatur. 1) Amavprvt, A., La partie antérieure du tube digestif et la torsion chez les Mollusques Gastéropodes. Ann. Sci. Nat. Zool., Sér. 8, Vol. VII, 1898. 2) Bernarp, F., Recherches sur les organes palléaux des Gastéro- podes prosobranches. Ann. Sci. Nat. Zool., Sér. 7, Vol. IX 1890. 3) Beren, R. S., Beitrage zur vergleichenden Histologie. Anat. Hefte (Mrerxet u. Bonner), Abt. 1, Bd. X, 1898. 4) Bouran, L., La cause principale de l’asymétrie des Mollusques Gastéropodes. Arch. de Zool. exp. et gén., Sér. 38, T. VII, 1899. 5) Bouvier, E. L., Systéme nerveux etc. des Gastéropodes proso- branches. Ann. Sci. Nat., Sér. 7, T. III, 1887. 6) Drummonp, J. M, On the development of Paludina. Quart. Journ. Micr. Se., Vol. XLVI, 1902. 7) Eruancer, R. von, Zur Entwickelung von Paludina vivipara. Morph. Jahrb., Bd. XVII, 1891. 8) — On the paired nephridia of Prosobranchs, Quart. Journ. Micr. Se., Vol. XXXIIT, 1892. 9) Fixurn, H. J., On the relations of the kidneys in Haliotis tuberculata etc. Quart. Journ. Micr. Se., Vol. XLVI, 1902. 10) — On the evolution of topographical relations among the Doco- glossa. Trans. Linnean Soc., 1904. 11) Grossen, C., Die Perikardialdriise der Gastropoden. Arb. Zool. Instit. Wien, TX, 1890. 12) Hescueter, K., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie von Professor Lane. Abteiing Mollusken. Jena 1900. 13) Hixexr, C., Beitrige zv. Kenntnis des Gastropodenauges. Morph. Jahrb., Bd. X, 1885. 14) Huxuny, T. H., On the morphology of the cephalous Mollusks. Philos. Trans. Roy. Soc. London, 1853. 15) Hauser, B., Untersuchungen iiber marine Rhipidoglossen. Morph. Jahrb., Bd. IX u. XI, 1883—86. 16) — Studien tiber docoglosse und rhipidoglosse Prosobranchier. Leipzig 1894. 17) pp Lacazu-Duruiers, H., Mémoire sur le systéme nerveux de PHaliotide. Ann. Sci. Nat. Zool., Sér. 4, T. XII, 1859. 18) Lane, A., Beitrige zu einer Trophocéltheorie. Jen. Zeitschr., Bd. XXXVIII, 1904. Bd. XXXIX, N. F. XXXII. Mal ? 316 Herbert J. Fleure, 19) Lanxester, EK, Ray, ,,Mollusca*. Encyclopaedia Britannica, 9, ed., 1883. 20) — On the criginally bilateral character of the renal organs of Prosobranchia. Ann. Mag. Nat. Hist., Sér. 5, Vol. VII, 1881. 21) — On the Coelom and vascular system of Mollusca and Arthro- pods. Quart. Journ. Micr. Sc., Vol. XXXIV, 1893. 22) Leypic, Fr. Ueber Paludina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. II, 1850. 23) Mitne-Epwarps, H., Sur la classification des Mollusques Gastéro- podes. Ann. Sci. Nat. Zool., Sér. 3, T. 9, 1848. 24) Moorn, J. E. 8, The Molluscs of the great African lakes. Quart. Journ. Micr. Sc., Vol. XLI, 1898. 26) Parren, W., Eyes of Molluscs et Arthropods. Mitt. Zool. Stat. Neapel, Bd. VI, 1886. 27) Prusenrnr, P., Les Mollusques archaiques. Mem. cour. de Acad. Belg., Vol. LVII, 1899 und viele andere Schriften. 28) Perripr, Remy, Le rein des Gastéropodes prosobranches. Ann. Sci. Nat. Zool., Sér. 7, T. VIII, 1890. 29) Pitspry, H., G. W. Tryon, Manual of Conchology. New Jersey Sg 30) Prater, L., Die Anatomie und Phylogenie der Chitonen A, B und C. Zool. Jahrb., 1897—1900 und andere Schriften. 31) Smmeotu, H., ,,Mollusca“, in Bronns Klassen und Ordnungen des Tierreichs. Leipzig 1897. 32) SowrrsBy, Thesaurus conchyliorum. London. 33) TureLte, J., Ueber Sinnesorgane der Seitenlinie und das Nerven- system von Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zool, Bd. XLIX, 1890. 34) — Beitrage zur Kenntnis der Mollusken. 1) Ueber das Epi- podium. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LITI, 1892. 2) Ueber Hautdriisen und ihre Derivate. Ibid., Bd. LXII, 1897. 35) — Die systematische Stellung der Solenogastren und die Phylo- genie der Mollusken. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. LXXII, H. 2 u. 8, 1902 und andere Schriften. 36) Topter, Max, Zur Anatomie von Parmophorus. Jenaische Zeitschr., Bd. XXXVI, 1901. 37) Torzaupr, R. J., Nieren und Gonadenverhiltnisse von Haliotis. Zool. Anz, Bd. XXV, 1902. 38) Weemann, H., Contributions a histoire naturelle des Haliotides. Arch. zool. expér., Ser. II, Vol. II, 1884. 39) Werrstein, E. Zur Anatomie von Cryptoplax. Jenaische Zeitschr., Bd. XX XVIII, 1904. 40) Woopwarp, M. F., The Anatomy of Pleurotomaria. Quart- Journ. Micr. Se., Vol. XLIV, 1901. Re. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 317 Erklirung der Abbildungen. Bedeutung der Buchstaben: R = rechtsseitig, L = linksseitig A Seitenwand des Magens, topo- grapische Vorderseite Abf die Seite des Ctenidiums mit | dem abfiihrenden Gefaf Ao Aorta oder Bulbus aortae Ao.N Nerv zur Aortenwand Aus Ausbuchtung des Hohl- raumes der Otocyste Au Auge Auep Augenepithel B Seitenwand des Magens, topo- graphische Hinterseite B.Br Basibranchialsinus B.Brvr, B.Br.l, B.Br.d Kanile | vom Hinterzweig des Basi- branchialsinus, die nach rechts resp. nach links und | dorsalwarts p- 295) B.Br.X Kanal vom Basibranchial- sinus selbst, zur linken Niere B.Dr Buccaldriise oder ihre Ein- miindung in den Munddarm Brd.N Nerven des Dacheg’ der Branchialhéhle B.T Buccaltaschen Buc Buccalnervensystem Cer cerebrale ganglidse Region C.Pl Cerebropleuralkonnektiv C.Ped Cerebropedalkonnektiv Ct Ctenidium Cin Ctenidialnery Cut Cuticula D.F oberste Falte der Mantel- randspalte gehen (s. 0, D.K1 dorsale Klappe des Mund- darmes D.Lp dorsale Lappen des Man- telrandes Dr.B, Driisenband vom Boden des Magens Dr.B, Drisenband der Seiten- wand A des Magens Dr.Z Driisenzelle Epi Epipodium Epi.N Epipodialnerv End Enddarm | End.N Enddarmnery F's Fubsohle F's.N Fufsohlennerv Gdr Geschlechtsdriise Gdrg Ausfiihrungsgang der Ge- schlechtsdriise Gdr.N Nerv der Geschlechtsdriise Gk Glaskérper des Auges Gr.Sch.M gro8er Schalenmuskel Hoafi.E Haftepithel H Herzkammer Hauptr Hauptrinne des Magens H.Kl Klappe zwischen Vorhof und Herzkammer Hkn Nerv des Subradularhickers H.Wz Hautwarze H.N Nerv zur Herzkammer In.F's.N innere (mediane) Serie der Fufsohlennerven K Kiefer. In Fig. 15 bedeutet K die Oberfliche des Kiefer- wulstes nach Entfernung des Kiefers a1 * 318 K.Ep Epithel, welches die Stab- chen des Kiefers absondert K.St Kieferstibchen K.C kegelférmiges Coecum der Kingeweidemasse Kn Hauptknorpel Lab Labialkommissur Lat.Ein \aterale Einstiilpung der Munddarmwand. Diese Kin- stiilpung trennt den Mund- darmraum von der Radula- scheide (Fig. 19—21) Lgm Lingsmuskulatur des Kopf- tentakels Lip.N Lippennerv Lip.P Lippenpapille Lg.C Lingsmuskulatur des Cte- nidiums M Mund M,, M,; u.s.w. beziehen sich auf die Muskeln des Zungen- apparates (s. 0. p. 267—269) Mag Magen Mdr Munddarmraum Mit mittlerer Teil der cerebralen ganglidsen Region M.K1 Klappe zwischen Schlund und Magen N Niere Neb.Rin Nebenrinne in der Ma- genwand N.N Nerv zur Nierenéffnung Nsch Nervenschicht des Auges Nov Nerv Nvt Nerv des Tentakels O,__, Miindung der Haupt- schliuche der sogen. Ver- dauungsdriise in den Magen Ob Oberer Teil der cerebralen gangliésen Region Op.N Nerv des Auges Osph Nerv des Osphradiums Ped Pedalmarkstrang Ped.Com Pedale Kommissur Pig.Gr Pigmentrinne zwischen Hautwarzen Pig.Z Pigmentzone des Mantel- randes Pk Perikard Herbert J. Fleure, Pk.N Nerv zur Perikardwand Pl Pleuralnerv Pl.V Pleurovisceralkonnektiv Q.M Quermuskulatur des zufiih- renden Gefafes des Cteni- diums Rad Radula Rads Radulascheide Rinne Y Rinne, in welcher sich die Oeffnungen O, u. O, be- finden und die bis ins spiralige Coecum hinaufgeht R.P.C Renoperikardialer Kanal Rp.N Nerv zum renoperikardialen Kanal Sch. F' Schwanzfortsatz des Fufes Schl Schlund Sch.M Schalenmuskel Schl.N Schlitznerv Schi.T Schlitztentakel Sch.T Schlundtasche Sec.Z Sekretionszone der Mantel- randspalte Sens.Z Zone mit Sinneszellen am Rande des ventralen Lappens des Mantels Sin.Z Sinneszelle Sin. Ep Sinnesepithel S.M.N Nerv zum Schalenmuskel Sp.C Spiraliges Coecum des Ma- gens Sp.Z Zelle vom Ende eines Schlauches der sogen. Ver- dauungsdriise St.H.F Stirnhautfalte Stg Stiitzzelle St Stabchenschicht des Auges Subrad.H Subradularhiécker Subepi.D Subepitheliale Driisen- zellen Sup Supraintestinales _ Pleuro- visceralkonnektiv Sub Subintestinales Pleurovisce- ralkonnektiv Unt Unterteil der cerebralen ganglidsen Region Vas.A Vas afferens (zufiihrendes Gefal) des Ctenidiums Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. Vas.E Vas efferens (abfiihrendes Gefaif) des Ctenidiums Vfl Vorderer Lappen des Fufes Vfn Nerv des vorderen Fufteils Vh Vorhof Vhn Nerv zur Vorhofwand Vip ventraler Lappen des Mantel- randes Vi ventrolaterales Skelettstiick des Zungenapparates 319 V.N Hauptsinus des Blutgefas- systems der rechten Niere Vise viscerale ganglidse Region Vr Kinstiilpung der Seitenwand A des Magens X laterale Rinne Markstrang Z Zotten des Fiihlers Zf Zottenfihler Z.Mus Quermuskulatur des Ten- im pedalen takels. Retraktoren der Zotten Zuf Die Seite des Ctenidiums mit dem zufiihrenden Gefiife V.K1 Ventrale Klappe des Mund- darmes Ueber die Bedeutung der kleinen Buchstaben in Fig. 60 s. oben p. 296. atte lal xX Fig. 1. Haliotis tuberculata, Linnaeus. Das Tier kriechend von oben gesehen. Fig. 49. Schematische Darstellung der Hauptbestandteile des Nervensystems. Wa feile Xx: Fig. 2. Das konservierte Tier von unten gesehen. Fig. 3. Das Tier sich wendend. Fig. 4. Das konservierte Tier von oben gesehen, nach Ent- fernung der Schale und des Daches des Perikards. Fig. 5. Querschnitt durch den Mantelrand der linken Seite. 200 : 1. Fig. 5a. Eine Driisenzelle von der Falte D.F. 600: 1. Fig. 6. Querschnitt durch den Mantelrand der rechten Seite, ziemlich weit vorn. 150: 1. Fig. 7. Das Haftepithel. 300: 1. Fig. 8. Querschnitt durch den vorderen Teil des Fufes, hinter der Vereinigung der seitlicren Lappen. 150: 1. Fig. 9. Das Epithelfeiner Hautwarze. 600: 1. Fig. 10. Das Epithel der Fufsohle in der Vorderregion. 600: 1. Mat eu, nob Fig. 11. Der Darmkanal. Fig. 12. Die Lippen, die Radula u.s. w., wenn das Tier eine durchsichtige Alge frift. Fig. 13. Eine Kieferplatte. Fig. 14. Der Zungenapparat von unten gesehen. Die Zahlen beziehen sich auf die Muskeln (s. oben p. 267—269). Das Epithel an den Seiten des Subradularhéckers ist weggenommen. 3:1. 320 Herbert J. Fleure, Fig. 15. Der Munddarm durch Entfernung des zentralen Teiles der dorsalen Wand gedffnet. Fig. 16. Die Dorsalwand des Munddarmes. Fig. 17. Der Magen durch Einschnitt in die dorsale Wand gedffnet. Fig. 18. Querschnitt durch den Kopf in der Gegend des Kiefers. 30:1. Die Zahlen in Fig. 18—23 beziehen sich auf die Ab- bildungen, welche das Epithel der bezeichneten Stellen darstellen. Die punktierten Linien in Fig. 18 zeigen die Verhialtnisse etwas weiter vorn, wo der seitliche Fortsatz des Subradularhéckers und der Kiefer sich beriihren. Fig. 19. Querschnitt durch den Kopf in der Ebene, in welcher die Buccaldriisen miinden, 30: 1. Fig. 20. Querschnitt durch den Kopf in der Gegend des Vorder- endes der Schlundtaschen. 30: 1. Fig. 21. Querschnitt durch den Munddarm in der Gegend der Klappen. 30: 1. Tafel XTi wpe r lit. Fig. 22. Querschnitt durch den Schlund und seine Taschen. 20 fe Fig. 23. Querschnitt durch den Schlund und das Hinterende seiner Taschen. 20: 1. Fig. 24. Die Radula: a Rhachiszahn, )—f 1.—5. Lateralzahn, g Typus der 1. Marginalzihne, h Marginalzahn von der Seite ge- sehen, & Marginalzahn (25—50 ungefahr) und derselbe von der Seite gesehen, / Typus der letzten Marginalzthne. Alles ungefahr 802d Fig. 25a. Epithel einer Lippenpapille. 400: 1. Fig. 25b. Epithel der ventrolateralen Wand des Mundrohres (s. Fig. 18). 400: 1. Fig. 26a u.b. Epithel mit Driisenzellen. lLateraler Teil des Munddarmdaches (s. Fig. 18—20). 400: 1. Fig. 26c. Epithel von den in Fig. 18—20 bezeichneten Stellen. 400: 1. Fig. 27. Epithel der Buccaldriisen 400: 1. Fig. 28a. Epithel der Buccaltaschen. 400: 1. Fig. 28b. Eine Driisenzelle der Buccaltaschen sehr stark ver- grofert. Fig. 29. Epithel des Subradularhéckers. 400: 1. Fig. 30. Kieferepithel. 400: 1. Fig. 31. Die Rinne in dem ventralen Epithel des vorderen Teiles der Radulascheide. 400: 1. Fig. 32. Das Epithel an den in Fig. 18—21 bezeichneten Stellen, 400: 1. Fig. 33a. Das Epithel einer Falte aus dem zentralen Teile des Schlundes. 400: 1. Fig. 33b. Das Epithel einer Falte der Schlundtaschen. 400: 1. Zur Anatomie und Phylogenie von Haliotis. 321 Fig. 34. Das Epithel einer Falte in der Schlundwand. Enge Region des Schlundes. 400: 1. Fig. 35. Das Epithel einer Falte in der Schlundwand. Breite Region des Schlundes. 400: 1. Fig. 36a. Das Epithel eines Schlauches der sogenannten Ver- dauungsdriise. 400: 1. Fig. 36b. Line Zelle der Verdauungsdriise sehr stark vergréfert. Fig. 37. Epithel der Hauptschlaiuche der Verdauungsdriise. 400: 1. Fig. 38a. Bewimpertes Epithel des Diinndarmes. 400: 1. Fig. 38b. Epithel des Driisenbandes des Diinndarmes. 400: 1. Fig. 839—42. Schrage Schnitte durch den Schlund, den Magen und das spiralige Coecum. Die Schnittebene war fast parallel der Querachse des Tieres. Fig. 42 ist der hinterste Schnitt. Ungefahr 210 BARU Fig. 43. Querschnitt durch den Kopftentakel. 80: 1. Fig. 44. Epithel des Kopftentakels. 600: 1. Fig. 45. Langsschnitt durch das Auge. 150: 1. Fig. 46. Querschnitt durch die Otocyste. 300: 1. Fig. 47. Die Vorderwand der Otocyste. 80:1. Fig. 48. Querschnitt durch das Hinterende des Fufes. Region des Schwanzfortsatzes. 30: 1. Fig. 50. Die cerebrale ganglidse Region. 8: 1. Fig. 51. Der Hinterteil der pleurovisceralen Konnektive, etwas schematisch. 2:1. Fig. 52. Schnitt durch die cerebrale ganglidse Region. 150: 1. Fig. 53. Wie Fig. 52, weiter hinten. 150: 1. Fig. 54a—c. Schnitte durch die Hauptnerven im Vorderteil des Fufes, um die Kommissur zu zeigen. 300: 1. Fig. 55. Querschnitt durch den Hinterteil (Pleuropedalregion) des Schlundes. 40: 1. Fig. 56. Wie Fig. 55, weiter hinten. 40: 1. Fig. 57—59. Querschnitte durch einen pedalen Marktstrang. 80:1. Fig. 60. Vertikaler Schnitt durch das Perikard auf der linken Seite desselben. Fiir die Bedeutung der kleinen Buchstaben s. oben 296.380: 1: Fig. 61. Ein Teil eines vertikalen Schnittes durch das Perikard, weiter nach rechts. 80: Fig. 62. Kin Blutsitus am Fulbe. 80: 1. Fig. 63. Querschnitt einer kleinen Blutlakune in einer Binde- gewebsmasse mit gallertahnlicher Grundsubstanz. 600: 1. Fig. 64—72. Eine Serie von Querschnitten durch die Hinter- region der Branchialhéhle, um die Blutbahnverhiiltnisse zu demon- strieren. Schematisch. 25: 1. Taf ok eve Fig. 73. Querschnitt durch die Hinterregion der Branchial- hohle (Haliotis iris). 50: 1. 322 Herbert J. Fleure, Anatomie u. Phylogenie von Haliotis. Fig. 74. Querschnitt durch das abfiihrende GefaS des Cteni- diums (Vas efferens). 300: 1. Fig. 75. Querschnitt durch das zufiihrende GefaiS des Cteni- diums (Vas afferens). 300: 1 Fig. 76. Vertikaler Schnitt durch ein Blatt des Ctenidiums. 600 : 1 Fig. 77. Schematischer vertikaler Schnitt durch einige Blatter und das abfiihrende GefaS, um die Skelettbildungen u. s. w. zu demonstrieren. 80:1. Fig. 78. Zellen der Hypobranchialdriise. 600: 1. Fig. 79. Epithel der rechten Niere. 600: 1. Fig. 80. Epithel der linken Niere. 600: 1. Fig. 81—82. Schnitte durch den rechten Renoperikardialkanal. 300 ; 1. Fig. 83—85. Schnitte durch den linken Renoperikardialkanal. oO0 a., \ Inhaltsverzeiehnis. Seite I. Allgemeine Uebersicht der Sle vor H. tuber- Culate.= tok ~~ = 7s) og Nahere ee ee ion oer wana U. 8."W. © : DasNervensiystem 6 0 6 ve oe sare. 6. oe B. Die Smnesorgane ~ 77... os fk fh VY. Cirkulations- und Respirationsorgane. . . . .. . . 292 Der Blutkreislanf. . . . wi irs 108% 2 er Die Wandungen der Bintan ‘| ae . SS tee Beitrage zur Stammesgeschichte des Systems. . . . 298 Die Atmungsorgane und die Branchialhdhle . . . . 304 VI. Das Célom und die verwandten Organe .... . . 807 Die Torsionsvorgange,...< ..) 364 ..! 3 Sen Sa Das: Perikard/\jij i Cee Lean aa. Pm! Fe ae F . Ne (alee i PIRES SM 0G) oe iad . i AB ; ; 2 ‘ roy ost . . ¥ ‘ AY * 5 3 4: { r) 4 Hay WGP Fig. 2. Aulographis dentata. 38 Bd. XXXIX. N. F. XXXII. 590 Valentin Hacker, dern von demselben vollkommen umhiillt werden, geht iibrigens, wie ich hier einschalten will, auch aus einzelnen Angaben derjenigen Forscher hervor, welche Gelegenheit hatten, andere Tripyleen im Leben zu untersuchen. So laBt sich z. B. eine auf Aulosphaera elegantissima beziigliche Abbildung R. Hert- wics') (Fig. 3) sehr gut mit den Bildern vereinigen, welche ich am konservierten Tiefseematerial gewonnen habe, und ebenso gibt Birscuri?) fir eine im Mittelmeer gefischte Célographide (Coelothamnus davidoffi BirrscHt) ausdriicklich an, daf ,die ganz was- serklare Gallerte das gesamte Skelett bis zu den dufersten Spitzen der Strahlen umhiillte. — Ihre Durch- sichtigkeit ist so gro, da bei der Untersuchung im Seewasser nichts von ihr zu bemerken war; sehr deut- lich trat sie jedoch sofort hervor, als das Objekt in Karminlésung einge- legt wurde ; — bei langerem Aufent- halt in Karmin farbte sie sich leb- haft rot.‘ Nachdem die eigentliche Be- deutung der Appendikularorgane mit Sicherheit festgestellt war, lag es bei der auferordentlichen Mannig- Fig. ao adidlatdehal won faltigkeit , welche diese Bildungen Aulosphaera elegantissima mit gerade bei den Aulacanthiden zeigen, dem Ueberzug der extrakapsu- nahe, nach den auferen oder inneren laren Sarkode. Faktoren zu suchen, durch welche diese Verschiedenheiten bedingt sein kénnten. Indessen gelang es mir nicht, von den Aulacanthiden aus in diese Verhaltnisse tiefer einzudringen, und ich mute mich mit der ganz allgemeinen Feststellung begniigen, daf ,,bei Aulo- spathis ebenso wie bei einigen anderen Gattungen im Kalt- 1) R. Herrwie, Der Organismus der Radiolarien, Jena 1879, Tat. X, Big. 15: 2) O. Butscuur, Beitrage zur Kenntnis der Radiolarienskelette, insbesondere der der Cyrtida. Zeitschr. f. wiss. Zool, Bd. XXXVI, 1883, p. 493, Taf. XXXI, Fig. 1. Vgl. auch: O. Bitscuui, Proto- zoen, in: Bronns Klassen und Ordnungen, Bd. I, Abt. 1, Leipzig und Heidelberg 1880—82, Taf. XXXII, Fig. 4a. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 591 wasser der Antarktis die Zahl der Stacheln selber und ihrer Aeste und damit also die Zahl der Stiitzpunkte fiir die Plasma- haut eine betrachtliche Vermehrung zeigt“ 4). Fir eine weitere Behandlung der Frage schienen mir nun die Aulosphariden und Sagosphariden besonders geeignet zu_ sein. Denn erstens ist bei diesen beiden Gruppen der Formenreichtum kaum weniger grof als bei den Aulacanthiden, ferner besteht bei denselben ein viel starkerer dkologischer Gegensatz zwischen planktonischen und Tiefenformen, der, wie zu erwarten war, sich auch im Bau des Skelettes widerspiegeln mu8, und endlich ist in den beiden Familien ein auSerordentlich weitgehender Parallelismus in der Entwickelung der feineren Strukturen zu verfolgen, ein Um- stand, durch welchen mancher Anhaltspunkt fiir eine sichere Deutung gewonnen werden kann. Von den im folgenden besprochenen Ergebnissen habe ich bereits im letzten Sommer (Juni 1904) Herrn Professor Cuun brief- liche Mitteilung gemacht, indem ich gleichzeitig die Absicht aus- driickte, dieselben demnachst zu veréffentlichen, hauptsachlich mit Riicksicht darauf, da8 sich das Tripyleenmaterial der deutschen Plankton-Expedition ebenfalls noch in Bearbeitung befindet. Ich glaube daher, von diesem Vorhaben nicht absehen zu diirfen, auch nachdem mir gelegentlich des Berner Kongresses (August 1904) ein Kollege in liebenswiirdiger Weise davon Mitteilung gemacht hat, daf er bei einer anderen Radiolariengruppe zu ahnlichen An- schauungen hinsichtlich der Bedeutung des Skelettes gelangt ist, da8 er aber aus bestimmten Griinden noch mit der Verdéffent- lichung zuriickhalten wolle. Meinen verehrten Stuttgarter Kollegen von WryRaucH und KUBLER spreche ich auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aus fiir manche auf dem Gebiet der Ingenieurmechanik liegende, insbesondere auch terminologische Belehrung. Ebenso verdanke ich auch diesmal wieder meinem Hohenheimer Kollegen, Professor Mack, manchen wertvollen Aufschluf in physikalischen Fragen. Die Aulosphariden und Sagosphariden stimmen darin tiberein, da8 ihr Skelett sich als eine einfache, einer Hauptoéffnung entbehrende Gitterschale darstellt. Bei ersteren besteht das Gitterwerk der Schale aus hohlen Tangentialréhren, welche polygonale, in der Regel dreieckige Maschen bilden 1) Le. p. 129. 38 * 592 Valentin Hicker, und in den Knotenpunkten durch radiar gestellte Septen von- einander getrennt sind (Fig. 5, 7 und 8), bei letzteren dagegen aus diinnen, soliden Balken, welche ebenfalls zu drei- eckigen Maschen zusammentreten, aber in den Knotenpunkten nicht getrennt bleiben, sondern zu ganglienartigen Anschwellungen verschmelzen (Fig. 9 und 10). Auf dieser Gitterschale erheben sich bei den meisten Formen nach aufen gerichtete Radialstacheln. Bei einigen Aulosphariden (Auloscena) werden durch Er- hebung eines Teiles der Knotenpunkte flache, meist regelmagig sechsseitige Pyramiden gebildet, von deren Spitze sich die Radial- stacheln erheben (Fig. 5); bei zahlreichen Sagosphariden kommen Analogiebildungen von einer gewissen duferen Aehnlichkeit da- durch zu stande, da die Radialstacheln gruppenweise in distaler Richtung konvergieren und zeltartige, am besten mit Gewehr- pyramiden vergleichbare Erhebungen hervorrufen (Fig. 9, 10). Die Radialstacheln sind mit Terminalasten, Seitenadsten und Seitendornen versehen, welche bald spitz auslaufen, bald mit Spathillen, dornigen Endknépfen und Endpolstern ausgestattet sind und eine mehr oder weniger ausgesprochene Neigung zu quirl- formiger Anordnung zeigen (vgl. z. B. Fig. 3, 6). Bei der Untersuchung der Aulosphariden und Sagosphariden stellte es sich nun tatsachlich heraus, daf eine ganze Reihe von Merkmalen deutliche Beziehungen zur Beschaffenheit des auferen Mediums zeigt. Dahin gehérten die Gréfe und Grundform der Tiere, die Beschaffenheit des Weichkérpers und insbesondere der extrakalymmalen Sarkodehaut, die Maschenweite der Gitterschale und die Starke und Dicke der Skelettteile, vor allem aber die Gréfen-, Anordnungs- und Strukturverhaltnisse der Radialstacheln und ihrer Anhange. Die Verschiedenheiten, welche die hier aufgezahlten Organi- sationsverhaltnisse innerhalb der einzelnen Gattungen und Arten aufweisen, sind zum Teil, wie im folgenden gezeigt werden soll, durch rein physikalische Faktoren bedingt, zum Teil spielen wohl auch biologische Momente, die Ernahrung, das Schutzbediirfnis gegentiber besonderen Feinden u. s. w., eine Rolle. , In erstgenannter Richtung kommt vor allem die Abhangigkeit des Schwebevermégens einerseits von der physikalischen Be- schaffenheit des schwebenden Kérpers selbst, andererseits von der- jenigen des Mediums in Betracht, eine Beziehung, die neuerdings Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 593 namentlich durch CHun und Woxtr@ana OstwaLp klargelegt worden ist +). Nach Cuun kann die Abhangigkeit der Sinkgeschwindigkeit eines im fliissigen Medium befindlichen Kérpers von den in Be- tracht kommenden physikalischen Faktoren durch die Formel dar- gestellt werden: (Formel A) al ‘ : iota nae ebergewicht Se Formwiderstand innere Reibung Das Uebergewicht, d. h. die Differenz zwischen dem spezifischen Gewicht des sinkenden Kérpers (s) und dem der Fliissigkeit (in unserem Fall: ca. 1), ist eine variable GréBe, welche von den Veradnderungen der Temperatur und des Salz- gehaltes abhangig ist. Da nun aber bei einer Temperaturverande- rung sich das spezifische Gewicht nicht nur des Wassers, sondern auch dasjenige des sinkenden Kérpers, und zwar gleichsinnig, andert und da speziell der Einfluf’ der Temperatur auf das spe- zifische Gewicht des Wassers ein sehr geringfiigiger ist, so spielen nach OSTWALD die Veranderungen des Uebergewichts, soweit sie wenigstens durch die Temperatur bedingt sind, keine so grofe Rolle, wie bisher von biologischer Seite angenommen wurde. Der Formwiderstand oder dufere Reibungswiderstand ist einerseits abhangig vom Volumen des K@6rpers, andererseits von seinem gréSten Querschnitt, d. h. seiner Vertikalprojektion oder Projektionsgréfe. Da namlich kleine K6érper infolge ihrer ver- haltnismaBig grofen Oberflache und der dadurch bedingten gréferen Reibung langsamer sinken als ahnlich geformte grofe Kérper von demselben Uebergewicht, und da ferner Kérper von grofem Querschnitt langsamer sinken als solche von kleinem Querschnitt, so wachst der Formwiderstand mit abnehmendem Volumen (v) und zunehmendem Querschnitt (q), und wir kénnen setzen: Formwiderstand = 3 wo durch die Klammern ganz allgemein angedeutet werden soll, da die Koéffizienten q und v in der ersten oder in einer héheren positiven Potenz auftreten. Die innere Reibung, spezifische Zahigkeit oder Viskositat des fliissigen Mediums endlich nimmt sehr rasch ab mit steigender 1) Vgl. C. Cuun, Aus den Tiefen des Weltmeeres, 2. Aufl, Jena 1903, p. 78; Wotreana Ostwaup, Zur Lehre vom Plankton, Naturwiss. Wochenschrift, N. F. Bd. I, 1903, p. 481. 594 Valentin Hacker, Temperatur (t), sie nimmt zu mit steigendem Salzgehalt (S), und wir kénnen daher fiir eine salzhaltige Fliissigkeit setzen: innere Reibung = mY Wenn wir die so erhaltenen Werte in die CHunsche Formel einsetzen und dabei die Abhangigkeit des Uebergewichts von Temperatur und Salzgehalt vernachlissigen, so erhalten wir die Gleichung: =| . . . . t) (Formel B) Sinkgeschwindigkeit = (s—1) . (v) | (t), (qq) @) Der Koérper wird schweben, wenn die Sinkgeschwindigkeit = 0 ist. Wir kénnen also als Bedingung fiir das Schweben eines Kérpers die Gleichung aufstellen : (v) (t) TS) oS rae stta) A) i pt El, (see Tey) PAC) Noch tibersichtlicher wird die Formel, wenn man die einzelnen Koéffizienten mit den Indices k (Kérper) und m (Medium) ver- sieht. Wir erhalten dann als Bedingung fiir das Schweben eines Korpers: I (qx) Sn) (Formel C) (Gly . (i) . (tn) == Max. Danach nimmt das Schwebevermégen zu mit steigendem Quer- schnitt und Salzgehalt, sowie mit vermindertem Uebergewicht, Volumen und sinkender Temperatur. Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen kehren wir wieder zu den beiden Tripyleenfamilien zuriick. In welcher Weise sich hier die verschiedenen, in obiger Formel zusammengefafiten physi- kalischen Faktoren geltend machen und in welchem Mafe diese rein physikalischen Zusammenhinge mit physiologischen Verhalt- nissen verwoben sind, geht wohl am besten aus einem Vergleich zweier Arten der Gattung Auloscena hervor, von denen die eine, Auloscena verticillus, gleichzeitig eine Bewohnerin des polaren Kaltwassers und der gréfSeren Tiefen der wairmeren Meere ist, die andere, Aul. pelagica, bisher nur in den Oberflichenschichten des tropischen Indik mit dem Planktonnetz gefischt worden ist. Bei Auloscena verticillus (Fig. 4, 5) erhebt sich auf dem pyramiden- formigen Sockel, den wir als Fu bezeichnen wollen, ein konischer, mit zahlreichen Seitenasten und Seitendornen versehener Schaft, = Min. oder: = Max. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 595 welcher seinerseits eine Krone von langen, zugespitzten, nach auSen konvexen Terminalisten oder Armen tragt. Bei Auloscena pelagica (Fig. 6) dagegen entbehren die Radialstacheln der Krone, dagegen sind sie unregelmaéSig bedornt und in ihrer distalen Halfte mit 4—5 Quirlen versehen, deren jeder aus 3 leicht gebogenen, geknépften Aesten besteht. » 4 Fig. 4. Radialstachel von Auloscena verticillus. Ein gewissermagen fundamentaler Gegensatz, mit welchem die meisten iibrigen Unterschiede direkt oder indirekt zusammenhangen diirften, bezieht sich auf die Gréfe der beiden Formen. Der Durchmesser der Kaltwasser- und Tiefenform be- tragt im Durchschnitt etwa 3, derjenige der planktonischen Warm- wasserform 1,3 mm. Es wurde schon oben hervorgehoben, daf sich derartige Unterschiede in den meisten Tripyleenfamilien nach- weisen lassen, wie denn z. B. der Lingendurchmesser der tiefen- 596 Valentin Hicker, bewohnenden Challengeria Naresii sogar das 6—7-fache des Durch- messers der ihr entsprechenden planktonischen Art Ch. xiphodon betrigt. Es wurde ferner bereits erwahnt, daf wenigstens fiir das eine Extrem, namlich fiir die zwerghafte GréBe vieler planktonischen Formen, ein bestimmter biologischer Grund angegeben werden kann. Wie namlich aus der Formel (C) hervorgeht, nimmt bei sinkendem Volumen (v) die Schwebefahigkeit zu, ein Vorteil, der namentlich bei steigender Temperatur (t) und sinkendem Salzgehalt (S), d. h. also im warmen Oberflachenwasser, ins Gewicht fallt. Im Gegen- satz dazu kann in dem Tiefen- und Kaltwasser, welchem eine LZ LEE Fig. 5. Eine Gruppe von Pyramiden von Auloscena verticillus. gréBere innere Reibung zukommt, die Gréfe des Kérpers unbe- schadet der Schwebefahigkeit wesentlich zunehmen, eine Ent- wickelungsrichtung, welche durch manche Faktoren, so durch das Bediirfnis des Schutzes, bei den Kaltwasserformen auch durch die ungeheure Fille der als Nahrung sich darbietenden Diatomeen, wesentlich begiinstigt werden diirfte. Mit der verschiedenen GréSe der tiefenbewohnenden und planktonischen Formen hangt nun direkt oder indirekt auch ein zweiter Unterschied, naimlich die verschiedene Beschaffenheit des Weichkérpers, insbesondere seines Abschlusses nach auBen, der extrakalymmalen Sarkodehaut, zusammen. Es wurde erwabnt, daf bei den planktonischen Warmwasserformen nur eine Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 597 sehr diinne Oberflachenschicht vorhanden, dagegen bei sehr vielen Tiefen- und Kaltwasserformen eine solche von auferordentlicher Derbheit und Resistenz differenziert ist. Diese Haut hat in erster Linie die Aufgabe, die Druckdifferenz zwischen Wasser- und Alveolarinhalt, also den Ueberdruck des auferen Mediums aus- zuhalten, eine Funktion, die durch das Platzen und Ausfliefen der aus der Tiefe heraufgezogenen Tiere in deutlichster Weise illustriert wird. Da nun diese Haut bei den planktonischen Formen viel weniger stark differenziert ist als bei den Tiefenbewohnern, diirfte, Fig. 6. Pyramiden von Auloscena pelagica. wie angedeutet, mit der verschiedenen Gréfe der beiden Typen zusammenhangen: bei den kleinen planktonischen Formen geniigt schon die Kohasion des Weichkérpers fir sich allein, um bei mechanischen Einwirkungen die Kugelgestalt des Kérpers zu be- wahren und wiederherzustellen, bei dem grofen Weichkérper der Tiefenbewohner dagegen muf eine besondere Vorrichtung in Gestalt einer widerstandsfaihigen Hiille hinzutreten, um die Deformationen auszugleichen, welche bei der Aufnahme der Nahrung oder bei der Kollision mit aktiv beweglichen Meeresbewohnern eintreten kénnen. Dem Grad der Differenzierung, welchen die Sarkodehaut auf- weist, entspricht nun weiterhin aufs genaueste die besondere Aus- 598 Valentin Hicker, bildung des stiitzenden Skelettes, und damit kommen wir zu einem dritten Unterschied. Betrachten wir zunachst die Tiefenform, Auloscena verticillus, so erscheint nach dem eben Gesagten die Organisation der Radial- stacheln ohne weiteres physiologisch verstaéndlich. Es leuchtet ein, daf die Gliederung der Stacheln in Krone, Schaft und FuB8 durch ihre spezifische Leistung bedingt ist, namlich durch den Widerstand, welchen die Stacheln bei AnstéS%en irgend welcher Art dem auf die Sarkodehaut ausgeiibten Radiar- oder Tangential- druck entgegenzusetzen haben. Wirkt namlich ein von irgend einer Seite her kommender Druck auf einen Punkt der Weich- kérperoberfliche ein, so wird er zunachst von den elastischen Armen der Krone aufgenommen. Dabei bringt es die grofe An- zahl und regelmafige Anordnung der Arme mit sich, daf ein von aufen kommender Druck auf gréfere Bezirke der Oberflache ver- teilt und dadurch die Haut vor einseitiger Derangierung oder Durchbohrung bewahrt wird). Indem ferner der von den Armen aufgenommene Druck auf den Schaft und Fuf weitergeleitet wird, erfolgt abermals eine Verteilung seiner Wirkung, wobei die nach- giebige Beschaffenheit der Skelettteile sich in zweierlei Richtung geltend machen dirfte. Einmal sind — bei den Aulosphariden allerdings in weit geringerem Grade als bei den Sagosphariden — samtliche Skelettteile biegsam, so daf z. B. bei schrag wirkendem Druck, etwa bei einseitiger Pressung des Deckglases, die Streben der einen Seite sich gegen das Zentrum der Pyramide ausbiegen kénnen. Zweitens spielen bei der Aufnahme und Verteilung des > Druckes zweifellos die gelenkartigen Verbindungen der Hohlstabe eine wichtige Rolle. Allerdings lassen sich die minimalen Drehun- gen der Skelettteile in den Verbindungsstellen nicht direkt beob- achten und messen, da bei der Kleinheit und Elastizitat des Objektes und bei der Schwierigkeit, die Winkelebenen in der Brennweite der Linse festzuhalten, eine genaue Kontrolle der Winkelveranderungen nicht méglich ist. Daf aber die eigentiim- lichen Verkoppelungen der Skelettteile der Aulosphariden und speziell von Auloscena tatsachlich mit Gelenkverbindungen ver- 1) Man wird andererseits auch sagen diirfen, daS eben infolge der besonderen Beschaffenheit des Aufnahmeapparates schon eine verhaltnismaig diinne Haut einen ausreichenden Schutz gegen Verletzungen des Weichkérpers gewahren wird, ein Umstand, welcher wohl nach anderen Richtungen hin, insbesondere auch in ernahrungsphysiologischer Hinsicht von Bedeutung sein diirfte. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 599 glichen werden kénnen, darauf scheint mir eine Kinrichtung hin- zuweisen, auf welche ich zuerst bei Auloscena verticillus gestofen bin und welche den friiheren Beobachtern entgangen ist. Nach der Darstellung von R. Hertwiea und Harcket sind die Skelett- rohren der Aulosphariden in den Knotenpunkten mit ihren Enden gegeneinander gestemmt und die betreffenden Wandpartien von je 2 benachbarten Réhren miteinander zu einem ,,Astralseptum“ ver- létet (Fig. 7). Wie ich indessen bei Auloscena verticillus und bei verschiedenen anderen Aulosphariden feststellen konnte, ist die Verbindung der Skelettréhren eine etwas kompliziertere (Fig. 8): Fig. 7. Fig. 7. Spitze einer siebenseitigen Pyramide von Auloscena spectabilis, nach HAECKEL. Fig. 8. Stern aus der Gitterschale von Auloscena verticillus. Bei a spaltet sich die Réhrenwandung in zwei Lamellen, von denen sich die duGere s Gelenkkapsel auf die benachbarte Réhre tiberschligt, die innere in die Bildung des Astralseptums tibergeht. eine kurze Strecke, bevor je 2 benachbarte Skelettréhren zusammen- stofen, spaltet sich die Wand derselben (Fig. 8a), und wahrend die inneren, diinneren Lamellen miteinander eines der vorhin er- wabhnten Astralsepten bilden, schligt sich die duSere, dickere Lamelle von einer Réhre zur anderen heriiber und bildet auf diese Weise eine Verbindung, welche am besten mit einer Gelenk- kapsel zu vergleichen ist. Da nun, wie gezeigt werden kann, das Skelettmaterial als solches eine elastische Beschaffenheit be- sitzt, so werden insbesondere auch die durch Spaltung der Rohren- wandung entstandenen, verhaltnismafig diinnen Lamellen eine solche besitzen, und die ganze Kinrichtung stellt sich demnach tatsach- lich als eine Gelenkverbindung von einfacher, aber allseitig wirk- samer Struktur dar, als eine Verbindungsweise, welche man viel- leicht als Radgelenk bezeichnen kann. 600 Valentin Hacker, Eine weitere architektonisch verstaéndliche Einrichtung des Systems besteht, wie wohl nicht weiter ausgefiihrt zu werden braucht, darin, da’ durch die hohle Beschaffenheit des Schaftes und der Streben, bei manchen Formen auch der Arme eine be- deutende Material- und Gewichtsersparnis erzielt wird. Konstruktionen nach Art des dreigliederigen Auloscenastachels sind nicht blo8 aus der Technik, sondern auch aus der Organismen- welt bekannt. Das durch die Auloscenastacheln dargestellte drei- gliederige System kann, wenn wir zunichst allein die Bean- spruckung auf Radiardruck ins Auge fassen, mit einem als »stempel funktionierenden Balken verglichen werden, durch welchen die provisorischen Bretterwainde eines im Bau begriffenen Stollens gegeneinander abgestiitzt werden. Zwischen dem Auloscena- stachel und einem derartigen Stempel besteht allerdings ein wesent- licher Unterschied darin, da ersterer ein elastisches, letzterer im wesentlichen ein starres System darstellt. Sehr naheliegend ist ferner der Vergleich mit der Wirbeltier- gliedmafe mit ihrem Stiitzskelett und der in distaler Richtung zunehmenden Gliederung, und vor allem der Hinweis auf die Stiitzwurzeln vieler Pflanzen, insbesondere die bekannten Stelzen- wurzeln der Mangrovebiume (Rhizophora) *). Zusammenfassend kénnen wir also sagen, da bei Auloscena verticillus die dreigliederige Struktur der Radial- stacheln bis in die kleinsten Einzelheiten bedingt ist durch die Funktion dieser Skelettteile als Trager der Sarkodehaut, und daf sie also damit auch indirekt in einem gewissen Abhangigkeitsverhaltnis steht zu der bedeutenden Gré8e, welche Auloscena verticillus als Tiefen- und Kaltwasserbewohnerin aufweist. Gehen wir nun zu der planktonischen Warmwasserform, Aulo- scena pelagica, iiber (Fig. 6). Auch hier sind Fuf und Schaft in ahnlicher Weise entwickelt, wie bei der Tiefen- und Kaltwasser- form, dagegen ist keine terminale Krone vorhanden, und an ihre Stelle treten 4 oder 5 Quirle von je 3 kurzen, knépfchentragenden Aesten. Entsprechend diesem Aufbau der Stacheln spannt sich denn auch die Sarkodehaut nicht tangential tiber die Képfe der Stacheln hinweg, sondern sie legt sich scheidenformig jedem ein- 1) Vgl. H. Haserianpt, Physiologische PAlanzenanatomie, 3. Aufl, Leipzig 1904, p. 172; derselbe, Eine botanische Tropenreise, Leipzig 1893, p. 185, Fig. 36. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 601 zelnen Stachel an, indem sie mindestens von den 3 obersten Quirlen getragen und festgehalten wird. Welche Bedeutung hat nun diese, vom Bau des Verticillus- stachels in einigen wesentlichen Punkten abweichende Struktur? Es wurde oben gesagt, daf, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der geringen Gréfe, welche die planktonischen Warmwasser- formen in der Regel aufweisen, die extrakalymmale Sarkode- schicht derselben niemals den Grad von Differenzierung, insbe- sondere eine solche Derbheit und Resistenz besitzt, wie diejenige der Tiefen- und Kaltwasserformen, dafi vielmehr der Weichkérper, auch ohne eine deutliche Hille, schon auf Grund seiner eigenen Kohasion im stande ist, die Kugelform zu bewahren. Ob freilich mit dem Hinweis auf den zwerghaften Wuchs alle Ursachen er- schépft sind, durch welche die Zartheit des Weichkérpers und die geringe Ausbildung der Oberflachenschicht bedingt sind, mag dahin- gestellt sein. Jedenfalls diirfte aus einem Vergleich der ver- schiedenen planktonischen Warmwasserformen hervorgehen, daf bei denselben die AuSenschichten des Weichkérpers offenbar einen in zahlreichen Punkten einer regelmaSigen Flache angreifenden Stiitzapparat entbehren koénnen, wie er durch die in gleicher Hohe und regelmabiger Verteilung angeordneten Arme der Verti- cilluskrone in so vollkommener Weise reprasentiert wird. Viel- mehr iibernehmen bei den planktonischen Warmwasserformen die Radialstacheln mit ibren Astquirlen eine andere, mit der Be- schaffenheit des Mediums zusammenhangende Funktion. Indem namlich durch die quirltragenden Endabschnitte der Radialstacheln die Oberflaichenschicht des Weichkérpers in scheidenfoérmige Fort- sitze ausgezogen wird, kommt eine bedeutende Ober- flachenvergré8erung des Weichkérpers, eine Ver- anderung des Querschnittes (q), zu stande, eine Formbildung, welche wohl als Anpassung an die geringere innere Reibung und Dichtigkeit des warmen Oberflachen- wassers aufzufassen ist, modglicherweise aber auch mit der Nahrungsbeschaffung im Zusammenhange steht, insofern ja be- kanntlich das Mikroplankton des Warmwassers, was die Individuen- fiille anbelangt, hinter dem des Kaltwassers wesentlich zuriicksteht. Fassen wir zunachst das bisher Gesagte zusammen. Wir sehen bei einem Vergleich von Auloscena verticillus und pelagica, daf bei ersterer die kandelaberartige Anordnung der Appendikular- organe die offenbare Bedeutung hat, daB die stark ent- wickelte Sarkodehaut auf Grund einer gleich- 602 Valentin Hicker, mifigen Verteilung der Stititzpunkte in gleich- miSigem Abstande von der Gitterschale festge- halten wird, wahrend bei letzterer durch die ahrenformige Struktur der Radialstacheln fingerférmige Ausstilpungen und dementsprechend tiefe Einbuchtungen des Weichkoérpers zu stande kommen. Oder kiirzer: bei der Tiefen- und Kaltwasserform zielt die Skelettstruktur auf eine Verstarkung und Vervollkommnung des Stitzappa- rates ab, wihrend bei der planktonischen Warmwasserform die Tendenz zur Oberflaichenvergré8erung den bestimmenden Faktor bildet. Gegensitze ganz aihnlicher Art, wie sie uns eben der Vergleich von Auloscena verticillus und pelagica geliefert hat, finden sich nun auch innerhalb der Familie der Sagosphariden, wie denn tiber- haupt die Aulosphariden und Sagosphariden eine ganze Anzahl von iiberraschenden Konvergenzerscheinungen aufweisen. So kann z. B. dem Paare Auloscena verticillus und pelagica das Paar Sagenoscena irmingeriana (Fig. 9) und Sagoscena elegans (Fig. 10) als ein bis in kleinste Einzelheiten entsprechendes Seitenstiick gegentibergestellt werden. Von diesen beiden Sagosphariden ist Sagenoscena irmingeriana (Fig. 9) eine grofe, kugelige oder birnférmige Kaltwasserform, welche von BorGertT als Bewohnerin der Irmingersee beschrieben, von der ,,Valdivia“ und vom ,,Gau8“ dagegen zahlreich in der Antarktis gefischt wurde und demnach zu den ausgesprochen bipolaren Arten zu rechnen ist. Im Gegensatz dazu wurde die Sagoscena elegans (Fig. 10) von der ,,Valdivia“ an zahlreichen Stellen des tropischen Atlantik und Indik, und zwar stets in voll- standigen Exemplaren, erbeutet. Es wirde demnach diese Art als eine ,,planktonische Warmwasserform“ zu betrachten sein, wenn nicht Bruchstiicke derselben vom ,,National‘ auch in der Irmingersee und im Labradorstrom aufgefunden worden waren. Ihr Ver- breitungsgebiet erstreckt sich also, abnlich wie bei manchen anderen Oberflaichenformen, von ihren hauptsachlichen Wohnsitzen, den aquatorialen Meeresgebieten aus, bis in die nordwestlichen Teile des Atlantik herein, also in den der Siidspitze von Grénland benachbarten Stromwirbel, in welchem tiberhaupt die Warm- und Kaltwasserformen der Tripyleen vielfach durcheinander gemischt zu sein scheinen. Im ganzen wird man aber doch sagen diirfen, da’, wihrend in der Sagenoscena irmingeriana nach unseren bis- herigen Befunden eine typische Kaltwasserform verkérpert ist, Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 603 die Sagoscena elegans ihrem hauptsichlichen Vorkommen und ihrem ganzen Habitus nach den planktonischen Warmwasserformen zuzurechnen, jedenfalls aber als eine ausgesprochene Ober - flachenform zu betrachten ist. Fig. 9. Radialstachel und Pyramide von Sagenoscena irmingeriana. Betrachten wir zunaichst die Sagenoscena irmingeriana. Bei dieser Form sind die Radialstacheln in der namlichen Weise ge- gliedert, wie bei Auloscena verticillus, jedoch zeigt die ,,Krone“ keine regelmibig-strahlige Anordnung der Arme, vielmehr treten dieselben wie die Blatter einer Dracane biischelfoérmig auseinander, ferner besitzt der ,,Schaft‘t, wie iiberhaupt die Skelettteile der 604 Valentin Hicker, Sagosphiriden, nicht die Form eines Hohlcylinders, sondern er ist von massiver Beschatfenheit, und endlich wird auch der ,,Fuh* nicht durch eine einfache Erhebung eines polygonalen Feldes der Gitterschale gebildet, vielmehr stellt derselbe ein der Schale auf- gesetztes Zelt dar, welches sich aus 5—7 in der Spitze kon- vergierenden AuSenstiben und einem etwas stairkeren, in den Schaft sich fortsetzenden Axialstab zusammensetzt. Nicht selten setzen sich iibrigens auch 2 oder 3 der Aufenstabe tiber die Spitze des Zeltes hinaus fort und kénnen dann kleine, mehr unregelmabig geformte Nebenkronen tragen. Was weiter die Sarkodehaut anbelangt, so spannt sich die- selbe, wie bei Auloscena verticillus, so auch bei Sagenoscena irmingeriana gleichmafig tiber die einzelnen Kronen hinweg, indem sie gewissermafen den Spitzen der Arme folgt und nur zwischen den einzelnen Radialstacheln flache, muldenformige Einsenkungen bildet. Fig. 10. Zwei Zelte von Sagoscena elegans, Ebenso wie der Auloscena verticillus die Auloscena pelagica gegentibersteht, so findet auch die Sagenoscena irmingeriana in der Sagoscena elegans (Fig. 10) ein planktonisches Gegenstiick. Bei letzterer sind, wie bei Auloscena pelagica, die Stachelaste quirlf6rmig am Schafte angeordnet und zwar erheben sich, wenig- stens bei meinem tropischen Material, je 3 oder 4 quirltragende Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 605 Schafte auf den regelmiig drei- oder vierseitigen, der Gitterschale aufgesetzten Zelten. Es ist also im Vergleich zur Auloscena pela- gica eine Vermehrung der Schifte eingetreten, aber im tbrigen lassen sich die Astquirle, die Schafte und Fufpyramiden beider Formen in funktioneller Hinsicht durchaus miteinander vergleichen. Es ist dabei allerdings im Auge zu behalten, daf es sich, wie wir schon aus dem Vergleich zwischen Auloscena verticillus und Sagenoscena irmingeriana wissen, nicht um vollkommene Homo- logiebildungen, sondern zum Teil nur um Analogien handelt. Ins- besondere ist als genereller Unterschied nochmals hervorzuheben, dafi bei Sagoscena elegans, wie bei den Sagosphariden tiberhaupt, die Skelettteile nicht durch Hohlréhren, sondern durch sehr elastische Stabe gebildet werden, und dafi die Pyramiden nicht einfache Erhebungen der Schalenpolygone, sondern zeltartige, der Gitterschale aufgesetzte Sonderbildungen sind. Es sei schlieflich noch hinzugefiigt, daf sich auch bei Sago- scena elegans die Sarkodehaut scheidenartig um die einzelnen quirltragenden Aeste herumlegt, und daf also auf diese Weise infolge der betrachtlichen Anzahl von Apikalstacheln eine ganz bedeutende Oberflachenvergré8erung erzielt wird. Aus der Betrachtung der beiden Sagosphiriden geht hervor, dafi auch hier bei der Kaltwasserform die Verstirkung des Stiitz- apparates und die Verteilung der Stiitzpunkte auf eine von der Gitterschale annihernd gleichmafig abstehende Flache, bei der Warmwasser- und Oberflichenform die Vergréferung der Kérper- oberfliche gewissermafen das Leitmotiv bei der Skelettbildung ist. Es liegen demnach in den beiden Tripyleenfamilien die gleichen Ziele und Bauprinzipien vor, und nur die Ausfiihrung geht im einzelnen verschiedene Wege. Daf insbesondere der ,Fuf“ des Radialstachels bei den Aulosphériden durch eine einfache Kr- hebung der Gitterschale, bei den Sagosphariden durch einen zelt- artigen Aufsatz gebildet wird, laft sich wohl durch die Verschieden- heit des zur Verfiigung stehenden Baumaterials erklairen. Bei Auloscena kommen verhaltnismafig selbstandige, nicht allzu bieg- same und durch Gelenke verbundene Skelettréhren zur Ver- wendung, wodurch die Bildung von freien, einer zentralen Unter- stiitzung entbehrenden Gewélben erméglicht wird, dagegen bringt es wohl bei den Sagosphiriden die auferordentlich zarte und biegsame Beschaffenheit der Skelettbalken und ihre einfache, ein geringeres Ma von Bruchsicherheit leistende Verbindungsweise Bd, XXXIX, N. F. XXXII, 39 606 Valentin Hicker, mit sich, da’ als Unterlage fiir die Zelte eine zusammenhangende Gitterschale erforderlich ist. Einschrinkungen. Es fragt sich nun in erster Linie, ob es sich bei den bisher geschilderten Beziehungen zwischen Skelett- struktur und aéuBerem Medium um ein ganz konstantes, gesetz- miBiges Verhaltnis handelt, ob also im speziellen Kronen- und Kandelaberbildung nur im Tiefen- und Kaltwasser, mehrfache Quirlbildung nur im Oberflichen- und Warmwasser vorkommt. Diese Frage diirfte sich nach dem vorliegenden Material dahin beantworten lassen, da fiir die Gesamtheit der Aulosphariden und Sagosphariden dieses Verhaltnis allerdings nicht als ein Gesetz, aber doch als eine Regel bezeichnet werden muf, daf wir insbesondere dann die Beziehungen zwischen Skelettstruktur und Beschaffenheit des Wassers klar hervortreten sehen, wenn wir nachstver- wandte, zu einer engeren Gruppe, also zu einer Grofart oder Gattung gehérige Formen miteinander vergleichen, und schlief- lich, daf’ sich wenigstens einige der tatsachlich bestehenden Aus- nahmen schon jetzt auf die Wirkung anderweitiger Mediumeinfliisse und Lebensverhaltnisse zuriickfiihren lassen. Ebe wir auf den Einfluf dieser neuen Faktoren eingehen, soll noch an einem Beispiel gezeigt werden, wie sich die Wirkung der verschiedenen Temperatur und inneren Reibung des Wassers so- gar innerhalb einer und derselben Art, beim Uebergang von einer geographischen Unterart zur anderen, geltend macht. Unter der Haxrcxetschen Speciesbezeichnung Aulosphaera bisternaria fasse ich alle diejenigen Formen von Aulosphaera zu- sammen, bei welchen an jedem Radialstachel zwei Quirle von knépfchentragenden Aesten als Stiitzapparat fiir die extrakalymmale Sarkodeschicht ausgebildet sind (Fig. 11). Als weiteres charak- teristisches Merkmal kommt hinzu, dafi die Aeste des proximalen Quirles linger sind als die des distalen, im tibrigen ist aber ihre Zahl und Anordnung eine sehr verschiedene, und die HArckELsche Bezeichnung ,bisternaria“ ist daher, streng genommen, nur auf einige wenige Varietaiten und Individuen anwendbar, bei welchen 3 proximale und 3 distale Aeste so regelmafig alternieren, dal die 6 Aeste in 6 verschiedenen Meridionalebenen liegen ').: 1) Mit der Grofart Aulosphaera bisternaria diirfte auch der Borcertsche Aulatractus septentrionalis zusammenfallen, welcher wegen seiner ellipsoidischen oder eiférmigen Schale nicht der Gat- Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 607 Die Verbreitung der Aulosphaera bisternaria ist eine sehr weite. Es wurde diese Art von der ,,Valdivia‘ und vom ,,Gaub*‘ sowohl in den wirmeren Gebieten des Atlantik und Indik, als auch in der Antarktis erbeutet, und eine zweifellos hierher ge- hérige, als Aulatractus septentrionalis bezeichnete Form wird von BorGERT von je eipem Fundorte aus der Irmingersee und dem Labradorstrom beschrieben. Innerhalb dieses groBen Verbreitungs- gebietes sind nun die verschiedenen, nach der Zahl und Anordnung der Stachelaste zu unterscheidenden Varietaten nicht unregelmabig durcheinander gemischt, vielmehr ergibt sich aus dem mir vor- liegenden Material, da8 die beiden extremsten Typen einerseits im Oberflachenwasser der warmen Meere, andererseits im Kaltwasser der Antarktis gefunden werden, wihrend die in der Mitte stehenden Formen eine mehr allgemeinere Verbreitung haben. Die Figurenreihe 1la—f laft insbesondere erkennen, daf beim Uebergang vom warmen Oberflaichenwasser des Indik zum Kalt- wasser der Antarktis sich ein Wechsel in der Weise vollzieht, da8 der proximale Quirl naher an den distalen heranriickt und gleich- zeitig die Zahl der Aeste und ihrer Endknépfchen eine wesentliche Vermehrung zeigt. Wahrend also in dem einen extremen Falle die besondere Anordnung der Stachelaste zur Bildung von eigent- lichen plasmatischen Stachelscheiden und damit zu einer erheb- lichen Oberflaichenvergréferung des ganzen Weichkérpers fihrt (Fig. lla), vereinigen sich im anderen Extrem die Aeste beider Quirle zu einer kandelaberartigen Bildung und bieten so der stirker entwickelten Sarkodehaut eine grofe Anzahl von naher zusammengeriickten Stiitzpunkten (Fig. 11e). Es sei beziiglich der einzelnen hier abgebildeteten Formen nur noch folgendes hinzugefiigt. Fig. lla stammt von einer planktonischen Form des tropischen Indik (Stat. 215, qu. 200) und zeigt 2 weit auseinanderstehende Quirle von je 3, mit schwach entwickelten Endknépfchen versehenen Aesten. Die Sarkode ist zwischen den beiden Quirlen stark eingezogen und bildet eine sanduhrférmige Stachelscheide, so daf die Oberflache des Weich- kérpers eine betrachtliche OberflachenvergréSerung erfahrt. tung Aulosphaera, sondern der Gattung Aulatractus einverleibt wurde. Bei den grofen individuellen Verschiedenheiten, welche die Aulosphariden und Sagosphiariden hinsichtlich der Schalenform auf- weisen, scheint mir eine solche Einteilung nicht statthaft zu sein, vielmehr ist wohl auch die Borcgertsche ,Art“ in dem Formen- kreise der Aulosphaera bisternaria unterzubringen. 39 * 608. Valentin Hacker, Die Fig. 11b gibt einen Stachel derjenigen Form wieder, welche von der ,,Valdivia“ fast auf jeder Station des tropischen Indik und auBerdem vom ,,Gauf“ auch an einigen Punkten des Guineastromes mit dem Vertikalnetz gefischt wurde. Diese Varie- tat entspricht im wesentlichen der vorigen, jedoch sind die Stacheln mM ‘IL “3 "BUIBUIOISIG Blovydso[NW UOA udyUBIIBATATOVIG Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 609 langer und kraftiger, und die Quirle stehen weniger weit aus- einander. In welchen Tiefen diese Form heimisch ist, laft sich nicht mit Sicherheit ermitteln, jedoch weist ihr ganzer Habitus auf ein mehr planktonisches Vorkommen hin. Die Figuren 1lc—e geben sodann die Stacheln einiger ant- arktischer Exemplare wieder. Die erste Form (Fig. 11c) zeigt die Quirle bereits ziemlich dicht beieinander, die Zahl der Aeste ver- mehrt (auBen 4, innen 6) und die Endpolster vergré8ert, die zweite (Fig. 11d) weist doppelte Endpolster auf, und bei der dritten (Fig. lle) ist eine Spaltung der auferen und eine aber- malige Vermehrung der inneren Aeste zu erkennen, so daf oben 6, unten 8 Aeste vorhanden sind‘). Die Variationsreihe von Aulosphaera bisternaria birgt dem- nach, was die Ausbildung der distalen Stachelparticen anbelangt, die nimlichen Gegensatze in sich, welche die beiden zuerst be- sprochenen Paare von Beispielen in besonders ausgepragter Weise hervortreten lassen, und Aehnliches liefe sich noch fiir eine Reihe von anderen Formengruppen sagen. Es wurde indessen schon bemerkt, daf sich jene Gegensitze nicht mit strenger Gesetz- mafsigkeit durch simtliche Gruppen der Aulosphiriden und Sago- sphiriden hindurch verfolgen lassen, in der Weise, dah etwa samtliche Tiefen- und Kaltwasserformen dem verticillus- Typus, simtliche Plankton- und Warmwasserformen dem pelagica- Typus entsprechen wiirden, und ebenso wurde bereits angedeutet, da’ die besondere Ausbildung des Skelettes offenbar auch durch andere Verhaltnisse mitbedingt sein kann als durch die innere Reibung und Dichte des Wassers, soweit sich dieselben als Funktionen der 1) An einer Stelle der Antarktis wurden auch einige Exemplare gefischt, welche fast vollkommen mit der vom ,,Challenger“ in der Antarktis (St. 156) und zwar an der Oberflache erbeuteten Aulo- sphaera bisternaria HancKen iibereinstimmen. Indessen zeigen meine Exemplare auffallend viele Verkrimmungen und Verbildungen der Stachelaste (Fig. 11f), so daf sie als Kriippelformen erscheinen und ihr Vorkommen in der Antarktis méglicherweise als nicht ganz normal betrachtet werden darf. Die von Borerert beschriebenen, von je einer Station der Irmingersee und des Labradorstromes stammenden Exemplare von Aulatractus septentrionalis stimmen teils mit dem Typus b, teils mit dem Typus e iiberein. Es darf vielleicht auch hier darauf hin- gewiesen werden, dai die genannten Meeresteile die Kalt- und Warmwasserformen der Tripyleen vielfach durcheinander gemischt zeigen. 610 Valentin Hacker, Temperatur und des Salzgehaltes darstellen. Vielmehr wird man von vornherein annehmen diirfen, da’ sich das Skelett nicht nur verschiedenen anderen auSeren Faktoren anpassen, sondern auch durch Uebernahme neuer Leistungen weitere Modifikationen er- fahren kann, und in der Tat ergibt das mir vorliegende Material wenigstens einige Hinweise in diesen beiden Richtungen. Es war mir wieder- holt aufgefallen, da8 sich in den Vertikalnetzziigen neben einer grofen Menge zartgebauter Au- losphariden einzelne Ex- emplare von ungemein grobmaschigen, mit dick- wandigen, pfostenartigen Stacheln versehene For- men vorfanden. Die Fi- guren 12—14 stellen die Radialstacheln der letz- teren in der namlichen Vergroferung dar, in welcher auch die saimt- lichen bisher besproche- nen Formen wiederge- geben sind. Sie zeigen, da8 bei saimtlichen drei Arten insbesondere die distalen Stachelab- schnitte eine bedeutende Wanddicke aufweisen, und es sei nur hinzu- gefiigt, da8 die Stacheln eben infolge dieser Derb- wandigkeit kérnig-un- Fig. 12. Aulosphaera robusta. a Stachel vom durchsichtig und von stumpfen, b vom spitzen Pol. gelblicher oder braun- gelber Farbe erscheinen. Die erste dieser Formen, Aulosphaera robusta n. sp. (Fig. 12a und b), wurde am AufSenrand des Benguelastromes und in der Antarktis gefischt. Sie steht, was die Anordnung der Astquirle anbelangt, dem Formenkreise der Aulosphaera bisternaria sehr CEES Fig. 12a. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 611 nahe und ist, abgesehen von der derben Beschaffenheit des Skelettes, durch die grofe Verschiedenheit der Stacheln des stumpfen und spitzen Schalenpoles gekennzeichnet. Die beiden anderen Arten, die im Siidaquatorialstrom erbeutete Auloscena robustissima n. sp. {Fig. 13) und die Aul. atlantica n. sp. des Golfstromes (Fig. 14), Fig. 13. Fig. 14. Fig. 13. Auloscena robustissima. Fig. 14. Auloscena atlantica. bilden Modifikationen des verticillus-Typus, welche insofern von gréferem Interesse sind, als sie auf zwei verschiedenen Wegen den gleichen Zweck, namlich die Erhéhung der Druckfestigkeit, erreichen. Welche Verhaltnisse des auferen Mediums erfordern eine solche Verstirkung des Stiitzapparates ? 612 Valentin Hacker, Da siimtliche Individuen der drei genannten Arten im Vertikal- netz erbeutet wurden, so laft sich nicht direkt bestimmen, aus welchen Tiefen dieselben stammen. Da aber ahnlich gebaute Formen niemals in den Oberflachenschichten erbeutet wurden, da im Gegenteil die eigentlich planktonischen Arten durch besonders zartwandige Skelette charakterisiert sind, so wird man mit ziem- licher Wahrscheinlichkeit sagen diirfen, da’ die betreffenden Arten ausgesprochene Tiefenbewohner sind. Diese Annahme laSt sich weiterhin noch stiitzen durch Heranziehung anderer ahnlich ge- bauter Formen, deren Lebensbedingungen genauer bekannt sind. Wie ich friiher gezeigt habe‘), sind innerhalb der Familien der Challengeriden und Conchariden die ausgesprochenen Tiefenformen, also die Bewohner der dritten, von 1000—4000 m reichenden Tripyleenschicht, abgesehen von anderen Merkmalen, vor allem . durch die bedeutende Gréfe, durch die Dicke der Schalenwandung und die gelbliche Farbung derselben charakterisiert. Besonders schén treten diese Merkmale hervor bei Challengeria Naresii, welche in einer ganzen Reihe von SchlieBnetzfingen aus den Tiefen 1000—1500 (St. 120, 136), 2400—2700 (St. 48) und 2700—3300 m (St. 133) in lebensfrischen Exemplaren erbeutet wurde, und ebenso bei Challengeria Thomsoni, welche eine ziemlich regel- mifige Begleiterin der erstgenannten Art zu sein scheint. Es liegt nun die Annahme nahe, da, ebenso wie Challengeria Naresii und Thomsoni als tiefenbewohnende Gegenstiicke der zartschaligen planktonischen Formen Ch. xiphodon und tridens nachgewiesen werden konnten, so auch die drei beschriebenen, kraftiger ge- bauten Aulosphariden aus gré8eren Tiefen stammende Formen sind, bei denen die Dickwandigkeit der Stacheln in irgend einer Weise mit den besonderen Lebensbedingungen in Zusammenhang steht. Man k6énnte in erster Linie daran denken, daf die Ver- stirkung des Skelettes in einer direkten Beziehung zur Zunahme des Druckes stehe. Indessen muf diese Annahme aus verschiedenen Griinden abgewiesen werden, vor allem ist zu sagen, daf es sehr zweifelhaft ist, ob die Skelettréhren der Aulo- sphariden vollkommen abgeschlossene Hohlgebilde sind, ob also die Voraussetzung erfiillt ist, von welcher aus allein eine direkte Abhangigkeit der Wandstarke vom umgebenden, allseitig wirkenden Druck erwartet werden kann, Schon Harcken hat auf die Tatsache hingewiesen, daf bei 1) Lc p. 184 ff. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 613 Aulosphariden- und Cannosphiridenskeletten, welche durch Er- hitzen gereinigt oder mit heifen Mineralsiuren behandelt und dann getrocknet wurden, die hohlen Roéhren sich mit Luft fiillen, so allerdings, da die Luftinhalte benachbarter Réhren sich als wohlgesonderte, durch die Astralsepten voneinander getrennte Blasen darstellen. HAEcKEL glaubt diese Erscheinung nur durch die Annahme erklaren zu kénnen, daf jede Réhre an ihren Enden poren- oder spaltenférmige Oeffnungen besitzt, welche mit den yhodal cavities‘, d. h. den flachen Vertiefungen, in welche die Radialstacheln eingelassen sind, kommunizieren. R. Herrwia bestreitet die Anwesenheit solcher Oeffnungen, und in der Tat ist an dem konservierten Material von einer Durchbohrung der Réhrenwandung, wenigstens direkt, nichts zu beobachten. Indessen gelangt man durch einige einfache Versuche doch zu Anschauungen, welche denjenigen Harckers nahestehen. Bei meinen Untersuchungen tiber die Entstehung der blauen Farbe der Vogelfedern war ich auf das eigentiimliche Verhalten der Luft- blasen gegeniiber den in die dickwandigen Markzellen eindringenden Reagenzien aufmerksam geworden, und diese Erfahrungen veran- laften mich, an getrockneten Aulospharidenskeletten das Ein- dringen verschiedener Fliissigkeiten bei starkerer VergréSerung zu untersuchen. Setzt man zu dem itiber der Flamme getrockneten Skelett eine dickfliissige Substanz, z. B. Kanadabalsam, hinzu, so sieht man, daf die Fliissigkeit zunaichst nur in abgebrochenen oder sonstwie verletzten Skelettréhren eindringt, wahrend die vollstandig intakten Roéhren in ihrer ganzen Lange luftgefiillt bleiben (Fig. 15). In den abgebrochenen Rohren sieht man den Luftinhalt innerhalb weniger Minuten vor der vordringenden Flissigkeit zurtickweichen und sich zu einer kleinen Perle zusammenzieben, die sich in den letzten Phasen des Prozesses auferordentlich rasch verkleinert und zum Schluf plétzlich verschwindet (Fig. 15@ und Db). Inwieweit es sich bei diesen Vorgingen um eine Verdriingung der Luft oder um eine Zusammenziehung der durch die Erhitzung anfanglich ausgedehnten Luftblasen oder endlich um eine Resorption der- selben im Lésungsmittel des Kanadabalsams handelt, konnte ich nicht mit Sicherheit ermitteln. Méglicherweise wirken alle drei Faktoren zusammen: daf speziell der letztgenannte eine be- deutende Rolle spielt, scheint mir daraus hervorzugehen, da8 auf alteren Kanadabalsampraparaten auch die nicht verletzten Skelett- 614 Valentin Hicker, rdhren zum grofen Teil luftleer sind, eine Erscheinung, die wohl nur durch eine allmihliche Aufsaugung der Luft im Lésungsmittel des Kanadabalsams erklirt werden kann. Kin anderes Bild erhalt man bei Anwendung diinnfliissiger Zusiitze, z. B. von Wasser, Alkohol oder Xylol. In den verletzten Rohren spielen sich die Vorgiinge in éhnlicher Weise, wie bei Kanada- balsam, ab, dagegen sieht man, namentlich bei Anwendung von Alkohol und Xylol, daf auch in den intakten Skelettréhren unter dem Auge des Beobachters eine allmahliche Verdrangung der Luft er- folgen kann. Bezeichnend ist nun, daf diese Verdrangung ausschlieblich vonden Knotenpunkten aus vor sich geht (Fig. 16), und ferner ist hervorzuheben, daf die Fliissigkeit bald in allen, bald nur in einzelnen Réhren eines Sternes vordringt und daf in beiden Fallen ihr Vorriicken in benachbarten Réhren mit sehr ungleicher Geschwindigkeit vor sich geht. Der Versuch zeigt in erster Linie, daB die Fliissig- keit nicht von allen Seiten gleichmaBig durch die Wan- dung der Rohren diffundiert, sondern daf sie nur von den mule f Enden der Roéhren aus in die- ig. 15. Getrocknetes Aulatractusskelett inei » gelben hineingelangt, ma nach Zusatz von Kanadabalsam. Bei a : ey oe S und 6 Verschwinden der Luftblasen in den dies nun durch die an den verletzten Skelettréhren. Rohrenenden zu konstatie- rende geringere Wanddicke, oder, was wahrscheinlicher ist, durch das Vorhandensein von poren- artigen Oeffnungen bedingt sein. Daf die Fliissigkeit nicht in allen Rohren eines Sternes gleichzeitig und gleich rasch eindringt, dirfte wohl damit zusammenhangen, daf beim Eintrocknen des Roéhren- inhaltes einzelne Oeffnungen mehr oder weniger verstopft werden und dadurch ein rasches Vordringen der Fliissigkeit verhindert wird. Fiir unsere Frage, ob die Skelettréhren als vollkommen ge- schlossene Hohlgebilde betrachtet werden kénnen, ist jedenfalls von Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 615 Wichtigkeit, daf’ mindestens beim abgetéteten und laingere Zeit in Alkohol aufbewahrten Material Fliissigkeiten verschiedener Art von selber, d. h. ohne Anwendung hoéherer Drucke, von den Knoten- punkten aus in die Skelettréhren einzudringen im stande sind. Unter der Voraussetzung nun, dal Riickschliisse auf das lebende Objekt erlaubt sind, wird man es als wenig wahrscheinlich be- zeichnen miissen, daf die Skelettwandung ihren Inhalt gegen stirkere Aufendrucke voll- kommen abschliefen kann, und da also die Verdickung der Skelettwandung bei den Tiefenbewohnern ihre un- mittelbare Ursache in dem starkeren Wasserdruck hat. Im tibrigen spricht noch eine weitere Tatsache gegen die Annahme, daf die Ver- stirkung des Skelettes di- a3 f es uawilae rekt mit. der Zunahme des ig. 16. Getrocknetes Aulatractusskelett, 2 % nach Zusatz von Alkohol oder Xylol. Ver- Druckes zusammenhangt. dringung der Luft vom Knotenpunkte aus. Gerade bei den Challenge- riden und Conchariden, bei welchen wir auf Grund der Schliefnetz- und Stufenfange in besonders schéner Weise eine Zunahme der Schalendicke bei zunehmender Wassertiefe feststellen kénnen, handelt es sich ja in keiner Weise um ein abgeschlossenes Ge- hause. Vielmehr steht das primaire), von der Schale einge- schlossene Calymma mit den sekundaéren, die auferen Skelett- teile einhiillenden Weichkérperteilen durch zahlreiche porenartige Schalenéffnungen, bei den Challengeriden auch durch eine grofe Hauptéffnung in Verbindung. Allem nach ist also die Dickwandigkeit der Skelettteile der Tripyleen nicht direkt durch den zunehmenden Aufendruck be- dingt, in der Weise, wie etwa die Dicke einer Kesselwandung sich nach der GréBe des anzuwendenden Dampfdruckes richten muf. Dagegen diirfen wir zweifellos eine indirekte Beziehung zwischen der Starke der Skelettteile und der Zunahme des Druckes an- nehmen, insofern aufer Temperatur und Salzgehalt auch der Druck die innere Reibung und Dichtigkeit des Wassers beeinfluSt. Mit der inneren Reibung und Wasserdichtigkeit hangt aber, wie wir ge- 1) Die Bezeichnungen ,primares“ und _ ,sekundiires“ Calymma stammen von HAECKEL. 616 Valentin Hacker, sehen haben, die Beschaffenheit des Weichkérpers und insbesondere der extrakalymmalen Sarkodehaut zusammen, und durch diese Faktoren ist seinerseits wieder der Ausbildungsgrad des Skelettes bedingt. Warum freilich in dieser Richtung zwischen den Kaltwasser- und eigentlichen Tiefenformen eine ausgesprochene Verschiedenheit besteht, warum es bei ersteren vorzugsweise auf eine Vermehrung der Stiitzpunkte fiir die Sarkodehaut abgesehen ist, wahrend bei letzteren hauptsichlich eine Verstirkung des Skelettmaterials er- folgt, das entzieht sich vorliufig noch meiner Beurteilung. Auger den dickwandigen Tiefenformen gibt es nun noch eine zweite Gruppe von Aulosphariden, welche eine Ausnahme von unserer Regel bilden. Es sind dies Formen, bei welchen die Ober- fliche des Weichkérpers durch die Radialstacheln nicht in un- verinderlicher Weise fixiert wird, sondern bei den einzelnen In- dividuen ein verschiedenes Relief zeigt (Fig. 17). Diejenige Form, bei welcher ich zuerst auf derartige Niveau- schwankungen der Weichkérperoberfliche aufmerksam geworden bin, ist Aulastrum spinosum BorGert (Fig. 17), eine bipolare Art, welche einerseits im Labradorstrom, andererseits in der Antarktis in groBer Individuenzahl vorkommt. Was ihre Vertikalverteilung anbelangt, so wurde sie vom ,GauS“ in der Nahe der Winter- station in nahezu allen Vertikalnetzziigen erbeutet und kommt jedenfalls noch oberhalb des 100 m-Horizontes zahlreich vor. Die Radialstacheln dieser Art sind mit 3 kurzen Endasten und mit zahlreichen schwach gekriimmten, knépfchentragenden, haufig paarweise angeordneten Seitenasten versehen, welch letztere im distalen Stachelabschnitt unterhalb der Endiste 2—3 Quirle zu bilden pflegen. Beziiglich der extrakalymmalen Sarkodehaut zeigen die mir vorliegenden Exemplare, wie gesagt, ein ver- schiedenes Verhalten. Bei einigen Individuen spannt sich dieselbe in ziemlich gleichmafiger Flache tiber die Enden der Radialstacheln hinweg, wie wir dies in ahnlicher Weise bei Auloscena verticillus gefunden haben und wie es in der beigegebenen Figur durch die punktierte Linie angedeutet worden ist. Bei anderen Exemplaren legt sich dagegen die Haut den Endknépfchen der 2 oder 3 Ast- quirle an, so daf scheidenférmige Weichkérperbildungen, wie bei den planktonischen Warmwasserformen, entstehen (Fig. 17, untere Linie). Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daf es sich hier nicht um individuelle Variationen handelt, sondern daf das Vo- lumen und die Oberflache des Weichkérpers von Aulastrum spino- Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 617 sum zeitlichen Schwankungen unterworfen ist, und man wird mit der Annahme nicht fehlgehen, da diese Veriinderungen mit einer Fahigkeit, im Wasser zu steigen und zu sinken, im Zusammen- hang stehen. Fig. 17. Skelett von Aulastrum spinosum. Durch R. Hertwic, BranpT und VERWORN ') wissen wir, dak bei den Thalassicollen und koloniebildenden Radiolarien die Sub- stanz der Vakuolen und in vielen Fallen auch die Gallerte spe- 1) Vgl. insbesondere: K. Branpt, Biologische und faunistische Untersuchungen an Radiolarien und anderen pelagischen Tieren. I. Untersuchungen iiber den hydrostatischen Apparat von Thalassi- collen und koloniebildenden Radiolarien. Zool. Jahrb, (Syst. Abt.), Bd. IX, 1897. 618 Valentin Hacker, zifisch etwas leichter sind als das Meerwasser, und daf insbe- sondere das Schwinden der Vakuolen und damit die Volum- verminderung des Kérpers ein Niedersinken, ihre Neubildung ein Wiederaufsteigen zur Folge hat. Wenden wir diese Ergebnisse auf unser Aulastrum an, so wird fiir diese Form zu folgern sein, daf} bei vermindertem Gesamtvolumen, also bei tief eingebuchteter Sarkodehaut, das Tier sinken mite. Nun sehen wir aber, daf bei Aulastrum bei Verminderung des Volumens gleichzeitig auch die- jenige Kinrichtung in Wirkung tritt, die wir von den anderen plank- tonischen Warmwasserformen her als accessorischen Schwebe- apparat kennen, namlich die teilweise Freilegung der distalen Stachelenden und die dadurch hervorgerufene Erhéhung des Reibungswiderstandes. Es wiirden also im Falle einer Volum- verminderung und Einbuchtung der Oberfliche zwei Faktoren ein- ander entgegenwirken, nimlich einer, der die Senkung, und einer, der die Hebung des Tieres herbeifiihrt, und Entsprechendes wiirde eintreten bei einer VolumvergréSerung und der damit verbundenen relativen Glattung der Weichkérperoberflache. Ich glaube nun freilich nicht, da diese Schwierigkeiten der Annahme im Wege stehen, daf die Schwankungen im Relief des Weichkérpers, wie sie bei Aulastrum zu beobachten sind, wirklich mit der Fahigkeit, vertikale Ortsveriinderungen vorzunehmen, im Zusammenhang stehen. Handelt es sich ja doch, wie insbesondere aus den Unter- suchungen von Branpr hervorgeht, beim Steigen und Sinken der Radiolarien um so auferordentlich geringe Gewichtsunterschiede, da’ wir uns sehr wohl denken kénnen, daf bei einer Art ein Faktor nicht in Betracht kommt, der bei einer anderen eine wichtige Rolle spielt. Es ware also z. B. sehr wohl verstandlich, da8 speziell bei Aulastrum die durch Freilegung der Stachelenden an und fir sich erzielte Vermehrung des Schwebevermégens nicht ins Gewicht fallt, weil diese Wirkung reichlich kompensiert wird durch die Verminderung des Vakuoleninhaltes und die dadurch bewirkte Erhéhung des spezifischen Gewichtes, und da8 also auch hier bei Volumverminderung ein Sinken, bei VolumvergréSerung ein Steigen stattfindet. Ich darf bei der Besprechung dieser Dinge wohl auch auf einige AeufSerungen Branptrs aufmerksam machen, welcher be- ziiglich der Frage, ob die Gallerte leichter oder schwerer als Meerwasser ist, vor Verallgemeinerung von Einzelbeobach- tungen warnt. Nach BranpT ist die Gallerte bei den einzelnen Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 619 Arten der koloniebildenden Radiolarien und ebenso der Colliden der Konsistenz und dem chemischen Verhalten nach sehr verschieden. yn manchen Fallen, nach Verworn z. B. bei Thalassicolla, ist die Gallerte etwas schwerer als Seewasser, in anderen aber muf sie nach meinen friiheren Beobachtungen etwas leichter sein als das umgebende Medium, denn ich habe jugendliche Kolonieen angetrofien, welche frei schwebten, obwohl von Vakuolen nichts an ihnen zu sehen war.“ Wir sehen also, da’ auch sonst beziiglich der Rolle, welche die einzelnen Bestandteile des Organismus bei der Schwebefihigkeit spielen, spezifische Unterschiede nachgewiesen werden kénnen, und so wird es nicht befremdlich sein, wenn bei der Gattung Aulastrum andere Einrichtungen zur Ausbildung ge- langt sind als bei Auloscena, Aulosphaera und den Sagosphiariden. Erweiterungen des Gebietes. Es wurde zu zeigen versucht, dafi die Regel, wonach durch die besonderen Skelett- bildungen bei den planktonischen Warmwasserformen eine Ver- gréfRerung der Oberfliche, bei den Tiefen- und Kaltwasserformen eine Vermehrung der Stiitzpunkte erzielt wird, nur mit gewissen Einschrankungen Giiltigkeit hat; auch konnten in einzelnen Fallen Faktoren duferer oder innerer Art angegeben werden, auf welche wahrscheinlich das besondere Verhalten der Ausnahmefalle zuriick- zufiihren ist. _ Ks soll nunmehr umgekehrt gezeigt werden, da sich die bei den Aulosphériden und Sagosphariden erlangten Ergebnisse auch auf einige andere Verhaltnisse tibertragen lassen. Insbesondere soll der Nachweis versucht werden, dafi die Bedeutung der eigent- lichen Appendikularorgane bei allen Tripyleen im wesentlichen die namliche ist. In meiner ersten Mitteilung!) mute ich es dahingestellt sein lassen, ob nicht wenigstens die Ankerfidchen, welche inner- halb der Ordnung der Tripyleen an zwei verschiedenen Stellen, namlich bei den Cannosphiariden und Célographiden, zur Aus- bildung gelangt sind, und denen auch die merkwirdigen Anhange der zu den Aulacanthiden gehérigen Aulocoryne zetesios FOWLER ”) nahestehen, die Rolle von wirklichen Fangapparaten im Sinne 1) 1. c. p. 127, Anm. 4. 2) Vgl. G. H. Fowter, Contributions to our knowledge of the plankton of the Faeroe Channel. Proc. Zool. Soc. London, 1898, Taf. LX VI, Fig. 5, sowie Borcert, Nord. Trip., p. 7, Fig. 5. 620 Valentin Hicker, Harckets spielen. Inzwischen hat mich jedoch die genauere Untersuchung der Cannosphariden zu der Ueberzeugung gefiihrt, da wenigstens bei dieser Gruppe auch die Ankerfadchen nichts anderes sind als Stiitzorgane, welche teils der extrakalym- malen Sarkodehaut, teils dem ,Sarkoplegma“, d. h. dem innerhalb des Gallertmantels sich ausbreitenden plasmatischen Flechtwerk, eine gréfere Widerstandskraft gegen mechanische Anstofe ver- Jeihen. Auch fiir die Célographiden glaube ich jetzt schon das nimliche mit Sicherheit behaupten zu diirfen, und so scheint es mir wahrscheinlich zu sein, da’ auch die merkwiirdige Aulocoryne zetesios keine Ausnahme in dieser Richtung bildet. Fassen wir hier im speziellen die Cannosphariden ins Auge. Das Skelett dieser Formen (Fig. 18) besteht aus 2 konzentrischen Schalen, von denen die auf ere (d) aus tangential gelagerten, in fiinf- oder sechsseitigen Maschen angeordneten Hohlstacheln be- steht und in ihren Knotenpunkten die verschieden gestalteten Radialstacheln traigt, wahrend die innere (2) ein mit einer Haupt- éffaung versehenes, bald solides, bald siebartig durchléchertes Gehause bildet. Beide Schalen sind durch sehr diinne Hohlréhren, die Radialbalken, miteinander verbunden. Dieselben bilden die direkten Fortsetzungen von kegel- oder warzenformigen Erhebungen der inneren Schale und setzen in den Mittelpunkten der leicht geknickten Tangentialbalken der auferen Schale an. Das ganze System entspricht also im wesentlichen denjenigen Konstruktionen der Ingenieurmechanik, welche als _,,Fachwerke“ bezeichnet werden, und zwar kénnen die beiden Schalen mit der éuferen und inneren ,Gurtung“, die Radialbalken mit den _,,Fiil- lungsgliedern“, und zwar speziell, da sie die Gurtungen unter rechtem Winkel treffen, mit sogen. ,Standern“ verglichen werden 4). Im iibrigen liegt es nahe, auch auf die Anordnung des mechani- schen oder Stiitzgewebes in den oberirdischen Organen der Pflanzen, in den Halmen, Bliitenstengeln u. s. w. hinzuweisen ?). 1) Fachwerke von dieser speziellen Form werden auch als Standerfachwerke bezeichnet. Ihnen stehen die Strebenfachwerke gegentiber, bei welchen die Fiillungsglieder die Gurtungen unter spitzem Winkel treffen. Solche Strebenfachwerke werden in voll- kommenster Weise durch die Doppelschalen von Sagenoarium reprasentiert. 2) Vgl. G. Hasertanpt, Phys. Pflanzenanatomie, 2. Aufl., p. 146 ff. Feinere Strukturen des Radiolarienskeletites. 621 Die uns hier besonders interessierenden, mit dreiarmigen Ankern ausgestatteten Appendikularorgane , die sogen. ,,Anker- faidchen‘', finden sich an zwei verschiedenen Stellen des Skelettes nnosphaera antarctica. @ aiuBere Gitterschale, Fig. 18. Skelett von Ca i inneres Gehiuse. Ba, XXXIX. N. F. XXXII. 40 622 Valentin Hacker, in etwas verschiedener Ausbildung vor‘), Zunachst sitzen etwas lingere Fidchen mit derberen Ankern gruppenweise den Tangen- tialréhren der AuSenschale auf, und zwar in der Weise, da die 2 oder 3 Fadchen einer Gruppe auf der Aufenfliche der Réhren nebeneinander, also jeweils auf einem kreisformigen Cylinder- schnitt, angeordnet sind. Im Gegensatz zu diesen, im wesentlichen eine radiale Stellung einnehmenden auferen Ankerfaidchen be- finden sich etwas zierlichere Gebilde der gleichen Art an den distalen Abschnitten der Verbindungsstibe. Dieselben stehen zu dreien, vieren oder fiinfen quirlf6rmig beieinander und zeigen im allgemeinen eine tangentiale Richtung. Welche Bedeutung haben nun diese in grofer Zahl vor- handenen Appendikularorgane? Wenn man die zahlreichen Canno- sphaera-Exemplare der antarktischen Fainge durchmustert, so findet man das Skelett fast stets erfiillt mit grofen Mengen von Dia- tomeen, insbesondere mit den machtigen Cylindern von Corethron. Da die meisten dieser Diatomeen mit langen, stachel- oder borsten- férmigen Fortsatzen und speziell die Corethronarten auferdem mit eigentiimlichen Hakchen ausgestattet sind, so kénnte man zu- naichst zu der Annahme gelangen, da die Ankerfadchen von Cannosphaera die Bedeutung haben, sich mit den Fortsatzen der Diatomeen zu verstricken und dieselben festzuhalten. Indessen zeigt zunidchst eine Untersuchung des Weichkérpers und _ins- besondere des Phaéodiums intakter Exemplare, da8 die Nahrung von Cannosphaera gar nicht aus diesen grofen Charakterformen des antarktischen Pianktons, sondern aus kleineren, stark ver- kieselten Formen besteht. Ferner spricht gegen die Annahme, daf die Ankerfadchen Fangapparate darstellen, der Umstand, da8 sie sich nicht an der Spitze der Radialstacheln, also an den aiuBersten Punkten des Skelettes, sondern in tieferen Horizonten befinden, und endlich ist vor allem darauf hinzuweisen, dal auch bei Cannosphaera der ganze Koérper nach aufen durch eine ver- haltnismaBig derbe, tiber die Radialstacheln in Form eines Baldachins ausgespannte Sarkodehaut abgeschlossen ist (Fig. 18). Diese extra- kalymmale Sarkodehaut bildet zwischen den einzelnen Radial- stacheln tiefe Einbuchtungen und erreicht so das Niveau der auferen Anker, von denen sie in ahnlicher Weise gestiitzt wird, wie die Haut anderer Formen von den Spathillen und bedornten 1) Durch die folgenden Ausfihrungen soll die Beschreibung Haxrcxers und Boreerts in einigen Punkten erganzt werden. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 623 Endpolstern. Im Hinblick auf die bei den Aulacanthiden, Aulo- sphariden und Sagosphiriden bestehenden Verhaltnisse haben wir allen Grund zu der Annahme, daf8 auch fiir Cannosphaera mit dieser stiitzenden Funktion die Bedeutung wenigstens der auSeren Ankerfadchen im wesentlichen erschépft ist. Jedenfalls findet von dieser Anschauung aus der besondere Bau und die Anordnung derselben eine vollkommen befriedigende Erklarung. Daf aber auch den inneren, an den Radialstaben sitzenden Ankerfadchen in erster Linie eine stiitzende Funktion zukommt, darauf weist schon ihre Lage im Innern des Weichkérpers hin und wir werden sie daher, um eine der Morphologie der Kieselschwimme entlehnte Bezeichnungsweise zu beniitzen, als ,,intermediire Stiitzelemente“ anzusehen haben. Auf Grund aller dieser Beobachtungen und Erwigungen halte ich es fiir das Wahrscheinlichste, da} auch die Ankerfadchen der Cannosphiriden nichts anderes als stiitzende Skelettelemente sind, und daf sie also in funktioneller Hinsicht den mit Spathillen und Endkunoépfchen ausgestatteten Appendikularorganen anderer Formen angereiht werden miissen. Gehen wir von den Aulosphariden, Cannosphiariden und Sago- sphariden zu den anderen Abteilungen der Tripyleen iiber, so lassen zunachst die Aulacanthiden, wie schon aus den ein- leitenden Abschnitten hervorgeht, in vieler Hinsicht eine enge Bertihrung speziell mit der erstgenannten Familie erkennen. Ich brauche nur an die Aulographis-Arten zu erinnern, deren Terminal- aste wie die Arme eines Kandelabers den polsterartig aufgetriebenen Stachelenden aufsitzen und so eine der ,,Krone‘ von Auloscena entsprechende Anordnung zeigen (Fig. 1 und 2), ferner an die verschiedenen Formen von Aulospathis, deren Verastelungsweise bald dem Typus von Aulosphaera bisternaria mit seinen 2 etagen- formig iibereinander gelagerten Astquirlen folgt, bald an die Rispenform planktonischer Arten sich anlehnt'). Im ganzen kann man sagen, dafi von den’ verschiedenen Aulacanthiden in jeder nur denkbaren Weise das Ziel erreicht wird, an einem Haupttrager eine Anzahl von einfachen oder verzweigten Armen so zu ver- teilen, daf deren Endpunkte innerhalb regelmafiger Flachen liegen. Damit hangt auch die Aehnlichkeit zusammen, welche die Stacheln verschiedener Aulacanthiden mit manchen Baumformen, mit Pappeln, Pinien, Araucarien, mit der Verastelung der Schlehen u. s. w. zeigen. 1) Vgl. friihere Mitteilung, p. 126. 