HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. DALAgAye Svar 8.9597) 7. iN 4 : -_ tr i ites = ae a ae ae ‘ | : 7 ie Fe, - a he , - ry F Bit Oeics rte ict oS) ne | a ; 7 | . nea) | ; ie Fa: ee ae ae as ) | | ~ \~ © ; vm | ee a 7 _ ae: sie AP ee - * a + ae Sa ibe Cia C5 * a F y $4 p 7h : J . i - ha ; ol * ; i ‘ ar >. - — ‘ Fa U ’ : on - a ; at A . ‘ x : ¥ ‘ Sor a ow : ‘ag r - Te 9 i> { ci ee ie - = a : > a. -¢f ; = = - = one > - * ~ - - _ re = % ‘an fat , ; oe ee a aa _ * : ’ 7 = Jenaische Zeitschrift NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft mu Jena. Einundvierzigster Band. Neue Folge, Vierunddreissigster Band. Mit 32 Tafeln, 102 Abbildungen im Texte, 9 Kurven und 2 anatomischen Zeichnungen. Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1906. eore'el ttt Ve WAGs ct hea " fh oe Alle Rechte vorbehalten. tn ae hee r "Gg F wi . ic ‘alate Gi re : ci, Inhalt. Frrnanpez, Micuert, Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. Mit Tafel I ‘ Marctnowsx1, Kati, Zur Entstehung der Gefifendothelien und des Blutes bei Amphibien. Mit Tafel II— VI und 17 Figuren im Text SEE AAS et aha Jacupowa, Lyp1a, Polycladen von Neu-Britannien und Neu- Caledonien. Mit Tafel VII—XI . ah A Wg ; Hauer, B., Ueber das Nephrogonocélom von Fissurella, Na- cella ae Chiton. Mit Tafel XII und XIII und 6 Figuren im Text. Rorwer, Caru-Friepricu, Beitrage zur Histogenese von Cer- cariaeum helicis. Mit Tafel XIV u. XV und 5 Figuren im Text. Bonnevin, Kristinn, Untersuchungen tiber Keimzellen. I. Beob- achtungen an den Keimzellen von Enteroxenos éstergreni. Mit Tafel XVI—XXIII und 10 Figuren im Text . Franz, V., Beobachtungen am lebenden Selachierauge. Mit 10 Figuren im Text ‘ KANnNGIESSER, Friepericu, Hiniges iber Alter und Dicken- wachstum von Jenenser Kalkstrauchern. Mit 9 Kurven und 2 anatomischen Zeichnungen . Lecco, THomas M., Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. Hin Beitrag zur Lésung der Frage iiber die Natur des Ganglion ciliare. Mit 18 Figuren im Text Oxrper, Rernnarp, Die Entstehung der Munddriisen und der Zahuleiste der Anuren. Mit Tafel XXIV und XXV und 14 Figuren im Text Seite 1 159 185 229 429 472 483 505 IV Inhalt. Luzoscu, Wituetm, Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. (Zweite Folge einer Reihe von Untersuchungen iiber die vergleichende Anatomie der Gelenke.) Mit Tafel XXVI —XXIX und 5 Figuren im Text. Koxentuat, W., Beitriige zur Anatomie eines waibliohien Go- villa. Grapowsky, F., Beittag: zur © Biolog ie Goritte, Mit Tafel Hering, Das Auge des Gorilla. Mit Tafel XXXI_ : Sranr, Hermann, Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Ga llaweivehans Mit 16 Figuren im Text . Geruarpt, Unricu, Die Morphologie des Urogenitalaysnaie eines weiblichen Gorilla. Mit Tafel XXXII und 1 Figur im Text. Seite 618 632 as Jenaische Zeitsehrift oe | fiir ( | NATURWISSENSCHAFT herausgegeben von der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena. Einundvierzigster Band. Neue Folge, Vierunddreissigster Band. Erstes und zweites Heft. Mit 15 Tafeln und 28 Figuren im Text. | | e E Inhalt. FERNANDEZ, MiGUEL; Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. Hierzu Tafel I. _ Marcinowsk1, Katt, Zur Entstehung der Gefassendothelien und des Blutes be: Amphibien. Hierzu Tafel I[—VI und 17 Figuren im Text. Jacupowa, Lyp1a, Polycladen von Neu-Britannien und Neu-Caledonien. Hierzu Tafel VII—XI. HALLER. B., Ueber das Nephrogonocélom von Fissurella. Nacella und Chiton. Hierzu Tafel XII u. XIII und 6 Figuren im Text. ROEWER, CARL-FRIEDRICH. Beitrige zur Histogenese von Cercariaeum helicis. Hierzu Tafel XIV u. XV und 5 Figuren im Text. > | Preis: 25 Mark. Jena, Verlag von Gustav Tischer. ‘1906. usendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. Ausgegeben am 23. April 1906. ‘Verlag von Gustav Fischer in Jena. _ Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Tiefsee-Expedition dem Dampfer ,,Valdivia’’ 1898—1899. Im Auftrage des Reichsamtes des I herausgeg. von Carl Chun, Professor d. Zoologie in Leipzig, Leiter der Expediti Bisher erschienen: Bd. I. : : a Dr. Gerhard Schoit, )zeanographie und maritime Meteorologie. Im Auftr des Reichs-Marineamts bearbeitet. Mit einem Atlas von 40 Tafeln (Karten, Pr filen, Maschinenzeichnungen, u.s. w.), 26 Tafeln (Temperatur-Diagrammen) un 35 Figuren im Text. Preis fir Text und Atlas 120 Mark. : Bd II, 1. Teil, Lief I. . i. HI. Schenck, I. Vergleichende Darstellung der Pflanzengeographie der sub antarktischen Inseln, insbesondere iiber Flora und Vegetation von Kerguelen Mit Einfiigung hinterlassener Schriften A. F. W. Schimpers. Mit 11 Tafeh und 33 Abbildungen im Text. IJ. Ueber Flora und Vegetation von St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit Einfiigung hinterlassener Berichte A. F. W Schimpers. Mit 5 Tafeln und 14 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 50 M Vorzugspreis: 40 M. : ? Bd. III. M Prof. Dr. Ernst Vanhéffen, Die acraspeden Medusen der deutschen Tiefsee Expedition 1898-1899. Mit Tafel I—VIII. — Die craspedoten Medusen deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. I. Trachymedusen. Mit Tafel IX—X Einzelpreis: 32,— M., Vorzugspreis fir Abnehmer des ganzen Werkes 25,— Dr. phil. L. S. Schultze, Die Antipatharien der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XIII u. XIV und 4 Abbild. im Text. Hinzelpreis 5,-— M., Vorzugspreis: 4,— M. Dr. phil. Paul Sehacht, Beitriige zur Kenntnis der auf den Seychellen lebenden Elefanten-Schildkréten. Mit Tafel XV—XXI. Einzelpreis: 16,— M. Vorzugspreis: 13,— M. Dr. W. Michaelsen, Die Oligochiiten der deutschen 'Tiefsee-Expedition nebs' Erérterung der Terricolenfauna oceanischer Inseln, insbesondere der Inseln des subantarktischen Meeres. Mit Tafel XXII und 1 geographisehen Skizze, Einzelpreis: 4,—- M., Vorzugspreis: 3,50 M. a Joh. Thiele, Proneomenia Valdiviae n. sp. Mit Tafel XXIII. Einzelprei 3,— M., Vorzugspreis: 2,50 M. 3 K. Mébius, Die Pantopoden der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XXIV—XXX. LEinzelpreis: 16,— M., Vorzugspreis: 12,50 M. ~~ Giinther Enderlein, Die Landarthropoden der von der Tiefsee-Expedition besuehten antarktischen Inseln. I. Die Insekten und Arachnoiden der Ke guelen. Dl. Die Landarthropoden der antarktischen Inseln St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit 10 Tafeln und 6 Abbildungen im Text. Hinzelpreis: 17 M., Vorzugspreis: 15 M. 3 Bd. IV. 4 Prot. Fr. E. Schulze, Hexactinellidae. Mit einem Atlas von 52 Tafeln. Preis: 120 Mark. q : 4 Bd. V, Lief. 1. ; Johannes Wagner, Anatomie des Palaeopneustes niasieus. Mit 8 Tafeln und 8 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 20,— M., Vorzugspreis: 17 Mark. - Bd. VI. Franz Doflein, Brachyura. Mit 58 Tafeln, 1 Texttafel und 68 Figuren und Karten im Text. Preis: 120 Mark. z Bd. VII. v. Martens und Thiele, Die beschalten Gastropoden der deutschen Tiefsee- Expedition 1898—1899. A. Systematisch-geographischer Teil. Yon Prof. v. Martens. B. Anatomisch-systematische Untersuchungen einiger Gastro- poden. Von Joh. Thiele. Mit 9 Tafeln und 1 Abbildung im Text. Einzel- preis: 32 M., Vorzugspreis: 26 M. Dr. W. Michaelsen, Die stolidobranchiaten Ascidien der deutschen Tiefsee- Expedition. Mit Tafel X—XIII. Einzelpreis: 13,— M., Vorzugspreis: 11,— M. Dr. Emil von Marenzeller, Steinkorallen. Mit 5 Tafeln. Einzelpreis: 16 M., Vorzugspreis: 12 M. at Franz Ulrich, Zur Kenntnis der Luftsiicke bei Diomedea exulans und Diomedea fuliginosa, Mit Tafel XIX—XXII. Einzelpreis: 9,— M., Vorzugspreis: 7,50 M. Fortsetzung auf Seite 3 des Umsehlags. JUL 19 1806 (Aus dem zoologisch-vergleichend-anatomischen Institut der Universitit Ziirich.) Zur Kenntnis des Pericardkorpers einiger Ascidien. Von Miguel Fernandez. Hierzu Tafel I. HELLER fand im Pericard von Ciona intestinalis ziemlich regelmafig einen rundlichen oder mit mehreren Fortsitzen ver- sehenen Kérper, welcher, da er frei in der Pericardhéhle flottiert, sich bei Herzkontraktionen zwischen den beiden Herzschenkeln auf und ab bewegt. Er war fest, von graulich-weifer oder gelb- licher Farbe. Bei Ascidia fumigata beschrieb der Autor einen runden, schwarzen Kérper aus lamellésen, konzentrischen Schichten aufgebaut, die wie Haute einer Zwiebel tibereinander gelagert sind“, welcher aber, im Gegensatz zu dem der Ciona, nicht im Pericard, sondern in einer Anschwellung am oberen Herzende liegen soll. Eine ahnliche Anschwellung beobachtete er nachtraglich bei einigen Exemplaren von Ascidia mentula. Route fand auger dem Pericardkérper (corps blanchatre, Rove) in der Pericardfliissigkeit noch mannigfache Einzelzellen, durch deren Zusammenballen der Kérper selbst entstehen soll. HEINE untersuchte den Pericardkérper vor allem histologisch genauer. Er beschrieb ihn als ein nur streckenweise von mem- branartigen Ausbreitungen umgebenes Gebilde, in dessen Innern eréBere, fast zellenfreie Hohlriume vorkommen. Auch er glaubt, daS der Kérper aus den frei im Pericard flottierenden Zellen sich bilde. SEELIGER nimmt in allen Punkten die Ergebnisse HEINEs, dessen Arbeit unter seiner Leitung entstanden ist, an. Daher miissen nur die Ausfiihrungen Routes und Heres am Eingang der entsprechenden Abschnitte detailliert wiedergegeben und dis- kutiert werden. Bd. XLI. N. F. XXXIV. 1 2 Miguel Fernandez, Ich selbst habe den Kérper bei Ciona, Ascidia cristata und Ascidia fumigata untersucht. Von allen 3 Arten besaf ich in Chromessigsiure konserviertes Material, von Asc. fumigata auch noch mit Sublimat behandeltes, von Ciona solches, das mit Subli- mat und solches, das mit FLemminescher Lésung fixiert war. Die Objekte wurden entweder mit der Doppeleinbettung unter Ver- wendung von Cedernholzél nach Jorpan behandelt, oder es wur- den die Paraffinschnitte vor der Weiterbehandlung mit einer Pho- toxylinschicht bedeckt, so da Verschiebungen freier Koérperchen oder Wegschwimmen solcher ziemlich ausgeschlossen sein diirfte. Ciona intestinalis. I. Freie Pericardialelemente. Da nach der von ROULE und auch von Herne vertretenen Ansicht der Pericardkérper aus den frei im Pericard vorkommenden zelligen Elementen sich auf- baut, mégen dieselben zuerst behandelt werden. Nach Routes Beobachtungen sollen diese Zellen bald einzeln, bald zu kleinen Haufen zusammengeballt vorkommen, sich ziemlich schlecht farben und mit kleinen, stark lichtbrechenden Kérnchen angefiillt sein. Sie sollen absterben, wobei die Kérnchen ver- schwinden und der Raum innerhalb der iibrigbleibenden Zellwand sich mit einer hyalinen Fliissigkeit anfillt, wahrend die Zelle deformiert werden kann. Auber dieser Zellart fand Route noch viel gréBere, mit groben Kérnern angefiillte Elemente sehr ver- anderlicher Form, die der Teilung faihig sein sollen. Bei einem noch nicht véllig ausgewachsenen Tier (ca. 8 cm Lange) fand ich folgende Hauptformen von freien Pericardzellen vor (Fig. 1): I. Kleine Zellen, ahnlich den kleinen Amébocyten des Blutes (Fig. la) (entsprechen vielleicht Routes Fig. 60a u. b). II. Aehnliche Zellen, mit einer grofen Vakuole (oder einigen wenigen) der das Plasma sichelfoérmig aufsitzt (Fig. 1f). Ill. Grofe, anscheinend améboide Zellen, mit kleineren oder gréferen Granula oder beiden Granulaarten (Fig. 1b). Um den meist schwarzen Kern findet sich sehr haufig ein heller Hof mit scharfer auBerer Grenze. Der Kern sendet an den auferen Rand des Hofes spitze, ebenfalls schwarz gefirbte Fortsatze. Die gréBe- ren Granula dieser Zellen farben sich mit Kernfarbstoffen durch- aus dunkel. (Entsprechep vielleicht Routes Fig. 60¢ u. d.) Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 3 IV. GroBe runde, oder anders geformte Gebilde mit hellem granulésem Plasma (Fig. 1c), in dem aber auferdem sehr grofe granulaartige Kinschliisse vorkommen, welche stets von einem hellen Hof umgeben sind; sie farben sich mit Eisenhaimatoxylin so schwarz wie Kerne und sind dann von ihnen nur schwer zu unterscheiden, héchstens noch dadurch, da8 die Kerne, wie tiber- haupt bei Pericardkérperchen ein knolliges Aussehen besitzen. Karmin dagegen farbt die Kerne gleichférmig leuchtend rot, wiah- rend die Einschliisse hellkarmoisinrot erscheinen. Auch die Kerne der Zellen IV sind von hellen Héfen um- geben und mit der Peripherie derselben durch dunkle, vom Kern ausgehende, Strahlen verbunden. Man kénnte versucht sein, das hier als Kern Bezeichnete als Nucleolus zu betrachten und den hellen Hof als den mit Kernsaft angefiillten Kern selbst. Hier- gegen scheint mir zu sprechen, daf, wie soeben beschrieben, um alle gréferen Einschliisse ebenfalls solche hellen Raume vorhan- den sind. Die Kerne aller Zellarten im Pericard waren bei diesem Exemplar bei Eisenhimatoxylinpraparaten schwarz oder einfarbig dunkel; sie zeigten bei dieser Behandlung ebensowenig wie mit Karmin irgend eine Struktur. (Bei einer anderen mit FLEMMING- scher Lésung fixierten Ciona dagegen war nur ein Teil der Kerne derartig gefairbt, ein anderer wies hellere, etwas blasige Kerne, ebenfalls von geringer GréfSe, auf.) V. Grofe Plasmamassen, in denen Zellen eingeschlossen liegen, also phagocytaérer Funktion (Fig. 1e). Ueber die Lage der freien Zellen im Pericard ist nicht viel auszusagen: sie sind darin frei beweglich; man findet sie bald hier bald dort, meistens in kleineren Gruppen. Wenn sie auch 6fter der Pericard- als der Herzwand anliegen, so riihrt dies wohl daher, da’ die Herzwand in steter Bewegung, die Pericard- wand dagegen relativ ruhig ist. Wie sind nun diese Zellen ins Pericard gelangt? ROouLE gibt darauf zwei Antworten: 1) Sollen, als die larvale Leibeshdhle (der Autor macht keinen scharfen Unterschied zwischen primarer und sekundarer Leibeshéhle) sich in Bindegewebslakunen differen- zierte, einige nicht zum Aufbau der Gewebe gebrauchte Zellen das Blut gebildet und andere in der allgemeinen Leibeshéhle zu- riickgeblieben und unter anderem auch zu frei im Pericard flot- tierenden Elementen geworden sein. 2) Sollten, weil sich beim Erwachsenen viel mehr Elemente im Pericard finden, als beim 1 * 4 Miguel Fernandez, jugendlichen Tier und weil eine vollkommene Aehnlichkeit vor- handen sei zwischen den Elementen in der Pericardhoéhle einerseits und dem Pericardepithel sowie den protoplasmatischen Teilen der Epithelzellen des Herzens (,endothélium interne du péricarde et externe du coeur“) andererseits, die Zellen dieser Epithelien in die Pericardhéhle fallen, sich abrunden und ihre Lebensfahigkeit verlieren. Diese Ansicht will Route dadurch stiitzen, daf der Pericardkérper um so gréfer werde, je alter das Tier sei und nur durch Hinzutreten neuer Elemente wachsen kénne, da die meisten seiner Zellen — alle mit Ausnahme der grofen, grobgekérnten — der Vermehrung unfahig seien. HEINE stimmt dieser letzteren Erklarung als der seiner An- sicht nach wahrscheinlichsten bei. Gerade diese aber scheint mir ziemlich unbegreiflich, und eine Diskussion derselben ist wohl-um so weniger nétig, als es durchaus unverstandlich ist, wie eine hochdifferenzierte Plattenepithelzelle oder gar der Sarkoplasma- teil samt Kern einer Muskelepithelzelle, wenn er ins Pericard- lumen gefallen ist, sich abkugeln und eine der oben beschriebenen Formen annehmen sollte. — Ob aber Bruchstiicke von Pflaster- epithelzellen des Pericards nicht doch ins Lumen fallen kénnen, ist bei der grofen Anzahl zerfallener Elemente, die sich in ihm finden, nicht auszuschliefen. Friiher (1904) habe ich beim Peri- cardepithel der Salpen Stellen beschrieben, an welchen Epithel- zellen ,,herausgefallen“ waren, doch erscheint es mir in dem Falle eher wahrscheinlich, dal die Zellen erst bei der Préparation herausgefallen sind, als dafi dies schon wahrend des Lebens des Tieres geschehen wire. Wenn aber ein solches ,Herausfallen“ wihrend des Lebens der Ascidien stattfinden sollte, so kénnten dadurch niemals ganze Pericardzellen, sondern héchstens Bruch- stiicke von solchen in die Pericardhéhle gelangen. Demgegen- iiber scheint mir gerade die von Herne ausdriicklich abgewiesene Ansicht, daf es sich um Blutzellen handelt, die vermége ihrer améboiden Beweglichkeit durch die Pericardwand gedrungen sind, viel wahrscheinlicher. Ich halte die Elemente fiir Blutzellen, wie sie aber ins Pericard gelangen, kann erst weiter unten erértert werden. Vergleicht man die freien Pericardkérperchen allerdings mit den Blutkérperchen, wie sie von CutNotT beschrieben wurden und wie ich sie aus dem Herzen in Fig. 2 von demselben Priparate, dem die Pericardkérperchen entstammen, nochmals abbilde, so wird man wohl nicht viel Aehnlichkeit finden, abgesehen von der- Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 5 jenigen, die Fig. la mit kleinen Amébocyten besitzt. Die Kerne der Blutkérperchen sind vor allem auch auf den Praparaten, deren Pericardkérperchen keine Kernstruktur zeigen, stets mit deut- lichem Chromatinnetz versehen. Ihre Granula farben sich bei Kisenhamatoxylin-Erythrosin rot; dunkel gefirbte (im fixierten Zu- stande griinlich- gelbe) Einschltisse, die in den Amdébocyten nur in der Einzahl oder zu sehr wenigen zusammen vorkommen, fin- den sich wohl auch in den Blutzellen, jedoch anscheinend haufiger in denen der Gefife als des Herzens. Jedenfalls existiert fiir die Zellen IV (Fig. 1c) nichts Aehnliches im Blut, und auch die Zellen Ill Fig 1b, d sind den grobgranulierten Blutzellen durchaus un- ahnlich. Man kann aber erweisen, daf’ Rounss erste Ansicht trotzdem nicht zutreffend ist. Bei einer Ciona von 2—3 mm Linge nim- lich fand ich noch gar keine Elemente im Pericard vor; bei einer anderen von ca. 3 mm nur ein K6rperchen von dem ich nicht mit Sicherheit behaupten kann, es sei ein Pericardkérperchen, -da es sich nur schlecht gefarbt batte. Herne sagt zwar, dal er bei einem Tier von 2,5 mm der Pericardwand anliegende Zell- haufchen gesehen habe; aber die Histologie derselben war nicht zu ermitteln, so dafi deren Natur immerhin zweifelhaft bleibt. Waren es aber auch Pericardkérperchen gewesen, so ist doch sehr wohl méglich, dafi bei diesem Exemplar schon Ké6rperchen ins Pericard gelangt waren, wahrend sie bei den hier betrachteten noch fehlten, dies ist um so eher méglich, als ja auch bei gleich eroken alteren Tieren die Ausbildung des Pericardkérpers und die Menge der freien Elemente so anferordentlich stark schwankt. Auch ist die Altersbestimmung durch Langenangabe stets sehr unsicher, wegen der verschieden starken Kontraktion der Tiere beim Fixieren. — Auch bei einer Ciona von ca. 5 mm namlich fand ich nur zwei Elemente im ganzen Pericard, dessen simtliche Schnitte genau daraufhin untersucht wurden. Diese beiden Kérper- chen unterschieden sich nun in nichts von Blutkérperchen dessel- ben Tieres. Aus den obigen Befunden halte ich daher den Schluf fiir berechtigt, da8 die Pericardhéhle der Ciona anfangs zellenfrei ist und daf spiter darin vorkommende Elemente von aufen hin- eingelangt sind. Hierfiir, und zwar dafiir, daf es sich um Blut- kérperchen handelt, die irgendwie hinein gelangen, sprechen auch die folgenden Befunde. a Bei einer Ciona von 15 mm zahlte ich bereits an 300 freie Pericardkérperchen — abgesehen von den Elementen des hier be- 6 Miguel Fernandez, reits vorhandenen Pericardkérpers selbst. Sie lagen éfters in Haufchen zusammen und man konnte darunter alle Formen der Blutkérperchen (dieser Altersstufe) und keine anderen finden. Sie waren alle mit grofen deutlichen Kernen ausgestattet (Fig. 4). DaB sie abgeliste Ptlasterepithelzellen des Pericards, oder umge- wandelte Epithelmuskelzellen des Herzens sind, ist nicht vorstell- bar, denn beide Zellarten sind auf diesem Stadium bereits durch- aus typisch ausgebildet und von ihnen durchaus verschieden. Es kann sich also weder um die eine noch die andere Zellart handeln, und von allen iibrigen Zellarten kommen nur die Blutkérperchen in Frage. Auch bei einem ca. 22 mm langen Tiere, das wegen der Sublimatkonservierung sehr schén gefairbte Bilder ergab, waren die Blut- und die Pericardkérperchen, wie man aus dem Vergleich von Fig. 3A und 3B sieht, noch durchaus gleichartig, sogar bis in alle Einzelheiten der Farbung; so z. B. waren die Kerne aller Elemente gleichartig hell, und die Einschliisse der Zellen d durch das Erythrosin leuchtend rot gefarbt. Auf allen diesen Stadien kommen also die spiter so typisch ausgebildeten Formen III und besonders IV noch nicht vor. Wenn sie also spiter auftreten, sind sie mit héchster Wahrscheinlichkeit als durch Umwandlung aus anderen Formen von Pericardkérperchen entstanden anzu- nehmen. Il. Der Pericardkirper. Wie bereits HeLter angegeben und HEINE bestitigt hat, findet man den Kérper nicht bei allen erwachsenen Tieren; in den Fallen aber, wo ich ihn beim Er- wachsenen nicht vorfand, waren stets ganze Wolken von freien Pericardkérperchen vorhanden, zu deren Zusammenballen es ein- fach nicht gekommen zu sein schien. Auch fand Herne bei jiin- geren Individuen stets mehr Pericardkiérperchen als bei Alteren. Ich verfiigte iiber zu wenig lebendes Material, um_ physio- logische Versuche anzustellen, kann daher eigentlich nur HELLERS und Routes Bemerkungen bestiitigen, da’ namlich der weibe, stecknadelkopfgroke Kérper durch die Kontraktionen hin und her- geworfen wird und daf er meistens zwischen den Herzschenkeln heftig auf- und niedertanzt, aber oft genug auch in die seitlichen »Hérner“ hineingelangt. In einem Falle aber war der Kérper durchaus abweichend gestaltet. Er war sehr grof und kuglig, und sein Durchmesser fiillte den Raum zwischen den Herzschenkeln fast aus. Er bestand aus nur lose aneinander lagernden Einzelkérper- chen und lief deutlich eine innere dichtere und eine aubere sehr lockere Zone erkennen; bei Kontraktionen konnte in letzterer Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 7 noch eine Bewegung der einzelnen Teilchen konstatiert werden, wahrend das ganze Gebilde als solches sich fast nicht bewegte. Ich erwihne dies Verhalten deshalb, weil es geradezu zeigt, wie etwa der Pericardkérper sich aus freien Pericardelementen hat zusammenballen kénnen. HEINE sagt, er habe die Zellen des K6rpers nur in zwei Fallen wohlerhalten gesehen, sonst seien sie deformiert gewesen. Ich glaube nun nicht — abgesehen davon, da’ die Blutelemente der Ascidien tiberhaupt kein giinstiges Objekt fiir die Farbetechnik bilden — dafi dies von der Fixierung herriihrt, sondern da es etwas durchaus Normales darstellt. Namlich, im allgemeinen sind die einzelnen Zellformen weniger deutlich, und die Farbbarkeit tiberhaupt mehr beeintrachtigt bei den Pericardkérpern vollkom- men erwachsener Tiere, als bei noch jiingeren. Dies gilt aber dann nicht, wenn der Koérper auch bei alten Tieren noch relativ locker gebaut ist. Daher glaube ich, dal je fester die Elemente -aneinander gepreft worden sind, und je langer dies schon ge- schehen ist, sie um so mehr degeneriert sind und um so mehr auch ihre Farbbarkeit beeintrachtigt ist. Die den Koérper aufbauenden Zellen sind nach HEINE sehr verschiedenartiger Natur. Er fand Zellen mit grofen Kernen und deutlichen Chromosomen und Nukleolen, deren Plasma zahlreiche feinste fetttropfendhnliche Einschliisse fiihrt, andere Zellen mit grofen Vakuolen und ferner Zellkonglomerate, bei welchen meh- rere meist nicht mehr die Chromosomen deutlich zeigende Kerne in eine gréSere Plasmamasse eingebettet sind, ohne daS Zellgrenzen hervortreten; im Plasma sind ebenfalls zahlreiche blaschenférmige Einschliisse vorhanden. Auferdem fand Hetne aber Zellen in mitotischer Teilung, Phagocyten und Spindelzellen. Letztere zeigten Muskelfibrillen, und Heine faBt sie als losgeléste Herzmuskelfasern auf. Fir besonders bemerkenswert halt er aber Kanale mit engem Lumen, die von einem einschichtigen kubischen Epithel begrenzt sind; sie sollen nur beim erwachsenen Tier vorkommen. Er halt sie fiir Driisenkanéle und benennt danach den ganzen Kérper Pericardialdriise. Unter meinem Material zeigt der Pericardkérper der schon im vorigen Abschnitt benutzten Ciona von ca. 8 cm Lange die klarsten Verhaltnisse. Er besteht zum gréSten Teil aus zelligen Elementen und zwar aus Zellen, wie ich sie oben als freie Peri- cardkérperchen beschrieben habe. Besonders die groBen grob- ganulierten Zellen (III und Fig. 1b) und die Gebilde mit grefen 8 Miguel Fernandez, Einschliissen (IV und Fig. 1c ev. d) sind sehr haufig. Letztere lagen nun oft genug in Mengen dicht aneinander, ihre Grenzen waren dann undeutlich und sie bildeten so eine Art Syncytium. AufSerdem fand ich noch die in Fig. 5 dargestellten Kérper. Sie bestehen aus einer meist langlichen hellen Plasmamasse, in welcher eine Anzahl dunkler eckiger Kérperchen liegen, die ich ihrer Form wegen fiir Kerne oder Kernbruchstiicke halte; auferdem enthalten sie Vakuolen, in welchen grofe, auf dem Schnitt mehr oder weni- ger linsenfoérmige Gebilde liegen, deren Zentrum sich mit Kern- farbstoffen fiirbt, wahrend ihre Peripherie mehr die Plasmafarben aufnimmt, ohne daf aber eine scharfe Grenze vorkime. Bei Eisenhamatoxylin zeigen sie noch eine eigentiimliehe auf Fig. 5 angedeutete Struktur, die aber vielleicht Kunstprodukt sein kann. Es ist mir nicht gelungen, die Entstehung und Bedeutung dieser sonderbaren Korper klarzulegen, doch konnten sie in allen Pericard- kérpern erwachsener Tiere, falls diese nicht bereits zu stark zu- sammengeballt waren, beobachtet werden, wennschon nicht immer in so klarer Ausbildung wie in diesem Falle. Es erscheint wohl méglich, da’ Hernes Kanale durch einzelne Schnitte durch der- artige Gebilde vorgetiuscht wurden. Kaniale habe ich in keinem Pericardkérper beobachten kénnen, und von den vorhin erwahnten Gebilden (Fig. 5) konnte ich auf Serien mit aller Sicherheit nach- weisen, dafi ihre Einschliisse allseitig von Plasma umgeben sind, also keineswegs als ein in Ausfiihrgangen angesammeltes Sekret aufgefaBt werden kénnen. Herrtnes Name ,,Pericardialdriise* ist daher nicht recht passend, wenigstens ahnelt der anatomische Bau des Pericardkérpers in nichts dem einer Driise. Die von Herne beschriebenen Muskelzellen habe auch ich in allen Pericardkérpern, welche einigermafen klare Bilder lieferten, beobachten kénnen. Méglicherweise stellen einzelne Elemente von Routes Fig. 60c¢ derartige Zellen dar, wennschon er sie als Degenerationsprodukte der gewéhnlichen Pericardkérperzellen auf- faBt. An giinstigen Objekten ist der Fibrillenstrang und das Sarkoplasma mit dem Kern deutlich zu erkennen. Ihrem ganzen Habitus nach ahneln sie durchaus (auch beziiglich der Gréfe des Plasmakérpers und der Dicke der Fibrillenbiindel) den Herz- muskelzellen. Die Enden sind aber oft zackig oder schrig ab- gerissen (Fig. 6) und die Kerne deformiert, eine einzige schwarze Masse bildend, auch dann, wenn die Kerne der Muskelwand des Herzens hell und blasenférmig erscheinen. Die Struktur der Fi- brillen stimmt in deren guterhaltenen Teilen durchaus mit denen Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 9 der Herzmuskulatur, wie ich sie friiher beschrieben, tiberein, wo- gegen besonders die Enden haufig an ihren Einkerbungen und an ihrer gleichartig schwarzen Fiarbung erkennen lassen, da hier bereits ein Zugrundegehen der kontraktilen Substanz stattgefunden hat. Es handelt sich nach allem also um Bruchstiicke des Muskel- epithels des Herzens, welche abgerissen und in den Pericardhohl- raum gefallen sind; dementsprechend findet man auch Brocken ohne Kerne und ohne nennenswerte Sarkoplasmareste, dies sind also Enden von solchen Muskelfasern. Im Pericard gehen sie zu Grunde. Ich kann diesen Gebilden daher nicht, wie Hrrne dies tun zu miissen glaubt, irgend eine Funktion zuschreiben beziiglich des Aussendens und Einziehens von Fortsaétzen am Korper, wie es HELLER beobachtet haben will. Bei den jiingsten untersuchten Pericardkérpern konnten keine derartigen Bruchstiicke aufgefun- den werden. Auferdem kommen Brocken von Zellen oder Reste von Kin- schliissen aus solchen im Pericardkérper sehr oft vor, insbeson- dere sind einzelne schwarze Korner oder Kérperchen, sowie An- sammlungen solcher sehr haufig, wahrscheinlich Reste zerfallener Kerne. Mitosen konnten entgegen Hernes Ansicht riemals be- merkt werden, auch bei Saffraninbehandlung nicht. Hetnss I*ig. 26c ist auch nichts weniger als beweisend; es scheint viel eher még- lich, daf es sich um eine zu Grunde gehende Zelle mit zersprengtem Kern handelt, als um eine Mitose. Alle oben genannten zelligen Bestandteile liegen in einer Grundsubstanz, die eine gleichférmig-feinkérnige Beschatfenheit aufweist und Plasmafarben stark annimmt. Sie findet sich bei allen solchen Tieren, deren Pericardkérper bereits einige Zeit ge- bildet war, und im grofen und ganzen nimmt ihre Masse mit dem Alter des Tieres, besser des Pericardkérpers, zu. Ueber die Ent- stehung schienen mir Praparate von erwachsenen Tieren, die mit Fiemminescher Liésung fixiert und mit Eisenhamatoxylin-Erythro- sin gefirbt waren, einige Auskunft zu geben. Hier erschien die Grundsubstanz dunkelbraun, das Zellplasma dagegen grau-violett gefarbt (Fig. 7). In der Grundsubstanz findet man haufig dunkle, knollige Kérper, welche wohl Kerne zu Grunde gegangener Zellen sind; um dieselben kann sich die Grundsubstanz durch eine scharfe Linie abgrenzen und so noch den Kérper der friiheren Zelle an- deuten (Fig. 7a). Man findet aber auch Zellen (Fig. Tb), welche nur noch wenig Plasma enthalten, wahrend der ganze tibrige K6rper bereits die granulierte braune Ténung der Grundsubstanz 10 Miguel Fernandez, zeigt, und auch solche, in denen nur erst einzelne Brocken oder tropfenahnliche Kérner der braunen Substanz vorkommen (Fig. 7c). Mag es sich nun um eine direkte Umwandlung oder mehr um eine Art Abscheidung des Plasmas handeln, jedenfalls kann man die Bilder wohl so deuten, daf das in den zuletzt beschriebenen Zellen noch wenig ausgebildete Produkt des Plasmas, das lebensfahige Plasma selbst immer mehr verdraingt. Wird nun eine Zelle, in welcher die Metamorphose bereits einen gewissen Grad erreicht hat, durch den Druck, welcher bei dem Hin- und Herschleudern ‘des Pericardkérpers entsteht, ganz zermalmt, so bleibt schlieBlich von ihr nichts als ein Haufen brauner Substanz mit dem ebenfalls durch den Druck schlieSlich zu einer homogenen, sich dunkel far- benden Masse zusammengepreften Kern. Dieser kann schlieflich auch noch zerfallen. Die Grundsubstanz des Pericardkérpers ent- steht also anscheinend durch einen Zerfall von Zellen, deren Plasma zugleich Umwandlungserscheinungen, besser Absterbeerscheinungen durchzumachen hat. (Die hellen Linien auf Fig. 7a sind keine Zeligrenzen, sondern nur durch das Schneiden hervorgerufen.) Man kann die hier angegebenen Beobachtungen auch an anders behan- delten Praparaten machen, doch treten sie daran weniger hervor. Heines Figur 26d nach scheint es sehr wohl méglich, daf die von ihm beobachteten Zellkonglomerate nichts anderes sind, als Partien der Grundsubstanz. Die den K6érper bei alten Individuen streckenweise umgeben- den membranartigen Bildungen, die Herne bereits erwiahnt, sind ihrer noch kenntlichen kérnigen Struktur nach nichts anderes als durch Druck oder Reibung mit der umgebenden Fliissigkeit her- vorgerufene Verdichtungen der Grundsubstanz. Liegt also auch ab und zu eine Zelle in einer solchen Membran, so steht die letztere doch nicht in irgend einem genetischen Verhaltnis zu ihr. Here fand den Kérper bei 2,5 mm noch nicht vor, wohl aber bei 2 cm langen Tieren; ich kann tiber seine Entwickelung nur folgendes beibringen. Bei 7—8 mm fehlte er noch. Bei einem 1S mm langen, aber sehr gestreckten Tier (7 mm allein auf den Einstrémungssipho!) bestand er nur aus Amédbo- cyten, ohne Muskelbruchstiicke und ohne Grundsubstanz. Bei einem 15 mm langen, stirker kontrahierten Tier waren Muskelbruchstiicke bereits vorhanden; auch hier kamen nur zellige Elemente vor, und die Grundsubstanz schien noch zu_fehlen. Aehnliches gilt von einem 22 mm langen Individuum. Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 11 Bei 55 mm war er bereits typisch ausgebildet, doch zeigten sich nach aufen hin noch keine membranésen Abgrenzungen. Bei allen alteren Tieren zeigte er im wesentlichen den oben geschil- derten Bau; in ihm vorkommende Hohlraume waren oft sehr stark, oft nur unwesentlich entwickelt. Die Zellen schienen mir bei jiin- geren Tieren deutlicher hervorzutreten als bei alteren, wie der Kérper auch bei ersteren weniger kompakt zu sein scheint. Doch zeigen sich sehr zahlreiche Variationen in der Ausbildung des Kérpers, auch bei gleichgrofen Tieren. Nun bleibt noch die Frage zu erértern, wie die freien Ele- mente des Pericards, die ja auch den Pericardkérper bilden und, wie oben dargetan, urspriinglich Blutkérperchen sind, ins Pericard gelangen. Die am nachsten liegende Annahme, dal sie vermége ihrer améboiden Bewegungsfahigkeit durch die Herz- oder Peri- cardwand dringen, konnte ich trotz genauester Beobachtung an jungen und alten Tieren nicht bestatigen; weder auf Schnitten noch auf Flachenpraparaten konnte ein Durchwandern konstatiert werden. Dies ist also mindestens nicht haufig. Dagegen schien mir die Anwesenheit der Muskelbruchstiicke folgende Erklarung zuzulassen. Zuniachst entsteht ein Rif in der Herzwand, wahr- scheinlich hervorgerufen durch die Herzkontraktionen; durch den Rifi kénnen jetzt schon einzelne Blutkérperchen ins Pericard drin- gen, und spater kann derselbe sich derartig vergréfern, da ein Teil der zerrissenen Muskelfasern ins Pericard fallt. Weil die Blutkérperchen durch den Rif dringen kénnen, ehe das Muskel- bruchstiick ganz abgefallen ist, findet man bei jungen Tieren nur Blutelemente im Pericard und erst bei alteren auch Muskelbruch- stiicke. Soweit bisher bekannt, finden sich freie Pericardelemente weder bei Salpen noch bei Clavelina und den Synascidien, sondern nur bei groBen Monascidien (ob bei allen, ist nicht bekannt). Bei Salpen werden Risse in der Herzwand viel schwerer zu stande kommen, weil die Herzkontraktionen viel weniger heftig sind als bei Ciona; bei den kleineren Ascidien und Clavelina tritt die kon- traktile Substanz nicht nur gegeniiber der protoplasmatischen sehr in den Hintergrund, sondern die Fibrillenbiindel bleiben, wie ich dies fiir Clavelina bereits friiher beschrieben habe, stets durch breite Plasmabainder voneinander getrennt, wahrend sie bei den groken Monascidien eine geradezu geschlossene Schicht bilden. Es ist einleuchtend, daf bei dieser Anordnung Risse leichter ent- stehen und auch schwieriger wieder geschlossen werden kénnen, als bei jener. 12 Miguel Fernandez, Ascidia cristata. Auch bei dieser Form ist der Kérper frei im Pericard be- weglich und weder absolut noch im Vergleich zur Herzgréfe sehr viel gréBer als bei Ciona. Ich habe jedoch histologisch sehr ver- schiedene Verhaltnisse angetroffen. Der kleinste Pericardkérper, den ich wegen seiner Struktur auch fiir den am spa&testen entstandenen halte, besteht fast ledig- lich aus Zellen, ganz ahnlich denjenigen der Ciona. Am haufigsten sind solche betrachtlicher Gréfe mit einer oder mehreren groSen Vakuolen und relativ dunklem Plasma; auch Phagocyten kommen oft vor, ferner lange Gebilde, die zum Teil fibrillare Struktur zeigen und die ich daher fiir losgeléste Muskelfaserbruchstiicke des Herzens halte. Die Kerne samtlicher Zellen sind meist ein- toénig schwarz; helle Kerne sind sehr selten; meist sind sie von hellen Héfen umgeben. Wahrend die Zellen selbst meist scharf konturiert sind, tritt an gewissen Orten ein Konglomerat von zerbroéckelten Zellleibern auf. Die Kerne sind dann direkt in die zerfallende Masse eingebettet. Die Masse selbst, die bei diesem KOorper aber noch relativ unbedeutend ist, verhalt sich im tibrigen genau wie die Grundsubstanz des Pericardkérpers von Ciona. Membranen fehlen. Bei einem Exemplar mit grofem Pericardkérper zeigte sich derselbe zum Teil aus Regionen bestehend, welche sich fast nur aus Zellen, zum Teil aus solchen, welche sich fast nur aus Grund- substanz aufbauen. Die Zellen waren derselben Art wie beim vorigen, auch groke helle Zellen mit grofen Einschliissen und mehrkernige Gebilde, wie sie bei Ciona beschrieben wurden, kommen vor. Doch liegt in den zelligen Regionen zwischen den einzelnen Elementen viel mehr Grundsubstanz als beim vorigen. Die Regionen, welche hauptsichlich aus Grundsubstanz bestehen, enthalten umgekehrt einzelne Zellen. Die Grundsubstanz selbst kann, wie bei Ciona, meist dicht und kérnig sein, oft aber er- scheint sie auch viel weniger kompakt und bildet eine Art feines Netz. Nach aufen hin erscheint sie zu Membranen verdichtet, welche den Kérper abgrenzen. Doch finden sich derartige Mem- branen auch bereits im Inneren des Kérpers, den sie in ver- schiedenen Richtungen durchziehen. Bei zwei weiteren Exemplaren ist dies Verhalten auf die Spitze getrieben (Fig. 8). Hier besteht der Kérper aus einer zentralen ovoiden Masse, die fast nur aus Grundsubstanz besteht und an welche sich zwei Knollen, die aus Zellen aufgebaut sind, derartig Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 13 anlagern, daf sie stellenweise tiefer in sie eindringen. Diese Knollen (der abgebildete Schnitt trifft nur den einen) enthalten im wesentlichen wieder dieselben Zellformen und sind von Grund- substanzbalken durchsetzt, die stellenweise auf ihrer Aufenflache eine membranése Ausbreitung bilden. Aber auch der gréfte der Zellballen tritt dem machtigen zentralen Grundsubstanzteil gegen- iiber sehr stark zuriick. In dem letzteren tritt an einer Stelle etwas exzentrisch gelegen eine weitere Zellanhaufung nach Art der beiden Zellballen hervor. Im iibrigen besteht die Zentralmasse fast nur aus Grundsubstanz, die bald dichter, bald lockerer in feinen Maschen angeordnet, eine hauptsichlich konzentrische Schichtung aufweist (Fig. 8). Die Schichten werden oft sehr diinn und kompakt und bilden dann in enge Falten gelegte Membranen. Wenn umgekehrt die Substanz allzu locker wird, entstehen eigent- liche Hohlraume, die bei einem Exemplar so stark entwickelt waren, da eigentlich der gréfte Teil des Kérpers durch derartige Hoéhlen erfillt wurde. Die Struktur der Grundmasse ist im wesentlichen stets gleichmafig feinkérnig, und nur stellenweise sieht man ihr Zellen oder Kerne und Bruchstiicke von solchen eingelagert. Die Zellen kommen sowohl peripher, als auch in mehr zentraler Lage vor. ° Ascidia fumigata. Der, wie oben erwahnt, von HELLER beschriebene schwarze Koérper der Asc. fumigata findet sich nicht im Herzen, wie jener glaubte, sondern im Pericard; er muf also durchaus dem Pericard- kérper der anderen Formen fiir gleichwertig gehalten werden. Im Gegensatz zu diesem, welcher stets frei flottiert, findet sich der- jenige der Asc. fumigata stets im dorsalen Pericardende, so daf dieser Teil des Pericards stets zur Aufnahme des Kérpers be- sonders ausgeweitet erscheint (Fig. 9). Er ist im Vergleich zur Herzgréfe viel voluminéser als der von Ciona oder Asc. cristata; auSerdem fand ich bei vielen Exemplaren eine Art Stiel, mittelst dessen er an die Herzwand wie befestigt zu sein schien. — Diese wie alle folgenden Angaben beziehen sich nur auf fast erwachsene bis ganz ausgewachsene Individuen; wenn ich also die Entwickelung auch nicht feststellen kann, so zweifle ich doch nicht, daf dieser Pericardkérper durchaus auf gleiche Art entsteht, und ahnliche Stufen durchlauft, wie der der Ciona und Asc. cristata. Im Bau weist der Koérper sehr grofe Aehnlichkeit mit dem 14 Miguel Fernandez, der Asc. cristata auf; eigentlich ist er nur eine Vergréferung der- selben. Die zwiebelihnliche, lamellése Schichtung HELLERs kommt durch abwechselnd helle und dunkle Grundsubstanzstreifen zu stande. Der Kérper besteht namlich aus einer am nicht gefarbten Objekt griinlich-braunen und aus einer ziemlich farblosen Masse, die oft regelmifig, oft weniger regelmafig in konzentrischen Schichten oder Teilen von solchen abwechseln (Fig. 9); die braune farbt sich nicht, die helle nimmt Kern- und Plasmafarben leicht an. Die Masse, welche sich noch farbt, scheint verhaltnismabig noch weniger verandert zu sein; sie ist gewodhnlich sehr fein granuliert, fast homogen und durch und durch gleichartig. Die andere ist stirker veraindert; sie bildet stellenweise Netze aus feinen Faden von etwas kérniger Struktur, wahrend sie an anderen Orten wiederum zu sehr diinnen, oft stark gewellt verlaufenden Membranen verdichtet ist. Je starker die Verdichtung der Grund- masse in diesen Membranen, desto dunkler erscheinen sie. Indem sie haufig ebenfalls konzentrisch verlaufen, oder indem tiberhaupt konzentrisch angeordnete Verdichtungen in der Grundsubstanz auf- treten, wird das Bild der Schichtung verstairkt. Doch muf das- selbe durchaus nicht immer ein so auffalliges sein, wie in der bei- gegebenen Figur. > Der ,Stiel“, welcher in den Fallen, die ich beobachten konnte, stets nach der Herzwand lief, wurde immer durch die stark farb- bare Substanz gebildet. Er kann, weil er der zentralen Masse aufliegt und viel Zellen enthalt, mit einem der dem Kérper bei Asc. cristata anliegenden Zellknollen verglichen werden, nur daf in ihm die Zellen bereits weiter in ihrem Zerfall vorgeschritten sind. Zellen kommen beim Pericardkérper von Ascidia fumigata fast ausschlieflich in der sich stark farbenden Substanz vor und zwar hier iiberall, einzeln verteilt oder oft zu Haufen angesammelt. Sie finden sich sowohl zentral als auch peripher und besonders viele, wie schon bemerkt, im ,Stiel“. Die Zellen sind (Fig. 10 u. 11) sehr verschiedener Art, granuliert, oder mit einer oder wenigen grofien Vakuolen versehen, tiberhaupt sehr ahnlich den schon bei Ciona beschriebenen. Die Kerne sind nicht immer deut- lich unterscheidbar, wenn dies aber méglich, meist sehr dunkel und ohne weitere Struktur. Weiteres mag man den Figuren ent- nehmen. Aufer den Zellen finden sich in der ganzen sich stark farbenden Masse auch sehr viele Zellbruchstiicke (Fig. 11) zer- streut, oft mit, oft ohne Chromatinbrocken. Dieselben sind oft Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 15 sehr schwer von der umgebenden Grundsubstanz zu unterscheiden, und es kommt Sogar vor, daf nur eine dunkler gefarbte Stelle in derselben, die aber bereits durchaus den Charakter der Grund- substanz angenommen hat, anzeigt, daf an der Stelle eine Zelle erst kiirzlich zu Grunde gegangen ist (Fig. 11). Auch Herzmuskel- bruchstiicke kommen zahlreich vor; sie prasentieren sich als stark gefarbte, meist nicht gerade dicke Faden, an denen Kern und Plasma niemals deutlich bemerkt werden konnten; sie schienen stets bereits sehr stark degeneriert zu sein. Kommen auch in der griinlich braunen Substanz Zellen vor, so liegen sie meist inselartig, ohne direkten Zusammenhang mit derselben (Fig. 12), mégen sie nun einzeln oder in Haufen ange- ordnet sein. Doch sind sie in ihr tiberhaupt selten, wihrend noch an den Grenzen beider Substanzen Zellen zahlreich vorkommen. Kine wichtige Frage speziell fiir den Pericardkérper von Asc. fumigata scheint mir die nach der Bedeutung der beiden Arten der Grundsubstanz zu sein. Bei Ciona ist der Pericardkérper, wie bekannt, wei’, aber bei Asc. cristata, und wie CurNoT (p. 57) bemerkt, bei Phallusia mamillata dunkel. Bei Asc. fumigata ist er am konservierten Tiere schwarz, mit einem geradezu metallischen Schimmer. Es ist nun bekannt, daf Ciona sehr wenig gefarbte Blutelemente hat und diese fast nur in bestimmten peripheren Gefafen; bei den Ascidiaarten gibt es deren schon viel mehr und bei Asc. fumigata wimmelt das Blut geradezu von Korperchen, welche einige grofe Einschliisse oder Vakuolen fiihren und diese zeigen die dunkle griin-braune Farbe, wie die dunklen Schichten des Pericardkérpers; nur ist die Farbe derselben dunkler. Man kann sich also vorstellen, daf durch Mischung von solchen Ele- menten mit weniger oder mehr farblosen und durch Zugrunde- gehen derselben dunklere und hellere Schichten entstanden sind. Daneben wird auch die starkere oder geringere Dichte der Grund- substanz nicht ohne Bedeutung fiir die Farbe der Schicht sein. Mit beidem ist aber durchaus nicht gelést, warum diese Schichten so regelmafig abwechseln, noch warum der Korper stets an der- selben Stelle des Pericards vorkommt. Hierfiir scheint mir ein genaueres Studium der Pericard- und Herzform und der Kon- traktionsart des Herzens in erster Linie notwendig zu sein. c Als Hauptergebnisse der vorliegenden Untersuchung betrachte ich folgende: 16 Miguel Fernandez, Die freien Pericardelemente sind nicht losgeléste Epithelzellen des Pericards, sondern ein in den Pericardraum erfolgtes Blut- extravasat, dessen Ursache in einem ZerreiZen der Herzmuskel- fasern liegt. Bei jungen Tieren ist daher eine vollkommene Aebnlichkeit zwischen ihnen und den Blutzellen vorhanden. Erst pach und nach entfernen sich die Formen der Pericardkérperchen mehr und mehr von denen der Blutzellen, indem Degenerations- erscheinungen an denselben auftreten. Routes und Hernes Auffassung des Pericardkérpers als eines Konglomerates von freien Pericardelementen trete ich bei. Der Kérper besteht bei jungen Cionen aus den Blutzellen durchaus aihnlichen Elementen. Bei erwachsenen Tieren aller drei untersuchten Arten besteht er im wesentlichen aus einer Grundsubstanz und aus darin einge- lagerten zelligen Elementen. Der weitaus iiberwiegende Teil der zelligen Elemente sind verinderte Blutkérperchen, sowie deren Zerfallsprodukte; daneben kommen losgerissene Bruchstiicke von Epithelmuskelzellen des Herzens (HEINE), die ebenfalls zu Grunde gehen, vor. Ob auch noch einzelne Bruchteile von Pericardzellen daran teilnehmen, ist mindestens zweifelhatft. Die Grundsubstanz besteht aus vollstindig zerfallenen Zellen ; sie fehlt — wenigstens bei Ciona — bei jungen Tieren noch voll- stindig, waihrend sie andererseits bei erwachsenen Asc. cristata und besonders Asc. fumigata den gréften Teil des Pericardkérpers darstellt. In Bezug auf ihren feineren Bau ist sie gleichmabig kérnig; ihre grébere Anordnung ist dagegen sehr wechselnd, wo sie nur sehr diinn angeordnet ist, entstehen Faden und Netze, wo sie zusammengedrangt wird, membranartige Bildungen. Besonders bei Asc. fumigata kommt eine sich stark farbende und eine griinlich braune sich nicht farbende Grundsubstanzart vor. Schon bei Asc. cristata ist am zellarmen Teil des Kérpers dadurch, daf die membranartigen Bildungen hauptsichlich kon- zentrisch angeordnet sind, ein eigentiimlicher schaliger Aufbau an- gedeutet. Bei Asc. fumigata tritt derselbe sehr stark hervor, indem hier auferdem noch dunkle, nicht fairbbare Grundsubstanz- zonen und helle, gut firbbare ebenfalls in konzentrischen Schichten abwechseln. Zur Kenntnis des Pericardkérpers einiger Ascidien. 17 Literatur. 1875 Hueruer, C., Untersuchungen iiber die Tunicaten des Adriati- schen Meeres. Denkschr. Akad, Wiss. Wien, Math.-naturwiss. Kl., Bd. XXIV, 2. Abt. 1884 Roun, L., Recherches sur les Ascidies simples des cdtes de Provence. I. Ciona intestinalis. Ann. Musée d’Histoire naturelle Marseille, Zoologie, T. IT. 1891 Curnot, L., Etudes sur le sang et les glandes lymphatiques ete. 2° partie. Archives de Zoologie expérim. et générale, Sér. 2, T. IX, p. 58 ff. 1900 Jorpan, H., Ueber die Anwendung von Celloidin in Mischung mit Zedernholzél. Zeitschr. wiss. Mikrosk., Bd. XVIII. 1903 Herne, P., Untersuchungen tiber den Bau und die Entwicke- lung des Herzens der Salpen und der Ciona_ intestinalis. Zeitschr. wiss. Zoologie, Bd. LX XIII. 1903 SrevicerR, O., Tunicaten, in Bronns Klassen und Ordnungen, Neubearbeitung, Lieferung 31—36. 1904 Frrnanpez, M., Zur mikroskopischen Anatomie des Blutgefas- systems der Tunicaten. Jenaische Zeitschr., Bd. XX XIX. Figurenerklirung. Alle starken Vergréferungen beziehen sich auf die apochr homog. Immers. 2 mm, Ap. 1,30. gr Grundsubstanz s stielartige Bildung hh Herzhéhle u.p umgewandeltes Plasma k Kern resp. Kernbruchstiick z Zellen p Plasma z.g Zellgrenze Pafel 1 Fig. 1. Ciona intestinalis (ca. 8 cm lang). Freie Zellen aus dem Pericard. a, b, d, e, f Sublimat; Eisenhamatoxylin-Erythro- sin. c Sublimat; Boraxkarmin-Bleu de Lyon. 1500: 1. Fig. 2. Cionaintestinalis (ca. 8 cm lang). Blutkérperchen Sublimat; Eisenhamatoxylin-Erythrosin. 1500: 1. Bd, XLI, N. F. XXXIV. 2 18 M. Fernandez, Der Pericardkérper einiger Ascidien. Fig. 3. Ciona intestinalis (ca. 22 mm lang). A freie Pericardelemente, B Blutkérperchen aus einem grofen GefaS in der Nahe des Magens; beides von demselben Schnitt; sich Entsprechen- des mit demselben Buchstaben bezeichnet. Sublimat; Eisenhamato- xylin-Erythrosin. 1500:1. Fig. 4. Ciona intestinalis (ca. 15 mm lang). Freie Peri- cardkérperchen. Fiemmines Lésung; LHisenhaimatoxylin. 1500: 1. Fig. 5. Ciona intestinalis (ca. 8 cm lang). Syncytium- artige Masse aus dem Pericardkérper. Sublimat; Eisenhimatoxylin- Erythrosin. 1000: 1. Fig. 6. Ciona intestinalis (ca. 10 cm lang). Muskel- bruchstiick aus dem Pericardkérper, umgeben von Grundsubstanz und zerfallenden Pericardkérperchen. Sublimat; Eisenhamatoxylin- Erythrosin. 1000: 1. Fig. 7. Ciona intestinalis (ca. 11 cm lang). a Teil des Pericardkérpers mit zerfallenden Zellen, Grundsubstanz und Kernen zerfallener Elemente. b und c Zellen, deren Protoplasma in Um- wandlungsprodukte iibergeht. FLemmines Lésung; Eisenhamatoxylin- Erythrosin. 1500: 1. Fig. 8. Ascidia cristata. Pericardkérper: zellenarmer Teil und daran liegender Zellknollen. Chromessigsiure; Eisenhamato- xylin-Erythrosin. 60:1. Fig. 9. Ascidia fumigata. Dorsales Pericardende mit Pericardkiérper: die griinlich-braunen Schichten grau, die sich stark farbenden blau, die Zellen als dunkelblaue Punkte dargestellt. Langsschnitt. Chromsiiure; Aparuys Hiimat. I A. 50:1. Fig. 10. Ascidia fumigata. Inselartige Zellansammlung in der sich firbenden Substanz des Pericardkérpers. Sublimat; Eisenhiimatoxylin-Erythrosin. 500: 1. Fig. 11. Ascidia fumigata. Zellen in der sich fairbenden Substanz und viele Zerfallsprodukte von solchen; die Stelle lag fast im Zentrum des Pericardkirpers. Sublimat; Eisenhimatoxylin- Hrythrosin. 750: 1. Fig. 12. Ascidia fumigata. Schnitt durch die membran- artig angeordnete griinlich-braune Substanz; blau einige dazwischen- liegende Zellen. Sublimat; Eisenhimatoxylin-Erythrosin. 750: 1. (Aus dem zoologisch-vergleichend-anatomischen Institut der Universitat Ziirich.) Zur Entstehung der Gefassendothelien und des Blutes bei Amphibien. Von Kati Marcinowski. Hierzu Tafel II—VI und 17 Figuren im Text. Vorliegende Arbeit enthalt Untersuchungen 1) tiber die Ent- stehung des Endothels von Herz- und Dotterdarmvenen, 2) iiber die Entstehung des Endothels einiger anderer Gefafe (Aorta, Vena jugularis, Vena cardinalis posterior, Ductus Cuvieri, Aortenbogen, Vornierenaste der Aorta, Arteria carotis), 3) tber die Entstehung der Blutkérperchen. Die Untersuchung blieb auf die Histogenese dieser Teile beschrankt. Material, Technik, Methode. Untersuchungsobjekte: Bufo, Siredon pisciforme. Die Untersuchung beschrankte sich auf Durchmusterung von in verschiedenen Richtungen durch die Embryonen angefertigten Serienschnitten. Zur Fixierung wurden, nachdem wohl fast alle fiir diesen Zweck angegebenen Methoden versucht waren, obne befriedigenden Erfolg zu liefern, ausschlieflich die von Raspi (1894) angegebenen Fixierungsfliissigkeiten angewandt. Von diesen erwies sich das Pikrinsdure-Sublimatgemisch als das geeignetste. Dauer der Ein- wirkung der Fixierungsfliissigkeit je nach Gréfe des Objekts 10—24 Stunden. Die jiingeren Embryonen wurden mit der (innersten) Hiille fixiert und nach der Fixierung herausprapariert. Die Hiille hindert das Eindringen der Fixierungsflissigkeit keines- wegs, und das Lebendherauspraparieren hat den Nachteil, da’ dabei etwa vorkommende Verletzungen des Embryos (Zerrungen, Quetschungen) duferlich meist nicht kenntlich sind und darum unkontrollierbare Fehlerquellen ergeben. 2 * 20 Kati Marcinowski, Auswaschen in flieSendem Wasser ergab, entgegen der Angabe, daf Wasser mit Pikrinsiure fixierte Gewebe zerstére, guten Erfolg. Nach Entwiasserung in von 10—10 Proz. steigendem Alkohol — in jedem Alkohol blieben die Objekte etwa eine Stunde — wurde in Zedern6l iiberfiihrt und auch in diesem aufbewahrt. Bei dieser Aufbewahrung erwies sich das Material nach mehreren Monaten noch als durchaus brauchbar, wahrend es, wie auch BRAacHET (1903b) hervorhebt, nach langerem Verweilen in Alkohol, besonders mit Bezug auf die Farbbarkeit, schon nach wenigen Wochen ganz untauglich wird. Einbettung in einer Mischung von _ iiberhitztem Paraffin (hairtestes tiberhitztes Paraffin, Griibler u. Co.) und dem allgemein gebrauchlichen Paraffin, etwa 14/,; tiberhitztes, ?/, gewéhnliches Paraffin, letzteres natiirlich je nach Aufentemperatur von ver- schiedenem Schmelzpunkt. Vor der Einbettung, also im Zedernél, allmahliche Erwairmung der Objekte im Paraffinofen. Ueberfiihrung direkt aus Oel in drei- mal zu wechselndes Paraffin. Einbettungsdauer fiir Bufo 15—20, fiir Siredon 30—45 Minuten. Die Temperatur des Ofens war so niedrig, wie eben zulassig. Meist sind die so eingebetteten Objekte erst nach mehreren Tagen schnittfahig, ohne daf das Paraffin bréckelig zerfallt. Einen Grund hiefiir kann ich nicht angeben. Schnittdicke meist 10 wu. . Die Schnitte wurden durch Auflegen auf warmes Wasser ausge- breitet und mit dem mit Eiweil-Glycerin bestrichenen Objekttriger aufgefangen. Farbung fast ausschlieSlich Schnittfarbung, die selbst bei An- wendung von Boraxkarmin der Stiickfarbung vorzuziehen ist, da bei letzterer linger gefarbt und auch linger differenziert werden muf, durch die ausgedehnte Behandlung mit Siure aber ein fir die Untersuchung sehr wesentliches Hilfsmittel, das Pigment, ganz oder teilweise zerstért wird. Um die Anwendung von Sauren auf ein Mindestmaf zu beschrinken, wurde vorzugsweise mit Saffranin gefirbt und mit nur schwach angesiuertem absoluten Alkohol difterenziert. Fiir Urodelen kam in erster Linie DELAFIELDS Hamatoxylin in Anwendung; fiir Bufo und, so viel ich gesehen habe, auch fiir andere Anuren (exkl. Alytes) sind Hiamatoxylin- farbstoffe nicht anwendbar, da sich hier der Dotter stirker farbt und auch beim Differenzieren die Farbe langer festhilt, als die Kerne dies tun. Wo es wiinschenswert schien, Dotter und Plasma different zu farben, erwies sich Pikrinsiure-Nachfarbung als Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 21 giinstig. Nach Hamatoxylinfarbung wird das Plasma dann _ blau- grau, der Dotter gelb. Die Prerersche (1905) Dotterfarbung er- gibt die gewiinschte Differenzierung noch klarer. Die Blutinsel z. B. hebt sich wegen ihres Plasmareichtums durch einen ganz differenten Farbenton von den Darmwandzellen ab. Selbst wenn die Objekte aber nicht laut Vorschrift 24 Stunden lang in Brut- ofentemperatur, sondern nur 5—10 Minuten lang kalt gefarbt wurden, wobei der Farbungseffekt durchaus hinreichend vorhanden war, so waren sie doch durch die Methode so angegriffen, dal sie zur Untersuchung nicht verwendet werden konnten (nur auf Siredon beziiglich). Ueberfiihrung der Schnitte in die Farblésung nicht durch Xylol, sondern durch Zedernél, da nach Anwendung iiberhitzten Paraffins die Schnitte im Xylol leicht zerbréckeln. Da die Undurchsichtigkeit der Objekte eine Untersuchung des aufgehellten Totopraparates auf friihen Stadien nicht gestattet, so wurde nur von jedem spater zur Untersuchung verwendeten Embryo bei 10- oder 20-facher VergréBerung eine skizzenhafte Umrif- zeichnung zur Orientierung iiber die Lage des Embryos und die Schnittrichtung entworfen, welch letztere auf der Skizze in der Regel miteingetragen wurde (mit Zeichenapparat ausgefiihrt). Als Altersangaben wurde fiir die jiingsten Stadien ausschlief- lich die Somitenzah] benutzt, da sich die Lingenangaben bei der grofen individuellen Variabilitaét und bei der Abhangigkeit der GréBe von der Geschwindigkeit der Entwickelung, also von der Temperatur etc. als sehr ungenau erwies. Alle der Arbeit beigegebenen Zeichnungen sind mit Hilfe des ApsBeEschen Zeichenapparates entworfen. I. Die Entstehung des Endothels des Herzens und der Dotterdarmvenen. Literatur. Die eigentliche Geschichte der Untersuchungen iiber die Herkunft des Endocards der Amphibien beginnt mit GOETTE (1875). Die alteren Arbeiten von RercHERT (1840), Voer (1842), Remax (1855), Srricker (1860), VAN BAMBEKE (1870) und OEFLLACHER (1871) kommen fiir sie kaum in Betracht. Die Arbeiten von Remak, VAN BAMBEKE und OELLACHER finden sich bei GoETTE referiert. 22 Kati Marcinowski, Ein Eingehen auf Gorrres erste Arbeit (1869) erscheint an- gesichts der vielen wichtigen Erweiterungen, die die zweite ent- halt, unnétig. Nach der grofen Monographie tiber die Unkenent- wickelung (1875) entsteht das Endocard aus einer ,lockeren, nicht zusammenhingenden Schicht“ von Zellen, die sich in der Region vor der Leberanlage vom Darmblatt ablést, ,um vielleicht in Ver- bindung mit einigen vom Visceralblatt stammenden Bildungszellen eine zarte, zunaichst blof untere und seitliche Auskleidung der primitiven Herzhéhle zu bilden“. Kaudalwarts schlieSen an das Herz die beiden Dotterdarmvenen an; ihr Endothel entsteht aus ,vom Visceralblatt geléstem Bildungsgewebe“, also aus Mesenchym- zellen der Splanchnopleura. Alle iibrigen Gefaife — auf die naheren Angaben wird im folgenden Abschnitt zuriickzukommen sein — entstehen als Liickenréume im _ ,jinterstitiellen Bildungsgewebe‘. Es ist also das ganze Endothelsystem nach GorTTE mesoblastischen Ursprunges, mit alleiniger Ausnahme des Endocards; doch auch fiir dieses wird die Méglichkeit einer Anteilnahme mesoblastischer Bildungszellen zugegeben. Das erste geschlossene Endothelrohr ist das unpaare, median gelegene Herz. Das Gefifsystem ist — mit Ausnahme des Herzens — phylogenetisch auf einen Liicken- raum im ,,Bildungsgewebe* zuriickzufiihren. Von den Resultaten dieser grundlegenden und _ klassischen Untersuchung weichen die der spateren Beobachter nicht unerheb- lich ab. Auch hat keiner von denen, die die Endothelentstehung bei Amphibien zum _ speziellen Gegenstand ihrer Untersuchung machten, wieder versucht, das gesamte Gefilsystem aus seiner Entwickelung heraus verstehen zu wollen. Die Untersuchung bleibt im wesentlichen auf Herz und Dotterdarmvenen beschrinkt; die peripheren Gefaife bleiben unberiicksichtigt. Es werden tiber ihre Bildungsweise nur Vermutungen ohne eingehendere Begriindung aufgestellt (RaBL, BracuetT). Den eigentlichen Kernpunkt dieser Untersuchungen bildet die Frage: Ist das Endocard mesodermaler oder entodermaler Herkunft ? Zwei Arbeiten haben hier vor allem Richtung gebend und bestimmend auf spitere Untersuchungen gewirkt, die von RaBL und die von SCHWINK. Die Anuren betreffend, ist die erste gréfere Untersuchung nach Gorrre die von Scuwink (1890, 1891). Er findet bei Rana fusca und Bufo vulgaris die Bildungszellen der Endothelien an denselben Stellen wie Gorrre. Das heift, er findet freie, mes- enchymatiése Zellen zwischen Darmwand und Mesoblast. Vor der Entstehung der Gefafendothelien u.des Blutes bei Amphibien. 23 Leberanlage, an der Stelle von Scowinxs ,Darmentoderm“, liegen sie median; weiter kaudal — hier ist die Region von ScHwinks ,Dotterentoderm“ — hat sich die mediane Anlage gabelig geteilt und stellt zwei laterale Ziige von Zellen dar. Wahrend aber nach GOETTE alle diese Zellen in loco entstehen, liegt ihr Ursprung nach ScHwink ausschlieBlich im kaudalen Teil der Anlage. Hier, also im Gebiet der Dotterdarmvenen beginnt die Bildung der Ge- faBzellen, und erst spiter erreichen sie vermittelst aktiver, kranial gerichteter Wanderung schlieSlich den Ort der Herzanlage und - liefern das Material fiir das Endocard. Der Ursprung der Gefaf- zellen der Dotterdarmvenen liegt aber nicht, wie GUETTE annahm, im Mesoblast, sondern es lésen sich diese Zellen aus dem ,,Dotter- entoderm“. Der erste geschlossene Endothelschlauch ist aber nach ScHwink wie nach Gorrte das von Anfang an unpaare und median gelegene Herz. In einer sehr eingehenden und genauen Untersuchung iiber Rana temporaria stellt BRacHEeT (1903b) das Vorhandensein der freien GefaBzellen wieder an den namlichen Stellen fest und kommt hinsichtlich ihres Ursprunges zu folgenden Resultaten. Auf friihen Stadien ist der Mesoblast vor der Leberanlage in der ventralen Mittellinie verdickt. Spater isoliert sich dieser Bezirk vom tibrigen Mesoblast; seine Zellen, die GefaBzellen, werden spindelférmig, wandern aus und gelangen zwischen Darmwand und Mesoblast. Die GefaBzellen legen sich zur Bildung des Endocards aneinander. In gleicher Weise wandern aus dem weiter kaudal gelegenen medio-ventralen Mesoblastbezirk die Gefabzellen der Dotterdarm- venen aus. Eine Anzahl] anderer Arbeiten, die sich auf die Endocard- bildung bei Anuren beziehen, aber nichts Wesentliches zur Klarung der Frage beitrugen, seien nur kurz erwahnt. BLASCHEK (1885 — Rana temporaria, Bufo). Ventralwarts wandernde Zellen aus den Ursegmenten liefern das Endocard. MARSHALL (1890 — Rana temporaria). Die Endocardzellen ent- stehen vom Kiel der durch Rast (1887) bei Urodelen beschriebenen Entoblastrinne aus, die Venen an der Oberfliiche des Dotters. RupneEw (1892, nach Stizpa — Rana temporaria). Die Dotter- venen werden zuerst, das Endocard als ihre Fortsetzung gebildet. Der Ursprungsort der GefaSzellen ist der Entoblast und wird offenbar tibereinstimmend mit ScHwink angendmmen. SALENSKY (1895 — Frosch). Das Endocard entsteht durch Ausstiilpung aus dem Myocard. 24 Kati Marcinowski, Sampson (1904 — Hylodes martinicensis). , The heart develops from the mesoderm ventral to the pharynx.“ Keine naiheren Angaben. Ebenfalls widersprechend sind die Angaben tiber die Endocard- bildung bei Urodelen. Bei diesen verlauft nach RaBi (1887, (Salamandra atra, Sal. maculosa, Triton taeniatus) eine ventrale sagittale Rinne im Ento- blast vom Mandibularbogen an nach hinten. Sie liegt genau an der Stelle, an der spaiter das Endocard erscheint, und Rasi ver- mutet einen genetischen Zusammenhang zwischen beiden Bildungen. BracHet (1898) erhebt diese Vermutung zur GewiSheit. Er findet bei Triton alpestre an Stelle einer Rinne im Entoblast einen soliden Entoblastkiel. Dieses unpaare, mediane Gebilde ist die Herzanlage, die vorn mit der Anlage des Mundes, hinten mit der der Leber kontinuierlich zusammenhangt. Die Endothelien der Dottervenen entstehen teils aus dem ,,Dotterentoderm“, teils auf Kosten der Blutinseln. An dieser Ansicht tiber die Herzentstehung halt BracuweT (1903b) nach erneuter Priifung seiner Praparate von Triton und Axolotl auch noch nach den Feststellungen tiber Rana temporaria fest. Das Abweichende im Befund bei beiden Amphibiengruppen wird damit erklart, daf bei Urodelen der me- diale Teil des Mesoblasts, der die Gefaifbanlagen liefert, spater vom Entoblast abgespalten wird, als der iibrige Mesoblast; die ento- blastische Entstehung ist also nur eine scheinbare. Diese An- nahme wird durch die Befunde bei den Untersuchungen iiber die Mesoblastbildung bei Amphibien (1903 a) gestiitzt. Abweichend sind die Befunde Scnwinks (1890, 1891, Triton alpestre, Salamandra atra, Siredon pisciforme). Er findet auch bei Urodelen seine ,Gefifzellen*, und zwar in derselben oder doch nahezu gleichen Lagerung wie bei Anuren, und leitet sie hier ebenfalls von den Seitenraindern des Dotterentoblasts ab, von wo aus die Endocardzellen ihren definitiven Ort durch aktives Wan- dern erreichen. Die Arbeit Houssays (1893) iiber Siredon gibt nur eine Va- riante der Schwinkschen Darstellung, von der sie in erster Linie durch den Mangel solider Beobachtungsgrundlagen unterschieden ist. Der Ursprung der Gefafzellen ist nach Houssay nicht auf das ,Dotterentoderm“ beschrinkt, sondern auch auf das ,Darm- entoderm“ ausgedehnt. Paarige solide ,Anlagen“ bilden, am Vor- derende verschmelzend, das Herz. Auf diese ziemlich umfangreiche Arbeit im Spateren naher einzugehen, wiirde zu weit fiihren. Es Entstehung der Gefifendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 25 sei darum an dieser Stelle in Kiirze hervorgehoben, was bereits BracHET (1903b) geéuBert hat, daf namlich von einer segmen- talen Anlage der Dottervenen so wenig wie von einer solchen der Blutinsel irgend etwas zu sehen ist, und daf kein Grund zur An- nahme eines ,Parablast* im Sinne Houssays vorliegt. Auch eine Anzahl anderer Angaben, die Entstehung der Aorta, des Ductus Cuvieri etc. betreffend, konnten nicht bestatigt werden. Die ab- weichenden Beobachtungen sind im folgenden niedergelegt. Auf eine ausfiihrliche Widerlegung der Angaben Houssays wird ver- zichtet. Bei Parr (1897) findet sich anlaSlich einer Arbeit, die sich im tbrigen nicht mit dem Gefaifsystem beschaftigt, folgende bei- laufig hingeworfene Bemerkung: ,,In Necturus cells which form the endothelium of the heart, also appear to rise from the ento- derm. There are however mesodermic cells in the immediate neighbourhood, to which those endothelial cells might possibly be traced, by one strongly convinced, that the origin of the vas- cular system is or ought to be throughout mesodermic* (p. 301). Jounston (1903 — Salamander, Art nicht bestimmt). Herz- entstehung aus medio-ventralem Entoblast, als verspitete Meso- blastabspaltung aufgefabt. Begriindung ahnlich wie bei BRacHEeT (1903 b), doch ohne so wertvolles und umfangreiches Beweismaterial. Konnte also fiir Anuren die Entstehung der Herz- und Venen- endothelien aus freien GefaBzellen als sicher angenommen werden und handelte es sich hier nur noch darum, den Ursprung dieser freien Zellen zu ermitteln, iiber den so durchaus verschiedene An- gaben vorlagen, so war fiir Urodelen auferdem noch fraglich, ob hier ebenfalls eine Entstehung aus freien Zellen oder die Ab- schniirung einer soliden Zellmasse vorliege. 1, Anuren (Bufo). Zum Ausgangspunkt der Darstellung diene ein Embryo von 2—3 Somiten. Fig. 2 stellt den ventralen Teil eines Querschnittes in der Gegend des Hyoidbogens dar. Die einschichtige Darmwand ist an ihrer peripheren Grenzfliche annahernd glatt, ohne bedeuten- dere Hervorragungen. Nirgends zeigt sich eine Lockerung des epithelialen Verbandes. Die Anhaufungen des-Pigments zu zarten Grenzlinien zwischen den Zellen sind der einzige, auch nur an einigen Stellen kenntliche Ausdruck ihrer Selbstandigkeit. Soweit 26 Kati Marcinowski, die Form der einzelnen Zelle kenntlich ist, ‘zeigt sie als Zeichen dichter epithelialer Anordnung deutlich abgeplattete Wandungen. Einen ebenfalls typisch epithelialen Bau zeigt das aufere Koérperepithel (Fig. 1). Da es fiir die Gefafzellbildung vorlaufig nicht in Frage kommt und auch nie mit ihr in Verbindung ge- bracht wurde, so bleibt es in der weiteren Darstellung zunachst unberiicksichtigt. Wesentlich anders als Darmwand und Korperepithel verhalt sich der Mesoblast. In der dorsalen Halfte des auf Fig. 2 wieder- gegebenen Teiles stellt er noch eine kompakte Zelllage dar. Auch hier bedingt die feste Aneinanderlagerung der Elemente gegenseitige Abplattung der Wandung. Trotzdem ist die Grundform der Zelle im wesentlichen die der freien, nicht epithelialen Zelle: rundlich oder oval. Diese Eigenart der Zellen ist fiir einen grofen Teil des Meso- blasts auf diesem Stadium charakteristisch, und man wird sie wohl mit der Rolle, die der Mesoblast als Mesenchymbildner spielt, in Zusammenhang bringen diirfen, indem man sie als eine Art Vor- stadium der v6lligen Isolierung einzelner Elemente aus ihrem dichten Verbande auffabt. Eine solche Isolierung ist nahezu erreicht an den freien Enden des Hyoidbogens! (Fig. 2). Einzelne Zellen scheinen hier vdllig frei zu liegen; an anderen sieht man die Fortsatze, mittels deren sie miteinander in Verbindung stehen. Die Zellformen sind nur zum Teil noch rundlich oder oval; meist handelt es sich um Zellen mit mehreren, bisweilen fadenférmigen Fortsaitzen, also um den Typus der embryonalen Bindegewebs- oder Mesenchymzelle. Die ventralen Enden der Visceralbogen sind denn auch in der Tat, wie sich auf spiteren Stadien zeigt, sehr wesentliche Bildungs- herde des Mesenchyms. Ich gebrauche den Ausdruck ,Mesenchym“ in dem von HErRT- wiG (1881) definierten Sinne und verstehe darunter embryonale Zellen, die einzeln aus dem epithelialen Verbande oder — etwas weiter gefafit — aus einem Komplex, eventuell auch nicht epithe- lialer, fest aneinander gelagerter Zellen austreten. In rein histo- logisch-deskriptivem Sinne ist dieser Begriff wohl aufrecht zu er- halten, trotz der Unméglichkeit einer tiberall streng durchfiihrbaren Unterscheidung zwischen epithelialer und mesenchymatéser Zellen- anordnung. Die allgemein morphologische Bedeutung, die dem Begriff nach der Herrwieschen Theorie zukommt, messe ich ihm nicht bei. Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 27 Unter den Begriff des Mesenchyms fallen also hiernach alle freien embryonalen Zellen, auch die bereits in irgend einer Rich- tung stirker spezialisierten Formen, bis zu ihrem abermaligen Eintreten in einen festen Verband, wie z. B. den des Bindegewebes. Alle spezialisierten Formen sind auf ein indifferentes gemeinsames Ausgangsstadium zuriickzufiihren. In Fig. 2 reichen die freien Enden des Mesoblasts nicht bis zur Mittellinie, sondern sind durch einen zellfreien Zwischenraum voneinander getrennt. In diesen Zwischenraum ragt eine seichte, ventralwarts gerichtete Ausbuchtung der Darmwand hinein. Verfolgt man diesen medio-ventralen Teil der Darmwand kau- dalwarts, so sieht man, daf er sich verdickt und keilférmig gegen das aufere K6rperepithel vor- drangt (Textfig. 1a). Eine seichte, dem Darmlumen zugekehrte Rinne entspricht dem ventral gerich- teten Zapfen. Der Mesoblast ist beiderseits weiter gegen die Mittellinie vorgeriickt und ist nur durch den Entoblastzapfen von ihr getrennt. Drei Schnitte wei- ter kaudalwarts (Textfig. 1b), ist von der Rinne der Darmwand nichts mehr zu sehen. Das ven- trale Ende des Entoblastzapfens ist verschmalert; die freien Enden des Mesoblasts sind der Mittel- linie noch naher geriickt. Der folgende Schnitt (Text- Fig. la—c. Bufo, 2—3 Somite. fig. 10) trifft das hintere Ende Py Danpwand, is Mesoblast 2 des Entoblastkiels nahezu tangen- tial; der Mesoblast hat die Mittellinie erreicht. Er nimmt sie vollig ein auf dem folgenden Schnitt (Fig. 3), an dem eine Verdickung der medio-ventralen Darmwand nur noch in Spuren kenntlich ist. Dieser ventrale Entoblastzapfen hat in der Geschichte der Untersuchungen iiber die Herkunft des Endocards der Anamnier eine grofe Rolle gespielt. Gorrre (1890) fiihrt das Endocard der Petromyzonten, RUcKeRT (1888) das Vorderende der Herzanlage von Pristiurus und Torpedo, Ketiicort (1905)* die Endocardzellen von Ceratodus — wenigstens teilweise — auf ihn zuriick. Dab Ras (1887) und BracuetT (1898) eine gleiche Beziehung fiir die 28 Kati Marcinowski, Urodelen annahmen, wurde in der Literaturiibersicht schon gesagt. Bei Besprechung der Urodelen wird hierauf zuriickzukommen sein. Hier soll nur noch erwahnt werden, dafi von einem Beobachter, MARSHALL (1890), auch fiir Anuren eine Ableitbarkeit der Endo- cardzellen aus diesem Entoblastkiel angenommen wird. Auf dem vorliegenden Stadium ist die Begrenzung der Darm- wand durchaus klar und ein Zusammenhang des Entoblastkiels mit den GefaBzellen voéllig ausgeschlossen. Dieser Entoblastkiel wird nun nach MULLER (1871) zur Thyre- oidea; da ich aber auf den von mir untersuchten Stadien iiber seine weitere Entwickelung und sein definitives Schicksal nichts feststellen konnte und daher unentschieden lassen muf, ob er ganz in die Bildung der Schilddriise eingeht, wie RuDNEW (1892) fiir Rana temporaria angibt, oder ob er eine Riickbildung erfahrt,. wie das nach Swaren und Bracuet (1900) fiir die offenbar ent- sprechende Bildung bei Salmo fario der Fall ist, so ziehe ich vor, den indifferenten Ausdruck ,Entoblastkiel“ im folgenden beizu- behalten. . Fig. 3 stellt den ersten Schnitt der Serie dar, auf dem der Mesoblast die ventrale Mittellinie einnimmt. Der vom Schnitt ge- troffene Teil ist das ventrale Ende des 1. Kiemenbogens. Es geht ohne sichtbare Grenze kranialwirts in das freie Ende des Hyoidbogens iiber. Die Bogen sind nur dorsalwarts durch die An- lagen der entoblastischen Kiementaschenfalten voneinander isoliert. Es ist auf den ersten Blick klar, da’ der Charakter des Meso- blasts in den beiden Visceralbogen (Fig. 2 u. 3) im wesentlichen der gleiche ist. In Fig. 3 zeigt der Mesoblast im dorsalen Teil dicht gefiigte, rundliche oder ovale Zellen und in allmahlichem Uebergang zu den beiden ventralen Enden freie, hier vielleicht zum Teil schon vollig geléste Mesenchymzellen. An mehreren Stellen lagern diese Zellen der Darmwand an. Es ist aber, besonders bei starker Ver- eréBerung, leicht kenntlich, da’ es sich nur um eine Anlagerung, nicht etwa um einen direkten Zusammenhang mit der Darmwand handelt. Hingegen ist ein direkter Zusammenhang der sich los- lésenden Zellen mit dem Mesoblast an mehr als einer Stelle deut- lich kenntlich. Die Darmwand hat im Vergleich zu Fig. 2 an Dicke zu- gvenommen; sie ist aber noch deutlich einschichtig. Die periphere (rrenzlinie zeigt welligen Verlauf, im iibrigen vollig das fiir Fig. 2 beschriebene Verhalten. Sie ist frei von betrichtlichen Vorspriingen, Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 29 frei vor allem von kernhaltigen Vorspriingen. Das dichte’ epi- theliale Gefiige zeigt nirgends eine Lockerung. Aus dem spezielleren histologischen Verbalten der Darmwand einerseits, des Mesoblasts andererseits, aus dem unmittelbaren Zusammenhang einiger der frei werdenden Zellen mit dem Meso- blast, aus ihrer Beziehung zur Darmwand, die in klarer Weise immer nur eine Anlagerung ist, geht wohl mit Sicherheit hervor, daf eben diese frei werdenden Zellen, die in der Folge vdllig frei zwischen Darmwand und Mesoblast zu liegen kommen, keinen an- dern Ort zum Mutterboden haben, als jene medio-ventrale Mes- enchym-Bildungszone des Mesoblasts. Diese frei werdenden Zellen sind die spaiteren Endocardzellen. In der eben beschriebenen Region hat die Mesenchymbildung im ventralen Mesoblastbezirk ihren Héhepunkt erreicht. Weiter kaudalwarts nimmt die Zahl der austretenden Zellen ab. Der Mesoblast, der auf diesem Stadium von hier bis ans Hinterende tiberall die ventrale Mittellinie einnimmt, zeigt nun auch in diesem ventralen Teile ein festeres Gefiige und ist hier schlieSlich in nichts mehr von den dorsalen Mesoblastbezirken zu unterscheiden. Fig. 4 trifft das hinterste Ende der Mesenchym-Bildungszone. Die Darmwand zeigt im Vergleich zu den weiter kranial gelegenen Teilen keine Verainderung. Sie ist nach wie vor einschichtig mit glattwandiger Begrenzung. Der Mesoblast aber zeigt ein anderes Verhalten, als ihm weiter kopfwarts zukam. Er breitet sich tiber die Mittellinie als festgeschlossene Schicht aus, an der jetzt zwei Lagen von Zellen durchwegs kenntlich sind. Die Zellen sind ebenso wie die der Darmwand dicht aneinander gelagert; die rundlichen Formen gehen lateralwarts deutlich in mehr geradwandig begrenzte tiber. Die einzigen augenfalligen Anzeichen von Mes- enchymbildung sind die tiber das Niveau des Zelllagers heraustreten- den Elemente: links auf der Figur eine nur wenig vorspringende Zelle, der Mittellinie genahert 2 mit dem Mesoblasten ebenfalls noch fest verbundene Zellen. Sie ragen als ein Fortsatz des Mesoblasts in den Zwischenraum zwischen Darmwand und Meso- blast hinein; zwischen ihnen und der Darmwand bleibt ein deut- lich kenntlicher Spaltraum. Der eben beschriebene Schnitt zeigte das Hinterende der Mesenchymbildungszone. Verfolgt man diese Zone von dem als Ausgangspunkt genommenen Schnitt (Fig. 2) weiter kopfwarts, so sieht man sie zunichst auf die freien Enden des Mandibular- bogens tibergehen. 30 Kati Marcinowski, Fig. 1 zeigt einen etwas schief gefiihrten Schnitt durch diese Region. Der in der Abbildung rechts gelegene Teil ist weiter kranial getroffen. Die Darmwand zeigt eine ventral gerichtete ‘Ausbuchtung ; dieser gegenitiber liegt eine Ektoblastverdickung, beide Bildungen bedingt durch die, ca. 20 w weiter kranialwarts liegende, Ekto- Entoblastverbindung der Rachenhaut. Die Darmwand verhalt sich hinsichtlich ihres feineren histo- logischen Baues ebenso wie auf den bisher beschriebenen Schnitten. Die Mesoblastelemente liegen scheinbar regellos, hier dicht gedrangt, dort mehr vereinzelt, durch Liicken voneinander getrennt. Nichts von epithelialer Anordnung, von geschlossenen Schichten. Als ein Ort lebhafter Vermehrungsvorginge wird das ventrale Ende des Mandibularbogens durch mehrere Mitosen gekennzeichnet. Ver- glichen mit den entsprechenden Teilen des Hyoidbogens (Fig. 2), zeigt sich hier die lockere Anordnung der Zellen iiber ein gréBeres Gebiet ausgebreitet. Dies Gebiet nimmt weiter kranialwairts noch mehr zu. Hier geht das ventrale Ende des Mandibularbogens ohne Grenze in das groBe Mesenchymgebiet des Kopfes iiber, das zu dieser Zeit schon eine grofe Anzahl véllig isolierter, freier Mesenchym- zellen enthalt. Bei dem Embryo von 2—3 Somiten besteht also eine medio- ventrale Mesenchym-Bildungszone des Mesoblasts. Sie beginnt mit den freien Enden des Mandibularbogens, ist auf diejenigen des Hyoidbogens fortgesetzt, erreicht mit dem medianen Zusammen- schluf der ventralen Teile des 1. Kiemenbogens die Mittellinie und breitet sich von hier aus noch eine Strecke weit kaudalwiarts aus. Nach vorn geht sie in das Mesenchymgebiet des Kopfes tiber. Ihr hinteres Ende liegt ca. 60 « vor Beginn des Leberdivertikels. Folgende Stadien zeigen, wie diese letzte Lagebeziehung sich all- mihlich verandert, und wie sich die Mesenchymbildungszone bis in die Region des Leberdivertikels kaudalwirts ausdehnt. Ein Teil der im ventralen Mesoblastbezirk gebildeten Mes- enchymzellen wird zum Endocard, der Teil nimlich, dessen Iso- lierung an der Stelle des medianen Zusammenschlusses des Meso- blasts, dicht hinter dem Kaudalende des Entoblastkiels, aus Teilen des 1. Kiemenbogens beginnt. Der kaudalwarts anschlieBende Bezirk liefert die Endothelien der Dotterdarmvenen. Dies soll im folgenden naher ausgefiihrt werden. Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 31 Bei einem Embryo eines alteren Stadiums (8—4 Somite) ist die Gefafzellenbildung weiter vorgeschritten, und zwar breitet sich die Isolierung mesoblastischer Elemente von der Region, die auf dem vorigen Stadium als die des Héhepunktes der Mesenchym- bildung bezeichnet wurde, nach vorn, nach hinten und lateral- warts allmahlich aus. Dabei kommen die austretenden Ele- mente in nahe Beziehung zu dem jetzt sehr charakteristisch gestalteten Entoblastkiel. Die- ser selbst scheint tibrigens sehr variabel zu sein; in ahnlich ausgepragter Weise wie bei dem in Rede stehenden Embryo habe ich ihn nur ein einziges Mal wiedergesehen. Textfig. 2a—e zeigt, wie die im Darmboden gelegene Rinne seitlich von 2 Wiilsten begrenzt wird (a), wie diese Wiilste 2 Schnitte (a 10 wu) weiter hinten sich medianwarts bis zur Beriihrung gendahert und so die Rinne zu einem Rohr abgeschlossen haben (b), wie nach 3 weiteren Schnitten das Lumen dieses Rohres, das einen kaudal gerichteten Blind- sack darstellt, verschwunden ist und eiue solide Entoblast- masse zwischen die freien Me- soblastenden eingedrangt er- scheint (c). Auf dem folgenden Schnitt (d) hangt diese Masse nur noch durch einen diinnen Stiel mit der Darmwand zu- i Fig. 2a—e. Bufo, 3—4 Somite. Ent Darmwand, Mes Mesoblast, kt iuBeres K@6rperepithel. Vergr. 45: 1. sammen. Noch ein Schnitt weiter, und diese Verbindung ist ganz gelist (e). Unmittelbar hinter dem kaudalen Ende der ventralen Entoblastverdickung treffen hier wie auf vorigem Stadium die freien Enden des Mesoblasts in der Mittellinie zusammen, und hier liegt 32 Kati Marcinowski, wieder das Gebiet, in dem die Isolierung der Gefafzellen ihren Anfang genommen hat und nun am weitesten vorgeschritten ist. Der Schnitt der Fig. 6, der diese Region wiedergibt, ist in der Richtung a—b der Textfig. 3 gefiihrt, die den medianen Sagittalschnitt desselben Embryos darstellt. Der Sagittalschnitt ist unter méglichster Vermeidung allen Schematisierens aus den Querschnittsbildern der Serie rekonstruiert. Die Linie a—b gibt also die Lage des Querschnittes der Fig. 6 genau wieder. Die engste raumliche Beziehung zwischen Entoblast und Gefafzellen findet sich auf Textfig. 2c, weshalb dieser Schnitt in starkerer Vergréfe- rung wiedergegeben werden soll, Fig. 5. Die Entoblastverdickung erscheint dreieckig mit ventraler Basis; ihre Spitze geht in die Darmwand tiber. Wenn man in Betracht zieht, daf es sich um das Ende eines vom Darm ausgehenden __ Blind- sackes handelt, wird der feinere Bau der Entoblastverdickung leicht verstandlich. Ihr Zentrum entspricht der dem Darmlumen zu- gekehrten Darmwand- fliche, ist pigmentiert wie sie und enthalt die deo ii a P8O Sach Boni Bekonstraktion Kore, Die Periplieals Mes Mesoblast, Ekt duBeres Korperepithel, L Leber- entspricht der Aufen- seri h Ratobieiel Ghyreadta, <> ecko der Darmmand und ist folglich kern- und annahernd pigmentfrei. (Dieser Unterschied in der Pigmen- tierung der Darmwand ist nicht auf allen Figuren zu sehen. Er tritt nimlich nur an mit Safranin gefarbten Praparaten hervor, aus Griinden, auf die bei Besprechung der Technik eingegangen wurde.) Die Abgrenzung gegen die freien Mesoblastzellen ergibt sich hieraus von selbst. Mégen diese noch so dicht angelagert sein, Entstehung der GefaSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 33 mégen sie stellenweise sogar in direktem Zusammenhang mit dem Entoblast zu stehen scheinen — solche Bilder sind, da es sich an dieser Stelle um einen Schiefschnitt des schrag kaudal und ventral vorragenden Entoblastzapfens handelt, unvermeidlich — ihre stairkere Pigmentierung einerseits, die kern- und pigment- freie periphere Entoblastzone andererseits, geben doch eine un- zweideutige Grenze an. Zudem zeigt der Entoblast in diesem ventralen Vorsprung durchaus das ihm auch sonst tiberall eigene, bereits mehrfach betonte feste Gefiige, das, verglichen mit den Mesoblastenden, eine Mesenchymbildung von seiner Seite sehr un- wabrscheinlich erscheinen Jaft. Es ist eine Ableitbarkeit der Gefafzellen von diesem Teil des Entoblasts fiir Anuren auch nur ein einziges Mal, wie bereits erwahnt (MaArsHaLu 1890), be- hauptet worden. Fig. 6 entspricht Fig. 3 des vorigen Stadiums: der erste Schnitt hinter dem Entoblastkiel, die Stelle ventro-medianer Ver- einigung der freien Mesoblastenden. Die mesenchymatise Locke- rung hat, verglichen mit vorigem Stadium, zugenommen. Sie ist lateralwarts auf ein gréferes Gebiet des Mesoblasts ausgedehnt. Auch die Zahl der freien, bereits ausgetretenen Elemente hat sich vermebrt. An den Stellen, an denen sie frei zwischen Darmwand und der Hauptmasse des Mesoblasts liegen, ist die Darmwand eingedellt, wahrscheinlich durch den Druck der infolge der Fixie- rung etwas geschrumpften, im Leben jedenfalls dicht anliegenden Gefabzellen. Die Abgrenzung der Gefabzellen gegen die Darm- wand ist aber iiberall von unzweideutiger Klarheit. Es sei noch- mals die auch hier wieder in aller Scharfe kenntliche glattwandige Begrenzung des Darmes und das feste Gefiige seiner Zellen einer- seits, die offenbare Lockerung im ventralen Mesoblastbezirk anderer- seits betont. ' Einige Schnitte weiter kaudalwarts, gegen die hintere Grenze der Mesenchym-Bildungszone, ist die mesenchymatése Lockerung auf einen kleineren Bezirk des Mesoblasts beschrankt und die Isolierung der Gefafzellen noch nicht so weit fortgeschritten (Fig. 7). Die GefabBzellen stehen beiderseits noch in kontinuierlichem Zu- sammenhang mit dem Mesoblast. Das Bild scheint iibrigens die Annahme Bracuets (1903 b) zu bestatigen, dafi es gerade der am weitesten medial gelegene Bezirk des Mesoblasts ist, der die Gefalzellen liefert. Aehnliche Bilder sind fiir das Hinterende der Mesenchymbildungszone durch- aus charakteristisch; es scheint sich um ein lateral gerichtetes Bd. XLI. N. F. XXXIV. 3 34 Kati Marcinowski, Austreten mehr oder weniger kontinuierlicher Zellketten zu handeln. Die weiter kranial liegenden Teile dieses Bezirks (Fig. 3 u. 6) zeigen aber eine so strenge Lokalisation auf eine mediale Zone, wie sie Bracuet fiir Rana temporaria angibt, nicht. Ich lege auf diese Differenz aber kein besonderes Gewicht; denn die Konse- quenzen, die sich aus einem mehr vereinzelten Austreten von Ge- faBzellen aus einem gréferen Mesoblastbezirk gegen BRACHETs An- nahme eines zirkumskripten Endothelbildungsbezirks des Meso- blasts ziehen lieBen, ergeben sich klarer und einwandfreier aus der spiter zu besprechenden Ursprungsweise der GefaSendothelien aus Wanderzellen und im Bindegewebe. Am Hinterende der Mesenchym-Bildungszone, Fig. 7, sind die GefaBzellen nach Art einer flachen Rinne angeordnet, deren Rander sich an die Darmwand anlegen. Zwischen der Gefazelikette und der Darmwand bleibt ein schmaler Spaltraum, derselbe, den GOETTE (1875) als Herzhéhle bezeichnet. Seine Fig. 133, die einen Schnitt durch die gleiche Region darstellt, hat mit dem hier gegebenen Bilde grofe Aehnlichkeit. Macht schon Fig. 7 den Eindruck, als ob die GefaSzellen von ihrem medialen Ursprungsort aus auf einer lateral gerichteten Wanderung begriffen waren, so wird diese Vorstellung noch be- giinstigt durch Bilder, wie sie im Bereich des vordersten Ab- schnitts des Leberdivertikels bei einem alteren Embryo (5 bis 6 Somite) zu finden sind (Fig. 8). Der Mesoblast zeigt hier nur geringfiigige mesenchymatése Auflockerung. Die Mittellinie ist von Gefafzellen frei. Seitlich aber liegen jederseits zwei Gefab- zellen, der Darmwand zum Teil fest angeschmiegt. Neben den schon wiederholt geaiuferten Argumenten fiir die mesoblastische Entstehung der GefaiSzellen spricht auch die so ausgeprigte Spindelform der der Darmwand angelagerten Zellen und der Umstand, daf die Lingsseite der Spindel der Darmwand anliegt, dafiir, daf& diese Zellen nicht im Austreten aus der Darm- wand begriffen sind, oder dieser Austritt sich eben vollzogen hatte. Es sind diese seitlich gelagerten Zellen die ersten Anlagen der Dotterdarmvenen; sie sind auf diesem Stadium noch sehr spairlich. Der abgebildete Schnitt liegt hart vor ihrer hinteren Grenze. Bei alteren Embryonen nehmen sie an Menge zu. Ver- folgt man sie hier von der eben charakterisierten Region aus kaudalwirts, so sieht man, wie sie sich immer mehr von der Mittellinie entfernen und also zwei dorsolateral und kaudal ge- richtete Ziige unregelmakig gelagerter einzelner Zellen darstellen, Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 35 die ihren gemeinsamen Ausgangspunkt in topographischem Sinne in der Gegend des spateren Herzens haben. Die Herkunft der Venenzellen ist fiir den proximalen Venen- abschnitt jedenfalls noch in der medio-ventralen Mesenchym- bildungszone des Mesoblasts zu suchen; das machen Bilder wie Fig. 7 wenigstens wahrscheinlich. Was die Entstehung des eigent- lichen Hauptabschnittes der Venen anlangt, so konnte sie nur bei Siredon untersucht werden. Die Gefafizellen der Venen sind es, von denen Scuwink (1890, 1891) fiir alle Amphibien die Endothelien des Herzens ableitet, und diese Gefafzellen sollen nach ihm aus den lateralen Teilen der Darmwand ihren Ursprung nehmen. Wie starke Griinde mir gegen letztere Annahme zu sprechen scheinen, geht wohl aus der ganzen bisherigen Darstellung hervor. Hier sei nur noch hervor- gehoben, da sich die zeitliche Folge des Auftretens der Gefaf- zellen mit der Schwinkschen Annahme einer kranial gerichteten Wanderung der Gefaizellen nicht deckt. Die Gefafzellen der Dottervenen treten nicht zuerst, sondern im Gegenteil nach den Endocardzellen auf; und in der Gegend, von der ScHWINK sie ihren Ursprung nehmen 1aft — laterale Wand des_ ,,Dotter- entoderms* — sind sie bei einem Embryo von 5—6 Somiten noch gar nicht vorhanden, wahrend die GefaBzellen des Herzens die- jenigen sind, die zu allererst auftreten und deren Isolierung bei einem Embryo von 2—3 Somiten bereits begonnen hat. Wie aus den freien GefaBzellen die Endothelien hervorgehen, davon mag Fig. 9 und Fig. 22 eine Vorstellung geben. Embryo 11—12 Somite. Die Gefafzellen tragen deutlich den Charakter embryonaler Bindegewebszellen mit unregelmafigen, zum Teil lang- gestreckten Fortsitzen. Sie haben sich aneinander gelagert, und einige von ihnen begrenzen einen schmalen spaltformigen Hohl- raum. Dieses primitive ,,Endothel‘* — wenn man ihm diesen Namen schon beilegen darf — hangt noch mit Zellen zusammen, die zur Umegrenzung des Hohlraums offenbar in gar keiner Beziehung stehen; so den beiden Zellen, die auf der Abbildung links durch einen diinnen Fortsatz mit dem Endothel zusammenhangen, und der einen Zelle, die etwa in der Mitte ihm aufsitzt, von der Be- grenzung des Lumens aber deutlich ausgeschlossen ist. Auch wenn die Vorgeschichte der GefaBzellen nicht bekannt ware, wiirde ein solches Bild eine irgendwie ,,epitheliale* Ent- stehung des Endothels zum mindesten sehr unwahrscheinlich er- scheinen lassen. 38% 36. Kati Marcinowski, Ob diese anliegenden Zellen sich spater zwischen die Wand- zellen einschieben und so den anfangs geringfiigigen Hohlraum vergrofern helfen, oder ob diese VergréSerung durch eine Ver- mehrung und durch Wachstum und Abplattung der Zellen selbst geschieht, kann ich nicht entscheiden. Das Langenwachstum des Schlauchs vollzieht sich aber jedenfalls im weseutlichen durch Anlagerung neuer, vormals freier Elemente, wie bei den GefaBen, bei deren Besprechung die Griinde fiir diese Annahme beigebracht werden sollen. Das dargestellte Endothel ist das Endocard, und zwar findet sich auf dieser Serie nur dieser einzige Schnitt, auf dem sich die GefaSzellen zur Begrenzung eines Hohlraumes aneinander gelegt haben. Das Bild, Fig. 9, giebt also genau den Ort und die Art des zuerst gebildeten Endothels an. Das Endothelsackchen abt deutlich zwei Lumina erkennen, bei veranderter Einstellung ist aber eine schmale Verbindung zwischen ihnen zu sehen. Daf sich hier zwei Gefafanlagen miteinander vereinigt haben, ist wohl un- wahrscheinlich, und es ist eher anzunehmen, dafS die Wandungen des in Bildung begriffenen Gefafes sich noch nicht vollstandig von- einander abgehoben haben, wobei an dieser Stelle die Bildung des Lumens als ein Auseinanderweichen urspriinglich aneinander ge- lagerter Zellen zu denken ware. Auf etwas alteren Stadien stellt sich das Herz stets als ein unpaarer Schlauch dar. Nach GorETTE (1875) vollzieht sich die Endocardbildung etwas anders. Die Anordnung der Gefafzellen in einer gegen den Darm zu offenen Mulde bildet das Ausgangsstadium; und nun erheben sich zwei seitliche Falten des visceralen Mesoblasts, die sich median- warts einander nahern, so die von den Gefabzellen gebildete Mulde umfassen und zu einem Schlauch gewissermafen abschniiren. Seine Fig. 226 stellt diesen Vorgang dar. Die Anlage des Pericards erfolgt also vor der des Endocards. Bei Bufo ist dies, wie Fig. 9 zeigt, jedenfalls nicht der Fall. Die Bildung der Pericardialhéhle ist noch in ihren ersten An- fangen begriffen; es beginnt eben erst die Lésung des visceralen Pericardblattes vom parietalen, wie die Zellbriicke rechts vom Mesocardium anterius zeigt. Rechterseits zeigt das Pericard eine geringe Spur einer Auffaltung, aber es ist klar, daf die morpho- logische Differenzierung des Pericards auf diesem Stadium sicher- lich kein in irgendwelchem Sinne die Endothelbilung — be- dingendes Moment enthalt. Jedenfalls nicht in dem Sinne, wie das auch nach OrLLAcuers (1871) Abbildungen scheinen kénnte. Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 37 da8 das viscerale Pericardblatt zeitweise zusammen mit der Darm- wand schon eine Art Gefifsystem darstellte, innerhalb dessen es nun erst nachtraglich zur Bildung eines Endothels kame. Das Endothel ist vielmehr durchaus das primar Entstehende. Im vorhergehenden wurde versucht, die mesenchymatiése Ent- stehung der Endocardzellen bei Bufo nachzuweisen, und zwar glaubte ich, dieses Mesenchym aus dem Mesoblast ableiten zu miissen. Von einer Anteilnahme der Darmwandzellen an der Endocardbildung ist nicht die Rede. Meine Befunde bestatigen also im wesentlichen die von BracHet (1903b) bei Rana temporaria. Auch bei Bufo war die Riickfiihrung der Endocard- und Dottervenenzellen auf einen medio- ventralen Bezirk des Mesoblasts méglich. Im Gegensatz zu BracHets Angaben méochte ich aber her- vorheben, dafi bei Bufo dem Austreten der freien Zellen keine Isolierung des medio-ventralen Mesoblastbezirks vom tibrigen Meso- blast vorausgebt, daf tiberhaupt keinerlei auch nur andeutungs- weise vorhandene Abgrenzung des Gefafzellbezirkes gegen um- gebende Anlagen stattfindet, sondern daf der Gefafzellbezirk nur der am friihesten differenzierte Teil eines grofen medio-ventralen Mesenchymbildungsgebietes des Mesoblasts ist. Es liegt mir bei der Betonung dieses Differenzpunktes fern, etwa in Frage ziehen zu wollen, dal eine gewisse Abgrenzung des GefaBzellbezirks, wie sie Bkacuer beschreibt, bei Rana temporaria existiere, wenngleich Bracnets Abbildungen eine solche Abgrenzung nirgends sehr klar hervortreten lassen. Ich méchte nur hervor- heben, da8 sich Bufo anders und in diesem Punkt wahrscheinlich primitiver verhalt als Rana temporaria. Hierauf wird am Schluf der Arbeit noch zurtickzukommen sein. Der besagte Differenzpunkt ist der eine Grund, warum auf die Entwickelung des Endocards von Bufo trotz der in vielem wesentlich tibereinstimmenden Angaben Bracuets (1903 b) fiir Rana temporaria naiher eingegangen wurde. AufSerdem geschah dies darum, weil fiir eine eingehendere, auf feinere histologische Verhiltnisse Riicksicht nehmende Be- grimdung der Annahme einer mesoblastischen Entstehung des Endothels Bufo ein sehr geeignetes Material zu sein schien, und weil es mir fiir den Vergleich mit Urodelen wichtig schien, die von Bracuet nicht beriicksichtigten, vielleicht bei Rana auch nicht 38 Kati Marcino wski, so deutlich hervortretenden Verhaltnisse der GefaBzellen zum Entoblastkiel klarzulegen. Was GoeTtes Ableitung der Endocardzellen anlangt, so ist es wohl unwahrscheinlich, daf er, wie BRACHET meint, die Zellen, die auf spaiteren Stadien der Darmwand anliegen, von der Darm- wand abgeleitet habe, in ahnlichem Sinne, wie ScHwInK das fir die Venenzellen tat. Nach der eingehenden Beschreibung, die BracHEet (1903b) von der Mesoblastbildung in der Kopfregion gibt, méchte ich eher annehmen, dal GorTTE jene ,,verspatet‘ vom Entoblast abgespaltene medio-ventrale Mesoblastpartie fiir die Herzanlage gehalten hat. Er spricht ja von einer ,,lockeren unzusammenhangenden Schicht*', nicht, wie SCcHWINK, von einzelnen Zellen. Gorrres Beobachtung wire also vielleicht ganz richtig, und die irrtiimliche Deutung derselben ware vielleicht auf das Fehlen jener Zwischenstadien zuriickzufiihren, in denen der Meso- blast von der Darmwand véllig gesondert ist und GefaBzellen noch nicht frei geworden sind. Auf die Befunde Scuwinxks wird bei Besprechung der Urodelen noch einmal zuriickzukommen sein. Es sei hier noch erwahnt, da8 schon von BAMBEKE (1870) bei Pelobates fuscus die Endocardzellen von den freien ventralen Enden des Mesoblasts abgeleitet hat. Die beigegebenen Abbildungen, Fig. 7 und 12, vermochten die Angaben im Text aber nicht zu sttitzen. 2. Urodelen (Siredon). Die Bildung des Endocards der Urodelen ist prinzipiell der der Anuren gleich. Textfig. 4 giebt die Rekonstruktion des Sagittalschnitts eines Embryos von 10—11 Somiten. Ein Vergleich mit dem Sagittalschnitt des Bufoembryos, Text- figur 5, zeigt als wesentliche Uebereinstimmung die Lage freier mesenchymatéser Gefaifzellen unmittelbar hinter dem Entoblast- kiel. Nach hinten wird der Raum, in dem die Gefafzellen liegen, bei Siredon wie bei Bufo von der Vorderwand der Leber begrenzt. Aber wahrend zwischen Entoblastkiel und Leberanlage bei Bufo eine ziemlich ausgedehnte Liicke besteht, findet sich hier bei Siredon nur ein schmaler Spalt. Und wahrend bei Bufo die Endocardzellen kaudalwarts mit dem iibrigen Mesoblast in kon- tinuierlicher Verbindung stehen, ist dies bei Siredon nicht der Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 39 Fall. Denn hier drangt unmittelbar hinter den Endocardzellen die Leberanlage ventralwirts gegen das Kérperepithel vor, und der Mesoblast erreicht erst betriichtlich weiter kaudalwarts zum zweiten Male die Mittellinie. Fig. 4. Fig. 4. Siredon, 10—11 Somite. Rekonstruktion des medianen Sagittal- schnittes. Ent Darmwand, Mes Mesoblast, Est AuBeres Kérperepithel, Z Leber- divertikel, 2% Entoblastkiel (Thyreoidea). a—b = Schnitt Fig. 10, Vergr. 25:1. Fig. 5. Bufo, 3—4 Somite. Rekonstruktion des medianen Sagittal- schnittes. Bezeichnungen wie in Textfig. 3. a—b = Schnitt der Fig. 6. Vergr. 42:1. Vergleicht man die Querschnittsbilder eines Siredonembryos (11—12 Somite) Textfig.6a—e, mit den friiher beschriebenen des Bufoembryos, Textfig. 7 a—c, so lift sich auch hier die prin- zipielle Uebereinstimmung beider Formen nicht verkennen. Textfig. 6a stellt den ventralen Entoblastkiel dar, der, hier vollig solid, die freien Enden des Mesoblasts voneinander trennt (vergl. Bufo, Textfig. 7a, b). Seitlich der Darmwand angelagert finden sich schon freie Mesenchymzellen. Zwei Schnitte weiter kaudalwirts (6b) hat der Mesoblast die ventrale Mittellinie er- reicht. Der Entoblastkiel, hier mehr in Form eines stumpfen 40 Kati Marcinowski, Zapfens, ist noch deutlich kenntlich, im Vergleich zu a aber reduziert (verg]. Bufo, Textfig. 7c). Textfig. 6c stellt den ersten Schnitt hinter dem Distalrand des Entoblastvorsprungs dar, zeigt den Mesoblast, wie er den ganzen medio-ventralen Bezirk ein- nimmt, teils in unregelmafiger Lage locker zusammenhangender Elemente, teils als freie Mesenchymzellen. Fig. 7. Fig. 6. Siredon, 12—13 Somite. nt Darmwand, Mes Mesoblast, Fkt diuBeres K6rperepithel. Vergr. 45 : 1. Fig. 7. Bufo, 2—3 Somite. nt Darmwand, Mes Mesoblast, kt fiuBeres KO6rperepithel. Vergr. 45: 1. Schon zwei Schnitte weiter kaudalwirts tritt aber inmitten dieses Mesoblastbezirks eine deutlich von ihm gesonderte Zellmasse auf, Textfig. 6d, die sich auf dem folgenden Schnitt, 6e, als im Zusammenhang mit der Darmwand erweist und das Kranialende der Leberanlage darstellt, das bei Siredon in Gestalt eines ventral gerichteten stumpf zulaufenden Zapfens gegen das Kérperepithel vordrangt und so die freien ventralen Enden des Mesoblasts von- einander trennt. Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 41 Wenn BracHeT angibt, bei Urodelen ziehe auf jiingeren Stadien ein solider Entoblastkiel von der Anlage des Mundes bis zur Leber, und aus diesem Kiel entstehe das Herz, so ist das wohl kaum anders zu erklairen, als dai jener, an Ausdehnung allerdings sehr unbedeutende Bezirk, in dem die ventrale Ento- blastleiste von dem medial zusammenschliefenden Mesoblast unter- brochen wird, tibersehen warde. BracuHets Irrtum ist besonders darum leicht verstandlich, weil die Gefabzellen, wie aus dem Sagittalschnitt, Textfig. 4 er- sichtlich, in einer Falte der Darmwand wie eingekeilt liegen, und, wie schon hervorgehoben, kaudalwarts in der ventralen Mittellinie keinen Zusammenhang mit dem tibrigen Mesoblast zeigen. Auch war Bracuer nur das Stadium der soliden Anlage des Herz- endothels bekannt, nicht das der sehr rasch voriibergehenden mesenchymatésen, das diesem vorangeht, und das natiirlich die Abgrenzung der Gefafzellen gegen umgebende Anlagen weit deut- -licher und leichter erkennen 1aBt. Die Mesenchymbildung ist bei Siredon auf friihen Stadien eine wenig auffallige Erscheinung, die von der bei Anuren, speziell Bufo, in sehr charakteristischer Weise abweicht. So beginnt die Mesenchymbildung — im Vergleich zur Differenzierung der Somite — betrachtlich spater, und die austretenden Zellen sind weit weniger zahlreich, dagegen relativ gréfer und von plumper, wenig differenzierter Gestalt. Das ganze Bild ist, wenn man so sagen darf, ,embryonaler“. Auch die feineren Differenzierungen der Darmwandzellen, der Visceralbogen etc. werden erst spiiter klar als bei Bufo. Hiermit hingt wohl auch zusammen, daf zur Zeit der Herzbildung alle Anlagen des Keims noch dicht, wie an- einander gepackt liegen, und da8 nirgendwo gréfere Liicken und Spaltraume auftreten. Dieser Umstand ist fiir die Untersuchung der Mesenchym- bildung in gewisser Hinsicht eine Erschwerung; die mesenchyma- tésen Elemente sind schwerer aufzufinden. Ibre Riickfiihrung auf ein bestimmtes Ursprungsgebiet ist dagegen leichter und sicherer als bei Bufo. Dieses Ursprungsgebiet ist, wie in der eingangs gegebenen Uebersicht dargestellt wurde, das Vorderende des medio-ventralen Mesoblastbezirks. Es eriibrigt nun noch, die, Berechtigung dieser Darstellung an der Hand einer eingehenderen Beschreibung zu erweisen. Bei einem Embryo von 6 Somiten schlieSt der Mesoblast nur 42 Kati Marcinowski, im hintern Drittel der Kérperlinge ventro-median zusammen. Im vorderen Kérperabschnitt endet er ventral zugespitzt mit einer einzigen Zellreihe etwas seitlich von der Mittellinie. An diesem ventralen Rande zeigt sich die Tendenz einer Ablésung und ventro- median gerichteten Wanderung der Zellen. Ob wirklich schon einige Zellen frei geworden sind, ist nicht sicher zu entscheiden, wahrend bei einem Embryo von 8 Somiten die Mesenchymbildung an den ventralen Mesoblastraindern bereits deutlich begonnen hat, und zwar an einer Stelle, die zwei Schnitte (a 10 w) hinter dem Distalende des Entoblastkiels liegt. Der Mesoblast ist in dieser Region der Mittellinie sehr genihert, hat sie aber noch nicht vollig erreicht. Bei einem Embryo von 9 Somiten ist ventral der Zusammenschluf des Mesoblasts erfolgt und zwar in Form einer diinnen einreihigen Zellkette, die nur tiber zwei Schnitte (a 10 w) ausgedehnt ist. Nachdem der mediane Zusammenschluf erfolgt ist, vollzieht sich die Mesenchymbildung im wesentlichen als dorsal und lateral gerichtetes Austreten der am weitesten medial gelegenen Zellen. Der Mesoblast scheint an der Stelle, an der er mit dem anders- seitigen in Beriihrung kommt, gewissermafen umzubiegen (Fig. 12). In analoger Weise entstehen die Dotterdarmvenen, deren Austreten sich auch unter dem Bilde einer dorsal gerichteten Umbiegung darstellt (Fig. 14 u. 15). Das Endocard betreffend, sei unter Hinweis auf Fig. 10 vor allem die mesenchymatiése Beschaffenheit seiner Bildungszellen be- tont. Der dargestellte Schnitt ist der der Richtung a—b der Textfig. 4. Die Uebereinstimmung mit Bufo (vergl. Fig. 3 u. 6) ist so auffallend, daf sie kaum noch hervorgehoben zu werden braucht. Auch hier wieder die deutliche Auflockerung im ven- tralen Mesoblastbezirk und die glatte, ausgesprochen epitheliale Darmwandung. Auch hier wieder fillt in diese Region der Héhe- punkt der Mesenchymbildung; auf der Fig. 11, die einen nur 15 « weiter kranial liegenden Schnitt darstellt, ist von ihr nur sehr wenig zu sehen. Der auf dieser Figur dargestellte Entoblastkiel erweist sich iibereinstimmend mit der gleichen Bildung bei Bufo. Es wurde bei Besprechung dieses Gebildes bei Bufo hervorgehoben, dal es sich um eine rinnenformige Ausbuchtung der ventralen Darmwand handle, deren hinteres Ende einen kaudal und ventral gerichteten Blindsack darstellt. Bei Siredon ist keine offene Rinne vorhanden ; die Bildung ist auf diesem Stadium — und vielleicht von Anfang Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 43 an — solid. Prinzipiell ist sie aber doch als eine Falte der Darmwand aufzufassen. Das beweist Lage und Anordnung der Kerne, die im wesentlichen auf das Zentrum des Kiels beschrankt, dorsalwirts an die Kerne der Darmwand Anschlu8 finden, am ventralen Umfang aber von einem kernfreien Mantel dotterbeladenen Plasmas umgeben sind. Ist die Annahme, daf es sich um einen kaudal gerichteten Blindsack handelt, richtig, so miissen die Schnitte, die den Kaudal- rand der Anlage treffen, sie als eine kernfreie, eventuell von der Darmwand gesondert im Mesoblast liegende Masse erscheinen lassen. Dies ist tatsaichlich das Bild, das sich bietet. Fig. 11 zeigt den Entoblastkiel fast kernlos. Der am weitesten ventral gelegene Kern ist nur schwach kenntlich, weil ganz tangential getroffen. Das gesamte Gefiige ist locker und erscheint auf dem Praparat daher relativ heller und stellenweise, links in der Figur be- sonders deutlich, tritt eine Pigmentlinie als Grenze gegen die Darmwand auf. Auf dem kaudalwarts folgenden Schnitt zeigt der nun isoliert liegende Entoblastkiel keinén einzigen Kern mehr. Dieser eine kernfreie Schnitt lief’ sich auf einer ganzen An- zahl von Serien deutlich nachweisen. Ein Blick auf Textfig. 4 gentigt aber, um zu zeigen, daf eine andere Schnittrichtung sehr abweichende Bilder liefern muff. Ist namlich der Hinterrand des Entoblastkiels nicht tangential, sondern schrag getroffen, so wird er erstens nicht kernlos erscheinen und wird zweitens, da auf Schragschnitten die Abgrenzung freier Zellen kaum jemals klar zu erkennen ist, auch gegen die Gefafzellen nicht gesondert er- scheinen. Daf aber in Bracuets Fig. 12 z. B. die Schnittrichtung eine andere war, als in meiner Fig. 10, ist sehr wahrscheinlich. Endo- cardzellen und Dorsalwand des Leberdivertikels liegen in BRACHETS Figur in einer Schnittebene. Der Schnitt war also wohl nicht quer zur Kopfregion, sondern quer zur Rumpfregion gefiihrt. Bei geeigneter Schnittfiihrung gibt aber der erwahnte kernfreie Schnitt tiberall mit Sicherheit die hintere Grenze des Entoblast- kiels an. Und wenn die hart hinter ihm zusammenschlieSenden Endocardzellen ihm auch noch so dicht angelagert sind, jener kernfreie Schnitt beweist, da an dieser Stelle eine Grenze zwischen beiden Anlagen, kein direkter Zusammenhang zwischen ihnen besteht. Auf diese eigentiimliche Lagebeziehung des Endocards zum Entoblastkiel, so wie sie in spiteren Stadien sich darstellt, komme 44 Kati Marcinowski, ich spaiter wieder zuriick und will nun erst die Besprechung der Endocardbildung aus den Gefa8zellen zu Ende fiihren. Der Schnitt der Fig. 12 (Embryo 12—13 Somite) liegt dicht vor dem Kranialrand der Leberanlage, also dicht vor der Stelle, an der die ventralen Mesoblastenden wieder seitlich auseinander- weichen. Der Mittellinie zunachst erfolgt, wie auch die hier liegenden Mitosen zeigen, offenbar die ausgiebigste Bildung von Mesenchymzellen. Die beiderseits frei zwischen Darmwand und Mesoblast gelegenen Zellen bilden, wie erwahnt, lateral gerichtete Zellenziige und deuten so jene schon bei Bufo (Fig. 7) als wahr- scheinlich angenommene lateral gerichtete Wanderung der Zellen des Kaudalteils der Endocardanlage an. Wenig weiter kaudal liegt der Schnitt der Fig. 13. Er zeigt die Leberanlage ventralwarts dem auferen Kérperepithel dicht angelagert. Die Gefafzellen sind noch weiter lateral und dorsal gelagert, als auf der vorigen Figur. Auf der rechten Seite der Abbildung ist in der Darmwand deutlich die Delle kenntlich, die offenbar durch die anliegenden beiden Gefabzellen verursacht war. Waren sie hier nicht aus ihrer Lage entfernt, so wiirde bei un- zureichender Fixierung, die eine scharfe Abgrenzung aneinander velagerter Elemente nicht erméglicht, auch hier das Bild aus der Darmwand auswandernder Zellen, kernhaltiger Vorspriinge der Darmwand entstehen kénnen, wie ScHwINK sie abbildet. Das Stadium, in dem die Endocardzellen mesenchymatés sind, geht rasch voriiber; das ist wohl auch der Grund, weshalb es so- wohl Rasu als BRACHET entgangen ist. Beide beschreiben namlich die Herzanlage der Urodelen als anfangs solid. Es kommt aber der Zustand, in dem das Herz einen in gréBter Ausdehnung soliden Zellenstrang darstellt, erst sekundar zu stande, und zwar durch die Bildung der Pericardialhéhle, die sich in den ersten Andeutungen bereits bei einem Embryo von 13 Somiten zeigt. Sie beginnt als ein starkes Flaichenwachstum (ler visceralen Mesoblastlamelle, das zu einer dorsal gerichteten Auffaltung dieser Lamelle fiihrt. Diese Aufbiegung beginnt jeder- seits hart am Hinterrande der Thyreoidanlage. In dem Make nun, in dem diese beiden Falten sich dorsalwirts ausdehnen, umfassen sie die mesenchymatésen Endocardzellen von der Seite her und schieben sie medianwirts zusammen (Textfig. 8). Das Resultat ist eine fiir dieses Stadium sehr typische An- cinanderlagerung der vormals freien Zellen zu einem Zellhaufen von dreieckigem Querschnitt. Auf Textfig. 8 ist noch eine einiger- Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 45 mafen lockere Anordnung der Elemente dieses Zellhaufens zu er- kennen. Die Pericardialhéhle ist zu dieser Zeit noch ein un- bedeutender Spalt. Mit weiterem Fortschreiten der Auffaltung der Splanchnopleura werden die Endocardzellen noch mehr zusammen- geschoben und stellen schlieBlich jenen bei Rast und Bracuer abgebildeten rundlichen Zellstrang dar, der nur stellenweise im Innern ein kleines Lumen enthilt. In gréferer Ausdehnung tritt die Lichtung des Herzschlauchs erst sekundar auf. Ent Fig. 8. Siredon, 13 So- mite. Ent Darmwand, Lkt auBeres Korperepithel, end Endocardzellen, vis. per. vis- cerales Blatt des Pericard. Verer. 75: 1. Die Auffaltung der visceralen Mesoblastlamelle beginnt, wie schon gesagt, am Hinterrande des Entoblastkiels der Thyreoidanlage ; sie setzt sich aber von hier nicht nur nach hinten, auf die eigent- liche Herzgegend, sondern noch ein kleines Stiick weit nach vorn fort. Und wie die beiden Falten in ihrem hinteren Teil die Endo- cardzellen umfassen, so umfassen sie in ihrem vorderen den direkt an die Endocardzellen angrenzenden Entoblastkiel der Thyreoid- anlage, und diese Lagebeziehung hat wohl sicherlich mit dazu bei- getragen, die Annahme eines genetischen Zusammenhanges zwischen Entoblastkiel und Endocard nahe zu legen. Textfig. 9 gibt ein Uebersichtsbild iiber diese Verhaltnisse. Der den Entoblastkiel von der Ventralseite her umfassende Meso- blast gehért dem Hyoidbogen an. Er besteht aus einer inneren epithelialen Schicht, die jederseits von der Mittellinie einen Hohl- raum Hyh. begrenzt und aus einer duferen Schicht mehr locker gelagerter, stellenweise deutlich mesenchymatéser Zellen. Sie um- greifen den epithelialen Teil bogenférmig von der Seite her; von den dorsalen freien Enden dieser Bogen lésen sich spater die Zellen, die mit den Endocardzellen in Verbindung treten und den Anfangsteil des ersten Arterienbogens liefern. Die Beziehungen des Entoblastkiels zum Endocard gehen aus den Figg. 38 und 39 hervor. Fig. 38 zeigt die hinterste Grenze des Kiels, eine véllig kernfreie Zellmasse. Die Pericardhohble ist noch paarig. Von der Stelle des Mesocardium anterius erhebt 46 Kati Marcinowski, sich eine Zelle. Sie steht offenbar im Zusammenhang mit den auf dem folgenden Schnitt, Fig. 39, kenntlichen Endocardzellen. Diese Zellen stehen an der Stelle des Mesocardium anterius mit dem Mesoblast noch in Verbindung. Dieser Zusammenhang mit der urspriinglichen Bildungsstelle der Gefafzellen, von der aus offenbar jetzt noch ein weiterer Zu- wachs erfolgt, ist auch noch weiter kaudalwarts erhalten (Fig. 40). Die Endocardzellen und diejenige Zelle des visceralen Pericard- blattes, mit der noch ein kontinuierlicher Zusammenhang besteht, sind genauer ausgezeichnet. Der feine, zwischen den Endocard- zellen sichtbare Spalt ist das Herzlumen. Fig. 9. Siredon, 20 Somite. Zntk Entoblastkiel, Hy) Hyoidbogen, Hyk Hyoidhohle, 1.Kb 1. Kiemenbogen, 2. u. 8.Ksp 2. und 3, Kiemenspalte. Werpr. 