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INT, 1. ar En RNIT. , ,,, 8 Johann Andreas Naumann's, mehrerer gelehrten Geſellſchaften Mitgliede, Naturgeschichte der 5 Voͤgel Deutſchlands, nach eigenen Erfahrungen entworfen. 2— ſgꝛ Durchaus } \ umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, fehr vermehrt, vervollſtaͤndigt, und mit getreu nach der Natur eigenhaͤndig gezeichneten und geſto— chenen Abbildungen aller deutſchen Vögel, nebſt ihren Hauptver- ſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von deſſen Sohne Johann Friedrich Naumann, ber naturforſchenden Geſellſchaft z. Halle; der Societaͤt fuͤr Forſt- und Jagdkunde zu Dreyßigacker und Meiningen; der Wetteraueſchen Geſellſchaft für die geſammte Natur- kunde zu Hanau; der Geſellſchaft fuͤr die geſammten Naturwiſſenſchaften zu Marburg; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig; der allgemeinen Schweizeriſchen Geſellſchaft fuͤr die geſammten Naturwiſſenſchaften, und der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin wirkliches, correſpondirendes und Ehrenmitglied. aunfter hein Mit 28 colorirten und 1 ſchwarzen Kupfer. Leipzig: Ern ſt F lei ſſch er. 1 8 8 n 5 5 100 162. halts an ze des i nf een T erte r e n (Fortſet zung.) Geſämefreſſer. GRANIVORAE. XXVIII. Gattung. Fink. Fringilla. (Beſchluß.) 3. Fam. Edelfinken. Fringillae nobiles. Schneefink. F. nivalis. =, Buchfink. F. coelebs. Bergfink. F. montifringilla. 4. Fam. Hänflinge. Ligurini. Grünhänfling. F. chloris. Bluthänfling. F. cannabina. Berghänfling. F. montium. Girlitzhänfling. F. serinus. 5. Fam. Zeiſige. Spini. Diſtelzeiſig. F. carduelis. Zitronenzeiſig. F. citrinella. Erlenzeiſig. F. spinus. Birkenzeiſig. F. linaria. sänfte Vronung Paarzeher. ZYUGODACTYLI. 1. Fam. Wendezeher. Amphiboli. XXIX Gattung. Kukuck. Cuculus. Gemeiner Kukuck. C. canorus. — — — — ge 229 II Inhaltsanzeige. 163. Heherkukuck. C. glandarius. S. 237 Taf. 130 2. Fam. Pfeil züngler. e n XXX. Gattung. Specht. Picus. — 246 — — 164. Schwarzſpecht. P. martius. ; 253 1831 165. Grünſpecht. P. viridis. . 3 — 270 — 132 166. Grauſpecht. P. canus. . . — 286 133 167. Rothſpecht. P. major. 1 4 — 298 131 168. Weißſpecht. P. leuconotos. 8 an SR 169. Mittelſpecht. P. medius. 5 h = 795900, 7136 170. Kleinſpecht. P. minor. 5 5 3 a er 171. Dreizehenſpecht. P. tridactylus. 2 346 an XXXI. Gattung. Wendehals. Yunx. — 354 — — 172. Grauer Wendehals. I. torquilla. 8 355 18 Se ch ſte rd ne Steig füßte r. Nr nete? XXXII. Gattung. Kleiber. Sitta. — 374 — — 173. Europäiſcher Kleiber. S. europaea \ — 377 — 139 XXX. Gattung. Baumlaͤufer. Certhia. — 395 — — 174. Grauer Baumläufer. C. familiaris. 5 u XXXIV. Gattung. Mauerklette. Tichodroma. — 419 — — 175. Alpen- Mauerklette. T. muraria. . — 421 — 141 XXXV. Gattung. Wiedehopf. Upupa. n 176. Europäiſcher Wiedehopf. U. epops. 5 — 437 — 142 ,), Do manneg Sitzfuͤßler. ALCYONES. a ha ER XXXVI. Gattung. Bienenfreſſer. Merops. — 460 — — 177. Europäiſcher Bienenfreſſer. M. apiaster. — 462 — 143 XXXVII. Gattung. Eisvogel. Alcedo. — 476 — — 178. Gemeiner Eisvogel. A. ispida. . — 480 — 144 J. A. Naumann's Naturgeſchichte der Voͤgel Deutſchlands. Her ausgegeben von deſſen Sohne JI. F. Naumann. F uͤnfter Theil. Acht und zwanzigſte Gattung, Dritte Familie. Edelfinken. Fringillae nobiles. Mit geſtreckterem, laͤnglich kreiſelfoͤrmigen, nicht duͤnn zu— geſpitzten Schnabel; weder hohen noch ſtarken Fuͤßen, und mittel— maͤßigen, ſpitzigen Naͤgeln; ſchmalen und ziemlich ſpitzen Fluͤgeln, an welchen die zweite Schwingfeder nur etwas laͤnger als die erſte und dritte iſt, uͤberhaupt die vier erſten faſt gleich lang und viel länger als alle übrigen find, und gegen das Ende ſehr ſchmal werden. Der Schwanz iſt etwas lang, am Ende meiſtens etwas ausgeſchnitten, die Spitzen aber ſtumpf. Ihr Kopf iſt ſchmal und etwas klein, mit flacher Stirn, der Koͤrper ſchlank und geſtreckt, daher ihre Geſtalt ſehr angenehm. N Sie wohnen in Gaͤrten und Waͤldern, einige auch in felſigen Gegenden, — halten ſich mehrentheils in kleinen und großen Ge— ſellſchaften zuſammen, und wandern auch in ſolchen im Winter in gelindere Himmelsſtriche. Sie leben von allerlei Saͤmereien, vor— zuͤglich aber von oͤhlhaltenden, die ſie meiſtens vom Boden aufleſen, und viel ſeltner von Baͤumen und Stauden herabholen, freſſen im Sommer auch Inſekten, und fangen dieſe ſogar im Fluge ſehr ges ſchickt, faſt wie Fliegenfaͤnger. — Sie niſten meiſt frei auf Aeſten und zwiſchen Baumzweigen, wo ſie außerordentlich kuͤnſtliche Neſter bauen, wenige doch auch in Hoͤhlen, auf plattem Erdboden aber keine innlaͤndiſche Art; legen 3 bis 6 blaß gruͤnliche, braun oder roͤthlich gepunktete oder klein gefleckte Eier, meiſtens zwei Mal im 4 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. Edelfinken. Jahre, und fuͤttern ihre Jungen mit Inſekten auf, die ſie ihnen einzeln im Schnabel zutragen. Sie baden ſich im Waſſer. — Die haͤufigen Arten ſind ihres wohlſchmeckenden Fleiſches wegen ein beſonderer Gegenſtand des Vogelfangs; auch ſind einige ge— ſchaͤtzte Stubenvoͤgel. f Drei Arten. 151. Der Schnee⸗Fink. Fringilla nivalis. Linn. (Fig. 1. Maͤnnchen. a Wibhen Alpenfink, Steinfink, Schneevogel. Fringilla nivalis Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 911. n. 21. = Tath. ind. I. p. 440, n. 19. = Nilss. orn. suec. I. p. 134. n. 65. = Pinson de neige ou la niverolle. Buff, Ois. IV. p. 136. — Edit. d. Deuxp. ER, p. 149. = Briss. Orn. III. p. 162. pl. XV. f. 1. = Gerard. Tabl. &l&m. I. p. 264. = Gros-bec niverolle Temm. Man. nouv. edit. I. p. 362. = The Sa. Lath. syn. III. p. 264. n. 15. — Ueberſ. v. Bechſtein, II. 1. S. 259. n. 15. = Wils. Birds of the Un. States. I. p. 36. t. 21. f. 2. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 156, — Deſſen Taſchenb. I. S. 120. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 161. — Meißner u. Schinz, V. d. Schweiz, S. 76. n. 79. —= Koch, Baier. Zool. I. S. 216. n. 133. (Fr. saxatilıs. u. Fr. nivalis.) = Naumann' s Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. (19.) 128. Taf. 20. Fig. 38. Männden, f ? Hablizl. in S. G. Gmelin's Reiſen, IV. ©. 168. i Pelhaße neue nord. Beiträge, IV. ©. 46. Kennzeichen der Art. Der Schwanz weiß, mit wenigem Schwarz am Ende und mit ſchwarzen Mittelfedern. Beſchreibung. Ein angenehm geſtalteter, durch Faͤrbung ſeines Gefieders ſo ausgezeichneter Vogel, daß er nicht leicht mit einer andern Art verwechſelt werden kann. Seiner Geſtalt nach aͤhnelt er vollkom⸗ IV. Ordn. XXVII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. 5 men den andern beiden einheimiſchen Arten dieſer Familie, doch ſcheint er von ſtaͤrkerem, kraͤftigeren Koͤrperbau, wozu auch ſeine anſehnlichere Groͤße beitraͤgt. Er iſt groͤßer als unſer Buchfink, und gleicht dar— in vollkommen dem Hausſperling, iſt aber von einer ed— lern, ſchlankern Geſtalt, als dieſer. Seine Lange iſt 67 bis 64 Zoll, ſeine Fluͤgelbreite bis 14 Zoll und druͤber; die Laͤnge des Fluͤgels 57 Zoll, die des Schwanzes reichlich 23 Zoll, und die ruhenden Flügel reichen mit ihren Spitzen bis 2 Zoll vor das. Ende deſſelben; denn obgleich der Schwanz gar nicht kurz iſt, ſo hat dieſer Vogel doch ſo lange ſchmale Fluͤgel, wie kein anderer unter den einheimiſchen Finken, was auch an ſeiner Figur bald auffaͤllt. Die zweite Schwingfeder iſt die laͤngſte, doch wenig laͤnger als die erſte, und auch nicht viel mehr als die dritte; der Schwanz hat ſehr breite, ſtarke Federn, und ſieht daher ſehr groß aus, iſt am Ende faſt gerade oder nur ſehr wenig ausgeſchnitten, und ſeine Federn faſt gerade abgeſchnitten oder kaum etwas gerundet. Der Schnabel iſt ſtaͤrker als am Buchfinken, ſonſt von derſelben Geſtalt, nur etwas ſpitziger, denn beide Ruͤcken bilden faſt gerade Linien; die Schneiden ſind auch weniger eingezogen. Er iſt gute 6 Linien lang, an der Wurzel über 4 Linien hoch und SZ Linien breit. Seine Farbe iſt verſchieden, im Winter ſchoͤn wachsgelb mit ſchwarzer oder brauner Spitze; im Maͤrz zeigen ſich am Oberſchnabel ſchon braune oder ſchwaͤrzliche Stellen, die von der Stirn anfangen u. ſ. w., bis im Vorſommer der ganze Schna— bel ſchieferſchwarz erſcheint. Beim Weibchen iſt er jedoch dann bloß braunſchwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels gelb, auch hat er bei dieſem im Winter ein ſchmutzigeres Gelb, beſonders von oben. Das runde kleine Naſenloch an der Schnabelwurzel iſt unter weißgrauen Borſtenfederchen verdeckt; die Iris iſt dunkelbraun. Die Füße find etwas groß und ſtark, die Laufe durch feichte Einſchnitte groß getaͤfelt, die Zehenruͤcken geſchildert, die ſtarken Sohlenballen ſehr grobwarzig, die Krallen groß, ſtark, beſonders die der Hinterzehen, ſonſt nicht ſtark gebogen, unten zweiſchneidig, ſehr duͤnnſpitz, und die der Hinterzeh faſt wie bei den Sporn⸗ ammern geſtaltet. Die Fuͤße haben uͤberhaupt in Allem viel Aehnlichkeit mit denen dieſer Voͤgel. — Alles an den Fuͤßen iſt ſchwarz, nur bei juͤngern und weiblichen Voͤgeln ſchimmert an den Laͤufen etwas Roͤthliches durch. Die Ferſen ſind ſtark befiedert. Hoͤhe der Fußwurzel 11 Linien; Laͤnge der Mittelzeh, mit der 3 6 IV. Ordn. XXVIII. Gätt. 151. Schnee⸗Fink. Linien langen Kralle, 10 Linien, die der Hinterzeh, mit der 5 Linien langen Kralle, 8 Linien. Das alte Maͤnnchen hat folgende ziemlich einfache Zeich⸗ nung: Oberkopf, Wangen, Hinter- und Seitenhals ſind licht aſchgrau, am dunkelſten der Scheitel, die Zuͤgel und zum Theil die Wangen; die Schultern und der ganze Nüden kaffebraun, mit lichtbraunen verwaſchenen Kanten, daher dunkel- und hellbraun gewoͤlkt; der Buͤrzel in der Mitte ſchwarz, an den Seiten weiß, im Schwarzen mit weißlichen und braͤunlichen Federſaͤumen; die Ober⸗ ſchwanzdeckfedern ſchwarz, weißbraͤunlich ſchmal gekantet. Das Kinn iſt ſchmutzig weiß; die Kehle, bis auf die Gurgel herab, im Grunde ſchwarz, dies aber durch weiße Federenden theils verdeckt, daher nur ſchwarz und weiß gefleckt, aber im Sommer, wenn dieſe ſich ganz abgeſtoßen haben, rein ſchwarz; die Bruſtſeiten und Weichen ſehr licht gelblichaſchgrau; die Mitte der ganzen Bruſt, vom Kropfe an bis auf den Bauch, ſchmutzig oder graulich weiß; die langen Schenkelfedern lichtgrau; After und Unterſchwanzdeck— federn rein weiß, letztere mit einem kleinen dunkelbraunen, meiſt nierenfoͤrmigen Endfleck; der Fluͤgelrand, die kleinen, mittleren und der groͤßte Theil der großen Fluͤgeldeckfedern ſchneeweiß, die hinterſten der letzteren, nebſt den drei letzten Schwingen dunkel— braun, mit lichtbraunen Kanten; die Daumenfedern ſchwarz; die Fittichdeckfedern weiß, mit ſchwarzem Endfleck; alle großen Schwin— gen, von der erſten bis zur ſiebenten, ſchwarz, mit ſehr feinen braͤunlichweißen Seitenſaͤumchen und etwas breiterem am Ende; die achte Schwinge weiß, an der Wurzel und laͤngs der Außenfahne ſchwarz; alle uͤbrigen, bis an die drei letzten, ſchneeweiß. Die zwei Mittelfedern im Schwanze ſind ſchwarz, mit weißem Außen⸗ ſaum, alle uͤbrigen ſchneeweiß, mit ſchwarzem Ende, was nach außen aber allmaͤhlich unbedeutender wird, ſo, daß endlich die aͤußerſte Feder rein weiß erſcheint. Daher ſieht die untere Seite des Schwanzes faſt ganz weiß aus, die großen Schwingen von unten matt ſchwarz, die uͤbrigen und die Deckfedern ſchneeweiß, am Rande des Fluͤgels zeigen ſich bloß einige ſchwaͤrzliche Flecke. Im Herbſtkleide hat der Kopf einen braungrünlichen Anz flug und iſt viel dunkler, der Rüden hat viel breitere lichte Feder: kanten, die das dunkle Kaffebraun ſehr verdecken; die Saͤume der Fluͤgelfedern ſind breiter und das Schwarze tiefer und viel ſchoͤner, beſonders aber iſt das Schwarze an der Kehle ganz von den weißen Federenden verdeckt und nur bei verſchobenem Gefieder bemerklich. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. 7 Gegen den Sommer wird aber der Kopf heller, der Ruͤcken und auch der in den Mitte ſchwarze Buͤrzel, wegen der nun ver— ſchwundenen lichteren Federkanten, einfarbiger, dunkler; die Saͤum⸗ chen der Fluͤgelfedern find ganz verſchwunden und die ſchwarze Keh- le ſteht nun deutlich da. Die Veränderung der Farbe des Schna- bels iſt ſchon oben beſchrieben. Sehr alte Weibchen ſind im Aeußern wenig von den Maͤnnchen verſchieden; ſie haben dieſelben Zeichnungen, nur in et⸗ was helleren, matteren Farben, und an der Kehle wird kaum im Grunde der Federn etwas Schwarzes bemerklich, ſo daß ſelbſt im Som mer dieſe Stelle nur ſchwarzgefleckt erſcheint. — Juͤngere Weibchen haben keine ſchwarze Kehle, hier iſt alles ſchmutzig weiß; der Oberkopf und die Wangen ſind duͤſter grau, braͤunlich uͤberflogen; Nacken und Halsſeiten ſehr licht grau; der Ruͤcken wie am Maͤnnchen, aber bleicher; der Buͤrzel in der Mitte mit großen dunkelbraunen Flecken; die Farben der Flügel matter, die Fittich—⸗ deckfedern nicht weiß, ſondern matt ſchwarz, wie die großen Schwin— gen; der Fluͤgelrand ſchwarzbraun gefleckt; die kleinen Fluͤgeldeck— federn weiß, mit ſchwaͤrzlichbraunen Enden, die jenes faſt ver— decken; ſo hat denn der Fluͤgel weit weniger Weiß, was auch vom Schwanze geſagt werden kann, deſſen Mittelfedern nur braun— ſchwarz ſind und gelbliche Kanten haben, deſſen uͤbrige Federn auch mehr Schwarz am Ende haben, was ſich an der, zunaͤchſt den bei: den mittelſten, auf der Außenfahne bis uͤber die Mitte heraufzieht, und deren Innenfahne an der Wurzel auch ſchwarz gefaͤrbt iſt; ſonſt iſt alles wie dort, nur der Schnabel oben grau, und er Läufe roͤthlich mattſchwarz. Der junge Vogel vor der erſten Maufer iſt trahl bes ſchrieben, und auch mir ift noch keiner zu Geſicht gekommen. ener n e. Der Schneefink findet ſich auf den hoͤchſten Bergruͤcken des mittleren Europa, in der Schweiz, im ſuͤdlichen Frank- reich, auf den Pyrenaͤen, vielleicht auch noch anderwaͤrts auf den Hochgebirgen. Auf den Tiroler- und Salzburger-Al⸗ pen koͤmmt er auch, und auf ſeinen Streifzuͤgen aus dem noͤrd⸗ lichen Europa ſelbſt zuweilen, wiewol ſehr ſelten, in ebneren oder niedrig gelegenen Gegenden vor, wie mehrere, namentlich in Thuͤ⸗ ringen, und ſelbſt hier in unſerm ebenen Anhalt gefangene und geſehene Exemplare beweiſen. Im Norden von Europa muß er ſelten ſein, denn Nilſſon erwaͤhnt nur eines in Schweden 8 IV. Ord n. XXVII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. vorgekommenen Stuͤcks; aber er iſt auch in Sibirien un zwar ganz die naͤmliche Art) angetroffen worden, und unter feinen Auf: enthaltsorten find ebenfals die Aheebedekten Gipfel des Kauk a⸗ ſus und der hohen Gebirge Perſiens genannt, fo auch die Ges birge im Norden von Amerika. In der Schweiz bewohnt er die hoͤchſten Regionen der Ges birge, da wo der Holzwuchs aufhoͤrt und in der Naͤhe des ewigen Schnees, und ſteigt nur, wenn es in der rauhen Jahreszeit dort oben tobt und ſtuͤrmt, ſtark regnet oder viel ſchneiet, im Fruͤhjahr bei naſſem, großflockigen Schneewetter, in die hoͤhern bewohnten Al⸗ penthaͤler herab. Er iſt in vielen hohen Gegenden dort ſogar in ziemlichen Geſellſchaften und kleinen Schaaren anzutreffen, waͤhrend er in niedrigern Gegenden ganz unbekannt ſeyn ſoll. Er bewohnt demnach, beſonders im Sommer, ganz oͤde, traurige Gegenden, wo er nur ſelten von Menſchen beunruhigt wird. Man fand ihn im Urſernthal, in den traurigen Einoͤden des Gemmipaſſes, auf dem Grimſel und Simplon in der Nähe der Spitäler, beim Kloſter auf dem großen St. Bernhard (wo diefe Voͤgel im Win⸗ ter fogar in den Gängen aus und ein fliegen), auf der Höhe des Piz latus, des hohen Kaſten, der Luner-Scheidecke und an⸗ dern aͤhnlichen Orten, oder nur bei den hoͤchſten Bergdoͤrfern und einzelnen Wohnungen an. Die dortigen Naturforſcher verſichern, daß er das Land nie verlaſſe, nie bis in ebene Gegenden herabſteige, und dies gab Veranlaſſung zu glauben, der nordiſche Schneefinke ſei eine von dem Schweizeriſchen verſchiedene Art, und die im mittle— ren Deutſchland auf dem Striche vorgekommenen Individuen moͤch⸗ ten eher zu jener, als zu dieſer gehoͤren. Dies hat ſich jedoch nicht beſtaͤtigt; man hat vielmehr gefunden, daß jene, wie dieſe, nur Ei⸗ ner Art angehoͤren. Vielleicht wandern aber nur die im nordlichen een wohnenden? Fuͤr ſolche muͤſſen wir wol jene e Schneeſinken halten, welche Bechſtein beobachtete; er ſah naͤmlich einen im Herbſt, den an- dern im Fruͤhjahr, unter kleinen Heerden von Berg finken, und be— ſaß auch einen lebend. Eben ſolche waren gewiß auch diejenigen, von welchen mein Vater vor langen Jahren einen bei einem alten Vogelſteller hieſiger Gegend ſah, welcher an einem Herbſttage von dieſem auf dem Finkenheerde gefangen wurde, auf welchen er, ohne vorher ſich zu melden oder erſt auf die Hackbaͤume zu ſetzen, ganz unverhofft aus der Luft herabgeſtuͤrzt kam, und im Kaͤfig le bend aufbewahrt wurde, aus welchem er aber bald nachher wieder IV. Ordn. XXVII. Gatt. 151 Schnee-Fink. 9 entkam; und jene zwei Voͤgel (wahrſcheinlich ein Paͤaͤrchen), wel— che mein zweiter Bruder vor mehreren Jahren einmal, beim erſten Schneewetter zu Anfang des Winters, auf einer Gartenwand bei meinem Wohnorte antraf, wo ſie die Samen auf der Lehmwand ſtehender und vom Schnee nicht ganz bedeckter Pflanzen aufſuchten, an deren Habhaftwerden ihn aber das arge Schneegeſtoͤber verhin— derte. — Erſt am 27ſten Januar 1823 ſahen wir bei einer Kirſch— baumallee, unfern eines hieſigen Dorfs, im Felde, einen Vogel, welcher durchaus kein anderer als ein Schneefink ſein konnte, ſeiner Scheuheit wegen, wodurch ſich auch jene auszeichneten, aber nicht ſchußmaͤßig an ſich kommen ließ und bald weit wegflog. Da der Schneefink im Sommer und den größten Theil des Jah⸗ res ſolche Gegenden bewohnt, wo keine Baͤume wachſen, ſo ſetzt er ſich ungezwungen auch nie auf ſolche, ſondern man ſieht ihn ent— weder blos auf dem Erdboden, oder auf Felſen und Mauern oder Daͤchern der einzelnen Gebaͤude ſeiner einſamen Aufenthaltsorte. Auch die von uns in hieſiger Gegend beobachteten ſchienen die Baͤu— me zu ſcheuen. WI Eigenſchaften. Ein anſehnlicher, munterer, unruhiger und kräftiger Vogel, der in ſeinem Betragen beſonders dem Bergfinken, in mancher Hinſicht aber auch dem Buchfinken ähnelt. Er läuft und huͤpft auf der Erde, wie dieſe, und hat auch einen ähnlichen Flug, in wel- chem er ſich, ſeiner abſtechenden Farben wegen, ſehr ſchoͤn ausnimmt, indem er da blos ſchwarz und weiß gefaͤrbt zu ſein ſcheint, und das viele reine Weiß im Schwanze und den Fluͤgeln ſehr ſchoͤn in die Augen faͤllt. Die ſchweizeriſchen Naturforſcher nennen ihn unru⸗ hig und vorſichtig, aber eben nicht ſehr ſcheu; wir fanden ihn dage⸗ gen ſehr ſcheu. Er iſt geſellig, und außer der Brutzeit ſieht man ſel⸗ ten einen einzelnen, oͤfters aber Paͤaͤrchen, und am gewoͤhnlichſten Geeſellſchaften von fünf bis zehn, auch wol noch mehreren Stüden beiſammen. Wenn ſie aufgeſcheucht werden, ſchwingen ſie ſich hoch auf, und ſcheinen ſehr weit wegfliegen zu wollen, kehren aber ge— wohnlich in einem ſehr großen Umkreiſe wieder zuruͤck, und laſſen ſich oft auf der erſten Stelle wieder auf die Erde nieder. f Ihre Stimme, die ſie auch im Fluge hoͤren laſſen, ſoll ein ih⸗ nen ganz eigenthuͤmlicher, pfeifender, kurz abgebrochener Ton ſein, welchen H. Dr. Schinz mit der Sylbe Tri, tri, u. ſ. w. be⸗ zeichnet. — Bechſtein ſagt: Er lockt laut und hell Kip, kip; und dieſe Toͤne, die dem Lockton der Kreuzſchnaͤbel aͤhneln, aber 10 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. hoͤher und heller klingen, waren es auch, die meinen Bruder zuerſt auf jene beiden Individuen aufmerkſam machten, und der, welchen jener Vogelſteller im Käfig hatte, lockte eben fo, kip, kip. Bed» ſteins Vogel ſang auch fleißig, aber unangenehm, wie ein Berg— fink, und Dr. Schinz nennt den Geſang eines ſolchen Vogels, den jemand im Vogelbauer hatte, ſehr artig zwitſchernd. In ſei— ner Heimath ſoll er haͤufig auf Steinen ſitzen und da ſeine Lockſtim— me hoͤren laſſen. Bechſtein ſagt, daß er ſich im Vogelbauer ſehr wild und keck betrage, und dies beſtaͤtigte ſich auch vollkommen an jenem Ex⸗ emplar, das der alte Vogelſteller in hieſiger Gegend gefangen hatte. Es wollte nicht zahm werden, und ſeine ausgezeichnete Wildheit und fein ungeſtuͤmes Betragen retteten ihm endlich noch Leben und Frei— heit; denn durch das beſtaͤndige Flattern zerbrach zuletzt ein Staͤb— chen feines morſchen Kaͤfigs, und er entwiſchte durch die entſtandene Oeffnung. Nahrung. Sie leben von vielerlei Saͤmereien und von Inſekten. Unter den erſten mögen fie die oͤhligen am liebften. — Im Sommer fand man oft nichts als die Fragmente kleiner Kaͤferchen in ihrem Magen. Sie fangen aber auch kleine Heuſchrecken, Motten und vielerlei andere Inſekten, beſonders da, wo ſich dieſe auf die perpetuellen Schneegefilde wagten und durch die Kaͤlte gelaͤhmt wurden oder erſtarret liegen bleiben, und ſuchen daneben die Samen von mancherlei Alpenpflanzen auf. Im Winter ſind ſie blos auf Saͤmereien be— ſchraͤnkt, und freſſen dann beſonders Tannen-Lerchenbaum- und Fichtenſamen, und auf den Straßen ſuchen ſie die unverdaueten Körner aus den Thierexcrementen oder die Saͤmereien, welche dort zufaͤllig verſchuͤttet wurden, wie z. B. auf den Gebirgsſtraßen in der Schweiz die von den Saumpferden beim Tragen verzettelten Reiskoͤrner. Dr. Schinz fand einmal in den Magen von ſechzehn Exemplaren, die er im Maͤrz von Urſern erhielt, beinahe nichts als Reiskoͤrner, und nach Verſicherung mehrerer kommen ſie im Winter ſelbſt in die Gaͤnge des Kloſters auf dem großen Bernhard, um Reiskoͤrner, die da zufällig oder auch abſichtlich für fie hingeſtreuet werden, aufzuleſen, und ſie ſollen dort ſo dreiſt ſein, daß ſie dieſe Getraideart ſelbſt aus den in den Gaͤngen liegenden Saͤcken mit den Schnaͤbeln herausklauben. — Man ſollte uͤbrigens meinen, dieſe Voͤgel moͤchten oft Mangel an Lebensmitteln haben, was jedoch IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. 11 nicht der Fall ſein mag, indem nach Schinz's Verſicherung ſie immer wohlbeleibt oder Winter und Sommer gleich fett gefunden werden. Sonſt freſſen ſie auch die Samen von Wegwarten, Wegerich, Vogelknoͤterich, Hirſengras, Mohn, Lein, Ruͤbſen, Hanf u. a. m. An Gezaͤhmten hat man bemerkt, daß ſie Fichtenſamen und den Sa— men der Hanfneſſeln (Gslebpeb ) am liebſten freſſen. Mit Hanf- und Ruͤbſamen 8 dieſer Vogel leicht im Käfig zu erhalten. ae Nur in ſolchen hohen Regionen der Gebirge, wo der Holz— wuchs aufhört, in der Nähe des ewigen Schnees, niſten dieſe Voͤ—⸗ gel, in der Schweiz in allen oben genannten Gegenden. Das Neſt ſtehet auf Felſen, zwiſchen Steinen, oder in Felſenritzen und Loͤ— chern, auch wol in einer Mauerſpalte oder auf den Balken unter den Daͤchern der Hospitien, wie z. B. auf dem großen Bernhard und auf dem Simplon. . Erſt im Mai ſchicken ſie ſich zum Bau des Neſtes an, und machen daher wahrſcheinlich nur eine Brut im Jahr. Ihr Neſt iſt von trocknen Grashalmen und Moos gebauet, und inwendig mit Federn oder Haaren ausgelegt. Es enthaͤlt vier bis ſechs Eier, die andern Finkeneiern ſehr aͤhnlich ſehen und auf hellgruͤnlichem Grunde mit aſchgrauen und dunkelgruͤnen oder braunen, unregelmäßigen Fle⸗ cken und Punkten bezeichnet fein ſollen. — Ihre Jungen füttern ſie mit Inſekten auf, und fuͤhren ſie nachher Ri den Schnee, ſelbſt bis in die hoͤchſten Regionen. Feinde. Sie unterliegen zuweilen den Verfolgungen des Sperb ers, und ihre Brut wird auch von Wieſeln aufgeſucht; doch faͤllt beides ſelten vor. 2 ange d. Die Schweizer Jäger verſichern, daß er nicht ſcheu ni deshalb leicht zu ſchießen ſei, daß, wenn man unter eine Geſellſchaft ge— ſchoſſen habe, zwar alle nicht getroffene weit wegfloͤgen, daß aber mehrentheils bald wieder einige auf die erſte Stelle zuruͤckkaͤmen. Diejenigen, welche ſich in die hieſige Gegend verflogen hatten, wa— ren dagegen alle ſehr ſcheu. 12 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 151. Schnee⸗Fink. Eine Methode, ihn zu fangen moͤchte nicht ſchwer zu erfinden ſein, naͤmlich da, wo er oͤfters verweilt; allein er wird von Alpen— bewohnern und Jaͤgern wenig geachtet, und ſo iſt keine Fangart be— kannt. Daß er zufaͤllig auf die Heerde kommen kann, iſt oben ie worden. Nutz en. Man bemerkt blos, daß ſein wohlſchmeckendes Fleiſch ein gutes Gericht gaͤbe. — Sonſt belebt er auch durch ſeine Gegenwart die oͤden Berge, und iſt beſonders jenen frommen Geiſtlichen, welche die Menſchenliebe auf hohen Gebirgspaͤſſen vereinigte, ihr Leben der Huͤlfe und Rettung einzelner verirrter und verungluͤckter Reiſenden zu widmen, ein lieblicher Geſellſchafter, weil er jene Hoͤhen auch in den grauenvollen Tagen des dortigen rauhen Winters nicht verlaͤßt, und dann durch ſein munteres Weſen und ſeine Zutraulichkeit die trau⸗ rige Einſamkeit einigermaßen belebt. S ch a d e n. Es iſt nicht bekannt, daß ſie auf irgend eine Weiſe merklich ſchaͤdlich wuͤrden. Anmerkung. Noch iſt dieſer intereſſante Vogel lange nicht genuͤgend beob⸗ achtet, und es bleibt den Naturforſchern der Schweiz aufgehoben, die großen Luͤ⸗ cken in ſeiner Naturgeſchichte auszufuͤllen. Ich habe zuſammengetragen, was ich an glaubwuͤrdigen Nachrichten vorfand, wozu ich die im Manuſcript erhaltenen des Herrn Dr. H. R. Schinz aus Zuͤrich hiermit dankend erwaͤhnen und obenanſtellen muß, und habe auch das hinzugefuͤgt, was mich eigene Beobachtungen lehrten; freilich nur ein geringes Scherflein. Doch ſcheint mir daraus hervorzugehen, daß H. Koch (a. a. O.) gewiß Unrecht hatte, zwei verſchiedene Arten von Schneefinken anzuneh⸗ men, da ſich der Hauptunterſchied ſeiner Fringilla saxatilis von feiner Fringilla nivalis auf unweſentliche, bei aͤhnlichen Voͤgeln eben ſo veraͤnderliche Dinge begruͤn⸗ den ſoll, naͤmlich auf die verſchiedene Farbe des Schnabels und der Kehle, was ja Folge des Alters, wie der Jahreszeiten ſein kann und auch wirklich iſt. Der Schna⸗ bel des Schneefinken hat, wie der des Buch- und Berg finken, im Herbſt und Winter eine ganz andere Farbe, als in der Begattungszeit, wie oben ſchon bemerkt iſt; die ſchwarze Kehle haben alle alte Schneefinken, am auffallendſten die Maͤnnchen; aber ſie iſt im Herbſt bei dieſen zum Theil, bei den Weibchen und beſonders den jungen Voͤgeln ganz unter grauweißen Federkanten verſteckt, welche ſich im Laufe des Winters abſtoßen und erſt in der Begattungszeit den ſchwarzen Grund bei jenen rein, bei dieſen aber oft kaum in Flecken, zum Vorſchein kommen laſſen; ja es giebt In⸗ dividuen, an deren Winterkleide man gar nichts von einer ſchwarzen Kehle bemerkt, und ſelbſt bei aufgehobenem Gefieder kaum die Wurzeln der Federn ſchwaͤrzlich gefaͤrbt findet, ſo daß ſich dieſe Federn nie ſo weit abnutzen koͤnnen, daß der grauſchwarze Grund hervortreten Eönnte, und die 1 folglich auch im Sommer weißkehlig blei⸗ ben. 152. Der Bud: Fink Fringilla coelebs. Lim * Fig. 1. Männchen — 2. Weibchen Eigentlicher oder gemeiner Fink, Edelfink, — Gartenfink, Waldfink, Bogfink, Bootfink, Rottefink, Spreufink, Rothfink, Schild⸗ fink, vierfpiegelichter oder ſechsſpiegelichter Fink; Dorp- oder Doͤrp⸗ fink; Feink, Wintſche; hier zu Lande bald der — bald die Finke. Taf. 118. im Fruͤhling. Fringilla eoelebs. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 901. n. 3. == Lath. ind. I. p. 437. n. 12. — Retz. faun. suec. p. 243. n. 220. — Nilsson. Orn. suec. I. p. 138. n. 67. = Le Pinson. Buff. ois. IV. p. 109. t. 4. = Edit. d. Deuxp. VII. p. 121. t. 2. f. 1. = Id. Planch, enl. 54. n. 1. — Gerard. tab. elem. I. p. 179. = Gros - bee pinson. Temm. Man. nouv. Edit. I. p. 357,— Chaffinch. Lath. syn. III. p. 257. n. 10. —Ueberf. v. Bechſt. II. 1. S. 250. n. 10. = Bewick brit. Birds. I. p. 204. S Pennant arct. Zool. überf. v. Zimmermann. II. S. 355. F. = Fringillo commune. Stor. degg. Uce. III. 37. f. 1 er. Bee Vink. 5 Nederl. -Vog. t. p. 141 == Bed ftein, Naturg. Deutſchl. III. S. 75. = Deſſen Taſchenb. I. S. 13.— Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 6. M. ur und W. — Deren Taſchenbuch I. S. 150. Meyer, Vögel Liv⸗ und Eſthlands. S. 82. — Meisner und Schinz. V. d. Schweiz. S. 73. n. 74. = Koch, Baier. Zool. I. S. 215. n. 132. Friſch, Vögel, Taf. 1, obere Fig. M. und W. — Naumann s Voͤg. alte Ausg. I. S. 41. Taf. 2. Fig. 4. Maͤnnchen, 5. Weibchen. Kennzeichen der Art. ueber dem Fluͤgel eine weiße und eine gelbweiße Querbinde; der Buͤrzel gelbgruͤn. Beſchreibung. Dieſer angenehm geſtaltete und huͤbſch gezeichnete Vogel iſt im mittleren Europa fo allgemein gekannt, daß ihn in vielen Ge- genden Deutſchlands ſelbſt jedes Kind unter dem Namen: Der Fink oder die Finke kennt und von andern aͤhnlichen Voͤgeln zu unterſcheiden weiß, beſonders den männlichen Vogel. 8 Er iſt nicht ganz fo groß als der Haus ſperling, wenig⸗ [4 14 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. ſtens ſchlanker gebauet, mit laͤngerem Schwanz und Fluͤgeln. Laͤn⸗ ge: 64 bis 63 Zoll, ſelten etwas drüber, wovon 25 Zoll auf den am Ende etwas ausgeſchnittenen, etwas breitfederichten Schwanz abgehen; Breite: 104 bis 117 Zoll; Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze: 34 bis 335 Zoll, und die Fluͤgelſpitzen reichen in Ruhe liegend bis auf die Mitte des Schwanzes. Von den Schwingfe: _ dern iſt die erſte etwas kuͤrzer als die zweite, dieſe nebſt den beiden folgenden faſt gleich lang und die laͤngſten; ſie fallen an der End— haͤlfte ſchmaͤler und runden ſich ſchmal zu, die der zweiten Ordnung aber ſind breit, mit faſt geradem, wenig ausgeſchnittenen Ende. Der reichliche I Linien lange, an der Wurzel 37 Linien breite und eben ſo hohe Schnabel iſt geſtreckt kreiſelfoͤrmig, eine Form zwiſchen der des Kreiſels und des Kegels, gerade zugeſpitzt, nur die etwas verlängerte Spitze des Oberſchnabels faſt unmerklich ab- waͤrts geneigt, die Schneiden des Oberkiefers etwas eingezogen. Seine Farbe iſt verſchieden, im Herbſt und Winter roͤthlichweiß, im Fruͤhling ſchmutzig hellblau, bei alten oft recht dunkel blau, in= dem die ſtets ſchwaͤrzliche Farbe der Spitze ſich weiter herauf verbrei— tet; bei jüngern Voͤgeln und den Weibchen graulich fleiſchfarben, mit dunklerer Spitze, nur bei ſehr alten Weibchen im Fruͤhjahr hin— terwaͤrts weißblaulich; Rachen und Zunge fleifchfarbig, beim Maͤnn⸗ chen im Frühjahr vorn perlfarbig. — Das Naſenloch an der Schna— belwurzel iſt klein, rund, unter Borſtfederchen verdeckt; die Iris der nicht großen Augen ſehr dunkel nußbraun. ö Die Fuͤße ſind eher klein, als groß zu nennen, auch nicht ſtark, mit in Schildtafeln zerkerbten Laͤufen, geſchilderten Zehenruͤcken, und ſchwachen, ſchmalgedruͤckten, nicht ſtark gebogenen, unten zwei- ſchneidigen, ſpitzigen Naͤgeln. Ihre Farbe iſt im Grunde eine ſchmu— tzige Fleiſchfaͤrbe, die im Herbſt und Winter ſtark mit Braun uͤber⸗ laufen iſt, beſonders an den Zehen und Naͤgeln, welche oft ſchmu— tzig braun ausſehen; alles dieſes wird in der Gefangenſchaft aber roͤthlich weiß, je länger dieſe dauert, deſto bleicher. Die Fußwur⸗ zel iſt 8 bis 8 Linien hoch, die Mittelzeh, mit der faſt 3 Linien langen Kralle, 9 Linien und die Hinterzeh mit der etwas groͤßern Kralle 7 Linien lang. a Das alte Maͤnnchen hat im Fruͤhling einen blauen Schnabel mit ſchwarzer Spitze; die Stirn iſt tief ſchwarz, Schei⸗ tel, Genick und Nacken ſchoͤn ſchieferblau; der Oberruͤcken und die Schultern ſchoͤn roͤthlichbraun, an den letztern mit hervorſchimmern⸗ dem dunkeln Aſchblau; Unterruͤcken und Steiß gelbgruͤn (zeiſiggruͤn), IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 15 nur die laͤngſten Oberſchwanzdeckfedern in der Mitte grau, ſeitwaͤrts des Schwanzes ſchwaͤrzlich. Die Zuͤgel, Augenkreiſe, Wangen, Kehle und Gurgel bedeckt ein angenehmes lichtes Roſtbraun oder blaſſes Braunroth, das am Kropfe und an den Seiten der Bruſt ins Fleiſchroͤthlige übergeht und auf der Mitte der Bruſt ſich fanft in Weiß verliert, in den Weichen aber olivengrau uͤberflogen iſt; die Schenkel hinterwaͤrts grau, vorn, wie der Bauch und die Unterſchwanzdeckfedern, weiß. — Auf dem Fluͤgel ſtehet oben ein breites und in der Mitte ein ſchmales weißes Querband. Die kleinſten Deckfedern ſind dunkel ſchieferblau, die andern nebſt den mittleren rein weiß, jenes breite Querband bildend; die großen Deckfedern ſchwarz, mit breiten weißen Enden, deren Kaͤntchen, hellgelb ange— flogen, ſich an die rein weißen Wurzeln der Schwingen anſchließen und die zweite, ſchmaͤlere Querbinde bilden; nur die drei erſten der großen Schwingen haben keine weißen Wurzeln, ſonſt ſind alle Schwingen ſchwarz, die letzten mit braungelben Kanten, die folgen— den mit hellgelben Saͤumen, die aber dieſe Federn nur an der End— haͤlfte, zur Seite, einfaſſen und auf der Mitte ploͤtzlich aufhoͤren; die großen Schwingen wurzelwaͤrts mit feinen lichtgelben, nach dem Ende zu mit truͤbe weißen Saͤumchen; die Daumenfedern und die Deckfedern des Fittichs einfarbig ſchwarz. Die beiden Mittelfedern des Schwanzes ſind tief ſchiefergrau, mit gelbgraulichen Kaͤntchen; die uͤbrigen ſchwarz, die beiden aͤußerſten mit großem weißen Keilfleck von der Spitze herauf, auf der Innenfahne, welcher an der alleraͤu— ßerſten nach der Außenfahne ſchief heruͤber geht und dieſe an der Wurzelhaͤlfte ebenfalls einnimmt, und die zweite hat ein hellweißes Au— ßenſaͤumchen. Es giebt aber Voͤgel dieſer Art, welche auch an der Spitze der dritten Schwanzfeder einen weißen Keilfleck haben, welcher zuweilen ziemlich groß vorkoͤmmt, und ſolche Finken nennen dann die Vogelſteller Sechs maͤler, oder ſechsſpiegelichte, die gewoͤhnlichen Viermaͤler, oder vierſpiegelichte Finken; aber jene ſind ſelten und eine Spielart, die wahrſcheinlich weder das Alter hervorbringt, noch ſich auf die Nachkommenſchaft ſolcher Voͤgel fort— pflanzt. — Von unten geſehen iſt der Schwanz ſchoͤn ſchwarz und weiß; die Schwingen glaͤnzend grau, mit ſilberweißen Kanten der Innenfahnen; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, am Fluͤgelrande ſchwarz geſchuppt, unter der Achſel bleichgelb angeflogen. Bei juͤngern Maͤnnchen, in dieſer Jahreszeit, iſt das Blau des Schnabels und des Kopfes lichter, die Stirn nicht ſo breit ſchwarz, das Braun am Ruͤcken heller, mit gruͤnlicher Miſchung an + 16 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. den Federkanten, das Roth der untern Theile auch bleicher, fonft aber alles wie oben beſchrieben. Nach der Mauſer im friſchen Herbſtkleide ſehen die Maͤnn⸗ chen weniger ſchoͤn und heller gefaͤrbt, daher ganz anders aus, weil faſt alle Federn des kleinen Gefieders lichtere Raͤnder haben, wel— che jene ſchoͤnen Farben theilweis verdecken und allen Theilen ein trü= beres Anſehen geben. So haben die blauen Scheitelfedern, auch die ſchwarzen der Stirn, große lichtbraune Enden, ſo daß ihre Grundfarbe nur wenig hervorſchimmert; auf dem Hinterhalſe, zu— naͤchſt dem Rüden, find die Federkanten zeiſiggruͤn, auf dieſem gruͤn— lich hellbraun; die roſtbraunen Federn der Kehle, Wangen, Gur— gel u. ſ. w. haben breite toftgelbliche, weiter hinab weißlich roſtgelbe, und die weißen Federn des Bauchs u. ſ. w. gelbliche Enden, die Raͤn— der der weißen Fluͤgeldeckfedern ſind gelb angeflogen, die uͤbrigen Saͤume der groͤßern Fluͤgelfedern viel gelber, auf den Schwingen zweiter Ordnung gruͤngelb, und alle breiter. — Den Winter hindurch reiben und ſtoßen ſich nun jene anders gefaͤrbten Enden der Federn nach und nach ab, das Gewand erſcheint im Anfang des Fruͤhlings ſchon viel reiner, aber die letzten Reſte derſelben ver— ſchwinden erſt im Vorſommer, um Johannistag, wenn fie bald eine neue Mauſer beginnen wollen, ſo daß dann, im Juni erſt, dieſe Voͤgel im ſchoͤnſten Farbenſchmuck ſich befinden. Dann iſt das alte Buchfinkenmaͤnnchen ein ſtattlich geſchmuͤckter Vogel. Die jungen Maͤnnchen in ihrem erſten Herbſtkleide unterſcheiden ſich von den alten ziemlich leicht durch geringere Schoͤn— heit der Farben, beſonders iſt am Kopfe und Nacken die Grundfarbe faſt ganz von den mißfarbigen Federenden verdeckt, und dieſe Theile haben überhaupt einen ſtarken Anſtrich von Olivenbraun; die Wan- gen, Kehle, Gurgel u. ſ. w., haben eine bleichere Grundfarbe, die ebenfalls mehr als dort von d gefaͤrbten Federſpitzen verdeckt wird; auch der Rüden iſt lichter braun und fallt mehr ins Grünli- che; doch find fie immer noch ſehr auffallend von den Weibchen ver: ſchieden und ſchon von weitem zu erkennen. Die Farben am Gefieder des weiblichen Vogels weichen genug von denen des männlichen ab, um jenen ſchon in ziemlicher Entfer⸗ nung von dieſem unterſcheiden zu koͤnnen; auch ſind die Weibchen ſtets etwas kleiner. — Das alte Weibchen, in ſeinem Fruͤh⸗ lingskleide, hat folgende Zeichnungen und Farben: Der Ober⸗ kopf und ganze Hinterhals ſind braungrau, am Nacken ſchimmert jedoch etwas lichtes Aſchgrau hervor; die Wangen ſind olivenbraͤunlich; IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 17 Zuͤgel, Augenkreiſe oder ein undeutlicher Streif uͤber dem Auge, Kinn und Kehle weißbraͤunlich; Gurgel und Oberbruſt eben ſo, aber noch mit ſchwachem Rothbraun uͤberlaufen; die Weichen gelb⸗ lichgrau; ſonſt alles Uebrige des Unterkoͤrpers truͤbe weiß; Ober— ruͤcken und Schultern graubraun, erſterer olivengruͤn uͤberflogen; der Buͤrzel zeiſiggruͤn, die obern Schwanzdeckfedern grau; Fluͤ⸗ gel und Schwanz wie am Männchen, nur bleicher und weniger ſchoͤn, letzterer auch mit wenigerm Weiß an ſeinen aͤußerſten Federn. — Je aͤlter das Buchfinkenweibchen wird, deſto mehr Roͤthliches zeigt ſich an der Bruſt, das aber durchaus nie ſo ſtark als beim Maͤnnchen wird; dagegen fehlt dieſer Anflug den jungen Weib— chen, welche ſich erſt ein Mal gemauſert haben, noch ganz; die Bruſt iſt hier gelbbraͤunlich, auch der Kopf braͤunlicher, als bei ie: nen. Im Herbſt ſehen die Weibchen braͤunlicher aus, Kopf und Nacken ſind olivenbraungrau, weil die Federſpitzen etwas ins Gruͤnliche fallen „und neben dem Nacken zeigt ſich jederſeits ein et⸗ was dunklerer, ſchattenaͤhnlicher Streif, doch nicht bei allen, der Ruͤcken iſt gruͤner, und die Fluͤgelfedern haben breitere Saͤumchen, die mehr ins Gelbe fallen. Die jungen, unvermauſerten Voͤgel ſehen den letz⸗ tern uͤberaus aͤhnlich und beide Geſchlechter ſich gleich, ſo daß nur bei ſehr aufmerkſamem Betrachten und Vergleichen ſich ein geringer Unterſchied in der Faͤrbung des Oberflügels findet, der beim Maͤnn⸗ chen ein tieferes Schwarz und mehr Weiß hat. — Hier die Be— ſchreibung eines jungen maͤnnlichen Vogels: Der Schnabel iſt roͤthlichgrau, an der Spitze ſchwaͤrzlich; die Füße roͤthlichgrau, mit gelbbraͤunlichen Sohlen und ſchwaͤrzlichen Naͤgeln; die Iris matt nußbraun; Oberkopf und Genick olivengrauz Nacken und Halsſeiten hellgrau, mit olivenfarbigen Federſpitzen; vom Genick herab bilden ſich oberhalb des Nackens zwei obſolete dunkle Strei— fen; — der Oberruͤcken matt olivenbraun, zeiſiggruͤn uͤberlaufen, was nach dem Unterruͤcken zu ſtaͤrker wird und in das reine Zeiſig⸗ gruͤn des Buͤrzels nach und nach uͤbergeht. Ueber dem Auge be— findet ſich ein etwas lichterer, doch undeutlicher, von den licht gelb braͤunlichen Augenkreiſen wenig abſtechender Streif; die Wangen ſind gelbgrau; die Kehle braͤunlichweiß; Gurgel, Kropf und Sei— ten der Oberbruſt hell gelbbraun; das Uebrige der untern Theile gelblichweiß; Fluͤgel und Schwanz wie an den Alten, nur bleicher. Außer dieſen finden ſich auch noch mancherlei Kucertingen zus 2 18 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. fällig oder ſogenannte Spielarten, als: Der weiße Buchfink (Fringilla coelebs candida), welcher bald reinweiß, bald gelblich weiß erſcheint, und in erſterm Falle, als aͤchter Kaker⸗ lak, meiſtens auch weißlich am Schnabel und den Fuͤßen iſt, und rothe Augen hat; — der weiß bunte (Fring. coelebs varia) bei gewoͤhnlich gefaͤrbtem Gefieder durch mehrere oder wenigere weiße Fe— derpartien bunt und weiß gefleckt, auch zuweilen bloß mit weis ßem Scheitel und Halsring (Fring. coel. torquata); — dann, der blaſſe Buchfink (Fring. coel. pallida), bei welchem alle Farben wie durch einen weißen Flor geſehen erſcheinen. Ein ſehr ſchoͤnes Männchen dieſer Abart, im vorigen Jahr hier geſchoſ— ſen, war am Schnabel und an den Fuͤßen roͤthlichweiß, und hatte einen hellbraunen Augenſtern; die Stirn iſt ſchwarzgrau; Kopf und Nacken blaͤulich weißgrau; der Ruͤcken lebhaft olivengelb, weißlich gewoͤlkt; der Buͤrzel ſchwefelgelb; die Wangen, Kehle und ganze untere Seite, der reinweiße After und die untern Schwanz⸗ deckfedern ausgenommen, blaß fleiſchroͤthlich; das Schwarze der Fluͤgeldeckfedern nur dunkelgrau, die Schwingen aber weiß, alle weiße und gelbliche Kanten und Zeichnungen wie gewoͤhnlich; im Schwanze das Schwarze lichtgrau, ſonſt alles weiß. Ein herrli⸗ ches Geſchoͤpf, das in der Ferne ganz weiß, wie viele Canarien⸗ voͤgel, zu ſeyn ſchien. — Eines aͤhnlichen Vogels erwaͤhnt Latham, a. a. O., aber auch noch eines andern, an welchem alle vordern Theile weiß, die hintern roſtigroth waren. Von jung aufgezogenen Buchfinken erzaͤhlt man, daß man ſie nachher mit Canarienvoͤgeln, mit Gruͤnhaͤnflingen, ſo— gar mit Goldammern zuſammen gepaart haͤtte, und daß ſo verſchieden geſtaltete Baſtarde entſtanden waͤren; ich habe einen ſolchen aber nicht geſehen. a Gegen Ende des Juli oder auch erſt im Auguſt beginnt die Mauſer der Alten; die Jungen mauſern aber etwa zwei Wochen nach dem Ausfliegen, ſo daß die vom erſten Gehecke oͤfters bereits im Juni die Federn wechſeln. Ich habe ſelbſt am öten Juni ſchon junge Buchfinken erhalten, bei denen die Mauſer bereits ihren An⸗ fang genommen hatte. Au fen t ha lt. Dieſer bekannte Vogel bewohnt ganz Europa, im Norden jedoch nur bis unter den 65ſten Breitegrad. Hoͤher hirauf verliert er ſich und wird dort fo felten, wie der Berg fink haufig; als ſehr gro: IV. Ordn, XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 19 ße Seltenheit iſt er hoͤchſt einzeln zwar noch höher, ſelbſt bis zum 68ſten Grad hinauf, bemerkt worden, doch ſcheint dies nur unter die Aus⸗ nahmen zu gehoͤren. Er koͤmmt auch in Sibirien vor, und vom waͤrmern Europa verbreitet er ſich uͤber viele Theile von Afrika. In allen Theilen unſeres Europa, von jener Breite an bis an die ſuͤdlichſten und weſtlichſten Grenzen, iſt er allenthalben zu finden, und viele Gegenden haben ihn, in mancher Jahreszeit wenigſtens, in außerordentlicher Menge. Deutſchland wird uͤberall von ihm bewohnt, und er gehoͤrt bei uns unter die gemeinſten und bekannte— ſten Voͤgel; denn dieſe Finkenart iſt uͤbrigens auch ſehr zahlreich an Individuen. Er gehört unter die Zug voͤgel. Obgleich hie und da eins zelne Voͤgel und kleine Geſellſchaften derſelben in Deutſchland uͤber— wintern, ſo iſt dies doch eine viel zu geringe Zahl, gegen die, welche das Land verlaſſen und zu vielen Tauſenden wegziehen. Im An—⸗ fange Septembers ſammeln ſich die bei uns wohnenden und ausge— bruͤteten in Geſellſchaften, ſchweifen in ſolchen in ihrer Geburtsge— gend herum, bis ſie nach der Mitte dieſes Monats ſich auf die Reiſe begeben, und den aus Norden kommenden Platz machen, deren eigentlicher Zug mit Ende Septembers beginnt und bis zu Anfang Novembers dauert. Es ziehen zwar kleine Geſellſchaften wol bis nach der Mitte dieſes Monats noch, doch paſſirt das Haupt⸗ heer allezeit im Oktober durch, und jene gehören zu den Nachzuͤglern; es find Zauderer und Nachlaͤſſige, die es drauf ankommen und ſich von uͤbler Witterung uͤberraſchen laſſen, indem fie an guten Fut—⸗ terplaͤtzen verweilen, ſich da guͤtlich thun und ſo oft wochenlang ei— ne ſolche Gegend nicht verlaſſen. Hier, im mittlern oder noͤrdlichen Deutſchland, uͤberwintern uͤbrigens viel wenigere, als im ſuͤdli⸗ chen; aber es ſind nicht allemal Fremde, welche es ſich den Winter uͤber bei uns gefallen laſſen, ſondern oft heimiſche Familien, die man dann wol Standvoͤgel nennen kann. ) — In der rechten Zugzeit ſieht man oft Heerden aus Tauſenden beſtehend; ſonſt wandern ſie, wenigſtens durch hieſige Gegend, nicht in fo unmaͤ— ßig großen Schaaren als die Berg finken, die ſie übrigens ſehr haͤufig in ihren Geſellſchaften aufnehmen. Sie ſind jedoch eigent⸗ ) Sch habe ſeit Jahren beobachtet, daß das eine Maͤnnchen, von den beiden Paͤaͤrchen, welche alle Jahre in meinem Garten wohnen, nie wegzieht; ich ſehe es darin Jahr ein Jahr aus, und bei ſchlechtem Winterwetter kommt es auf meinen Hof, vor die Fenſter; es iſt dagegen aber auch im Frühjahr der erſte Fink in der Umgegend, welcher dieſe mit ſeinem frohen Geſang begruͤßt. 2 - 20 IV. Dion. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. lich nur in der Zugzeit ſo geſellig, zu andern Zeiten zeigen ſie ſo⸗ gar entgegengeſetzte Geſinnungen, und ſelbſt die einzeln bei uns uͤberwinternden Buchfinken halten keine recht innige Gemeinſchaft mit andern Wintervoͤgeln, ob ſie gleich der Mangel oft auf den Fut⸗ terplaͤtzen zuſammenbringt. — Die Ruͤckkehr im Fruͤhjahr halten die den Sommer bei uns bleiben wollenden, bei ſchoͤnem Wetter, meiſt ſaͤmmtlich noch im März; es kommen einzelne auch wol ſchon zu Ende Februars an, allein der Durchzug der nördlicher wandern— den dauert, in eben ſolchen Schaaren, wie im Herbſt, bis tief in den April hinein, zuweilen ſelbſt bis gegen das Ende deſſelben. Immer ziehen fie im Herbſt fruͤher, als die Bergfinken; aber im Fruͤhjahr kehren dieſe auch meiſtens etwas früher zuruͤck, wenn naͤm⸗ lich die Witterung der Jahreszeit in der Regel iſt; denn bei lange ausgebliebenem und nun ploͤtzlich eingetretenem Fruͤhlingswetter koͤmmt bekanntlich oft Alles, was nur Zugvogel heißt, im bunteſten Gewimmel, auf ein Mal geſtuͤrzt. Ihre Reiſen machen fie am Tage, beſonders vom Tages- anbruch an bis gegen 10 Uhr Mittags, hoch durch die Luͤfte, nicht gedraͤngt, doch auch nicht zerſtreut, fliegend. Um jene Stunde machen ſie gewoͤhnlich etwas Halt, ziehen aber nachher allmaͤhlich immer noch weiter, bis den Nachmittag, wo ſie ſtille liegen, ſich ausruhen und Nahrung zu ſich nehmen, worauf ſie, nur wenn ſie recht ſehr eilen, wol noch kurz vor Sonnenuntergang eine Strecke wegwandern, aber dann bald nachher ihre Schlafſtellen aufſuchen, und die Nacht ruhig hinbringen. Beiſtuͤrmiſcher Witterung und ihnen nachwehendem Winde liegen ſie ſtill, oder ſie veraͤndern die Rich— tung etwas, um wenigſtens Seitenwind zu bekommen. Weht er ihnen aber entgegen, ihnen ſonſt der liebſte, und iſt er dabei ſehr ſtark: ſo fliegen ſie oft niedrig und ſuchen Schutz hinter Gebuͤſche entlang, welchem ſie uͤberhaupt gern folgen, ſelbſt wenn es von der eigent⸗ lichen Richtung etwas abweicht, und wenn es auch nur eine einzelne Reihe Weiden oder einzelne Feldbaͤume waͤren; denn ob ſie gleich fluͤchtig genug und gezwungen ſind, oft große Strecken uͤber das Freie zu machen, ſo raͤth ihnen doch die Vorſicht, wegen Raubvoͤgel, ihre Reiſen immer dem Gebuͤſche entlang zu machen, und manche Gegenden haben ſo ihre gewiſſen Heerſtraßen, worauf beſonders bei Anlegung eines Vogelheerdes ſehr zu achten iſt. Ihr Zug geht naͤmlich (in hieſiger Gegend) im Herbſt gerade von Oſten nach We— ſten, im Fruͤhjahr umgekehrt eben ſo wieder zuruͤck. Hat nun eine Gegend Waldungen, zwiſchen welchen eine große Strecke freies IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 15%: Buch⸗Fink. 21 Feld liegt, ſo ſind ſolche Baumreihen und Feldhoͤlzer, welche ſich über. dieſe Flaͤchen, von Oſten nach Weſten, wenn auch mit kurzen Unterbrechungen, hinziehen, zumal wenn mit Baͤumen beſetzte Baͤche und Waſſergraͤben ſich in dieſer Richtung hinſchlaͤngeln, die frequenteſten Straßen. Bildet nun das Ende eines Waldes gar eine gedehnte, gegen Weſten gerichtete Spitze, welche mehr oder weniger mit einer ſolchen Baumreihe zuſammenhaͤngt, ſo iſt dieſe Spitze ein wahrer Sammelplatz der Finken und vielerlei anderer Zugvoͤgel, und hier die befte Stelle zur Anlegung eines Vogelheer— des fuͤr allerlei Waldvoͤgel. Hier ſtutzen ſie, die freie Flaͤche vor ſich und die ihnen drohenden nicht unwahrſcheinlichen Gefahren im Auge, hier ſammeln ſie ſich, um Muth und Kraͤfte zur anſtrengen⸗ den Reiſe zu ſchoͤpfen, und zaudern ſo oft Stunden lang, fuͤr den Vogelſteller die erwuͤnſchteſte Gelegenheit. — Uebrigens ſcheuen aber die Finken das Freie weit weniger, als Droſſeln und andere Waldbewohner. Auf der Reiſe lagern ſich die Geſellſchaften, um ſich Nahrung zu ſuchen, oft weit vom Gebuͤſch auf die Aecker, fluͤchten aber bei jeder drohenden Gefahr dennoch immer in die naͤchſten Baͤume, wohin ſie ihr raſcher Flug bald verſetzt. Diäer Zug der Buchfinken bietet übrigens noch etwas recht Merkwuͤrdiges dar, was wir nur bei wenigen andern Voͤgeln und kaum in dem Maaße, wie hier, antreffen. Beide Geſchlechter zie— hen nämlich ziemlich abgeſondert von einander, dies im Herbſt jedoch weniger, als im Fruͤhjahr; doch iſt es auch hier oft auffallend genug, und ſo ebenfalls Erfahrungsſache, daß die allermeiſten der ein⸗ zeln bei uns uͤberwinternden Buchfinken maͤnnlichen Geſchlechts ſind. Daß aber niemals Weibchen bei uns bleiben ſollten, iſt ungegruͤn⸗ det. Im Fruͤhjahr iſt dieſe Abſonderung beſonders merklich, in⸗ dem faſt alle fruͤher und zuerſt ankommende Buchfinken, ſelbſt Heerden aus Hunderten beſtehend, lauter Maͤnnchen ſind, ſo daß man hoͤchſt ſelten einmal unter ſolchen ein Weibchen antrifft, wogegen dieſe wieder in eigenen großen Geſellſchaften zwei Wochen ſpaͤter an⸗ kommen. Die Vogelſteller wiſſen und benutzen dies recht gut; und es behaupten ſogar die erfahrenſten Liebhaber, daß die einzelnen Weibchen, welche in Geſellſchaft der Maͤnnchen reiſeten, auch einen mehr maͤnnlichen Character zeigten, waͤhrend im Gegentheil die Maͤnnchen, die man unter den wandernden Heerden der Weibchen antraͤfe, auch weibiſch geſinnt waͤren. Ganz Unrecht mögen, ſie nun wol nicht haben, denn dieſes ſind „nach meinen Erfahrungen, großentheils junge Maͤnnchen, noch. muthlos und unerfahren, viel⸗ 22 IV, Or d. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. leicht aus fpaten Gehecken, jene ſehr alte Weibchen, muͤrriſch, zaͤn⸗ kiſch, herrſchſuͤchtig, — wie ſich zeigt, wenn ſie in Gefangen⸗ ſchaft gerathen und hier wee werden. 8 Dieſer Buchfink iſt ein aͤchter Waldvogel, ob er gleich auf ſeinen periodiſchen Wandrungen, auch wol ſeiner Erhaltung wegen, oft gezwungen wird, auch freies Feld zu beſuchen und große wald⸗ leere Strecken zu durchfliegen. Jeder Wald, alter Hochwald, oder gemiſchter, der finſterſte, wie der lichteſte, von Nadel- oder von Laubholz, auf Bergen, in Thaͤlern, Ebenen und in feuchten Gegen⸗ den, wird faſt ohne Unterſchied nicht allein haufig von dieſen Voͤ⸗ geln bewohnt, ſondern auch alle weniger bedeutende Feldhoͤlzer, die Baumgaͤrten und Baumpflanzungen bei und in Doͤrfern und Städten, auch ſelbſt kleinere Baumgruppen, die Baumreihen an „Wegen und die mitten durch freies Feld fuͤhrenden Baumalleen. Ueberall, wo Baͤume wachſen, wohnen vom April bis zum Oktober wenigſtens einzelne Paͤaͤrchen, und es muͤßte ein ſehr kahles Dorf ſeyn, wobei man kein ſolches antraͤfe. So iſt es in ganz Deutſch⸗ land. Sie bewohnen ſehr gern große Waldungen von ernſtem Character, wie die von Rothbuchen, auch eben fo die von Hain- oder Weißbuchen; es berechtigt dies jedoch keineswegs zu der bekannten Be⸗ nennung; denn man findet fie eben fo haufig im alten Kiefernhoch⸗ walde und, wie geſagt, in jeder Art von Wald, im freundlichen Birkenhain, wie auf ehrwuͤrdigen alten Eichen, auf nuͤtzlichen Obſtbaͤumen, wie in Pflanzungen von kruͤppelhaften Kopfweiden, kurz, überall, wo es Baͤume giebt, auch nicht immer nahe beim Waſ⸗ ſer, an manchen Orten ſelbſt in ſolcher Entfernung davon, daß ſie, wenn ſie nicht vom Thaue trinken, um ihren Durſt zu ſtillen, oder ſich zu baden, Viertelſtunden weit nach Waſſer fliegen müffen. Zur Nachtruhe begeben ſich dieſe Finken am Abend ziemlich bald in dichtbelaubte Baumzweige, im Winter in dichte Hecken und Zaͤune oder in die Nadelbaͤume. Im Herbſt, in der Zugzeit, uͤber⸗ nachten ſie geſellig, auch mit mancherlei andern kleinen Voͤgeln, z. B. zwiſchen Heerden von Sperlingen, Haͤnflingen, Zeiſigen u. a., in dichtbelaubten Baumpartieen, ſehr haͤufig beiſammen, und begeben ſich von hier nicht vor anbrechender Morgendaͤmmerung auf ihre Reiſen. Auch im Sommer laſſen ſie ſich nicht eher hoͤren, als bis der junge Tag bereits im lichten Grau am oͤſtlichen Horizont erſchienen iſt, und es wirklich zu tagen anfaͤngt. v. Orb. XXVII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 23 Eigen ſchaften. Dieſer Fink hat eine angenehme Geſtalt und trägt ſich auch meiſtens ſo, daß er immer ſchlank und glatt ausſieht. Zuweilen richtet er die Scheitelfedern ſo in die Hoͤhe, daß er eine ſpitze Holle zu haben ſcheint; und dann macht er, meiſt wenn er ganz ruhig iſt, auch oft jene unterwaͤrts zuckende Bewegung mit dem Schwan: ze, wie man fie bei Laub voͤgeln, oder auch bei zahmen Tau⸗ ben, oft ſieht. — Er iſt ein munterer, lebhafter Vogel, geſchickt und gewandt in allen ſeinen Bewegungen; am Sommeraufent— haltsorte ſehr zutraulich und gar nicht ſcheu, ſonſt in Geſellſchaft vorſichtiger. Er zeigt ſich uͤberhaupt bei vielen Gelegenheiten als ein mißtrauiſcher Vogel. Auf Aeſten ſitzend, traͤgt er den ſchlanken Koͤrper ziemlich aufgerichtet, auf der Erde wagerecht. Hier hat er einen ganz eigenen Gang, halb laufend, halb huͤpfend, indem zwiſchen den kleinen Schrittchen immer auch einzelne kurze Spruͤnge erfolgen; und dieſer Gang zeigt ſich ſelbſt wenn er auf den Zweigen der Baͤume herumſteigt, auf den Aeſten einhergeht, und beſonders wenn er an einer ſenkrechten Ruthe in die Hoͤhe oder herabſteigt; Eigenheiten, die ihn ſehr kenntlich machen, ſich aber, ohne Weit: laͤufigkeit, nicht deutlich beſchreiben laſſen. — So geſellig er in der Zugzeit zu ſein ſcheint, ſo mag dieſer Hang ſich doch vielleicht nur auf eigene Sicherheit gründen und keine wahre Zuneigung gegen andere ſeines Gleichen ſein; denn von Vielen wird eine drohende Gefahr immer leichter entdeckt, als von einem Einzelnen, einer warnt den Andern u. ſ. w. Daß die Voͤgel ſich hauptſaͤchlich des⸗ halbi in Heerden zuſammen halten, ſieht man deutlich; hier iſt es gewiß ſo; man goͤnnen ihnen nur ein wenig Ruhe, und das Necken und haͤmi⸗ ſche Beißen zeigt ſich auch ſchon, zumal auf den Futterplaͤtzen. Man wird daher auf dem Vogelheerde nie alle Glieder einer Geſellſchaft fan⸗ gen koͤnnen, weil das Beißen unter ihnen kein Ende nimmt und darum faſt nie alle zugleich ſich auf den Heerd niederlaſſen. Ihr haͤmi⸗ ſcher Sinn zeigt ſich außer der Zugzeit noch mehr, am meiſten je— doch in der Fortpflanzungszeit, wo jedes Paͤaͤrchen ſein kleines Re⸗ vier behauptet und andere, welche es beruͤhren, daraus verjagt, wo ſich die Maͤnnchen oft ſo grimmig anfallen, daß ſie ſich verbeißen, zur Erde herabſtuͤrzen, in der Wuth nicht ſehen und hoͤren, und hier oft von Raubthieren, ſelbſt von Menſchen, gegriffen werden. Doch giebt es auch Perioden, wo viele, ſelbſt von einerlei Geſchlecht, auch in der Begattungszeit, ruhig neben einander Tafel halten. — In der Gefangenſchaft zeigt ſich dieſer boßhafte Charakter ebenfalls, 24 IV. Orb. KRVIN. Gatt 152 Buch⸗Fink. ſelbſt gegen andere Vögel. Sie kneipen empfindlich, beißen fuͤr eine zarte Haut ſelbſt ſcharf, haben jedoch nicht fo viel Gewalt i im Schnabel, als die Bergfinken. Dier Flug aͤhnelt zwar dem anderer Arten dieſer Gattung „be⸗ ſonders dem der letzterwaͤhnten, hat aber doch ſubtile Eigenthuͤm⸗ lichkeiten, die ihn kenntlich machen. Er iſt zierlich und geht ſehr ſchnell von Statten, durch das ſchnelle Schließen und Oeffnen der Flügel entſteht ein Steigen und Sinken, und fo eine große Wogen— linie, welche groͤßere oder laͤngere Bogen beſchreibt, als dies bei den meiſten andern einheimiſchen Arten der Fall iſt. Das Nieder— ſetzen geſchieht auf eine Art, daß man es ein ſanftes Niederwerfen nennen moͤchte. In der Begattü den modulirt das Maͤnnchen ſeinen Flug, wie viele andere Voͤgel auch noch auf mancherlei Wei— ſe; er wird bald ſchwebend, zitternd, taumelnd, bald zeigt er ſich kraftvoll, aͤußerſt gewandt im Schwenken beim Verfolgen eines an— dern, und es macht, beſonders wenn es ſein Weibchen betreten will, | oft die wunderlichſten Pofituren, im Fluge, wie im hen und Fort⸗ huͤpfen. Die gewoͤhnlichſte Stimme dieſes Finken iſt ein kurzes ge= daͤmpftes Juͤpp, — juͤpp, das meiſtens fliegend und, wie es ſcheint, oft ohne Veranlaſſung ausgeſtoßen wird, und das man beſonders den Herbſt und Winter hindurch immer hoͤrt, wo ein ſolcher Vogel uͤberweg fliegt oder etwas verweilt. Der helle Laut: Fink oder pink, eigentlich Hauptlockton, iſt durch die Art und Weiſe, wie er ausgerufen wird, auszeichnend; denn haſtig und oft nacheinander ausgeſtoßen iſt er Angſtgeſchrei und ſehr kenntlich, einzeln und im gemaͤßigten Ton ſcheint er zuweilen gar nichts zu bedeuten, wenn er ein andermal ebenſo der Einladungsruf zu einer wohlbeſetzten Tafel iſt oder zur Abreiſe mahnt u. ſ. w. Der War: nungsruf vor Gefahren, wenn z. B. ein Raubvogel ſich blicken laͤßt, iſt ein ziſchendes Sih, auch andern Voͤgelarten verſtaͤndlich. Ein beſonderes Zirpen iſt beiden Gatten nur in der Begattungs— zeit eigen. Dann hoͤrt man auch in der Fortpflanzungszeit oder beim Neſte, meiſt nur vom Maͤnnchen, einen ganz eigenen Ruf, hell und ſchnarrend wie die Sylbe ruͤip klingend, dem das gewoͤhnliche Fink oft angehängt wird, wo dann das Ruͤip pink pink im⸗ mer andeutet, daß eine nahe Gefahr dem Neſte u. ſ. w. drohet. Dieſer Ton hat fuͤr das auf ſolche Dinge genau achtende Ohr, bei aller Aehnlichkeit, noch Unterſchiede genug, um ihn von dem me— lancholiſchen Trihf zu unterſcheiden, was das Maͤnnchen in jener IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 25 Zeit, bei bevorſtehendem Regenwetter oder truͤber feuchter Luft, in ſeinem Niſtbezirk vielfaͤltig hoͤren laͤßt. — Die jungen Buchfinken haben, wenn ſie ausgeflogen und bis ſie ſelbſtſtaͤndig ſind, ein eige— nes ſperlingsartiges Geſchrei, Schirb, womit ſie den Aeltern Futter abfordern. Daß unſer maͤnnliche Buchfink einer der beliebteſten Singvögel iſt, weiß jedermann, und fein Geſang wird, weil er die verſchie— denen Sylben, woraus er zuſammengeſetzt iſt, ſo hart von ein— ander abſondert und gleichſam ausſpricht, ein Schlag oder Schla— gen genannt. Es ſcheint, daß jedes Maͤnnchen dieſen Geſang oder Schlag alle Jahre von neuem zwar nicht eigentlich lernen, doch ein— ſtudiren oder die Kehle zum Hervorbringen dieſer lauten, ſcharfen Toͤne nach und nach gewoͤhnen muͤſſe, denn ehe er laut wird, zirpt der Vogel leiſe auf eine ganz eigene Weiſe, knarrt dazwiſchen oftmals ein gedaͤmpftes Arrrr, und dieſes Zirpen (Dichten, wie es die Liebhaber nennen) hat gar keine Aehnlichkeit mit dem nach— herigen Schlage. Im Freien dauert es wol Tage, bei eingeſperr— ten Finken ſelbſt Wochen, oft gar bis zwei Monate, ehe der wirk— liche laute Geſang ertoͤnt, und dieſes Zirpen aufhoͤrt. Es waͤhrt lange, ehe einige laute Toͤne des Schlages darin vorkommen; nun tritt aber dieſer auch bald ganz hervor, und das Zirpen hat fuͤr daſ— ſelbe Jahr meiſt ein Ende. Gleich nach ihrer Ankunft im Maͤrz, wenn ſchoͤnes Wetter eintritt, laſſen dieſe angenehmen Saͤnger ſich laut hoͤren, das Dichten hat alſo ſchon auf der Reiſe begonnen, und bald erfüllt der fröhliche Finkenſchlag Waͤlder, Gärten und Baum— anlagen. Welche Anſtrengung er dem Vogel macht, ſieht man an den Bewegungen der aufgeblaſenen Kehle, des halbgeoͤffneten Schnabels und zum Theil auch des uͤbrigen Koͤrpers. Ob gleich das Maͤnnchen, ſingend, faſt immer auf einem Zweige mitten in einer Baumkrone oder auf den unterſten Aeſten, auch wol auf der Erde und anderwaͤrts zu ſitzen pflegt, ſo iſt es doch auch gar nichts Seltnes, es ſingend, in einem ſonderbaren Fluge ſich von einem Baum zum andern ſchwingen zu ſehen. Es ſingt auch, ehe es Nachkommenſchaft hat, faſt zu allen Stunden des Tages, vom grau- enden Morgen an bis nach Sonnenuntergang, auch in den heißen Mittagsſtunden, wo die meiſten Waldſaͤnger zu verſtummen pflegen, und nur hie und da ein Fitislaubvogel und ein Kirſchpi⸗ rol ihn accompagniren. Gegen Ende der Fortpflanzungszeit wird es nach und nach zwar traͤger, doch ſingt es immer noch fleißiger, als viele andere Voͤgel, bis es endlich mit Ende des Juni oder doch 26 IV. Ordn. XXVIII. Gatt, 152. Buch⸗Fink. noch vor der Mitte des Juli, d. h. mit Beginnen des Federwechſels, fuͤr dies Jahr verſtummt. — Der Geſang oder Schlag ſelbſt beſteht aus einer Reihe von kurzen Lauten mit einem regelmaͤßigen Schluß, alles Toͤne, welche ſich recht gut mit Buchſtaben verſinnlichen oder nachſprechen laſſen, und es iſt zu bemerken, daß jeder Vogel ſeine eigenthuͤmliche Melodie, aber deren meiſtens zwei hat, mit welchen er wechſelt, daß dieſe zwar immer denen anderer Finkenmaͤnnchen aͤhneln, deſſen ungeachtet aber oft fo verſchieden find, daß die Lieb- haber eine große Menge Benennungen dafuͤr haben. Es iſt auch erwieſen, daß jede Gegend ihre eigenthuͤmlichen Geſaͤnge hat, weil fie die Jungen von den Alten lernen, daß es Gegenden giebt, wel— che ſehr vorzuͤgliche Saͤnger bewohnen, und wieder andere, welche fo ſchlechte haben, daß man ihre Melodien kaum für Finkenſchlag hal⸗ ten möchte. Ich weiß nicht, ob die der hieſigen Anhaltiſchen Fin— ken zu den beſten gehoͤren, denn manche Liebhaber ziehen die vom Harz, andere die vom Thuͤringerwalde vor; zum ſchlechteſten ge⸗ hoͤren ſie gewiß nicht; die Liebhaberei iſt nur bei uns ſo groß nicht, wie dort, und dieſe beſtimmt allerdings den Werth. Die Benen— nung und Bezeichnung jeder Art des Geſangs wird von den Endſyl— ben deſſelben genommen, die am meiſten verſchieden ſind und ſich haͤufig auf bier endigen. Die Liebhaber haben hier ein großes und kleines Schitzkebier, Nutſchkebier, Deutſchebier, Reitzu, Reitherzu, u. a. m. Um einen guten natürlichen Schlag (denn man hat auch ſehr viel kuͤnſtlich gelehrte) hieſiger Gegend genauer zu bezeichnen, will ich den eines ſeit mehreren Jahren in meinem Garten wohnenden Finken herſetzen, welcher immer mit ſeinen zwei Melodieen abwechſelt, wovon die erſte ein viel ſchnelleres Tempo hat, als die andere, welche mehr gedehnt wird. Er ſingt naͤm⸗ lich zuerſt: Tititituͤtütut aſchitzkebier; und gleich darauf: Klingklingkling rrrrr a ſchitzkebier, bald jedes nur ein Mal und immer wechſelnd, bald das eine ſechs-acht- und mehrmals, und ebenſo dann wieder das andere. Dies Schitzkebier mit feinen. Abaͤnderungen ſcheint in den weniger waldigen Gegenden unſeres Lan⸗ des am ausgebreitetſten, dagegen hört man zwei Stunden von mei nem Wohnort in den groͤßern Kieferwaldungen wieder das Reitzzu eben ſo haͤufig; ja viele Finken ſchlagen das eine Mal Reitzu, das andere Mal Schitzkebier, und ſolche ſchaͤtzt der Liebhaber vorzuͤglich. Manche haͤngen auch an den gewoͤhnlichen Schluß noch ein kurzes Tuͤtt oder Pink (man nennt es das Amen), und dieſe werden ſehr geliebt; allein es giebt auch Schlaͤge, welche ſehr kurz, andere, welche IV. Ord n. XXIII. Gatt, 152. Buch⸗Fink. 27 wieder ſehr lang find. Die Benennungen find auch in den Ges genden verſchieden, wenn es auch die Schlaͤge nicht ſo ſehr ſind; man hört z. B. am Thuͤringerwald vom Hochzeitgebuͤhr, Ge— richtsgebuͤhr, Hochzeitbier, Wuͤrzgebier, Waitzen⸗ bier, Werr, Giekgaak, Davida, Qua kia und andere auf zia endigendez in andern Gegenden wieder von Groß- und Klein- rollenden, Reithherzu, Goldſchmidbus, Ritſcher, Wildſteuer, Sitzufthuͤl, Mitſoviel, Zitzigall, Spar— barazier, Musketierer, Malvaſier, Kuͤhdieb, u. a. m. Weil nun unſer Fink ein Vogel iſt, welcher ſich leicht an die Gefangenſchaft gewoͤhnt und auch leicht unterhalten laͤßt, dabei lange dauert und ſchoͤn ſingt, fo war er von jeher ein ſehr geſchaͤtz— ter Stubenvogel, und die Liebhaber ſeines friſchen Geſanges bemuͤhe— ten ſich, dieſen zu verſchoͤnern und durch allerlei Kunſtgriffe noch abwechſelnder zu machen, ſo, daß man jetzt Finkenſchlaͤge hat, die fuͤr das non plus ultra gelten, die aber gleichwol nirgends in der freien Natur exiſtiren oder im Freien vorkommen. Durch welche Kuͤnſteleien dieſe zum Theil ſonderbaren Geſaͤnge zu allererſt hervor— gebracht wurden, iſt nicht bekannt; jetzt werden ſie dadurch fort— gepflanzt, daß man junge Finken aus dem Neſte nimmt, und ſie neben ſo ſonderbar ſingenden aufzieht, von welchen ſie dieſe mon— ſtroͤſe Melodieen erlernen, ſie auch wol noch durch eigene Zuſaͤtze ver— laͤngern, und bald verſchoͤnern, bald verſchlechtern. Dieſe Lieb— haberei findet man beſonders in den Fabrikdoͤrfern des Thüringer: waldes ſehr ausgebreitet, und es wird dort eine Art Luxus damit ge— trieben, indem ſelbſt arme Handwerker weite Reiſen nach einem gu— ten Finken machen, und einen oder noch mehr Laubthaler fuͤr einen guten Schlaͤger bezahlen; ja man erzaͤhlt, daß einſt ein armer Meſ— ſerſchmidt in der Ruhl fuͤr einen Finken ſogar eine Kuh gegeben habe, was dort zum Sprichwort geworden ſei. Bechſtein hat in ſeinen Schriften viel uͤber dieſe kuͤnſtlichen Finkenſchaͤge, und ſie nach der Rangordnung aufgeſtellt, als: Den Braͤutig am, welcher ſo klingen ſoll: Fink, fink, fink, fink, hoͤrſt du, willſt du, mit dem Braͤutigam zieren; den Reitzu oder Reit- her zu; den Weingeſang, wovon es wieder einen guten, ſchlech— ten, Haͤrzer und einen ſcharfen giebt; — der Ruhler gute Weinges ſang ſoll wie Oboetoͤne klingen, der ſcharfe aber folgende Sylben haben: Fritz, Fritz, Fritz, willſt du mit zum Wein gehn; — dann das Gutjahr, wovon es ein tolles, ſchlechtes und gu— tes giebt, und wovon beſonders das Haͤrzer geſchaͤtzt wird; dann 28 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 132. Buch⸗Fink. das gute und ſchlechte Kienoͤhl; den Doppelſchlag, welcher wieder in den gemeinen, groben, klaren, langen, kurzen, linken und verkehrten eingetheilt wird, unter welchen der Haͤrzer als der laͤngſte aller Finkenſchlaͤge bemerkt wird, welcher in Heſtergie ah oder Weingeh endigen ſoll; dieſer und der Ruhler Weingeſang ſoll der Lieblingsſchlag der dortigen Vogelfreunde ſein, und aus folgenden Sylben beſtehen: Finkferlinkfinkfink zißſpeuzia, parverlalalala ziskutſchia! — Diefe Proben mögen genuͤ— gen, um zu ſehen, wie weit die Liebhaberei mit dieſen Voͤgeln geht; denn jene iſt nicht die einzige Gegend, wo man ſo leidenſchaftlich dafuͤr eingenommen iſt, und es ließ ſich darüber noch gar viel ſchrei— ben, wenn man alle hieher einſchlagenden Nachrichten ſammeln wollte, was aber eine nutzloſe Weitlaͤufigkeit herbeiführen würde. Man ſperrt die Finken gewoͤhnlich in kleine, duͤſtere, viereckige Bauer, worin ſie am beſten ſchlagen, thut aber wohl, ſie nach der Zeit in eine luftige Kammer fliegen oder wenigſtens doch im Freien ſich mauſern zu laſſen. Wenn fie in der Mauſerzeit gut in Acht ges nommen werden, dauern ſie viele Jahre; ja Bechſtein erwaͤhnt jung aufgezogner Finken, die vier und zwanzig Jahre alt geworden ſein ſollen. Die alt eingefangenen gewoͤhnen ſich bald; auch kann man ſie in der Stube mit beſchnittenen Fluͤgeln herumlaufen, oder auch herumfliegen laſſen, wo ſie recht artig ſind. Die Jungen ſind nicht ſchwer aufzufuͤttern und werden deshalb aus dem Neſte ge— nommen, wenn eben die Schwanzfedern aus ihren Scheiden hervor— brechen. Wollte man ſie, in einen Bauer geſperrt und dieſen ne— ben das Neſt gehaͤngt, von den Alten auffuͤttern laſſen, ſo wuͤrde man ſchlecht berathen ſeyn, indem dieſe Finken ihre Jungen dann beinahe immer verhungern laſſen. — Dieſe jung aufgezogenen Fin— ken lernen außer einem oder mehrern Finkenſchlaͤgen, neben welchen fie aufwuchſen, auch andere Töne, z. B. aus dem Schlage der Ca— narienvoͤgel, der Nachtigall, und aus andern Vogelgeſaͤn— gen, aber nichts Zuſammenhaͤngendes. Die Stubenfinken fangen meiſt ſchon im Januar an zu dichten, was aber oft uͤber einen Monat lang dauert, und ſchlagen nachher bis tief in den Sommer hinein, einzelne wol auch bis Michaelis. Daß man natuͤrliche gute Saͤnger, fuͤr den Vogelheerd beſtimmt, an einen finſtern Ort bringt (eindaͤmpft), damit ſie im Herbſt, ſtatt im Fruͤhjahr, ſingen muͤſſen, iſt bekannt; aber ſehr grauſamiſt es, ihnen darum die Augen auszuftes chen oder fie auf andere Art zu blenden. Da ich Zeuge ſolcher metho— diſchen Quaͤlerei war, mag hier noch einiges daruͤber ſeinen Platz 7 IV. Ordn. XXV III. Gatt. 15% Buch⸗Fink. 29 finden. Man hat naͤmlich bemerkt, daß die Voͤgel, welche man im Herbſt im Walde auf Heerden faͤngt, den Geſang ihrer Art in dieſer Jahreszeit ſo lieben, daß er ſie mehr anzieht, als alles Locken. Um nun Voͤgel zu haben, die dann ſingen, verfaͤhrt man auf folgende Weiſe: Man ſetzt entweder friſch gefangene oder vom Herbſt her aufbewahrte Finken und andere Singvoͤgel, welche man zu gebrau— chen gedenkt, in die fuͤr ſie beſtimmten Kaͤfige; dies muß jedoch, damit ſie ſich auch im Finſtern darin zurecht finden lernen, bald geſchehen, laͤßt ſie im Freien haͤngen, bis ſie ihren Geſang laut und ganz vollſtaͤndig hoͤren laſſen; dann werden ſie ſammt den Kaͤfigen in einen ganz finſtern Kaſten oder Schrank geſtellt, taͤglich gefuͤttert, aber nie an das Tageslicht gebracht. Hier glauben ſie nun in einer langen Nacht zu leben, und vergeſſen einſt— weilen ihren Geſang; doch giebt es einzelne, die noch im Kaſten einige Zeit fortſingen, aber endlich doch auch aufhören und ſich taͤu— ſchen laſſen. Zu Ausgang des Auguſts oder um Bartholomaͤi nimmt man ſie aus dem finſtern Gefaͤngniſſe heraus, und haͤngt ſie mit den Bauern an die Luft. Die ganz irre gemachten Geſchoͤpfe haben jetzt uͤber ein Vierteljahr im Finſtern gelebt, und das ihnen wieder- gegebene Tageslicht mit der freien Luft ruft nun wahrſcheinlich alte Zeiten ins Gedaͤchtniß zuruͤck, ſie glauben, es ſei noch Fruͤhling, und fangen an ſo ſchoͤn zu ſingen, als wenn ſie nur eine gewoͤhnliche Nacht geſchlafen haͤtten, ſingen bis gegen Martini fort, und nun erſt tritt bei ihnen die Mauſer ein. — Waren ſie heuer gut einge— ſchlagen, ſo geht es ihnen im kuͤnftigen Jahr nicht beſſer, und ſie leben ein ſolches Leben, voll erkuͤnſtelten Irrthumes, wol 8 und mehrere Jahre, ja ich weiß, daß ein jung aufgezogener und nach- her noch dazu geblendeter Fink 7 Jahr alt wurde, ob er gleich in den letztern Jahren gar nicht mehr ordentlich mauſerte und faſt nackt war. Die Vogelſteller rauben naͤmlich denjenigen Finken, welche am beſten ſingen, das Geſicht auf verſchiedene Weiſe, durch Bren- nen, Stechen, Schneiden, was ich nicht beſchreiben mag, bloß deshalb, weil ſolche arme Geblendete durch nichts im Singen ge— ſtoͤhrt werden, weil ſie die traurige Einſamkeit zum Singen mehr antreibt, als andere, und weil ſie auch mit einer durchdringendern Stimme fingen. Das Blenden geſchieht eben ehe fie in den finſtern Schrank kommen oder, nach der Vogelſtellerſprache, eingedaͤmpft werden; aber ſie muͤſſen dann, wegen des Heilens der zerſtoͤhrten Sehorgane, noch ein paar Tage in freier Luft bleiben. Ob nun gleich dieſe Ungluͤcklichen nicht ſehen koͤnnen, ſo fuͤhlen ſie doch den 30 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152, Buch⸗Fink. Wechſel der Jahreszeiten fo gut, wie andere, und fangen im Früh: jahr an zu ſingen, muͤſſen dann aber ebenfalls in die Daͤmpfe, um erſt im Herbſt als Sänger am Heerde zu dienen, koͤnnen auch erſt nach dieſer Zeit mauſern, und dies geht ſo fort bis ans Ende ihres Lebens. Wunderbar iſt hier wol die Wirkung des finſtern Kaſtens auf dieſe blinden Geſchoͤpfe. In dem Bauer, worin ſie noch mit vollem Geſicht kamen, muͤſſen ſie Zeitlebens bleiben, durch das all— jaͤhrliche Eindampfen u. ſ. w. werden fie verzaͤrtelt, fie bekommen im Federwechſel ihr volles Gefieder nicht wieder und werden zuletzt faſt ganz kahl, weshalb man den Kaͤfig mit Tuch umnaͤhet u. ſ. w. Solche geblendete und im Herbſt ſingende Finken waren ſonſt bei den Vogelſtellern hieſiger Gegend ſo im Werth, daß fuͤr einen recht guten, in ſchlechten Zeiten, wol ein Thaler bezahlt wurde. Nahrung. Dieſe beſteht im Sommer meiſtens in Inſekten und ſie fuͤttern damit auch ihre Jungen auf, in übrigen Zeiten des Jahres in Gä- mereien von ſehr vielartigen Pflanzen, Stauden und Baͤumen, mit- unter auch aus keimenden Samen und zartem Grün eben aufgegan⸗ gener Pflanzen. f Sie naͤhren ſich zwar von oͤhligen wie von mehlhaltenden Saͤ⸗ mereien, ziehen jedoch die erſteren dieſen weit vor. Naͤchſt dem Hanfſamen iſt der Same der Hanfneſſeln (Galeopsis, vorzüglich von G. tetrahit) ihre Lieblingsſpeiſe, welche ſie uͤberall in Gaͤrten, an Wald⸗ und Ackerraͤndern, und ſonſt an vielen Orten begierig auf⸗ ſuchen. Dann folgen die Samen der Kohlarten, naͤmlich aller Arten und Varietäten der Linnefchen Gattung Brassica, vom Som⸗ merruͤbſat und der weißen Ruͤbe bis zum Kraus- und Kopfkohl, der Same des Senfs, der Rettigarten, und einer Menge anderer Tetradynamiſten, endlich der Leindotter, den ſie aber eben nicht ſehr lieben. Deſto lieber iſt ihnen aber der Lein, der Mohn, auch Spinat⸗ und Salatſamen; fie fuchen auch Diſtel- und Klettenſa- men und den vieler anderer Syngeneſiſten; endlich auch allerlei mehlhaltende Saͤmereien, zumal von Hirſe und Hirſegras, Hei⸗ dekorn und Vogelknoͤterich, auch Hafer und Waitzen. Im Walde leſen fie Kiefern - Fichten und Tannenſamen, den von Erlen und Birken nebſt den Saͤmereien von allerlei Waldpflanzen auf, und lieben vor allen die Fruͤchte der Rothbuchen, die ſogenannten Bu⸗ cheln, Bucheckern oder Buchnuͤſſe. Im Nothfall ſuchen ſie auch die Ebereſchbeeren der Kerne wegen auf. b 5 IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 31 | Faſt drei Viertel des Jahres leben fie meiftens von jenen Ar- ten von Saͤmereien, ſo wie ſie ſich ihnen eben darbieten. Sie ſu⸗ chen aber faſt keine einzige, mit Ausnahme eines Theils der Ebereſch— beeren (dies nur im Winter), auf den Baͤumen und Stauden ſelbſt, ſondern leſen bloß die herabgefallenen am Boden auf. Oft muß ihnen hier Wind und Wetter, auch wol anderes Geflügel behuͤlflich ſeyn, wie man nicht ſelten auf den mit Samen tragenden Pflanzen beſetzten Gartenbeeten bemerken kann; oben auf den Stauden ſitzen und ſchmauſen Haͤnflinge oder Zeiſige, waͤhrend die Finken unter denſelben herumlaufen und aufleſen, was ihnen jene herabfallen laſ— ſen oder mit den Fuͤßen abtreten u. ſ. w. So gehen ſie nicht eher in den Lein, bis dieſer abgeerndtet iſt oder da liegt, faſt eben ſo iſt es beim Hanf und andern. Sie ſetzen ſich aber oft und gern auf die reifen Kohlſamenſtengel, um die Schoten ſo mit Gewalt durch das Aufſetzen abzubrechen, herabzuwerfen, und die Samen nun am Boden auf— leſen zu koͤnnen, wenn fie die Samenkapſeln auch erſt hier aufbei— ßen muͤßten. Im Herbſt finden ſie es uͤberall bequemer, weil da die meiſten Samen ausgefallen am Boden liegen, und wenn ſie ‚früher beſonders die Kohlgaͤrten, Gemuͤſebeete und überhaupt na— hegelegene, mit mehrerlei Pflanzenarten bebauete Aecker durchſuchen, um ihre Leckerbiſſen aufzufinden, wobei als Nebenſache noch immer Inſekten gefangen werden, ſo muͤſſen ſie ſpaͤter, wenn dieſe ſelten werden, ſich bloß an Saͤmereien halten, und dann, um ihren gu⸗ ten Appetit zu befriedigen, oft weit auf die Stoppelfelder und in die Kohlſtuͤcken fliegen. Erſt ſpaͤt im Herbſt ſuchen ſie die Fruͤchte der Rothbuchen, welche ſie nicht von den Zweigen herabholen, ſon— dern erſt dann genießen, wenn ſie ſelbige am Boden aufleſen koͤn— nen. Es iſt uͤberhaupt zu merken, daß die Zeit, in welcher dieſe Voͤgel in Geſellſchaften beiſammen ſind, auch die iſt, wo ſie faſt von nichts anderem als von Saͤmereien leben. Im Winter muͤſſen die hier zuruͤckgebliebenen ihr Futter oft kuͤmmerlich vor den Scheunen, in den Hoͤfen und auf den Straßen ſuchen, wo fie nicht ſelten die friſchen Thierercremente nach Koͤr— nern durchſtoͤren, aber doch lange nicht ſo vertrauensvoll, wie die Goldammern, und nur bei tiefliegendem Schnee, ſich den menſch— lichen Wohnungen einzeln naͤhern, waͤhrend viele dann lieber die noch hangen gebliebenen Ebreſchbeeren von den Baͤumen holen und draußen an Waldraͤndern, hinter Zaͤunen u. dergl., auf Stellen, welche die Sonne vom Schnee entbloͤßte, ſich Saͤme⸗ reien ſuchen. Im Fruͤhjahr ſind ſie beſonders emſig, die ausge⸗ 32 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. fäeten 2 auf Gartenbeeten und dem Walde nahen Aeckern aufzuleſen, ſelbſt aus der Erde zu picken, und nicht allein die keimenden, ſondern auch die Cotyledonen (Samenblaͤttchen) der ſchon aufgegangenen begierig zu verzehren; dann ſind die der Kohl— arten, Rettige, vom Salat, die gruͤnen Erbſenkeime und viele mancher wilden Pflanzen ihnen wahre Leckerbiſſen. Freilich fehlt ihnen in dieſer Zeit noch die Hauptſommernahrung, die Inſekten; denn ſo wie dieſe nach und nach haͤufiger werden, ſo gehen ſie zu dieſer Nahrung uͤber, welche dann beſonders durch die ganze Fort⸗ pflanzungszeit faſt ganz allein die taͤgliche bleibt. Sie leben dann nicht allein von vielerlei Inſektenlarven, die ſie meiſtens auf den Baͤumen, aus den Knospen und von den Blaͤt— tern ableſen, beſonders von vielartigen kleinen Raͤupchen, auch von Spinnen, kleinen Kaͤferchen, Motten und andern, ſondern ſie fangen auch ſehr viele fliegende Inſekten, kleine Nachtfalter und Schmetterlinge, Muͤcken, Fliegen, Bremen, Bremſen u. dergl., im Fluge, und verfolgen dieſe oft ganze Strecken, in der Luft nach ihnen ſchnappend und im gewandteſten Fluge jagend, wie die Flie— genfaͤnger, und ihre Geſchicklichkeit hierin iſt fuͤr den Beobachter nicht wenig ergoͤtzend. Man ſieht dieſe Inſektenjagden beſonders gegen Abend eines ſchwuͤlen Sommertages uͤber Teichen und andern Gewaͤſſern, auf freien Plaͤtzen u. ſ. w., wo fie mit Laubvoͤgeln, Roͤthlingen und andern fliegenden Inſektenjaͤgern, ſelbſt mit Flie⸗ genfaͤngern, wetteifern, einander zuvor zu kommen. Alle Saͤmereien huͤlſen dieſe Finken mit ihren Schnabelſchnei⸗ den, und genießen ſo nur den Kern der Samen, indem die Schalen, fo wie die harten Fluͤgeldecken einiger Inſekten, als unnuͤtz wegge⸗ worfen werden. Was Bechſtein anfuͤhrt, 5 ſie naͤmlich, ehe es Haferſtoppeln gäbe, auf die Brachaͤcker floͤgen, dort aus= gepfluͤgten wilden Knoblauch, angeblich Allium vineale und sphae- rocephalum, (die Zwiebeln oder den Samen?) aufſuchten, und davon in dieſer Zeit einen piquanten Geſchmack haͤtten, habe ich nicht beobachtet, weil in einem bedeutenden Umkreiſe um meinen Wohnort dieſe Pflanze nicht waͤchſt. Sollte damit vielleicht das viel weiter ausgebreitete und auch bei uns auf Aeckern in unglaub— licher Menge vorkommende, winzige kleine Zwiebelchen Ornitho- galum minimum gemeint ſeyn, das beim Landmann in hieſiger Gegend auch wilder Knoblauch heißt: ſo kann ich verſichern, daß ſie dieſe meiſt nur wie ein Ruͤbſaatkorn große Zwiebeln, welche die Finken auf manchen Aeckern wie ausgeſaͤete Körner aufleſen koͤnnten, IV. Ordn. XXVII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 33 nicht freſſen. — Uebrigens ſieht man die Finken oft am Waſſer, entweder um zu trinken, oder ſich zu baden, was fie im Sommer taͤglich thun und das Gefieder dabei oft ganz durchnaͤſſen. Manche, welche duͤrre Gegenden bewohnen, muͤſſen deshalb oft weit fliegen, um ein Bad zu nehmen. Vermuthlich leſen ſie auch meiſtens am Waſſer jene kleine Steinchen auf, die man haͤufig unter den übrigen n in ihrem Magen findet. In Gefangenſchaft ſind die Buchfinken ſehr leicht, bloß mit Saͤmereien, zu unterhalten, und es bedarf keines weichen Futters, um ſie viele Jahre lang geſund zu erhalten; nur Reinlichkeit, immer friſchen Trunk und nicht zu fettes Futter ſind die Hauptbedingniſſe, wobei es, wenn ſie nur die Mauſer immer in freier Luft machen koͤnnen, gar keiner Kuͤnſteleien weiter bedarf. Das beſte Futter iſt ohnſtreitig reiner Ruͤbſaat, ob Sommer- oder Winterruͤbſaat iſt gleichguͤltig, nur ſoll er nicht zu jung, und auch kein Rapps ſein. Das Einquellen deſſelben iſt nicht nöthig, auch darf er nicht dum— pfig fein. Eine Güte kann man ihnen zuweilen wol mit etwas Hanfſamen, Mohn- und Canarienſamen thun, es muß nur ſelten und in geringer Menge geſchehen, fonft werden fie verwöhnt und auch zu fett. Leinſamen unter den Ruͤbſen gemiſcht iſt gut, und ſolch Futter nicht zu fett, lauter Dotter ſcheint ihnen aber nicht zus traͤglich zu fein, und das magerſte Futter für fie iſt Hafer und Hir— fe; man kann ihnen dies untermengen, wenn fie vom Ruͤbſen zu fett geworden ſind und wieder abmagern ſollen. Man koͤnnte ihnen uͤbrigens mancherlei Saͤmereien vorlegen, wenn man jene nicht ge— rade haͤtte, ja ſie freſſen ſelbſt die Kerne aus den Steinen der Zwet— ſchen und Pflaumen, welche man ihnen freilich aufklopfen muß. — Mit in Milch eingeweichter Gerſtengruͤtze oder Semmel fuͤttert man anfaͤnglich auch die aus dem Neſte genommenen Jungen, bis ſie nach und nach auch etwas gequellten Ruͤbſaat vertragen lernen, wor⸗ auf ſie dieſen ganz allein bekommen, bis ſie ſelbſt freſſen lernen, wo man ihnen denſelben dann ungequellt giebt. Manche Liebha- ber fuͤttern jedoch den jungaufgezognen Finken immer eingeweichte Gerſtengruͤtze, und geben ihnen in der Mauſer, welche dieſen oft eine gefaͤhrliche Krankheit iſt, wol auch Ameiſeneier, die ihnen ſehr erſprießlich ſind. Fortpflanzung. Allenthalben, in Deutſchland, wie in andern Ländern des mittleren Europa, niſten dieſe Voͤgel an den beim Aufenthalt ange— 5r Theil. 34 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. gebenen Orten, in allen Arten von Waldungen, in Baumgarten, Obſtbaumalleen, Kopfweiden- und andern Baumanlagen, kurz uͤber⸗ all, wo Baͤume ſind; ihr freudiger Geſang ſchallt uns im Fruͤhling aus jeder Baumgruppe entgegen, ſelbſt ſolche oft nicht ausgenom⸗ men, die ſich auf freiem Felde befinden, weit von andern Holzungen und Gärten, wenn ſie nur nicht gar zu klein find. Ich kenne ein- zelne Baumreihen an Landſtraßen, die mitten durch freies Feld fuͤh— ren, wo ſonſt kein Baum war; ſo wie aber die angepflanzten Baͤume heranwuchſen, ſiedelten ſich auch Finken dort an, welche ſich jetzt daſelbſt ſo zu gefallen ſcheinen, daß ſie ſelbige kaum im aͤrgſten Win⸗ ter auf kurze Zeit verlaſſen. — Ob nun gleich jedes Paͤaͤrchen ſein beſonderes Niſtrevier hat, und aus dieſem andere, welche ſich da nie— derlaſſen wollen, mit grimmigen Biſſen vertreibt, indem das Maͤnn⸗ chen beſonders uͤber andere Maͤnnchen wie wuͤthend herfaͤllt und ſie wegzujagen ſucht, ſo muß es, wenn der Gegner Muth und Kraft genug hat, doch auch oͤfters zugeben, daß ihn der Umkreis eines ſolchen von dieſem andern beharrlichen Kaͤmpfer eingeengt wird; mei: nen Garten hatte z. B. ſonſt nur Ein Paͤaͤrchen inne, jetzt hat ſich ein zweites eingedraͤngt und beide haben ſich in dies Revier getheilt. Auch in großen Waldungen wohnen ſie oft nahe bei einander, weil ſich in manchen ſehr viele aufhalten, doch hat daſelbſt ein ſolches Standrevier oft auch einige Hundert Schritte im Durchmeſſer. Da ſie faſt nie anderswo, als auf Baͤumen niſten, ſo iſt ihnen Buſchholz ganz gleichguͤltig, und ſie ſind eben ſo gern da, wo gar kein Unterholz unter den hohen Baͤumen waͤchſt, als da, wo dies der Fall iſt. Sie treiben ſich jedoch in der Fortpflanzungszeit mehr auf den unterſten Aeſten und Zweigen herum, und bauen ihr Neſt auch ſelten über die Mitte der Kronen hinauf, nur auf Kirſch- und Pflaumenbaͤumen ſteht es oft in den Gabelzweigen des Gipfels, ſonſt, z. B. auf alten Eichen oder Kiefern, meiſtens auf den unter- ſten Aeſten, ſehr haͤufig auf einem langen großen horizontalen Zacken eines Apfel-oder Birnbaumes, einer Eiche oder andern Waldbau— mes, ſehr weit vom Schaft entfernt und manchmal ſogar ſo frei und an ſolchen Stellen, daß es weder von Zweigen, noch von Blaͤt— tern verſteckt wird; ich habe ſogar eins auf einem ganz glatten freien horizontalen Weidenaſte geſehen, wo man es hundert Schritt weit ſchon entdeckte. Dann findet man es auch eben ſo oft dicht an dem Schaft nicht zu ſtarker Baͤume angebauet, wo es unten gewoͤhnlich von einem abgebrochnen alten Storzel oder von einem kleinen Zwei— ge unterſtuͤtzt wird, und auf Weidenbaͤumen ſtehet es faſt immer ji * IV, Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch-Fink. 35 oben am Kopfe dicht unter den Zweigen, auf einem duͤrren Stum⸗ pfen oder einem Stuͤck abſtehender Borke. Hoͤchſt ſelten bauen ſie auch wol einmal nicht auf einen Baum, und als ſeltenſte Abwei- chung hiervon iſt mir ein Fall bekannt, wo ein in einem Garten wohnendes Finkenpaͤaͤrchen, wo es alle Jahr auf den Obſtbaͤumen die beſte Gelegenheit gefunden hatte und nicht geſtoͤhrt worden war, in ein an den Garten ſtoßendes Strohdach zwiſchen das Stroh baue— te. — Uebrigens habe ich nie ein Finkenneſt gefunden, das tiefer geſtanden haͤtte, als daß ein großer erwachſener Menſch nur ſo eben mit der Hand haͤtte hineinlangen koͤnnen, aber ſehr viele, die hoͤher, wol drei= vier⸗ und ſechsmal höher ſtanden. Sie machen im Fruͤhjahr ſehr bald Anſtalt zum Neſtbau und die erſten Neſter ſind meiſtens fertig noch ehe die Baͤume ſich voͤllig belaubt haben, und dann giebt es um die Mitte des Maies gewiß ausgeflogene Jungen. Wenn ein Paͤaͤrchen bauen will, ſieht man beide Gatten ganz beſonders furchtlos und unter einem eignen Zir⸗ pen die Zweige durchhuͤpfen und an den Baͤumen die Stelle fuͤr das Neſt ausſuchen. Sind ſie hieruͤber einverſtanden, ſo beginnt der Bau, wobei beide ſich ebenfalls ſehr emſig beſchaͤftigen, doch aber das Weibchen der eigentliche Baumeiſter bleibt, indem das Maͤnnchen viel Zeit mit Singen und mit Liebkoſungen hinbringt. Es nimmt dabei ganz eigene Manieren und poſſirliche Stellungen an, beſonders wenn es zum Act der Begattung koͤmmt, und ſcheint hier haͤufig vor Liebe blind und taub, indem es ſich ungemein nahe kommen und betrachten laßt. Ihr zaͤrtliches Zir, oder zirr, laſſen ſie dabei immer hoͤren und durch beſondere Modulation deſ— ſelben druͤckt das Weibchen ſein Verlangen aus, indem es ſich auf einen Aſt hinkauert, mit den Fluͤgeln zittert, ohngefaͤhr wie es die Hausſperlinge machen. Die Begattung ſelbſt wird, immer in der Naͤhe des Neſtes, eben wie bei dieſen, mehrmals und ſchnell hinter einander wiederholt; ich habe es ae und zwanzig Mal nach⸗ einander geſchehen ſehen. Das Neſt iſt eins der ſchoͤnſten nnd künſtlichſten; z es hat mehr oder weniger die Form einer Kugel, von welcher oben ein Stuͤck abgeſchnitten iſt, wo ſich die Aushoͤhlung befindet. Es iſt ein dichtes, mehr als fingerdickes Gewebe von gruͤnem Erdmoos, zar⸗ ten Wuͤrzelchen und ſehr feinen Haͤlmchen, hat aber außen einen glatten Uiberzug von den grauen Flechten des Baumes, worauf es ſtehet, welcher hoͤchſt wunderbarer Weiſe mit Inſektengeſpinnſt unter ſich und auf dem Neſte felbft befeſtigt iſt, fo daß dadurch das Ganze 36 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. die taͤuſchendſte Aehnlichkeit mit einem bemooſten Aſte oder alten Storzel bekommt, und das menſchliche Auge Mühe hat, es zu er- kennen. Es ſieht oft wie gedrechſelt aus. Der innere Napf iſt ziemlich tief, drehrund und am obern Rande öfters etwas eingebo— gen, ſehr weich mit Pflanzen- und Thierwolle, Haaren und Federn gepolſtert, aber ſo, daß manche Neſter keine Federn, Wolle und Haare aber alle, und einige alles zuſammen haben. Sie machen zwei Gehecke in einem Jahr, und das Weibchen legt das erſte Mal fuͤnf bis ſechs, das andere Mal ſelten mehr als vier, auch wol nur drei Eier. Dieſe find klein, kaum etwas groͤ—⸗ ßer als Feldſperlingseier, aber meiſtens laͤnglichter, bauchichter, und an einem Ende ſpitzer, obwol fie auch in der Form ziemlich va— riiren, oft eine faſt birnfoͤrmige, bald eine laͤnglichteifoͤrmige, bald eine mehr ovale, kuͤrzere und dickbauchichtere Geſtalt haben. Die Schale dieſer niedlichen Eier iſt ſehr zart, aber wenig glaͤnzend, ſehr blaß blaugruͤnlich, mit einem bleichen roͤthlichen Braun ſchwach gewoͤlkt, und mit ſchwarzbraunen Punkten verſchiedener Größe beſetzt, wovon die größten Fliegenklexen ähneln und einen leber— braunen verwiſchten Rand haben, folglich wie Brandflecke auf Pa— pier ausſehen. Dieſe Brandflecke ſind charakteriſtiſch, meiſtens nur am ſtumpfen Ende und auch nicht ſehr zahlreich, wie überhaupt auch die uͤbrigen Punkte dies nie ſind. Sie aͤndern darin auf die mannich⸗ faltigſte Weiſe ab, die abweichendſten find jedoch ſolche Eier, denen dieſe Brandflecke gaͤnzlich fehlen, wie ſich deren oft mehrere in einem Neſte finden, die denn auch allemal gruͤner ausſehen, und denen dann meiſtens auch alles roͤthliche Gewoͤlk fehlt. Ein Ver— gleich eines mit recht ſchoͤnen Brandflecken beſetzten und dazu roͤth— lich gewoͤlkten Eies mit einem einfoͤrmigen grünlichen, nur mit ſparſa⸗ men kleinen braunſchwarzen Pünktchen bezeichneten, kann den Un⸗ erfahrnen leicht irre führen, beide für Eier ganz verſchiedenartiger Voͤgel zu halten, ſo ſehr weichen dieſe Extreme in Farbe und Zeich— nung von einander ab. — Dies und der Umſtand, daß die Finken— eier beim Bebruͤten, wie nachher in den Sammlungen, wenn ſie ausgeblaſen ſind, viel von ihrem gruͤnlichen Grunde verlieren, man= che fogar gar nichts davon behalten, hat in frühen Zeiten Veran⸗ laſſung gegeben, hier ſpecifiſche Verſchiedenheit zu vermuthen, und manche glaubten daher an Garten-Wald- oder Zackenfinken und wie ſie die vermeintlichen Arten alle nannten, doch ganz ohne Grund. | Die Zeit des Bebruͤtens dauert vierzehn Tage, und das Männz chen loͤſt dabei ſein Weibchen mehrere Stunden des Tages ab, auch IV. Orbn. XXVII. Gatt. 152 Buch⸗Fink. 37 fuͤttern beide b Jungen gemeinſchaftlich mit Inſekten. Sie ver⸗ laſſen das Neſt nicht eher bis fie ordentlich fliegen koͤnnen, obgleich, ihre Schwanzfedern die gehoͤrige Laͤnge noch nicht erreicht haben, und folgen den Alten mit den oben beſchriebenen ſchilkenden Geſchrei. Nach und nach gewoͤhnen ſie ſelbige auch an Saͤmereien, indem ſie ſie an ſolche Orte fuͤhren, wo dergleichen zu finden ſind, und ſpaͤte⸗ ſtens zwei Wochen nach dem Ausfliegen uͤberlaſſen ſie dieſelben ſich ‚gaͤnzlich um zu einem neuen Gehecke zu ſchreiten, was denn mei⸗ ſtens noch im Mai geſchieht. Nun hören die Jungen auf zu ſchil— ken und lernen die Locktoͤne der Alten, die ihnen anfaͤnglich immer nicht recht gelingen wollen. — Wenn das erſte Neſt zerſtoͤhrt wur⸗ de, indem ſie ſchon bruͤteten, ſo bauen ſie ſehr bald und nicht weit entfernt ein zweites, wenn aber dieſe Brut gelingt, machen ſie in dieſem Jahr keine mehr. — Merkwuͤrdig iſt die Liebe fuͤr ihre Brut. Sie ſchreien klaͤglich, wenn ein Menſch oder ein anderer Feind dem Neſte nahet, und das Maͤnnchen iſt beſonders beſorgt um die Eier, das Weibchen aber mehr um die Jungen. *) Bei der ausgezeich— neten Sorge um die Jungen iſt es dennoch merkwuͤrdig, daß fie: nichts für fie thun, als ſich aͤngſtlich gebehrden und ſchreien, und die- ſe ſogar verhungern laſſen, wenn man ſie mit dem Neſte in einen Kaͤfig ſetzt und ſie an den Baum haͤngt, worauf das Neſt ſtand. Dies hat mancher unerfahrene Finkenfreund, der ſich durch die al— ten Voͤgel die Mühe des Selbſtauffuͤtterns erſparen wollte, bitter er- fahren muͤſſen. Sorge um eigene Sicherheit und Verdacht ſcheinen. hier über aͤlterliche Liebe zu ſiegen, und weil eine Abweichung hier— von unter unſern Finken etwas Seltnes iſt, fo wird folgender Vor- fall, der ſich vor ein paar Jahren bei meinem Bruder ereignete, hier nicht ohne Intereſſe geleſen werden: Ein Finkenpaͤaͤrchen hatte naͤm⸗ lich auf einem Kirſchbaume in feinem Garten eben Junge, als er. einmal beide Alten ein jaͤmmerliches Angſtgeſchrei erheben hoͤrte, und indem er hinſah, einen Eichelheher beſchaͤftigt fand, die jungen Finken zu ſpeiſen; eben war dieſer heim zweiten Jungen, als er von dem Rohr des Jaͤgers herabgedonnert ward. Weil nun. das Neſt zerzauſt war und die drei übrigen Jungen, die herausge- purzelt waren, meinen Bruder dauerten, fo holte er einen Vogel- bauer, und haͤngte dieſen, nachdem er die jungen Voͤgel hinein- *) Daſſelbe habe ich auch an den meiſten Sumpf: und an vielen Warsraögee re beobachtet. Sr 38 IV. Ordn. XXV III. Gatt. 152. Buch⸗Fink. gethan hatte, auf den Kirſchbaum. Alles dieſes hatten die alten Finken unter klaͤglichen Gebehrden mit angeſehen; ſie nahmen die Dazwiſchenkunft meines Bruders dankbar an und fuͤtterten, ganz gegen ihre ſonſtige Gewohnheit, die Jungen im Bauer groß, die ihnen dann, als ſie voͤllig flugbar waren, mein Bruder wiedergab, indem er allen die Freiheit ſchenkte. | Feinde Sie haben von verſchiedenen Raubvoͤgeln große Verfolgungen auszuſtehen, namentlich vom Huͤhner- und Finkenhabicht, auf ihren Wanderungen auch vom Lerchenfalken, und im Spaͤt⸗ herbſt und Winter vom Merlin und großen Wuͤrger; dazu ſind Elſtern, Heher, Kraͤhen und Raben ihrer Brut ſehr nachtheilig, wozu denn auch noch mehrere Raubthiere, als: Katzen, Marder und Wiefeln, Eichhoͤrnchen und Maͤuſe kommen, die alleſammt ſehr viele Gehecke zerſtoͤhren. — Man ſieht hier, daß der erwaͤhnte kunſtreiche Ueberzug des Neſtes, in den meiſten Faͤllen, wol das menſchliche Auge, aber nicht das jener Raͤuber taͤuſcht, indem man alle Jahre erſtaunend viele von jenen zerſtoͤrte Finken⸗ neſter findet. — Außerdem find fie auch noch von Schmarogerin= ‘ ſekten im Gefieder und von Eingeweidewuͤrmern geplagt, unter dieſen iſt eine Capillaria, ein Echinorrhynchus, die Taenia frin- gillarum und Distomum elegans, welche die Enthelmintologen namentlich anfuͤhren. Die gezaͤhmten Buchfinken ſind mancherlei uͤbeln Zufaͤllen aus⸗ geſetzt, fie bekommen Darre, Durchfall, ſchlimme Füße, die wie bei andern Stubenvoͤgeln eurirt werden. Im Käfig wach: ſen ihnen die Naͤgel bald zu unfoͤrmlichen Haken, die man verſchnei⸗ den muß, weil ſie damit leicht haͤngen bleiben und Schaden nehmen, und die dicken Schuppen der Fußbedeckung muß man ihnen auch oͤf⸗ ters mit einem Federmeſſer abloͤſen, ſonſt bekommen ſie davon ſchlimme Fuͤße und Podagra. In der Mauſer muß man ſie wohl pflegen, und es iſt immer am beſten, wenn man fie wahrend derſel— ben in einem großen luftigen und ſonnigen Behaͤlter herumfliegen laßt und erſt dann wieder in ihren engen Käfig ſteckt, wenn fie zu ſingen anfangen. Jagd. Sie ſind eben nicht ſchwer zu ſchießen, ob ſie gleich etwas mißtrauiſch ſind, und man kann in den Wanderungsperioden, wenn IV. Ordn. XXVII. Gatt. 152 Buch⸗Fink. 39 ſich eine Heerde auf Stoppelaͤckern gelagert, oder zum Ausruhen auf einem Baum niedergelaſſen hat, viele auf einen Schuß erlegen. In der Fortpflanzungszeit ſind ſie ganz außerordentlich kirre, und laſſen auch mit dem Blaſerohr nahe genug an ſich kommen. Auf dem Vogelheerde ſpielen ſie eine Hauptrolle und eine Art deſſelben hat ſeinen Beinamen von ihnen, weil ſie auf ſelbigen die Hauptvoͤgel ſind; ſie zeigen ſich aber hier unter den Gattungs⸗ verwandten auch als die ſchlaueſten Vögel, weshalb der Vogelftel- ler auf gute Lock und Geſang halten und, wenn eine Heerde an⸗ koͤmmt, auch den rechten Zeitpunkt zum Zuruͤcken der Netze abzupaſ⸗ ſen wiſſen muß, weil ſie ſich nicht ohne Vorſicht naͤhern, nicht alle zugleich oder nicht ſo bald auffallen, auch ſo unruhig und zaͤnkiſch dabei ſind, daß er niemals hoffen darf, die ganze Heerde bis auf den letzten unter das Netz zu bekommen. Nicht alle locken gut, und wie er es anfaͤngt, im Herbſt Finkenſchlag am Heerde zu haben, iſt oben bereits beſchrieben. Was Anlage, Stellung und voͤllige Ein⸗ richtung eines ſolchen Heerdes betrifft, ſo koͤnnte ich die einfachſte und ſicherſte Methode leicht beſchreiben, da ich ſie praktiſch kenne, und darüber manche Erfahrung geſammelt habe; da ich aber in der Hanptſache groͤßtentheils mit dem uͤbereinſtimmen wuͤrde, was mein Vater fruͤher in ſeinem Wogelſteller (Leipzig, im Schwickert⸗ ſchen Verlage) ſchon beſchrieben hat, ſo verweiſe ich den Liebhaber dieſes Vogelfangs auf jenes Werkchen. *) Soll der Vogelheerd die viele Muͤhe, welche er macht, hinlaͤnglich lohnen, ſo muß der Platz dazu mit vieler Umſicht gewaͤhlt werden, und die ganze Ein⸗ richtung muß ſo einfach wie moͤglich ſein, vorzuͤglich in der Hinſicht einfach, daß alles Unnatuͤrliche bei der Anlage und alle unnuͤtze Kuͤn⸗ ſteleien, welche die Voͤgel ſcheuen, vermieden werden. Bretterka⸗ ſten, Bretter- und Lattenumzaͤunungen, elegante Häuschen und der Xgleichen Schnickſchnack, wie ich fie eben in einem neu edirten Werke uͤber Vogelfang beſchrieben finde, gehören nicht an einen Vogelheerd. Man ſuche vielmehr alles, was nicht anders als kuͤnſtlich ſein kann, zu verſtecken; die ſchlauen Voͤgel gewahren auch dann an einem fuͤr *) Vielleicht erlaubt es meine Muße, bald eine neue Auflage beifelben zu veran⸗ ſtalten, da mein Vater nicht allein jene Arten des Vogelfangs nach der Her⸗ ausgabe jenes Buchs vielfaͤltig verbeſſert und viel Neues dazu erfunden hat, ſondern ich ſelbſt von mir ſagen darf, daß ich alle ſeine Erfindungen praktiſch geuͤbt und noch vervollkommnet habe; auch finde ich Veranlaſſung dazu darin, daß man meines Vaters Angaben vielfältig nachgeſchrieben, aber zum Theil ver: hunzt dargeſtellt hat. ö 40 IV, Ordn. XXVII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. ſie ſo veritherſchen Orte ah noch genug, was fie ſtutzig und vorſichtig macht. Der Fang der Finken auf dem Finkenheerde dauert im Herbſt, ſo lange ſie ordentlich ziehen, von der Mitte des Septembers bis um Martini, und im Fruͤhjahr faͤngt man ſie eben ſo den ganzen Maͤrz hindurch. Der Fruͤhjahrsfang iſt indeſſen ſchon darum nicht ſo gut, weil dann alle Voͤgel magrer find als im Herbſt, wenn man ſie naͤmlich zum Verſpeiſen faͤngt. — Sie werden an man⸗ chen Orten in großer Menge gefangen, ob man gleich nie eine ſo große Anzahl auf ein Mal unter die Netze bekoͤmmt, wie dies bei den Bergfinken fo oft der Fall iſt; denn ein bis anderthalb Schock iſt ſchon ein ſehr guter Zug, der ſelten vorfält. — Im Winter kommen die einzeln dagebliebenen auch auf die Plaͤtze, wo man an⸗ dere Wintervoͤgel hinkoͤrnet und unter Schlag waͤnden faͤngt; ſelbſt auf den Höfen gehen fie dann in mancherlei Fallen, und un- ter das Sieb, am leichteſten in einen ſogenannten Fallbau er, der oben eine Falle bildet, unten aber ein Kaͤfig iſt, in welchem ein Lockvogel ſitzt. — Im Frühjahr fängt man auch viele auf den Lockbuͤſchen. Dies ſind naͤmlich Buͤſchel von Eichen- oder Bu— chenzweigen; die das alte Laub noch haben, worin ein Vogelbauer mit einem Lockvogel ſteckt, und die oben und rundum mit 0 ruthen belegt oder mit Sprenkeln behaͤngt ſind. Ein beſonderer Fang im Fruͤhjahr iſt auch das Finkenſteche n, welches den Liebhaber in den Beſitz desjenigen Maͤnnchens ſetzt, deſ⸗ ſen Schlag ihm gerade am beſten gefaͤllt. Es iſt eben ſo, wie es bei den Feldlerchen (ſ. B. IV. S. 183. dieſes Werks) beſchrieben wurde; man laßt nämlich ein Finkenmaͤnnchen, dem die Fluͤgelſpi⸗ tzen zuſammengebunden und hier ein gabelfoͤrmiges Leimruͤthchen be⸗ feſtigt wurde, unter den Baum laufen, auf welchem dasjenige, was man zu haben wuͤnſcht, ſitzt und ſchlaͤgt; dies glaubt einen Nebenbuhler in ſeinem Revier zu ſehen, ſtoͤßt auf ihn herab und das Leimruͤthchen verhindert den Eiferſuͤchtigen am Fortfliegen. Wer die Sache gut verſteht, kann in kurzer Zeit alle Standfinken in einer Gegend wegfangen, die nur anfaͤnglich durch andere, ſpaͤter— hin aber nicht erſetzt werden. Faͤngt man ſie weg, wenn die Weib— chen Eier oder gar Junge haben, ſo haͤrmen ſich die meiſten ſolcher ungluͤcklichen Männchen zu Tode; die fruͤh genug weggefangenen ſchlagen dagegen in ihrer Gefangenſchaft noch in demſelben Frühjahr. Vom Verfuͤhrer, der das verhaͤngnißvolle Ruͤthchen traͤgt, hat man es gern, wenn er öfters laut wird und fink, fink ruft, weil da⸗ IV. Ordn. XXVI, Gatt. 152. Buch⸗Fink. 41 durch der andere fogleich aufmerkſam gemacht und gereizt wird. Man hat dieſen Fang auch noch auf andere Art: Es wird ein Kreis von Leimruthen auf die Erde geſteckt, in der Mitte deſſelben ein Fink angelaͤufert, d. h. an einen Faden gebunden, daß er im Kreiſe herumlaufen kann; im naͤchſten Geſtraͤuch ſteckt aber ein Vogelbauer mit einem ſingenden Maͤnnchen; der Standfink wird durch deſſen Geſang herbeigerufen, haͤlt den Laͤufer fuͤr den Saͤnger, ſtoͤßt nach ihm und geraͤth an die Leimruthen. — Den ausgeflogenen jungen Finken paßt man auf, wohin ſie taͤglich zum Waſſer fliegen, und faͤngt fie hier mit Leimruthen, denn fie lernen meiſtens noch andere Schlaͤ⸗ ge, wenn man ſie neben gute alte Schlaͤger haͤngt, und werden dauerhafter, als die, welche man aus dem Neſte nimmt und auffuͤt— tert. N 1 e SIE Das Fleiſch dieſer Finken giebt ein ſehr wohlſchmeckendes Gericht, und wird bald gebraten, bald in Paſteten, bald mit Ae pfeln und Zwiebeln zugerichtet gegeſſen. Man haͤlt es fuͤr ſehr geſund und fuͤr manche Kranke ſogar heilſam. Als Gegenſtand des Vogelfangs werden ſie fuͤr manche Gegend wichtig, indem jaͤhrlich viele Tauſende zum Verſpeiſen gefan⸗ gen werden, was auch ſonſt in der hieſigen der Fall war, da in der Naͤhe meines Wohnortes viele Vogelheerde geſtellt wurden, von welchen ſich ſchwache oder aͤltliche Leute immer eine Zeit lang gut naͤhrten, indem ſie die gefangenen Voͤgel zu Markte trugen, und die kleinen, wozu auch unſere Buchfinken gehoͤrten, gerupft mit den Haͤlſen in Staͤbchen klemmten, in jedes 12 bis 15 Stuͤck, welche Spieße hießen, wovon fie jeden mit 2 bis 3 gr. in den Städten bezahlt bekamen. Jetzt exiſtirt indeſſen im ganzen Umkreiſe kein Vogel⸗ heerd mehr, weil man ſchon vor 30 Jahren über Abnahme an Zugvoͤgeln klagte und beim Vogelſtellen jetzt ſchwerlich noch ſeine Rechnung finden moͤchte. Deshalb hat auch mein Vater ſeinen Vogelheerd eingehen laſſen, ob er gleich nicht pecuniaͤren Gewinn dabei beruͤckſichtigte. Als Stubenvoͤgel gewähren fie, ihres froͤhligen Geſanges we: gen, dem Liebhaber gar viel Vergnuͤgen, und dies hat wieder in manchen Gegenden gewiſſen Perſonen Veranlaſſung gegeben, den natuͤrlichen Geſang zu veredeln zu ſuchen, und Muͤhe und Fleiß auf Erziehung guter Saͤnger nicht zu ſparen, um dieſe theuer zu ver⸗ kaufen, oder ſelbſt ihre Freude daran zu haben. — Uibrigens be⸗ 42 IV, Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. lebt auch der Geſang der wilden Finken Waͤlder und Gaͤrten auf die angenehmſte Weiſe. Sie nuͤtzen auch durch Verminderung einer ſchaͤdlichen Inſek⸗ tenmenge, verzehren beſonders die kleinen Bluͤten- und Knospen⸗ inſekten oder ihre Larven im Frühjahr in größter Menge, und wer: den den Obſt⸗ und Waldbaͤumen dadurch ungemein wohlthaͤtig. Dem Jaͤger zeigen ſie durch ihr haſtiges und hartes Fink, fink, oft die Anweſenheit eines Raubthieres, eines Raubvogels, oder eine andere ungewoͤhnliche Erſcheinung an, wenn er naͤmlich Faſſungsvermoͤgen fuͤr die Unterſchiede, die nach Pane der a... in dieſen Tönen liegen, genug hat. Schaden. Sie werden nur an gewiſſen Orten und zu manchen Zeiten ſchaͤdlich; denn unter den vielartigen Saͤmereien, wovon ſie ſich naͤhren, find auch viele, bei welchen fie durch das Aufzehren der— ſelben eher nuͤtzlich werden, namlich die des ſogenannten Ans krauts, und wieder andere wuͤrden vertreten werden und um— kommen, wenn ſie nicht von ihnen aufgeleſen wuͤrden. Da ſie ſich nicht auf die Stauden ſetzen, um die Samen zu verzehren, ſondern warten bis dieſe abgefallen ſind und am Boden liegen, ſo thun ſie an denen von Feld- und Gartenfruͤchten ſelten Schaden, wol aber an ausgeſaͤeten Saͤmereien, in der Naͤhe ihres Aufenthaltes, am meiſten in Gaͤrten. Hier wird er oft ſehr empfindlich auf den friſch beſaͤeten Gemuͤſebeeten; denn ſie freſſen nicht allein die nicht ganz untergeackerten Samen und picken ſie aus der Erde, ſondern auch nachher noch den ſchon hervorgekeimten Sallat, die völlig auf: gegangenen Kohlpflaͤnzchen u. a. m., verſammeln ſich oft auf ſol⸗ chen Beeten aus der ganzen Gegend, ſo daß, wenn dieſe zu den waldigen gehoͤrt, bald große Geſellſchaften erſcheinen und die Muͤ⸗ he des Gaͤrtners ſchnell vernichten. Sie find indeſſen, da wo fie Schaden thun, leicht zu ver⸗ ſcheuchen, weil ſie mißtrauiſch ſind, und man braucht nicht zu dem grauſamen Mittel feine Zuflucht zu nehmen, fie ſich durch Schie⸗ ßen vom Halſe ſchaffen zu wollen. Wo man naͤmlich merkt, daß ſie friſch beſaͤete Beete beſuchen, da braucht man dicht uͤber dieſe hin nur lange weiße Faͤden ganz weitlaͤufig auszuſpannen, und an dieſe große Federn oder Streifchen Papier fo zu befeſtigen, daß ſie herabhaͤngen, wo ſie dann beſtaͤndig flattern und vom leiſeſten Lufthauch bewegt werden, wodurch dieſe Finken ſich vollkommen IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 152. Buch⸗Fink. 43 von den Beeten abhalten laſſen; denn ſie ſcheuen dieſe Federlap⸗ pen mehr, als Netze und dergl. Beobachtung. Ich kann nicht unterlaſſen, hier noch eine intereſſante Ge⸗ ſchichte mitzutheilen, die ſich in einer benachbarten Stadt zutrug. Es hatte dort jemand einen Buchfinken im Vogelbauer vor dem Fenſter des zweiten Geſchoſſes ſei⸗ nes Hauſes haͤngen, das in einer etwas engen Gaſſe ſteht, und von welchem die nächſten Gaͤrten rechts und links 50 bis 80 Schritte entfernt ſind. Ein fremdes Finkenmaͤnnchen kam mehrmals auf den Bauer geflogen und ſtattete dem darin ein⸗ geſperrten einen Beſuch ab, als man es bemerkte und Futter auf das äußere Fen⸗ ſterbret neben den Bauer ſtreuete, was der Fremdling auch bald annahm und es nachher in einer offnen Schachtel hingeſetzt bekam, worauf er ſich taͤglich mehrmals dabei einfand und ſo ganz bequem naͤhrte. Dies dauerte bis ſpaͤt in den Herbſt hin⸗ ein. Im folgenden Fruͤhjahr erſchien er ſchon, ehe man kaum in den Gaͤrten ei⸗ nen ſeines Gleichen ſah, und kam regelmaͤßig alle Tage aufs Fenſterbret, um da ſeine Mahlzeiten zu halten. In dieſem Sommer ſtarb der Fink im Kaͤfig; der Freie wurde nun mit leichter Mühe gefangen, und an die Stelle des erſtern eingefperrt. Noch in dieſem Sommer zeigte ſich jedoch wieder ein freier Fink auf dem Bauer, und es ging wie beim erſten; er kam taglich, ſtuͤndlich, fraß aus der hingeſetzten Schach: tel Hanf, Ruͤbſen, Canarienſamen, und wurde ſogar fo vertraut, daß er ſich bei ſeiner Mahlzeit gar nicht ſtoͤhren ließ, wenn man ihm auch, durch die Fenſterſchei⸗ ben, ganz in der Naͤhe zu ſah. Er trieb dies ebenfalls bis ſpaͤt in den Herbſt und war im naͤchſten Fruͤhjahr auch wieder ſehr zeitig da; fo ging es bis ins dritte Jahr, wo die Sache noch intereſſanter wurde, indem er auf ein Mal mit ſeinen faſt aus⸗ gewachſenen Jungen, vier oder fuͤnf an der Zahl, erſchien, dieſe auf dem Dache des gegenuͤberſtehenden Hauſes ſitzen ließ, aus der Schachtel vor dem Fenſter aber Futter holte und es ihnen zutrug. Nach einigen Tagen, als dieſe voͤllig erwachſen maren, brachte er fie ſogar mit aufs Fenſterbret und fie ſpeiſten mit ihm aus der Schachtel, daß es eine Luſt war. Im folgenden Jahr kamen nun gar zwei oder drei Finken, die ſich das hingeſetzte Futter wohlſchmecken ließen und dieſe Stelle regel⸗ mäßig, durchs ganze Jahr, den Winter ausgenommen, beſuchten. Im darauf fol⸗ genden Jahr hing kein Fink und kein Kaͤfig mehr vor dem Fenſter; deſſen ungeachtet kamen die freien Finken doch wieder und ließen es ſich fortwaͤhrend gefallen, daß man ihnen Futter dort ſpendete. Einer derſelben ſetzte ſeine Beſuche regelmaͤßig noch drei Jahre lang fort, blieb endlich aber auch weg, und es fand ſich nachher keiner wieder daſelbſt ein. — Dieſe Geſchichte beweiſt zur Gnuͤge, daß es immer dieſelben Individuen ſind, welche im Sommer eine gewiſſe Gegend bewohnen und im kuͤnfti⸗ gen Jahr dieſelbe wieder aufzufinden wiſſen, was auch ausgezeichnete Eigenheiten im Geſang des einen oder des andern Maͤnnchens oft ſchon bemerklich machen; dies koͤnnte jedoch zuweilen taͤuſchen, weil die Finken, beſonders junge, im naͤchſten Jahr 17 70 ſelten ihren Schlag veraͤndern. 158. Der Berg- Fink Fringilla montifringilla. Lin. Fig. 1. Maͤnnchen im Frühling, Zab. 119. — 2. Männchen im Herbſt, — 3. Weibchen — —. Waldfink, Baumfink, Laubfink, Buchfink, Tannenfink; Miſtfink, Kothfink; Winterfink, Schneefink; — Rothfink, Gold: fink; — Quietſchfink, Quaͤtſchfink, Ouaͤkfink, Quaͤker, Queck, Waͤckert, Wickert, Kaͤkler, Gegler, Gaͤgler, Goͤgler; Gogler; Zetſcher, Zehrling, Icawetz, Nikabitz, Nikawiß; Pienken; — Angermann⸗ laͤndiſcher Diſtelvogel; Boͤhmer, Boͤhemmer; Rowert; (Berg⸗ nachtigall); hier gemeiniglich: Quaͤker. Fringilla montifringilla. Gmel. Linn. I. 2. p. 902. n. 4 = Lath. ind. I. p. 439. n. 17. — Reth, faun, Suec. p. 244. n. 221. = Nilsson orn. Suec. I. P. 135. n. 66. = Fringilla lulensis. Linn. faun. Suec. p. 86. n. 234. = Retz. Faun. Suec. p. 245. n. 222. Icon. fig. 2. = Gmel. Linn. I. c. n. 5. — Lath. ind. I. p. 452. n. 63. = Fringilla flammea. Beseke Vög. Curl. p. 79. n. 174. Le 4 d Ardennes. Buff. Ois. IV. p. 124. — Edit. d Deuxp. VII. p. 136. t. 2 f. 2. = Id. Pl enl. 54. f. 2. — Gerard, tab. elem. I. p. 183. = Gros- bec d’ . Temm. Man. nouv. edit. I. p. 360. — The Brambling. Lath. syn. II. 1. p. 261. n. 13. — Ueberſ. v. Bechſtein, III. ©. 254. n. 13. = Pennant Arct. Zool. überf. v. Zimmermann. II. S. 354. B. und ©. 355. E. = Bewick brit. Birds. I. p. 207. = Fringillo montanino, Stor. degl. Ucc, III. t. 338. f. 2. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 97. = Deſſen Taſchenb. I. S. 115. — Teutſche Ornith. v. Borkhauſen und a. Heft 8. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. ©. 151. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S 73. n 75. — Meyer, V. "iv: und Eſthlands. ©. 83. = Koch, Baier. Zool. I. S. 217. n. 134. = Friſch, Vogel, Taf. 3. untere Fig. M. und W. — Naumann's Vög. 1 1. S, 43. Taf. 3. Fig. 6. Maͤnnchen und F. 7. Weibchen. Kennzeichen der Art. Der Unterruͤcken in der Mitte weiß, an den Seiten ſchwarz; die untern Fluͤgeldeckfedern ſchwefelgelb, in den Weichen ſtehen ovale mattſchwarze Flecke. * IV. Ordn. XXVII. Gatt. 153. Berg⸗ bine 45 Befhreibung 1 0 0 Von Geſtalt iſt dieſer angenehm bunte Vogel etwas kürzer als der Buchfinke, mit dem er ſonſt vieles, ſelbſt die Art der Zeich⸗ nung des Fluͤgels (doch nicht ganz dieſelben Farben), gemein hat. Er unterſcheidet ſich leicht von allen andern einheimiſchen Arten. Seine Länge iſt 65 bis 7 Zoll; die Breite 104 bis 114 Zoll; die Länge des Schwanzes 23 Zoll, wovon die ruhenden Flügel 1 Zoll unbedeckt laſſen. Der Schwanz iſt fo ſtark gabelfoͤrmig aus— geſchnitten, daß eine der Mittelfedern faſt I Zoll kuͤrzer als eine der Seitenfedern iſt, von welchen die Be aͤußerſten von gleicher Laͤnge, alle aber ſchief abgeſchnitten, und lang zugeſpitzt, ſind; die obern und untern Schwanzdeckfedern ſind ſo lang, daß ſie bis auf 1 Zoll vor das Schwanzende reichen. Der Schnabel iſt genau ſo geſtaltet, wie am Buchfinken, doch etwas dicker, 4 Zoll lang, an der Wurzel 4 Linien hoch und eine halbe Linie ſchmaͤler; von oben geſehen nach vorn ſchnell zuge: ſpitzt; das Naſenloch rund. Von Farbe iſt er ſchoͤn wachsgelb mit ſchwaͤrzlicher Spitze, in der Jugend an der Wurzel ins Fleiſchfar— bene ziehend, im Alter aber faſt pomeranzengelb; er wird aber bei alten Voͤgeln, namentlich den Maͤnnchen, in Fruͤhjahr licht blau⸗ ſchwarz, mit dunklerer Spitze, und behält dann nur bei juͤngern an der Wurzel etwas Gelb. An der Wurzel des Oberſchnabels ſte— hen ziemlich lange ſchwarze Borſthaͤrchen. Die Iris iſt ſehr dun⸗ kel braun. Die Fuͤße ſind kurz und nicht ſtark; die Laͤufe getaͤfelt; die Krallen mittelmäßig, flach gebogen, ſchmal gedruͤckt, unten zwei⸗ ſchneidig und ſpitz. Ihre Farbe iſt ein ſehr lichtes roͤthliches oder gelbli⸗ ches Braun, dem Fleiſchfarbenen ſich naͤhernd, die der Naͤgel hellbraun; die Zehenſohlen ſind gelblich, im Herbſt, beſonders bei jungen Voͤgeln, meiſt Schön gelb. Die Höhe der Fußwurzel iſt 10 bis 11 Linien; die Laͤnge der Mittelzeh mit dem Nagel 9 1 die der Hinter⸗ zeh 7 Linien, wovon die Hälfte auf die Kralle koͤmmt. Das alte Maͤnnchen in ſeinem Herbſtkleide hat auf dem ganzen Oberkopfe ſchwarze Federn, die einen blauen Stahl- glanz haben, wovon aber nur ein Fleck an jeder Seite des Hinter— ſcheitels und ein Laͤngſtreif an den Seiten des Hinterhalſes herab rein daſtehen, an den uͤbrigen Theilen aber nur wenig in kleinen Fleckchen davon fichtbar iſt, weil die hell gelbbraunen Federraͤnder das Schwarze groͤßtentheils verdecken; ſo ſind auch die Wangen, 46 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 153. Berg: Fink, aber ihre Federſpitzen find, beſonders nach den Halsſeiten herab, weißlicher, oder blaͤulich hellgrau; die Mitte des Hinterhalſes eben fo, mit durchſchimmernden ſchwarzen Fleckchen; Ruͤcken und Schul: tern blauglaͤnzend ſchwarz, mit gelbbraunen Federeinfaſſungen, die den Grund nur in Flecken durchblicken laſſen; Unterruͤcken und Buͤr⸗ zel an den Seiten ſchwarz, in der Mitte entlang weiß, am letztern roſtgelb angeflogen, die Oberſchwanzdeckfedern ſchwarz mit grauli⸗ chen Kanten und roſtgelben Spitzen. Die Zuͤgel und das hintere Aus genliedraͤndchen ſind ſchmutzig weißgelb; das Kinn gelbweiß; Kehle, Gurgel und Kropfgegend bis auf die Oberbruſt angenehm hell roſtig— pomeranzenfarben, *) aber durch weißliche Federſpitzchen etwas ge— daͤmpft; die Seiten der Unterbruſt und die Weichen licht gelbbraun, mit runden und ovalen mattſchwarzen Flecken beſtreuet; die Mitte der Bruſt und der Bauch rein weiß; der After roͤthlich roſtgelb; die weißen Unterſchwanzdeckfedern mit roſtgelben Enden; die Unterſchenkel gelb— weiß, auf der Hinterſeite ſchwarz gefleckt. Die langen Enden der groͤßten Schulterfedern ſind gelblichroſtfarben, dunkler und ſchoͤner als die Kropfgegend; die kleinen Fluͤgeldeckfedern eben ſo wie jene, aber noch fo mit Gelb uͤbergoſſen, daß man fie faſt dunkel pome- tanzenfarben nennen koͤnnte; die mittlern Fluͤgeldeckfedern im Grunde ſchwarz, mit großen weißen, nach vorn zu gelblichroſtfarben über: flogenen Enden; die großen ſchwarz, mit langen, ſcharf abge— ſchnittenen, gelbroftfarbenen Endkanten und Spitzen, welche vor— waͤrts immer kleiner und weißer werden, wo dann noch die vorder— ſten dieſer Reihe gräulichgelbe Saͤumchen haben, und hierin den Daumenfedern und den Fittigdeckfedern gleichen; die Schwingen ſind braunſchwarz, oberwaͤrts ganz ſchwarz, dort mit feinen weiß⸗ gelben Außenſaͤumchen, hier, die vier vorderſten ausgenommen, ohne dieſe; die fuͤnf letzten haben gelbroſtfarbene breitere Kanten; faſt an der Wurzel der Schwingen laͤuft ein hellweißer Querſtreif durch den Fluͤgel, welcher aus kleinen Fleckchen zuſammengeſetzt iſt, die bloß auf der ſchmalen Außenfahne ſtehen und auf der hintern Haͤlfte von den Enden der großen Deckfedern verdeckt werden, ſo daß ſie ſich *) Dieſe ſchoͤne eigenthuͤmliche Farbe hat man wol auch Oraniengelb genannt, was ſie jedoch nicht iſt und eine falſche Vorſtellung veranlaßt. Sie aͤhnelt nur inſofern der Farbe ganz reifer Pomeranzenſchalen, wenn dieſe eben anfangen trocken zu werden, und ſich dann mit Roͤthlichbraun überziehen; am aͤhnlichſten iſt ſie dieſer auf den kleinen Fluͤgeldeckfedern. Sie iſt eine Mitteltinte zwiſcken Pomeranzenfarbe und Roſtfarbe. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 47 auf dem zuſammengefalteten Fluͤgel bloß als ein ſchiefes hellweißes Fleckchen, dicht unter den Schwingdeckfedern, zeigen. Die Schwanz⸗ federn ſind ſchwarz, an der Endhaͤlfte mit weißgelben Saͤumchen, die an den mittelſten ziemlich breit und nach innen graulich ſind; die aͤußerſte Feder hat indeſſen einen hellweißen Saum, welcher nach dem Ende zu ſehr ſchmal iſt, aber an der Wurzelhaͤlfte die ganze Außenfahne einnimmt, ein großer weißer Keilfleck iſt in deutlicher Anlage auf der Innenfahne derſelben vorhanden, er nimmt aber noch einen kleinern grauſchwarzen von aͤhnlicher Form in ſich auf, wodurch er ein ganz anderes Anſehen erhaͤlt. — Von unten iſt der Schwanz wie oben, aber blaͤſſer; die Schwingen unten grau, ſil⸗ berweiß gekantet, ſo daß das Weiß faſt die Oberhand hat, die großen Deckfedern ebenfalls weiß, die uͤbrigen ſchwefelgelb, . dem Rande zu in Hochgelb uͤbergehend. Sieht man denſelben Vogel ſechs bis acht Monate ſpaͤter, ſo wird man ihn ſehr veraͤndert finden, ohne daß er in der Zwiſchenzeit ſich noch einmal gemauſert haͤtte; ſein Gewand hat bloß durch das Verſtoßen und Abreiben des kleinen Gefieders eine veränderte Far: bung erhalten, weil die anders gefaͤrbten Federkanten groͤßtentheils verſchwunden ſind. Dies wird im Fruͤhlinge ſchon ſehr bemerk— bar, noch viel mehr aber im Sommer. Das alte Maͤnnchen iſt dann ein praͤchtiger Vogel. An ihm find der ganze Oberkopf, die Wangen, der Hinterhals, Ruͤcken und Schultern tief ſchwarz, mit ſtahlblauem Glanze, nur hinter oder unter den Wangen ſind Ueberbleibſel der blaͤulichweißgrauen Federſpitzchen, uͤber den Augen von den lichtbraunen einzelne Reſte geblieben, und an den Schul⸗ tern, über dem Flügel entlang, haben die großen gelbroſtfarbenen Enden ihre etwas lichter gefaͤrbten Spitzen verloren; der laͤnglichte Fleck auf dem Hinterhalſe iſt grauweiß, mit rundlichen ſchwarzen Fleckchen; der Bürzel in der Mitte rein weiß, an den Seiten ſchwarz; die Zügel find gelbbraͤunlich weiß; die ſchoͤne gelbliche Roſtfarbe der Kehle u. ſ. w. hat die weißlichen Federſpitzen verloren und tritt rein in angenehmer Friſche hervor; in den Weichen zeigen ſich die runden braunſchwarzen Flecke deutlicher, der gelbe Anflug iſt bedeutend lich⸗ ter geworden und iſt am After u. ſ. w. ganz geſchwunden; die Kan⸗ ten und Saͤume der Flügel: und Schwanzfedern find ſchmaͤler und ihre Grundfarbe bleicher, als am Herbſtkleide. Am Schnabel ges winnt das Schwarze der Spitze gegen das Fruͤhjahr eine groͤßere Aus⸗ dehnung und uͤberzieht weiterhin als lichtes Schwarzblau den ganzen N 48 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. Schnabel, ſo daß nur zuweilen unter dem Mundwinkel noch etwas vom Gelben bleibt. Juͤngere Maͤnnchen haben im Herbſt noch breitere Licht: graue und hellbraune Federkanten, die ſich im Fruͤh jahr und Som- mer nie ganz abreiben; der ſchwarze Grund iſt nicht ſo dunkel und weniger blau glänzend, die gelbliche Roſtfarbe an dem Unterkoͤrper wie auf den Flügeln viel lichter, weißlicher, und weniger pome- ranzenfarben; der Schnabel behaͤlt an ſeiner Wurzel immer etwas Gelb. Das Weibchen hat im Herbſt eine ſchwaͤrzliche Schnabel— ſpitze, graulichen Oberſchnabel und gelben Unterſchnabel, und iſt wegen weit duͤſterer Färbung des Gefieders leicht vom Maͤnnchen (ſelbſt alte Weibchen von jungen Maͤnnchen) zu unterſcheiden. Auch die aͤlteſten weiblichen Voͤgel haben nie einen fo ſchoͤn gelben Schna— bel und ihre ſonſtige Abweichungen in den Farben des Gefieders verdienen wol eine kurze Beſchreibung. Die braunſchwarzen Federn des Oberkopfes haben ſo breite braune, in lichtes Graubraun uͤber— gehende, Federkanten, daß nur Flecke von jener Farbe durchblicken, die ſich an den Seiten des Genicks haͤufen, und als ein breiter un— ordentlicher Streif auf jeder Seite des Nackens herablaufen und zu— naͤchſt dem Ruͤcken einen großen mattbraunſchwarzen Fleck bilden; die Mitte des Nackens iſt gelblichweißgrau; die Halsſeiten ſind licht aſchgrau; Wangen, Ohren- und Augengegend graulich lichtbraun, die Zuͤgel noch etwas lichter; die braunſchwarze Grundfarbe der Ruͤckenfedern blickt in dreieckigen Flecken durch die breiten, aus eis nem lebhaften Braun in braͤunliches Weißgrau uͤbergehenden Feder⸗ kanten; das Weiße des Unterrüdens und Bürzels iſt gelb angeflo⸗ gen, und die mattſchwarzen Seiten dieſer Theile haben braune Fe— derkanten, die ſchwaͤrzlichbraunen Oberſchwanzdeckfedern aber braune, in Weiß verlaufende Einfaſſungen und Spitzen. Von der weißlichen Kehle an bis auf die Oberbruſt herrſcht eine blaſſe gelbliche Roſtfar⸗ be, noch durch viel lichtere Federkanten gewoͤlkt oder zum Theil ver⸗ deckt, in den Weichen ein mattes gelbliches Braun, mit ſchwaͤrzli— chen ovalen Fleckchen beſtreuet, ſonſt an den uͤbrigen untern Theilen aber die weiße Farbe, die an den Unterſchwanzdeckfedern einen roſt— gelben Anflug zeigt; die Schultern find dunkel roſtigpomeranzen— arben, ſo auch die Enden der kleinen Fluͤgeldeckfedern, welche ſonſt, wie alle uͤbrigen Fluͤgelfedern, braunſchwarz ausſehen; die mittlere Reihe Deckfedern hat aber große roſtroͤthlichweiße Enden, die große Reihe noch längere gelblich roſtfarbene Enden und Kanten, die hin: IV. Ordn. XXVII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 8 49 en Schwingen eben ſolche eee ſonſt die uͤbrigen Fluͤ⸗ gelfedern dieſelben Zeichnungen, wie beim Maͤnnchen, nur mattere Farben. Dies iſt auch mit den Schwanzfedern der Fall, beſonders iſt der Keilfleck auf der Innenfahne der aͤußerſten wenig bemerkbar, weil er kaum mit Weißgrau angedeutet iſt; auch die zweite Feder hat oft noch einen ſolchen, aber weit kleinern Schein von einem Keilfleck; das ſchoͤne Gelb unter der Achſel iſt auch nicht ſo ſtark aufgetragen, als beim Maͤnnchen. Das Som mergewand des Weibchens zeigt auf dem Kopfe, Nacken und Ruͤcken mehr braunſchwarz, die roſtige Pomeranzen— farbe der Gurgel, Oberbruſt und Schultern ſteht reiner da, allein die Grundfarbe der Schwing- und Schwanzfedern iſt fahler gewor— den. Es unterſcheidet ſich im Aeußern auch eben ſo leicht von ſei— nem Maͤnnchen, wie im Herbſt- und Winterkleide. — Juͤngere Weibchen ſind noch grauer, die dunkeln Farben matter, die lichten ſchmutziger, und haͤufig ei bei ihnen ein etwas lichterer Augenſtreif auf. „ a Die unvermauferten Zungen follen den ein Mal gemauſerten Weibchen fehr ahnlich ſehen, und beide Geſchlechter im Aeußern wenig Verſchiedenheit zeigen. Man findet oͤfters Spielarten unter dieſen Voͤgeln, am 0 feltenften jedoch eine rein weiße (Fringilla montifringilla alba); denn meiſtens ſind im Weißen die gewoͤhnlichen dunkeln Farben durch ſchwache Schattirungen angedeutet. Sie ſehen ſehr ſchoͤn aus. Dann hat man auch weißkoͤpfige Bergfinken (Fring. montifring. leucocephala), und unordentlich weißgefleckte (Fr. montifr. varia) mit mehreren oder wenigern weißen Federn und Federpartieen zwiſchen den gewoͤhnlich gefaͤrbten. 5 Sie mauſern in den Sommermonaten und nur ein Mal im Jahr. Aufent nr alt Ein nordifcher Vogel, welcher im Sommer die Europaͤiſchen Länder ) in der Nähe und innerhalb des arktiſchen Kreiſes be⸗ wohnt, auf ſeinen jaͤhrlichen Wandrungen aber ſich auch uͤber das ganze uͤbrige Europa, bis Griechenland, Italien und Spanien hinab verbreitet, und in den mittleren Theilen, wie z. 5 Ob. auch die Aſiatiſchen? Iſt noch genauer zu erforſchen. Zr Theil. 