40 * 624 Valentin Hicker, Handelt es sich doch auch beim Aufbau eines Baumes im wesent- lichen darum, ein Geriist herzustellen, dessen Verzweigungen so angeordnet sind, daf die Endpunkte, d. h. die blattertragenden Zweige, bei gré’ter Materialersparnis und bei geringster Hebel- wirkung, nach Méglichkeit in die Peripherie verschoben (d. h. dem Lichte ausgesetzt) werden ’). Es wurde bereits in der Einleitung erwahnt, dafi es mir bei den Aulacanthiden bisher nicht gegliickt ist, die einzelnen Ver- zweigungsformen der Radialstacheln zu bestimmten 6kologischen Verhaltnissen in Beziehung zu bringen. Die Schwierigkeit, solche Zusammenhange aufzudecken, liegt darin, da’ bei dem fast voll- kommenen Fehlen der Aulacanthiden in SchlieSnetzfangen tber die Tiefenverteilung der einzelnen Formen nur weniges mit Sicher- heit ermittelt werden kann. Immerhin hoffe ich, gelegentlich einer nochmaligen Revision des gesamten, auferordentlich reichen Aul- acanthidenmaterials der ,,Valdivia‘’- und ,,Gauf-Ausbeute auch in dieser Hinsicht noch etwas weiterzukommen, und zwar scheint mir ein weiteres Eindringen um so wiinschenswerter zu sein, als gerade fiir diese Familie durch die neueren Untersuchungen von IMMER- MANN”) auch der erste Schritt in der Richtung einer kausal- mechanischen Erklarung der Stachelformen getan ist. Was die tibrigen Familien der Tripyleen anbelangt, so sind bei den meisten derselben meine Einzeluntersuchungen noch nicht so weit gelangt, daf ich fiir dieselben eine zulingliche Uebersicht der in Frage kommenden Verhaltnisse geben kénnte. Nur bei den Challengeriden und Conchariden bin ich schon bei der Sortierung des Materials auf eine Reihe von durchgehenden, in beiden Familien konvergent ausgebildeten Unterschieden zwischen Oberflachen- und Tiefenformen gestoBen, insbesondere konnte ich auch hier zeigen, daS die planktonischen Formen im allgemeinen eine Vermehrung der stachelartigen Schalenanhange aufweisen und damit also dem Bediirfnis einer OberflichenvergréSerung entgegen- kommen. Ich darf in dieser Hinsicht auf die in meiner friiheren Mitteilung*) gegebenen Ausfiihrungen und Abbildungen hinweisen. 1) Vgl. H. Porontm, Die von den fossilen Pflanzen gebotenen Daten fiir die Annahme einer allmahlichen Entwickelung vom Ein- facheren zum Verwickelteren. Naturw. Woch., N. F. Bd. I; 1901— 1902, p. 4. 2) F. Immermann, Die Tripyleenausbeute der Aulacanthiden der Plankton-Expedition. Ergebn. d. Pl.-Exp., Bd. III, L. h., Kiel und Leipzig, 1904. 3) gc. op. 133 tk Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 625 Ebendaselbst ) wurde angedeutet, daf auch in den Familien der Circoporiden und Medusettiden gewisse Unterschiede zwischen den Oberflichen- und Tiefenformen nachzuweisen sind, und daf dieselben im wesentlichen den Gegensitzen entsprechen, welche innerhalb der Familien der Challengeriden und Conchariden bestehen. Von gréferem Interesse als diese mehr skizzenhaft dar- gestellten Verhaltnisse ist aber der Umstand, daf bei einzelnen grofen Medusettiden und vor allem bei den prachtvollen Tiefen- formen der Tuscaroriden die machtigen, als ,,FiiBe be- zeichneten Hohlstacheln in den Dienst einer neuen Funktion treten. Sie sind namlich nicht, wie z. B. die Radialstacheln der Aulo- sphariden, dazu bestimmt, auf ihren Spitzen die extrakalymmale Sarkodehaut baldachinartig zu tragen und so den Abstand zwischen Haut und Schale aufrecht zu erhalten, vielmehr bilden sie, wie die Spangen eines Regenschirms, ein Geriist, innerhalb dessen eine verhiltnismafig widerstandsfahige Membran kelchartig ausgespannt ist. Zweifellos haben wir es hier mit einem hochdifferenzierten Schwebeapparat zu tun, welcher in funktioneller Hinsicht mit den bekannten fallschirm- und spannhautartigen Bildungen anderer Tiefseeorganismen zu vergleichen ist ”). Es bleiben noch die Castanelliden, Célodendriden und Célographiden zur Besprechung iibrig. Ohne auf die Unterschiede zwischen Oberflaichen- und Tiefenformen, bezw. zwischen Warm- und Kaltwasserformen einzugehen, will ich hier nur hervorheben, da8 auch bei den Angehorigen dieser Familien die Stacheln ganz allgemein die Funktion haben, mit ihren Enden die extrakalymmale Sarkodehaut zu stiitzen und ausgespannt zu halten. Die Skelettteile, insbesondere auch die Appendikular- organe ragen also nicht tiber den Weichkérper hinaus, wie dies auf den meisten friiheren Abbildungen zur Darstellung kommt °), sondern sie sind durchweg in demselben eingeschlossen, wie dies schon Birscuti fiir Coelothamnus Davidoffi gezeigt hat‘). Ins- besondere stellen auch die Ankerfadchen der Célographiden keine Fangapparate in dem bisher angenommenen Sinne dar, sondern diirften, wie diejenigen von Cannosphaera, teils als Stiitzen der Aufenhaut, teils als innere Verstarkungselemente zu betrachten sein. L) Le. * piss: 2) Vel. ly eps fodkt 3) Vgl. die Abbildung von Coelospathis ancorata in Lanes Protozoen, p. 51. 4) S. oben, p. 590. 626 Valentin Hacker, Es soll noch einmal hervorgehoben werden, daf beziiglich simtlicher in diesem Abschnitt angefiihrten Tripyleenfamilien die gemachten Angaben nur vorlaufige sind, und daf sie vermutlich bei weiterem Kindringen in die einzelnen Gruppen noch manche Erginzung erfahren werden. So viel glaube ich aber jetzt schon fiir die Gesamtheit der Tripyleen aussprechen zu diirfen, da8 bei der Ausbildung der feineren Strukturen des Skelettes iiberall die namlichen Bauprinzipien mafegebend sind, und daf’ auch die Haupt- funktion des Skelettes bei allen Formen im wesentlichen tiberein- stimmt. | Es liegt daher nahe, auch in den iibrigen Ordnungen der Tripyleen Umschau zu halten und von hier aus zu anderen skelett- bildenden Formen itberzugehen. Ich will mich indessen zunachst darauf beschraénken, noch eine Gruppe von Organismen hervor- zuheben, deren wunderbar gestalteten Kieselskelette von jeher das asthetische Interesse der Beobachter auf sich gelenkt und wohl auch die Frage nach der Bedeutung der Einzelstrukturen immer wieder nahegelegt haben. Ich meine die Hexactinelliden. Wer an der Hand der Erfahrungen, welche nunmehr an den Skeletten der Tripyleen gemacht werden konnten, einen Streifzug in das Gebiet der Hexactinelliden unternimmt und die Darstellungen in den neueren Arbeiten F. E. Scuunzes!) durchmustert, der wird in der Lage sein, an allen Ecken und Enden alte Bekannte wieder- zufinden. Schon der Grundplan des Gesamtgeriistes zeigt, wenn man die Hexactinelliden mit den Tripyleen vergleicht, sehr viel Bertihrungspunkte. Wir haben bei Cannosphaera gesehen, daf sich das Skelett als Ganzes als ein Fachwerk darstellt, bei welchem die auBere Gurtung durch die Gitterschale, die innere Gurtung durch das Innengehause und die Fiillung durch die Radialbalken gebildet werden (Fig. 18). Ferner sind bei Cannosphaera die Radialstacheln als Druckfanger oder Druckvermittler, die inneren Ankerfadchen als intermediare Stiitzelemente anzusehen. Zu einem Fachwerk ganz ahnlicher Art sind auch die Skelett- teile der Hexactinelliden zusammengefiigt, nur dal hier zu den 1) Vgl. insbesondere F. E. Scuunze, Die Hexactinelliden des Indischen Ozeans. I. Teil: Die Hyalonematiden, Berlin 1894. IL. Teil: Die Hexasterophora, Berlin 1895. III. Teil: Berlin 1900. Der- selbe, Die Hexactinelliden, in: Fauna arctica, Bd. I, Lief. 1, Jena 1900. Derselbe, Caulophacus arcticus (ArMaveR Hansen) und Calycosoma gracile F. E. Scnunze nov. spec. Abh. K. Preuf. Akad. Wiss., Berlin 1903. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 627 beiden Hauptgurtungen, welche durch die Systeme der Auto- dermalia und Autogastralia gebildet werden, unter Um- stinden noch eine oder mehrere Zwischengurtungen in Gestalt der Parenchymalia hinzukommen kénnen (Fig. 19), sowie auch bei Pflanzenteilen, z. B. bei den Schiften der Cyperaceen, die beiden als Haupttriger funktionierenden Bastrippen durch dazwischen ge- lagerte, im Querschnitt als ,Bastsicheln“ erscheinende Strange unterstiitzt werden kénnen'*). Als Fachwerke mit nur zwei Haupt- gurtungen kénnten die Skelette der beiden von Scuuze be- schriebenen arktischen Hexactinelliden 2) bezeichnet werden, Fach- werke mit einer oder mehreren Zwischengurtungen findet man da- gegen in besonders schéner Ausbildung bei Calycosoma gracile *) und bei einzelnen Hyalonematiden *), Bei einem Vergleich speziell des Hyalonema-Skelettes mit der Cannosphaera kann man entweder die beiden Hauptgurtungen, also das Stratum der Autodermalia und das der Autogastralia, oder aber die aufere Hauptgurtung und die nichstfolgende (vielfach die einzige) Zwischengurtung zu den beiden Schalen von Cannosphaera in Beziehung bringen. Versuchen wir zunachst den Vergleich auf letztere Art durchzufiihren. In Fig. 19 ist die Anordnung der Skelettteile von Hyalonema Heideri, wie sie sich auf einem senkrecht gefiihrten Schnitte durch die Kelchwand darstellt, wiedergegeben. Das Stratum der Auto- dermalia, auf dem Bild vertreten durch die tangentialen Strahlen der hypodermalen Pentaktine (tp), entspricht der auferen Gitter- schale von Cannosphaera, wihrend die durch die Tangentialstrahlen der parenchymalen Oxyhexaktine (to) gebildete Lage mit dem inneren Gehause von Cannosphaera verglichen werden kann. Ferner entsprechen die Radialstrahlen der Pentaktine und Oxyhexaktine (rp und ro) den Radialbalken von Cannosphaera, die dermalen Pinule (p) stehen nach Anordnung und Struktur den Radial- stacheln und die zahlreich vorhandenen Mikro-Oxyhexaktine (mo) den inneren Ankerchen gegentiber. Auch in funktioneller Hin- sicht ergibt sich eine vollkommene Uebereinstimmung: insbesondere diirfen wohl die Pinule, welche, wie die Radialstacheln, je einen 1) Vgl. G. Haxserianpt, Physiol. Pflanzenanatomie, 3. Aufl, p. 159. 2) Fauna arctica, Bd. I, Taf. IV, Fig. 2 und 11. 3) Caulophacus etc., Taf. II, Fig. 3. 4) Hexactinelliden ‘des Indischen Ozeans, Teil I, Taf. eae Fig. 5, 16, 26 u. a. 628 Valentin Hacker, Hautkegel emporheben'), als Apparate zur Aufnahme und Ver- teilung auferer Druckwirkungen, also als aufere Druckfanger oder Druckverteiler, und die Mikro-Oxyhexaktine, wie die inneren EXESTEEEIAUES { i sas ra’ \ Jl _- lo to Oo Pig 19. Skelett von Hyalonema Heideri. p Pinule, ¢p und rp Tangen- tial- und Radialstrahlen der hypodermalen Pentaktine (AuBengurtung), to und ro Tangential- und Radialstrahlen der parenchymalen Oxyhexaktine (Zwischen- gurtung), mo parenchymale Mikro-Oxyhexaktine. Nach F. E. SCHULZE. 1) Vgl. Hexactinelliden des Indischen Ozeans, Teil II, p. 5, unten. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 629 Ankerchen, als intermediire Stiitzelemente, als innere Druckfanger oder Druckverteiler bezeichnet werden. Ein Unterschied besteht freilich zwischen den beiden Geriist- formen. Bei den Hexactinelliden sind die einzelnen Skelettelemente nicht fest verbunden, wihrend bei Cannosphaera simtliche Teile teils direkt ineinander tibergehen, teils durch Gelenke miteinander im Zusammenhang stehen, teils, wie die inneren Ankerchen, durch Kieselfiiden an den Radialbalken befestigt sind. Es ist klar, daf diese Verschiedenheit ohne weiteres in der Beschaffenheit des Weichkérpers eine Erklarung findet: bei den Schwaimmen ist der Weichkoérper ein konsistentes, zelliges Gewebe mit eigenem innerem Zusammenhalt, bei Cannosphaera dagegen ein Komplex von Gallerte und zarten Plasmastrangen, welcher ohne ein in sich selbst zu- sammenhangendes Skelett keine geniigende Kohasion besitzen wirde, um seine Eigenform zu bewabren. Es wurde bei der bisherigen Betrachtung nur auf eine Tri- pyleenfamilie, auf die Cannosphariden, Bezug genommen. Zieht man auch die Aulosphariden, Sagosphariden und Aulacanthiden zum Vergleich heran, so ergibt sich eine ganze Reihe von weiteren, die feineren Skelettstrukturen betreffenden Uebereinstimmungen. In erster Linie findet man fiir die Pinule und tiberhaupt fiir die distalen, die Ké6rperoberflache tiberragenden Strahlen der hexactinen und pentactinen Hautskelettteile bald in den Baumchen der Aulosphaera dendrophora HAEcKEL‘), bald in den der ganzen ' Lange nach gleichmaBig bedornten Radialstacheln von Aulastrum spinosum (vgl. oben Fig. 17), bald in den keulenformigen, _,,be- schuppten“ und kanellierten Stacheln verschiedener Aulacantha- Arten?) das entsprechende Analogon. Eine weitgehende Aehnlichkeit zeigt aber auch der Aufbau der intermediaren Mikro-Oxyhexaktine und ihrer Derivate mit den Endbildungen der Aulacanthiden- und Aulospharidenstacheln, und dieser morphologischen Aehnlichkeit diirfte auch eine solche in funktioneller Hinsicht entsprechen. Es wurde bereits oben die Annahme ausgesprochen, dafS, ebenso wie die Pinule als aiuBere Druckfanger wirken, jene auferst zierlichen intermediaren Stiitzelemente der Hexactinelliden, analog den Ankerchen von 1) Vg). Hazcxet, Rep., Taf. CIX, Fig. 1. 2) Man vergleiche die duferen Radialstacheln der prinzipalen Hexaktine von Euplectella aspera (Hexactinelliden des Indischen Ozeans, Teil II, Taf. III, Fig. 4 und 5) mit den Radialstacheln von Aulacantha cannulata Hancxer, Rep., Taf. CV, Fig. 16. 630 Valentin Hicker, Cannosphaera, als innere Druckfinger oder Druckver- teiler funktionieren. Man wird z. B. aus der morphologischen Beschatienheit der Florikome von Dictyaulus elegans (vgl. Fig. 20)1) schlieBen diirfen, daf dieselben einen kugelférmigen, gegeniiber der Umgebung in irgend welcher Hinsicht differen- zierten Gewebskoérper einschlieken und mit ihren gezaéhnelten End- schirmen dessen membranartige Grenzschicht umfassen, so wie die Spathillen der Aulacanthiden in der extrakalymmalen Sarkodehaut festhaften. Tritft nun ein Druck von irgend einer Seite her dieses kugelige Gebilde, so wird das Florikom gema&f seiner besonderen Struktur in zweierlei Weise wirk- sam sein: es wird erstens infolge der federnden Beschaffenheit seiner Arme den Druck abschwachen, und zweitens auf Grund seines sechsstrahligen Baues den Druck, soweit derselbe nicht schon durch die Federwirkung aufgehoben ist, verteilen. Trifft namlich ein Druck das Gebilde genau in der Fig 20 Gribneollt dk Dicky: Achsenrichtung eines Kinzelbindels, aulus elegans. Nach F. FE, 80 wird er auf dessen Antipoden ScHULZE. ibertragen und durch diesen ver- teilt werden. Setzt jedoch die Druck- wirkung an einem anderen Punkte der Oberflache ein, so wird sie in zwei oder drei Komponenten zerlegt und demgemaf durch die Antipoden eine noch ausgiebigere Verteilung erfahren. Bei einzelnen Varianten wird entweder die federnde, druck- schwachende oder die druckvermittelnde und -verteilende Wirkung der Skelettteile verstirkt. So finden wir z. B. bei den Disco- hexastern von Saccocalyx pedunculata (Fig. 21)?) durch spiralige Drehungen der Arme die erstere, bei den Diskohexastern von Dictyaulus elegans (Fig. 22)*) durch gleichmafigere Verteilung der Endschirme die letztere Wirkung mehr beriicksichtigt. Wieder andere Konstruktionen finden sich bei Holascus robustus, bei welchem sich die Hauptarme der Oxyhexaster zum Teil+) nach 1) Nach Hexact. d. Ind. Oz. Teil [I], Taf. IV, Fig. 3 und 6. 2) Ebenda, Teil II, Taf. V, Fig. 4, 9, 10. 3) Ebenda, Teil II, Taf. IV, Fig. 8, 10. 4) Ebenda, Taf. I, Fig. 4. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 631 Art der Radialstacheln von Aulosphaera triodon, zum Teil‘) wie die der kronentragenden Auloscena-Arten spalten. Es ware noch ein Wort iiber die vermutliche Bedeutung der Amphidisken zu sagen. Hier reichen unsere histologischen Kenntnisse nicht zur Entscheidung der Frage aus, ob diese Ge- bilde einfach als Puffer aufzufassen sind, oder ob sie, was im Hin- blick auf die Anordnung der Amphidisken in den Gemmulis der SiiSwasserschwimme wahrscheinlicher sein diirfte, dazu dienen, zwei membranartige Schichten irgend welcher Art gegeneinander abzustiitzen. Ebensowenig sind wir im stande, zu sagen, welche spezielle Bedeutung die eigentiimlichen asymmetrisch gebauten, auf eine drehende Wirkung eingerichteten Paradisken mancher Hyalonema-Arten besitzen ”). Se i Lee ANS TAOS Fig. 21. Fig. 22. Fig. 21. Diskohexaster von Saccocalyx pedunculata. Nach F. E. SCHULZE. Fig. 22. Diskohexaster von Dictyaulus elegans. Nach F. E. ScHULZE. Im ganzen diirften aber doch die hier eingefiihrten Vor- stellungen dazu dienlich sein, das biologische Verstindnis der Skelettstrukturen der Kieselschwimme zu fordern. Es _ scheint mir auch, da8 nur auf dem Umwege tiber die Radiolarien einige weitere Schritte in dieser Richtung gemacht werden konnten, und zwar aus dem Grunde, weil bekanntlich die Ermittelung des feineren geweblichen Aufbaues der Kieselschwimme und insbesondere der 1) Hexact. d..Ind. Oz., Teil Il, Taf. 1, Wig..7. 2) Ebenda, Teil I, Taf. VII, Fig. 11, 12, 15, 16. 632 Valentin Hacker, Beziehungen des Skelettes zu den tibrigen Organisationsverhalt- nissen mit auSerordentlichen Schwierigkeiten verknipft ist). Auch bei den Tripyleen sind ja die Vorstellungen itiber die finale Be- deutung der Skelettstrukturen so lange ganz unsichere gewesen, bis sich an dem gut konservierten Tiefseematerial die tatsich- lichen Beziehungen zwischen Skelett und Weichkérper nachweisen lieBen. Erst durch eine naihere Kenntnis dieser Beziehungen, ins- besondere durch die Auffindung der extrakalymmalen Sarkodehaut ist es méglich gewesen, in die toten Formen Leben einzugieSen und an die morphologisch-phylogenetische Betrachtungsweise zu- nachst die teleologische anzureiben. Anhang. Die Phiiosphirien der ,,Valdivia“- und der ,,Gauf*‘-Ausbeute. Die Sagosphariden, Aulosphariden und Cannosphariden bilden im HagcKetschen System zusammen mit den Orosphariden die zweite ,,Ordnung“ der Phaodarien oder Tripyleen. Das Skelett be- steht bei diesen als Phaospharien bezeichneten Formen aus 1 oder 2 konzentrischen Gitterschalen, wozu als weiteres Merkmal hinzu kommt, daf ein besonderer Schalenmund wenigstens der auBeren Schale stets fehlt. Wie ich bereits friiher 2) erwahnt habe und wie ich demniachst ausfiiarlicher zu begriinden gedenke, sind die Orosphariden aus dieser Gruppe und tiberhaupt aus dem Ver- bande der Tripyleen auszuschalten, so daf also nur die drei erst- genannten Familien in der Ordnung der Phaospharien itbrig bleiben. Hinsichtlich der gegenseitigen Stellung der drei Familien und hinsichtlich ihrer Beziehungen einerseits zu den durch die Aul- acanthiden reprasentierten Phaocystinen und andererseits zu den Phaiogromien, insbesondere zu den Tuscaroriden, kann man verschiedener Meinung sein. HarckeLt und Borcert reihen den Aulacanthiden zunadchst die Orosphairiden und diesen die Sagosphariden an und lassen dann die Aulosphariden und Cannosphariden folgen. An diese 1) Zum Zweck einer Orientierung iiber unsere histologischen Kenntnisse sei nochmals auf F. E. Scuunzes Hexactinelliden der Fauna arctica verwiesen. 2) Verh. Zool. Ges., 1904, p. 128. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 633 schliefen sich ferner die Phaiogromien an. Als mafgebend fiir eine solche Anordnung kann vor allem der verhaltnismafig ein- fache Bau herangezogen werden, welchen das Sagospharidenskelett gegeniiber dem Aulospharidenskelett zeigt, und ferner eine gewisse Uebereinstimmung, welche einerseits die Aulosphariden und Canno- sphariden, andererseits die beiden Phaogromienfamilien der Tusca- roriden und Circoporiden beziiglich der feineren Struktur der Radialstacheln aufweisen. In beiden Fallen handelt es sich nim- lich um hohle Stacheln, in deren Achse ein Kieselfaden verlauft, welcher mit der R6hrenwandung, insbesondere mit den Basen der Seitenaiste, durch feine Querbriicken verbunden ist. Ich méchte es indessen vorziehen, die Aulosphariden und Cannosphariden den Sagosphariden voranzustellen und so die letzteren in unmittelbare Nachbarschaft der Tuscaroriden zu bringen, welche in diesem Fall zusammen mit den Circoporiden an die Spitze der Phiogromien zu setzen waren. Allerdings ist ja das Sagospharidenskelet von einfacherer Beschaffenheit als dasjenige der Aulosphariden, aber es stimmt, wie ich bereits friiher+) ge- zeigt habe, so vollkommen mit der gemeinsamen Au8enschale der koloniebildenden Tuscarusa Chuni tiberein, dai gegenitiber dieser engen Beziehung, die wohl schwerlich nur als Konvergenzerschei- nung aufgefaft werden darf, alle anderen systematischen Kriterien zuriicktreten miissen. Was insbesondere die Beschaffenheit der Hohlstacheln einerseits der Aulosphariden und Cannosphariden, -andererseits der Tuscaroriden und Circoporiden anbelangt, so ist bei aller Aehnlichkeit in der Struktur nicht zu vergessen, daf die Zahl und Anordnung dieser Stacheln, ihre Ausstattung mit Appen- dikularorganen und vor allem ihr Zusammenhang mit der Schale in den beiden Gruppen durchweg grofe Verschiedenheiten zeigt, dafi also die strukturelle Aehnlichkeit der beiden Arten von Hohl- stacheln in systematischer Hinsicht weniger ins Gewicht fallt als die fast vollkommene Uebereinstimmung zwischen der Sagenoarium- und Tuscarusa-Schale. Wenn so tatsiachlich die Sagosphiriden engere Beziehungen zu den Phiogromien zeigen als die Aulosphiriden, so darf anderer- seits auch hervorgehoben werden, daf8 die letzteren ihrerseits hin- sichtlich der Beschaffenheit der Radialstacheln zahlreiche Anklange an die Aulacanthiden aufweisen, wodurch ebenfalls eine Umstellung der von Harcket vorgeschlagenen Reihenfolge nahegelegt wird. 1) lc. p. 153. 634 Valentin Hacker, Es wiirde sich also fiir die ersten Abteilungen der Tripyleen folgende Anordnung begriinden lassen: I. Unterordnung. Phaeocystina. 1. Familie. Aulacanthidae. II. Unterordnung. Phaeosphaeria. 2. Familie. Aulosphaeridae. 3. Familie. Cannosphaeridae. 4. Familie. Sagosphaeridae. III. Unterordnung. Phaeogromia. 5, Familie. Tuscaroridae. 6. Familie. Circoporidae. Es soll hier noch hinzugefiigt werden, daf, wie die Aulo- sphiriden und Sagosphariden, so auch die dritte Familie der Phiospharien, die Cannosphariden, gewisse engere Beziehungen zu den Tuscaroriden zeigen, insofern bei ihnen die innere Gitter- schale eine Hauptéffnung besitzt und das Lumen der Radialbalken direkt mit dem Lumen der inneren Schale kommuniziert, zwei Charaktere, welche auch bei den Tuscaroriden wiederkehren. Unter Beriicksichtigung dieser Uebereinstimmung darf man viel- leicht das Cannosphaeraskelett in eine gewisse Parallele zu der koloniebildenden Tuscarusa Chuni bringen: die innere Schale von Cannosphaera kénnte danach mit dem Gehause der Einzeltiere von Tuscarusa, die daufere mit der gemeinsamen, sekundaren Gitter- schale der Tuscarusakolonie morphologisch verglichen werden. Ehe wir die Verwandtschaftsverhaltnisse der drei Phaospharien- familien verlassen, soll noch der zahlreichen Konvergenz- bildungen besonders gedacht werden, welche die Aulosphariden und Sagosphariden, trotz der Verschiedenheit des Skelettmaterials, hinsichtlich der GréBe, Form und feineren Struktur der Gitter- schale zeigen. Es ist zunachst zu sagen, daf in den beiden Familien die gleichen GréBenschwankungen und Gréfenkategorien vorkommen. So zeigen die kleinsten Arten, die aus den beiden Familien be- kannt sind, nimlich die planktonischen Warmwasserformen Aulo- scena pelagica (Fig. 6) und Sagoscena elegans (Fig. 10), den nam- lichen Durchmesser von 1,2—1,5 mm und ihnen stehen als Riesen- formen von 6,5—7 mm Lange die spindelférmigen Gitterschalen von Aulatractus fusiformis und Sagenoarium Chuni gegeniiber. Auch hinsichtlich der Form des Skelettes stofen wir in den beiden Familien auf die namlichen Verhaltnisse, insbesondere kann Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 635 man haufig beobachten, daf die Aulosphariden und Sagosphariden einer und derselben Oertlichkeit gerade in Bezug auf die Form eine weitgehende Uebereinstimmung zeigen. So besitzen die win- zigen, zu den Gattungen Auloscena und Sagoscena gehérigen Arten, welche die Oberflichenschichten warmer Meeresgebiete bewohnen, eine regelmaBige Kugelgestalt, in den Kaltwassergebieten treten besonders haufig birn- oder ballonférmige Formen auf, welche verschiedenen Arten einerseits von Aulosphaera, anderer- seits von Sagenoarium und Sagenoscena angehéren, und endlich fand ich in mehreren, den warmsten Meeresteilen entstammenden Vertikalnetzfaingen (z. B. T.-St. 44, S. 30. IX. 03) nebeneinander die ungleichpoligen Spindelformen von Aulatractus fusi- formis und Sagenoarium Chuni an, zweier Arten, welche, wie wir sahen, auch hinsichtlich der Gréfe aufs genaueste iibereinstimmen. In Bezug auf die feinere Struktur des Skelettes mitissen wir unterscheiden zwischen den zeltférmigen Sockeln oder ,,Fif®en“ der Radialstacheln und den eigentlichen Appendikularorganen der distalen Stachelabschnitte. Erstere treten in den Gattungen Aulo- scena und Sagenoscena in Form von Analogiebildungen auf, und zwar wurde bereits oben zu zeigen versucht, da8 die Verschiedenheit der von den beiden Gattungen eingeschlagenen Wege durch die Verschiedenheit des Baumaterials bedingt ist: bei Auloscena handelt es sich um Erhebungen einzelner fiinf-, sechs- oder siebenstrahliger Felder der Gitterschale, bei Sagenoscena dagegen um zeltférmige Aufsitze, deren Stabe wahrscheinlich den morphologischen Wert yon Radialstacheln haben. Die zwischen beiden Formengruppen bestehende Konvergenz wird dadurch noch eine bestimmtere, dal sowohl bei einzelnen Auloscena-Arten, als auch bei zahlreichen Sagosphiariden (Sagoscena, Sagenoscena, Sagenoarium) die Spitzen einzelner, bezw. aller Zelte miteinander durch Tangentialbalken in Verbindung treten kénnen. Was schlieflich die Appendikularorgane anbelangt, so diirfen wir wohl da, wo es sich um Uebereinstimmungen handelt, von eigentlichen Homologiebildungen reden. Vermutlich spielen bei der ontogenetischen Entstehung der etagenférmig tibercinander gelagerten Quirle von Aulosphaera verticillata und Sagoscena elegans, der zweiteiligen Endpolster von Aulatractus fusiformis und Sagenoarium Chuni und 4hnlicher Bildungen die namlichen physikalischen und physiologischen Mittel des Geschehens eine Rolle, so wie auch die Funktion der betreflenden Gebilde bei den Angehérigen der beiden Familien die namliche ist. 636 Valentin Hacker, Die von Harcken aufgestellten Phaosphariengattungen sind in der ,,Valdivia‘’- und ,,Gauf‘-Ausbeute zu einem grofen Teil durch zahlreiche Arten vertreten. Auch von der Borgertschen Gattung Sagenoarium fanden sich nicht weniger als 5, darunter 4 neue, Arten vor. Sehr auffallend ist der Umstand, dali weder BorGerT noch ich diejenigen Gattungen wiederfinden konnten, welche durch das Fehlen der Radialstacheln charakterisiert sind. Es sind dies die Gattungen Aularia mit 3, Aulonia mit 5, Aulodictyum mit 1, Sagena mit 4 und Sagmarium mit 3 Arten. Andererseits konnte ich selbst feststellen, da& neben den gewéhnlichen, mit Radial- stacheln ausgestatteten Individuen von Cannosphaera antarctica vereinzelte Exemplare auftreten, welche, abgesehen von einer etwas betrachtlicheren Gréfe, durch das Fehlen der Radialstacheln aus- gezeichnet sind. Die genauere Priifung der Knotenpunkte der Gitterschale machte es unzweifelhaft, dafi die Stacheln nicht etwa beim Fange ausgefallen sind, sondern daS die Skelette wirklich keine solchen besaBen. Man kénnte bei diesen stachellosen Exem- plaren vielleicht zunachst an besondere Entwickelungsstadien denken. Da ich jedoch bei einem Exemplar in einem Knoten- punkte einen offenbar rudimentiren Stachel antraf, so halte ich es vorlaufig fiir wahrscheinlicher, da8 wir es mit stachellosen Individualvarianten zu tun haben. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit diese Auffassung auch fiir einige der von HAECKEL beschriebenen stachellosen Formen Giiltigkeit hat. In der folgenden Zusammenstellung der Phiospharien, welche sich in der ,, Valdivia‘-Ausbeute und in dem bisher (Dezember 1904) an mich gelangten ,,Gauf‘‘-Material vorfanden, sind Artdiagnosen nur insoweit gegeben, als es sich um Abweichungen von der Ter- minologie der friiheren Autoren oder um die Aufstellung neuer Arten handelt. Folgende Abkiirzungen haben allgemeine Giiltigkeit: Ch.-St. Station der ,,Challenger‘-Expedition (mit Nummer). T.-St. Station der deutschen Tiefsee-Expedition (mit Nummer). S. Station der deutschen Siidpol-Expedition (mit a V. Vertikalnetzfang. Qu. quantitativer Fang. Schl.N. SchlieBnetzfang. Fiir die geographischen Bezeichnungen: ,,Atlantischer, In- discher, Pacifischer Ozean“ sind die von F. E. Scauuze (Verh. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 637 Zool. Ges., 1904, p. 157) vorgeschlagenen Ausdriicke: ,,Atlantik, Indik, Pacifik’S angewandt. II. Ordnung. Phaeosphaeria. 2. Familie. Aulosphaeridae. Aulosphaera triodon HAgcKEL. Aulosphaera diodon, HaxrcKeL, Rep., p. 1623, + Aul. triodon, Harcxe., Rep., p. 1623, Taf. CIX, Fig. 8. 1) Var. typica: Radialstacheln meistens mit 3, zum Teil mit 2 oder 4 Endzahnen. 2) Var. diodon: Radialstacheln meist mit 2, zum Teil mit 3 Endzahnen. Bisherige Fundorte: Ch.-St. 332 (siid]. Atlantik, var. diodon); Ch.-St. 231 (nordéstl. Pacifik, var. typica); T.-St. 239 (nordwestl. Indik, V., var. diodon); 8. 18. II. 03 (Antarctis, V. 400, var. diodon); S. 10. III. 03 (Antarctis, V., var. typica). Anscheinend kosmopolitische Form. Aulosphaera coronata n. sp. (Fig. 23.) Radialstacheln glatt, in der Regel etwas kleiner als die Tangentialbalken, mit 4, seltener 5 geknépften Endzahnen. Gitterschale birnformig, kleinmaschig, regelmaBig sechsstrahlig. Durchmesser 3—4 mm. Fundorte: T.-St. 39 (Guineastrom, V.): T.-St. 268 (trop. Indik, V.). Aulosphaera filigera n. sp. (Fig. 24.) Radialstacheln so lang wie die Tangentialbalken, unregel- mafig bedornt, am Ende mit 3 oder 4 geknépften Terminalasten. An der AuBenseite der Tangentialbalken erheben sich 3 (seltener 2 oder 4) geschlangelte, spathillentragende Fadchen in gleichmafiger Verteilung. Gitterschale elliptisch, regelmaBig sechsstrahlig. Lange 4 bis 45 mm, Breite 3,.5—4 mm. Fundorte: T.-St. 55 (Guineastrom, V.); 8. 10. IX. 03 (bei Ascension, V.); S. 26. IX. 03 (Guineastrom, V.) Bd. XXXIX. N. F. XXXIL Al 638 Valentin Hacker, Aulosphaera bisternaria HA&rcken. (p. 608, Fig. 11.) Aulosphaera bisternaria, Hancxsn, Rep., p. 1624, Taf. CIX, Fig. 11—12; Aulatractus septentrionalis, Bore. Nord. Trip., p. 16, Fig. 15, 15a, 15b. In der Harcketschen Species Aul. bisternaria fasse ich alle diejenigen Formen zusammen, bei welchen die Radialstacheln in ihrem distalen Abschnitte durch zwei Quirle von knépfchen- tragenden Aesten gestiitzt werden. Die Aeste des proximalen Quirles sind linger, vielfach bis zu zwei- mal so lang als die des distalen und sind bald schrig nach auBen gerichtet, bald stehen sie nahezu horizontal ab. Gitterschale kugelig bis oval. Im letzteren Fall sind die Radial- stacheln des stumpfen oder auch diejenigen beider Pole betracht- lich langer als die iibrigen. Fig. 23. Aulosphaera coronata. Fig. 24. Aulosphaera filigera. Gréfter Durchmesser der Gitterschale 2,5—5,5 mm. Ueber die Subspecies des Meerwassers und Kaltwassers siehe oben p. 606 ff. Zahlreiche Fundorte in nahezu allen Meeresgebieten. Im ganzen kosmopolitische, vorzugsweise wohl in den Oberflichen- schichten lebende Art. Der bisternaria- Gruppe schliefen sich eng folgende drei, bis auf weiteres als gesonderte Species zu betrachtende Formen an : Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 639 Aulosphaera robusta n. sp. (p. 610, Fig. 12.) Von der gewodhnlichen Warmwasserform von Aulosphaera bisternaria unterschieden durch die auferordentlichen GréBenunterschiede der Radialstacheln an den beiden Polen der eiférmigen Schale, sowie durch die pfostige, ungemein dickwandige Beschaffenheit der Stacheln des stumpfen Poles. Linge der Schale 3,5 mm, Breite 3 mm. Fundorte: T.-St. 86 (AuSenrand des Benguelastroms, V.); S. 10. III. 03 (Antarktis, V.). Wahrscheinlich Tiefenform. Aulosphaera spathillata Harcket. Aulosphaera spathillata, Hancxnn, Rep., p. 1624, Taf. CIX, Fig. 7, 7a. Fundorte: Ch.-St. 298 (siidl. Pacifik); T.-St. 237 (trop. In- dik, V.). Aulosphaera trispathis n. sp. (Fig. 25.) Radialstacheln ungefaihr so lang wie die Tangentialbalken, mit 3 Quirlen von 4—6 speichenartig abstehenden, spathillentragenden Aesten, sowie mit mehreren proximalen, zum Teil paarweise grup- pierten Aesten. Gitterschale kugelig, kleinmaschig, regelmabig sechsstrahlig. Lange 3,5 mm, Breite 3 mm. Der Aulosphaera bisternaria sehr nahe- stehend, jedoch durch die ziemlich konstante Dreizahl der Quirle von ihr unterschieden und in dieser Richtung an die pacifische Aulo- sphaera dendrophora Harcket erinnernd. Von letzterer durch die geringere Zahl und die speichenartige Anordnung der Aeste der distalen Quirle und das Vorhandensein von proximalen, zerstreut stehenden Aesten un- terschieden. Fundorte: T.-St. (Guineastrom, Qu. 200); T.-St. 64 (Golf von Guinea, V.); T.-St. 218 (Indik, V.). Anscheinend planktonische Warmwasser- pig, 25, Aulophaera form. trispathis. 4\* 640 Valentin Hacker, Aulosphaera labradoriensis Boregert. Aulosphaera labradoriensis, Borerrr, Nord. Trip. p. 16, Fig. 15, 1ba, 15b. Weit verbreitete Form: Atlantik, Indik, Antarktis, nach BorGert auch in der Irmingersee, im Westgrénland- und Labrador- strom. Aulosphaera elegantissima HAECKEL. Aulosphaera elegantissima, Harcxren, Mon., 1862, p. 359, Taf. X, Fig. 5; Taf: XI, Big. 5, 6; Rep., p. 1624: Fundorte: Messina (Oberfliche, HarcxeL); S. 18. II. 08, 10. Ill. 03, 27. III. 03 (Antarktis, V. 400). Aulosphaera verticillata HA&rckEL. Aulosphaera verticillata, Hancxrnn, Rep., p. 1624. Fundorte: Ch.-St. 300 (siidl, Pacifik, Oberflache); T.-St. 41 Guineastrom, Qu. 200). Eine etwas gréfere und derbere Form mit einer geringeren Zahl von Astquirlen wurde mehrfach in der Antarktis erbeutet: T.-St. 143 (Schl.N. 300/200); 8. 23. IL 03 (V. 400). Aulatractus fusiformis HAECKEL. Aulatractus fusiformis, Hancxren, Rep., p. 1632, Taf. CXI, Fig. 6, 6a, 6b; Borczrt, Nord. Trip., p. 22, Fig. 21a, 21b. Fundorte: Ch.-St. 348, 349 (trop. Atlantik); Irmingersee, Labradorstrom (,,haufig, Boreerr); T.-St. 14 (Golfstrom, V.), 39, 41, 43, 44, 55 (Guineastrom, V., zahlreich), 175 (ind. Sitid- aquatorialstrom, V.), 215, 218, 237, 239, 240 (trop. Indik, V.); S. 30. IX. 03 (Guineastrom, V., besonders zahlreich). Im allgemeinen wohl Warmwasserform mit Auslaufern in den nordatlantischen Mischgebieten. ? Tiefenbewohner. Aulastrum monoceros HAECKEL. Aulastrum monoceros, Harckxen, Rep., p. 1653. Alle mir vorliegenden Exemplare tragen an den Radialstacheln bedornte Endknépfe. Fundorte: Ch.-St. 347, 348 (trop. Atl.); T.-St. 43, 55 (Guinea- strom, V.), 237 (trop. Indik, V.); S. 26. IX. 03 (Guineastrom, V.). Offenbar Warmwasserform und wahrscheinlich Tiefenbewohner. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 641 Aulastrum mirabile BorGerr. Aulastrum mirabile, Borcurt, Nord. Trip., p. 24, Fig. 24. Fundorte: Irmingersee (Bor@ErT); T.-St. 44, 218, 239, 268 (trop. Atlantik und Indik, V.). Anscheinend ahnliche Verbreitung wie bei Aulatractus fusiformis. Aulastrum spinosum BorGert. (Fig. 17.) Aulastrum spinosum, Borcrrt, Nord. Trip., p. 24, Fig. 23; ? Aul. trichoceros, Harcxer, Rep., p. 1636. Fundorte: ? Ch.-St. 289 (siidl. Pacifik); Labradorstrom (zahl- reich, Borcert); S. 20.—21. IX. 02, 18. I. 03, 19. I. 03, 20. I. 08, 24, Il. 03, 10. Ill. 08, 23. III. 08, 27. III. 03 (Antarktis, sehr zablreich, V.). Ausgesprochen bipolare Form. Findet sich in der Ant- arktis noch oberhalb des 100 m-Horizontes. Auloscena pyramidalis HAECKEL. Auloscena pyramidalis, Harcxen, Rep., p. 1628. Fundorte: Ch.-St. 347—349 (trop. Atl.); S. 10. III. 03 (Ant- arktis, V.). Auloscena robustissima HA&ECKEL. (p. 611, Fig. 13.) Radialstacheln auferordentlich stimmig und _ dickwandig, nahezu cylindrisch, mit 83—8 zinkenformigen Terminalaisten und unregelmabig zerstreuten Seitendornen. Gitterschale ziemlich regelmafig sechsstrahlig. Durchmesser 4 mm. Fundort: 8S. 3. IX. 03 (Siidaiquatorialstrom, V.). Wahrscheinlich Tiefenbewohner. Auloscena atlantica n. sp. (p. 611, Fig. 14.) Von der folgenden Form unterschieden dadurch, daf die Radialstacheln nicht einfach cylindrisch oder konisch sind, daB8 vielmehr ihr distaler Abschnitt blasig aufgetrieben und mit stark verdickter Wandung versehen ist. Ferner fehlen die subcoronalen Seitenaste, wahrend der proximale Teil der Radialstacheln mit einigen wenigen Seitendornen besetzt ist. Zahl der Terminalaste 12 —19. Fundort: T.-St. 14 (Golfstrom, V., Reste). 642 Valentin Hicker, Auloscena verticillus HArcken. (p. 595, Fig. 4.) Auloscena verticillus, Hanoxrr, Rep., p. 1629, Taf. CX, Fig. 10, + Aul. penicillus, Harcoxer, Rep., p. 1620, Taf. CX, Fig. 3; Auloscena verticillus, Borcrrr, Nord. Trip., p. 19, Fig. 18. Unter der Speciesbezeichnung: Aul. verticillus wird man wohl alle diejenigen Formen zusammenfassen diirfen, deren Radial- stacheln am Ende einen Kranz (Corona) von zugespitzten, mehr oder weniger nach aufen gebogenen und unter demselben in der Regel eine Anzahl dicht gedrangter, dornen- oder hakenartiger Seitenaiste (subcoronale Seitenaste) tragen, im tbrigen aber nur mit einzelnen, unregelmaSig ausgestatteten Seitendornen versehen sind. Beim Uebergang von den warmeren Meeren zur Antarktis ist eine ganz allmahliche Vermehrung der Zahl der Terminal- und subcoronalen Seitenaste zu verfolgen. Unterarten : a) Aul. verticillus typica (Rep., Taf. CX, Fig. 10). Subcoronale Seiteniste senkrecht abstehend, in 2—3 unregelmafigen Quirlen angeordnet. Zahl der Terminaliste 12—18. Durchmesser 3,2 mm. Fundort: Ch.-St. 318 (siid]. Atlantik). 6) Aul. verticillus penicillus (Rep., Taf. CX, Fig. 3). Sub- coronale Seitenaste senkrecht abstehend, dicht gedrangt, ohne quirl- formige Anordnung. Zahl der Terminalaiste 20—30 oder mehr. Durchmesser 2—2,5 mm. Fundort: Ch.-St. 156, 157 (Antarktis, Oberflaiche). vy) Aul. verticillus hamata (Nord. Trip., Fig. 18; s. oben Fig. 4). Subcoronale Seitenaste in geringerer Zahl (6—8), vielfach haken- artig abwarts gekriimmt, zwischen ihnen haufig unregelmafige, aufwirts gekriimmte Dornen. Zahl] der Terminaliste 12—25. Durchmesser 1,85 (BorGERT) bis 3,75 mm. Fundorte: Irmingersee, Labradorstrom (BoRGERT); T.-St. 149 ; S. 12. I. 03, 18. II. 03, 23. IL 03, 10. III. 03 (Antarktis, Oberflache). 0) Aul. verticillus var. 0. Subcoronale Seitenaste in geringer Zahl (3—8), von verschiedener Beschaffenheit. Unterhalb der- selben sind die Radialstacheln glatt. Zahl der Terminalaste 12—16, seltener 18—22. Durchmesser 2,5 mm. . Fundorte: T.-St. 55 (Guineastrom, V.); T.-St. 149 (Antarktis, neben var. 7, V.), 190, 231 (trop. Indik, V.). é) Aul. verticillus var. «. Eine dem ganzen Habitus nach hierher gehérige Form mit nur 6—8 Terminalaisten, ohne sub- Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 643 coronale Seiteniste und mit wenigen Seitendornen. Durchmesser 3,5 mm. Von Auloscena atlantica durch die gleichmaBige Ver- jiingung und Diinnwandigkeit der Radialstacheln unterschieden. Fundorte: T.-St. 215 (trop. Indik, V.); S. 26. IX. 03 (Guinea- strom, V.). Gesamtverbreitung: Oberflaichenschichten der kalten und Tiefenschichten der warmen Meere. Auloscena pelagica n. sp. (p. 597, Fig. 6.) Eine der Aulosphaera verticillata Hasckren ahnliche Form, jedoch von ihr dadurch scharf unterschieden, da8 nur etwa die Halfte der Knotenpunkte Radialstacheln tragt, und daf sich die stacheltragenden Polygone zu pyramidenférmigen oder, falls 2 Stacheln unmittelbar benachbart sind, zu dachférmigen Zelten erheben. Radialstacheln unregelmafig bedornt, in der distalen Halfte mit 4—5, aus 3 leicht gebogenen, geknépften Aesten bestehenden Quirlen. Gitterschale im ganzen regelmifig sechsstrahlig. Durchmesser 1,2—1,4 mm. Fundorte: T.-St. 220, 221, 226, 227, 231, 237, 239, 240, 269 (trop. Indik, ausschliefSlich Planktonfainge aus 20—200 m Tiefe). Planktonische Warmwasserform. 3. Familie: Cannosphaeridae. Cannosphaera antarctica HAECKEL. (Fig. 18.) Cannosphaera antarctica, Harcxen, Rep. p. 1640, Taf. CXII, Fig. 1—3; VaNHOEFFEN, 1892; ? JércENseN, 1900; BorcGerr, Nord. Trip., p. 26, Fig. 26, 26a. Fundorte: Ch.-St. 154—157 (Antarktis); ? norwegische Westkiiste (JORGENSEN); Irmingersee und Labradorstrom (BORGERT); Westkiiste Grénlands (Karajakfjord, VANHOFFEN); T.-St. 135, 143, 149 (Antarktis, V. und Schl.N. 300—200); S. 20.—21. IX. 02, f2. 4.03, 18, 105,19. 1. 03, 20. 1.03; -23.. 1. 03,4. 9ri, Ons 17. Ill. 03, 23. III. 03 (Antarktis, sehr zahlreich in den oberen Wasserschichten, bis oberhalb des 50 m-Horizontes). Neben den gewohnlichen, nur 1,2—1,3 mm _ messenden stacheltragenden Exemplaren fanden sich an einzelnen Fund- 644 Valentin Hicker, orten (S. 18. Il. 03, 23. II. 03) gréfere, einen Durchmesser von 2—2.2 mm erreichende Exemplare ohne Radialstacheln. Wahrscheinlich handelt es sich um eine individuelle Variation (C. antarctica inermis). Cannosphaera geometrica BorGeErt. Cannosphaera geometrica, Boremrtr, Vorbericht, 1892, p. 182, Taf. VI, Fig. 6; Nord. Trip. p. 25, Fig. 25. Fundorte: Irmingersee (BorGerT); T.-St. 190 (Binnenmeer von West-Sumatra, V., Reste). 4, Familie. Sagosphaeridae. Sagoscena castra HAECKEL. (Fig. 26, d.) Sagoscena castra, Harcxen, Rep. p. 1608, Taf. CVIII, Fig. 1; Boreert, Nord. Trip., p. 11, Fig. 9, 9a, 9b. Gipfelstacheln bilden stabférmige Fortsetzungen der Zeltstabe und tragen am Ende einen kleinen héckerigen Knopf. Bei dem mir vorliegenden Exemplar zeigen einzelne Gipfelstacheln eine Gablung in 2 oder 3 kleinen Zinken, was an S. tentorium erinnert. Fundorte: Ch.-St. 295, 296 (siidéstl. Pacifik, Oberfl.); Irminger- see, Labradorstrom (BorGert); 8. 27. III. 03 (Antarktis, V.). Sagoscena digitata n. sp. (Fig. 26, f.) Von S. castra durch die korbférmige Anordnung der derben Gipfelstacheln, welche nicht die Verlangerung der Zelt- staibe bilden, und das Fehlen eines bedornten Endknopfes unterschieden. Fundort: T.