75 i: Ein Vergleich dieser Abbildung mit der von der friihesten Endocardanlage bei Bufo gegebenen (Fig. 9) zeigt die charak- teristische Verschiedenheit in der Entwickelungsweise beider Formen. Bei Bufo grofe Liickenriiume, stark spezialisierte Zellen, bei Siredon viel inditferentere Elemente, auf kleineren Raum zu- sammengedrangt, und obgleich hier schon auf lingere Ausdehnung Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 47 eine teils schlauchférmige, teils solide Herzanlage vorliegt, besteht doch noch der Zusammenhang mit dem Mutterboden, der bei Bufo nur fiir die isoliert austretenden Zellen kenntlich ist. Bei Bufo wie bei Siredon schliefSt der Mesoblast unter den ausgetretenen Gefafzellen median zusammen und bildet in der schon oft genauer beschriebenen Weise das Pericard. Es wird, wie schon Rapu zeigte, aus den ventralen Enden der Kiemen- bogen gebildet, und auch der Hyoidbogen hat an seiner Bildung teil, was ich mit Bezug auf die gegenteilige Angabe RupNEws hervorheben mochte. Die erwahnte Eigentiimlichkeit in der Bildung der Endocard- zellen von Siredon, ihr auf relativ spiten Stadien noch bestehender Zusammenhang mit dem Mutterboden, hingt zusammen mit der relativen Gréfe der aus- tretenden Elemente und dem engen Raum, auf den sie zusammengedringt werden. Es ist nun von Interesse, daf diese Higentiim- lichkeit nicht auf die Endocardzellen be- schrankt ist. Wir sehen sie in der gleichen charakteristischen Weise bei den Venenzellen und noch anderen, spiter zu besprechenden GefaBzellen auftreten. Gerade dieser Um- ‘stand erméglicht eine ganz einwandfreie Riick- fiihrung der Zellen auf ihr Ursprungsgebiet. Als solches erweist sich fiir die Venen- zellen das freie ventrale Ende des Mesoblasts. In Textfig. 10 sind auf der rechten Seite die Venenzellen in ihrer Beziehung zum Mesoblast dargestellt. Es bleiben die Venen- zellen nicht nur mit ihrem Mutterboden, Fig. 10. Siredon, 3 é 14—15 Somite. Vergr. sondern auch untereinander sehr lange im 45-1, Zusammenhang; so entsteht das Bild von teilweise unterbrochenen Zellketten, die sich in dem Zwischenraum zwischen Darmwand und Mesoblast dorsalwarts erstrecken. Diese Bilder scheinen mir gleichzeitig zu beweisen, da’ — fiir dieses Stadium wenigstens — die Bildungszellen der Dotterdarmvenen ausschlieSlich von den ventralen Enden des Mesoblasts ab- stammen, da es sich also um ein lokalisiertes Ursprungs- gebiet handelt. Dies Gebiet liegt, wie aus Fig. 14 und 15 hervorgeht, zwar nicht eigentlich am freien Ende der Seitenplatte, sondern etwas 48 Kati Marcinowski, von ihm entfernt, immerhin aber noch an einer Stelle, die im Mesoblast keinen Célomspalt erkennen laft. Das gleiche gilt fiir die Endocardzellen, die sich ebenfalls von dem Teil des Meso- blasts lésen, der einen Célomspalt noch nicht enthalt. Die Gefaf- zellen des Endocards sowohl wie der Venen lésen sich also nicht eigentlich vom Visceralblatt des Mesoblasts, sondern von dem- jenigen Teil, der dem spateren ventralen Mesenterium resp. seiner Umbiegung in die Splanchnopleura entspricht. Das Austreten der Venenzellen erfolgt nun von der Herz- anlage kaudalwiarts tiberall in der gleichen Weise, d. h. die ventrale Mesoblastzone liefert in ihrer ganzen Lange das Bildungsmaterial der Venen. Aber das Austreten der Venenzellen erfolgt nicht auf der ganzen Linie gleichzeitig. Die ersten Venenzellen kénnen schon vor den Endocardzellen frei werden; sie kénnen in direktem Anschluf an die Endocard- zellen entstehen. In anderen Fallen findet sich zwischen ihnen und den Endocardzellen eine Region, in der noch keine Gefaf- zellen zu sehen sind. Im allgemeinen erfolgt die Bildung der Venenzellen zuerst in der Gegend des Herzens und schreitet dann kaudalwarts fort. Das gilt aber nur ganz im groben; denn die Anlage ist durchaus diskontinuierlich. Bei einem Embryo von 12-13 Somiten lagen auf der einen Seite 4, auf der anderen 5 durch zellfreie Zwischenraume sehr deutlich voneinander abge- erenzte Bezirke von Venenzellen. Die am weitesten kranial ge- legenen Bezirke standen jederseits mit den Endocardzellen in Zu- sammenhang. Dieser spezielle Befund erweist nur die Diskonti- nuitat in der Anlage der Vene. Im itibrigen mu er als ein rein zufalliger betrachtet werden. Irgend eine Gesetzmabigkeit beztig- lich der Wiederholung der einzelnen Anlagen ist nicht fest- zustellen. Es haben die einzelnen Gruppen von Venenzellen weder Be- ziehungen zu den Kérpersegmenten, noch besteht irgend eine Konstanz in Bezug auf ihre Ausdehnung oder die Gréfe der sie trennenden Intervalle. Dieser Befund, der aus dem Vergleich einer Reihe zahlenmabig genau festgelegter EKinzeluntersuchungen gewonnen ist, erweist, daf eine segmentale Anlage der Venen- zellen auch nicht einmal in Andeutungen vorhanden ist. Vielleicht wird eine solche segmentale Anlage bei anderen Vertebraten doch noch aufgefunden. Das Bild, das die Venenanlage bei Siredon bietet, legt diese Vermutung wenigstens nahe. Irgend ein sicherer Anhaltspunkt iiber eine urspriingliche Metamerie der GefiBanlage, Entstehung der GefaSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 49) die als eine Reminiszenz urspriinglich segmentaler Darmgefafe an- zusehen ware, ergibt sich aus ihm aber nicht. Die Venenzellen entstehen auf der ganzen Linie des ventralen Mesoblasts und wandern auf der ganzen Linie dorsalwarts. Denn die Dotterdarmvene selbst liegt nur an der Verbindungsstelle init dem Herzen ventral. Weiter kaudalwarts nimmt sie eine immer mehr dorsale Lage ein und liegt schlieBlich dorso-lateral aut der Darmwand, zwischen dieser und der Region der spateren Urniere. Auch dieser dorsale Teil der Vene erhilt, wenigstens in seinem proximalen Bezirk, seine Bildungszellen aus der ventralen Meso- blastregion: daher die im weitaus gréften Teil der Venenanlage dorsal gerichtete Wanderung der Gefafzellen. Diese Wanderung ist auch von Bracuet (1903b) bei Rana temporaria beobachtet worden. BracHET vermutet, daf jene Zellen schlieBlich in die Gegend der Chorda zu liegen kommen und hier Aorta und Cardinalvenen etc. liefern. Daf diese GefaSe ihr Bildungsmaterial aus anderer Quelle empfangen, wird spiter dar- getan werden. Der eigentliche Stamm der Dotterdarmvene verlauft also bei Siredon vom Herzen aus dorsal- und kaudalwarts und erhalt spater Zufliisse in Gestalt kleiner, ventro-dorsal gerichteter GefiBe, die in wechselnder Zahl die Darmwand umfassen. Auch mit Bezug auf diese Gefae konnte eine Regelmafigkeit in Lage und Zahl, oder eine bestimmte Beziehung zur Metamerie nicht konstatiert werden. Diese Venen bilden den Anfang eines spaiter miachtig ent- wickelten Lakunennetzes, das die ganze Darmwand umgibt und auf das bei Besprechung der Blutbildung noch einmal zuriick- zukommen sein wird. Wenn vorhin gesagt wurde, daf der Stamm der Dotterdarm- venen aus Zellen des ventralen Mesoblastbezirks hervorgehe, so mu8 zur Erganzung noch bemerkt werden, da vereinzelte Bilder auf spiteren Stadien wahrscheinlich machen, da der Mesoblast an der Stelle, an der ihm die Vene angelagert ist — es ist das, wie bereits erwahnt, die Region der spiteren Urniere — auch einzelne Zellen abgibt, die in die Bildung der Vene mit ein- gehen. Die Teilnahme dieses Bezirks des Mesoblasts an der Bildung des GefaBes ist aber jedenfalls auf seinen hintersten Abschnitt beschrankt. Einen weiteren, ebenfalls unbedeutenden Zuschul kénnten die Venen von den sklerotomalen GefaSzellen erhalten, die spater besprochen werden sollen. Bd, XLI. N. F. XXXIV. 4 50 Kati Marcinowski,' Die ventro-dorsal gerichteten Zufliisse der Hauptvene ent- stehen teils aus den erw&hnten vom ventralen Mesoblast aus- wandernden Venenzellen, teils in spater zu beschreibender Weise aus Elementen der Blutinseln. Das Lumen der Venen tritt dis- kontinuierlich und in seiner gréSten Ausdehnung jedenfalls durch Auseinanderweichen der vorher dicht aneinander gelagerten Zellen auf. Zusammenfassend ist tiber die Herz- und Dottervenenanlage von Siredon zu sagen, da’ diese Anlage wie bei Bufo mesenchymatés und in ihrem Ursprung auf einen ventral im Mesoblast gelegenen Bezirk lokalisiert ist. Daf ScHwinks abweichende Ansicht so zu erklaren ist, daf er die der Darmwand angelagerten Venenzellen nicht deutlich gegen sie abgegrenzt sah, wurde schon erwahnt. Es sei noch besonders darauf hingewiesen, da’ Schwink, wenn auch durchaus nicht aus- schlieflich, so doch vorzugsweise Horizontalschnitte zur Unter- suchung benutzt hat und nach eigener Aussage die von ihm be- schriebenen Bilder an ihnen gerade am klarsten gesehen hat. Es ist aber klar, da auf Horizontalschnitten nur eine gewisse Anzahl von Schnitten die Darmwand genau quer trifft. Die Mehrzahl der Schnitte sind vielmehr mit Bezug auf die Darmwand Schragschnitte. Auf solchen ist aber die Abgrenzung angelagerter Elemente kaum moglich, wenn nicht unméglich. Besonders in den dorsal und ven- tral liegenden Schnitten wird die Darmwand auf Horizontalschnitten schrag getroffen, und daraus erklart es sich vielleicht auch, warum ScHwINK die Gefafzellen entweder vom dorsalen oder vom ven- tralen Teil der seitlichen Darmwand, nie von der zwischen beiden Teilen liegenden Region ableitet, obgleich die Gefafzellen doch iiber den ganzen Umfang des Darmes ausgedehnt sind. In Bezug auf Bracnets Arbeit ist noch nachzutragen, dal er speziell bei Siredon die Anteilnahme mesoblastischer Elemente am Aufbau der Gefifwandung nicht absolut ausschlieBen kann. Was endlich Ragsis Standpunkt anlangt, so sei hier noch er- wihnt, dafi Ras spiter in der anfangs gegebenen Deutung seiner Befunde bei Urodelen unsicher wurde und sich diesbeziiglich folgen- dermafen geaiufert hat: ,Ich habe seinerzeit, allerdings mit der groéitmbglichen Reserve, die Vermutung ausgesprochen, dab bei den Amphibien das Endothelsickchen zu einer Rinne der ventralen Wand des Vorderdarms in genetischer Beziehung stehe. Spater habe ich eine ganz Ahnliche Rinne auch bei den Selachiern ge- funden, mich aber iiberzeugt, daf sie mit der Bildung des Endo- Entstehung der GefaSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 51 thelsaickchens nichts zu tun hat. Nach meinen an Selachiern ge- wonnenen Erfahrungen scheint es mir wahrscheinlich, daf das Endothelsickchen aus dem Mesoderm und zwar aus der Splanchno- pleura hervorgehe.“ Diskussion zu Soporra (1894). Zur Frage nach der urspriinglich paarigen oder unpaaren Natur des Vertebratenherzens ist als tatsichlicher Befund fiir Amphibien jedenfalls die unpaare Anlage festzuhalten. Wenn Houssay von einer paarigen Anlage des Herzens bei Siredon spricht, so ist das wohl nur ein unkorrekter Ausdruck, indem er namlich unter ,,Anlage“ eine lateral gelegene Zellgruppe versteht, die spiter mit der anderseitigen verschmilzt, und dann erst in ihrem Innern ein Lumen entstehen la$t. Dieses aber ist unpaar. Die Anlage eines paarigen Herzschlauches ist fiir Amphibien nur einmal, nimlich von SALENSKY beschrieben worden. Die unpaare Herzanlage teilen die Amphibien mit allen iibrigen Anamniern. Ks findet sich allerdings in Zreauer (1902) die An- gabe, da’ die Anlage des Selachierherzens paarig sei. ZIEGLER beruft sich dabei auf His. Die Hissche Untersuchung bezieht sich aber nur auf Oberflachenbilder und diirfte wohl gegeniiber den ausfiihrlichen Untersuchungen vor allem von Mayer (1887), Rickert (1888) und RAFFAELE (1892) nicht als beweisend zu erachten sein. Ob in dieser unpaaren Anlage des Anamnierherzens die Rekapitulation eines phylogenetischen Vorgangs zu sehen sei, ist eine Frage, die von seiten der Embryologen meist bejahend be- antwortet wurde. Und zwar wurde fiir diese Ansicht von seiten Batrours und Rasws geltend gemacht, da8 nur der spate Ver- schlu8 des Kopfdarms, dieser wieder bedingt durch den grofSen Dottergehalt, bei Sauropsiden zu einer, auch auf die Saéuger ver- erbten, paarigen Anlage gefiihrt habe. Diesen Gesichtspunkten fiigt SopoTTa den weiteren, sehr wichtigen hinzu, da’ bei Amnioten das Herz bedeutend friiher angelegt werde, als bei Fischen. Die ersten Anzeichen der Herzbildung treten bei Amnioten mit der Bildung der ersten Somite, bei Selachiern und Teleostiern erst mit 18—20 Somiten auf. Gerade diese ,verfriihte* Anlage des Herzens der Amnioten fiihrt dazu, daf ein Endocardschlauch ge- bildet wird, ehe die Endocardzellen die ee haben, sich in der ventralen Mittellinie zu treffen. Aber sind alle diese Gesichtspunkte eigentlich Beweise fiir die urspriinglich unpaare Natur des Vertebratenherzens? Sind sie nicht vielmehr nur Erklarungen der paarigen Entstehung bei 4 * 52 Kati Marcinowski, Amnioten, nachdem der unpaare Zustand a priori als primitiv vorausgesetzt war? Der von MAyEr (1887) seinerzeit gegen diese Art von Beweisfiihrung gemachte Einwurf war wohl ein ganz be- rechtigter. Die Frage nach der urspriinglich paarigen oder unpaaren Natur des Vertebratenherzens ist von Embryologen aufgeworfen worden und das zu einer Zeit, als man den Parallelismus zwischen ontogenetischem und phylogenetischem Geschehen fiir einen sehr viel vollkommeneren und vor allem sehr viel einfacheren hielt, als er tatsiichlich ist. SopottTa (1902) betont, der Bildungsmodus des Anamnier- herzens sei doch wohl jedenfalls primitiver als der des Amnioten- herzens. Selbst wenn man diese Annahme als so selbstverstindlich gelten lassen wollte, wie SopoTrra sie hinstellt, so ist doch noch sehr die Frage, ob man berechtigt ist, aus einem primitiven Bildungsmodus ohne weiteres auf den primitiven Zustand eines erwachsenen Organs zu schliefen. Wenn ich mich trotz dieser Einwande der Ansicht von der urspriinglich unpaaren Natur des Vertebratenherzens anschlieBe, so geschieht das in erster Linie im Hinblick auf vergleichend- anatomische Tatsachen: das im erwachsenen Zustand durchweg unpaare Herz der Vertebraten und das unpaare Riickengefaf der Anneliden. Es kommt zwar bei Anneliden, sowohl bei Polychaten als bei Oligochiten ein paariges Riickengefaf vor, bei Polychaten aber sehr vereinzelt, bei Oligochiten innerhalb verschiedener Gruppen, die keine verwandtschaftliche Beziehung zueinander haben. Dieser Umstand macht es wahrscheinlich, da’ es sich hier um eine spezielle abweichende Bildung handelt, die ebenso wie das den Typus darstellende unpaare Riickengefif von einem primitiven Darmblutsinus abzuleiten wire. Es verfiigt aber auch die Ontogenie der Amphibien tiber Tat- sachen, die sich zu Gunsten der Annahme nicht nur eines unpaaren Herzens, sondern eines urspriinglich im ganzen Verlauf unpaaren Langsstammes bei Vertebraten deuten lieBen: naimlich die Lokali- sation der Bildungszellen von Herz und Venen auf den ventralen Mesoblastbezirk. Wie bei der Besprechung der GefiBe zu zeigen ist, darf eine Endothelentstehung in loco durchaus als Regel gelten. Von dieser Regel machen die Dotterdarmvenen eine bemerkens- werte Ausnahme, indem die Bildungszellen des dorsal am Darm liegenden Gefifes am ventralen Ende des Mesoblasts entstehen, und eine um den ganzen Umfang des Darms gerichtete Wande- Entstehung der GefiéiSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 53 rung ausfiihren mtissen, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Dieser von der Regel abweichende und im Hinblick auf den Ent- wickelungsgang des Organismus sicherlich sehr unédkonomische Vorgang bedarf einer Erklarung, und man wird diese wohl! dahin abgeben diirfen, dafi die Vene urspriinglich da lag, wo jetzt ihre Bildungszellen lokalisiert sind, also in der Gegend des ventralen Mesenteriums; ventro-median. Die laterale oder gar latero-dorsale Lage der Vene ist also eine Canogenese: Dies ist auch ver- gleichend -anatomisch begriindbar — Vena _ subintestinalis des Amphioxus, Riickengefaif der Anneliden. Um noch einmal klar hervorzuheben, in welchem Sinne die auf die ontogenetischen Befunde gestiitzte Beweisfiihrung gemeint ist: Nicht das spricht fiir die Annahme eines urspriinglich un- paaren ventro-medianen Langsstammes, dal die GefaBzellen der Venen in der dem ventralen Mesenterium entsprechenden Region liegen, sondern daf diese Lage der GefaBzellen mit Bezug auf das spater aus ihnen [entstehende Gefa8 von allgemeiner Regel abweicht und unékonomisch ist. Soporta (1902) fiihrt die friihzeitige Anlage des Amnioten- herzens auf eine Anpassung an die Luftatmung des Keims zurtick. Ich méchte hinzufiigen, dafS auch bei Amphibien die ersten An- zeichen der Herzbildung — womit doch, wenn ich Sosorta recht verstanden habe, das erste Austreten der spateren Endocardzellen gemeint sein soll — sehr friih, bei Anuren auch schon gleich- zeitig mit der Differenzierung der ersten Somite beginnen. Es kann also nicht die Luftatmung allein gewesen sein, die zu einer yverfriihten“ Anlage gefiihrt hat. Auch nicht Atmung (einschlieS- lich der Wasseratmung) allein, so wenig, wie die respiratorische Funktion die einzige oder auch nur wesentlichste des embryonalen Zirkulationssystems ist. Es wird in verschiedener Beziehung im Interesse des Organismus gelegen haben, da eir so wichtiger Apparat méglichst friih funktionsfihig war. Die verfriihte Anlage funktionell bedeutungsvoller Organe, die ja eine durchaus_ ver- breitete Erscheinung ist, ist wohl ganz allgemein ein Kennzeichen des héher entwickelten Organismus gegeniiber dem primitiven. Unter diesem Gesichtspunkt wird die friihe Anlage des Herzens sowohl der Amphibien als der Amnioten verstandlich. Erfolgt aber die Herzanlage bei Amnioten und Amphibien an- nahernd gleich friih, so ist es natiirlich nur die relative Dotter- armut der letzteren, die die unpaare Herzanlage erméglicht, und es ist daher durchaus noch nicht entschieden, ob diese unpaare 54 Kati Marcinowski, Herzanlage wirklich allen Amphibien zukommt. Es ware von Interesse, zu wissen, wie sich die dotterreichen Embryonen der Gymnophionen und vor allem die von Anuren mit Brutpflege, z. B. Notodelphys, in diesem Punkte verhalten. II. Die Entstehung des Endothels der GefiBe. Literatur. Nach der auch hinsichtlich der GefaSbildung erundlegenden Arbeit GorTrrs (1875) entstehen alle GefaBe im ,interstitiellen Bildungsgewebe*. Anfanglich nur Liickenraume in diesem Gewebe, bilden sie sich zu Kanalen um, indem das Gewebe, das sie umgibt, sich zum Endothel differenziert, und zwar nach GorETTE infolge mechanischer Einfliisse (Druck der Interstitial- fliissigkeit). Es entstehen diese Gefafe alle in loco, die Haupt- gefife zum grofen Teil selbstaindig, unabhingig voneinander und treten erst sekundér miteinander in Verbindung. So entstehen z. B. die Aortenbogen unabhingig vom Herzen und von der Aorta und setzen sich erst sekundér mit beiden in Verbindung. Speziell diese letztere Beobachtung ist in véollig tberein- stimmender Weise auch von Maurer (1888) und MarsHatt (1890) festgelegt worden. Die beiden letztgenannten Autoren haben aus ihren Befunden allgemeinere Schliisse tiber die Morphologie des Gefaisystems nicht gezogen. Solche allgemeineren Schliisse finden sich dagegen bei RaBL (1887) und Bracuet (1903 b). Ras fand bei Urodelen das proximale Ende der beiden ersten Aortenbogen in unmittelbarer Verbindung mit dem Herzen; er vermutet, dal dieser Teil des Gefaifes durch Auswachsen des Herzendothelsickchens entstanden sei, und stellt es als wahr- scheinlich hin, daf auch das gesamte iibrige Endothelsystem in gleicher Weise durch Auswachsen aus dem Endocard hervorgehe. In gleicher Richtung tendiert die BRAcnErsche Annahme, da8 vielleicht alle GefaSzellen, z. B. auch die der Aorten und Cardinal- venen, in dem medio-ventralen Gefafbezirk des Mesoblasts ihren Ursprung haben, von wo aus sie sich als Wanderzellen zum Ort der Gefai&bildung hinbegeben. Ventro- dorsal wandernde Zellen des medio-ventralen Mesoblastbezirkes hat Bracuer tatsichlich beobachtet, und diese Beobachtung konnte ich, wie erwahnt, be- statigen. Was aber aus diesen Zellen wird, ob sie wirklich an Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 55 der Bildung der GefaiSe teilnehmen, hat Bracuerr nicht gesehen. Auch er kommt also in diesem Punkte ebensowenig wie Ras. tiber Vermutungen hinaus, Vermutungen, die mehrfach gemachten Beobachtungen entgegenstehen. Es schien darum nicht itiberfliissig, die prinzipiell wichtigen Beobachtungen Gorrres in eingehender Nachuntersuchung nochmals zu priifen. ScHwink (1890, 1891) ist auf die GefaBbildung nicht naher eingegangen ; er scheint aber anzunehmen, daf seine ,,Gefikzellen“ auch das Material fiir die Aorta liefern. Vereinzelte, auf GefaSbildung beziigliche Angaben finden sich auferdem bei VAN BAMBEKE (1870 — Pelobates fuscus) und Nusspaum (1890 — Anuren). Nach ersterem entsteht die Aorta aus den Urwirbeln; die hierauf beziigliche kurze Bemerkung ist von keiner Abbildung begleitet. NussBauM gibt an, daf die LebergefaiBe teils von den Dotter- venen aus, teils aus Elementen des Dotterentoblasts ihren Ur- sprung nehmen, welch letztere Angabe vielleicht auf die Schwierig- keit der Abgrenzung der Gefafzellen in der stark dotterhaltigen Leberregion zuriickzufihren ist. Auf eine kurze, bei Gelegenheit der Darstellung der Schadel- entwickelung bei Necturus nebenher gemachte Bemerkung von Parr (1897), da8 der 1. Aortenbogen in der Darmwand entstehe, glaube ich nicht eingehen zu miissen. 1. Endothelbildung aus diffus austretenden Wanderzellen. Im Gegensatz zu den Gefafzellen des Endocards und der Dotterdarmvenen steht eine Gruppe von Zellen, die durch ihr durchaus vereinzeltes, diffuses Austreten charakterisiert ist, wahrend die Zellen des Endocards und der Dotterdarmvenen in gewissem Sinne, wie schon BracueT (1903b) hervorhob, in ihrem Ursprung auf einen bestimmten Bezirk, auf das medio-ventrale Mesoblast- gebiet, lokalisiert sind. Es handelt sich offenbar um Wanderzellen, denn die Zellen liegen véllig frei zwischen den tibrigen Organanlagen. Bei solchen Zellen ist aber die Beziehung zwischen Ursprungs- und Be- stimmungsort schwer zu ermitteln. Es kann denn auch iiber diese Zellen nicht mehr und nichts anderes ausgesagt werden, als dak sich 1) Anhaltspunkte fiir den Ort ihrer Entstehung ergeben, daf sie sich 2) auf spateren Stadien zum Teil in ganz bestimmter 56 Kati Marcinowski, Lagerung finden, und da noch spater 3) Gefaife entstehen an genau der Stelle, an der zuvor freie Zellen lagen und in einer Weise, die die Annahme einer Endothelentstehung aus freien Zellen berechtigt erscheinen Jaft. Zum Ausgangspunkt sei Textfig. 11 genommen, die die typische Lagerung freier, mesenchymatéser Wanderzellen bei einem Embryo von Bufo zeigt. Die linke Halfte der Figur entspricht einem weiter kaudal gelegenen Schnitt als die rechte. Wanderzellen finden sich hier einmal zwischen Darmwand und Mesoblast, zweitens zwischen Mesoblast und Ko6rperepithel. Die ersteren sollen als ,innere“, die letz- teren als ,auBere“ Wanderzellen be- zeichnet werden. Die einzige Notiz, die ich in der Literatur tiber freie Wanderzellen wie die hier beschriebenen habe finden kénnen, bezieht sich auf die inneren Wanderzellen. Die erwahnte Notiz stammt von BracHer (1903 b) und betrifft die bereits mehrfach er- wahnten ventro- dorsal wandernden Zellen des ventralen Mesoblastbezirks, von denen BrAcHET annimmt, daf sie Aorta und Cardinalvenen liefern. Fig. 11. Bufo, 5—6 Somite. Andere Gefafzellen kommen nach vn Vornierenanlage. Vergr. 45:1. seiner Ansicht auf den von ihm unter- suchten Stadien nicht vor. AuBer der inneren Wanderzelle zeigt die Textfig. 11 noch eine Anzahl auferer, deren Lage sehr verschieden ist. Sie sind iiber den ganzen Umfang des Mesoblasts verbreitet. am haufigsten aber ahnlich gelagert, wie es auf der rechten Seite der Figur dargestellt ist. Das histologische Verhalten dieser Wanderzellen ist aufer- ordentlich charakteristisch. Sie sind klein, rundlich oder oval, selten mit einem oder mehreren ganz kurzen, spitz endigenden Fortsatzen. Die Dotterplittchen, die sie enthalten, sind klein, bei weitem kleiner z. B. als die der Zellen der seitlichen Darm- wand in der Leberregion, der sie haufig angelagert sind. Be- sonders auffallend ist an diesen Zellen ihr starker Pigmentgehalt. Diese letztere Eigentiimlichkeit ist so ausgepriigt, daB die Fille des Pigments bisweilen selbst den Kern verdeckt und unkenntlich Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 57 macht, und dafi die Zellen sich schon bei ganz schwacher Ver- gréferung als auffallend dunkle Flecken aus dem relativ helleren Grunde herausheben. (Dies gilt iibrigens in so ausgesprochener Weise nur fiir die stark pigmentierten Embryonen von Bufo, und fiir mit Safranin gefarbte Praparate.) Dieser Pigmentreichtum diirfte wohl ein Charakteristikum der Wanderzelle sein und eine Begleiterscheinung gewisser biologischer Vorgange, die sich bei ihr abspielen. Auf die Beziehungen von Pigmentanhaufungen und biologischen Vorgingen in der Zelle hat schon VAN BAMBEKE (1896) hingewiesen, und wie BRACHET in seiner Arbeit tiber die Gastrulation und Mesoblastbildung der Amphibien (1903 a) im einzelnen ausgefiihrt und nachgewiesen hat, sind neben dem Pigmentreichtum auch die Kleinheit der Dotter- plattchen als Begleiterscheinungen biologischer Vorgange aufzu- fassen. Er fand diese beiden Charakteristika an Stellen starker Zellvermehrung und an solchen Stellen, an denen aktive Orts- veriinderung von Zellen nachgewiesen werden konnte. Sistiert eine periodisch eingetretene Zellvermehrung, kommen wandernde Zellen zur Ruhe, so schwindet das Pigment wieder, und die Dotter- plattchen vergréSern sich. Da man diesen Vorgang nach den BraAcuHETschen Aus- fiihrungen wohl als bewiesen annehmen darf, so erscheint es be- rechtigt, die Eigentiimlichkeiten der oben beschriebenen Wander- zellen auch in diesem Sinne zu deuten. Sie sind der Ausdruck eines physiologischen Zustandes, der vielleicht eine Anpassung an die freie Ortsbewegung ist. Vielleicht namlich ist diese Pig- mentierung der Wanderzellen auch einer ,mechanischen“ Er- klarung zugingig, wie sie RHUMBLER (1900) in seinen interessanten Ausfiihrungen iiber die Pigmentverteilung bei Mitosen, tiber die Pigmentstrafe des Spermatozoon und andere ahnliche Erscheinungen gegeben hat. Das wiirde die Ansicht natiirlich nur stiitzen kénnen, da es sich bei den Kigentiimlichkeiten der Pigment- verteilung um biologische Ursachen, um Lebensvorgiinge im Innern der Zelle handelt, bei den Wanderzellen vielleicht um eine Ver- dichtung des Plasmas, und die damit Hand in Hand gehende Ver- kleinerung der Zelle ware vielleicht eine Anpassung an die freie Ortsbewegung. In der Tat sind nun die Wanderzellen in der Regel kleiner als die Elemente, aus deren Mitte sie ihren Ursprung nehmen. Davon iiberzeugt ein Blick auf die Figg. 28—30, die Wander- zellen auf verschiedenen Stadien des Austretens zeigen. 58 Kati Marcinowski, Von besonderem Interesse ist nun, daf die auffallige Pig- mentierung der Wanderzellen als Anzeichen ihrer beginnenden Aktivitét bereits kenntlich ist, ehe sie ganz frei geworden sind, denn dieser Umstand erméglicht es, die Wanderzellen bis in ihr Ursprungsgebiet zuriick 2u verfolgen. Fig. 30 zeigt eine Wanderzelle, die véllig frei zwischen Meso- blast und Koérperepithel liegt. Die rundliche Form, die geringe Gréfe, der Pigmentreichtum, die Kleinheit der Dotterplattchen sind deutlich kenntlich. Eine Zelle von ganz gleichem Charakter ist auf Fig. 29 im Augenblick des Austretens dargestellt. Sie ist von ihrem Mutterboden, dem Mesoblast, schon fast véllig gesondert und nur mit einem kleinen Teil ihrer Oberflache ihm eingelagert, unter sein Niveau eingesenkt. Noch weiter riickwairts im Prozef der Ablésung fihrt Fig. 28. Die austretende Zelle liegt mit ihrem einen Ende noch durchaus im Niveau der Seitenplatte, von der sie auch noch nicht irgendwie gesondert ist. Das andere Ende wolbt sich tiber das Niveau vor, hat kleinere Dotterplattchen und ist reichlicher mit Pigment beladen. SchliefSlich gibt Fig. 27 ein Bild, in dem die Wanderzelle noch fast véllig in der Ebene ihrer Nachbarzellen liegt und sich als soleche nur durch den geschilderten histologischen Bau dokumentiert. Bilder, wie Figg. 28—380, halte ich fiir die Abstammung der Wanderzellen fiir beweisend. Solche Bilder sind nun am ganzen Umfang der Seitenplatten, sowohl in der Somatopleura als in der Splanchnopleura zu finden, ohne da8 sich eine Lokalisation in irgend welchem Sinne geltend machte. Auer dieser Art der Entstehung von Wanderzellen, bei der eine schon gebildete Zelle sich zu einer Wanderzelle differenziert, kommt noch eine solche vor, bei der der Austritt der Zelle aus dem Verbande zeitlich mit der Mitose zusammenfallt, durch die sie entsteht. Fig. 23 u. 24 stellen solche Falle dar, in denen das eine der kiinftigen Teilprodukte offenbar zur Wanderzelle wird und schon wihrend der Teilung iiber die Oberflaiche des Mesoblasts hinaus geriickt ist. Dieser Fall der Wanderzellbildung ist seltener. Die bisher beschriebenen Bilder finden sich alle im Mesoblast, auf den ein Teil der freien Zellen also zuriickzufiihren ist. Die hier gestellte Frage ist aber die: Wo tiberhaupt werden Wander- zellen gebildet, die mit den in Textfig. 11 dargestellten Elementen in Beziehung gebracht werden kénnen? Entstehung der Gefiiendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 59 In erster Linie wurde bei diesen Untersuchungen die Darm- wand beriicksichtigt, da ich, beeinfluBt vor allem durch die Ar- beiten Scawinks (1890, 1891) iiberzeugt war, hier frei werdende Mesenchymzellen zu finden. Ich fand nicht eine. Es wurde bei mehreren Serien der ganze Umfang des Darmes mit starker Ver- gréBerung abgesucht; tiberall zeigte sich das gleiche Bild glatt- wandiger Begrenzung. Weder eine Lockerung des festen Ver- bandes der Zellen, noch tiber das Niveau vorragende Zellen in irgend welchen Stadien der Auswanderung waren zu sehen. Auch randstandige Mitosen, die quer zur Oberflaiche gerichtet waren, fanden sich nicht. Mit der in solchen Dingen tiberhaupt erreich- baren Sicherheit wird man den Entoblast an der Mesenchym- bildung fiir unbeteiligt ansehen miissen. Nicht so den Ektoblast. Es sei auf die wohl beweisenden Bilder der Figg. 25 und 26 verwiesen. In diesen Fallen ist die austretende Zelle von ihren Nachbarzellen, abgesehen von einer wenig starkeren Pigmentierung, nicht different. Die Ektoblastzelle besitzt eben die gleichen Eigentiimlichkeiten wie die Wanderzelle, es fehlt ihr nur noch die abgerundete Form. Die Bildung ektoblastischer Wanderzellen ist ein durchaus haufiges Vorkommen, auf friihen Stadien fast ebenso haufig wie die Loslésung mesoblastischer Elemente. Die auf Textfig. 11 der Lage nach angedeuteten Typen freier Wanderzellen eines Embryo von 4—6 Somiten nehmen also ihren Ursprung aus beliebigen Stellen der Splanchnopleura, der Somato- pleura und des Ektoblasts. Daf Wanderzellen in den Embryonalanlagen von Wirbeltieren tiberhaupt vorkommen, ist durch die mehrfach bestatigten Be- obachtungen WENCKEBACHS (1886) an lebenden Teleostierembryonen wohl eine sichergestellte Tatsache. Auch von WENCKEBACH werden die Wanderzellen mit der Bildung der Gefifwandungen in Zu- sammenhang gebracht. Um eine sehr ausgedehnte Ortsbewegung der Wanderzellen handelt es sich bei den Amphibien aber offen- bar nicht, denn die Lage der freien Zellen bleibt wihrend der aut- einander folgenden Stadien annahernd konstant. Zu der Frage, was aus den in Textfig. 11 dargestellten Wanderzellen wird, muf beziiglich der ,inneren“ Wanderzellen hervorgehoben werden, daf sie kaum anders, wie als Gefafzellen gedeutet werden kénnen. Denn wahrend jener friihen Perioden entsteht zwischen Darmwand und Mesoblast nichts anderes als 60 Kati Marcinowski, GefaiBe und andererseits la8t sich zeigen, daB diese GefaBe aus keinen anderen Elementen als aus freien Zellen hervorgehen. Die inneren Wanderzellen werden sich wohl an der Bildung der Dotterdarmvenen, eventuell auch des Vornierenglomerulus be- teiligen. Jedenfalls haben sie eine untergeordnete Bedeutung; denn der Hauptteil der Dotterdarmvenen entsteht, wie bereits dargetan, aus dem medio-ventralen Mesoblastbezirk. Der Vornierenglomerulus und seine Gefafe aber wird, wie im folgenden genauer ausgefiihrt werden soll, von Sklerotomzellen gebildet. Beziiglich der auBeren Wanderzellen ist ihre Anteilnahme an der Gefaifbildung sehr wahrscheinlich, wie ein Blick auf Fig. 18 zeigt. Das Endothel des noch ohne jeden Zusammenhang mit anderen Gefafen bestehenden Ductus Cuvieri la8t in seinem Bau die Beziehungen zu freien Zellen klar erkennen. An der Be- deutung der auferen Wanderzellen als GefaSbildner zu zweifeln, liegt um so weniger Grund vor, als sich fiir einen Teil derselben, fiir den spater zu besprechenden ,sklerotomalen“., eine solche Be- deutung, wie ich glaube, erweisen 1abt. Es aft sich natiirlich nicht entscheiden, ob alle auBeren Wanderzellen in die Bildung von Endothelien eingehen. Wahr- scheinlich ist das nicht der Fall, und in spateren Stadien liefern jene an Zahl immer mehr zunehmenden Zellen offenbar einen Teil des K6érperbindegewebes. Nicht berechtigt ist es wohl aber, einen bestimmten Teil dieser Zellen, etwa den ektoblastischer Herkunft, von der Gefifbildung auszuschliefen. Irgend welche Verschieden- heiten im Bau der freien Zellen, die noch einen Schlu8 auf ihren mesoblastischen oder ektoblastischen Ursprung zuliefen, waren nicht aufzufinden. Histologisch sind alle die hier beschriebenen freien Zellen durchaus gleichwertig, und ihre morphologische Gleich- wertigkeit nur auf Grund ihrer Herkunft aus verschiedenen Keim- blattern anzuzweifeln, dazu liegt meiner Ansicht nach ein zwingen- der Grund nicht vor. Der vorausgegangenen Darstellung wurden Untersuchungen an Bufo zu Grunde gelegt. Das Gesagte gilt aber ebenso auch fiir Siredon, nur mit dem Unterschied, da8 die freien Zellen hier spirlicher sind, und daf sich ektoblastische Wanderzellen nicht feststellen lieBen. Vielleicht war an diesem abweichenden Resultat die in diesem Falle durch den geringen Pigmentgehalt bedingte Erschwerung der Untersuchung mit schuld. Der Anteil, den die freien Wanderzellen bei Bufo und bei Siredon an der GefaSbildung haben, ist durchaus unbedeutend. Entstehung der GefaSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 61 Fir die Gesamtautiassung des Gefifsystems aber ist es von Interesse, daf eine solche Anteilnahme tiberhaupt existiert, oder doch als sehr wahrscheinlich angenommen werden darf. 2. Die sklerotomalen GefaiBzellen. Die Endothelien des Herzens und der Dotterdarmvenen zeigen die Entstehung aus lokalisiertem Bildungszentrum; der eben be- schriebene Typus wurde als GefaSbildung durch diffus austretende Wanderzellen charakterisiert. Eine Gruppe mesoblastischer Wanderzellen aber bedarf einer besonderen Besprechung; auf sie paft die eben gegebene Definition der Wanderzellen, daf sie namlich aus ganz beliebigen Stellen des Mesoblasts austreten kénnen, nicht. Es handelt sich vielmehr abermals um das Gebundensein an eine lokalisierte Bildungsstaétte, und zwar an das Sklerotom. Ihm gehoren auf Textfig. 11, 8. 56, jene zwei Zellen an, die auf der linken Seite der Figur am weitesten dorsal gelegen, zwischen Vornierenanlage und Seitenplatte wie eingeklemmt sind. Es sind dies Zellen, die an der Grenze von segmentiertem und unsegmen- tiertem Mesoblast, also an der Unterflaiche des spiteren Sklerotoms frei werden. Die Griinde, die diese Annahme berechtigt erscheinen lassen, sind das Vorkommen auffallig pigmentierter und abgerundeter Zellen, einmal an der unteren Grenze des spateren Sklerotoms, und dann in der beschriebenen Lage zwischen Vornierenanlage und Seitenplatte, schlieSlich das sehr haufige Vorkommen von Wanderzellen, die hart am Ventralrande der Vornierenanlage liegen. Es sind dies, gerade durch ihren Gegensatz zu der sonst herrschen- den Regellosigkeit in der Anordnung der Wanderzellen, recht auf- fallige Bilder. Von derselben Region nimmt auch ein Teil der ,inneren“ Wanderzellen ihren Ursprung, wie Fig. 17 (Bufo, 5—6 Somite) zeigt. Der Schnitt trifft die vorderste Grenze der Vornierenanlage, die als ein hier noch kaum angedeuteter Wulst der Somatopleura entsteht. Gerade unterhalb dieses Wulstes, also in dem Spalt- raum zwischen Seitenplatte und Ké6rperepithel, liegt eine vom ubrigen Mesoblast viéllig gesonderte, auferst stark pigmentierte Zelle. Ihr gegeniiber, in dem Zwischenraum zwischen Splanchno- pleura und Darmwand, ist eine ebensolche Zelle gelegen. Nach den bisher mitgeteilten Beobachtungen tiber Wanderzellen erscheint 62 Kati Marcinowski, es berechtigt, auch diese Zellen unter sie einzureihen und an- zunehmen, dafi sie an der Stelle, an der sie liegen, auch ihren Ursprung genommen haben. In der Zone zwischen den beiden frei gewordenen Zellen findet sich im Mesoblast eine Stelle, die in auffailliger Weise starker pigmentiert ist als die Umgebung. Vielleicht ist diese Erscheinung damit in Zusammenhang zu bringen, daf in dieser Region eine Bildung weiterer Wanderzellen in Vor- bereitung begriffen ist. Die bisher an den bei Bufo erhaltenen Bildern dargetane Ansicht hatte nur den Wert einer Vermutung, wenn den dargestellten Be- obachtungen nicht solche tiber Siredon an die Seite gestellt werden kénnten, die denselben Vorgang in etwas abgeanderter, aber eben darum durchaus einwandsfreier, deutlicher Art zeigten. Es handelt sich hier um dieselbe Verschiedenheit zwischen Bufo und Siredon, die auch bei der Bildung des Endocards und des proximalen Teils der Dotterdarmvenen hervortrat. Bei Bufo einzeln austretende, zuniachst auch noch isoliert bleibende Zellen, bei Siredon mehr oder weniger vollstindige Zellketten, die mit dem Mutterboden noch in Zusammenhang stehen. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 12. Siredon, 14—15 Somite. Vergr. 45: 1. Fig. 13. Siredon, 11 Somite. Vergr. 100: 1. Zur Uebersicht zeigt Textfig. 12 die Lage der mit dem Mutter- boden noch verbundenen Zellketten an. Die Orientierung der Fig. 19, 20 und Textfig. 13 versteht sich hiernach von selbst. Entstehung der Gefafendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 63 Textfig. 13 zeigt eine zwischen Darmwand und Seitenplatte gelegene Zellkette, aus drei Zellen bestehend, deren am weitesten dorsal gelegene mit dem Mesoblast in zweifellosem Zusammen- hang steht. Eine ahnliche Stelle gibt Fig. 21 bei starkerer Ver- gréferung und médglichst genauer Auszeichnung des Details, um die Art dieses Zusammenhanges zu illustrieren. Fig. 19 und 20 zeigen neben den inneren Zellketten noch mit besonderer Deutlichkeit die auferen, die von viel betrachtlicherer Ausdehnung sind. In Fig. 20 findet sich an der Stelle, die den Ausgangspunkt der Ketten angibt, eine Mitose. Die inneren Zellen gehen vermutlich in die Bildung der Vor- nierengefife mit ein; ihre Zahl ist immer gering. Die auBeren Zellketten finden sich immer intersegmental; bei Bufo greifen die den Zellketten der Lage nach entsprechenden freien Zellen noch etwas auf die beiden angrenzenden Somite iiber. Die durch diese Beziehungen zu den Gefabzellen gekennzeichnete Segmentgrenze — es ist immer nur eine einzige, an der sich die beschriebenen Bildungen finden — ist immer genau am Kranial- rande der Vornierenanlage gelegen. Dies aber ist die Stelle des Ductus Cuvieri. Es sei nochmals auf Fig. 18 verwiesen, die den Ductus Cuvieri von Bufo darstellt, im dorsalen Teil schon endo- thelial, im ventralen Teil nur von einer Kette unregelmifig an- eipander gelagerter Zellen gebildet. Kranialwarts wie kaudalwirts von dieser Region finden sich bei Embryonen dieses Alters zwischen Somatopleura und Kérper- epithel keinerlei Organanlagen. Die Lage des Ductus Cuvieri stimmt, wie schon gesagt, genau mit der auf friiheren Stadien konstatierten Lage der Gefafzellen tiberein. Die Beziehung zwischen beiden Anlagen ist also nicht zu verkennen, und es ist daher wohl die Annahme berechtigt, daf der Ductus Cuvieri aus freien Wander- zellen (Bufo) oder Zellketten (Siredon) gebildet wird, die dem Grenzbezirk zwischen Somit und Seitenplatte entstammen. AufSer diesen Zellen nehmen an der Bildung des Gefafes wahrscheinlich auch noch Wanderzellen anderer Abkunft, die besprochenen diffus austretenden Wanderzellen teil. Die eben besprochenen GefiSzellen sind den sklerotomalen angereiht worden, obgleich ein Sklerotom zur Zeit ihres ersten Auftretens noch nicht differenziert ist. Es solte mit dieser Be- zeichnung nur ihre lokale Zusammengehérigheit mit den spater aus dem gleichen Bezirk hervorgehenden GefaSzellen hervorgehoben werden. 64 Kati Marcinowski, Es folge nun die Darstellung der Bildung derjenigen GefaBe, deren Zellen dem eigentlichen differenzierten Sklerotom entstammen. a) Aorta und VornierengefaBe. Bei Siredon wie bei Bufo besteht die Aorta aus einem vorderen paarig angelegten und aus einem hinteren unpaaren Teil. Der letztere ist es, der bei Siredon zuerst entsteht, und bei einem Embryo von 16—17 Somiten von der Gegend des 2. Somiten bis hinter die des 9. zu verfolgen ist. Ein Lumen zeigt die hier von Anfang an unpaare Aorta nur streckenweise; sein Auftreten ist un- regelmaBig und zeigt Jeane ee keine Beziehung zur \. a ~ Metamerie. Auch der / ee | y ‘8 aN speziellere Bau der I Mh bes \ es » Aortenanlage ist in- A es ooh | ite a] nerhalb der Anlage \ 4 BA \ | 4 Dy a selbst ein unregel- at toe ) bd /* eral mafiger und wech- \etee | > ~ \a 9 | selnder. Hanfig liegt y 40 / N | RS nur eine einzige Zelle pile .* Y N an der fiir die Aorta od > nm \ yi “N charakteristischen ** @ He » 7) Mm Stelle: zwischen e-5 8 —- at? ae Darmwand und Hy- ts NO See pochorda, Oefter | ow Eis iy | | oy finden sich kleine “i bh Gruppen von Zellen. Hy.ch Beziiglich der Her- ao.z kunft der Aorten- Fig. 14. Siredon, 16—17 Somite. Hy.ch Hypo- zellen sei auf Text- chorda, ao.z Aortenzellen. Vergr. 167 : 1. fig. 14 und 15 ver- wiesen. Es ist hervorzuheben, dali diese Zusammenhange der Aorten- anlage mit dem Sklerotom zwar nicht ausschlieflich aber wesentlich segmentale sind und am ausgiebigsten immer am Vorderrande der Somite bestehen. Bei einem Embryo von 16—17 Somiten fanden sich regelmafige Zusammenhange dieser Art mit der Aorta beider- seits vom 2.—6. Somit. Am 7.—9. Somit war noch ein median gerichtetes Vorwartsdrangen der ventralen vorderen Ecken der Somite zu bemerken, aber nur bisweilen ein Zusammenhang mit der Aortenanlage. Weiter kaudalwarts wird die Aorta immer un- Entstehung der GefaSendothelien u. des Blutes bei Amphibien. 65 deutlicher, ihre Zellen immer spiarlicher; sie zeigt kein Lumen mehr und erreicht bald ihr Ende. MAvRER (1892) hat tiber die Bildung des Sklerotoms von Siredon angegeben, daf dasselbe anfangs ein Divertikel des Meso- blasts sei und erst spiter mesenchymatés aufgelést werde. Die Divertikelbildung und spatere mesenchymatése Auflésung erfolgt wie die Differenzierung der Somite tiberhaupt von vorn nach hinten, so daf also das Sklerotomdivertikel und das mesenchymatise Sklerotom am gleichen Embryo ausgebildet sein kann, wobei dann das letztere (das mesenchymatése Sklerotom) kranialwairts vom ersteren gelegen ist. ape —— y, e ‘=® ET: es eo- ater ® If & Ba, ie 25 a / y > S&S \ } é ® % > x : &e | hf \e Se a \ iM 1 \ oN / eM EE | Sag Va oy S / j | \ 8 & #* ae 40) 1X @ ; \ { © \ ~~ ) x, $ % |< @ caer) nurs ) vee ne } a a ay “SS BiG ae: ed aE \- ~. as gt? oy = ’ < 2 9 10 & 2 iil a 13 tiga as ~ ij hi *s Ud ~*~ Pk ; F i. je f gm ; # &,. ( or | y 9 ‘ pet x 7.) \. \ 7 uF S \ , 7 ‘ sd “ites . 4 X pees ERA 316 Kristine Bonnevie, praparaten das Bild einer blassen, kompakten Kugel, von der- selben kérnigen Substanz wie die Hohlkugel der Metaphase (4 links). Die Farbbarkeit der Centrosomen ist aber jetzt erheb- lich gréfer als in der spateren Prophase, und bei etwas schwacherer Differenzierung des Praparates zeigen sich die Centrosomen vdllig schwarz gefarbt (4 rechts). Auf noch friiheren Stadien, beim ersten Beginn ihrer Tatigkeit nach der vollendeten Wachstums- periode (5) ist ihre Farbbarkeit so stark, da’ sie auch bei starkster Differenzierung ihre schwarze Farbe behalten. Auf allen Stadien der Wachstumsperiode lassen sich an giinstig getroffenen Schnitten dieselben zwei Kiigelchen riickwirts verfolgen, bis sie am Anfang der Wachstumsperiode (6) und waihrend der Synapsis (7) als winzige Doppelkérnchen dicht an der Kernmembran liegend gefunden werden. Diese Kornchen lassen sich aber auch kontinuierlich in die Doppelkérnchen der Anaphase der letzten Oogonienteilung zuriickverfolgen (8), die wieder durch Teilung des einen in der Metaphase dieser wie aller tibrigen Teilungen an jedem Pol vorkommenden Cytozentrums entstanden sind. Damit sind wir von den infolge der Dotteransammlung ver- ainderten Cytozentren der grofen Oocyten zu den viel einfacheren der Oogonien gelangt, und ich glaube, es lassen sich diese Ver- haltnisse in keiner anderen Weise deuten, als daf die kleinen Cyto- zentren der Oogonien mit den grofen Hohlkugeln, den Centro- somen, der ersten Reifungsteilung identisch sind, und da der komplizierte Bau der letzteren durch Wachstum und innere Differenzierung der ersteren entstanden ist. Die Cytozentren der Oogonien stimmen aber in jeder Beziehung mit denjenigen der Spermatogonien (9) und Spermatocyten I. (10) und II. Ordnung (11) tiberein, und die Doppelkérnchen der Ana- phase dieser Zellgenerationen sind also auch Centrosomen und keine Centriolen. Die Doppelkérnchen der Spermatocyten II kénnen kontinuier- lich in die Spermatiden hinein verfolgt werden (12, 13), wo das eine derselben — wie im letzten Kapitel dieser Arbeit gezeigt werden soll — zu dem Achsenfaden des Mittelstiickes hinaus- wichst, wihrend schon vorher in Verbindung mit demselben ein extracellularer Schwanzfaden zum Vorschein gekommen ist. In Uebereinstimmung mit Meves halte ich die Doppelkérnchen der Spermatiden aller Tierformen fiir homologe Gebilde, und da sie bei Enteroxenos unzweifelhafte Centrosomen sind, so labt sich Untersuchungen iiber Keimzellen. 517 dasselbe auch im allgemeinen iiber die Cytozentren und Doppel- kérnchen mannlicher Geschlechtszellen und Gewebszellen sagen. Von groZem Interesse ist in dieser Beziehung auch der von GoLpscumipT (1905) gebrachte Nachweis, da’ bei Zoogonus mirus die eigentiimlichen, stabchenformigen Cytozentren der ersten Reifungsteilung wahrend der zweiten Teilung abgerundet werden, wobei sie sich auch als wahre Centrosomen erweisen. Ich méchte hier noch zuletzt hervorheben, daf bei der Frage, ob die ,kleinen“ Cytozentren ,Centrosomen“ oder ,,Centriolen“ seien, das Wesentliche nicht in einer Feststellung des richtigen Namens der Cytozentren liegt. Es besteht meiner Meinung nach kein Gegensatz zwischen diesen beiden Begriffen, und die ganze Frage wire dann nur als eine Formsache zu betrachten. Der Wesensunterschied beider Ansichten liegt vielmehr in der Ent- scheidung, ob die grofen Centrosomen der Kier und Blastomeren als sekundaére und auferhalb des urspriinglichen Cytozentrums entstandene Bildungen zu betrachten seien, die in den Gewebs- -gellen nicht ihr Seitenstiick finden. Die Strahlungsphinomene groBer Zellen miiften dann auch von wesentlich anderer Art sein als diejenigen der kleinen. Wie im obigen gezeigt worden ist, glaube ich, keinen solchen Unterschied zwischen den verschiedenen Zellformen zu finden, und die oft sehr abweichenden Bilder der Teilungsphinomene lassen sich alle in einer und derselben Weise erklaren, nur muf die Komplikation der Bilder in demselben Maf gesteigert werden wie die bei der Teilung in Anspruch genommenen Krafte. Mechanik der Teilung. Die Strahlungsphanomene treten bei Enteroxenos in den Reifungsteilungen auferordentlich deutlich hervor, und ehe ich die Besprechung der achromatischen Bestandteile abschliefe, méchte ich auch noch die Umrisse einer Teilungsmechanik zeichnen, die sich aus meinen Bildern herauslesen labt. Schon in den ersten Jahren nach der Entdeckung der in- direkten Kernteilung wurde von mehreren Forschern eine Er- klarung der Teilungsmechanik versucht, indem die Radien der Pol- strahlung meistens als Ausdriicke einer Stromung im Cytoplasma betrachtet wurden. Entweder wurde eine zentrifugale Strémung des bei der Auflésung der Kernmembran austretenden Kern- saftes vorausgesetzt (AUERBACH), oder eine zentripetale Strémung 318 Kristine Bonnevie, der homogenen Zellsubstanz (O. Hertwie, For). Vor allem hat doch BUTscHLI in seinem grofen Werke iiber ,die ersten Ent- wickelungsvorgange der Eizelle etc.“ 1876, den Grund zu unserer Kenntnis der Strahlungsphanomene gelegt. Er sah (p. 414) ,in der strahligen Anordnung des Plasmas um die Zentralhéfe den Ausdruck einer von diesen ausgehenden, physikalisch-chemischen Aenderung des Plasmas“, wobei die Radien also nicht direkt als Strémungsbahnen, sondern als sekundare Wirkungen eines zentrifugal vom Zentralhofe ausgehen- den Agens anzusehen sind. Diese verschiedenen Theorien, die gréStenteils nach Beobach- tungen an lebendem Material aufgestellt worden sind, haben das eine gemein, daf die Radien der Teilungsfiguren hier iiberall als Aus- druck einer Bewegung innerhalb des Cytoplasma angesehen werden. In den letzten Dezennien des 19. Jahrhunderts wurde jedoch diese Auffassung von den verschiedenen Theorien eines fibrillaéren Baues der Strahlen in den Schatten gestellt. Diese Theorien sind besonders, und zwar in verschiedenen Richtungen, von VAN BENE- DEN (1883, 87), Bovert (1888), Hermann (1891), DrRUNER (1895), HEIDENHAIN (1894 und spatere Arbeiten) und KOsTANECKI (1895—97) aufgestellt und weiter ausgefiihrt worden; ich werde aber hier nicht naher auf ihren Inhalt eingehen, da sich die Ver- haltnisse bei Enteroxenos in keine dieser Theorien zwanglos ein- ordnen lassen. Schon Kosranecki, der sonst vollig auf dem Boden der Hetpenuarnschen Theorie der ,organischen Radien* steht, hat auf die Schwierigkeit einer Anwendung derselben bei den Reifungsteilungen hingewiesen, und durch die auferordentlich interessante Arbeit von Vespovsky und MraAzexk (1908) tber Rhynchelmis scheinen mir die Theorien der ,festen Fibrillen“ im Cytoplasma einen uniiberwindlichen Stof erlitten zu haben, indem keine derselben ausreicht, um die hier demonstrierten Strahlungs- phanomene zu erklaren. Nur als Strémungserscheinungen lassen sich, wie die Autoren auch selbst ausgesprochen haben, die Bilder deuten, die in den Polstrahlungen bei Rhynchelmis zum Vorschein kommen, und auch bei Enteroxenos scheint mir keine andere Deutung méglich. Auf vielen Punkten stimmen meine Beobachtungen mit den von Biscuit (1876) gemachten tiberein, und auch in Betreff der Teilungsmechanik ]aBt sich noch auf der hier von ihm gebildeten irundlage weiterbauen. Die Auffassung der Radien als Strémungserscheinungen im Untersuchungen iiber Keimzellen. 319 Cytoplasma ist zwar wahrend der ganzen Zeit von einer Reihe von Forschern aufrecht erhalten (MARK, BUTSCHLI, v. ERLANGER, ZIEGLER, WILSON, CONKLIN u. a.); aber zur Aufstellung einer vollstandigen Teilungsmechanik sind von dieser Seite nur wenige Beitrage geliefert. Vor einigen Jahren hat jedoch TrErcHmMANnn (1903) durch seine wn lebenden Echinuseiern gemachten Untersuchungen das Ver- stindnis einer auf Cytoplasmastrémungen begriindeten Zellteilungs- mechanik sehr geférdert, und ich werde im folgenden einige Haupt- punkte seiner Darstellung anfihren, da sie fiir meine Auseinander- setzungen der Verhiltnisse bei Enteroxenos von Bedeutung sind. Die Zentren sind‘ nach TrEIcHMANN (p. 300ff.) ,,der Aus- druck einer zentripetalen Bewegung des homogenen Plasmas“, und eine Folge davon ist, daf an diesen Stellen ,,die Verdich- tung der plasmatischen Substanz ihre Mittelpunkte hat; dort ist sie am stairksten und nimmt gegen die Peripherie mit fort- schreitender Entfernung allmahlich ab“. Ven Stellen gréSter plasmatischer Dichtigkeit’’ stehen dann andere gegeniiber, die plasmaarm geworden sind, namlich einer- seits die Peripherie der Zelle und andererseits die zwischen den Zentren liegende Region, in der sich deren Wirkungen begegnen. Solange der beschriebene Zustand in der Zelle verwirklicht ist, kann eine Furche entstehen. Damit sie aber sichtbar werde, ist es nétig, da8 die zentripetale Plasmabewegung eine gewisse Intensitat erreiche. Sie mu zum mindesten so stark werden, dal sie zwischen den beiden Mittelpunkten an einer Stelle die Zell- oberflache erreicht. Geschieht das, so ist damit ein Punkt ge- schaffen, an dem die furchende Kraft angreifen kann.“ Die bei der Furchung wirkende Kraft ist, nach TEICHMANN, in dem Kohasionsdruck zu suchen, dessen Wirkung es ist, ,,daf eine Fliissigkeitsmasse die Gestalt annimmt, bei der ihre Ober- flache méglichst klein wird“. Die Wirkungsweise dieser Kraft sucht er in folgender Weise zu veranschaulichen (p. 303): ,,Die Eizelle, die kurz vor ihrer Teilung steht, ist zwar kugelig; sie besitzt aber, wie wir wissen, zwei Zentren, die in gleichem und entgegengesetztem Sinne auf den Zellinhalt wirken. Jedes dieser Zentren steht zu einem be- stimmten Teil der Zellsubstanz in Beziehuyg, wir diirfen auch sagen, es beherrscht ihn. So ist die kugelige Eizelle, solange die Wirkung der Zentren andauert, im Grunde schon in zwei halbkugelige Gebilde geteilt, von denen jedes seinen dynamischen 320 Kristine Bonnevie, Mittelpunkt besitzt. Gegen diesen hin wirkt nun der Kohiasions- druck. Die Folge davon zeigt sich zuerst darin, daf die Eizelle sich in der Richtung der Verbindungslinie der Zentren streckt, indem da, wo die plasmaarme, lockere Grenzschicht der Wir- kungsbereiche der beiden Zentren durch die Zelle zieht, die Ober- flache zusammengedriickt wird. Im weiteren senkt sich dann hier die Furche ein, bis die Schicht véllig durchtrennt ist.‘ Die Strahlen bestehen, als Ausdruck einer zentripetalen Strémung (p. 310), ,,aus dem starker lichtbrechenden Plasma und erhalten das Aussehen von Strahlen erst dadurch, daf sich die dunkleren Dotterkérnchen zu Reihen anordnen“. (P. 312) ,,Gehen die Bewegungen rasch und energisch vor sich, so werden sie auf die Dotterkérnchen einen richtenden Ein- flu’ ausiiben, dann erscheinen die peripheren Teile der Plasma- ansammlung als Strahlen; erfolgt die Bewegung dagegen langsam und trage, so bleibt der richtende Einflu8 aus, und es kommt nicht zur Ausbildung von Strahlen.“ TEICHMANNS Resultate sind hauptsachlich durch Beobachtungen an abnorm sich furchenden Eiern gewonnen und stellen die not- wendigen Bedingungen fiir eine Einschniirung der Zelle fest; aber es werden dabei nicht die zum Teil viel komplizierteren Vorginge mit in Betracht gezogen, die nicht nur eine Teilung des Zellkérpers, sondern auch eine gesetzmibige Verteilung der Chromatinsubstanz auf beide Tochterzellen bewirken. Die Natur und die Bedeutung der Polstrahlen sind, mit anderen Worten, von TEICHMANN in einer Weise geschildert, die auch ohne Einschrankung bei einer normalen Zellteilung Anwendung finden kénnte, dagegen sind die, besonders fiir die Kernteilung, sehr wesentlichen Aufgaben der Zentralspindel und der Zugfasern nicht von ihm beriick- sichtigt worden. Auf diesen Punkten glaube ich, nach meinen Beobachtungen an Enteroxenos, das von TEICHMANN entworfene Bild der Zell- teilungsmechanik ausfiillen zu kénnen. Das erste Zeichen einer beginnenden Aktivitaét der Centro- somen liefS sich am Ende der Wachstumsperiode der Oocyten darin erkennen, dafi um die beiden, noch dicht zusammenliegen- den Centrosomen eine rasch wachsende helle Zone und auch eine auf die Oberfliche dieser Zone gerichtete radiire Anordnung des angrenzenden kérnigen Cytoplasma zum Vorschein kam. Mit der Entfernung der Centrosomen voneinander nahm auch Untersuchungen tiber Keimzellen. 321 das helle Feld an Gréfe zu, und es trat auch innerhalb des- selben eine, zuerst diffuse, Strahlung hervor. Diese Strahlung war, von ihrem ersten Auftreten an, auf die beiden Centrosomen gerichtet, und es lief sich hier eine zwischen beiden Centrosomen verlaufende Zentralspindel von der jederseits radiar auf das Centrosoma gerichteten Polstrahlung unterscheiden. Obwohl diese beiden Strahlengruppen zur selben Zeit hervor- treten und ein ganz ahnliches Aussehen haben, so zeigt doch die weitere Entwickelung der Teilungsfigur, daf sie in der Mechanik der Teilung verschiedene Rollen spielen. Ich werde sie daher auch im folgenden getrennt besprechen. Polstrahlung. Wie schon erwahnt, stimmen die bei Entero- xenos gefundenen Bilder der Polstrahlung sehr wohl mit TEIcH- MANNS Resultaten iiberein, und ich brauche daher nur, im Hin- weis auf meine in einem friiheren Abschnitt gegebene Beschreibung und auf die Abbildungen Taf. XVIII—XXI, seine Schliisse auf die Verhaltnisse bei Enteroxenos zu tiberfiihren. Ueber die Art der Krafte, die in erster Instanz bei der Strahlung wirksam sind, darf ich wohl nichts aussprechen, aber ich glaube noch auf dem Boden der Beobachtungen zu stehen, wenn ich sage, daf die erste AeuSerung dieser Krafte in einer Verdichtung des Hyaloplasma!') um die Centrosomen herum zu ersehen ist. Durch den gesteigerten Druck an dieser Stelle werden dann die Mikrosomen, die friiher gleichmabig im Hyaloplasma verteilt waren, bis zu einem gewissen — zunachst noch sehr kurzen — Abstand von den Centrosomen entfernt, um hier in einem geschlossenen Kreis aufgestaut zu werden; es bildet sich in dieser Weise eine kleine helle Zone um die Centrosomen herum. Durch diese Verdichtung des Hyaloplasma ist aber das Gleich- gewicht des Cytoplasma gestért werden, und es folgt jetzt ein Nachstrémen von Hyaloplasma aus der nachsten Umgebung der hellen Zone, das sich in immer weiteren Kreisen bemerkbar macht. Diese zentripetale Strémung geschieht in radiéren Bahnen, und die Mikrosomen werden dabei passiv zwischen den Radien ein- geordnet, sowie auch durch die im Zentrum steigende Hyalo- plasmamenge immer weiter von den Centrosomen entfernt. Es zeigen sich, mit anderen Worten, auSerhalb der heranwachsenden hellen Zone radiire Strahlen, die rasch an Lange zunehmen 1) Mit diesem Namen bezeichne ich im folgenden die hyaline Grundsubstanz des Cytoplasma, ohne daf ich damit etwas iiber die Natur dieser Substanz ausgesprochen haben michte. 322 Kristine Bonnevie, (Fig. 50, 52 u. 100). Die Strahlen sind zuerst auf die Oberfliche der ganzen hellen Zone gerichtet. Bei der Entfernung der Cen- trosomen voneinander wird aber diese Zone zuerst zwischen beide Centrosomen eingeschniirt, um zuletzt véllig geteilt zu werden. Von jetzt an sieht man auch die Polstrahlen in zwei getrennten Gruppen auf jedes der beiden Ceutrosomen gerichtet (Fig. 53, 54 u. 102). Das Hyaloplasma wird nicht nur um die Centrosomen herum angesammelt, es wird auch zum Teil von denselben aufgenommen, wodurch sie, wie wir gesehen haben, stark aufquellen. Die Machtigkeit der Polstrahlung wird durch die Auflésung der Kernmembran sehr geférdert; teils scheint der Kernsaft (Fig. 59) durch die ersten Locher in der Kernmembran direkt auf die Centrosomen hinzustrémen, wobei auch auf das Liningeriist des Kerns ein richtender Einflu8 ausgeiibt wird, teils wird auch die gréSte Menge des Kernsaftes in dem Cytoplasma frei, um durch die Polstrahlungen auf die beiden Zentren verteilt zu werden. Wenn die Aktivitat der Centrosomen, wahrscheinlich in der spiten Prophase, ihren Héhepunkt erreicht hat, ist nicht nur das Hyaloplasma in einem weiten Umkreis in radiaire Bahnen ein- gelenkt, sondern auch die Mikrosomen, die Chromatinbrocken ver- schiedener Gréfe, die die Kérnchenhiille der ersten Reifungs- teilung bilden, und die Dotterkugeln sind jetzt in bestimmter Weise, und zwar in anndihernd konzentrischen Kreisen, um die Centrosomen herum angeordnet worden. Aus der nichsten Nahe der Centrosomen, aus der hellen Zone, wo die Dichtigkeit des Hyaloplasma am gréf8ten ist, sind alle sichtbaren Mikrosomen be- Seitigt, indem sie in einem gewissen Abstand aufgestaut worden sind. Mit der peripheriewarts abnehmenden Dichtigkeit des Hyalo- plasma werden dann immer gréfere Kérnchen zwischen den Radien angetroffen; und wo die Kérnchen, ihrer Gréfe nach, in bestimmt begrenzte Gruppen sich einordnen lassen, was bei Enteroxenos nicht der Fall ist, wird man auch scharf voneinander getrennte konzentrische Kreise antreffen. Bei Enteroxenus ist nur die die helle Zone der Polstrahlung nach aufen scharf begrenzt, sonst sieht man eine allmahliche Steigerung in der Kérnchen- gréfe vom Zentrum nach der Peripherie der Strahlung hin. Nur in der Kérnchenhiille (Fig. 61) lat sich zuweilen die Anordnung der Kérnchen in konzentrische Kreise recht deutlich erkennen. Die Mikrosomen des Cytoplasma, die mit der zentripetalen Strémung des Hyaloplasma direkt nichts zu tun haben, tragen doch in hohem Grade dazu bei, daf die Strahlen deutlich hervor- Untersuchungen itiber Keimzellen. 323 treten. So werden z. B. die Radien immer zuerst auSerhalb der hellen Zone nachweisbar, und zwar fallen auch hier nicht die Radien selbst, sondern die zwischen ihnen eingeordneten K6rn- chenreihen zuerst in die Augen. Ich habe die helle Zone eine ,KOrnchenfreie’* genannt, dies ist aber gewi8 nur insofern richtig, als sich in dieser Zone keine getrennten Kérnchen unterscheiden lassen. Sicherlich finden sich auch hier ganz kleine Mikrosomen, die waihrend der steigenden Spannung zwischen den Radien ein- geordnet werden. Die Einstellung dieser winzigen Kérnchen geht aber erst allmahlich vor sich, und in der Tat sieht man auch die Strahlung innerhalb der hellen Zoue ganz langsam_hervor- treten. — Wenn die Spannung der Teilungsfigur auf ihrer Hohe steht, ist es oft recht schwierig, die Strahlen direkt bis zur Ober- flache des Centrosoma hinein zu verfolgen, wahrend sie sowohl friiher als spater deutlicher hervortreten. Bei der héchsten Spannung werden eben auch diese kleinsten Mikrosomen aus der Nahe der Centrosomen entfernt, und die einzelnen Radien lassen sich daher nur schwer voneinander unterscheiden. Die Polstrahlen sind, nach dem Obigen, keine dauernden Be- standteile des Cytoplasma, sondern bezeichnen nur einen voriiber- gehenden Zustand der Zelle. Sie wtrden nach dem Ablauf des Teilungsprozesses wieder véllig schwinden, wenn sie nicht auf die umliegenden Kérnchen eine Wirkung geiibt hatten, die langer be- stehen bleibt als die Strémung selbst. Dies laft sich aus dem eigentiimlichen Verhalten der peri- pheren Enden der Polstrahlen ersehen. Solange der Zufluf von Hyaloplasma von aufen her fortdauert, verlaufen die Strahlen ge- trennt bis zu ihren aufersten Enden. Ueberall werden Mikro- somen zwischen den Radien und dicht um sie herum eingeordnet. Die Mikrosomen bilden sozusagen feine Réhrchen, durch welche die zentripetale Strémung des Hyaloplasma stattfindet. In der spaten Prophase hért der Zuflu8 von aufen auf, und nur das schon in den Radien befindliche Hyaloplasma setzt noch die zentripetale Strémung fort. Dabei werden allmahlich die auferen Enden der Mikrosomenroéhrchen entleert; sie verlieren ihre Steifheit und ver- kleben sich (vielleicht erst durch die Fixation) miteinander. Eine solche Verklebung la8t sich schon in der Metaphase spiiren, und wahrend der spateren Teilungsphasen dringt sie immer weiter gegen das Zentrum vor (Fig. 61—66). Zu dieser Zeit ist auch im zentralen Teil der Polstrahlung jede Spannung verschwunden. Die Aktivitat des Centrosoma ist 324 Kristine Bonnevie, zu Ende, und das stark verdichtete Hyaloplasma seiner nachsten Umgebung wird wieder auf einen gréferen Raum _ verteilt; es findet eine diffuse zentrifugale Bewegung des Hyaloplasma und eine entsprechende zentripetale der Mikrosomen statt, bis die helle Zone beinahe oder ganz verschwunden und das Gleichgewicht des Cytoplasma wiederhergestellt ist (Fig. 63—66). Mit der Annahme einer zentripetalen Strémung in der Pol- strahlung stimmt auch das verschiedene Verhalten beider Centro- somen der Reifungsteilungen wohl] tiberein. Wahrend der ersten Prophase entwickelten sich beide Centrosomen noch ganz parallel, aber nach der radiiren Einstellung der Teilungsfigur in der Zelle ist dies nicht mehr der Fall. Dem inneren Centrosoma wird von einem grofen kugelférmigen Bezirk der Zelle Hyaloplasma zugefiihrt, das auBere liegt aber der Zelloberflache dicht an, und muf daher die eine Halfte seines Zu- strémungsgebietes entbehren. Die Wirkung tritt auch in einer Austrocknung zuerst der auferen und spater auch der inneren Wand dieses Centrosoma deutlich zu Tage (Fig. 60—65, 104—107 a). Die verfriihte Riickbildung des duSeren Centrosoma wirkt aber auch auf die Polstrahlung dieser Seite zuriick; eine helle Zone tritt hier nicht so scharf und regelmaébig hervor wie in der inneren Strahlung (Fig. 105a), die Kérnchen der Kérnchenhiille treten erheblich naiher an das Centrosoma heran (Fig. 61), und die peripheren Enden der Strahlen verlieren friiher ihre Steifheit als die entsprechenden Strahlen des inneren Poles (Fig. 62—63). Auch in Betreff der Einschniirung der Zellmembran wird die Theorie von TEICHMANN durch die Verhaltnisse bei Enteroxenos sowohl in positiver als auch in negativer Weise bestatigt. In dem oben angefiihrten Zitat seiner Abhandlung haben wir den Satz gefunden : ,Vamit (die Furche) sichtbar werde, ist es nétig, daf die zentripetale Plasmabewegung eine gewisse Intensitét erreiche. Sie mufi zum mindesten so stark werden, dal sie zwischen den beiden Mittelpunkten an einer Stelle die Zelloberflache erreicht. Geschieht das, so ist damit ein Punkt geschaflen, an dem die furchende Kraft angreifen kann.“ In der ersten Reifungsteilung haben wir gesehen, wie die Strahlen des inneren Poles in den Bereich des abgeschwachten ‘iiuBeren Poles iibergreifen, und wie die erste Einschniirung der Zellmembran an der Stelle einsetzt, wo dieselbe von den Pol- strahlen beriihrt worden war (Iig. 63, 65). Untersuchungen iiber Keimzellen. 525 In der zweiten Teilung wird derselbe Satz in negativer Weise durch den in Fig. 82 abgebildeten Fall bestatigt, wo keine Pol- strahlen die Zellmembran beriihren, wo aber auch keine Ein- schntirung der Membran geschehen ist, trotzdem der normale Zeit- punkt fiir eine solche, nach dem Zustand der Teilungsfigur zu urteilen, schon passiert ist. Nur bei schrig gestellter Spindel reichen die Polstrahlen zur Oberfliche empor und dann tritt auch die Einschniirung der Zellmembran zu normaler Zeit ein. Bei der zweiten Reifungsteilung wiederholen sich in Bezug auf die Polstrahlung dieselben Prozesse, die eben an der ersten Teilung beschrieben worden sind, nur scheinen die strémungs- erregenden Krafte diesmal nicht so stark zu sein. Die Pol- strahlung greift nicht so weit um sich und die Aufquellung und Differenzierung der Centrosomen erreicht nicht eine solche Héhe wie bei der ersten Teilung. Kin interessanter Unterschied zwischen den Strahlungs- erscheinungen beider Teilungen verdient jedoch erwahnt zu werden. Wie bei der ersten Teilung ist auch hier die zuerst auftretende Strahlung nicht auf die Centrosomen selbst gerichtet, sondern auf die helle Zone, von der sie umgeben sind. Wahrend aber bei der ersten Teilung eine Umordnung der Strahlen relativ bald geschieht, so findet man bei der zweiten Teilung noch am Ende der Prophase zwei miteinander konkurrierende Strahlensysteme (Fig. 71—76). Dieser Unterschied mag in zwei verschiedenen Verhiltnissen seinen Grund finden, erstens darin, dafi die Centrosomenwirkung bei dieser Teilung nicht so stark ist wie bei der ersten, zweitens aber auch darin, dafi die primare, monozentrische Strahlung dies- mal erheblich starker entwickelt ist. — Die helle Zone der zweiten Teilung fallt namlich mit dem Centrosoma der ersten in ihrer urspriinglichen Begrenzung zusammen, und nachdem die erste Ver- dichtung des Hyaloplasmas um die jungen Centrosomen herum geschehen ist, kann hier das Nachstrémen von aufen her in den praiformierten Bahnen der friiheren Polstrahlung geschehen. Da- durch wird die zentripetale Strémung rascher geschehen kénnen, und in demselben Grad wird auch die Schwierigkeit bei einer Umordnung der Mikrosomenreihen zu einem dizentrischen Strahlen- system gesteigert. " Zentralspindel und Zugfasern. Die erste Ent- stehung einer Zentralspindel am Anfang der ersten Reifungs- teilung haben wir schon betrachtet. Sie kam zwischen den Centro- somen auf einem Stadium, wo diese beiden noch von einer ge- Bd. XLI, N. F. XXXIV. 99 326 Kristine Bonnevie, meinsamen hellen Zone umgeben waren (Fig. 53, 101), zum Vorschein. Vor der zweiten Reifungsteilung sieht man die Zentralspindel in einer ganz Abhnlichen Weise hervortreten (Fig. 71—73, 111—113). Einen Unterschied wiirde man vielleicht darin ersehen, da8 die Zentralspindel der zweiten Teilung auf dem Boden des friiheren Centrosoma entsteht'), wihrend bei der. ersten Teilung ein solcher Ursprung der Zentralspindel ausgeschlossen ist. Ich glaube jedoch, daf dieser Unterschied im Ursprung der Spindeln ganz unwesentlich ist. Von dem Augenblick an, wo die Strahlung der ersten Reifungsteilung riickgebildet worden ist, ist auch das Centrosoma dieser Teilung nur als ein zwar noch morphologisch begrenzter Teil der Sphire anzusehen, doch ohne irgend einen spezifischen Charakter. Die aktive Centrosomensubstanz ist in den beiden Centriolen konzentriert, und zwischen ihnen erscheint auf einem gewissen Stadium ihrer Tatigkeit eine Zentralspindel. Die Zentral- spindelfasern werden, wie auch die Polstrahlen, von dem eben vorhandenen Material gebildet, gleichgiiltig, ob dasselbe friiher dem Centrosoma angehért hat oder nicht. Welche Rolle spielt die Zentralspindel in der Teilungs- mechanik? Wenn man in der Literatur eine Antwort auf diese Frage sucht, dann wird man zunichst den Eindruck bekommen, dab eine Zentralspindel kein konstant auftretender Bestandteil der Teilungsfigur sei, und daf ihr dementsprechend auch keine wichtige Rolle bei der Teilung zugeschrieben werden kénne. Wahrend aber bei vielen Objekten die Existenz einer Zentralspindel ganz oder teilweise verneint worden ist, so zeigt sie doch bei anderen Ob- jekten eine solche Machtigkeit (Amphibien, Hermann 1891, Driner 1895, Meves 1897), daf man nicht umhin kann, der Zentralspindel einen sehr wesentlichen Anteil bei der Zellteilung dieser Tiere beizulegen. Dies ist auch von den erwaihnten Autoren getan worden, und besonders DRUNER hat in iiberzeugender Weise gezeigt, da die Entfernung der Centrosomen vyoneinander in 1) Eine Entstehung der Zentralspindel auf Grundlage des Centrosoma ist auch bei anderen Objekten nachgewiesen worden, und besonders haufig vor der zweiten Reifungsteilung. Um die verschiedene Genese der Zentralspindeln zu charakterisieren, hat Boveri (1901) fiir soleche Zentralspindeln, die mit dem Centrosoma genetisch zusammengehiren, einen eigenen Namen, Netrum, vor- geschlagen. Untersuchungen iiber Keimzellen. 327 erster Reihe auf den Zuwachs der Zentralspindelfasern zuriick- zufiihren ist. Dies stimmt sehr wohl mit den Verhaltnissen bei Enteroxenos tiberein; aber ich glaube hier zeigen zu kénnen, da8 die Fasern der Zentralspindel kein wesentlicher Bestandteil derselben sind, und daf daher das wechselnde Verhalten dieser Fasern fiir die Rolle der Zentralspindel in der Teilungsmechanik von keinem Belang ist. Daf die Verlingerung der Zentralspindel auf aktivem Wachs- tum beruht, und nicht etwa auf einer Streckung der Fasern durch die Centrosomen, geht mit grofer Deutlichkeit aus einer Betrach- tung des in der ersten Polocyte vor sich gehenden Teilungsversuches hervor (Fig. 81, 85). Die Centrosomen liegen in der Polocyte schon von Anfang an oberflichlich, und es dauert nicht lange, bis sie so weit von- einander entfernt sind, wie es in dieser kleinen Zelle iiberhaupt moglich ist. Wenn das Lingenwachstum der Zentralspindel auf einer Streckung durch eine gegenseitige Abstofung der Centro- somen beruhen sollte, so mii£te es mit dieser Lage der Centro- somen vollig aufhéren. Dies ist aber nicht der Fall; wie oben beschrieben wurde, nehmen die Zentralspindelfasern noch sehr erheblich an Lange zu, wobei sich die einzelnen Fasern oder die Zentralspindeln als Ganzes, in Schlingen und Buchten aufrollen, bis sie die ganze Polocyte ausfiillen. Es scheint dabei ganz ohne Bedeutung sein, welche Stellung von den beiden Centrosomen ein- genommen wird. Die Verlangerung der Zentralspindel la8t sich also bei Entero- xenos wie bei den Amphibien nur durch aktives Wachstum, durch Anlagerung neuer Bestandteile, erkliren, und es erhebt sich daher die Frage, wo diese neuen Bestandteile herkommen ? In Uebereinstimmung mit meiner Auffassung der Polstrahlungen als Ausdruck einer Bewegung des Hyaloplasma muf ich mir auch die Zentralspindel in ahnlicher Weise erkliren. Aber die Bewegungs- richtung ist, glaube ich, in beiden Strahlengruppen eine verschiedene ; in den Polstrahlungen ist die Strémung wahrend der friheren Teilungsphasen gegen die Centrosomen gerichtet, in der Zentral- spindel dagegen bewegt sich das ee von beiden Centro- somen in die Spindel hinein. Diese Auffassung schlieft sich — wie gezeigt werden soll — meinen an Enteroxenos gemachten Beobachtungen sehr eng an, und auch in der Literatur tiber die Zentralspindel habe ich nichts 22 * 328 Kristine Bonnevie, gefunden, was mit einer solchen Anschauung in Streit stehen kénnte. Eine Zentralspindel tritt, wie wir gesehen haben, bei beiden Reifungsteilungen in derselben Weise auf, namlich innerhalb der hellen Zone, zur selben Zeit und in derselben Weise wie der innere Teil der Polstrahlungen, der auch auf dem Boden dieser Zone ge- bildet wurde. Auf allen spateren Stadien beider Teilungen zeigt sich nun auch zwischen der Zentralspindel und den hellen Zonen der Polstrahlungen eine grofe Uebereinstimmung; sie gehen immer kontinuierlich ineinander tiber, und sie wirken den dunklen Um- gebungen gegentiber als ein zusammmenhangendes Ganzes (Fig. 61, 75). Wenn daher die hellen Zonen der Polstrahlungen durch einen Zuflu8 und eine daraus folgende Verdichtung von Hyaloplasma entstanden sind, so ist auch fiir die mit ihnen so intim verbundene Zentralspindel eine ahnliche Bildungsweise anzunehmen. Und alles deutet in der Tat darauf hin, daf die Spannung innerhalb der Zentralspindel wihrend der friiheren Teilungsphasen immer mehr steigt, was nicht der Fall sein wiirde, wenn die Strémungsrichtung hier dieselbe wire wie in der Polstrahlung. Wie oben fiir die Polstrahlung erértert, glaube ich, daB die Strémungsbahnen des Hyaloplasma erst dadurch deutlich nach- weisbar werden, daf die im Cytoplasma befindlichen Mikrosomen in bestimmter Weise zwischen ihnen eingeordnet werden. Dies gilt natiirlich auch fiir die Zentralspindel; da sie aber innerhalb der hellen Zone liegt, die eben dadurch charakterisiert wird, da keine deutlich erkennbaren Mikrosomen hier vorhanden sind, ist es auch leicht erklarlich, daf die ,Fasern“ der Zentral- spindel erst auf einem Stadium zu Tage treten, wo die Ent- fernung der Centrosomen, und damit auch die Zunahme von Hyalo- plasma zwischen beiden, schon merkbar vorgeschritten ist. Das Auftreten der Fasern zwischen beiden Centrosomen ist als ein Zeichen zu betrachten, daf die Hyaloplasmastrémung jetzt so lange und mit solcher Schnelligkeit in bestimmten Bahnen vor sich gegangen ist, daf sie eine Einordnung der Mikrosomen zwischen den Strémungsbahnen bewirkt hat. Und diese Mikrosomenreihen, deren einzelne Kérnchen nicht sichtbar sind, bilden dann die Fasern der Zentralspindel. Es ist hier von Interesse, einen Vergleich zwischen beiden Reifungsteilungen anzustellen. Wie aus Fig. 101 und Fig. 112 u. 113 hervorgeht, werden Untersuchungen iiber Keimzellen. 329 die Zentralspindelfasern der ersten Reifungsteilung (Fig. 101) auf einem verhaltnismifig friiheren Stadium sichtbar, als diejenigen der zweiten (Fig. 112—113). Dies steht mit dem friiher be- sprochenen Verhalten des auf die Oberflache der hellen Zone ge- richteten Strahlensystems in bester Uebereinstimmung. Bei der ersten Reifungsteilung geht diese monozentrische Strahlung relatiy bald in eine dizentrische tiber, und der Zufluf von Hyaloplasma zu der Zentralspindel wird daher auch bald in bestimmte Bahnen eingelenkt und wird nur von den beiden Zentren aus geschehen kénnen. Bei der zweiten Teilung dagegen bleibt, wie wir sahen, die monozentrische Strahlung noch lange bestehen; Hyaloplasma wird der Zentralspindel nicht nur von seiten der beiden Zentren, sondern auch noch durch die auf ihre ganze Oberfliche gerichtete monozentrische Strahlung zugefiihrt. Erst allmahlich gewinnt die dizentrische Strahlung Ueberhand, und die Fasern der Zentralspindel sind wieder in ihrem Auftreten von dem Vorschreiten dieses Prozesses abhangig. Charakteristisch ist es auch, daS in Fig. 112 die inneren Enden der Polstrahlen, die in ihrer Richtung mit dem monozentrischen Strahlungssystem teilweise zusammenfallen, schon sichtbar sind, wahrend sich noch keine Zentralspindelfasern nachweisen lassen. Das Verhalten der dizentrischen Polstrahlung zu dér Zentral- spindel lat sich nach dem Obigen folgendermafen charakterisieren : Als Folge der in den jungen Centrosomen wirkenden Krafte (physischer oder chemischer Natur) verdichtet sich das Hyalo- plasma in der nichsten Umgebung der Centrosomen, sowohl um jedes derselben herum als auch in dem Zwischenraum zwischen beiden. Diese Verdichtung bewirkt einen Zuflu8 von aufen her, und da dieser radiaér auf die beiden Centrosomen gerichtet ist, so muf eine Ablagerung des aus immer gréferen Kreisen heran- strémenden Hyaloplasmas in dem einzigen Bereich, wo keine Pol- strahlen entstehen kénnen, namlich innerhalb der hellen Zone zwischen beiden Centrosomen, mit anderen Worten also in der Zentralspindel, stattfinden. Dadurch wird die Zentralspindel an Lange zunehmen und die Centrosomen werden voneinander ent- fernt, und solange diese Entfernung auf keinen zu grofen Wider- stand sté%t, wird auch der Druck innerhalb der Zentralspindel nicht tiber eine gewisse Grenze hinaus gesteigert werden. Von den kugeligen Bereichen der Polstrahlungen wird also auf allen Stadien der Teilung jederseits ein Sektor auszunehmen sein, naimlich derjenige, der sich gegen das Schwestercentrosoma 330 Kristine Bonnevie, wendet. Dieser Sektor gehért nicht der Polstrahlung, sondern der Zentralspindel an, und die Bewegung des Hyaloplasma ge- schieht hier in entgegengesetzter Richtung, namlich von beiden Polen gegen den Aequator der Teilungsfigur hin. Daf ein Unterschied zwischen diesen Bereichen existiert, geht mit grofter Klarheit aus den Bildern aller Teilungsphasen hervor. In der Polstrahlung ist ja namlich die innere helle Zone von dem auferen dunklen Teil der Strahlung scharf getrennt, wahrend in dem der Zentralspindel angehérigen Sektor eine solche Trennung vollstandig fehlt*), Ich habe schon im beschreibenden Teil erwaihnt, da in dem Verhalten der Spindel ein auffallender Unterschied existiert zwischen den Prophasen beider Reifungsteilungen. In der ersten Teilung war die Spindel der Prophase lang und schmal, wahrend sie in der Metaphase mit der steigenden Spannung auch kiirzer und breiter geworden war. In der zweiten Teilung dagegen schien die Spannung der Zentralspindel schon vom ersten Augen- blick an sehr stark zu sein, und die Linge der Spindel nimmt wihrend der ganzen Teilung ganz allmahlich zu. Die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens ist doch nicht so sehr in der Zentralspindel selbst als in dem zweiten Bestand- teil der Spindel, in den Zugfasern, zu suchen. Diese haben namlich in beiden Teilungen einen recht verschiedenen Ursprung, der sich auch in ihrem Verhalten zur Zentralspindel bemerkbar macht. Ihrer Entstehungsweise sowie ihrem ganzen Verhalten nach sind die Zugfasern von anderer Natur als Polstrahlung und Zentral- spindel. Bei den letzteren sind die von Mikrosomen aufgebauten Fasern nur als Nebenprodukte bei der Hyaloplasmabewegung zu betrachten; die Zugfasern dagegen zeigen nichts, was auf eine Hyaloplasmastrémung hindeuten kénnte. Hier sind die ,Fasern“ selbst, die zwischen den Chromosomen auf der einen Seite und den beiden Centrosomen auf der anderen ausgespannt sind, die Hauptsache. Vor der ersten Reifungsteilung liegen die Chromosomen inner- halb des grofen Wachstumskerns, sind also weit von den aufer- halb liegenden Centrosomen entfernt. Wie oben gezeigt, werden 1) In schief getroffenen Schnitten (Fig. 104a und 115a), wo die Zentralspindel selbst nicht sichtbar ist, sieht man die dunkle Zone der schirmférmig sich ausbreitenden Polstrahlung auch an der inneren Seite des Centrosoma. Untersuchungen iiber Keimzellen. 331 die Zugfasern dieser Teilung auf Grundlage des schon im Kern vorhandenen Liningertistes gebildet. Die Fasern desselben werden, unter dem Kinflu8 des zentripetal strémenden Kernsaftes, radiar auf die Centrosomen eingestellt und in Verbindung mit den auBer- halb der Kernmembran schon gebildeten Mikrosomenreihen bilden sie zusammenhangende Briicken zwischen den Chromosomen, mit denen sie schon vorher in Verbindung standen, und den Centro- somen. Die so gebildeten Zugfasern haben von vornherein eine betrachtliche Lange und zeigen noch wahrend der ganzen Pro- phase einen geschlangelten Verlauf (Fig. 59—60). Ks ist klar, daf diese langen Zugfasern der ersten Reifungs- teilung gegen eine Verlangerung der Zentralspindel keinen grofen Widerstand leisten; die Zentralspindel darf sich also hier wihrend der Prophase frei verlangern, und in Uebereinstimmung damit wird auch ihre Spannung nicht tiber eine gewisse Grenze steigen (Fig. 60). Dies geht doch nur so lange, bis die Zugfasern gegen das Ende der Prophase vollig gestreckt worden sind, indem sie dann durch ihren Widerstand eine weitere Verlaingerung der Zentralspindel verhindern. Der Zuflu8 von Hyaloplasma von beiden Spindelpolen hért aber noch nicht auf, und anstatt einer Ver- langerung laft sich jetzt eine rasche Steigerung in der Spannung der ganzen Teilungsfigur verfolgen. Die OberflichengréfSe der Spindel wird von den jetzt stramm gespannten Zugfasern begrenzt, und bei der noch fortdauernden Volumvergréferung muf die lang ausgezogene Form der Spindel in eine kugelige tibergehen (Fig. 61). Gleichzeitig steigt auch die Helligkeit sowohl der Zentralspindel als auch der hellen Zonen der Polstrahlung. Die starke Spannung der Zentralspindel in der Metaphase tragt sicherlich dazu bei, die Trennung der Tochterchromosomen voneinander zum Abschluf zu bringen, und damit ist wieder eine Méglichkeit vorhanden fiir eine weitere Steigerung des Volums der Zentralspindel. Man sieht auch in der Tat in der friihen Anaphase die Zentral- spindel auf dem Stadium ihrer gréSten Spannung (Fig. 62), wah- rend jezt sowohl Polstrahlung als Centrosomen den Hoéhepunkt ihrer Entwickelung schon passiert haben. Von grofer Bedeutung fiir ein Verstandnis der Natur der Zentralspindel ist das schon oben erwahnte Verhalten der Ver- bindungsfasern zwischen je zwei Tochterchromosomen, daf sie nimlich in der ersten Anaphase nicht gerade verlaufen, sondern wie gespannte Bogen auseinanderweichen (Fig. 62 und Fig. 130). 332 Kristine Bonnevie, Es geht namlich daraus hervor, da8 die Spannung der Zentral- spindel nicht in einer Verlangerung ihrer ,Fasern“ begriindet ist, eine solche wiirde sich ja unméglich innerhalb der Verbindungs- fasern zweier zusammengehoriger Tochterchromosomen bemerkbar machen kénnen, sondern daf iiberall innerhalb der Spindel eine starke Fliissigkeitsspannung besteht, und zwar ganz unabhangig von der Anwesenheit deutlicher Fasern. Dieselben sind, wie friiher erwihnt, gerade wahrend der staérksten Spannung der Spindel sehr wenig hervortretend. Das eben besprochene Stadium der friihen Anaphase bezeichnet aber einen Wendepunkt im Verhalten der Zentralspindel. Mit dem Aufhéren der Centrosomentatigkeit beginnt auch, wie schon oben bei der Polstrahlung besprochen, eine Ausgleichung des stark ver- dichteten Hyaloplasmas. Die Spannung ist in der spiteren Ana- phase nicht mehr so stark und die Kugelform der Spindel geht allmihlich in eine langliche tiber (Fig. 63), was wiederum eine Entfernung der Centrosomen zur Folge hat. Die Fasern der Zentralspindel treten jetzt wieder deutlicher hervor, was darauf hindeutet, daf im Hyaloplasma wieder eine relativ rasche Bewegung in bestimmten Bahnen vor sich geht. Die Bewegung muf aber jetzt in entgegengesetzter Richtung ge- schehen, vom Aequator der Spindel — der Stelle des héchsten Druckes — gegen beide Pole hin, ganz wie wir auch in der Pol- strahlung eine Umkehr der Strémungsrichtung wihrend der Ana- phase bemerken konnten. Die Hyaloplasmamenge der Zentralspindel wird dadurch so- zusagen in zwei Halften geteilt (Fig. 82), und im Aequator wie an den peripheren Enden der Polstrahlen werden bald _,,trockene“ Mikrosomenreihen vorliegen. An diesen Stellen der Zentralspindel- fasern werden die Stabchen des Zwischenkérperchens ange- legt (Fig. 65, 66, 82), und in dieser Zone eines minimalen Druckes ist jetzt die Méglichkeit einer Durchschniirung der Zelle vor- handen. Wir haben aber schon oben gesehen, da eine Zellteilung doch nicht stattfindet, wenn nicht gleichzeitig die Polstrahlen des einen oder beider Pole an die Zellmembran herangelangt sind, so da8 hier der furchenden Kraft ein Angriffspunkt geboten wird. Die Hyaloplasmamenge beider Zentralspindelhalften findet bei einer normalen Teilung in den entstehenden Tochterkernen Ver- wendung. Zwischen beiden Reifungsteilungen werden aber keine Tochterkerne gebildet und das Hyaloplasma geht, wie auch die Chromosomen, direkt von der einen Teilungsfigur in die niachste tiber. Untersuchungen iiber Keimzellen. 333 Die verschiedene Lage der Chromosomen in den Oocyten I. und If. Ordnung iibt auch auf die Entstehung der Zugfasern ihren Einfluf. Vor der zweiten Reifungsteilung liegen die Chromo- somen noch seit der vorigen Teilung in einer Platte angeordnet, oberhalb oder seitlich zu der jungen Zentralspindel (Fig. 70, 72, 73). Hier sind denn auch keine Lininfaiden vorhanden, aus denen die Zugfasern gebildet werden kénnen, und man sieht dieselben durch eine bestimmte Einstellung des zwischen Centrosomen und Chromosomen zufallig vorhandenen Materials entstehen (Fig. 72, 73). Ueber die Natur der bei dieser Einstellung wirkenden Krifte la8t sich nach meinen Beobachtungen nichts aussprechen. Nur scheint es als sicher hervorzugehen, daf die Zugfasern nicht als bloSe Produkte der Polstrahlung anzusehen sind; schon von ihrem ersten Auftreten an sind sie auf der ganzen Strecke zwischen Centro- somen und Chromosomen sichtbar, und oft bedeutend langer als die Polstrahlen desselben Stadiums. Man sieht sie als zwei be- stimmt begrenzte, schief kegelf6rmige Biindel auftreten, von denen jedes mit seiner Basis genau die Chromosomenplatte deckt, wah- rend sie mit ihren Spitzen an je ein Centrosoma heranreichen. — Ein solches Auftreten lat sich, glaube ich, nur durch ein Zu- sammenwirken von Chromosomen und Centrosomen erkliren, das in einer bestimmten Kinstellung des zwischen ihnen liegenden Materials resultiert. Welcher Art dieses Zusammenwirken sei, lat sich wohl kaum durch morphologische Untersuchungen er- mitteln, ebensowenig wie die Ursache zu der Verbindung jedes Centrosoma mit nur einer Hilfte eines Chromosoma. Aus der eben beschriebenen Entstehungsweise der Zugfasern der zweiten Reifungsteilung folgt, da8 die Fasern schon von ihrem ersten Auftreten an vollig gespannt sind. Sie werden daher vom ersten Augenblick an gegen die Verlangerung der Zentralspindel einen betrachtlichen Widerstand leisten. Bei einer Entfernung der Centrosomen auseinander miissen ja nimlich entweder die Zug- fasern eine Streckung erleiden, oder die Chromosomen miissen der Zentralspindel genahert werden. — In der Tat geschieht sicherlich beides und eben in diesem Widerstand findet der auffallende Unter- schied im Verhalten der Zentralspindel in den Prophasen beider Reifungsteilungen seine Erklairung. } In der ersten Teilung haben wir eine lange Zentralspindel ohne nennenswerte Spannung vorgefunden, hier dagegen ver- langert sich die Spindel nur langsam, wahrend ihre abgerundete Form und grofe Helligkeit auf eine starke Spannung hindeuten. 334 Kristine Bonnevie, Das Maximum der Spannung wird auch diesmal wahrend der Metaphase oder der friihen Anaphase erreicht, und die Riick- bildung der Zentralspindel geschieht in derselben Weise, wie bei der ersten Teilung beschrieben. Die im obigen vertretene Auffassung von dem Verhalten zwischen Zentralspindel und Zugfasern wird durch eine Betrach- tung des in der ersten Polocyte beschriebenen Teilungsversuches wesentlich gestiitzt. Hier sind die Zugfasern nicht normal entwickelt; die Chromo- somen werden ohne irgend eine Ordnung in der Polocyte vor- gefunden, und obgleich sie der Linge nach gespalten werden, so findet doch keine regelmafige Trennung der Spalthalften statt. Darin liegt aber auch eine Erklarung des eigentiimlichen Verhaltens der Zentralspindel bei diesen Teilungen. Der Teilungs- versuch scheint in der Polocyte in normaler Weise eingeleitet zu werden (Fig. 74, 77, 78 P.I); es bilden sich um die beiden Centrosomen herum die typischen hellen Zonen, die auf eine Ver- dichtung des Hyaloplasma an diesen Stellen hindeuten, und auch die Zentralspindel zeigt zuerst ein ganz normales Verhalten. Wir miissen also auch hier eine Bewegungsrichtung des Hyalo- plasma durch die Polstrahlung zu den beiden Zentren hin, und von diesen wieder in die Zentralspindel hinein voraussetzen, eine Verlagerung des Zellmaterials, die sich in einer Verlingerung der Zentralspindel zuerst bemerkbar macht. Wie in der ersten Reifungsteilung verlingert sich die Zentral- spindel so lange, bis dem Liaingenwachstum von aufen her eine Grenze gesetzt wird; da aber in der Polocyte keine Zugfasern entwickelt werden, so wird sich die Zentralspindel ohne Wider- stand — also auch ohne Spannung — verlingern kénnen, so lange, bis zuletzt alles Material dieser kleinen Zelle zu einer machtigen Zentralspindel angeordnet worden ist (Fig. 81 u. 85). Dann wird die Strémung von selbst aufhéren, die faserige An- ordnung der Mikrosomen wird aufgegeben, und mit dem wieder hergestellten Gleichgewicht des Cytoplasma nimmt auch die Pol- ocyte wieder ihre urspriingliche abgerundete Form an (Fig. 854d). Die grofe Bedeutung fiir die Teilungsmechanik, die ich im obigen der Zentralspindel beigelegt habe, scheint mit der Tatsache nur schlecht iiberein zu stimmen, daf bei vielen Objekten die Existenz einer Zentralspindel entweder nicht nachgewiesen oder sogar bestimmt verneint worden ist. Daf ich aber dieser Ein- wendung keinen grofen Wert beilegen méchte, kommt davon, da8 Untersuchungen tiber Keimzellen. 335 auch bei Enteroxenos, wo auf einzelnen Stadien die Zentralspindel unzweifelhaft ein wesentlicher Bestandteil der Teilungsfigur ist, andere Stadien vorkommen, in denen sich keine Spur einer Zentralspindel nachweisen abt. So scheint z. B. auf gewissen Stadien der Prophase der ersten Reifungsteilung (Fig. 54, 59) keine Zentralspindel vor- handen zu sein, wahrend sowohl friiher als spiter in derselben Teilung die Existenz einer solchen ganz unbestreitbar ist. Wo ist nun die Zentralspindel wahrend dieser Zeit zu suchen? Es ist bei der Beantwortung dieser Frage von Bedeutung, da8 die Zentralspindel gerade zu der Zeit unsichtbar wird, wenn die Centrosomen zu dem Kern in Beziehung getreten sind, um nach der vollendeten Auflésung der Kernmembran wieder zu Tage zu treten. Das zeitliche Zusammenfallen dieser Ereignisse kénnte namlich auch eine ursichliche Verbindung zwischen beiden vor- aussetzen lassen und gewisse Verhiltnisse, die bei der zweiten Reifungsteilung zu Tage treten, deuten auch in der Tat darauf hin, da8 hier die Erklarung .des scheinbaren Verschwindens zu suchen ist. In der Prophase der zweiten Teilung werden namlich sehr oft gebogene Zentralspindeln vorgefunden (Fig. 71, 74—76 u. 111—113), und immer ist dann die konvexe Seite der Zentral- spindel der Chromosomenplatte zugewendet. Diese Biegung der Zentralspindel mag wohl durch dieselben Krafte bewirkt werden, die sich auch in der friiher besprochenen Annaherung zwischen Kern und Centrosoma (Fig. 57—59) Ausdruck geben, und die vielleicht auch die Bildung der Zugfasern verursachen und es wird in der Annahme nichts Befremdliches sein, daf auch bei der ersten Teilung die Zentralspindel von denselben Kraften beeinflubt werden kénnte. Die auf den ersten Stadien (Fig. 53 u. 101) deutlich erkenn- bare Zentralspindel der ersten Reifungsteilung geht, glaube ich, wihrend der weiteren Entwickelung (Fig. 54) nicht zu Grunde; sie wird aber in der Weise gebogen, daf sie von der friiher ober- flachlichen Lage in die Tiefe sinkt, bis sie zuletzt der Kern- membran dicht anliegt und so der Beobachtung entzogen worden ist. Die Biegung der Zentralspindel macht in der Mechanik der Teilung keinen Unterschied; die Entfernung der Centrosomen wird nach wie vor durch eine Verlangerung der Zentralspindel bewirkt, nur daf diese nicht frei im Cytoplasma liegt, sondern daf das Hyaloplasma in diinner Lage der Kernmembran ange- 336 Kristine Bonnevie, lagert wird. Die Centrosomen bewegen sich daher auch nicht in gerader Linie auseinander, sondern der kugeligen Kernoberflache entlang, normalerweise so weit, bis sie einander diametral gegen- iibergestellt sind. Wenn sie aber hier stehen bleiben, anstatt sich auf der anderen Hilfte der Kernoberfliche wieder zu nahern, so geschieht dies — wie aus dem Verhalten der Zentralspindel in der ersten Polocyte zu schlieBen ist — nicht, weil das Langen- wachstum der Zentralspindel vollendet ist, sondern weil indessen die Kernmembran aufgelést und die Zugfasern gebildet worden sind. Bei der Auflésung der Kernmembran mag auch das ihr dicht anliegende Hyaloplasma der Zentralspindel eine Rolle spielen, jedenfalls werden von den verschiedensten Objekten Abbildungen gefunden, wo die Kernmembran auf der gegen die Centrosomen wendenden Seite aufgelést ist, wihrend sie auf der anderen noch ganz unberiihrt erscheint (Fig. 59). Auch bei den mainnlichen Keimzellen scheint beim ersten Anblick die Zentralspindel in ihrem Auftreten grofen Schwankungen zu unterliegen. In einer und derselben Serie zeigen sich in den Anfangs- und Endstadien jeder Teilung deutliche Zentral- spindeln (Fig. 157, 165, 166, 170—172); in den mittleren Phasen dagegen sind nur die Zugfasern und — nach der Trennung der Tochterplatten — die Verbindungsfasern nachweisbar. Die aufere Form der Teilungsfigur, sowie auch ihr ganzes Verhalten, stimmen doch sehr wohl mit dem oben entworfenen Bild des Teilungs- vorganges iiberein und auch hier ist, glaube ich, der Schluf be- rechtigt, daB eine Zentralspindel in den mittleren Teilungsphasen vorhanden ist, wenn sie auch nicht nachgewiesen werden kann. “Was wir in unseren Praparaten wahrnehmen kénnen, die »Fasern“ der Strahlung, sind ja, sowohl bei der Polstrahlung als in der Zentralspindel, nur als Nebenprodukte der Hyaloplasma- bewegung zu betrachten; und wenn auch in gewissen Fallen keine Fasern nachweisbar sind, so folgt daraus nicht, daf auch keine Bewegung innerhalb des Cytoplasma stattfindet. Vielmehr ist hierin eine Bestitigung des schon oben zitierten Satzes von TrRICHMANN (1903) zu sehen: ,Gehen die Bewegungen rasch und energisch vor sich, so werden sie auf die Dotterkérnchen einen richtenden Einflu8 ausiiben; erfolgt die Bewegung dagegen lang- sam und trige, so bleibt der richtende Einfluf aus, und es kommt nicht zur Ausbildung von Strahlen.“ Alles deutet nun darauf hin, daf in den kleinen minnlichen Keimzellen bei Enteroxenos die Hyaloplasmabewegung bei der Untersuchungen iiber Keimzellen. 337 Mitose ,,langsam und trage“ vor sich geht. Eine ,,helle Zone‘ ist auf keinem Stadium um die Centrosomen sichtbar, wie auch eine Polstrahlung tiberhaupt nur selten nachweisbar ist; die Teilungsfigur zeichnet sich durch keine besondere Helligkeit aus. Da8 eben in den mittleren Teilungsphasen keine Zentral- spindelfasern nachweisbar sind, wihrend sie in den Anfangs- und Endstadien deutlich hervortreten, haben wir nach den obigen Er- drterungen nur zu erwarten. Bei der ersten Entfernung der Centro- somen auseinander, muf eine relativ rasche Hyaloplasmabewegung stattfinden, und hier findet man daher die Mikrosomen in deutlichen Reihen eingeordnet. In den mittleren Phasen dagegen wird sowohl durch den von den Zugfasern getibten Widerstand, als auch durch das Aufhéren der Centrosomentiatigkeit, eine Verlangsamung der Be- wegung bis zum vdlligen Stillstand bewirkt, und die faserige An- ordnung der Mikrosomen wird wieder aufgegeben. Hier muf aber, wie in den Oocyten, eine Riickstrébmung erfolgen, die zu einer Ausgleichung des innerhalb der Zentralspindel verdichteten Hyalo- plasma fiihrt. Wahrend dieses Riickstrémens wird dann wieder die Bewegung rasch genug geschehen, um eine abermalige Faser- bildung zu bewirken. Kine Schwankung in dem Erscheinen der Zentralspindel, wie sie in den mannlichen Keimzellen von Enteroxenos zum Vorschein kommt, ist nur in solchen Fallen zu erwarten, wo bei der Zell- teilung relativ wenig Kraft in Anspruch genommen wird. Nur dann wird namlich die Zentralspindel so wenig hell erscheinen, da8 ihr Hervortreten von der Existenz deutlicher Fasern ab- hangig ist, und nur dann wird es auch eintreffen kénnen, daf die einmal gebildeten Fasern schon durch die erste Verlangsamung der Bewegung wieder aufgelést werden. Daf die bei Enteroxenos in Anspruch genommene Kraft eben gro’ genug ist, um tiberhaupt eine Faserbildung bewirken zu kénnen, geht daraus hervor, dak eine Polstrahlung zu keiner Zeit deutlich hervortritt, auch wenn die Zentralspindelfasern sichtbar sind. Die zentripetale Hyalo- plasmabewegung findet in einem kugeligen Bereich um das Cen- trosoma herum, mit Ausnahme des kleinen Kugelsektors der Zen- tralspindel, statt; und wenn trotzdem die zentrifugale Bewegung dieser Zentralspindel die zentripetale der Polstrahlung aufwiegen soll, so ist es klar, daf sie auch mit entsprechend gréferer Ge- schwindigkeit geschehen muS. Eben dieser Unterschied geniigt aber in unserem Fall, um in der Zentralspindel deutliche Fasern 338 Kristine Bonnevie, hervortreten zu lassen, wahrend in der Polstrahlung noch keine Fasern sichtbar sind ‘). Es lassen sich dann auch sehr wohl Falle denken, wo bei der Zellteilung noch weniger Krafte in Anspruch genommen werden, und wo auch in der Zentralspindel keine Fasern nach- gewiesen werden kénnen. Die ganze sichtbare Teilungsfigur wird in diesen Fallen, auSer den Chromosomen und Centrosomen, nur aus den fibrillaren Zugfasern bestehen miissen. Es wurde oben gezeigt, daB die Zentralspindelfasern — wenn sie in der Telophase noch bestehen bleiben — eine starke Kon- traktion erleiden (Fig. 157). Diese Verkiirzung der Zentral- spindelfasern steht mit der Riickstrémung des Hyaloplasma aus der Spindel in ursichlicher Verbindung, ebenso wie friiher ihre Verlangerung durch eine entgegengesetzte Bewegung verursacht wurde. Eine Mechanik der Teilung, wie die im obigen dargestellte, stimmt — wie ich es zu zeigen versucht habe — bis in die kleinsten Details mit den bei Enteroxenos vorgefundenen Ver- haltnissen iiberein, indem sich nicht nur die Beobachtungen der Theorie anpassen lassen, sondern die Theorie sich direkt aus den vorliegenden Tatsachen herauslesen la8t. Ein Vergleich zwischen den Reifungsteilungen der mannlichen und der weiblichen Keimzellen bei diesem Tier, oder zwischen den weiblichen Keimzellen vor und nach ihrer Wachstumsperiode, zeigt aber, wie auferordentlich un- gleich die morphologischen Bilder sein kénnen, die in verschiedenen Zellen durch dieselben Krafte hervorgerufen werden, und auch, daf desto mannigfaltigere Bilder zum Vorschein kommen, je gréer die Kraft ist, die bei der Zellteilung in Anspruch genommen wird. Da die Teilungsvorgiinge der kleinen sowohl als der grofen Zellen bei Enteroxenos an und fiir sich nichts zeigen, was sie von ihnlichen Vorgingen bei den meisten anderen Formen wesent- lich unterschiede, so glaube ich in diesem Punkte meine bei Enteroxenos gewonnenen Resultate ohne weiteres auch auf diese Formen iibertragen zu kénnen. 1) Auch wenn in gut fixierten Priparaten keine Fasern nach- weisbar sind, lassen sich doch oft durch Behandlung mit stiirker kontrahierenden Fixationsfliissigkeiten deutliche Fasern zum Vor- schein bringen. Dies zeigt, da’ auch hier eine gewisse Einord- nung der Mikrosomen geschehen ist, nur nicht scharf genug, um ohne weiteres sichtbar hervorzutreten. Untersuchungen iiber Keimzellen. 309 Doch scheint es mir, um meinen Resultaten der Teilungs- mechanik eine generelle Geltung beilegen zu diirfen, geboten, ihre Richtigkeit noch an zwei besonders interessanten Objekten, die auch zum Teil von dem bei Enteroxenos zu Tage tretenden Teilungsvorgang abweichende Bilder zeigen, zu priifen. Es sind dies die grofen Spermatocyten des Salamanders, bei denen Meves (1897) eine Reihe charakteristischer Erscheinungen im Verhalten der Zentralspindel und der Polstrahlungen beschrieben hat, und vor allem die Kier und Blastomere von Rhynchelmis, bei denen nach der interessanten Darstellung von Vespovsky und MrAzexk (1903) Strahlungserscheinungen vorkommen, die an Klar- heit aber auch an Komplikation alles tibertreffen, was an anderen Objekten bis jetzt konstatiert werden konnte. In den Spermatocyten vom Salamander zeigt, wie schon aus friiheren Untersuchungen (Hermann 1891, Dritner 1895) be- kannt war, die Zentralspindel eine miachtige Entfaltung. Von Meves (1897) wurde dann ihr Verhalten sowohl in den Sper- matogonien als in beiden Spermatocytengenerationen genau ver- folgt, und dies zeigt auf vielen Punkten eine auffallende Ueber- einstimmung mit den Verhaltnissen bei Enteroxenos, obgleich von Meves die ,Fasern“ der Zentralspindel als ihre wesentlichen Be- standteile gehalten werden. So werden z. B. die Formverainderungen der Spindel unter dem Einflu8 des von den Zugfasern geiibten Widerstandes in genau derselben Weise beschrieben, mit Annaherung der Centrosomen und kugeliger Auftreibung der Spindel in der Metaphase. Das Eigentiimliche im Verhalten der Zentralspindel des Sala- manders ist aber ein auferordentlich starkes Langenwachstum ihrer Fasern wahrend der spateren Teilungsphasen. Besonders in den Spermatogonien (MrevEs 1897, Fig. 12 und 13) ist diese Erschei- nung auffallend, und die Bilder erinrern in dieser Beziehung an die Verhaltnisse der Polocyten bei Enteroxenos (Fig. 81¢). Bei Enteroxenos war hier das Verhalten der Zentralspindel als abnorm zu betrachten, und es wurde dadurch erklart, daf der normalerweise von den Zugfasern gegen die Verlangerung der Zentralspindel geiibte Widerstand in den Polocyten ausbleibt, und daher die einmal eingeleitete Strémung des Hyaloplasma in die Spindel hinein ungestért fortsetzen darf. In den Spermatogonien und Spermatocyten vom Salamander sind zwar die Zugfasern in normalen Entwickelung vorhanden, 340 Kristine Bonnevie, aber die Verbindungsfasern zwischen den Tochterchromosomen scheinen hier kaum nachweisbar zu sein. MErveEsS erwahnt fiir die erste Reifungsteilung (1897, p. 49), daf die aquatoriale Verdiin- nung und ZerreiZung der Chromosomen verhaltnismafig leicht und bald zu erfolgen“ scheint, und in den Abbildungen spielen die Verbindungsfasern keine Rolle. Wir haben also hier einen Fall, wo der von den Zugfasern geiibte Widerstand mit der Trennung der Chromosomen plotzlich aufgehoben wird, und das schon in einer Phase der Teilung, wo noch keine Umkehr in der Strémungsrichtung stattgefunden hat. Die Bewegung wird daher auch in der urspriinglichen Richtung und zwar mit gesteigerter Geschwindigkeit fortgesetzt, wahrend die deutlich hervortretenden Fasern sich entsprechend rasch verlangern. In den Polocyten bei Enteroxenos findet tiberhaupt keine Riickstrémung aus der Zentralspindel und auch keine Teilung der Zelle statt; in den méannlichen Keimzellen des Salamanders kommt dagegen ein Moment hinzu, das fiir den Abschlu8 der Teilung entscheidend wirkt, namlich die Entstehung der Tochterkerne. Um beide Tochterplatten der Chromosomen sieht man in den Abbildungen von MEves eine wachsende Menge Hyaloplasma sich ansammeln, und gleichzeitig zeigen die Zentral- spindelfasern anstatt des friiheren Wachstums eine rasche Kon- traktion. Auch das Verhalten der Polstrahlen deutet darauf hin, da8 die Hyaloplasmastrémung jetzt eine entgegengesetzte Richtung eingeschlagen hat. Mit der wachsenden Zentralspindel ist nach Meves die Pol- strahlung immer kleiner geworden, und zur Zeit der beginnen- den KEinschniirung der Zelloberfliche ist sie kaum nachweisbar. In den Telophasen dagegen entsteht wieder eine michtige Pol- strahlung, deren Strahlen sich immer mehr verlingern, so daf sie mit ihren peripheren Enden an die Membran der Tochterzelle heranreichen, wahrend das mit ihren zentralen Enden verbundene Centrosoma in der verschiedensten Weise verlagert wird (MEVES 1897, Fig. 77—82). Diese neuen Polstrahlen sind nach Mreves (p. 23) ,,offenbar auf Kosten der Spindelfasern aufgebaut“, ein Verhalten, da’ sich eben durch eine Riickstrémung des friiher in der Zentralspindel angehiuften Hyaloplasma erkliren lat. Wahrend diese Aus- gleichung des Hyaloplasma bei Enteroxenos ganz langsam und diffus geschah, ist die Bewegung hier so viel rascher, daf eine Strahlenbildung erfolgt. Untersuchungen iiber Keimzellen. 341 Die Polstrahlen nehmen hier, wie auch in der friihen Prophase, an Lange zu; es ist aber von Interesse zu bemerken, das — unter der obigen Annahme — dies Liangenwachstum in beiden Fallen verschiedene Ursachen hat. In der Prophase ist die Hyalo- plasmabewegung eine zentripetale, und das Wachstum der Strahlen bedeutet hier, daf{ von immer weiteren Kreisen, das Hyaloplasma in die Bewegung mit hineingezogen wird, also eine Anlagerung neuer Bestandteile an den peripheren Enden der Strahlen. Wenn in der Telophase Polstrahlungen entstehen, wird aber ihr Wachs- tum an den zentralen Enden geschehen. Durch das Wachstum der Polstrahlen und die gleichzeitig vor sich gehende Kontraktion der Zentralspindel wird beim Sala- mander die Lage der Centrosomen in beiden Tochterzellen ver- schiedentlich verandert, bis endlich die Tochterzellen, sowie ihre einzelnen Bestandteile, mit dem wiederhergestellten Gleichgewicht im Cytoplasma ihre endliche Form und Lage einnehmen. Noch einen Punkt méchte ich auf Grundlage der von MrEvgs gemachten Beobachtungen etwas naher erértern. In den von TEICHMANN beschriebenen abnormen Zellteilungen bei Echino- dermen wurde die Einschniirung der Zellmembran durch ein Zu- sammenwirken beider Polstrahlungen erméglicht, indem ,die zwischen den Zentren liegende Region, in der sich deren Wirkungen begegnen“, eine Stelle gréSter Plasmaarmut reprasentiert; und wenn ,die zentripetale Plasmabewegung“ so stark geworden ist, ,aa8 sie zwischen beiden Mittelpunkten an einer Stelle die Zell- oberflache erreicht“, sind die Bedingungen vorhanden fiir eine durch die Oberflaichenspannung bewirkte Zerlegung der Zelle in zwei Halften. In den Oocyten von Enteroxenos ist ein Zusammenwirken zwischen Polstrahlen und Zentralspindel notwendig, um eine Zellteilung zu erméglichen. Durch die Verlangerung der Polstrahlen bis an die Zellmembran, wird wohl hier ein Angriffs- punkt fiir die furchende Kraft geschaffen; aber die Furche kann erst dann die Zelle durchschneiden, wenn in der Zentralspindel die Riickstrémung so weit vorgeschritten ist, daf’ im Aequator der Spindel auch wirklich eine Stelle gréSter Plasmaarmut zu finden ist. Erst dann werden sich die Zentralspindelfasern auflésen oder in die Bildung eines Zwischenkérperchens tibergehen und die Zelle wird in zwei Halften zerlegt. Beim Salamander endlich scheint ein Fall vorzukommen, wo die Einschniirung der Zellmembran durch die Zentralspindel Bd. XLI. N. F. XXXIV. 93 342 Kristine Bonnevie, allein, ohne Hilfe der Polstrahlungen, vorbereitet wird. Wahrend namlich die Polstrahlungen auf dem betreffenden Stadium sehr schwach entwickelt sind, breitet sich die stark angewachsene Zentralspindel im Aequator allseitig bis zur Beriihrung mit der Zellmembran aus, und wenn hier bei der Tochterkernbildung eine auf die beiden Pole gerichtete Bewegung des Hyaloplasma eintritt, werden die Zentralspindelstrahlen genau in derselben Weise die Zellteilung vorbereiten, wie von TEICHMANN bei der Polstrahlung beschrieben wurde. Bei Rhynchelmis sind die Eier und besonders die Teilungs- figuren ungemein grof, und die von VEspOvsKY und MRAzZEK [1903]!) bei diesem Objekt beschriebenen Vorginge scheinen mir von solcher Bedeutung zu sein, daf sie bei jedem Versuch einer Erklarung der Zellteilungsmechanik in Betracht gezogen werden miissen. Die Teilung dieser grofen Zellen erfordert eine viel gréBere Kraftentfaltung, als bei den kleineren Zellen der Fall ist, und daher tritt auch in den morphologischen Bildern eine Kompli- kation hervor, die diejenige der kleineren Zellen weit iibertrifft. Wahrend aber die Schliisse, die sich aus den grofen und iiber- sichtlichen Bildern dieser Zellen in Bezug auf die Teilungs- mechanik ziehen lassen, mit grofer Wahrscheinlichkeit auch auf kleinere Zellen iiberfiihrt werden kénnen, ist dies kaum mit den morphologischen Resultaten der Fall. Durch die gréfere Entfaltung der bei der Teilung wirkenden Krafte wird nimlich auch eine stirkere Differenzierung und eine daraus erfolgende gréfere Komplikation der Bilder hervorgerufen. So vielen Wert ich auch den interessanten Resultaten von VEJDOVSKY und MrAzexk beilegen méchte, muf ich daher doch im Gegensatz zu diesen Autoren (p. 553) behaupten, daB es sich in Betretf der morphologischen Bilder um einen ,,nur fiir Rhynchelmis giiltigen Spezialfall** handelt und nicht ,,um einen Vorgang, der auch bei vielen anderen daraufhin niher gepriiften Eiern und Zellen als ein normales Geschehen auftritt*. Eben weil wir aber in diesem Spezialfall das duSerste Extrem einer steigenden Differenzierung innerhalb des karyokinetischen Apparates vor uns haben, deshalb sind auch die Aufschliisse, die 1) Die Hauptergebnisse dieser Vorginge sind yon VrspoysKy schon 1888 verdéffentlicht worden. Untersuchungen iiber Keimzellen. 