50 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg: Fink. B. in Deutſchland, dann befonders haufig vorkoͤmmt. In Schweden und Norwegen zeigt er ſich im Sommer und niftend erſt da, wo die Feldlerche und der Thur m falke aufhoͤren das Land zu bewohnen, d. i. vom 65 Grad N. Br. an, ſehr haͤufig, nimmt in den dortigen Waͤldern die Stelle unſeres Buchfinken ein, und verbreitet ſich weiter ſo hoch nach Norden hinauf, als es noch bedeutende Waldungen giebt und die Baͤume nicht ganz verkruͤppelt erſcheinen. Die Waldungen des obern Norlands, Finn lands und der Lappmarken, find dann überall belebt von die= fer Finkenart. — Im mittleren Europa find diefe Voͤgel in den rauhern Jahreszeiten zwar nirgends felten, doch meiftens nur ſtrichweis haufig, und in manchen Jahren ſehr häufig, waͤhrend fie in andern Jahren eben fo wieder andere Striche in großer Men— ge beſuchen, welches Bezug auf das Gerathen ihrer Nahrungsmittel in einer oder der andern Gegend hat; allein nur ſehr wenige bleiben, auch bloß ausnahmsweiſe, im Sommer in den Waldungen Nord— deutſchlands, um hier zu bruͤten, ja ſelbſt im ſuͤdlichen Schweden ſoll dies faſt nie vorkommen. Auf ihren Zuͤgen nach ſuͤdlichern Gegenden und zuruͤck machen ſie ſich vorzuͤglich durch ihre Menge bemerkbar, indem ſie haͤufig in ſehr großen Schaaren fliegen, daher allenthalben gekannt find, und unter die in größter Anzahl vor: kommenden Voͤgel gezaͤhlt werden muͤſſen, daß man wol annehmen darf, daß dieſe Art noch weit zahlreicher an Individuen iſt, als der Buchfink. Als Zug vogel beginnt, nach den neueſten und ſicherſten Nachrichten, in den Gegenden ihres Sommeraufenthalts, ſchon im Auguſt das merkwuͤrdige Zuſammenrotten in Schaaren, welche ſich dann noch eine Zeit lang dort herumtreiben, das Land allmaͤh⸗ lich verlaſſen, im September und Oktober durch die ſuͤdlichen Theile der Scandinaviſchen Halbinſel paſſiren und ſo ihre Wandrungen nach dem waͤrmern Europa fortſetzen. Anfaͤnglich kommen nur einzelne oder Familien in Geſellſchaft der Buchfinken, die ſie ſehr lieben, ſpaͤterhin aber eigene große Geſellſchaften und endlich unermeßliche Schaaren, welche ſich oft wie Rauchwolken von der Erde erheben und durch die Lüfte über Land und Meer hinwegwan— dern. Sie bleiben fo lange in den noͤrdlichſten Theilen Deutſch— lands, da wo ſie Nahrung in Ueberfluß finden, in wolkenaͤhnlichen Zuͤgen beiſammen, bis ſie ſtrenge Kaͤlte und Schnee von dort ſuͤd— licher treibt. Nun waͤren ſie alſo erſt im mittleren Deutſchland zu erwarten; dem iſt jedoch nicht alſo. Sie erſcheinen naͤmlich IV. Orbn. XXVII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 51 bei uns ebenfalls ſchon Ende Septembers einzeln unter den Buch— finken, kommen in der erſten Hälfte des Oktobers ſchon in ziem⸗ lichen Geſellſchaften und gegen Ende deſſelben in großen Schaaren zu uns, wandern in die groͤßern Gebirgswaldungen nach Suͤden und Weſten, und ſammeln ſich im ſuͤdlichen und ſuͤdweſtlichen Deutſchland zu ungeheuern Schwaͤrmen, welche dort überwintern, wenn ſie nicht zu ſtrenge Witterung weiter treibt, was denn auch mit gar vielen der Fall auch ohne dies iſt, indem auch die Schweiz, das ſuͤdliche Frankreich u. a. ihren reichlichen Antheil davon bekom- men, und viele noch weiter gehen. — Mit dem Ruͤckzuge im Fruͤhjahre iſt es faſt derſelbe Fall; ſie ziehen hier im Maͤrz durch und ver— lieren ſich um die Mitte des Aprils; durch das ſuͤdliche Schweden und Norwegen paſſiren ſie auch ſchon im April, und Anfangs Mai erſcheinen fie wieder an ihren nördlichen Brutoͤrtern. — Sie kom- men im mittlern Deutſchland im Herbſt ſtets 2 Wochen ſpaͤter an, als die Buchfinken, und im Fruͤhjahr verlaſſen ſie uns auch früher; eine Vogelſtellerregel, die ſich alle Jahre bewährt. ' Auf ihren Wanderungen folgen fie mehr der Richtung, die ihnen Gebirge und große zuſammenhaͤngende Waldungen geben, und erſcheinen in ebenen freien Gegenden nie in ſo großer Anzahl, wie dort, ja in manchen Jahren ſelbſt nur einzeln. — Sie uͤberwintern in Schaaren bei uns in den groͤßern Gebirgswaldungen, und nur wenn zu viel Schnee die Erde bedeckt und ihnen ihr Futter hier ent⸗ zieht, gehen fie noch weiter; aber auch in ebenen, gar nicht waldi— gen Gegenden uͤberwintern welche, doch nur hie und da einzelne oder nur in ſehr geringer Anzahl beiſammen. Solche treiben ſich dann mit Haͤnflingen, Ammern und andern Wintervoͤgeln in der Naͤhe der Doͤrfer auf Aeckern, Wieſen, an Wegen u. ſ. w. herum, und kommen bei ſtrenger Winterwitterung ſogar, mit den Feld: ſperlingen, Goldammern ut a., auf die Bauernhöfe vor die Scheunen und Ställe. — Ihre Wanderungen beginnen mit Tages: anbruch und hoch durch die Luͤfte, ſo daß man oͤfters nur ihre Stim⸗ | men hört, aber den Schwarm nicht ſiehet: wo fie aber keine wei⸗ te Reiſe vorhaben, ſtreichen ſie auch manchmal niedrig dahin, und lagern ſich dann gegen Mittag auf die Stoppelaͤcker in die Naͤhe der Gebuͤſche und Waͤlder. Zuweilen ziehen ſie auch des Nachts und begeben ſich dann in der Abenddaͤmmerung auf die Reiſe, be⸗ ſonders im Frühjahr. — Zu Ruheplaͤtzen wählen fie meiſt die hoͤch⸗ ſten Zweige eines hohen Baumes, und eine Schaar nimmt oft auf mehreren ſolchen neben einander ſtehenden Platz, und macht ſich 52 IV. Ordn. XXVII. Gatt, 153. Berg⸗Fink . dort ſchon von weitem bemerklich. Von hier aus fliegen ſie dann nach den Futterplaͤtzen oder ſetzen die Reiſe weiter fort; denn wenn ſie recht eilen, im Herbſt z. B. bei friſchem Weſt- oder Suͤdweſt⸗ winde, ſo ziehen ſie bis Nachmittags um 2 Uhr, auch noch laͤnger. Im Fruͤhjahr eilen ſie weit mehr noch, als im Herbſt; denn in letz— terer Jahreszeit dauert ihr Zug uͤber 4 Wochen, und iſt in der letzten Haͤlfte des Oktobers am ſtaͤrkſten. Anders iſt es freilich in ſolchen Gegenden, wo ſie zu uͤberwintern gedenken. Hier in der Gegend meines Geburtsortes hat ihr Zug immer eine beſtimmte Richtung, im Herbſt gerade nach on und im Fruͤhjahr 4% . Offen zu. Im Sommer 2 0 dieſe Vögel die Nadel- und Laubwäl der jener nordlichen Länder, ſcheinen aber beſonders die erſteren zu lieben, und dieſe Vorliebe zeigt ſich auch, waͤhrend ſie bei uns ſind. Sie lagern ſich im Herbſt, ihrer Nahrung wegen, freilich auch auf freie Felder, doch nie in zu großer Entfernung vom Wald oder Gebuͤſch, am liebſten auf Stoppelaͤcker, fluͤchten ſich aber bei an- ſcheinlichen Gefahren jedesmal in die Baumzweige und Geſtraͤuche, und ſchlafen auch darinnen. Später ſammeln fie ſich in den Bu- chenwaͤldern, in welchen es viel Fruͤchte giebt, und auch in Fichten» Rund Tannenwaldungen, weniger in denen, welche bloß aus Kies fern beſtehen, und beſchaͤftigen ſich da den Winter hindurch mit Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel, wenn ſie ihnen nicht zu hoch- gefallener Schnee entzieht, und ſie die Gegend zu verlaſſen zwingt. Sie ſcheuen ſich auch nicht, bedeutende freie Flaͤchen, zwiſchen Wal: dungen und uͤber Felder hinweg, taͤglich zu durchfliegen, was man beſonders an den Orten ihres Winteraufenthalts haͤufigſt ſieht; doch iſt allenthalben ihr gewoͤhnlichſter Wohnſitz der Wald. 1 9 i So wie ſie immer geſellig leben und die einzelnen ſelbſt die Geſellſchaft anderer kleinen Voͤgel ſuchen, ſo halten ſie auch ihre Nachtruhe haͤufigſt in großen Schaaren bei einander, in den Zwei- | gen nahe beiſammenſtehender Baͤume, am liebften in Nadelbaͤumen. Haben die in einer Gegend uͤberwinternden Bergfinken ein ſolches Plaͤtzchen erſt mehrmals bezogen, ohne daſelbſt beunruhigt wor- den zu ſein, ſo kommen ſie nach Sonnenuntergang alle Tage da— hin, und bald ſieht man unter ſolchen Baͤumen den Boden, und zum Theil auch die Aeſte, mit ihrem weißen Unrath bedeckt. Sel⸗ ten uͤbernachten ſie da, wo ſie am Tage ihre Nahrung fanden, ſondern immer in andern Theilen des Waldes, oft in ſehr entfern— ten; ja man hat beobachtet, daß manche Schaaren deshalb alle Tage IV, Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 58 einen Weg von 4 Meilen machten. Wenn ſie den Tag uͤber in Buchenwaͤldern zubrachten, und Nadelwald in der Naͤhe haben, ſo uͤbernachten ſie faſt immer nur in dieſen; doch iſt es auch nicht unerhoͤrt, ſie im Laubwalde ihre Nachtquartiere aufſchlagen zu ſehen. Sie ſchlafen in den dichteſten Nadelzweigen meiſt nahe aneinander gedraͤngt, oder ſonſt zwiſchen dichten Aeſten, gehen erſt mit fin» kender Abenddaͤmmerung zur Ruhe, und verlaſſen ihre Schlafſtellen N mit dem grauenden Morgen. Eigen ſch aft e n. Es iſt eine merkwuͤrdige Erſcheinung, daß die meiſten Voͤgel, welche ſich im freien Zuſtande außerordentlich geſellig zeigen, in Schaaren mit einander wandern, hier Freud und Leid theilen u. ſ. w., die geſelligen Tugenden meiſtens ganz ablegen, wenn fie zu gewiſſen Zeiten nicht in Heerden beiſammen ſein koͤnnen, oder aber in den Zuſtand der Gefangenſchaft gerathen. Unſer Bergfink iſt ein ſolcher; in Geſellſchaft und auf der Reiſe vertraͤglich, theilneh- mend, mit Liebe an ſeines Gleichen haͤngend, und ſonſt mit allen geſelligen Tugenden ausgeſtattet, dagegen im Einzelnen aͤußerſt zaͤnkiſch, jaͤhzornig, neidiſch und beißig, gegen die ſeiner Art, wie gegen andere; im gefangenen Zuſtande toͤdtet er ſogar ſchwaͤ— chere Voͤgel, die ihm zu nahe kommen. Eifrigſt und mit einer brennenden Sehnſucht ruft der Lockvogel am Vogelheerde dem vor— überfliegenden Kameraden fo lange zu, bis er feinen Rufen und Bitten Gehoͤr giebt, ſich neben ihn ſetzt, endlich fangen laͤßt, aber nun kein ſchlimmeres Geſchick haben kann, als wenn ihn der Vo⸗ gelfaͤnger, ſeinem Verfuͤhrer, dem Lockvogel, beigeſellt; ſtatt daß dieſer, wie man aus der Einladung vermuthen möchte, ihn liebes voll aufnehmen ſollte, faͤllt er bald mit Beißen grimmig uͤber ihn her, jagt ihn ſo immerfort vom Futter weg und beißt meiſtens ſo lange haͤmiſch auf ihn los, bis er unterliegt und ſtirbt. — Wer die großen Heerden Bergfinken beobachtet, in welchen alles ein Herz und eine Seele zu ſeyn ſcheint, ſollte gar nicht glauben, daß dieſe Voͤgel i im Einzelnen ſo hoͤchſt unvertraͤglich ſein koͤnnten. Sie bei— ßen ſehr ſcharf, kneipen daher empfindlich die Finger derjenigen, welche fie ihnen hinhalten, zarten Haͤndchen giebt ihr Kneipen for gar blaue Flecke und manchmal gar blutruͤnſtige Stellen. Sie haben weit mehr Gewalt im Schnabel, als die Buchfinfen. 0 Es ſind kraͤftige Voͤgel, von einem dauerhaften Naturell, weniger ſcheu und nicht ſo klug, als die Buchfinken, auch in ihren 54 IV, Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg: Fint. Bewegungen etwas ſchwerlediger, vielleicht wegen des gedrung⸗ neren Koͤrperbaues, aber ſonſt im Sitz, Gang und Flug ihnen ſehr aͤhnlich. Auf Zweigen ſitzen fie ſehr erhaben, wenn fie die Spitzen der Baͤume beſetzt haben, ſich hier ſoͤnnen und ausruhen, wobei es unter einander auch ſelten an Neckereien fehlt, welche aber wegfallen, ſobald ſie im Begriff ſtehen, ſich auf einen Futterplatz niederzulaſſen, wobei ſie wieder vertraͤglicher als jene, aber auch viel unvorſichtiger ſind. Ihr Gang auf dem Boden iſt aus kleinen Schritten und Spruͤngen zuſammengeſetzt, wobei ſie den Rumpf ſehr wagrecht tragen, und ihr ſchneller, leichter Flug iſt dem der Buchfinken ſo aͤhnlich, daß man ſie in der Ferne, wenn man die Stimme nicht hoͤrt, nur an der etwas kuͤrzern Geſtalt von die⸗ ſen unterſcheiden kann. Auch macht ſie fliegend der weiße Buͤrzel ſehr kenntlich. Sie beſchreiben durch das abwechſelnde Ausbreiten und Schließen der Fluͤgel bald laͤngere oder kuͤrzere Bogen einer Wogenlinie, flattern im Aufſteigen erſt eine Strecke gerade fort, ſchwenken ſich mit Leichtigkeit, und zeigen dies oft beim ploͤtzlichen Niederlaſſen, das man öfters ein Niederwerfen nennen möchte, — Es ſind harte Voͤgel, welche im Winter nie die Kaͤlte, ſondern dann nur Futtermangel druͤckt. Ihre gewoͤhnliche Stimme iſt zwar der des Buchfinken aͤhn⸗ lich, hat aber einen tiefern Ton und wird ſchneller nacheinander ausge⸗ ſtoßen; klingt wie jaͤck jaͤck jaͤck, oder jack jack; aber der Haupt⸗ lockton iſt ein weittoͤnendes gezogenes Quaͤk. Beide laſſen ſie ſehr oft, fliegend und ſitzend hoͤren, doch iſt die letztere beſonders diejenige, welche zur Mahlzeit einladet, zum Fortfliegen aufmuntert, die Heerden zuſammenruft, u. ſ. w. Beim eifrigen Locken und Qua: ken ſtoßen einige auch noch ein lautes, kreiſchendes, klirrendes Schruͤik aus, was eigentlich der Grundton ihres ſchlechten Ge— ſanges iſt, welcher nicht lauter klingt, als dasjenige Gezirpe der Buchfinken, was man ihr Dichten nennt. Dieſes Zirpen mit dem kreiſchenden Ton dazwiſchen laſſen die Männchen im Frühjahr flei- ßig hoͤren, aber an ihren Brutoͤrtern ſollen ſie es noch mehr thun, und dort auch beim Neſte einen ganz aͤhnlichen klagenden Laut, wie das Trihf der Buchfinken, oft ausſtoßen. An die Gefangenſchaft gewoͤhnen ſie ſich ſehr bald und werden ſehr zahm, haben jedoch faſt keine empfehlende Eigenſchaft als dieſes, ihre Dauer, und ihr buntes Kleid. Im Vogelbauer dauern ſie jedoch nicht leicht uͤber 2 Jahre, wo ſie dicke Koͤpfe bekommen, blind werden und endlich ſterben; aber in einer eigenen luftigen Kammer halten IV. Ord n. XXVII. Gatt. 153. Berg: Fine 55 fie ſich viel länger und find auch, wegen ihres Beißens, den an⸗ dern Voͤgeln nicht fo nachtheilig, weil dieſe ihnen ausweichen koͤn— nen. Will man ſie unter andere aͤhnliche Voͤgel in Einen Bauer ſperren, was beim Vogelſtellen wichtig iſt, ſo muß man Weibchen dazu waͤhlen, die nicht ſo boßhaft ſind, doch eben ſo gut locken, wie die Maͤnnchen; denn dieſe beißen nicht allein andere kleinere Voͤgel, ſondern oft auch Buchfinken ſo zu ſchanden, daß ſie ſterben, und finden nur an Gruͤnhaͤnflingen ihnen widerſtehende Gegner. Sie halten ſich auch mit abgeſtutzten Fluͤgelfedern in der Stube herumlaufend ziemlich lange. In einem großen Vogelbehaͤlter, worin ſie friſche Luft und Sonne genießen, daher regelmaͤßig mau⸗ ſern, werden alte Maͤnnchen nach einigen Jahren an den obern Theilen rein glaͤnzend ſchwarz, und auch die uͤbrigen Farben erhalten eine große Vollkommenheit. Ein ſolches Maͤnnchen iſt dann ein herrlicher Vogel. HR Nahrung. Die Hauptnahrung ſind oͤhlhaltende Geſaͤme vieler Pflanzen, der Nadelbaͤume und Rothbuchen; im Sommer Inſekten. Wenn ſie im Herbſt zu uns kommen, lagern ſie ſich auf die Stoppelaͤcker und leſen hier den Samen von wilden Mohn, Hederich und vielen andern Tetradynamiſten auf, auch von Vogelknoͤterich, Wegerich, Hirſengras, Hirſe, Hafer u. dergl., freſſen ſo theils oͤhlige, theils mehlige Saͤmereien, auch Hanf, Raps, Ruͤbſaat, Lein, Dotter, Sallatſamen, den Samen von Diſteln undandern Syngeneſiſten. Den Hanfaͤhnlichen Samen der Hanfneſſeln (Galeopsis) lieben ſie ganz beſonders. — Im Spaͤtherbſt ziehet ſich die Mehrzahl in die Buchenwaͤlder, wo es viel Bucheln (Bucheckern, Buchnuͤſſe) giebt, und dieſe ſind, ſo lange ſie ihnen der Schnee nicht entzieht, dann faſt ausſchließlich ihre Nahrung. Sie lieben dieſe Früchte fo ſehr, daß ſie in dieſer Zeit ſolche Waͤlder, gleich den Heuſchrecken der Morgenlaͤnder, in unermeßlichen, wolkenaͤhnlichen Zuͤgen uͤber— ziehen. Spaͤter, wenn dieſe Fruͤchte zu mangeln anfangen, oder auch in Jahren, wo fie mißrathen find, gehen fie in die Fichten und Tannenwaͤlder, nach den Samen def Baͤume; auch Erlen⸗ und Birkenſamen ſuchen ſie, und die Kerne mancher Beeren, z. B. der Ebreſchen und Wachholdern, wenn es an andern Saͤmereien mangelt. Im Winter auf den Höfen und vor den Scheunen neh: men die einzelnen mit Hafer und Waitzenkoͤrnern fuͤrlieb. Nur mit wenigen Ausnahmen ſuchen ſie alle genannten Dinge 56 IV. Ordn. XXVI. Gatt. 153, Berg⸗Fink. auf ba Erdboden auf, wenn die Samen ſchon ausgefallen find, daher entzieht ihnen der Schnee oft dieſelbe, und dann muͤſſen ſie Noth leiden oder gar auswandern. Die in großen Waldungen uͤberwinternden Schaaren bedecken daher unter den Buchen, oder unter Fichten und Tannen oft den Boden, und wenn ſie da ploͤtz— lich aufgeſcheucht werden, verdunkeln ſie die Luft und erfuͤllen ſie mit ihren tauſendfachen Stimmen auf eine ganz eigene Weiſe. Sie huͤlſen alle Saͤmereien ſorgfaͤltig und verzehren blos den von der Schale befreieten Kern. Im Sommer fangen ſie kleine Heuſchrecken, Kaͤferchen, Motten, Fliegen, Spinnen, ſuchen al— lerlei Raͤupchen und andere Inſektenlarven, und füttern mit Ins ſekten auch ihre Jungen auf. Sie gehen auch oft zur Traͤnke und baden ſich daſelbſt haͤufig, wobei ſie ihr Gefieder meiſtens ſo naß machen, daß fie kaum noch fliegen koͤnnen, allein alle einer Gefell: ſchaft baden ſich nie zu gleicher Zeit. Gefangene gehen gleich an das vorgelegte Futter und halten ſich ohne Mühe bei bloßem Ruͤbſaat vortrefflich. Hanf freſſen fie zwar noch lieber, aber er iſt ein zu hitziges und zu bald fettmachens des Futter, bloßer Hafer oder Hirſe wieder zu mager, auch Lein oder Dotter, was alles ſie eben nicht gern freſſen, und was ihnen auf die Laͤnge auch nicht zutraͤglich iſt. Bei in Milch geweichter Ger— ſtengruͤtze halten fie ſich auch gut, und die, welche man in der Stube herumlaufen laͤßt, ſuchen ſich neben ihrem gewoͤhnlichen Futter u allerlei Broſamen und Abfälle des Tiſches. or t pf lan z u n g. Die Bruͤteplaͤtze des Bergfinken liegen im hohen Norden. Nach Boie niſtet er noch nicht, wie früher behauptet wurde, in den Waͤldern bei Drontheim in Norwegen, ſondern 80 Meilen weiter noͤrdlich erſt, bei Aargaard, in Menge, unter dem 65 Grad nord. Breite, wo der Thurmfalk, die Feldlerche und der Buchfink verſchwinden. Von hier an bis zum 69 Gr. n. Br. fand B. alle Birken- und Fichtenwaldungen von ihnen angefuͤllt; aber ſie gehen noch hoͤher hinauf. Daß ſie auch ſchon im ſuͤdlichen Theil von Norwegen und Schweden niſten ſollten, wird ges leugnet, aber man behauptet, daß dies von einzelnen Paͤaͤrchen in kalten Sommern ſogar bei uns im noͤrdlichen Deutſchland geſche— he, was ich aber aus Mangel eigner Erfahrung weder beftätigen, noch unrichtig nennen kann. Ihre Neſter bauen die Paͤaͤrchen zerſtreuet im Walde, welcher IV. Ordn. XXVII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 57 aber dort von ſehr vielen bewohnt wird, auf Birken, wie af Na⸗ delbaͤume, in die dichten Zweige, auf einen ſtarken Aſt, oder dicht an den Schaft eines Baumes, in welchem Falle das Neſt ſich an dieſen anlehnt und an ſeinem Boden von kleinen Aeſtchen unter— ſtuͤtzt wird. Es gehoͤrt unter die kuͤnſtlichſten Neſter, beſtehet aus einem dichten Gewebe von Moos und zarten Haͤlmchen, und iſt von außen mit den Flechten des Baumes, worauf es ſtehet, ſo ſchoͤn bekleidet, daß es einem mit Flechten uͤberwachſenen alten Aſte voll- kommen aͤhnlich ſieht und deshalb oft ſchwer zu entdecken iſt. Es bildet inwendig einen tiefen, am Rande etwas eingebogenen Napf, und iſt im Innern mit Federn und Haaren weich und warm ausge— polſtert. Das Neſt gleicht in Allem dem des Buchfinken ſo voll— kommen, daß ſich die nahe Verwandſchaft beider Arten auch hier— durch wunderbar ausſpricht, wozu dann noch die eben ſo große Aehnlichkeit zwiſchen den Eiern beider Arten, die hier ebenfalls auf gruͤnlichweißem, zuweilen roͤthlich gewoͤlktem Grunde dunkelbraun gepunktet und mit leberbraunen Brandflecken bezeichnet ſind; wozu endlich auch noch ein ganz ähnlicher Paarungsruf kommt. Die Zahl der Eier iſt fuͤnf bis ſieben, und die Jungen werden, eben wie bei jener Art, mit Inſekten aufgefuͤttert, die e die Alten im Schnabel bringen. Da es nicht wahrſcheinlich iſt, daß ſie zwei Gehecke in einem Sommer machen, wenigſtens in der Regel nicht, ſo muß man um ſo mehr uͤber ihre große e und jaͤhrliches zahl⸗ BR Vorkommen erſtaunen. Sein d e Eben des letzterwaͤhnten Umſtands wegen kann ihre Brut wenig Feinde haben, aber von den Alten wiſſen wir gewiß, daß ſie den Nachſtellungen der kleinern Raubvoͤgel ſehr ausgeſetzt ſind. Waͤhrend ihres Hierſeins verfolgen ſie die kleinen Edelfalken und Habich te unablaͤſſig, und der Sperber iſt ihr Todfeind, an den Orten ihres Winteraufenthalts eine wahre Geißel fuͤr ſie, und ihr Verfolger auf allen ihren Zuͤgen. Im Norden, wo dieſer end— lich aufhört, weil er ſelten bis zu ihren Sommerwohnungen hinauf. geht, tritt ein aͤhnlicher, eben ſo arger Feind, der Merlin, an ſeine Stelle, welcher jene Regionen bis ſelbſt zu denen, wo gar kein Baum mehr waͤchſt, bewohnt, und dieſe iR e 0 ſtand hes gewoͤhnlichſten Jagden macht. 1 58 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg: Fink. Im Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten und in den Einge⸗ weiden ein Bandwurm, Taenia fringillarum. J a g d. Zu ſchießen ſind ſie, weil ſie nicht ſcheu ſind, leicht und in Menge, indem ſie ſehr gedraͤngt ſitzen und fliegen, ſo daß man Beiſpiele hat, daß ein wohlangebrachter Doppelſchuß (im Sitzen und Auffliegen), mit Vogeldunſt, ihrer mehr als ein halbes Hundert zu Boden ſtreckte. Die Jagd mit dem Blaſerohr wird hier auch wichtig, und beſonders in den Rheinlaͤndern, in Elſaß u. ſ. w., wo dieſe Voͤgel in großen Maſſen uͤberwintern. Sie wird dort mit vieler Liebe auf folgende Art betrieben. Sobald man bemerkt, daß große Maſſen dieſer Vögel in einem gewiſſen Walddiſtricte über: nachten, und regelmaͤßig alle Abende wieder dahin kommen, ver— abreden die Jagdliebhaber, welchen Abend ſie Jagd halten wollen, ſchicken aber zuvor Kundſchafter aus, welche ſich genau diejenigen Bäume merken, auf welchen die Schaar zu ſitzen und ihre Nachtquar⸗ tire zu nehmen pflegt, was immer, waͤre die Anzahl auch noch ſo groß, nur wenige Baͤume ſind. Mit Einbruch der Nacht ſetzt ſich nun die Jagdgeſellſchaft, mit Fackeln, Blaſeroͤhren und trocknen Thonkugeln verſehen, in Bewegung, und zieht zum Walde hin, wo ihnen denn die angezuͤndeten Fackeln leuchten und die Vögel vom Lichte derſelben geblendet werden, ſo daß ſie ſtill ſitzen und von den geuͤbten Schuͤtzen, einer nach dem andern herabgeblaſen werden koͤnnen. Fehlſchuͤſſe thun keinen Schaden, wol aber Streifſchuͤſſe oder ſolche, die nicht gleich toͤdten, und wo der getroffene Vogel ein lautes Geſchrei erhebt, die andern damit munter macht und zur Flucht reizt, was denn zuletzt, wenn es häufig vorfaͤllt, das Ende der Jagd herbeifuͤhrt. Eine ſolche Nacht raubt, wenn alles gluͤck— lich geht, Hunderten dieſer Vögel das Leben, und gute Blaferohr: ſchuͤtzen kehren ſtets mit gefüllten Waidſaͤcken davon heim. Dies iſt die beliebte Boͤh m erjagd jener Gegenden. Auf dem Finkenheerde iſt unſer Vogel, naͤchſt dem Buch⸗ finken, der Hauptgegenſtand des Fangs; weshalb man immer einige Lockvogel und Laͤufer ſeiner Art halten muß. Sie locken meiſt alle gut, die friſchgeſangenen oft beſſer, als die, welche man vom vorigen Jahr dazu aufgehoben hatte. Man hat dies auch gerade nicht noͤthig, denn ſie folgen auch dem Locken der Buchfinken gern, beſonders die einzelnen zuerſt ankommenden, die auch meiſtens in Geſellſchaft dieſer wandern, und ſo kann man gleich die zuerſt IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. 69 gefangenen zu Lockvoͤgeln für dieſen Herbſt behalten, und ſollten fie ſchlecht einſchlagen, nachher bald mit andern vertauſchen. Bei kleinern Geſellſchaften kann man mit dem Ruͤcken der Netze warten, bis ſie alle auf den Heerd eingefallen ſind, denn ſie fallen am beſten unter allen Heerdvoͤgeln, brauchen auch viel Zeit, um ſich ordentlich ſatt zu freſſen, und ſelbſt von großen Heerden entkommen deshalb oft nur wenige. So geſchieht es gar nicht ſelten, daß man mehr, als ein Schock auf ein Mal unter den Netzen hat, ja ich weiß Falle, wo drei bis vier Schock auf ein Mal geruͤckt wurden. Sie zeichnen ſich hier vor den Buchfinken durch groͤßere Sorgloſigkeit, durch ſtaͤrkern Freßbegier und durch mehr Ruhe dabei aus; kaum auf den kleinen Baͤumen (Hack- oder Fallbaͤumen) am Heerde angekommen, ſtuͤrzen ſchon einzelne herab auf den Heerdplatz, und in kurzer Zeit ſitzt die ganze Geſellſchaft neben den Laͤufern, das aufgeſtreuete Futter ſchmauſend, zumal wenn Hanfſamen darunter iſt. Sie ſind auch da, wo es genug zu freſſen giebt, gar nicht ſo futterneidiſch, wie jene, deshalb am Heerde lange nicht ſo unruhig, und man braucht mit dem Zuruͤcken ſich gar nicht zu uͤbereilen, obwol den vorſichtigen Vogelſteller auch hier, beſonders wenn große Schaaren an den Heerd kommen, Erfahrung leiten muß; denn unter einer Menge giebt es auch unruhige geſcheidte Koͤpfe, welche die andern warnen, zur Flucht ermahnen, u. ſ. w. — Da wo fie vom Wins terwetter uͤberraſcht werden, kann man ſie durch Lockvoͤgel auch an beſondere Futterplaͤtze koͤrnen, dann ein Schlaggarn da aufſtellen, und ſo manchmal einen guten Fang machen. Im Winter ge⸗ hen ſie bei den Doͤrfern uͤberhaupt in jede Art Falle, in den Hoͤfen ſelbſt in Meiſenkaſten und unter ein aufgeſtelltes Sieb. — In den Dohnen fangen ſie ſich nicht ſelten, beſonders wenn die Erde mit Schnee bedeckt und ihnen ſo ihr gewoͤhnliches Futter entzogen iſt; dann gehen ſie nach den Kernen der Ebreſchbeeren, und fangen ſich oft ſogar ſehr haͤufig in den damit behaͤngten Doh— nen. — Im Frühjahr faͤngt man fie auch auf den Lockbuͤſchen, wo ſie den Locktoͤnen des Buchfinken, wenn man gerade keinen Lock⸗ vogel ihrer Art hat, auch leicht folgen. Nutz en. In wiefern dieſe Voͤgel durch ihre Nahrung nuͤtzen, iſt nicht bekannt; es iſt wahrſcheinlich, daß ſie im Sommer viel ſchaͤdliche Waldinſekten vertilgen. Unmittelbar nuͤtzen ſie zur Speiſe und ſind dem Vogelſteller 60 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 153. Berg⸗Fink. ſehr eintragliche Voͤgel. Ihr Fleiſch wird zwar gern gegeſſen, und ſchmeckt manchen Perſonen ſehr gut, doch hat es einen Riten Bei⸗ geſchmack, der wieder vielen nicht behagt; es iſt auch nicht fo zart, wie das vieler . kleinen Voͤgel, und hat haͤrtere Knochen. Scha de n. Re; Buchenwaͤldern, wo die ſich daſelbſt einfindenden großen Schaaren die herabgefallenen Bucheln in uͤberaus großer Menge aufzehren, haͤlt man ſie fuͤr ſchaͤdlich, weil man vielleicht jene Fruͤchte beſſer zu benutzen gedachte. Sonſt kann man ihnen andere ver— ſtreuete Saͤmereien gern goͤnnen, zumal da ſie auch eine große Menge ſolcher aufleſen, welche von Pflanzen kommen, deren Ver— mehrung andern nuͤtzlichen Gewaͤchſen nachtheilig wird, und die man mit dem Namen: Unkraut belegt. 50 Vierte Familie. S aͤ nflinge. Ligurinmi. Mit an der Wurzel faſt rundem, kurzen, dicken, aͤcht kreiſel— foͤrmigen, ſcharfſpitzigen Schnabel; niedrigen ſchwaͤchlichen Fuͤßen; kleinen ſchlanken Naͤgeln; ſchmalen, ſpitzigen Fluͤgeln, an welchen die erſte und zweite Schwingfeder ſaſt gleich lang und die laͤngſten unter den uͤbrigen ſind. Der Schwanz iſt mittelmaͤßig, am Ende gabelicht ausgeſchnitten, die Spitzen ziemlich ſcharf. Sie haben einen ziemlich kleinen, etwas flachen, hinterwaͤrts ann Kopf, und einen meiſt etwas ſchlanken Koͤrper. f Sie wohnen in Waͤldern und Gaͤrten, einige auch in rauhern Gebirgsgegenden, — halten ſich gern in Geſellſchaften zuſammen, wandern ſuͤdlicher oder uͤberwintern in Deutſchland in ſolchen, und manche halten ſich in dieſer Zeit faſt immer auf freiem Felde auf. — Sie leben von allerlei Saͤmereien, doch meiſtens von oͤhligen, die ſie vom Boden aufleſen, aber auch von den Pflanzen und Baͤu— men herabholen. — Sie niſten mehrentheils im Gebuͤſch, in He⸗ cken, oft nahe an der Erde, oder auch auf Baͤumen, doch nicht ſehr hoch, und bauen etwas kuͤnſtliche Neſter, worin ſie 5 bis 6 Eier legen, welche mehrentheils gruͤnlichweiß ausſehen und braun⸗ rothe Puͤnktchen haben. Sie bruͤten zwei Mal im Jahr und fuͤttern die Jungen aus ihrem großen Kropfe mit geſchaͤlten und erweichten Saͤmereien auf. — Sie baden ſich im Waſſer, nur ſelten im _ Staube. Einige ſind angenehme gelehrige Staten und man⸗ che werden haͤufig zur Speiſe gefangen. ' Vier Arten. 154. Der Grün-Hänfling. Fringilla chloris. Temm. et Mey. 1. Männchen im Fruͤhlinge. Taf. 120. ! 2. Weibchen. (3. Junger Vogel. | Grüner Hanfling, Gelbhaͤnfling, waͤlſcher Hänfling, Grün: ling, Gruͤnfink, grüngelber Fink, gruͤngelber Dickſchnaͤbler, gruͤ⸗ ner Dickſchnabel, gruͤner Kernbeißer, Gruͤnvogel, Gruͤnſchwanz, Groͤoͤnſchwanz, Groͤoͤling, Grinzling, Gruͤndling; — Roͤmiſcher Zeiſig; Rapfink, Hirſenfink, Hirsvogel; Kutvogel; Tutter, Schwanſchel, Schwanzka, Schwaniß, Schwonetz, Schwunz, Schwunſche, Zwuntſche; hier zu Lande: Schwunſch und Schwunſchhaͤnfling. Loxia chloris. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 853. u. 27. = Lath. ind. I. p. 382. n. 39. = Retz. faun. suec. p. 236. n. 213. 8 orn. suec. I. p. 131. n. 64. = Fringilla chloris. Meyer, Voͤg. Liv: und Eſthlands. S. 76. = Temminck Man. re Edit, p. 206. —= Ligurinus chloris. Koch, Baier. Zool. I. S. 230. n. 144. = Le Verdier. Buff. Di IV. p. 172. t. 15. — Edit. d. Deuxp. VII. p. 188. t. 3. f. 1. = Id. PI. enl. 267. f. 2. = Gerard. tab. elem. I. p. 163. = Gros-bec Verdier. Temm. man. nouv. edit. I. p. 346. Greenfinch. Penn, arct. Zool. II. p. 353. B. — The green Grosbeak. Lath. syn. II. 1. p. 134. n. 36. et suppl. p. 152. — Ueberf. v. Bechſtein. III. S. 127. n. 36. — Bewick brit. Birds. I. p. 180. — VFerdone. Stor. degl. ucc. III. t. 331. f. 1. et 2. —= De Groenling. Sepp. Nederl, Vog. I. t. p. 73. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 45. — Deſſen Taſchenb. I. S. 110. = Teutſche Ornith. v. Becker u. a. Heft. 15. — Wolf u. Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 4. — Deren Taſchenb. I. S. 144. = Meisner u. Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 70. n. 71. = Brehm, Beitr. II. S. 571. — Friſch, Voͤg. Taf. 2. untere Fig. M. u. W. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. S. 44 Taf. 4. Fig. 8. Maͤnnchen, Fig. 9. Weibchen. Kennzeichen der Art. Hauptfarbe gelbgruͤn; der Fluͤgelrand, die großen Schwin- gen auf der Außenfahne, und die meiſten Schwanzfedern an der Wurzelhaͤlfte hochgelb. IV, Or bn. XXV III. Gatt. 154. Grün⸗Hänfling. 63 BT Diefer bekannte Vogel iſt etwas kurz von Geſtalt, mit dickem Kopf und Schnabel, kurzen ſtaͤmmigen Fuͤßen, und aͤhnelt hierin den Kirſchkernbeißern. Geſtalt und Farbe zeichnen ihn uͤbri— gens vor vielen dieſer Gattung ſo aus, daß es eigentlich keinen giebt, welcher ihm ſehr aͤhnlich iſt oder mit ihm verglichen werden koͤnnte. Deshalb waͤre es gar nicht unthunlich, in der Finkengattung eine eigene Familie fuͤr ihn zu bilden; da er jedoch unter den Europaͤ⸗ ern keinen nahen Familienverwandten haben moͤchte, und er uͤber— dem in feiner Lebensart und Fortpflanzungsweiſe ein wahrer Hanf: ling iſt, ſo habe ich ihn nicht von dieſen trennen moͤgen. Kaum etwas kleiner, als der Hausſperling, mißt er in der Länge 6 Zoll, ſelten etwas druͤber; in der Breite 11 bis 11 Zoll; ſein 5 Linien tief gabelfoͤrmig ausgeſchnittener Schwanz mißt 23 Zoll, und die ruhenden Flügel bedecken ihn bis auf £ Zoll Laͤn⸗ ge. Die drei erſten Schwingfedern ſind faſt gleich lang und die laͤngſten. Der Zoll lange, an der Wurzel ſehr dicke, von allen Sei⸗ ten gleichfoͤrmig, wie eine Pyramide zugeſpitzte Schnabel ift fleiſch⸗ farbig, unten lichter, als oben, an der Spitze oft graulich. Im Herbſt iſt er hell roͤthlichgrau, vorn am dunkelſten, blos an den Mundwinkeln fleiſchfarben. Das runde Naſenloch wird durch kleine Borſtfederchen zum Theil verdeckt. Die Iris iſt dunkelbraun, in der Jugend graubraun. Die kurzen, ſtarken Fuͤße ſind mit mittelmaͤßigen, nicht ſehr krummen Krallen bewaffnet, an den Laͤufen vorn getaͤfelt, auf den Zehen geſchildert, die Zehenſohlen warzig. Im Fruͤhjahr ſind ſie ſchmutzig fleiſchfarben, im Herbſt roͤthlichgrau, oder braungrau mit durchſchimmernder Fleiſchfarbe. Die Hoͤhe des Laufs betraͤgt nur 4 Zoll; die Länge der Mittelzeh mit dem Nagel eben fo viel; die der Hinterzeh mit dem Nagel 7 Linien. Das Maͤnnchen iſt von oben ſchoͤn gelblich olivengruͤn, am lichteften und ſchoͤnſten auf dem Kopfe und an den kleinen Flügel: deckfedern, an der Stirn und auf dem Buͤrzel in ſchoͤnes Grün: gelb uͤbergehend; die letzten obern Schwanzdeckfedern, die Wan⸗ gen und Halsſeiten ſchoͤn aſchgrau, aber nicht ſcharf begrenzt; die Kehle gelb; Gurgel, Kropfgegend und Seiten ſchoͤn gelblich oliven⸗ gruͤn, an den letztern ſtark mit Aſchgrau uͤberlaufen, die Bruſt gruͤnlich gelb, nach der Mitte zu am ſchoͤnſten und am Bauch in weiß uͤbergehend; die untern Schwanzdeckfedern ſchoͤn ſchwefelgelb; 64 IV. Orbn. XXVII. Gatt. 154. Grün-Hänfling. die Schenkel vorn weiß und gelb gemiſcht, hinten olivengrau. Der vordere Rand des Fluͤgels iſt ſehr ſchoͤn zitronengelb, denn auch die großen Schwingen haben uͤber den groͤßten Theil ihrer Laͤnge, von der Wurzel an, auf ihren aͤußern Fahnen dieſe Farbe, gegen das Ende aber blos grauweiße Saͤumchen; uͤbrigens ſind ſie ſchwarz, wie ihre Deckfedern und alle uͤbrigen Schwingen, von welchen jene und die mittleren Schwingfedern olivengruͤne Saͤume, die hinter— ſten Schwingen aber blos an der Außenfahne ſehr breite, faſt zum Schaft reichende, aſchgraue Kanten haben, die an den Enden der Federn ins Weißgraue uͤbergehen; die große Reihe Deckfedern durch— aus ſchoͤn aſchgrau. Die aͤußerſte Schwanzfeder iſt von der Wurzel an, zwei Drittheile ihrer Laͤnge nach, licht hochgelb oder ſchoͤn zitronengelb, nach der Spitze zu ſchwarz mit grauweißem Saͤumchen, und eben ſo ſind auch die folgenden vier gezeichnet, doch ſo, daß das Gelbe allmaͤhlich abnimmt, was endlich auf der fuͤnften nur noch einen gelben Außenſaum an der Wurzelhaͤlfte bildet, dem zunaͤchſt die ganz ſchwarzen Mittelfedern blos einen olivengruͤnen, an der Endhaͤlfte weißgrauen Saum haben. Auf der un- tern Seite iſt der Schwanz eben fo gezeichnet, doch viel blaͤſſer. Die Schwingen ſind von unten dunkelgrau, an der innern Fah— nenkante grauweiß; die untern Fluͤgeldeckfedern (den Rand des Fluͤ— gels ausgenommen, b ſchoͤn gelb > weiß, ſchwefelgelb ge⸗ miſcht f Bei jüngern Mänuchen iſt das ſchoͤne Hochgelb blei⸗ 4 cher, oder hoch ſchwefelgelb; die Hauptfarbe des Vogels überhaupt mehr gruͤn, als gelb, von oben beſonders mit etwas Braun über: laufen; auch das ſchoͤne Aſchgrau an den Wangen und in den Sei ten ein bloßes Braungrau, das auf den Fluͤgeln auch zum Theil mit dieſer Farbe uͤberlaufen und daher minder ſchoͤn. . Das Herbſtkleid ſieht wegen der anders gefärbten Raͤn-⸗ der des jungen Gefieders viel ſchmutziger aus; denn die Federn der obern Theile haben licht olivenbraune, die an der Kehle, Gurgel und Bruſt lichtgraue, die des übrigen Unterleibs aber weiße Raͤn— der, durch welche die ſchoͤnen Farben des Fruͤhlingskleides wie mit einem ſchmutzigen Flor überzogen erſcheinen und nur bei verſchobe⸗ nem Gefieder hervorleuchten. Nach und nach reiben ſich die Raͤn- der ab, Luft und Sonne machen die Farben lichter, und ſo entſtehet denn nach und nach das oben beſchriebene Fruͤhlingskleid. Die Weibchen weichen im Aeußern ziemlich von den Maͤnn— chen ab, ſo daß ſie leicht zu kennen ſind. Im Ganzen fallen die IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Grün⸗Haͤnfling. 65 Farben hier viel mehr ins Graue, als ins Gruͤne, das auszeichnende Gelb an den Fluͤgel- und Schwanzfedern iſt nicht nur viel bleicher, ſondern auch lange nicht ſo ausgedehnt, denn an den Kanten der erſten Schwingfedern und an den aͤußerſten Federn des Schwanzes, wo es noch die groͤßte Ausdehnung hat, reicht es doch nicht ganz bis an den Schaft. Alle obern Theile haben eine duͤſtere braungraue Farbe, die bald mehr, bald weniger und ganz unmerklich olivengruͤn uͤberlaufen iſt, was auf dem Buͤrzel ſich nur zu einem ſchmutzigen Gelbgruͤn erhebt; dazu zeigen die Oberruͤcken-und Schulterfedern einen dunkeln Schatten am Schafte, der dieſe Theile oͤfters matt gefleckt oder gewoͤlkt macht; alle untern Theile, die weiße Mitte der Unterbruſt und Bauch ausgenommen, ſind lichter, als die obern, matt olivengrau, in den Weichen und an den Kropfſeiten dunkler gewoͤlkt oder an den erſtern oft mit einer dunklern Farbe undeutlich gefleckt; die kleinen Fluͤgeldeckfedern gehen nach dem Rande zu aus dem gruͤnlichen Grau in mattes Schwefelgelb uͤber, was ſich denn auch an den Außenkanten der großen Schwingen, am meiſten wur— zelwaͤrts, und an den aͤußern Schwanzfedern zeigt, waͤhrend die Enden ſchmal lichtgrau geſaͤumt ſind; die Kanten oder Außenfahnen der großen Deckfedern und hintern Schwingfedern, welche beim Maͤnnchen ſchoͤn aſchgrau ſind, haben hier ein duͤſteres roͤthliches Braungrau; auch iſt die Grundfarbe aller großen Fluͤgel -und Schwanzfedern nicht ſchwarz, ſondern nur braͤunlichſchwarzgrau. Schnabel und Fuͤße ſind fleiſchfarben, en aber von der rn an ſtark mit Grau uͤberzogen. Die alten Weibchen ſind allezeit grünlicher, als die j uͤn⸗ gern, ja im hohen Alter erreichen manche faſt die Schoͤnheit der einjaͤhrigen Maͤnnchen; der Oberruͤcken iſt einfarbiger, alles aber gruͤnlicher, unten gelblicher, geworden, und ſie unterſcheiden ſich dann von den gewoͤhnlich vorkommenden ziemlich bedeutend. Sonſt bewirken Witterung und das Abreiben der Federraͤnder in den Farben des weiblichen Gefieders wenig Veraͤnderung, das Sommerkleid iſt bloß etwas grauer und unanſehnlicher, als das Winterkleid, ein geringer Unterſchied, wie er bei‘ vielen unſerer ein Mal mau⸗ ſernden Voͤgel vorkoͤmmt. Das Jugendkleid hat am Ober- und Unterkoͤrper viele dunkle Laͤngsflecke, wodurch es ſich ſehr kenntlich macht. Im Neſte fallt der Grund, worauf dieſe Flecke ſtehen, ſtark ins Lichtgelbe, ja an der Bruſt iſt faſt ein helles Schwefelgelb. Dies wird jedoch - völlig ausgewachſenen Gefieder, wenn die Voͤgel ſchon geflogen r Theil. 5 * 66 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. haben, wie bei aͤhnlich gefaͤrbten, z. B. den jungen Goldammern, durch andere duͤſtere Farben verwiſcht, und der junge Gruͤnhaͤnfling hat dann folgende Farben: Kopf und alle obern Theile find oliven— grau, mit dunkeln Schaftflecken und hin und wieder mit gruͤngelb— lichen Seitenkanten, der Kopf am wenigſten gefleckt; ein undeut— licher Streif uͤber den Augen, auch Flecke vor denſelben und unter den etwas dunklern Wangen, matt olivengelb, die Kehle etwas weiß— licher; der uͤbrige Unterkoͤrper iſt blaß gruͤngelblich mit roͤthlichgrauer Miſchung und ziemlich großen dunkelgraubraunen Schaftflecken; die kleinen Fluͤgeldeckfedern haben die Farbe der Ruͤckenfedern, die großen nebſt den hintern Schwingen braungraue Kanten, die Saͤume der großen Schwingen und der Fluͤgelrand ſchwefelgelb, über: haupt Flügel: und Schwanzfedern wie an den ein Mal vermauſerten Voͤgeln; der Schnabel roͤthlichgrau, an der 1 lichter, die Fuße blaßfleiſchfarbig, der Augenſtern dunkelbraun. Im Nefte find Rachen und Mundwinkel mattgelb, auch die Fuͤße fallen ins Gelbe liche, und die allererſte Bedeckung, ehe die Federn hervorkommen, ſind duͤnnſtehende, lange, zaſerichte, dunkelgraue Dunen. — Das Geſchlecht an den eben ausgeflogenen Jungen zu beſtimmen, iſt truͤglich, denn nicht immer ſind die gelben und weniger gefleckten die Maͤnnchen, oder die grauern und ſtarkgefleckten die Weibchen, wenigſtens erfordert es, wenn man nicht beide gegen einander hal— ten kann, einen ſehr geuͤbten Blick. Man beſchreibt auch einige Spielarten, wovon eine ganz weiß oder gelblichweiß (Fring. chloris candida.), an den Fluͤ⸗ geln und dem Schwanz mit den durchſchimmernden gewoͤhnlichen Farben, und dann eine bunte (Fring. chloris varia.), mit weißen und gelben Flecken oder Stellen einzelner Theile, genannt werden, die aber ſelten vorkommen. So hat man auch eine Mißſtaltung mit gekreuzten Spitzen am Schnabel gefunden. Die Baſtar— de, welche aus einer Vermiſchung mit Canarienvoͤgeln ent⸗ ſtehen, ſind von ſtarkem Koͤrperbau und oft von ſchoͤnen Farben, werden aber als ſchlechte Saͤnger wenig geachtet. Im Auguſt und September mauſern die alten Grünhaͤnflinge, die jungen wenige Wochen nach dem Ausfliegen. Aufenthalt. Dieſer Fink hat eine weite Verbreitung; denn nicht allein Europa, wie man ſagt, vom 65 Gr. n. Br. an bis zu den In⸗ feln des griechiſchen Archipel, ſondern auch das nördliche Afrika, IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. 67 die Canariſchen Inſeln und in Aſien Kamtſchatka, werden als ſeine Wohnplaͤtze genannt. Im mittlern Europa iſt er am haͤufig— ſten, und hier in den meiſten Laͤndern gemein, in gebirgichten, wie in ebenen, aber nicht auf Hochgebirgen. In Deutſchland gehört er unter die allbekannten Vögel, denn er fehlt in allen wal= digen oder nicht zu kahlen Gegenden nirgends, und manche beſitzen ihn in großer Anzahl, wie z. B. Anhalt und die angrenzenden Laͤnder; doch iſt dieſe Art nicht ſo uͤberaus kit an Sibir. als einige andere Finken. Im noͤrdlichen Deutſchland darf man dieſe Vogel wol unter die Zug voͤgel zählen, obgleich auch viele bei uns überwintern. Dies iſt beſonders in gelinden Wintern der Fall, wo ſie ſich oft Heerdenweis im Lande herumtreiben, was in anhaltend ſtrengern Wintern kaum von einzelnen Paͤaͤrchen geſagt werden kann. Auch ſieht man ſie im Spaͤtherbſt in großen Geſellſchaften aus dem Nor— den zu uns kommen und nach Suͤden weiter wandern; allein ihr Zug geht nicht ſo regelmaͤßig, wie der vieler anderer Zugvoͤgel, ſie verweilen, wo es ihnen behagt, oft laͤngere Zeit, und koͤnnten, wenn Umſtaͤnde dazutreten, auch wol Strich voͤgel heißen. In meiner Geburtsgegend ziehen ſie nicht in ſehr großen Geſellſchaften, zeigen ſich im Oktober auf dem Zuge, und ziehen den ganzen Herbſt bis es zuwintert, in der Richtung, wie die Buchfinken, auch am Tage, beſonders aber in den Morgenſtunden, und meiſtens hoch fliegend. Auf dem Zuge bilden ſie eigene Geſellſchaften, aber auf den Futterplaͤtzen, zumal da, wo ſie überwintern, ſchlagen ſich zu ihnen Bluthaͤnflinge, Berg- und Buchfinken, Feld- fperlinge, Goldammern u. ra., und fie bilden mit dieſen oft große Schaaren; außer den Futterplaͤtzen ſondern ſie ſich aber oft wieder von jenen ab, in manchen Gegenden zu eigenen großen Schaaren. — Im Frühjahr kehren fie bald wieder mit den erfige: nannten Gattungsverwandten oder fuͤr ſich allein zuruͤck, ſo daß man ſie im Maͤrz meiſtens ſchon in Heerden ſieht, die dann theils noͤrdlicher wandern, theils ſich hier vereinzeln, und ehe noch, wenn. anders der Fruͤhling guͤnſtige Witterung hat, die erſte Woche des April abgelaufen, find die in unfrer Gegend heimiſchen ſchon auf ihren verſchiedenen Bruͤteplaͤtzen, wo ſich die muntern Maͤnnchen durch ihren fleißigen Geſang bemerklich machen. Daß es unter den Gruͤnhaͤnflingen auch Stand voͤgel gäbe, möchte ich faft behaupten. Die wenigen Wachholderbaͤume meines Gartens (in hiefiger Gegend etwas Seltnes) werden vom Fruͤh⸗ 68 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 154. Grün⸗Hänfling. jahr an faſt das ganze Jahr hindurch von dieſen Vögeln bewohnt; ſie niſten und ſchlafen in den dichten Nadelzweigen, und die Beeren geben einzelnen, welche gewoͤhnlich hier bleiben, den ganzen Winter hindurch Nahrung, beſonders bei Schnee und ſtuͤrmiſcher Witterung, wo ſie ſich in dieſen buſchigten Baͤumen zu verbergen ſuchen und ebenfalls auch Nachtruhe darin halten. Doch ſehe ich im Verhaͤlt⸗ niß zu den vielen, welche noch uͤberdieß hier wohnen und in den Hecken und Zaͤunen meines Gartens alljaͤhrlich zahlreich ausgebruͤtet werden, im Winter immer nur einzelne hier. Dies 1 1 immer alte Voͤgel. Im großen finſtern Walde findet man dieſe Vögel nicht, am wenigften im Nadelwalde; fie fuchen die Waldraͤnder mit angren⸗ zenden Aeckern und Wieſen, beſonders in fruchtbaren Gegenden, wo fie Waſſer in der Nähe haben, und find deshalb in den Auen an. Fluͤſſen ſehr gemein; am liebſten ſcheinen ſie jedoch die tiefliegenden, ſumpfigen Strecken und diejenigen Brücher zu bewohnen, worin viel Kopfweiden angepflanzt ſind. Nirgends ſah ich ſie haͤufiger, als dort, wo alle Damme und Gräben mit Reihen von dieſen Baͤu— men beſetzt waren; uͤberhaupt ſcheinen allenthalben Kopfweiden ihre Lieblingsbaͤume zu ſein, weshalb ſie auch bei keinem Dorfe, wo es deren nur nicht in zu geringer Anzahl giebt, im Sommer fehlen. So bewohnen ſie die Weidenbaumreihen an Baͤchen und Graͤben, wenn ſie auch durch freies Feld fuͤhren, an Teichen, auf Aengern und Viehtriften, in hieſiger Umgegend in großer Menge. Sie beſuchen zwar auch Feldhoͤlzer und einzelne Feldbuͤſche, erwaͤh⸗ len ſie aber nur bedingungsweiſe zu einem laͤngern Aufenthalt. In den Obſtbaumalleen halten ſie ſich ſehr gern auf; ſo auch in Baumgaͤrten, von wo aus fie denn abwechſelnd Kohlgaͤrten, Ae⸗ cker und Stoppelfelder, ihrer Nahrung wegen, beſuchen, ja im Spätherbft ſich deshalb oft ſehr weit vom Gebüfch entfernen und auß die Felder lagern. So gern ſie uͤbrigens in den Umgebungen der Staͤdte und Doͤrfer wohnen, ſo kommen ſie doch, ſelhfkim ſtrengſten 0 Winter, nie auf die Hoͤfe. 9 In den Baumkronen ſieht man ſie felten herumhüͤpfen; 17 ſitzen gewoͤhnlich ſtill auf den untern Zweigen, oͤfterer aber noch auf den Spitzen der Baumgipfel, und in niedriges dichtes Laubholz⸗ Gebuͤſch gehen ſie nur zur Bruͤtezeit oder wenn ſie ſich vor einem Raubvogel dahin fluͤchten. Sonſt leben ſie meiſtens auf dem Frei⸗ en, und fliegen gern und 1 0 Aa große weite Strecken n über kahles Feld. IV. Ordn. XXVII. Gatt. 154. Grün-Hänfling. 69 Sie fchlafen en auf den Köpfen alter Weidenbaͤume, auch in dichtbelaubten Zweigen der Erlen, Weiden und anderer Baͤume, wo ſie es haben koͤnnen aber noch lieber in den dichten Zweigen des Nadelholzes, niedrig oder hoch vom Boden, auch zwiſchen den Ranken vom Epheu, wo dies Waͤnde bekleidet, hier ſelbſt in weiten Vertiefungen der Mauern, dies beſonders im Winter, auch in dichten Hecken und geflochtenen Zaͤunen. Alle dieſe ſo verſchie— denen Plaͤtze ſehe ich diejenigen, welche meinen Garten bewohnen, zur Nachtruhe benutzen. Die erwaͤhlte Schlafſtelle bleibt es oft lange Zeit, wenn nicht beſondere Stoͤhrungen vorfallen. Sie begeben ſich, beſonders im Spaͤtjahr, ſehr zeitig zur Ruhe, ſind des Morgens bald Rn een aber demi ehe Sigenfhaften Ein Eräftiger Vogel, der durch den ſtarken Kopf und Schna⸗ bel, und den etwas kurzen Schwanz, ein einigermaßen plumpes Ausſehen bekoͤmmt, dies jedoch in ſeinem Betragen nicht rechtfertigt, indem er in ſeinen Bewegungen gewandt genug iſt, obgleich, genau genommen, eine gewiſſe Schwerfaͤlligkeit oder vielmehr Derbheit darin liegt, etwa wie bei den Sperlingen. Seine Stellung hat we⸗ nig Ausgezeichnetes; er ſitzt auf den Spitzen der Baͤume oft ſehr aufrecht, in den Kronen derſelben, wie auf dem Erdboden, meiſtens mit wachrecht getragenem Körper, dehnt bei beſondern Veranlaſſ— ungen den Hals oft lang aus, wodurch er fogar ein etwas ſchlan⸗ kes Ausſehen bekoͤmmt, zuckt öfters, z. B. wenn ihm etwas Auf: fallendes in die Augen fallt, mit dem Schwanze aufwärts, drehet und wendet dabei wol auch den Koͤrper ſeitwaͤrts hin und her, zeigt ſich aber überhaupt. durch die ganze Fortpflanzungszeit als ein ſehr lebhafter Vogel, befonders das Männchen, ſcheint es aber zu an— dern Zeiten weit weniger zu ſein, indem dann oͤfters Einzelne oder auch kleine Geſellſchaften ihr Weſen ſo im Stillen treiben, daß ſie ſich wenig bemerklich machen. — Auf der Erde huͤpft er 9 a geſchickt einher, in raſchen Spruͤngen wenn es gilt, aber nicht gern weite Strecken entlang. — Er iſt einzeln, zumal da, wo er niſtet, ſo zutraulich, daß man ihn oft ganz in der Naͤhe beobachten kann, aber auf dem Felde und in Geſellſchaft oft ziemlich ſcheu, wobei dieſe die Gewohnheit haben, ſich zerſtreuet zu lagern, wo dann die naͤchſten bei Annaͤherung eines Menſchen bald auffliegen, und die übrigen ebenfalls zum Entweichen reizen, fo, daß man ſolche 70 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Grün⸗Hänfling. Heerden oft eine große Strecke vor ſich hintreiben kann, ohne daß ſie alle zugleich und ganz wegflögen. f Er hat einen kraͤftigen, ziemlich raſchen Flug, in 15 durch das Ausbreiten und ſchnelle Zuſammenziehen der Flügel eine Wo: genlinie, aus großen Bogen zuſammengeſetzt, gebildet wird, wo— durch er ſich, wenn man ſeine kuͤrzere Geftalt nicht beachtet, nur wenig von vielen andern Finken unterſcheidet. Auf kurze Strecken iſt ſein Flug ſtark ſchnurrend, wie bei Sperlingen, beim Niederſetzen meiſt ſchwebend; aber ganz eigene Modulationen giebt ihm das Maͤnnchen in der Begattungszeit, wo es ſich faſt i immer auf den hoͤchſten Baumſpitzen der Gegend ſeines Brutorts herumtreibt, mit Singen beluſtigt, und waͤhrend deſſelben oft in ſchiefer Richtung in die Luft ſteigt, die Flügel ganz ſonderbar und ſo hoch auf- und zuklapt, daß ſich oben und unten die Spitzen faſt beruͤhren, wie oͤfters die Tauben thun, ſo einen oder auch wol noch einen Kreis beſchreibt, und ſich dann auf den naͤchſten Baumgipfel, ſeltner auf den zuerſt verlaſſenen hinſchwingt; er erinnert an den Flug man— cher Fledermaͤuſe. Beim Auffliegen in der Naͤhe macht ihn das Gelbe an den Fluͤgeln und am Schwanze ſehr kenntlich. — Gegen die Winterkaͤlte find dieſe Voͤgel ziemlich gleichgültig, wenn es ihnen nur nicht an Nahrungsmitteln fehlt, was bei einfallendem Schnee⸗ wetter leicht eintritt, wo ſie denn freilich traurig und verlegen ausſehen. Seine Stimme laͤßt er viel oͤfterer im Fluge, beſonders wenn er fo eben fortfliegt, als im Sitzen hoͤren. Den Lockton druͤckt am beſten die Sylbe Gick oder Jick aus, wenn man ſie ſich wie ein hohes, kurzabgebrochnes Pfeifen denkt; ſie wird ſchnell ausge— ſtoßen und eben fo oft vielmals und ſehr ſchnell nach einander wie— derholt, wie Gickgickgickgickgick; oftift dies faſt ein Schwirren oder Gickern zu nennen, was dieſe Voͤgel beſonders laut hoͤren laſſen, wenn ſie wegfliegen, ankommen, oder ſitzend den voruͤberfliegenden Kammeraden zurufen; Toͤne der Zärtlichkeit ſcheinen es dagegen zu ſein, wenn man es nur mit ſehr ſchwacher Stimme aus den Baum— zweigen wie ein ſanftes Girren vernimmt. Es hat einige Aehnlich— keit mit dem Gelock des Bluthaͤnflings, weniger mit dem der Edelfinken, aͤhnelt aber auch in Etwas dem Gip der Fichten— kreuzſchnaͤbel; befonders aͤhnlich iſt dieſem die Stimme der jungen Gruͤnhaͤnflinge, das bekannte Gibl oder Gidl, was ſich bey dieſen verliert oder in jenes Gick umwandelt, ſobald ſie der aͤlterlichen Pflege nicht mehr beduͤrfen. Dieſe Jugendſtimme hat aber auch wieder viel Aehnliches mit der der jungen Bluthaͤnf— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. 71 linge. — Sonſt hört man, am meiſten in der Begattungszeit, und auch oͤfterer vom Maͤnnchen als vom Weibchen, ein ſanftes, aber doch lautes Twuih oder Zwui, als eine Anzeige von einer nahenden Gefahr, z. B. bei Erblickung eines Raubthiers, und dann auch noch ein viel ſanfteres, helles Pfeifen, hoͤher und reiner im Tone, als jenes, wie woid oder hoid klingend, und der Lock— ſtimme des Gartenrothſchwaͤnzchens bis auf den vollern Ton. ſehr aͤhnlich. — Sobald im Fruͤhjahr ſich warme Sonnenblicke zeigen und der Winter Abſchied zu nehmen ſcheint, läßt das Männ= chen ſeinen lauten, eben nicht unangenehmen Geſang hoͤren, in welchem jedoch einige Toͤne vorkommen, die ihn vielen andern Vogel— geſaͤngen weit nachſtellen. Er wird, wie der Geſang des Gold— ammers, meiſtens nur geachtet, wenn man noch wenig Vogel- gefänge hört; ſpaͤter, wenn alles ſingt, was Faͤhigkeit dazu hat, verhallt er unter den beſſern Vogelgeſaͤngen. Den Anfang darin machen gewoͤhnlich die Locktoͤne, die auch ſonſt oft darin vorkommen; dann ein ſonderbar kreiſchendes gedehntes Schuͤaͤh, was man auch wol (gedehnt) Schwoinz D ausſprechen kann, und wobei der ſitzende Saͤnger nicht ſelten den Hinterleib hin und her wirft und den Schwanz dazu breitet und ſchließt; dann folgen die Töne: Tjoi tjoi tjoi tjoi tjoi, Girrrrrrr, Kling kling kling kling, als Hauptſtrophen mit mehrern Abwechſelungen. Der ſingende Vogel ſitzt entweder auf der oberſten Spitze eines Baumes, oder vergnügt ſich dabei in dem ſchon beſchriebenen merkwuͤrdigen Fluge, oder ſchwingt ſich, immer ſingend, eine ziemliche Strecke durch die Luft von einem hohen Baumgipfel zum andern, oder er fliegt auch wol bloß gickernd von ſeinem hohen Sitze eine Strecke fort, als wenn er aufs Feld wollte, fängt aber, während er den gewöhnlichen Flug ſchnell in jenen fon= derberen umwandelt, auf einmal zu ſingen an, kehrt ploͤtzlich um oder ſchwenkt ſich nach einem andern nähern Sitze hin. Das Männs chen iſt überhaupt im Anfange der Fortpflanzungszeit ein hoͤchſt unrubiger Vogel, ſingt und gaukelt faſt den ganzen Vormittag, bei ſchoͤnem Wetter auch Nachmittags, bis gegen Abend, ſeinem Weibchen etwas vor oder beißt ſich mit Nebenbuhlern herum und *) Sch weiß nicht, ob dieſes, oder jenes Twuih, was man allenfalls eben ſo gut Schwo in z rechen Eönnte, dem Vogel zu dem Namen: Een) ver: l holfen haben mag. - 72 IV. Ordn. XXVIU. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. ſingt vom Februar und März bis tief in den Sommer hinein, am meiſten jedoch im April und Mai. Im Herbſt hoͤrt man auch die jungen Maͤnn⸗ chen, aber nur leiſe ſingen, zuweilen auch wol bei ſchoͤnen Wintertagen. Als Stubenvoͤgel gewoͤhnen ſie ſich bald, und werden, jung aufgezogen, beſonders zahm, laſſen ſich zum Aus- und Einfliegen gewoͤhnen, lernen ſich Futter- und Trinkgeſchirr auf beſondere Art oͤffnen und zulangen, und andere Kunſtſtuͤckchen mehr. Ihre Klugheit iſt indeſſen nicht ſehr ausgezeichnet, ihre Haltung und Faͤrbung des Gefieders auch nicht beſonders, und unter andern Voͤgeln frei herum fliegend ſind ſie zaͤnkiſch, beſonders am Freßtroge, wenn ſie nicht immer vollauf haben, und ihr Beißen iſt ſo heftig, daß ſie andere Voͤgel leicht beſchaͤdigen. Dies ift auch bei den Lodz voͤgeln am Vogelheerde zu beachten. — In einer Kammer, wo ſie freie Luft und Sonnenſchein genießen koͤnnen, pflanzen ſie ſich auch ohne Schwierigkeiten fort. Die, welche man aus dem Neffe nahm und auffütterte, lernen, neben Haͤnflinge, Canarienvoͤgel und andere gehaͤngt, nicht ſelten Strophen aus dem Geſange der⸗ ſelben, aber nicht leicht etwas Zuſammenhaͤngendes; haben ſie aber gar kein Vorbild, ſo werden ſie zuweilen unleidliche 1 im Nachahmen fremder Toͤne, die ſie auffaſſen und taͤuſchend in dergeben. So hörte ich einen, der das durchdringende Kreiſchen einer ungeſchmierten Thuͤrangel (eine Schrankthuͤre, welche täglich mihr⸗ mals geöffnet worden war, hatte den Ton hervorgebracht, welchen der Vogel in wenigen or aufgefaßt hatte) und den e Ton, wie wenn ein Menſch auf dem Finger pfeift, welchen er dem . täglich vorbeitreibenden Dorfhirten abgelernt hatte, und ſonſt nur leiſes Geklirr hervorbrachte. — Als harte Voͤgel dauern ſie bei nicht zu ſchlechter Behandlung viele Jahre in der ieee Naherung. g Er lebt bloß von Saͤmereien, und zwar meiſtens am oͤhl⸗ haltenden, frißt daneben auch, aber ſelten, Baumknospen und zarte gruͤne Pflanzentheilchen. a | In der Art ſich zu naͤhren aͤhnelt er den 1 Hänſ⸗ lingen, in mancher Hinſicht aber auch den Kernbeißern; denn er lieſt zwar die meiſten Saͤmereien am Boden auf, holt aber auch ſehr viele von den Stengeln der Pflanzen und ſelbſt von den Baͤu— men herab. Wenn Finken und Haͤnflinge vereint den Rapps⸗ Hanf-Kohl- und andern Gemuͤſeſamen nachgehen, ſitzen die letz⸗ tern oben auf den Stengeln und klauben die Samen aus den Kap⸗ IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. GrünsHänfling. 73 ſeln, waͤhrend die erſtern unten lauern und vom Boden aufleſen, was jenen entfaͤllt oder was ſie ihnen herabtreten; ſo geht nichts verloren. In meinen Gaͤrten habe ich dies mir eben nicht ange— nehme Schauſpiel alle Jahr. Den Spinatſamen lieben die Gruͤn⸗ haͤnflinge ganz außerordentlich, doch geht ihnen der Hanfſamen uͤber alles, und ſie verdienen wenigſtens in dieſer Hinſicht, den Namen: Haͤnflinge vor allen andern. So wie z. B. der Same auf einem Hanfacker zu reifen anfaͤngt, verſammeln ſich nach und nach alle Gruͤnhaͤnflinge der Gegend, jung und alt, daſelbſt und bald iſt, wenn ſie nicht ernſtlich geſtoͤhrt werden, die ganze Erndte dahin. Auch mit Spinatſamen ging es mir oft ſo, ehe ich den Unfug gewahr wurde; denn ſie verhalten ſich dabei ganz ſtill, und laſſen ſich nur beim Fortfliegen, weniger bei ihrer Ankunft, daſelbſt hoͤren. Nach den Rapps- und Ruͤbſaataͤckern fliegen fie ſehr weit aufs Feld, wenn dieſe Fruͤchte zu reifen beginnen, und beißen die Samen aus den Schoten, indem ſie ſich oben auf die Stauden ſetzen. Die Samen der Pflanzen aus der Gattung Brassica, Si- napis und anderer Tetradynamiſten ſind naͤchſt den oben genannten ihre Lieblingsſpeiſe. Sie freſſen aber auch Leinſamen, Leindotter, Sallatſamen Mohn Ann viel andere von cultivirten und wilden REN, Wenn die Samen ausgefallen find, ſüchen ſie ſie vom Bo⸗ den auf und lagern ſich deshalb oft ſehr weit vom Gebuͤſch auf Stoppel⸗ felder, auch auf Aenger und an Wege, wo ſie die Samen von Wegwarten und Wegbreit, von Diſteln, Kletten, und ſogar von manchen Giftpflanzen, wie z. B. von verſchiedenen Wolfsmilcharten, beſonders von Euphorbia Cyparissias aufleſen. Auch die Samen aus den Kellerhalsbeeren freſſen fi. Nur mehlige Saͤmereien moͤ— gen ſie nicht, und ſie freſſen Hirſe und Hafer nur im Nothfall. — Weil fie im Sommer und ‚Herbft ſich fo meiſtentheils auf den Fel⸗ dern naͤhren, ſo kommen ſie wenig in den Wald; dort ſuchen ſie ſpaͤt nur ſelten die harten Samen der Hain- oder Weißbuchen auf, die ſie nur mit Muͤhe aufbeißen koͤnnen, ſpaͤter aber die Beeren⸗ baͤume, beſonders die Ebreſchen, wo fe die Beeren von einander beißen um zu den Kernen zu gelangen, und im Winter nähren fie ſich, beſonders wenn die Erde mit Schnee bedeckt iſt, faſt einzig von den Kernen der Wachholderbeeren, die ſie uͤberall aufſuchen. Ihr Schnabel iſt dann immer mit Harz von den Beeren belegt, wel— chen ſie, ungeachtet ſie ſich deshalb beſtaͤndig bemuͤhen, nicht rein 74 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. abputzen koͤnnen. In dieſer Jahreszeit nehmen ſie auch oft zu Knos⸗ pen von verſchiedenen Baͤumen ihre Zuflucht. Im Fruͤhjahr leſen ſie Erlenſamen von der Erde auf, und ge— hen auf die friſchbeſaͤeten Gemuͤſebeete, wegen der obenliegenden Samen, und verzehren dieſe auch dann noch, wenn ſie bereits ge— keimt haben oder eben aufgegangen ſind, z. B. von den Kohl- und Ruͤbenarten, von Sallat, ſelbſt die Keime von gruͤnen Erbſen. Nachher füttern fie die Jungen mit dem Samen von Taͤſchelkraut, Huͤhnerdarm, Loͤwenzahn und mit Ulmenſamen, den ſie von den Baͤumen holen oder vom Boden aufleſen, was man nachher von den ausgeflogenen Jungen erſter Hecke oft ſieht. Wo ſie reifenden Ruͤb— ſaat in der Naͤhe haben, gehen ſie jedoch lieber nach dieſem. Alle Saͤmereien ſchaͤlen ſie, und genießen nur den Kern, auch verſchlucken ſie zur Befoͤrderung der Verdauung grobe Sandkoͤrner. Sie gehen oft zum Waſſer, um zu trinken, und baden ſich auch fleißig, wobei ſie das Gefieder oft ſo durchnaͤſſen, daß ſie kaum noch fliegen koͤnnen. Wenn ſie es lange entbehren mußten, z. B. in Gefangen— ſchaft, ſo ſind ſie, wenn ſie nun dazu gelangen koͤnnen, ordentlich begierig drauf, ein friſches Bad zu nehmen. Im Käfig oder ſonſt eingeſperrt find fie fehr leicht zu unter: halten und gehen auch vom Anfang gleich ans Futter. Sie nehmen mit bloßem Ruͤbſaat fuͤrlieb, zeigen aber auch hier ihre große Vor— liebe fuͤr Hanf und Mohn, womit man ihnen denn zuweilen eine Guͤte thun kann. Auch ein Blaͤttchen gruͤner Sallat, Kreuzkraut, Huͤhnerdarm und dergleichen iſt ihnen mitunter ſo angenehm, als erſprießlich. Die Jungen fuͤttert man mit eingequelltem Ruͤbſaat auf, und floͤßt ihnen dieſen mit einem ſchief abgeſchnittenen Feder⸗ kiel ein. Fortpflanzung. Der Gruͤnhaͤnfling niftet in Deutſchland überall, in 1 Ge⸗ genden aber ungemein haͤufig, beſonders in tiefliegenden und in ſolchen, wo es viel Kopfweiden giebt. Dies ſind ihre Lieblingsbaͤume. Wenige Stunden von meinem Wohnort iſt eine tiefe Ebene von abwechſelnden Aengern, Wieſen, Sumpf und niedrigen Aeckern, die vielfältig mit Graͤben und Daͤmmen durchſchnitten iſt, welche faſt alle mit Rei— hen von Weidenbaͤumen bepflanzt ſind, und hier niſten dieſe Voͤgel häufiger, als irgendwo. Die Gaͤrten bei- Doͤrfern und Städten find in der Brutzeit ebenfalls haͤufig von ihnen bewohnt, beſonders wo es kleine Gruppen von niedrigen immergruͤnen Holzarten giebt; ſo auch IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. 75 die engliſchen Gaͤrten, und ſonſt noch viele bereits beim Aufenthalt angegebene Orte. Sie lieben die Naͤhe vom Waſſer, und gehen nie hoch in die Gebirge hinauf. Schon Ende des Februars oder doch mit Anfang des Maͤrz hoͤrt man die Maͤnnchen am erwaͤhlten Brutorte ihren Geſang anſtimmen, und die einander ſich nahe wohnenden ſich hadern und um die Stand— orte ſtreiten; doch ſind ſie darin nicht ſo heftig, wie viele andere Voͤ— gel, und ſpaͤterhin ſieht man ſie ſogar friedlich neben einander woh— nen, und findet die Neſter verſchiedener Paͤaͤrchen in geringer Entfer— nung von einander. Auf einem Raum, wie mein Obſtgarten, wel— cher etwas uͤber 100 Schritt lang und eben ſo breit, groͤßtentheils von Waſſer, einem im niedern Gebuͤſch verſteckten geflochtenen Zaun, und zum Theil von Kopfweidenpflanzungen, Aengern, Wieſen, und Gebuͤſch umgeben iſt, habe ich oft vier bis fuͤnf verſchiedene Paͤaͤrchen zu gleicher Zeit niſten ſehen und ihre Nefter gefunden; einige Wachholderbaͤumchen und das Epheu an einem Gartenhaͤus⸗ chen darin enthalten regelmaͤßig alle Jahre einige; ſonſt bauen ſie in den Zaun oder ſonſt in hohes Geſtraͤuch in einen dichten Buſch. — Das Neſt ſteht ſelten unter Mannshoͤhe, am oͤfterſten aber in einer Hoͤhe von 8 bis 10 Fuß und daruͤber, wie auf den Weidenkoͤpfen, doch ſelten bis 20 Fuß hoch, auf gekoͤpften Ruͤſtern, Pappeln, Lin⸗ den und dergleichen. Auf Obſtbaͤume bauen ſie es hier aͤußerſt ſel— ten. Man findet es aber auch auf Nadelbaͤumen, beſonders auf jungen, noch niedrigen, an Waldraͤndern und auf jungen ans Freie ſtoßenden Schlaͤgen, in den hohen verſchnittenen Taxbaͤumen und hohen immergruͤnen Hecken der Gaͤrten, auch wol auf ſolchen Laub— holzſchlaͤgen in einem hohen Buſch oder Dornſtrauch, in Feldhecken, in den hohen Buͤſchen von Weiß- und Schwarzdornen, wilden Ro— ſen u. a. m. Hier bauet er faſt immer hoͤher vom Boden, als der Bluthaͤnfling, mit dem er in vielen Gegenden nahe beiſammen wohnt. Auf gekoͤpften Baͤumen ſteht es bald in der Mitte, bald an der Seite des Kopfes, zwiſchen den alten Storzeln, auf ſehr hohen, mit mehreren Koͤpfen verſehenen, meiſtentheils auf einem der unterſten Koͤpfe; ſonſt auf Baͤumen faſt immer dicht am Schafte, von Aeſten oder Zweigen unterſtuͤtzt, im Geſtraͤuch auf Gabelaͤſten oder in dicht verworrenen Zweigen, fo auch oft in denen von Na— delbaͤumen, wo ſie gerade recht dicht 0 allein es ſteht m. ſehr verſteckt. Den Neſtbau beſorgt meiſtens das Weibchen, und das Maͤnn⸗ chen hilft ſelten, ob es gleich zugegen iſt. Sie ſind bald mit einem 76 IV. Ordn. XXVIIII. Gatt. 154. Grün=Hänfling. Neſte fertig und nicht ſcheu bei der Arbeit. Das Geflecht iſt bald ziemlich dicht und nett, bald locker und nachlaͤſſig, ziemlich groß, nicht ſehr tief, und es macht ſich beſonders dadurch kenntlich, daß immer Wollkluͤmpchen im Innern oder auch im Aeußern dazu mit ver— wendet werden, die aͤußerſt ſelten ganz fehlen. Uebrigens find die Baus materialien ziemlich verſchieden. Die erſte Grundlage beſtehet mei— ſtens aus Quecken und vielen braunen Wuͤrzelchen, bei freier ſtehen— den wol auch aus duͤrren Reischen und Pflanzenſtengeln, trockenen Halmen und Graswurzeln, mit erſteren vermiſcht, denn die brau— nen Wuͤrzelchen fehlen ſelten; weiter nach innen ſind etwas zartere dazu verwendet, die bald mit gruͤnem Erdmoos, bald mit Baum— moos oder grünen Flechten, auch mit Wollkluͤmpchen, mehr oder weniger vermiſcht ſind; dann folgen Federn, die aber auch oftmals ganz fehlen, allerlei Thierhaare, beſonders von Pferden, Wollfaͤ⸗ den oder Flocken von Schaafwolle; nicht ſelten iſt aber über dieſen, im Grunde des Napfs, noch eine kleine Lage von ſehr feinen Wuͤr— zelchen, oder blos von Pferdehaaren vorhanden. Das Ganze hat meiſtens ein dunkelbraunes hellflockichtes Anſehen, und das Innere iſt oͤfters nicht mit beſonderm Fleiß vollendet. Die dunkelbraunen feinen Wuͤrzelchen, die die in hieſiger Gegend vorkommenden Neſter ſo kenntlich machen, kommen von Cornus und Rhamnus. 140 Die Eier, vier bis ſechs an der Zahl, ſind bedeutend kleiner, als Hausſperlingseier, aber größer, als die des Buch finken. Sie ähneln an Farbe und Geftalt denen des Fichtenkreuzſchna⸗ bels und denen des Bluthaͤnflings gar ſehr, ſind aber groͤßer, als dieſe, und kleiner, als jene. Sie haben eine zarte, glatte Scha— le, und meiſt eine etwas laͤnglichte oder acht eifoͤrmige Geſtalt; zu— weilen ſind ſie auch ziemlich bauchig, ſelten etwas kurz oval, aber rundlich nie. Ihre Grundfarbe iſt weiß mit einem blaugruͤnlichen Schein, welcher manchmal nur ganz ſchwach, zuweilen auch ſtaͤrker iſt, in Sammlungen aber verſchwindet und nur ein truͤbes Weiß zuruͤcklaͤßt. Die Zeichnung beſteht in wenigen kleinen Fleckchen und Punkten von einem bleichen Blutroth und Grauroth, aus deut— lichern blutbraunen, auch einigen roͤthlichſchwarzbraunen Punkten, welche alle faſt nur am ſtumpfen Ende ſtehen, hier oͤfters ei— nen loſen Fleckenkranz bilden, ſelten aber uͤber die ganze Schale verbreitet find, und oftmals nur ſparſam vorkommen. — In vierz zehn Tagen ſchluͤpfen die Jungen aus den Eiern, welche das Weib— chen meiſtens allein ausbruͤtet; ich erinnere mich wenigſtens nur einige Mal das Maͤnnchen auch über den Eiern ſitzen geſehen zu ha— IV. Srön. XXVIII. Gatt. 154. Grün: Hanfling. 77 ben. Das Weibchen ſitzt ſehr feſt auf dem Nefte, man kann nahe vorbeigehen und mehrmals an den Baum ſchlagen, ehe es abfliegt. Wenn es ungezwungen abgeht, fliegt es gewoͤhnlich auf einen nahen Aſt, dehnt und ſchuͤttelt ſich, wirft oder drehet den Koͤrper hin und her, und zuckt dazu mit dem Schwanze, wobei es ein eignes ziemlich ſanf— tes Zwui oder Tjay einige Mal ausruft, was das nie weit ent— fernte Maͤnnchen, etwas anders modulirt, bald beantwortet. Dies koͤmmt auch herbei, wenn dieſer öfters wiederholte Ruf eine en Gefahr verkuͤndigt. N Die jungen Gruͤnhaͤnflinge werden von beiden Gatten aus dem Kropfe mit geſchaͤlten und erweichten Saͤmereien aufgefuͤttert, und bleiben ziemlich lange im Neſte, werden dann aber von beiden Aeltern noch ein paar Wochen gefuͤhrt, aber in der letzten Zeit machen dieſe ſchon zu einer zweiten Brut Anſtalt. Um die Mitte des Maimonats fliegen die der erſten oft ſchon aus, und dann giebt es gegen Ende des Juni eine zweite flugbare Hecke. Nur wenn ihnen das eine Neſt zerſtoͤhrt wurde, machen ſie drei Bruten in einem Sommer, und von ſolchen ſind dann die J Jungen, die man zuweilen | im Auguſt noch den Alten Futter abfordern ſieht. Das beſondere Geſchrei der Jungen, was oben ſchon beſchrieben wurde, ertoͤnt ſehr fleißig in einem ſolchen Zuge, und ſie fordern damit beſtaͤndig Futter von den Alten, aber es verliert ſich, ſobald ſie allein freſſen koͤnnen. Die Jungen halten ſich zuſammen, es ſchlagen ſich nach und nach mehrere Familien und mit dem letzten Gehecke auch die Alten dazu; dann bilden fie vereint größere oder kleinere Heer den, bis ſie endlich in ſolchen wegwandern, wovon aber einzelne alte Paͤaͤrchen ſich manchmal wieder abſondern und am Brutorte uͤberwintern. — Sie fuͤttern die Jungen auch auf, wenn man dieſe in einen Vogelbauer ſteckt und ihn in der Naͤhe an einen Baum hangt. Feinde. Der Sperber, Huühtengg iche du die ene Edel⸗ falken machen Jagd auf ſie, und im Winter erwiſcht auch der große graue Wuͤrger zuweilen einen einzelnen. Ihre Brut hat aber vornehmlich an Katzen, Mardern, Iltiſſen, Wieſeln und Maͤuſen, nebſt Kraͤhen, Elſtern und Hehern, große Feinde, und man findet jährlich viel zerſtoͤhrte Neſter. — Im Ge: ſieder wohnen Schmarotzerinſekten, und in den Eingeweiden hat 78 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. GrünsHänfling. man einen noch unbenannten Wurm aus der Gattung Distomum nr | Sm. d. Mit der Flinte koͤmmt man an einzelne Vögel dieſer Art nahe genug, ohne ſie hinterſchleichen zu brauchen, in der Zeit, wenn die Baͤume belaubt ſind, ſind ſie ſogar oft dem Blaſerohr erreich— bar; aber in Heerden, und auf dem Freien jederzeit ſcheuer, und da ſie weder im Sitzen, noch im Fliegen ſich enge zuſammenhalten, ſo ſind ſelten viele auf einen Schuß zu erlegen. N Auf dem Finkenheerde gehören fie unter er ergiebigen Voͤgel, wenn dieſer nicht zu tief im Walde liegt oder mit zu vielem Buſchwerk und zu großen ſchattigen Baͤumen umgeben iſt, was ſie nicht leiden moͤgen. Je freier der Heerd liegt, deſto beſſer fallen ſie auf; doch uͤbereilen ſie ſich gewoͤhnlich damit nicht, kom— men erſt nach und nach von den Baͤumen herab und fallen ſo einzeln auf, aber man kann mit dem Zuruͤcken der Netze bis auf den letzten der Geſellſchaft warten, wenn ſie nur Futter genug auf dem Heerde finden. Man muß einen Laͤufer ihrer Art und ein paar gute Lockvoͤgel halten, wovon einer in einem hellen Drahtbauer dicht uͤber dem Heerde haͤngen kann. Sie zeigen ſich hier als traͤge und etwas einfaͤltige Voͤgel, Eigenſchaften, die man ſonſt nicht bei ih: nen ſuchen moͤchte. “) Die meiſten Maͤnnchen locken gut, und manche ſingen auch leiſe (im Herbſt) am Heerde. — Auf den Hanfaͤckern, wo fie ſich gewoͤhnlich aus einer ganzen Gegend ver— ſammeln, wenn der Same zu reifen anfaͤngt, und dann ſchaaren— weis einfallen, kann man einen ſehr gluͤcklichen Fang machen, wenn man den Hanf ausziehen und ſo in Reihen auf den Boden hinbrei— ten laͤßt, daß er von einem Paar Schlagwaͤnden bedeckt werden kann. Man errichtet nun eine kleine Huͤtte von gruͤnen Zweigen dabei, und bedarf kaum eines Lockvogels, wenigſtens im Anfange nicht. Wer ſonſt mit dem Heerdſtellen gut umzugehen weiß, kann bald die meiſten einer ſolchen Heerde in feine Gewalt bekommen, weil fie großen⸗ *) Der Vogelheerd iſt überhaupt fuͤr den Forſcher eine herrliche Schule, und war fuͤr mich deshalb immer hoͤchſt anziehend; man hat hier Gelegenheit, die zu fangenden Voͤgel unbemerkt in ſo mancher Abwechslung ihres aͤußern und innern Treibens und Wirkens zu ſehen, und Zuͤge deſſelben zu belauſchen, die außerdem nur ein ſeltner gluͤcklicher Zufall dem fleißigſten Forſcher dar⸗ bieten moͤchte. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. 79 theils aus noch unerfahrnen Jungen beſtehet und auch die alten Voͤgel nicht zu den ſchlaueſten gehören. — Wem es zu umſtaͤnd⸗ lich hiermit wäre, kann auch den Hanf bloß in ſpitze Haufen zur ſammenſtellen laſſen und dieſe mit Sprenkeln behaͤngen, oder mit Leimruthen beſtecken, womit aber der Zweck freilich unvoll— kommner erreicht wird, obgleich auf dieſe Art auch viele gefangen werden koͤnnen. Sonſt faͤngt man ſie auch auf den pan v be auf Lockbuͤſchen, und einzeln in mancherlei Fallen leicht, wenn ein Lockvogel dabei angebracht iſt. Nach der Lock anderer Voͤgel hoͤren ſie nicht. — In den Wachholderbuͤſchen fangen ſie ſich leicht in Schlingen. 5 Nutz en. Ihr Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend und oͤfters, beſonders im Spaͤtherbſt, ziemlich fett. Sie gehoͤren in manchen Gegenden zu den einträglichen Heerdvoͤgeln. \ Mit ihrem Geſang beleben fie die Gegend ihres Aufenthalts, zumal bei Eintritt des Fruͤhlings, und auch mancher Liebhaber hat an dem feiner gezaͤhmten Gruͤnhaͤnflinge feine Freude. — Daß ſie durch Aufleſen und Aufzehren vielerlei Saͤmereien, die Pflanzen angehoͤrten, welche wir Unkraut nennen, weil ſie dem Gedeihen anderer nutzbaren Gewaͤchſe hinderlich ſind, nuͤtzlich werden, iſt ſehr wahr; allein ſie thun im Einzelnen auch oft empfindlichen Scha d e n. In einer Gegend, wo nicht gar viel Hanf 6 wird, lei⸗ den die einzelnen mit dieſer Pflanze bebaueten Aecker oft Bec durch dieſe Vögel, wenn man nämlich verſaͤumt, Verſcheuchungs— mittel noch zeitig genug in Anwendung zu bringen, oder die Voͤgel wegfaͤngt und todtſchießt. Sie find ſehr begierig nach dieſen Samen, und ich habe ſie oft kaum durch wiederholtes Schießen von meinen Hanfſtuͤcken abhalten koͤnnen. — Naͤchſt dieſem wer: den fie am meiſten ſchaͤdlich in Garten und überhaupt da, wo Kuͤchen⸗ gewaͤchſe gebauet werden, woſelbſt ſie bald auf die friſchbeſaͤeten Beete fallen, um obenliegende Samen wegzuleſen, flachliegende herauszupicken, oder von den ſchon gekeimten die grünen Co⸗ tyledonen abzubeißen, bald auf die Samen tragenden Pflanzen gehen, um hier die reifen Saͤmereien zu verzehren. Den Spinat⸗ ſamen und die der verſchiedenen Kohlarten, auch den der Rettige, 80 IV. Ord n. XXVIII. Gatt. 154. Gruͤn⸗Haͤnfling. muß man ſehr in Acht nehmen, wo Gruͤnhaͤnflinge in der Naͤhe wohnen, weniger Sallatſamen u. a. m., die ſie gelegentlich aber auch nicht verſchmaͤhen. Weil ſie dewmdreiſter als die Buchfinken ſind, fo gewöhnen fie ſich viel leichter an aufgeſtellte Scheufale und an mit Federn behaͤngte uͤber die Beete ausgeſpannte Faͤden. — Durch das Zerbeißen der Ebreſch- und Wachholderbeeren (wo es deren nicht viele giebt) ſchaden ſie dem Jaͤger beim Fange der Droſſelarten; ſo auch in den Dohnenſtegen, weil die Dohnen nicht fuͤr ſie eingerichtet ſind, und er fich deshalb beim Verderben der Beeren nur felten fangen. Auf dem Felde, z. B. auf den Rappsaͤckern, wo ſie ſich auf die de Stauden fahen und die Schoͤtchen aufbeißen, um die rei— fenden Samen verzehren zu koͤnnen, wird der Schade nicht bemerklich. 159 Der Blut⸗ Hänfling. eee cannabina. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. — 2. — im Winterkleide. — 3. Altes Weibchen art ( Junger Vogel. a en Rothbruͤſtiger Haͤnfling, rother Haͤnfling, Rothhaͤnfling, | blutrother Bruͤſtling, Rothbruͤſter, Rothboͤſter, Rubin, groͤßerer Rothkopf, großer Haͤnfling (Canarienhaͤnfling), Stockhaͤnfling, Schoͤßzling. — Gelbhaͤnfling, gelbbruͤſtiger Haͤnfling (Stein: oder Berghaͤnfling). — Gemeiner, oder grauer, oder brauner Haͤnfling, Braunhaͤnfling, Weißhaͤnfling, Mehlhaͤnfling; Kraut⸗ haͤnfling; Hemperling, Hanefferl, Hanfvogel, Hanffink, Leinfink, Flachsfink, Saatfink; Artſche; im hieſigen Lande: Grauer oder rothbruͤſtiger Haͤnferling. Taf. 121. A Be | { Fringilla cannabina Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 916. n. 28. = Lath, ind. I. p. 458. n. 82. — Retz. faun. suec, P-. 247. n. 226. — Nilsson orn. suec. I. p. 144. n. 70. = Ligurinus cannabinus. Koch, Baier. Zool. I. S. 231. n. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut-Hänfling. 81 . 145. = La grande Linotte. de Vignes. Buff. Ois. IV. p. 58. — Edit. d. Deuxp. VII p. 67. t. 1, fig. 2. Id. Planch, enl. 485, f. 1. et 151. f. 2. = Gerard. Tab. éléem. I. p. 190 = Gros-bec Linotte. Temm. Man. nouv. Edit. I, p. 364. = Greater redheaded Linnet or Redpole. Lath. syn. III. p. 304. n. 74. — leberf. v. Bechſtein. II. 1. S. 294. n. 74. == Penn. arct. Zool. II. n. 261. De Bewick brit. Birds. I. p, 216. = Montanello maggiore, Stor. degl. ucc. III. t. 357. f. 1. = Plasvink. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 157. = Bedftein, Naturg. Deutſchl. III. S. 141. = Deffen Taſchenb. I. S. 11 = Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 5. — Deren Taſchenb. I. S. 163. — Meyer Vög. Liv: u. Eſthlands. S. 86. Meisner u. Schinz, V. d. Schweiz, S. 78. n. 80. = Brehm, Beitr. I. S. 728. Friſch, Voͤg. Taf. 9. obere Fig. alt. M. u. W. untere Fig. junge Voͤg. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. S. 45. Taf. 3. Fig. 10. Maͤnnchen u. Fig. 11. (junges) Weibchen. Fringilla Linota. Gmel, Linn. syst. I. 2, p. 916. n. 67. = Lath. ind. I. p. 457. n. 81. La Linotte ordinaire. Buff. Ois. IV. p. 58. t. 1. = Id. Planch. enl. 151, f. 1. = Gerard. Tab. éelem. I. p. 188. = Common Linnet. Lath. Syn. III. p. 302. n. 73. — Ueberſ. v. Bechſtein, II. 1. ©. 291. n. 73. Kennzeichen der Art. Alle Schwanzfedern, die mittleren ausgenommen, in der Mitte, dem Schafte entlang, ſchwarz, an der äußern Fahne und an der innern ſehr breit weiß; die großen Schwingen mit weißem Außenſaum; der Schnabel grau. e un g. Ein bekannter Vogel, welcher in fruͤhern Lebensperioden wol zuweilen mit dem Berghaͤnfling verwechſelt worden fein mag, was aber nicht geſchehen kann, ſobald man die Artkennzeichen genau beachtet. Er unterſcheidet ſich von dieſer Art auch noch durch eine etwas anſehnlichere Groͤße, was jedoch nicht ſehr auffallend iſt, durch den groͤßern, dickern Schnabel, anders geſtalteten Fuͤße, und ein knapperes Gefieder; denn die Federn des kleinen Geſie— ders ſind beim Berghaͤnfling groͤßer oder laͤnger und lockerer, und ſcheinen ſchon auf einen noͤrdlichern Aufenthalt ber Vogels hinzudeuten. Seine Länge iſt 5 4 bis 5 4 Zoll, wovon der Schwanz 2 4 bis 2 3 Zoll 1 Beten Ende einen faſt 4 Linien 91 5 Ausſchnitt, dieſer aber keine ſehr ſcharfen Spitzen hat; ſeine Breite 10bis 10 4 Zoll; die Fluͤgellaͤnge 3 Z Zoll, und die Spitzen der in Ruhe en Flügel deden den Se bis auf 8 Zoll oder doch noch uͤber die Haͤlfte. Die drei erſten Schwinafebeen find faft gleich lang und die laͤngſten, nur die Spitze der zweiten ſteht ge— woͤhnlich etwas vor den andern, doch faſt unmerklich vor. ni Der Schnabel iſt 4+ en lang, an der Wurzel faſt 3 2 Linien hoch, und nur ein wenig ſchmaͤler als hoch, Acht kreiſelför Sr. Theil. 6 82 IV. DOrdn. XXVIII. Gatt. 155. Blut-Hänfling. mig, gerade und ſcharf zugeſpitzt, feine Schneiden nur hinterwaͤrts kaum merklich eingezogen, oben grau, an der Wurzel lichter, et— was weißlich, die Spitze dunkler grau. Die Naſenloͤcher an der Schnabelwurzel ſind klein, rund, mit Borſtfederchen bedecktz die Iris der kleinen Augen iſt dunkelbraun. Die Fuͤße ſind mittelmaͤßig, eher ſchwaͤchlich als ſtark zu nen— nen, nicht hoch; die Laͤufe vorn mit großen Schildtafeln, die Ze— henruͤcken mit Schildern bedeckt; die Krallen ſchlank, nicht ſtark gebogen, unten zweiſchneidig und ſehr ſpitz. Die Fußwurzel iſt 8 Linien hoch; die Mittelzeh mit der 2 I Linien langen Kralle 8 Linien lang, die Hinterzeh 7 Linien, wovon die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt. Die Farbe der Fuͤße iſt eine ſchmutzige braͤunliche Fleiſchfarbe, oder ein lichtes Braun, an den Zehen meiſt dunkler, bis zu einem lichten Nußbraun; die Krallen ſind braun mit ſchwaͤrz— lichen Spitzen. Das alte Maͤnnchen im Fruͤhlings⸗ oder Sommer: kleide iſt ein gar praͤchtiger Vogel; um jedoch die großen Ver- aͤnderungen, welche die Farben des Gefieders nach dem Alter, den Jahreszeiten und verſchiedenen andern Umſtaͤnden erleiden, wodurch ſelbſt die Meinung entſtanden, es gaͤbe hier mehr als eine Art, — ſtufenweis, wie ſie in der Natur auf einander zu folgen pflegen, verfolgen zu koͤnnen, wird es beſſer ſein, die Beſchreibung mit den juͤngſten Vögeln anzufangen. ö Ganz im Anfange haben die Jungen nur wenige dunkel⸗ graue Dunenfaſern auf dem nackten Koͤrper, bekommen aber bald Kiele und Federn, und haben dann am vollſtaͤndigen Gefieder nach dem Ausfliegen, aber noch vor ihrer erſten Maufer, folgende Farben: Halfter und Augenkreiſe find weißbraͤunlich; der Ober— kopf iſt braͤunlichgrau, mit dunkeln Flecken, fo auch der Nacken, doch mit kleinern Flecken und lichterm reineren Grau im Grunde; Oberruͤcken und Schultern hellroſtbraun, mit matt braunſchwarzen Schaftflecken; der Buͤrzel weiß, braͤunlich gemiſcht, mit ſchwarzbrau— nen Laͤngeflecken; die Wangen braungrau, auch lichter gefleckt; die Keh— le und Gurgel ſchmutzig weiß, mit feinen dunkelbraunen Strichelchen; die Kropfgegend und die Seiten der Bruſt blaß gelbbraͤunlich, mit graulich dunkelbraunen Laͤngeflecken welche auf den Weichen herab- gehen; die Mitte der Bruſt und der Bauch ſchmutzig weiß, an den Unterſchwanzdeckfedern mit gelbbraͤunlichem Anflug. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind hell roſtbraun, die mittlern und großen eben ſo, in der Mitte dunkel, an den Enden aber ſchmutzig weißgelblich, IV. Ord n. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. 83 weswegen zwei undeutliche lichte Querſtreifen über den Flügeln ent⸗ ſtehen; die braunſchwarzen großen Schwingen haben an den Au— ßenfahnen weiße und an den Enden braͤunliche Saͤume, die hintern Schwingen hellroſtbraune, an dem Spitzen lichtere Kanten, die ſchwar— zen Federn des Schwanzes weiße Saͤume, welche nach innen zu gelblich angeflogen find und an den Mittelfedern allmaͤhlig in licht- braune Kaͤntchen uͤbergehen. Der Schnabel iſt roͤthlichgrau, die Füße braͤunlich. — Maͤnnchen und Weibchen find in dieſem Kleide ſchwer zu unterſcheiden; bei erſtern iſt jedoch das Roſtbraun der obern Theile lichter und die dunkeln Schaftflecke ſind weniger mit dem Grunde verwaſchen, auch das lichte Braun an der Ober— bruſt hat ein friſcheres Ausſehen, und der ganze Unterkoͤrper iſt we— niger gefleckt, als am Weibchen; alles ſind jedoch ſo feine Unterſchei— dungszeigen, daß ſie nur bemerklich werden, wenn man beide Geſchlechter neben einander ſieht, ja ſie bleiben ſelbſt dann noch unſicher. Sobald fie gemauſert haben, im erſten Her bſt ihres Lebens hat das Maͤnnchen folgende Farben: Der Schnabel iſt bleigrau mit etwas dunklerer Spitze; der Anfang der Stirn und die Augen— kreiſe ſind weißbraͤunlich, die Zuͤgel etwas dunkler, der Scheitel grau, mit ſchwaͤrzlichen Federſchaͤften, wenn man aber die Federn aufhebt, zeigt ſich ein ſchmutziges Blutroth, noch bleich und ins Blaͤuliche ziehend; Wangen und Nacken grau, etwas dunkel geſtri— chelt und erſtere in der Mitte weißbraͤunlich geſtreift; Rüden und Schul: tern zimmtbraun, mit dunklen, meiſt verdeckten Schaftſtrichen, und mit roſtgelblichen Spitzen und Kanten der Federn, der Bürzel weiß, mit kleinen ſchwaͤrzlichen Schaftflecken; die Kehle und Gurgeln gelblichweiß, hin und wieder mit kurzen ſchwaͤrzlichen Schaftſtrichelchen, die in der Kropfgegend groͤßer werden; dieſe und die Oberbruſt matt blutroth oder blauroth (wie ſchmutzig und duͤnn aufgetragener Ku— gellack), welche Farbe aber von großen, breiten, hellgelbbraͤunlichen Federenden großentheils verdeckt wird, die Weichen lichtgelbbraun, mit einzelnen dunkeln Federſchaͤften; die Mitte der Bruſt, der Bauch und die Unterſchwanzdeckfedern weiß, mit braungelblichem Anflug. Die Fluͤgeldeckfedern und hinterſten Schwingfedern ſind zimmtbraun, am Schafte dunkler, mit lichten, ins Roſtgelbliche ziehenden Endkanten; die großen Schwingen ſchwarz, außen mit hellweißen Saͤumen, an den Enden mit braͤunlichen Kaͤnchen; die Schwanzfedern alle ſchwarz, die mittelſten mit lichtbraunen Kaͤnt⸗ chen, die uͤbrigen außen mit hellweißem Saum und inwendig mit weißer Kante, doch ſo, daß die aͤußerſte Feder das meiſte Weiß hat. 84 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 155. Blut-Hänfling. — Bon unten find die Schwanzfedern weiß, mit einem matt ſchwarzen, faſt gleichbreiten Streif in der Mitte der Federn der gan- zen Länge nach; die Schwingen unten glänzend grau, mit filber- weißen Innenkanten; die untern Fluͤgeldeckfedern 1 am Fluͤgelrande dunkel gefleckt. Die maͤnnlichen Bluthaͤnflinge haben alſo ſchon im erſten Herbſt ihres Lebens eine rothe Bruſt, dieſe Farbe ſteckt nur unter anders gefaͤrbten Federenden, welche ſie faſt ganz verdecken, und iſt bleicher, ſchmutziger und lange nicht ſo ſchoͤn, als ſie es nachher im Fruͤhjahr und Sommer wird. — Solche junge Maͤnnchen aber, welche an jenen Theilen garkeine Spur von Roth haben, kommen ſehr ſelten vor. Dieſe gelbbraunen Haͤnflinge (auch Steins haͤnflinge, Graubruͤſte u. ſ. w.), eine zufaͤllige Aus artung, bekommen vor der zweiten Mauſer keine rothe Bruſt und Scheitel, niſten alſo auch als Graubruͤſte. Sie ſcheinen, da ſie immer etwas kleiner oder ſchwaͤchlicher ausſehen, aus ſpaͤten Bruten hervorge— gangen zu ſein. Mit der zweiten Mauſer bekommen ſie die rothe Farbe. — Dann giebt es auch junge maͤnnliche Bluthaͤnflinge, an welchen die Scheitel- und Bruſtfedern, ſtatt der rothen, eine och er— gelbe Farbe haben, welche auch gegen das Fruͤhjahr ſchoͤner wird; auch fie find ſelten und eine zufällige Ausartung, bei welcher anſtatt der gelben Farbe ebenfalls, mit naͤchſter Mauſer, die rothe ihre Stelle einnimmt. — Weniger ſelten ſind ſolche, an welchen die rothe Farbe, ſtatt ins Blaurothe, ins Gelbrothe ſpielt, welche dann im Fruͤhjahr zu brennendem Gelbroth wird. — Alle dieſe Abweichungen von der Regel kommen wirklich im Freien vor, und duͤrfen nicht mit denen verwechſelt werden, made die Gefangenſchaft bei diefen Vögeln bewirkt. Sehr auffallend iſt die Veränderung, welche fich im Gefieder des maͤnnlichen Bluthaͤnflings zeigt, wenn es eine Zeitlang getragen iſt und den Einfluß von Luft, Sonne, Witterung, und der Reibungen erfahren hat. Schon im Fruͤhjahr ſchwinden viele anders gefaͤrbte Federkanten, das Roth des Scheitels und der Bruſt tritt hervor, der Hinterkopf und Hals wird reiner grau, der Ruͤcken reiner und lichter zimmtbraun; die merkwuͤrdigſte Veraͤnderung zeigt jedoch vor allen das Rothe; es iſt den Winter hindurch ſchon eine ganz andere Farbe geworden und wird von Zeit zu Zeit immer ſchoͤ— ner, bei aͤltern Männchen fruͤher, bei juͤng ern ſpaͤter. | Im Laufe des Frühlings wird der männliche Vogel diefer Art immer ſchoͤner, bis im Juni und Juli die Schönheit der Farben IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. 85 ſeines Geſieders aufs Hoͤchſte geſteigert iſt, und dann gehoͤrt er un⸗ ter die einheimiſchen Prachtvoͤgel, beſonders wenn er ſchon im zweiten oder dritten Jahre ſeines Lebens iſt. Hier die Be⸗ ſchreibung eines ſolchen: Die Gegend um die Schnabelwurzel und die Augenkreiſe iſt braungelblichweiß; der ganze Hinterkopf, Hin⸗ ter⸗ und Seitenhals, auch der hintere Theil der Wangen hell aſchgrau, mit dunkleren Schaͤften; Oberruͤcken und Schultern ſchoͤn hell zimmt⸗ braun, mit kaum dunklern Schaͤften und lichtern Federkanten; der Unterruͤcken weißbraͤunlich; der Buͤrzel ſchmutzig weiß, die Ober— ſchwanzdeckfedern ſchwarz, mit weißen Kanten; Kehle und Gurgel ſchmutzig⸗ oder braͤunlichweiß, mit kleinen dunkelgrauen Strichel— chen und laͤnglichten Fleckchen; die Weichen ſehr licht zimmtfarbig; die Mitte der Bruſt, der Bauch und die Unterſchwanzdeckfedern weiß. — Der Scheitel von der braͤunlichen Stirn an, und die ganze Oberbruſt ziert ein ungemein prachtvolles Roth, mit ſammet— artigem Glanze, eine Farbe, die nur mit dem ſchoͤnſten Karmin (wie er als trocknes Pulver ausſieht) verglichen werden kann. — Die Fluͤgeldeckfedern ſind wie der Oberruͤcken; der Afterfluͤgel und die Fittigdeckfedern braunſchwarz, mit lichten, braͤunlichen Saͤumenz die großen Schwingen ſchwarz, mit ſchneeweißen Saͤumen, welche von der fuͤnften an immer breiter und leuchtender werden, die Enden aller aber mit weißbraͤunlichen Saͤumchen; die der zweiten Ordnung ſchwarzbraun mit hellbraunen, die letzten derſelben aber blaͤſſer und mit noch breitern, hellzimmtfarbigen Kanten; die Schwanzfedern ſchwarz, die beiden mittelſten mit lichtbraunem Saum, die uͤbrigen mit hellweißem Streif auf den Kanten beider Fahnen, welcher an der innern ſehr breit iſt, aber auch an den aͤußerſten Federn die ganze (ſchmale) Außenfahne einnimmt. Der Schnabel iſt in der Begattungszeit bleigrau. Die ganz alten Maͤnnchen unterſcheiden ſich von den ein Mal gemauſerten im Herbſtkleide nur wenig durch höhere und reinere Farben, im Fruͤhlings- und Sommerkleide eben ſo, durch die groͤßere Pracht der rothen Farbe und daß dieſe einen etwas groͤßern Raum einnimmt durch das reinere lichtere Grau am Kopfe, durch das reinere und hellere Zimmtbraun des Mantels und durch den Mangel dunkler Schaftſtriche, hier, am Buͤrzel und in den Weichen. — Bei den juͤngern Männchen findet man das Roth an der Bruſt und auf dem Kopfe nie von jener Höhe; es iſt meiſtens nur ein ſchoͤnes Blutroth, oder es zieht etwas ins Gelbrothe. Es iſt eine hoͤchſt merkwuͤrdige und unbegreifliche Erſcheinung, 86 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 135. Blut-Hänfling. daß jene rothe Farbe, welche ſich gleich nach der Mauſer im Herbſt nur in blaſſer, ſchmutziger, bläulicher Anlage zeigt, nach und nach ſchoͤner wird, in ein helles Blutroth und endlich ſogar in ein hohes prachtvolles Karminroth uͤbergeht, ohne daß ein Federwechſel oder ſonſt eine merkliche Veraͤnderung mit den Federn Statt faͤnde. Wir ſehen bloß, daß dies Roth ſo allmaͤhlich ſchoͤner zu werden anfängt, wie ſich die es deckenden, anders gefärbten Raͤnder der Federn ab⸗ ſtoßen oder abreiben, und es der Wirkung des Lichts ausſetzen, und daß dieſe Prachtfarbe endlich immer ſchoͤner wird, wenn dem Ein— dringen des Sonnenlichts nichts mehr im Wege ſteht. Doch mag auch noch ein unbekanntes Etwas hier mit im Spiele ſein, wovon wir keine Ahndung haben koͤnnen, weil wir die Geſetze der Natur, ihre ſchaffende Kraft u. ſ. w. noch viel zu wenig kennen. Denn, daß nicht bloß Luft, Sonne und Witterung zum Hervorbringen je— ner rothen Farbe noͤthig ſein moͤgen, beweiſt der Umſtand, daß ein Bluthaͤnfling in der Gefangenſchaft nie eine rothe Bruſt bekoͤmmt, wenn man ihn auch in einem großen Drahtgitter, wie im Freien, mauſern laͤßt, allem Wechſel der Witterung ausſetzt, und ihm alle möglichen Genuͤſſe zu verſchaffen ſucht, ſelbſt wenn er alt und mit rother Bruſt in die Gefangenſchaft kam. Ich bekam einſt im Juni ein prachtvolles, wenigſtens drei Jahr altes, Maͤnnchen, und ſetzte es in einen großen luftigen und ſonnigen Behaͤlter; bald verwan— delte ſich ſein brennendes Karminroth in Gelbroth, dann in roͤthli— ches Gelb und im Auguſt, ehe es ſich mauſerte, noch in blaſſes Zitronengelb; es mauſerte nun, und nie zeigte ſich wieder eine Spur von Roth oder Gelb, ob ich es gleich noch mehrere Jahre hatte, wo es in dem Vogelhauſe in der ertraͤglichſten Gefangenſchaft lebte, die ihm nur gewaͤhrt werden konnte. So geht es immer. Eben ſo geht es verloren, wenn man im Herbſt ein fertig vermauſertes Maͤnnchen einfaͤngt und einſperrt, wenn auch das Roth an den Scheitel- und Bruſtfedern, indem man ſie aufhebt, ſchon voͤllig da— ſteht; in weniger denn zwei Monaten iſt alles Roth am Gefieder verſchwunden oder allenfalls in Strohgelb verwandelt, was auch bald vergeht, und ſo wenig, wie jenes, jemals wiederkehrt, ſo lange der Vogel in Gefangenſchaft bleibt. — So bekoͤmmt niemals ein jungaufgezogner Bluthaͤnfling eine rothe Bruſt und Scheitel, ſo— lange ſeine Gefangenſchaft dauert. Solche bekommen nach der er— ſten Mauſer ein Kleid, dem erſten oder dem der im Freien lebenden Weibchen aͤhnlich, und mit jeder neuen Mauſer bleibt es immer das naͤmliche, oder wird nur etwas dunkler oder brauner; denn IV. Ordn. XXVII. Gatt. 155. Blut-Hänfling. 87 auch das lichte Grau am Hinterkopfe und Nacken, und die helle, fleckenloſe Zimmtfarbe des Mantels bekoͤmmt keiner im Vogelbauer. Die Fuͤße bekommen bei ſolchen auch eine weißliche Farbe. — Dies find denn die ſogenannten grauen, graubruͤſtig en, gemei⸗ nen maͤnnlichen Haͤnflinge der Voͤgelliebhaber, die in dieſem Sinne niemals im Freien vorkommen. Die Weibchen unſres Bluthaͤnflings untetfeheiden von den Maͤnnchen hauptſaͤchlich durch den gaͤnzlichen Mangel alles Ro⸗ then, durch ein mehr geflecktes Kleid und unanſehnlichere Farben. Nach der erſten Mauſer hat der weibliche Haͤnfling dieſer Art folgende Zeichnung: Die Kehle, die Gegend um die Schnabelwurzel und die Augenkreiſe, die Gurgel, Schwing - und Schwanzfedern ſind wie am Maͤnnchen, die Saͤume an den letztern nur etwas ſchmutziger und braͤunlicher; Oberkopf, Nacken und Wan- gen braungrau, mit dunklern, beſonders am Scheitel ſtark ausge— druͤckten, Schaftfleckchen, die Mitte der Wangen weißlich gefleckt; Ruͤcken und Schultern roſtbraun, an den Federſchaͤften mit dunkeln, aber meiſt verdeckten, Flecken, und mit roſtgelblichen Kanten; der Buͤrzel weiß, braͤunlich gemiſcht und ſchwaͤrzlich gefleckt, die Kropf— gegend, Oberbruſt und Weichen licht gelblichbraun, mit ſchwaͤrz— lichbraunen Laͤngeflecken; die Mitte der Bruſt, Bauch und Unter: ſchwanzdeckfedern ſchmutzig weiß; die Fluͤgeldeckfedern roſtbraun, am Schafte ſchwaͤrzlich, an den Kanten oder Enden roſtgelblich. — Dieſe Farben werden den Winter und Fruͤhling hindurch wenig lichter, die roſtbraune des Mantels aber, weil die lichtern Federkanten verſchwinden, gegen den Som mer einfacher, reiner, die Flecke der Bruſt deutlicher, aber alles find keine erhebliche Unterfchiede, Mit zunehmendem Alter gehen mit der Faͤrbung des Gefieders beim Weibchen eben keine großen Veraͤnderungen vor, doch wer— den ſie imhohen Alter inſofern dem Maͤnnchen aͤhnlicher, daß am Kopfe und Halſe ein reineres Grau hervortritt, daß der Manz tel lichter und einfarbiger wird, aber die Farbe iſt hier doch kein ſol⸗ ches Zimmtbraun, wie am Maͤnnchen, ſondern eher ein lichtes gelb— liches Braun; die Bruſt wird auch weißlicher, aber die dreieckigen oder laͤnglichten Flecke klarer und deutlicher, 00 wol nicht ſo zahl⸗ reich, als bei juͤngern Weibchen. Außer den ſchon erwähnten Aus ar 10 ngen kennt man auch noch folgende Spielarten, als: die weiße (Fringilla cannabina eandida), welche entweder reinweiß oder gelblichweiß, und auch weiß, mit ſchwarzen, weiß geraͤnderten Schwing- und Schwanz: 88 IV. Ord n. XXV III. Gatt. 155. Blut Hänfling. federn vorgekommen iſt; eine weiß koͤpfige (Fring. cann. leuco- cephala), wie gewoͤhnlich gefaͤrbt, aber mit ganz weißem Kopf; eine geſchaͤckte (Fr. cann. varia), mit regelloſen weißen Flecken zwiſchen dem gewöhnlich gefärbten Gefieder; eine ſchwarze (Fr. cann. nigra), welche es wol nur im Kaͤfig wird, meiſtens bloß rauchſchwarz; und endlich hat man auch Ba ſt ab (Fr. cann. hybrida), von einem Haͤnflingmaͤnnchen und einem Canarienvogel⸗ weibchen gezogen, welche in der Farbe die Miſchung von beiden tragen, und ſehr vorzuͤgliche Saͤnger ſind. — Was ſonſt noch in fruͤhern Werken hierher gezaͤhlt wurde, gehoͤrt theils zu andern Arten, theils iſt es zweifelhaft, was man damit meinte. Die jungen Voͤgel mauſern im Auguſt und September; die zweite Mauſer erfolgt im Auguſt des kommenden Jahres; bei al: tern Voͤgeln faͤngt der Federwechſel aber ſchon im Juli an. Aufenthalt. 1 Der gemeine Haͤnfling iſt faſt uͤber ganz Europa verbreitet, wenn man den hohen Norden davon ausnimmt. In Norwegen geht er bis Drontheim hinauf, bewohnt die ſuͤdliche Haͤlfte von Schweden und Finnland und die mittaͤglichen Provinzen Ru ß⸗ lands; ob er aber weiter wie Petersburg nach Norden hinauf gehe, iſt nicht bekannt. So wird auch geſagt, daß er in Sibirien nicht vorkomme, wol aber in Nordamerika, wovon jedoch das letztere ſehr zu bezweifeln ſteht. Von den fruͤher genannten Thei⸗ len verbreitet er ſich aber uͤber alle andere nach Suͤden und Weſten gelegene von Europa, bis auf die Inſeln und Kuͤſten von Aſi en und Afrika, iſt aber in Mitteleuropa beſonders gemein, und gehört in De utſchland unter die allbekannten Vögel. Einzeln hat ihn wenigſtens in Deutſchland jede Gegend, aber es giebt auch viele, welche er in großer Anzahl bewohnt, z. B. manche in Thuͤ⸗ ringen, Sachſen, u. a. m., auch die hieſige, und wenn er auch manche im Sommer weniger haufig bewohnt, ſo erſcheint er da= ſelbſt wieder in der Zugzeit und zum Theil im Winter haͤufiger. Ob es gleich ſcheint, daß er bergige Gegenden (nur nicht Ge= birge) andern vorziehe, weil es nicht ſelten der Fall iſt, daß er in ſolchen ſehr haͤufig angetroffen wird, ſo fehlt er doch auch in keiner andern ganz, ja es giebt Ebenen, die ihn ebenfalls ſehr häufig haben; ſogar tiefliegende bewohnt er gern, und ſelbſt die Marſchlaͤnder haben ihn. In Deutſchland dürfen wir ihn bloß unter die Strich voͤgel IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut:Hänfling. 89 zaͤhlen, da er nicht regelmaͤßig wegzieht, ſondern in gelinden Wintern zu Tauſenden bei uns bleibt und bald in dieſe, bald in jene Gegend ſtreicht, auch in harten, ſchneereichen Wintern uns nie ganz verlaͤßt. Man vermißt ihn freilich dann hie und da in einzelnen Gegenden, ſelbſt in gelinden Wintern; nach genauerem Suchen in einem weitern Umkreiſe wird man jedoch bald eine auffinden, wo er in Schaaren uͤberwintert, wozu ihn wol gewiſſe Nahrungsmittel und ſonſt eine fuͤr ihn angenehme Lage veranlaſſen moͤgen. So konnte ich ſelbſt in dieſem ſo unerhoͤrt gelinden Winter 1824 in meinem Jagdrevier und der nahen Umgegend keinen einzigen dieſer Voͤgel auffinden, ſogern ich einige zu einem wiſſenſchaftlichen Zweck zu haben wuͤnſchte, fand aber, mehr als eine Meile weit von hier, wo ihrer viele alljaͤhrlich uberwifikenit; genug, um meinen Wunſch be⸗ friedigen zu koͤnnen. Man ſieht daraus, daß Oertlichkeiten leicht zu irrigen Meinungen fuͤhren koͤnnen. — Aus ſolchen Gegenden, worin ſie gern uͤberwintern, vertreibt ſie auch Kaͤlte und vieler Schnee nur ſelten ganz, immer hoͤrt und ſieht man da noch einzelne, die ſich die ſpaͤrliche Nahrung zu verſchaffen und Stellen aufzufinden wiſſen, wo ſie ihnen der Schnee nicht ganz entziehen kann; und dann iſt es auch nicht in einem Jahr, wie im andern; ich weiß, daß ſie in einem ſehr kalten Winter in den Umgebungen meines Wohn— orts nicht ſelten waren, waͤhrend ſie, wie oben erwaͤhnt, in einem andern gelinden ganz fehlten. — Bei allem dem iſt der Oktober, beſonders die letzte Haͤlfte, die eigentliche Strichzeit, wo man ſie allenthalben am haͤufigſten ſieht, wo ſie in großen Schwaͤrmen aus einer Feldmark in die andere ſtreichen, oder ſich in Schaaren auf den Feldern lagern, wovon denn doch viele gegen den Winter ſuͤdlicher zu wandern ſcheinen, weil man ſie nachher nicht mehr in ſo großer Anzahl bei uns ſieht. Der Maͤrz iſt die Zeit ihrer Ruͤckkehr an die Bruͤtoͤrter, und wenn ſie im Winter auch aus einer Gegend ganz verſchwunden waren, ſo erſcheinen ſie dann, vielleicht auch ſchon fruͤher, je nachdem die Witterung iſt, an den alten Plaͤtzen paar⸗ weis, und die Schaaren loͤſen ſich nach und nach auf. — Ihre Streifzuͤge machen dieſe Voͤgel, wenn ſie weit gehen, meiſtens ſehr hoch durch die Lüfte, über Feld und Wald hinweg, außer der Be- gattungszeit meiſtens in kleinen oder großen Geſellſchaften, in jener aber mehrentheils paarweis, und ſie durchfliegen in kurzer Zeit große Raͤume. Im Spaͤtherbſt ſah ich ſie oft in weſtlicher Richtung nor In der Wahl des Aufenthaltsortes zeigt der Bluthaͤnfling 90 IV. O rdn. XXVII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. manche Eigenheiten. Halb Wald-, halb Feldvogel, weicht er dem finſtern Hochwald und allen gut beſtandenen größere Waldungen gaͤnz⸗ lich aus, und nur auf jungen Schlaͤgen, die nicht zu weit vom Felde oder von Wieſen, Triften u. dergl. freien Gegenden entfernt ſind, findet man ihn im Sommer. Er liebt vielmehr die Wald: raͤnder, die mit jungem Nadelholz beſetzten Vorberge, die kleinern Vorhoͤlzer, die Feldhoͤlzer, die Gegenden, deren Aecker und Wie— ſen mit Graͤben und Daͤmmen durchſchnitten ſind, woran einzelne Baͤume ſtehen und vieles dichtes Heckengebuͤſch, beſonders Dornen— geſtraͤuch waͤchſt, die jungen Kiefern- und Fichtenanſaaten, ſelbſt wenn ſie ganz von weiten freien Feldern umgeben ſind, und dann die Gebüfche bei Dörfern und Staͤdten, ganz beſonders die Gaͤr— ten. Man findet aber einzelne auch mitten in den Bruͤchern, wenn ſie daſelbſt nur einiges Gebuͤſch haben, und dann habe ich ſelbſt auf einigen Inſeln der Nordſee, die bei den Haͤuſern kaum einiges Geſtraͤuch, ſonſt aber faſt keinen Baum hatten, Haͤnflinge ange— troffen. Auch in Weinbergen halten ſie ſich gern auf. In den Baumgaͤrten, wo es nicht an niederm Gebuͤſch, an Hecken und Zaͤu— nen fehlt, in großen Dornhecken auf freiem Felde wie in den ſoge— nannten Buſchrainen, und in Nadelholzanſaaten, die bis zu Manns— hoͤhe aufgeſchoſſen, ſcheinen ſie jedoch am liebſten zu wohnen, mag auch die Gegend bergicht, eben oder gar ſumpfig ſein; allein in die Gebirge gehen ſie nicht hoch hinauf. | Nach der Begattungszeit find fie wenig anderswo, als auf den Feldern anzutreffen; denn Ende Auguſt findet man ſie ſchon in den Kohlfeldern und ſpaͤterhin auf Stoppelaͤckern, in weis ten Feldern und oft in großer Entfernung von allem Gebuͤſch. Sie leben dann in großen Heerden, oft von Tauſenden beiſammen, und miſchen ſich auch wol unter die von Bergfinken, Feldſper— lingen, Gruͤnlingen und andern kleinen Vͤgeln. In ſolchen Feldern, worin es hin und wieder eine Dornhecke giebt, in welche ſie zuweilen, z. B. bei Verfolgung von Raubvoͤgeln, fluͤchten, und wo fie ſich auf den Zweigen putzen und ſoͤnnen koͤnnen, halten ſie ſich am liebſten auf. So ſehr dieſe Voͤgel dichte Buͤſche, Hecken und Baumkronen lieben, ſo geſchieht dies nicht ſowol, um ſich ſelbſt darin aufzuhalten, als vielmehr ihre Neſter darin zu verbergen oder auch Nachtruhe darin zu halten; denn ſie ſitzen am Tage meiſtens immer auf den oberſten Spitzen der Gipfel oder auf freien Seitenzweigen, und huͤpfen ſehr ſelten durch die Zweige; aber ſie halten ſich im Ganzen IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut=Hänfling.: 91 auch mehr auf dem Erdboden, als auf Bäumen auf nur in 105 Fortpflanzungszeit ſieht man 25 oͤfterer auf dieſen. Zur Nachtruhe begeben ſie ſich in den Gaͤrten gern in die ein⸗ zelnen Nadelbaͤume, Wachholdern, Taxus, in die dichten lebendigen Hecken und geflochtenen Zaͤune, ſeltner in die Giebel der Stroh— daͤcher von Gebaͤuden, die an die Gaͤrten ſtoßen, draußen aber i in die hohen und dichten Weiß- und Schwarzdornbuͤſche, und im Winter ſchlafen ſie, wo ſie kein niedriges Nadelholz haben, gern in den ſtrauch- oder baumartigen Eichen und Buchen, welche noch mit dem trocknen Laube verſehen ſind. Im Herbſt uͤbernachten ſie auch, oft in Geſellſchaft vieler anderer Voͤgel, als: Sperlinge, Finken, Gruͤnlinge, Bachſtelzen u. a. m., in dichtbelaubten * von Erlen und Weiden. F Unſer Bluthaͤnfling iſt von Geſtalt und Farbe ein ſehr ange— nehmer und im Betragen ein ſehr munterer und fluͤchtiger Vogel, klug oder gelehrig und vorſichtig, ſehr geſellig und ein zaͤrtlichlie— bender Ehegatte. Die Paͤaͤrchen trennen ſich das ganze Jahr nicht, wo einer der Gatten ſitzt, iſt gewiß der andere auch nicht weit, wo einer hinfliegt, folgt auch der andere, ſie theilen Freude und Leid mit einander; ihr Hang zur Geſelligkeit iſt ſo groß, daß ſelbſt in der Begattungszeit oft mehrere Paͤaͤrchen mit einander fliegen, und nicht ſelten viele in geringer Entfernung von einander niſten. Sie ſind immer froͤhlich, und die muntern Maͤnnchen ſingen nicht allein in der Fortpflanzungszeit, ſondern auch bei ſchoͤnen Herbſt- und Wintertagen ſehr fleißig. Dies, feine ziemlich ſchlanke Geſtalt, die Gewohnheit, ſein Gefieder immer knapp anliegend zu tragen, und auf Baͤumen und Buͤſchen immer ſehr frei zu ſitzen, machen ihn auf eine angenehme Weiſe bemerklich. — Er iſt meiſtens ziem⸗ lich mißtrauiſch, nur beim Neſte zutraulicher, wenn ſolches an einem Orte ſtehet, in deſſen Naͤhe oft Menſchen verkehren, ſonſt auch hier vorſichtiger, als mancher andere kleine Vogel, obwol die zaͤrtliche Liebe fuͤr Eier und Junge ſich in ſeinem aͤngſtlich beſorg— lichen Betragen deutlich genug ausſpricht. — Zur Zeit, wenn dieſe Voͤgel in Heerden vereint leben, ſind ſie am ſcheueſten; hier ſieht man auch an einzelnen, welche der Zufall von der Geſellſchaft entfernt, wie fie, aͤngſtlich nach ihr ſich ſehnend, unter beſtaͤndi⸗ gem Locken, große Strecken hoch nn die 19 durchfliegen, um jene wieder aufzufinden. 92 IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 155. Blut: Hänfling. Er huͤpft auf der Erde in haſtigen Spruͤngen, oͤfters mit hoch⸗ getragener Bruſt, ziemlich geſtrecktem Halſe und etwas uͤber die Horizontallinie erhabenem Schwanze, und ſieht hier, wie in ſeinem gewoͤhnlichen ziemlich aufrechten Sitze auf freien Zweigen und Baumgipfeln, immer ſchlank und nett aus. In allen ſeinen Be⸗ wegungen herrſcht überhaupt viel Leben und Gewandheit, und er iſt unter den kleinen Voͤgeln auch einer der ſchnellſten und geſchick⸗ teſten Flieger. Nur beim Abfliegen ſtreicht er oft eine gute Strecke in gerader Linie fort, ſonſt iſt ſein Flug wogend, und im Wander⸗ fluge bildet er ſogar eine aus großen Bogen zuſammengeſetzte Wo⸗ gen⸗ oder Schlangenlinie. Meiſterlich ſchnell wiſſen ſich die Heer⸗ den zu ſchwenken; einem raſchen Herabſchießen zur Erde, dem Anz ſchein nach, um ſich ſetzen zu wollen, folgt ein eben ſo ſchnelles Wiederaufſchwingen, und mehrmals den Platz umkreiſend, werfen ſie ſich endlich doch wol noch auf einen andern nieder. Da ihnen das Fliegen ſo leicht wird, ſo durchfliegen ſie auch oftmals ſehr weite Raͤume, und koͤnnen ploͤtzlich aus einer Gegend verſchwinden und eben ſo wieder erſcheinen. f Wenn man gleich von unſerm Haͤnfling nicht ſagen kann, er ſei ein weichlicher Vogel, ſo iſt es doch gewiß, daß heftige Kaͤlte ihm nicht zuſagt, und ich weiß ein Beiſpiel, wo in einem ſehr ſtrengen Winter ein Paͤaͤrchen vor ein an den Garten ſtoßendes Fenſter an meines Vaters Wohnung kam, und ſich hier mehrere Tage von verſchiedenen Saͤmereien, deren Stengel und Kapſeln nicht vom Schnee bedeckt waren, namentlich von Raute (Ruta graveo- lens) ernaͤhrte; als aber die Kaͤlte einen hohen Grad erreicht hatte, fanden wir an einem Morgen das Männchen todt, bei vollem Magen und geſundem unverletzten Koͤrperzuſtande, alſo hoͤchſtwahrſcheinlich von der Kaͤlte getoͤdtet, da liegen. Die Lockſtimme, ein kurzes hartes Gaͤck, Gaͤcker, oder Knaͤcker, hat Aehnlichkeit mit denen mehrerer verwandten Voͤgel, iſt aber doch ſehr kenntlich. Es klingt z. B. ganz anders, als das Jaͤck des Bergfinken, und mit dieſem verglichen mehr wie Geck oder Knaͤck; von dem Gick des Gruͤnlings und dem Juͤp des Buchfinken iſt es noch mehr verſchieden, und von dem des Berghaͤnflings unterſcheidet es ſich durch die Haͤrte des Tons, was noch mehr bei dem des Birkenzeiſigs der Fall iſt, weil der Lockton dieſes Vogels mehr ein ziſchender Laut iſt. — Häufig wird die Sylbe Gaͤck oder Geck mehrmals ſchnell hinterein— ander ausgeſtoßen, z. B. beim Fortfliegen, und kann dann ein IV. Ordn. XXVIM. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. 93 ſchnurrendes Gaͤckern oder Knaͤckern genannt werden. Sie locken uͤberhaupt mehr im Fluge, als im Sitzen, und beide Geſchlechter laſſen auch noch mehrere angenehme, ſanfte, floͤtende Toͤne, dieſe aber oͤfterer ſitzend „beim Neſte oder bei Erblickung von etwas Verdaͤchtigem hoͤren, die bald wie Luͤ — oder Ly; Knaͤckenyhz bald wie Dja — oder Ojuͤ klingen, und aus dem Geſange entlehnt zu ſeyn ſcheinen, weil ganz ähnliche darin vorkommen, denn dies ſer iſt bekanntlich einer der beſten unter denen der Voͤgel dieſer Gattung. Er faͤngt gewoͤhnlich mit einem Gaͤckern an, hat aber bei einem angenehmen ſtarken Ton viel Abwechslung in den Strophen und darunter mehrere floͤtende Töne, und ſonſt viel Aus— zeichnung. Nur die Maͤnnchen ſingen, gehoͤren aber zugleich un— ter die fleißigſten Saͤnger; ſie fangen gewoͤhnlich gegen den Maͤrz bei guter Fruͤhlingswitterung auch wol ſchon im Februar an zu ſingen, ſetzen es durch die ganze Fortpflanzungszeit bis in den Juli fort, und ſingen von fruͤh an bis gegen Abend, jedoch am meiſten des Vormittags. Sehr gewöhnlich ſitzt das ſingende Männchen . auf der duͤrren Spitze eines Obſtbaumes, auf dem Wipfel eines Nadelbaͤumchens, oder ſonſt auf der oberſten Spitze eines Buſches oder Baumes, ſeltner auf einem tiefern Nebenzweige; aber es ſingt ſehr haͤufig auch im Fluge, eben wenn es abfliegt oder wenn es ſich gerade niederlaffen will, doch auch mitten im anhaltenden Fluge, oft hoch durch die Luft hinſtreichend. Im Herbſt, ſelbſt an ſchoͤnen Decembertagen, hoͤrt man es wol auch ſingen, aber nicht fo ſtark; es find dies meiſtens junge Männchen, die den Ge: ſang einſtudiren. Sonſt fliegt das Maͤnnchen faſt nie durch große Raͤume, zumal einſam, ohne einzelne Toͤne aus dem Geſang unter das Gelocke zu miſchen, auch im Herbſt und Winter. Der gemeine Haͤnfling iſt ein allgemein beliebter Stubenvogel, ob er gleich alt eingefangen nicht ſozahm wird, wie viele andere Voͤgel; aber ſein herrlicher natuͤrlicher Geſang, ſein fleißiges Singen, denn er unterlaͤßt dies im Kaͤfig alljaͤhrlich nur fo lange, als der Federwechſel dauert, etwa einen Manat lang, und dann die Leichtigkeit, mit welcher er ſich unterhalten laͤßt und ohne viele Muͤhe lange Jahre dauert, ſind ſehr empfehlende Eigenſchaften. Doch zeigt er jung aufgezogen noch weit intereſſantere. Er laͤßt ſich naͤmlich ſehr leicht aufziehen, wird dann ſehr kirre, und zeigt eine bewundernswuͤrdige Ge— lehrigkeit im Erlernen von allerlei Kunſtſtuͤckchen, vornehmlich aber im Nachahmen von fremden Vogelgeſaͤngen, und kuͤnſtlichen Melo⸗ dien; ja man ſagt ſogar, daß er menſchliche Worte nachſprechen 94 IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. lerne. Lieder, Arien und andere kurze Tonſtuͤcke, welche ihm von Jugend auf mit dem Munde vorgepfiffen oder auf einer Drehorgel, Picco⸗ lofloͤte oder Flageolet vorgeſpielt werden, lernt er mit einer be⸗ wundernswuͤrdigen Genauheit und in einem ſo herrlichen, ſanften Floͤtenton nachpfeifen, daß er darin dem Rothgimpel nur we— nig nachgiebt. Dann lernen die jung aufgezogenen Haͤnflinge den Geſang des Canarienvogels, den der Stieglitze, Zeiſige, Lerchen, den Schlag der Finken und ſelbſt den der Nach ti— gallz; aber fie werden auch unleidliche Stuͤmper, wenn fie zwiſchen verſchiedenartigen Singvoͤgeln haͤngen und von mehreren Etwas lernen, oder gar fremde Toͤne, wie das Schirken ungeſchmierter Thuͤran— geln und andere Mißtoͤne auffaſſen. Die Faͤhigkeit zu ſingen zeigt ſich da auch bei den Weibchen, nur in weit geringerem Grade, und nur wenige lernen eine ganz kurze Melodie vollſtaͤndig. Nahrung. Dieſe beſteht faſt einzig in Saͤmereien, namentlich in oͤhlhal⸗ tenden, mitunter aber auch in den jungen Cotyledonen eben auf— gegangener Samen und anderem zarten Gruͤn junger Pflanzen, und, wie man ſagt, ſoll er auch Baumknospen benagen. Die Pflanzen, deren Samen er genießt, namentlich anzuge— ben, iſt kaum moͤglich; ihre Zahl iſt zu groß und moͤchte Legio hei— ßen. Am liebſten ſind ihm die Samen der Kohlarten, beſonders der Ruͤbſaat, der weißen Ruͤben und dergleichen, vom Rettig Senf, Spinat, Mohn, Hanf, Lein, auch von Dotter, Sallat, Salbei, Raute u. a. m. Einige der erſten Fruͤhlingsnahrungsmittel ſind ihm ausgefallener Erlenſame, und die Samen von Loͤwenzahn, Meierich, (Stellaria) Spurre (Holosteum), Taͤſchelkraut (Thlapsi), einiger Veroniken, des Huͤhnerdarms und vieler andern. Im Som- mer wird die Verſchiedenheit ſeiner Nahrungsmittel noch viel groͤßer, weil nun die Samen noch mehrerer Arten reifen, deren Menge end— lich im Herbſt und gegen den Winter ſich noch vergroͤßert. Er ſucht auf Raſenplaͤtzen die Samen von Wegerich, von Apargien, an den Rainen von Wegwarten, Habichtskraut, von Diſteln und Kletten, auf bebauetem Lande von Kreuzkraut, Gaͤnſediſteln, und in den Stoppeln von Hederich, Vogelknoͤterich, Hirſegras und noch vielen andern Arten; kurz, es moͤchte zu weit führen, alle diejenigen Pflan⸗ zen nennen zu wollen, von welchen wir mit Gewißheit wiſſen, daß die Samen ihm zur Nahrung dienen. — Auch ſeine Jungen füttert er mit geſchaͤlten und im Kropfe erweichten Saͤmereien auf, die der IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155.8 lut⸗Haͤnfling. 95 ö erſten Hecke vornehmlich mit den Samen von Alsine media, Stellaria alsine, Taͤſchelkraut, Leontodon Taraxacum u. a. m. Er ſucht die Saͤmereien entweder, wenn ſie bereits ausge⸗ fallen, vom Boden auf, oder er klaubt ſie aus den Kapſeln und Schoten und begiebt ſich deshalb auch auf die Samen tragenden hoͤheren Stauden. Dies ſieht man oft in Gaͤrten, noch oͤfterer aber auf den reifenden Ruͤbſaataͤckern, wonach die Bluthaͤnflinge um dieſe Zeit oft ſehr weit in die Felder fliegen, ſich auf die Stauden ſetzen, und die reifenden Schoten, der Samen wegen, aufbeißen. Den Winterruͤbſaat lieben ſie mehr, als den Sommerruͤbſaat; vielleicht, weil um die Zeit, wenn letzterer reift, auch andere reife Saͤmereien in Huͤlle und Fuͤlle und zu beliebiger Auswahl ſich ihnen darbieten, was bei erſtern, im Mai und Juni, noch nicht ſo der Fall iſt. In den Kohlſtuͤcken ſuchen fie eben fo wenig etwas Anderes, als Saͤme— reien (vielleicht von einigen Arten der Melde und des Gaͤnſefußes, Atriplex et Chenopodium, die dort haͤufigſt wachſen), wie ſpaͤter— hin auf den Stoppelaͤckern, und ins hohe Getraide fliegen ſie auch nur, des dazwiſchen wachſenden Unkrauts und ſeines reifen Sa— mens wegen. Sie huͤlſen alle Saͤmereien oder zerbeißen wentäflens die klein⸗ ſten, wie z. B. die von Alsine media, von Papa ver argemone u. a. m., ſo daß man bei Oeffnung des Kropfes die Arten nicht gut erkennen und nie alle genau beſtimmen kann. Man ſieht ſie, ihren Durſt zu ſtillen, oͤfters zum Waſſer fliegen, aber ſeltner, um ſich zu baden, was ſie ſogar zuweilen im Staube thun, wie die Sperlinge. — Sie picken auch gern Salz, und finden ſich deshalb bei den Salgleden der Schafe und Hirſche ein. In der Gefangenſchaft fuͤttert man ſie am beſten mit bloßen Ruͤbſamen, kann ihnen auch zuweilen etwas Mohn, Canarienſa— men und Hanf geben, muß letzteren jedoch etwas quetſchen, weil er, zumal wenn er alt, fuͤr ihre Schnaͤbel etwas zu hart iſt; oft und viel davon zu fuͤttern, iſt jedoch nicht rathſam, weil ſie zu fett davon werden. — Die Jungen, welche man aufziehen und abrichten will, nimmt man aus dem Neſte, ſobald ſie Kiele bekom— men oder die Federn aus den Huͤlſen hervorbrechen wollen, und, fuͤttert fie anfaͤnglich mit in Milch gequellter Semmel, mit Mohnfa- men vermiſcht, nachher mit eingequellten Ruͤbſamen, und floͤßt ih— nen dies Futter mit einem ausgeſchnittenen Federkiel ein, was ſehr leicht angeht, weil ſie ſich gewoͤhnen, die Schnaͤbel aufzuſperren, ſobald man mit dem Apparat ankoͤmmt. Will man ſie nicht ſchul⸗ 96 IV.Drdn. XXVIII. Gatt. 155. Blut-Hänfling. gerecht abrichten, fo kann man fie mit dem Neſte in einen Vogel⸗ bauer ſtecken und dieſen in der Gegend, wo fie ausgebruͤtet wurden, aufhaͤngen und von den Alten auffuͤttern laſſen, was dieſe ſelbſt auch dann thun, wenn man fie über dem Neſte fing und ſammt den Sun: gen einſperrte. Fortpflanzung. Der Bluthaͤnfling iſt in Deutſchland und den nachbarlichen. Laͤndern auch in der Begattungszeit, allenthalben, ein ſo gemeiner Vogel, daß es in unſerm Vaterlande wol ſchwerlich eine Gegend geben moͤchte, in welcher ſich nicht wenigſtens einzelne Paͤaͤrchen fortpflanzten, ja es giebt Striche, wo ſie ſo haͤufig niſten, daß man in einem Umkreiſe von 1000 Schritten mehr als hundert Neſter findet. Dies ſind beſonders Vorberge und Anfaͤnge hoͤherer Ge— birgswaldungen, von niedrigem Nadelholz, jungen Tannen, Fichten und Wachholderbuͤſchen. Aber auch Gegenden von ganz entgegengeſetztem Charakter, tiefliegende Ebenen, ſelbſt ſumpfige Strecken, ohne alles Nadelholz, wenn fie nur reichlich mit Dornen— buͤſchen verſehen ſind, und andere oben beim Aufenthalt bezeichnete Gegenden, haben ihn hin und wieder in großer Menge. Woher es aber komme, daß er in manchem Jahr eine Gegend haͤufigſt be= wohnt, in einem naͤchſtfolgenden aber darin faſt ganz fehlt, ohne daß merkliche Veränderungen dort vorgefallen, laͤßt ſich nicht erklaͤ⸗ ren. So brüten regelmaͤßig in meinem Garten ein oder zwei Paar: chen, im Jahre 1821 war aber nicht ein einziges da, und im dar— auffolgenden, 1822, wimmelte es dagegen ſo von ihnen, daß 8 bis 10 Paͤaͤrchen zu zaͤhlen waren, wovon ich im Garten ſelbſt zu gleicher Zeit 8 Neſter wußte, ſo daß bei einigen die Entfernung bis zum naͤchſten kaum uͤber 20 Schritte betrug. Der Standort des Neſtes iſt ſo außerordentlich verſchieden, wie man ihn bei andern Voͤgeln nur ſelten findet. Gewoͤhnlich ſteht es, zumal in wilden Gegenden, nicht leicht unter 2 und ſelten uber 6 Fuß über dem Erdboden; fo findet man es haͤufigſt in klei- nen, dicht ſtehenden Fichten, Tannen, Kiefern, Wachholdern, in Weiß ⸗ und Schwarzdornbuͤſchen, in den Kratzbeer-, und in Gaͤrten in Stachel- und Johannisbeerſtraͤuchen, in lebendigen Hecken von, Weißdorn, Buchen und anderem Holze, beſonders in verſchnittenen, fehr gern auch in den Lauben von Selängerjelieber, Geißblatt, Lyci⸗ um und andern rankenden Holzarten, in den Buͤſchen und Baum: chen von Taxus, Sadebaum und anderem immergruͤnen Holze, zu— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Hänfling. 97 mal in kuͤnſtlich verſchnittenen, in den Ranken von Weinſtoͤcken, in den kuͤnſtlich unterm Schnitt gehaltenen Franzobſt- und Geländer: baͤumen, und in vielem andern dichten Buſchholz, in todten und geflochtenen Zaͤunen, beſonders wo fie oben mit Dornen verf ſehen ſind, und in Reißholzhaufen. In einer Hoͤhe von 8 bis 10 Buß ſteht es fchon felten, aber noch ſeltener bis zu 16 und 25 Fuß hoch, auf gekoͤpften oder faͤcherfoͤrmig gezogenen und unterm Schnitt gehal— tenen Linden, Buchen, Kaſtanienbaͤumen, in hohen Weingelaͤndern, auch dicht an Gebaͤuden, ja zuweilen ſogar in den Giebeln an die Gaͤrten ſtoßender Strohdaͤcher. Ein Mal niſtete ſogar ein Paͤaͤrchen im Giebel eines alten Strohgebaͤudes auf meinem Hofe, vom Gar— ten noch durch einen ziemlichen Raum und ein langes hohes Ziegel— gebaͤude getrennt. Dann habe ich es auch ein Mal in einem gro— ßen, mit einem todten Flechtzaune umgebenen Garten, im hohen Roggen gefunden, wo ein Buͤſchel Halme ſich kreuzten und dem Neſte einen trefflichen Stand gewaͤhrten. In den Bruͤchern bauen ſie es zuweilen auch, doch nur in der Naͤhe von Baͤumen, auf die Stauden der hohen Sumpfeuphorbie. Auf den Inſeln der Daͤni— ſchen Weſtſee baueten fie meiſtens in die elenden verkrüppelten Holun— derbuͤſche bei den Haͤuſern, aber auf Amrom fand ich es in den Duͤnen ſogar hart am Erdboden in einem Buhl halbdürren Dit: nenhafers. | Das Neſt iſt ein dickes Flechtwerk, nicht ganz kunſtlos, aber auch nicht beſonders ſchoͤn gebauet. Die Materialien ſind etwas verſchieden, wie ſie die Gegend gerade darbietet. Die Neſter hler in meinem Garten und der Umgegend ſehen, wegen des gleichen Materials, denen des Gruͤnlings außerordentlich aͤhnlich, nur daß ſie kleiner ſind, ſehr ſelten Moos enthalten und meiſtens aus etwas feinern Stoffen gewebt ſind. Die aͤußere Lage bilden einige groͤbere Stengel und Halme oder Quecken, dann folget aber ein dickes Geflecht von feinen braunen Wuͤrzelchen, die zuweilen mit Wollkluͤmpchen und Faͤden durchwebt ſind; nach innen werden die Wuͤrzelchen noch feiner, und der halbkugeltiefe Napf iſt mit vieler Wolle gepolſtert, auf welcher immer noch einzelne haaraͤhnliche Wuͤrzelchen, einige Pferdehaare und Schweinsborſten liegen, welche die ſchoͤn gerundete Aushoͤhlung recht glatt machen. Es iſt ein wei— ches warmes Neſtchen. Solche, worin auch Wolle von Weiden oder Pappeln, Diſtelflocken und andere wollichte Pflanzentheile verwoben, ſind hier ſelten, in andern Gegenden aber gewoͤhnlicher als die mit Schafwolle; in noch andern Gegenden, wo z. B. das 5r. Theil. 7 98 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. kleine wollichte Gnaphalium dioicum häufig waͤchſt, find die Nefter größtentheils von dieſem Pflaͤnzchen gewebt; auch die Filago-Ar⸗ ten verbrauchen ſie gern dazu; da wo Heidekraut waͤchſt iſt die Grundlage von dieſem gemacht, und fo find fie oft ziemlich verſchie— den, bleiben aber an der vielen Wolle von Thieren oder Pflanzen im Innern meiſtens ſehr kenntlich. | Anfangs März ftellen ſich die Paͤaͤrchen an den Brütörtern ein, und wenn keine Veraͤnderung vorgefallen, ſo ſuchen ſie gern den alten Stand, ſelbſt denſelben Buſch, die naͤmliche Hecke oder Laube wieder auf, in welcher ſie im vorigen Jahr niſteten. Ich hatte fruͤ— her einige kuͤnſtlich geſchnittene Taxbaͤume in meinem Garten, in welche ſie nie verfehlten, ihre Neſter zu bauen, und alle Jahr kamen darin junge Haͤnflinge aus. Beſonders waͤhlten ſie dieſe Baͤume zur erſten Brut, vermuthlich weil die immergruͤnen Zweige die Ne— ſter beſſer verbargen, als die noch wenig belaubten andern Holzarten, und deshalb lieben ſie dazu auch die Stachelbeerbuͤſche, weil dieſe fruͤhzeitig gruͤn werden, und auch den Weißdorn. Denn ſie fangen oft ſchon in der letzten Woche des Maͤrzes an zu niſten, wo denn ſpaͤte Nachwinter nicht ſelten die Eier zerſtoͤhren. Im Jahr 1822 waren in meinem Garten am 27ten April ſchon mehrere Bruten ausgeflogen, was mit dem erſten Gehecke ſonſt gewoͤhnlich um die Mitte des Maies der Fall iſt. Dann ſchreiten ſie zur zweiten Brut, von welcher dann die Jungen ſelten im Juni, ſondern meiſtens erſt im Juli flugbar werden; nur dann, wenn ihnen eine Hecke zu Grunde ging, machen ſie noch eine, alſo eine dritte; denn Anfangs Septembers ſieht man zuweilen noch Junge, die den Alten Futter abfordern und nicht lange geflogen haben koͤnnen, und im Anfang des Auguſts habe ich oͤfters noch Neſter gefunden, wo das Weibchen noch auf den Eiern ſaß und bruͤtete. Am Neſt bauen zwar beide Gatten, aber das Männchen nur wenig, das Meiſte verrichtet das Weibchen; doch das Männchen ift ihm ſtets zur Seite und weicht nicht von ihm. Die Begattung wird auf einem freien, meiſt duͤrren Zweige vollzogen und zuweilen einige Mal nach einander wiederholt. Beim erſten Gehecke legt das Weib— chen gewoͤhnlich fuͤnf, ſehr ſelten ſechs, bei dem zweiten aber oft nur vier Eier. Dieſe ſind kleiner als die vom Buchfinken, und gleichen in Größe, Form und Farbe denen des Diſtelzeiſigs ungemein, ſo daß ſie oft nicht zu unterſcheiden ſind. Ihre Geſtalt iſt ſelten ſchoͤn eifoͤrmig, ſondern immer etwas kuͤrzer, manchmal ſogar kurzoval, und oft ziemlich bauchig. Die zarte Schaale iſt IV. Ordn. XXVII. Gatt. 155. Blut⸗Hänfling. 99 glatt, aber faſt ohne Glanz, blaugruͤnlichweiß oder blaͤulichweiß, mit ſchwaͤcherm oder ſtaͤrkerm gruͤnlichen Schein, und fo dünn, daß friſch der rothgelbe Dotter durchſcheint. Auf dieſem ſchwach blau— gruͤnlichen Grunde giebt es dann ſehr feine Puͤnktchen, und nach dem ſtumpfen Ende zu auch Fleckchen, theils von einem bleichen Vio— lettgrau, theils von einem matten Roſtroth, und dann unter dieſen auch noch einzelne dunkelblutrothe oder roͤthlichſchwarze kleine Punkte; manchmal ſind die meiſten Punkte und Flecken auch wol von einer blaſſen Blutfarbe oder ſie ſind fleiſchroth. Die feinſten Pünktchen find zuweilen ſehr zahlreich und überall verbreitet, die groͤbern und die Fleckchen nie; dieſe bilden ſehr oft undeutlich eine Art von Kranz am ſtumpfen Ende, ſind ſelten auch auf die uͤbrige Flaͤche vereinzelt und nie ſehr haͤufig; ja, es giebt Eier, wel— che nur einzelne Puͤnktchen haben, und endlich auch welche, bei de— nen ſie faſt ganz fehlen, ſo daß ſolche, oberflaͤchlich betrachtet, rein blaugruͤnlichweiß, ohne alle Zeichnung, erſcheinen. Das Weibchen bruͤtet die Eier allein binnen dreizehn bis vier— zehn Tagen aus, aber nachher beim Fuͤttern der Jungen zeigt ſich auch das Maͤnnchen ſehr thaͤtig. Waͤhrend das Weibchen auf dem Neſte ſitzt, iſt das Maͤnnchen oft weit abweſend, koͤmmt aber oͤfters aus der Ferne her geflogen und laͤßt ſich ſingend auf einem nahen Baume nieder. Mehrere Maͤnnchen nahe beiſammen bruͤtender Weibchen machen dann oͤfters ſolche Ausfluͤge gemeinſchaftlich. So ſehr ſie ihre Brut zu lieben ſcheinen, ſo gebehrden ſie ſich bei drohen— der Gefahr doch eben nicht ſo aͤngſtlich, daß ſie die Vorſicht dabei aufs Spiel ſetzten, und es iſt uͤberhaupt merkwuͤrdig, daß ſie immer ſo weit wegfliegen, ſelbſt wenn das bruͤtende Weibchen vom Neſte gejagt wird. Wenn ſie Junge haben, holen die Alten das Futter fuͤr jene auch aus der Ferne herbei und fliegen deshalb weit auf die Felder. Dann ſind ſie immer beiſammen, und wenn ſie ganz in der Naͤhe des Neſtes einen bequemen Baum haben, ſo laſſen ſie ſich immer erſt auf dieſen nieder, nun fliegt von hier aus das Maͤnnchen erſt zu den Jungen, fuͤttert eins nach dem andern und kehrt auf den Zweig, wo es zuvor ſaß, zuruͤck, nun fliegt auch das Weibchen zum Neſte und macht es eben ſo; jetzt ſitzen ſie eine kurze Zeit noch beiſammen auf dem Aſte und fliegen hierauf wieder ſchnell und zu gleicher Zeit weit weg, das Weibchen voran. So geht es den gan— zen Tag, wenn die Jungen ſchon viel Futter bedürfen, in Zwiſchen— raͤumen von Viertelſtunden, oder ſie kehren dann auch wol in noch kuͤrzerer Zeit mit gefuͤllten Kroͤpfen wieder. Wenn ſie ankommen, 100 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut:Hänfling. verhalten fie ſich gewöhnlich ganz ſtill, nur einige Mal rufen fie leife in den oben beſchriebenen ſanften Floͤtentoͤnen, worauf die Jungen, ſo lange ſie noch klein ſind, manchmal mit einem Zwitſchern antworten; haben fie aber ſchon Federn, fo verrathen ſich dieſe nicht, und erwarten die Ankunft der Futterbringer ganz ſtill. Glau— ben die Alten ſich beobachtet, ſo ſitzen ſie oft lange auf ihrem Zweige, dicht beim Buſche, worin das Neſt ſteht, ehe ſie ſich entſchließen hin— einzugehen und das Futter abzugeben, und man vernimmt dann je— ne ſanften, wehmuͤthigen Toͤne (Dja, — Djy, — Knaͤckenyh, —) defto oͤfterer. Das Wegfliegen, um aufs Neue Futter zu ho— len, geſchieht meiſtens unter wiederholten Gaͤckern oder Locken. Sie reinigen, nach dem Fuͤttern, das Neſt gewoͤhnlich von dem Un— rath der Jungen, welchen ſie verſchlucken und vom Neſte entfernt wieder ausſpeien, wahrſcheinlich, damit es dadurch nicht verrathen werde, und dies thut mehrentheils die Mutter. Die faſt nackten, mit wenigen Dunenfaſern beſetzten Jungen bekommen ſchon nach ei— nigen Tagen Kiele, und ſind in zehn bis zwoͤlf Tagen fluͤgge bis zum Ausfliegen. — Bemerkt man an den jungen Haͤnflingen, daß ſie locker im Neſte ſitzen, und zuweilen die Fluͤgel in die Hoͤhe recken und ſich dehnen, ſo kann man verſichert ſeyn, daß ſie ſehr bald aus— fliegen, was gewoͤhnlich, wenn dies nicht durch eine gewaltſame Stoͤhrung beſchleunigt wird, mit Anbruch des folgenden Tages ge— ſchieht. Nun halten ſie ſich in dichtbelaubten Baumkronen auf und rufen laut nach Futter; die Aeltern entfernen ſich auch nicht mehr ſo ſtill und weit, fuͤhren ſie aber bald an entlegnere Orte, und nach 10 bis 12 Tagen beduͤrfen ſie ihrer Unterſtuͤtzung nicht mehr. So wie dieſe allein freſſen koͤnnen, hört auch ihr eigenthuͤmliches Ge— ſchrei, was dem der jungen Gruͤnhaͤnflinge etwas aͤhnelt, aber wie: Juͤddi oder Schuͤddi klingt, auf, und verwandelt ſich in die gewoͤhnlichen Locktoͤne. | Die Liebe für ihre Brut thun fie auch dadurch kund, daß fie das Neſt nicht leicht verlaſſen, wenn man ſie auch zuweilen dabei ſtoͤhrt, die Eier betaſtet oder ihnen einige wegnimmt, u. dergl. mehr. Dies kann man zum Aufziehen junger Cana rien voͤgel benützen, wenn man ihnen die Eier nimmt und Canarienvoͤgeleier dafuͤr unter— legt, dieſe ausbruͤten, und die Jungen ſo weit auffuͤttern laͤßt, bis ſie ausfliegen wollen, nun dieſe ſammt dem Neſte in einen Bauer ſteckt, und dieſen in der Naͤhe hinhaͤngt, wo dann die Haͤnflinge dieſe Stiefkinder ſo lange fuͤttern und pflegen, bis ſie allein freſſen koͤnnen, gerade ſo wie wenn es ihre eigenen Jungen waͤren. Auf IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Haͤnfling. 