-St. 237 (trop. Indik, V.). Sagoscena tentorium HAkcCKEL. (Fig. 26, e.) Sagoscena tentorium, Harcxrn, Rep., p. 1608, Taf. CVIII, Fig. 6; Sagoscena militaris, Boraurt, Nord. Trip., p. 12, Fig. 10, 10a, 10b. Gipfelstacheln gabeln sich in 2—4 Terminalaste, welche einen winzigen bedornten Knopf tragen, zuweilen auch ihrerseits wieder gegabelt sind. Fundorte: Ch.-St. 291 (siidl. Pacifik, Oberfl.); Irmingersee, Labradorstrom (BorGErT); T.-St. 190, 215, 218, 237, 239 (trop. Indik, Qu. 200 und V.). Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 645 Sagoscena floribunda n. sp. (Fig. 26, c.) Gipfelstacheln mit regelmaifig 3 Terminalisten, welche 2 be- dornte Endpolster tragen. Fundort: T.-St. 149 (Antarktis, V.). Om Fig. 26. Apikalstacheln von mehreren Sagoscena-Arten in Seitenansicht. a §S. elegans, b S. praetorium, c 8. floribunda, d 8S. castra, e S. tentorium, f S. digitata. ‘ P) Sagoscena praetorium HAECKEL. (Fig. 26, b.) Sagoscena praetorium, Harcxet, Rep., p. 1609, Taf. CVIII, Fig. 7. Gipfelstacheln mit einzelnen unregelmaBigen Quirlen von Seiten- und Endasten. Von S. elegans BorGertr durch die gré8ere Dicke der Balken und demgemaf durch die gedrungenere, knorrige Beschaffenheit der Gipfelstacheln unterschieden (Balkendicke bei Sag. praetorium nach HarckreL 0,006, bei Sag. elegans nach Boreert 0,0028—0,0035 mm). Fundorte: Ch.-St. 271—274 (zentraler Pacifik, Oberflache) ; S. 20.—21. IX. 02, 18.—20. I. 03 (Antarktis, Planktonfainge 100 bis 350 m). 646 Valentin Hacker, Sagoscena elegans BorGeErt. (Fig. 10 und 26, a.) Sagoscena elegans, Borcmert, Nord. Trip. p. 12, Fig. 11; Trip. Schliefnetzf., p. 735. Gipfelstacheln tragen am distalen Ende einen Quirl von 3—5 kurzen Terminalasten, aufer diesen eine wechselnde Zahl von Seitenisten, die teils zu reguliren 3- bis 4-strahligen Quirlen zu- sammengruppiert sind, teils unregelmaSig zerstreut stehen. Bei den mir vorliegenden Exemplaren sind haufig die Spitzen einzelner benachbarter Pyramiden durch unregelmafig bedornte Tangentialbalken verbunden (Uebergang zu Sagenoarium). Fundorte: Irmingersee, Labradorstrom (BorGERT); Stidaqua- torialstrom (BorGert, Schl.N. 700—500 m); T.-St. 41, 43, 55 (Guineastrom, Qu. 200), 227, 231 (trop. Indik, Qu. 50, 100 und 200). Sagenoarium Chuni BorGerr. Sagenoarium Chuni, Boreerrt, Z. w. Z., Bd. 51, 1891, p. 672; der- selbe, Nord. Trip., p. 14, Fig. 14, 14a. Zahlreiche der mir vorliegenden Exemplare sind durch be- deutende Gréfe (4—6,8 mm) und durch die Mannigfaltigkeit der Schalenform (breit-ovale, Birnen-, Spindel- und Herzformen) von den Borcertschen unterschieden. Fundorte: Irmingersee, Labradorstrom, Atlantik Lat. N. 41° 2’, Long. W. 11° 30’ (BoraeErt); T.-St. 43, 44, 54 (Guineastrom, Qu. 200), 91 (Benguelastrom), 239 (trop. Indik); S. 30. IX. 03 (Guineastrom). Verbreitung: Im ganzen planktonische Warmwasserform. Eine kleinere Varietait (nach Bora@ert 3,0—5,2 mm lang, 2,7—3,4 mm breit) auch in den Mischgebieten des nérdlichen Atlantiks. Ver- breitung also ahnlich derjenigen von Aulatractus fusiformis und Sagoscena elegans. Sagenoarium antarcticum ND. sp. (Fig. 24, 41) Von Sagenoarium Chuni durch die zarte Beschaffenheit des Gitterwerks, sowie durch die langeren, zarteren Gipfelstacheln und deren Bewehrung unterschieden. Dieselben tragen am Ende einen Quirl von 3 kleinen, mit nierenfoérmigen Endpolstern versehenen Terminalisten und auferdem mehrere unregelmabig verteilte, haufig paarig angeordnete Seitendste. Gitterschale eiférmig, 3,5 mm lang, 2,5 mm breit. Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. 647 Fundorte: S. 18. I. 03 (Antarktis, 100 m), 10. III. 03 (Ant- arktis, V.). Sagenoarium verticillatum n. sp. (Fig. 27, b.) Gipfelstacheln mit 2—4 regelmafigen Quirlen von 4—5 speichen- artig abstehenden, leicht abwarts gekriimmten Aesten. Fundorte: T.-St. 46, 66 (Atlantik, V., Reste). VA b Fig. 27. Apikalstacheln und Zeltspitzen mehrerer Sagenoariumarten in Flachenansicht. aS. furcatum, b 8. verticillatum, c S. dicranon, d S. antarcticum. Sagenoarium furcatum n. sp. (Fig. 27, a.) Gipfelstacheln mit wenigen (3—4), dornige Endknépfchen tragenden Aesten. Meist sind 3 Aeste zu einer Endgabel vereinigt und ein 4. steht fiir sich allein weiter unten (vgl. Fig. 27a rechts unten). Gitterschale nahezu kugelig, 4,5 mm lang. Fundort: T.-St. 43 (Guineastrom, Qu. 200). Sagenoarium dicranon}) n. sp. (Fig. 27, ©.) Gipfelstacheln derb, unverastelt, am Ende mit einer schwachen bedornten Auftreibung versehen. 1) dixeavov, Heugabel. 648 Val. Hicker, Feinere Strukturen des Radiolarienskelettes. Gitterschale kugelig, oval oder breit-birnenférmig, 4—5,5 mm lang, 3—3,5 mm breit. Fundorte: T.-St. 73 (Benguelastrom, V.), 215, 218, 232, 237, 268 (trop. Indik, haufig, V.); S. 30. IX. 03 (Guineastrom, V.). Sagenoscena irmingeriana BORGERT. (p. 603, Fig. 9.) Sagenoscena irmingeriana, Borcert, Nord. Trip., p. 13, Fig. 13, 13a. Von der typischen Sagenoscena irmingeriana BoRGERT unter- scheiden sich die antarktischen Exemplare dadurch, daf haufig neben dem die Fortsetzung des Achsenstabes bildenden Haupt- stachel 2 oder 3 Seitliche Pyramidenstibe sich als Nebenstacheln iiber die Spitze fortsetzen und zum Teil mit kleinen Neben- kronen enden; ferner dadurch, da sehr haufig die Spitzen von je 2 Pyramiden durch einen bedornten Tangentialstab mit- einander verbunden sind. Namentlich bei den birnenformigen Exemplaren kénnen sémtliche Pyramiden des spitzen Endes miteinander verbunden sein, so dag, ahnlich wie bei der Gattung Sa- genoarium, eine zweite dufere Gitterschale gebildet wird. Fundorte: Irmingersee (BORGERT); T.-St. 142, 149; S. 23. III. 03, 27. II. 03 (samt- lich in der Antarktis, V.). Sagenoscena tetracantha n. sp. (Fig. 28.) Radialstacheln mit 3—6, hiufig 4 leicht gebogenen, korbférmig angeordneten Termi- nalasten. Nebenstacheln meist nur durch héckerartige Auswiichse angedeutet, selten verkiimmerte Nebenkronen tragend. Maschenwerk der birnenférmigen Gitter- \ schale regelmafig sechsstrahlig. Lange 5,5 mm, Breite 4 mm. Fundorte: T.-St. 190 (trop. Indik, V., Tig 428), Gasenoeeetn 4--6 derbe Terminalaste); S. 18. II. 03 (Ant- tetracantha. arktis, V. 400, 3—4 diinne Terminalaste). Stuttgart, Dezember 1904. (Aus dem zoologischen Institut der Universitat Breslau.) Studien tiber den Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. I. Die Ueberleitung des Eies in die Tuben. Von Dr. med. et phil. Ulrich Gerhardt, Assistenten am zoologischen Institut der Universitit Breslau. Mit 33 Figuren im Text. Seit lingerer Zeit war ich bemiiht, gewisse Punkte im Ge- schlechtsleben der weiblichen Sa&ugetiere einer genaueren Unter- suchung zu unterziehen. Ich beabsichtigte, an der Hand anatomischen Materials und von Beobachtungen an lebenden Tieren tiber die verschiedenen Veranderungen Aufschluf zu gewinnen, die der Or- ganismus des weiblichen Tieres wahrend der Brunst- und Ovu- lationsperioden in morphologischer und biologischer Beziehung erleidet. Die Veranderungen am gesamten weiblichen Genital- traktus, ihre gegenseitigen Beziehungen zueinander, sowie die ver- schiedenen Faktoren, die fiir die zeitliche Regulierung der scharf zu unterscheidenden Ovulations- und Brunsttermine in Betracht kommen, fielen in den Kreis dieser Untersuchungen. So waren meine Studien urspriinglich biologischer Natur und sollten durch anatomische Untersuchungen nur eine festere Grundlage gewinnen. Doch ergaben sich im Laufe meiner Arbeit verschiedene Schwierigkeiten: vor allem war es sehr schwer, Geschlechtsorgane von briinstigen weiblichen Saugetieren zu erhalten. Am leichtesten zuginglich, aber daher auch bereits am erschépfend- sten beschrieben sind die Genitalien der bekannten Nager, die so haufig in Gefangenschaft gehalten werden, der Kaninchen, Meer- schweinchen, Ratten und Mause. Von Haustieren kommen, wenig- stens im hiesigen Viehhof, nur sehr selten briinstige Tiere zum Schlachten, und in den zoologischen Garten sterben naturgemaf nur selten weibliche Tiere wahrend der Brunst, die ja zu ihrem Auftreten einen hohen Grad von Gesundheit des Tieres voraussetzt. So war es mir bis jetzt nicht méglich, die Anatomie der weib- lichen Genitalien wahrend der Brunst an einem aus- 650 Ulrich Gerhardt, reichenden Material zu untersuchen, um fiir die entsprechenden biologischen Beobachtungen eine geniigende Stiitze zu gewinnen. Ein anderes Kapitel aus dem weiblichen Geschlechtsleben da- gegen, das ich im Laufe meiner Untersuchungen mehrfach streifen multe, die Ueberleitung des Kies in den Eileiter, erwies sich einer anatomischen Untersuchung als leichter zuginglich, und ich glaube mit der Bearbeitung des mir gebotenen Materials zu einem gewissen Abschlu8 gekommen zu sein. Die Frage nach der Wanderung des Eies in die Tube ist ein interessantes und daher schon oft bearbeitetes Gebiet, aber nirgends finde ich in der Literatur eine Zusammenstellung aller dariiber bekannten Daten vom zoologischen Standpunkt mit Beriick- sichtigung des Verhaltens im einzelnen. So glaube ich berechtigt zu sein, meine Untersuchungen iiber diesen Gegenstand zu verdffentlichen. Herzlichen Dank sage ich meinem verehrten Chef, Herrn Professor KiiKkenruHat, fiir die Ueberlassung des wertvollen und reichhaltigen Materials des Bres- lauer Zoologischen Institutes. Ferner danke ich Herrn Tierarzt Kose fiir die Beschaffung frischer weiblicher Genitalien von Haus- tieren aus dem hiesigen stadtischen Viehhof. Der Gang meiner Untersuchungen wird der sein, da8 ich erst die morphologischen Befunde schildere und dann die Ergebnisse nach der anatomischen und physiologischen Seite bespreche. Die Literatur werde ich immer im gegebenen Fall anfiihren, da so am besten die verschiedenen Meinungen zu ihrem Recht kommen diirften. Fir alle Figuren, die zur Erlauterung dieser Untersuchungen dienen, gelten folgende Bezeichnungen: bo Bursa ovarica ls Ligamentum suspensorium cl Corpus luteum ovarii eo Epoophoron ms Mesosalpinx f Fimbrien ot Ostium tubae fo Fimbria ovarica ov Ovarium foll Eifollikel sp Spalt der Bursa ovarii inf Infundibulum tubae t Tuba 1 Ligamentum latum ur Ureter lo " ovaril ut Uterus. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 651 I. Beschreibender Teil. - Wahrend bei den Knochenfischen die aus dem Zellverband des Eierstockes losgelésten Eier direkt in dessen Ausfiihrungsgang fallen, findet bei den Selachiern, Dipneusten, Amphibien, Sauropsiden und Saugern ein komplizierterer Vorgang statt. Das Ei mu hier von dem in die Bauchhéhle miindenden Kileiter- ende aufgenommen werden und somit das Cavum peritonei passieren. Um diese immerhin gefaihrdete Ueberleitung zu sichern, sind bei verschiedenen Wirbeltieren verschiedene Vorkehrungen getroffen. So fand Tutry (35) beim Frosch wihrend der Brunstzeit Streifen von Flimmerepithel auf dem Peritoneum, die vom Eierstock zur Tubenmiindung ziehen und aufgestreute Partikelchen, ebensogut wie unter natiirlichen Bedingungen die Kier, prompt in die Ovidukte hineinwimperten. Bei den Amnioten sind solche Vorrichtungen nicht vorhanden, und es muf hier durch ein enges Anlegen des Tubentrichters an den Eierstock fiir den sicheren Verlauf des Ei- transportes gesorgt werden. Wenn wir uns kurz die Topographie der Tuben und Ovarien beim Saugetier vergegenwartigen, so gehen wir am besten von einfachen Verhaltnis- } x Fe sen aus, wie sie z. B. ; der Mensch dar- bietet (Fig. 1). Der Uterus liegt in einer Falte des die Bauch- héhle auskleidenden Peritoneums, dem Li- gamentum latum, zwi- schen Harnblase und Mastdarm. Dieses Band ; ; Fig. 1. Schema des Ovariums und der Tube bekleidet ees der Primaten. Unter Benutzung einer Abbildung vom Uterus auch die >, G@ecensarn. EKileiter oder Tu- ben, die lateral mit dem Ostium abdominale in die Bauch- héhle miinden. Die Tubenmiindung ist meist von Fransen, den Fimbrien, umstellt, von denen eine oder mehrere als Fimbria ovarica zum KEierstock ziehen kénnen. Seitlich von den Tuben- miindungen begibt sich das Ligamentum latum zur Beckenwand, an der hinteren Flache dieses Bandes liegen, durch das Ligamentum ovarii mit dem Uterus verbunden, die Ovarien. Das Eierstocks- 652 Ulrich Gerhardt, band inseriert am medianen Pol des Ovariums, nahe dem lateralen kann ein zweites Band, das Ligamentum suspensorium ovarii, entspringen, das kopfwarts in die Nierengegend, manchmal sogar bis zum Zwerchfell zieht. Gleichfalls in unmittelbarer Nahe des lateralen Poles tritt die Fimbria ovarica an das Ovarium heran. In dem Teil des Ligamentum latum, der von der Tube, der Fimbria ovarica, dem Ovarium und dem Ligamentum ovarii be- grenzt wird, liegt der als Epoophoron bezeichnete Rest der Urniere. An den Fimbrien kénnen mit seréser Flissigkeit gefiillte, gestielte oder sitzende Blasen, die MorGaanischen Hydatiden, auftreten. Ich habe dieser Schilderung die Verhaltnisse zu Grunde gelegt, wie sie aus der menschlichen Anatomie bekannt sind, weil wir in der Tat bei den héchststehenden Saugetieren, den Anthropoiden und dem Menschen, sehr einfache Apparate zur Leitung des Eies in die Tube antreffen. Wir wollen nun im einzelnen die Be- ziehungen zwischen Ovarien und Tubenostien bei den verschiedenen Stimmen der Saugetiere verfolgen. Die Zustinde, wie wir sie bei den Monotremen antreffen, erinnern sehr stark an die bei den Sauropsiden. Wie bei diesen ist das Ovarium der Monotremen wegen der Grofe der stark dotterhaltigen Eier traubig, von beerenformigen Follikeln iiberragt. Ferner finden wir bei Ornithorhynchus noch die gleichfalls an die Végel erinnernde Erscheinung, dafi nur das linke Ovarium vollstaindig entwickelt ist, wahrend das rechte eine Reduktion erlitten hat. Mir selbst lag nur ein weibliches Uro- genitalsystem von Echidna aculeata var. lavesi vor (Fig. 2). Ich finde hier auch das linke Ovarium etwas stairker entwickelt als das rechte, wahrend fiir gew6hnlich bei Echidna die Ovarien beider Seiten gleich stark ausgebildet sein sollen. Nach Semon (33) verbleibt bei Echidna das rechte Ovarium zeitlebens in Un- titigkeit, wihrend nur das linke ovuliert. Das Ovarium ist an seiner vorderen Flache der Lange nach am Peritoneum so befestigt, da8 bei weitem der gréfte Teil seiner Oberflache frei ist. Die Ovidukte sind relativ weite, dickwandige Schlauche, die durch weite, trichterférmige Oeffnungen mit der Bauchhéhle kommunizieren. Diese Ostien erinnern durch die vollkommen glatte Beschaffenheit ihrer Wande, ohne jede Andeutung von Fimbrien, gleichfalls stark an die Zustande bei Sauropsiden. Die Ostien sind so weit, dai sie bequem die Ovarien, oder zum min- desten die sprungreifen Follikel umfassen kénnen. Diese primitiven Merkmale, die die Monotremen von den Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 653 héheren Saugetieren unterscheiden, sichern jedenfalls trotz ihrer Kinfachheit die Eileitung hinreichend. Doch finden wir bereits bei den Beuteltieren weit entwickeltere Vorrichtungen fiir den gleichen Zweck. Ueber die weiblichen Geschlechtsorgane der Beuteltiere hat uns besonders die Arbeit von Brass (5) genauere Kenntnisse ver- schafit, ferner sei hingewiesen auf die Schilderung Owens (27). Mir selbst liegen zur Untersuchung vor weibliche Geschlechts- organe von: Macropus giganteus, Halmaturusthetidis, Petrogale penicillata, Onychogale frenata und Phas- colomys latifrons. Fig. 2. Ovarium und Tube von Echidna aculeata var lavesi. Nat. Gr. Fig. 3. Ovarium und Tube von Petrogale penicillata. Nat. Gr. Bei den verschiedenen Arten von Kanguruhs fallt am Ostium tubae die auBergewohnliche Ausbildung der Fimbrien, so- wie die Weite des Infundibulum tubae auf. Die Tubenostien sind nicht nur im Stande, das gesamte Ovarium zu umfassen, sondern sie werden auch in der Tat bei der Sektion meist iiber das Ovar gezogen gefunden. Bei einem Exemplar von Petrogale penicillata (Fig. 3) finde ich den Durchmesser des _ ausge- Spannten Tubenostiums in der Verlaingerung der Tube 3,8 cm, Bd. XXXIX. N. F. XXXII. 49 654 Ulrich Gerhardt, wihrend der darauf senkrechte 5,6 cm betragt, dabei mift das Ovarium in seinem gréften Durchmesser nur 0,8 cm. Auch ein zweites Priiparat von dieser Species zeigt den ganz auffallenden Umfang des Infundibulums. Da das Ligamentum ovarii hier kurz, und die Tube, die leicht geschlingelt verlauft, ziemlich lang ist, kommt das Ostium tubae hier am meisten lateral zu liegen. Zwischen ihm und dem Ovarium liegen stark entwickelte Fimbrien, die man fiiglich als Fimbriae ovaricae bezeichnen kann. Am linken Infundibulum des einen Exemplares finde ich eine Hydatide gebildet, ein Befund, den wir auch bei héheren Saéugetieren 6fter antreffen werden. Den fiir Petrogale geschilderten Befund, kleine Ovarien und weite, befranste Tubentrichter, finden wir im wesentlichen auch bei den iibrigen Kanguruhs wieder. Von Halmaturus thetidis liegen mir 2 Urogenitalsysteme vor, von denen das eine einem jungen, das andere einem er- wachsenen Tiere entstammt. Bei dem jungen Individuum wurde das Becken mit den Eingeweiden in situ konserviert. Hier liegen die Ovarien vom Ligamentum latum vorn bedeckt, von den Tuben- trichtern vollstandig iiberzogen. Das Ovarium ist hier relativ créfer und die Tube verlauft starker gewunden als beim er- wachsenen Tiere. Auch bei Halmaturus thetidis erreicht das In- fundibulum tubae einen bedeutenden Umfang, sein gréSter Durch- messer betragt 3,5 cm, waihrend das Ovarium nur 0,5 cm lang ist- Dies ist kugeliger und dicker als bei Petrogale, wo es flach und gestreckt ist. Bei beiden Tieren ist die Oberflache des Eierstockes nur wenig uneben. Die Innenfliche des Tubentrichters ist bei Petrogale mit nach dem Ostium hin konvergierenden kleinen Falten und Leisten versehen. Die Fimbrien verhalten sich in beiden Fallen gleich. Bei dem einen Exemplar finde ich auf der linken Seite eine Hydatide. Halmaturus benetti zeigt dieselbe Gestaltung von Fimbrien und Ovarien wie H. thetidis. Bei dem mir vorliegenden Exemplar ist das rechte Ovarium gréfSer als das linke, und seine Oberflache wird von einem Corpus luteum tiberragt, das 4 mm Durchmesser besitzt. Bei Onychogale frenata (Fig. 4), von dem mir ein Exemplar zur Untersuchung vorliegt, finde ich das Infundibulum tubae, das im Vergleich zum Ovarium eine weniger bedeutende GréBe erreicht, beiderseits tief tiber die Ovarien herabgezogen, so da8 diese erst durch Zuriickschlagen des Infundibulums sichtbar Geschlechtsapparat der weiblichen Siaugetiere. 655 gemacht werden miissen. Es findet sich hier eine Art von Tasche gebildet, die den Eierstock bedeckt, und die vom Infundibulum durch eine Art von Ausstiilpung gebildet wird. Neben dem eigentlichen Ostium tubae, das von dicht gestellten Fimbrien umgeben ist, sehen wir eine gréBere, blinde, von radidren Falten umstellte Vertiefung, die in einen hohlen Zipfel fihrt, der in ein Peritonealband, das Liagmentum suspensorium ovarii, aus- lauft. In situ wird das Ovarium von dieser Vertiefung aufge- nommen. Es handelt sich hier zum ersten Male um die Andeutung einer Eierstockstasche, Bursa ovarii, wie wir sie spater bei héheren Saugetieren noch haufig in den verschiedensten Graden der Ausbildung antreffen werden. Auch = ¢.. hier ist das Peritoneum, das die ; Tuben6ffnung unmittelbar umgibt, im Verein mit den Fimbrien und dem Ligamentum suspensorium zu einer Hiille geworden, die das Ovarium in einer Lage fixiert, in der die Be- dingungen fiir die Ueberleitung eines frei gewordenen Eies aus dem Fol- Fig. 4. Tuba und Ovarium likel in die Tube am giinstigsten sind. YOR Onychogale frenata, : ; Nat. Gr. In unserem speziellen Fall wird die Tasche fast ausschlieSlich von den Fimbrien des Ostium abdo- minale gebildet, bei Monodelphen werden wir ein anderes Ver- halten antreffen. Von Macropus giganteus liegen mir 2 Urogenitalsysteme vor. Auch hier finde ich im wesentlichen die fiir Onychogale be- schriebenen Verhaltnisse wieder. Doch ist die Vertiefung, die das Infundibulum um den Eierstock bildet, hier seichter als dort. Auch ist hier das Infundibulum weiter. Im itibrigen geben die Ovarien und Tuben von Macropus vollstaindig ein vergréfSertes Bild der gleichen Organe von Onychogale. An den Genitalien des Weibchens von Phascolomys lati- frons (Fig. 5) fallt zunachst auf, da hier die Tubenostien median von den Ovarien gelegen sind, weil die Tuben bedeutend kiirzer sind als bei den Kanguruhs. Dagegen sind die Ligamenta ovarii beim’ Wombat bedeutend langer. Das Ostium tubae ist von wohlausgebildeten Fimbrien umstellt, doch erreicht bei dem von mir untersuchten Tier das Infundibulum langst nicht den Umfang, 42 * 656 Ulrich Gerhardt, den es nach Brass (5), Taf. 4 Fig. 1, bei Phascolomys wombat erreicht. Ferner finde ich keine ,Peritonealtasche“, in die Ovarien und Tuben beim Wombat eingelagert sein sollen. Ich kann mir nur vorstellen, da8 in situ die Ovarien medianwarts nach den Tubenostien umgeschlagen wiiren, so dafi sie dann vom Ligamentum latum bedeckt wiirden. Mir scheint die Ueberleitungs- vorrichtung an den Ovidukten von Phascolomys eher etwas weniger ausgebildet als bei den Kanguruhs, obwohl auch hier die Infundi- bula sehr wohl im stande sein diirften, zum wenigsten die Partie des LEierstockes zu umfassen, in der die sprung- reifen Follikel ge- legen sind. Be- giinstigt wird dieses Umfassen noch durch die ausgepragt trau- bige Gestalt des Ovariums. In meinem Praparat zeigt das linke Fig. 5. Ovarium und Tuben von Phasco- Ovar se Lange lomys latifrons. Nat. Gr. von 21/, cm und seine Oberflache ist von ca. 2 mm im Durchmesser haltenden Follikeln tiberragt. Im rechten Ovarium dagegen, das sich sonst wie das linke verhalt, finden sich an der Oberflache 2 grofe Corpora lutea, von ca. 5 mm Durchmesser. Kine deutlich ausgepragte Fimbria ovarica ver- bindet ferner Ovarium und Tube und diirfte wohl auch stark be- teiligt sein bei der Ueberleitung des austretenden Kies. Fiir Beuteltiere finden wir bei Brass (5) noch die Angabe, da8 bei Didelphiden im Embryonalzustand die Ovarien im Verhaltnis zum Infundibulum gréfer sind als bei spateren Stadien. Carus und Ortro (6) geben eine Abbildung eines jungen Tieres von Phalangista vulpina. Hier sind die Ovarien noch relativ grof und kugelig und die Ostien der stark geschlangelten Tuben sehr viel enger als auf der Brassschen Abbildung. Bei Brass finden wir fiir Phalangista vulpina die Angabe: »Die grofen Ovarien weisen eine Oberflache auf, welche ahnlich der einer menschlichen Hirnhemisphare gestaltet erscheint. — Das Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 657 Orificium abdominale eines jeden Oviduktes ist weit und mit einem schwachen Fimbrienbesatze versehen. Die Ovidukte selbst stellen sich als 2 kurze etwas gewundene diinne Réhren dar, welche sich scharf gegen die verhaltnismafig kleinen Uteri abgrenzen.“ — Nach der Brassschen Abbildung (Taf. 2) liegen die Infundibula und die Ovarien beide gleichweit von der Mittellinie entfernt, die Tube verliuft ganz leicht geschlingelt und ist etwas langer als das Ligamentum ovarii. Von einer peritonealen Taschenbildung ist keine Rede. Fir Hypsiprymnus (Art nicht angegeben) sagt BRASS nur: »Die Ovarien sind grof, nierenformig und mit glatter Oberflache. — Die Orificien der kurzen Ovidukte sind von grofen Fimbrien um- geben.“ — Nach der dazu gehérigen Abbildung auf Taf. 3 liegen die Verhaltnisse, wie wir sie sonst bei Kanguruhs kennen gelernt haben, die weiten Infundibula lateral von den Ovarien bei geringer Schlangelung der Tube. Brass’ Abbildungen fiir Macropus giganteus und M. benetti stimmen mit meinen Priparaten tiberein, wie auch seine kurzen Bemerkungen im Text nichts von meinen Befunden Ab- weichendes enthalten. Wir finden also bei den Beuteltieren durchgehends weite, mit deutlich ausgeprigten Fimbrien versehene Infundibula tubae, die im allgemeinen im Verhaltnis zum Ovarium grof sind, besonders bei den Kanguruhs, weniger bei Phascolomys latifrons. Meist liegen die Tubenostien lateral von den Ovarien, bei Pha- langista gleichweit von der Mittellinie entfernt, bei Phascolomys median vom Eierstock. Hilfsapparate, die von Organen der Nachbarschaft gebildet werden, finde ich nur in der Andeutung einer Eierstockstasche bei Halmaturus thedidis und Macropus giganteus, die dazu zu dienen scheint, die Wirkung des weiten Fimbrienkranzes bei der Ovulation dadurch zu verstiarken, daf sie ein Abgleiten der Fimbrien von der Oberflaiche des Ovars verhindert. Die von Brass fiir Phascolomys angegebene Existenz einer Peritonealtasche ver- mag ich weder aus meinem Praparat noch aus seiner Abbildung zu entnehmen. So sehen wir denn in der Ausbildung des Infundibulums bei Beutlern den Hauptfaktor zur sicheren Aufnahme des Eies, im Vergleich mit dem die tibrigen Sicherheitsmafregeln nur gering erscheinen. Wesentlich andere Befunde treffen wir bei den Insectivoren. Hier wird das Ovarium samt dem Tubentrichter 658 Ulrich Gerhardt, von einer Kapsel des Peritoneums, der Bursa ovarica oder dem Tentorium ovarii umgeben, das nach M. Werer (40) ,entweder vollkommen von der allgemeinen Peritonealhéhle ab- gekapselt ist, oder mit ihr durch eine engere oder weitere Oetfnung kommuniziert®. Mir liegen zur Untersuchung vor: 3 Urogenitalsysteme von Erinaceus europaeus, je eines von Talpa europaea und Sorex araneus. Eine Abbildung des weiblichen Geschlechts- apparates beim Igel gibt M. WreBrr (40) nach Dopson (7); da- nach liegt das Ovarium in einem von der Bauchhohle vollstandig abgeschlossenen Zelt. Abweichend lautet die Angabe von HUXLEY (18): ,die Eierstécke sind in weitmiindige Peritonealtaschen ein- geschlossen. “ Von den 3 Urogenitalsystemen des Igels, die ich unter- suchen konnte, war eines einem frisch getéteten Tier entnommen, wahrend die beiden anderen alte, schlecht konservierte Stiicke waren. Ich fand an allen folgendes: Der Uterus des Igels ist kurz, mit dicken, halbkreisférmig gebogenen Hérnern. Die Tuben sind scharf abgesetzt, eng und verlaufen stark geschlangelt. Sie enden mit einem mabig weiten Infundibulum, dessen Fimbrien wohlentwickelt sind. Das Ovarium ist drei- kantig, an der Basis fest mit dem Peritoneum verwachsen. Seine Oberflache ist ausgesprochen traubig. Das Ligamentum ovarii ist kurz, dagegen das Mesenterium der Tube, die Meso- salpinx, naturgemafi lang und durch die Tubenschlangelung zu einem Sack ausgebildet, in dem der Kierstock liegt. Das bei- stehende Schema soll das gegenseitige Verhalten von Lig. ovarii, Mesosalpinx und Ovarium skizzieren (Fig. 6). | Die Tube kehrt nach reichlicher Schlingelung mit ihrem Ostium abdominale in die unmittelbare Nahe ihres Ostium uterinum, also ihres Ausgangspunktes, zuriick. Sie beschreibt dabei einen mehr oder weniger vollstandigen Kreisbogen, den ich als Tuben- schlinge bezeichnen méchte. Dadurch werden die Fimbrien gleich- Ul Fig. 6. Schema der Bursa ovarii des Igels. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 659 zeitig dem Ligamentum ovarii benachbart. Bei diesem Verlauf der Tube bildet die Mesosalpinx eine Tasche (in der Skizze durch vertikale Linien schraffiert). Der Eingang in diese Tasche liegt nun eben an jener Stelle zwischen Lig. ovarii und dem Infundibulum tubae, am vorderen, oberen Rande des Ovariums. Bei allen 3 untersuchten Praparaten vom Igel finde ich nur an dieser Stelle einen schmalen Schlitz, der in die Bursa hineinfiihrt. Ich mu daher der Ansicht von Dopson, es handle sich um eine geschlossene Peritonealtasche, widersprechen. Bei Sorex araneus dagegen finde ich die Bursa ovarica ringsum geschlossen, ohne eine Kommunikation mit der Bauch- héhle. In der medianen Hilfte dieser Kapsel liegt die Tube stark zusammengeknauelt. Die Gesamtanordnung des Geschlechts- apparates erinnert sonst sehr an die des Igels. Auch hier finden sich weite, kurze, stark gebogene Uterushérner und enge, gewundene Tuben, die hier aber langer sind, und deren Mesosalpinx die er- wahnte geschlossene Tasche bildet. Auf der Oberfliche des linken Ovariums finde ich 2 Corpora lutea, von ca. 11/, mm Durchmesser. Auch bei Talpa europaea liegen die Ovarien in rings geschlossenen Peritonealkapseln; die Tube verlauft wie bei Sorex in starken Windungen im medianen Teil der Kapsel. Eréffnet man diese, so findet man in ihr das enge, mit zahlreichen Fimbrien versehene Infundibulum tubae. Das Ovarium ist ab- geplattet dreikantig. Eine Beschreibung der geschlossenen Ovarial- kapsel von Talpa finden wir auch bei Mac Leop (24). Max Weser (40) gibt noch eine Perers entnommene Ab- bildung des weiblichen Genitalapparates von Rhynchocyon. Die Ovarien liegen hier in auSerordentlich weiten Kapseln, die durch eine unmittelbar unter dem Ovarium gelegene Oetfnung mit der Bauchhéhle kommunizieren. So finden wir bei den Insectivoren zwar nicht tiberall den gleichen Grad der Sicherheit fiir den Eitransport erreicht, doch tritt iiberall das Peritoneuwn der Tube in enge Beziehung zum Ovarium, fiir das es eine Kapsel bildet. Diese Kapsel sichert bei diesen multiparen Tieren auch da, wo sie noch mit der Bauchhohle kommuniziert, die Aufnahme des Eies in die Tube in hervorragendem Make; wo, wie bei Sorex und Talpa, eine voll- stindig geschlossene Eierstockskapsel existiert, ist nattirlich jedes Verlorengehen eines Eies vollstindig ausgeschlossen, da innerhalb der von seréser Flissigkeit erfiillten Bursa ovarica das Flimmer- 660 Ulrich Gerhardt, epithe] der Fimbrien seine Wirksamkeit entfaltet und die Kier in die Tube spiilen mul. Aehnliche Verhiltnisse wie bei den Insectivoren treffen wir bei den Chiropteren an. Die genauesten Angaben tiber die Ana- tomie der Geschlechtsorgane dieser Tiere verdanken wir Rosin (31) und den belgischen Autoren Mac Leop (24) und VAN BENEDEN (3). Schon vor diesen Untersuchungen gaben EMmMrerT und BuRGAETZY (9) folgende wohl alteste Schilderung der Tuben der Fledermause: ,Die Muttertrompeten waren sehr eng und lieSen sich blo’ von der Bauchéffnung aus aufblasen. Sie liefen einige Linien weit sehr geschlingelt von der oberen Seitenwandung der Gebarmutter aus nach einwarts und hinten gegen die unteren Lendenwirbel und endigten sich in eine kleinere und gréfere diinne Lippe, die mit kleinen Fransen versehen waren und eine laingliche Spalte zwischen sich liefen. Beide diese Lippen gingen in das Bauchfell tber; die gréBere bildete mit demselben einen offenen Sack, welcher sich wie eine Kappe tiber den Eierstock herlegte. Die Kierstécke waren linglich-runde, sehr kleine Korper.“ Im Gegensatz zu diesen Autoren beschreiben Mac Leop fir Vesperugo pipistrellus und Van Benepen fir Rhino- lophus ferrum equinum und Vespertilio murinus eine ringsum geschlossene Ovarialkapsel. Rosin dagegen bestatigt in seinen ungemein exakten Untersuchungen durchaus den Befund Emmerts und BurGarrzys. Er fand tiberall eine Spalte in der wohl entwickelten Eierstockskapsel. Er schreibt dartiber: ,J’ai toujours trouvé la capsule ovarique bien développé, formant autour de Vovaire une poche spacieuse adhérente a l’utérus par un de ses poles, de sorte que Voviducte tout entier est compris dans sa paroi et rampe entre ses deux feuillets, décrivant une courbe complexe et de forme assez variable pour revenir vers son point de départ prés duquel s’ouvre le pavillon de la trompe. En ce point dans toutes les espéces que j’ai étudiées, saufe une, et en particulier chez le Vespertilio murinus, déja cité par Emmert et BurGarrzy et chez le Rhinolophus ferrum equinum, j’ai invariablement trouvé la paroi de la capsule interrompue et séparée de lutérus par une fente plus ou moins allongée entr’ouverte 4 l'état de repos, mais que le muscle propre de Povaire décrit par M. VAN BENEDEN, doit fermer au moment de la rupture du follicule de Graar. C’est dans la paroi méme de cette boutonniére que s’ouvre le pavillon de l’oviducte.“ Bei Vesperugo Kuhlii fand Rosin keinen Spalt in der Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 661 Bursa ovarica, doch halt er bei der Kleinheit des Objektes nicht fiir ausgeschlossen, daf er ihn iibersehen habe. Bei neugeborenen Tieren ist der Spalt in der Bursa weiter als bei Erwachsenen. Max Weper (40) weist auf den Zwiespalt der Meinungen hin und aft es dahingestellt, ob iiberall bei Chiropteren eine vollstandig abgekapselte Bursa vorkommt, oder ob manche Arten, wie bei den Insectivoren, eine offene, manche eine geschlossene Bursa besitzen. Ich habe weibliche Urogenitalsysteme von Plecotus auritus und Vesperugo pipistrellus untersucht. Die anatomische Schilderung Rortns kann ich vollstandig bestatigen. Ich finde bei Plecotus zwischen Uterus und Ovarium einen schmalen, aber deut- lichen Spalt, der in das Innere der Bursa hineinfiihrt. Die Gréfe der Bursa ovarica ist im Verhaltnis zum Uterus recht bedeutend, auch die Ovarien sind relativ grof. Sie sind nierenférmig mit glatter Oberfliche. Die Tubenschlinge ist sehr ausgepragt und beschreibt ungefaihr eine Ellipse. Die Bursa hat eine dreieckige, kapuzen- formige Gestalt, und bei Plecotus liegt der Spalt am oberen Rande. von 2 lippenférmigen Falten begrenzt. Bei Vesperugo pipistrellus ist es mir dagegen ebenso- wenig wie Mac Leop und Rosin gelungen, einen Spalt in der Bursa nachzuweisen, und obwohl ich keineswegs die Schwierigkeiten unterschatze, die durch die Kleinheit des Objektes verursacht werden, so méchte ich doch annehmen, da8 es sich bei dieser Form in der Tat um eine allseitig geschlossene Bursa handelt, da& also wie bei den Insectivoren auch bei Chiropteren zweierlei Formen der Eierstockskapsel vorkommen. Bei Galeopithecus umgeben nach LecuE (22) die Ovidukte fast kreisférmig die Ovarien und enden ihnen gegentiber mit ein- fachem, nur wenig gefranstem Ostium abdominale. Mir lag ein Weibchen von Galeopithecus volans zur Untersuchung vor, und ich kann Lecues Befund bestatigen. Was speziell die Verhaltnisse der wohlausgebildeten Bursa ovarica betrifft, so fand ich die gleichen Zustinde wie bei den Fledermausen, nur natiirlich in stark vergréBertem MafSstabe wieder (Fig. 7). Auch hier liegen, wie bei den Chiropteren, die Genitalien ganz im Becken, in der Nahe der Symphyse. Der Uterus geht in 2 kurze, dicke, von vorn nach hinten abgeplattete Horner tber. Daran schlieft sich unmittelbar die Bursa ovarica, in deren Wand die Tubenschlinge fast kreisférmig verlaiuft. Die Gestalt der Bursa ist, wie auch bei den Fledermausen, dreieckig, kapuzen- 662 Ulrich Gerhardt, formig. Sie endet kopfwarts mit einem langen, starken Ligamentum suspensorium ovarii, das in die Nierengegend zieht. Da, wo das kurze Ligamentum ovarii zur Bursa verlauft, zeigt sich an deren oberem Rande eine 1,5 mm lange Oeffnung, die in das Innere der Kapsel fiihrt und die kleinen Fimbrien des Tubentrichters sehen lift. Das kleine, 1,5 mm lange Ovarium ist oval und besitzt eine glatte Oberflache. So sehen wir denn, daf bei Insectivoren, Chiro pteren und Galeopithecidae wieder ein wohlumschriebener, ausge- pragter Typus vorliegt, der wohl in diesem Falle auf genetischer Verwandtschaft beruhen diirfte. Von Bradytherien konnte ich Dasypus villosus und Bradypus tridactylus auf den Bau ihrer Tuben und Ovarien untersuchen. Fig. 7. Uterus mit Adnexen von Galeopithecus volans. Nat. Gr. Fig. 8. Uterus und Adnexe yon ‘i Bradypus tridactylus. Nat. Gr. Fig. 7. Der Uterus des dreizehigen Faultieres (Fig. 8) ist ein Uterus simplex, auf der Vorderflaiche mit einer seichten Langs- furche versehen, wahrend die Hinterfliche glatt ist. Er wird, abhnlich dem des Menschen, ganz vom Ligamentum latum bedeckt, das sich jederseits auf die Tuben fortsetzt. Beiderseits tiber den Ovarien weist das Lig. latum eine starke Fetteinlagerung auf, so daf8 es in der Mitte iiber dem Fundus uteri eine seichte Ein- senkung zeigt. Die Eierstécke sind von vorne her nicht sichtbar, da sie von der erwihnten Fetteinlagerung des Lig. latum bedeckt werden. Betrachtet man dagegen die Genitalien von der Riickseite, so sieht man die Ovarien als langliche, dreiseitig abgeplattete, 51), mm lange Kérper, dem Lig. latum mit schmaler Basis angeheftet. Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 663 Die Oberfliche der Ovarien ist glatt; ich vermute, daf es sich m diesem Falle um ein junges, noch nicht geschlechtsreifes Individuum handelt, wegen der Kleinheit des gesamten Geschlechtsapparates. Die Ovarien werden vom Peritoneum nicht bedeckt, eine eigentliche Bursa ist nicht vorhanden, doch findet sich hinter der Fetteinlagerung im Lig. latum eine seichte Bauchfellfalte, die die Ovarien leicht itiberw6lbt und wohl als Andeutung einer Bursa betrachtet werden kann. Das Lig. ovarii ist kurz und zeigt keine Besonderheiten. Die Tube ist kurz und verlauft ziemlich gestreckt, lateral vom Uterus zeigt sie beiderseits eine Verbreiterung. Die Fimbrien sind schwach entwickelt, und das Infundibulum ist eng. Ich vermag nicht anzugeben, ob die geschilderten Verhaltnisse ein Bild der Geschlechtsorgane des erwachsenen Faultieres geben. Wir finden oft die Bursa ovarica, da, wo sie vorkommt, bei jungen Tieren weniger entwickelt als bei erwachsenen. Ich michte die Méglichkeit in Erwaigung ziehen, daf auch beim Faul- tier sich derartige Unterschiede beim alten und beim jungen Tiere finden, weil dadurch vielleicht eine meinem Befund etwas wider- sprechende Angabe von Rapp (29) eine Erklarung finden kénnte. Er schreibt: ,Die von Bauchfell gebildete serése Hohle, von welcher bei manchen Séaugetieren der Eierstock wie von einer Scheidenhaut umschlossen wird, findet sich bei den Faultieren und bei Myrmecophaga, steht aber sehr weit offen.“ In dem mir vorliegenden Praparat kénnte man héchstens von der Andeutung einer Bursa ovarica sprechen. Dagegen kann ich bestitigen, was Rapp weiter sagt: ,,Bei Dasypus ist diese serése Héhle mehr abgegrenzt und am Rande von der Fallopischen Rohre umfaft.“ Bei Dasypus villosus (Fig. 9) erinnert der weibliche Geschlechtsapparat in seinem Gesamtaufbau auferlich sehr an den der Primaten. Der Uteruskérper ist solide, von der Gestalt des virginellen menschlichen, auch das Lig. latum tiberzieht den Fundus und Kérper gerade so wie beim Menschen und Affen. Die Tuben verlaufen als 2 fast ganz gestreckte, ziemlich weite Réhren nach beiden Seiten. Die Ovarien sind von vorn nicht zu sehen. Auf der Riickseite bemerkt man, daf am lateralen Tubenende das Mesenterium tubae eine etwa dreieckige Tasche bildet, die nach unten und innen offen ist. Am Rande, der die offene Seite der Tasche begrenzt, sieht man einige deutliche Fimbrien hervorhangen. Darunter ist das mit einer kleinen Keimflache versehene lang- cylindrische, glatte Ovarium am Boden der Tasche sichtbar. 664 Ulrich Gerhardt, Schligt man die Bursa ovarica zuriick, so findet man, daf in ihr noch zahlreiche, sehr feine und sehr eng gestellte Fimbrien gelegen sind. Es ist wohl anzunehmen, daf im Leben, und ganz besonders bei den Ovulationen, die Bursa das Ovarium ganz einhiillt. Immerhin haben wir es aber auch hier nur mit einem sehr unvoll- kommenen Entwickelungsgrad der Bursa zu tun, so daS wir von den Bradytherien im ; allgemeinen sagen kénnen, da sie nicht Fig. 9. Bursa ovarica tiber ein Anfangsstadium der Bursabildung von Dasypus villo- hinauskommen. Die Faultiere stehen darin sus. Nat. Gr. noch hinter den Giirteltieren zuriick. Untersuchungsmaterial von Manitherien lag mir nicht vor. Ich finde iiber diese Ordnung uur bei Rapp (29) die Angabe, daf bei Myrmecophaga eine weit offen stehende Bursa vorhanden sei. ,Die Fallopischen Réhren dehnen sich an ihrem freien Ende schnell in eine elliptische Platte aus, die bei Myrmecophaga nicht nur am Rande, sondern auf ihrer ganzen Oberflache mit hahnen- kammférmigen Lappen besetzt ist. Die Fallopischen Roéhren bilden schlangenfoérmige Windungen ohne zu einem Knauel aufgerollt zu sein.“ Max Weser (40) sagt von den Pholidota, der weibliche Geschlechtsapparat habe vollig frei liegende Ovarien. An die beiden Uterushérner schléssen sich 2 Tuben mit weiten abdomi- nalen Miindungen an. Ebensowenig wie tiber diese Ordnung bin ich im stande, iiber den Bau der weiblichen Geschlechtsorgane von Elephas, Hyrax und die der Sirenen etwas auszusagen. Besonderes Interesse beanspruchen die Ovarien der Perisso- dactylen. Der Eierstock der erwachsenen Stute (Fig. 10) unter- scheidet sich von dem aller tibrigen bekannten Sauger dadurch, da8 die ovulierende, vom Peritoneum freie Flache auf eine enge, tiefe Grube, die Ovulationsgrube, beschrankt ist. Es ist begreiflich, dal diese Besonderheit im Bau schon seit langerer Zeit die Aufmerksamkeit der Veterinéranatomen auf sich gezogen hat. Ich erwahne die Schilderung von Hausmann (15), sowie die von ELLENBERGER und Baum (8). Das Verdienst, zuerst Auf- klarung tiber die komplizierte Genese dieser Eigentiimlichkeit gegeben zu haben, gebiihrt Born (4). Mir lagen zur Untersuchung Ovarien von 3 erwachsenen Stuten vor, die ich durch die Giite des Herrn Tierarztes KotBpe vom hiesigen Schlachthofe erhielt. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 665 AuBerdem konnte ich das Urogenitalsystem eines wenige Wochen alten weiblichen Massai-Esels untersuchen. Die Besonderheiten des Pferdeovariums schildert Born kurz mit folgenden Worten: ,, Wahrend bei allen Haustieren das Ovarium mehr oder weniger die Gestalt einer Bohne hat, an deren Hilus die GefiBe ein- und austreten, die Befestigung durch das Lig. latum stattfindet und die Ovula auf der ganzen konvexen Flache des Eierstockes austreten, verhalt es sich beim ausgewachsenen Ovarium des Pferdes in manchen Stiicken gerade umgekehrt. Dasselbe erscheint umgekehrt bohnenférmig, so da das Lig. latum Ny, Dani i H Vik ar fy, fi Ai ib 5. Hi hy TI A rll aN y mT © ‘el fi HAN TD ish i} iM . yl \ HAXM NX yy yi: i Fig. 10. Ovarium und Tube der Stute. °/, nat. Gr. am konvexen Rande sich befestigt, an dem auch die Gefafe ein- und austreten. Fast die ganze Oberfliche des Eierstockes ist mit einem dicken Ueberzuge der Serosa versehen. Die Ovula kénnen nur aus einer kleinen Grube in der Nahe des befransten Randes nach aufen gelangen.“ Das Ovarium der Stute hat etwa die Gréfe einer Kinderfaust. Seine Oberflache ist von unregelmaBigen Héckern bedeckt, die den GraaFschen Follikeln entsprechen. Das Peritoneum, das diese Hocker iiberzieht, ist glatt und etwas glanzend. Vom Ovarium zum lateralen Ende des Uterushornes derselben Seite ziehen vom medialen Rande des KEierstockes 2 Strange: kopfwarts das 666 Ulrich Gerhardt, Mesenterium der Tube, Mesosalpinx, etwa 3 cm kaudal davon, parallel zu ihm, das Lig. ovarii. Dazwischen liegt eine tiefe, enge Tasche (4 cm tief, 2—3 cm Seite), die von Lig. ovarii, lateralem Rand des Uterushornes, Mesosalpinx und medialem Rande des Ovars begrenzt wird. Von den Veteriniranatomen wird diese Tasche als Bursa ovarii bezeichnet, ein Ausdruck, der sehr leicht zu Verwechselungen fiihren kann und daher wohl zweckmafig durch einen anderen, etwa Recessus Ovaricus, zu ersetzen wire, da er dem, was man sonst unter Bursa ovarii versteht, keines- wegs entspricht. Lateralwarts von diesem Recessus kommen wir in eine enge, tiefe Kinziehung des Ovariums, die vollstandig von dem weiten Ostium tubae mit seinen wohlentwickelten Fimbrien tiberlagert ist. Schlagen wir diese zuriick, so sehen wir in die erwahnte enge Ovulationsgrube hinein, die den vom Peritoneum freien Teil der Ovarialfliche darstellt. Davor, zwischen den ein- zelnen Fimbrien und ringsum auf dem Peritoneum des Ovariums erblicken wir zahlreiche derbe, fibrinése Gerinnsel, die nach Haus- MANN (15) aus geronnenem Follikelinhalt entstanden sind. Haus- MANN fiihrt einen pathologischen Fall an, in dem ein derartiger Fibrinstrang zu einer Strangulation des Darmes und zum Tode der Stute fiihrte, jedenfalls ein deutlicher Beweis fiir die aufer- gewohnliche Festigkeit und Zahigkeit dieser Ablagerungen. Breiten wir die Fimbrien auseinander, so finden wir ein weites, unregelmafig gestaltetes Infundibulum, das fiir gewoéhnlich in auffallend enge Falten gelegt ist. Verfolgen wir die Tube in ihrem Verlauf vom Uterus her, so finden wir, daf sie im wesent- lichen gestreckt verlaiuft, jedoch mit zahlreichen kleinen Einzel- biegungen. Ein Langsschnitt durch das Ovarium (Fig. 11) zeigt bei einem Praparat, daf viele halbreife Follikel an der Oberflache des Eierstockes dicht unter dem Peritoneum sitzen. Sie entsprechen den oben bereits erwahnten Hervorragungen an der auSeren Oberflache des Ovariums; 2 Corpora lutea finde ich in unmittelbarer Nahe der Ovulationsgrube. An einem zweiten Eierstock, der einer alten Stute angehérte, finde ich 5 groBe Follikel, von denen der gré8te, vom Umfange einer Walnu8, unmittelbar an die Ovulationsgrube stéBt. Ich finde in tieranatomischen Werken die Angabe, daf diese GréBe der Follikel bei normalen Pferden erreicht werden kann. Doch kénnen die Follikel auch eine pathologische Grofe annehmen, so da8 es zu einer wahren Cystenbildung kommt. Von Interesse ist Borns Hinweis darauf, daB diese pathologischen Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 667 Bildungen ihren Grund gerade in dem normalen anatomischen Verhalten haben. Bei Verschluf der Ovulationsgrube, der bei alten Stuten nicht selten vorkommt, kénnen die Follikel nicht nach dieser hin vorriicken, sondern bleiben in der Peripherie liegen, wo sie cystisch degenerieren. Zwischen den Follikeln sieht man auf dem Schnitt Ziige von Ovarialstroma, die nach der Ovulationsgrube hin strahlen- formig konvergieren. Born ist der Ansicht, diese Bindegewebs- ziige gaben den schwellenden AS Follikeln die Direktion nach der Ovulationsgrube hin, eine Auffassung, die wohl dadurch gestiitzt wird, daf man in der Tat Follikel findet, die birn- formig gestaltet und mit dem diinnen Ende nach der Ovula- tionsgrube hin gerichtet sind. Diese eigentiimliche Gestalt des Pferdeovariums, sein se- réser Ueberzug und die Be- ziehungen der Ovulationsgrube zum Tubenostium kommen nun ; erst in postembryonaler : oe- me et os Wag _ Fig. 11. Liingsschnitt durch den Eierstock der Stute. Schema. og Ovu- Ovarium wie bei allen anderen _ jationsgrube. Huftieren eine vom Peritoneum freie, durch die FArresche Linie wohl von diesem abgegrenzte Keimflache. Auch in dem Verhalten von Tube, Mesosalpinx, und Lig. ovarii zeigen sich noch gar keine Besonderheiten. Wahrend des Wachstumes des Tieres nimmt das Ovarium zunachst an Groéfe ab, dabei wird die Ovulations- oder Keimflache mehr und mehr in die Tiefe des Eierstockes versenkt, dadurch daf das Lig. ovarii und die Mesosalpinx sich immer mehr nahern. Das Resultat dieses Prozesses ist der oben beschriebene Zustand. Eine kleine Skizze, der die bei ELLENBERGER und Baum (8) p. 553 zu Grunde liegt, mége diesen Prozef erlaiutern (Fig. 12). Die Ovarien des Eselfohlens, das ich untersucht habe, befanden sich ungefaihr auf dem Stadium von Borns Fig. 5. Das Ovarium ist eiférmig, fast 10 cm lang. Der grofte Teil der Oberflache 668 Ulrich Gerhardt, ist vom Keimepithel mit durchscheinenden Follikelanlagen iiber- zogen. Das Lig. ovarii inseriert am medianen Pol, wahrend des Ostium tubae am entgegengesetzten gelegen ist. Die Tube ver- liuft unter starkerer Schlingelung als beim erwachsenen Tier. Von besonderem Interesse scheint mir die Tatsache, da’ sich in diesem Stadium die deutliche Andeutung einer Bursa ovarica im tblichen Sinne zeigt. Das Peritoneum zwischen Mesosalpinx und Lig. ovarii ist sogar im stande, einen Teil des Eierstockes zu verhiillen. Diese Tasche verschwindet spater, und die beim erwachsenen Tier vorhandene Ver- tiefung zwischen Ovarium und Uterus ist mit ihr nicht homolog. ot NM eek) eS ec -- Fig. 12. Schema der Entwickelung des Pferdeeierstockes unter Be- nutzung einer Abbildung von ELLENBERGER und BAUM. Es wire nun von hohem Interesse, zu erfahren, ob sich die tibrigen Perrissodactylen, die Tapire und Rhinoceronten in der Entwickelung ihrer Eierstécke ebenso verhalten. Leider bin ich nicht imstande, diese Frage zu beantworten, da mir nur das Urogenitalsystem eines jungen weiblichen Tapirus indicus vorliegt. Es ware nach dem eben Besprochenen natiirlich voreilig, gerade bei Perissodactylen Schliisse aus dem Verhalten junger Tiere auf erwachsene zu ziehen. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 669 An dem von mir untersuchten Praparate (Fig. 13) sind die Uterushérner ca. 10 cm lang. Das distale Ende eines jeden ist so gestaltet wie beim Pferde, d. h. es endet plétzlich mit einer kuppelf6rmigen Rundung, die sich scharf gegen die Tube absetzt. Diese ist sehr dick und weit, umzieht das Ovarium mit einer Schlinge, wobei sie noch viele kleine Einzelwindungen _ be- schreibt, und endet mit einem weiten, gegen den Uterus ge- richteten Infundibulum, das von einem sehr entwickelten Fim- brienkranze umstellt ist. Eine lange Fimbria ovarica zieht zum Kierstock hin. Die Ovarien selbst sind langgestreckt - eifo6rmig und haben eine glatte Oberflaiche, die die Grenzlinie zwischen _ Fig. 13. Ovarium des jungen Ta- Keimepithel und Peritoneum a indicus mit seiner Umgebung. at. Gr. klar erkennen 1aBt. Wenn es erlaubt ist, dies Bild mit dem vom Fohlen bekannten zu vergleichen, so wiirde es noch am ersten Borns Fig. 5 ent- sprechen, wenigstens, was die Gestalt und das Verhalten des Kierstockes betrifft. Der Verlauf der Tube ist jedoch ganz ab- weichend. Auch beim jungen Tapir kann von einer zum mindesten angedeuteten Bursa ovarica die Rede sein. Erwahnt sei hier noch, da ich beim jungen Esel und Tapir deutliche Reste des Epoophorn oder Nebeneierstockes finde. Ich méchte hier nochmals besonders auf die Liicke hinweisen, die hier in unserem Wissen existiert: manche Fragen, die hier in Betracht kommen, kénnten vielleicht durch das Studium des Genitalapparates der in dieser Beziehung so wenig erforschten Sirenen der Lésung naher gebracht werden. Zusammenfassend vermag ich von den Perissodactylen nur zu sagen, da’ sowohl Pferde wie Tapire in der Jugend Fierstécke und Tuben besitzen, die in nichts von denen anderer Huftiere abweichen und bei denen es auch zur Bildung einer beim Pferde spater verschwindenden Bursa ovarica kommt. Beim erwachsenen Pferde weicht das Ovarium dadurch von dem aller anderen bekannten Sauger ab, daf die Ovulationsfliche in die Tiefe gesenkt wird, so da8 das Peritoneum das ganze iibrige Ovarium tiberzieht, und da8 durch Bd, XXXIX. N. F. XXXII. 43 u t 670 Ulrich Gerhardt, Zusammenriicken von Lig. ovarii und Mesosalpinx die Tuben- miindung unmittelbar neben die Ovulationsgrube verlegt wird. Einfacher und tibersichtlicher liegen die Verhaltnisse bei den Artiodactylen. Was die Literatur angeht, so verweise ich hauptsichlich auf das Lehrbuch der Haustieranatomie von ELLEN- BERGER und Baum (8), ferner auf die schon erwahnten Werke von HAUSMANN (15) und Max Weser (40), sowie auf die Arbeit von KeHRER (20). Mir liegen Urogenitalsysteme vor von: 1) Artiodactyla ruminantia: Portax picta, Camelopardalis giraffa, Ovis aries juv, Bos taurus. 2) Artiodactyla non ruminantia: Sus scrofa domestica, Dicotyles torquatus, Phacochoerus africanus. Die Uterushérner von Portax pictus, die in ihren stark verjiingten lateralen Partien in mehrfachen Kriimmungen verlaufen, gehen mit einer leidlich ausgepragten Grenze in die etwa ginse- federkieldicken, stark geschlingelten Tuben tiber. An dem Peritoneal- tiberzug, der diese Tuben bekleidet, kénnen wir 2 Blatter unter- scheiden: eines zwischen Tube und Uterus, eine direkte Fort- setzung des Lig. latum, und ein zweites, das mit freiem Rande endigt. Man hat sich das so entstanden zu denken, daf der Uterus das ganze Doppelblatt des Lig. latum bis zu dessen Umschlagsstelle ausfiillt, wahrend dies bei der diinnen Tube nicht mehr der Fall ist. Dadurch wird ein Stiick des Tubenmesenteriums frei und zur Hiille fiir den Eierstock verwendbar. In der nebenstehenden Skizze (Fig. 14) ist dieses Stiick mit ms bezeichnet. Das Lig. latum ist mit vertikalen Streifen ange- deutet, der freie Teil der Mesosalpinx durch Langs- und Quer- streifen bezeichnet. Ist nun dieser Teil sehr entwickelt, so kann er eine Tasche bilden, die imstande ist, das Ovarium zu umhiillen. Dies ist der Fall, wenn die Tube in ihrem Gesamtverlaufe eine, manchmal von LEinzelkriimmungen begleitete, starke Kriimmung beschreibt, so daf sich das Peritonealblatt wie das Mesenterium einer Darmschlinge verhalt. Dadurch entsteht in unserem Falle das, was ich als fakultative Bursa ovarii bezeichnen méchte. Das Ovarium wird bei den Wiederkaéuern zwar oft in dieser Tasche vorgefunden, doch liegt es auch oft auferhalb, so daf anzunehmen Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 671 ist, daf die Tasche durch die Bewegungen der umliegenden Darme vom Eierstock geschoben werden kann. Wahrend der Ovulation wird durch einen spiater zu erérternden Mechanismus die Tubenmiindung sicher auf dem Ovarium mit Hilfe dieser Tasche fixiert werden. In unserem speziellen Falle bei Portax verlaiuft die Tube stark geschlingelt, aber mit schmaler Mesosalpinx, so daf die Bursa ovarii ziemlich seicht ist und das Ovarium eben straff um- hiillen kann. Wo die Bursa an das Ovarium os herantritt, liegt das sehr ’ oa deutliche, von schwach entwickelten Fimbrien an einem weiten Infundibu- lum umgebene Ostium abdominale tubae. Eine deutliche Fimbria ovarica ist vorhanden. Die Ova- ll rien sind fast kugelige Fig. 14. Schema der Bursa ovarii von Korper, deren gréSter portax pictus. Durchmesser 15 mm _ be- tragt. Beide zeigen zahlreiche Corpora lutea, in dem rechten liegt ein stark gefiillter Follikel an der Oberfliche. Wahrend die Fimbria ovarica am lateralen Pole des Ovariums inseriert, ent- springt das Lig. ovarii am medianen Pol und zieht von da als kurzer Strang zum Uterus. Bei einem halbwiichsigen Weibchen von Camelopardalis giraffa, das dem hiesigen zoologischen Garten entstammt, liegen die Verhaltnisse ahnlich wie bei Portax (Fig. 15). Die Ovarien sind hier auffallend gro’, langer als dort. Ihre Oberfliche zeigt noch keine reifen Follikel. Das Infundibulum ist hier sehr weit, von zahl- reichen zarten, radiaren Falten umstellt; doch kann von eigent- lichen Fimbrien nicht gredet werden, da der Rand nicht einmal gelappt ist. Doch méchte ich es unentschieden lassen, ob es sich hier nicht vielleicht um einen jugendlichen Zustand handelt. Eine der Fimbria ovarica anderer Tiere entsprechende starke Langsfalte zieht zum lateralen Pol des Ovariums. Ibr gegeniiber inseriert auch hier das kurze Lig. ovarii. Die Tube verlaiuft starker ge- schlangelt als bei Portax, und ihr freies Mesenterium ist breiter, daher ist hier die Bursa ovarii auch viel tiefer als bei Portax, so daf sie bequem den ganzen Eierstock umfassen kann. 43 * ee : a ot 672 Ulrich Gerhardt, Ganz ihnlich wie bei der Giraffe sind die Ovarien der Kuh (Fig. 16) von einer offenen, aber ziemlich tiefen Bursa umgeben. Das mir vorliegende Praparat entstammt einer jungen, bereits ge- schlechtsreifen Kuh, wie je ein Corpus luteum auf beiden Ovarien beweist. Die Ovarien stehen auch hier am medianen Pol durch das Lig. ovarii mit dem Uterus, am lateralen durch die Fimbria ovarica mit der Tube in Verbindung. Hier sind namlich an dem weiten, radiair gefalteten Infundibulum deutliche, wenn auch wenig entwickelte Fimbrien zu erkennen. Der Verlauf der geschlangelten Tube ist ahnlich wie bei der Giraffe, auch ist die Mesosalpinx von abnlicher Breite. In der Bursa ovarii findet sich eine ziemlich starke Fetteinlagerung. Fig. 15. Innere Geschlechtsorgane einer weiblichen jungen Giraffe. 3/, d. nat. Gr. Die Geschlechtsorgane des jungen weiblichen Schafes endlich, die mir vorliegen, wiederholen im kleinen fast genau das fiir Portax beschriebene Bild. Auch hier sind die Ovarien fast kugelig, die Tuben sind stark geschlangelt, mit schmalem Mesenterium, die Bursa ovarii ist demgemaf weit und seicht, ganz auffallend kurz ist hier das Lig. ovarii. Von Tylopoden lag mir kein Material vor. Nach einer Abbildung bei Carus und Orro (6) bieten Ovarium und Tube des Lamas aber ein ganz ahnliches Bild wie die der tbrigen Wiederkauer. Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 673 So finden wir denn bei den Wiederkiuern einen sehr ein- heitlichen Typus. Das Mesenterium der Tube, deren Infundibulum, die Basis des Ovariums und das Lig. ovarii umschlieBen die weit 8/, d. nat. ‘Gr. Fig. 16. Innere Genitalien einer K uh. offene Nische, in der das Ovarium an der hinteren Wand des Lig. latum liegt. Es wird also der Ueberschu8 an Peritoneum der Tube dazu benutzt, um das Infundibulum mit seinen Falten und Fimbrien mit dem Ovarium in einen geschiitzten Raum zu bringen. 674 Ulrich Gerhardt, In einem viel héheren Grad der Ausbildung finden wir die- selbe Einrichtung beiem Schwein wieder (Fig. 17, 18). Die langen, darmfoérmigen Uterushérner dieser Tiere setzen sich scharf gegen die Tuben ab. Diese verlaufen erst eine Strecke gerade- aus mit schwachen Kriimmungen, dann aber bilden sie eine weite Schlinge, die ungefihr eine Ellipse beschreibt, so da das Infundi- bulum der Anfangsstelle der Tube stark genihert wird. Zwischen diesen beiden Punkten findet sich ein Spalt, der in das Innere der Bursa fiihrt, und der in der ganzen Breite mit einem Teil der Fimbrien des sehr weiten und sehr stark ge- fransten Infundi- bulums besetzt ist. Durch diesen Spalt kann man das wegen der stark vorspringenden Follikel traubige oder _,, brombeer- formige“ Ovarium hervorziehen. Dies geht im frischen Zustande — sogar ziemlich leicht. Die Tube besitzt im Verlauf ihrer Schlinge ein ganz auferordentlich entwickeltes Mesenterium, das, diinn wie ein Schleier, einen weiten Sack bildet, den das Ovarium noch nicht zur Halfte ausfillt. Klappt man das Innere der Bursa nach aufen, so sieht man, dai fast ein Viertel ihrer Innenflache von dem Infundibulum und den Fimbrien eingenommen wird, so daf wohl jedem Ei, das aus der Bursa in die Bauchhéhle wandern wollte, durch diesen ausgedehnten Apparat der Ausweg griindlich versperrt wird. Bemerkt sei noch, daf das Lig. ovarii hier nicht an der Bildung der Bursa beteiligt ist, da es unmittelbar neben dem ersten geraden Teil der Tube verlauft, der nicht mit zur Bursa- bildung verwandt wird. Am rechten Ovarium finde ich an einer Fimbrie eine lange ‘ bo Fig. 17. Ovarium des Hausschweins in der Bursa. °/, d. nat. Gr. Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 675 gestielte Hydatide entwickelt, ein, wie erwahnt, nicht seltener Befund bei den verschiedensten Tieren. Bei Phacochoerus africanus treffe ich durchaus den- selben Befund an, wie bei Sus. Nur ist hier der Eingang zur Bursa noch enger, und die Oberfliche des Ovariums ist nicht traubig, sondern glatt, seine Gestalt fast kugelig. Auch bei Dicotyles torquatus sind die Eierstécke nicht traubig, sondern kompakt, mit zahlreichen Corpora lutea versehen. Die Bursa, der hier im lateralen Teil wie bei der Kuh viel Fett eingelagert ist, ist wohlentwickelt und nach demselben Ty- pus gebaut wie bei Sus. Zwischen Lig. ovarii und Mesosal- pinx liegt eine tiefe Nische. Die Tuben- schlinge eee Fig. 18. Ovarium des Hausschweins, weit, auch kehrt das Bursa herabgezogen. 3/, d. nat. Gr. Ostium nicht so nahe zum Ausgangspunkt zuriick wie beim Hausschwein, so da hier der Eingang zur Bursa weiter ist. Die Fimbrien sind weniger ‘entwickelt und das Infundibulum weniger weit als bei Sus. Alles in allem zeigen auch die Schweine einen deutlich aus- gepragten Typus, der gewissermafen den der Wiederkauer in gréBerer Vollkommenheit zeigt. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir annehmen, daf diese gréBere Ausbildung der SicherheitsmaB- regeln mit der Tatsache in Zusammenhang steht, daf die Suiden multipare Tiere sind. Von Interesse scheint es mir besonders zu sein, dafi das Hausschwein, das tiber eine fiir seine GréBe ganz auffallende Multiparitét verfiigt, von den 3 untersuchten Species die vollkommensten Vorrichtungen zur Ueberleitung des Eies in die Tube besitzt. Weibliche Geschlechtsorgane von Hippopotamus konnte ich nicht untersuchen, auch finde ich in der Literatur keine An- gaben dariiber. Von Nagetieren lagen mir weibliche Urogenitalsysteme vor von Lepus cuniculus, Sciurus regius, Sc. spec, 676 Ulrich Gerhardt, Mus decumanus, M.musculus, Dasyprocta azarae und Hydrochoerus capybara. Der mit langen Hérnern versehene Uterus des Kaninchens geht mit deutlicher Grenze in 2 sehr lange, ca. 2 mm dicke Tuben iiber, die zuerst eine Strecke weit gerade verlaufen, dann aber einige Windungen beschreiben. Die Tube besitzt nur in ihrer letzten, ganz lateral gelegenen Windung ein Mesenterium mit freim Rande. Hier kommt es zur Bildung einer, wenn auch unyoll- kommenen Bursa, ovarica mit einer richtigen Tubenschlinge. Der Zugang zu dieser Bursa ist weit offen, da die Tubenschlinge nur einen Halbkreis beschreibt. Auferordentlich stark entwickelt ist der Fimbrienbesatz des Infundibulum tubae, das sehr weit und imstande ist, die ganze Oberfliche des sehr schmalen, ‘cylindri- schen Ovariums zu umfassen. Die Fimbrien zeichnen sich durch Blutreichtum aus. Die auSerordentliche Fruchtbarkeit des Kaninchens scheint also weniger durch Beihilfe des Peritoneums als vielmehr durch die Tatigkeit des Infundibulum tubae selbst garantiert zu werden. Kurze Beschreibungen der Tubenmiindungen des Kaninchens finden sich bei Krause (21), BEppARD (2), MARSHALL und Hurst (29). Von Sciuriden liegen mir 2 Urogenitalsysteme vor. Bei Sciurus regius finde ich die Tube beiderseits scharf vom Ute- rushorn abgesetzt. Sie lauft in auSerordentlich starken Schlange- lungen, ohne jedoch in ihrem Gesamtverlauf eine mehr als halbkreisférmige Tubenschlinge zu bilden. Auf diese Art kommt eine ziemlich tiefe, aber weit offen stehende Bursa ovarica zu stande. Die Eierstécke lagen bei der Sektion vollstindig frei, die Bursa lakt sich aber mit Leichtigkeit dariiber ziehen. Die Fimbrien, die am lateralen Pol des Eierstockes liegen, sind wenig entwickelt, das Infundibulum ist eng. Die Ovarien selbst sind sehr regelmabig ovale, glatte Kérper von 4 mm Lange. Das Lig. ovarii ist sehr kurz. Auferdem hatte ich noch ein, allerdings stark ladiertes, weib- liches Urogenitalsystem von Sciurus spec. in Handen. Hier war die linke Tube aufgewickelt, so daf ihre ganze autffallende Lange sichtbar war, die das Doppelte jedes Uterushornes betragt. Auf der rechten Seite des Praéparates vermag ich noch zu erkennen, daf die Tube, reichlich geschlingelt, ebenso wie bei Sc. regius das Ovarium halbkreisférmig unter Bildung einer offenen Bursa umzieht. Unter den Caviaden treffen wir bei Dasyprocta azarae eine deutliche, aber weit offene Bursa ovarii an. Der Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 677 Uterus besitzt 2 lange, streichholzdicke Horner, die ohne scharf ausgeprigte Grenze in einen noch gestreckten, aber schon be- deutend verjiingten Teil iibergehen, der in einer Lange von ca. lcm dem Lig., ovarii parallel verliuft. Kurz bevor dieses Band am medialen, gleichzeitig kaudal gelegenen Pol des Kier- stockes inseriert, beginnt die eigentliche, starker geschlangelte Tube, die unter Bildung einer nicht ganz halbkreisfoérmigen Tubenschlinge das Ovarium umfaft. Dieses ist elliptisch, flach, die Oberflache laft beiderseits eine groBe Anzahl von durchscheinenden Follikeln erkennen, das Infundibulum ist nicht sehr weit, mit kurzen, aber deutlichen und zahlreichen Fimbrien besetzt. So hat das Aguti eine Bursa, die etwas besser entwickelt ist als die des Kaninchens; dagegen ist der Fimbrienapparat wieder beim Kaninchen starker ausgebildet. Bei Hydrochoerus capybara (Fig. 19) liegen die Verhaltnisse wieder anders. Die beiden Uterushérner von eae2" (5 vem bo Durchmesser verjiingen sich allmahlich bis zum Ursprung der Tube, dic hier scharfab- jx gesetzt ist. Be- ty merkenswert ist, daf im Lig. 2 type latum lings \ HGP —— as es Fig. 19. Bursae ovarica von Hydrochoerus ca- Uterushoérner pybara. Nat. Gr. auffallend deutliche Reste der Urniere zu finden sind in Form von pa- rallelen, zum Teil geschlangelten Giangen. Die Tube verlauft zunichst ungefaihr parallel zu dem ziemlich langen Lig. ovarii, dann beginnt sie sich stark zu schlangeln und eine im ganzen zur Liingsachse des Ovariums quere Richtung ein- zuschlagen. So durchzieht sie, auferordentlich stark gewunden, die sehr entwickelte, weite Bursa ovarii, die das Ovarium bis auf einen frei bleibenden schmalen Streifen vollstindig umhiillt. Der Spalt in der Bursa, durch den dieser Streif zu erblicken ist, ver- lauft tiber die ganze Linge des Ovariums und wird von den Fimbrien des Ostium abdominale tubae begrenzt, das wegen des 678 Ulrich Gerhardt, zum QOvarium senkrechten Verlaufs der Tube zur Langsachse des Kierstockes parallel stehen muss. Es gelingt nicht, die Ge- samtoberfliche des Ovariums ohne Verletzung des Peritoneums zu entbléfen, die Bursa la8t sich vielmehr nur ein Stiick in die Héhe ziehen. Die Ovarialoberfliche lift zahlreiche Follikel durchscheinen. Der Eierstock selbst ist elliptisch, abgeplattet, 2 cm lang. Die Fimbrien der Tube sind hier sehr viel kiirzer und schwiacher ent- wickelt als beim Kaninchen, dagegen erreicht die Bursa ovarica hier bereits einen hohen Grad der Ausbildung. In einem viel héheren Grade ist dies der Fall bei den Muriden. Die Uterushérner von Mus musculus (Fig. 20) verlaufen bis an ihr laterales Ende fast in gleicher Dicke, um , dann unvermittelt in die diinne Tube tiberzugehen, die von Anfang an stark geknauelt verlauft. Die Windungen dieses Knéauels liegen in der Wand der Bursa ovarii, lateralwarts vom Uterus und un- mittelbar median vom Ovarium. Die laterale und hintere Wand der Bursa ovarii zeigt starke Fetteinlagerung. Prapariert man die Bursa ab, so findet man ein im ganzen fast kugeliges Ovarium, dessen Oberfliche aber durch viele vorspringende Follikel und Corpora lutea uneben erscheint. Die Fimbrien liegen in der Ovarialkapsel. Den Raum innerhalb der Bursa bezeichnet Soporra (34) als Periovarialraum. Dieser Raum kommuniziert durch keinerlei Oeffnung mit der Bauchhohle. Denselben Befund treffe ich auch bei Mus decumanus ap, nur im vergréferten MaSstabe. Auch zeigt die Ovarialkapsel an dem mir vorliegenden Praparat weniger Fetteinlagerungen als bei M. musculus, so da’ sich der Verlauf der Tube in der Wand der Bursa deutlicher verfolgen lat. Es zeigt sich, daf die Tube nach der Bildung des median vom Eierstock gelegenen Knauels noch eine grofe Schlinge um das Ovarium herum bildet, deren Gesamt- verlauf von vielen einzelnen Biegungen begleitet ist. Die Bursa umgibt den Eierstock ziemlich eng, die Serosa, aus der sie gebildet wird, ist sehr diinn, schleierartig durchsichtig, dabei aber am kon- servierten Praiparat sehr zihe, so da8 man leichte Gewalt anwenden muf, um sie zu zerreifen. Fig. 20. Bursa ovarica von Mus musculus. 5mal vergr. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 679 So haben wir unter den Nagetieren beim Kaninchen das eine Extrem kennen gelernt, mangelhafte Ausbildung der Bursa zu Gunsten des Infundibulums mit den Fimbrien. Bei den Muriden sehen wir das andere Extrem verwirklicht, eine vollkommen von der Bauchhéhle abgekapselte Bursa, die einen grofen Fimbrien- apparat tiberfliissig macht. Stets aber haben wir bei den unter- suchten Nagern eine, wenn auch noch so schwach ausgebildete, Bursa ovarica, so dafi eine gewisse Einheitlichkeit des Typus. trotz aller Verschiedenheiten im einzelnen, festgestellt werden darf. Von Interesse ist es noch, da& bei dem duplicidentaten Kaninchen die gréf8te Abweichung vom Gesamttypus vorkommt. Ich méchte noch darauf hinweisen, daf auf der Abbildung, die Carus und OTro (6) vom Geschlechtsapparat der weiblichen Wanderratte geben, die Bursa ovarii nicht zu erkennen ist. Die geschlossene Ovarialtasche der Ratte erwihnt dagegen BeppARD (2). Sehr interessante Befunde sind bei den Carnivoren anzu- treffen. Das Material, das mir von diesen Tieren vorlag, war relativ reichlich. Ich konnte die weiblichen Geschlechtsorgane untersuchen von: Viverridae Paradoxurus javanicus Herpestes griseus hermaphroditus Viverra genetta Felidae Felis leo juv. et adult. Felis catus ferus juv. catus domesticus Hyaenidae ” ” Hyaena crocuta Canidae Canis familiaris Canis azarae _. lupus Ursidae Ursus isabellinus Ursus malayanus iuv. Procyonidae Procyon cancrivorus Nasua socialis Mustelidae Mephitis zorilla Putorius putorius Mustela erminea Lutra vulgaris. Bei Paradoxurus hermaphroditus gehen die langen diinnen Uterushérner allmahlich in die schwach geschlangelte Tube iiber, die in der Gesamtrichtung aber einen ziemlich ge- streckten Verlauf besitzt. Am lateralen Tubenende bildet die 680 Ulrich Gerhardt, Mesosalpinx eine kleine flache Tasche, die den lateralen Pol des Ovariums bedeckt. Hier liegt das mafig weite, von wenig aus- gebildeten Fimbrien umstellte Infundibulum tubae. Die Ovarien sind glatt, '/. cm lang, dreikantig abgeplattet, ihre Oberfliche lift vielfach die Kifollikel durchschimmern. Wir haben also sehr einfache Verhiltnisse, die einfachsten, die ich bei Carnivoren tiber- haupt angetroffen habe. Bei einer anderen Art derselben Gattung, bei Paradoxurus javanicus (Fig. 21), zeigt der Tuben- Ovarienapparat einen weniger einfachen Bau. Zunachst fallt auf, ot dafi die Ovarien hier nicht glatt sind, sondern eine gelappte Ober- DD, °° fliche besitzen, ahnlich der Ceta- ¥ ceenniere mit ihren Renculis. Die Ovarien sind auferdem viel starker abgeplattet als bei P. hermaphro- ditus. Sie sind 23 mm lang und 9 cm breit. Die Uterushérner sind 31/, cm lang und gehen mit deut- lich erkennbarer Grenze in die Tuben iiber. Diese verlaufen 21/, ; ? : cm weit gestreckt ohne jede Kriim- Fig. 21. Bursa ovarica von . Paradox utneved dete nan Seuss bis zur Abgangsstelle des Nat Gr Lig. ovarii. Von da ab umziehen sie in einer etwas mehr als halb- kreisformigen Schlinge des Ovarium unter Bildung einer deutlichen, weiten, seichten Bursa, die den ganzen Kierstock mit Leichtigkeit aufnehmen kann. Das Infundibulum tubae, das in dieser Tasche gelegen ist, ist weiter und zeigt deutlichere Fimbrien als bei P. hermaphroditus. Viverra genetta besitzt nur ein ganz kurzes, 2 mm langes Ligamentum ovarii, und demgemif beginnt die Bildung der Tuben- schlinge, die in einer weiten flachen Bursa das Ovarium umzieht, dicht am Uterus. Der Eierstock selbst ist fast kugelig und zeigt beiderseits auf der Oberflaiche zahlreiche Follikel und einige Corpora lutea. Bei Herpestes griseus, dessen Genitalapparat in seiner Gesamtanordnung an den von Paradoxurus erinnert, ist ein weiteres Stadium der Bursabildung erreicht. Das Lig. ovarii und der gestreckt verlaufende Teil der Tube sind hier kiirzer als bei der vorigen Art, ihre Linge betragt nur ca. !/,, von der der Uterushérner. Dagegen ist die Tubenschlinge au8erordentlich Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 681 deutlich ausgeprigt, und dementsprechend die Bursa ovarica sehr gut entwickelt und geriiumig, besonders im Verhaltnis zu dem sehr kleinen, stumpf-ovalen Ovarium, dessen Oberfliiche glatt ist und durchscheinende Follikel erkennen laBt. Sehr viel héher ausgebildet ist die Bursa ovarica von Her- pestes fasciatus. Hier setzt sich die Tube von Anfang an scharf von den diinnen, langen Uterushérnern ab, um unter Bildung einer ungefaihr elliptischen Tubenschlinge das Ovarium zu um- ziehen und um mit ihrem Infundibulum beinahe wieder an ibren Ausgangspunkt zurtickzukehren. An dieser Stelle, dicht neben dem 5mm langen Lig. ovarii liegt der, ebenfalls 5 mm lange, 3 mm breite Schlitz, der in das Innere der sehr entwickelten, diinnhautigen, das Ovarium eng umfassenden Bursa ovarii fiihrt. An dieser Spaltéfinung lassen sich deutliche Fimbrien erkennen. Von der glatten Oberfliche des Ovariums vermag man nur einen kleinen Streif zu erblicken. So zeigen die Viverriden einen einheitlichen Typus mit der Tendenz zur Bildung einer Bursa ovarica. Am _ wenigsten ausgebildet ist sie da, wo die Tube zum groften Teil gestreckt verlauft. Ein je gré8erer Teil von ihr diesen gestreckten Verlauf aufgibt und sich an der Bildung der Tubenschlinge beteiligt, desto vollkommener ist die Bursa ausgebildet. Den héchsten Grad der Entwickelung erreicht sie bei Herpestes fasciatus, wahrend die iibrigen untersuchten Formen es nicht tiber eine Bursa mit weiter Oeffnung hinaus bringen. Die Feliden, die wir nun betrachten wollen, schliefen sich im Bau ihrer Bursa ovarii den Viverriden an. Die 3 von mir untersuchten Arten, Léwin, Wild- und Hauskatze, zeigen im wesentlichen einen tibereinstimmenden Bau, so da das jetzt zu sagende fiir alle drei gilt: Die Uterushérner der L6win sind Schliuche von 2 cm Durch- messer, die in gleicher Dicke bis zur deutlich ausgepragten Tuben- grenze verlaufen. Etwas vor dem Abgange der Tube geht das nur 2 cm lange, aber sehr starke Lig. ovarii zum Eierstock hin und inseriert an dessen medianem Pol. Etwas dorsal vom ent- gegengesetzten Pol zieht, wohl als eine Fortsetzung des Lig. ovarii, das Lig. suspensorium kopfwarts bis in die Nierengegend. Die Ovarien selbst sind derbe, walnuSgroBe Gebilde, deren Oberflache durch Follikel und Narben uneben ist. Das rechte Ovar zeigt zwei, das linke ein Corpus luteum (die Léwin ist trachtig gestorben). Das Ovarium ist durch die beiden erwahnten Bander fest mit dem 682 Ulrich Gerhardt, Lig. latum verbunden. Unmittelbar neben der Abgangsstelle des Lig. suspensorium reichen die Fimbrien des Infundibulum tubae bis dicht an das Ovarium heran, ohne jedoch mit ihm in direkte Beriihrung zu treten, so daf man nicht von einer eigentlichen Fimbria ovarica reden kann. Das Infundibulum ist sehr weit und reicht bis zum Ende des Uterushornes. Die gréSte Entfernung zwischen 2 Fimbrien betragt 4cm. Diese Entfernung entspricht auBer- dem der Linge der Oeffnung in der Wand der Bursa ovarii. Die Tube selbst verlauft innerhalb der Bursa und beschreibt ungefahr einen Halbkreis. Die gegenseitige Lage der einzelnen Teile des gesamten Apparates soll die nebenstehende Figur erlaiutern (Fig. 22). Die Bursa selbst ist, wie erwahnt, weit offen, aber bequem im- stande, das Ovarium aufzunehmen, das dann vollstindig von den Fimbrien des weiten Tubentrichters bedeckt wird. 4 a pS & £ be Mil), Zaz \ NP GQpee LSS Fig. 22. Ovarium der Léwin. Nat. Gr. Bei einem jungen Exemplar von Felis leo finde ich dieselben Verhaltnisse, nur ist das Ovarium, wie ja iiberhaupt bei jungen Tieren, gréf8er im Verhaltnis zur Bursa, auBerdem bildet es ein: gestreckteres Oval als beim erwachsenen Tiere. Eine noch mehr gestreckte, fast spindelférmige Gestalt des Kierstockes finde ich bei einer halbwiichsigen europaischen W ild- katze; bei einer erwachsenen Hauskatze ist das Ovarium auch bedeutend gestreckter als bei der Léwin, doch nicht so sehr wie bei der jungen Wildkatze. Hierbei mégen aber die Alters- unterschiede beider Tiere sehr in Betracht kommen, so daf ich Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 683 daraus auf keinen Artcharakter schlieBen méchte. Die beiden ge- nannten kleinen Katzenarten teilen die offene Bursa sowie die starke Entwickelung des Infundibulums und seiner Fimbrien mit der Léwin So zeigt die Bursa ovarii der Feliden zwar keine wesentliche Weiterentwickelung gegentiber der der zuletzt erwahnten Viverriden ; in der Ausbildung des Fimbrienapparates haben die Katzen jedoch eine héhere Stufe erreicht. Einen anderen Befund bietet die wohlentwickelte Bursa ovarica der gefleckten Hyaine (Hyaena crocuta), (Fig. 23). Die Uterushérner dieses Tieres sind lange, etwas gewundene Schlauche, die mit deutlich aus- gepragter Grenze von der Tube _ abgesetzt sind. Kurz bevor der Uterus endigt, geht an seiner medianen Seite das gerade verlaufende, 3 cm lange Lig. ovarii ab. Vom _ vorderen Ende des Lig. ovarii zum Uterus zieht halb- kreisformig der Rand des Infundibulum tubae mit seinen Fimbrien, unter ihm liegt der schmale, spaltformige Hingang ~ ee eae Fig. 23. Bursa ovarica von Hyanea cro- ovarii, aus der sich ogyta Nat. Gr. hier das Ovarium nicht mehr hervorstiilpen la’t. Die Tube bildet eine richtige Tuben- schlinge, deren Endpunkt etwa 1 cm vom Ausgangspunkte entfernt liegt. Die Bursa ist sehr geriumig, 5 cm lang, ihre Wand ist sehr stark mit Fett durchsetzt. An dem lateralen, oralen Pol des Ovariums setzt sich wie bei Felis ein langes, starkes Lig. suspensorium an. Der Spalt der Bursa wird gebildet durch eine mit schwachen Fimbrien besetzte Randpartie des Infundibulums. Klappt man den Trichter, soweit méglich, auf, so sieht man einen auBerordentlich entwickelten Apparat von Leisten, Falten und Frausen. Im Grunde der Bursa sieht man das dicke kleine, fast kugelige Ovarium liegen, dessen glatte Oberfliche reife Foltikel und Narben yon geplatzten zeigt. 684 Ulrich Gerhardt, So finden wir bei der Hyane einen sehr vollkommenen Apparat zur gesicherten Leitung des Eies, eine weite, bis auf einen Spalt geschlossene, nicht fakultative Bursa, und einen diesen Spalt bewachenden, sehr stark ausgebildeten Fimbrienapparat. Noch einen Schritt weiter fiihren uns die Caniden. Wolf, Hund und brasilianischer Blaffuchs verhalten sich in allen wich- tigen Punkten vollkommen gleich, so daf ich den Befund bei der W6lfin als eine fir alle drei Species giiltige Schilderung geben kann. Der Hauptunterschied der Hyaéne gegeniiber liegt darin, daf' die Tubenschlinge vollstandiger, die Bursa noch _ voll- kommener geschlossen und ein gréferer Teil des Infundibulums in die Bursa miteinbezogen ist. Das Ligamentum ovarii des Wolfes (Fig. 24—-26) ist sehr wenig entwickelt, héchstens '!/, cm lang. Es entspringt am late- ralen Rande des Uterushornes ganz an dessen Ende. Ihm gegen- iiber, am medianen Rande, geht die Tube ‘ab, die hier eine fast vollstandige Ellipse beschreibt, so daf das Infundibulum tubae vom Ostium uterinum kaum 1/, cm entfernt ist. In dieser sehr voll- kommenen Schlinge liegt nun das mafig grofe, ovale Ovarium, das von aufen iiberhaupt nicht zu sehen ist, sondern erst durch Spaltung der Wand der Bursa sichtbar gemacht werden mu. Betrachtet man die unverletzte Bursa von der Riickseite, so sieht man eine ovale, 41/, cm lange Kapsel (das Ovarium ist nur 2 cm lang), die ringsum stark mit Fett durchsetzt ist, aber in der Mitte ein durchsichtiges Feld zeigt, durch das das Ovarium deutlich hin- durchscheint. Dreht man das Praparat um (Fig. 25), so sieht man auf der Vorderseite die Bursa ganz mit Fetteinlagerungen durch- setzt so daB hier der Eierstock nicht durchscheint. An der Stelle, wo das Ovarium durch das kurze Lig. ovarii mit dem Uterus in Verbindung steht, liegt unmittelbar median von dem Ansatze des Lig. suspensorium ein ganz enger, 5 mm langer Spalt, dessen medianer Rand einige Fimbrien erkennen lat. Dies ist der Ein- gang zur Bursa ovarii, der einzige Ort, an dem sie mit der Bauch- héhle kommuniziert. Die Tube ]aBt sich in der fetthaltigen Kapsel- wand yon aufSen nicht ganz verfolgen, man muf sie durch Pra- paration freilegen, um ihren Verlauf in Form einer Ellipse zu er- kennen (Fig. 26). Das Infundibulum tubae ist schwach entwickelt, eine starke Ausbildung der Fimbrien erscheint auch bei einer so hohen Entwickelungsstufe der Bursa iiberfliissig. Den Bau des Hundeeierstockes hat VALLISNERI (36) zuerst beschrieben. Auf seine biologischen Beobachtungen tiber die Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 685 Verinderungen der Ovarialkapsel waihrend der Brunst werden wir weiter unten einzugehen haben. Sas ‘VS SSD) Sea 7 \) " de) “OK Wi. Se Ni ie Ky VA \ Fig. 25. Fig. 24 u. 25. Bursa ovarica der W6lfin von der Vorder- und Riickseite gesehen. %/, d. nat. Gr. p Peritoneum. 4 . \ \ Fig. 26. Tube der WO6lfin, freiprapariert. */, d. nat. Gr. Ba, XXXIX, N. F, XXXII. 