343 an diesem Objekt tiber die Teilungsmechanik gewonnen werden kénnen, von so auSerordentlich grofer Bedeutung. Ich werde im folgenden durch einen Vergleich mit der von VesDOvsky und MRAzEK gegebenen Darstellung der Verhiltnisse bei Rhynchelmis die Richtigkeit meiner Resultate iiber die Teilungs- mechanik priifen. Ein wesentlicher Punkt der Uebereinstimmung liegt darin, dafi sich auch bei Rhynchelmis die Polstrahlen nicht als ,,wirk- liche Fasern‘‘ erklaren lassen, sondern nur ,,als sichtbarer Aus- druck der inneren zentripetalen Bewegung und Umbildung des Hyaloplasmas* (VespovsKy und MraAzex 1903, p. 525). In den mittelgrofen Zellen (grofen Mesomeren) bei Rhyn- chelmis scheinen sich die Strahlungsphinomene in ganz Ahnlicher Weise abzuspielen, wie bei Enteroxenos von mir beschrieben. Die Centroplasmen (Centrosomen) quellen bei jeder Teilung stark auf, und es entstehen endogen in denselben ,Tochtercentroplasmen“ (Centriolen), an deren Oberfliche neue Polstrahlen herantreten. Wie bei Enteroxenos, zerfallt auch am Ende jeder Teilung das aufgequollene Centrosoma, und die nachste Teilung wird durch das junge Strahlensystem in seinem Innern eingeleitet (VEJDOVSKY und Mrazex, Fig. 56—61). In den gréf’ten Zellen dagegen, den Eiern und Blastomeren, geschieht das Aufquellen der Centroplasmen mit auferordentlicher Intensitat, und nicht nur Tochter- sondern auch Enkelcentro- plasmen entstehen zwischen je zwei Teilungen innerhalb eines Muttercentroplasma. Von Bedeutung fiir die Teilungsmechanik ist es hier, daf trotz dieser Komplikation immer nur eine Teilung des Cytozentrums in jeder Zellgeneration stattfindet. Dies alles lat sich sehr wohl mit dem oben bei Enteroxenos beschriebenen Vorgang in Einklang bringen: Bei dem in der zen- tripetalen Hyaloplasmastrémung der Polstrahlen begriindeten Auf- quellen des Centrosoma wird seine ,,aktive‘‘ Substanz in der Mitte, im Centriol, konzentriert, und wenn das letztere eine gentigende Kraft erreicht hat, um auf das umgebende Hyaloplasma verdichtend zu wirken, wird auch diese Kraft gebraucht, gleichgiiltig, ob das Muttercentrosoma schon zu Grunde gegangen ist oder nicht. — Der von VEJDOVSKY und MrAzexk gefiihrte Nachweis einer zweimaligen, endogenen Neubildung eines Strahlensystems innerhalb einer Zell- generation ist auch daher von grofem Interesse, weil er zeigt, da8 die Centriolenbildung nicht notwendigerweise mit der Teilung des Cytozentrums in Zusammenhang stehen muff. 23 * 344 Kristine Bonnevie, Ich habe bei der Besprechung der Cytozentren erwahnt, daf ein Centrosoma, um ohne Substanzverlust in die beiden Tochter- centrosomen iibergehen zu kénnen, eine gewisse Gréfe nicht tiber- steigen darf, weil seine Oberflachenspannung dann nicht geniigen wiirde, das Centroplasma um die beiden Centriolen abzurunden. Auch diese Anschauung wird durch die eigentiimlichen Ver- haltnisse bei Rhynchelmis gestiitzt. Vespovsky und MRAzEx be- schreiben naimlich hier zwei verschiedene Typen in der Bildung der Tochtercentroplasmen, deren Beziehungen zur Centriolen- teilung von grofem Interesse sind. Der erste Typus beruht darauf (p. 526), ,,daf sich zuerst das Centriol innerhalb des alten Centroplasmas verdoppelt und um jedes Teilungsprodukt bildet sich vollstandig je ein neues Centro- plasma‘‘. Dieser Typus ist nach Vespovsky und MraAzex fir die Glossiphonien allgemein giiltig, wahrend er bei Rhynchelmis nur ausnahmsweise vorkommt. In der Regel geschieht hier die Bil- dung der Tochtercentroplasmen nach dem zweiten Typus. Nach diesem (p. 527) ,,bleibt das Centriol im Zentrum des Muttercentroplasma einfach, es teilt sich erst sekundir, nachdem das Tochtercentroplasma bereits angelegt ist’. Spater sieht man auch das Tochtercentroplasma, ,,das infolge des Zufliefens des Materiales bis zu gewisser Gréfe herangewachsen ist, sich ,,zu zwei gleich grofen Halften, deren Zentrum je ein Centriol ist‘, einschniiren. ,,Diese Teilung geschieht aber nicht so einfach“, und noch bevor ,,die Teilung des Tochtercentroplasma ganz voll- zogen ist, sehen wir innerhalb jeder Halfte eine priachtige Strah- lung um die Centriolen“, die Enkelcentroplasmen. Eine Entscheidung, ob der erste oder zweite Typus zur Ent- faltung kommen soll, liegt, nach dem obigen, in der Teilung der Centriolen. Geschieht dieselbe — wie bei allen friiher bekannten Objekten — zu einer Zeit, wenn noch keine Strahlung um die Centriolen entstanden ist, dann kommt es nicht zur Bildung von ,Enkelcentroplasmen“. Um die beiden Tochtercentriolen herum bildet sich ein dizentrisches Strahlensystem, und damit ist die nichste Zellgeneration schon eingeleitet. Wenn aber die Aktivitat des Centriols schon vor der Zeit eintritt, wo es zur Teilung reif ist, dann muf ein monozentrisches Tochtercentroplasma entstehen, und die fiir die folgende Zellteilung notwendige Dizentrizitaét lilt sich erst durch Teilung des im Innern des Tochtercentroplasma befindlichen Centriols erreichen. Nachdem diese Teilung geschehen ist, versucht sich das Tochtercentroplasma ,,zu zwei gleich grofen Untersuchungen tiber Keimzellen. 345 Halften, deren Zentrum je ein Centriol ist, einzuschniiren (VEJ- pOvSKY und MraAzex, Fig. 49—50). Wenn dieser Versuch zu Ende gefiihrt werden kénnte, wiirden die beiden Halften des Tochtercentroplasma als Centrosomen bei der folgenden Teilung fungieren, und es wiirden keine Enkelcentroplasmen entstehen. So geht es aber nicht, das Tochtercentroplasma ist zur Zeit der Centriolenteilung schon so stark herangewachsen, daf seine Ober- flichenspannung nicht mehr geniigt, um seine Teilung herbei- zufiihren, und die dizentrische Strahlung wird daher wieder inner- halb desselben, um die nackten Centriolen herum, entstehen miissen. Bei noch gréferen Strahlungserscheinungen als den bei Rhyn- chelmis entdeckten liefe sich wohl auch eine gréSere Komplikation im Verhalten des Cytozentrums vorstellen, indem die Zahl der in einer Zellgeneration endogen entstehenden ,,Centroplasmen“ noch gesteigert werden kénnte. Diese Steigerung wiire aber nur in dem vor der Centriolenteilung liegenden Zeitraum zu erwarten. Die Zahl der endogen entstehenden monozentrischen Strah- lungen kénnte mit der steigenden Entwickelung des ganzen Teilungs- apparates wohl gréfer werden; wenn aber erst durch die Teilung der Centriolen eine Dizentrizitat angebahnt worden ware, wiirde um jedes dieser Zentren nur noch einmal eine Strahlung entstehen kénnen, namlich die Polstrahlungen der folgenden Teilung. Eine wesentliche Differenz zwischen der Darstellung von VEJ- DOVSKY und MRAzeK und der meinigen ist in Bezug auf das Verhalten zwischen Centriol und Centrosoma zu _ finden. Von VEJDOVSKY und MRAzEK wird beschrieben, wie bei Rhynchel- mis mit dem Spermatozoon ein Centriol in das Ei hineingefiihrt worden sei, das durch die folgenden Zellgenerationen permanent verfolgt werden kénne. Die Ceutrosomen (Centroplasmen) sind nach ihnen als iuBere, durch die Strahlung bewirkte Anlage- rungen um die permanenten Centriolen herum zu betrachten. Im Gegensatz dazu habe ich fiir die ,,grofen“ Centrosomen die Neubildung der Centriolen in jeder Zellgeneration als innere Differenzierung der Centrosomen angenommen. So grof auch der Gegensatz dieser beiden Auffassungen er- scheinen mag, so ist er doch, glaube ich, in keinem wesentlichen Unterschied der beiden Objekte begriindet, und es lassen sich auch die Verhaltnisse bei Rhynchelmis in derselben Weise erklaren, wie diejenigen bei Enteroxenos. Bei der Beschreibung der Entstehung der ersten Furchungs- spindel wird von Vespovsky und MrAzeK zuerst ein Stadium 346 Kristine Bonnevie, abgebildet (Fig. 33), wo nach der Teilung des Spermazentrums die neuentstandenen Strahlen ,,fast die Oberfliche der Centriolen beriihren“ (p. 503). Und in den ,nachsten Stadien“ (Fig. 34) sieht man die Centriolen schon mit einem hyalinen Héfchen um- geben, an dessen Peripherie das neue Strahlensystem hervortritt*‘. Der Uebergang zwischen diesen beiden Stadien wird nicht durch Beobachtungen vermittelt, sondern durch eine Erklarung der Autoren in folgendem Satz (p. 504): ,,Die Entstehung dieses neuen Strahlensystems miissen wir uns so vorstellen, daf das fein- kérnige, interalveolire Plasma zu neuen Plasmastrémen oder Radien umgeordnet, die Bildung des neuen Tochtercentroplasma in der Gestalt des erwahnten hyalinen Hoéfchens hervorgerufen hat.“ Neben dieser Vorstellung kénnte aber auch eine andere Platz finden, die namlich, da’ das hyaline Héfchen nicht durch An- lagerung von Hyaloplasma auferhalb des urspriinglichen Cyto- zentrums, sondern vielmehr durch Aufnahme dieses Hyaloplasma von seiten der Cytozentren und ein daraus folgendes Aufquellen derselben entstanden ist, wiaihrend in ihrem Inneren wieder durch Verdichtung ein zentrales Kérnchen erscheint. Die Abbildungen der Mesomeren bei Rhynchelmis (V. und M. Fig. 56—60) scheinen in der Tat mehr fiir die letztere, als fiir die erstere Annahme zu sprechen. Ein Stadium in den Beobachtungen von Vespovsky und MRAZEK scheint jedoch beim ersten Anblick unbedingt zu Gunsten ihrer Auffassung des Centrosoma (Centroplasma) als eine ,,aiubere Anlagerung“’ zu sprechen. Es ist dies das erste Auftreten des Centroplasma um das Spermazentrum herum, eine Bildung, die tibrigens mit den Strahlungszentren der ersten Furchungsteilung nichts zu tun hat. Hier wird namlich in tiberzeugender Weise in Wort und Bild gezeigt, dafi von dem mit dem Spermatozoon ins Ei hinein gebrachten Cytozentrum ,,eine Reizwirkung auf die Grundsubstanz des Eies“ geiibt wird, die in der Bildung der Radien, d. h. der zentripetalen Plasmastréme, sich Ausdruck gibt. ,,Als eine Resul- tante der zentripetalen Plasmastrémung’ (p. 494) entsteht dann allmaihlich um das Cytrozentrum herum eine miachtige Plasma- anhiufung, die von Vesypovsky und MrAzek mit dem Centrosom Boveris identifiziert wird. Dieses Centroplasma wird bei der Teilung des Cytozentrums nicht geteilt, sondern bleibt als eine helle Zone bestehen, in der sich die ganze Teilungsfigur aus- breitet (V. und M. Fig. 22—38). Untersuchungen iiber Keimzellen. 347 Daf diese helle Zone durch eine dufere Anlagerung des Cytozentrums entsteht, scheint zweifellos. Eine andere Frage ist es aber, ob sie auch mit dem Centrosom Boverts homolog ist, und ich mu8 auf Grundlage meiner Beobachtungen bei Enteroxenos diese Frage in anderer Weise beantworten als VEyDOvsky und MRAZEK. Es besteht zwischen der ersten Furchungsteilung und den zunachst folgenden eben in Betreff ihrer Cytozentren ein wesent- licher Unterschied. Die Cytozentren der ersten Teilung, die mit dem Spermium ins Ei hineingebracht wurden, sind von Anfang an ganz klein, und die charakteristischen Umgebungen derselben werden aus einem vollig undifferenzierten Material neu hergestellt. Bei den folgenden Teilungen dagegen, zwischen denen bei Rhyn- chelmis kein eigentliches Ruhestadium eingeschoben ist, werden nicht nur die Cytozentren selbst, sondern auch zum Teil ihre charakteristischen Umgebungen von der vorhergehenden Zell- generation als Erbe tibernommen. Ein ganz analoger Unterschied besteht zwischen beiden Reifungsteilungen der Oocyten bei Enteroxenos, sowie auch bei vielen anderen Formen. Die erste Teilung wird durch die Ent- stehung einer hellen Zone auferhalb der kleinen Centrosomen ein- geleitet, bei der zweiten Teilung dagegen sieht man eine ent- sprechende helle Zone auf dem praformierten Boden des alten Centrosoma entstehen. Man wiirde aber hier sehr irren, wenn man die helle Zone der ersten Reifungsteilung fiir ein Centrosoma halten wiirde, weil diejenige der zweiten Teilung auf Grundlage eines alten Centro- soma entstanden ist. Und dasselbe laft sich mit gleichem Recht von den Centroplasmen der ersten und zweiten Furchungsteilung bei Rhynchelmis sagen. Die hellen, durch Anhaufung von Hyaloplasma_ gebildeten Zonen um die Centrosomen herum sind charakteristische Begleit- erscheinungen jeder wohlentwickelten Strahlung; es scheint aber yon untergeordneter Bedeutung, ob das Hyaloplasma dem un- differenzierten Cytoplasma entnommen wird, oder ob es schon in dem Centrosoma der vorhergehenden Teilung eine Rolle gespielt hat. Ich glaube also, aus meinen Erfahrungen an Enteroxenos schlieBen zu diirfen, da auch bei Rhynchelmis das mit der Spermie ins Ei hineingebrachte Cytozentrum ein Centrosoma und nicht ein Centriol ist, und daf die Plasmaanhaufung auSerhalb desselben nicht als ein Centrosoma betrachtet werden kann, sondern 348 Kristine Bonnevie, als ein Homologon der hellen Zone bei Enteroxenos. Nur zeigen bei Rhynchelmis alle Strahlungserscheinungen, also auch sowohl Centrosomen als ,,helle Zonen“, eine viel starkere Entfaltung als bei irgend einem anderen, bis jetzt bekannten Objekt nachgewiesen worden ist. Zuletzt méchte ich auch noch die Frage erértern, ob meine fiir Enteroxenos gegebene Deutung der Zentralspindel auch fiir die eigentiimlichen Bilder bei Rhynchelmis eine befriedigende Erklarung zu liefern im stande ist. Eine typische Zentralspindel wird von VrEspOvsKy und Mrazek in ihrer Fig. 44 abgebildet, die das erste Entfernen beider Tochtercentriolen innerhalb des Muttercentroplasma darstellt. Sie legen aber derselben keine Bedeutung bei, sondern sagen ausdriicklich, dab (p. 524) ,nachdem sich die Centriolen weit von- einander entfernt haben, auch die zwischen ihnen sich erstrecken- den Strahlen‘* verschwinden. Dieser Satz wird jedoch durch ihre, sonst so tiberaus klaren Abbildungen, eigentlich nicht bestatigt. In zwei Figuren werden zwar junge Strahlungszentren ab- gebildet, ohne jede sichtbare Verbindungsbriicke. Die eine (Fig. 33) stellt ein Stadium nach der Teilung des Spermacentrosoma dar, wo die beiden Tochterzentren innerhalb der oben besprochenen Plasmaanhiufung ziemlich weit voneinander entfernt liegen. Die Verfasser wiirden aber gewil} auch selbst dieser Abbildung keine entscheidende Bedeutung beilegen, da es ihnen, nach ihrer eigenen Aussage, nicht gelungen ist (p. 502) ,,eine Methode ausfindig zu machen, um die duferst subtilen Strukturen des inneren Kugel- inhaltes (Centroplasma) fixieren zu kénnen“, und sie muften sich ,meist nur mit den zerrissenen Ueberbleibseln des Reticulums be- gniigen“. Auch in Fig. 52 (unten) sind von VespovskKy und MRAzEK zwei vollig getrennte Strahlungszentren abgebildet. Es ist dies einer der bei Rhynchelmis nur ausnahmsweise vorkommenden Falle, wo die Teilung des Centriols schon vor dem Beginn ihrer strahlungserregenden Wirksamkeit vollzogen worden ist. Damit ist aber auch eine Erklirung fiir die Abwesenheit einer Zentral- spindel zwischen beiden Zentren gegeben. Bei Enteroxenos ging es namlich deutlich genug hervor, und aihnliches ist auch friiher bei Echinus (Bovert 1901) gezeigt worden, daS die Stellung der Centriolen innerhalb eines noch wirksamen Centrosoma als Resultat eines allgemeinen Gleich- gewichtszustandes des Centroplasma betrachtet werden mul, So- Untersuchungen iiber Keimzellen. 349 lange das Centrosoma noch kugelrund war, lagen die Centriolen in beliebiger Stellung im Verhialtnis zur Achse der Teilungs- figur; sobald es aber gegen Ende der Teilung in die Breite ausgezogen wurde, wurden auch die Centriolen, anscheinend ganz passiv, weiter auseinander entfernt und so eingestellt, dai ihre Verbindungslinie mit der Langsachse des Centrosoma zusammen- fiel. So lat sich auch das Verhalten der inneren Strahlungs- zentren in Fig. 52 (VEgpovsKy und MraAzex) erklaren. Ihre Lage ist durch die Form des Centroplasma bestimmt, und erst spiiter ist dann ihre Aktivitit den Umgebungen gegeniiber eingeleitet worden. Kin Zusammenwirken beider Zentren, und damit auch ein aktives Entfernen derselben, ist noch nicht zu stande gekommen und daher auch keine Zentralspindel nach- weisbar. In allen tibrigen Abbildungen bei Vespovsky und MrAzex sieht man die Schwesterzentren unter sich in Verbindung stehen, nicht immer durch typische Zentralspindeln, sondern in einer Weise, die sich — wie jetzt gezeigt werden soll — sehr wohl mit dem fiir Enteroxenos entworfenen Bild der Zentralspindel in Einklang bringen labt. Die Spindelfigur zeigt bei Rhynchelmis ein sehr eigentiim- liches Verhalten, indem die aus dem Kerngeriist entstandenen Zugfasern wahrend der ganzen Teilung dicht vereinigt bleiben, so dafi sie eine nahezu kompakte Achse in der Spindel bilden. Die eventuell auftretende Zentralspindel (die hier nur mit Un- recht ihren Namen tragen wiirde), findet nur auferhalb dieser »Kernspindel* ihren Platz. Eine andere Eigentiimlichkeit bei der Spindelbildung von Rhynchelmis sind die ,machtigen Protuberanzen“, ,,mittelst welcher die polaren Centroplasmen mit der Kernspindel innig verbunden sind“ (p. 519). ,,Diese Protuberanzen sind nicht ur- spriinglich“ (p. 520), ,sie entstehen offenbar erst bei der Bildung der Kernspindel.“ ,Durch das fortschreitende Auseinanderweichen der Centroplasmen differenzierte sich deren mit der Spindel in Verbindung stehender Teil und bildete sich zum machtigen Lappen oder Centroplasma-Protuberanz, welche sich sonst durch dieselbe alveolire Struktur auszeichnet, wie das Centroplasma selbst. Nur sind die Alveolen, dem Zuge der Spindel entsprechend, in den Protuberanzen reihenartig angeordnet“. — ,,Also nur die weite Ent- fernung des urspriinglich kugeligen Centroplasmas vom Furchungs- 350 Kristine Bonnevie, kerne hat die gewissermafen ungewohnliche und aberrante Gestalt desselben veranlaBt.“ Den letzten Satz méchte ich, in Uebereinstimmung mit meiner Auffassung dieser Vorginge, umkehren, indem ich glaube, daf die weite Entfernung der Centroplasmen voneinander nicht die Ur- sache, sondern vielmehr eine Folge von dem Hervorschiefen der eigentiimlichen Protuberanzen ist, und daf die Protuberanzen nicht als Ausdruck einer Zugwirkung oder — wie auch yon VEJDOVSKY und MrAzEK ausgesprochen — einer Fliissigkeitsstrémung aus der Kernspindel in die Centroplasmen, angesehen werden diirfen, sondern daf sie umgekehrt durch eine Hyaloplasmastrémung von beiden Zentren gegen die Spindel hin gebildet werden. Die Grundlage zu dieser abweichenden Auffassung ist, aufer in meinen an Enteroxenos gemachten Beobachtungen, hauptsach- lich in den Abbildungen von VEspovsKy und MRAzEK selbst zu suchen. Ueberall namlich, wo in diesen Abbildungen wohl entwickelte Protuberanzen vorkommen (Fig. 40—41, 45—47) zeigen diese eine sehr charakteristische kolbenartige Form, mit ihrer breiteren, scharf begrenzten Basis der Kernspindel zugekehrt, wahrend sie mit dem anderen Ende kontinuierlich in die Centroplasmen iibergehen. Diese Form lat sich, glaube ich, mit der von Vesypovsky und MRAZzEK beschriebenen Entstehungsweise der Protuberanzen nicht vereinigen. Weder durch eine Zugwirkung noch durch eine Strémung in der Richtung von der Spindel gegen die Pole hin kénnten die kolbigen Anschwellungen der Protuberanzen zu stande kommen, aber wohl durch eine Strémung in entgegengesetzter Richtung, in die Spindel hinein. Auch durch eine Betrachtung der verschiedenen Entwickelungs- stadien dieser Protuberanzen (VEspovsKy und MrAzexK, Fig. 38 bis 41) wird die Annahme einer solcben Strémung wesentlich ge- stiitzt. Die Kolbenform ist zuerst nur wenig auffallend, tritt aber in spiteren Teilungsphasen immer deutlicher hervor. Dies labt sich, glaube ich, so erkliren, dal die kompakte Kernspindel nur ein sehr spirliches Eindringen von Hyaloplasma erlaubt; dasselbe wird daher allmihlich an den duferen Enden derselben aufgestaut, wodurch die starke Auftreibung der Protuberanzen bewirkt wird. Der Unterschied in den Bildern der Zentralspindel bei Entero- xenos und Rhynchelmis scheint nach dem obigen in der Festig- keit der fiir Rhynchelmis eigentiimliechen Kernspindel begriindet zu sein, und die mechanische Wirkung der Zentralspindel (resp. Untersuchungen iiber Keimzellen. 351 der Protuberanzen) mag wohl in beiden Fallen dieselbe sein, nimlich erstens eine Entfernung der Cytozentren bis zu einem fiir die Zellteilung giinstigen Abstand — und dann auch zweitens eine Streckung der Zugfasern’). Es scheint doch auch in den meisten Fallen aufer den Protuberanzen auch eine typische Zentralspindel zu existieren, die die Kernspindel allseitig umgibt. Von besonderem Interesse sind hier auch zwei von VEu- DOvVSKY und MrAzex beschriebene abnorme Teilungsfiguren (Fig. 45 u. 46), wo das Aufquellen des einen Centroplasma unter- blieben ist. In beiden Fallen zeigt es sich, daf auf derjenigen Seite, wo das Centroplasma klein geblieben ist, die Protuberanz im Gegenteil eine auSergewohnliche Gréfe hat; ja in einem Falle (Fig. 46) ist auch die ganze Spindel (Kernspindel sowohl als Zen- tralspindel) stark aufgeblaAt. Auch diese Abnormitaten lassen sich von. dem eben be- sprochenen Gesichtspunkt aus teilweise erklaren. Die Polstrahlung ist in beiden Fallen normal entwickelt; der zentripetale Zuflu8 ge- schieht also in gleichem Maf an beiden Polen dieser Teilungsfiguren. Wahrend aber an dem einen Pol das Hyaloplasma in iiblicher Weise von dem Centroplasma aufgenommen wird, wobei dasselbe stark aufquillt, so ist das andere Cytozentrum insoweit abnorm, als es seine Fahigkeit zum Aufquellen eingebii{t hat. Das durch die Polstrahlung angehaufte Hyaloplasma muf dann hier direkt in der Protuberanz einen Abflu8 suchen und diese ist daher un- gewohnlich stark angewachsen. Der Druck kann dann zuletzt (Fig. 46) in der Protuberanz so grof werden, dai das Hyalo- plasma auch in die Spindel selbst hineingepreft wird. C. Chromatindiminution. Im beschreibenden Teil wurde gezeigt, dafi die chromatischen Doppelfaidchen der Oocytenkerne nach vollendeter Konjugation stark heranwachsen, um sich spiter zum zweiten Mal netzformig im Kern zu verbreiten, und weiter, daf am Ende der Wachstums- periode ein Zerfall des Chromatins schon innerhalb des Kernes stattfindet, infolgedessen nur ein Teil des Chromatins bei der c 1) Eine Streckung der Zugfasern laft sich bei Rhynchelmis nur unter der Voraussetzung annehmen, daf sie nicht nur auf der Basis der Protuberanzen, sondern auch an deren Seitenwanden oder an dem noch kugeligen Teil des Centroplasma befestigt sind. 352 Kristine Bonnevie, Chromosomenbildung Verwendung fand, wahrend das iibrige in Form ganz kleiner Chromatinbrocken auferhalb der mitotischen Figur als eine ,Kérnchenhiille‘ um dieselbe herum angeordnet wurde. In einer vorlaufigen Mitteilung (1905) habe ich schon auf die grofe Uebereinstimmung hingewiesen, die zwischen diesem ProzeB bei Enteroxenos und dem von GrArpDINa (1901) beschriebenen Verhalten des Chromatins bei Dytiscus besteht. Die eigentiim- liche Differenzierung des Chromatins bei Dytiscus war aber schon friher von Boveri (1904) als ein Diminutionsprozef aufgefaSt worden, von ahnlicher Bedeutung wie der von ihm selbst bei Ascaris meg. entdeckte. So war nur noch ein Schritt tbrig, um in dem bei Enteroxenos, wie bei so vielen anderen Formen, vorkommenden Zerfall des Chromatins am Ende der Wachstums- periode der Oocyten auch einen Diminutionsvorgang zu ersehen. Durch eine nahere Untersuchung des Chromatins der lange dauernden Oocytengeneration bei Enteroxenos wurde diese An- nahme nur bestatigt, indem es mit grofer Wahrscheinlichkeit her- vorging, daf bei dem Zerfall des Chromatins jedes Chromsoma einen Teil seiner Chromatinsubstanz verliert. Ich werde im folgen- den diese Frage etwas naher erértern. Um einen Vergleich mit den Verhaltnissen bei Dytiscus zu erleichtern, erlaube ich mir einige seiner Abbildungen hier bei- zufiigen (Textfig. E bis G). In dem Schema (Fig. E) wird das Verhalten der aufeinanderfolgenden Generationen illustriert, inner- halb welcher die Differenzierung zwischen Oocyte und Nahrzellen vollzogen wird, und in Fig. F 1—6 wird das Verhalten des Chromatins wihrend der ersten der im Schema dargestellten Zell- teilungen abgebildet. Wahrend bei Dytiscus in den vorhergehenden Mitosen die Verteilung des Chromatins auf je zwei Tochterzellen eine normale war, so geschieht in einer gewissen Generation der Oogonien, eine Sonderung des Chromatins in zwei Halften (Fig. F 2—3), von denen die eine — ca. 40 Chromosomen — durch mitotische Teilung auf die beiden Tochterzellen gleich verteilt wird, die andere Halfte dagegen eine kompakte Chromatinmasse bildet, und bei der Teilung auferhalb der Spindel ringférmig angeordnet wird, um ungeteilt auf die eine Tochterzelle iibergefiihrt zu werden (Fig. F 4—5). Nach der Zellteilung wird der Chromatinring wohl mit den Chromosomen zusammen innerhalb einer Kernmembran_ einge- schlossen, erhilt sich aber hier als eine kompakte Chromatin- Untersuchungen tiber Keimzellen. 353 Oogonie 01 ee eae Nahrzellen Fig. E. | 4 5 awe ‘ Fig. F1—6. Fig. E und F1—6. Differenzierung der Keimzellen und Nahrzellen in der Oogenese von Dytiscus. (Aus Boveri 1904, nach GIARDINA 1901.) 354 Kristine Bonnevie, masse (Fig. F 6). Derselbe ProzefS wiederholt sich noch 3mal, und als Resultat sieht man (Fig. E) aus der einen Oogonie 16 Zellen hervorgehen, unter denen 15 chromatinarme Nahrzellen von einer chromatinreichen Oocyte zu unterscheiden sind. Die Oocyte hat, aufer den ca. 40, allen Zellen zukommenden Chromo- somen auch den ganzen kompakten Chromatinring bekommen. Das weitere Schicksal dieses Oocytenkernes wird in einer spaiteren Arbeit von GrarpinA (1902) beriihrt. Er bildet hier zwei Stadien einer jungen Oocyte ab (Textfig. G), aus welchen hervorzugehen scheint, daf diejenige Halfte des Chromatins, die — den 40 Chromosomen entstammt (#), in eine Synapsis eintritt, waihrend das aus dem Ring stammende Chromatin (S) direkt in ein grobmaschiges Netzwerk umgebildet wird. In Uebereinstimmung mit den von anderen Objekten be- kannten Verhiltnissen darf man wohl annehmen, daf auch bei Dytiscus derjenige Teil des Chromatins in die Reifungsteilungen eintreten wird, der die Synapsis durchlaufen hat; das tbrige Chromatin dagegen ist wahrscheinlich nur fiir den Stoffwechsel der heranwachsenden Oocyte von Bedeutung, um dann bei der Auflésung des Oocytenkernes zu Grunde gehen. Der DffferenzierungsprozeB, der bei Dytiscus zur Unter- scheidung der Oocyte von den Nahrzellen fiihrt, zeigt mit dem Zerfall des Chromatins bei Enteroxenos mehrere Vergleichspunkte, und es scheint bei genauerer Betrachtung beider Prozesse sicher hervorzugehen, dafi auch kein Wesensunterschied zwischen ihnen besteht, sondern dafi es nur zwei Verschiedene Wege zur Erlangung eines und desselben Zieles sind. Bei Dytiscus, wie auch bei Enteroxenos treten die Chromo- somen in die betreffenden Zellgenerationen in typischer Anzahl Untersuchungen iiber Keimzellen. % 355 ein, um sich in den neugebildeten Kernen netzformig auszubreiten. Am Ende der Ruheperiode geht aber bei beiden Formen nur ein Teil des Chromatins in die Chromosomenbildung iiber, wahrend das tibrige Chromatin schon innerhalb der Kernmembran eine Umbildung erleidet. Die Zahl der Chromosomen wird jedoch durch diese Differenzierung des Chromatins nicht beeinfluBt. In der Prophase der nachstfolgenden Teilung werden in beiden Fallen nur die Chromosomen durch die Zugfasern in die Teilungsfigur hineingezogen, wihrend das umgebildete Chromatin passiv in einen giirtelformigen Bezirk auSerhalb derselben ange- ordnet wird. Doch unterscheiden sich beide Arten in Bezug auf das weitere Schicksal des herausdifferenzierten Chromatins. Bei Dytiscus wird es zu einer zusammenhangenden Masse verklebt, die zuerst ringférmig um den Aequator der Spindel angeordnet wird, um aber bei der Zellteilung véllig in die eine der beiden Tochter- zellen hineinzugehen, ohne eine Teilung zu erleiden. Bei Entero- xenos dagegen bleiben die Chromatinbrocken wahrend der ganzen Teilung voneinander getrennt, und nachdem sie in die ,,Kérnchen- hiille* der Teilungsfigur eingeordnet worden sind, werden sie auf beide Tochterzellen verteilt, gleichmafig oder ungleichmibig, je nachdem die Zellteilung aqual oder indqual ausfallt. Dieser Unterschied steht aber zu einem anderen in engster Beziehung, indem nimlich die besprochene Differenzierung des Chromatins bei beiden Formen in verschiedenen Zellgenerationen vor sich geht. Bei Dytiscus geschieht die Differenzierung in den Oogonien, und als Endresultat des durch 4 Zellgenerationen fort- cesetzten Differenzierungsprozesses haben wir 16 Zellen vorgefunden, unter denen eine chromatinreiche Oocyte von 15 chromatinarmen Nahrzellen zu unterscheiden war. Der ganze Prozef scheint also eine starke Anhaiufung von Chromatin im Oocytenkern zu _ be- zwecken, und dieser Zweck wird eben durch die Verklebung und die einseitige Ueberfiihrung des herausdifferenzierten Chromatins am besten erreicht. Bei Enteroxenos dagegen ist die Anhaufung von Chromatin nicht auf Kosten anderer Zellen geschehen, sondern erst inner- halb der Oocytengeneration selbst durch einfaches Wachstum der Chromosomen; die Chromatindifferenzierung findet hier zum ersten Mal am Ende dieser Generation statt und das weitere Schicksal des herausdifferenzierten Chromatins, das schon seine Rolle ausge- spielt hat, ist von keiner Bedeutung ftir die Oekonomie der Zelle. 356 ‘ Kristine Bonnevie, Es ist daher auch hier keine Verklebung dieser Chromatinbestand- teile nétig, sondern bleibt dem Zerfall iiberlassen, in welche Tochter- zelle die einzelnen Chromatinbrocken hineingelangen werden. Nachdem ich schon in meiner vorlaufigen Mitteilung (1904) ausgesprochen hatte, daf der Zerfall des Chromatins bei Entero- xenos und vielen anderen Formen als ein der Diminution der Ascariden homologer ProzefS anzusehen sei, ist diese Annahme auch durch eigentiimliche Verhaltnisse bei den mannlichen Keim- zellen bestatigt worden. In der entsprechenden Zellgeneration nimlich, den Spermatocyten I. Ordnung, laft sich auch ein Zerfall von Chromatin nachweisen (Fig. 168—169), wenn auch in minimalen Mengen, und der ganze Vorgang geht hier in einer der Diminution bei Asc. lumbricoides ganz ahnlichen Weise vor sich. Wie bei diesem Wurm, wo ich friiher (1901) die Gelegenheit gehabt habe, den Diminutionsvorgang zu verfolgen, geschieht auch in den Spermatocyten bei Enteroxenos der Zerfall der Chromo- somen erst nach der Auflésung der Kernmembran, und nachdem die Chromosomen in die Teilungsfigur hineingezogen worden sind. Bei der dichten Lage der Chromosomen in diesen Zellen wiirde es in der Metaphase kaum méoglich sein, die Absonderung von Chromatinteilen zu beobachten; in der Anaphase dagegen treten zwischen beiden Tochterplatten die abgeworfenen Chromatinbrocken sehr deutlich hervor. Wie schon oben erwahnt, Ja8t sich in der ersten Reifungs- teilung das Abwerfen von Chromatinbestandteilen tiberall konsta- tieren, wabhrend in keiner anderen Generation der miannlichen Keimzellen ahnliche Bilder angetroffen werden. Und nach meinen Erfabrungen an Ascaris lumbricoides scheint es mir kaum zweifel- haft, daf auch in den Spermatocyten von Enteroxenos eine Dimi- nution des Chromatins vor sich gehe. Ueber die Bedeutung der Diminution konnte man, so- lange sie nur bei den Ascariden bekannt war, wohl verschiedene Hypothesen aufstellen; eine auf Beobachtungen begriindete Be- stitigung oder eine weitere Ausformung derselben war aber kaum zu erwarten. Bei den Ascariden geschieht die Diminution nimlich nicht innerhalb der Keimbahn, sondern erst in den von den Keimbahn- zellen abstammenden somatischen Zellen, und es lat sich hier nicht entscheiden, ob ,,in den Chromosomenenden, die der Keim- bahn reserviert bleiben, ,Keimplasma‘ zu ersehen ist“, und ,,in den mittleren Abschnitten ein spezialisiertes ,somatisches’ Kern- Untersuchungen iiber Keimzellen. 357 plasma“ (Boveri 1904, p. 97) oder ob ,,in den Schleifenenden die Bestimmung fiir die spezifische histologische Ausbildung der Sexualzellen gegeben ist“. Die bei Dytiscus zu Tage tretenden Verhiltnisse sprechen aber zu Gunsten der letzteren Annahme. Das Chromatin des Eies wird hier wahrscheinlich ganz gleichmafig auf die Blastomeren verteilt und die erste Trennung zwischen somatischen Zellen und Propagationszellen ist also nicht auf einen verschiedenen Chro- matingehalt zurtickzufthren. .Erst in den letzten Generationen der Keimbahn und nur im weiblichen Geschlecht wird immer mehr »spezifisches* Chromatin angesammelt, das aber allem Anschein nach schon vor der Eireifung wieder zu Grunde geht. Das spezifische Chromatin scheint also bei Dytiscus in seiner Tatigkeit darauf beschrankt, bei der Entwickelung der weiblichen Keimzellen eine Rolle zu spielen, und bei Enteroxenos findet man diese Tatigkeit noch bestimmter begrenzt. Hier ist die Existenz des spezifischen Chromatins auch wesent- lich an die weiblichen Keimzellen gebunden, und zwar an eine bestimmte Generation derselben, die Oocyten I. Ordnung. Inner- halb dieser Zellgeneration liefen sich aber verschiedene Perioden unterscheiden, und es laft sich mit Sicherheit behaupten, daf das spezifische Chromatin erst nach der vollendeten Konjugation in den Chromosomen angehauft wird, um wieder vor der ersten Reifungsteilung herausdifferenziert zu werden, da es also fiir die Wachstumsperiode, innerhalb welcher die spezifische Differenzierung der Eizelle geschieht, und zwar nur fir diese Periode, von Be- deutung ist. Damit stimmt auch der Unterschied im Verhalten der weib- lichen und der miéannlichen Keimzellen wohl iiberein. Eine Wachstumsperiode, im eigentlichen Sinne des Wortes, existiert bei den Spermatocyten nicht; nur dauert diese Zellgeneration er- heblich linger als die vorhergehenden, und ein kleiner Ueber- schuf an Chromatin wird auch hier nach der Konjugation in den Chromosomen gebildet, um wieder bei der ersten Reifungsteilung herausdifferenziert zu werden. Die Menge des abgeworfenen Chromatins ist aber in den Spermatocyten aulferordentlich viel kleiner als in den Oocyten, und es wird daher auch mit den Chromosomen in die Teilungsfigur hineingezogen, wahrend in den Oocyten die groBen Chromosomen einen zu starken Widerstand iiben wiirden. Die Diminution mu’ daher hier schon vor dem Beginn der Teilung stattfinden. Bd. XLI. N. F. XXXIV. 24. 358 Kristine Bonnevie, Daf die grofe Chromatinmenge des Oocytenkernes fir die spezifische Differenzierung der Kizelle von Bedeutung sei, ist auch schon friiher mehrmals gezeigt worden (LuBoscH 1902, GoLp- ScHMIDT 1905). Bei Enteroxenos geht es deutlich genug hervor, da8 der Zuwachs an Chromatin nicht als die Folge, sondern vielmehr als eine Bedingung der Dotteransammlung anzusehen ist. Das Wachstum des Chromatins beginnt namlich gleich nach der Konjugation der Chromosomen, zu einer Zeit, wo sich noch keine Vergréferung des Cytoplasma bemerkbar gemacht hat; und erst mit der netzformigen Verteilung des Chromatins im Kern treten im Cytoplasma die ersten Dotterkugeln auf. Es scheint also, wie schon in meiner vorlaufigen Mitteilung erwahnt, zwischen Kern und Cytoplasma eine Art Wechselwirkung zu bestehen; zuerst ist die ganze Energie der Zelle darauf gerichtet, den Kern fiir seine weitere Wirksamkeit vorzubereiten; dann wirkt das neugebildete Chromatin auf das Cytoplasma zuriick und bedingt die Méglichkeit seines so auferordentlich starken Wachstums. Sehr wahrschein- lich ist es auch, da’ diese Wechselwirkung noch linger fortdauert, und der wihrend der netzférmigen Verteilung vor sich gehende Zuwachs an Chromatin mag wieder als eine Riickwirkung des Cytoplasma auf den Kern anzusehen sein. Bei Enteroxenos sowie auch bei Dytiscus scheint also das bei der Diminution herausdifferenzierte Chromatin unbedingt ,,fiir die spezifisch histologische Ausbildung der Sexualzellen‘t (Bovert 1904) seine Bedeutung zu haben, und verschiedene Tatsachen deuten darauf hin, da’ die Diminution auch bei den Ascariden in aihnlicher Weise aufzufassen ist‘). In einem friiheren Abschnitt wurde gezeigt, dal ein ,,Wachs- tumskern‘‘, wie bei Enteroxenos, so auch bei den meisten anderen Tierformen fiir die Oocyte I charakteristisch scheint, und auch eine Diminution des Wachstumschromatins scheint in der einen oder anderen Form sehr allgemein vorzukommen. Auffallend ist es daher, dal gerade bei Ascaris, wo die Di- minution erst in den somatischen Zellen geschieht, auch das Ver- halten der Oocytenkerne ein eigentiimliches ist. Hier scheint naim- lich — soweit aus der Literatur ersichtlich — kein ungewdéhnlich 1) Boveri hat schon (1904, p. 97 Anm.) als eine Méglichkeit erwihnt, da ,in den Enden der Urchromosomen der Ascariden die Bedingungen fiir die Schalenbildung enthalten sein kénnten, und daf sich ein entsprechendes Vermégen im miannlichen Geschlecht in dem lichtbrechenden Kérper der Spermien iufert“. Untersuchungen itiber Keimzellen. 359 starkes Wachstum des Chromatins stattzufinden, und nach vollen- deter Konjugation der Chromosomen scheinen die Doppelfadchen (oder Vierergruppen) als solche bestehen zu bleiben, bis sie in die erste Reifungsteilung eintreten. , Diese beiden Eigentiimlichkeiten der Ascariden stehen wahr- scheinlich in ursachlichem Zusammenhang. Innerhalb der Keim- bahn geschieht hier tiberhaupt keine Diminution; das _,,spezifische Chromatin der Keimzellen wird also von einer Generation auf die nichste yererbt, und eine Anhaufung oder Neubildung von Chro- matin im Oocytenkern wiirde daher tiberfliissig sein“ ‘). Aus den eigentiimlichen Diminutionsverhaltnissen der Ascariden folgt weiter, daf hier das spezifische Chromatin den mannlichen Keimzellen in gleichem Mae zukommt wie den weiblichen, wahrend dies weder bei Dytiscus noch bei Enteroxenos der Fall ist. — Sollte es vielleicht damit in Zusammenhang stehen, da die Spermien eben bei den Ascariden eine aufergewohnliche Gréfe zeigen ? Zuletzt méchte ich noch mit einigen Worten die Frage nach der Natur des spezifischen Chromatins der Keimzellen beriihren. Ist fiir die Differenzierung dieser Zellen nur eine be- stimmte Quantitat des Chromatins nétig? Oder muf dies Chro- matin auch spezifische Qualitaéten reprasentieren ? Diese Fragen lassen sich, glaube ich, nicht generell beant- worten. In einigen Fallen, wo die Differenzierung der Oocyte wesentlich nur in Wachstum und in der Dotterbildung besteht, mag wohl eine gewisse Quantitiét des Chromatins gentigen, um ihre Ausbildung zu sichern. Wenn aber im Cytoplasma wahrend des Wachstums auch eine mehr intime Differenzierung seiner Bestand- teile etabliert werden soll, sind wahrscheinlich auch im Chromatin spezifische Qualitaten vorhanden, um diese Differenzierung ein- zuleiten. Enteroxenos und Ascaris bilden in dieser Beziehung zwei Extreme. Bei Enteroxenos zeigt die Eizelle einen sehr ein- fachen Bau; Eihaute oder Schalen werden von derselben nicht 1) Auch bei einer anderen Tiergruppe, den Copepoden, scheint nach den Untersuchungen von HAckur (1894—97) die Oocyte einen typischen Wachstumskern zu entbehren; aber auch hier sind die Zellen der Keimbahn durch den Besitz eigerttiimlicher Umbildungs- produkte des Chromatins, die ,AuSenkérnchen“, vor den soma- tischen Zellen ausgezeichnet. In welchem Verhialtnis diese Kérn- chen zu dem diminuierten Chromatin stehen, laft sich jedoch noch nicht entscheiden. 24* 360 Kristine Bonnevie, ausgeschieden, und auch die Furchung des Eies scheint mehr durch die Lage der Dotterkugeln bestimmt zu werden, als durch irgend eine innere Differenzierung der Eizelle. Ich bin daher ge- neigt, dem ,,Wachstumschromatin“ des Enteroxenos eine rein quantitative Bedeutung beizulegen. Daraufhin deutet seine rasche Anhaufung nicht nur im Kern der Oocyte, sondern auch in den Vorkernen und den Kernen der Makromeren, mit Diminution vor jeder Teilung; wenn auch vielleicht in der Oocyte gewisse Quali- taten erforderlich sein kénnten, so ist dies in Bezug auf die Blastomeren nicht anzunehmen. Die Dotterbildung war ja schon vor der Reifung des Eies beendigt, und wenn in den Vorkernen wieder tberschiissiges Chromatin gebildet wurde, so scheint dies nur durch eine Riickwirkung des Cytoplasmas — als Ausdruck der relativen GréfSenverhaltnisse zwischen Kern und Cytoplasma — erklart werden zu kénnen. Auch das Vorkommen von _ iber- schiissigem Chromatin in den Spermatocyten, wo es absolut keine Rolle zu spielen scheint, deutet darauf hin, daf es sich hier nicht um eine Neubildung von Qualititen handelt, sondern vielmehr um einfaches Wachstum der Chromatinsubstanz. Bei den Ascariden dagegen ist die Eizelle, trotz ihres an- scheinend so einfachen Baues, wahrscheinlich hoch differenziert ; dies geht sowohl aus der Schalenbildung, wie auch besonders aus ihrem eigentiimlichen Furchungsmodus hervor. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daf in den Chromosomenenden der Ascariden, die durch die ganze Keimbahn von Generation zu Generation bewahrt werden, auch spezifische Qualitiiten ihren Sitz haben. Wenn aber auch das spezifische Chromatin der Keimzellen bei gewissen Tierformen als Qualitiitentriiger betrachtet werden muf, so wird doch ein Vergleich der minnlichen mit den weiblichen Keimzellen bei Enteroxenos zeigen, da’ die Quantitit des Chro- matins fiir die auere Form der Diminution entscheidend ist. D. Das Verhalten der Chromosomen. In einer vorliufigen Mitteilung (1905) habe ich schon tiber das Verhalten der Chromosomen bei den Reifungsteilungen eine kurze Uebersicht gegeben, und ohne daf ich seit der Zeit neue Untersuchungen vorgenommen hatte, werde ich hier die dabei in Betracht kommenden Fragen eingehender erértern. Obwohl ich meine Untersuchung an den mannlichen Keim- zellen angefangen hatte, habe ich doch bald, aus verschiedenen Untersuchungen iiber Keimzellen. 361 Griinden, vorgezogen, das Hauptgewicht auf die Bilder der Oocyten zu legen. Ein Nachteil der Oocyten, den Spermatocyten gegeniiber, be- steht zwar darin, dafi es kaum méglich ist, wahrend der langen Wachstumsperiode die einzelnen Chromosomen zu verfolgen. Die Kontinuitaét der Chromatinfadchen und auch ihre Doppelheit aft sich wohl durch alle Stadien dieser Periode verfolgen; aber die Formverhaltnisse der Chromosomen sind im Wachstumskern so verandert, und ihre Rekonstruktion geschieht am Ende der Wachs- tumsperiode so rasch, daf an dieser Stelle eine Liicke in der Reihe der sicheren Beobachtungen kaum zu vermeiden ist. Doch bietet auf der anderen Seite die Existenz eines Wachs- tumskerns mit netzformig verteiltem Chromatin einen sehr wesent- lichen Vorteil fiir die Untersuchung; es werden namlich dadurch die Stadien der Postsynapsis von denjenigen der Prophase scharf getrennt, was fiir eine richtige Beurteilung der verschiedenen in diesen beiden Perioden vorkommenden Chromosomenformen von grofer Bedeutung ist. Und wahrend der beiden Teilungen selbst liegen die Verhalt- nisse bei den Oocyten weit giinstiger als bei den Spermatocyten. Die Chromosomen haben zwar in beiden dieselbe GréSe und Form, aber sie werden in den grofen Teilungsfiguren der Oocyten so weit auseinander gespreizt, da sie sich verhaltnismabig leicht einzeln beobachten lassen (Fig. 126 u. 129), wahrend sie in den Spermatocyten dicht aneinander liegen (Fig. 152, 167). Auch das eigentiimliche Verhalten der Chromosomen in den Pol- ocyten tragt dazu bei, den weiblichen Keimzellen den Vorzug zu geben. Das fiir die Abbildungen der Taf. XXII zu Grunde liegende Material ist mit ZenKErRscher Fliissigkeit fixiert worden; doch habe ich hier, wie auf allen Stadien, zur Kontrolle auch Hermann- Material benutzt, das sich aber wegen der grofen Harte der Dotterkugeln nur sehr schlecht schneiden 1aft (Fig. 147—150 sind nach diesem Material gezeichnet). Dieselben Chromosomenformen kommen nach beiden Methoden zum Vorschein, doch sind die Bilder des ZENKER-Materiales die scharfsten. Dieser Unterschied in der Schirfe der Bilder mag wohl zum Teil darin liegen, da8 die Chromatinsubstanz nach ZENKER-Fixation etwas mehr kontrahiert erscheint als nach HERMANN-Fixation, wenn auch nicht so viel, da& die Gréfe der Chromosomen dadurch beeinfluSt worden ist. Wenn aber auch die Bilder der Chromosomen sich 362 Kristine Bonnevie, durch diese Kontraktion etwas von denjenigen der lebenden Zellen unterscheiden, so sind doch keineswegs ihre eigentiimlichen Form- verhaltnisse als zufillige Kunstprodukte zu betrachten. Dies geht aus einer Betrachtung der Anaphasenbilder deutlich hervor (Fig. 129). Wahrend namlich innerhalb einer Tochterplatte die Chromosomen- formen sehr voneinander differieren, so zeigt sich immer zwischen je zwei Schwesterchromosomen eine auffallende Aehnlichkeit, und dies ]aft sich nur so erklaren, da bei der Kontraktion gewisse Strukturen, die schon im lebenden Material vorhanden waren, deutlicher zu Tage treten. Wie in der vorlaufigen Mitteilung schon erwahnt, habe ich eine grobe Menge méglichst genauer Camerazeichnungen von Chro- mosomen aller Stadien der Reifungsteilungen ausgefiihrt, von denen die auf Taf. XXII zusammengestellten nur eine kleine Auswahl bilden. Ein Teil der letzteren wurde zuerst in der vorlaufigen Mitteilung als Textfiguren reproduziert, doch leider so schwarz ausgefiihrt, dal’ die verschiedenen Strukturen der Chromosomen kaum sichtbar waren. Ich habe sie daher wieder fiir diese Ab- handlung kopieren lassen. Durch diese zweimalige Reproduktion haben zwar die Abbildungen einige kleine Aenderungen in ihrer auBeren Form erlitten; aber ich kann nach genauer, Priifung aller Zeichnungen dafiir einstehen, da8 sich keine Ungenauigkeit der Figuren eingeschlichen hat, die fiir unsere Auffassung des Ver- haltens der Chromosomen wahrend der Reifungsteilungen von Be- lang sein kénnte. Erste Reifungsteilung. Es wurde oben gezeigt, wie bei der letzten Teilung der Oogonien 34 Chromosomen in jede Tochterzelle, Oocyte I, hineintraten, unter denen 8 groBe und 8 sehr kleine sich jederseits von den 18 mittleren unterscheiden lieBen. Wir haben auch die paarweise Konjugation dieser Chro- mosomen, ihr starkes Wachstum, die netzférmige Ausbreitung der- selben im Wachstumskern und endlich ihre Diminution am Ende der Wachstumsperiode verfolgt. Wir verlieben sie auf einem Stadium, wo die Kernmembran noch nicht véllig aufgelést war, und wo sie gegen den blassen Hintergrund der Zerfallsprodukte des Chromatins deutlich hervortraten (Fig. 50—51 u. 57). Die Doppelheit der Chromatinfaidchen, die wahrend der langen Wachstumsperiode nicht iiberall nachweisbar war, tritt auf diesem Stadium wieder deutlich hervor (Fig. 50, 51) und die Fadchen geben mit ihren feinen seitlichen Ausliufern ein sehr zierliches Untersuchungen iiber Keimzellen. 363 Bild: Eine Anzahl dieser Doppelfadchen sind immer noch um den Chromatinknoten gruppiert (Fig. 50, 57); sonst treten sie auch iiber der ganzen Kernoberfliche zerstreut auf. Bald nach dem Verschwinden des Nucleolus kontrahieren sich die Chromosomen; ihre seitlichen Auslaiufer werden eingezogen und die beiden Komponenten der Doppelfidchen werden durch eine, von Eisenhimatoxylin hellgrau gefirbte, Zwischensub- stanz dicht miteinander verbunden (Fig. 57, 12lau.b). Die im Chromatinknoten verbundenen Fadchen fangen an selbstandig zu werden und bald findet man innerhalb der Kernmembran eine auf diesem Stadium noch schwer bestimmbare Anzahl getrennter Chromosomen vor (Fig. 58—59, 121 c). Die Form dieser Chromosomen scheint durch den Zug der Lininfasern sehr stark beeinfluSt. Die Doppelfadchen sind im unberiihrten Kern durch zahlreiche Lininfaden in dem Kerngeriist fixiert und dadurch auch unter sich verbunden. Die Lininfaden des Geriistes werden aber bei der Auflésung der Kernmembran auf die beiden Centrosomen gerichtet und auch die zwischen den einzelnen Chromosomen in dem grofen Wachstumskern stramm ausgespannt gewesenen Lininfaden scheinen sich jetzt stark zu kontrahieren. Jedes Chromosom ist daher einem allseitigen Zug der Linin- faserchen ausgesetzt, und da die Zwischensubstanz augenscheinlich ehr dehnbar ist, kénnen die Chromosomen dieser Stadien die bizarrsten Formen annehmen, die sich nur mit der gréSten Vor- sicht deuten lassen. Die Einstellung und Streckung der Liningeriistfaden bei ihrer Umbildung zu Zugfasern ist schon oben beschrieben worden. Sehr schwierig ist es aber zu ermitteln, in welcher Weise bei diesem Vorgang eine richtige Einstellung der Chromosomen ge- sichert wird, so daf jede Spalthalfte derselben immer nur mit dem einen Centrosoma in Verbindung bleibt. Kine Loésung dieser Frage habe ich auch nicht erreichen kénnen, da auf diesem Stadium eine Verfolgung der Lininfaden langere Strecken hindurch nur selten médglich ist. Doch habe ich zuweilen Bilder angetroffen, die vielleicht einen Beitrag dazu liefern kénnten. Ein solches ist in Fig. 123b dargestellt. Die eigentiimliche Form dieses Chromosoma wird spater naher_be- sprochen, hier interessiert uns zunachst nur die Befestigung der Lininfiden auf demselben, und besonders der kurzen Faser, die oben links heraustritt und die das Chromosoma mit einer langs- 364 Kristine Bonnevie, verlaufenden, in die Verbindungslinie beider Centrosomen schon eingestellten Zugfaser verbindet. Das Chromosoma wird sich, wie spater erértert werden soll, wahrscheinlich der Flache nach teilen, und wenn dabei auch dieser kurze Lininfaden seiner Lange nach gespalten wiirde, dann ware auch die Verbindung jedes Tochter- chromosoma mit je einem Centrosoma an dieser Stelle hergestellt. Wenn aber auch diese Figur das typische Verhalten wieder- gabe, was ich noch nicht behaupten darf, so ware doch damit keine Erklarung fiir die bekannte Tatsache gegeben, dai simtliche auf einem Tochterchromosoma befestigten Zugfasern alle nur zu dem einen Centrosoma in Beziehung stehen. Ohne Hilfe der zu- erst von Boveri (1888) ausgesprochenen Voraussetzung, daf (p. 99) ,jedes in einem Mutterelement vorbereitete Tochterelement nur den Fadchen eines einzigen Pols sich anzuheften gestattet“ und da8 ,diese Verbindung dem betreffenden Pol die Anheftung an den zugehérigen Schwesterfaden unméglich macht“, laft sich, auch bei einer Entstehung der Zugfasern aus dem Liningeriist des Kernes, die gesetzmaBige Einstellung der Chromosomen in der Spindel nicht erklaren. Durch das allseitige Austreten der Lininfasern aus den Chromosomen wird eine Deutung der Prophasenbilder sehr er- schwert, und noch mehr, weil es oft nicht méglich ist, mit Sicher- heit zu entscheiden, wo die Fasern auf dem Chromosoma be- festigt sind, ob an der Stelle, wo sie anscheinend an dasselbe herantreten, oder ob sie noch quer iiber das Chromosoma hin sich fortsetzen und auf seiner entgegengesetzten Seite befestigt sind. Nach dem obigen ist in dem Verhalten der Lininfasern keine sichere Grundlage fiir eine Deutung der Chromosomenformen zu finden, und es bleibt daher nichts anderes iibrig, als die Chromo- somen selbst zu betrachten und ihr Verhalten in den verschiedenen Phasen beider Reifungsteilungen méglichst genau zu konstatieren. In vielen Fallen habe ich gefunden, daf 17 Chromosomen in die erste Reifungsteilung hineintreten (Fig. 126—128). Obgleich meistens alle Uebergainge von den gréften zu den kleinsten Chro- mosomen vorhanden sind, so lassen sich doch als Durchschnitt einer grofen Anzahl von Zihlungen auf der einen Seite 4 grofe (1—4) und auf der anderen 4 ganz kleine Chromosomen (73—7) von den 9 mittleren unterscheiden; eine Gruppierung, die derjenigen der Oogonien genau entspricht, indem hier jederseits 8 grofe und 8 kleine Chromosomen von den 18 mittleren zu unterscheiden waren. Es bestitigt sich also auch hier bei Enteroxenos der zu- Untersuchungen iiber Keimzellen. 365 erst von Monrqomery (1901b, 1904a) ausgesprochene Satz, da’ in der Synapsis, zwischen je 2 homologen Chromosomen, von denen das eine viiterlicher und das andere miitterlicher Herkunft sei, eine Konjugation geschehe. Die Form der einzelnen Chromosomen ist, wie aus den Pro- und Metaphasenbildern (Fig. 126—-128) hervorgeht, keineswegs kon- stant. Das gré8te Chromosom (1) zeigt in jeder Abbildung eine andere Form, und dasselbe scheint auch mit den iibrigen Chromo- somen der Fall zu sein, obwohl sich unter diesen kaum mit Sicher- heit ein bestimmtes Chromosoma in den verschiedenen Zellen wiederfinden la&t. Wie sind nun die verschiedenen Chromosomen zu deuten? Und inwieweit lassen sich aus denselben Schliisse auf die Natur der Reifungsteilungen ziehen ? Um die erste Frage beantworten zu koénnen, habe ich in einer groBen Menge von Zellen das Verhalten des gréfSten Chromosoma genau untersucht und abgebildet, und in Fig. 122—125 sind einige dieser Chromosomenbilder reproduziert!). Ueberall, wo es mir méglich war, habe ich hier auch die Zugfasern eingezeichnet ; doch ist die Verfolgung derselben mit so vielen Schwierigkeiten verbunden, daf’ ich nie behaupten darf, simtliche Fasern mitge- nommen zu haben, die auf einem bestimmten Chromosoma. be- festigt waren. Alle Chromosomen sind aus Stadien, wie dem in Fig. 60 abgebildeten, genommen, und ihre Stellung ist auf eine aufrecht stehende Spindel zuriickzufiihren. Aus einem Vergleich dieser Abbildungen eines und desselben Chromosoma geht zur Geniige hervor, daf seine Form keine feste ist, sondern daf sie in hohem Grade von dem Zug der Lininfasern beeinflu&t wird. Besonders auffallend ist diese Zugwirkung in den beiden in Fig. 123a und b abgebildeten Chromosomen, die zu grofen plattenformigen Gebilden ausgezogen sind; dasselbe ist mit dem Chromosoma 7 der Fig. 126 der Fall. Meistens ist auf diesem Stadium eine Langsspalte in dem Chromosoma sichtbar, und zuerst stellt sich nun die Frage, wie diese Spalte zu deuten sei, ob sie mit der auf friiheren Stadien (Fig. 121) vorhandenen Lingsspalte der Doppelfadchen identisch 1) Fig. 122f und 124c reprasentieren nicht das gréfte Chro- mosoma der betreffenden Zellen, sondern jedesmal nur eines der 4 grofen. 366 Kristine Bonnevie, sei, oder mit der zukiinftigen Teilungsebene des Chromosoma, oder ob vielleicht diese beiden miteinander zusammenfallen. K6énnte die letzte Frage, wenn auch nur bei einem einzigen Chromosoma, mit Sicherheit bejahend beantwortet werden, so wiirde damit auch die Existenz einer Reduktionsteilung bei dieser Art bewiesen sein, indem dann, wie es besonders von A. und K. E. SCHREINER (1904, 05) behauptet wird, die beiden in der Synapsis parallel konjugierten Chromosomen sich bei der ersten Reifungs- teilung trennen wiirden. Die erwaihnten Autoren sagen jedoch selbst (1905, p. 261), dafS es ihnen ,leider nicht gelungen (ist)“, fiir ihre Auffassung ,den absolut sicheren Beweis zu fiihren“. Und ich glaube in der Tat, daf sich der Beweis fiir oder gegen die Existenz einer Re- duktionsteilung aus einer Betrachtung dieser Teilungsphase allein kaum entnehmen 1laf’t. Die Untersuchung dieser Stadien der Prophase bietet so viele Schwierigkeiten, daf eine rein objektive Deutung der hier vorkommenden Bilder kaum méglich ist. Beim ersten Anblick wiirde wohl z. B. der Schlu8 berechtigt erscheinen, daf die Langsspalte der Chromosomen a, d der Fig. 122 mit derjenigen der Doppelfadchen in Fig. 121 identisch sei, aber auch, was aus dem Verlauf der Zugfasern hervorzugehen scheint, daf’ die Trennung der Tochterchromosomen lings dieser Spalte geschehen wiirde, und also die konjugierten Chromosomen in der ersten Reifungsteilung wieder auseinanderweichen. Wenn aber auch Formen, wie Fig. 122 e und f, in Betracht ge- nommen werden, dann scheint die Sache nicht mehr so einfach. Auch hier ist in beiden Fallen eine Liingsspalte vorhanden; aber es scheint nach dem Verhalten der Zugfasern kaum méglich, dal diese Spalte als die Trennungsebene der Tochterchromosomen dienen werde. Und noch mehr wird man beim Anblick von Chromosomen, wie Fig. 123a und b, zur Vorsicht gewarnt. In Fig. 123a ist das Chromosoma in ihnlicher Weise gestellt, wie in Fig. 122f, mit seiner Lingsspalte der Spindel entlang. Und die Teilung geschieht hier nicht im Plan dieser Spalte, sondern der Flache des Chromosoma nach, so dal beide Tochter- chromosomen dieselbe Form und auch dieselbe Doppelheit auf- weisen wie friiher das Mutterchromosom. Wie ist nun der Gegensatz zu erklaren zwischen diesem Chromosom und den friiher besprochenen, deren Langsspalte als Teilungsebene zu dienen schien? Bei genauerer Priifung zeigt es sich, dai die fiir die erwa&hnten Chromosomen der Untersuchungen iiber Keimzellen. 367 Fig. 122 gegebene Deutung nicht die einzige ist. Es lat sich naimlich hier die Méglichkeit nicht ausschlieBen, daf& diese Chromo- somen schon in Teilung begriffen sind, d. h. da’ die Tochter- chromosomen, die sich frither deckten, schon auseinandergezogen sind und sich nur noch mit ihrer einen Kante beriihren. Die Teilung ware dann auch hier der Fliche der Chromosomen nach geschehen, und die Langsspalten der Bilder wiirden wohl der Teilungsebene angehéren, waren aber nicht als die Spalten zwischen den konjugierten Chromosomen zu betrachten. Ich glaube in der Tat, da8 diese Deutung die richtige ist, und damit ware der Gegensatz zwischen den Bildern der Fig. 122 und der Fig 123 beseitigt. In Fig. 123b ist eine sehr eigentiimliche Chromosomenform abgebildet, die sich nur vermutungsweise deuten lat. Sie mag aus einer Form, wie der in Fig. 122b abgebildeten, durch Streckung der elastischen Zwischensubstanz, entstanden sein. Schon in Fig. 122b ist der obere Chromatinfaden, durch den Zug der Spindelfasern, auf der Mitte in 2 Zipfel ausgezogen, und eine Verstirkung dieses Zuges wiirde eben ein Bild wie Fig. 123b hervorbringen. Auch bei diesem Chromosoma scheint die Teilung nur der Flache nach geschehen zu kénnen. Zuweilen kommen auf diesem Stadium auch Chromosomen vor, die eine doppelte Lingsspaltung zeigen, wie die ,, Vierergruppen“ bei Ascaris (Fig. 124). Als sicher ist es wohl zu betrachten, daf in diesen Fallen die eine Spalte die Konjugationsebene bezeichnet, die andere einen Teilungsplan der Doppelchromosomen, und in vielen Fallen Jaft sich auch aus dem Verhalten der Zwischen- substanz die Bedeutung der einzelnen Spalten entscheiden. Die Zwischensubstanz ist, wie aus vielen Bildern hervor- geht, auSerordentlich dehnbar (Fig. 122 f, 123.a, b, 126 2); Fig. 123 a zeigt aber, daf bei der Teilung des Mutterchromosoma auch die Zwischensubstanz geteilt wird, so daf zwischen beiden Tochter- chromosomen schon bei geringer Entfernung derselben eine klaffende Spalte entsteht. Wenn daher die Chromosomen der Prophase eine Langsspalte zeigen, die deutlich mit Zwischensubstanz ausgefiillt ist, dann laft sich, glaube ich, diese Spalte direkt auf die Kon- jugationsebene der Doppelfadchen zuriickverfolgen, und sie hat auf der anderen Seite mit der Teilungsebene der ersten Reifungs- teilung nichts zu tun. Eine klaffende Spalte dagegen reprasentiert diesen Teilungsplan. So wird z. B. bei dem grofen, in Fig. 126 7 dargestellten Chromosoma die Teilung wahrscheinlich nicht zwischen 368 Kristine Bonnevie, den beiden, weit voneinander entfernten chromatischen Doppel- stabchen geschehen, sondern in dem durch die feine seitliche Spalte bezeichneten Plan. In den beiden in Fig. 124b und ¢ ab- gebildeten Chromosomen ware dagegen die Konjugationsebene in den feinen Spalten der Teilhalften zu ersehen, und die weit- klaffenden Spalten wiirden den Teilungsplan der ersten Reifungs- teilung reprasentieren, Das dritte Chromosom (Fig. 124a) endlich ]aBt sein weiteres Schicksal nicht erraten, da die 4 Stabchen des Chromosoma einander noch zu dicht anliegen. Wenn ich in meiner Auffassung der Zwischensubstanz recht habe, so folgt also aus Bildern, wie Fig. 125a und 124¢, daf die Konjugationsebene der Doppelchromosomen nicht mit dem Teilungs- plan der ersten Reifungsteilung zusammenfallt, oder mit anderen Worten, daf die erste Reifungsteilung keine Reduk- tionsteilung ist. Wie wir sehen werden, wird diese Anschauung durch eine Betrachtung der spateren Teilungsphasen auch gestiizt. Nur wahrend der Prophase scheinen die Chromosomen so voluminés zu sein, wie die bis jetzt betrachteten. In der Meta- phase zeigen sie immer eine mehr gedrungene Form, und ich habe schon in der vorlaufigen Mitteilung erwihnt, daf diese Form- anderung nicht nur durch Kontraktion geschieht, sondern auch, wie aus Fig. 125a—b hervorgeht, durch eine Faltung der zuvor bandférmigen Chromosomen. Eine solche Faltung lat sich als eine direkte Folge des Faserzuges erkliren, indem die zuerst weit auseinandergespreizten Zugfasern sich allmahlich méglichst dicht um die Stelle des kiirzesten Abstandes zwischen Centrosom und Chromosoma gruppieren. In der Metaphase der ersten Reifungsteilung werden die ver- schiedensten Chromosomenformen angetroffen: Tetraden, Dreiecke, 6—8-seitige Polygonen, Kreuze, Stibchen und stundenglasférmig eingeschniirte Chromosomen. Die stark dehnbare Zwischensubstanz macht sich auch hier geltend, und durch ihre Streckung kénnen Chromosomen, die urspriinglich von ahnlicher Form waren, in der verschiedensten Weise veriindert werden. Es wiirde sich daher auch kaum lohnen, diese Mannigfaltigkeit der Form genau zu analysieren, oder in ihnen den Schliissel zu einer Lésung der Reifungsfragen zu suchen. Nur einige Beispiele der am haufigsten auftretenden Formen:méchte ich hier erwahnen. Die Tetraden, die in der friiheren Reifungsliteratur eine so grofe Rolle gespielt haben, deren Bedeutung aber durch Untersuchungen iiber Keimzellen. 369 spitere Arbeiten (ConKLIN 1902, Mrves 1903) verringert worden ist, sind auch bei Enteroxenos fiir die Beantwortung einer Frage iiber die Natur der Reifungsteilungen véllig bedeutungslos. Die Chromosomen 1—6 der Fig. 127 waren alle, wenn sie nur von der richtigen Seite gesehen wiirden, als typische ,Tetraden“ an- zusehen. Ein Vergleich zwischen den erwahnten Abbildungen zeigt jedoch, daf diese ,Tetraden“ keineswegs mit den zweimal langsgespaltenen Chromosomen der Prophase identisch sind, sondern kubische oder keilférmige Gebilde, die ein sehr ver- schiedenes Aussehen darbieten, je nach ihrer Stellung in der Aequatorialplatte. Ihre Zwischensubstanz, die gewéhnlich das helle Kreuz der ,,Tetraden“ bildet, kann entweder stark gespannt er- scheinen (Fig. 127 2) oder andererseits so wenig hervortreten, daf die eine oder beide Furchen der Tetraden ganz unsichtbar werden. Die Tetraden sind, wie viele andere Chromosomen- formen, als ein Produkt der Zusammenfaltung der Chromosomen anzusehen, als eine Art ,Verpackung“, bei welcher die Zwischen- substanz als Kittmasse Dienst leistet. Das Chromosoma 7 der Fig. 127 ist halb von der Seite gesehen; es scheint im Begriff zu sein, sich in zwei viereckige Platten zu teilen. Daf die Teilung auch wirklich in dieser Weise geschieht, geht aus den Anaphasenbildern, Fig. 130a—b hervor; die Tochterchromosomen, die hier abgebildet sind, zeigen sich, von der Flache gesehen, dem Mutterchromosoma sowohl in Gréfe als in Form ganz ahn- lich. Man kann also nicht im voraus wissen, ob eine ,,Tetrade“ sich lings der einen oder lings der anderen Furche teilen wird, oder vielleicht gar der Flache nach. Eigentiimlich sind die tief eingeschniirten Chromo- somen (Fig. 127 8), die oft den Eindruck machen, als ob sie schon in Teilung begriffen waren, oder auch als ob sie durch Verbindung von zwei benachbarten Chromosomen entstanden seien. In vielen Fallen habe ich jedoch durch Zahlung konstatieren kénnen, daf das letztere nicht der Fall ist; die Bilder der Ana- phase zeigen auch, daf die Einschniirung mit der Teilungsebene nichts zu tun hat, sondern daf diese Chromosomen, wie die iibrigen, der Flache nach geteilt werden (Fig. 130d—e). Die vielen polygonalen Chromosomen der Metaphase (Fig. 128 3) lassen sich erst in Verbindung mit den spiteren Stadien deuten; ich werde daher weiter unten auf sie zuriick- kommen. Die Bilder der Anaphase zeichnen sich durch die auf- 370 Kristine Bonnevie, fallende Aehnlichkeit je zweier Schwesterchromosomen aus, wabrend innerhalb einer Tochterplatte dieselbe Variation in Form und Gréfe der Chromosomen vorhanden ist, wie friiher in der Aequatorial- platte (Fig. 129—130). Die Tochterchromosomen bleiben bei ihrer Entfernung noch lange mittelst der Verbindungsfasern unter sich verbunden (Fig. 130a—f). Wie diese Fasern entstehen, ist schwer zu er- mitteln; ihre Anzahl wechselt nach der GréSe und Form der Chromosomen, und wahrscheinlich werden sie aus der achroma- tischen Substanz derselben gebildet. Ihr ganzes Verhalten wihrend der spateren Anaphase scheint darauf hinzudeuten, daf sich die Verbindungsfasern wohl zu langen, diinnen Fidchen ausziehen lassen, daf sie sich aber nicht wieder kontrahieren kénnen. Daher zeigen sie auch, wenn die Spannung der Zentralspindel aufhért, einen stark geschlangelten Verlauf (Fig. 140). Wie erwahnt, werden in den Tochterplatten dieselben Chromo- somen wiedergefunden, die schon wahrend der Metaphase vor- handen waren, nur sind die Chromosomen entsprechend kleiner. Auch hier haben wir also die verschiedenen Strukturen als eine Art ,,Verpackung“ der urspriinglich bandférmigen Chromosomen zu betrachten; sie erlauben daher meistens keine Riickschliisse auf die Art der eben passierten Teilung. Doch kommen zuweilen Falle vor, wo die Chromosomen ohne Verpackung die Metaphase passieren; wir kénnen dann noch in der Anaphase fadenférmige Tochterchromosomen vorfinden. In Fig. 130¢ sind zwei solche Chromosomen abgebildet, die einer und derselben Zelle angehéren; durch Zeichnen aller in dieser Teilungsfigur vorhandenen Chromosomen und durch genaue Priifung ihres gegenseitigen Verhaltens habe ich gefunden, da’ beide Chromo- somen in Teilung begriffen sind, und daf die endliche Trennung der Tochterchromosomen an den mit * bezeichneten Stellen zu erwarten ist. Die oberen Halften beider Bogen reprasentieren je ein Tochterchromosoma, die unteren die beiden anderen, und die zwischen beiden Hialften ausgespannten Fiadchen sind die Ver- bindungsfasern. Man sieht hier deutlich, wie die Tochterchromo- somen der Linge nach gespalten sind, und diese Spalte ist, wie oben erértert, auf die Konjugationsebene der urspriinglichen Doppelchromosomen zuriickzufiihren. Aehnliche, nicht gespaltene Chromosomen kann man auch zu- weilen in den schon getrennten Tochterplatten vorfinden. Untersuchungen iiber Keimzellen. 371 Ruhestadium. Zwischen beiden Reifungsteilungen der Oogenese wird bei Enteroxenos keine Kernvakuole gebildet; aber die Chromosomen selbst treten doch in ein Ruhestadium ein. Sie werden sozusagen aus ihrer gezwungenen Stellung wahrend der Zusammenfaltung losgelassen, indem ihre Zwischensubstanz, die wie eine Kittmasse gewirkt hatte, aufgelést wird (Fig. 131—135). Dieses Ruhestadium ist bei einer Deutung der Reifungs- teilungen von grofem Interesse, um so mehr, als es nur selten ein Gegenstand genauerer Untersuchungen gewesen ist. In der Hizelle (Oocyte II) wird die plattenférmige Anordnung der Chromosomen von der einen Teilung bis zur nachsten beibehalten (Fig. 131—132); in der Polocyte dagegen werden die Chromosomen tiber einen relativ grofBen spharischen Raum zerstreut und lassen sich daher hier am leichtesten beobachten. Auch dauert in der Polocyte das Ruhestadium bedeutend langer als im Ei (Fig. 67, 1833—135). Alle Chromosomen werden in der Telophase langer und schlanker als zuvor, indem sie wieder die bandférmige Gestalt annehmen, die sie vor ihrem Eintritt in die Reifungsteilung hatten. Ueberall ist eine Doppelheit der Chromosomen sichtbar, und nach der Auflésung der Zwischensubstanz sieht man oft die beiden Komponenten der Doppelchromosomen erheblich auseinander- weichen (Fig. 134 *), wie es auch friiher im unberiihrten Keim- blaschen oft der Fall war. Es wird yon Interesse sein, einzelne der aus der ersten Reifungsteilung bekannten Chromosomentypen durch das Ruhe- stadium hindurch zu verfolgen, um die Kontinuitét der in beiden Reifungsteilungen auftretenden Bilder festzustellen. Die Tetraden der ersten Teilung lésen sich wahrend des Ruhestadiums in zweierlei verschiedene Bildungen auf, entweder in kiirzere Doppelstaibchen mit verdickten Enden (Fig. 132a) oder in quadratische Rahmen (Fig. 132b, 134, 135), deren Ecken stark hervortreten. Bei giinstiger Lage dieser Rahmen (Fig. 135) tritt ihre Zusammensetzung deutlich hervor; sie sind durch Ver- schmelzung beider Enden eines Doppelfadens entstanden, so dal sie in der Tat aus zwei diinnen Rahmen bestehen, die so auf- einander gelegt sind, daf sie sich vollig decken. Stundenglasformig eingeschniirte Chromosomen sind auch durch Faltung von Doppelfidchen entstanden, und zwar von langeren Fadchen, bei denen nicht beide Enden verschmolzen sind, sondern wo sich vielmehr das eine Ende des Fadchens an die Mitte desselben angelegt hat (Fig. 132c), oder auch wo beide 372 Kristine Bonnevie, Enden eines Doppelfadchens eine langere Strecke parallel ver- laufen (Fig. 131d). Die Tetraden und die eingeschniirten Chromosomen kommen bei der zweiten Reifungsteilung wieder vor, die ersteren besonders haufig. (Fig. 137—138 zeigen die Chromosomen der Pro- und Metaphase der zweiten Teilung.) Ihre Genese braucht hier keine andere Erklarung als eine abermalige Kontraktion der Chro- mosomen des Ruhestadiums mit neuer Aufnahme von Zwischen- substanz. Bei der ersten Teilung waren auch die grofen platten- formigen Chromosomen auffallend, in denen zwei chroma- tische Doppelstabchen durch eine breite Platte von Zwischen- substanz getrennt waren (Fig. 126 7). Ganz ahnliche Bilder kommen auch wieder bei der zweiten Teilung vor (Fig. 137 7). In den Ruhestadien dagegen habe ich entsprechende Formen nie gefunden. Das ist aber in der Tat nichts Befremdliches. Das Eigentiim- liche bei diesen Chromosomen liegt ja nicht in der Anordnung der Chromatinsubstanz, sondern vielmehr in der weit ausge- dehnten Zwischensubstanz, und eben diese ist auf dem Ruhestadium nicht nachweisbar. Wenn aber die Zwischensubstanz unter all- mihlicher Annaiherung der Chromatinstaébchen aufgelést worden ist, wird von dem Chromosoma nichts iibrig bleiben als ein chro- matisches Doppelstabchen, von denjenigen nicht unterscheidbar, die wir schon als Ruheformen der Tetraden in Anspruch ge- nommen haben (Fig. 132a). Durch die Aufnahme von Zwischen- substanz vor der zweiten Reifungsteilung, und durch geeignete Streckung derselben mittelst der Zugfasern kénnen dann zum zWweitenmal ahnliche plattenfoérmige Chromosomen zu stande kommen. Nach dem Obigen ist es wohl méglich, da’ Chromosomen, die in der ersten Teilung als Tetraden auftraten, bei der zweiten in plattenférmige Chromosomen tibergehen kénnen, und umgekehrt. Wir werden hier auch die polygonalen Chromosomen, die bei der ersten Teilung so zahlreich vorkamen, etwas niher betrachten. Am haufigsten wurden 6—8-eckige Platten gefunden, aber auch andere Formen (Fig. 128, 130/). Und die spiegel- bildliche Aehnlichkeit je zweier Schwesterchromosomen zeigt, dab auch diese Chromosomen der Flache nach geteilt worden sind. Noch in der spaten Anaphase werden in den Tochterplatten oft polygonale Chromosomen angetroffen; auf dem Ruhestadium aber nur sehr selten (Fig. 132e). Es fragt sich daher, was aus ihnen geworden ist. Die Antwort liegt nahe bei der Hand. Untersuchungen iiber Keimzellen. 373 Ebenso wie die kompakten Tetraden sich zum Teil in viereckige Doppelrahmen aufgelést haben, so sind die polygonalen Chromo- somen bei der Auflésung der Zwischensubstanz in die offenen Ringe oder Polygonen verschiedener Gréf%e umgebildet, die in dem Ruhestadium so zahlreich vorkommen (Fig. 132—133f). Diese Ringe sind, wie auch die viereckigen Rahmen, aus Doppelfadchen aufgebaut, und nur die Linge dieser Fiadchen entscheidet, ob Quadrate oder Polygonen bei der Verschmelzung ihrer Enden zum Vorschein kommen. Sehr oft werden die Ringe wahrend des Ruhestadiums an einer Stelle gedffnet (Fig. 133g u. 135); sie kénnen dann in die langen, mehr oder weniger ausgestreckten Doppelfidchen tiber- gehen, die in den Polocyten besonders hiaufig vorkommen (Fig. 131 u. 134). Einmal gedétfnet, scheinen die Ringe sich nicht wieder zu schliefen; jedenfalls habe ich unter den Chromo- somen der zweiten Reifungsteilung weder kompakte Polygonen noch offene Ringe wiedergefunden. Ringbildungen. In der neueren Reifungsliteratur spielen die Ringbildungen der Chromosomen eine grofie Rolle, und es werden ihnen, wie friiher den Tetraden, die verschiedensten Deu- tungen beigelegt. Ich méchte daher an dieser Stelle die Frage nach der Bedeutung der Ringe etwas naher erortern. FLEMMING hat in seiner bekannten Darstellung der hetero- ty pischen Teilungsform (1887) zum ersten Mal die Ringbildungen des Salamanderhodens beschrieben. Hier traten die Ringe wibrend der Metaphase der Zellteilung auf und wurden aus langs- gespaltenen, fadenfoérmigen Chromosomen gebildet, indem beide Teilhalften derselben auseinanderwichen, wahrend ihre Enden noch zusammen blieben. Zuletzt wurden jedoch auch diese getrennt und jeder Ring wurde so in zwei Halbringe geteilt, die je in eine Tochterzelle hineintraten. Spater sind auch bei vielen anderen Objekten, Tieren und Pflanzen, Ringbildungen nachgewiesen worden, und zwar sehr haufig in der Pro- und Metaphase der ersten Reifungsteilung. Nach einer Reihe Untersuchungen, besonders an Arthropoden (vom Ratu, RUcKkerT, Hacker) wurde angenommen, daf auch hier die Ringe durch Langsspaltung eines fadenférmigen Chromosoma entstanden seien; der Proze{ wire aber dadurch kompliziert worden, da& diese Chromosomen von Anfang an bivalent seien, indem der urspriingliche Chromatinfaden in nur halb so viele Stiicke zerfallen sei, wie es der typischen Chromosomenzahl entsprechen Bd. XLI. N. F. XXXIV. 95 374 Kristine Bonnevie, wiirde. Die Ringe wiirden demnach eine Art ,,Tetraden‘ re- prasentieren, deren Aufbau nach der HAcxerschen Bezeichnungs- weise durch die Formel = ausgedriickt werden kénnte, wahrend : , a ‘ sie nach FLEMMINGs Beschreibung nur als a oder, wenn die Tochter- chromosomen schon eine Lingsspalte zeigten (MEvES 1897), mit aa i f der Formel we bezeichnen wiren. Mit der Erkenntnis der Bedeutung der Synapsis mu8ten natiir- lich auch die Ringe in einem neuen Licht betrachtet werden. Obgleich sie aber bei den verschiedensten Objekten eine auffallende Aehnlichkeit in Form und Auftreten aufweisen, so werden sie doch immer noch in sehr verschiedener Weise gedeutet. So beschreibt z. B. Monraomery bei Peripatus (1901) sowie bei Amphibien (1903) und Insekten (1905) in der ersten Reifungs- teilung Ring- und Achterbildungen, die durch Zusammen- biegung beider Enden eines bivalenten und langs- — gespaltenen Chromatinfadens entstanden seien. Das biva- lente Chromosom besteht aus (1903, p. 267) ,two univalent chromosomes joined end to end, and the space between the two arms of a bivalent chromosome is the space between two uni- valent chromosomes, whether this space be bounded by a chromo- some of the form of a U, a V, or an O*%, (Textfig. HX). Jeder Ring wird nach MonrGomery bei der ersten Reifungs- teilung in 2 Halbringe geteilt, indem die beiden in Synapsis kon- jugierten Chromosomen voneinander getrennt werden. Diese Teilung wire also als eine Reduktionsteilung zu betrachten, wihrend eine Lingsspalte der beiden Halbringe die nachher folgende Aequations- teilung andeutete. Zu einem abnlichen Endresultat kommen auch A. und K. E. SCHREINER (1904), obgleich sie die Entstehung der Ringe in ganz anderer Weise erkliren. Nach ihnen geschieht die Konjugation der Chromosomen bei Myxine und Selachiern nicht ,end to end“, sondern durch ein paralleles Aneinanderlegen je zweier Chromo- somen; und die Ringbildungen sind wieder durch Auseinander- weichen beider Konjuganten, also durch Langsspaltung eines bivalenten Chromosoma, zu stande gekommen. Die beiden Halbringe, die auch nach dieser Entstehungsweise univalente Chromosomen bilden, werden bei der ersten Reifungsteilung von- einander getrennt und eine Lingsspalte, die schon im ungeteilten Untersuchungen iiber Keimzellen. 375 Ring sichtbar war, deutet auch hier die zundchst folgende Aequa- tionsteilung, die zweite Reifungsteilung, an (Textfig. I). <7 a Fig. Ha—d. Fig. [a—b. Fig. Ha—d._Ringbildungen bei Amphibien. (Nach MonTGOMERY 1903.) K Konjugationsstelle je zweier Chromosomen. Spalte zwischen beiden Komponenten eines bivalenten Chromosoms. Fig. Ia—b. Ringbildungen bei Spinax. (Nacli SCHREINER 1904.) Wahrend sich Foor und STroBEetL (1905) in ihrer Deutung der bei Allolobophora vorkommenden Ringe MONTGOMERY an- schlieBen, so ist neuerdings von Dusiin (1905) eine Auffassung 25 * 376 Kristine Bonnevie, der Ringbildungen bei Pedicellina vertreten, die zwar auch in einer Konjugation der Chromosomen ,,end to end“ ihren Ausgangspunkt nimmt, nach der sich aber die Ringe in ihrem Aufbau dem HAcKER- schen Schema néahern. Das Schicksal der konjugierten Chromosomen (a und |) geht aus der beigefiigten Textfig. J hervor; auch hier wird (nach Dupin) jeder Ring in 2 Halbringe geteilt, die je ein a = a a a a syp SUP SYP syp Jfsye ap Ose @ 6A Ns offs 4Nle oNhe , , Ah, é Fig. J. Ringbildung bei Pedicellina. (Nach DuBLIN 1905.) univalentes, langsgespaltenes Chromosoma reprisentieren. Die beiden Teilhalften dieser Chromosomen sind aber hier in anderer Weise angeordnet wie nach MONTGOMERY und SCHREINER, nimlich so, dafi die 4 Quadranten des Ringes von je einem individua- lisierten Chromosom gebildet sind, die am Ende der zweiten Reifungsteilung voéllig voneinander getrennt sein werden. Eine Liingsspaltung des ganzen Ringes wurde bei Pedicellina nicht nachgewiesen. Im obigen sind, nur aus den letzten Jahren, nicht weniger als drei verschiedene Deutungen der an und fiir sich ganz ahnlichen Ringbildungen angefiihrt. Diese Deutungen stimmen jedoch alle darin iiberein, daf bei der ersten Reifungsteilung jeder Ring in 2 Halbringe zerlegt werden soll. Eben auf diesem Punkt haben aber meine Untersuchungen an cnteroxenos abweichende Resultate gegeben, indem noch am Ende der ersten Teilung Ringbildungen vorkommen von ahnlicher GréBe und von demselben Bau wie auf friiheren Stadien. In zwei Beziehungen liegen bei Enteroxenos die Verhialtnisse giinstiger als bei den friiher untersuchten Objekten. Erstens werden durch das lange dauernde Stadium des Wachstumskernes die postsynaptischen Umbildungen der Chromosomen von den- jenigen der Prophase der ersten Reifungsteilung scharf getrennt. Zweitens besteht ein wesentlicher Vorteil dieses Materiales in der leichteren Zugiinglichkeit der Ruheformen der Chromosomen zwischen beiden Reifungsteilungen. Untersuchungen iiber Keimzellen. 317 Ich habe daher schon in meiner vorliufigen Mitteilung einen Versuch gemacht, auf Grundlage der Verhiltnisse bei Enteroxenos die Ringbildungen verschiedener Tierformen unter einem gemein- samen Gesichtspunkt zu betrachten. In Uebereinstimmung mit A. und K. E. Scurerner habe ich bei Enteroxenos eine Konjugation der Chromosomen nicht ,,end to end“, sondern durch ein paralleles Aneinanderlegen konstatieren kénnen. In Betreff der ersten Entstehung der Ringe stimmen doch die Ergebnisse meiner Untersuchungen mehr mit Montreomerys Auffassung tiberein, indem ich in der Ringbildung nicht ein Auseinanderweichen der konjugierten Chromosomen, sondern vielmehr eine Zusammenbiegung beider Enden eines Doppelchromosoma ersehen muf. Meine Griinde fiir eine solche Annahme habe ich schon friiher (1905) angefiihrt; ich werde sie jedoch hier wiederholen. Die Ringbildungen kommen bei Enteroxenos auf einem so friihen Stadium zum Vorschein, daf an eine Spaltung der Chromo- somen fiir die erste Reifungsteilung noch nicht zu denken ware (Fig. 38, 40e). Aus ihrem Auftreten schon vor der Bildung eines Wachstumskernes geht es in der Tat mit Sicherheit hervor, daf sie hier der Postsynapsis angehéren und nicht der Prophase der ersten Reifungsteilung. Die postsynaptischen Ringe werden aus Doppel- fadchen aufgebaut, von ahnlicher Dicke und von demselben Aus- sehen wie die tibrigen Chromatinfadchen des Kernes. Die Ringe kénnen also nicht durch Spaltung eines solchen entstanden sein. Und wenn auch bei der Auflésung des Wachstumskerns wieder Ring- bildungen zum Vorschein kommen (Fig. 121a), so ist es nicht, um bei der ersten Reifungsteilung in 2 Halbringe zerlegt zu werden. Sie werden vielmehr vor der Teilung zu den oben besprochenen kom- pakte polygonalen Chromosomen kontrahiert und der Flache nach geteilt; erst bei der Auflésung der Zwischensubstanz in der Telo- phase tritt die urspriingliche Ringform dieser Chromosomen wieder deutlich hervor. Die Ringe zeigen hier noch dieselbe Doppelheit wie friiher, nur sind ihre beiden Komponenten diinner als zuvor (Fig. 181—135). Die Ringbildungen der Reifungsteilungen bei Enteroxenos lassen sich, glaube ich, nur in der Weise deuten, daf wihrend der Postsynapsis oder bei der Auflésung des Wachstumskernes einzelne _ Doppelchromosomen durch Kriimmung und durch Verschmelzung beider Enden in Ringe umgebildet werden. Diese Verschmelzung bleibt entweder wahrend der ersten Reifungsteilung bestehen oder 378 Kristine Bonnevie, lést sich bald wieder auf. In beiden Fallen aber geschieht bei dieser Teilung eine Lingsspaltung des ganzen Doppelfadens, der den Ring gebildet hat. Wahrend ich also mit Monraomery und A. und K. E. SCHREINER in jedem Ring ein bivalentes Chromosoma sehe, so habe ich im Gegensatz zu diesen Autoren gefunden, da bei Enteroxenos die Ringe nicht in der ersten Reifungsteilung in zwei univalente Chromosomen zerlegt werden, sondern daf die Bivalenz noch am Ende dieser Teilung besteht. Es scheint aber ein schroffer Gegensatz zu bestehen zwischen der hier erwaihnten Auffassung, daf die Ringe als solche durch die Teilung passieren kénnen, und den unzweideutigen Befunden an verschiedenen Tierformen, wo in der Metaphase ringférmige Chromosomen in je 2 Halbringe zerlegt werden. Eine Erklarung dieses scheinbaren Gegensatzes ist, glaube ich darin zu suchen, dafB die Ringe der Postsynapsis nicht ohne weiteres mit denjenigen der Metaphase zu- sammengestellt werden diirfen. Die Unabhangigkeit dieser beiden Bildungen tritt bei Entero- xenos sehr deutlich zu Tage. In der ersten Reifungsteilung finden sich Ringe in der Pro- und Telophase, kein einziger aber in der Metaphase. In den Furchungsteilungen dagegen sind Ringbildungen in der Metaphase recht haufig vorzufinden (Fig. 150), waihrend sie hier weder vor noch nach derselben ge- funden werden. Sie werden in der spiten Prophase der Furchungs- teilung in der von FLEMMING (1887) beschriebenen Weise aus fadenformigen Chromosomen gebildet. Aber auch wo in Pro- und Metaphase einer und derselben Teilung Ringe vorkommen, lait sich wohl eine Unabhangigkeit beider Bildungen vermuten. In der Tat finde ich, da’ diese Még- lichkeit durch das eben beschriebene Verhalten der Ringbildungen bei Enteroxenos einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erreicht. Auch in der Literatur fehlt es nicht an Angaben, die eine solche Annahme stiitzen kénnten. Ich habe schon in meiner vor- laufigen Mitteilung auf eine Angabe von Moore (1896) aufmerk- sam gemacht, die bei Selachiern eine Diskontinuitét in dem Auftreten der Ringe beim Uebergang zur Metaphase voraussetzen lieB. Bei den Selachiern treten — wie auch A. und K. E. SCHREINER bestétigen — zahlreiche Ringe sowohl in Pro- als in Metaphase der ersten Reifungsteilung auf. Es wird aber von Moore sowohl in Text als in Abbildungen gezeigt, dai die Ringe der Prophase Untersuchungen iiber Keimzellen. 379 nicht direkt als solche in diejenigen der Metaphase iibergehen, sondern daf zwischen beiden ein Stadium existiert, auf welchem die Chromosomen in der Form von ,rodlike bodies“ (p. 289) ,stand stiffly out from the surface of the spindle‘. Die Meta- phasenringe werden, nach Moors, erst auf Grundlage dieser ,rod- like bodies“ gebildet. In Uebereinstimmung mit dieser Angabe von Moore scheint mir auch die Voraussetzung berechtigt, daf zwischen den beiden von A. und K. KE. SCHREINER gegebenen Abbildungen der Reifungs- teilung bei Spinax (Textfig. I dieser Abhandlung) auch ein Zwischen- stadium einzuschieben ist, durch welches der Uebergang von den Ringen der Prophase zu denjenigen der Metaphase vermittelt wird. Die Prophasenringe bei Spinax sind (ScHREINER 1904) ,oft an einer Stelle etwas offen“. Und eben diese Oefinung scheint mir einen Fingerzeig tiber das weitere Schicksal der Ringe zu geben. Es kommen namlich (Textfig. Ia) in einem Kern alle - Ueberginge von den geschlossenen Ringen zu den mehr oder weniger weit gedffneten und den ganz ausgestreckten stabchen- f6rmigen Chromosomen vor. Es scheint mir daher keineswegs ausgeschlossen, daf die Prophasenringe der Selachier — wie die- jenigen des Enteroxenos — eigentlich mehr der Postsynapsis an- gehoren als der Prophase; sie kénnten durch ein voriibergehendes Zusammenbiegen der fadenformigen Doppelchromosomen nach der Synapsis zu stande gekommen sein — in der spaten Prophase sich aber wieder ausstrecken (Fig. I) und endlich in der von FLEMMING beschriebenen Weise heterotypisch geteilt werden, wo- durch die Ringe der Metaphase entstiinden. Die letzteren waren aber nach dieser Deutung nur insoweit auf die Ringe der Prophase zuriickzufiihren, als sie aus demselben Material aufgebaut waren. Auch Monreomerys Abbildungen der Spermatocyten der Am- phibien (Textfig. H dieser Arbeit), erlauben wohl eine andere Deutung, als die von ihm selbst gegebene, um so viel mehr, als sowohl FLEMMING (1887) wie Mrves (1897) mehrere Stadien ab- gebildet haben, die zwischen die Figuren MONTGOMERYS einzu- schieben waren, die sich aber kaum mit seiner Auffassung in Kin- klang bringen lassen. Auch in der wertvollen Arbeit von JANSSENS und Dumez (1903) wird die Richtigkeit von MonGomerys Schliissen auf diesem Punkt in Zweifel gezogen. ‘ Bei den Amphibien sind, wie schon seit FLEmmincs Unter- suchung (1887) bekannt, die Metaphasenringe sehr auffallend; aber eine Verfolgung derselben zu den durch Kriimmungen der 380 Kristine Bonnevie, Chromatinfiden entstandenen Schlingen und Ringe der Postsynapsis zuriick scheint nach den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen nicht berechtigt. Die zweite Reifungsteilung. In Uebereinstimmung mit den obigen Erérterungen méchte ich die Doppelheit der Tochter- chromosomen in der Telophase der ersten Reifungsteilung als mit derjenigen der Mutterchromosomen identisch betrachten, d. h. sie ]a8t sich zu der Konjugation der Chromosomen in der Synapsis zuriick verfolgen. Die erste Reifungsteilung ware demnach als . eine Aequationsteilung der gesamten Doppelchromosomen anzusehen. Es bleibt uns dann noch iibrig, die Natur der zweiten Reifungsteilung zu priifen. Wenn wir in der Liangsspalte der in diese Teilung hineintretenden Chromosomen die Konjuga- tionsebene ersehen, so wird es von grofer Bedeutung sein, zu konstatieren, ob die Teilung nach dieser Spalte effektuiert werde oder nicht; im ersteren Fall wiirde die zweite Reifungsteilung eine Reduktionsteilung sein. Aus mehreren Griinden glaube ich, daf dies nicht der Fall ist. Erstens stimmt das Bild der zweiten Reifungsteilung sowohl in Betreff der Form der Chromosomen als auch in Betreff ihrer Teilungsweise voéllig mit demjenigen der ersten Teilung itberein; nur sind die Chromosomen entsprechend kleiner (Fig. 136—141). Die ,Tetraden*, wie auch die tibrigen Chromosomen, werden auch diesmal der Flache nach geteilt (Fig. 138—140), und die Bilder beider Teilungen bieten itiberhaupt nichts, was eine Auffassung der einen derselben als einer Reduktions-, der anderen als einer Aequationsteilung rechtfertigen kénnte. Da ich jedoch auf die komplizierten Chromosomenformen der Metaphasen nur wenig Ge- wicht legen kann, so méchte ich auch aus der Aehnlichkeit beider Teilungen keine entscheidenden Schliisse ziehen. Dazu kommt aber noch die Tatsache, da’ auch die Pro- phasenbilder beider Teilungen sich vdllig entsprechen, und da& auch vor der zweiten Reifungsteilung Vierergrnppen vor- kommen (Fig. 136). Solche doppelt langsgespaltene Chromosomen sind vor der ersten Reifungsteilung oft beschrieben worden. Wenn auch dabei ihr erstes Entstehen in verschiedener Weise erklart wurde, so ist doch immer vorausgesetzt worden, dal die beiden rasch aufeinander folgenden Reifungsteilungen der Chromosomen lings diesen Spalten effektuiert werden sollten. Daraus folgt aber weiter, da& am Ende der ersten Teilung nur noch eine einfache Lingsspaltung der Chromosomen vor- Untersuchungen iiber Keimzellen. 381 handen sein kénnte, und nach der zweiten Teilung ware keine Doppelheit derselben mehr zu erwarten. Das Auftreten von ,,Vierergruppen“ in der Prophase der zweiten Reifungsteilung bei Enteroxenos aft sich also nicht mit der eben erwihnten Auffassung ihrer Bedeutung in Einklang bringen. Ihre Entstehung Ja8t sich aber hier — wie auch vor der ersten Teilung — so erkliren, daf die eine Spalte die Kon- jugationsebene der Doppelchromosomen bezeichnet, die andere aber den Plan der zunachst folgenden Teilung. — Gleichzeitig mit der Kontraktion der Chromosomen am Ende der Ruhepause ist auch eine Wiederaufnahme von Zwischensubstanz in dieselben geschehen. Und es bestatigt sich hier wieder, dal diese Zwischen- substanz wohl sehr dehnbar ist (Fig. 136d, 137 7), da sie aber bei der Teilung der Chromosomen mit gespaltet wird. Die Tochterchromosomen werden daher schon bei recht kurzer Ent- fernung durch eine klaffende Spalte voneinander getrennt (Fig. 136¢, 137 3). Mit der Existenz von ,Vierergruppen“ in der Prophase der zweiten Reifungsteilung steht es auch in bester Uebereinstimmung, da die Chromosomen noch am Ende dieser Teilung ihre Doppel- heit bewahrt haben. Dies la%t sich zwar nicht sicher konstatieren, solange nur die Teilungsfiguren selbst in Betracht gezogen werden. Die Chromosomen behalten namlich bis zur Abschniirung der zweiten Polocyte immer noch ihre komplizierte Form bei (Fig. 140—141), und sichere Schliisse lassen sich daher nicht aus denselben ziehen. Nur wo (wie in Fig. 139) in einem lang aus- gezogenen Chromosom eine Liangsspalte sichtbar ist, méchte ich derselben einige Bedeutung beilegen. In der Telophase dagegen (Fig. 142—145) machen die Chromosomen Umbildungen durch, die fiir unsere Frage von grofer Bedeutung sind. Zuerst geschieht, wie nach der ersten Teilung, eine Streckung der Chromosomen, und sowohl in der Polocyte wie im Ei selbst (Fig. 142a, b) tritt eine Doppelheit der Chromosomen jetzt sehr deutlich hervor. Dieses Stadium dauert aber nicht lange, indem auf Grundlage beider Tochterplatten bald eine Kernbildung ein- geleitet wird. Sie geschieht im Ei und in der Polocyte in genau entsprechender Weise, nur etwas langsamer in der letzteren (vergl. Fig. 84; 86—88). E Vorkerne. Die Chromosomen, die vorher iiber die ganze Tochterplatte zerstreut waren, werden jetzt alle in einer Reihe angeordnet, so daf sie zusammen einen nahezu geschlossenen Ring 382 Kristine Bonnevie, bilden, der meistens deutlich langsgespalten erscheint (Fig. 143). Dieser Ring wird stark kontrahiert, so dafi auf einem folgenden Stadium alles Chromatin in einem kompakten, unregelmafig ge- formten Kliimpchen angesammelt ist, wihrend sich um dasselbe herum eine rasch steigende Kernvakuole bildet (Fig. 144). Dann lésen sich die Chromosomen wieder aus ihrem festen Verband und werden bald, wie in Fig. 145a, tiber den ganzen Kernraum zer- streut gefunden '). Eine Reihe junger Vorkerne sind in Fig. 145a—e abge- bildet. Man sieht hier immer noch eine auffallende Doppelheit der Chromosomen, die auch bei der netz- formigen Verteilung des Chromatins in den Liningeriistfaden zum Teil beibehalten wird. Wie schon im vorigen Abschnitt besprochen, wachsen beide Vorkerne rasch heran, und es wird in denselben eine grofke Menge Chromatinsubstanz abgelagert, die aber vor der ersten Furchungsteilung wieder zerfallt (Fig. 91—96). Die Doppelheit der Chromosomen wird wihrend dieses Wachstums des Kerns meistens vollig unsichtbar. Bei der Diminution des Wachstumschromatins treten die Chro- mosomen wieder deutlich hervor, und es zeigt sich jetzt wieder in denselben eine Lingsspalte, die zuerst kaum sichtbar ist, spater aber immer deutlicher hervortritt, bis zuletzt die erste Furchungsteilung dieser Spalte entlang effektuiert wird (Fig. 97—99, 146—147). Es laft sich a priori die Méglichkeit nicht ausschliefen, dai die bei der Vorkernbildung zuerst sichtbare Spalte der Chromo- somen mit der in der Prophase der ersten Furchungsteilung auf- tretenden identisch sei, wenn es auch sehr unwahrscheinlich scheint, daf die Trennung der Tochterchromosomen schon so friih geschehen sollte. Um diese Frage beantworten zu kénnen, habe ich auch die Chromosomen der ersten Furchungs- teilung genau untersucht. Bei dieser Teilung geschieht keine Faltung der Chromosomen, sondern sie bewahren ihre fadenformige Gestalt. Je nachdem die 1) Die Befruchtung ist, wie oben erwahnt, schon vor den Reifungsteilungen geschehen, und der Spermakern befindet sich auf diesem Stadium gewéhnlich in unmittelbarer Nahe des Eikerns (Fig. 88). Er besteht, wie dieser, zuerst nur aus einem kompakten Chromatinkliimpchen; und sowohl die Bildung einer Kernvakuole, wie auch die weitere Entwickelung verlauft in beiden Vorkernen ganz parallel. Nur zuweilen lait sich durch die Lage der Kerne der weibliche Vorkern vom minnlichen unterscheiden. Untersuchungen iiber Keimzellen. 383 Zugfasern auf der Mitte der Chromosomen oder terminal an den- selben den starksten Zug tiben, kénnen in der Metaphase Ring- und Achterbildungen, V-formige oder stibchenformige Chromosomen zum Vorschein kommen (Fig. 147—150). (In meiner vorlaufigen Mitteilung (1905) wurden einige Chromosomen aus der spiten Pro- phase abgebildet, die von etwas zweifelhafter Natur sind. Ich habe sie damals als ,,Vierergruppen“ betrachtet, die hier zum dritten- mal hervortreten sollten; spater bin ich aber, bei der Betrachtung eines gréferen Materiales, dazu gekommen, dal diese Deutung nicht unbedingt sicher ist. Es lieBe sich vamlich wohl denken, daf8 eben auf dem Wege zur Ringbildung ein solches Stadium durchlaufen werden kénnte, indem bei geeigneter Stellung der Chromosomen, als die erste Wirkung der an ihrer Mitte befestigten Zugfasern, eine Knickung derselben eintreten miifte.) Eine sichere Entscheidung tiber die Natur der Spalten labt sich iiberhaupt aus den Prophasenbildern der ersten Furchungs- teilung nicht entnehmen. In der friihen Anaphase dieser Teilung ist jedoch auch in den Tochterchromosomen eine Langs- spalte sichtbar (Fig. 148—149). Die Existenz dieser Spalte zeigt aber, da’ in der Prophase eine doppelte Langsspaltung der Chromosomen stattgefunden haben muf, auch wenn die eine Spalte wegen der Kontraktion der Chromosomen wahrend der Metaphase verborgen war. Die Lingsspalte der Tochterchromosomen der ersten Furchungs- teilung kann nur in der schon bei der Vorkernbildung vorhandenen Doppelheit der Chromosomen ihren Ursprung haben. Und die bei der Teilung effektuierte Spaltung der Chromosomen ist als eine der Prophase angehérige Neubildung zu betrachten. Auch noch in den jungen Kernen des Zweizellenstadiums Jat sich spurweise eine Doppelheit der Chromatinfaiden nachweisen. Sie scheint aber wihrend der weiteren Furchung immer mehr zuriickzutreten und in den Gewebszellen des Enteroxenos ist mir eine Doppelheit der Tochterchromosomen nie aufgefallen. Eine Ausnahme bilden in dieser Beziehung die grofen Binde- gewebszellen, von denen schon friiher erwihnt wurde, daf sie trotz ihrer Ausscheidung der Fibrillensubstanz immer noch als embryonale Zellen zu betrachten wiren. Sie gehdren auch inso- fern der Keimbahn an, als sowohl die Oogonien wie auch die Spermatogonien auf Grundlage solcher Zellen entstehen. In diesen Zellen erhilt sich auch die Doppelheit der Chromosomen langer als in den Gewebszellen; sie kann zuweilen hier so auf- 384 Kristine Bonnevie, fallend sein (Fig. 151), daf’ man beim Anblick der Chromosomen einer solchen Zelle unwillkiirlich eine Spermatocyte am Ende der ersten Reifungsteilung vor sich zu haben glaubt. Auch in den Oogonien 1a8t sich zuweilen eine Doppelheit der Tochterchromosomen nachweisen (Fig. 28). Meistens scheint jedoch hier die Verschmelzung beider Komponenten der Doppelchromo- somen vollzogen zu sein. In dieser Verbindung méchte ich auch tiber die GréfSen- verhaltnisse der Chromosomen bei Enteroxenos eine Bemerkung machen. Simtliche Abbildungen der Taf. XXII sind in demselben Ma&stab ausgefiihrt wie diejenigen der Taf. XVII. Und bei einem Vergleich der Figg. 146—150 einerseits mit Fig. 25—28 anderer- seits tritt der GréfSenunterschied der Chromosomen am Anfang und am Ende der Keimbahn stark hervor. Die Bindegewebszellen (Fig. 151) vermitteln auch hier den Uebergang von den ersten Blastomeren zu den Oogonien. Ein Riickblick auf das eben beschriebene Verhalten der Chro- mosomen — von ihrer paarweisen Konjugation in der Synapsis an, durch Reifungsteilungen und Vorkernbildung weiter zu den Binde- gewebszellen und den Oogonien der nachsten Generation — wird, glaube ich, meine schon in der vorliufigen Mitteilung erwahnten Schliisse rechtfertigen : ,Die Zahlenreduktion der Chromosomen geschieht bei Entero- xenos durch ihre parallele Konjugation in Synapsis. Die dadurch entstandene Doppelheit der Chromosomen geht weder in der ersten noch in der zweiten Reifungsteilung wieder verloren, sondern tritt noch in den Vorkernen deutlich hervor und verschwindet erst im Laufe der folgenden Zellgenerationen mit der vélligen Verschmelzung der konjugierten Chromosomen. Die konjugierten Chromosomen haben ihre Teilungsfihigkeit behalten; beide Reifungsteilungen sind somit als Aequationsteilungen zu betrachten, deren Bild jedoch durch die Doppelheit und die Gréfe der Chromosomen kompliziert wird. Das rasche Aufeinander- folgen beider Teilungen traigt zu einer Gréfenreduktion der Doppel- chromosomen bei; sie werden jedoch erst im Laufe vieler Zell- generationen auf ihre urspriingliche GréSe reduziert.* Diese Schliisse lassen sich zwar nicht durch eine oder mehrere losgerissene Tatsachen beweisen; es ist wohl auch nicht ausge- schlossen, daf8 einzelne meiner Bilder in anderer Weise und zu Gunsten anderer Theorien gedeutet werden kénnen, als ich es im Untersuchungen iiber Keimzellen. 385 obigen getan habe. Wenn man aber die Bilder aller verschiedenen Stadien im Zusammenhang betrachtet, was fiir eine Erklarung dieser schwierigen Verhiltnisse dringend geboten ist, dann glaube ich, wird man kaum eine andere Theorie aufstellen kénnen, in der sich dieselben ungezwungen einordnen lassen. Bei einem Reifungsmodus wie der oben beschriebene werden alle Chromosomen, viterliche sowohl wie miitterliche, auf die vier Enkelzellen einer Oo- resp. Spermatocyte anscheinend ganz gleich- maBig verteilt. Es existiert also hier keine ,Idenverteilung* im WEISMANNSChen Sinne; auch Surrons (1902) Aussage trifft hier nicht zu, wenn er die Bedeutung der Synapsis darin sieht, daf (p. 39) ,the two chromosomes representing the same _ specific characters shall in no case enter the nucleus of a single sper- matid or mature ege“. In der Tat wird bei Enteroxenos kein greifbarer Anhalts- punkt zum Verstandnis der Variabilitat der Arten gefunden. Aber da wir noch weit von einem wirklichen Verstindnis der ver- schiedenen Fragen iiber Vererbung und Variabilitat entfernt sind, kann ich nichts Befremdliches in dem Gedanken sehen, daf die die Variabilitat bedingende Konkurrenz zwischen den verschiedenen Qualitéten nur innerhalb der einzelnen Chromosomen vor sich gehen kénnte, nicht also in einer so groben Weise, daf es mit unseren Hilfsmitteln direkt nachweisbar ware. Es ist von Surron (1903) und Bovertr (1904) auf die inter- essante Uebereinstimmung aufmerksam gemacht worden, die zwischen den méglichen Kombinationen vaterlicher und miitter- licher Chromosomen beim Vorhandensein einer Reduktionsteilung, und dem Menpetschen Gesetz iiber Pflanzenhybriden zu bestehen scheint. Und Boverr hat auf die reichen Méglichkeiten hinge- wiesen, die eine ,,Verbindung der experimentellen Vererbungslehre mit Chromosomenuntersuchungen“ fiir die Férderung unserer Kenntnis des Chromatins in sich tragen wiirde. Doch méchte ich es als verfriiht ansehen, wenn Surron (1903) schon auf dem jetzigen Standpunkt der Vererbungslehre den SchluS gezogen hat (p. 247) ,,that the phenomenon of character reduction discovered by MENDEL is the expression of chromosome reduction“. Jedes Chromosoma ist sicherlich, wie Surron selbst zugibt, als Trager vieler verschiedener Qualitaten anzusehen, und erst wenn der Nachweis erbracht wire, dai gewisse Qualitaiten- gruppen und nicht nur einzelne Qualitaten in Uebereinstimmung 386 Kristine Bonnevie, mit dem Menpetschen Gesetz vererbt wiirden, erst dann wiirde auch ein direkter Riickschluf von den empirisch gewonnenen Re- sultaten der Vererbung auf das Vorhandensein einer Reduktions- teilung bei der Reifung der Keimzellen gerechtfertigt sein. Innerhalb der einzelnen Chromosomen setzt SurTon eine ge- wisse Unabhingigkeit der verschiedenen Qualitaéten voraus, indem (p. 240) ,,the chromosome may be divisible into smaller entities, which — — may be dominant or recessive independently“. , Damit ist aber eine neue Méglichkeit fiir Variation gegeben, viel reicher als diejenige der Reduktionsteilungen. Unter dieser Voraussetzung einer unabhingigen Variabilitat der einzelnen Quali- titentrager aft sich auch ohne Zuhilfenahme einer Reduktions- teilung eine gewisse Gesetzmafigkeit der Variationen erwarten. Die bei der Befruchtung in einer Zelle vereinigten vater- lichen und miitterlichen Chromosomen behalten, wie wir durch die Untersuchungen von VAN BENEDEN (1883), RUcKEerT (1895), HAcker (1902) u. a. wissen, in den aufeinanderfolgenden Zell- generationen ihre Selbstaéndigkeit bei, bis endlich die homologen Chromosomen viterlicher und miitterlicher Herkunft am Ende der Keimbahn in der Synapsis paarweise konjugieren. Unter solchen Umstinden lat es sich wohl denken, daf sich im Laufe der Zellgenerationen der Keimbahn eine gewisse Variation der Chromo- somen zeigen kénnte, indem einzelne Qualitaten derselben etwas stiirker, andere vielleicht schwicbher wiirden. Dann wiirde aber die Konjugation der Chromosomen in verschiedenen Oo- resp. Spermatocyten auch verschiedene Resultate geben kénnen. Die zufalligen Variationen der Chromosomen oder einzelnen Qualitiiten innerhalb der Keimbahn werden in auf- und absteigen- der Richtung wahrscheinlich gleich stark sein. Und unter der Voraussetzung, dali der starkere Repriisentant einer Qualitét nach der Konjugation der Chromosomen do minierend, der schwachere aber recessiv wird, muf ungefaihr in der einen Halfte der Keim- zellen eines Individuums der betreffende vaterliche Charakter (A), in der anderen der miitterliche (B) dominieren. Bei der Paarung zweier Individuen mit solchen Keimzellen wiirden die verschiedenen Kombinationen der betreffenden Qualitat dem Menpetschen Gesetz folgen, indem sie in dem Verhaltnis AA + 2 AB + BB sich geltend machen wiirden. Es la8t sich aber auch denken, dafi der Unterschied zwischen beiden homologen Qualititen nicht gréSer sei, als daf nach der Konjugation eine Zusammenwirkung zwischen ihnen stattfinden Untersuchungen iiber Keimzellen. 387 kénnte; in diesem Fall wiirde der betreffende Charakter bei den Abkémmligen gemischt auftreten. Die verschiedenen Qualititen einer und derselben Art méchten in dieser Beziehung auch unter sich verschieden sein, so daf in gewissen Organsystemen, z. B. auf dem Gebiete des Nervensystems, eine Zusammenwirkung der homologen Qualitéten nur in geringem Mafe stattfinden kénnte, waihrend andere Organsysteme eine solche erlaubten. Dort wiirde dann schon bei geringem Uebergewicht die stirkere Qualitit dominierend werden, und die Vererbung wiirde dem Mxrnpetschen Gesetz folgen, hier wiirden die vater- lichen und die miitterlichen Charaktere gemischt vererbt werden. Es la8t sich tiberhaupt, unter der Voraussetzung einer unab- hangigen Variation der einzelnen Qualitéten eines Chromosoma, eine unendliche Reihe von Variationen vorstellen. Ich glaube auch, daf die in neuerer Zeit gewonnenen Resultate der experi- mentellen Vererbungslehre (Dr Vries, BATESON, CASTLE u. a.) sich viel leichter ohne Annahme einer Reduktionsteilung als mit einer solchen erklaren lassen. Jedenfalls lassen sich die vielen Aus- nahmen von den durch Massenuntersuchungen gewonnenen Ver- erbungsgesetzen, sowie die atavistischen Riickschlige, nur unter Voraussetzung eines lebhaften Qualitatenaustausches zwischen den konjugierenden Chromosomen auf eine Reduktionsteilung zuriick- fiihren. Mit der steigenden Innigkeit der Konjugation wird aber der physiologische Unterschied zwischen den beiden Begritfen Reduktions- und Aequationsteilung auch allmahlich verschwinden, indem es fiir die Vererbung ein ahnliches Resultat geben wiirde, ob die zwei konjugierten Chromosomen nach eingreifendem Quali- titenaustausch in einer Reduktionsteilung wieder auseinander weichen, oder ob das ganze Doppelchromosoma durch eine Aequationsteilung halbiert wird. Ich glaube also in den Resultaten der experimentellen Ver- erbungslehre gegen eine generelle Bedeutung des fiir Enteroxenos im obigen beschriebenen Teilungsmodus keinen Einwand zu finden, zwar aber auch keinen bestimmten Hinweis zu Gunsten derselben. Es bleibt nun noch ibrig, durch einen Vergleich mit den morphologischen Resultaten anderer Autoren die Tragweite meiner Befunde zu untersuchen. A. und K. E. Scureiner (1904, 1905) stimmen, trotz wesent- licher Unterschiede in der Begriindung, mit Monrcomery (1905) darin iiberein, da8 sie die erste Reifungsteilung als eine Reduk- tionsteilung betrachten, und zwar nicht nur bei den von ihnen 388 ' Kristine Bonnevie, selbst untersuchten Objekten, sondern im allgemeinen bei den verschiedensten Tieren- und Pflanzenformen!). Und wenn Monr- GOMERY (1905, p. 188) nach kritischer Behandlung der Reifungs- literatur der letzten Dezennien den Schluf zieht, da’ maturation phenomena are all of the pseudomitotic type of KorscHELT, and only of the praereductional kind“, dann scheint eine Verall- gemeinerung der bei Enteroxenos konstatierten Verhaltnisse schon im voraus ausgeschlossen. Doch zeigt es sich bei genauer Untersuchung, daf die An- nahme des allgemeinen Vorkommens einer Reduktionsteilung sich aus den bis jetzt vorliegenden Tatsachen nicht sicher begriinden laft, und daf die Frage nach der Natur der Reifungsteilungen kaum bei einem einzigen Objekt, und noch lange nicht bei allen, endgiiltig beantwortet worden ist’). Bei einem Vergleich mit den Verhaltnissen bei Enteroxenos miissen in erster Reihe die Mollusken betrachtet werden. Auf Grundlage der Abbildungen von Bouies Lee (1897), Murray (1898), Merves (1902), Prowazex (1902) und Conxiin (1902) halten A. und K. E. ScHRrErNER (1905) bei dieser Gruppe eine »lrennung der Einzelchromosomen in der ersten Reifungsteilung“ fiir wahrscheinlich. Nach eingehender Untersuchung derselben Zeichnungen kann ich ihnen hierin aber nicht beistimmen. Bei allen in den erwahnten Arbeiten beschriebenen Mollusken zeigen die Chromosomen wihrend der Reifungsteilungen einen ihnlichen Bau wie bei Enteroxenos. Es kommen drei- und vier- eckige Chromosomen sowohl am Anfang wie auch am Ende beider Teilungen vor. Wie an Enteroxenos gezeigt, lassen sich aber aus solchen Chromosomenformen weder in der einen noch in der anderen Richtung Schliisse ziehen, solange nicht auch ihre Um- bildungen am Anfang und am Ende beider Teilungen verfolgt worden sind, ConkKLIn (1902) sagt auch selbst in seiner Beschreibung der Reifungsteilungen bei Crepidula, da (p. 13): ,,one might as well speak of the longitudinal‘ or ,transverse‘ division of a cube or 1) Auch von Griegorre (1905) werden ahnliche Anschauungen vertreten. 2) Nach den neuesten Untersuchungen von A. und K. E. Scureiner (Vortrag in Biol. Selsk., Kristiania, Marz 1906) scheint es, dai sie in Tomopteris ein Material gefunden haben, wo sich die Chromosomen durch alle Stadien der Reifung der Keimzellen genau verfolzen Jassen. Und sie finden hier ihre friihere Annahme einer Reduktionsteilung bestiatigt. Untersuchungen iiber Keimzellen. 389 a sphere as of these chromosomes. It is impossible, therefore, to determine whether or not reduction in the sense of WEISMANN takes place in this case.“ Wegen der duferen Aehnlichkeit der Chromosomenformen scheint es mir sehr wahrscheinlich, wenn auch noch nicht be- wiesen, daf die Verhialtnisse bei den iibrigen Mollusken in der- selben Weise zu deuten sind wie bei Enteroxenos. Eine weitere Verallgemeinerung meiner Resultate wiirde zur Zeit noch nicht begriindet sein. Doch méchte ich hier bemerken, da8 ihre Giiltigkeit auch fiir andere Tiergruppen durch die bis jetzt vorliegenden Tatsachen keineswegs ausgeschlossen ist. Eine vollige Verschmelzung der konjugierten Chromosomen 1a8t sich namlich auch da voraussetzen, wo in den folgenden Zellgenera- tionen keine Doppelheit deutlich zu Tage tritt. Und diejenigen Falle, wo in beiden Reifungsteilungen typische Langsteilungen be- —schrieben worden sind, — auger bei den Phanerogamen auch bei Ascaris (BovERI 1887b, BrAvER 1892 a), bei Insekten (DE SINETY 1901) bei Wirbeltieren (Moore 1896, Mrves 1897, JANSSENS und DumeEz 1903), — lassen sich ebenso gut als Beispiele einer Ver- schmelzung der konjugierten Chromosomen mit nachfolgenden Aequationsteilungen wie als Beispiele eines Auseinanderweichens derselben in einer Reduktionsteilung ansehen. Auch von A. und K. E. ScHREINER wird, wie sie selbst zu geben, in ihren Befunden bei Myxine kein absoluter Beweis fiir die Existenz einer Reduktionsteilung gebracht. Sie haben sogar Bilder vorgefunden, die darauf hindeuten kénnten, dal (p. 270) ,die Chromosomen der Spermatiden“ ebenso ,,wie die der Spermatocyten erster und zweiter Ordnung aus einer vater- lichen und einer miitterlichen Halfte zusammengesetzt‘‘ waren — wie man sieht, genau dieselbe Auffassung, zu der ich bei Enteroxenos gekommen bin, und die in meiner vorlaufigen Mit- teilung kurz vor dem Erscheinen der ScHREINERSCchen Arbeit ver- Offentlicht wurde. Wie schon oben erwihnt, besteht doch, meiner Meinung nach, zwischen einer Reduktionsteilung nach Qualitétenaustausch der konjugierenden Chromosomen und einer Aequationsteilung nach volliger Verschmelzung derselben kein Wesensunterschied, und es lieBe sich wohl denken, da8 innerhalb der Organismenwelt ver- schiedene Stufen reprisentiert sein kénnten, zuerst vielleicht eine Kopulation ohne Substanzaustausch, nur von teilungsmechanischer Bedeutung (Ophryotrocha, KorscHeLT 1895), dann die mehr in- Bd, XLI. N. F. XXXIV. °6 390 Kristine Bonnevie, time paralelle Konjugation mit Steigerung bis zur vélligen Ver- schme]zung der Chromosomen. Eine Doppelheit der Chromosomen ist auch schon friither be- obachtet worden, von VAN BENEDEN (1883) in der Anaphase der ersten Furchungsteilung bei Asc. meg. und von FLEmMMiIne (1887) ausnahmsweise auch in den Gewebezellen bei Amphibien. In einer eben erschienenen Mitteilung von Marcus (1905) wird auch bei Asc. mystax eine Doppelheit der Chromosomen der Vorkerne be- schrieben. Dieselben sollen aber hier durch Vierteilung von ,»Oktaden“ entstanden sein, in einer solchen Weise, ,daf kein Zweifel sein kann, da eine echte Reduktion im Sinne WEISMANNS stattgefunden hat“. Ob diese Auffassung in den Verhaltnissen bei Ascaris eine wirkliche Stiitze findet, laBt sich aus der kurzen Mitteilung nicht ersehen; wenn aber der Verfasser auch meine Befunde bei Entero- xenos in ahnlicher Weise deuten méchte, dann muf ich bestimmt hervorheben, daf seine Auffassung sich mit meinen, schon in der vorlaufigen Mitteilung (1905) beschriebenen Resultaten in keiner Weise vereinigen laBt. E. Das Verhaltnis zwischen Chromosomen und Nukleolen. Bei der obigen Beschreibung der Reifungsteilungen bei Entero- xenos sind die Nukleolen nur wenig beriicksichtigt worden. Ich méchte daher hier kurz meine Befunde in Betretf des Verhilt- nisses zwischen Chromosomen und Nukleolen zusammenstellen, wenn ich auch keine speziell auf die Nukleolen gerichteten Unter- suchungen vorgenommen habe. Bei der Betrachtung der nacheinander folgenden Generationen der Keimzellen haben wir gefunden, da die Nukleolen in ihrer Existenz zur Kernbildung in einem gewissen Verhaltnis stehen, indem sie in jeder Zellgeneration bald nach dem Auftreten der Kernvakuole gebildet werden und wieder vor der Auflésung der Kernmembran plétzlich verschwinden. In der kurzen Pause zwischen den beiden Reifungsteilungen zeigen sich jedoch keine Nukleolen, trotzdem in den minnlichen Keimzellen auch diesmal eine Kernvakuole gebildet wird. Der Kern dieser Zellgeneration, der Spermatocyten II, unterscheidet sich aber auch dadurch von dem gewéhnlichen Verhalten, daf die Untersuchungen iiber Keimzellen. 