101 dieſe Art erhaͤlt man eine aͤußerſt ſtarke und dauerhafte Zucht von jenen Weichlingen. — Wenn man auf ſolche Art junge Haͤnflinge auffuͤttern laſſen will, der Ort aber unſicher iſt, ſo haͤngt man den Bauer mit den Jungen den erſten Tag an einen Baum, aber nicht uͤber 30 Schritt weit von der Stelle, wo ſie ausgebruͤtet waren; haben die Alten da erſt einige Mal gefuͤttert, ſo kann man den Bauer nach und nach alle Tage um ſo viel weiter wegtragen und ſie ſo bis zu einer bequemen ſichern Stelle, ſelbſt bis vor ein Fenſter, hinlocken, und ſich die Jungen ſo ohne Muͤhe auffuͤttern laſſen. So aufgezogene junge Bluthaͤnflinge ſind aber außerordentlich wild, und es dauert lange, ehe fie zahm werden, ja ſie flattern ſich nicht ſelten zu Tode, wenn man ſie mit dem Bauer ins Zimmer bringt. Feinde. Die Alten ſind den Verfolgungen der kleinern Kaubrögel ſehr ausgeſetzt, und ſelbſt ihr ſchneller Flug rettet ſie ſelten vor den Klauen des flinken Sperbers, des pfeilſchnellen Lerchen- und Merlinfalkenz beſonders iſt der letztere im Spaͤtherbſt ihr un— ablaͤſſiger Verfolger, vor deſſen Stoͤßen fie nur dichte Dornbuͤ— ſche oder Nadelbaͤume ſchuͤtzen, in welche ſie ſich jederzeit fluͤchten und verſtecken, wenn ſie einen ſolchen gefaͤhrlichen Feind zeitig ge— nug ankommen ſehen. — Ihre Brut findet man oft verſtoͤhrt, denn Katzen, Marder, Iltiſſe und Wieſeln ſpuͤren Eiern und Jungen nach, auch die Elſtern zuweilen, und der rothruͤckige Wuͤrger, welcher draußen in den Dornbuͤſchen, Hecken und jun— gen Nadelholzgehegen nur zu oft in ihrer Naͤhe wohnt, iſt ihnen, zumal bei naßkalter Witterung, wo es ihm an Inſekten mangelt, ein ſehr gefaͤhrlicher Nachbar, und frißt ihnen oft die Eier oder Jungen auf. In den Gärten verwuͤſten die Katzen ſehr viele Ne— ſter. Gewiß ſtellen ſie, um ſolche Feinde davon abzuhalten, das Neſt deshalb ſo gern in die Dornen. f Im Kaͤfige leiden ſie an der fallenden Sucht, an Eng— bruͤſtigkeit, Verſtopfung, Darre und andern Uebeln aͤhn— licher Stubenvoͤgel, welche man auf gleiche Weiſe wie bei dieſen cu— rirt. Damit fie nicht zu fett werden, woran fie auch zuweilen ſterben, was hauptſaͤchlich von zu vielem Genuß des Hanfſamens entſtehet, a man ihnen ah mageres Futter, naͤmlich Ruͤbſamen. Nur am Brüteorte und 1 fu dieſe Hänflinge leich zu 102 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 155. Blut⸗Hänfling. ſchießen; fonft find fie vorfichtig, und in groͤßern Geſellſchaften fo: gar ſcheu, fo daß man nicht leicht mit der Flinte nach Wunſch an ſie koͤmmt; aber es laͤßt ſich oft dann ein guter Schuß auf eine Schaar anbringen, wenn ſie gerade im Schwenken begriffen iſt, wo ſie recht dicht fliegen. f Auch beim Fange zeigen ſie Mistrauen und viel Vorſicht. Sie kommen auf den Finkenheerd, wenn dieſer recht frei am Felde liegt, und wenn man Locker und Laͤufer ihrer Art hat, fallen aber auch dann nicht beſonders gut auf. Ein eigener fuͤr ſie eingerichte— ter Heerd im Stoppelfelde giebt beſſere Ausbeute. Man hat mich auch verſichert, daß ſie nach dem Lerchenſpiegel (Bd. IV. S. 187.) kaͤmen. — Mit einem guten Locker faͤngt man ſie im Fruͤhjahr auch auf Lockbuͤſchen, mit Leimruthen oder in Sprenkeln, nur mit dieſen, ohne Lock, auch auf den Samen tragenden Gewaͤch— ſen in Kuͤchengaͤrten, wo ſie ſich durch Ausklauben und Aufzehren der Saͤmereien bemerklich machen. Will man die Alten beim Neſt fangen, ſo ſtellt man dieſes mit den Jungen in eine Falle, und fängt fo ſehr leicht Männchen. und Weibchen nach einander, die dann in der Gefangenſchaft die Jungen groß fuͤttern. — Bechſtein beſchreibt noch einen eigenen Fang, da wo ſie auf die Salzlecken der Schaafe kommen; er ſagt: „Die Schaͤfer ſtellen eine Salzkrippe mit einem Stellhoͤlzchen ſo auf, daß ſie dies mittelſt eines langen Fadens wegziehen und die Krippe zufallen machen koͤnnen, was geſchieht, wenn ſie Haͤnflinge darunter kriechen ſehen. An einem Ende hat die Krippe ein Loch, nach welcher Hellung die bedeckten Voͤgel hinlaufen und in einem vorgehaͤngten Garnſaͤckchen ſtecken bleiben. So fangen fie fie den ganzen Sommer hindurch.“ Nutz en. Sie haben ein ſehr wohlſchmeckendes Fleiſch und ſind im m Herſt oft recht fett. Ihr froͤhlicher Geſang erfreuet, und belebt vorzuͤg⸗ lich die Gärten ſehr angenehm, iſt für den, der fie im Käfig halt, beſonders unterhaltend, und das Abrichten junger Haͤnflinge giebt Manchem eineunſchaͤdliche oder auch belohnende Nebenbeſchaͤftigung, denn die abgerichteten Haͤnflinge werden oft theuer bezahlt. Sie vertilgen eine Menge Unkraut, indem fie den Samen vie: ler, der Cultur nuͤtzlicher Gewaͤchſe hinderlichen Pflanzenarten auf: ſuchen und verzehren. IV. Ordn. XXVIN. Gatt. 155, Blut⸗Haͤnfling. 103 Schaden. f An 125 Samen von Kuͤchengewaͤchſen thun ſie hin und wieder einigen Schaden, indem ſie ſich auf die reifenden Stengel ſetzen und die Samen ausklauben; beſonders gehen ſie gern nach denen von Braunkohl, weißen Rüben, Sallat und einigen ähnlichen; auch Ile: fen fie viel Saͤmereien von den friſchbeſaͤeten Beeten und beißen zar: te Pflaͤnzchen ab. Ich habe jedoch die Bemerkung gemacht, daß ſie viel weniger in kleinen, als in großen Gaͤrten dergleichen angehen, und bey weitem nicht ſo dreiſt als . Gruͤnlinge, und andere Naͤſcher ſind. Auf dem Felde, am Rapps 055 Ruͤbſaat, wird der Schade nicht merklich, ob ſie ſich gleich daſelbſt nicht, wie Brehm (Beitr. I. S. 744.) meint, bloß mit dem begnuͤgen laſſen, was am Boden liegt, ſondern ſchon dann dieſe Aecker beſuchen und den Samen, auf den Stauden ſitzend, aus den Schoten klauben, wenn er nur erſt zu reifen anfaͤngt. 156. Der Berg⸗Haͤnfling. Fringilla mon tiu m. Gmel. Fig. 1. altes Maͤnnchen im Herbſtkleide. Taf. 122. — 2. Weibchen im Herbſtkleide. — 3. junges Maͤnnchen. Steinhaͤnfling; gelbſchnaͤbliger oder gelbkehliger Haͤnfling; gelbſchnaͤbliger Fink; Gelbſchnabel; arktiſcher Fink; Felsfinke, brauner Riſet; Quitter; Greinerlein. Fringilla montium. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 917. n. 68. = Lath. ind. I. p. 459. n. 84. = Fringilla flavirostris. Linn. N suec. p. 87. n. 239. Nils- son Orn. sue. I. p. 140. n. 71. = La Linotte de montagne. Vieillot, Mem. della Acad. di Torino, an. 1816. p. 212. Gros-bec a gorge rousse ou de mon- tagne. Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 368. — Mountain. Linnet. Lath. syn. II, 1. p. 307. n. 76. — Ueberſ. v. Bechſtein. III. S. 297. n. 76. = The Tvite. Penn. britt. Zool. I. p. 346. n. 133. tab. 53. — Eiusd. Arct. Zool. II. p. 380. C. — Ueberſ. v. Zimmermann, II. S. 354. C. Graa Irisk. Leem's Finnmark, p. 256. Bechſtein Naturg. Deutſchl. III. S. 139. = Deſſen Taſchenbuch, I. S. 125. 104 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg⸗Hanfling. Wolf und Meyer, Taſchenb. I, S. 172. e. und III, S. 54. Brehm, Lehr⸗ buch d. eur. Vög. I. S. 193. — Friſch, Bog. Taf. 10 obere Fig. M. und W. SNaumann' s Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. 132. Taf. 20. Fig. 39. Maͤnnchen. Anmerk. Die Verwirrung in der Geſchichte dieſes Vogels iſt fo groß, daß nur obige Synonymen mit Gewißheit angezogen werden koͤnnen. Kennzeichen der Art. ö Kehle und Zügel roſtgelb; der Buͤrzel weißlich, am Maͤnn— chen roth uͤberlaufen; die mittlern e e mit hellweißen Säumen. Der Schnabel iſt ſtets gelb. Be ich e bag Di.eſer aͤchte Hänfling war früher nur von einigen wenigen Schriftſtellern unvollkommen gekannt, weshalb ſpaͤterhin die mei- ſten an ſeiner Exiſtenz als eigene Art zweifelten, bis dieſe Zweifel in den neueſten Zeiten durch die ſicherſten Beobachtungen zur Ge— nuͤge gehoben wurden. Schon 1805 überzeugte ich mich an aus⸗ geſtopften Stuͤcken von der Identitaͤt dieſer Art, und habe nun ſeit jener Zeit ſehr viele in den Haͤnden gehabt, ſelbſt erlegt und leben— de Exemplare beſeſſen. — Eine Mittelart zwiſchen dem Blut— haͤnfling und dem Birkenzeiſig, wohin ihn auch Friſch ſchon ſtellte, aber weit mehr Haͤnfling als Zeiſig, und letztgenann— ter Art nur in ſeiner Kleidung aͤhnlich, weniger in Lebensart und Betragen, wo er ganz Haͤnfling iſt. Von einigen ſehr aͤhnlichen Altersverſchiedenheiten des Birkenzeiſigs unterſcheidet ihn der ſtaͤrkere, rundere, und weniger duͤnnſpitze Schnabel, der Mangel des ſchwarzen Kinns und des rothen Scheitelflecks, auch die Anwe— ſenheit ſehr hellweißer Saͤume an den mittlern Schwingfedern. Dieſe hat zwar auch der Bluthaͤnfling; allein der Schnabel dieſes bekannten Vogels iſt nie ſchwefelgelb, und er hat auch nie ſo dunkel gefaͤrbte Fuͤße, mit ſo langen duͤnnen Krallen; denn die der Hinterzeh unſeres Berghaͤnflings iſt wirklich ſo ausgezeichnet, daß ſie ſogleich auf die Lebensart deſſelben hin- und einen halben Erd— vogel andeutet, wie dies bei vielen Ammern, bei den Lerchen, bei Piepern, Bachſtelzen u. a. derſelbe Fall iſt. w In der Größe ſtehet er zwiſchen dem Bluthaͤnfling und dem Birkenzeiſig mitten inne, hat auch verhaͤltnißmaͤßig etwas laͤngere Fluͤgel und Schwanz als der letztgenannte, und iſt ſo von Geſtalt dem erſtern viel ähnlicher. Seine Lange iſt 5 bis 87 Zoll, ſelten bis 6 Zoll; feine Fluͤgelbreite 94 Zoll; die Lange des Flügels vom Bug bis zur Spitze 37 Zoll; die des Schwanzes 25 bis 25 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg⸗Haͤnfling. 105 Zoll, wovon die Enden der ruhenden Fluͤgel noch nicht die Haͤlfte bedecken. Die erſte, zweite und dritte Schwingfeder haben faſt gleiche Laͤnge und ſind die laͤngſten, oder die erſte iſt kaum etwas laͤnger als die zwei folgenden; das Ende des Schwanzes hat einen tiefen ſcharfwinklichten, 5 Linien tiefen Ausſchnitt, welcher van. den ſchief zugeſpitzten Federenden gebildet wird. 5 Däeer Schnabel iſt etwas klein, kurz, e 6 oder welk kommen von der Geſtalt eines Kreiſels, doch zunaͤchſt der Spitze ein klein Wenig zuſammengedruͤckt, 4 Linien lang, an der Wurzel 3 Linien hoch und 25 Linien breit. Seine Farbe iſt ein helles Wachs⸗ gelb, was ſich im 7 9 5 in Zitronengelb verwandelt, und im Sommer faſt in gelbliches Weiß uͤbergeht; die Spitze des Ober: ſchnabels braunſchwarz in einem ſchmalen Streifchen, was mehr oder weniger auf ſeinen Ruͤcken heraufſteigt, und auch die Spitze des Unterſchnabels hat oͤfters etwas Schwaͤrzliches, aber viel weniger, als der obere, und es fehlt hier auch nicht ſelten ganz. Das kleine runde Naſenloch liegt unter kurzen braunen Borſtfederchen; der in— nere Schnabel iſt gelb; die kleinen lebhaften Augen haben einen tief braunen Stern. ' Die niedrigen, eben nicht ſtarken Füße haben faft geſtiefelte Laͤufe, geſchilderte Zehenruͤcken, grobwarzige Zehenſohlen, und lange, dünne, nadelſpitzige, zuſammengedruͤckte, unten zweiſchnei— dige Krallen, welche ſich nur in ein kurzes Bogenſtuͤck kruͤmmen, alſo eine ſehr niedrige Kruͤmmung haben. Die Farbe der Fuͤße iſt braunſchwarz, oder ſchwarz, an den Laͤufen roͤthlichbraun durchs ſchimmernd, die Sohlen manchmal grau; die Krallen ſind ganz ſchwarz. Die Fußwurzel iſt 8 Linien hoch, das obere Gelenk am falſchen (ſogenannten) Knie ſtark befiedert; die Mittelzeh nebſt der 23 Linien langen Kralle faſt 8 Linien, und die Hinterzeh, mit der e anſehnlich großen, 33 Linien langen Kralle, ziem⸗ lich 62 Linien lang. Das alte Maͤnnchen im Wigger kleid hat folgende Farben und Zeichnungen: Die Zügel find braͤunlich; Kehle, Gur⸗ gel, ein Streif uͤber und die Gegend unter dem Auge dunkelroſtgelb oder braungelb, roͤthlich uͤberflogen; die Wangen eben ſo, nur hinterwaͤrts braͤunlich gefleckt; Kropf und Bruſtſeiten heller, als Kehle und Augengegend, mit unordentlichen, matt ſchwarzbraunen Laͤngsflecken; die Mitte der Bruſt gelblichweiß; Bauch und untern Schwanzdeckfedern weiß; die Schenkel roſtgelblich. Der ganze Ober: kopf, die Schultern und der Ruͤcken ſind braungelb, ſtark und ſtrei⸗ 106 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 156. Berg⸗Haͤnfling. fenartig ſchwarzbraun gefleckt, weil die ſchwarzbraunen Federn gelb: braune, doch nicht ſcharf begrenzte, Seitenkanten haben; Nacken und Halsſeiten eben ſo, nur heller, letztere auch mehrentheils etwas lichtgrau gemiſcht; der Buͤrzel ſchmutzig purpurroth; die obern Schwanzdeckfedern dunkelbraun, braungelb gekantet. Die Fluͤgel⸗ deckfedern ſind dunkelbraun, roſtgelblichbraun gekantet, und die gro⸗ ßen mit roſtgelblichweißen Spitzen, daher ein gelblichweißer Quer- ſtreif durch den Flügel; die hintern Schwingfedern dunkelbraun, hell—⸗ braun gekantet, mit roſtgelben Endſaͤumen; alle uͤbrigen Schwingen ſchwarzbraun, die vier vorderſten mit ſehr ſchmalen braͤunlichweißen, die vier folgenden aber mit viel breiteren ſchneeweißen Saͤumen an den Außenfahnen, und alle mit braͤunlichweißen Endſaͤumen. Alle Schwanzfedern ſind braunſchwarz, die mittlern mit lichtbraunen, ins Weißliche uͤbergehenden Kaͤntchen, die uͤbrigen mit weißen Saͤu⸗ men an den Außenfahnen, die nach dem Ende zu ſchmaͤler werden, hier zuweilen ins Gelbliche uͤbergehen, was bei manchem ſich auch weiter herauf verbreitet, wo dann nur der Saum der aͤußerſten Fer der rein weiß iſt; allein es giebt auch Exemplare, wo die Saums chen, die der Mittelfedern ausgenommen, alle rein weiß ſind und nur das der aͤußerſten Feder braungelblich überflogen iſt. Von un: ten find Schwing- und Schwanzfedern glänzend grau, an den In⸗ nenfahnen mit breitem ſilberweißen Saum; die untern Fluͤgeldeck— federn truͤbe weiß, grau gemiſcht; der Fluͤgelrand meiſtens weiß. Juͤngere Maͤnnchen haben ſehr wenig Roth auf dem Buͤrzel, oder dies ſitzt fo tief, daß man es ſuchen muß, es iſt auch ſchmutziger und dunkler, ja es fehlt manchen ſogar bis auf einen geringen Schein, welcher unter graulichen Federraͤndern verdeckt iſt. Im Ganzen ſind ſie auch graulicher, an der Bruſt mehr gefleckt, doch iſt aller dieſer Unterſchied meiſtens ſehr unbedeutend. Das Weibchen unterſcheidet ſich vornehmlich durch den Mangel alles Rothen, ob es gleich auch ſehr alte Weibchen geben ſoll, die auf dem Buͤrzel Spuren davon tragen, folglich den jungen Männchen ganz ähnlich ſehen ſollen. Ich fand die Weib: chen immer ohne Roth, den Bürzel roſtgelb und ſchwaͤrzlich geſtreift mit weißlicher Miſchung, die Kehle reiner roſtgelb und die Wangen weit weniger gefleckt, als bei den Männchen, und dies zwar nicht: als ſehr auffallende, aber doch ziemlich ſtandhafte Unterſcheidungs⸗ merkmale. | Durch das Abſtoßen der Federraͤnder entſteht bei dieſen ein Mal mauſernden Voͤgeln, im Laufe des Winters und weiterhin, IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg: Hanfling. 107 eine Veränderung des Ausſehens; auf den obern Theilen tritt das durch im Frühjahr die ſchwarzbraune Farbe in weit groͤßern Flek⸗ ken hervor, während die gelbbraͤunlichen Federkanten faſt ganz vers ſchwinden; auch die Flecke an der Bruſt und in den Weichen werden viel groͤßer, die Saͤumchen an den Fluͤgel- und Schwanzfedern ſehr ſchmal, und alles dieſes wird es noch mehr gegen den Sommer. Waͤhrend demnach das Ganze ein ſchlechteres Anſehen bekoͤmmt, ſo wird dagegen das Roth auf dem Buͤrzel des Maͤnnchens lichter und viel feuriger, karminroth, die Schnabelfarbe weißlicher, blaß ſchwe⸗ felgelb, und der ſchwaͤrzliche Strich auf der Schnabelſpitze verſchwin— det faſt ganz. Bis auf das Rothe am Buͤrzel ſehen daher die Maͤnnchen in ihrem friſchen Herbſtkleide weit ſchoͤner 3 als im abgeſchabten Fruͤhlingskleide. Dieſe Veraͤnderungen zeigen ſich, nur nicht ſo auffallend, felbft bei eingeſperrten Exemplaren, wenn man fie den Wirkungen der freien Luft und des Sonnenſcheins in ihren Kaͤfigen ausſetzt, aber mit naͤchſter Mauſer hat es mit dem Rothen der Maͤnnchen fuͤr immer ein Ende, gerade wie bei eingeſperrten Bluthaͤnflingen. Sie ſehen nach der erſten in Gefangenſchaft, abgehaltenen a ganz wie die Weibchen aus. Der junge unvermauſerte Vogel iſt nirgends bee ben und mir auch unbekannt. ; Ueber die Zeit der Mauſer kann ich nur fo viel ſagen, daß ſie bei einem Exemplar, deſſen Käfig ich ſtets im Freien hängen ließ, mit ar des Auguſt anfing und den September m. e i Aufenthalt. Die Heimath dieſes Haͤnflings iſt der hohe Norden von Eu⸗ ropa und Aſien. Im Sommer bewohnt er die Arctiſche Zone und ſolche unwirthbare, felſigte Gegenden, wo es keinen Baum, ſon— dern kaum noch kruͤppelhaftes Geſtraͤuch giebt, z. B. das gebirgige obere Schottland, Norwegen, Schweden, Lappland; aber in Rußland ſoll er ſeltner ſeyn, doch auch in Sibirien vorkommen, u. ſ. w. Es iſt indeß ſehr zu vermuthen, daß er noch mehrere Laͤnder unter gleichen Breiten bewohnt, wohin aber bis jetzt noch kein Ornitholog vorgedrungen iſt, und weil fruͤher der Vogel haͤufig verkannt wurde oder nicht gekannt war, ſo iſt manchen Nachrichten uͤber ſein Vorkommen nicht recht zu trauen. Aus jenen hohen Breitegraden wandert er im Herbſt in ſuͤdli⸗ chere Gegenden, koͤmmt dann nach dem ſuͤdlichen Schweden alle 108 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg⸗Haͤnfling. Jahre, auch nach England, nach Frankreich, Holland, und ins noͤrdliche Deutſchland. In harten Wintern geht er noch weiter, bis in die ſuͤdliche Schweiz, ins mittaͤgliche Frank— reich und nach Oberitalien, aber als eine ſehr ſeltene Erſchei— nung, Er iſt am Rhein, oͤfterer noch bei Wien gefangen, auch in Schleſien vorgekommen, ich habe ihn von Halle an der Saale erhalten, wo er mehrmals gefangen wurde, und ihn hier in An— halt in manchem Winter gar nicht einzeln bemerkt. Erſt am letztverwichenen Iten November (1824) ſchoſſen wir hier ein altes Maͤnnchen aus einer Heerde von 12 Stuͤcken. Er erſcheint in unſern Gegenden gewoͤhnlich nicht vor Ende des Oktober, am gewoͤhnlichſten erſt im November, haͤlt ſich in ge— linden Wintern bis in den Januar, aber nach Ende des Februar habe ich hier keinen mehr bemerkt. Geradezu im Wandern begrif— fen, habe ich noch keinen geſehen; ich fand ſie immer auf Stoppel— aͤcker gelagert oder mit andern Voͤgeln umherſchwaͤrmend, als Voͤgel, die bei uns uͤberwinterten. Einzeln und einſam ſieht man ſelten einen; ſolche miſchen ſich in die Heerden von Bluthaͤnflingen, ja dies thun oft ganze kleine Geſellſchaften, welche dann, mit den Schwaͤrmen dieſer vermengt, mit ihnen herumſchweifen, wo es die meiſte Nahrung giebt; ſie halten ſich aber ſelbſt unter vielen an— dern Voͤgeln doch immer zuſammen und oft nicht mitten unter die— ſen auf. Heerden von zwoͤlf bis zwanzig ſind eben ſo ſehr ſelten nicht, aber in noch groͤßerer Anzahl ſehen wir ſie hier nicht beiſammen. Er In feinem Vaterlande lebt er im Sommer in fehr rauhen, oͤden Gegenden auf Bergen und Klippen, beſonders in ſolchen, wo einzelne große Steinmaſſen, Bloͤcke und Felstruͤmmern umherliegen, zwiſchen welchen niedriges Gebuͤſch waͤchſt, zuweilen ſelbſt nahe bei einzelnen Gehoͤften, oftmals aber auch in den traurigſten Einöden an Felſenabhaͤngen auf kahlem Geſtein, an mit Schluchten durch— brochenen Bergen, uͤberall nur in ſolchen Gegenden, wo es gar kei— nen hohen Baum giebt. Er trifft dort oft mit dem Schnee am— mer zuſammen, welcher im Sommer aͤhnliche Gegenden bewohnt und mit ihm vereint dieſe einigermaßen belebt. Nach der Bruͤtezeit ſchlagen ſich die Familien in Heerden zuſammen, lagern ſich an den Abhaͤngen der Berge und ziehen ſich im Herbſt nach bewohnteren Ge- genden; ſie treiben ſich dann in freundlichern, zum Theil angebaueten Gegenden herum, bis fie Froſt und Schnee zwingt auszuwandern, um in gelinderer Temperatur ſuͤdlicher gelegener Laͤnder einen Win— teraufenthalt zu ſuchen. — Hier bei uns finden wir ſie dann auch IV. Ordn. XXVII. Gatt. 156. Berg-Hänfling. 109 nur auf dem Felde, nur in freien Gegenden, wo wenig Baͤume oder gar keine Holzungen ſind, niemals im Walde. — Daß ſie im Sommer in Gegenden leben, wo kein Wald iſt, merkt man ihnen bei ihrem Hierſeyn ſo gut an, wie den Schneeammern, und daß fie, eben fo wie dieſe und die Lerchenammern, etwas Lerchen— artiges in ihrer Lebensart haben, zeigt ſchon die etwas lange Hin— terkralle, obwol ſie keinen ſolchen Abſcheu vor Baͤumen haben, daß ſie nicht gelegentlich einmal auf einem Zweige ausruhen ſollten; dies geſchieht beſonders auf den niedrigen Feldbuͤſchen, in welche ſie ſich auch flüchten, wenn ihnen Gefahr drohet, gerade wie es im Win⸗ ter auch die Bluthaͤnflinge zu machen pflegen. Eigen ſſch a ft e n. Der Berghaͤnfling iſt ein aͤnßerſt lebhafter, fluͤchtiger Vogel, dabei von einem dauerhaften Naturell, klug und vorſichtig, keck und gewandt in ſeinen Bewegungen. Er flieht die Annaͤherung des ihm Verdaͤchtigen, und ſelbſt in jenen menſchenleeren Gegenden ſeines Sommeraufenthalts, wo er von Menſchen nicht aufgeſucht und verfolgt wird, fand man ihn ſcheu und fluͤchtig. Selten haͤlt bei uns eine Geſellſchaft dieſer Voͤgel, wenn ſie nicht hinterſchlichen werden kann, was auf freiem Felde ſelten angeht, gut ſchußmaͤ⸗ ßig aus. — Man ſieht ſie auf dem Boden mit vieler Leichtigkeit und oft ſehr ſchnell hin huͤpfen, wobei ſie den Leib immer ſchlank, bald ganz wagerecht, bald auch aufgerichteter tragen, aber die Fer— ſen nie ſehr eng einbiegen, worin ſie, wie in ihrem aufrechtern Sitze auf Zweigen, unſerm gemeinen Haͤnflinge vollkommen gleichen. Allein ihr Flug iſt faſt noch ſchneller und geſchickter. Ungemein ſchoͤn und ſchnell wiſſen ſie ſich zu ſchwenken; wie die Pfeile ſchie— ßen ſie auf die Erde herab, ſtieben aber eben ſo ſchnell wieder in die Hoͤhe, wenn ſie in dem Augenblick, als ſie ſich eben ſetzen wollten, gerade auf etwas Verdaͤchtiges ſtießen. Sehen ſie ſich gar verfolgt, ſo verlaſſen dieſe unruhigen Voͤgel die gefaͤhrliche Gegend ganz, oder fliegen doch ſo weit weg, daß man verſichert ſeyn kann, ſie ſobald nicht wieder zu finden. Der Flug iſt übrigens dem der Blut— haͤnflinge und aͤhnlicher Voͤgel ſehr aͤhnlich, eine aus groͤßern und kleinern Bogen abwechſelnd zuſammengeſetzte Wellen- oder Schlangenlinie, und man würde fie daran nicht leicht unterſchei— den koͤnnen, wenn fie nicht die meiſten Male ihre Stimme verrieth. Sie ſind ſehr geſellig und ſuchen einzeln die Geſellſchaft ande— rer Vögel, vornehmlich der Bluthaͤnflinge und Birkenzei— 110 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 156. Berg: Hänfling. fige, wenn ſich diefe auf Feldern lagern, doch halten fie ſich alles zeit viel lieber zu den erſteren. Seltener findet man fie auch wol einmal unter Feldſperlingen, Gruͤnhaͤnflingen, Finken und andern Voͤgeln, die auf unſern Feldern uͤberwintern, oder wel— che heerdenweis in Stoppelfeldern herumſchwaͤrmen, bis fie zu vie⸗ ler Schnee forttreibt. Daß ſie jedoch nur nothgedrungen die Ge— ſellſchaft dieſer Voͤgel ſuchen, ſieht man daran, daß, wenn man auf groͤßere Vereine von Berghaͤnflingen ſtoͤßt, dieſe ſich wol in der Naͤhe von den Schaaren jener lagern, wo ſie ein gemeinſchaftliches Intereſſe (das ſich zu naͤhren) hinzog, aber doch eigentlich nicht un— ter ſie miſchen. So wie unſer Vogel in ſeiner Groͤße, Geſtalt Me in der Faͤr⸗ bung feines Gefieders, zum Theil ſelbſt im Betragen und in der Lebensart, zwiſchen Fringilla cannabina und Fring. linaria ſo recht eigentlich in der Mitte ſteht, daß er bald dem einen, bald dem an— dern aͤhnlich iſt, ſo findet man auch ſogar in ſeiner Stimme eine ſo wunderbare Aehnlichkeit, daß es ſcheint, ſie ſei aus denen beider ge— nannten Vögel’ zuſammengeſetzt. Der Lockton, ein haſtiges J aͤ⸗ gaͤgaͤgaͤck und einzelnes Jaͤck, liegt ganz zwiſchen dem haͤrtern Gaͤck des Bluthaͤnflings und dem weichern Tſchaͤt oder Schuͤt des Birkenzeiſigs in der Mitte; dann ein angeneh— mes Daii iſt einem Lockton des letztern aͤhnlich, aber doch auch verſchieden, und endlich ein heiſeres Scheh — ſche — [dei if wieder eine Zeiſigſtimme. — Das Jaͤck u. ſ. w. iſt derjenige Ton, womit fie einander zurufen, welcher die Geſellſchaften zuſammen— hält, und im eifrigen Locken ertönt das Daii; das Scheh ſtoßen ſie aber beim ploͤtzlichen Erſcheinen von etwas Unerwartetem beim Auffliegen und dann aus, wenn fie eine Schwenkung im Fluge ma- chen; es iſt ein ganz eigner Ton, den man ſehr aͤhnlich auch von den Erlenzeiſigen hört, wenn ſie plotzlich auffliegen. — Die Maͤnnchen ſind ungemein fleißige Saͤnger, man hoͤrt ſie an ſchoͤnen Wintertagen ſchon, und im Käfige fingen fie faſt das ganze Jahr. Der muntere Geſang derſelben iſt-eine aͤhnliche Miſchung wie die Locktoͤne, mit welchen er auch ſehr durchflochten iſt, beſſer als der des Birkenzeiſigs, aber weit ſchlechter als der des Bluthänf: lings. Er beginnt etwa fo: Daii—dodaii — jedodaii— deii didldeididlil —i arrrrrr eit — jaͤckjaͤckjaͤck deii uf. w. Das Da ii ſcheint Grundton deſſelben; aber ſehr ausgezeichnet und ihm ganz eigenthuͤmlich iſt die knarrende Strophe, welche ſo klingt, wie wenn ein Buchfink dichtet. Dieſer Geſang kann IV. Ordn. XXVII. Gatt. 156. Berg: Hänfling. 111 übrigens durchaus nicht unter die guten Vogelgeſaͤnge gezahlt wer: den, und angenehm mag er vorzuͤglich nur in den nordiſchen Einoͤ⸗ den, an den Bruͤteplaͤtzen des Vogels, genannt werden koͤnnen. Das Maͤnnchen ſoll dort gewoͤhnlich auf Steinen oder auch auf den Spi⸗ tzen des niedern Geſtraͤuchs ſitzen und da ſehr fleißig ſingen. @ Er iſt ein ſehr angenehmer munterer Stubenvogel, ge woͤhnt ſich leicht an die Gefangenſchaft und wird recht zahm und zu— traulich. Das Männchen ſingt ungemein fleißig, vom Herbſt durch den ganzen Winter und fo ſort bis zur Mauſer, und feine Zeit im Käfig theilt ſich am Tage faſt nur zwiſchen Eſſen, Trinken und Sin- gen. Hier zeigt er ſich auch als ein ſehr harter, dauerhafter Vogel; ich habe ihn ſelbſt ohne Umſtaͤnde aus der geheitzten Stube in hefti- ge Kälte gebracht, bei ſolcher, in einem ſehr engen Kafig, auf off: nem Wagen, einige Meilen weit transportirt, ihm nun wieder in einer ziemlich heißen Stube einen andern groͤßern Vogelbauer angewieſen, aber weder das beſtaͤndige Schuͤtteln und Stoßen des Wagens, noch der ſchnelle Wechſel der Temperatur und ſeines Auf— enthaltes ſchienen im mindeſten weder einen unbehaglichen Eindruck gemacht, noch ſonſt ein Uebelbefinden hinterlaſſen zu haben; er fraß und ſang am andern Morgen ſchon ſo fleißig, als Tags vorher bei ſeinem fruͤhern Beſitzer. Auch die Mauſer, ſpaͤterhin, machte ihn nicht beſonders traurig, ob er gleich da nicht ſang, aber bald nachher fing er ſchon wieder an zu zwitſchern. Ich hatte ihn uͤber ein Jahr lang, und wenn er nicht durch Zufall verungluͤckt waͤre, wuͤrde ich ihn gewiß noch lange haben erhalten koͤnnen, denn er ſchien mir in der That weit dauerhafter, als unſer gemeiner Haͤnfling zu ſein. Beim Mauſern bekam er kein Roth wieder am Buͤrzel, ob— gleich fein Käfig faſt den ganzen Sommer und nachher fo lange der Federwechſel dauerte, ſtets vor dem Fenſter hing; allein ſein im Vorſommer faſt weiß gewordener Schnabel bekam mit der Mauſer wieder ein ſatteres Gelb. In ſeinem Betragen war er uͤbrigens vollkommen Haͤnfling, und er kletterte nie ſo an der Decke ſeines Drahtkaͤfigs herum, wie man dies wol von Zeiſigen zu ſehen ge— wohnt iſt, ſondern ſaß meiſtens ziemlich aufrecht auf der Sitzſtan⸗ ge, doch nie ſehr lange an einer Stelle, ſprang oder flatterte zu— weilen im Bauer herum u. ſ. w. Gegen andere Voͤgel, die ſeinem Behälter zu nahe kamen, zeigte er ſich nie zankſuͤchtig. Seine Nä- gel wuchſen ihm bald zu langen, großen, halbzirkelfoͤrmigen Kral— len, die oft verſchnitten werden mußten, weil er damit haͤngen blieb. 112 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg- Haͤnfling. 5 Nen her u in g. i Oeblhaltige Geſaͤme find feine gewoͤhnlichſte und liebſte Speiſe, doch verſchmaͤhet er auch manche mehlige nicht, wenn ſie unter die kleinen gehoͤren. In ſeinem Vaterlande mag er ſich wol meiſtens von den Samen mancherlei Bergpflanzen naͤhren. f Bei uns ſehen wir ihn zwiſchen den Stoppeln ſehr emſig eine Menge Saͤmereien aufleſen, die, weil er ſie alle huͤlſet, beim Er— öffnen des Kropfes eines getoͤdteten, nicht alle zu erkennen find; nur mit Muͤhe fand ich, außer Kohl-, Senf-, Dotter- und an— dern Samen vielartiger Tetradynamiſten und Mohnarten, auch ge— ſchaͤlte Samen von Hirſegras, Vogelknoͤterich, Wegwarten, We— gebreit u. dergl. darunter. Er findet ſie auf Stoppelaͤckern uͤberall in Menge, und wenn ihn ein leichter Schnee verhindert, ſie am Bo— den aufleſen zu koͤnnen, ſo begiebt er ſich auf die Feldraine, und klaubt da, was ſich ihm davon darbietet, aus den nicht vom Schnee bedeckten Rispen und Samenkapſeln. In manchen Gegenden ſoll er ſich dann den bewohnten Orten naͤhern. Grobe Sandkoͤrner, die er gewiß abſichtlich verſchluckt, findet man oft viele unter 8 Saͤ⸗ mereien in ſeinem Magen. In Gefangenſchaft iſt er ungemein leicht, bloß mit Rübſaat, zu unterhalten, frißt jedoch Mohnſamen noch lieber. Er bedarf, ſeiner Groͤße nach, außerordentlich viel Futter, denn er frißt beſtaͤndig, und da er ſo viel trockne Speiſe zu ſich nimmt, ſo hat er auch immer Durſt und kann weder Futter, noch Trank, lange entbehren. Nit p fla n z un g. Nur unter jenem noͤrdlichen Himmel, in den Laͤndern, welche oben als ihr eigentliches Vaterland angegeben wurden, pflanzen ſich dieſe Voͤgel in von Baͤumen entbloͤßten, nur mit wenigem Gebuͤſch beſetzten, felſichten Gegenden fort; ob ſie aber im Gebuͤſch, im Hai— dekraut, in Felſenſpalten oder gar am Boden unter dem Geſtraͤuch oder unter Steinen niſten, weiß man nicht. Fr. Boie ſah ſie im obern Norwegen (ſ. deſſen Tageb. einer Reiſe durch Norwe— gen im Jahr 1817.) zur Brutzeit hin und wieder, war aber, aller Muͤhe ungeachtet, nicht ſo gluͤcklich, ein Neſt aufzufinden. — Bald nach der Bruͤtezeit ſchlagen ſich Alte und Junge in kleinern oder groͤ— ßern Heesden ee und Ne jene Gegenden allmaͤhlich. F ien d e. An ſeinem nordlichen Sommeraufenthalt iſt er den Verfolgun⸗ . IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 156. Berg⸗Haͤnfling. 113 gen des Merlinfalken ſehr ausgeſetzt, und ſeine Brut leidet von den nordiſchen Fuͤchſen und Wieſeln. Auch bis zu uns iſt jener kleine Falke ſein unablaͤſſiger Verfolger, aber auch der Sperber faͤngt hier manchen weg. a N Wegen ſeiner Scheuheit iſt er in der That nicht leicht zu ſchie— ßen, weil er, wenigſtens wenn ihrer mehrere beiſammen ſind, nicht leicht auf Schußweite an ſich kommen laͤßt, man muͤßte ſich denn ungeſehen anſchleichen koͤnnen; einzelne halten jedoch auch beſſer aus. Im Sitzen auf dem Erdboden ſchießen ſie ſich ſchon deshalb nicht gut, weil dieſe kleinen Voͤgel zwiſchen etwas langen Stoppeln und wegen ihrer Erdfarbe nicht gut geſehen werden, und im Fluge kann man auch nur nach einzelnen zielen, weil ſie nie ſehr gedraͤngt fliegen und dazu ſehr fluͤchtig ſind. Oft iſt dann das Gelingen eines ſolchen Schuſſes nur bloßer Zufall. Wenn nach ihnen geſchoſſen wurde, fliegen ſie meiſtens weit weg, und nun haͤlt ein nochmaliges Annaͤhern noch ſchwerer. Auf Vogelheerden im freien Felde faͤngt man ſie im Spaͤtherbſt oͤfters, beſonders auf ſolchen, die man fuͤr Haͤnflinge dort aufſtellt. Einzelne folgen auch der Lock vom Bluthaͤnfling, hat man aber einen Lockvogel ihrer Art, ſo geht der Fang viel beſſer. Mit ſolchen kann man fie auch auf mit Leim ruthen beſteckte oder mit einer an— dern Fanganſtalt beſtellte Plaͤtze locken und fangen. Hier ſind ſie unvorſichtiger, als beim Anſchleichen des Schuͤtzen. Nutz en. Ihr Fleiſch ſchmeckt vortrefflich und iſt oft mit gelbem Fett uͤberzogen. Sie beleben im Sommer jene oͤden Gegenden mit ihrem Ge— zwitſcher und muntern Weſen; auch moͤgen ſie in cultivirten Gegen— den, welche ſie auf ihren Wanderungen treffen, vielerlei Saͤmereien von ſogenanntem Unkraut verzehren, und wo dies in Menge geſchieht, . nuͤtzlich werden. f Schaden. Es iſt nichts von ihnen bekannt, was man mit Fug u und Recht in dieſe Rubrik bringen koͤnnte. Sr. Theil. 8 114 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz-Hänfling. 157. Der Girlie ä n fin s Fringilla serinus. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. Taf. 123. — 2. Maͤnnchen im Herbſt- oder Winterkleide. — 3. Weibchen. Girlitz, Grilitſch, Cini, Cinit, Serinus, Hirngrill, Hirn— grille, Hirngrillerl, Faͤdemlein, Schwaͤderlein, Italiaͤniſcher Cana— rienvogel, Canarienzeischen, Gruͤnfinkchen, Gruͤnfink oder eigent— licher Gruͤnfink, gelbgruͤner Dickſchnabel, Girlitzkernbeißer. Fringilla serinus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 908. n. 17. — Lath. ind. I. p- 454. n. 69. = Loxia serinus. Scopoli Ann. I. p. 205. Ueberſ. v. Günther. IJ. — Wolf und Meyer, Taſchenbuch. I. S. 146. = Serinus ortulanus. Koch, Baier. Zool. I. S. 229. n. 143. — Le Serin ou Cini. Buff. Ois. Edit. d. Deuxp. VII. p. 10. Id. Pl. enl. 658. Fig. 4. . Gros - bee Serin ou Cini Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 356. = Serin-Finch., Lath. syn. III. p. 296. — Ueberſ. v. Bechſtein, II. 1. S. 287. n. 63. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 156. - Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 7. M. W. und Var. — Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. ©. 70. n. 72. Brehm, Lehrbuch d. europ. Voͤg. I. S. 186. Kennzeichen der Ai. Mit kurzem dicken Schnabel; Kehle weißlich oder hellgelb; Hauptfarbe mehr oder weniger Gelb und Gruͤn; Ruͤcken und Seiten des Unterkoͤrpers ſchwärzlich gefleckt; uͤber dem Fluͤgel zwei leichte Binden. B Dieſes niedliche Voͤgelchen hat eine entfernte Aehnlichkeit mit dem Zitronenzeiſig, weshalb man fruͤher beide Arten verwech— ſelte oder auch nur fuͤr Eine hielt. Dies kann jedoch niemanden einfallen, der beide auch nur oberflaͤchlich mit einander verglich, wo eine ſehr verſchiedene Schnabelform, ein anderer Koͤrperbau, nebſt ungleicher Groͤße, ſogleich in die Augen fallen. Auf einen fluͤchtigen Blick hat der Girlitz auch Aehnlichkeit mit einem grünen Cana— rienvogel oder noch mehr mit dem Baſtard von dieſem und dem IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Haͤnfling. 115 Erlenzeiſig, ſo wie ſelbſt die Weibchen des letztern und unſres Vogels fuͤr den, welcher nicht auf die ganz andere Geſtalt des Schnabels Acht hat, eine große Aehnlichkeit mit einander haben, ſo daß ſie ſelbſt von unachtſamen Vogelſtellern zuweilen verkannt wur— den. Seine Geſtalt iſt indeſſen etwas geſtreckter, als die des Erlen— zeiſigs; er iſt mehr Haͤnfling, auch ſeiner Lebensart nach, ob— gleich manche Abweichungen ſtatt finden, die Veranlaſſung gaben, daß man den Girlitz bald unter die Kernbeißer zaͤhlte, bald eine eige— ne Familie unter den Finken fuͤr ihn bildete, bald ihn gar als eigene Gattung aufſtellte. Er hat kaum die Groͤße des Erlenzeiſigs, oder iſt noch etwas ſchmaͤchtiger. Die Maaße des maͤnnlichen Vogels ſind fol— gende: Länge: 44 bis 5 Zoll, wovon der Schwanz 2 Zoll weg— nimmt; Breite: 84 Zoll; Fluͤgellaͤnge: 3 Zoll; die in Ruhe lie— genden Flügel bedecken etwas mehr als die Hälfte des am Ende tief ausgeſchnittenen Schwanzes, deſſen Federn alle von innen nach au— ßen ſchief zugeſpitzt und von welchen die aͤußerſten faſt 5 Linien laͤnger als die mittelſten ſind. Die vorderſte Schwinge iſt von der Laͤnge der vierten, und kaum etwas kuͤrzer als die zweite und dritte, welche gleich lang und die laͤngſten ſind. Der Schnabel iſt klein, kurz, dick, ſehr kurz kreiſelfoͤrmig, ſtumpfſpitz, der obere Ruͤcken ein wenig gebogen, und an der Schneide des Oberſchnabels befindet ſich dicht vor der Spitze ein ſeichter Ausſchnitt, welcher aber nicht immer bemerklich wird. Er ähnelt ſonſt am meiſten dem des Bluthaͤnflings, iſt aber ver- haͤltnißmaͤßig viel kuͤrzer. Seine Laͤnge iſt nicht volle 4 Linien, und dabei iſt er an der Wurzel 3 Linien hoch, aber nicht ganz ſo breit. Seine Farbe iſt von oben horngrau, oder ſchwaͤrzlich braungrau, unten lichter, gelblich- oder roͤthlichgrau; das runde Nafenloch an der Schnabelwurzel iſt, wie dieſe, von kurzen Federchen bedeckt; die Iris der kleinen Augen dunkelbraun. Die Fuͤße ſind ſchwaͤchlich, die Laͤufe kurz, vorn getaͤfelt, die Naͤgel nicht groß, ſchlank, nur flach gebogen, aber ſehr ſpitz, unten zweiſchneidig. Die Farbe der Fuͤße iſt gelbliche Fleiſchfarbe, im freien Zuſtande dunkler und an den Zehen braun uͤberlaufen, die der Krallen braͤunlich; die Hoͤhe der Fußwurzel 6 bis 7 Linien, die Laͤnge der Mittelzeh, mit der faſt 2 Linien Lagen Kralle, über 7 Linien, und die der Hinterzeh, mit der 2 Linien langen Kralle, beinahe 6 Linien lang. d N Das alte Maͤnnchen, im friſchen Herbſtkleide, gleich 116 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Haͤnfling. nach der Mauſer, hat ein folgendermaßen gefaͤrbtes Kleid: Zuͤgel und Halftern ſind weißbraͤunlich oder grauweiß, der vordere Theil und ein Mittelſtreif des Scheitels, ein Strich uͤber dem Auge, wel⸗ cher nachher die Wangen umgiebt, Kehle, Gurgel und die Mitte der Bruſt, auch Unterruͤcken und Buͤrzel ſchoͤn gruͤnlich hochgelb, doch letzterer etwas blaͤſſer; das Uebrige vom Scheitel, die Stirn und die Wangen olivengruͤn, der Oberkopf mit ſchwaͤrzlichen Schaftſtri— chen; das Genick gruͤngelb, olivengruͤn gefleckt; Hinterhals und Oberruͤcken ſchoͤn olivengruͤn, mit verwaſchenen ſchwaͤrzlichen Schaft— flecken, indem die in der Mitte braunſchwarzen Federn dieſer Theile zeiſiggruͤne Seiten mit grauweiß uͤberflogenen Kanten haben; ſo ſind auch die Oberſchwanzdeckfedern. Die Seiten der Bruſt und die Weichen ſind blaßgelb und weiß gemiſcht, mit braunſchwarzen Laͤngsflecken, die nach der Mitte der Bruſt kleiner werden; die un— tern Schwanzdeckfedern gelblichweiß, mit ſchwaͤrzlichen Schaͤften; die Unterſchenkelfedern braungrau, breit weiß geſaͤumt. Alle Fluͤ⸗ gelfedern find ſchwarzbraun; die kleinen Dedfedern zeiſiggruͤn ges kantet, die groͤßern mit breitern weißgelben Spitzen, einen lichten Querſtreif uͤber dem Fluͤgel bildend; die großen Deckfedern mit ſchmalen gruͤnlichgelben Saͤumen und gelblichweißen breiten Spitzen, wodurch ein zweiter Querſtreif entſteht; die hintern Schwingen gelb— gruͤn gekantet, die großen fein gruͤnlichgelb geſaͤumt, die Enden aller mit braͤunlichweißen Saͤumen. Die Schwanzfedern ſind eben— falls braunſchwarz, an der innern Fahne weißlich, an der aͤußern gruͤnlichgelb geſaͤumt, an den beiden Mittelfedern breiter, als an den aͤußern, alle Saͤume auch nach der Spitze zu viel ſchmaͤler, als an der Wurzel. Von unten iſt der Schwanz glaͤnzend hellgrau, die Kan— ten der Innenfahnen ſilberweiß, die Schaͤfte weißlich; die Schwin— gen eben ſo, nur dunkler; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß und gelb gemiſcht, am Rande zeiſiggruͤn und gelb gefleckt. Im Fruͤhling bemerkt man am Kleide des maͤnnlichen Vo— gels ohngefaͤhr dieſelben Veraͤnderungen, wie bei aͤhnlich gefaͤrbten, nur ein Mal maufernden Vögeln, z. B. beim Goldammerz ans dersgefaͤrbte Federraͤnder reiben ſich ab und die tiefer liegenden, zum Theil ſchoͤnern Farben treten mehr hervor, und dies wird noch be— merklicher gegen den Sommer hin. Das alte Maͤnnchen erſcheint dann, ſtattlich geſchmuͤckt, in einem ſchoͤnern Hochgelb, am Kopfe, Halſe, an der Bruſt und auf dem Buͤrzel, weil an den erſteren die olivengruͤnen Federſpitzchen großen Theils verloren gingen; aber in den Weichen ſind die braunſchwarzen Flecke viel mehr hervorge— IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz-Haͤnfling. 117 treten, der Ruͤcken iſt dunkler geſtreift, weil die gruͤnen Federraͤnder viel ſchmaͤler geworden und die weißgrauen Einfaſſungen ganz ver— ſchwunden ſind; der naͤmliche Fall iſt es auch ont den lichten Raͤndern der Fluͤgel- und Schwanzfedern. Juͤngere Maͤnnchen haben weniger Gelb als die aͤltern, dies iſt auch etwas blaͤſſer und wird uͤberall mehr durch ſchmutziges Gruͤn verdeckt, wodurch die einjaͤhrigen ſich den Weibchen naͤhern, aber doch noch leicht von ihnen unterſchieden werden koͤnnen, weil dieſe im Ganzen ein graueres und mehr geflecktes Gewand haben, woran man nur wenig bleiches Gelb und das Gruͤn nur in Anfluͤgen bemerkt. Sie ſehen daher den Weibchen des Erlenzeiſigs un— gemein aͤhnlich. Gewöhnlich ift das Weibchen merklich kleiner, als das Maͤnn— chen, ſein Schnabel bleicher, mit durchſcheinender Fleiſchfarbe, zu— mal unten; Scheitel und Hinterhals ſind auf braͤunlichweißem, gruͤnlich und ſchwefelgelb uͤberlaufenem Grunde ſchwarzbraun ge— fleckt; der Ruͤcken eben ſo, aber ſtaͤrker gefleckt und olivengruͤn über» laufen; uͤber das Auge laͤuft ein gelblichweißer Streif; die Wangen gelblich und olivengrau gemiſcht; die Kehle gelblichweiß; der Vor— derhals und eine lichte Stelle unter den Wangen blaßgelb mit braͤun— lichen Schmitzen; die Mitte der Gurgel ſchoͤn gelb; Bruſt und Seiten des Unterkoͤrpers weiß, erſtere oberhalb gelblich, letztere grau— lich uͤberlaufen, und beide mit ſchwaͤrzlichbraunen Laͤngsflecken; Schenkel und Unterſchwanzdeckfedern weiß, mit braunen Schaftſtri— chelchen; der Buͤrzel hell gelb, faſt ſchwefelgelb, mit ſchwarzbrau— nen Streifen; die obern Deckfedern des Schwanzes braun, oliven— gruͤn geſaͤumt, an den Spitzen lichtgrau. Die Fluͤgelfedern ſind alle dunkelbraun; die kleinen Deckfedern haben olivengruͤne Kanten, die groͤßern breite gelblichweiße Spitzen, die großen eben ſolche Spitzen, aber hellbraͤunliche Saͤume; die großen Schwingen blaß— gelbe Saͤumchen, die hinteren breiten olivengruͤnliche Kaͤntchen, und die Enden aller Schwingfedern ſind braͤunlichweiß geſaͤumt; der Schwanz wie am Maͤnnchen, dunkelbraun, mit ſchmalen, an den Seiten gelbgruͤnlichweißen und nach der Spitze zu braͤunlichweißen Federſaͤumen. Die Anweſenheit von mehreren Gelb und Gruͤn zeigt auch am weiblichen Vogel ein hoͤheres Alter an, waͤhrend die einjaͤhrigen Weibchen davon ſo wenig aufzuweiſen haben, daß ſie ſich in die— ſem fo unanſehnlichen Kleide ſehr leicht von den Männchen unte ſcheiden laſſen. Das weibliche Fruͤhlingskleid unterſcheidet ſich 118 IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Hänfling. vom Herbſtkleide nicht ſo auffallend, wie beim Maͤnnchen; erſteres iſt mehr gefleckt und grauer. Einen jungen Vogel, vor ſeiner erſten Mauſer, konnte ich mir nicht verſchaffen; er ſoll dem Weibchen aͤhnlich ſehen, aber noch mehr gefleckt ſeyn. Nach Bechſtein ſollen die Jungen gerade wie die jungen Grauhaͤnflinge ausſehen; — nach andern ſind ſie von oben ſchmutzig gruͤngelb mit braunen Schaftflecken, von unten ſchmutzig weiß und gelblich, mit graubraunen Laͤngsflecken, der lichte Augenſtreif undeutlich, auf dem Fluͤgel zwei ſchmutziggelbe Querſtreifen. ER Spielarten find nicht bekannt, aber Baſtarde aus einer Verpaarung des Girlitz mit einem Canarienvogel, die dem aͤchten grünen Canarienvogel fo ähnlich ſehen, daß fie kaum zu unterſchei— den find. Auch will man Baſtarde vom Erlen-Birken-Zi— tronen- oder Diſtelzeiſig und dem Girlitz gezogen haben. A nf e uit e t. Ein ſuͤdlicher Vogel. Man findet ihn im mittaͤglichen Eu— ropa, wo er in manchen Laͤndern haͤufig vorkoͤmmt, z. B. in Spanien, dem ſuͤdlichen Frankreich, in Italien, Grie— chenland, auch in den an Italien grenzenden Theilen der Schweiz, im ſuͤdlichen und ſuͤdweſtlichen Deutſchland, aber hier ſchon weniger haͤufig. Ins mittlere Deutſchland koͤmmt er ſelten, ſo wie auch nach Holland und ins noͤrdliche Frankreich, aber in der noͤrdlichen Haͤlfte unſeres Vaterlandes iſt er, ſo viel wir bis jetzt wiſſen, nicht vorgekommen. Deſſenungeachtet ſchreibt doch Faber (ſ. d. Prodr. d. Islaͤndiſchen Ornith.), daß er eine kleine Geſellſchaft dieſer Voͤgel, und zwar junge, vielleicht dort ausgebruͤ— tete, auf Island, zwiſchen dem 66 und 67 Grad N. B. ange— troffen und erlegt habe. — In der Gegend meines Aufenthalts habe ich ihn zwar nie bemerkt, zweifle aber nicht an ſeinem biswei⸗ ligen Vorkommen in unſerm Anhalt, da man ihn am Harze und bei Halle bemerkt haben will, und er, nach Bechſteins Verſiche— rung, in Thuͤringenoͤfters vorkommen ſoll, was mir um ſo glaub— wuͤrdiger iſt, da er erſt vor einem Jahr bei Koͤnigsſee im Nudel: ſtaͤdtiſchen von einem Mann gefangen wurde, welchen ich auf dieſe Vögel aufmerkſam gemacht hatte.“) — Bemerkenswerth iſt es, *) Solche Aufträge fruchten freilich nicht immer, haben aber doch zuweilen recht erfreuliche Folgen. Ehe ich unſern Lerchenſtreichern den Lerchenſpornammer kennen lehrte, hielt ich ihn auch für viel ſeltener; aber das gebotene Fanggeld wirkte, und belehrte mich bald eines andern. IV. Ord n. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Haͤnfling. 119 daß dies Voͤgelchen nicht allenthalben in jenen zuerſt genannten Laͤndern gleich haͤufig vorkoͤmmt und daß manche Gegend, ob ſie gleich im Uebrigen einer angrenzenden, die es haͤufig bewohnt, voll— kommen gleicht, es nicht aufzuweiſen hat. So ſchreibt mir Dr. Schinz, daß er im ganzen Canton Zürich dies Voͤgelchen nir— gends bemerkt und es auch nicht einmal auf dem Markte angetroffen habe, waͤhrend es 4 Stunden von da, am gleichen Fluß, im glei— chen Thal, auf gleicher Hoͤhe, ſehr gemein ſei. In Deutſchland iſt es in der Gegend um Heidelberg und um Offenbach haͤufig, waͤhrend es in der dazwiſchen liegenden, z. B. an der Bergſtraße, viel einzelner vorkoͤmmt und in andern e nur ſelten oder gar nicht geſehen werden ſoll. Er gehört unter die Zug voͤgel, verläßt die Gegenden feines Sommeraufenthaltes im Oktober und kehrt im Maͤrz dahin zuruͤck; doch bleiben in mildern Gegenden, ſelbſt in den Main- und Rhein: laͤndern, auch im Winter einzelne da. Man ſieht ihn gewoͤhnlich paarweis, auf dem Herbſtzuge auch wol ganze Familien beiſammen, und ſpricht ſelbſt von wandernden Heerden. Jene, welche Faber auf Island, bei Huſavik am 12ten September 1819 antraf, ſchie— nen bereits auf dem Wegzuge begriffen. — Er mag am liebſten in etwas gebirgigten fruchtbaren Gegenden, aber nicht auf hohen Gebirgen wohnen, und ſcheint in Ebenen viel ſeltener vorzukommen. Seinen Aufenthalt nimmt er meiſtens in Obſtgaͤrten, in An— pflanzungen oder Alleen von Obſt- und Wallnußbaͤumen, in Wein— bergen, weniger in Eichen- und Buchenwaldungen, auch wohnt er gern an mit Weiden und Erlen beſetzten Bach- und Flußufern, ſelbſt in Baumgaͤrten mitten in Doͤrfern oder nahe bei Gebaͤuden. Er macht ſich uͤberall, wo er im Sommer wohnt, ſehr bemerkbar durch ſein unruhiges Weſen und die Gewohnheit, ſich immer oben auf den Spitzen der Baumgipfel herum zu treiben und dabei ſeine Stim— me fleißig hoͤren zu laſſen, wobei er ſich nicht ſelten auch auf die Daͤcher der Gebaͤude niederlaͤßt. Im Herbſt lebt er etwas ver— ſteckter, doch weilt er nie lange in dichten Baumkronen. Sein Fut— ter ſucht er groͤßentheils auf dem Erdboden, weshalb man ihn hier auch oft ſieht, dies geſchieht jedoch meiſtens in nicht ſehr großer Ent— fernung von Baͤumen und Gebuͤſchen, weniger in großen freien Fel⸗ dern. Nadelholzungen ſcheint er nicht zu lieben. E ji gen ſſch a fete n. Der Girlitz iſt ein aͤußerſt niedliches, froͤhliches und unruhiges 120 IV. Orb n. XXVII. Gatt. 157. Girlis-Hänfling. Geſchoͤpfchen, weshalb es in einer Gegend auch nicht lange unbe— merkt bleibt. In ſeinen Bewegungen herrſcht eine große Lebhaftig— keit und Gewandtheit; er huͤpft in ſchnellen leichten Spruͤngen, und hat in ſeinem Betragen eine große Aehnlichkeit mit dem Erlen⸗ zeiſig, auch Vieles von unſerm gemeinen Haͤnflinge, und iſt gern in Geſellſchaft dieſer Voͤgel, zumal der Zeiſige. Dieß iſt vor— zuͤglich von Einzelnen zu verſtehen. Sonſt halten fie ſich meiſtens paarweis, auch in kleinen Truppen beiſammen; die Paͤaͤrchen ſchei— nen ſich auch das ganze Jahr nicht zu trennen und haͤngen mit Liebe und Zaͤrtlichkeit an einander, ſchnaͤbeln und liebkoſen ſich oft, und wenn einer der Gatten ſich etwas entfernt, ſo lockt der andere gleich beſorglich und ſo lange, bis ſie wieder beiſammen ſind. Am unruhig— ſten und vergnuͤgteſten zeigt ſich das Maͤnnchen an ſchoͤnen Fruͤh— lingstagen; es lockt und ſingt dann beſtaͤndig von den Wipfeln der Baͤume herab, und beluſtigt ſich, im ſonderbaren Fluge von einem zum andern ſich ſchwingend, wobei es bald ſchwebt, bald in zittern— der Bewegung aufſteigt oder gerade hin flattert. Sein gewoͤhnli— cher Flug aͤhnelt uͤbrigens dem der Zeiſige und aͤhnlicher Voͤgel und geht ſehr ſchnell von ſtatten; er wuͤrde wenig Ausgezeichnetes ha— ben, wenn die Voͤgel ſich nicht, während fie fliegen, durch ihre eigen— thuͤmliche Stimme kenntlich machten. Ihre Locktoͤne klingen ſehr angenehm, hellklingelnd wie ein Gloͤckchen, oder, wie Bechſtein ſagt, wie auf der Zither geſpielt, hitzriki und girlitz, wovon das letztere beſonders einigen Lock— toͤnen des Stieglitzes aͤhnelt. Man bemerkt uͤberhaupt in dieſen, wie auch in dem muntern Geſang des Maͤnnchens, etwas Zeiſigarti— ges, und letzterer hat viel mehr von dem des Erlenzeiſigs, als vom Canarienvogelgeſang, womit er auch wol verglichen worden iſt. Es ſitzt dabei immer hoch, auf den oberſten Spitzen der Baͤume oder auf hohen Zweigen, auch auf Daͤchern an die Gaͤrten ſtoßender Gebaͤude, ſingt aber auch im Fortfliegen und im oben beſchriebenen ſonderbaren Fluge, oder ſchwingt ſich ſingend von ſeinem Baum— wipfel, wie ein Baumpieper, faſt gerade aufwaͤrts, laͤßt ſich aber auf dieſen oder einen der naͤchſten bald wieder herab, und ſetzt ſein girrendes Liedchen ſitzend fort. Der Geſang hat viel Abwechslung, und das Voͤgelchen ſingt ſo fleißig, daß man es am Brutorte vom frühen Morgen an, faſt zu jeder Tagszeit, und vom März bis tief in den Auguſt hinein hoͤrt. Als Stubenvogel hat der Girlitzhaͤnfling manche empfehlende Eigenſchaft, und man haͤlt ihn deshalb ſehr gern im Kaͤfig; er ge— IV. Ord n. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Haͤnfling. 121 woͤhnt ſich bald, und wird ſehr kirre, iſt leicht zu unterhalten, er— goͤtzt durch ſeine niedliche Geſtalt, ſeine netten Farben, und, wenn er ein Maͤnnchen, beſonders durch ſeinen angenehmen immerwaͤh— renden Geſang; denn hier ſingt er nur in der Mauſerzeit nicht, ſonſt immer. Hat man ihn unter mehreren kleinen Voͤgeln, ſo wird ſein Betragen noch unterhaltender, denn hier, wenn er nicht ſeines Glei— chen um ſich hat, taͤndelt und ſchnaͤbelt er ſich mit Zeiſigen, Cana— rienvoͤgeln u. a., liebt vorzuͤglich die letztern und die Stieglitze, nach deren Geſaͤngen er ſogar den ſeinigen moduliren und manch— mal verſchoͤnern lernt. Dazu koͤmmt nun noch ein dauerhaftes Naturell, daß er im gefangenen Zuſtande viele Jahr geſund bleibt; auch ſagt man, daß er Waſſer ziehen und andere Zeiſigskuͤnſte lernt. Die Schoͤnheit der Farben verliert er aber mit der Zeit, das Gelbe wird viel bleicher und ſchmutziger, und ſein ganzes Aeußere wird dem des Weibchens aͤhnlicher. Jung aufgezogene bekommen im Zimmer auch nie die ſchoͤnen Farben der in der Freiheit lebenden Alten. 7 Nahrung. Er naͤhrt ſich, wie feine naͤchſten Verwandten, von kleinen Saͤ— mereien ſehr vielartiger Pflanzen, beſonders ſolcher, die in Gaͤrten ge— bauet werden oder hier, in Weinbergen und an Wegen wild wach— ſen, am meiſten von oͤhligen. Die mehreſten Saͤmereien lieſt er am Boden auf, und ſucht deshalb auf gegrabenem Lande, auf den Beeten zwiſchen Garten— pflanzen, in den Kohlſtuͤcken oder auch auf beraſetem Boden herum— huͤpfend davon auf, was ſich ihm hier darbietet, als: Hanf- und Mohnſamen, Ruͤbſaat- und andere Kohl- und Ruͤbenarten, Rettig— und Sallatſamen, Lein und Dotter, den Samen vom Loͤwenzahn, Apargien, Habichtskraut, Kreuzkraut, Wegwarten, Wegbreit, Waldmeier, Huͤhnerdarm, auch von Vogelknoͤterich, Hirſegras, Hirſe, und im Nothfall wol auch Hafer. Die erſtgenannten ſind ihm die liebften. Im Herbſt geht er mit den Zeiſigen auf die Erlen und Birken, nach den Samen, welche er, wenn ſie ausgefallen, wie jene, im Fruͤhjahr auch von der Erde auflieſt. Er huͤlſet die Samen alle, und verzehrt die Schalen nicht mit. Man ſagt auch, daß er die Blaͤtter und Bluͤtenknospen der Baͤume Wege Im Kaͤſfig iſt er mit Mohn und Ruͤbſaat leicht zu unterhalten, auch kann man ihm Canarienſaamen und etwas Hanf geben. Er frißt viel und trinkt oft, weshalb er Hunger und Durſt nicht lange 122 IV. Ord n. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz-Haͤnfling. ertraͤgt. Die aus dem Neſte genommenen Jungen fuͤttert man leicht mit eingequelltem Ruͤbſaat auf, und ſie gedeihen dabei ſo gut wie andere junge ehe dies macht es ſehr wahrſcheinlich, daß auch die Alten ihre Jungen im Freien mit geſchaͤlten und erweichten Saͤmereien aus dem Kropfe auffuͤttern, was bisher noch nicht ge— nuͤgend beobachtet war. F o. et zen g. Er pflanzt ſich auch im ſuͤdlichen und ſuͤdweſtlichen Deutſchland und in andern beim Aufenthalt angegebenen Gegenden fort, und von Bechſtein wird dies ſelbſt fuͤr Thuͤringen vermuthet. So viel iſt gewiß, daß um Frankfurt am Main, bei Offenbach, Heidelberg und andern Orten dortiger Gegenden alljaͤhrlich vie— le niſten. In Waͤldern ſind ſie dann ſeltener, als in Baumgaͤrten, Weinbergen und weniger waldigen Gegenden. Man bemerkt ſie am meiſten auf Obſt- und Wallnußbaͤumen, und ihr Neſt wird viel oͤfterer auf dieſen, und auf Aepfel- oder Birnbaͤumen, als auf Bu— chen, Eichen, Erlen und andern Baͤumen gefunden. In ſeiner Stellung gleicht es mehr dem Stieglitzneſte, als dem der Haͤnflinge, denn es ſtehet am oͤfterſten in den oberſten Gabelzweigen nicht ſehr hoher Baͤume, zuweilen auch auf niedrigern Seitenaͤſten derſel— ben, auf hohen Buſch- oder auf Franzobſtbaͤumen, aber nicht in niederm Geſtraͤuch. Das Neſt hat bald mit dem Stieglitz-, bald mit dem Gruͤn— haͤnflingsneſte Aehnlichkeit, iſt aber kleiner, ſehr niedlich gerundet und mit vieler Kunſt geflochten. Von außen beſtehet es aus feinen Wuͤrzelchen, die bald mehr, bald weniger, mit grauen Baumflech— ten durchwebt ſind, welche doch auch manchmal, aber ſelten, ganz fehlen, und der innere, ziemlich tiefe, ſchoͤn gerundete Napf iſt weich und warm mit Federn und Haaren ausgepolſtert, worauf ge— woͤhnlich noch eine duͤnne Lage von Pferdehaaren und einzelnen Schweinsborſten folgt, die den Eierchen zugleich eine glatte Unter— lage geben. Es gehoͤrt unter die niedlichſten Vogelneſter. Die Eier ſind ſo klein wie Erlenzeiſigseier, aber anders ge— formt, kuͤrzer und runder, ſehr zartſchalig und an Farbe andern Haͤnflings- und Zeiſigseiern ſehr aͤhnlich, gruͤnlichweiß, mit feinen Puͤnktchen und einzelnen kurzen Strichelchen von einem blaͤſſern oder dunklern Blutroth, oder roͤthlichem Braun, die aber nicht fehr _ haͤufig ſind, und ſich mehrentheils am ſtumpfen Ende kranzartig haufen. Man findet gewöhnlich vier, auch fünf Stuͤck in einem IV. Drdn. XXVIII. Gatt. 157. Girlitz⸗Haͤnfling. 123 Neſte. Das Brutgeſchaͤft, welches zwei Wochen dauert, wird vom Weibchen beſorgt, und dieſes dabei von dem zaͤrtlichen Maͤnnchen oͤfters aus dem Kropfe gefuͤttert — Sie bruͤten im Mai und fuͤhren die Jungen nachher in die Kohl- und Gemuͤſegaͤrten, auch auf na— he Aecker und in die Weinberge, wo man dann die Familien bei— ſammen antrifft. Einer meiner Bekannten ſchoß einmal ſpaͤt im Auguſt noch ein Weibchen, welches Wuͤrzelchen zum Neſtbau im Schnabel hatte, und dem man es anſah, daß es noch nicht gebruͤtet hatte. Feinde. Die kleinen Falken und Habichte verfolgen die Alten, und ihre Brut wird von Kraͤhen, Elſtern und Wuͤrgern, wol auch von Katzen öfters zerſtoͤhrt. — Im Gefieder wohnen Schmarotzer. In Gefangenſchaft ſoll er oͤfters mit der Dar re befallen werden. a Nicht ſowohl ſeiner Scheuheit, ſondern mehr ſeiner Unruhe und ſeines Aufenthalts oben in den belaubten Baͤumen wegen, iſt dieſem Voͤgelchen nicht allemal gut mit der Flinte beizukommen, und mit dem Blaferohr möchte es, weil oft Blätter und Zweige es decken, noch ſeltener gelingen. Man kann dieſe Voͤgel uͤberhaupt eher vorſichtig, als zutraulich nennen. Sein Hang zur Geſelligkeit, und ſeine Zuneigung zum Er— lenzeiſig, bringt ihn zuweilen in die Haͤnde des Vogelſtellers, ohne daß es gerade auf ihn abgeſehen iſt, und da wird er denn auch nicht ſelten von Unerfahrnen fuͤr einen Zeiſig gehalten. Er fliegt im Fruͤhjahr und Herbſt, auf feinen Wanderungen, nach der Lock dieſes Zeiſigs auf die Heerde und Lockbuͤſche, und iſt beſonders ſehr leicht an den Orten ſeines Sommeraufenthalts zu fangen, wenn man ein Bündel reifer Samenſtengel, z. B. Sallat-Kohl-Weg⸗ wartenſamen oder dergleichen, hinſtellt, Sprenkel darauf haͤngt oder es mit Leimruthen beſteckt, und einen Lockvogel, wenn auch nur einen Erlenzeiſig, dabei haͤngt. Iſt dieſer von der eignen Art, ſo geht es noch beſſer, und ein geſchickter Vogelfaͤnger kann bald eine Gegend von den daſelbſt wohnenden oder ausgebruͤteten Girlitzen entvoͤlkern. Nut z e Sein Fleisch iſt ſehr wohlſchmeckend, und wird, da wo er \ 124 IV. Ord n. XXVIIL Gatt. 157. Girlitz-Haͤnfling. häufig iſt, wie das anderer kleiner Vögel, ſehr gern gegeſſen, ob es gleich nur kleine Biſſen giebt. Sein Geſang und munteres Weſen belebt die Gegenden ſeines Aufenthalts, und erfreuet den Liebhaber, welcher ihn im Kaͤfige haͤlt. Er verzehrt in Gaͤrten viel Saͤmereien von Unkraut oder an— dern, den nutzbaren Gewaͤchſen hinderlichen Pflanzen. Sch a d een. Dieſer ſcheint ſich wol bloß darauf zu beſchraͤnken, daß er die mit Fleiß gebaueten Saͤmereien von Kuͤchengewaͤchſen angeht, und davon zuweilen, wenn er nicht verſcheucht wird, viel aushuͤlſet. Anmerk. Es war mir bisher nicht vergoͤnnt, dies angenehme Voͤgelchen hin— laͤnglich im Freien beobachten zu konnen, auch ſah ich nur ein Mal ein lebendes Exemplar im Vogelbauer, weshalb ich mich genoͤthigt ſah, Obiges uͤber Lebens— art und Vetragen muͤhſam aus dem Briefwechſel mit meinen Freunden und aus andern glaubwuͤrdigen Nachrichten zuſammen zu tragen. Da ich mit Vorſicht waͤhlte, ſo hoffe ich, keine Unwahrheiten darin aufgenommen zu haben. Fuͤnfte Familie. ifi ge Mit duͤnnem, geſtreckt kreiſel- oder ſchwach kegelfoͤrmigen, duͤnnſpitzigen, vor der Spitze etwas zuſammengedruͤckten Schnabel; niedrigen, ſtaͤmmichten Füßen, und ſtarken, ſcharfen Nägeln; lan— gen, ſpitzen Fluͤgeln, an welchen die drei erſten Schwingfedern faſt von gleicher Laͤnge; der Schwanz kaum von mittler Laͤnge, am Ende gabelicht ausgeſchnitten, die Spitzen ſcharf. Sie haben einen kleinen, ziemlich flachen, hinten abgerundeten Kopf, und einen klei— nen ſchlanken Koͤrper. Sie wohnen in Waͤldern, auch im Gebirge, zu manchen Zei— ten wieder in freiern Gegenden; — kommen viel weniger auf den Erdboden als alle andere Finken; — ſind ſehr geſellig, und wan— dern oder ſtreichen in großen Schaaren nach mildern Gegenden oder nach Nahrung umher, uͤberwintern aber auch in großer Anzahl in Deutſchland. — Sie leben von allerlei kleinen oͤhligen Saͤmereien, beſonders von Baumſamen, holen dieſe meiſtens von den Baͤumen und Stauden ſelbſt herab, haͤngen ſich deshalb an die Spitzen der Zweige und zeigen viel Gewandheit im Klettern, ſuchen aber auch im Nothfalle, wenn es dort keine mehr giebt, die herabgefallenen Samen vom Boden auf, und freſſen daneben auch zuweilen Inſek— ten und kleine Inſektenlarven. — Die Fertigkeit im Klettern zeigen fie, wie die Kreuzſchnaͤbel, ſobald man fie in den Käfig bringt, wo ſie bald an der Decke, bald an den Seitenwaͤnden herumſteigen, ohne jedoch, wie jene, den Schnabel dabei zu Huͤlfe zu nehmen, ein Betragen, das ſie von andern Finken gar ſehr unterſcheidet. — Sie niſten faſt alle auf Baͤumen und oft auf hohen Baͤumen, nur einige in den Zweigen niederer Buͤſche, bauen ſehr nette kuͤnſtliche Neſter, und legen 4 bis 6 Eier, welche gruͤnlichweiß ausſehen und mit rothen Punkten bezeichnet ſind. Sie fuͤttern die zarten Jun— 126 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. gen mit kleinen Inſektenlarven und Inſekten, ſpaͤter mit geſchaͤlten und im Kropfe erweichten Saͤmereien, und machen bald zwei, bald nur eine Brut im Jahr. — Sie baden ſich im Waſſer. — Man haͤlt fie als fleißige Sänger und wegen ihrer Gelehrigkeit oder Kunſtfer— tigkeit gern als Stubenvoͤgel, und faͤngt ſie auch als eine ſehr wohl— ſchmeckende Speiſe. VA er e ten. 158. %% Del )ıY Fringilla carduelzs. Linn. (Fig. 1. altes Männchen. 1 ( 2. junger Vogel. Stieglitz, gemeiner Stieglitz, Stichlitz, Stechlitz, Stachlick; — Diſtler, Diſtelvogel, Diſtelfink, Fiſtelfink, Kletter; — Noth- vogel, Rothvoͤgelein, Goldfink, Jupitersfink, Trun, in hieſiger Gegend beim gemeinen Mann: Die Sterlitze. Fringilla earduelis Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 903. n. 7. = Lath. ind I. p. 449. n. 58 = Retz. faun. suec. p. 245. n. 223. Nilsson Orn. suee. p. 151. n. 73. Spinus Carduelis. Koch, Baier. Zool. I. S. 233. n. 146. —= Le Char- donneret. Buff. Ois. IV, p. 187. t. 10. — Edit. d. Deuxp. VII. p. 206. t. 3. f. 2 Id. Pl. enl. 4. f. 1. = Gérard. Tab elem. 1. p. p. 202. == Gros - bee char- donneret. Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 376. —= Gold- Fineh. Lath. syn. II. 1. p. 281. n. 51. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. S. 274.n. 51. —Bewick brit. Birds. I. p. 209. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 200. Deſſen Taſchenb. I. S. 125. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 167. = Meisner und Schinz V. d. Schweiz. S. 79. n. 81. - Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 87. —Friſch, Vögel. Taf. 1. untere Fig. M. und W. F alte Ausg. I. S. 48. Taf. 5, Fig. 12. Maͤnnchen. K. Ee n ze ver. nT Auf dem ſchwarzen Fluͤgel ein hochgelbes Feld; die ſchwarzen Schwanzfedern haben weiße Spitzen und die zwei aͤußern, auf jeder Seite des Schwanzes, in der Mitte auf der Innenfahne einen großen weißen Fleck. 0 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 127 e ſich re ib ung Unter den kleinen Vögeln unſeres Vaterlandes iſt dies einer der ſchoͤnſten und angenehmſten an Geſtalt und Farbe, wie im Be— tragen, aber auch zugleich einer der bekannteſten. Hinſichtlich ſei— ner Größe ſteht er unter den Arten dieſer Familie oben an, und ſei— ner Farben und eigenen Zeichnungen wegen iſt unter den einheimiſchen keiner ihm aͤhnlich. Er iſt bedeutend kleiner als der Feldſperling, aber auch viel groͤßer als der Erlenzeiſig, ſo daß er etwa mit dem Blut— haͤnfling gleiche Größe hat. Seine Länge iſt 57 bis 53 Zoll, auch wol etwas drüber, wovon 27 Zoll auf den am Ende etwas ausgeſchnittenen Schwanz abgehen; ſeine Fluͤgelbreite 10 Zoll, etwas darüber oder darunter; die Fluͤgellaͤnge 34 Zoll, und die Spitzen derſelben reichen ruhend ſo weit auf den Schwanz hinab, daß fie davon nur 4 Zoll unbedeckt laſſen, weshalb dieſer, welcher auch ſehr lange Deckfedern hat, etwas kurz, jene aber lang und ſchmal ausſehen; die drei erſten Schwingfedern ſind faſt von einer— lei Laͤnge und die laͤngſten. Der Schnabel iſt geſtreckt kreiſelfoͤrmig, nach vorn beſonders ſchmal und verlaͤngert, daher duͤnn zugeſpitzt, nach vorn unmerklich abwaͤrts gebogen, die Schneiden wenig eingezogen, am Mundwin— kel ſich abwärts neigend, 5, zuweilen faſt 6 Linien lang, an der Wurzel 33 Linien hoch und nicht ganz 3 Linien breit. Von Farbe iſt er roͤthlich weiß, die Spitze ſchwaͤrzlich, bei jungen Voͤgeln grau— roͤthlichweiß mit grauer Spitze. Im Fruͤhjahr wird der Schnabel bei den Alten faſt ganz weiß. Das kleine runde Naſenloch an der Schnabelwurzel iſt von Borſtfederchen bedeckt, die bei alten Voͤgeln ſchwarz, bei jungen lichtbraun ſind, auch ſtehen um die Schnabel— wurzel bedeutende Borſthaͤaͤrchen. Die Iris der kleinen Augen iſt nußbraun. | Die kleinen, kurzen, aber ſtaͤmmichten Fuße find grob gefchil- dert, mit grobwarzigen Sohlenballen und langen Naͤgeln, welche rundlich, unten flach mit zwei Schneiden (von welchen nur die des mittleren auf der innern Seite merklich vorſteht), nicht ſehr ſtark gebogen, aber ſehr ſpitzig ſind. Ihre Farbe iſt eine Miſchung von Fleiſchfarbe und Braun, letzteres wird an Zehen und Naͤgeln ſelbſt haͤufig zu einem etwas dunkeln ſchmutzigen oder graulichen Braun; in der Gefangenſchaft verwandelt ſich dies alles in reine Fleiſch— farbe und endlich in ein roͤthliches Weiß. Bei den Jungen ſind die 128 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. Füße etwas lichter gefärbt. Die Fußwurzel iſt 7 bis 8 Linien hoch, die Mittelzeh mit der Kralle 7 Linien lang, und die Hinterzeh et— was uͤber 6 Linien, wovon die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt. Das alte Maͤnnchen iſt ein gar herrlich geſchmuͤcktes Voͤgelchen. Zügel und Halftern find ſchwarz; eine breite Umge— bung der letztern von der Kehle bis an das Auge und eben ſo oben uͤber den Zuͤgeln, wo es die Stirn und den Vorderkopf einnimmt, hoch karminroth, glaͤnzend, oft mit gelblichem Schein, eine Farbe, ganz aͤhnlich derjenigen, welche ſich an den Koͤpfen vieler Spechte be— findet; die Mitte des Scheitels iſt ſammetſchwarz, und dies zieht ſich in einem mondfoͤrmigen Streif zu beiden Seiten des Genicks hinter den weißen Schlaͤfen und Wangen herab; dies Schwarz be— grenzt am Genick ein weißer in Braun verwaſchener Fleck, denn der ganze Nacken, die Schultern und der Ruͤcken ſind gelblichbraun, am Unterruͤcken grau uͤberlaufen; der Buͤrzel und die Enden der bei— den laͤngſten ſchwarzen Oberſchwanzdeckfedern weiß; die Gurgel ebenfalls weiß, die Kropfgegend und Seiten der Oberbruſt angenehm hellgelbroͤthlichbraun, die Weichen etwas ſchmutziger, aber alles mit dem Weiß, das alle uͤbrige Theile des Unterkoͤrpers einnimmt, ſanft verſchmolzen. — Die Fluͤgel ſind tief ſchwarz, die Schwingfe— dern, die erſten kaum ausgenommen, mit einem hellweißen Schild— chen an der Spitze, welche an den laͤngſten am kleinſten, an den letzten dritter Ordnung aber am groͤßeſten ſind, an den erſtern oft aber nur Punkte genannt werden koͤnnen; mitten in dem Schwarz des Fluͤgels ſteht ein hoch ranunkelgelbes Feld, das von den hinterwaͤrts ſehr großen, nach vorn kleinern Enden der großen Reihe Deckfedern und der gelben Wurzelhaͤlfte der großen und mittlern Schwingen gebildet wird, ſich ſcharf vom Schwarzen abſchneidet, und hinter— waͤrts nur an den Spitzen der letzten Deckfedern in Weiß uͤbergeht; doch hat von den Schwingen die erſte kein Gelb, und auf den andern nimmt es auch nur die Außenfahne ein, was man beim ausgebreite- ten Fluͤgel erſt deutlich ſieht. Die Schwanzfedern ſind tief ſchwarz, die aͤußerſte mit einem großen laͤnglichten, oder laͤnglichviereckichten weißen Fleck auf der Innenfahne, der in der Mitte anfaͤngt, aber am Ende doch noch eine 3 Linien lange ſchwarze Spitze laͤßt; die zweite Feder hat einen aͤhnlichen, aber etwas kleinern Fleck, aber es iſt etwas Seltenes, wenn auch noch an der dritten ein Rudiment eines ſolchen Flecks vorhanden iſt; alle uͤbrige Schwanzfedern ha— ben weiße Spitzen, mehrentheils in Form runder Schildchen. — Von unten iſt der Schwanz ſchwarz und weiß, der Fluͤgel an den IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 129 Deckfedern weiß, am Rande ſchwaͤrzlich geſchuppt, an den Spitzen der Schwingen dunkelgrau, an den Kanten derſelben ſilberweiß. Im Herbſt, nach zuruͤckgelegter Mauſer, glänzt das berrli- che Roth des Vorderkopfs beſonders ſtark ins Gelbe; dieſe Farbe wird mit der Zeit erſt dunkler und ſchoͤner; die ſchwarzen Federn haben hin und wieder braͤunliche Saͤume, die braunen Ruͤckenfedern auch viel lichtere Enden; das Weiß iſt hie und da, z. B. an den Wangen und Enden der untern Schwanzdeckfedern, roſtgelb angeflo— gen; das Schwarz des Kopfs der Fluͤgel und des Schwanzes iſt von einer außerordentlichen Tiefe und nicht ohne einen ſchwachen gruͤnblaͤulichen Glanz; aber alles dieſes macht wenig Unterfchied mit dem nachherigen Fruͤhlingskleide, wo ſich die anders gefaͤrbten Spitzen abgeſtoßen haben und alle Farben rein hervorgetreten ſind. — Auch zwiſchen aͤltern und juͤng ern Maͤnnchen iſt wenig Unterſchied in Faͤrbung ihres Gefieders; die aͤlteſten haben ein hoͤ— heres Gelb auf den Fluͤgeln, ein ſchoͤneres Roth und Schwarz, und die weißen Fluͤgelſchildchen find kleiner, als bei den juͤngern; auch fin— den ſich unter den alten ſolche, wo die beiden laͤngſten der Oberſchwanz— deckfedern ganz weiß ſind und wurzelwaͤrts an den Seiten nur einen laͤnglichten ſchwarzen Fleck haben, dagegen bei juͤngern Maͤnnchen die Fluͤgel- und Schwanzſchildchen viel groͤßer ſind und letztere oft noch ein ſchwarzes Spitzchen haben. Das Weibchen iſt aͤußerſt ſchwer zu erkennen, wenn man kein Maͤnnchen dagegen halten kann, weil es dieſelben Farben und Zeichnungen hat, und hoͤchſtens nur durch folgende ſchwache Merk— zeichen von jenen abweicht: Das Roth am Vorderkopfe iſt etwas lichter, gelblicher, und von geringerem Umfange, befonders an der Kehle; das Schwarz um den Schnabel ſchmaͤler, brauner, das am Scheitel bleicher, zuweilen grau gemiſcht oder mit matten, braͤunlichen Federkanten; das Braun am Ruͤcken und der Bruſt we— niger ſchoͤn oder grauer; das Schwarz der Fluͤgel matter und be— ſonders die kleinen Deckfedern derſelben ſo ſtark dunkelgraubraun gekantet, daß ſie am obern Rande ganz braun erſcheinen. Das letzte Merkmal iſt noch das beſte, allein auch junge Maͤnnchen ha— ben es manchmal, und es bleibt immer ſchwer, beide Geſchlechter aͤußerlich und ohne Huͤlfe der Anatomie zu unterſcheiden. Die juͤn⸗ gern Weibchen ſind auch nur wenig von den aͤltern verſchieden. Die jungen, ein Mal vermauferten Voͤgel bei⸗ derlei Geſchlechts ſind von den aͤltern leicht zu unterſcheiden, an der zum Theil noch vorhandenen Zeichnung der Fluͤgel und des Schwan Hr. Theil. 9 | 130 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. zes vom erſten Jugendkleide; die kleinen Fluͤgeldeckfedern haben naͤmlich braungraue Kanten, die mittleren große gelblichgrauweiße Endflecke, und die großen ſtatt der blumengelben, noch weißlich vofigelbliche Enden, daher der gelbe Spiegel noch unvollkommen; die weißen Spiegelfleckchen an den Enden der Schwingen ſehr groß, an den erſten Schwingen Endkanten vorſtellend; die an den Enden der Schwanzfedern auch ſehr groß, ſchmutzig gelblichweiß und die Federſpitzchen ſchwarz; ſonſt haben ſie bereits die Seichnung der Alten, nur mattere Farben. Sehr verſchieden von dem der Alten iſt das erſte Jugend— kleid der jungen Voͤgel. Der Schnabel iſt blaßroͤthlichgrau, hin— terwaͤrts lichter, an den Mundwinkeln gelblich; Zuͤgel, Halfter und Augenkreiſe ſchmutzig weiß, braun gemiſcht; die Wangen gelblich und grau gefleckt; der Scheitel weißbraͤunlich, mit dunkel braun— grauen Flecken; der Nacken weißlicher, aber deutlicher gefleckt; Kehle und Mitte der Gurgel truͤbe weiß; Oberruͤcken und Schultern blaß gelblichbraun, mit rundlichen dunkeln Schaftflecken; der Buͤrzel ſchmutzigweiß, grau gefleckt; Kropf und Bruſtſeiten bleich braͤunlich— gelb, mit rundlichen braungrauen Flecken, die in den Weichen zu laͤnglichen Schaftflecken werden, nach der Mitte der Bruſt aber, im— mer kleiner und runder werdend, ſich verlieren; die uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers weiß. Die Fluͤgelfedern ſind ſchwarz, die kleinen Deckfedern gelbbraͤunlich gekantet, die mittleren mit breiten lehm— gelben Endkanten, die großen mit langen iſabellgelben Enden, wodurch der obere Theil des gelben Feldes jene Farbe bekoͤmmt, denn nur die Wurzelhaͤlfte der Schwingen iſt blumengelb, bleicher als bei den Alten; die Spiegel an den Enden der letztern Schwingen ſehr groß und iſabellfarben, die der langen Schwingen weiß; die der Schwanzfedern wie die an den hinterſten Schwingfedern. — In dieſem Gewande ſehen Maͤnnchen und Weibchen einander voll— kommen gleich, und alle Unterſcheidungszeichen am Gefieder, die man gewoͤhnlich angegeben findet, ſind truͤglich. Es gehoͤrt ein ſehr geuͤbtes Auge dazu, das nur ſolche Leute haben koͤnnen, wel— che ſich haͤufig mit dem Auffuͤttern junger Voͤgel abgeben, um aus einem Gehecke die Maͤnnchen unter den Weibchen heraus zu finden. — Sie tragen dies Kleid nur kurze Zeit, und mauſern in vier bis ſechs Wochen nach dem Ausfliegen, wo ihnen aber die Fluͤgel und Schwanzfedern verbleiben. 8 Spielarten ſind unter dieſen gemeinen Voͤgeln gar nicht ſelten, aber manche, die man eigentlich nicht hieher zaͤhlen ſollte IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel-⸗Zeiſig. 131 findet man nicht im freien Zuſtande. Die in dieſem vorkommenden ſind folgende: Der weiße Diſtelzeiſig (Fring. carduelis can- dida); entweder rein weiß, und dann ſehr ſelten, oder gel b— lichweiß, mit den durchſchimmernden gewoͤhnlichen Zeichnungen, bald mit dem Roth am Vorderkopfe, bald ohne dieſes, meiſt mit dem gelben Fluͤgelfelde, und braͤunlichen oder aſchgraulichen Fluͤ— gel- und Schwanzfedern, auch ſolcher Kopfzeichnung an der Stelle der gewoͤhnlich ſchwarzen, und mit braͤunlichem Ruͤcken. An dieſe ſchließt ſich eine blaffe Varietaͤt (Fr. card. albida), oder eine bu n⸗ te, unordentlich weiß gefleckte (Fr. card. varia), worunter es dann weißkoͤpfige, weißfluͤgeliche u. ſ. w. giebt. Auch wird eine ſchwarzkoͤpfige und eine gelbbruͤſtige Spielart beſchrie— ben; letztere iſt nicht ſehr ſelten, wenigſtens findet man öfters wel— che, deren hell leberfarbige Bruſtſchilder mit reinem Zitronengelb vermiſcht find; dann eine ganz ſchwarze (Pr. card. nigra), uͤber und uͤber ſchwarz, oder ſchwarz mit dem gelben Fluͤgelfelde, welche Farbe nur alte Stubenvoͤgel vom vielen Genuß des Hanf— ſamens bekommen; doch ſoll nach Bechſteins Zeugniß auch ein Mal ein ſolcher Vogel auf der Locke gefangen worden ſeyn, welcher aber vielleicht aus der Gefangenſchaft entwiſcht war; denn derſelbe Schriftſteller erzaͤhlt, daß jemand ein Neſt voll dieſer Voͤgel ganz im Dunkeln aufzog, ſelbſt den Kaͤfig mit Tuch uͤberzog und dieſen nie ans Sonnenlicht brachte, und daß dieſe alleſammt ein kohlſchwar— zes Gefieder mit gelbem Fluͤgelfelde bekamen, jenes aber nachher bei der Mauſer wieder mit einem gewoͤhnlich gefaͤrbten vertauſchten. Aber bei den oben erwaͤhnten vor Alter u. ſ. w. ſchwarz gewordenen Voͤgeln iſt dies nicht fo, fie werden bei der naͤchſten Mauſer eben: fals wieder ſchwarz, leben aber nie mehr lange in dieſem Trauerge— wande. — Was ſonſt noch hierher gezaͤhlt wird, z. B. der gelb— koͤpfige Diſtelzeiſig, iſt ebenfalls nur ein Stubenvogel, bei wel— chem ſich, wie bei mancher andern Art, die rothe Farbe beim Feder- wechſel in die gelbe verwandelte, was gar nichts Seltenes iſt; dann der Baſtard vom Canarienvogel und dem Diſtelzeiſig (Fr. card. hybrida), welcher bald mehr dem Vater, bald der Mutter aͤhnlich ſieht, und oͤfter unfaͤhig zur Begattung ſeyn ſoll. Im Kaͤfig wachſen ihm die Krallen oft zu großen krummen Haken und die Schnabelſpitzen werden zuweilen ſo lang, daß ſie ſich kreuzen, wie bei den Kreuzſchnaͤbeln. Eine kreuzſchnaͤblige Mißge burt zeigt ſich zuweilen, aber ſelten, auch im Freien. Sonſt glauben noch hie und da Vogelſteller und Liebhaber an 132 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Oiſtel⸗Zeiſig. einen Unterſchied zwiſchen Bergſtieglitzen und gewöhnli- chen, wovon die erſtern groͤßer und ſchoͤner ſeyn und beſſer ſingen ſollen, weshalb man ſie in Italien Imperiale nennt; in andern Gegenden nennt man die groͤßern: Tannenſtieglitze, die kleinern: Gartenſtieglitze; allein der Unterſchied ift nicht ſpecifiſch und liegt ſogar oft großentheils nur in der Einbildung der Beſitzer. Es giebt uͤberall, auf Bergen und in Gaͤrten, Individuen, die ſich durch eine beſondere Groͤße oder Kleinheit auszeichnen, dies ſogar oft un— ter Voͤgeln aus Einem Gehecke, auch mehr oder minder ſchoͤn gezeich— nete, mit mehrern oder wenigern und kleinern Fluͤgelſchildchen ge— zierte, was alles zufällige Abaͤnderungen oder Alters- und Geſchlechts— verſchiedenheiten ſind, obgleich es, nach mehreren genauen Beob— achtungen, auch Gegenden geben ſoll, in welchen ſich diefe Voͤgel durch eine anſehnlichere Groͤße und beſondere Schoͤnheit vor andern auszeichnen ſollen, wozu vielleicht eine ihnen angemeſſenere Tempe— ratur der Luft und beſondere Nahrungsmittel der Gegend, die ſie bewohnen, beitragen koͤnnten. Die Mauſerzeit der Alten iſt der Juli, und die der Jungen zwei bis drei Wochen nach dem Ausfliegen, wobei dieſe die Fluͤgel— und Schwanzfedern behalten und deshalb, weil ſie etwas anders, als bei den Alten gezeichnet ſind, im erſten Jahr ſehr kenntlich bleiben. Au fen te d a lt. Der Diſtelzeiſig bewohnt Europa vom mittleren Schwe— den an bis zu den Kuͤſten von Aſien und Afrika, und verbrei⸗ tet ſich auch noch in die angrenzenden Theile dieſes, und im erſtern von Syrien bis nach Sibirien hinauf. Auch auf Madeira hat man ihn angetroffen. Im mittlern Europa iſt er ſehr ge— mein und in Deutſchland in jeder Gegend bekannt; hiervon ſind die hoͤchſten Gebirge bloß ausgenommen, denn auch in waſſerreichen und ſumpfigen Gegenden fehlt er nicht gaͤnzlich. Hier in Anhalt kennt ihn faſt jeder Knabe. Es iſt jedoch dieſe Art nirgends ſo ſehr zahlreich an Individuen, wie viele andere dieſer Gattung. Er gehört im nördlichen Deutſchland unter die Strich voͤg el, obwol nicht ſtreng genommen; denn es bleiben auch viele hier, oder ſie treiben ſich doch den Winter uͤber in einem ſo kleinen Um— kreiſe um den Geburtsort herum, daß man fie in kleinen Zwiſchen⸗ räumen abwechſelnd, zu allen Zeiten hier bemerkt. Die Kälte oder vieler Schnee uͤben hierauf keinen Einfluß aus, weil letzterer ihnen die Nahrung nicht entziehen kann, und ſie gegen erſtere ziemlich IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 133 gleichguͤltig ſind. Am unangenehmſten ſcheint ihnen im Winter der Rauhreif zu ſeyn, denn ſie ſind am traurigſten, wenn die Luft voll dicker Duͤnſte ſchwebt und dieſe ſich gefroren, als Reif, an die Zweige hängen, vermuthlich weil er ihnen beim Aufſuchen ihrer Nahrungs: mittel ſehr hinderlich iſt. Sie ſchwaͤrmen zu Anfang Herbſtes in Heerden herum, oft zu Hunderten beiſammen, welche ſich jedoch gegen den Winter in kleinere Geſellſchaften auflöfen, fo daß man dann nicht leicht mehr als 12 bis 20 Stuͤck mit einander fliegen und ſich zuſammen halten ſieht. Weil ſich aber bei uns uͤberhaupt im Winter weniger ſehen laſſen, ſo darf man wol annehmen, daß viele ſuͤdlicher wandern, die aber bald wiederkehren, weil ſie im Anfang des Maͤrz ſich eben in ſolchen Geſellſchaften zeigen, wie zu Ende des October, beim Wegſtreichen. Standvoͤgel ſind nur einzelne Paͤaͤrchen. Ihre Streifzüge machen fie am Tage, wo man die Heer: den oft dicht uͤber die Erde hinſtreichen, vereinzelte aber auch oͤfters ſehr hoch die Luͤfte durchfliegen ſieht. Ueber den Wald fliegen ſie gewoͤhnlich hoch; uͤber große Flaͤchen Feld aber faſt immer niedrig; ſie ſcheuen dies keineswegs und nehmen auf Baumreihen und Ge— buͤſch keine Ruͤckſicht, ob fie gleich an manchen Tagen, im Spät: herbſt, alle in weſtlicher Richtung fortzuſtreichen ſcheinen. i Als Waldvogel liebt der Diſtelzeiſig zu ſeinem Aufenthalt waldige oder nicht zu baumarme Gegenden. Letztere beſucht er nur auf ſeinen Streifzuͤgen, in erſtern lebt er laͤngere Zeit und pflanzt ſich auch in ſolchen fort. Er bewohnt im Sommer aber nicht allein die Waldungen, ſondern auch Baumgaͤrten, große Obſtpflanzungen und Alleen, Feldhoͤlzer, in Gebirgswaldungen die Vorhoͤlzer, und uͤberhaupt ſolche Waͤlder, welche viel Abwechslung haben, aber nicht den alten finſtern Hochwald, am wenigſten vom Nadelholz, worin er ſich faſt nie ſehen laͤßt. Dagegen iſt er gern in den von gemiſch— ten Holzarten und in engliſchen Gaͤrten, in lichten Eichenwaldungen und in verwilderten Obſtgaͤrten. Er wohnt gern bei Doͤrfern und Städten, ſelbſt in ſolchen Gärten, worin es wenige Baͤume giebt. Die Pflaumen- oder Zwetſchenbaͤume ſcheinen ihm werther, als alle anderen. — Aus dieſen Gegenden ſtreift er aber auch taͤglich aufs Freie, und man ſieht ihn beſonders auf Aengern und Triften, auf Feldrainen, an Daͤmmen, und Berglehnen, an Wegen und Stra— ßen, auf Wieſen, und ſelbſt in ſumpfigen waſſerreichen Gegenden, auch auf Getraidefeldern, zumal auf Stoppelaͤckern. Im Spaͤt⸗ herbſt ſieht man nicht ſelten ganze Heerden, den Lauf von Straßen und Wegen immer folgend, ſich auf die Diſteln niederlaſſen, die oͤfters 134 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. dort haͤufig wachſen. Ueberhaupt ſucht er Diſteln und Kletten, wo ſie ſich nur darbieten, in Hecken und Zaͤunen, auf Schutthaufen, hinter Mauern u. ſ. w. auf, und ihre haͤufige Anweſenheit kann ſeinen Aufenthalt in einer Gegend auf laͤngere Zeit beſtimmen. — Im Winter lebt er vorzuͤglich in ſolchen Gegenden, wo viel Diſteln, oder hohe Samen tragende Erlen und Birken wachſen, und im erſten Fruͤhjahr haͤlt er ſich gern auf alten Aspen, ee und Ulmen auf. Wenn er ſich im Sommer auf Baͤumen aufhaͤlt, ſo iſt dies immer oben nahe am Wipfel oder ſelbſt auf demſelben; tief in den Baumkronen ſehr ſelten; er will immer frei ſitzen. Dieſe Gewohn— heit zeigt ſich auch auf den Diſtel- und Klettenbuͤſchen, ſelbſt da, wo er ſich genoͤthigt ſieht, auf die Erde herabzugehen, und bei den Traͤnk⸗ plaͤtzen. Daher ſieht man ihn ſehr ſelten und nur im Fruͤhjahr, ehe die Baͤume ſich belaubt haben, unter dem Geſtraͤuch auf dem Erdboden und an ſolchen Graͤben, welche mit mehrerem Gebuͤſch umgeben find; im Sommer find ihm ſolche Orte zu duͤſter. Selbſt in Gaͤr⸗ ten, worin die Baͤume dicht ſtehen oder das freie Land nur von ge— ringem Umfange iſt, kommen dieſe Voͤgel ſelten von den Baͤumen herab auf den Erdboden; ſie treiben da ihr Weſen immer oben in den Wipfeln, und fliegen lieber weit, um aufs Freie zu kommen und da Nahrungsmittel aufzuſuchen. Nachtruhe halten ſie auf Baͤumen, in den hoͤhern Aeſten und Zweigen derſelben, im Winter gern auf Eichen und Buchen, welche das alte duͤrre Laub noch haben, im Herbſt auch in den noch dicht belaubten Zweigen der Erlen; auch auf Weidenkoͤpfen uͤbernachten ſie manchmal. Eigenſchaften. Der Diſtelzeiſig iſt ein gar liebliches Geſchoͤpf. Seine ange— nehme Geſtalt, die ſchoͤne Zeichnung und die herrlichen Farben ſei— nes ſanften Gefieders ſind es nicht allein, was wir an ihm bewun⸗ dern; er iſt auch ein außerordentlich lebhafter, unruhiger, flinker, kecker, liſtiger und gelehriger Vogel, ein guter, fleißiger Saͤnger, raſcher, gewandter Flieger, ein geſchickter Kletterer, aber kein guter Fußgaͤnger. Eine gewiſſe Klugheit, an verdaͤchtigen Orten den anſcheinlichen Gefahren und Nachſtellungen zur rechten Zeit auszuweichen, iſt ihm nicht abzuſprechen, obwol er, wenn er ſich unbeachtet glaubt, zuwei— len zutraulicher ſcheinen möchte. Er ſitzt deswegen auch fo gern hoch und IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗ Zeiſig. 135 frei, um ſich immer weit umſehen zu koͤnnen, und verweilt dagegen nie lange an duͤſtern, fuͤr ihn unheimlichen Orten. Sein Sitz oben auf den hoͤchſten Spitzen der Baͤume iſt faſt immer ſehr aufgerichtet, mit knapp anliegendem Gefieder, weshalb er ſchlank und ſchoͤn aus— ſieht; aber er hat nirgends lange Ruhe, iſt bald hier, bald dort, ohne ſich, wenn ihn nicht beſondere Veranlaſſung treibt, ſehr weit zu ent— fernen; ſein Plaͤtzchen oft zu wechſeln, ſeinen Koͤrper auch im Sitzen behaglich zu bewegen, den Hinterleib mit dem ausgebreiteten Schwanze hin und her zu wenden, oder hinuͤber und heruͤber zu ſchleudern, dazu zu locken, zu ſingen, andere Voͤgel zu necken und immer die froͤhlichſte Stimmung zu verrathen, machen ſeine Anwe— ſenheit in einer Gegend bald bemerklich. Nur naßkaltes Wetter und im Winter Rauhreif machen ihn etwas niedergeſchlagen, aber ſelten traurig. Sein Talent im Klettern, um ſich, wie eine Meiſe, in verkehrter Stellung, an die Zweige zu haͤngen und an den duͤnn— ſten Spitzen zu wiegen, zeigt ſich beſonders beim Aufſuchen ſeiner Nahrungsmittel auf Baͤumen und Stauden. Sein flinkes Weſen in allen ſeinen Verrichtungen macht, daß man ſeinem Treiben mit Vergnuͤgen zuſieht. Ungern geht er auf die Erde herab, und ſein huͤpfender Gang ſieht hier etwas unbehuͤlflich aus, daher huͤpft er nur wenig und uͤberfliegt ſo kurze Raͤume, welche Voͤgel aus den ſchon beſchriebenen Familien der Finkengattung durchhuͤpfen wuͤr— den. — Er iſt geſellig, aber nicht in einem ſo hohen Grade, daß er die Geſellſchaft anderer Voͤgel ſuchen ſollte; am oͤfterſten ſieht man ihn noch im Winter auf Erlen und Birken, und im Fruͤhjahr auf Aspen und dergleichen mit Blaumeiſen zuſammen, weit ſeltner unter andern Zeiſigen. Er hat einen ſehr leichten, ſchnellen, auf kurzen Strecken faſt zucken⸗ den Flug, deſſen auf- und abſteigende Bogen im Wanderfluge nur etwas groͤßer gemacht werden. Dieſer ſchnellwogende Flug, die kurzgeſchwaͤnzte und dabei doch ſchlanke Geſtalt der Voͤgel, und in geringerer Entfernung ihre bunten Farben, nebſt den haͤufig ausge— ſtoßnen Locktoͤnen, machen dieſe Vögel ſehr kenntlich; ganz ſtill flie: gen fie ſelten. Wenn fie ſich eben ſetzen wollen, ſchweben fie ſchuß— weiſe, aber auf die Erde werfen ſie ſich gleichſam nieder. — Es find harte Vögel, und fie vertragen die Kälte unfrer Winter ſehr gut. Die Lockſtimme hat unſern Vogel zu manchen Namen verhol— fen und klingt gewoͤhnlich faſt wie die Sylben: Stieglitz, oder vielmehr: Stichlit! — Pickelnickz und im Fluge: Pick, — pick, — pickelnick u. ſ. w., beim Niederſetzen oft pickel nickip— 136 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 1 ckelneia und gedehnt: ſtieglitz oder vielmehr: ſtehglitz; euch Maiing. Das Männchen läßt, auch im Fliegen und Sitzen, anben den Locktoͤnen, oft einzelne Bruchſtuͤcke oder auch nur einzelne Töne aus dem Geſange als Lock hören. Ein ſanftes Mai iſt der Warnungsruf, und ein rauhes Raͤraͤraͤraͤ ſtoßen fie aus, wenn fie mit andern Voͤgeln zanken. Obgleich die Alten, ſitzend und flie⸗ gend, nicht viel vom Schweigen halten, ſo ſind die ausgeflogenen Jungen doch noch viel aͤrgere Schreier, ihr Ziflit, zi, zi, Ziflit, Ziflit it it it ertoͤnt unaufhoͤrlich. — Der laute angenehme Geſang des Maͤnnchens iſt bekannt. Es herrſcht darin ein froͤhlicher Charakter, ein ſchnelles Tempo und viel Abwechslung, aber er iſt nicht fo ſchoͤn, wie der des Bluthaͤnflings, weil er viel zwit- ſchernde und krauſe Toͤne hat, wovon einige eben nicht angenehm find, obgleich auch Accorde vorfallen, die wie Harfengeklimper klin— gen, und dann ſoll, nach dem Dafuͤrhalten der Liebhaber dieſes Ge— ſanges, auch das darin vorkommende hellklingende Pink, nachdem es ſeltner oder oͤfter nach einander wiederholt wird, den geringern oder groͤßern Werth eines ſolchen Saͤngers beſtimmen. Da das Maͤnnchen auch einer der fleißigſten Saͤnger unter den Voͤgeln dieſer Ordnung iſt, ſo macht dies ſeinen Geſang um ſo werther, denn im Freien hoͤrt man ihn ſobald im Fruͤhjahr ſchoͤne Tage kommen, vom Maͤrz bis in den Juli und Auguſt, und faſt zu allen Stunden des Tags, bald vom oberſten Wipfel eines Baumes herab, und hier oft Viertelſtunden lang, bald im Fortſchwingen von einem zum andern, ſelbſt auf weitem Fluge, hoch durch die Luft hinſtreichend. Auch im Herbſt ertoͤnt er hin und wieder, beſonders aber an ſchoͤnen hellen Wintertagen, wenn ſich ganze Geſellſchaften auf den oberſten Spitzen eines hohen Baumes ſonnen; ſolche Concerte dauern zuweilen Stunden lang, wobei ſie oͤfters auch ihre Sitze wechſeln oder einzeln und ſingend nach und nach auf einen andern Baum fliegen, indem ſie uͤberhaupt von langem Stillſitzen nicht viel halten und ſo ein ganz eignes ziemlich weit vernehmbares Gezwitſcher machen, was in der Naͤhe recht angenehm klingt. Er iſt bekanntlich einer der beliebteſten Stubenvoͤgel, laͤßt ſich leicht zaͤhmen und wird ſehr zahm, ob es gleich unter den alt einge— fangenen nichts Seltnes iſt, daß einer oder der andere den Verluſt der Freiheit nicht ertraͤgt und nicht ans Futter geht. Mit den Alten, die vom April bis in den Auguſt gefangen und ihren Familien ent— riſſen werden, iſt dies oͤfters der Fall. Sonſt werden ſie, wenn ſie anfaͤnglich auch ſehr flattern und ſich ungeſtuͤm bezeigen, doch mei— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 137 ſtens bald zahm und lernen, bei richtiger Behandlung, auch alt noch, mancherlei Kunſtſtuͤckchen, z. B. ihr Futter in einem kleinen Rollwagen, und das Trinken in einem kleinen Schöpfeimerchen (wo— zu gewoͤhnlich ein Fingerhut genommen wird) zulangen, indem jedes an ein Kettchen gelegt iſt, das der Vogel mit dem Schnabel an ſich zieht und mit den Fuͤßen feſthaͤlt, bis er ſich geſaͤttigt hat, worauf, wenn er das Kettchen loslaͤßt, das Geſchirr wieder zu— ruͤck rollt, oder das Eimerchen in ein größeres Geſchirr mit Waf- ſer faͤllt, um ſich immer wieder zu fuͤllen. Andere haben auch am Freßkaͤſtchen einen beweglichen Deckel, den der Vogel ſelbſt aufhe— ben muß, ſo oft er Futter zulangen will, und welcher oben mit einem Gloͤckchen in Verbindung ſteht, das allemal klingelt, wenn der geſaͤttigte Vogel den Deckel zufallen laͤßt. Klingelt er ſehr oft, ſo iſt es gewoͤhnlich ein Zeichen, daß wenig Futter im Kaͤſtchen iſt, dann koͤmmt er alle Augenblicke und ſieht nach. Zu dieſen Quaͤlereien (fuͤr etwas anderes wird man es nicht halten) muß das arme Geſchoͤpf ſelbſt an ein Kettchen gelegt werden, wel— ches mittelſt eines Ringes und Wirbels ein Joch von feinem Leder zuſammenhaͤlt, was uͤber den Ruͤcken vor und hinter den Fluͤgeln herumgeht und auf der Bruſt vereinigt iſt, waͤhrend das andere Ende des Kettchens ſich, mittelſt eines weiten Ringes, an einem Staͤbchen leicht drehet und hin und her ſchiebt. Ein ſolcher Vogel hat zwar freie Bewegung ſeiner Glieder, und ſcheint, wenn man das Kettchen uͤberſieht, ganz frei auf ſeinem Staͤngelchen zu ſitzen, allein die Riemen auf dem Leibe ſind ihm gewiß die druͤckendſten Feſſeln, und das Ganze iſt, bei Lichte betrachtet, eine grauſame Spielerei, welche dem ungluͤcklichen Gefangenen das Leben verbit— tert und verkuͤrzt, denn es haͤlt es ſelten einer uͤber 2 bis 3 Jahr aus, während andere im Kaͤfig oder in einem weitern Vogelbe⸗ haͤlter gehaltene und gut abgewartete Diſtelzeiſige wohl 20 bis 24 Jahre leben. — Man lehrt ihn aber noch mancherlei andere, viel kuͤnſtlichere Sachen, und er wird hierin fuͤr einen der gelehrig— ſten Vögel gehalten. Um anfänglich beim Abrichten das Weg— fliegen zu verhindern, ſchneidet man ihm mit einer ſcharfen Scheere mehr oder weniger (je nachdem er ſich wild zeigt) von den innern Fahnen aller Fluͤgelfedern, wodurch aͤußerlich der in Ruhe liegende Fluͤgel gar nicht verunſtaltet wird, und beſtreicht ihm die Gegend um die Naſenloͤcher mit Bergamottoͤhl, was ihn etwas betaͤubt. Der erſte Grad der Dreſſur iſt, daß er ruhig auf dem Finger ſitzen und von einem auf den andern huͤpfen lernt, ſich ſtreicheln laͤßt, 138 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. und endlich Futter aus der Hand nimmt. Bald wird er dieß auch aus dem Munde nehmen, von felbft auf die Fand kommen, auf dieſer und auf Befehl ſingen, und nach und nach immer mehr begreifen. Man hat ſolche Voͤgel oft fuͤr Geld gezeigt, die angekleidet waren, wie Soldaten Schildwach ſtanden, kleine Kanonen abfeuerten, ſich todt ſtellten, oder gar an den Fuͤßen an einem Galgen aufhaͤngten und noch viele andere Gaukeleien machten, die in Erſtaunen ſetz⸗ ten. — Zum Aus- und Einfliegen laſſen ſich dieſe Vögel ebenfalls gewoͤhnen. Wer ſie bloß als huͤbſche Voͤgel und ihres angenehmen Ge— ſangs wegen hält, ſperrt fie in einen Käfig von Draht, in welchem ſie anfaͤnglich, wenn auch die Decke deſſelben von Sproſſen iſt, ſich an dieſer anhaͤkeln und an ihr herum ſteigen, dieß aber doch nicht ſo arg treiben, als die Erlen- und Birkenzeiſigez; oder läßt ſie in einem geraͤumigern Behaͤlter unter andere Voͤgel fliegen, was das Beſte iſt, oder mit auf obige Art beſchnittenen Fluͤgeln im Wohnzimmer herum laufen, wo ſie aber, weil ſie ſchlecht zu Fuß ſind, immer nach oben ſtreben und ſelbſt auf den fuͤr ſie hingeſtellten Zweigen oder kleinen Baͤumchen immer in die Spitze in die Hoͤhe ſtei— gen und hier am liebſten ſingen. Sie ſingen in der Stube das ganze Jahr, bloß die Mauſerzeit ausgenommen, immerwaͤhrend fleißig, und muntern damit auch andere Stubenvoͤgel auf, ein Gleiches zu thun. — Jung aufgezogen oder eingefangen lernen ſie den Schlag der Canarienvoͤgel vorzüglich ſchoͤn nachahmen, weni- ger begreifen ſie von andern Vogelgeſaͤngen. Ob man gleich ſagt, daß ſie auch kuͤnſtliche Melodien nachpfeifen lernten, ſo ſcheint dieß doch bei aller Muͤhe nur ſelten mit ihnen zu gluͤcken; denn ſie ſind hierin weit a iger als die Bluthaͤnflinge und Canarien⸗ voͤgel. Unter andern kleinen Voͤgeln in einer Kammer herum fliegend leben ſie vertraͤglich mit dieſen, ſo lange ſie nicht an der Freßkrippe mit ihnen zuſammen kommen; hier zeigen ſie ſich aber ſehr futter— neidiſch und beißig, und weichen nicht eher, bis fie ſich geſaͤttigt ha⸗ ben. Dann ſind ſie aber auch wieder gegen manche recht zaͤrtlich, ſchnaͤbeln fich mit ihnen, oder füttern fie gar; dieß thun fie nament—⸗ lich mit Canarienvoͤgeln, oder mit Erlen- und Birken: zeiſigen, und mit erſtern begatten ſie ſich auch ſehr leicht, zumal jung aufgezogen. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diftel=3eifie, 189 N Nahrung. Sie naͤhren ſich vorzuͤglich von allerlei Spinde Saͤmereien, freſſen aber auch zuweilen Inſekten und fuͤttern die Jungen damit; auch zarte gruͤne Pflanzentheile und ſolche aus den Bluͤthen wum Baͤume verzehren ſie zu manchen Zeiten. So lange es ſich thun laͤßt, gehen ſie der Nahrung wegen nicht auf die Erde, ſondern holen ſie von den Baͤumen und Stau— den. Die Namen: Diſtler, Diſtelfink, Diſtelzeiſig, machen ihre Lieblingsnahrung bemerklich, denn ſie ſcheinen auf die Samen einer großen Menge, ja der meiſten Pflanzen aus der neunzehnten Claſſe (Syngenesia, Linn.), beſonders aber der Diſteln angewieſen, denn fo lange fie die letztern haben koͤnnen, ſehnen fie ſich nach keinem andern Futter. Diſteln, im weiteſten Sinne, darunter aber vor— zuͤglich Carduus erispus, acanthoides, nutans, Cnicus arvensis (Serratula arv. Linn.), C. oleraceus, lanceolatus, palustris, weniger Onopordon Acanthium und Centaurea calcitrapa, dann Kletten (Arctium Lappa et Bardana), Wegwarten ( Cichorium Intibus) und Lattich (Lactuca), tragen ihre Lieblingsſamen; außer dieſen verachten fie aber auch die Samen andrer Diſteln und Flocken— blumen, vom Loͤwenzahn, Apargien, Habichtkraut, Gaͤnſediſteln, Haſenlattich und vieler andern Syngeneſiſten nicht. Mohn ſamen gehoͤrt ebenfalls zu ihren Lieblingsſpeiſen; dann freſſen ſie auch die Samen von Meierich, Huͤhnerdarm, Wegbreit, von Lein, Dotter, Ruͤbſen und andern Kohlarten, letztere aber nicht gern, endlich Erlen- und Birkenſamen. Daß ſie auch Inſekten freſſen und ihre Jungen damit fuͤttern, iſt gewiß, ſo ernſtlich es auch von Bechſtein gelaͤugnet wird; ich habe ſie mehr als ein Mal dabei ertappt. Es ſiel mir unter anderm auf, alle Fruͤhjahre zu Ende März oder im April in meinem Waͤld⸗ chen ganze Geſellſchaften von Diſtelzeiſigen, im Verein mit Bla u— meiſen, auf den hoͤchſten Baͤumen, vorzuͤglich den ſehr hohen, alten, grauen Aspen (Populus canescens), ſeltner auf ſolchen Silberpappeln (Pop. nivea.), etwas ſpaͤter aber auch auf den hoͤch— ſten Ulmen (Ulmus effusa) ſehr emſig ſich beſchaͤftigen zu ſehen, gerade wenn dieſe Baͤume in voller Bluͤthe ſtanden, wobei ſie oft ziemlich zerpfluͤckte Bluͤthenkaͤtzchen oder Bluͤthenbuͤſchel herabwarfen. Es wurden nun einige Jahr nach einander mehrere herabgeſchoſſen, und die Oeffnung des Kropfes und des Magens zeigte zur Gnuͤge, daß ſie bloß einer Art von kleinen, etwa 4 Linien langen, gelb— gruͤnlichweißen Inſektenlarven wegen, jene Bluͤthen durchſuchten, 140 IV. DOrdn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. und dabei, vielleicht bloß zufaͤllig, einige Antheren aus dieſen, die ſich auch nicht bei allen fanden, mit verſchluckt hatten, wie ſich denn bei einigen wenigen auch einige geſchaͤlte Saͤmereien und viele kleine Steinchen vorfanden, die ſie nicht auf den Baͤumen gefunden haben konnten. — Daß ſie die Jungen anfaͤnglich mit kleinen Inſekten und ſolchen Larven auffuͤttern, beobachtete laͤngſt ſchon mein Vater (f. erſte Ausg. d. W. I. S. 49.); nur wenn jene bald ausfliegen wollen, bringen ſie ihnen auch geſchaͤlte und im Kropfe erweichte Saͤmereien, und nach dem Ausfliegen fuͤhren ſie ſie zum Genuß dieſer an, obgleich ſie auch zuweilen noch mit ihnen oben auf den Baͤumen zunaͤchſt den Wipfeln, z. B. der Pflaumen⸗ oder Zwetſchenbaͤume, Birnbaͤume u. a., allerlei kleine Larven und Raͤupchen, Blattlaͤuſe und andere kleine Inſekten aufſuchen und wirklich verzehren, nicht (wie Bechſtein meint), um bloß an den Blaͤttern zu nagen. — Das Letztere thun ſie indeſſen auch, und man ſieht ſie oft zarte Pflanzenkeimchen, Bluͤthentheilchen und wei— che Blaͤtter und Knospen benagen, und Theile davon verzehren. Im Winter und im Fruͤhjahr ſehen ſich dieſe Voͤgel genoͤthigt auf die Erde zu fallen und die ausgefallenen Saͤmereien aufzuſuchen, was ſie ſonſt, ſo lange es noch Diſtel- oder Klettenſamen auf den Stauden, und Erlen- und Birkenſamen auf den Baͤumen giebt, ſehr ſelten thun. Sie kommen im Winter, auch bei vielem Schnee, wegen ihrer Nahrung felten in Verlegenheit, weil fie ſich dann mei— ſtens da aufhalten, wo es viel Samen tragende Erlen giebt, denn dieſe ziehen fie den Birken noch vor. Man ſieht fie dann meiſtens in nicht gar großen Geſellſchaften an den Spitzen der Zweige dieſer Baͤume ſich anhaͤkeln und die Samen ausklauben, wo, wie geſagt, Blaumeiſen ihnen oͤfters Geſellſchaft leiſten. Im Fruͤhlinge, ehe es genug friſche Saͤmereien giebt und die alten auch ſeltner werden, ſcheinen ſie viel kleine Inſekten zu freſſen, aber ſobald es reife Sallatſtauden und Diſteln giebt, fliegen ſie nach dieſen, beſonders auf ſolche Plaͤtze, wo die Ackerdiſtel (Cnicus s. Serratula arvensis), die am fruͤheſten reifen Samen bringt, haͤufig waͤchſt; dann zeigen fie fi auf Aengern, an Wegen u. ſ. w. ſchon familienweis. Merk— wuͤrdig iſt es jedoch, daß ſie dieſes Lieblingsfutter ſehr ſelten in Getraidefeldern, wo es oft haͤufig uͤber der reifende Gerſte und dem Hafer mit ſeinen Flockenkoͤpfen emporragt, aufſuchen; man ſieht ſie um dieſe Zeit uͤberhaupt nicht in Getraidefeldern. Spaͤter gehen ſie in großen Heerden auf die Grummetwieſen, worauf die Kratzdiſtel (Cnicus oleraceus) haͤufig waͤchſt, deren Same im IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig 141 Auguſt reif iſt und welchen fie ungemein lieben. Im Herbſt ſtrei— chen ſie laͤngſt Daͤmmen und Straßen hin, wo Diſteln wachſen, die fie ſpaͤterhin, nebſt Kletten, überall aufſuchen, nicht allein hinter Zaͤunen und Hecken, auf Schutthaufen und alten Waͤnden, ſondern auch auf jungen Schlaͤgen und lichten Plaͤtzen in den Waͤldern. Sie machen ſich dann in allen Gegenden, wo dergleichen wachſen, bemerklich. Zum Waffer fliegen fie off, wohnen er gern in deſſen Naͤhe, und man ſieht ſie oft trinken; aber ſie halten ſich hierbei gar nicht auf und baden ſich auch ſelten. Zur Befoͤrderung der Verdauung verſchlucken ſie viel grobe Sandkoͤrner oder kleine Steinchen; oͤfters fand ich Ziegelſteinbroͤckelchen in ihrem Magen. Sie picken auch gern Salz, und finden ſich deshalb bei den Salzlecken der Schafe ein. Im Kaͤfige fuͤttert man ihn am beſten mit reinem Mohn, wo— bei er ſich viele Jahre lang ſehr wohl befindet. Will man ihm zu— weilen mit etwas Hanfſamen eine Abwechslung machen, ſo muß man dieſen knicken, weil er ſonſt zu hart fuͤr ſeinen Schnabel iſt. Mit Diſtel- und Klettenſamen kann man ihm auch im Käfig eine an— genehme Abwechslung machen; auch iſt es ihm erſprießlich, wenn er zuweilen etwas Gruͤnes, Kreuzkraut, Huͤhnerdarm oder Sallat, bekoͤmmt, woran er gern nagt. An Ruͤbſaat und Dotter wollen nicht alle, und denen, welche dieſe Samen ja freſſen, ſcheinen ſie nicht ſonderlich zu bekommen. Er iſt ein gewaltiger Freſſer, und wo er mit andern Voͤgeln eingeſperrt iſt, weicht er ſelten von der Freßkrippe und ſucht die, welche ſich nähern, mit aufgeſperrtem Schna— bel und haͤßlichem Raͤraͤraͤra davon abzuhalten oder treibt die ſchwaͤchern wol gar mit Gewalt hinweg. Frei in der Wohnſtube her— umlaufend oder fliegend gewoͤhnt er ſich mit Mohn, auch an in Milch geweichte Gerſtengruͤtze, und lernt daneben ſelbſt von allem, was an Speiſen auf den Tiſch koͤmmt, ſelbſt von Fleiſch, zuweilen naſchen. — Die Jungen fuͤttert man mit in Milch geweichter Semmel, wo— zu man ſpaͤter etwas eingequellten Mohn thut, bis ſie erwachſen nach und nach dieſen, und endlich ihn auch trocken bekommen. Man kann ſie auch, mit dem Neſte in einen Vogelbauer act den Alten auffüttern laſſen, bis fie allein freſſen. 5 Fortpflanzung. In Deutſchland niſten ſie in Laubholzwaͤldern und in ſolchen von gemiſchten Holzarten, wenn ſie nicht zu duͤſter ſind, am meiſten an den Raͤndern oder in kleinern, mit Feld und Wieſen abwechſeln⸗ 142 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. den, in Obſtbaumanpflanzungen, beſonders in Gaͤrten bei Doͤrfern und Städten, und oft in der Nähe von Gebäuden. Die fruchtba- ren, waſſerreichen Gegenden ziehen fie den duͤrren vor, und ſind des— halb, in dieſer Zeit, in den Auen an großen Fluͤſſen ſehr gemein. Die Obſtgaͤrten, beſonders ſolche, worin es viel Zwetſchenbaͤume giebt, und wenn dabei die Gegend auch nicht ganz arm an wilden Holzarten, Baͤumen und Geſtraͤuch iſt, lieben ſie mehr als den ei— gentlichen Wald, und da es dergleichen Orte hier zu Lande gar vie— le giebt, ſo findet man auch nur wenig Doͤrfer, bei welchen man dieſe Vögel in der Fortpflanzungszeit vermißte. So haufig als Gruͤn— und Bluthaͤnflinge ſind ſie hier jedoch nirgends. Ihr Neſt bauen ſie auf Baͤume; nicht leicht unter 20 Fuß, aber oft bis 40 Fuß hoch und daruͤber, auf die oberſten Aeſte oder in die Wipfel der Baumkronen. Im Walde findet man es auf Eichen, Buchen, Linden, Ulmen, wilden Obſtbaͤumen, auf Fichten oder Tan- nen, in Gaͤrten auf alten Birn- oder Aepfelbaͤumen, auf hohen Pflaumen: und Apricoſenbaͤumen, am oͤfterſten in den Wipfeln der Zwetſchenbaͤume, auch ganz oben in den dichten Zweigen hoher, un: ter dem Schnitt gehaltner Franzobſtbaͤume, hier auch zuweilen, doch ſelten, nicht hoͤher als 10 bis 12 Fuß vom Erdboden. Sie wiſſen es in die dichtbelaubteſten Zweige meiſt ſo zu ſtellen, daß es von unten nicht leicht eher geſehen wird, bis das Laub von den Bäumen fallt; mir iſt es faſt in jedem Jahre mit den in meinem Garten vorkommen— den ſo gegangen, weil hier die Baͤume hoch ſind und ſehr dicht ſte— hen. Wenn man den Baum beſteiget, auf welchem man die Voͤgel am oͤfterſten bemerkt, ſo findet man es am ſicherſten, auch wenn es auf einem andern naheſtehenden ſtaͤnde. Auf Birn- oder Aepfelbaͤu— men ſtehet es meiſtens ganz oben, und da ſehr oft auf einem finger— dicken horizontalen Zweige, an einer Stelle, wo dieſer gerade recht viel kleine Zweige und Blaͤtterbuͤſchel hat, auf Pflaumenbaͤumen faſt immer in den Gabelaͤſtchen des Gipfels. Auch auf Nadelbaͤumen fie: het es meiſtens ſehr hoch, ſelbſt nahe am Wipfel. So aͤhnelt es in dieſer Hinſicht einigermaßen dem Neſte des Erlenzeiſigs. Es gehoͤrt unter die kuͤnſtlichſten Neſter, ſtehet aber dem des Buchfinken an Schoͤnheit noch bedeutend nach. Es iſt zwar eben⸗ falls ein feſtes, dauerhaftes Gewebe, das den Stuͤrmen und der Witterung bis tief in den Herbſt hinein Trotz bietet, doch fehlt ihm der nette, zierliche aͤußere Aufputz des Buchfinkenneſtes, wovon ſich nur an manchen bedeutende Spuren oben am Rande zeigen. Es iſt ſehr dicht gefilzt und an die unterſtuͤtzenden Zweige bewundernswuͤrdig IV.Drdn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 143 befeſtigt, von gruͤnem Baum- und Erdmoos und den grauen Flech— ten deſſelben oder eines nahen Baumes gebauet, mit feinen braunen Wuͤrzelchen, duͤrren Haͤlmchen, Faſern und Faͤden durchflochten, und alle dieſe Dinge noch durch Inſektengeſpinnſt genauer mit einan⸗ der verbunden; nach innen folgt nun eine Lage Wolle, meiſtens von Pflanzen, und am gewoͤhnlichſten bloß Diſtelflocken, und dann zuletzt eine duͤnne Lage von Pferdehaaren und Schweinsborſten, worauf die Eier liegen. Der halbkugeltiefe Napf iſt ſehr nett ge— rundet, ſein oberer Rand etwas eingebogen und meiſtens mit grauen Flechten glatt belegt. Beim Bauen begleitet zwar das Maͤnnchen ſein Weibchen auf allen Tritten und Schritten, allein nur ſelten ſieht man es auch Materialien dazu im Schnabel herbeitragen; waͤhrend das Weibchen ſehr emſig daran arbeitet, ſucht ihm jenes die Zeit mit Singen zu kuͤrzen. Sie bauen gewoͤhnlich erſt im Mai, wenn be— reits junges Gruͤn die Baͤume ſchmuͤckt, und niſten dann, wenn ihnen nicht die erſte Brut verſtoͤhrt wurde, wenigſtens in hieſiger Gegend, nur ein Mal im Jahre. Nur alte Paͤaͤrchen moͤgen in fruͤh— zeitig warmen Fruͤhlingen hiervon eine Ausnahme machen und zwei Mal bruͤten, was aber gewiß ſelten iſt. f Die Eier aͤhneln an Geſtalt und Farbe denen der andern Zei— ſige, am meiſten aber, ſelbſt in der Größe, denen des Bluthaͤnf— lings. Sehr häufig find fie aber etwas kuͤrzer und runder, als die des letztern; man findet jedoch in der Form ſo große Abwei— chungen, wie in der Größe; denn obgleich die Mehrzahl eine kurzo— vale Geſtalt hat, wobei das eine Ende merklich ſpitz, das andere auffallend ſtumpf, und die Mitte nicht ſehr bauchig iſt, ſo daß ein ſolches Ei bei 8 Linien Länge nur 64 Linien breit iſt, ſo giebt es da⸗ gegen wieder viel rundere, von 87 Linien Laͤnge und mehr als 7 Linien Breite, welche ſehr kurz and dick ausſehen; endlich giebt es aber auch noch ſchoͤn eifoͤrmig oder ſchlank geſtaltete, die man gar nicht bauchig nennen kann, indem ſie bei einer Laͤnge von guten 9 Linien nur 65 Linien breit ſind. Ihre Schale iſt ſehr zart und dünn, ſo daß friſch der rothgelbe Dotter durchſcheint, und ohne Glanz, die Farbe aber auch ſehr verſchieden, der Grund zwar immer weiß, ins Blaugruͤnliche ziehend oder gruͤnlichblauweiß, bei einem dunkler, beim andern blaͤſſer; aber dieſe Farbe iſt von ſo verſchiedener Dauer, daß fie (in Sammlungen) bei vielen ganz abbleicht und ſich in ein truͤbes Weiß verwandelt, waͤhrend ſie bei andern ihre erſte Schoͤnheit fuͤr immer behaͤlt; ich habe jedoch bemerkt, daß dieſes friſch gelegte, un— bebruͤtete, jenes bebruͤtete oder faule Eier waren. Die Zeichnungen ſind 144 IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. ſparſame violetgraue Punkte, welche ſich nur am ſtumpfen Ende et— was haͤufen und hier noch mit blaßblutrothen, blutbraunen, und einzelnen roͤthlichſchwarzen Puͤnktchen oder Strichelchen abwechſeln, die an manchem Eie auch nur ſparſam, bei andern häufiger vorkom— men, oder auch einen undeutlichen Kranz bilden. Man findet gewoͤhnlich vier bis fuͤnf, oͤfters aber auch ſechs Eier in einem Neſte, welche das Weibchen allein binnen dreizehn bis vierzehn Tagen ausbruͤtet, waͤhrend dem aber vom Maͤnnchen aus dem Kropfe gefuͤttert wird, ſo daß es wegen Nahrung nicht lange vom Neſte bleiben darf. Die zarten Jungen, welche, ehe ſie Federn be— kommen, nur ſehr ſparſam mit langen ſchwarzgrauen Dunen beklei— det ſind, fuͤttern ſie anfaͤnglich bloß mit kleinen Inſektenlarven, die ſie ihnen im Schnabel bringen, wenn ſie aber heranwachſen, fuͤgen ſie auch kleine geſchaͤlte Saͤmereien hinzu und fuͤttern ſie dieſe aus dem Kropfe; denn ſo wie die Jungen ausgeflogen, fuͤhren ſie ſelbige bald hinweg, auf die Diſteln, und fuͤttern ſie nun noch ſo lange mit den Samen derſelben und von andern Pflanzen, bis ſie ſelbſt ihre Nahrung ſuchen und allein freſſen lernen, worauf dieſe auch ihr Ziflit nicht mehr fo oft hören laſſen und es bald ganz ab— ſchaffen, wo auch die Maufer bei ihnen eintritt. Sie bedürfen der aͤlterlichen Pflege langer als Haͤnflinge und Finken. Man ſieht fo: wol im Juli, wenn der Same der Ackerdiſtel reif iſt, auf Aengern, und wo dieſe ſonſt haͤufig waͤchſt, zu Heerden vereinigte Familien, wo die Jungen den Alten unter immerwaͤhrendem Geſchrei Futter ab— fordern, als auch noch ſpaͤt im Auguſt ebendaſſelbe auf den Kratz— diſteln niedriger Wieſen; wahrſcheinlich ſind dies jedoch Voͤgel von verſpaͤteten Bruten, und wegen der Menge koͤnnen ſie nicht alle von ſolchen, wo die erſte Hecke zu Grunde gegangen, herruͤhren, ſondern viel— mehr von jungen vorjaͤhrigen, jene aber von ganz alten Paͤaͤrchen. Sie lieben ihre Jungen ſehr und fuͤttern dieſe auch auf, wenn man ſie mit dem Neſte in einen Kaͤfig ſteckt und dieſen in der Naͤhe, wo das Neſt ſtand, doch hoch genug, aufhaͤngt; nach und nach kann man ihn auch weiter bringen, wie bei den Haͤnflingen geſagt wurde; dieſe ſo aufgefuͤtterten ſind aber auch ſehr wild. Fuͤr Liebhaber der Voͤgelzucht im Zimmer iſt es ſehr angenehm, Diſtelzeiſige mit Canarienvoͤgeln zu verpaaren, was beſonders leicht geht, wenn das Männchen Diſtelzeiſig und das Weibchen Ca— narienvogel iſt, zumal wenn jenes jung aufgezogen war. Unter die: ſen Baſtarden giebt es vortrefflich gezeichnete Voͤgel; beſonders ſchoͤn ſind ſie, wenn Kopf, Fluͤgel und Schwanz die Farben vom IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. 145 Vater, die uͤbrigen Theile aber von der Mutter haben, und wenn dieſe zitronengelb war. Manche dieſer Baſtarde ſind auch mit dem Vermoͤgen begabt, ſich fortpflanzen zu koͤnnen, aber viele legen bloß Eier, die nichts taugen, und noch mehrere ſind gaͤnzlich unfruchtbar, d. h. ſie zeigen nicht einmal Trieb zur Begattung. Uebrigens werden dieſe Baſtarde auch vorzuͤgliche Saͤnger. — In einem mit Draht— gitter eingeſchloſſenen, nicht zu engen Raum, im Freien, pflanzen ſich die Diſtelzeiſige auch ohne Hinzukommen von Canarienvoͤgeln fort, beſonders wenn ſie, wenigſtens die Weibchen, jung aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert worden waren; Wildfaͤnge beque— men ſich nicht ſo leicht dazu. — Man kann die freien Diſtelzeiſige auch, wie die Haͤnflinge, zum Aufziehen der Canarienvoͤgel benutzen, wenn man ihnen die Eier nimmt und dafuͤr Ganasiensögeleien uns ae ei d e. Unter den kleinen Raubvoͤgeln ſind der Sperber und Merlinfalk ihre aͤrgſten Verfolger, und ob ſie gleich ſchnell ge— nug fliegen, ſo verſtehen ſie es doch nicht, ihren heftigen Stoͤßen durch geſchickte Wendungen auszuweichen; auf dem Freien iſt daher aus einer Geſellſchaft, ſobald einer dieſer Raͤuber ernſtlich will, allemal einer verloren. Auch dem Huͤhnerhabicht ſind fie nicht zu klein, und im Winter erwiſcht ſelbſt der große Wuͤrger zuweilen einen. Ihre Brut wird oft von Kraͤhen, Elſtern und Hehern zerſtoͤrt, und zuweilen aeg auch Katzen und Marder die Baͤume, um dies zu thun. — Im Gefieder beherbergen ſie oft eine große Menge ſehr kleiner Schmarotzerinſekten. Als Stubenvoͤgel ſind ſie mancherlei Krankheiten Untere ſie bekommen da diefallende Sucht, Schwindel, geſchwol— lene Fuͤße, und im Alter beſonders oft boͤſe Augen, oder ſie er— blinden dann ganz. Deſſenungeachtet dauern ſie doch in manchen Stuben ſehr lange. Die Liebhaber wollen zwar allerlei Mittel gegen jene Zufaͤlle kennen, allein ſie verſagen nur zu oft die gewuͤnſchte Wirkung. Ja g d. Sie find mehrentheils klug genug, um den ohne Theilnahme Voruͤbergehenden von jemanden zu unterſcheiden, welcher ſie mit einem mehr als aufmerkſamen Blick betrachtet; zuweilen, beſonders bei ſchlechter Witterung, oder auch in der Begattungszeit, find ſie da— gr. Theil. 10 146 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 158. Diſtel⸗Zeiſig. gegen oft wieder gar nicht ſcheu; ſo iſt ihnen mit der Flinte noch Ah leicht, mit dem Blaſerohr aber ſeltner beizukommen. Die Jungen ſind freilich weniger vorſichtig; ; da fie aber gewöhnlich von den Alten begleitet werden, fo warnen fie dieſe meiſtens zeitig genug, und mahnen ſie bald zur Flucht. Gefangen werden ſie auf Vogelheerden nur ſelten, weil ſie ſehr ungern auf die Erde fallen. Liegt aber ein Finkenheerd nicht zu tief im Walde oder ganz auf dem Freien, ſo bringt man ei— nen Buͤſchel reifer Diſteln darauf an, bei welchem man, damit die Netze nicht daran haͤngen bleiben, ein paar lange biegſame Gerten ſteckt; in dieſen Diſtelbuſch (es koͤnnen auch Kletten, Sallat, oder Wegwarten dazu genommen werden) ſtellt man den in einem Draht— bauer befindlichen Lockſtieglitz, welcher die fremden herbei lockt; al— lein in Menge faͤngt man ſie auch hier nicht, wie es ſcheint, aus Mistrauen gegen die kuͤnſtlichen Fanganſtalten, denn ſie fallen auch nur einzeln auf. — Wo man ſie auf ihren Lieblingspflanzen oͤfters und haͤufig ſieht, kann man ihrer viele fangen, wenn man die Di— ſteln, Kratzkrautſtengel oder Sallatſtauden hin und wieder in Buͤſchel zuſammen bindet und dieſe mit Sprenkeln behaͤngt oder mit Leimruthen beſteckt. Leider ſterben aber viele der um dieſe Zeit gefangenen Alten (vermuthlich aus Sehnſucht) ehe ſie Futter anneh— men, und von den Jungen auch die, welche ſich noch nicht recht allein naͤhren koͤnnen. Wer daher Gelegenheit hat, dieſen Fang lies - ber im Spaͤtherbſt betreiben zu koͤnnen, wird in dieſer Hinſicht gluͤcklicher ſeyn, wenn er auch an Zahl weniger bekaͤme. Wenn man um dieſe Zeit in der Naͤhe von Gebaͤuden und Gaͤrten Stieglitze be— merkt, ſo darf man nur ein Buͤndel Klettenſamen auf einem niedri⸗ gen Baume anbinden und dies mit Sprenkeln behaͤngen, und wenn man dann einen Lockvogel im Bauer dabei haͤngen kann, ſo wird dieſer Fang beſonders gute Ausbeute geben. 5 Eine beſondere Art des Fangs mit Vogelleim verdient hier einiger Beachtung, da die Diſtelzeiſige, wie manche andere Voͤgel, ſich zuweilen vor den Leimruthen ſcheuen; man nimmt naͤmlich, ſtatt dieſer, Schweinsborſten, beſtreicht fie mit Vogelleim und be= legt die Diſtelkoͤpfe und dergleichen damit. Sie dienen auch beſon— ders gut dazu, Voͤgel auf dem Neſte zu fangen, wenn anders dieſe Grauſamkeit nicht umgangen werden kann. . Nutz en. Sie haben, wie andere aͤhnliche Voͤgel, ein ſehr wohlſchme— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 158. Diftel-3eifig. 147 ckendes Fleiſch; da man ſie aber nirgends in ſehr großer Menge faͤngt, und ſie, ihrer Schoͤnheit wegen, ungern toͤdtet, ſo koͤmmt es ſelten auf die Tafel. % Mit ihrem Geſange beleben ſie Waͤlder und Gärten, und er: freuen beſonders den, welcher ſie in der Stube haͤlt, wo auch ihre Faͤhigkeit, allerlei Kunſtſtuͤckchen zu lernen, oft ſehr eee un⸗ terhaͤlt. Ganz beſonders nuͤtzlich werden ſie uns durch das Aufzehren der Samen einer Menge von Pflanzen, gemeinhin Unkraut genannt, worunter Diſteln, Kletten und Kratzkraut obenan ſtehen. Es iſt gar nicht ſo unbedeutend, als es manchem ſcheinen moͤchte, wenn dieſe Voͤgel in Menge auf Plaͤtzen erſcheinen, wo viel der ge— nannten Pflanzen wachſen; ſie tragen wenigſtens ſehr viel zu ihrer Verminderung bei, koͤnnen ſie aber auch an einzelnen Orten fuͤr meh— rere Jahre ſogar ausrotten. Auf dem Anger bei meinem Wohnorte hatte ſich einmal eine große Menge Diſteln, beſonders die ſo ſehr wuchernde Ackerdiſtel (Cnicus s. Serratula arvensis) angeſiedelt, wodurch der ſonſt uͤppige Graswuchs auf großen Strecken gaͤnzlich aufhoͤrte. Die Menge dieſer Lieblingsnahrung zog bald große Schaa— ren von Diſtelzeiſigen herbei; noch groͤßere zeigten ſich im folgenden Jahr, und in wenigen Jahren waren alle Diſteln ſo vertilgt, daß bis heute noch, von jener gar keine, und von C. lanceolatus nur ſehr wenige Pflanzen hier wachſen. So iſt es auf unſern Wieſen mit dem Cnicus oleraceus, einem haͤßlichen Unkraut, das in manchem Jahr aͤußerſt haͤufig erſcheint, wo dann dieſe Voͤgel ebenfalls in Menge ankommen und wenigſtens zu ſeiner Verminderung ungemein beitragen. — Auch durch das Aufzehren vieler Brut von kleinen Bluͤten- und Knospeninſekten nuͤtzen ſie, beſondersin Obſtgaͤrten. Sch a de Diefer kann nur da in Betracht kommen, wo fie zuweilen uͤber Saͤmereien von Gartengewaͤchſen gerathen; wo viel Sallatſa— men gebauet wird, koͤnnen ſie manchmal ſogar recht empfindlich ſcha— den, denn nach dieſen ſind ſie beſonders begierig. In kleinen einge— ſchloſſenen Gaͤrten ſchaden ſie indeſſen ſelten, weil ſie da nicht trauen, auch haben ſie in meinem Garten, wo ſie doch alle Jahre niſten, niemals Schaden gethan; ſie fliegen lieber weit weg und aufs Freie. Solche Gaͤrten, welche ans Feld ſtoßen, und das hier in der Naͤhe der Doͤrfer gelegene Grabeland beſuchen ſie aber in dieſer Hinſicht deſto haͤufiger. Man kann ſie jedoch, als mistrauiſche Voͤgel leicht 148 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159. Zitronen⸗Zeiſig. verſcheuchen. — Daß ſie Blüthen- und Blaͤtterknospen benagen, verdient hier keiner Erwaͤhnung, da es ſogar meiſtens der Inſecten⸗ brut wegen geſchieht, welche darin wohnt und fie ohnehin verder- ben wuͤrde. 5 159. Der Zitronen-Zeiſig. Fringilla citrinella. Linn. | Fig. 3. altes Männchen. „„ Zitronenfink, zitrongelber Fink; Citril, Citrinelle, Citrin— lein, Zitrinchen, Ciprinlein, Zyprinchen; Venturon; Italieniſcher Canarienvogel; grüner Haͤnfling, Gruͤnling, Herbſtfink (Herbſt— oder Winterammer), Schneevögeli. * Fringilla eitrinella Gmel, Linn. Syst. I. 2. p. 908. n. 16. = Lath. ind. I. p. 454. n. 70 Emberiza brumalis. Scop. Ann. I. p. 145. n. 213. Gmel, Linn. I. c. p. 873. n. 41, - Lath. ind. I. p. 412 n. 47. = Fringilla brumalis. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. III. S. 240. — Spinus eitrinella. Koch, Zool. Baier. I. S. 234. n. 148. — Le Venturon de Provence. Buff. Ois. Edit. de Deuxp. VII. p. 9. = Id. Pl. enl. 658 f. 2 = Bruant du Tyrol. Sonnini nouv. edit. d. Buff. Ois. XIII p. 130 = Gros-- bee venturon. Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 370 — Citril-Finch. Lath. syn. III. p. 297. — Ueberſ. v. Bechſte in, II. 1. S. 288. n. 64. — Brumal-Bunting. Lath. ibid. p. 199. Ueberf. S. 195 n. 42. Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 175. Deren Voͤg. Deutſchl. Heft 10. M. und W. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 82. n. 84. — Brehm Lehrb. d. eur. Vög. I. S. 200. rie a Hauptfarbe gelbgruͤn; Nacken und Halsſeiten aſchgrau; Stirn und Kehle gelbgruͤn; der Unterkoͤrper ungefleckt. Beſchrei bung. Ein kleines niedliches Voͤgelchen, das dem Canarienvogel⸗ und Erlen zeiſig-Baſtarde ſehr aͤhnlich ſieht, und oft mit dem Girlitzhaͤnflinge verwechſelt wurde, von dem es ſich doch auf IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159. Zit ronen⸗Zeiſig. 149 den erſten Blick durch eine etwas größere, ſchlankere Geſtalt, ganz andern Schnabel und andere Zeichnung, ſehr auffallend unter⸗ ride In der Groͤße koͤmmt der Zitronenzeiſig unſerm Bluthaͤn fe linge nahe; er iſt alfo größer als der Erlenzeiſig, auch von geſtreckterer oder ſchlankerer Geſtalt, 54 bis 5 3 Zoll lang und 9 bis 95 Zoll breit. Der Flügel, vom Bug bis zur Spitze mißt 34 Zoll, und reicht ruhend mit letzterer bis etwas uͤber die halbe Laͤnge des Schwanzes, welcher 27 Zoll lang und am Ende faſt 5 Linien tief ausgeſchnitten iſt, weil ſeine Federn von innen nach außen ſchief, doch ſtumpf, zugeſpitzt ſind; die drei erſten Schwingfedern ſind von gleicher Laͤnge und die laͤngſten. Der Schnabel iſt ſeiner Geſtalt nach ein voͤlliger Zeiſigſchna— bel, klein, ſchlankkreiſelfoͤrmig, nach der Spitze zu etwas zuſam— men gedruͤckt, dies jedoch nicht ſo ſtark als bei andern Zeiſigen; auch im Uebrigen iſt er weder ſo lang, noch ſo duͤnnſpitz, nur 4 Linien lang, an der Wurzel im Durchſchnitt 3 Linien hoch und 25 Linien breit, von horngrauer, unten ſchmutzig weißroͤthlicher Farbe, und an der Wurzel und den ſchiefrundlichen Nafenlöchern mit kleinen grauen Borſtfederchen umgeben. Die Iris iſt ſehr dunkel braun. So wie die Schnabelform abweicht und an die Familie der Edelfinken erinnert, ſo auch die der Fuͤße, denn dieſe ſind etwas hoͤher und ſchlanker, als bei andern Zeiſigen. Die Laͤufe ſind ſchwaͤch— lich, nicht hoch, faſt geſtiefelt oder ſehr ſeicht in große Tafeln zer— kerbt, die Zehen oben geſchildert; die Naͤgel groß, ſchlank, flach ge- bogen, ſehr duͤnnſpitzig, unten zweiſchneidig und die innere Schnei⸗ de der Kralle der Mittelzeh ziemlich abſtehend. Sie ſind hellbraun, an den Laͤufen etwas gelblich fleiſchfarben, die Krallen braunſchwaͤrz— lich; die Fußwurzel iſt 77 Linien hoch, die Mittelzeh, mit der 2 Linien langen Kralle, 7 Linien, und die Hinterzeh, mit der et— was über 2 Linien langen Kralle faſt 6 Linien lang. Am Gefieder traͤgt er die Farben des Gruͤnhaͤnflings, in der Zeichnung auch manches vom Erlenzeiſig. Zuerſt ſtehe hier die Beſchreibung eines nicht ganz alten Maͤnnchens, etwa ei⸗ nes zweijaͤhrigen: Die Stirn, die Gegend über und unter dem Auge, Kehle, Gur⸗ gel und Bruſt ſind ſchoͤn gelbgruͤn, (hell zeiſiggruͤn), welches am Bauche ins Gruͤngelbe und am After ins Hochgelbe uͤbergeht; die untern Schwanzdeckfedern blaßgelb, in der Mitte grau; die Zuͤgel grau; der Scheitel olivengruͤn; Nacken, Wangen, Hinter- und 150 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159. Zitronen⸗Zeiſig. Seitenhals aſchgrau, erſterer olivengruͤn uͤberlaufen; Oberruͤcken und Schultern graubraun, ſtark olivengruͤn uͤberlaufen; Unterruͤcken und Buͤrzel ſchoͤn gruͤngelb. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind gelbgruͤn, braungrau gemiſcht; die lichter grüngelben Enden der mittlern bil- den eine Querbinde; die großen ſind ſchwarz, nach dem Ruͤcken zu mit zeiſiggruͤnen, nach vorn zu aber mit breiten weißgelben Enden, welche ein gruͤnlichgelbes Band uͤber dem Fluͤgel bilden; die Schwin— gen ſchwarz, die hintern am dunkelſten, an der untern Haͤlfte mit breiten blaßgelben, nach innen braun vertuſchten Kanten, und die großen mit ſehr ſchmalen blaßgelben, an den Enden weißen Seitenſaͤumchen; die Schwanzfedern ſchwarz, die aͤußerſte mit einem feinen weißen, die uͤbrigen mit etwas breiteren gruͤngelben Kaͤnt— chen. Von unten ſind die Schwing- und Schwanzfedern (ſo auch die Schenkel- und die Tragfedern unter dem Fluͤgelbuge) aſchgrau; die untern Fluͤgeldeckfedern gruͤngelb, mit Grau gemiſcht. Ein noch viel hoͤheres Gelbgruͤn, oder hier vielmehr Gruͤngelb, ziert das ganz alte Maͤnnchen, am Vorderkopf, der Augenge— gend, an der Gurgel und der ganzen untern Koͤrperhaͤlfte, an den breiten Kanten der hinterſten Schwingfedern, wie an den Enden der Deckfedern der großen und mittlern Reihe (den beiden Fluͤgelbinden), und der Ruͤcken, nebſt den Schultern, iſt ganz ſchoͤn olivengruͤn, ohne Braun, nur mit graulichen Federſpitzchen. Die letztern verſchwinden gewoͤhnlich gegen den Sommer, und alle Farben werden heller, je laͤnger das Gefieder den Einwir— kungen der Witterung u. ſ. w. ausgeſetzt iſt, daher das friſchere, dunklere Anſehen des Her bſtkleides, gleich nach der Mauſer, im Vergleich mit dem abgetragenen und abgebleichten Früh: lings- und Sommerkleide; es gehen jedoch hier keine ſo große Veraͤnderungen vor, wie bei vielen andern ein Mal mau— ſernden Voͤgeln. | Das Weibchen iſt ſtets etwas kleiner, viel grauer, weniger und bleicher gelb. — Stirn, Augenkreiſe und Kehle ſind ſchmutzig gruͤngelb; der Scheitel vorn truͤbe olivengruͤn; Hinterkopf, Nacken, Wangen, Halsſeiten, Gurgel und Bruſtſeiten aſchgrau, an den untern Theilen lichter als oben; Ruͤcken und Schultern grau, an den braunen Federſchaͤften dunkler und an den Kanten mit ſchwachem olivengruͤnen Anfluge; der Buͤrzel truͤbe grüngelb, fo auch die Ober— bruſt; die Unterbruſt ſchoͤn hellgelb oder blaß ſchwefelgelb, in den Weichen mit feinen grauen Schaftſtrichen; die untern Schwanzdeck— federn blaßgelb, weiß gekantet; Fluͤgel und Schwanz wie am Maͤnn⸗ IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159, Zitronen⸗Zeiſig. 151 chen, aber weit bleicher, auch mit ſchmaͤlern Einfaſſungen der Fe: dern, und die Farben dieſer duͤſterer oder bleicher. | Bei manchen Weibchen, wahrſcheinlich den juͤngern, haben die Oberruͤckenfedern am Schafte eine dunklere Farbe, daher dieſer Theil matt gefleckt oder gewoͤlkt erſcheint. Am Sommerkleide fehlt an den obern Theilen der gruͤnliche Anflug, und ſonſt iſt auch alles grauer, als am Herbſt- und Winterkleide. Die Verpaarung eines maͤnnlichen Zitronenzeiſigs mit einem weiblichen Canarienvogel hat Baſtar de gegeben, welche kaum von einem gewoͤhnlichen gruͤnen Canarienvogel zu unter— ſcheiden waren, ſelbſt an Stimme und Geſang nicht. A u fen datt. Ein Bewohner ſuͤdlicher Länder, des mittaͤgigen Europa's und des angrenzenden Aſien's und Afrika's. Er iſt haͤufig und gemein in der Tuͤrkei und in Griechenland, aufallen Inſeln des Archipels und uͤberhaupt des mittellaͤndiſchen Meeres mit ſei— nen Kuͤſtenlaͤndern, als Spanien, Suͤdfrankreich und ganz Italienz von hier aus koͤmmt er auch in die Schweiz und iſt daſelbſt hin und wieder nicht ſelten, nach Tyrol, Salzburg und Oeſterreich, bis ins mittlere Deutſchland, z. B. in die Ge— gend von Nuͤrnberg, aber hier koͤmmt er nur ſelten vor. Im nördlichen Deutſchland hat man ihn nie bemerkt, auch nicht in Hol: land und im noͤrdlichen Frankreich. Im Anhaltiſchen iſt er auch niemals geſehen worden. Er iſt ein Zugvogel, welcher Deutſchland und die Schweiz im Winter verläßt, fo im Oktober heerdenweis wegwandert, und erſt Ausgangs Maͤrz oder im April wiederkehrt. Im Herbſt koͤmmt er in ſtarken Geſellſchaften von den Gebirgen, ſeinen Sommerwohn— ſitzen, herab, in die niedern Gegenden, wo er dann als ein Vor— bote von baldigem Schnee angeſehen wird. Auf feinen Wanderun— gen wird er nicht allein in den Gebirgen bemerkt, ſondern ſtreicht dann auch durch ebene Gegenden, iſt jedoch hier ſtets viel ſeltner, als dort, verirrt ſich dann aber auch einzeln zuweilen in Gegenden, welche ihn ſonſt gar nicht ſehen, weit von ſeinem Striche entfernt. Sein Aufenthalt den Sommer hindurch ſind die Gebirge, und man kann ihn ſehr wohl einen Alpenvogel nennen, denn er bewohnt ncht allein die mittleren Gebirge, ſondern auch die hoͤhern Alpen— regionen, ſelbſt bis zu einer Hoͤhe, wo der Holzwuchs faſt aufhoͤrt, und nur noch niedrige ſtruppige Tannen und Krummholz wachſen. 152 IV. Ordn. XXVIII. Gatt.159. Zitronen⸗Zeiſig. Die obern Schwarzwaldungen, von freien, mit Gras bewachſenen Flaͤchen oder von felſigen Abhaͤngen unterbrochen, bewohnt er in manchen Theilen der Schweiz gar nicht einzeln. — Im mittleren Deutſchland zeigt er ſich zuweilen, auf ſeinen Wandrungen, in lich— ten Waldungen, vorzuͤglich auf jungen Schlaͤgen, wo man en Samenbaͤume hatte ſtehen laſſen. Eigenſchaften. Dies muntere unruhige Voͤgelchen iſt ſehr gewandt in ſeinen Bewegungen und dabei ziemlich ſcheu. Es iſt immer froͤhlich und laͤßt ſich beſtaͤndig hoͤren, ſelbſt bei ſchlechtem Wetter und wenn es auf den Alpen ſchneiet und noch ſo ſehr ſtuͤrmt. Es ſcheint nirgends lange auf einer Stelle verweilen zu koͤnnen, und waͤhrend dies ge— ſchieht, iſt es doch dabei in ſtaͤter Bewegung, wirft den Hinterkoͤr— per von einer Seite auf die andere, huͤpft oder flattert in den obern Zweigen der Baͤume herum; auch ſelbſt auf der Erde, wenn es Nahrungsmittel ſucht, huͤpft es in ſchnellen Spruͤngen und mit einem kecken Anſtande einher. In Allem iſt die nahe Anverwandt— ſchaft mit dem Erlenzeiſig nicht zu verkennen. Auch ſein Flug aͤhnelt dieſem, beſonders der Wanderflug; aber es veraͤndert ihn auch auf kurzen Strecken, ſchwebt bald ſanft, bald flattert es ſchwir— rend oder zitternd dahin, zumal das ſingende Maͤnnchen. Ob es gleich ein Bewohner des Suͤdens iſt, ſo macht ſein Aufenthalt auf den Gebirgen ihn doch gleichguͤltig gegen den ſchnellen Wechſel der Witterung und der Temperatur der Luft, und er wuͤrde der Kaͤlte wegen dort das Land ſchwerlich verlaſſen, wenn es nicht aus Man— gel an Nahrung, welchen ihm der Schnee zuzieht, geſchaͤhe. Seine Stimme iſt ein ſanftes Pfeifen, welches der eine mit der Sylbe Gü, der andere mit Zuͤil oder Ziuͤb bezeichnet. Dieſer Lockton wird ſehr haͤufig fliegend und ſitzend ausgeſtoßen, und iſt auszeichnend, ein anderer, wie Tſchaͤtſchaͤklingend, ſoll aber dem des Birkenzeiſigs ſehr ähneln. Der Geſang des Männchen wird ſehr verſchieden beſchrieben: Bech ſtein vergleicht ihn mit dem Canarienvogelgeſange, ſagt aber, daß er nicht ſo ſchmetternd, ſondern floͤtender ſei, und nennt ihn ein Mittelding zwiſchen dem Canarien— vogel- und Baumpiepergeſange; Dr. Schinz vergleicht ihn dagegen mit dem des Erlenzeiſigs, und ſchreibt mir, daß er ihn, bis auf die ziſchenden Endtoͤne dieſes Geſanges, viel eher dieſem, als dem des Canarienvogels aͤhnlich faͤnde. Genug, er hat ſeine vielen Ei— genthuͤmlichkeiten, die ſich nicht fo leicht beſchreiben laſſen, und IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159. Zitronen⸗Zeiſig. 153 einen recht anmuthigen, heitern, lautern Geſang, den man am Brutort faſt zu jeder Stunde des Tags und vom März oder April bis faſt zum September, bei ſchlechtem, wie bei gutem Wetter gleichmaͤßig hoͤrt. Auch die Weibchen ſingen etwas, doch lange nicht ſo laut und ſo zuſammenhaͤngend. Manche angenehme Eigenfchaften machen den männlichen Zitro— nenzeiſig als Stubenvogel beliebt, und die Liebhaber halten ihn des= halb haͤufig in Kaͤfigen. Er gewoͤhnt ſich bald, wird leicht zahm, iſt leicht zu unterhalten, dabei von ziemlicher Dauer, aͤußerſt lebhaft und munter, und ſingt, die Mauſerzeit ausgenommen, Jahr aus Jahr ein, ſehr angenehm. ’ Nahrung; Dieſe beſteht vornehmlich in den Samen von Fichten, Tannen und andern Bäumen, und von vielerlei Alpenpflanzen, auch Baum— knospen und Bluͤthen. Aus den letztern holt er vielleicht nur kleine Inſektenlarven hervor, wie die Stieglitze. Im Vogelbauer fuͤttert man ihn, wie andere Zeiſige, mit Mohn» und Hanfſamen, vom letztern wird er aber leicht zu fett, und man darf ihn deshalb nicht zum Hauptfutter machen. eie zung Sie niſten in den Gebirgen der oben genannten Laͤnder, in Tyrol und vielen Theilen der Schweiz jedoch nur einzeln, ziem— lich haͤufig aber ſchon in den ſuͤdlichen Theilen dieſes Landes, auf den füdlichen Alpenketten, dem Jura u. ſ. w. Ihr Neſt bauen fie bald in die dicken ſtruppigen Alpentannen und auf andere Nadel- baͤume, bald unter die Daͤcher der Sennhuͤtten. Es hat die Ge⸗ ſtalt einer Halbkugel, iſt ſehr gut gewebt und daher kuͤnſtlich zu nennen. Es beſteht aus duͤrrem Graſe, mit Moos und Flechten mehr oder weniger durchwebt, iſt von außen ziemlich glatt, von innen aber mit allerlei Thierhaaren, Federchen, und Puppenhüllen ſehr ſchoͤn gepolſtert. Es iſt ein niedliches Neſtchen. Die Eierchen, wovon vier bis fuͤnf in einem Neſte gefunden werden, find an Form und Farbe den Stieglitzeneiern außerordent— lich aͤhnlich, aber um vieles kleiner, blaugruͤnlichweiß, mit groͤßern oder kleinern Puͤnktchen, von grauroͤthlicher und blutrother Farbe, meiſtens am ſtumpfen Ende, aber nicht dicht beſetzt. — Ueber das Bruͤtgeſchaͤft, Erziehung der Jungen und dergl. fehlt es zur Zeit noch ſehr an richtigen Beobachtungen. 0 154 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 159. Zitronen geiſig. Feinde. Die kleinern Raubvoͤgel und Raubthiere verfolgen ihn und die Brut, wie bei aͤhnlichen Voͤgeln. Ja d. Seine ſtete Unruhe, ſeine Vorſicht und beſondere Scheuheit erſchweren den Schuß nach ihm, zumal da ſein haͤufiger Aufenthalt in dichten Nadelbaͤumen ihn den Augen des Schuͤtzen auch oft ent— zieht; allein fein Fang iſt leichter. Er geht auf die Lock buͤſche und Heerde, nach der Lock anderer Zeiſige und aͤhnlicher Voͤgel, jedoch beſſer noch nach der von ſeines Gleichen. So wird er auf den Fin— kenheerden, nach Wolfs Zeugniß, zuweilen bei Nürnberg ge fangen, hier freilich als große Seltenheit, dagegen fängt man ihn in der Schweiz, z. B. bei Thun, auf den Finkenhuͤtten ziemlich haͤufig, noch mehr auf den Heerden in der ſuͤdlichen Schweiz und dem angrenzenden Italien, ſowohl in Netzen, als auf Leimrus then und auf dem Roccolo. b 5 Nutz en. Sein Fleiſch ift wohlſchmeckend, und fein Geſang und munte- res Betragen beleben die Gebirge und machen ihn zu einem beliebten Stubenvogel, wozu ihn der Vogelſteller den Liebhabern verkauft. Sch and e m Er ſcheint uns auf keine Weiſe zu ſchaden. Anmerk. Leider iſt in vorliegender Beſchreibung des Betragens und der Lebensart noch manche Luͤcke bemerklich, die auszufuͤllen mir verſagt war, weil ich ſelbſt dies intereſſante Voͤgelchen nicht im Freien beobachten konnte. Was ich davon gegeben, beruht auf aͤltern bekannten Nachrichten, durch Briefwechſel aus je= nen Gegenden neuerdings beſtaͤtigt. Sie kann daher nur wenig Neues enthalten, und es bleibt kuͤnftigen Forſchern aufgehoben, hier noch recht viel thun zu konnen. Mit Bedauern muß man bemerken, daß es um die naͤhere Kenntniß manches andern Alpenvogels nicht beſſer ſtehet. IV. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlen-Zeiſig. 155 160. Der Erlen ⸗Zeiſig. Fringilla spinus. Lian. Fig. 1. Maͤnnchen im Frühling. Taf. 125. — 2. Weibchen. — 3. junger Vogel. Zeiſig oder gemeiner Zeiſig, oder Zeiſing; Ziſing, Zischen, Sischen, Zieslein, Ziesle, Zieſel, Ziesk, Zeiske, Zeislein, Zeißchen, Zeiſel, Zeiſerl, Zensle, Zinsl; — Gruͤngelbes Zeislein, Zeiſigfink, Erlenfink, ee grüner ſchwarzplattiger Haͤnfling, Gelbvogel, Gael; Engelchen; in hieſiger Gegend ſchlichthin: Zeiſing. Fringilla Spinus. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 914. n. 25. = Tath, ind. I. p. 452. n. 65. 2 Retz Faun. suec. p. 246. n. 224. — Nilsson Orn. suec. I. p. 153. n. 74. Spinus viridis. Koch, Baier. Zool. I. S. 235. n. 149. = Le Tarin Buff. Ois. IV. p. 221. — Edit. d. Deuxp. VII. p. 241. Id. Pl, enl. 485 f. 3. = Gérard. Tab. elem. I. p. 207. = Gros-bec Tarin, Temminck. Man. nouy. edit. I. p. 371. Sisxin. Lath. syn. III, p. 289 n. 58. — Ueberſ. v. Bech⸗ ſtein. II. 1. S. 281. n. 58. Suppl. S. 166. — Arct. Zool. II. n. 383. Ueberſ. v. Zimmermann. II. S. 357. I. Bewick brit. Birds. I. Pp. 211. De Sys. Sepp. Nederl. Vog. t. p. 135. f. 1. u. 2. = Bechſtein Naturg. Deutſchl. III. S. 220. — Deſſen Taſchenbuch, I. S. 128. Wolf und Meyer, Taſchenbuch I. S. 170. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 80. n. 82. - Meyer Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands, S. SS. — Brehm, Beiträge, I. S. 744. = Friſch, Voͤ⸗ gel. Taf. 11., obere Fig. M. und W. — Naumann's Vögel, alte Ausg. I. S. 49. Taf. 6. Fig. 13. Maͤnnchen, Fig. 14. Weibchen. r Die fuͤnf aͤußerſten Schwanzfedern, ſo wie die Schwingen von der vierten bis zur vorletzten, an der Wurzel gelb; in den Weichen deutliche ſchwaͤrzliche Schaftſtriche. eng. Ein bekanntes Voͤgelchen, das ſich durch ſeine viel kuͤrzere Geſtalt, den laͤngern ſchlankern Schnabel u. ſ. w. leicht vom Zi- tronenzeiſig unterſcheidet, wozu beim Maͤnnchen unſeres Vo— gels auch noch der ſchwarze Scheitel koͤmmt, welcher es auch, ohne die ganz andere Schnabelbildung zu beruͤckſichtigen, ſogleich vom männlichen Girlitzhaͤnfling unterſcheiden laßt. Ganz außeror⸗ dentlich aͤhnlich ſind ſich indeſſen die Weibchen beider, des letztge— nannten Vogels und unſeres Erlenzeiſigs, indem ſie faſt ganz die⸗ — 156 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. ſelbe Zeichnung und Faͤrbung des Gefieders haben, wobei aber der ganz verſchiedene Schnabelbau ſogleich entſcheidet, ſo daß nur ein fluͤchtiger Blick ſich hier ſo irren kann, wie man es von unaufmerk⸗ ſamen Vogelſtellern oft genug bemerkt hat. Unter den einheimiſchen Arten iſt es die kleinſte dieſer Familie der Finkengattung, 43 bis hoͤchſtens 5 Zoll lang, wovon auf den tief gegabelten, aber etwas kurzen Schwanz 1 Zoll 9 bis 10 Linien kommen, welcher von den ruhenden Fluͤgeln, die etwas lang und ſchmal find, bis faſt auf $ Zoll bedeckt werden. Ausgebreitet meſſen die Fluͤgel 8 bis 9 Zoll; ihre Länge vom Bug bis zur Spitze 28 bis 3 Zoll. Die erſte und zweite Schwingfeder ſind ziemlich von gleicher Laͤnge und die laͤngſten; die Schwanzfedern ſind durch einen ſchie— fen Abſchnitt ſtark zugeſpitzt und der Ausſchnitt 6 Linien tief. Der Schnabel iſt etwas geſtreckt, nach vorn ſehr zuſammen— gedruͤckt, ſehr ſpitzig, dem des Diſtelzeiſig ss am aͤhnlichſten; 4 bis 4% Linien lang, an der Wurzel 33 Linien hoch und nur 23 Linien breit. Von Farbe iſt er am Maͤnnchen großentheils ſchmutzigfleiſchfarben, ober— waͤrts und nach der Spitze zu grau, dieſe ſchwaͤrzlich;“) am Weibchen licht roͤthlichgrau mit dunklem Ruͤcken und Spitze; aͤhnlich oder noch bleicher bei den Jungen; Rachen und Zunge fleiſchfarben. Die klei— nen, runden, an der obern Schnabelwurzel liegenden Nafenlöcher ſind mit braͤunlichen, grauen oder ſchwaͤrzlichen Borſtfederchen beſetzt, einzelne laͤngere Haͤaͤrchen ſtehen über den Mundwinkeln; die Farbe der Iris der kleinen Augen iſt ein ſehr dunkeles Braun. Die Fuͤße ſind klein, kurz, aber ſtaͤmmig, mit eben nicht ſehr großen, auch nicht ſtark gekruͤmmten, aber ſehr ſpitzigen, ziemlich ſchmalen, unten zweiſchneidigen Naͤgeln bewaffnet; die Ferſengelen— ke kurz befiedert, die Bedeckung der Laufe in mehrere Schildtafeln zerkerbt, die Zehenruͤcken ſtark geſchildert. Ihre Farbe iſt bald lich— ter, bald dunkler, ein ſchmutziges Braun, die Zehen allemal dunk⸗ ler, oft ſchwaͤrzlich, wie die Naͤgel. Bei laͤnger in Gefangenſchaft gehaltenen Voͤgeln werden ſie ſammt den Naͤgeln bleicher und endlich ſchmutzig roͤthlichweiß oder blaß fleiſchfarben. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 7 Linien; die Mittelzeh mit ihrer Kralle kaum etwas länger; die Hinterzeh mit dem 2 Linien langen Nagel 6 Linien lang. Im Gefieder des Erlenzeiſigs iſt ein gruͤnliches Gelb oder ein *) Im Kaͤfige wird er nach und nach rein fleiſchfarbig oder roͤthlichweiß, mit dunkler Spitze. N IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. 157 gelbliches Gruͤn (Zeiſiggruͤn) vorherrſchend, und uͤber den Fluͤgel laufen zwei ſtarkgezeichnete hellgelbe Querbinden. Das alte Maͤnnchen iſt ein ſchoͤnes Voͤgelchen. Stirn und Scheitel ſind tief ſchwarz, nach dem Genick zu mit aſchgrauen Feder— raͤndern; die Ohrengegend, der Hintertheil des Halſes, Oberruͤ— cken und Schultern lebhaft olivengruͤn oder duͤſter gelbgruͤn, welches durch die dunkleren Schaftſtriche, die an den letztgenannten Theilen ſehr deutlich werden, ſehr verdunkelt wird, wozu auch noch die licht— aſchgrauen Federſpitzen beitragen; vom Unterruͤcken an geht dieſe Miſchung in ein ſchoͤnes gruͤnliches Gelb des Buͤrzels uͤber, die obern Schwanzdeckfedern ſind aber wieder wie der Ruͤcken. Die Zuͤgel ſind graulich; die Kehle ſchwarz, oft in ſehr geringem Umfange, mit hellgrauen Federkaͤntchen; ein Strich uͤber das Auge hin, hinter dem Ohr herablaufend, der Vordertheil der Wangen, Gurgel und Oberbruſt ſchoͤn gruͤnlich gelb, was in den Seiten abwaͤrts bleicher wird und hier von mattſchwarzen Schaftſtrichen gefleckt erſcheint; die Mitte der Unterbruſt, Bauch und Schenkel weiß; After und Unterſchwanzdeckfedern rein hellgelb, letztere mit weißen Enden und ſtarken braunſchwarzen Schaftftrichen, erſtere bloß mit ſchwaͤrzlichen Schaͤften. — Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarzgrau, mit der Farbe des Ruͤckens breit gekantet; die mittleren haben dagegen ſehr große gelbgruͤne Enden, welche die erſte Querbinde bilden; die großen Deckfedern ſind ſchwarz, mit großen gruͤngelben Enden, welche mit den angrenzenden gelben Wurzeln der Schwingen die zweite Querbinde bilden; die großen Schwingen ſind braunſchwarz mit feinen gelbgruͤnen Seitenſaͤumchen, aber von der vierten an iſt die Wurzel derſelben auf der Außenfahne ſchoͤn hellgelb, welches an denen der zweiten Ordnung eine noch groͤßere Ausdehnung erhaͤlt und ſich nur an den letzten allmaͤhlig verliert; ſonſt ſind die letztern ebenfalls ſchwarz mit hellgruͤngelben Seitenkanten, die aber von der Spitze noch nicht bis zur Mitte heraufreichen, wo die Federn ein— farbig find; die Schwing- oder Fittichdeckfedern find braunſchwarz, wie die Daumfedern. — Die beiden mittelſten Schwanzfedern ſind braunſchwarz, gruͤnlich gekantet, alle uͤbrigen ſehr ſchoͤn und rein hellgelb, mit ſchwarzen Schaͤften und ſchwarzen Enden, welche Farbe nur auf der Außenfahne der aͤußerſten Feder ſo hoch herauf geht, daß davon nur ein Drittheil, an der Wurzel, gelb bleibt. — Die untern Fluͤgeldeckfedern find hellgelb und weiß, mit Grau ge: miſcht, die Schwingen von der untern Seite ſchoͤn hellgelb, mit 158 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. ſchwarzgrauen Enden; der Schwanz von unten, wie von oben, nur etwas blaͤſſer. 5 Dies iſt das Herbſtkleid eines recht alten, in der Freiheit lebenden Maͤnnchens, was ſich durch Abreiben des Gefieders den Winter hindurch bis zum Fruͤhling merklich veraͤndert, indem an den gruͤnen Theilen des Oberkoͤrpers die aſchgrauen Federſpitzen verloren gehen, dadurch aber die dunklen Schaftſtriche mehr hervor— treten, an der Kehle und auf dem Scheitel durch dieſelbe Urſache die ſchwarze Farbe ganz rein wird, ſo wie auch durch Einfluß der Witterung das gruͤnliche Gelb ſich bedeutend verſchoͤnert. So ſehr ſich uͤbrigens das Herbſtkleid vom Hochzeitskleide hier unterſcheidet, fo wenig iſt dies vom letztern und dem Sommer— kleide zu ſagen, und bei jungen und weiblichen Voͤgeln iſt zwiſchen keinem ein bedeutender Unterſchied. Juͤngere Maͤnnchen unterſcheiden ſich von ganz alten ſchon durch das bleichere Gelb und Gruͤn, durch die grauweißen Fe— derraͤnder des erſtern und die grauen des letztern, durch viel mehr und groͤßere Schaftſtriche und Laͤngsflecke in den Weichen, und durch die viel breitern aſchgrauen Federkanten der ſchwarzen Oberkopf— und Kehlfedern, welche beſonders die ſchwarze Kehle ganz unkennt— lich machen. Alle dieſe Unterſchiede finden ſich in noch größerem Maa— ße bei dem erſt ein Mal vermauſerten Maͤnnchen, welchem ſogar die ſchwarze Kehle haͤufig ganz fehlt, indem dieſe Federn bis faſt auf den Grund weiß oder gelblich ausſehen. Das Herbſt- und Fruͤhlingskleid unterſcheidet ſich hier, wie beim alten Maͤnnchen, aber lange nicht ſo auffallend. Das Weibchen hat im Aeußern viel Unterſcheidendes; es iſt grauer, gefleckter, die gelben Abzeichnungen blaͤſſer, von unten alles weißer, die ſchwarze Kehle fehlt und die ſchwarze Scheitelplatte iſt kaum und nur bei recht alten angedeutet. Es hat folgende Zeich— nung: Ueber das Auge, hinter dem Ohr und an den Halsſeiten herab, laͤuft ein undeutlicher lichtgelber Streif; der Oberkopf iſt grau und ſchwaͤrzlich gefleckt, indem die ſchwaͤrzlichen Federn graue und gruͤnlich gemiſchte Kanten haben; der Hinterhals iſt gruͤnlich, grau gemiſcht und undeutlich gefleckt; Ruͤcken und Schultern gruͤn— grau, mit ſchwaͤrzlichen Laͤngsflecken, weil ihre hellolivengruͤnen Federn breite hellgraue Endkanten und breite braunſchwarze Schaft: ſtriche haben; auch die hellgelben Buͤrzelfedern haben ſolche Schaft: ſtriche; den obern Schwanzdeckfedern, welche die Ruͤckenfarbe ha— ben, fehlen ſie indeſſen meiſtens. Die Wangen ſind vorn weißlich, IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. 159 mit Blaßgelb gemiſcht, hinten gruͤnlich grau; Kehle, Gurgel und Oberbruſt graulichweiß, in der Kropfgegend mit vorſchimmerndem Schwefelgelb, wovon ſich auch Spuren in den Seiten und an den untern Schwanzdeckfedern zeigen; ſonſt iſt der ganze Unterkoͤrper ſchmutzig weiß, in der Mitte ungefleckt, uͤbrigens mit ſchwaͤrzlichen Schaftſtrichen, die in den Weichen in große Laͤngsflecke ausarten. — Die Fluͤgel haben die Zeichnung, wie am Maͤnnchen, aber mattere Farben und weniger Gelb, die mittleren und großen Deckfedern weißliche Spitzchen, weswegen die beiden Querbinden beinahe deut: licher, jedoch ſchmaͤler erſcheinen, die Kanten am Enddrittheil der hintern Schwingen ſind auch nur ſchmutzigweiß. — Im Schwanze ſieht man ebenfalls ein viel bleicheres Gelb in einer weit geringeren Ausdehnung, ſo daß hier das Braunſchwarz zur herrſchenden Farbe wird; die aͤußerſte Feder iſt naͤmlich gaͤnzlich mattbraunſchwarz mit feinen blaßgelben Außenſaͤumchen; die zweite dunkler, breiter ge— ſaͤumt, an der Wurzel auf der Außenfahne bleichgelb; die folgende eben ſo, aber mit mehr Gelb, was faſt bis zur Mitte herabreicht; die folgende genau ſo; die fuͤnfte hat dagegen wieder weniger Gelb, und die ſechſte hat eine olivengruͤnliche Seitenkante, ohne alles Gelb. — Die untern Fluͤgeldeckfedern ſind grau und weiß gemiſcht, mit gelbem Anfluge; die Schwingen unten hellgrau, nach der Wurzel zu gelbweiß gekantet; der Schwanz von unten grau, mit gelbwei— ßen Saͤumen der Innenfahnen. Das Fruͤhlingskleid der Weibchen iſt nur darin vom Herbſtkleide verſchieden, daß es von oben gruͤnlicher, in der Kropfgegend gelber ausſieht, weil die grauen und weißlichen Feder— kanten ſich abgerieben haben, dadurch ſind aber auch uͤberall die dun— keln Schaftflecke mehr hervorgetreten und auch der Oberkopf iſt etwas dunkler geworden. 8 Die jungen, ein Mal vermauſerten Weibchen ſind merk— lich von den alten Weibchen und außerordentlich von den alten Maͤnnchen verſchieden. Der Scheitel iſt grau, undeutlich ſchwaͤrzlich gefleckt, alle obern Theile haben mehr Grau und nur eine ſchwache Miſchung von Gruͤn, dabei aber viel groͤßere, unbeſtimmter begrenzte Laͤngsflecke; daſſelbe kann man auch hinſichtlich der Flecke von der weißen Unterſeite des Vogels ſagen; nur ein Anflug von bleichem Gelb zeigt ſich uͤber dem Auge, hinter dem Ohr und an den Halsſeiten; die matt braunſchwarzen Fluͤgelfedern haben nur weiß— liche, gelb und gruͤnlich angeflogene Kanten und Spitzen, ſo daß je— doch die charakteriſtiſche Zeichnung dadurch nicht verloren geht; auch 160 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlen-Zeiſig. das Gelb der Schwanzfedern, fo wie das des ſchwarzgeſtreiften Steißes, iſt bleicher; die Kropfgegend hat gewoͤhnlich auch feine ſchwarzgraue Schaftſtriche. Das Jugendkleid, was die Jungen im Neſte bekommen und bei der erſten Mauſer im Auguſt ablegen und mit dem erſten Herbſtkleide vertauſchen, iſt von dem der beſchriebenen ein Mal ge— mauſerten Weibchen bedeutend verſchieden, ob es ihm gleich aͤh— nelt; es hat auf dem Ober- und Unterkoͤrper viel dunklere, ſchaͤr— fer begrenzte Flecke, weshalb dieſe, ob ſie gleich kleiner ſind, viel mehr in die Augen fallen. Auf dem Scheitel und dem Oberruͤcken ſtehen dieſe braunſchwarzen, ſtreifenartigen Laͤngeflecke auf graubraͤun— lichen, lichtgelblich gemiſchtem Grunde, am Nacken und Buͤrzel, wo ſie bleicher und kleiner ſind, auf ſchmutzig lichtgelbem; der Unter— koͤrper iſt weiß und bleichgelb gemiſcht; an der Bruſt graulich gelb, uͤberall mit braunſchwarzen Schaftſtrichelchen, die aber an den Sei— ten der Bruſt und in den Weichen zu ſtarken Laͤngeflecken werden, aber doch kleiner als beim alten Weibchen ſind, im Ganzen jedoch, des kleinern Gefieders wegen, weit dichter ſtehen; Fluͤgel und Schwanz haben jene Farben und Zeichnungen, nur an den Enden der mittleren und groͤßern Deckfedern der erſtern (den gelben Quer⸗ binden) befindet ſich ein lichtbraͤunlicher Ueberflug; die Augenſterne ſind braun, die Fuͤße braͤunlich. — Der aͤußere Unterſchied zwiſchen beiden Geſchlechtern iſt unbedeutend, im Gefieder des Maͤnnchens zeigt ſich bloß etwas mehr Gelb, und ſeine dunkeln Laͤngflecke haben eine friſchere Farbe; die Kehle iſt beim Maͤnnchen und Weibchen weiß. Man kennt verſchiedene Spielarten dieſer häufigen Voͤ⸗ gel, als: Eine weiße (Fringilla spinus candidus), entweder rein weiß und dann ſehr ſelten, oder gelblichweiß, faſt wie ein Canarien— vogel; eine bunte (Fring. spinus varius), mit groͤßern oder klei⸗ nern weißen Partien zwiſchen dem übrigen gewöhnlich gefärbten Ge— fieder, zuweilen mit weißem Kopf, oder auch mit weißen Flügeln und Schwanz. Auch eine ſchwarze Varietaͤt (Fr. spinus ater) wird beſchrieben, entweder ganz ſchwarz, oder ſchwarz mit gelbli— chem Scheitel, oder mattſchwarz, hin und wieder mit gruͤnen Feder— kanten. — Bechſtein ſchoß auch ein, wahrſcheinlich ſehr altes, Maͤnnchen mit ſchwarzer Bruſt (Fr. spinus pectore nigro) und uͤbrigens mehr gelbgruͤn, als gewoͤhnlich, gefaͤrbtem Gefieder; das Schwarze der Kehle ging hier naͤmlich auf der Gurgel herab und dehnte ſich uͤber die ganze Kropfgegend bis auf die Oberbruſt IV. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. 161 aus. — Der Baſtardzeiſig, aus der Verpaarung des Zeiſigs mit einem Canarienvogel entſtanden, hat, beſonders wenn letzte⸗ rer ein gruͤner war, wenig Ausgezeichnetes; er iſt bald mehr gruͤn, reiner oder ſchmutziger, bald mehr gelb, meiſt mit ſchwaͤrzlicher Zeich— nung und hin und wieder mit dunkeln Schaftſtrichen, kleiner und kuͤrzer von Figur als ein Canarienvogel, und groͤßer, auch geſtreckter, als ein Erlenzeiſig. Es iſt ein munterer, unruhiger Mogel und ein guter, fleißiger Saͤnger. Sie mauſern im Juli und Auguſt, die Jungen etwas ſpaͤter als die Alten. U u re meer, Der gemeine Zeifig findet fih vom mittleren Norwegen, Schweden und Rußland an bis zum aͤußerſten Suͤden und Weſten unſeres Erdtheils hinab, uͤberall, ſelbſt auf den Canari— ſchen Inſeln noch. Auf den Brittiſchen Inſeln wohnt er ebenfalls. Im mittlern Europa iſt er in vielen Laͤndern ſehr ge— mein, doch dies, wie es ſcheint, mehr noch in den nach Norden und Oſten gelegenen. So überaus haufig er im weſtlichen und ſuͤdli— chen Rußland vorkoͤmmt, ſo ſoll man ihn doch jenſeits des Ural, in Sibirien, nicht finden. — In Deutſchland iſt er allenthal— ben bekannt und in manchen Gegenden ungemein haͤufig, dies aber nicht in jedem Jahr; denn fein haͤufigeres Vorkommen in einer Ges gend richtet ſich nach dem Gerathen gewiſſer Nahrungsmittel. Hier in Anhalt und dem angrenzenden Sachſen fehlt er nirgends und niemals gaͤnzlich, aber es giebt auch Jahre, in welchen er ſich in uͤberaus großer Menge, und andere, in welchen er ſich nur in ge— ringer Anzahl zeigt. Eben ſo iſt es auf dem Harz, dem Thuͤrin— ger Wald, in Franken und anderwaͤrts. Er gehoͤrt uͤberhaupt unter diejenigen Arten, welche ſehr zahlreich an Individuen ſind. Er iſt ein Strichvogel, im weiteſten Sinne des Worts. Große Schaaren ſtroͤmen im Herbſt aus noͤrdlicher gelegenen Laͤndern uns zu, um hier, wenn fie hinlaͤngliche Nahrung finden, zuüberwin- tern, auch noch weiter nach Suͤden und Weſten zu ſtreichen, alſo durchzuziehen; fehlt aber jene hier, ſo ſehen wir auch wenig Erlen— zeiſige, nur kleine Geſellſchaften; ſelbſt dieſe halten ſich dann hier nicht lange auf, und nur wenige uͤberwintern in ſolchen Jahren bei uns. Es erſcheinen zwar einzelne Paͤaͤrchen oder Familien ſchon im Auguſt, an Orten, wo keine bruͤten, dies ſcheinen aber bloß einhei— miſche aus den nahen Waldungen zu ſein; nach und nach zeigen ſich j Hr. Theil. 11 162 lv. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlensgeiſig. aber mehrere, und dann im Oktober und November beginnt der rech⸗ te Strich, wo man ſie in manchem Jahr zu Schaaren von Tauſen⸗ den beiſammen ſieht, welche theils durchziehen, theils hier uͤberwin— tern. Dieſe Reiſen, welche jedoch, durch den Aufenthalt an ſolchen Orten, wo es gerade viel Nahrungsmittel giebt, manche Unterbre— chungen erleiden, machen ſie am Tage, meiſtens niedrig uͤber die Erde hin ſtreichend, beſonders wenn ſie uͤber freies Feld fliegen, was ſie gar nicht ſcheuen, ob man ſie gleich auch oft laͤngs Baumreihen und Gebuͤſch oder dem Walde entlang ziehen ſieht. Einzelne fliegen ges woͤhnlich ungemein hoch, ſo daß ſie ſich faſt immer nur durch ihre Stimme bemerklich machen. — Im Fruͤhjahr iſt die Strichzeit, wo ſie ſich wieder zuruͤck begeben, der Maͤrz und zum Theil noch der April; dann ſieht man ſie oft in eben ſo großen Schaaren ihrer noͤrd— lichern Heimath zuſtroͤmen, andere ſich in unſern Wäldern verthei— len, um bei uns ſich fortzupflanzen. Er iſt ein Waldbewohner, und zu ſeiner Erhaltung ſind ihm von der Natur die Samen verſchiedener Baͤume angewieſen, welche er denn auch andern Nahrungsmitteln immer vorzieht, die daher auch ſtets ſeinen Aufenthalt beſtimmen. Sein Sommeraufenthalt ſind die Nadelwaͤlder, beſonders in bergichten oder auch in Gebirgsgegen— den, viel weniger ebene gemiſchte Waldungen. Sind nun die Baͤume darin recht voll Samen, ſo bewohnen ſie ſolche Waͤlder in Menge; iſt dagegen ein Mißwachs daran eingetreten, was im naͤchſtfolgenden Jahr fein kann, fo ſieht man fie in demſelben Walde nur einzeln; ſo koͤnnen mehrere ſchlechte, oder eben ſo an dieſen Samen geſegnete Jahre auf einander folgen, und ſie fuͤr eine Gegend ſelten oder auch gemein machen. Da das Mißrathen der Baumſamen immer nur gewiſſe Striche betrifft, ſo koͤnnen ſie dem Mangel gut ausweichen. Gegen den Herbſt, wo fie die Nadelwaͤlder verlaſſen, treiben fie ſich zum Theil auf den Feldern in der Naͤhe von Gebuͤſchen und Gaͤrten, zuweilen nahe bei den Doͤrfern herum, zeigen ſich dann auch in Hopfengaͤrten, auf Aengern und an Wegen, wo Diſteln wachſen, und auf gegrabenem Lande, wo Kuͤchengewaͤchſe gebauet werden. Selbſt in der Brutzeit ſchwaͤrmen oft einzelne oder Päarchen an ſol— chen Orten und in Laubhoͤlzern, Stunden weit vom Bruͤteorte, um— her. So geſchieht es z. B. hier bei meinem Wohnorte alljaͤhrlich, wenngleich die naͤchſten Kiefernwaldungen, worin ſie niſten, faſt eine Meile entfernt ſind. Vielleicht ſind dies aber ungepaarte oder ſolche Voͤgel, welche ihre Brut eingebuͤßt haben. — Im Oktober fliegen ſie ſchon in Geſellſchaften nach den reifenden Samen der Er— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſfig. 163 len, und in Gegenden, ſelbſt in und bei den Doͤrfern, wo es viel ſolcher Baͤume giebt, ſammeln ſie ſich dann bald in Schaaren. Iſt der Same dieſer Baͤume dann in der Gegend gut gerathen, fo kom— men immer mehr hier zuſammen, bleiben den Winter da, und ver> laſſen fie erſt im Fruͤhjahr. So beleben oft viele Tauſende im Win- ter die Gehoͤlze von Erlen, in denen man im Gegentheil in einem andern, wenn der Same mißrathen, kaum einzelne ſieht. Ebenſo iſt es etwas ſpaͤter auch in den Birkenwaͤldern, die fie vorzuͤglich dann lieben, wenn ſie hin und wieder auch mit Erlen untermiſcht ſind. Weil aber Erlen nur im feuchten Boden und am Waſſer wachſen, fo halten ſich unſere Zeiſige im Winterhalbenjahr auch mei⸗ ſtens nur in tiefliegenden Gegenden und an Gewaͤſſern auf, wäh» rend ſie im Sommer in hohen, trockenen Gegenden leben, doch auch hier gern ſolche Stellen waͤhlen, wo ſie nicht zu weit zum Waſſer haben. Sie halten ſich faſt immer in den Baumkronen auf, je hoͤher, deſto lieber. Im Geſtraͤuch ſind ſie ſchon nicht ſo gern, auch nicht auf dem Erdboden, wo ſie jedoch viel lieber noch und laͤnger verwei— len, als die Diſtelzeiſige. Sie gehen auch oͤfterer im duͤſtern Ges buͤſch zur Erde herab und an die mit vielem Geſtraͤuch bewachſenen Waſſergraͤben, und lieben das Freie nicht ſo ausſchließend, wie jene. Sie ſind oft auf den Baͤumen mitten in den Doͤrfern und nahe an Gehoͤften; daß ſie aber auch in dieſe vor die Scheunen kaͤmen, iſt ungegründet, und fie heißen nicht etwa deshalb an manchen Orten in England Gerſtenvoͤgel, weil fie da Gerſtenkoͤrner auffuchten, ſondern weil ſie ſich dort um die Zeit der Gerſtenreife zeigen. Zur Nachtruhe begeben fie ſich in die dichten Zweige der Na⸗ delbaͤume, im Herbſt und Winter in die der Erlenbuͤſche und Baͤume, bei ſtuͤrmiſcher kalter Witterung auch zuweilen in die geflochtenen todten Zaͤune oder in hohe Dornhecken. Eigen ſ cha fen. Ein allerliebſtes Voͤgelchen, fo angenehm an Geſtalt und Far⸗ be, wie in ſeinem Betragen. Es iſt immer munter, flink und keck, haͤlt ſein Gefieder ſtets ſchmuck, obgleich es daſſelbe meiſtens nicht knapp anlegt, bewegt ſich ſchnell hin und her, wendet und drehet oft den Hinterleib hinuͤber und heruͤber, wozu es gewoͤhnlich lockt oder ſingt, huͤpft, ſteigt und klettert vortrefflich, kann ſich verkehrt an die Spitzen ſchwankender Zweige hängen, an ſenkrechten dünnen Ruthen ungemein ſchnell auf und ab huͤpfen, und giebt in dem allen 164 IV. Or dn. XXVIN. Gast. 160. Erlen=3eifig. den Meifen wenig nach. Sein Sitz auf Zweigen iſt hoͤchſt verſchie⸗ den, und nirgends hat es lange Ruhe, wenn es nicht beim Freſſen iſt. Auch auf der Erde huͤpft es leicht und ſchnell, ob es dies gleich, ſo lange es gehen will, zu vermeiden ſucht. Der Erlenzeiſig iſt ein argloſes zutrauliches Geſchoͤpfchen, und fo wenig ſcheu, daß ihn die Annaͤherung eines Menſchen öfters wer - nig zu kuͤmmern ſcheint, und in Gefangenſchaft gerathen, verſchmerzt kein Vogel den Verluſt der Freiheit ſo bald, als er. Bei alle dem iſt er doch aͤngſtlich und ſehr ſchreckhaft; eim ploͤtzliches Getoͤſe, das Verſagen eines Flintenſchloſſes, ein Schlag gegen einen Baum, ſelbſt das unerwartet ſchnelle Erſcheinen eines vorbeifliegenden groͤßern Vo— gels, verbreitet ein ſolches augenblickliches Entſetzen unter einer Heerde, daß alle einzelnen im Nu, mit einem Mal, wie wenn alle nur ein Ganzes wären, fortſtieben, wobei fie, wenn fie auf einem Bau- me ſaßen, gewöhnlich nicht gerade weg, ſondern erſt der Erde ent— gegen, dann in einem kurzen Bogen aufwärts, und nun erſt gerade fort fliegen. Gewiß iſt auch dieſe Aengſtlichkeit Urſache, daß ſie ſich in ſo große Heerden vereinigen, zu Tauſenden mit einander herum— ſchwaͤrmen und ſich ſo enge zuſammen halten, daß manchmal, wenn ſich, wie gewoͤhnlich, alle auf einen Baum niederlaſſen, deſſen Zwei— ge kaum Sitze genug fuͤr alle darbieten. Ihr Hang zur Geſelligkeit iſt ſo groß, daß ein Einzelner beſtaͤndig lockt, zumal wenn er einen andern hoͤrt, und nur erſt dann ruhig wird, wenn dieſer oder meh— rere zu ihm kommen. So laſſen ſie ſich ſogar auf die vor den Fen- ſtern hängenden Käfige, worin einer ihres Gleichen ſteckt, ja felbft - zuweilen durch die offenen Fenſter in die Stuben locken. Selbſt in der Begattungszeit leben ſie nicht ungeſellig und locken auch dann einander an. Iſt einer zufällig von feiner Schaar abgekommen, fo treibt er ſich unter beſtaͤndigem Locken, raſtlos ſuchend in der Gegend umher, bis er wieder Geſellſchaft gefunden. Die anderer Voͤgel ſucht er wol eben nicht, nimmt jedoch im Nothfall auch mit fuͤrlieb, denn er zeigt ſich friedfertig und liebevoll gegen alle, und ſchnaͤbelt ſich in der Gefangenſchaft mit andern Zeiſigen, Haͤnflingen und aͤhnlichen Voͤgeln. Bloß am Freßtroge zeigt er ſich neidiſch und oft ſogar jaͤhzornig. Er hat einen wogenden, ſehr ſchnellen und leichten Flug, ver— moͤge deſſen er im Stande iſt, in kurzer Zeit große Raͤume zu durch⸗ fliegen, weswegen er es auch nicht ſcheuet, uͤber weite Flaͤchen freies Feld zu ſtreichen, wo er aber meiſtens ſo hoch fliegt, daß man ihn nicht bemerken wuͤrde, wenn er ſeine Stimme nicht hoͤren ließ, was er aber beſtaͤndig thut, und dies macht ihn auch, nebſt der kleinen, IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen-Zeiſig. 165 kurzen Geſtalt, vor andern Voͤgeln, mit welchen fein Flug ſonſt Aehn⸗ lichkeit hat, kenntlich. Auch wenn er von einem Baum zur Erde herab fliegt, ſchießt er meiſtens in einem Bogen auf eine eigne Weiſe nieder, was da, wo es auch niedrige Zweige und Gebuͤſch giebt, mehrentheils ſtufenweis geſchieht. — Die ſtrengſte Kaͤlte unſerer Winter ſchadet ihm nicht, nur bei duftigem Wetter und Rauhreif, welche ihm das Aufſuchen der Nahrung erſchweren, iſt er ſtill und traurig, ſonſt iſt er immer luſtig und wohlgemuth. Seine gewoͤhnliche Stimme ſind eigene Toͤne, ſchwach, wie trettet, — tettertettet klingend, dann di, die, und ein laut— /pfeifendes Dih, Dil, und Dei, die Locktoͤne; die letztern laßt beſonders das Maͤnnchen am lauteſten hoͤren und dehnt ſie auch viel mehr, daß fie wie Didel und Didleih klingen, in welcher Art ſie das Weibchen nicht hervorbringt. Der Name Zeiſing ſcheint von dieſen Toͤnen, die zuweilen faſt wie dieſe Sylben klingen, herge— nommen zu fein. Mit dem ſtaͤrkern Lockton hebt auch oft der Ge ſang des Maͤnnchens an, das zwar nicht zu den beſten, aber gewiß zu den fleißigſten aller befiederten Saͤnger gehoͤrt, ſelbſt im Freien faſt zu jeder Jahreszeit ſingt, die letzte Haͤlfte des Sommers und die erſte des Herbſtes etwa ausgenommen, in welcher Zeit der Feder— wechſel vor ſich geht. Es ſingt ſitzend, wobei es nicht ſelten in ſehr aufrechter Stellung den Hinterkoͤrper hin und her wirft und allerlei ſonderbare Bewegungen macht, im Forthuͤpfen und auch im Fluge, beſonders in einem ganz eigenen wunderbaren Fluge, welcher an das Balzen groͤßerer Voͤgel, an die wunderlichen Schwingungen der Kie— bitze, Schnepfen und an den Flug mancher andern kleinen, in dieſem Werk bereits beſchriebenen Vögel erinnert, und mit dem des männ= lichen Kiefernkreuzſchnabels die meiſte Aehnlichkeit hat. Dieſen Flug uͤbt es nur am Brutorte oder in der Gegend, die es zum Sommeraufenthalt ſich auserſehen, und meiſtens auch nur im Ans fange der Fortpflanzungszeit. Es ſteigt dabei flatternd von einem Baum in die Hoͤhe, beſchreibt einige Kreiſe in der Luft, blaͤhet das Gefieder dabei auf, breitet den Schwanz aus, ſchwingt die Fluͤgel ſo ſtark, daß ſie oben faſt zuſammenklappen, und ſingt dazu aus vollem Halſe. Es hat dann ein ganz eignes fremdartz ges Ausſehen. — Der Geſang beſtehet uͤbrigens aus einer Menge zwitſchernder Toͤne und einer eigenen gezogenen Schlußſtrophe, die wie dididlidlidei— daͤaͤh und, wie das ganze Lied, nicht ſchoͤn klingt. Ein ganz be— ſonderer nicht gut zu beſchreibender Ton iſt auch der, welchen die Erlenzeiſige ausſtoßen, wenn ſie en aufgefcheucht IND wo er 166 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. dann aus vielen Kehlen zugleich ausgeſtoßen ziſchend, faſt wie tſcheh oder tſchei klingt und dem aͤhnelt, den man von Berghaͤnflin⸗ gen und Birkenzeiſigen bei aͤhnlichen Gelegenheiten auch hoͤrt. Da der Erlenzeiſig als Stubenvogel ſo manche empfehlende Ei— genſchaft beſitzt, ſo wird er auch vielfaͤltig als ſolcher in Kaͤfigen und ſonſtigen Behaͤltern gehalten und iſt deshalb jedermann bekannt. Er fuͤgt ſich ungemein ſchnell in ſein Schickſal, iſt gleich zahm, geht ohne Umſtaͤnde ans vorgelegte Futter, iſt ungemein gelehrig im Erlernen beluſtigender Kunſtſtuͤckchen, die oft in Erſtaunen ſetzen, haͤlt die Ge— fangenſchaft wol 10 bis 12 und mehr Jahre aus, und iſt er ein Maͤnnchen, ſo ſingt er Jahr ein Jahr aus, tagtaͤglich, nur die kurze Zeit der Hauptperiode des Mauſerns ausgenommen, und ermuns tert mit ſeinem immerwaͤhrenden Gezwitſcher auch andere Stuben— voͤgel zum Singen. Futter- und Waſſergeſchirr an einem Kettchen fi) zulangen, oder den Deckel aufheben, welcher dieſe verſchließt, zu klingeln, wenn er hungrig iſt, auf den Ruf auf die Hand geflogen kommen und hier oder aus dem Munde das Futter anzunehmen, und endlich zum Aus- und Einfliegen ſich gewöhnen, lernt er alles ſehr bald, und noch andere Zeiſigskuͤnſte mehr; allein andere Melodien und Vogelgeſaͤnge nachſingen, das lernt er nicht; wenn er auch jung aufgezogen wird, fo lernt er doch nur wenig nachſtuͤmpern. — Man ſteckt das kleine froͤhliche Geſchoͤpfchen gewoͤhnlich in einen Draht— kaͤfig, den man jedoch nicht zu klein waͤhlen ſollte, oder man legt ihn an ein Kettchen, oder laͤßt ihn frei im Wohnzimmer herum oder in einer beſondern Kammer und unter andere Voͤgel fliegen, wo er von jedem andern gern gelitten iſt und mit nahverwandten Arten ſich ſchnaͤbelt und fie liebkoſt, nur bei der Futterkrippe ſich auch futter: neidiſch zeigt und da oft mit manchen groͤßern zankt. Hat man Männchen und Weibchen beiſammen, fo find fie immerwaͤhrend ſehr zärtlich gegen einander und pflanzen ſich auch in einer luftigen, ſon⸗ nigen Kammer leicht fort, bringen jedoch, wahrſcheinlich weil ſie im Freien Inſekten füttern, die Jungen ſelten auf. Mit Canarien⸗ voͤgeln paaren ſie ſich ſehr leicht; die aus ſolchen Ehen entſtan— denen Baſtarde ſehen dem Zitronenzeiſig ungemein aͤhnlich, und werden fleißig. und gute Saͤnger. N N er eee Mancherlei Baumſaͤmereien ſind ſeine Hauptnahrung, aber er verſchmaͤhet auch andere oͤhlhaltende Samen nicht, frißt im Sommer auch Inſekten, und fuͤttert mit dieſen ſeine Jungen auf. IV. DOrdn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig 167 Den Samen der Erlen ſcheint dieſer Zeiſig allen andern vorzu⸗ ziehen, dann folgt der Birken-Fichten- und Kiefernſame; aber auch den vom Hopfen, von Diſteln, Kletten, Loͤwenzahn, Habichtskraut, Gaͤnſediſteln, Salat und andern Syngeneſiſten, von Hanf und Mohn liebt er ſehr, frißt auch ſonſt noch Saͤmereien von vielerlei Pflan⸗ zen, auch Ulmenſamen, jedoch den von Ruͤbſaat und Dotter ſehr uns gern oder nur im aͤußerſten Nothfall. — Gegen den Herbſt fliegen ſie ſehr nach den Hopfengaͤrten dieſer Samen wegen, aber im Okto— ber ſuchen ſie ſchon die weißen Erlen (Alnus incana) deren Samen am fruͤheſten reifen, und dann auf den gemeinen Erlen die Zaͤpfchen heraus, welche bereits reife Samenkoͤrner haben, und von jetzt an ſieht man ſie nun den ganzen Herbſt und Winter faſt ausſchließlich auf dieſen Baͤumen, oder, wo ſie ſolche nicht haben, auf den Birken, bis dieſe Samen ausfallen, wo fie dann wieder, gegen das Fruͤhjahr hin, in Schaaren zu Tauſenden unter jenen Baͤumen ſich lagern und jene aufleſen. In ſolchen Jahren, wo es viel Erlenſamen giebt, wimmelt es im Winter in Gegenden, wo viel Erlen wachſen, oft fo von ihnen, daß man glauben ſollte, ſie muͤßten bald allen Samen aufzehren, zumal da ſie faſt den ganzen Tag einzig mit dem Aufſu— chen dieſer Nahrung hinbringen. Sie ſind dabei ungemein geſchaͤf— tig, weil fie erſtaunend viel zu ihrer Sättigung bedürfen, daher im= mer freffen, und ihre Fertigkeit im Klettern und Anhaͤkeln an den duͤnnſten Zweigen zeigt ſich auf jenen Baͤumen, zumal an den faden: aͤhnlichen baumelnden Zweigen der Haͤngebirken im hoͤchſten Glanze. Mit ihren ſcharfen Krallen an die Stiele der Zaͤpfchen angeklammert, klauben fie in verkehrter Stellung, mit dem Kopfe unierwarts haͤn— gend, mit ihren duͤnnſpitzigen Schnaͤbeln die Samen zwiſchen den Schuppen der Zaͤpfchen hervor, und jener belegt ſich davon dick mit Harz, was alles oft wiederholte Wetzen an den Aeſten, um jene Zeit, nie rein entfernt. In Nadelwaldungen haͤngen ſie ſich ebenfalls an die Zapfen, holen die Samen unter den klaffenden Schuppen hervor, welche ihnen Zeit und Sonnenſchein oͤffneten, oder ſie ſuchen den aus— gefallenen am Boden auf, was beſonders im Fruͤhlinge geſchieht. Daher finden ſie ſich auch in Fichtenwaͤldern erſt um dieſe Zeit recht haͤufig ein. Dann freſſen ſie aber nebenbei auch allerlei kleine Raͤup— chen und andere Inſektenlarven, auch kleine Blaͤtterinſekten, die ſie anfaͤnglich aus den eben entfalteten Bluͤthen- und Blaͤtterbuͤſcheln, z. B. aus den Kaͤtzchen der Pappeln, Aspen u. a. m. hervorziehen, oder im Lauf des Sommers von verſchiedenen Wald- und Gartenbaͤumen ableſen. Manchmal haben ſie um dieſe Zeit kaum etwas anderes, 168 IV. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. als Inſekten in ihrem Magen. Nach den reifen Ulmenſamen gehen ſie, wenn er auf den Baͤumen noch haͤngt, oder auch wenn er ſchon abgefallen iſt, und im Sommer beſuchen ſie die Gemuͤſegaͤrten und die mit Kuͤchengewaͤchſen bebaueten Beete in der Naͤhe der Doͤrfer, um da Sallat-Mohn-Hanfſamen und andere Saͤmereien aufzuleſen oder von den Stauden zu holen, und ſpaͤterhin ſieht man ſie in glei— cher Abſicht auf den Diſteln, die auf Aengern, an Buſchraͤndern und Wegen wachſen. Den Mohnſamen picken ſie mit Leichtigkeit aus den Koͤpfen. Win Sie ſchaͤlen die Saͤmereien alle im Schnabel und verſchlucken bloß den Kern, und koͤnnen mit den kleinſten fertig werden. Zur Befoͤrderung der Verdauung dienen ihnen grober Sand oder ganz kleine Steinchen, welche man ſtets unter dem andern Futter in ihrem Magen findet. — Sonft freſſen fie auch zu manchen Zeiten noch Knospen von verſchiedenen Baͤumen, beſonders von Fichten und Kie— fern, auch gruͤne Knoͤspchen von Kreuzkraut, Huͤhnerdarm und an— dern zarten Pflaͤnzchen, auch gruͤnen Sallat und dergleichen. Um zu trinken und zu baden gehen ſie taͤglich oͤfters zum Waſſer, und ſuchen dazu gern die im Gebuͤſch verſteckten Quellen, Baͤche und Graͤben auf; an offnen, freien Gewaͤſſern ſieht man ſie wenigſtens viel ſeltner. In der Gefangenfchaft iſt das beſte Futter für fie Mohnſamen; ſie freſſen ihn gern, bleiben lange geſund dabei und werden nicht leicht zu fett davon. Das letztere iſt mit dem Hanf gewoͤhnlich der Fall, weshalb man ihnen auch keinen geben ſollte. Beſſer bekoͤmmt ihnen der Fichtenſamen, aber ſehr ſchlecht Dotter und Ruͤbſaat, welchen auch nur wenige angehen. Im Sommer iſt ihnen zuweilen ein Sproͤß— chen von Kreuzkraut, Huͤhnerdarm (Alsine media, auch Maͤuſe— darm, Maͤuſegeſchirr) oder ein Blaͤttchen gruͤner Sallat ſehr erſprieß— lich; und dann wollen ſie oͤfters reinen groben Sand, aus welchem ſie kleine Steinchen ausleſen und, um die Verdauung zu befoͤrdern, verſchlucken. Auch friſches Waſſer muͤſſen ſie immer hinreichend ha— ben, da fie eben fo ſtarke Trinker, als Eſſer find, und ſich auch bei— nahe alle Tage baden, ob ſie ſich gleich dabei ſelten ſehr naß machen. fee ale R Die Erlenzeiſige niſten in Nadelwaͤldern, allenthalben in Deutſchland und den angrenzenden Laͤndern, auch bei uns im An— haltiſchen, haͤufiger jedoch in gebirgichten Gegenden, hier aber nicht ſo auf den Gebirgsruͤcken und hohen Bergen, als vielmehr in den IV. Srön. XXVIII. Gatt. 160. Erlen: geiſig. 169 Thalern. Auf dem Harz, dem Thuͤringerwald und anderwaͤrts ni⸗ ſten alljaͤhrlich ſehr viele; allein es giebt Gegenden, in welchen ſie zur Begattungszeit nur in manchen Jahren ſehr haͤufig, in andern wieder ſparſam zu ſehen ſind, was ſich, wie bei den Kreuzſchnaͤbeln, nach dem Gerathen der Nadelholzſamen richtet. Auch hier waͤhlen ſie gern ſolche Gegenden, wo ſie Waſſer in der Naͤhe haben, und dann ſind ihnen Fichten und Tannen auch lieber, als reiner Kiefernwald. Es ſtreifen zwar im Fruͤhlinge auch wol einzelne Paͤaͤrchen, oder drei, vier Stuͤck beiſammen, durch Laubhoͤlzer und Gegenden, wo kein Na⸗ delbaum waͤchſt, allein ſie niſten nie hier. Bis in den Maͤrz, in ſpaͤten Jahren ſelbſt bis in den April, ſieht man noch immer Zeiſige heerdenweis, in Gegenden, wo ſie nie bruͤten; nun begeben ſie ſich aber an die Brutoͤrter, und leben auch hier noch ziemlich geſellig, indem man oft mehrere Paͤaͤrchen an den Futter- und Traͤnkeplaͤtzen beiſammen ſieht. Sie ſtreifen auch da oft weit umher, und das Maͤnnchen übt feinen ſonderbaren, oben bes ſchriebenen Flug und Geſang zuweilen weit entfernt vom Bruͤteorte. Das Neſt ſteht immer auf Nadelbaͤumen, bald ſehr hoch, bald auch tiefer, aber nicht leicht unter 25 Fuß vom Boden. Das Mährchen, das Zeiſigsneſt ſeiunſichtbar, geraͤth nach und nach auch beim gemeinen Mann in verdiente Vergeſſenheit, obwol es gar nicht zu laͤugnen iſt, daß es unter die ſchwer aufzufindenden Vogelneſter ge— hoͤrt. “) Es ſtehet namlich immer an ſolchen Stellen, wo es dichte Nadelzweige und lange Flechten ſo verſtecken, daß es von unten, und oft von mehreren Seiten, gar nicht zu ſehen iſt, ſelbſt wenn man den Baum erſteigt, und die Stelle, wo man die Voͤgel daran bauen ſahe, ſich genau gemerkt hatte. Den Knaben einiger Gegenden Thuͤringens ſcheint es jedoch nicht ſo ſehr ſchwer aufzufinden zu ſein, indem ich es ohne viele Muͤhe einige Mal von dorther erhalten habe. Man kann nur nicht immer gut dazu gelangen, weil es gewoͤhnlich auf einem horizontalen Aſte und haͤufig nahe an dem Ende eines ſol⸗ chen, weit vom Schafte des Baumes entfernt, ſtehet. Beim Bau des Neſtes zeigen ſich meiſtens beide Gatten gleich thaͤtig, und Ausnahmen hiervon ſind ſelten. Sie tragen ſehr emſig Materialien herbei, die ſie bald vom Boden aufleſen, bald von den ) Das Maͤhrchen vom Zeiſigsneſte ſagt eigentlich: Es enthalte einen kleinen Stein, welcher es unſichtbar mache, nur im Waſſer ſpiegle es ſich; wer ſich einen ſolchen Stein verſchaffen konnte, koͤnne ſich ſelbſt unſichtbar machen; wenn die Jungen flügge wären, naͤhmen ihn die Alten heraus, und nun ſei das Neſt ſichtbar. 1 170 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. Staͤmmen und Zweigen abzupfen, und da ſie bei guter Witterung Vor- und Nachmittags daran arbeiten, ſo geht der Bau ſchnell von Statten. Sie bauen aber nicht ſelten an mehreren Neſtern, ehe ſie eins vollkommen ausführen, was ebenfalls das Auffinden des rech⸗ ten erſchwert. Gewoͤhnlich ſteht es zwiſchen kleinen dichten Zweigen, wo es theils eine Menge langer Flechten, theils dichte Nadeln verſtecken, zumal da auch die erſte Grundlage aus kleinen duͤrren, mit Flechten be⸗ festen Reiſerchen, und die zweite Lage meiſtentheils aus grauen Bart⸗ flechten beſteht. Oft ſind jedoch auch duͤrre Haͤlmchen und Grasblaͤtt— chen und grünes Baummoos eingewoben, auch wol Erdmoos damit vermiſcht, und alles durch Inſektengeſpinnſt feſt verbunden. Man findet welche, die auf das netteſte faſt von lauter feinen Bartflechten (z. B. Usneabarbata u. a.) gebauet ſind und wie gedrechſelt ausſehen. Das Gewebe iſt ziemlich dick, die innere Aushoͤlung drehrund, etwas tiefer als eine Halbkugel, oben meiſtens gegen 2 Zoll weit, und es iſt in jedem Betracht ein ſehr niedliches Neſtchen. Inwendig iſt es bald mit den feinſten Faͤden der Bartflechten allein, bald mit dieſen, ſehr feinen Wuͤrzelchen und Moosſtielen, bald auch mit feinen Grasblaͤtt— chen ausgefuͤhrt, denen oftmals mehr oder weniger Kluͤmpchen Schaf— wolle, Diſtelflocken oder andere Pflanzenwolle, auch wol einzelne Federn beigemiſcht ſind, ſo daß es dann in mancher Hinſicht dem Stieglitzneſte aͤhnelt. Ganz ohne wollige Stoffe im Innern findet man es ſelten. Die kleinen Soccer! fünf bis ſechs an der Zahl, find ſehr niedlich, und ähneln denen des Diſtelzeiſigs bis auf die weit ge— ringere Groͤße ganz ungemein. Sie ſind meiſtens von einer ſchoͤnen Eiform, doch auch zuweilen an einem Ende bedeutend duͤnner und am entgegengeſetzten abgeſtumpfter, ſeltner an beiden Enden abge— ſtumpft oder beinahe ein richtiges Oval bildend. Ihre Schale iſt ſehr zart, glaͤnzend, ſehr blaß blaugruͤnlich, oder blaugruͤnlichweiß, welche Farbe an ausgeblaſenen ſehr verbleicht, bei friſchen aber durch den durchſcheinenden hochgelben Dotter erhoͤhet wird. Auf dieſem gruͤnlichweißen Grunde ſtehen nun ſehr viele aͤußerſt feine Puͤnktchen, auch einzelne Strichelchen, und nach dem ſtumpfen Ende zu ſtaͤrkere Punkte, von einem blaſſen Blutroth und roſtigen Braun, welche öfs ters ſehr bleich und wenig bemerkbar, oft auch wieder deutlich aufs getragen ſind, bei vielen am ſtumpfen Ende haͤufiger ſtehen, und bei manchen hier einen Fleckenkranz bilden. Sie varüren hierin auf aͤhnliche Weiſe, wie die ihnen in der Farbe ſo aͤhnlichen Stieglitz und Bluthaͤnflingseier. IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. 171 Gewoͤhnlich niſten dieſe Zeiſige zwei Mal im Jahr, und haben in guten Fruͤhjahren ſchon im April Eier, oft zu Anfang des Maies fluͤgge Jungen und die der zweiten Hecke fliegen im Anfang des Juli aus. Sie bruͤten dreizehn bis vierzehn Tage und füttern ihre Jun⸗ gen nicht mit Saͤmereien, ſondern mit kleinen Inſektenlarven, Blatt⸗ laͤuſen und dergleichen Inſekten auf, die ihnen beide Aeltern haͤufig im Schnabel herbei tragen. Wenn ſie ausgeflogen, fuͤhren ſie die Alten gern in die Laubhoͤlzer, Gaͤrten und Obſtbaumpflanzungen, um Inſekten von den Blaͤttern abzuleſen, und ſie ſo bequemer auf— füttern, oder zum Aufſuchen dieſer Nahrung Anleitung geben zu koͤnnen. Wenn ſie ſelbſtaͤndig geworden, ſchlagen fie ſich in Heer— den zuſammen, wozu auch endlich die Alten nebſt den Jungen ſpaͤ⸗ terer Bruten kommen, und ſo gegen den Herbſt in andere . ſtreifen, um Baumſaͤmereien aufzuſuchen. e nie Er kleinern Raubvoͤgeln iſt 8 der Serbe ihr Hauptfeind, auch der Merlin faͤngt im Winter viele, und ſelbſt dem Hühnerhabicht find fie nicht zu klein. In Gegenden, wo ſich im Winter viele dieſer Zeiſige aufhalten, bemerkt man auch immer den Sperber, deſſen vorzuͤglichſte Nahrung ſie, naͤchſt den Sperlin⸗ gen, dann ausmachen. Auch der große Wuͤrger faͤngt ſich dann manchen. — Ihre Brut zerſtoͤhrt der Eichelheher oft, Katzen, Marder oder Eichhoͤrnchen gelangen aber ſelten zu ihr. Da man im Juni oder Juli oft einzelne Paͤaͤrchen auch an Orten herum— ſtreichen ſieht, wo ſie nicht niſten, ſo muͤſſen wol viel Bruten zer— ſtoͤhrt werden, obgleich auch ihre im Herbſt erſcheinende Menge bes weiſt, daß ſie ſich ſehr ſtark vermehren muͤſſen. In ihren Eingeweiden wohnt die Taenia fringillarum, und i im Gefieder eine Menge kleiner Schmarotzerinſekten. Von Krankhei⸗ ten leiden fie in der Gefangenſchaft, wie andere aͤhnliche Stubenvoͤ- gel, doch nicht oft, und man heilt ſie wie bei dieſen. 8 Da ſie gar nicht ſcheu ſind, ſo kann man ſie mit jeder Art Schieß⸗ gewehr leicht und oft in Menge erlegen, z. B. mit einer mit feinem Vogeldunſt geladenen Flinte, auf den Erlen, oder auch auf dem Erd⸗ boden unter denſelben, wenn ſie den ausgefallenen Samen aufleſen. Im Winter koͤmmt man auch leicht mit dem Blaſerohr an, aber der Ton des Luftſtoßes aus dieſem ſchreckt oft im Nu die ganze Heerde 172 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 160. Erlen-Zeiſig. weg, ſo der Schlag der Armbruſt oder Windbuͤchſe, allein ſie ſetzen ſich auch faſt jedesmal gleich wieder. b Auf dem Vogelheerde geben ſie einen ſehr eintraͤglichen Fang, indem ſie heerdenweis und ſehr gut auffallen, wenn man nur ein paar gute Locker hat, und den einen in einem kleinen Drahtkaͤ— fige auf den Heerd ſetzt. Wenn eine Schaar ankoͤmmt, ſo fallen ſie zwar ſchnell auf, halten damit aber gewoͤhnlich ploͤtzlich ein, und man darf nicht auf die letzten Zauderer warten; denn ſie haben die Gewohnheit, oft ohne merkliche Veranlaſſung alle miteinander im Nu auf und davon zu fliegen; man bekoͤmmt jene doch noch nachher, in— dem ſie meiſtens wiederkommen, um die verlornen Kameraden auf— zuſuchen, und ſorglos auf den Heerd fallen. Man bekoͤmmt bei gu— ter Vorrichtung und ſpaͤt im Herbſt oder Winter, wo ſie lieber auf die Erde fallen, nicht ſelten ein und mehrere Schock auf einen Zug. — Da ſie der Lock ſo gern folgen, auch meiſtens alle gut locken, die Maͤnnchen dazu auch ſingen, ſo kommen ſie auch leicht auf die Lockbuͤſche, ſelbſt auf die Bauer, welche vor den Fenſtern haͤngen, ſogar zuweilen durch die offnen Fenſter in an die Gaͤrten ſtoßende Stuben, wo man ſie ebenfalls ſehr leicht in Sprenkeln, mit Leim ruthen oder in Netzfallen faͤngt, was man auch bei Sal- lat⸗Mohn⸗- und andern Samen tragenden Stauden anwenden kann. — Auf den Plaͤtzen, wohin man ſie zur Traͤnke fliegen ſieht, was oft unter Erlengebuͤſch verſteckte Pfuͤtzen, Graͤben oder kleine Baͤche find, kann man fie ebenfalls mit Leimruthen oder in Schlin— gen in Menge fangen. Letztere werden von einem Pferdehaar ge— drehet, an kleine Reiſerchen befeſtigt, welche auf einem langen Ste— cken in gehoͤriger Entfernung von einander eingeſetzt ſind, und dieſe Art zuſammengeſetzter Dohnen ſtellt man horizontal etwa J Fuß hoch uͤber dem Waſſerſpiegel; ſie ſind denen aͤhnlich, wie ſie B. III. S. 612. beſchrieben ſind, nur etwas kleiner. — Ein luſtiger Fang iſt beſonders im Winter, bei Rauhreif, wo dieſe Voͤgel ſehr ſtille ihre Nahrung auf den Erlen ſuchen und ſehr mißmuͤthig ausſehen, anwendbar; es iſt dies das ſogenannte Kikeln, mit einem an eis ner langen duͤnnen Gerte befeſtigten Leimruͤthchen, wie B. III. S. 981. beim Fang der Goldhaͤhnchen beſchrieben wurde. Geſchick— te Blaſerohrſchuͤtzen bekommen fie auch auf eine eigne Weiſe lebend in ihre Gewalt, indem fie in die weiche Thonkugel ein kleines Leim— ruͤthchen ſtecken, und ihnen dieſes auf den Pelz ſchießen. Das Ruͤth⸗ chen muß aber ſehr gerade und leicht In Dun ſich ein Stuͤck Strohhalm ſehr gut dazu ſchickt. IV. Ordn. XXVII. Gatt. 160. Erlen⸗Zeiſig. 173 Niu tz enn 5 Ihr Fleich, obwol nur ein kleiner Biſſen ist 1 NR wohlſchmeckend, fo ſchoͤn wie das der Lerchen; im Herbſt ſetzen ſie auch viel gelbes Fett an. Manche Perſonen ſtellen es dem wohl— ſchmeckendſten Gefluͤgel an die Seite, weshalb man ſie hin und wie— der in groͤßter Menge faͤngt oder ſchießt, daß mancher Vogelſteller ſein gutes Tagelohn damit verdient. Außerdem ſind ſie als beliebte Stubenvoͤgel wegen ihres fleißigen Singens, womit ſie auch andere Voͤgel zum Singen aufmuntern, be— kannt genug, und auch in dieſer Hinſicht und wegen ihrer Gelehrigkeit fuͤr allerlei Kunſtſtuͤckchen ein geſuchter Handelsartikel der Vogelfaͤn- ger. So gewähren fie ihrem Beſttzer vielfältige Unterhaltung. Sie nuͤtzen auch durch das Aufzehren vieler kleinen Raͤupchen oder anderen Larven und Inſekten, welche in den Knospen der Baͤu— me leben, und Bluͤthen oder Blätter zerfreſſen. 8 Schaden. Daß fie eine Menge Baumſaͤmereien verzehren, auch wol die Knospen der Nadelbaͤume benagen, kann ihnen nur felten als Scha- den angerechnet werden; etwa nur da, wo jene eingeſammelt werden ſollen, oder wo man auf Anflug rechnet, welcher letztere ja auch nicht ganz verhindert wird, indem ſie doch viele Saͤmereien verſtreuen, die fie nachher nie wieder rein aufleſen koͤnnen. Auch an den reifen Saͤ - mereien in Gemuͤſegaͤrten thun ſie hoͤchſt ſelten bemerkbaren Schaden. 161. Der Bi teen- Heilig, a linaria. Lim. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. — 2. Maͤnnchen im Winterkleide. — 3. altes Weibchen. Taf. 126. — 4. junges Weibchen, Barietät. Flachszeiſig, Bergzeiſig, Meerzeiſig, Birkenzeislein, Neſſel⸗ zeischen, Meerzeislein; — Karminhaͤnfling, kleiner Karminhaͤnfling, 174 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. kleiner rothplattiger Haͤnfling, kleiner Rothkopf (Bluthaͤnfling, Rothhaͤnfling), Schwarzbaͤrtchen (Stockhaͤnfling, Krauthaͤnfling), Steinſchoͤßling; — Flachsfink, Leinfink; — Ziſerinchen (Citrin⸗ chen), Zizcherlein, Zittſcherling, Zwitſcherling, Schittſcherling, Tſchuͤtſcherlein, Zoͤtſcherlein, Tſchoͤtſcherl, Tſchaͤtſchke, Tſchezke, Tſchettchen, Zaͤtſcher, Schoͤſſerle, Rebſchoͤßlein, Blutſchoͤßlein, Gra— ſel, Todtenvogel (Hirngrille, Grillchen), Mauſevogel; in unſerm Lande: Schaͤttchen. Fringilla Linaria. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 917. n. 29. = Lath. ind. I. p. 458. n. 83. = Retz. faun. suec. P. 248. n. 227. — Nilsson orn. suec: I. p. 149. n. 72. = Wilson B. of the Un. states, IV. p. 42. t. 30. f. 4. = Spinus Linaria. Koch, Baier. Zool. I. S. 233. n. 147. — Le Sizerin. Buff. Ois. IV. p. 216. — Edit. d. Deuxp. VII. p. 236. t. 3. f. 4. Le Cabaret. Id. Ois. IV. p. 76. — Edit. d. Deuxp. VII. p. 86. Id. PI. enl. 485. f. 2. g Gros-bee Sizerin. Temminck. Man. nouv. Edit. I. p. 373. Lesser redpole. Lath. syn. III. p. 305. and Twite. p. 307. — Uiberſ. v. Bechſt. II. 1. S. 295. n. 75. u. S. 297. n. 76. Var. A. = Bewick brit. birds. I. p. 219. = Monianello minore. Stor, degl. ucc. III. t. 356. f. 2. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. III. S. 231. — Deffen Taſchenbuch, I. S. 128. Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 171. Meisner u. Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 81. n. 83. = Meyer, Voͤg. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 88. —Friſch, Voͤgel. Taf. 10. untere Fig. Mu. W. Naumann's Big. alte Ausg. I. S. 50. Taf. 6. Fig. 13. Maͤnnchen. Fig. 16. Weibchen. Es gehören hierher wahrſcheinlich auch noch: Fringilla flavirostris. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 915. n. 27. = Lath. ind. I. p. 438. n. 16. Arelie- Finch. Penn. Arct. Zool. II. 379. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 353. A. — Lath, syn. III. p. 260. Uiberſ. v. Bechſtein, II. 1. S. 254. u. 12. . Brehm, Lehrb. d. eur. Bog. I. S. 196. = Die Abbildung auf dem Titelkupfer in Retzius faun. sued. mödte, wegen Mangel des rothen Scheitelflecks und anderer Kennzeichen, doch wol ein mißrathenes Bild von Fr. montium fein, während die Beſchreibung der Fr. Iinaria angehört. , , Er uU ar Zügel und Kehle braunſchwarz; der Scheitel glaͤnzend roth, oder rothgelb; der Buͤrzel weißlich; die mittleren Schwungfedern mit feinen lichtbraunen Saͤumchen. Maͤnnchen: Bruſt und Buͤrzel carminroth. ,, Dies Voͤgelchen hat viel Aehnlichkeit mit dem Berghaͤnf— ling, mit dem es ſonſt oft verwechſelt wurde; allein es iſt ſtand— haft kleiner und von einer etwas kuͤrzern Geſtalt, wozu der kuͤrzere Schwanz beſonders beitraͤgt, fein Schnabel viel dunner zugeſpitzt, die Füße auch kuͤrzer, ſtaͤrker und mit viel groͤßern und breitern Kral— len bewaffnet, die ſogleich auf eine ganz andere Lebensart ſchließen laſſen. Nimmt man zu dieſen die angegebenen Artkennzeichen, ſo unterſcheiden ſich beide leicht, ſelbſt wenn man ſolche Voͤgel von bei⸗ IV. Or dn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 175 den Arten zuſammenſtellt, welche Jahr und Tag im Kaͤfig gehalten wurden und darin gemauſert hatten, wo bei aͤltern Voͤgeln die Kopfplat: te gelb, bei juͤngern aber mit der uͤbrigen Befiederung des Oberkopfs gleich gefaͤrbt wird, folglich dieſe Theile die naͤmliche Farbenzeichnung, wie beim Berghaͤnfling, erhalten, auch uͤbrigens viel brauner, und auch dadurch dieſem aͤhnlicher werden. In dem Falle, wo man ſolche Voͤgel einzeln ſieht, iſt eine Verwechslung dem Ungeuͤbten wol zu verzeihen; ſieht man aber beide neben einander, ſo wird auch fuͤr jenen der Unterſchied leicht. In der Lebensart ſind beide Arten ſehr verſchieden; unſer Vogel iſt wahrer Zeiſig, Fr. montium aber ein aͤchter Haͤnfling. In der Groͤße uͤbertrifft unſer Vogel den Erlenz eiſig um ein Betraͤchtliches. Seine Länge beträgt von 55 bis 55 Zoll; die Fluͤgelbreite 9 5 94 Zoll; die Fluͤgellaͤnge 3 bis 3 Zoll; die Schwanzlaͤnge 2 3 300, wovon die ruhenden Flügel 17 Zoll unbe⸗ deckt laſſen. Die zweite Schwungfeder iſt nur wenig länger als die erſte und die laͤngſte. Das Schwanzende iſt ziemlich tief gabelfoͤr— mig ausgeſchnitten. ) Die Schnabellaͤnge habe ich fehr verſchieden gefunden, bei jun— gen Voͤgeln nur 4, bei recht alten 5 Linien; die Stärke weicht da= gegen weniger ab, indem die Höhe an der Baſis 8 Linien und feis ne Breite eben ſo viel betraͤgt. Deswegen ſieht er dann auch bei al— ten Voͤgeln viel geſtreckter aus, dem Schnabel des Erlenzeiſigs ahnlich, dagegen nähert ſich ſeine Form bei juͤngern mehr dem Schna⸗ bel des Berghaͤnflings. Er iſt kreiſelfoͤrmig, ſehr ſpitz, nach vorn zuſammengedruͤckt, feinen obern und untern Rüden nach gera— de, die feine Spitze des Oberſchnabels etwas verlaͤngert und uͤber die andere vorragend. Die kleinen runden Naſenloͤcher, dicht an der Schnabelwurzel, ſind ganz von ziemlich langen, dichten, braunſchwar— zen oder rauchfahlen Borſtfederchen bedeckt, die alle vorwaͤrts gerich— tet find, und mehr oder weniger die Schnabelwurzel ringsum um: geben. Die Farbe des Schnabels iſt im Her bſt und Winter bei alten Voͤgeln ein ſchoͤnes Wachsgelb, bei juͤngern ein etwas bleiche— res Gelb, das bei ganz jungen an den Schneiden in roͤthliches Weiß übergeht; dabei iſt er in einem ſchmalen Striche, auf dem Ruͤcken bei: der Kinnladen entlang bis zur Spitze braunſchwarz, bei letztern we⸗ niger als bei erſtern. Dies Braunſchwarz erhält gegen die Begat— tungszeit eine groͤßere Ausdehnung, und wird dann gegen den Som— mer ſo uͤber den ganzen Schnabel verbreitet, daß dieſer beim Maͤnn⸗ chen ganz dunkelbraun, beim Weibchen graubraun wird, und bei 176 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. jüngern nur an dem Mundwinkel etwas Gelbes durchſchimmert. — Die kleinen Augen haben eine tiefbraune Iris. Die Füße find verhaͤltnißmaͤßig ſehr ſtark, kurz, an den Fer: ſen ſehr lang und dick, auch etwas uͤber die Fußbeuge herab, befie— dert. Sonſt ſind die Laͤufe grob getaͤfelt, die Zehenruͤcken eben ſo geſchildert, die Sohlen und dicken Ballen grobwarzig, die Krallen anſehnlich groß, ſchoͤn gebogen, ſtark, nicht ſehr zuſammen gedruͤckt, weswegen zwiſchen den beiden Schneiden der unteren Seite ein et— was breiter Raum bleibt; die Spitze iſt ungemein fein, ſcharf und nadelſpitzig. Ihre Farbe iſt roͤthlichſchwarz oder roͤthlichbraunſchwarz, Zehen und Naͤgel am dunkelſten, an juͤngern Voͤgeln alles lichter als bei den alten. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 7 Linien; die Laͤnge der Mittelzeh mit dem 3 Linien langen Nagel 75 Linien; die der Hin— terzeh mit der uͤber 4 Linien langen Kralle 7 Linien. Bei juͤngern Voͤgeln ſind die Naͤgel bedeutend kuͤrzer. Eine beſondere Zierde dieſer Voͤgel iſt die runde Kopfplatte von einem dunkeln Carmoiſinroth, deren Federchen einen eigenen fettich— ten Glanz haben, und ſeidenartig nach dem verſchiedenen Lichte aus jener Grundfarbe in ein hohes Karminroth ſchillern; nur die ſchwarz— grauen Wurzeln der Federn daͤmpfen das Feuer dieſer ſchoͤnen Far—⸗ be etwas. Zuerſt ſtehe hier die Beſchreibung der Hebt und W̃ 1 tracht. Das alte Maͤnnchen hat jene ſchoͤne Scheitelzierde von beſonderer Schoͤnheit und groͤßerm Umfange, als die juͤngern und weib— lichen Voͤgel. Die Stirnfedern, die Zuͤgel und die Kehle ſind braun— ſchwarz, erſtere mit weißgrauen Spitzenraͤndchen; ein grauweißer Streif zieht uͤber das Auge hin; die Federn des Hinterkopfes, Hin⸗ terhalſes, des Ruͤckens und der Schultern ſind in der Mitte ſchwaͤrz— lichbraun, mit breiten gelbbraunen, an den Spitzen in grauliches Weiß uͤbergehenden Kanten, weswegen jene Theile auf weiß— lich und gelbbraun gemiſchtem Grunde mit dunkelbraunen Laͤngs—⸗ flecken bezeichnet erſcheinen; die Federn am Unterruͤcken und Buͤrzel haben in der Mitte einen dunkelbraunen Lanzetfleck und ſehr breite weißliche Kanten, die nach innen ſich ſehr ſchoͤn blaß carminroth faͤr— ben, demnach erſcheint der Steiß carminroth und weiß gemiſcht, mit kleinen braunen Lanzetflecken; die Oberſchwanzdeckfedern find dun— kelbraun, gelbbraun und weißlich gekantet. Die Wangen find - weißlich und gelbbraun gemiſcht, nach vorn mit hervorſchimmerndem Carmoiſinroth: Gurgel und Oberbruſt ſchoͤn, aber blaß carminroth, mit ſchmutzigweißen Federſaͤumen, an den braͤunlichweißen, mit gro= IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 177 ßen braunen Laͤngsflecken bezeichneten Seiten des Unterleibes, ſchim— mert jenes Roth als ſchoͤne Roſenfarbe hervor; die Schenkelfedern ſind braͤunlichweiß; alle uͤbrigen untern Theile truͤbe weiß, die Un— terſchwanzdeckfedern mit einem braunen Schaftſtrich. — Der brau— ne Fluͤgel hat zwei weiße Querbinden; eigentlich ſind alle Fluͤgelfe— dern ſchwaͤrzlichbraun, mit hellbraunen Saͤumen, die an den klein— ſten Deckfedern am breiteſten ſind; dabei haben die mittleren und großen Deckfedern breite, gelblichweiße Spitzenkanten (die jene Bin— den bilden), und die letzten Schwungfedern dergleichen Seitenkanten, welche aber erſt in der Mitte der Federlaͤnge anfangen, und ſo bis zum ſchmalen Endſaum fortlaufen. Die Schwanzfedern ſind ſchwaͤrz— lichbraun, die aͤußerſte am lichteſten, alle mit braͤunlichweißen Saͤum— chen, die nach der Wurzel zu einen roſenrothen Anflug haben. Von der untern Seite iſt der Schwanz braungrau, mit weißlichen Saͤu— men; die Schwingen eben ſo, wurzelwaͤrts nur etwas lichter; die untern Fluͤgeldeckfedern graulichweiß, unter den Achſeln und am Fluͤgelrande roſenroth angeflogen. b Juͤngere Maͤnnchen haben in dieſem Kleide eine kleinere Kopfplatte von einer hellern Farbe, die Federn an der Gurgel und Oberbruſt ſind lichter, nur roſenroth, mit breitern weißen Kanten, ſo daß man bei ordentlicher Lage derſelben wenig Rothes bemerkt, unter dem Fluͤgel und an den Schwanzfedern fehlt der roſenfarbige Anflug, und auf dem Buͤrzel zeigt ſich auch weniger von dieſer ſchoͤ— nen Farbe; der kuͤrzere, blaßgelbere Schnabel und die geringere Koͤr— pergroͤße unterſcheiden ſie ebenfalls von den recht alten. Noch mehr unterſcheiden ſich die weiblichen Voͤgel, und ſie ſind ſtets etwas kleiner als die maͤnnlichen. Die alten Weibchen im Herbſtkleide haben eine kleinere Kopfplatte von einem hellern, ins Gelbliche ſpielenden Roth; ſonſt ſchimmert nur am Vordertheil der Wangen ein blaſſes Carminroth in Flecken hervor; uͤbrigens ſind alle untern Theile, die ſchwarze Kehle ausgenommen, ſchmutzig weiß, an der Gurgel und der Oberbruſt braungelblich angeflogen; die Seiten der Bruſt und die Weichen mit dunkelbraunen Laͤngsflecken; die untern Schwanzdeckfedern mit dergleichen Lanzetfleck am Schafte. Von oben hat es eben die Farben, wie das Maͤnnchen, doch mit meh— rerer Miſchung von Weiß, und kleinern, auch bleichern, braunen Flecken. Am Steiß ſieht man nur bei ſehr alten Weibchen eine geringe Spur eines roſenrothen Anflugs. Sonſt iſt alles wie am Männchen, nur etwas bleicher und weißlicher. — Ihm ganz aͤhn— lich ſind auch die jungen einjaͤhrigen Maͤnnchen, nur ſelten iſt Sr. Theil. 12 178 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. bei ihnen an der Gurgel und am Kropfe ein ſchwacher Schein von Roth vorhanden, wenn man naͤmlich die Federn aufhebt. Am jungen weiblichen Herbſtvogel iſt der Umfang der ſchwarzen Kehle, Zuͤgel und der rothen Kopfplatte geringer, letztere ſchielt ins Goldfarbige, bei manchen iſt ſie ſogar ganz dunkel goldfarbig; an den Wangen bemerkt man nichts Rothes, und in allem Uibrigen iſt es brauner, ſtaͤrker gefleckt und ſieht daher viel duͤ— ſterer aus. Gerathen ſolche Weibchen im erſten Herbſte ihres Le— bens in Gefangenſchaft, und uͤberleben ſie dann darin eine Mauſer, ſo werden ſie, ſtatt weißlicher, noch brauner und bekommen keine rothe, noch gelbe Kopfplatte wieder, die auch bei keiner folgenden wiederkehrt, und ſolche ſehen dann den Berg haͤnflingen ſehr aͤhnlich. Dieſe ſind es auch, welche fruͤher zur Verwechſelung dieſer Arten unter einander Veranlaſſung gaben. Gegen den Fruͤhling wird ſchon bei uns einige Veraͤnde— rung bemerklich; dann verſtoßen ſich die weißlichen Raͤnder der Fe— dern an der Gurgel und der Kropfgegend, das Roth tritt nach und nach reiner hervor und wird gegen den Sommer, wo dieſe Voͤgel im hohen Norden leben, zum prachtvollen Carminroth, es wird naͤm— lich wie beim Bluthaͤnfling auf eine unbegreifliche Weiſe allmaͤlich zu einer außerordentlichen Hoͤhe geſteigert; auch das Roth der Kopf— platte wird praͤchtiger, die ſchwarzen Zuͤgel, Halftern und Kehle aber brauner, der ganze Schnabel dunkelbraun; an den obern Theilen ſchwinden die lichten Federkanten großentheils, daß alles viel dunk— ler wird, ſo auch an den Fluͤgeln und am Schwanze; ein ſolches Maͤnnchen in ſeinem Hochzeitskleide, im Vorſommer im obern Norwegen geſchoſſen, was ich beſitze, iſt ein prachtvolles Voͤgelchen. Im hohen Sommer verliert es aber etwas an Schoͤn— heit, weil nun bei dem zu ſtark abgeriebenen Gefieder die grauen Wurzeln der Federn hin und wieder durchſchimmern, beſonders am Kopfe. — Die Weibchen werden in der Begattungszeit aber viel duͤſterer, bloß das Rothe wird etwas ſchoͤner, alles Uebrige aber grauer. Unter den jungen Voͤgeln im erſten Winter ihres Le— bens ſind manche, die wegen ihrer geringern Groͤße und der brau— nern Hauptfarbe auffallen, und dieſe (wovon auf unſrer Kupferta— fel die Fig. 4. eine treue Abbildung des Weibchens giebt) haͤlt H. Brehm für eine eigene verſchiedene Art und mit der Fring. flavi- rostris Linn. für ſynonym. Sie ſoll ſich auch im Betragen unter: ſcheiden und eine andere Lockſtimme haben. Ich kann ihm indeſſen IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 179 nicht unbedingt beiſtimmen, weil ich an einem lebenden Vogel dieſer vermeintlichen Art, den H. Pr. Nitzſch lange Zeit im Kaͤfige un: terhielt, neben andern gewoͤhnlichen Birkenzeiſigen keinen Unter— ſchied, weder in der Stimme, noch ſonſt im uͤbrigen Betragen, auf— finden konnte, und auch H. N., welcher beide doch lange Zeit tag— taͤglich vor Augen hatte, iſt meiner Meinung. Wir halten ſie fuͤr junge Voͤgel im erſten Lebensjahr, die in Gegenden ausgebruͤtet wurden, wo eine andere Luft, andere Nahrungsmittel oder andere unbekannte Urſachen jene veraͤnderte Groͤße und Farben bewirkten, wie wir dergleichen kleine Abweichungen wol noch bei vielen andern Voͤgeln, z. B. beim Rothgimpel, der Kohlmeiſe, dem grauen Steinſchmaͤtzer u. a. m. antreffen, ohne ſie deßhalb für beſondere Arten zu halten. Ihre Groͤße iſt allerdings anſchein— lich etwas geringer, daher auch der Schnabel kleiner, der Oberkoͤr— per mehr mit gelblichem Roſtbraun uͤberlaufen, und dieſe Farbe an der Oberbruſt beſonders ſtark aufgetragen, woſelbſt am Maͤnnchen bei aufgehobenem Gefieder etwas Roͤthliches hervorſchimmert, ſonſt alles wie bei den gewoͤhnlichen Birkenzeiſigen. Die Schwing- und Schwanzfedern, welche nach H. Brehm auch ſchmaͤler als bei die— fen fein ſollen, habe ich nicht ſchmaͤler, als bei andern jungen Birken— zeiſigen gefunden. Sie halten ſich auch unter dieſen auf und werden mit ihnen gefangen, kommen aber nicht oft vor. Uebrigens habe ich oft genug gewoͤhnlich gefaͤrbte Birkenzeiſige gehabt, welche nicht groͤßer waren, als dieſe braͤunlichen, und die auch viel kuͤrzere Schnaͤbel hatten, als die alten. Die unvermauſerten jungen Birkenzeiſige ſollen brauner ausſehen, als ihr Gefieder nach der erſten Mauſer iſt, und der ro— the Scheitelfleck ſoll ihnen fehlen. Ich ſelbſt habe noch keinen geſe— hen, und eine genaue Beſchreibung derſelben findet man auch nir— gends. ! ” Ausartungen oder Spielarten find nicht bekannt. Man kennt aber einen Baſtard (Fring. Linaria hybrida.) aus der Ver: paarung mit Canarienvoͤgeln hervorgegangen, welcher die gemiſch— ten Farben beider Arten traͤgt, aber wenig ausgezeichnete Eigenſchaf— ten hat. — Daß bei den Birkenzeiſigen in der Gefangenſchaft die rothe Farbe in Gelb verwandelt wird und nach uͤberſtandener Mau— ſer gar nicht wieder zum Vorſchein koͤmmt, iſt oben ſchon erwaͤhnt worden; es giebt aber auch einzelne Falle, wo bei männlichen Voͤ—⸗ geln die goldgelbe Farbe des Scheitelflecks nachher bleibend iſt oder bei jeder Mauſer wiederkehrt. 180 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken-Zeiſig. Sie mauſern ein Mal im Jahr, im Auguſt und September. Aufenthalt. Ein nordiſcher Vogel. Er bewohnt im Sommer die Laͤnder in der Nähe des Arktiſchen Kreiſes bis innerhalb deſſelben, von Eu— ropa, Aſien und Amerika. So iſt er im obern Schottland, Norwegen, Schweden und Rußland häufig, weniger auf Island; dann in Sibirien bis Kamtſchatka, an der Hud⸗ ſonsbai und dem uͤbrigen obern Nordamerika und Groͤn— land, uͤberall wo nur Gebuͤſch waͤchſt. Dort ſind ſeine Gefaͤhrten ſehr oft die Schnee- und Lerchenſpornammern, die Berg: haͤnflinge, und zum Theil auch die Bergfinken. In das mittlere Europa koͤmmt er nur auf ſeinen periodiſchen Wanderungen im Herbſt und Winter, iſt dann in allen noͤrdlich und oͤſtlich von Deutſchland gelegenen Laͤndern gemein und ſehr zahlreich, koͤmmt von dort nur in manchem Jahr in großen Schaaren, in einem an— dern einzeln und in manchem gar nicht ins mittlere und ſuͤdliche Deutſchland, geht aber zuweilen bis ins noͤrdliche Italien hinab, iſt in der Schweiz und manchen Theilen von Frankreich nicht felten, koͤmmt aber nicht oft nach Holland. — In unſerm Ans halt ſieht man ihn manchmal in erſtaunlicher Menge, ſo aber ſelten mehrere Jahr nach einander, dann vielmehr wieder oft in einigen gar nicht oder in dem einen nur ſehr einzeln; daß er aber nur alle 7 Jahr zu uns komme, gehoͤrt unter die leeren Volksſagen. — Dieſe Art iſt ſehr zahlreich an Individuen. Daß nicht alle in jene noͤrdliche Laͤnder, ihren Sommerauf— enthalt, zuruͤckkehren, wird allgemein geſagt, und man hat ſie in dieſer Jahreszeit auch in einigen Gegenden Deutſchlands, nament— lich in Thüringen, einzeln geſehen, und behauptet das naͤm— liche auch von mehreren Theilen der Schweiz. In der hieſigen Gegend habe ich dann aber nie einen bemerkt, und mehrere Paͤaͤr— chen, welche mein Vater eingefangen, den Winter und faſt das ganze Fruͤhjahr unterhalten hatte, und dann zu Ende des Maies fliegen ließ, in der Meinung, der Begattungstrieb wuͤrde nun in der ſo weit vorgeruͤckten Jahreszeit, den Wandrungstrieb erſtickt haben, und ſie wuͤrden ſich bei uns fortpflanzen, verſchwanden alsbald aus unſern Umgebungen. Als Zug vogel koͤmmt er mit Anfang des November, ſelten fruͤher, oft auch ſpaͤter erſt zu uns, ſeine Hauptwanderperiode iſt aber gewoͤhnlich das Ende dieſes Monats und der December. Man IV. Drödn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 181 halt fein haͤufiges Erſcheinen für Ankuͤndigung eines ſtrengen Win⸗ ters, doch mit Unrecht. Merkwuͤrdig iſt es indeſſen, daß ſie die hie⸗ ſige Gegend ſelten auf dem Ruͤckzuge treffen, obwol ſie in andern noch im März in großen Schaaren nach Oſten oder Nordoften wan- dernd geſehen werden, dahingegen bei uns im Januar ſchon ver⸗ ſchwinden oder ſelten bis in den Februar ſich halten. Haͤufig ſehen wir hier große Schaaren aus nordoͤſtlicher Richtung zu uns kommen, beim Weiterreiſen aber oft eine weſtliche einſchlagen, wenn man naͤmlich den Unterſchied zwiſchen einer wirklich wandernden und ei⸗ ner bloß umher ſtreifenden Heerde zu machen weiß; denn letzteres geſchieht allein der Nahrung wegen, und hat keine beſtimmte Rich⸗ tung. Sie ziehen oft am Tage, meiſtens aber in der Morgendaͤm— merung, und fliegen dabei gewoͤhnlich ungemein hoch, zumal wo ſie uͤber freie Felder muͤſſen. In Deutſchland ſuchen ſie vorzuͤglich die Waͤlder, wo Erlen und Birken wachſen, und ſind daher gern in tiefliegenden Gegenden, kommen jedoch auch in die Gebirgsthaͤler, und lagern ſich ſelbſt haͤufig auf freien Feldern, wo ſie nur etwas Gebuͤſch oder einzelne Baͤume in der Naͤhe haben; ja ſelbſt auf ganz kahlen Flaͤchen, in großen Stoppelfeldern, weit entfernt von den Dörfern und Gebuͤ _ ſchen, trifft man ſie zuweilen an. Sie unterſcheiden ſich dadurch ſehr von den Erlenzeiſigen, ob ſie gleich ſehr gern ſich zu ih⸗ nen geſellen und mit ihnen in den Waͤldern herumſtreifen. Wenn man ſie hier beiſammen ſieht, ſcheinen beide Arten große Anhaͤnglich⸗ keit fuͤr einander zu haben; allein ſobald es aufs Feld geht, bleiben jene zuruͤck, und ſelten begleiten einzelne die Heerden von Birkenzei— ſigen dahin. Dieß bringt auf die Vermuthung, daß ſie zu ihrem Sommeraufenthalt andere Gegenden waͤhlen als die Erlenzeiſige, was auch die Beobachtungen im Norden reifender Naturforſcher bes ſtaͤtigt haben. Dort leben ſie in Gebirgsthaͤlern oder tiefliegenden buſchreichen Gegenden, wo die gemeine Birke nur noch kruͤppelhaft waͤchſt, die Zwergbirke aber haͤufig iſt, wo es hohes Haidekraut und anderes Geſtraͤuch giebt, auch an ſo bewachſenen Felsabhaͤngen. Sie bewohnen aber auch Gegenden, wo die gemeine Birke noch ein an⸗ ſehnlicher Baum wird, wo Fichten wachſen, aber nicht im finſtern Walde. — Nach Bechſtein ſollen zuweilen einzelne (in Thuͤ⸗ ringen) den Sommer uͤber in Fichtenwaͤldern in der Naͤhe von Suͤmpfen, Baͤchen und Teichen bleiben, Meisner und Schinz *) *) In einem fpätern Manuſcripte ſchreibt jedoch der lestere: Daß dieſe Voͤgel im Sommer nicht in der Schweiz angetroffen mürden. * 182 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. wollen fie ebenfalls in Oberwallis (in der Schweiz) im Auguſt haͤufig von einem Zaune zum andern fliegen geſehen haben, alſo auch nicht tief im Walde. Zur Nachtruhe waͤhlen ſie gern hohe dichte Dornhecken und an— deres Gebuͤſch, auch wol geflochtene Zaͤune. Eigenſchaf ten. Dieſes ziemlich unruhige, einfaͤltige Voͤgelchen zeigt ſich ſehr zu— traulich gegen die Menſchen, vielleicht weil es im Sommer in wenig bewohnten Gegenden lebt und dort wenigen Nachſtellungen ausge— ſetzt iſt. Es iſt noch weit unvorſichtiger als der Erlenzeiſig, mit dem es ſonſt in ſeinem Betragen viel Aehnlichkeit hat. Dabei iſt es gewandt in ſeinen Bewegungen, auf den Baͤumen, wie in der Luft, aber weniger auf dem Erdboden, woſelbſt es aber doch einen ziemlich leichten huͤpfenden Gang hat. In ſeinen Stellungen auf den Aeſten wechſelt es vielfaͤltig, und im Klettern iſt es geſchickter als irgend ein anderer Zeiſig, und wird darin kaum von den Meiſen uͤber— troffen. So haͤkelt es ſich an die Spitzen der laͤngſten und duͤnnſten Zweige in verkehrter Stellung, und laͤßt ſich vom Winde ſchaukeln, ohne dadurch in ſeinen Geſchaͤften geſtoͤrt zu werden. Es gewaͤhrt einen intereſſanten Anblick, eine große Haͤngebirke von einer Schaar dieſer muntern niedlichen Voͤgel bedeckt zu ſehen, wenn viele auf ein Mal, an den Enden der fadenaͤhnlichen Zweige angeklammert, ſich in der Luft wiegen; da ſieht man fie in den mannichfaltigſten Stel— lungen. Merkwuͤrdig iſt ihre außerordentliche Geſelligkeit, mit welcher die Schaaren an einander halten, ſich aͤngſtlich zuſammenrufen, und zufaͤllig vereinzelte ſich bemuͤhen, ihre Geſellſchafter wieder auf— zufinden. Nur große Heerden ſind fuͤr ſich allein, bei uns doch auch nicht immer, kleinere und einzelne Paͤaͤrchen ſchlagen ſich dagegen faſt jederzeit zu den Erlenzeiſigen und ſchwaͤrmen mit ihnen herum, hören auf ihr Locken und zeigen die größte Anhaͤnglichkeit fuͤr dieſe. Im Nothfall ſieht man ſie im Winter auf den Feldern ſich ſelbſt zuweilen unter Feldſperlinge und Haͤnflinge mi⸗ ſchen. In ſolchen Geſellſchaften ſind ſie auch ſcheuer als fuͤr ſich allein, wie ſie dieß uͤberhaupt auf dem Freien mehr ſind, als auf Baͤumen. — Sie zanken ſich aͤußerſt felten, und dann iſt es im⸗ mer nur eine kleine, ſchnell voruͤbergehende Aufwallung, wobei ſie die Locktoͤne ſchnell hinter einander ausſtoßen; um mit andern Voͤ⸗ IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 183 geln zu 1 ſind ſie zu furchtſam; ſie ſind uͤberhaupt 1 0 * liebend. | Man kennt fie als ſehr flüchtige, gewandte Vögel, und ihr ſchneller Flug bildet eine Wogenlinie, aus kurzen Bogen zuſammen geſetzt, nur beim Aufſetzen wird er etwas ſchwebend. Er aͤhnelt dem der Erlenzeiſige, aber ihre etwas laͤngere Geſtalt und ihr ſehr abweichendes, beſtaͤndiges Geſchrei macht ſie ſehr kenntlich. Auch bei der ſtrengſten Kaͤlte unſrer Winter ſieht man ſie luſtig und wohlgemuth, nur Duft und Rauhreif ſcheint ihnen unangenehm, denn ſie ſind dann ſtill, ſehr kirre, und blaͤhen ihr Gefieder auf. Ihre Lockſtimme iſt ganz von der des Erlen- und Diſtel— zeiſigs verſchieden, und klingt wie die Sylben tſchaͤtt tſchaͤtt oder tſchuͤtt tſchuͤtt, welche ſie beſtaͤndig, fliegend und ſitzend, hoͤren laſſen. Wenn eine Geſellſchaft auch noch ſo ſtill und emſig ſich mit Freſſen beſchaͤftigt, ſo hoͤrt man doch immer ein Mal ein ha— ſtiges Tſchuͤtt tſchuͤtt tſchuͤtt, was der einzelne ausſtoͤßt, wenn er ſeinen Sitz veraͤndert oder der andere aus Futterneid hoͤren laͤßt, dem jener zu nahe koͤmmt. Beim Auffliegen ertönt es aus allen Kehlen, und auch auf ihren Wanderungen und Streifzügen beſtaͤn— dig. Noch iſt aber ein angenehmerer Ton, den ſie beim eifrigen Lo— cken hoͤren laſſen, ihnen eigen, welcher viel Aehnlichkeit mit einer Stimme des Erlenzeiſigs, noch mehr aber mit der des Cana— rienvogels hat und wie Maiing oder (gezogen) Hoing klingt. Dieſen laſſen ſie auch beim Neſte fleißig hoͤren. Der Geſang des Maͤnnchens iſt aber wenig werth, und nichts als ein ungeordnetes Gezwitſcher, zwiſchen welches die Locktoͤne immer eingewebt werden. Sie ſingen auch lange nicht ſo fleißig, wie die Erlenzeiſige. Geefangen und eingeſperrt geht er gleich ans Futter und wird in kurzer Zeit ungemein zahm, lernt auch ſehr leicht allerlei Zeiſigs— kuͤnſte, Waſſer- und Futterziehen, klingeln wenn ihn hungert, das Futter aus der Hand und dem Munde nehmen u. dergl. mehr. Man legt ihn deßhalb an ein Kettchen, oder laͤßt ihn in der Stube herum fliegen. In den Drahtkaͤfigen klettert er beſtaͤndig an der Decke herum, und iſt uͤberhaupt ein munteres, dauerhaftes Geſchoͤpf— chen. Man hat ihn acht und mehrere Jahr erhalten. Mit andern kleinen Voͤgeln, Zeiſigen, Haͤnflingen, oder Canarienvoͤgeln wird er bald vertraut, liebkoſt ſie und ſchnaͤbelt ſich mit ihnen; noch mehr thun ſie es aber, wenn man ein Paͤaͤrchen zuſammenſperrt, und es gewaͤhrt dieß viel Unterhaltung, ob ſonſt auch ihr Geſang unbe— 184 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. deutend iſt, und ihre ſchoͤnſten Farben in der en bald verſchwinden. Nahrung. Er lebt, wie die andern Zeiſige, von allerlei kleinen oͤhlhalten— den Saͤmereien, im Sommer wahrſcheinlich auch nebenbei von In— ſekten und kleinen Larven, die er auch ſeinen Jungen bringt. Den Samen der Birken ſcheint er noch den Erlenſamen vor— zuziehen, wenigſtens ſind beide waͤhrend ſeines Aufenthalts unter unſerm Himmelsſtriche ſein Lieblingsfutter. Man ſieht ſie daher in großen Maſſen den Gegenden zufliegen, wo dieſe Baͤume vielen Samen haben, und ſich eifrig damit beſchaͤftigen, ihn aus den Zoͤpfchen zu klauben, weßhalb fie oft recht volltragende Bäume faft. bedecken. Wenn ihn erſt der Froſt muͤrbe gemacht und der Wind herabgeſchuͤttelt hat, ſuchen ſie ihn nicht ſo gern mehr, und ſie ent— fern en ſich dann nach und nach aus dieſen Gegenden. In den nor— diſchen Laͤndern iſt der Same der Zwergbirke ihnen ein beliebtes Fut— ter. Wo ſie bei uns keinen Erlen- und Birkenſamen haben koͤnnen, fliegen ſie auf die Stoppelfelder, und ſuchen dort allerlei kleine oͤhlige Saͤmereien, z. B. von den Mohnarten, Tabaksſamen, von Salat, Wegwarten, Habichtskraut, Gaͤnſediſteln, auch Diſtelſamen, Lein, Dotter, Hanf, Ruͤbſaat und noch vielerlei andere. In Gegenden, wo es Nadelholz giebt, leſen ſie auch Fichtenſamen auf, und im Norden nennt man unter ihren Nahrungsmitteln auch die Samen von Loͤffelkraut, Artemiſia, Montia und Alſine, auch zarte Baum⸗ knospen und Sproͤßlinge junger Pflaͤnzchen. Sie huͤlſen alle Samen, und verſchlucken auch kleine Kieskoͤr— nerchen zur Befoͤrderung der Verdauung, freſſen ungemein viel, und ſind, wenigſtens auf Erlen und Birken, faſt den ganzen Tag einzig damit beſchaͤftigt, gehen auch oft zum Waſſer, um zu trinken, ba— den ſich aber nicht oft. Sie lieben zu Traͤnkeplaͤtzen, wie die Er— lenzeiſige, vorzuͤglich die unter Gebuͤſch verſteckten kleinen Ge— waͤſſer, und ſtreichen uͤberhaupt, ſo lange ſie bei uns ſind, ſeltner allein, als vielmehr mit dieſen nach Nahrung umher. In der Gefangenſchaft giebt man ihnen Mohn, wobei ſie ſich am beſten befinden und am laͤngſten dauern. Andere Saͤmereien find ihnen nicht zutraͤglich, Lein und Dotter freffen fie ungern, und an Ruͤbſaat wollen nur wenige. Etwas Gruͤnes von Salat, Kreuz— kraut oder Huͤhnerdarm benagen ſie ſehr gern, und es iſt ihnen auch IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 185 ſehr erſprießlich, wenn ſie aus grobem Sande immer Koͤrner ausle— ſen und zur Befoͤrderung der Verdauung verſchlucken koͤnnen. Fort pf lia n z un g. Man ſagt, daß zuweilen einzelne Paͤaͤrchen in Deutſchland blieben und ſich hier fortpflanzten, was namentlich von Thuͤrin— gen, und dann auch von einigen Gegenden der Schweiz behaup— tet wird, wie ſchon oben bemerkt wurde; in wie weit dieß indeß gegruͤndet ſei, weiß ich nicht. Sie niſten eigentlich außerhalb Deutſchland, in weiter noͤrdlich und oͤſtlich gelegenen, beim Aufent— halt genannten Ländern, ſelbſt im mittlern Schweden und No r— wegen bloß ſehr einzeln, haͤufig erſt in der Naͤhe des arktiſchen Kreiſes und viel weiter hinauf, wo der Blut haͤnfling nicht mehr wohnt, in Gegenden, wo wenigſtens viel Geſtraͤuch, wenn auch keine hohen Baͤume mehr wachſen, und nicht auf trocknen, ſondern auf tief liegenden oder waͤſſerichten und andern, oben ſchon bezeichne— ten Strecken, auch an Bergabhaͤngen. Das Neſt ſolcher zuruͤckgebliebenen Paͤaͤrchen ſoll in Thürins gen (nach Bechſtein) auf kleinen Fichten und Erlenbaͤumen ſte— hen, ſehr ſchoͤn von Heu und Moos gebauet, inwendig mit Gras— wolle und Puppenhuͤlſen ausgefuͤttert ſein, und vier bis ſechs weiß— oder blaͤulichgruͤne, am ſtumpfen Ende dicht roͤthlichgefleckte Eier enthalten. In England (wahrſcheinlich in den noͤrdlichſten Thei— len von Großbrittannien) ſoll er auf Erlenbuͤſche, 2 bis 3 Fuß hoch vom Boden, ſein Neſt aus duͤrren Halmen und allerlei Kraͤutern bauen und es inwendig mit Wolle, Haaren und Federn auslegen. Nach Fabricius (Faun. groenl. p. 121. n. 83.) bauen ſie es zwiſchen die Zweige der Stauden, von trocknem, ſtei— fen Graſe und untermiſchten Holzreischen, nach innen von Federn und Flechten, und fuͤttern es inwendig mit der Samenwolle des Wollgraſes (Eriophorum) aus. — Die neueſte und ſicherſte Nach⸗ richt von dieſem Neſte giebt uns Boie (im Tageb. ſeiner Reiſe durch Norwegen, S. 253.), welcher es nach langem vergeblichem Su— chen endlich durch einen Zufall entdeckte, indem das bruͤtende Weib- chen von den Eiern flog. Es ſtand unten an einem Felſenabhange, auf dem ſtarken Seitenaſte einer Birke, kam in der Bauart ganz mit dem des Bluthaͤnflings uͤberein, und war inwendig mit Fe— dern von Schneehuͤhnern ausgefuͤttert. Es enthielt nur vier Eier, denen des Girlitzhaͤnflings an Groͤße, Geſtalt und Farbe ganz aͤhnlich, gruͤnlichweiß, mit braͤunlichroͤthlichen Tuͤpfelchen beſetzt. I 186 IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. Diejenigen, welche mir, als von dieſen Voͤgeln, gezeigt wurden, hat— ten die röthlichen Punkte beſonders am ſtumpfen Ende, waren kaum etwas größer, als die des Erlenzeiſigs, übrigens denen der ubri— gen Zeiſige und Haͤnflinge in Farbe und Zeichnung ganz aͤhnlich. In der Naͤhe des Neſtes uͤbt das Maͤnnchen ſeinen zwitſchern— den Geſang ſehr fleißig und laͤßt dabei haͤufig den der Lockſtimme des Canarienvogels aͤhnlichen Laut hören, welchem es oft noch die Sylben zi = zi-zoͤrr anhaͤngt. Sonſt iſt von der Fortpflan⸗ zungsgeſchichte dieſer Voͤgel nichts mehr bekannt. F ein d Dieſe ſind im Norden vornehmlich der Merlin, und bei uns der Sperber, welche ſie uͤberall verfolgen, auch wol der Huͤh— nerhabicht, und der große Wuͤrger. Die erſtern fangen ihrer gar viele weg. Welche Raͤuber ihrer Brut ſchaden, iſt nicht bekannt. — In ihren Eingeweiden wohnt ein bei mehreren ver— wandten Vögeln vorkommender Bandwurm, Taenia fringilla- rum und eine noch unbeſtimmte Art von Distomum. Jag d. Da ſie gar nicht ſcheu und ſehr ſorglos ſind, ſo, daß man ſie haͤufig einfaͤltig oder dumm ſchilt, ſo ſind ſie auch leicht zu ſchießen und zu fangen, und weil ſie oft in Schaaren zu Tauſenden umher ſtreichen, gedraͤngt fliegen, und noch dichter ſich beiſammen ſetzen, ſo kann ein wohl angebrachter Schuß, mit einer mit feiner Vogel— dunſt geladenen Flinte, ſie in Menge toͤdten. Auf dem Felde, wenn fie namlich unter andern Voͤgeln find, die fie früher zur Flucht rei— zen, iſt ihnen nicht ganz fo leicht beizukommen, als auf Bäumen. Hier halten ſie auch dem Blaſerohrſchuͤtzen nahe genug aus. Auf dem Vogelheerde werden ſie in Menge gefangen, und ſie fallen ſo gut auf, daß wenn man zugeruͤckt, und welche verfehlt hat, dieſe auf die Netze fallen, unter denen ihre ſchon gefangenen Ka— meraden zappeln, waͤhrend der Vogelfaͤnger dabei ſteht, ſo daß ſie nicht ſelten mit den zuruͤck geſchlagenen Waͤnden gefangen werden. Hier zeigen ſie ſich beſonders einfaͤltig. Sie gehen nicht allein nach der Lock von ihres Gleichen, ſondern auch nach der der Erlenzei— fige, nach erſterer aber beſſer. Sie gehen eben fo gut auf die Lockbuͤſche, und werden ſonſt noch in Sprenkeln, Schlin— gen und mit Leimruthen wie jene, auch auf Traͤnkeplaͤtzen, ge— fangen. Das Kikeln, mit einem an einem langen, duͤnnen Ste— IV. Ordn. XXVIII. Gatt. 161. Birken⸗Zeiſig. 187 cken Mfegttgten Leimruͤthchen geht noch beſſer, als bei jenem, weil ſie noch kirrer ſind. Nutz en. Sie werden zwar in großer Menge fuͤr die Kuͤche gefangen, ihr Fleiſch iſt jedoch nicht ſo wohlſchmeckend, als das der gemeinen Zeiſige, und hat ſogar zuweilen einen etwas bittern Beigeſchmack. Sie ſind deſſenungeachtet in manchem Jahr, wenn ſie gerade ein Mal recht haͤufig erſcheinen, eine gute Einnahme fuͤr die Vogelſtel— ler; denn man hat ſchon ſo gluͤckliche Zuͤge gemacht, daß mehrere Schock zugleich unter den Netzen waren. Ihr angenehmes Betragen und ihre anfaͤnglich ſo huͤbſchen Farben, koͤnnen, da ihr Geſang kaum den Namen eines ſolchen verdient, nur einzelnen Liebhabern Unterhaltung gewaͤhren, wenn ſie ſolche neben andern Stubenvoͤgeln halten. Auf den Feldern leſen ſie vielleicht manches Samenkorn von . ſchaͤdlichen Pflanzen oder ſogenanntem Unkraut auf. Schaden. Ich wuͤßte nichts, wodurch ſie uns nachtheilig wuͤrden, wenn man ihnen den Erlen- und Birkenſamen, den ſie waͤhrend ihres Hierſeins bei uns verzehren, nicht etwa als Schaden anrechnen will. Anmerkung. In ſolchen Gegenden, wo man dieſe Voͤgel ſelten fieht, hielt man ſonſt ihr haͤufiges Erſcheinen fuͤr eine Verkuͤndigung der Peſt, und nann⸗ te ſie Peſtvögel; andere glaubten, weil fie fie im Sommer nicht ſahen, fie wuͤr⸗ den dann in Maͤuſe verwandelt und waͤren nur im Winter Vögel, daher nannten fie die Art: Maͤuſevoͤgel. Fünfte Ordnung. Paarzeher. ZYGODACTYLI. Schnabel: Von verſchiedener Geftalt, mehr oder weniger gebogen, oder ſehr hakenfoͤrmig, oft auch ganz gerade und kantig. Fuͤße: Allezeit zwei Zehen vorwaͤrts und zwei ruͤckwaͤrts ge— ſtellt, d. h. die gewoͤhnlich aͤußere Vorderzeh iſt neben die Hinterzeh zuruͤckgeſchlagen, daher ſie auch bei manchen eine Wendezeh bleibt. Die Arten, deren äußere Zeh nach Belieben vor- oder ruͤckwaͤrts geſchlagen werden kann, ſind in dieſer Ordnung nicht zahlreich; die Mehrzahl hat die Zehen ſtets in Paaren beiſammen ſtehend. Dieſe Fußbildung erleichtert ihnen das Klettern und Anklammern an den Schaͤften und Aeſten der Baͤume, wobei manche auch noch den Schna- bel zu Huͤlfe nehmen. — Die in Europa lebenden Gattungen die— ſer Ordnung naͤhren ſich meiſtentheils von Raupen, Inſekten und Inſektenlarven, und auch aͤhnliche auslaͤndiſche naͤhren ſich ſo, von dieſen aber die mit dickem gekruͤmmten Schnabel, vorzuͤglich von wei— chen Fruͤchten, und die mit ſehr ſtarkem hakenfoͤrmigem Schnabel von Mandeln, Nuͤſſen und andern harten Samenkernen. — Eine gro— ße Zahl der Paarzeher niſtet in natuͤrlichen Loͤchern alter Baͤume, ei— nige Arten formen ſie ſich auch ſelbſt mittelſt ihres harten meiſſelfoͤr— migen Schnabels, ſowol fuͤr dieſen Gebrauch, als ſelbſt zum Nacht— lager. — Dieſe Ordnung theilt ſich wegen der ſehr verſchiedenen Schnabelform in zwei Familien. Er ſte F a mi i e. Wendezeher. Amp hii bo li. Der Schnabel mehr oder weniger gebogen; die Fuͤße zwei Zehen vorn, und ſehr gewöhnlich (angewoͤhnt) zwei hinten, die aͤu— ßere Hinterzeh aber eine Wendezeh, die ſich bedeutend nach außen biegt, und auch vorgelegt werden kann. Neun und zwanzigſte Gattung. Ku ck u k. Gude u i u s N Schnabel: Bon der Länge des Kopfs, zufammengedrüdt, ſanft gebogen, die ſcharfen Schneiden ohne Ausſchnitt. — Zunge: Beinahe lanzetfoͤrmig, an der vordern Haͤlfte flach und hornartig. f Naſenloͤcher: Nahe an der Schnabelwurzel, rund oder ritz— foͤrmig, mit einem etwas vorſtehenden nackten Rande umgeben. Füße: Nicht lang oder meiſtens wirklich kurz, bis unter das Ferſengelenk befiedert, nur unten und an den Zehen nackt; dieſe ge— paart, bis an die Wurzel getrennt, aber die aͤußere der beiden Hin— terzehen iſt eine Wendezeh, die auch zu den zwei vordern geſchla— gen werden kann, auch gewoͤhnlich mehr auswaͤrts, als dicht neben der hintern ſteht. | Flügel: Mittelmaͤßig lang, ſchmal und ſpitzig; die erfte Schwingfeder kaum halb ſo lang als die zweite, und dieſe auch noch bedeutend kuͤrzer als die dritte, welche die laͤngſte von allen iſt. 5 Schwanz: Groß, lang, abgerundet oder keilfoͤrmig, zehn— federig. Das kleine Gefieder iſt von geringem Umfang, aber dicht und derb; die langen Schenkelfedern bilden Hoſen. Es ſind meiſtens kurzfuͤßige, aber ſchlanke Geſtalten. Maͤnnchen und Weibchen ſind im hohen Alter faſt ganz gleich gefärbt, aber die meiſten Arten ha- ben im zweiten Jahr ein ganz anders gefärbtes Kleid, als das nach— herige iſt. V. Ordnung. XXIX. Gattung. 191 Die Voͤgel dieſer Gattung find unruhig, ſtuͤrmiſch, flüchtig und ſcheu; aber ſie leben einſam, wandern einzeln und weit weg. Ihre Aufenthaltsorte find eigentlich waldige Gegenden, ſie durchſtrei— fen aber auch ſolche, wo Baͤume ſelten ſind. — Sie leben von In— ſekten und Inſektenlarven, vorzuͤglich von Schmetterlingsraupen, und zwar von langhaarigen, welche die meiſten Voͤgel verſchmaͤhen. Es ſind gefraͤßige Voͤgel. Ihre Fortpflanzungsgeſchichte iſt voll der merkwuͤrdigſten Er⸗ ſcheinungen; denn fie brüten nicht felbft, erziehen auch ihre Jungen nicht ſelbſt, ſondern legen eins ihrer Eier in das Neſt irgend eines kleinen Vogels, der von Inſekten lebt oder doch ſeine Jungen damit füttert, uͤberlaſſen jene Geſchaͤfte lediglich dieſen, und geben fo ihrer Nachkommenſchaft verſchiedene und ganz fremdartige Pflegeaͤltern. — Man hat dieſe ſonderbare Abweichung von der allgemeinen Regel bald aus der Lage, bald aus der Groͤße des Magens und andern Umſtaͤn— den zu erklaͤren geſucht, jedoch ohne hinreichende Gruͤnde, und die wahre Urſache aufzufinden, bleibt fuͤr den Forſcher ein noch unauf— loͤsliches Problem. — Die Jungen ſehen, hinſichtlich der Farben ihres Gewandes, den Alten mehrentheils ſehr unaͤhnlich. Ueber die Anatomie dieſer Gattung, auch uͤber die hier vor— kommende Behaarung der innern Magenflaͤche, hat mir Hr. Prof. Nitzſch folgende Beobachtungen mitgetheilt: „Nach Unterſuchung des Cuculus canorus zeichnen ſich am Skelett der aͤchten Kuckuke beſonders aus: 1) der Kiefer, durch eine ſeitlich hervorſtehende, gerade bis zum Mundwinkel reichende Kno— chenleiſte, welche die Breite des Rachens und der Schnabelwurzel merklich vermehrt; 2) die Stirn zunaͤchſt der Schnabelwurzel, durch anſehnliche Breite, wozu der daran geſetzte platte Stirntheil des Thraͤnenbeins noch beiträgt; 3) die Gabel (furcula) durch eine wirk⸗ liche Articulation ihres unpaaren unteren Fortſatzes mit dem Bruſt— beinkamm; 4) das Bruſtbein, zumal durch eine ſonderbare Biegung ſeines Koͤrpers, indem dieſer, um den, bei ſtarker Anfuͤllung ſehr auf— getriebenen Magen Raum zu geben, in der hintern Strecke ſehr her= unterwaͤrts d. h. von der Rumpfhoͤhle abwaͤrts geneigt iſt, — ein Ver: haͤltniß, das ich fo nur noch beim Caprimulgus gefunden habe. Ue— brigens nimmt das Bruſtbein nach hinten ſehr an Breite zu, fein Ab— dominalrand bildet einen anſehnlichen Bogen und hat jederſeits nur eine kleine haͤutige Bucht, folglich auch jederſeits nur einen ſogenann— ten hintern oder Abdominal-Fortſatz. Der Rippenpaare ſind ſieben, von denen fuͤnf mit Rippenknochen verſehen ſind, der Halswirbel 192 V. Ordnung. XXIX. Gattung. zwoͤlf, der Ruͤckenwirbel ſieben, der Schwanzwirbel ſieben. Das Becken iſt kurz, im Hintertheil breit, auf der Ruͤckſeite flach, wenig gewoͤlbt, und ohne ſehr merkliche Leiſten; der Seitenrand der Darm— ſtuͤcke deſſelben iſt ſehr ausgeſchweift; die graͤtenfoͤrmigen Schaam— ſtuͤcke biegen ſich gegen einander (was bei ſehr vielen Vögeln, aber nie bei Singvoͤgeln der Fall iſty'. Die Nebenſchulterblaͤtter fehlen. Statt des Roͤhrenbeinchens vermittelt nur eine haͤutige Roͤhre den Ue— bergang der Luft aus der Paukenhoͤle in den Unterkiefer, aber das, vom hintern Ende des Jochbogens bis zur Wurzel des innern Fortſatzes der Unterkieferaͤſte gehende Band (ligamentum jugomandibulare posticum s. transversum) enthaͤlt, wie bei Kraͤhen, Pirolen und einigen andern Voͤgeln, zwei Knoͤchelchen, namlich außer dem gr.ös Bern hintern (wie es ſcheint, allen aͤchten Singvoͤgeln zukommen— den), noch einkleineres, welches aͤußerlich zunaͤchſt dem Jochbo— gen liegt. Die Oberſchenkelknochen, wahrſcheinlich auch die Schul— terknochen, nehmen keine Luft auf; ſonſt aber ſind faſt alle Knochen, welche es überhaupt fein koͤnnen, vollkommen pneumatiſch und mark— los, ſelbſt die Schwanzwirbel nicht ausgenommen.“ „Die Zunge hat im vordern Theil eine ziemlich hornartige, wie die Rachenhoͤhle farbige Bekleidung; ſie iſt von gewoͤhnlicher Laͤnge, groͤßtentheils ziemlich gleichbreit, am Seitenrand und vorn ſchnei— dend, vorn ganz und abgerundet, hinten, wie gewoͤhnlich in zwei hervorragende, ſpitze Lappen getheilt und gezaͤhnt. Der Schlund ift weit, ohne Kropf oder Bauch; der Vormagen mit vielen ſtarken Schleimdruͤſen beſetzt. Der haͤutige, einer bedeutenden Auftreibung faͤhige Magen draͤngt angefuͤllt die Gedaͤrme und uͤbrigen Eingewei— de ſehr zuſammen, und treibt den Unterleib merklich auf; ſeine Groͤ— ße kann aber eben ſo wenig, als ſeine Lage und als die Form oder Biegung des Bruſtbeins, der Grund des Nichtbruͤtens der Kuckuke ſein, da die Caprimulgen ganz dieſelben Verhaͤltniſſe zeigen. Die Blinddaͤrme ſind ziemlich lang. Die beiden Leberlappen, wie gewoͤhnlich von ſehr ungleicher Groͤße und durch eine ziemlich lange Quercommiſſur mit einander verbunden; eine Gallblaſe fand ich nicht. Die Milz winzig klein. Das Pankreas fo lang, wie die Duodenal— ſchlinge, in der es liegt. Die Luftroͤhre beſteht aus harten Ringen; die Bronchien haben eine kniefoͤrmige Beugung und nur Halbringe, welche bloß durch ein Muskelpaar bewegt werden; es iſt alſo kein Singmuskelapparat vorhanden. Die Luftcellen des Rumpfs aͤhneln denen der Singvoͤgel; zwiſchen den vordern paarigen Sei— tencellen iſt eine unpaare Bruſtbeincelle, welche aber zugleich zwiſchen V. Ordnung. XXIX. Gat. Kuckuk. 193 die beiden (hier, wie immer, keine Luft aufnehmenden) Lebercellen tief eindringt. Die Nieren ſind nicht von den Schenkelvenen durch— bohrt; der vordere und hintere Lappen ſehr abgerundet und ſeitlich uͤber den mittlern hervorragend; zwiſchen beiden Nieren bleibt eine rautenfoͤrmige Luͤcke. Die Hoden ſind kugelrund. Ich fand nur einen Eierſtock.“ „Noch muß am Schluſſe dieſer anatomiſchen Schilderung einer merkwuͤrdigen Erſcheinung gedacht werden, die zwar nur beim Cucu— lus canorus beobachtet worden iſt, aber vermuthlich bei allen echten Kuckuken mitunter vorkommt, da fie durch die Nahrungsart dieſer Voͤ—⸗ gel bedingt wird. Man findet naͤmlich nicht ſelten den Kuckuksma— gen inwendig mit ziemlich feſt anſitzenden Haaren bekleidet. Dieſe Behaarung iſt oft nur ſparſam und unvollkommen, zuweilen aber iſt ſie ſo dicht und von ſolcher Beſchaffenheit, daß ſie dem Pelze ei— nes kurzhaarigen Saͤugthieres um ſo mehr aͤhnlich wird, als die Haa— re merkwuͤrdiger Weiſe immer einen gleichmaͤßigen Strich haben. Sie ſitzen naͤmlich ſeitlich oder mit dem Wurzelende feſt, und verfolgen mit ihren Spitzen eine und dieſelbe Kreisrichtung um eine Querach— ſe des Magens. — So taͤuſchend dieſe Erſcheinung wirklich zuwei— len iſt, ſo wuͤrde man doch nie hier eine ſelbſtſtaͤndige Haarbildung des Kuckuksmagens angenommen haben, wenn man die dieſer An— nahme an ſich entgegenſtehenden Umſtaͤnde zuvor erwogen, und eine forgfältige Unterſuchung der Sache nicht geſcheuet hätte. Wiewol noch ganz neuerlich der Haarpelz im Kuckuksmagen fuͤr ein norma— les Erzeugniß deſſelben erklaͤrt, und dieſe Anſicht, ſelbſt dann noch, als das Gegentheil vollkommen dargethan war, mit ſeltener Hart— naͤckigkeit vertheidigt worden iſt, fo iſt doch völlig erwieſen, daß je= ner Magenpelz nur durch eingehakte oder eingedruͤckte Raupenhaare entſteht. — Folgende Thatſachen beweiſen dieß. „1) Das Vorkommen feſtſitzender Haare im Kuckuksmagen iſt zufällig. Sehr oft, und zwar bei Individuen jedes Geſchlechts und Alters, iſt keine Spur derſelben wahrzunehmen.“ „2) Es zeigt ſich eine bedeutende Verſchiedenheit in der Bil⸗ dung und Farbe, und die groͤßſte Unbeſtimmtheit und Unregelmaͤßig⸗ keit in der Frequenz und Stellung jener Haare.“ „3) Die Haare haben, wie die genauere mikroſkopiſche Unter: ſuchung und Zergliederung lehrt, weder einen organiſchen Zuſam— menhang mit den Magenwaͤnden, noch ſind eigene Huͤllen oder Schei— den fuͤr ihre durchaus zwiebelloſen Wurzeln gebildet, vielmehr ſieht man deutlich, daß fie als fremde Körper bloß in die innere, un⸗ Sr. Theil. 13 194 V. Ordnung. XXIX. Gatt. Kuckuk. empfindliche, der Epidermis vergleichbare, und einer Entzuͤn⸗ dung nicht faͤhige Magenhaut, und zwar auf ſehr unglei- che Weiſe, eingedrungen ſind.“ 435) „Alle, unter hinlaͤnglich ſtarker Vergroͤßerung beobachteten Haare eines ſolchen Magenpelzes zeigten, trotz ihrer ſonſtigen Ver⸗ ſchiedenheit (gleich den Grannen vieler Graͤſer), ſpitze, ſchief nach dem freien Ende zu gerichtete Seitendornen; durch dieſe Bildung aber wird vollkommen erklaͤrlich, wie ſolche Haare, als fremde Koͤrper, bei der periſtaltiſchen Bewegung der Magenwaͤnde in dieſe eingehakt, oder immer nur mit dem Wurzelende eingedruͤckt werden, und ſowol einen feſten Anhalt gewinnen, als den bemerkten gleiche igen Strich erhalten konnten. “)“ „5) Die Haare vieler Inſecten, vorzuͤglich vieler N lingsraupen, die bekanntlich die Hauptnahrung des Kuckuks ausma— chen, ſind eben ſo gebildet, und haben eben ſolche ſpitze ſchiefe Seitendornen, wie die Haare der Kuckuksmaͤgen; ja es ſind nun ſchon mehrmals (es verſteht ſich von ſelbſt, daß dieß nicht immer der Fall ſein kann) in behaarten Kuckuksmaͤgen die Raupenarten noch vorgefunden worden, deren Haare den Pelz des Magens gebildet hatten, indem die Haare der gerade im Magen befindlichen Raupen mit denen des Magen: pelzes in Farbe, Staͤrke und ausgezeichneter Bil⸗ dung ganz vollkommen uͤbereinkamen.“ „Bisweilen iſt der Haarpelz des Kuckuksmagens nur von den Haaren einer Raupenart gebildet, bisweilen von denen zweier oder mehrerer Arten. Der durch die Haare der gemeinen Baͤren— raupe (Arctia Caja) entſtandene faͤllt, wegen der Staͤrke und Farbe der Haare, ſehr in die Augen und iſt am leichteſten zu unterſuchen. Wenn ihn aber ſehr fein- und blaßhaarige Raupen geliefert haben, fo iſt die Unterſuchung viel ſchwieriger, und eine ſehr ſtarke Vergroͤßerung noͤthig. Ich habe nunmehr die Haare von fünf verſchiedenen Rau⸗ penarten im Kuckuksmagen feſtſitzend gefunden, zuletzt (im Auguſt des J. 1824) die der ausgezeichneten, noch in mehrern Exemplaren in dem Magen befindlichen Raupe der Pygaera bucephala, untermiſcht mit denen einer andern, auch noch im Magen des Kuckuks vorhande— nen Raupenart, die ich nicht genau beſtimmen konnte.“ „Anmerkung. Ueber die Haare im Kuckuksmagen und deren ) Vergl. meine weiter unten angeführte Abhandlung p. 365 bis 367. Nitz ſch. v. Ordnung. XXIX. Gatt. Kuckuk. 195 Identitaͤt mit Raupenhaaren iſt von mir in Meckels Archiv fuͤr die Phyſiologie (VIII. 5. p. 559), ſo wie von Carus und Reichenbach in Okens Iſis (Jahrg. 1823. 6. p. 666 und Jahrg. 1824. 2. p. 295 und 5. p. 565.) ausführlich gehandelt wor: den. So wenig nach dem Annihilationsact, welchen die Behaup— tung, daß der Kuckuksmagen ſelbſt Haare erzeuge, bereits erfahren hatte, eine abermalige Vertheidigung derſelben vermuthet werden konnte, fo iſt ſolche doch vom Herrn Paftor Brehm (ſ. Iſis vom J. 1823. 11. p. 1249) wirklich verſucht worden, indem derſelbe unter andern vermeintlichen Beweisgruͤnden hauptſaͤchlich anfuͤhrt: Daß die innere Magenhaut von eingeſtochenen Raupenhaaren entzuͤn— det werden muͤſſe (da ſie doch, wie aus ihrer ganzen Natur hervor— geht, keiner Entzündung fähig ift); — daß der Kuckuksmagen drü- ſig ſei (was bekanntlich vom Vormagen, aber nimmermehr vom eigentlichen Magen, in welchem die Haare nur ſitzen, gilt); — und daß zwar die im Magen befindlichen Haare mit Seitendornen verſe— hen ſeyen, aber nicht die Haare der Baͤrenraupe (welche Aeußerung ebenfalls auf einer Taͤuſchung beruht, indem ſich erwieſen hat, daß H. P. Br. die Baͤrenraupe (Arctia Caja), deren Haare Carus, Rei⸗ chenbach und ich im Kuckuksmagen feſt haftend fanden, verkannt, und die glatthaarige Raupe der Gastropacha Rubi dafuͤr gehalten hatte). — Indeſſen hat Hr. Brehm in derſelben Angelegenheit gezeigt, daß er einen erkannten Irrthum, ſogar mit Freudigkeit, ein⸗ geſtehen koͤnne, indem er p. 954. des ten Bandes feines Lehrbuches d. Naturg. d. europ. Bög. ſagt: Zu meiner großen Freude traf ich nicht nur bei den Weibchen, ſondern auch bei den Manns chen dieſes merkwuͤrdigen Vogels eingewachfene (1) Haare im Ma: gen.“ — Vorher hatte er naͤmlich wiederholt behauptet, nur der weibliche Kuckuk habe Haare im Magen (f. Beiträge z. Voͤgelk. I. p. 468. III. p. 900. u. Lehrb. p. 126). Es iſt alfo auch zu hoffen, daß dieſer ſonſt ſo verdiente Ornitholog, den nach ſeiner aus⸗ druͤcklichen Verſicherung nicht Rechthaberei, ſondern nur Liebe zur Wahrheit leitet, nunmehr feine Anſicht über die Natur der Kuckuks⸗ magenhaare uͤberhaupt berichtigen, und ſomit endlich aufhören wer- de, einen ſonnenklar dargelegten Irrthum (dem die S. 126. des angefuͤhrten Lehrbuchs noch als Gewaͤhrsmaͤnner genannten Gelehr— ten laͤngſt nicht mehr huldigen) das Wort zu reden.“ Wir haben von dieſer intereſſanten Gattung in Deutſchland nur ö a f zwei Arten. 162. Der gemeine Kuckuk. Cuculus canorus. Linn. (Fig. 1. altes Männchen. und N 2. altes Weibchen. Fig. 1. Weibch. im Uebergangskleide. 2. zweijaͤhriges Weibchen. Taf. 129. 5 5 Junger Vog. graue Spielart. Taf. 128. — — rothbraune — Europaͤiſcher — aſchgrauer — ſingender Kuckuk oder Kukuk, Guckguk, Gukguk, Guckgu, Gugug, Guckaug, Gugauck, Guckufer, Gucker, Gauch oder Gutzgauch; — rother — braunrother — roth⸗ brauner, brauner Kuckuk; hier zu Lande: der Kuckuk. Cuculus canorus. Gmel. Linn. syst. I. p. 409. n. 1.—Lath. ind. I. P. 207. n. 1. => Retz. faun. suec. p. 99. n. 50. = Nilsson, orn. suec. I. p. 116. n. 57. = Le Coucou gris. Buff. ois. VI. p. 305.— Edit. de Deuxp. XI. p. 347. t. 6. f. 2. Id. Pl. enl, 811. = Gerard. tab. élèm. II. p. 17. Le Vaillant Ois. d' Afri- que. V. pl. 202. Ie vieux d' Europe, et pl. 200. le meme d' Afrique. = Temminck. Man. I. p. 381. = Common 'Cuekow. Lath. syn. II. p. 509. n. 1. — Ueberſ. v. Bechſtein. I. 2. S. 418. n. 1. Bewick britt. Birds. I. p. 148. Cucule ce- nerino. Stor. deg. ucc. I. t. 67. Cucule di color varia. t. 69. De Koekoek. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 117, —= Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 1121. Deſſen Taſchenb. I. S. 83. — Wolf und Meyer, orn. Taſchenb. I. S. 110. — Deffen Voͤgel Deutſchl. Heft V. - Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 50 nm. 50. — Meyer, V. Liv⸗ und Eſthlands. S. 53. — Koch, Baier. Zool. I. S. 139. n. 64. = Brehm, Beiträge, I. S. 456 — 494. und II. S. 698 — 705. und III. S. 898. - 904. — Friſch, Voͤg. Taf. 40. - Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. ©. 215. Taf. 45. fig. 102, altes Maͤnnchen. Junge Vögel im erfien und zweiten Kleide. Cuculus canorus rufus, Gmel. Linn. syst. I. p. 409. n. 1. var. ß- = Cueulus rufus. Bechſtein Orn. Taſchenb. I. S. 84. — Deſſen Naturg. Deutſchl. II. S. 1142. Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſth⸗ lands. S. 54. — Meisner und Schinz, V. d. Schweiz, S. 51. u. 51. = Nilsson orn. suec. I. p. 119. n. 58.= Cuculus hepaticus. Lath. ind. I. p. 215. n. 25. Sparm, Mus. Carls. t. 55. Retz. faun. suec. p. 100. n. 51. = Le Coucou vul- gaire (premier age) Le Vaill. Ois. d’Afrig. V. pl. 201. et (jeune) pl. 203. = Cucule rossieio. Stor. deg.ucc. I. t.68.— Derosse Koekoek. Sepp, Nederl, Vog, VI. t. p. 327. — Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft. 29. Weibchen im zwei⸗ ten Jahr, und junger Vogel. — Friſch, Voͤg. Taf. 41 und 42. — Naumanns Voͤg. Nachtr. S. 37. Taf. 4. fig. 9. junger Vogel im erſten Jahr. Ken; en deer Kr. | Die Füße nebſt den Krallen find gelb; die Schwanzfedern has v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 197 ben am Schafte weiße Fleckchen; die Schwingfedern auf der Innen— fahne weiße Baͤnder; der weiße Unterkoͤrper as mit ſchwaͤrzlichen Wel- lenſtreifen beſetzt. Big ach rei hn g Dieſer merkwuͤrdige Vogel hat auf einen fluͤchtigen Blick etwas Aehnliches von einem Raubvogel, namentlich vom Sperber und Thurmfalken, wozu ſowol Geſtalt, als Farbe beitragen; allein fein Schnabel, welcher eher einem Droſſelſchnabel ähnelt, und feine paar zehigen, ſchwaͤchlichen oder kleinen Füße mit den kleinen Nägeln ent: taͤuſchen eben ſo bald, weil ſie eine Lebensweiſe vermuthen laſſen, die von keiner raͤuberiſchen Natur ſein kann, und von der jener ſich gaͤnz⸗ lich unterſcheiden muß. Dieß zweideutige Ausſehen mag Unwiſſende wol oft genug getaͤuſcht, und das Entſtehen fo vieler Maͤhrchen, wo⸗ mit die Geſchichte dieſes merkwuͤrdigen Vogels ausgeſchmuͤckt wurde, bewirkt haben. Die meiſten derſelben ſtehen beim gemeinen Mann noch im friſchen Andenken, und haben ſogar manches Sprichwort be— gruͤndet; denn er vereinigt in ſeinem Weſen ſo viel Auffallendes, daß jedermann von ihm ſpricht, und ihn zu kennen waͤhnt, waͤhrend er ihn, weder in ſeiner wahren Geſtalt, noch in ſeinem wirklichen Thun und Treiben, gar nicht kennt. Die eigentlichen Forſcher hatten daher zu allen Zeiten viel mit dieſem Vogel zu ſchaffen, und nur erſt den neuern gelang es, dieſen Stall des Augias in der Ornithologie doch in fo weit zu ſaͤubern, daß es den nachfolgenden wenigſtens ſehr leicht ge— macht ſein wird, auch die noch hie und da in den Winkeln ſteckenden kleinen Ueberbleibſel vollends wegſchaffen zu koͤnnen. In der Koͤrpergroͤße iſt unſer Kuckuk mit der Schwarzdroſ— ſel zu vergleichen, auch mit der Turteltaubez aber ſeine gro— ßen Fluͤgel und Schwanz geben ihm ein groͤßeres Ausſehen, ſo daß er fliegend einem kleinen Falken aͤhnlich wird. Er iſt von einer ſchlanken Geſtalt, Flügel und Schwanz find bei ihm ſehr ausgebil⸗ det, die Fuͤße dur klein und kurz. In der Größe findet man eis nen bedeutenden Unterſchied, welcher wahrſcheinlich von einer beſſern oder ſchlechtern Pflege in fruͤheſter Jugend herruͤhrt; auch mag ein fruͤheres oder ſpaͤteres Ausbruͤten darauf Einfluß haben. Sein Ge— wicht beträgt ſelten unter 68, und eben fo über 9 Loth. Das Weib⸗ chen iſt gewoͤhnlich etwas leichter, auch in den Dimenſionen kleiner, als das Maͤnnchen, und es iſt eine Seltenheit, eins der erſtern ſo groß zu finden, als das Maximum von Gewicht und Maaß hier angegeben iſt. — Die Länge, von der Stirn (wie hier immer gemeſſen) bis zur 198 v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. Schwanzſpitze, iſt bei ausgewachſenen Individuen nicht unter 122 Zoll, und felten bis 15 Zoll, wovon auf den Schwanz 74 bis 72 Zoll abgehen, welcher an ſich keilfoͤrmig zugerundet iſt, und deſſen breite, gegen das Ende ſchmaͤler werdende und endlich ſchmal zuge: rundete Federn aber nach außen ſtufenweis an Laͤnge abnehmen, ſo daß die aͤußerſte faſt 2 Zoll oder doch 14 Zoll kuͤrzer als eine der Mit⸗ telfedern iſt. Die Länge des Flügels, vom Bug bis zur Spitze, ift _ 10 bis 104 Zoll, aber die ausgebreiteten Fluͤgel meſſen, der kurzen Armknochen wegen, nur 25 bis 26 Zoll, ob ſie gleich in Ruhe liegend 2 Drittheile bis 3 Viertheile der Schwanzlaͤnge bedecken. Der Schnabel iſt von der Stirn bis zur Spitze auf dem Bo— gen 9 bis 11 Linien, des weitgefpaltenen Rachens wegen aber vom Mundwinkel aus 14 Zoll lang, dicht an der Stirn faſt 5 Linien hoch, und hier 4 volle Linien breit. Er iſt dem obern Ruͤcken nach ſanft abwaͤrts gebogen, rundlich, aber doch von den Seiten merklich zu— ſammengedruͤckt, die obere Spitze etwas uͤberſtehend, am Kopfe ſehr breit, daher ein großer, weiter Rachen. Der Oberſchnabel iſt inwen— i dig faſt gar nicht ausgehoͤhlt und platt. Das Naſenloch liegt nahe an der Stirn, an der Seite des Schnabels, iſt rund, offen, mit ei— nem aufgetriebenen haͤutigen Raͤndchen umgeben, und inwendig iſt ein kleines warzenaͤhnliches Zäpfchen ſichtbar. Der Schnabel hat in jedem Alter eine hornartig braunſchwarze Spitze, welche Farbe ſich bei alten Voͤgeln gleichfoͤrmig bis an die Naſenloͤcher erſtreckt; hier wird er, wie an der Wurzel der Unterkinnlade, gelblich, die Mund— winkel pomeranzengelb; Rachen und Zunge orangeroth; das kahle Augenliedraͤndchen pomeranzengelb, bei juͤngern heller, bei ganz jun⸗ gen Voͤgeln bleichroth, und bei dieſen hat auch der Schnabel mehr Gelb. Bei ſolchen iſt der Stern der großen Augen grau, dann wird er von der Pupille aus braun, dann hellbraun, hellgelb, hochgelb, und endlich bei ganz alten feuerfarben. Die kurzen, kleinen, ſchwaͤchlichen Fuͤße ſind bis tief unter das Ferſengelenk oder faſt zur Halfte befiedert, und die Schenkelfedern bilden bedeutende Hoſen; die Läufe, fo weit fie kahl, find mit ein⸗ zelnen großen Schildtafeln belegt, wenig kleinere bedecken auch die Ruͤ⸗ cken der ſchwaͤchlichen Zehen, und die Krallen ſind nicht groß, ſchlank, flach gebogen, ſpitzig, unten mit zwei großen ſcharfen Schneiden ver⸗ ſehen; die groͤßte iſt die der aͤußerſten Vorderzeh, welche auch zugleich am wenigſten gebogen iſt, dagegen hat aber die kleinſte an der innern Hinterzeh die ſtaͤrkſte Krümmung. — Die Farbe der Füße iſt im Leben ſtets ein ſchoͤnes helles Gelb oder Schwefelgelb, das an den V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 199 gleichfarbigen Krallen nur ſelten einen ſchmutzigen, hornfarbigen An— ſtrich hat, welchen man am ausgeſtopften Vogel eher, als am friſchen bemerkt, bei welchem gemeiniglich alles einfarbig ſchoͤn hellgelb iſt. Die Fußwurzel iſt 7 bis 9 Linien hoch; die aͤußere Vorderzeh, mit der 5 Linien langen Kralle, 14 Zoll, die innere mit der 3 Linien langen Kralle 9 Linien lang, die aͤußere Hinterzeh, mit der 3 Li- nien langen Kralle, 11 Linien, und die innere, mit der 24 Linien lan⸗ gen Kralle, 7 Linien lang. Auch habe ich die Maaße ſo gefunden: Lauf 11, äußere Vorderzeh 13, innere 8, aͤußere Hinterzeh 11, und die innere nur 6 Linien lang. — Im Tode werden die Fuͤße oft orangegelb. Das kleine Gefieder iſt derb, knapp anliegend, von oben faſt wie bei Tauben, die Federn abgerundet, die am Buͤrzel aber ſchmal, die obern Schwanzdeckfedern noch weit ſchmaͤler und ſehr lang, aber die untern nicht ſo lang, und auch viel breiter. Die kurzen Federn in den Seiten ſind nicht im Stande den Fluͤgel zu tragen, und die Hoſenfedern verdecken meiſtens einen bedeutenden Theil der Fuͤße. Die Schwingfedern erſter Ordnung haben ſehr ſteife, eiwas gebogene Schaͤfte, daher dieſe Federn ſich etwas ſaͤbelfoͤrmig biegen; ſie ſind ſchmal zugerundet, die kuͤrzern ſchief abgeſchnitten, die der zweiten Ordnung ſehr kurz, aber breit, am Ende faſt gerade oder ausgebog— net, die letzten zugerundet; die breiten Schwanzfedern haben ſehr locker zuſammengefuͤgte Baͤrte. Das alte Maͤnnchen hat brennend feuerfarbige Augenſter- ne, und die Farben an und im Schnabel, an den Augenliedern und Fuͤßen ſind von einer ausgezeichneten Schoͤnheit; Kopf, Hals, bis auf die Oberbruſt herab, Fluͤgeldeckfedern, der ganze Ruͤcken und die obern Schwanzdeckfedern find hell aſchblau oder blaͤulichaſchgrau, an den letztern Theilen am dunkelſten, und auf dem Buͤrzel faſt mohn— blau, an der Kehle und der Gurgel aber am lichteſten; Bruſt, Wei— chen, Schenkel und Bauch weiß, mit ſchmalen grauſchwarzen oder braunſchwaͤrzlichen Wellenſtreifen durchzogen; After und untere Schwanzdeckfedern weiß, mit ſchoͤn roſtgelbem Anflug, und mit einzelnen abgekuͤrzten braunſchwarzen Querſtreifchen. Die gro— ßen Schwingen ſind ſchwaͤrzlichaſchgrau, mit ſchwachem, ſeidenar— tigen, gruͤnlichen Glanz, und auf der innern Fahne mit ſieben bis zehn, auch wol elf weißen Querflecken, die wurzelwaͤrts bis an den Schaft gehen, wo ſie auch allezeit ſchmaͤler ſind, bis auf den Rand reichen, und ſich mehr ausbreiten; die der zweiten Ordnung dunkelaſchgrau, auf der Innenfahne mit zwei weißen Flecken, und einem dergleichen 200 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. ſehr breiten an der Wurzel. Die Schwanzfedern find matt ſchwarz, wie Kohle, und auch fo glänzend, alle mit weißen Spitzchen, mit ſieben bis zehn ſchief gegen über, dicht am ſchwarzen Schafte ftehen- den, kleinen, weißen Fleckchen, welche an den Wurzeln und auch an der aͤußerſten Feder faſt ganz zu kurzen ſchiefen Querflecken und abge— brochenen Binden werden, wovon aber mehrere von den Deckfedern bedeckt werden, und mit vielen kleinen weißen Zackenfleckchen auf dem Rande der innern Fahne, die wurzelwaͤrts auch groͤßer und laͤnger werden, an beiden Fahnen der Mittelfedern aber ſehr klein ſind. Auf der glaͤnzend grauſchwarzen Unterſeite der Schwanzfedern machen die— ſe weißen Randfleckchen und die abgebrochnen Binden der beiden aͤu— ßerſten Federn, die hier durch den Schaft gehen, den Schwanz ſehr bunt. Die Schwingen find von unten dunkelbraungrau mit den wei- ßen Zackenbinden; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit feinen ſchwarzgrauen Wellenſtreifchen durchzogen. Das Alter macht unter den einmal ausgefaͤrbten alten Voͤgeln in den Farben wenig Unterſchied, und man erkennt ſehr alte Männchen kaum an dem feurigern Augenſtern, blauern Ruͤcken, und dunkler, ſchmaͤler und regelmäßiger gewellten Unterkoͤrper, bez ſonders an der laͤngern und ſtaͤrker gekruͤmmten Schnabelſpitze und anſehnlichern Koͤrpergroͤße uͤberhaupt. Auch hat der Oberkörper nicht ſelten einen ſchwachen Metallſchimmer. Das junge Maͤnnchen, nachuͤberſtandener erſter Maus ſer, bekoͤmmt bei uns meiſtens immer das eben beſchriebene Kleid, und unterſcheidet ſich kaum durch eine truͤbere oder braungelbe Farbe des Augenſterns von den alten. In ſuͤdlichern Laͤndern mag es da⸗ mit, wunderbarer Weiſe, ganz anders ſein, indem ſie dort aus dem Jugendkleide in ein mittleres, ganz anders gefaͤrbtes, was beim Weibchen beſchrieben werden wird, und dann erſt in das aſchblaue, beſtaͤndige, uͤbergehen. Sehr alte Weibchen ſehen, dem Aeußern nach, den al⸗ ten Männchen vollkommen gleich, und find kaum an einer weni— ger feuerigen Farbe der Augenſterne und an dem lichtern, nicht ſo tief auf die Bruſt herabgehenden Aſchgrau zu unterſcheiden; ge— woͤhnlich zeigt ſich jedoch bei den meiſten alten Weibchen am Kropfe ein undeutlicher, ſchwachroͤthlicher, wellenfoͤrmiger Anflug in dem lichtern Grau, oder auch auf dem Oberhalſe einige verwaſchene roͤthliche Zuerbinden, und das Weiß am Unterkoͤrper iſt etwas gelb angeflogen. Seltner find ſolche Weibchen (wahrſcheinlich noch jün= V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 201 gere), bei welchen alles ins Roͤthliche faͤllt, wo ſich auf dem ſchmu— tzigern Grau am Fluͤgel einzelne roſtfarbige Fleckchen zeigen, die Zackenflecke der Schwingen roͤthlich ſind, wo auch am Halſe roſt— farbige und ſchwaͤrzliche Binden ſtehen, bei welchen dann das Grau der Gurgel kaum bis an die Kropfgegend herabreicht, und deren Unterkoͤrper ſonſt ganz auf gelblichweißem Grunde braunſchwaͤrzliche Wellenſtreifen hat. Sie ſtehen zwiſchen dem rothbraunen und wen Kuckuk gewiſſermaßen in der Mitte. Das jaͤhrige Weibchen nahe Kuckuks hat den Naturfor⸗ ſchern bisher ſehr viel zu ſchaffen gemacht, da es meiſtens in der Farbe ſeines Gefieders ſo ungemein von den gewoͤhnlichen Farben, ſowol des jungen, als vielmehr noch des alten Kuckuks abweicht, ſo daß es gar nicht zu verwundern war, wenn man es, bei man— gelhafter Kenntniß dieſes ſchwierigen Punktes, fuͤr ſpecifiſch verſchie— den vom gemeinen Kuckuk hielt. Es iſt der ſogenannte rothbrau— ne Kuckuk (Cueulus rufus s. hepaticus) der Schriftſteller. Daß aber dieſer rothbraune Kuckuk wirklich nichts Anderes, als der jaͤhrige graue oder gemeine Kuckuk (Cuculus canorus) iſt, haben die neue= ſten und ſicherſten Beobachtungen bewährter Forſcher unlaͤugbar dar- gethan; denn: 1) hat man ihn mit dem grauen fliegen und ſich begatten geſehen; man hat in Lebensart und Betragen beider kei— nen Unterſchied gefunden; und diejenigen, welche Verſchiedenheiten in der Koͤrper-Schnabel- und Fußbildung beider ſuchten, wurden ſo oft und gruͤndlich durch entgegengeſetzte Beobachtungen wider— legt, daß ihre Angaben alle Haltbarkeit verlieren mußten. 