44 686 Ulrich Gerhardt, Noch weiter gediehen ist der Abschluf8 der Bursa bei den Ursiden. Bei Ursus isabellinus endigt der Uterus wie bei den Caniden plétzlich, und die Tube beginnt sofort eine fast voll- kommen kreisférmige Schlinge zu bilden, so daf ihr Ausgangspunkt unmittelbar neben die Fimbrien zu liegen kommt. Im einzelnen verlauft sie mit kleinen Schlingelungen ahnlich der Tube des Pferdes. Die Bursa ovaricaist vollstandig geschlossen, ihre Wand ist auch hier, wie bei den Caniden, stark fetthaltig, besonders die vordere, ventrale Flache. An der Stelle, wo bei den Caniden der Spalt in die Bursa fihrt, hangen einige fest in die Wand der Kapsel eingemauerte Fimbrien hervor, in deren Um- gebung kein Spalt zu finden ist. Doch gelingt es, zu zeigen, dab zwischen den Fimbrien selbst ein enger Kanal in das Lumen der Bursa fihrt, also ein verlagertes Stiick von Hohlraum des In- fundibulum tubae. Bei einem jungen Exemplar von Ursus malayanus (Fig. 27) jedoch ist dieses Loch gréfer, etwa kreisrund, sein Durchmesser betragt etwa 11/, mm. Bei diesem Tiere ist die gesamte Konfiguration der Bursa ebenso wie bei Canis und Ursus isabel- linus: Die Tube verlauft kreisf6rmig mit kleinen Schlangelungen, nur sind hier die Ovarien sehr dick, fast kugelig und fiillen das Lumen der Fig. 27. Bursa ovarica von Ursus ma- Bursa fast ; BNE Die layanus inv. Nat. Gr. Kommunikation mit dem Innern der Kapsel wird auch hier durch einen Teil des Infundibulums hergestellt. Driickt man auf die Bursa, so treten Luftblasen aus dem Loch aus und erweitern es, und man sieht dann deutlich, daf es ringsum von Fimbrien umgeben ist. So ist hier bei den Ursiden an Stelle des Kapselspaltes der Hunde ein minimales rundes Loch tbrig geblieben, das vielleicht dazu dienen kénnte, den Austausch seréser Fliissigkeit zwischen dem Periovarialraum und der Bauchhohle zu vermitteln. Die Procyoniden dhneln im Bau ihrer Bursa aufer- ordentlich den eigentlichen Ursiden. Hier ist der Teil des In- Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 687 fundibulum tubae, der von auSen an der Bursa ovarii sichtbar ist, noch kleiner als bei Ursus. Bei Procyon cancrivorus liegt das Ovarium auf einem ununterbrochenen dicken Band im Peritoneum, dem Lig. ovarii, das 2 cm vor dem Ende jedes Uterushornes entspringt und sich kopfwirts vom EKierstock als Lig. suspensorium bis zur Niere fort- setzt. Zwischen Uterus, Ovarium und Lig. ovarii liegt nun die kleine Stelle, an der einige Fimbrien sichtbar sind. Dies ist aber an dem mir vorliegenden Praparat nur am linken Ovarium der Fall, wahrend rechts an der gleichen Stelle nur ein schmaler, leicht gekriimmter Spalt, ahnlich bei Canis, aber kleiner, zu finden ist, der in den Hohlraum der Bursa hineinfiihrt. Auf der linken Seite ist der Spalt gréStenteils durch den Fimbrienzipfel ausgefiillt. Ich mu es unentschieden lassen, ob wir in diesem unsymmetrischen Verhalten einen normalen oder auSergewéhnlichen Fall zu _ er- blicken haben. Bei Eréffnung der Bursa findet man das glatte, ovale Ovarium von 7 mm Lange darin, das den engen Raum der Kapsel vollstandig ausfiillt. In der Kapselwand verlauft, wie bei Ursus, die Tube leicht geschlaingelt und eine sehr ausgeprigte Tubenschlinge bildend. Die Uterushérner von Nasua socialis verlaufen leicht geschlangelt. Ihre Lange betrigt 4 cm, die Dicke 4 mm. Un- mittelbar vor der Bursa ovarii enden die Uterushérner, und wie bei Procyon findet sich hier zwischen Uterus, Lig. ovarii und Hierstock ein enger Spalt, der einige Fimbrien sichtbar werden laBt. Auch hier existiert eine Kommunikation mit dem Innen- raum der Bursa. Diese ist wie bei Procyon eng, umschlieSt den Kierstock dicht und Jaft in inrer Wand deutlich den Verlauf der Tubenschlinge mit den vielen kleinen einzelnen Biegungen er- kennen. Auch hier finde ich eine geringe Asymmetrie: Auf der rechten Seite ist der aus dem Spalt der Bursa hervorschauende Teil der Fimbrie gréfer als auf der linken. Das Lig. ovarii, das sich auch hier als starkes Lig. suspensorium kopfwarts zu den Nieren fortsetzt, verlauft schon von der Teilungsstelle des Uterus ab, lateral von den Hérnern, ihnen parallel und dicht anliegend. Ich méchte hier noch bemerken, daf iiber die Bursa ovarii des Kinkayous, Cercoleptes caudivolvulus, zwei ver- schiedene Angaben existieren; wahrend Carus und Oro (6) die Bursa als mit einer Oeffnung versehen schildern und abbilden, gibt Bepparp (2) an, die Bursa dieses Tieres sei vollstaindig von der Bauchhéhle abgeschlossen; mir selbst lag kein Material von 44 * 688 Ulrich Gerhardt, diesem Siuger vor, so da ich nicht imstande bin, zu entscheiden, welche Meinung richtig ist. So zeigen die Procyoniden und Ursiden einen im wesent- lichen gleichen, sehr einheitlichen Typus. Nur in der Groéfe des Spaltes in der Wand der Bursa treten bei den verschiedenen Arten Verschiedenheiten in der Ausbildung auf. Den héchsten Grad der Entwickelung unter Raubtieren hat die Bursa ovarii endlich bei den Mardern erreicht. Hier kommt es namlich wie bei manchen Insectivoren und Nagern, zu einem vollstandigen Abschlu8 der Bursa von der Bauch- hohle. Auf die geschlossene Bursa der Musteliden hat zuerst E. 8. Weer (38) hingewiesen. Gleichzeitig hat er aber auch eine lange Zeit verbreitete falsche Auffassung in die Literatur ein- gefiihrt, naimlich da8 die Bursa ovarica dieser Tiere der Tunica vaginalis testis entspreche. Bei Mustela erminea (Fig. 28) sind die Uterushérner nicht ganz streichholzdick (Durchmesser nicht ganz 2 mm). Ihre Lange betragt 21/, cm. Sie gehen plotzlich in die diinne Tube itiber, die den Eierstock eng umkreist, eine sehr enge Ellipse beschreibt und mit dem Ostium, das hier nicht »abdominale“ genannt werden kann, zu ihrem Ausgangspunkt zurtick- kehrt. Die Bursa ist auf ihrer Vorderseite von ganz diinnem, fettlosem, schleierartigem Peritoneum gebildet, durch das man die Follikel an der Oberflache des Eicrstockes hindurchsehen kann. Auf der Riickseite findet man das Lig. ovarii schwach, das Lig. suspensorium stark ausgebildet. Die Bursa ist ringsum liickenlos geschlossen, auch an der Stelle, wo sich bei Caniden und Ursiden ein Spalt findet. So ist also hier das Ostium tubae mitsamt seinen Fimbrien véllig in den Hohlraum der Bursa auf- genommen, und es ist, wie bei Mus und Sorex, ein richtiger Periovarialraum gebildet und somit die héchste médgliche Stufe der Sicherheit fiir die Beférderung des Eies erreicht. Die Ovarien von Putorius putorius sind, abgesehen von Fig. 28. Bursa ovarica von Mustela erminea. Doppelte nat. Gr, Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 689 ihrer bedeutenden Gréfe, denen von Mustela ganz gleich gebaut. Als einzigen Unterschied wiifte ich nur anzugeben, daf die Ovarial- kapsel beim IlItis starkere Fetteinlagerungen zeigt als beim Hermelin. Daf in der Tat keine Kommunikation zwischen Periovarialraum und Bauchhéhle besteht, kann man leicht durch Druck auf die Bursa feststellen, wenn man das Priparat aus dem Alkohol her- ausgenommen hat. Auch sehr kleine Oeffnungen wie bei Ursus und Procyon geben sich dann dadurch zu erkennen, dai Luftblasen aus ihnen austreten. Bei den Musteliden ist das jedoch nicht der Fall. Auch bei den beiden noch untersuchten Formen, Lutra vulgaris und Mephitis zorilla, treffe ich denselben Befund an den Ovarien an, wie bei Mustela. Fig. 29. Schema der Bursa ovarica von Carnivoren. a Viverra, b Felis, ce Hyaena, d Canis, e Ursus, f Mustela. So zeigt uns die Ordnung der Carnivoren in auferst lehr- reicher Weise die schrittweise Ausbildung der Bursa ovarii von einer offenen weiten Spalte bis zum ringsum geschlossenen Sack. Kin Schema (Fig. 29) mége diese Stufenleiter erlautern. Die Bezeich- nung ist in aJlen Figuren dieselbe: wé/ = Uterus, lo = Lig. ovarii, ov = Ovarium, /s = Lig. suspensorium, ¢ = Tube, f = Fimbrie. Der Bezirk der Bursa ist durch Schraffierung angedeutet, die punktierte Linie bedeutet den Umrif des Ovariums. 690 Ulrich Gerhardt, Nach den Angaben von E. H. Weser (38) und M. WEBER (39) besitzen auch die Pinnipedier eine véllig geschlossene Bursa ovarii. Ich selbst konnte kein Material von diesen Tieren untersuchen. Die Tatsache, daf die land- und wasserbewohnenden Carnivoren beide die gleiche Einrichtung besitzen, ware ein weiterer Beweis fiir ihre Verwandtschaft. Kigenartige Verhaltnisse treffen wir bei den Denticeten und Mysticeten an. Von Denticeten liegt mir ein weibliches Urogenitalsystem von Phocaena communis vor, von Mysticeten stand mir kein Material zur Verfiigung. Die 5 cm langen Uterushérner von Phocaena enden an der Ursprungsstelle des kurzen, dicken Lig. ovarii und gehen in die kurze, geschlingelte, 3 mm dicke Tube liber, die mit einem Infundibulum von 3 cm Durchmesser endigt. Der Rand dieses Trichters ist nicht mit Fimbrien besetzt, so daf die Tubenmiindung an die der Monotremen erinnert. Die Ovarien selbst finde ich auf beiden Seiten von ungleicher GréSe, rechts 1,5, links 2 cm lang. Sie sind lang, fast cylindrisch, ihre Ober- fliche ist glatt. Zwischen Tube und Ovarium liegt eine schmale Langsnische. Das ist die Stelle, die der Bursa ovarii entspricht. Hier, bei Phocaena, kann von einer Bursa keine Rede sein. Das Innere des Tubentrichters ist mit netzformigen Falten und Leisten versehen, ahnlich wie ich es oben p. 672 fiir die junge Giraffe beschrieben habe. Sie bilden offenbar den Ersatz fiir die fehlenden Fimbrien, wahrend der Mangel einer Bursa wohl durch die aufer- ordentliche Ausbildung des Infundibulums ausgeglichen werden diirfte. Ich méchte noch bemerken, daf ich eine Schilderung der Tubenmiindung von Phocaena bei Rapp (30) volikommen bestitigen kann, nur erreicht bei meinem Exemplar das Infundibulum nicht den Durchmesser wie bei dem von Rapp beschriebenen (iber 2 Zoll). Wahrscheinlich handelte es sich um Tiere verschiedener Altersstufen. Noch viel auffallender ist nach M. Weper (39) der Umfan des Tubenostiums bei Hy peroodon rostratus: ,,Der Ovidukt hat einen geschlingelten Verlauf und nimmt dabei allmahlich an Weite zu; er liegt eingebettet in dem diinnhautigen, sehr weiten Lig. latum. Seine Weite nimmt allmahlich so sehr zu, daf sein abdominales Ende die Gestalt eines Trompetenendes hat. Die sTuba‘, die hier mit Recht ihren Namen tragt, endigt hier namlich mit einem Ostium, das nicht weniger als 72 cm Umfang hat. Die Rinder desselben sind glatt, wellenférmig, tber die Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 691 Innenfliche dagegen laufen feine Falten weg, auch ist sie von feinen Flocken bedeckt.“ Bei Hyperoodon und bei Balaenoptera fand WEBER eine Rinne, die von den beiden konvergierenden Rindern gebildet wurde und zum lateralen Rande des Ovariums zog. Diese Rinne besitzt dreieckigen Querschnitt, in ihrer 'Tiefe verlauft eine feine Furche. WeBrER fand ebensowenig wie ich eine Hierstockstasche. Er bemerkt, man kénne die ,Austiefung des hinteren Blattes des Lig. latum“ bei Walen der des Menschen vergleichen, ,,sie gleicht aber nicht dem Eierstockszelt der Kuh, noch viel weniger der Eierstockskapsel des Schweines“. GEGENBAUR (11) sieht in dem Fehlen der Eierstockstasche der Cetaceen einen primitiven Charakter. Jedenfalls kommen soleche Verhaltnisse wie bei den Walen nur noch bei Monotremen vor, namlich ein glatter, fimbrienloser Rand des Infundibulums und cine auferordentliche Weite des abdominalen Ostiums, das den Eierstock bequem umfassen kann. Die Prosimier und Primaten zeigen keine starke Tendenz zur Bildung einer Hille des Eierstockes. Von Prosimiern liegen mir nur 2 Praparate vor, ein altes Injektionspraparat der weiblichen Genitalien von Lemur mon- goz aus der alten anatomischen Breslauer Sammlung und ein frisches Urogenitalsystem von Lemur varius. Der Uterus von Lemur mongoz ist zweihérnig, die Hérner sind kurz und dick (2cm lang und 4/, cm dick). Sie sind scharf abgesetzt von der geschlangelten 2mm dicken Tube. Vom lateralen Rande der Uterushérner zieht an deren Ende das nur 3 mm lange Lig. ovarii zum Eierstock. Das Ovarium ist flach- gedriickt-eiférmig, es ist nur an einer schmalen kurzen Stelle in der Nahe seines lateralen Poles am Lig. latum befestigt, sonst liegt es ganz frei. Das Mesenterium der Tube bildet am lateralen Pol des Ovariums eine kleine kapuzenartige Tasche, die Andeutung einer Bursa ovarii, die indessen nur einen sehr kleinen Teil des Ovariums zu bedecken vermag. Das Lig. suspensorium ovarii ist stark entwickelt und mit Fetteinlagerung versehen. Bei Lemur varius (Fig. 30) besitzt der Uterus zwei kurze dicke Hérner, die plétzlich kuppelf6rmig enden und kurz vor ihrem Ende das kraftige, ziemlich lange Lig. ovarii zum Eierstock entsenden. Dieser ist maulbeerférmig, da die Oberflache von zahlreichen vorspringenden Follikeln tiberragt wird. Die Lange der Ovarien betragt 7mm. Die Tube verlauft unter Bildung einer 692 Ulrich Gerhardt, annihernd halbkreisférmigen Tubenschlinge mit zahlreichen kleinen Schlingelungen und endet mit einem weiten, nur mit schwachen Fimbrien versehenen Infundibulum, das auf seiner Innenfliche zahlreiche Leisten und Falten trigt. Das Mesenterium der Tube bildet eine deutliche, weit offene Bursa ovarii, die imstande ist, den ganzen Eierstock zu umhiillen, und dies in situ auch wirklich tut. Der Spalt der Bursa wird hier nur zum kleinen Teil vom Infundibulum begrenzt, zum gréBeren vom Mesenterium der Tube. Wir haben also hier eine deutliche Bursa, die etwa auf der gleichen Hohe der Ausbildung steht, wie die der Wiederkauer. Bei den Affen finden wir eine geringere Ausbildung der Bursa ovarii und auffallenderweise sogar ein Verschwinden dieser Einrichtung bei den héheren und héchsten Formen. Zu Unter- suchungen liegen mir Geschlechtsapparate vor von: Cebus capu- cinus, Cerocopithecus mona, C. rufus, Cynocephalus mormon und Simia satyrus. Fig. 30. Innere weibliche Genitalien von Lemur varius. Nat. Gr. Fig. 31. Innere weibliche Genitalien von Cebus capucinus. Nat. Gr. Der Geschlechtsapparat von Cebus capucinus (Fig. 31) erinnert in seinem Gesamtaufbau sehr an den menschlichen. Der Uterus simplex ist 17 cm lang, 4 mm breit, er wird vom Lig. latum straff itiberzogen. Die Tuben gehen rechtwinklig zu beiden Seiten des Fundus uteri von ihm ab und verlaufen bis zur Miindung fast ganz gestreckt in einer Lange von 8mm. Die Ovarien sind langlich-ovale Gebilde, 6 mm lang, 2 mm dick. Sie sind durch das Lig. ovarii mit dem Uterus verbunden. Zwische Tube und Ovarium liegt eine schmale flache Vertiefung, die aber nicht den Namen einer Bursa ovarii verdient. Die Tuben enden mit einem mafig weiten Infundibulum mit gut entwickelten Fimbrien, von denen eine als deutliche Fimbria ovarica zum Eierstock zieht. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 693 Bei Carus und Orro (6) finde ich eine Abbildung des Ge- schlechtsapparates von M ycetes fuscus, der inseinem Aufbau sehr dem von Cebus ahnelt. Auch hier liegt zwischen Tube und Ovarium eine seichte Vertiefung, die nicht als Bursa ovarii bezeichnet werden kann. Wir haben also bei den amerikanischen Affen eine grofie Einfachheit der Verhaltisse festzustellen. Auch bei den altweltlichen Affen finden wir meist keine starke Ausbildung der Bursa ovarii. Bei Cynocephalus mormon (Fig. 32) besitzt der Uterus- _korper eine auerordentliche Dicke, die unterhalb des Fundus 15 mm betrigt, von diesem dicken, birnformigen Corpus gehen Kem mo oe wg oy / uv ub Fig. 32. Innere weibliche Genitalien von Cynocephalus mormon. Nat. Gr. wie beim Menschen an beiden Ecken des Fundus die Tuben ab, die hier ziemlich geschlangelt verlaufen. Merkwiirdigerweise ist diese Schlangelung auf der rechten Seite des Kérpers mehr ausgepragt als auf der linken. Dieser Ungleichheit entspricht auch das Ver- halten der Mesosalpinx, so daf auf der rechten Seite eine wohl- ausgebildete Bursa ovarica vorhanden ist, die den gré8ten Teil des Eierstockes aufnehmen kann, wahrend die entsprechende Ver- tiefung auf der linken Seite nur einen kleinen Teil des Ovariums zu fassen vermag und kaum noch als eigentliche Bursa ovarii bezeichnet werden kann. Die Fimbrien des Infundibulum tubae, dessen Durchmesser etwa 1 cm betrigt, sind beiderseits gut ausgebildet. Die Eierstécke hangen durch ein kurzes (2 mm), 694 Ulrich Gerhardt, aber derbes Lig. ovarii mit dem Uterus zusammen. Sie sind 1 cm lang, 6 mm breit, 4 mm dick, an dem vorderen Rande mit ziem- lich breiter Basis am Lig. latum befestigt. Die einseitige Ausbildung der Bursa scheint mir in diesem Fall zu zeigen, daf& es sich um ein in Riickbildung begriffenes Organ handelt. Bei Cercopithecus mona und C. rufus finde ich beider- seits sehr stark geschlangelte Tuben, deren Mesenterien beiderseits auch tiefe Bursae ovaricae bilden. AuSerdem ist hier der Fim- brienapparat starker entwickelt als bei Cynocephalus. Die sonstigen Verhaltnisse, der Bau des kurzen, dicken Uterus simplex und die Gestaltung und Lage der Ovarien zeigen grofe Uebereinstimmung mit denen der vorhergehenden Art. Viel weniger deutlich ausgebildet ist die Bursa ovarica beim Orang-Utan. Mir liegen drei weibliche Urogenitalsysteme von Simia satyrus vor. Zwei stammen von jungen, das dritte von einem alteren Tiere. Fiir das kleinste Tier sind die MaBe folgende: Uterus, Lange 1,5 cm Ovarium, Linge 14 mm - Breitesl ), et Breite 7,5 5 as Dicke 6 mm Tubenlange 3 cm. Fir das mittlere Exemplar: Uterus, Lange 2,5 cm Ovarium, Lange 2 cm By BYeite .2iD5 vs 5 Breite 7 mm =e Dicke 7S: mm Tubenlange 4,5 cm. Fir das alteste Exemplar: Uterus, Linge 4,7 cm Ovarium, Lange 1,9 cm “ Breite 4, es Breite 7 mm YM DICKe t2,0 5 Tubenlange 5 cm. Der Uterus des Orang-Utan (Fig. 33) liegt wie der menschliche als platter, birnformiger Ko6rper im Lig. latum. Vom Fundus ziehen in fast geradem Verlauf die Tuben rechtwinklig seitwarts vor den Ovarien vorbei, um mit einem befransten Infundibulum zu enden, dessen Durchmesser bei dem gréften Tier 2 cm be- tragt. Kurz vor der Bildung des Infundibulums beschreibt die Tube cine Biegung, so daf das Ostium abdominale nach dem Ovarium hinsieht. Hinter der Tube, von ihr durch eine seichte, wenig geraumige Vertiefung, die Andeutung einer Bursa ovarii, getrennt, liegt das langgestreckte, mafig abgeplattete Ovarium. Bei den beiden noch jugendlichen Exemplaren ist seine Obertlache glatt und laBt weder Follikel noch Narben erkennen, bei dem groBten Exemplar sind deutliche Follikelnarben sichtbar. Die Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 695 vordere Flache des Ovariums liegt der Wand jener Vertiefung an, die der Bursa entspricht. Doch vermag diese bei den alteren Tieren nur héchstens ein Drittel der Oberflache des Ovariums zu bedecken. Bei dem jiingeren Exemplar dagegen ist die Bursa, um diesen Ausdruck der réumlichen Homologie wegen zu gebrauchen, tiefer und sogar fahig, von der hinteren Flache des Ovariums am lateralen Pol einen kleinen Teil zu bedecken. Es scheint mir besonders von In- teresse zu sein, da bei dem 4lteren Tiere die Bursa in ihrem Wachstum nicht Schritt halt mit dem des Ovariums. Am medianen Pol ist das Ovarium durch ein sehr kur- Fig. 33. Uterus mit Adnexen von Simia sa- zes Lig. ovarii mit tyrus inv. Nat. Gr. dem Uterus verbun- den. So finden wir denn bei diesem hoch entwickelten Anthropoiden den Apparat zur Ueberleitung des Eies in die Tube wenig weiter entwickelt als bei den amerikanischen Affen, jedenfalls viel weniger ausgebildet als bei den beiden anderen untersuchten Katarrhinen. Auch der Mensch erhebt sich nicht tiber diese Stufe, auch bei ihm ist statt der Bursa ovarii nur die beim Orang beschriebene seichte Vertiefung am hinteren Blatt des Lig. latum zwischen Tube und Ovarium vorhanden. Daher besitzt der Mensch eine weit geringere Sicherheit fiir den Transport der Kier in die Tube als manches viel tiefer stehende Saiugetier. Im einzelnen verweise ich auf die Lehrbiicher der menschlichen Anatomie. = wm eee en OD II. Ergebnisse. 1. Morphologische: Wenn wir nun die Resultate der vorstehenden Untersuchungen zusammenfassen, so finden wir folgendes: Der Apparat zur Leitung des Eies in die Tube tritt in ver- schiedenen Formen auf, nimlich: 1) Das Infundibulum tubae ist weit mit glattem Rande ohne Fimbrien. Eine Bursa ovarii ist nicht vorhanden. Das ist der Fall bei Monotremen und Cetaceen. 696 Ulrich Gerhardt, 2) Das Intundibulum ist weit, so daf es den Eierstock um- fassen kann. Die Fimbrien sind wohlausgebildet. Eine Bursa ovarii ist nicht vorhanden oder doch nur angedeutet. Hierher gehéren die Beuteltiere, ahnlich, wenn auch sich mehr 4 nihernd ist die Einrichtung beim Kaninchen. 3) Die Bursa ist nur angedeutet, Fimbrien sind vorhanden, doch ist das Infundibulum eng. MHierhin gehéren die Brady- therien, Platyrrhinen, Anthropoiden und der Mensch. Einen ahnlichen Befund, der aber nach 4 hinneigt, weisen die Viverriden und Prosimier auf. 4) Es existiert eine weit offene (fakultative) Bursa ovarica, Fimbrien sind vorhanden, die Weite des Infundibulums ist mabig. Hierher gehéren unter den Raubtieren ein Teil der Viverren und die Katzen; unter den Nagern die Caviaden, ferner alle Artiodactylen, von Affen Cercopithecus und Cynoce- phalus (Uebergang zu 3). Die Suiden bilden einen Ueber- gang zu 5). 5) Die Bursa kann nicht vom Eierstock entfernt werden, kommuniziert aber durch eine Oeffnung mit der Bauchhoéhle. Das ist der Fall bei Insectivoren, Chiropteren, Hyanen, Hunden und Baren, die bereits einen Uebergang zu 6) bilden. 6) Die Bursa ist vollstandig geschlossen. Das kommt vor bei Insectivoren, Vesperugo, Muriden und Muste- liden. 7) Das Ovarium ist bis auf die ,Ovulationsgrube* vom Peritoneum umhiillt. Die Tubenmiindung liegt der Grube unmittel- bar benachbart. Dies ist beim Pferde der Fall. Was nun bei dieser Uebersicht am ersten auffallen muB, ist die Tatsache, daf die Vorrichtungen fiir die Leitung des Eies in die Tube oft bei gar nicht miteinander verwandten Saugetieren die gleiche Stufe der Ausbildung zeigen. Wir haben oben gesehen, daf bei den Carnivoren eine kontinuierliche Entwickelungsreihe der Bursa ovarii nachzuweisen ist. Dabei zeigt sich, da meistens innerhalb einer Ordnung die einzelnen Familien ein ganz be- stimmtes Geprage aufweisen. So haben die Viverren, Katzen, Hunde, Baren und Marder jede fiir sich ihre Charaktere, und die Familien sind in dieser Beziehung gut abgegrenzt. Aber wir kénnen dann auch wieder feststellen, da’ andere Ordnungen ahn- liche Stufenreihen aufweisen, ohne daf wir allerdings tiberall die einzelnen Stadien so genau verfolgen kénnten, wie bei den Raub- tieren. So ist z. B. die Bursa ovarica der Schweine im Verhaltnis Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 697 zu der der Wiederkiuer entsprechend héher ausgebildet, wie die der Hyanen zu der der Katzen. Die Bursa der Hyanen wiederum steht auf einer ahnlichen Hohe der Ausbildung, wie sie Hydrochoerus unter den Nagern aufweist. Ganz besonders auf- fallend ist es, daf die beiden héchsten Stadien der Bursabildung (6 u. 7) so haufig bei ganz verschiedenen Ordnungen wiederkebren. Es handelt sich hier um eines der Beispiele fiir Konver- genzerscheinungen in der Natur, die wir, je genauer wir untersuchen, desto haufiger antreffen. Die Natur schligt einen sich bewahrenden Weg nicht nur einmal ein, sondern sie arbeitet an verschiedenen Stellen mit den gleichen Mitteln. Gerade in unserem Falle zeigt sich diese Konvergenz in besonders deutlichem Mae: Die Eier sind gefahrdet bei der Passage durch die freie Bauchhoéhle. Das Mittel, die Tubenmiindung und die ovulierende Flache des Eierstockes durch eine gemeinsame Hiille zu verbinden, fiihrt zum Ziel, und so sehen wir es in 4 verschiedenen Ordnungen bis zur héchsten Ausbildung, zur Bildung eines abgeschlossenen Periovarialraumes angewandt. Ich sehe in der Multiparitat der Tiere einen maSgebenden Faktor fiir die hohe Ausbildung der Bursa ovarii, denn in der Tat finden wir die héchsten Grade der Entwickelung bei stark multiparen Tieren, wie Ratten, Mausen, Spitzmiusen, Maulwiirfen und Mardern. Eine scheinbare Ausnahme bilden die uniparen Fledermause. Wir diirfen aber wohl sicher annehmen, daf sie ihren Ursprung von insectivoren, multiparen Tieren genommen haben und daf bei ihnen die Uniparitat eine sekundire Anpassung an das Luftleben ist, da eine mehrfache Trachtigkeit die Leichtigkeit des Fliegens stark beeintrachtigen miiBte. Bei multiparen Tieren, deren Eier zu mehreren die Fol- likel verlassen (vergl. HENSEN [17] fiir das Meerschweinchen), ist die Méglichkeit viel gréSer, daf Eier auferhalb der Tubenmiindung gelangen und in der Bauchhohle zu Grunde gehen, als bei solchen Tieren, die nur ein Ei ausstofen. Daher ist gerade bei den Muiti- paren eine gute Ausbildung der Leitungsvorrichtungen notwendig. Ich verstehe deshalb einen Gedankengang WIEDERSHEIM’s (41) nicht, der iiber die Bursa ovarica folgendes schreibt: ,im letzteren Fall, der z. B. fir die Muriden gilt, ist der Ovarialsack von Célom vollstandig abgekapselt und steht nur durch das Ostium tubae mit dem Uterus in Verbindung. So er- scheint die Ueberleitung in die Tube gesicherter als in den Fallen, wo es sich in der Regel um eine weite Verbindung des perito- nealen Ovarialsackes mit dem Cavum peritonei handelt. Der Grund 698 Ulrich Gerhardt, fiir jene Einrichtung ist aber nicht klar, da es sich gerade bei Ratten und Mausen um Tiere handelt, welche exzessiv fruchtbar sind, so da eigentlich keine Ursache fiir die Bildung jener ge- sicherten Eileitung vorliegt.‘ Ich halte es fiir wahrscheinlicher, da8 die gro8’e Fruchtbar- keit dieser Tiere nicht vorhanden ware, wenn sie nicht durch so weit ausgebildete Schutzmafregeln garantiert wiirde. Daf die Bursa ovarica bei so niedrig organisierten Saugern wie bei den Insectivoren héher entwickelt ist als bei vielen hoch- organisierten Formen, erklart sich wohl ungezwungen dadurch, daf die Multiparitat eine Eigenschaft vieler primitiver Saugetier- formen ist. Vielleicht spielt die Uniparitét, die ja meist als se- kundar erworbene Eigenschaft grofen, hoch entwickelten Tierformen zukommt, eine umgekehrte, riickbildende Rolle fiir die Bursa ovarii. Das wirde wenigstens die ausgesprochene Riickbildung der Bursa bei Anthropoiden und Menschen unserem Verstaindnis naher riicken. Daf’ es sich hier in der Tat nicht um eine primare Eigenschaft, sondern um eine Reduktionserscheinung handelt, schliefe ich erstens daraus, dafi bei den tiefer stehenden Katarrhinen eine Bursa vorhanden ist; zweitens daraus, daf ich bei Cynocephalus mormon eine Unregelmafigkeit im Auftreten der Bursa finde (Asymmetrie), die wohl, wie immer solche Inkonstanz des Auftretens, den Schluf zulaBt, dafi es sich um ein der Riickbildung verfallenes Organ handelt; drittens daraus, daf beim Orang-Utan in einem jiingeren Stadium die Bursa besser ausgebildet ist als bei alteren und in ihrem Wachstum mit dem des Ovariums nicht Schritt halt. WALDEYER (37) sieht in dem reduzierten Leitungsapparat beim Menschen eine Ursache fiir den Verlust vieler Eier. ,,Indem eine unmittelbare Verbindung zwischen Eierstock und Tubenrohr fehlt und eine Bursa ovarii beim menschlichen Weibe in der ge- ringsten Ausbildung sich zeigt, ist der Verlust an Eiern bei der Ovulation des Menschen vielleicht der gréfte in der organischen Welt. Es erklart sich wohl zum Teil daraus, daf’ ungeachtet des freien Geschlechtsverkehrs, der an keine Brunstzeit gebunden ist, und trotz einer rund 30-jahrigen Funktionszeit, welche hoher ist als bei den meisten in dieser Beziehung bekannten Tieren, die Zahl der Schwangerschaften beim menschlichen Weibe eine ver- haltnismafig geringe ist, selbst unter Verhaltnissen, wo Abwege nicht in Frage kommen. Hierzu kommt allerdings der Untergang zahlreicher Eier in den Ovarien selbst in Betracht.“ So haben wir also vielleicht in dem Fehlen der Bursa bei Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 699 Anthropoiden und Menschen einen der Faktoren fiir die Regu- lierung der schwachen Vermehrung zu sehen. Sehr zu erwégen scheint mir aber auch die Frage, wie weit der aufrechte Gang des Menschen und die aufrechte Haltung des kletternden Menschen- affen fiir die Reduktion der Bursa als wirksame Ursache in Be- tracht kommt. Es scheint mir nicht unméglich, daf deshalb die Uebereinstimmung im Bau der Geschlechtsorgane bei Cebus und Homo wegen der ahnlichen Kérperhaltung gréfer ist als zwischen -Menschen und Pavian. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, da8 der Druck der Eingeweide im aufrecht getragenen Korper die Ovarien abwarts driickt und dadurch die Tuben streckt, denn die Streckung der Tube ist das mechanische Mittel, um die Ausbildung einer wohlentwickelten Bursa ovarii zu verhindern. Auch GrGENBAUR (11) und M. Weper (40) haben betont, da8 die Bursa ovarii da auftritt, wo die Tube einen geschlaingelten Verlauf nimmt. Es kommt dabei nicht auf die kleinen Kriimmungen im einzelnen an, sondern auf die Gesamtrichtung der Tube. Ich habe oben (p. 658), bei Besprechung der Bursa ovarii der In- sectivoren, darauf hingewiesen, dafi die Bildung einer das Ovarium umkreisenden ,,Tubenschlinge“ die Voraussetzung einer vollstandig geschlossenen Bursa ist. Wir finden daber bei den Viverren, bei denen noch ein gestreckt verlaufendes Stiick der Tube zwischen dem Ende des Uterushornes und der Tubenschlinge liegt, diese héchstens halbmondférmig gestaltet und die Bursa sehr klein; wo dagegen die Tube unmittelbar am Ostium uterinum in die Schlinge einbezogen wird, wie bei Hunden, Baéren und Mardern, kommen die Fimbrien wieder neben das Ostium uterinum zu liegen, und die Bursa erreicht einen hohen Grad der Vollkommenheit. Wir finden diesen schlingenformigen Verlauf der Tube um das Ovarium herum auch in der Tat bei allen Formen, die eine vollkommene Bursa ovarii aufweisen, naimlich den Insectivoren, Chiropteren, Ro- dentien und Carnivoren. Am meisten gestreckt verlaufen die Tuben bei Bradytherien und den besprochenen Primaten, Cebus, Simia und Homo. Das Verhalten der Tubenschlinge speziell bei altwelt- lichen Affen erweist sich als lehrreich fiir das Verstaindnis der Bursabildung: Bei Cercopithecus verlauft die Tube stark ge- schlangelt und die Bursa ist geréumig. Bei Cynocephalus mormon ist in meinem Praparat die Bursa nur auf der Seite deutlich, wo die Tube stark geschlaingelt verlauft. Bei Simia und Homo, wo die Tube gestreckt verlauft, ist die Bursa rudimentar. 700 Ulrich Gerhardt, Ich méchte hier noch einen weiteren Befund erwaihnen. Es ist auffallend, daf gerade bei Tieren mit einem Uterus simplex hiufig gestreckte Tuben und dementsprechend Mangel oder ge- ringe Ausbildung der Bursa vorkommen. Ich erinnere an Dasypus, Bradypus und die erwahnten Atien. Trotzdem glaube ich, daf das Vorhandensein eines Uterus simplex nicht ohne weiteres als Ur- sache fiir den geraden Tubenverlauf angesprochen werden darf, denn bei Cercopithecus verliuft die Tube trotz des Uterus simplex in starken Schlangelungen. Immerhin ist es aber méglich, dal ein Uterus simplex durch die starke Spannung des Lig. latum, be- sonders wahrend der Graviditit, als begiinstigendes Moment fiir die Streckung der Tube in Frage kommen kénnte. So lehrt uns die Betrachtung der verschiedenen Formen, in denen die Bursa ovarii auftritt, folgendes: Wir finden bei ganz verschiedenen Ordnungen der Saugetiere Ausbildungsstadien der Bursa, die einander entsprechen und die unabhangig von- einander auf dem Wege der Konvergenz auf diese Stufe gelangt sind. In den einzelnen Familien finden wir meist wohl- ausgeprigte Typen. Im allgemeinen findet sich die Bursa bei multiparen Tieren in ihrer héchsten Ausbildung, ihr Fehlen bei den uniparen Menschenaffen und Menschen ist wahrscheinlich sekundaér erworben, vielleicht unter dem Einfluf der aufrechten Korperhaltung. Die Ausbildung der Bursa steht mit der Bildung einer Tubenschlinge in direktem Zusammenhange. Die Bildung einer Bursa ovarii ist aber nicht der einzige Weg, den die Natur einschlagt, um das Saugetierei sicher in die Tube zu leiten. Gerade bei den urspriinglichsten Saiugern, den Monotremen und Marsupialiern, treffen wir einen anderen Befund an, den auch die Cetaceen aufweisen: Das Ovarium kann von dem weiten Tubenostium vollstandig umfaft werden. Hierbei sind insofern noch zwei Falle zu unterscheiden, als wieder bei den Monotremen und Cetaceen das weite Tubenostium keine Fimbrien trigt, waihrend der Fimbrienkranz am Infundibulum der Beutel- tiere einen sehr hohen Grad der Entwickelung aufweist. Es ist bei den Monotremen derselbe Weg der Eiiiberfiihrung eingeschlagen wie bei den Sauropsiden: Der weite Tubentrichter eines Huhnes z. B. umfaft den Follikel, der sprungreif die Ovarialoberflache bedeutend iiberragt, und das Ei mu8 in ihn hineingelangen. Bei den Monotremen handelt es sich wohl mit Sicherheit um einen primitiven Zustand, und in der Tat wird der Verlauf der Kiaufnahme wohl gerade so sein, wie beim Huhne, zumal bei Echidna die Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 701 Follikel gleichfalls beerenférmig die Oberfliiche des Eierstockes iiberragen. Bei den Beuteltieren ist durch die starke Fimbrien- entwickelung eine héhere Stufe erreicht. Hier steht die ganze Um- gebung des Ovariums in einem Umkreis von mehreren Centimetern unter der Wirkung der Fimbrien. Die héchste Stufe der Aus- bildung finde ich bei Petrogale penicillata. Beim Wombat scheint die eigentiimliche Lage der Ovarien lateral von den stark gefransten _Tubenmiindungen dadurch ausgeglichen zu werden, daf die Eier- stécke in situ medianwirts nach den Tuben hin umgeklappt sind. AuBerdem sorgt die stark entwickelte Fimbria ovarica fiir die Leitung der Kier. In dem Verhalten der Tubenostien der Beutler haben wir im ganzen wohl die Weiterentwickelung eines primitiven Zustandes zu erblicken, der dem bei den Monotremen vorhandenen ungefahr entsprochen haben wird. Von grofSem Interesse ist es, da8 bei Halmaturus thetidis neben der starken Entwickelung des Infundibulums und der Fimbrien eine Andeutung von Bursa- bildung auftritt. Wir haben hier also wieder einen Fall von Konvergenz bei Tieren, die in dem ganzen Habitus ihrer Geschlechts- organe sonst grundverschieden sind. Die Neigung der Natur, das Peritoneum zu einer Schutzfalte fiir das Ovarium zu verwenden, zeigt sich ja schon bei Fischen. So ist nach Hanser (13) bei Lepidosteus kein Infundibulum tubae vorhanden, sondern die Tube ist mit der Ovarialwand verwachsen. Dies kommt dadurch zu stande, daf eine Peritonealfalte sackformig das Ovarium um- wichst und sich mit den Randern des Infundibulums vereinigt. So sehen wir bei einem Fisch, bei Marsupialiern und bei monodelphen Saéugern gewissermafen den namlichen Gedanken der Natur wieder- holt verwirklicht. Ganz isoliert in dem Verhalten ihrer Tuben stehen unter den Monodelphen die Denticeten und Mysticeten da. GEGENBAUR (11) ist der Meinung, in dem Fehlen einer Bursa ovarii bei diesen Siiugern sei ein primitives Merkmal zu erblicken. Es sind auch in der Tat keine Anhaltspunkte vorhanden, die dafiir sprichen, daS die Wale sekundar die Bursa ovarii verloren und dafiir das ganz ungewohnlich weite Infundibulum erworben hiatten. Die Tiergruppen, bei denen man am ersten nach Anhaltspunkten zu suchen hatte, also fiir Mysticeten etwa die Wiederkauer, haben von denen der Wale vdéllig abweichende Tuben. Dafiir, da8 es sich um ein primitives Merkmal handelt, diirfte vielleicht auch der Mangel an Fimbrien sprechen, die durch Schleimhautfalten im Bd. XXXIX, N. F. XXXII. 45 102 Ulrich Gerhardt, Innern des Infundibulums ersetzt werden. Auch scheint mir der sonst nahe liegende Gedanke nicht plausibel zu sein, daf die Lebensweise die eigenartige Form des Kileiters der Wale beider Ordnungen hatte bedingen kénnen. Um so auffallender mu8 es sein, daf Denticeten und Mysticeten wenigstens nach allem, was ich in der Literatur finde, den gleichen, von dem aller iibrigen Placentalier abweichenden Bau der Tubenmiindungen besitzen. So scheint mir GreGENBAURS Ansicht, daf ein primitiver Zustand vor- liegt, als die wahrscheinlichste betrachtet werden zu miissen. SchlieSlich haben wir noch des gleichfalls isolierten Befundes zu gedenken, den die Ovarien und Tuben des Pferdes darbieten. Zunachst erhebt sich die Frage, ob wir in dem Peritonealiiberzug des Pferdeeierstockes ein Homologon zu der Bursa ovarii anderer Sauger zu erblicken habe, wie Mac Leop (24) dies will. Das ist meines Erachtens deswegen nicht der Fall, weil die Peritoneal- wand der Bursa ovarii von dem Mesenterium der Tube geliefert wird. Dagegen gehoért der serése Ueberzug des Ovariums beim Pferde dem autochthonen peritonealen Ueberzuge an, den jedes Saugetierovarium besitzt, der aber beim Pferde wegen der Ver- kleinerung der Keimplatte und ihrer Versenkung in die Tiefe so ungewohnliche Dimensionen erreicht. Ich sehe daher in der Bil- dung einer Bursa ovarii bei den tibrigen Saugern und in dem post- embryonalen Ueberwachsenwerden der Keimplatte durch das Peri- toneum beim Pferde zwei prinzipiell verschiedene Prozesse. Die Mesosalpinx des Pferdes wird auch in keiner Weise mit in den serésen Ueberzug des Eierstockes einbezogen, nur die Fimbriae ovaricae treten, wie bei so vielen anderen Saugetieren, in unmittel- bare Beriihrung mit dem Eierstock. Den meisten Aufschluf tiber die Entstehung dieser Eigentiimlichkeit der Ovarien und Tuben miiSten Untersuchungen tiber Bau und Wachstum der Ovarien bei Tapiren, Nashérnern und wohl auch bei Sirenen geben. Aber leider ist tiber die Anatomie der weiblichen Geschlechtsorgane dieser Tiere so gut wie nichts bekannt. Ich bin selbst auch aufer stande, auf Grund der Untersuchungen eines Geschlechtsapparates eines jungen Tapirs weitere Beitrage zur Lésung dieser Frage zu liefern. Wenn wir nun noch einmal die verschiedenen Vorrichtungen zur Leitung des Eies in die Tube vergleichend betrachten, so finden wir, dai da, wo besondere Sicherungen angebracht sind, drei ver- schiedene Wege eingeschlagen sind. Wohl der einfachste ist der der Vergré8erung der eiempfangenden Flache, also desInfundibulum tubae imVerhaltnis zum Ovarium. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 703 Wir finden ihn angewandt bei Monotremen, Marsupialiern und Cetaceen. Der zweite, am hiiufigsten eingeschlagene Weg besteht darin, dal ein Teil des Peritoneums der Tube zur gemeinsamen Umhiillung des Infundibulums und des Ovariums verwandt wird. Dadurch entsteht die Bursa ovarii, die offen sein kann (Eierstockszelt M. Wesers) oder geschlossen (Kierstockskapsel M. WEBgERs). Diesen, bei nicht naher verwandten Saéugern durch Konvergenz _ zu gleichen Resultaten fiihrenden Modus finden wir angewandt bei Insectivoren, Chiropteren, Artiodactylen, Rodentien und Carnivoren. Eine dritte Art der Ueberleitung finden wir, soviel bis jetzt bekannt, nur bei den Pferden. Sie beruht auf der Ver- kleinerung der ovulierenden Flache im Verhialtnis zur eiempfangenden, zum Infundibulum, dem die Keimfliche gleichzeitig raumlich unmittelbar genahert wird. Schlieflich gibt es Tiere, bei denen das im Anfang dieser Arbeit gegebene Schema ungefihr verwirklicht ist, und bei denen keine der drei genannten SchutzmaBregeln in Kraft tritt. Dahin gehéren die Brady- und Manitherien, die platyrrhinen und anthropoiden Affen, sowie der Mensch. Endlich méchte ich darauf hinweisen, daf wir in der Ausbildung der verschiedenen Teile des Eileitungsapparates eine Korrelation fest- stellen kénnen. Wir finden namlich durchweg die Tatsache, daB die Entwickelung des Fimbrienapparates im umgekehrten Verhaltnis steht zu der Ausbildung der Bursa ovarica. Ich nenne als extreme Falle das Verhalten bei den Kanguruhs auf der einen und das bei den Mardern auf der anderen Seite. Zwischen diesen beiden End- punkten laft sich eine ganze Reihe feststellen. So entspricht bei den Tieren mit einer offenen, fakultativen Bursa die Lange des Einganges in die Eierstockstasche dem Durchmesser des Infundi- bulum tubae. Bei Tieren mit geschlossener Bursa oder einer solchen mit nur kleinem Spalt, wie z. B. Canis und Ursus, ist der Fimbrienapparat schwach ausgebildet. Interessant sind die Ver- haltnisse bei den Nagern. Hier haben wir bei zwei auferordent- lich fruchtbaren Arten, dem Kaninchen und der Hausmaus. zwei ganz verschiedene Befunde. Beim Kaninchen besteht nur eine flache, unbedeutende Bursa, dagegen ein sehr blutreiches, mit dichten, zahlreichen Fimbrien versehenes Infundibulum, das die ganze Ovarialfliche bedecken kann. Bei der Maus ist durch Bildung einer vollkommenen Bursa die starke Entwickelung des Tuben- trichters iiberfliissig geworden. 45 * 704 Ulrich Gerhardt, Fir die Tiere mit einer offenen, aber wohlentwickelten Bursa gilt wohl ausnahmslos der Satz, daf der Fimbrienapparat immer geniigend grof und entsprechend gelagert ist, um den Ausgang aus der Bursa zu bewachen und keine Eier in die Bauchhoéhle passieren zu lassen. Damit sind auch gleichzeitig die Grenzen der Ausbildung des Infundibulums in diesem Fall gegeben. Wir sehen also auch hier, daf die Natur sparsam arbeitet, da& nicht alle zu einem gemeinsamen Zweck zusammen arbeitenden Organe gleich- zeitig eine unbeschrankte Hohe der Entwickelung erreichen kénnen, sondern da8 die exzessive Entwickelung eines Organes immer auf Kosten eines anderen geschieht, damit der zu erfiillende Zweck ohne iiberfliissigen Aufwand an Material erreicht werden kann. 2. Physiologische Betrachtungen. Es bleibt nun noch zu erértern, wie wir uns die Wirkungs- weise der verschiedenen beschriebenen Anordnungen zur Leitung des Eies in die Tube vorzustellen haben. Einfach ist das in den Fallen, wo der Ovidukt imstande ist, mit seinem Trichter das ganze Ovarium oder doch den gréfSten Teil seiner Oberflache zu umfassen. Wir sahen, da das bei Monotremen, Marsupialiern und Cetaceen der Fall ist. Bei Monotremen wird das Funktionieren dieses Mechanismus noch dadurch erleichtert, da’ die sprungreifen Follikel die Oberfliche des Ovariums weit tiberragen und so den gegebenen Angriffspunkt fir das weite, muskulése Tubenostium darbieten. Platzt dann der Follikel, so fallt das grofe, stark dotterhaltige Ei in die Tube und wird weiter befordert. Bei den Beuteltieren wird wohl in allen Fallen (vielleicht nicht bei Phascolomys, s. 0. p. 656) die gesamte ovulierende Flache des Eierstockes vom Tubentrichter umfaSt werden. Wenigstens wire es bei manchen Beutlern z. B. bei Petrogale penicillata im- stande, noch weit gréfere Kérper als das Ovarium zu umschliefen, und man findet in der Tat in situ das Ovarium von den Fimbrien der Tube umschlossen. Aber selbst wenn ein Ei nicht direkt in die Tubenmiindung fiele, so wiirde dennoch die auferordentlich weite Ausbreitung der Fimbrien das ihre dazu tun, daS das Ei nicht in der Leibeshéhle verloren ginge. Bei Petrogale penicillata sind die Fimbrien bequem imstande, einen Raum von 25 qem zu bestreichen und das Ovarium ist nur etwa 1!/, cm dick. Bei den Walen kommt es auch zu einer solchen Ver- groferung der Tube, daf sie das ganze Ovarium umschliefen Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 705 kann. Man muf auch annehmen, daf sie dies in der Tat tut, da keine Fimbrien vorhanden sind, die mit ihrem Flimmerstrom die Umgegend bestreichen kénnten. Bei Tieren mit einer Bursa ovarii sind die Verhialt- nisse da am einfachsten zu verstehen, wo das Ovarium vollstindig von der Bursa umgeben wird, ohne Kommunikation mit der Bauch- hohle. Hier muff jedes Ei, das aus dem Follikel ausgetreten ist, in die Tube geraten, weil es dem Flimmerepithel der Tube anheimfallt. Hier existieren praktisch ceteris paribus solche Verhaltnisse fiir das Ei, wie wir sie bei Tieren antreffen, bei denen die Kier einfach in den Ausfiihrungsgang des Eierstockes hineinfallen, z. B. den Knochenfischen. Auch da, wo, wie bei den Biren und Hunden, dem Igel und den meisten Fledermiusen, die Bursa ovarii durch einen kleinen Spalt mit der Bauchhoéhle in Verbindung steht, liegen praktisch die Dinge nicht viel anders als bei der vorher genannten Kategorie von Saugetieren. Nach VALLISNERIS (36) interessanter Beobachtung wird der Spalt an der Bursa bei der Hiindin wahrend der Brunst enger, und auSerdem ist ihr Inneres mit Fliissigkeit ge- fillt. Da wahrend der Brunst alle Teile des Genitalapparates und auch ganz vorziiglich die Fimbrien des Ostium tubae eine starke arterielle Hyperimie aufweisen, so wird wohl durch die Schwellung der Fimbrien der Spalt verengt werden. Daf bei so vielen Tieren mit sonst ganz geschlossener Bursa diese Spalte offen bleibt, diirfte vielleicht darin seinen Grund haben, daf da- durch ein intensiverer Fliissigkeitsaustausch zwischen dem Peri- ovarialraum und der Bauchhohle erméglicht wird. Bei Tieren endlich, die eine fakultative Bursa mit weiter Oeffnung haben, ist immer noch ein Entweichen des Kies in die freie Bauch- hohle nicht wahrscheinlich, weil, wie oben (p. 674) gezeigt, die ganze Breite des Infundibulums den Ausgang aus der Bursa ovarii versperrt. Selbst wenn daher bei einem einigermaSen heftig er- folgenden Follikelsprung eine Menge von Liquor folliculi durch die Fimbrien hindurch in die Bauchhohle gespritzt werden sollte, so wird ein Kérper wie das Ei doch irgendwo hangen bleiben, zumal es vom Flimmerstrom der Tube erfa8t wird. Hrnsen (17) berichtet noch tiber einen Mechanismus, der eine allzu heftige AusstoBung des Eies verhindern kénnte. Bei der Ruptur des Follikels spritzt erst ein Strahl von Fliissigkeit aus, und dann erst tritt das Ei aus, um- geben von den mitlosgelésten Zellen des Cumulus ovigerus. Diesen Modus beobachtete Hensen bei 2 Kaninchen und 2 Meerschweinchen. 