391 Chromosomen noch innerhalb der Kernmembran ihre morpho- logische Begrenzung bewahren. Und es scheint aus mehreren Tatsachen sicher hervorzugehen, dafi Nukleolen und Chromosomen in ihrem Auftreten voneinander abhingig sind. Bei Enteroxenos findet sich typisch nur ein Nucleolus in jedem ausgewachsenen Kern. Derselbe kann aber in zwei ver- schiedenen Weisen entstehen, entweder in einem Knotenpunkt des Kerngeriistes (Fig. 18, 31—32, 157), oder, wie es in beiden Vor- kernen der Fall ist, in gréferer Anzahl und in Verbindung mit den einzelnen Chromosomen (Fig. 145b—c). In beiden Fallen scheint es sicher, da die Nukleolen als Ausscheidungsprodukte der Chromosomen aufzufassen sind. Es fragt sich nun, ob sie als eine Art Exkrete keine Rolle mehr zu spielen haben, oder ob sie fiir die Zelle und speziell fiir das Leben der Chromosomen von weiterer Bedeutung sind. . Gegen die erstere Annahme sprechen die auffallenden chemi- schen Umbildungen, die sich in der Vakuolisierung des Nucleolus erkennbar machen, sowie sein starkes Wachstum in den Oocyten I; auch nachdem der Nucleolus im Wachstumskern von seiner Ver- bindung mit den Chromatinfaden gelést und in das Innere des Kerns hineingesunken ist, nimmt er noch fortwahrend an Grofe zu (vergl. Fig. 48 u. 55). Es scheint auch sehr wahrscheinlich, da’ die Chromosomen- bildung wieder von der Auflésung des Nucleolus abhingig ist. Dies ist doch nicht so zu verstehen, daf die Chromosomen aus dem Nucleolus ihren Ursprung nehmen sollten; denn die Kon- tinuitét der Chromatinsubstanz la8t sich in jeder Zellgeneration ohne Schwierigkeit verfolgen. Aber die Kontraktion der chroma- tischen Fadchen und das Auftreten der Zwischensubstanz der Chromosomen tritt in samtlichen von mir untersuchten Zell- generationen bald nach der Auflésung des Nucleolus ein und scheint mit derselben in ursachlicher Verbindung zu _ stehen (Fig. 21—23, 50—59, 9497, 163—166). In den Oocyten I ist es besonders auffallend, wie die beiden Komponenten eines Doppelfadens vor diesem Stadium deutlich voneinander getrennt sind und sogar oft erheblich auseinanderweichen kénnen; bald nach dem Verschwinden des Nucleolus aber werden sie durch die als Kittmasse dienende Zwischensubstanz dicht miteinander ver- bunden. Nach dem Obigen wiirde ich mir das Verhaltnis zwischen Chromosomen und Nukleolen in folgender Weise vorstellen: Am 26 * 392 Kristine Bonnevie, Ende jeder Teilung werden innerhalb der jungen Kernvakuolen aus den Chromosomen gewisse Stoffe ausgeschieden, die zur Bil- dung eines Nucleolus zusammenfliefen. Das typische Verhalten ist, dafi die Nukleolenbildung erst nach dem Erscheinen eines Kernnetzes einsetzt; die ausgeschiedenen Stoffe sammeln sich dann in einem Knotenpunkt des Netzwerkes. In den Vorkernen aber kann man schon auf einem Stadium, wo die einzelnen Chromo- somen noch erkennbar sind, die Nukleolenbildung wahrnehmen, und zwar als tropfenformige Anschwellungen an den Chromosomen (Fig. 145b m)1). Spater flieBen jedoch auch hier die getrennten Anlagen zu gréferen Nukleolen zusammen (Fig. 145c), die sich endlich zu einem einzigen vereinigen (Fig. 91—94). Die Nukleolen scheinen die Fahigkeit zu haben, auch aus dem Kernsaft gewisse Stoffe aufzunehmen, wodurch sie stark anwachsen kénnen. Innerhalb derselben finden chemische Ver- a4nderungen statt, die sich in einer Vakuolisierung der Nucleolus- substanz Ausdruck geben, und als Endprodukt dieser chemischen Umsetzungen wird dann zuletzt im Innern des Nucleolus eine Substanz vorliegen, die fiir die Chromosomenbildung von Bedeu- tung ist. Diese Substanz ist in den an Zahl und GréfSe zunehmenden Vakuolen des Nucleolus enthalten; sie wird aber nicht direkt auf die Chromosomen iibergefiihrt, sondern nur bei der Auflésung (Explosion?) des Nucleolus mit dem Kernsaft vermischt. Aus diesem wird sie dann wieder von den Chromatinfiden aufgenommen und in die Zwischensubstanz umgebildet, die bei der Kontraktion und Ausformung der Chromosomen eine wesentliche Rolle spielt. Nach vollendeter Teilung wird dann wieder diese Substanz, nebst anderen Stoffen, von den Chromosomen ausgeschieden, um waihrend der Kernruhe innerhalb des Nucleolus chemisch ver- arbeitet und fiir die folgende Teilung bereit gehaiten zu werden. Zu Gunsten dieser Annahme, daf die Zwischensubstanz der Chromosomen aus dem Nucleolus herstamme, spricht auch die Tatsache, dafi eben in den Oocyten I, wo die Vakuolenbildung im Nucleolus ungemein stark war, auch die Zwischensubstanz eine auSerordentliche Entwickelung zeigt. Zwischen beiden Reifungsteilungen werden keine Nukleolen gebildet ; nur wird, wie wir gesehen haben, die Zwischensubstanz 1) Ein ahnliches Entstehen der Nukleolen ist von Boveri (1888) auch in den Vorkernen bei Ascaris beschrieben worden. Untersuchungen iiber Keimzellen. 393 der Chromosomen abgegeben, aber nach einer kurzen Ruhepause anscheinend wieder von denselben aufgenommen. Das verfriihte Auftreten von Nukleolen bei der Vorkernbildung mag wohl mit ihrem volligen Fehlen bei dem vorhergehenden Ruhestadium in Zusammenhang stehen. Kap. IV. Umbildung der Spermatiden in Spermien. Mit dem Abschlu8 der Reifungsteilungen ist die Entwickelung der weiblichen Keimzellen, deren spezielle Differenzierung in einer friiheren Zellgeneration vor sich gegangen ist, vollendet, diejenige der mannlichen aber nicht. Die aus der zweiten Reifungsteilung herstammenden Spermatiden haben noch eingreifende Ver- anderungen zu erleiden, um in die befruchtungsfihigen Spermien umgebildet zu werden. Diese Umbildung der Spermatiden wurde schon in einer vorlaufigen Mitteilung (1904) beschrieben; ich werde -daher bier nur an der Hand einer gréSeren Anzahl von Ab- bildungen (Taf. XXIII, Fig. 178—201) die Hauptpunkte meiner Befunde etwas niher erértern. Enteroxenos bildet fiir eine Untersuchung der Spermien in- sofern kein giinstiges Objekt, als die Untersuchung von lebendem Material mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Die Hoden- anlage ist so klein, und die Tiere sterben, nachdem sie aus dem Wirtstiere herausgenommen sind, so bald ab, da8 es kaum méglich ist, eine systematische Untersuchung lebender Zellen vorzunehmen. Man muf nur jedesmal diejenigen Stadien rasch abbilden, die einem zufallig zu Gesicht kommen. Da auch das Kinsammeln des Materials oft mit Schwierigkeiten verbunden ist, habe ich es nicht fiir zweckentsprechend gehalten, auf diesen Punkt grofes Ge- wicht zu legen. Der ungeniigende Zugang von lebendem Material hat sich in zwei Richtungen besonders bemerkbar gemacht, erstens in Bezug auf die cytoplasmatischen Bestandteile der Spermien, die Mito- chondrien und das Perforatorium, zweitens auch in Bezug auf ihre aufere Form, besonders auf den spateren Umbildungsstadien. Die Bilder verschieden fixierter Priparate unterscheiden sich nam- lich in diesen Punkten so sehr voneinander, daf es sich nur durch eine eingehende Kontrolle mit lebendem Material feststellen lieBe, welche Bilder den wirklichen Verhaltnissen am nachsten liegen. Dies zeigt sich deutlich bei Betrachtung einer Reihe Ab- bildungen von nahezu reifen Spermien, die in verschiedener Weise 394 Kristine Bonnevie, fixiert sind, Fig. 196 aus Zenker-, Fig. 198—199 aus FLEMMING- Fig. 200—201 aus HERMANN-Material. Die letzteren unterscheiden sich sehr wenig von den lebenden Spermien, doch 1a8t sich eine schwache Kontraktion ihres Kopfes spiiren, und diese Kontraktion steigt nach der Behandlung mit FLEmMines und ZENKERs Fliissig- keiten bis zur vélligen Entstellung der Spermien. Nach Behand- lung mit Sublimateisessig war die Kontraktion noch mehr auffallend als in dem ZeENKeER-Material (s. Textfig. B, p. 249); der Kopf der Spermien war vollig kugelrund und das Perforatorium entweder ganz vom Kopf abgelést oder safi nur noch als kleines Anhangsel daran?). Meine Untersuchung konnte also tiber die erwahnten Punkte keine sicheren Aufschliisse geben. Dagegen stimmen alle meine Praparate in Betreff der fiir diese Arbeit viel wichtigeren Fragen tiber die Umbildungen des Chromatins und der Centrosomen tiber- ein, einerlei, ob sie in Sublimat- oder Osmiumgemischen fixiert sind, ob sie die Mitochondrien zum Vorschein bringen oder nicht. Ich glaube daher iiber diese Punkte sichere Resultate erreicht zu haben; die folgende Darstellung wird auch hauptsichlich darauf gerichtet sein, das Schicksal des Kernes und der Centrosomen der Spermatiden zu eroértern. Der Verlauf der Spermatocytenteilungen wurde schon in einem friiheren Kapitel kurz behandelt, und wir haben daselbst auch das erste Entstehen der Spermatiden als ganz typische, mit den auch anderen Zellgenerationen zukommenden Bestandteilen versehene Zellen verfolgen kénnen (Fig. 176—177). Die jungen Spermatiden sind gewéhnlich durch ihren grofen, stark angeschwollenen Kern mit peripher gelagerten Chromosomen leicht erkennbar (Fig. 16 Spt, Fig. 177, 180, 181). Das Cyto- plasma umgibt als eine verhiltnismifig diinne Kugelschale den Kern. An der einen Seite des Kernes sieht man eine Verdichtung des Cytoplasma, die Sphire (Fig. 177), die aber nicht scharf 1) Wenn ich trotz der starken Kontraktion der Spermien nach Behandlung mit Zenxerscher Fliissigkeit doch eine Serie dieses Materials meinen Abbildungen der Spermatiden zu Grunde gelegt habe (Fig. 178—201), so ist dies in dem verschiedenen Fiirbungs- vermégen des Materials begriindet. Die Farbung mit LEisen- himatoxylin gelingt namlich nach Hprmann- Fixation nur sehr schlecht; einzelne Stadien werden iiberhaupt nicht gefirbt und sind also hier véllig unzugiinglich. Und da die auferen Formverhilt- nisse fiir mich weniger Interesse hatten als die inneren Um- bildungen, habe ich das Zenxkur-Material vorgezogen. Untersuchungen iiber Keimzellen. 395 begrenzt ist; die Centrosomen sind innerhalb derselben zu suchen (Fig. 177, 179 C) und die Mitochondrien in ihrer nachsten Umgebung (Fig. 178—180, 186 MZ). Wie schon oben erwahnt, behalten die Centrosomen in den Spermatiden nicht diejenige Lage bei, die sie wihrend der letzten Reifungsteilung eingenommen haben, sondern sie werden durch die Kontraktion der Zentralspindel einander etwas genahert (Fig. 176). Die Lage der Centrosomen in der Spermatide scheint somit nicht von vornherein bestimmt; sie bleiben eben da liegen, wo sie bei der Auflésung der Zentralspindel angelangt waren. Wenn aber dies geschehen ist, dann scheint auch damit die zukiinftige Lage aller anderen Bestandteile der Spermien gegeben. Sie scheinen namlich in ihrem weiteren Verhalten von den Centro- somen abhangig zu sein, und die Stelle der Spermatiden, wo die Centrosomen sich befinden, kann schon von vornherein als der hintere Pol derselben bezeichnet werden. Wir werden im folgenden die Umbildungen der einzelnen Be- standteile der Spermatiden getrennt betrachten. Der Kern. Bei der zweiten Reifungsteilung treten in jeden Tochterkern 17 Chromosomen hinein, um die sich eine rasch wachsende Kernvakuole bildet (Fig. 176). In diesem Kern ist, wie auch auf dem entsprechenden Stadium der weiblichen Keim- zellen, eine Doppelheit der Chromosomen zuerst erkennbar; aber bald werden die Chromosomen so stark umgebildet, dafi’ jede Spur ihrer friiheren Struktur verschwindet. Sie werden zuerst unregelmafig iiber die innere Kernober- fliche zerstreut, sammeln sich aber bald am hinteren Kernpol. Die Chromatinsubstanz lést sich hier zu einer allem Anschein nach zahfliissigen Masse auf, die die hintere Halfte des Kernes dicht anfiillt (Fig. 179, 182). Seine vordere Halfte ist dagegen ganz hell und scheint mit hyalinem Kernsaft angefiillt. Bald aber nimmt das Kernvolumen ab, indem sich eine Ver- ringerung in der Menge des Kernsaftes zeigt. Der vordere helle Teil des Kernes nimmt dadurch fortwaihrend an Grofe ab (Fig. 184—185), und zuletzt findet man den jetzt relativ kleinen Kern ganz mit der durch Fisenhimatoxylin grau gefarbten Chromatin- substanz angefiillt (Fig. 186—188). Wahrend dieser Zeit erfolgt augenscheinich auch eine Kon- zentration des Chromatins, was sich durch eine erhdhte Farbungs- fahigkeit kundgibt, und zwar wird dieser Prozef an der Peri- pherie des Kernes eingeleitet (Fig. 189). Die Konzentration scheint 396 Kristine Bonnevie, nicht ganz gleichmifig zu geschehen, und der Kern hat daher auf diesen Stadien oft ein eigentiimliches mosaikartiges Aussehen (Fig. 190—191). Bald wird aber die ganze Grenzschicht des Kernes verdichtet und — in ZENKER-Praiparaten — von Eisen- hamatoxylin voéllig schwarz gefirbt, wihrend das Innere derselben heller erscheint (Fig. 192—196). Wahrend diese Umbildungen im Inneren des Kernes vor sich gegangen sind, hat er auch seine endliche auSere Form ange- nommen. Wie schon oben erwahnt, geben aber meine Abbildungen iiber diesen Punkt keine sicheren Aufschliisse, und ich kann nur auf das endliche Resultat der Formveranderungen hinweisen, das in den Hermann-Priaparaten (Fig. 200—201) zu Tage tritt. Der schmal-ovale Kern ist hier am hinteren Ende schwach verbreitert, wahrend er nach vorn in das kegelférmig zugespitzte Perforatorium kontinuierlich tibergeht. Der Kern wird in HERMANN- Praparaten hellbraunlich gefarbt, doch sieht man peripher am hinteren Ende desselben gewodhnlich ein Paar dunkler gefarbte Streifen (Fig. 201), die doch in ihrem Auftreten nicht ganz kon- stant sind. Eine Eigentiimlichkeit der véllig reifen Spermien ist eine kleine, stark lichtbrechende Blase, die asymmetrisch in der vorderen Halfte des Kernes liegt (Fig. 201b) und die auf friitheren Stadien nicht wahrnehmbar ist. Centrosomen'). Nach der Trennung der aus einer Spermatocyte stammenden Spermatiden liegen die Centrosomen nahe der Zellmembran, und zwar so, daf ihre Verbindungslinie senkrecht auf der Oberfliche der Zelle steht. Das auBere, distale, Centrosoma beriihrt die Zellmembran, und von der Beriihrungs- stelle wichst bald ein diinner und zunichst auch ganz kurzer Schwanzfaden iiber die Zelloberfliche hinaus hervor (Fig. HG LAO Bald werden auch die Centrosomen selbst in einer Weise um- gebildet, die sie als Grundlage fiir die charakteristische Aus- formung des ganzen Mittelstiickes der Spermien dienen labt. Das distale Centrosoma gibt seine kugelige Gestalt auf und wichst zu einem Stibchen aus, das sich mit Beibehaltung 1) In meiner vorlaufigen Mitteilung (1904) habe ich mit Mrvrs die Doppelkérnchen der Spermatiden als ,,Zentralkérnchen“ be- zeichnet. In Uebereinstimmung mit meinen Erérterungen im vorigen Kapitel werde ich sie jedoch hier mit dem richtigeren Namen ,,Cen- trosomen“ benennen. Untersuchungen iiber Keimzellen. 397 seiner Ansatzstelle an der Zellmembran gegen den hinteren Pol des Kernes hinein verlangert (Fig. 180—182). Es bildet somit die Grundlage fir den Achsenfaden der Spermien. Das Hervordringen des Achsenfadens hort mit seiner Be- riihrung der Kernmembran noch nicht auf, sondern er scheint noch eine Strecke in den Kern hineinzuwachsen') (Fig. 183, 185). Am hinteren Kernpol bildet sich um die Eintrittsstelle des Achsenfadens herum eine ringformige Verdichtung der Kern- membran (Fig. 186), die bald als eine kompakte Platte den Achsenfaden dicht umschlieBt (Fig. 187—189). Dadurch scheint der Achsenfaden an seiner Eintrittsstelle in den Kern fixiert, und sein weiteres Wachstum muf sich daher in einer Verlingerung seines auferhalb des Kernes liegenden Teiles Ausdruck geben. Das hintere Ende des Achsenfadens ist aber auch schon fixiert, und zwar an der Zellmembran; bei seinem rasch vorschreitenden Wachstum wird daher das Cytoplasma um den Achsenfaden herum - zipfelformig ausgezogen (Fig. 190—194). Gleichzeitig mit der Bildung des Achsenfadens ist auch das proximale Centrosom in eigentiimlicher Weise umgebildet worden. Es wird schon friih in 2 Kérnchen geteilt (Fig. 180—181), zwischen denen der Achsenfaden in die Zelle hineinwachst (Fig. 182). Nach der ersten Teilung folgt bald eine zweite, und bei giinstiger Lage der Spermatiden sieht man auf wenig spiateren Stadien um den Achsenfaden herum 4 Kornchen, die als die Ecken eines winzigen Quadrates hervortreten (Fig. 183—185). Die Entstehung dieser 4 K6rnchen, die ich als Ring- kérnchen bezeichnet habe (1904), aus den 2 primaren habe ich zwar nicht durch direkte Beobachtung feststellen kénnen. Doch laft sich, glaube ich, in keiner anderen Weise der Ueber- gang von dem Stadium der Fig. 181 zu demjenigen der Fig. 183 erklaren. Die Untersuchung der Centrosomen ist auf diesem Stadium mit grofen Schwierigkeiten verbunden. Der Abstand zwischen dem hinteren Kernpol und der Zellmembran ist noch recht kurz, und die Centrosomenderivate sind tiberhaupt nur bei giinstiger Lage der Spermatiden einer naheren Analyse zuging- lich; es war mir daher auch nicht méglich, zu entscheiden, ob in 1) Ob er dabei die Kernmembran vor sich her schiebt und also von derselben bedeckt wird, oder ob er die Membran durchdringt, laft sich in meinen Praparaten nicht entscheiden. 398 Kristine Bonnevie, Stadien wie Fig. 182 nur 2 Kérnchen vorhanden sind, oder 4, die sich in der Weise decken, daf nur 2 sichtbar sind. Doch finde ich es wahrscheinlich, daf die zweite Teilung des proximalen Centrosoma gleich nach der ersten folgt, wenn die Kérnchen noch dicht aneinander gelagert sind. Wie dem nun auch sein mag, sicher ist es, daf von dem Stadium der Figg. 183, 184 an, der Achsenfaden immer von dem erwahnten kleinen Kérnchenquadrat umgeben ist. Bald zeigt sich auch ein System sehr feiner, cytoplasmatischer Fadchen, die eine Verbindung zwischen den 4 Ringkérnchen, sowie auch zwischen jedem von diesen und den beiden Enden des Achsenfadens bilden (Fig. 185—194). Wie schon in der vorlaufigen Mitteilung er- wahnt, glaube ich, daf diese Fadchen cytoplasmatischen Ursprungs sind, daf’ sie aber unter Einwirkung der Centrosomenderivate ent- standen sind; darauf deutet die véllige Abhangigkeit ihrer An- ordnung von der Stellung der Ringkérnchen hin. Wihrend der weiteren Entwickelung der Spermatiden be- halten die Fadchen ihre Insertionspunkte an den Ringkérnchen und dem Achsenfaden, und das Fadensystem muff dann auch mit dem letzteren in die Lange wachsen. Dabei wird der Abstand des K6rnchenquadrats von der Kernmembran kaum verlaingert, sondern die ganze Gréfenzunahme fillt auf den hinteren Teil des Faden- systems (Fig. 187—194). Ausnahmsweise habe ich auch Sperma- tiden gefunden, in denen keine Ringkérnchen sichtbar waren (Fig. 192); die Fadchen sind aber auch hier normal entwickelt, und es ist wahrscheinlich, da die Kérnchen zwar auch hier vor- handen sind, daf sie aber dem Kern zu dicht anliegen, um als selbstindige Gebilde wahrnehmbar zu sein. Das cytoplasmatische Fadensystem bildet um den Achsen- faden herum ein zuerst offenes Geriist, das aber auf spiteren Stadien in eine zusammenhingende Umhiillungsmembran umgebildet wird, die eine Zeitlang die vierseitige Form des Fadensystems behalt (Fig. 197b). Durch diese Umhiillungs- membran wird eine innere Lage von mehr homogenem Cyto- plasma von dem auferen mehr kérnigen getrennt, und es wird auch durch diese Membran die aufere Begrenzung des Mittel- stiickes der Spermien bezeichnet. Die 4 Ringkérnchen, die auf spiteren Stadien immer weniger hervortreten, bleiben voneinander getrennt bis zu einem Stadium, wo die Spermien bereit sind, aus dem iiberfliissigen Cytoplasma der Spermatiden auszuwandern (Fig. 196a). Dann werden sie um Untersuchungen tiber Keimzellen. 399 den Achsenfaden dicht zusammengezogen und bilden, wahrschein- lich unter Anlagerung der Mitochondrien, eine ringformige Platte, die den Hals der Spermien von ihrem Mittelstiick trennt (Fig. 196b R&R). Mitochondrien. Obgleich ich, wie schon oben erwahnt, in Betreff der Mitochondrien keine ganz befriedigenden Resultate er- reicht habe, méchte ich doch ihr Verhalten in der in Figg. 178 —197 eben abgebildeten Serie mit einigen Worten besprechen. Die Bilder dieser Serie sind insofern auch im Betreff der Mitochondrien zuver- lassig, als dieselben wahrend der Reifungsteilungen (Fig. 198 DM) hier genau dieselbe Gréfe und Form haben wie in den lebenden Zellen. In den jungen Spermatiden werden die Mitochondrien in einem Haufen um die Sphare herum vorgefunden; spater werden sie aber auferhalb des Zentralapparates der Spermatide in einer tonnenformigen Lage eingeordnet (Fig. 186), oder sie werden iiber einen gréferen Raum der Zelle unregelmafig zerstreut (Fig. 187 bis 188). Sie sind jedoch immer nur auferhalb der Umhiillungs- membran zu finden, und scheinen mit der vorschreitenden Ent- wickelung der Spermatide immer feinkérniger zu werden. Es folgen nun mehrere Stadien (Fig. 190—193), in denen die Mitochondrien in meinen Praparaten vollig unsichtbar sind; entweder miissen sie hier so fein im Cytoplasma verteilt sein, daf sie unter den Kérnchen desselben nicht erkennbar sind, oder ihre chemische Zusammensetzung mu verandert sein, so daf sie eben auf diesen Stadien leichter aufgelést werden als friher. Auf dem Stadium der Fig. 195 kommen jedoch auferhalb der Umbhiillungsmembran wieder eine Menge ganz feiner Kornchen zum Vorschein, und zwar jetzt in bestimmter Anordnung, indem sie der Umhiillungsmembran dicht angelagert werden. Diese An- lagerung findet zuerst am hinteren Ende des Mittelstiickes statt (Fig. 194), und von dieser Stelle an breitet sich die ,,chondriogene Hille’ (Benpa) in Form eines Spiralfadens nach vorn zu aus (Fig. 195—198). Der Spiralfaden tritt besonders nach Fixierung in Fiemminescher Fliissigkeit deutlich hervor, doch kaum so scharf, wie er in den beiden Abbildungen Fig. 189—199 ausge- fallen ist. Trotzdem ich, wie aus dem Obigen hervorgeht, die Mito- chondrien nicht bis zur Bildung des Spiralfadéns kontinuierlich ver- folgen konnte, glaube ich doch in Uebereinstimmung mit den Be- obachtungen von Benpa (1897—1902) eine Kontinuitat zwischen beiden yoraussetzen zu diirfen. Diese Annahme erhalt auch in 400 Kristine Bonnevie, meinen Praiparaten eine — zwar negative — Bestiatigung; in Fig. 200 und 201 namlich, die aus einer mitochondrienfreien Serie genommen sind, ist, wie man sieht, auch keine Spur eines Spiralfadens vorhanden. Perforatorium. In Betreff des ersten Ursprungs des Perforatoriums kann ich nur sagen, dafi es aus den nachsten Umgebungen der Centrosomen herstammt, also sehr wahrschein- lich aus der Sphire. Sowohl im lebenden als im fixierten Material habe ich mehrmals in den jungen Spermatiden ein blaischenformiges Gebilde in unmittelbarer Nahe des Sphirenapparates vorgefunden (Fig. 182). Dasselbe wird auf spateren Stadien immer naher an dem vorderen Kernpol angetroffen, und tiberall scheint es sich der Kernmembran dicht anzuschmiegen (Fig. 184—188). Am vorderen Kernpol angelangt, bleibt das Blaschen liegen und bildet sich hier in das schmal-kegelférmig ausgezogene Perforatorium der reifen Spermien um (Fig. 195—201 P). Wie oben erwahnt, lassen sich die einzelnen Schritte dieser Umbildung in meinen Praparaten nur schlecht verfolgen, und ich darf nicht behaupten, daf meine Abbildungen in Betretf der Form des Perforatoriums immer die wahren Verhaltnisse wiedergeben. Wir haben im obigen die Entstehung aller charakteristischen Teile der Spermien verfolgt. Ihr Kopf ging unter eigentiimlicher Umbildung der Chromatinsubstanz direkt aus dem Kern der Sper- matide hervor, das Perforatorium wurde aus ihrer Sphire heraus- differenziert; das distale Centrosoma der Spermatide wurde in den Achsenfaden des Mittelstiickes umgebildet, und die 4 Ring- kérnchen, die durch zweimalige Teilung des proximalen Centro- soma hervorgingen, dienten als Grundlage fiir die Bildung einer Umhiillungsmembran um den Hals und das Mittelstiick der Sper- mien. Die Mitochondrien endlich, die auferhalb dieser Membran ihre Lage hatten, gingen wabhrscheinlich in die Bildung eines Spiralfadens hinein. Es ist jetzt nur noch das Schicksal des wtbriggebliebenen Cytoplasma der Spermatide zu verfolgen. Nach der Bildung der Umhiillungsmembran scheinen die Spermien innerhalb des zihfliissigen Cytoplasma schon ein selbstandiges Dasein zu fiihren, indem sie daselbst lebhafte schliingelnde Bewegungen ausfihren kénnen. Durch solche Bewegungen arbeiten sie sich zuletzt aus dem Cytoplasma heraus, meistens mit dem Kopf voran (Fig. 195), doch auch zuweilen riickwarts (Fig. 198). Nach dem Auswandern Untersuchungen iiber Keimzellen. AO1 der Spermien runden sich die Cytoplasmaballen ab (Fig. 201a Cp), und im reifen Hoden werden groBe Mengen von kernlosen Cyto- plasmakugeln vorgefunden, die mehr oder weniger deutlich in Zerfall begriffen sind. Die reifen Spermien zeigen eine auferordentlich rasche, schlangelnde Bewegung des Mittelstiickes, wihrend der lange Schwanzfaden anscheinend mehr passiv mitgezogen wird. Bei der Betrachtung lebender Spermien habe ich mehrmals wahrge- nommen, daf sie plétzlich in der Halsregion umgebogen werden koénnen, so daf Kopf und Mittelstiick einander dicht gendhert werden!). Bei dieser Umbiegung tritt die Halsregion oft sehr deutlich als aufgeschwollene Blase hervor, und ausnahmsweise habe ich auch in normal ausgestreckten Spermien eine Ahnliche blasenformige Erweiterung dieser Region gefunden (Fig. 198 H). Aus meiner obigen Beschreibung der Umbildung der Sperma- tiden scheint es hervorzugehen, daf keine cytoplasmatische Ver- bindung zwischen dem Perforatorium einerseits und dem Hals und Mittelstiick andererseits bestehe. In der Tat ist auch weder an den lebenden Spermien noch an gut fixiertem Material eine solche Verbindung nachweisbar. Und doch glaube ich, nach den Bildern einiger stark kontrahierten Spermien zu urteilen (Fig. 197a), da8 ein diinner Cytoplasmastrang an der einen Seite des Kernes von der Basis des Perforatoriums zum Hals hinunterlautt. Unsere Kenntnis zur Histogenese der Spermien ist in den letzten Jahren durch Arbeiten von Brenna (1897—98, 1902), v. LennossEK (1898), Mreves (1897—99, 1900, 1902b u. c) u. A. stark gefordert worden; besonders hat der letztere Forscher, so- wohl durch eigene Untersuchungen als auch durch seine ausge- zeichneten Zusammenstellungen der Ergebnisse anderer Autoren, in hohem Grade dazu beigetragen, gewisse allgemein giiltige Hauptziige in der Spermiogenese klarzustellen. Wo gentigende Untersuchungen vorliegen, lassen sich bei Wirbeltieren, sowie bei Wirbellosen, immer die charakteristischen Bestandteile der Spermien auch auf bestimmte Teile der Sperma- tiden zuriickftihren, der Kopf der Spermien auf den Kern der Spermatiden, das Perforatorium auf den Spharenapparat; die 1) Diese Bewegung ist vielleicht als ein Absterbungsphanomen zu betrachten; jedenfalls habe ich nie solche Spermien sich wieder aufrichten sehen. 402 Kristine Bonnevie, Centrosomen bilden die Grundlage des Mittelstiickes, und von den Mitochondrien wird eine Hille um dasselbe herum geliefert. Wie man sieht, genau dieselbe Zuriickfiihrung, die auch fiir Entero- xenos Geltung findet. In Betreff der feineren Ausformung des Mittelstiickes zeigen sich jedoch bei Enteroxenos gewisse Eigentiimlichkeiten, die unter den bis jetzt beschriebenen Verhaltnissen bei anderen Tieren kein Seitenstiick finden. Die Umbildung der Centrosomen ist namlich in vielen Fallen bei den Wirbeltieren und auch bei den Mollusken (v. Korrr 1899) so beschrieben worden, daf der Achsenfaden des Mittelstiickes aus dem proximalen Centrosoma hervorgehen soll; das distale Cen- trosom dagegen wird, nachdem der Schwanzfaden von seiner Be- riihrungsstelle mit der Zellmembran ausgewachsen ist, in eine ringférmige Platte umgebildet, durch welche der Schwanzfaden passieren muff, um sich an das proximale Centrosom, den zu- kiinftigen Achsenfaden, anzuheften. Bei Enteroxenos war es mir aber nicht méglich, ein ahn- liches Verhalten der Centrosomen zu konstatieren, obwohl ich gerade diesem Punkt eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet habe. Zwar wachst auch hier der Schwanzfaden von dem distalen Centrosoma aus; dasselbe bildet sich aber nicht zu einem Ring, sondern zu dem Achsenfaden des Mittelstiickes um. Der Ring wird erst auf Umwegen aus dem proximalen .Centrosoma ge- liefert, und ein Mitwirken des letzteren zur Bildung des Achsen- fadens laft sich auf keinem Stadium nachweisen. Durch eingehendes Studium der friiheren Untersuchungen tiber die Spermiogenese bei Mollusken, ich erwahne hier nur die Arbeiten von v. Korrr (1899) iiber Helix und von Meves (1902) tiber Paludina, wird man doch auch finden, daf eben in Betreff der Umbildung der Centrosomen gewisse Fragen noch ihrer Lésung harren. Bei Helix, wo itibrigens keine grofe Aehnlichkeit mit den Bildern bei Enteroxenos besteht, werden in den jiingsten Sperma- tiden (v. Korrr 1899, p. 294) ,drei Zentralkérper“ beschrieben, »welche die Ecken eines kleinen gleichschenkeligen Dreieckes bilden, dessen Basis der Zellwand parallel liuft; der an der Spitze des Dreieckes gelegene Zentralkérper liegt fest an der Zellwand“, also ein Bild, das mit dem in Fig. 180—181 dargestellten Stadium bei Enteroxenos sehr wohl iibereinstimmen wiirde. Spiiter findet Untersuchungen iiber Keimzellen. 403 er aber (p. 295) ,statt drei Zentralkérper nur zwei, deren Ver- bindungslinie zur Zellperipherie senkrecht gerichtet ist“. Von dem distalen wichst dann (nach v. Korrr) der extra- cellulare Schwanzfaden aus, und wihrend der proximale gegen den Kern hin sich verlingert, um den Achsenfaden zu bilden, wird der distale spaiter zu einem Ring umgebildet. So gut wie die Endresultate auch mit den von den Wirbel- tieren bekannten Verhaltnissen tibereinstimmen, so ist doch hier gerade in den fiir die Homologie der einzelnen Teile so wichtigen Anfangsstadien eine Liicke vorhanden, die auch den Boden fiir weitere SchluSfolgerungen unsicher macht. Wie entstehen die drei Centrosomen der jungen Spermatiden? Und wie ist das Ver- schwinden des einen derselben zu erkliren? Diese Fragen werden in der Arbeit von v. Korrr nicht erértert. Paludina vivipara, die in systematischer Hinsicht Entero- - xenos nahesteht, zeigt sowohl in dem Bau (Meves 1900, 1902, Retzius 1905) als auch in der Histogenese ihrer Spermien mit den Verhaltnissen bei Enteroxenos eine durchgehende Ueberein- stimmung. Bei beiden Formen findet in den jungen Spermatiden keine Ringbildung statt, erst wenn sich die Spermien ihrer Reife nahern, tritt am vorderen Ende des Mittelstiickes eine ringformige Platte auf (Fig. 196b, Taf. XXIII; Meves 1902b, Fig. 48 u. flg.). Der Achsenfaden wachst bei beiden von der hinteren Wand der Zelle ganz kontinuierlich gegen den Kern hin und eine Strecke in den- selben hinein. Wahrend aber bei Enteroxenos sein Entstehen aus dem distalen Centrosoma verfolet werden konnte, wird von MEVES bei Paludina eine Zusammenwirkung beider Centrosomen bei dem Aufbau des Achsenfadens vorausgesetzt. Wie schon in meiner vorlaufigen Mitteilung (1904) erwihnt, scheint mir doch die Darstellung von Meves gerade tiber diesen Punkt nicht véllig einwandfrei. Seine Abbildungen lassen sich in der Tat ganz ungezwungen in derselben Weise deuten wie bei Enteroxenos, indem namlich auch hier der Achsenfaden aus- schlieflich vom distalen Centrosoma zu entstehen scheint. In Betreff des proximalen Centrosoma beschreibt MeveEs (1902b, p. 24), wie es sich unter starker Abplattung dem hinteren Pol des Kernes anlagert, ,,dann aber wachst er (der Zentralkérper) zwischen den Stadien der Figg. 41 und 42, unter plotzlicher Um- formung seiner Masse in die Oeffnung hinein, welche von den in- zwischen einander stark geniherten Randern der Chromatinblase 404 Kristine Bonnevie, umschlossen wird. Er erscheint nunmehr als eine einfache Fort- setzung des von dem distalen Zentralkérper gebildeten Stabes; meistens ist er von diesem sogar tiberhaupt nicht abzugrenzen“. Schon aus der hier zitierten Beschreibung, aber noch mehr aus den Abbildungen (Fig. 40—45) geht es hervor, daf die An- nahme einer Zusammenwirkung beider Centrosomen bei dem Auf- bau des Achsenfadens nicht auf direkter Beobachtung begriindet ist. In den Abbildungen sieht man den Achsenfaden sich kon- tinuierlich in den Kern hinein verlingern, waihrend das gegen die Kernmembran abgeplattete proximale Centrosoma nicht mehr sicht- bar ist; nichts deutet aber darauf hin, daf diese beiden Tat- sachen in ursachlicher Verbindung stehen. Auffallend ist es auch, daS man auf spateren Stadien (Meves 1902b, Fig. 48 u. flg.) wieder ,dem hinteren stumpfen Pol des Kopfes einen mit Eisen- hamatoxylin schwarz firbbaren Ring aufliegen“ sieht, ,der offen- bar ein Zentralkérperderivat darstellt*; Mrves hat tiber dessen Entstehuag ,nichts ermitteln kénnen“. La&t sich nicht vielleicht dieser Ring auf das proximale Centrosoma zuriickfiihren, das genau dieselbe Lage hatte wie der Ring jetzt? Seine Unsichtbarkeit auf den zwischenliegenden Stadien liefe sich dann entweder durch eine Abnahme seiner Farbbarkeit erklaren, oder durch seine dichte Anlagerung an den stark gefarbten Kern. Erst wenn die Farbbarkeit des letzteren geniigend abgenommen hiitte, kénnte es dann wieder als selb- stindiges Gebilde hervortreten. Wenn ich mit dieser Vermutung recht habe, dann wiirden auch in Bezug auf das proximale Centrosoma die Verhialtnisse bei Enteroxenos und Paludina wohl iibereinstimmen, indem es bei beiden Arten in die Bildung einer Ringplatte am vorderen Ende des Mittelstiickes tibergehen wiirde. Bei Enteroxenos wurde jedoch dieser Ring nicht direkt aus dem proximalen Centrosoma gebildet, sondern es entstanden zu- erst aus demselben vier getrennte Ringkérnchen, die als die KEcken eines Quadrates den Achsenfaden umgaben und erst spiter zur Bildung eines Ringes zusammentraten. Ich habe schon in meiner vorliufigen Mitteilung erwihnt, dab auch bei Paludina 4 Kiigelchen in ahnlicher Anordnung bei den Spermien beschrieben worden sind, zuerst von M. vy. Brunn (1884) und spiiter von Meves (1900). v. Brunns Beschreibung von dem Verhalten dieser 4 Kérnchen und ihrer Verbindung miteinander stimmt in auffallender Weise mit meinen Beobach- Untersuchungen iiber Keimzellen. 405 tungen an Enteroxenos tiberein. Doch darf ich eine Identitat beider Bildungen deswegen nicht sicher behaupten, weil die K6érn- chen bei Enteroxenos so auferordentlich klein sind, daf sie mit den von v. Brunn benutzten Vergréferungen kaum wahrnehmbar Sein wiirden. Die von Merves (1900) beschriebenen Kiigelchen, die nicht bei den reifen Spermien, sondern nur auf einem Uebergangsstadium in der Umbildung der Spermatiden vorkommen, sind aber keine Centrosomenderivate, sondern vielmehr als Umbildungsprodukte der Mitochondrien zu betrachten. Auch Rerzrus (1904—1905) hat bei einer Reihe niederer Tiere, besonders schén bei Poly- chaiten und Lamellibranchiern, unter dem Namen _ ,Nebenkern- organ“, eine kranzfoérmige Ansammlung von Mitochondrienkugeln beschrieben, die gleich hinter dem Kopf der reifen Spermie den austretenden Schwanzfaden umgeben. Nach den iibereinstimmenden Befunden der erwaihnten Forscher wiirde vielleicht der Gedanke nahe liegen, daf die von mir bei Enteroxenos beschriebenen Kérnchen auch als Mitochondrien- derivate anzusehen seien, anstatt — wie ich beschrieben habe — als Umbildungsprodukte des proximalen Centrosoma. Ich habe auch selbst diese Frage zu erneuter Priifung auf- genommen, doch mit dem Resultat, daf ich hier unbedingt meine friihere Anschauung aufrecht halten muf. Die Ringkérnchen bei Enteroxenos sind im Verhaltnis zu den von Mreves und Rerzius beschriebenen Mitochondrienkugeln so auSerordentlich klein, daf sie schon deswegen kaum mit diesen identifiziert werden diirften. Dazu kommt auch noch, daf sie eben in denjenigen Serien am besten hervortreten, wo die Mito- chondrien vollig aufgelést sind‘) und endlich konnte, wie oben gezeigt wurde, mit so grofer Sicherheit, wie es die Grife des Objektes erlaubt, die Entstehung der Ringkérnchen aus dem proximalen Centrosoma direkt verfolgt werden. Doch ist die Aehnlichkeit in der Anordnung beider Gebilde so auffallend, da& der Gedanke an eine ursichliche Verbindung zwischen ihnen nahe liegt. Vielleicht kénnten centrosomale Ring- kérnchen als eine Art Zentralgebilde auch innerhalb der Mito- chondrienkugeln anderer Arten vorhanden sein, was wohl mit dem 1) Hier bilden jedoch die Hrrmann-Serien eine Ausnahme, indem hier die Ringkérnchen wegen der schlechten Farbung der Praparate nur schwach hervortreten. Ba, XLI. N. F. XXXIV. 27 406 Kristine Bonnevie, sonstigen Verhalten der Mitochondrien den Centrosomen gegen- iiber iibereinstimmen wiirde. In Verbindung mit den Ringkérnchen konnte bei Enteroxenos auch das Entstehen einer Umhiillungsmembran um das Mittelstiick herum verfolgt werden. Ich méchte hier noch die Frage beriihren, ob eine solche auch bei anderen Tierformen be- schrieben worden ist. Spermien mit einem lang ausgezogenen Mittelstiick kommen hauptsachlich nur bei héheren Tieren, Wirbeltieren und héheren Mollusken vor, und hier sind oft, unter den Namen ,Schwanz- blase“, ,,Schwanzkappe“, ,Schwanzmanschette* u. a., verschiedene Hiillbildungen um das Mittelstiick herum beschrieben worden. Die Beschreibungen gehen aber zum Teil weit auseinander, und ich finde es sehr wahrscheinlich, da’ sie zum mindesten zwei verschiedene Bildungen umfassen. Die eine ist die von vy. LENHOsSEK (1898) bei der Ratte und von Mreves (1899) beim Meerschweinchen eingehend beschriebene ,schwanzmanschette“!). Es ist dies eine vergiangliche Bildung; sie wird in relativy groBem Abstand von dem Achsenfaden angelegt und noch vor der Reifung der Spermien wieder abgeworfen. Diese Hiille hat mit der Umbhiillungsmembran bei Enteroxenos nichts zu tun. Eine andere Hiillbildung wird aber yon Benpa (1897—1902) bei Siugetieren und bei Gastropoden beschrieben als eine ,Schwanz- blase“ oder ,Schwanzkappe“*, die den Achsenfaden des Mittel- stiickes umgibt und die ihrerseits wieder von einer ,dicht ge- wundenen Spirale“ oder von einen ,chondriogenen Mantel“ um- geben wird, ein Verhalten also, das mit demjenigen der Um- hiillungsmembran bei Enteroxenos vdéllig iibereinstimmt. Auch hier sieht man den Spiralfaden ,stets durch einen schmalen cy- lindrischen, kérnerfreien Raum von dem Achsenfaden getrennt“ (BENDA 1902, p. 756). Ich glaube also nach den Angaben von Benpa in der Um- hiillungsmembran von Enteroxenos einen auch bei anderen Tier- gruppen vorkommenden Bestandteil der Spermien zu erkennen. Bei Kenntnis des genetischen Aufbaues der Spermien wiirde es von grofem Interesse sein, auch das Schicksal der einzelnen 1) Dieselbe ist wahrscheinlich schon friiher von Brnpa (1887) unter dem Namen ,,Schwanzkappe“ bei der Ratte beschrieben worden. Untersuchungen iiber Keimzellen. 407 Bestandteile nach der Befruchtung zu verfolgen. Wie schon in der Einleitung erwihnt, kommen aber die fiir eine solche Unter- suchung noétigen Stadien in meinem — Hunderte von Individuen zahlenden — Material nicht vor, und nur mit grofer Vorsicht laft sich daher aus der Struktur der Spermien in Verbindung mit den Erscheinungen im befruchteten Ei iiber die Rolle der einzelnen Teile der Spermien eine Vermutung aussprechen. Als Grundlage einer Arbeitshypothese méchte ich jedoch hier zuletzt eine Reihe von Tatsachen zusammenstellen, die fiir diese Frage von Bedeutung sein kénnten. Die Befruchtung geschieht bei Enteroxenos schon vor dem Anfang der Reifungsteilungen der Oocyte, und das Spermium | kann an jeder beliebigen Stelle der LEioberfliche eindringen. Wahrend der Reifungsteilungen wird dann von dem, ein kom- paktes Chromatinkliimpchen bildenden Spermakern, der Weg von dieser Stelle zu dem Eikern hin zuriickgelegt, und wenn die zweite Polocyte von der Eizelle abgeschniirt worden ist, wird der Spermakern immer in unmittelbarer Nahe des Eikernes vorge- funden. Auf seinem Weg durch das Ei ist der Spermakern von einer oder mehreren kleinen Strahlungen begleitet die aber bei Enteroxenos wieder véllig verschwinden, ohne mit den Strahlungs- zentren der ersten Furchungsteilung in einer nachweisbaren Ver- bindung zu stehen. Erst spiter, nachdem die Vorkerne zu einer ansehnlichen Gréfe herangewachsen sind, kommen zwischen den- selben die Centrosomen zum Vorschein, die bei der ersten Furchungsteilung in Wirksamkeit treten sollen, und die spater auf die folgenden Zellgenerationen des Individuums vererbt werden. Wie sind nun die im Ei auftretenden Spermienderivate auf die schon bekannten Bestandteile der heranreifenden Spermien zurickzufiihren ? Da8 der Kopf der Spermien, der direkt aus dem Kern der Spermatide hervorgegangen ist, auch ebenso direkt in den mann- lichen Vorkern ‘iibergehen wird, braucht hier nicht weiter ausge- fiihrt zu werden. Die Frage gilt mehr dem Verhaltnis zwischen den im Ei auftretenden Strahlungen und den Centrosomenderivaten der reifen Spermien. Die Antwort auf diese Frage ist in dem Aufbau der Spermien selbst zu suchen. In Anbetracht der auferordentlichen Zweck- maBigkeit, die sich in der auferen Form und dem sonstigen Ver- halten der Spermien geltend macht, lat sich wohl auch a priori 20* 408 Kristine Bonnevie, annehmen, daf jeder Bestandteil des stark gedrungenen Kérpers seine bestimmte Aufgabe hat. Das proximale Centrosoma der Spermatide spielt schon wihrend der Spermiogenese eine wichtige Rolle, indem es durch seine zweimalige Teilung bei der Bildung der Umhiillungsmembran des Mittelstiickes mitbeteiligt ist. Das distale Centrosoma dagegen wachst wahrend der Spermiogenese nur in die Linge, ohne in anderer Weise auf seine Umgebungen einen nachweisbaren Einflu8 zu tiben. Als Resultat dieses Wachstums erstreckt sich dasselbe in dem reifen Spermium kontinuierlich durch das ganze Mittelstiick, den Hals und auch ein Stiick in den Kopf hinein; es ist also in drei verschiedenen Abschnitten der Spermien vorhanden. Es liegen aber auch fiir die reifen Spermien drei verschiedene Arbeiten vor, die jede auf einen Abschnitt dieses Centrosoma Be- schlag legen kénnten, nimlich: 1) die Bewegung der Spermien auBerhalb des Eies; 2) die Bewegung des Spermakernes inner- halb desselben und 3) das Beitragen zur Bildung eines Furchungs- centrosoma. Die Bewegung der Spermien auferhalb des Eies, d. h. das Durchdringen der Hodenwand und die Zuriicklegung der relativ langen Strecke bis zur Uterusmiindung und weiter durch dieselbe hinein zu der Befruchtungsstelle im Ovidukt, dies alles reprasen- tiert eine grofe Kraftentfaltung der Spermien. Bei dieser Be- wegung spielt, wie an den lebenden Spermien wahrgenommen werden konnte, das Mittelstiick eine wesentliche Rolle, und sehr wahrscheinlich sind dabei beide Hauptteile desselben, der Achsen- faden und der Spiralfaden, von Bedeutung, vielleicht in der von Benpa (1902) postulierten Weise, indem der Achsenfaden das bewegungserregende Element bildet, wihrend der Spiralfaden bezw. die chondriogene Hiille als motorisches Organ wirkt. Bei dem Eindringen des Spermiums in das Ei ist die Auf- gabe des Mittelstiickes vollendet. Es geht auBer- oder innerhalb der Eioberfliche zu Grunde, und auf der Wanderung inner- halb des Eies gegen den Eikern hin bewegt sich der Sperma- kern allein, ohne das Mittelstiick. Er ist aber, wie oben erwahnt, auf dieser Wanderung von einer oder mehreren kleinen Strahlungen begleitet, die nach Erreichung des Zieles wieder verschwinden. Wo ist der Impuls zu diesen Strahlungen zu suchen? Schon bei der Besprechung der lebenden Spermien habe ich eine Erschei- nung erwihnt, die fiir eine Beantwortung dieser Frage von Be- Untersuchungen tiber Keimzellen. 409 deutung sein mag, namlich die scharfe Knickung der Spermien in ihrer Halsregion. Eine solche Knickung mag die Einleitung zu einem vollstindigen Abbrechen der Spermien an dieser Stelle bilden, wodurch die Trennung des Mittelstiickes vom Kopf be- werkstelligt, und zur selben Zeit auch die in der Halsregion ein- geschlossene Centrosomensubstanz freigemacht werden wiirde. Diese letztere wiirde dann eine Strahlung erregen kénnen, die fiir den Spermakopf zwischen den dicht aneinander liegenden Dotterkugeln einen Weg bahnen kénnte. Diese Strahlung ist immer sehr klein und hat mit dem Furchungscentrosoma an- scheinend nichts zu tun. Ks ist aber noch ein dritter Teil des Spermacentrosoma vor- handen, derjenige namlich, der innerhalb des noch ganz kom- pakten Kernes gelegen ist. Erst bei der Auflockerung des letzteren zur Bildung des mannlichen Vorkernes wird dieser Teil des Centrosoma freigemacht und kann jetzt die dritte Auf- gabe, das Beitragen zur Bildung eines Furchungs- centrosoma, tibernehmen. Es aft sich bei Enteroxenos durch morphologische Untersuchungen kaum feststellen, ob das Furchungs- centrosoma von dem Spermium allein geliefert wird, oder ob auch die schon friiher im Ei vorhandene, jedoch diffus verteilte, Centro- somensubstanz dabei eine Rolle spielt. Ich hoffe, bei einer spateren Gelegenheit auf die Frage nach der Funktion der verschiedenen Teile des Spermacentrosoma zu- riickzukommen und dann auch die Richtigkeit dieser in den Tat- sachen noch nicht geniigend begriindeten Hypothese genauer zu priifen. Kristiania, Oktober 1905. 410 Kristine Bonnevie, Literatur. Avprpacn, L., 1896, Untersuchungen iiber die Spermatogenese von Paludina vivipara. Jen. Zeitschr., Bd. XXX. Beurens, G., 1898, Die Reifung und Befruchtung des Forelleneies. Diss. 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Bm Basalmembran des Zentralhéhlenepithels, Bz Bindegewebszellen, CE Zentralhéhlen- epithel, UZ Ursamenzellen, * Verschlufstelle der Hodenblase. Fig. 9. Reife Hodenblase, eben ausgeleert. Vergr. 70: 1. | Flimmerkissen, Austrittsstelle der Spermien. Spg Spermatogonien. Fig. 10—15. LEinzelne Teile junger Hodenblasen. Vergr. ca. 700: 1. 10 Ursamenzellen, in Einwanderung begriffen (vergl. Fig. 7, UZ), 11—13 Wandzellen des Keimlagers in Teilung, UZ Ursamenzelle, 14 Ursamenzellen, die im Begriff sind, sich vom Keimlager abzulésen, 15 Spermatogonien, die durch amdéboide Fort- sitze miteinander in Verbindung stehen. Fig. 16. Wandpartie einer Hodenblase (vergl. Fig. 9). Vergr. 600: 1. Bm Basalmembran des Zentralhéhlenepithels C.E, Sp.I Spermatocyten I, Spt Spermatiden. Entwickelung der weiblichen Keimzellen. Tafel XVII—XXIL- Fiir samtliche Tafeln gelten die folgenden Bezeichnungen: C Centrosoma, D dichte Zone der Polstrahlung, H helle Zone der Polstrahlung, Kh Kornchenhiille, Kn Chromatinknoten, N Nucleolus, P.I u. IT Polocyte Iu. II, S Sphare. Vergr. ca. 2500 in simtlichen Abbildungen der Taf. XVII u. XXI—XXII und in Fig. 55—56, Bd. XLI. N. F. XXXIV. 98 422 Kristine Bonnevie, Taf. XVIIL — Die tbrigen Figuren der Taf. XVIII—XX. Vergr. ca. 1250. — Wo nichts anderes bemerkt ist, sind die Abbildungen dieser Tafeln samtlich nach ZenKker-Material ausgefihrt worden. Tafel XVII (Oogonien und Oocyten). Fig. 17—29. Die nacheinander folgenden Stadien einer Oogonien- generation, von der Telophase einer Teilung (Fig. 17) zur Kern- ruhe (Fig. 20, Huemann-Fixation), und weiter wahrend der Pro- phase (Fig. 9124), Metaphase (Fig. 2526), Anaphase (Fig. 27 bis 28) und Telophase (Fig. 29) der folgenden Teilung. Die 8 grofen Chromosomen gind in Fig. 25 mit I bezeichnet, die kleinen mit III. Fig. 30—48. Entwickelung der Oocyte, von ihrem ersten Ent- stehen bis zum Anfang der Wachstumsperiode. Fig. 30—82. Praesynapsis. Die Chromosomen werden unter Ausscheidung von Nukleolarsubstanz immer feiner iiber das Linin- gerist verteilt. Fig. 33—36. Synapsis. In dem feinen Chromatinnetz treten parallel verlaufende Fadchen hervor (a—a, Fig. 33), die sich nihern (Fig. 34), um zuletzt deutliche Doppelfadchen zu bilden (Fig. 35—36). Fig. 37—42. Postsynapsis. Die Doppelfadchen nehmen, mit Beibehaltung ibrer urspriinglichen Anordnung, stark sowohl an Lange als auch an Chromatingehalt zu. — Fig. 38 u. 41 reprasen- tieren insofern abnorme Verhiitnisse, als die Chromatinfadchen hier groftenteils ihre normale Befestigung an der Kernmembran und dem Nucleolus entbehren. — In Fig. 42 haben die Doppelfadchen ihre relativ gréfte Dicke erreicht. Es sind hier 17 Fadchen vorhanden, unter denen die vier langsten mit den Ziffern 1—4 bezeichnet sind, die vier kiirzesten mit 14—17. In Fig. 42a ist der Nucleolus eines entsprechenden Stadiums nach Hermann-Fixation dargestellt. Die kleinen Buchstaben a—e der Fig. 33—40 beziehen sich auf Hinweisungen im Text. Fig. 43—47. Uebergangsstadien von Postsynapsis zur Wachs- tumsperiode. Die Verbindung der Doppelfiden wird lockerer, das Chromatin zieht sich auf ihren Knotenpunkten zuriick, um sich zuletzt auch iiber die hier austretenden Lininfuidchen zu verbreiten (Fig. 47). — Fig. 45a zeigt den Nucleolus mit angehefteten Chro- matinfaden eines Stadiums zwischen Fig. 46 und Fig. 46 nach Fixation mit Hmruannscher Fliissigkeit. Fig. 48. Die Wachstumsperiode der Oocyte ist eingetreten. Der Nucleolus (N) ist im Begriff, in das Innere des Kerns hinein- zusinken, wihrend ein Chromatinknoten (Kn) seine friihere, ober- flichliche Lage bezeichnet. Fig. 48a. Der Nucleolus eines &hnlichen Stadiums nach Hermann-Fixation. Untersuchungen iiber Keimzellen. 423 Tafel XVIII. (Erste Reifungsteilung.) Fig. 49. Teil eines Ovarialeies am Ende der Wachstums- periode. Fig. 50—52. Junge Zentralhéhleneier. Das Wachstums- chromatin ist in Zerfall begriffen, und die chromatinbildenden Doppelfadchen treten immer deutlicher hervor. Der Nucleolus, der noch auf dem Stadium der Fig. 50 in seiner vollen Gréfe hervor- tritt, ist auf demjenigen der Fig. 51 voéllig verschwunden. Fig. 53—54. Oberflichenbilder von jungen Zentralhéhleneiern. Die beiden Centrosomen, die in Fig. 53 noch innerhalb einer und derselben hellen Zone gelegen sind, haben sich in Fig. 54 schon betraichtlich voneinander entfernt. Fig. 55—56. Nukleolen aus Ovarialeiern (Fig. 55a—b) und aus jungen Zentralhohleneiern (Fig. 56a—b) in optischem Quer- schnitt und bei doppelter Vergr. (2500) ausgefiihrt. Fig. 57-59. Drei aufeinanderfolgende Stadien der Auflésung der Kernmembran. In Fig. 58 sieht man das Centrosoma der ein- gebuchteten Zellmembran dicht anliegen. Fig. 60. Prophase der ersten Reifungsteilung. Kh Zerfalls- produkte des Wachstumschromatins (Kérnchenhiille), 1 blasse, tropfenahnliche Gebilde, die vielleicht aus dem Nucleolus her- stammen. Fig. 61. Metaphase der ersten Reifungsteilung. Im Centro- soma sind zwei Centriolen sichtbar. Fig. 62—63. Anaphase der ersten Reifungsteilung. Fig. 64. Schnitt durch die eine Tochterplatte einer spaten Anaphase. Fig. 65—67. Drei Stadien der Telophase der ersten Reifungs- teilung. — Das Zwischenkérperchen wird durch Verdickung der Zentralspindelfasern gebildet (Fig. 65 —66); bei dem Ab- brechen desselben wird die erste Polocyte vom Ei (Oocyte IT) getrennt (Fig. 67). Die helle Zong der Polstrahlung wird immer weniger hervortretend, und das stark aufgequollene Centrosoma degeneriert. Fig. 68. Teil einer vierpoligen Mitose. Das vierte Centro- soma ist im nachsten Schnitt zu finden und bildet die vierte Ecke eines Tetraeders. Tafel XIX. (Zweite Reifungsteilung.) Fig. 69—76. Prophase der zweiten Reifungsteilung. Man sieht die Erhellung des alten Centrosoma, und das Hervortreten der Centriolen als Strahlungszentren innerhalb der hellen Zone, wihrend noch eine deutliche Strahlung gegen die Oberflache der letzteren gerichtet ist. In Fig. 72—73 sieht man die Bildung der Zugfasern, und in Fig, 74—77 die allmahliche Annaherung und Anlagerung der Chromosomen zur Zentralspindel. Die Zentral- 287 424 Kristine Bonnevie, spindel zeigt gewdhnlich gegen die Chromosomenplatte hin eine charakteristische Biegung. c Centriolen der fritheren Zellgeneration, die bei dieser Teilung als Centrosomen fungieren werden. Fig. 77. Metaphase, und Fig. 78—79 Anaphase der zweiten Reifungsteilung. Die Centrosomen werden wihrend dieser Teilungs- phase immer mehr undeutlich, bis sie zuletzt vollig schwinden. Fig. 8ia—e. Abortiver Teilungsversuch in der Polocyte mit stark heranwachsender Zentralspindel, aber ohne normal entwickelte Zugfasern. , Fig. 80 u. 82. Telophase der zweiten Reifungsteilung mit aufrechtstehender Spindel. Keine Einschniirung der Zelloberfliche ist sichtbar, obgleich die Entwickelung der Teilungsfigur schon das Stadium passiert hat, auf welchem die Zellteilung normal einsetzt. Fig. 83. Telophase mit schrag gestellter Teilungsfigur, deren Polstrahlen an der einen Seite die Zelloberfliche erreichen. Fig. 84. Abschniirung der Polocyte II. Fig. 85a—d. Abschluf des Teilungsversuches der ersten Polo- cyte. Tafel XX (Vorkerne). Fig. 86. Gleich vor der Abschniirung der zweiten Polocyte. Der Spindelrest hebt sich kegelformig von der Eioberfliche empor. Fig. 87. Das Zwischenkérperchen ist eben abgebrochen. Man sieht beide Polocyten, und im Ei, wo das Chromatin zu einem kompakten Kliimpchen kontrahiert ist, liegt auch der Spermakern in unmittelbarer Nahe des Eikerns. In der Polocyte II ist die Kernbildung noch nicht angefangen. Fig. 88—92. Verschiedene Stadien der Entwickelung der Vorkerne. In Fig. 90 ist ausnahmsweise die Entwickelung beider Vorkerne nicht gleich weit vorgeschritten, Fig. 983—94. Die Annaherang der ersten Furchungsteilung zeigt sich in der briichigen Beschaffenheit der Chromatinfiden. Auch ist in beiden Figuren im Cytoplasma eine schwache Strah- lung nachweisbar ((). Fig. 95. Zerfall des Wachstumschromatins in beiden Vor- kernen. Fig. 96. Auflésung der Vorkerne. Die Chromosomen treten in beiden Kernen deutlich hervor. Die Furchungscentrosomen, die durch eine Zentralspindel in Verbindung stehen, treten hier zum ersten Mal deutlich hervor. Das untere Centrosoma C ist in der Zeichnung von einer Dotterkugel iiberdeckt. Fig. 97—98. Prophase der ersten Furchungsteilung. Die 17 Chromosomen aus jedem Vorkern sind in Fig. 97 noch weit auseinander entfernt. In Fig. 98 sind die Chromosomengruppen von beiden Seiten in die Spindel hineingezogen. Fig. 99, Metaphase der ersten Furchungsteilung. Untersuchungen iiber Keimzellen. 425 Tafel XXI (Centro somen), Fig. 100. Centrosomen der Oosyte T innerhalb einer helict Zone, auf deren Oberflache eine Strahlung gerichtet ist. Aus einem Stadium demjenigen in Fig. 52 abgebildeten entsprechend. Fig. 101. Die Centrosomen der Fig. 58, nach stirkerer Fat: bung des Priiparates, Tnierhalb der hellen Zone tretei Zentral- spindel- und Polsirahlungfasern schwach hervor; in der auferen Strahluny sieht man eine beginnende Kreuzting der Strahlen. Fig. 102—108. Centrosomen dur Beit der Auflésung der Kerninembrai. Das friiher kompakte Centrosoma ist in eine Hohl- kiugel umegebildet (Fig. 102), in deren Zentrum allmahlich ein Oentriol (Fig. 103) zum Vorschein kommt. | eid Fig. 104—107. AeuSere (a) und innere (6) Centrosonien aus der ersten Reifuhgsteilung. c¢ Centriol, C Centrosoma, H Helle und D dichté Zone der Polstrahlung. Fp. 104 aus der Prophase (vgl. Fig. 60). Fig. 105 aus der Metaphase (vgl. Fig. 61). Fig. 106 aus der friihen Anaphase (vgl. Fig. 62). Fig. 107 aus der spaten Anaphase (vgl. Fig. 63). Fig. 108—109. Innere Centrosomen aus der Telophase der ersten Reifungsteilung (vgl. Fig. 65—67). — Die helle Zone der Polstrahlung schwindet und das stark herangewachsene Centrosoma degeneriert, wahrend die Centriolen innerhalb desselben noch deut- lich hervortreten. Fig. 110—113, Prophase der zweiten Reifungsteilung (vgl. Fig. 69—73), In Fig. 110 ist die Chromosomenplatte, Chr, teilweise mit ein- gezeichnet; man sieht die Erhellung des alten Centrosoma und eine Wiederbelebung der auf dasselbe gerichteten Strahlung. Wig. 111. Die helle Zone hat betrachtlich an Gréfe zuge- nommen; sie ist in diesem Praparat gekriimmt, mit der konvexen Seite nach unten. Fig. 112 zeigt innerhalb der hellen Zone eine auf die beiden, leicht angeschwollenen Centriolen gerichtete Polstrahlung, und Fig. 113 auch zwischen denselben eine, zwar nur schwach hervortretende, Zentralspindel. Fig. 114—116. Aeufere (a) und und innere (6) Centro- somen der zweiten Reifungsteilung. Fig. 114 aus der Prophase (vgl. Fig. 76). Fig. 115 aus der Metaphase (vgl. Fig. 77). Fig. 116 aus der Anaphase (vgl Fig. 78—79). Fig. 117. Aus der Prophase der ersten Reifungsteilung bei Thysanozoon brocki. (Nach Van pur Srricut, Arch. de Biol., T. XV, Pl. XVI, Fig. 16’.) @ corpuscule central, a@' zone médullaire, a zone corticale (Van per Srricur). Lae ie Fig. 118—120. Centrosomen der ersten Furchungsteilung. Fig. 118—119 aus der Prophase (vgl.'Fig. 96—98). Fig. 120 aus der Metaphase (vgl. Fig. 99) ° © 426 Kristine Bonnevie, Tafel XXII (Chromosomen). Fig. 12la—c. Kontraktion des Chromatinnetzes und Bildung der Chromosomen bei der Auflésung des Wachstumskernes (vgl. Fig. 57—59). Der Ring, Fig. 121a, ist etwas aufer Stellung ge- bracht, um besser sichtbar zu werden. Fig. 122—125. Verschiedene Formen des gré’ten Chromosoma wahrend der Prophase der ersten Reifungsteilung (vgl. Fig. 60). (Das Chromosoma f, Fig. 122, und ¢, Fig. 124 reprasentiert nicht das gréfte Chromosoma seiner Zelle, sondern nur eines der vier grofen.) Fig. 126. Siamtliche Chromosomen einer Prophase der ersten Reifungsteilung (vgl. Fig. 60). Die 4 gro8en Chromosomen sind mit den Ziffern 1—4 bezeichnet, die 4 kleinen mit 14—17. Fig. 127—128. Samtliche Chromosomen aus der Metaphase zweier Zellen (vgl. Fig. 61). Sie sind zum Teil in vertikaler Richtung verschoben, damit sie sich nicht so viel decken sollten. Die Ziffern 1—17 beziehen sich wie in Fig. 126 auf die Gréfe der Chromosomen. Fig. 129. Beide Tochterplatten einer Anaphase (vgl. Fig. 62). Die Chromosomen sind wie in Fig. 126 bezeichnet, in der oberen Tochterplatte 1—177, in der unteren 1'—17'. Das Chro- mosoma 3 der unteren Tochterplatte ist erst im Nachbarschnitt zu finden. Fig. 130a—f. Chromosomen aus der Anaphase der ersten Reifungsteilung (vergl. Fig. 62). Alle Chromosomen — die Tetra- den (a, b), die fadenférmigen (c), die an der mit * bezeichneten Stelle ihren letzten Beriihrungspunkt haben, die eingeschniirten Chromosomen (d—e), und die polygonalen Chromosomen (f) — werden ihrer Flache nach geteilt. Fig. 131—135. Chromosomen aus dem Ruhestadium der ersten und zweiten Reifungsteilung (vgl. Fig. 67, 69). Fig. 131—132 aus dem Ei (Oocyte II). Fig. 133—135 aus der Polocyte I. a—b Ruheformen der Tetraden, c—d Ruheformen der ein- geschniirten Chromosomen, e—f polygonale Chromosomen, g—h nahezu ausgestreckte fadenférmige Chromosomen. Fig. 136. Chromosomen aus der Prophase der zweiten Reifungs- teilung (vgl. Fig. 74—75). ' Fig. 137. Chromosomen aus der Metaphase der zweiten Reifungs- teilung (vgl. Fig. 77). Fig. 138—139. Anaphase der zweiten Reifungsteilung (vgl. Fig. 78—79). In Fig. 139 sind nur einzelne Chromosomen aus der einen Tochterplatte abgebildet. Fig. 140—141. Telophase der zweiten Reifungsteilung (vgl. Fig. 80, 82). Fig. 142. Telophase der zweiten Reifungsteilung (vgl. Fig. 86). a Chromosomen der Polocyte II. b Die im Ei gebliebene Tochter- platte. Fig. 143. Ringférmige Anordnung der Chromosomen (vgl. Fig. 84). Untersuchungen tiber Keimzellen. 427 Fig. 144. Véllige Kontraktion der Chromatinsubstanz; be- ginnende Bildung einer Kernvakuole (vgl. Fig. 87, 88 PII, 90, 9b-P TT). Fig. 145a—c. Verschiedene Stadien der Entwickelung der Vorkerne (vgl. Fig. 88—91). Die Doppelheit der Chromosomen ist auffallend. Die Entstehung von Nukleolen (N, ») wird in den Kernen, Fig. b—c, illustriert. Fig. 146. Aequatorialplatte aus der ersten Furchungsteilung (vgl. Fig. 99). Fig. 147—150. Chromosomen aus der Anaphase der ersten Furchungsteilung. In Fig. 148—149 ist eine Doppelheit der Tochter- chromosomen sichtbar. (Nach Hermann-Fixation.) Fig. 151. Telophase einer Bindegewebszelle. BF Begrenzung der Bindegewebsfaser. Fig. 152a—b. Chromosomen aus den Spermatocyten I. Entwickelung der mannlichen Keimzellen. Tafel XXIII. Die Abbildungen Fig. 153—177 und 200—201 sind nach Hermann-Material ausgefiihrt, Fig. 178—197 nach Zenxer-, Fig. 198—199 nach Fuiemmine- Material. Vergr. Fig. 153—177 ca. 2500: 1; Fig. 178—201 ca. 3500: 1. Fig. 153—156. Stadien aus einer Teilung der Spermatogonien. Fig. 157—-170. Spermatocyten I. Ordnung. Fig. 157—159. Praesynapsis. Fig. 160—161. Paarweise Konjugation der Chromatinfaden. Synapsis. Fig. 162—163. Die Doppelfadchen nehmen an Chromatin- gehalt betrachtlich zu. Postsynapsis. Fig. 164. Die Chromosomenbildung beginnt. Fig. 165—166. Prophase der ersten Reifungsteilung. Durch eine Zentralspindel verbunden, weichen die Centrosomen auseinander. Fig. 167. Metaphase der ersten Reifungsteilung, von der Seite gesehen. Fig. 168—169. Anaphase der ersten Reifungsteilung. Chro- matindiminution. Fig. 170. Telophase. Die jungen Kerne treten aus der Spindel seitlich heraus. Fig. 171—176. Spermatocyten II. Ordnung. Fig. 171—172. Prophase der zweiten Reifungsteilung. Die Chromosomen bewahren innerhalb der Kernvakuolen ihre Selb- stindigkeit; die Centrosomen weichen mit Verlaingerung der Zentral- spindel auseinander. Fig. 173. Metaphase, Fig. 174—175 Anaphase, Fig. 176 Telophase der zweiten Reifungsteilung. 428 Kristine Bonnevie, Untersuchungen iiber Keimzellen. Fig. 177. Junge Spermatide. Ein kurzer Schwanzfaden wiachst von der Beriihrungsstelle des distalen Centrosoma mit der Zell- membran aus. Fig. 178—201. Umbildung der Spermatiden in Spermien. Fiir samtliche Figuren gelten folgende Bezeichnungen: a Achsenfaden, C Centrosomen, Cp Cytoplasma, H Hals, K Kopf, M Mitochondrien, P Perforatorium, R.fé Ringkérnchen, S Schwanz- faden, U.m Umhiillungsmembran. Fig. 178. Metaphase der zweiten Reifungsteilung. Witschons drien von derselben Form und Gréfe wie in lebenden Zellen. Fig. 179—182. Junge Spermatiden. Die Chromosomen werden zu einer zahfliissigen Masse aufgelést. Vom distalen Centrosoma wachst ein Schwanzfaden hervor. Das proximale wird zuerst in 2, dann in 4 Ringkérnchen geteilt. Von der nichsten Umgebung der Centrosomen wird das Perforatorium (P) herausdifferenziert. Fig. 183. Junge Spermatide, von unten gesehen. Achsenfaden und Ringkérnchen treten deutlich hervor. Fig. 184—188 zeigen die allmihliche Verkleinerung des Sperma- tidenkernes durch Abgabe von Kernsaft, die Wanderung des Per- foratoriums zum vorderen Pol, das Hineinwachsen des Achsenfadens in den Kern und die Bildung eines cytoplasmatischen Fadensystems (U.m). Die Mitochondrien, die immer mehr feinkérnig werden, liegen in verschiedener Anordnung immer nur auferhalb dieses Fadensystems. Fig. 189—193. Weitere Verkleinerung des Kerns durch Kon- traktion der Chromatinsubstanz, Der Achsenfaden wird stark ver- lingert und das Cytoplasma zipfelférmig ausgezogen. Fig. 194—196. Auferhalb der Umhillungsmembran kommen feine Kérnchen (Mitochondrien?) zum Vorschein, die zu einem Spiralfaden um dieselbe herum eingeordnet werden. Fig. 197a. Der vordere Teil eines durch die Fixation stark kontrahierten Spermiums. Ein diinner Cy toplasmastrang (Cp) ver- bindet Perforatorium und Mittelstiick. Fig. 197b. Schrager Schnitt durch den hinteren Teil einer Spermatide auf dem Stadium der Fig. 194. Man sieht die Um- hiillungsmembran als eine vierseitige Pyramide den Achsenfaden umgeben. Fig. 198. Nahezu reifes Spermium mit aufgetriebenem Hals, im Begriff, aus der Cytoplasmamasse auszuwandern. Fig. 199. Reifes Spermium nach Fixation mit FLEmmrinescher Fliissigkeit. Fig. 200—201. Nahezu reife Spermien nach Hermann-Fixation. In Fig. 201a wird eben die Cytoplasmakugel abgeworfen. In Fig. 201b sieht man eine lichtbrechende Vakuole im Spermakopf. Beobachtungen am lebenden Selachierauge. Von Dr. V. Franz. Mit 10 Figuren im Text. Inhalt: 1) Zur Physiologie der intraocularen Muskulatur (Linsenmuskel und Irismuskulatur). 2) Ueber das Tapetum lucidum. 3) Ein Processus falciformis bei den Vorfahren der Selachier. 4) Ueber die Hornhaut. 5) Ueber die Dimensionen des Augeninnern. Zusammenfassung. Ein fiinfwéchentlicher Aufenthalt in Bergen (Norwegen) er- méeglichte es mir, in der dortigen Biologischen Station einige Beob- achtungen und Experimente am Selachierauge anzustellen. Die Ergebnisse, die ich im folgenden mitteilen will, sollen eine Er- ginzung und Erweiterung zu meinen kiirzlich veréffentlichten, an konserviertem Material vorgenommenen Studien bilden. Das Versuchsmaterial bestand nur aus wenigen Arten, diese aber konnten, nachdem einmal ihre Aufenthaltsorte durch den erfahrenen Fischer der Station ausgekundschaftet waren, in ge- niigender Menge beschafft werden. Im Herléfjord wurde in Tiefen bis etwa 200 m mit Erfolg nach Acanthias acanthias gefischt, wihrend man aus 400—500 m Tiefe Spinax spinax und Chimaera monstrosa erhielt. Weitere Arten von Haien waren in der kurzen Zeit nicht zu beschaffen. Leider waren die Rochen, die in friiheren Jahren sehr hiufig erbeutet wurden, jetzt sehr selten. Wahr- scheinlich leben sie in Schwarmen, die bald hierhin, bald dorthin ziehen. Ich erhielt nur ein einziges totes Exemplar von Raja batis, das auf dem beriihmten Bergenser Fischmarkt feilgehalten wurde. Die meisten Beobachtungen und Experimente machte ich an Acanthias, denn Chimaera und Spinax gelangen, wie alle Tiefseetiere, nur tot oder in absterbendem Zustande in die 430 V. Franz, Station. Acanthias aber 1a&t sich leicht im Aquarium halten und ist wegen seiner stark ausgebildeten Irismuskulatur besonders geeignet zu den Versuchen, die ich im folgenden zuerst mit- teilen will. Zuvor will ich jedoch nicht unterlassen, allen den Herren meinen Dank auszusprechen, die mir mit grofer Bereitwilligkeit kostbare Apparate sowie Literatur zur Verfiigung stellten und meine Arbeit dadurch wesentlich forderten: verschiedenen Aerzten in Bergen, ganz besonders aber dem Direktor der Technischen Schule, Herrn ANpor Hort, dem Vorsteher der hydrographischen Abteilung der Fiskery Styrelsen, Herrn B. HELLanp- HANSEN, und endlich dem Direktor der Station, Herrn O. NorpG@aarp, der tiberall, wo ich der Hilfe anderer bedurfte, mit Erfolg den freund- lichen Vermittler spielte und auch sonst mich nach Kraften unterstiitzt hat. 1. Zur Physiologie der intraoeularen Muskulatur (Irismuskulatur und Linsenmuskel). Nachdem ich einen Linsenmuskel im Hai-Auge entdeckt, lag es nahe, an der Richtigkeit der Ansicht, da’ die Haie nicht accommodieren kénnen, zu zweifeln. Brrr, der in seiner schénen Studie itiber die Accommodation der Fische an Selachiern nur negative Resultate verzeichnet, hatte mir schon friiher brieflich mitgeteilt, daf er das Fehlen der Accommodation bei Selachiern noch nicht fiir definitiv erwiesen halte. Ich glaubte demnach, dal die Versuchsbedingungen noch nicht geniigend variiert seien, und nahm mir vor, die Frage endgiiltig zu entscheiden. Beobachtungen und Experimente. Beobachtung des Tieres im Aquarium. Die von Breer geaduferte Vermutung, daf die Haie im Aquarium sehr schlecht sehen, kann ich bei Acanthias mit Sicherheit vdllig bestitigen. Frisch in die Station gebrachte Tiere haben meist eine sehr enge Pupille, deren Form in Fig. 1 wiedergegeben ist. Allmahlich aber weicht diese Tagesmiosis unter dem_ stindigen Einflusse der verhiltnismaifig starken Belichtung einer dauernden Mydriasis (Fig. 2). Durch ein- bis zweitigige Dunkeladaptation kann diese wieder aufgehoben werden, die Tiere zeigen alsdann Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 431 im Dunkeln eine weit geédffnete Pupille, die sogar in wenigen Fallen den Linsenrand sehen aft, bei erneuter Belichtung aber tritt alsbald wieder Pupillenverengerung ein. Sehr enge Pupillen fand ich auch haufig (jedoch keineswegs immer) an Tieren, die dem Absterben nahe waren. Ich kam nun leider nicht dazu, festzustellen, wie es mit dem Sehvermégen der Tiere unter normalen Verhaltnissen, also im Dunkeln oder bei Tagesmiosis steht. Daf jedoch die Haie in den gewdéhnlichen Aquarien, wo die Tagesmiosis infolge der standigen Belichtung einer dauernden Mydriasis weicht, ungemein schlecht sehen, steht ganz fest. Sie schwimmen viel umher, lassen sich kaum durch die Annaherung des Menschen scheuchen oder schrecken, sind sehr leicht mit der Hand zu greifen, stoBen auch iiberall an den Glasscheiben und Fig. 1. Iris mit verengter Pupille von Acanthias acanthias, nat. Gr. Fig. 2. Iris mit dilatierter Pupille von Acanthias acanthias, nat. Gr. Fig. 1. Fig. 2. Felsen an, als ob sie blind waren. In spatestens 8 Tagen haben sich daher alle Haie die ,,Nase‘‘ blutig gestoBen. Selbst ihre Augen leiden leicht und werden offenbar durch Stéf%e an harten oder spitzen Gegenstinden haufig verletzt und blutig. Erst nach etwa 14 Tagen finden sich die Haie im Bassin ebenso zurecht, wie ein blind gewordener Vogel im altgewohnten Kafig. Wie wenig der Hai selbst das Auge zu hiiten vermag, lehrt die Beobachtung, daf mitunter einem Hai ein Auge oder beide im Aquarium durch andere Tiere ausgefressen wurden. Der Hai liegt haufig still am Boden, das Auge leuchtet bei Haien stark, sieht aber jedenfalls schlecht, und so wird es anderen Tieren zur Beute. Bei Tiefsee- teleostiern, deren Auge gleichfalls leuchtet, fanden wir auch mit- unter, dafi die Augen ausgefressen waren, wenn nimlich der Fisch am Meeresgrunde sich an einer Angel gefangen hatte und dadurch schutzlos geworden war. Im iibrigen aber stehen die Haie nach den mitgeteilten Beobachtungen im scharfen Gegensatz zu allen Teleostiern und, wie ich im Berliner Aquarium konstatierte, Ga- noiden. Bedenkt man noch, daf Acanthias zu den ,,Taghaien“ gehért, der z. B. nach Breas Tierleben die Oberflache des Meeres keineswegs meidet und, wie der Bau des Auges lehrt 432 V. Franz, einen gewissen Grad von Beleuchtung noch viel eher vertragt als z. B. Scyllium und viele andere Haie, so besteht kein Zweifel mehr, da8 die Haie im Aquarium auferordentlich schlecht sehen. Ophthalmoskopie. Die demzufolge schon naher gefihrte Vermutung, daf der Hai nicht accommodieren kénne, wurde durch ophthalmoskopische Beobachtungen nicht widerlegt. Zwar liefen sich Verinderungen der Einstellung nachweisen. Diese stehen jedoch in keiner direkten Beziehung zum Sehakte, sondern nur in indirekter, insofern sie von dem jeweiligen Kon- traktionszustande der Iris abhangen. Dies Resultat wurde gewonnen, indem die wechselnden Pu- pillenweiten an einem und demselben Auge mit der jeweiligen Entfernung des Einstellungspunktes zusammengestellt wurden. Die Pupille wurde ausgemessen, indem ihre gréfte Hohe und ihre groBte Breite ermittelt wurde, das Produkt beider Zahlen gibt ein ziemlich genaues Maf8 fiir die Flichengréfe der stets etwa ellip- tischen (oder kreisférmigen) Pupille, entsprechend der Formel F =2a-a-b fir den Flacheninhalt einer Ellipse mit den Achsenlingen a und b. Der Einstellungspunkt des Auges wurde stets durch die Schattenprobe (Skiaskopie, Fick) bestimmt. Dies ist nicht nur die bequemste, sondern fiir meine Zwecke die einzig mégliche Methode zur Refraktionsbestimmung. Denn ich bestimmte die Refraktion jedes Auges fiir das Netzhautzentrum, da dieses nach meinen friiheren Darlegungen iiber die Retina in der zum Empfange scharfer Bilder normalerweise am besten ge- eigneten Region der Netzhaut liegt. Im Netzhautzentrum aber, und ebenso in den fiir einige spater mitzuteilende Messungen in Betracht kommenden dorsalen, ventralen, nasalen und temporalen Netzhautregionen finden sich keine ophthalmoskopisch erkennbaren Details der Netzhaut. Daher ist die Bestimmung der Refraktion im aufrechten oder im umgekehrten Bilde nicht méglich, und die Schattenprobe ist die einzig anwendbare. Sie besteht bekanntlich darin, da& man bei leichten Drehungen des Augenspiegels die Be- wegung des Beleuchtungsfeldes im Fundus des vom Spiegel be- leuchteten Auges kontrolliert. Wandert das Beleuchtungsfeld gleichsinnig mit der Spiegeldrehung, so befindet sich das Auge des Beobachters vor dem LEinstellungspunkte des beobachteten Auges, bei ungleichsinniger Wanderung hinter demselben. In der deutlichen Sehweite des Tieres ist fiir den Beobachter die Wanderung des Beleuchtungsfeldes undeutlich. Natiirlich ist es Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 433 sehr miflich, gerade den Ort der undeutlichen Wanderung des Beleuchtungsfeldes prazis zu bestimmen, und zu sicheren Resul- taten gelangt man, wenn man nach Scuwerecers Vorschrift (S. 445) ,,sich zunachst so weit nihert, da’ eine Bewegung in gleichsinniger Richtung erkennbar wird, und dann sich wieder so weit entfernt, bis die umgekehrte Bewegung des Beleuchtungsfeldes anfangt, wahrnehmbar zu werden“. Das Mittel aus den beiden so erlangten Grenzwerten kann als die Fernpunktsdistanz angesehen werden. Einmalige Bestimmung dieses Wertes gentigt meist vollig, um den Fernpunkt auf 3—4 cm genau zu bestimmen. Nur zur Kontrolle ist die zweimalige Bestimmung jeder Messung empfehlens- wert. Giinstige Bedingungen der Pupillenweite, der GréSe der Lichtquelle und der Entfernung vom Tier kénnen sogar eine Ueber- einstimmung beider Grenzwerte bis auf 1 cm erméglichen. Dieser Grad der Genauigkeit ist aber wohl haufig etwas illusorisch, denn die Abmessung der Entfernung des beobachtenden Auges vom Auge des im Wasser, in einem kleinen Kastenaquarium befindlichen Tieres ist doch nicht so genau, auch lassen sich Fehler, die durch die haufigen schwachen Augendrehungen des Tieres entstehen, nicht vermeiden. Innerhalb der Grenzen der Genauigkeit aber bietet die Schattenprobe zur Untersuchung der Haie alle nur winschenswerten Vorztige. Der Fisch la8t sich bei einiger Geduld an diejenige Stelle des Aquariums hinlegen, wo man ihn am be- quemsten untersuchen kann, und halt hier im allgemeinen gut still. Er fordert damit den Beobachter geradezu auf, die Refrak- tion in Wasser zu bestimmen, die natiirlich fiir ihn wesent- licher und fiir uns interessanter ist als die Refraktion in Luft, und diese Bestimmung lief sich in allen mir vorgekommenen Fallen ohne Anwendung von Brillenglasern ausfiihren. Die Schatten- probe ist auferdem bekanntlich véllig unabhaingig von der eigenen Accommodation des Beobachters. Endlich erfordert sie bei den Selachiern keine Korrektion der erhaltenen Werte. Die durch Bestimmung im aufrechten oder umgekehrten Bilde ermittelte Fernpunktsdistanz bedarf namlich bei vielen Fischen noch einer Korrektion, denn ohne eine solche ist meist nicht die Refraktion fiir die lichtperzipierende Stabchen- und Zapfenschicht, sondern fiir eine ophthalmoskopisch gut erkennbare, mehr oder weniger vor der Zapfenmosaik liegende Stelle des Augenhinter- grundes bestimmt. Eine genaue Korrektion dieser Art la8t sich nun gut anbringen, wenn man die Refraktion fiir eine scharf loka- lisierte Stelle des Auges (ein Gefif, den Processus falciformis, 434 V. Franz, Pigment der Papille etc.) bestimmt hat. Ganz wertlos sind aber derartige Korrektionen, wenn sie nach skiaskopischer Refraktions- bestimmung angegeben werden. Denn welches Niveau der Netz- haut des Tieres sendet das in unser Auge gelangende Licht aus? Es dringt in die Netzhaut ein und wird dann von allen Schichten derselben reflektiert, da es sicher auch bis in die hinterste Schicht, die Stabchen und Zapfen gelangt. Der dadurch entstehenden Schwierigkeit sind wir jedoch bei Selachiern véllig tiberhoben; denn bei ihnen wird sicher der gréf’te Teil des Lichtes von dem stark glinzenden Tapetum lucidum reflektiert, dieses aber liegt der lichtperzipierenden Netzhautschicht so nahe, daf von der Korrektion ohne Bedenken abgesehen werden kann. Nun zu den Ergebnissen der Refraktionsbestimmungen. In allen Fallen wurde Myopie gefunden, der Fernpunkt des Auges lag stets ziemlich nahe, namlich in 26—57 cm Abstand vom Auge, was einer Myopie von 3,9—1,8 Dioptrieen entspricht. Dies Ergebnis stimmt mit den von Friiheren bei anderen Fischen gewonnenen Resultaten tiberein, denn man hat friiher die Fische gleichfalls kurzsichtig gefunden. So PLareau mit seinen allerdings unzureichenden, durch HrrscHperG und Beer kritisierten Methoden, ferner HirscHBerRG, STEINACH und BEER. Vom _,,teleologischen‘t Standpunkte aus erscheint, worauf HrrscuHBerG hinweist, eine mafvige Kurzsichtigkeit der Fische nicht unzweckmafig, denn auch das klarste Wasser ist auf gréfere Strecken undurchsichtig. Tatsichlich hat Breer in seinen ver- gleichenden Untersuchungen iiber die Accommodation in der Tier- reihe die Wassertiere durchgehends kurzsichtig gefunden. Niemals wurde von mir bei Selachiern eine spontane Ver- ainderung der Einstellung des Auges festgestellt. Solche sind in- dessen bei Teleostiern von Brer wiederholt beobachtet worden, worin ich ihm beipflichten kann. Hiernach zu urteilen, fehlt die Accommodation bei Selachiern. Dagegen tritt sofort eine Einstellungsinderung ein, wenn man das Zimmer durch Herablassen der Rouleaux verdunkelt und da- durch eine Pupillenerweiterung bewirkt. Wird das Zimmer wieder erhellt, so wird auch die Pupillenerweiterung und die EKin- stellungsinderung riickgiingig gemacht. Hierdurch zeigt sich, dal der Refraktionszustand des Auges von dem Kontraktionszustande der Iris abhingt. Z. B. das linke Auge eines 60 cm langen Acanthias lieferte mir in einigen Tagen die folgenden Werte fiir die Pupillenweite und die jedesmal zugehirige Fernpunktdistanz: Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 435 Groikte Breite| Gréfkte Hohe | Produkt beider Zahlen | Fernpunkt- der Pupille | der Pupille = Maf fiir die distanz in mm in mm Pupillenweite in cm 3,5 6,0 21 35 3,5 6,5 23 34 3,0 5,5 16,5 28 7,0 8,0 56 33 6,2 6,5 40 38 6,0 6,5 39 34 7,5 8,0 60 32 7p 8,0 60 34 2,0 4.0 8,0 28,5 2,0 | 5,0 10 28,5 Das Ergebnis der Tabelle ist in der Kurve (Fig. 3) graphisch dargestellt. Die jeder Beobachtung hinzugefiigte Ziffer bezeichnet die chronologische Reihenfolge der Beobachtungen. Fernpunktsdistaanz — 20 Pupillenweite — tee VS Vig. 3. VY Fe caer S age W 30 40 50 Das linke}Auge eines anderen, 49 cm langen Acanthias lieferte folgende Werte: Gréf’te Breite| Grékte Hohe Produkt beider Zahlen | Fernpunkt- der Pupille | der Pupille = Maf fiir die distanz in mm in mm Pupillenweite in cm 4,5 6,0 27 28 5,5 7,0 38,5 26 6,5 7,0 45,5 =, | 35 7,0 8,0 56 | 31 7,5 8,0 60 | 35 Das Ergebnis ist in der der vorigen ziemlich ihnlich gestalteten Kurve (Fig. 4) dargestellt. 436 V. Franz, it 4 N g $s of s 2 30 ar =| 3 2, =| Pa) c 30 40 JO 60 Pupillenweite — Fig. 4. Das rechte Auge desselben Tieres, zu den gleichen Zeiten wie das linke gemessen, lieferte eine ganz andere Reihe von Werten, wie die folgende Tabelle und Kurve (Fig. 5) beweisen. Gréfte Breite| Gré’te Héhe | Produkt beider Zahlen | Fernpunkt- der Pupille | der Pupille == Maf fiir die | distanz in mm in mm Pupillenweite | in cm es ee ames | te 4,4 5,5 | 24 | 44 6,5 5,5 36 | 27 5,5 8,0 | 44 33 7,0 8,0 56 40 6,2 7,5 46,5 32 t N E & g =| Ry E fy 30 40 dO 60 Pupillenweite — Fig. 5. Was folgt hieraus ? Die in jeder einzelnen Kurve innerhalb der Messungsfehler zum Ausdruck gelangende Regelmifsigkeit der Beziehungen zwischen Iris- und Linseneinstellung, namentlich die Wiederkehr ahnlicher Linseneinstellungen bei der Wiederkehr ahnlicher Pupillenweiten in der ersten Kurve (JJZ und IX, X; Tund 17; V und VI; TV und VII, VIII) und in der dritten Kurve (/7Z und V) garantiert fiir Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 437 die Richtigkeit der anfianglich gewiS paradox erscheinenden Tatsachen. Die grofen individuellen Variationen, die sogar zwischen den beiden Augen eines und desselben Tieres vorkommen, lehren, daf der ganze Vorgang bedeutungslos fiir den Hai ist. Von einer wahren Accommodation kann man bei den _ be- schriebenen Erscheinungen keinesfalls sprechen. Pupillenverande- rung wahrend der Accommodation ist zwar auch beim Menschen altbekannt (HrELMHOLTz), dabei aber handelt es sich stets um eine mit der Accommodation fiir die Nahe gleichzeitige Ver- engerung der Pupille, wahrend sich fiir die Haie absolut keine Regel dariiber aufstellen lat. Die Einstellungsinderung unter dem Einflu8 der Irisbewegung la8t sich auch noch am enukleierten Auge konstatieren, dessen Iris noch auf Licht reagiert, wihrend die unter dem EinfluS8 des _Nervensystems stehende Accommodation der Teleostier durch Enukleation des Auges sicher aufgehoben wird (BEER). An einem im diffusen Tageslicht befindlichen enukleierten Hai- auge maf die Pupille 3,2; 4,8 mm (dieses Symbol soll hier und im folgenden bedeuten: 3,2 mm Breite und 4,8 mm Hohe), der Fern- punkt lag in 33,5 mm. Im Dunkeln dehnte sich die Pupille bis auf 6,0; 6,5 mm aus, der Fernpunkt des Auges riickte in 46 cm Ferne. Allmiahlich kontrahierte sich die Iris bei Belichtung wieder. Bei 5,4; 6,0 mm Pupillenweite wurde die Fernpunktsdistanz zu 41 cm gefunden. Bei 3,2; 4,8 mm Pupillenweite betrug die Fern- punktsdistanz nur noch 33 cm, was mit dem zuerst gefundenen Werte im guten Einklange steht. Wie kommt nun die Veranderung der Einstellung zu stande? Sicher nicht durch Veraénderung der Linsenkriimmung, wie man auf Grund theoretischer Erwigungen sowie der Analogie mit Teleostiern mit gréfter Bestimmtheit erschliefen kann (cf. meine friiheren Darlegungen). Vielmehr geschieht die Veranderung der Einstellung wie bei Teleostiern durch Ortsveranderung der Linse. Die Ortsveranderung der Linse ist namlich sehr leicht durch direkte Beobachtung zu konstatieren. Denn bei gréferer Fern- punktsdistanz betragt die Entfernung des vorderen Linsenpols vom Hornhautscheitel bis etwa 2 mm und ist damit viel gréfer als bei geringerer Fernpunktsdistanz, wo in extremen Fallen nur ein aufSerordentlich geringer Abstand von etwa */,—1/, mm zwischen Linse und Hornhaut beobachtet wurde. Leider verbieten die bei Bd. XLI. N. F. XXXIV. AS) 438 V. Franz, Haien sehr haufigen Hornhauttriibungen (Triibungen und Los- lésungen der Conjunctiva corneae) meistens diese Beobachtung *). Welche Faktoren nun die Linse zwingen, bald vorwarts, bald rickwarts zu wandern, ist im einzelnen schwer zu sagen. Nur so viel gilt allgemein: Bei Verengerung der Pupille kaun die Iris eine weit vorgeschobene Linse nach hinten driicken. Bei Ver- engerung der Pupille kann jedoch die Linse auch gerade nach vorn gezogen werden, denn nahe am ventralen Pupillarrand ent- springt von der Iris der Linsenmuskel, und dieser inseriert an der Linse, die Iris zieht daher bei der Kontraktion die Linse nach vorn-oben. In jedem Auge mag teils diese, teils jene Wirkung iiberwiegen. Kontraktions- und Expansionszustaénde des Linsen- 1) Die Beobachtung erfolgt, indem man von oben her den im Wasser be- findlichen Kopf des Tieres betrachtet, wie es Brnr (p. 571) beschreibt. In i) Luft wirkt die Hornhaut (¢ in Fig. 6) i als Sammellinse, sie vergréfert infolge der bei 7 erfolgenden Brechung die Izis i, und diese scheint dadurch, von oben (0) gesehen, die ganze vordere Augenkammer bis a, auszufiillen. Die Linse / aber ist nicht oder giinstigstenfalls nur sehr wenig zu sehen, da die von ihr aus- gehenden Lichtstrahlen bei 2 und 3 kaum mehr stark genug gebrochen werden, um in das Auge des Beobachters zu ge- langen. Unter Wasser erfolgt keine nennenswerte Brechung an der Horn- haut, der ganze Effekt ist daher auf- gehoben, und die Hornhaut springt wie eine gewélbte Blase vor, Vorderkammer, Iris und Linse sind in ibrer Ausdehnung und Lage genau zu erkennen. Die Horn- haut scheint dabei stairker gewdélbt als bei dem in Luft betrachteten Auge. Dies ist jedoch nur scheinbar, denn objektive Messung der Hornhautkriimmung (am einfachsten, indem man Stiicke steifen Papiers mit kreisbogenfirmigen Aus- schnitten von bekannten Kriimmungs- radien an die Hornhaut anlegt und so die am besten passende Kriimmungs- stirke auf 1 mm genau bestimmt) ergibt in beiden Fallen denselben Wert. Fig. 6. Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 439 muskels mégen die Komplikation noch erhéhen. So kénnte man fiir jede der oben gezeichneten 3 Kurven eine Erklarung finden. Kine Regelmafigkeit der Beziehungen zwischen Pupillenweite und Fernpunktsdistanz laft sich also wohl fiir jedes Auge, nicht aber fiir die Species nachweisen. Nur so viel gilt wahrscheinlich ganz allgemein, daf bei stark erweiterter Pupille, wenn womdglich der Linsenrand sichtbar ist, die Linse sehr weit nach vorn riickt; denn dies wurde wiederholt beobachtet. Wahrscheinlich beriihrt sie daher in dem etwas verdunkelten Tageslicht, in welchem der Hai lebt, den Hornhautscheitel. Es wird dadurch eine von mir friiher (meine friihere Arbeit, p. 758) ausgesprochene Vermutung bestatigt. Es ware nun noch denkbar, daf eine regelrechte Accommo- dation in diesem letztgenannten Falle, wenn namlich die Linse sehr weit gegen den Hornhautrand geriickt ist, méglich wird. Da& aber dem Hai tiberhaupt die Fahigkeit der Accommo- dation fehlt, beweisen die Versuche mit elektrischer Reizung. Ich ging bei diesen Versuchen wiederum aus von der Frage: Besitzen die Se- lachier die Fahigkeit der Accommodation ? Nachdem BEER die Accommodation durch Ortsverinderung der Linse nur bei Teleostiern hatte feststellen kénnen, ich aber den hierzu erforderlichen Linsenmuskel, die ,Campanula Halleri“, den man bisher den Selachiern abzusprechen pflegte, auch im Selachierauge gefunden hatte, lag es nahe, die von BEER an- gestellten Versuche am Selachierauge zu wiederholen. Um Kontrollversuche anzustellen, suchte ich zunichst bei Teleostiern die Funde Beers nachzupriifen; mit bestem Erfolge. Ich verwandte einen RuamMKorFrschen Induktionsapparat von etwa 40 cm Rollenlinge!) mit 4 mit frischer Flissigkeit voll- gefiillten Chromsiure-Elementen im primaren Stromkreise. Zur Erzielung méglichst gro8er Stromdichte wurden die von der se- kundaren Spirale kommenden Drahte in dickwandige Gummi- 1) Kleinere Apparate, mit denen ich zuvor zu arbeiten ver- suchte, hatten entweder gar keine oder nur ziemlich schwache Wirkung auf das untersuchte Auge, was jedenfalls in den vielen Stromschleifen, die sich bei Reizung des Auges unter Seewasser nicht vermeiden lassen, seinen Grund hat. Auch Brrr mute starke Stréme anwenden. 29 * 440 V. Enany, schliuche eingezogen. An ihre Enden wurden Elektrodennadeln befestigt und die Befestigungsstelle mit Wachs stromdicht um- schlossen. So lieferte der Apparat Funken von 4, im giinstigsten Falle von 41/, cm Lange. Jetzt werden die aus der Wachsumschliefung mdglichst kurz hervorragenden Nadelelektroden vorsichtig in die Conjunctiva- reste eines enukleierten Teleostierauges und dann in den Boden eines unten mit Kork ausgelegten kleinen Glasschilchens ge- stochen. Auf diese Weise wird das Auge zugleich in den Strom- kreis gebracht und in seiner Lage fixiert. Das Glasschalchen wird so weit mit Seewasser gefiillt, dafS das Auge vollig darin unter- taucht; denn nur unter Wasser lat sich die Lage der Linse kon- trollieren, wie schon oben gezeigt wurde. Wird nunmehr der Strom geschlossen und damit das Auge gereizt, so laBt sich deutlich der Effekt der Linsenretraktion beob- achten, wenn man das Auge von der Seite betrachtet. Der Ver- such gelang bei allen untersuchten Arten der Teleostiergattungen Cottus, Anarrhichas, Labrus und Pleuronectes'). Blickt man direkt 1) Am prizisesten arbeitete der Accommodationsapparat bei Cottus, aber wohl nur deshalb, weil ich von dieser Art das kleinste Auge hatte, in welchem sich der Strom am wenigsten verzweigt. Wenn Brrr bei Blennius und beim Seepferdchen (Hippocampus), den kleinsten Fischen mit den kleinsten Augen, dieselbe Beobach- tung macht, so hat dies offenbar auch nur in der Kleinheit des Objektes seinen Grund, und ein grofes Erstaunen hieriiber halte ich fiir ebenso unberechtigt, wie den daraus gezogenen Schluf, daf Blennius oder das Seepferdchen ganz besonders scharf sahen. Andere Beobachtungen, insbesondere solche iiber das Gebaren der Tiere, mégen diesen Schluf vielleicht eher rechtfertigen. — Bei Gadus virens fand ich keine Accommodation, ohne ihr Fehlen be- haupten zu wollen. Die Beobachtung steht allerdings in vollem Einklange damit, daf Brrr bei anderen Gadiden gleichfalls keine Accommodation fand. Bei grofen Tieren der Species Gadus virens und Gadus morrhua im Aquarium sah ich ferner stets den vorderen Linsenpol die Hornhaut beriihren, was héchstens der Ruhelage der Linse entsprechen kénnte. Gegen das Fehlen der Accommodation bei diesen Tieren spricht aber die Lebhaftigkeit derselben. Nament- lich Gadus virens ist ein auferst agiler Fisch, der selten zur Ruhe kommt, und bei solchen pflegt nach Benr die Accommodation am raschesten zu erfolgen. — Die Reizbarkeit der enukleierten, im Seewasser befindlichen Augen dauerte nie sehr lange, in keinem Falle konnte ich nach mehreren Stunden oder gar nach Tagen noch eine elektrische Reizung erzielen, wie Brnr will, auch wenn ich den Muskel nicht durch haufige oder lange dauernde Reizung er- Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 441 auf die Iris und die Pupille, so wird eine Seitwirtsbewegung der Linse bemerkbar, die Beobachtung wird allerdings etwas gestirt durch die priziser eintretende Iriskontraktion. Bei ge- eigneter Lage des Auges laft sich auch die Seitwartsbewegung der Linse in Kombination mit der Riickwartsbewegung erkennen. In all diesem kann ich nur Beers Beobachtungen Dbe- statigen. Bei Selachiern dagegen arbeitete ich mit demselben nega- tiven Erfolge wie Brsr, so sehr ich auch die Versuchs- bedingungen variieren mochte. Ich reizte das in der Orbita befind- liche und das enukleierte Auge in und aufer dem Wasser, eréffnet und uneréffnet, und lieS den Strom in allen Richtungen durch- flieBen. In keinem Falle konnte ich durch direkte Beobachtung oder durch Skiaskopie auch nur eine Spur von Accommodation nachweisen. Ich machte diese Versuche an Tieren mit weiter und an solchen mit enger Pupille, an lebhaften und an ruhigen Tieren, bei Tag und bei Nacht; alles vergeblich. Auch die unmittelbare Reizung des freigelegten Linsenmuskels, vor oder nach Abtrennung der Linse vom Muskel, bewirkte nichts. Man kénnte nun noch glauben, die Kontraktion eines so kleinen Muskels sei der Beobachtung entgangen. Aber diese Ver- mutung wird durch eine andere Tatsache widerlegt. Die Iris ist bei Teleostiern leichter und stiarker reizbar als der Linsenmuskel, bei Selachiern miifte man demnach eine noch stiarkere, noch leichter nachweisbare Reizbarkeit der Iris erwarten, da bei ihnen die Iris mit starker Muskulatur versehen und die Pupille der grékten Exkursionen fahig ist. Aber auch die Iris der Sela- chier reagierte bei keinem Versuche auf den elek- trischen Reiz, selbst dann nicht, wenn ich die Nadeln durch die Sclera oder Cornea hindurch in den Bulbus stach. Diese Tatsache ist merkwiirdig genug, aber doch wohl nicht mehr anzuzweifeln. Vom Linsenmuskel, der histologisch, wie ich mtidete. Verschaffte man sich durch Entfernung eines nasalen oder temporalen Bulbussegments — natiirlich unter Schonung des Accom- modationsapparates! — einen Hinblick in den Bulbus, so trat das Absterben nur noch friiher ein, die Beobachtyng der Linsenretrak- tion jedoch wurde nur wenig deutlicher. — Leicht in die Augen fallend ist das starke Verblassen der prachtvoll blauen Farbe im Integument von Labrus mixtus wahrend der Dauer der elektrischen Reizung. 442 V. Franz, friiher zeigte, der Irismuskulatur véllig gleicht, kénnen wir nun- mehr uubedenklich dasselbe annehmen. Die intraokulare Muskulatur der Selachier lie8 sich also durch elektrische Stréme nicht reizen. Versuche mit Reizung durch Licht. Die Versuche von ARNOLD, BROWN-SEQUARD, STEINACH und anderen haben gezeigt, daf die Iris von Teleostiern und Amphibien nicht nur Bewegungen, die durch elektrische Reizung ausgelést werden, ausfiihrt, sondern daf auferdem auch die ausgeschnittene, vom Nervensystem getrennte Iris sich auf direkte Reizung durch Belichtung hin kontrahiert. Beide Fahigkeiten lassen sich von- einander trennen, denn Atropin vernichtet oder schwacht die elektrische Erregbarkeit (BEER), waihrend die Fahigkeit, auf Licht zu reagieren, ungeschwicht erhalten bleibt (StemyacH, BrExEr). Von diesen zwei Fahigkeiten der Fisch- und Amphibieniris findet sich bei den Saugetieren, soweit bekannt, nur die erste, die Fahig- keit, auf elektrische Reize zu reagieren. (Die Lichtreaktion der menschlichen Pupille steht bekanntlich unter dem Einflu8 des Sympathicus [Dilatation] und Vagus [Kontraktion] und findet bei enukleiertem Auge nicht mehr statt.) Bei den Selachiern dagegen konnte nur die Fahigkeit der Iris, direkt auf die Belichtung zu antworten, gefunden werden. Schon das Auge des unversehrten Tieres lieB niemals spontane Irisbewegungen erkennen. Wird jedoch das Auge plétzlich heller beleuchtet, so ant- wortet es mit darauf folgender allmahlicher Iriskontraktion. Ver- dunkelung des Gesichtsfeldes hat wiederum Dilatation zur Folge. Der Effekt ist um so deutlicher zu konstatieren, je agiler das betreffende Individuum im allgemeinen ist, je gréfer die Belich- tungsunterschiede sind und je besser das Tier vorher dunkel- adaptiert ist. Dauernde Belichtung scheint einen ermiidenden Einflu8 auf die Iris auszuiiben und bewirkt eine dauernde My- driasis. Enukleation des Auges hebt den Effekt nicht auf. Das in Seewasser aufbewahrte Auge reagiert noch ungeschwacht auf Belichtung mehr als 24 Stunden lang’). Dann erst tritt das 1) Vgl. auch den p. 437 mitgeteilten Versuch. — Versuche mit der rezidierten Iris gelangen mir nicht, ebensowenig hatte ich Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 443 Absterben der Iris, d. h. das Aufhéren der Reaktion auf Licht ein, und zwar stets bei stark verengter Pupille. Z. B.: Die Pupille eines dunkeladaptierten Auges mift 6 mm Breite und 7 mm Hohe. Das Auge wird enukleiert, wobei sich infolge der hierzu erforderlichen Belichtung die Pupille etwas ver- engte. Es wird nun in einem mit Seewasser gefillten Schialchen auf einen Tisch an einem hellen Fenster‘) gestellt, jedoch dunkel eingedeckt. Nimmt man nach einer Weile die Eindeckung fort, so hat sich die Pupille inzwischen wieder auf das alte Maf aus- gedehnt, sie verengt sich aber jetzt unter der eintretenden Be- lichtung zusehends, indem ringsum, namentlich aber von den Seiten und von oben her die Iris sich vorschiebt, und in 30 Se- kunden ist die Pupille nur noch 3,0 mm breit und 5,5 mm hoch, Eine weitere mefbare Pupillenverkleinerung tritt dann nicht mehr ein. Die Pupillenverengerung, die sich hier in einer halben Minute abspielte, la8t sich erheblich verlangsamen, wenn die Belichtung des Auges weniger stark ist. Dasselbe Auge, mit welchem der vorige Versuch angestellt wurde, wird alsbald wieder ins Dunkle gebracht, wo die Pupille sich erweitert. Dann wird die Hindeckung entfernt, wahrend die Pupille 6 mm breit und 7 mm hoch ist, und das Auge wird mafiger Belichtung ausgesetzt. Nach 30 Sekunden mift die Pupille nur noch 4,5 mm Breite und 5,5 mm Hohe. Nach einer weiteren Minute wird die Breite zu 4,8 und die Hohe zu 5,0 mm gemessen. Nach 3 weiteren Minuten: Breite 4,5 mm, Héhe 5,5 mm. Nach 41/, weiteren Minuten: Breite 3,0 mm, Héhe 5,2 mm. Weitere Pupillenverkleinerung findet nicht statt. Also in beiden Fallen, bei starkerer sowie bei schwécherer Belichtung, gelangte die Iris — innerhalb der Messungsfehler — zu demselben Grade der Verkleinerung, aber im ersten Falle schon in einer halben Minute, im zweiten erst nach etwa 9 Mi- nuten. Dabei scheint die Héhenabnahme noch schneller vor sich zu gehen als die Breitenabnahme. Die Wiederholung beider Versuche in umgekehrter Reihen- folge zeigte, da8 nicht etwa gréfere Linge der nach der Enu- kleation verstrichenen Zeit die Ursache der Kontraktionsverzégerung im zweiten Falle war. Erfolg, wenn ich das postaquatoriale Bulbussegment entfernte. In beiden Fallen trat baldige ziemlich starke Pupillenverengerung ein, und die Reizbarkeit der Iris durch Licht war aufgehoben. 1) Die Sonne schien jedoch nicht, was ja in Bergen iiberhaupt verhaltnismavig selten der Fall ist. 444 V. Franz, Bei noch schwacherer Belichtung, namlich im Halbdunkel, geht der Prozef noch langsamer von statten, und die Verkleine- rung der Pupille ist weniger betrachtlich. Die Dilatation der Pupille im Dunkeln scheint langsamer von statten zu gehen als die Kontraktion bei Belichtung. Enukleiert man ein Auge an einem Morgen, so lait sich meist an diesem und auch noch am folgenden Tage die Reaktion der Iris auf Licht deutlich konstatieren. Ob sie am zweiten Tage langsamer erfolgt, wurde nicht ermittelt. Am Morgen des dritten Tages findet man meist die Pupille, auch wenn sie vor Licht geschiitzt war, stark verengt. Reaktion auf Licht ist nicht mehr bemerkbar. Die Verengerung nimmt mitunter noch etwas zu; in jedem Falle aber ist am nachsten Morgen die Pupille wieder gréfer, und zugleich die Iris eingesunken. Bald sinkt auch die Cornea ein, die Pupille erweitert sich noch etwas mehr, wihrend das Auge in Maceration tibergeht. Es ist noch zu bemerken, daf eine langdauernde, einstiindige Einwirkung des Wechselstroms vom Induktionsapparat auf das Auge die Reizbarkeit der Iris durch Licht nicht herabsetzt. Versuche mit sauerstoffarmer Atmosphire. Die Versuche mit sauerstoffarmer Atmosphire, zu deren Beschreibung ich nunmehr iibergehe, wurden erst in der letzten Woche meines Bergenser Aufenthaltes begonnen. Die Kiirze der Zeit und die nicht fiir physiologische Versuche bestimmte Einrichtung des La- boratoriums brachten es mit sich, daf alles an den Versuchen improvisiert werden mufte und manches unvollkommen Dlieb. Wollte ich noch zu Ergebnissen dieser Versuche kommen, so durfte ich letztere nicht immer um einen Tag hinausschieben, wenn viel- leicht irgend ein nebensiichliches Chemikal fehlte. Da ich in- dessen mit den einfachsten Mitteln zu positiven Resultaten ge- langte, so scheinen mir diese schon deshalb mitteilenswert. Daf die Versuchsbedingungen in zwar nicht vollkommener, aber doch im Grunde einwandfreier Weise hergestellt wurden, diirfte aus der Harmonie zwischen meinen Ergebnissen und den Befunden anderer hervorgehen. Es sollte gepriift werden, wie die gegeniiber dem elektrischen Strome sich so merkwiirdig indifferent zeigende Irismuskulatur sich in sauerstofffreier bezw. sauerstoffarmer Atmosphire verhalt. Zu diesem Zwecke erwies es sich nicht als erforderlich, die bloSe Iris der veriinderten Atmosphire auszusetzen, man konnte Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 445 vielmehr die Iris des enukleierten intakten Auges beobachten. Die Augenhiillen gestatteten offenbar ein ungehindertes Diffundieren der Gase. Die Versuche wurden mit Wasserstoff- und mit Stickstoff- atmosphare vorgenommen. Wasserstoff wurde durch Einwirkung von Schwefelsiure auf Zink gewonnen, das Gas sodann zur Reini- gung nur langsam durch Wasser geleitet und unter einer mit See- wasser erfiillten Glasglocke aufgefangen, unter der sich auch in einem gerade hinreichend groSen und tiefen Glasschilchen das zu untersuchende Auge befand. Das Gas verdrangte sodann das Seewasser aus der Glasglocke, am Boden jedoch blieb das Glas- schailchen mit dem in Seewasser befindlichen Auge zuriick, um- geben von der Wasserstoffatmospire. Absolute Reinheit der letz- teren kann dabei keineswegs garantiert werden; daf aber die Sauerstoffspannung stark herabgesetzt war, erkannte man, wenn man nach 24 Stunden die Glasglocke abhob und das Gas ent- ziindete. Es verbrannte dann langsam mit ruhiger, fast unsicht- barer Flamme, die auf ziemlich reinen Wasserstoff hindeutet. Zur Vorsicht wurden als Glasglocken meist méglichst hohe Cylinder- glaser benutzt, die umgekehrt in eine Schale von nur sehr wenig groBerem Durchmesser gestellt wurden. So wurde ein méglichst grokes Wasserstoffvolumen mit modglichst wenig O-haltigem Wasser in Beriihrung gebracht. In diesem Falle wird allerdings die Aus- messung der Pupille des untersuchten Auges unméglich. Dieselbe ist auch nicht unbedingt nétig, denn auch ohne Messung ist eine stark dilatierte, kreisrunde Pupille leicht und scharf von einer ver- engten, elliptischen Pupille zu unterscheiden. Will man jedoch Messungen ausfiihren, so mu man das Gas unter einer méglichst flachen Glasschale auffangen, die es erlaubt, von aufen nahe genug an das unter ihr befindliche Auge heranzukommen und die Pupille zu messen. In diesem Falle schien es mir jedoch geboten, das Gas nach einigen Stunden zu erneuern. Der ganze Versuch wurde auf einem Tisch an einem hellen Fenster angesetzt, der Wasser- stoffraum mit dem darin befindlichen Auge konnte nach Belieben dunkel eingedeckt und wieder aufgedeckt werden. Die Versuche mit Stickstoffatmosphire wurden ganz analog angestellt. Der Stickstoff wurde in sehr primitiver Weise aus der atmospharischen Luft gewonnen, indem aus einem unter Wasser abgeschlossenen Luftvolumen der Sauerstoff durch Verbrennen von rotem Phosphor absorbiert und der zuriickbleibende Stickstoff wiederum nur durch Wasser gereinigt wurde. Der zum Versuch 446 V. Franz, verwendete Stickstoff war nach 20 Stunden wenigstens noch bis zu dem Grade sauerstofffrei, daf eine Kerze in ihm unfehlbar verlosch. Die wichtigsten Versuche verliefen folgendermafsen: Einem frisch getéteten Tiere wurden eines Morgens beide Augen enukleiert, das eine unter flacher Giasschale in Wasserstoffatmo- sphare gebracht, das andere in gewéhnlicher Luft belassen. Das Tier war nicht dunkel adaptiert, beide Pupillen waren daher un- beweglich und mafen 5,0 mm Breite und 6,0 mm Hohe. Sie wurden ins Dunkle gebracht und beide hierin mehrere Stunden belassen. Im Dunkeln erholte sich die Irismuskulatur offenbar und wurde wieder beweglich. Mittags wurden die Augen voriibergehend be- lichtet, um den Wasserstoff zu erneuern. Die Iris kontrahierte sich bei beiden, und zwar bei dem in Wasserstoff befindlichen an- scheinend etwas stirker, namlich bis auf 3,0; 4,5 mm Pupillenweite, die andere auf 3,5; 500 mm. Es ist indessen méglich, daf dieser Unterschied innerhalb der Messungsfehler liegt, da die in Wasser- stoff befindliche nur hinter dem Glase beobachtet und durch dieses hindurch gemessen werden konnte. Dann wurden sie wieder bis zum Abend im Dunkeln belassen. Abends, d. h. etwa 8—9 Stunden nach Beginn des Versuchs, wurde wieder belichtet. Die Iris des in Wasserstoff befindlichen Auges kontrahierte sich nur bis aut 4.5; 5,5 mm Pupillenweite, die andere jedoch bis auf 3,5; 5,0 mm. Durch die Messung des ersteren durch das Glas hindurch kann der obige Wert eher zu klein als zu grof abgelesen worden sein. Hieraus folgt — was auch der Augenschein deutlich be- stitigte — daf bei Belichtung die Iris des in Wasserstoff befindlichen Auges sich vielleicht gar nicht, sicher weniger als die des normalen Auges kontrahierte, Der Versuch wurde abgebrochen und an den niachsten zwei Tagen wiederholt: Zwei Augen eines dunkeladaptierten Tieres wurden unter genau gleiche Glasglocken gesetzt, das eine in Luft, das andere in Wasserstoff. Die deutlich erkennbare Wirkung war die gleiche wie tags zuvor. Beide Augen wurden um 2 Uhr ins Dunkle ge- bracht. Nach 5 Stunden zeigte sich bei Belichtung, daf die Pu- pille des in Wasserstoff befindlichen Auges sich viel weniger kontrahierte als die andere. Zum Ueberflu$ wurde der Wasserstoff nochmals erneuert, die Augen darauf bis zum nichsten Morgen 10 Uhr im Dunkeln belassen. Dann wurden sie belichtet, wobei die Glasglocken entfernt wurden. Das normale Auge zeigte schon im Dunkeln eine enge Pupille von den Dimensionen 3,4; 6,8 mm. Die Iris reagierte dabei nicht mehr auf Licht, sie war also (scil. in dieser Hinsicht) schon abgestorben. Die Pupille des Wasserstoffauges war nicht verengt, sie maf 4,7; 7,5 mm. Nach weiterem halbstiindigen Aufenthalt in gewéhnlicher Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 447 Atmosphire im Dunkeln wurde bei dem normalen Auge eine Ver- stirkung der Todeskontraktion bis auf 2,9; 5,5 mm Pupillenweite notiert, und die vorher dilatierte Pupille des Wasserstoffauges hatte sich bei Luftzutritt nachtraglich im Dunkeln kontrahiert bis auf 3,4; 6,5. Der Augenschein bestitigte die erfolgte Kontraktion. Nach weiterem halbstiindigen Aufenthalt im Dunkeln war das normale Auge unverindert, am Wasserstoffauge war die Kontraktion verstarkt: 2,7; 6,2 mm. In den darauf fol- genden Stunden zog sich die Pupille des letzteren noch mehr zu- sammen, denn am Nachmittag konstatierte ich die Pupillenweite 2,0; 4,7 mm. Dabei blieb es. Am nachsten Morgen waren beide Iriden, die natiirlich auf Licht schon langst nicht mehr reagierten, eingesunken und etwas dilatiert. Es soll nun noch ein Versuch mit Stickstoffatmosphiare be- ‘schrieben werden. Der Versuch wurde mittags angesetzt, beide Pupillen mafen 6,0; 7,0 mm. SBeide Augen wurden, unter vollstiindig gleichen Glasglocken befindlich, im Hellen belassen, wo sich beide Pu- pillen kontrahierten. Nach 3 Stunden zeigte sich noch kein Unter- schied zwischen den beiden Pupillen. Nach weiteren 4 Stunden jedoch hatte sich die Pupille des Stickstoffauges merk- lich erweitert, die des normalen Auges nicht. Die Augen wurden iiber Nacht ins Dunkle gebracht. Am nichsten Morgen war bei dem normalen Auge im Dunkeln starke Todeskontraktion eingetreten, die Pupille des Stickstoffauges war noch stark dilatiert, kontrahierte sich aber nach Sauerstoff- zutritt nachtraiglich im Dunkeln, bis ihre Weite der des normalen Auges gleichkam, namlich 2,5; 4,2 mm maf und gleich jener gegen Licht nicht mehr reizbar war. Stickstoffatmosphare hatte also genau dieselbe Wirkung wie Wasserstoffatmosphire. Es wird dadurch bewiesen, daf das Wesent- liche nicht in der Gegenwart eines der zugefiihrten Gase liegt — Stickstoff und Wasserstoff sind ja auch beide durchaus indifferente Stoffe fiir den Organismus — sondern in der Verminderung der Sauerstoffspannung. Zusammenfassend kénnen wir daher sagen: 1) Sauerstoffmangel bewirkt, auch im Hellen, Dilatation und hebt die Lichtreaktion der Iris auf. Nachtraiglicher Sauerstoffzutritt fitihrt wieder Kontraktion der Iris im Lichte herbei. 2) Sauerstoffmangel verhindert auch die Todes- kontraktion der Iris. Nachtraglicher Sauerstoffzutritt bewirkt, auch im Dunkeln, nachtraigliche Todeskontraktion. 448 ; V. Franz, Diskussion der Befunde. Das Fehlen der Accommodation bei Selachiern, das ich nunmehr als definitiv erwiesen betrachte, steht nicht einzig da und macht das Auge keineswegs zu einem vollig wertlosen Organ. In einer gewissen Entfernung wird das Auge stets die Fahigkeit des deutlichen Sehens haben. Unter den Wirbeltieren scheinen nach Berers Untersuchungen noch manche Fische und anure Amphibien der Accommodation zu entbehren. In der Reihe der Wirbellosen ist die Accommodation zwar durch BEER bei Cephalo- poden erwiesen und durch Hesse bei Pecten unter den Mollusken und bei Alciopiden unter den Polychaiten wahrscheinlich gemacht worden. Aber fiir die meisten Klassen der Wirbellosen wissen wir von einer Accommodation nichts. Bei den Arthropoden fehlt sie bestimmt. Exner meint zwar (p. 188), daf das Fehlen der Accommodation durch die Dicke der Retina aufgewogen werde, die es erméglichen soll, daf die Bilder auch von verschieden weiten Gegenstiinden stets noch innerhalb der Netzhaut befindlich sind. Aehnliches sagt HENSEN (p. 225) tiber das Pectenauge. Dem méchte ich erwidern: wenn tatsichlich die Retina in ihrer ganzen Dicke lichtempfindlich ist, so erkennen wir leicht, dab dies nicht einen Vorteil fiir das Sehen, sondern nur einen Nachteil bedeuten kann. Die Retina empfaingt dann niamlich nicht nur das in ,,Bildweite‘’ von der Linse entworfene deutliche Bild, sondern auch die etwas vor und etwas hinter dem Sammel- punkte der Strahlen befindlichen, unendlich vielen undeutlichen Bilder, die zweifellos stérend wirken. Aehnlich wie Exner, aber viel vorsichtiger und die physikalischen Verhiltnisse besser be- riicksichtigend, hatte sich schon viel friiher GreNACHER geiiufert. Er sagt (p. 144): ,,Vielleicht findet er (der Accommodationsapparat) hier einen teilweisen Ersatz in der relativen Lingenentwickelung der Stibchen, so da’ etwa entferntere Objekte, deren Bilder auf den vorderen, der Linse zugewandten Enden der Stabchen zur Vereinigung kommen, mehr auf diese Enden einwirken, nihere Objekte dagegen, die mehr in der Tiefe der Retina projiziert werden, erst an den hinteren Enden der Staibchen den Reiz aus- lésen — aber das sind nur Vermutungen, denen man gewil. mit Recht entgegenhalten kann, da’ das die Stabchen meist bis zu ihrem Vorderende einhiillende Pigment einer Bildprojektion auch in nur geringer Entfernung hinter den vorderen Stabchenenden schon ein bedenkliches Veto entgegenstellen muB.* Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 449 Jedenfalls steht es fest, dafi das Accommodationsvermégen vielen Tieren abgeht, die trotzdem wohlentwickelte Augen haben, und wir erkennen daraus, daf ein accommodationsloses Auge keines- wegs vollig bedeutungslos ist. Bedeutet doch die Erfindung der Staroperation eine der wichtigsten Errungenschaften der Augen- heilkunde, obwoh] dem eperierten Auge die Accommodation natiir- lich fehlt. Das Fehlen der Accommodation bei Selachiern ist nun sicher ein sekundares, darauf deutet das Vorhandensein des Linsen- muskels hin. Wiirden die Vorfahren der Selachier nie accommo- diert haben, so finden wir sicher keine Reste des Accommodations- apparates, weder den Linsenmuskel noch die spiter zu _ be- sprechenden Hinweise auf einen ehemaligen Processus falciformis. Ich méchte sogar auf Grund einiger nachtraglich angefertigter mikroskopischer Praparate behaupten, daf der Linsenmuskel des erwachsenen Acanthiasauges schwacher ist als der friiher von mir abgebildete Muskel des embryonalen Auges von Acanthias blainvilli (Taf. XXIX, Fig. 3), so da der Muskel sich noch ontogenetisch zuriickbildet. Vollkommene Sicherheit hieriiber konnte ich leider nicht erlangen, denn die kleinste Aenderung der Schnittrichtung lat hierin sicher ein anderes Bild zu stande kommen. Teilweise wird das Fehlen der Accommodation vielleicht auf - gewogen durch die grobe Exkursionsfaihigkeit der Pu- pille, einen Vorteil, durch welchen die Selachier unter den Fischen einzig dastehen. Es ist aber zweifellos, daf der Wegfall des Accommodationsvermégens doch eine Schadigung des Auges bedeutet, und diese wird wohl am ehesten durch das ganz eminent entwickelte Geruchsorgan gutgemacht, und wahrscheinlich durch das Gallertréhrensystem, das, wie ich GEGENBAUR entnehme, bei Selachiern aus besonders zahlreichen, vornehmlich am Kopf verteilten Elementen besteht und daher wahrschein- lich eine recht distinkte hydrodynamische Druckempfindung ermdglicht, die z. B. beim Verfolgen von Beutetieren von Nutzen sein mag. Leider erst wahrend der Drucklegung dieser Arbeit wurde ich mit den wichtigen, héchst fesselnd dargestellten Untersuchungen von W. A. Naget bekannt, von dessen Beobachtungen an Hai- fischen ich hier einige erwihnen mu. Nace findet die ganze Haut der Haifische auSerordentlich ewpfindlich fir chemische Reize, gibt indessen zu (p. 191): ,,Am wahrscheinlichsten bleibt es 450 Vi Franz, immer, dafi die Nase die Haifische beim Nahrungssuchen mittelst des chemischen Sinnes leitet.“* Ferner teilt NAGEL einige Beob- achtungen mit, die mir auf die besagte Fahigkeit des Gallert- rohrensystems hinzudeuten scheinen. Er sagt (p. 187): ,,dab es bei den Haifischen ... nicht oder wenigstens nicht allein der chemische Sinn ist, welcher die Haie die Gegenwart des Futters bemerken laft. Sie mtissen auf irgend eine Weise merken, wenn andere Haifische auf der Suche sind, oder wenn die grofen Knochenfische sich daran machen, die zum Futter dienenden Sar- dinen zu fressen‘. (p. 188) ,Die Scyllien werden also im Aquarium auf die Gegenwart des Futters nicht durch den chemischen Sinn aufmerksam gemacht, sondern ganz vorzugsweise durch das Umher- schwimmen ihrer Mitbewohner, welche schon das Futter bemerkt haben.“ Als Reaktionen auf lokale, hydro- dynamische Druckaénderungen méchte ich es auch auffassen, dal. Haifische lange Zeit den Dampfschiffen folgen, daf sie, durch einige ihnen zugeworfene Fleischstiicke gierig gemacht, ,,wahllos alles verschlucken, was ihnen vorgeworfen wird, selbst ungenief- bare Materialien, wie Wergbiindel etc.‘‘ (p. 187), ferner, daf ein umherschwimmender Hai plétzlich eine Seitenbewegung nach einem Fleischstiick macht, dem er auf 2—3 cm nahe kommt, wahrend ein ruhender die Richtung, in welcher das Futter liegt, oft ginzlich verkennt, daf ferner Scyllien nach zugeworfenen Fisch- stiickchen hinsprangen und sie gewandt erschnappten, sowie dal Scyllien mit dem Kopfe einem Fleischstiick folgten, das man ihnen gerade wegnehmen wollte. NaGen glaubt die beiden zuletzt ge- nannten Beobachtungen auf Rechnung des Gesichtssinnes setzen zu miissen. Ich meine jedoch, ein hydrodynamischer Drucksinn reicht hierzu aus, da stets Bewegungen zur Wahrnehmung der Richtung erforderlich waren und nur durch solche die hydro- dynamischen Druckschwankungen erzeugt werden. Ich kann mir nicht denken, daf Scyllien mit maximal verengter, spaltférmiger Pupille auch nur einigermafen scharf sehen kénnen, wie NAGEL annimmt. Wenn nach NaGet sich die Scyllien im Aquarium im allgemeinen ebenso ungeschickt benehmen wie Pristiurus, ein Hai mit weit offenen Augen, so folgt daraus nicht, da sie ebenso wie Pristiurus bei Tage gut sihen. Vielmehr diirften die weit offenen Pupillen von Pristiurus ebenso wie die von Acanthias einen unter dem Einflu& der stindigen Belichtung zu stande gekommenen ab- normen Zustand darstellen, der eine Beeintrichtigung des Seh- Beobachtungen am lebenden Sclachierauge. 451 vermégens bedeutet. Keinesfalls diirfen wir tibrigens annehmen, da die Pupillendilatation auf Gewéhnung an das helle Licht be- ruhte. Ich habe zurzeit ein Kauzchen (Athene noctua) im Kafig, das tagiiber standig beunruhigt wird und daher tags munter ist und nachts schlaft. Es sieht zweifellos bei hellem Tageslicht auferordentlich scharf, das beweist sein ganzes Gebaren aufs deut- lichste. Trotz dieser Gewéhnung ans Tageslicht sind die Pupillen stets stark kontrahiert und zugleich sehr beweglich. Ganz anders bei Acanthias. — Ich bemerke noch, da8 selbstverstandlich ein grofer Unterschied besteht zwischen hydrodynamischer und hydrostatischer Druckempfindung, und nur die erstere habe ich dem Gallertréhrensystem zugeschrieben. Diese Annahme wiirde es auch erklaren, da Teleostier nach einseitiger Vagusdurch- schneidung ,,leichte Stérungen der Orientierung im Raume und der Koordination der Bewegungen‘‘ beobachten liefen (NAGEL, ps 192). Man koénnte nun zwar einwenden, dafS das eingangs ge- schilderte Benehmen der Haie im Aquarium gegen eine derartig hohe Bedeutung des Gallertréhrensystems spreche; die Tiere wiirden nicht tiberall mit ihrem Rostrum anstofen, wenn ihre Druckempfindung eine feinere ware. Das Rostrum ist namlich mit Gallertréhren dicht erfiillt (und mithin nicht einfach so derb behautet, wie NaGEL annimmt). Aber es ist zu bedenken, daf so schwache Druckaénderungen, wie bei den doch relativ langsamen Bewegungen der Tiere im Aquarium, nicht zu vergleichen sind mit denen, die im Freileben der Tiere sicher vorkommen. Der Meeresgrund ist nicht durch Felsen eingeengt, wie das wenn auch noch so grofe Aquarium, vor diesen Hindernissen sich zu hiiten hat der Fisch daher nicht gelernt, die hierbei auftretenden Druckanderungen liegen sogar vielleicht unter der Reizschwelle. Aber beim Verfolgen von Beutetieren werden viel gréfere Be- wegungsgeschwindigkeiten entfaltet, jetzt setzt wahrscheinlich erst die Tatigkeit des Gallertréhrensystems ein, und jetzt wird jede Veranderung des Druckanpralls, die das verfolgte Tier durch Aenderung der Bewegungsrichtung verursacht, deutlich wahr- genommen. Das physiologische Verhalten der intraokularen Mus- kulatur ist in verschiedener Hinsicht interessant, wenngleich manches an den beobachteten Tatsachen etwas dunkel und un- klar bleibt. 452 V. Franz, Die hierauf beziiglichen Beobachtungen wurden nicht am Linsenmuskel festgestellt, sondern an der Iris, deren Bewegungen ja sehr leicht zu beobachten sind. In der Iris von Acanthias habe ich nun zwar friher zweifel- los zirkulare und radidre Fasern nachweisen kénnen. Die zirku- laren bilden einen wulstigen Sphincter, die radiaéren liegen in diinner Schicht an der Unterseite der Iris. Alle die Erscheinungen jedoch, die im folgenden diskutiert werden sollen, sprechen dafiir, da8 die zirkularen, als Sphincter wirkenden Fasern ausschlag- gebend fiir die Ergebnisse der Versuche sind. Dies wiirde auch damit iibereinstimmen, daf die Sphincterfasern an Masse die dila- tatorischen iiberwiegen. — Bei Amphibien, wo ja ahnliche Er- scheinungen wie bei Selachiern auftreten, findet SrerNacH nur einen Sphincter, dessen Zellen tibrigens mit denen des Selachier- auges hinsichtlich der reihenweisen Anordnung der Pigmentkérnchen wohl véllig iibereinstimmen. Magnus zeigte, daf die diesen Sphinc- ter enthaltende innere Zone der Iris des Frosches zum Zustande- kommen der Lichtreaktion geniigt. Es ist natiirlich trotzdem klar, da die ginzliche Vernach- lassigung der radiéren Fasern vorderhand einen wunden Punkt der folgenden Darstellung bildet. Aus den genannten Griinden soll jedoch im folgenden nur vom Sphincter gesprochen werden, wozu auch die noch mitzuteilenden Tatsachen zu_berechtigen scheinen, waihrend tiber eine Wirkung der radiaren Fasern mir nichts bekannt ist. Der Sphincter pupillae, bekanntlich retinalen Ursprungs, ent- steht aus den Pigmentzellen des Retinaepithels, mit dem er im Selachierauge stindig in organischer Verbindung bleibt. Seine spindelférmigen Zellen sind pigmentiert, und es ist daher wohl eine zulassige Ausdrucksweise, vom Sphincter als von einer An- haufung spindelférmiger Pigmentzellen zu sprechen. Diese Pigmentzellen haben mit gewissen mesodermalen stern- formigen Pigmentzellen, z. B. den dunklen Chromatophoren der Froschhaut, deren Verhalten wir besonders durch BreDERMANN kennen, eine Reihe von physiologischen Eigenschaften gemein: Reizung durch Licht bewirkt bei den Chromatophoren, wie aufer BIEDERMANN auch STEINACH gezeigt hat, Kontraktion, wenn auch eine schwichere als die unter dem Einfluf des Nervensystems stehende, und Reizung durch Licht bewirkt auch die Kontraktion des Sphincters. Indifferente Gase, wie Stickstoff und Wasserstoff, bewirken keine Kontraktion von Chromatophoren, und diese Gase ee ee se ee Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 453 verhindern auch die Sphincterkontraktion auf Belichtung. Nach dem Tode tritt ,Zusammenballung“ von Chromatophoren ein, und ganz entsprechend ist auch der abgestorbene Sphincter kontrahiert. Erstickt man jedoch Tiere in Stickstoff- oder Wasserstoffatmosphire, so wird die postmortale Zusammenballung der Chromatophoren verhindert, sie bleiben in Expansion, und dasselbe gilt von dem in Stickstoff- oder Wasserstoffatmosphire absterbenden Sphincter. Nachtraglicher Sauerstoffzutritt bewirkt dann noch nachtrigliche postmortale Zusammenballung der Chromatophoren, und nach- triglicher Sauerstofizutritt bewirkt auch nachtragliche Todes- kontraktion der Iris. Alle diese Ztige und — last not least — die Pigmen- tierung haben diese retinalen Sphincterzellen mit mesodermalen Pigmentzellen gemein. Wir kénnen also in mancher Hinsicht Analogien zwischen den Sphincterfasern und mesodermalen Chromatophoren aufstellen, ein Ergebnis, das angesichts neuerer Forschungen nicht so sehr iiberraschen darf. Denn es scheint in mehr als einer Beziehung, da8 die Chromatophoren nichts anderes als verkappte Muskel- zellen sind. Schon langst wurde der physiologische Nachweis der Innervation der Chromatophoren postuliert, und der histo- logische ist durch BaLLowirz erbracht. Ich méchte auch auf die interessanten neuen Arbeiten von Mitncu hinweisen. Mincu erhielt Praparate, die er auch mir freundlichst zeigte, und die mit iiberzeugender Deutlichkeit Nukleinspiralen im Kern glatter Muskelfasern erkennen lassen. Spiralig und nur scheinbar quer- streifig ist nach Mincw auch der Bau der _,quergestreiften“ Muskelfaser. Spiralig ist aber auch, wie Mtncus Praparate lehren, die Anordnung der Pigmentkérnchen in den _ meso- dermalen Stromapigmentzellen der Iris. Stimmen letztere schon hierin mit Muskelfasern iiberein, so gelangen Mincw ferner Praparate, die eine fibrillaire Struktur der Pig- mentzellen erkennen lassen. Zum Ueberfluf gelang ihm noch der histologische Nachweis feiner an die Pigmentzellen tretender Nerven mit kleinen varikésen Anschwellungen'). Neuer- dings will Mtncuw den Stromapigmentzellen der Iris sogar die 1) Die elektrodynamische Theorie der Muskelkontraktion, die Mtneu aufstellt, kann ich nicht annehmen, da sie mir nicht besser begriindet erscheint als friihere Theorien. Bd, XLI, N. F. XXXIV. 30 454 Vo Franz, dilatatorische Wirkung zum guten Teil zuschreiben, da der schwache, aus Epithelmuskelzellen bestehende Dilatator des Sauge- tierauges nicht ausreichend sei, um seiner Aufgabe zu geniigen. Sollte sich die von Mtncu noch néaher begriindete Ansicht, die man am besten vorliufig ebensowenig bekimpfen als beftirworten wird, als haltbar erweisen; sollten demnach auch im Selachier- auge die Pigmentzellen der Iris den Dilatator unterstiitzen, so diirfte man allerdings scheinbar um so weniger den Einflu8 sauer- stoffarmer Atmosphire auf den Dilatator vernachlassigen, was bis- her von mir geschah. Aber vielleicht ist der Sphincter bei Sela- chiern doch noch starker als alle dilatatorisch wirkenden Elemente zusammen; vielleicht erhalten letztere auch bei eintretendem Sauer- stoffmangel frischen Sauerstoff, der in diesem Falle in geringen Mengen in der Pars mesoblastica iridis frei wird und die zer- streuten Chromatophoren sowie die nur in diinner Schicht liegen- den epithelialen Dilatatorfasern versorgt, wihrend er keinen Zu- tritt zu dem Inneren der kompakten Sphinctermasse hat. Ich méchte jedenfalls doch glauben, da& meine Versuche auf Ana- logien zwischen den Sphincterfasern und mesodermalen Chromato- phoren hinweisen und daf diese Analogien sich in die Reihe der iibrigen Analogien zwischen Muskelzellen und Chromatophoren gut einfiigen. Manche Arbeiten, wie z. B. schon die klassische Ab- handlung von Bricks und spiater die interessanten Untersuchungen von SOLGER, haben allerdings gezeigt, daf nicht, oder wenigstens nicht tiberall, die Chromatophoren selbst sich kontrahieren, sondern nur die Pigmentmasse wandert in ihnen zum Kern hin, wahrend die ganze Zelle ihre Form behalt. Ich meine jedoch, ein Kon- traktionsvorgang, wenngleich ein modifizierter, ist auch noch in dieser Pigmentwanderung zu sehen, und die Analogie zwischen Chromatophoren und Muskelzellen bleibt bestehen. Zur volligen Uebereinstimmung zwischen Sphincterzellen der Selachier und Chromatophoren fehlen den Sphincterzellen ver- schiedene, wohl weniger wesentliche Merkmale, wie die Sternform der Zellen, auSerdem aber ein sehr wesentliches Moment: die elektrische Reizbarkeit. Die Chromatophoren kontrahieren sich naimlich auf elektrische Reizung, der Selachiersphincter aber nicht. Vergleichen wir nunmehr noch den Sphincter der Selachier mit dem Sphincter der Teleostier und Amphibien, so kommen wir zu einem ganz ahnlichen Resultat wie beim Vergleich der Sphinc- terzellen mit Chromatophoren: Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 455 Der Sphincter der Selachier stimmt mit dem der Teleostier und Amphibien tiberein hinsichtlich des Baues seiner Zellen sowie seiner noch am enukleierten Auge bestehenden Lichtreaktion, zur volligen Uebereinstimmung fehlt ihm jedoch die elektrische Reiz- barkeit, waihrend die Teleostier- und Amphibieniris sich auf elek- trischen Reiz kontrahiert. Das Fehlen der elektrischen Reizbarkeit des Selachiersphinc- ters scheint mir, wenngleich die diesbeziiglichen Untersuchungen der Autoren miteinander nicht voéllig harmonieren, zusammen- zufallen mit der Wirkungslosigkeit von Nervengiften. Die Kontraktionsfahigkeit der Froschchromatophoren la8t sich namlich, wie schon Lister fand, mitunter durch Curare verzégern. Der Versuch gelingt bei Fréschen keineswegs immer, da das Gift nicht nur die Nervenendigungen schidigt, sondern nach BIEDER- MANNS Versuchen auferdem die Chromatophoren selbst zu er- regen scheint. Je nach der Versuchsanordnung kann daher bald die lahmende Wirkung auf den Nerven, bald die erregende auf die Zelle selbst den Erfolg ausschlaggebend beeinfiussen. Ueber- zeugender konnte LopE bei Fischen und KRUKENBERG beim Cha- maleon durch Curare ein Dunkeln der Haut hervorrufen, was auf Expansion der Chromatophoren hindeutet. Bei der Iris der Amphibien und Teleostier bewirkt Atropin, dem man ja auch eine Affizierung nervéser Teile zuschreibt, nach STEINACHS und Beers Versuchen Pupillenerweiterung, indem eine wahrscheinlich vorhandene tonische Erregung des Sphincters gelést wird, und nach Beer wird die elektrische Reizbarkeit der Fiscb- iris durch Atropin stark, haufig sogar bis zur Vernichtung herab- gesetzt und der Accommodationsmuskel der Fische véllig im Ex- pansionszustande gelahmt. Nur bei Selachiern fand BEER keine Einwirkung des Atropins auf die verengte Pupille. Allerdings hat unlaingst Magnus diese Versuche STEINACHS an Teleostiern wiederholt und kann sie nur fiir das erste Stadium der Atropinwirkung bestitigen, dann aber folgt ein Stadium, in welchem die stark erweiterte Pupille auf starke Belichtung nicht mehr reagiert. Demnach schiene Srernacns Annahme von der direkten Lichterregbarkeit der Fisch- und Amphibieniris nicht be- rechtigt zu sein. Ohne irgend etwas Bestimmtes gegen die schénen Untersuchungen Maanus’ ins Feld fihren zu kénnen, méchte ich doch vor der Hand vermuten, daf im ersten Stadium der Ein- wirkung nur nervése Teile, im zweiten Stadium aber auch die 30* 456 V. Franz, Sphincterzellen selbst, gleichviel ob durch das Atropin oder durch andere Umstinde, in irgend einer Weise geschaidigt waren, und dann bliebe Srernacus Ansicht von der direkten Lichterregbar- keit dieser Zellen zu Recht bestehen. Beziiglich der elektrischen Reizbarkeit der atropinisierten Iris widersprechen Magnus’ Er- gebnisse denen Beers, die Magnus unerwaéhnt lait. Wahrend Beer nach Atropineinwirkung eine Herabsetzung der elektrischen Reizbarkeit behauptet, leugnet Maanus dieselbe. Vielleicht haben beide recht, da Brrr die Fischiris, Magnus aber die Froschiris nach Atropinisierung elektrisch reizte. Wenn ich mich in diesen Fragen nicht den noch so iiberzeugend vorgetragenen Ansichten Maaenus’, sondern denjenigen Srrinacus und Berrs anschliefe, so tue ich dies vornehmlich deshalb, weil ich dann allein die Beob- achtungen verschiedener Autoren tiber die Funktionen der Sphinc- terzellen miteinander und mit den Beobachtungen iiber die Chro- matophoren in die Beziehungen setzen kann, die mir auf Grund der iibrigen oben angefiihrten Tatsachen zu bestehen scheinen. Wir miissen dann rekapitulierend sagen: Nervenlahmung setzt die elektrische Reizbarkeit der Iris, des Linsenmuskels und der Chromatophoren teilweise oder bis zur Vernichtung herab. Nur der Selachieriris geht die Reaktion auf elektrische Reize sowie die Reaktion auf Atropinvergiftung ab. Man sieht sich durch diese ‘l'atsachen nolens volens zu dem mit gréfter Reserve auszusprechenden Schlusse gedringt, daf der Sphincter der Selachieriris nicht innerviert sei und daf die elektrische Reiz- barkeit der Teleostieriris nur durch Vermittelung der Nerven- endigungen zu stande komme. Dann wiirden sich allerdings hier- durch die Sphincterfasern wesentlich von gewohnlichen Muskel- fasern unterscheiden, denn gewéhnliche Muskeln sind auch nach Curarisierung noch direkt reizbar, ebenso von Chromatophoren, wenigstens von manchen, da durch Lope gezeigt wurde, da auch Chromatophoren der Fischhaut nach Curarevergiftung noch direkt reizbar sind. Ich bemerke noch, daf ich im Selachierauge in der Iris und in dem von mir viel untersuchten Linsenmuskel nie etwas von Nerven gesehen habe, wihrend im Teleostierauge wenigstens der Nerv des Linsenmuskels leicht in die Augen fallt. Es wiirden sich jetzt einige naheliegende Schluffolgerungen iiber das viel diskutierte Kapitel ,Muskel und Nerv“ ergeben; bekanntlich ist die Innervation des Sphincter und Dilatator beim Menschen night zu bezweifeln. Ich brauche mich hieriiber indessen Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 457 nicht naher auszulassen, will auch nicht Hypothesen auf Hypo- thesen bauen. Mége die Zukunft erst lehren, ob und inwieweit die obigen Ausfiihrungen ihre Berechtigung haben. Fiir mich ist vorlaufig die Aehnlichkeit der Sphincterzellen der Selachieriris mit mesodermalen Chromatophoren das wichtigste und, wie mir scheint, das sicherste Ergebnis meiner diesbeztiglichen Untersuchungen. Die Erregung dieser Zellen durch Licht mii£te dann bei Selachiern ausschlieBlich, in anderen Fallen zum Teil eine vom Nervensystem unabhangige, direkte Erregung der Zellen sein, wie es schon SremnacH beziiglich der Fisch- und Amphibieniris be- hauptete. Und auch darin méchte ich mich Stermacs anschlieBen, daf das Pigment der Sphincterzellen die Reizung derselben ver- mittelt. Denn wesbalb waren sonst diese Fasern pigmentiert ? Es ist kein anderer Zweck der Pigmentierung einzusehen. Magnus fiihrt zwar zur Entkraftung der Srermacuschen Vermutung an, da nach seiner genauen Untersuchung bei Versuchen mit spek- tralem Licht die Reaktionskurve der Iris ungefaéhr zusammenfallt mit der Absorptionskurve des Sehpurpurs, das Maximum liegt fiir beide im Griin. Das Pigment der Sphincterzellen aber ist gelb- braun, es wird also — meint Magnus — griine Lichtstrahlen nicht erheblich absorbieren. Das ist in der Tat eine Vermutung, die nahe liegt, fiir die aber vorlaiufig noch keine Gewabhr vorhanden ist, da eine spektrale Untersuchung des Pigments noch aussteht Uebrigens ist auch zu bedenken, dafi das Pigment in Mikrotom- schnitten von 10 oder héchstens 20 w Dicke ganz schwarz und undurchsichtig erscheint, da also der Sphincter als Ganzes wohl alles auf ihn treffende Licht absorbiert und die ganze Lichtmenge wahrscheinlich in chemische Energie umsetzt. 2. Ueber das Tapetum lucidum. PiTreR sagt iiber die Farbe des Tapetum lucidum bei Wasser- sdiugetieren in seiner bahnbrechenden Arbeit: ,,Ein Tapetum scheint fiir die Wassersiugetiere“ — und man kénnte hinzufiigen: auch fiir die Fische — ,,um so wertvoller zu sein, je mehr sich seine Farbe dem kurzwelligen Teil des Spektrums nahert. Schon in geringer Tiefe gibt es im Meere ja fast nur blaugriine Strahlen, ein gelbes Tapetum kann diese natiirlich nicht entfernt in dem Ma8e reflektieren wie ein griines oder blaues, durch letztere Farbe wird das Licht der Tiefe am besten ausgenutzt.“ 458 V. Franz, Dies ist sehr einleuchtend, und so war ich gar nicht erstaunt, bei Haien ebenso wie bei Wassersdugetieren einen blaugriinen Fundus zu finden. Bei allen mir zu Gesicht gekommenen Arten: Acanthias, Raja, Spinax und Chimaera zeigt der Augengrund sehr starken blaugriinen Glanz. Der Glanz ist etwas stumpfer als z. B. im Kalbsauge. Die Farbe gleicht der des Meeres, wo dieses fein verteilte Stoffe suspendiert enthalt. Bekanntlich ist die Farbe des Meeres auf hoher See, wo es weder mit suspendierten Teilchen noch mit Plankton in erheblichem Mafe erfiillt ist, ein ziemlich reines Blau; ,,Blau ist die Wiistenfarbe des Meeres*. Sind jedoch Plankton oder tote Teilchen darin enthalten, wie z. B. in den Hafen, so wird aus dem Blau ein Griin. Da nun die Haie sich auch zum grofen Teil von Plankton nahren, wie mir in Bergen wiederholt versichert wurde, so ist es nur zu erwarten, daf ihr Tapetum blaugriin ist. Der Augengrund der Selachier verdankt seine gewodhnliche blaugriine Farbe und den hellen, aber stumpfen Glanz keineswegs allein dem Tapetum, sondern auch der Netzhaut. Diese laBt sich leicht entfernen, und zugleich list sich bei Chimaera die dort vorhandene Choriocapillaris vom Tapetum ab. Alsdann erscheint das Tapetum iiberall auferst stark glinzend wie poliertes Silber, zugleich aber sieht man alle Regenbogenfarben stark hervorleuchten. Fallen in einem verdunkelten Zimmer durch die Linse ent- worfene scharfe Bilder von leuchtenden Gegenstinden auf den Fundus eines Auges, in das man sich durch Fortschneiden eines Segments einen Einblick verschafft hat, so sind sie stets von einem Lichtkreise umgeben. Man kann z. B. das Flammenbild einer kleinen Lampe mit breitem Docht auf den Augengrund fallen lassen, und zwar gerade aus deutlicher Sehweite des Auges, so daf es am Bilde deutlich zu erkennen ist, ob die schmale oder die breite Seite der Flamme dem Auge zugekehrt ist. Der Lichtkreis um das Bild nimmt dann von innen nach aufen an Helligkeit ab und ist natiirlich gar nicht scharf abzugrenzen. Aber in einem Umkreise von 6 mm Durchmesser um das etwa 1 mm groke Netzhautbild ist er leicht wahrzunehmen. Bei vollstandigerem Abschlu8 alles die Beobachtung stérenden Lichts wiirde er natiir- lich gréfer sein. Ueber die Entstehung solcher diffusen Netzhautbelichtung durch Reflexion des einfallenden Lichtstrahls am Tapetum und ihre vermutliche Bedeutung fiir das Sehen bei schwachen Beleuchtungen habe ich mich schon in meiner friiheren Arbeit ausgesprochen. Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 459 Setzt man einen Acanthias, der nicht dunkeladaptiert war und dessen Pupille dadurch in den Zustand der dauernden Erweiterung gekommen ist, den Sonnenstrahlen aus, so schwindet in kurzer Zeit der Glanz und die Farbe des Tapetum, der Augengrund wird gleichmabig schwarz. Dies erklirt sich offenbar daraus, daf die Pigmentzellenfortsitze, die ich in meiner friiheren Arbeit im Tapetum der Selachier beschrieb, sich ausgedehnt und sich an der Innenseite des Tapetum ausgebreitet haben. Man erkennt also, daf das Auge von Acanthias sich an starke Belichtung anzu- passen vermag, indem es den Glanz des Tapetum bis zum vélligen Schwinden abschwacht. Sehr erstaunt war ich indessen, zu sehen, daf bei dunkel- adaptierten Exemplaren von Acanthias der Augengrund regelmagig rosa-farbenen Glanz zeigt. Die Rosafarbe des Augengrundes bei Acanthias weicht bei eintretender Belichtung sehr bald der gewohnlichen blaugriinen. Der Sehpurpur absorbiert also alle blaugriinen Strahlen, die vom Tapetum her in das Auge des Beobachters gelangen kénnten. Da erhebt sich denn doch die Frage, ob im Dunkeln, also bei starker Entwickelung des Seh- purpurs, tiberhaupt blaugriine Lichtstrahlen, die ins Haiauge fallen, bis zum Tapetum gelangen, oder ob sie vielleicht schon sémtlich in der Netzhaut vom Sebpurpur absorbiert werden. Die letzte Annahme scheint nahe zu liegen, das Tapetum ware in solchen Fallen aufer Funktion gesetzt. Ich glaube nicht, daf diese Ver- haltnisse damit hinreichend erklart werden, daf Acanthias ein Taghai ist. Sie bieten vielmehr dem Verstaindnisse Schwierig- keiten, deren Lésung zur Zeit noch nicht gegeben werden kann. Es ware nicht berechtigt, am fixierten Tapetum die Farbe feststellen zu wollen. An allen fixierten Augen fand ich das Tapet von rein weifem Silberglanz, nie waren Farben zu sehen. Bei Saugetieren dagegen lassen sich bekanntlich auch die Farben des Tapetum einigermafen konservieren. Beilaiufig sei hier bemerkt, da8 ich bei Tiefseeteleostiern (Macrurus, Argentina) das Tapetum auch nicht blaugriin, sondern gelblich glainzend sah. 3. Ein Processus faleiformis bei den Vorfahren der Selachier. Das Tapetum lucidum von Chimaera und Spinax ist nicht im ganzen Bereich der Pars optica retinae zu erkennen, sondern hort in kurzer Entfernung von der Linea terminalis retinae auf. 460 V. Franz, Bei Raja batis finde ich in Uebereinstimmung mit LEucKART ein Tapetum, das dorsal bis fast an den Netzhautrand reicht, an den Seiten sogar den ganzen Raum bis zum Netzhautrande erfiilt, wihrend es ventral tiberhaupt fehlt und vielmehr nach unten hin mit einer gebogenen, noch iiber die Eintrittsstelle des Nervus opticus hinwegziehenden Linie aufhért. LruckarT bringt dies in Zusammenhang mit dem Operculum pupillare der Rochen. Dieses verschlieBt den oberen Teil der Pupille, 1a8t daher — so schlieBt LEUCKART — nur von unten her kommende Strahlen in das Auge einfallen, die daher die dorsalen Retinapartien treffen. Diese Region bedarf mithin allein der Auskleidung mit Tapetum. Es soll dahingestellt bleiben, ob dies richtig ist. Jedenfalls hért bei Spinax und Chimaera das Tapetum ventral auch in gréSerer Entfernung vom Netzhautrande als dorsal auf, und fiir diese Tatsache findet sich fiir Chimaera eine andere Erklarung, die freilich nicht funktioneller, sondern morphologischer Art ist. In manchen Chimaera-Augen namlich ist die ventrale Be- grenzungslinie des Tapetum geradlinig und in etwa 5 mm Ent- fernung vom Netzhautrande gelegen (Fig. 7). In anderen aber erstreckt sich aus der Mitte ein schwarzer Zipfel dieses nicht tapetierten Randes in das griine Tapetum hinein mehr oder weniger weit gegen den Sehnerven (Fig. 8 u. 9). Dieser Zipfel kenn- zeichnet sich natiirlich nur durch seine Farbe, nicht etwa durch eine Erhebung, sondern die Retina liegt glatt dariiber, wie iiberall im Augengrunde. Nicht selten reicht der Zipfel bis zur Sehnerven- eintrittsstelle, eine férmliche Pigmentstrafe hierhin bildend, um den eintretenden Sehnerven findet sich dann auch Pigment (Fig. 10). Fiir diese nicht seltenen Bildungen wiifte ich keine funk- tionelle Erklarung zu finden. Ich vermute, daf sie auf einen ehemaligen Processus falciformis bei Selachiern hindeuten, und zwar auf Grund folgender einfacher Erwigung: Gesetzt, ein Processus falciformis, wie bei vielen Teleostiern, wire friiher vorhanden gewesen. Er war dann zweifellos nicht tapetiert, da er bei Teleostiern nicht mit lichtempfindlicher Retina bedeckt ist und die Reflexion von Licht an ihm eher stérend als niitzlich sein kénnte. Indem nun der Linsenmuskel rudimentir wurde, verlor der Processus falci- formis, die dem Linsenmuskel Gefaife und Nerven zufiihrende Leiste, an Bedeutung, da die Gefai®e und Nerven nur noch die Iris zu versorgen hatten und daher schwacher wurden und nicht mehr so tief in den Binnenraum des Auges_ einzuschneiden Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 461 brauchten. Der Processus falciformis muB8te also véllig zwischen Retina und Sclera verschwinden oder sozusagen in der Chorioidea aufgehen. Dies gelingt ihm um so schwerer, je dtinner die Cho- rioidea ist. Bei Chimaera ist die Chorioidea trotz der erheblichen GréBe des Auges auerordentlich diinn, es ist daher begreiflich, daf gerade hier haufig ein Rest des ehemaligen Zustandes, nam- lich das Fehlen des Tapetum an jener Stelle, zuriickbleibt. Fig. 7—10. Individuelle Variationen in der Schwarzpigmentierung des Fundus bei Chimaera monstrosa, */, nat. Gr. Ich kann jetzt, nachdem ich diese Tatsache gefunden habe und durch die oben mitgeteilten Experimente von dem vollig rudi- mentiren Zustande des Linsenmuskels fest iiberzeugt bin, mit viel erdBerer GewiSheit als friiher darin Frortep beistimmen, daf die primaire Augenarterie der Selachier auch ein Rest des ehemaligen Processus falciformis ist. 4, Ueber die Hornhaut. Wie ich friher mitteilte, ist es mir nicht gelungen, in Mikro- tomschnitten ein Hornhautendothel nachzuweisen. Neuerdings habe ich an frischem Material von Acanthias und Chimaera (das zur 462 V. Franz, Entfernung des Chlors aus dem Meerwasser mit 5 Proz. Salpeter behandelt wurde) den Nachweis des Endothels durch Versilbe- rung zu fihren gesucht, jedoch mit gleichem negativen Erfolge. Ich méchte daher daran festhalten, daf den Selachiern das Horn- hautendothel fehlt. Als Kontrollversuch kann der Nachweis der Zellgrenzen des Hornhautepithels (Conjunctiva corneae) im Silberpraparat gelten; dieser gelang regelmafig sehr leicht, sowohl an dem Hornhautepithel selbst als auch nach Lostrennung des- selben an der Vorderfliche der mesodermalen Cornea, wo sich die zuriickgebliebenen Reste der Kittsubstanz farbten und dadurch die Zellgrenzen deutlich wurden. Man kann leicht durch Einlegen von Augen oder Képfen von Spinax und Chimaera in ein aus schmelzendem Eise und Salz bestehendes Gefriergemisch das Augeninnere vollstandig zum Ge- frieren bringen. Bei einer Temperatur also, bei der Eis + Salz sich noch auflésten, gefror schon die intraokulare Fliissigkeit. Da nun der Gefrierpunkt von Lésungen bekanntlich um so tiefer liegt, je gréBer ihr osmotischer Druck ist, so ergibt sich, daf im Auge ein geringerer osmotischer Druck herrschte als in der Gefrier- mischung. Wie iiberall, wo zwei nicht isotonische Lésungen von- einander durch eine durchlissige Membran getrennt sind, kénnte man auch hier das Eintreten eines Austausches von Lésungs- mitteln und gelésten Stoffen erwarten, bis beide Lésungen iso- tonisch und damit im Gleichgewicht sind. Das tritt aber sicher nicht ein; denn man wiirde sonst wohl Schrumpfungen des Bulbus oder das Einsinken der Cornea konstatieren; vor allem aber wiirde auch die schon gefrorene Augenfliissigkeit einfach nachtriglich wieder schmelzen, wenn die den Bulbus umgebende Lésung durch die Membranen hindurch Zutritt zum Innern hatte, gerade so gut, wie die Eisstiicke in der Salzlésung schmelzen. (Wir miissen uns dabei natiirlich vorstellen, wie es die Theorie der Lésungen lehrt, daf nicht nur Wasser von der schwicher osmotischen Liésung zu der stiirker osmotischen iibergeht, sondern daf stets auch der umgekehrte Vorgang stattfindet, nur jener iiberwiegt diesen und scheint daher allein stattzufinden.) Es muf also das Auge durch eine fiir Wasser undurchlassige Membran gegen das umgebende Medium abgeschlossen sein. Solche Schichten der Cornea — denn nur die Cornea kommt mit der AuSenwelt in Beriihrung, und die bei Selachiern knorpelige Sclera méchte ich ohnehin nicht als ,,s§Membran“ ansprechen — sind beim Siiugetier nach Lesper das Corneaendothel und auch Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 463 -das Corneaepithel (die Conjunctiva corneae). Beim Selachier, wo das Endothel fehlt, muf die wasserdichte Membran ein anderer Teil der Cornea sein. Es scheint hierfiir nur noch das Epithel dibrig zu bleiben. Nun ist es mir nicht gelungen, Acanthias-Augen in derselben Weise gefrieren zu lassen, wie Augen von Chimaera oder Spinax. Das Augeninnere, zum mindesten aber der Inhalt der Vorder- kammer des Auges, blieb stets fliissig. Andererseits hatten die -gefangenen Acanthias haufig eine verletzte, in Fetzen herab- hangende und getriibte Conjunctiva corneae. Auch diese Tatsachen scheinen anzuzeigen, daf die unverletzte Conjunctiva corneae den Durchgang des Wassers verbietet. Wenn die Con- junctiva corneae bei Fischen viel dicker ist als bei Landtieren, so hat dies gewif auch seinen guten Grund. Denn bei Sdugetieren fungiert ja schon das Endothel der Hornhaut als wasserdichte Membran, die Bedeutung der Conjunctiva tritt daher mehr zuriick. Bei Fischen kommt es ferner nicht nur darauf an, den Wasser- austritt aus dem Auge zu verhindern, sondern es muf das Auge samt allen Hornhautschichten vor den schadlichen che- mischen Wirkungen des umgebenden Mediums geschiitzt sein, die schtitzende Schicht muf daher die auferste, die Conjunctiva corneae sein. Dies gilt auch bei den Selachiern, obwohl deren Blut und Leibesfliissigkeiten mit dem Meerwasser isotonisch sind. Denn trotz des gleichen osmotischen Druckes im ,,Milieu ex- térieur“ und ,,Milieu intérieur’s ist die chemische Zusammen- setzung der Ko6rperfliissigkeiten eine verschiedene von der des Meerwassers, namentlich ist in jenen der Salzgehalt geringer und dafiir in Mengen Harnstoff vorhanden (RopriER u. a.). Wiirde hier ein Austausch der gelésten Stoffe stattfinden, so wire er gewiS nicht ohne nachteilige Wirkungen fiir den Organismus. Nach DeEkHUYZEN (1905) dient vielmehr gerade der Harnstoff im Sela- chierblute dazu, eine gewisse osmotische Druckhéhe zu erméglichen und dabei doch die Konzentration der Salze unter einem gewissen Werte zu erhalten. Dies ist sehr wichtig, denn héhere Konzen- tration der Salze bringt die Gefahr der Eiweiffallung mit sich 4). 1) Bei wirbellosen Tieren, deren Serum gleichfalls einen hohen osmotischen Druck ausiibt (Echinus, Carcinus, Cucumaria), ist zwar Harnstoff oder ein ahnlicher Kérper im Serum’ nicht nachgewiesen, dafir aber ist dasselbe eiweiffrei (DexHuyzEn, 1904). Die Wirbel- tiere jedoch haben, mit Ausnahme eben der Selachier, ein zwar eiweib- reiches, aber an Salzen armes Serum von sehr geringem osmotischen Drucke, Vergleiche auch die Angaben, welche Hésnr zusammenstellt. 464 V. Franz, Wenn nun das Hornhautepithel tatsaichlich als undurchlassige Schicht fungieren sollte, so mii8te man erwarten, nach Verletzungen desselben schadliche Wirkungen der im Meerwasser gelésten Salze auf das Auge zu konstatieren. Deformationen des Bulbus durch Wasseraufnahme oder Wasserentziehung diirften jedoch nicht ein- treten, da ja die beiden Lésungen, Meerwasser und Augenfliissig- keit, isotonisch sind. Tatsachlich zeigten sich nicht selten bei keineswegs deformiertem Bulbus flockige Niederschlage in der Fliissigkeit der vorderen Augenkammer, die sich bei Druck auf die Cornea hier- und dorthin bewegten, und die Linse zeigte in der Gegend ihres vorderen Pols manchmal eine Triibung, nament- lich der vertikale Linsenspalt (der bekanntlich bei Fischen dem dreiteiligen Linsenstern der menschlichen Linse entspricht [RaBu]) war dann mitunter kreideweif. Mit der Zeit schwanden die Schadigungen haufig. Eines Morgens z. B. wurden 7 frisch ge- fangene Exemplare von Acanthias in die Station gebracht, und bei allen waren beide Linsen weif getriibt. Die Befiirchtung, dab sie zu ophthalmoskopischen Untersuchungen untauglich sein wiirden, verlor sich jedoch bald, denn in wenigen Tagen war bei allen die Linse wieder vollkommen klar. Durch die hier ausgesprochene Vermutung tiber die Bedeutung der Conjunctiva corneae bei Fischen modifiziert sich meine friiher ausgesprochene Ansicht tiber die hydrochemische Anpassung der Cornea. Friiher meinte ich, daf der gleiche osmotische Druck im Milieu extérieur und Milieu intérieur das Fehlen von Schutz- einrichtungen gegen die hydrochemischen Wirkungen erklire. Solch eine Schutzeinrichtung wire jedoch nunmehr in der Con- junctiva corneae zu erkennen. Auffallend bleibt es aber immerhin, wie schutzlos die Con- junctiva corneae der Selachier Liisionen ausgesetzt ist. Acanthias steht dadurch im scharfen Gegensatze zu den vielen in die Aqua- rien gelangenden Teleostier. Bei Chimaera und Spinax wiirde gewifS ebenso hiufig dasselbe zu konstatieren sein, wenn diese Tiere nicht stets tot oder moribund an die Oberfliche gezogen wiirden und daher sich weniger verletzten, als der unruhigere Acanthias. Bei Chimaera wurden tibrigens auch Triibungen des vorderen Linsenpols beobachtet. Die Verletzbarkeit des Acanthias- auges ist um so auffallender, als das Tier noch im Gegensatz zu den Teleostiern mit beweglichen Augenlidern ausgeriistet ist. Seine Empfindlichkeit wird dem Verstindnis vielleicht etwas naiher ge- fiihrt durch folgende Ueberlegung: Das Auge der Selachier steht, Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 465 namentlich da ihm die Accommodation verloren gegangen ist, keineswegs mehr auf der Hohe der Entwickelung. Und nun ist dieses Organ so haufigen Schidigungen ausgesetzt. Das Geruchs- organ der Selachier ist dagegen, wie schon seine ungeheure, das Gehirn vielmals tibertreffende Gréfe lehrt, ganz hervorragend aus- gebildet. Dies erinnert an das véllig entgegengesetzte Verhalten beim Menschen: Hier ist das Auge gut ausgebildet, das Geruchs- organ aber ist im Verhaltnis zu dem vieler anderer Saugetiere rudimentaér und zugleich sehr haufigen, aber ziemlich bedeutungs- losen Schidigungen durch Reizung der Schleimhiute ausgesetzt. 5. Ueber die Dimensionen des Augeninnern. Was ich friiher schon als Vermutung aussprach, wird durch neuerdings von mir vorgenommene Messungen bestatigt: Der horizontale Meridian der Retina bildet um die in Normallage befindliche Linse einen konzentri- schen Kreis, wahrend die dorsalen und ventralen Re- tinapartien der Linse naher liegen, als der horizontale Meridian. Dies Ergebnis wurde durch Messung an Schnitten durch ge- frorene Augen, sowie durch skiaskopische Ausmessung des Auges gefunden. Um Schnitte durch gefrorene Augen herzustellen, benutzte ich Augen von Spinax, deren ich geniigend bekommen konnte. Die Augen wurden enukleiert, in ein Becherglas gelegt und dieses in eine Gefriermischung (Kis und Kochsalz) gestellt, worauf nach etwa 3—6 Stunden das Auge ganzlich durchgefroren und bequem zu schneiden war. Noch bequemer aber erwies sich eine andere Methode: es wurden einfach die abgeschnittenen Képfe der Tiere in das Gefriergemisch gelegt, wobei darauf geachtet wurde, daf nicht grofe Eisstiicke das Auge deformierten. Kopf und Auge gefroren dann vollstandig. Beim Schneiden des Auges macht die duferst harte Linse haufig einige Schwierigkeiten, die aber durch Unterlegen von Watte sowie durch schnelle und geschickte Schnittfiihrung tberwunden werden kénnen. ; Schwerer wiegend ist ein anderer Uebelstand: die Augen- hiillen sind bei Spinax aufferst diinn, und da der Fisch fast nie lebend in die Station gelangt, so sind geringe Deformationen der 466 VoBranz, < Sclera infolge des nachlassenden intraokularen Druckes fast stets: zu finden’). Auf die Ausmessung eines einzigen Auges kann man sich daher nicht im geringsten verlassen, die fraglichen Werte miissen als Mittelwerte aus einer gréferen Anzahl von Augen ge- wonnen werden. Die Messung mit dem Tasterzirkel gestaltet sich nun sehr einfach. Es wurde in Horizontalschnitten sowie in Vertikal- schnitten die Entfernung der aquatorialen Retinapartien sowie die des Retinazentrums vom Linsenzentrum ermittelt. Die Retina ist deutlich zu erkennen, das Linsenzentrum infolge des konzentrischen Baues der Linse auch. Die Linse liegt bei Spinax konstant so, da8 sie den Hornhautscheitel beriihrt. Wurde der Schnitt nicht ganz genau durch die Mitte des Auges und der Linse gefiihrt, so schadete dies nicht viel. Das dadurch erhaltene Bild des Schnittes gleicht dem eines in der Mitte getroffenen etwas kleineren Auges; und lauter gleich groBe Augen konnte ich ohnehin nicht erlangen. Die folgende Tabelle enthalt die in mm gemessenen Abstinde der zentralen (c.), nasalen (n.) und temporalen (t.) Retinapartie vom Linsenzentrum im Horizontalschnitt, sowie den der zentralen (c.), dorsalen (d.) und ventralen (v.) im Vertikalschnitt, ermittelt an 7 Augenpaaren. Horizontalschnitt Vertikalschnitt C. | n. | t c d. Vv 80/4180 80 | 80 7,5 7,5 8,7 8,7 82 | 96 6,0 8,0 8,0 7,2 83 95 8,5 8,5 8,2 70 | 80 7,0 6,5 5,5 8,2 6,2 8,5 82 | 65 6,5 7,5 8.5 7,0 8,7 | 7,0 7,0 7,0 7,0 7,0 95 | 75 7,0 Um hieraus einen brauchbaren Mittelwert zu erlangen, ist es noch nétig, alle Messungen auf ein Auge von bestimmter Gréfbe 1) Dasselbe gilt von den wenigen Chimaera-Augen, die ich, ohne entschiedenes Resultat, in der gleichen Weise behandelte. Bei Acanthias, dessen Sclera und Chorioidea viel dicker sind, wiirde dieser Uebelstand wohl nicht eintreten. Ich habe jedoch die meisten Acanthias-Augen geschont, um Versuche am lebenden zu machen. Bei den wenigen Acanthias-Képfen, die ich in die Gefriermischung legte, gefror das Auge nicht, wenn auch der Kopf im iibrigen durchgefroren war (cf. Kapitel ,,Ueber die Cornea‘). Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 467 zu reduzieren. Es wurden daher alle Messungen auf ein Auge von 8 mm Abstand des Retinazentrums vom Linsenzentrum reduziert. Das Ergebnis ist das folgende: Horizontalschnitt Vertikalschnitt Cc. | n. ifs Cc. d. Vv. 8,0 8,0 8,0 8,0 rn) 7,5 8,0 8,0 7,5 8,0 5,1 6,7 8,0 7,2 8,3 8,0 (Oe 7,2 8,0 6,8 7,8 8,0 7,4 6,3 8,0 6,1 8,3 8,0 6,4 6,4 8,0 9,1 7,5 8,0 6,4 6,4 8,0 8,0 8,0 8,0 6,3 5,9 Die hieraus sich ergebenden Mittelwerte sind: Horizontalschnitt Vertikalschnitt C. | Tie | te Cc. | d. | v. Pom reo oo eer oer Dieses Resultat zeigt, wie ich glaube, deutlich, da’ der hori- zontale Meridian der Retina einen konzentrischen Kreis um die Linse bildet — die Langenunterschiede zwischen 8,0, 7,6 und 7,9 mm liegen zweifellos innerhalb der Grenzen der Messungsfehler — daf aber die dorsalen und ventralen Netzhautpartien dem Linsen- zentrum niher liegen als der horizontale Meridian der Netzhaut. Die skiaskopische Ausmessung eines Acanthiasauges, dessen Linse gerade der Hornhaut duferst nahe lag und von ihr nur durch einen etwa 0,2—0,3 mm betragenden Zwischenraum getrennt war, fiihrte zu demselben Ergebnis. Es wurde der Hinstellungs- punkt fiir die zentrale (c.), nasale (n.), temporale (t.), dorsale (d.) und ventrale (v.) Netzhautregion ermittelt. Es ergaben sich die sehr genau gemessenen Fernpunktsdistanzen eh n. t. d. v. 32 32 31,5 34 35 cm, woraus wiederum das obige Ergebnis folgt *). 1) Das Resultat ware vielleicht noch etwas markanter ausge- fallen, wenn es miglich gewesen wire, fiir die noch weiter vom Zentrum entfernten Netzhautpartien die Fernpunktsdistanz zu er- mitteln. Dies verbot aber die bei Acanthias fast stindig vor- handene schwache Triitbung der Hornhaut. 468 V. Franz, An einem anderen Tage jedoch, als die Pupille enger war und die Linse damit zugleich weiter innen lag, erhielt ich von dem- selben Auge die folgenden Werte der Fernpunktsdistanz, die von den obigen ganz, wie es erwartet werden muf, abweichen: @: n. a d. v. 33 32 33 31 31 cm. Andere Acanthiasaugen, in denen die Linse vom Hornhaut- scheitel entfernt lag, lieferten die im folgenden angefiihrten Werte fiir die Fernpunktsdistanzen : C. n. t. d. Vv. I 34 on 31,5 31,5 28 LE ye 82 31 34 32 32,5 Til 32 32 a2 31 32 IV 34 37 34 34 34 Die hierbei vorkommenden Unregelmifigkeiten (Iv., IIt., IV n.) beruhen vielleicht nur darauf, da’ verschieden weit vom Zentrum entfernte Netzhautstellen ins Auge gefa8t wurden, oder sie scheinen nur zu besagen, daf die Lage der aus ihrer Normal- lage herausgebrachten Linse keine véllig bestimmte ist, ein Um- stand, der wieder nur fiir die schon oben deduzierte Bedeutungs- losigkeit dieser Linsenbewegungen fiir den Hai sprechen wiirde. Das Auge von Chimaera zeigte fast regelmafig eine Triibung des vorderen Linsenpols und lief daher eine ophthalmoskopische Ausmessung zwar zu, doch lagen die beiden Grenzwerte einer jeden Messung ziemlich weit, nimlich 5—12 cm weit auseinander. Ein sicheres Ergebnis war daher von Chimaera nicht zu erlangen. Zusammenfassung. Wenn auch die mitgeteilten Untersuchungen in vielem un- vollkommen und fragmentarisch geblieben sind, so glaube ich doch zu einer Reihe von Ergebnissen gekommen zu sein, von denen die wichtigsten hier nochmals zusammengefait werden sollen. a) Biologisches. Das Auge ist bei Selachiern weniger als bei Teleostiern ein fiir das Leben der Tiere wesentliches Organ, darauf deutet auBer dem Benehmen der Tiere im Aquarium das definitiv er- wiesene Fehlen der Accommodation und wabhrscheinlich seine grofe Empfindlichkeit, die namentlich die Hornhaut betrifft, hin. Einen Ersatz dafiir scheinen die Tiere in den vor- Beobachtungen am lebenden Selachierauge. 469 ziiglich entwickelten Organen zur Empfindung des Geruchs und der Druckschwankungen (Gallertréhrensystem) zu haben. Be- deutungslos ist das Auge indessen keineswegs, wie die vielen optischen und anderweitigen Anpassungen desselben zeigen. b) Physiologisches. Die Irismuskulatur der Haie lie& sich nicht auf elek- trischem Wege reizen. Belichtung bewirkt auch am enukleierten Auge Pupillenverengerung. Dieselbe tritt auch beim Absterben der Iris ein. Beide Arten der Pupillen- verengerung bleiben bei Sauerstoffmangel aus. Diese Eigenschaften weisen auf Aehnlichkeiten der Irismuskulatur mit gewissen mesodermalen Chromatophoren hin, wahrend erstere sich von gewohnlichen Muskeln durch das Fehlen der direkten elektrischen Reizbarkeit der Fasern zu unterscheiden scheint. Die blaugriine Farbe des Tapetum weicht bei starker Belichtung (durch Sonnenschein) einem stumpfen Schwarz. Der Sehpurpur verdeckt bei starker Ent- wickelung (also bei schwacher Belichtung) die blaugriine Farbe des Tapetum. Die Conjunctiva corneae scheint als eine fiir Wasser undurchlassige Membran zu fungieren. c) Histologisches. Das Endothel der Cornea fehlt. d) Anatomisch-topographisches. Wenn die Linse den Hornhautscheitel bertihrt — was bei Spinax und Chimaera immer der Fall ist, bei Acanthias nur, wenn die Pupille bei schwacher Beleuchtung dilatiert ist — so fallt der horizontale Meridian der Netzhaut mit einem konzentrischen Kreise um die Linse zusammen. Die dorsalen und ventralen Netzhaut- partien liegen dagegen der Linse naher als der horizontale Meridian. e) Vergleichend-anatomisches. Gewisse Beobachtungen deuten darauf hin, da® die Vor- fahren der heute lebenden Selachier im Auge einen Processus falciformis besaBen, der die Nerven und Gefafe des damals noch funktionsfaihigen, jetzt rudimentiren Linsenmuskels barg. c Bd. XLI. N. F. XXXIV. 31 470 V. Franz, Literatur. ArnoLp, Fr., Physiologie, Bd. II, 1841. Batuowitz, E., Ueber die Bewegungserscheinungen der Pigment- zellen. Biolog. Centralbl., Bd. XIII, 1893. — Die Nervenendigungen der Pigmentzellen, ei Beitrag zur Kenntnis des Zusammenhangs der Nerven mit dem Protoplasma der Zellen. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 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Der Kurzlebigkeit der oberen Teile steht die relative Lang- lebigkeit der Hauptwurzel entgegen. Aus der mikroskopischen Untersuchung ihres Querschnittes sind wir im stande, Angaben iiber Alter wie Dickenzuwachs ihres Holzes zu machen. Der Jahrring von Teucrium montanum stellt, wie Textfig. A zeigt, die hiufigste Form des Jahrringbildes dar. Zunachst die pridominierenden weitlumigen Gefife des Frihholzes, dann eine Mittel- oder Uebergangsschicht, wo Gefibe in das Holzfasergewebe 1) In den Verhandlungen der Phys.-med. Gesellschaft zu Wiirz- burg, N. F. Bd. XXXVI. Alter und Dickenwachstum Jenenser Kalkstraucher. 473 eingestreut sind, und zuletzt die lediglich aus Libriform bestehende Herbstzone. Die Periodizitat des Dickenzuwachses entspricht entweder der von Calluna vulgaris!), d. h. die Jahrringe nehmen von innen an Breite zu, um nach aufen wieder abzunehmen (vgl. Fig. 1), oder sie bleiben, wie Fig. 2 zeigt, jahraus jahrein keinen wesentlichen Breiteschwankungen unterworfen. Die mittlere Ringstarke, aus den 11 Exemplaren der Tabelle berechnet, betragt nur 0,17 mm, wahrend der Mittelwert aus 20 Wiirzburger Exemplaren 0,21 mm betrug. Diese gréfere Zahl mag darin Erklarung finden, da’ bei den Jenenser Pflanzen nur starke und altere Exemplare der Untersuchung gewiirdigt wurden, wo die oft geringe Breite der letzten Ringe von wesentlichem Einflu8 auf den Mittelwert ist. Der starkste Ring maf 0,47 mm und wies radial 43, der engste von 0,03 mm nur 2 Holzfaser- querschnitte auf. Der starkste Wiirzburger Ring einer Talpflanze hatte eine Breite von 1,17 mm bet 110 Rohrenquerschnitten. HO ie BPE yee : ie der ee habe ich Pe ¢, SONI OTA — il y = EO OR RE Os o. 12—14 3 Wirzburger Ex emplare vergleichsweise aufge- Fig. A. Teucrium montanum. nommen. No. 12 gibt die Mabe eines in einer Talsohle bei Veits- héchheim gewachsenen starkringigen Exemplars wieder. No. 13 vom Volkenberg und No. 14 vom Kalbenstein sind die beiden Veteranen meiner damaligen Untersuchungen. Schon mit 14 Jahren kann, wie die Tabelle zeigt, in der die Einzelresultate einzusehen sind, der Gamander sein Leben abge- schlossen haben. Ein ca. 30 Jahre altes Exemplar war kernfaul und abgestorben. Ebenso eine 31-jahrige Pflanze, wo aber wegen der gréSeren Resistenz des Herbstholzes die Ringe trotz der Kern- faule noch gut zu zahlen und zu messen waren. Mehr als ein 1) Vergl. Naturwissenschaftliche Zeitung fiir Forst- und Land- wirtschaft, 1906, p. 55: ,,Ueber Alter- und Dickenzuwachs von Calluna vulgaris“. Das alteste abgestorbene Exemplar, das darin von mir untersucht wurde, hatte 27 Ringe bei 0,36 mm mittlerer Breite. 474 Friederich KanngieSer, Menschenalter, 33 Jahre, hatte ein noch fertiles Teucrium monta- num vom Kalbenstein bei Karlsstadt in Unterfranken erreicht. eee 9 101112131415 16.17 18 Lat Jahr, Fig. 1. Dien ; 4223245 6 7 8&'9 10111218 14.15.16 1718 19 20 21 22 23 24.25 26 27 28 29 30 3L.= Jahr. Fig. 2. Tee Stirkster| ),), end | Jahrringbreite Spro8-|Strauch-| Wurzel- Wnande Wachs- => in mm No, lange | breite | lange |3.. Wur-| ™™S- | aboe- Alter|——_7 7 in cm} in cm | in cm a A radius Ore ies Mini- | mitt- Maxi- in em | 2 mm mum | lere | mum 1| 34 | 20 2 | 065 | 269 | 1 | 14 | 007/019 | 0,92 2 ee a ee 144 | 060 | 276 | a | 14 | 008/020 | 035 31 16 9 ig | 065 332 | 1. | 17 | 0,080.20 | 0,43 4 LZ, 14 37 0,72 3,89 1. 17 | 0,10} 0,23 0,47 5| 20 15 30 | 075 438 | 1. | 18 | 006/0,24 | 0,45 6| 14 9 i0 | o67 | 303 | L | 19 | 003/016 | 0,36 71 30 | 20 25 | 0.82 342 | J. | 20 | 0.06/0,17 | 0,37 8} 14 10 eh ee 2°20 a. | 22 | 0,04 010 | 0,20 9} 29 | saa 10 | 0,45 335 | a | 27 | 003/012 |.0,24 10] 20 10 16 | 1,13 |ca.5 a. ca. 30/ (0,12 0,16 | 0,20) 11] 18 = 14 | 0,75 377 | ia. | 31 | 0,07/0,12 | 0,21 12] 32 aH 25 bn 387 | L | 9 | 028/045 0,68 13| 8 be 20 a 361 | J 27 | 0.07 0,14 | 0,23 dy ee eT 2 33 | 0,07 0.22 | 0,58 2. Die Kalkrosen. Die zur Untersuchung gelangten 25 Rosensprosse waren mit einer einzigen Ausnahme samtlich abgestorben. Da ich sie im Spitherbst sammelte, mufte von einer naheren Bestimmung dieser Kalkrosen Abstand genommen werden. Sie wire auch fiir die Untersuchung belanglos gewesen, da die Species von 18 klassi- fizierten Rosensprossen des Wiirzburger Wellenkalkes') ohne wesentlichen Einflu&8 auf Ringbreite und Alter war. Letzteres ist 1) Ueber Alter und Dickenwachstum von Wiirzburger Wellen- kalkpflanzen, p. 170. Alter und Dickenwachstum Jenenser Kalkstriucher. 475 vornehmlich durch die Exposition bedingt. Von den auf dem Windknollen und offenem Plateau des Landgrafenberges ge- sammelten Exemplaren, die der Einwirkung des austrocknenden Windes auf jeder Seite preisgegeben waren, ist kein Sprof alter als 9 Jahre geworden. Giinstiger liegt das Alter fir solche Triebe, die an Bergabhéngen gewachsen waren; denn sie waren, so frei auch sonst ihr Standort gewesen sein mag, wenigstens durch die Bergseite geschiitzt (vergl. die Hausberg- und Jenzig- rosen). Am giinstigsten lagen die Altersverhaltnisse natiirlich fiir solche Exemplare, die in geschiitzten Lagen, Einschnitten oder am Fuf der Kalkberge gewachsen waren. Den gréften Um- fang, 14,5 cm, und auch das héchste Alter, namlich 19 Jahre, hatte ein noch lebendes Exemplar an dem Gemauer der Kunitzburg er- reicht, dessen Schutz es seine Langlebigkeit zu verdanken hatte *). Unter No. 26 habe ich in die Tabelle einen in geschiitzter Lage gestandenen Wiirzburger Sprof von R. canina zum Vergleich auf- -genommen, desgl. unter No. 27 eine Rosa rubiginosa apricorum, die mit einem Alter von 14 Jahren das alteste Exemplar meiner damaligen Untersuchungen war. Von einer Abbildung des Jahrrings habe ich wegen seiner groken Aehnlichkeit mit dem von Teucrium montanum Abstand genommen. Nur durchziehen im Rosenring schon makroskopisch sichtbare Markstrahlen den Holzkérper. Die mittlere Ringbreite schwankt zwischen 0,44 und 1,27 mm. Der stirkste Ring maf 31/, mm, der schwachste (bei einer Wiirzburger Kalkrose) 0,05 mm. Der Gesamtdickenzuwachs des Rosenholzes zeichnet sich durch eine spezifische Periodizitat aus. Seine Jahrringe nehmen namlich 1) Als Nachtrag michte ich noch 2 aufergewéhnlich starke Exemplare erwahnen, deren Trieblange ca. 3,5 m betrug und die ihr Leben noch nicht abgeschlossen hatten. Auch hier handelte es sich selbstredend um Auslaufer eines in allen Teilen noch kraftig vegetierenden Wurzelstocks. Der eine Trieb war am Abhang der Schweizerhéhe nachst dem Weg zum Malakoff im Schutz des Waldes gewachsen. Sein Umfang betrug 16,5, sein Durchmesser 5,2 cm. Die trotz des horizontalen Wachstums konzentrisch gebaute Sektion lieS 15 Holzringe zahlen. Der andere Trieb lieS 16 Jahrringe erkennen. Er stammt von einem auch in anderen Auslaufern kraftig entwickelten Talexemplar am Weg zur Schweizerhéhe. Die Sektion war‘trotz des aufrechten Wachstums des Stammchens exzentrisch gebaut. Ihr Diameter be- trug 6,4 cm. Ihr Umfang von 19 cm war der starkste, den ich bisher an Rosentrieben gesehen habe. Er wird allerdings von einem Stammchen der Liineburger Heide bei Soltau, dessen Peripherie 25 cm nach Angaben von Ronmer gemessen haben soll, iibertroften. 476 Friederich KanngieBer, von innen nach aufen ab, so daB in der Mehrzahl der Falle der erste Jahrring gleichzeitig der starkste ist (vergl. Fig. 3). Nur selten findet sich die in Fig. 5 wiedergegebene Variation, schon haufiger zeigt sich der in Fig. 4 dargestellte Modus. Wenn auch die oberen Sprosse der Rosen recht kurzlebig, so ist der Gesamtpflanze trotzdem eine fast unbegrenzte Lebens- dauer beschieden, da sie sich durch Triebe aus der unterirdischen Stammbasis und dem Wurzelwerk propagiert, eine bei nordischen Strauchern ziemlich haufig vorkommende Erscheinung!). Wenn ich in No. 28 und 29 der Tabelle die Stammbasis zweier Kalkrosen auf Dickenwachstum und Alter untersuchte, so haben also die letzteren Angaben nur einen relativen Wert. Der Jahrring ist nicht so scharf limitiert wie bei den oberirdischen Teilen und makroskopisch nicht sichtbar, um so deutlicher aber treten die breiten Markstrahlen hervor. Ueber die undeutlich ausgesprochene Periodizitét vergleiche Kurvenzeichnung Fig. 6. Es mag von Interesse sein, wenn ich hier die Beschreibung der beriihmtesten Rose anschliefe, von der ich mich an Ort und Stelle informiert habe. Es handelt sich um die sogen. tausend- jahrige Rose im Domfriedhofe zu Hildesheim*), die in der denk- bar geschiitztesten Lage steht und der als Ortswahrzeichen die bestméglichste Pflege zu teil wird. So beriihmt wie sie wegen ihres Alters ist, so plebejisch ist ihre Species. Denn nach den Bestimmungen von Prof. Curist in Basel haben wir es mit einer Rosa canina [forma lutetiana (Lem.) versus dumalem (Becusr.)} zu tun. Ihr diirfte ein Alter von mindestens 4 Jahrhunderten zuzuschreiben sein®), Denn die erste nachweisbare Erwahnung finden wir in einem nicht datierten Werk des Paters Elbers 1) Vergl. A. O. Kintman, Pflanzenbiologische Studien aus Russisch-Lappland, Helsingfors 1890, p. 213. 2) Vergl. die diesbeziig]. Literatur: 1. Senator Rozmmr, Der Rosenstock am Dom zu Hildesheim, 1892. — 2, A. Bertram, Zur Kritik der Aaltesten Nachrichten iiber den Dombau zu Hildesheim, 1904. — 3. H. Bankr, Der tausendjihrige Rosenstock am Dome zu Hildesheim, 1904. Meine Nachforschungen iiber den von Lxevunis und anderwiirts erwihnten 300-jihrigen Rosenstrauch in den Girten des Schah von Teheran haben laut Mitteilung der dortigen kaiserlichen Gesandten ergeben, daf iiber die Existenz eines derartigen Exemplars nichts bekannt ist. 3) Die Angaben von Humsoxer und Levunis beruhen auf einem Irrtum. Alter und Dickenwachstum Jenenser Kalkstraucher. 477 (1607—1673), Historia Hildesiensis betitelt, in dem es heift, daf sie schon viele Jahrhunderte ausgedauert habe. Auch hier handelt es sich natiirlich nicht um die oberirdischen Teile, die ein halbes Jahrhundert an Alter wohl nie iiberschreiten, sondern um das Wurzelsystem. Kine Untersuchung aus dem Jahre 1883 hat einen Umfang des ausgewitterten Wurzelstockes von 94 cm ergeben. Aus ihm traten (Neujahr 1905) 8 Auslaufer hervor. Der alteste stammt aus dem Jahre 1863 und ware somit 42 Jahre alt, bei einem Um- fang von 14 cm an der Basis, der von dem in der Tabelle be- iam. 2,2 21 2,0 ei sf 33 es) | a ee | (eh 1,5 im 3,1 ha | jpoare ] 1,4]- i - is iis 1,3 : rs HN ao cH 11 ae 1,0 | He 09 SoH | 2,4 as eS Nice f 06 22h) i : | | ; Al Ho 2.0 H4 } ro 4 0.3 1,9 | 02 1,8 Bm = 0,1 1,74 : ‘= 4+} | 1,6 |} ! 12346 67 8 9 10111213! Jann 1,5 Fig. 3. as | ETE | COCA IEMA wie oy (lesa GC ag AEEEe 0 1.2.3.4 5 6 7. 8 9 101112131415 fate. 0 L 12345 67 8 9 101112131415" Jahr. Fig. 4. Fig. 5. schriebenen 19-jahrigen Kunitzburger Exemplar um ?/, cm iiber- troffen wird. Doch das ist nicht zu verwundern, da ja die Hildes- heimer Rose, die bis zu ca. 10 m an der Chorrundung des Domes mittelst Drahten befestigt und emporgezogen wird, ihre Last nicht selbst zu tragen braucht. Einen Umfang von 12 cm hat das Stémmchen aus dem Jahre 1877, das nach Angaben des Gartners im Sommer 1904 abgestorben ist und somit ein Alter von 28 Jahren 478 Friederich Kanngie8er, erreicht hatte. EKinen Umfang von 15 cm hat das 1884er Stamm- chen, einen Umfang von 13 cm der 1892er Sprof. Das Jahr 1898 lieferte 2 Triebe von 4 und 51/, cm Umfang, ebenso das Jahr 1902 einen mit 7 und einen anderen mit 41/, cm Peripherie. Trotzdem die Rose im Wechsel der Zeiten viele Gefahren zu tiberstehen hatte, erfreut sie sich noch zu unseren Zeiten eines dichten Blatter- und Bliitenschmuckes. Quod sit in aeternum. peebve 4.1 1,0 0,9 Q,8 | anit Ct faye) BUSe she eRe Reaee 0.6 +; BRERRERRE ROG fl i ie: 03 lA FECES a4 Co No ae al GAT 0: QERS SLE EEE RERS. cease EESRS G3 Q,2 + 0,1 : Lato CC Leese ee 123 46 6 7 8 @ 101L1213 14151617 18 19 20 21 22 2324.25 26 27 28 29 30 31352333434 36 37 38.39 40 4142 45 44 Jabs. Fig. 6. Wachs- |Jahrringbreite in mm Umfang} 4 jpop) tums-—_ |_——_-—_______ No. Standort : ora - in cm radius in| Mini-|_. Maxi | mm mum mittlere mum 1 | Windknollen 3,2 4 2,12 026 | 0,53 | 0,80 2 = 4,7 5 3,14 0,29 | 0,63 | 1,05 3 & 5,7 5 5,40 0,40} 1,08 | 1,80 4 |Landgrafenberg 49 7 3,98 0,10 | 0,57 1,55 5 Windknollen 5 7 4,03 0,27 | 0,58 | 0,95 6 |Jenzig, Mitte — 7 5,61 0,13 | 0,80 | 1,57 7 |Landgrafenberg 4 7 4,23 0,08 | 0,60 | 1,40 8 |Jenzig, vor der Héhe 75 8 5,97 0,08} 0,75 | 1,50 9 |Windknollen 5 9 4,87 0,12 | 0,54 | 1,45 10 |Jenzig, Mitte | 5,7 9 4,34 0,11 | 048 | 1,15 11 |Hausberg aks 9 8,20 0,41 | 0,91 | 1,70 12 Z 6,2 9 4,52 | 0,19] 0,50 | 1,10 13 |Jenzig, FuB 5,2 9 5,85 023 | 0,65 | 1,20 14 » Mitte 5,6 9 4,83 0,11 | 0,54 | 1,10 15 » vor dem Aufstieg 7 10 7,16 0,08 |} 0,72 | 1,47 16 |Hausber 9 11 10,07 0,22} 0,92 | 1,44 rv Eadie geschiitzt; 7 12 6,55 0,10 | 0,55 | 1,90 18 |Jenzig, vor der Hohe 7,9 12 8,16 0,10 | 0,68 | 1,10 19 “ a a _ 13 9,79 0,10 | 0,75 | 2,12 20 |Hausberg — 15 12,69 0,08 |} 0,85 | 3,30 21 |Jenzig, vor der Héhe 9,1 15 11,43 0,11 | 0,76 | 1,380 22 ee — 16 13,17 0,08 | 0,82 | 1,80 23 |Landgrafenberg, geschiitzt| 9,3 16 10,99 0,12 | 0,69 | 1,24 24 - Pub 13 16 12,00 0,10 | 0,75 | 1,63 25 |Kunitzburg 14,5 19 17,88 0,21 | 0,94 | 1,60 26 Maingestellgraben = 10 12,7¢ 0,61 1,27 1,75 27 |Neuberg — 14 6,10 0,16 | 0,44 | 0,84 28 |Jenzig, Mitte 14,5 39 30,97 020] 0,79 | 2,20 oa eae i 145 | 44] 212 | 014] 048 | 105 Alter und Dickenwachstum Jenenser Kalkstriiucher. 479 3. Die Schlehkriippel. Ueber die Schlehkriippel hat bereits Borr!) eine Monographie geschrieben. Trotzdem sei es mir gestattet, ein Jenenser Ex- emplar, das ich auf der Mitte des Jenzig vorfand, naiher zu _ be- schreiben, um so mehr, als es einen ausgepragten Zwergwuchs hatte, wie ich ihn nie zuvor gesehen habe. Sein Standort war ziemlich exponiert auf der Saaltalseite des erwihnten Berges. Zwei Hauptwurzeln (die nur an ihren Enden zarte Nebenwurzeln trugen) von 60 und 70 cm Linge bildeten, in einem Winkel von 60° zu- sammenlaufend, das nur 25 cm lange, dem Boden horizontal auf- liegende Stiémmchen von 1,7 cm Durchmesser. In einer Linge von 14 und 16 cm gab es 2 abgestorbene Sprosse ab. Die tibrigen kurzlebigen, an ihrer Ansatzstelle ca. 1 cm im Diameter messenden Sprosse gehen strahlenférmig von dem verdickten Stammende ab. Der laingste am Stamm riicklaufige, ebenfalls horizontale Spro8 maf 60 cm. Die mehr oder minder vertikalen Sekundarsprossen gaben dem Strauch eine Gesamthéhe von nur 2 dem. Trotz ihrer dirftigen Entwickelung hatte diese Pflanze beinahe ein Menschen- alter erreicht. Denn der Holzkérper des Stémmchens lieS 28 Jahr- ringe von 0,23 mm im Mittelwert erkennen. Ein zweites Exemplar war tiber und tiber mit einer gelben Flechtenart bedeckt. Die Astspitzen waren abgedorrt und simtliche Sprosse bis auf einen einzigen abgestorben. Das Stammchen stand schief geneigt und lie& bei einer Strauchhéhe von kaum 4 dem ein Alter von 23 Jahren erkennen. Vollstandig abgestorben war ein 2 dem hoher Kriippel von 28 Jahren. Wahrend Bort die mittlere Ringbreite der Wiirzburger Kriippel auf 0,2 mm angibt, betrug dieser Wert bei den 3 untersuchten Jenenser Kriippeln 0,23, 0,28 und 0,36 mm. Der Schlehenjahrring hat Aehnlichkeit mit dem von Teucrium montanum, so daf von einer Sonderskizzierung Abstand genommen wurde. Der auffallendste Unterschied bestéht nur in den hier deutlich hervortretenden Markstrahlen. Die Periodizitat des Dickenzuwachses ist oft wie die unserer Waldbiume!) (vergl. Fig. 7). Meist aber sind die innersten 1) Ueber den Bau der Schlehkriippel, s. die Verhandl. der Phys.-med. Gesellschaft zu Wiirzburg, N. F. Bd. XXXVI. 1) Vergl. unter anderem M. Biscun, Bau und Leben unserer Waldbaume, 1897, p. 95. 480 Friederich KanngieBer, Ringe gut entwickelt und setzten sich an diese ohne Vermittelung sehr enge, nach der Peripherie an Starke abnehmende Ringe an (vergl. Fig. 8). Zur Erklarung der Tabelle will ich bemerken, daf ich unter No. 4 das Borrsche Paradigma anfiihrte. No. 5 und 6 stellen die altesten Exemplare meiner Wirzburger Untersuchungen dar, das eine mit 40, das andere mit 47 Jahren. Da sie eine Mittel- stellung zwischen Kriippel- und Normalschlehen einnahmen, wurden sie damals in die Arbeit nicht aufgenommen. Unter No. 7 und 8 gab ich die Zahlen je einer von Borr und von mir untersuchten Normalpflanze wieder. i ae {ee el a ie ee pt i] i i i: |e hey =“ = oe ie a’ } fal | i } pj ee Carat a as ey | | 2 | — > —s-- —~— a } 4 ! 0 : ! | I | EES | Oe ey RY a ee a ee 12345 6 7 8 & 101112131415 1617 1819 20 21 22 23 24 25 26 27 28 Jahr. Fig. 7. t a | re ee | - oul A - = L 123 45 6 7 8 9 1011 1219141416 1718 19 2021 2223 Jahre Fig. 8. Alter und Dickenwachstum Jenenser Kalkstraucher. 481 Stirk- Jahrringbreite Spr. ster joa i in mm No.| Standort héhe | Durch- ae =| | Bemerkungen in cm | messer | .72@1US | <| Mini-| mitt-|Maxi- | men | mum | lere |mum “I |Jenzig, Mitte | 20 | 1,7 | 6,34 |28| 0,08|0,23 | 1,00 j a . 38 | 2,5 | 8,19 | 23) 0,08] 0,36 | 2,00 |im Absterben ae BS LO shake 7,92 | 28) 0,05 | 0,28 | 1,10 |abgestorben 4 /Ravensburg — | — | 15| 0,05 | 0,16 | 0,39 |vgl. Bort, p. 43 5 |Thalberg 115 | — | 14,80 | 40} 0,07/ 0,35 | 0,93 or. 100 | — | 23,72 | 47] 0,16| 0,51 | 1,32 7 |Veitshéchheim | — —_ _ 15} 0,31} 1,52 | 3,81 ]\ Normal- 8 a 1,90 | 3,4 | 14,17 | 11] 0,8411,29 | 2,45 |f pflanzen 4, Clematis Vitalba. Ebenfalls auf der sparlichen Ackerkrume des Kalkgebietes vegetiert Clematis Vitalba, die Liane unserer Heimat. Meist zieht sie allerdings eine leichte, iiber kalkigen Untergrund ausgebreitete, Humusdecke vor. Vergl. die Exemplare vom Sonnenberg. Die Porositat ihres Holzes fallt schon dem makroskopischen Beobachter auf. Die oft 0,2 mm im Querschnitt messenden Ge- fae, die im Friihholz gebildet werden, nehmen zuweilen die Halfte des Jahrringes ein und geben diesem daher ein ganz besonderes Geprage (Fig. B). Die auf Kosten des englumigen Stiitzgewebes . = -_ | a? iS Psp ie : —* v == 3 Fig. B. Clematis Vitalba. 482 Friederich KanngieBer, weiten Roéhren kann die Pflanze sich allerdings leisten, da sie ersteres nicht so sehr bedarf wie andere negativ geotropisch auf- strebende Holzpflanzen. Denn die Clematis tiberzieht meist Hecken oder windet sich an Baumen empor, zuweilen kriecht sie auch am Boden, wenn sie solche Stiitzen nicht vorfindet. Die mittlere Holzringbreite schwankt zwischen 0,41 und 2,61 mm. Der starkste Ring maf 3,50 mm, der schwachste 0,14 mm. Die oberirdischen Sprosse werden nicht so alt wie der Wurzel- stock. Das Alter des Altesten Triebes muSte wegen Kernfaule geschitzt werden. Mehr als 24 Jahre war er wohl kaum geworden. Der 41-jahrige Wurzelstock von dem Kunitzberg schien, wie aus — der Kurvenzeichnung hervorgeht, ebenfalls im Absterben begriffen zu sein, auch trug er nur noch einen einzigen kiimmerlichen Sprossen. Die Periodizitat ist sowohl im Trieb wie in der Wurzel die- selbe wie bei unseren Waldbiumen. Vergl. die Zeichnung. = a es WB BOE L234 5 6 7% & 9 101L1213.1415161718 1920 21 22.23 24.25 26 27 28 29 3031.32.33 9498.36.97 98.99 40 4. Jahr. Fig. 9. r a 7 7 a.| _ ld 7 i) Durch- pe ax | Jahrringbreiten messer | -adius in mm No.| Standort | (stirk-| ;,..). | Alter —————| Bemerkungen (stark- nf ome A _Ster) ster) | Mini-} mitt- | Maxi- eat. a: = a endl mum | lere |mum 1 Kunitzberg Ba 7,46 7 | 0,85) 1L07)>k38 2 Sonnenberg — 10,04 13 | 0,40 | 0,77} 1,12 3 # 2,5 9,72 13 | 0,40! 0,75} 1,10 4 Kunitzberg -- (8,74) |x + 10) 0,45 | 0,87 1,30 |kernfaul 5 Sonnenberg | 4,7 26,07 10 | 1,81) 2,61) 3,50 | Hauptwurzel 6 ‘5 ak (19,21) |x 4-13, 0,66) 1,48) 2,83 |kernfaul 7 Kunitzberg 2,6 (7,64) |x + 14, 0,25 0,55} 0,90 |kernfaul: x = ca. 10 8 | . 1,9 (7,08) |x + 12) 0,35 | 0,59 1,00 i x=ca.4 9 * 44 25,13 41 | 0,14} 0,61} 1,50 ‘Wurzelstock 10 Ménchsbruch| 1,4 | 5,58 | 11 | 027! 0,51) 0,76 aus Hess.-Darmst. 11 |Thalberg 4,5 | 21,39 7 | 0.37) 1,26) 2,45 || aus der Umgegend 12 |Waldspitze — 4,94 12 | 0,19) 0,41) 0,65|f von Wiirzburg Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 3048 Verlag von Gustav Fischer in Jena. Fortsetzung von Seite 2 des Umschlags. ‘Ant. Reichenow, Uebersicht der auf der deutschen Tiefsee-Expedition ge- sammelten Végel. Mit 2 Tafeln. Preis fiir Abnehmer des ganzen Werkes: 4 M. eure J nary Die Stomatopoden der deutschen Tiefsee-Expedition. Mit 6 Tafeln. reis: 13 M. Bd. VIII, Lief. 1. Joh. Thiele, Die Leptostraken. Mit 4 Tafeln. Preis fiir Abnehmer des ganzen _ Werkes: 8 M. 50 Pf. Bd. IX, Lief. I. Johannes Meisenheimer. Pteropoda. Mit 27 Tafeln, 9 Karten und 35 Ab- bildungeu im Text. Einzelpreis: 120 M., Vorzugspreis: 100 M. Bad. X, Lief. I u. II.. Kapitiin W. Sachse, Das Wiederauffinden der Bouvet-Insel durch die deutsche Tiefsee-Expedition. Mit 9 Tafeln und 1 Abbildung im Text. LEinzelpreis: 18 M., Vorzugspreis: 16 M. F. Zirkel und R. Reinisch, Petrographie. I. Untersuchung des vor Enderby- Land gedredschten Gesteinsmaterials. Mit 1 Tafel und 6 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 3 M., Vorzugspreis: 2 M. 50 Pf. Bd. XI, Lief. I. Franz Eilhard Schulze. 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Mit 40 teilweise farbigen Figuren im Text. Preis: 1 Mark 50 Pf. Die Inlandstamme der Malayischen Halbinsel. Wissenschaftliche Ergeb- nisse einer Reise durch die vereinigten Malayischen Staaten. Von Dr. Rudolf Martin, a. o. Professor der Anthropologie und Direktor des anthropologischen Institutes der Universitit Ziirich. Mit 137 Textabbildungen, 26 Tafeln und 1 Karte. Preis: 60 Mark. Die Wirbeltiere Europas mit Beriicksichtigung der Faunen von Vorderasien und Nordafrika. Analytisch bearbeitet von Prof. Dr. Otto Schmiedekneecht, Custos des F. Naturalienkabinets in Rudolstadt. Preis: 10 Mark. Die Morphologie der Missbildungen des Menschen und der Tiere. Ein Lehrbuch fiir Morphologen, Physiologen, praktische Aerzte und Studierende. I. Teil: Allgemeine Missbildungslehre (Teratologie). Eine Einfiihrung in das Studium der abnormen Entwicklung von Dr. Ernst Schwalbe, a. 0. Professor der allgemeinen Pathologie und pathol. Anatomie an der Universitat Heidelberg. 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LUBOSCH, WILHELM, Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. (Zweite Folge einer Reihe von Untersuchungen iiber die vergleichende Ana- | tomie der Gelenke.) Mit Tafel XXVI—XXIX und 5 Figuren im Text. KUKENTHAL. W., Beitrage zur Anatomie eines weiblichen Gorilla. GRABOWSKRY, F., Beitrag zur Biologie des Gorilla. Mit Tafel XXX. HEINE, Das Auge des Gorilla. Mit Tafel XXXI. STAHR, HERMANN, Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorilla- weibchens. Mit 16 Figuren im Text. GERHARDT, ULRICH, Die Morphologie des Urogenitalsystems eines weib- lichen Gorilla. Mit Tafel XXXII und 1 Figur im Text. = i SES 2 Preis: 15 Mark. \ St Verlag von Gustav Fischer. Jena, . 1906. Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagslhuchhandlung. Ausgegeben am 27. August 1906. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Wissenschaftliche Ergebnisse der Deutschen Tiefsee-Expedition aut dem Dampfer ,,Valdivia*+ 1898—1899. Im Auftrage des Reichsamtes des Innern herausgeg. von Car] Chun, Professor d. Zoologie in Leipzig, Leiter der Expedition Bisher erschienen: Bad. I. Dr. Gerhard Schott, Ozeanographie und maritime Meteorologie. Im Auftrage des Reichs-Marineamts bearbeitet. Mit einem Atlas von 40 Tafeln (Karten, Pro- filen, Maschinenzeichnungen u. s. w.). 26 Tafeln (Temperatur-Diagrammen) und 35 Figuren im Text. Preis fir T):t und Atlas 120 Mark. Bd II, 1. Teil, Lief I. H. Schenck, I. Vergleichende Darstellung der Pflanzengeographie der sub- antarktischen Inseln, insbesondere iiber Flora und Vegetation yon Kerguelen. Mit Einfiigung hinterlassener Schriften A. F. W. Schimpers. Mit 11 Tafeln und 33 Abbildungen im Text. II. Ueber Flora und Vegetation yon St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit Einfiigung hinterlassener Berichte A. F. W.° Schimpers. Mit 5 Tafeln und 14 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 50 M., Vorzugspreis: 40 M. Bd. III. Prof. Dr. Ernst Vanhéffen, Die acraspeden Medusen der deutschen Tiefsee- Expedition 1898—1899._ Mit Tafel I—VIII. — Die eraspedoten Medusen der deutschen Tiefsee- Expedition 1898 —1899. 1. Trachymedusen. Mit Tafel IX—XT. Einzelpreis: 32,— M., Vorzugspreis fiir Abnehmer des ganzen Werkes 25,— M. Dr. phil. L. S. Schultze, Die Antipatharien der deutschen Tiefsee-Expedition 189S—1899. Mit Tafel XUT u. XIV und 4 Abbild. im Text. Einzelpreis: 5,— M., Vorzugspreis: 4,— M. Dr. phil. Paul Schacht, Beitriige zur Kenntnis der auf den Seychellen lebenden Elefanten-Schildkriten. Mit Tafel XV—XXI. Einzelpreis: i6,— M., Vorzugspreis: 13,— M. Dr. W. Michaelsen, Die Oligochiiten der deutschen 'Tiefsee-Expedition nebst Eroérterung der Terricolenfauna oceanischer Inseln, insbesondere der Inseln des subantarktischen Meeres. Mit Tafel XXII und 1 geographischen Skizze. Einzelpreis: 4,— M., Vorzugspreis: 3,50 M. Joh. Thiele, Proneomenia Valdiviae n. sp. Mit Tafel XXIII. Einzelpreis: 3,— M., Vorzugspreis: 2,50 M. K. Mobius, Die Pantopoden der deutschen Tiefsee-Expedition 1898—1899. Mit Tafel XXIV—XXX._ Einzelpreis: 16,— M., Vorzugspreis: 12,50 M. Ginther Enderlein, Die Landarthropoden der yon der Tiefsee-Expedition besuchten antarktischen Inseln. I. Die Insekten und Arachnoiden der Ker- guelen. IL. Die Landarthropoden der antarktischen Inseln St. Paul und Neu-Amsterdam. Mit 10 Tafeln und 6 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 17 M., Vorzugspreis: 15 M. Bd. IV. Prot. Fr. E. Schulze, Hexactinellidae. Mit einem Atlas yon 52 Tafeln. Preis: 120 Mark. Bd. V, Lief. 1. Johannes Wagner, Anatomie des Palaeopneustes niasicus. Mit 8 Tafeln und 8 Abbildungen im Text. Einzelpreis: 20,— M., Vorzugspreis: 17 Mark. Bd. VI. Franz Doflein, Brachyura. Mit 58 Tafeln, 1 Texttafel und 68 Figuren uad Karten im Text. Preis: 120 Mark. Bd. VII. v. Martens und Thiele, Die beschalten Gastropoden der deutschen Tiefsee- Expedition 1S98—1S99. A. Systematisch-geographischer Teil. Von Prof. vy. Martens. B. Anatomisch-systematische Untersuchungen einiger Gastro- poden. Von Joh. Thiele. Mit 9 Tafeln uad 1 Abbildung im Text. Einzel- preis: 32 M., Vorzugspreis: 26 M. Dr. W. Michaelsen, Die stolidobranchiaten Ascidien der deutschen Tiefsee- Expedition. Mit Tafel X—XIII. Einzelpreis: 13,— M., Vorzugspreis: 11,— M. Dr. Emil von Marenzeller, Steinkorallen. Mit 5 Tafeln. Einzelpreis: 16 M., Vorzugspreis: 12 M. Franz Ulrich, Zur Kenntnis der Luftsiieke bei Diomedea exulans und Diomedea fuliginosa, Mit Tafel XIX—XXII. Einzelpreis: 9,— M., Vorzugspreis: 7,50 M. Fortsetzung auf Seite 8 des Umschlags. Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. Ein Beitrag zur Losung der Frage iiber die Natur des Ganglion ciliare. Von cand. med. Thomas M. Lecco. Mit 18 Figuren im Text. Die ratselhafte Natur des Ganglion ciliare hat mir neuer Beobachtung wert geschienen und deshalb stellte ich unter den Saiugetieren eine Reihe von Untersuchungen an. Durch einen Zu- fall schenkte ich meine Aufmerksamkeit anfanglich besonders der Ordnung der Carnivoren, und die Untersuchung hat Resultate er- geben, welche mir der Miihe wert scheinen, sie mitzuteilen. Ich habe Gelegenheit gehabt, durch die Liebenswiirdigkeit des Herrn Prof. Dr. F. Maurer in Jena 1 jungen Tiger, 2 junge Léwen, 4 Katzen, 2 Schleichkatzen, 1 Fuchs und 2 Hunde zu praparieren. Die Praparate waren fiir die makroskopischen Zwecke groftenteils gut konserviert und in tiblicher Weise in Alkohol oder Formalin gehartet oder in Chromsaure zur Praparation vorbereitet. Die Praparation selbst pflegte ich folgendermafen auszu- fiihren: durch einen sagittalen Saigeschnitt, in der Medianlinie ge- fiihrt, wurden beide Halften des Schadels entzwei getrennt; mit einem weiteren horizontalen Schnitt nahm ich, nachdem das Gehirn vorher herausgenommen war, die Schideldachteile ab. Vom Boden der vorderen Schadelgrube und von dem Sinus cavernosus wurde die harte Hirnhaut vorsichtig abgezogen und die Nerven des Sinus cavernosus ausprapariert. Die Knochenteile, welche das Augenhohlendach bilden, den gré8ten Teil des Siebbeins und des groBen Keilbeinfliigels entfernte ich mit MeiSel und Knochen- zange; ebenso einen Teil der Kaumuskeln, welche die hintere laterale Wand der Augenhéhle bilden. Auf diese Weise bekam ich den Inhalt der Augenhéhle, in der Periorbita eingekapselt, Ba. XLI. N. F. XXXIV. 32 484 Thomas M. Lecco, groBtenteils frei. Die Freilegung geschieht fast ohne alle Schwierig- keiten, nur in der Gegend des Foramen opticum und der Fissura orbitalis superior ist etwas Vorsicht nétig. Nach der Freilegung der Augenhéhlennerven im Sinus cavernosus wurde die Periorbita gespalten zur weiteren Verfolgung der in Betracht kommenden Nerven. Dabei fand ich es fiir zweckmafig, mit der Spaltung an jener Stelle zu beginnen, wo man den N. trochlearis durch- schimmern sieht. Dieser Nerv samt seinem M. obliquus oculi superior ist leicht freizulegen und ich habe gewoéhnlich beide vom Praparate vollkommen weggenommen. Der N. frontalis, welcher dadurch zum Vorschein kommt, wird teilweise ausprapariert, wah- rend die beiden Muskeln, Mm. levator palpebrae superioris und rectus oculi superior vorsichtig von den Oculomotoriusiasten los- gelést und entfernt werden. Gleich unterhalb dieser beiden Muskeln zeigen sich die Stimme des N. oculomotorius und N. ophthalmicus. Bei der weiteren Verfolgung der feineren Aeste dieser beiden Nerven mufSte in einigen Fallen eine Lupe zu Hilfe genommen werden. Weiterhin ist es vorteilhaft, schrittweise einzelne Partien des M. rectus oculi medialis und retractor bulbi, spater auch einen Teil des M. rectus oculi lateralis zu entfernen; ich ptilegte auch mit dem Sehnerv dasselbe zu tun. Die Befunde, welche durch solche Préparation gewonnen wurden, haben sich verschieden gezeigt. Nicht einmal bei einem und demselben Tiere waren die Verhiltnisse auf beiden Seiten vollkommen gleich. Doch in allen Fallen wurden gewisse iiberein- stimmende charakteristische Ziige gefunden, aus welchen ich bald ein idealisiertes Bild rekonstruieren konnte. Ich beginne die Beschreibung dieses Bildes mit dem N. ocu- lomotorius, welcher gleich nach seinem Eintritt in die Augenhoéhle sich in 2 Aeste teilt, von denen der eine — der Ramus superior mehr oberflichlich liegt, den M. levator palpebrae und M. rectus oculi superior versorgt; wihrend der andere, der sogen. Ramus inferior n. oculomotorii mehr in die Tiefe geht und die Bahn unter dem N. opticus nach vorn und zugleich medial sucht. In seinem Verlaufe verteilt dieser Zweig des Augenmuskelnerven seine Aeste in folgender Weise: Sein erster Ast begibt sich zu dem M. rectus oculi medialis und versorgt ihn; dann lauft der Stamm eine kurze Zeit, ohne irgendwelche Aeste abzugeben, zwischen dem M. rectus oculi inferior und unterer Portion des M. retractor bulbi nach vorn, bis er etwa die Mitte der Linge der unteren Augenhéhlen- wand erreicht, wo er in 2 Endiiste zerfallt. Einer von ihnen und Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 485 zwar derjenige, welcher kurz, sehr dick und 6fters in mehrere Biindel gelést erscheint, begibt sich zu dem M. rectus oculi in- ferior; dagegen der andere, welcher schlank und lang ist und als Fortsetzung des Stammes erscheint, endet im M. obliquus oculi inferior. Der letzte ist von allen Oculomotoriusisten der interes- santeste, weil er gleich nach seiner Entstehung eine randstindige, mafig groke ellipsoidférmige, rétlich-weiBe Anschwellung zeigt, fiir welche man schon dem duferen Anblick nach annehmen kann, daf sie ganglidser Natur sei; die mikroskopische Untersuchung hat diese Annahme immer bestitigt. Die genaue Lage dieses Nerven- knotens findet sich zwischen der unteren und zugleich medialen Portion des M. retractor bulbi und dem M. rectus oculi inferior, an welchem er durch das lockere Bindegewebe befestigt ist. Zweifellos ist das derjenige Nervenknoten, welchen alle Lehr- und Handbiicher der vergleichenden und menschlichen Anatomie als Ganglion ciliare, lenticulare, ophthalmicum oder (mit ScHWALBE 20) als Ganglion oculomotorii beschreiben. Vom Ganglion ciliare des Menschen unterscheidet sich dieses Ganglion durch das Fehlen einer direkten Radix longa und durch seine innige Anlagerung an den R. oculomotorii ad musculum obliquum inferiorem, so daf auch von einer gesondert vom Stamm abgehenden Radix brevis nicht gesprochen werden kann. Die aus dem Ganglion austretenden Nerven verhalten sich im allgemeinen wie die Nn. ciliares breves des Menschen, nur einer macht eine Ausnahme und ist deshalb genauer Beschreibung wert. Dieser Nerv, den ich wegen seiner auffallenden Dicke N. ciliaris crassus nenne, verlauft erstens nach oben, erreicht auf diese Weise den oberen Rand der unteren und medialen Portion des M. retractor bulbi, itiberschreitet ihn und gelangt so in den Hohlkegel, welchen die einzelnen Partien des M. retractor bulbi bilden. Hier d4ndert er in einer raschen Biegung die Rich- tung seines bisherigen Verlaufes und nimmt unter dem N. opticus eine laterale Richtung, aber nur. fiir kurze Zeit, denn kaum hat er den lateralen Rand des Sehnerven erreicht, macht er wieder eine Biegung von ungefaihr 90°, um endlich direkt nach vorn zum Augapfel zu verlaufen. Bei der letzten Biegung begegnet er einem feinen Ast des N. trigeminus, mit welchem er sich unter Bildung einer kleinen Anschwellung verbindet. Diese zeigt eine rétlich- weife Farbe und mikroskopische Untersuchungen derselben deut- liche Ganglienzellen. Es ist kein Zweifel, da’ diese Anschwellung oa 486 Thomas M. Lecco, ein Ganglion ist, und ich nenne es wegen seiner geringeren GréBe Ganglion ciliare minus. Der zweite Nerv, der die meiste Beachtung verdient, ist der N. ophthalmicus, er spaltet sich in den N. frontalis und in den N. nasociliaris. Der letztere, fiir uns zunichst viel wichtigere, gibt zuerst 2 feine Nerven ab, welche unter dem M. rectus oculi su- perior und durch die einzelnen Portionen des M. retractor bulbi den Weg nach vorn suchen. Einer von ihnen verhalt sich wie ein einfacher N. ciliaris longus, und als solcher dringt er in den SSS AP © £@OL09 o Y ea] Bef. OC GHD Fig. 1. Augapfel hinein; der andere aber, der noch feiner und zarter ist, trifft zuerst den N. opticus, wird an die Scheide des letzteren durch das lockere Bindegewebe befestigt und lauft eine Zeitlang mit ihm parallel, bis er endlich dem N. ciliaris crassus begegnet, um sich mit ihm zu verbinden. Diesen Ast des N. trigeminus, welcher der konventionellen Radix longa s. sensibilis entspricht und, wie man spiter sehen wird, 6fters in mehrere gesonderte Nerven zerfillt, bezeichne ich auch mit dem Namen Radix longa. Die oben erwahnte Verbindungsstelle befindet sich ungefaihr an der Grenze des, mittleren und distalen Drittels des Sehnerven an der lateralen und unteren Seite desselben. Die Verbindung Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 487 geschieht, wie schon oben erwihnt, unter Bildung eines kleinen Ganglion, des Ganglion ciliare minus. Das Ganglion ciliare minus ist sehr klein, von unregelmabiger Form und rotlich-weier Farbe. Unter dem Mikroskop konnte ich sehr deutliche Ganglienzellen nachweisen. Sie waren gréftenteils grof, rund, mit einer kernreichen Kapsel umhiillt (Fig. 1A) und lagen gruppenweise in grofen Haufen beisammen (Fig. 1B). Das Ganglion entsendet einige feine Nn. ciliares breves. Ich gehe nun zur Beschreibung der einzelnen Fille iiber. 1. Paradoxurus typus (Fig. 2) zeigt in seiner linken Augen- héhle die einfachsten Verhaltnisse. Der 1. Ast des N. trigeminus (V,) teilt sich, wie gewéhnlich, in 2 Zweige, N. frontalis (f) und N. nasociliaris (mvc). Der N. naso- ciliaris entsendet zuerst einen sehr feinen Ast (rl), der unter dem M. rectus oculi superior und M. levator palpe- brae und zwischen den einzelnen Por- tionen des M. retractor bulbi den Weg in die Tiefe der Augenhoéhle sucht. Das ist die Radix longa, welche die Sehnervenscheide erreicht, an sie durch lockeres Bindegewebe befestigt wird und langs der unteren und lateralen Seite des Opticus verlauft. In ihrem Verlauf verbindet sie sich mit dem N. ciliaris crassus (cc) und bildet mit ihm eine sehr kleine Anschwellung (gem), welche mehr durch ihre rotliche Farbe als durch ihre Groéfe auffallend ist. Aus dieser Anschwellung, welche nichts an- deres ist als das Ganglion ciliare minus, entspringt nur ein Nerv, der Fig. 2. wie die Fortsetzung des N. ciliaris crassus erscheint und sich direkt, ohne eine Verbindung mit irgend welchem Nerv einzugehen, zu dem Augapfel begibt. Aus dem N. nasociliaris entspringt noch ein etwas dickerer Nerv, welcher sich sehr bald in 2 Nn. ciliares longi (cl) teilt, die jeder fir sich in den Augapfel in der Nahe des Sehnerveneintrittes hineindringen. Der N. oculomotorius (J7Z) aber setzt, naehdem er seine 5 Aeste den 5 Muskeln abgegeben hat, seinen weiteren Verlauf als 488 Thomas M. Lecco, Ramus oculomotorii ad musculum obliquum inferiorem (002) fort. Letzterer, der schlank und von allen der langste ist, tragt un- weit von seiner Entstehung eine randstaindige ganglidse An- schwellung (gcM) von betrachtlicher Gréfe, ellipsoider Form und rotlich-weiBer Farbe. Diese Anschwellung stellt das Ganglion ciliare der Autoren dar, welches ich aber, zum Unterschied von dem vorher beschriebenen Ganglion ciliare minus, als majus be- zeichne. Das Ganglion findet sich so nahe der Teilungsstelle des N. oculomotorius in seine 2 Endaste, daS man erst durch ge- nauere Beobachtung durch die Lupe von seiner Zugehérigkeit zu dem Ramus oculomotorii ad M. obliquum inferiorem sich tiber- zeugen kann. Von einer Radix longa oder sympathica ist keine Spur vorhanden. Aus dem hinteren Ende des Ganglions ent- springen 2 Nerven: einer (cb) entspricht in allem einem gewoéhn- lichen N. ciliaris brevis, der andere N. ciliaris crassus (cc) ist dick und nimmt den ihm eigentiimlichen Verlauf. Wie schon erwahnt, verbindet er sich mit der Radix longa unter Bildung des Ganglion ciliare minus. 2. Genetta pardina zeigt in ihrem Ciliarnervensystem der linken Seite ahnliche Verhiltnisse. Aus dem N. nasociliaris ent- springen nacheinander die Radix longa, dann ein N. ciliaris longus und weiter der N. ethmoidalis und N. infratrochlearis. Die Radix longa sucht den N. ciliaris crassus und verbindet sich mit ihm unter Bildung eines kleinen, aber eigentiimlich gestalteten und platt- gedriickten Knotens, welcher schon der diuferen Ansicht nach als Ganglion sich kund gibt. Aus ihm laufen 3 Nn. ciliares breves aus. Das Ganglion ciliare majus verhalt sich wie bei den tibrigen Carnivoren, d. h. es hat weder direkte sympathische noch Trige- minuswurzeln; es liegt auf dem R. oculomotorii ad musculum obliquum inferiorem und hat einen N. ciliaris brevis und einen N. ciliaris crassus als periphere Zweige. Eine Andeutung einer aus dem Oculomotorius gesonderten kurzen Wurzel kann man diesmal auch sehen. Besonders erwaihnenswert ist der Umstand, dal sich im Sinus cavernosus der N. abducens dem Ganglion semilunare anlegt und in den N. ophthalmicus tibergeht, um spiter wieder frei zu werden. Diese Verwachsung ist insofern von Wichtigkeit, als der Abducens diesmal reichliche Anastomosen mit den sympathischen Nerven des Plexus caroticus eingeht. Offenbar gelangen teilweise auf diesem Wege die sympathischen Nervenfasern in den N. ophthalmicus und weiterhin in die Radix longa und erreichen so das Ganglion ciliare minus. Eine Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 489 Radix media s. sympathica, wie sie beim Menschen und vielen anderen Siugetieren beschrieben ist, finde ich weder bei Para- doxurus, noch bei Genetta, noch bei irgend einem Vertreter der Carnivoren. Die Befunde in der rechten (Fig. 3) Augenhdhle weichen nur insofern von denen der linken ab, sich die Radix longa (rl) nicht als selbstandiger Zweig aus dem N. nasociliaris abzweigt, sondern erst eine Zeitlang gemeinschaftlich mit dem N. ciliaris longus verlauft, um erst spater frei zu werden; ebenso nehmen aus dem Ganglion ciliare minus nicht 3, sondern nur 2 Nn. ciliares breves (cb) ihren Ur- sprung. — Das Ganglion ciliare majus (gceM) liegt in unmittel- barer Nahe jener Stelle des N. oculomotorius (JZ) an, von der einerseits mehrere Zweige (077) fiir den M. rectus oculi inferior abgegeben werden, und anderer- seits der Ast (oot) fir den M. obliquus oculi inferior abgeht; mit Zuhilfenahme einer Lupe erkennt man aber, dafi das Ganglion tatsachlich nur dem Ast (002) fiir den unteren schiefen Augenmuskel aufsitzt. Fig. 3. Eine direkte Verbindung dieses ! Knotens mit dem N. trigeminus oder N. sympathicus ist auch dies- mal nicht vorhanden. Von einer Verwachsung des N. abducens mit dem N. trigeminus ist diesmal nichts zu sehen. 3. Felis tigris bietet bei der Auflésung seiner Verhaltnisse schon mancherlei Schwierigkeiten dar. In der linken Augenhéhle (Fig. 4) sind die Verhaltnisse folgendermaBen gestaltet: Aus dem N. nasociliaris (mvc) entspringt als erster Ast ein feiner Nerv, welcher sich nach sehr kurzem Verlauf in 2 noch feinere Nerven teilt; einer von ihnen (cl) ist ein N. ciliaris longus, der andere (rl) entspricht der Radix longa. Aber diesmal begibt sich die Radix longa nicht einfach zu dem N. ciliaris crassus, um mit ihm das Ganglion ciliare minus zu bilden, sondern sie gibt zuerst einen Ast (rr) ab, welcher, den Weg unter dem Opticus nehmend, dem 490 Thomas M. Lecco, N. ciliaris crassus begegnet und sich mit ihm auf der unteren und medialen Seite des Opticus, in der Nahe des Ganglion ciliare majus verbindet, ohne dabei Spuren von einer Verdickung zu zeigen. Ich fasse diesen Nervenast als Radix recurrens im Sinne Hyrtr (11) auf und glaube, daf er die Nervenfasern dem Ganglion ciliare majus durch den Nervas ciliaris crassus zufihrt. Die eigentliche lange Wurzel verbindet sich erst etwas mehr nach vorn und lateral mit dem N. ci- liaris crassus unter Bildung einer langlichen, kaum sichtbaren Ver- dickung (gem), aus welcher 2 Nn. ciliares breves entspringen. — Die andere gangliése Verdickung (gceM), welche man in diesem Ciliarnervensystem findet, stellt das Ganglion ciliare majus dar. Wieder habe ich mich, wenn auch nicht auf den ersten Blick, von der Angehorigkeit dieses Knotens zu dem Ramus oculomotorii ad m. obliquum inferiorem (002) iiber- zeugen kénnen. Es ist mabig grof und von ellipsoider Form. Fig. 4. Aus seinem hinteren Ende ent- springt der N. ciliaris crassus (ec) und ein N. ciliaris brevis (cb), welch letzterer vor dem Eintritt in den Augapfel mit dem N. ciliaris longus eine Anastomose eingeht. Die rechte Seite dieses Tieres (Fig. 5) ist in Bezug auf das Ciliarsystem der linken im allgemeinen fast gleich; die Radix longa zeigt auch diesmal einen ungewoéhnlichen Verlauf. Man sieht, wie ein Nerv (rr) direkt aus dem N. ophthalmicus entspringt, und zwar zwischen dem N. frontalis (f) und N. nasociliaris (ne), und wie er sich dann die Bahn zwischen den oberen Portionen des M. retractor bulbi und unter dem N, opticus schatit, um sich auf der medialen und unteren Seite des letzteren mit dem N. ciliaris crassus zu verbinden. An dieser Stelle der Verbindung ist aber keine Verdickung bemerkbar. Also auch diesmal war ein ge- sonderter Nerv vorhanden, welcher grofe Aehnlichkeit mit der Radix recurrens des Menschen hat. Ich werde Gelegenheit haben, im Laufe dieser Abhandlung noch einige Falle zu zeigen, wo dieser Nery vorhanden ist, aber von seiner Selbstandigkeit sehr Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 491 viel eingebiiSt hat. Dagegen kann man an der Verbindungsstelle des N. ciliaris crassus mit einem anderen Nerven (r/), welcher eine weite Strecke mit dem N. ciliaris longus gemeinsam verlauft, und welcher die Radix longa darstellt, eine kleine konische, rétlich-weife und scharf abgrenzbare Aufquellung (gem) bemerken, welche auch der Lage nach (laterale und untere Seite des N. opticus) dem Ganglion ciliare minus entspricht. Fig. 5. Fig. 6. 4, Felis leo I (Fig. 6) ist mit seiner rechten Augenhdhle in Bezug auf die Radix longa sehr interessant. Dieser Nerv (rl) entspringt direkt aus dem N. ophthalmicus als ein feiner Zweig, welcher spater in 3 noch feinere Aeste zerfallt. Alle diese ver- binden sich mit dem N. ciliaris crassus, aber jeder wieder auf eigene Art. KEiner (rr) trifft den N. ciliaris crassus in der Nahe seines Ursprungs aus dem Ganglion ciliare majus und verbindet sich derart mit dem genannten Nerven, da’ man gut sehen kann, wie er seinen Verlauf in dem N. ciliaris crassus nicht zu der Peripherie, sondern gegen das Ganglion ciliare majus fortsetzt. Der 2. Ast begegnet dem N. ciliaris crassus auf der unteren und lateralen Seite des N. opticus und teilt sich da unmittelbar vor der Verbindung in 2 Aeste, von denen einer die zentripetale, der andere die zentrifugale Richtung einnimmt. Der 3. Ast (rl,) endlich erreicht den N. ciliaris crassus etwas mehr nach vorn und 492 Thomas M. Lecco, bildet mit ihm das Ganglion ciliare minus (gem). Diesmal ist das Ganglion ebenfalls sehr klein, aber es ist scharf abgegrenzt und von unregelmafiger Form; aus ihm entspringen 3 Nn. ciliares breves (cb), die sich alle zum Augapfel begeben, ohne eine Anastomose mit dem N. ciliaris longus einzugehen. Das Ganglion ciliare majus (gcM) ist sehr grof und — was auffallend ist — liegt nicht, wie gewdhnlich, an dem R. oculo- motorii ad musculum obliquum inferiorem, sondern im Stamme des N. oculomotorius selbst, unmittelbar nach der Abgabe des R. oculomotorii ad musculum rectum oculi medialem (orm). Auf der unteren, dem M. rectus oculi inferior zugekehrten Seite dieser Anschwellung kann man meh- rere Nervenbiindel entspringen sehen, welche sich zu dem er- waihnten Muskel begeben. 2 Nerven (002), die vom distalen zugespitzten Ende des Ganglion entspringen, kann man bis zu dem M. obliquus oculi inferior verfolgen. Aus dem proximalen Ende geht nur der N. ciliaris crassus (cc) ab. Hervorzuheben ist eine konische Verdickung, mit welcher dieser Nerv seinen Sa fie Ursprung aus dem Ganglion 7 ee ciliare majus nimmt, weiterhin I ein feiner Nerv (?), welcher sich Fig. 7. -in unmittelbarer Nahe dieser fortsatzartigen konischen Ver- dickung des Ganglion ciliare majus zu dem letzteren begibt. Es ist mir nicht gelungen zu ermitteln, woher dieser Nerv kommt; ich konnte ihn nur bis zu jenem schwammartigen Venengeflecht verfolgen, welches sich in der Gegend der Fissura orbitalis su- perior findet. Es ist zu vermuten, dafi er sympatischer Natur sei. Auf der linken Seite (Fig. 7) zeigen sich wieder kleine Ab- weichungen, welche sich hauptsichlich auf die Radix longa des Ganglion ciliare minus und auf die peripheren Zweige des Ganglion ciliare majus beziehen. Namlich diesmal teilt sich die lange Wurzel (rl) in zwei Aeste; der erste (a) begegnet dem N. ciliaris Crassus (cc) an der unteren und lateralen Seite des N. opticus und Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 493 bildet mit ihm das Ganglion ciliare minus (gem). Nach der Art der Verbindung scheint es, daf in diesem Nerven sich teilweise auch solche Nervenbiindel finden, welche zentralwarts zum Ganglion ciliare majus verlaufen. Aus dem Ganglion ciliare minus ent- springt nur ein dicker Nerv, der gleich mit dem anderen Ast der Radix longa (b) in ein férmliches Netz tibergeht. Aus diesem Netze nehmen mehrere Nn. ciliares breves ihren Ursprung. — Das Ganglion ciliare majus (gc), welches im tibrigen dieselben Ver- haltnisse wie jenes der linken Seite zeigt, gibt noch einen N. ci- liaris brevis ab. Der N. nasociliaris liefert einen N. ciliaris Jongus. In diesem Fall ist auf der rechten nicht aber auf der linken Seite noch eine betrachtliche Anastomose im Sinus cavernosus zwischen dem N. abducens und N. ophthalmicus zu erwahnen. 5. Felis leo II. Die Befunde in der rechten Augenhdhle zeigen folgende Verhaltnisse: Das Ganglion ciliare majus (Fig. 8 gcM) ist als sehr grofe spindelférmige Aufquellung des R. ocu- lomotorii ad musculum obli- quum inferiorem (002) zu be- merken und liegt an dem An- fang des genannten Nerven. Bei dem Ganglion sieht man keinen gesonderten Nerv, welchen man als seine Wurzel auffassen kann. Dagegen entspringen aus: ihm peri- pheriewarts 2 Nerven: ein N. ciliaris brevis (cb) und ein N. ciliaris crassus (cc). Der letztere nimmt seinen ge- wohnlichen Verlauf und be- geenet an der lateralen und unteren Seite des N. opticus einem Ast der Radix longa (rl). Letzterer entspringt mit Fig. 8. dem N. ciliaris longus (cl) gemeinsam aus dem N. nasociliaris (wc) und lauft eine Zeitlang mit ihm. Die Radix longa teilt sich in 2 Aeste: einer, und zwar der mediale (rl) ist derjenige, welcher dem N. ciliaris crassus zu- erst begegnet und sich mit ihm verbindet. Die Verbindung ge- schieht wieder unter Bildung einer Aufquellung, welche unter der Lupe eine eigentiimliche Gestalt zeigt: man sieht (gem) namlich 494 Thomas M, Lecco, einerseits, wie sich der erwahnte Ast der Radix longa in ein Biindel feiner Nerven auflést, die untereinander ein férmliches Netz bilden, und andererseits wie der N. ciliaris crassus an dieser Stelle eine Abknickung und zugleich eine anders gefarbte An- schwellung zeigt. Ich glaube berechtigt zu sein, auch ohne mikro- skopische Untersuchung letztere als ein Ganglion zu betrachten, um so mehr, weil ich an derselben Stelle in der linken Augenhohle Ganglienzellen mikroskopisch nach- weisen konnte. Von dieser Stelle gehen 2 Nerven zum Augapfel ab. Einer von ihnen anastomosiert mit dem 2. Ast der Radix longa (el,). In der linken Augenhéhle des- selben Tieres (Fig. 9) sieht man aus dem Ganglion ciliare majus (ge) einen am Ursprung verdoppelten N. ciliaris crassus (ec), dagegen aber keinen N. ciliaris brevis. Der erst- genannte verbindet sich an der ge- wohnlichen Stelle (X<), ohne eine makroskopisch sichtbare Aufquellung zu zeigen, mit der Radix longa. Die mikroskopischen Untersuchungen, die ich anstellte, haben trotz der schlech- ten Konservierung der Praparate Fig. 9. doch die Spuren von Ganglienzellen gezeigt. In diesem Falle sind 2 Nervi ciliares longi vorhanden. Einer von ihnen hat mit der Radix longa gemeinschaftlichen Ursprung, der zweite zweigt sich aber direkt von dem N. ophthalmicus ab und verbindet sich unmittelbar vor seinem KEintritt in den Augapfel mit den Zweigen des N. ciliaris crassus, ohne dabei eine Andeutung eines mikroskopisch oder makroskopisch nachweisbaren Ganglions sehen zu lassen. 6. Felis cata domestiea I (Fig. 10). In der linken Augen- héhle ist das Ganglion ciliare majus (gcJZ) als eine ungewoéhnlich grobe spindelférmige Aufquellung in dem Ramus oculomotorii ad musculum obliquum inferiorem (00%) zu sehen. Zu dem Ganglion begibt sich kein Nerv, welcher an eine gesonderte Wurzel erinnert. Aus seinem proximalen Ende nimmt ein N. ciliaris brevis (cb) und ein N. ciliaris crassus (ec) den Ursprung. Der letztere verbindet sich mit 2 Aesten des N. nasociliaris, welche die Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 495 Radix longa darstellen. Die Verbindungen aber sind von keiner makroskopisch sichtbaren Verdickung begleitet. Mikroskopisch lassen sich an der dem Ganglion ciliare majus paher liegenden Ver- bindungsstelle (<) eine Menge von Ganglienzellen (Fig. 1B) nach- weisen. Sie liegen in zwei Grup- pen, die miteinander durch eine Briicke von Ganglienzellen ver- bunden sind. Sie sind von ver- schiedener GréfSe, ihre Form ist kugelig, eine kernreiche Membran umkapselt jede Zelle. An der anderen Verbindungsstelle ist von Ganglienzellen nichts zu sehen. Aus dem N. nasociliaris (nc) ent- springen noch 2 Nn. ciliares longi (cl); einer anastomosiert unmittel- bar vor seinem Eintritt in die Augenhéhle mit dem N. ciliaris brevis des Ganglion ciliare majus. 7 Auf der rechten Seite findet Fig. 10. man vollkommen dasselbe Bild. 7. Felis cata domestica II weicht von dem vorher beschrie- benen Falle sehr wenig ab. In der rechten Augenhéhle (Fig. 11) nimmt die Radix longa (vl) ihren Ursprung dort, wo sich der N. ophthalmicus (V,) in den N. nasociliaris (vnc) und N. frontalis (f) teilt. Sie gibt zuerst eine feine Anastomose zu dem N. ciliaris longus ab, welcher sich aus dem N. nasociliaris abzweigt und erst dann verbindet sie sich an der gewoéhnlichen Stelle, d. h. auf der unteren und lateralen Seite des N. opticus mit dem N. ciliaris crassus (cc). Auch in diesem Falle konnte man mikroskopisch an der Ver- bindungsstelle (gem) Ganglienzellen nachweisen. Das Ganglion ciliare majus (gc), seine peripheren Aeste und seine Lage zeigen keine Besonderheiten. Auch diesmal findet man keinen Nerv, der an eine kurze Wurzel erinnert. Das Ciliarnervensystem auf der linken Seite (Fig. 12) zeigt fast dieselben Verhaltnisse. Die Radix longa entspringt direkt aus dem N. ophthalmicus (V,), teilt sich in 2 Aeste, von denen einer sich mit dem N. ciliaris brevis des Ganglion Cciliare majus (gcJZ), der andere mit dem N. ciliaris crassus (cc) verbindet; diesmal aber kann man hier schon mit einer Lupe die Andeutung einer Anschwellung (gem) bemerken. Das Ganglion ciliare majus (gcJZ), 496 Thomas M. Lecco, in Bezug auf Gréfe, Form, Farbe, Mangel der Wurzeln und endlich seine peripheren Nerven bietet ganz gewodhnliche Verhalt- nisse dar. Fig. 11. 8. Felis cata domestica III zeigt in Bezug des Ciliarnerven- systems nahezu dieselben Verhiltnisse wie die erstbeschriebene Katze. 9. Felis cata domestica IV. Das Ganglion ciliare majus (gcM) an der rechten Seite (Fig. 13) ist konisch, breit, dick, un- gewohnlich grof und hat diesmal eine deutlich gesonderte kurze Wurzel, welche sich an jener Stelle vom Augenmuskelnerv ab- zweigt, wo dieser sich in den Ramus ad musculum rectum und obliquum inferiorem teilt. Aus dem Ganglion entspringt ein N. ciliaris brevis (cb) und ein N. ciliaris crassus (cc). Letzterer nimmt im Anfang seinen gewoéhnlichen Verlauf, quillt aber nach dem Eintritt in den Hohlkegel des M. retractor bulbi zu einer maibig grofen, spindelférmigen Verdickung auf (gca), welche genau unter dem Sehnerv liegt. Aus dieser Anschwellung, die auf den ersten Blick sich als ein Ganglion erweist, gehen 4 Nerven ab, von denen erscheint einer wie die Fortsetzung des N. ciliaris crassus. Schon mit einer gew6hnlichen Lupe kann man sich tiber- zeugen, daf der letztere aus zwei Teilen besteht: einer stellt die Fortsetzung des dicken Ciliarnerven dar, der andere aber, welcher sich dem ersten nur anlagert, einen sich T-formig teilenden Ast Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 497 einer Portion der Radix longa. Letztere entspringt mit 2 Schenkeln ; der eine tritt direkt aus dem N. ophthalmicus in der unmittelbaren Nahe des Ganglion semilunare aus, der andere aber verlauft eine Zeitlang mit dem N. ciliaris longus. Nach dem Eintritt der ein- heitlichen Radix longa in den Hohlkegel des M. retractor bulbi teilt sie sich wieder in 2 Aeste, welche beide zu jener oben er- waihnten Fortsetzung des N. ciliaris crassus verlaufen. Liner von diesen 2 Aesten der Radix longa und zwar derjenige (rv) welcher zuerst, d. h. mehr zentralwarts den N. ciliaris crassus findet, teilt sich an der Stelle der Begegnung T-férmig in 2 feine Nerven; beide lagern sich an die Fortsetzung des N. ciliaris crassus an, aber jeder schlagt eine andere Richtung ein, der eine zentral-, der andere peri- pheriewarts. Dieser letztere samt dem N. ciliaris crassus begegnet nach einem kurzen Verlauf der zweiten Portion der Jangen Wurzel und ver- bindet sich mit ihr unter Bildung eines kleinen Ganglions. Dieses Ganglion (gem) liegt auf der late- ralen und unteren Seite des Seh- nerven. Das in der Abbildung mit gem bezeichnete Ganglion muf als Ganglion ciliare minus angesehen werden, wahrend das mit gca be- zeichnete Ganglion wahrscheinlich einen abgespalteten Anteil vom Gan- glion ciliare majus oder von letz- Fig. 13. terem und vom Ganglion ciliare minus darstellt. Die Nn. ciliares breves aller drei Anschwellungen bilden ein Nervennetz. In diesem Netze konnte ich trotz sorg- faltiger Untersuchung keine Anschwellung bemerken, und nach- dem ich bei anderen Praparaten in solchen Netzen auch mikro- skopisch keine Ganglienzellen nachweisen konnte, so glaube ich berechtigt zu sein, dieses Netz nur als ein Mittel zum giinsti- geren Verteilen der dem Augapfel zugefiihrten Nervenfasern zu betrachten. Eine innigere und starke Verbindung des N. sympa- thicus (s) mit dem N. ophthalmicus im Sinus cavernosus ist be- sonders hervorzuheben. 498 Thomas M. Lecco, 10. Canis vulpes (Fig. 14). Rechts konnte, wahrscheinlich infolge eines Praparationsfehlers, keine direkte Verbindung zwischen dem N. oculomotorius und N. ophthalmicus nachgewiesen werden. Aber statt dieser sieht man einen feinen Nerv (7/7) aus dem zweiten Ast des Trigeminus sich abzweigen nnd man kann ihn bis zum Ganglion ciliare majus verfolgen. Das Ganglion selbst ist mabig grof, rund, rétlich-grau und liegt auf dem R. oculomotorii ad musculum obliquum inferiorem (007). Aus ihm entspringen 2 Nerven, ein N. ciliaris brevis (cb) und ein dickerer N. ciliaris crassus (¢c). Fig. 15. Makroskopisch ist keine Verbindung des letzteren mit irgend- welchem Nerv zu sehen, wohl aber eine randstindige Anschwellung (gem) von ganglidser Natur, welche auf der unteren Seite des N. opticus liegt und welche meiner Ansicht nach das Ganglion ciliare minus darstellt. Vor dieser Anschwellung teilt sich der N. ciliaris crassus in 2 feine Nerven, welche sich direkt zu dem Augapfel begeben. Auf der linken Seite (Fig. 15) sind die Verhaltnisse ein wenig anders gestaltet; nimlich aus dem Ganglion ciliare majus ent- springen noch 2 Nn. ciliares breves und es ist auch eine Ana- stomose zwischen dem N. ophthalmicus und dem N. ciliaris crassus Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 499 vorhanden. Diese Anastomose (7/,), welche teilweise die Radix longa darstellt, zerfallt in 2 Aeste, von denen sich einer mit dem N. ciliaris crassus erst in der Nahe des Augapfels verbindet und so anscheinend nur die Nervenfasern eines gewohnilichen N. ciliaris longus fiihrt, waihrend der andere den N. ciliaris crassus viel weiter zentralwarts trifft und sich mit ihm in unmittelbarer Nahe einer randstiindigen Verdickung verbindet, welche der Lage nach jener der rechten Seite vollkommen entspricht. Dieser Befund befestigt mich in der Ueberzeugung, daf diese Anschwellung rechts wie links das Ganglion ciliare minus sei. Es ist noch ein feiner Nerv zu erwahnen, welcher sich vom zweiten Ast des N. trigeminus zu dem Ganglion ciliare begibt, vollkommen gleich wie auf der rechten Seite. 11. Canis familiaris I (Fig. 16) wurde auf beiden Seiten pripariert. Die Befunde in der rechten Augenhohle stimmen nicht vollkommen mit den tibrigen tiberein. Auf dem R. oculomotorii Fig. 16. Fig. 17. ad musculum obliquum inferiorem (001) liegt das Ganglion ciliare majus (gcM) als grauweife Anschwellung. Aus ihm nehmen 2 Nerven ihren Ursprung. Einer ist der N. ciliaris brevis (cb) und der andere der N. ciliaris crassus (cc). Dieser letztere verbindet sich mit einem Aste des N. nasociliaris (7/). Dieser Ast teilt sich erst in der unmittelbaren Nahe des Augapfels in 2 feinere Nerven, von denen einer, N. ciliaris longus, direkt in den Augapfel hinein- dringt, wihrend der andere, die eigentliche Radix longa, durch Bd. XLI. N. F. XXXIV a) 500 Thomas M. Lecco, mehrfache Anastomosen mit dem N. ciliaris crassus sich netz- formig verbindet. Daf ein Ganglion durch ein Nervengeflecht ersetzt werden kann, ist wohl bekannt. Und ich glaube berechtigt zu sein, in diesem Netze hier das Ganglion ciliare minus (X) zu sehen, trotz der etwas ungewohnlichen Lage. Ich bin gewodhnt, die Ver- bindung der Radix longa mit dem N. ciliaris crassus mehr zentral- warts zu finden, nimlich an der Grenze zwischen dem mittleren und distalen Drittel des N. opticus, auf der lateralen und unteren Seite desselben. Diesmal ist sie viel mehr nach vorn vorgeriickt. Die mikroskopische Untersuchung dieser netzformigen Verbindung hat an den kleinen Knotenpunkten Ganglienzellengruppen gezeigt. Die linke Halfte (Fig. 17) naéhert sich wieder unserem idea- lisierten Bilde. Die Radix longa (77) findet an der gewoéhnlichen Stelle den N. ciliaris crassus (ec), verbindet sich mit ihm unter Andeutung einer Anschwellung (gem), welche, wie die spitere mi- kroskopische Untersuchung bestatigte, Ganglienzellen enthalt. 12. Canis familiaris II zeigt mit seinem Ciliarnervensystem die einfachsten Verhiltnisse. Auf der rechten Seite (Fig. 18) findet man folgendes: Das Ganglion ciliare majus, welches grof und birnformig ist, liegt auf dem R. oculomotorii ad musculum obli- quum inferiorem (oot) mit einer kurzen und breiten, aber deutlich gesonderten Wurzel. Aus ihm nehmen 2 Nn. ciliares breves (cb) und ein N. ciliaris crassus (ec) ihren Ursprung. Der letztere verbindet sich an der gewoéhnlichen Stelle mit der Radix longa (71), welche diesmal aus dem N. ophtbalmicus direkt entspringt. Die Verbindung geschieht unter Bildung einer ganglidsen Anschwellung (gem). Bei diesem Praparat ist diese An- schwellung, das Ganglion ciliare Fig. 18. minus, besonders grof und von sehr unregelmafiger Form; es gibt 2 Nn. ciliares breves ab (in der Fig. 18 nur einer gezeichnet), von denen einer mit dem N. ciliaris brevis des Ganglion ciliare majus anastomosiert. Ein N. ciliaris longus ist auch vorhanden und begibt sich, ohne eine Verbindung einzugehen, zu dem Augapfel. Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 501 An der linken Seite findet man die Verhaltnisse vollkommen gleich, nur mit dem Unterschied, daf aus dem Ganglion ciliare majus 3 Nn. ciliares breves entspringen. Auch diesmal wurde das Ganglion ciliare minus der mikroskopischen Untersuchung unter- worfen, welche kleine und grofe Ganglienzellen erkennen lie’. Aus den oben beschriebenen Befunden kann man folgende Schliisse ziehen: 1) Im Ciliarnervensystem einiger Carnivoren kommen als regelmafige Bestandteile zwei Nerven- Knoten vor: ein G. ciliare majus und ein G. ciliare minus. Daf ebenso beim Menschen und anderen Siugetieren haufig 2 Ganglia ciliaria sich finden, geht aus der ziemlich umfang- reichen Literatur hervor. Doch diese Verdoppelung oder Ver- mehrung des Ganglion ciliare, mag sie nun mikroskopisch oder makroskopisch sichtbar sein, wird von den meisten als ‘Varietat aufgefaft, welche durch Trennung kleinerer Gruppen von Ganglienzellen von dem G. ciliare zustande gekommen ist (SviTzeR 22, FarseBEcK 6, ADAMUcK 1, ARNOLD 3, W. KRAUSE 13, 14, 15, Ginz 8, ScowaLsE 21, Bupce 4, Muck 16, SzAKALL 23, HoLtzmann 10, RecHE 20, HENLE 9). In neuerer Zeit sind einige Autoren der Meinung, daf regelmafig mehrere Ganglien im Ciliarnervensystem gewisser Wirbel- und speziell der Sauge- tiere zu finden sind. So beschreibt Bumm (5) bei der Katze 2 Nervenknoten, die den Ganglien der von mir untersuchten Carnivoren vollkommen entsprechen; er findet in denselben 2 Typen von Ganglienzellen und seine experimentellen Untersuchungen haben ergeben, da sich die beiden Ganglien funktionell vollkommen gleich verhalten. PrscHEL (19) findet ebenfalls mehrere Ganglien in der Augenhohle von 3 untersuchten Kaninchen, ,,und die Totalzahl der Ganglien war 85 (!), das G. c. inbegriffen’.. In dieser grofen Zahl der Ganglien unterscheidet er doch eigentlich nur 4 Gruppen: eine, welche dem N. oculomotorius angehért, die zweite stellt das oberste, letzte Sympathicus-Ganglion dar, die dritte ist ein abge- léster Teil des G. semilunare und die vierte ein dem N. abducens angehériger Nervenknoten. Onopi (18) findet durch seine Unter- suchungen an Haien, Knochenfischen und Saugetieren nebst dem Ganglion oculomotorii (ciliare) ein zweites auferhalb der Bahn des N. oculomotorius gelegenes und ein dickes Ganglion ophthalmicum profundum. In diesen Ganglien erkennt Onopt ,,die urspriinglichste makroskopische Form des Kopfsympathicus bei den Selachiern und 33 * 502 Thomas M. Lecco, daher bei den Vertebraten“ (17). JeGEROwW (12) kommt zu zwei Resultaten, welche ein besonderes Interesse fiir meine Unter- suchung haben. Namlich daf man bei verschiedenen Tieren sehr oft neben dem Hauptganglion itiberzahlige Ganglien findet, und dafi an der Vereinigungsstelle der Oculomotoriusfasern mit dem ersten Trigeminusaste beinahe regelmafig Ganglienzellen ange- troffen werden, welche entweder zwischen den Nervenfasern ge- lagert sind oder gesonderte Gebilde darstellen. GALLEMAERTS (7) findet beim Menschen je eine Gruppe von Ganglienzellen in der Radix longa und brevis eingeschlossen. Er . sagt: ,,.l résulte donc de ces faits que les cellules nerveuses ganglionnaires ne se trouvent pas uniquement condensées dans le ganglion ciliaire, qu’elles se trouvent réparties le long des filets nerveux qui entrent dans ce ganglion ou qui en sortent, et qu il existe chez homme des ganglions ophthalmiques accessoires.“ Und indem der Verfasser einen Blick auf die bekannten Varie- taiten von den iiberzihligen Ciliarganglien bei verschiedenen Wirbel- tieren wirft, setzte er weiterhin noch folgendes hinzu: ,,Les ganglions ciliaires accessoires ne constituent pas une anomalie dans la série des vertébres; il est méme probable que, si on les rechercherait avec autant de soin que je lai fait pour homme, on les découvrirait dans un plus grand nombre de cas.“ 2) Die beiden Ganglien liegen an bestimmten Stellen und haben bestimmte Wurzeln. 3) Das Ganglion ciliare majus steht in sehr inniger Beziehung mit dem N. oculomotorius. Diese Tatsache hat manche Anatomen auf den Gedanken gefiihrt, daf das G. ciliare (d. h. G. ciliare majus) dem N. oculomotorius an- gehért. Vor allem mu ich hier Scuwarpe (21) erwahnen, welcher in seiner ausgedehnten und umfangreichen Abhandlung versucht hat, die Angehérigkeit dieses Ganglions zum N. oculomo- torius zu beweisen. Nebst ScHwaALBe haben auch mehrere andere Autoren entweder von dem entwickelungsgeschichtlichen Stand- punkte (MarRsHALL') oder von dem der makroskopischen Anatomie (Apamick 1, BupGe 4, ANTONELLI 2) die Meinung von der Zu- gehérigkeit des G. ciliare zum Oculomotorius éfters ausgedriickt. 4) Das G. ciliare minus scheint abhingig zu sein von gewissen Nervenbiindeln, welche die Radix 1) MarsuHatt, The development of the cranial nerves in the chick. Quart. Journ. of Microsc. Science (zit. nach ScHwWALBE 21). Das Ganglion ciliare einiger Carnivoren. 503 longa fiihrt. Dieser Schluf geht aus der Tatsache hervor, daf sich das G. ciliare minus dort findet, wo sich die Radix longa oder ein Teil von ihr mit dem N. ciliaris crassus verbindet. 5) In der Radix longa lassen sich drei Arten von Nervenfaserbtindeln unterscheiden. Eine Art von diesen verhalt sich wie die Nervenfaserbiindel der Nn. ciliares longi, die andere scheint in gewissen Beziehungen zu dem G. ciliare minus, die dritte endlich zu dem G. ciliare majus zu stehen. Was die dritte Art der in der Radix longa verlaufenden Nervenfaserbiindel anbelangt, so scheint es, daf sie identisch ist mit jenem Nerv, welchen Hyrtt (11) als Radix recurrens des Menschen be- schrieben hat. In die weitere Deutung der gefundenen Tatsachen lasse ich mich vorlaufig nicht ein, weil ich meine Untersuchungen noch nicht fiir abgeschlossen halte. Am Ende fthle ich mich verpflichtet, dem Herrn Prof. Dr. F. Maurer in Jena fiir die Gastfreundschaft die er mir in dem schén eingerichteten Anatomischen Institut der Jenensischen Uni- versitat gewahrt hat und dem Herrn Privatdozenten Dr. 8. v. Scuu- MACHER in Wien fiir seine geschatzten Ratschlage, die mir viel geholfen haben, meinen innigsten Dank auszusprechen. Wien 1906. Literaturverzeichnis. 1) Apamicx, Zur Physiologie des Nervus oculomotorius. Central- blatt f d. medic. Wissenschaften, 1870, No. 12. 2) Anroyetut, Contributo allo studio del significato morfologico. e della morfologia del ganglio ciliare. Giorn. della Associazione dei Naturalisti e Medici di Napoli 1890 (zit. nach Gat- LEMAERTS 7). 3) Arno~tp, Der Kopfteil des vegetativen Nervensystems beim Menschen, Heidelberg u. Leipzig 1831. 4) Buper, Junius, Ueber die Bewegung der Iris, Braunschweig 1885. 5) Bum, A., Ueber die Atrophiewirkung der Durchschneidung der Ciliarnerven auf das Ganglion ciliare. Sitzungsber. d. Ges. f. Morphol. u. Physiol. in Miinchen, Bd. 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Man hat bei Reptilien und Saugetieren so oft an zahnlosen Formen in embryonalen Stadien Zahnanlagen oder Reste der Zahnleiste ge- funden, da8 es nicht aussichtslos schien, auch bei den zahnlosen Batrachiern, die ja offenbar von zahntragenden Formen abstammen, nach rudimentiren Zahnanlagen zu suchen. Ich wahlte als Unter- suchungsobjekt die gemeine Kréte (Bufo vulgaris). Zum Vergleich mufte ich die Entstehung der Zaihne bei den Fréschen verfolgen, um genau. zu wissen, in welcher Form und zu welcher Zeit das Auftreten der Zahnleiste und der Zahnanlagen zu erwarten ist. Auf diesem Wege gelang es mir, bei der Kréte die Reste der Zahnleiste aufzufinden; ebenso konnte ich beim Frosch einige Beobachtungen machen, welche die Untersuchungen friiherer Au- toren erganzen. Sodann ergaben sich auf den Schnitten sehr klare Bilder der Entstehung der Driisen der Mundhéhle. Ich gebe deshalb eine Beschreibung der Bildung der Intermaxillardriise und der Rachen- driise. Letztere setzt sich in die Choane fort. Folglich muSte ich auch der Umbildung der Choane wahrend der Metamorphose einige Aufmerksamkeit schenken, was auch zu neuen Beobach- tungen fiihrte. Material und Methode. Aus dem Laich der Krite (Bufo vulgaris) und des Frosches (Rana fusca) ziichtete ich im Aquarium die verschiedenen Entwickelungsstadien. Die Entwickelung dieser Tiere nimmt in der freien Natur einen auffallend rascheren Verlaut als in der Gefangenschaft, weshalb ich, um eine Kontrolle fiir die Richtigkeit meiner Beobachtungen zu haben, die wichtigsten Sta- dien auch freilebend einfing. Die Objekte wurden teils in Sublimat- Alkohol, teils in 10 Proz. Formollésung oder in FLEemmineschen 506 Reinhard Oeder, Gemisch fixiert. Zur Entkalkung der Tiere, die in 10 Proz. Formol oder in Sublimat fixiert waren, verwandte ich bei den jugendlichen Exemplaren salzsauren Alkohol, bei ausgebildeten Tieren schweflige Saure. Das Material wurde durch die Alkoholreihe in aufsteigender Konzentration gefiihrt und in Paraffin eingebettet. Die Schnitt- richtung war fiir die Untersuchung der Embryologie der Driisen sagittal, wodurch die Orientierung sehr erleichtert wird. Fiir die Untersuchung iiber die Zihne wurden von allen Stadien Quer- und Langsschnitte angefertigt, da letztere in den medialen Teilen die Querschnittbilder der lateralen Partien der Kiefer ergainzen. Zur Farbung in toto nahm ich Boraxkarmin, meist jedoch wurde Schnitt- farbung angewandt mit Hamatoxylin als Kern- und KEosin als Plasmafarbstoff. Durch die Farbung mit Ammoniumrubinpikrat gelang es auch, die ersten Spuren der Differenzierung in den Zahn- anlagen nachzuweisen: die Zahnbeingrundsubstanz zeigte eine hoch- rote Farbung im Gegensatz zu dem Bindegewebe, welches blaurot gefarbt wurde. Ich gehe zuerst auf die Entwickelung der Driisen ein und gebe im zweiten Teil meine Befunde tber die Entstehung der Zahnleiste und das Auftreten der Zihne beim Frosch, sowie die Beschreibung der Zahnleiste bei der Kréte '). Intermaxillardrise. Historisches iiber die Intermaxillardriise. Ueber die Zwischenkieferdriise (Glandula intermaxillaris) der Anuren liegen zahlreiche Berichte vor. Zuerst erwaihnt Leypieé (1853) dieselbe beim Frosch. Er sagt dariiber: ,Wie ich sehe, besitzen auch die Batrachier eine entwickelte Driise, die in diese Kategorie gehért, und von niemandem bisher beobachtet zu sein scheint. Ich kenne sie beim Frosch und Landsalamander als un- paaren gelblichen oder weiflichen Kérper, der an der Schnauzen- spitze in der Vertiefung zwischen den Nasenhéhlen unmittelbar unter der Haut liegt. Bei weiteren Untersuchungen sieht man, da sie aus lingeren Driisenschliuchen besteht, die gewunden und innen von einem Cylinderepithel tiberzogen sind. Die Zellen des Epithels messen bis 0,0120’ in der Lange, haben aufer ihrem rundlichen Kern einen sehr feinkérnigen blassen Inhalt und sind so zart, da’ sie auf Wasserzusatz zu Grunde gehen und nur der 1) Ueber einen Teil meiner Ergebnisse habe ich im Zoologischen Anzeiger, Bd. XXIX, 1905, zwei Mitteilungen veréffentlicht: Die Zahnleiste der Kréte, p. 536; Die Intermaxillardriise der Krite, p. 538. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 507 Kern sich erhalt. Die Driise miindet mit zahlreichen Gingen, die, wie ich einmal gesehen zu haben glaube, flimmern, vor den Gaumenzahnen in die Mundhdhle.“ Eine genaue Beschreibung der Driise verdanken wir WieprersHem (1876), der in seiner Arbeit Die Kopfdriisen der Amphibien und die Glandula inter- maxillaris der Anuren“ letztere bei Rana esculenta untersucht hat. — Kine Schilderung der Lage der Intermaxillardriise gibt REICHEL (1882) in seinem ,Beitrag zur Morphologie der Mund- hohlendriisen der Wirbeltiere‘ in Anlehnung an W1eDERSHEIM folgendermafen: ,,Die Driise breitet sich wesentlich vor der vorderen knorpeligen Nasenhéhlenwand aus, da, wo deren obere Wand mit nach vorn gerichteter Konvexitét in die untere tibergeht, und nimmt hier die ganze Schnauzengegend mit ihren Schlauchen ein. Dieselben liegen dicht unter der Haut, von den zahlreichen Haut- driisen durch eine dichte Bindegewebsschicht geschieden. Hinter der vorderen Nasenhéhlenwand teilt sich die Driise in 3 Lappen. Die beiden seitlichen Partien ziehen unter dem Oberkieferknochen eine Strecke weit nach hinten und schicken durch lange, feine dicht unter der unteren knorpeligen Nasenhéhlenwand liegende, medianwarts verlaufende Ginge ihr Sekret dem mittleren Haupt- lappen zu, der in der rinnenartigen Aushéhlung des Septum narium unmittelbar tiber die Gaumenschleimhaut riickwarts lauft und mit einer Anzahl von Ausftihrungsgangen in einer nach hinten konvexen Linie ein Stiick vor den Choanen ausmiindet.“ Ueber die Intermaxillardriise der Kréten, besonders der von mir untersuchten Bufo vulgaris finde ich aufer bei WrepERSHEIM und Born keine Aufzeichnungen. WIEDERSHEIM gibt in seiner oben erwahnten Arbeit als passende Erginzung seiner Beschreibung der Zwischenkieferdriise beim Frosch eine Abbildung dieser Driise bei Bufo viridis, ohne derselben weiter seine Aufmerksamkeit ge- schenkt zu haben. So scheint ihm die Anordnung der Aus- fiihrungsgange bei Bufo entgangen zu sein. Auch Born (1876) erganzt nur WIEDERSHEIMS Beobachtungen iiber die Lage und Ausbreitung der Driise. Die Embryologie der Intermaxillardriise scheint tiberhaupt vernachlassigt zu sein; wenigstens konnte ich in der Literatur keine Beschreibung der Entstehung der Driise finden. Im Folgenden will ich daher die Befunde iiber die Entwickelung der Inter- maxillardriise, die ich bei Rana fusca und Bufo vulgaris verfolet habe, mitteilen. Da die Driise bei den gewahlten Objekten Unter- schiede zeigt, soll die Beschreibung getrennt geschehen. 508 Reinhard Oeder, Die Entwickelung der Intermaxillardriise. Bufo vulgaris, Krite. Die erste deutliche Anlage der Intermaxillardriise bei Bufo zeigt sich bei einer Larve mit gut entwickelten hinteren Extremi- taten und Jangem Schwanz; die Vorderbeine sind noch nicht sichtbar; auch hat die Umbildung der Larvenorgane noch nicht begonnen. Die ersten Anzeichen fiir die Entstehung der Driise sehe ich in einer begrenzten, gleichmafigen Verdickung des Epithels der Schleimhaut des Munddaches. Ebenda Jaft sich eine Anhaufung von Bindegewebselementen erkennen. Die Epithel- verdickung laBt sich als querer Streifen von geringer Breite von Choane zu Choane verfolgen und ist in der Mitte eine kurze Strecke unterbrochen. Zur genaueren Orientierung tiber die Lage des Ursprungs der Driise erwahne ich, daf dicht hinter der Stelle, wo die vordere aufsteigende Wand der Mundhoéhle in das Dach derselben umbiegt, eine vorspringende Schleimhautfalte sich zeigt, die in der Medianebene am gréften ist, nach den Seiten hin all- mahlich verstreicht und in der Gegend der Choane verschwindet, Hinter dieser Falte entwickelt sich die Intermaxillardriise. An dem vorderen Ende der eben beschriebenen verdickten Schleim- hautstelle zeigen die Zellen eine erhéhte Zunabme, die auf den Sagittalschnitten die Gestalt eines soliden Zapfens hat, der in der Richtung nach vorn und oben vordringt. Diese zapfenartige Ver- dickung lift sich auf den Schnitten jederseits der Mitte bis zur Choane verfolgen, so daf sie besser den Namen einer Leiste ver- dient. Man sieht in diesem Stadium deutlich, dal die Driisen- anlage paarig erfolgt, denn die Sagittalschnitte, die durch die Mitte gefiihrt sind, zeigen keine Anlage (Taf. XXIV, Fig. 1). Gleich- zeitig buchtet sich die benachbarte Mundschleimhaut in derselben Richtung rinnenartig ein, so daf sich der solide Zapfen tber der tiefsten Stelle der Einsenkung befindet. Geht man in der Sagittalschnittserie von der Medianebene lateralwarts, so beginnt die Einbuchtung zu beiden Seiten der Mitte flach und nimmt an Tiefe und Ausdehnung bis zum Anfang der Choane zu, wo sie verschwindet (Taf. XXIV, Fig. 3). Kin wenig alteres Stadium gibt dieselben Bilder, wie das so- eben beschriebene; nur ist die Driisenanlage etwas weiter ent- wickelt. Die Epithelleiste, die sich jederseits der Mitte auf den Schnitten als solider Zapfen zeigt, hat sich bedeutend vergréfert und la8t an zwei Stellen ein stirkeres Wachstum erkennen, nam- Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 509 lich an ihrem medialen und lateralen Teile. Der eine medial gelegene Epithelzapfen hat seine Wachstumsrichtung wesentlich nach vorn und medial. Von ihm stammen die ersten Driisen- follikel ab, die der Schnitt nahe der Medianebene zeigt (Taf. XXIV, Fig. 2). Die zweite Epitheleinsenkung, die man vor dem medialen Rande der Choanenspalte am lateralen Ende der Leiste bemerkt, laBt sich auf weiter seitlich gelegenen Schnitten verfolgen und endet in Driisenlappchen, die in apikaler und seitlicher Richtung das Bindegewebe durchsetzen (Taf. XXIV, Fig. 4). Fast gleich- zeitig mit diesen beiden Einsenkungen, die spateren Driisenlappen und ihren Ausfiihrungsgaingen entsprechen, la8t sich an der Leiste zwischen beiden eine dritte Erhebung, die Anlage eines dritten Lappens und Ausfiihrungsganges der Intermaxillardriise wahr- nehmen. Ueber die Wachstumsrichtung dieser letzten Einsenkung geben erst spitere Entwickelungsstadien Aufklarung. Dieselbe nimmt einen genau sagittalen Verlauf. In einem Stadium, wo die vorderen Extremititen schon durch- gebrochen, die Larvenorgane gréftenteils geschwunden und nur noch die dicke Larvengestalt und ein langer Schwanz vorhanden sind, finden wir die Driise am Abschluf ihrer embryonalen Ent- wickelung. Da dieselbe in diesem Stadium ein tbersichtlicheres und einfacheres Bild als beim erwachsenen Tier gewahrt, so méchte ich darauf etwas naher eingehen. Die Driise zeigt jederseits 3 Ausfiihrungsginge, an die sich die kleinen Driisenfollikel an- schlie8en. Wenn man in diesem Stadium auf der Sagittalschnittserie von der Mitte her (die sich durch die knorpelige Nasenscheidewand kennzeichnet) seitwarts geht, so bemerkt man in der Medianebene selbst zablreiche Follikel vor dem vorderen Rande der Nasen- scheidewand. Diese Follikel gehéren der beiderseitigen Driisen- anlage an und vermischen sich von beiden Seiten her, was schon daraus hervorgeht, daf die Follikel auf den nachsten Schnitten an . Zahl bedeutend geringer sind. Auf der Sagittalserie seitlich fortschreitend, sehen wir die Follikel von der vorderen auf die untere Seite der knorpeligen Nasenkapsel tibertreten, wo sie sich schlieSlich zum Ausfiihrungs- gang vereinigen, welcher dem vorhin erwaihnten medialen Epithel- zapfen entspricht. Auf den seitlich folgenden Schnitten tretten wir auf den zuletzt angelegten und daher noch wenig entwickelten mittleren Lappen, dessen Ausfiihrungsgang auf den Sagittal- schnitten in seiner ganzen Linge getroffen wird, da er sich, wie 510 Reinhard Oeder, schon oben erwahnt wurde, parallel der Medianebene hinzieht. Seine Verzweigung ist noch gering. Er dringt im Bogen um die konvexe Nasenkapsel bis zur vorderen Seite derselben vor, so daf seine Endschlauche den Driisenlappchen der beiden anderen An- lagen aufliegen, vor allem den Follikeln, die vom dritten lateralen Lappen abstammen, dessen Ausfiihrungsgang dicht neben den mittleren miindet und dessen Verlauf und Verzweigung wesentlich seitlich gerichtet ist, wie schon oben gesagt wurde. Die als Leiste beschriebene Epithelverdickung, von der die Driisenlappen ihren Ursprung nehmen, ist noch deutlich zwischen den noch soliden 3 Ausfiihrungsgingen zu sehen. Dagegen ist die friiher erwahnte rinnenartige Einbuchtung der Schleimhaut (Taf. XXIV, Fig. 3) jetzt scheinbar verschwunden. Zu bemerken ist noch, daf’ das Epithel der Mundschleimhaut in diesem Stadium noch keine Flimmerung erkennen lat. Die- selbe tritt erst im letzten Stadium der Metamorphose auf, in dem der Kopf die endgiiltige Gestalt annimmt und der Schwanz bis auf einen kurzen Stumpf geschwunden ist. In diesem _letzt- genannten Stadium hat auch die Driise ihre Tatigkeit begonnen. Die leistenartige Epithelverdickung ist vollstindig verschwunden. An ihrer Stelle finden wir eine quere Bucht, die durch Dehiszenz entstanden ist und in welche die Ausfiihrungsgange einmiinden. Bei der jungen Kréte, die soeben die Metamorphose beendet hat, besteht jederseits medianwirts von der Choane eine kleine Oeffnung, die in eine gréBere, quere Einbuchtung hineinfiihrt, welche mit Mundhéhlenepithel ausgekleidet und wie letztere mit Flimmerzellen ausgeriistet ist. In diese quergestellte Bucht miinden die Ausfiihrungsginge der Driise aus, aber nicht direkt, sondern durch Vermittelung von 3 flimmernden Réhren, welche offenbar ebenfalls vom Mundepithel abstammen. Die Anordnung der Aus- fiihrungsgiinge ist noch dieselbe. Die Zahl derselben hat sich zwar vermehrt — so lassen sich am medialen Lappen in diesem Stadium 4 Ausfiihrungsgiinge zahlen — doch miinden sie simtlich . in die diesem Driisenlappen zugehérige flimmernde Réhre. Infolge der Volumenzunahme sind besonders der mittlere und seitliche Hauptausfiihrungsgang sehr nahe aneinander geriickt, so daf sie oft gemeinsam miinden. Hierdurch kann man leicht dazu gefiihrt werden, sie fiir Ausfiihrungsginge eines Lappens zu halten. Daf man es mit 2 Hauptausfiihrungsgingen zu tun hat, wird an der Flimmerung der Endstiicke der Ginge erkannt. Auf einem Sa- cittalschnitt, der durch die Mitte der Miindung der Bucht geht, Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 511 erhailt man ein Bild, wie es Taf. XXV, Fig. 15 darstellt. Man sieht die Oeffnung in die Mundhohle, die Einsenkung, die hier im Sa- eittalschnitt quer getroffen ist und die flimmernde Roéhre, welche in den dri- sigen Teil des mitt- leren Ausfiihrungs- ganges _ tibergeht. Beim weiteren Wachstum der Krite erweitert sich die runde Oeffnung der Fig. 1. Bufo vulgaris, einjaéhriges Tier. Am Bucht zu einer kur- Dach der Mundhéhle liegen medianwiirts von den Ri Choanen (Ch) die anfangs rundlichen, spiter seitlich zen, queren Hinne. und nach hinten rinnenartig erweiterten Oeffnungen So findet sich bei der Miindungsbuchten der 3 Ausfiihrungsgiinge der c. se lle G Pyeeen icroten, me ce eral intermaxillaris (G/.i). Hf vorspringende dianwarts von der Choane jederseits eine kurze rinnenahnliche Vertiefung, in welche die flimmernden 3 Hauptausfiihrungsginge der bilateralen Inter- maxillardriise dicht nebeneinander miinden (Textfig. 1). Rana fusca, Frosch. Beim Frosch finde ich die ersten Anlagen der Intermaxillar- driise bei einer Larve, die ebenfalls noch einen langen Schwanz und kleine Hinterbeine hat. Die Driisenanlage erscheint hier als eine einheitliche, quer tiber das Munddach ziehende Verdickung des Mundhoéhlenepithels, welche von der Choane der einen Seite zur Choane der anderen Seite ununterbrochen hinzieht. Im Gegen- satz zur Anlage der Driise bei der Kréte ist diese Verdickung in der Medianebene nicht unterbrochen, sondern zeigt im Gegenteil in der Mitte, besonders aber in unmittelbarer Nahe derselben, die stirkste Entwickelung. Nach den Seiten zu nimmt dieselbe an Machtigkeit schnell ab, 1aBt sich aber als flacher Epithelstreifen bis vor die Mitte der Choane verfolgen. Bei der Kroéte hatten wir festgestellt, da die Leiste am medialen Rand der Choane mit dem Schwund der Schleimhauteinbuchtung endigt. Auch diese Einbuchtung, die, wie wir gesehen haben, bei Bufo neben der Medianebene flach begann und nach den Seiten bis zur Choane zunahm, ist beim Frosch in der Mitte am gréften. Zu bemerken 512 Reinhard Oeder, ist dazu, daf die Einbuchtung bei Rana tiberhaupt viel weniger auffallig ist, als man sie bei Bufo sieht. Dagegen ist die vor der Driisenanlage sichtbare, quere Schleimhautfalte ausgedehnter als bei Bufo. Schon in diesem friihen Stadium zeigt die Epithelleiste die Neigung in zahlreiche zapfenartige Fortsatze auszuwachsen (die Anlagen der einzelnen Driisenlappen und ihrer Ausfihrungsgange), und zwar ist dies in den lateralen Endabschnitten weniger der Fall als in der Mitte, wo man die Zapfen dicht gedrangt findet. Wahrend in der Mitte selbst nur ein Epithelzapfen auftritt (Taf. XXIV, Fig. 7), zeigen die Schnittbilder neben der Mitte mehrere Driisenanlagen an der Leiste. Es macht den Eindruck, als ob die Driisenlappen hintereinander entstiinden oder einige sich schon in der Anlage gabeln (Textfig. 2). Ein weiterer Unterschied NF oy. Nees * > ONS ‘ } o* 6a \eis Pe ae ‘ 4 .% Ssyrte eh = | e News o> oS be Seria | ° MW @'etg Sas fee see Vi) Pal ‘s Sy) Fig. 2. Rana fusca. Larve mit gut entwickelten Hinterbeinen, noch ohne Vorderbeine (dasselbe Stadium wie Taf. XXIV, Fig. 7). Sagittalschnitt dicht neben der Medianebene zeigt hinter der Gaumenquerfalte die doppelte Anlage der Driisenlappen der Glandula intermaxillaris. 167 : 1. zeigt sich in der Zahl der Ausfiihrungsginge und Driisenlappen, die bei Rana an Zahl tiberwiegen. Bei Bufo hat die bilateral angelegte Driise 3 Ausfiihrungsginge und Lappen jederseits, von denen die beiden ersten an den Enden der Leiste, der dritte zwischen ihnen auftreten. Bei den Froschlarven finden sich an dem Ende der ausgedehnten leistenartigen Epithelverdickung keine Zapfen; dieselben liegen vielmehr in den mittleren Teilen zu- sammengedringt in einer Reihe, wenig vor der Verbindungslinie beider Choanen. Ihre Zahl betrigt bereits im embryonalen Sta- dium 12—16, Wie die Anlage in den friiheren Stadien erwarten lat, fehlen auch beim erwachsenen Frosch die Ausfiihrungsginge in der Mitte nicht, wenn sie auch nach den Seiten hin etwas zahlreicher folgen. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 513 Die letzten lateralen Ausmiindungen liegen noch eine kleine Strecke von dem medialen Rande der Choane entfernt. Die Befunde an einem */, Jahre alten Frosch entsprechen schon nahezu der Schilderung, welche WiepERSHEIM von der Intermaxillardrtise ge- veben hat. Er sagt von der Driise: ,,Die Glandula intermaxillaris wird durch eine grofe Zahl einzelner, aus vielfach gewundenen Schlauchen bestehenden Driisen zusammengesetzt. Mit 20—25 Ausfiihrungsgangen miinden die Schliuche am Dach der Mund- héhle aus“. (Vergl. Ecker und WiepersHerm, Die Anatomie des Frosches, 3. Aufl.) Ueber das Bild, welches uns die Miindungsstelle der Inter- maxillardriise beim Frosch gewahrt (und das von der beiderseitigen dicht an der Choane sich 6ffnenden kurzen Miindungsbucht der Driise bei Bufo erheblich abweicht), gibt derselbe Autor folgenden, eingehenden Bericht in seiner friiher bereits erwahnten Arbeit (1876): ,,Der zwischen der Intermaxillarhéhle und dem Gaumen- gewolbe klaffende Spaltraum wird von einem derben Bindegewebs- stratum und der Mundschleimhaut abgesperrt, welche beide zu- sammen eine wallartige Duplikatur des freien Kieferrandes zu stande bringen und zu beiden Seiten eine hiigelartige Prominenz erzeugen. Hinter diesem dicken Saume gelangt man in eine tiefe Furche und von da in das Niveau des Gaumengewélbes und _ be- merkt im vordersten Winkel desselben eine die Schleimbaut durch- setzende und mit ihrer Konvexitit nach riickwarts schauende halbmondférmige Spalte: das Resultat von 20—25 dicht aneinander liegenden rundlichen Oefinungen. Zwischen denselben fehlt so gut wie jedes Zwischengewebe; das Ganze macht einen perlschnur- artigen Kindruck. Diese Oeffnungen sind nichts anderes als die Miindungen der teils in gerader, teils in schriger Richtung ver- laufenden Ausfiihrungsginge der Glandula intermaxillaris.“ Rachendrise. Historisches iiber die Rachendriise. Als Rachendriise beschreibt zuerst Born (1876) einen Komplex von Driisen bei Rana und Bufo mit folgenden Worten: ,,Die 4, Driise, welche ich Rachendriise nenne, bildet ein queres Band, das dicht hinter den Choanen liegt und beim Frosch den Zahnteil des Vomer umwuchert; eine Anzahl Schlauche ziehen sich an der 514 Reinhard Oeder, AufSenwand in die Choane hinein und miinden dort aus. Die ibrigen 6ffnen sich an zwei symmetrischen Stellen — die ganze Driise ist urspriinglich paarig — in die Rachenhohle.“ In seinen ,Anatomischen Untersuchungen tiber die Nerven- versorgung der Mund- und Nasenhdéhlendriisen der Wirbeltiere* versucht Gaupp (1888) auf Grund seiner Befunde iiber die In- nervation der Rachendriise eine Einteilung derselben in mehrere Gruppen zu geben. Er beschreibt die Rachendriise als ,eine An- zahl einzelner, mit separaten Ausfiihrungsgingen versehener Driischen, die halbmondférmig um den hinteren Umfang der Choane angeordnet sind, in die sich zum Teil ihre Ausfihrungsgange éffnen. Sie liegen zum Teil im Gebiet des Vomer, teils in dem des Palatinus und erhalten Nerven vom Stamm des N. palatinus selbst — — dies sind wesentlich die medialen der Vomerschleim- haut eingelagerten — teils solche von einem dem N. palatinus mit dem Ramus maxillaris sup. verbindenden R. communicans. Letzteres betrifft wesentlich die lateralen Driischen; wahrscheinlich besteht dadurch kein wesentlicher Unterschied in beiden Gruppen. Doch ist ein Nachweis, daf auch die lateralen Driischen Fasern vom N. palatinus erhalten, die nur in der Bahn von Trigeminus- zweigen verlaufen, nur experimentell zu fiihren. Aber auch, wenn die Gleichheit der Innervation der Rachendriisen durch den Fa- cialis nachgewiesen wiirde, so diirfte doch dem oben erwahnten ditferenten Verhalten, zusammen mit gleichzeitiger Beriicksichtigung der Natur des die Schleimhautunterlage bildenden Knochens — einiger Wert fiir die morphologische Betrachtung und Einteilung der ,Gaumendriisen‘, deren erste Reprasentanten neben der Glan- dula maxillaris die Rachendriischen sind, nicht abzusprechen sein.“ GAuPP unterscheidet hiernach zwei Arten von Rachendriisen. Er sagt dariiber weiter: ,Die lateralen Rachendriischen der Anuren kann man auf eine Stufe stellen mit den lateralen Gaumen- driischen der Saurier. Die medialen Gaumendriischen letzterer, die ausschlieBlich in das Gebiet des N. palatinus fallen, finden in den vomeralen Rachendriischen ihre Homologa.“ Ueber die Entstehung der Rachendriise finde ich nur bei Hrys- BERG (1901) eine Aufzeichnung. Er erwahnt, dali zu Beginn der Metamorphose dicht an der hinteren Choanenumrandung ein Driisenkonglomerat sich bildet, welches mit mehreren Ausfiihrungs- gingen in die Mundhéhle miindet und der Rachendriise Borns entspricht. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 515 Um die Lage der embryonalen Rachendriise beschreiben zu kénnen, mufi ich auf die Nasenhéhle der Larven zuvor etwas genauer eingehen und das in derselben befindliche Segel der Larven beschreiben. Das Segel in der Nasenhéhle. In der Nasenhéhle der Batrachierlarven findet man eine eigenartige Hautfalte, welche ich Segel (Velum) nenne. Ich be- schreibe es zunachst von der Krote. Bufo vulgaris, Krite. Betrachtet man die Nasenhohle der Krétenlarven auf einem Langsschnitt (Sagittalschnitt des Kopfes), der sowohl die Choane wie auch die dufere Nasenéfinung tritit, so fallt ein groBes Segel auf, welches von der Mitte der hinteren Wand in die Nasenhdhle hineinragt (Taf. XXIV, Fig. 5). Dieses Segel ist auf allen Schnitten zu sehen, welche die Choane treffen. Lateralwarts endigt es in der Weise, dafi es sich mit seinem freien Ende mit dem Gewebe der Nasenhéhlenwand verbindet (Taf. XXIV, Fig. 6), um schliefSlich in der hinteren Wand aufzugehen. Nach der Mitte zu Jaft sich das Segel kontinuierlich als hintere Begrenzung der Choanen- éffnung verfolgen. Seine Ansatzstelle steigt medianwarts allmahlich an der hinteren Wand der Nasenhédhle herab, so daf das Segel auf den medialen Schnitten (Taf. XXIV, Fig. 4) als eine Schleim- hautfalte erscheint, die dicht hinter dem Sinnesepithel der vorderen Choanenwand vom Dach der Mundhohle entspringt. Am medialen Ende dieses Sinnesepithels verschmilzt die Hautfalte in ihrer ganzen Lange mit demselben. Die Choane der Larven wird durch dieses Segel in zwei Raume geschieden. Der Zugang zum vorderen Raume, d. h. der eigent- lichen Nasenhéhle, kann durch die vorspringende Hautfalte, wie man aus Taf. XXIV, Fig. 5 erkennen kann, leicht geschlossen werden. Der hinter dem Segel befindliche Raum, der lateralwarts blind endigt, flacht sich medianwairts in dem Mae ab, wie das Segel an der Wand der Nasenhohle herabsteigt. Dieser Raum ist als ein Divertikel der Mundhohle aufzufassen. Der Teil des Munddaches, der auf Taf. XXIV, Fig. 4 zwischen dem Segel und der dahinter liegenden quergetroffenen Schleimhautpapille (VZ) liegt — dem- nach hier an der Begrenzung des Mundhohlenepithels teilnimmt — Bd. XLI. N. F. XXXIV. 34 516 Reinhard Oeder, biegt auf den lateralen Schnitten in die Nasenhdhle ein, wo er wahrend des Larvenlebens die hintere Wand des ventralen Teils der Nase bildet (Taf. XXIV, Fig. 5). Die eben erwahnte Querfalte am Gaumen nihert sich dadurch der Choane und man findet sie in Taf. XXIV, Fig. 5 an der Umbiegestelle der hinteren Nasen- héhlenwand in die Mundhoéhle; nur ist sie bedeutend niedriger geworden. Im Laufe der Metamorphose treten Verschiebungen in diesem Teil der Nase ein. So bemerkt man, da’ die Schleimhautpartie hinter dem Segel, von der eben die Rede war, allmahlich auch bis zum lateralen Ende der Choane fast vollstandig in das Mund- dach iibergeht — das Divertikel schwindet in demselben Mafe — und die Ansatzstelle des Segels befindet sich jetzt auch lateral- warts am hinteren, unteren Choanenrand. Das Segel erhalt sich bei der Kréte bis zum Schluf der Metamorphose. In den Fig. 11, 12, 13, Taf. XXV, welche Sagittalschnitte durch die Nase einer Kréte wiedergeben, die bis auf einen kurzen Schwanzstumpf fertig umgebildet ist, erblickt man den letzten Rest des Segels auf allen Schnitten am hinteren, unteren Rande der Choane. Rana fusca, Frosch. Im Gegensatz zur Kriéte ist das Segel beim Frosch, wo die Schnitte durch die Choane im wesentlichen dieselben Bilder geben, weniger auffallend. Das Divertikel der Mundhéhle ist geringer an Ausdehnung und die Ansatzstelle des zarten Segels befindet sich nie so hoch an der hinteren Nasenhdhlenwand als bei Bufo. In der Literatur finde ich nur bei Hinspere (1901) die Beschreibung einer Hautfalte, die wahrscheinlich dem von mir beschriebenen Segel entspricht. HINSBERG sagt dariiber yon einer 31 mm langen Froschlarve folgendes: ,,Die Choane stellt einen langen, schmalen, quergestellten Spalt dar. Seine Tiefe betragt ungefihr 1/, von der des Nasenlumens in den unteren Partien. Diese ‘Kinengung ist hauptsachlich bedingt durch eine Falte, die vom lateralen Choanenrand quer heriiber zum hinteren Ende eines Wulstes zieht, der durch eine Vorbuchtung der Gaumenhaut seitens des unteren Endes der Sinnesepithelplatte bedingt ist.* — Mit dem Beginn der Metamorphose schwindet das Segel beim Frosche schnell. In einem Stadium, wo die 4 Beine und ein noch langer Schwanz vorhanden sind, finde ich keine Spur mehr von der Falte (Taf. XXV, Fig. 17). HINSBERG sagt von einem Frosch mit einem Schwanzstumpf von Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 517 der Lange der hinteren Extremititen: ,Die Choane hat ihr Aus- sehen sehr geandert. Die wulstige Umrandung derselben, sowie die scharfe Falte, die im vorigen Stadium die hintere Umgrenzung der Choane bildeten, sind geschwunden.“ Die Lage dieser als Segel beschriebenen Hautfalte bei den von mir untersuchten Larven der Batrachier, ihr verschieden langes Bestehen bei den beiden Objekten (vergl. Taf. XXV, Fig. 16 u. 17) laft darauf schlieBen, daf dieselbe eine biologische Bedeutung hat. Das Segel steht in Beziehung zu den inneren Kiemen und soll wahrscheinlich verhindern, daf das durch den Mund aufgenommene Atemwasser, welches sich vor den Kiemen aufstaut, beim Schliefen und Zusammenpressen des Mundes, anstatt nach hinten durch die Kiemen zu strémen, nach vorn durch die Choanenéffnung entweicht. — HinsBer@ erwahnt diese von mir als Segel bezeichnete Schleim- hautfalte erst bei einer Froschlarve von 31 mm Linge. Dem muf ich entgegnen, daf ich sowohl beim Frosch, wie auch bei der Kréte das Segel bereits in einem Larvenstadium finde, wo die duSeren Kiemen soeben abgestofen sind und die Ausbildung der Horn- zihbnchen beginnt. Das Segel gibt hier schon dieselben Bilder, wie die oben beschriebenen alteren Stadien. — Es entsteht zu gleicher Zeit mit dem Durchbruch der Choanen, der bereits bei Larven erfolgt, welche die auferen Kiemen noch besitzen. In diesem jungen Stadium zeigt sich, da8 von der Nasenhoéhle ein roéhrenférmiger Fortsatz medianwirts gegen die Mundhohle hinzieht, um nach derselben durchzubrechen. Dieses Rohr besitzt ein hohes Sinnesepithel an seiner oberen und vorderen Wand. Hinter der Stelle, wo dasselbe die Mundhohle erreicht, bildet sich eine schmale Einbuchtung der Mundschleimhaut. Zwischen dieser Einbuchtung und dem genannten Rohr bleibt eine diinne Wand bestehen, und diese Hautfalte wird zum Segel (Taf. XXV, Fig. 13). Aus der Literatur ist eine Beobachtung von F. E. ScHULZE (1870) an erwachsenen Pelobateslarven sehr beachtenswert. F. E. ScHULZE deutet bei Pelobates zwei platte Papillen, die die Choane umranden, als Choanenklappen. Da es wohl von Interesse ist, die Verhiltnisse zu vergleichen, so lasse ich seine Beschreibung von der Choane der erwachsenen Pelobateslarven hier folgen. In seiner Arbeit ,Ueber die inneren Kiemen der Batrachierlarven“ (1888) sagt F. E. Scuuuze p. 10: ,Jede der beiden schrag von auBen und vorn nach innen und hinten gerichteten 1 mm langen, schmalen Choanenspalten ist an ihrer vorderen, wie an ihrer 34 * 518 Reinhard Oeder, hinteren Langsseite von einem hervorragenden Lippensaume ein- gefaBt, welcher sich in je eine platte Papille von nahezu 1 mm Hohe erhebt. Wahrend aber die ca. '/, mm lange Basis der ' vorderen, d. h. vor der Choanenéffnung gelegenen Papille den auferen Teil der vorderen Choanenlippe einnimmt und von dort allmahlich verschmilert schwach vorn abwirts in die Papille fort- setzt, nimmt die ebenso lange Basis der hinter der Choanenspalte gelegenen platten Papille die innere Halfte der hinteren Choanen- lippe ein und ragt von da aus, sich etwas tiber den inneren Teil der Choanenspalte legend, in die Mundhéhle herab. Diese beiden Hautfalten habe ich bereits im Jahre 1870, 1. c. p. 410 als vordere und hintere Choanenklappe bezeichnet.“ — An dieser Stelle (F. E. ScHULZE ,Die Geschmacksorgane der Froschlarven“) sagt F. E. ScHuuLze: ,Die zur unmittelbaren Begrenzung der Choanenspalte selbst dienende Schleimhaut wulstet sich zu zwei parallelen Falten auf, deren diinne freie Rander sich aihnlich wie ein paar Stimm- bander gegeniiber stehen. Ebendort beschreibt er eine dritte hohe Papille von ahnlicher Form in einiger Entfernung hinter der Mitte jeder Choanenspalte als ,,Nebenzotte“.“ Vergleicht man die vorangegangene Schilderung mit den Be- funden F. E. Scuutzes, so kann man annehmen, daf die ,,hintere Choanenklappe“ dem ,Segel“ gleichzustellen ist, wie auch die »Nebenzotte“ der von mir erwaihnten Gaumenquerfalte entspricht, wihrend eine Bildung, die der ,vorderen Choanenklappe“ ent- sprechen wiirde, bei Bufo und Rana fehlt. Die Entwickelung der Rachendriise. Bufo vulgaris, Krote. Die ersten Anlagen der Rachendriise zeigen sich bei Bufo un- gefahr in demselben Entwickelungsstadium, in dem wir die Inter- maxillardriise auftreten sahen, bei einer Larve mit langem Schwanz und gut entwickelten Hinterbeinen, einem Stadium, in dem wir die oben beschriebenen Verhiltnisse an der Choane vorfinden. Als Ort der Entstehung der Driise ist kurz die Schleimhautpartie hinter dem Segel zu bezeichnen, die, wie wir gesehen hatten, von dem Segel und der dahinter liegenden Schleimhautfalte (Neben- zotte nach F. E. Scuutze) begrenzt wird. Wir hatten festgestellt, daS diese Schleimhautpartie, die sich am medialen Ende der Choanenspalte am Dach der Mundhohle beteiligt, wahrend des Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 519 Larvenlebens in den seitlichen Teilen in die Nasenhohle einbezogen wird. Dementsprechend finden wir auch die embryonalen Rachen- driisen am medialen Teile der Schleimhautpartie in der Mund- hohle und lateralwirts an der hinteren Wand der Nasenhéhle. Von dieser Lage der Driise geben uns Sagittalschnitte durch die Choane einer Larve des oben erwihnten Alters deutliche Bilder. Taf. XXIV, Fig. 6 stellt einen Schnitt lateral von der Choanendffnung dar. Wir sehen eine der letzten, lateralen Anlagen der Driise unter dem Segel, das erst auf dem nachsten abgebildeten Schnitte (Taf. XXIV, Fig. 5), der durch die aufere Nasendffnung und die Choane ge- fiihrt ist, als solches deutlich zu erkennen ist. Taf. XXIV, Fig. 4 zeigt schlieBlich einen Driisenfollikel am Dach der Mundhohle. Die embryonale Rachendriise miindet stets unter- halb des Segels und ist durch diese Lagebeziehung leicht von der unteren Nasendriise zu unterscheiden. An der Stelle, wo die Rachendriise bei der Kroéte sich anlegt, kann man keine so ausgesprochene, etwa einheitliche Verdickung des Epithels wahrnehmen wie bei der Intermaxillardriise, sondern man bemerkt anfangs auf jeder Seite zwei getrennte Anlagen: die eine am Dache der Mundhohle, die andere an der hinteren Wand der Nasenhohle, unterhalb des Segels. Zuerst entsteht die letztere. Die lateralen Anlagen treten selbstaindig meist gruppen- weise auf. Ich fand bei den verschiedenen Larven, die ich darauf- hin untersuchte, stets das Uebereinstimmende, daf die ersten Follikel in der Nase ungefaihr in der Mitte der ganzen Schleim- hautpartie sich anlegen. Das Epithel zeigt hier zuerst eine kleine rundliche Erhebung mit einer umgebenden Anhaufung von Bindegewebe. Aus dieser Anlage differenzieren sich nacheinander zwei Driisenschliuche. Auf etwas alteren Stadien konnte ich die- selben als die am weitesten entwickelten Follikel vor den anderen neu hinzugetretenen wieder erkennen und fand die Driisenlappen der beiden ersten Anlagen in entgegengesetzter Richtung in das Gewebe eingesenkt. Der laterale Schlauch zieht seitwarts; der mediale ist auf den Schnittbildern nach der Mitte hin verfolgbar. Ein wenig spater als diese Gruppe treten am lateralen Ende des Schleimhautfeldes kurz vor der Stelle, wo das Segel in die hintere Wand der Nasenhodhle tibergeht, zwei Einzelanlagen auf. Die Schlauche dieser beiden Driisen wachsen in lateraler Richtung. In diesem Stadium bemerkt man auch die Anlagen der am Gaumen entstehenden Driisen und zwar zeigt sich hier im Gegensatz zu dem eben mitgeteilten, daf die medial gelegenen Driischen ihren 520 Reinhard Oeder, Ursprung von einer kurzen Epithelwucherung nehmen, die hinter dem medialen Ende der Choane hinzieht — deutlich abgesetzt von den lateralen Driisenkomplexen. Die Leiste ist noch klein und zeigt nur an ihrem lateralen Ende follikulare Anlagen. Sie endigt in diesem Stadium mit dem Schluf der Choane und wiachst erst spater weiter nach der Mitte zu tiber die Choanenspalte hinaus. Die Zahl der Miindungen betragt in diesem Stadium 4—6, die- selben gehéren den lateralen Driischen an, da die medialen erst nach Schlu& der Metamorphose Lumina zeigen, wo man 2—4 Driis- chen unterscheiden kann. Bald aber tibertreffen diese am Gaumen entspringenden Driisen die lateralwirts gelegenen an Gréfe. Sie lassen sich als ansehnliche Driisenmasse nach der Mitte zu ver- folgen. Ihre Miindungen ziehen sich medianwarts tiber die Choane hinaus; doch finden sich dieselben stets lateral von der jeder- seitigen Miindungsbucht der Intermaxillardriise. — Im Laufe der Metamorphose treten die oben beschriebenen Veraénderungen an der Choane auf. Wie uns die Bilder am besten veranschaulichen, sehen wir den lateralen Teil des Schleimhautfeldes vollstandig zum Dach der Mundhéhle werden und infolgedessen miinden die lateralen Driischen jetzt ebenfalls in die Mundhohle. Auf einer Reihe von Schnittbildern, die von einer Kréte stammen, welche die Metamorphose fast beendet hat, finden wir das Segel stets am hinteren Rande der Choane und hinter demselben die late- ralen Rachendriischen (Taf. XXV, Fig. 11—13). Vergleicht man die Schnittbilder (Taf. XXIV, Fig. 5, Taf. XXV, Fig. 10 u. 11), welche verschiedenen Stadien angehéren und Schnitte in ahnlicher Lage darstellen, so kann man den Entwickelungsgang am deut- lichsten verfolgen. Auf Taf. XXIV, Fig. 5, wo die ganze Schleim- hautpartie bis zur Gaumenquerfalte, die sich am hinteren Choanen- rande befindet, den unteren Teil der hinteren Nasenhéhlenwand ausmacht, zeigt sich die Driise in der Mitte der hinteren Wand unter dem Segel. Auf dem nichst alteren Stadium (Taf. XXV, Fig. 10) einer Kréte, die soeben den Larvenmund abwirft, ist die Schleimhautpartie schon ein wenig der Mundhéhle zuge- kehrt. Vollendet ist die Umbildung auf einem Stadium, das nur noch einen kurzen Schwanzstumpf hat. Hier findet sich die Schleimhautpartie in ihrer ganzen Ausdehnung am Dach der Mund- héhle. Der Rest des Segels, hinter dem die Driischen miinden, erscheint auf allen Schnitten, wie bereits oben erwaihnt, am hinteren, unteren Choanenrand (Taf. XXV, Fig. 11). Bei der Ausdehnung der Rachendriise in seitlicher Richtung ist eine Verwechselung mit der Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 521 unteren Nasendriise nicht ausgeschlossen, da diese Driise am Ende der Metamorphose von ihrer urspriinglich seitlichen Lage um die hintere Wand des lateralen Nasenblindsackes herumgewachsen ist und die Schlauche beider Driisen aufeinander stofen. So lange das Segel besteht, unter dem stets die Miindung der Rachendriise liegt, ist eine Trennung leicht; nach dem vdélligen Schwund des Velums ist dies um so schwieriger, als die Zellen beider Driisen dieselben Bilder geben. Beim erwachsenen Tier kann uns nur der Befund, daf der Ausfiihrungsgang der Driise am Dach der Mund- héhle miindet, dariiber Aufschluf geben, da8 wir es mit einem Rachendrischen zu tun haben. Taf. XXV, Fig. 13 zeigt uns bei einer Kréte am Schlu8 der Metamorphose ein Follikel eines Rachen- driischens. Neben ihm finden wir Follikel und einen Ausfiihrungs- gang der unteren Nasendriise, der vor dem Rest des Segels miindet. Rana fusea, Frosch. Bei den Larven des Frosches finden wir wie bei der Krite die Miindungen der embryonalen Rachendriischen hinter dem Segel. Vergleichen wir die Entstehung der Driise beim Frosch mit den Befunden bei Bufo, so ergeben sich einige Unterschiede. Wenn wir bei Bufo ein zeitlich verschiedenes Erscheinen der einzelnen Driischengruppen feststellen konnten und die ganze Anlage sich in zwei Hauptabteilungen sondern lie’, so zeigt sich beim Frosch eine vollig einheitliche Anlage, die begriindet ist in einer deutlichen Leiste, an welcher die Driisenfollikel entspringen. Die Leiste zieht sich als gleichmabig breite Epithelverdickung iiber das Schleimhaut- feld unter dem Segel hin und zeigt an ihrem oberen Ende die Driisenanlagen (Taf. XXIV, Fig. 8). Trotz mehrfachen Bemiihens ist es mir nicht gelungen festzustellen, ob und wo die Driisenfollikel zuerst entstehen, so daf ich annehmen muf, da die Anlagen ziemlich gleichzeitig an der Epithelleiste erfolgen, wie denn auch die einzelnen Follikel sich nicht sehr in der GréSe unterscheiden. Infolgedessen finden wir bereits in den ersten Stadien eine kon- tinuierliche Reihe von Driisen mit 5—6 Ausfiihrungsgingen. Ihre Zahl nimmt wahrend der Metamorphose zu; am Ende derselben konnte ich 10—15 Miindungen jederseits zahlen. Wie bereits oben vom Segel gesagt wurde, schwindet das- selbe beim Frosch sehr schnell und ist am Ende der Metamor- phose nicht mehr vorhanden. MHierdurch ist eine Trennung von der unteren Nasendriise sehr erschwert. Dazu kommt noch, dah 522 Reinhard Oeder, die Schleimhautpartie, die die hintere, untere Wand der Nasen- héhle bildet, nicht in ganzer Ausdehnung in das Mundhdéhlendach tibergeht, wie dies bei Bufo der Fall ist, sondern nur teilweise diese Lageveranderung durchmacht und so auch auf spiteren Stadien in den seitlichen Partien in der Nase zu finden ist. Die Folge ist, da auch der seitliche Teil der Rachendriise seine ur- spriingliche Lage beibehalten hat und wir finden hier die Befunde Borns wu. a. bestatigt, da die Rachendriise zum Teil in die Mund- hohle, zum Teil in die Choane miindet. Beim erwachsenen, jungen Frosch, welcher die ersten Vomer- zihne besitzt, die schon verkalkt, aber noch in der Tiefe der Schleimhaut eingebettet sind, finden wir den medialen Teil der Rachendriise hinter und tiber den Zahnanlagen des Vomer. Diese vomeralen Driisen zeichnen sich vor den nasalen Rachendriischen nicht nur durch ihre GréSe, sondern auch, was ich besonders her- vorheben méchte, durch einen kurzen, flimmernden Ausfiihrungs- gang aus, wie dies Taf. XXIV, Fig. 9 erkennen laBt. Fassen wir die Befunde tiber die Entwickelung der Rachen- driise bei Rana und Bufo zusammen, so haben wir gesehen, daf die Driisenfollikel bei der Kréte sich einzeln oder in Gruppen an- legen, und zwar lassen sich als zwei Hauptgruppen unterscheiden, die in der Choane Jiegenden Driischen und die etwas spiter auf- tretenden, voluminéseren Driisen am Gaumen. Beim Frosch zeigt die Driise eine einheitliche Anlage. Die Follikel nehmen ihren Ursprung von einer leistenartigen Verdickung der Schleimhaut. Beim erwachsenen Frosch aber zeichnen sich die am Gaumen aus- miindenden Driisen vor den Choanendriischen sowohl durch ihre Gréfe als auch durch einen flimmernden Ausfiihrungsgang aus, der auf eine sekundar erfolgte Einstiilpung des flimmernden Mund- epithels zuriickzufiihren ist. Will man in diesen Befunden die Anzeichen einer Zweiteilung der Rachendriise Borns in eine Gaumen- und eine Choanendriise erkennen, so wiirde hierdurch die Annahme Gaupps eine gewisse Bestatigung erfahren (cf. p. 514); ebenso wie die Beobachtungen, welche Retcuet bei Bombinator igneus machte, denselben Ge- danken aufkommen liefen, wodurch die Annahme Gaupps auch in der Morphologie der Driisen ihren Ausdruck findet und somit eine Bestitigung und Erganzung erhalt. Reicuen dufert sich dariiber folgendermafen: ,An der Gaumenschleimhaut von Bombi- nator igneus macht sich eine Kigentiimlichkeit geltend, indem an Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 523 der Schleimhautduplicatur am hinteren Rande des zahntragenden Teiles des os intermaxillare das Epithel sich vielfach krypten- artig einsenkt; vielleicht haben wir hierin die erste Andeutung einer Art seitlicher Gaumendriisen, wie wir sie bei den Sauriern kennen lernen werden, zu sehen.“ Aus allen diesen Befunden kénnen wir den Schlu8 ziehen, dal sich bei den Anuren eine Teilung der Rachendriise Borns in eine Gaumen- und eine Choanendriise anbahnt. Zahnleiste und Zahne bei den anuren Amphibien. Ueber die Bezahnung der Amphibien. Das Zahnsystem der Amphibien ist in vergleichend-anato- mischer und embryologischer Hinsicht von umso gréferem Interesse, als die Klasse der Amphibien von den Fischen zu den hoéheren Wirbeltieren iiberleitet. Wir finden deshalb auch im Zahnsystem der Amphibien sowohl Anklange an die Verhaltnisse der niedriger stehenden Klassen als auch Ueberginge zu den Reptilien und Saugetieren. Ueber die Entwickelung der Zaihne der Amphibien liegt eine betrachtliche Literatur vor, aus welcher ich die Schriften von O. Hertwia (1874) und Rose (1895) als besonders wichtig hervorhebe. Werfen wir einen Blick auf die Bezahnung in den einzelnen Familien und Gattungen der Amphibienklasse, so fallt die Mannig- faltigkeit in der Bezahnung der einzelnen Mundhohlenknochen auf. O. Hertwia auf8ert sich dariiber also: ,,Es finden sich Arten, bei denen jeder Knochen der Mundhoéhle Zahne tragt, sowie anderer- seits vollkommen zahnlose Arten. Zwischen beiden stehen Formen, deren Knochen in verschiedener Kombination mit einem Zahn- besatz ausgeriistet sind. Die reichste Bezahnung besitzen im ganzen genommen die alteren Amphibienordnungen: die Perenni- branchiaten, Derotremen und Salamandrinen, die geringste dagegen die Batrachier.“ Bis auf wenige Ausnahmen findet man bei den drei erstgenannten Ordnungen Ziaihne auf dem Intermaxillare, Maxillare, Vomer, Palatinum im Oberkiefer und auf dem Dentale und Operculare im Unterkiefer. Mit dem Fehlen des Knochens fehlen die Zihne: bei Proteus und Menobranchus die Oberkiefer- zihne bei dem Mangel des Maxillare, bei Salamandra die Zahne mitsamt dem sie tragenden Operculare. Bei Siren lacertina sind 524 Reinhard Oeder, Intermaxillare, Maxillare und Dentale an Stelle der Zaihne mit Hornscheiden versehen. Unter den Salamandrinen zeigt dagegen Plethodon glutinosus reiche Bezahnung des Parasphenoids. Weniger gleichmafig ist die Bezahnung der Batrachier. Hier kommen neben zahntragenden Formen wie Hemiphractus, véllig zahnlose Gattungen vor. Bis auf Hemiphractus, dessen Intermaxillare, Maxillare, Vomer, Palatinum und Dentale bezahnt sind, tragen in dieser Klasse im allgemeinen Intermaxillare, Maxillare und Vomer Zabne: so bei den Oxydactyla, wo Rana und Pelobates zu nennen sind, bei den Discodactyla mit Hyla und Hylodes. Bei Cerato- phris finden sich nur auf dem Zwischen- und Oberkiefer Ziahne. Bekannt ist, da’ Bufo keine Zahne besitzt, ebenso ist Pipa zahnlos. AuBer diesen Verschiedenheiten in der Bezahnung der Mund- héhlenknochen treten uns Unterschiede in der Anordnung der Zabne auf diesen Knochen entgegen, die sich in die vielreihige, zwei- und einreihige Stellung trennen lassen. Die mehrreihige Zahnstellung findet sich bei den Alteren Amphibienordnungen, so bei Siren auf dem Vomer und Palatinum. Unter den Salaman- drinen zeigt, wie schon erwahnt, Plethoden das Parasphenoid véllig mit Zaihnchen besetzt. Eine zweireihige Anordnung zeigen die Zihne von Siredon pisciformis auf dem Vomer, Palatinum und Operculare. Die einreihige Stellung der Zahne ist am weitesten verbreitet und findet sich bei den jiingeren Ordnungen auf allen Zihne tragenden Knochen. Auch die Form der Zaihne wechselt in der Amphibienklasse. Der Einzelzahn (der wie die meisten Wirbeltierzihne aus Schmelz, Dentin und Cement besteht) zeigt bei den Batrachiern und Sala- mandrinen eine andere Gestalt als z. B. bei Siredon. Beim Axo- lotl hat derselbe eine gerade kegelférmige Form, wahrend Triton und die bezahnten Batrachier einen zweispitzigen, gekriimmten Zahn besitzen. Diese zahlreichen Befunde hat zuerst O. Hertwie (1874) in seinem bekannten Werke ,Ueber das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung fiir die Genese des Skeletts der Mundhéhle“ entwickelungsgeschichtlich zu deuten versucht. O. Herrwie denkt sich den Stamm der Amphibien monophyletisch entstanden und kommt zu dem Schlusse, daf die Verschiedenheiten in der Be- zahnung der Knochen durch Riickbildung zu erkliren sind, dab also die mehrreihige Anordnung der Zaihne der iltere Typus ist, aus dem sich sowohl die zwei- und einreihige Anordnung als auch der véllige Verlust der Zihne ableiten lassen. Er beweist ferner, Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 525 daf die Form des Zahnes urspriinglich eine gerade kegelférmige gewesen ist, wie sie heute noch bei Siredon auftritt und daf sich daraus erst der zweispitzige, gekriimmte Zahn entwickelt hat. Mit der Differenzierung des Einzelzahnes ist gleichzeitig eine Ver- minderung der Zahl der Zihne auf den einzelnen Knochen Hand in Hand gegangen. Diese Vorginge in der Phylogenie labt die Ontogenie von Triton noch erkennen. Im Larvenstadium haben wir voriibergehend gerade kegelf6rmige Zahne in zwei Reihen an- geordnet, wihrend das erwachsene Tier den zweispitzigen Zahn in einreiher Anordnung besitzt. Weiter ist zu sagen, dafi die Larven aller Batrachier, die eine Metamorphose durchmachen, sich durch den Mangel echter Zaihne auszeichnen. Sie besitzen vielmehr Hornzahne und Hornkiefer 4). Das spate Auftreten der Zahne bei den Anuren findet seine Erklarung darin, daf durch die verinderte Lebensweise der ur- spriingliche Entwickelungsgang eine Abanderung erfahren hat. Wahrend bei den Urodelen die phylogenetischen Stufen ziemlich unverfalscht in der Ontogenie wiederkehren, sind bei den Batrachier- larven, die von den Vorfahren ererbten Zihne unterdriickt und durch die fiir das Larvenleben passenderen Hornzahne und Horn- kiefer ersetzt worden. Erst am Schluf der Metamorphose er- scheinen bei Rana, Hyla u. s. w. die ersten Zahne und zwar sind dies sogleich die zweispitzigen, wie sie die erwachsenen Salaman- drinen in ahnlicher Form besitzen. Bufo und Pipa zeigen tiber- haupt keine Zaihne mehr. Bei diesen Gattungen ist auch kein sekundarer Ersatz durch Hornscheiden wie bei Siren eingetreten. Ebenso fehlen bei fast saimtlichen Anuren die Zahne des Unter- kiefers ”). Man darf wohl annehmen, dal das Fehlen der Zihne im Unter- kiefer mit der eigenartigen Entwickelung der Zunge in Beziehung steht. Die Zunge der Anuren ist meistens grof und zum Fangen 1) Ueber die Hornziihne und den Hornschnabel der Batrachier- larven verweise ich auf folgende Literatur: F. EH. Scuuuze, Die inneren Kiemen der Batrachierlarven. I. Abhandlung d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin 1888; Htron-Roynr, La vestibule de la bouche des tétards des Batraciens anoures, Arch. de Biologie, T. LX, 1889; BovunenGer, Synopsis oft the Tadpoles of the European Batrachians, Proceedings of the zool. Soc. London 1891; +Ernsr Gurzxir, Die Hornzahne der Batrachierlarven, Zeitschrift fiir wiss. Zool., Bd. XLIX, 1890. 2) Zahne im Unterkiefer der Anuren sind meines Wissens nur bei Hemiphractus gefunden worden. 526 Reinhard Oeder, der Beute geeignet. Der Unterkiefer dient daher nicht mehr zum Fassen der Beute und braucht infolgedessen nicht bezahnt zu sein; eine Bezahnung ware vielleicht sogar hinderlich fiir die Bewegung der Zunge. Wenn man das Rudimentaérwerden von Organen daraus erklart, daf’ benachbarte Organe eine héhere Ausbildung erreichen und durch Korrelation auf das betreffende Organ einwirken, so kann man die Ausbildung der grofen und speziellen Zwecken an- gepaBten Zunge als die Ursache des Zahnverlustes im Unterkiefer betrachten. Man koénnte sich fragen aus welcher Ursache die Zaihne im Oberkiefer der Kréten im Laufe der phylogenetischen Entwickelung geschwunden sind. Aus dem Nichtgebrauch kann die Reduktion der Zahne nicht erklart werden; denn die Kréte wiirde die Zihne ebenso gut gebrauchen kénnen, wie ein Frosch oder Salamander. Es ist wahrscheinlich die eigenartige Umwandiung des Epithels der Mundschleimhaut, mit welcher der Schwund der Zahne zu- sammenhangt. Das Epithel ist namlich erheblich dicker als beim Frosch und liegt sehr nahe am Knochen, so da die Beute offen- bar zwischen die Zunge und diesen harten Kieferrand gefabt wird. Ueber die Zahnleiste bei den Amphibien. Nach dem Vorausgeschickten ist zweifellos anzunehmen, daf die zahnlosen Arten einst ebenfalls Zihne besessen haben, wie ihre nachsten Verwandten heute noch Zihne besitzen. Es liegt daher die Frage nahe, ob in der Embryonalentwickelung noch Zahnanlagen oder wenigstens eine Zahnleiste auftreten. Um dafiir irgend welche Beweise erbringen zu kénnen, muf erst festgestellt werden, zu welcher Zeit und in welcher Form Reste einer Zahnleiste oder etwaige Zahnanlagen zu erwarten sind. Um _ hieriiber Aufschlub zu erhalten, ist es nétig die Entstehung der Zihne im Stamme der Amphibien im allgemeinen und die des Frosches, als eines der Nachstverwandten der zu untersuchenden Kréte, im besonderen zu verfolgen. Aus den Untersuchungen O. Hertwias (1874) geht hervor, daf die Zihne saimtlicher Amphibien an einer Zahnleiste entstehen (entsprechend dem dritten Typus Rogses). Gegeniiber den ver- schiedenen Befunden friiherer Autoren, wie SaAntrt Srrena (1871) und HEINECKE (1873), welche die Zaihne der Tritonen und beim Frosch in einzelnen Epithelzapfen entstehen lassen, teils auf freien Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 527 Papillen, beweist O. Hertrwic, dali die Zaihne aller jetzt lebenden Amphibienordnungen in der Tiefe der Schleimhaut eingebettet entstehen und zwar nehmen sie ihren Ursprung von einer hinter den Zahnanlagen kontinuierlich sich hinziehenden Verdickung der Mundschleimhaut, der Ersatzleiste oder Zahnleiste. Nach O. Herrwia besteht ,die Zahnleiste aus zwei oder mehreren Zellenlagen, von welchen die dem Bindegewebe zugekehrten pris- matisch gebildet und Fortsetzung der untersten ihnen gleich- gestalteten Zellenschicht der Epidermis ist.“ Fiir die Entwickelungsgeschichte der Zaihne im Stamme der Amphibien ist noch ein Befund Rogsrs von Wichtigkeit, weil er die Hypothesen O. Herrwies bestatigt und erganzt. Wahrend O. Hertwic bei Tritonen bereits eine Zahnleiste findet, an der die ersten Ziihne in die Schleimhaut eingesenkt sich entwickeln, findet RoeEsE bei noch nicht ausgeschliipften Larven Zahnanlagen, die _sich im placoiden Stadium befinden. Diese letztgenannte Form der Entstehung der Zaihne kommt bei den Anuren nicht in Betracht (da diese urspriinglichen Ver- haltnisse, wie oben gesagt wurde, bei den Batrachiern verwischt und die ersten Zahngenerationen unterdriickt sind), so daf die Zahne hier stets an einer Zahnleiste entstehen. Ueber die Zahn- leiste und die Entwickelung der Zahne bei den Batrachiern sagt O. Hertwie folgendes: ,Die Zahnentwickelung geschieht in der- selben Weise wie bei Salamandrinen und Perennibranchiaten. Auch hier dringt hinter der in Funktion befindlichen Zahnreihe eine Epithelleiste in das Schleimhautgewebe. Dieselbe ist aber im Vergleich zu den oben genannten Amphibienordnungen von sehr geringer Ausdehnung.“ Suchen wir also bei der Kréte nach Resten von Zahnanlagen, so werden wir in erster Linie unsere Aufmerksamkeit auf die Zahn- leiste richten miissen, da sich auch in anderen Wirbeltierklassen gezeigt hat, daf} zahnlose Formen in ihrer Entwickelung nur noch die Zahnleiste voriibergehend anlegen. Ich erinnere daran, dal RoeEsE bei Schildkréten eine Zahnleiste fand und sogar be} einigen Voégeln (Sterna, Struthio) eine Zahnleiste nachwies. Der Beschreibung der Zahnleiste der Kréte muf ich eine Beschreibung der Entwickelung der Zahnleiste beim Frosch vor- ausschicken, weil ich erst an der Hand dieser Befunde die Zahn- leiste bei der Kréte finden konnte; gleichzeitig méchte ich einen Bericht iiber das Auftreten der Zahne beim Frosch geben. 528 Reinhard Oeder, Die Entwickelung der Zahnleiste und das Auftreten der Ziihne beim Frosch. Wie bereits LirBerT (1894) berichtet, findet man ,die Zahn- leiste und die ersten Phasen der definitiven Zahnanlagen bei Rana schon bei Larven, welche die Hornzahnplatten, wenn auch schon verschmalert, in ihrer ganzen Flaiche und Stiftzihnchen noch in geringer Zahl an den Seiten der Kammplatten besafen. Die vor- deren Extremitaiten waren noch nicht frei, indes stand die linke derselben zum Durchbruch bereit“. Aus den Untersuchungen Lieperts geht weiter hervor, daf sich die Zahnleiste beim Frosch bilateral anlegt. Er beschreibt die ersten Stadien mit den Worten: ,Wir sehen im Epithel eine unerhebliche Einsenkung des letzteren nach unten, wahrend die Oberfliche der Epidermis, wie tiberhaupt in allen spateren Fallen, in dieser Gegend durchaus keine Veranderung zeigt. Auch im darunter liegenden Bindegewebe kann man keinerlei Veranderung wahrnehmen; die Bindegewebszellen liegen in nicht eben grofer Zahl unregelmaig zerstreut umher. Nur die Cylinderzellenschicht hebt sich in jener schwachen Einsenkung deutlicher ab als an anderen Stellen. Die Zellen sind enger aneinander geriickt und erscheinen héher und regelmafiger aufrecht angeordnet. Man kann die flache Einsenkung des Epithels fast an allen Schnitten verfolgen, nur nach der Intermaxilla zu, also von hinten nach vorn nimmt sie an Deutlichkeit ab, bis sie in der Mittellinie ganz und gar verschwindet. Indes ist sie bei spiteren Stadien, wenn auch nicht so ausgepragt wie in der Maxilla, auch hier zu finden. Es unterliegt keinem Zweifel, daf& wir es hierbei mit einer Zahn- leiste zu tun haben, von welcher somit auch bei unserem Frosch alle Zahnbildung ausgeht. Sie entwickelt sich nach meinen Beob- achtungen von hinten nach vorn, wie denn auch die Anlage der Zahne in der gleichen Weise erfolgt.“ Auf den Querschnittserien, die ich verschiedentlich von Frosch- larven in diesem Stadium der Metamorphose anfertigte, finde ich die von LieBeRr gemachten Beobachtungen im wesentlichen be- stitigt. Unter den Larven gleichen Alters sah ich die Zahnleiste verschieden deutlich ausgeprigt, indem zuweilen eine reich- liche, zuweilen nur eine geringe Menge von Zellen an derselben teil- nimmt. Mit Riicksicht auf die spaiter zu beschreibende Zahnleiste der Kréte méchte ich auf diese Verhaltnisse, die auf mehr oder Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 529 weniger reichlich vorhandenes Zellmaterial zuriickzufiihren sind, besonders hinweisen. Bei einem Exemplar, das sich durch geringe Mafe des Zell- materials auszeichnet und auf welches sich die 4 Bilder (Textfig. 3—6) beziehen, ist die Zahnleiste verschwindend klein, so daf man bei der Durchsicht einer solchen Serie leicht zu der Ansicht von SrreENA kommen kann, dafi die Zahne sich einzeln in der Schleim- haut entwickeln. Von einem solchen durch Mangel des Zell- materials ausgezeichneten Frosch habe ich leider kein Exemplar, das noch keine Zahnanlagen besafi, da dieses Stadium schnell voriibergeht, doch kann Lirserts Beschreibung diesen Mangel ersetzen. Sowohl Lizserts Befunde wie die Bilder der mir vor- liegenden Serie stimmen darin tiberein, daf infolge der geringen Zellwucherung sich keine Zahnfurche findet, die ja eine durch starkes Einwuchern veranlafte oberflachliche Einsenkung darstellt. Diese Erscheinung konnte ich bei allen Tieren bis ans Ende der Metamorphose feststellen. Bei der geringen Entwickelung des Zwischengewebes war in diesen Stadien die Zahnleiste oft nur sehr schwer als eine einheitliche Epithelverdickung zu erkennen. Erst beim jungen erwachsenen Frosch finden sich die Bilder vor, die O. HertTwie u. a. von der Zahnleiste des Frosches geben. Im Gegensatz zu dieser Angabe, die mit Lizperts Schilde- rung sich deckt, gewahrt uns eine Schnittserie von einer gleich- alterigen Froschlarve, welche gréferen Zellenreichtum besitzt, ein ganz anderes Bild (Textfig. 7 u. 8). Vor allem fallt hier die Zahnfurche auf, so daf es keinem Zweifel unterliegt, daf die durch eine Reihe von Schnitten deutlich verfolgbare Epithel- verdickung die Zahnleiste darstellt. Bei Rana legt sich die Zahnleiste, wie oben erwahnt, bi- lateral an und zwar entwickeln sich in diesen ersten Stadien die Zihne an derselben, wie Lizpert fand, in der Richtung von hinten nach vorn. Auf den Querschnittserien finde ich die erste Zahnanlage in der Héhe der Miindung der Intermaxillardriise, die ein wenig vor der Verbindungslinie der beiden Choanen liegt. Bei den mit reichlichem Zellmaterial versehenen Froschlarven zeigt sich hier die Schleimhauteinstiilpung am deutlichsten als Zahn- furche (Textfig. 7), wihrend dieselbe nach vern und hinten an Tiefe abnimmt. Es ist anzunehmen, daf von dieser Stelle aus die Entwickelung der Zahnleiste beginnt, welche aber nicht nur, wie LIEBERT meint, von hinten nach vorn wachst, sondern auch nach 530 Reinhard Oeder, hinten; nur setzt das Wachstum in kaudaler Richtung erst am Schluf der Metamorphose deutlich ein. %e Se eee a Chak ee a ee ae, w seetieie tae = 2 «* ode t . a , me, aos @ "Sie 3 * 6 fis Leen } Pitre” %,° SO, ae non 906n2- 6 Fup aE ce SO Stn om CSR SIBTL Og ate oe) Bee tg Lf \ ~ SS er \ Fig. 3—6. Rana fusca. Larve mit Hinterbeinen, Vorderbeine noch nicht durchgebrochen, im Anfang der Metamorphose. Querschnittserie. Die 4 Quer- schnitte stellen die Hauptbilder der Zahnleiste und die zwei ersten Zahn- anlagen einer mit spirlichem Zellmaterial versehenen Larve dar. ZeiB, Obj. D, Komp.-Ok. 4. 174: 1. Fig. 3 zeigt einen Schnitt durch das vordere Ende der Leiste. Fig. 4 gibt einen Schnitt durch die in der Niihe des vorderen Endes der Leiste befindliche jiingere Zahnanlage wieder. Fig. 5 enthiilt ein Schnittbild durch die dicht hinter der jiingeren Zahn- anlage ihe ende ilteste erste Zahnanlage, deren Dentinkeim bereits eine An- ordnung der Zellen erkennen 1laBt. Fig. 6 li®t das hintere Ende der Zahnleiste als eine flache abgerundete Erhebung erkennen. Fig. 7 u. 8. Rana fusca. Larve mit grofen Hinterbeinen, noch ohne Vorderbeine, im Anfang der Metamorphose. Querschnittserie. Die beiden Bilder geben die Zahnleiste einer mit reichlichem Zellmaterial ausgeriisteten Froschlarve wieder. Zeif, Obj. D, Komp.-Ok. 4. 174: 1. Fig. 7. Schnitt wenig vor der Lyra gelegen, in der Héhe der Miindung der Glandula intermaxillaris, stellt die Zahnleiste in ihrem rostralen Teile als eine erhebliche Einsenkung dar, welche sich durch eine deutliche Zahnfurche (Z/) auszeichnet. Fig. 8 gibt das kaudale Ende der Zahnleiste dieser Froschlarve wieder. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 531 Der ersten Zahnanlage folgt die zweite bald nach und zwar, wie zu erwarten, apikalwarts von der ersten gelegen. Die 4 Text- fig. 8—6 geben die Zahnleiste einer Froschlarve mit den beiden ersten Zahnanlagen in ihren Hauptbildern wieder. Die ganze Leiste erstreckt sich bei diesem Exemplar (von dem Querschnitte in der Starke von 7 w angefertigt wurden) durch 26 Schnitte. Textfig. 3 zeigt das nach vorn weiterwachsende Ende der Leiste, welches sich durch 5 Schnitte verfolgen lilt; dasselbe befindet sich noch in ziemlicher Entfernung von der Mitte. Die Leiste schwillt dann ein wenig an, um die jiingere Zahnanlage zu bilden (Textfig. 4), welche auf 6 Schnitten zu sehen ist. Von dieser Anlage gilt, was Liesert schreibt: ,. Die Bindegewebsanhaufung hat zugenommen und die Zahnleiste eingestiilpt. Die Bindegewebszellen der Zahnpapille zeigen noch keine Anordnung, sondern liegen regellos neben- einander“. Dagegen lift das nachste Schnittbild (Textfig. 5), das den alteren, ersten Zahn wiedergibt, bereits eine Anhaufung des Binde- gewebes erkennen; irgend welche Differenzierungen im Schmelzorgan oder der Bindegewebspapille haben noch nicht stattgefunden. Diese altere Zahnanlage befindet sich nur 3 Schnitte von der jiingeren entfernt und ist selbst durch 8 Schnitte zu verfolgen. Die folgenden 4 Schnitte zeigen das kaudale Ende der Leiste, welches sich im Gegensatz zu dem vorderen Teil der Leiste, der bisher allein Zahn- anlagen hervorbrachte, als eine flache, abgerundete Erhebung dar- stellt (Textfig. 6). Die Leiste endet in diesem Stadium ein Stick vor der Choanenéffnung. Zu bemerken ist noch, daf das Binde- gewebe tiber der Kieferknochenanlage eine gewisse Anordnung seiner Elemente zeigt. Die Stellung der langlichen Kerne verrat eine Strichrichtung, die vom Knochen gegen die Schleimhaut hinzieht. O. Hertwie (1874) sagt tiber die ersten Phasen der Zahn- bildung bei den Anuren — er untersuchte Pelobates fuscus mit 4 Beinpaaren, deren Hornkiefer abgeworfen, deren Schwanz dagegen noch vollkommen erhalten war: ,Auf einer Reihe von Schnitten fand ich eine Zellwucherung, welche vom Mundhohlen- epithel aus eine kleine Strecke weit in das unterliegende das Maxillare, Intermaxillare und Vomer iiberziehende Bindegewebe hineindringt. Aus dem Umstand, daf man auf jedem Schnitte diese Wucherung antrifit, folgt, da8 sie die Form einer Leiste be- sitzt und nicht aus einzelnen Zapfen gebildet wird. An dieser entstehen die Anlagen der primaren Zahne, indem durch eine Wucherung von Bindegewebszellen an ihrer Kante eine aus Zellen Ba, XLI. N. F. XXXIV. 35 532 Reinhard Oeder, ohne Zwischensubstanz zusammengesetzte Papille, der Dentinkeim, sich bildet. Derselbe dringt in die Epithelmasse der Ersatzleiste hinein, welche einen kappenartigen Ueberzug tiber ihn bildet. Die der Papille unmittelbar aufliegenden Epithelzellen vergréfern sich, werden cylinderférmig und bilden eine Schmelzmembran, welche am Grunde der Papille-in die aufere kubische Zellenschicht der Ersatzleiste sich kontinuierlich verfolgen lat. Papille und Schmelz- membran werden durch ein zartes Hautchen, die Basalmembran, voneinander geschieden.“ Bevor ich auf die Weiterentwickelung der Zahnleiste und der Zahne eingehe, méchte ich noch hervorheben, daf die Entwicke- lung derselben in den beiden Kieferhalften nicht gleich- mafig erfolgt. Bei allen Exemplaren konnte ich feststellen, dab eine der beiden Seiten weiter entwickelt war als die andere, und zwar fand ich mit wenig Ausnahmen stets die Zahnleiste der rechten Seite weiter entwickelt als die linke. Dies zeigt sich sowohl in der Linge der Leiste — dieselbe war z. B. bei einem Exemplar links durch 26, rechts auf 30 Schnitten zu sehen — als auch in der Zahl der Zahnanlagen, welche bei allen von mir untersuchten Tieren in beiden Kieferhalften verschieden gro8 war. Bei einer Froschlarve, deren linkes Vorderbein durchgebrochen ist, fand ich die Zahnleiste apikalwirts weiter entwickelt vor und an ihr vor den beiden oben beschriebenen altesten Zahnanlagen 2—4 jiingere Keime, wie ich bei verschiedenen Exemplaren dieses Alters feststellen konnte. Einen ganz sicheren Anhalt fiir den Stand der Entwickelung geben die auferen Merkmale nicht. So zeigte sich bei einem ziemlich gleichalterigen Frosch, dessen linkes Vorderbein ebenfalls durchgebrochen war, hinter der altesten Zahn- anlage, welche sich als solche durch ihre GréfSe vor den tibrigen auszeichnete, am kaudalen Ende der Leiste, die wir in den ersten Stadien ziemlich gering entwickelt gefunden hatten, in gréS%erem Abstande von dieser eine sehr junge Anlage ungefaihr in der Héhe der Choane. Auf diesen Befund hin miissen wir, wie bereits oben vorausgeschickt wurde, sagen, da’ (in Erginzung der Angaben Lieperts) die Zahnleiste von dem Ort ihres ersten Entstehens nicht allein nach vorn, sondern auch kaudalwirts wachst und Zihne hervorbringt. Wenn auch in den ersten Stadien die Wachs- tumsrichtung in apikaler Richtung erfolgt und dort die ersten Zahne dicht nebeneinander sich anlegen, so setzt doch in spateren Entwickelungsstadien ein erhéhtes Wachstum der Zahnleiste in kaudaler Richtung ein. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 533 In einem Stadium, das bereits beide Vorderbeine besitzt und die Larvenorgane bis auf den langen Schwanz verloren hat, tritt dies deutlicher hervor. Da dieses Stadium die rechts und links ungleiche Entwickelung der Zahnleiste und der Zahnanlagen illustriert, so méchte ich dasselbe niher beschreiben (Textlig. 9). In der linken Kieferhalfte, in der, wie schon betont wurde, die Zahn- leiste sich meist weniger weit entwickelt findet als auf der rechten Seite, sind vor den beiden ersten Zaihnen, die bereits durch ihre Gréfe und Lage zur Leiste auffallen, — sie haben bereits mit der Abscheidung des Zahnbeines und des Schmelzes begonnen — 3 junge zellige Anlagen vorhanden, ebenso fallt zwischen den beiden ersten Zahnen, dicht hinter dem vorderen gelegen, eine Fig. 9. Schematische Darstellung der Entwickelung der Zahnleiste und der Zahnanlagen bei einer Froschlarve, welche Vorder- und Hinterbeine sowie noch einen langen Schwanz besa®, die Hornkiefer dagegen verloren hatte. Das Schema stellt die verschieden weite Entwickelung der Zahnleiste und der vor- handenen Zahnanlagen in beiden Kieferhilften dar (s. Text). Die Zahnleiste ist punktiert. Die jiingsten, zelligen Zahnanlagen sind durch kleine Bogen, die alteren, welche mit der Abscheidung des Schmelzes und des Zahnbeines begonnen haben, durch Spitzen bezeichnet. Ch Choane, nas.df Lage der duBeren Nasendffnung. junge Zahnanlage auf. Sucht man auf der Querschnittserie kaudal- warts gehend nach weiteren Anlagen, so findet man auf einer ziemlichen Anzahl] von Schnitten nur die Zahnleiste vor; erst un- gefahr vor der Mitte der Choane, kurz vor dem Schluf der Leiste tritt noch eine zellige Anlage auf, die der oben bei dem jiingeren Stadium erwihnten Zahnanlage an der Choane entspricht. Weiter entwickelt ist die Zahnleiste der rechten Kieferhalfte. Die Zahl der Keime vor den beiden Altesten Zihnen betragt 4. Genau an derselben Stelle zwischen den beiden ersten Ziahnen befindet sich die auch auf der linken Seite vorhandene, junge Anlage. GréBer 35 * 534 Reinhard Oeder, ist der Unterschied, der uns in der Entwickelung der hinteren Partie der Leiste dieser Seite im Vergleich zur linken Halfte ent- gegentritt. Die Zahnleiste ist bereits ein Stiick tiber die Mitte der Choane hinausgewachsen. Die erste Zahnanlage in dieser Gegend, die schon bei jiingeren Exemplaren zu finden war, ist be- reits weiter entwickelt, und vor ihr, zwischen ihr und dem 4ltesten Zahne, sowie auch hinter ihr fast am Ende der Leiste zeigt sich je eine ganz junge Anlage. Es wurden demnach in diesem Stadium links 7, rechts 10 Zahnanlagen konstatiert (Textfig. 9). Die Zahnleiste tritt in allen diesen Stadien (abgesehen davon, da8 sie in Bezug auf ihre Deutlichkeit noch grofen Schwankungen ausgesetzt ist), in ihrem vorderen Teile vielmehr hervor als an dem hinteren Ende, was vielleicht mit der gedrangten Stellung der Zahnanlagen in der vorderen Partie zusammenhangt, da die Leiste mit jeder Anlage anschwillt, um dann langsam wieder an Ausdehnung abzunehmen. Ist die Zahnleiste dabei an und fiir sich schwach entwickelt, so erhalt man den Eindruck, als ob die Zahne einzeln in der Schleimhaut entstehen, wie es friihere Autoren an- nahmen. Die meiste Berechtigung hatte diese Annahme bei der haiufig sehr geringen Entwickelung der Leiste am kaudalen Teile, wo man plotzlich in ziemlicher Entfernung von den vorderen Keimen eine Zahnanlage findet, ohne eine Verbindung derselben mit einer fortlaufenden Leiste feststellen zu kénnen. Im Laufe der Metamorphose ist die Leiste (wie schon bei der Stadienbeschreibung erwihnt wurde) nach vorn und hinten weiter gewachsen. Das Vordringen in kaudaler Richtung zeigt sich auch noch auf spiteren Stadien, wo wir die Leiste fast bis in den Mundwinkel verfolgen kénnen. Nach der Mitte zu ist ihrem Wachstum bald ein Ziel gesetzt. Die Leiste wird nach der Mitte hin immer schwicher, und eine Verschmelzung mit der anderen Seite kann nicht stattfinden, da die Schleimhaut des Mundes in der Mitte dem Kiefer direkt anliegt. Beim erwachsenen Frosch zeigt der Kieferrand median eine kleine Einkerbung und an dieser Stelle stehen keine Zahne. Bevor ich in der Schilderung der weiteren Entwickelung des Gebisses beim Frosch nach der Metamorphose fortfahre, méchte ich einiges tiber das Wachstum des Einzelzahnes, insbesondere iiber die Abscheidung der festen Zahnsubstanzen und die Lage- veranderung, einfiigen. O. Hertwie (1874) hat hieriiber genaue Beobachtungen an- gestellt: Die Abscheidung der festen Zahnsubstanzen ist bekannt- Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 535 lich ein Sekretionsproze8 und erfolgt in der Weise, da’ die Epithel- zellen den Schmelz und die Bindegewebspapille das Zahnbein liefern. O. Hertwia fand Schmelz und Dentin stets gleichzeitig vor. Die Oberflaiche des Schmelzes ist mit einem Oberhautchen bedeckt, das nach O. Hertwic, Huxutey u. a. aus der Basal- membran der Schmelzzellen hervorgeht. ,Mit dem Wachstum der Papille vergréfert sich im gleichen Mafe auch die sie bekleidende Epithelmembran“, welche aber im Gegensatz zu den cylindrischen Zellen an der Zahnspitze nur kubische Zellform zeigt und keinen Schmelz mehr absondert, sondern nur die Form fiir den Zahnsockel herstellt. O. Hertrwia belegt diese Epitheleinhiillung des Zahn- keims mit dem Namen der Epithelscheide. Der Zahnsockel be- steht aus Zement und ist nach ihm ebenfalls ein Sekretionsprodukt einer epithelartig angeordneten Schicht von Bindegewebszellen, die sich direkt in die Odontoblastenschicht fortsetzt; jedoch tritt die Verkalkung der homogenen Grundsubstanz des Sockels getrennt von der Bildung des Dentins auf, so da zwischen Sockel und Dentin lange Zeit eine unverkalkte Zwischenzone bestehen bleibt. Mit der Weiterentwickelung des Zahnes ist die Lagever- anderung in der Richtung nach dem vorderen Kieferrande ver- bunden. Der wachsende Zahnkeim schniirt sich hierbei von der Zahnleiste ab, wobei ihm ein Teil der Zellen folgt und eine Hille um ihn bildet. Die Abschniirung wird indessen nie eine voll- standige, indem selbst der vdllig entwickelte Zahn durch eine Epithelbriicke, die von seiner Scheide ausgeht, mit der Ersatz- leiste in Zusammenhang bleibt. Durch diese Lageveranderung entstehen auf den Schnittserien Bilder, von welchen O. HErtTwia sagt: ,,Man erblickt tiber der Anlage des Maxillare eine Zell- wucherung, die Epithelleiste, und in einiger Entfernung vor ihr ein junges Zahnspitzchen; dasselbe ist eingehiillt in eine Epithel- scheide, welche mit dem Schleimhautepithel zusammenhingt und an der Verbindungsstelle eingeschniirt ist (Hals der Epithelscheide). Man kénnte versucht sein das Bild so zu deuten, da’ das junge Zabnchen nicht an der Ersatzleiste, sondern an Ort und Stelle entstanden sei. Diese Deutung 1laf%t sich bei naherer Prifuag nicht aufrecht erhalten. An den Schleimhautstellen namlich, wo schon weiter ausgebildete Zihnchen liegen, erblickt man nie, auch nicht auf jiingeren Stadien, aus Zellen allein bestehende Anlagen, welche man auf einer Reihe von Schnitten doch erhalten miifte, wenn Anlagen sich an diesen Stellen entwickelten. Dieselben findet man vielmehr stets nur an der Kante der Ersatzleiste.‘ 536 Reinhard Oeder, Ein junger Frosch, der bis auf einen kurzen Schwanzstumpf die Metamorphose beendet hat, zeigt ein abnliches, nur weiter entwickeltes Bild als das zuletzt beschriebene Stadium. Es ist hier zu bemerken, daf mit der Umbildung des Kopfes eine kleine Verschiebung in der Lagebeziehung der Zahne eingetreten ist, insofern als die Choane sich vergréfert und auch das Auge sich nach vorn geschoben hat, so daf wir die altesten Zahne auf Querschnitten in der Héhe der Choane und die distalen Zahn- anlagen vor dem Auge finden, wahrend sie auf friiheren Stadien vor den genannten Stellen lagen. Die Entwickelung der Zahne geschieht in diesem Alter noch vorwiegend im apikalen Teil der Leiste. Ich zihle im ganzen in einer Kieferhalfte 15 Zahn- anlagen, von denen 8 bereits in Verkalkung begriffen sind. Den beiden altesten Zaihnen an der Choane stehen 4 am vorderen Teil der Leiste befindliche Anlagen wenig in der Entwickelung nach; ebenso zeigen zwei hinter der Choane liegende Zahn- keime, von denen der vordere in Hohe des hinteren Randes der Choane, der letzte wenig vor dem Auge liegt, bereits Differenzierungen. Hierzu Fig. 10. Schema der Bezahnung eines sind am vorderen Ende 3 jungen Frosches, der bis auf aS HRP neue Anlagen gekommen, von Stumpf den Schwanz verloren hat. Die ‘ a ts a Zihne sind mit Zuhilfenahme einer An- denen 2 - der Nahe der zahl jiingerer Stadien in der Reihenfolge, Mitte, die dritte vor den wie sie sich anlegen, mit den Zahlen 1—ié6 bezeichnet. Erklirung der Fig. s. bei iltesten Zihnen sich findet. Fig. 11. oc Lage des Auges. Das kaudale Ende der Leiste ist bis in die Hohe des Auges verfolgbar und tragt an seinem Ende eine neue zellige Anlage. Desgleichen zeigt sich zwischen Choane und Auge eine weitere Zahnanlage zwischen den beiden hier liegenden in Ver- kalkung begritfenen Zihnen. Wenn diese 7 jiingeren Zihne auch nicht gleichaltrig sind mit den ersten 8, die wir schon auf friiheren Stadien sahen, so ist doch nicht angingig sie etwa als eine zweite Zahngeneration anzusehen, denn auf wenig alteren Stadien haben Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 537 sie sich bereits so weit entwickelt, daf sie den alteren Zahnen wenig nachstehen und die Liicken zwischen denselben nach dem Durchbruch derselben bald ausfiillen (Textfig. 10). Bei einem */, Jahre alten Frosch treten die Zahne, wie dies O. Hertwic schon erwahnt, in Verbindung mit dem Kiefer- knochen. Ich finde bei einem solchen Exemplar bereits 12 Zahne, welche an ihrer Basis mit dem Knochen ver- wachsen sind und an ihrer Spitze die Schleimhaut durchbrochen haben; sie bilden mit 3 Zahnen, welche eben mit dem Kie- ferknochen verwachsen wollen und deren Durch- bruch bereits bevorsteht, die erste funktionierende Zahnserie. Im ganzen er- halten wir folgendes Bild (Textfig. 11): Ich zahle bis zur Choane 8 Zahne, welche durchgebrochen sind, und die Entwickelung beendet haben. Hinter der Choane, zwischen ihr und ~ dem Auge, befinden sich 2 Zahne dieses Alters, davon ist einer im Durch- bruch begriffen. Endlich liegen in Augenhohe be- reits 3 auf dem Knochen befestigte Zahne. Die Schema der Bezahnung eines */,- Die Zahnleiste ist punktiert dargestellt. Die Zihne sind nach ihrem Alter unterschieden. Es bedeutet a zel- lige Anlage, b in Verkalkung begriffene Zihne, die je nach der gezeichneten Grobe in der Ent- Fig. 11. jahrigen Frosches (s. Text). Zahnleiste zieht sich in diesem Stadium fast bis in die Mundspalte hinein ; sie zeigt besonders in ihrem kaudalen Teile jiingere Zahnanlagen. wickelung verschieden weit fortgeschritten sind, ce ausgebildete Zaihne, welche mit dem Knochen verwachsen sind und die Schleimhaut durch- brochen haben. Hier treten die jungen Anlagen zu zweien oder dreien zwischen den bereits in Funktion befindlichen Zihnen auf, welche, wie die Textfig. 11 zeigt, noch in gréferen Abstaénden voneinander stehen. in dieser Kieferhiilfte 17 solche junge verkalkte konnte ich Im Ganzen 538 Reinhard Oeder, Anlagen zahlen, die dazu bestimmt sind in die Liicken einzu- riicken, besonders am distalen Ende der Leiste. Zu diesen ge- sellen sich bei diesem Exemplar noch 6 junge unverkalkte An- lagen, die zumeist in der Nahe der Choane liegen, zum Teil auch am vorderen und am hinteren Ende der Leiste sich finden (Textfig. 11). Wir erkennen in diesem Stadium bereits die vermehrte Zu- nahme der Zihne am hinteren Teil der Leiste, welche in den folgenden Stadien noch anhalt. Bei einem fast einjahrigen Frosch, der in jeder Kieferhalfte ungefaihr 25 ausgewachsene Zahne besitzt, liegt nahezu die Halfte derselben in der Hohe des Auges, ebenso sind die jiingeren Zahnanlagen in der hinteren Halfte der Zahn- leiste bedeutend zahlreicher als in der vorderen Halfte. Das Zahnsystem gewihrt von hier an immer dasselbe Bild. Es treten bei der Durchsicht der Schnittserien zwischen den fest- gewachsenen Zihnen an der dahinter liegenden Zahnleiste bald eine bald zwei Zahnanlagen auf, die verschieden alt sind und in die Reihe der funktionierenden Zihne einriicken oder sie ersetzen, Die Zahl der funktionierenden Zahne geben die Autoren auf un- gefahr 50 in jeder Kieferhalfte des ausgewachsenen Frosches an. Was die Beziehungen der Zahnentwickelung der Anuren zu der Zahnentwickelung der Siugetiere betrifft, so hat schon O. Herrwic auf folgende Aehnlichkeiten und Unterschiede auf- merksam gemacht: ,,Die Entwickelung der ersten Zahne bei den Anuren gleicht im allgemeinen derjenigen der Saugetiere. Wie dort entsteht zuerst am Kieferrand eine Epithelleiste (der soge- nannte Schmelzkeim), unsere Ersatzleiste (Zahnleiste). An der Kante derselben bilden sich die Zahnanlagen. Wahrend dieselben aber bei den Siéugetieren sich vom Dentinkeim vdllig abschniiren, indem sie vom Bindegewebe umwuchert werden (Zahnsickchen, Schmelzorgan), schniiren sie sich bei den Anuren nur teilweise von der Ersatzleiste ab, indem eine relativ breite Epithelbriicke sich bei ihnen erhalt.“ Es bleibt noch die Frage offen, wie das Gebif der Saugetiere, welches nur eine relativ geringe Zabl von Zihnen enthalt*), zu 1) Wie Haxcxerrn in seiner Systematischen Phylogenie (Berlin 1895, p. 448 und 476) angibt, lassen sich die Gebisse der placen- talen Siugetiere auf eine gemeinsame Ausgangsform zuriicktfiihren, nimlich auf das Gebif der Vorfahren aus der iltesten Tertiarzeit, — ST Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 539 der viel reichlicheren Bezahnung der Amphibien und Reptilien in Beziehung zu setzen ist. — Wir haben beim Frosch gesehen, daf zuerst nur eine geringe Zahl von Zahnen auftritt; diese kénnten der ersten Dentition, also dem MilchgebiS der Saugetiere ent- sprechen. Beim Frosch erscheinen dann neue Zahne in grofer Zahl, welche teils hinter oder neben den schon bestehenden Zahnen gebildet werden, teils auch an dem medialen und lateralen Ende der Zahnleiste entstehen. Eine scharfe Scheidung in mehrere Dentitionen ist nicht vorhanden; die peu entstehenden Zahne reihen sich zwischen die vorhandenen Zihne ein. Aehnlich ver- halt es sich bei den Reptilien, bei welchen ebenfalls eine Trennung in zwei oder mehrere Dentitionen nicht méglich ist. Wahrschein- lich ist eine deutliche Scheidung der beiden Dentitionen erst innerhalb des Saiugetierstammes allmahlich entstanden. Eine bemerkenswerte Aehnlichkeit mit den Verhiltnissen bei den Saugetieren zeigt die Entwickelung der Leiste und das Auf- treten der Zaihne beim Frosch auch insofern, als die Zahnleiste von der Stelle ihrer ersten Anlage sowohl medianwirts als auch lateralwarts weiterwichst und das laterale Wachstum spiter ein- setzt, so da8 beim Frosch nach der Bildung der ersten Zihne die Zahnieiste in kaudaler Richtung sich weiter entwickelt und _ hier noch viele neue Zahne entstehen; in ahnlicher Weise bilden sich an der Zahnleiste beim Menschen und manchen hoheren Séuge- tieren nach der Anlage des Milchgebisses nicht allein die Ersatz- zabne der Milchzahne, sondern lateralwarts noch neue Zahnanlagen, aus welchen die weiter hinten gelegenen Backzahne entstehen. Die Zahnleiste der Kriéte. Bei der Kréte, welche keine Zahne hat, aber, wie wir gesehen haben, von zahntragenden Formen abstammt, fand ich durch den Vergleich mit den gleichalterigen Stadien vom Frosch an der Stelle, welches folgende Zahlen zeigte: Im Milchgebif 32 Ziahne, d. h. jederseits in jedem Kiefer 3 Schneidezihne, 1 Eckzahn und 4 Priamo- laren, im bleibenden Gebif 44 Ziahne, d. h. jederseits in jedem Kiefer die Ersatzzihne der obengenannten Ziéhne und dazu noch 3 Molaren. — Aeltere Saugetiere besafen eine noch gréfere Zahl von Ziihnen. Manche triassische und jurassische Saugetiere hatten 64—80 Zahne. Aber auch diese Zahlen bleiben hinter den Zahn- zahlen vieler Amphibien und Reptilien noch weit zuriick. 540 Reinhard Oeder, welche der Zahnleiste des Frosches entspricht, eine leistenartige Verdickung des Epithels vor, die ich infolge ihrer Lage, ihrer Gestalt und Ausdehnung als Rest der Zahnleiste ansprechen méchte. Die theoretische Vermutung, von welcher oben die Rede war (p. 527), fand also ihre empirische Bestatigung. Wir hatten bei Rana gefunden, daf die Zahnleiste bereits vor der Beendigung der Metamorphose auftritt und zu derselben Zeit auch die ersten Zahne sich anlegen. In den ersten Stadien trat uns die Zahnleiste des Frosches als eine durch eine geringe Anzahl von Schnitten verfolgbare Epithelverdickung entgegen, die bei Tieren mit spairlichem Zellmaterial oft bis zum Verschwinden klein war. Sie begann in diesen Stadien ein Stiick vor den Choanen und endigte ein wenig von der Medianebene entfernt. Bei den mit reichlichem Zellmaterial ausgeriisteten Tieren stellte sich die Zahn- leiste in ihrem vorderen Teile als eine ziemlich bedeutende, gleich- mifig dicke Epitheleinsenkung dar (Textfig. 7), die an ihrem hinteren Ende, wo in der ersten Zeit keine Zahnanlagen zu finden sind, geringer ist und als eine mehr abgeflachte Erhebung er- scheint (Textfig. 8). Im Gegensatz zu dem durch geringes Zell- material ausgezeichneten Tieren fanden wir bei dem eben erwahnten Exemplare eine deutliche Zahnfurche (Textfig. 7). Mehrfach wurde gezeigt, dal bei demselben Frosch die Entwickelung der Zahne und der Zahnleiste auf den beiden Seiten nicht gleichmakig fort- geschritten war, was sich in der Zahl der Zaihne und der Aus- dehnung der Leiste kund gab. In der Mehrzahl der Fille war die rechte Halfte weiter entwickelt. Dieselben Erscheinungen konnte ich bei der Kréte beobachten. Ich fand nicht bei allen Tieren die Reste der Zahnleiste, was durch die Beobachtungen beim Frosch sich erklaren lafbt. Was sich als Zahnleiste in der Ontogenie der Kréte voriibergehend noch findet, ist nur jene erste Epithelverdickung, die ein Stiick vor der Choane beginnt und nach vorn zu eine Strecke weit sich verfolgen Jabt, ohne die Mitte zu erreichen. Oft ist diese Erhebung nur auf wenigen Schnitten zu sehen, und zwar stets dann an jener Stelle, wo, wie ich schon beim Frosch anfiihrte, die Zahnleiste zuerst sich anlegt: naimlich ein Stiick vor der Choane. Wie beim Frosch finde ich diese Epithelverdickung, die der Leiste des Frosches entspricht, schon bei Krétenlarven, deren eines Vorderbein durchgebrochen ist; — es ist bei der Kréte das rechte Bein, wahrend beim Frosch das linke zuerst durchbricht. Die Larven besafen noch die Horn- kiefer, deren AbstoBung aber nahe bevorstand. Diese Stadien sind Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 541 jedoch wenig geeignet, sicheren Aufschluf tiber das Vorhandensein der Leiste zu geben, da diese rudimentare Zellerhebung sich an dem in Umwandlung begriffenen Larvenmund bei der Masse des Zellmaterials nur schwer erkennen lift. Besser zeigen sich die Reste der Zahnleiste in den letzten Stadien der Metamorphose, wo die Larvenorgane verschwunden sind und die Umbildung des Kopfes ziemlich beendet ist. Auf dieser Stufe der Entwickelung habe ich bei Kréten mit 4 Beinen, die den Schwanz noch in ganzer Linge besaBen oder die Metamorphose bis auf einen kurzen Schwanzstumpf beendet hatten, die Zahnleiste an den vermuteten Stellen deutlich finden kénnen. Kine Krétenlarve, welche die Hornkiefer verloren und die eben angegebene Stufe der Entwickelung erreicht hat, zeigt uns alle Merkmale, die wir bei der Entwickelung der Zahnleiste bei Rana gefunden hatten. Wie schon gesagt, kann es sich bei dem -rudimentiren Charakter der Leiste auch in diesem Stadium nur um die primaire Epithelverdickung handeln, also jene Erhebung, die vor der Choane beginnt und sich durch eine geringe Zahl von Schnitten apikalwarts hinzieht. Wie bei Rana ist die Entwickelung und Ausdehnung der Leiste in den beiden Kieferhalften verschieden groB. Bei einem Exemplar dieses Alters war die Leiste auf der linken Seite gré8er als auf der rechten; die Zahl der Schnitte, welche die Leiste zeigten, betrug in der linken Kieferhalfte 26, in der rechten 17. Die Schnitte hatten eine Dicke von 10 uw. (Ich habe von diesem Stadium nur Sagittalschnitte verwenden kénnen, da diese Schnittrichtung bei dem etwas breiten Kopfe in den vorderen Teilen wahre Querschnitte des Kiefers liefert.) Auf einer solchen Schnittserie enthalten die Schnitte, welche die auferen Nasenlicher treffen, die Stelle, welche am wahrscheinlichsten die rudimentire Leiste zeigt. Hier beginnt die Epithelverdickung all- mahlich und nimmt auf den ersten Schnittbildern bald die Gestalt an, wie sie Fig. 16 auf Taf. XXV zeigt. Vergleicht man ein solches Bild mit dem eines Frosches in demselben Alter (Taf. XXV, Fig. 17), so fallt die grofe Uebereinstimmung auf, die sich nicht nur in der Lage zum Knochen, sondern auch in der Gestalt der Epithel- einsenkung dokumentiert. Wir finden auf der Mehrzahl der Schnitte eine abgeflachte Einsenkung (Textfig. 12), die ,véllig dem Bild ent- spricht, welches uns die Zahnleiste einer mit reichlichen Zell- material versehenen Froschlarve an ihrem kaudalen Ende gibt (Textfig. 8). Im apikalen Teil der Epitheleinsenkung finden sich Schnittbilder, welche die Leiste ein wenig zugespitzt zeigen 542 Reinhard Oeder, Fig. 13. Zf Fig. 12 u. 13. Bufo vulgaris. Larve mit Vorder- und Hinterbeinen und Lr Schwanz. Hornkiefer abgeworfen (dasselbe Stadium wie Taf. XXV, ig. 16). Fig. 12, Sagittalschnitt, zeigt die deutlich abgeflachte Zahnleiste der Krite, auf einem mehr median gelegenen Schnitte als Tafelfig. 16 (zum Vergleich dient Textfig. 8 von Rana). 260: 1. Fig. 13. Sagittalschnitt. Zahnleiste der Kréte, am vorderen Ende ge- troften, 1s ee a mit deutlicher Zahnfurche (Z/) (vergl. Textfig. 14 von Rana). 260: 1. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 543 (Textfig. 13), so dafi sie fast den Bildern jener Teile der tatigen Zahnleiste beim Frosch entsprechen, die zwischen den Zahnanlagen auf den Schnittserien zu sehen sind (Textfig. 14). Die Zellen der Epithelerhebung unterscheiden sich kaum durch ihre Gestalt von der angrenzenden untersten Schicht der Epithelzellen; manchmal glaubte ich, wie es Textfig. 12 wiedergibt, eine gewisse, parallele Anordnung der Kerne wahrzunehmen, d. h. diese Zellenlage war einem Cylinderepithel ahnlich. Das Bindegewebe, das die Fahigkeit verloren hat, eine Papille hervorzubringen, zeigt unter der Epithel- verdickung keine deutliche Zellenvermehrung, jedoch lief sich an 3. . O.m ae” \ Fig- 14. Rana fusca. Larve mit Vorder- und Hinterbeinen und langem Schwanz; Hornkiefer abgeworfen (dasselbe Stadium wie Taf. XXV, Fig. 17). Sagittalschnitt, stellt die Zahnleiste zwischen 2 Zahnanlagen dar (zum Ver- gleich mit Textfig. 13). 260: 1. der Richtung der etwas lainglichen Kerne und Zellen eine Strich- richtung vom Knochen gegen diese Partie der Schleimhaut be- obachten, wie sie auch an der Zahnleiste des Frosches sich findet. Vor der Leiste in der Richtung nach dem vorderen Ende des Kieferknochens ist noch eine andere, unregelmafige Verdickung der Schleimhaut zu bemerken, die hier ebenfalls eine seichte Kin- buchtung besitzt (Textfig. 12). Diese Stelle entspricht einer ahnlich aussehenden Stelle beim Frosch; es ist der Ort, wo, wie O. HertTwiG beobachtete, der Froschzahn bei seinem Wachstum mit seiner Epithelhiille mit der Schleimhaut in Verbindung tritt und spater durchbricht (Taf. XXV, Fig. 16 u. 17%). : Bei einer Kréte, die bis auf einen kurzen Stumpf des Schwanzes die Gestalt des erwachsenen Tieres angenommen hat, konnte ich ebenfalls auf einer Sagittalschnittserie, auf Schnitten, welche die 544 Reinhard Oeder, auBere Nasenétfnung zeigten, zum letzten Male die geringe Erhebung, die ich als Reste der Zahnleiste der Kréte deute, durch wenige Schnitte verfolgen (Taf. XXV, Fig. 11). Auf den Schnittserien von nur wenig alteren Stadien ist von dieser Epithelverdickung nichts mehr wahrzunehmen. Das Epithel zeigt, wie es Fig. 15 auf Taf. XXV von einer ganz jungen fertigen Krote lehrt, einen gleichmafigen Verlauf tiber den Knochen, der sehr nahe unter der Schleimhaut liegt. Im Unterkiefer war eine Zahnleiste nicht zu finden. Es ist dies begreiflich, da die Zahne des Unterkiefers bei den Batrachiern seit viel langerer Zeit verschwunden sind als die Oberkieferzahne. Der Unterkiefer ist ja bei nahezu allen Anuren unbezahnt (vergl. p.. 525). Die Auffindung der Zahnleiste im Oberkiefer der Kréte bildet einen neuen Beweis fiir die Richtigkeit des biogenetischen Grund- gesetzes. Herrn Prof. H. E. ZreGuer bin ich fiir die Anregung zu diesen Untersuchungen, sowie fiir das stete Interesse an meiner Arbeit zu warmstem Dank verpflichtet. Jena, Zoologisches Institut, September 1905. Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 545 Literatur tiber die Glandula intermaxillaris und die Rachendriise. 1) Born, G., Ueber die Nasenhéhle und den Thranennasengang der Amphibien. Morph. Jahrbuch, Bd. II, 1876. 2) Ecker u. Wieprersneimm, Die Anatomie des Frosches. 3. Aufl, bearb. von E. Gaupr, Braunschweig 1896—1902. 3) Gaupp, E., Anatomische Untersuchungen iiber die Nerven- versorgung der Mund- und Nasenhdhlendriisen der Wirbeltiere. Morph. Jahrb., Bd, XIV, 1888. 4) Hinssere, V., Die Entwickelung der Nasenhéhle der Amphibien. Teil 1 u. IJ. Anuren und Urodelen. Archiv f. mikroskop. Anatomie u. Entwickelungsgeschichte, Bd. LVIII, 1901. 5) Leypie, F., Anatomisch-histologische Untersuchungen iiber Fische und Reptilien, Berlin 1853. 6) Reicuer, P., Beitrag zur Morphologie der Mundhohlendriisen der Wirbeltiere. Morph. Jahrb., Bd. VIII, 1883. 7) Scuvuuzz, F. E., Die Geschmacksorgane der Froschlarven. Arch. f. mikroskop. Anatomie, Bd. VI, 1876. 8) — Ueber die inneren Kiemen der Batrachierlarven. I. Mit- teilung. Ueber das Epithel der Lippen, der Mund-, Rachen- und Kiemenhéhle erwachsener Larven von Pelobates fuscus. Abhandlungen der K. Preuf. Akad. d. Wissensch. zu Berlin, 1888. II. Mitteilung. Skelett, Muskulatur, Blutgefife, Filter- apparat, respiratorische Anhinge und Atmungsbewegungen er- wachsener Larven von Pelobates fuscus. Ebenda 1892. 9) WieversHeim, R., Die Kopfdriisen der geschwinzten Amphibien und die Glandula intermaxillaris der Anuren. Zeitschr. f. wiss. Zool.. Bd. XX VII, 1876. Literatur itiber die Zahnleiste der Amphibien. 1) Hetnecke, Untersuchungen iiber die Zahne niederer Wirbeltiere. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXIII, 1873. 2) Hertwie, O., Ueber das Zahnsystem der Amphibien und seine Bedeutung fiir die Genese des Skeletts der Mundhohle. Arch. f. mikrosk. Anatomie, Bd. XI, Suppl.-H., 1874. 3) Lizgert, J., Die Metamorphose des Froschmundes. Inaug.- Dissert. Leipzig, 1894. 4) Ronss, C., Ueber die Zahnleiste und die Hischwiele der Sauro- psiden. Amat. Anz., 7. Jahrg., 1892. 5) — Beitriige zur Zahnentwickelung der Schwanzmolche. Morph. Arbeiten, Bd. IV, 1895. 6) Srrena, S., Ueber den Bau und die Entwickelung der Ziihne bei den Amphibien und Reptilien. Verh. d. phys.-med. Gesell- schaft zu Wiirzburg, 1871. 546 Reinhard Oeder, Tafelerklirung. Erklairung der fir die Tafeln giiltigen Bezeichnungen. A Auge _ Nz Nebenzotte nach F. E. Scuunzs Ch Choane | Ok Oberkiefer Dv Divertikel Ppes Mundhohle O.m, Os maxillare Gh Gehirn Rd Rachendriise Gli Glandula intermaxillaris R.x.trig Ramus nasalis N. trig. K Kiemen |S Choanensegel Kn Knorpel Uk Unterkiefer Mh Mundhiohle Ul Unterlippe NV auf8ere Nasenéffnung Vo Vomer Nd untere Nasendriise Zf Zabnfurche Nh Nasenhohle Zg Zuange Ns knorpelige Nasenscheidewand | Zi Zahnleiste Tafel REV. Fig. 1—6. Bufo vulgaris. Larve mit gut entwickelten Hinter- beinen, die Vorderbeine sind noch nicht durchgebrochen. Sagittal- schnittserie. Die Schnitte folgen einander in seitlicher Richtung. Zeif, Obj. A, Komp.-Okul. 4. 67:1 Fig. 1. Schnitt in der Medianebene. Unter der knorpeligen Nasenscheidewand findet sich die Schleimhautquerfalte *, hinter welcher sich auf den seitlichen Schnitten die Intermaxillardriise anlegt (vergl. Fig. 7 von Rana). Fig. 2. Schnitt dicht neben der Medianebene mit dem R. nasalis N. trig., welcher neben der Nasenscheidewand herabsteigt und die Intermaxillardriise sowie die Schnauzenspitze versorgt. Unter der Nasenscheidewand die ersten Follikel und ein Teil des medialen Ausfiihrungsganges. Fig. 3. Schnitt dicht vor der Choane mit dem lateralen Driisen- lappen (Gli), welcher sich iiber der tiefsten Stelle der Einsenkung betindet. Fig. 4. Schnitt durch den medialen Teil der Choane. Vor der Choane unter dem Knorpel die Follikel des lateralen Driisen- lappens. Hinter dem Nasenepithel das Segel (S), welches die Choane nach hinten abgrenzt. In der Schleimhaut hinter dem Segel die Anlage des medialen Teiles der Rachendriise (Rd). Bei Nz quer- getroffene Schleimhautfalte (Nebenzotte F. E. Scuutze). Die Schleim- hautpartie zwischen dem Segel und dieser Falte riickt auf dem nichsten Schnitt in die Nase hinein. — Die Entstehung der Munddriisen u. der Zahnleiste der Anuren. 547 Fig. 5. Schnitt durch die aufere und innere Nasenéffnung. Rachendriischenanlage (Rd) unter dem Segel (S) befindet sich in der Mitte der hinteren Wand der Nasenhihle, welche von der Schleimhautpartie zwischen Segel (S) und Schleimhautfalte (*) ge- bildet wird. Fig. 6. Schnitt seitlich der Choane durch den lateralen Teil der Nase. Das Segel hat sich mit der Wand der Nasenhdhle ver- bunden; hinter demselben die Anlage eines Rachendriischens. * angeschnittenes Munddivertikel. Fig. 7. Rana fusca. Larve mit gut entwickelten Hinterbeinen, noch ohne Vorderbeine. Sagittalschnitt durch die Medianebene. Unter der Nasenscheidewand (Ns) die Gaumenquerfalte *, hinter welcher sich die Anlage der Intermaxillardriise befindet (vergl. Bufo, Fig. 1). Zei’, Obj. A, Komp.-Ok. 4. 67:1. Fig. 8. Rana fusca. Larve mit gut entwickelten Hinterbeinen, noch ohne Vorderbeine. Sagittalschnitt durch die Choane zeigt hinter dem Segel (S) die Anlage eines Rachendriischens (Rd), welches seinen Ursprung beim Frosch von der queren, leistenartigen Verdickung * nimmt. Zeif, Obj. A, Komp.-Ok. 4. 90:1. Fig. 9. Rana fusca. Junges, ausgebildetes Tier. Sagittal- schnitt durch den medialen Teil der Rachendriise. Vor dem Vomer (Vo) ein kurzer flimmernder Ausfihrungsgang * dieser Driise. Zeil, Obj. D, Komp.-Ok. 4. 347: 1. Nate (Xs XW Fig. 10. Bufo vulgaris. Larve in Metamorphose, rechtes Vorder- bein durchgebrochen. Sagittalschnitt des Kopfes durch die Aufere (N) und innere Nasenéffnung (Ch). Die Schleimhautpartie zwischen Segel (S) und Querfalte (Nebenzotte F. E. Scuurze) [NZ] ist teil- weise der Mundhéhle zugekehrt. * Reste des Larvenmundes. Zeil, Obj. A, Okul. 2. 87:1. Fig. 11—138. Bufo vulgaris. Kréte, welche bis auf den kurzen Schwanzstumpf die Metamorphose beendet hat. Sagittalschnittserie. Fig. 11, 12, 13 folgen einander in seitlicher Richtung und zeigen die Verschiebung an der Choane, wo der Rest des Segels (S) stets am unteren, hinteren Rande der Choane liegt. Mundhéhle mit Flimmerung. Zeif, Obj. A, Okul. 2. 87:1. Fig. 11. Schnitt durch die duSere und innere Nasendffnung. Die Schleimhautpartie hinter dem Rest des Segels (S) nimmt in ihrer ganzen Ausdehnung an der Begrenzung der Mundhohle teil. Nebenzotte F. EK. Scuunze ist bereits verschwunden. Rachendriise miindet in die Mundhohle. Der Schnitt zeigt unter dem Os maxillare (O.m) den letzten Rest der Zahnleiste (Z}), welche auf Sagit- talschnitten am sichersten auf Schnitten, welche die aufere Nasen- éffnung treffen, zu sehen ist. Fig. 12. Schnitt seitlich von Fig. 11 liegend. Rachendriise (Rd) miindet in die Mundhéhle, vor der Driise der Rest des Segels (8). Ba. XLI, N. F. XXXIV. 36 548 R. Oeder, Munddriisen u. Zahnleiste der Anuren. Fig. 13. Schnitt seitlich von Fig. 12 liegend, am lateralen Rande der Choane. Vor dem Rest des Segels (§) die Follikel und Miindung der unteren Nasendriise, hinter dem Segel ein Follikel eines Rachen- driischens. Fig. 14. Bufo vulgaris, junge Larve, noch ohne Extremitaten und Hornkiefer, mit Saugnapf und Resten der auferen Kiemen. Sagittalschnitt durch die Choanengegend. Das Nasenepithel hat die Mundhéhle erreicht. Entstehung der Choane und des Segels (S). Hinter der Durchbruchstelle des Nasenepithels nach der Mund- héhle (Ch) zeigt die Mundschleimhaut eine Einbuchtung, deren vorderer Teil zum Segel (S) wird, welches die Choane nach der Mundhohle hin abschlieft. Zeif, Obj. A, Okul. 4. 90:1. Fig. 15. Bufo vulgaris, junges fertiges Tier. Sagittalschnitt medianwirts der Choane durch die Miindung der Intermaxillardriise mit dem flimmernden Hauptausfiihrungsgang des mittleren Driisen- lappens. Die Mundschleimhaut besitzt Flimmerepithel bis *. Obj. (Leitz) 3, Komp.-Okul. 4 (Zeif). Fig. 16. Bufo vulgaris, Larve mit Vorder- und Hinterbeinen und langem Schwanz. Hornkiefer abgeworfen. Choanensegel (S) noch vollstindig erhalten. Sagittalschnitt des Kopfes durch die mediale Wand der Choane. Unter dem Os maxillare (O.m) die Zahnleiste, nach der Schnauzenspitze hin unter dem vorderen Ende des Knochens eine zweite unregelmiisige Erhebung * (vergl. Fig. 17 von Rana). Zeif, Obj. A, Okul. 2. 87:1. Fig. 17. Rana fusca, Larve mit Vorder- und Hinterbeinen mit langem Schwanz. Hornkiefer abgeworfen. Choanensegel vollstandig verschwunden. Sagittalschnitt des Kopfes durch die mediale Choanen- wand, Unter dem Os maxillare (O.m) ist die Zahnleiste (Zl) quer- getroffen; mach der Schnauzenspitze hin bemerkt man unter dem Knochen eine geringe Einbuchtung der Schleimhaut *: es ist die Stelle, wo die Zahne zum Durchbruch kommen. (Das Schnittbild dient zum Vergleich mit Fig. 16 von der Krite.) Zeif, Obj. A, Okul. 4. 90:1. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. (Zweite Folge einer Reihe von Untersuchungen iiber die vergleichende Anatomie der Gelenke.) Von Dr. Wilhelm Lubosch, Privatdozenten und Assistenten am anatomischen Institut der Uni- versitat Jena. Hierzu Tafel XXVI—XXIX und 5 Figuren im Text. Es geschieht aus ganz bestimmtem Anlafi, dafi ich von der Darstellung des Kiefergelenkes der Saugetiere die vorliegende Abhandlung als besonderen Teil veréffentliche. Dieser Anlafi ist das grofe Interesse, das die Frage gegenwartig wieder erweckt, ob das Kiefergelenk der Saéugetiere ein Neuerwerb oder ein Homo- logon des Kiefergelenkes der tibrigen Gnathostomen sei. In dieser Frage irgend eine auf selbstandigen Untersuchungen beruhende Ansicht zu aufern, kann nicht Aufgabe dieser Abhandlung sein; denn wer hierin etwas Neues sagen oder sich, unter Widerlegung aller Gegner, einer alteren Anschauung anschlieBen will, der muf tiber Erfahrungen verfiigen, wie sie der vorliegenden Abhandlung noch nicht zu Grunde liegen. Der Erwerb solcher Erfahrungen st allerdings mein Ziel; und daf eine Lésung des erwahnten, ischweren Problems durch methodische Untersuchungen auf einem bisher nicht betretenen Wege méglich ist, das glaube ich meinen Arbeiten tiber das Kiefergelenk der Saugetiere schon jetzt ent- nehmen zu kénnen. Noch vom Ziele entfernt, habe ich dennoch bereits jetzt gesehen, da8 sich hier auf Schritt und Tritt neue Verhaltnisse offenbaren, deren morphologische Wirdigung nicht ganz bedeutungslos sein diirfte. Das Kiefergelenk der Monotremen, dessen Kenntnis natiirlich yollig unerlaBlich fiir meine weiteren Arbeiten war, ist nun noch niemals Gegenstand einer anatomischen Darstellung gewesen; und gerade dieses Gelenk wird eine grofe Rolle bei der Vergleichung der Kiefergelenke spielen miissen. Mag man annehmen, daf in 36* 550 Wilhelm Lubosch, dem Gelenke der Sdugetiere das Quadratoartikulargelenk der Sauropsiden wiederkehre, oder mag man in ihm eine neue Gliederung am Kieferbogen erkennen: in jedem Falle wird es lehrreich sein zu wissen, wie das Gelenk derjenigen Saugetiere gebaut ist, die der Wurzel des Saugetierstammes am niachsten stehen. Diese Kenntnisse zu vermitteln ist der Zweck meiner Abhandlung. Jede anatomische Erfahrung, die zu mehr dienen will als zu Registrierarbeit, bedarf einer Beurteilung des gesetzmaBigen Zusammenhanges, in dem sie mit anderen Erfahrungen steht. Eine wissenschaftliche Beschreibung des Kiefergelenkes der Monotremen hat daher aufer einer Systematischen Darstellung (Teil I) auch eine Vergleichende Darstellung (Teil II) zu liefern, deren vornehmster Zweck es ist, die genetischen Beziehungen zwischen dem Gelenk von Echidna und dem von Ornithorhynchus festzustellen. Dazu bedarf es natiirlich irgend einer Voraussetzung, und eine Entscheidung in der Homologiefrage auf Grund der vorhandenen Forschungen ist nicht zu umgehen. Je nach dem Standpunkt, den wir in dieser Frage einnehmen, wird sich auch die Ver- gleichung der beiden Monotremenfamilien verschieden gestalten konnen. Ueberblicke ich nun die Ergebnisse der neuesten Forschung, so sehe ich zunaichst keinen Anlaf, in der alten RetcHerTschen Auffassung wankend zu werden, wonach das Kiefergelenk der Saugetiere als Neubildung dem Quadratoartikulargelenk der Sauropsiden gegentibersteht. Es sind namentlich die Darstellungen von FURBRINGER (04) und Gaupp (05b), die mich hierin durchaus bestirken, trotz der von Drtner (04) und Fucus (05) vertretenen entgegengesetzten Anschauung. Denn die auch von diesen Autoren dargestellte kontinuierliche knorplige Ver- bindung zwischen Hammer und Mrecketschem Knorpel beherrscht so sehr die ganze Sachlage, daS wir, ehe nicht ein vergleichend- anatomisch befriedigender, anderweitiger Grund fiir diesen Zu- sammenhang gefunden ist, noch immer im Hammer das Articulare und im Ambof das Quadratum der Sauropsiden zu _ erblicken haben 4). Ob in dem feineren Bau des Kiefergelenkes zwischen Sauro- psiden und Siugetieren feinere histologische Unterschiede bestehen, ist bis jetzt nicht bekannt; eine tiefe Kluft besteht jedenfalls unserer Anschauung nach zwischen beiden. Aber auch zwischen den Monotremen und den héheren Siugetieren besteht eine merkwiirdig Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 551 Unterscheidung, weil ein wesentlicher Bestandteil des Gelenkes den Monotremen noch fehlt, naimlich der Meniscus articularis, und so erfordert das Kiefergelenk der Monotremen eine doppelte Be- urteilung: als Gegensatz gegen das Gelenk der Sauropsiden und — moglicherweise — als Ausgangspunkt weiterer Differenzierungen bei héheren Saugetieren. In Anbetracht dieser grofen morpho- logischen Bedeutung habe ich meine Untersuchungen auf jede, auch die geringste Einzelheit im Bau der Gelenke zu richten gehabt und die Darstellung und Gruppierung der Ergebnisse hat mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich anfainglich dachte. Wir werden im ersten Abschnitt fiir jede Familie der Monotremen gesondert kennen lernen: die Lage und die Form der knéchernen Teile des Gelenkes, die Gelenkkapsel und ihr Verstaérkungsband, den Gelenk- spalt und seine Ausdehnung, die bewegende Muskulatur und den feineren Bau der Gelenkflichen. Leider war mein Material erstens gering, zweitens histologisch, wie es in der Natur der Sache lag, nicht so, wie es gut fixiertes und sorgsam gefarbtes Material zu sein pflegt. Wer in die Lage kame, an solchem Material von Monotremen zu arbeiten, wird vielleicht manches im histologischen Bau besser beurteilen kinnen. — In einem zweiten Abschnitt werde ich, in oben angedeuteter Weise, die Vergleichung der Befunde unternehmen auf Grund der alten von mir fiir richtig anerkannten Reicuertschen Lehre. Hier will ich einleitend nur noch in Kiirze eines Umstandes gedenken. Beide Familien der Monotremen zeigen im Bau ihres Kiefergelenkes eine Reihe von Abweichungen und eine Reihe von Uebereinstimmungen. Die Abweichungen bestehen, wie wir sehen werden, in der GréSe und in der Lage des Ge- lenkes; dem gegeniiber bestehen ihre Aehnlichkeiten in gewissen Erscheinungen des feineren Baues der Gelenkflaichen und vor allem im Mangel des Meniscus. Solchen Erscheinungen gegeniiber ist es nicht méglich, von Konvergenz oder von Zufall zu reden; wir werden gerade in der Uebereinstimmung des feineren Baues neben anderen Eigentiimlichkeiten des Kérperbaues, z. B. dem Besitz der Schenkeldriisen, ein wichtiges stammesgeschichtliches Zeugnis fiir die verwandtschaftliche Zusammengehorigkeit von Echidna und Ornithorhynchus erblicken kénnen. Als Material fir meine Untersuchungen lagen mir vor: 2 trockene Sammlungsschadel von Echidna aus dem hiesigen In- stitut, ferner aus dem zoologischen Institut zu Berlin die Schadel von Echidna aculeata (SHaw) Queensland Nr. 2856, Echidna acu- leata Nr. 2857 und Echidna aculeata ¢ 1354; 1 feuchter Schadel 552 Wilhelm Lubosch, mit Muskeln aus dem hiesigen Institut, sowie 3 in Spiritus kon- servierte Exemplare von Echidna aus dem anatomischen Institut zu Heidelberg. — Von Ornithorhynchus 2 trockene Sammlungs- schadel aus dem hiesigen Institut und 2 Sammlungsschadel des zoologischen Instituts zu Berlin. Ferner 1 Spiritusexemplar des hiesigen und 2 des Heidelberger anatomischen Institutes. Den Herren Geh.