2) Hat man nun, als man ſich recht ernſtlich bemuͤhete, die Sache aufs Rei— ne zu bringen, Voͤgel dieſer Art genug erlegt, die eben das Ueber— gangskleid vom rothen zum aſchgrauen Kuckuk trugen, ſich naͤmlich fo eben mauferten, und entweder das Jugendkleid mit dem aͤcht ro⸗ then, oder dieſes mit dem aſchblauen vertauſchten. Die obere Fi⸗ gur auf unſerer Tafel 128. wird dieß deutlich zeigen; jenes Ku⸗ ckuksweibchen hat bereits faſt alle Federn gewechſelt, und das graue Gewand angelegt, bis auf 6 Schwingfedern zweiter Ordnung, und mehrere der großen Deckfedern in jedem Flügel, denen man es deut—⸗ lich anſieht, daß ſie alte Federn, alſo vom vorigen Kleide ſind, und deren Farben es genugſam beweiſen, daß dieſer Vogel vor dieſer Mauſer ein ſogenannter aͤchter rothbrauner Kuckuk war. Dieſes in⸗ tereſſante Exemplar, wovon jene moͤglichſt treue Zeichnung entnommen wurde, beſitzt das Muſeum in Berlin, wo ſich auch der Unglaͤu— 202 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. bigſte von der Wahrheit dieſer Sache uͤberzeugen kann, indem auch noch manches andere dort aufgeſtellte Stuͤck hierzu beitragen wird. Es war nothwendig, dieſe kurzen Bemerkungen, die ſich auf die unwiderleglichſten Thatſachen begruͤnden, vorauszuſchicken, ehe zur wirklichen Beſchreibung des rothbraunen Kuckuks geſchritten werden konnte. Der weibliche Kuckuk iſt bei uns, nach zuruͤck⸗ gelegter erſter Mauſer, ſehr oft, doch nicht immer, der aͤchte roth— braune, und aͤhnelt dann von oben einem juͤngern weiblichen Thurmfalken, aber das roͤthliche Roſtbraun iſt von einer noch viel hoͤhern oder lebhaftern Miſchung, als bei dieſen. Hier die Be- ſchreibung eines ſolchen rothen Kuckuks: Der Schnabel an der Spitze iſt ſchwarz, wurzelwaͤrts ſchmutzig olivenfarbig oder horn⸗ gelblich, die Wurzel der Unterkinnlade und die Mundwinkel oran⸗ gegelb; der Rachen orangeroth; das Augenliedraͤndchen hoch— gelb; die Iris ſchoͤn gelb, am Rande in Schwefelgelb, an der Pu— pille in Braun uͤbergehend. Bei manchen iſt die Iris auch ganz gelbbraun, bei andern bereits hellgelb. Die Fuͤße ſind ſchoͤn gelb, manchmal faſt orangegelb (beſonders einige Stunden nach dem Tode des Vogels); die Krallen gewöhnlich ſehr licht gelblichgrau, oder auch ſchmutzig gelb. An den obern Theilen iſt das Gefieder ſehr ſchoͤn hell roſtfarben, mit ſchmalen ſchwarzbraunen Querſtreifen, welche an Breite und Form etwas verſchieden ſind; denn auf den Fluͤgeln, den Schultern und am Oberruͤcken ſind ſie am breiteſten, und am letztern auch am regelmaͤßigſten, auf den langen ſchmalen Buͤrzel⸗ und Oberſchwanzdeckfedern aber ſehr unterbrochen, in kleine herzfoͤrmige Fleckchen ausartend, fo daß an dieſen Theilen die ſchoͤ⸗ ne Roſtfarbe am reinſten iſt, und faſt in Ziegelroth uͤbergeht. Kehle, Wangen und Vorderhals ſind weiß, roſtgelb und roſtroͤthlich ange— flogen, mit ſchwarzbraunen Wellenſtreifen dicht durchzogen; die Bruſt, Seiten und die ſehr großen Schenkelfedern (Hoſen) rein weiß, mit ſchoͤnen ſchmalen braunſchwarzen Querſtreifen gewellt; die in= nere Seite der Schenkel mit roſtfarbenen, ſchwaͤrzlich gebaͤnderten Federn durchmiſcht; Bauch und After weiß; die langen untern Schwanzdeckfedern weiß, mit einzelnen abgebrochnen ſchwarzen Querſtreifen. Die großen Schwingen ſind ſchwaͤrzlichbraun, am Rande der aͤußern Fahne mit regelmaͤßig von einander entfernten roſtfarbenen Querflecken, welche nach der Wurzel zu groͤßer werden, und hier zuletzt in Weiß uͤbergehen; dieſen Querflecken ſtehen nun auf der innern Fahne eben fo viel weiße, roſtroͤthlich gemiſchte Quer— binden entgegen, die aber, wie jene, auch nicht bis an den Schaft V. Or dn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 203 reichen; die hintern Schwungfedern haben ſchwarzbraune und roſt⸗ farbige Querbinden von gleicher Breite. Der Schwanz hat roſt⸗ farbene und ſchwarze, gleichbreite, ſchiefe, am Schafte wechſelnde Binden, wovon nur die letzte ſchwarze an der weißen Spitze breiter als die andern iſt; am Schafte aͤndern die roſtfarbenen Binden ſchnell die Farbe in Weiß, und dieſe weißen Laͤngsflecke dehnen ſich beſonders an der aͤußern Fahne der aͤußerſten Seitenfeder ſo aus, daß ſie die Roſtfarbe nach der Wurzel hin ganz verdraͤngen. Alle dieſe Zeichnungen erſcheinen auf der untern Seite des Schwanzes matter, aber hier ſind die Schaͤfte nicht (wie oben) einfarbig ſchwarz⸗ braun, ſondern abwechſelnd weiß und ſchwarzbraun, fo daß die Bin⸗ den ſich auch durch die Schaͤfte ziehen. Die untere Seite aller Schwingfedern iſt dunkelgrau, weiß und roͤthlich gebaͤndert; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit feinen ſchwaͤrzlichen Wellenlinien. Gegen die Mauſer hin erſcheint das Gefieder des rothbraunen Kuckuks ſehr abgebleicht, die Hauptfarbe faſt nur dunkel roſtgelb, ſtatt roſtroth, das Schwarzbraun in mattes Dunkelbraun umgewan⸗ delt, u. ſ. w., weßhalb denn das Herbſtkleid viel heller als das Fruͤhlingskleid ausſieht. — Der Schwanz hat bei mehrern dieſer rothbraunen Kuckuke nicht die aͤcht keilfoͤrmige Geſtalt, weil die mittleren Federn oft von gleicher Laͤnge ſind, das folgende Paar kaum etwas kuͤrzer als dieſe iſt, die andern aber nun ſchnell ſtufen⸗ weis an Laͤnge abnehmen, daß die aͤußerſte um 2 Zoll kürzer als eine der mittelſten iſt. So wie es einerſeits voͤllig erwieſen iſt, daß unter unſerm Himmelsſtriche bei weitem nicht alle Kuckuksweibchen ihr erſtes Jugendkleid mit dieſem rothbraunen verwechſeln, ſondern viele nach der erſten Mauſer gleich als grauer Kuckuk erſcheinen, ein dem des zweijaͤhrigen Weibchens ganz aͤhnliches Kleid, oder doch ein ſolches anlegen, das faſt das Mittel zwiſchen dem rothbraunen und aſch— grauen haͤlt, wie ſchon oben erwaͤhnt wurde, und wovon man jetzt in gar vielen Sammlungen Stuͤcke findet, die dieß alles bezeugen, ſo glaube ich andrerſeits auch behaupten zu koͤnnen, daß auch bei uns nicht alle aͤcht rothbraune Kuckuksweibchen nach der zweiten Mauſer das aſchgraue Kleid anlegen. Ich ſchoß vor einigen Jah⸗ ren am 17ten September ein Kuckuksweibchen im aͤcht rothbraunen d Kleide, was, beilaͤufig geſagt, jederzeit ſehr leicht vom roͤthlichen Jugendkleide zu unterſcheiden iſt, und dieſer Vogel, welcher be⸗ ſtimmt kein Junger von demſelben Jahr iſt, ſtand ſchon in voller Mauſer; allein die vielfach hervorkeimenden neuen Federn waren 204 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. keine aſchgrauen, ſondern rothe, von einer weit hoͤhern Roſtfarbe und mit weit dunklern Baͤndern durchzogen, als ihre Nachbarn, die alten abgenutzten und abgebleichten Federn; die neuen Buͤrzelfedern waren ſogar ſchoͤn roſtroth und hatten bloß an der Spitze ein Elei- nes ſchwarzes, herzfoͤrmiges Fleckchen; alles zeigte, daß der Vogel abermals ein rothbraunes Kleid, viel ſchoͤner noch als das erſte, an- legen wollte, alſo beſtimmt zwei Sommer nach einander ein aͤcht rothbrauner Kuckuk geweſen ſeyn würde. Ich beſitze dieſes in— tereſſante Exemplar noch, und habe auf unfrer Taf. 128. unter Fig. 2. eine treue Abbildung davon gegeben, an welcher man ſelbſt an der dunkleren Farbe die neuen Federn zwiſchen den alten herausfin⸗ den wird. 5 Ich wiederhole es: der Cuculus rufus iſt nicht als Art vom Cuculus canorus verſchieden; er iſt, hier bei uns, entweder ein jaͤhriges oder ein zweijaͤhriges Weibchen des gemeinen Kuckuks. Weil jedoch nicht alle Weibchen nach der erſten Mauſer ein ſolches rothes, ſondern manche ein graues Gewand anlegen, ſo muͤſſen wir dieſen C. rufus fuͤr eine in unſerm Clima eben nicht gewoͤhnliche Abweichung halten, die aber beſtimmtern Geſetzen unterworfen iſt, als daß man ſie eine Spielart (in dem Sinne, wie ich dieß Wort gebrauche) nennen koͤnnte. Das Clima ſcheint dabei eine hoͤchſt wichtige Rolle zu ſpielen, indem man weiß, daß von uns aus weiter nördlich der rothbraune Kuckuk noch viel feltner - als bei uns ift, und daß er im Norden gar nicht vorkoͤmmt, daß er hingegen ſchon im ſuͤdlichen Deutſchland viel häufiger als hier iſt, und daß endlich, nach den beſten und zuverlaͤſſigſten Nach— richten, das ſuͤdoͤſtliche und ſuͤdliche Europa, namentlich Italien, ihn in großer Menge aufzuweiſen hat, ſelbſt in weit groͤßerer An— zahl, als den gewoͤhnlichen grauen. Noch mehr: Dort ſind nicht allein die Weibchen, ſondern auch die jaͤhrigen Maͤnnchen roth— braun, und man vermuthet mit groͤßter Wahrſcheinlichkeit, daß die meiſten dieſer und jene alle es Zeitlebens bleiben, weil die grauen dort ſo ſehr ſelten ſind; es giebt jedoch aſchgraue Kuckuke auch un— ter einem heißen Himmel, z. B. am Cap, im warmen Aſien u. ſ. w. Das haͤufigere Vorkommen dieſes rothbraunen Kleides im Suͤden, ſeine allmaͤhliche Abnahme nach Norden zu, und die mit dieſer Schritt haltende Zunahme des grauen, werden uns vor der Hand wol noch raͤthſelhaft bleiben, ſo lange ein fortgeſetztes Stu— dium uns die wahre Urſache nicht entdecken laͤßt, um etwas Mehre— res, als bloße Vermuthungen aufſtellen zu koͤnnen. Die von Tem— V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 205 mink, Man. I. p. 384 u. f. f., angeführten Muthmaßungen haben wenig oder nichts Wahrſcheinliches, und bringen uns nicht wei— ter; auch bleibt der Umſtand, daß im noͤrdlichen Deutſchland nur allein Weibchen im aͤchten rothen Kleide vorkommen, noch unerklaͤr— licher. Es ſind dieß alles ſo wunderbare Dinge, daß es denen, welche noch keinen Kuckuk ſahen, der eben aus dem aͤchten rothen in das aſchgraue Kleid uͤberging, und von beiden Kleidern die un— zweideutigſten Merkmale trug, gar nicht zu verdenken war, wenn fie fo lange zweifelhaft blieben, und ſich zu der Meinung, zwei bes ſondere Arten anzunehmen, hinneigten, oder wenn ſie auf die Ver— muthung kamen, der in Italien ſo haͤufig vorkommende rothbraune Kuckuk koͤnne von dem rothbraunen des noͤrdlichen Deutſchlands wol als Art verſchieden ſein. Die Beweiſe gegen dieſe Meinung liegen aber jetzt genugſam am Tage, ſie ſind uns von mehrern be— waͤhrten Schriftſtellern vor Augen gefuͤhrt, und man kann in den zahlreichen Voͤgelſammlungen unſeres Vaterlands Stuͤcke genug fin= den, welche jeden uͤberzeugen muͤſſen, das es hier im mittleren Deutſchland mit der Verwandlung der Farben bei unſerm Kuckuk genau ſo iſt, wie ich es oben angegeben habe. — So auffallend uͤbrigens die Umwandlung des rothen (gefleckten) in das aſchgraue (faſt einfarbige) Kleid, wegen der ungemein großen Verſchiedenheit dieſer Farben, auch ſein mag, ſo iſt ſie doch in der Ornithologie, wie bekannt, nicht unerhoͤrt, am wenigſten unter den Kuckuken, in⸗ dem noch manche andere auslaͤndiſche Art dieſer Gattung, die voll- kommen ausgefaͤrbt ein ſchwarzes oder doch dunkles, oft glaͤnzendes, ziemlich einfarbiges Gewand bekoͤmmt, fruͤher, zwiſchen dieſen und dem Jugendkleide, ein mittleres, buntes, von jenem eben fo abwei= chendes Kleid trug, an welchem nicht allein die Art und Weiſe der Zeichnung, ſondern ſelbſt die Farbe mit denen unſeres Kuckuks ſolche Aehnlichkeit hat, daß ſich daran die Verwandſchaft jener mit dieſem ſogleich deutlich ausſpricht. Die aͤltern Ornithologen haben viel ſolcher jungen Voͤgel als beſondere Arten beſchrieben und von den alten getrennt. So gehört z. B. nach neuern Beobachtungen Cu- culus maculatus als junger, C. mindanensis als jaͤhriger, und C. orientalis als alter Vogel zu Einer Art, die im Mittleren Kleide unſerm Cuc. rufus ſehr ähnlich ſieht, ausgefaͤrbt aber ein ganz ſchwarzes, gruͤn und blau ſchillerndes Gewand traͤgt; und ſolcher Beiſpiele laſſen ſich unter den auslaͤndiſchen Kuckuken noch mehrere auffinden. ( Am nicht zu weitſchweifig zu werden, und in der Vorausſe⸗ 206 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. tzung, daß man mir aufs Wort glauben wird, uͤbergehe ich die naͤhere Beſchreibung mehrerer in der Mauſer ſtehenden Individuen unſres Kuckuks, die mir als Beleg fuͤr das oben Geſagte vorgekommen ſind, habe aber vorzüglich ſolche Exemplare für meine Abbildungen ge: waͤhlt, welche die Uebergaͤnge recht anſchaulich machen. Noch muß jedoch bemerkt werden, daß bei uns alle rothbraune Kuckuke aſch— grau werden, daß dagegen aber, und wahrſcheinlich auch in ſuͤdli— chern Laͤndern, ein einmal grau gewordner Kuckuk nie wieder ein rother wird. ö Der junge Kuckuk, vor der erſten Mauſer, ſieht dem alten bald mehr, bald weniger unaͤhnlich, und iſt ſehr verſchie— den gefaͤrbt, ohne daß das Geſchlecht darauf Einfluß hat; denn Maͤnnchen und Weibchen find meiſtens nur durch die Section zu unterſcheiden, weil die wol etwas verſchiedene Größe doch zu kei: ner ſichern Beſtimmung fuͤhrt, indem ſie oftmals von beſſerer oder ſchlechterer Pflege ſeiner Erzieher abhaͤngt. Der Augenſtern iſt, noch im Neſte, bleigrau, nachher, wenn der Vogel ausgeflogen, wird das Grau lichter, aber zugleich braͤunlicher, dann hellbraun, und ſo ſieht er bis zum Wegzuge aus; das Augenliedraͤndchen iſt zuerſt bleichroth, wird dann ſchmutziggelb, endlich pomeranzengelb; der noch kurze, wenig ausgebildete Schnabel hat anfaͤnglich oben auch etwas Roͤthliches, wird aber bald gelber, an der Spitze ſchwaͤrzer, und dem der Alten aͤhnlich; auch der Rachen und die Fuͤße ſind wie bei den Alten. — Hoͤchſt merkwuͤrdig iſt beim jungen Kuckuk die Verſchiedenheit in der Farbe und Zeichnung des Gefieders; denn die Hauptfarbe ändert von einem ſchmutzigen Braunroth oder duͤ— ſtern Roſtfarbe, mit ſchwarzen Querbinden durchzogen, bis zu einem tiefen Grau mit wenigem Roth, ja bis ins Schieferſchwarz ohne alle Roſtfarbe, auf die mannichfaltigſte Weiſe ab, ohne daß man im Stande waͤre, auch nur eine wahrſcheinliche Vermuthung hieruͤber angeben zu koͤnnen. Es giebt ſogar gewiſſe Jahrgaͤnge, in welchen von dem naͤmlichen alten Kuckukspaar mehr rothgefleckte, und andere, in welchen mehr ſchiefergraue Jungen fallen. Ich weiß ſehr bes ſtimmt, daß ich mehrere Jahre nach einander unter den in meiner Ge⸗ gend ausgebruͤteten Jungen mich vergeblich nach einem rothgefleckten umſah; ein anderes Mal war es wieder umgekehrt, und die ſchiefer⸗ grauen ſelten; Proben von Roſtfarbe haben jedoch die meiſten auf: zuweiſen. ö Was, außer der Farbe der Augen, des Schnabels und der Füße, alle jungen Kuckuke mit einander gemein haben, be— V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 207 ſchraͤnkt ſich auf Folgendes: Der Unterkoͤrper iſt vom Kropfe an weiß, gelb angeflogen, und mit ſchwaͤrzlichen oder braunſchwarzen, ſchmaͤlern oder breitern, ungeregelten Wellenſtreifen durchzogen; im Genick ſtehen mehrere ganz weiße Federn, einzelne auch oͤfters noch auf dem Scheitel oder ſonſt am Kopfe; alle Federn der obern Theile haben weiße Endkaͤntchen. Wenn der junge Kuckuk Federn bekoͤmmt, ſieht er ganz ſchieferſchwarz und, der weißen Federraͤnder wegen, weißlich ge— ſchuppt aus, ſobald ſich aber die Federn mehr entfalten, zeigen ſich an vielen Theilen der Befiederung roſtfarbige Fleckchen, und ſolche Jungen, an welchen nie etwas Rothes zum Vorſchein koͤmmt, ſind ungemein ſelten, ſo, daß ich unter den in hieſiger Gegend ausge— bruͤteten, ſo lange ich denken kann, ſo wenige gefunden, daß es mir ſpaͤterhin viel Muͤhe machte, ein Exemplar zum Abbilden zu er⸗ halten. — Das Schwarz wird bald zum Schiefergrau, und erſt ſpaͤter, wenn der Vogel ſchon lange geflogen, noch lichter, ins Braͤunliche ziehend. Nur auf den innern Fahnen der Schwing— und Schwanzfedern ſind die Zackenbinden und Flecke roſtroͤthlich, wovon man aber am zuſammengefalteten Fluͤgel und Schwanz nichts bemerkt. Es iſt aber ſehr oft der Fall, daß ein junger Kuckuk, der ein rein ſchieferfarbiger zu ſein ſcheint, naͤher unterſucht, wenigſtens an den aͤußern Fahnen der Schwingen und großen Fluͤgeldeckfedern roſtfarbige Puͤnktchen und Fleckchen hat, die man in einiger Entfer⸗ nung leicht uͤberſehen kann. So gezeichnet findet man ſchon meh: rere. — Am gemeinſten ſind, ein Jahr in das andere gerechnet, die rothbraun gefleckten jungen Kuckuke, wovon, neben den viel ſelt⸗ nern ſchiefergrauen, ein Männchen auf unfrer Taf. 129 abgebildet iſt. Die Grundfarbe an den obern Theilen iſt ein duͤſteres braͤun⸗ liches Schwarzgrau, am Kopfe am dunkelſten, was aber ſpaͤterhin viel fahler wird, außer den grauweißen Endſaͤumen zeigen ſich dann auf dieſem Grunde am Kopfe und Hinterhalſe abgebrochene roſtfar⸗ bige Binden, auf den Ruͤcken⸗ und Fluͤgelfedern dergleichen Seiten⸗ flecke, die ſelten an den Schaft reichen; die faſt ſchiefergrauen ſchmalen Buͤrzelfedern haben außer den weißen Spitzchen meiſtens nur ein kleines roſtfarbiges Mondfleckchen, Kehle und Wangen ſind ſchwaͤrzlich und weiß gefleckt; die Gurgel bis zur Oberbruſt braun⸗ ſchwarz und weiß gebaͤndert, mit roſtgelber und roͤthlicher Miſchung; die graulich ſchwarzbraunen Schwingfedern haben an den Außenfah⸗ nen, doch nicht ganz bis zur weißlich geraͤnderten Spitze, eckige roſtfarbige Flecke, denen auf den Innenfahnen gleichgefaͤrbte, am 208 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. Rande und an der Wurzel in Weiß uͤbergehende, kurze Querbinden gegenuͤberſtehen, die jedoch den Schaft nicht erreichen; der Schwanz hat eine weiße Spitze, ſieben bis acht geſchweifte ſchwarze Querbaͤnder, von welchen das letzte am breiteſten iſt, und eben ſo viel ſchoͤn roſtfarbige, welche letztern am Schafte jedesmal in ein rein weißes Fleckchen verfließen. Von unten iſt der Schwanz grau- ſchwarz und roͤthlich gebaͤndert, mit mehr Weiß als von oben; die großen Fluͤgelfedern unten braungrau, mit weißen, an den Seiten roͤthlichen Querbinden; die untern Fluͤgeldeckfedern gelblich weiß, mit dunkelbraunen Wellenſtreifen; die langen untern Schwanzdeck— federn roſtgelblich, mit einzelnen dunkelbraunen Querſtrichen. — Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen habe ich in Zeichnung und Faͤr— bung des Gefieders keinen ſtandhaften Unterſchied gefunden; es giebt Maͤnnchen mit ſehr ſtarken rothen Flecken, und auch ſolche, wo ſie klein ſind und viel weniger hervorſtechen, ſo auch Weibchen. Wenn aber dieſes Gefieder laͤnger getragen iſt, ſo wird der Grund viel grauer, die Flecke werden bleicher, und die weißen Federraͤnder ha— ben ſich faſt ganz abgeſtoßen. Ich habe einen ſolchen zugleich ſehr großen, weiblichen Vogel geſehen, welcher annoch unvermauſert, im Mai des folgenden Jahres, alſo wenigſtens 10 Monate alt, geſchoſſen wurde, und deſſen abgebleichtes Gewand ein ganz beſon— deres Ausſehen hatte. Unter den jungen Kuckuken giebt es denn endlich auch ächt rothbraune, aber fie find hier im nördlichen Deutſchland ſelten, und hier auch, ſoviel ich in Erfahrung bringen konnte, faſt immer weiblichen Geſchlechts. Von den eben beſchriebenen, gewoͤhnlichen, rothgefleckten Jungen unterſcheidet ſich der aͤcht rothbraune dadurch, daß bei ihm die Grundfarbe der obern Theile nicht, wie dort, ſchwarz— grau, ſondern braunroth iſt, auf welcher ſchwarze Querbaͤnder ſte— hen, ſtatt daß bei jenen die Federn nur roſtfarbige, bindenartige Rand— flecke haben. Von dem jaͤhrigen rothbraunen unterſcheiden ſich dieſe Jungen an der dunklern und ſchmutzigern, groͤber oder weitſchich— tiger gebaͤnderten Hauptfarbe, an dem dunkleren, im Genick weiß gefleckten Kopf, und an den weißen Endkaͤntchen des roſtfarbenen Gefieders, die auch gegen die Mauſer hin ſich nicht ganz abreiben. An ſolchen haben Kehle und Gurgel ſchwarze und weiße Wellen— ſtreifen, die an letzterer mit Roſtfarbe gemiſcht ſind, der Kopf iſt ſchwarz, grau und roſtbraun gefleckt; im Genick ein weißer Fleck; der Hinterhals und ganze Oberkoͤrper hat duͤſter roſtfarbige oder roſtbraune mit gleichbreiten ſchwarzen abwechſelnde Querſtreifen, V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 209 am Buͤrzel ſchimmert etwas Grau hervor; die hell roſtfarbigen Schwanzfedern haben ſchwarze Querbaͤnder, in dem Rothen am Schafte weiße Fleckchen, und weiße Spitzen; die graulich ſchwarz⸗ braunen Schwingen ſchmale, in der Mitte gebrochne, roſtfarbige Querbaͤnder, welche auf der innern Fahne weiß werden; der Un— terkoͤrper auf Relblichweißem Grunde ſchmale e Wellen⸗ ſtreifen. Der ausgezeichnete weiße Nackenſleck fehlt hoͤchſt ſelten einem jungen Kuckuk, viel oͤfterer ſtehen außerdem auch einzelne weiße Fe: dern auf dem Scheitel und ſelbſt an der Stirn. Unſer Kuckuk mauſert in ſeiner Abweſenheit in waͤrmern Laͤn— dern, jaͤhrlich nur ein Mal, ſehr langſam, und zu verſchiedenen Zeiten, woran wol das ungleichzeitige Ausbruͤten Schuld ſein mag. Die Jungen ziehen im Jugendkleide weg; waren aber zufaͤllig Federn deſſelben verloren gegangen, ſo findet man an deren Statt, im Sep— tember oder noch ſpaͤter, wenn ſie uns eben verlaſſen wollen, oft ſchon neue, vom kuͤnftigen Kleide, woran man dieſes erken— nen kann. Auch bei alten Voͤgeln iſt dies oft der Fall, und einen jährigen fand ich im September ſchon in voller Mauſer. Die wahre Mauſerzeit moͤgen aber wol die Wintermonate ſein. Aber auch bei ihrer Zuruͤckkunft im Fruͤhiahr find nicht alle mit der Mauſer fertig; man erhaͤlt dann nicht ſelten welche, die einzelne alte Federn vom vorigen Kleide noch nicht mit neuen vertauſcht haben; dieſe ge— ben uns ebenfalls belehrende Aufſchluͤſſe uͤber die Uebergaͤnge in die verſchiedengefaͤrbten Kleider der Alten und Jungen. Selbſt im Mai noch hat man ſolche nicht rein vermauſerte bei uns gefchoffen, und ich habe ſogar ein ſehr großes junges Weibchen des vorigen Jahres geſehen, das in der Mitte Mai geſchoſſen war, aber noch keine Feder des Jugendkleides verloren und mit andern verwechſelt hatte. Mien Die t. Der gemeine Kuckuk hat eine weite Verbreitung; er bewohnt Europa und Aſien bis zum arctiſchen Kreis hinauf, und viele Theile von Afrika; man hat ihn in Syrien und in Kamt— ſchatka, in Aegypten und der Berberei, in Italien und in den Finnmarken, in England und Rußland, und in allen dazwiſchen gelegenen Ländern angetroffen. Auf IJsland iſt er jedoch nicht, und in dem felſigen Norwegen erſtreckt ſich ſein Aufenthalt auch nur bis in die Breite von Drontheim. In Deutſchland und den angraͤnzenden Laͤndern fehlt er keiner Ge⸗ Sr Theil. 14 210 V.Drbn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. gend, und wenn er eine auch im Sommer nicht bewohnt, ſo be— ruͤhrt er ſie doch auf ſeinen Wanderungen und Streifzuͤgen; in vie⸗ len iſt er ſo bekannt, daß ihn, wie z. B. in unſerm Anhalt, we— nigſtens dem Namen nach, faſt jedes Kind kennt. Er gehoͤrt aber zu den Arten, welche nicht zahlreich an Individuen ſind, und nir⸗ gends in Menge beiſammen geſehen werden. In Europa iſt er ein Zug vogel, und gehört zu denen, wel: che ſpaͤt zu uns kommen und uns bald wieder verlaſſen. Auf ſeinen Zuͤgen wird er haͤufig in Italien bemerkt, und die Inſel Malta beruͤhrt er zwei Mal im Jahr; er geht alſo uͤber das mittellaͤndiſche Meer und uͤberwintert in den heißen Laͤndern jenſeits deſſelben. — Fruͤheſtens Mitte April, wenn die Laubwaͤlder, namentlich die Er— lenbaͤume zu gruͤnen anfangen, ) laͤßt er ſich in den hieſigen Ge— genden zuerſt hören, ich habe ihn jedoch noch nicht vor dem 18ten dieſes Monats bemerkt. In Schweden erſcheint er eben, wenn die Ebreſchbaͤume gruͤnen, das iſt dort aber erſt Mitte Mai. Mit Ende Juli ruͤſtet er ſich bei uns ſchon wieder zum Fortzuge, lebt dann ſtill und weit verborgner äls vorher, bis er uns im Auguſt verlaͤßt, obwol junge Voͤgel, vielleicht weit noͤrdlicher ausgebruͤtete, noch ſpaͤt im September, ja einzeln bis Anfang Oktober bei uns ge— ſehen werden. Beſonders warme Witterung kann hier den Abzug um eine Woche verzögern oder dort die Ankunft beſchleunigen. Er zieht des Nachts, einzeln, oder hoͤchſtens zu zwei bis drei Stuͤ⸗ cken beiſammen, dieß im Herbſt auch eher als im Fruͤhjahr, wo das Maͤnnchen ſtets einige Tage fruͤher in ſeinem Sommerſtandrevier ankoͤmmt, als das Weibchen. Jenes meldet ſeine Ankunft ſtets durch ſeinen allbekannten Ruf an, und bezieht jederzeit ſein altes Revier wieder, was ich an einem, das einen ſehr abweichenden Ruf hatte, und hier das einzige war, das jährlich mein eigenes Waͤldchen bewohnte, viele Sommer nach einander beobachten konnte. Sein liebſter Aufenthalt ſind Waldungen, und zwar Wald ohne Unterſchied, er mag aus Nadel- oder Laubholz beſtehen, auf feuchtem oder trocknem Boden wachſen, in ſandigen, wie in fetten, naſſen und waſſerreichen Gegenden, in Ebenen, wie im Gebirge. Er bewohnt auch den alten, finſtern Hochwald, doch wie es ſcheint ſol che Waͤlder lieber, welche hin und wieder Bloͤßen oder Wieſen und Aecker umſchließen, zumal wenn die Gegend bergig iſt. Aber auch in den Auenwaͤldern iſt er überall haufig anzutreffen. — Zwar * Daher unſer Landmann ſpricht: der Kuckuk kaͤme nicht eher, bis er ſich ſatt Erlenlaub freſſen konnte. V.Srdn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 211 nicht ganz ſo haͤuſig wie dort, jedoch uͤberall, wohnt er ebenfalls auch in weniger zuſammenhaͤngenden Waldungen, in Feldhoͤlzern und andern zerſtreuet liegenden Gehoͤlzen, Baumpflanzungen und, Gebuͤſchen, ſelbſt in den Bruͤchern, wo wenig Buſchwerk und Baͤu— me wachſen, bei Teichen und an Flußufern, in den Baumgaͤrten und buſchreichen Umgebungen der Doͤrfer und Staͤdte; hat dann aber hier ſtets ein ausgedehnteres Standrevier, als in großen Waͤl— dern. Auch die ſo holzarmen Marſchlaͤnder bewohnt unſer Kuckuk; ich habe ſogar ein Paar auf der Inſel Sylt, an der Juͤtlaͤndiſchen Kuͤſte, angetroffen, das, wie ich hoͤrte, alle Jahr dort ſei, und zwar auf dem noͤrdlichen ſchmalen Ende der Inſel, einer ganz kahlen, duͤr— ren Gegend, wo es keinen einzigen ordentlichen Baum, und auch nur bei den Haͤuſern aͤußerſt wenig verkruͤppeltes Geſtraͤuch giebt, den einzigen Entenfang der Inſel ausgenommen, um welchen etwas mehr, aber auch nur niedriges kruͤppelhaftes Buſchwerk waͤchſt, und welcher eine Meile von Lyſt, wo ich den Kuckuk hoͤrte und ſah, entfernt iſt. Jedes Kuckukspaͤaͤrchen hat fein eignes Standrevier mit bes ſtimmten Grenzen, die es, ungeſtraft vom zunaͤchſt wohnenden, nicht uͤberſchreiten darf, die es aber auch eben ſo hartnaͤckig gegen etwaige Einfaͤlle des nachbarlichen vertheidigt, weshalb es denn beſtaͤndig Streit giebt. Dasjenige, was den Stand zuerſt beſetzt hatte, behauptet ihn auch gewoͤhnlich im folgenden Jahr, und koͤmmt ihm ja ein anderes zuvor, ſo laͤßt es ſich doch nicht ganz aus der Ge— gend verdraͤngen, ſondern bleibt deſſen Nachbar. So koͤnnen ſie zuweilen aus einem Revier zwei bilden, wie ich ebenfalls an jenem Maͤnnchen, das den ſonderbaren Ruf hatte, beobachtet habe. Dies war naͤmlich ſchon ſeit mehreren Jahren im Beſitz eines Reviers, wovon mein eignes Waͤldchen den Mittelpunkt bildete, das ſich ſo⸗ wol uͤber die Umgebungen des hieſigen Orts, wie noch zwei bis drei andrer nahgelegenen Dörfer, ausdehnte, als ihm einſtmals ein an- deres, gewoͤhnlich rufendes Maͤnnchen zuvor kam, ſich mehrere Tage fruͤher hoͤren ließ und in dieſem Stande feſtſetzte. Schon glaubte ich, mein alter Bekannter ſei verungluͤckt und werde nie wiederkeh— ren, als er auf einmal ſeinen wohlbekannten Ruf ebenfalls hoͤren ließ. Nun gab es furchtbare Balgereien, worin es endlich doch dem Uſurpator gelang, den fruͤhern Beſitzer zu verdraͤngen. Das Revier theilte ſich, mein alter Standkuckuk mußte nun die Umge⸗ bungen des naͤchſten Dorfs und einiger andern beziehen; er be— wohnt dieſen Stand bis heute noch, und muß nun, wenn er ein⸗ 212 v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. mal herumſtreifend die neuen Grenzen uͤberſchritt, ſich gefallen laſ⸗ ſen, von jenem gemißhandelt zu werden. — Auch eingehen kann ein ſolches Revier, wenn man die Alten in der Begattungszeit weg— ſchießt; es wird dann von den zunaͤchſt wohnenden beſtrichen, und es kann viele Jahre dauern, ehe ſich wieder ein Paar dort feſt— fest. *%) — Ein ſolches Revier hat im Walde, wo viel Kuckuke wohnen, kaum eine Viertelſtunde im Gevierte, in baumaͤrmern Ge— genden und unzuſammenhaͤngendem Gebüfch iſt es aber weit größer, und dehnt ſich zuweilen wol uͤber Gehoͤlze und Doͤrfer aus, die eine Stunde weit entfernt liegen, wenn das Paͤaͤrchen auch, um die ent— fernteſten Punkte deſſelben zu durchſtreichen, große Strecken uͤber ganz freies Feld durchfliegen muͤßte. Auf dieſen Streifereien beſu— chen ſie auch Doͤrfer, welche von wenigem Buſchwerk umgeben ſind, und ſo hoͤrt man denn auch manchmal in den ziemlich kahlen Gaͤrten ſolcher Orte einen Kuckuk rufen, deſſen eigentlicher Standort aber weit davon entfernt iſt. Aber des weiten Herumſtreifens wegen, iſt der Kuckuk bei uns auch überall bekannt, zumal in der Begat— tungszeit; denn nach dieſer, wo er ſich nicht mehr hoͤren laͤßt, wird er viel ruhiger und lebt verſteckter, geht dann auch auf die, ſehr weit vom Walde entfernten Felder, jedoch auch lieber auf ſolche, wo einzelne Feldbuͤſche oder Baͤume, Dornhecken oder Baumreihen ihm im Nothfall Schutz gewähren koͤnnen. Auf dem Fruͤhjahrszu⸗ ge ſcheinen dieſe Voͤgel dem Gebuͤſch ſtrenger zu folgen, und man ſieht ſie da wol auf Wieſen und freien Plaͤtzen, aber immer nahe am Walde oder andern anſehnlichern Baumpartieen. Diejenigen, welche man auf ganz freiem Felde antrifft, ſind jedoch meiſtens junge Voͤgel; die ſchlauern alten wagen es nicht leicht, ſich ſo weit vom Gebuͤſch entfernt nieder zu laſſen, ausgenommen in ganz baumarmen Gegenden, wo ſie ſich dann auf Erdſchollen, Steine oder kleine Huͤgel ſetzen muͤſſen, wenn ſie ausruhen wollen. ) Es iſt überhaupt Erfahrungsſache, daß, wenn man an iſolirten Orten, in der Fortpflanzungszeit, alle alten Voͤgel todtſchießt, ſobald keine wieder dahin kom⸗ men, ſelbſt nach Jahren kaum. In den Umgebungen eines Dorfs der hieſigen Ge⸗ gend mißbrauchten einſtmals einige unverſtaͤndige Schulknaben die Erlaubniß, ſchie⸗ ßen zu duͤrfen, fo ſchaͤndlich, daß fie kein Voͤgelchen verſchonten, ſelbſt die Nachtigal⸗ len nicht, und das Morden ſo lange trieben, als ſich noch ein Vogel blicken ließ, wo⸗ bei auch die Reihe das dort wohnende Kuckukspaar traf. Im Mai des naͤchſten Jah⸗ res war das daſige ſchoͤne Gebuͤſch wie veroͤdet, alles wie ausgeſtorben, kaum ein einzelner Fink, eine Bachſtelze oder Grasmuͤcke ließ ſich noch hoͤren, waͤhrend in den Gaͤrten und Gebuͤſchen eines kaum eine Viertelſtunde davon entfernten Orts, wo damals kein Vogel geſtoͤrt, noch geſchoſſen worden war, alles von Nachtigallen und vielartigen andern Singvoͤgeln wimmelte. Mehrere Jahre blieb dieſer Mangel im⸗ mer noch ſehr bemerklich; erſt nach mehr als 10 Jahren ſiedelte ſich dort wieder ein Nachtigallenpaͤaͤrchen an, deren es daſelbſt ſonſt mehrere gab, und bis heute hat das Revier noch kein eignes Kuckukspaͤaͤrchen wieder. 7 a v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 213 Er halt fich meiſtens, wo er es haben kann, in dichten Baum⸗ kronen auf, waͤhlt ſich ſogar die hoͤchſten Baͤume in ſeinem Revier zu Lieblingsſitzen, auf welchen man ihn im Fruͤhjahr taͤglich mehrere Mal antreffen kann, geht aber, ſeiner Nahrung und Fortpflanzung wegen, auch tiefer herab, ſtreicht niedrig uͤber Wieſen und Geſtraͤuch dahin, ſetzt ſich dort auf einzelne Stoͤcke oder auch auf den Erdboden, verweilt aber ungern und nie lange an fo freien Orten. Hat er ei- nen weiten Zug uͤber freies Feld vor, ſo ſchwingt er ſich ſehr hoch durch die Luft; am eigentlichen Standorte fliegt er aber mei— ſtens niedrig, oft dicht uͤber die Erde hin. Seine Nachtruhe hält er auf einem Aſte eines hohen dichtbelaub- ten Baumes, ſehr hoch oben, auch eben ſo auf Nadelbaͤumen; beim Wegzuge uͤbernachtet er bei uns aber auch oft in niedrigen Feldhecken, bei welchen ſich junge Vögel oft mehrere Tage aufhalten, ehe ſie weiter ziehen. Eigen ſchaften. Unſer Kuckuk zeigt ſich als ein unbaͤndiger, ſtuͤrmiſcher, wil⸗ der und ſcheuer Vogel, wol fluͤchtig und gewandt im Fluge, aber deſto toͤlpiſcher auf den Fuͤßen. Selten wagt er, aus freiem Willen, auf der Erde einige hoͤchſt ungeſchickte Spruͤnge; er uͤberfliegt Reber die kuͤrzeſten Raͤume, oder ſitzt ganz ſtill, und traͤgt den Koͤrper auf dem Boden, wie auf einem Aſte ſitzend, faſt ganz wagerecht, wie die Tauben. Seinen Sitz nimmt er meiſtens auf einem ſtaͤrkern Aſte, denn auf duͤnnen Zweigen ſitzt er unſicher, und man ſieht oft, wenn er ſich auf einen zu ſchwachen Wipfel, z. B. auf Weiden, niederge— laſſen, wie er ſich mit den Fluͤgeln im Gleichgewicht zu erhalten ſucht. Auf hingeſtellte ſtaͤrkere Stoͤcke, Pfaͤhle, Stangen, Zaͤune, Heu— haufen ſetzt er ſich gern, um ſich allenthalben nach Nahrung und nach ſeinen Verfolgern umſehen zu koͤnnen; doch alles dies viel we— niger in der Begattungszeit, wo er ſich zwar uͤberall zur Gnuͤge hoͤren und ſehen laͤßt, aber ſeinen Sitz meiſtens in den dichteſten Baumkronen, bald hoch, bald tief, nimmt, und ſich gefliſſentlich hinter dem gruͤnen Laube zu verbergen ſucht. Er trauet da keinem Menſchen, und ſetzt ſeine Sicherheit nie ſorglos aufs Spiel. Mit feinen Kletterfüßen hängt er ſich wol oͤfters an einen Baumſchaft, um da ein von Ferne erblicktes Inſekt wegzunehmen, aber ſtets nur in der Quere, nicht (wie die Spechte) der Laͤnge nach, und klet⸗ tert auch niemals daran herum, weder auf- noch ſeitwaͤrts. Er iſt ein ungeſelliger, haͤmiſcher Vogel, der außer ſeinem 214 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. Weibchen keinen andern von ſeines Gleichen in ſeinem Bezirk leidet, es ſei denn, daß dieſer krank waͤre, wo er ihn allenfalls duldet. — Auch auf der Wanderung begriffen, haben die Wenigen, die ſich gerade an demſelben Orte niedergelaſſen, was nie uͤber drei oder vier Stuͤck ſind, keine Gemeinſchaft mit einander, und jeder fliegt, wenn ſie aufgeſcheucht werden, ſeine eigene Straße. Er ſcheint von keinem andern Vogel geliebt, aber von vielen gehaßt zu ſein, der Haß fpricht ſich aber vorzuͤglich nur in der Begattungszeit deutlich aus, wo man ihn nicht oft anders als von mehreren kleinen Voͤgeln ſchreiend verfolgt ſieht. Selbſt ſolche, denen er nichts angeht, z. B. Pyrole, Schwalben u. a. m., verfolgen ihn neckend und ſchreiend. } Seine ſehr großen Flugwerkzeuge geſtatten einen ſchnellen und ſchoͤnen Flug, welcher jedoch dem einer Taube an Schnelligkeit nicht zu vergleichen iſt. Er aͤhnelt dem des Thurmfalken, weniger dem des Sperbers; aber dieſe Aehnlichkeit macht, daß er von Unkun— digen in der Ferne häufig mit dieſen Raubvoͤgeln verwechſelt wird. Er unterſcheidet ſich aber auch da noch von dieſen genug an den duͤn— nen Extremitaͤten, beſonders an dem ſpitzigen Kopfe. Er ſchwingt die Flügel in ſchnellen, meiſtens nicht weit ausholenden Schlägen, ſtreicht ſo in gerader Linie und oft ganz niedrig, aber ſehr ſchnell, über die Erde hin, breitet dabei den Schwanz nur ſelten, und bloß dann aus, wenn er einmal ſehr hoch fliegt, oder eine ſchnelle Wen— dung macht, oder ohne merkliche Fluͤgelbewegung eine kurze Strecke ſchwebt, was aber nicht oft koͤmmt. Er ſieht im Fluge beſonders ſchlank aus, weiß ſich pfeilſchnell durch die Zweige und um die Ecken zu ſchwenken; aber wenn er ſehr hoch durch die Luft uͤber eine große Strecke freies Feld fliegt und der Wind ſtark wehet, ſcheint ihm das Fliegen ſauer zu werden, und es foͤrdert bei weitem nicht ſo, als wenn er ſonſt niedrig uͤber Baͤume und Gebuͤſch dahin ſtreicht. Zu weite Streifzuͤge ſcheinen ihn zu ermuͤden; denn er fliegt ſonſt zwar ungemein viel, aber doch ſelten ſehr weite Strecken in Einem weg, ſondern ruhet haͤufig einige Augenblicke auf einem Baume, in kah⸗ len Gegenden auch wol auf einem Erdhuͤgelchen aus, aber auf Fel— der, wo hohes Getraide ſtand, habe ich ihn ſich nie niederſetzen ſehen. Er fliegt faft immer in Geſellſchaft feines Weibchens, Dies ſes meiſt dicht hinter ihm her, und haͤufig ſetzen ſich auch beide in Eine Baumkrone, doch nicht ſehr nahe beiſammen. Ueber das Alter des Kuckuks glaube ich einige wichtige Erfah: rungen geſammelt zu haben; er mag es hoch bringen. Das V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 215 mehrerwaͤhnte Maͤnnchen, das vor allen Kuckuken in einem weiten Umkreiſe an dem ſonderbaren Ruf kenntlich iſt, hat in dieſem Jahr ſchon zum fuͤnfundzwanzigſten Mal fein Standquartier in der Nähe meines Wohnorts wieder bezogen. Ich bin uͤberzeugt, daß es das erſte Männchen noch iſt. Es wäre wirklich ein kaum denkbar moͤg⸗ licher Zufall, daß gerade wieder fo eins, mit der naͤmlichen, ab— weichenden, ſeltnen Stimme ſein Standrevier eingenommen haben ſollte. Einſtmals folgte ihm zwei Sommer nach einander ein ſchoͤn rothbraunes Weibchen. — Daß der Kuckuk, zumal in der Fort— pflanzungszeit, ein zaͤhes Leben hat, bemerkt man auch an ange: ſchoſſenen, die bei ſchweren Verletzungen ſich oft noch lange hin quaͤ— len. Er hat alt zwar feſte Knochen, zaͤhe Sehnen und derbes Fleiſch, dabei aber ein ungemein zartes, duͤnnes Fell, und deshalb ſitzt das kleine Gefieder auch ſo wenig feſt, daß es ungemein leicht ausfaͤllt. Fuͤr den Ausſtopfer iſt er daher eine ſchwierige Aufgabe. Der Fruͤhjahrsruf des maͤnnlichen gemeinen Kuckuks vertritt die Stelle des Geſangs, und iſt jedermann bekannt. Er hat dem Vogel den Namen gegeben, der ganz deutlich in zwei Floͤtentoͤnen die Sylben: Kuckuk, wovon die erſte eine große Terzie hoͤher, auch länger, als die letzte iſt, ausruft. Auf der gewoͤhnlichen Floͤ⸗ te, womit man ihn taͤuſchend nachahmen kann, ſind es die Toͤne Fis und D, in der mittlern Octave, und ſie toͤnen ſo laut, daß man bei ſtillem Wetter den Kuckuk wol eine halbe Stunde weit ru— fen hoͤrt. Faſt alle rufen in dieſem Ton, wenigſtens iſt der Unter— ſchied nicht auffallend, doch giebt es auch welche, die einen halben bis einen ganzen Ton hoͤher ſtimmen, aber ein ſolcher, bei welchem der obere Ton G und der andere dennoch D iſt, wird viel ſeltner gehört; er wird dadurch ſehr auffallend und kenntlich. Das Männ- chen, das ſchon ſeit vielen Jahren in der Naͤhe meines Wohnorts wohnt, hat einen ſolchen auffallend hohen Ruf, daß es aus G noch in Gis uͤberſchlaͤgt, alſo Kuickuk ruft, wodurch es ſich vor allen kenntlich macht und mir dadurch Gelegenheit zu mancher intereſſan⸗ ten Beobachtung gab. — Wenn der Kuckuk recht hitzig iſt, ſich begatten will, und das Weibchen verfolgt, fo ruft er öfters auch meh— rere Male hintereinander: Kududud (die beiden erſten Sylben in dem hohen, und die letzte nur in dem tiefern Ton,) aber dies nicht leicht uͤber drei Mal, dann folgt das Kuckuk wieder wie ge— woͤhnlich. Dies letztere wiederholt er gemeiniglich mehrmals, am Tage doch nicht leicht uͤber zwanzig bis dreißig Mal hintereinander, wol aber des Nachts oder in der Morgendaͤmmerung; denn er faͤngt * 216 v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. gleich nach 12 Uhr in der Nacht an zu rufen, und wiederholt ſein Kuckuk dann oft mehrere hundert Mal nach einander, ohne ein Mal zu pauſiren und ohne feinen Sitz zu verändern. Hat er ſei⸗ nen Vers gemacht, ſo iſt er wieder ruhig bis der junge Tag an— bricht, wo er dann nach ähnlich langem Rufen feine Streifzüge be— ginnt. — Sehr oft wird der Kuckuk von zu vielem Schreien heiſer, ſo daß ſein Ruf zuweilen ganz ſonderbar klingt, indem nicht ſelten der eine Ton gar nicht anſprechen will, dann wieder ei— nige Mal laut wird, oder gar uͤberſchlaͤgt, wie wenn er durch die Fiſtel rufte. Auch hoͤrt man ihn ſehr oft dem Schluſſe einer Strophe ein heiferes Hah oder Hachacha anhängen, das er auch ſonſt mehrmals ausſtoͤßt, und was dann dem heiſern Lachen eines alten Mannes ähnelt, und wie Hachachachach oder Kwawa wa klingt. — Beim Rufen ſitzt er bald in einer dichten Baumkrone, bald auf einem duͤrren Wipfel oder einem ſeitwaͤrts hervorſtehenden freien trocknen Aſte, oder er ruft im Fortfliegen, ſelbſt im weiten Fluge, z. B. wenn er hoch durch die Luft mit ſei— nem Weibchen nach einem weit entfernten Dorfe oder Gebuͤſche fliegt; denn ſo weite Wege kann er nicht zuruͤcklegen, ohne ſich einige Mal anhaltend hören zu laſſen, wobei er auch im Fluge ſich öfters ganz be= ſonders gebehrdet. Sitzend kann man ihn dabei meiſtens nur in der Ferne beobachten, wenn man nicht etwa zufaͤllig verborgen unter dem Baume ſteht, worauf er ſich eben niederlaͤßt und zu rufen an⸗ faͤngt; denn anſchleichen laͤßt er ſich dabei aͤußerſt ſelten. Er ruft nie anders, als mit geſenkten Fluͤgelnund etwas gehobenem Schwanz, wenn er aber hitzig ruft, ſo blaͤſt er die Kehle ſtark auf, haͤngt die Fluͤgel, hebt und ſenkt den mehr oder weniger ausgebreiteten Schwanz, drehet ihn auch etwas hin und her, und macht mit dem Leibe ſo viele Verbeugungen, fo viel Mal er Kuckuk ruft. — Bei bevor— ſtehendem Regenwetter ruft er viel, Morgens und Abends, bei Re— gen wenig, im Anfang der Begattungszeit aber faſt den ganzen Tag, am heißen Mittag ausgenommen nicht ſo oft. Sein Rufen verkuͤndigt uns ſeine Ankunft, und er ſetzt es fort bis in den Juli, wird jedoch mit Anfang deſſelben ſchon ſtiller, laͤßt ſich dann nur noch Abends und Morgens, doch nicht mehr ſo anhaltend hoͤren, und verſtummt um die Mitte dieſes Monats, gegen Jakobi, endlich ganz.“) *) Der gemeine Mann hiefigen Landes ſpricht: Wenn der Kuckuk erſt Mandeln (Kornhaufen) im Felde ſtehen ſieht (d. i. bei uns einige Tage vor Jakobi) hoͤrt er auf zu rufen, und wird nun ein Stoͤßer. V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 217 8 Das Weibchen ruft nicht Kuckuk, hat aber auch einen eignen Fruͤhjahrsruf, welcher einem hellen Gelaͤchter oder Gekicher aͤhnelt, wie Kwickwickwickwick u. ſ. w. klingt, welche Sylben äußerft - ſchnell auf einander folgen, ſo daß man ſie meiſtens nicht ſo raſch ausſprechen kann, als ſie beſonders anfaͤnglich ausgeſtoßen werden, aber zuletzt, wenn das Kwick vielleicht zehn bis zwanzig Mal wie— derholt iſt, ſich deutlicher unterſcheiden. Wenn das Maͤnnchen Kuckuckuk kuckuckuk ruft, hört man gemeiniglich dazwiſchen kurz vor- oder gleich nachher auch das Gekicher des Weibchens, und dann iſt gewoͤhnlich der Act der Begattung vollzogen. Auch wenn es das Maͤnnchen verloren hat, ſucht es mit dieſem Ruf ein anderes herbei zu locken. Sonſt laͤßt es auch noch ein heiſeres Stoͤhnen oder Aechzen hoͤren, alles dies aber nur im Fruͤhjahr; nach der Fort⸗ pflanzungszeit habe ich von beiden Geſchlechtern keine Stimme ge— hört. — Der junge Kuckuk ſchreit, wenn er noch klein, ziff, ziſſiſſ, was nachher in zir oder zirk und zirkzirk verwandelt wird, aber ganz verſchwindet, wenn er ſelbſtſtaͤndig geworden iſt; dann ſtoͤßt er nur noch in Todesangſt ein ſchneidendes Geſchirke aus; voͤllig erwachſen habe ich aber von dieſem auch keinen Laut mehr gehoͤrt. | Als Stubenvogel hat der Kuckuk gar keine empfehlende Eis genſchaften. Alt eingefangen iſt er viel zu unbaͤndig, ſelbſt wenn man ihm die Fluͤgel binden wollte, und zu trotzig, um Futter ans zunehmen; er flattert und hungert ſich jederzeit zu Tode. Jung aufgezogen haͤlt er ſich wol einige Jahre, wenn man ihn in einen großen luftigen Behälter ſperrt, aber er bleibt wild und ſtuͤrmiſch, wird nie vertraulich, iſt zaͤnkiſch gegen andere Voͤgel, und beißt nach allem Lebenden, was ihm zu nahe koͤmmt. Er iſt dabei unreinlich, beſchmutzt und verſtoͤßt ſich ſein Gefieder, und ſieht dann auch haͤßlich aus. Viele ſterben auch, bei guter Wartung, ſchon jung dahin. Ich habe es mit einer ziemlichen Anzahl verſucht, hatte es aber ge— woͤhnlich ſchon ſatt, wenn ich fie ſoweit gebracht hatte, daß fie al- lein fraßen; dann ließ ich ſie gewoͤhnlich fliegen. Solche ſah ich dann oft noch mehrere Tage in den hieſigen Gaͤrten und Gebuͤſchen ſich herumtreiben, wo ſie dann aber nicht ſelten, wegen verſtoßener Flügel: und Schwanzfedern, noch verungluͤckten. Nahrung. Dieſe beſteht beinahe einzig in Inſekten und Inſektenlarven, doch freſſen die Jungen auch Beeren, namentlich die vom Faulbaum 218 v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. (Rhamnus frangula. L.), vielleicht auch noch andere Arten. Vom erſtern weiß ich es ganz gewiß; ich habe mehr als ein Mal ſolche junge Kuckuke geſchoſſen, deren Afterfedern von dem Safte der Faulbaumbeeren blau gefaͤrbt waren, wie man das bei Droſſeln und andern Voͤgeln um dieſe Zeit oft findet, und beim Oeffnen war der Magen zuweilen faſt ganz mit dieſen Beeren angefuͤllt. Der Kuckuk frißt zwar auch Käfer, vornehmlich Maikäfer, Brachkaͤfer und andere Melolonthen, verſchiedenartige Laufkaͤfer, Nachtſchmetterlinge, Libellen und andere Inſekten, feine Haupt⸗ nahrung aber ſind Raupen, beſonders behaarte, welche die meiſten Voͤgel nicht moͤgen, z. B. Baͤrenraupen, ſtachelhaarige Buͤſchel— raupen, kurz- weich- oder halbbehaarte, und auch ganz glatte. Die Raupe des gemeinen Baͤrenvogels (Eyprepia Caja, Ochsenh.) und aͤhnliche dieſer Gattung, die, ſo viel ich weiß, kein anderer Vogel frißt, die Raupen von Liparis dispar, Gastropacha neu- stria, G. rubi, u. a. m. von Papilio crataegi, P. brassicae, P. rapae, P. napi, und viel andere Arten, hat man oft in ſeinem Magen gefunden; ja es iſt mir keine inlaͤndiſche Raupenart bekannt, die er nicht fraͤße, wenigſtens fraßen die Kuckuke, welche ich lebend unterhielt, alle, auch die verſchiedenartigſten, mit gleicher Begierde. Auch andere Inſektenlarven verzehrt er, und ich habe ein Mal in einem von Kohlraupen voll gepfropften Kuckuksmagen auch eine gro— ße Menge kleiner gelber Larven, nicht viel groͤßer als Kaͤſemaden, gefunden. Die Raupen, welche er in den Riſſen der Borke und ſonſt an den Baͤumen bemerkt, nimmt er von den Schaͤften derſelben hinweg, indem er hinfliegt, ſich in die Quere anklammert, nach gethanem Fange aber gleich wieder abfliegt, und nie darnach herumklettert. So nimmt er ſie auch von den Zweigen und Blaͤttern hinweg, ohne darnach ſuchend umher zu huͤpfen. Sein gutes Auge laͤßt ſie ihm ſchon von weitem erblicken. Weil er ſo wenig Unterſchied in der Art der Raupen macht, ſo findet er auf jedem Baume ſeine Tafel gedeckt. Man muß ſich wundern, daß man ihn im Mai, Juni und Juli faſt nie auf dem Freien und auch auf Baͤumen ſelten freſ— ſen ſieht, da er doch ſo ſehr viel zu ſeiner Saͤttigung bedarf; aber er findet dann bei ſeinem beſtaͤndigen Herumſtreichen, gleichſam im Vor— beigehen, ſchon eine hinlaͤngliche Menge von jenen. Anfaͤnglich, wenn er eben bei uns angekommen, und Raupen noch nicht ſo haͤufig ſind, ſieht man ihn dagegen viel oͤfterer auf Wieſen und Grasplaͤtzen am Walde und ſonſt auf dem Freien, von einem freien erhabnen V. Ordn. XXIX. Gatt. 162, Gem. Kuckuk. 219 Plaͤtzchen ſich nach Fraß umſehen, und fo wie er ein Inſekt auf der Erde erblickt, ſchnell hinfliegen, es aufnehmen, und dann ſich wieder auf ſeinen Pfahl, Stange, duͤrren Zweig und dergl. ſe⸗ tzen, um von neuem aufzupaſſen; er macht es hier wie die Flie⸗ genfaͤnger, und huͤpft darnach nie auf der Erde herum. Spaͤ⸗ ter, wenn er zu rufen aufgehoͤrt hat, ſieht man ihn auch wie⸗ der oͤfterer auf gemaͤheten Wieſen und nahen Aeckern auf Heu⸗ und Kornhaufen ſitzen, und wie dort ſeine Inſektenjagden betreiben. Der Raupen wegen haͤlt er ſich noch ſpaͤter und beim Wegzuge ſehr gern in Kohlſtuͤcken auf, zumal wo es nahe Feldgebuͤſche dabei giebt, ſitzt dort auf einer Kohlſtaude, und betreibt den Raupenfang auf aͤhnliche Weiſe, wie dort, fluͤchtet aber, wenn er geſtoͤrt wird, jedesmal in das naͤchſte Gebuͤſch. Die man im September fo ans trifft, ſind indeſſen das meiſte Mal junge Voͤgel, welche auch da, wo ſie ungeſtoͤrt einen reichen Fang machen koͤnnen, oft mehrere Tage verweilen und ſich ordentlich maͤſten; denn ſolche ſind immer ſpeckfett. Er hat einen ſehr großen Magen, und verdauet ſehr ſchnell, iſt daher ein ungemein arger Freſſer, und weiß feinen Magen im⸗ mer gehörig anzufuͤllen, in welchem man gewöhnlich, zur Befoͤr— derung der Verdauung, auch einzelne kleine Kieskoͤrnerchen findet. Die harten Köpfe oder Augen, die Haare und auch Theile der Baͤl⸗ ge von den Raupen, ſowie die Fluͤgel und Beine der Kaͤfer, ver— dauet er nicht, ſondern giebt ſie, wie viele andere Voͤgel, in Ballen zuſammengedruͤckt, durch den Schnabel wieder von ſich. Viele von den ſtacheligen, mit feinen Widerhaͤckchen verſehenen Raupen⸗ haaren legen ſich, zumal bei juͤngern Voͤgeln, oft ſo an die innere Flaͤche des Magens an oder bohren ſich in die innere Magenhaut ſelbſt ſo ein, daß fie zum Gebilde derſelben zu gehören ſcheinen, und dieſe voll- kommen wie behaart ausſieht. Da dieſe Haare beſonders, wegen gleichfoͤrmiger Bewegung des Magens beim Verdauungsproceß, die um eine angenommene Achſe zu geſchehen ſcheint, einen regelmaͤßi⸗ gen Strich bekommen, und dadurch die innere Magenhaut dem Pelze eines kleinen Saͤugthieres oder einer naſſen Maus gar nicht unaͤhnlich wird, indem ſie ſelbſt nicht ohne Anwendung einiger Gewalt ſich ausziehen oder doch nicht leicht abwiſchen laſſen, ſo entſtand jene irrige Meinung vom wirklichen Behaartſein des Kuckuksmagens; ja neuerdings behauptete H. Brehm noch, mit einer ſeltnen Beharr⸗ lichkeit, gegen die, welche nicht feines Glaubens fein wollten, ) daß ſo⸗ — \ ) Man fehe Brehm's Beiträge, III. S. 898 bis 904. 220 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. gar nur der Magen des weiblichen Kuckuks ſo eigentlich behaart ſei. Das Wahre und Falſche der Sache wurde aber durch die ſorg— faͤltigſten mikroſkopiſchen Unterſuchungen eines Nitzſch u. A. hin⸗ laͤnglich dargethan; es kann kein Zweifel mehr obwalten, ob es eigene oder fremde Haare ſeien, die man zuweilen (denn nicht im— mer, ja nicht einmal oft, findet man ſolche) im Kuckuksmagen gefun⸗ den, und der ekelhafte Streit wird wol hoffentlich hiermit beendigt ſein. Seine immerwaͤhrende Freßluſt wuͤrde kaum der große Umfang ſeines Magens entſchuldigen, wenn man nicht wuͤßte, daß er haͤu— fig von langhaarigen Raupen lebt, die viel Raum einnehmen, und dabei doch wenig Nahrungsſtoff geben koͤnnen, wozu ihm die Natur wahrſcheinlich eben den großen Magen verlieh. Aber es bekoͤmmt ihm auch, trotz des großen Kraftaufwands bei ſeinem unruhigen Temperament, ſo vortrefflich, daß man ihn ſtets ſehr wohlbeleibt und fett findet, ja die gemaͤchlichern Jungen ſind im Herbſt oft ſo fett, als wenn ſie kuͤnſtlich gemaͤſtet waͤren. Der Magenſaft iſt roth oder roͤthlich, welche Farbe wol ei— gentlich vom Genuß rother Raupen nicht herruͤhren kann, da man ihn auch ſo gefaͤrbt findet, wenn der Magen nicht rothgefaͤrbte, wie z. B. Kohlraupen, enthaͤlt, wie ich mehrmals bemerkt habe. Ob der Kuckuk im freien Zuſtande trinke, und ſich bade, habe ich nicht beobachten koͤnnen; ich habe ihn wenigſtens in der Abſicht ſich niemals ans Waſſer ſetzen ſehen. In der Gefangenſchaft thut er es auch nur hoͤchſt ſelten einmal, und benimmt ſich dann ſehr un= geſchickt dabei. Im gefangenen Zuſtande nimmt, wie ſchon erwaͤhnt, der alte Kuckuk keine Nahrung zu ſich, und ſtirbt ſehr bald. Die gefraͤßigen Jungen laſſen ſich indeſſen leicht auffuͤttern, da ſie unaufhoͤrlich nach Futter ſchreien, und den Rachen dazu weit aufſperren. Anfaͤnglich, wenn ſie noch ganz klein ſind, kann man ihnen Ameiſeneier, Flie— gen, Schmetterlinge und Raupen geben, doch iſt kaum etwas An— deres noͤthig, als letztere, und ſpaͤter verſchlingen ſie davon ganze Haͤndevoll, z. B. Ringelraupen (Gastr. neustria), Stammraupen (Lip. dispar) und u. a. m. Hier ward einmal einer einzig mit letz⸗ tern aufgefüttert, welcher vorzüglich gedieh, und ein ſchoͤner Vogel wurde. Er lernte ſeinen Futterbringer ſo ziemlich kennen, ließ ſich aber ſo lange fuͤttern, bis er ſchon vollkommen fliegen gelernt hatte, und bequemte ſich nun erſt, die Raupen, die man ihm hinwarf, ſelbſt aufzunehmen. Er faßt ſie gewoͤhnlich erſt im Schnabel, giebt ih- — V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 221 nen einen Druck, und verſchlingt ſie nun mit einer ſchleudernden Bewegung des Kopfs nach hinten. Da es, um einen jungen Ku— ckuk länger behalten zu koͤnnen, noͤthig iſt, ihn an ein beſonderes Stuben⸗ futter zu gewoͤhnen, ſo thut man wohl, ihm nebenbei ſchon fruͤh— zeitig etwas davon zu geben, und man kann dazu das der Nachtigal— len oder Droſſeln, oder in Milch geweichte Semmel, mit zerhack— tem Fleiſch vermengt, waͤhlen. Man kann ihm fruͤher wol auch ſchon Fleiſch geben, denn er verſchlingt faſt Alles, was man ihm reicht, aber es bekoͤmmt ihm ſchlecht, und ich habe von Regenwuͤrmern dieſelbe Bemerkung gemacht. Er ſtarb dann immer, ehe er noch flugbar wurde. Wenn man ihn endlich auch aufbringt, ſo wird ſeine ungeheuere Freßgier und ſein unflaͤtiges Weſen doch bald laͤſtig; er frißt, wenn er nicht immer vollauf hat, ſogar ſeinen eignen Koth wieder. Die meiſten freſſen nur ſolche Raupen, welche man ihnen lebend hinwirft; todte moͤgen ſie ungern. F ert p f lan zun g. Der gemeine Kuck uk pflanzt ſich in Deutſchland allenthalben in den beim Aufenthalt angegebenen Gegenden fort. Seine Ge ſchichte iſt voller Wunder, aber auch voller Maͤhrchen und Fabeln. Ob er gleich von jeher, 3 5 mit Recht, die Aufmerkſamkeit der For: ſcher auf ſich zog, und die neuern ſich beſonders viele Muͤhe gaben, dies Chaos von widerſprechenden Angaben zu ordnen, das Wah— re vom Falſchen zu ſcheiden, und die uns hier vorkommenden ſchein⸗ baren Wunder zu beleuchten, ſo iſt es doch noch lange nicht mit Allem gelungen, bei weitem noch nicht Alles im Klaren. Oertlich⸗ keit, Individualitaͤt und andere Umſtaͤnde, die Schwierigkeit, in vie⸗ len Faͤllen nahe genug und immer bei der Hand ſein zu koͤnnen, ſind Dinge, welche oft, beim beſten Willen, den Bemuͤhungen die widerſprechendſten Reſultate gaben. Daß unſer Kuckuk ſelbſt kein Neſt bauet, wol Eier legt, das Ausbruͤten derſelben und die Erziehung der Jungen aber andern weit kleinern Voͤgeln uͤberlaͤßt, iſt ſchon laͤngſt bekannt, und leidet keine Ausnahme. — Er wählt zu Pflegeältern für feine Nach⸗ kommenſchaft ſolche kleine Voͤgel, welche Inſekten freſſen oder doch ihre Jungen damit auffuͤttern, naͤmlich aus den Gattungen der Saͤnger, Schluͤpfer, Steinſchmaͤtzer, Bachſtelzen, Pieper, auch einiger Lerchen; vom Goldammer ſagt man es ebenfalls, wenn aber der Gruͤnhaͤnfling in dieſer Hinſicht genannt wird, fo beruhet das wol auf einem Irrthum, indem die⸗ 222 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. ſer Vogel ſeine Jungen nicht mit Inſekten, ſondern mit erweichten Saͤmereien auffuͤttert. Mancherlei Urſachen moͤgen ihn bewegen, aus jenen Gattungen meiſtens gerade die Arten zu waͤhlen, welche an feinem Aufenthaltsorte am haͤufigſten vorkommen; fo ſind es im Walde beſonders Grasmuͤcken, vorzuͤglich die Garten-Dorn— und Zaungrasmuͤcken, der Zaunſchluͤpfer, die weiße Bachſtelze, der Baumpieper, das Rothkehlchen, die He— ckenbraunelle, auch der Fitislaubvogel, der Buſch— rohrſaͤnger, an den Dörfern meiſtens die weiße und die graue Bachſtelze, nebſt Grasmuͤcken, auf Wieſen und Aeckern die gelbe Bachſtelze, der Brachpieper, die Feldlerche, auch Wieſenſchmaͤtzer, am Waſſer und im Sumpf die Teich⸗ Sumpf⸗Schilf⸗ und Seggenrohrſaͤng er und der Wieſen- pieper, welchen er dies Geſchaͤft aufzutragen pflegt. In der hieſigen Gegend habe ich ſein Ei oder Junges gewoͤhnlich in den Neſtern der Motacilla alba und Sylvia hortensis, viel ſeltner in denen von S. curruca und S. cinerea, oder in denen des Zaun- koͤnigs oder der gelben Bachſtelze gefunden; aber warum mag er ſein Ei ſo ſelten in das Neſt der hier ſehr gemeinen Sylvia atricapilla, legen, die doch auch eine aͤchte Grasmuͤcke iſt, deren Fortpflanzungsweiſe der der Gartengras muͤcke fo ganz erflaus nend aͤhnlich iſt, und deren Lebensart fo wenig von der dieſer ab: weicht? Die Neſter derſelben waren eben fo leicht und wegen der groͤßern Anzahl noch viel leichter aufzufinden; woher nun dieſer Widerwille? — Auch Sylvia Hipolais niſtet hier außerordentlich haͤufig, und S. phoenicurus iſt gemein, in deren Neſter er ſein Ei auch unterbringen ſoll; aber mein Vater und ich haben nie eins in den Neſtern dieſer Voͤgel gefunden. Seine Ankunft am Fortpflanzungsorte meldet der Kuckuk im Fruͤhjahr alsbald durch ſein Rufen, womit er aber eigentlich ſein Weibchen herbei lockt, das man dann auch wenige Tage ſpaͤter im⸗ mer in ſeiner Naͤhe ſieht. Es folgt ihm allenthalben, in welchen Theil ſeines Reviers er ſich auch wenden mag, und ſie leben nun in ungetrennter Ehe bis zum Fortzuge. Das naͤchtliche Rufen moͤchte die erſte Zeit, wo gewoͤhnlich ſeine Gattinn noch nicht angekommen, eine Anlockung fuͤr ein voruͤberziehendes Weibchen zu fein ſcheinen; da es aber nachher, wenn er ſich lange ſchon ein Weibchen angepaart hat, immer noch fortgeſetzt wird, ſo ſcheint es eher wolluͤſtige Ge⸗ danken auszuſprechen. Ueberhaupt find Heftigkeit in der Liebe und damit gepaarte Eiferſucht ſehr hervorſtechende Züge feines Characters; V. Ord n. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 223 er leidet deshalb kein anderes geſundes Maͤnnchen in ſeinem Bezirk oder in der Naͤhe ſeines Weibchens, und ſucht es mit grimmigen Biſſen fortzujagen. Aber bei dieſem ſtarken Triebe zur Fort— pflanzung, vermißt man bei ihm jede Spur von Vaters oder Kin—⸗ derliebe, er uͤberlaͤßt Sorge und Freude über feine Nachkommen⸗ ſchaſt fremdartigen Voͤgeln, und ſcheint ſich gar nicht, wenigſtens nicht weſentlich, um ſie zu bekuͤmmern. Die eigentliche Begattungszeit dauert etwa ſechs bis ſieben Wochen, von der Mitte Mai bis Anfang Juli. Waͤhrend derſelben ſind ſie ungemein unruhig. Oft ſucht das Maͤnnchen ſein Weibchen mit anhaltendem Rufen, und ſobald ſich dieſes mit hellem Gekicher hören läßt, verfolgt und jagt es daſſelbe von einem Baum zum an⸗ dern, und ſo anhaltend und weit, daß man ſie dabei oft aus dem Geſicht verliert; wobei ſie nicht ſelten ſo ermuͤden, daß ſie oͤfters einige Augenblicke ausruhen muͤſſen, was meiſtens auf Baumgi: pfeln geſchieht. Das Maͤnnchen ruft dazu ſehr hitzig und ohne viele und große Unterbrechungen, und doch ſcheint nicht je— des Mal die Begattung der eigentliche Zweck dieſes unbaͤndigen Herumjagens zu ſein. Dieſe wird gewoͤhnlich am fruͤhen Morgen oder gegen Abend, auf einem duͤrren Baumgipfel oder ſonſt an ei— nem freien erhabnen Platze, mit eigenen kurzen hellen Toͤnen be— gleitet, vollzogen, aber vor- und auch nachher iſt meiſtens viel Laͤrm, fie kraͤchzen, lachen, und das Männchen ruft mehrmals Ku- ckuckuk dazwiſchen. Im Ausſpaͤhen der Neſter, die zu ſeinem Zwecke taugen, mag das Kuckuksweibchen eine eigne Fertigkeit haben, und es muß ſehr ſcharf ſehen, weil es auch die verſteckteſten auffindet. Wie wiſſen es nicht die Zaunkoͤnige, Rothkehlchen und manche andere kleine Voͤ— gel ſo meiſterlich unſern Blicken zu verbergen, und wie ſchwer ſind manche Neſter, auch bei der beſten Uibung des Neſterſuchers, nicht aufzufinden? Schon im Vorbeifliegen muß ſie das Kuckuksweibchen entdecken, da man es zuweilen wol fliegend ſich durch niedriges Gehoͤlz ſchleichen ſieht, aber nie bemerkt hat, daß es dichte Hecken ſo eigentlich durchkroͤche oder ſo ſorgfaͤltig darnach ſuchte, als man glauben moͤchte, daß es nothwendig ſei, ſo manches darin verſteckte Neſt, worin man nachher ſein Ei oder Junges fand, zu entdecken. Es laͤßt ſich dabei, feiner Scheuheit wegen, ungemein ſchwer beobach- ten; denn es muß ſehr ruhig in der Gegend ſein, wenn es zum Ne⸗ ſterſuchen in das niedrige Gebuͤſch u. ſ. w. herabkommen ſoll, wes⸗ halb dies meiſtens am frühen Morgen geſchieht. Etwas unvor- 224 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. ſichtiger iſt es indeß, wenn ihm ein zum Legen reifes Ei draͤngt. Bei Haͤuſern, Waſſermuͤhlen, ſelbſt in großen abgelegenen Gehoͤf— ten, ſieht man es freilich oͤfterer nach Neſtern, beſonders nach denen der weißen und grauen Bachſtelze, ſuchen, aber auch hier mei— ſtens nur fliegend. Die kleinen Vögel, denen es als boͤſer Neſtvi— ſitator verhaßt iſt, vergoͤnnen ihm auch, ſobald ſie es erblicken, nicht viel Ruhe, und ich glaube kaum, daß das Kuckuksweibchen, aus mehr als einer Urſache, es wagt, in Gegenwart der Voͤgel, denen das Neſt gehoͤrt, ſein Ei einzuſchieben. Denn daß dieſe Voͤgel ſich uͤber die Ehre, die es ihnen damit erweiſt, freuen ſollten, iſt gewiß ein laͤcherlicher Irrthum“); ihre Gebehrden und ihr Schreien ſprechen vielmehr klar genug aͤngſtliche Beſorgniß, oder Furcht und Haß aus. — Dieſes Erſpaͤhen der Neſter verrichtet das Kuckuksweibchen ſtets allein und nie im Beiſein des Maͤnnchens; dies iſt oft weit da— von entfernt; daher ſind die Kuckuke, welche bei Haͤuſern geſchoſ— fen werden, faſt immer Weibchen. — Man ſagt zwar, es beob— achte die Voͤgel ſchon beim Bauen der Neſter, um zur gehoͤrigen Zeit ſein Ei hineinlegen zu koͤnnen, allein ohne Grund. Es muͤßte dann oft, wol taͤglich und mehrmals, bei denſelben Neſtern erſchei— nen, es wuͤrde dadurch die mißtrauenden Voͤgel nur noch mißtrauiſcher machen, und wuͤrde gewiß von fleißigen Beobachtern dann auch oft dort geſehen worden ſein, was ſich aber wol ſchwerlich Einer moͤchte ruͤhmen koͤnnen. Nach meinen Beobachtungen koͤmmt es dort wie ein Dieb an, ſchleicht ſich auch ſo wieder weg, und iſt gewiß froh, wenn es von den Voͤgeln nicht bemerkt wird, und ihren unangeneh— men Neckereien ſich nicht ausſetzen darf. Es koͤmmt daher ſo ſelten als moͤglich, und nicht eher, als bis es muß, d. h. bis es fuͤhlt, daß eins feiner Eier zum Legen reif iſt, ſucht jetzt erſt da, wo es viel» leicht fruͤher, im Vorbeifliegen, die Voͤgel bemerkt hatte, ein Neſt mit Eiern, und legt das feinige dazu. Dies beweiſen die Kuckuks— weibchen, welche man bei Gebaͤuden oder ſonſt zufaͤllig im niedern Ge⸗ buͤſch und an andern ungewoͤhnlichen Orten ſchoß; ſie hatten faſt immer ein zum Legen reifes Ei bei ſich, und waren gewiß im Auf: ſuchen eines Neſtes begriffen, um ihr Ei hineinzulegen; ſolche, bei welchen man keins fand, hatten vielleicht eben gelegt. Deswegen aber, weil es dabei weniger ſcheu oder dreuſter als ſonſt und als ſein Maͤnnchen iſt, werden, wenn es durch Zufall geſchieht, auch „) Siehe Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1132. V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 225 gewoͤhnlich mehr weibliche, als maͤnnliche Kuckuke um dieſe Zeit ge— ſchoſſen. Gab das Weibchen auf das Neſtbauen und Legen der Bd: gel ſo genau Acht, ſo wuͤrde es, wie Brehm (Beitr. I. S. 479.) von einem aufgefundenen friſchen Kuckuksei erzaͤhlt, das neben zwei faulen Eiern einer Bachſtelze in Neſte lag, das ſchon ganz modrig, alſo laͤngſt verlaſſen war, nicht in ein ſolches Neſt ſein Ei legen, ob es mir gleich wahrſcheinlich iſt, daß jenes Weibchen das veraltete Neſt nur aus Noth gewaͤhlt hatte, weil es fuͤr ſein eben reifes Ei nicht ſchnell genug ein paſſendes finden konnte, oder vielleicht auch ſchon von einem ſolchen verſcheucht worden war. Brachte man mir doch auch unlaͤngſt ein friſchgelegtes Kuckuksei, das auf freier Erde liegend gefunden war, an einem Orte, wo gar kein Neſt irgend ei— nes Vogels ſeyn konnte. Hier war das Weibchen, das dies Ei gelegt hatte, wahrſcheinlich auch verſcheucht worden. Daß es fer— ner ſo genau wiſſen ſollte, ob die Eier, zu welchen es das ſeinige legen will, friſch oder bebruͤtet feyen, wie ebenfalls behauptet wird, kann ich unbedingt auch nicht annehmen. Soll es dies aus der Ei— erzahl des Vogels ſchließen, ſo muͤßte es ſich ohne Zweifel unzaͤhlige Mal irren. Vor einigen Jahren fand ich ein Neſt des Brachpie— pers mit zwei eigenen und einem Kuckuksei; die erſtern waren ſo ſtark bebruͤtet, daß ſie mir beim Ausblaſen zu Grunde gingen, das Kuckuksei dagegen aber ſo viel weniger bebruͤtet, daß es ſich noch vollkommen ausblaſen ließ, und zuverlaͤſſig erſt in das Neſt gekom— men war, als die erſtern ſchon ziemlich bebruͤtet geweſen ſeyn muß— ten. Es wird gewiß nicht ſo unklug handeln und ein bruͤtendes Weibchen vom Neſte jagen; aber eben ſo ſelten gerade den Zeitpunkt treffen, wenn dieſes ein Mal abgegangen iſt. Deswegen, und nicht darum, weil es gewiſſe Merkmale haben ſollte, die bebruͤteten von den friſchen Eiern unterſcheiden zu koͤnnen, legt es ſein Ei ſelten unter ſolche. Ein dritter Fall, welchen ich Bd. III. S. 721. d. W. erzaͤhlt habe, wo ich in einem friſchen, kaum fertig gebaueten und noch leeren Neſte der Sylvia locustella ein Kuckuksei fand, beweiſt ebenfalls, daß das Kuckuksweibchen nicht lange waͤhlen un wenn es ein eben reifes Ei bei ſich trägt. Ein Kuckuksweibchen legt in einem Fruͤhlinge, nach ſichern Beobachtungen, ſowol des freien Lebens, als durch Huͤlfe der Ana— tomie, nur vier bis ſechs Eier, dieſe aber in ſo großen Zwi— ſchenraͤumen, daß man die erſten ſchon im Mai, die letzten aber noch im Juli findet. Die langſame Entwickelung der einzelnen Eier am Sr. Theil. 15 226 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. Eierſtocke iſt wol eine Haupturſache, daß der Kuckuk gar keinen Trieb zum Bruͤten hat, und deshalb: feine Eier andern Voͤgeln aus— brüten laſſen muß; denn die erſten Eier wuͤrden unfehlbar verder— ben, ehe die letzten gelegt werden koͤnnten. Was aber dieſe auffal- lende Erſcheinung bedingen mag, iſt uns noch unbekannt, und die wahrſcheinlichſten Vermuthungen daruͤber ſtuͤtzen ſich dennoch gro— ßentheils auf bloße Hypotheſen, manche wol gar auf irrige Vor— ſtellungen oder unrichtige Beobachtungen. Das Kuckuksweibchen legt jedesmal nur Ein Ei in ein dazu ge⸗ waͤhltes Neſt; das naͤchſte Ei legt es wieder in ein anderes Neſt ei— nes Vogels oft von ganz anderer Art, als der erſte war, u. ſ. w., bis es ſie alle einzeln untergebracht hat. So iſt es in der Regel. Doch kann der Fall, daß zuweilen wol auch einmal zwei Kuckukseier in einem Neſte gefunden worden ſind, nicht geradezu abgelaͤugnet werden, da er mehreren, und auch meinem Vater einmal, vorge— kommen iſt, wovon hier zwar nur das eine Ei in, und das andere unter dem Neſte lag. Ein andermal fand er einen jungen Kuckuk, und unter dem Neſt, worin dieſer ſaß, neben den herausgeworfe— nen Eiern des kleinen Vogels, auch noch ein Kuckuksei auf der Erde liegend. Woher waren nun hier zwei Kuckukseier gekommen? Hat: te das Weibchen vielleicht eins, ungeſchickter Weiſe, neben das Neſt, und ſpaͤter nun ein anderes hinein gelegt? Oder trafen zwei im Aufſuchen eines Neſtes begriffene Kuckuksweibchen gerade daſſelbe Neſt, und legten ſo beide nacheinander ihr Ei hinein? Dies bleibt ein Raͤthſel, wie noch ſo manches Andere in der Geſchichte unſeres Kuckuks. — Von zwei jungen Kuckuken in einem Neſt habe ich jedoch nie gehoͤrt, und es möchte auch fo kleinen Pflegeältern ganze lich unmöglich ſeyn, zwei ſolche Freſſer hinlaͤnglich mit Futter vers ſehen zu koͤnnen, da man ſieht, wie viel Noth es ihnen ſchon macht, nur einen aufzufüttern. Es legt fein Ei meiſtens in ſolche Neſter, die ihre volle Eierzahl noch nicht enthalten, denn hier iſt am leichteſten unbemerkt anzu= kommen, weil ſolche Eier noch nicht fortwaͤhrend von den Voͤgeln beſeſſen werden. Gewoͤhnlich ſchiebt es ſein Ei ein, ohne eins von jenen abſichtlich zu verderben, doch nicht immer. Nicht allein zu= faͤllig mag es hie und da eins zerbrechen, ſondern es ſcheint es auch oftmals vorſaͤtzlich zu thun. Es iſt eine alte bekannte Sache, daß die Saͤngereier neben dem eingeſchwaͤrzten Kuckuksei haͤufig bis auf wenige wegkommen, und dies hat eben zu der gemeinen Sage Anz V. Drön. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 227 laß gegeben, der Kuckuk ſaufe andern Voͤgeln die Eier aus.“) Dies thut er aber nie; allein er wirft ſie, wo nicht allemal, doch oͤfters, heraus. Ich kann verſichern, es mehrmals geſehen zu haben, wie unter dem Neſte, in welchem ein Kuckuksei lag, die Eier des klei⸗ nen Vogels theils zerbrochen, theils noch ganz, auf der Erde lagen. Wer anders moͤchte ſie wol herausgeworfen haben, als der Kuckuk? Ich muß noch bemerken daß dies immer Grasmuͤckenneſter waren. Die Voͤgel legen auch, wenn das Kuckuksei, ehe ſie ausgelegt hatten, ins Neſt kam, noch Eier dazu, und bruͤten ſie dann ſammt dem fremden aus. Hiervon koͤnnte ich viele Beiſpiele anführen. Daß ſie aber niemals Betrug ahnen ſollten, iſt ungegruͤndet, ob— gleich viele Faͤlle das Gegentheil beweiſen moͤchten, wie uns z. B. Bechſtein von einem Bachſtelzenpaͤaͤrchen erzählt, das zwei Mal in einem Fruͤhling, oder bei zwei nach einander folgenden Bru— ten (noch dazu in demſelben Neſte) das Ungluͤck hatte, einen jungen Kuckuk aufziehen zu muͤſſen; dies haͤtte wenigſtens beim zweiten Mal wol Verdacht ſchoͤpfen koͤnnen. Daß dies aber wirklich zuweilen der Fall iſt, beweiſt folgende von meinem Vater und mir beobachtete Geſchichte. In einer dichten Stachelbeerhecke meines Gartens war ein Neſt der Zaungras muͤcke mit zwei Ei: ern; eines Tags lag ein Kuckuksei darin, und die beiden Eier der Grasmuͤcke lagen unter dem Neſte auf der Erde. Sollte dies nicht der Kuckuk gethan haben? Doch wol die Grasmuͤcke nicht ſelbſt? Ein paar Tage nachher lagen in dieſem Neſte wieder zwei Eier der Grasmuͤcke, ohne dem Kuckuksei, und als wir uns nach dieſem umſahen, lag es unten auf der Erde und war zerknickt; dies mußte doch wol die Grasmuͤcke gethan haben? — Einſtmals fand mein Vater un⸗ ter einem Neſte, worin ein junger Kuckuk ſaß, wie ſchon erwähnt, auf der Erde noch ein friſches Kuckuksei; er nahm es mit und legte es einer im unſerm Hausflur niſtenden Schwalbe unter ihre Eier, doch dieſe warf es bald heraus. — So wird denn, nach meinen Beobachtungen, das Kuckulsei bald unter der vollen Zahl der Eier des kleinen Vogels, bald nur mit wenigen von dieſen, zuweilen aber auch ganz allein im Neſte eines kleinen Vogels ausgebruͤtet. Der letzte Fall if jedoch der feltenfte. *) In hirſtger Gegend iſt dieſe Sage allgemein, und als ich einmal den Kuckuk gegen einen mordſuͤchtigen Jaͤger deshalb in Schutz nehmen wollte, meinte dieſer: Es ſey wol wahr, daß der Kuckuk Eier ausſaufe, er habe ſelbſt einen geſchoſſen, welcher ein Ei im Rachen gehabt haͤtte. Daß dies aber ganz anders, ja wahr⸗ ſcheinlich ſein eigenes Ei geweſen ſeyn ſollte, glaubte er vollends nicht, und meine De⸗ monſtration zwang ihm ein ſarkaſtiſches Lächeln und Achſelzucken ab. 228 v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. Wie aber das Kuckuksweibchen ſein Ei in manche Neſter bringt, z. B. in enge Baumhoͤhlen oder in ſolche, die ein enges Eingangs— loch haben, wie z. B. das Neſt des Zaunkoͤniges, muß oft in Verwunderung ſetzen. Die ſicherſten Beobachtungen lehren uns in— deß Folgendes: Uiberall, wo es nur irgend angehen will, ſetzt es ſich ordentlich auf das Neſt, ja es kriecht deshalb mit vieler Anſtren— gung ſelbſt in ſo enge Loͤcher, daß es oft kaum mit Muͤhe wieder herauskommen kann. Brehm erzählt (Beitr. I. S. 480.), wie ein legendes Kuckuksweibchen auf dem Neſte einer Bachſtelze in ei— nem hohlen Baume ſich ertappen ließ, weil es nicht ſchnell ge— nug wieder herauskommen konnte, und ein ganz aͤhnlicher Fall ereignete ſich vor wenigen Jahren auch in meiner Gegend, wo auf gleiche Weiſe ein ſolches Weibchen auf einem Bachſtelzenneſte ergriffen wurde. Allein da, wo der Eingang zum Neſt gar zu enge iſt, legt es ſein Ei auf die Erde, nimmt es in ſeinen weiten Rachen, und ſteckt es nun durch das Eingangsloch in das erwaͤhlte Neſt, wobei denn zuweilen ein Ei des kleinen Vogels zu Grunde geht. Es mag freilich nicht oft vorfallen; aber das oben erwaͤhnte, auf freier Erde gefundene Kuckuksei, wovon das Weibchen gewiß verſcheucht wor— den war, ſo wie das mit dem Ei im Rachen geſchoſſene, koͤnnen als ſichere Belege dafür genommen werden. Auch Le Vaillant er- zaͤhlt es vom Cuculus auratus am Vorgebirge der guten Hoffnung. — Daß es dies aber beim Neſte des Teichrohrſaͤngers nicht noͤ— thig habe, weil es, wie Bechſtein meint, dieſes nicht trage, iſt als ungegruͤndet ſchon von Brehm bemerkt, und ich war auch ſelbſt ein Mal ſo gluͤcklich, ein legendes Kuckuksweibchen auf ſolch einem Neſte ſitzen zu ſehen, was einzige, das ich in dieſer Situation jemals habe uͤberraſchen koͤnnen. Es ſaß ſehr breit uͤber dem Neſte, ſchien ſich mit Schwanz und Flügeln zugleich auch gegen das um— ſtehende Rohr zu ſtemmen, und ließ ſich, zu meinem Erſtaunen, eine kleine Weile betrachten, ehe es fortflog; ob ich gleich ziemlich nahe und ganz frei da ſtand. Das Kuckuksei iſt für die Größe des Vogels fo außerordentlich klein, daß es in dieſer Hinſicht gewiß zu den kleinſten Eiern ge— hoͤrt. Sie variiren von 10 bis zu 12 Linien Laͤnge, bei einer Breite von 8 bis hoͤchſtens etwas uͤber 9 Linien, ſind daher manchmal kaum größer, als manche der weißen Bachſtelze, und uͤberſteigen die Groͤße von denen des Haus ſperlings felten. Legte er groͤßere Eier, ſo muͤßte er ſie entweder groͤßern Voͤgeln anvertrauen, als dies gewoͤhnlich der Fall iſt, oder die kleinen Voͤgel, denen er ſie v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 229 auszubruͤten giebt, wuͤrden nicht allein das größere Ei oͤfterer für ein untergeſchobenes halten und Betrug ahnen, ſondern auch laͤn— gere Zeit zum Bebruͤten beduͤrfen, als bei den ihrigen, was ſehr gegen ihre Natur wäre und weshalb fie das Brüten uͤberdruͤßig wer— den würden, obſchon manche, w.' e5 wirklich etwas größer iſt als die ihrigen, einige Tage länger brüten muͤſſen, als fie fonft gewohnt find. So wie ihre Größe (zwei Linien machen bei fo kleinen Eiern ſchon einen ſehr auffallenden Groͤßenunterſchied), fo iſt auch ihre Ge— ſtalt gewaltig verſchieden; bald ſind ſie faſt rund oder doch ſehr kurz⸗ oval, bald aͤcht eifoͤrmig, bald laͤnglich bauchicht oder nicht bauchicht zu nennen. Ihre Schale iſt duͤnn und zart, glatt, doch ohne merklichen Glanz, und ſehr verſchieden gefaͤrbt; aber ſie haben bei aller Verſchiedenheit in den Zeichnungen darin et— was Charakteriſtiſches, was aber ein geuͤbter Blick eher findet, als man es mit Worten und ohne viele Umſchweife zu beſchrei— ben vermag. Es iſt eine Art gekritzelter Zeichnung, die ſie mei— ſtens immer kenntlich macht; aber auch die, welchen dieſe fehlt, was aber ſelten iſt, haben etwas Beſonderes in der Form der Flecke. Ihre Grundfarbe iſt ebenfalls hoͤchſt verſchieden, blaugruͤnlichweiß, ſchmutzig- oder grauweiß, gelblichweiß, oder gelbbraͤunlichweiß. Sie ſind gefleckt, gepunktet, geſtrichelt mit brauner und grauer Farbe, jene bald mehr oder weniger in Olivenbraun ziehend, bald nur hellbraun, und dieſes ſelbſt zuweilen bis zu einem ſchwachen roͤthlichen Braun geſteigert, die graue bei manchen bis ins reine Aſchgrau uͤbergehend; bald iſt damit Alles nur fein bekritzelt, bald ſind ſie auch groͤber gefleckt, manchmal ſtehen die Zeichnungen ſehr dicht, bei andern wieder nur ſparſam, aber ſelten haͤufen ſie ſich am ſtumpfen Ende zu einem kranzaͤhnlichen Schatten. Die meiſten ha— ben uͤberdies noch zerſtreuete feine Strichelchen und Punkte von ſchwarzbrauner oder ſchwaͤrzlicher Farbe. Sie haben mehrmals keine geringe Aehnlichkeit mit manchen Grasmuͤcken- oder Sperlings— eiern, ſogar zuweilen mit Rothkehlcheneiern u. a. m. — Merkwuͤr— dig iſt es, daß fie fogar nach Jahrgaͤngen variiren; d. h. man fins det, von verſchiedenen Weibchen gelegt, in manchem Jahr z. B. lauter gelbliche, in einem andern lauter gruͤnliche u. ſ. w., was vielleicht in der Verſchiedenheit der Nahrungsmittel liegen kann, da man weiß, daß in einem Jahr manche Raupenart unſaͤglich häufig, in einem andern oft ſehr felten iſt. Es mag dies auch viel— leicht auf die Farben des jungen Kuckuks Bezug haben; ich habe naͤmlich oftmals bemerkt, daß es in manchem Jahr faſt lauter roͤth—⸗ 230 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kukuk. liche, mehr oder minder rothgefleckte, in einem andern wieder mehr blaue, ſehr wenig roͤthlich gefleckte giebt. Der junge Kuckuk koͤmmt ſehr klein zur Welt, wie das aus ſo kleinen Eiern nicht anders ſeyn kann, macht ſich aber an dem un⸗ foͤrmlich dicken Kopf mit den großen Augaͤpfeln ſehr kenntlich. Er waͤchſt Anfangs ſchnell, und wenn erſt Stoppeln aus der ſchwaͤrz⸗ lichen Haut hervorkeimen, ſo ſieht er in der That haͤßlich aus, und mir wurde einige Mal erzaͤhlt, daß man im zufaͤlligen Voruͤber⸗ gehen, und einen fluͤchtigen Blick auf ihn geworfen, geglaubt hatte, es ſaͤße eine große Kroͤte im Neſte. — Die Jungen des kleinen Vogels, wenn noch Eier deſſelben zugleich mit ausgebruͤtet wurden, werden nur ſehr ſelten mit groß gefuͤttert, weil ihnen der große ge⸗ fraͤßige Stiefbruder theils alle Nahrung vor dem Maule wegſchnappt, theils darum, weil ſie meiſtes fruͤhzeitig aus dem Neſte geworfen werden. Wer ſie aber herauswerfe, bleibt noch ziemlich ungewiß. Es hat zwar die Meinung, daß es der junge Kuckuk thue, viel fuͤr ſich, wenn man ſich darauf beſchraͤnkt, daß er es unwillkuͤhr⸗ lich, aus Mangel an Raum im Neſte, thue, weil man wirklich ſieht, daß dies ſein an Groͤße zunehmender Koͤrper immer mehr und mehr ausdehnt und erweitert, wie er den mittelſten Platz einnimmt und die kleinen Stiefgeſchwiſter ſo auf die Seite und endlich in die Hoͤhe ſchiebt, daß ſie aus ſo einem kleinen flachen Neſtchen, wie ein Grasmuͤckenneſt iſt, bald uͤber Bord purzeln muͤſſen, was ſogar faſt immer der Fall ſeyn muß, wenn er fie fo aufgehockt hat, und ſich nur einmal tuͤchtig regt oder behaglich ausdehnt. —, Daß er es aber vorſaͤtzlich thue, und zwar in den erſten zwei oder drei Tagen ſeines Lebens, iſt mir gar nicht wahrſcheinlich; unmoͤglich kann ein ſo junges unbehuͤlfliches Geſchoͤpf mit ſo viel Uiberlegung, Eigenwillen und Selbſtſucht handeln, wie hierzu gehoͤren moͤchte. Man hat zwar die Handlung des beabſichtigten Herauswerfens ſehr zierlich und umſtaͤndlich beſchrieben, allein ich halte fie für ein Maͤhr⸗ chen. — Aber wie koͤnnen denn junge weiße Bachſtelzen, mit dem jungen Kuckuk in einer tiefen Baumhoͤhle ausgebruͤtet, aus dem Neſt herausgedraͤngt werden? Oder wo bleiben denn die jungen Voͤgel der Arten, die auf flacher Erde niſten, wenn fie zu: gleich einen Kuckuk mit ausbruͤten? Ich habe vor nicht gar langer Zeit erſt einen jungen Kuckuk im Neſte einer gelben Bachſtelze beobachtet, deren Junge auch ſehr bald verſchwanden, ob ſie gleich neben dem Neſt, wenn ſie jener bloß herausgedraͤngt haͤtte, eben fo gut Hätten ſitzen und von den Alten mit aufgefuͤttert werden koͤn⸗ V. Ordn. XXIX. Gat. 162. Gem. Kuckuk. 231 nen, wie wenn fie drinnen ſitzen geblieben wären. Aus einer tie fen Baumhoͤhle mit ſo engem Eingangsloch, daß kaum ein Kuckuk durch konnte, holte man einmal in hieſiger Gegend aus dem Neſte einer weißen Bachſtelze einen jungen Kuckuk, aber von einem Jungen jener war keine Spur zu finden. Solche Vorfaͤlle brach— ten auf den Gedanken, daß vielleicht der alte Kuckuk die andern jungen Voͤgel aus dem Neſte werfe, etwa darum, damit ſie ſeinem Jungen nicht am Aufkommen hinderlich wuͤrden und die Nahrung ſchmaͤlerten, oder damit der alte Brutvogel nicht aus der großen Ungleichheit ſeiner Brut mit dem zugleich ausgebruͤteten jungen Ku— ckuk Verdacht ſchoͤpfen, und dieſen dann verlaſſen ſolle. Mein Va- ter war davon überzeugt, daß es das alte Kuckuksweibchen thue, ja oͤfters nachſehe, ob da noch Alles in gehoͤriger Ordnung ſei, wo es fein Ei untergebracht habe; er verfichert auch, daß er den weib⸗ lichen Kuckuk oͤfters an ſolchen Orten angetroffen habe, wo er un— laͤngſt ein Ei eingeſchoben hatte oder wo bereits der junge Kuckuk im Neſte ſaß. Ich habe mich ſelbſt einige Mal davon uͤberzeugt, daß der alte Kuckuk bei ſolch einem Neſte oder doch in deſſen Nähe nach: her noch geweſen ſeyn mußte, weil ſich daſelbſt einige friſche Kuckuks— federn fanden, die der alte Kuckuk ſich an Brombeerranken oder Dornen ausgeriſſen haben mochte. Deſſenungeachtet kann ich doch nicht behaupten, daß er es thue, weil es mir ſo wenig wie meinem Vater jemals hat gluͤcken wollen, ihn über dem wirklichen Heraus: werfen ertappen und belauſchen zu koͤnnen. — So viel iſt gewiß, daß die kleinen mit dem jungen Kuckuk ausgebruͤteten Voͤgel, wenn fie wegkommen, allezeit in den erſten Tagen aus dem Neſte ver— ſchwinden, daß man oftmals keine Spur mehr von ihnen entdeckt, daß man fie aber auch manchmal unter dem Neſte und todt auf der Erde liegen ſieht. — Daß gar der junge Kuckuk ſeine kleinen Stiefgeſchwiſter auffreſſen ſollte, iſt eine laͤngſt in verdiente Vergeſ— ſenheit gekommene Fabel. Er iſt zwar ein gieriger Freſſer, und ſchnappt nach Allem, was ſich ihm naͤhert; allein jenes thut er ſo wenig an ihnen, wie an ſeinen Pflegeaͤltern, wovon unſere guten Alten auch wol fabelten, und woruͤber es ſich dann ganz artig philoſophiren ließ. Es iſt eine wunderbare Erſcheinung, daß die kleinen Pflege— altern des jungen Kuckuks fo viel Liebe zu dieſem haͤßlichen Stief— kinde haben, ſo lang es naͤmlich ihrer Erziehung uͤbergeben bleibt, daß ſie ſich faſt fuͤr daſſelbe aufopfern, indem ſie gewohnt ſind, mit lauter kleinen Inſekten, Kaͤferchen, Fliegen, Muͤcken, Raͤupchen u. dergl. zu fuͤttern, und daher vollauf zu thun haben, dieſen im— 232 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. mer hungerigen Freſſer ſatt zu machen, und ſich dabei bei Kraͤften zu erhalten. Man hat davon wirklich ruͤhrende Beiſpiele. Einſt traf man ein einſames Bachſtelzenweibchen ſehr ſpaͤt im Herbſt noch, als bereits alle andere ſeiner Art uns laͤngſt verlaſſen hatten, am Waſſer emſig nach Inſekten ſuchend an, und bemerkte, wenn es Et— was gefangen, daß es damit einer nahen Eiche zuflog, auf welcher in einer Spalte ein laͤngſt erwachſener junger Kuckuk ſaß, welcher darin ausgebruͤtet worden ſeyn mußte, aber zu groß war, um durch das Loch heraus kommen zu koͤnnen; man mußte ein Beil anwen— den, den Eingang damit zu erweitern, und konnte ihn nur dann erſt aus ſeiner Gefangenſchaft befreien. Dieſes Pflegekindes wegen war alſo die gute Mutter allein von der Reiſe zuruͤckgeblieben, ſie hatte ihr Schickſal mit dem ſeinigen getheilt, und ſich aus Liebe der Gefahr ausgeſetzt, mit ihm verhungern oder erfrieren zu muͤſſen. Es iſt in der That ſehr auffallend, daß manche Voͤgel hier durchaus keinen Betrug zu ahnen ſcheinen. Mit dem Kuckuksei ließ man ſichs noch gefallen; aber der junge Kuckuk und eine junge Grasmuͤcke, oder Bachſtelze, oder gar ein junger Zaunkoͤnig, welch ein Abſtand! Es ſetzt, nach menſchlichem Urtheil, wirklich einen hohen Grad von Dummheit und Gutmuͤthigkeit bei dieſen kleinen Voͤgeln voraus, einen ſo groben Betrug nicht zu merken, was man namentlich von den weißen Bachſtelzen wol behaupten kann. Aber ich habe oben bemerkt, daß nicht alle ſo gutmuͤthigdumm ſind, und daß es allerdings welche giebt, welche die Sache mit dem Ku— ckuk verdaͤchtig finden. Ein Mal bruͤtete eine Gartengras muͤcke, in meinem eigenen Waͤldchen, ein Kuckuksei nebſt zwei von den ihrigen aus, und ich bemerkte, daß die Kleinen alleſammt faſt zu gleicher Zeit aus den Eiern ſchluͤpften; als ich zwei Tage ſpaͤter zu dieſem Neſte kam, ſaß der junge Kuckuk nur noch allein darin, die jungen Grasmuͤcken lagen aber todt unten auf dem Boden und wurden bereits von Ameiſen benagt. Nach zwei Tagen ging ich wieder hin, fand den Kuckuk aber von den Voͤgeln verlaſſen, todt im Neſte, zu welchem bereits die Ameiſen heraufſtiegen und ihn zu verzehren anfingen. Die Alten hatten hier, weil nun keine rechten Kinder mehr da waren, den Kuckuk verhungern laſſen, wahrſchein— lich weil ſie ihn richtig fuͤr einen Wechſelbalg, d. i. fuͤr ein unter— geſchobenes Kind, erkannten. — Auch in dem Neſte einer gels ben Bachſtelze habe ich einen todten jungen Kuckuk gefunden, an welchem die Stoppeln ſich ſchon in Federn verwandeln wollten, der alſo gewiß ſchon eine Woche alt ſeyn mußte. — Dann hat Sn 5 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 233 man auch mehrmals die Erfahrung gemacht, daß Voͤgel, die ſonſt nicht aufhoͤren ihre Jungen mit Futter zu verſehen, wenn man ſie ſelbſt mit dieſen einfaͤngt und einſperrt, den jungen Kuckuk, wel: chen fie ausgebruͤtet hatten, und den man ihnen in einem Kaͤfige hin— hing, damit ſie ihn auffuͤttern moͤchten, dennoch verhungern ließen. Man ſieht daraus, daß manche kleine Vögel dem ſelbſt ausgebruͤte— ten jungen Kuckuk mit weit weniger Liebe zugethan ſind, als ih— ren eigenen Jungen, daß es dieſe Voͤgel wenigſtens fuͤr keine Ehre halten und fuͤr kein Gluͤck ſchaͤtzen, zu Erziehern des jungen Kuckuks erwaͤhlt zn werden, daß ſie ihn nur auffuͤttern, weil ſie keine eignen Jungen haben, oft genug wol Betrug ahnen moͤgen, ſich aber doch ungern von einem Geſchoͤpf trennen, das ſie wie ihr Kind pfleg— ten und alle Pflichten liebevoller Aeltern an ihm ausuͤbten. Wenn der junge Kuckuk im Neſte ſeinen weiten orangegelben Rachen aufſperrt, und nach einem unbekannten Gegenſtande, wie gewoͤhnlich, mit einer ruͤckbeugenden und wieder vorſchnellenden Be— wegung des Körpers ſchnappt, ſieht er ziemlich boßhaft aus, et- wa ſo, wie ſich oͤfters die jungen Haustauben geberden. In ſei— ner zarten Jugend hoͤrt man keinen Laut von ihm; erſt ſpaͤter ſchreiet er, wenn ihn hungert oder wenn er eben gefuͤttert wird, mit einer zwitſchernden Stimme, die wie Ziß, ziſſiß und zif- ſiſſiß klingt, und verraͤth ſich damit ſehr oft. Er ſchreiet aber erſt dann viel, wenn er das Neſt bald verlaſſen will. Er iſt ſehr unbehuͤlflich, ſitzt auch verhaͤltnißmaͤßig lange, naͤmlich oft gegen zwei Wochen im Neſte, und die Schwanzfedern wachſen ihm fo langſam, daß ſie ihre gehoͤrige Laͤnge noch nicht erreicht haben, wenn er das Neſt ſchon lange verlaſſen hat. Wenn er ausgeflogen iſt, veraͤndert ſich ſeine Stimme in ein lauteres Schirken, und dies behaͤlt er nun bei, bis er gelernt hat, ſeine Nahrung ſelbſt zu ſuchen, was nach meinen Beobachtungen aber ſo ſchnell nicht ge— ſchieht, als man vorgegeben hat. Ich habe ihn vielmehr immer noch mehrere Tage nachher ſeinen Stiefaͤltern Futter abfordern, und dieſe mit ihm im Gebuͤſch umher ſtreifen ſehen, ob er gleich ſchon ſehr flüchtig war; Flügel und Schwanz find dann freilich, fo wenig wie der ganze Vogel, noch lange nicht ausgewachſen. Daß er ſpaͤt allein freſſen lernt, ſieht man auch an denen, welche man ſelbſt auffuͤttert. Seine Pflegeaͤltern folgen ihm noch Tage lang durch das Gebuͤſch, läßt er fi aber mehr auf dem Freien ſehen und hoͤren, ſo ſieht er ſich oft von einer Menge kleiner Voͤgel ‚ umgeben, die ihn ſchreiend betrachten. Weil nun unter dieſen 234 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. wol auch ſolche geſehen wurden, welche gerade Futter im Schnabel hatten, was ſie ihren Jungen bringen wollten, und man auch mit⸗ unter von ſeinen Pflegeaͤltern ihm Futter in den Schnabel ſtecken ſah, ſo entſtand wahrſcheinlich daraus die irrige Meinung: alle kleine Voͤgel, welche mit Inſekten zu fuͤttern pflegen, wetteiferten, ihm Futter zu bringen. So arg, wie uns dies von Bechſtein (a. a. O. II. S. 1135) geſchildert wird, iſt es wenigſtens nicht, ob es gleich nicht unwahrſcheinlich ſeyn moͤchte, daß es zuweilen ein Mal ein ſolcher Vogel thun, und dem Beiſpiel der rechten Pflegeaͤltern fol⸗ gen ſollte, da man weiß, daß Rothkehlchen, Gras muͤcken, und manche andere fo gutmuͤthig find, daß fie in der Gefangen: ſchaft auch andern ganz fremdartigen, jungen Voͤgeln, wenn dieſe vor Hunger ſchreien, Futter bringen. That dies doch ein Mal ſogar ein junger Kolkrabe an andern jungen Kraͤhen, wie Bd. II. S. 74. dieſes Werks erzaͤhlt worden iſt. — In der Freiheit iſt freilich Manches ganz anders, und Brehms Verſuche (ſ. d. Beitr. I. S. 490 u. ſ. f.) mit mehreren jungen Kuckuken, die er, als ſie recht hungerten und ſchrieen, dahin trug, wo es viel Saͤnger und andere kleine Voͤgel gab, von welchen aber nur wenige aus Neugierde herbeikamen, aber kein einziger Futter brachte, moͤchten wol geeignet ſein, die ganze Geſchichte fuͤr ein Maͤhrchen zu er⸗ klaͤren, wenn ich es nicht einige Mal ſelbſt geſehen hätte, daß meh: rere kleine Voͤgel um den jungen Kuckuk herum flatterten; ich war jedoch nie nahe genug, um genau ſehen zu koͤnnen, was eigentlich vorging. Sonſt hoͤrte ich wol oft einen jungen Kuckuk, aber wenn ich mich hinſchlich, waren bloß die Pflegeaͤltern um ihn. Es ſieht übrigens ſonderbar genug aus, einen fo großen Vogel von ſo klei⸗ nen fuͤttern zu ſehen, die ihm folgen, wohin es ihm beliebt; denn nicht er, wie ſonſt ihre Jungen, ſondern ſie folgen ihm. — Wenn er anfaͤngt ſich allein zu naͤhren, wird er ganz ſtill, und nur in To⸗ desnoth hoͤrt man dann noch eine Stimme von ihm. So wie er fluͤchtiger wird, zeigt er auch mehr Wildheit, aber ſo ſcheu, wie die Alten, werden die Jungen bis zum Wegzuge doch nicht. Daß von der Nachkommenſchaft des Kuckuks jaͤhrlich nur we⸗ nig auf und davon kommt, iſt wol ſehr natuͤrlich, da von den vier bis ſechs Eiern, die ein Weibchen in einem Fruͤhjahr legt, manches beim Einſchieben in das fremde Neſt und durch dabei obwaltende Umſtaͤnde verungluͤcken mag, und dann die Jungen durch ihr Schreien ſich Menſchen und Raubthieren zu oft verrathen, auch ſelbſt von den Brutvoͤgeln mitunter verlaſſen werden. Ich habe einſtmals v. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 235 in einem Fruͤhlinge in einem kleinen Bezirk vier Junge gefunden, die alle von Einem Weibchen waren, wovon nur ein einziger aufkam. Feinde. Der alte Kuckuk entgeht den meiſten Nachſtellungen durch ſein fluͤchtiges, ſcheues Weſen, ſo auch den Raubvoͤgeln; daß ſie ihn aber nicht verſchonen wuͤrden, beweiſt der Umſtand, daß ſie zuweilen einen Jungen fangen, wenn dieſe ſchon auf dem Fortzuge begriffen und faſt wie die Alten ſind. Selten mag es wol vorfallen, da ich in einer langen Reihe von Jahren nur ein einziges Mal die Uiberbleibſel eines ſolchen, den ein Raubvogel gefreſſen hatte, auf dem Felde fand. — Von den kleinen Voͤgeln, die ihn haſſen und verfolgen, vermag ihm keiner zu ſchaden, auch verſucht es nicht ein= mal einer, ihn wirklich zu zwicken; den ernſtlichern Schnabelhieben des Kirſchpirol weiß er meiſterlich auszuweichen. Allein ſeine Brut iſt gar vielen Feinden bloßgeſtellt, Fuͤchſe, Katzen, Mars: der, Wieſeln, Maͤuſe u. a. m., freſſen ſie, auch Raben und Heher thun es, und durch Unwiſſenheit der Menſchen werden auch viele verderbt, weil die niedre Volksklaſſe ihn faſt allgemein fuͤr einen ſchaͤdlichen oder doch ganz unnuͤtzen Vogel haͤlt. In feinem Gefieder wohnen mehrere Arten von Schmarotzerin⸗ ſekten, nach Hn. Pr. Nitzſch Beobachtungen namentlich Philo- pterus latifrons, Phil. fenestratus und Liotheum phanerostigma- ton, Nitzschii. Andere wollen auch noch fliegende Vogellaͤuſe und in den Eingeweiden einen Enzhalſſgen Bandwurm gefun⸗ den haben. Jagd. Als ein ſo vorſichtiger, ſcheuer und fluͤchtiger Vogel iſt der Kuckuk ſchwer zu ſchießen. Beſonders vorſichtig iſt das Maͤnnchen in der Begattungszeit, daß man nur dann mit Sicherheit darauf rechnen kann, es zu erlegen, wenn man ſeine Lieblingsbaͤume kennt, und ſich unter ſolchen anſtellt. Im Walde iſt es, wenn es ruft, zwar zu beſchleichen, aber haͤufig kommt man unter ſolch einen Baum, wo man es im dichten Laube nicht zu ſehen bekommt, bis es endlich fortfliegt. Oefterer ſchießt man die Weibchen, wenn ſie ein Ei haben, und dafuͤr eben ein Neſt aufſuchen wollen, wobei ſie, wie ſchon geſagt, nicht ſo ſcheu ſind, als ſonſt. Leichter ſind die Jungen zu ſchießen; fie laſſen im Sitzen und Fliegen an ſich kom— men, doch ſind die voͤllig erwachſenen auch ſchon ſcheuer, zumal bei 236 V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. ” anhaltenden Verfolgungen. Sie halten dann auf dem Freien fo wenig ſchußmaͤßig aus, wie die Alten. * Das alte Maͤnnchen laͤßt ſich durch den genauen nachgeahmten Ruf, was auf einer Floͤte oder auf der hohlen Hand geſchehen kann, leicht herbeilocken, weil es dann einen Nebenbuhler vermuthet, und ſetzt dabei ſeine Freiheit oft ſorglos genug aufs Spiel. Eine Fangmethode iſt mir und in hieſiger Gegend nicht bekannt; die Italiener muͤſſen aber wol eine haben, da er dort ſo haͤufig auf die Maͤrkte gebracht wird. Daß ſich junge Kuckuke zuweilen in Dohnen fangen, iſt Zufall, aber auch ſchon ein Mal in meinem Dohnenſtege vorgefallen. Nutz en. Faſt kann man behaupten, kein anderer einheimiſcher Vogel ſei ſo nuͤtzlich, als unſer Kuckuk. Er lebt die laͤngſte Zeit ſeiner An— weſenheit bei uns faſt einzig von Raupen, und zwar von rauchen Raupen, die andere Voͤgel nicht anruͤhren, und bedarf zu ſeiner Er— haltung deren eine unglaubliche Menge, weil er einen auffallend großen Magen hat und ſehr ſchnell verdauet. Kein Vogel gleicher Groͤße iſt ein ſo arger Freſſer, als er. Seine Hauptnahrung beſtehet ſogar meiſtens aus ſolchen Raupen, welche uns vielen Schaden thun. Er wird dadurch hoͤchſt wohlthaͤtig für den Nadel-, wie für den Laub— wald, für Obſtbaumanpflanzungen und Gärten, wie felbft für Wieſen und manche Ackerpflanzen, z. B. Kohl, weil er auch Kohl: raupen in Menge verſchlingt. Auch durch das Aufzehren gar vieler Schmetterlinge, beſonders der großen Phalaͤnen, vieler Maikafer und andrer ſchaͤdlichen Inſekten, nuͤtzt er uns außerordentlich. Auch ſein Fleiſch iſt ſehr wohlſchmeckend, beſonders das jun— ger Voͤgel, und dieſe ſind vor dem Wegzuge oft ſo außerordentlich fett, wie die fetteſten Lerchen, aͤußerſt zart und vom angenehmſten Geſchmack. Dies mag man in Italien wol wiſſen, wo man ihn haͤufig verſpeiſt; allein es iſt doch Schade, einen ſo nuͤtzlichen und ſich ſo ſchlecht vermehrenden Vogel deshalb zu toͤdten. Schaden. Dieſer möchte ſich bloß darauf beſchraͤnken, daß ein Kudufs- paar jaͤhrlich etwa ein halbes Dutzend Neſter kleiner nuͤtzlicher Voͤ— gel dadurch zu Grunde richtet, daß es ihnen feine Eier auszubrüten giebt, was aber gegen den außerordentlichen Nutzen, welchen es uns durch ſeine Nahrung leiſtet, gar nicht in Betracht kommt. V. Ordn. XXIX. Gatt. 162. Gem. Kuckuk. 237 Anmerk. Zu allen Zeiten erzählte man von keinem andern Vogel mehr Al: bernes, als von unſerm Kuckuk, weil er jedermann, aber meiſtens unter irrigen Meinungen und Vorurtheilen, oft auch nur dem Namen nach, bekannt war, befon= ders gab ſeine wunderbare Fortpflanzungsweiſe Stoff zu allerlei Maͤhrchen und Fa— beln, womit man denn auch ſeine Geſchichte in den Schriften unſrer Altvordern gehoͤrig ausgeſchmuͤckt findet, wovon ſich Manches ſogar bis auf unſere Zeit, beim gemeinen Mann wenigſtens, im friſchen Andenken erhalten, und ſelbſt Veranlaſſungen zu Sprichwoͤrtern gegeben hat. So ſollte das undankbar geſcholtene Geſchoͤpf feine Stiefaͤltern, wenn es ihre Huͤlfe nicht mehr beduͤrfe, verſchlingen, ſo auch ſeine Stiefgeſchwiſter, aus Futterneid; der alte Kuckuk ſollte den kleinen Voͤgeln die Eier ausſaufen und lecker darnach ſeyn; er ſoll ſich um Jacobi, wenn er zu rufen aufhört, in einen Sperber verwandeln, weshalb auch dieſer noch von unſern Landleuten, welche meiſtens noch allen Ernſtes an dieſe Verwandlung glauben, oft Kuckuk genannt wird. Man ſetzt ſonſt wol noch hinzu, daß er es nicht laſſen koͤnne, ſo lange er Kuckuk rufe, taͤglich einen kleinen Vogel zu verzehren, daß aber am Johan— nistage alle kleine Voͤgel Rache uͤbten, und ihm jeder eine Feder ausrupfte. Ein kleiner Vogel ſolle ihn allenthalben folgen und Futter zutragen. Welche Widerſpruͤche! Man fabelte auch von ihm, er ziehe nicht weg, ſondern halte in einem hohlen Baume Winterſchlaf, wie die Haſelmaͤuſe, wobei er alle Federn verliere, und was des Un— finns mehr ift. — Aber Kindern und Erwachſenen iſt der Kuckuk wichtig; alle hoͤren ſeinen Ruf gern; die erſtern ahmen ihm nach, zaͤhlen, wenn ſie ihn im Fruͤh— linge zum erſten Mal hoͤren, wieviel Mal er Kuckuk ruft, und glauben, ſo viel Jahre noch zu leben, wuͤnſchen daher, daß er fo oft wie moͤglich rufen moͤchte; im Gegen— theil fragen ihn wieder erwachſene Frauenzimmer, wie viel Jahr es noch dauern ſoll, ehe ſie einen Mann bekommen, wo ſie wieder wuͤnſchen, daß er nur wenige Mal rufen mochte. Wenn ihn manche Weibe zum erſten Mal hören, ſtechen fie das Stuͤckchen Erde aus, worauf ihre Fuͤße eben ſtehen, und dier ſoll gegen Floͤhe und anderes Ungeziefer gut ſeyn. Der Kuckuk iſt im Munde Aller: der wird den Kuckuk nicht mehr oder nicht wieder rufen hoͤren, — daß dich der Kuckuk, — hol' dich der Ku⸗ ckuk, — find bekannte Redensarten; auch foll man die neuen Speckſeiten nicht eher anſchneiden, als bis der Kuckuk ruft, und noch bei vielen andern Vorfaͤllen, wo man kaum an ihn denken mochte, citirt man den Kucuk. — Man brennt ihn auch zu Aſche, und haͤlt dieſe für ein Mittel gegen die Epilepſie; beſonders wurde in alten Zeiten viel von ihm in der Medizin gebraucht. N 163. Nei, de her du ck nk, Cuculus glandarius. Linn. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Faß 230: 2. junger Vogel. Straußkuckuk, großer gefleckter Kuckuk, Andaluſiſcher und lang: ſchwaͤnziger Kuckuk. Cueulus glandarius Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 411. n. 5. Lath. ind. orn. I. p. 207. n. 3. = Cuculus Andalusiae. Klein, Ord, av. p. 30. = Cuculus macro- 238 v. Ordn. XXIX. Gatt. 1638. Heher⸗Kuckuk. urus. Brehm, Beitr. I. ©. 494. u. II. S. 705. = Le Coucou d' Andalousie. Briss. orn. V. 4. p. 124. n. 10. Le grand Coucou tachete, Buff. Ois. V. 6. p. 361. — Edit. de Deuxp. XII. p. 12. = Great spotted Cuckow. Edw. av. t. 57. — Lath. syn. I. 2. p. 513. n. 3, — Ueberſ. v. Bechſtein. I. 2. ©. 424. n. 3. ¶ Cueule d’Andalusia. Gerini Ornith. Ital. I. p. 81. t. 70. = Wolf und Meyer, Taſchenb. III. S. 32. = Brehm, Lehrb. d. eur. Orn. I. S. 128 und 129. Junger Vogel. Cueulus pisanus. Gmel. Linn. I. 1. p. 416. n. 36. —= Eath. Ind. I. p. 211. n. 14. = Le Coueou huppe noir et blanc, Buff. Ois. VI. p. 362. — Edit. de Deuxp. XII. p. 14. = Pisan Cuckow. Lath. syn. I. 2. p. 520. n. 13. — Ueberſ. v. Bechſtein. I. 2. S. 429. n. 13. == Cucule nero e bianco col eiuffo. Ornith. Ital. I. p. 81. Kennzeichen der Art. Auf dem Kopfe ein liegender Federbuſch; die Schwanzfedern mit weißen Enden; der Oberleib auf dunkelm Grunde weiß gefleckt; der Unterleib und die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, oder gelblich. Beſchrei bung. Dieſer anſehnliche Vogel hat in feiner Geſtalt einige Aehn— lichkeit mit dem gemeinen Kuckuk; er iſt aber viel ſchlanker von Rumpfe, hat einen viel laͤngern, ſchmaͤlern Schwanz, vers haͤltnißmaͤßig kuͤrzere, obgleich auch ſehr ſchmale Fluͤgel, dazu ſind Schnabel und Fuͤße beinahe noch einmal ſo groß, obgleich die Staͤrke des Rumpfs der des genannten Vogels noch etwas nachſteht, oder ſie wenigſtens nicht uͤbertrifft. — Mit einem ſeiner uͤbrigen Gattungsverwandten iſt er nicht leicht zu verwechſeln. Die Lange eines alten männlichen Vogels beträgt 167 Zoll, die Breite 25 Zoll; die Laͤnge des Fluͤgels, vom Bug bis zur Spitze 91 Zoll; die des langen, keilfoͤrmigen, nur aus zehn Fe: dern beſtehenden Schwanzes 9 Zoll, und die in Ruhe liegenden Fluͤgel erreichen mit ihren Spitzen noch nicht die Haͤlfte deſſelben, fo daß 5) Zoll der Schwanzlaͤnge unbedeckt bleiben. Die Schwanz: federn 1159 bis auf die beiden mittelſten, welche die laͤngſten ſind, ziemlich ſchmal und endigen in eine noch ſchmaͤlere abgerundete Spitze; ſie nehmen nach den Seiten zu ſtufenweis an Laͤnge ab, ſo daß die aͤußerſte nur 5 Zoll mißt, folglich 33 Zoll kuͤrzer iſt, als eine der mittelſten. Der große, ſtarke Schnabel iſt, von der Seite geſehen, dem des gemeinen Kuckuks aͤhnlich, aber viel groͤßer, an der Wurzel breiter, nach vorn nicht rundlich, ſondern von beiden Seiten ſtark gedruͤckt, mit erhabenem runden Rüden des Oberkie⸗ fers, welcher ſich in einem ſanften Bogen nach der Spitze hin ab- waͤrts ſenkt, und mit dieſer uͤber die Spitze der Unterkinnlade merk⸗ V. Drdn. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗Kuckuk. 239 lich hinuͤber ragt. Die Unterkinnlade iſt ziemlich gerade, etwas ſchmaͤler, als die obere, beſonders hinterwaͤrts; der Schnabel im Ganzen an der Wurzel breiter und der ganzen Laͤnge nach hoͤher, als der des gemeinen Kuckuks. Seine Farbe iſt braunſchwarz, nach unten lichter, auf der Kante der Unterkinnlade nach der Wur— zel zu, auch an den Mundwinkeln in Roͤthlichgelb uͤbergehend; ſeine Laͤnge von der Stirn bis zur Spitze 1 Zoll, uͤber den Bogen ge— meſſen aber 13 Linien, feine Höhe an der Wurzel über 4 Linien, die Breite daſelbſt 4 Linien; er iſt alſo hier faſt eben fo hoch, als breit. Der Rachen iſt tief, bis unter das Auge, geſpalten, wes— wegen eine gerade Linie vom hintern Mundwinkel bis zur Spitze des Schnabels gezogen 1 Zoll mißt. — Die Naſenhoͤhle liegt nahe an der Stirn, iſt vorn rundlich, uͤberhaupt aber mit einer Haut uͤberſpannt, in welcher die Naſenoͤffnung faſt auf der untern. Seite der Höhle, alſo der Schneide des Schnabels nahe liegt, ei- nen kleinen, faſt mit letzterer parallell laufenden Ritz bildet, welcher nach vorn nur ein wenig erweitert iſt. Dieſer ſonderbare Bau des Naſenlochs unterſcheidet ſich ſehr von dem vieler Arten der Kuckuks— gattung, ganz vorzüglich von dem des gemeinen Kuckuks. — Die mittelmaͤßig großen Augen haben eine gelbbraune oder gelbe Iris und hinter dem Auge zeigt ſich eine kleine kahle gelbliche Stel— le, welche man aber wenig bemerkt. Die großen ziemlich plumpen Fuͤße haben ungemein ſtarke Fuß⸗ wurzeln und lange Zehen, mit ziemlich großen, mittelmäßig ge= kruͤmmten, ſchmalen, unten zweiſchneidigen Naͤgeln, an welchen die inwendige Schneide des Nagels der aͤußern Vorderzeh ein wenig aufgeworfen iſt. Die ganze Fußwurzel decken nur 4 bis 5 große Schildtafeln, von ſo anſehnlicher Breite, daß ſie hinten nur einen ſchmalen rauhen oder ſchaͤbigen Streif laſſen; auch die Zehenruͤcken ſind mit großen Schildern bedeckt, die Zehſohlen aber feinwarzig. Die Farbe ſaͤmmtlicher Schilder und Schildtafeln iſt, beim alten Vogel, ein glaͤnzendes Braunſchwarz oder Bleiſchwarz, ihre Raͤn⸗ der aber find braͤunlichweiß, die Sohlen weißlich gelbgrau; die Krallen dunkelbraun, an den Spitzen ſchwarz. Die Federbedeckung der Unterſchenkel geht kaum weiter, als die Fußbeuge herab, ſonſt iſt nichts von Laufe befiedert. Die Hoͤhe der Fußwurzel betraͤgt 4 Zoll 4 Linien, die Länge der äußern Vorderzeh 1 Zoll 3 Linien, ihr Nagel über dem Bogen über Z Zoll; die der innern Vorderzeh 9 Linien und ihr Nagel 43 Linien; die der aͤußern Hinterzeh 11 240 v. Ordn. XXIX. Gatt. 163. Heher-Kuduf. Linien, ihr Nagel 5 Linien; die der innern Hinterzeh aber nur I Zoll und ihr Nagel im Bogen 4 Linien. Das Gefieder iſt derber und knapper anliegend, die Federn am Kopf und an den untern Theilen ſchmaͤler oder uͤberhaupt kleiner, als beim gemeinen Kuckuk; die Schenkelfedern bilden nur kurze Hoſen; die Fluͤgel erſcheinen, der kurzen Armknochen und der langen Schwingen erſter Ordnung wegen, ſehr ſchmal, ob ſie gleich nicht auffallend groß ſind. Die erſte Schwinge iſt kurz, die zweite viel laͤnger und die dritte die laͤngſte; bis zur fuͤnften fallen ſie gegen das Ende hin ſchmal, ſonſt ſind ſie alle ſtumpf abgerundet; noch ſtumpfer ſind die Enden der Schwingen zweiter Ordnung, welche uͤberhaupt kurz find, doch nicht fo kurz, wie die des gemeinen Kuckuks; die Bürzel: und obern Schwanzdeckfedern find eben fo ſchmal und lang, als bei dieſem. — Die Federn am Oberkopfe ſind duͤnn und haarartig, ſie fangen ſich auf der Mitte des Scheitels an zu verlaͤngern, und bilden einen nach hinten liegenden duͤnnen Feder— buſch, weil die Federn, obgleich die groͤßeſten 17 Zoll lang ſind, eine ſchmale Lanzettform und dazu nur duͤnnſtehende Baͤrte haben. Dieſer Federbuſch aͤhnelt dem des Seidenſchwanzes, iſt aber von derberem Gefieder, und ſieht nicht fo aufgedunſen aus. Ver— bergen kann ihn indeſſen der Vogel nicht; wahrſcheinlich richtet er ihn im Affecte auf, was ſich freilich am e e nicht genau beſtimmen laͤßt. Am Maͤnnchen ſind Stirn, Zuͤgel, Wangen und e mit dem Federbuſch bis ins Genick hell aſchgrau, mit ſchwarzen Federſchaͤften und dunkelgrauen Federſpitzen; unter dem Auge, an den Ohren und im Genick am dunkelſten, faſt ſchwaͤrzlich; von letzterem geht uͤber dem Nacken, auf dem Hinterhalſe, ein finger— breiter, mattſchwarzer Streif nach dem Rüden zu, wo er allmaͤh— lich in das daſelbſt herrſchende Graubraun uͤbergeht. So wie der Ruͤcken, ſind auch der Buͤrzel, die obern Schwanzdeckfedern und alle Fluͤgelfedern, dunkel braungrau, mit einem ſchwachen ſeidenar— tigen gruͤnlichen Scheine, lichtern Saͤumen und weißen Spitzenfle— cken, welche letzteren nur am Buͤrzel ganz fehlen, auch am Ober— ruͤcken wenig bemerkbar, deſto groͤßer aber an den mittleren und großen Fluͤgeldeckfedern find, wo fie mit den großen weißen Spi⸗ tzenflecken der zweiten Ordnung Schwungfedern mehrere Querreihen uͤber dem Fluͤgel bilden; die großen Schwingen haben, außer den merklich lichtern Saͤumen, auch noch ſchmale hellweiße Spitzenkan⸗ V. Ordn. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗Kuckuk. 241 ten. Auf der untern Seite ſind die Schwingen braungrau, die untern Fluͤgeldeckfedern gelblichweiß. | Vom Kinn bis zum After find alle untern Theile weiß, an der Kehle, Gurgel, den Halsſeiten und der Oberbruſt mit ſchwarz— grauen, wenig bemerklichen Federſchaͤften und einem roſtgelben An— fluge, welcher am ſtaͤrkſten an den Seiten des Halſes iſt, wo ſich dies gelbliche Weiß halsbandartig nach hinten zieht, aber auf dem Hinterhalſe durch den ſchon beſchriebenen fingerbreiten Laͤngsſtreif getrennt bleibt. Die Hofenfedern find hinterwaͤrts aſchgrau angeflos gen und die aͤußerſten Oberſchwanzdeckfedern auf der Außenſeite weiß, wie es die untern ganz ſind. Die beiden mittleren Schwanzfedern ſind ſammt den Schaͤften matt braunſchwarz, mit feinem weißen Endſaͤumchen; alle uͤbrigen Schwanzfedern matt ſchwarz, die aͤu— ßerſte am lichteſten, alle mit feinen lichtbraͤunlichen Saͤumchen und großen weißen Enden, welche an Laͤnge zunehmen, ſo wie die Federn daran abnehmen; denn an der aͤußerſten iſt die weiße Spitze 2 Zoll, an der zweiten 15 Zoll, an der dritten 14 Zoll und an der vierten kaum 1 Zoll lang, an der fünften, einer der Mittelfe- dern, iſt fie endlich nur noch ein kaum 13 Linien breites Saͤumchen, was ſich aber meiſt zur Haͤlfte, oft auch ganz abgeſchliffen hat, und nur an ganz friſchen Federn vollkommen daſteht. — Auf der un: tern Seite iſt der Schwanz ſchwarz, doch nur matt auf den aͤußeren Federn, mit den weißen Enden der obern Seite. 5 Das Weibchen iſt etwas kleiner, der Federbuſch kuͤrzer, der Unterleib nicht ſo hell weiß, ſondern etwas mit ſchmutzigem Gelb uͤberlaufen, und die weißen Flecke an den obern Theilen auch ſchmutziger; ſonſt iſt es dem Maͤnnchen ganz aͤhnlich. Das Exem— plar, das Brehm a. a. O. ſehr genau beſchreibt, iſt wahrſchein— lich auch ein weiblicher Vogel. d Das Gefieder iſt, wie das aller ſuͤdlichen Vögel, dem Abfchleis fen und die Farben dem Abbleichen ſehr ausgeſetzt; durch das Ab— nutzen der Federenden werden die weißen Flecke an den obern Thei— len kleiner oder verſchwinden zum Theil gar, an den untern kom— men dagegen die grauen Federſchaͤfte mehr hervor, und der graue Mantel wird lichter oder ſein gruͤnlicher Seidenglanz geht ver— loren. ö f Sehr verſchieden von dem alten ſind Farbe und Zeichnung des Gefieders am jungen Vogel vor der erſten Mauſer, welches Kleid dieſe Voͤgel, nach Art der Raubvoͤgel, ein volles Jahr zu tragen ſcheinen, weil man ſie in dieſem niſtend angetroffen or Theil. 16 242 v. Ord. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗Kuckuk. haben will, wie die Beſchreibung des Cuculus pisanus, a. a. O. beweiſt; denn der Kuckuk von Piſa iſt der junge Vogel unſeres Heherku— ckuks. Ich habe einen ſehr jungen Vogel vor mir, deſſen Fluͤ— gel und Schwanzfedern noch lange nicht ausgewachſen, deſſen Schna⸗ bel und Fuͤße ſich noch nicht ausgebildet haben, auf deſſen Schnabel— ſpitze ſogar noch das weiße Huͤgelchen ſitzt, womit die jungen Voͤgel die Schale des Eies zerbrechen und ſich herausarbeiten, an welchen die Federn des Kopfbuſches an ihren Spitzen noch kleine weiße Punkte, den Sitz der vormaligen Dunen, zeigen; es iſt ein Exem— plar, was dem Neſte gewiß nicht lange erſt entflohen war, an deſſen Gefieder man aber doch ſehen kann, daß es nicht, wie bei vielen jungen Voͤgeln, locker und unvollkommen, ſondern mehr fuͤr die Dauer gebildet und beſtimmt iſt, laͤnger getragen zu werden, als dies bei dem jungen Singvoͤgeln und vielen andern der Fall iſt. — Dieſer halberwachſene junge Vogel ) hat nur erſt die Größe einer Schwarzdroſſel; feine Länge iſt wegen des kaum 34 Zoll lan⸗ gen Schwanzes nur 10 Zoll, feine Breite, der noch ganz kurzen großen Schwingen wegen, kaum 16 Zoll; auch der Schnabel iſt erſt 8 Linien lang, der Form nach zwar dem des alten Vogels aͤhnlich, aber noch viel ſchwaͤcher, die Spitzen beider Kinnladen noch von gleicher Laͤnge, die obere an der Wurzel auffallend breiter, als die untere, die Farbe deſſelben dunkelgrau, an der Wurzel unter— waͤrts etwas gelblich, die Spitze weißlich. Das Naſenloch iſt eine kleine faſt geſchloſſene, kurze Ritze. Die Iris iſt aſchgrau, das kahle Augenliederraͤndchen roth, ein Fleckchen kahle Haut hinter dem Auge ſchmutzig roͤthlichgelb. — Auch die Fuͤße find noch nicht aus— gewachſen und kleiner als beim Alten, glänzend lichtgrau oder blei⸗ farbig, mit gelblichweißen Schuppenraͤndern und Sohlen; die Krallen dunkelbraun, an der Baſis lichter. Der Federbuſch iſt zwar noch kurz, doch lang genug, um in jeder Lage ſichtbar zu bleiben. — Die Zuͤgel, ein Strich unter dem Auge, die obere Haͤlfte der Wangen einnehmend, der ganze Oberkopf mit dem Federbuſche, Genick und Hinterhals find dunkel ſchwarz, mit ſeiden— artigem Glanze; der Oberruͤcken, Buͤrzel und die langen obern Schwanzdeckfedern glaͤnzend braunſchwarz; die Schultern und alle Fluͤgelfedern, wenn man den Fluͤgel von außen und in Ruhe lie— gend betrachtet, ſehr dunkel graubraun, mit gruͤnlichem Seiden⸗ glanze und einem gelblichweißen Spitzenfleck an jeder Feder, welche *) Das Verliner Muſeum erhielt ihn mit mehreren alten Heherkuckuken von Cypern. V. Ordn. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗Kuckuk. 243 Flecke an den Schwungfedern ſchmale Halbmonde bilden, ſonſt aber an den uͤbrigen Federn der genannten Theile eine runde oder rund⸗ liche Geſtalt haben, anſehnlich groß ſind, auch mehr ins Roſtgelbe fallen, und uͤber dem Fluͤgel einige Querreihen bilden. Hebt man die zweite und dritte Ordnung Schwungfedern auf, ſo zeigt ſich, daß die der erſten Ordnung, von der vierten an, an der Wurzel⸗ haͤlfte ein ſchoͤnes Roſtroth ziert, was ſich am Schaft entlang uͤber zwei Drittheile ihrer Laͤnge der Spitze naͤhert, aber noch von den Schwingen zweiter Ordnung verdeckt wird, weil die erſter Ordnung noch nicht ihre voͤllige Laͤnge haben, was beim voͤllig erwachſenen Fluͤgel aber, auch wenn dieſer zuſammengefaltet iſt, ſehr deutlich geſehen wird; auch die vier vorderſten Schwingen haben an der Wurzel dies Roſtroth, dieſe merkwuͤrdige Abweichung vom alten Vogel, allein es wird von ihren Deckfedern verdeckt, welche beſon— ders große, runde, weiße Spitzenflecke haben. Auf der untern Seite ſind die Schwungfedern dunkelgrau, die großen an der Wurzelhaͤlfte matt Roſtroth, die untern Fluͤgeldeckfedern blaß roſtgelb oder roſt— gelblich weiß. — Kinn, Kehle, Gurgel, Halsſeiten, die Kropf— gegend bis auf die Oberbruſt, und der After nebſt den untern Schwanzdeckfedern ſind ſchoͤn dunkelroſtgelb, an den Halsſeiten am dunkelſten, faſt gelblichroſtfarben, wo es ſich in einer Spitze nach dem Hinterhalſe zieht, und hier in Flecken vereint eine Art von Halsband genannt werden kann. Die uͤbrigen Theile des Unter— koͤrpers, nebſt den Hofenfedern, find gelblichweiß; die Schwanz— federn matt ſchwarz, die mittelſten mit gruͤnem Seidenglanz und ſchmalem weißen Spitzenrande, die uͤbrigen mit großen weißen En⸗ den, die nach außen immer groͤßer werden, je mehr die Federn an Laͤnge abnehmen. Von unten ſind ſaͤmmtliche Schwanzfedern grau— ſchwarz, mit weißen Enden. Seitdem das ſo reiche Berliner Muſeum viele dieſer Voͤgel erhielt, war mir auch vergoͤnnt, mehrere zu unterſuchen und mit einander zu vergleichen. Sie weichen oft ziemlich von einander ab. So habe ich einen Vogel geſehen, welcher obiges Laͤngenmaß des alten Vo— gels um 13 Zoll und das Breitenmaß auch uͤber 1 Zoll uͤberſtieg, aber auch kleinere, die jenes nicht erreichten. Das Aſchgrau des Kopfes und Federbuſches iſt bei manchen, wahrſcheinlich recht alten Voͤgeln zum Kohlſchwarz geſteigert, die Zuͤgel ſind tief ſchwarz, und die weißen Flecke des Mantels ſind kleiner, die untern Theile rein weiß. Bei manchen zieht ſich auch das Weiße der Halsſeiten ſo weit nach hinten, daß es ſich auf dem Nacken vereinigt und ſo 244 V. Ordn. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗ Kuckuk. eine Art von Halsband bildet. Alle dieſe Abweichungen ſind jedoch nicht von ſo auffallender Art, daß ſie auf ſpecifiſche Unterſchiede deuten ſollten, ſondern nur verſchiedene Lebensperioden oder die verſchiedenen Geſchlechter bezeichnen. An den trocknen Baͤlgen dieſer Voͤgel bemerkt man, daß ſie ein ſehr feſtes und viel ſtaͤrkeres Leder haben, als unſer Kuckuk, und ſich deshalb viel leichter ausſtopfen laſſen wuͤrden, wenn nur nicht oͤfters ſo vieles Fett vorhanden waͤre. A uf eu t h e lt. Dieſer Kuckuk iſt ein ſuͤdlicher Vogel. Sein Vaterland iſt Afrika und zum Theil das waͤrmere Aſien. Er bewohnt Ae— gypten, Senegambien, Syrien und Cypern, beſucht auch noch manche andere Inſel des Archipels, Sicilien und das ſuͤdliche Italien zuweilen, und eben fo das ſuͤdliche Spa— nien und Portugal. Man hat ihn bei Gibraltar und in Andaluſien geſchoſſen, ſelbſt bei Piſa in Oberitalien bemerkt, und ein Paͤaͤrchen wurde vor mehreren Jahren in der Lauſitz un— weit Luͤbben, im Spreethale, in einem ſumpfigen Buſchholze angetroffen und ein Stuͤck davon geſchoſſen. In der Reihe der Voͤgel Deutſchlands ſteht er unter denen, welche ſich nur durch einen ſeltnen Zufall ein Mal zu uns verir⸗ ren, was bei einem, ſo warme Laͤnder bewohnenden Vogel nur in den Sommermonaten geſchehen kann. Aehnliche Beiſpiele fin— den ſich aus den Gattungen: Merops, Pterocles, Tachydromus, Illig., Glareola, Phönicopterus, Ibis, u. a. m. Unſer Heher⸗ kuckuk halt ſich übrigens in Waͤldern oder waldigen Gegenden auf. Vielleicht uͤberſchreitet er von Italien aus die Grenze unſeres Va⸗ terlandes oͤfter, als man bisher bemerkte, da man ihn, wie oben erwaͤhnt, ein Mal ſogar im nordoͤſtlichen Deutſchland antraf. Eigenſchaften. So viel man weiß, iſt dieſer Kuckuk ein wilder, flüchtiger und f ſcheuer Vogel, welcher die Annaͤherung des Menſchen flieht. Jene beiden, vom Herrn Kaufmann Müller aus Lübben im Spree⸗ thale angetroffenen, flogen unruhig von Baum zu Baum und betru⸗ gen ſich faſt wie die gemeinen Kuckuke. Durch ihr haͤufiges und be- ſonderes Geſchrei hatten ſie ſich vorzuͤglich bemerklich gemacht, und dies glich einem ſtarken Spechtgeſchrei. Als einer davon durch den V. Ordn. XXIX. Gatt. 163. Heher⸗Kuckuk. 245 Schuß erlegt war, wurde der andere ſo wild, daß ihm nicht mehr anzukommen war. Nahrung. Er lebt von allerlei großen Inſekten, von Raupen und andern großen Larven. Fortpflanzung. Von dieſer iſt aͤußerſt wenig bekannt. Daß er ſich auf Ey: pern fortpflanze, beweiſt ein von dort erhaltener junger, kaum flug: barer Vogel. Daß aber ein Paar einjaͤhrige Voͤgel (Cuculus pisa- nus, Auctor.) bei Piſa im Florentiniſchen, wo man dieſe Art vorher dort niemals geſehen hatte, ſelbſt ein Neſt gebaut, vier Eier hineingelegt, und dieſe ſelbſt ausgebruͤtet hatte, möchte wol unter die ornithologiſchen Maͤhrchen gehoͤren. Feinde. Im Geſieder finden ſich einige kleine Schmarotzerinſekten. a g d Die beiden Vögel dieſer Art, welche ſich einſtmals in der Lau⸗ ſitz zeigten, waren ſo ſcheu, daß man ſie nur mit Muͤhe hinterſchleichen, und einer davon mit der Flinte erlegt werden konnte, waͤhrend der andere durch den Schuß und Tod feines Kameraden vollends ganz: lich weggeſcheucht wurde. Nutz en und Schaden. Hievon iſt durchaus gar nichts bekannt. N Zweite Familie. Der Schnabel etwas lang, gerade, kantig, vorn keilfoͤr⸗ mig; an den Fuͤßen ſind ſtets zwei Zehen vor, zwei nach hin⸗ ten gerichtet, und dieſe mit ſtarken mondfoͤrmig gekruͤmmten Krallen verſehen. f Dreißigſte Gattung. Specht. Pi cus. Hm Schnabel: Mittelmaͤßig oder etwas lang, meiſt nach allen Seiten gerade, an der Wurzel faſt rundlich, aber durch ſcharfe Ruͤckenkanten und mehrere andere an den Seiten eckig oder vielflaͤchig, nach vorn ein wenig zuſammengedruͤckt oder etwas keilfoͤrmig, mit einer ſcharfen und breiten, oder meißelfoͤrmigen Spitze. Naſenloͤcher: Offen, eirund, nahe an der Stirn, unter einer etwas uͤberſtehenden Kante, von vorwaͤrts gerichteten und ſich etwas aufwaͤrts biegenden, ſtarren Borſtfederchen dicht bedeckt. Zunge: Wurmfoͤrmig, lang ausdehnbar, zum Vorſchnellen, mit einer pfriemenfoͤrmigen, hornartigen, mit Widerhaͤkchen verfehes nen Spitze. Fuͤße: Kurz, aber ſehr ſtark, mit rauhſchuppichter Beklei⸗ dung. Sie haben 4 Zehen, welche in Paaren ſtehen, eins nach vorn, das andere nach hinten gerichtet, ſo, daß die eigentliche aͤußere Vorderzeh, die laͤngſte von allen, zur Hinterzeh geſchlagen iſt, und nur etwas ſeitwaͤrts, aber nicht vor bewegt werden kann. v. Ordn. XXX. Gatt. Specht. 247 Die beiden Vorderzehen ſind an der Baſis mit einander verwachſen, die hintern ganz frei. Die eig entliche Hinterzeh (der Daumen), hier die innere, iſt die kleinſte; ſie koͤmmt an mehrern Arten ver⸗ kuͤmmert vor, bei einigen iſt ſie nur eine kleine Warze, worauf der Nagel ſitzt, bei andern ſteht bloß dieſer allein an ihrer Stelle, und, bei noch andern fehlt ſie gaͤnzlich; dieſe erſcheinen alſo vollkommen dreizehig. *) Die Zehen find mit ſehr großen, ſtarken, zuſam— mengedruͤckten, halbmondfoͤrmigen, ſcharfen Krallen bewaffnet. ! Schwanz: Eigentlich zwoͤlffederig, doch ift die Seitenfeder jederſeits nur ganz klein, wie verkuͤmmert, und ruht gewoͤhnlich auf der naͤchſten großen, ſo daß nur 10 vollkommene Schwanzfedern da ſind. Dieſe nehmen nach der Mitte an Laͤnge zu, ſo daß der Schwanz keilfoͤrmig, wegen den zugeſpitzten mittleren Federn, jedoch am Ende etwas geſpalten erſcheint; fie haben ſehr ſtarke, fifchbein- artige, unten ausgerinnte, nach der (meiſtens verſtuͤmmelt oder ab— gebrochen vorkommenden) Spitze zu abwaͤrts gebogene Schaͤfte, und ihre Baͤrte find ſpitzwaͤrts ebenfalls ſehr hart und fiſchbeinartig. Fluͤgel: Mittelmaͤßig, nicht ſpitz, hinterwaͤrts breit. Von den Schwingfedern iſt die erſte ſehr klein, die zweite mittellang, die dritte noch laͤnger, aber meiſtens erſt die vierte die laͤngſte. Das kleine Gefieder iſt etwas kurz, nicht ſehr derb, am Halſe locker und duͤnn, am Hinterkopf und Nacken oft haarartig. Dieſe Gattung iſt vor vielen andern ſehr ausgezeichnet. Ihrer Geſtalt, ſelbſt den Farben ihres Gefieders, wie ihrer Lebensart nach, ſtehen die Spechte ziemlich abgeſondert da. Ein ſtarker Kopf mit einem harten meißelartigen Schnabel, dieſer beſtimmt, Loͤcher in die Rinde und in das Holz der Baͤume zu hacken, um zu den darin wohnen— den Inſektenlarven zu gelangen; dazu eine langausſtreckbare, mit harter Spitze und dieſe mit Widerhaͤkchen verſehene Zunge, um jene anzuſpießen und aus den Löchern hervorzuziehen; ſtarke, mit gro— ßen, ſcharfen Krallen bewaffnete Kletterfuͤße, zum Anhalten bei jenem Geſchaͤft, und zum Erklettern der Baumſchaͤfte; endlich ein ſtark⸗ ) Dieſe allmaͤhliche Abſtufung von den vierzehigen zu den dreizehigen Spechten, wie ſie ſich an mehrern auslaͤndiſchen Arten zeigt, geſtattet nicht einmal eine Unter⸗ .abtheilung, geſchweige eine eigene Gattung für die letztern, die manche Naturforſcher vorgeſchlagen haben. N 248 V. Ordn. XXX. Gatt. Specht. * ſchaͤftiger, ſtarrer, abwaͤrts gebogner Schwanz, zur Unterſtuͤtzung des Koͤrpers beim Steigen an den ſenkrechten Flaͤchen, und beſon— ders beim Hauen der Loͤcher, wo er mit ſeiner Schnellkraft den Stoß vermehren hilft; dies alles ſind hoͤchſt auffallende Eigenheiten der Spechte. - Das Gefieder diefer Vögel hat meiftens ſehr lebhafte Far: ben: Grün, Gelb und Roth, oder Weiß, Schwarz und Roth, oft ſehr bunt durch einander, das Rothe, ein feuerichtes Karmoiſin, mehrentheils als Kopfzierde, bei einzelnen auch am After, das Gelb eben ſo. Bei vielen ſind nur zwei oder drei Farben vorherrſchend, die meiſtens grell von einander abſtechen, zumal Schwarz und Weiß, auch Roth. So haben die einzelnen Arten oft große Aehnlichkeit mit einander, jedoch auch wieder im Einzelnen recht deutliche Abzei⸗ chen, um ſie ſicher und leicht unterſcheiden zu koͤnnen. Eben ſo ſind beide Geſchlechter einer Art, bis auf wenige, aber leicht zu finden— de Kennzeichen, faſt gleich gefaͤrbt, deshalb auch im Aeußern gut zu unterſcheiden. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr, aber die Mauſer geht ſehr langſam von Statten, dauert bei manchen faſt ein Vierteljahr, fängt bei den unfrigen im Sommer an und iſt oft tief im Herbſt noch nicht beendigt. Man findet die Spechte in allen Welttheilen, Neuholland ausgenommen. Sie bewohnen die Waͤlder, und durchſtreifen auch andere Gegenden, wo Baͤume wachſen. In Deutſchland ſind fie Stand- und Strich voͤgel. Sie find ungeſellig, leben ein= zeln, halten ſich faſt beſtaͤndig auf Baͤumen auf, ſetzen ſich aber ſel— ten, wie andere Voͤgel, in die Quere auf Baumzweige, ſondern klettern gewoͤhnlich ruckweiſe oder huͤpfend an den Schaͤften der Baͤume ſenkrecht oder in einer Spirallinie hinauf, koͤnnen auch, ohne die ſenkrechte Stellung des Koͤrpers, nach Kopf und Schwanz, zu veraͤndern, alſo von der Seite huͤpfend, den Baumſchaft umkrei— ſen, klettern aber ſelten auf der untern Seite ziemlich wagerechter, ſtarker Aeſte entlang, zuweilen auch wol etwas ruͤckwaͤrts, aber nie mals an einem Baumſchafte, den Kopf nach unten, herab. — Auf der Erde haben ſie einen ziemlich ſchwerfaͤlligen, huͤpfenden Gang, wobei das Ferſengelenk ſtark gebogen iſt. Ihr Flug iſt hart, ges woͤhnlich mit einem Schnurren begleitet, und in einer großen Wo— genlinie auf- und abſteigend, wenn er weit geht. — Es ſind un— ruhige, liſtige, meiſtens auch ſcheue Voͤgel, welche ſich den ganzen Tag faſt ausſchließlich mit dem Aufſuchen ihrer Nahrung beſchaͤfti— gen, die fie groͤßtentheils auf den Baͤumen, zuweilen aber auch auf ; V. Ordn. XXX. Gatt. Specht. 249 der Erde ſuchen. Sie naͤhren ſich von mancherlei Inſekten und de⸗ ren Larven, auch von den Kernen grober Saͤmereien, ſind aber von der Natur hauptſaͤchlich auf ſolche Inſektenlarven angewieſen, wel- che in der Rinde und im Holze der Baͤume leben, weshalb ſie mit— telſt ihres meißelartigen Schnabels und mit Huͤlfe oben genannter Einrichtung anderer Koͤrpertheile, tiefe Loͤcher in die Borke und in das morſche Holz hacken, um zu jenen zu gelangen und ſie hervor— zuziehen. Eben fo verfahren fie bei Erdinſekten;“) auch Nuͤſſe und andere harte Samengehaͤuſe zerſpalten ſie, indem ſie ſolche in eine Spalte feſtklemmen. Ihrer Nahrung wegen werden ſie uns meiſten— theils ſehr nuͤtzlich; denn ſie hacken nie einen geſunden Baum an, ſondern immer nur ſolches Holz, was von Würmern krank oder ſchon morſch iſt und die kranke oder abgeſtorbene Rinde, und wenn ſie zu andern Zwecken ein Loch in einen ſcheinbar geſunden Baum ein— hauen, fo iſt ein folder Baum oder Aſt doch allemal ſchon kernfaul, was ihnen ihr ſcharfer Geruch angiebt. Vom Genuß der Holzmas den und der beſtaͤndigen Beruͤhrung mit verdorbenen Baumſaͤften am Holz und der Borke haben ſie ſelbſt einen eignen ſpecifiſchen, ſuͤßſauren Geruch, dem aͤhnlich, wie ihn viele Holzwuͤrmer, vorzuͤg— lich die Raupen des Weidenbohrers (Cossus ligniperda) haben. Ein Analogon mit dem Balzen der Waldhuͤhner und mancher anderer Voͤgel iſt ein ſonderbares lautes Schnurren, was unſere Spechtmaͤnnchen auch nur in der Paarungszeit hoͤren laſſen, und durch ein aͤußerſt ſchnelles Hacken auf den duͤrren Aſt eines hohen Baumgipfels hervorbringen. Die zitternde Bewegung, in welche ein ſolcher Zacken (Hornzacken) durch die ſchnellen Stoͤße des Spechtſchnabels geſetzt wird, verdoppelt dieſe (wie beim Schlagen der Trommel), und ſo entſteht ein ſchnurrender Ton, welcher bei den groͤßern Arten ſo laut iſt, daß man ihn ſehr weit hoͤrt. Sie locken damit ihre Weibchen herbei. Sie niſten jaͤhrlich ein Mal in Baumhoͤlen, die ſie ſich ganz oder zum Theil ſelbſt verfertigen; bauen kein Neſt, ſondern legen ihre 3 bis 8 ſehr glaͤnzenden, rein weißen Eier auf wenig kleine Holzſpaͤhne. Männchen und Weibchen brüten, und haben zur *) Unter den auslaͤndiſchen Arten dieſer Gattung ſind einige, deren Schnabel ein wenig gebogen iſt, die bloß von Erdinſekten und deren Larven leben, und ſich deshalb beſtaͤndig auf der Erde aufhalten; dieſen nähern ſich unſere Gruͤnſpechte. Dann giebt es noch andere, welche zwar, wie die unſrigen, ihre Nahrung kletternd, aber nicht an Baͤumen, ſondern an Felſen ſuchen. 250 V. Ordn. XXX. Gatt. Specht. Brutzeit einen kahlen Bauch. Die Jungen ſind haͤßliche, dickkoͤpfige, nur mit wenigem Flaum bekleidete Geſtalten, und haben am Schna— belwinkel jederſeits einen knorpeligen Knollen, welcher erſt nach und nach beim Erwachſen des Schnabels verſchwindet. Sie klammern ſich an Alles an, früher noch, als fie auf den Füßen ſtehen, und klettern auch früher, als fie auf horizontalen Flächen forthüspfen lernen. Die Zeichnung des Gefieders vor der erſten Mauſer iſt von dem der Alten meiſtens weniger im Allgemeinen, als an einzelnen Theilen verſchieden. Ueber die merkwuͤrdigen anatomiſchen Verhaͤltniſſe der Spechte bemerkt Hr. Prof. Nitzſch Folgendes: „Am Gerippe zeichnet ſich aus: Das ganze Kopfgeruͤſt, beſon⸗ ders auch die ziemlich kugelige Hirnſchale durch bedeutende Haͤrte; die Oberfläche der letztern meiſt durch viele kleine (denen eines Fin= gerhuts aͤhnliche) Gruͤbchen, welche von den Eindruͤcken der dicht aufſitzenden Federſpuhlen herruͤhren; die ſchmalgedruͤckten lamellen⸗ artigen Fluͤgelbeine (Verbindungsbeine) durch einen anſehnlichen ſchief nach vorn gerichteten und dem freien Fortſatz des Gelenkbeins parallelliegenden Aſt; die untere Wand der Paukenhoͤle durch einen knorpeligen Strich. Die Roͤhrenbeinchen, die Knoͤchelchen des ligamenti jugo mandibularis postici, und, wie es ſcheint, ſelbſt das Thraͤnenbein fehlen. Halswirbel ſind 12, Ruͤckenwirbel 8, von denen aber der letzte zugleich Beckenwirbel und mit den uͤbrigen eigentlichen Beckenwirbeln zu einem Stuͤck verwachſen iſt; Schwanz: wirbel 7. Der letzte Schwanzwirbel iſt, um den ſtarken Schwanz— muskeln und Steuerfedern den gehoͤrigen Anhalt zu geben, beſon⸗ ders groß, ſtark, ſehr breit an der hintern Flaͤche, mit langem, ſtarkem Dornfortſatz und gewiſſermaßen doppelten Queerfortſaͤtzen verſehen. Von den 8 Rippenpaaren haben die beiden vorderſten keine Rippenknochen; das zweite, dritte bis vierte oder fünfte Paar ſind ſehr ſtark und breit, das dritte hat gewoͤhnlich den ſtaͤrkſten Rip⸗ penknochen. Das Bruſtbein iſt ziemlich groß, nach hinten erwei- tert, der Hinterrand auswaͤrts bogenfoͤrmig und jederſeits mit zwei haͤutigen, ſich tief in den Koͤrper des Bruſtbeins hineinziehenden Buchten, wodurch zwei Paare hinterer Fortſaͤtze abgetheilt werden, deren jeder mit einem ſcheibenfoͤrmigen rundlichen breiten Knorpel endet. Die vordern Seitenfortſaͤtze des Bruſtbeins ſind lang und ſpitz, der vordere unpaare zur Stuͤtze der Furcularhaut etwas gabe— lig. Die Schluͤſſelbeine ſind lang und ziemlich ſchmaͤchtig. Die ziemlich kurzen Schulterblaͤtter bilden am Hinterende einen abgerun— deten Seitenhaken (was ich ſonſt nirgends fo gefunden). Die Ne⸗ V. Ordn. XXX. Gatt. Specht. 251 benſchulterblaͤtter find vorzuͤglich ausgebildet und gleichen ganz denen der Singvoͤgel. Das in der Sehne des langen Vorderarmſtreck⸗ muskels bei allen Singvoͤgeln und einigen andern befindliche Knoͤ⸗ chelchen, welches ich Patella brachialis nenne und vor geraumer Zeit von der Mauerſchwalbe dargeſtellt habe“), fehlt. Dagegen iſt der, in dem Scheidenbande, welches den Kopf des muscul. flexor carpi ulnaris umgiebt, auch bei vielen Voͤgeln vorkommende kleine Knochen (os vaginale, Nitzsch.) ſehr deutlich. Das Becken iſt dem der Singvoͤgel aͤhnlich; es kruͤmmen ſich aber die graͤthenfoͤrmigen Schaamſtuͤcke merklich gegen einander. Der Oberſchenkel der kur⸗ zen Fuͤße iſt etwa ſo lang, als der Lauf, der Unterſchenkel etwa um ein Drittheil laͤnger. Die Nebenroͤhre (kibula) gleicht der der Singvoͤgel und endet unverknoͤchert und faſt fadenduͤnn noch vor dem untern Ende der Schienbeinroͤhre. Die Knieſcheibe iſt queer ges zogen, von gewoͤhnlicher Beſchaffenheit.“ „Der untere Theil der Hirnſchale, die meiſten Wirbel, die meiſten Rippen, das Bruſtbein, die Schulterblaͤtter, Schluͤſſelbeine, das Gabelbein, die Becken und die Oberarmknochen ſind luftfuͤhrend, jedoch iſt die Pneumaticitaͤt derſelben nicht bedeutend und theils un⸗ vollkommen. Nur beim Schwarzſpecht fand ich die Oberſchenkel⸗ knochen pneumatiſch, und zwar befindet ſich hier die Luftoͤffnung nicht vorn, ſondern, wie beim Strauß, hinten.“ „ Die Naſendruͤſe hat eine ganz ungewöhnliche Lage, indem ſie unter dem Augapfel in der Orbita befindlich iſt, und ihr Aus⸗ fuͤhrungsgang nicht uͤber den Fluͤgelfortſat des Riechbeins, ſondern unter demſelben weggeht.“ „Die Einrichtung des Zungenapparats der Spechte iſt beſon⸗ ders merkwuͤrdig. Die eigentliche Zunge iſt ſehr klein, ſchmal ob⸗ long, hornig, an beiden Seitenwaͤnden mit widerhakenden Borſten⸗ paaren beſetzt, und ihr hinterer Rand durchaus gerade, glatt, ohne Zaͤhne und nicht uͤber den Zungenhals erhaben. Hingegen iſt der Zungenhals einer bedeutenden Verlängerung fähig, in Folge wel- cher die Zunge mit ihm weit herausgeſtreckt werden kann, und ſo ge⸗ wiſſermaßen wurmfoͤrmig erſcheint. Es wird naͤmlich derſelbe nicht nur von dem an ſich langen und ſchmaͤchtigen Körper des Zungenbeins, ſondern zugleich von den ſehr langen graͤtenfoͤrmigen biegſamen Zungen⸗ beinhoͤrnern gebildet, indem dieſe ſich dicht neben einander legend und in eine gemeinfchaftliche, dehnbare, fleiſchige Scheide tretend in einer weiten Strecke nach vorn geſchoben werden. Die theils enorme Laͤnge ) S. Oſteographiſche Beiträge zur Naturgeſch. d. Vög. taf. 2. k. 9. J. 252 V. Ordn. XXX. Gatt. Specht. dieſer Zungenbeinhoͤrner iſt Urſache, daß ſie in der Ruhe oder bei nicht ausgeſtreckter Zunge von hinten auf die Hirnſchale hinauf, und dann nach vorn uͤber dieſelbe hinweg reichen; ja bei manchen Ar— ten erſtrecken ſie ſich noch in eine tief unter dem rechten (ſeltener un⸗ ter dem linken) Naſenloch hingehende Hoͤhlung des Oberkiefers, und bei manchen (bei Picus viridis und canus) machen ſie außerdem, noch bevor ſie an die Hirnſchaale kommen, ein ſtarke den Hals hinunter und wieder hinauf zum Kopfe gehende Biegung. Da die Zungen⸗ beinhoͤrner dicht neben einander an das Hinterende des Zungenbein— koͤrpers gefuͤgt ſind, ſo bleibt kein Raum fuͤr den, auch wirklich gaͤnz⸗ lich fehlenden Zungenbeingriffel. Mit jener ſonderbaren Zungenbil— dung iſt eine außerordentliche Entwickelung eines Schleimdruͤſen— paares, welches ſich an den Unterkieferaͤſten hinzieht, und wol bis hinter die Ohroͤffnung reicht, verbunden. So derb, lang und vo— luminoͤs ſind dieſe Druͤſen unter den einheimiſchen Voͤgeln nur noch beim Wendehals, der eine gleiche Anordnung der Zunge hat; ſie ſondern einen klebrigen Schleim ab, mit welchem der lange ausſtreck— bare Zungenhals uͤberzogen wird, um zu aͤhnlichem Zwecke, wie die wurmfoͤrmige Zunge der Ameiſenfreſſer geſchickt zu ſein.“ „Die Luftroͤhre hat breite Knochenringe, die Halbringe der Bronchien find knorpelig. Ein eignes Muskelpaar des untern Kehl— kopfs iſt kaum zu erkennen; die Gurgelrumpfmuskeln fuͤgen ſich ganz oder groͤßtentheils an den vorderſten Rippenknochen an.“ „Der Schlund iſt ohne Kropf oder bauchartige Erweiterung; 5 der Vormagen meiſt lang, weit, in der Ruͤckwand größtentheils drüfenlos. Der Magen ein vollkommener Muskelmagen. Der Darmkanal ohne Blinddaͤrme, mit zottiger innerer Flaͤche.“ N „Das Pankreas doppelt, ein oberes oder linkes, und ein uns teres oder rechtes; beide lappig, von verſchiedener Geſtalt, nach Verſchiedenheit der Arten.“ „Die Leber ziemlich klein, der rechte Lappen, wie gewoͤhnlich, groͤßer, uͤbrigens von etwas verſchiedener Form nach den Arten, aber immer mit ausgezeichnet langer darmfoͤrmiger Gallblaſe.“ „Die Milz klein laͤnglich- rundlich.“ „Die Nieren ſind deutlich getrennt, liegen jedoch dicht an einander; der vordere Lappen kurz, aber breit. Die beiden Nieren⸗ venenſtaͤmme find bei einigen Arten durch einen ſtarken, frei liegen⸗ den Queraſt verbunden.“ „Bei den Maͤnnchen ſind die Hoden ſehr ungleich, der rechte V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. 253 rund, der linke laͤnglich und nierenfoͤrmig gebogen. Bei den Weib: chen der Eierſtock einfach.“ „Die Oeldruͤſe auf dem Schwanze herzfoͤrmig, mittelgroß, mit Federn am Zipfel.“ „So nach anatomiſcher Unterſuchung des Picus martius viridis, eanus, major, medius und minor.“ In Deutſchland haben wir von dieſer Gattung acht Ante n. 164. Der Schwarz⸗ Specht. Picus martius. Linn. | Fig. 1. Maͤnnchen. 2. Weibchen. Großer Schwarzſpecht, Kraͤhenſpecht, ſchwarzer-, und gro— ßer (gemeiner) Specht, tapferer Specht, Bergſpecht, Luderſpecht; Baumhacker, größter Europaͤiſcher ſchwarzer Baumhacker; Holz, Hohl⸗, oder Lochkrahe, Holzkrahe, Luderkrahe, Holzhuhn, Wald— huhn, Tannroller, Fuͤſelier; Kriegsheld. Pieus martius, Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 424. u. 1. —- Lath. ind. I. P. 224. n. 1. == Retz. Faun. suec. p. 101. n. 53. == Nilsson, orn., sue. I. P. 102. n. 48. Le Pie- noir Buff, Ois. VII. p. 41. f. 2. — Edit, de Deuxp. XIII. p. 56. t. 1. f. 1. = Id. pl. enl. 596. Gérard. tab. elem. II. p. 4. = Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 390. Great black Woodpecker. Lath. syn. II. p. 552, n. 1. Supp. I. p. 104. — Ueberſ. von Bechſtein, I. 2. S. 455. n. 1. Penn. arct. Zool. überf. von Zimmermann. II. S. 261. A. Piechio corvo Stor, deg. ucc. II. t. 172. Swarte Specht. Sepp. Nederl. Vog, IV. t. p. 385. = Bechſtein, Nature. Deutſchl. II. S. 994. Deſſen orn. Taſchenbuch. I. S. 60. = Teutſche Ornith. v. Borkhauſen u. a. Heft. 3. Maͤnnch. t 13. Weibchen. — Wolf u. Meyer. Naturg. a. V. Deutſchl. e 6. — Deren Taſchenb. I. S. 117. Meyer Voͤg. Liv. u. Eſthlands. S. 58. Meisner u. Shin; V. d. Schweiz, S. 38. n. 36. - Koch, Baier. Zool. en S. 71. n. 3. = Leisler, Wetteraueſche Ann. I. 2. ©. 286. Brehm, Beitr. I. S. 306. — Deffen Lehrb. I. S. 133. F riſch, Vög. Taf. 34. = Naumann s Sg. alte Ausg. I. ©.117. Taf. 25. Fig. 49. u. Nachtr. S. 17. Taf. 131. N Kennzeichen der Art. Ganz ſchwarz, mit hochrothem Scheitel oder Genick 254 V. Ordn. XXX. Sat. 164. Schwarz⸗Specht. Beſchrei bung. Ein großer anſehnlicher Vogel und zugleich die groͤßſte Euro⸗ paͤiſche Spechtart. Seine Groͤße, ſein einfoͤrmiges Gewand, ſein nirgends häufiges Vorkommen, und dann ſo manches Eigenthuͤm— liche und Abweichende in ſeiner Lebensart, heben ihn vor allen andern einheimiſchen Spechten heraus, und machen ihn ſehr merk— wuͤrdig. An Größe übertrifft er unſre Dohle noch um ein Bedeuten— des, ſo, daß er hierin eigentlich das Mittel zwiſchen dieſer und dem Saatraben hält. Man findet ihn von 164 Zoll (ohne Schna⸗ bel gemeſſen) bis zu 184 Zoll Laͤnge, u. von 291 bis zu 32 Zoll Breite; ſein Gewicht von 20 bis zu 23 Loth. Der Schwanz iſt 7 Zoll lang, u. wird von den ruhenden Flügeln etwas über die Halfte bedeckt, die aͤußerſte kleine Seitenfeder mißt aber nur 25 bis 3 Zoll. Von den Schwingfedern ift die erſte kurz, klein, ſchmal, u. ſpitzig, die zweite eben ſo, aber mehr als noch ein Mal ſo lang, die dritte breiter, weniger ſpitz, 17 Zoll laͤnger als die vorige, die vierte noch breiter u. 5 Zoll länger, die fünfte aber nur 1 Linie laͤnger oder auch nur von gleicher Laͤnge mit der vierten, welches dann die laͤngſten ſind. Alle Schwingen ſind ſchlaffer, und die der erſten Ordnung verhaͤltnißmaͤßig ſchwaͤcher u. ſchmaͤler, als bei an⸗ dern einheimiſchen Spechten, die zweiter Ordnung aber bedeutend groß und lang, die erſten am Ende ſchmal zugerundet, die andern breit abgeſtumpft, und die Fluͤgel haben oben und unten etwas kurze Deckfedern, wodurch ein eigner Fluͤgelbau und ein von den uͤbrigen Arten abweichender Flug entſteht. — Der keilfoͤrmige, am Ende abwaͤrts gebogene Schwanz hat eigentlich 12 Federn, aber nur 10 große; die Mittelfedern ſind die groͤßeſten und laͤngſten, und wegen des zugeſpitzten Endes theilt ſich der Schwanz in zwei Spitzen; ſie haben alle, die unvollkommenen Seitenfederchen ausgenommen, ſehr ſtarke fiſchbeinartige Schaͤfte, dieſe unten eine tief ausgehoͤhlte Rinne, fo daß an beiden Seiten entlang ſcharfe Schneiden ſtehen, und ab- waͤrts gebogene Spitzen, die an den laͤngſten faſt immer abgebrochen, und nur bei jungen Federn in ihrer Vollkommenheit zu ſehen ſind. Auch der Bart dieſer Federn iſt an der Spitze hart und ſtarr. Der Schnabel iſt gerade, groß, und ſtaͤrker, als bei andern einheimiſchen Spechten, 22 Zoll lang, an der Wurzel faſt 7 Linien hoch u. 10 Linien breit, am Unterſchnabel jedoch bedeutend ſchmaͤler. Seine ſcharfen Kanten machen ihn ſehr eckig, ſo daß man zwiſchen ! V. Ord n. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. 255 ihnen, wenn man ihn von oben betrachtet, vier Hohlkehlen bemerkt, oder daß der Oberſchnabel ausſieht, vie die Spitze eines dreikantigen Schilfblattes; die ſchaͤrfſten Kanten ſind die des obern Schnabelruͤ⸗ ckens und die, welche von den Naſenloͤchern zur Spitze laufen; dieſe iſt aber, von der Seite geſehen, nicht ſpitz, ſondern wie ein Keil gleichſam ſcharf zugeſchliffen, und vorn breit und ſcharf, wie ein Mei⸗ ßel, doch ſo, daß der Oberſchnabel ſtets ein wenig laͤnger iſt, und dadurch eine ſchiefe Spitzenſchneide entſteht. Er iſt, beſonders nach vorn, knochenhart, inwendig oben wenig, unten etwas mehr ausgehoͤhlt, die Schneide des Oberkiefers ſcharf, wie ein Meſſer, die der Unter: kinnlade kolbig, hinten ſehr dick, nur vorn, wo die Aushoͤlung der— ſelben breiter wird, ſchmaͤler. Von Farbe iſt der Schnabel laͤngſt der Ruͤckenkante u. an der Spitze graublau, ſonſt weißblaͤulich, an den Mundkanten und hinterwaͤrts in Gelblichweiß uͤbergehend, im Innern perlfarbig. — Die Naſenloͤcher find ziemlich groß, läng- lichrund, in einer vertieften Rinne nahe an der Schnabelwurzel lies gend, von ſtarren Borſtfedern, die ſich etwas aufwaͤrts biegen, dicht bedeckt, und nur dann, aber ſehr wenig, ſichtbar, wenn dieſe, wie es gegen den Sommer hin geſchieht, etwas abgeſtoßen ſind. Auch an der Wurzel des Unterſchnabels und am Kinn ſtehen vorwaͤrts gerichtete Borſtfederchen. Die wurmartige, an der hornartigen Spitze mit harten Wider— haͤkchen, auch am weichern Theil noch mit feinen Spitzchen, verſe— hene Zunge iſt dicker und kuͤrzer, als am Gruͤnſpecht, kann aber bis auf 6 Zoll lang ausgedehnt werden, und reicht dann bis 34 Zoll uͤber die Schnabelſpitze hinaus. Sie ſieht, wie der Noche u blaß fleiſchroͤthlich aus. Das lebhafte Auge hat eine rein ſchwefelgelbe oder weißgelbe Iris, und die beſondere Eigenheit, daß der tief- ſchwarze Augapfel in ſeiner Rundung, nach dem Zuͤgel zu, eine kleine Ausbiegung macht. Bei den jungen Schwarzſpechten iſt der Augenſtern erſt lichtgrau, dann grauweiß, und geht dann nach und nach vom gelblichen Weiß zu jener ſchoͤnen Schwefelfarbe über. Die Füße find kurz, ſehr ſtark, mit ſehr großen, zuſammen⸗ gedruͤckten, unten zweiſchneidigen, halbmondfoͤrmigen, oder faſt halbzirkelig gekruͤmmten, ſcharfen und ſehr ſpitzigen Krallen bewaff⸗ net; die Laufe von oben herab an zwei Drittheilen befiedert, doch hinten kahl, am Uebrigen vorn, wie auf den Zehenruͤcken, mit gro: ßen rauhen Schuppen belegt, die Zehenſohlen grobwarzig. Ihre Farbe iſt ein, oft ſehr beſchmutztes, duͤſteres Bleigrau oder bleiches Schieferblau, mit graugelblicher Miſchung in den Zwiſchenraͤumen 256 V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. der Schilder und an den Sohlen. Die Fußwurzel ift 14 Zoll hoch, von den vordern Zehen (die Krallen aller in gerader Linie mit ge= meſſen) die äußere 13 Zoll, die innere 15 Zoll, von den hintern die aͤußere 13 Zoll, die innere nur 2 Zoll lang, die Krallen allein (über den Bogen gemeſſen) an den erſtern 11 und 10 Linien, an den letztern 11 und 5 Linien. Das kleine Gefieder iſt weich und locker, nur oben am Rumpf etwas geſchloſſener, am Halſe beſonders duͤnn, ohne beſtimmten Zuſammenhang. Am Unterkoͤrper iſt es etwas kraͤhenartig. Der ſpecifiſche Geruch des friſchen Vogels iſt etwas von dem anderer inlaͤndiſchen Spechte verſchieden, und aͤhnelt auch dem jener Voͤ— gel entfernt. f Am Maͤnnchen iſt der ganze Oberkopf, von den ſchwarzen Naſendeckborſten an bis an den Nacken, alſo Stirn, Scheitel und Genick, brennend karmoiſinroth, wie der ſchoͤnſte rothe Karmin; Zuͤgel und Augenbraunen, ſo wie der ganze uͤbrige Kopf, tief ſchwarz; alles andere Gefieder der uͤbrigen Koͤrpertheile ſchwarz, am Unterkoͤrper matter als oben, die Enden der großen Schwin— gen oft fahl⸗ oder rauchſchwarz, ihre Schaͤfte meiſtens noch brau— ner, auch die Unterfluͤgel mattſchwarz. Am Weibchen, das nicht immer etwas kleiner oder ſchmaͤch— tiger iſt, ſieht Alles eben ſo aus, nur iſt bei ihm bloß das Genick roth, und dieſe Prachtfarbe nimmt nur bei ſehr alten einen et— was groͤßern Raum nach vorn ein, ſo daß es bald bis auf die Mitte des Scheitels, aber niemals weiter vorreicht. Meiſtens faͤllt auch die ſchwarze Farbe der Weibchen, beſonders an den untern Theilen, noch mehr ins Fahle, als bei alten Männchen. Nach der Mauſer im Herbſt und im Winter iſt das Ge— fieder am ſchoͤnſten; nach und nach verbleichen aber die Farben, und im Sommer faͤllt alles Schwarz ſtark ins Rauchfahle, auch wird das Gefieder abgerieben, zumal die Schwanzfedern, die ſich fo ab— ſchleifen, daß die groͤßeſten faſt ein Drittheil an ihrer Laͤnge vers lieren. Die jungen unvermauſerten Schwarzſpechte find wie die Alten gefaͤrbt, und auch beide Geſchlechter unterſcheiden ſich eben ſo, doch iſt beim jungen Maͤnnchen der Anfang der Stirn ſchwarz, und dann faͤngt erſt der rothe Scheitelfleck an, deſſen Farbe auch noch nicht ganz ſo ſchoͤn, wie bei den Alten iſt. Der Schnabel iſt anfaͤnglich bedeutend kleiner, auch gelblicher gefaͤrbt, aber ſo wie er ſich allmählich feiner völligen Ausbildung nähert, und die Augen— v. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗ Specht. 257 ſterne ſich hellgelblich färben, fo erſcheint beim Maͤnnchen der Scheitel und beim Weibchen der Nackenfleck nur ſchwarzgrau, roth geſprenkelt, weil die rothe Farbe nur an den Spitzen der Federn ſitzt, die ſich zum Theil ſeit dem Ausfliegen verſtoßen haben, oder weil nun, da der Kopf bedeutend groͤßer geworden, die Federn ihre grauſchwar— zen Wurzeln nicht mehr verdecken koͤnnen. Bei mehreren andern Spechtarten geht es mit dem Roth des Kopfes eben ſo, ſo daß alſo die Spechtkoͤpfe bei Neſthockern ſchoͤner ausſehen, als ie wenn ſie ſchon lange ausgeflogen ſind. Nach der erſten Mauſer unterſcheiden ſich die jungen Schwarz⸗ ſpechte nur durch den noch etwas kleinern Schnabel von den alten. Von Spielarten erwähnt man einer, die am Unterkoͤrper weiße Flecke hatte; dann einer andern, welche ſtatt ſchwarz, ſchwaͤrzlich aſchfarben war und eine orangegelbe Kopf— platte hatte; auch ein ganz ſchwarzes Weibchen, dem alles Roth fehlte, wird von Bechſtein unter andern Abweichungen be— ſchrieben, die ſich aber bloß auf Alter und Geſchlecht beziehen. Die Mauſer faͤngt ſchon im Juli an, geht ſehr langſam von Statten, denn oft erhaͤlt man im Oktober noch Schwarzſpechte, bei welchen der Federwechſel noch nicht beendigt iſt. Au fe n tha . k. Der Schwarzſpecht hat eine weite Verbreitung, bewohnt RR - mehr die nördlichen, als ſuͤdlichen Zander, ſo hoch nach Norden hin— auf, als es noch Waldungen giebt, in Europa von den La p p— marken an bis Frankreich herab, das ganze Eu ropaͤiſche und Aſiatiſche Rußland, doch nicht Kamtſchatka, aber Perſien. Eben ſo iſt er in Nordamerika, und man giebt auch Chili, Paraguai und Portorico als ſeinen Aufenthalt an. In Europa iſt er nirgends zahlreich anzutreffen, im mittlern nur einzeln, und im ſuͤdlichen verliert er ſich ganz. In England ſoll er ſelten, und auf Sardinien nie angetroffen werden. In der Schweiz und in einigen Gegenden Deutſchlands iſt er keine Seltenheit, obwol eigentlich nicht gemein, aber in vielen Stri— chen unſers deutſchen Vaterlandes ſieht man ihn aͤußerſt ſelten und in manchen gar nicht. Auch in Anhalt koͤmmt er nur ganz ein— zeln war, weit haͤufiger in Thuͤringen, dem Voigtlande, Franken und in den Waldungen des weſtlichen Deutſchlands. Bei uns iſt er ein Standvogel; denn wenn ſich ja ein Mal einer anderswo und entfernt von feinem Standrevier ſehen läßt, fo or Theil. 1% 258 V. Ordn. XXX. Gatt. 164. ShwarzeSpedt. iſt ein ſolcher als ein Verirrter zu betrachten; es faͤllt aber ſehr ſel⸗ ten, gewöhnlich im Frühjahr. oder im Herbſte, und dann auch nur in Gegenden vor, welche durch Baumreihen oder nicht ſehr weit von einander entfernte Baumpartien einigen Zuſammenhang mit groͤßern Waldungen haben, denn uͤber freies Feld fliegt dieſer Vogel nur ungern und auch ſonſt ſelten weit; dann ſchwingt er Mi aber hoch durch die Luft. Sein liebſter Aufenthalt ſind 0 ien Nadel: wälder, zumal in gebirgigen Gegenden, die er den ebenen vorzuzie= hen ſcheint, und haͤufiger bewohnt, als dieſe. Ob er gleich auch in den großen Kieferwaldungen flacher ſandiger Ebenen, namentlich des noͤrdlichen Deutſchlands, faſt uͤberall iſt, auch hin und wieder in Waͤldern von Nadelholz, Eichen und Buchen gemiſcht, ſeine Woh— nung aufſchlaͤgt, ſo iſt er doch hier ſtets weit einzelner. Im reinen Laubholzwalde ſieht man ihn dagegen nur durchſtreifend, in kleinen Feldhoͤlzern, mögen fie aus Laub- oder aus Nadelholz beſtehen, aber ſehr ſelten, und nur wenn er ſich durch Zufall dahin verirrt. Der Wald, welchen er zum Wohnſitz erwaͤhlt, muß alter Hochwald ſein, und viel ſtarke, mitunter auch morſche oder hohle Baͤume enthalten, wenn das Holz auch nicht ſo ganz geſchloſſen ſtehet. Da er den Menſchen ſcheut, fo wohnt er am liebſten in der Tiefe der Wälder - und in ſtillen Revieren. Koͤmmt er bei ſeinem Herumſtreifen an den Rand des Waldes und an ſolche Orte, wo Verkehr getrieben wird, ſo iſt er ſehr aͤngſtlich, unruhig, und zieht ſich bald wieder nach ein— ſamern Gegenden zuruͤck. Jedes einzelne Paͤaͤrchen bewohnt gewoͤhn— lich ein abgeſondertes Revier, worin es kein anderes leidet, und ein ſolches Standrevier hat da, wo ſie nicht ſehr einzeln ſind, wenig— ſtens ein paar Stunden im Umfange, wo ſie ſeltner ſind, iſt es noch ausgedehnter. Dieſen Bezirk durchſtreift er taͤglich, und man hoͤrt ihn darin bald hier, bald dort, ſchreien oder klopfen. Wie ſelten er dieſe Grenzen uͤberſchreitet oder ſich gar noch weiter verfliegt, beweiſt der Umſtand, daß von den Schwarzſpechten, welche die zuſammen— haͤngenden großen, nur eine kleine Meile von meinem Wohnorte entlegenen Kieferwaͤlder bewohnen, von wo fie bis zu uns, ein nur wenig entferntes Eichenwaͤldchen und dann Baumreihen bis zu un⸗ ſerm ausgebreitetern Gehoͤlz haben, ſich fo ſelten einer hierher ver- irrt, ſo daß dies ſeit einer ſehr langen Ne von 1 nur erſt zwei Mal der Fall geweſen iſt. Man ſieht ihn meiſtens an ſtarken Bäumen, deren Schäfte er von der Wurzel bis zum Gipfel beklettert, ſeltner an den ſtarken Aeſten V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz Specht. 259 oder gar im niedern Holz. Auf die Erde geht er zwar auch oͤfters huͤpft aber hier wenig herum. Auf großen freien Plaͤtzen, ſelbſt auf groͤßern Bloͤßen mitten im Walde, laͤßt er ſich ſelten ſehenz er ſtreicht gewoͤhnlich am Rande des Holzes hin oder uͤberfliegt ſolche, wenn er nicht anders kann, mit ſichtlicher Eile. Seine Nachtruhe haͤlt er in einer engen Baumhoͤhle, die er ſich dazu einrichtet oder neu verfertigt, geht Abends ſpaͤt zur Ruhe, und iſt des Morgens fruͤh auf, wenn die Daͤmmerung kaum angebrochen iſt. Eigenſchaften. Der Schwarzſpecht iſt ein kraͤftiger, munterer, gewandter und fluͤchtiger Vogel. Seine Unruhe treibt ihn unablaͤſſig bald hier⸗, bald dorthin, und wenn man ihn jetzt ganz nahe glaubt, fo laßt er ſich doch in unglaublich kurzer Zeit ſchon wieder in weiter Ferne und bald an verſchiedenen Orten ſchnell nach einander hoͤren, zumal da, wo er ſich nicht recht ſicher weiß; denn er iſt ſo liſtig, als ſcheu und der ſchlaueſte unter den einheimiſchen Spechten. Auch im Klettern iſt er der gewandteſte; in großen Spruͤngen huͤpft er ſehr ſchnell an einem Baumſchafte hinauf, nickt bei jedem Satze mehr oder weniger mit dem Kopfe, rutſcht fo mit großer Leichtigkeit auf der rauhen Bor— ke hin, daß man in der Naͤhe, von dem Einſchlagen der Krallen und dem Unterſtuͤtzen des Schwanzes, ein deutliches Raſſeln vernimmt, beſonders bei trockner Witterung und an alten Kieferbaͤumen. Er giebt ſich dabei ein keckes Anſehen, indem er Kopf und Hals ſtark zuruͤck und die Oberbruſt auch vom Baume abbiegt. Es herrſcht in ſeinen Bewegungen an den Baͤumen, mit andern Spechten ver— glichen, gewiſſermaßen ein edler Anſtand. So leicht es ihm wird, an einem Baumſchaft geradeauf zu klettern, eben ſo leicht geht ihm dies auch von der Seite, ohne die vorige Stellung zu verändern, von Statten, und er rutſcht ſo mit einer Schnelligkeit um den Baum herum, daß man dieſe Fertigkeit im Klettern bewundern muß. Er kann, wie die uͤbrigen Spechte, auch etwas ruͤcklings und abwaͤrts klettern, aber ſo wenig, wie dieſe, mit nach unten gerichtetem Kopfe den Baum herabſteigen. Daher haͤngen ſich die Spechte auch, wo es angeht, immer zuerſt unten, zunaͤchſt dem Stamme an den Baum, um dieſen immer aufwaͤrts kletternd bis in die Spitze ue zu koͤnnen. Auf der Erde huͤpft der Schwarzſpecht ſchwerfaͤllig und unge: ſchickt, geht deshalb auch wenig auf ihr herum, ſondern haͤngt ſich ſobald wie moͤglich wieder an einen Baum; er fliegt gleich von den 260 V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz: Spedt. Baͤumen auf die Ameiſenhaufen und ſucht ſie nicht herumhuͤpfend auf. Noch ſeltener ſetzt er ſich auf Baumaͤſte in die Quere, wie andere Voͤgel. Im Loͤcherhauen in Rinde und Holz zeigt er große Geſchicklichkeit und Kraft, beſonders wenn er ſich eine Hoͤhle aus— meißelt, um darin zu wohnen; er hauet da wol Spaͤne von meh— reren Zollen Laͤnge und einigen Linien Breite ab, und ſein Pochen ſchallt weit in den Wald hinein, daß man glauben moͤchte, ein Menſch bringe es hervor. Das grobe Pochen des Schwarzſpechts, und das verſchiedene Haͤmmern der kleinern Spechte, unterbricht an truͤ— ben Wintertagen die Todtenſtille alter Kieferwaͤlder, worin man dann nur hin und wieder das Wispern eines Goldhaͤhnchens oder das Schwirren einer Haubenmeiſe vernimmt, auf eine ganz eigne Weiſe. Sein Flug weicht etwas von dem anderer Spechte ab, indem er die Fluͤgel vorn ſehr ſtark ausbreitet und ſie in groͤßern, etwas unre— gelmaͤßigen Schlägen ſchwingt, fo daß er dem Fluge des Eichel he— hers aͤhnlich wird, und ſelbſt auf weiten Strecken, wo er zwar auch in einer Wogenlinie fliegt, beſchreibt er nicht ſo große Bogen, wie ſeine Gattungsverwandten. Daher vernimmt man auch nicht, wie hier, ein Schnurren der Fluͤgel, ſondern ein eigenes Wuchteln, was bei truͤber feuchter Witterung beſonders hoͤrbar wird; denn ſein Flug iſt fanfter oder weniger hart, und ſcheint ihn weniger anzuflren- gen. Die andern einheimiſchen Spechte fliegen wenigſtens an ſolchen Orten, wo ſie ſich verfolgt glauben, nie ſo weite Strecken in Einem fort oder mit ſo wenigen und ſo kurzen Ruhepunkten weiter, als er, die Gruͤnſpechte ausgenommen, welche trotz ihres harten Fluges auch ſehr fluͤchtig ſind. Auch dann, wenn er einen Nebenbuhler ver— folgt, zeigt er ſich als ein flüchtiger Vogel, denn er iſt ſehr unge— ſellig, zaͤnkiſch und neidiſch gegen ſeines Gleichen, beſonders wird, wenn ſich ein anderer Schwarzſpecht in dem Niſtbezirk eines Paͤaͤr— chens verfliegt, jener ſo lange mit grimmigen Biſſen verfolgt, bis er ſich wieder weit entfernt hat. Er hat eine ſtarke hellgellende Stimme, die man in großer Ent= fernung hoͤrt, weil ſie weit durch den Wald erſchallt. Sie iſt ſehr verſchieden von denen anderer Spechte, und er macht ſich damit bald bemerklich, weil er, beſonders wo er ſelten hinkoͤmmt, viel ſchreiet. Im Fluge laͤßt er ein lautes Kriekkriekriekkriek, oder Kierkier⸗ kier, auch Kirrkirrkirr u. ſ. w. hoͤren, denn er wiederholt die einzelnen Sylben, ohne abzuſetzen, meiſtens ſehr oft und ſchnell nach— einander. Dann ruft er auch noch im Fluge, weniger kreiſchend, aber doch auch ſehr laut: Gluͤck gluͤck gluͤck u. ſ. w., was eine entfernte V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. 261 Aehnlichkeit mit dem Gruͤnſpechtsgeſchrei hat, aber angenehmer klingt. Im Sitzen, zumal wenn er ſich eben an einen Baum an— gehaͤngt hat, ruft er durchdringend, aber nur einige Mal nach ein⸗ ander, oder einzeln und in langen Intervallen, die Sylbe Klioͤh, oder Kliaͤh, ſo lang gezogen, daß ſie zuweilen auch wie Krliieh und recht klaͤglich klingt; ſie hat Aehnlichkeit mit der Stimme des Goldregenpfeifers, aber der Ton iſt viel ſtaͤrker, kreiſchen— der oder gellender. Sonſt hoͤrt man auch noch von beiden Gatten verſchiedene laute Toͤne in der Nähe des Neſtes, die jenen nur ent— fernt ähneln. Aber das Männchen macht noch eine eigene Fruͤhjahrs— muſik. Dies iſt ein lautes Schnurren, was im Walde ſo ſtark wiederhallt, daß man es bei ſtillem Wetter wol eine Viertelſtunde weit hört. Es bringt dies trommelartige Getöfe auf eine wunder: bare Art hervor, indem es dazu einen hohen Baum auswaͤhlt, deſ— ſen Wipfel duͤrr iſt, oder welcher doch hoch oben trockne Zacken hatz an einen ſolchen duͤrren Zacken, deſſen duͤnnere Spitze bereits abge— brochen, haͤngt es ſich nun und haͤmmert mit ſeinem Schnabel ſo hef— tig und ſchnell dagegen, daß jener in eine zitternde Bewegung ge— raͤth, wodurch (wie durch den Kloͤppel auf dem Trommelfell) die Stoͤße verdoppelt werden; die Beruͤhrung des ſchnellhaͤmmernden Schnabels mit dem in eine bebende Schwingung gebrachten Zacken giebt dann jenen laut ſchnurrenden Ton, welcher bald wie orrrrrrr, bald aͤrrrrrrr u. ſ. w. klingt, nach Maßgabe der Staͤrke des Zackens, worauf eben getrommelt wird. Da nun auch die andern kleinern Spechte auf gleiche Weiſe trommeln, aber ihrer geringern Groͤße und Staͤrke wegen ſchwaͤchere Zacken dazu waͤhlen, ſo hoͤrt man im Fruͤhlinge, in einem Walde, worin viel Spechte wohnen, dieſe ſonderbare Muſik oft aus allen Tonarten und als ein wunder— liches Accompagnement zu den Geſaͤngen der kleinern Waldvoͤgel, ſo daß es ſchon manchen in der Ornithologie Unbewanderten ſtaunen machte, den Kenner aber nicht wenig beluſtigte. Unſer Schwarzſpecht, als der groͤßſte und ſtaͤrkſte unter den uͤbrigen, ſchnurrt allezeit ſtaͤrker und in einem tiefern Ton, weil er ſtaͤrkere Zacken dazu waͤhlt, und der Geuͤbte kann ſein Schnurren recht gut von dem der andern Arten unterſcheiden. Bei dieſem Geſchaͤft ſtraͤubt er die Kopffedern auf, und die ſchnelle zitternde Bewegung des Kopfes, oben mit dem bren⸗ nenden Roth, giebt im Sonnenſchein ein eigenes ſchoͤnes Farben— ſpiel. Er iſt dabei auch weniger ſcheu, als ſonſt, ſo daß er ſich, wenn man behutſam verfaͤhrt, allenfalls anſchleichen laͤßt. Im Maͤrz, fruͤher oder ſpaͤter, je nachdem die Witterung gut oder ſchlecht 262 v. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. iſt, faͤngt das Maͤnnchen an zu ſchnurren (das Weibchen thut es nicht), ſetzt es durch die Begattungszeit und meiſt ſo lange das Weibchen bruͤtet, fort, und treibt es beſonders des Vormittags und bei ſchoͤnem Wetter am eifrigſten. So machen es auch die andern, und ich habe die Spechte an ſchoͤnen Fruͤhlingsmorgen ſtets von 6 bis 9 Uhr am meiſten ſchnurren hoͤren, eben wenn die kleinen befiederten Waldſaͤnger recht eifrig ſangen und Alles Luſt und Freude athmete. Merkwuͤrdig iſt noch, daß ſie unter den Zacken eine ſolche Auswahl zu treffen wiſſen, daß ſie immer an ſolche gehen, an wel— chen das Poltern am ſtaͤrkſten klingt und welche einen hohlen, aber recht lauten Ton geben, zu deſſen Staͤrke denn freilich auch die Hoͤhe und das Hallen im Walde viel beitraͤgt. Im Anfange der Begat⸗ tungszeit macht der Schwarzſpecht oft vielen Laͤrm, indem er ſein Weibchen mit faſt ununterbrochenem Schreien durch große Strecken des Waldes verfolgt und dieſes Umherjagen gewoͤhnlich mit jenem Schnurren beſchließt. — Die jungen Schwarzſpechte machen, ſo lange fie noch nicht erwachſen find und noch im Neſte ſitzen, ein ganz eigenes ſonderbares Geſchwirr. f Ich erinnere mich nicht, jemals gehoͤrt zu haben, daß man den Schwarzſpecht im gefangenem Zuſtande laͤngere Zeit unterhalten haͤtte; die Spechte eignen ſich dazu uͤberhaupt nicht. Nahrung. Er naͤhrt ſich, wie faſt alle andern Spechte, meiſtens von aller⸗ lei Inſektenlarven, die unter der Rinde der Baͤume oder im morſchen Holze wohnen, und von Ameiſen. Von den letztern ſucht er ſowol die großen Roßameiſen (For- mica herculeana) als die kleinern Arten, F. fusca und F. rufa, und verſchluckt ſie oder ihre Puppen in ſo großer Menge, daß man ſeinen Magen und ſeine Speiſeroͤhre damit zuweilen ganz vollgepfropft findet. Er fliegt deshalb auf die Ameiſenhaufen, durchſtoͤrt ſie mit oem Schnabel und ſpießt oder klebt die Bewohner derſelben an fei= ne lang hervorgeſtreckte Zunge. Auch aus den alten Baumſtaͤm⸗ men und Stoͤcken holt er ſie, indem er die alte Borke mit kraͤftigen Schnabelhieben abſpaltet oder das morſche Holz derſelben zermei— ßelt, und beilaͤufig auch andere hier wohnende Larven und Kaͤfer verzehrt. Die Larven der Rieſenholzwespe (Sirex gigas) ſcheint er vor allen zu lieben; dann die der Holzboͤcke (Cerambyx, Lamia u. a. m.), die Schroͤterlarven, Kaͤfer und Larven von den Gattungen Bostrichus, Hylesinus, Spondylis und anderer Borkenkaͤfer, auch V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz: Specht. 263 die im Holze henden N mancher Schmetterlinge; 1 f wurden auch die große Weidenbohrerraupe (Cossus ligniperda) in mehreren Exemplaren auf ein Mal in ſeinem Magen gefunden. Er geht deshalb beſonders an alte Baͤume, welche faulende Stellen und morſches Holz haben, deren Rinde ſich leichter abſpalten läßt. So ſieht man ihn von alten Kiefern oft handgroße Stuͤcke Borke herabwerfen und wol einige Zoll tiefe Loͤcher in das Holz hacken, ſo daß die feinen Spaͤne und Holzſplitter unter ſolchen Baͤumen in Menge umher liegen, und wenn er dann noch nicht zu ſeinem Fraß gelangen kann, fo ſtreckt er die Zunge aus, ſucht ihn mit der horn— artigen, mit Widerhaͤkchen verſehenen, Spitze derſelben zu durch- bohren und ſo hervorzuziehen. Ob er gleich, wie alle Spechte, kein geſundes Holz anhaut, weil er darin nichts findet, ſo beklettert er doch ſolche Baͤume, um die Riſſe und Spalten der Rinde zu durch— ſuchen und die darin verſteckten Inſekten hervorzuholen. — Es wird auch behauptet, daß er Bienen (Apis) freſſe, und er ſoll der wilden Bienenzucht im Lande der Baſchkiren, in der Naͤhe des Ufa— ſtroms, ſogar vielen Schaden thun, fo daß jene genoͤthigt fein fol- len, mancherlei Vorkehrungen dagegen zu treffen. — Dann will Bechſtein auch Nadelholzſamen in ſeinem Magen gefunden haben, und er ſoll nach ihm auch Nuͤſſe und Beeren freſſen, wovon mir je— doch meine eignen Beobachtungen nichts entdecken ließen. Da viele jener Holzwuͤrmer, vor allen aber die Weidenbohrrau⸗ pen, fo wie auch die Ameiſen, einen eigenthuͤmlichen, ſaͤuerlichen, ſtar— ken Geruch haben, ſo iſt es eben nicht ſehr zu verwundern, daß ſie die Spechte leicht unter der Rinde und im Holze aufſpuͤren, und dies ſe Nahrung iſt auch wol, im Verein mit der beſtaͤndigen Beruͤhrung von modernden Bene Urſache, daß die Spechte ſelbſt einen aͤhnlichen Geruch verbreiten. Dieſe ſuͤßſauere widerliche Ausduͤn⸗ ſtung iſt auch beim Schwarzſpecht ſehr ſtark, doch etwas anders, als z. B. beim Rothſpecht, und der der Kraͤhen etwas aͤhnlich. Die- ſer Geruch widerſteht auch manchen Thieren, wie z. B. den Huͤhner— hunden, welche die Spechte ungern ins Maul nehmen; ar die ei⸗ gentlichen Raubthiere kehren ſich nicht daran. 1 Mit den jungen Schwarzſpechten hat man a Berſuche gemacht, ſie lebend zu unterhalten; man fuͤtterte ſie mit Nuͤſſen und Ameißenpuppen, allein ſie ſtarben allemal ſehr bald. Alt Fee gene wollten nie e annehmen. 264 v. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. Fortpflanzung. Sie niſten nur in groͤßern zuſammenhaͤngenden Waldungen, hauptſaͤchlich in alten Hochwaldungen von Nadelholz, hin und wie— der in Deutſchland, aber nirgends haͤufig, und in Gegenden, wo we⸗ nig Wald iſt, gar nicht. Sie ſcheinen auch ſolche Waͤlder zu lieben, welche neben Kiefern, Fichten und Tannen auch alte Laubholzbaͤu— me enthalten; denn man findet das Neſt nicht allein in Nadelbaͤu— men, ſondern auch in Eichen, Buchen und andern alten Baͤumen der Laubholzarten. Auch in den groͤßern Waldungen An halts und deſ— ſen Nachbarſchaft, unfern der Elbe und Mulde, findet man ſie niſtend, aber jedes einzelne Paͤaͤrchen hat ein ſehr großes weitlaͤufiges Revier inne, in welchem es kein anderes duldet, auch die Jungen nachher daraus vertreibt, und dieſe ſind es denn, welche nachher uͤberall um— herirren und ſelbſt zuweilen ſich in kleinere Gehoͤlze verfliegen, die ihnen ſonſt nicht zuſagen. Ob nun gleich ein ſolches Revier durch das viele Schreien der beiden Gatten im Anfang der Begattungs— zeit, bald auszukundſchaften iſt, zumal wenn man ſie mehrere Tage beobachten kann, ſo iſt es doch, eben wegen des weiten Raums, worauf ſich dieſe unruhigen Voͤgel herumtreiben, nicht leicht, den Baum zu finden, in welchem ſie das Neſt angelegt haben. Man ſindet dieſen viel oͤfterer zufaͤllig, indem die friſch ausgemeißelten Holzſpaͤne auf 10 bis 12 Fuß weit in großer Menge auf dem Bo— den um den Stamm des Baumes umher liegen. Auch andere Specht⸗ neſter laſſen ſich nicht leicht anders auffinden, als durch die friſchen Spaͤne; nur wo man dieſe unter einem Baume bemerkt, darf man mit Zuverſicht hoffen, dieſen Zweck zu erreichen. Nich leicht vor Anfang des April faͤngt der Schwarzſpecht an, ſich eine Wohnung fuͤr ſeine Brut zu bereiten. Dieſe legt er al— ema in eine m ſolchen Baum an, welcher kernfaul iſt, wenn er auch von außen zu weilen noch handbreit geſundes Holz hätte, doch ſucht er ſich dieſ ſchwere Arbeit meiſtens dadurch zu erleichtern, daß er den Eingang in die im Innern des Baumes anzulegende Hoͤhle da anbringt, wo vormals ein Aſt abgebrochen und das Holz entweder ſchon herausgefault oder doch morſch geworden iſt. Mit vieler An— ſtrengung arbeiten nun beide Gatten abwechſelnd daran, beſonders des Vormittags, doch das Weibchen viel mehr, als das Maͤnnchen, und in 12 bis 15 Tagen iſt eine Arbeit vollendet, die in Erſtaunen ſetzt, ein zirkelrundes, ſo weites Eingangsloch, daß eine ſtarke Mannshand meiſtens hindurch kann, folglich gerade groß genug, um V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz-⸗Specht. 265 das Durchſchluͤpfen des Vogels nur ſo eben zuzulaſſen, dann inwen— dig eine Hoͤhle, die vom untern Rande des Eingangslochs 14 bis 16 Zoll tief im Baume hinab gearbeitet, und nach unten zu keſſel— foͤrmig erweitert iſt, daß hier ein Raum entſteht, welcher 8 bis 9 Zoll Durchmeſſer hat, deſſen Waͤnde ganz glatt ſind, deſſen Boden aber nur eine flache Rundung oder Aushoͤhlung bildet. Mei: ſtens iſt auch die innere Hoͤhle zirkelrund, aber wenn ſich zu harte Holzſtreifen darin bei der Arbeit vorfinden, ſo werden dieſe oͤfters in ſo weit vermieden, daß die Rundung etwas verdorben, doch aber nie ſehr auffallend ungleich oder hoͤkericht wird. Mit bewunderungs— wuͤrdiger Thaͤtigkeit wird das Eingangsloch eingehauen, daß die Schlaͤge des Schnabels weit im Wald erſchallen, und es iſt bald fertig; allein im Innern beginnt nun eine weit muͤhſamere Arbeit, die Schlaͤge klingen dumpf, und weil der Vogel keinen Raum hat, dazu gehörig auszuholen, fo ſetzt es um fo mehr in Erſtaunen, wie er dennoch im Stande iſt, z. B. aus noch ziemlich feſtem Kiefern holz, Spaͤne loszuarbeiten, wovon viele 2 Zoll breit und wol 6 Zoll lang ſind. Iſt das Holz ſchon muͤrber, fo geht es freilich viel leich— ter und die Arbeit iſt auch ſchneller vollendet. Die Spaͤne werden, fo wie fie abgehauen, einzeln, gleich herausgeworfen. Die Voͤgel ſind bei dieſer Beſchaͤftigung ſo emſig, daß man ſie dabei, weit leich— ter als ſonſt, beſchleichen und beobachten kann. b Die Baͤume, welche der Schwarzſpecht dazu waͤhlt, ſind meiſtens alte Kiefern, auch Buchen, und darunter faſt immer ſolche, welche einen glatten hohen Saft haben, denn er legt die Hoͤhle lieber hoch, als niedrig an, und es iſt eine Seltenheit, einmal eine ſolche nur 24 bis 30 Fuß hoch zu finden, da ſie gewoͤhnlich von 40 bis zu 60 Fuß Hoͤhe vom Boden angelegt iſt. Darum iſt auch meiſtens aͤu— ßerſt ſchwer und nicht ohne beſondere Vorrichtungen, auch nicht ſel— ten nur mit Lebensgefahr, zu einem ſolchen Neſte zu gelangen. Na— tuͤrliche Höhlen verſchmaͤhet er; er muß die, welche er bewohnen will, ſelbſt verfertigen und nimmt dabei ſogar ſelten ſolche Stellen, wo ſchon ein bedeutender Anfang dazu von der Natur gemacht iſt, zu Huͤlfe. Er haut ſich auch meiſtens alle Jahr eine neue, ſelbſt zuweilen in dem naͤmlichen Baum, wiewol nicht immer, und man hat Beiſpiele, daß ein Paͤaͤrchen ſogar-mehrere Jahre nach einander in derſelben Höhle niſtete; dann wird fie aber jedes Mal von den Un— reinigkeiten geſaͤubert und aufs Neue etwas Holz herausgehauen; fo daß auch dann Spaͤne, aber freilich nicht fo viele, unter dem Baus me liegen; ſogar wenn die Brut zerſtoͤrt oder ſelbſt einer der Gatten 266 V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz-Specht. dabei getoͤdtet wurde, hat man doch eine ſolche Hoͤhle im kommenden Jahr wieder von Schwarzſpechten beziehen ſehen. Dies ſind bewaͤhr— te Erfahrungen, welche Leislers Behauptung (S. Wetteraue⸗ ſche Ann. I. 2. S. 286.), als niſteten die Schwarzſpechte ſtets nur in einer friſch verfertigten Hoͤhle und nie in einer vorjaͤhrigen, ganz umſtoßen. Es iſt wol wahr, daß Holztauben, Dohlen, Wiedehopfe u. a. verlaffene Schwarzſpechthoͤhlen gern bezie- hen; aber ſo lange der Specht ſie nicht gutwillig aufgiebt, moͤchten es jene wol nicht wagen duͤrfen, ihre Wohnung darin aufſchlagen zu wollen. 8 Ein beſonderes Neſt wird nicht gebaut, und das Weibchen legt ſeine Eier in die glatte Hoͤhle, worin ſich nicht ein Mal immer nur einige feine Holzſpaͤne befinden, auf welchen dann die Eier liegen. Dieſe ſind fuͤr die Groͤße des Vogels ziemlich klein zu nennen, denn es giebt welche, die an Größe die vom Gruͤnſpecht nicht uͤbertref⸗ fen, obwol ſie ſonſt immer etwas groͤßer ſind. Man findet gewoͤhn⸗ lich drei bis vier, aber zuweilen auch fuͤnf, ſehr ſelten auch ſechs in einer Hoͤhle, hat aber auch Beiſpiele, daß ſie nur auf einem einzigen Ei bruͤteten. Sie haben eine etwas laͤngliche Form, ſind meiſtens an einem Ende ſehr ſtumpf oder ſtark abgerundet, an dem andern ſchlank zugeſpitzt, der Bauch öfters dem erſtern näher, als der Mit: te, ſo daß einige faſt birnfoͤrmig erſcheinen. Ihre Schale iſt duͤnn, von ſehr feinem Korn, rein weiß, und ſo ſchoͤn glaͤnzend, als wenn ſie kuͤnſtlich polirt waͤre. Friſch ſcheint das Gelbe des Dotters durch die feine Schale, und das Eiweiß iſt ſehr flüffig. Das Weibchen legt alle Tage, bis es ſeine volle Zahl hat, dann bruͤten beide Gatten wechſelsweiſe, ſo daß das Maͤnnchen von 9 oder 10 Uhr Vormittags bis 3 oder 5 Uhr Nachmittags, die uͤbrige Zeit aber das Weibchen uͤber den Eiern ſitzt, wo dann die Jungen nach 16 bis 18 Tagen ausſchluͤpfen. Auch dieſe werden noch laͤngere Zeit auf gleiche Weiſe von beiden Gatten erwaͤrmt; beide fuͤttern ſie auch meiſtens mit Ameiſenpuppen auf. Sie lieben ihre Brut außer- ordentlich, leiden es geduldig, wenn man ihnen ein oder zwei Eier nimmt, und bruͤten die andern dennoch aus, gehen oͤfters auch dann noch nicht von den Eiern oder zarten Jungen, wenn man ſchon mit einem Stocke ſtark an den Barm ſchlaͤgt, ja fie laſſen ſich ſogar zu— weilen uͤber denſelben mit der Hand ergreifen. Sie verläugnen da⸗ bei einen großen Theil von ihrer ſonſtigen Vorſichtigkeit, kommen nahe herbei und laſſen klaͤgliche Töne hören, wenn man ſich den Ei: ern oder Jungen naͤhert, ſo daß man ſie, wenn man 1 ini leicht V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. 267 ſchießen kann. Ihre Liebe zur Nachkommenſchaft iſt ſo groß, daß, wenn das Männchen todtgeſchoſſen wird, das Weibchen allein die Eier ausbruͤtet, und wenn bei den Jungen das letztere umkoͤmmt, das Maͤnnchen dieſe allein groß fuͤttert. Das letztere uͤbernachtet auch nie ſehr weit vom Neſte, worauf das Weibchen die Nacht zu— bringt, in einer eignen Hoͤhle. Die eben ausgeſchluͤpften Jungen ſehen, wegen ihrer großen Koͤpfe und dicken Schnaͤbel, haͤßlich aus; ſie ſind nur ſpaͤrlich mit dünnen ſchwarzgrauen Dunen bekleidet und geben einen eignen ſchwir⸗ renden Ton von ſich, ſobald der fie erwaͤrmende Alte abgeht. Spas ter, wo ſich jener Ton verliert, haben ſie am Schnabelwinkel einen dicken knorpelartigen Knollen, welcher mit der Ausbildung des Schna= bels verſchwindet. Ungeſtoͤrt ſitzen ſie lange im Neſte, klettern oͤf— ters in der Hoͤhle herauf und gucken heraus, beim Erſcheinen von etwas Ungewoͤhnlichem aber ſchnell wieder ruͤckwaͤrts hinab, denn fie klet—⸗ tern und gehen gern ruͤckwaͤrts, und haͤkeln ſich an Alles an, noch ehe ſie auf geradem Boden gehen lernen. Feinde. Ob der alte Schwarzſpecht von Raubvoͤgeln angefallen wird, weiß ich nicht, daß er ſich aber vor ihnen fuͤrchtet, habe ich einige Mal bemerkt. Seine Brut findet man öfters vernichtet, wobei auch wol ein mal ein Alter zu Grunde geht; denn wilde Katzen, Baummarder und Wieſeln ſuchen ſie des Nachts auf, was man auch von Eulen ſagt. So ſehr er ſich ſelbſt durch ſeine Schlauheit und ſeine Brut durch die Anlage des Neſtes vor den Nachſtellungen des Menſchen zu ſchuͤtzen weiß, ſo oft findet man doch von naͤchtlichen Raubthieren feine Brut zerftört, eine Urſache, war: um er ſich nicht ſtaͤrker vermehrt und in Deutſchland immer etwas ſelten bleiben wird. In feinen Eingeweiden hauſet ein Bandwurm (Taenia cre- nata) und im Gefieder einige Arten von Schmarotzerinſekten. Jagd. Dien liſtige ſcheue Schwarzſpecht iſt ungemein ſchwer zu ſchie⸗ ßen; er flieht die Annäherung des Menſchen ſchon von Weitem, und wenn man ihm hinter Baͤumen entlang anſchleichen will, ſo ſchoͤpft er gleich Verdacht und ſucht immer auf der entgegengeſetzten Seite des Baumſchaftes ſich den Augen ſeines Verfolgers zu entziehen und ſo auch weiter zu fliegen. Ueber eine ſo beſtandene Gefahr ſcheint | 268 V. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. er dann ordentlich zu jubeln, denn er laͤßt nun gewoͤhnlich ſchon im Fortfliegen ſeine Stimme laut erſchallen und iſt bald mehrere hun— dert Schritte weit fort. Ihn durch nachgeahmtes Klopfen, wie manche andere Spechte, anzulocken, gelingt nur ſelten; er koͤmmt zwar zuweilen angeflogen und haͤngt ſich an einen nahen Baum, aber nun muß auch der Schuß augenblicklich geſchehen, denn der Specht fliegt ſogleich wieder weg, und hat er den Schuͤtzen geſehen, fo entfernt er ſich gleich ſehr weit und kehrt nicht wieder. Mit eis nem, der ſich einſtmals in mein eignes Waͤldchen verirrt hatte, ging es mir gerade ſo; er kam auf mein Klopfen ſo ſchnell herbei, als ich nicht erwartet hatte, hing ſich an einen nahen Baum, doch ſo, daß er mich ſogleich ins Auge faßte, und ehe ich die Flinte anſchlagen konnte, war er ſchon entflohen, und ließ ſich nun nicht wieder betruͤ— gen. Einem anderen war, wenngleich hier dichtes Unterholz das An- ſchleichen erleichterte, durchaus nicht anzukommen, und er hoͤrte gar nicht aufs Klopfen; endlich verließ er gar das Hoͤlzchen und nahm einen Strich durch eine Gegend, wo nur wenig Baͤume ſtanden, ſo ſchnell, daß er mir bald aus dem Geſicht entſchwand. Am beſten kann man ihn noch beſchleichen, wenn man ihn auf einen Ameifen- haufen fliegen ſieht; hier kann er nicht ſo weit um ſich ſehen, als von den Baͤumen. Im Fluge ſchießt er ſich leichter, als andere Spechte. Am leichteſten bekoͤmmt man ihn beim Neftz denn ſelbſt wenn er Ma: den aus den Baͤumen meißelt, und dabei noch ſo eifrig beſchaͤftigt ſcheint, ſo bemerkt er doch Alles, was um ihn vorgeht und ergreift bald die Flucht. Fangen kann man ihn nur, wenn man die Baumhoͤhle, welche er ſich zum Nachtlager bereitet hat, und alle Abende dazu benutzt, ausfindig zu machen und zu erklettern weiß. In einer vor dem Eingangsloch angebrachten Schlinge iſt er dann hier, wie auch an dem der Neſthoͤhle, leicht zu fangen. Er ſoll auch, wiewol ſelten und zufaͤllig, auf die Leimſtangen kommen, und ſich an den Leim⸗ ruthen fangen. Man ſagt auch, daß er ſchußmaͤßig an ſich kommen laſſe, wenn man ſich wie ein Betrunkener geberde, hin und her taumle, hinfalle, wieder aufſtehe und ſich ſo allmaͤhlich naͤhere. Soviel iſt gewiß, daß alle ſcheue Voͤgel weit eher ſchußrecht aushalten, wenn man thut, als ſaͤhe man ſie nicht, und handire etwas, ohne ſich um ſie zu kuͤmmern; ſo hat z. B. beim Herumſtreichen der wilden Gaͤnſe und Trappen ſchon oft die Lift gegluͤckt, daß man zeitig genug, wenn man ſie ganz von fern ankommen ſah, ihnen den Ruͤcken zuge— v. Ordn. XXX. Gatt. 164. Schwarz⸗Specht. 269 kehrt und in gebuͤckter arbeitender Stellung die Flinte wie ein Grab⸗ ſcheit handhabte, und ſich gar nicht nach ihnen umſah, bis zum Zeitpunkt, da der Schuß ſchnell angebracht werden konnte. Nutz en. Den widerlichen Geruch, welchen der friſche Vogel hat, und den auch ausgeſtopfte nie ganz verlieren, hat auch zum Theil ſein Fleiſch, und iſt daher kein ſonderliches Eſſen. Die Jungen ſollen beſſer ſchmecken, und werden deshalb von armen Leuten gern auf— geſucht und gegeſſen. — Durch feine Nahrung wird er aber weit nuͤtzlicher, ja man kann ihn, wie alle Spechte, unter die allernuͤtz— lichſten Geſchoͤpfe zaͤhlen, da er eine Unzahl von ſchaͤdlichen Forſtin— ſekten vertilgt, und ſollte ihn daher uͤberall zu ſchonen ſuchen. Er wird auch von Vielen fuͤr einen Wetterverkuͤndiger gehalten; fein ungewöhnlich häufiges Schreien bei heiterm Himmel und ſchoͤ⸗ ner Witterung ſoll naͤmlich eine baldige Veraͤnderung derſelben und Regen bedeuten. N | Shaden. Leider wird er noch hin und wieder von Forſtleuten für einen dem Walde ſchaͤdlichen Vogel gehalten, und deshalb werden ſogar ſeine Faͤnge noch in einigen Laͤndern von der Obrigkeit dem Jaͤger für Geld ausgeloͤſt. Ein ſchrecklicher Mißgriff aus Unwiſſenheit; denn er haut nur in morſches Holz oder wenigſtens in kernfaule Baͤume Loͤcher, zerſpaltet nur die kranke Rinde, weil im geſunden Holz und unter der feſt aufgewachſenen gruͤnen Rinde keine Wuͤrmer wohnen, und weil ihm erſteres auch viel zu feſt iſt. In Deutſch— land wird er ſicher auf keine Weiſe ſchaͤdlich. Ob er es anderswo ſei, indem er, wie man ſagt, Bienen freſſe, und beſonders die in hohlen Baͤumen gehegten ſogenannten wilden Bienen ſehr beunru— hige, laſſe ich dahin geſtellt; es wird dies beſonders den im Lan⸗ de der Baſchkiren wohnenden Schwarzſpechten ſchuld gegeben. Auch die in Preußen lebenden beſchuldigt man damit, aber wahr- ſcheinlich mit eben ſo wenig Grund, wie bei uns den Gruͤnſpecht. 165. . Gruͤn⸗Specht. Picus viridis. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. 2 Taf. 132. 2. Junger Vogel. Gemeiner oder großer Gruͤnſpecht, grüner Specht, Grasſpechtz gruͤner Baumhacker, gruͤner Baumhacker mit rother Haube; Holz⸗ hauer, Zimmermann. Pieus viridis. Gmel. Linn, syst. I. 1. p. 433. n. 12. = Lath. ind, I. p. 234. n. 27. Retz. Faun. suec. p. 102 n. 54. = Nilsson. orn. suec. I. p. 103. n. 49. Le Pie- vert. Buff. Ois. VII. p. 23. t. 1. — Edit, de Deuxp. XIII. p. 11. t. 1. f. 2. = Id. pl. enl. 371. et. 879. Gérard. tab. elem. II. p- 6. = Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 392. Green Woodbecker. Lath. syn. II. p. 577. — Ueberſ. von Bechſtein, I. 2. S. 478. n. 25. Penn, arct. Zool. überſ. von Zimmermann. II. S. 261. B. = Bewick brit. Birds. I. p. 160, = Piechio verde, Stor. deg. ucc. II. t. 165. = Groen- specht, Sepp. Nederl. Vog, IV. t. p. 373. = Bechſtein, Natura. Deutſchl. II. ©. 1007. = Deffen Taſchenbuch. I. S. 60. — Wolf u. Meyer. Na: turg. a. V. Deutſchl. Heft. 2. altes Maͤnnch. u. jung. Vog. — Deren Ta⸗ ſchenb. I. S. 118. = Meyer Voͤg. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 58. — Meisner u. Schinz, V. d. Schweiß, S. 39. n. 37. = Koch, Baier. Zool. I. S. 71. n. 2. == Leisler, Wetteraueſche Ann. I. 2. S. 290. - Brehm, Beitr. I. S. 524. — Deſſen Lehrb. I. S. 134. Friſch, Voͤg. Taf. 35. jung. M. = Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. S. 118. Taf. 26. Fig. 50. Maͤnnchen. Kennzeichen e Art Hauptfarbe gruͤn; der ganze Oberkopf bis auf den Nacken, auf aſchblauem Grunde, hoch karminroth. e,, und Der Gruͤnſpecht iſt, ſeiner Aehnlichkeit in den Farben wegen, nur mit dem Grauſpecht zu verwechſeln, aber ſtets bedeutend groͤßer; auch ſein Schnabel iſt weit groͤßer und geſtreckter, und die Zeichnungen am Kopfe ganz anders. Ob er gleich in der Größe dem Schwarzſpechte weit nach— ſteht, fo iſt er doch immer ein anſehnlich großer Vogel, und der Groͤ— v. Ordn. XXX. Gat. 165. Grün⸗Specht. 271 ße wegen mit einer Turteltaube zu vergleichen. Seine Laͤnge ift 125 bis 134 Zoll; die Flaͤchenbreite 20 bis 224 Zoll; der Schwanz 4 30l lang, wovon die ruhenden Fluͤgel nah nicht bie Hälfte Denkens der Flügel vom Bug bis zur Spitze 7 Zoll lang. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr klein und die vierte und fünfte die laͤngſten; die der zweiten Ordnung wenig kuͤrzer, am Ende ſtumpf abgerundet, die der erſten aber viel ſchmaͤler und ſpitzer, alle haͤrter als beim Schwarzſpecht, die Schwanzfedern aber ebenſo, wie bei dieſem. Der keilfoͤrmige Schwanz iſt an der wenig abwärts gebogenen Spi⸗ tze geſpalten, die Mittelfedern find über 1 Zoll länger als die aͤu⸗ Bern, doch das alleräußerfte (ſechſte) Paar, wie bei andern Spech— ten, verkuͤmmert, nur 14 Zoll lang, weich, abgerundet und ſtets auf der vorletzten 9 5 Der Schnabel iſt zwar lange nicht ſo groß und ſtark, als der des Schwarzſpechts, jedoch im Verhaͤltniß noch viel groͤßer und geſtreckter, als bei andern einheimiſchen Spechten, aber auch von oben geſehen, ſchmaͤler, die obere Ruͤckenkante viel ſchaͤrfer und nicht ganz gerade, daher er eine ſanfte Biegung abwaͤrts zu machen ſcheint, denn der Unterſchnabel iſt gerade; auch ſtehen die Leiſtchen an den Seiten nicht ſo ſcharf hervor, und das laͤnglich runde Naſenloch liegt nicht ſo tief. Er iſt 14 Zoll lang, an der Wurzel 6 Linien breit und faſt 5 Linien hoch. Von Farbe iſt er ſchmutzig bleigrau, an der Spitze faſt ſchwaͤrzlich, an der Wurzel der Unterkinnlade, wol auch am Rande des Oberkiefers ſchmutzig weißgelblich. Die Naſen⸗ loͤcher find bald ganz, bald nur zum Theil von einem Buͤſchel dun⸗ kelbraungrauer, an den haarartigen Spitzen ſchwarzer Borſtfeder⸗ chen bedeckt, und auch am Kinn finden ſich ſolche vorſtehende Haare. Die Iris der etwas kleinen Augen iſt bei den Alten blaͤulichweiß, bei den Jungen dunkelgrau, der ſchwarze Augapfel nicht ganz zir⸗ kelrund und am Rande nicht glatt, hier auch ins Blauſchwarz uͤber⸗ gehend. Die Zunge iſt ſehr lang, und kann 75 Zoll ausgeſtreckt werden, ſo daß ſie 6 Zoll uͤber die meißelfoͤrmige Schnabelſpitze hinausreicht; uͤbrigens wie bei den andern Arten dieſer Gattung geſtaltet. Die Fuͤße ſind, wie an den meiſten Spechten, ſtark und ſtaͤm⸗ mig; die Laͤufe vorn mit großen, hinten mit kleinen Schildtafeln bedeckt; die Zehenruͤcken enge geſchildert, die Zwiſchenraͤume hier wie dort kleiig; die Sohlen warzig; die mondfoͤrmigen Krallen ſehr groß, zuſammengedruͤckt, unten ſcharf zweiſchneidig mit ſehr ſchar⸗ fer Spitze. Die Farbe der Fuͤße iſt ein dunkles oder ſchmutziges 272 v. Ordn. XXX. Gatt. 165. Grün-Spegt. Bleigrau, was ins Gruͤnliche faͤllt, weil die Zwiſchenraͤume der Schilder und die Sohlen etwas gelblich oder braͤunlich ſind; die der Krallen ein gelbliches Schwarzgrau. Die Hoͤhe des etwas unter dem Ferſengelenk befiederten Laufs 1 Zoll 1 bis 3 Linien; die Laͤn⸗ ge der aͤußern Vorderzeh, mit der 7 Linien langen Kralle, 1 Zoll 5 bis 6 Linien; die der innern Dan mit der 32 Linien 1 Kralle, gegen 7 Linien. Der Grünfpecht ift ein anſehnlicher, ſchoͤngefaͤrbter Vogel. Das alte Maͤnnchen iſt vom ſchwaͤrzlichen Anfang der Stirn an, auf dem Oberkopfe, bis auf den Nacken hoch karminroth, mit wenig durchſchimmerndem aſchblauen Grunde der Federn, und dieſes bren— nende Roth iſt hinterwaͤrts, wo es auf dem Hinterhalſe in einem ſchmaͤlern Streif endet, am reinſten und die ſchoͤne Farbe hier am hoͤchſten geſteigert; die Zügel und Umgebungen der Augen find in ei— nem großen, unten eckigen Fleck tief ſchwarz, an welchen ſich vom untern Schnabelwinkel aus ein ſchief herabgehender, breiter, aber nicht ſehr langer Bartſtreif anſchließt, welcher unten und oben, auch an den Seiten etwas, ſchwarz, in der Mitte aber und groͤßtentheils eben— falls hoch irn iſt; Hinterhals, Ruͤcken und Schultern ſchoͤn olivengruͤn oder faſt gelblich grasgruͤn; erſtere am ſchoͤnſten; Buͤrzel und obere Schwanzdeckfedern auf gruͤnem Grunde ſehr ſchoͤn hoch⸗ gelb, daher ins Grünliche ſpielend. Die Halsſeiten ſind graugruͤn, die Kehle iſt weißlich oder braͤunlich weiß; Wangen, Gurgel und der uͤbrige Unterkoͤrper einfarbig ſehr licht gruͤnlichgrau, gelblich, die untern Schwanzdeckfedern aber mit dunkelgruͤngrauen binden— artigen Querflecken, die ſich meiſtens erſt auf den Schenkelfedern verlieren und hier ſtaͤrker ins Gruͤnliche fallen. Die großen Schwin— gen und die etwas blaſſern Fittichdeckfedern ſind matt braunſchwarz, mit gelblich- oder braͤunlichweißen Querflecken auf den äußern Fah⸗ nen, und groͤßern weißen auf den innern Fahnen, wo ſie aber nicht zum Schafte reichen, und die Enden find ungefleckt; an den Schwin⸗ gen zweiter Ordnung ſind nur die Innenfahnen braunſchwarz, mit weißen Querflecken auf den Kanten, die Außenfahnen aber ſchmutzig olivengruͤn, welches Gruͤn in Verbindung mit einem ſolchen Aufluge ſteht, welcher ſchon auf dem Rande der fuͤnften erſter Ordnung an⸗ faͤngt und nach hinten allmaͤhlich ſtaͤrker wird, ſo daß der hintere Theil des zuſammengelegten Fluͤgels ganz gruͤn erſcheint, weil auch die baͤnderartigen Querflecke im Gruͤnen nur etwas lichter und bloß gegen den Schaft weißlich ausſehen, auf den letzten Schwingfedern ſich aber allmaͤhlich ganz verlieren. Auch die großen Fluͤgeldeckfedern — V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. 273 zeigen, wenigſtens wurzelwaͤrts, eine ſchwache Anlage von lichtern Binden, ſind aber ſonſt wie die uͤbrigen Fluͤgeldeckfedern olivengruͤn, weniger ſchoͤn als der Ruͤcken. Der Schwanz hat abwechſelnd gruͤn— graue und ſchwaͤrzliche Querbinden, von welchen die dunkeln an den braunſchwarzen Schaͤften zuſammenlaufen und an den laͤngſten mit der ſchwarzen Spitze ſich vereinigen. Von unten iſt er matt ſchwarz und braͤunlich weißgrau gebaͤndert; die Schwingen unten ſchwarzgrau, mit weißen Binden, und die untern Fluͤgeldeckfedern ſind auf truͤbe weißem, gruͤn gelblich angeflogenem Grunde mit ſchwaͤrz— lichen nierenfoͤrmigen Flecken beſetzt und gebaͤndert. Im Sommer verbleichen die Farben etwas, an den untern Theilen verſchwindet der grünliche und endlich auch der gelbliche Anflug, und das Grün der obern wird gelblicher; auch werden bei einjaͤhri— gen Voͤgeln die Fluͤgelſpitzen oft ganz fahl. Am ſchoͤnſten iſt der Gruͤnſpecht im Winter, wo die Farben ihre natuͤrliche Friſche noch haben. Das alte Weibchen weicht aͤußerlich nur in folgenden Stuͤ— cken vom Maͤnnchen ab: Der Umfang des Schwarzen im Geſicht iſt kleiner, auch der rothe Oberkopf weniger ſchoͤn, die Bartſtreifen ſind ſchwarz und haben nichts Rothes, und der Unterleib hat mehr gruͤn— graue Flecke; auch iſt es oͤfters etwas kleiner, als das Maͤnnchen. Der ungefleckte Unterkoͤrper iſt beim Gruͤnſpecht ſtets das Zei— chen eines hohen Alters; ſchon beim Weibchen koͤmmt er ſelten ſo vor, und juͤngere Maͤnnchen haben immer an den Seiten des Unterkoͤrpers gruͤngraue oder graugruͤne Mond- und Wellenflecke; auf dem Oberfluͤgel ſchimmern die weißlichen baͤnderartigen Flecke durch, die man auf den zuſammengelegten Fluͤgeln der ganz alten Voͤgel nicht bemerkt; am Oberkopfe haben die Federn das hohe Roth bloß an der Endhaͤlfte, weshalb der ſchieferblaue Grund ſtaͤrker ge— ſehen wird, als dort, und im Geſicht hat auch das Schwarze einen geringern Umfang, und iſt oftmals auch nicht ſo dunkel. Die juͤngern Weibchen unterſcheiden ſich von den gleich— alten Maͤnnchen in eben dem Verhaͤltniß, wie die aͤltern von den ihrigen; ſie haben dann noch weniger Roth auf dem Kopfe, es faͤngt erſt hinter der Stirn an und erſcheint, bis an den Nacken, nur als Flecke auf dem ſchieferblauen Grunde; der ſchwarze Backenſtreif hat ebenfalls kein Roth, der ganze Unterkoͤrper aber eine duͤſtere Farbe, ein bleiches ſchmutziges gruͤnliches Grau, und dies iſt, außer den Unterſchwanzdeckfedern, welche ſtets gefleckt ſind, noch in den Wei— chen, auf den N am Bauch bis über die Mitte der Bruſt Sr Theil. 18 274 V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Grün-Spedt. herauf mit ſchmutzig dunkelgruͤnen Mond- und Pfeilflecken wellen— foͤrmig bezeichnet. — An juͤngern Voͤgeln, beiderlei Geſchlechts, bemerkt man auch mehrentheils auf dem Ruͤcken und dem Oberfluͤ— gel ganz kurze weißliche Schaftſtriche. Das Jugendkleid, vor der erſten Mauſer, iſt ſehr bunt, von obenher licht, von unten dunkel gefleckt, aber auch in dieſem Kleide, was ſie im Neſt bekommen, iſt das Maͤnnchen ſchon an dem Roth auf dem Bartſtreifen, das Weibchen hingegen am gaͤnz— lichen Mangel deſſelben an dieſer Stelle leicht zu erkennen. Der Scheitel bis an den Nacken iſt dunkel ſchieferblau, hoch kaminroth gefleckt, weil nur die Enden der Federn dieſe Farbe haben; vorn und auf den Seiten iſt dieſe Kopfzierde undeutlich mit Schwarz ein— gefaßt, worauf braͤunlichweiße hirſekornfoͤrmige Fleckchen ſtehen; die Zuͤgel ſind matt ſchwarz; der Bartſtreif ſchwarz, beim Maͤnn— chen karminroth, beim Weibchen braͤunlichweiß getuͤpfelt; die Seiten des Kopfs ſchmutzigweiß, mit braͤunlichem Anflug und ſchwaͤrz— lich geſtrichelt und gefleckt; die Halsſeiten braͤunlich grauweiß mit vielen laͤnglichten, in einander laufenden, braunſchwaͤrzlichen Flecken; der Hinterhals etwas dunkler; der Oberruͤcken, die Schultern, die kleinern und mittlern Fluͤgeldeckfedern olivengruͤn, mit vielen truͤbe weißen, baͤnderartigen Querflecken, der Buͤrzel im Grunde ſchwarz und weiß gebaͤndert, an den Federſpitzen ſchoͤn gruͤnlichgelb. Die Kehle iſt ſchmutzigweiß, ſehr fein ſchwaͤrzlich geſtrichelt, die Gurgel aber ſchon ſtaͤrker gefleckt; der uͤbrige Unterkoͤrper braͤunlich grauweiß, auf der Mitte der Bruſt mit rundlichen, an den Seiten und unterwaͤrts mit pfeil⸗nieren- und halbmondfoͤrmigen, nach dem Schwanze zu in Querbaͤnder uͤbergehenden, braunſchwarzen, ſehr deutlichen Flecken dicht beſetzt; Fluͤgel und Schwanz, ſo weit ſie in der erſten Mauſer fuͤr das naͤchſte Kleid verbleiben, wie ſchon oben beſchrieben. Das Weibchen hat auch auf dem Kopfe weniger Roth, als das Maͤnn— chen, und iſt auch ſonſt ſtaͤrker gefleckt. Im Neſte oder wenn ſie eben ausgeflogen, ſcheinen die Jungen, weil weder ihr Koͤrper, noch ihr Gefieder vollkommen ausgewachſen, die Federn ſich alſo noch mehr decken, nicht ſo ſtark gefleckt zu ſein, der Kopf hat daher auch mehr Roth, und an den Seiten der Bruſt und nach dem Schwanze zu iſt ein gruͤnlicher Anflug bemerkbar, wel— cher bald nachher verſchwindet, ſo wie die dunkeln Flecke unten, und die lichten an den obern Theilen nach und nach mehr hervortreten, was daher koͤmmt, weil ſie nicht dicht an den Enden der Federn ſitzen. Anfaͤnglich iſt der Schnabel ſchwaͤrzlich, an der Spitze lichter, die V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. | 275 Fuͤße hell bleifarbig mit gelblichen Sohlen, die Augenſterne dun— kelgrau; dieſe werden aber bald lichter, dann weißgrau, endlich grauweiß, die Füße dunkler, grauer, der Schnabel ſchmutzig blei— farbig, an der Unterkinnlade gelblich, und ſeine Spitze wird dunkler. Spielarten ſind ſehr ſelten; man erwaͤhnt jedoch einer ganz weißen mit gelbem Scheitel (Picus viridis candidus), eis ner blaffen (Pic. virid. pallidus) oder weißlichen, mit ganz ſchwacher Anlage der gewoͤhnlichen Farben, einer weißgefleck— ten (Pie. virid. varius) und einer ſtrohgelben mit ſchwach rothgeflecktem Scheitel (Pic. virid. fulvus). Die Mauſer faͤllt in den Auguſt und September, in welchen Monaten Junge und Alte die Federn wechſeln, und auch bei dieſer Art geht ſie nur langſam von Statten. e Lt ö Der Gruͤnſpecht wird in ganz Europa, von den Lappmarken herab, angetroffen, ſo auch in einem Theil von Sibirien und in Aegypten. In vielen Laͤndern unſeres Erdtheils iſt er jedoch keineswegs gemein, z. B. in Holland, und ſelbſt in Deut ſch— land giebt es Gegenden, wo er ſelten vorkoͤmmt, aber auch wie— der viele, wo er unter die ſehr bekannten Voͤgel gehoͤrt. In Men— ge wird er aber nirgends beiſammen geſehen, und wenn er auch an vielen Orten gemein iſt, ſo erſcheint er doch nur einzeln oder fami— lienweis. Er iſt mehr Strich- als Standvogel, denn nicht alle ver⸗ laſſen die Gegenden ihres Sommeraufenthalts im Winter. Ge— woͤhnlich faͤngt er ſeine Streifzuͤge mit den Jungen ſchon im Juli oder Auguſt an, aber an ſeinem beſtimmtern Winteraufenthaltsorte erſcheint er meiſt erſt zu Ende September oder im October. So iſt es in der Gegend um meinem Wohnorte, wo im Sommer keiner iſt, aber alle Jahr einer in der eben genannten Zeit ankoͤmmt, den Herbſt und Winter hindurch hier bleibt, und Ende Februar wieder verſchwin— det. Dieſer eine leidet auch keinen zweiten ſeiner Art in dieſem Re— vier, das ſich wol eine Stunde weit ausdehnt, und das er taͤglich durchſtreift, und koͤmmt ja noch einer, ſo beißen und verfolgen ſie ſich fo heftig, bis dieſer wieder fort if. Ich ſehe daher nur ſelten zwei Gruͤnſpechte zu gleicher Zeit hier, außer gegen das Fruͤhjahr, und dann moͤgen dieſe wol immer Maͤnnchen und Weibchen ſein. Von Andern wurde eben ſo bemerkt, daß, im Gegentheil, wo ſie im Som: mer ſehr gemein waren, ſie im Winter nur ſehr einzeln geſehen wurden. 276 V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. Obwol der Wald ſein eigentlicher Wohnſitz iſt, ſo iſt ihm doch nicht jede Art deſſelben gleich angenehm. Gebirgswaldungen ſchei— nen ihm weniger zuzuſagen, als ebene, er verlaͤßt jene wenigſtens haͤufiger im Winter und iſt in der rauhen Jahreszeit in dieſen mehr als dort. Auch die duͤſtern Hochwaͤlder liebt er nicht; er iſt weit lieber da, wo ſie nicht ſo dicht ſind, freie Plaͤtze, Wieſen und Aecker umſchließen, bei jungen Schlaͤgen, an großen Viehweiden, an den Ufern der Fluͤſſe und Stroͤme, wo die alten Baͤume einzel— ner ſtehen; ob auch Unterholz da ſei oder nicht, iſt ihm einerlei. So liebt er auch die groͤßern Feldhoͤlzer und einzelnen Waldungen, doch nicht von Nadelholz, was ihm uͤberhaupt viel weniger behagt, als Laubholz. In hieſigen Gegenden liebt er beſonders die Eichenwaͤl— der, aber auch in denen von Buchen, Ulmen, Aspen und a. m. iſt er gern. Wo alte Laubholzbaͤume und Nadelholz gemiſcht beiſam— men wachſen, wohnt er auch, aber im reinen Nadelwalde iſt er ſelt— ner. Sobald die Fortpflanzungsperiode fuͤr ihn voruͤber iſt, ſchweift er ſchon weiter umher, beſucht die auf Viehtriften zerſtreut ſtehen— den einzelnen Eichen, die Kopfweidenpflanzungen, ſelbſt die einzel— nen Feldbaͤume, und koͤmmt nun allmaͤhlich in ſolche Gegenden, wo wenig Wald iſt, in kleine Feldhoͤlzer, Alleen und einzelne Baum— reihen, in die baumreichen Umgebungen der Doͤrfer und Staͤdte, und im Winter in die Gaͤrten und in die Naͤhe menſchlicher Wohnungen. Er ſucht dann bei ſtrenger Witterung nicht allein an den Obſtbaͤu— men, ſondern ſelbſt an manchen Gebaͤuden ſeine Nahrung. So haͤlt er ſich in dieſer Jahreszeit hie und da bei Doͤrfern auf, wo au— ßer den Obſtbaͤumen nur wenig andere hohe Baͤume, als: Pappeln, Erlen, Ruͤſtern, und ſonſt nur noch Kopfweiden ſtehen, denn letz— tere liebt er ganz vorzuͤglich. | Man ſieht den Grünfpecht zwar auch hoch oben auf alten Baͤu— men, an den ſtarken Aeſten und Wipfeln derſelben, doch eben fo oft oder wol noch oͤfter niedrig an den Schaͤften nicht gar hoher Baͤume, an alten Staͤmmen und Stoͤcken, und von hier begiebt er ſich dann auch, oͤfter als jede andere einheimiſche Spechtart, auf den Erdboden ſelbſt. So ſieht man ihn denn an Wald- und Aders raͤndern, auf Wieſen, auf freien Plaͤtzen im Walde, bald ganz auf dem Freien, bald im Graſe oder zwiſchen niedrigem lichtem Geſtraͤuch auf dem Boden herum huͤpfen und ſeine Nahrung aufſuchen, aber nicht in den Zweigen des niedern Gebuͤſches. Wenn er von dort weg— fliegt, hängt er ſich gewöhnlich zuerſt ganz niedrig an den naͤchſten Baum, und wenn er von hier aus Etwas erblickt, was ihm Gefahr 1 v. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. 277 bringen koͤnnte, fliegt er weit weg und ſetzt ſich dann weit hoͤher an den Schaft eines großen Baumes, um ſich hinter denſelben verber- gen zu koͤnnen. Seine Nachtruhe haͤlt er in einer Baumhoͤhle, die er ſich gehoͤrig dazu einrichtet, oder gar ganz von Neuem verfertigt, welche er dann auch alle Abende bezieht, in der Daͤmmerung davor erſcheint, aber vorſichtig erſt einige Mal hinein ſieht, ob nicht etwa ein Uſurpator fie ſchon beſetzt habe, und nun erſt hineinſchluͤpft. In der Morgendaͤmmerung verläßt er fie wieder, denn er ſteht Bi auf und geht ſpaͤt zur Ruhe. Eigenſchaften. Dieſer anſehnlich kraͤftige Vogel iſt immer munter und froͤhlich, dabei liſtig und ſehr vorſichtig, doch nicht ſo ſcheu als der Schwarz— ſpecht. Im Klettern beſitzt er eine ſo große Gewandtheit und Fer— tigkeit, wie die andern Spechte, aber im Gehen uͤbertrifft er ſie, denn er huͤpft ſchneller und viel leichter auf dem Erdboden einher, ob— gleich, mit vielen andern Voͤgeln verglichen, etwas ſchwerfaͤllig, wo— bei er den Koͤrper faſt wagerecht traͤgt und den Schwanz beinahe ſchleppt. Er iſt eben ſo ungeſellig, wie jene, hat einen gewiſſen Be— zirk, den er, ſeiner Nahrung wegen, taͤglich durchſtreift, und in dieſem leidet er keinen andern ſeines Gleichen. Er klettert ruckweiſe, oder in großen Spruͤngen, nicht allein an Baͤumen, ſondern auch an Mauern, Waͤnden und an den Balken und Saͤulwerk mancher Gebaͤude, in den Doͤrfern ſelbſt an Kirchen und Haͤuſern herum; dies vorzuͤg— lich im Winter, und kann ſich ſogar an ſehr glatten Waͤnden feſt an— klammern. Er kann zwar auch ſchnell und geſchickt Loͤcher in die Rinde und in das morſche Holz der Baͤume meißeln, thut es aber weit weniger, als andere Spechte, weshalb man ihn viel ſeltner po— chen hoͤrt. Dies iſt wahrſcheinlich auch Urſache, warum er nicht auf das nachgeahmte Pochen hoͤrt und ſich damit nicht anlocken laͤßt. Er hat einen harten Flug, deſſen Rauſchen oder Schnurren man weit hoͤrt, zumal bei feuchter oder nebelichter Witterung, und welcher nicht in gerader, ſondern in einer aus großen Bogen zuſam— mengeſetzten Linie fortgeht. Dieſe große Wogenlinie wird dadurch gebildet, daß er abwechſelnd mit ſchnellen ſchnurrenden Schlaͤgen der ausgebreiteten Fluͤgel, und dann wieder mit angezogenen Fitti— chen ohne Fluͤgelſchlaͤge fortſchießt, und mit dieſen beiden Arten zu fliegen beſtaͤndig wechſelt, ſo daß er bei der letzten ſich ſenkt, bei der erſten aber wieder erhebt. Dabei ſtreckt er den Hals lang aus und den Schnabel in gleicher Richtung vorwaͤrts. Er iſt im Fluge ſehr % 278 V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Grün⸗Specht. kenntlich, fliegt viel, aber meiſtens kurze Strecken, durchfliegt je— doch auch oft, ohne zu ruhen, weite Raͤume. eie Unruhe ſteht mit ſeiner Vorſicht in genauer Verbindung, denn jene iſt da, wo er ſich ſicher weiß, nicht ſo groß, an unſichern Orten aber ſehr auffal— lend; kaum hat man ihn an einem nahen Baum bemerkt, und in Kurzem laßt er ſich ſchon ganz in der Ferne wieder hoͤren. So durchſtreift er ſein Revier taͤglich mehrere Male, und weiß den da— bei vorkommenden Verfolgungen auf eine geſchickte Art auszuwei— chen, indem er ſich zwar, wenn er ſich ſetzt, geradezu an einen Baumſchaft anhaͤngt, aber gleich auf die entgegengeſetzte Seite laͤuft, hier ein Weilchen lauſcht, dann aber eben ſo, und oft un— bemerkt, weit wegfliegt, ſo daß man ihn oͤfters noch an demſelben Baume glaubt, wenn er ſich ſchon laͤngſt durch die Flucht geſichert hat, was er gewoͤhnlich mit frohlockender Stimme verkuͤndigt. Dieſe iſt ein hell und voll toͤnendes, ſehr weit hoͤrbares, haſti— ges Kjuͤck kjuͤck kjück, und ein ſchwaͤcheres Sud juͤck, wovon beide Gatten das Erſtere im Fluge wie im Sitzen und die einzelnen Sylben deſſelben oft vielmals hinter einander ausſtoßen, das Letztere aber nur ſitzend hoͤren laſſen. In der Naͤhe ſind jenes, wenn ſie aus voller Kehle ſchreien, heftige, ſchneidende und kraftvolle Toͤne, und weil ſie an manchen Tagen, beſonders im Fluge auf weitern Strecken, viel ſchreien, auch ſehr oft, eben wenn ſie ſich an einen Baum angehaͤngt haben, ihr Kjuͤck kjuͤck ausrufen, ſo verrathen ſie dadurch ihre Anweſenheit in einer Gegend ſehr bald. Das Er— ſtere iſt auch, ein wenig anders modulirt und mit noch reinerer, lau- terer Stimme, der Paarungsruf des Maͤnnchens, wobei es ſich hoch oben an einen hohen Baum haͤngt oder auf deſſen Gipfel ſetzt; es klingt dann, weil die erſten Sylben etwas gedehnt, die folgenden aber immer ſchneller und ſchneller, und die letzten ſehr raſch nach einander ausgeſtoßen werden, wie Gluͤh gluͤh glü glüd gluͤck gluͤck gluͤckg luͤckluͤckluͤck. Dieſer Ruf ſchallt weit in den Wald hin— ein, und klingt recht angenehm. Man hoͤrt ihn beſonders in den Vormittagsſtunden, vom Maͤrz bis in den Mai, auch wenn es im Fruͤhjahr ſchoͤne warme Tage giebt, ſchon da, wo er ſich den Winter hindurch aufgehalten hat, wenn er auch in dieſer Gegend nicht bruͤ— tet. Auf ihn koͤmmt am Brutorte, im Anfange der Begattungs— zeit, gewoͤhnlich das Weibchen herbei, und nun jagen ſich beide von einem Baum zum andern, wobei ſie ein ſchnell auf einander folgendes Guͤck guͤck guck guͤck ausrufen, was man ſonſt eben nicht von ihnen hört und fanfter als die oben beſchriebenen Toͤ—⸗ V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. 279 ne klingt. In großer Noth, z. B. gefangen, macht der Gruͤn— ſpecht ein haͤßliches kraͤhendes Gere was den Ohren wehe thut. Sonſt kreiſchen auch die Jungen im Neſte, wenn ſie beunru— higt werden, ſehr ſtark und ſo widerlich, daß derjenige, welcher zufaͤllig mit einem Stocke an ſolch einen Baum ſchlaͤgt, daruͤber er— ſchrecken muß; ſie legen dies abſce e aber ab, ſobald ſie völlig erwachſen find. Ich habe den Gruͤnſpecht, fo wenig, wie H. Brehm, jemals ſo ſchnurren hoͤren, wie es andere Spechte auf einem duͤrren Zacken thun, ob wir ihn gleich vielfaͤltig am Brutorte beobachtet haben. Sein oben erwaͤhnter Paarungsruf ſcheint bei ihm das Schnurren zu vertreten, obgleich Bechſtein Naturg. Deutſchl. II. S. 1012.) erzaͤhlt, daß er beſonders gern und Stunden lang auf einem Brett— chen, was auf einem hohlen Aſt eines Obſtbaumes, zum Schutz ge— gen eindringenden Regen, genagelt iſt, ſo ſchnell haͤmmert, daß da— durch ein lautes Schnurren hervorgebracht wuͤrde.“) Der Gruͤnſpecht iſt ein ſo ſtuͤrmiſcher, unbaͤndiger Vogel, daß man an Zaͤhmung eines alten gar nicht denken darf. Man hat es verſucht, ihn an ein Kettchen gelegt, aber der Erfolg war immer ein baldiger Tod des ungeſtuͤmen Gefangenen. Aus einem hoͤlzer— nen Vogelbauer oder Falle helfen ihm ſeine kraͤftigen Schnabelhiebe ſehr bald, und laͤßt man ihn in die Stube, ſo klammert er ſich an Allem an und zermeißelt das Holzwerk. Daß fie ſich jung aufgezo- gen leichter zaͤhmen laſſen, mag ſein, mir iſt aber kein Fall in der Art bekannt geworden, daß ſie lange am 9 haͤtten erhalten werden koͤnnen. Nahrung. Der Gruͤnſpecht ſucht ſeine Nahrung mehr, oder wenigſtens eben ſo oft, auf der Erde, als an den Baͤumen. In dieſer Hinſicht aͤhnelt ihm nur ſein naͤchſter Verwandter, der Grauſpecht, die 5 andern viel weniger; aber er naͤhert ſich dadurch einigen auslaͤndi— ſchen Arten, welche ihre Nahrung immer auf dem Erdboden ſuchen und deshalb Erdſpechte heißen. Seine Hauptnahrung ſind in jeder Jahreszeit, beſonders im Sommer, Ameiſen und deren Puppen (die ſogenannten Ameiſen— eier) von verſchiedenen Arten, naͤmlich die gelbe (Formica rubra), ) Da Bechſtein nach S. 1024 und 1028 deſſelben Werks und Bandes, keinen Buntſpecht hat ſchnurren hoͤren, ſo darf man hier wol eine Verwechſelung vermuthen, vielleicht auch mit dem Grauſpecht, welcher auch etwas ſchnurrt. 280 V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. die braune (F. fusca ), die ſchwarze Ameiſe (F. nigra) und die ro— the Holzameiſe (F. rufa), aber ſelten die Roßameiſe (F. herculea- na). Er durchſtoͤrt deshalb ihre Haufen, oder holt ſie aus den al— ten Staͤmmen, Waͤnden, und aus den Ritzen der Baͤume hervor, und ſelbſt im Winter, wenn die Erde hart gefroren iſt, hackt er Loͤ— cher in die Haufen, um zu ihnen zu gelangen. Dann iſt unter andern beſonders die rothe Ameiſe (F. rufa) diejenige, zu welcher er am leichteſten gelangen kann; ich habe jedoch um dieſe Jah— reszeit feinen Magen auch mit der braunen und ſchwarzen Ameife - angefuͤllt gefunden. In den Ameiſenhaufen findet er auch die Lar— ve und Puppe des Goldkaͤfers (Cetonia aurata), welche er, nebft vielen andern in der Erde wohnenden Kaͤferlarven, ſehr gern frißt, und weshalb er auch auf Wieſen, beſonders wenn ſie eben gemaͤhet ſind, und auf andern beraſeten Plaͤtzen herum huͤpft und Loͤcher in die Erde hackt, wodurch ſich feine Naſendeckborſten fo abſtoßen, daß fie allmaͤhlich immer dünner werden und im Sommer die Naſenloͤ— cher nicht mehr ganz bedecken. Aus dem Mooſe unter den Baͤumen ſucht er Schmetterlingspuppen hervor und frißt auch die Raupen verſchiedener Arten. Der Larven wegen ſtoͤrt er auch zuweilen in den Neſtern der Hummeln und Wespen herum. Weil er ſo viel auf dem Erdboden iſt, ſo ſind bei feuchter Witterung ſeine Fuͤße und ſein Schnabel ganz mit Erde beſchmutzt. b An den Baͤumen klettert er zwar, wie andere Spechte, mit gro— ßer Behendigkeit herum, und durchſucht beſonders die kranken Stel— len an denſelben ſehr ſorgfaͤltig, hackt aber nie ſehr tiefe Löcher in das Holz und pocht, wie ſchon geſagt, nicht viel daran herum, weil er hier meiſtens nur ſolche Inſekten ſucht, welche in den Riſſen der Borke, oder bloß unter der Rinde, oder doch nicht tief im morſchen Holze ſitzen. So findet er hier Borkenkaͤfer, Zangenkaͤfer u. a., nebſt ihren Larven, auch Inſekteneier, welche er verzehrt, und aus den alten Weidenbaͤumen holt er auch die Raupe des großen Wei— denbohrers (Cossus ligniperda) hervor. In Gegenden, wo viele Weidenbaͤume ſind, ſucht er dieſe Nahrung ſehr fleißig auf. Im Winter ſieht man ihn oft an Lehmwaͤnden, an Strohdaͤ⸗ chern und am alten Holzwerk der Gebaͤude, ſelbſt der Kirchen und Thuͤrme, in den Doͤrfern, jedoch nicht leicht in ſehr lebhaften Thei— len derſelben und meiſtens auch nur in ſolchen Doͤrfern, welche nahe am oder im Walde liegen, oder doch baumreiche Umgebungen ha— ben. An Gartenhaͤufern und einzelnen Gebaͤuden im Walde be— merkt man ihn auch im Sommer nicht ſelten, und es ſcheint, daß er V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Grün⸗Specht. 281 die im todten Holze lebenden oder in deſſen Ritzen ſich verbergenden Inſekten, Larven und Puppen vorzuͤglich liebt, ſo auch die in den Loͤchern und Spalten der Waͤnde und Mauern wohnenden. Er holt dort auch Spinnen und Fliegen hervor, beſonders die in den Waͤn— den der Gebaͤude und des alten Holzwerks haͤufig uͤberwinternde große blauſchwarze Fliege, und mancherlei Holzwuͤrmer, aus alten Lehmwaͤnden auch Ameiſen. Seine lange Zunge leiſtet ihm bei dieſem Geſchaͤft hoͤchſt wich— tige Dienſte. Er ſteckt ſie lang ausgeſtreckt in die Loͤcher der Holz— wuͤrmer, ſpießt dieſe mit der hornartigharten Spitze an und zieht ſie ſo in den Schnabel und Schlund hinab. Weil ſie laͤnger iſt als bei vielen andern Arten, ſo braucht er nicht ſo tiefe Loͤcher zu mei— ßeln, um ſeinen Fraß zu erreichen. Beim Ameiſenfang iſt ſie ihm noch wichtiger. Weil ſie zugleich mit einem klebrigen Schleim uͤber— zogen iſt, ſo braucht er die Ameiſen nicht einzeln mit dem Schnabel aufzunehmen, ſondern nur die ausgeſtreckte Zunge in den aufge— ſchuͤrten Haufen herum zu ſchlaͤngeln, wo jene in Menge daran kleben bleiben, und ſo gleichſam aufgeleckt und verſchluckt werden. Weil einem ſo großen kraͤftigen Vogel von der Natur einmal ſo klei— ne Geſchoͤpfchen zur Hauptnahrung angewieſen wurden, ſo war dies Mittel, fie ſchnell in großer Menge zu fangen und verſchlucken zu koͤn— nen, unumgänglich nothwendig, wie bei den vierfuͤßigen Ameiſenfreſſern. — Dieſe wurmfoͤrmige, langhervorſtreckbare Zunge iſt dem Gruͤn— ſpecht auch zugleich Taſtorgan; er taſtet damit in den Löchern her— um, wohin er nicht ſehen kann. H. Brehm erzaͤhlt (II. S. 536. der Beitraͤge) hierzu einen intereſſanten Beleg. Ein Bekannter von ihm befand ſich naͤmlich in einem Jaͤgerhauſe im Walde, an deſſen zugemachte Fenſterladen fi) von außen ein Gruͤnſpecht hing, feinen Kopf durch eins der in den Laden angebrachten Loͤcher ſteckte, und mit lang hervorgeſtreckter Zunge um das Loch herum zuͤngelte, ſo weit dieſe nur reichen wollte. Seine Ausduͤnſtung riecht widerlich ſüßſauerlich, was nicht al⸗ lein, wie Bechſtein meint, vom Genuſſe der Weidenbohrraupen, ſondern eher von dem der Ameiſen herruͤhren mag. Ich habe die— ſen Spechtgeruch bei ihm auch nicht immer gleich ſtark gefunden, weshalb es wol wahrſcheinlich iſt, daß er nicht allein von der Beruͤh— rung mit faulenden Holztheilen, ſondern auch vom häufigen Sams mancher Nahrungsmittel entſtehen mag. Daß er auch Bucheckern und Nuͤſſe freſſe, und daß man ihn mit dieſen, auch mit Fleiſch und mit Ameiſeneiern, in der Stube 282 v. Ordn. XXX. Gatt. 165. Grün⸗Specht. unterhalten ſoll, auch daß man die Jungen mit Fleiſch und Amei— ſeneiern fol auffüttern koͤnnen, find Angaben, welchen ich, aus Mangel eigner Erfahrung, nicht beiſtimmen kann. F or Ep. e een e Der Gruͤnſpecht niſtet am haͤufigſten in ebenen Laubholzwal— dungen, auch in weniger großen; doch nicht in kleinen Feldhoͤlzern. Er liebt die vorzuͤglich, worin es viel Ameiſen giebt, und iſt in ſolchen, wo dieſe fehlen, nicht oder ſehr ſelten, bloß durchſtreifend, anzutreffen. In hieſiger Gegend niſten viele in den Eichenwaͤldern, aber in den Kieferwaldungen nur da, wo es darin Stellen giebt, die zwiſchen dem Nadelholz auch viel von jenen Laubholzbaͤumen, As— pen, Buchen, Ulmen und andere große alte Baͤume haben. Bei ſchoͤner Witterung oft ſchon im Februar ruft das Maͤnnchen ſein Weibchen mit lauter Stimme, und wenn es eins gefunden, be— giebt ſich das Paͤaͤrchen an feinen Brutort, wo es ſich ein ziemlich ausgedehntes Revier waͤhlt und dies gegen Einfaͤlle anderer ſeiner Art hartnaͤckig vertheidigt. Um dieſe Zeit ſind ſie beſonders ſehr un— ruhig. Zum Niſten bereiten fie ſich nun eine Höhle in einem dazu ſchicklichen Baume, entweder ganz neu, oder fie erweitern eine vor— gefundene, oder ſie reinigen die alte des vorigen Jahres bloß und niſten ſo oft mehrere Jahre nach einander in dieſelbe. Es giebt ſo— gar Beiſpiele, daß ſie, als man ihnen die Eier genommen, daſſelbe Jahr wieder in die naͤmliche Hoͤhle legten. Man findet ſie in Ei— chen, Aspen, Birnbaͤumen, Erlen, Buchen, auch in Fichten, ſelt— ner in Kiefern, nicht leicht unter 20 Fuß Hoͤhe, aber meiſtens noch ein Mal ſo hoch und auch noch hoͤher. Wenn ſie ſich eine neue ausmei— ßeln wollen, ſo waͤhlen ſie eine Stelle des Baumes, wo ein alter Aſt abgebrochen und das Holz muͤrbe iſt, aber wenn ſie dann im Baume ſelbſt auf zu friſches hartes Holz treffen und dies nicht etwa zum Theil umgehen koͤnnen, was auch vorfaͤllt, ſo laſſen ſie die Ar— beit zuweilen liegen und ſuchen eine bequemere Stelle oder einen andern Baum. Krank und kernfaul iſt ein ſolcher Baum immer, wenn er auch von außen geſund ausſaͤhe. Oefters arbeiten fie ſich aber auch da in einen morſchen Baum, wo die Faͤulniß ihnen ſchon ſo weit vorgearbeitet hat, daß bereits eine kleine Hoͤhle vorhanden iſt, und da werden ſie dann ſchneller fertig. Sie meißeln zwar eine große Menge Spaͤne heraus, die auf dem Boden unter dem Bau— me zerſtreuet umher liegen, welche auch das Auffinden des Neſtes erleichtern, aber nicht ſo große, wie die Schwarzſpechte. Der V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. 283 Eingang iſt gewoͤhnlich zirkelrund und nicht groͤßer als noͤthig iſt, dem Vogel das Durchſchluͤpfen nur ſo eben zu geſtatten, ſo daß eine Mannshand nicht hindurch kann; im Baume ſelbſt iſt die Hoͤhle viel weiter, unten keſſelfoͤrmig, an den Waͤnden aͤußerſt glatt gear— beitet, und ſo tief, daß die Eier, auf dem Boden derſelben auf kla— ren Holzſpaͤnen liegend, manchmal kaum von der Hand eines hineingreifenden Mannsarmes erlangt werden koͤnnen, ein ander Mal dagegen kaum 10 Zoll tief vom untern Rande des Eingangs liegen. Die Eier find meiſtens bedeutend kleiner als die Schwarzſpecht— eier, und varijren an Größe und Geſtalt bedeutend. Meiſtentheils ſind ſie etwas laͤnglich, an einem Ende ſchnell abgerundet, an dem andern ſpitz, der Bauch dem erſten am naͤchſten, und naͤhern ſich dann der Birnform etwas; bei andern iſt der Bauch mehr in der Mitte und ſolche ſind mehr eifoͤrmig; noch andere naͤhern ſich ſogar einer ovalen Form. Ihre Schale iſt vom feinſten Korn, duͤnn, ſo daß friſch der ſchoͤn rothgelbe Dotter durchſcheint, blendend weiß und ſo ſchoͤn wie Emaille glaͤnzend. Beim Bebruͤten wird das Weiße ſchmutziger, und vom Glanz geht auch viel verloren. Sieben iſt die gewoͤhnliche Zahl, aber man findet auch ſechs und zuweilen auch acht Stuͤck in einem Neſte. In 16 bis 18 Tagen werden ſie von beiden Gatten wechſelsweiſe ausgebruͤtet, welche ſie ſehr lieben, nicht abfliegen, wenn man mit einem Stocke an den Baum ſchlaͤgt, und ſich, darauf ſitzen bleibend, ſogar oͤfters mit der Hand ergreifen laſſen. Etwa um 10 Uhr gegen Mittag loͤſt das Maͤnnchen ſein Weibchen bis Nachmittag um 3 oder 4 Uhr ab, von wo an dann dieſes wieder die übrige Zeit des Tages, die Nacht hindurch, bis Vormittags des andern Tages ununterbrochen foribrutet. Auch die zarten Jungen erwaͤrmen beide Gatten abwechſelnd noch lange Zeit, und das Weibchen halt bei den faſt erwachſenen noch Nacht— ruhe in derſelben Höhle. | Wenn man ihnen die Eier nimmt, fo legen fie noch ein Mal, oft eben ſo viel als das erſte Mal, gehen ihnen aber die Jungen zu Grunde, ſo bruͤten ſie in dem Jahr nicht wie— der. Dieſe ſind anfaͤnglich ungemein haͤßliche, blinde, dick— koͤpfige Geſtalten, mit großen Fuͤßen, auf welchen ſie, wenn ſie auch ſchon mehrere Tage alt ſind, weder gehen noch ſtehen koͤnnen, dazu nackt, nur an einigen Stellen mit duͤnnen Dunen ganz einzeln beſetzt, und mit Knollen an den Schnabelwinkeln, welche erſt mit der Ausbildung des Schnabels verſchwinden. Wenn man mit ei— nem Stocke an den Baum ſchlaͤgt oder ſie ausnehmen will, erheben 284 V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. ſie jenes fuͤrchterliche klirrende Gekreiſch, was anders und viel ſtaͤr— ker klingt, als bei den jungen Schwarzſpechten; aber dies ver— liert ſich, ſobald ſie Federn bekommen. Dann klettern ſie auch ſchon in der Neſthoͤhle in die Hoͤhe und gucken wechſelsweiſe heraus. Sie ſitzen ungeſtoͤrt ſo lange im Neſte bis ſie den Alten ohne Schwie— rigkeit folgen koͤnnen und werden dann von dieſen gefuͤhrt und lan— ge noch gefuͤttert. Das Futter, was ihnen dieſe vom Anfang an im Kropfe bringen, find Ameiſenpuppen, ſpaͤterhin auch Raupen und andere Larven, aber es waͤhrt ſehr lange, ehe ſie ſich ſelbſt Nahrung ſuchen lernen, und man ſieht die Familie oft ſchon ſehr weit vom Brutorte noch immer beiſammen, die Alten den Jungen Futter ge— ben und fie vor Gefahren warnen. Wer dies nicht weiß, ſollte mei— nen, die Gruͤnſpechte hielten ſich geſellig zuſammen, zumal da ſie dann wol zuweilen im Verfolg einzelner Baumreihen, Kopfweiden und dergl. in Gegenden kommen, wo man in der Brutzeit ſehr fel- ten einen ſieht. Im Auguſt find indes die meiſten Familien getrennt, und jedes Glied ſucht ſich einzeln ein entferntes Revier und begiebt ſich fo unbemerkt auf den Strich. ö Feinde. Ich habe ihn vom Huͤhnerhabicht verfolgen ſehen; bei An— naͤherung eines ſolchen, auch des Sperbers, entflieht er mit lan— gem heftigen Schreien und ſucht ſich bei unausgeſetzter Verfolgung, wie die Eichhoͤrnchen, immer auf die entgegengeſetzte Seite des Bau— mes zu fluͤchten, oder auch im dichten Gebuͤſch zu verkriechen. Seiner Brut und auch dem darauf ſitzenden alten Weibchen werden Mar: der und Wieſeln gefaͤhrlich. In ſeinem Gefieder wohnen ein paar Arten ſogenannter Vogel⸗ laͤuſe und in ſeinen Eingeweiden der in mehrern Spechten vorkom— mende gekerbte Bandwurm, Taenia crenata, Jagd. Er iſt zwar nicht ſo ſcheu als der Schwarzſpecht, doch auch ſehr vorſichtig und fluͤchtig, und muß deshalb hinterſchlichen werden. Die, welche ſich ihren Winteraufenthalt in einer etwas lebhaften Gegend wählen, find hier beſonders ſehr ſcheu und ſchwer ſchußmaͤ— ßig zu erreichen, wenn man ſie nicht hinter dicken Baͤumen entlang anſchleichen kann. Auf dem Freien wartet noch ſeltner einer bis auf gewoͤhnliche Schußweite; aber beim Aufſuchen der Ameiſen uͤber— raſcht man ſie manchmal, wenn ſie im Graſe oder zwiſchen Geſtraͤuch V. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. 285 herumhuͤpfen. Sie haben die Gewohnheit, ſobald ſie ſich verfolgt glauben, gleich auf die dem Schuͤtzen entgegengeſetzte Seite des Baums zu huͤpfen, ſo daß er nur den Schnabel und die Augen um den Stamm gucken ſieht, und ſo nicht zum Zwecke koͤmmt; dann entfliehen ſie auf eben der Seite ſtill und unbemerkt, und wenn man ſie noch an dem naͤmlichen Baume glaubt, laſſen ſie ihre Stimme oft ſchon in weiter Ferne hoͤren. Am Brutorte ſind ſie indeſſen nicht ſo ſcheu. Weiß man die Hoͤhle, worin ſie Nachtruhe halten, ſo kann man ſie hier, aber gut verſteckt, auf dem Anſtande erlauern. Auf das nach— geahmte Klopfen hoͤrt der Gruͤnſpecht nach meinen Erfahrungen nie, aber mit einer gut geſtimmten Pfeife ließ ſich vielleicht ſein Lockton nachmachen und er ſich dadurch anlocken. a An den Vogel heerd koͤmmt er bloß zufällig und wird hier ſelten gefangen. In Schlingen, welche man auf Ameiſenhau— fen, noch beſſer aber vor der Hoͤhle anbringt, worin er zu ſchlafen pflegt, faͤngt man ihn leicht. In meinem Waͤldchen hatte ſich einſt ein Gruͤnſpecht mit vieler Muͤhe eine Hoͤhle zu ſeiner Nachruhe in eine alte hohe graue Aspe gezimmert, welche nur erſt anfing, kern— faul zu werden, an einer Stelle, wo ein alter morſcher Aſt abgebro— chen war. Ich erſtieg den Baum mit einer ſehr langen Leiter, ſchlug ein Stiftchen dicht über das zirkelrunde Loch, und hing einen duͤnnen Buͤgel mit Schlingen loſe daran, daß dieſe den Eingang beſtellten; am Buͤgel aber war ein langer Faden, deſſen anderes En— de unten am Boden befeſtigt war, um die Leiter beim Fange ent— behrlich zu machen. Aus einer alten Laubhuͤtte beobachtete ich nun ungeſehen den ſchlauen Specht, welcher erſt im Duͤſtern ankam, die Anſtalten ſcheu betrachtete und einige Mal vom Baume abflog, ehe er den Muth hatte, ſich dem verfaͤnglichen Loche zu naͤhern; endlich hing er ſich vor daſſelbe, guckte ein, zwei Mal hinein, fuͤhlte die Schlinge um den Hals, wollte entfliehen, kam aber mit graͤßlichem Geſchrei, den Buͤgel am Halſe, herabgeflattert und war gefangen. Ich behielt ihn nur einen Tag lang und ließ ihn dann wieder fliegen, aber er ſcheute nun den verhaͤngnißvollen Baum auf lange Zeit, ging aber doch nach Verlauf von mehreren Wochen alle Abende wieder in ſeine Höhle zur Ruhe. — Ein Mal hatte ſich auch ein Gruͤnſpecht in eis ner meiner, fuͤr Waldſchnepfen geſtellten, Laufdohnen gefangen. Nutz en. Sein Fleiſch ſchmeckt nicht uͤbel, nur iſt ſein Geruch vielen Men— ſchen widerlich, und man kann es deshalb nicht unter die wohlſchme— 286 v. Ordn. XXX. Gatt. 165. Gruͤn⸗Specht. ckenden Gerichte zaͤhlen. Das Fleiſch der Jungen ſchmeckt etwas beſſer und wird von gemeinen Leuten gern gegeſſen. Er nuͤtzt weit mehr durch ſeine Nahrung, da er ſich faſt von lau— ter ſolchen Inſekten naͤhrt, die den Forſten ſchaden, naͤchſt den Ameiſen und Holzmaden auch viele Raupen und Puppen den Baͤu— men und Graswuchs ſchaͤdlicher Schmetterlinge und Kaͤfer verzehrt, und ſo zu den nuͤtzlichſten Voͤgeln gehoͤrt. Deshalb waͤre es auch Unrecht, ihn zum Verſpeiſen zu toͤdten, da er nirgends uͤberfluͤſſig haͤufig vorkoͤmmt. Sch a d em. Nur Unwiſſende koͤnnen ihn zu den ſchaͤdlichen Voͤgeln zaͤhlen, und es iſt eine Schande, wenn ihn Jaͤger darum toͤdten, und daß ih— nen noch an manchen Orten die Obrigkeit die Faͤnge fuͤr Geld aus— loͤſt. — Sein Schaden, den er etwa durch Loͤcherhacken an den Ge— baͤuden und Lehmwaͤnden bisweilen thut, koͤmmt gar nicht in Betracht gegen ſeinen Nutzen. Daß er Bienenſtoͤcke zerhacken und Bienen freſſen ſolle, habe ich nie geſehen. Er haͤngt ſich zwar auch an die Bienenhuͤtten in den Gaͤrten und im Walde, aber aus keiner an— dern Urſache, als er dies bey anderen Gebaͤuden thut, naͤmlich um die in den Ritzen und Spalten der Waͤnde und Dachgiebel verſteckten In— ſekten aufzuſuchen, oder ſolche aus dem alten Holze zu meißeln. — Die Leute, welche Ameiſeneier aufſuchen, um Handel damit zu trei— ben, ſehen ihn nicht gern, weil er die Ameiſenhaufen zerſtoͤrt. 166. Der ra u Spe ch t. Picus canus. Gmel. Fig. 1. Maͤnnchen. — 2. Weibchen. Graugruͤner Specht, gruͤngrauer Specht, graukoͤpfiger Specht, graukoͤpfiger Gruͤnſpecht, Gruͤnſpecht mit gelbem Steiß, kleiner Gruͤnſpecht, Berggruͤnſpecht; Graukopf, Norwegiſcher Specht; grauer Norwegiſcher Baumhacker mit ſchwarzem Halsbaͤndchen. Picus canus. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 434. n. 45, = Picus viridis norwegiceus, Briss. Orn. IV. p. 18. n. 4. = Pieus norwegicus. Lath. ind. I. Taf. 133. * V. Or dn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. 287 p. 236. n. 33. = Pieus viridicanus. Wolf und Meyer Taſchenb. I. S. 120. >= Picus eaniceps. Nilsson Orn. suec, I. p. 105. n. 50. = Pic-cendre, Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 393. = Grey-headed green Woodbecker, Penn. arct. Zool II. n. 277. Ueberf. v. Zimmermann. II. 8. 262. C. = Ed. Glan. t. 65. — Lath, syn. II. p. 583. — Ueberf. v. Bechſtein I. 2. S. 482. n, 30. = Piechio verde di norvegia. Stor, deg. ucc. II. t. 177. = Noord- sche Specht. Sepp. Nederl. Vog. IV. t. p. 389. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1018. — Deffen Taſchenb. I. S. 61. = Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 22. M. u. W. — Meyer, Voͤg. Liev- und Eſthlands. S. 59. — Meißner und Schinz, V. d. Schweiß. S. 40. n. 38. Koch, Baier. Zool. I. S. 70. n. 1. = Leisler, Wetteraueſche Ann. I. 2. S. 291. — Brehm, Beitr. I. S. 542. — Deſſen Lehrb. I. S. 136. — Friſch, Voͤgel. Taf. 35. Der Kopf vom Weibch. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. Taf. 26. Fig. 51. Weibch. u. Nachtr. S. 251. Taf. 35. Fig. 68. Maͤnnchen. Kennzeichen der Die Hauptfarbe gruͤn; der ganze Kopf grau; nur am Maͤnnchen ein Fleck auf dem Vorderſcheitel roth. Se che d un g. Obgleich dieſer Specht auf einen fluͤchtigen Blick dem Gruͤn— ſpecht ſehr aͤhnlich ſieht, indem auch er dieſelben Farben traͤgt, ſo unterſcheidet ihn doch ſein kleinerer Koͤrper, ſein ſchmaͤchtigerer Schna— bel und die ganz andere Zeichnung am Kopfe ſchon hinlaͤnglich von dieſem. Er wurde fruͤher oft mit ihm verwechſelt oder nur fuͤr ei— ne bloße Spielart, fuͤr ein von der Natur im Wachsthum verhin— dertes oder bei der Erziehung vernachlaͤſſigtes Junges deſſelben ge— halten. Er iſt in allen Theilen bedeutend kleiner als der Gruͤnſpecht, und ſteht der Groͤße nach zwiſchen dieſemund dem Weißſpecht ge— nau in der Mitte. Seine Laͤnge beträgt 112 bis faſt 12 Zoll, die Breite 18 bis 195 Zoll, die Fluͤgellaͤnge 6 Zoll, die Laͤnge des Schwanzes faſt 4 Zoll, dieſer eben fo, wie beim Gruͤnſpecht ge ſtaltet, die aͤußerſte große Feder 14 Zoll kuͤrzer als eine der Mittel: federn, die aͤußerſten kleinen Seitenfedern nur 13 Zoll lang; die ruhenden Fluͤgel decken den Schwanz zur Haͤlfte; die erſte Schwin— ge iſt ebenfalls ſehr klein, die vierte und fünfte find die laͤngſten. Wegen der, von der letztgenannten an, faſt gleich langen Schwing- federn, die in der erſten Ordnung etwas ſchmal und ſpitz, in der zweiten aber breit und abgerundet find, iſt der Fluͤgel vorn abgerun⸗ det und nach hinten breit. Der Schnabel iſt gerade fo geſtaltet, wie beim Gruͤn ſpecht, aber viel kleiner und ſchwaͤchlicher, nur 1 Zoll 8 bis 45 Linien lang, an der Wurzel 4 Linien breit und kaum etwas hoͤher. Den obern 288 V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. Ruͤcken nach iſt er ein wenig gebogen, dieſer ſehr ſcharfkantig, die Leiſtchen an den Seiten wenig ausgezeichnet, ihre Zwiſchenraͤume etwas bauchicht, der Unterſchnabel gerade, beide vorn meißelartig zugeſpitzt; er iſt im Ganzen ziemlich zuſammengedruͤckt, daher von oben geſehen, wie der des Gruͤnſpechts, ſchmaͤler als bei andern Spechten. Das eirunde Naſenloch liegt unter einem ſehr kleinen Rande, und iſt mit vorwärts gerichteten ſchwarzgrauen Borſtfeder— chen dicht bedeckt, die ſich im Sommer ſehr abſtoßen. Die Farbe des Schnabels iſt oben und an der Spitze dunkelgrau, an den Seiten, vor— zuͤglich an der Unterkinnlade, olivengelb, was auch oft fehlt, wo dann alles mehr ins Bleifarbige faͤllt; an den Schnaͤbeln der Jun— gen iſt noch mehr Gelb, und die Spitze iſt lichter als der Schnabel— ruͤcken. Inwendig iſt der Schnabel vorn blaß bleifarbig, der Ra— chen blaßfleiſchfarbig. Der Regenbogen im Auge iſt in der Jugend grau, dann rothgrau, im Alter ſchoͤn roſenroth. Die Zunge iſt hinten wurmfoͤrmig, fleiſchfarbig, vorn an der harten mit feinen Widerhaͤkchen verſehenen Spitze hornfarbig, aber nicht fo lang als beim Vorhergehenden, denn fie kann nur 47 bis hoͤchſtens 4 Zoll lang ausgeſtreckt werden, und reicht dann 34 Zoll uͤber die Schnabelſpitze hinaus. Die Fuͤße ſind wie beim Gruͤnſpecht, aber verhaͤltnißmaͤßig kleiner, die Laͤufe mit groben Schildern, die Zehenruͤcken mit ſchmaͤ— lern belegt; die Krallen auch kleiner, aber eben ſo gekruͤmmt, ge— furcht und zugeſpitzt, wie dort. Die Laͤufe ſind etwas unter die Ferſe herab befiedert, ſonſt wie die Zehen bleigrau, in den kleiichten Zwiſchenraͤumen der Schilder und an den warzigen Sohlen ins Gruͤn— liche fallend, die Farbe der Krallen dunkelbleigrau. An den Jun— gen iſt dies Alles lichter und blaͤulichter, die Sohlen gelblicher. Die Fußwurzel iſt 1 Zoll hoch, die äußere Vorderzeh, mit der 3 Zoll langen Kralle, 14 Zoll lang, die innere Hinterzeh, mit der faſt 4 Linien langen Kralle, 6 Linien. ö Das alte Maͤnnchen iſt ebenfalls ein anſehnlicher, ſtatt— lich geſchmuͤckter Vogel. Kopf und Hals ſind licht aſchgrau, erſte— rer auf dem Hinterſcheitel mit einigen ſchwarzen Schaftſtrichen, letz— terer gruͤnlich uͤberlaufen; der Anfang der Stirn iſt gruͤngrau, aber nun fängt gleich eine rothe Kopfplatte an, die in ihrem Umfange faſt ei⸗ foͤrmig iſt und bis auf die Mitte des Scheitels reicht, von einem prachtvollen hohen, feuerichten Karminroth. Von den ſchwaͤrzlichen Bartborſten uͤber den Naſenloͤchern geht ein breiter tief ſchwarzer Strich bis an das Auge; ein anderer ſchwarzer, aber ſchmaͤlerer V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. 289 und laͤngerer Streif faͤngt in der Naͤhe des untern Schnabelwinkels an, und laͤuft auf den befiederten Theil der Kinnladenkante nach dem Halſe zu, ſo daß er die lichtgrauen Wangen von der braͤunlichwei— ßen oder weißgrauen Kehle trennt; Oberruͤcken und Schultern ſind ſchoͤn olivengruͤn, ins Grasgruͤn uͤbergehend, ſchoͤner als beim Gruͤnſpecht; Unterruͤcken und Buͤrzel ſchoͤn hellgelb, ins Gruͤn— liche ſpielend; alle untern Theile, von der Kehle bis an den Schwanz ſehr licht gruͤnlich grau, ſo, daß ein gruͤnlicher Anflug am Kropfe, auf den Schenkeln und an den Unterſchwanzdeckfedern am meiſten bemerkbar wird, und die letztern haben auch noch dunkelgruͤngraue verwaſchene Mondfleckchen vor den Spitzen. Der zuſammengefal— tete Fluͤgel iſt, wie beim Gruͤnſpecht, von oben ſchoͤn oliven— gruͤn, und gelblicher als der Ruͤcken, an den großen Schwingen und ihren Deckfedern ſchwarzbraun, mit grünlich- oder gelblichwei— ßen baͤnderartigen Querflecken, eigentlich hat er aber folgende Zeich— nung: Der Afterfluͤgel iſt gruͤnlich graubraun; die Fittichdeckfedern matt ſchwarzbraun mit lichten gruͤnlichgrauen Querflecken; alle Schwingfedern ſchwarzbraun, doch von der ſechſten an mit gruͤnli— chem Anfluge auf der Kante der Außenfahne, welcher nach und nach ſtaͤr— ker und breiter wird, ſo daß die der zweiten Ordnung auf der ganzen Au— ßenfahne, und die allerletzte gaͤnzlich olivengruͤn ausſehen, dazu haben alle vordern Schwingen auf den Außenfahnen bis zehn truͤbe gelbliche oder gruͤnlichweiße Flecke, und die Innenfahnen eben ſo viel jenen gegen- uͤber ſtehende weiße Querflecke, welche nicht zum Schaft reichen, mit je— nen aber den ausgebreiteten Fluͤgel baͤnderartig ſtreifen, ſonſt aber an den Außenfahnen der zweiten Ordnung ſchon bleicher werden und auf der letztern Haͤlfte ganz verſchwinden, ſo daß am zuſammengelegten Fluͤ— gel hinterwaͤrts Alles einfarbig olivengruͤn ausſieht; dieſe Farbe haben auch die großen, mittlern und kleinen Fluͤgeldeckfedern. Die Schwanz: - federn find ſchmutzig- oder erdbraun, oder ſchwaͤrzlich, mit verwaſchenen olivengruͤnlichen Raͤndern, welche an den aͤußerſten ins Braͤunlichweiße uͤbergehen; alle haben ſchwarze Schaͤfte, die Mittelfedern bald nur auf der innern Fahne einige ſchiefe dunkle Querflecke, bald ſieben bis acht dunkle undeutliche Querbinden. Von unten iſt der Schwanz viel lich— ter und ohne gruͤnliche Miſchung; die Schwingen auf der untern Seite ſind ſchwaͤrzlich braungrau, weiß gebaͤndert; die untern Fluͤgeldeckfe— dern gruͤnlichweiß, mit ſchwarzgrauen Querflecken gebaͤndert. Die juͤngern Maͤnnchen haben einen graulichroſenfarbenen Augenſtern, und uͤber den Schenkeln zeigen ſich bei manchen noch gruͤngraue Flecke, ſonſt ſehen ſie wie die alten aus. 5r Theil. 19 290 V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. Die alten Weibchen haben kein Roth am Kopfe, er iſt ganz grau und der Scheitel ſchwarz geſtrichelt, die ſchwarzen Zuͤgel ſind ſchmaͤler und gehen nicht ganz bis an den Schnabel vor, der ſchwarze Streif an der Unterkinnlade iſt ſchmaͤler, kuͤrzer, oder beſteht gar nur aus zuſammenhaͤngenden laͤnglichen Flecken; ſonſt haben ſie die naͤmlichen Farben, nur weniger ſchoͤn, als die Maͤnnchen. Unter den ſehr alten Weibchen hat man jedoch auch einzelne gefun— den, welche auf dem Scheitel einige rothe Fleckchen hatten. Gegen den Sommer verſchießen die Farben bedeutend, das Gruͤne wird unſcheinbarer und gelblicher, am aͤrgſten auf den Fluͤ— geln, an der Unterſeite des Vogels verſchwindet der gruͤnliche An— flug ganz und Alles wird zum lichten Gelbgrau, das Grau des Ko— pfes lichter, die großen Schwingen ganz fahl, der Schwanz braun— grau und ſehr licht. Am meiſten ſcheinen die Farben, ſowie das ganze Gefieder, durch das Bruͤten zu leiden. Im Spaͤtherbſt hat das Gefieder den ſchoͤnſten Hanz und die Farben ſehen dann am lan aus. Die Jungen find ſchon im Nefte, fobald fie Federn bekom— men, nach beiderlei Geſchlechtern an der verſchiedenen Kopffarbe zu unterſcheiden; gerade wie bei den Alten, iſt hier der Scheitel der Maͤnnchen mit einem herrlichen rothen, doch etwas kleinern, Fleck geziert, waͤhrend der der Weibchen bloß einfarbig gruͤnlichaſchgrau ausſieht und ſchwaͤrzliche undeutliche Schaftſtriche hat n). Dicht uͤber dem Schnabel iſt die Stirn dunkelgrau; die Zuͤgel ſind ſchmal ſchwarz; der ſchwarze Streif an der Unterkinnlade beim Weibchen undeutlich, beim Maͤnnchen auch noch ſchmaͤler als bei den Al— ten; die Halsſeiten gruͤngrau; Ruͤcken und Schultern dunkeloliven— gruͤn; der Buͤrzel gruͤngelb; die Kehle ſchmutzig grauweiß; alle un— tern Theile von der Gurgel bis an den Schwanz von einem bleichen, ſchmutzigen, gruͤnlichen Grau, von der Unterbruſt bis an die Enden der untern Schwanzdeckfedern mit gruͤnlichſchwarzgrauen pfeil-, nie⸗ ren- und mondfoͤrmigen Querflecken beſetzt; Flügel und Schwanz wie an den Alten. — Wenn ſie eine Zeitlang ausgeflogen ſind, werden die obern Theile lichter olivengruͤn; die Flecke am Unterleibe deutlicher, fo auch das Schwarze an den Zuͤgeln und den Backen— *) Erſt dieſen Sommer habe ich ein Paar junger Vögel in den Händen gehabt, nach welchem ſich Alles beſtaͤtigte, was ſchon früher in vorliegende Beſchreibung aufs genommen war. Es iſt daher unbegreiflich, wie Koch (a. a. O. S. 71.) behaup⸗ ten kann, die maͤnnlichen Jungen dieſer Art haͤtten eben ſo wenig einen rothen Hut, wie die jungen maͤnnlichen Gruͤnſpechte einen rothen Kinnſtreif. V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. 291 ſtreifen, aber an der rothen Kopfplatte des Maͤnnchens ſchimmert etwas vom dunkelgrauen Grunde durch. Anfaͤnglich iſt die Spitze lichter als das Uebrige des Schnabels, der Augenſtern dunkelgrau, die Fuͤße bleifarbig mit gelblichen Sohlen; dieſe werden aber nach und nach dunkler, der Augenſtern lichter, die Schnabelſpitze dunk— ler und die Farbe des Schnabels uͤberhaupt bald ganz wie bei den Alten; nur die Augenſterne werden im erſten Jahr noch nicht rein 1 Alte und Junge mauſern im Auguſt und September, einzelne find auch noch im Oktober damit beſchaͤftigt, denn der Federwechſel geht hier, wie bei andern Spechten, nur langſam von Statten. A u f e e alt Der Grauſpecht bewohnt die noͤrdlichen Theile von Europa, Aſien und Amerika, ſo hoch hinauf, als große Baͤume wach— fen, und iſt in Norwegen, dem obern Schweden, Finn— land, Rußland u. a. gemein, weniger in ſuͤdlichern Gegenden; denn in Deutſchland iſt er wenigſtens weit ſeltener als der Gruͤnſpecht und in manchen Strichen gar nicht, noch ſeltener aber in Frankreich und in der Schweitz, und in Holland ſoll er nie vorkommen. Auch bei uns in Anhalt gehoͤrt er unter diejenigen Voͤgel, von welchen man weder ſagen kann, daß ſie ſel— ten, noch daß ſie gemein ſind. In Menge ſieht man ihn uͤbrigens auch nirgends beiſammen, wenn es gleich Laͤnder giebt, wo in den Waͤldern zerſtreut viele wohnen. In manchen Gegenden Deutſch— lands ſoll er oͤfterer vorkommen, als die vorige Art. Er iſt ein Strichvogel, und verlaͤßt auch wol in ſtrengen Wintern feinen Aufenthaltsort auf einige Zeit ganz. Seine Streif— zuͤge beginnen im Oktober, und im Maͤrz kehrt er wieder an den Brutort zuruͤck; in der Zwiſchenzeit waͤhlt er ſich dann ein Revier, auch in Gegenden, wo man ihn ſonſt nicht ſieht, und durchſtreift dieſes taͤglich und ſo regelmaͤßig, daß man ihn, wenn nicht beſondere Urſachen Stoͤrungen veranlaſſen, um eine gewiſſe Stunde des Ta— ges immer an gewiſſen Baͤumen bemerken kann. Ein ſolcher Be— zirk iſt oft ziemlich ausgedehnt, zuweilen wol uͤber eine Stunde lang, und er koͤmmt hierin mit dem Gruͤnſpecht uͤberein, doch nur in ſo weit, daß keiner des andern Revier beſtreichen darf, wenn er ſich nicht Balgereien ausſetzen will, wo dann der ſchwaͤchere Grauſpecht natuͤrlich immer den kuͤrzern zieht und weichen muß. Die Baͤume und Gebuͤſche um meinen Wohnort durchſtreift alle Jahr, 292 v. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. vom Oktober bis in den Maͤrz, ein Gruͤnſpecht, der, wenn er im Herbſt zeitig genug weggeſchoſſen wurde, wol durch einen andern, ſpaͤter aber nicht erſetzt wird; einmal bezog das Revier des erleg— ten Gruͤnſpechts ein weiblicher Grauſpecht, welcher dann hier blieb, den ich aber erſt im Anfang Maͤrz ſchießen konnte, als er ſich eifrig bemühte, ein Männchen herbeizurufen. Ein ander Mal kam ein Maͤnnchen, was ſich in das ſchon von einem Gruͤnſpecht beſetzte Revier einzudraͤngen ſuchte, aber von dieſem heftig bekaͤmpft wurde, bis ich es nach einigen Tagen erlegen konnte. Außer die— ſem iſt er mir in einer langen Reihe von Jahren nur noch ein paar Mal hier vorgekommen, aber in den benachbarten groͤßern Wal— dungen, ein bis zwei Meilen von meinem Wohnorte, iſt er auch im Sommer gar nicht ſelten. Er zieht die Laubhoͤlzer den Nadelwaldungen vor, und bewohnt beſonders die Waͤlder in den Auen großer Fluͤſſe ſehr gern, nicht ſo die Gebirgswaldungen. Er iſt auch viel ſeltner im alten Hochwalde, zumal von Nadelholz, ſondern viel lieber in ſolchen Laubholzwaͤl— dern, wo die alten hohen Baͤume, Eichen, Buchen, Aspen, Ul— men u. a. einzeln ſtehen und viel Unterholz waͤchſt, wo es an freien grasreichen Plaͤtzen nicht fehlt, daher gern an Waldraͤndern, wo Wieſen und Triften, mit einzelnen Baͤumen beſetzt, anſtoßen, in Vorhoͤlzern, und in den groͤßern Feldhoͤlzern. Auch in Waͤldern von gemiſchtem Nadel- und Laubholz wohnt er ſehr gern. Sein längeres Verweilen in einer Gegend beſtimmt das häufige Vorkom— men ſeiner Lieblingsnahrung, der Ameiſen; denn wo dieſe nicht in Menge angetroffen werden, haͤlt er ſich auch nicht lange auf, und wenn dies große Landſtriche ſind, ſo koͤmmt er da gar nicht vor. Er beſucht auch die Reihen und groͤßern Pflanzungen von alten Kopfweiden, aber, wie es mir immer geſchienen, nicht ſo gern, wie die vorige Art. Deſto oͤfter ſieht man ihn auf abgemaͤheten Wieſen, beſonders auf Waldwieſen, oder andern freien Plaͤtzen, manchmal ſelbſt ziemlich weit vom eigentlichen Walde. Er koͤmmt zwar auch in die Gaͤrten der Doͤrfer und Staͤdte, zumal im Winter, aber an die Gebaͤude habe ich ihn ſich nie anhaͤngen ſehen. b Er haͤlt ſich meiſtens, und wol noch oͤfterer als der Gruͤn— ſpecht, auf der Erde auf, und hier aufgeſcheucht, haͤngt er ſich gewoͤhnlich erſt ganz unten an den naͤchſten Baum, ehe er weiter wegfliegt; dann haͤngt er ſich aber oft ſehr hoch an oder ſetzt ſich gar auf den Gipfel eines hohen Baumes. Durch dies Letztere un— terſcheidet er ſich ſehr von der vorigen Art. Seine Nachtruhe haͤlt V. Ord n. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. 295 er ebenfalls in der Hoͤhle eines Baumes, die er ſich dazu gehoͤrig einrichtet, und er geht, wie andere Spechte, auch erſt ſpaͤt in der Daͤmmerung mit aller Vorſicht zur Ruhe, und iſt fruͤh wieder auf. Eigenſchaften. Er iſt ein lebhafter, muntrer, Feder Vogel, vorſichtig und li— ſtig, doch meiſtens nicht ganz ſo ſcheu wie der Gruͤnſpecht, dem er in feinem Betragen ſonſt ſehr ähnelt, Auch er ſucht drohenden Gefahren auf gleiche Weiſe auszuweichen, indem er ſich auf die ent— gegengeſetzte Seite des Baumſchaftes und von hier weiter weg be— giebt. Er hat nirgends lange Ruhe, als bei ſeinen Beſchaͤftigun— gen auf dem Erdboden; denn auch er klettert zwar ſehr geſchickt und gewandt an den Bäumen hinauf, aber er pocht an denſelben eben fo ſelten, wie jener, ob er gleich auch die Kunſt verſteht, tiefe Köcher in die Rinde und das morſche Holz zu meißeln, was man bei Be— reitung der Hoͤhlen zu ſeinem Neſt oder zur Schlafſtelle deutlich ſieht. Er iſt eben ſo zaͤnkiſch und futterneidiſch, wie jener, und laͤßt ſich auch nicht durch nachgeahmtes Klopfen anlocken. Beim Neſte oder auch ſonſt in der Begattungszeit iſt er weniger ſcheu, be— ſonders dann, wenn er ſeinen lauten Paarungsruf ertoͤnen laͤßt. Auf dem Gipfel hoher Baͤume ſieht man ihn viel oͤfterer, als an— dere Spechte, in die Quere, wie andere Voͤgel, auf einem Aſte ſitzen, ſich ſonnen und putzen, oder von hier aus durch ſeinen Ruf ſich bemerklich zu machen. Seine Stellung iſt hier weder ſehr wa— gerecht, noch aufgerichtet; aber auf dem Erdboden, wo er ziemlich ſchnell huͤpft, iſt ſie mehr das erſtere, und der Schwanz ſchleppt faſt, weil der Vogel die Ferſengelenke dabei ſtark biegt. Sein huͤpfender Gang auf der Erde ſcheint leichter als der des Gruͤnſpechts; uͤbrigens iſt er dieſem auch im Fliegen, bis auf die kleinere ſchlankere Ge— ſtalt, ſehr ahnlich, fein Flug beſteht ebenfalls, wie dort, aus auf -und abſteigenden, doch etwas kleineren Bogen und iſt mit einem weniger ſtark ſchnurrenden Rauſchen verbunden. Seine Stimme ähnelt der des Gruͤnſpechts, klingt aber an= genehmer, weil der Ton nicht ſo ſchneidend hart iſt. Die Locktoͤne klingen kgaͤck kgaͤck kguͤck kguͤck, auch einzeln kguͤck, und werden ſitzend und fliegend ausgeſtoßen. Eine ganz eigene ſchoͤne Stimme hoͤrt man nur im Fruͤhjahr, als Paarungsruf, aber nicht allein vom Maͤnnchen, ſondern eben ſo vom Weibchen. Ich habe ein ſolches geſchoſſen, was an einem ſchoͤnen Tage des Maͤrz ſo eif— 294 v. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. rig rief, daß ich es dabei leicht mit der Flinte ankam, was mir mit ihm im Laufe des ganzen Winters nicht hatte gelingen wollen. Man hoͤrt dieſen Ruf vom Maͤrz an bis in den Juni, beſonders haͤufig im Anfang der Begattungszeit, in den Vormittags- und Fruͤhſtunden ſchoͤner ſonniger Fruͤhlingstage. Er beſteht aus den ſehr lauten, volltoͤnenden Sylben klii klih klih klyh klyh kluͤh Elüh kluͤh kluͤh, indem der Ton von Sylbe zu Sylbe ſinkt oder tiefer wird, ſo daß er zuletzt mehrere Toͤne tiefer endet, als er ange— fangen hat. Wer gut auf dem Finger pfeift, kann dieſe kraͤftigen Tone taͤuſchend nachahmen. Der Specht ſitzt dazu allemal auf der Spitze eines hohen Baumes, und ſo ſchallen dieſe herrlichen Toͤne weit in den Wald hinein. Sie haben zwar Aehenlichkeit mit denen des Gruͤnſpechts, aber das Tempo ift langſamer, die Toͤne gerun— deter, nicht ſo ſchneidend, und durch das allmaͤhliche Sinken ſo ausgezeichnet, daß ſie ein aufmerkſames Ohr ſogleich erkennt. Maͤnnchen und Weibchen locken ſich damit zuſammen, und dann geht es gewoͤhnlich an ein Jagen und Necken, wobei ſie die Locktoͤne haͤufigſt ausſtoßen; auch verfolgt das erſtere das letztere oft weite Strecken in den Wald hinein, wobei es dann oͤfters auf einen Baumgipfel fliegt und ſein lautes Rufen hoͤren laͤßt. Außerdem ſchnurrt aber auch das Maͤnnchen, indem es ſich auf einen duͤrren Zacken eines hohen Baumgipfels begiebt, und heftig darauf haͤmmert, fo daß der Ton oͤrrrr hervorgebracht wird, aber kurzer als andere Spechte. Dies Schnurren laͤßt er ebenfalls nur in der Fortpflanzungszeit, und ſo lange das Weibchen bruͤtet, hoͤ— ren. Hierin weicht er ſehr vom Gruͤnſpecht ab. Gefangen zeigt er ſich faſt eben ſo ſtuͤrmiſch und unbaͤndig als letzterer, und demnach moͤchte es wol eben ſo ſchwer aten ihn zu zaͤhmen. Nene Dieſer Specht iſt ein wahrer Ameiſenfreſſer; denn wenn er dieſe in hinlaͤnglicher Menge hat, kuͤmmert er ſich wenig um anderes Futter. Doch findet man auch allerlei Borkenkaͤfer, ihre Larven, und allerlei Holzmaden, Raupen und Schmetterlingspuppen, auch Engerlinge und Erdmaden, aber viel ſeltner, in ſeinem Magen, welcher groͤßtentheils einzig mit Ameiſen angefuͤllt gefunden wird. Man hat auch Hohlunderbeeren in ſeinem Magen gefunden, die auch feine Exeremente blau gefärbt hatten. Unter den Ameiſen ſcheint ihm die gelbe (Formica rubra), und V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗ Specht. 295 naͤchſt dieſer die braune (F. fusca), die liebſte, er verſchmaͤhet aber auch andere Arten nicht. Man bemerkt daher, daß er ſeinen Som— meraufenthalt beſonders da waͤhlt, wo man die erſtgenannte Art recht häufig antrifft. So wie man oft feinen Magen bloß von Amei— fen vollgepfropft findet, fo iſt dies auch zu Zeiten mit Ameiſenpup— pen der Fall, mit welchen er auch vorzüglich feine Jungen auffuͤt— tert. Im Sommer nimmt er ſelten andere Nahrung als Ameiſen zu ſich; aber auch im Winter weiß er ſie aufzufinden, und hackt deshalb tiefe Loͤcher in ihre Haufen, wodurch ſich ſeine Naſendeck— borſten ſehr abſtoßen, ſo daß dieſe nach und nach gegen den Som— mer hin die Naſenloͤcher nicht mehr bedecken, und bei ſchmutziger Witterung dem Schnabel und den Fuͤßen immer Erde anklebt. Er geht nach den Ameiſen auf die Erde zwiſchen das Geſtraͤuch und ins lange Gras, ſucht ſie unter Steinen hervor, aber auch in alten Stocken und in den Riſſen der Stämme alter Baͤume auf, weshalb man ihn viel oͤfterer unten nahe an der Erde, als oben an hohen Schaͤften ſieht. Im Mooſe unter den Baͤumen, auf abgemaͤheten Wieſen und anderwaͤrts ſucht er auch Puppen und allerlei Erdmaden; aber an den Baͤumen, wo er, wie ſchon beruͤhrt, ſeiner Nahrung wegen, wenig pocht, nimmt er vorzuͤglich nur ſolche, welche in den Riſſen der Borke oder gleich unter der abgeſtorbenen Rinde hauſen, wo es ihm wenig Arbeit macht, dieſe hervorzuholen. Hierbei leiſtet ihm, wie beim Ameiſenfange, ſeine langvorſtreckbare, ſcharf— ſpitzige, klebrige Zunge die vorzuͤglichſten Dienſte. Auch am mor— ſchen Holze der Baͤume pickt er nach ſolchen Inſektenlarven herum, PL. 8 Nee welche nicht zu tief ſitzen. Ob er auch die große Weidenbohrraupe freſſe, kann ich nicht ſagen, weil ich ſie nie in ſeinem Magen gefunden habe; doch hatte ein Mal ein von mir unterſuchter einige kleinere gruͤne Raupen ver— zehrt. Er hat eine aͤhnliche ſuͤßſaͤuerliche Ausduͤnſtung, wie der vorherbeſchriebene Specht. | Nu t p heim zaun g. Sie niſten auch bei uns und in andern Gegenden Deutſchlands, in Waͤldern von der oben beſchriebenen Beſchaffenheit, am oͤfterſten im reinen Laubholzwalde. In unſern Auenwaͤldern an den Ufern der Mulde und Elbe hoͤrt man im Fruͤhjahr ihren Paarungsruf an vielen Orten erſchallen. Dieſe Waldungen beſtehen groͤßtentheils aus Eichen, und theilweiſe nur aus anderem Holz, als Aspen, Ulmen, Weißbuchen, wenigen Ahorn u. a. Baͤumen. Auch in den 296 V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. angrenzenden mit Kiefern untermiſchten Waͤldern bruͤten welche. Sie niſten aber immer etwas ſpaͤter als die Gruͤnſpechte, und man findet die Eier ſelten vor der Mitte des Mai. Sie bereiten ſich ebenfalls ſelbſt eine Hoͤhle in einem Baum, da, wo entweder die Faͤulniß ſchon einen Anfang dazu gemacht hat, oder ein alter morſcher Aſt abgebrochen und der Baum ſelbſt kern— faul iſt. Aeußerſt ſelten und nur im Nothfall beziehen fie auch eine vorgefundene Hoͤhle, ohne viel Arbeit darauf zu verwenden. Ver— fertigen ſie ſich aber, wie das meiſte Mal, eine neue, ſo hauen ſie mit großer Emſigkeit und Ausdauer ein zirkelrundes Eingangsloch und inwendig eine gegen 8 Zoll weite und 10 bis 12 Zoll tiefe Hoͤhle in den erwaͤhlten Baum aus, die inwendig ganz glatt gear— beitet iſt, und die abgemeißelten Spaͤhne liegen dann zerſtreuet auf dem Boden unter dem Baume umher. Bei der Anlage ſind ſie weniger vorſichtig, als die Schwarz- und Gruͤnſpechte, denn fie legen die Höhle oft auß leicht zu erſteigenden Bäumen ‚und auch mei— ſtens in keiner ſo großen Höhe an; doch iſt es nicht ſelten an einer ſolchen Stelle, wo belaubte Zweige den Eingang verſtecken. Man findet ſie in Aspen, Linden, Buchen, Fichten, auch in Eichen, ſeltner in Kiefern, in einer Hoͤhe von 20 bis 40 Fuß. f Die Eier, fuͤnf bis ſechs, auch wohl ſieben bis acht an der Zahl, liegen auf einigen feinen Holzſpaͤhnen, und aͤhneln denen des Gruͤnſpechts, bis auf die Groͤße, vollkommen. Sie ſind be— deutend kleiner, aber eben ſo geſtaltet, an dem einen Ende ziemlich ſpitz zugerundet, an dem andern kurz abgerundet, ſo daß der Bauch dem ſtumpfen Ende am naͤchſten und das Ganze von einer ziemlich birnfoͤrmigen Geſtalt iſt. Doch giebt es auch mehrere, an welchen ſich der Bauch mehr der Mitte naͤhert, die dann mehr eifoͤrmig ſind. Ihre Schale iſt vom feinſten Korn, zart und duͤnn, ſo daß friſch der rothgelbe Dotter durchſcheint, eigentlich aber rein weiß, mit emailleartigem Glanz; durch das Bruͤten verliert jedoch das Weiß an Reinheit, und der Glanz verſchwindet zum Theil. 5 Wie bei den vorherbeſchriebenen Arten werden auch hier die Eier von beiden Gatten wechſelsweiſe ausgebruͤtet. Sie lieben ſie ungemein, und laſſen ſich bei einiger Behutſamkeit mit den Händen auf denſelben ergreifen, fliegen auch ſelten ab, wenn man mit einem Stocke an den Baum ſchlaͤgt, und fuͤttern die Jungen gemeinſchaftlich mit Ameiſenpuppen auf. Dieſe ſind ebenfalls haͤßliche unbehuͤlfliche Geſtal—⸗ ten, die anfaͤnglich ſorgfaͤltig von den Alten erwaͤrmt, und wenn ſie ungeſtoͤrt bleiben, lange im Neſte gefuͤttert werden, wo ſie ſich V. Ordn. XXX. Gatt. 166. Grau⸗Specht. 