706 Ulrich Gerhardt, Schwerer zu verstehen ist der Mechanismus der Aufnahme des Kies in die Tube bei Tieren mit kleiner, flacher Bursa ovarii, sowie bei denen ohne Bursa. Es ist daher nicht zu verwundern, daf sich bereits seit langer Zeit die Meinungen verschiedener Forscher gegentiberstehen, die diesen Vorgang erklaren wollen, und von denen hier die wichtigsten besprochen werden sollen. Schon ALBrecat v. HALLER (12) stellte die Meinung auf, daf eine Art von Erektion des Tubentrichters mit seinen Fimbrien stattfinde, der dadurch an die Oberfliche des Ovariums fest an- gelegt werden miisse. Dieser Meinung schlossen sich auch JOHANNES MULLER (26) und K. E. v. Barr (1) an, der bei Schafen und Schweinen die Tube in Querfalten gelegt an das Ovarium angesogen fand, selbst noch bis 4 Wochen nach der Brunst. Nach einer anderen Theorie, die Roucrer (32) aufgestellt hat, sind es vor allem glatte Muskelfasern, die im Lig. latum ver- laufen, durch deren Verkiirzung eine Annéherung der Tuben- miindungen an den Eierstock bewirkt wiirde. Kigenartig ist die Auffassung Panxks (28), dal ,,Pseudo- membranen“, sein sogenannter Bandapparat, briickenartig Tuben- miindungen und Eierstock verbainden und eine gesicherte Ueber- leitung des Eies bewerkstelligten. Diese Theorie ist durch KEHRER (20) gepriift worden, der nachwies, daf es sich um ein belangloses Nebenprodukt handle, das er auf eine peritonitische Reizung durch ein Sekret des Tubentrichters zuriickfihrt. Ich bin der Meinung, daf es sich, wie es HausMANN (15) fiir die Stute beschrieben hat, und wie ich es bestatigen kann, um Fibrin- gerinnsel handelt, die dem Liquor geplatzter Follikel entstammen. KEHRER erortert weiter in seiner Arbeit die Bedeutung der Bursa ovarii, die er mit Recht sehr hoch bemift, und be- spricht die Roucersche Theorie, fiir die er wohl 6fters Anhalts- punkte fand, jedoch nicht mit der zu erwartenden Sicherheit und Regelmafigkeit. Er sah, da’ aktive Bewegungen des Infundi- bulums zu ,einer vollkommenen Bedeckung des Eierstockes, einer Entfaltung des Pavillons iiber die Ovarialfliche fiihrten, da ferner eine Retraktion des Pavillons vom Gipfel des Ovariums gegen dessen Basis stattfand. Krorer kommt tiber diesen Punkt zu dem Resultat: Wenn man also auch zugeben will, da’ Muskelkrafte den Trichter auszubreiten vermégen, ja selbst durch Verschiebung der Fimbrie erratische Ovula sekundér wieder aufgefangen werden kénnen, so muf man doch festhalten, dafi in einer Reihe von Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 107 Fallen sich eine fiir die Zwecke des Auffangens des Kies vorteil- hafte Lokomotion des Pavillons nicht demonstrieren laft*. Krnrer halt es fiir wesentlich, daf die reifen Follikel meist am iuBeren Pol des Eierstockes platzen, also da, wo die Fimbria ovarica sich anheftet. Der Flimmerbewegung der Fimbrien schreibt er nach experimenteller Priifung am Kaninchenei nur eine geringe Bedeutung zu. Er nimmt an, da’ de facto ,,das ausgeschleuderte Ei in den meisten Fallen sofort auf die Schleimhaut des Trichters oder in die Peritonealtasche des Tuben-Fimbriengekréses komme, welche beide sich segelartig tiber den gréften Teil der Eierstocks- fliche ausbreiten“. Daf dieses Facit der KrHrerschen Arbeit bei weitem nicht fiir alle Falle befriedigt, haben wir im anatomischen Teil gesehen. Auch Hensen (17) hat die Wirkung der von Rouger (82) beschriebenen Muskeln und die des Flimmerepithels des Infundi- bulums kritisch untersucht. Er sah zweimal beim Meerschweinchen, wie sich die Fimbrien auf das lebhafteste auf dem Eierstock aktiv bewegten, ,,gezogen von organischen Muskeln, welche zum Teil im Zwerchfellsband des Ovariums sitzen“. Bei 4 Kaninchen, die ,,an- scheinend zur rechten Zeit untersucht wurden‘, vermifte HENsEN diese Bewegungen. Versuche, die derselbe Autor tiber die Bedeutung des Flimmer- epithels fiir die Fixierung der Tubenmiindungen auf dem Ovarium anstellte, zeigten zwar, dafi die Fimbrien, wenn sie von den Eier- stécken entfernt wurden, wieder auf diese hinaufkrochen, ,,aber nur unvollkommen und unregelmaBig und nicht mit der Energie, welche ich glaubte erwarten zu kénnen“. So enthalten also offenbar alle diese verschiedenen Theorien und Auffassungen etwas Richtiges, aber trotzdem reicht keine von allen zu einer befriedigenden Erklarung der Aufnahme des Eies in die Tube aus. Daher haben folgende Worte GrGENBAURS (10) ihre volle Berechtigung: ,,Fiir die Ueberleitung des Kies in den Ovidukt ist ebensowohl der Wimperbesatz der Fimbrien, wie auch die Mus- kulatur des Oviduktes von Bedeutung, obwohl keinem von beiden eine ausschliefliche Rolle zugesprochen werden kann, ebensowenig wie dem vaskulésen Turgor des Eileiters, wodurch das Ostium abdominale dem Ovar sich nahert.* Um so mebr muf sich aber die Frage aufdraingen, was nun noch fiir unbekannte Faktoren mitspielen. Eine Reihe von Forschern legt wenig Gewicht darauf, dafi sich die Tubenmiindung 708 Ulrich Gerhardt, an den Eierstock anlege, sondern halt es sehr wohl fiir méglich, da’ der Tubentrichter durch den Flimmerstrom seiner Fimbrien die die freie Bauchhohle passierenden Kier aufnehmen kénne. HENLE (16) ist der Meinung, die Kingeweide, die rings in der Um- gebung des Eierstockes nur schmale Spalten zwischen sich lassen, verhinderten eine Verirrung des Eies bis auferhalb des Gebietes der Fimbria ovarica, der er eine sehr grofe Rolle fiir die Direktion des Eies zuschreibt. Ausfiihrlich hat Hasse (14) die verschiedenen Anschauungen tiber die bei der Wanderung des menschlichen Kies in die Tube wirksamen Faktoren besprochen. Die oben an- gefiihrten Theorien von HALLER, Roucet, HENLE, HENSEN und Pank werden kritisiert, die Auffassung Hop@rs wird verworfen, wonach das ganze Ovarium von den Fimbrien umfaft wiirde. Nach HAsseE legt sich die Tube mit ihrem Mesenterium von hinten an das Ovarium an und bildet so eine temporare Bursa. Dadurch wird ein seréser kapillarer Raum geschaffen, an dessen aiuBerem Ende die Tubenmiindung mit den Fimbrien liegt. Das Flimmern ihres Epithels kénnte einen Fliissigkeitsstrom gegen die Ostien hin erregen. Ferner versucht Hasse die beim Menschen schon lange be- kannte, von Leopotp (23) beim Kaninchen experimentell erzeugte Ueberwanderung des Kies in die Tube der entgegen- gesetzten Seite mit seiner Theorie in EKinklang zu _ bringen. Sie wiirde dadurch erfolgen, ,,da8 die beiden Eierstockstaschen an der oberen hinteren Gebirmutterwand zusammenstofen und somit einen einzigen kapillaren Raum bilden, in welchem beide Kiersticke liegen und in den die Flimmerhaare beider Eileitertrichter tauchen“. Ueberwiegt das Flimmern der anderseitigen Tube, so lauft das Ki hinter dem Uterus hintiber. Unterbleibt die Bildung einer Eierstockstasche, so kann nach Hasse das Ei in der Bauchhohle liegen bleiben und dort befruchtet die Abdominalschwangerschaft veranlassen. Die Méglichkeit der Bildung einer temporaren Bursa ovarica aft sich an der Leiche demonstrieren. Im Leben halt HassE die Wirkung der Bauchpresse waihrend des Orgasmus sexualis fiir einen wichtigen Faktor, durch Einwirkung auf die Umgebung des Kileiters und durch Verstirkung des Flimmerstromes wahrend der geschlechtlichen Erregung. Aufverdem halt er die von Rouget postulierte Wirkung der glatten Muskulatur im Lig. latum fiir wesentlich. Sie sollen die Tube und deren Mesenterium fester iiber das Ovarium ziehen und Geschlechtsapparat der weiblichen Siugetiere. 709 dadurch einen kapillaren Raum herstellen. Ferner sollen sie Tuben und Ovarien von der seitlichen Beckenwand entfernen und dem Uterus nahern und sie so mehr dem Druck der Eingeweide aussetzen. Auf diese Weise erklairt sich Hasse eine Verlagerung der Ovarien hinter den Uterus und das Zusammenstofen der beiden kapillaren Raiume. Ich selbst habe keine Beobachtungen an lebenden Tieren an- stellen kénnen und kann daher nur, wie die Mehrzahl der ange- fiihrten Autoren, Schliisse auf den physiologischen Verlauf aus dem anatomischen Bilde ziehen. Zunachst scheinen mir die direkten Beobachtungen v. BArRS, KEHRERS und HENSENS jeden Zweifel daran auszuschlieBen, dafi in der Tat eine aktive Beteiligung der Tubenmiindung bei der Aufnahme des Kies angenommen werden muS. Dabei werden je nach dem ana- tomischen Bau die am stirksten ausgebildeten Organe am kraf- tigsten funktionieren; so wird z. B. beim Kaninchen in erster Linie der Fimbrienapparat aktiv tatig sein, wahrend beim Schwein, oder anderen Tieren mit weiter Bursa, der Flimmerstrom in dem serdsen Raum der Kapsel eine bedeutende Wirksamkeit entfalten kann. Fiir den Verlauf der Eiwanderung wird es wohl auch von grofer Bedeutung sein, an welcher Stelle der Kioberflache der Follikel springt, ferner, ob nur ein Ei in die Tube zu leiten ist, oder deren mehrere. Es ist wohl anzunehmen, daf fiir jede Species, ja vielleicht fiir jedes Individuum und bei jeder einzelnen Ovulation wieder verschiedene Bedingungen eintreten, nach denen sich der Verlauf der Kiaufnahme richten wiirde. Andererseits be- weisen aber die Falle von Ueberwanderung des Eies durch die Bauchhéhle unzweifelhaft, daB ein bereits in die Bauchhohle ge- fallenes Ei noch der Wirkung der Fimbrien verfallen und doch noch in eine Tubenmiindung geleitet werden kann. Ob dies aber noch als normaler Fall betrachtet werden kann, méchte ich dahin- gestellt sein lassen. Ich erblicke in diesem Mechanismus mehr eine Einrichtung, die im Notfall in Kraft tritt. Speziell beim Menschen kann meines Erachtens die ,.Bursa ovarica’ unméglich die ganze ovulierende Flache bedecken. Fir die vordere Ovarialflaiche dagegen wird sie mit ihrem engen Spaltraum allerdings von grofer Bedeutung sein und hineingefallene Kier in den Bereich der Fimbria ovarica bringen. Auf den Rest der Ovarialflache wird wohl doch das Infundibulum mit seinen Fimbrien eine aktive Wirksamkeit ausiiben. Daf Orgasmus sexualis und Follikelsprung in Beziehung stehen sollen, scheint mir fiir 710 Ulrich Gerhardt, den Menschen nicht wahrscheinlich, es ware wohl lediglich ein Zufall, wenn die Ovulation gerade wahrend eines Koitus stattfande. So kommen wir am Schlusse dieser Untersuchungen zu dem Resultat, daf wir uns zwar in vielen Fallen ein klares Bild von dem physiologischen Verlauf der Wanderung des Eies in die Tube nach geschehenem Follikelsprung machen kénnen, daf wir aber fir eine ganze Reihe von Siugetieren, wozu auch der Mensch gebort, zwar eine Anzahl von Faktoren kennen, die bei der Ueberleitung des Eies wirksam sind, daf wir aber von der Art und Weise des Zusammenwirkens dieser Faktoren keine deutliche Vorstellung be- sitzen. Die Erektilitat der Fimbrien, ihre aktive, durch Muskeln bedingte Beweglichkeit, die Flimmerstrémungen des Tubenepithels und in manchen Fallen wohl auch die Konfiguration der Umgebung des Eierstockes werden in diesen Fallen alle zusammen einer Ver- irrung des Eies vorbeugen kénnen. So sahen wir denn, da im physiologischen Verlauf der Ki- iiberleitung wie im anatomischen Bau des dazu dienenden Apparates betrichtliche Verschiedenheiten bestehen, und daf die Schwierig- keiten der physiologischen Auffassung in den Fallen am gréssten sind, wo der anatomische Apparat die geringste Ausbildung auf- weist. Zum Schluf méchte ich noch besonders auf die zahlreichen Liicken hinweisen, die wir in diesem Gebiet zu verzeichnen haben, und deren Ausfiillung eine Aufgabe vor allem der experimentell arbeitenden Physiologie sein diirfte. Breslau, Oktober 1904. Geschlechtsapparat der weiblichen Saugetiere. 711 Literaturverzeichnis. 1) v. Bawr, K. 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H., Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere, tiber- setzt von Ratzrt, Breslau 1873, p. 375. 20) Keurer, F. A., Ueber den Panxschen tubo-ovarialen Band- apparat etc. Zeitschr. f. rat. Med. 3. Reihe, Bd. XX, p. 19. 712 Ulrich Gerhardt, Geschlechtsapparat d. weibl. Saugetiere. 21) Krausn, W., Die Anatomie des Kaninchens, Leipzig 1884. 22) Lecun, W., Ueber die Siugetiergattung Galeopithecus, Kgl. Svenska Vet. Akad. Handl, Bd. XXI, Heft 11, 1886. 23) Lerotp, G., Experimenteller Nachweis der auferen Ueber- wanderung der Hier. Arch. f. Gynaék., Bd. XV, p. 258. 24) Mac Luop, J., Contributions 4 l’étude de la structure de l’ovaire des mammiféres. Arch. de Biol., 1880, T. I, p. 241. 25) Marswaty and Hurst, A junior course of practical zoology, London 1899. 26) Mux.unr, Jon., Handbuch der Physiologie des Menschen, Koblenz 1840, Bd. I, p. 643. 27) Ownn, R., Anatomy of Vertebrates, Vol. III, London 1868. 28) Panx, J., Ueber organische Verbindungen des Hierstockes mit dem Pavillon durch pseudomembraniése Briicken (zit. nach Kenrer). Petersburg. med. Wochenschr., 1861. 29) v. Rapp, WirH., Anatomische Untersuchungen iiber die Eden- taten, Tiibingen 1852. 30) — Die Cetaceen, Stuttgart 1837. 31) Rosin, M. H. A., Recherches anatomiques sur les mammifeéres de l’ordre des Chiroptéres. Ann. des Sc. nat., Zoologie, Sér. 6, TTT, 16st; 32) Rover, Cu., Recherches sur les organes érectiles de la femme. Journ. de la Physiol., Vol. I, 1885, p. 320. 33) Semon, R., Zoologische Forschungsreisen in Australien und dem Malayischen Archipel, Bd. IJ, Monotremen und Marsupialia, Lief. 1, Jena 1894. 34) Sonorra, J., Ueber die Reifung und Befruchtung des Hies der Maus. Arch. f. mikrosk. Anatom., Bd. XLV, 1895, p. 15. 35) Turry, L., Ueber das Vorkommen eines Flimmerepithelium auf dem Bauchfell des weiblichen Frosches. Gétt. Nachr., 1862, pe ad: 36) Vauuisneri, A., Historie von der Erzeugung der Menschen und Tiere. Uebers. von Brrcer, Lemgo 1729, Teil II, Kap. 4, p. 278. 37) Wa.pEyErR, W., Das Becken, Bonn 1899, p. 522. 38) Wesper, E. H., Ueber die Kinhillung der Hierstécke einiger Saugetiere in einem vollkommen geschlossenen, von der Bauch- haut gebildeten Sack etc. Murcxerts Arch., 1826, p. 105. 39) Weser, M., Studien tiber die Saugetiere. Kin Beitrag zur Frage nach dem Ursprung der Cetaceen, Jena 1886. 40) — Die Siugetiere, Jena 1904. 41) Wispersuem, R., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere, Jena 1887. Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. Vortrag, gehalten in der Sitzung der Medizinisch-naturwissenschaft- lichen Gesellschaft zu Jena am 17. Juni 1904. Von Ernst Haeckel. Verehrte Anwesende! Als heute vor 14 Tagen in der letzten Versammlung unserer Gesellschaft der Wunsch geaufert wurde, daf ich fiir heute den Vortrag tibernehmen méchte, habe ich zu- nachst gemeint, ablehnen zu miissen; denn ich hatte erst 2 Wochen friiher bei meinem letzten Vortrage erklart, daB damit (nach zu- riickgelegtem 70. Lebensjahre) meine 2ktive Beteiligung an der Gesellschaft beendet sei. Mein Wunsch ist, daf der Tatigkeit der jingeren Mitglieder mehr Raum gewahrt werde. Wenn ich trotzdem Ihrem Wunsche nachgekommen bin, so ist es geschehen, weil ich der einzige unter den Alteren noch lebenden Mitgliedern bin, der wahrend des langen Zeitraums von 43 Jahren an den zahlreichen Sitzungen und Debatten der Gesell- schaft den lebhaftesten Anteil genommen hat; wahrend dieses langen Zeitraums bin ich zu vielen ausgezeichneten Biologen unserer Gesellschaft in nahe Beziehungen getreten und habe in freundschaftlichem Zusammenwirken mit ihnen unseren gemein- samen Zweck zu férdern gesucht. Das helle Licht, das gerade hier von Jena aus wahrend des verflossenen Jahrhunderts auf wichtige Probleme der Botanik und Zoologie, der Anatomie und Physiologie durch viele hervorragende Naturforscher geworfen worden ist, hat auch mir selbst bestandig erleuchtend und leitend den Weg meiner Lebensarbeit erhellt. Deshalb habe ich geglaubt, fiir unseren heutigen festlichen Erinnerungstag kein anderes Thema wahlen zu kénnen als eine kurze Uebersicht tiber das, was auf dem Gebiete der Biologie waihrend des 19. Jahrhunderts hier in Jena geleistet worden ist. Ich muf Sie aber dringend bitten, da& Sie keinen ausgearbeiteten Festvortrag von mir erwarten; denn dazu fehlte mir die Zeit; auch ist das Thema, das ich mir gewahlt habe, so weitgreifend, da man allein viele Stunden verbringen 714 Ernst Haeckel, kénnte mit der Aufzaihlung der einzelnen Leistungen, die im Laufe des 19. Jahrhunderts von unserer Gesellschaft ausgegangen sind. Ich sage: zunaichst von unserer Gesellschaft seit 1853; dann aber auch von der alteren Gesellschaft, zu der die bedeutendsten Natur- forscher in der ersten Hialfte des 19. Jahrhunderts gehért haben. Unter diesen letzteren ragt vor Allen GorrHe hervor; wie Ihnen aus seiner Biographie bekannt sein wird, war es eine Sitzung unserer Gesellschaft, die GOETHE nahe mit SCHILLER zu- sammenfiihrte, gegen den er bis dahin eine gewisse Abneigung besessen hatte. Als GorTHE und SCHILLER 1774 aus einer Sitzung der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft nach Hause gingen, kamen sie in ein eingehendes Gesprich iiber die Bedeutung und An- wendung der Naturwissenschaft. Es entspann sich eine lebhafte Debatte tiber die verschiedene Auffassung der Probleme. GOETHE setzte SCHILLER seine Gedanken iiber die Metamorphose der Pflanzen auseinander. Nachdem er die Einheit im Aufbau der Pflanzen, unter Zuriickfiihrung aller ihrer Organe auf ein Ur- organ, das Blatt, anschaulich dargelegt hatte, sprach SCHILLER: ,Das ist keine Erfahrung, sondern eine Idee!“, und GorrueE lief dies Wort gelten. Wenn wir die Bedeutung, die Aufgabe und Geschichte der Biologie richtig erfassen, so kénnen wir darunter nur (wie es schon lange in England und Frankreich allgemein geschieht) im weitesten Sinne die gesamte Wissenschaft von den Organismen oder den lebendigen Naturkérpern verstehen. Alles, was sich auf die Lebewesen und ihre Leistungen und Formen bezieht, gehért zur Biologie; in diesem Sinne hatte schon am Anfange des 19. Jahrhunderts TREVIRANUS in Bremen ihre Aufgabe erfa8t und sie (— 1802 —) als ,,Philosophie der lebenden Natur“ in einem grofen, 6 Bande umfassenden Werke behandelt. In demselben Sinne schrieb auch damals LorENzZ OKEN hier in Jena seine ,,Natur- philosophie“ ; er erfaBte die Gesamtnatur als eine grofe lebendige Kinheit, in der Inneres und Aeuferes, Geist und Kérper, un- trennbar zusammenhangt. Derselbe Gedanke des Monismus erfiillte auch GorTHE, wie Ihnen aus zahlreichen Aeuferungen unseres gréSten Dichters und Naturphilosophen bekannt ist. Eine allgemeine Uebersicht tiber die gewaltigen Fortschritte unserer Erkenntnis in dem bedeutungsvollen ,Jahrhundert der Naturwissenschaft* la8t uns in demselben drei Perioden unter- scheiden. Die erste reicht vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Jahre 1838, in welchem ScHLEIDEN hier die Zellentheorie Ueber die Biologie in Jena wihrend des 19. Jahrhunderts. 715 begriindete. 20 Jahre hindurch beschiaftigte diese biologische Elementartheorie die Naturforscher in hervorragendem MaBe. ~ Dann kam 1859 die epochemachende Theorie von Darwin, die uns eine neue und ganz eigenartige Anschauung tiber Wesen und Entstehung der organischen Lebensformen eréffnete und fiir alle Zweige ihrer Erforschung so auSerordentlich fruchtbar ge- worden ist. Vor allem gilt dies von einem Zweige der Biologie, der mich selbst seit einem halben Jahrhundert beschaftigt, von der Mor- phologie, der Lehre von der aufSeren und inneren Gestaltung der organischen Wesen. Die grofe Frage von ihrer natiirlichen Entstehung, die Frage von der ,Schépfung“ der organischen Formen, wurde von DARWIN mit einem gliicklichen Griffe gelést; er zeigte einleuchtend, wie der natiirliche Ursprung der unzahligen Tier- und Pflanzenarten nur durch allmahliche Umbildung der- selben, durch gemeinsamen Ursprung aus alteren einfachen Stamm- formen, gelést werden kénne. Aber schon 80 Jahre friiher hatte sich derselbe grofe Gedanke, infolge morphologischer Studien hier in Jena, GorTuHE erschlossen. In der ,.Metamorphose der Pflanze“ hatte er das einfache Blatt als das Urorgan erkannt, aus dem durch unendlich mannigfaltige Umbildung alle die schénen Formen der Blatter, Blumen und Friichte entstanden seien. In der Meta- morphose der Tiere hatte er gefunden, daf alle verschiedenen Formen der Wirbeltiere, von den Fischen bis zum Menschen hinauf, nach einem und demselben Urbilde geformt seien, daB insbesondere ihr charakteristisches Skelett, Wirbelsiule und Schadel, vordere und hintere Gliedmafen, iiberall denselben typischen Bau zeigen. Zu dieser bedeutungsvollen Erkenntnis war GOETHE durch mehrjahrige eifrige Studien auf der hiesigen Anatomie gelangt, bei denen ihm besonders der Anatom Loper behiilflich war. Vor allen anderen Objekten der vergleichenden Anatomie interessierte ihn der menschliche Schadel und dessen Beziehung zur Wirbel- siule. Gerade dieses Objekt scheint mir heute besonders der Betrachtung wert. Denn gerade dieser Teil der Morphologie ist hier in Jena besonders gepflegt und entwickelt worden. Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts haben hier GOETHE und OKEN ihre »Wirbeltheorie des Schadels“ aufgebaut. Im zweiten Drittel des- selben hat der geistreiche Anatom Emi, HuscHke (gestorben 1858) hier seine wichtigen Untersuchungen tiber Entwickelung des Schadels und der Sinnesorgane ausgefiihrt. In seinem letzten grofen Werke iiber ,Schadel, Hirn und Seele“ (1854) hat er den untrennbaren 716 Ernst Haeckel, Zusammenhang und die gegenseitigen Beziehungen dieser wich- tigsten Organe dargelegt. Endlich hat im letzten Drittel sein Nachfolger, der groSe Morphologe Cart GrcrnBaAur, hier auf unserer Anatomie 18 Jahre lang gearbeitet und durch Anwendung von Darwins Lehren auf das Gesamtgebiet der vergleichenden Anatomie dieser Wissenschaft eine ganz neue Gestalt gegeben. Auch fiir GEGENBAUR, wie fiir HuscHKE und OKxen, LopEeR und GOETHE blieb die vergleichende Knochenlehre der interessanteste Teil der Morphologie, und von dieser wiederum der Schadel. Angehende junge Mediziner betrachten meistens diese ,,trockene“ Knochenlehre eher als eine langweilige und abschreckende Auf- gabe. Und doch lehrt gerade dieser Teil der Anatomie, wie bei richtiger Methode und philosophischer Behandlung das scheinbar trockene empirische Material uns zu den interessantesten philo- sophischen Erkenntnissen fiihrt. Fragen wir uns, warum der Schadel so interessant ist, so lautet die Antwort: der Schadel ist die feste Schutzkapsel des Gehirns, des vollkommensten Organs das wir kennen, des Seelen- organs. Denn alle psychischen Tatigkeiten, auch die héchsten, sind abhangig vom Gehirn, gleichviel, ob wir die Seele als seine Funktion oder als seinen Bewohner betrachten. Das hatte GorTHE friihzeitig erkannt; er wufte, daf die GréBe, die Form, die Zu- sammensetzung des Schadels in Wechselbeziehung zu den ent- sprechenden Verhaltnissen des Gehirns stehen, und daf man aus der inneren und auSeren Beschaffenheit des Schadels auf die des Gehirns schliefen kann. Das war die eine Ursache, die unseren gréften Dichter jahre- lang an das eingehende Studium des Schidels fesselte, die Er- kenntnis, da8 diese feste Knochenkapsel in den innigsten Wechsel- beziehungen zu dem wichtigen, von ihm umschlossenen Gehirn, dem ,Geistesorgan“ stehe, und zu den hoéheren Sinnesorganen, denen seine Héhlungen zum Schutze dienen. Die Korrelation des Ge- ruchsorgans zu der umschliefenden Nasenhohle, des Auges zur Augenhohle, des Gehérorgans zu dem umhiillenden Felsenbein sind ebenso von bedingendem Einfluf auf die Gestaltung des Schadels, wie die Entwickelung des Gehirns. Das zweite Motiv aber, das fiir Gorrue das vergleichende Schadelstudium ganz besonders an- ziehend machte, war die klare Erkenntnis, daf bei allen Wirbel- tieren — und insbesondere bei ihrer héchstentwickelten Klasse, den Saugetieren -- der Schidel trotz aller Verschiedenheit der Formen im einzelnen sich doch iiberall aus denselben Knochen Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. 717 in gleichartiger Verbindung der Teile aufbaut. Ganz besonders wichtig erschien ihm diese Tatsache wegen der Einheit der Siuge- tierklasse, zu welcher schon Linn& (1735) den Menschen natur- gemaif gestellt hatte. Schon ein oberflichlicher Blick auf die ver- schiedenen Schadel der Saugetiere lehrt, daf ‘dieselben aufer- ordentlich verschieden sind an GréBSe, auBerer Gestalt, innerer Struktur und Bezahnung, so daf der Laie es unbegreiflich finden wird, in all diesen Gebilden dieselben Elemente wiederzufinden. Das zeigt ein Blick auf diese Tafel, auf der Schidel von Menschen, menschenahnlichen Affen und niederen Affen, Schidel von Halb- affen und anderen Saugetieren zusammengestellt sind. Und doch ist der Bauplan, die typische Zusammensetzung des Schadels aus seinen einzelnen Teilen tiberall dieselbe. Diese denkende Ver- gleichung der Formen, die Methode der vergleichenden Anatomie beschaftigte GorTHE vor allem lebhaft; er erkannte, daf jene vielen Schidel nur deshalb so verschieden sind, weil dieselben Knochen bei dem einen Tiere gréfer, bei dem anderen klein sind, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger entwickelt. Unter den verschiedenen Schidelknochen war es der Zwi- schenkiefer, der das Interesse von GOrTHE ganz besonders in Anspruch nahm; an sich ein unbedeutender Gegenstand, erscheint er doch fiir unsere Frage besonders wichtig. Es findet sich namlich bei den Saéugetieren zwischen beide Oberkiefer ein Paar kleiner Knochen eingeschaltet, welche die oberen Schneide- zihne tragen; sie sind sehr gro’ bei den Nagetieren und beim Elefanten. Nun hatten die Vorlaufer der vergleichenden Ana- tomie bei ihrer Vergleichung der Saugetierschaidel zu finden ge- glaubt, daf’ der Mensch das einzige Saugetier sei, das keinen Zwischenkiefer habe. Diese Abweichung wollte GorrHe durchaus nicht in den Sinn, und er hat nicht geruht, bis er durch eine Reihe der sorgfaltigsten Untersuchungen endlich einen Menschen- schadel fand, an dem noch die Nahte deutlich waren, welche den Zwischenkiefer mit dem Oberkiefer verbanden. GorrHEe war tiber diesen Nachweis sehr erfreut. Allein die mafgebenden ana- tomischen Autoritaten waren sehr erstaunt jiiber seine Mitteilung und sagten, das sei eine Ausnahme ohne Bedeutung. Sie blieben bei ihrem Dogma, daf der Mensch keinen Zwischenkiefer besitze. Der Streit dariiber hat viele Jahre hindurch die ‘Anatomie be- schaftigt. Heutzutage ist es sehr leicht, sich von der Richtigkeit der Auffassung GorTues zu tiberzeugen. Jetzt wissen wir positiv: Jene Abweichung in den Schidelknochen des Menschen von denen Bd, XXX1X. N, F. XXXII. 46 718 Ernst Haeckel, der anderen Siugetiere ist nur scheinbar; es handelt sich um eine friihzeitige Verwachsung von urspriinglich getrennten Knochen. Aber diese Erscheinung tritt auch bei anderen Saugetieren bis- weilen ein, so z. B. beim Walrof. Nachher hat sich gefunden, daf auch in der Entwickelung dieser Teile im Keime alle Sauge- tiere dem Menschen gleichen. Dadurch war der Streit erledigt, und es war GortTHes gréfte Freude, daf seine vorhergefafte Ueberzeugung durch die nachfolgende Beobachtung ihre empirische Bestatigung gefunden hatte. Damit war nun auch zugleich seine beritihmte Schadeltheorie vervollstandigt. Ueber die Schadeltheorie sei kurz noch folgendes be- merkt: Die Wirbelsiule ist bei allen Wirbeltieren, von den Fischen bis zum Menschen aufwirts, urspriinglich aus einer Anzahl von Wirbeln zusammengesetzt. In dem Kanal, der oberhalb der Wirbel- siule verlauft, ist das Riickenmark eingeschlossen, das sich vorn in das Gehirn fortsetzt. Also, sagte GOETHE, ist auch die Schadel- héhle nur der vorderste Teil des Wirbelkanals. Er hatte sich mit dieser Vorstellung schon langer beschaftigt, bis er zufallig auf dem Judenkirchhof in Venedig einen Schafschadel aufhob, bei dem ihm der erste Blick zeigte, da’ diese Theorie richtig sei. Er glaubte. hier 3 getrennte Wirbel unterscheiden zu kénnen. Etwas spater nun, ehe er diese Schadeltheorie ausfihrlich veréffentlicht hatte, trat LORENZ OKEN hier in Jena auf, der geistreiche Naturphilosoph und Zoologe. Auch OKEN hatte sich mit demselben Problem be- schaftigt, unabhingig von GorrTHE; als er einmal auf einer Wan- derung im Harze, am Brocken, den Schadel einer Hirschkuh fand, erkannte er dasselbe, was GOETHE an dem Schafschadel gefunden hatte. Nach dieser alteren ,,Wirbeltheorie des Schadels“ sollte also der hohle Hirnschadel aus 3 Ringen, die hintereinander liegen, bestehen: Hinterhaupt, Scheitel- und Stirnwirbel; Knochennahte trennen die 3 Abschnitte. Diesen sollten sich noch vorn 3 Ge- sichtswirbel anschliefen. Ueber diese Schideltheorie entspann sich ein langer Streit; eS entstand eine umfangreiche Litteratur. Die einzelnen Deutungen waren falsch; aber der richtige Grundgedanke blieb bis heute in Geltung. Denn die Entwickelungsgeschichte zeigt, da das Gehirn nichts anderes ist als der vorderste Teil des Riickenmarkes, und ebenso auch der Schadel der vorderste Teil der Wirbelséule, deren Knochenkanal das Riickenmark schiitzend umhiillt. Die Verdienste, die sich Lorenz OKEN hier in Jena in den ersten drei Dezennien des 19. Jahrhunderts um die Biologie er- Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. 719 warb, waren sehr vielseitige. Er war ein auferordentlich talent- voller und titiger Mann, voller anregender Gedanken, mit grofen Kenntnissen ausgestattet. Die von ihm gegriindete Zeitschrift isis wurde damals geradezu eine Encyklopadie der Naturwissen- schaft. Seine bindereiche groBe Naturgeschichte wurde sehr ver- breitet und trug die Kenntnis der organischen Natur und In- teresse fiir ihre Lebenswunder in weiteste Kreise. OKEN war aber auch Naturphilosoph im engeren Sinne; er suchte die allgemeinen Gesetze der Bildung, die sich aus einzelnen Forschungen ergeben hatten, zusammenzufassen. Diese Naturphilosophie geriet spater in den schlechtesten Ruf, weil viele an und fir sich richtige Grundgedanken iibertrieben und durch eine Menge von phan- tastischen Vorstellungen entstellt wurden. Es ist aber ungerecht, sie deshalb tiberhaupt ganz zu verwerfen. Denn das Beste, was die Biologie in der Erkenntnis allgemeiner Beziehungen und Gesetze geleistet hat, sind philosophische Taten, Produkte des Denkens, nicht der gedankenlosen Beobachtung. Als fleiBiger Beobachter war Oken hier zugleich auf einem anderen Gebiete tatig, nimlich auf dem der Entwickelungs- geschichte. Allerdings hatten wir schon 1759 durch Caspar Frieprich Wourr die Grundziige der Vorginge kennen gelernt, welche bei der Entwickelung des Hiihnchens aus dem Ei in Frage kommen; allein alles, was damals von ihm entdeckt wurde, blieb ein halbes Jahrhundert hindurch unbekannt, weil die ersten Au- torititen seine Darlegungen verwarfen. Es herrschte damals die Ansicht, daf der Tierkérper im Ei schon eingewickelt und vor- gebildet sei, und nichts weiter zu tun habe, als sich auszuwickeln und zu wachsen. OKEN hatte nun selbstindig die Entwickelung des Hiihnchens und insbesondere seines Darmkanals untersucht und gefunden, da es sich anders verhielt, als man allgemein an- nahm. Er fand weiter, da8 auch der Tierkérper sich aus nichts weiter zusammensetzt, als aus lauter mikroskopischen kleinen Blaschen; diese nannte er ,Infusorien* und behauptete, daf der ganze Korper der Menschen und hoheren Tiere wie auch der Pflanzen ein Aggregat solcher Infusorien sei; die Substanz der- selben nannte er Urschleim. Damit war bereits der Grundgedanke der spateren Zellentheorie vorweggenommen und der fruchtbaren Vorstellung, daB das Wichtigste an der Zelle der ,,Zellenschleim“, das Protoplasma sei. Wir wollen uns aber nicht linger hierbei aufhalten, sondern nun einen Blick auf die zweite Periode der Biologie in Jena 46 * 720 Ernst Haeckel, werfen, in der der Name ScHLempen als Bahnbrecher glainzt. Da in der Festrede, die morgen bei der Enthiillung von ScHLEIDENS Denkmal gehalten werden wird, seine hohen Verdienste gebiihrende Anerkennung finden werden, so beschrinke ich mich hier auf Hervorhebung der wichtigsten Punkte. Vor allem ist bekannt- lich Marratas SCHLEIDEN beriihmt als Begriinder der Zellen- theorie und als derjenige Lehrer, der ihr die weiteste Ver- breitung verschafft hat. Seiner Anregung hat man es zu danken, daf8 THreopor SCHWANN diese von ihm 1838 fiir das Pflanzenreich begriindete Lehre schon im folgenden Jahre auch auf das Tier- reich ausdehnte. Erst durch den Ausbau der Zellentheorie von SCHLEIDEN und SCHWANN wurde uns das wahre Wesen der Orga- nisation der Tier-. und Pflanzenkérper verstandlich; sie entwickelte sich bald zum wichtigsten Fundamente der modernen Biologie. Auf diesem festen Grunde ruht die ganze Reform der Medizin durch die Cellular-Pathologie von RupoL_r VircHow, die Cellular- Physiologie von Max VERWoRN, meine Cellular-Psychologie u. s. w. Die fruchtbare Reform der Botanik, die ScHLEIDEN hier in Jena wahrend der Jahre 1838—1863 durchfiihrte, beruht aber nicht allein auf seiner grundlegenden Zellentheorie, sondern auch darauf, da8 er in der Pflanzenkunde das gréfte Gewicht auf die bis dahin sehr vernachlassigte Entwickelungsgeschichte legte und mit grofer Scharfe alle allgemeinen Fragen vom Stand- punkte der kritischen Philosophie erfafte. In seinen bahn- brechenden ,Grundziigen der wissenschaftlichen Botanik* (1842) behandelte er dieselbe als ,induktive Wissenschaft“, wies sie auf hohe allgemeine Ziele hin und befreite sie durch scharfe Kritik von einem Wuste veralteter und widersprechender Dogmen. In weitesten Kreisen weckte ScHLEIDEN das Interesse fiir Botanik und fiir Biologie tiberhaupt durch sein beritihmtes popu- lares Werk: ,,Die Pflanze und ihr Leben“ (1848). Hier muf vor allem ich selbst dankbar der persénlichen Anregung gedenken, die ich von diesem Buche empfangen habe: das Gymnasium in Merseburg, das ich besuchte, war rein humanistisch; Physik und Naturkunde iiberhaupt wurden ganz zuriickgesetzt. Die lebhafte Neigung, die mich friihzeitig fiir Botanik erfaSte, verdanke ich einem trefflichen Elementarlehrer, Cart Gupre. Er _ unterwies mich schon friihzeitig (als achtjahrigen Knaben) im Sammeln und Bestimmen der Pflanzen und veranlafte dann meine Eltern, mir zu Weihnachten (1848) das neue Buch von ScaieEipEen: ,Die Pflanze und ihr Leben“ zu schenken — spater die ,,Ansichten Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. 721 der Natur“ von ALEXANDER vy. HumBotpT. Diese beiden Werke blieben meine Lieblingsbiicher auf dem Gymnasium; spiter kam dazu als drittes die ,Reise um die Erde“ von Cartes Darwin. Ich laf sie mit Begeisterung immer und immer wieder, nicht ahnend, daf spater Darwins Werke meiner ganzen Lebensarbeit ihre Richtung geben sollten. Wahrend ScHLEIDEN in den Jahren 1840—1860 in Jena die Entwickelungsgeschichte fiir die Pflanzenkunde zu _ fruchtbarer Geltung brachte, geschah gleichzeitig hier dasselbe fiir die Tier- -kunde durch den ausgezeichneten Anatomen Emit Huscuxe. Er entdeckte den Ursprung des Gehérorgans der Wirbeltiere und erkannte die hohe Bedeutung, welche die Kiemenspalten und Kiemenbogen ihrer Embryonen besitzen — als gewichtige Beweise fiir die innige morphologische Verwandtschaft aller Wirbeltiere, von den niedersten Fischen bis zum Affen und Menschen hinauf. Er vertrat mit Nachdruck — und im Sinne von GorTHE — den wichtigen Gedanken von der einheitlichen Organisation aller Verte- braten; in seinem grofen Werk tiber ,Schadel, Hirn und Seele“ begriindete er diesen monistischen Gedanken noch besonders, in- dem er die untrennbare Einheit von Gehirn und Seele betonte. Neben ScHLEIDEN und HuscHKe, und zum Teil in enger Ver- bindung mit ihnen, war hier um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein jiingerer Zoologe eifrig tatig, Oskar Scumipt, ein Schiiler des groken JOHANNES MULLER in Berlin. Nach dessen Vorlesungen verfaBte er sein kleines, sehr anregendes ,Lehrbuch der ver- gleichenden Anatomie“, das viele Auflagen erlebte und teuerdings von ARNOLD Lane in sehr erweiterter und ganz umgearbeiteter Form herausgegeben worden ist. Oskar ScumipT (spiter in Graz und Strafburg) war gleich den vorher genannten Biologen von den naturphilosophischen Ideen GorTHES durchdrungen, von der Ein- heit der organischen Natur und der gesetzmafigen Entwickelung ihrer unzahligen Formen; auch er griindete seine morphologischen Erkenntnisse auf GorTHES Spruch: ,Alle Gestalten sind ahnlich, doch keine gleichet der andern; Und so deutet der Chor auf ein geheimes Gesetz.“ Alle diese alteren geistreichen Naturforscher von Jena lebten hier in den bescheidensten, teilweise diirftigsten Verhaltnissen, arbeiteten mit den einfachsten Mitteln und hielten sich dafiir die Augen offen fiir den grofen Geist des Naturganzen, den »Genius loci“ von Jena, der sich auf den malerischen Héhen und den blumenreichen Bergen unseres Saaltals so machtig offenbart. 722 Ernst Haeckel, Wenden wir nun unseren Blick auf den letzten und interes- santesten Abschnitt unserer Biologie, auf ihre Entwickelung seit dem Jahre 1859! Auch auBerlich betrachtet, ist schon das Jahr 1858 eines der wichtigsten in der ganzen Geschichte der Biologie. Im Jahre 1858, wo DARwIN einen kurzen Auszug aus seinem groken Buche publiziert hatte, starb in Berlin JoHANNES MULLER, der gewaltige Genius, dessen Schiiler fast alle spateren hervor- ragenden Biologen des 19. Jahrhunderts geblieben sind. Wie kein anderer hatte JOHANNES MULLER es verstanden, die verschiedensten Aufgaben der biologischen Forschung zu bearbeiten. Er war, wie EK. Dupots-Reymonp in seiner Gedachtnisrede auf ihn sagte, ,,der Alexander der Grofe der Biologie“, der alle Provinzen dieses un- gveheuren Reiches in seiner Hand noch einmal vereinigte. Nach seinem Tode fielen sie auseinander; nicht weniger als vier ordent- liche Lehrstiihle wurden daraus gegriindet, namlich fiir mensch- liche Anatomie, pathologische Anatomie, Physiologie und ver- gleichende Anatomie nebst Entwickelungsgeschichte. Dasselbe ge- schah hier in Jena: Emit HuscuKe starb 1858, wenige Monate nach Muuuer. Auch hier ergab sich die Notwendigkeit, das grofe Gebiet zu teilen. Die ordentliche Professur der menschlichen und ver- gleichenden Anatomie tibernahm (im Herbst 1858) an HuscHKEs Stelle CARL GEGENBAUR, der drei Jahre zuvor als Nachfolger von OskaR ScumiptT fiir Zoologie hierher berufen war. Der Lehrstuhl der pathologischen Anatomie wurde unserem verehrten Senior, Professor WiLHELM MULLER iibertragen, der ihn noch heute ehrenvoll vertritt. tir Physiologie aber wurde Ende 1859 als erster selbstaindiger Vertreter ein hoffnungsvoller junger Student, ALBERT V. Bezoup, berufen, ein befreundeter Studiengenosse von mir aus Wiirzburg. Dieses Wagnis, das damals dem ausgezeichneten Kurator unserer Universitat, Mortrz Srrpeck, viele Bedenken entgegenbrachte, wurde durch die vorziiglichen Leistungen des jungen Brzoup glanzend gerechtfertigt; er wurde wenige Jahre spaiter nach Wiirzburg berufen, wo er leider bald starb. Als ich selbst Ostern 1861 mich hier auf Anregung von GEGENBAUR fir vergleichende Anatomie habilitierte, fand ich in ihm und in Bezoup bereits zwei liebe Bekannte aus Wiirzburg vor; bald gesellte sich dazu als dritter Cart GERHARDT, der 10 Jahre lang hier die medizinische Klinik leitete, ehe er dem Rufe nach Berlin folgte. Zwischen uns vier Biologen der Wiirzburger Schule entspann sich bald der innigste persénliche und wissenschaftliche Verkehr, besonders seitdem wir 1864 zusammen die ,,Jenaische Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. 