-Rat Prof. Dr. FUrprincer in Heidelberg und Fr. E. SCHULZE in Berlin danke ich fiir die Erlaubnis zur Benutzung des ihnen gehérigen Materiales. I. Systematische Darstellung. 1. Echidna. Die knéchernen Grenzen der Kiefergelenkpfanne werden vom Os squamosum gebildet. Sie sind in Fig. 1 dargestellt. Wenn- gleich wir in den Abbildungen von JOHANNES WAGNER (58) und von VaN BEMMELEN (01) sehr schéne Darstellungen der Craniologie von Echidna besitzen, habe ich es dennoch fiir nétig erachtet, die Gelenkverhaltnisse durch neue Abbildungen zu illustrieren und zwar vor allem deswegen, weil eine Abbildung des Unterkiefers dort nicht gegeben ist, sich tiberhaupt aufer bei p’Auron nicht findet?). Der Schidel von Echidna ist in Fig. 1 von unten her und leicht um die Liingsachse gedreht dargestellt. Man sieht auf der linken Seite die Schuppe des Schlafenbeins von auben her. Man sieht die beiden Flichen dieses Knochens, die im rechten Winkel zueinander stehen und zwar die aufere und untere Flache. Jene grenzt nach hinten an das Felsenbein, wahrend sie nach vorn in die hohe, schmale Lamelle des Jochfortsatzes ausliuft. In scharfem Winkel stéft an diese seitliche Flache die untere, die nun die Ge- lenkflache trigt. Wir haben hier zunachst unsere Aufmerksamkeit auf ihre Grenzen zu richten, weil diese Grenzen uns zugleich auch die Nachbarschaft der Gelenkflache itibersehen lassen. Die untere Flache des Squamosum hat, wie auf Fig. 1, Taf. XXVI rechts zu sehen, etwa die Form eines gleichschenkligen Dreiecks. Die Spitze dieses Dreiecks liegt an der Stelle, wo das Squamosum mit dem als Mastoid bezeichneten Knochen sich vereinigt. Hier liegt zugleich auch die Vereinigungsstelle der seitlichen und der unteren Flaiche des Squamosum. Diese Vereinigungsstelle bildet einen starken, yon innen ausgehéhliten Wulst, der sich tiber das Mastoid Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 553 hintiberschiebt. Dicht nach einwarts davon findet sich das Foramen stylo-mastoideum. Die beiden anderen Ecken des gleichschenk- ligen Dreiecks liefern keine so scharfe Abgrenzung. Die seitliche Ecke liegt dort, wo die untere Flache des Squamosum auf den Jochfortsatz tritt, um dessen innere Flache zu bilden; die mediale Ecke dagegen stot an die Vereinigungsstelle von Petrosum und Alisphenoid. Von den drei Seiten des Dreiecks finden wir die laterale als jene oben erwihnte Kante zwischen unterer und duBerer Flache des Squamosum vor. Sie setzt sich scharf auf den Joch- fortsatz fort. Auch die Basis des Dreiecks ist ein scharfer Rand, der sich nach aufen wendet und an der inneren Seite des Joch- fortsatzes verstreicht. Alle diese Details sind auf der rechten Seite der Fig. 1 zu erkennen. Die innere Kante des Dreiecks nun grenzt gegen eine breite Spalte. Sie ist leicht schaufelformig gekriimmt und lat somit die Unterfliiche des Squamosum rinnen- férmig erscheinen. Der Spalt, die GLAsERsche Spalte, fiihrt in die ‘Fossa tympanica hinein*). Die mediale Begrenzung dieses Spaltes bildet der Annulus tympanicus nebst dem mit ihm durch Naht ver- einigten langen Hammerfortsatz, sowie weiter nach vorn die aufere wulstige Kante des Pterygoid. Die gesamte Unterfliiche, auf der sich der Unterkieferkopf be- wegt, besitzt also die Form einer Rinne, die vorn breit, hinten gegen den Processus mastoides zu spitz ist und deren seitliche Rander erhaben sind. Eine Reihe wichtiger Foramina und Fissuren liegen dieser Fliche benachbart. Zwischen ihr und dem Petrosum zieht sich der Temporalkanal hindurch. Hinten 6ffnet sich das Foramen stylo-mastoideum. Die GLAsmrsche Spalte fiihrt medial von der Gelenkflache in die Paukengrube und insbesondere ist es der Re- cessus epitympanicus, den der hintere Teil des Squamosum tiber- lagert. Vorn und medial tritt das Foramen ovale*) in die Er- scheinung. Nicht die gesamte derart topographisch charakterisierte Flache darf als Gelenkflache beschrieben werden. Die Stelle, gegen die der Unterkieferkopf gleitet, liegt, wenn wir uns die Hohe dieses gleichschenkligen Dreiecks in fiinf gleiche Teile geteilt denken, etwa nur im zweiten und dritten Fiinftel der gesamten Flache. Sowohl nach vorn liegt ein Stiick zwischen ihr und der vorderen Kante als auch hinten zwischen ihr und dem Mastoid. Auch die Gelenkflache im engeren Sinne ahmt die Gestalt der gesamten unteren Flache nach, indem auch sie annahernd die Umrisse eines spharischen Dreiecks zeigt. Der Unterkiefer nun, der sich gegen diese Flaiche bewegt, 554 Wilhelm Lubosch, zeigt einen Condylus, der sich, wie bei den embryonalen und kind- lichen Unterkiefern héherer Saugetiere und des Menschen, nur ganz unbedeutend tiber die Kauflaiche erhebt. Der Kieferwinkel, der dennoch ziemlich deutlich ist, kommt weniger durch ver- anderte Richtung des ,,aufsteigenden Astes“ zu stande, als vielmehr durch einen starken, leicht einwarts gewandten Vorsprung, der fiir Muskelansatze bestimmt ist. Verfolgen wir von hier aus den Unterkiefer nach vorn zum Schnabel hin, so haben wir an ihm eine untere und eine obere Flache zu unterscheiden, die sich aber durch eigentiimliche Drehung des Unterkiefers weiter vorn als die aufere und innere Flache darstellen®). Ungefaihr so- weit wie der Gelenkkopf vom Kieferwinkel nach hinten, liegt nach vorn der Processus coronoides, der durch eine leichte Furche vom Kérper des Unterkiefers abgesetzt erscheint. Der auf- steigende Ast ist schlank, etwas eingezogen und tragt den Gelenk- kopf. Dieser Gelenkkopf erscheint nur als eine Art scheiben- formige Verbreiterung des Kieferastes, die von oben betrachtet fast vollig dieselbe Form eines spharischen Dreiecks zeigt, wie sie die Anlenkungsflache des Squamosum besitzt; nur mangelt dem Unter- kieferkopf die hinterste Spitze, so da’, wenn beide aufeinander- gepaBt liegen, der Unterkiefer nicht den ganzen, ihm vom Squamo- sum gebotenen Raum ausfiillt, es somit erkennen abt, dal ihm fiir horizontal von vorn nach hinten erfolgende Verschiebungen Raum zu Gebote steht. Am nicht macerierten Praparat besitzt die Gelenkfliche eine glatte, glinzende Oberfliche; sie begrenzt unmittelbar den Gelenk- spalt und keine irgendwie sichtbare Spur eines Meniscus ist zu erkennen. Allerdings kommen in diesem Gelenk, noch mehr bei dem von Ornithorhynchus, seitlich vorspringende Synovialfalten vor, indes kénnen diese weder ihrem Bau noch ihrer Anordnung nach mit dem fraglichen Gebilde verglichen werden. Eine sehr weite und lockere Kapsel schlieSt die Gelenkstiicke aneinander. Auf Fig. 3 (Taf. XX VI) erblicken wir in den Schadel der Fig. 1 eingetragen die Weichteile der naiheren Umgrenzung des Gelenkes. Die Kapsel geht von den seitlichen unteren Riindern des Gelenkkopfes aus und zieht nun nach drei Richtungen: erstens nach auBen, wo sie sich an der erwihnten lateralen Kante der unteren Squamosumfliche festheftet; zweitens nach medial, wo sie an den freien, schaufelférmig aufgebogenen Rand des Squamosum sich an- geheftet findet; endlich aber an der unteren Fliche des Temporal- kanales vorbei bis an die Stelle, wo das Squamosum das Mastoid Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 555 iiberlagert. Die Gelenkkapsel ist sehr locker gefiigt und liegt sehr schlaff um die Knochen herum, eine Eigentiimlichkeit, aus der wir auf freie Verschiebbarkeit des Unterkiefers in der Richtung dieser Jockeren Kapsel schlieBen kénnen. An der inneren Seite der er- wahnten Figur ist versucht worden darzustellen, wie die Kapsel, durch eine Luftblase von innen her aufgeblaht, sich zufallig sehr giinstig darbietet. Eine Ausnahme der lockeren Fiigung macht nur der uach hinten ziehende Zug. Dieser erscheint straff. Im mikro- skopischen Bilde (Fig. 6, Taf. XX VII) werden wir ihn als einen sehnenartig gefiigten Strang wieder finden. Man kann ihn als Ligamentum temporo-mandibulare bezeichnen. Es erhellen, wie gesagt, schon aus dieser Anordnung der Kapsel die Bewegungsgrenzen und -méglichkeiten des Unterkiefers. Es sind seitliche Exkursionen, Zurtickziehung gegen das Mastoid und Drehungen um eine Lingsachse denkbar. Ausgeschlossen ist eine irgendwie wesentliche Vorschiebung tiber die Grenze der -Gelenkflache hinaus, vielmehr wird die Bewegung nach vorn und hinten nur nach dem Mafe jenes in Fig. 1 links sichtbaren Spiel- raumes stattfinden kénnen. Was die weiteren Weichteile der Umgebung anlangt, so ist jener Spalt zwischen Squamosum und Tympanicum fast vollig von Bindegewebe verschlossen, das sich ins Periost und in die Gelenkkapsel fortsetzt, wahrend es nach einwirts in das Periost des Tympanicum und weiterhin in das Trommelfell tibergeht. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die mediale untere Ecke der GuAsERSchen Spalte, da in sie ein ziemlich starker binde- gewebiger Zug hineinfiihrt (Fig. 3). Da neuerdings KjJELLBERG die Vermutung ausgesprochen hatte, es méchte der Meniscus des Kiefergelenks urspriinglich derjenige Teil der Sehne des Muse. pterygoideus externus sein, der bei der Verlagerung des Articulare in die Fossa tympanica, zwischen Squamosum und Dentale gleich- sam abgeschniirt erhalten geblieben sei — und es méchte ferner das sog. Lig. mallei anterius die Paukenhoéhlenfortsetzung des Meniscus darstellen, so habe ich nicht nur bei Monotremen, sondern auch bei Marsupialiern und beim Menschen diesem Punkte meine Aufmerksamkeit geschenkt, muf aber sagen, daf ich, so gern ich fiir jene geistvolle und einleuchtende, im Grunde vielleicht nicht ganz unrichtige Hypothese einen Anhalt gewonnen hatte, in keinem der von mir bisher untersuchten Falle feststellen konnte, dab irgend welche innigen Beziehungen zwischen wesentlichen Teilen des Kiefergelenkes und dem Lig. mallei anterius bestehen. 556 Wilhelm Lubosch, Speziell beim Menschen habe ich im vergangenen Winter eine gréBere Anzahl von Felsenbeinen gesammelt, die auf dem Priparier- saal bereits zur Untersuchung des Ohres benutzt worden waren und habe nachgesehen, ob Beziehungen zwischen dem Meniscus und dem erwahnten Bande bestehen. Es zeigte sich bei mehr als einem Dutzend Praparaten, daf die hintere Wand der Gelenkkapsel ihre Befestigung bis in die Guassrsche Spalte hinein sucht, und daf hier ihre Bindegewebsmasse sich mit dem Periost des Squamosum, Tympanicum und Tegmen tympani verbindet. Hin Teil dieser Binde- gewebsfasern tritt dann zum Hammerkopf, so daf es in giinstigsten Fallen méglich ist, von aufen durch Zug an der Gelenkkapsel in der Fossa glenoidalis Bewegungen des Hammers _hervorzurufen. Wenn also auch eine gewisse Beziehung des auferen Kapsel binde - gewebes zu dem Ligament nicht bezweifelt werden kann, so scheint mir diese Verbindung zu wenig die wesentlichen Teile des Meniscus in Mitleidenschaft zu ziehen, als da weitergehende Schliisse darauf zu bauen waren. — Es muf sich zeigen, ob sonst bei Saéugetieren diese Verbindung deutlicher ist. Hier bei Echidna ist keinerlei Beziehung zwischen irgend einem Gelenkbestandteil und jenem Binde- gewebszug in der GrasEeRschen Spalte festzustellen. Die Verhaltnisse der erwachsenen Echidna liefern keine Stiitze fir KJELLBERGS Vermutung. Was jener Bindegewebszug sei, ist mir zu ergriinden bei dem geringen und schlecht konservierten Materiale nicht méglich gewesen. Die mikroskopische Untersuchung zeigt vor allem viel lockeres Bindegewebe, elastische Fasern und Blut- gefaBe, keine Muskulatur. Der Bindegewebszug steht mit dem langen Hammerfortsatz in Verbindung und es bleibt vorab nichts iibrig, als ihn mit dem Namen des Lig. mallei anterius zu belegen. Das ganze Gelenk ist von einer Kaumuskulatur tiberlagert, die aus den 4 typischen Kaumuskeln der Siugetiere besteht, indes auferdem noch einen fiinften Muskel umfaSt, der fiir die Mechanik des Gelenkes eine grofe Bedeutung besitzt, tiber dessen Homologie jedoch die Ansichten auseinandergehen. Dieser Muskel entspringt kurzsehnig an der Kuppe des Squamosum, die sich auf das Mastoid hinaufschiebt (Fig. 3, Taf. XXVI). Sein Muskelbauch ist wie ein spitzgiebeliges Dach gestellt; in die Vertiefung lagert sich der so- genannte Angulus mandibulae hinein. Der Ansatz umgreift diesen Kieferwinkel aufen und innen. RuGeE (97, p. 342) und FURBRINGER (04, p. 598) beschreiben diesen Muskel. Jener lat ihn vom Facialis innerviert sein, dieser vom Trigeminus. Es deutet ihn daher RuGe als hinteren Bauch des Biventer der héheren Saugetiere, FURBRINGER als vorderen, der imitatorisch die Lage des hinteren Bauches angenommen habe. Hier bei Echidna ist es mir durch Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 557 das Material nicht méglich gewesen, die Innervation festzustellen, hingegen habe ich bei dem offenbar homologen Muskel von Orni- thorhynchus die Innervation durch den Trigeminus festgestellt und abgebildet. Ich méchte daher vorab diesen als Detrahens mandibulae zu bezeichnenden Muskel auch bei Echidna als Homo- logon des vorderen Biventerbauches auffassen. Die 4 iibrigen Kaumuskeln (vergl. fiir das Folgende bei- ‘stehende Textfig. 1) von Echidna sind deutlich voneinander dif- ferenziert und durchaus saugetiermaBig. Sie sind sehr schwach, selbst in Betracht des kleinen Schadels und vor allem im Ver- gleich zur Gréfe des ganzen Tieres. Der Masseter ent- springt am Jochbogen und zwar vom Processus zygomaticus des Maxillare von seinem distalen Ende bis dahin, wo sich die verti- kale Lamelle des Squamosum zu erheben beginnt. Er verlauft schrig nach einwiarts und setzt sich vom Kieferwinkel an nach vorn hin an, dabei die tiefe Mulde benutzend, die sich vom Kiefer- winkel bis in die Gegend des Coronoidfortsatzes erstreckt. Der Temporalis entspringt aus dem hinteren Teile der machtigen Orbito-Temporalgrube und zwar hauptsichlich vom Orbito-Sphenoid. Ein Teil seiner Fasern kommt von weiter hinten her aus dem Temporalkanal, so daf auch noch ein Teil des Mastoids als Ur- sprung angenommen werden mu, wahrend sich nicht genau ent- scheiden 1a8t, wie weit nach hinten die Muskelfasern sich im *) Der von Ala temp. os palat. ausgehende Hinweisstrich steht irrtiimlicher Weise an falscher Stelle. Der Leser mége ihn zwischen die Abkiirzungen For. und rot. schrag empor gezogen denken. 5d8 Wilhelm Lubosch, Temporalkanal erstrecken*). Seinen Ansatz findet dieser Muskel am Processus coronoides, von da ein weniges nach vorn und nach hinten an der inneren (eigentlich oberen) Seite des Unterkiefers. Seiner Lage nach entspricht dieser Temporalis im wesentlichen dem spater zu beschreibenden ,,tiefen Biindel“ des Temporalis bei Ornithorhynchus. Die Urspriinge beider Pterygoidei zeigeri die gemeinsame Eigentiimlichkeit, da8 sie mit dem ,,Pterygoid“ nichts zu tun haben. Es hat mich dies Verhaltnis so lange stutzig gemacht und mich eine direkte Vergleichbarkeit dieser Muskeln mit denen der hoheren Saugetiere bezweifeln lassen, bis ich von der Darstellung Kenntnis nehmen konnte, die GAupp (05a) von der Bedeutung des ,,Ptery- goid“ bei Echidna ktirzlich gegeben hat*). Die Ursprungsverhalt- nisse dieser Muskeln sind namlich folgende. Beide Urspriinge liegen dicht bei einander. Der Pterygoideus externus entspringt ein wenig lateral von der Seite des For. ovale (vgl. Anmerk. 4) und steigt nun schrig nach oben und aufen an der Seitenflache des Schadels empor auf das Alisphenoid und das von Van BrEm- MELEN sogenannte ,,Temporalfliigelchen des Palatinum“ (01, p. 756— 760). In seinem vordersten Teil wird der Muskel vom Temporalis bedeckt; seine letzten Fasern entspringen tiber dem For. rotundum in der hinteren Begrenzung der Spalte, die VAN BEMMELEN als ,Foramen spheno-orbitale + For. opticum“ bezeichnet. Der Ursprung des Pterygoideus internus dagegen nimmt die Stelle zwischen dem For. ovale und For. rotundum ein. Vielleicht er- streckt er sich auch noch ein weniges nach aufen vom For. ovale nach hinten; dies konnte ich nicht genau feststellen. Jedenfalls nimmt er der Hauptsache nach die Stelle ein, die von VAN BEn- MELEN als Alisphenoid und ,Temporalfliigelchen des Gaumenbeins“ bezeichnet wird. Die auffallige Erscheinung, dah die Fliigel- muskeln zu dem Fliigelbein bei Echidna gar keine Beziehung be- sitzen, wiirde dann begreiflich werden, wenn GAUPP mit seiner Auffassung Recht hatte, daf der bisher als ,,Pterygoid“ beschriebene Knochen mit der inneren Lamelle des Fliigelfortsatzes der héheren Saiugetiere nichts zu tun hat, daf also iberhaupt in weiterem Sinne das Pterygoid der Amphibien, Sauropsiden und das yon Echidna ein ganz anderer Knochen ist als die innere Lamelle des Fliigel- fortsatzes der Siugetiere. Immerhin wird sich dadurch, wenn diese Auffassung zu Recht besteht, der Ursprung des inneren Fliigel- muskels bei Echidna an einer Stelle befinden, die dem Ursprung *) In der Figur als durchschimmernd hinter dem Jochfortsatz gedacht. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 559 des Muskels bei héheren Formen annihernd vergleichbar ware, wenn- gleich seine Fasern selbst dann noch nicht die ,innere Lamelle“ des sehr versteckten Fliigelfortsatzes ganz erreichen wiirden. Was die Ansitze der Musculi Pterygoidei anbelangt, so findet sich der des Internus an der Innenseite des Kieferwinkels gegen- iiber dem Ansatz des Masseter. Er beniitzt dort die Vertiefung, die durch den nach einwarts gebogenen hakenférmigen Fortsatz (s. 0.) geboten wird und erstreckt sich bis zum For. alveolare. Er zieht nicht vertikal nach abwarts vom Schadel zum Unter- kiefer, wie es sich bei den hdheren Saugetieren findet, sondern zugleich nach unten und au8en, so wie der Masseter nach unten und innen zieht. Fir die Funktion dieser Muskeln besitzt dieser Verlauf, der zum Teil von der Torsion des Unterkiefers (vergl. oben p. 554) abhangt, eine wichtige Bedeutung, auf die ich unten zuriickkomme (vergl. unten p. 580/81). Sehr kompliziert und wichtig ist der Ansatz des Pterygoideus externus. Wir kénnen bei ihm 3 Abschnitte oder Portionen unter- scheiden, die wir als ,,laterale, mediale und mittlere Portion“ unter- scheiden miissen. In Fig. 3 sind diese 3 Portionen zu sehen. Sie entstehen dadurch, dafi der breite Muskel gleichsam tber den schmalen Unterkieferast beiderseits hervorquillt. Die laterale Portion kommt aufen am Gelenk zum Vorschein und heftet sich seitlich am Halse des aufsteigenden Astes an; die innere Portion sitzt ebenso an der unteren Seite des aufsteigenden Astes, greift aber mit sehniger Fortsetzung auf die Gelenkkapsel tiber und setzt sich bindegewebig in das Lig. temporo-mandibulare fort. Die mittlere Portion endlich heftet sich auf der oberen, dem Beschauer von Fig. 3 abgewendeten Flache des aufsteigenden Astes fest, so da8 bis auf ein schmales Feld der unteren Flaiche der gesamte Ramus ascendens vom Muskelansatz des Pterygoideus externus eingehiilllt wird. Diese mittlere Portion nun entsendet ein starkes Biindel zum Gelenkkopf, auf das unten genauer eingegangen werden wird, weil es zur Dif- ferenzierung des Meniscus in Beziehung steht. Man konnte nun mit hoher Spannung erwarten, was die feinere Untersuchung des Gelenkes lehren wiirde; denn mit der Erkenntnis der bis hierher erliuterten Anordnung konnte die Untersuchung nicht als abgeschlossen gelten.“ Es kam darauf an zu zeigen, welche Gestaltungen das Innere des Gelenkes im Zu- sammenhang all seiner Teile besitze, insbesondere auch den Bau der Gelenkfliche selbst. Eine vielfach verbreitete Angabe ist es, da8 das Kiefergelenk der Saugetiere als ein zwischen zwei Binde- 560 Wilhelm Lubosch, gewebsknochen entstandenes Gelenk keinen echten Knorpel, sondern nur Bindegewebe als Ueberkleidung der Gelenkflachen auf- weise, daf ferner in dieses Bindegewebe Knorpelzellen eingelagert seien. Wie wiirde sich dies bei Echidna darstellen?‘*). Betrachten wir einen Langsschnitt durch das gesamte Kiefer- gelenk, so sind die Flachen, die wir eben makroskopisch kennen gelernt haben, hier ohne weiteres kenntlich (Fig. 6, Taf. XXVID). Wir finden oben das Squamosum von grofen Markraumen erfiillt und nach abwarts zu von langgezogenen oberflachlichen Lamellen- systemen tiberkleidet. Links in der Figur liegt der Proc. mastoides; von ihm entspringen Muskelbiindel, die dem oben erwahnten Detrahens angehéren. Der Langsschnitt zeigt den Unterkiefer mit seiner Gelenkflache entsprechend kleiner als die Gelenkflache des Squamosum. Ein Gelenkspalt ist da: aber mit welchen Unterschieden von allen anderen uns bekannten Formen v6llig differenzierter Gelenke. Mit einer einzigen Ausnahme, in der Mitte der Gelenkfliche des Unterkiefers,. grenzt eine nicht unbetrachtliche Bindegewebsschicht an den Spalt, die aus lockerem Bindegewebe, zum Teil sogar aus starken Strangen besteht, und gegen die Gelenkhéhle von einer mehrfachen Lage von Epithelzellen ausgekleidet ist. Oral wie occipital ist der Ge- lenkspalt durch dichtere Gewebsmassen abgeschlossen. In seinem Vortrage in Genf hat Gaupp (O5b) geschildert, wie bei Echidna- foten die erste Anlage des Kiefergelenkes nichts anderes sei, als ein mitten im Bindegewebe liegender Spalt, den er mit einem einfachen Schleimbeutel vergleicht. Bereits im vorigen Sommer (1905) hatte mir das hier (Fig. 6) wiedergegebene Pra- parat vorgelegen und ich habe es freudig begriiBt, da’ Gaupp als erster den schon damals von mir fiir das ausgebildete Gelenk erkannten Zustand durch den Vergleich mit einem Schleimbeutel zutrefiend gekennzeichnet hat. Daf auch das erwachsene Gelenk noch diesen auferordentlich primitiven, embryonalen Cha- rakter aufweist, ist dabei gewif eine héchst bemerkenswerte Tat- sache. Gestiitzt und weiter aufgehellt wird diese Tatsache nun dadurch, da’ sowohl vorn wie occipital trotz des festen Ab- schlusses die Gelenkspalte sich gleichsam ins Binde- gewebe diffus weiter fortsetzt, indem auf beiden Seiten schmale Spalten im Bindegewebe sich finden, die gleichfalls eine zellige Auskleidung aufweisen. Ueber den Grad der Beteiligung des Bindegewebes an der Gelenkspaltbildung konnte ich bei meinem geringen Material nichts absolut Sicheres feststellen. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 561 An einem Praparat war mit Sicherheit das abgebildete Verhiltnis vorhanden. An isolierten Gelenkflichen des Squamosum und des Unterkiefers dagegen, die ich weiter in Schnitte zerlegt habe, waren lediglich lockere Fasermassen (vergl. Fig. 7, Taf. XXIX rechts unten) zu sehen. Es ware wiinschenswert, an gut fixiertem Ma- terial hiertiber Naheres zu erfahren. Wenn wir uns nun den eigentlichen Gelenkflachen zuwenden, so zeigt sich ein sehr merkwiirdiger Befund. Es wird namlich die Gelenkflache an beiden Skelettstiicken nicht vom Knochen selbst, auch nicht von einer gelenkknorpelahnlichen Struktur ge- bildet, sondern von einer charakteristisch angeordneten F aser- knorpelmasse. Diese Faserknorpellage hat verschiedene Dicke: am starksten ist sie an beiden Skelettkomponenten in der Mitte des Gelenkes; sie sitzt hier dem Unterkiefer wie eine Kappe auf; in das Schlafenbein dagegen ist sie wie in einen Napf eingelassen. Hier am Schlafenbein geht sie nach vorn und nach hinten in die diinne Periostlage des Knochens iiber. Die genauere Erforschung lehrt tiber die Anordnung des Gewebes folgendes: an der Oberfliche besteht ein aus langgestreckten Maschen verflochtenes Faserwerk; dessen Bindegewebsfaserziige gehen in das lockere Bindegewebe der Oberfliche kontinuierlich tiber. Starkere Ziige zweigen sich ab und dringen mehr in die Tiefe, wo grobmaschige Geflechte erscheinen. Gegen den Knochen zu findet sich als Grenze eine Zone, die aus stark gefarbter Sub- stanz besteht; namentlich auch stark leuchtende Kerne (Farbung mit Boraxkarmin) fallen auf. Die Faserbiindel dringen in diese stark gefarbte Zone ein, ziehen auch gelegentlich hindurch und dringen als eine Art .SHarpeyscher Fasern in das Squamosum ein. Zur Erlauterung des feineren Baues habe ich einen diinneren Schnitt (etwa 25 w) durch das Squamosum in Fig. 7 (Taf. XXIX) abgebildet. Er entspricht ungefahr der durch das + gekenn- zeichneten Stelle der Fig. 6 und ist bei 222facher VergréfSerung gezeichnet. Was das Faserwerk anlangt, so erkennen wir die, gegen die Oberflache zu langgestreckten Ziige von Bindegewebe, in denen bei Durchmusterung der ganzen Tiefe des Priparates sehr viel Bindegewebszellkerne erscheinen (in der Figur nur vereinzelt in der Mitte gezeichnet). Es treten von diesen oberflach- lichen Ziigen starkere Ziige in die Tiefe und bilden hier grébere Maschen. Durch Abgabe weiterer Aestchen von diesen Haupt- zigen entstehen kleinere Unterabteilungen von Maschen, die durch abermals feinere und immer feinere Aufsplitterungen schlieBlich 562 Wilhelm Lubosch, kleinste Maschen abgliedern. In den Maschen dieses Netzwerkes liegen nun Zellen, die durch ihre Form, gegenseitige Gruppierung und Lichtbrechung als Knorpelzellen erscheinen. Nur in der oberen Lage kann man zweifelhaft sein, ob es sich um Binde- gewebszellen oder um Knorpelzellen handle. Hier ist die Kapsel der Zellen, die in tiefen Lagen durch ihre Lichtbrechung und ihre scharfen Umrisse leicht erkennbar ist, nicht vorhanden. Auch ist die Form der Zellen hier mehr den langsgestellten schmalen Maschen der Oberflache angepaBt. In den obersten, die Gelenkhéhle unmittelbar begrenzenden Bindegewebsbiindeln habe ich gleich- falls Zellen gefunden, die gelegentlich platter wurden (s. Fig. 7), meist aber auch den Charakter runder Zellen trugen. Die Grenze gegen den Knochen liefert jene oben als stark gefiirbte Lage beschriebene Schicht. Wir finden sie hier (Fig. 7) gleichfalls tiefgefirbt und zwar infolge einer Farbung mit Hamato- xylin. Die Farbung ist am stirksten gegen die Gelenkhoéhle zu, wihrend sie gegen den Knochen hin wieder schwacher wird. Die Substanz erscheint fleckig und die Farbung halt sich mit ihrer Ausbreitung an die Zellkomplexe, so daf kein Bedenken besteht, die Grundsubstanz dieser Zone als eine Art hyaline Knorpel- substanz zu bezeichnen. Ganz homogen ist die Schicht allerdings nicht, denn die Fasern der dicken oberen Bindegewebsschicht dringen in sie hinein und bilden ein feines kriimelig aussehendes Wesen zwischen den Zelien. Diese Zellen, die man als Knorpel- zellen bezeichnen mul, zeigen aber nicht mehr die runde Form gewoéhnlicher Knorpelzellen, sondern besitzen unregelmafig gestaltete Auslaiufer. Nur ibre Gréfe und ihre gréferen Kerne behiiten davor, sie als Knochenzellen zu be- zeichnen. Die Grenze gegen den Knochen ist durchweg scharf und ununterbrochen; an einigen Stellen ziehen SHARPEYsche Fasern hinein. Ganz ihnlich ist die Struktur des Gelenkiiberzugs am Unter- kiefer. Auch hier finden wir gegen die Gelenkhéhle zu (Fig. 6) platte Anordnung der Faserziige, die gegen die Tiefe des Knochens zu grobmaschiger wird. Auch hier tritt am Uebergang zwischen Fasermasse und Knochen eine stark gefirbte Zone auf, die sich bei starker Vergréferung gleichfalls als knorplige, stark gefarbte Grund- substanz mit eingelagerten Knorpelzellen herausstellt. Zu bemerken ist, da8 ich an der Stelle der gréften Dicke der Fasermassen kein lockeres Bindegewebe mehr dariiber vorfinden konnte; hier tritt also die faserknorplige Schicht frei in die Begrenzung Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 563 des Gelenkes ein. Wie bei den Kérpergelenken die Synovial- haut des Gelenkes, in den Gelenkknorpel iibergehend, frei endigt, so kann man auch hier rechts und links (in der Fig. 6) die Endigung des Bindegewebes gegen die Faserknorpelmassen erkennen. Aber in anderer Hinsicht beansprucht nun der Gelenkiiberzug des Unter- kiefers Beachtung. Wahrend namlich am Schlafenbein der Ueber- zug ins Periost des Knochens tiberging, setzt er sich hier nach beiden Seiten in charakteristische Bildungen fort. Zunaichst sehen wir, wie sich aus den Fasern des Faser- knorpels, sowie aus dem das Dentale umhiillenden Bindegewebe ein Strang entwickelt, der sich sehr lang occipitalwarts fortsetzt und schlieSlich hinten am Knochen endigt. Es ist dies der Langsschnitt des oben beschriebenen (vergl. p. 555) und in Fig. 3 abgebildeten Ligamentum temporo-mandibulare. Wie wir sehen, ist der Strang durchaus nach dem Charakter von Sehnengewebe gebaut; auf- fallig aber ist, da& sich zwischen diesem Ligament und dem Periost des Squamosum ein Spalt findet, der als nichts anderes, denn als ein Schlein- beutel aufgefa8Bt werden kann. In seinem occipitalen Teil erscheint dieser Schleimbeutel mehrfach gekammert, indem Ver- bindungen zwischen dem sehnigen Ligament und dem Periost des Schadels auftreten. Da nun in dem Bindegewebe, das Gelenk- spalt und Schleimbeutel scheidet, gleichfalls eine spaltartige Oeffnung von mir beschrieben worden ist, so finden wir das sehr eigentiimliche Ergebnis, da& die Gelenkhéhle im engeren Sinne eigentlich nur ein besonders dif- ferenzierter Abschnitt einer im tibrigen sich weit- hin ausdehnenden Spalte ist, die das Dentale und seine bindegewebige Fortsetzung von der Schadel- basis trennt. Vielleicht noch wichtiger aber ist der Verlauf der faser- knorpligen Platte nach oral hin. Bereits oben ist der drei Ansatz- portionen des Musc. Pterygoideus externus gedacht worden; wir hatten gesehen, da’ wir drei Portionen an seinem Ansatz zu unter- scheiden haben: zwei seitliche und eine mittlere. Diese mittlere Portion nun ist es, die mit einem Teil ihrer Fasermasse in eine durchaus typische Sehne iibergeht, die weiterhin zum Gelenkkopf tritt. Es ist dies so deutlich, daf man sogar einige tiefer gegen den Unterkiefer zu gelegene Muskelbiindel im Bogen aufwarts biegen sieht, um diese Sehne zu gewinnen. Die Sehne wird also von rechts nach links (in der Figur) durch den Zuwachs von Bd. XLI. N. F. XXXIV. 37 564 Wilhelm Lubosch, Muskelfasern immer dicker und ist schlieflich genau so breit wie die faserknorplige Platte, die dem Unterkiefer aufsitzt. Man be- obachtet nun weiter, wie die Sehnenstruktur allmahlich in die oben geschilderte Struktur des Faserknorpels iibergeht. Mit einem Wort: am Unterkiefer ist die faserknorplige Be- grenzung der Gelenkhéhle zugleich die Ausbreitung eines Teiles der mittleren Portion des Muse. Ptery- goideus externus. An einem meiner Praparate habe ich ganz deutlich auch am Squamosum (in der Figur nach rechts hin) einige Muskelbiindel gesehen, die sich in ahnlicher Weise in die Faserknorpelmasse fort- setzen. Mein Material war nicht gro’ genug, um festzustellen, wozu sie gehérten. Soweit ich sehen kann, kommen hier nur weit distal neben dem For. ovale entspringende Biindel des Pterygoideus externus in Betracht. als dessen am meisten dorsal gelegene In- sertionsbiindel jene Fasern zu bezeichnen waren. Welche Bedeutung diese an der Schiidelbasis entspringenden und auch zugleich in- serierenden Muskelbiindel besitzen, ist mir nicht klar geworden. 2. Ornithorhynchus. Es ist von jedem Beschreiber 5) hervorgehoben worden, daf. die knécherne Gelenkgegend bei Ornithorhynchus sich wesentlich dadurch von der von Echidna unterscheidet, daf sie eine véllig anders orientierte Lage einnimmt. Wahrend bei Echidna die Artikulation nach vorwiirts vom Mittelohr gelegen ist, liegt sie hier bei Ornithorhychus genau lateral, ja sogar etwas nach riickwiarts verschoben. Es ergeben sich hieraus differente Lage- beziehungen zwischen Gelenk und Nachbarschaft, vornehmlich mit Riicksicht auf die mediale und hintere Begrenzung. Wahrend bei Echidna der Proc. mastoides das Gelenk hinten umfaft, ist es hier bei Ornithorhynchus voéllig frei und nur begrenzt von dem dort anlagernden Mastoid. Bei Echidna liegt das Tympanicum medial dicht neben dem Gelenk und das Mittelohr sogar zum Teil occipitalwarts davon, wihrend hier bei Ornithorhynchus medial zunachst der hier kammartig entwickelte Proc. mastoides folgt, dann erst viel weiter medial das Tympanicum und das Mittel- ohr. Es ist schon hierdurch eigentlich véllig ausgeschlossen, dal zwischen dem Kiefergelenk und dem Mittelohr irgend eine Ver- bindung besteht, etwa durch ein Lig. mallei anterius. Schon KJELLBERG hat neuerdings hierauf aufmerksam gemacht (1. ¢. p. 184)°), und auch mir war es nicht méglich, eine solche Ver- Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 565 bindung festzustellen, selbst nicht auf einer lickenlosen Quer- schnittsserie, die durch Gelenk und Proc. mastoides angelegt worden war. - Wenden wir uns zu den knéchernen Grenzen des Gelenkes selbst, so ist zu bemerken, daf die Gelenkflaiche auch hier vollig dem Squamosum angehért. Lateral und medial tritt ein starker Haken hervor (vergl. Fig. 2 rechts im Bilde), der die Pfanne um- faft. Dieser Haken wird lateral durch den nach abwarts ge- richteten Vorsprung des vom Squamosum abtretenden Jochfortsatzes gebildet. Medial formt der Warzenfortsatz diesen Vorsprung, der hier ein starkes Widerlager fiir den Gelenkkopf bildet. Vorn und hinten setzt eine Rinne die Gelenkflache von der Umgebung ab, und zwar nach hinten vom Mastoid (Ala pterotica mastoidei), nach vorn von demjenigen Knochenbezirk, der als Alisphenoid zu be- zeichnen ist. Weiter nach medial liegt das For. ovale und da- hinter die Spina angularis. Bemerkenswert ist noch die Beziehung 'zum Canalis temporalis, jener eigenttimlichen Liicke zwischen Squa- mosum und Petrosum, sowie die Beziehung zu einem kleinen Ge- fafkanal, der medial und vorn in der Nahe der Gelenkfliche liegt (for. vasc. later. ext. VAN BEMMELEN). Vom Unterkiefer sei nur der mit dem Gelenk in Beziehung stehende Teil beschrieben. Ein Kiefer-,,Winkel“ ist nicht aus- gebildet, sondern nur durch einige Rauhigkeiten fiir Muskelansatze gekennzeichnet. Genau der unteren Kante folgend und dann nach einwarts abgehend findet sich eine Leiste zum Ansatz fiir den Muse. detrahens mandibulae. Aufen findet sich eine tiefe Grube fiir den Ansatz des Temporalis und als vordere Umrandung dieser Grube ein zweifach geteilter Proc. coronoides. Der laterale Haken dieses Fortsatzes wird vom Masseter, der mediale Haken vom Temporalis eingenommen; an der mundwirts gelegenen Seite des Unterkiefers liegt gleichfalls, unmittelbar hinter dem For. alveolare ein Fortsatz, an dem sich der Pterygoideus internus befestigt (s. Fig. 5), der auferdem durch seinen Ansatz eine Knochenleiste bis in die Nahe des Gelenkkopfes hervorruft. Der aufsteigende Ast des Kiefers stellt eine vertikal gerichtete, platte Lamelle vor die aufen und innen von Muskeln bedeckt ist. Auf diesem platten schlanken Halse liegt der Gelenkkopf, der hinten tiber den aufsteigenden Ast nicht hervorragt, vorn jedoch sich weit tiber den Hals hervorschiebt, so hier eine tiefe Grube bildend, in der sich die Biindel des Pterygoideus externus festsetzen. Der Kopf, von oben betrachtet, hat etwa Trapezform mit einer vorderen 37 * 566 Wilhelm Lubosch, langeren und einer hinteren schmalen Seite. Fast genau in der Mitte zieht eine quere Rinne von rechts nach links und teilt ihn in eine vordere und hintere Wélbung (s. Fig. 5 und Textfig. 2). Mit dieser Form des Gelenkkopfes in Beziehung steht die Form der Gelenkgrube; sie ist nicht einfach ,ausgehéhlt*, wie mehrfach angegeben; vielmehr erweist die genauere Untersuchung, daf hier eine sehr spezialisierte Form vorliegt, die im Verein mit der Form des Gelenkkopfes einer ganz eigentiimlichen Funktion fahig ist. Die Gelenkgrube ist namlich sattelférmig. Von rechts nach links ist sie tief ausgehéhlt, dagegen von vorn nach hinten im Querschnitt konvex, wovon man sich leicht eine Vor- stellung verschaffen kann, wenn man einen Gipsabguf der Gelenk- fliche zersigt. Fig. 2. Eine Kongruenz zwischen beiden Gelenkflichen besteht, wie wir sehen, nicht. In Ruhelage klafft das Gelenk daher vorn, be- sonders aber hinten. Werfen wir gleich hier an der Hand obiger Textfig. 2 einen Blick auf die Aktion, die eine Verschiebung des Unterkiefers von vorn nach hinten und umgekehrt herbeifiihren mu. Es muf sich bei der Zuriickschiebung des Unterkiefers die Hohe des Gelenkkopfes von der Mitte der Héhe der Gelenkgrube nach rechts hin, bei der Vorschiebung dagegen von demselben Punkte nach links hin bewegen. In jedem Fall wird also bei Vor- wirts- und Riickwirtsschiebung der Unterkiefer in die Héhe treten miissen. Welche Bedeutung dies hat, wird klar, wenn wir uns die Stellung des Hornzahnes in beiden Kiefern vergegen- wirtigen. Diese Hornzihne sind namlich nicht horizontal gestellt, Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 567 sondern so, daf sie mit ihren Kauflaichen vorn héher stehen, als hinten. In den Textfiguren 3 u. 4 sind diese zahntragenden Platten des Oberkiefers und des Unterkiefers dargestellt. In Fig. 3 ist die Riickwirtsbewegung, in Fig. 4 die Vorwartsbewegung schematiseh vorgefiihrt. Bei der Riickwartsbewegung steigt der Kiefer in der Richtung des Pfeiles a empor. Die Kauflaichen kénnen sich aber nur in der Richtung des Pfeiles a, gegeneinander verschieben; es mul daher eine Zerlegung der Kraft stattfinden und es ergibt sich aus dem Parallelogramm dieser Krafte ein kraftiger Druck, mit dem die untere Zahnreihe an der oberen entlang gefiihrt wird (Pfeil a.) Fig; 3. Fig. 4. Aehnlich bei der Vorwirtsschiebung. Mit einem geringen Aufwand von Muskelkraft erreicht also Ornitho- rhynchus vermége der Stellung seiner Gelenkfachen bereits bei einfacher Vor- und Zuriickschiebung einen sehr innigen Schlu& der Zahnreihen anein- ander. Die Weichteile des Gelenkes geben bei makroskopischer Be- trachtung hier weniger Anlaf zu ausfiihrlicher Beschreibung als bei Echidna. Die Gelenkkapsel ist wesentlich straffer als dort. Sie entspringt hinten vom Mastoid und heftet sich am hinteren Rande des Gelenkkopfes an. Seitlich entspringt sie medial am Grunde des Proc. mastoideus, lateral am Proc. zygomaticus des Squamosum und geht auch hier beiderseits bis zu den Randern der gewoélbten Oberflache des Gelenkkopfes.* Vorn besteht, wie Wir weiter unten sehen werden, ein fester Abschlu8 der Gelenk- héhle nicht. Ein sehr starkes und kraftiges Ligament erstreckt sich auch bei Ornithorhynchus vom Mastoid zum _ hinteren Pole 568 Wilhelm Lubosch, der Unterkieferwélbung. Es ist schematisch in Textfig. 2 zu er- blicken. Die Kaumuskeln (vgl. auch die Textfig. 5) zeigen bei Orni- thorhynchus manches sehr Bemerkenswerte. Was zunachst den Detrahens mandibulae anlangt, so ist dies ein Muskel von aufer- ordentlich kraftiger Entwickelung. Er entspringt mit machtiger fleischiger Portion von der Innenseite des Proc. mastoideus (auf Fig. 4, Taf. XXVI quer durchgeschnitten); der Ursprung schreitet sodann am Rande des Mastoids dicht hinter der Gelenkpfanne entlang und tritt auf den Proc. zygomaticus des Squamosum (in der Fig. 4, Taf. XXVI links). Der Ursprung ist auch hier noch fast ganz fleischig, und der sich daraus entwickelnde Bauch WS S oe = I WW. ME \ Se SHS + / by, oT For. ov. | Mdetrahens mand. M. masseter M. temporalis Fig. 5. bedeckt als eine dreieckige Kappe den aufsteigenden Ast des Unterkiefers und setzt sich sehnig an jene oben erwahnte Rauhig- keit fest. Die Faktoren, die fiir die Entwickelung dieses Muskels mafgebend sind, sind erstens die geringen Grenzen, in denen der Mund des Schnabeltiers iiberhaupt geéffnet werden kann, anderer- seits aber der Ursprung vom kurzen Hebelarm, somit die Schwierigkeit seiner Wirkungsweise. So erklart sich trotz der ver- haltnismabig sehr geringen Wirkung die michtige Ausbildung dieses Muskels. Es ist mir nun hier méglich gewesen, seine Innervation (s. oben p. 557) genau festzustellen und zwar doppelseitig bei einem Exemplar. Der Ast fiir diesen Muskel stammt nicht aus Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 569 dem Facialis, obwohl dieser Nerv mit reichlichen Aesten iiber ihn hin- weg (oder besser: an seiner unteren Seite entlang) zu den Haut- muskeln verlauft. Er entstammt vielmehr dem dritten Trigeminus- ast und ist ein feines Stammchen (Fig. 4, Taf. XXVI), das un- mittelbar nach dem Durchtritt des Nerven durch das For. ovale aus der hinteren und lateralen Ecke des Loches austritt und von unten her in den Muskel eindringt, etwa an der Grenze zwischen mittlerem und hinterem Drittel des Muskels. Der Masseter liegt an der Seite des Kopfes und besitzt einen sehr weit ausgedehnten Ursprung. Man kann an ihm 3 Bezirke unterscheiden. Der erste (Textfig. 5) entspringt vom Oberkiefer, und zwar von der Region vor der Orbita. Diese Fasern verlaufen. sehr schrig zum Unterkiefer nach hinten; ihnen schliefen sich die der 2. Portion an, die vom Jochbogen selbst kommen. Der weithin erdBte Abschnitt des Muskels kommt vom Proc. zygomaticus des Oberkiefers her und reicht bis dicht an die Gelenkpfanne des -Kiefergelenkes heran. Eng an seinen Ursprung schlieft sich dann der des soeben beschriebenen Detrahens mandibulae an. Auferdem kommen von der unteren Kante des Jochbogens in seiner ganzen Linge accessorische Urspriinge. Die Fasern des Muskels kon- vergieren, indem die vordersten nach hinten, die mittleren gerade nach abwarts, die hinteren aber nach vorwarts verlaufen, wie schon MEcKEL beschrieben hat. Der Masseteransatz erstreckt sich vom aufsteigenden Ast an am Kieferwinkel entlang bis zum Proc. curonoides, dessen diuBere Zacke seine Muskelfasern ebenfalls noch einnehmen. Der Temporalis schaut bei erhaltenem Masseter tber ihn an der seitlichen Schidelwand empor. Er entspringt langs einer deutlichen Leiste, die als Linea temporalis zu bezeichnen ist, die aber keineswegs einem einzigen Knochen angehért. Sie erstreckt sich vorn bis an die Grenze des Os frontale, lauft dann tiber das Orbitosphenoid hinweg, zieht an der unteren Grenze des Parietale laterale entlang und endigt, sich nach aufwirts kriimmend, an der oberen Wurzel des Squamosum. Hier schlieSt sich unmittelbar eine andere nach abwirts und vorn gekriimmte Rauhigkeit an. Nach einwarts von diesen beiden rauhen Linien liegt ein leicht eingesunkenes Feld, das vom Temporalis bedeckt ist. Seine Fasern laufen konvergierend in eine drehrunde Endsehne zusammen, die die mediale Zacke des Proc. coronoides einnimmt und sich eine Strecke weit in die oben erwiahnte Grube an der seitlichen Flache des Unterkiefers hineinsenkt. Man mu, um diese letzten Fasern 570 Wilhelm Lubosch, zu sehen, die Abtragung der auferen Wand dieser Grube vor- nehmen. Betont sei, daf die hintersten Fasern den ,,Temporal- kanal“ ausfiillen. Sie sind es, die in Fig. 8 (Taf. XXVIII) im Quer- schnitt links oben getroffen sind. Der Temporalis besitzt indessen noch eine weitere Portion, die Mrecken offenbar in seiner Be- _ schreibung nicht beriicksichtigt hat, da er den Muskel ,haud valde crassus“ nennt (26, p.41), wahrend die jetzt zu erwaihnende Portion im Verhaltnis zum tibrigen Kauapparat eine ganz enorme Dicke be- sitzt. Diese Portion erscheint von einer besonderen Sehne bedeckt dann, wann die oben beschriebene Portion des Temporalis abge- tragen wird. Sie liegt auf dem Orbitosphenoid, ist oben platt, gegen den Ansatz aber mehr rundlich und fast +/, cm im Querschnitt dick, Sie befestigt sich am Unterkiefer einwarts von der 1. Portion und an der medialen Seite des Unterkiefers 1°). Was die Pterygoidei anlangt, so bieten sie einen Zustand dar, der als der erste einer beginnenden Sonderung einer gemeinsamen Muskelmasse betrachtet werden kann. Der in Fig. 4 Taf. XXVI sichtbare Teil reprasentiert einen Pterygoideus internus; sein Ursprung ist am Os pterygoides zu finden. Er setzt sich an der inneren Seite des Unterkiefers an. Nach aufen davon liegt ein Muskel, der durch seinen sagittalen Verlauf und durch seinen Ansatz am Unterkieferkopf zweifellos als Pterygoideus externus erkannt werden kann. Es gelingt auch, die beiden Muskeln, die durch derbes Bindegewebe zusammenhiangen, ein Stiick voneinander zu lésen, indes ist es nicht leicht, exakt auch ihre Urspriinge zu sondern. Man ko6nnte eine gemeinsame Ursprungsmasse kennzeichnen (Textfig. 5), die von der oberen Seite des Pterygoids und den benachbarten Teilen der Schidelbasis entspringt, nimlich vom Alisphenoid und der sog.: »Ala temporalis ossis palatini“. Der vorderste Teil dieses Ur- sprungs grenzt an die hintere Peripherie des For. rotundum; der iuBere Umfang des For. ovale wird gleichfalls durch entspringende Muskelfasern besetzt. Soweit ich sehen konnte, gehért der Ursprung in der Nahe des For. rotundum allein dem Externus, der vom For. ovale allein dem Internus an. Der innigere Zusammen- hang beider Muskeln zeigt sich auch noch darin, daf der Nervus mandibularis nicht zwischen ihnen, sondern medial von ihnen verliuft. Den genaueren Ansatz des Pterygoideus externus zeigt Fig. 5 (Taf. XXVI). Hier ist ein linker Unterkiefer von innen her dargestellt; wir sehen den Gelenkkopf, an dem sich von hinten her die Gelenkkapsel mit dem Lig. temporo-mandibulare befestigt. Es Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 571 wird iiber die Anordnung dieses Ligamentes weiter unten gesprochen werden. Von vorn kommt der Muskel heran; seine Hauptmasse befestigt sich nicht in der Hohe der Gelenkoberflache, sondern dicht darunter am Hals (vergl. auch Textfig. 2). Einige seiner Biindel, die medial und lateral gelegen sind, ziehen seitlich auf den Gelenkkopf herauf und verlieren sich mit einer kurzen Sehne dort an seiner Oberflache. Bei einer Wiirdigung der Gesamtheit dieser Kaumuskeln fallt zunichst ihre kolossale Ausbildung ins Auge, die scheinbar fiir die Lebensweise dieses Tieres kaum als Bediirfnis erscheint. Ferner muf besonders auf die Anordnung des Masseter hingewiesen werden, der mit seiner weit vor dem Auge entspringenden Portion auf- fallig an den Masseter der Nagetiere'!*) erinnert. Bemerkens- wert ist drittens das tiefe Biindel des Temporalis, das, wie oben bemerkt (vgl. p. 558), der Hauptmasse des Temporalis von Echidna entspricht. In ihrer Funktion wird man die einzelnen Muskeln -kaum auseinanderhalten kénnen, da bei dem Vorwiartsschieben die vorderen Teile des Masseter die Wirkung des Pterygoideus externus unterstiitzen, bei der Zuriickziehung die hintersten Bindel des Temporalis mit den hinteren des Masseter sich vereinigen und bei dem Anziehen der Pterygoideus internus, die mittleren Teile des Masseter und Teile des Temporalis gemeinsam wirken werden !°). Alles in allem ist Ornithorhynchus ausgezeichnet durch eine starke, wohldifferenzierte, in ihrer Anordnung zum Teil an Nager erinnernde Kaumuskulatur. Neben einem geringen und mit grofer Kraftaufwendung erzielten Oeffnen des Mundes wird kraftvolle Vorwarts- und Riickwartsschiebung die wesentliche Betitigung dieser Muskulatur sein, wobei die Richtung der Gelenkkflachen und die Ausbildung der Muskulatur einem Zermalmen der barten Nahrung giinstig sein werden. Nachdem die auferen Verhaltnisse des Gelenkes und die be- wegende Muskulatur eingehend beschrieben worden sind, sei nun des feineren Baues gedacht, der zunachst an einem schema- tischen Langsschnitt erlautert werden soll (vergl. Textfig. 2). Zunachst fallt hier (und auch in Fig. 8) als Gegensatz zum Ver- halten bei Echidna sofort ins Auge, da’ der Gelenkspalt nicht gegen Bindegewebe grenzt, sondern gegen die Gelenkflachen selbst, gleichgiiltig, wie diese nun beschaffen sein mégen. Hinten schlieft eine starke Bindegewebskapsel die Héhle ab, die sich aber auf dem Kopf des Unterkiefers entlang als feiner Spalt weit nach hinten erstreckt. Es scheint die Bedeutung dieses Spaltes erst 572 Wilhelm Lubosch, dann klar zu werden, wenn wir uns vergegenwartigen, daf dem Unterkiefer hierdurch Spielraum bei der Bewegung nach vorn ge- wahrt ist, wobei der Spalt selbst eben aufgebraucht wird. Vorn liegt ebenfalls ein bindegewebiger Abschluf, auch hier zieht sich aber die Gelenkhéhle als feiner Spalt bis an die vordere Grenze des Squamosum unter ahnlicher Bedeutung fiir die Vorwartsschiebung. Starke Synovialfalten springen vorn und hinten (s. Textfig. 2) und in schwacherem Mae seitlich (Fig. 8, Taf. XXVIII) vor. Diese Falten, sowie die bindegewebigen Teile der Gelenkkapseln sind von | einer mehrschichtigen Zellenlage tiberkleidet, die dort, wo sie auf die Gelenkflachen iibertritt, aufhért. Von besonderem Interesse erscheint es mir, daf sich auch hier bei Ornithorhynchus, gerade so wie bei Echidna, starkere Schleimbeutel in nachster Nahe des Gelenkspaltes, und zwar so angeordnet vorfinden, da8 Gelenk- spalt und Schleimbeutel nur durch auferordentlich zarte Scheidewainde voneinander getrennt sind. Solche Schleimbeutel liegen lateral und medial zwischen den Biindeln des Pterygoideus externus, von denen einer in Fig. 8, Taf. XXVIII, links abgebildet ist. Wenden wir uns zur Betrachtung der feineren Gestaltung des Gelenkes. Die Fig. 8, die hierfiir zur ersten Orientierung dienen soll, stellt ungefaihr den mittelsten Schnitt aus einer Serie dar, in die das rechte Kiefergelenk eines erwachsenen Ornithorhynchus zerlegt worden war. Von den vorn und hinten einspringenden Synovialfalten ist daher auf diesem Schnitt nichts wahrzunehmen ; die Gelenkhéhle erscheint einheitlich; wir sehen den Unterkiefer jederseits umgeben von Querschnitten des Pterygoideus externus. Links im Bilde liegen die hintersten Muskelbiindel des Masseter, oben die quergetroffenen Biindel des Temporalis im Temporalkanal. Rechts im Bilde ist der Querschnitt durch die Wurzel des Proc. mastoideus und die von ihm ausgehenden Biindel des De- trahens mandibulae durchgegangen. Die Gelenkfliche am Unter- kiefer und am Squamosum zeigt eine Gestaltung, die zunachst wesentlich anders erscheint als die bei Echidna betrachtete. Ein fein- faseriger breiter Streifen fallt zuerst ins Auge, der am Schlafenbein etwa doppelt so dick ist wie am Unterkiefer; seitlich geht dieser Streifen in den lamellés gebauten Knochen unmittelbar tiber. Dieser lamellése Knochen selbst zeigt die einzelnen zu randstandigen Haversschen Kanilen gehérigen Lamellensysteme bucklig gegen die Gelenkhéhle vorspringend. Zwischen Knochen und Gelenkiiberzug aber findet sich am Schlaifenbein und am Unterkiefer ein breiter Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 573 heller Saum. Die Bedeutung dieser einzelnen Schichten ist nun hier trotz des scheinbar anderen Aussehens vollig die gleiche wie bei Echidna. Auch hier haben wir zunachst der Oberflache eine fase r- knorplige, darunter eine vorwiegend knorplige Schicht, end- lich darunter den lamellésen Knochen selbst; aber die beiden ober- flichlichen Schichten bieten einige Besonderheiten, die in Fig. 9, Taf. XXIX, dargestellt sind. Gegeniiber dem regellosen Verlauf der Faserbiindel bei Echidna sind sie hier auSerordentlich wohlgeordnet. Zu dem Gewebe von Echidna verhalten sie sich etwa wie Sehnengewebe zu lockerem Bindegewebe. Schon die schwache VergréSerung eines Praparates, wie in Fig. 8, gibt davon eine gute Vorstellung. Es handelt sich (Fig. 9) um fast vertikal zur Oberflache gerichtete Fasersysteme, die sich etwa wie die Strebepfeiler und ihre verbindenden Spitzbégen gothischer Dome verhalten. Streckenweis (in Fig. 9 links) finden sich sehr kraftige unter den im itbrigen feineren Faserziigen. Gegen die Oberfliche zu werden die von den Bogen gebildeten Maschen enger und liefern schlieSlich ein feines Maschenwerk, dessen Riume zu- nachst noch erkennbar als der Oberflache parallel gerichtet sind, spater aber sich zu einer Art Grenzschicht zusammenlegen. Diese Anordnung der Fasern gegentiber der regellosen Anordnung bei Echidna liefert gleichsam das histologische Dokument fir die aus der Anordpung der Gelenkflachen und der Kraft der Kau- muskeln zu erschliefende Bewegungsart und Bewegungsg ré Se. Es miiSte bei genauer Kenntnis der Krafte méglich sein, auch mathematisch die Anordnung dieser Fasern auf Beanspruchung durch Druck zuriickzufiihren (vergl. oben die Textfigg. 3 u. 4), wahrend wir riickschlieBend zugleich in der Anordnung bei Echidna den Ausdruck einer ganz minimalen, lediglich gleitenden Kau- bewegung erblicken kénnen. Die offenbar starkere Druckfestigkeit der Fasern gelangt auch noch in einer zweiten Abweichung von Echidna zum Ausdruck. Es erscheinen namlich hier die Fasern auferordentlich stark gefarbt (Boraxkarmin), was nach meinem Dafiirhalten auf Verkalkung der Fasern zuriickzufiihren ist. In den langgestreckten Maschen dieser Fasersysteme nun liegen Zellen, die je nach der Anordnung der Maschen in den héheren Schichten parallel der Oberflache, in den tieferen da- gegen senkrecht dazu angeordnet sind. Ganz oben ist eine Diagnose der Natur dieser Zellen nicht méglich; ich halte sie ihrer unregel- mafigen, oft polyedrischen Gestalt wegen fiir Bindegewebszellen. In 574 Wilhelm Lubosch, der Tiefe dagegen kennzeichnen sie sich durch ihre gegenseitige Lage und ihr Lichtbrechungsvermégen als knorpelartige Zellen. Wie bei Echidna, so folgt auch hier auf die faserknorplige die vorhin erwaihnte zweite schmale helle Schicht; sie verhalt sich hinsichtlich ihrer Zellen genau so, wie die von Echidna, d. h. bei Farbung mit Boraxkarmin treten die Zellen als stark licht- brechende, helle Kérper hervor, bei Farbung mit Hamatoxylin dagegen hat der Zellkérper in seiner Umgebung einen blauen Ton angenommen, was in solchen Praparaten die ganze, hier in Fig. 9 hell erscheinende Zone so tief dunkel farbt, wie in Fig. 7 oben bei Echidna. Die Bindegewebsfasern ziehen auch hier durch diese Schicht hindurch und dringen ebenfalls als eine Art SHarpeyscher Fasern in den Knochen ein. Wie verhalten sich nun diese Schichten der Gelenkflache zur Nachbarschaft? Sehr leicht ist dies am Squamosum festzustellen. Hier findet man, wie Textfig. 2 zeigt, daf die faserknorplige Platte dem Squamosum wie eine Kappe aufsitzt und sich vorn und hinten in das Bindegewebe des Periosts der Schiadelbasis verliert. Etwas schwieriger ist die Feststellung am Unterkiefer (Fig. 5 und Textfig. 2). Hier setzt sich die Gelenkkapsel von hinten her ein weites Stiick auf die Oberfliiche des Gelenk- kopfes fort; jene oben beschriebene Querrinne des Unterkiefer- kopfes bildet den vorderen Rand dieser Kapsel. Nur nach vorn davon differenziert sich aus diesem Bindegewebe die faser- knorplige Platte. Die Beziehungen zum Pterygoideus externus sind hier nicht in der gleichen Weise wie bei Echidna vorhanden. Die Hauptmasse des Muskels setzt sich mit kriftiger Sehne am Halse des Unterkiefers an. Nur lockere Bindegewebsziige des Perimysium sind es, die auf die Oberfliche des Gelenkkopfes, namentlich seitlich (cf. oben p. 571 und Fig. 5, Taf. XX VJ) iiber- gehen. Die faserknorplige Platte aber endigt hier ziemlich scharf ohne ausgesprochene Beziehungen zu dem erwahnten Muskel (Textfig. 2). II. Vergleichende Darstellung. In der nun folgenden vergleichenden Beschreibung des Kiefer- gelenkes der Monotremen wird es darauf ankommen, die bisher geschilderte Gliederung des Gelenkes und seiner Umgebung ab- schnittsweise fiir beide geschilderten Formen zusammenzustellen. Aus der Beurteilung der sich hierbei ergebenden Uebereinstimmung Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 575 und Abweichung wird sich ergeben, wo primitive, wo weiter dif- ferenzierte Zustinde vorliegen, und ob es méglich ist, von der urspriinglichen Gestaltung des Gelenkes der primitiven Saugetiere eine Vorstellung zu gewinnen. Ich habe es nach Priifung der Sachlage fiir zweckmafig erachtet, folgende 4 Abschnitte nach- einander zu behandeln: 1) die Lage (Topographie) der Gelenk- flaiche, 2) die Kaumuskulatur und ihre Bewegungen sowie die Form der Gelenkflaiche, 3) den Gelenkspalt und den feineren Bau der Gelenkoberfliche, endlich 4) die Beziehungen des Pterygoides externus zum Kiefergelenk und die Entstehung des Kiefergelenk- meniscus. 1. Die Lage (Topographie) der Gelenkfliche. Die Abweichung in der Lage der Gelenkflache bei beiden Familien der Monotremen wurde schon oben eingehend geschildert. Besonders auffallig ist es, da’ Ornithorhynchus eine Topographie der Gelenkflache besitzt, wie sie bei keinem anderen Saugetier auch nur annihernd wiederkehrt; es bildet die Gelenkgrube, wie neuerdings auch FURBRINGER betont (vgl. Anmerk. 8), hier das hintere Ende einer ziemlich breiten seitlichen Region des Schadels, wabrend bei Echidna das Verhalten der héheren Saugetiere deut- lich vorliegt, wo die gesamte Occipitalregion und der Mastoidteil des Felsenbeins dahinter gelegen ist. Diesen Unterschied in der Lage der Gelenkflichen hat zwar schon KsELLBERG betont, ohne indes eine Erérterung der etwaigen Ursachen hierfiir zu versuchen. Dies ist auch auferordentlich schwer, da sicherlich eine ganze Reihe von Einfliissen hierbei im Spiele ist. Ich will versuchen, diese Kinfliisse zu analysieren. Wenn von der Annahme ausgegangen wird, daf die Beriihrung zwischen Dentale und dem nach abwarts tretenden Squamosum oralwarts von dem Quadrato-articulargelenk erfolgt sei, so wird die Lagerung des Gelenkes bei Echidna diesem hypothetischen Ausgangsstadium zweifellos naiher stehen als die nach lateralwarts gelagerte Gelenkverbindung von Ornithorhynchus. Es sind nun vornehmlich drei Knochenbezirke, die fiir die Beurteilung der Topographie in Betracht kommen. Und zwar sind dies das Pe- trosum, das Squamosum und das sog. Alispheénoid. Der wesent- lichste Unterschied in der Lagerung dieser 3 Knochen zueinander ist der, daf bei Echidna die Betrachtung der seitlichen Schadel- oberfliche (vergl. Textfig. 1 u. 5) das Squamosum hieran einen 576 Wilhelm Lubosch, groBen Anteil nehmend zeigt, wahrend bei Ornithorhynchus das sog. Alisphenoid sich weit an der Seitenfliche des Schadels empor- schiebt. Bei der Betrachtung von der unteren Seite her (Fig. 1 u. 2, Taf. XX VI) zeigt sich demgemaf bei Echidna die Region vor dem Kiefergelenk zum gréferen Teil dem Squamosum angehorig, bei Ornithorhynchus dagegen véllig dem Alisphenoid, das bei Echidna bedeutend schmaler, medial vom Gelenk gelegen ist. Der dritte | Knochen, das Petrosum, soweit es nicht vom Squamosum bedeckt ist, liegt bei Echidna medial und occipital von der Gelenkflache, wihrend es bei Ornithorhynchus der Hauptsache nach vodllig medial liegt. Es kann meiner Ansicht nach kein Zweifel dariiber bestehen, da8 der Grund dieser seltsamen Verschiedenheiten, die gréfer als zwischen irgendwelchen beliebigen Familien und Ordnungen der Saugetiere sind, in der Ausgestaltung des Squamosum und des sog. Alisphenoids liegt, und daf wir bei einer Priifung dieser Ur- sachen in den friihesten wichtigsten Zeitraum der Genese des Saugetierschadels hineingefiihrt werden. Was das Squamosum an- langt, so ist es bei den beiden Monotremenfamilien durch den Temporalkanal als ein ziemlich selbstandiger Knochen der Schadel- wand erhalten, der an der Begrenzung des Gehirncraniums nur ganz geringen Anteil nimmt, sich dagegen auf dem Petrosum und dem Mastoid in verschieden weiter Weise aulen auf der Schadel- oberflache ausbreitet. Dieses Squamosum ist als ein Belegknochen der Aufenfliiche der Ohrkapsel bei allen Wirbeltieren ein homo- loges Skelettstiick. AuBer den Saiugetieren kommt es den Stego- cephalen und Sauropsiden zu. Die Vergréferung des Gehirn- craniums ist die Ursache fiir seine Verlagerung an die Seiten- und spiter Unterwand des Schidels, zugleich aber auch fiir den Kintritt inniger Beziehungen zwischen ihm und dem Dentale?), Es existiert also ein hypothetischer primitiver Zustand, in dem das Squamosum nicht in die Begrenzung des Gehirncraniums ein- geschaltet war, sondern lediglich als Artikulationsstelle fiir das Den- tale eine Rolle spielte. Es ist durchaus notwendig, anzunehmen, daf in dieser altesten Periode der Schiidelgenese bei den Sauge- tieren das Squamosum in seiner Ausbildung vielleicht einzig von der Ausbildung des Kiefergelenkes be- herrscht wurde. Die Entstehung einer kraftigeren Kaumuskulatur mnuBte ein kraftigeres Widerlager hervorrufen und gleichsam die Ausbreitung des Squamogum am Schadel bestimmen. Wenn ,An- Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 577 passung Anpassungsfihigkeit voraussetzt* (Gaupp O05b), so labt sich ein besser geeigneter Angriffspunkt fiir die Herstellung neuer Anpassungen kaum denken als ein locker mit dem Prim- ordialcranium verbundener Deckknochen, der an sich bereits die Tendenz besitzt, sich vor der stirkeren Entfaltung des Gehirnes zu verschieben. Besifen wir irgend einen Fund fossiler Mono- tremensquamosa, so wiirden wir sicherlich in ihrer Lage am Schadel die mannigfaltigsten Abweichungen feststellen kénnen. Dieser Umstand allein hitte bei sonst bereits fixiertem Cranium kaum zu so enormer Divergenz fiihren kénnen. Dies Cranium aber ist noch keineswegs fixiert und in seinen Grund- ziigen gerade in jenem Teile im Werden, der bei den rezenten Monotremen als Alisphenoid bezeichnet wird. Ein Licht fiel mir auf die topographischen Verhaltnisse des Kiefergelenkes erst durch die Bekanntschaft mit der hervorragenden Arbeit vou Gaupp (02, ferner in 05a, p. 299, und Ode, p. 826). Durch diese ‘Arbeit ist es klar gemacht worden, daf der Bezirk, der im mensch- lichen Schidel die beiden ersten Trigeminusaste, den Trochlearis und Abducens enthalt, ein Raum ist, der bei den Amphibien und Sauropsiden véllig auferhalb des Gehirncraniums liegt und nach medial von dem primordialen Cranium, nach ventral von einem dem sog. Proc. basipterygoideus homologen Fortsatz begrenzt wird. Das gesamte Gebiet, das summarisch als Alisphenoid oder Ala temporalis bezeichnet wird, ist ein dem urspriinglichen Knorpel- cranium fremder Bestandteil, der als Bindegewebsknochen entsteht. Die Ausdehnung des Gehirns bringt jene Knorpelwand des Craniums zum Schwinden; der Trigeminus, der vorher seitlich neben dem Gehirncranium lag, liegt nun im Schadel, und der Bindegewebs- knochen selbst begrenzt jetzt das Gehirncranium. Nach der An- sicht von Gaupp ist es das sog. Intertemporale, das diese Rolle eines Belegknochens spielt und das die Sphenotemporal- liicke des Saéugercraniums schlieSt. Die Untersuchungen von VAN BeMMELEN haben gezeigt, daB bei den Monotremen diese Liicke ganz besonders stark besteht. Die Fig. 4 auf Tafel XXX und Fig. 4 auf Tafel XXXI bei VAN BemMMELEN zeigen nun die sehr iiberraschende Tatsache, dai bei jungen Tieren die Gelenk- flachen zu dieser sphenotemporalen Liicke bei beiden Familien der Monotremen ziemlich ibereinstimmend liegen, ‘so abweichend auch spiter beim erwachsenen Tier die Lage der Gelenkflachen zum ausgebildeten Alisphenoid sich gestalten mag. Hiernach scheint uns die Lage der Gelenkflache bei den 578 Wilhelm Lubosch, Monotremen im Zusammenhange mit der Art des Verschlusses der. Sphenotemporalliicke zu stehen, namlich als das Ergebnis der Konkurrenz zwischen der Ausdehnung des Squamo- sum und der Ausbildung des sog. Intertemporale. Eine friihzeitigere und starkere Entwickelung des Intertemporale zwingt das Squamosum, wenn es selbst starker durch den Kauakt beansprucht wird, sich nach medial und hinten zu _verlagern. Hierbei ist als dritter der Mitbewerber in der Konkurrenz das Petrosum und insbesondere das Mittelohr zu erwahnen, das bei Ornithorhynchus noch nicht die Lage wie bei Echidna er- reicht, oder sie verloren hat. Es steht fest, daf das Mittelohr bei Ornithorhynchus relativ und absolut auferordentlich viel kleiner ist als bei Echidna. Es steht ferner fest (DENKER, ESCHWEILER), daf es in seiner Ausbildung bei Ornithorhynchus einfachere Ziige tragt; so entbehrt es nach drei Seiten hin eines knéchernen Ab- schlusses, liegt vielmehr an der Basis des Schadels frei als eine Ausbuchtung des Rachens. Nun wird das Mittelohr selbst aber wiederum von der Ge- staltung des harten Gaumens beherrscht, und es liegt nahe, hierbei auch der Differenzen zu gedenken, die gerade die Gestaltung des Gaumens bei den Monotremen erfahren hat (VAN BEMMELEN 01, p. 763 ff.) 14), um zu zeigen, von wie vielen einzelnen Umstanden schlieflich die Topographie der Gelenkflache abhingen kann. Wir sehen bei Echidna das sog. Pterygoid in inniger Beziehung zum Tympanicum und dem Mittelohre stehend. Es ist der einzige Fall bei Saiugetieren, wo dieser Knochen das Mittelohr begrenzt, und das bleibt merkwiirdig selbst unter der Annahme von GaupP (Ss. 0. p. 558), daf es ein Knochen sei, der spiter bei Saugetieren sich nicht wieder vorfinde und mit der inneren Lamelle des Fliigel- fortsatzes nichts zu tun habe. Bei Ornithorhynchus jedenfalls be- steht keinerlei Beziehung zwischen Mittelohr und einem, jenem Pterygoid vergleichbaren Element. Van BremMecen fiibrt die Verinderung in der Lage der Palatina und Pterygoide auf die verschiedene Lebensweise der Tiere zuriick, die bei Echidna und Ornithorhynchus eine Verlangerung des harten Gaumens, aber bei jeder Familie auf verschiedene Weise, zu stande bringt. Zusammenfassend stellt sich also das Ergebnis der ver- gleichend-topographischen Untersuchung folgendermafen dar: In der Temporalregion des Monotremenschadels steht das Squamosum einzig unter dem Einflu’ des mit stirkerer Kautatigkeit sich stirker entfaltenden Kiefergelenkes. Die Entwickelung des sog. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 579 Intertemporale, d. h. der Abschlu8 der groBen Sphenotemporalliicke ist durch ihr zeitliches Eintreten und ihre raumliche Ausdehnung ma8gebend fiir die Richtung, in der sich das Squamosum ent- faltet. Das Mittelohr wird durch die Umbildung des Gaumens (Riickbildung des Pterygoids) und durch die Einwirkung des Kiefergelenkes in seiner Lage gleichfalls beeinflu8t. Squamosum, Alisphenoid und Petrosum, dazutretend die Knochen des harten Gaumens stellen sich uns hierbei also als in einem Kampf der Teile begriffen in deutlichster Weise dar. Von den Bedingungen, unter denen diese Teile kimpfen, ist nur die Beziehung zwischen Kauakt und Entfaltung des Squamosum sicherzustellen, waihrend fiir die Entwickelung des Intertemporale die beeinflussenden Um- stiinde noch ganz dunkel sind und ebenso die Ausbildung des Gaumens in kausaler Hinsicht nur Vermutungen zulaBt. 2. Die Kaumuskulatur und ihre Bewegungen sowie die Form der Gelenkfliche, Was die Kaumuskulatur anbelangt, so ist schon oben das Wesentliche im einzelnen hervorgehoben worden. Hier mochte ich auf die gegenseitigen Beziehungen in der Funktion dieser Muskeln hinweisen, woraus sich im Zusammenhange mit den herrschenden Ansichten tiber die Genealogie der Monotremen einige wichtige Folgerungen ergeben werden. Eine Vergleichung der Funktionen zeigt, dafi beider Tiere Kaumuskulatur ganz verschiedenartigen Tatigkeiten angepabt ist, ohne dafi’ es zunachst irgendwie méglich ware, zu entscheiden, ob eine Funktion sich aus der anderen ent- wickelt habe und welche in solchem Falle als die primitivere an- zusehen ware. Das Schnabeltier wurde oben schon durch seine an die der Nager erinnernde Anordnung der Kaumuskulatur charakterisiert. Ich habe ferner dargelegt, wie die EHinrichtung der Gelenkflachen und die Stellung der Hornzahne sich als ge- eignet fiir starke Kraftentfaltung darstellen. Ich war erfreut, in dem Reisebericht von Semon (94, p. 11) folgende Angaben iiber die Nahrungsaufnahme und Nahrungsverarbeitung beim Schnabel- tiere zu finden: ,....Wahrend des Tauchens hat es am Grunde mit seinem platten Schnabel nach Entenart allerlei Wassergetier, Wiirmer, Insektenlarven, Schnecken und Muscheln aufgestibert und seine Backentaschen reichlich gefiillt. Am Burnett bilden unstreitig Muscheln seine Hauptnahrung; die Backentaschen fand ich gewohnlich mit 10—15 mm langen Exemplaren von Corbicula Bd, XLI. N, F. XXXIV. 838 580 Wilhelm Lubosch, nepeanensis Lesson strotzend gefiillt. Das Auftauchen geschieht, um Luft zu schépfen und um den Inhalt der Backentaschen zu zermalmen und zu verschlucken.“ Semon fahrt fort: ,,Offenbar sind die hornigen Verdickungen der Kiefer bei dem ausgewachsenen Tier eine Anpassung an jene Muschelnahrung und sind zur Zer- malmung der harten Muschelschalen ein dauerhafteres und ge- eigneteres Instrument als wirkliche Zaihne, die bekanntlich bei Ornithorhynchus in der Jugend vorhanden sind, aber bald ab- genutzt werden und ausfallen.* — Ich glaube dargetan zu haben, da8 die Anpassung an diese harte Nahrung sich viel weiter erstreckt, als hier dargestellt ist. Kine genauere Beschreibung dariiber, wie die Nahrungs- aufnahme bei Echidna erfolgt, ist mir nicht bekannt geworden. In Kiirze wird angegeben (BreHM 91, p. 716; Max WesBer 04, p. 324), daf der Ameisenigel seine lange Zunge zum Fang von Insekten herausstrecke, das Sekret der Speicheldriisen mache die Zunge klebrig, und nach dem Zuriickziehen werde die Nahrung zwischen den hornigen Papillen der Zunge und den harten Quer- leisten des Gaumens zerrieben. Auch Gras und Sand soll im Mageninhalt von Echidna gefunden worden sein (BREHM, |. ¢.). Hiernach wird fiir die eigentliche Zerkleinerung der Nahrung die Kaumuskulatur gar nicht in Anspruch genommen, welche im wesentlichen durch Bewegungen der Zunge erfolgen wiirde. Darum scheint mir die geringe Aus- bildung der Kaumuskulatur bei Echidna nicht nur auf einer Riick- bildung nach Verlust der Zaihne zu beruhen, sondern tiberhaupt auf einer Ausschaltung des Unterkiefers bei dem Kauakt im Sinne des Kauaktes héherer Saiugetiere und auf einer Anpassung an eine ganz besondere Funktion. Hierfiir spricht vor allem die eigentiimliche Er- scheinung, daf jede Halfte des Unterkiefers um die Lingsachse derart torquiert ist (s. 0. p. 554), da& die laterale Seite am Gelenkende zur unteren, die mediale am Gelenkende zur vorderen Flache wird. Bei solcher Einrichtung des Kiefers nimlich vermag die Wirkung des Masseter und des Pterygoideus internus nicht mehr die zu sein, die wir als ,Anziehung“ des Kiefers von den héheren Saiugetieren her kennen. Es wird viel- mehr durch beide Muskeln eine Rotation des Unterkiefers um die Laingsachse stattfinden miissen, und zwar wird der Masseter jede Halfte nach aufen, der Pterygoideus internus jede Halfte nach innen drehen. Es resultiert aus solcher An- Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 581 ordnung die Méglichkeit, den Boden der Mundhdéhle in eine Réhre zu verwandeln und die Mundéffnung réhrenférmig zu gestalten (vergl. hierzu Anmerk. 12). Eine ,Oetinung“ des Mundes im gewohnlichen Sinne und eine Mitwirkung des Detrahens mandibulae hierbei wird nur in geringem Grade stattfinden, wie aus der Anordnung dieses Muskels wohl hervorgeht. Ks scheint mir, als ob dieser Muskel hier sogar mehr als Re- tractor mandibulae wirke, und zwar als der eine Antagonist des Pterygoideus externus, dessen anderer der Temporalis mit seiner hinteren, aus dem Temporalkanal kommenden Portion sein kénnte. Der Temporalis mit seiner vorderen Portion muf ferner zugleich echter Antagonist des Detrahens werden, insoweit der Detrahens eine geringe Oeffnung des Mundes herbeifiihrt. Solange freilich das Spiel der Kaumuskeln am lebenden Tier noch nicht zur Beobachtung gelangt ist, bleibt dies alles hypothetisch, ist aber aus der Anordnung der Muskulatur sehr wahrscheinlich gemacht. Aus dieser Darstellung ergiebt sich ohne weiteres, dai ein Zu- stand, wie der von Echidna, unméglich einen Ausgangspunkt gebildet haben kann, und daf uns, was Kaufunktion anlangt, Ornithorhynchus viel eher eine Vorstellung von der Kautitigkeit der primitiven Saiugetiere zu liefern vermag, wenngleich auch bei diesem Tier das Leben im Wasser, das wir stets als eine sekundire Form der Lebensweise héherer Tiere zu betrachten haben, nicht mehr véllig den urspriinglichen Zustand erhalten haben wird. Dies wiirde sehr wohl zu der Bezahnung der Tiere passen, die uns bei Ornithorhynchus mehr als bei Echidna erhalten ist. Versuchen wir, uns eine Vorstellung von den genealogischen Beziehungen der Monotremen zu machen, so kann dies auf Grund der Darstellungen von Harcken (95) und Max WesBer (04) in fol- gender Weise geschehen. Die in der Jugend vorkommenden Zihne von Ornithorhynchus sind als multituberkulate Zahne aufzufassen, Die mit solcher Bezahnung multituberkulater Backzaihne versehenen Tiere kommen in Trias, Jura und Kreide vor; sie erstrecken sich bis in das friiheste Eocin und werden als mesozoische Saugetiere bezeichnet. Max Weper betrachtet sie als direkte Vorfahren der Monotremen. Auch Harcket bezeichnet die Multituberculata schlechthin als Monotremen. Da die Ent- wickelung des multituberkulaten Typus lange ‘Zeitriume voraus- setzt, so wird auch fiir die direkten Vorfahren der Monotremen eine lange Geschichte angenommen, die bis auf einen Ausgang im Perm zuriickfiitrt. Wrserr (J. c. p. 818) gibt uns das Bild eines 38 * 582 Wilhelm Lubosch, permischen Saugetieres in folgender Darstellung. -Es waren ,sehr kleine insektivore Tiere mit verlangertem Schidel, ohne Sagittal- kamm und mit abgerundetem Hinterhaupt. . .. Vermutlich war der Jochbogen zierlich mit kleinem Jugale. Das Parietale grof, Squamosum klein, Tympanicum ringférmig, ohne auferen Gehir- gang... . Das Alisphenoid und Mastoid waren klein . . . gegen- iiber der fleischigen beweglichen Zunge trug der Gaumen Leisten. Im Gebif, das erst spaiten Wechsel erfuhr, hatten die hinteren Zahne 3 spitzige Kronen differenziert.“ Die weitere Umbildung dieser Tiere wird in eine spatere Zeit der Erdgeschichte verlegt, namentlich auch die Ausbildung des Kiefergelenkes. In dieser spateren Periode der Erdgeschichte, der Triaszeit, existierten nach Harecket die Ursaugetiere als ,,kleine terrestrische Tiere von Gréfe und Habitus einer Eidechse oder eines Salamanders“, die bereits mit Temporalgelenk ver- sehen waren. Das Gebif ist bei ihnen noch reptilienartig ge- wesen. Die Umstinde, die zur Entstehung des neuen Kiefergelenkes gefiihrt haben, sind vor allem die Verbreiterung des Gehirns (GauppP, FURBRINGER) und die Verlagerung des Gelenkes aus der Nahe des bedrohten Ohres (FURBRINGER), das nun nicht mehr medial vom Quadratoarticulargelenk liegen blieb, sondern eben durch die Verbreiterung des Gehirncraniums mit ihm in Kollision gelangte. Ein weiterer begiinstigender Einfluf war durch die Verkiirzung der Kiefer und die dadurch weiterhin erméglichte Ausbildung der Zihne gegeben. Aus einfach ihre Beute verschlingenden Am- phibien und Sauropsiden wurden ,kauende“ Saiugetiere (FURBRINGER 04, p. 603; Fucus 05, p. 167). Indes erblickt FUrBRINGER wohl mit Recht in all diesen Vorgiingen nur begiinstigende Umstiande, wihrend er als eigentlichen Anlaf die Saugetitigkeit der Beuteljungen der primitiven Saugetiere an- nimmt‘*), Demnach ist tiber die Zeit, in der das neue Kiefer- gelenk aufgetreten ist, nur etwas Relatives zu sagen: es kann nicht eher dagewesen sein, als bis die Milchdriisen sich aus Haut- driisen gebildet hatten. Die weiter differenzierten und sich bis ins Eocin erstreckenden Multituberculata bezeichnet HAEcKEL als ,,Monotremen mit in- kompletem, differenziertem TrogontiengebiS mit starken, nager- artigen Schneidezihnen, einem Eckzahn, mit wenigen sehr grofen Backzihnen, welche 2 oder 3 Liingsreihen von kegelférmigen Héckern trugen“. Auch Weper erwihnt (I. c. p. 357), daf bei Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 583 den Multituberculata die Kiefer nagetierartig von vorn nach hinten verschoben wurden (vergl. Anmerk. 15), Dies die genealogischen Beziehungen. Es entsteht die Frage, wie sich die genetischen Beziehungen der recenten Monotremen hierzu verhalten. Da bei den jiingsten Ausliufern der Maulti- tuberculata im Eocain Riickbildung der Zihne vorkommt, ist be- kannt, und da Ornithorhynchus im Jugendzustande in jeder Ober- kieferhalfte 2, in jeder Unterkieferhalfte 3 Zihne von multi- tuberkulatem Bau traigt (es werden aber in jeder Kieferhalfte mindestens 4 angelegt — Weper), so ist die Ansicht begriindet, daf Ornithorhynchus der letzte lebende Ueberrest dieser ausgestorbenen nagetierartigen, herbivoren, multituberkulaten Saugetierart ist. In diesem Zusammenhange lege ich grofen Wert auf die von mir nachgewiesene, an die der Nager erinnernde Anordnung der Muskulatur, die zweifellos im Verein mit der Gestaltung der Gelenkfliche jene Ansicht stiitzt. Sehr zweifelhaft ist nun bei dieser Sachlage die Frage, an welcher Stelle man sich diejenige besondere Reihe von Riickbildungs- erscheinungen beginnend vorzustellen hat, die zu einem echidna- artigen Tiere fiihrte. Hier gibt uns die Natur nur einen Hin- weis, und zwar in der Gestaltung der Gelenkflaiche von Echidna. Unter keinen Umstianden kann eine Gelenkfliche wie die von Ornithorhynchus als eine primitive Einrichtung betrachtet werden; unter allen Umstianden muf eine Gelenkfliche wie die von Echidna dagegen die Vermutung nahelegen, daf annahernd so die urspriing- liche Anlagerung des Dentale an das Squamosum auch in mikro- skopischer Hinsicht beschaffen gewesen sein mu. Ich glaube also, daf der zu Kchidna fiihrende Zweig sich von der Gruppe der mesozoischen Saugetiere zu einer Zeit abgezweigt hat, als diese ihre durch spezielles nagetierartiges Leben ausgebildete spezialisierte Gelenkflache noch nicht erworben hatten; da uns also Echidna wertvoll ist fiir unsere Vorstellung vom primitiven Bau des Gelenkes, Ornithorhynchus dagegen fiir die Vorstellung von der Lebensweise der primitiven Saugetiere. Wie grof im Prinzip die Homo- logie beider Kiefergelenke trotz alledem ist, lehrt die Existenz eines Lig. temporo-mandibulare, das zwar bei beiden Familien funktionell verschieden angeordnet, dennoch aber deutlich nachweisbar ist. Die Ansicht, daS die nagenden Multituberculata ein spe- zialisierter Zweig dieser Urséugetiere gewesen sind, gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daf alle Ankniipfung fiir die Form 584 Wilhelm Lubosch, der Gelenkflaiche bei den héheren Siugetieren bei der Gelenk- fliche von Echidna stattfindet und nicht bei der von Orni- thorhynchus, die, wie oben gezeigt wurde, eine ganz isolierte Topographie besitzt. 3. Gelenkspalt und Gelenkfliche. Insbesondere: Die Vergleichung der Gelenkflache bei Monotremen mit der Gelenk- flache des Quadratoarticulargelenkes bei Sauropsiden. Die vergleichende Beurteilung der in dieser Ueberschrift zu- sammengefaften Befunde ergibt nunmehr die wichtigsten Schliisse fiir unsere Auffassung von der gegenscitigen Stellung der Gelenke zueinander. Zugleich ist hier auch dasjenige Material gegeben, das meiner Ansicht nach fiir die Homologisierung des Saiuge- tierkiefergelenkes zuktinftig in Betracht gezogen werden mu8. Ich habe oben geschildert, wie das Gelenk bei Echidna allseitig im Bindegewebe liegt, nach Art eines Schleim- beutels. Besondere Bedeutung gewinnt dieses Verhalten dadurch, daf wir sahen, wie dieser Schleimbeutel eigentlich nur gleichsam der primus inter pares war, vornehmlich da auch das Lig. tem- poro-mandibulare durch einen solchen Schleimbeutel von dem Squamosum getrennt war. Das Gelenk von Ornithorhynchus er- scheint nun ohne weiteres als ein bereits viel mehr ge- festigtes Gefiige, insofern hier lockeres Bindegewebe nicht mehr an der Begrenzung des Gelenkspaltes teilnimmt. Es schliebt sich dieses Verhalten sehr gut an die soeben von der genea- logischen Beziehung beider Formen gegebene Darstellung an, denn dieses lockere Bindegewebe muf bei der weiteren Entwickelung des Gelenkes nach und nach der Riickbildung anheimfallen. Also auch hiernach ist Ornithorhynchus eine jiingere, mehr spezialisierte und differenzierte Form, Echidna dagegen eine altere primitivere. Daf aber auch bei Ornithorhynchus noch Anklange an das ur- spriingliche Verhalten vorhanden sind, laft sich in dem grofen, hier seitlich vom Gelenk und dicht bei ihm liegenden intermuskularen Schleimbeutel erkennen (vergl. p. 572). Es wiirde mich hier zu weit fiihren, die histologischen Beziehungen zwischen Schleim- beuteln und Gelenken zu erértern; eine groke Literatur besteht hiertiber, und ich werde in meiner nachsten Verdffentlichung hierauf eingehen, wo die vergleichende mikroskopische Anatomie der Gelenke einer Betrachtung unterzogen werden wird. Ich wende mich jetzt zu der Einrichtung der Gelenkflache selbst, die oben fiir beide Formen isoliert beschrieben worden ist. Zu- Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. ‘ 585 sammenfassend kénnen wir hieriiber Folgendes sagen: Die Gelenk- flichen des Kiefergelenkes der Monotremen bestehen aus 2 ziem- lich scharf getrennten Schichten; die oberflachliche Schicht besteht aus Faserknorpel, die tiefe aus einem vorwiegend hyalinen Knorpel. Die faserknorplige Schicht geht gegen die Gelenkflache zu in eine vorwiegend bindegewebige Auskleidung des Gelenkes iiber, wihrend nach der Tiefe zu die Bindegewebszellen sich nach und nach mit Kapseln umgeben, also wenigstens scheinbar den Charakter von Knorpelzellen annehmen. Die tiefere, vorwiegend knorplige Schicht ist schmaler und steht mit der oberen dadurch in Verbindung, dafi die dort reichlich entwickelten Fasern in sie hineinziehen. Weiter gegen die Tiefe folgt der Knochen, in den die Binde- gewebsbiindel als SHarprysche Fasern eindringen. Rein deskriptiv-histologisch ist dieses Verhaltnis vollkommen klar und in vélliger Uebereinstimmung zu dem sonst aus der beschreibenden Anatomie der Gelenke Bekannten. So schildert ‘schon Boum (68) den Uebergang zwischen veristelten Bindegewebs- zellen und Knorpelzellen an der Peripherie der Synovialhaut. Ebenso TrttMANNs (76), der beschreibt, wie an Stellen stirkeren Druckes das Endothelhaéutchen verschwindet z. B. an der Quadri- cepssehne, wo es bei Neugeborenen vorhanden ist, gerade so, wie normal auf den Knorpeloberflaichen in den Gelenken die urspriing- lich bedeckenden Bindegewebsziige verloren gehen; besonders bei Hammar (94) finden wir Angaben tiber den Uebergang der ver- zweigten Bindegewebszellen zu _ eingekapselten knorpelartigen Zellen durch allerlei Zwischenstufen, wo zunachst zwischen den Fortsatzen der Bindegewebszellen Kapseln auftreten, wo weiter- hin kérniger Zerfall der Fortsatze stattfindet, bis schlieflich die Zellen ohne Fortsatze in dicken Kapseln liegen (I. c. p. 285 bis 292). Solche Uebergiinge finden sich an Stellen starken Druckes im Gelenk, ferner an der Uebergangszone zwischen Syno- vialhaut und freier Oberflache des Kérpers. Ganz abnliche An- gaben finden sich bei VAN pER Stuys (75). Tourneux und HerMANN haben fiir die Sehnenscheiden und die Achillessehne des Menschen Zwischenzustinde zwischen Bindegewebe und Knorpel- gewebe beschrieben. Ganz besonders aber hat HAGEN-TorN (82) betont, da sich auf der Quadricepssehne echte Knorpelzellen, ferner aber eingekapselte Bindegewebszellen finden, die jedoch keine typischen Knorpelzellen seien. Dieser Autor weist nach, dafi das Perichondrium an der Entstehung der Mem- brana synovialis und der sich hierin gelegentlich findenden Knorpel- zellen keinen Anteil habe. Theoretisch sei die Méglichkeit zuzu- 586 Wilhelm Lubosch, geben, da8 tiberall im Kérper aus Bindegewebe Knorpel erzeugt werden kénne, doch seien die Bedingungen hierfiir nicht bekannt. Ich habe die Frage hier nicht erschépfend behandelt. Es sollte an wenigen Beispielen gezeigt werden, daf dieser Uebergang von Bindegewebe in Knorpel ein in der deskriptiven Gelenkhisto- logie durchaus bekannter und in keiner Weise irgendwie zu be- zweifelnder Vorgang ist. Im Kiefergelenk der Siugetiere indes spielt dieser Uebergang jedoch noch eine besondere Rolle wegen der Machtigkeit der hier zur Entfaltung gelangenden Knorpelmassen. Denn ganz allgemein ist hier Knorpel im Squamosum und im Condylus vorhanden (Ftr- BRINGER 04). Neuerdings hat ihn KjELLBerG fiir den Menschen und das Rind beschrieben. Schon embryonal tritt bei 33,5 cm langen menschlichen Embryonen an diesen Stellen Knorpel auf unterhalb einer Bindegewebslage, die dem Knorpel als Periost aufsitzt. Der Befund bei Monotremen war nun nach zwei Richtungen hin zu verfolgen, bevor weitere Schliisse aus ihm gezogen werden konnten. Erstens: Wie verhalten sich die Gelenkflichen des Quadratoarticulargelenkes der Sauropsiden dazu, und zweitens: Wie verhalten sie sich zu den Befunden an den Gelenkflichen des Kiefergelenkes héherer Saiugetiere ? a) Kiefergelenk und Quadratoarticulargelenk. Aus einer Untersuchung von VAN DER Srricut (90) war mir bekannt geworden, daf an Kérpergelenken von Végeln eine fein- faserige Struktur vorkomme, die sich von der Oberfliche des Gelenkknorpels in die tieferen Lagen hinein erstrecke, und zwar in ganzer Ausdehnung der Oberfliche — nicht nur, wie bei Siugetieren an der Uebergangsstelle von Gelenkknorpel und Gelenkkapsel. Ich multe natiirlich untersuchen, welche Be- ziehungen zwischen dieser faserigen Bildung und der im Kiefer- gelenk der Monotremen vorkommenden besteht. Denn es war ja sehr wohl méglich, da’, wie so manche andere Einrichtungen des Mono- tremenkérpers, so auch ihre Gelenkflichen Sauropsidenmerkmale besifen, ein Verhaltnis, das dann natiirlich fiir nihere Beziehungen zu dem Quadratoarticulargelenk sprechen wiirde. Es gelingt leicht, bei gut fixierten Kniegelenken z. Bb. die Strukturen wieder- zufinden, die VAN DER Srricut beschreibt. Ich habe es so bei den Kniegelenken eines Hinflings, eines Finken und eines Huhnes gesehen. Sehr zarte Faserbiindel ziehen schriig yon der Oberfliche in die Tiefe und endigen in einiger Entfernung von der Oberfliche des in der Tiefe liegenden Knochens von Femur Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 587 und Tibia. Zwischen diesem Knochen und dieser Bindegewebslage liegt ein echter hyaliner Knorpel, der sich nun in kom- pakter Masse zwischen den Fasern bis zur freien Gelenkoberflache - hinzieht. Weder an Gelenken von Amphibien (Triton, Salamander, Frosch) noch von Eidechsen habe ich Aehnliches gefunden. Die Aehnlichkeit zwischen der oben beschriebenen Bildung, insbesondere der von Ornithorhynchus ist nicht zu verkennen, namentlich wenn man die spitzbogenartige Anordnung der Fasern in Betracht zieht, die eine gleiche funktionelle Beanspruchung des Bindegewebes voraussetzen laft. Dennoch wird man in diesen Zustinden nicht mehr, als zufallige Konvergenz zu erkennen vermégen, denn ge- wichtige Unterschiede bestehen trotzdem. Am besten lassen sie sich durch den Gegensatz ausdriicken: Im Kniegelenk der Vogel hyaliner Knorpel mit eingelagerten Fasern, im Kiefergelenk der Monotremen Bindegewebe mit eingelagerten knorpelartigen Elementen. Um so wich- tiger ist es, dafi nun gerade das Kiefergelenk der Végel, wie auch das der von mir untersuchten EKidechsen keine Andeutung solcher bindegewebigen Strukturen zeigt. Ich habe einige Kiefergelenke von Eidechsen, sowie Kiefergelenke vom Finken und Hanfling auf Serienschnitten untersucht und dort Einrichtungen gefunden, wie sie sich am Kniegelenk, Ellbogengelenk, Schulter- gelenk, kurz an allen gréferen Kérpergelenken der Amphibien, Sauropsiden und Saugetiere finden, namlich: freie Gelenkflachen aus hyalinem Knorpel, dessen oberste Lagen aus platten Zellen be- stehen, — eine Gelenkkapsel, die mit Synovialfalten ringférmig vor- springt, — und einen Gelenkspalt, ohne Andeutung eines Meniscus. Hiernach trage ich kein Bedenken, zu behaupten, daf rein histologisch das Kiefergelenk der Monotremen allein schon durch den Besitz seiner miachtigen faserknorpligen Ueberziige in scharfem Gegensatz zu der histologischen Einrichtung des Quadrato- articulargelenkes der Sauropsiden steht. b) Das Kiefergelenk der Monotremen und der héheren Saugetiere. Diese Vergleichung ist mir bisher leider nur in geringem Um- fange méglich gewesen; sie stiitzt sich auf eigene Anschauung nur beim Menschen und der erwachsenen Fledermaus. Halte ich aber hierzu die Beschreibung von KsELLBERG, so ergibt sich, da im Prinzip iiberall das Verhaltnis der Monotremen, namlich tberall Knorpel und Bindegewebe vorkommen. In der Verteilung dieser beiden Gewebe bestehen allerdings grofe Verschiedenheiten. 588 Wilhelm Lubosch, Speziell méchte ich die Einrichtung bei der erwachsenen Fleder- maus erwihnen, die in gewissem Sinne ein Extrem darstellt, inso- fern auer dem Meniscus keinerlei Bindegewebe mehr, weder im Condylus noch im Squamosum zu finden ist. Diese Ergebnisse: Prinzipielle Verschiedenheit des Kiefer- gelenkes der Monotremen in seinen histologischen Kinrichtungen von dem der Sauropsiden, dagegen Uebereinstimmung mit dem Kiefergelenk der Saugetiere in wesentlichen Punkten des feineren Baues, sprechen fiir eine genetische Verschiedenheit beider Gelenke in dem Sinne, daf wir uns das Kiefergelenk der Saugetiere als zwischen zwei Belegknochen urspriinglich als einen Schleimbeutel angelegt vorzustellen haben. Der Zustand der ersten Anlage, wie sie von Gaupp fiir Echidna und von KJeLuBere fiir den Menschen geschildert worden ist, steht mit dieser Auffassung in bester Ueber- einstimmung. Eine Einsicht jedoch in das Wesen der weiteren Ent- wickelung des Saugetiergelenkes wird erst méglich, wenn wir eine klarere Vorstellung von der Entstehung und Her- kunft des Knorpels im Kiefergelenk der Siugetiere gewinnen. Denn ganz anders als die rein deskriptiv-histologische Be- trachtung stellt sich das Auftreten des Knerpels im Bindegewebe morphologisch dar. Wer iiberall nur die Erscheinung als solche sicht, ohne zu bedenken, da’ jede noch so winzige Erscheinung nur das Glied einer durch grofe Zeitriéume her sich erstreckenden Kette von Kausalzusammenhingen ist, der wird leicht mit der Deutung: Knorpelentstehung aus Bindegewebe zufrieden sein. Dem- gegentiber hat allein GEGENBAUR in diesen oft beobachteten Er- scheinungen ein Problem erblickt, das er mit dem alten Problem der Urzeugung und der Zellentstehung in freien Blastemen als gleichwertig auffabt. Wie wir jede Zelle nur von einer Mutter- zelle ableiten, so gibt es auch nur die Méglichkeit, Knorpel von Knorpel entstehen zu lassen, und jene Entstehung von Knorpel aus Bindegewebe beweist so lange nichts, bis nicht in einer wirklich die kausalen Zusammenhange beriicksichtigenden Untersuchung jede Beziehung des scheinbar heterotopischen Knorpels zu alterem Knorpel ausgeschlossen ist (ich verweise auf die ausfiihrliche Dar- stellung in Ge@enBAuRsS vergleichender Anatomie, Bd. I, p. 591). Dieser Forderung ist nun leider nur in geringem Make Ge- niige geschehen, denn in den zahlreichen Abhandlungen tiber die Entwicklung des Unterkiefers (cf. Anmerk. 7) handelt es sich zu- allermeist um die Beschreibung der Tatsache, da’ in dem Condylus mandibulae, wie auch im Proc. coronoides und am Angulus Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 589 mandibulae selbstindige, isolierte Knorpelcentra auftreten. Wir wissen zwar viel tiber die Genese des Condylus mandi- bulae, dagegen bisher wenig tiber die Genese des gesamten Kiefergelenkes und die Beteiligung primordialer Knorpelstticke daran. Wahrend nun nach alteren Darstellungen (SCHAFFER 88; HENNEBERG 94) und in der neueren von KJELLBERG (04) eine Beteiligung des Meckexschen Knorpels an der Knorpel- bildung im Condylus nicht erfolgt, finden sich wichtige Angaben tiber eine solche Beteiligung bereits in einer alten Untersuchung von BAuMULLER (79). Bei Schweinsembryonen steht hiernach der Mecketsche Knorpel urspriinglich mit dem Hammer in kontinuier- licher Verbindung. Bei einem 12 cm langen Embryo bildet sich diese Verbindung zwischen Kieferwinkel und Hammer zuriick, wahrend der Mecketsche Knorpel aufsteigend bis in den Gelenkkopf hineinragt. Neuerdings schildern nun auch Driner (04) bei der Maus und Fucus (05) beim Kaninchen die Entstehung des Con- ‘dylus aus einer Knospe des Mecketschen Knorpels. Ich bin ge- neigt, in der Tat den MrecKketschen Knorpel als Mutterboden fiir einen Teil des im Condylus entstehenden Knorpels anzusehen, wodurch die Frage zum Teil im Sinne GeaunsBauRs entschieden wire. Nur dariiber, ob diese Genese sich noch stets ontogenetisch nachweisen lat, oder ob z. B. beim Menschen schon auf jiingeren Stadien (HENNEBERG, KJELLBERG) eine Abgliederung der Condylusanlage vorliegt, ist vorab noch keine Entscheidung zu treffen. Da mit gréfSerer Freiheit der Kaubeweguug auch die Lange des Astes zunimmt, so wird eine cénogenetische Selb- sindigkeit dieses Knorpels im Condylus in vielen Fallen in der Anlage bemerkbar werden kénnen (siehe das Kleingedruckte aut p. 594). Schwierigkeiten fiir die morphologische Bedeutung wiirde dies Verhaltnis ftir denjenigen nicht machen, der im Condylus das Articulare der Sauropsiden erblickt und der eben gerade diesen Befund als eine Bestatigung seiner Annahme_ betrachten wiirde. Die Ausdehnung des Mrecketschen Knorpels weiter distal zum Hammer jedoch kompliziert in sehr betrachtlicher Weise die sonst so einfache Sachlage (cf. Anmerk. 1). Nur ein Kiefergelenk, wie das von Echidna, ge- wahrt die Méglichkeit eines Kinblickes in den Zu- sammenhang. Denn hier ist das Dentale noch nicht mehr als eine Schale, die auf dem Meckeischen Knorpel liegt und die an einer Stelle vor dem Ende dieses Knorpels eine schleimbeutelartige Artiku- lation mit dem Periost des Squamosum erhalt. Eine 590 Wilhelm Lubosch, buckelférmige Vorwélbung des Mecketschen Knor- pels an dieser mechanisch dauernd in Anspruch genommenen Stelle mu&S der Ausgang fiir die tiefe Knorpelschicht am Unterkiefer sein. Was die Monotremen anlangt, so scheint mir also die tiefe Lage von hyalinem Knorpel, die bei beiden Familien vorkommt, nur vom MeckKetschen Knorpel ableitbar zu sein, obwohl onto- genetisch gerade bei diesen Formen noch nichts dartiber bekannt geworden ist. Allein groSe Schwierigkeiten bereitet nun die Frage, ob die Abkunft vom Mercxetschen Knorpel und einem kranialen Knorpel- stiick auch die in der faserknorpligen Lage vorkommenden einge- kapselten Zellen zu erkliren vermag, die dort neben Bindegewebs- zellen und neben Uebergangsformen eine grofe Rolle spielen ?*). Es wire denkbar, da unter der funktionellen Einwirkung des tatigen Gelenkes Knorpelzellen aus der tieferen Schicht in die ur- spriinglich rein bindegewebige Periostlage hineingewandert waren. Hierbei liegt die Schwierigkeit vor, da& wir ja kontinuierliche Uebergiinge zwischen den oberflachlichen Bindegewebszellen und den tieferen eingekapselten Zellen beobachten. Die andere Deutung aber, daB die gesamten Zellen der oberilaichlichen Schicht durch Umwandlung aus urspriinglichen Knorpel entstanden seien, ist zuriickzuweisen, weil, selbst unter der Voraussetzung einer primor- dialen Anlage des Gelenkes, hier eine Gewebstransformation an- genommen werden miiBte, die véllig ohne Gleichen und auch vollig auBerhalb jeder Erfahrung ware. Es bleibt vorab, will man sich nicht zu weit von den Tat- sachen entfernen, nur iibrig, anzuerkennen, was die Praparate lehren: niimlich die Existenz eingekapselter und von dem hyalinen Knorpel durch scharfe Grenze geschiedener Bindegewebszellen in tieferen Lagen eines modifizierten Periostes!). Bedenken wir, wie weit wir von einer histologischen Erforschung der feinsten Verhiltnisse des Knorpels entfernt sind, so wird man sich solcher Anschauung anschliefen kénnen, in der Erwigung, daf unsere Kennzeichnung eines Gewebes als ,Knorpel* nur die groben Aeugerlichkeiten trifft, und da’ das Bindegewebe in seiner grofen Anpassungsfahigkeit sehr wohl pseudoknorplige Struk- turen in einer Art histologischer Konvergenz zur Ausbildung bringend gedacht werden kann. 1) Dieser Name ,,Modifiziertes Periost“ sei vorab fiir die Ueber- kleidung des Condylus vorgeschlagen und festgehalten. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 591 Als Ursache dieser Umwandlung aber ist der Reiz anzusehen, den das tatige Gelenk auf die Periostlage ausiibt. In seiner Art ein Analogon zu diesem Auftreten scheinbar artfremder Gewebselemente im Bindegewebe ist die Erscheinung des Epithels in der Auskleidung der Gelenke, der Gefafe und ge- wisser Cysten (Ovarial-), wo physiologische und pathologische Héhlen- bildungen von Elementen ausgekleidet werden, die sonst nur freien Oberflichen des Kérpers zukommen. MHier wie dort besteht fiir die Auffassung die Schwierigkeit, ob es sich um Bindegewebszellen oder die Zellen der anderen Gewebsgruppen handele. Hier wie dort aber wird die Entscheidung wohl dahin zu treffen sein, daf es sich um Bindegewebe handelt, da aber die Bindegewebszelle die Fahig- keit zu weitgehender Anpassung in sich tragt und daf es uns nicht wundern darf, wenn sie hier die Gestalt einer Knorpelzelle, dort die einer Epithelzelle annimmt, weil sie selbst ja im letzten Grunde ' betrachtet nichts anderes ist, als eine aus dem Verbande des Epithels geschiedene modifizierte Hpithelzelle. Fiir die Erklarung der Herkunft der tiefen Knorpelschicht im Squamosum bestehen Schwierigkeiten fir die RetcHertsche Lehre. Aber auch fiir die Annahme einer Homologie mit dem Quadratoarticulargelenk bestehen sehr grofe MiSstinde, wie sich bei Drtner zeigt, der die Gelenkflache vom Quadratum ableitet, aber eine Konkreszenz zwischen ihm und einem bindegewebig pra- formierten Squamosum annimmt, das seinerseits homolog dem knorplig praformierten Quadratum der Amphibien + deren mem- branés vorgebildetem Paraquadratum sei. Bei den Saugetieren (Maus) liefere das Quadratum aber nicht nur die Gelenkfliche, sondern auch den Discus und einen Teil des Mecketschen Knorpels. Ich selbst halte es nicht fiir ausgeschlossen, da8 das Petrosum unter mechanisch ahnlichen Bedingungen eine Knorpelknospe in das Squamosum eingesenkt habe, wie der Mecketsche Knorpel in das Dentale, doch ist diese Frage zunichst als unbeantwortbar zu betrachten (cf. auch FUrprinGer 04, p. 601). Es bleibt nun schlieSlich, bevor wir zu einem abschlieSenden Ueberblick iiber die Ergebnisse der deskriptiven und vergleichenden Darstellung gelangen, noch ein vierter Punkt zu erértern, néimlich 4. Die Bezichungen des Pterygoideus externus zum Kiefergelenk und die Entstehung des Kiefergelenkmeniscus. Der erste, der die Genese des Kiefergelenkmeniscus mit dem Pterygoideus externus in ursichlichen Zusammenhang gebracht hat, ist KJELLBERG gewesen. Wenn ich mich auch seiner oben (p. 555) gegebenen Deutung nicht anzuschliefen vermag, so hat mich seine Darstellung doch bei meinen eigenen Untersuchungen 592 Wilhelm Lubosch, in bestimmter Weise geleitet, weswegen ich hier ausdriicklich darauf hinweise. Von den Erklarungen der Genese des Meniscus bis auf KyeLLBerG scheint mir aufer derjenigen von Broom und der von Parker (00), die in ihm das Homologon eines auch im Kieferbogen der Sauropsiden vorhandenen Skelettelementes erblicken (Naiheres s. bei KypLLBERG, p. 160), nur die von Parsons (00) Bedeutung zu besitzen, der den Meniscus als ein nur den Sauge- tieren zukommendes Element auffaBt. Wenn auch Parsons keine genetische Ableitung dieser Einrichtung versucht, so hat er doch einige Beobachtungen gemacht, die ich der Darstellung meiner eigenen Ansicht voraufschicken mu. Auch Parsons, der tiber ausgedehnte Beobachtungen an vielen Siugetierordnungen verfiigte, betont, da& die Monotremen keinen Meniscus besitzen. Von allen hdheren Sdugetieren fehlt nach Parsons der Meniscus nur bei Dasypus und Dasyurus. Nur bei den Monotremen handelt es sich nach Parsons um ein urspriingliches Fehlen, wahrend bei dem Mar- supialier Dasyurus und dem Edentaten Dasypus der Meniscus nur ,unterdriickt* sei. Parsons balt ihn fiir eine bei den Saugetieren neu erworbene Einrichtung, die in Anpassung an neue Funktionen entstanden sei und sich aus dem umgebenden Gewebe differenziert habe. Ware er — so schliebt Parsons — eine ererbte Struktur, so miften ihn die Monotremen vor allem besitzen. Von den Beobach- tungen, die Parsons weiterhin gemacht hat, ist zu erwahnen, dal er den Meniscus in vielen Fallen dem Unterkiefer innig ansitzend gefunden hat, so daf (z. B. bei den Wiederka&uern) zwischen Schadel und Meniscus mehr Raum bestelie als zwischen Meniscus und Con- dylus. Ebenso ist er bei Manis dem Unterkiefer eng angeheftet. Was nun die Schluffolgerung anlangt, die PARSONS aus diesen Tatsachen zieht, so glaube ich ihm vdllig darin beipflichten zu miissen, dafi der Meniscus kein Erbstitick der Séiugetiere, sondern eine Neuerwerbung darstellt, doch kann nicht das umgebende Gewebe als Mutterboden fiir diese Bildung angesehen werden, eben- sowenig kann man den Meniscus als Rest eines urspriinglich vor- handenen Zwischengewebes auffassen. Eine solche Genese wiirde wohl auf die Menisci z. B. des Kniegelenkes passen. Fir den Discus articularis ist sie schon aus dem von KJELLBERG ange- gebenen Grunde schwerer denkbar, weil die Andeutung des Me- niscus bereits vor der Differenzierung des Gelenkes ontogenetisch auftritt, also nicht wohl der Rest eines Gewebes, sondern die selbstandige Anlage eines Gelenkbestandteiles sein muf. Diesem vielleicht nicht ganz iiberzeugenden Grunde kénnen wir aber den zweiten stichhaltigen hinzufiigen, da es bei Monotremen ein Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 593 Kiefergelenk gibt, in dessen Entwickelungsgeschichte, wie GAUPP gezeigt hat, keinerlei ,Zwischensubstanz“ vorkommt. Als Ausgangspunkt der Differenzierung des Meniscus der Siugetiere fasse ich nun die faser- knorplige Ueberkleidung des Unterkiefers von Echidna auf, in die eine mittlere Portion des Ptery- goideus externus hineinzieht, und vertrete die An- nahme, da diese faserknorplige Platte bei einer bestimmten Kombination in der Wirkung der Kau- muskeln eine Lockerung ihrer Verbindung mit dem Condylus erfahren habe und in Verbindung mit einer Portion des Pterygoideus externus ein selb- staindiger Bestandteil des héher differenzierten Kiefergelenkes der Siugetiere geworden sel. Die Begriindung dieser Anschauung liegt zunachst in einigen Tatsachen, die ich zum Teil schon hervorgehoben habe: so zunachst in der scharfen Abgrenzung des modifizierten Periosts gegen den Knorpel bei den Monotremen. Ferner in dem stets sehr innigen Anschlu8 des Meniscus an den Unterkiefer bei héheren Saugetieren, weiterhin in der ungleichen GréBe der beiden Gelenkkavitaten und schlieflich in den bereits embryonal vorhandenen Beziehungen zwischen der Sehne des Pterygoideus externus und der Anlage des Meniscus. Hierzu mochte ich zwei Beobachtungen an héheren Sauge- tieren fiigen, die bisher noch nicht erwaibnt worden sind: die erste betrifit das Kiefergelenk des Menschen und ist von mir in zwei Mit- teilungen (06) geschildert worden. Sie behandeln die Hiéhen- variationen des Tuberculum articulare. Diesen H6henvariationen entsprechen Wélbungsverschiedenheiten nicht etwa am Condylus des Unterkiefers, sondern am Meniscus, so daf also erst Condylus plus Meniscus eine Anpassung an die Gelenk- fliche des Squamosum erfahren, so wie es sonst an Kérpergelenken ein Gelenkende an die Form des anderen erfahrt. Hierin spricht sich sehr klar die Zugehérigkeit des Meniscus zum Condylus aus. Der Meniscus ist das selbstindig gewordene, modi- fizierte Periost des Dentale. Dies zeigt zum Schlu8 das Verhalten der Gelenkflachen bei der zufallig von mir untersuchten Fledermaus. Hier ist der Condylus selbst vollkommen knorplig. Man kénnte ihn von einer beliebigen Gelenkfliche eines primordial angelegten Korpergelenkes nicht unter- scheiden, wenn nicht als eine Kappe, durch einen schmalen Spalt von ihm getrennt, der bindgewebige Meniscus ihm aufsafe, als Zeugnis fiir die einstige bindegewebige Ueberkleidung des gesamten Condylus 594 Wilhelm Lubosch, Ich kann es nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daf wir unter der Voraussetzung dieser Ableitung in dem Verhiltnis zwischen Meniscus und Condylus ein wichtiges Kriterium fiir die Beurteilung der embryonalen Gelenkanlage besiifen, die yon den Erforschern dieses Gebietes mehr zu beriicksichtigen sein wiirde. Wenn im Laufe stammesgeschichtlicher Entwickelung eine Tierform, z. B. die Fleder- maus, einen Condylus erwirbt, dessen gesamtes modifiziertes Pe- riost (also dessen <ester Gelenkbestandteil in die Bildung des Meniscus aufgeht, so wird ontogenetisch natiirlich hier der stammes- geschichtlich alteste Bestandteil in scheinbar untergeordneter Rolle als ,,Zwischensubstanz“ erscheinen. Der jiingere aber, hier als reine hyalinknorpelige Knospe, wird das mikroskopische Bild so sehr beherrschen, daf man in dem gesamten Gelenkkopf des Unter- kiefers eine primordiale Anlage erblicken zu kénnen glaubt, was eben auf diese Weise nicht entschieden werden kann. Die hier vorgetragene Anschauung ist zunachst als eine pro- visorische zu betrachten, da fiir eine so bedeutsame Ableitung eines bisher morphologisch zweifelhaften Gebildes die angeftihrten Griinde natiirlich nicht geniigen. Doch kénnen erst weitere, noch nicht abgeschlossene Untersuchungen einen genaueren Einblick in die Entstehung des Meniscus geben. Die gréfere Freiheit in der Bewegung des Gelenkes, die meiner Ansicht nach die Lésung der Sehnenkappe beférdert, hat auch andere Folgen fiir die Differen- zierung des Kiefergelenkes: am Squamosum die Bildung einer » Facies praeglenoidalis*, am Unterkiefer die Entstehung des ,auf- steigenden Astes“. Die Aufklirung der Korrelation zwischen diesen Umgestaltungen ist die Aufgabe der Untersuchungen, die ich mir bereits seit lingerer Zeit angelegen sein lasse. Hieriiber wiire zum Schlusse nur das eine hinzuzufiigen: Vornehmlich eine kraftige Vor- und Riickwartsbewegung konnte foérderlich fiir die Lisung der Sehnenkappe sein, also eine Nagertatigkeit des Gebisses. Da nach GaAuprs Schilderung schon Echidnaembryonen die Beziehung des Muskels zur Sehnenkappe aufweisen, so ist zu schlieBen, dafi schon die bezahnten Stammformen von Echidna diese Anordnung besaben, und beuteltierartige, nagende, direkte Nachkommen dieser Stammform miissen es gewesen sein, die den freien Meniscus erworben haben. Die einseitige Sonderstellung von Ornithorhynchus zeigt sich auch hier darin, dafi bei ihm eine so innige Beziehung des Pterygoideus externus zu dem modifizierten Periost des Unterkiefers nicht nachweisbar ist. Nicht von den Verhaltnissen bei Ornitho- rhynchus, sondern von denen bei einer Stammform von Echidna ist der Meniscus der héheren Siugetiere abzuleiten. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 595 III. Abschluf. Ich fasse die Ergebnisse meiner systematischen und ver- gleichenden Darstellung des Kiefergelenkes der Monotremen folgendermafen zusammen: Das Kiefergelenk der primitiven Siuge- tiere ist in der Triaszeit (HAECKEL) nach Ausbildung der Milch- driisen (FURBRINGER) durch Anlagerung eines Fortsatzes des Dentale gegen das Squamosum entstanden. Das durch die Vorwélbung des Gehirnes nach abwarts verlagerte Squamosum entfaltet sich unter dem Einfluf mehr oder weniger starker Kautitigkeit urspriinglich in verschieden weiter Lage am Schadel. Seine Lage wird mitbestimmt durch die Entwicklung des Os intertemporale und durch die Verlagerung des Ohres, die ihrerseits mit der Umbildung des Pterygoids und des harten Gaumens zusammenhiangen. Die urspriingliche Form des Kiefergelenkes ist ein zwischen den Periostlagen des Squaamosum und Dentale entwickelter Schleim- beutel. Die weitere mechanische Hinwirkung der Kautitigkeit fiihrt zu einer Beteiligung des Mecketschen Knorpels, der als eine Knospe unterhalb der Gelenkflache in das Dentale einwichst (und des Petrosum, das sich in gleicher Weise in das Squamosum ein- senkt?). Gleichzeitig wird durch denselben Einflu8 das urspriing- liche Periost zum ,modifizierten Periost*, indem die Binde- gewebszellen seiner tiefen Lagen sich zu eingekapselten, kuorpel- artigen Zellen umbilden. Der Pterygoideus externus steht mit diesem modifizierten Periost in Verbindung. In der Begrenzung des Gelenkspaltes bleibt das lockere Bindegewebe bestehen. Im Kocin tritt eme Differenzierung der Monotremen auf, die sich auch in der Beschaffenheit der Kiefergelenke auBert. Orni- thorhynchus ist der Ausliufer einer nagerartig spezia- lisierten Monotremenabteilung. Die Lage der Gelenkfliche ist durch abweichende Entfaltung der oben erwahnten Knochen ver- schoben. Stairkere Beanspruchung des Gebisses fiihrte zu einer Reduktion des lockeren Bindegewebes in der Begrenzung des Gelenkspaltes und zu einer regelmaBig geformten Anord- nung der Bindegewebsziige im wmodifizierten Periost. Der Ptery- -goideus externus verliert seine innige Beziehung zu diesem Periost. Von einer nicht spezialisierten Monotremenform stammt Echidna ab. Obwohl bei der lebenden Echidna die Kautatigkeit nicht in der Weise der hoheren Saugetiere geschieht, kniipfen die Ein- richtungen der Kiefergelenke der Siugetiere dennoch an die Zu- stande von Echidna an. Die Insertion einer mittleren Portion des Pterygoideus externus an das modifizierte Periost und die Lage der Bd. XLI, N. F. XXXIV. 