297 eben ſo betragen, wie die jungen Gruͤnſpechte. Geht eins der Alten zu Grunde, ſo uͤbernimmt die Erziehung der Jungen das andere mit großer Anſtrengung. Wenn ſie ausgeflogen ſind, wer— den ſie noch lange von den Alten gefuͤttert, und die Familie zieht dann geſellig im Walde herum, bis ſie ſich die Nahrung ſelbſt ſu— chen koͤnnen, worauf fie ſich dann vereinzeln und das Neſtrevier ſo verlaſſen. F e in d e Habicht und Sperber verfolgen auch die Alten, und die Brut wird von Mardern und Wieſeln oͤfters zerſtoͤrt. In den Eingeweiden wohnt der in vielen Spechten vorkommende gekerbte Bandwurm (Taenia crenata) und eine noch unbe— nannte Art der Capillaria. dag ed. Er iſt nicht fo ſcheu als der Gruͤnſpecht, zumal in der Be- gattungszeit und wenn er ſeinen Paarungsruf hoͤren laͤßt, weiß aber, ſobald er ſich verfolgt glaubt, gar liſtig die dem Schuͤtzen entgegengeſetzte Seite des Baumes zu gewinnen, wo er ſtets durch den Baumſchaft gegen den Schuß gedeckt iſt, und entfernt ſich auch gewoͤhnlich von dieſer Seite im Stillen, daß er oft ſchon verſchwun— den iſt, ehe man es noch ahnet. Im Graſe bei den Ameiſenhau— fen laͤßt er ſich oͤfter uͤberraſchen. Durch nachgeahmtes Pochen kann man ihn, wie ſchon erwaͤhnt, nicht anlocken, wohl aber durch den gut nachgemachten Paarungsruf, was fuͤr denjenigen, welcher im Pfeifen auf dem Finger geuͤbt, gar keine ſchwierige Aufgabe iſt, und nur, wenn es auf eine ungeſchickte Art geſchieht, mißlingt. Zu fangen iſt er in Schlingen, welche man da, wo man ihn oͤfters bei den Ameiſenhaufen ſieht, als Laufdohnen aufſtellt, oder auch vor der Hoͤhle, worin er e zu Hate pflegt, ne Nutz en. Sein Fleiſch iſt nicht viel wohlſchmeckender, als das der vorher— gehenden Art, beſſer das der Jungen; allein es gehoͤrt keineswegs zu den guten Gerichten, und der ihm e Spechtgeruch iſt und bleibt widerlich. Viel mehr nuͤtzt er uns durch ſeine Nahen da er ebenfalls ſehr viele ſchaͤdliche Waldinſekten vertilgt. 298 V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. Sch a d e n. Da er nie in einen geſunden Baum Loͤcher hackt, ſo thut er dem Walde gar keinen. Daß die Leute, welche die ſogenannten Ameiſeneier für den Verkauf aufſuchen, haufig auch über ihn Klage führen, weil er ihnen die Ameiſenhaufen zerſtoͤrt, iſt da, wo es viel Ameiſen giebt, kaum des Erwaͤhnens werth. | 167. Der MOIN SH. Picus.major. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. Taf. 134. — 2. Weibchen. — 3. junger Vogel. Großer Rothſpecht, großer Buntſpecht, großer Schildſpecht, Bandſpecht, groͤßerer geſprenkelter — bunter — ſchwarz und weiß gefleckter Specht, Elſter-, Atzel-, Agerſt- oder Aglaſterſpecht, groͤß— ter ſchwarz- und weißbunter Baumhacker, großer Baumhackel, Baum- haͤkel, großer Baumpicker, Bollenpicker; bei uns: Der Buntſpecht. Picus major. Gmel. Linn, syst. I. 1. P. 436. n. 17. — Linn. Faun, suec, P. 35. n. 100. = Retz. Faun. suec. p. 103. n. 55. = Lath. ind. I. p. 228. n. 13. = Nilsson Orn, sue. I. p. 108. n. 52. — Dendrocopos major. Koch, Baier. Zool. I. ©. 72. n. 4. = Le Pic varie ou l’Epeiche. Buff, Ois. VII. p. 57. — Edit. d. Deuxp. XIII. p. 76. == Id. pl, enl. 196 et 595. M. et F. = Ge- rard. Tab. el&m. II. p. 10. = Pie epeiche, Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 395. — Greater spotted Woodpecker. Penn. arct. Zool II. n. 162. Ueberſ. v. Zimmermann. II. ©. 258. n. 78. — Lath, syn. II. p. 564. — Ueberf. v. Be ch⸗ ſtein. I. 2. S. 465. n. 12, = Bewick brit. Birds. I. S. 162. — Piechio va- rio maggiore. Stor. deg. ucc. II. t. 167 et 168. — Bonte Specht. Sepp. Nederl. Vog.. I. t. p. 41. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1022. = Deffen Taſchenb. I. S. 63. - Wolf und Meyer, Bög. Deutſchl. Heft 6. M. u. W. = Deren Taſchenb. I. S. 121. - Meißner und Schinz, V. d. Schweitz. S. 40. n. 30. - Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 62. — Leisler, Wet⸗ teraueſche Ann. I. 2. S. 291. = Brehm, Beitr. I. S. 556. — Deffen Lehrb. I. S. 137. = Friſch, Voͤgel. Taf. 36. M. = Naumann's Bög. alte Ausg. I. S. 120. Taf. 27. Fig. 52. Maͤnnchen. Fig. 53. Weibchen. / Kennzeichen der Art. Schwarz, weiß und roth bunt. Ruͤcken und Buͤrzel ſchwarz; v. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. 299 das hohe Roth des Afters geht nicht an den Seiten des Unterkoͤrpers herauf; der Schnabel ſtark und etwas kurz. Beſchreibung. Dieſer Buntſpecht zeichnet ſich durch ſeinen gedrungenern, wenn auch etwas kleineren Koͤrperbau und dickern, kuͤrzer ausſehenden Schnabel ſchon vor dem etwas groͤßern und ſchlankern Weißſpecht aus, wenn man auch die ganz andere Vertheilung der Hauptfarben nicht beachten wollte, die indeſſen auffallend verſchieden iſt. Auch das Roth des Afters iſt hier eine ganz andere Farbe, und bei alten Voͤgeln ein hohes glaͤnzendes Karminroth, waͤhrend es bei andern einheimiſchen Buntſpechten ſich immer mehr einer Roſenfarbe naͤ— hert. Dies unterſcheidet ihn auch ſogleich vom aͤhnlichen, und ſonſt mit ihm für identiſch gehaltenen Mittelſpecht; welcher ſtets Elei- ner, ſchwaͤchlicher oder ſchlanker iſt, was auch von deſſen Schnabel gilt. Nur fuͤr Unkundige ſind unſere ſogenannten Buntſpechte, naͤmlich der Rothſpecht, Weißſpecht und Mittelſpecht, wegen Aehnlichkeit in den drei Hauptfarben, die ſie vor vielen an— dern Voͤgeln auszeichnen, miteinander zu verwechſeln, was von gewoͤhnlichen Jaͤgern deshalb noch ſehr oft geſchieht, wozu denn freilich auch die nicht auffallend genug verſchiedene Groͤße beitraͤgt. Sein ſtarker Kopf und Rumpf geben ihm eine gedrungene Ge— ſtalt und ein kraͤftiges Ausſehen. Die Groͤße uͤbertrifft die einer Singdroſſel merklich. Länge: 84 bis 95 Zoll; Breite: 174 bis 181 Zoll; Fluͤgellaͤnge: 6 Zoll; Schwanz Rege; 34 Zoll, wo⸗ bei ce die Seitenfedern ſtufenweis an Laͤnge an) fo daß die aͤußerſte 11 Zoll kuͤrzer, als eine der Mittelfedern iſt, und endlich die kleine falſche Seitenfeder nur 14 Zoll mißt. Die ruhenden Fluͤgel decken den keilfoͤrmigen, IS: doch am Ende gefpaltenen Schwanz bis auf 14 Zoll, haben ſchmale, am Ende noch ſchmaͤler zugerundete Schheingfederg erfter Ordnung, von welchen die erfte ſehr klein und erſt die vierte die laͤngſte iſt; die der zweiten Ordnung find dagegen breiter, bedeutend lang, am Ende faſt gerade oder wenig abgerundet. Die Schwanzfedern haben ſehr ſtarre Schaͤfte, deren Spitzen an den laͤngſten meiſtens abgebrochen, und hier ſind auch die Baͤrte hart und fiſchbeinartig. Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig kuͤrzer und dicker, als bei den andern einheimiſchen Spechtarten, mit ſcharfer Ruͤckenkante, ohne dieſe hinterwaͤrts zwar rundlich, doch durch eine jederſeits uͤber dem Naſenloch vorlaufende Kante etwas eckig, von der keilfoͤrmigen 300 V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. Spitze laufen aber am Ober- und Unterſchnabel zwei herein, welchen. die meißelfoͤrmige Spitze (die des obern und untern Schnabelruͤckens mitgerechnet) faſt ſechskantig machen. Er iſt 1 Zoll 1 bis 2 Linien lang, an der Wurzel gute 5 Linien hoch und eben ſo breit. Seine Farbe iſt eine lichte Bleifarbe, oder lichtes ſchmutziges Blau, unten heller als oben, an der untern Schnabelwurzel oft weißgelblich, an der Spitze immer ſchwaͤrzlich. Das ſtets unter ſtarren ſchwarzen Borſtenfederchen verſteckte Naſenloch iſt laͤnglichrund und liegt in ei— ner tiefen Furche. Die den Schnabel ſonſt noch umgebenden Borſt— federchen ſind alle vorwaͤrts gerichtet, die uͤber dem Naſenloche neh— men aber ihre Richtung zum Theil gegen den Schnabelruͤcken. Die Zunge iſt kuͤrzer, als bei andern Spechten, kaum 2 Zoll lang, aber eben ſo geſtaltet, wie der Rachen, hinten fleiſchfarbig, vorn braͤun— lich, der innere Schnabel vorn blaͤulich. Die Iris iſt bei ſehr alten Voͤgeln, beſonders maͤnnlichen Geſchlechts, braunroth oder faſt blutroth, ſonſt nußbraun, bei ganz jungen graubraun oder noch fruͤher grau. Die ſtarken Fuͤße haben vorn an den Laͤufen, vom Ferſengelenk herab bis bald zur Haͤlfte, eine kurze Befiederung, dann aber gro— ße, rauhe, hinten kleinere Schilder; die Zehenruͤcken ſind ebenfalls geſchildert, die Sohlen ſehr grob warzig. Die Krallen ſind ſehr groß, ziemlich ſtark gebogen, halbmondfoͤrmig, von den Seiten ſtark zuſammengedruͤckt, mit kurzer, aber ſehr ſcharfer, unten zwei— ſchneidiger Spitze. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges gruͤnli— ches oder blaͤuliches Grau, an den Sohlen ſtark graugelb angelau— fen, bei jungen Voͤgeln das Gelbliche deutlicher und das Graue blaͤulicher. Die Fußwurzel iſt 1 Zoll, auch etwas daruͤber, hoch, die aͤußere Vorderzeh mit der gerade durchgemeſſenen 5 Linien lan— gen Kralle etwas uͤber 1 Zoll, die aͤußere Hinterzeh, eben ſo gemeſ— fen, 1 Zoll 2 Linien, die innere Hinterzeh nur Z Zoll lang, wo» bei faſt die Haͤlfte auf deſſen Kralle koͤmmt. Das alte Maͤnnchen hat folgende Farben. Die Stirn hat ſtraffe bürftenartige Federn; fie ſieht braͤunlich oder roſtgelblich weiß aus; von hier zieht ein truͤbes Weiß durch die Zuͤgel, umgiebt ſchmal das Auge und breitet ſich über die Schläfe und Wangen aus; der ganze Scheitel iſt tief ſchwarz, eben ſo ein Streif von der untern Schnabelwurzel an, von unten die Wangen umgebend, im Nacken ſich mit einem Laͤngeſtreif des Hinterhalſes vereinigend, welcher an den Halsſeiten, aber breiter werdend, bis auf die Seiten des Kropfs herabgeht, und hier eine Art ſchwarzen Halbmond bildet, aber zwi— v. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. 301 ſchen ſich und dem Nackenſtreif einen großen weißen Fleck laͤßt; zwi⸗ ſchen Genick und Nacken ſteht ein 2 Zoll breites Querband von feue— rigem prachtvollen Karminroth; der ganze Ruͤcken bis an den Schwanz iſt tief ſchwarz, etwas blaͤulich glaͤnzend; der obere Theil der Schul— tern eben ſo, aber der untere groͤßere Theil derſelben weiß, welcher in Vereinigung mit den hinterſten, mittleren und großen Fluͤgel— deckfedern, die ebenfalls weiß und weißgefleckt ſind, ein großes hell— weißes Feld bildet. Kehle, Gurgel, Bruſt und Seiten ſind ſchmu— tzig weiß, mit einem braͤunlichen Anfluge, zumal an der Gurgel und Oberbruſt; die eben ſo gefaͤrbten Bauchfedern haben gelbrothe Spitzchen, aber der After und die untern Schwanzdeckfedern ſind prachtvoll Karminroth. Die Fluͤgeldeckfedern, bis auf die ſchon erwaͤhnten, ſind ſchwarz, ſchwach ins Blaͤuliche glaͤnzend; die Schwingfedern tief ſchwarz, mit vier bis ſieben, doch meiſt nur mit fuͤnf weißen Querbinden, welche aber nur von (großentheils ecki— gen) Flecken gebildet werden, die nur an den aͤußern Fahnen derer der erſten Ordnung den ſchwarzen Schaft erreichen, an allen übrigen und auch auf den innern Fahnen aller nur Randflecke zu nennen ſind, und vom Schafte weit entfernt bleiben. Die zwei mittelſten Paare der Schwanzfedern ſind ganz ſchwarz; das naͤchſte ſchwarz mit wei— ßer Spitze, weißem Querbande und einem weißen Fleck am Außen— rande; das folgende nur an der Wurzelhaͤlfte ſchwarz, dann bis zur Spitze weiß, was ſich vom Schwarzen nach außen ſchief ab— ſchneidet, und vor der Spitze ein ſchwarzes Querband, und weiter herauf noch ein ſolches hat, welches letztere aber auf der aͤußern Fahne oft nur durch einen Punkt angedeutet iſt; das aͤußere Paar hat noch mehr Weiß, ſonſt dieſelbe Zeichnung, und die kleinen fal— ſchen Seitenfedern des Schwanzes ſind ſchwarz, nur mit einem ganz kleinen weißen Randfleckchen an der Außenfahne nahe an der Spitze; an den Enden der Schwanzfedern, beſonders der laͤngern, faͤllt das Weiße in ein angenehmes Braungelb, aber die Zeichnung der Baͤnder oder Flecke in dem Weißen variirt bei verſchiedenen In— dividuen, und man findet welche, die am Ende der mittelſten Fe— dern einen braͤunlichweißen Punkt, und an dem zweiten Paar ſchon an der Spitze eine oder zwei gelbbraͤunlichweiße Querbinden haben. Von unten haben Schwanz- und Schwingfedern dieſelben Farben und Zeichnungen, wie oben, nur das Schwarz iſt matter, an den letztern faſt nur ſchwarzgrau; die untern Fluͤgeldeckfedern ſind gelb— lichweiß, am Rande ſchwarz gemiſcht, aber die großen haben nicht weit vom Ende einen runden ſchwarzgrauen Fleck. 302 v. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. Bei juͤngern Maͤnnchen iſt das Weiß der Wangen und Halsſeiten ſchmutziger, der Unterkoͤrper nicht fo ſchoͤn braun ange— flogen, ſondern grauer, zuweilen auch gelblicher, die ſchwarzen Strei— fen an den Halsſeiten ſind ſchmaͤler, auch iſt das weiße Feld an der Schulter oberwaͤrts nicht ſo rein weiß. Nicht ſelten iſt bei ſolchen auch die Unterbruſt hin und wieder roth angeflogen; ſogar an einigen Kropffedern habe ich dieſes zuweilen gefunden. Das Weibchen unterſcheidet ſich im Aeußern nur durch etwas ſchlechtere Farben, vorzuͤglich aber durch den Mangel des rothen Bandes am Hinterkopf, wovon es nie eine Spur zeigt. Am friſchen Gefieder ſind alle Farben ſchoͤner; das Roth iſt, weil es an den Federenden ins Goldfarbige ſpielt, feuriger, das Schwarz tiefer und hat jenen blaͤulichen Schimmer, welcher bei laͤnger getragenem Gefieder verſchwindet, auch das Schwarz wird nach und nach fahler, beſonders an den Schwingen; fo entſteht, denn ein Unterſchied zwifchen dem Winter und Som merkleide, welcher aber nicht bedeutend iſt. Die jungen Voͤgel im Neſtgefieder weichen weniger im Allgemeinen, als vielmehr an einzelnen Theilen merkwuͤrdig ab: Maͤnnchen und Weibchen haben namlich einen karmoiſinrothen Scheitel (nicht Genick); der After iſt nur ſchmutzigroth, die Weis chen haben oͤfters ſchwaͤrzliche Schaftſtriche und der weiße Schulter— fleck ſchwarze Fleckchen. Genauer beſehen, iſt der Oberkopf, von dem breiten braͤunlichweißen Stirnbande an bis auf den Nacken hinab, ſchwarz, auf der Mitte des Scheitels mit einem großen eifoͤrmigen hochkarminrothen Fleck, welcher bald den Scheitel in feiner ganzen Breite, bis über die Augen, einnimmt, bald hier einen ſchmaͤlern oder breitern Streif ſchwarz laͤßt; der ſchwarze Streif an den Hals— ſeiten beſteht aus zuſammenhaͤngenden Flecken, weshalb er zuweilen ſtellenweiſe ſeinen Zuſammenhang nicht recht behaͤlt, aber ſpaͤterhin gewoͤhnlich eben ſo wie bei den Alten wird; das weiße Feld an den Schultern ift ober- und hinterwaͤrts ſchmutzig oder graulich, und unterwaͤrts hat es meiſtens mehrere ſchwarze Fleckchen; der Unter— koͤrper ſchmutziger, als bei den Alten, der Bauch mit einem ſchmutzig— bleichrothen Anſtrich, die Unterſchwanzdeckfedern etwas röther, aber mit denen der Alten verglichen, nur bleich und ſchmutzig; die Federn uͤber den Schenkeln und in den Weichen mit ſchwaͤrzlichen Schaͤften, dieſe Theile daher meiſt ſchwaͤrzlich geſtrichelt; alles Ue— brige wie bei den Alten, auch die Schwanzfedern verſchieden gezeich— net und oͤfters alle mit ſchmutzigem Weiß an den Enden. Der V. Ordn. XXX. Gert. 167. Roth⸗Specht. 303 Schnabel iſt bei den Jungen noch lichter blau, an der Wurzel der Unterkinnlade weißgelb, die Fuͤße licht bleifarbig, an den Sohlen gelblich, die Augenſterne anfaͤnglich dunkelgrau, erſt nach und nach braun. Wenn ſie einige Zeit geflogen haben, wird der rothe Schei— telfleck noch groͤßer, aber es werden im Rothen auch die ſchwarz— grauen Wurzeln der Federn ſichtbar, die ihn gefleckt machen. Die jungen Rothſpechte wuͤrden leicht mit denen des Mittel— ſpechts zu verwechſeln ſein, wenn ſie nicht ihre anſehnlichere Groͤße, mehr noch aber ihre gedrungnere Geſtalt, der dickere Kopf und der kuͤrzere und ſtaͤrkere Schnabel kenntlich machten, ſo daß nur ein Ungeuͤbter deshalb in Verlegenheit kommen kann. Die Mauſer geht bei dieſem Specht ungemein langſam von Statten, ſo daß man ſchon vom Juni an, den ganzen Sommer hindurch, bis in den Oktober, alte und Junge im Federwechſel begriffen findet, ſo daß die alten Federn nur nach und nach einzeln oder in ſehr kleinen Partieen ausfallen und langſam durch neue er— ſetzt werden. In dieſer ganzen Zeit ſind ſie zum Ausſtopfen ſchlecht geeignet, und die große Muͤhe, die der Ausſtopfer dann mit ſolchen hat, wird noch dadurch vermehrt, daß ihr ſehr duͤnnes Fell unge— mein leicht zerreißt, und die Halshaut ſich ſo wenig dehnt, daß ſie ſich nur ſelten unbeſchaͤdigt uͤber den dicken Kopf ſtreifen laͤßt. Im Winter iſt ihr Gefieder am ſchoͤnſten. üg en t eee. Der Rothſpecht“) bewohnt ganz Europa, doch mehr das nördliche und mittlere, als das ſuͤdliche, gleichmaͤßig auch Nord—⸗ amerika und das nordoͤſtliche Aſi en. Er geht ziemlich hoch im Norden hinauf, und iſt von Schweden und Rußland an, bis Frankreich und Italien, in allen dazwiſchen liegenden Laͤndern, auch auf den Brittiſchen Inſeln, gemein. In Deutſchland iſt er der gewoͤhnlichſte Specht und überall, wo Baͤume ſind, wenigſtens in manchen Jahreszeiten, bekannt. Er iſt zugleich auch die zahlreichſte Art, ob man ihn gleich nirgends in Geſellſchaften beiſammen ſieht. Er iſt deutſcher Stand- und Strichvogel; denn viele dieſer Voͤgel verlaſſen den kleinen Bezirk ihres Sommeraufenthalts „) Ich waͤhlte für dieſen Buntſpecht unter andern gebraͤuchlichen Benen⸗ nungen den ebenfalls bekannten Namen: Rothſpecht, weil die folgenden Ar⸗ ten auch Bunt⸗ und Band ſpechte find, aber keiner ein prachtvolleres Roth auf: zuweiſen hat. 0 304 V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. nicht, oder ſtreifen nur im Herbſt etwas weiter umher, waͤhrend andere in dieſer Jahreszeit weit wegſtreichen und erſt im Fruͤhjahr wiederkehren. Die Strichzeit iſt der September und Oktober, im Fruͤhjahr aber meiſtens erſt der März. In den Umgebungen mei: nes Wohnorts, wo dieſer Specht ſein Lieblingsholz nicht findet, koͤmmt er nur in jener Strichzeit oͤfters vor, beſonders im Spaͤt— ſommer und Herbſt, wovon die meiſten junge Voͤgel ſind; allein im Winter bleibt bloß ein einzelner hier, und dies nicht einmal in je— dem. Auch im Fruͤhjahr bei der Ruͤckkehr ſehe ich ſie einzelner, was vielleicht daher koͤmmt, daß manche ſchon im Herbſt wieder in die groͤßern Waͤlder, woher ſie kamen, zuruͤckkehren; denn ich habe ſie in dieſer Zeit von dorther hoch durch die Luft oͤfters ankommen, aber auch in entgegengeſetzter Richtung fliegen ſehen. Sie fliegen ſtets nur einzeln, ſcheuen ſich nicht, große Raͤume uͤber freies Feld zu durchfliegen, ſchwingen ſich dann ſehr hoch durch die Luͤfte und laſſen dabei ihre Stimme oͤfters hoͤren. Dies geſchieht gewoͤhnlich mit Anbruch der Morgendaͤmmerung, doch habe ich ſie eben ſo auch oft noch gegen Mittag gehoͤrt und fliegen ſehen. Man iſt ſehr in Irrthum, wenn man glaubt, was einige En ſteller angaben, daß er nämlich das Laubholz dem Nadelholze weit vorziehe. Es iſt vielmehr gerade umgekehrt; er liebt die Nadel— waͤlder, beſonders den reinen Kiefernwald, mehr als alle anderen, und iſt in ſolchen Jahr aus Jahr ein ein gemeiner Vogel, waͤhrend er andere, namentlich Laubwaͤlder von Eichen, Buchen, Ulmen, Aspen, Birken, Erlen und andern Holzarten, gewöhnlich im Som— mer bloß ganz einzeln bewohnt, und ſie nur in der Strichzeit haͤu— figer beſucht. Man findet ihn tief im finſtern alten Hochwalde, auch in bergigen Gegenden, doch hoch im Gebirge einzelner; aber er iſt auch in weniger dichten Waldungen, in Vorhoͤlzern, und ſtreicht von hier im Herbſt nach kleinern Feldhoͤlzern, nach den mit Baͤumen beſetzten Graben und andern Baumreihen, nach den Um— gebungen der Doͤrfer und Staͤdte, und in die Obſtgaͤrten, bis nahe an die Haͤuſer. Dann trifft man ihn uͤberall, wo der Baͤume nur nicht gar zu wenige beiſammen wachſen, ſelbſt in den Gärten mit— ten in Staͤdten zuweilen, auch in Kopfweidenpflanzungen, die er jedoch nicht ſehr zu lieben ſcheint. So iſt der bunte Vogel, wenig— ſtens in hieſigen Gegenden, jedermann bekannt. Er waͤhlt ſich im Walde ein Revier, was aber eben nicht groß iſt, und in dieſem behauptet er ſich gegen andere ſeines Gleichen. Wo er in Laubhoͤlzern und in den Umgebungen der Staͤdte und Doͤr— v. Ordn. XXX. Gatt. 167 Roth⸗Specht. 305 fer ſein Winterquartier aufgeſchlagen hat, iſt ein ſolcher Bezirk groͤßer. Er durchſtreift dieſen taͤglich, aber unregelmaͤßig, und ſucht auch andere Buntſpechte daraus zu vertreiben. Da ſieht man ihn denn entweder an den Baumſchaͤften, oder an den ſtaͤrkern Aeſten bis hoch oben, ja ſogar nicht ſelten auf den Gipfeln der Baͤume, auch zuweilen im Geſtraͤuch und Stangenholz, aber faſt niemals auf dem Erdboden. Zur Nachtruhe waͤhlt er die Hoͤhle eines Baumes, die er ſich ſelbſt dazu einrichtet oder wol gar neu verfertigt, ſchlaͤft darin, ſo lange er in der Gegend verweilt, alle Abende, geht aber auch erſt ſpaͤt, doch fruͤher als die Gruͤn— ſpechte, zur Ruhe. Er ſucht die Baumhoͤhlen auch dann auf, wenn er angeſchoſſen iſt. Eigen ſchaf ten. Auch dieſer Specht iſt ein kraͤftiger, munterer, gewandter, kecker, und dabei ſchoͤner Vogel, deſſen abſtechende Farben in ihrer bunten Abwechslung ihn auch in der Ferne, und beſonders fliegend, ſehr ſchoͤn machen. Es ſieht herrlich aus, wenn bei heiterm Wetter dieſe Buntfpechte ſich von Baum zu Baume jagen, im Sonnenſchein ſchnell an den Aeſten hinauflaufen, oder auch auf den oberſten Spitzen hoher Baͤume ſich ſonnen, was ſie ſehr oft thun, oder auf einem duͤrren Zacken, von der Sonne beſchienen, ihr ſonderbares Schnurren hervorbringen. Sie ſind faſt immer in Bewegung, da— bei ſehr hurtig, und beleben den Wald, beſonders die duͤſtern Na— delwaldungen, auf eine angenehme Weiſe, wenn im Winter ihr haͤufiges Pochen und Haͤmmern, ihr Schnurren der Fluͤgel beim Fortfliegen, das Herabfallen abgeſpaltener Borkenſtuͤcke oder Nadel— baumzapfen, und ihre Stimme, in mannichfacher Abwechslung, die melancholiſche Stille unterbrechen, die in jenen dann gewoͤhn— lich heimiſch iſt. Meiſen, Goldhaͤhnchen, Baumlaͤufer und Kleiber ſind oft ſeine Geſellſchafter, und ziehen beſon— ders den einzelnen Rothſpechten nach, die ihren Winteraufenthalt in den Umgebungen der Doͤrfer und in den Gaͤrten genommen ha— ben. Solche gemiſchte Geſellſchaft durchzieht ihr Revier oft mehr— mals an einem Tage. Der Specht ſcheint zwar hier der Anfuͤhrer zu ſein, aber er kuͤmmert ſich nicht um die andern; denn er iſt von Natur ungeſellig, zaͤnkiſch und futterneidiſch, gegen ſeines Gleichen, wie gegen andere kleinere Spechte, fliegt gleich dahin, wo er einen pochen hoͤrt, und ſucht ihn mit Beißen zu verjagen, um ihm ſei— nen Fraß wegzunehmen. Daher laͤßt er ſich durch nachgemachtes 5r Theil. 20 306 v. Ordn. XXX. Gatt. 167 Roth⸗Specht. Pochen auch ſehr leicht und oftmals nach einander herbeilocken, wor: auf er allenthalben an den Baͤumen und Aeſten nach den vermeint— lichen Kameraden ſich umſieht; ja dann, wenn der, welcher pocht, in einer Huͤtte verſteckt iſt, koͤmmt er ſelbſt ſo nahe heran, daß man ihn beinahe greifen koͤnnte. Auf der Erde huͤpft er ſchwerfaͤllig, deſto ſchneller und geſchick— ter aber an den Baumſchaͤften und ſtarken Aeſten hinauf; ſelbſt an der untern Seite faſt wagerechter klettert er mit ziem— licher Gewandheit. Seitwaͤrts den Baumſchaft oder Aſt zu um— kreiſen oder auch ein gut Stuͤckchen ruͤckwaͤrts (aber den Kopf immer nach oben) herab zu rutſchen, verſteht er eben ſo gut. Seinen Schwanz ſtemmt er dabei ſo hart an, daß er ſich ordentlich ein— waͤrts biegt; er muß ihm ſo bei dem haͤufigen Loͤcherhacken in die Rinde und das morſche Holz, was ihm beſſer, als jedem andern Specht von Statten geht, die Schlaͤge des Schnabels ſehr verſtaͤrken helfen. Er meißelt ſogar in noch ziemlich feſtes Holz, z. B. in die abgeſtor— benen Zacken der Obſtbaͤume ziemlich tiefe Loͤcher. Beim Hinaufklet— tern an den Baͤumen hat er ein keckes Anſehen, weil er dabei die Oberbruſt ſtark und den Kopf noch mehr zuruͤckbiegt; auch nickt er bei jedem Sprunge mit Kopf und Hals. Beſonders ſchnell und leicht laͤuft er auf den Aeſten in großen Baumkronen in die Hoͤhe, ſelbſt bis zum Gipfel, auf deſſen duͤnnen Spitzen er oͤfters, wie ande— re Voͤgel, in die Quere ſitzt. Er iſt gar nicht ſcheu, laͤuft zwar auch gern auf die der Gefahr entgegengeſetzte Seite des Baumes, wenn er ſich verfolgt glaubt, doch aber noch oͤfterer bloß den Baum ſchnell hinan, um ſich in den großen Aeſten zu verlieren, die er bis in den Gipfel durchlaͤuft, von wo er mehrentheils erſt weiter fliegt, und dann ſich auf einen andern Baum auch wieder in die Krone oder doch ziemlich hoch anhaͤngt. Ungeſtoͤrt und feiner Nahrung nachgehend, fliegt er aber, wenn er den einen Baum bis zum Gipfel abgeſucht hat, von oben herab und haͤngt ſich an den andern unten an, um auf gleiche Weiſe auch mit dieſem verfahren zu koͤnnen. Er fliegt anſcheinlich mit Anſtren— gung, doch ſchnell und gut. Sein harter Flug iſt in regelmaͤßigen Abwechslungen von einem ſtarken Schnurren und einem ſchwachen Saͤuſeln begleitet, wovon man das erſtere bei ſtillem Wetter weit hoͤrt. Er geht in einer großen Wogenlinie ſchnell von Statten, ſo daß der Vogel im Herabſchießen eines Bogens die Fluͤgel anzieht, im Aufſteigen aber ſchnell und ſchnurrend bewegt. V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. 307 Sein Lockton iſt ein kurzes hartes Kgick, (auch Kix,) was ſtets, wenn es wiederholt wird, in laͤngern Pauſen, meiſtens aber nur ein Mal ausgeſtoßen wird. Hierdurch unterſcheidet es ſich von dem ganz aͤhnlichen Lockton des Mittelſpechts ſehr beſtimmt, denn dieſer ruft es faſt nie einzeln, und wenn er es oft wiederholt, in einem viel ſchnellern Tempo aus. Schon von weitem kann man beide Arten daran mit groͤßter Sicherheit unterſcheiden. Er ſchreiet auch weniger, als dieſer. Wenn er ſeiner Nahrung nachgeht, hoͤrt man den Ton allemal nur einzeln und ſehr ſparſam; von einem Baumgipfel herab laßt er ihn aber meiſtens mehrere Mal langſam nach einander erſchallen, und man hoͤrt ihn dann ziemlich weit. In der Paarungszeit wiederholt er ihn auch manchmal lange nach ein— ander, aber auch dann in einem langſamern Tempo, als jener den ſeinigen. In dieſer Zeit ſchnurrt aber auch das Maͤnnchen ſehr fleißig, indem es meiſt auf dem Gipfel eines Baumes einen duͤr— ren Zacken beſteigt, und ſo ſchnell und heftig mit dem Schnabel dar⸗ auf haͤmmert, daß dadurch ein ſehr lautes Poltern oder Schnurren hervorgebracht wird, das wie Örrrr oder arrrrr klingt und weit gehört wird. Zu Anfang jener Zeit ſieht man oft zwei Maͤnn— chen um ein Weibchen ſtreiten, hoch uͤber den Baͤumen, meiſt in Kreiſen, herumfliegend ſich verfolgen, hierauf jedes auf einen duͤr— ren Baumgipfel ſich niederlaſſen, und ſo eins ums andere ſchnurren, gleichſam wie wenn ſie es um einander zu aͤrgern thaͤten, oder von hier aus dem Weibchen, ſobald es ſich blicken laͤßt, nachfliegen und es unter vielem und ſtarkem Schreien herumjagen. Dies geſchieht beſonders in den Fruͤhſtunden, und Wochen lang, ſo lange bis alle gepaart ſind; nachher hoͤrt man das Maͤnnchen nur noch ſchnurren, was auch mehrentheils nur früh bis gegen 9 oder 10 Uhr am mei— ſten geſchieht, und wenn ſie Junge haben, aufhoͤrt. In hoͤchſter Angſt, z. B. gefangen, ſtoͤßt dieſer Specht ein durchdringendes kraͤ— hendes Gekreiſch aus. Als ein ſtuͤrmiſcher, ſtoͤrriſcher Vogel, der auch ſonſt keine fuͤr einen Stubenvogel empfehlende Eigenſchaften hat, iſt er der Zaͤh— mung weder faͤhig, noch werth. Na her u n g. Er lebt von allerlei Inſekten, deren Eiern, Larven und Pup— pen, auch von Nuͤſſen und verſchiedenen Samenkernen, aber nicht von Ameiſen und Ameiſenpuppen; er ſucht daher ſeine Nahrung nie— mals auf dem Erdboden, ſondern an und auf Baͤumen und Geſtraͤuchen. 308 V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. Er klettert an den Baumſchaͤften und ſtarken Aeſten hinauf, um die Riſſe der Rinde nach Inſektenbrut zu durchſuchen, oder an ſchadhaften Stellen die Borke ſtuͤckweis abzuſpalten, um die darunter ſitzenden Larven und vollkommenen Inſekten hervorzuholen, und iſt hier ein Hauptvertilger der ſchaͤdlichen Borkenkaͤfer (Bostrichus und aͤhnlicher Gattungen), oder er hackt Loͤcher in das angegangene Holz, um die darin ſteckenden Maden mit ſeiner Zunge hervorzie— hen zu koͤnnen. Er ſchaͤlt deshalb oft die Rinde von langen, trocken gewordenen Zacken oder ganzen abgeſtorbenen Baͤumen ab, und meißelt ſelbſt Löcher in das harte Apfel- Birn- und Pflaumbaum— holz. Von kranken Kiefern ſieht man ihn oft große Stuͤcke von der abgeſpaltenen Borke herabwerfen und tiefe Loͤcher in das morſche Holz hacken. An Eichen, Aspen und andern Laubholzbaͤumen macht er es eben ſo, und man ſieht keinen duͤrren Aſt an ſolchen, der nicht von den Buntſpechten zermeißelt und zum Theil abgeſchaͤlt waͤre. Wenn er an ſchwaͤchern Aeſten hackt, bemerkt man, daß er oft ploͤtzlich auf die andere Seite derſelben laͤuft und nachſieht, um auch die durch das Poltern hier aufgeſcheuchten und entfliehenden Inſekten wegfangen zu koͤnnen; denn dieſe machen es gerade, wie die Regenwuͤrmer, wenn der Maulwurf die Erde aufwuͤhlt; ſie kennen die Annaͤherung ihres Todfeindes ſo gut, wie dieſe. Außer den vielartigen Holzinſekten, Holzmaden und ihren Puppen, frißt er auch allerlei kleine Raupen und Inſekteneier. Dies alles iſt ſeine Hauptnahrung den groͤßten Theil des Jahres, mit welcher er auch feine Jungen auffüttert. | Er naͤhrt ſich aber auch von allerlei Baumſamen, und ift beſon— ders ſehr begierig nach Haſelnuͤſſen, von welchen er ſelbſt die wurmſtichigen, der Made wegen, nicht verſchmaͤhet. Er holt eine nach der andern von den Buͤſchen herab und trägt fie einzeln an ei= nen nahen Baum, wo er ſich eine Spalte ſo eingerichtet hat, daß ſie die Nuß feſtklemmt, worauf er dann mit dem Schnabel auf die Spitze derſelben hackt, bis die Schale in ihre zwei Haͤlften von ein— ander ſpringt, was nach einigen Schlaͤgen mit einem lauten Knacken erfolgt, worauf er den Kern verzehrt. Dies alles geht ſehr ' ſchnell, und er iſt dabei fo emſig, daß er oft die Annäherung eines Men— ſchen erſt bemerkt, wenn dieſer ihm ſchon ganz nahe iſt. Hierzu ganz bequeme Spalten ſind eben nicht haͤufig, daher wird eine oft von mehrern Spechten, und auch in folgenden Jahren noch, benutzt, ſo daß daſelbſt die Nußſchalen oft haufenweis am Boden liegen. v. Ordn. XXX. Gatt. 166. Roth⸗ Specht. 309 Ich habe dieſes angenehme Schauſpiel ſonſt oft, aus dem Haͤuschen bei meinem Vogelheerde, ganz in der Naͤhe mitangeſehen. Auch ein Gabelaſt muß ihm zuweilen dazu dienen. Buchnuͤſſe frißt er gern, ob aber auch Eicheln, kann ich nicht behaupten. Er liebt auch die Samen der Nadelhoͤlzer, vorzuͤglich den Kie— fernſamen, und dieſer iſt ihm im Winter ſogar Hauptnahrung. Er mag ihn ſchon genießen, ehe er einmal ausgekoͤrnt hat, und frißt ihn ſo den ganzen Herbſt hindurch, doch aber lieber, wenn er voͤllig reif iſt. Ihn aus den harten Zapfen zu langen, iſt fuͤr ihn keine leichte Aufgabe, und das Ausklauben deſſelben beſchaͤftigt ihn oft den ganzen Tag lang. Wie bei den Haſelnuͤſſen, hat er auch hier eine eigene Vorrichtung noͤthig; in einen abgebrochnen oder geſpal— tenen Aſt, oder auch in einen Riß der dicken Borke am Schafte, hackt er ſich zuvoͤrderſt ein Loch, worein ein Kiefernzapfen gerade paßt, fliegt nun in die Höhe und läuft von einem Zacken zum ans dern, bis in die Spitzen hinaus, bricht hier einen ſolchen Zapfen ab, traͤgt ihn, beim Stiel angefaßt und ſogleich ſchnell damit herabflie— gend, zu dem Loche, ſteckt ihn, jedes Mal mit dem Stielende, in daſſelbe, haͤlt ihn mit den innern Vorderzehen feſt, und hauet nun die Schuppen entzwei, um ein Korn nach dem andern herausholen zu koͤnnen. Er frißt dieſe Zapfen aber nie rein aus, wirft auch den angefreſſenen nicht eher heraus, bis er einen friſchen herbeigetragen hat, und iſt dabei ungemein geſchaͤftig, ſo daß es eine Luſt iſt, ihm zuzuſehen. Ein einziger Specht findet ſo auf einer recht großen Sa— menkiefer oft Wochen lang Beſchaͤftigung, und leidet keinen andern daſelbſt. Die in ſolche Loͤcher feſtgeklemmten, zum Theil ausge— freſſenen Kiefernzapfen findet man überall in Kiefernwaldungen, nicht allein hoch oben in abgebrochenen Aeſten, ſondern oͤfters auch nicht weit vom Boden an den Schaͤften der Baumſtaͤmme; die ho— hen Stellen ſcheinen aber mehr benutzt zu werden, als die niedri— gen. — Mit Fichten- und Tannenzapfen wird er, weil ſie ſchwaͤ— chere Schuppen haben, leichter fertig; er klemmt ſie auch nie ſo ſorg— faͤltig ein, und hackt fie ſelbſt am Baume haͤngend zum Theil aus. Sein Schnabel iſt oft theilweiſe mit Harz uͤberzogen, aber nie mit Erde beſchmutzt. Der ſuͤßſaͤuerliche, faſt biſamartige Geruch ſeiner Ausduͤnſtung iſt faſt noch ſtaͤrker und widerlicher, als bei den uͤbrigen Spechtarten. | Man ſoll ihn auch in der Gefangenſchaft ange Zeit mit Saͤ⸗ mereien erhalten koͤnnen. 310 V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. Fortpflanzung. In den Nadelwaͤldern, vorzuͤglich in Kieferwaldungen, findet man ihn in Deutſchland uͤberall niſtend, und im alten Hochwalde von dieſer Holzart iſt er Sommer und Winter einer der gemeinſten Voͤgel; allein in Eichen- und andern Laubholzwaͤldern niſten ver: haͤltnißmaͤßig nur wenige, da vertritt bei uns der Mittelſpecht und in noͤrdlichern Laͤndern der Weißſpecht ſeine Stelle. Im Anfange der Begattungszeit, im Maͤrz und April, machen ſie ſich durch Schreien und Laͤrmen ſehr bemerklich, was ſchon oben beſchrieben wurde. Dann ſuchen ſie eine Stelle an einem kernfau— len Baume oder ſtarken Aſte, wo ein Aſt abgebrochen und das Holz auch außen ſchon etwas morſch iſt, meißeln ein zirkelrundes Ein— gangsloch, nicht groͤßer, als es der Umfang ihres Koͤrpers nur ſo eben erheiſcht, dann im Innern eine 2 Fuß weite und gegen 1 Fuß tiefe Aushoͤhlung, deren Waͤnde ganz glatt, aber im Um— fange, wegen oft vorkommender zu feſter Holzſtreifen, manchmal ungleich ſind. Die unter dem Baume liegenden friſchen Holz— ſpaͤhne laſſen es leicht entdecken, aber man wird auch oft getaͤuſcht, da ſie oͤfters mehrere anfangen, ehe ſie eins vollenden. Dieſe Loͤcher ſind ſelten unter 20 Fuß Hoͤhe, oft aber viel hoͤher angebracht, doch ohne beſondere Vorſicht angelegt, fo daß man fie oft ſchon von weitem ſieht. Sie machen ſich beinahe immer ein neues, richten ſich zwar zuweilen auch ein vorjaͤhriges wieder ein, dies iſt jedoch ein ſehr ſeltner Fall. Man findet es in alten Nadelbaͤumen, vorzuͤglich in Kiefern, aber auch in Eichen, Buchen, Aspen und andern, beſon— ders, wo ſolche einzeln zwiſchen jenen ſtehen, ſelten in Kopfweiden. Auf wenigen klaren Holzſpaͤhnen liegen vier bis fünf, ſehr ſelten ſechs Eier, welche etwas groͤßer als Sperlingseier, von einer aͤhnlichen Geſtalt wie die der vorhergehenden Arten, an einem Ende ſehr ſtumpf und am andern etwas ſpitz zugerundet ſind, doch aber oͤfters bis zu einer faſt ovalen Form abweichen. Sie haben eine zarte, ſehr feinkoͤrnichte, reinweiße Schale, welche wie Emaille glaͤnzt, und wo friſch der rothgelbe Dotter durchſcheint, deren Glanz und reines Weiß aber durch das Bebruͤten ſehr verliert. Sie wer— den von beiden Gatten wechſelsweiſe ausgebruͤtet, ſo daß nach 14 bis 16 Tagen die Jungen auskriechen, welche ſehr unbehuͤlflich, an— faͤnglich ſehr haͤßlich, unfoͤrmlich dickkoͤpfig, faſt ganz nackt und blind find, und den Knollen am Schnabelwinkel erſt nach und nach verlieren, wenn ſie Federn bekommen. Sie werden, wie auch ſchon V. Ordn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. 311 die Eier, von den Alten ſehr geliebt, und dieſe kommen mit aͤngſt— lichem Geſchrei, was wie Kgaͤck, kgaͤck, klingt, herbei und um— flattern denjenigen, welcher ſich jenen naͤhert. Sie bleiben lange im Neſte, werden auch nachher noch eine Zeit lang von den Alten gefuͤhrt und zum Aufſuchen ihrer Nahrung angewieſen, haben aber keinen großen Bezirk, ſobald ſich die Familie trennt, ſtreichen die Jungen vereinzelt weit weg, und dieſe ſind es dann, welche man ſchon im Sommer, oft ſehr weit entfernt vom Brutorte, in den kleinern Laubholzungen antrifft. | Sie füttern ihre Jungen nicht mit Ameiſenpuppen, ſondern mit allerlei Holzmaden, kleinen Raͤupchen, Inſekteneiern, Puppen, und Borkeninſekten. | Feinde. Auf dem Freien werden ſie vom Huͤhnerhabicht, Sper— ber und Merlin zuweilen erwiſcht, aber im Walde entgehen ſie ihnen meiſtens unter vielem Geſchrei durch ihre Gewandtheit, ſich hinter Baumſchaͤften und Aeſten, oder gar in Loͤchern, ſchnell zu ver— bergen. Ihre Brut wird nicht ſelten von Wieſeln, und auch wol manchmal von Eichhoͤrnchen, zerſtoͤrt; den letztern ſind ſie wenigſtens ſehr abhold und verfolgen ſie mit aͤngſtlichem Schreien, da wo ſie in die Naͤhe des Neſtes kommen. In ſeinem Gefieder beherbergt er oft eine große Menge ganz kleiner Schmarotzerinſekten, in ſeinen Eingeweiden auch mehrere Wuͤrmer, als: Taenia crenata, Echinorhynchus cylindraceus und eine noch unbezeichnete Capillaria. Jagd. Da er gar nicht ſcheu iſt, ſo kann man, um ihn zu ſchießen, meiſt ganz frei hingehen. An großen Baͤumen weicht er gewoͤhnlich dadurch aus, daß er ſchnell den Schaft hinan-, und auf den Aeſten hoch hinauflaͤuft, und von dort erſt wegfliegt, an juͤngern Baͤumen begiebt er ſich aber auf die der Gefahr entgegengeſetzte Seite. Wo er ſeine Lieblingsnahrung findet, beſonders aber beim Neſte, iſt er ziemlich dummdreiſt. Ihm nachzuſchleichen, iſt kaum noͤthig, da er auf das, mit einem Meſſer gegen einen Baum oder Stud Holz, nachgeahmte Pochen ſehr bald herbeikoͤmmt, und dann leicht gefchof- ſen werden kann. Dieſes Pochen, wovon die Schlaͤge ſeltner ein— zeln, ſondern meiſtens zu dreien und vieren ſchnell nach einander folgen, muß ihm nur gut nachgemacht werden, und der Erfolg 312 V.Drdn. XXX. Gatt. 167. Roth⸗Specht. bleibt nie aus, auch wenn man den Specht ſchon mehrmals in kur— zer Zeit damit herbeigerufen und wieder verſcheucht haͤtte. Auch einen Fehlſchuß vergißt er bald. An meinen Vogelheerd lockte ich ſie durch dies Pochen alle Mal; ſie fielen da oͤfters auf die alten Buͤgel und Stangen des Strauchheerds, wo ſie denn mit den Netzen geruͤckt wurden; gewoͤhnlich fing ich ſie aber auf dem Meiſenkloben, welchen ich zum Guckloche des Haͤuschens hinausſteckte, und worauf fie faft immer kamen, wenn ich das Pochen an der Pfoſte des Loches fort— ſetzte. Die, welche mit den Meiſen herumſtreichen, kommen gar nicht ſelten auch auf den Meiſentanz, wo ſie ſich manchmal auch in Sprenkeln fangen, doch gewoͤhnlich durch die Baͤuche derſelben huͤpfen und ſie aufſchnellen, deſto leichter aber, wenn man richtig zu pochen verſteht, auf die Kloben kommen. — Vor dem Loche, worin ſie Nachtruhe halten, oder an der Stelle, wo ſie die Haſelnuͤſſe oͤffnen, kann man ſie auch in Schlingen fangen. In den Dohnenſtegen erhenken fie ſich manchmal zufällig. Nutz en. Sein derbes Fleiſch behaͤlt auch beim Braten etwas von jenem, dem Vogel beiwohnenden, widerlichen Geruch, und iſt daher kein ſonderliches Eſſen, doch etwas beſſer das der fluͤggen Jungen. Dieſe werden deshalb in waldigen Gegenden haͤufig von armen Leu— ten aufgeſucht und verſpeiſt; doch ſollten dieſes die Forſtverwaltun— gen nicht zugeben, weil dadurch der Vermehrung eines nuͤtzlichen Vogels entgegengearbeitet wird. Ungemein wohlthaͤtig wird er uns durch ſeine Nahrung, und kann mit Recht ein wahrer Erhalter der Waͤlder genannt werden, weil er ſich faſt von lauter ſchaͤdlichen Forſtinſekten und ihrer Brut naͤhrt. Da er in der Strichzeit auch in die Gaͤrten und Anpflan⸗ zungen von Obſtbaͤumen kommt, ſo wird er dieſen eben ſo wohl— thaͤtig, wie den Waldbaͤumen. Er iſt der Erbfeind vieler den Wald verheerenden Inſekten, vorzuͤglich der Borkenkaͤfer (Bostrichus), und ſollte daher auf alle Weiſe geſchont werden. Schaden. Nur dann, wenn er in Gaͤrten die guten Haſelnußbuͤſche ab— leert, wird ſeine Anweſenheit laͤſtig; daß er aber im Walde durch das Verzehren der Nuͤſſe, wie des Fichten-und Kiefernſamens, ſchaͤd⸗ lich wuͤrde, weil er dadurch den Anflug vermindere, iſt wol zum > v. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. 313 Theil wahr, allein es iſt im Vergleich mit ſeinem großen Nutzen kaum des Erwaͤhnens werth. Die Samenzapfen zerhackt er zwar, frißt ſie aber nie rein aus, und daß er durch Loͤcherhacken in die Baͤume nachtheilig werden ſollte, iſt voͤllig ungegruͤndet, weil er keine geſunde Stelle an den Baͤumen angreift. 168. Der Weiß pech t. Picus jleuconotus. Bechst. Fig. 1. Maͤnnchen. — 2. Weibchen. Weißruͤckiger Specht; Elſterſpecht; groͤßter Buntſpecht. Pieus leueonotus. Bechſtein, ornith. Taſchenb. I. S. 66. — Nilsson Orn. suec, I. p. 107. n. 51. Pic leuconote. Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 396. = Piechio vario massimo. Stor. deg. ucc. II. t. 169. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. 2te Aufl. II. S. 1034. - Wolf und Meyer, Taſchenb. I. ©. 123. — Deren Voͤg. Deutſchl. Heft 11. M. u. W. = Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 60. — Brehm, Lehrb. d. Europ. Ornith. I. S. 138. — Naumann 's Voög. alte Ausg. Nachtr. S. 255. Taf. 35. Fig. 69. altes Maͤnnchen. Taf. 135. Kennzeichen der Art. Schwarz und weiß bunt, mit etwas Roth. Der Unterruͤcken und Buͤrzel rein weiß; Bauch und After roſenroth. Kein weißes Feld an der Schulter. Am Männchen der Scheitel hochroth, am Weibchen ſchwarz. Beef chte ib un g. Dieſer anſehnlich große, ſchoͤn gezeichnete Specht hat ſich nur erſt ſeit ein paar Decennien das Recht erworben, als eigne Art auf— treten zu duͤrfen, ſeitdem der verſtorbene von Minckwitz, zu Grunwitz in Schleſien, zuerſt (etwa vor einem Vierteljahrhun-⸗ dert) das Weibchen entdeckte und ſogleich fuͤr eine eigne Art hielt, weil er kurz nach einander zwei Exemplare bekam, was denn Bech— ſtein bekannt machte, und dieſer neuen Art den obigen Namen bei- 314 V. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. legte. Zwar war der Vogel den Schwediſchen Naturforſchern ſchon vor langen Jahren bekannt geweſen, allein ſie hatten ihn unbegreif— licher Weiſe für eine bloße Spielart des Picus major gehalten, und als ſolche hatte ihn Rudbeck abgebildet und Sparrmann in Kupfer ſtechen laſſen. Wie war es aber nur moͤglich, daß dieſer in Schweden einheimiſche Vogel dem bewaͤhrten Scharfblick unſers gro— ßen Syſtematikers Linné entgehen konnte? Dies iſt hoͤchſt raͤthſel— haft, und man moͤchte faſt vermuthen, er habe ihn mit ſeinem Pi- cus medius gemeint, wie Beſecke und Fiſcher in ihren Schrif— ten, weil unſer Mittelſpecht hoch im Norden nicht mehr vorkommt, wol aber dieſer in der Farbe ihm ſo ſehr aͤhnliche Vogel. — So ſehr er auch in Allem unſerm großen und mittleren Bunt— ſpecht aͤhnelt, ſo unterſcheidet ihn doch vom Picus major die an— ſehnlichere Größe, ſchlankere Geſtalt, der ganz anders geſtaltete Schnabel, und die ganz verſchiedene Zeichnung des Kopfes und Unterkoͤrpers, vom Picus medius aber die außerordentlich verſchie— dene Groͤße, und von Beiden der ſtets ganz weiße Unterruͤcken, wel— cher bei ihnen tief ſchwarz iſt, auch ſchon auf einen kaum mehr als oberflaͤchlichen Blick. | Er iſt der größte unter den einheimiſchen Buntſpechten, und ſteht in dieſer Hinſicht zwiſchen Picus canus und P. major gerade in der Mitte. Ich habe mehrere gemeſſen, und die Laͤnge immer von 10 bis zu 11 Zoll, die Breite von 18 bis 19 Zoll gefunden, ob fie gleich von Einigen etwas geringer angegeben worden find Y. Fluͤgel und Schwanz haben die Geſtalt wie bei der vorherbeſchrie— benen Art; erſtere ſind vom Bug bis zur Spitze 6 Zoll lang, und decken, in Ruhe liegend, den Schwanz faſt zur Haͤlfte. Dieſer hat wie dort 10 große vollſtaͤndige, und 2 kleine, verkuͤmmerte Geis tenfederchen, welche letztern, faſt von den ſeitlichen Schwanzdeckfe— dern verdeckt, auf dem erſten Paare ruhen; die zugeſpitzten Mittel— federn 4 Zoll lang, die andern nach außen allmaͤhlich kuͤrzer, die äußern nur 3 Zoll, und die kleine Seitenfeder 14 Zoll lang, der Schwanz daher keilfoͤrmig, mit geſpaltener Spitze, ſtarren, fiſch— beinartigen, unten ausgerinnten, an der Spitze meiſt ausgeſchnit⸗ tenen und etwas unterwaͤrts gebogenen Schaͤften. Die erſte Schwing— feder iſt ſehr klein, die zweite mehr als noch ein Mal ſo groß, die dritte faſt ſo lang, als die vierte, dieſe und die fuͤnfte die laͤngſten. *) Ich erinnere, daß das Laͤngenmaaß ſtets, ohne Schnabel, von dem Anfang der Stirn bis zur Spitze des Schwanzes genommen iſt, und daß in dieſem Werk auch alle Ausmeſſungen nach Leipziger Elle gemacht ſind. V. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. 315 Der Schnabel iſt dem des Mittelſpechts an Geſtaltung weit ähnlicher, als dem des Rothſpechts, denn gegen dieſen gehalten, iſt er nicht nur laͤnger, ſondern auch viel geſtreckter und ſchlanker, 1 Zoll 3 bis 5 Linien lang, an der Wurzel 4 Linien breit und eben ſo hoch, von oben geſehen, verhaͤltnißmaͤßig viel breiter, als bei den Gruͤn- und Grauſpechten, oben drei-, an der Spitze ſechskantig, die Kanten und Flächen, wie am Mittels ſpecht, uͤbrigens dem obern und untern Ruͤcken nach ganz gerade, die Spitze meißelfoͤrmig zugeſchliffen. Seine Farbe iſt ein lichtes Bleiblau, an der Wurzel des Unterſchnabels in gelbliches Weiß, an der Spitze in mattes Schwarz uͤbergehend, inwendig vorn blaͤulich-, hinten roͤthlichweiß, der Rachen und hintere Theil der wie beim Rothſpecht geſtalteten, 8 Zoll lang hervorſtreckbaren Zunge fleiſchfarbig. Das ovale Naſenloch liegt ziemlich vertieft, unter einem Buͤſchel vorwaͤrts gerichteter und etwas in die Hoͤhe geboge— ner, aber dicht aufliegender, gelblichweißer und ſchwarzer Borſtfe— derchen verſteckt, dergleichen vorwaͤrts gekruͤmmter Haͤaͤrchen noch viele die Schnabelwurzel umgeben. Die Iris der, wie bei andern Spechten, etwas kleinen, nicht weit vom Schnabel entfernten Au— gen iſt braun, wird aber at zunehmendem Alter lebhafter, 1 und endlich faſt bis zum Gelbroth geſteigert. Die Füße find ſtark und ſtaͤmmicht; die Laufe von der Fußbeuge faſt zur Haͤlfte herab befiedert, uͤbrigens mit groben Schildern be— kleidet; die Zehenruͤcken geſchildert, die Sohlen und ſtarken Soh— lenballen warzig, die Krallen ungemein groß, nicht ganz ſo ſtark gebogen, als bei den andern Spechtarten, ohngefaͤhr wie ein Drit— theil eines Zirkels, ſehr ſcharf, die Schneiden der Unterſeite ſehr vorſtehend. Ihre Farbe iſt eine dunkle Bleifarbe, an den Sohlen und zwiſchen den Schildern ſchmutziggelblich angelaufen, die der Krallen dunkler und an den Spitzen e Die Fußwurzel iſt 1 Zoll hoch; die aͤußere Vorderzeh, mit der 2 Zoll langen Kralle, 1 Zoll 1 Linie; die innere Vorderzeh und Kralle 5 Zoll; die äußere Hinterzeh nebſt Kralle 14 Zoll; die innere Hinterzeh 7 Linien, wo⸗ von auf die Kralle die Hälfte kommt. Das alte Maͤnnchen iſt ein praͤchtiger Vogel. An ihm ſind Zuͤgel und Stirn weiß, ſtark dunkelroſtgelb angelaufen; der Scheitel, von der Stirn bis auf das Genick, in einem großen, ei— foͤrmigen Fleck, von einem prachtvollen hohen Karminroth, durch welches die aſchgrauen Federwurzeln nur wenig hervorſchimmern; Augenkreiſe, Schlaͤfe und Wangen gelblichweiß; ein kleiner Strich 316 V. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. uͤber dem Auge am Rothen entlang, ein breiter Streif, welcher vom Mundwinkel anfaͤngt, unter der Wange hinlaͤuft, dieſe faſt um— giebt, nach vorn herunter ſich aber bis auf die Mitte der Oberbruſt herabzieht und hier verliert, und unter den Wangen, auf den wei— ßen Halsſeiten, einen großen faſt dreieckigen Fleck bildet, desglei— chen ein andrer Streif vom Nacken auf dem Hinterhalſe herablau— fend, nebſt dem Oberruͤcken, find tief ſchwarz; der ganze Mittel: und Unterrüden, und der Buͤrzel find weiß, dieſer ſchneeweiß, jene mit einigen ſchmalen ſchwarzen Querflecken; die obern Schwanz— deckfedern ſchwarz. — Am Kinn ſtehen vorwärts gekruͤmmte, gelb: liche, an den Spitzen ſchwaͤrzliche Haͤaͤrchen; Kehle, Gurgel und die Mitte der Oberbruſt weiß; die uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers gelbbraͤunlichweiß, die Seiten der Bruſt und die Weichen mit braun— ſchwarzen Schmitzen, die als matte Schaftſtriche ſich nach unten zu verlieren; ſchon auf der Unterbruſt faͤngt allmaͤhlich ein roſenfarbi— ger Anflug an, welcher am After ſtaͤrker und auf den untern Schwanz— deckfedern zum herrlichſten Roſenroth wird, dem hier oͤfters etwas helles Karminroth beigemiſcht iſt; die langen Federn am ſogenann— ten Knie ſind braͤunlichweiß. — An den Schultern iſt kein weißes Feld; ſie ſind ſchwarz, nur unterwaͤrts mit wenigen weißen Quer— flecken und Streifen. — Alle Fluͤgelfedern ſind ſchwarz, am matteſten die großen Schwingen, die kleinen Deckfedern ohne Flecke, die groͤßern und alle Schwingfedern aber mit weißen Spitzen, und letztere mit bei= nahe gleichweit von einander entfernten, viereckigen, weißen Randfle— cken, die auf der Außenfahne faſt alle bis zum Schaft jeder Feder reichen, und auf dem Flügel ſechs bis ſieben, ziemlich breite, aus unordentlichen Vierecken zuſammengeſetzte, verſchobene, hellweiße Querbinden bilden. Das mittelſte Paar Schwanzfedern iſt, ſo wie alle Schaͤfte, ganz ſchwarz, die des naͤchſten oder zweiten Paars auch ſchwarz, aber mit ei— nem laͤnglich runden, an der Spitze befindlichen, und einem runden, nicht weit von jenen auf der aͤußern Fahne ſtehenden, dunkelroſtgelben Fleck; das dritte Paar ſchwarz, mit dunkelroſtgelber Spitze, einer etwas weiß— lichern Querbinde nahe an dieſer und, noch weiter herauf, mit einem halbrunden gelblichweißen Randfleck an der aͤußern Fahne; das vierte hat die Zeichnung des folgenden, aber mehr Schwarz und eine roſtgelbe Spitze; denn dieſes, als das fuͤnfte und letzte der großen vollkommenen Schwanzfedern, iſt nur an der Wurzel ſchwarz, uͤbrigens gelblichweiß, im Weißen der aͤußern Fahne nahe an der Spitze mit einem runden, dann etwas weiter herauf mit einem ovalen Fleck, und noch weiter herauf mit einem kleinen Punkt von ſchwarzer Farbe, denen auf der V. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. 317 innern Fahne allemal ein ſchwarzer Querſtreif gegenuͤberſteht, wo— von ſich ein vierter oben mit der ſchwarzen Wurzel vereinigt; außer dieſen bemerkt man noch an den letzteren Paaren auf der innern Fahne, nahe an der Wurzel, einige weiße Randflecke, welche die langen Unterſchwanzdeckfedern verdecken; das kleine verkuͤmmerte Seitenfederchen iſt ſchwarz, mit einem weißen Laͤngefleck auf der aͤu— ßern Fahne, nahe am Ende. Von unten ſind Schwanz- und Schwingfedern wie oben, das Schwarz nur matter, die untern Fluͤgeldeckfedern weiß. Die weißen Baͤnder auf den Fluͤgeln ſind viel breiter, als beim Rothſpecht, und wenn man den weißen Ruͤcken dazu nimmt, ſo iſt die Zeichnung der des kleinen Buntſpechts aͤhnlicher, als aller andern. Bei juͤngern Maͤnnchen ſchimmert der dunkelgraue Grund der rothen Scheitelfedern mehr hervor, und die Schaftſtriche an den Seiten der Bruſt ſind ſtaͤrker gezeichnet; auch das Weiße an den Wangen und am Halſe iſt ſchmutziger, Stirn und Bruſt braͤun— licher, ſonſt alles, wie oben beſchrieben. Die Weibchen unterſcheiden ſich vorzuͤglich dadurch von den Maͤnnchen, daß ſie am Kopfe nichts Rothes haben. Bei ihnen iſt der ganze Scheitel bis in den Nacken hinab ſchwarz, zwiſchen den Augen als Fleckchen in die roſtgelblichweiße Stirn uͤbergehend; der ſchwarze Bart- und Halsſeitenſtreif laͤuft tief in die roſtgelblich— weiße Bruſt herab, loͤſt ſich an den Seiten derſelben in ſtarke ſchwarze Schaftſtriche oder ſchmale Lanzettflecke auf, welche erſt abwaͤrts ſchmaͤler werden und endlich gegen den Schwanz zu verſchwinden; das Roth des Unterleibes iſt weniger ſchoͤn; der weiße Unterruͤcken oberhalb mehr ſchwarzgefleckt; der roſtgelbe Anflug an der Stirn, den Wangen und der Bruſt ſchwaͤcher; ſonſt alles wie beim Männ= chen. Juͤngere Weibchen haben noch ſtaͤrkere faſt gleichbreite, tiefſchwarze Schaftſtriche in den Seiten, der Oberruͤcken iſt nicht ſo tief ſchwarz, der angrenzende Theil des weißen Unterruͤckens nur ſchmutzig weiß, und die weißen Baͤnder auf den Fluͤgeln find nicht ſo breit. f Farbe und Zeichnung der jungen Voͤgel, vor der erſten Mauſer, ſind nirgends beſchrieben, und auch mir unbekannt. N u ff e nt ha ht Das nordoͤſtliche Europa, vielleicht auch das angren— zende Sibirien, ſind das eigentliche Vaterland unſers weiß— 318 v. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. ruͤckigen Spechts. Er iſt in ganz Rußland gemein, auch in Pohlen nirgends ſelten, und beſucht von da aus das benachbarte Schleſien oͤfterer als irgend einen Theil von Deutſchland, wo er nur erſt in wenigen Exemplaren vorgekommen iſt. In Preuſſen iſt er nicht ſelten, dies noch weniger in Curland, ſehr gemein aber in Eſthland, wie mir Jemand von dorther gewiß verſicherte, der ihn auch in Finnland, aber ſchon nicht ſo haͤufig, angetroffen hatte. Er iſt dort der gewoͤhnlichſte Specht, denn der Rothſpecht kommt in Eſthland nur einzeln, der Mit— telſpecht gar nicht vor. Schweden bewohnt er ſehr einzeln, und in Norwegen hat man ihn gar nicht bemerkt. In der hie— ſigen Gegend kommt er ſehr ſelten vor und wurde nur erſt ein ein— ziges Mal von einem meiner Bruͤder, zur Winterszeit, in einem Eichenwalde auf einem Holzſchlage geſehen, wo er bald an die auf— geſtellten Holzklaftern, bald an die Bäume flog, und fo wenig ſcheu war, daß er ſich ganz in der Naͤhe betrachten und beobachten ließ, weil aber keine Flinte zur Hand war, nicht geſchoſſen werden konnte. Er fol ſich zuweilen wol auch bis ins weſtliche und ſuͤz⸗ liche Deutſchland verfliegen, dies koͤmmt aber noch ſeltner vor. Er iſt Strich- und Standvogel, ſtreicht beſonders im Spaͤtherbſt und Winter aus den groͤßern Waldungen in die kleinern Gehoͤlze, und kommt dann oft in die Naͤhe der Haͤuſer, in die Obſtgaͤrten bei Dörfern und S Ädten, wo er ſich ſehr zutraulich zeigt. Er wohnt in Laubholzwaldungen, am liebſten in Eichenwaͤl— dern, auch in von Laub- und Nadelholz gemiſchten; aber nicht im reinen Nadelwalde. Gegenden, wo nichts als Nadelholz waͤchſt, durchſtreift er daher nur aͤußerſt ſelten. Er gleicht darin unſerm Mittelſpecht, und vertritt deſſen Stelle in den Waͤldern jener Laͤnder, wo dieſer nicht vorkommt. Daß er im Winter ſehr gern in der Naͤhe der Haͤuſer lebt, verſichern alle, die ihn in ſeinem Va— terlande beobachteten, und die beiden, welche von Minck witz in zwei Wintern bald nach einander bekam, wurden auch dicht an Gehoͤften und Gebaͤuden erlegt. Dieſe, wie der oben erwaͤhnte, hiel— ten ſich auch mehr unten oder doch niedrig an den Baͤumen auf, und da er Ameiſen freſſen ſoll, ſo geht er wahrſcheinlich oͤfters auf den Erdboden ſelbſt herab. Eigenſchaften. Das ausgezeichnet viele Weiß, die vielen breiten weißen Baͤn⸗ der in den Fluͤgeln, mit dem abſtechenden Schwarz machen ihn, bes V. Ordn. XXX. Gatt. 168. Weiß⸗Specht. 319 ſonders fliegend, zu einem ſehr bunten, ſchoͤnen Vogel. Von ſei— nem Betragen habe ich nur ſo viel erfahren koͤnnen, daß er darin den andern Buntſpechten gleicht, ihnen im Klettern, im Fluge und allem Andern aͤhnelt, daß er aber unter allen Spechten am we— nigſten ſcheu iſt, ſo daß er nur durch fortgeſetzte Verfolgung etwas mißtrauiſcher gemacht werden kann. Er laͤßt ſich, da er ebenfalls viel pocht, durch das Nachahmen deſſelben leicht herbeilocken, und ſeine Stimme iſt von denen der verwandten Arten ebenfalls wenig verſchieden; auch ſchnurrt er, wie dieſe, in der Begattungszeit auf einem duͤrren Aſte. Nahrung. Dieſe beſteht in allerlei Borkenkaͤfern, Holzmaden, Raupen und andern Inſektenlarven, Puppen und Inſekteneiern, die er mit ſei— nem Schnabel unter der Rinde hervorholt, oder aus dem morſchen Holze meißelt und in den Ritzen der Baͤume aufſucht. Auch Amei— ſen und deren Puppen nennt man darunter, weshalb er ſich haͤufig ganz unten an den Baͤumen aufhaͤlt und auch auf die Erde herab— geht. Er haͤngt ſich auch oͤfters an alte Gebaͤude, welche an Gaͤr— ten ſtoßen, und ſucht dort verſteckte Inſekten auf. Daß er an die Bienenſtoͤcke gehe, beobachtete auch von Mink— witz. Einer von den in Schleſien erlegten pochte viel an den Bienenſtoͤcken herum; man hat aber nicht angemerkt, ob er, nach— dem man ihn erlegt hatte, Bienen im Magen gehabt habe. Jene Bienenſtoͤcke, die ich ſelbſt geſehen, ſind aber, wie alle in Pohlen und mehreren noͤrdlichen Laͤndern, keine von Stroh und Weiden ge— flochtene, wie die unfrigen, ſondern aus ausgehoͤhlten Baumſtaͤm— men oder ſehr ſtarken Stuͤcken Holz gemacht. Da nun das Holz, wenn die Stoͤcke alt werden, auch von Wuͤrmern gefreſſen wird; uͤberhaupt in unſaubern Bienenhuͤtten Spinnen, Motten, Fliegen und dergl. ſich verkriechen, ſo iſt es hier, wie ich vermuthe, wahr— ſcheinlich eben wie mit dem Gruͤnſpecht, welcher auch nicht der Bienen wegen an die Bienenhuͤtten koͤmmt. % ug Er niſtet in den obengenannten nordoͤſtlichen Laͤndern, vielleicht auch in Schleſien zuweilen (weil man ſchon ein Mal im Som— mer dort einen ſolchen Vogel geſchoſſen hat), in Laubholzwaldun— gen. Die Hoͤhle, worin die Eier bloß auf wenigen feinen Holz— ſpaͤhnen liegen, verfertigt er ſich ſelbſt, wie andere Spechte. Sie 320 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. wird meiſtens in alten Eichen gefunden. Er legt in eine ſolche vier bis fünf Eier, welche rein weiß und ſchoͤn glänzend, wie andere Spechteier ſind. In ſeiner Fortpflanzungsgeſchichte fehlt es noch an genauen Beobachtungen. Fein d e. Hiervon iſt gar nichts bekannt. Je g m. Er iſt ſehr leicht zu ſchießen, weil er zutraulich iſt und die An— naͤherung des Menſchen wenig flieht; auch ſoll er, durch nachge— machtes Pochen, ſich anlocken laſſen, was kaum noͤthig iſt, da man ihn durch Nachſchleichen eben ſo leicht erhaͤlt, zumal im 1 wo er immer nahe an menſchliche Wohnungen koͤmmt. Nutz en. Sein Fleiſch ſchmeckt nicht übel, aber er nuͤtzt weit mehr durch Vertilgung einer großen Menge ſchaͤdlicher Waldinſekten. Schaden. | Ob er ſich des Bienenraubes ſchuldig macht, iſt nach oben ge⸗ aͤußerten Vermuthungen, noch nicht im Klaren. 169. Der Mittel⸗Specht. Picus medius. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. — 2. Weibchen. Mittlerer Buntſpecht, mittlerer Rothſpecht, Halbrothſpecht, rothhaariger Specht, Weißbuntſpecht, kleiner Schildſpecht, Weiß— ſpecht, kleinerer — kleiner bunter — und geſprenkelter Specht; Elſter- oder Aegarſtſpecht, kleiner ſchwarz- und weißbunter — Taf. 136. V. Ord n. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 321 und haariger Baumhacker, kleiner und mittler Baumhacker, mitt— ler Baumpicker. Picus medius. Gmel. Linn. Syst. I. 1. p. 436. n. 18. — Linn. Faun. suec. P. 35. n. 101. = Retz. Fauna suec. p. 104. n. 56. — Lath, ind. I. p. 229. n. 14. = Nilsson Orn. suec. I. p. 110. n. 53. = Dendrocopos medius, Koch. Baier. Zool. JI. S. 73. n. 5. — Le Pic varid a tete rouge. Buff, pl. enl. 611. Pic mar. Temminck Man, nouv. Edit. I. p. 398. = Middle spotted Wood- pecker. Penn. arct. Zool. II. p. 278. D. Ueberf. von Zimmermann, II. S. 263. D. = Lath. syn. II. p. 565. — Ueberſ. v. Bechſtein, I. 2. S. 467. n. 13. S Piccllio vario sarto. Stor. deg. ucc. II. t. 166. = De Middelslag bont Specht. Sepp. Nederl. Vog. IV. t. p. 347. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. ©. 1029. — Deffen orn. Taſchenb. I. S. 65. — Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 122. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweitz. p. 41. n. 40. = Leisler, Wetteraueſche Ann. I. 2. S. 291. — Brehm, Lehrb. d. Europ. Ornith. I. S. 139. — Naumann's Voͤgel, alte Ausg. Nachtr. S. 18. Taf. 4. Fig. 7. Maͤnnchen. Kennzeichen Nei e. Schwarz, weiß und roth bunt. Der After und ein großer Theil des Unterleibes roſenroth; Ruͤcken und Buͤrzel tief ſchwarz; im Geſicht kein Schwarz; der Schnabel ſchwaͤchlich und etwas geſtreckt. Det ene Der Mittelſpecht iſt bedeutend kleiner, ſchwaͤchlicher und uͤber 14 Loth leichter als der Roͤthſpecht; von ihm auch auffallend genug verſchieden noch durch den viel ſchwaͤchern, kuͤrzern Schna— bel; die ſchwaͤchlichern, mit laͤngern, duͤnnern Krallen verſehenen Fuͤße; durch die viel laͤngern, ſchmaͤlern, ganz hochrothen Federn des ganzen Scheitels; durch den Mangel alles Schwarzen im Ge— ſicht; durch das kleinere weiße Fluͤgelſchild, aber mehrere Weiß der Schwingfedern; durch die gelbe Farbe auf der Bruſt, nebſt den ſchwarzen Schaftſtrichen, und dem Roſenroth der uͤbrigen Theile des Unterkoͤrpers; endlich noch dadurch, daß an der Spitze der drit— ten Schwanzfeder keine ſchwarze und weiße Binde iſt, ſondern dieſe Feder fall ganz ſchwarz ausſieht. Aehnlicher ſieht ihm zwar der junge Rothſpecht mit dem rothen Scheitel und blaßrothen After, aber die ſtaͤrkere, gedrungenere Geſtalt deſſelben, nach allen Theilen, unterſcheidet ihn auffallend von dem ſchlanken Mittelſpecht. Seine Größe iſt etwa die der Rothdroſſel; die Länge 84 bis 83 Zoll; die Breite 154 bis 163 Zoll; die Länge des Flügels vom Bug bis zur Spitze 54 Zoll, und die ruhenden Flügel decken den 33 Zoll langen Schwanz bis etwas über die Hälfte. Dieſer iſt, wie bei andern Spechten, keilfoͤrmig, indem die aͤußerſten gro— ßen Federn faſt 1 Zoll kuͤrzer, als die ſehr zugeſpitzten Mittelfedern or Theil. 21 322 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. ſind, und theilt ſich ebenfalls in zwei Spitzen, deren ſtarre, fiſch— beinartige unten ausgerinnte Schaͤfte an den Enden ein wenig ab— waͤrts gebogen und an der aͤußerſten Spitze etwas abgebrochen ſind; ſo ſind auch ihre Baͤrte nach der Spitze zu fiſchbeinartig; die kleine (verkuͤmmerte) Seitenfeder, welche auf der erſten großen ruht und von den Schwanzdeckfedern verſteckt wird, iſt nur 1 Zoll lang. Die Fluͤgel ſind hinten breit, vorn aber etwas ſpitzer, als am Rothſpecht, die erſte Schwingfeder ebenfalls ſehr klein, die vierte, welche die laͤngſte, kaum etwas laͤnger, als die dritte und fuͤnfte. Der gerade Schnabel iſt viel kleiner, ſchmaͤchtiger und ſpitzer, als am Rothſpecht, die Kanten verhaͤltnißmaͤßig eben fo, aber die meißelartige Spitze duͤnner, 11 bis 12 Linien lang, an der Wurzel 4 Linien breit und 5 Linien hoch. Er iſt bleifarbig, an der Wurzel unterwaͤrts lichter, an der Spitze ſchwaͤrzlich; inwendig vorn weißblaͤulich, hinten wie der Rachen fleiſchfarbig. Das ovale Naſenloch liegt in einer Vertiefung unter einem dicken Buͤſchel vorwaͤrtsliegender, braͤunlicher, ſchwarzgemiſchter Borſtfeder— chen, dergleichen auch am Kinn und ſonſt an der Schnabelwurzel noch zerſtreuet ſtehen. Die Iris iſt braun, bei den Alten lebhaft braunroth oder faſt hochroth, lichter als beim Rothſpecht. Die Zunge iſt eben ſo geſtaltet, wie bei jenem, aber viel laͤnger, fo daß fie auf 3 Zoll lang, oder 2 Zoll über die Schnabelſpitze hin— aus, vorgeſtreckt werden kann, der wurmfoͤrmige Theil auch duͤnner. Die Füße find nicht ſehr ſtark, die Läufe unter der Ferſe ziem— lich weit herab braͤunlich befiedert, ſonſt mit großen Schildtafeln, die Zehenruͤcken mit Schildern bedeckt, die Sohlen und ſtarken Ballen f warzig; die Krallen ſehr groß, faſt halbzirkelich gebogen, ſchlank, duͤnn (zuſammengedruͤckt) und ſchmal, unten mit einer ſchmalen Rinne und zwei gleichfoͤrmigen, nicht hohen Schneiden, und mit einer nadelſcharfen Spitze. Die Farbe der Fuͤße iſt bleigrau, wo— bei die Zwiſchenraͤume der Schilder und die Sohlen ins Braungelbe fallen und ſo das Ganze ins Gruͤnliche ſpielen machen. Die Fuß— wurzel mißt § Zoll; von den Vorderzehen die aͤußere, mit der faſt 5 Linien bangen, Kralle, 11 Linien, die innere, mit der 4 Linien langen Kralle, 4 Zoll; von den he die äußere, mit der 5 Linien 1 Kralle, 1 Zoll, die innere, mit der 22 Linien langen Kralle, Z Zoll; die Krallen alle im Durchſchnitt gemeſſen, denn uͤber den Bogen mißt die der aͤußern Vorderzeh 7 Linien und ſo verhaͤltnißmaͤßig auch alle mehr. Die Scheitelfedern ſind ausgezeichnet lang, an den Enden V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 323 ſchmal und haarartig zerſchliſſen, ſo daß ſie aufgeſtraͤubt eine Holle bilden, wie die des Eichelhehers. Das alte Maͤnnchen iſt unter den einheimiſchen Spechten einer der ſchoͤnſten und ein angenehm bunter Vogel. — Die Stirn iſt weißlichgelbbraun; der ganze Scheitel bis an den Nacken unge— mein praͤchtig karminroth; ein Streif vom letztern bis auf den Ruͤ— cken, wie dieſer, der obere Theil der Schultern, Unterruͤcken und Buͤrzel tief ſchwarz; Augenkreiſe, Schlaͤfe, Wangen und Halsſei— ten weiß, erſtere, die Zuͤgel beſonders, mit durchſchimmerndem Silbergrau; von der untern Schnabelwurzel geht ein duͤſterer, un— deutlicher Schein eines Bartſtreifs von braͤunlichem Grau herab, an einen unter der Wange, an der Seite des Halſes, ſtehenden großen, dreieckigen, ſammetſchwarzen Fleck ſich anſchließend, deſ— ſen eine Spitze ſtark bis auf die Kropfſeite herabgeht. Die Kehle iſt ſchmutzigweiß, die Gurgel weiß, ochergelb angeflogen, welche Farbe am Kropfe ſtaͤrker und auf der Bruſt noch ſtaͤrker aufgetragen iſt, und ſich ſehr ſchoͤn ausnimmt; auf ſolchem Grunde haben die Weichen und Bruſtſeiten tief ſchwarze Schaftſtriche; Bauch und Un— terſchwanzdeckfedern ſind einfarbig ſchoͤn roſenroth, und dieſe herr— liche Farbe laͤuft bis auf die Mitte der Bruſt herauf, zumal an den Seiten derſelben, ja bei manchen geht der Roſaanflug ganz uͤber die Weichen und Bruſtſeiten herauf, ſo daß er ſich in dem Gelben der Oberbruſt erſt allmaͤhlich verliert. Die großen weißen Schul— terfedern, mit den hinterſten, mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern bilden ein großes weißes Feld über dem Flügel; die übrigen Fluͤ— geldeckfedern ſind ſchwarz, die groͤßern einzeln weißgefleckt; die Schwingfedern ſchwarz, die hinterſten auf beiden Fahnen, am Rande, mit fuͤnf viereckigen weißen Querflecken, die großen eben ſo, mit ſechs bis ſieben weißen Querflecken und weißen Fleckchen an den Spitzen, wovon jene eben ſo viel weiße Querbaͤnder auf dem zuſammengelegten Fluͤgel bilden, die vorn ſchief und verſchoben, hinten regelmaͤßiger erſcheinen, wovon aber eins durch die Deckfe— dern verſteckt wird. Die drei mittelſten Paare der Schwanzfedern ſind ſchwarz, das dritte hat nur an der Spitze ein ausgeſchweiftes braungelbes Raͤndchen, das an der Außenfahne zuweilen faſt einen Zoll herauf geht; das vierte Paar ſchwarz, dieſe Farbe ſpitz in das weiß⸗ und zuletzt braungelbe Ende auslaufend, das dicht vor der Spitze einen ſchwarzen Querfleck, meiſtens auch noch vor dieſem, jederſeits, einen runden Fleck hat, welcher oͤfters mit ihm zuſam— menhaͤngt; das fünfte iſt an der Wurzelhaͤlfte ſchwarz, an der ans 324 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. dern, ſchief abgeſchnitten, weißgelb, vor der Spitze mit einem ſchwarzen Querfleck und dann noch mit einer unterbrochenen oder aus verſchieden geſtalteten Flecken beſtehenden ſchwarzen Querbinde, auch wol noch mit einer zweiten, die auf der Außenfahne nur mit einem ſchwarzen Tuͤpfel angedeutet iſt, auf der innern aber zum Theil mit der ſchwarzen Grundfarbe verfließt; die kleinen (verkuͤm— merten) Seitenfederchen ſind ſchwarz, mit weißem Fleck an der Spitze und einem andern kleinen am Rande der Außenfahne. Von unten iſt der Schwanz wie oben, das Schwarz nur matter, was auch von der ſchwarz und weiß gebaͤnderten Unterfeite der Schwin— gen gilt; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, der Fluͤgelrand ſchwarz. Die Zeichnung der Schwanzfedern, hinſichtlich der ſchwarzen Binden und Flecke, iſt ſehr verſchieden; oͤfters bilden auch die ſchwarzen Binden an den braungelben Enden nur einen großen Hufeiſenfleck, indem die erſte mit der andern zuſammenhaͤngt, und es geht mit der Veraͤnderlichkeit dieſer Zeichnungen ſelbſt ſo weit, daß die Federn auf der einen Seite des Schwanzes öfters eine an— dere als die auf der entgegengeſetzten haben. Das Braungelb an den Schwanzfedern iſt eine eigene angenehme Farbe, welche an den Spitzen am ſtaͤrkſten aufgetragen iſt, und der Farbe un: Pome⸗ ranzenſchalen gleicht. Das Weibchen iſt aͤußerlich kaum verſchieden, und die ge— ringen Abweichungen ſind meiſtens nur dann zu bemerken, wenn man es mit dem Männchen zuſammenſtellen kann; feine Kopfzierde iſt nicht ganz ſo ſchoͤn roth und geht nicht ganz ſo weit auf die Stirn vor; der Unterkoͤrper hat weniger und ſchmutzigeres Roſa; die Bruſtſeiten viel ſtaͤrkere ſchwarze Schaftſtriche; der ochergelbe Anflug am Kropfe u. ſ. w. iſt bleicher, und es iſt oft auch etwas kleiner, als das Maͤnnchen.“) Von den jungen Maͤnnchen ſind die Weibchen noch ſchwerer zu unterſcheiden. Nach der Mauſer, im Spaͤtherbſt und im Winter, ſehen die Mittelſpechte am ſchoͤnſten aus; dann bemerkt man am friſchen weißen Gefieder der Kopf- und Halsſeiten, ſelbſt zuweilen oben auf den Schultern, einen ſchwefelgelben Anflug, und die Ocherfarbe auf der Bruſt faͤllt auch friſcher und ſchoͤner in die Augen. Den Win— ter hindurch ſieht man noch wenig % nur gegen Ende ) Ein Weibchen mit ganz ſchwarzem Scheitel habe ich nie geſehen. Da dies jedoch früher von einigen Schriftſtellern behauptet ward, fo ſcheint eine Ver— wechſelung des Mittelſpechts mit dem Weißſpecht nicht unwahrſcheinlich, was jetzt, bei genauerer Kenntniß beider Arten, wol Niemand mehr begegnen wird. V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 325 des Frühlings werden alle Farben, das Rothe am Kopf aus— genommen, matter und das Schwarz der Fluͤgelfedern fahler; die Enden der Schwanzfedern erſcheinen ſehr abgeſtoßen, ſo daß im Sommer zuweilen über 3 Zoll lang an den Spitzen der Schaͤfte fehlt. Die unvermauſe sten Jungen haben die Zeichnung der Alten, ſind aber an dem ſchlechter gefaͤrbten Gefieder vorzuͤglich kenntlich; das Roth des Scheitels hat einen geringern Umfang, geht nicht ſo weit auf die Stirn herab, iſt viel ſchlechter, faſt braunroth; dieſe Federn ſind auch kuͤrzer, und wenn die Voͤgel einige Zeit ge— flogen haben, wo das Roth zwar lebhafter geworden, deckt es nicht mehr den durchſchimmernden dunkelgrauen Grund des Gefieders; nur der Bauch und die Unterſchwanzdeckfedern ſind ſchmutzig roſen— roth, auch viel ſchlechter, als bey jenen; die Weichen haben noch ſtaͤrkere Schaftſtriche; das weiße Fluͤgelſchild iſt hinterwaͤrts oft ſchwarzgefleckt, und die Augenſterne ſind blaß braun. Beide Ge— ſchlechter ſind aͤußerlich nicht von einander zu unterſcheiden. — Ob ſie gleich den Jungen des Rothſpechts ſehr aͤhneln, ſo faͤllt doch bei dieſen der viel robuſtere Koͤrperbau, beſonders der dickere Kopf und Schnabel, ſo ſehr auf, daß man die viel ſchwaͤchlichern, ſchlankeren, jungen Mittelſpechte gar nicht mit ihnen verwechſeln kann. Schon im Juli, bei den Jungen aber meiſtens erſt im Auguſt, faͤngt die Mauſer an, geht aber ſo langſam von Statten, daß man nicht ſelten noch im November Mittelſpechte ſchießt, bei welchen der Federwechſel noch nicht ganz beendet iſt. Solche in der Mauſer be— griffene eignen ſich ſchlecht zum Ausſtopfen, da ihr ſehr duͤnnes Fell dann ſehr zerreißbar iſt, die Federn ungewoͤhnlich locker in demſel— ben ſitzen, und die Halshaut ſich nur mit Muͤhe uͤber den Schaͤdel ſtreifen laͤßt, wodurch das Gefieder dieſer Theile ſehr leidet, was uͤbrigens, mehr oder weniger, bei allen mauſernden Spechten der Fall iſt. u enthalt Der Mittelfpecht bewohnt einen großen Theil der Länder, in welchen auch der Rothſpecht zu Hauſe iſt, allein er geht nicht ſo hoch nach Norden hinauf, wie dieſer, und iſt mehr im gemaͤßig— ten und ſuͤdlichen Europa einheimiſch. Im ſuͤdlichen Norwe— gen und Schweden koͤmmt er einzeln vor, in Finn- und Eſthland ſoll er gar nicht ſeyn, was auch von Liv- und Eur: 326 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. land noch behauptet wird. In Preuſſen iſt er ſehr einzeln, aber in Deutſchland in vielen Gegenden ſehr gemein, in an— dern weniger, doch ziemlich allenthalben; ſo auch in der Schweitz, in Oberitalien und in Frankreich, in England aber nur ſehr einzeln, auch in Holland ſelten. Er ſoll auch in einigen Theilen von Sibirien haufig vorkommen. — In unſerm Uns halt iſt er faſt ſo gemein, wie der Rothſpecht, in Laubhoͤlzern oft noch haͤufiger, als dieſer; allein es giebt in Deutſchland auch Laͤnderſtrecken, namentlich große gebirgige Nadelwaldungen, wo er ſelten vorkoͤmmt. Er iſt ein Stand- und Strichvogel, verlaͤßt zum Theil ſchon im Auguſt oder doch im September ſeinen Standort, ſtreicht von einem Gehoͤlz zum andern und kehrt im Maͤrz wieder dorthin zuruͤck. In der Zwiſchenzeit, naͤmlich vom September bis ins Fruͤhjahr hinein, findet man ihn dann uͤberall auch in ſolchen Ge— hoͤlzen, wo er nicht bruͤtet, dies am haͤufigſten im Oktober. Viele bleiben den ganzen Winter hindurch bei uns, manche ſogar in der Naͤhe ihres Niſtrevieres, aber manche moͤgen auch in etwas ſuͤdli— chern Gegenden ſich einen Winteraufenthalt waͤhlen. Dieſe Reiſen machen ſie einzeln, die Jungen anfaͤnglich auch wol mit den Ael— tern, doch nicht mehr als hoͤchſtens zu Dreien, zuſammen. Sie wandern am Tage, vorzuͤglich in der Morgendaͤmmerung, oft weit uͤber freies Feld und hoch durch die Luͤfte fliegend, doch meiſtens der Richtung der Holzungen, wenn auch nur einzelner Baumrei— hen, folgend. Obgleich, wie ſchon erwaͤhnt, dieſer und der Rothſpecht oft einerlei Aufenthalt haben, ſo bemerkt man doch ſehr deutlich, daß ſie ganz verſchiedene Arten von Wald lieben; denn dieſem ſind Nadelwaldungen, dem Mittelſpecht aber Laubholzwaͤlder die lieb— ſten. Nur auf ſeinen Streifereien trifft man dieſen einzeln wol auch einmal im Nadelwalde, aber er weilt nie lange dort; iſt die— ſer dagegen mit Laubholz gemiſcht, und giebt es darinnen viel alte Eichen, Aspen u. dergl., ſo iſt er ſehr gern da; am allerhaͤufigſten bewohnt er aber den reinen Laubholzwald, zumal von Eichen. In unſern Auenwaldungen, welche zwar aus Eichen beſtehen, wo dieſe alten Baͤume jedoch meiſtens nicht dicht ſtehen, ſondern dazwiſchen und ſtellenweis auch Ulmen, Aspen, Weißbuchen, Birken, Ellern und andere Holzarten nebſt vielem Unterholz wachſen laſſen, auch mit Wieſen und Viehtriften wechſeln, worauf bloß einzelne alte Ei— chen ſtehen, iſt er ſehr gemein, und bewohnt ſolche Sommer und V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 327 Winter in Menge. Aus dieſen ſtreicht er dann auch, zumal im Herbſt, in andere kleinere Gehoͤlze, haͤlt ſich in Feldhoͤlzern, in Kopfweidenpflanzungen, an Pappeln und Erlen, in den buſchrei— chen Umgebungen der Doͤrfer und Staͤdte, in Obſtbaumpflanzun— gen und Baumgaͤrten, oft mehrere Wochen lang in einer Gegend auf, iſt hier jedoch auch im Winter weit einzelner, als in den Eichen— waͤldern. Man ſieht ihn an den Baumſchaͤften bald nahe an der Erde, bald hoch oben, in den Aeſten und ſelbſt in den Wipfeln der Baͤu— me, auch oͤfters, aber nur kurze Zeit, auf dem Boden unter den— ſelben. Er iſt auch gern im ſtaͤrkern Stangenholz, durchſucht die ſchwachen Baͤume ſo gut wie die ſtarken, auf deren duͤnnern Aeſten er oft bis zur Spitze hinausſteigt. — Er ſchlaͤft in einer Baum— hoͤhle, die wo moͤglich hoch ſeyn muß, doch auch zuweilen in alten Weiden, welche, fo lange er in der Gegend verweilt, und nicht geſtoͤrt wird, einzig dazu benutzt bleibt, geht mit Vorſicht ſpaͤt in der Daͤmmerung erſt zur Ruhe und iſt, wie andere Spechte, ſchon fruͤhe wieder auf. Wo er keine paſſende Hoͤhle vorfindet, bereitet er ſich eine neue zu dieſem Behuf, und man ſieht ihn ſolche oft muͤhſam genug auf der untern Seite eines horizontalen morſchen Aſtes, das Eingangsloch der Erde zugekehrt, anlegen. Solche dienen nachher gewoͤhnlich den Staaren zu bequemen Brut— ſtellen. SGi gen; en Auch in der Ferne und fliegend, zumal im Sonnenſchein, iſt der Mittelſpecht ein ſehr bunter Vogel, deſſen abſtechendes Schwarz und Weiß, mit dem leuchtenden Roth, herrlich in die Augen faͤllt. An Munterkeit uͤbertrifft er die andern Arten faſt alle, ſeine Bewegungen ſind hurtiger und gewandter, als die des Roth— ſpechts, und wenn er mit dieſem in Streit geraͤth, ſo weiß er durch geſchickte Wendungen ſich recht gut vor Thaͤtlichkeiten deſſel- ben zu ſichern. Auch mit ſeines Gleichen hadert er beſtaͤndig, ſo— bald ihm einer zu nahe kommt, und nicht ſelten ſieht man ſich zwei packen und unter vielem Schreien ein Stuͤck herunter, doch ſelten bis zur Erde herab, purzeln. Deſſen ungeachtet ſtreichen doch oft mehrere, zu einer Familie gehoͤrende, zuſammen in den Gehoͤl— zen herum, allein an einem Baume leidet einer den andern nicht; da muß bald einer weichen. Sonderbar iſt auch hier, daß Mei— ſen, Goldhaͤhnchen, Kleiber und Baumlaͤufer eine 328 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. ſolche Anhaͤnglichkeit verrathen, daß im Winter ſelten ein Mittel— ſpecht allein und ohne mehrere von dieſen Voͤgeln im Gefolge zu haben, herumſtreicht; ſie ziehen ihm nach, ob ihm gleich an ihrer Geſellſchaft nichts zu liegen ſcheint. Ob er gleich ſehr unruhig iſt, ſo kann man ihn doch eigentlich nicht ſcheu nennen; er iſt dies nicht mehr und nicht weniger, als der Rothſpecht, und in der Begattungszeit oft ſogar ſehr unvorſich— tig. Auf der Erde huͤpft er mit ſtark gebognen Ferſen, doch nicht ſehr ſchwerfaͤllig; allein im Klettern an den Baumſchaͤften iſt er un— gemein gewandt, ſo daß er hierin von keinem andern einheimiſchen Specht uͤbertroffen wird. Er haͤmmert und pocht auch ſehr viel an den Baͤumen, macht ſich dadurch bald bemerklich und laͤßt ſich durch nachgeahmtes Pochen leicht herbeilocken. Auch an den Aeſten huͤpft er ſehr geſchickt hinan, ſelbſt wenn ſie nicht ſehr ſtark ſind, klettert oft bis in die Spitzen derſelben hinaus, ſitzt aber auch haͤufig, wie andere Voͤgel, in der Quere auf denſelben, zumal auf den Wipfeln der Baͤume, von wo er gewoͤhnlich auch ſeine froͤhliche Stimme er— ſchallen laͤßt. — Sein Flug iſt ſchnurrend und in einer großen Wogenlinie, wenn er weit geht, wie beim Rothſpecht, doch fliegt er leichter und ſchneller noch als dieſer, und ſieht auch flie— gend etwas ſchlanker aus. Seine Stimme iſt der der eben genannten Art ebenfalls ſehr aͤhnlich, aber fuͤr den Geuͤbten doch kenntlich genug, indem ſein Kick oder Kjick immer einen etwas hoͤhern Ton hat, und weil er dieſe Sylbe faſt nie einzeln hoͤren laͤßt, wenigſtens ſitzend nicht. Immer folgt es mehrmals haſtig auf einander, wie kick kick kick kick, oder ganz haſtig kickickickick u. ſ. w. Zuweilen klingt es faſt wie kjaͤck kjaͤck kjaͤck u. ſ. w. Im Frühjahr ſchreien die Mittelſpechte beſonders viel; dann ſetzt ſich das Maͤnnchen oft auf die Spitze eines hohen Baumes, wiederholt die Sylbe Kick un- zaͤhlige Mal und gegen den Schluß gewoͤhnlich ſo ſchnell nach einan— der, daß man es ein Schaͤckern nennen moͤchte. Es lockt damit ſein Weibchen herbei; aber auch andere Maͤnnchen ſcheint es damit zum Kampfe aufzufordern; denn nicht ſelten ſieht man bald darauf ein anderes mit dem erſtern in dem heftigſten Streit, ſich von einem Baum zum andern jagen und auf den Aeſten entlang ſich verfolgen, auch wol einander wirklich zauſen, aber wenn ſie des Jagens muͤde werden, ſich auch nahe neben einander an einen Baum haͤngen und gewaltig ſchreien; dies Geſchrei iſt dann ein kreiſchendes Gequaͤk, jenem ganz unaͤhnlich. Hierbei ſtraͤuben ſie die ſchoͤn gefaͤrbten v. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 329 Kopffedern hoch auf, und wenn ſie ſo in drohender Stellung nahe beiſammen ein Weilchen verharret, fahren ſie meiſt ploͤtzlich auf ein— ander los und packen ſich nicht ſelten ſo, daß ſie ſchreiend zur Erde herabpurzeln. Die Weibchen werden in der Paarungszeit auf aͤhn— liche Weiſe von den Maͤnnchen gejagt, bis ſie ſich ergeben. Die muntern Mittelſpechte beleben daher, in dieſer Jahreszeit beſonders, unſre Eichenwaͤlder recht ſehr, denn außer dem vielen Schreien ſchnurren auch die Maͤnnchen in der Begattungszeit auf einem duͤrren Zacken, wobei fie ſich gerade fo benehmen, wie die Roth— ſpechte. Dies Schnurren klingt beinahe eben ſo ſtark, wie von dieſen, wie arrrrrr oder oͤrrrrrr, und wird ebenfalls in den Morgenſtunden und bei ſchoͤnem heitern Wetter am haͤufigſten gehoͤrt. Er iſt eben ſo unzaͤhmbar, wie andere Spechte, N aber fonft ein zaͤhes Leben, wie dieſe. ee ee Der Mittelſpecht naͤhrt ſich mehrentheils von Inſekten; dane— ben aber auch noch von mancherlei Baumſamen; und verſchluckt, die Verdauung zu befoͤrdern, auch Kieskoͤrner, die er unten an den Baͤumen aufſucht, ſonſt aber aͤußerſt ſelten auf die Erde her— abgeht. Er beklettert die Baͤume vom Stamme an, bis an die Enden der Aeſte und in die Gipfel hinauf, beſonders gern Eichen, Obſt— baͤume u. a., weniger die Nadelbaͤume, weil er die Inſektenbrut, welche in und unter der Rinde und im morſchen Holz der Laubholz— baͤume wohnen, denen im Nadelholz vorzieht. Er nimmt nicht allein die, welche in den Riſſen der Borke ſitzen, ſondern pickt und haͤmmert auch unablaͤſſig Loͤcher in dieſelbe, ſpaltet ganze Stuͤck— chen Schale ab, und zermeißelt das von der Faͤulniß angegangene Holz, um zu den Larven der Holzwespen (Sirex), der Bockkaͤfer (Cerambyx), Borkenkaͤfer (Bostrychus), Zangenkaͤfer (Forficula), verſchiedener Ruͤſſelkaͤfer und vieler andern zu gelangen, nimmt auch die vollkommenen Inſekten ſelbſt, beſonders kleine Kaͤferchen, Spinnen, dann die Eier verſchiedener Arten und Raupen, die er, an den Schaͤften der Baͤume findet, oder auch von den belaubten Zweigen herabholt. Man ſieht ihn in beſtaͤndiger Thaͤtigkeit, um ſeine Nahrungsmittel aufzuſuchen, zuweilen tiefe Loͤcher hacken, oft ganze duͤrre Aeſte abſchaͤlen, und ſolchen Geſchaͤften von Baum zu Baum, vom fruͤhen Morgen bis in die Abenddaͤmmerung 330 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. nachgehen, wobei er an weniger baumreichen Orten ordentlich Strich haͤlt und ſolchen taͤglich durchſtreift. Man moͤchte dieſe, wie an— dere Spechte, fuͤr arge Freſſer halten, wenn man nicht wuͤßte, daß das unablaͤſſige Aufſuchen ihres Fraßes vorzuͤglich nur dann ſo auf— fallend wird, wenn die Tage kurz und die Naͤchte lang ſind, daß ſie aber, wenn dies umgekehrt, im Fruͤhjahr und Sommer, außer den Fortpflanzungsgeſchaͤften auch ſonſt noch Zeit zum Ausruhen, zu ihren Zaͤnkereien u. ſ. w. uͤbrig behalten. Freilich bieten ſich ihnen dann auch die Nahrungsmittel in groͤßerm Ueberfluß und Ver— ſchiedenheit dar, ob man gleich auch im ſtrengſten Winter ſie nicht eigentlich daran Noth leiden ſieht. Dabei find fie zwar im— mer wohlbeleibt, doch nie fett. j Wenn die Nuͤſſe reif find, geht er auf die Hafelbüfche, bricht die Nuͤſſe ab, klemmt ſie in einen bequemen und dazu eingerichteten Spalt eines nahen Baums oder auch in die Gabel eines ſchwaͤchern Buſchholzes, ſpaltet ſie, und verzehrt begierig den Kern. Von der Erde nimmt er ſie nur dann auf, wenn er ſie von oben herab liegen ſieht, und macht es mit den Eicheln und Bucheln, die er ebenfalls ſehr gern genießt, auch ſo, ſo daß man ihn nur ſelten auf der Erde darnach ſuchend herumhuͤpfen ſieht. Die Kerne die— ſer Fruͤchte verſchluckt er meiſtens zerſtuͤckelt, nicht ganz, und nicht ſelten fand ich den Magen bloß mit zerſtuͤckelten Eicheln angefuͤllt, denen oft erbſengroße Kieſelſteinchen beigemiſcht waren. Auch Kirſch— kerne ſpaltet er ſehr gern, und beſucht deshalb, oft mit dem Rot h— ſpecht in Geſellſchaft, die Suͤß- und Sauerkirſchbaͤume im oder dicht am Walde, um dieſe Fruͤchte abzupfluͤcken, von welchen er aber das Fleiſch weniger achtet, als den Kern. Die letztern ſucht er ſpaͤterhin auch am Boden unter den Baͤumen auf. Ich habe ſelbſt beide Arten einen großen Suͤßkirſchenbaum, in einem nach— barlichen Walde, deshalb ſehr fleißig beſuchen ſehen, und mehrere in dieſer Beſchaͤftigung begriffene davon herabgeſchoſſen. Um die Kirſchkerne zu ſpalten, machen ſie es, wie mit den Eicheln und Ha— ſelnuͤſſen. Er frißt auch Nadelbaumſamen und oͤffnet ſelbſt Kie— fernzapfen, auf die Weiſe, wie der Rothſpecht, doch ſcheint er es nur aus Mangel an etwas Beſſerem zu thun, denn man ſieht es nur ſelten von ihm. Am Waſſer ſieht man ihn 10 ſelten, wie andere Spechte; fie - mögen nur wenig trinken, und ſich noch ſeltner baden. Seine Aus— duͤnſtung verbreitet einen ſtarken, etwas biſamartigen Geruch, wel— cher eben ſo widerlich, wie bei andern Buntſpechten iſt. Seinen V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 331 Magen habe ich immer groͤßer, als den des Rothſpechts ge— funden. a lo. na Der Mittelfpecht niftet in vielen deutſchen Waldungen, beſon— ders in ebenen Laubholzungen und in Eichenwaͤldern, doch nicht in zu kleinen Feldhoͤlzern, zuweilen jedoch auch in Obſtgaͤrten, wenn ſie mit dem Walde zuſammenhaͤngen, und in von Laub- und Na— delholz gemiſchten Waldungen. In den ſchoͤnen Auenwaͤldern un— ſerer Flußufer niſten ihrer viele. Zu Ende Maͤrz oder im April begeben ſie ſich an die Bruͤteorte, wo ſie ſich durch ihr unruhiges Weſen und haͤufiges Schreien bald verrathen. Bald ſieht man dort ein Maͤnnchen ſein Weibchen von Baum zu Baum und bis in die Aeſte hinauf jagen, oder zwei Maͤnn— chen ſich unter heftigem Schreien hart verfolgen, wobei ſie oft im ſonderbgren Fluge ſich hoch uͤber die Gipfel der Baͤume hinweg— ſchwingen; bald lockt ein anderes, auf einem hohen Baumwipfel ſitzend, mit hellgellender Stimme ſeine Gattin, oder es ſchnurren zwei Maͤnnchen in geringer Entfernung gleichſam um die Wette oder einander zum Tort auf ihren duͤrren Aeſten. So kann man das Revier, das ein Paͤaͤrchen inne hat, bald finden, aber nicht ſo leicht den Baum, worin das Neſt befindlich iſt. Zwar zeigen die aus— gemeißelten friſchen Spaͤne, unter den Baum zerſtreuet umherlie— gend, dieſen an, iſt er aber mit Unterholz umgeben, ſo haͤlt es ſchon viel ſchwerer, ihn zu entdecken, und hat man endlich den Baum, ſo iſt es oft, wenn er eine große ſperrichte Krone und viele ſtarke Aeſte hat, eben noch ſo ſchwer, das Loch zu finden, wel— ches die Eier u. ſ. w. enthaͤlt. Dieſe Hoͤhle bereiten ſie ſich ſelbſt, entweder ganz neu, an einer morſchen Stelle und wo der Kern des Schaftes oder Aſtes ſchon etwas faul iſt, oder ſie arbeiten ſich eine ſchon von der Faͤulniß gebildete Hoͤhle gehoͤrig aus, oder ſie bezie— hen eine vorjaͤhrige und reinigen oder putzen ſie bloß auf. Sie iſt nicht leicht unter 20 Fuß vom Boden, wol aber oft bis 60 Fuß hoch und druͤber, bald im Schafte des Baumes, wenn dieſer nicht zu ſtark, bald in einem dicken Aſt, z. B. auf großen alten Eichen, angelegt. Das Eingangsloch iſt zirkelrund, nicht größer, als ge— rade noͤthig iſt, den Vogel hindurch zu laſſen; daher laͤßt es ge— woͤhnlich, von unten und in ſolcher Entfernung geſehen, ſo klein, daß es Mancher nicht für dieſen Vogel gehörig anſehen möchte, Ins N 332 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. wendig iſt es keſſelfoͤrmig erweitert, und vom Eingange ſenkrecht 7 bis 10 Zoll tief, ſelten tiefer. Die Eier liegen auf wenigen feinen Holzſpaͤnen, unten in der an den Waͤnden ganz glatt gearbeiteten Hoͤhle. Es ſind gewoͤhn— lich fünf bis ſechs, auch ſieben. Sie aͤhneln denen des Roth— ſpechts, ſind aber um Vieles kleiner, doch noch bedeutend groͤßer als Feldlercheneier, aber von einer andern Form, viel dicker und kuͤrzer, als dieſe letztern. Ihre Geſtalt iſt faſt immer ein ſehr kur— zes Oval, wovon das eine Ende bloß etwas duͤnner zugerundet iſt, als das andere, ſo daß ſie manchen Eisvogeleiern ziemlich aͤhnlich, doch immer etwas größer find. Ihre in- und auswendig rein weiße Schale iſt ſo zart, daß friſch der rothgelbe Dotter durchſcheint; da— bei ſind ſie von ſo feinem Korn, und ihre Oberflaͤche iſt ſo glatt, daß ſie glaͤnzen, als waͤren ſie kuͤnſtlich polirt; durch das Bebruͤten verliert ſich aber ſehr viel von dieſem Glanz, und das Weiß wird überhaupt ſchmutziger. Sie werden in funfzehn Tagen wechſels— weiſe von beiden Gatten ausgebruͤtet, und die nackten blinden Jun— gen ſind eben ſo haͤßliche, unbehuͤlfliche, dickkoͤpfige Geſtalten, mit knorpeligen Knollen an den Schnabelwinkeln, wie andere junge Spechte. Der Schnabel entwickelt ſeine vollkommene Geſtalt eben ſo mit allmaͤhliger Abnahme jener Knollen, und ſie ſitzen lange im Neſte, ehe ſie Federn bekommen; erſt wenn ſie voͤllig flugbar ſind, fliegen fie aus und durchſtzeifen mit den Aeltern täglich einen ge— wiſſen Bezirk, bis ſie ſich nach und nach vereinzeln oder auch zu zweien oder dreien mit einem der Alten weiter in entferntere Gehoͤlze ſtreichen. Sie werden mit Inſekten aufgefuͤttert, und die Alten lieben ihre Brut ſo ſehr, daß ſie dabei ihre eigne Sicherheit oft aufs Spiel ſetzen, denjenigen, welcher ſich der Hoͤhle, worin die Jun— gen ſitzen, nähert, mit vielem Schreien ganz nahe umflattern, auch auf den Eiern ſo feſt ſitzen, daß, wenn es moͤglich waͤre, mit der Hand durch das Loch zu kommen, man ſie beim Bruͤten alle Mal wuͤrde ergreifen koͤnnen. F e i 0%, Der Huͤhnerhabicht und Sperber verfolgen und fan— gen die Alten nicht ſelten, wobei dieſe heftig ſchreien und immer durch ſchnelle Wendungen hinter ſtarke Aeſte und auf die entgegen— geſetzte Seite der Baumſchaͤfte ſich zu retten ſuchen, was ihnen auch ſehr oft gluͤckt. Zu ihrer Brut koͤnnen nur Wieſeln und — V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. 333 Katzen (dieſe mit den Pfoten) gelangen; man findet ſie jedoch oft vernichtet. Im Gefieder wohnen viele kleine Schmarotzerinſekten, oder ſo— genannte Vogellaͤuſe und Milben; in den Eingeweiden ein Ban d— wurm, Taenia crenata, welcher auch in andern Spechten vor— koͤmmt. Je Mit der Flinte kann er, da er gar nicht ſcheu iſt, leicht erlegt werden, zumal wo er eben bei einer guten Mahlzeit iſt. Durch das nachgeahmte Klopfen laͤßt er ſich leicht taͤuſchen, koͤmmt ſogar, wenn er verſcheucht wurde, mehrmals auf daſſelbe herbei, haͤngt ſich an einen nahen Baum, ſcheint den vermeintlichen Specht or— dentlich zu ſuchen, und kann ſo auch von einem wenig geuͤbten Schuͤtzen bald erſchoſſen werden. Das mehrerwaͤhnte Klopfen, womit man viele Spechte anlocken kann, indem ſie hier einen Kameraden vermuthen, bringt man am beſten mit einem halb aufgemachten Meſſer oder auch mit einem Feuerſtahl an einem Baume hervor; der Baumſchaft deckt zugleich, waͤhrend der Ton hier am taͤuſchendſten hervorgebracht wird, und es bleibt, wenn man mit der einen Hand klopft, die andere zur Handhabung des Gewehrs; nicht ſo, wenn man, wie Andere an— gaben, an der Flintenkolbe klopfen wollte, was uͤbrigens auch Nie— mand einem guten Flintenſchaft bieten wird. Es muß aber auch moͤglichſt natuͤrlich nachgemacht werden, und die Schlaͤge in dem Tempo und in der Anzahl, nämlich zu zweien bis fünfen nach ein» ander und mit angemeſſenen Pauſen dazwiſchen, auf einander fol- gen, gerade, wie es die Spechte machen. Der Ungeſchickte wuͤrde natuͤrlich auch hier nicht immer des Erfolgs ſeiner Bemuͤhungen gewiß ſeyn, während es dem Geübten ein Leichtes iſt, ſich unſere ſaͤmmtliche Buntſpechtarten auf dieſe Art herbei zu locken. Auch an den Vogelheerd kann man ihn auf jene Art locken, wo er zuweilen auf die Stangen im Strauchheerde faͤllt oder ſonſt zufaͤllig, auch auf den Kloben, gefangen wird, was auch beim Meiſentanz manchmal vorfaͤllt. So wird er auch auf den Leimſtangen und der Heherhuͤtte zufaͤllig gefangen. In Schlingen, vor das Loch geſtellt, worin er Nachtruhe zu hal— ten pflegt, wenn man dazu gelangen kann, iſt er leicht zu be— ruͤcken. 334 V. Ordn. XXX. Gatt. 169. Mittel⸗Specht. Nutz en. Sein Fleiſch ſchmeckt beſſer, als das vom 1 0 iſt aber ſchon des widerlichen Geruchs wegen eben kein ſonderlich gu— tes Eſſen. Er nuͤtzt viel mehr durch ſeine Kohn, und wird dadurch fuͤr Wald- und Gartenbaͤume ein hoͤchſt wohlthaͤtiges Geſchoͤpf, das man überall hegen und ſchonen ſollte. Was würde aus un— ſern Waͤldern werden, wenn wir keine Meiſen und keine Spechte haͤtten! Dem Jaͤger zeigt er oft durch ſein haſtiges Schreien die An— weſenheit von Wildpret oder Raubthieren an; denn er laͤßt es haͤufig dann hoͤren, wenn er ploͤtzlich dergleichen zu ſehen bekoͤmmt. Schaden. Dieſer liegt nur in der Einbildung unwiſſender Jaͤger, welche glauben, er zermeißele die Baͤume, was er doch nur, wie andere Spechte, an faulenden oder abgeſtorbenen Aeſten und kernfaulen Schaͤften thut. Das Verzehren der Eicheln, Bucheln, Hafelnüffe und anderer Forſtſaͤmereien wird man ihm, in Betracht ſeines gro— ßen Nutzens, ſo hoch nicht anrechnen koͤnnen, und da, wo er auf die Kirſchbaͤume koͤmmt, wird er auch nie ſo ſchaͤdlich, wie viele andere gefluͤgelte Kirſchendiebe. 170. Der Nlein Sippe ch t. Picus minor Linn. Fig. 3. Maͤnnchen. — 4. Weibchen. Kleiner Buntſpecht, kleiner Rothſpecht, kleiner Schildſpecht, kleiner geſprenkelter Specht, kleinſter Specht, Harlekinſpecht, Sperlingsſpecht, Erdſpecht, Grasſpecht; kleiner Baumſpecht, klein⸗ ſter ſchwarz und weiß geſchaͤckter Baumhacker, kleiner Baumpicker. Taf. 136. V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein-Specht. 335 Pieus minor. Gmel. Lin, syst. I. 1. p. 437. n. 19. —= Linn. Faun. suec, p. 36. n. 102. = Retz. Faun. suec, p. 104. n. 57. = Lath. ind. I. p. 229. n. 15. — Nilsson Orn. suec. I. p. 111. n. 54. = Dendrocopos minor. Koch, Baier. Zool. I. S. 73. n. 6. — Le petit Epeiche. Buff. Ois, VII. P. 62, — Edit. d. Deuxp. XIII. p. 82. — Id. Planch. enlum. 598. f. 1 et 2. = Gerard, Tab. elem. II. p. 12. — Pic. Epeichette. Temminck Man, nouv. Edit. I. p. 399. — Lesser spotted Woodpecker. Penn. arct. Zool. II. p. 278. E. — Ueberſ. v. Zimmermann II. S. 263. E. = Lath. syn. II. Pp. 566. n. 14. Suppl. p. 107. Ueberſ. von Bechſtein, I. 2. S. 468. n. 14. — Picchio sarto minore. Stor. deg. ucc. II. t. 170. f. 1 et 2. = Kleinste bonte Specht, Sepp. Nederl. Vog. IV. t. p. 357. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1039. — Deſſen Taſchenb. I. S. 67. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 124. - Meisner u. Schinz, V. d. Schweiß ©. 41. n. 41. — Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 63. — Brehm, Lehrb. db. Europ. Ornith. I. S. 141. = Friſch, Voͤg. Taf. 37. M. u. W. — Nau⸗ mann 's Voͤg. alte Ausg. I. S. 123. Taf. 27. Fig. 54. Maͤnnch. Fig. 35. Weibchen. ö Kennzeichen der Art. Schwarz und weiß bunt. Der Mittelruͤcken ſchwarz und weiß gebaͤndert; am ganzen Unterkoͤrper kein Roth. Das Maͤnnchen mit rothem, das Weibchen mit weißem Scheitelfleck. Bie ch ei b unn g. Der Kleinſpecht oder, wie er noch gewoͤhnlicher heißt, der kleine Buntſpecht iſt ſchon ſeiner geringen Groͤße wegen nicht leicht mit einem andern einheimiſchen Specht zu verwechſeln. In Ver— theilung der Farben aͤhnelt er, ſo ſehr er auch in der Groͤße abſticht, am meiſten dem Weißſpecht; er hat, wie dieſer, kein weißes Fluͤgelſchild, dafuͤr aber einen weißen, ſchwarzgebaͤnderten Unter— ruͤcken, ahnlich gezeichnete Flügel, Kopf, Bruſt u. ſ. w., doch nie— mals etwas Rothes am Bauch oder After. Die Groͤße iſt etwa die des maͤnnlichen Hausſperlings, das Anſehn aber kuͤrzer und gedrungener, weil er uͤberhaupt auch als Specht etwas kurzgeſchwaͤnzt iſt. In der Laͤnge mißt er nicht leicht uͤber 6 Zoll, oͤfters eher 4 bis 6 Linien darunter; in der Breite 112 bis 12 Zoll; der Fluͤgel vom Bug bis zur Spitze 33 Zoll; der Schwanz 27 Zoll, aber feine Federn nach außen ſtufen— weis an Laͤnge abnehmend, fo daß die aͤußerſte 5 Zoll kuͤrzer, als eine der mittlern, dann aber noch ein kleines verkuͤmmertes Seiten— federchen von 4 Zoll Länge vorhanden iſt; die ruhenden Flügel decken den Schwanz bis auf 4 Zoll, welcher aus etwas kurzen, ziemlich breiten, ſtarren Federn beſteht, die an den Enden meiſt abgerundet, an den beiden mittelſten Paaren aber etwas ſtumpf zugeſpitzt ſind, deren Spitzen auch an den Innenfahnen oft etwas ausgeſchweift erſcheinen, deren Schaͤfte aber wie bei andern Spech— 336 V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein-Spedt. ten, fiſchbeinartig, unten ausgerinnt, und gegen das Ende etwas abwärts gebogen find, auch meiſtens an der feinen Spitze abgebro— chen und ſonſt abgeſchliffen erſcheinen. Der Fluͤgel iſt vorn etwas ſpitz, hinten anſehnlich breit, die erſte Schwingfeder ſehr klein und ſchmal, die zweite auch noch viel kuͤrzer und ſchmaͤler, als die dritte, dieſe aber nur etwas kurzer, als die vierte (welche die laͤngſte von allen), und mit der fuͤnften von gleicher Laͤnge; die der zweiten Ordnung ſind anſehnlich breit und am Ende kurz abgerundet. Der Schnabel iſt klein, etwas ſchwaͤchlich, verhaͤltnißmaͤßig wie beim Mittelſpecht, auch ſo geſtaltet, gerade, von oben geſehen dreikantig, die Leiſtchen wie bei jenem, auch ſo die meißel— artige Spitze. Er iſt 7 Linien lang, an der Wurzel 2 Linien hoch und 3 Linien breit, von Farbe bleiblau, am 95 7 Ruͤcken und der Spitze ſchwarz, an der Wurzel der Unterkinnlade weiß— blaͤulich, inwendig eben ſo, der Rachen fleiſchfarbig. Das laͤng— lichrunde, in einer rinnenartigen Vertiefung liegende Naſenloch wird von einem dicken Buͤſchel vorwaͤrtsgerichteter ziemlich langer Borſtfederchen ganz bedeckt, die hellbraun und an den haarartigen Spitzen ſchwarz ausſehen; auch am Kinn ſtehen vorwaͤrts gerich— tete lichtbraͤunliche Borſtfederchen. Der Regenbogen im Auge iſt in der Jugend hellbraun, wird dann hell gelbrothbraun, beim alten Maͤnnchen endlich faſt feuerroth. Die Zunge hat eine über 3 Linien lange, duͤnne, hornartige, mit feinen Widerhaͤkchen verſehene Spitze, woſelbſt ſie braͤunlich, am wurmartigen Theil aber fleiſchfarbig ausſieht; ſie kann gute 13 Zoll vorgeſtreckt werden, fo daß 0 dann 10 Linien uͤber die Schnabelſpitz hinausreicht. Die etwas kleinen ſchwaͤchlichen Fuͤße ſind an den Laͤufen, vom Ferſengelenk bis uͤber die Haͤlfte herab, mit fahlbraunen Federn beſetzt, das letzte Drittheil mit großen Schildtafeln bedeckt, die Ze— hen oben geſchildert, unten grobwarzig, mit etwas breiten Sohlen, aber nicht auffallenden Sohlenballen; die Krallen weder ſehr groß, noch ſehr ſtark gekruͤmmt, auch weniger ſpitz, als an andern Spech— ten, ſelbſt die Schneiden auf der untern ſchmalen Flaͤche nicht ſehr ſcharf. Die Farbe der Fuͤße und Krallen iſt bleigrau, an den Spi— tzen der letztern ins Schwaͤrzliche uͤbergehend, die Sohlen ins Gelb— braͤunliche fallend. Die Hoͤhe der Fußwurzel iſt 6 bis 7 Linien, die Laͤnge der aͤußern Vorderzeh, mit dem 3 Linien langen Na— gel, 8 Linien, die der innern Hinterzeh, mit dem 2 Linien langen Nagel, 4 Linien. V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. 337 Das alte Maͤnnchen: Stirn, Zuͤgel und Halftern gelb— braͤunlich, bald dunkler, bald weißer; von der Stirn bis auf das Genick ziert den Oberkopf ein großer ovaler Fleck von einem praͤch— tigen hellen Karminroth, welche Farbe naͤchſt der Stirn gewoͤhn— lich etwas lichter, hinterwaͤrts ſtaͤrker oder feuerichter, und an den Seiten mit einem ſchwarzen Strich begrenzt iſt, welcher ſich mit dem dreieckigen ſchwarzen Nackenfleck vereinigt, deſſen untere Spitze ſchmal den Hinterhals hinab zum ebenfalls ſchwarzen Oberruͤcken geht; doch iſt ſchon ein Theil des letztern und der Schultern wie der ganze Unterruͤcken, naͤmlich weiß, mit ſchwarzen Querbaͤndern durchzogen; ein Theil des Buͤrzels und die Oberſchwanzdeckfedern alle einfarbig ſchwarz. Ueber das Auge zieht ein hellweißer Streif, erweitert ſich an den Schlaͤfen und nimmt unterwaͤrts die ganzen Halsſeiten ein; am Mundwinkel faͤngt ein dunkler Bartſtreif an, welcher anfaͤnglich bald nur ſchwarz und weißgrau geſchuppt, bald auch nur ein ganz ſchmaler ſchwarzer Strich iſt, unter dem Ohre aber ein großer dreieckiger ſchwarzer Fleck wird, deſſen untere Ecke an den Seiten der Oberbruſt ſich in ſchwarze Schaftſtriche aufloͤſt; die Wangen, Kehle, Gurgel und alle untern Theile des Koͤrpers weiß, mit einem ſtarken lichtbraunen Anflug, die Bruſtſeiten mit mattſchwarzen Schaftſtrichen und die untern Schwanzdeckfedern mit herz- oder mondfoͤrmigen mattſchwarzen Flecken. Alle Fluͤgelfe— dern ſind ſchwarz, etwas matter als das uͤbrige Schwarz der obern Theile, die Schwingen haben weiße Spitzchen, die großen vier bis fuͤnf, die andern drei bis vier, faſt viereckige hellweiße Randflecke, denn ſie gehen nur an den drei letzten durch den Schaft, an den uͤbrigen nur an den Außenfahnen bis an dieſen, und dieſe Flecke bilden eben ſo viel hellweiße Querbinden durch den ſchwarzen Fluͤ— gel, welche noch um zwei vermehrt werden, durch die weißen Spi— tzenflecke der mittlern und großen Reihe Deckfedern und einer wei— ßen Querbinde an der Wurzel der letztern; auf dem zuſammenge— legten Fluͤgel ſind nur fuͤnf bis ſechs Querbinden ſichtbar. Die zwei mittelſten Paar Schwanzfedern find tief ſchwarz; das dritte ſchwarz, an der Außenfahne ſpitzewaͤrts mit ausgezacktem weißem Keilfleck und ſchwarzer Einfaſſung der Spitze; das vierte nur an der Wurzel ſchwarz, ſonſt weiß, mit ſchwarzen Querbinden und Spitze, das fuͤnfte Paar ganz weiß, mit fuͤnf ſchwarzen Baͤndern; die kleinen Seitenfederchen ſchwarz, mit weißem Randfleck nahe an der Spitze. Von unten iſt der Schwanz wie oben, das Schwarz aber matter, und das Weiße gelblicher; die Schwingen unten Sr Theil. 22 338 V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. grauſchwarz, mit weißen Binden, die untern Fluͤgeldeckfedern ſei⸗ denweiß, mit einzeln ovalen ſchwarzgrauen Fleckchen und einem tiefſchwarzen Fleck unter der Fingerſpitze. Die juͤngern Maͤnnchen haben ſtaͤrkere Flecke an den Un— terſchwanzdeckfedern, der ganze Unterkoͤrper und die Stirn ſind mit einem ſchmutzigern Braun uͤberlaufen, und durch das herrliche Roth der Kopfplatte ſchimmert das Weiß der Federwurzeln, oft fleckenartig, hervor. Sind ſie noch im erſten Jahre ihres Le— bens, ſo erſcheint das Schwarz der Fluͤgel gewoͤhnlich nur rauch— ſchwarz und die Schwanzfedern am Ende ſehr abgeſchliffen. Ge— woͤhnlich iſt auch der mit dem dreieckigen ſchwarzen Fleck an den Halsſeiten zuſammenhaͤngende Bartſtreif ſehr undeutlich, nur ſchwarzgrau geſchuppt. Die Weibchen unterſcheiden ſich hauptſaͤchlich durch eine andere Kopfzeichnung und durch den Mangel alles Rothem, fonft ſind die Farben und ihre Vertheilung beinahe dieſelben. Von der lichtbraunen Stirn erhebt ſich naͤmlich ein großer ovaler, bis faſt uͤber die Mitte des Scheitels hinauf reichender Fleck, welcher weiß iſt und nur gegen die Schnabelwurzel allmaͤhlich in Lichtbraun uͤbergeht; Genick und Hintertheil des Scheitels ſind tief ſchwarz, nach vorn in einer Spitze, jederſeits, jenen bis vor das Auge ein— faſſend, nach hinten mit dem ſchwarzen Nackenſtreif ſich an den ſchwarzen Oberruͤcken anſchließend; die Kopf- und Halsſeiten ha= ben dieſelbe Zeichnung wie beim Maͤnnchen, waͤhrend der Bartſtreif meiſtens deutlicher, der Halsſeitenfleck aber kleiner iſt; dagegen ſind wieder die Schaftſtriche in den Weichen ſtaͤrker gezeichnet, die Flecke an den Afterfedern groͤßer, aber matter, und der lichtbraune Anflug der untern Theile ſchwaͤcher. Bei jungen Weibchen iſt der letztere aber, wie uͤberhaupt bei einjaͤhrigen Voͤgeln beiderlei Ge— ſchlechts, weit ſtaͤrker, Stirn, Wangen, Kehle, Gurgel und Kropf— gegend oft wie mit Gelbbraun uͤbergoſſen, der uͤbrige Unterkoͤrper aber ins ſchmutzige gelbliche Grau uͤbergehend, und dann die Weichen noch grauſchwarz gefleckt; der weiße Scheitelfleck von der Stirn aus ſtark mit Gelbbraun uͤberflogen, und die ſchwarzen Baͤnder auf dem Unterruͤcken undeutlicher oder regelloſer. 1 Den Letztbeſchriebenen find auch die Jung en im Neſtgefie⸗ der ſehr aͤhnlich, der Unterkoͤrper aber noch ſchmutziger, die Bruſt— ſeiten ſtaͤrker gefleckt und in den Weichen, ſo wie an den Unter— ſchwanzdeckfedern, ſtehen die grauſchwarzen Flecke faſt baͤnderartig. v. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. 339 Bechſtein (Naturg. Deutſchl. II. S. 1042.) erwaͤhnt zweier merkwuͤrdigen Abweichungen, — eines Maͤnnchens mit ſchwarzem Scheitel und rothem Hinterkopfe, — und eines andern Maͤnnchens, das am Kopfe gar nichts Rothes hatte, und völlig dem mit ihm verpaarten Weibchen gleich ſah; — mir iſt indeſſen noch keine davon vorgekommen, eben ſo wenig ein Weibchen, mit eingemiſchten rothen Federchen auf dem Scheitel, wie es ſehr alte zuweilen haben ſollen. Eigentliche Spielarten ſind ſehr ſelten, am ſeltenſten eine ganz weiße (Pic. minor candidus). Dann wird auch noch eine blaſſe (P. min. pallidus), gelblichweiß, die ſchwarzen Zeich— nungen braungrau; — und eine bunte (P. min. varius), welche im gewoͤhnlich gefaͤrbten Gefieder weiße Stellen oder Flecken hat, beſchrieben. Sie mauſern im ai und Auguſt, doch fo langſam, daß mau— ſernde Spechte dieſer Art noch im Oktober gefunden werden. u f e n he Dieſer kleine Specht bewohnt mehrere Theile des noͤrdlichen Euro pa, naͤmlich Schweden und Finnland, bis in die Wal: dungen der Finn- und Lappmarken hinauf, Liv- und Eſt h⸗ land, und andere Theile Rußlands, auch das oͤſtliche Sibi— rien; dann ferner alle Laͤnder des mittleren Europa, geht aber anſcheinlich nicht bis zu den ſuͤdlichſten hinab. Ueberall zeigt man ihn jedoch als einen nur einzeln vorkommenden Vogel an. So iſt er auch in Deutſchland, wie in der Schweiß, nicht ſelten, aber doch auch nirgends gemein. Von verſchiedenen Gegenden Frankreichs wird daſſelbe geſagt; aber in Holland koͤmmt er ſehr ſelten vor. In unſerm Vaterlande giebt es Striche, wo er einzeln immer angetroffen wird, andere, welche er nur zuweilen durchſtreift, und in unſerm Anhalt gehoͤrt er wenigſtens nicht unter die Seltenheiten. Sonderbar: In der Naͤhe meines Ge— burts- und Wohnorts kam er ſonſt und noch vor ein paar Decen— nien weit oͤfter vor, als jetzt. Er iſt mehr Stand- als Strichvogel; ſo iſt er z. B. in unſern nahen Auenwaldungen Jahr aus Jahr ein anzutreffen, in andern ſelten und bloß in der Strichzeit. Dieſe iſt gewoͤhnlich der September und Oktober, und einige treiben ſich den ganzen Winter hindurch auch in ſolchen Gegenden herum, welche groͤßere Waͤlder begrenzen, waͤhrend ſie in jener Zeit ſelbſt weniger waldige durch— — 340 V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. ſtreifen. Auf ihren Streifzuͤgen fliegen ſie ungern weit uͤber das Freie, ſondern folgen lieber, wenn es ſeyn kann, ſolchen Baumreihen, die Wald und Gebuͤſch mit einander verbinden. Gegen den April‘ verſchwinden ſie allmaͤhlich wieder aus ſolchen Holzungen, wo ſie nicht niſten. | Sonſt fanden die Holzungen in den Umgebungen meines Wohnorts durch Baumreihen mit nach Oſten gelegenen Eichenwäl- dern in Verbindung, und es waren dieſe Baumreihen, von Oſten nach Weſten, eine allgemeine Straße aller Waldzugvoͤgel. Da man aber fuͤr gut befand, die weſtlichſte Spitze eines jener Waͤlder auszurotten und in Ackerland umzuwandeln, ſo entſtand eine be— deutende Unterbrechung der Straße, welche die Zugvoͤgel ſchreckte und groͤßtentheils andere Wege aufſuchen hieß; daher die ſeitdem ſo ſehr auffallende Abnahme derſelben in unfrer Gegend, und wahr— ſcheinliche Urſache, warum uns jetzt, wie oben erwaͤhnt, auch der kleine Buntſpecht viel ſeltner beſucht, als ſonſt. Er ſcheint die ebenen Waldungen den gebirgigen vorzuziehen, wenigſtens geht er nicht hoch in die Gebirge hinauf. Im reinen Nadelwalde wohnt er nicht, oder koͤmmt darin hoͤchſtens durchſtrei— fend und nur ſelten einmal vor. Dagegen ſind Laubholzwaͤlder, beſonders wenn ſie viel alte Eichen enthalten, ihm die liebſten, na— mentlich, wenn ſie von ſolcher Beſchaffenheit ſind, wie die in den Auen unſrer Stroͤme und Fluͤſſe, von Laubholzbaͤumen aller Art, die Eichen jedoch praͤdominirend, und auch vielem Buſch- oder Un— terholz zuſammengeſetzt. Der Hochwald, wo die alten Baͤume geſchloſſen ſtehen, deshalb kein Unterholz aufkommen laſſen, ſcheint ihm weniger angenehm. In jenen herrlichen Waldungen findet man ihn zu jeder Jahreszeit, und er beſucht von da aus auch andere Laubhoͤlzer, nahgelegene Baumgaͤrten und Obſtanpflanzungen, be— ſonders im Herbſt und Winter. Wenn Nadelwaͤlder auch alte Ei— chen, Aspen und anderes Laubholz ſtellenweis enthalten, ſo iſt er auch in ſolchen eben nicht ſelten. Obſtbaͤume ſcheint er ſehr zu lie— ben, und man ſieht ihn beſonders in der Strichzeit oft in Gärten und großen Obſtanpflanzungen, wenn ſie ſchon alte Baͤume ent— halten, ja im Winter koͤmmt er in den Bauerngaͤrten ſelbſt nahe an die Haͤuſer. Er beſchaͤftigt ſich oft lange an einem Baume; nicht ſo an Weiden, weshalb er in Kopfweidenpflanzungen ſelten lange verweilt. An feinem Winteraufenthaltsorte hat er gewoͤhn— lich ein ordentliches Revier, das er taͤglich, und meiſtens in der— ſelben Richtung durchſtreift, ſo daß er ſogar an einzelnen Baͤumen V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. 341 meiſt um dieſelbe Stunde geſehen wird. Ein ſolches Revier hat in baumaͤrmern Gegenden oft eine große Ausdehnung, im Walde wird es dagegen nicht ſehr bemerklich. In Gaͤrten und Waͤldern ſieht man ihn mehr an 5 Baͤumen, oder auf den Aeſten der ſtarken, die er bis in die Wipfel beklettert, daher man ihn da, wo viele alte Eichen ſtehen, immer oben in den Kronen und an den Enden der Aeſte, nicht aber an Schaͤf— ten von großem Umfang, ſuchen muß. Hier haͤlt er ſich immer hoch oben, in großen ſperrichten Baumkronen, in den Gaͤrten oder im Stangenholz aber auch viel tiefer unten auf, doch ſieht man ihn ſelten auf dem Erdboden. Auf ſeinen Streifzuͤgen, beſonders gegen das Fruͤhjahr, ruht er oͤfters auf der oberſten Spitze eines Baumes kurze Zeit aus, wobei er ſich bald anhaͤngt, bald ordentlich aufſetzt, und dazu gewoͤhnlich hoͤren laͤßt. Seine Schlafſtelle iſt immer die Hoͤhle eines Baumes, wie er ſie entweder vorfindet und ſie ſich dann ordentlich einrichtet, oder die er ſelbſt von Neuem im morſchen Holze eines Baumes oder eines duͤrren Aſtes ausmeißelt. Das Letztere geſchieht am gewoͤhn— lichſten. Er ſieht ſich oft genoͤthigt, Meiſen und Feldſperlinge, die ſie dazu eben ſo bequem finden, mit Gewalt daraus zu vertreiben; denn dieſe gehen Abends immer etwas fruͤher zur Ruhe, als er. Er ſcheint, des haͤufigen Streites um dieſelbe wegen, ſogar zuweilen ihren Beſitz aufzugeben, ſie zu verlaſſen, und ſich eine neue anzule— gen; denn man findet auf einer großen Eiche nicht ſelten mehrere friſch verfertigte, wovon eine nachher oͤfters auch zum Niſten von ihm gebraucht wird, die andern aber jenen Voͤgeln dazu uͤberlaſ— ſen bleiben. Auch in alte Weiden macht er ſich zuweilen ſolche Hoͤhlen, doch ſind die meiſten ſehr hoch angelegt, oft in den ober⸗ ſten Zacken alter hen, i Eigenſchaf ten. Dieſer niedliche Specht iſt einer der munterſten und 9 es ſten ſeiner Gattung; mit großer Leichtigkeit huͤpft er die Baum— ſchaͤfte hinan; umkreiſt ſie eben ſo, klettert auch kleine Strecken ruͤckwaͤrts (doch den Kopf ſtets nach oben), und laͤuft ſelbſt bis auf die fingerſtarken Spitzen der Aeſte hinaus, ſogar auf der untern Seite faſt wagerechter Zacken entlang. Er pickt und haͤmmert viel an den Baͤumen, und iſt im Zimmern der Loͤcher zu Schlaf— ſtellen oder zum Niſten ſo geſchickt, wie die groͤßern Arten, ſucht ſich dazu jedoch immer weichere Stellen aus. Auf alten Eichen / / 342 V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. legt er ſolche nicht ſelten ſogar auf der untern Seite ſehr ſchiefer oder beinahe wagerechter Hornzacken an. Zuweilen ſetzt er ſich auf duͤnne Zweige, in die Quere, wie andere Voͤgel, ſitzt dann aber nicht ſehr aufrecht und zieht dabei die Fuͤße an den Leib. Gegen ſeines Gleichen iſt er eben ſo futterneidiſch und zaͤnkiſch, wie die andern Spechte, weshalb man ihn außer der Fortpflanzungszeit auch immer nur einzeln antrifft. Aber in ſeinem Gefolge ſind ebenfalls ſehr oft Kleiber, Meiſen, Baumlaͤufer und Gold haͤhn— chen, welche mit ihm herumziehen, aber nicht weiter von ihm beachtet werden. Gegen den Menſchen iſt er ſehr zutraulich, und laͤßt ſich ziemlich nahe betrachten, ehe er weiter huͤpft oder gar wegfliegt. Mit dem Mittelſpecht hat er im Betragen die meiſte Aehn— lichkeit, und ſein Flug iſt ebenfalls wie bei dieſem, ſchnurrend und auf weitern Strecken eine große Wogenlinie beſchreibend, wobei er im Niederſchießen die Fluͤgel anzieht, beim Aufſteigen ſie aber aus— gebreitet, flatternd oder ſchnurrend, ſchwingt. Gegen die Kaͤlte unſrer Winter iſt er ganz gleichguͤltig, nur duftiges Wetter, wenn ſich die Baͤume mit Rauhreif belegen, ſcheint ihm unangenehm zu ſeyn. Seine Stimme aͤhnelt der des Mittelſpechts und der Sylbe Kik oder kgiik, allein ſie iſt nicht nur viel ſchwaͤcher, der Ton darin viel hoͤher und feiner, ſondern dieſe Sylbe wird auch ſtets laͤnger gezogen, aber auch ſelten einzeln, ſondern immer mehrmals nach einander, wie kiik kiik kiikekiik kik, ausgerufen. Im Fluge laͤßt er ſie ſelten und nur einzeln beim Niederſetzen oder Anhaͤngen an einen Baum, wenn er eben eine Strecke fliegend zuruͤckgelegt hat, allemal mehrmals nach einander hoͤren. Er ſchreit viel, be— ſonders bei heiterm Wetter, zumal im Fruͤhjahr, wo es dann als Paarungsruf, meiſtens von der hoͤchſten Spitze eines Baumes herab, noch weit öfter wiederholt wird, und die einzelnen Sylben anfaͤnglich gedehnt, dann kuͤrzer, am Schluſſe aber immer kuͤrzer, auch viel oͤfter nach einander, als dort, ausgeſtoßen werden. Außerdem ſchnurrt auch das Maͤnnchen noch auf einem duͤrren Zacken, wie die andern Arten, doch iſt ſein Schnurren an dem ſchwaͤchern, hoͤher klingenden Errrrrr, wie ſein viel feinerer Ruf und feine Lockſtimme, leicht von denen andrer Buntſpechte zu unterſcheiden. Natuͤrlich kann es, ſeiner geringern Kraͤfte wegen, auch nur auf viel ſchwaͤchern Zacken trommeln. Im Anfange der Begattungszeit macht es ſich am erwaͤhlten Brutorte eben ſo durch ſein Schnurren und Rufen, wie durch ſein unruhiges eiferſuͤchtiges Weſen bemerklich; bald jagt V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein: Spedt. 345 das Maͤnnchen fein Weibchen, bald ift ein Nebenbuhler zu vertreis ben, oder andere Vögel, welche ihm die Niſthoͤhle ſtreitig machen wollen, wobei denn überall gefchrieen wird. Nahrung. Er ſcheint bloß von Inſekten zu leben, da man auch im Herbſt und Winter nichts Anderes in ſeinem Magen findet, als Inſekten— larven, Inſekteneier, kleine Kaͤferchen, Ameiſen und Spinnen. Er beklettert deshalb die Baͤume von unten bis in die Spitzen der Aeſte hinauf, vermeidet aber wahrſcheinlich zu ſtarke Baum— ſchaͤfte darum, weil dieſe eine dickere Borke haben, als ihre Aeſte und die ſchwachen Baͤume. Beſonders thaͤtig zeigt er ſich an abge— ſtorbenen Zacken, oder an loſen Stangen und duͤnnen Pfaͤhlen, die er nach und nach meiſtens ganz abſchaͤlt, wozu ſeine Kraͤfte eher hinreichen, als dicke Borke abzuſpalten oder tiefe Loͤcher ins Holz zu hacken. Dies Letztere kann er nur, wenn das Holz ſchon ſehr morſch iſt, und thut es dann auch. Die im abgeſtorbenen Pflaum— baumholze unter der Rinde ſitzenden Inſektenlarven, wohin auch Zangenkaͤfer, und eine kleine ſtahlblaue Art Ruͤſſelkaͤferchen gehöoͤ⸗ ren, ſcheint er beſonders zu lieben; er beklettert daher die Zwet— ſchenbaͤume, auch Aepfel- und Birnbaͤume ſehr gern. Außer den vielartigſten im morſchen Holze und unter der Rinde lebenden Zar: ven, die er in jeder Jahreszeit aufſucht, und deswegen beſtaͤndig pocht und haͤmmert, wobei feine Schwanzfedern ſich ſehr ſtark ab» ſchleifen und verſtoßen, findet er in den Riſſen der Borke auch Raͤupchen, allerlei kleine Kaͤferchen, Spinnen und Eier verſchie⸗ dener Inſekten, endlich auch Ameiſen, die ſich unten an den Staͤm⸗ men der Baͤume und in den Spalten derſelben aufhalten. Obgleich geſagt wird, daß er der Ameiſen wegen oft auf die Erde herabginge, und dieſe im Graſe herumhuͤpfend aufſuchte, ja deshalb Grasſpecht heiße, ſo kann ich doch verſichern, daß ich dies niemals von ihm geſehen, daß es meine Bruͤder, welche ihn gleichfalls vielfältig beobachteten, ebenfalls nie ſahen, und daß auch mein Vater ſich deſſen nicht erinnern konnte. Worauf ſich alſo dieſe Angabe gruͤndet, kann ich nicht ſagen. In ſeinem Magen habe ich unter den Holzmaden, Raupen, Kaͤfern u. ſ. w., immer auch Kieskoͤrner und groben Sand gefunden, was er unten an den Staͤmmen der Baͤume aufnimmt, wobei ich ihn aber nie lange verweilen ſah. * 344 V. Ord n. XXX. Gatt. 170. Klein: Spedt. Seine Ausduͤnſtung iſt verhaͤltnißmaͤßig eben fo ſtark und wi: derlich, als bei andern Spechten; ſie riecht etwas nach Biſam. CH! en In Laubholzwaͤldern oder auch in ſolchen aus Laub- und Na— delholz gemiſchten niſten dieſe Voͤgel auch in mehreren Gegenden Deutſchlands, ſelbſt in groͤßern Feldhoͤlzern, und in Obſtgaͤrten, welche an Wald grenzen. In den Auenwaͤldern an den Ufern der Elbe und Mulde niſten ſie alle Jahre, und eben nicht gar einzeln. Ob ſie gleich durch ihre Unruhe und Laͤrmen am erwaͤhlten Brut— orte ſich leicht bemerklich machen, ſo daß man den Baum, worin das Neſt befindlich, wol auskundſchaften kann: ſo iſt es doch im— mer noch eine ſchwierige Aufgabe, das Loch ſelbſt zu finden, da die vielen großen ſperrichten Aeſte einer hohen alten Eiche deren oft viele haben, aber das rechte ſehr haͤufig von unten nicht geſe— hen werden kann. Da iſt es manchmal in einer Hoͤhe von 50 bis 60 Fuß und druͤber. Leichter iſt es auf juͤngern oder niedrigern Baͤumen, als Linden, Aspen, Obſtbaͤumen und ſonſt zu finden, wo es zuweilen nur 10 bis 20 Fuß hoch vom Boden iſt. Sie zimmern es ſich jederzeit ſelbſt, gemeiniglich da, wo ein alter Aſt ausgebrochen und inwendig das Holz morſch iſt. Der Eingang iſt zirkelrund, wie mit einem Bohrer gemacht, nicht uͤber 14 Zoll im Durchmeſſer, und die innere erweiterte Hoͤhle ohngefaͤhr 6 Zoll tief. Dieſe Arbeit geht ihnen ziemlich leicht von Statten, daher fangen ſie oft mehrere an, ehe ſie eins fertig machen, oder laſſen auch oͤf— ters ein ſchon fertiges liegen, und haben dann doch in kurzer Zeit wieder ein neues fertig. Die Eier liegen bloß auf einigen feinen Holzſpaͤnen, haben noch ncht die Größe von Hausſperlingseiern, oder find wenigſtens nicht ſo lang, denn ſie haben eine ſehr kurzovale Form, worin ſie denen der andern Buntſpechte gleichen; allein ſie ſind um Vieles kleiner als die des Mittelſpechts, und aͤhneln hierin, wie in der Farbe, denen unfres Wendehalſes, von welchen fie kaum ihre. etwas rundlichere Geſtalt und der groͤßere Glanz der Schale unter— ſcheidet. Die zarte Schale iſt vom feinſten Korn, rein weiß und ſchoͤn glaͤnzend; friſch ſcheint der rothgelbe Dotter ſtark durch, und bebruͤtet verlieren ſie viel von ihrem ſchoͤnen Glanze. Man findet fünf bis ſechs, ſelten ſieben in einem Neſte, welche von beiden Gat: ten wechſelsweiſe binnen vierzehn Tage ausgebruͤtet werden. Der Erziehung der Jungen liegen beide Aeltern ob; ſie lieben ſie ſehr, V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein-Specht. 345 fuͤttern bloß mit Inſekten und fuͤhren ſie nach dem Ausfliegen noch eine Zeit lang, um ſie im Aufſuchen ihrer Nahrung anzuweiſen. Gewoͤhnlich verlaſſen ſie den Wald, worin ſie ausgebruͤtet wurden, nicht ſobald als andere Arten, und immer nur einzeln. J e Von den Habichten laſſen ſie ſich, ihrer Gewandtheit we— gen, nur ſelten erwiſchen, und von Raubthieren koͤnnen wenige ihrer Brut etwas anhaben, weil ſie in zu engen Hoͤhlen niſten. Deſſenungeachtet findet man manches zerſtoͤrte Neſt, und auch Fe— dern von getoͤdteten Alten zuweilen; was aber ihrer groͤßern Ver— mehrung, da ſie doch viel Eier legen, ſonſt noch im Wege ſtehen mag, iſt uns unbekannt. 5 Im Gefieder wohnt eine ſehr kleine Art Schmarotzerin— ſekten. Jagd. In Gaͤrten und an niedrigen Baͤumen iſt dieſes harmloſe, kirre Voͤgelchen ſehr leicht, ſelbſt mit dem Blaſerohr, zu ſchießen; allein auf hohen Baͤumen haͤlt es oͤfters ſchwer, es mit einem Schuſſe Dunſt aus einer gewoͤhnlichen Vogelflinte zu erreichen, weil es ſich an den Aeſten eines hohen Baumes oft ſehr lange beſchaͤftigt, ſie bis in die Spitzen hinauf beklettert, und dieſe Hoͤhe, wie die geringe Groͤße des Vogels, leicht den Schuß mißgluͤcken macht. Will man es abwarten, bis der Vogel ſich auf einen andern Baum begiebt, ſo iſt dies ſo langweilig, als unſicher, weil er ſich von da ebenfalls wieder in eine eben ſo hohe Baumkrone begeben kann. Man kann ihn zwiſchen den ſperrichten Aeſten auch leicht aus dem Geſicht verlieren. Er hoͤrt ebenfalls auf das nachgeahmte Pochen oder Haͤmmern, beſonders im Fruͤhjahr; allein man muß dies gut nachmachen koͤnnen; es muͤſſen feinere, ſchnellere Schlaͤge ſein, als bei andern Spechten, und man wuͤrde ſeinen Zweck gewiß verfehlen, wenn man eben ſo, wie beim Roth- oder Mittelſpecht pochen wollte. Gefangen wird er manchmal zufaͤllig auf dem Vog elheerde, wenn er auf die Stangen im Strauchheerde *) faͤllt, und in den Kloben beim Meiſentanz. *) Nach der Einrichtung von meines Vaters Erfindung. Man ſehe deſſen Vo⸗ gelſteller, S. 37. Taf. I. Fig. C. 346 V. Ordn. XXX. Gatt. 170. Klein⸗Specht. Nutz en. Sein Fleiſch ſchmeckt gebraten nicht uͤbel, aber das, noch dazu ſparſam vorkommende, Voͤgelchen giebt nur ſchmale Biſſen. Er nuͤtzt uns weit mehr mittelbar, durch Aufzehren einer großen Menge den Baͤumen ſchaͤdlicher Inſekten nebſt ihrer Brut, und nicht allein den Waldbaͤumen, ſondern auch den Obſtanpflanzungen wird ſeine Anweſenheit zur wahren Wohlthat. Man ſieht ihn beſtaͤndig an den Baͤumen und ihren Aeſten picken und beinahe immer freſſen, und bei nachheriger Unterſuchung findet man den Magen ſo vollgeſtopft von allerlei oft winzig kleinen Baumver— derbern, daß man daruͤber erſtaunen muß. Da er die Obſtbaͤume vorzuͤglich liebt, ſo wird er beſonders den Obſtbaumanpflanzungen in den Waͤldern ſehr wohlthaͤtig, um ſo mehr, da dieſe dort mei— ſtens noch mehr Feinde haben, als die vom Walde entferntern. Schaden. Mir iſt nichts bekannt, wodurch er uns auf irgend eine Art nachtheilig wuͤrde. 171. | Der Dreizehen⸗ Specht. Picus tri d act lus. Linn. Fig. 1. Maͤnnchen. — 2. Weibchen. Dreizehiger Specht, dreizehiger Buntſpecht, noͤrdlicher drei— zehiger Specht, dreifingeriger und ſchaͤckiger Specht, Dreizeh, dreizehiger Baumhacker, dreizehiger Baumpicker; Goldſpecht, Gelbkopf. 0 Picus tridactylus. Gmel. Linn. Syst. I. p. 439. n. 21. — Linn. Faun. Suec. p. 36. n. 103. Retz. Faun. Suec. p. 105. n. 58. — Lath. ind. I. p. 243. n. 56. = Nilsson Orn. Suec. I. p. 112. n. 55. — Pic tridactyle ou yicoide. Temminck Man. nouv. Edit. I. p. 401. = Northern tree -toed Woodpecker. Edw. Glan. t. 114. = Penn. arct. Zool. II. p. 168. Ueberf. v. immer: mann, II. S. 261. n. 84. = Lath. syn. II. p. 600. n. 51. Ueberſ. v. Bech⸗ Taf. 137. V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Dreizehen-Specht. 347 ſtein, I. 2. S. 495. n. 54. — Picchio a tre- dita. Stor. deg. ucc. II. t. 180. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1044. — Deffen Taſchenb. I. S. 73. = Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 125. — Deren Naturgeſch. aller Voͤg. Deutſchl. Heft 26. M. u. W. — Meißner u. Schinz, V. d. Schweitz. S. 42. n. 42. = Meyer, Voͤg. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 63. = Brehm, Lehrb. d. E. Orn. I. S. 142. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. 