723 Zeitschrift fiir Medizin und Naturwissenschaft* griindeten, das Organ unserer Gesellschaft, von dessen lebendiger Tatigkeit jetzt bereits 38 Bande Zeugnis ablegen. Die fruchtbarste Tatigkeit auf dem Gebiete der Biologie ent- faltete hier 18 Jahre hindurch CARL GEGENBAUR (1826 in Wiirz- burg geboren, 1903 in Heidelberg gestorben). Er hatte seine medizinischen Studien in Wirzburg unter KOLLIKER, Leypie und VircHOW gemacht, war dann aber in hervorragender Weise durch JOHANNES MULLER in Berlin (den Lehrer der ersteren) beeinfluSt worden. Indem er dessen Methode der vergleichenden Ana- temie sich aneignete, indem er die sorgfaltigste empirische Be- obachtung der einzelnen morphologischen Erscheinungen mit der umfassendsten philosophischen Beurteilung ihrer allgemeinen Be- ziehungen verknipfte, gelangte er zur Vollendung jener grofen morphologischen Werke, die den berihmten Schépfungen J. MULLERS ebenbiirtig waren. Sein Lehrbuch der vergleichenden Anatomie bezeichnet den Beginn einer neuen Epoche in diesem héchst ent- wickelten Zweige der Biologie; denn es ist darin zum ersten Male die neue, durch Darwin reformierte Descendenztheorie auf das ganze Gebiet der Morphologie angewandt, die Entstehung der unzahligen ungleichen und doch ahnlichen Tierformen durch ihre gemeinsame Abstammung von einfachen Stammformen erklart. Unter den weitschauenden Naturforschern, die sofort nach dem Erscheinen von Darwins Hauptwerke ,Ueber den Ursprung der Arten“ (1859) dessen reformatorische Bedeutung erkannten und demgemaf} ihre Forschungsziele einrichteten, steht GEGENBAUR obenan. Denn in den ersten Jahren konnten nur wenige sich mit diesen Ideen befreunden, die alle bisherigen Grundanschauungen der Biologie, vor allem die ,,Konstanz der Species“, auf den Kopf zu stellen schienen. Als ich im Friihjahr 1860 von einer 15-monat- lichen Forschungsreise nach Sicilien zuriickkehrte und fiir ein Jahr meinen Aufenthalt in Berlin nahm, stieS ich dort fast allenthalben auf die starkste Opposition gegen Darwins Werk, das gleich nach der ersten Lektiire den tiefsten Eindruck auf mich gemacht hatte. Die beriihmten Koryphien der Biologie (mit einziger Ausnahme des trefflichen Botanikers ALEXANDER Braun) waren alle darin einig, daf der Darwinismus nur die Phantasterei eines verschro- benen Englanders sei, und daf man diesen ,Humbug“ bald ver- gessen werde. GEGENBAUR hatte von Anfang an eine andere An- sicht; ich weif, welche Erleichterung es mir brachte, bei meinem ersten Besuche in Jena durch ihn zum ersten Male von anderer 724 Ernst Haeckel, Seite als richtig erklart zu héren, was ich selbst mir durch die Lektiire des Buches erworben hatte: die Ueberzeugung, da’ das groke Ratsel vom Ursprung der verschiedenen Arten nicht nur in den Vordergrund getreten, sondern wirklich durch DARWIN ge- lést worden sei. Daf schon 50 Jahre vorher Lamarck fast das- selbe in Paris gelehrt hatte, war ja vergessen worden; wir kannten seine ,,Philosophie zoologique‘ (1809) damals noch nicht. Die geistreiche Anwendung, die GEGENBAUR von der Descen- denztheorie von LAMARCK und Darwin auf das ganze Gebiet der vergleichenden Anatomie machte, gab dieser philosophischen Natur- wissenschaft eine ganz neue Gestalt. Wie er selbst richtig hervor- hebt, geben beide Zweige der Biologie durch ihre kausale Ver- knipfung sich gegenseitig , Klarheit und Sicherheit“. Er unternahm nun die ebenso wichtige als schwierige Aufgabe, an dem Skelettbau der Wirbeltiere diese Autffassung im einzelnen zu begriinden; und hier war es wieder die beriihmte Schaideltheorie, die die Priifung zuerst zu bestehen hatte. GEGENBAUR wies nach, daf der grote Teil der Knochen, welche den Schadel der héheren Wirbel- tiere zusammensetzen, urspriinglich Hautknochen sind, die sich auf der einfachen Knorpelkapsel des Urschadels von auSen aufgelagert haben. Diese ,,Deckknochen des Schadels“*, die den niederen und ilteren Gruppen der Fische noch fehlen, kénnen nicht, wie die ailtere Schadeltheorie wollte, auf einzelne Wirbel bezogen werden; es sind urspriinglich Placoidschuppen, wie sie in der Haut der Selachier (Haifische und Rochen) sich noch heute finden. Trotzdem, sagte GEGENBAUR, bleibt der Grundgedanke richtig, da8 der Schadel urspriinglich aus mehreren Wirbelabschnitten zusammengesetzt ist. Er beweist dies durch das Verhalten der Gehirnnerven, die aus den Oefinungen des Schadels heraustreten, und ferner durch die Beziehungen des Schadels zu den Kiemenbégen. Alle Schadeltiere, von den altesten Fischen aufwarts bis zum Menschen, besitzen urspriinglich an den Seiten des Halses 5 Paar Spalten; sie sind beim Embryo in friiher Jugend noch tiberall nachzuweisen, ver- schwinden aber spater. Die knorpeligen oder knéchernen Bogen zwischen diesen Schlundspalten trugen urspriinglich Kiemen, ver- wandeln sich aber spater in andere Teile. Aus den Beziehungen dieser segmentalen Bogen und der Gehirnnerven zu. dem knor- peligen Urschidel wurde dessen urspriingliche Gliederung oder Metamerie erschlossen. Ebenso wie in diesem klassischen Werk iiber das ,,Kopfskelett der Wirbeltiere“, bekundete GEGENBAUR auch in einem anderen Ueber die Biologie in Jena wihrend des 19. Jahrhunderts. 725 grofen Werke, tiber die Entstehung des Gliedmafenskelettes, seine auferordentliche Begabung fiir gesunde Naturphilosophie. Denn die Fiille von wichtigen und merkwiirdigen anatomischen Tatsachen, die darin mit umfassendem Blicke zusammengestellt und gesichtet sind, erhalten ihre wahre Bedeutung erst durch ihre kritische Verkniipfung und phylogenetische Beurteilung; dabei muS vielfach die schépferische Phantasie die zahlreichen Liicken der empirischen Beobachtung erginzen. Die auferen Verhaltnisse, unter denen diese und andere bio- logische Werke ersten Ranges an unserer kleinen Universitat aus- gefiihrt wurden, waren tiberaus bescheiden. Keine andere deutsche Universitit kann sich riihmen, mit so diirftigen Hilfsmitteln so Vieles und Grofes geleistet zu haben. Indessen hatte gerade die materielle Beschrankung des empirischen Beobachtungsmaterials auch ihre Vorziige, indem sie den forschenden Geist zu philo- sophischen Reflexionen anregte. Auch GEGENBAUR hat seine be- rihmten Untersuchungen mit den bescheidensten Hilfsmitteln aus- gefiihrt. Er hatte keine Neigung, die umfangreichen Samm- lungen gréSerer Universititen zu benutzen, wo diese Materialien in reichem Mafe zur Verfiigung standen. Fiir die klassischen Unter- suchungen iiber das Skelett der Haifische begniigte er sich mit den wenigen Exemplaren, die er hier in Jena vorfand und die ich ihm aus Messina mitgebracht hatte. Auch jetzt noch mag fiir uns in Jena als wertvoll gelten, daS wir den Mangel an auferen Hilfs- mitteln oft als einen Vorzug vor dem Ueberfluf auffassen miissen. Indessen wir miissen unserer Regierung doch sehr dankbar sein, daf sie diese meine persénliche Anschauung nicht ganz teilt, sondern jetzt nach Kraften bestrebt ist, die nétigen Arbeitsmittel in ausreichendem Mafe zu beschaffen. Vergleichen wir die Methode und den Geist der grundlegenden Werke von GEGENBAUR mit denjenigen seiner Vorganger, EMIL HuscHke und Oskar Scumipt, friiher SCHLEIDEN, GOETHE und OKEN, so sehen wir iibereinstimmend in ihnen das philosophische Bestreben vorherrschen, den ganzen Reichtum der empirisch beob- ~ achteten Erscheinungen unter grofe allgemeine Gesichtspunkte zu bringen, durch kritische Vergleichung und Erkenntnis der Entwickelung zu einheitlichen Gesetzen zu gelangen. Daf gerade fiir diese freiere naturphilosophische Forschung der Boden von Jena so fruchtbar sich erwies, verdanken wir zum grofen Teile dem eigentiimlichen Genius loci unserer Stadt, dem bestaéndigen innigen Verkehr- mit unserer schénen Thiiringer Waldnatur; auf 726 Ernst Haeckel, Biologie in Jena wihrend des 19. Jahrh. den malerischen Héhen ihrer Berge wohnt der Geist der Freiheit und in den blumenreichen Waldern ihrer Taler lebt jene reinste Gottesverehrung, die nach GorrnEes Wort ,,aus dem Wechsel- gesprich mit der Natur in unserem Busen entspringt“. Wir ver- danken aber auch die freie Entfaltung unserer Geistesschwingen den liberalen Grundsa&tzen der durchlauchtigsten Erhalter unserer Universitaét, der Fiirsten und Regierungen der vier Ernestinischen Sachsenlande, der Wiege der Reformation. Unter ihrem Schirm und Schutze gedeiht bei uns freie Wissenschaft und freie Lehre. Insbesondere sind wir warmen Dank unserem vor wenigen Jahren verstorbenen Rector Magnificus, dem Grofherzog Carn ALEXANDER von Weimar, schuldig. Eingedenk der hohen Tra- ditionen seines Hauses, die mit der hoéchsten Bliitenperiode deutschen Geistes in Weimar verknipft sind, hat er wahrend der 50 Jahre seiner segensreichen Regierung stets die voraussetzungs- lose Forschung und die freie Lehrtatigkeit unserer Universitat ge- schiitzt; auch die Fortschritte der Biologie in Jena hat er im Laufe eines halben Jahrhunderts stets mit warmem Interesse verfolgt. Diese unschatzbare Geistesfreiheit von Jena sollte das deutsche Volk gerade in den schweren Kimpfen der Gegenwart hochhalten, wo die Unterrichts-Ministerien der beiden gréfSten und einfluB- reichsten deutschen Staaten, Preufen und Bayern, unter der Herrschaft des ultramontanen Klerus stehen und die Aufklarung moéglichst zuriickzudrangen suchen. Wenn jetzt in Berlin und Miinchen die papistische Gegenreformation immer machtiger wird, und wenn dieser finstere Geist mit Recht in der modernen Bio- logie seinen gefihrlichsten Feind erblickt, so mége um so mehr unser teures Jena eine feste Wartburg der Vernunft und eine sichere Zufluchtsstatte der Wahrheit bleiben. Die beriihmten vorher genannten Naturforscher, die im Laufe des 19. Jahrhunderts so Vieles und so Grofes fiir die Biologie in Jena getan haben, sind bereits alle von uns geschieden. Sie haben aber eine ansehnliche Zahl von ausgezeichneten Schiilern heran- gebildet, die noch gegenwirtig, tiber alle Teile der Welt zerstreut, die Samenkérner ihrer Lehren ausstreuen und die hohen Tra- ditionen unserer kleinen Universitat lebendig erhalten. Ich ver- zichte darauf, jetzt die Namen dieser angesehenen, hier gebildeten und teilweise hier noch wirkenden Biologen zu nennen; ich schliefe mit dem Wunsche, daf auch ihre Schiiler dem Geiste ihrer Lehrer treu bleiben; mége Jena auch im 20. Jahrhundert anderen Universi- tiiten als Leuchte freier Forschung und freier Lehre vorangehen. Aus der Geschichte der Naturwissenschaft- lichen Geseilschaften zu Jena. Von Johannes Walther. Am 14. Juli 1793 wurde zu Jena eine Naturforschende Gesellschaft gegriindet, wahrscheinlich auf Anregung des Bo- tanikers Professor Dr. Batscu, der als Vorsitzender in seiner Eréffnungsrede ') als Ziel der Sozietat ,,die planmafige Erweiterung und Erginzung der Naturwissenschaft und die Erforschung der Heimat‘: bezeichnete. Die Arbeiten in den verschiedensten theo- retischen und praktischen Zweigen der Naturwissenschaft wurden an die aktiven Mitglieder je nach ihren Neigungen und Kenntnissen verteilt. Bei den monatlichen Versammlungen, die meist Sonntag Nachmittags um 2 Uhr in der Wohnung des Prasidenten statt- fanden, berichtete dieser itiber die Ergebnisse der Arbeiten und Sammlungen der Mitglieder. Nach einer dieser Sitzungen?) im Sommer 1794 war es, daf GOETHE und ScHILLER zufallig zusammen herausgingen. Sie sprachen tiber den eben gehérten Vortrag, und Schiller bemerkte, wie eine so zerstiickelte Art, die Natur zu behandeln, den Laien, der sich gern darauf einlieBe, keineswegs anmuten kénne._ ,,Ich erwiderte darauf“, erzihlt Gorrue, ,,daf sie dem Eingeweihten selbst vielleicht unheimlich bleibe und daf es doch wohl noch eine andere Weise geben kénne, die Natur nicht gesondert und ver- einzelt vorzunehmen, sondern sie wirkend und lebendig, aus dem Ganzen in die Teile strebend, darzustellen. . .. Wir gelangten zu seinem Hause, das Gesprich lockte mich hinein, da trug ich die Metamorphose der Pflanzen lebhaft vor und lie’, mit manchen charakteristischen Federstrichen, eine symbolische Pflanze vor seinen Augen entstehen.“* Damit begann der Freundschaftsbund zwischen den beiden Dichtern. 1) Nachricht von der Griindung einer naturforschenden Ge- sellschaft zu Jena am 14. July 1793 nebst den dabey gehaltenen Reden, den Statuten der Gesellschaft und dem Verzeichnisse ihrer Mitglieder. 2) Bretscnowsxky, Gorrue, Bd. II, p. 113. 728 Johannes Walther, Nach den auf der Universititsbibliothek vorhandenen Akten betrug die Zahl der Mitglieder: aktive korrespondierende Ehren- Mitglieder Mitglieder mitglieder 1793 47 23 54 1794 ad 46 81 1795 75 59 100 1796 85 76 i 1797 65 81 114 1798 65 88 124 1799 62 86 106 1800 71 107 117 1802 81 130 130 Dann fehlen die Nachrichten. Unter den Ehrenmitgliedern finden wir schon im Jahre 1793 die Namen: Bitrrner, GOETHE, GOTTLING, HERDER, HUFELAND, Jussieu, LopER, PaLuas, REINHOLD, SCHILLER, SOLDANI, STARKE, Succow, Vorer, v. VeELTHEIM. Dazu kommen 1794 Berrrucn, A. v. Humpoitpt, v. TreBrA, 1795 J. G. Ficate, A. Rerzius, 1795 BuumensacuH, Heim, 1800 Lenz, SCHELLING u. a. Eine kurze Selbstbiographie und Silhouette mancher aktiven Mitglieder finden sich in einem besonderen Album, die Dankschreiben vieler Mitglieder in einem Aktenband der Universitatsbibliothek. Unter diesen ist ein Brief F. Scuiuers vielleicht gegenwartig von besonderem Interesse, den ich mit giitiger Erlaubnis des Herrn Bibliothekdirektors Dr. Branpis!) hier folgen lasse: Mein hochgeschitzter Freund, Empfangen Sie meinen verbindlichen Dank fir Ihr giitiges An- denken, und fiir die Uebersendung der die Naturforschende Gesell- schaft betreffenden Schrift, mit welcher H. Prof. NimrHammMer mich sehr angenehm iiberrascht hat. Der Fortgang eines so vielver- sprechenden und in jedem Betrachte niitzlichen Instituts, der mich auch schon als blofen allgemeinen Biirger der gelahrten Welt und als den aufrichtigen Freund jedes auf Wahrheit abzielenden Unter- nehmens interefiert haben wiirde, erregt meine Theilnahme um so mehr, da Sie mir die Ehre erwieSen haben, mich als einen Theil- nehmer defelben betrachten zu diirfen, woftr ich der ganzen achtungswiirdigen Societaet noch einmal meine lebhafteste Dank- sagung wiederhohle. 1) Ich bin Herrn Direktor Dr. Branpis und Herrn Ober- bibliothekar Dr. Escuxe fiir ihre freundliche Hilfe bei der Nach- forschung nach den Akten zu besonderem Dank verpflichtet. Der Brief ist bisher noch nicht verdffentlicht, wohl aber erwahnt in ScuiippreKorr, Freundesgaben fir C. A. H. Burxsarpr. Weimar, Bohlau Nachf., 1900, p. 114. Aus der Geschichte der Naturwissenschaftl. Gesellschaften. 729 Da ich zu Beférderung Ihres gesellschaftlichen Zweckes un- mittelbar nichts beytragen kann, indem meine kranklichen Umstande mich vielmehr néthigen, den Kreis meiner Wirksamkeit zu verengern als daf sie mir erlaubten, ihn zu erweitern, so verstatten Sie mir wenigstens, daf ich mittelbar dazu beytragen darf, und Ihnen einige Manner empfehle, die auf die Ehre, Mitglieder Ihrer Societat zu seyn, einen gegriindeten Anspruch haben. Der eine davon ist Herr D. Guetry aus Heilbronn und der andere D. von Hoven, Hofmedikus und erster Physikus in Ludwigsburg. Der erste wird Ihnen schon langst durch seine Schriften tiber den thierischen Magnetism bekannt seyn, und so eine vortheilhafte Meinung ich schon von diesem Mann mit hierher brachte, so sehr fand ich sie durch seine persénliche Bekanntschaft bestatigt, die ihn nicht nur als einen griindlichen Gelehrten und als einen ge- sunden Kopf sondern auch als einen der achtungswiirdigsten Manner darstellt. HH. Hofmedikus von Hoven ist durch ein Werk iiber die intermittierenden Fieber riihmlich bekannt, und das Publikum darf sich von ihm noch sehr viel vortreffliches versprechen, da er mit grofem Scharfsinn und Forschungsgeist zugleich die Gabe eines lichtvollen und angenehmen Vortrags verbindet. Von diesen beiden Mannern bin ich tiberzeugt, daS sie sich durch Aufnahme in die Nf. Gesellschaft sehr geschmeichelt finden werden. Haben Sie vielleicht etwas in hiesiger Gegend zu besorgen, so beehren Sie mich mit einem Auftrag, und mit Vergniigen werde ich die Gelegenheit ergreifen, Ihnen zu zeigen, daf ich mit unveradnder- licher Freundschaft und vorziiglicher Achtung bin Thr Ludwigsburg den 2. Febr. ganz ergebener 1794 F. Schiller. Das Sammeln naturwissenschaftlicher Gegenstinde gehérte zu den wichtigsten Aufgaben der Mitglieder; wir finden im Jahres- bericht von 1794 folgenden Bestand angegeben: Zoologisches Kabinett 2500 Stiick Botanisches a S000? 5 Mineralien- 4 1BOOn Kabinett fiir Materia Medica 700 , Physikalisches Kabinett Apparate Chemisches 5 300 Praparate Bibliothek 370 Bande Laboratorium Apparate Da die gedruckten Jahresberichte der Gesellschaft nur bis zum Jahre 1802 reichen, und ihr Griinder und Vorsitzender BaTscH am 29. September 1802 in seinem 40. Jahre starb, so darf man wohl vermuten, dafi nach seinem Hinscheiden die Gesellschaft, die recht eigentlich sein Werk war, langsam endete. Die im Jahre 1796 durch Lenz gegriindete Societat fir die gesamte Minera- logie, welcher Gorrue, und durch diesen der weimarische Hof, sein 730 Johannes Walther, besonderes Interesse entgegenbrachte, diirfte dann fiir die nachsten Jahre die Rolle der Naturforschenden Gesellschaft im geistigen Leben der Universitit iibernommen haben. Der inzwischen eingetretenen Gliederung des Forschungsgebietes entsprechend nannte sie sich seit dem Jahre 1831 ,,Gesellschaft fiir Mineralogie, Geologie und Petrefaktenkunde“, aber der 1832 erfolgte Tod ihres Griinders Lenz und ihres grofen Férderers Gorrne wurde verhingnisvoll fiir ihre weiteren Schicksale. Neue Zweige der Naturwissenschaft hatten inzwischen an der Universitat ausgezeichnete Vertreter gefunden, eine ganze Anzahl bedeutender Kliniker waren nach Jena berufen, und ein persén- licher Zusammenschlu8 dieser jungen Krafte zu gemeinsamer Arbeit erschien wiinschenswert. So wurde am 17. Januar 1853 von den Herren Domricu, FUHRER, MARTIN, Rrep, SCHLEIDEN, E. E. Scumip, O. ScumMIpT, SCHOMANN und SreBerT die Medizinisch-Natur- wissenschaftliche Gesellschaft gegriindet. Anfangs fanden ihre Sitzungen, zu denen durch Rundschreiben eingeladen wurde, in einem Zimmer des Hotels zum Baren statt. Im Jahre 1864 siedelte die Gesellschaft nach den Raumen des Literarischen Museums iiber, und die Sitzungen wurden 6ffentlich abgehalten. Seit 1884 tagte die Gesellschaft im Hérsaal des Physikalischen, seit 1900 in dem des Chemischen Institutes. Seit ihrer Griindung hat die Gesellschaft nach Ausweis der Akten und der lange Jahre sorgfaltig von H. ScHAgFFER gefiihrten Listen etwa 800 Sitzungen abgehalten, in denen durch einen oder mehrere Vortraige neuere Forschungsergebnisse der Mitglieder darge- stellt oder iiber besonders wichtige Arbeiten anderer berichtet wurde. Dazu kommen noch die etwa seit 1880 eingerichteten Sitzungen der Sektion fiir Heilkunde, in denen klinische Beobachtungen mitgeteilt und besonders interessante Falle demonstriert wurden. Durch den weiten Kreis ihres Arbeitsgebietes hat die Gesell- schaft sich immer neue Freunde und Mitglieder erworben, deren Zunahme aus folgender Zusammenstellung erhellt: 1. Vorsitzender 2. Vorsitzender Mitghederzahl 9 1853 SIEBERT ScH6MANN 1854 ScHLEIDEN +5 10 1855 ScHLEIDEN ‘ 12 1856 Rrep - 16 1857 Martin = 18 1858 GEGENBAUR _ 14 1859 LEUBUSCHER : 19 1860 ScHAFFER ; 24 1861 GEGENBAUR z 19 Aus der Geschichte der Naturwissenschaftl. Gesellschaften. 1862 1863 1864 1865 1866 Das Protokollbuch fiir die Jahre 1867—1 882 ist verloren ge- gangen, doch berichtet W. PreyEr in den Sitzungsberichten von 1878, daf die Herren RetrcHarpt, HAECKEL, GEUTHER, W. MULLER, E. _STRASBURGER, FRANKENHAUSER, ABBE, B. SCHULTZE, G. SCHWALBE 1. Vorsitzender 2. Vorsitzender Mitgliederzahl ScHLEIDEN ScHOMANN Rrep . GnrGENBAUR . GERHARD ScuAFFER CzERMAK u. REICHARDT 17 18 23 22 23 und E. E. Scumrp in diesem Zeitraum den Vorsitz fihrten. Im Jahre 1878 war W. Preyrr Vorsitzender, die Zahl der ordentlichen Mitglieder betrug 36; dann folgen nach Ausweis der neuen Akten: 1883 1884 1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 1904 ” Korrespondierende Mitglieder kennt die Gesellschaft nicht; als 1. Vorsitzender 2. Vorsitzender Mitgliederzahl DrETMER _ 45 BARDELEBEN —-- 53 THOMAE — 64 P. Furerincer u. KistNER — — STAHL W. Mi.urr — KuuNT 8 — Lane — M. FURBRINGER 2 — KALKOWSEY y — BINSWANGER x 85 WALTHER 3 100 GARTNER HancKEL 96 REGEL :} 90 LEUBUSCHER 5 86 KUKENTHAL 5 84 SkuTScH U 93 ScHoTt 5 93 ZIBHEN WALTHER 96 GANGE e 97 BIEDERMANN - 104 AUERBACH . 100 RIEDEL 102 'Ehrenmitglieder gehorten ihr bis heute folgende Herren an: Jahr der Ernennung Kart ScummPer f 1855 M. J. ScHLEIDEN + D. G. Kizspr + 1857 Cu. Darwin 7 _RapLKOFER T 1858 Franz v. Riep + Louis Soret 7+ 1864 Orromar DomricH A. v. Brzoup + 1866 Ernst Harcken C. GEGENBAUR 7 1873 B. 8S. Scuurrze Tuomas Huxtey ¢ 1878 Gustav Fiscuur Jahr der Ernennung 1878 1878 1892 1892 1894 1897 1902 732. Joh. Walther, Geschichte der Naturw. Gesellschaften. Am 30, Oktober 1863 wurde eine Kommission, bestehend aus den Herren GERHARDT, GEGENBAUR, GEUTHER, zur Herausgabe einer Zeitschrift gewahlt, die bald darauf im Verlage von W. Engel- mann in Leipzig unter dem Titel: Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft erschien. Diese bildet ein wertvolles Tauschobjekt mit einer immer gréfer werdenden Zahl von Akademieschriften, sowie medizinischen und Naturwissenschaftlichen Fachschriften (jetzt tiber 180), welche statutengemaf der Universitatsbibliothek iiberwiesen werden. Seit 1874 erschien die Zeitschrift im Verlag von Mauke (H. Duft), seit 1878 im Verlag von G. Fischer in Jena (bis Bd. XXXVI). In den Jahren 1877—1887 gab die Gesellschaft auch gedruckte Sitzungsberichte heraus; seit 1893 wird ein gedruckter kurzer Jahresbericht der Zeitschrift zugefiigt. Herausgeber der Zeit- schrift waren: 1863 bis 1873 GrennBAuUR bis 1893 W. Mixurr » 1877 Hancken » 1900 FUrRBRINGER » 1881 ScHwaLBE » 1901 WatTHER » 1883 FRomMANN von 1901 Maurer 1885 v. BarDELEBEN Seit dem Jahre 1879 verdéffentlicht die Gesellschaft auferdem die Denkschriften der Medizinisch-Naturwissen- schaftlichen Gesellschaft zu Jena, von denen 8 tafel- reiche Bande erschienen sind. Fiir diese Veréffentlichungen hat die Gesellschaft aus eigenen Mitteln und den jahrlichen Zuschiissen der G. H. Regierungen bisher ausgegeben : fiir die Zeitschrift Bd. I—VI ungefahr 6000 M. Fes 5 » VWII—XXXVI 31500 ,, » » Denkschriften , I—VIII 10004 ,, Dazu kommen: aus der Ritter-Stiftung 1500. von Herrn Verleger G. Fischer 30505. aus der Carl Zeif-Stiftung 4 000 ” in Summa 62054 M. Der Buchhandlerpreis der fiir die Vermehrung der Universitats- bibliothek von der Gesellschaft in den Tauschverkehr gegebenen Bande betraigt 135000 M. Man kann daraus leicht ermessen, in welch nachdrucksvoller Weise die Medizinisch-Naturwissenschaft- liche Gesellschaft auch auf diesem Wege das _ wissenschaftliche Leben und Arbeiten an unserer Hochschule im Laufe ihres 50- jabrigen Bestehens geférdert hat. Jahresbericht der Medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena fiir das Jahr 1904 erstattet von Bernhard Riedel, z. Z. I. Vorsitzender. I, Sitzungen. Im Jahre 1904 fanden 11 Gesamtsitzungen mit 12 Vortragen, aulerdem 5 Sitzungen der Sektion fiir Heilkunde mit 13 Vortragen und 8 Demonstrationen statt. A. Gesamtsitzungen. 1. Sitzung am 15. Januar. Herr Notu: Neuere Untersuchungen iiber die Sekretionsvorgange im Verdauungskanale. 2. Sitzung am 29, Januar. Herr SrroHmMeyver: Wege und Ziele der Erblichkeitsforschung, wie der Neuro- und Psychopathologie. 3. Sitzung am 12. Februar. Herr Rizpet: Ueber die Geschwiire des Magens und des Zwélffingerdarmes. 4. Sitzung am 6. Mai. Herr Zizetpr: Die Wurmkrankheit der Bergleute. bd, XXXIX, N. F. XXXIL. AT 734 Jahresbericht. 5. Sitzung am 38. Juni. Herr Voncericuten: Ueber die Salpeterfrage und die chemische Industrie. 6. Sitzung am 17. Juni. Festsitzung zu Ehren der Scuterpen-Feier. Herr Hancxnt: Ueber die Biologie in Jena wahrend des 19. Jahrhunderts. » WawtrHer: Aus der Geschichte der Medizinisch-natur- wissenschaftlichen Gesellschaften in Jena. 7. Sitzung am 1. Juli. Herr Maurer: Die Differenzierung des Systems der Rumpf- muskulatur bei Wirbeltieren. 8. Sitzung am 4. November. Herr Turck: Nintzscuzes Krankheit und Antisophie. I. Teil. 9. Sitzung am 18. November. Herr Turck: Nisrzscuus Krankheit und Antisophie. II. Teil. 10. Sitzung am 2. Dezember. Herr Scuott: Ueber eine neue Ultraviolett-Lampe. 11. Sitzung am 16. Dezember. Herr Luzosco: Morphologisches und Biologisches iiber das Geruchsorgan des Neunauges. B. Sitzungen der Sektion fir Heilkunde. (Bericht erstattet von Herrn Professor Dr. E. Herret.) 1. Sitzung am 21. Januar. Herr Konner: Ueber eine neue Behandlungsmethode der Dys- enterie. 2. Sitzung am 18. Februar. 1) Herr Krénie: Zur Chirurgie des Urethers. 2) ,, Srintzinc: Ueber THomsensche Krankheit mit Demon- stration. 3) , Grout: Ueber multiple Exostosen und Enchondrome mit Demonstration. 3. Sitzung am 23. Juni. 1) Herr R6pxe: Demonstration. 2) , Pansow: Behandlung der postoperativen Darmparalysen mit Physostigmin. 3) , Marrurs: Ueber die Herkunft der autolytischen Fermente. Jahresbericht. 735 4, Sitzung am 7. Juli. 1) Herr Scnuttze: Demonstration. 2) ,, Queystepr: Ueber Lupusbehandlung. 3) ,, Ravscupr: Ueber die Farbung des Ureterstrahles als diagnostisches Mittel bei Erkrankungen der Harn- organe. 5. Sitzung am 10. November. 1) Herr Marrues: Fall von Kleinhirntumor mit Demonstration. 2). Srinrzinc: 1) Ueber Lichen ruber acuminatus mit Demonstration. % ‘5 2) Ueber Keloid, mit Demonstration. 3), Wacenmann: 1) Ueber rezidivierende Hornhautero- sionen. 2) Ueber Eisensplitterverletzungen und Siderosis bulbi mit Demonstrationen. ” II. Bibliothekarischer Bericht. Im Tauschverkehr der Gesellschaft ist keine wesentliche Aende- rung eingetreten. Alle Eingange wurden den Satzungen gema8 der Unversititsbibliothek tiberwiesen. Fiir die ihr gemachten Schenkungen spricht die Gesellschaft hierdurch ihren Dank aus. . Von den folgenden Gesellschaften und Schriftleitungen hat die Gesellschaft im Jahre 1904 im Schriftentausch oder als Geschenk Veréffentlichungen erhalten: Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Deutsches Reich. /1) Berlin Deutsche Chemische Gesellschaft Centralblatt. me) Gesellschaft naturforsch. Freunde Sitzungsberichte. | ae Kongl. Preuf. Ministerium der Conwentz, Die geistlichen...Angelegenheiten Gefaihrdung der Naturdenkmiler u. Vorschlige zu ihrer Erhaltung. 4) Bonn Naturhistor. Verein d. Rheinlande Verhandlungen. a) Niederrhein. Gesellschaft f. Natur- u. Heilkunde Sitzungsberichte. 6) Danzig Naturforschende Gesellschaft Schriften. 7) Frankfurt a. M. Senckenberg. naturf. Gesellsch. Abhandlungen. 8) bs 7 fs ‘5 Berichte. 9) Freiburg i. B. Naturforschende Gesellschaft Berichte. 10) Halle Kaiserl. Leopold.-Carol. Akademie der Naturforscher Acta nova. ee sey Naturforschende Gesellschaft Abhandlungen. a, Thiiringisch-Sachsischer Natur- Zeitschr. f. Natur- wissenschaftlicher Verein wissenschaften. 47 * 736 Ort 13) Hamburg 14) n 15) Helgoland 16) Jena 18) Kiel 19) Kénigsberg i. P. 20) Leipzig 21) Miinchen 22) ; Opondnng 24) Reinerz 25) Wirzburg Jahresbericht. Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Naturwissenschaftlicher Verein Abhandlungen. 3 iB Verhandlungen. Biologische Anstalt Veréffentlichun- gen. Dr. FiscHer Zoologische Jahr- biicher, Abt. fiir Systematik ete. Hi ‘; Zoologische Jahr- biicher, Abt. fiir Ontogenie etc. Wiss. Kommission z. Untersuch. Veréffentlichun- d. deutschen Meere gen. Physikal.-dkonomische Gesellsch. Schriften. W. EncetMann Morphologisches Jahrbuch. K. B. Akademie d. Wissensch., Math.-physik. Klasse Abhandlungen. - i Sitzungsberichte. au 5 Festreden. Schlesischer Badertag Verhandlungen. Physikalisch-mediz. Gesellschaft Sitzungsberichte. b, As " Verhandlungen. Oesterreich-Ungarn. Naturw. Verein f. Steiermark Mitteilungen. Akademie der Wissenschaften Anzeiger. ¥ i" fs Katalog Litera- tury Naukowej Polskie}. K. Béhmische Gesellschaft der Wissenschaften Sitzungsberichte. : is Jahresberichte. Kais. Akad. der Wissenschaften, Math.-naturw. Klasse Denkschriften. ‘ ts Sitzungsberichte. fs uy Anzeiger. i e Mitteilungen der Erdbeben-Kom- mission. K. K. Geologische Reichsanstalt Jahrbuch. a . Verhandlungen. a “ Abhandlungen. K. K. Zoolog.-botan. Gesellsch. Verhandlungen. Bologna ” Florenz ” Mailand Neapel Bordeaux Caen Marseille Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Schweiz. Schweizer. Naturf. Gesellsch. ” ” ” ” bp) ” Naturforschende Gesellschaft Institut National Genevois ” » ” Société de Physique et d’Histoire naturelle Italien. Accademia delle Scienze del- VIstituto di Bologna ” 7 Societa Botanica Italiana ” ” ” Societaé. Entomologica Italiana Societa Italiana di Scienze Naturali ” ” ” ” R. Accademia delle Scienze Fisiche e Matematiche ” Zoologische Station Societa Toscana diScienze Naturali ” ” ” ” Laboratorio di Anatomia normale Redaktion R. Accademia delle Scienze 7 ” ” ” Frankreich. Société d’Océanographie du Golfe de Gascogne Société Linnéenne de Normandie ” 9” ” Musée d’Histoire natur. (Zoologie) Faculté des Sciences Redaktion Musée d’Histoire naturelle ” ” Redaktion 137 Schriften: Denkschriften. Verhandlungen. Compte Rendu. Mitteilungen. Bulletin. Mémoires. Mémoires. Memorie. Rendiconti. Nuovo Giornale. Bullettino. Bullettino. Atti. Memorie. Atti. Rendiconti. Mitteilungen. Atti: 1) Memorie. 2) Processi verbali. Ricerche. Archivio per le Scienze Mediche. Memorie. Atti. Osservazioni me- teorologiche. Savrerwein, L’o- céanographie. Bulletin. Mémoires. Annales. Annales. Annales de |’Insti- tut Colonial. Archives. Bulletins. L’Année Biologi- que. 738 Ort 73) Paris FA)i alts 75) TE)cine 77) Antwerpen 78) Briissel 79) 80) ‘5 81) s 82) r 83) 3 84) Léwen 85) Liittich 86) Amsterdam 87) 5 88) " 89) ’s Gravenhage 90) Haarlem 91) Leiden 92) 93) 94) Cambridge 95) b 96) Dublin 97) Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Société de Biologie Société zoologique de France ” ” 9 Redaktion Belgien. Algemeen paedologisch Gezel- schap Académie R. des Sciences, des Lettres et des Beaux Arts. Classe des sciences ” ” ” ” ” Société entomologique Redaktion ”) Holland. K. Akademie van Wetenschapen, Wis- en natuurkundige Afdeel. ” ” K. Natuurkundige Vereeniging in Nederlandsch-Indie Musée Teyler Nederlandsche Dierkundige Ver- eeniging ” ” Redaktion Grofbritannien. Philosophical Society R. Dublin Society Schriften: Comptes Rendus. Mémoires. Bulletin. Archives de Zoo- logie _expéri- mentale. Paedologisch Jaarboek. Bulletins. Mémoires. Mém. couronnés (8°) Mém. cour. (4°) Annuaire. Annales. La Cellule. Archives de Bio- logie. Verhandelingen. Verslagen. Jaarboek. Tijdschrift. Archives. Tijdschrift. Aanwinsten v. de Bibliothek. Botanisches Cen- tralblatt. Transactions. Proceedings. Economic ceedings. Scientific ceedings. Pro- Pro- Ort: 98) Dublin 99) Edinburgh (Cy mi) Cy 102) London 103) n 104) . ips) Ci, 106) ‘ Be) 8%, ips) Ci, i mo) =, #1) , me) C, #3) =, 4) 115) Oxford rn 6) Kopenhagen 17) * 18) Christiania 19) - 20) Stockholm m , 23) : 24) : 25) : 26) ‘ 27) : Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: R. Dublin Society Royal Society R. "Physical Society Linnean Society ” ” » ” R. Microscopical Society Royal Society Zoological Society ” ” ” ” Redaktion Danemark. K. Danske Videnskab. Selskab ? ” ” Norwegen. Norske Medicinske Selskab ” ” ” Schweden. Redaktion Svenska Likare Sallskap K. Svenska Vetenskaps-Akademie ” ” ” ” ” n 739 Schriften: Scientific Trans- actions. Transactions. Proceedings. Proceedings. Transactions. Journal. Proceedings. Journal. Philosoph. Trans- actions. Proceedings. Year Book. Reports to the Ma- laria Committee. Reports to the Evolution Com- mittee. Transactions. Proceedings. List of Fellows. Annals and Maga- zine of Natural History. Quarterly Journal of Microscopi- cal Science. Skrifter. Oversigt. Forhandlinger. Norsk Magazin. Nordiskt Medi- cinskt Arkiy. Hygiea. Forhandlingar. Handlingar. Bihang. Ofversigt. Lefnadstecknin- gar. Brerzeius, Rese- anteckningar. 740 Ort: 128) Upsala 129) “s 130) “ 131) Helsingfors 132) i 133) a 134) , 135) Moskau 136) i 137) St. Petersburg 138) : 139) . 140) 141) 142) ” 143) Jassy 144) Kapstadt 145) Montreal 146) Ottawa 1477) ue Jahresbericht. Name der Gesellschaft oder der Redaktion: Kongl. Vetenskapssocietet Universitat Rufland. Finska Vetenskaps Societet Schriften: Nova Acta. Bulletin of the Geolog. Instit. Likare Foérenings Foérhandlingar. Acta. Ofversigt. Bidrag till Kan- nedom of Finn- lands Natur och Folk. Observations mé- téorolog, Société Impériale des Naturalistes Bulletin. ” ” ) ” Comité géologique ” ” ” ” Akademie der Wissenschaften ” ” ” Institut Impér. de Médecine ex- périmentale Rumanien. Société des Médecins et des Na- turalistes Afrika. Department of Agriculture Nordamerika. I. Canada. Royal Society of Canada Geolog. and Nat. History Survey of Canada ? ” Nouveaux Mé- moires. Mémoires. Bulletin. Bibliothéque géo- log. de la Russie. Bulletin. Catalogue des liy- res publiés. Archives. Bulletin. Annual Report of the Geological Commission. Proceedings and Transactions. Reports. Wuitst, Diction- ary of altitudes in the Domini- um of Canada. Jahresbericht. 741 Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: It Vereinigte Staaten. 148) Baltimore Johns Hopkins University Circulars. 149) ” ” ” ” Bio- ; logical Laboratory Memoirs. 150) Boston Society of Natural History Memoirs. 151) ” ” ” ” ” Proceedings. 152) x " = . - Occasional Pa- ; pers. 153) Brooklyn Museum of the Brooklyn Insti- Memoirs of na- tute of Arts and Sciences tural sciences. 154) Cambridge Mus, of Comparative Zoélogy | Memoirs. 155) e ane a Annual Report. 156) . ilu , e Bulletins. 157) 5 Redaktion The American Naturalist. 158) Chicago Academy of Sciences Bulletin. 159) B. Ps as = Bulletin of the Geol. and. Nat. Hist. Survey. 160) Cincinnati Lloyd Library Bulletin of the Lloyd Library | of botany, phar- macy and ma- teria medica. 161) Granville (Ohio) Scientific Laboratories of Denison | University Bulletin. 162) St. Louis Missouri Botanical Garden Annual Report. am . Academy of Science Transactions. 164) New Haven Connecticut Academy of Arts and Sciences Transactions. 5) a Redaktion The Americ. Jour- nal of Science. 6) Philadelphia = Journal of Compa- rative Medicine. 7) 3 Academy of Natural Sciences Proceedings. 8) Tufts College (Mass.) Studies. 9) Washington U. S. National Museum Bulletins. 0) es 5 - Special Bulletins. 1) . is m * Proceedings. 2) fy Smithsonian Institution Report. 3) ‘ U. 8. Geological Survey Bulletins. 4) ‘ = 2 * Annual Reports. 5) - , Hf “ Monographs. 6) Fs 2 & - Mineral Re- sources. 742 Jahresbericht. Ort: Name der Gesellschaft Schriften: oder der Redaktion: Sidamerika, I. Chile. 177) Santiago Société scientifique du Chili Actes. II. Argentinien. 178) Cérdoba Academia Nacional de Ciencias Boletin. III. Brasilien. 179) S. Paulo Museu Paulista Revista. 180) Rio de Janeiro Museu Nacional Archivos. _ Australien. 181) Melbourne Royal Society of Victoria Proceedings. 182 a i, 7 e e Transactions. 183) Sydney Royal Society of New South Wales Journal and Pro- ceedings. 184) . . 7 ea 5 aA Abstracts of Pro- ceedings. 185) P Linnean Soc. , , ‘ _ Proceedings. 186) . Australasian Association Report. Japan. 187) Tokio College of Science, Imperial Uni- versity Journal. 188) 00%, Medizinische Fakultét der K. Universitat Mitteilungen. 189) 20; Tokyo Imperial University Calendar. Von den Schriften der Gesellschaft erschienen im Jahre 1903: 1) Jenaische Zeitschrift, Bd. XXXVII oder N. F. Bd, XXX Heft 3 u. 4 und Bd. XXXVIII oder N. F. Bd. XXXI Heft 1 u. 2. 2) Denkschriften: Szmon, Forschungsreisen, Lieferung 21 oder Denkschriften, Bd. V, Lieferung 6, und Denkschriften Bd. X, Voer, Neurobiologische Arbeiten, II. Serie, Bd. I, Lieferung 1, III. Kassenbericht erstattet vom zweiten Vorsitzenden J. WALTHER. Die Einnahmen betrugen: Mitgliederbeitrage und Eintrittsgelder 628 M. 95 Pfg. Abonnenten der Jenaischen Zeitschrift 48 oe Jahrlicher Beitrag der G. H. Regierungen 1800 , — ,, 2476 M. 95 Pts. Jahresbericht. 743 Die Ausgaben betrugen: Verwaltungskosten 298 M. 84 Pfg. Druckkosten fiir die Zeitschriften 2995) ano 3283 M. 89 Pfg. Barvorrat 3811 M. 55 Pfg. Vermégen | Siiascbne Toe ome An Zinsen pro 1904 OS", he ae 1167 M. 8 Pie. Der Kassenbericht wurde von Herrn Tuomar gepriift und ‘richtig befunden. IV. Vorstand, Tauschkommission, Mitglieder. Den Vorstand der Gesellschaft bildeten im Jahre 1904: Brernoarp Riepet, I. Vorsitzender, Jouannes Wavtuer, II. Vorsitzender und Kassenwart, FriepricHh Maurer, Herausgeber der Zeitschrift, Karu Branpis, Bibliothekar. Die Tauschkommission bestand aus dem Vorstand und den Herren Gustav Fiscuer, ApotrF Winketmann, Ernst Sraut. Die Wahl des I. Vorsitzenden fiir das Jahr 1905 in der Schlufsitzung am 11. Dezember fiel auf Herrn Linck. Die anderen Mitglieder des Vorstandes und die Tauschkommission wurden durch Zuruf wiedergewihlt. Im Jahre 1904 verlor die Gesellschaft durch den Tod ihr Mitglied Brerrnonp Groxum, 5 weitere Mitglieder traten aus. Da- gegen wurden neu aufgenommen die Herren: Dr. Branpis, Dr. Maneoxp, Dr. Fresie, Dr. ScuArsr, Prof. Dr. Franz, Dr. ScurépeEr, Prof. Dr. Konia, Dr. Warpa. Die Gesamtzahl der Ehrenmitglieder und ordentlichen Mit- glieder betragt am Jahresschlu8 106. Mitgliederverzeichnis. Friihere Ehrenmitglieder waren: Jahr der Ernennung Karu Scuimper (7 1867) 1855 Districh Grore Kinser. (7 1862) 1857 RaDLKOFER 1858 Louis Sorrer (7 1890) 1864 ALBERT von Bezoxtp (7 1868) 1866 Tuomas Houxtery (f 1895) 1867 Martruias Jacos ScHLEIDEN (7 1881) 1878 Oskar Scumipt (f+ 1886) 1878 CuarLes Darwin (fF 1882) 1878 Franz von Riep (7 1895) 1892 Cart Grcenpaur (fF 1903) 1873 744 Ji ahrésberiolit: I. Ehrenmitglieder. Jahr der Ernennung 1) Orromar Domricu, Meiningen 1892 2) Ernst Haxrcxet, Jena 1894 3) Bernuarp Siaismunp Scuuurzn, Jena 1897 4) Gustav Fiscupr, Jena 1902 II. Ordentliche Mitglieder. Jahr der Aufnahme 1) Prof. Dr. Ernst Appr + Jena 1863 2) Prof. Dr. Hermann AMBRONN ny eee 3) Prof. Dr. GinrneR ANTON 1 y Lee 4) Prof. Dr. Farr AvErBacH » » ease 5) Prof. Dr. Kart von Barpenesen, Hofrat - 1873 6) Dr. Hans Bureer, Privatdozent » SBS 7) Prof. Dr. WitnuHeLm Biepermann, Geh. Hofrat » 1888 8) Dr. med. G. Brypsr, prakt. Arzt » £900 9) Prof. Dr. Orro Bryswancer, Geh. Med.-Rat a See 10) Dr. med. Fritz Bockutmann, Sanitétsrat Rudolstadt 1875 11) Vicror Bornexn, Senatsprasident Jena 1900 12) Dr. Grora von pem Borne y wlgwe 13) Dr. K. Branpis Bibliotheksdirektor, » 1904 14) K. Bravcxmann, Institutsdirektor Wenigenjena 1900 15) Witnetm Burz, Realschuldirektor a. D. Jena 1892 16) Dr. Srzr@rrimp Czapsxi, Fabrikleiter a 1885 17) Prof. Dr. BertHonp Dr.pricK » L8se 18) Prof. Dr. Witnetm Dermer, Hofrat » See 19) Prof. Dr. Cart Dover s MERESS SE 20) Prof. Dr. Witnetm Epier » Jeon 21) Dr. Hernricu Eaertine, Geh. Staatsrat, Uni- versitats-Kurator n. pee 22) Prof. Dr. Heryricn Eeceuine, Prosektor >) oe 23) Dr. med. Gustav Ercuuorn, prakt. Arzt » oleae 24) Prof. Dr. Hermann Encretuarpt, Med.-Rat : 1888 25) Dr. med. Firnie, Stabsarzt ,» 1904 26) Prot. Dr. Paul FratssE » | “Sos 27) Prof. Dr, Kart Franz » 1904 28) Huinricw Frissz, Privatgelehrter , | ieoe 29) Prof. Dr. Gorrtos Frees » = ee 30) Dr. Curist1an GAnen, Privatdozent >» Lee 31) Prof. Dr. Aueustr Gartner, Geh. Hofrat ; 1886 32) Dr. Ernst Giesz, Privatdozent ny bees 33) Prof. Dr. Grore Goérz, Geh. Hofrat S88 34) Dr. Karn Grar, prakt. Arzt , > 2838 35) Dr. Junius Groper, Privatdozent ‘ 1899 36) Dr. Heryricu Gross, Privatdozent » obeGe Jahresbericht. 37) Prof. Dr. Aueust GutTzmER 38) Prof. Dr. Ernst Herren 39) Dr. HerscuKxowiTscu 40) Prof. Dr. Heryricn ImMEenDORFF 41) Prof. Dr. Jonannes Kzusser 42) Prof. Dr. Hernricn Kionxka 43) Prof. Dr. Orro Knorr 44) Prof. Dr. Lupwia Knorr, Geh. Hofrat 45) Prof. Dr. Konic, Geh. Med.-Rat 46) Rupotr Kocu, Kommerzienrat 47) Dr. phil. Kouuer 48) Dr. Karu Koxrescu, Gymuasiallehrer 49) Prof. Dr. Atperr Leitzmann 50) Prof. Dr. Gorrnos Linck, Geh. Hofrat 51) Dr. Fexix Lommet, Privatdozent 52) Dr. WitHEeLm Lusoscu, Privatdozent 53) Dr. med. Maneoup 54) Dr. med. Marsure _ 55) C. Marruss, Stadtrat, Rentier 56) Prof. Dr. Hermann Marruns 57) Prof. Dr. Max Marruss 58) Prof. Dr. Frieprich Maurrr 59) Prof. Dr. WirHetm Muixurr, Geh. Hofrat 60) Dr. Atrrep Not, Privatdozent 61) Dr. Max Pavty, Fabrikdirektor a. D. 62) Prof. Ernst Pruirrer, Institutsdirektor 63) Ernst Piutz, Realschullehrer 64) Dr. Karu Punrricu 65) Prof. Dr. Paunt Razse 66) Prof. Rupontr Rav 67) Prof. Dr. Brernnarp RizpeL, Geh. Med.-Rat 68) Dr. Paut RrepEn 69) Prof. Dr. Epuarp RosrenTHaL 70) Dr. Lzo Sacusr, Gymnasiallehrer a. D. 71) Dr. med. Scudrer, Direktor der Psych. Klinik 72) Prof. Dr. Emm Scumipr 73) Dr. Orro Scuort, Fabrikleiter 74) Dr. Ricnarp Scuré6peER, Verlagsbuchhandler 75) Pavun Scuurtze, Rat 76) Dr. Leonnarp Scuuurze, Privatdozent 77) Prof. Dr. Frirepricn Scuuuz 78) Prof. Dr. Moritz Surpet, Geh. Med.-Rat 79) Dr. med. Lucas Sizsyrt, Med.-Rat 80) Dr. SrrpEnToPr 81) Dr. Maxm. SprockHorr 82) Prof. Dr. Ernst Srauu 83) Prof. Dr. Roprrica Stinrzine, Geh. Med.-Rat 745 Jahr der Aufnahme Jena 1899 1898 1901 1901 1886 1901 1889 1889 1904 1893 1900 1891 1901 1894 1902 1902 1904 1902 1896 1900 1891 1901 1865 1901 1897 1887 1893 1891 1899 1902 1889 1893 1897 1876 1904 1901 1882 1904 1879 1899 1898 1864 1881 1900 1903 1881 1890 746 J atvashexiohb, Jahr der Aufnahme 84) Dr. Hernricu Stroy, Institutsdirektor Jena 1877 85) Prof. Dr. Rupour SrTravuBEL 4. $38 86) Dr. med. StronmEyprR 4. 1908 87) Prof. Dr. Jonannes THoman, Geh. Hofrat y “OLSTS 88) Turopor Torzxxn, Lehrer em. 4 SEBOR 89) Dr. phil. H. Turck, Privatgelehrter » - £300 90) Aveust Voer, Landkammerrat , L897 91) Prof. Dr. Epvarp VonGERICHTEN 4 £902 92) Prof. Dr. Auaust Wacrenmann, Geh. Med.-Rat y MLS82 93) Prof. Dr. JoHannEs WALTHER , | “28386 94) Dr. Karn Wa.tHEr | 2908 95) Dr. med. Warpa, Nervenarzt Blankenburg 1904 96) Dr. med. Wernert, prakt. Arzt Jena 1897 97) Prof. Dr. Apotr Winxenmann, Geh. Hofrat 5 » 2886 98) Dr. WitHELM WinxteErR, Privatgelehrter 5 > SSH 99) Prof. Dr. Lupwic Wo.rr » 4892 100) Prof Dr. Heinrich Ernst ZimcLEeR % 1898 101) Dr. phil. ZscuimMer » 2900 102) Dr. Ricnarp Zsiamonpy , Privatgelehrter q)! LEoF Frommannsche Buchdruckerei (JIermann Pohle) in Jena. — 2810