39 596 Wilhelm Lubosch, Gelenkfliche bilden die wichtigste Gemeinsamkeit zwischen Echidna und den héheren Saugetieren. Diese Periostlage hat sich bei marsurpialierartigen, nagenden, direkten Nachkommen der Stamm- form von Echidna zu einem freien Meniscus umgebildet. Anmerkungen und literarische Nachweise. 1) Driver (04) und Fucus (05) halten gegenwartig wieder an der kompleten Homologie zwischen dem Kiefergelenk der Siauge- tiere und dem Quadratoartikulargelenk der iibrigen Wirbeltiere fest. Speziell Dritner vertritt die Auffassung, dai der Mecxexsche Knorpel den Gelenkknorpel des Unterkiefers liefere, das Quadratum der Amphibien dagegen wieder zu finden sei: 1) in der knorpligen Gelenkflache des Squamosum, 2) in einem Teil des Mucxntschen Knorpels (1. c, p. 273), 3) in einem Teil des Hammers und 4) in dem Kiefergelenkmeniscus. Diese, einem primordialknorpligen Gelenkteil, dem Quadratum, angehérige Gelenkfacette tritt nach Driner mit einem bindegewebig priaformierten Knochen, dem Squamosum, in Beziehung, das Driner mit einem Teil des knorplig praformierten Quadratum der Amphibien -+- deren membranés pra- formierten Paraquadratum homologisiert. Das Hammer-Ambofgelenk ist nach Drtner eine bei Siugetieren neuauftretende Gliederung gewisser Teile des miachtigen Quadratknorpels der Amphibien. Unter den Griinden, die beide Autoren gegen die Homologisierung von Hammer-Ambof- und Quadratoartikulargelenk anfiihren, steht ihnen in erster Linie die Topographie beider Gelenke. Unab- hangig voneinander gelangen sie durch das Studium der Ent- wickelungsvorginge bei der Maus (Drtner) und beim Kaninchen (Fucus) zu der Anschauung, daf topographisch-anatomische Be- denken gegen die Reicuertsche Auffassung spriichen: Das Ham- mer-Ambofgelenk liegt dorsal von der Spitze der ersten Schlund- tasche und ragt bei erwachsenen Tieren nur in den dorsalen Teil der Paukenhéhle hinein; das Quadratoartikulargelenk dagegen liegt lateral und ventral zur Paukenhéhle. ,Bei Selachiern, Amphibien und Sauropsiden — sagt Driner (1. c. p. 266) — ist die Lage des Kiefergelenkes ventral von dem dorsalen Teile der 1. Schlund- spalte so typisch, da selbst die ausgefallenste Heterotopie eine Verschiebung an die Stelle der dorsalen Spitze und sogar noch dorsal iiber sie hinaus nicht erklirlich machen kinnte. . .“ Es méchte mir scheinen, als ob man die topographischen Beziehungen der Gehérknéchelchen zur 1. Schlundtasche, die ja ihrerseits auch nur der ontogenetische Ausdruck einer yon den Siiugetieren erworbenen Lage der Gehérknichelchen sein kann, nicht als ausschlaggebend fiir die vorliegende Frage betrachten darf, da ja vor allem die Paukenhéhle selbst in ihrer Lage von sehr vielen Umstinden abhiingig ist und nicht allein von der Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 5OT Entfaltung der Lobi temporales des Gehirnes abhangt, sondern auch von der Differenzierung des Gaumens beherrscht wird. Kon- sequenterweise miifte man sonst dazu gelangen, die beiden Kiefer- gelenke von Echidna und Ornithorhynchus nicht fiir homolog zu halten, da sie ja zum Mittelohr eine véllig abweichende Lage einnehmen. Aber auch in einer anderen Hinsicht zeigen aus- gedehnte morphologische Untersuchungen, wie sie jiingst von VAN Kampen (05) publiziert worden sind, daS das Cavum tympani in spaiteren Stadien der Ontogenese die Tendenz besitzt, sich gegen die Gehérknoéchelchen noch dorsal zu verschieben, ein Vorgang, der zur Bildung des sogenannten Recessus epitympanicus fiihrt und mit der Bildung der Pars flaccida des Trommelfelles in Be- ziehung steht. Dieser ProzeS kann als Andeutung des Bestrebens betrachtet werden, alte stammesgeschichtliche, topographische Ver- haltnisse wieder herzustellen. An sich wiirde, meiner Ansicht nach, die abweichende Topographie nur dann ein zwingender Grund zur Aufgabe der Reicuertschen Auffassung sein, wenn eine genaue Analyse aller Einfliisse, die auf die Lage des Mittelohres einwirken, durchgefiihrt ware, und wenn nachgewiesen wire, da8 diese ver- anderte Lage des Mittelohres fiir die ontogenetische Anlage der 1. Schlundspalte bedeutungslos bleibt. Einen zweiten Grund gegen die Homologie des Hammer-Ambob- und Quadratoartikulargelenkes erblickt Driiner darin, daf das Ham- mergelenk keinerlei Beziehungen zum Trigeminus besitzt, wahrend hingegen der Trigeminus zum Kiefergelenk der Saugetiere ahnliche Beziehungen habe, wie zu dem der Sauropsiden und Amphibien. Der N. mandibularis gibt den N. alveolaris inferior und den N. inter- mandibularis (auriculo-temporalis) ab, die bei Amphibien und Sauge- tieren ,aufen vom Knorpel‘ zwischen Kuorpel und Knochen, und zwar in ,unmittelbarer Nahe des Kiefergelenkes“ gelegen sind. Gegentiber diesen beiden Autoren (Fucus und Drtner) haben sich in letzter Zeit zwei andere Forscher erneut fiir die alte Rercuertsche Lehre ausgesprochen. Zunichst Van Kampxrn (05), der zugleich fiir das Tympanicum eine neue Ableitung aus einem Deckknochen des Sauropsiden-Unterkiefers versucht; ganz besonders aber ist zu beachten, daf Gaurp, der griindlichste lebende Kenner des Wirbeltierschidels, seine Autoritét fiir die Homologie des Hammer-Ambofgelenkes mit dem Quadratoartikulargelenk einge- setzt hat (05b). Wie Drtner zieht auch Gaupp die Weichteile zur Beurteilung mit heran, gelangt aber zu anderen Ergebnissen. 5 Griinde fiihrt er an, die dafiir sprechen, daS das Kiefergelenk der Saéugetiere eine vor dem Quadratgelenk bei Saugetieren neu ent- standene Bildung sei: 1) die Existenz des sogenannten Posto- perculare, das dem Proc. Folii homolog ist und von der Chorda tympani durchbohrt wird; 2) die Tatsache, daf bei den Sauropsiden der N. mandibularis und die Chorda tympani im Canalis alveolaris verlaufen und der N. lingualis aus diesem Kanal austritt, da- gegen bei Siiugetiere die genannten Nerven vor dem KEintritt des Mandibularis in den Kanal von ihm abgehen; 3) den Verlauf des N. mylohyoideus, der bei Saugetieren, so lange ein Murcxutscher 39 * 598 Wilhelm Lubosch, Knorpel existiert, auen von ihm am Ramus ascendens lhegt, an einer Stelle, an der er sich dauernd bei Amphibien findet; 4) die Lage des Auriculo-temporalis, der bei Amphibien und Reptilien vor, bei Saugetieren hinter dem Kiefergelenk liegt; endlich 5) die Existenz eines vom Trigeminus versorgten Muskels zwischen Petrosum und Unterkiefer, der kein Homologon bei Amphibien und Sauropsiden besitzt (vergl. auch oben p. 556 und 568). Der weitere Inhalt von Gaupps Vortrag versucht eine Wider- legung jener Ansicht, die Driner in die Worte falt: ,Der Gedanke an Uebergangsformen fiihrt auf morphologische und physiologische Unmodglichkeiten.“ Man ersieht aus Gaurps Darstellung, daf selbst eine Ableitung von den hochdifferevzierten Sauropsiden physiologisch denkbar ist. Es laft sich behaupten, daf, wihrend die soeben erérterten Anschauungen nur den Wert von Meinungen haben, es eine Tatsache gibt, die unweigerlich im Sinne der RercuErtschen Lehre spricht: das ist die Kontinuitat zwischen Mxcxenschem Knorpel und Hammer. Ueber die Bedeutung dieser Verbindung fir den Fall, dai das Kiefergelenk aller Wirbeltiere eine homologe Bildung wire, sagt Fucus vorab nichts (p. 173, 1. c.), wahrend Drtwer erklart, es handele sich hier um eine Verschmelzung von Skelett- elementen, wie sie auch sonst mehrfach bei Wirbeltieren zu beob- achten sei, ohne dal solche Skelettelemente dann genetisch einem einzigen Stiicke entstammten. Es handelt sich nach ihm um eine »funktionelle Anpassung an die Notwendigkeit, eine provisorische Stiitze zwischen Unterkiefer und Labyrinthkapsel zu schaffen, eine Cinogenie“. Ist nun aber die knorplige Anlage des Unterkiefers bei Siiugetieren komplett homolog der Anlage bei Amphibien: warum bedarf dann diese solcher Stiitze nicht? Oder: wenn die Notwendigkeit dafiir erst spiater eintritt: wie soll man sich den funktionierenden Zustand der Skelettteile denken, der zu allererst eine solche Stiitze notwendig gemacht hat? Es kann sich doch, obwohl Driner dies zu meinen scheint, bei dem embryonalen Auftreten solcher Stiitze nicht um einen beim Embryo erst be- ginnenden, sondern nur um einen ihm vererbten Vorgang handeln. Sich die stammesgeschichtliche Entstehung solcher Verbindung, die spiter — ebenfalls im Laufe der Stammesgeschichte — wieder gelést wird, um sich nur embryonal voriibergehend geltend zu machen, irgendwie kausal und physiologisch vorstellen zu wollen, fiihrt zu keineswegs leichteren Problemen, als es dasjenige der Genese eines neuen Kiefergelenkes der Siugetiere ist. Nun geben beide Autoren, Drtner und Fucus, eine sehr interessante Modifikation in der Ent- stehung jener Verbindung an, die niimlich nicht von Anfang an, wie friihere Darstellungen wollten, kontinuierlich ist, sondern sich erst spiter zwischen dem bereits knorplig ausgebildeten Mecxen- schen Knorpel und dem gleichfalls véllig knorpligen Hammer her- stellt. Drtnpr, der allem Anschein nach den Mucxerschen Knorpel aus 2 Komponenten herleitet (1. c., p. 273), erblickt in dieser Ver- bindung die sekundire Vereinigung zweier genetisch nicht zu- Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 599 sammengehiriger Elemente. Wenn wir aber wissen, dal onto- genetische Verschiebungen im Ausbildungsgrade der Organe vor- kommen, die von der Funktion der fertigen Entwickelungs- produkte abhingen, so kénnen wir in Hammer und Meckenschem Knorpel die friihzeitige Anlage der beiden funktionie- renden Stiicke, in dem Verbindungsstiick, das erst spiter knorplig wird, die verzégerte Anlage des sich in stammesgeschichtlicher Riickbildung befindenden Stiickes erkennen. Man kénnte ja sonst z. B. mit demselben Rechte die genetische Zusammengehdrigkeit des Proc. styloides und des kleinen Zungenbeinhornes leugnen! Ich habe mich verpflichtet gefiihlt, den Stand der Frage hier ausfiihrlich zu erértern; nicht um eine, vollig auferhalb meines Rechtes und meiner Erfahrungen liegende Kritik an der Darstellung der mehrfach erwiahnten Autoren zu itiben, sondern weil ich die Voraussetzung, die einem grofen Teile meiner theoretischen Er- Wwigungen zu Grunde liegt, eingehend zu begriinden hatte. 2) Von Abbildungen der Schadelbasis habe ich die folgenden Werke zum Vergleiche benutzt: Fiir beide Monotremen- familien die Dissertation von Jonannes Waewer (58), der einen Echidnaschidel von unten und von der Seite, ebenso einen von Ornithorhynchus in beiden Ansichten zeichnet; von p’AuTon (28) die Abbildungen auf Tafel II (Ornithorhynchus) und Tafel IV (Echidna); von Denker (01), der auf Tafel X XI das Mittelohr von Echidna, auf Tafel XXII das Mittelohr und die Schadelbasis von Ornithorhynchus abbildet; vor allem aber die in Zukunft die Grundlage unserer Kenntnisse bildenden Tafeln von Van Bremmeten (01). — Von Echidna allein hat Frowsr (88) eine Abbildung gegeben (p. 225), ebenso Weupsr einige (04, p, 319) und Gaupp (Oda, p. 298). Fiir Ornithorhynchus allein die Abbildungen von Mucxen (28), der auf Taf. IV die Schidelbasis von unten und den Unterkiefer von oben her darstellt, auf Taf. VII eine Ansicht des Gaumens und des Pterygoideus internus gibt. Die Abbildungen von Sixta habe ich nicht beriicksichtigt, da sie nach der Kritik von Van BEMMELEN wohl nicht mehr in Frage kommen. Die bei Van Brem- MELEN genannten Werke von Gervais, Brtui und Késtrin konnte ich hier nicht erhalten. 3) Eine ,,Paukenhdéhle“ existiert bei Echidna nicht, wie DENKER (01, p. 638) ausdriicklich betont, auch Escuwniter (99b, p. 586). Es ist daher in meiner Darstellung Fossa tympanica statt Cavum tympanicum gebraucht worden. 4) Hierbei méchte ich die bemerkenswerten Worte zitieren, die Gavupp an den Schluf seiner erwahnten Untersuchung (02) stellt, zugleich um einen Mangel meiner, wie der bisherigen Beschreibungen des Monotremenschadels aufzuzeigen. Gaupp ‘bezeichnet als un- befriedigend die ,,Beschrankung auf den trockenen Sammlungs- schadel, der doch nur ein Teil und manchmal sogar ein recht be- scheidener Teil des Gesamtschidels ist. Auch die Mitberiick- sichtigung der Weichteile, speziell der Nerven, kann iiber viele 600 Wilhelm Lubosch, Punkte nicht aufkliren. Zweifellos sind gerade die Nerven von auferster Wichtigkeit.... Aber wer sich damit begniigt, ein Foramen, aus dem z. B. der Facialis austritt, als For. stylomastoideum, das Loch des III. Trigeminusastes als Foramen ovale .... u. s. w. zu bezeichnen, der kann ganz sicher sein, daf ihm vielfach Irrtiimer passieren werden.“ — Kine Darstellung des Primordialcraniums der Monotremen wird vielleicht in Kiirze erscheinen und das in meiner Darstellung unbeantwortet Gebliebene erkliren helfen. 5) ,Auf die einzig dastehende Rotation der Unterkieferhalften von Kchidna, derart, daf im hinteren Drittel die Seitenflache zur vorderen Flache geworden ist, hat Cu. Westiine hingewiesen* — so zitiert M. Wexper. Die Arbeit von Wustiine lautet ihrem Titel nach: ,Anatomische Untersuchungen iiber Echidna“ und ist er- schienen in ,,Bih. t. Svenska Ak. Handl., XV, 1889 (cf. Wesmr, p. 833). Ich habe mich vergeblich bemiiht, diese Arbeit im Original zu erhalten. 6) Der genauere Inhalt dieser Arbeit, soweit das Os ptery- goides in Betracht kommt, ist in Kiirze der, daf bei Echidna eiu Skelettelement besteht, das bisher véllig unbekannt geblieben ist, aber in seiner Lage vdéllig der inneren Lamelle des Fliigelfortsatzes der héheren Siiugetiere entspricht. Es enthalt keinen Knorpel, wie sonst hiufig die Anlage der inneren Lamelle, sondern entsteht rein bindegewebig. Der bisher als Pterygoid aufgefafte Knochen trigt allein diesen Namen mit Recht, weil er in seiner Lage nur als Pterygoid der Reptilien gedeutet werden kann. Hingegen hat die innere Lamelle des Fliigelfortsatzes und ihr Homologon bei Echidna nichts mit dem Pterygoid der Reptilien zu tun, sondern muf als Homologon des Parasphenoids aufgefalt werden. 7) Bei dem speziellen Gebiete, das ich mir zur Untersuchung fiir diesmal abgegrenzt habe, kommt die Literatur der iibrigen Saugetierordnungen nur vergleichsweise in Betracht. Ich habe von einer eingehenden Besprechung der Literatur um so eher Abstand genommen, als sie von ScHarrer (88) vorgenommen worden ist und ich selbst sie bei meinen weiteren Untersuchungen heran- zuziehen haben werde. Benutzt habe ich fiir diesmal die Dar- stellungen von ScHarrpr (88), die Dissertation von HmnneBEre (94), sowie die Arbeiten von Baumitter (79), KspituserG (04), Fur- BRINGER (04), 8) Firerineur (04) bringt diese Lage der Gelenkfliche bei Ornithorhynchus mit der Lange des Kiefers in Zusammenhang, in- dem er auf die Erfahrung hinweist (p. 603), da die freieste Aus- bildung der Kieferbewegungen sich bei Formen mit kurzem Kiefer findet, daf hingegen langere Unterkiefer und eine nach hinten ver- lagerte Gelenkfliiche sich bei Tieren mit geringerer und einseitig beschriinkter Leistungsfahigkeit finden. Auch dies mag bei der Verlagerung eine Rolle spielen, wenngleich dieselben Ein- fliisse bei Echidna zu dieser Lage nicht gefihrt haben. Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 601 9) Ich méchte hier auf einen Irrtum hinweisen, der sich in der Darstellung von KsrtiperG (04) findet. Auf Fig. 8, p. 183 hat er die linke Halfte einer Schidelbasis von Ornithorhynchus dargestellt, in der sich einwarts von der Fossa glenoidalis die obere Wand der Paukengrube eingezeichnet findet. Diese Héhlung ist als ,aufere Miindung des knéchernen Gehérganges“ bezeichnet. Vielleicht handelt es sich hier nur um einen absichtlich summarisch gewahlten Ausdruck. Denn ein ,knécherner Gehirgang“ kommt bei Ornithorhynchus gar nicht vor. 10) Ueber die Mm. pterygoidei sagt Mrcxnn (26), die einzige vorliegende Quelle: ,Pterygoidei, praecipue internus, fortes; ille maxillam introrsum, ductu transverso, hic praecipue antrorsum trahit.“ — Das heift also, trotz der unklaren Beziehungen des yille“ und ,bic’ (denn von einem ,externus“ ist gar nicht die Rede), dai der Pt. internus den Kiefer nach einwirts zieht, eine Vorstellung, die sehr wichtig ist bei dem, was spiater iiber die Funktion der Kaumuseln bei Ornithorhynchus angefiihrt werden soll (cf. auch Anmerk. 12). 11) Ueber Kaubewegungen bei Tieren ist mir nur eine Dar- stellung bekannt geworden, namlich die von Krazpse (93). Ich zitiere hieraus folgende, fiir den gegenwirtigen Ort meines Textes passende Stellen: (p. 36) ,,Bei den mit quergefalteten Backzihnen versehenen Nagern geschieht die Zerreibung des Futters wesentlich dadurch, daf der ganze Unterkiefer von der im Ruhezustand zuriick- gezogenen Stellung nach vorn gezogen wird, indem die Heber des Unterkiefers und wohl auch der Pterygoideus externus beiderseits tatig sind. Am stiarksten tritt diese Art der Bewegung bei mehreren Nagern hervor“ ... (p. 38) ,,.Der Winkel mit der Kauflache, unter welchem der M. masseter sich am Unterkiefer ansetzt, ist von der Bewegungsart beim Kauen abhangig. Wo eine ausgiebige Seiten- bewegung (Wiederkiuer, Einhufer) stattfinden, und besonders wenn der ganze Unterkiefer mit voller Kraft nach vorn gezogen werden soll (Nager), ist der Winkel spitzer, als wo ein reines Ginglymus- gelenk vorhanden ist (Raubtiere), oder wo die Kleinteilung des Futters durch direkten Druck geschieht (Schwein).“ ... ,Beim Hydrochoerus und anderen mit ihm verwandten Nagern ist es be- kannt, da ein Teil des Ursprungs des M. masseter weit nach vorn verschoben ist und die betreffenden Biindel durch das stark er- weiterte For. infraorbitale gehen. Zugleich ist der Jochbogen, von welchem ein Teil des Muskels entspringt, stark gesenkt, und die Richtung des Muskels bildet somit einen sehr spitzen Winkel mit der Backzahnreihe, wodurch das Hervorziehen des Unterkiefers be- ginstigt wird.“ 12) Bruun (p. 725) erklart, daf die Frebwerkzeuge des Schnabel- tieres beim Kauen eine eigentiimliche Bewegung nach seit- wirts besitzen; sollte hieraus zu folgern sein, daf auch bei Ornithorhynchus Rotationen vorkommen, so wiirde hierin in- direkt eine Bestitigung dessen gegeben sein, was ich fir Echidna 602 Wilhelm Lubosch, (s. p. 580/81) als Modus der Kaubewegung gefolgert habe. Denn auch Weper (I. c.) spricht davon, dai die Unterkiefer von Ornitho- rhynchus einen geringen Grad von Torsion zeigen. Bei den von mir untersuchten Unterkiefern war diese Torsion allerdings so gering, dai als Ursache fiir die Angabe von Brenm nur die Zugrichtung des Pterygoideus internus iibrig bliebe, der mit seinem Ursprunge nicht, wie sonst bei Siugetieren, iber dem Ansatz liegt, sondern genau wie bei Echidna medial davon. So wiirde sich auch Mecxets Darstellung (s. 0. Anmerk. 10) als zutreffend erweisen. Fiir die Rotation nach aufen kame dann die antagonistishe Wirkung mittlerer Biindel des Masseter in Betracht (vergl. auch Anmerk. 11). 13) Das Vorstehende nach Gavuprs Schilderung (95, p. 89 —120), der neuverdings Driner (04), soweit sie die Homologie des Squa- mosum bei Amphibien und Siugetieren anlangt, widerspricht. 14) Bei einem Vergleich des harten Gaumens von Echidna mit dem von Ornithorhynchus betrachtet Van Bemmenen die Ossa pterygoidea beider Tiere als homolog und ist der Ansicht, daf die Topographie der Gaumenknochen von Ornithorhynchus aus der von Echidna dadurch entstanden sei, daf das Os palatinum sich mit seiner medialen Ecke noch occipital verschoben habe. Hierdurch riicke das Pterygoid mehr seitlich zum Palatinum. Die trotz alle- dem verschiedene Lage der Gaumenknochen zu den grofen Nerven- léchern des Keilbeins sind seiner Ansicht nach nicht mafgebend fiir die Homologisierung der Gaumenknochen, da der Komplex des Keilbeins in seinen Verschiebungen unabhingig von den Ver- schiebungen des Gaumenapparates sein kénne. Mit dieser Be- merkung niihert sich der Autor durchaus dem, was ich im Texte selbst als wahrscheinlich hingestellt habe. Die Ursache fiir die bei beiden Familien der Monotremen verschiedene Art, in der der harte Gaumen sich nach hinten verlingert, beruht nach Van BemMELEN auf der Lebensweise, und zwar ,,geschah die Verlingerung bei Ornithorhynchus in Verband mit dem Nahrungserwerb unter Wasser, also aus demselben Grunde wie bei Krokodilen und Walen. Bei Echidna dagegen hing sie zusammen mit dem Ameisenfang, der auch die Verlangerung des Zungenapparates verursachte . . .“ 15) Die Physiologie der Saugbewegungen bei tieri- schen und menschlichen Siiuglingen war meines Wissens bis vor kurzem noch niemals Gegenstand einer Untersuchung gewesen, ob- wohl die Analyse dieser Bewegung, wie aus dieser Hypothese Ftr- BRINGERS erhellt, eine wichtige Aufgabe der Forschung darstellt. Kiirzlich hat Hassp zum ersten Male in einer Abhandlung, betitelt: »Die Speichelwege und die ersten Wege der Erniihrung und der Atmung bei dem Saugling und im spiateren Alter“ (05) diese Frage behandelt. Er fiihrt folgendes aus (p. 328): ,So lange die Zahne fehlen, liegen bei geschlossenem Munde die Kieferrinder nicht aufeinander, wie man wohl, soweit ich sehe, bis dahin allgemein stillschweigend angenommen hat, Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 603 sondern es schiebt sich vorn die Zungenspitze zwi- schen sie bis an die Lippen und die Lippenspalte.... Mit dem ersten Auftreten der Schneidezihne tritt die Zunge zuriick, und es beginnt sich hier das Cavum parotideum zur Aufnahme der - Absonderung der Lippendriisen zu bilden, und mit dem Durchbruch der hinteren Zahne dehnt sich dieser Speichelweg nach hinten aus und sondert sich und empfangt in immer steigendem Mage das Sekret der Ohrspeicheldriise. Das Vorragen der Zunge bei den Saiuglingen bis an die Mundspalte hat zur Folge, daf sich auch das Cavum suctorium oder salivale medium immer weiter nach vorn hin, bis in die Hohe der freien Kieferrander ausdehnt, als es spater nach dem Zahndurchbruch der Fall ist, und damit gelangt die Brustwarze auf einem nur kurzen Wege hinter der Mundspalte in den Saugraum. Es kann somit selbst eine verhaltnismafig kurze Brustwarze immer noch fiir das Geschift des Stillens geeignet sein; auf alle Falle wird aber die Ernahrung des Sauglings durch diese Einrichtung in viel vollkommenerer Weise gesichert, als man sich bisher vorstellte. Alle diese Erscheinungen lassen sich nicht allein bei dem Menschen, sondern auch bei den Saéugetieren gleichen Alters nachweisen.“. — Knipft man an den Schiuf dieser zitierten Stelle an, so ist ganz besonders wichtig die Erwagung, dai die Monotremen gar keine ,,Warze“ haben, sondern nur ein Driisenfeld. ,Da keine Zitzen vorhanden sind, kann das Junge sich nicht ansaugen; ich fand es stets frei im Beutel liegen. Grodfere Mengen Milch sah ich niemals im Beutel. Wahrscheinlich wird alles, was secerniert wird, sofort vom Jungen abgeleckt“ (Smmon 94, p. 8). Hiermit ware das Extrem der von Hasse erwogenen Méglichkeit und zugleich die Notwendigkeit ganz speziell differenzierter Saugeinrichtungen gegeben. Soll die Zunge vorgeschoben und der Mund in eine zum Saugen geschickte Stellung gebracht werden, so ist dies nicht méglich ohne Vorschiebung des Unterkiefers und gleichzeitige Oeffnung des Mundes, also jedenfalls durch eine Bewegung, wie sie den Sauropsiden und erwachsenen Amphibien vollig fremd ist. 16) Die Meinung Firprincers (04, p. 600/601) lafkt die Még- lichkeit einer anderen Herkunft als vom Murcxetschen Knorpel offen. Er verweist auf die Bildung der Geweih- und Stirnzapfen, wo Knorpel in einer Gegend auftritt, die dem Primodialcranium langst entfremdet ist. Er fahrt fort: ,Diese Gegend gehérte einst- mals dem knorpligen Cranium an, und von da mag sie noch die virtuellen Keime fiir die Knorpelbildung im Bindegewebe bewahrt haben.“ Diese Ansicht fiir das Squamosodentalgelenk durchzufiihren, wiirde sehr betrachtliche Schwierigkeiten darbieten. c Jena, den 12. Mai 1906. Wilhelm Lubosch, Zitierte Literatur. 1824 p’Auron, Die Skelette der zahnlosen Tiere, abgebildet und 26 58 68 88 88 90 91 93 94 verglichen, Bonn. Jou. Fr. Mecxer, Ornithorhynchi Paradoxi Descriptio ana- tomica, Lipsiae. JOHANNES WaGnerR, De partibus mammalium os temporum con- stituentibus. Diss. inaug. Dorpati Livonorum. Boreum, Beitrage zur normalen und pathologischen Anatomie der Gelenke. Inaug.-Diss. Wiirzburg. VAN DER Suuys, Zur Histologie der Synovialhaut. Niederl. Archiv f. Zoologie, Bd. ITI. Tittmanns, Zur Histologie der Synovialmembranen. LanGun- Becks Archiv f. klin. Chirurgie, Bd. XIX. Baumttuer, Ueber die letzten Veranderungen des Mrcxenschen Knorpels. ‘Zeitschr. f. wissensch. Zoologie, Bd. XXXII. Hacen-Torn, Entwickelung und Bau® der Synovialmembranen. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XXI. Frower, Einleitung in die Osteologie der Saugetiere. Deutsch von Gapow, Leipzig. Scuarrer, Die Verknécherung des Unterkiefers und die Meta- plasiefrage. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. XXXII. Van per Srricut, Recherches sur le cartilage articulaire des oiseaux. Archives de Biologie, T. X. Breums Tierleben, Allgemeine Kunde des Tierreichs. 3. Aufl. Saugetiere, Bd. III. Krapss, Einige Bemerkungen iiber die mechanischen Ver- haltnisse der Kauwerkzeuge und der Kaubewegungen. Dtsch. Zeitschr. f. Tiermedizin u. vgl. Pathologie, Bd. XIX. Semon, Beobachtungen tiber die Lebensweise und Fortpflanzung der Monotremen nebst Notizen iiber ihre Kérpertemperatur. Spmonsche Forschungsreisen. Jenaer Denkschr., Bd. V, 1894 bis 1897. 94 Hammar, Ueber den feineren Bau der Gelenke. Archiv fir 94 we) ol mikr, Anatomie, Bd. XLIIL. HenneserG, Beitrige zur Entwickelungsgeschichte des Unter- kiefers beim Menschen. Inaug.-Diss. 5 Gaurp, Beitriige zur Morphologie des Schidels. III. Zur ver- gleichenden Anatomie der Schlafengegend am _ knéchernen Wirbeltierschadel. Scuwaxipes Morpholog. Arbeiten, Bd. IV. Haxrcket, Systematische Phylogenie, Bd. III, Wirbeltiere. > mm 1897 98 99 1900 Ol O1 02 04 04 04 06 05 Ueber das Kiefergelenk der Monotremen. 605 Rucxz, Ueber das peripherische Gebiet des Nervus facialis bei Wirbeltieren. Festschrift fiir Gacenspaur, Bd. III. GreenBaur, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie, Bd. I. EscuweILer, Zur vergleichenden Anatomie der Muskeln und der Topographie des Mittelohres verschiedener Saugetiere. Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. LIII. Parsons, The joints of mammals compared with those of man. Journ. of Anatomy and Physiology, Vol. XXXIV, N.S. XIV. Van Bemmeten, Der Schadelbau der Monotremen. Srmonsche Forschungsreisen. Jenaer Denkschr., Bd. VI. Denker, Zur Anatomie des Gehérorgans der Monotremata. Jenaer Denkschr., Bd. VI. Gaupp, Ueber die Ala temporalis des Saugetierschadels und die Regio orbitalis einiger anderen Wirbeltierschadel. Ana- tomische Hefte, Arbeiten aus Instituten, Bd. XIX. Driner, Anatomie und Entwickelungsgeschichte des Mittel- ohres beim Menschen und der Maus, Anatom. Anz., Bd. XXIV. Ftrerincer, Zur Frage der Abstammung der Siaugetiere. Festschrift fiir Haxrcxen. Jena, Gustav Fischer. (Jenaer Denkschr., Bd. XI.) KsetuperG, Beitrage zur Entwickelungsgeschichte des Kiefer- gelenkes. Gucrenpaurs Morpholog. Jahrbuch, Bd. XXXII. Weper, Die Saugetiere. LEinfiihrung in die Anatomie und Systematik der recenten und fossilen Mammalia. Jena, Gustav Fischer. Fucus, Bemerkungen iiber die Herkunft und Entwickelung der Gehérknichelchen bei Kaninchenembryonen (nebst Bemer- kungen iiber die Entwickelung des Knorpelskelettes der beiden ersten Visceralbogen). Archiv f. Anat. u. Phys., Anat. Abt., Suppl. Gaupp, a) Neue Deutungen auf dem Gebiete der Lehre vom Siugetierschade]. Anat. Anz., Bd. XX VII. — b) Die Nichthomologie des Unterkiefers in der Wirbeltier- reihe. Verhandl. Anat. Gesellsch. 19. Vers. Genf. — c) Die Entwickelung des Kopfskelettes in Hurrwies Hand- buch der vergleichenden und experimentellen Entwickelungs- geschichte, 23. und 24. Lieferung. Hassz, Die Speichelwege und die ersten Wege der Ernahrung und der Atmung bei dem Saugling und im spiteren Alter. Archiv f. Anat. u. Phys., Anat. Abt., Heft. 4. Van Kampen, Die Tympanalgegend des Siaugetierschadels. Gueenpaurs Morphol. Jahrbuch, Bd. XXXIV, Heft 3 u. 4. Lusoscu, Ueber Variationen am Tuberculum articulare des Kiefergelenkes des Menschen und ihre morphologische Be- deutung. Grcrensaurs morphol. Jahrb. Bd. XXXV, Heft 1. — Ueber den Meniscus des menschlichen Kiefergelenkes. Anat. Anz. 606 Wilhelm Lubosch, Kiefergelenk der Monotremen. Erklirung der Tafeln XXVI—XXIX. Fig. 1. Schadel von Echidna von unten und leicht um die Langsachse nach rechts gedreht. Original im hiesigen anatomischen Institut. Fig. 2. Schidel von Ornithorhynchus. Original im hiesigen anatomischen Institut. Fig. 3 Linke Halfte eines Echidnaschiadels. Kiefergelenk mit Kapsel, M. pterygoideus externus. Fig. 4. Linke Halfte eines Ornithorhynchusschidels. M. de- trahens mandibulae, M. pterygoideus internus. Fig. 5. Linker Unterkiefer von Ornithorhynchus, von innen gesehen, mit Ansatz des M. pterygoideus externus. Fig. 1—5 mehr als natiirliche Gréfe, etwa 10: 9. Fig. 6. lLingsschnitt durch ein Kiefergelenk von Echidna. Lupenvergréferung. Kombiniert aus 4 Serien. Serie 1 durch den occipitalen, Serie 2 durch den oralen Abschnitt des Gelenkes. Serie 3 und 4 durch das isolierte Squamosum, Serie 4 durch den isolierten Condylus mandibulae. Aus jeder Serie wurde ein Schnitt verwendet. Fig. 7. Die Stelle * des Squamosum aus Fig. 6 bei stirkerer Vergroéferung (222 : 1) Fig. 8. Querschnitt aus der Mitte einer Serie durch das rechte Kiefergelenk eines Ornithorhynchus. Lupenvergréferung. Fig. 9. Eine Stelle der Gelenkflaiche des Unterkiefers aus der- selben Serie bei starkerer Vergréferung (222: 1). Die Originale siimtlicher zu dieser Arbeit gehérigen Abbildungen (auger den Textfiguren 3 und 4) hat Herr Ap. Giurscn in ge- wohnter Meisterschaft mit grofer Hingabe und Geduld nach meinen, sich bei andauernder Mitarbeit ergebenden Anforderungen hergestellt. Ich mu’ ihm an dieser Stelle dafiir meinen besten Dank aus- sprechen. Die Niahte in Textfig. 1 und 5 sind zum Teil nach Van BremMetens Originalen konstruiert. Bei der Reproduktion sind die Tafelfiguren 6-—9 um etwa 4/15 verkleinert worden. Beitrage zur Anatomie eines weiblichen Gorilla. Gesammelt von Prof. W. Kiikenthal, Breslau. Wahrend die anatomische Literatur tiber Orang-Utan, Chim- panse und Gibbon eine recht reichhaltige zu nennen ist, lassen unsere Kenntnisse der Anatomie des Gorilla noch immmer viel zu wiinschen tibrig. Der Grund liegt in der Schwierigkeit, geeignetes Material zu erwerben. Im Gegensatz zu den anderen Anthropoiden sind Go- rillas nur sehr selten in zoologische Garten gelangt, und es war ein besonders gliicklicher Umstand, daf der Breslauer zoologische Garten im Besitze eines Gorillaweibchens war, das 7 Jahre lang am Leben blieb. Als es im Oktober 1904 starb, wurde es von mir fiir unser Zoologisches Museum erworben. In erster Linie mufte es mir natiirlich darauf ankommen, eine modglichst natur- getreue dermoplastische Aufstellung des kostbaren Objektes fiir unsere Sammlung zu erhalten, und es lief sich nicht umgehen, ein alsbaldiges Abpraparieren des Felles vorzunehmen, doch habe ich mir Mihe gegeben alle iibrigen Teile gut zu konservieren, um anatomische Studien an ihnen zu ermdglichen. Mehrere Kollegen erklirten sich zur Uebernahme der Be- arbeitung einzelner Organe, wie Organsysteme bereit, und waren mit dem Plane einverstanden die betretfenden, in sich abge- schlossenen Publikationen gesammelt erscheinen zu lassen. Die Vorteile, welche eine solche einheitliche Veréffentlichung der an einem Exemplare gewonnenen Resultate bietet, brauche ich wohl nicht weiter zu begriinden und bemerke nur, daf dieser ersten Serie von Bearbeitungen hoffentlich bald eine ‘zweite folgen wird. Breslau, im April 1906. Beitrag zur Biologie des Gorilla. Von F. Grabowsky, Breslau. Hierzu Tafel XXX. Die nachfolgenden Mitteilungen beziehen sich auf ein Gorilla- weibchen, welches am 3. September 1897 in den Besitz des zoo- logischen Gartens zu Breslau gelangte und dort wahrscheinlich an den Folgen einer chronischen Nephritis am 6. Oktober 1904 starb. Den Kadaver erwarb Herr Professor KUKkenrHa fiir das Zoo- logische Institut der Universitat zu Breslau. — Ich berichtete iiber dieses Tier, das ich vom 18. Marz 1901 bis zu seinem Tode beobachten konnte, bereits in einer Sitzung der Zoologischen Ab- teilung wahrend der Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Breslau im Jahre 1904, doch konnten in dem Bericht tiber denselben'!) zwei damals vorgelegte Tabellen wegen Raum- mangel nicht aufgenommen werden. Dieselben scheinen mir aber, da Beobachtungen am lebenden Gorilla tiber einen Zeitraum von 7 Jahren sonst nirgends vorliegen, wichtig genug, um verdffent- licht zu werden. Unser ,,Pussi* genanntes Weibchen gehért der Art an, die Suack im Jahre 1862 unter dem Namen Gorilla castaneiceps von Gorilla gorilla abtrennte?), Wenn Stack aber einen ,circular patch of reddish hairs upon the top of the head“ neben dichter und langer Behaarung des Kérpers als Hauptunterschied von Gorilla gorilla angibt, so ist das nur fiir ganz ausgewachsene Tiere giiltig, denn unser Weibchen, das bei seiner Ankunft in Breslau im Jahre 1897 etwa 4 Jahre alt war, zeigte damals noch keine Spur der ockerbraunen Kopfplatte. Dieselbe trat vielmehr erst im Laufe des Jahres 1901 ganz allmahlich in die Erscheinung und 1) Verhandlungen der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Breslau, 1904, p. 253—258. 2) Proc. Nat. Hist. Philadelphia, 1862, p. 159—160. 897 war erst 1903 vollstandig ausgefarbt. ist tibrigens auch nicht hellgrau, wie MATScHIE in seinen ,,Be- merkungen tiber die Gattung Gorilla ') angibt, sondern kaum merk- lich von der schwarzlichen Farbung der Gliedmafen unterschieden. Oberhalb des Afters ist ein Biischel weifer Haare sichtbar. Bei seiner Ankunft in Breslau wog das Tier 311/, Pfund. Nach 4 Jahren hatte sich sein Gewicht verdoppelt. wichtszunahme spiter nur eine geringfiigige war, nehme ich an, daf das Tier mit 8 Jahren etwa ausgewachsen war. stitigung dafiir sehe ich in der Gewichtszunahme eines mannlichen Schimpansen, der im August 1901 bei seiner Ankunft in Breslau 22 Pfd. wog, damals auch etwa 4jahrig war, innerhalb 4 Jahren sein Gewicht ebenfalls verdoppelt hat und nun nur noch ganz ge- ringe Gewichtszunahme zeigt. Die allmahliche Zunahme des Gewichtes unseres Gorilla- weibchens ist aus Tabelle A ersichtlich. Eine Abnahme am Ge- wicht fiel regelmafig mit Krankheiten des Tieres zusammen, in den beiden letzten Jahren seines Lebens lief es sich leider nur noch selten wiegen, zuletzt etwa 2 Monate vor seinem Tode, wo das Gewicht 66 Pfd. betrug. Beitrag zur Biologie des Gorilla. Tabelle A. Der Riicken unseres Tieres Gewicht des Gorillaweibchens. 609 Da die Ge- Kine Be- Jan. |Febr. | Marz|April| Mai | Juni | Juli | Aug. | Sept. | Okt. Nov. | Dez. 18.—=|14,=|14.—]12.—/14.—=| 37 | 38 813/,|311/,| 34 |353/,| 36 43 | 44 | 45 | 45 | 47 | 49 | 49 66 | 57 | 55 | 59 | 59 | 59 | 61 53 |523/,|/521/,| 59 | 60 | 60 ; 60 61 | 61 |601/,| 62 | 59 | 59 | 594), REO GO Gael ot 1) Sitzungsberichte der Ges. Naturf. 1904, p. 50. 6.—=| 4.) 1. —14.— 31), |334/, | 314/,| 30 21.118. 116, = 32 |321/,| 31 a 30/, 371/,| 88 |391/,| 39 | 41 51 | 52 | 54 | 55 | 56 621/,| 60 | 58 | 59 |14.— 53 28. — 52 58 | 59 | 60 | 6O {614/, 59 | 61 | 65 | 66 | 65 se eae pea ay 66 =| oer ees Freunde, Berlin, Jahrg. _ 610 F. Grabowsky, Am 20. Juli 1898 trat bei unserem Weibchen zum ersten Male ein merkwiirdiger Erregungszustand auf, den man sich an- fangs nicht zu deuten wufte. Derselbe wiederholte sich am 5. Sep- tember desselben Jahres und trat vom 4. Januar 1899 ab ziemlich | regelmabig, d. h. etwa in Zwischenraumen von 4 Wochen auf, wie dies aus Tabelle B ersichtlich ist. Zuweilen hielt diese Er- regung nur einen Tag an, zuweilen dauerte sie 'mehrere Tage. Tabelle B. Auftreten der Brunsterscheinungen. ited cot (oT | eee 1898 |S 27) |) 1899 i | bo = | bo 1900)| 13...) 1Bodeia td £5. 5. 1901 on 2) 1 —10 : 7 1902 % |i—3| 2.1 5) 5. | 16. /17.).—} 9... — 1) 1903; 1. |} 8. | 20.) — | 9 | — | 10 | Bb) =a 13, —29, | | . 7904! 9, | 6. |-30, | — |4—6) 1. | — |.97. | —") eee | | 28. —28 | pe 29,| Die dunkelbraunen Augen des Tieres, die gewéhnlich einen sehr ruhigen, sanften, etwas scheuen Ausdruck hatten, nabmen dann ein starres und wildes Aussehen an. Sobald sich nun wihrend dieser Zeit der geschlechtlichen Erregung — denn so méchte ich diesen Zustand bezeichnen — eine dem Tiere bekannte miannliche Person im Affenhause zeigte, stellte es sich mit den HinterfiiBen recht breitbeinig hin, stiitzte sich vorn mit der linken Hand und schlug mit der flachen oder geschlossenen rechten Hand zwischen den Hinterbeinen hindurch in schnellem Tempo gegen den Ge- schlechtsteil, bis die betreffende Person sich entfernt hatte, oder dem Tiere mit der Peitsche drohte, was jedoch nur fiir kurze Zeit half. — Laute gab das Tier wihrend dieses sehr auffalligen Be- nehmens niemals von sich, prefte vielmehr die Lippen wahrend des Schlagens fest aufeinander und hielt den sonst stark herab- ~ Beitrag zur Biologie des Gorilla. 611 hangend getragenen Kopf sehr hoch. In den Tagen der Brunst war in der Regel der Appetit ein schwacher. Blutungen aus der Scheide wurden nicht beobachtet; ob einige Blutflecken, die sich am 16. September 1905 in der Schlafdecke zeigten, von solchen Blutungen herriihrten, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Im Friihjahr 1901, also im Alter von etwa 8 Jahren, wechselte das Tier die Eckzihne des Unterkiefers. Das Zahnfleisch zeigte starke Rétung, das Weibchen fafte oft mit der Hand in den Mund hinein, der Milchzahn wurde ganz allméahlich gehoben, vom neuen Zahn nach aufen gedrangt und eines Tages, als der Zahn schon sehr lose war, vom Warter entfernt. Beziiglich der iibrigen an dem Tier gemachten Beobachtungen verweise ich auf meinen oben angefiihrten Vortrag, dem auch eine gute Abbildung des Weibchens in seiner Normalstellung beige- geben ist, wahrend die Figuren 1—4 dasselbe in gelegentlich ein- genommenen Stellungen zeigen. Bd. XLI. N. F. XXXIV. AO Das Auge des Gorilla. Von Prof. Dr. Heine, Dozent fiir Augenheilkunde in Breslau. Hierzu Tafel XXXI. Das Auge des Gorilla hat mit dem des Menschen eine ganz auSerordentliche Aehnlichkeit. Kann ich dieses nach meinen eigenen Untersuchungen zunachst allerdings nur fiir den Augapfel selbst behaupten, so gehen wir doch — glaube ich — nicht fehl, wenn wir auch weitgehendste Uebereinstimmung in der Anlage des sen- sorischen und motorischen Doppelauges im Sinne HERINGS an- nehmen. Sicherlich haben wir es auch beim Gorilla mit einem hochentwickelten Grad des doppeliiugigen Sehens zu tun, zu dem die entsprechenden Muskel- und Nerveugruppierungen als unerliab- licher Bestandteil dazugehoren. Nach der Art des mir zur Verfiigung stehenden Materials kann ich mich nur iiber das Bulbuspaar eines 7 Jahre alten Gorillaweibchens aussprechen, wobei besonders das yom Mensch- lichen Abweichende, weniger das Uebereinstimmende beriicksichtigt werden soll. Die Unterschiede des Gorillabulbus vom menschlichen lassen sich auf 2 Worte bringen: 1) gréBere Regelmabigkeit der Form, 2) gréferer Pigmentgehalt. 1) Was zunachst die gréfere Regelmabigkeit der Form anbetrifft, so ist der Durchmesser des Bulbus in allen drei Dimensionen:gleich gro’, nimlich 22,5 mm, wihrend beim mensch- lichen Bulbus gewoéhnlich der sagittale am gréSten (24,5 mm), der vertikale am kleinsten (23,5 mm) ist und der transversale zwischen beiden steht (24 mm). Der Gedanke liegt sehr nahe, da’ die Kugelform des Affenbulbus wohl als das Primire anzusehen ist, wie auch der Bulbus des neugeborenen Menschen noch regel- Das Auge des Gorilla. 613 maBigere Form zeigt, und daf die Aenderung der Form im Sinne einer Plattdriickung wohl der auferen Augenmuskulatur zuge- schrieben werden muf. Der tibersichtige — kurz gebaute — Bulbus des Menschen ist zu betrachten als ein in der Entwickelung mehr oder weniger zuriickgebliebenes Organ: er ahnelt in der Form dem des Neu- geborenen und des Affen. Der kurzsichtige — gedehnte — Bulbus dagegen ist sozusagen die Karikatur des ,normalen“: seine Form ist lang und plattgedriickt. Es ware sehr interessant, den Ursachen fiir die physiologische Plattdriickung des menschlichen Bulbus nachzuspiiren. Daf die Hornhaut beim menschlichen Auge einen leichten Astigmatismus besitzt, wobei der vertikale Meridian die stirkere Wolbung zeigt, wird bekanntlich auf den physiologischen Druck der Lider zuriickgefiihrt. Daf dieser vertikale Astigmatismus bei Kurzsichtigen, welche zu schwache Glaser tragen, starker ist, wird durch das Blinzeln und Zukneifen der Lider im Interesse des stenopadischen Sehens erklirt. Auch in diesem Punkte wire also der myopische Bulbus die Karikatur des ,normalen“. Die Affen haben nun weit diinnere Lider als der Mensch, so daf& das Fehlen des Hornhautastigmatismus bei ihnen sehr wohl auf Fehlen des Druckes von seiten der Lider zuriickgefiihrt werden kénnte. Es wiirde sich die Frage erheben, ob es sich mit der iuferen Bulbus- muskulatur etwa ebenso verhalten kénnte. Entweder sind die Musculi recti und obliqui wesentlich schwicher — also nur quan- titativ von den menschlichen verschieden — was schon allein eine geringere Druckwirkung bedeuten wiirde, oder aber die Insertion ist eine andere, so daS auch dadurch die Druckwirkung eine ge- ringere wiirde. In erster Linie ware hier auf den Rectus superior und inferior sowie auf die obliqui zu achten. Dazu ist jedoch die Verarbeitung ganzer Orbitalinhalte unerlaflich. Die gréSere Regelmabigkeit der Form erstreckt sich tibrigens auch auf das innere Auge. Auch der — ophthalmoskopische — Macularreflex ist beim Affen kreisrund, ahnlich beim kindlichen Auge, quer-elliptisch dagegen beim Erwachsenen. 2) Was nun den gréferen Pigmentgehalt des Gorilla- auges anbetrifft, so ist der Unterschied gegeniiber dem der weifen Rasse natiirlich ein sehr grofer. Aber auch im Vergleich mit dem der dunkelsten Neger ist das Auge des Gorilla noch auffallend stark pigmentiert. Die Sclera bleibt auch im Auge des Negers noch ,das Wei’e“, wenn sich auch im Lidspaltenbereich oft mehr 40 * 614 Heine, oder weniger intensive Pigmentflecke finden, wie sie bei der weifen Rasse wohl selten sind. Beim Gorilla ist der gesamte Lidspalten- bereich der Augapfelbindehaut dunkel pigmentiert und erst in den seitlichen Endstellungen des Bulbus kommt etwas weife Sclera zum Vorschein. Dieses pechschwarze Pigment ist zum gréften Teil in den untersten Schichten des Bindehautepithels um den Zellkern herum angehauft und lichtet sich nach den oberen — ab- geplatteten — Epithellagen zu, deren oberste leicht verhornt oder doch sklerosiert sind (Fig. 1). Submucosa und Sclera selbst zeigen nur ganz vereinzelte Pigmentklumpen. Vom Limbus corneae an laft sich die Pigmentierung noch eine Strecke weit ins Cornealepithel hinein verfolgen. Die Hornhaut selbst ist pigmentfrei. Reichlichen Pigmentgehalt zeigt die Regenbogenhaut, deren Zellfortsitze grobfadiger sind als beim Menschen. Im durch- fallenden Licht erscheinen sie dunkelbraun. Pechschwarz ist hier das Pigmentepithel; es zeigt leichtes ,ectropium uveae“, d. h. es drangt sich durch die Pupille eine kurze Strecke weit auf die Irisvorderfliche vor. Auch der Ciliarmuskel enthilt zwischen den Muskelfasern reichlich Pigment, zumal in den dem Glaskérper anliegenden Partien. Intensiv und klumpig pigmentiert ist ferner die gesamte Ader- haut, ganz besonders in ihren éuferen Bezirken. Pechschwarz ist das Retinalepithel, dessen einzelne Pigment- partikelchen deutlich Stabchen- oder Wetzsteinform erkennen lassen, wiihrend die Pigmentpartikelchen der Uvea kugelige Form zeigen. Dabei sind die Pigmentteilchen der Regenbogenhaut wesentlich feiner als die der Aderhaut. Die Sclera selbst enthilt am Opticuseintritt nur einige wenige klumpige Pigmentzellen. Nervus opticus und Retina sind pigmentfrei. Der hohe Pigmentgehalt bedingt das eigenartige ophthal- moskopische Aussehen des Affenfundus. Die Retina sieht be- kanntlich nicht rotbraun, wie beim Menschen, sondern stahlblau aus, was sich wohl durch eine Mischung der verschiedenen diffusen Retinalreflexe mit dem schwarzen Grunde erklirt. Von der Ader- haut ist — des starken Pigmentgehaltes im Retinalepithel wegen — iiberhaupt nichts zu sehen, also auch kein rotes Licht zu erhalten. Das Auge des Gorilla. 615 Sehr schén hebt sich im Augenspiegelbild der Opticus weil- rotlich von dem dunkel-stahlblauen Fundus ab. Ganz Ahnlich sieht tibrigens der Fundus oculi schon bei stark pigmentierten menschlichen Rassen aus, z. B. der japanischen. Den Uebergang dazu bilden unsere briinetten Siidlander. Irgend welchen besonderen Vorteil scheint ein hoher Pigment- eehalt des Auges nicht zu besitzen, speziell scheinen die Seh- bedingungen im Dunkeln nicht wesentlich bessere zu sein als bei blonden Individuen, doch liegen iiber diesen Punkt vielleicht noch zu wenig ausgedehnte Untersuchungen vor. Nach diesen allgemeineren vergleichenden Betrachtungen sind nur noch wenige Bemerkungen tiber einige Einzelheiten des Affenauges, speziell des Gorillaauges, anzufiigen. Der Bau der Hornhaut und Lederhaut ist dem des mensch- lichen Auges ganz analog. Auch die Form und Tiefe der Vorder- kammer, sowie die Gestalt der Linse, Form und Anordnung des Accommodationsapparates (Ciliarmuskel, Zonula Zinnii und Linse), sowie der Irisblende gleicht denen des menschlichen Auges so sehr, daf ohne Beriicksichtigung der Pigmentierung die Unterscheidung schwer ware. Es erscheint deshalb auch durchaus gerechtfertigt, die Resultate der experimentellen Untersuchungen tiber den Mecha- nismus der Accommodation, die an Affenaugen angestellt wurden, auf die menschlichen Verhialtnisse zu tibertragen. Demnach ist bei der Einstellung des Auges fiir die Nahe eine durch Kontraktion des Ciliarmuskels bedingte Erschlatfung des Aufhangebandes der Linse anzunehmen. Nach Aufhéren des ab- plattenden Zuges von seiten der Zonula Zinnii nimmt die Linse in ihrer elastischen Kapsel eine starker gewélbte Form an, wobei die Vorderkammer sich etwas abflacht. Die Accommodationsbreite scheint nach den wenigen bisher vorliegenden Beobachtungen der des jugendlichen menschlichen Auges vleichzukommen, d. h. min- destens 10—12 D. zu betragen. Ob es auch bei Affen eine Presbyopie gibt, wie sie beim Menschen in der Mitte der 40er Jahre eintritt, ist nicht bekannt. Durch Atropin ist die Accommodation zu lahmen und die Pupille zu erweitern, durch Eserin ist Krampf der Accommodation und Pupillenverengerung hervorzurufen. Diese Zustande lassen sich durch schnelle mikroskopische Fixierung der genauen ana- tomischen Untersuchung zuginglich machen. Es ergeben sich Bilder, die sehr wohl mit der HetMnourzschen Accommodations- theorie — aber auch nur mit dieser tibereinstimmen. 616 Heine, Auch die Irismuskulatur zeigt markante Unterschiede bei enger und weiter Pupille, wie sie von Horra (Arch. f. Ophth., Bd. LXID) naher studiert wurden. Demnach ist das Pigmentepithel der Iris fast durchweg nur einschichtig, die noch vor diesem liegende Kern- schicht gehért zu der noch etwas weiter nach vorn gelegenen kon- traktilen (BRUcaschen) Membran, die also als muskularer Dilatator anzusprechen ist. Bei enger Pupille sind die genannten Kerne stabchenformig (Fig. 2) und liegen dem Musculus dilatator auf der Riickseite direkt auf, bei weiter Pupille sind sie oval, fast rund, riicken gern etwas von der zu ihnen gehérigen kontraktilen Zell- platte ab, erscheinen aber mit dieser durch eine schwer farbbare Briicke verbunden. Die Dicke der ,Brucuschen Membran‘ ist demnach je nach dem Kontraktionszustand eine sehr verschiedene. Noch ein Punkt darf hier vielleicht erwaihnt werden, das ist das Verhalten des Fonranaschen Balkenraumes im Kammerwinkel. Das Kammerwasser wird bekanntlich — zum groften Teil wenigstens — von den Processus ciliares in die hintere Kammer hinein abgesondert, tritt durch die Pupille in die vordere Kammer und verlaft das Auge im Kammerwinkel durch den Balkenraum und den ScHLEemmschen Kanal. Dieser Balkenraum ist nun — wie die Abbildung (Fig. 3) zeigt — beim Gorilla auferordentlich viel weitliufiger angelegt als beim Menschen. Erstens laiuft die Kammerbucht nicht so spitz zu, sondern endet breiter, und zweitens reicht das Balkensystem tiefer in das Corpus ciliare hinein: der Ciliarmuskel beginnt erst weiter hinten. Verlegt sich beim Menschen aus irgend welchen Griinden der Kammerwinkel, so dafi der Fonranasche Balkenraum durch An- pressung der Iriswurzel an die Hornhauthinterfliche zusammen- gedriickt wird, so ist intraoculare Drucksteigerung — Glaukom — die Folge. Die secernierte Augenfliissigkeit kann das Auge nicht verlassen, sie staut sich. Bei der Haufigkeit dieser Erkrankung beim Menschen ergibt sich ohne weiteres daraus die grofe Bedeutung eines gut ent- wickelten Balkenraumes. Bei Affen ist meines Wissens Glaukom noch nicht beobachtet. Ueberhaupt mufi man sich wundern, daf ein so hochentwickeltes Organ, wie es das Affenauge ist, so wenig krankhafte Stérungen zeigt. Vielleicht ist dies als ein Fingerzeig in dem Sinne aufzufassen, da’ die auserordentlich starke Inanspruchnahme des Auges von seiten des kultivierten Das Auge des Gorilla. 617 Menschen Schadigungen mit sich bringt, denen das best- ange- legte Organ nicht immer gewachsen ist. Aufgabe der modernen Hygiene ist es, durch Verbesserung der auferen Bedingungen die schadlichen Folgen der erhdhten Arbeitsleistungen méglichst zu vermeiden. Gorilla). 1) rechtes Auge, 2) linkes Auge. Aeufere Ma8e in mm: Sagittaler Durchmesser 22,5 (24,5) Vertikaler ss 22,5 (23,5) Transversal. _,, 22,5 (24,0) Hornhaut: 1) Durchmesser 12 : 12 2) ” 1) Radius 8,0 > ae 7,8 1) Dicke am Scheitel 0,3 2) ” ” ” 0,3 1) Dicke an der Peri- pherie 2) desgl. 0,4 0,4 Lederhaut: 1) Dicke an dem Cor- neoscleralfalz 2) desgl. 1) Dicke an der Ora serrata 0,5 2) desgl. 0,5 1) Dicke am Aequator 0,4 2) ” ” ” 0,4 1) Dicke am hinteren Pol 2) desgl. 0,4 0,5 1,0 0,9 Aderhaut: 1) Dicke an der Ora serrata 0,06 2) desgl. 0,06 1) Dicke am Aequator 0,08 2) ” ” ” 0,1 1) Dicke an der Fovea centralis 0,2 2) desgl. 0,2 eng eee) (7,8) (0,8) (1,1) (0,6) (0,3) (0,45) (1,1) (0,06) 1) Dicke am Opticus 0,08 2) ” ” ” 0,08 Ciliarkérperbreite: 0,7 (1,0) Abstand der Iriswurzel von der Ora serr.: nasal 4,1, temporal 4,7 (5,0) (0,1) Sphincter pupillae: Breite Dicke (in der Mitte) 1,0 0,33 0,9 0,4—0,8 Netzhaut: 1) Dicke an der Ora serrata 0,08 2) desgl. ne teeta 1) Dicke am Ae- quator 0,17 ey 2) ‘desgl. Gay oer, 08) 1) Dicke am _ Op- ticus 0,25 2) desel. 027 (04) Abstand der Fovea von der Papillenmitte: 3,6 (4,0) Durchmesser der Papille: 1,2—1,3. (1,5) ~ Dicke der Duralscheide: 0,24 (0,4) Eintritt der Zentralgefa8e von der Lam. cribrosa: 3406 (11). 1) Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf den Menschen. Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. Von Hermann Stahr. Mit 16 Figuren im Text, Die Zunge des 11-jaihrigen Breslauer Gorillaweibchens, an der ich die Papillen im folgenden untersuchen will, wurde mir in Spiritus iibersandt. Wie ich hére, hat die Konservierung mit dem Kadaver des Tieres zusammen in 85-proz. Alkohol stattgefunden. Fir die Mae muB8 beriicksichtigt werden, dafi die Muskulatur des geharteten Objektes sich in kontrahiertem Zustande befindet, so daf die Mitte des Zungenriickens stark vorgebuckelt ist. Die Epiglottis war von anderer Seite aus entfernt worden, es kommt deshalb als Liingenmaf die Ausdehnung von der Spitze bis zum hinteren Rande der Zentralpapille in Betracht. Hier messe ich jetzt 74 mm. Die freie Spitze, vom Frenulum bis Zungen- spitze, mit 22 mm. Groéfte Breite, hinten 36, weiter vorn eben- falls 36. EHLERS untersuchte desgleichen ein erwachsenes Gorilla- weibchen‘) und fand folgende Mabe (seiner Beschreibung nach war die Zunge wohl auch kontrahiert): Epiglottis bis Zungenspitze 145 mm; von der hinteren Grenze der Papillen tragenden Region bis Spitze 100 mm. Breite der Zunge: vorn 40 mm (,,das ab- gerundete und platte freie Vorderende war 4 cm breit*), hinten 25 mm bei kontrahiertem M. transversus (,,der hintere hohe und dicke Teil war nur 2,5 cm breit*). 1) Von diesem sind jedenfalls die folgenden Mase abgenommen. Das andere Exemplar, welches er untersuchte, war ein ganz junges Mannchen. Enuerrs, Beitrige zur Kenntnis des Gorilla und Schim- panse. Abh. d. K. Ges. d. Wiss. Gottingen, 1881. (Mit 4 Tafeln.) — Das junge Gorillaweibchen, welches vy. Biscuorr untersuchte, besa8 noch das Milchgebif. Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 619 Sehr auffallend sieht der Zungengrund aus: hier stehen in einem dichten Beete lange walzen-kegelférmige Papillen, unter denen auch fingerig-geteilte und kolbig-geknépfte Formen vor- kommen. An den seitlichen Rachenwandungen werden sie all- mahlich sparlicher, aber dicker, ihrem wie ,,Polypen“ pendelnden Kérper sitzen noch filamentartige Anhinge auf. Sie reichen, immer spirlicher werdend, bis zu den Gaumentonsillen. Diese sind gut entwickelt und besitzen viele tiefe Krypten, deren man etwa 5 paral- lele Ziige erkennen kann. Die zottige Mucosa des Zungengrundes kann ich am ehesten mit dem Zustande vergleichen, den ich an der Schleimhaut des Pansen eines Schafmagens gesehen habe, wenig- stens in dem ersterwihnten, der Zunge angehérigen Abschnitte. Ist diese Beschaffenheit des Zungengrundes nun eine Bildung, die dem Gorilla ailein zukommt? Ist es ein physiologischer oder patho- logischer Zustand? Weitere Fragen, wie die nach seiner funktionellen Bedeutung, wollen wir hier erst gar nicht stellen. Wie ich selbst nur beim Gorilla diesen excessiven Entwicke- lungsgrad der Zungenbasiszotten gefunden habe, so berichtet bereits v. Biscuorr') davon und fiigt hinzu, daf er beim Schim- pansen zwar auch Zotten an dieser Stelle der Zunge finde, aber doch viel weniger, und beim Orang keine Spur davon. Auch Du- VERNOY ”) hat vor ihm gerade beim Gorilla solche Zotten gesehen. v. BiscuHorF hat sie auch abgebildet, allerdings sehr unvollkommen. 1) v. Biscuorr, Beitrage zur Anatomie des Gorilla. Abh. d. math.-phys. Klasse der K. bayr. Akad. d. Wiss., Bd. XIII, 3. Abt., Miinchen 1880. 2) Duvernoy, Des caractéres anatomiques des grands singes pseudo-anthropomorphes. Arch. d. Mus. d/hist. naturelle, T. VIII, Paris 1855/56. 620 Hermann Stahr, Finden wir also einerseits diese Bildung immer gerade bei Gorilla gina, wo sie, gegentiber den anderen Anthropomorphae, DuvERNOY, Vv. BiscHoOFF und mir vor allem anderen sofort in die Augen gefallen ist, so mufi ich andererseits doch hinzufiigen, daB beim Menschen im Jugendzustande ahnliches vorkommt. Ich habe diese Dinge ausfiihrlich in meiner Untersuchung ,Ueber die Pap. fungiformes der Kinderzunge etc.“1) beschrieben und darf hier wohl darauf verweisen. Es ist also diese Bildung keine dem Gorilla eigentiimliche, obwohl sie sich in diesem Umfange nur bei ihm findet. Als pathologisch darf sie sicherlich nicht aufgefaft werden, schon deshalb nicht, weil diese Anhange von mir bei menschlichen Féten gesehen wurden. Pigmentflecke, wie ich sie bei Sat. orang vor kurzem be- schrieben habe ?), und wie ich sie sonst nirgends von den Autoren erwahnt finde, kommen bei Gorilla nicht vor. Mustern wir nun die Schmeckpapillen, die auf der ganzen Zunge recht gleichmafig verteilten P. fungiformes, das in seinen langlichen, quergestellten, parallelen Wiilsten sehr deutliche Randorgan und die Vallatae, welche ein annihernd gleichseitiges Dreieck bilden. Vor den umwallten Papillen beginnen die Papillae fungi- formes, unter denen Exemplare gréferen und geringeren Ka- libers an jedem Abschnitte der Zunge vorhanden sind. Sie sind sehr gleichmabig zwischen den filiformen verteilt und stehen nirgends dichter; auch die Zungenmitte birgt keineswegs etwa die erékten Exemplare. Keine Stelle des Gebietes dieser Papillen schlieflich ist etwa besonders gering besetzt. Eine histologische Untersuchung wurde nicht vorgenommen. Die ungemein gleich- mifige Verteilung dieser Papillenart bei Gorilla beschreibt schon EHLERS. P. vallatae. Die vom erwachsenen Menschen her als wichtigstes Geschmacksorgan bekannten Papillae vallatae sind relativ spirlich vertreten. Das scheint auch, nach den wenigen Aufzeichnungen anderer zu urteilen, durchaus das Typische zu sein. Zwar hat v. Briscnorr die Angabe, daf 7—8 Papillen vor- handen seien, auch Duvernoy zaihlt 6 und 8, Envers (1881) 1) Zeitschr, f. Morph. u. Anthropologie, Bd. IV, 1901, H. 2, p. 216, 232 u. a. Vor allem: p. 224, Zunge eines 5 Monate alten Knaben. 2) Diese Arbeit wird in der Zeitschrift fiir Morphologie und Anthropologie (ScuwaLpBe) in Stuttgart erscheinen. Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 621 jedoch 5, wobei zu beriicksichtigen ist, da8 die Angaben von EHLERS mir sehr zuverlaissig zu sein scheinen und auch in anderer Be- ziehung als der Zahlung der Vallatae, mit den Beobachtungen, die ich selbst machte, fast ganz genau itibereinstimmen. Auch habe ich darauf in mehreren friiheren Arbeiten hinge- wiesen, daf wir uns unméglich mit absoluten Zahlen begniigen kénnen. Sieht man genauer zu, so liegen hier niemals 6—8 gro8e Papillae vallatae vor. Betreffs der 7—8 Vallatae von v. BIscHOFF hat schon EHLERS gesagt, daf er in dem Bilde nur 4 oder 5 sehen kénne'), und ebenfalls beschreibt DuverNoy an seinem Alteren Gorilla zwar 8 Papillen, von denen aber nur 2 als gréfer, da- gegen 6 als kleiner und unregelmiabig stehend bezeichnet werden. An meinem Exemplar zahle ich 4,1 Papillae vallatae, wobei die Zahl hinter dem Komma eine Papille von viel kleinerem Um- fange bedeutet ?). Rechts vorn steht nur eine Papille, deren Wall nicht geschlossen, sondern nach rechts hin offen ist. Die als 2 Pa- pillen gezahlte Zwillingspapille vorn links ist zum Teil von einem gemeinsamen Wulst umfaSt. Nun tritt aber auf der linken Seite eine kleine Papille mit Wall auf, der auf der rechten Seite keine derartige Bildung entspricht. Aber gerade diese kleine Papille, die offenbar eine Vallata darstellt, wird uns noch spiter zu be- schaftigen haben, wenn wir die Zungenpapillen des Gorilla mit denen des Orang und Schimpansen und mit denen des Menschen vergleichen (vgl. Fig. 1, p. 619). Viel charakteristischer als die Zahl ist aber die Stellung der Vallatae. Es stehen nur an den Spitzen der Schenkel des Winkels Papillen, und zwar diese dicht aneinander, also in der Anordnung, da’ zwischen ihnen und der Zentralpapille jeder- Seits eine weite Liicke besteht. Enters gibt fiir diesen Abstand 24 mm an. Ich messe*) 11—15 mm. Diese Anordnung kommt, wenigstens nach den bisherigen Beobachtungen, die allerdings spar- lich genug sind, weder bei Orang, noch bei Troglodytes niger vor. 1) Exvers’ Kritik siehe 1. c. p. 38. 2) Vgl. Sranr, 1903: Ueber die Ausdehnung der Papilla fo- liata ete. Roux, Archiv f. Entwickelungsmechanik, Bd. XVI, H. 2. 3) Bei dieser Messung mui genauer angegeben werden, daf beiderseits der Abstand 15 mm fiir die Zentren der Papillen gilt, 11 mm fir den Abstand der gegeneinander gewandten Auferen Rander des Walles. Anschaulicher wird das Augenmaf des Be- schauers den Abstand in Papillenbreiten messen: auf jeder Seite kénnte die Liicke 3 Papillen fassen inkl. Wall. 622 Hermann Stahr, Eine histologische Untersuchung der umwallten Papillen unterblieb. Die Papilla foliata bildet ein umfangreicher Komplex annihernd paralleler Falten, dessen vorderes und hinteres Ende aber schwer zu bezeichnen ist. Daraus ergiebt sich die Schwierig- keit, hier zu messen: Linge etwa 26 mm, Breite 7 mm. Furchen- zahl: 14—23 jederseits. Man kann, wenn man durchaus eine Zahl fixieren will, 18 tiefere, langere und regelmafigere Ein- schnitte zahlen, doch ist, wie gesagt, auch hinten der Beginn des - Organs recht unbestimmt und in der Abbildung noch etwas zu schematisch und deutlich wiedergegeben worden. Besonders am vorderen Ende haben wir eine haufige Komplikation der Leisten mit fungiformisartigen Papillen. Einzig bei Enters finde ich Angaben tiber die Gorilla-Foliata, Dieser Forscher zahlt ,,jederseits auf einer 2 cm langen Flache 15 tiefe, die blattrigen Falten voneinander trennende Furchen“. Zur histologischen Untersuchung exstirpierte ich 3 Stiicke, die mit No. 1, 2a und 2b bezeichnet wurden. No. 1 stammt vom lateralen, abhangigen Rande der rechten Foliata und faft nur vordere Furchen. No. 2a ist aus der hinteren Hialfte derselben Foliata entnommen und faft grofe und tiefe Furchen. No. 2b ist ein Stiick von der linken Foliata, hintere Furchen, laterale Partie, kurze tiefe Einschnitte. Das schlecht fixierte Material gab immer- hin, mit alkoholischem Boraxkarmin gefirbt, noch leidliche Re- sultate. Eingebettet wurde in Photoxylin. Ob es sich um knospentragendes Epithel an den Seiten der Griben handelt, das erkennt man schon bei schwacher VergriéBe- rung daran, daf das knospenhaltige Zelllager niedriger ist und in seinen tiefsten Lagen stairker gefirbte Flecke (keilférmige Massen junger Epithelzellen zwischen der Basis von 2 Knospen) hervor- stechen. Leider ist das Epithel nicht iiberall intakt, doch kann festgestellt werden, da sich Knospen in allen 3 Stiicken vor- finden, aber keineswegs durchgehend in allen Griben. Stiick 1: Manche tiefe Furche enthalt nichts als hohes, ge- wohnliches Pflasterepithel, keine Knospen. Natiirlich befinden wir uns stets tiber Stellen mit Eiweifdriisen. Stellenweise liegen unter dem Epithel kleine Infiltrationen, aber nirgends sind lymph- adenoide Massen vorhanden, oder gar in follikelahnlicher Aus- dehnung wie beim Orang'). Die Knospen messen 13 X 6 ‘uw an Linge, 7 6 w an Breite. Sie stehen, selbst da, wo sie tiber- 1) ef. meine Untersuchungen 1. e. Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 623 haupt vorkommen, nicht so dicht wie in Stiick 2b und héchstens 3 und 4 nebeneinander. In einigen Graben ist es nur die eine Seite, welche knospenhaltiges Epithel besitzt. Stiick 2a. Der Knospenreichtum ist hier auch nicht grofer. Nur in einer von den 10 getitoffenen Furchen sind beide Seiten mit niedrigem Epithel versehen und bergen Knospen. Stiick 2b. Hier bekommen wir ein ganz anderes Bild, in- sofern als 12—20 Knospen nebeneinander in den _ einzelnen Schnitten gezihlt werden. Das Epithel ist 5 & 15 w hoch und dem entspricht auch die Linge der Knospen. Die Tiefe der Furchen betragt etwa 1200 w. Flachere Ein- senkungen haben dagegen hohes gewohnliches Pflasterepithel. Demnach gilt fiir diese Gorilla-Foliata ziemlich dasselbe, was vom Menschen v. Esner‘) festgestellt hat: von dem ganzen Falten- komplex sind es nur die hintersten lateralen und tiefen Furchen, in denen Knospen reichlicher vorkommen; allerdings doch ein - gewisser Gegensatz 'gegen den am Menschen erhobenen Befund, insofern als beim Menschen tiberhaupt nur in wenigen hinteren Furchen Knospen vorhanden sein sollen. Die Tiefe dieser Furchen betragt beim Gorilla etwa 1,2 mm. Die Knospen sind etwa 80 u lang und 40 wu breit, liegen in diesen tiefsten Furchen bis zu 20 nebeneinander und zwar hier auf beiden Seiten des Grabens das Epithel durchsetzend, wahrend sie weiter vorn in der Mitte des Faltenkomplexes und am vorderen Ende nur hin und wieder ge- funden werden. Um nun die Gorillazunge mit denen des Orang und Schim- pansen zu vergleichen, und dann die Frage zu beantworten, ob die 3 groSen Anthropoiden in Bezug auf ihre Schmeckpapillen sich spezifisch voneinander unterscheiden und andere Fragen, die sich dann anreihen werden, wollen wir zuerst hier vergleichend die Zunge von Troglodytes niger betrachten. Betreffs Simia sa- tyrus (Satyrus orang) kann ich auf meine kirzlich abgeschlossene Darstellung verweisen. Ks wird sich zeigen, dafi einzig und allein die Pap. vallatae es sind, die durchgehends bei jeder Art festere und charak- teristische Eigentiimlichkeiten aufweisen. Man kann es geradezu aussprechen: nach Zahl, Gréfe und Stellung der Pap. vallatae lassen sich die 3 genannten Anthropoiden ,,bestimmen™“. 1) Die acinésen Driisen der Zunge und ihre Beziehungen zu den Geschmacksorganen, Graz 1873. 624 Hermann Stahr, Mir war es selbst méglich, zwei Schimpansenzungen, die im Kgl. anatomisch-biologischen Institute zu Berlin in Spiritus aufgehoben werden, zu untersuchen, und ich will die Daten hier in Kiirze wiedergeben. I. ,Schimpanse“ (so bezeichnet). P. fungiformis. Viele Papillen mit grofen runden Képfen, in auffallend regelmaSigen Abstanden. Vor einer Delle, genau in der Medianlinie, anschlieBend an die V-Figur der Vallata, stehen die gréSten Fungiformes (?) der ganzen Zunge. P. foliata. Beiderseits etwa 12 Einschnitte, doch ist die Zahl mit Bestimmtheit, zumal ohne histologische Untersuchung, nicht anzugeben, da die Papille nach vorn nicht abgegrenzt ist. P. vallatae. Diese bilden die T- oder besser Y-Form, wenn auch der Winkel des Y ein sehr offener ist. In der Mittellinie, sich in den Bereich der Tonsilla lingualis einschiebend, liegen 3 Papillen (P. vallatae medianae posteriores), von denen zwei wohl zu einer (Zwillingsform) zusammengehéren. Der rechte Schenkel ist mit 2, der linke mit 3 besetzt. Beiderseits sind die flankierenden viel gréfer als die anderen. ; | | ; | | | a? e O Cio > aay | O 8 it ; Fig. 2. Fig. 2, Troglodytes niger I (STAHR). ig. 3. Troglodytes niger Il (STAHR). II. ,,Simia troglodytes“ (so bezeichnet). P. fungiformes. Die 6 gré’ten Exemplare stehen vor den Vallatae. Es bleibt wie bei I. zweifelhaft, ob man es bei den in der Medianlinie gelegenen mit Vallatae zu tun hat (Vall. medianae anteriores). P. foliata. Rechts 10, links 12 Einschnitte, etwas unregel- maBig, zwar parallel, aber manche seitlich verschoben. Die Leisten Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 625 sind zerteilt, ungleich lang, ohne bestimmte Reihenfolge wechseln bald gréSere und bald kleinere. P. vallatae. Sie bilden ein Y. Von der Mittellinie aus gerechnet beiderseits 2; die gréften flankieren wieder. Die Zahl und Gréfe stimmt fast genau mit den unter I. beschriebenen. In der Literatur finde ich nur Angaben iiber die Foliata und Vallata des Schimpanse. Fiir die Foliata sind diese spiarlich genug: Mutncu (1896) konstatiert das Vorhandensein eines Rand- organs, Bounarr und Priuiet (1885) ziahlen 12 Falten. Recht genau stimmen diese Angaben mit meinen Befunden tberein. Ergiebiger sind die Daten fiir die Vallatae. Die Anzahl wird folgendermaBen notiert: F. J. C. Mayer 4, FLOwer (1872) 7 als gewohnlich, MuUncu (1896) 9 oder 6. Danach schwanken die Zahlen ja anscheinend bedeutend, aber wenn. Abbildungen fehlen, sind diese Zahlen nicht ohne weiteres verwertbar. Ich habe zum 6fteren darauf hingewiesen, wie schwer dieses ,,Zahlen“ ist und wie nichtssagend Zahlenangaben ohne weitere Zusitze sind. Ganz iibereinstimmend aber wird die Stellung von den Autoren im grofen ganzen geschildert: stets handelt es sich beim Schim- pansen um eine Vermehrung der Valiatae in der Medianlinie. Hieriiber finden wir folgendes: F. J. C. Mayer: die Vallatae stehen in Kreuzform. Humpury') (1866) gleichfalls: kein V ”). Hunrer vergleicht ihre Stellung mit einem £L, GRATIOLET mit einem Y. FLower (1872) fand beide von den anderen Autoren beschriebenen Stellungsformen. Bounarr und Pinuier (1884) geben an, da’ vom Foramen coecum eine Medianreihe von 4 Pa- pillen ausgehe. Mtncw (1896) spricht von der Y-Form. Zuerst aber hat Traitu*) (1821) die T-formige Stellung der Vallatae des Schimpanse bemerkt. Enters kann die Angabe TRAILLS nicht bestitigen, findet vielmehr am frischen Kadaver das V. Nach der Erhartung in Alkohol hat er jedoch eine Ver- schiebung in der Vallatae-Stellung an ebendenselben Objekten festgestellt, so dai die T-Stellung Trattys zu stande kam. EHLERS nimmt iiberhaupt an, dab dergleichen Abweichungen in 1) Humeury, Journal of Anat. a. Physiol., 1866, I. 2) Aufer Humpury sollen auch Duvernoy und Houxtey (v. Biscnorrs Angabe) die T- oder Y-Form de1* Schimpanse-Vallatae festgestellt haben. 3) Tu. Srew. Traitt, Observations on the Anatomy of the Orang-Outang. Memoirs of the Wernerian Natural History Society, Vol. Ill, Edinburgh 1821. 626 Hermann Stahr, der Vallatae-Stellung von ungleichen Erhartungs- und Kontrak- tionszustanden herriihrten. Mir ist diese Auffassung von ERLERS etwas unverstandlich geblieben und ich kann sie ganz und gar nicht in Betracht ziehen fiir die Resultate in der Vergleichung der Anthropoiden-Zungen. Mir sind die Formveranderungen von Zungen bei der Konservierung natiirlich auch nicht entgangen; auch die Kontraktion der Mus- kulatur kommt hier bedeutend mit in Betracht. Unklar bleibt mir aber, wie aus der V-Stellung der Vallatae ein Y werden kann oder ein +. Hervorzuheben ware endlich in diesem Zusammen- hange, daf zur Verdeutlichung der Papillen, besonders aber der feinen Foliata-Griibchen, der Zusatz von Chromsalzen bedeutend hilft, wahrend der natiirliche Zustand am besten in Formalin- wasser erhalten bleibt. Es erhebt sich nun die Frage: sind fiir die einzelnen 3 Anthro- poiden-Zungen spezifische Unterschiede gefunden ? Wir kénnen diese Frage mit Bezug auf die Vallatae im positiven Sinne beantworten, immer mit dem Vorbehalt, daf uns erst ein kleines Material vor- liegt, aber doch mit dem Hinweis, dali das hier vorliegende Material keine Ausnahmen kennt. So ergeben sich typische Unterschiede, wenn man nicht die Zahl, sondern die gegenseitige Stellung und relative Gréfe der Vallatae beachtet. Gorilla zeichnet sich dadurch von den beiden anderen aus, da8 die vorderen Papillen weit abstehen von der Zentralpapille '). Ich gebe hierfiir kein ,Schema“, sondern die einzelnen Falle: ass Fig. 4. Fig. 4. Gorilla gorilla (nach EHLERS’ Text). Fig. 5. Gorilla gorilla (Breslau, STAHR). In dem Falle des Breslauer Gorillaweibchens ist eine geringe Asymmetrie vorhanden, welche nicht nur die endstindigen Papillen 1) Enters war es, der 1881 als eine bemerkenswerte Eigen- tiimlichkeit, gleicherweise bei einem alten und einem jungen Go- rilla, diese Diskontinuitaét der Papillenreihe fand. Diese Anordnung unterscheide Gorilla von Schimpanse, Orang und Mensch. JDazu komme die geringe Anzahl der P. vallatae. Vgl. iibrigens oben p. 621. Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 627 betritft. Die nur auf der linken Seite auftretende, in der weiten Liicke interponierte noch kleinere Vallata erinnert an den typischen Zustand bei Orang. Damit ist zum Orang ein Uebergang gegeben. Fiir Orang ist es charakteristisch, dai zwischen den 3 grofen Vallatae kleinere Exemplare auf den beiden Schenkeln des Winkels interponiert sind. Vorbehaltlich einer spaiteren Korrektur scheint mir dies jetzt angenommen werden zu miissen. Ebenso ist die Vallatae-Stellung ganz typisch beim Schimpansen. Seine Zunge ist dadurch ausgezeichnet, daf eine gré8ere Zahl von Vallatae in gerader Linie hinter (vielleicht auch vor) der Zentralpapille liegt (Beispiele Fig. 6. Satyrus orang oben p. 624). Dies hatte bereits Gra- (Berlin, Sranp). COMINI richtig erkannt. So konnten wir Unterschiede unter den 3 Anthropoiden be- tonen; aber auch alle 3 gemeinsam differieren vom Menschen, und zwar ist es hier weniger die Stellung, als die Grébe der einzelnen Papillen, auf die ich wohl zuerst hingewiesen habe!), worin sich die Anthropoiden-Zunge von der des Menschen unterscheidet. Die ,,flankierenden“ Papillen namlich, die am meisten nach vorn stehen, tiberwiegen an GréSe gegeniiber den zentralen und weiter hinten gelegenen, abgesehen von der Zentral- papille selbst. Das ist bei allen 4 Anthropoiden-Zungen, die ich tiberhaupt selbst untersucht habe, der Fall. Abgesehen von dieser tiberwiegenden Gréfe der vordersten Papillen schlieft sich aber der Mensch durchaus an Troglodytes niger an. OppeL?) spricht beim Menschen von einer Annaherung an die Y-Form. Aber nach Mincu ist sogar die tvpische Form beim Menschen die Y-Form, da sich in ?/, der Falle eine oder mebrere Medianae posteriores finden. Auch Giacomini?) hebt die Aehnlichkeit des fiir den Schimpansen normalen Befundes der ,disposition en T“ mit der Anordnung an der Negerzunge hervor, wobei er die Frage offen lat, ob die T-Anordnung (besser Y!) auch beim Europaer vorkomme. 1) Sranr, Vergleichende Untersuchungen “iiber die Schmeck- papillen der Orang-Zunge. Scuwaupes Z. f. Morph. u. Anthrop., 1906. 2) Lehrbuch d. vergl. Histologie etc. p. 399. 3) 1884. Annotation sur l’anatomie du neégre. Arch. ital. de Biolog., T. VI, p. 264 f. Vergl. auch meine Orang-Arbeit. Bd. XLI. N. F. XXXIV. Al 628 Hermann Stahr, Es sei hier sodann gestattet, einige Beobachtungen an Zungen von tiefer stehenden Catarrhinen anzuschliefen. Ich habe selbst einige wenige Exemplare untersucht, die ich hier vergleichshalber kurz beschreiben will. Cynocephalus rufescens. Die Zunge dieses Pavians hat besonders schéne, grobe Fungiformes in reichlicher Anzahl. An der Zungenspitze '!) stehen diese sehr dicht. Auf dem Zungen- riicken und zwischen den Vallatae stehen die gréften Exemplare dieser Art. Fig. 9. Fig. 7. Cynocephalus rufescens (STAHR). Fig. 8. Cynocephalus babuinus (Mtwcu). Fig. 9. Cynocephalus sphinx (BRUCHER). Fig. 10. Cynocephalus porcarius (MUNCH). Die Foliata hat 10 Einschnitte, die nach vorn allmahlich kiirzer werden. Die Vallatae stehen wie bei Gorilla. An Zahl sind es scheinbar 4, aber diese sind wohl nur als 3 zu rechnen. Die beiden vorderen sind etwas gréfer als die Zentralpapille, neben der linken vorderen noch eine kleinere, der rechterseits keine entspricht; aber diese kleinere hat einen guten Wall. Neben meine Vallatae-Skizze setze ich hier die von BrRUCHER (1884) und Mincu (1896) ?). Man sieht daraus, daf auf den Schenkeln des Winkels gern kleinere Papillen interponiert werden und da8 damit diese Zungen ebenso gut an die Gorillazunge wie an den Orang erinnern; wobei C. porcarius den regelmabigsten und 1) Jugendform? Vergl. meine Beschreibung der Siiuglingszunge, 1. c. 1901. Das Lebensalter des Tieres ist leider nicht bekannt. 2) Scuwaxges Morph. Arbeiten, Bd. VI. ————————— ——EEEE Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 629 in dieser Richtung am weitesten vorgeschrittenen Zustand dar- bietet. Bei allen 4 Species aber haben wir nur 3 grof8e Papillen in Dreieckstellung, dazwischen gar keine oder wenige Vallatae der kleinen Sorte; immer sind es, auch im ganzen, wenige. Hieran reihe ich die Zunge eines Cercopithecus (spec. ?), die ich ebenfalls im anatomisch-biologischen Institute zu Berlin vorfand. si Oihu. ° eel | o ° ) | | | oO | C | Fig. 11. Fig. 12. : oes x pietaiial WG) O | 0, O . Oe | | OH : bel a Fig. 13. Fig. 14. Fig. 11. Cercopithecus spec.? (STAHR). Fig. 12. Cercopithecus sabaeus (MUNCH). Fig. 13. Macacus rhesus (STAHR). Fig. 14. Inuus cynomolgus (STAHR). Die fungiformen Papillen sind an allen Teilen der Zunge vor- handen, relativ grof, aber sparlich an Zahl. Die Foliatae werden beiderseits von 6 Einschnitten gebildet. Die Vallatae stehen in spitzwinkliger V-Stellung; es sind 3 von gleicher Gréfe. Vor der Zentralpapille eine grofe Fungiformis. Also auch dieser Cercopithecus, wie der von Mtncu unter- suchte, weichen nicht wesentlich von Cynocephalus ab. Enger zusammen schienen mir Macacus und Inuus zu gehoren. Ich untersuchte einen Macacus rhesus und einen Inuus cynomolgus. Macacus rhesus: Die Fungiformes sind gro’. Die Foliata besitzt rechts 9 und links 10 Einschnitte, die kurz, tief und regel- makig sind. Die 2 hintersten Furchen sind ganz kurz, dann folgen langere und die ganze vordere Halfte wird allmahlich nach vorne hin immer kirzer. Vallatae: 4, gleich grok, in obenstehender Stellung (Fig. 13). Inuus cynomolgus. Fungiformes: Sehr grof, besonders auf dem hintersten Abschnitte der Zungenschleimhaut. 41* 630 Hermann Stahr, Foliata: Beiderseits 10 sehr tiefe, regelmaSige Einschnitte. Vallatae: 4, aber das klare Bild wird durch grofe Exem- plare der Fungiformes etwas in seiner Klarheit beeintrachtigt. Hieraus ist ersichtlich, daf Macacus und Inuus in den von — mir vorgefundenen Exemplaren gleicherweise von Cercopithecus © darin abweichen, daf hinten, wo sonst im Scheitel des Winkels — eine einzige Zentralpapille steht, die beiden in den Skizzen wieder- gegebenen grofen Vallatae gefunden werden. Von den Anthropo- | morphen war es Orang, bei dem ich eine Zwillingspapille, die mir aber unvollendet, median gespalten zu sein scheint, vorfand. Diese Befunde diirften wohl kaum miteinander verwandt sein. Platyrrhine, oder Halbaffen habe ich nicht untersucht, aber ich will mir doch nicht versagen, hier einiges aus MUncus um- fangreicher Arbeit herzusetzen. Als Beispiel fiir die Anordnung bei Platyrrhinae gelte der Rollaffe Cebus capucinus. Man sieht wieder die geringe Zahl von nur 3 grofen Vallatae in Dreiecks- form. Von Prosimiae hat Mincu eine grofe Zahl untersucht und hebt hervor, da die Vallatae hier Y-Stellung einnehmen; dieselbe Stellung wie wir sie bei Troglodytes niger und beim Menschen (iiberwiegend) vorfinden. —7 REL ° Dy | Ol ae ° eat pang Oo O re) Fig. 15. Fig. 16. Fig. 15. Cebus capucinus (MUNcH). Fig. 16. Lemur mongoz (MUNc#). Dieser kurze Riickblick auf tiefer stehende Arten lehrt uns nun folgendes: Die Bedeutung der Vallatae, insofern sie sich durch die Gréfe und Zahl der Papillen erschlieSen lift, nimmt, in der Richtung auf den Menschen hin, zu, und zwar steht in dieser Be- ziehung Troglodytes niger am héchsten, dann folgt Satyrus orang, dann Gorilla gorilla. Die Y-Stellung der Vallatae, die Menseh und wiederum Schimpanse auszeichnen, ist in der Tierreihe nicht neu, sie tritt schon einmal bei den Halbaffen auf. Ueber den mechanischen Anlaf zu einer Vermehrung der Vallatae in der Medianreihe sind wir voéllig in Unkenntnis. Daf die Vermehrung der P. vallatae des Winkels durch Inter- position kleinerer Exemplare erfolgt, geht aus der Vergleichung der Skizzen hervor. Bei Cebus capucinus und innerhalb der Cerco- Ueber die Zungenpapillen des Breslauer Gorillaweibchens. 631 pithecus-Arten findet man noch das einfache Dreieck. Andere Ver- wandte haben dann einzelne kleinere Vallatae auf den Schenkeln des Winkels, bis wir schon bei Cynoceph. sphinx und C. porcarius geschlossene Reihen vorfinden. Nicht anders nimmt sich die An- ordnung bei Sat. orang aus, wihrend die grofe Liicke (,,Diskon- tinuitét“ der Stellung) bei Gorilla gorilla besser erhalten ist, wo eine Vermehrung mehr an den Spitzen der Schenkel statt hat. Wenn sich aber auch bei den Anthropomorphae, wie besonders bei T. niger, eine noch so starke Vermehrung der Vallatae findet, immer laft sich in dem GréfSenunterschied, der tiberwiegenden Gréfe der flankierenden, vordersten Vallatae, die Verwandtschaft untereinander und mit tiefer stehenden Catarrhinen erkennen, wahrend dieser Groéfenunterschied an der Zunge des Menschen nicht mehr vorhanden ist. Indessen will ich nicht dafiir einstehen, daf nicht auch beim Menschen dergleichen GréBenunterschiede gelegentlich gefunden werden und es wiire dies ein Punkt, auf den diejenigen Anatomen zu achten hatten, denen Zungen auSereuropaischer ,,niederer“ Menschenrassen zur Verfiigung stehen. Hier will ich nur angeben, da ich unter meinem Materiale aus Breslau eine Zunge bewahre, die ganz deutlich beiderseits eine erheblich gréfere ,,flankierende“ Vallata aufweist. Ich habe das damals!) selber nicht beachtet, weil ich die Anthropoiden-Zunge noch nicht kannte. Es handelt sich um die Zunge eines 7 Monate alten Knaben aus dem patho- logischen Institute zu Breslau; der Arcus papillaris ist sehr regel- maSig und besitzt 9 Vallatae, die alle fertig formiert und un- geteilt sind. Friedenau, den 29. Januar 1906. 1) Scuwaupss Zeitschr. f. M. u. A., 1. c, 1901, p. 221. Die Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. Von Dr. med. et phil. Ulrich Gerhardt, Privatdozenten der Zoologie und Assistenten am Zoologischen Institut der Universitat Breslau. Hierzu Tafel XXXII und 1 Figur im Text. Die weiblichen Geschlechtsorgane des Gorilla haben seit BiscuHorrFs (2a) Untersuchungen nur noch durch DENIKER (5) eine Schilderung erfahren. Wahrend Biscnuorr 3 Exemplare zur Ver- fiigung standen, hat DeNIKER nur eines untersucht. Die Untersuchung der Morphologie des weiblichen Urogenital- systemes eines im Breslauer Zoologischen Garten verstorbenen Gorilla ergab nun in einigen Punkten Abweichungen von den Re- sultaten der genannten Autoren. Ich habe in Kiirze einige dieser Punkte bereits auf dem Zoologentage in Breslau 1905 besprochen und werde nicht umhin kénnen, auf manches damals Erwihnte hier noch einmal zuriickzukommen. Der Gorilla, an dem ich diese Untersuchungen anstellen konnte, befindet sich jetzt im Besitz des Breslauer Zoologischen Instituts. Herrn Professor KtUKenTHAL, der die Anregung zu einer monographischen Bearbeitung des Tieres gab und mir das Urogenitalsystem zur Untersuchung iiberlieS, sage ich auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank. Wie zu erwarten war, zeigt das Urogenitalsystem des weib- lichen Gorilla in seiner Gesamtkonfiguration grobe Ueber- einstimmung mit dem der iibrigen Anthropoiden und des Menschen. Dies ist leicht aus der Tatsache zu verstehen, daf es sich in allen Fallen um unipare Formen mit mehr oder minder aufrechter Kérperhaltung handelt. Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. 633 Besonders grof ist die Aehnlichkeit zwischen den Urogenital- organen des Orang-Utan und denen des Gorilla. Im folgenden soll nun einer Beschreibung des weiblichen Uro- genitalsystems beim Gorilla eine vergleichende Besprechung folgen. Beschreibender Teil. Ich beginne mit der Schilderung der Harnorgane, die wenig Besonderheiten aufweisen. Die Nieren sind in ihrer Form unter sich verschieden. Wahrend die rechte Niere langgestreckt, platt und relativ schmal ist (8:4,4:2 cm), ist die linke breiter, kiirzer und dicker (7:5:3 cm). Die Nieren weisen beiderseits die Bohnenform auf, die nur rechts eine Streckung und Abplattung erfahren hat. Ihr Aeuferes, die Beschaffenheit der beiden Nierenkapseln, zeigt nichts _ Besonderes, die innere Kapsel JaBt sich leicht abziehen. Auf dem Langsschnitt zeigen beide Nieren eine sehr deutliche Abgrenzung von Mark und Rinde. Rechts finde ich die Rinde ca. 1,0 cm, die Markschicht ungefaihr 2,3 cm dick. Links erreicht die Rinde eine Dicke von 0,65—1,2 cm, das Mark von 1,8 cm. Die Rinde ist stark rétlich und umgibt als ziemlich schmaler Mantel die Markpartien. Es ist méglich, daS diese Schmalheit auf Rechnung der chronischen Nephritis zu setzen ist, an der das Tier eingegangen ist. Die Glomeruli oder die Orte, an denen sie gelegen waren, lassen sich an einigen wenigen Stellen mit blofem Auge erkennen. Das Nierenbecken ist ahnlich gestaltet wie beim Menschen, auch ebenso von Fett ausgekleidet. Auch die Calyces renis, die auf der Schnittflache sichtbar werden, zeigen dieselbe Anordnung wie beim Menschen. Ich zahle rechts 5, links 6 Nierenkelche. Die‘ Ureteren verlaufen gleichmafig dick (0,4 cm), ohne Besonderheiten, zur Blase. Ihre beiderseitige Lange ist etwas ver- schieden, sie betragt links 24,5 cm, rechts 29 cm. Die Harnblase stellt einen fast genau kugelig gestalteten, ziemlich weiten Sack dar. Die beiden seitlichen Ausbuchtungen, die wir von der menschlichen weiblichen Blase kennen, fehlen hier vollstandig. Der Durchmesser betragt in allen Richtungen 5,9 bis 6 cm. Die Blase erinnert also mehr an die des Mannes, bei dem sie gleichfalls annihernd Kugelgestalt besitzt. Die Urethra miindet etwa 11/, cm unterhalb der Clitoris (am frischen Objekt gemessen) in das Vestibulum vaginae. 634 Ulrich Gerhardt, Die Geschlechtsorgane des weiblichen Gorilla ahneln ganz auferordentlich denen des Orang-Utan, von denen die bei- stehende Figur ein Bild zur Vergleichung geben soll. Die Ovarien sind bei unserem Exemplar auffallend diinn und lang, spindelférmig. Sie machen den Eindruck der Unreife und haben eine véllig glatte Oberfliche, wie wir sie bei dem in- fantilen menschlichen Eierstock kennen. An der Oberfliiche des rechten Ovariums findet sich eine eigentiimliche, dreiseitige narbige Einziehung, fast gestaltet wie die Bifnarbe eines Blutegels. Schon der duSere Anschein sprach nicht dafiir, daf’ eine von einem er- folgten Follikelsprung herriihrende Narbe vorliege, es lag vielmehr der Gedanke an eine kiinstliche Verletzung oder dergleichen nahe. Ein Schnitt, der durch diese Stelle in der Langsrichtung des Ova- riums gefiihrt wurde, zeigt, daf dicht unter der Einziehung ein ziemlich reifer Follikel liegt, daf also von einer Corpus-luteum- Bildung keine Spur zu sehen ist. Viel- leicht ist die Kin- ziehung dadurch ent- standen, da iiber dem Hohlraum des Follikels durch Ein- wirkung der Fixie- pungefitiseighet das Epithel des Ova- riums eingesunken Fig. 1, Uterus mit Adnexen von Simia satyrus jst. PDoch ist das iuv. Nat. Gr. bo Bursa ovarica, ov Ovarium, ot pee j Ostium tubae, ¢ Tuba, ut Uterus. natiirlich nur eine Vermutung, ich halte diesen Hergang aber fiir den wahrscheinlichsten, weil eine mechanische Verletzung, die eine Wunde gesetzt hitte, bei einem so geschiitzt gelegenen Organ wie dem Ovarium wohl so gut wie ausgeschlossen ist, es miifte denn sein, daf bei der Priparation die Ovarialoberfliche verletzt worden wire, und das glaube ich mit Sicherheit ausschlieBen zu kénnen. Auf den Schnittflachen der beiden Ovarien liegen nur wenige eréfere Follikel, von denen nur zwei dicht unterhalb der Ober- fliche liegen. Es finden sich nicht, wie dies sonst bei erwachsenen Anthropoiden und menschlichen Frauen der Fall ist, Follikel, die hiigelférmig die Ovarialoberfliche iiberragen. Corpora lutea sind nicht vorhanden. ot Gs _ Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. 635 Aus allen diesen Befunden, der glatten Oberfliiche, dem ge- ringen Gehalt an entwickelteren, aber auch dann noch nicht sprungreifen Follikeln und dem Fehlen jeglicher Corpora lutea glaube ich entnehmen zu kénnen, daf unser Gorillaweibchen, das wohl mindestens 11—12 Jahre alt geworden ist, noch nicht ge- schlechtsreif war. Daf aber der Geschlechtsapparat doch schon seine Anwesenheit im Kérper physiologisch bemerkbar machte, geht aus Direktor GRABowskys Beobachtungen hervor, nach denen das Tier in ca. 4-wéchentlichen Intervallen Zeichen geschlechtlicher Erregung aufwies. Periodische Blutungen aus den Genitalien oder Schwellungen der Schamlippen, die sich sonst (HEAPE 12, 13) bei den erwachsenen Affen, und auch beim Schimpansen finden, sind hier nie aufgetreten. Die Tuben verlaufen sehr gestreckt, noch mehr als beim Menschen. Ihr Durchmesser bleibt wahrend der ganzen Linge gleich (ca. 0,4 cm). Die Lange der rechten Tube betraigt von der Miindung in die auBere Wand des Uterus ‘bis zum Ostium abdominale 5,05 cm, die der linken, ebenso ge- messen, 5,45 cm. Das Ostium tubae ist auf beiden Seiten von einem Kranz wohlausgebildeter Fimbrien umstellt, die ungefahr denselben Grad der Ausbildung erreichen, wie beim Menschen. Die Entfernung der am weitesten voneinander entfernten Fimbrien betragt rechts 2,55 cm, links 1,85 cm. Eine Fimbria ovarica ist nicht vorhanden, es findet sich beiderseits nur ein kleines wenige Millimeter langes Rudiment einer solchen. In dieser Hinsicht ist also der Apparat zur Kitiberfiihrung beim Gorilla, wenigstens bei unserem Exemplar, noch unvollkommener gebaut als der des Menschen. Was die Peritonealbekleidung des Ovariums und der Tube betrifft, so kommt es beim Gorilla ebensowenig wie bei dem Orang-Utan und dem Menschen zur Bildung einer Bursa ovaril, ja, sie ist beim Gorilla sogar ganz besonders wenig ausgebildet. Hier ist die Nische hinter den HKierstécken, zwischen ihnen und der Mesosalpinx, so seicht, daf sie kaum die hintere Flache des Ovariums zu bedecken im stande ist. Beim Orang-Utan ist eine Bursa zwar gleichfalls nicht vorhanden, aber die ihr ent- sprechende Vertiefung ist doch weiter als die beim Gorilla, bei dem die peritoneale Hiille jedenfalls sicher nur eine sehr geringe Rolle fiir den Eitransport spielen kann. Auch hier haben wir, wie iiberall, bei sehr gestrecktem Tuben- verlauf eine weitgehende Riickbildung der Bursa ovarii. Der Uterus simplex des Gorilla erinnert in seiner Form an den des Menschen, weit mehr aber noch an den infantilen 636 Ulrich Gerhardt, Uterus des Orang-Utan. Aus dem oben iiber die Unreife der Ovarien Gesagten geht hervor, daf ein infantiler Habitus des Uterus von vornherein zu erwarten war. Dementsprechend ist das Corpus uteri klein und flach. Die Linge des Uterus vom Fundus bis zur Portio, in der Mittellinie gemessen, betragt 4,15 cm, die Breite in den oberen Partien des Corpus 1,75 cm, die gréBte Dicke 1,3 cm. Das Cavum uteri ist nur ein ganz enger Spalt, da die vordere und hintere Uteruswand fast einander anliegen. Seine Lange betrigt 3,7 cm. Die Dicke der Muskulatur ist auf dem Schnitt 0,65 cm. Die Portio vaginalis ragt als 0,2 cm langer Zapfen ins Scheidengewélbe hinab. Beiderseits inseriert als 0,8 cm breiter derber Strang an der Aufenflaiche der Uteruswand das Ligamentum uteri rotundum. Das Ligamentum latum, dem der Uterus, gerade so wie beim Menschen eingelagert ist, ist jederseits 3,05 cm lang und 4,55 cm breit. Die Vagina bildet an ihrem oberen Ende vor und hinter der Portio vaginalis uteri einen kiirzeren vorderen und einen langeren hinteren Fornix vaginae. Die Scheide selbst ist ein Kanal von 4,75 Lange, ihr Umfang betragt, in der unteren Partie ge- messen, 3,8 cm. In der unteren Halfte, besonders an der vorderen Wand, lassen sich deutliche Laingsrunzeln mit etwas schraigem Ver- lauf erkennen. Diese Runzeln, die an der vorderen Wand zu einer deutlichen, 4,7 cm langen, 1,6 cm breiten Saiule von queren Falten zusammenflie8en, sind sehr fein und dicht gestellt. Ihre Ausbildung ist sehr viel geringer als beim Menschen. Die oberen Partien der Vaginalwand sind glatt. Alle Falten der Scheide vereinigen sich an deren unterem Ende zur Bildung eines deutlichen Hymens, der als ca. 1/, cm breite halbmondférmige Falte, besonders an der hinteren Vaginalwand, deutlich ins Lumen der Scheide vorspringt. Die Form des Hymens ist also die beim menschlichen Weibe haufigste. Unterhalb des Hymens, in der Wand des Vesti- bulum vaginae, liegen tiefe Nischen, zwischen denen Falten oder Runzeln vorspringen, doch stehen sie viel weiter voneinander entfernt als in der Vagina. Die Tiefe des Vestibulum betragt l,l cm. Die Vulva des Gorilla unterscheidet sich wesentlich von der menschlichen dadurch, daf von Labien eigentlich tiberhaupt nicht gesprochen werden kann. Die Rima yulyae ist am konser- vierten Priparat ein 1,8 cm langer Spalt, wihrend ihre Linge an einem unmittelbar nach dem Tode des Tieres abgenommenen Gips- modell 2,15 cm betrigt. Die Breite der Schamspalte ist am Modell A asi Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. 637 (nach starker Ausdehnung durch die injizierte Gipsmasse) 0,8 cm, waihrend die beiden Rainder der Spalte im natiirlichen Zustand eng aneinander lagen. Dieser Spalt wird beiderseits von schmalen, scharfen Randern eingefaft, an denen keine Spur von Fetteinlage- rung oder kavernésem Gewebe bemerkbar ist. An dem hinteren Winkel der Vulva stofen die beiden Rainder aneinander, ohne das eine besondere, als ,Kommissur“ zu bezeichnende Falte gebildet ware. Vorn ziehen sich von den beiden Labien aus zwei Falten zur Clitoris empor, die '/, cm iiber der eigentlichen Scham- spalte gelegen ist. Im Verhaltnis zu der auSerordentlich geringen Gréfe und zu der Unansehnlichkeit der gesamten auferen Geni- talien zeigt die Clitoris eine ziemlich betrachtliche GréSe. Sie ist, wie die ganze Scham, dunkel schwarzgrau gefarbt, in ihrer vorderen Halfte wird sie umhillt von einem wohlausgebildeten Praeputium clitoridis, als dessen Fortsetzung zwei Falten zu der den kleinen Schamlippen des Menschen homologen Begrenzung der Rima -vulvae herabziehen. An der unteren Flache der Clitoris findet sich eine seichte Rinne. Die Glans clitoridis ist kuppenférmig gerundet, ihr gré8ter Durchmesser betragt 3,5 mm. Ueber der Clitoris, nach der Bauchwand hin, verstreicht das Praeputium ganz allmahlich. Von einer nennenswerten Fetteinlagerung, die mit einem Mons veneris vergleichbar ware, ist nichts zu bemerken, ebenso- wenig ist die Umgebung der Vulva durch stirkeren Haarwuchs ausgezeichnet. : Eine Besonderheit bietet noch der peritoneale Ueber- zug der Beckenorgane. Die Gesamtanordnung ist genau so wie bei den iibrigen Anthropoiden und dem Menschen. Von der vorderen Bauchwand schlaigt sich das Bauchfell auf die Blase um, um dann zwischen ihr und dem Uterus die Excavatio vesico- uterina zu bilden. Diese Vertiefung ist ca. 2,5 cm tief und wird beiderseits von einer horizontalen, von vorn nach hinten ver- laufenden Falte begrenzt. Sodann iiberzieht das Peritoneum den Uterus, der dadurch in die Duplikatur des Ligamentum latum zu liegen kommt. Dieses setzt sich nach beiden Seiten in ganz derselben Weise fort wie beim Menschen, bildet das Mesenterium der Tube oder die Mesosalpinx, das Mesovarium und das eigentliche Ligamentum latum, zwischen dessen Blattern das Ligamentum uteri rotundum zur Inguinalgegend zieht. Zwischen den beiden Blattern des Mesovariums vermag ich keine deutlichen Reste des Nebeneierstockes zu erkennen. Ganz besonders autfallend ist das Verhalten der Excavatio 638 Ulrich Gerhardt, recto-uterina oder des Douauasschen Raumes. Wir k6énnen wie beim Menschen einen oberen und unteren Teil dieses Raumes unterscheiden. Aber wahrend das menschliche Cavum Douglasi durch zwei sagittal vom Rectum zum Uterus verlaufende Falten, die Plicae Douglasii, in seinen oberen und unteren Teil geschieden wird, findet sich beim Gorilla eine scharfe, ringférmige Falte, die eine deutlich abgesetzte Grube an der Basis der Exca- vatio umfa8t. Der Durchmesser dieser Grube an ihrer oberen Peripherie betragt knapp 1 cm, ihre Tiefe 0,4 cm. Deutliche Liga- menta utero-sacra, wie sie beim Menschen in den Dougias- schen Falten verlaufen, liegen auch beim Gorilla jederseits in den seitlichen Partien der Ringfalten. Vergleichender Teil. Eine Vergleichung der Harnorgane des Gorilla mit denen anderer Anthropoiden und des Menschen ergibt wenig Besonder- heiten. Die Nieren des Gorilla sind leicht asymmetrisch ge- staltet, doch ist hierin keine Besonderheit zu erblicken. Auch beim Menschen kommen leichte Asymmetrien im Bau der Niere haufig vor, mit individuellen Schwankungen, je nach der Kon- figuration des gesamten Bauchinhaltes. Beim Orang-Utan finde © ich in einem Fall die Asymmetrie der Nieren viel bedeutender; hier ist nur die linke Niere typisch bohnenférmig, wahrend die rechte mehr dreieckig geformt ist. Bei einem zweiten mir zur Verfiigung stehenden Orang-Utanweibchen finde ich jedoch beide Nieren von dieser zuletzt erwahnten Dreieckform. Bekannt ist aus der Veteriniranatomie, daf die Nieren des Pferdes ganz regel- miBig eine weitgehende Asymmetrie aufweisen. Nach ELLEn- BERGER und Baum (6) ist ,die Form und Gréfe der Niere ver- anderlich; hiéufig ist die rechte Niere schwerer als die linke; die letztere ist linger als breit und hat deshalb meist annihernd die Bohnenform . .. ., die rechte Niere erscheint, da sich die beiden Enden derselben nahern, mehr dreieckig, fast herzférmig und ist kiirzer als breit“. Dieser Befund entspricht dem bei dem ersten Orang-Utan von mir geschilderten. Die haufig vorkommende Asym- metrie der Form der Niere einerseits und deren Inkonstanz bei einer Species andererseits (Orang-Utan) laBt sich ungezwungen aus der Lage der umgebenden Eingeweide verstehen. Leber, Milz, Magen und Darm iiben einen Druck auf die Niere aus, der auf beiden Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. 639 Seiten im allgemeinen eine verschiedene Form hervorbringt. Es ist dabei von vornherein klar, da8 hierbei wieder eine Menge von individuellen Schwankungen méglich ist, so daf verschiedene Grade der Asymmetrie erreicht werden kénnen. Deshalb ist auch im all- gemeinen die Verschiedenheit der Nieren untereinander in Form und Gréfe morphologisch von geringem Belang, obwohl sich wohl immer haufiger rechts eine Dreiecksform der Niere findet. Das Nierenbecken weicht in seiner Form und der Anord- nung der Calyces nicht von dem menschlichen ab, auch gleicht es hierin dem von Simia satyrus und Siamang syndactylus. Doch finde ich bei diesen beiden Anthropoiden die Rindenschicht der Niere betrachtlich breiter im Verhaltnis zur Markschicht als beim Gorilla. Ich moéchte aber nochmals darauf hinweisen, daf es sich bei diesem um ein an Nierenkrankheit gestorbenes Tier handelt. An den Harnleitern vermag ich beim freipraparierten Organ keine Ampulle im unteren Teil zu erkennen, womit aber keines- -wegs gesagt sein soll, daf sie in vivo nicht méglicherweise be- standen hatte. Die kugelige, nicht mit seitlichen Ausbuchtungen versehene Harnblase finde ich auch bei Orang-Utan und Siamang, so daf die geschweifte weibliche Blase vielleicht eine Kigentiimlichkeit des Menschen bildet. Die weiblichen Geschlechtsorgane des Gorilla weisen in mehrfacher Hinsicht Besonderheiten auf, die sie nicht nur von denen des Menschen, sondern auch von denen anderer Anthro- poiden in mehreren Punkten nicht unbetrachtlich unterscheiden. Die Vergleichung zwischen den Geschlechtsorganen des Menschen und der anthropoiden Affen, die BiscHorr (1, 2) gegeben hat, ist zwar sehr genau und ausfiihrlich. Doch habe ich in manchen Punkten Abweichungen von BiscHorrs Angaben gefunden, die mir zum Teil nicht unwesentlich erscheinen. BiscHorr stand bei der Ausfiihrung seiner vergleichenden Untersuchungen reicheres Material zur Verfiigung als mir. So konnte er 6 Schimpansenweibchen untersuchen, wahrend mir von diesem Affen kein weibliches Genitale zu Gebot stand. Von Orang- Utans lagen Biscuorr drei Urogenitalsysteme, mir zwei vollstandige und ein Uterus vor, er konnte ferner Genitalien von drei 9 Gorillas untersuchen, von denen allerdings ‘nur eines ganz voll- stindig war, mir stand nur ein Urogenitalsystem zur Verfiigung. Von Gibbons kann ich nur ein Urogenitalsystem eines weiblichen Hylobates (Siamang) syndactylus zur Vergleichung heran- 640 Ulrich Gerhardt, ziehen, auch BriscHorr (1) hat nur ein Exemplar von Hylobates untersucht. Ich verfiige also im ganzen als Vergleichsmaterial nur tiber Genitalien von Orang-Utan und Siamang. Die Ovarien unseres Tieres zeigen dieselbe Gestalt, wie wir sie beim kindlichen Menschen und auch bei anderen jugendlichen, weiblichen Anthropoiden antreffen, sie zeigen in allen diesen Fallen dieselbe langgestreckte Spindelform bei sehr geringem Querdurch- messer. Beim Menschen und beim Orang-Utan dndert sich in spiteren Stadien, beim Eintritt der Geschlechtsreife, diese Form, so daf das Ovarium mehr stumpf-eiférmig wird. Bei den tibrigen Anthropoiden, also auch beim Gorilla, Schimpanse und den Gibbons wird es wohl ebenso sein, aber ich vermag keine bestimmten An- gaben dariiber zu machen, weil mir nur jugendliche Ovarien von Gorilla und Siamang vorliegen, die noch die Spindelform zeigen. Die Bursa ovarii fehlt dem Gorilla vollstandig, und ihr Rudiment, die Nische zwischen Eierstock und Mesosalpinx, ist noch weit weniger ausgeprigt als beim Orang-Utan, dessen Bursa ich friiher beschrieben habe. Auch beim Siamang finde ich die Nische, in der das Ovarium liegt, nicht so seicht wie beim Gorilla. Dies hangt, wie ich bereits friiher (10) betont habe, mit der Streckung der Tube zusammen, die beim Gorilla einen ganz besonders hohen Grad der Ausbildung gewonnen hat, wohl den héchsten von allen Primaten. Bei dem von Biscuorr (2) untersuchten Exemplar, dessen Genitalien auf Tab. VI 1. c. abgebildet sind, war die Streckung der Tube nicht ganz so stark ausgepriigt wie bei unserem Exemplar, ,die Eileiter gehen ganz oben aus den Winkeln des Fundus hervor, sind gegen 5 cm lang und verlaufen nur an ihrem Abdominalende etwas gewunden und gegen das laterale Ende der Eierstécke hin gebogen.“ Immerhin sind diese Windungen am abdominalen Ende nach der beigefiigten Abbildung nur sehr gering, jedenfalls viel geringer als bei den anderen Anthropoiden, von denen Biscnorr Abbildungen gibt. Beim erwachsenen menschlichen Weibe verliuft die Tube nicht so gestreckt wie beim Gorilla. Im kindlichen Alter ist die Schlingelung der Tube hier sogar sehr ausgepragt, und auch bei erwachsenen Frauen kommt abnorm geschlingelter Tubenver- lauf als Mifbildung und Ursache zu pathologischen Schwanger- schaften vor. Im Primatenstamme kénnen wir im allgemeinen eine Tendenz zur Streckung der Tube verfolgen, die besonders innerhalb der Gruppe der katarrhinen Atfen deutlich erkennbar ist. Bei Anthropoiden und dem Menschen ist der héchste Grad Morphologie des Urogenitalsystems eines weiblichen Gorilla. 641 der Streckung wohl sicher unter dem Einfluf der aufrechten Korper- haltung erreicht; innerhalb der einzelnen Species kénnen, wie wir vom Menschen her wissen, wieder kleine Schwankungen auftreten. Daf beim Gorilla die Streckung der Tube und die mit ihr zu- sammenhangende Riickbildung der Bursa ovarii einen héheren Grad erreicht hat als beim Menschen, wenigstens nach den wenigen bis jetzt bekannt gewordenen Exemplaren, das zeigt uns aufs neue, daf Charaktere, die fiir eine Entwickelungsreihe typisch sind, nicht unbedingt in demjenigen Gliede dieser Reihe am meisten ausgepragt zu sein brauchen, das nach seiner Gesamtausbildung an der Spitze dieser Reihe steht. So sind ja manche Anthropoiden auch in der Reduktion der SteiSwirbel weiter fortgeschritten als der Mensch. In unserem Falle handelt es sich ja sogar um ein Merk- mal, das nur vom Standpunkt einer solchen Reihenentwickelung aus als Fortschritt bezeichnet werden kann, denn fiir die Leitung des Eies kann ein so stark reduzierter Apparat, wie ihn Menschen und Anthropoiden besitzen, héchst verhingnisvoll werden. Der Uterus unseres Exemplars ist sicher infantil. Ganz abnliche Form des Uterus finden wir bei jungen Simia- und Hylo- batesexemplaren, wahrend der Uterus eines alteren, aus Sumatra stammenden Orang-Utanweibchens sehr viel dicker ist und vdllig die Form aufweist wie der Uterus des erwachsenen menschlichen Weibes. Die Form des Uterus simplex ist tiberall innerhalb der Primatenreibe im wesentlichen gleich, die Dicke der Muskel- wandung unterliegt wohl nach der Species Schwankungen, die aber kaum bedeutend sein diirften, da die Austreibung eines Foetus wohl, wenigstens bei héheren Formen, tiberall die gleichen An- forderungen an die Muskulatur stellen wird. Das Os uteri externum liegt beim Gorilla wie auch beim Orang-Utan und dem Menschen auf der Spitze eines kegelférmigen Zapfens, der Portio vaginalis uteri, oder des Os tincae der alten Anatomen, mit deutlich ausgebildeter vorderer und hinterer Mutter- mundslippe. Bei Hylobates ist dieser Vorsprung nicht deutlich ent- wickelt. BiscnHorr (1) fand bei Hylobates leuciscus nur eine hintere Muttermundslippe und ich kann fir H. (Siamang) syndactylus diesen Befund nur bestatigen. Die Wand des Uterus ist mit zahlreichen feinen Falten besetzt und dadurch scharf von der glatten Vaginalwand unterschieden. Dieses verschiedene Verhalten der Schleimhaut bildet an der vorderen Wand die einzige erkennbare Grenze, wahrend die hintere Wand des Uterus 642 Ulrich Gerhardt, mit einer deutlichen, queren Lippe ins Scheidenlumen vorspringt. Das Genus Hylobates nahert sich in diesem Verhalten des auferen Muttermundes mehr den tibrigen katarrhinen Affen, bei — denen nirgends eine Portio vaginalis mit solcher Deutlichkeit aus- gebildet ist wie bei dem Menschen, Gorilla und Orang-Utan. Ueber den Nutzen, den die Erwerbung einer deutlichen Portio der Art gebracht haben kénnte, lassen sich schwer auch nur Vermutungen aufstellen, da die Geburt ja doch erst ein jedesmaliges Verstreichen der Muttermundslippen erfordert. Wahrscheinlich ist die stark ab- gesetzte Portio nur eine Folge der immer starkeren Entwickelung der Uterusmuskulatur, die beim Menschen vielleicht den starksten Grad der Ausbildung erreicht. Die Vagina des Gorilla, wie auch der anderen Anthropoiden yy (Fig. 8) (Fig. 12) eo ok Or Stylochus ? Stylochus sp.? 139 13 ,, oben Cryptocelis? Cryptocelis sp.? eee (Fig. 6) (Fig. 7) In der Erklirung der Abbildungen: Seite 155 Zeile 16 von unten statt acd muf es heifen «aed. Die folgenden Bezeichnungen fehlen ganz: adre Epithel der accessorischen Driisen phm Pharyngealmasse. In den Abbildungen: Tafel 7, Figur 2 steht bcZ statt bcL i elaar , eady ONT Wes 80 ay Oe oO AMNrRrR £6 Oy Oy +0 Oy 7 . . « i. anh. We Hbrdoatiess 20 iam |‘ qaremnytiGl n>’ anserncherr ie 4 wdine Sal mn ’ eis) rt ie) , aay isl or o* ghar ae yo inte d rn | ad’ | “ ior wee af wo ey ify “i : | i 4 . j A it toot? aae i. . | m “ pre Pp esQedg aah vil # owmainl : + . . a i AG i Wai! 4h Slice ey | | G ae his ‘ : me OP 4 Y Verlag von Gustav Fischer in Jena. } | Fortsetzung von Seite 2 des Umschlags. ni. Reichenow, Uebersicht der auf der deutschen Tiefsee-Expedition ge- sammelten Véigel. Mit 2 Tafeln. Preis fiir Abnehmer des ganzen Werkes: 4 M. runo Jurich, Die Stomatopoden der deutschen Tiefsee-Expedition. Mit 6 Tafeln. Preis: 13 M. Bd. VIII, Lief. 1. h. Thiele, Die Leptostraken. Mit 4 Tafeln. Preis fiir Abnehmer des ganzen Werkes: 8 M. 50 Pf. Bad. IX, Lief. I. Johannes Meisenheimer. Pteropoda. Mit 27 Tafeln, 9 Karten und 35 Ab- : bildungen im Text. Einzelpreis: 120 M., Vorzugspreis: 100 M. Bd. X, Lief. I u. II. apitin W. Sachse, Das Wiederauffinden der Bouvet-Insel durch die deutsche Tiefsee-Expedition. 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Vortrag ‘gehalten in der Sitzung der medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft am 17. Juni 1904. Von Dr. Ernst Haeckel, Prof. an der Universitit in Jena. Preis: 50 Pf. t sInOWSKi gez Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. ao GusteWischer, Jena Tith Anst.v J Amn Jena Verlag ¥ Marcinowski ez digs —ap = Jenaische Zeitschrift Bd. ALI. [ 1. 7 Gueld* Fischer, Tes cher, Jena Tith Anst.v.J.Arndt Jena. Marcinowski géz. } Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. ent -------- ann _——$$<$<—<$—___ Verlag v Gustav Fischer, fen. : i Lith.Anst v.J.Arndt, Jena. Marcinowski gez Jenaische Zeitschrift Ba.XLI. es 3 ee ne ee eee on fi Ta maton, | Marcinowski gez Verlag v Gustav Fischer, Jena a Tith Anst.v. J.Arndt, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. XL. Jakuboff ée 4 id akuhoff gez Verlag v. Gustav Fischer, Jeng LithAnstwXWesserJena JSenaische Zeitschrift: Bd XL. eva B Be 5 eaten a _— Jakuboff fez Verlag v Gustav Fischer os Lith. AnstyKWesserJena. Senaische Zeitschrift Ba. XL. : , ) — . MM LL <> y LOTT = ; x OT lam vda Jakuboff gez : ! F tav Fisc] if Verlag v- Gus' cher, Jena <2 Jenaische Leitschrift Bd. XL. r ’ eriaR + Gustav Fischer Senn ? sd uP Lith.AnstzKWesser Jena. Jenaische Zeitschrift Bd.XLI. Taf: 77. Jakuboff fez Verlag ¥ Gust\Fischep Te Jenaische Zeitschrift. Bd XL. Taf. Xi. -_—— ‘ ———— - ' B Haller aez erly Gusta Fischer, Jona Lith Anst-v. A Giltsch Jena. Jenaisthe Zeitschiift FAXL. ! i B Haller oe Verly. Gustav Fischer, Jens. Lith Ansty. A.Giltsch Jena. JSenaische Zeitschrifi. Ba_XLL. Roewer fez pe ae : a Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd.XLI. dep : $ " * sail I= Pe fs i > Sy K@i "eg || @'- wie ©. d.msk a aes ae Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Jenaische Zeitschrift Bd.XLI. Bonnevie éez Verlag v Gustav Fischer, Jena Taf: w. Fi t Bie ps ttt Lith Anst vK Wesser Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. Taf, 1%. Fig. 46. Bonnevie gez Verlag v Gustav Fischer, Jena Lith Anst.vK WesserJena Borinevie gez. Verlag v. Gustav Fischer, Jena. Bonnevie gez Verlag v. Gustav Fischer, Jena Verlag v Gustav Fischer, Jena. 4a Jenaische Zeitschrift Bd.XLI Fig. 4b. Fig 5. Fig. 119. is i Fig. 120. Fig. 113. 7 ; Lahénstvk Wesser Jena, Verlag v Gustav Fischer, Jena Jenaische Zeitschrift Bd. XL1. 7 w---------- % ; 7 | vee Fu e®:, oh] o*e 3 i )) h\\ ) \W Y owt, Fig. 140. v ¥ , “- wa | re “ 7 Fig. 46. mr \ ~~ =. oA ; 4 > Nat ? \ ; - fn £ io a Fig. 48. Fig. 49. Fig. 150. Fig. 151. Fig. 152. Verlag v Gustav Fischer, Jena Jenaische Zeitschrift’ Bd.XLI. Taf, 28 Fig. 191 \ Fig. 792. | | be Fig. 196. Fig. 19% Fig. 198. Fig. 199, Fig. 200 Fig. 201. Bonnevie gez = = i Lith Anst-vK Wesser.Jena Verlag-v. Gustav Fischer, Jena Se Jenaische Zeitschrifi Bd. XL. Oeder gez Fig J. Nz Gustay Fischer, Jen LithAnatwKWeaserJens. Zahnteiste Fig. 16. 1 i LithAnsteXWesser,Jena 6 v. Gustav Fischer, Jena Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. ) Tat! 2; Fenestra occipitalis Processus mastoides <= mn. Fenestra. vestiinlaris ee " ¥ i Apertura tympanicn Conaiis Fallopiae Figs 22 ’ —_ y wre in den Canalis temporalis a es wn 7 : For. vase. laterale AG \ , a terra, aes f PN : Pterygout Proc. zygomaticus des - Oberkivfers ¥ For vasculare mediale Spitzer Fortsatz des _ Ma.xillare, das Palatiruum iiberlagernd, Fig. 4 ‘Na Giteweh aie of, ae = Verlag von Gustav Fischer m Jena. ische Zeitschri Pile : Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. e. Tak, 26. Fig. 2. Fig. 5. Verlag yon Gustav Tischer in Jena. Ad. Giltsch gea, Lith Anst v. Johannes Arndt, Jena | re Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. — SS EEE ES ee. EE SO SS Ad. Giltsch, gez 8 Verlag von Gusta Fischer, Jena, Spitzertypie-Gesellschaft Miinchen G m b. Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. Taf. 28. YN Sn ON Ad. Giltsch, gez. Verlag von Gustav Fischer, Jena. Spitzertypie-Gesellschaft Miinchen G. mb. H. Ad. Jenaische Zeitschrift Bd. XLI. Giltsch, gez. : S= Se SO < ODAOW = S —SS> ~~ ———S—ss IO ——_ > Verlag von Gustav SO Fa —- soe —aA000— Ze Sr c0Gntn Fischer, Jena. oe. ee I Goss = ace a Spitzertypie-Gesellschaft Munchen G. m. b. | | Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft. Bd. XL. N. I XXXIV. Tafel XXX. Grabowsky. Gorilla cast Fig. 4. aneiceps SLACK @ im Zoologischen Garten zu Breslau. Verlag yon Gustav Fischer in Jena. Jenaische Zeitschrift Bd. X. LL Taf 31. lee Rpithel der = =< Fig. 3. Gonllabindehaut. Kammerwinkel Musculus dilatator pupillae, gedehnt Praeparat depigmentiert. Heine del Verlag von Gustav Fischer in Jena Lithographie v.E. Schaal dena Sa —" : SFr SS ee Jenaische Zeitschritt Bd. X LI Tok 32 [ Fig. 2. L =! HL S a ae 5 impricht del Verlag von Gustav Fischer in Jena. Lithographie v.E. Schaal, Jena sa Fy Tene +) aA ae ae) uh es & Sr ed i ® ITAL WE 06 263 031 t Fy