289. Taf. 41. Fig. 81. Maͤnnchen. ‚ Anmerkung. L' Epeiche ou Pie varie ondé. Buff, Ois. VII. p. 78. Edit. d. Deuxpont. XIII. p. 103. kann hier nicht mit Sicherheit citirt werden, da die Beſchreibung verwirrt, u. die Abbildung: Planch, enl. 553. fehlerhaft iſt, obgleich keine andre Art gemeint zu ſeyn ſcheint. enn zei chen deer A pt. Schwarz und weiß geſchaͤckt; das Maͤnnchen mit gelbem, das Weibchen mit ſilberweißem Scheitelfleck. In der Mitte des Ober— ruͤckens ein weißer Laͤngeſtreif; die Fuͤße nur dreizehig. Beſchrei bung. Dieſer Specht unterſcheidet ſich, außer daß er an jedem Fuß nur drei Zehen hat, auch von andern Buntſpechten ſogleich durch ſein weniger weißbuntes Gefieder; denn die baͤnderartigen Flecke auf den Flügeln find viel kleiner, auch nur an den Schwing— federn; es iſt kein weißes Fluͤgelfeld, wol aber ein aus weißen Querflecken gebildeter Laͤngſtreif auf der Mitte des ſchwarzen Ober— ruͤckens vorhanden; dazu ſind die Seiten des Unterkoͤrpers ſchwarz in die Quere gefleckt, was ebenfalls bei keiner andern einheimiſchen Art ſo vorkoͤmmt. Er iſt kaum etwas groͤßer oder ſtaͤrker als der Mittelſpecht, aber eben fo geſtaltet, 94 bis 10 Zoll lang, 16 bis 17 Zoll breit, und die Flügel, welche vom Bug bis zur Spitze 55 Zoll meffen, decken in Ruhe liegend die Haͤlfte des keilfoͤrmigen, an der Spitze geſpaltenen Schwanzes, deſſen Federn und Federſchaͤfte eben ſo beſchaffen ſind, wie an jenem. Die mittelſten Schwanzfedern ſind 34 bis 34 Zoll lang, die andern nehmen nach außen nach und nach an Laͤnge ab, ſo daß die letzte große um 1 Zoll kuͤrzer, die kleine verkuͤmmerte Seitenfeder aber nur 1 oder 15 Zoll lang iſt, die wie gewoͤhnlich auf der erſten großen ruht, und von den Schwanzdeckfedern faſt verdeckt wird. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr klein, und die vierte erſt die laͤngſte. Der Schnabel iſt ſchwaͤchlich, dem des Mittelſpechts fehr aͤhnlich, doch ein wenig groͤßer und ſtaͤrker, ganz gerade, von oben geſehen beſonders ſchoͤn dreikantig, an der Spitze ſcharf und meißel⸗ foͤrmig, 1 Zoll 1 bis 2 Linien lang, an der Wurzel 4 Linien hoch, 348 V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Dreizehen⸗Specht. und eben ſo breit. Er ſieht licht bleifarbig, oben nach der Spitze zu ſchwaͤrzlich, an der Wurzel der Unterkinnlade faſt weißblaͤulich aus. Die an der Schnabelwurzel in einer Vertiefung liegenden ovalen Naſenloͤcher werden von einem dicken Buͤſchel vorwaͤrts gerichteter, etwas gekruͤmmter, weiß und ſchwarz gemiſchter Borſt— federchen verdeckt, dergleichen ſich auch noch am Kinn und ſonſt an der Schnabelwurzel befinden. Die Iris der lebhaften Augen iſt perlfarben oder ſilberweiß, in der Jugend blaßbraun, was ſich all- maͤhlich in jene Perlfarbe verwandelt, ſo daß es zuletzt nur noch als ein braͤunlicher Ring um die Pupille zu ſehen iſt, und endlich verſchwindet. Die eigentliche Zunge iſt klein, pfriemenartig ſpitz, hart, mit Widerhaͤkchen verſehen, der wurmfoͤrmige Theil nur ſo weit aus— dehnbar, daß ſie kaum etwas mehr als 5 Zoll über die Schnabel: ſpitze hinaus vorgeſtreckt werden kann. Die Fuͤße ſind, bis auf den Umſtand, daß fie nur drei Zehen und auch keine Spur einer vierten haben, denen des P. medius aͤhnlich, etwas ſchwaͤchlich, die Laͤufe etwas unter die Fußbeuge herab befiedert, ſonſt grob geſchildert, die Zehenruͤcken mit ſchmaͤ— lern Schildern dicht bedeckt, die Sohlen und ſtarken Sohlenballen grobwarzig, die Krallen aber anders als bei jenem, ungemein groß, mondfoͤrmig, ſehr ſtark zuſammengedruͤckt, unten mit ſehr feinen Schneiden und mit einer duͤnnen, aͤußerſt ſcharfen Spitze. Die Farbe iſt ſchmutziges, dunkles Bleigrau, an den Zehenſohlen braun— gelblich uͤberlaufen; die der Krallen ſchwarzgraue Hornfarbe. Die Fußwurzel iſt beinahe 11 Linien hoch; die aͤußere Vorderzeh über 11 Linien lang, wovon auf die Kralle die Haͤlfte koͤmmt, wie bei der 9 bis 10 Linien langen innern Vorderzeh, die (aͤußere) Hinter: zeh, die laͤngſte von allen, faſt 1 Zoll, wovon ebenfalls die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt; die innere Hinterzeh (der Daumen) fehlt. Der alte maͤnnliche Vogel hat auf der Mitte des Scheitels einen großen, ovalen, zitrongelben Fleck, deſſen Federn aber eigent— lich auf ſchwarzgrauem Grunde, in der Mitte, ein ſilberweißes Mondfleckchen haben, und nur an der haarartig zerſchliſſenen End— haͤlfte zitronengelb ſind, durch welche jene, die Flecke wie die Grundfarbe, durchſcheinen und das Gelb etwas truͤbe machen; die Stirn und naͤchſten Umgebungen des gelben Scheitelflecks ſind ſchwarz, mit graulichweißen mondfoͤrmigen Fleckchen; der übrige Oberkopf bis auf das Genick und in den Nacken hinab (hier ſpitz auslaufend), desgleichen die Wangen, ſchwarz; über dieſe hin Läuft V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Oreizehen-Specht. 349 ein weißer Streif, welcher uͤber dem Auge anfaͤngt und auf dem Hinterhalſe in einen daſelbſt befindlichen auslaͤuft; ein andrer wei— ßer Streif faͤngt auf den Zuͤgeln an, und laͤuft vor der Wange hin, auf der Seite des Halſes aber gerade herab, ein dritter, aber ſchwar— zer, Streif faͤngt am untern Schnabelwinkel an, laͤuft auf der Halsſeite bis an die Oberbruſt herab, wo er ſich ſehr ausdehnt; der weiße Nackenſtreif vereint ſich mit einem aus lauter großen weißen Flecken und Federenden zuſammengeſetzten, welcher auf der Mitte des kohlſchwarzen Ruͤckens hinabgeht; Buͤrzel und Oberſchwanz— deckfedern tief ſchwarz; Kinn, Kehle, Gurgel und die Mitte der gan— zen Bruſt, der Laͤnge nach, weiß, mit ſtarkem roſtgelbbraͤunlichem Anflug; die Oberbruſt an den Seiten weiß, mit ſchwarzen, mei— ſtens lanzettfoͤrmigen, auch einzelnen rautenfoͤrmigen, Flecken; die Seiten der Unterbruſt, die Weichen, Schenkelfedern, Bauch und Unterſchwanzdeckfedern graulichweiß, mit ſchwarzen Mond = und Querflecken dicht beſetzt. Die tiefſchwarzen Schulter- und Ruͤckenfe-⸗ dern haben am friſchen Gefieder einen ſchwachen blaͤulichen Glanz. Die Fluͤgel ſind ſchwarz, alle Schwingfedern mit einem kleinen weißen Fleckchen an der Spitze, die vordern und mittleren aber mit gleichweit von einander entfernten, kleinen, viereckigen, weißen Randflecken, die auf dem zuſammengefalteten Flügel, an den Schwin— gen, fuͤnf bis ſieben, unordentliche, weiße Fleckenbinden bilden, aber an der aͤußern Kante der fuͤnf letzten fehlen; ſonſt hat der Fluͤgel, außer einigen verſteckten weißen Fleckchen an den großen Deckfedern, nichts Weißes. Von den Schwanzfedern ſind die drei mittelſten Paare ganz ſchwarz; das folgende ſchwarz, an der Endhaͤlfte mit zwei halben und einer ganzen weißen Quer— binde, und einer ſehr feinen ſchwarzen Einfaſſung der weißen Spitze; das fuͤnfte Paar ebenfalls ſchwarz, an der Endhaͤlfte mit zwei halb und zwei ganz durchgehenden weißen Querbin— den, und weißer Spitze, dieſe, beſonders aber die vorhergehende, mit einem brandgelben Anſtrich; das kleine Seitenfederchen ſchwarz, mit weißer Spitze, und naͤchſt dieſer mit einer halben wei— ßen Querbinde. Der Fluͤgelrand iſt weiß und ſchwarz geſchaͤckt; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß, mit ſchwarzen Flecken gewoͤlkt; die Schwingen unten matt ſchwarz, ſchmal weiß gebaͤndert; der Schwanz unten wie oben, nur etwas blaffer. Bei juͤngern Maͤnnchen iſt das Gelb der Kopfplatte v un⸗ ſcheinlicher; die weißen Streifen an den Seiten der Wangen ſind roſtgelb uͤberlaufen; der weiße Ruͤckenſtreif, wegen der geringern 350 V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Dreizehen⸗Specht. Ausdehnung des Weißen an den Federſpitzen, weder ſo breit, noch ſo rein; das Schwarz des Fluͤgels weniger dunkel und mehr ins Schwarzbraune ziehend; auch die Seiten des Unterkoͤrpers haben eine weniger deutliche, faſt wolkichte Zeichnung. Nicht ſelten ha— ben die hinterſten Schwingfedern auch einige weiße Querflecken. Das Weibchen unterſcheidet ſich vornehmlich durch den Mangel der gelben Farbe am Kopfe; Stirn und Scheitel ſind ſchwarz, mit grauweißen Federkanten, die bei altern Weib- chen noch ſilberweiße Spitzchen haben, und ſo einen ſilbergrau— weißen Scheitelfleck bilden; der weiße Ruͤckenſtreif iſt ſchmaͤler und ſtaͤrker ſchwarz gefleckt; die untern Theile vom Kinn bis an den Bauch ſind weißlicher, oder nur braͤunlich uͤberlaufen; die Flecke in den Weichen groͤber, ungeregelter, und auf den letzten Schwing— federn zeigen ſich oͤfters auch weiße Querflecke, welche zuweilen gar am Schafte zuſammenlaufen und eigene Figuren bilden. Meiſtens ſind die Weibchen auch etwas kleiner. b Von den unvermauſerten Jungen ſagt man: ſie ſeien am Oberkoͤrper matter gefaͤrbt, am Unterkoͤrper weißlicher, und weniger gefleckt, ſonſt von den Alten nicht ſehr verſchieden; eine genauere Beſchreibung fehlt bis jetzt. Die Mauſer faͤngt in den Sommermonaten an, und geht eben— falls ſehr langſam von Statten, ſo daß man noch tief im Herbſte Exemplare erhaͤlt, welche ſie noch nicht vollendet haben. Aufenthalt. Dieſer Specht iſt ein Bewohner noͤrdlicher Laͤnder, lebt zwar, doch weit einzelner, auch in gemaͤßigten, ſucht hier aber nur ſol— che Laͤnderſtrecken aus, welche wegen hoher Gebirge in Hinſicht der Luftbeſchaffenheit mit jenen einige Aehnlichkeit haben. So iſt er eigentlich in Norwegen, dem obern Schweden, Finnland, ganz Rußland, auch in Sibirien, zu Hauſe, und hin und wieder ſehr gemein, auch in Eſthland noch, weniger aber ſchon in Liv⸗ und Curland; bewohnt aber auch die hohen Gebirgs— waldungen in den Alpen der Schweiß, Tirols, Oeſter— reichs und Salzburgs, in erſteren nicht ganz einzeln; allein nur ſehr ſelten erſcheint er in ebenen Waldgegenden Deutſch— lands. So wurde vor mehreren Jahren einmal ein Weibchen in der Nachbarſchaft meines Wohnorts, unfern den Muldenufern, von V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Dreizehen-Specht. 351 einer Eiche zufällig herabgeſchoſſen. “) — In den an die Schweitz grenzenden gebirgigen Theilen von Frankreich und Italien koͤmmt er nur ſelten vor. Im noͤrdlichen Amerika bewohnt er Canada und die Gegenden um die Hudſonsbai, aber wahrſcheinlich noch mit einer andern ihm ſehr nahe verwandten Art. Er iſt, wie die andern Spechte, ein Stand- und Strich— vogel; das letztere find beſonders die jungen Vögel, welche im Herbſt die Gegenden ihres Sommeraufenthalts meiſtens verlaſſen, und den Winter hindurch umherſtreichen, waͤhrend viele der Alten ihre Wohnplaͤtze nicht veraͤndern. Als ein Bewohner der Nadelwaͤlder liebt er beſonders die von Fichten und Tannen, und auch die eigentlichen Gebirgswaldungen, hoch in den Alpen. In der Schweitz hat man ihn im Sommer lediglich dort zu ſuchen, z. B. in Habchern, im Simmen-⸗ thal, in Appenzell, im Rheinthal, im Bannberge bei Altdorf und anderwaͤrts. Nach der Brutzeit ſtreift er weiter umher, verläßt jene nicht felten, und beſucht ſelbſt Eichen-Bu⸗ chen- und Birkenwaͤlder, koͤmmt auch öfters im Winter in die Gaͤr⸗ ten oder in die baumreichen Umgebungen bewohnter Orte. Ein Bekannter von mir aus Eſthland verſicherte, daß er dort in die— fer Jahreszeit in der Nähe von Dörfern und Städten ziemlich ges mein, tief in einſamen Waldungen aber viel ſeltner fei, dagegen im Sommer ein umgekehrtes Verhaͤltniß Statt faͤnde, und man ihn dann faſt einzig nur in Nadelwaͤldern antraͤfſe. Boie traf ihn in Norwegen (S. deſſen Tageb. einer Reiſe ꝛc. S. 256. 273. 289 u. anderwaͤrts) auch in den Schwarzwaldungen der Gebirge dieſes Lan⸗ des zahlreich, einzelner in andern auch mit Laubholz wa Waldgegenden im Sommer an. ige mid.“ te n. Er iſt ein muntrer, kecker Vogel, welcher mit großer Gewandt— heit die Baumſchaͤfte und ſtarken Aeſte hinanklettert, ſie aufwaͤrts *) Es war beim Nachhauſegehen von einer herbſtlichen Haſenjagd, wo das Abſchießen der Gewehre, wie oft zu geſchehen pflegt, auf vorkommende Voͤgel gerichtet war, und einige auf den einzelnen Eichen ſitzende Spechte traf, wovon dieſer, wegen feiner von andern Buntſpechten abweichenden Zeichnung, vom Schuͤ⸗ tzen genauer betrachtet, und da man nun gar nur drei Zehen an jedem Fuße fand, fuͤr eine Spechtmißgeburt gehalten wurde. Man warf, nachdem der vermeintliche Kruͤppel maͤnniglich bewundert worden war, die ſeltene Beute weg, und Einer von der Geſellſchaft erzaͤhlte mir bald nachher den Vorfall mit allen Umftänden, fo daß mir im Geringſten kein Zweifel blieb, hier ſei der aͤchte Dreizehenſpecht geſchbffen: 352 V. Ordn. XXX. Gatt. 171. Dreizehen⸗Specht. ſteigend umkreiſet, und hierin, wie in ſeinem wogenfoͤrmigen ſchnur— renden Fluge, und uͤberhaupt in ſeinem ganzen Weſen, dem mun— tern Mittelſpechte außerordentlich aͤhnelt. Er iſt ebenfalls nicht ſcheu, pocht ſehr fleißig an den Baͤumen, und koͤmmt auch auf das nachgeahmte Pochen herbei, indem er eben ſo futterneidiſch wie jener iſt, und da, wo gepocht wird, einen Kameraden vermu— thet, welcher ihm die Nahrung ſchmaͤlern moͤchte. Eben ſo unge— ſellig bewohnen zwar oft viele Einen Wald, aber wenn einzelne ſich zu nahe kommen, giebt es gleich Zaͤnkereien, wobei ſie wie jene heftig ſchreien. Auch ſeine Lockſtimme, ein helles Kgick, iſt der jener ebengenannten Art ſo aͤhnlich, daß ſie ſich ſchwer unterſchei— den laͤßt; ſo auch ein anderes quaͤkendes Geſchrei, wenn ſich zwei zanken, und der Fruͤhlingsruf. Er ſchnurrt auch auf duͤr— ren Zacken, wie jener. i ee ung Wie bei der mehrerwaͤhnten Art beſteht dieſe auch hier in In— ſektenbrut, die er aus den Riſſen und Spalten der Borke oder un— ter der abgeſtorbenen Rinde und aus morſchem Holz hervorholt, deshalb mit dem Schnabel haͤufigſt Loͤcher meißelt oder die Rinde abzuſpalten ſucht. Man fand in ſeinem Magen, außer Borken— kaͤfern oder Larven und Puppen von Bockkaͤfern (Cerambyx, L.) und andern Inſekten, auch Beeren vom Weißdorn (Crataegus Oxyacantha); ob er auch noch andere Baumſaͤmereien freſſe, iſt nicht bekannt, aber wahrſcheinlich. 8 ,, uma Man weiß nur ſo viel, daß er in groͤßtentheils ſelbſt verfer— tigte Loͤcher in Tannen, Fichten und andern Waldbaͤumen, vier bis fuͤnf ſehr glaͤnzend weiße Eyer legt. Feinde. Wahrſcheinlich wie beim Mittelſpecht. In ſeinen Einge— weiden fand man mehrmals eine eigene Art Wuͤrmer aus der Gat— tung Distomum. Jagd. Da er nicht ſcheu iſt, ſo laͤßt er ſich leicht ſchußmaͤßig ankom⸗ men, und nur bei anhaltender Verfolgung wird er etwas fluͤch— tiger. Zuweilen iſt er ſehr dummdreuſt. Das gut nachgeahmte V. Ordn. XXX. Gatt. 172. Dreizehen-Specht. 353 Pochen lockt ihn ſehr bald herbei, und dann kann ihn auch ein we⸗ nig geuͤbter Schuͤtze leicht erlegen. Nutz en. Durch Vertilgung einer großen Menge ſchaͤdlicher Inſekten— brut wird er fuͤr die Waͤlder ſehr wohlthaͤtig. S ch a den. Er wird uns wahrſcheinlich eben ſo wenig nachtheilig, wie an— dere kleine Spechte. Fr Theil. ö 23 Ein und dreißigſte Gattung. Wendehals. Vun x. inn. Schnabel: Gerade, etwas kurz, voͤllig kegelfoͤrmig und an den Seiten nur wenig zuſammengedruͤckt, ziemlich ſpitz. Naſenloͤcher: Nahe beiſammen, am Schnabelruͤcken dicht vor der Stirn, in einer etwas weichen Haut, ſehr ſchmal nieren— foͤrmig oder faſt ritzartig. Zunge: An der nadelfoͤrmigen, horn— artigen Spitze ohne Widerhaͤkchen, der hintere Theil eine ſehr dehn— bare wurmfoͤrmige Röhre, weshalb die Zunge weit vorgeſchnellt wer= den kann. Fuͤße: kurz, ziemlich ſtark, mit vier Zehen, zwei vor-, zwei ruͤckwaͤrts ſtehend, wovon die erſteren an der Wurzel etwas ver— wachſen ſind, die aͤußere Hinterzeh aber eigentlich auch nur die fuͤr immer zuruͤckgeſchlagene aͤußere Vorderzeh und die laͤngſte, die in- nere (wahre) Hinterzeh die kuͤrzeſte iſt. Sie ſind, wie die Laͤufe, mit groben Schildern bedeckt; die Krallen nicht ſehr groß, etwas mondfoͤrmig und ſpitz. Fluͤgel: Etwas kurz und anf, die großen Schwingfedern etwas gebogen, die erſte ſo klein, daß ſie leicht uͤberſehen werden kann, die zweite aber nur ein wenig kuͤrzer als die dritte, welche die laͤngſte iſt. i Schwanz: Nicht kurz, breit, weichfederig, und zum Ans ſtemmen beim Klettern voͤllig untauglich. Er hat 10 große, am Ende abgerundete Federn, die faſt gleich breit und auch in der Laͤn⸗ ge wenig verſchieden ſind, und 2 ſehr kleine verkuͤmmerte Seiten— federchen, welche nicht (wie bei den Spechten) auf, ſondern jederſeits unter der erſten großen liegen. Das ganze Gefieder iſt locker und ſehr weich. V. Ordn. XXXI. Gatt. Wendehals. 355 Die Wendehaͤlſe ſind kleine Voͤgel, welche ihren Namen von einem ſonderbaren Geberdenſpiel der Europaͤiſchen Art haben. Dies iſt auch, ſoviel bis jetzt bekannt, die einzige Achte Art dieſer Gat- tung, denn die wenigen auslaͤndiſchen, welche man auch wol hier— her zu zaͤhlen pflegt, ſcheinen ganz andern Gattungen anzugehoͤren. Sie unterſcheiden ſich von den Spechten durch ihre Geſtalt und eine ganz andere Lebensart, indem ſie nie an den Baͤumen ſtrecken— lang hinaufklettern, ſondern ſich mit ihren Kletterfuͤßen blos mo= mentan anklammern, oder auf ſehr ſchiefen Aeſten ſchwerfaͤllig hin— anhuͤpfen. Auch auf der Erde haben ſie einen huͤpfenden Gang. Es ſind ſtille traͤge Voͤgel, die oft lange an einer Stelle verweilen, und uͤberhaupt ein friedliches einſames Leben fuͤhren. Der Bau ihres Schnabels, Kopfes u. ſ. w. iſt nicht geeignet, daß ſie Loͤcher in Rinde und Holz hacken koͤnnten; ſie thun dies nur in lockerer Erde, denn ſie ſind mehr auf dem Erdboden, als auf Baͤumen, und ihre vorn ſpitze, ſonſt mit einem kleberigen Schleim uͤberzogene, lang vorſtreckbare Zunge iſt es vorzuͤglich, womit ſie ihre Nahrung zu— langen, die in Inſekten, hauptſaͤchlich in Ameiſen beſteht. Ihren Aufenthalt haben fie in waldigen Gegenden, wo fie in hohlen Baͤu— men niſten, in eine vorgefundene Baumhoͤhle ein ſchlechtes, oft auch gar kein Neſt bauen, worin ſie 7 bis 11, oder noch mehr, ein— farbig = weiße Eier legen. „Der innere Bau unſeres Wendehalſes iſt (nach Nitzſch's Unterſuchung) eine Nachahmung der Spechtbildung, weicht jedoch hauptſaͤchlich in folgenden Punkten von ihr ab.“ „Die Hirnſchale iſt ſehr pneumatiſch, glatt, ohne Gruͤbchen auf der Oberflaͤche, und nicht ſo haͤrt wie die der Spechte. Der Aſt der Fluͤgel- oder Verbindungsbeine iſt wenig merklich; die un— tere Wand der weit geoͤffneten Paukenhoͤhle ohne den Knorpelſtrich. Im Ligamento jugomandibulare postico iſt ein deutliches Knoͤ— chelchen. Die Schulterblaͤtter ſind am Ende ſpitzig und nur auf ganz gewoͤhnliche Weiſe etwas nach außen gezogen. Die Rippen, und zumal die Rippenknochen, ſind viel ſchwaͤcher als bei jener Gat— tung; auch iſt der letzte Schwanzwirbel kleiner. Außer dem Schaͤ⸗ del ſcheint kein Knochen luftfuͤhrend zu ſeyn.“ „Die ſchmale Naſendruͤſe liegt am obern Orbitalrande, und ihr Ausfuͤhrungsgang geht oberwaͤrts und von außen uͤber den Fluͤ— gelfortſatz des Riechbeins hinweg in die Naſenhoͤhle.“ „Die Zunge unterſcheidet ſich von der der Spechte nur durch den Mangel widerhakender Seitenborſten.“ 356 V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. „Ob Vormagen und Hoden ſo wie bei den Spechten ſich ver— halten, habe ich noch nicht unterſucht. Uebrigens kann man alle von den letztern angegebene innere Bildungsverhaͤltniſſe auch auf dieſe Gattung anwenden.“ * . * In Deutſchland, wie im uͤbrigen Europa, kennt man nur Eine Ait. \ 172. Der graue Wen de hals. Yunx torguilla. Linn. Fig. 1. altes Männchen. Ba AR: | — 2. junger Vogel. Gemeiner oder bunter Wendehals, Drehhals, Trayhals, Dreh: vogel, Nackenwindel, Halsdreher, Halswinder, Windhals, Nat— terhals, Natterwindel, Natterwendel, Natterzwang, Nattervogel, Otterwindel; Langzuͤngler; Maͤrzenfuͤlle; Grauſpecht und Erd— ſpecht; hier zu Lande: Wende- oder Wengehals. Yunz Torquilla. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 423. n. 1. — Lath. ind. I. p. 223. — Jynz Torquilla. Linn. faun, suec. p. 34. n. 97. = Retz. faun. suec. P. 100. n. 52. — Nilsson orn. suec. I. p. 114. n. 56. — Le Toreol, Buff. Ois. VII. p. 84. t. 3. — Edit. d. Deuxp. XIII. p. 109. t. II. f. 1. — Id. pl. enl. 698. — Gerard. tab. elem. II. p. 14. = Torcol ordinaire. Temmink Man. nouv. Edit. I. p. 403. = Wryneck. Lath. syn. I. 2. p. 548. t. 24. — Ueberſ. v. Bechſt. I. 2. S. 451. n. 1. t. 27. = Bewick, brit. Birds. I. p. 155. = Tor- cicollo. Stor. deg. ucc. II. t. 186. = Draaihals. Sepp. Nederl. Vog. IV. t. p. 343. — Bechſtein. Naturg. Deutſchl. II. S. 1048. Deſſen Taſchenb. I. S. 73. — Wolf und Meyer. Taſchenb. I. S. 126. — Deren Naturg, a. V. D. Heft. 9, = Teutſche Ornith. von Borkh ꝛc. ꝛc. Heft 7. = Meisner u. Schinz. V. d. Schweiz. S. 43. n. 43. Meyer, Voͤgel Liv- und Eſthlands. S. 66. Koch, Baier. Zool. I. S. 75. n. 8. = Friſch, Voͤg. Taf. 35. — Brehm, Lehrb. I. S. 145, = Naumann's Voͤg., alte Ausg. I. S. 124. Taf. 28. Fig. 56. Weibch. und Nachtr. S. 326. a Kennzeichen der Art. Vom Nacken bis auf den Oberruͤcken herab ein braunſchwarzer V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 357 Streif; der Schwanz mit fuͤnf zickzackfoͤrmigen braunſchwarzen Binden. Dre eich e ig Unſer Wendehals hat auf einen fluͤchtigen Blick oder in der Ferne ein wenig in die Augen fallendes Aeußere, ganz verſchieden von dem der Spechte, genauer betrachtet aber ganz eigenthuͤm— liche Farben und Zeichnungen, die wol ſchoͤn zu nennen ſind, da helles Aſchgrau und Roſtgelb, mit verſchiedenem Braun und Schwarz, auch einigem Weiß, in ſchoͤngeformten Fleckchen, Wellenlinien und Zickzacks, nebſt zahlloſen feinen Punkten eine Zeichnung bilden, die ſelbſt durch die lockere ſeidenweiche Beſchaffenheit des Gefieders dem Ganzen eine Wöhnlichkeit mit jenem der Tagſchlaͤfer und man: cher Eulen geben. In einiger Entfernung geſehen, fließen dieſe ſanften Zeichnungen ſo in einander, daß das Ganze nur ein ſchmuz⸗ iges, braungemiſchtes Grau zu ſeyn ſcheint. In der Größe ähnelt er einer Feldlerche; er iſt 7 bis 78 Zoll lang, 114 bis 12 Zoll breit; der Fluͤgel vom Bug bis zur Spitze 34 Zoll, der wenig abgerundete, faft gerade Schwanz 28 Zoll, die kleinen ſehr ſchmalen Seitenfedern kaum 1 Zoll lang, und die ruhenden Fluͤgel bedecken ihn nur 1 Zoll weit. Seine Federn ſind ziemlich und faſt gleich breit, am Ende kurz abgerundet; von den Schwingfedern die erſte außerordentlich klein, die zweite aber kaum etwas kuͤrzer als die dritte, welche die laͤngſte; ſie haben et— was gebogene Schaͤfte, weshalb die ziemlich kurzen, ſtumpfen Fluͤ⸗ gel ſich etwas, doch nicht auffallend, woͤlben. Der Schnabel iſt klein, nicht ſtark, 6 Linien lang, an der Wur— zel 33 Linien breit aber nur 2 Linien hoch, alſo bedeutend breiter als hoch, jedoch ſpitzewaͤrts wieder von den Seiten ein wenig zuſammengedruͤckt, den obern etwas kantigen Ruͤcken nach kaum merklich gebogen, ſo auch am untern, daher die Spitze nicht ſehr ſcharf, die Seiten uͤbrigens ohne Leiſten und glatt. Er hat eine ſchmutzige, erdige, braungelbliche Farbe, die im Innern blos rein⸗ licher und gelblicher ausſieht. Die Naſenloͤcher liegen oben, nahe an der Schnabelwurzel, dicht bei einander in einer weichen Haut, und ſind faſt ritzfoͤrmig oder ſehr ſchmal bohnenfoͤrmig. Ueber dem Mundwinkel und am Kinn ſtehen einige feine ſchwarze Borſthaͤaͤr⸗ chen. Der Augenſtern iſt lebhaft gelbbraun, bei den Jungen grau— braun. Die Zunge iſt wie bei den Spechten, hinten eine wurmfoͤrmige, 358 V. Ordn. XXXI Gatt. 172. Grauer Wendehals. ſehr dehnbare Roͤhre, vorn (die eigentliche Zunge) eine hornartige dünne Spitze, aber ohne Widerhaͤkchen. Sie kann 3 Zoll lang ausgeſtreckt und über 21 Zoll über die Schnabelſpitze hinaus vor: geſchnellt werden. Sie iſt an den weichern Theilen immer mit ei— nem klebrigen Schleim uͤberzogen, und wie der Rachen gelbroͤthlich. Die Fuͤße ſind etwas ſtark, die aͤußern Zehen, im Verhaͤltniß zu denen der Spechte, etwas laͤnger, und die Laͤufe von der Fuß— beuge herab wenig oder gar nicht mit Federn beſetzt; ſie haben keine ausgezeichnete Sohlenballen, und weit ſchwaͤchere, doch auch ziemlich ſcharfe Krallen. Die Laͤufe ſind mit großen Schildtafeln, die Zehenruͤcken mit Schildern bedeckt, die Sohlen fein warzig, als les weniger rauh als an den Spechtfuͤßen; die Krallen zuſammen— gedruͤckt, unten zweiſchneidig, mit ſcharfen Spitzen. Die Farbe der Fuͤße iſt braͤunlichgelb, blaſſer oder dunkler, oft ſehr ſchmutzig; die Spitzen der Krallen braun. Hoͤhe der Fußwurzel 8 bis 9 Linien; Laͤnge der aͤußern Vorderzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, 1 Zoll, die der innern, mit der 27 Linien langen Kralle, 64 Linien; die der aͤußern Hinterzeh, die 3 Linien lange Kralle dazu gerech- net, 10 Linien, und die innere (eigentliche Hinterzeh), auch mit dem 2 Linien langen Nagel gemeſſen, gute 5 Linien. Hieraus er= giebt ſich ein anderes Verhaͤltniß zwiſchen den Zehen der Specht— fuͤße, indem beim Wendehals die innere Vorderzeh kuͤrzer iſt als dort. Die Farbe des Schnabels und der Fuͤße verwandelt ſich im Tode, zumal bei Ausgeſtopften, fo daß fie mißfarbig (lividus) ge⸗ nannt werden kann, weshalb fie einige Schriftſteller bleifarbig nen= nen, was ſie aber im Leben nie ſind. Der Hinterkopf hat etwas lange Federn, welche, wie bei den Lerchen, hollenartig aufgeſtraͤubt werden koͤnnen. Die Farben im Gefieder des Wendehalſes verſchmelzen meiſt ſanft in einander, und die abſtechenden ſchwarzen ſind ſo fein, daß dadurch ein Gemiſch entſteht, was in den Abbildungen von dieſem Vogel ſelten erreicht worden iſt. Der ganze Oberkopf iſt hellgrau, braͤunlich gemiſcht, uͤberall kein ſchwarz beſpritzt und beſonders an den laͤngern Federn mit ſtaͤr— fern ſchwarzen Wellenfleckchen, an welche ſich weiße ſchließen; der Hinterhals ebenſo, aber undeutlicher gezeichnet, und mehr weiß ge— miſcht; aber vom Genick faͤngt hier ein großer brauner, ſchwarzge— flammter Streif an, welcher bis auf den Mittelruͤcken hinabgeht und auf dem Oberruͤcken am breiteſten iſt; der uͤbrige Ruͤcken bis an V. Ord n. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 359 den Schwanz iſt hellgrau, fein ſchwarz punktirt und beſpritzt, hin und wieder mit ſchwarzen Schaftſtrichen, die nicht felten eine pfeil: foͤrmige Geſtalt und weiße Begrenzung, beſonders an den Feder— ſpitzen haben; an den Schultern iſt das Grau ſtark mit lichtem Roſtbraun uͤberlaufen, in welchem ſtaͤrkere ſchwarze, gelbweiß be= grenzte Pfeilflecke ſtehen, und am Fluͤgelruͤcken entlang bildet ſich eine ganze Reihe ſolcher, noch viel ſtaͤrkerer, ausgebogener, ſchwar— zer Flecke, an welche ſich dunkelroſtgelbe oder roſtroͤthlichweiße ſchlie— ßen. Die Zuͤgel ſind gelblich, dunkler punktirt, und vom Auge an zieht durch die Schlaͤfe ein breiter hellbrauner, ſchwaͤrzlich gewellter Streif bis an die Halsſeiten hinab; das Kinn iſt weiß, die Kehle gelblichweiß, Wangen und Gurgel bis zur Kropfgegend ſchoͤn licht roſtgelb, alles mit feinen braunſchwarzen Wellenlinien bezeichnet; die Kropfgegend iſt an den Seiten grau uͤberpudert, auch etwas ſchwarz beſpritzt, die Weichen braͤunlichgelb uͤberflogen, Bruſt und Bauch uͤbrigens gelblichweiß, alles dieſes aber mit ſehr feinen drei: eckigſpitzen oder pfeilfoͤrmigen ſchwarzen Fleckchen beſtreuet, doch nicht ſehr dicht und die Mitte der Unterbruſt am wenigſten; an den untern Schwanzdeckfedern, welche meiſtens ſtaͤrker mit Roſtgelb über= „ laufen find, verwandeln ſich die ſchwaͤrzlichen Fleckchen in Wellen— flecke, ſo wie dies auch gewoͤhnlich in den Weichen der Fall iſt. Die Fluͤgeldeckfedern ſind ſehr licht roſtbraun, wellenartig braunſchwarz beſpritzt und ſehr fein punktirt, mit einzelnen ſchwarzen Schaftſtri⸗ chen und Pfeilflecken, an welche ſich meiſtens blaſſe roͤthlich roſt— gelbliche oder weißliche Flecke ſchließen; die hinterſten Schwingfe— dern faſt wie jene, doch mit mehr Schwarz; die uͤbrigen Schwin— gen dunkelbraun oder matt ſchwarzbraun, an den Außenfahnen mit eckigen blaß roſtfarbenen Randflecken, in gewiſſen Abſtaͤnden, bezeich— net, daß dieſe baͤnderartig durch den Fluͤgel laufen, indem auch am Rande der Innenfahne, dieſen gegenuͤber, aͤhnliche, aber bleichere Flecke ſtehen. Die Schwanzfedern ſind lichtgrau, ſchwarz bepunktet und wellenartig beſpritzt, mit fuͤnf braͤunlichen Schattenbinden, wovon jede ein ſtarker ſchwarzer Zickzackſtreif einerſeits begrenzt, an welchen ſich wieder ein lichter Schein ſchließt, wovon aber zwei Binden durch die Deckfedern verſteckt werden; die kleinen Seitenfedern haben nur drei ſolche Binden. Von unten ſind die Schwanzfedern viel lich: ter, weißgrau, die ſchwarzen Zickzackbinden aber viel ſtaͤrker gezeich— net; die Schwingen unten glaͤnzend grau, mit roſtroͤthlichweißen bindenartigen Randflecken; die untern Fluͤgeldeckfedern blaß roſt⸗ gelb, mit ſchwaͤrzlichen Wellenſtreifen. 360 V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. Maͤnnchen und Weibchen ſind im Aeußerlichen ſo wenig verſchieden, daß man ſie kaum dann unterſcheiden kann, wenn man beide beiſammen hat. Gewoͤhnlich iſt das Weibchen etwas kleiner, hellgrauer, die Fluͤgel durchaus mehr grau als braun, die ſchwar—⸗ zen Zeichnungen am Oberkoͤrper kleiner, auch der ſchwarzgeflammte Ruͤckenſtreif von geringerer Breite und mattern Farben; am Unter— koͤrper ſind dagegen die Wellenlinien haͤufiger, und die Unterbruſt hat vorzuͤglich viel mehr wellenfoͤrmige Zeichnungen, als dort, wo es nur dreiſpitzige ſehr feine Fleckchen ſind; auch iſt am Maͤnnchen die Grundfarbe an der Gurgel u. ſ. w. ein lichteres, viel ſchoͤneres Okergelb, und die Mitte der Bruſt viel reiner weiß. An ſehr alten Maͤnnchen ſind dieſe Farben beſonders hell und rein, die Wellenſtriche an der Kehle und Gurgel außerordentlich fein, und die Pfeilfleckchen an den Seiten der Bruſt fo klein, daß man fie zum Theil dreieckige Punkte nennen kann. Die unvermauſerten Jungen ſind nicht ſehr auffallend von den Alten verſchieden. Wenn ſie ſchon laͤngſt ausgeflogen, iſt ihr Schnabel doch noch nicht voͤllig ausgebildet, kuͤrzer, ſtumpfer, noch ziemlich weich, und roͤthlichgrau; die Iris graubraun; die Fuͤße ſehr blaß gelblichfleiſchfarben, die Krallen grau. Die Grund— farbe iſt im Ganzen lichter, von oben mehr grau als braun, das Gelb der Kehle und Gurgel viel bleicher und ſchmutziger, der uͤbrige Unterkoͤrper nur graulichweiß, alle ſchwarzen Zeichnungen find mat— ter, aber groͤber, bis auf die Pfeilflecke, welche fehlen, auch am Vorderhalſe ſind die Wellenſtreifen groͤber und blaß ſchwarzgrau; die Weichen ebenfalls, wie die Unterſchwanzdeckfedern, mit groben ſchwarzgrauen Wellen, die Bruſt ſehr wenig grau gefleckt; der braunſchwarze Nackenſtreif am Maͤnnchen größer als an dem ſonſt gleichgefaͤrbten Weibchen. Spielarten ſind unter dieſen Voͤgeln eben nicht ſelten, be⸗ ſonders eine blaſſe (Vunx torquilla pallida.), wovon ich einſt ein herrliches Maͤnnchen, das ſeinen Paarungsruf ſehr eifrig hoͤren ließ, erlegte. Schnabel und Fuͤße ſind blaßfleiſchfarbig, die Au— genſterne blaßbraungelb, das Gefieder der obern Theile im Grunde roͤthlichweiß, die gewoͤhnlichen Zeichnungen kaum dunkler, doch der große Ruͤckenſtreif und die Pfeilflecke auf den Schultern, nebſt dem dunkeln Streif an den Schlaͤfen deutlich ausgezeichnet, von einer lichten Roſtfarbe; der Unterkoͤrper ſchoͤn gelblichweiß, die dunkeln Wellen- und Pfeilfleckchen ſehr bleich roſtfarben; die Fluͤgel weiß, roſtroͤthlich gewoͤlkt, mit roſtfarbenen Pfeilflecken, die Schwingen V. Ordn. XXXL Gatt. 172. > A 361 weiß, mit blaßroſtfarbigen Flecken auf den Außenfahnen; der Schwanz auch weiß, die gewoͤhnlichen Zickzackbinden mit matter Roſtfarbe, aber deutlich gezeichnet. — Seltner, aber nicht ſchoͤner als dieſe, iſt eine ganz weiße (Yunx torquilla candida), ein ſogenannter Kackerlack, mit dunkelrother Pupille, ſilberfarbe— nem Augenſtern, fleiſchfarbigem Schnabel und Füßen, oben ſchnee— weißem, unten ins Gelbliche ſpielendem Gefieder. — Dann wird auch noch eine geſtreifte (V. torq. striata) folgendermaßen be= ſchrieben: Kopf und Oberleib, auch Fluͤgel und Schwanz roſtroth, die erſtern mit ſchoͤnen gelben Querflecken gemiſcht, die untern Theile weiß, mit gelben Laͤngelinien, die Fuͤße gelb. Nn eee Dies iſt ein weit verbreiteter Vogel. Er bewohnt ganz Eu— ropa bis zum arctiſchen Kreiſe hinauf, von Griechenland, Italien, und Spanien bis ins mittlere Norwegen, ja bis Lappland, eben ſo in Aſien, von Syrien, Perſien, Indien bis nach Sibirien und Kamtſchatkaz; endlich iſt er auch in Afrika. In Deutſchland und den angrenzenden Laͤndern iſt er zwar keine Seltenheit, koͤmmt aber, wie uͤberall, blos einzeln vor, und es giebt Striche, welche er gar nicht beruͤhrt, aber auch andere, wo er ziemlich gemein iſt. Zu den letztern kann man unſer Anhalt, das benachbarte Sachſen und Thuͤrin— gen zaͤhlen. Er iſt ein Zug vogel, fo, daß ihn die gemäßigten und kaͤl⸗ tern Erdtheile nur in den Sommermonaten haben, und ſein Win— teraufenthalt die heiße Zone iſt; er hat alſo jaͤhrlich zwei Mal große Reiſen zu machen, um immer in einer ziemlich gleichfoͤrmigen Tem— peratur leben zu Finnen. Wir dürfen ihn einen Sommervogel nennen, da er erſt mit andern Inſektenvoͤgeln im vollen Fruͤhling ankoͤmmt und uns mit Ende des Sommers ſchon wieder verlaͤßt. Bei uns erſcheint er, wenn junges Gruͤn aus den Knospen unſrer Laubholzbaͤume eben hervorbrechen will, wenn Löwenzahn und Gaͤn— ſebluͤmchen im Flor ſtehen, d. i. nicht vor Ende des April, oft auch erſt im Anfange des Mai, in noͤrdlichern Laͤndern, z. B. in Schwes den, erſt um die Mitte des Mai, und er verlaͤßt uns im Anguſt ſchon wieder, wobei jedoch der Durchzug bis um die Mitte des Septem- ber dauert. Er macht feine Reiſen des Nachts, im Fruͤhjahr im: mer einzeln, und die Maͤnnchen kommen ſtets mehrere Tage fruͤher an als die Weibchen; im Herbſt zieht er dagegen zuweilen auch zu 362 V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. zweien bis vieren beiſammen, die jedoch nicht aͤngſtlich zuſammen⸗ halten und ſich leicht vereinzeln. Seine Aufenthaltsorte ſind vorzuͤglich anmuthige Laubholzwaͤl— der, welche mit Wieſen und Aeckern abwechſeln oder ſonſt viel Bloͤ— ßen enthalten, Feldhoͤlzer, Baumgaͤrten, Anpflanzungen von Wei— den= und Obſtbaͤumen, ſelbſt Feldbuͤſche und einzelne Feldbaͤume, im Herbſt Kohlfelder und Gemuͤſebeete, in der Naͤhe von Baͤumen und Buͤſchen. Tiefliegende, feuchte Gegenden zieht er den duͤrren vor, und in gebirgigen Gegenden findet man ihn meiſtens nur in Vorhoͤlzern, auf den Vorbergen und in Thaͤlern, aber nicht hoch im Gebirge. Ex iſt nicht im duͤſtern alten Hochwalde, verabſcheuet die Nadelwaldungen, koͤmmt aber in von Laub- und Nadelholz gemiſchten dann vor, wenn Holz- und Graswuchs nicht zu kuͤm— merlich iſt; denn er liebt fruchtbare Gegenden. Bei uns iſt er im Sommer in Baumgaͤrten bis nahe an den Gebaͤuden, beſonders bei Dörfern, in allerlei Baumpflanzungen, zumal wo fie mit Feldhoͤl— zern und größern Waldpartien zuſammenhaͤngen, überall gemein. Er iſt ein Waldvogel, lebt immer in der Naͤhe von Baͤumen und Gebuͤſch, verſteigt ſich aber ſelten ſehr hoch in die Kronen hoher Bäume hinauf, und bis zum Wipfel ſolcher faſt nie; er liebt die nie⸗ drigen und die vom mittleren Schlage, z. B. Kopfweiden, Birn— und Aepfelbaͤume; iſt gern auf ſolchen, wo unten auch Buſchholz und etwas Geſtraͤuch waͤchſt, wo es jedoch nicht zu duͤſter iſt, gerade wie man es oftmals in den Gaͤrten der Landleute findet; ſitzt oft auf den unterſten Aeſten der Baͤume, auf trocknen Zweigen, zuwei— len auch im niedrigen Strauchholz, haͤufiger jedoch auf dem Erdbo— den ſelbſt. Er fliegt zwar gern dem Gebuͤſche nach, wagt ſich aber doch auch oft uͤber große freie Flaͤchen und lagert ſich beim Wegzuge gern auf nahe mit Futter⸗ und Kuͤchengewaͤchſen bebauete Aecker, wenn ihm nur hin und wieder ein Baum oder Strauch bei vorfal— lenden Stoͤrungen Schutz gewaͤhren kann, wohin er denn auch, wenn er aufgejagt wird, immer fluͤchtet. Zur Nachtruhe ſucht er eine Baumhoͤhle auf, oder haͤlt ſie auf den Weidenkoͤpfen, zwiſchen alten Sturzeln und dichten Zweigen, ſehr oft in hohlen Weiden oder Obſtbaͤumen. Eigenſchaften. Sein Betragen contraſtirt ſehr gegen das muntere Weſen der Spechte. Es iſt ein ſtiller, ziemlich traͤger, harmloſer, man moͤchte ſagen: ſchwermuͤthiger Vogel, langſam, doch gerade nicht ſchwer— V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 363 faͤllig oder ungeſchickt in ſeinen Bewegungen, friedfertig mit an⸗ dern nachbarlichen Voͤgeln, und ſelbſt der Streit zweier Maͤnnchen wegen einer Gattin iſt meiſtens nur ein oͤfteres kurzes Hin- und Herfliegen, Geberdenſchneiden und zuletzt ein oft wiederholtes wech— ſelſeitiges Schreien, wobei aber jedes auf feiner Stelle, in einiger Entfernung von dem andern, ſtill ſitzen bleibt, die Kopf- und Kehl— federn aufblaͤſt, u. ſ. w. Dabei hat er ſo wenig Furcht vor dem Menſchen, daß man meiſtens ganz nahe hingehen kann. Auf dem Erdboden laͤßt er ſich oͤfters bis auf wenige Schritte uͤberraſchen, fliegt dann gewöhnlich auf einen niedrigen Aſt des naͤchſten Bau— mes, nimmt hier wol ein erſchrecktes, furchtſames Ausſehen an, wobei er ſich ziemlich ſchlank macht und mit dem Schwanze oftmals ſchwach aufwaͤrts zuckt, fliegt jedoch auch von da niemals ſehr weit weg. Wenn man ihn auf Baͤumen ſieht, wo er oft ſehr lange an ei- ner Stelle bleibt, ſo ſitzt er auf den Aeſten gewoͤhnlich in die Quere, wie andere Voͤgel, ſelten huͤpft er auf einem ſtarken, ſchiefen (we— der wage- noch ſenkrechten) Aſte eine Strecke hinan, und dann ges ſchieht dies auch nicht ganz ſo, wie bei den Spechten, der Laͤnge nach, ſondern in ſchiefer Stellung des Koͤrpers, ſo daß es ſcheint, als ſuche er damit vorzuͤglich das Verſtoßen und Verſtuͤmmeln ſei— nes weichfederigen Schwanzes zu verhuͤten. So klammert er ſich auch oͤfters auf einige Augenblicke an ſenkrechte Baumſchaͤfte an, ebenfalls weder in die Laͤnge, noch ganz in die Quere, ſondern in ſchiefer Richtung, ohne jemals auf einer ſolchen Flaͤche weiter fort zu huͤpfen. Seine Kletterfuͤße dienen ihm alſo blos dann und wann zum Anklammern, aber zum Klettern auf- oder abwaͤrts gar nicht. Er ſitzt auf den Zweigen gewoͤhnlich wenig aufrecht, und zieht die Füße dazu ſehr an den Leib. Auch auf der Erde huͤpft er mit ſtark gebogenen Ferſengelenken, langſam, aber nicht ganz ſchwer— faͤllig, zuweilen ſogar in ziemlich raſchen großen Spruͤngen (wie oͤfters auf den Aeſten entlang), wobei er den Schwanz etwas erha— ben traͤgt, und zuweilen damit zuckt. Er haͤlt ſich da gern unter Geſtraͤuch, Stauden und Graſe verſteckt und geht ſeiner Nahrung meiſtens ungeſehen nach. Eine ſehr merkwürdige Eigenheit iſt fein ſonderbares Geberden— ſpiel. Er dehnt den Hals oft lang aus, ſtraͤubt die Kopffedern zu einer Holle auf, und breitet den Schwanz faͤcherfoͤrmig aus, alles unter wiederholten langſamen Verbeugungen; oder er dehnt den ganzen Koͤrper und beugt ſich, dies beſonders wenn er boͤſe iſt, lang⸗ 364 V. Ord n. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. ſam vorwaͤrts, verdreht die Augen und bewegt die Kehle, wie ein Laubfroſch, aber mit einem ſonderbaren dumpfen Gurgeln. In der Angſt aber, wenn er z. B. gefangen iſt und man mit der Hand zugreifen will, macht er ſo ſonderbare Grimaſſen, daß ein Unkundi⸗ ger daruͤber wo nicht erſchrecken, doch erſtaunen muß; mit aufge— ſtraͤubten Kopffedern und halbgeſchloſſenen Augen, dehnt er den Hals zu einer beſondern Laͤnge aus, und drehet ihn wie eine Schlange, ganz langſam, ſo, daß der Kopf waͤhrend dem mehrmals im Kreiſe umgeht und der Schnabel dabei bald ruͤckwaͤrts, bald vor⸗ waͤrts ſteht. Auch wenn man ihn in der Hand haͤlt, drehet und windet er ſich ſo, vielleicht um damit die Freiheit wieder zu gewin— nen. Ich ſah einen auf unſerm Vogelheerde vom Netze bedeckt, den Kopf durch die Maſchen ſtecken, und Kopf und Hals wie eine Schlange winden, was gar poſſierlich ausſah. Eben dieſes ſon— derbare Drehen und Winden verhalf ihn zu den Namen Wendehals oder Drehhals, Natterwindel und andern. Merkwuͤrdig iſt noch, daß es nur der alte Wendehals und die Jungen erſt dann machen, wenn ſie voͤllig erwachſen und eine Zeit lang ausgeflogen ſind. Der Ruhe liebende Wendehals fliegt auch nicht gern, und man ſieht ihn ſelten große Strecken aus eignem Antriebe durchfliegen; wo es ſein kann fliegt er den Baͤumen nach, um oͤftere Ruhepunkte haben zu koͤnnen. Wenn er von einem Baume zu einem entfern— tern fliegt, macht er es faſt wie die Wuͤrger, naͤmlich er ſenkt ſich beim Abfliegen gewoͤhnlich erſt ein Stuͤck herab und ſteigt in einem großen flachen Bogen wieder aufwaͤrts, und dann geht es in einer ſanften Wogenlinie weiter. Auf kurzen Strecken iſt der Flug ſchnur— rend und gerade fort, beim Auffliegen vom Erdboden faſt etwas ſchwerfaͤllig, und nur auf weitern Ausfluchten tritt jener ſanft wo= genfoͤrmige ſchnellere Flug ein, wobei er die Fluͤgel abwechſelnd ſtark anziehet und ſchnell flatternd ſchwingt. Gewoͤhnlich fliegt er auch vom Erdboden in ſchiefer Linie aufwaͤrts, und bei ſtetem Flattern in gerader Linie manchmal weit weg; dieſer Flug iſt eben nicht ſchnell und ſcheint mit Anſtrengung verbunden. Ich habe ihn auch niemals ſehr hoch, ſondern faſt immer nahe uͤber den Erdboden oder hoͤchſtens in mittler Baumhoͤhe hinfliegen ſehen. Aus feiner Ruhe aufgeſchreckt oder auch im Zorn fliegt er auch zuweilen von einem nahen Baum zum andern im huͤpfenden Fluge, wie oͤfters die Rothkehlchen. Außer der Paarungszeit hoͤrt man nur ſelten eine Stimme von ihm, und man nennt ihn ganz mit Unrecht einen ſtarken Schreier, V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 365 da ſelbſt der oft gehoͤrte Paarungsruf des Maͤnnchens nur heiſer klingt und auf weniger als tauſend Schritt Weite nicht mehr ver— nehmbar iſt. Er aͤhnelt dem Gaͤth gaͤth gaͤth u. ſ. w. des Lerchenfalken, klingt aber viel ſchwaͤcher, eigentlich wie weid weid weid weid weid weid n.f. f. Wenn zwei Maͤnnchen mit einander zanken, d. h. einander gegenuͤber, jedes auf einem be— ſondern Baume oder Zweige ſitzend, Geberden ſchneiden, moduliren ſie dieſen Ruf auf mancherlei Weiſe; das eine ſchreiet z. B. ſein weid weid weid ſo laut es nur kann, wobei es ſich ſehr an— ſtrengt, waͤhrend das andere nur leiſe oder ganz heiſer waͤd waͤd waͤd waͤd waͤd, auch ſchneller waͤtwaͤtwaͤt, ruft, womit fie dann lange Zeit abwechſeln. Die einzelnen Sylben des erſtern haben Aehnlichkeit mit dem Worte: Weib, weshalb unſer Landmann ſpricht: „Der Specht (fo meint er) ruft fein Weib, nun wird's Sommer.“ Denn man hoͤrt dieſen Fruͤhlingsruf des maͤnnlichen Wendehalſes ſogleich bei ſeiner Ankunft in unſern Gegenden, und wird freudig uͤberraſcht, wenn man ihn an einem heitern Fruͤh— lingsmorgen zum erſten Mal vernimmt, wo Tags vorher noch kei— ner ertoͤnte, ſo wie der Ruf des Kuckucks, des Wiedehopfs u. a. m. zum erſten Mal im Jahr gehoͤrt, ſtets einen angenehmen Eindruck auf das Gemuͤth macht. Im Anfange ruft er ſehr eifrig die Sylbe Weid wol zwoͤlf bis zwanzig Mal ziemlich ſchnell nach einander und macht nur kurze Pauſen zwiſchen den Strophen; ſitzt dabei meiſtens auf einem duͤrren Aeſtchen, oft etwas hoch und ziem— lich frei, mit ſtarker Bewegung des aufgeſperrten Schnabels und der aufgeblaſenen Kehle, welche ſich auch dem ganzen Koͤrper mittheilt, uͤbrigens aber ganz ſtill; und wenn er ſich hier eine gute Weile hat hoͤren laſſen, fliegt er oft weit weg, auf eine andere Stelle, und treibt ſich ſo in einem nicht gar großen Bezirk den ganzen Tag her— um. Nachher, wenn er erſt ein Weibchen gefunden und ſich ein Bruͤteplaͤtzchen gewaͤhlt hat, laͤßt er ſich nicht mehr ſo anhaltend, und meiſtens nur in den Morgenſtunden hoͤren; dann verhallt auch ſein einfoͤrmiger Ruf unter den tauſendſtimmigen beſſern Geſaͤngen um ihn lebender Singvoͤgel. Wenn er erſt Junge hat, hoͤrt er ganz auf zu rufen. — Sonſt haben beide Geſchlechter nur ganz heiſere kurze Töne, die man nur in der Nähe vernimmt, und ein Angſtge⸗ ſchrei, was ſich durch die Sylbe Scheck (kurz abgebrochen) verſinn⸗ lichen laͤßt, und nach Maßgabe der Urſache oftmals und ſchnell oder einzeln und langſamer nach einander wiederholt wird. Es klingt faſt wie von einem Wuͤrger, aber ſchwaͤcher und heiſerer. Bei 366 V. Or bn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. den Jungen, zumal wenn dieſe eben ausgeflogen ſind und in Ge⸗ fahr kommen, ſtoßen es die Alten am oͤfterſten aus. Sonſt haben noch die Jungen, ſo lange ſie im Neſte ſitzen, eine eigene Stimme, die dem Schwirren der Heuſchrecken aͤhnlich, auch nicht ſtaͤr— ker klingt, als das einer mittelgroßen Art dieſer Inſekten. Als Stubenvogel hat er wenig empfehlende Eigenſchaften, ob er ſchon den Verluſt der Freiheit leicht und mit ſtillem Gleichmuth zu ertragen ſcheint. Sein Geberdenſpiel beluſtigt zwar, aber er beſchmutzt ſich auch bei dieſen ſanften Bewegungen ſein ſeidenwei— ches Gefieder ſehr, und ſitzt uͤbrigens, wenn er nicht gereizt wird, ſtill und traurig, lernt aber ſeinen Wohlthaͤter bald kennen, und wird uͤberhaupt ſchnell und ungemein zahm, ſo daß man ihn ſogar zum Fenſter hinauslaſſen und mit dem Futternapfe wieder herein— locken kann. Mir iſt nicht bekannt, ob er in der Gefangenſchaft lange dauert, da alle, welche ihn befaßen, feiner bald uͤberdruͤſſig wurden und ihm die Freiheit wieder ſchenkten. N a her u w g. Er naͤhrt ſich von Inſekten, hauptſaͤchlich von Ameiſen und de— ren Puppen. Gegen den Herbſt verſchluckt er zuweilen auch Hoh— lunderbeeren, doch ſelten. Er ſucht ſeine Nahrung viel mehr auf der Erde, als auf Baͤu— men, geht dort am meiſten ſeiner Lieblingsſpeiſe, den Ameiſen, nach, indem er die Haufen derſelben durchſtoͤrt, dann ſeine klebrichte Zunge ausſtreckt, darin herumſchlaͤngelt und die daran angeklebten Thier— chen damit in den Schnabel zieht. Er frißt alle kleinere Arten, bes ſonders die gelben (Formica rubra.), ſchwarzen (F. nigra) und braunen (F. fusca) Ameiſen, noch weit lieber aber die Puppen der— ſelben, die er aber anders zu Munde fuͤhrt, indem er ſie alle einzeln mit der harten Zungenſpitze anſpießt und ſo verſchluckt. Auch an den Schaͤften, Aeſten und Zweigen der Bäume fängt er die Amei— ſen weg, indem er ſich hie und da auf ſehr kurze Zeit anklammert, aber ſie nie in mehreren Spruͤngen an ſenkrechten Flaͤchen hinauf verfolgt. Noch viel weniger iſt er im Stande, Loͤcher in die Rinde der Bäume zu hacken; dazu iſt fein Schnabel zu ſchwach und über: haupt der Bau des Kopfes, der Halsmuskeln u. ſ. w. gar nicht ein⸗ gerichtet. Seine Zunge leiſtet ihm dagegen die wichtigſte Huͤlfe | bei feinen Nahrungsgeſchaͤften, weil er fie auch in Löcher und Ritzen ſteckt und die Inſekten damit anſpießt oder anklebt; nur größere Inſekten nimmt er, wie andere Voͤgel, mit der Schnabelſpitze auf; V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 367 denn er frißt auch noch allerlei Inſektenlarven und kleine Puppen, und lieſt von den Baͤumen und Stauden beſonders viel kleine gruͤne Raͤupchen ab. Auch an den Wurzeln der Baͤume, im Mooſe und hohem Graſe ſucht er dergleichen auf und hackt ſie aus der lockern Erde hervor. Schnabel und Fuͤße ſind deshalb, beſonders bei naſ— ſer Witterung, meiſtens mit Erde beſchmutzt. Im Auguſt begiebt er ſich häufig in nahe Kohlfelder und Gemuͤſebeete, wo man ihn oͤf- ters ziemlich ſchnell, wie einen Sperling, in den Furchen entlang huͤpfen ſieht, und auch hier ſucht er nebſt Ameiſen ebenfalls Raͤupchen und andere kleine Inſektenlarven. Unter allen dieſen Nahrungsmitteln findet man in ſeinem Ma— gen auch immer kleine Kieskoͤrnerchen, die er vielleicht zufaͤllig mit verſchluckt; doch habe ich ſie auch bei Jungen gefunden, die ſich noch füttern ließen. Um zu trinken, ſieht man ihn öfters zum Waſſer ge— hen, auch badet er ſich manchmal, ſo, daß er ganz naß wird. Sm Käfig laßt er ſich ziemlich leicht mit Ameiſenpuppen (den ſogenannten Ameiſeneiern) an das Stubenfutter der Grasmuͤcken ge⸗ woͤhnen, beſonders wenn man nachher von jenen noch immer einige beimiſcht. Alles groͤbere Futter nimmt er mit dem Schnabel auf, die Ameiſenpuppen ſpießt er auf die Zungenſpitze, was man hier deutlich ſehen kann, wenn man fie ihm außen an den Bauer halt, wo er fie auf dieſe Art auf 3 Zoll weit zulangt. Wir beſaßen eins mal einen alten Wendehals, welcher ſo eigenſinnig war, daß er durchaus nichts als Ameiſenpuppen genießen wollte; bei vorgeleg— ten Schmetterlingen, Raupen, Kaͤfern und Kaͤferlarven, Libellen, Fliegen, Spinnen und ſelbſt Ameiſen, todten und lebenden, litt er den bitterſten Hunger; ſobald aber Ameiſenpuppen gebracht wur- den, machte er ſich ſogleich daruͤber her, langte begierig mit der Zunge wie mit einer Gabel zu, und was davon außerhalb des Kaͤ— figs lag, zog er, ſo weit die Zungenſpitze reichte, ebenfalls behend hinein. Ein ſolcher Eigenſinn *) koͤnnte leicht zu der Meinung verlei— ten, jenes ſei die einzige Nahrung des Wendehalſes, wenn nicht die geoͤffneten Magen im Freien getoͤdteter vom Gegentheil zeug— ten. Erſt im vorigen Sommer unterſuchte ich den Magen eines unlaͤngſt ausgeflogenen, welchen die Alten noch fuͤtterten, und jener nebſt der Speiſeroͤhre war vollgepfropft von gelben Ameiſen und Ameiſenpuppen, welche mit einzelnen groben Sandkoͤrnern vermengt 9 Schon der alte Gesner (Av. p. 553.) erzählt einen ganz ähnlichen Fall. 368 v. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. waren. — Die Jungen laſſen ſich mit Ameiſenpuppen leicht auffuͤt⸗ tern und nach und nach an ein anderes Stubenfutter gewoͤhnen. Fortpflanzung. Sie niſten in Deutſchland überall in fruchtbaren waldigen Ge⸗ genden, beſonders in Laubhoͤlzern, in allerlei Baumpflanzungen und Obſtgaͤrten, in den Umgebungen der Doͤrfer und Staͤdte, wie im einſamern Walde. Das Neſt befindet ſich ſtets in einer vorgefundenen Hoͤhle ei— nes Baumes, wie ſie ſich eben darbietet, bald weit, bald enge, flach oder tief, oben offen oder mit einem Eingangsloch zur Seite, zu— weilen kaum 4 Fuß von der Erde, ein ander Mal 20 Fuß hoch, ſelten aber uͤber 30 Fuß. Es iſt ihm gleich, in welcher Art von Baͤumen ſie ſich findet; ich habe das Neſt jedoch am oͤfterſten in Aepfel- und Birnbaͤumen, in Weiden und Pappeln, in Aspen oder Erlen gefunden. Die Hoͤhle wird von einem Paͤaͤrchen manchmal ſogar mehrere Jahre dazu benutzt, ſelbſt wenn es in dem einen dar— in um die Jungen gekommen waͤre. Unvorſichtig genug, niſten ſie oft in ſolche, an gangbaren Wegen, wo jeder Voruͤbergehende ſo— gleich hineinlangen kann. Einſt niſtete ein Paͤaͤrchen in meinem Garten wenige Schritte von der Scheuer und dicht neben einem ſtets betretenen Fußſtege, in einem Apfelbaume; ein ander Jahr an ei— nem der beſuchteſten Gaͤnge deſſelben Gartens, in einem hohlen Birnbaum, welcher fo nahe ſtand, daß von zwei zugleich Voruͤber— gehenden einer gewoͤhnlich am Baume anſtrich, in welchem die oben offne Hoͤhle nicht hoͤher war, als daß ein Erwachſener ſo eben hineinſchauen und den Vogel auf den Eiern ſitzen ſehen konnte. Doch brachte es, unter meinem Schutze, zwei Jahr nach einander gluͤcklich in dieſem Baume aus. In meinen Knabenjahren wurde ich einſt von andern Kindern verleitet, ein Neſt mit den ziemlich fluͤg— gen Jungen aus einem hohlen Birnbaume eines Nachbargartens ausnehmen zu helfen, deſſen Hoͤhle kaum 4 Fuß vom Boden war, wobei ſich auch das alte Weibchen ertappen ließ, dem ich aber auf das Geheiß meines Vaters die Freiheit ſchenken mußte; dieſes Paär- chen kam nachher nicht wieder in jenen Baum. Sind mehrere Hoͤh— len in einem Baume, ſo uͤberlaſſen ſie die hoͤhern gewoͤhnlich andern Voͤgeln, und bekommen deshalb ſelten Streit mit dieſen, weil Feld— ſperlinge, Roͤthlinge, Meiſen u. a. m. lieber hoch als niedrig niſten; ich ſah einen alten Apfelbaum, wo in einer niedrigen Hoͤhle ein Wendehalspaͤaͤrchen, in den obern ein Gartenroͤthling und mehrere V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 369 Feldſperlinge niſteten, und alle lebten in Friede und Eintracht, was man gut beobachten konnte, da der Baum kaum 20 Schritt vor den Fenſtern einer Wohnung ſtand. Wenn ſie ſich eine Hoͤhle ausgeſucht haben, reinigen ſie dieſelbe zuvoͤrderſt von dem alten Wuſte, den oben offene gemeiniglich ent= halten, und werfen die groͤßern faulen Holzbrocken heraus. Dann legt das Weibchen ſeine Eier, ohne alle weitere Unterlage, auf die klaren Holzbrocken hin. So habe ich es faſt immer gefunden. Doch mag es einzelne Ausnahmen hiervon geben, daß Weibchen etwas Moos, Grashaͤlmchen, auch Wolle und einige Haare herbeitragen und den Eiern eine ſchlichte Unterlage davon bereiten; denn ein Neſt iſt ſolches in der That nicht zu nennen. Dies habe ich jedoch nur ein Mal in meinem Leben ſo gefunden, und es iſt zu lange her, um mich genau erinnern zu koͤnnen, ob es nicht vielleicht Reſte eines alten Neſtes, von irgend einem andern Vogel, geweſen ſein koͤnn— ten, welcher fruͤher die Hoͤhle bewohnt gehabt hatte. Die Eier ſind eigentlich etwas klein, nicht einmal ſo groß, als die des Goldammers gewoͤhnlich vorkommen, ziemlich kurz oval, an beiden Enden (doch an einem mehr als an dem andern) abge— ſtumpft, niemals laͤnglich; ihre Schale iſt ſehr zart und duͤnn, ſo daß friſch der rothgelbe Dotter etwas durchſcheint oder ihnen einen roͤthlichen Schein mittheilt, da fie doch eigentlich rein weiß find; ihre glatte Oberflaͤche hat einigen Glanz, doch weit weniger als bei Spechteiern. Sie ähneln am meiften denen des kleinen Bunt- ſpechts. Sonſt ſind ſie leicht zu erkennen. Man findet deren in einem Neſte ſelten unter ſieben, wol aber zehn bis elf, ja man ſpricht von noch mehreren und bis vierzehn Stuͤcken; ich habe aber ſelbſt nur ein Mal elfe, ſonſt immer nur zwiſchen ſieben und zehn in einem Neſte gefunden. Die Eier werden in zwei Wochen ausgebruͤtet, meiſtens vom Weibchen allein, indem es dabei vom Maͤnnchen blos einige Stun— den, gewoͤhnlich um die Mittagszeit, abgeloͤſt wird. Unter den vie— len Eiern wird oͤfters eins oder zwei faul gebruͤtet, und ich habe ſie noch nicht mehr als neun Junge aufziehen ſehen, von welchen eins, das ſogenannte Neſtkiekchen, immer viel kleiner als die an— dern iſt. Beim Fuͤttern erheben ſie, ſobald die Federn aus der Haut hervorbrechen, jenes ſchwirrende Geſchrei, was anfaͤnglich noch ganz ſchwach klingt, aber zuletzt viel weiter hörbar wird. An— faͤnglich find fie faft nackt oder nur mit wenigen grauen Dunenfa— ſern bekleidet. Sie ſitzen ſo lange im Neſte, bis ſie voͤllig flugbar or Theil. 0 24 370 v. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. ſind, und weil die Alten den vielen Unrath der Jungen nicht weg— ſchaffen, ſo wird ein ſolches Neſt zuletzt ein ſtinkender Pfuhl, wie bei den Wiedehopfen. Die Jungen werden von den Alten meiſtens mit Ameiſenpuppen, ſpaͤter aber, wenn dieſe in der Naͤhe muͤhſamer aufzuſuchen ſind, auch mit andern Inſektenlarven, be— ſonders mit kleinen gruͤnen Raͤupchen gefuttert, die ich ihnen oft im Schnabel herbeitragen ſahe. Einer ſo zahlreichen Nachkommen— ſchaft hinlaͤngliches Futter zu bringen, macht den Alten viel Muͤhe, und dieſe erſcheinen dann auch weit munterer und thaͤtiger als ſonſt. Sie lieben ihre Brut ungemein, verlaſſen das Neſt nur, wenn ſehr auffallende Stoͤrungen oder eine bedeutende Veraͤnderung am Loche vorfallen, und das bruͤtende Weibchen laͤßt ſich uͤber den Eiern leicht mit der Hand fangen; Ein Schlag mit einem Stocke an den Baum, ſcheucht es nicht aus ſeiner Hoͤhle, es muͤſſen deren mehrere erfol— gen; noch feſter ſitzt es über den eben ausgeſchluͤpften Jungen. Na: hert man ſich dem Neſte mit den Eiern, ſo erſcheint das Maͤnnchen bald ganz in der Naͤhe, fliegt von einem Aſte zum andern, macht ſich ſchlank und wippt mit dem Schwanze; haben fie Junge, fo kommen beide Alte und ſchreien dazu aͤngſtlich Scheck, ſcheck, wenn nicht eben einer bei den Jungen in der Hoͤhle ſteckt, in wel— chem Falle ſich dann dieſer ruhig verhaͤlt, ja oft noch auf den faſt erwachſenen Jungen ergreifen laͤßt. Faſt noch aͤngſtlicher geberden ſich die Alten wenn die Jungen bereits ausgeflogen ſind; ſie um— flattern dieſe und den nahen Feind abwechſelnd unter haſtigem Scheckern, was ganz wuͤrgerartig klingt, und fuͤhren die Jungen ſehr lange. Ich ſah ſie noch fuͤttern, als dieſe beinahe voͤllig er— wachſen waren, und als ein ſolcher Junger geſchoſſen wurde, ver— folgten die Alten den Schuͤtzen unter klaͤglichem Schreien noch eine ganze Strecke. Jetzt fuͤttern ſie meiſtens mit Ameiſenpuppen und Ameiſen, und fuͤhren deshalb die Jungen an ſolche Orte, wo es de— ren viele giebt, und dieſe verſteigen ſich dann auch nie in hohe Baumkronen, um gleich bei der Hand zu ſein, da die Alten unauf— hoͤrlich Futter zutragen muͤſſen. Erſt nachdem ſie voͤllig erwachſen und ſelbſtſtaͤndig geworden, lernen ſie die Haͤlſe drehen und die uͤbri— gen Grimaſſen der Alten machen. Sie machen nur eine Brut im Jahr, und nur wenn ihnen die Eier geraubt wurden, bevor ſie ausgelegt hatten, legen ſie noch ein Mal; hatten ſie aber die volle Zahl oder gar ſchon gebruͤtet, ſo pflanzen fie ſich in dieſem Jahr nicht mehr fort. Gewoͤhnlich fan— gen ſie in der Mitte des Mai, auch wol etwas ſpaͤter, an zu legen, V. Ordn. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. 371 und man trifft dann, in den mehreſten Jahren, gegen Ende des Juni die Jungen ausgeflogen. Gegen Ende Juli find die Fami— lien ſchon ziemlich vereinzelt, und leben dann ſehr ſtill und verſteckt auf niedern Baͤumen, im Gebuͤſch und im Graſe unter dieſen, bis ſie ſich im Auguſt in die nahen Kohlfelder oder Gemuͤſebeete, und ſo fort auf den Zug begeben. F erwmoe Der Sperber und Huͤhnerhabicht, auf dem Felde auch der Lerchenfalk, erwiſchen nicht ſelten einen Alten oder erwach— ſenen Jungen, die auch viel Furcht vor dieſen Feinden verrathen, und bei Annaͤhrung eines ſolchen, wo es ſeyn kann, ſich alsbald in einem hohlen Baum verkriechen. Noch oͤfter leiden ſie beim Bruͤten und an ihrer Brut Schaden, theils durch ihre Sorgloſig— keit von muthwilligen Knaben, theils durch Katzen, Marder, Wieſeln, Maͤuſe, auch wol durch Elſtern und Heher, wo haͤufig mit dem Geniſt auch das alte Weibchen, weil es ſo feſt auf den Eiern oder Jungen ſitzt, zu Grunde geht. Es iſt daher nicht zu verwundern, daß ſie ſich, trotz dem, daß ſie eine ſo bedeutende Anzahl Eier legen, nicht ſtaͤrker vermehren und faſt überall nur ein= zeln vorkommen. In ſeinen Eingeweiden hauſet ein Sanuwurm, Taenia crateriformis, Jag d. . Es ift ein Leichtes, dieſen harmloſen Vogel mit einem Schuß aus der Flinte und ſelbſt mit dem Blaſerohe zu erlegen. Beim Herausfliegen aus Kohlſtuͤcken iſt er auch im Fluge leicht zu ſchießen. In der Herbſtzugzeit faͤngt er ſich zuweilen in Sprenkeln bei vorgehaͤngten Hohlunderbeeren. In ſeiner Neſthoͤhle kann man, wenn man will, ihn mit der Hand, oder mit angebrachten Schlin— gen fangen. Wenn man ſolche, oder Leimruthen, auf die in der Naͤhe befindlichen Ameiſenhaufen ſtellt, und dieſe etwas auf— ſcharrt, ſo faͤngt er ſich hier ebenfalls leicht, noch beſſer unter einem daſelbſt aufgeſtellten Schlag gaͤrnchen oder ſogenannten Nach— tigallenfalle. Auf den Vogelheerd koͤmmt er nur zufällig, oͤfter auf den Traͤnkheerd. Nutz en. Sein Fleiſch iſt ſehr zart und außerordentlich ſchmackhaft, zu⸗ mal das der Jungen im Auguſt und September, wo ſie oft ſo 372 V. Orion. XXXI. Gatt. 172. Grauer Wendehals. fett ſind, wie die fetteſten Lerchen. Unkundige halten ſie deshalb hin und wieder fuͤr Ortolanen, was auch Buffon a. a. O. ſchon erwähnt. In Italien bringt man fie zum Verſpeiſen häufig auf die Maͤrkte. Durch ihre Nahrung werden ſie aber weit nuͤtzlicher, beſon— ders fuͤr die Obſtgaͤrten, wo ſie eine Menge Raͤupchen und andre ſchaͤdliche Larven, z. B. der Cantharis-Arten und die laͤſtigen Ameiſen“) vertilgen. g Schaden. Sie werden uns durchaus nicht nachtheilig, ſondern gehoͤren vielmehr unter die nuͤtzlichſten Vögel. ) Daß die Ameiſen in Gärten durch das Benagen reifer Früchte und durch ihr Beißen nicht allein laͤſtig werden, ſondern auch empfindlich ſchaden Eönnen, ſieht man zuweilen an Franzobft= und Gelaͤnderbaͤumen ganz deutlich, wenn bie Bluͤthenknospen derſelben aufbrechen wollen. Im vorigen Jahr zernagten ſie mir an einem Birnbaͤumchen in wenigen Tagen alle Bluͤthen dergeſtalt, daß ſchon, ehe ichs noch gewahr wurde, die ganze zu hoffende Erndte bereits vernichtet war. Sechſte Ordnung. Steigfuͤßler. ANISODACTYLI. Schnabel: Mehr oder weniger gebogen, und oͤfters auch gerade, die Spitze ſtets pfriemenfoͤrmig, ſchmal und duͤnn, die Wurzel viel breiter. Füße: Niedrig, drei Zehen vorwärts und eine nach hin- ten gerichtet; die mittlere und aͤußere Vorderzeh an der Wurzel bis faſt zum erſten Gelenk verwachſen; die Hinterzeh meiſtens etwas lang oder groß. Die Krallen oft ſehr groß und ſtark gebogen. 90 Viele in dieſe Ordnung gehoͤrende Voͤgel, auch unter den Auslaͤndiſchen, find Klettervoͤgel, welche, wie die Spechte, an Baͤumen, Felſen und Mauern ſich nicht nur anhaͤngen, ſondern auch, und manche mit großer Gewandtheit, an ſenkrechten Flaͤchen hinaufklettern. Obgleich ihre Geſtalt ſehr von der der eigentlichen Kletterer oder Spechte abweicht, ſo naͤhren ſie ſich doch auf aͤhn— liche Weiſe, von Inſekten und deren Larven, einige nebenbei auch von Saamenkernen; andere klettern dagegen gar nicht und leben von Inſekten und Maden, die ſie meiſtens auf dem Erdboden auf— ſuchen; noch andere, wovon keine in Europa vorkommen, leben auf eine ganz beſondere Art, von Blumenſaͤften und andern Din- gen, und in dieſen Gattungen kommen die kleinſten Arten von allen Voͤgeln vor. Zwei und dreißigſte Gattung. Klei be r. 8 ,, Schnabel: Mittelmaͤßig, gerade, pfriemenfoͤrmig, rund⸗ lich, an der Spitze kaum etwas zuſammengedruͤckt, hart und ſpitzig. Zunge: Von gewoͤhnlicher Laͤnge, flach, ſchmal, an der abge— ſtutzten Spitze in vier zahnartige zerfaſerte Lappen zerriſſen. Naſenloͤcher: An der Schnabelwurzel, klein, kreisrund, zum Theil durch aufliegende vorwaͤrts gerichtete Borſthaare bedeckt. Fuͤße: Stark, etwas kurz, von den drei Vorderzehen ſind die mittlere und aͤußere bis faſt zum erſten Gelenk, die mittlere und innere aber nur etwas verwachſen, die freie Hinterzeh etwas groß; die Krallen anſehnlich groß, am meiſten die der ey alle ſchoͤn gebogen und ſcharfſpitzig. Fluͤgel: Nicht groß, etwas breit und ziemlich ſtumpf; die erſte Schwingfeder ſehr kurz und klein, die zweite noch nicht ſo lang als die dritte, und dieſe aber ſehr wenig kuͤrzer als die vierte, welche die laͤngſte von allen iſt. Schwanz: Kurz, weich, aus 12 etwas breiten, am Ende ſtumpfen Federn beſtehend, und als Stuͤtze beim Klettern völlig untauglich. Das kleine Gefieder iſt weich, ſehr locker, auf dem Ruͤcken ziemlich groß, das ganze Gefieder dem der Meiſen aͤhnlich. In den Farben unterſcheiden ſich die Maͤnnchen und Weib: chen, ſo wie die Jungen von den Alten nur wenig. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr. Die Voͤgel dieſer Gattung gehoͤren zu den kleinern, und aͤhneln in ihrer Geſtalt und Lebensart den Spechten und Meiſen, ſo daß ſie zwiſchen dieſen beiden Gattungen gerade in der Mitte ſtehen, VI. Ordn. XXXII. Gatt. Kleiber. 375 weshalb man fie auch Spechtmeiſen nennt. Sie leben ver: einzelt in Waͤldern, ſind außerordentlich lebhaft, klettern mit gro— ßer Gewandtheit nicht nur an den Baumſchaͤften und Aeſten hin— auf, ſondern an ſenkrechten Flaͤchen auch ſogar herab, naͤmlich den Kopf nach unten gerichtet, was kein Specht kann. Ob man gleich die Geſtalt der wahren Spechte für die vollendetſte eines Klet— tervogels halten darf, ſo eignen ſich doch eben dieſe Fuͤße, und die— ſer Schwanz, nur zum Aufwaͤrtsklettern, aber durchaus nicht zum Herabſteigen an den Baumſchaͤften; hier würde der dort eine elaſti— ſche Stuͤtze bildende Schwanz gerade das Gegentheil bewirken, und die Fuͤße, an Laͤufen und Zehen, viel zu kurz ſeyn. Die Fuͤße der Kleiber ſind darum hoͤher und haben viel laͤngere, ſchlankere Zehen, die einzeln ſtehende Hinterzeh iſt beſonders ſehr lang, alle haben ſtarke Sohlenballen, und die Krallen ſind groß, aber duͤnn und ſehr ſcharfſpitzig; dazu ſind die drei Vorderzehen an der Baſis verwachſen, damit ſie ſich nicht zu weit ausſpreitzen koͤnnen. Bei dieſer ſo zweckmaͤßigen Einrichtung ſind die Fuͤße ſchon fuͤr ſich allein im Stande, den kurzen Koͤrper der Kleiber, an rauhen Flaͤchen, in jeder beliebigen Stellung, feſt zu halten, ohne eine weitere Stuͤtze zu bedürfen, die ihn in vielen Stellungen nur hinderlich. ſeyn wuͤrde, und deshalb beſteht ihr Schwanz nur aus kurzen wei— chen Federn. Die Kleiber ſind keine Zugvoͤgel, ſtreichen aber nach ſolchen Gegenden, wo ſie viel Nahrungsmittel finden; dieſe beſtehen in Inſekten, Inſektenlarven, Nuͤſſen und allerlei Saͤmereien, die ſie auf den Stauden und Baͤumen oder am Erdboden, jene aber mei— ſtens an den Baumſchaͤften in den Riſſen der Rinde, oder auch zwiſchen den Zweigen aufſuchen, deshalb aber keine Loͤcher in mor— ſches Holz hacken. Sie niſten in Baumhoͤhlen, wie ſie ſolche vor— finden, verkleben aber den Eingang, wenn er zu weit fuͤr ihren Koͤrper iſt, mit Lehm, bis auf ein kleines Loch (daher der Name: Kleiber oder Kleber), legen 6 bis 9 Eier, die den Eiern der Mei⸗ ſen gleichen, weiß und roth gepunktet ſind, und erziehen ihre Jun— gen mit Inſekten. f „Dieſe Gattung bemerkt P. Nitſch nach Unterſuchung der Sitta europaea, zeigt keine der anatomiſchen Eigenſchaften, welche von den Spechten angegeben wurden, ob ſie gleich dieſer Gattung in Schnabelbildung und Lebensart ähnelt. Vielmehr beſitzt fie den, jenen fehlenden Singmuskelapparat am untern Kehlkopf und die ganze Reihe der, mit dieſer Anordnung immer verbundenen Ver— 376 VI. Ordn. XXXII. Gatt. Kleiber. haͤltniſſe des Skeletts, inſonderheit des nur mit zwei Abdominal⸗ fortfägen verſehenen Bruſtbeins, des Zungengeruͤſtes, der Luft— roͤhre, der Bronchien, der Luftcellen des Rumpfs, des Nahrungs- kanals, der Leber, der Milz, der Nieren, der Schwanzdruͤſe u. ſ. w. Siphonia und Nebenſchulterblaͤtter find auch hier ſehr deut: lich und vollkommen; nicht minder das hier einfache Knoͤchelchen des Jochkieferbandes und die Armpatelle. Die Hirnſchale iſt glatt, abgerundet, groß, beſonders breit, uͤberhaupt der der Meiſen ziemlich aͤhnlich. Der Halswirbel find 12, der Schwanzwirbel 7, der Rippenpaare 8, von denen die 2 erſten ohne Rippenkno— chen ſind, und das erſte aͤußerſt klein iſt. Die Schulterblaͤtter ſind wie gewoͤhnlich hinten zugeſpitzt und etwas nach außen gezo— gen. Die Huͤftknochen haben gewoͤhnliche Verhaͤltniſſe. Die Hinterglieder ſind beſonders entwickelt, zumal die Zehen, vorzuͤglich die lange Hinterzeh. Pneumatiſch ſind außer der Hirnſchale, wie es ſcheint, nur noch die Oberarmknochen. N Die Zunge iſt der Laͤnge des Schnabels gemaͤß, hornig, ſcharf— randig, ziemlich ſchmal, ſehr laͤnglich, vorn mit vier gezaſerten Lacinien endend und hierin den Meiſen aͤhnelnd, hinten breiter und da, wie gewoͤhnlich, in zwei gezaͤhnte Lappen getheilt. Der Vormagen iſt kurz; der Magen ziemlich fleiſchig. Die Blinddaͤrme ausnehmend klein und daher ſchwer zu finden. Das Pankreas doppelt; das hintere oder linke begleitet mit einem lan— gen duͤnnen Lappen eine Strecke weit den Duͤnndarm. Die Nieren bilden zuſammen eine laͤnglich-trapeziſche nach vorn breitere und etwas gerundete Figur; Lappen derſelben ſind nicht zu unterſcheiden. 5 * * * In Deutſchland und dem uͤbrigen Europa kennt man bis jetzt nur | | Eine Art. 173. Der Eur opaͤiſche Kleiber. Sitta europaea. Linn. Fig. 1. altes Maͤnnchen. Taf. 139. 2. junger Vogel. Gemeiner —, blaͤulicher —, gelbbaͤuchiger Kleiber; der Kleiber, Kleber, Klener, Klaber, Klauber, Kleberblauſpecht; die Spechtmeiſe, Europaͤiſche —, blaue —, gemeine Specht— meiſe, groͤßte ſpechtartige Meiſe, ſpechtartige Blaumeiſe; Euro— paͤiſcher Blauſpecht, gemeiner Grauſpecht, Maiſpecht, Holz- oder Baumhacker, Baumpicker, Baumreuter, Baumritter, Baumrut— ſcher, großer Baumkletterer, Baumkletterlein, Baumklette, Baum- klaͤhn, Klaͤhn; Nußhacker, Nußpicker, Nußbickel, Nußhaer; Europaͤiſcher Sittvogel; Blindchlaͤn; Kottler, Tottler, Todler; im hieſigen Lande: Blauer Baumreuter und Blauſpecht. Sitta europaea. Gmel. Linn. I. 1. p. 440. n. = Lath. ind. I. p. 261. n. 1. = Retz. faun. suec. p. 106. n. 59. = Nilsson Orn. suec. I. p. 100. n. 47. = Sitta caesia, Wolf und Meyer, Taſchenb. I. S. 128. = La Sitelle ou Torchepot. Buff. Ois. V. p. 460. t. 20. — Edit. d. Deuxp. X. p. 153. t. 2. f. 5. Id. pl. enl. 623. f. 1. = Gerard. tab. elem. I. p. 360. et 363. n. 1. et 2. Z Sitelle torchepot. Temminck, man. nouv. Edit. I. p. 407. = European Nuthatich. Lath. syn. I. 2. p. 648. n. 1. — Ueberſ. v. Bechſtein. I. 2. S. 530. n. 1. Bewick brit. Birds. I. p. 165. Piechio grigio. Stor. deg. ucc. II. t. 193 = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1061. Deſſen Taſchenb. I. S. 74. Borkhauſen, Becker ꝛc. Teutſch. Orinth. Heft 10. M. u. W. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 44. n. 44. — Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſth⸗ lands. S. 67. Koch, Baier. Zool. I. S. 77. n. 9. = Brehm, Beiträge III. S. 214. - Friſch, Bögel. Taf. 39. Fig. 3. = Naumanns Vögel. alte Ausg. I. S. 127. Taf. 28. Fig. 57. Maͤnnchen. Kennzeichen der Art. Der Oberkopf und alle obern Theile ſanft graublau, der Un⸗ terkoͤrper gelblichroſtfarben; durch das Auge ein ſchwarzer Strich. Beſchr-ei bung. Unſer Kleiber iſt mit keinem andern einheimiſchen Vogel zu verwechſeln, obwol Unkundige eine entfernte Aehnlichkeit mit un⸗ 378 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. ſerm Eisvogel an ihm finden wollen, was aber den Geuͤbten gar nicht einfallen moͤchte. Mit andern auslaͤndiſchen Arten ſeiner Gattung hat er hinſichtlich der Farben zwar viele Aehnlichkeit, aber ſchon die ganz andere Vertheilung derſelben giebt ſehr in die Au— gen fallende Unterſcheidungsmerkmale, ſo daß man ſich wundern muß, in aͤltern Werken dennoch manche nur als bloße Spielarten unſrer Europaͤiſchen aufgefuͤhrt zu finden, da ſie doch unleugbar als Arten von dieſer verſchieden ſind. Er hat ohngefaͤhr die Groͤße eines Hausſperlings, ſieht aber kuͤrzer und dicker aus, weil ſein Schwanz viel kuͤrzer und das kleine Gefieder, beſonders in den Weichen und auf dem Unterruͤcken, viel laͤnger und lockerer iſt. Seine Laͤnge betraͤgt 54 Zoll, auch etwas daruͤber oder darunter, wovon auf den am Ende geraden Schwanz kaum 12 Zoll abgehen; die Fluͤgelbreite 11 bis 114 Zoll, und die ruhenden Flügel, deren Länge vom Bug bis zur Spitze 33 Zoll, decken den Schwanz bis auf Z Zoll ſeiner Laͤnge. Die Fluͤgel ſind aber nicht groß, doch etwas breit, die vorderſte Schwingfeder klein, ſchmal und ſpitz, die zweite wenig kuͤrzer als die dritte, dieſe mit der vierten beinahe von gleicher Laͤnge, ſo daß die letztere die laͤngſte von allen iſt. Die vordern find ſchmal und etwas ſpitz zugerundet, die andern ſtumpf abge: rundet, alle ſchwach und ziemlich weich, was man auch von den 12, etwas breiten, am Ende abgeſtumpften Schwanzfedern ſagen kann, die daher als Stuͤtze des Körpers beim Klettern hier ganz untauglich ſind. ; Der Schnabel hat im Ganzen eine ahlenfoͤrmige Geſtalt und ift ſehr hart, dem obern Ruͤcken nach faſt gerade, oder ſpitzwaͤrts kaum abwärts geſenkt, dem untern nach ein wenig aufgebogen ), fonft mehr rund als zuſammengedruͤckt, und mit einer ſcharfen Spitze. Uebrigens iſt er glatt, ohne vorſtehende Leiſtchen, die obere Ruͤcken— kante kaum etwas erhaben, die hintere Mundkante des Oberſchna— bels etwas uͤberſtehend, vom Naſenloch geht nur ein ganz ſchwacher kurzer vertiefter Strich aus, und die Schneiden ſind ſehr ſcharf. Er iſt 8 Linien lang, an der Wurzel faſt 3 Linien breit und 22 Linien hoch. Das Naſenloch liegt nahe an der Stirn, iſt nicht groß, rundlich und mit ſchwarzen Borſtfederchen ſo wenig verdeckt, daß man es deutlich ſieht, ohne dieſe aufheben zu duͤrfen. Die Farbe des Schnabels iſt an ) Wodurch ſich die Kleiber der auslaͤndiſchen Gattung Xenops (Steig: ſchnabel) naͤhern und anſchließen. VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 379 der Spitze matt ſchwarz, fonft licht bleiblau, an der Wurzel der Unterkinnlade ins Weißliche uͤbergehend, bei jungen Voͤgeln faͤllt er dagegen hier ins Gelbliche; inwendig iſt er perlblau, der Rachen roͤthlichweiß, allein im Frühjahr iſt hier alles blauer, bei den Jun— gen aber gelblichfleiſchfarben. Ueber den Mundwinkeln ſtehen ſchwarze Borſthaͤrchen und auch am Kinn etwas kuͤrzere, die vor— waͤrts gerichtet ſind. Der Augenſtern iſt bei den Alten dunkel nußbraun, bei den Jungen aber ein mattes ſchmutziges Braun. Die etwas ſtarken Fuͤße ſind an den Laͤufen mit großen, auf den Zehen mit kleinern Schildern bedeckt, deren Raͤnder nicht ſehr vorſtehen, weshalb die Fußbedeckung nicht ſo rauh als bei den Spechten; die Zehenſohlen ſehr fein warzig; die Zehen geſtreckt und die hintere beſonders lang; die Krallen groß, ſchoͤn bogen— foͤrmig, ſehr zuſammengedruͤckt und ſchmal, unten zweiſchneidig, mit ſehr ſcharfer Spitze. Die Farbe der Füße faͤllt aus dem Braun: lichen oder Roͤthlichen mehr oder weniger ins Gelbliche, bei den Alten dunkler, bei den Jungen lichter, und wird im Tode eine gelbbraͤunliche Hornfarbe; die der Krallen iſt ein ſchmutziges Graubraun. Die Fußwurzel, welche am obern Gelenk vorn nur ein wenig befiedert iſt, mißt 9 Linien, die Mittelzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, uͤber 10 Linien, und die Hinterzeh iſt eben ſo lang, wovon aber auf ihre ſehr große Kralle (denn dieſe mißt über dem Bogen gute 5 Linien) 4 Linien abgehen. Das Maͤnnchen iſt von der Stirn an auf dem Scheitel, am Genick, dem Nacken, und dem ganzen Ruͤcken bis zum Schwanz hinab, nebſt den Schultern und Fluͤgeldecken, ſanft aſchgraublau, und dies angenehme Aſchblau iſt auf dem Buͤrzel am lichteſten, auf den groͤßern Fluͤgeldeckfedern und den aͤußern Fahnen der letzten Schwingfedern am dunkelſten. Ueber dem Auge zeigt ſich der Schein von einem weißlichen Streif, aber durch daſſelbe zieht ein ſchwarzer, welcher in der Naſengegend anfängt, durch die Zügel und Schlaͤfe hingeht und tief an der Seite des Halſes, etwas brei— ter, erſt endigt. Unter dem Auge und dem ſchwarzen Streif iſt Alles weiß, was uͤber die Wangen ausgedehnt iſt; auch die Kehle iſt weiß, ſonſt aber alle untern Theile roͤthlich roſtgelb, an den Hals- und Bruſtſeiten ins Roſtroͤthliche ſpielend; die Weichen und Unterſchwanzdeckfedern ſchoͤn dunkel roſtfarbig, letztere mit großen hellweißen Enden. Die Daumfedern ſind ſchwarz, die groͤßte mit weißem Außenſaum; die Schwingen braͤunlichſchwarzgrau, die vor⸗ derſten an der Wurzel etwas weiß, was aber die Deckfedern ver: 380 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. ſtecken, mit lichten Außenſaͤumen, die auf der Mitte und an den Spitzen ins Weißliche fallen; an den hintern Schwingen zeigt ſich die dunkele Grundfarbe bloß auf dem verdeckten Theil der Fahnen, das Uebrige iſt wie der Rüden, nur dunkler. Die Schwanzfedern haben folgende angenehme Zeichnung: Die beiden mittelſten ſind ſchoͤn aſchgraublau; die uͤbrigen tief ſchwarz, mit aſchblauem Ende nach außen; die aͤußerſte auf der Außenfahne mit einer weißen Stelle vor dem grauen Ende und auf der Innenfahne mit einem großen viereckigen weißen Fleck, der Spitze noch naͤher als jene; die folgende eben fo, aber auf der Außenſeite ohne Weiß; die fol⸗ gende der vorigen ganz gleich, aber mit noch weniger Weiß; die naͤchſte ganz ohne weißen Fleck, nur mit weißer Kante am Ende der Innenfahne, welche ſich endlich auf der naͤchſten nur noch als ein weißliches Kaͤntchen verliert. Von unten iſt der Schwanz eben ſo, das Schwarz und Grau nur matter; der Fluͤgel auf der untern Seite auch bunt, naͤmlich die größten Deckfedern unter der Achſel roͤthlichroſtgelb, die naͤchſten ſchmutzig weiß, die des Fittichs tief ſchwarz, bis auf die, welche die weißen Wurzeln der vorderſten Schwingen decken, und die hier mit dieſen ein reinweißes Fleckchen bilden, was ſich auch dem ſchwarzen Fluͤgelrande mittheilt; die Schwingen unten dunkel ſilbergrau mit ſilberweißen Kaͤntchen, bes ſonders nach den Wurzeln der Federn zu. Schon nach der erſten Mauſer haben die Maͤnnch en jene Zeichnungen und das hoͤhere Alter bewirkt wenig Verſchiedenheit. Am rechtalten Männchen find jedoch alle Farben ſchoͤner, be— ſonders das Aſchblau, die dunkle Roſtfarbe an einigen untern Thei⸗ len wird faſt zu einem hellen lebhaften Kaſtanienbraun, der ſchwarze Augenſtreif viel dunkler, auch hinterwaͤrts breiter, und ein ſolches altes Maͤnnchen iſt dann ein wirklich ſchoͤn ausſehender Vogel, be— ſonders im Herbſt, bald nach der Mauſer, wo die Federn noch nicht durch die Reibungen abgenutzt und die Farben nicht verbleicht ſind, was im Laufe des Winters und Fruͤhjahrs geſchieht, und bis zum Sommer ſo bedeutend wird, daß dann gar viel von ſeiner Schoͤnheit verloren gegangen, abe: doch ſonſt keine weſentliche Veraͤnderung bewirkt worden iſt. Das Weibchen iſt ſtets ſehr kenntlich, ob es gleich die naͤm— lichen Farben traͤgt. Es iſt nicht ſo ſchoͤn blau, das Roſtgelb des Unterkoͤrpers iſt viel matter, ſchmutziger und weniger roͤthlich, der Augenſtreif iſt matt ſchwarz und viel ſchmaͤler, vor Allem fehlt ihm aber die ſchoͤne dunkle Roſtfarbe in den Weichen und an den Wur⸗ VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber 381 zeln der untern Schwanzdeckfedern; dieſe Theile fallen nur etwas mehr ins Roſtroͤthliche als die uͤbrigen, und machen es in jedem Alter kenntlich. Es iſt gewoͤhnlich etwas kleiner als das Maͤnnchen. Das Jugendkleid, was ſie aus dem Neſte mitbringen, iſt eben ſo gefaͤrbt, aber weniger ſchoͤn, das Blaue und Roſtgelbe matter und lichter, der Augenſtreif kleiner und nicht ſo dunkel ſchwarz, der Schnabel bei eben ausgeflogenen Jungen noch viel kleiner, kuͤrzer, mit gelben Mundwinkeln und die Farbe der Fuͤße bleicher. Auch in dieſem Kleide unterſcheiden ſich Maͤnnchen und Weibchen ſchon, wie nachher, doch iſt das Roſtbraun in den Weichen und an den Wurzeln der Unterſchwanzfedern des Maͤnn—⸗ chens weder ſo ausgedehnt, noch ſo dunkel, als es bei ſchon ein Mal vermauſerten vorkoͤmmt, weshalb die Geſchlechter ſich nur dann mit Sicherheit angeben ofen, wenn man beide neben einan⸗ der halten kann. Spielarten ſind nicht bekannt und auch mir nicht vor— gekommen. Die Mauſerzeit iſt der Juli und Auguſt, wo Junge und Alte die Federn wechſeln. Nin enn th alt, Man findet unſern Kleiber in ganz Europa, im Suͤden jedoch weniger als nach Norden zu, wo er in Norwegen, Sch weden und Rußland noch einzeln bis zum arctiſchen Kreis hinauf vorkoͤmmt; am haͤufigſten iſt er jedoch im mittleren Europa. Auch im nördlichen Aſien ſoll er leben. In Deutſchland und den angraͤnzenden Laͤndern iſt er ein gemeiner Vogel, und auch hier in Anhalt, Sachſen u. ſ. w. allgemein gekannt. Dabei koͤmmt dieſe Art doch nirgends in Heerden vor; fie iſt einzeln und paar= weis über alle nicht ganz waldleere Gegenden der genannten Laͤn⸗ der verbreitet, und deshalb in keinem ſelten. Er iſt mehr Strich- als Standvogel. Viele verlaſſen zwar noch in der rauhen Jahreszeit den Wald nicht, der ihnen einen Sommeraufenthalt gewaͤhrte, wenn ſie nicht Nahrungsman⸗ gel daraus vertreibt, doch iſt dies die kleinſte Zahl. Die meiſten ſtreichen im Herbſt weg, durchziehen Gegenden, die ſie im Som— mer nicht bewohnten, ſelbſt ſolche, wo ſie weniger Wald finden, und vertheilen ſich ſo allenthalben, wo ſie ſich den Winter uͤber zu naͤhren gedenken. Gegen das Fruͤhjahr verſchwinden ſie dort wie⸗ der und man hoͤrt ſie dann bald an den Brutorten. Die Strich⸗ 382 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. zeit ift im Herbſt die der Kohl- und Blaumeiſen, nämlich der September und Oktober, auch zum Theil noch der November; aber im Fruͤhjahr gehen ſie bald zuruͤck, und bei ſchoͤnem Wetter laſſen ſie ſich zu Ausgang Februar oder im Maͤrz ſchon wieder in den Waͤldern hoͤren, worin ſie ſich fortpflanzen wollen. Dieſe Ruͤckkehr geſchieht ſo unmerklich, daß man glauben moͤchte, ſie muͤßten im Fruͤhjahr andere Wege einſchlagen, und nicht auf denen, die ſie im Herbſt paſſirten, zuruͤckkehren. Ihre Streifzuͤge machen ſie einzeln oder paarweis, aber ſelten fuͤr ſich allein, ſondern in Geſellſchaft der Meiſen, und da wo ſie uͤberwintern, ſchlagen ſich auch noch andere dazu. So find in Nadelwäldern Tann en- und Haubenmeiſen, im Laubwalde und in Gaͤrten Kohl- und Blaumeiſen, und dazu noch meiſtentheils auch Goldhaͤhn— chen, Baumlaͤufer, mitunter auch ein einzelner Buntſpecht, ihre Geſellſchafter, mit welchen ſie taͤglich ihr gewaͤhltes Revier durchſtreifen. Welches von dieſen ſo verſchiedenartigen Gliedern ſolcher Geſellſchaft der eigentliche Anfuͤhrer der Truppe iſt, oder welches die erſte Veranlaſſung zu ſolcher Vereinigung gab, laͤßt ſich nicht beſtimmen; ſie folgen eines des andern Ruf, bis der Trieb zur Fortpflanzung in ihnen erwacht und die Geſellſchaft aufloͤſt, was gemeiniglich ſchon in Februar geſchieht. Von unſern Kleibern ſind auch bei etwas groͤßern ſolcher Vereine ſelten mehr als zwei oder drei. Ihr Strich folgt faſt immer nur Baumreihen und Ge— buͤſchen, von Baum zu Baume, und es iſt eine Seltenheit, ein Mal einen einzelnen Kleiber hoch durch die Luͤfte und weit uͤber freies Feld fliegen zu ſehen. Als eigentlicher Waldvogel lebt er im Fruͤhjahr und Sommer nur in waldigen Gegenden, und beſucht die, wo es nur wenige Baͤume und keine große Obſtgaͤrten giebt, nur in der Streichzeit ein— zeln, uͤberwintert aber auch hie und da in ſolchen. Er liebt zu einem laͤngern Aufenthalt nicht ſowol die großen geſchloſſenen Wal— dungen, als vielmehr die, welche von Aeckern, Wieſen und Trif— ten unterbrochen werden, und verſchiedenartige Holzarten, auch Unterholz, enthalten. Im reinen Hochwalde von Nadelholz, be— ſonders von Kiefern, iſt er zwar außer der Fortpflanzungszeit haͤufig, doch lange nicht ſo in dieſer, wo er die von Nadel- und Laubholz gemiſchten und auch die reinen Laubwaͤlder jenen vorzieht. In unſern Auenwaͤldern, wo Eichen am haͤufigſten ſind, aber auch Hainbuchen, Aspen, Ulmen und andere mehr vorkommen, wo unter dem Unterholz beſonders viel Haſeln wachſen, da iſt unſer VI. Ordn. XXX. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 383 Kleiber zu allen Jahreszeiten gemein, und in ſolchen pflanzt er ſich am haͤufigſten fort. Diejenigen, welche ſich dagegen im Herbſt auf den Strich begeben, trifft man denn auch in einzelnen Baum— reihen, die von einem Gebuͤſch zum andern fuͤhren, in kleinen Feldhoͤlzern, in Weiden- und Obſtbaumpflanzungen, in den Ge— buͤſchen und Gärten bei Dörfern und Städten, im Winter ſogar mitten in dieſen, wo ſie nicht ſelten die kleinſten Gaͤrten beſuchen, und ſelbſt an und auf den Gebaͤuden oͤfters geſehen werden. Dar— um iſt er auch jedem Knaben bekannt. Es iſt in Deutſchland wol keine Gegend, von einigen Umfange, ſo ganz baumleer, daß er ſie nicht zuweilen beſuchte; ſo iſt er auch in den Marſchen Nord— deutſchlands eben keine ſeltne Erſcheinung, obgleich ſein Aufenthalt da nur von ſehr kurzer Dauer iſt. Uebrigens ſcheinen ihm ebene und huͤgeliche Gegenden mehr zuzuſagen, als hoͤhere Gebirge. Sein Aufenthalt außer der Strichzeit beſchraͤnkt ſich gewoͤhn— lich auf ein kleines Revier, deſſen Ausdehnung das haͤufigere oder ſeltnere Vorkommen ſeiner Nahrungsmittel und Lieblingsſpeiſen darin beſtimmt. So kann man ein Paͤaͤrchen lange Zeit nachein— ander immer in demſelben kleinen Umkreiſe antreffen, welcher nach Gelegenheit oft nur einige große alte Eichen enthaͤlt. Auch da, wo große Samen tragende Rothbuchen, Ahorn oder Linden ſtehen, oder wo viel Haſelbuͤſche wachſen, zur Zeit wenn die Fruͤchte dieſer Baͤume zu haben ſind, haͤlt er ſich immer nur in einem kleinen Bezirk auf wenigen ſolcher Baͤume auf. Dagegen durchſtreift ein im Winter die Stadtgaͤrten bewohnender Kleiber taͤglich einen weit größern Umkreis. So bewohnen dieſe Poͤgel' auch in manchen Jahren, wenn die Baͤume ihre Lieblingsſpeiſe gerade in Menge hervorbringen, eine ſolche Gegend haͤufiger als ſonſt, waͤhrend ſie in einer andern, wo ſie ſonſt gemeiner waren, nicht mehr ſo zahl— reich geſehen werden. Die mehreſte Zeit haͤlt er ſich auf großen alten Baͤumen auf, und er kann ſich Stunden lang auf einer alten Eiche beſchaͤftigen. Man ſieht ihn da bald am Schafte, bald an den Aeſten, bis zum Wipfel hinauf; er huͤpft aber auch im Buſchholze herum, geht im Winter an die Waͤnde, Giebel und Daͤcher der Gebaͤude, auch auf den Erdboden unter den Baͤumen, wo er zuweilen lange her— umhuͤpft, wobei er ſich aber nicht weit von den Baͤumen entfernt; auf freies Feld habe ich ihn dagegen ſich nie niederlaſſen ſehen. In Baumhoͤhlen begiebt er ſich nur, um darin zu niſten und Nachtruhe darin zu halten, wo er aber gerade keine ſchickliche vorfindet, nimmt 384 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. er auch zur Schlafſtelle mit einem alten Weidenkopf fuͤrlieb, wo er dann zwiſchen den alten Storzeln vor der Nachtluft Schutz ſucht. Eigen ſchaften. Wollte man aus der kurzſchwaͤnzigen, gedrungenen, faſt plum— pen Geſtalt unferes Kleibers ſchließen, er ſei ein ſchwerfaͤlliger tra: ger Vogel, ſo wuͤrde man ſehr irren, da er im Gegentheil gerade einer der gewandteſten iſt, und an Munterkeit in der That die allermeiſten uͤbertrifft. Eine immerwaͤhrende Unruhe haͤlt ihn in ſteter Bewegung; er weiß ſich raſtlos zu beſchaͤftigen und iſt dabei immer froͤhlich und wohlgemuth. Dies, die unaufhoͤrliche Ab— wechslung in ſeinen Bewegungen, und ſein ſtets ſehr nett ausſe— hendes Gefieder machen ihn ſogar zu einem ſehr angenehmen Vogel. Wenn er ein Mal traurig und niedergeſchlagen iſt, dann die Federn ſtraͤubt und ſich dadurch dicker macht, den kurzen Hals mehr als gewoͤhnlich zwiſchen die Schultern einzieht, ſo ſieht doch das ſpitze Koͤpfchen, mit der flachen Stirn, und das eben nicht große leb— hafte Auge noch ſo liſtig aus dieſem Federballen heraus, daß man ihn dennoch für einen muntern Vogel halten muß. Blaͤhen ſich aber die großen, langen, dunenartigen Federn des Unterruͤckens auf, laͤßt er dazu die in den Seiten des Unterleibes auch loſe herab— haͤngen, und ſteckt er dann gar den Schnabel und das Geſicht zwi— ſchen die erſteren, dann iſt er gewiß krank und ſieht ſo wie ein Knaͤuel aus. Sein Gefieder traͤgt er ſonſt gewoͤhnlich knapp, dabei, ſitzend oder huͤpfend, den Koͤrper meiſtens horizontal, den Hals einge— zogen, und Kopf und Schnabel ſo vorgeſtreckt, daß ſie oben mit dem Ruͤcken faſt in wagerechter Linie ſtehen. Die Ferſengelenke hat er hierbei immer ſtark gebogen. Sein Gang iſt ſtets huͤpfend, ziem— lich leicht auf dem Erdboden, wo er ſich jedoch nicht oft aufhaͤlt und ſelten lange verweilt; mit noch mehr Gewandtheit durchhuͤpft er aber die Aeſte, jedoch im Klettern auf und an den Baͤumen uͤber— trifft er alle Voͤgel, ſelbſt die Spechte, bei weitem; denn er huͤpft mit eben der Gewandtheit an ſenkrechten Flaͤchen, den Kopf nach unten, den Schwanz nach oben gerichtet, herab, was kein Specht kann, als an denſelben hinauf, umkreiſt die Baumſchaͤfte in dieſer oder jener Stellung mit großer Schnelligkeit, klettert an ſchiefen und faſt wagerechten Aeſten der Laͤnge nach hin, gleichviel ob auf der untern oder obern Seite, und verrichtet das eine wie das an— dere mit einer bewundernswuͤrdigen Leichtigkeit. Er gebraucht VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 385 beim Klettern den weichfederigen Schwanz niemals als Stuͤtze, ſchont ihn vielmehr ſorgfaͤltig, und muß ſich daher einzig auf ſeine Fuͤße verlaſſen, was er auch recht gut kann, da ſeine langen Zehen eine große Flaͤche überfpannen, feine großen dünnen, ſcharfſpitzigen, Krallen in die Unebenheiten der Borke tief eingreifen, und die ſtarken Schenkelmuskeln und Sehnen dies kraͤftig unterſtuͤtzen. Alles die— ſes geſchieht auch ſo ungemein ſchnell und mit ſo vieler Abwechs— lung, daß man ſeinen Bewegungen kaum mit den Augen folgen kann. Man moͤchte faſt glauben, daß dem drolligen Kleiber das Klettern abwärts, mit dem Kopfe gegen die Erde zu, ſogar leich— ter wuͤrde, als aufwaͤrts, weil er allemal, wenn er etwas zer— hacken will, wozu viel Anſtrengung erforderlich iſt, es ſtets in jener Stellung verrichtet. Er haͤngt ſich auch in verkehrter Stellung an die duͤnnen Zweige, und iſt uͤberhaupt in ſeinem ganzen Weſen halb Specht, halb Meiſe, alſo Spechtmeiſe, ein ihn ſehr wohl be— zeichnender Name. N | Ob er gleich ein liſtiges Ausſehen hat und außerordentlich leb— haft iſt, ſo zeigt er ſich doch nie ſcheu, ja er laͤßt ſich in ſeinen Beſchaͤftigungen, zumal wo er gerade eine Lieblingsſpeiſe in Menge vorfindet, ſo wenig durch die Naͤhe eines Menſchen ſtoͤren, daß man ſeinem Treiben oft in ſehr geringer Entfernung zuſehen kann, was nicht wenig Vergnuͤgen gewaͤhrt, indem er anders faſt nicht ruhig ſitzt, als wenn er ſeinen Fruͤhlingsruf erſchallen laͤßt, denn auch das Ausrufen der uͤbrigen Locktoͤne thut ſeinem ſteten Verkehr durchaus keinen Einhalt. Eine merkwuͤrdige Eigenheit iſt ſeine Geſelligkeit, aber nicht zu ſeines Gleichen; denn man trifft ſelten mehr als zwei Kleiber, oder im Sommer Alte und Junge einer Familie, beiſammen, aber auch noch ſeltner einen einzelnen einſam an, ſondern dieſe Sonderlinge in der Strichzeit allemal im Verein mit Meiſen, Goldhaͤhnchen, Baumlaͤufern und auch wol Bunt— ſpechten. In ſolchen gemiſchten Geſellſchaften ſtreichen die Kleiber in jener Jahreszeit ſtets, und dann nie fuͤr ſich allein, nach Nah— rung umher, ſelbſt die Fortpflanzungsperiode hindurch leben ſie an ſolchen Orten, wo auch viele von jenen Voͤgeln ſich aufhalten. Auch im Fliegen iſt der Kleiber ziemlich gewandt, ſein Flug leicht, und wenn er weit uͤber das Freie muß, auch hoch, wo er dann ſchnell von Statten geht und durch das abwechſelnde Anzie— hen und Ausbreiten der Schwingen eine große Wogenlinie bildet. Auf kuͤrzern Strecken werden die Bogen weniger groß gemacht, 5r Theil. 25 — 886 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. und von einem Baum zum andern fliegt er bald nur ſchußweis, bald ſchnurrend, und ſeine kurze Geſtalt macht ihn ſehr kenntlich. Große Strecken ſieht man ihn darum ſeltner durchfliegen, weil er immer, wo es nur irgend ſein kann, den Baͤumen zu folgen pflegt, um beilaͤufig auch Nahrung aufzuſuchen. So wie er in vielen Stuͤcken den Meiſen aͤhnelt, ſo auch im Fluge; beſonders merkwuͤrdig iſt aber hier noch ein ſonderbares Schweben, mit ſehr ausgebreiteten Fluͤgeln und Schwanz, in herabſinkender Richtung, aber gerader Linie, von einem hohen Baumwipfel zu einem der naͤchſten Baͤume, was man im Anfange der Begattungszeit ſehr oft vom Maͤnnchen ſieht, und was dem ſchwebenden Fluge unſerer maͤnnlichen Blau— meiſe, um dieſe Jahreszeit, (f. IV. S. 68. d. W.) vollkommen gleicht. Der ſein Gefieder aufblaͤhende, wie ein Raubvogel, ohne Fluͤgelbewegung dahin ſchwebende Kleiber gewinnt dadurch ein ganz fremdartiges Ausſehen. — Gegen die Kaͤlte unſrer Winter iſt er gleichguͤltig, und beim haͤrteſten Froſt, wenn das Wetter nur nicht zugleich ſtuͤrmiſch iſt, immer froher Laune. Seine gewoͤhnliche Stimme, die er beſtaͤndig hoͤren laͤßt und keine beſondern Verhaͤltniſſe auszudrucken ſcheint, iſt ein kurzes leiſes, doch etwas geſchaͤrfteres Sit, als man es, obwohl ſehr aͤhnlich, auch von Meiſen, Goldhaͤhnchen und Baumlaͤufern hoͤrt, was dann im Fluge verſtaͤrkt wie Zitt oder wie Ziht klingt. Bei voller Nahrung hoͤrt man es am meiſten, wenn er einen Baum oder Aſt verläßt, oder ſich eben aufſetzt; auch beim Beklettern der Baumz ſchaͤfte und bei allen andern Verrichtungen, bald mehr bald weni— ger, ſo daß er ſich den darauf Merkenden damit bald verraͤth. Sind mehrere beiſammen, ſo hoͤrt man in der Naͤhe oͤfters auch ein leiſes Wispern, beſonders wenn zwei einander begegnen, als wenn ſie mit einander ſpraͤchen. Und dann hat dieſer poſſierliche Vogel auch noch ein lauteres Geſchrei, ſeinen eigentlichen Lockton, welches wie Zirr twit twit twit oder Twaͤt twaͤt twaͤt twaͤt klingt, welche Sylben als Lock langſamer, aber als Ausdruck der Freude oder bei Zaͤnkereien, was jedoch meiſtens bloßes Necken iſt, ſchnell aufeinander folgend und oͤfterer nacheinander ausgeſto— ßen werden, und nicht unangenehm klingen. Koͤmmt der Kleiber weit hergeflogen, ſo laͤßt er es allemal hoͤren, wenn er ſich eben wieder auf einem Baum niedergelaſſen hat, und wenn es ihrer meh— rere find, fo ſtimmen alle ein, und zwar nicht felten in etwas ver— ſchiedenen Toͤnen, was denn ganz drollig klingt. Beide Geſchlech— ter, auch die Jungen bald nach dem Ausfliegen, haben dieſe Toͤne, VI. Or dn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 387 allein das Maͤnnchen hat noch einen beſondern Fruͤhlingsruf. Dies ſind ſehr ſchoͤne, lautpfeifende Toͤne, die man ſehr weit hoͤrt, beſonders im Anfange der Paarungszeit, was bei warmen Fruͤh— lingstagen zuweilen ſchon der Februar, gewoͤhnlich aber der Maͤrz iſt, um welche Zeit man in den Laubwaͤldern eben noch keine ange— nehmen Toͤne vernimmt. Ein Wald, worin viele Kleiber ihre Bruͤteplaͤtze haben, wird daher um dieſe Zeit ſehr angenehm von ihnen belebt, indem jener Ruf um ſo weiter ſchallt, weil ſie dabei immer auf den Wipfeln ſehr hoher Baͤume ſitzen. Er iſt den uͤbri— gen Toͤnen ſeiner Stimme nicht aͤhnlich, klingt bald floͤtend: Tuͤh, tuh, tuͤh, oder hell und laut (wie ein Menſch auf dem Finger pfeift) einſylbig, Quei quei quei, und abwechſelnd hell und rein trillernd: Tirrrrrrr! Im Anfange laͤßt er ſich, bei ſchoͤnem Wetter, zu allen Tagszeiten, doch am meiſten des Morgens hoͤren; man ſagt auch, daß er es zuweilen ſogar des Nachts thue. Wenn das Maͤnnchen dieſen Ruf vom Gipfel eines hohen Baumes (am liebſten von ſolchen, wo jener duͤrre iſt, wie z. B. bei vielen alten Eichen) hoͤren laͤßt, antwortet ſehr oft das Weibchen auf einem der naͤchſten Baumwipfel, mit ſeinem Twaͤt waͤt waͤt u. ſ. w., worauf jenes gewoͤhnlich herbeigeflogen koͤmmt und ſich mit ihm, immer oben in den Gipfeln und oft von einem Baum zum andern, herumjagt. Doch ſieht man dieſe Neckereien auch oͤfters an und um den Baumſchaͤften, wobei ihre Geſchicklichkeit im Klettern wirklich in Erſtaunen ſetzt. Zuweilen gerathen auch zwei Maͤnnchen um ein Weibchen in Streit, wobei denn, wie auch beim Vollziehen der Begattung ſelbſt, viel Laͤrm gemacht wird. Die Jungen haben noch eine beſondere zwitſchernde Stimme. Zu zaͤhmen iſt dieſer poſſierliche Vogel ſehr leicht, da er ſich ſogleich an die Gefangenſchaft gewoͤhnt, und ſeinem Waͤrter bald die Leckerbiſſen aus den Fingern nimmt. Sein nettes Gewand macht ihn recht angenehm, und ſein munteres Weſen beluſtigt an— faͤnglich ſehr, aber ſeine allzu große Lebhaftigkeit und Unruhe wird zuletzt doch laͤſtig. Er muß immer etwas zu ſchaffen haben, und zermeißelt aus Langerweile das Holz des Vogelbauers, wenn die— ſer nicht ganz von Draht iſt. Frei im Zimmer fuͤhrt er ſich noch ſchlechter auf, weil er uͤberall herumklettert, alle Winkel durch— kriecht, und an Allem haͤmmert und pocht, ſo das Holzwerk, Fen— hervorhaͤnge, ſelbſt die Waͤnde beſchaͤdigt, und beſonders gern vor— gefundene Ritzen erweitert. Für längere Zeit empfiehlt er ſich dem⸗ nach nicht als Stubenvogel. 388 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. Naher u ag. Dieſe beſteht, wie bei den Meiſen, in Inſekten und Saͤme— reien, beſonders in groͤßern Baumſamen, Eicheln, Nuͤſſen und Nadelbaumſamen, auch Hanf, Sonnenblumenkernen, im Noth— fall ſelbſt in Hafer und Gerſte. An den Baͤumen ſucht er hauptſaͤchlich im Mooſe und in den Riſſen der Borke verſteckte kleine Kaͤferchen, Zangenkaͤfer, die Lar— ven und Nymphen dieſer, der Bockkaͤfer und vieler andern, die nicht im morſchen Holze ſelbſt wohnen, weil er zu dieſen nur ſel— ten gelangen kann, indem er nicht, wie die Spechte, Loͤcher in das Holz hackt, ſondern bloß Stuͤckchen Rinde abzuſpalten verſteht, was man ihn an alten Kiefern beſonders haͤufig betreiben ſieht. Er durchſucht daher vorzuͤglich ſolche Baͤume ſehr forgfaͤltig, die eine recht rauhe, riſſige, mit Flechten und Moos theilweis bewachfene Rinde haben. Inſekteneier, allerlei kleine Schmetterlingspuppen und Raupen ſucht er ebenfalls hier auf; mit letztern fuͤttert er be— ſonders ſeine Jungen. Auch Spinnen habe ich ihn oftmals fan— gen ſehen. Im Fruͤhling und Sommer genießt er ſelten etwas anderes als Inſekten, ſobald aber obengenannte Saͤmereien reif werden, ſucht er dieſe nebenbei auch auf, ja ſie werden ihm in der rauhen Jahreszeit zur Hauptnahrung. Eine ſeiner Lieblingsſpeiſen ſind die Haſelnuͤſſe, die er einzeln von den Buͤſchen herabholt, in den weit geoͤffneten Schnabel zu einem der naͤchſten Baͤume traͤgt, an welchem er ſchon eine Spalte gefunden und zum Theil ſo eingerichtet hat, daß eine Nuß hinein paßt, in welche er dieſe dann einklemmt, ſie meiſtens auch noch mit den Zehen des einen Fußes feſthaͤlt, und nun ſo lange kraͤftige Schnabelhiebe darauf fuͤhrt, bis die Schale zerſpringt, ſo daß er den Kern ſtuͤckweis verzehren kann. Er verrichtet aber das gewalt— ſame Oeffnen der Nuͤſſe das meiſtemal in umgekehrter Stellung, d. h. den Kopf nach unten gerichtet, und ſcheint ſo mehr Staͤrke zu beſitzen, als in einer andern, wo der Kopf nach oben gerichtet iſt. Das Aufſuchen, Herbeitragen, Aufhacken, Verzehren, Alles ge— ſchieht mit einer bewundernswuͤrdigen Eilfertigkeit, und wird ſo oft wiederholt, daß man glauben moͤchte, er ſei ein Nimmerſatt. Der genaue Beobachter bemerkt aber bald, daß den ſorgſamen Vo— gel noch ein anderer Trieb dabei leitet, naͤmlich der, den jetzigen Ueberfluß fuͤr nahrungsloſere Zeiten aufzuſparen. Er legt naͤmlich, ſobald er ſich geſaͤttigt hat, Vorrathskammern in Baumſpalten, VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 389 in Mauerritzen, ja ſelbſt in nahen Gebaͤuden unter den Geſimſen und Daͤchern, in Strohgiebeln oder ſonſt in den Loͤchern der Waͤnde an, um ſie ſpaͤterhin wieder aufzuſuchen, und iſt dabei ſogar ſo vor— ſichtig, nicht allen Vorrath an einem Orte, ſondern theilweiſe an mehreren zu verbergen. Vertrauete er Alles Einem Schlupfwinkel an, ſo moͤchte er Gefahr laufen, ſobald ein andrer ihn entdeckte, auf ein Mal um Alles zu kommen. Uebrigens muß man ſich wun= dern, wie ein ſo kleiner Vogel im Stande iſt, mit ſeinem ſchwachen Schnabel die harten Schalen der Haſelnuͤſſe zu zerſpalten; er muß dabei freilich alle ſeine Kraͤfte aufbieten, und biegt deshalb beim Aushohlen der ſchnellenden Schlaͤge nicht allein den Nacken, ſon— dern auch den ganzen Vorderkoͤrper ſoweit zuruͤck, als es nur an— gehen will, allein es bliebe dennoch ein ſeiner Staͤrke kaum ange— meſſenes Geſchaͤft, da er ſelbſt die dickſchaligſte Haſelnuß oͤffnet, wenn er nicht die Naht der Schale zu treffen und ſie ſo meiſtens in zwei Haͤlften zu zerſpalten wuͤßte. Die duͤnnſchaligern Lamberts— oder Bartnuͤſſe machen ihn ſchon weniger Muͤhe, und er iſt deswe— gen ſehr lecker darnach. Naͤchſt den Haſelnuͤſſen ſind die Nuͤſſe der Rothbuchen ihm am liebſten, dann die Samen der Ahornarten und die Lindennuͤßchen, endlich der Kiefern- Fichten- und Tannenſame, zu welchem er aber nicht anders gelangt, als bis die Schuppen der Japfen etwas klaffen, wie es bei hartem Froſt oder gegen das Fruͤh— jahr bei ſonnigem Wetter der Fall iſt. Im Winter ſucht er auch die abgefallenen Kirſchkerne von der Erde auf, und zerſpaltet ſie, um zu dem Innern zu gelangen, ſo die Eicheln, die ihm wenig Muͤhe machen, und deren Kern er ſtuͤckweis verſchluckt. Wenn er ſonſt hinlaͤnglich Futter findet, geht er indeſſen nicht an Eicheln. Im Herbſt geht er hin und wieder in Gaͤrten, mit den Meiſen, nach den Kernen der Sonnenblumen, Gurken und nach Hanfſamen, wel— cher letztere ein Leckerbiſſen für ihn zu fein ſcheint. Man ſieht ihn dann oͤfters, doch nie ſehr lange, auf dem Erdboden herumhuͤpfen, was er auch nach abgefallenen Buch- und Haſelnuͤſſen, nach den ausgeſtreuten Samen des Nadelholzes und anderm thut. An mei— nem Vogelheerde ſah ich immer, wie Kleiber, und die Sumpf: meiſen, von dem ausgeſtreueten Futter zuerſt den Hanf auf— leſen und dabei ſehr emſig waren, nachher aber auch den Hafer nicht verſchmaͤheten. Mit bloßem Hafer habe ich nicht allein die Kleiber ſehr leicht in die Falle gelockt, ſondern ſie auch nachher lange damit gefuͤttert; allein Gerſte moͤgen ſie nur im Nothfall. Sie ſpelzen dieſe Getraidearten, und verzehren nur die Kerne davon. 2390 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. Wahrſcheinlich ſuchen die, welche man im Winter an den Gebaͤu— den und ſelbſt in Scheunen zuweilen antrifft, außer Spinnen und verſteckten Fliegen, auch Getraidekoͤrner; auf die Miſtſtaͤtten kom— men ſie jedoch nicht. Im Magen findet man gewoͤhnlich auch etwas groben Sand, vermuthlich um die Verdauung zu befoͤrdern. Dieſe Voͤgel ſcheinen ſich ſehr gern zu baden; ich habe ſie oͤfters dabei angetroffen, wo ſie ſich ſo naß gemacht hatten, daß ſie nur mit Muͤhe noch fliegen konnten. Auch gehen ſie oͤfters zum Waſſer, um zu trinken. In der Stube ſind ſie ſehr leicht zu unterhalten, indem ſie ſogleich ans Futter gehen, ſich bei Hanf- und Haferkoͤrnen ſehr gut halten, und wenn man ſonſt will, auch leicht an ein weiches Stu— benfutter gewoͤhnen laſſen. Mit Nuͤſſen, auch Wallnußkernen, den Samenkernen von Sonnenblumen (Helianthus annuus), Kuͤr⸗ bis⸗Gurken- und Melonenkernen kann man eine ihnen angenehme Abwechslung machen, und dann zeigen ſie ſich als ziemlich dauer— hafte Voͤgel. Sie baden ſich auch in der Gefangenſchaft ſehr gern. Den Trieb, ſich Vorraͤthe von Nahrungsmitteln aufzuheben, ſieht man auch hier, beſonders wenn man ſie frei im Zimmer herum— fliegen laͤßt. Die Fugen zwiſchen den Dielen und an den Fenſtern ſtopfen fie oft ganz voll. Die Haferkoͤrner ſtecken fie allemal mit dem ſtumpfen Ende in die Ritze, ſo, daß die Spitze herausſteht, und damit ſparen ſie ſich nachher die Muͤhe, wenn ſie eins verzeh— ren wollen, es erſt herauszunehmen; dann gehen ſie bloß hin und hacken die feſtgeſteckten Koͤrner ſogleich aus den Spelzen, indem ſie dieſelben jederzeit am ſpitzen Ende zu oͤffnen pflegen. An fri— ſchem Waſſer, zum Trunk und Bade, koͤnnen fie nicht lange Manz gel leiden. i Unſer Kleiber niſtet in allen waldigen Gegenden Deutſchlands, doch häufiger ſtets in Laubwaͤldern als in reinen Nadelwaldungen. Dies iſt beſonders da, wo ſolche nahe beiſammen ſind, leicht zu bemerken, und wenigſtens mit reinen Kieferwaldungen dann immer der Fall. Im März, bei ſchoͤner Witterung, ſelbſt ſchon um die Mitte des Februar, erſchallt dort fein lauter angenehmer Paa— rungsruf, und um dieſe Zeit machen ſich dieſe aͤußerſt lebhafte Voͤgel durch ihre verſchiedenartige Stimmen und haͤufiges Schreien beſonders bemerklich. In zu kleinen Feldhoͤlzern, oder ſelbſt in groͤßern Baumanpflanzungen und Buſchwerk, in den Umgebungen VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 391 bewohnter Orte, niſtet nur ſelten ein einzelnes Paͤaͤrchen; aber in den Wäldern wohnen ihrer viele, in geringer Entfernung von ein— ander, fo daß fie dieſe dann auf eine angenehme Art beleben. Uns ſere Auenwaͤlder find dann voll von ihnen; allein in den anmuthi⸗ gen, baumreichen Umgebungen meines Wohnorts, niſtet nur ſelten eins. Mit dem oben erwaͤhnten ſonderbar ſchwebenden Fluge be— luſtigt ſich das Maͤnnchen nur bei ſchoͤnem Wetter und im Anfange der Begattungszeit; ſpaͤter wird es ſeltener, und wenn ſich die Baͤume erſt belaubt haben, nicht mehr bemerkt. Sie bauen ihr Neſt in eine Hoͤhle und faſt immer in eine Baumhoͤhle, ſelten in Mauerſpalten, Dachritzen und andere Loͤcher in ſolchen Gebaͤuden, welche von Wald umſchloſſen ſind. Man findet es dabei meiſtens in einer bedeutenden Hoͤhe, ſelbſt zuweilen über 60 Fuß hoch, aber auch in einer Höhe von 20, viel ſeltner ſchon von 10 bis 12 Fuß, am ſeltenſten noch tiefer. Ich erinnere mich nur eines einzigen in einer gekoͤpften hohlen Weide, und eines andern in meinem eignen Waͤldchen, zwiſchen zwei Baͤumen, die auf eine ſonderbare Weiſe an einer Stelle zuſammengeklebt ſind, und hier eine Hoͤhle bilden, welche nur 7 Fuß vom Boden entfernt iſt. Sie koͤnnen ſich eine ſolche nicht ſelbſt bereiten, ſondern neh— men ſie, wie ſie ſie vorfinden; ihre Wahl trifft ſo haͤufigſt ſolche, welche fruͤher ſchon von andern Voͤgeln bewohnt waren, beſonders lieben fie die von Spechten angefertigten; ſelbſt die der Schwarz» ſpechte find ihnen nicht zu groß. Enge darf der Eingang uͤber— haupt nicht ſein, denn ſie haben eine eigne Manier, ſich dieſen der Groͤße ihres Koͤrpers anzupaſſen, indem ſie ihn mit einer weichen klebrigen Erde fo weit zukleben oder verkleiben, daß nur ein Ein= gang bleibt, eben groß genug, ſie hindurch zu laſſen. Sie nehmen dazu am liebſten lehmige oder thonige Erde, weshalb eine ſolche Wand, die wenigſtens einen Finger dick, ja zuweilen uͤber einen Zoll ſtark iſt, nach einigen Tagen, wenn ſie voͤllig ausgetrocknet, ſo feſt wird, daß ſie nur mit einiger Gewalt zertruͤmmert werden kann. Der Eingang iſt ſtets mitten in der Wand, allemal zirfels rund und ſo klein, daß ſie nur mit einiger Anſtrengung hindurch ſchluͤpfen koͤnnen. Die Erde tragen ſie, wie die Schwalben, kluͤmp⸗ chenweis im Schnabel herbei, und benetzen ſie beim Verarbeiten mit ihrem kleberigen Speichel, wodurch die ſonderbare Mauer viel Feſtigkeit erhaͤlt, wenn ſich auch die Erde weniger gut dazu eignet. Der Spalt zwiſchen den oben erwaͤhnten beiden ſonderbar verwach⸗ ſenen Baͤumen war über eine Spanne lang und mit einem fetten 392 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. Schlamm verklebt, die Wand, ungeachtet des muͤrben Materials, doch recht feſt, und das Eingangsloch ebenfalls genau in der Mitte. Nicht ſelten werden ſie von den fruͤhern Beſitzern ſolcher Hoͤhlen, ehe ſie dieſe Arbeit vollendet haben, wieder vertrieben; iſt die Mauer aber erſt trocken, ſo koͤnnen ſie nur die Spechte wieder zer— ſtoͤren; fuͤr die Schnaͤbel anderer iſt ſie dann viel zu feſt. Das Neſt ſelbſt iſt oft, wegen der Weite im Innern der Höhle, anſehnlich groß, und ein ohne alle Kunſt zuſammengelegter Klum— pen leichter Stoffe, naͤmlich lauter in Stuͤckchen zerriſſenes trock— nes Laub, hauptſaͤchlich alte Blaͤtter von Eichen und Buchen, oder, wie in Nadelwaͤldern, bloß Stuͤckchen der allerduͤnnſten Blaͤttchen von der aͤußern Schale der Kiefern. Dieſe Dinge haben gar kei— nem Zuſammenhang unter einander, und es iſt darum zu verwun— dern, wie auf einer ſo loſen Unterlage die Eier zuſammengehalten werden koͤnnen, oder daß ſie nicht bis auf den Grund durchfallen. Man findet zu Ende des April oder doch Anfangs Mai gewoͤhnlich ſechs bis acht, zuweilen auch wol neun Stuͤck in einem Neſte, die den Eiern der Kohlmeiſe ſehr aͤhnlich, nur etwas groͤßer ſind. Ihre Geſtalt iſt meiſtens ſchoͤn eifoͤrmig, in der Mitte ziemlich bauchicht; doch giebt es auch laͤnglichtere und kuͤrzer geformte. Ihre Schale iſt zart, duͤnn, leicht zerbrechlich, glatt, aber wenig glaͤnzend, weiß, bald ein wenig ins Gelbliche, bald ins Blaͤu— liche ſpielend, doch ſo wenig, daß es kaum merklich wird. Auf dieſem weißen Grunde ſind ſie nun mit hell- und dunkelroſtrothen Puͤnktchen beſtreuet, die am ſtumpfen Ende dichter ſtehen und groͤ— ßer, ja einzeln hier zuweilen zu kleinen Fleckchen werden, ſich aber doch nicht kranzartig haͤufen. Hier zeigen ſich denn auch an den meiſten noch violettgraue Punkte, welche tiefer in der Schale ſitzen. Eine ſehr dichte Zeichnung haben ſie nie, und obwol die haͤufigere oder ſparſamere Anweſenheit und Groͤße der Punkte ſehr wechſelt, ſo macht dies doch keinen ſo erheblichen Unterſchied, daß ſie nicht jederzeit kenntlich blieben. Die Eier werden, wie bei den Meiſen, dreizehn bis vierzehn Tage ausgebruͤtet, aber wahrſcheinlich vom Weibchen allein, dem das Maͤnnchen, waͤhrenddem Futter zutraͤgt. Bechſtein ſagt zwar, beide wechſelten im Bruͤten ab, und das Maͤnnchen ſitze namentlich in den Nachmittagsſtunden uͤber den Eiern; da ich aber ſelbſt ein Mal das Maͤnnchen ſeinem bruͤtenden Weibchen Futter bringen ſah, ſo bin ich geneigt, erſterer Meinung beizutreten. — Die Jungen werden, ebenfalls wie bei den Meiſen, faſt mit lauter VI. Ordn. XXX. Gatt. 173. Europ. Kleiber. 593 kleinen Raupen aufgefüttert, wobei ſich die Alten außerordentlich thaͤtig beweiſen. Sie wachſen bald heran, ſitzen aber ungeſtoͤrt ſo lange im Neſte, bis ſie voͤllig fliegen koͤnnen, werden aber, nach— dem ſie ausgeflogen, auch noch eine Zeitlang gefuͤttert, ebenfalls groͤßtentheils mit Raupen, und ſtreichen dann nachher mit den Alten noch ein paar Wochen herum. Anfangs leben ſie bloß von Inſekten, denn zu haͤrtern Speiſen iſt ihr Schnabel immer noch zu weich, und ſeine Spitze bildet ſich erſt nach und nach aus. Gegen die Strichzeit der Meiſen ſind ſie voͤllig verwachſen, haben in der beſtandenen Mauſer ein Kleid, dem der Alten ganz aͤhnlich, ange— than, und ſind nun, wenn ſie ſich zu zweien und dreien unter die Zuͤge der Meiſen gemiſcht haben, nicht leicht von den Alten zu unterſcheiden. Dieſe machen uͤberhaupt jaͤhrlich nur Eine Brut, manchmal jedoch auch zwei, was aber ſelten und wahrſcheinlich nur dann vorkoͤmmt, wenn die erſte verungluͤckte. Feinde. Den Alten und ausgeflogenen Jungen ſtellen die Habichte und kleinen Falken nach, im Winter erwiſcht auch der große Wuͤrger zuweilen einen, aber ihre Brut iſt durch die ſonderbare feſte Mauer, welche die Neſthoͤhle bis auf ein enges Eingangsloch verſchließt, vor den Angriffen ihrer Feinde faſt immer geſichert; nur Wieſeln und Maͤuſen iſt der Zugang nicht zu enge. Iſt eine ſolche Wand doch ſo feſt, daß, wenn ſie gerade recht lehmige Erde dazu nahmen, ein Menſch Muͤhe hat, ſie mit den Fingern auszubrechen. In ihrem Gefieder wohnen verſchiedenartige Schmarotzerin— ſekten, unter andern auch eine fliegende Vogellaus (Hippobosca s. Ornithomya), und in ihren Eingeweiden hauſet ein Band wurm (Taenia n. sp.). Ja g d. Da ſie gar nicht ſcheu ſind, ſo kann man ſie nicht nur mit der Flinte, ſondern auch mit dem Blaſerohr oder mit der Arm— bruſt leicht erlegen, zumal da fie im Herbſt in die Gärten und ſelbſt an die Haͤuſer kommen. Wenn ſie Nuͤſſe aufhacken, iſt es ein Leichtes, ſich ihnen auf wenige Schritte zu naͤhern. Fangen kann man ſie ebenfalls auf verſchiedene Art. Im Win: ter geht dies am leichteſten mit dem Meiſenkaſten, in welchen ſie, wenn Hafer oder Hanf eingeſtreuet iſt, ſehr gern kriechen. Im 394 VI. Ordn. XXXII. Gatt. 173. Europ. Kleiber. Herbſt kommen fie mit den Meiſen auf den Meiſentanz und fangen ſich hier in Sprenkeln, auf Leimruthen und Klo— ben, auch in allen uͤbrigen bei den Meiſen beſchriebenen Fange— arten. So kommen ſie auch an die Vogelheerde, auf die Heherhuͤtte, auf den Traͤnkheerd, erhenken ſich auch zuwei— len, doch weit ſeltner als Meiſen, in Dohnen, und ſo werden ſie denn, obwol meiſtens zufaͤllig oder indem es nicht gerade auf ſie abgeſehen iſt, oftmals gefangen. Sogar in die Gartenhaͤuſer, auch in andere Gebaͤude, kriecht zuweilen ein einzelner durch die Zug— loͤcher oder ſonſt durch eine kleine Oeffnung, die er nachher mei— ſtens nicht ſogleich wieder findet und ſo manchmal ertappt wird. Nutz en. Ihr Fleiſch iſt wohlſchmeckend, doch nicht ſo zart, als das der Meiſen, doch find junge Vögel bei weitem ſchmackhafter, als alte. Sie werden uns aber weit nuͤtzlicher durch ihre Nahrung, in— dem ſie eine große Menge den Obſt- und Waldbaͤumen ſchaͤdlicher Inſekten verzehren und ihre Jungen damit auffuͤttern. Schaden. Die Nuͤſſe im Walde moͤchte man ihnen gern goͤnnen, allein bei den in Gaͤrten angepflanzten ſind ſie keine erwuͤnſchten Gaͤſte, indem ſie die Buͤſche bald ableeren. Das Beſte iſt, ſobald man Kleiber dabei bemerkt, die Nuͤſſe ſelbſt wegzunehmen; denn wenn die Voͤgel darnach gehen, ſo iſt es ein Zeichen, daß ſie reif ſind und abgenommen werden koͤnnen. Drei und dreißigſte Gattung. Baumlaͤufe r. Gert hl a. Schnabel: Schwach, geſtreckt, mehr oder weniger gebogen, ſehr zuſammengedruͤckt, mit kantigem Ruͤcken und ſcharfer Spitze. Zunge: Lang, ſchmal, faſt hornartig, an der Spitze mit un⸗ merklichem Fortſatz, nicht vorſchnellbar. Naſenloͤcher: Nahe an der Stirn, von oben halb durch eine gewoͤlbte Haut verſchloſſen, ein bloßer, hinten und vorn etwas aufwaͤrts gebogener Ritz. Fuͤße: Eben nicht ſtark, faſt ſchwaͤchlich; drei Zehen nach vorn, eine nach hinten gerichtet, erſtere von der Wurzel bis zum erſten Gelenk (die aͤußere laͤnger als die innere) zuſammen verwach— ſen; alle mit großen, krummen, ſcharfen Krallen bewaffnet, von welchen die der Hinterzeh beſonders ſehr lang. Flügel: Nicht groß, ſtumpf, mit ſchwachen Federn, wovon die vorderſte Schwingfeder ganz kurz, die zweite viel laͤnger, die dritte noch laͤnger, aber die vierte erſt die laͤngſte von allen iſt. Schwanz: Etwas lang, ſchmal, am Ende keilfoͤrmig, aber in zwei Spitzen getheilt; ſeine 12 Federn gleich ſtark, mit ſehr ſtarren, etwas unterwaͤrts gebogenen Schaͤften und ſpitzwaͤrts mit hartem Bart; als Stuͤtze beim Klettern dienend. Das kleine Gefieder, beſonders des Rumpfs, hauptſaͤchlich am Unterruͤcken und Unterleibe, iſt lang, locker, die Federbaͤrte unter ſich ohne beſondern Zuſammenhang, daher faſt haar- oder dunen⸗ artig, wie bei den Meiſen und Kleibern. Die Baumlaͤufer gehoͤren unter die ſehr kleinen Voͤgel. Die Männchen find meiſtens etwas größer, als die Weibchen, aber am 396 VI. Ordn. XXXIII. Gatt. Baumlaͤufer. Gefieder wenig verſchieden, und auch die Jungen im Neſtkleide ſehen ihren Aeltern ſehr aͤhnlich. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr. Zur Linneiſchen Gattung Certhia wurde ſonſt noch eine große Anzahl auslaͤndiſcher Arten gezaͤhlt, die man jetzt mit vollem Recht in mehrere Gattungen zerſpalten und von den unfrigen getrennt hat. Die Zahl der Arten der jetzigen Gattung Certhia iſt demnach ſehr klein, und zu unſerer Europaͤiſchen kommen etwa nur noch zwei bis drei auslaͤndiſche. i f Unſere Baumlaͤufer bewohnen waldige oder nicht ganz baum— leere Gegenden, und durchſtreifen dieſe, nach Nahrung, wie Mei— ſen, Goldhaͤhnchen, Kleiber und Spechte, lieben die Geſellſchaft jener, ohne für ſich ſelbſt eigene Vereine zu bilden, denn es find ſelten mehr als zwei dieſer Voͤgel beiſammen, und die Jungen einer Familie bleiben nur ſo lange bei ihren Aeltern, als ſie ihre Pflege und ihres Unterrichts beduͤrfen. Sie halten ſich ſtets an und auf den Baͤumen auf, beklettern die Baumſchaͤfte, gleich den Spech— ten, von der Wurzel an bis in die Wipfel hinauf, auch die Aeſte, klettern aber nie anders, als den Kopf nach oben gerichtet und auf— waͤrts, nicht ruͤckwaͤrts, haͤngen ſich daher meiſtens tief unten an, und huͤpfen nun behend, oft in einer Schraubenlinie den Baum hinan, ſowol an ſchiefen als ſenkrechten Schaͤften und ſelbſt auf der untern Seite wagerechter Aeſte hin, um zwiſchen den Flechten und Ritzen der Rinde verſteckte kleine Inſekten, deren Eier, Larven und Puppen, aufzufinden, wovon ſie ſich hauptſaͤchlich naͤhren, die ſie zuweilen auch unter den Baͤumen im Mooſe auf der Erde auf— ſuchen, wobei ſie denn auch manchmal kleine Samenkoͤrner ver— ſchlucken. Ihr Schnabel iſt viel zu ſchwach, um Löcher in Rinde und morſches Holz zu hacken, daher nehmen ſie nur ſolche Inſekten, die ſich nicht in dieſe haͤrteren Maſſen einzugraben verſtehen. — Zur Zeit der Fortpflanzung wohnen ſie paarweiſe in Waͤldern, Gaͤrten und andern Baumanpflanzungen, niſten daſelbſt in aufge— fundene Spalten und Loͤcher der Baͤume, oder ſonſt zwiſchen Holz, ſogar zuweilen an Gebaͤuden, bauen in ſolche ein ziemlich ordentliches Neſt aus waͤrmenden Stoffen, und legen viel, weiße, rothgepunktete Eier, die den Meiſeneiern ſehr aͤhnlich ſehen, und verhalten ſich im Bruͤten und Aufziehen der Jungen, die ſie mit Inſekten auffuͤttern, ebenfalls wie die Meiſen. Die Baumlaͤufer, bemerkt Nitzſch nach Unterſuchung der Certhia familiaris (und zwar ſowol lang- als kurzſchnaͤbeliger Individuen) haben in anatomiſcher Hinſicht eben ſo wenig Aehn— VI. Ordn. XXXIII. Gatt. Baumlaͤufer. 397 lichkeit mit den Spechten, als die Kleiber. Auch hier findet ſich der, freilich theils ſehr ſchwache, Singmuskelapparat am untern Kehlkopf in Geſellſchaft aller uͤbrigen allgemeinen Bildungsverhaͤlt— niſſe der Singvoͤgel, mit welchen ich die Gattungen Certhia und Sitta vor längerer Zeit verbunden habe “). Die Augenſcheidewand iſt unvollſtaͤndig, die Hirnſchale abgerundet glatt, ziemlich breit, die Stirn vorn ſehr ſchmal. Die kleinen Nebenknochen der Sing— voͤgel, als Siphonia, Armpatellen u. ſ. w., ſind auch hier ausge— bildet. Der Halswirbel ſind 12, der Schwanzwirbel 6, der letzte wegen der großen ſtemmenden Schwanzfedern ſehr groß, be— ſonders mit großem Dornfortſatz, faſt wie bei Spechten. Der Rippenpaare ſind 8, von denen das erſte ganz verkuͤmmert und wie das zweite ohne Rippenknochen iſt. Das Bruſtbein hat wie bei allen Paſſerinen am Hinterrande nur 2 haͤutige Buchten. Die Hinterglieder ſind a nicht minder ſtark und entwickelt, als bei den Kleibern. f „Außer der Hirnschale iſt kein Knochen Luft-fuͤhrend.“ „Die Zunge iſt hornig, ſcharfrandig, dem Schnabel entſpre— chend lang und ſchmal, vorn etwas gefaſert, hinten gewoͤhnlicher— maßen getheilt und gezaͤhnt.“ „Der Schlund ohne Bauch oder kropfartige Erweiterung; der Magen ſehr fleiſchig. Das Pankreas doppelt und das hintere, linke faſt ganz ſo beſchaffen, wie bei Sitta. Die Milz kuͤrzer und kleiner, als bei den verwandten Vögeln. Die Blinddaͤrme winzig klein.“ „Die Nieren liegen dicht an einander, ſind aber nicht Ob zen und die vordern Lappen find am Rande deutlich abgeſetzt.“ * 1 * Es giebt in Deutſchland, und ſoviel bis jetzt bekannt, auch in une von dieſer Gattung nur Eine Art. *) S. die Abhandlung uͤber die Naſendruͤſe der Voͤgel in Mek⸗ kels Archiv fuͤr die Phyſiologie, B. 6. S. 234. 174. , , Certhia familiaris. Linn. Fig. 1. altes Männchen. Taf. 140 — 2. junger Vogel. ] — 3. Maͤnnchen, Spielart. — 4. Junges der Spielart. Gemeiner — graubunter — lohruͤckiger — kurzzehiger — langſchnaͤbliger — Europaͤiſcher Baumlaͤufer, Baumlaͤuferlein, Baumreuter, Baumrutſcher, krummſchnaͤbliger Baumkleber, Baum— klette, gemeiner oder kleiner grauer Baumſteiger, Baumhackel, Baumhaͤkel, kleiner Baumhacker, Baumgrylle, Baumgrille, Baumchlaͤn, Baumkrasmerli, Rindenkleber, gemeiner Klettervo— gel, Grauſpecht, Kleinſpecht, Schindelkriecher, Brunnenläufer, Sichler, Sichelſchnaͤbler, Gruͤper; hier im Lande: Baumlaͤufer. Certhia familiaris. Gmel. Linn. Syst. I. p. 469. n. 1. = Lath. ind. I. P. 280. n. 1. = Retz. Faun. Suec. p. 108. n. 61. — Nilsson Orn. suec. I. p. 98. n. 46. = Le Grimpereau. Buff. Ois. V. p. 481. t. 21. f. 1. — Edit. d,. Deuxp. X. p. 170. t. 2. f. 6. — Id. planch. enlum. 681. f. 1. = Gérard, Tab. elem. I. p. 365. —= Temminck Man, nouv. Edit. I. p. 410. Common Creeper. Lath. Syn. I. p. 701. Ueberſ. von Bechſtein, I. 2. S. 752. n. 1- == Bewick brit. Birds I. p. 169. = Picchio passerino. Stor, deg. ucc, II. t. 195. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1085. — Deſſen Ta⸗ ſchenb. I. S. 77. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. I. S. 130. = Meisner u. Schinz, Voͤg. d. Schweiß. S. 45. n. 43. — Meyer, Bög. Liv⸗ und Eſthlands. S. 64. — Koch, Baier. Zool. I, S. 82. n. 12. = Brehm, Beitr. I. S. 570. — II. S. 72. u. S. 708. — III. S. 905. —= Deſſen Lehrb. d. Europ. Ornith. I. S. 151 u. 152. — Meyer, Zuſaͤtze u. Berichtigungen z. Taſchb. S. 34. — Friſch, Voͤg. Taf. 39. Fig. 1. u. 2. = Naumann 's Vög. alte Ausg. I. S. 128. Taf. 28. Fig. 58. Ken nz e iche det Oben dunkelgrau, weiß betropft, unten weiß; der Buͤrzel roſt— farbig; durch den Fluͤgel geht eine weißgelbe Binde; der Schwanz einfarbig. d VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 399 Be ſ ch eri dunn gene Ein ausgezeichnetes Voͤgelchen, was nicht leicht mit einer an— dern Art verwechſelt werden kann. Der Meinung des Herrn P. Brehm, daß man unſre Baumlaͤufer in zwei von einander ver— ſchiedene Arten zerſpalten muͤſſe, kann ich nicht beitreten, und werde mich weiter unten ausfuͤhrlicher daruͤber erklaͤren. Der Baumlaͤufer gehoͤrt unter den einheimiſchen Voͤgeln zu den kleinſten. Er iſt, ohne Federn, meiſtens noch nicht ſo ſchwer als unſer Zaunkoͤnig (Troglodytes parvulus) und wiegt mit den Federn nur 2 bis 3 Quent. Seine Länge von der Stirn bis zur Schwanzſpitze beträgt 5 bis 57 Zoll, oft auch, beſonders wenn das Schwanzende bedeutend abgeſchliffen, noch darunter, ſelten daruͤber; die Fluͤgelbreite 8 Zoll, oͤfters auch etwas mehr, ſelten weniger; die Fluͤgellaͤnge, vom Handgelenk bis zur Spitze, 14 Zoll; die Laͤnge des Schwanzes, deſſen Ende in zwei Spitzen ge— theilt, aber dennoch keilfoͤrmig iſt, an den Mittelfedern 27, an den aͤußern 2 Zoll, und die Spitzen der ruhenden Fluͤgel decken ihn bis auf 14 Zoll feiner Laͤnge. Die erſte Schwingfeder iſt ſehr kurz, ſchmal und klein, die zweite noch ein Mal ſo lang, auch viel breiter; die dritte ein wenig kuͤrzer als die vierte und fuͤnfte, welche in der Groͤße wenig verſchieden und die laͤngſten ſind. Die Schwanzfedern ſind lanzettfoͤrmig zugeſpitzt, doch von innen mehr als von außen, daher die Spitze ſchief; ſie haben ſehr ſtarre, etwas unterwaͤrts gebogene Schaͤfte, und an der Spitze, welche faſt im—⸗ mer abgebrochen, und oft nach und nach um ein paar Linien breit abgeſchliffen wird, ſind auch die Bartfaſern borſtenartig hart, und auch dieſe nutzen ſich mit den Schaͤften zugleich ab, ſo daß man die wahre Geſtalt und Laͤnge des Schwanzes nur nach eben zuruͤckge— legter Maufer ſieht. Der Schnabel iſt etwas lang, ſchwach, ſanft gebogen, ſehr ſpitz, an der Wurzel wenig, nach vorn ſehr ſtark zuſammen ge— druͤckt, mit ſcharfer Ruͤckenkante, die Spitze des Oberkiefers ein wenig laͤnger als die untere. Von Farbe iſt er oben und an der Spitze braunſchwaͤrzlich, uͤbrigens ſchmutzig weißgelblich, im Leben ein wenig ins Fleiſchfarbene ſpielend; inwendig eben ſo, der Ra— chen fleiſchfarbig. In der Größe wechſelt er ſehr ab, bei alten Voͤgeln von 64 bis zu 8 und 9, ſelbſt zuweilen bis zu 10 Linien Laͤnge, bei jungen, ausgewachſenen, von b bis zu 7 und 8 Linien. Er iſt an der Wurzel 17 Linien hoch und eben fo breit, auch wol kaum merklich ſchmaͤler; nur bei den Individuen, welche die laͤng— 400 VI. Or dn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. ſten Schnaͤbel haben, ſcheint er in der Mitte etwas hoͤher, auch etwas ſtaͤrker gebogen zu ſeyn. Uebergaͤnge zwiſchen den angegebe— nen Maaßen finden ſich in allen Abſtufungen. Die Abweichungen ſind individuell, und nicht Folge verſchiedenen Alters; ein Vorkom— men, was unter langſchnaͤbligen Voͤgeln nicht ſelten iſt, wovon nur ein uns eben nahe ſtehender, der Mauerlaͤufer (Tichodroma muraria) genannt zu werden braucht, aber in Zukunft in dieſem Werke be— ſonders unter Sumpfvoͤgeln viele vorkommen werden, von deren Schnaͤbel ſich das Naͤmliche ſagen laͤßt. Das Naſenloch, an der Schnabelwurzel, iſt ein in einer ge— woͤlbten Haut unterwaͤrts angebrachter, offner, kleiner, vorn und hinten etwas aufwärts gezogener Ritz. Die Zunge iſt dem Schna— bel angepaßt, bald laͤnger, bald kuͤrzer, ſtets ſehr ſchmal, faſt hornartig, mit harter Spitze, die jedoch nicht zum Anſpießen der Inſekten taugt, weil das Aeußerſte der Spitze ein etwas duͤnnerer Fortſatz iſt, welcher in Zaſern zerriſſen ſcheint. Das etwas kleine Auge hat einen hellbraunen, bei den Jungen graubraunen Stern. Die Fuͤße ſind weder ſtark noch groß zu nennen, die Laͤufe nicht hoch, die Zehen ſchlank; der Ueberzug an den erſtern in große Tafeln, an den letztern in kleinere Schilde gekerbt, die Zehenſohlen feinwarzig; die Krallen groß, beſonders die der hintern Zeh, ſchoͤn gebogen, ſchlank, ſehr zuſammengedruͤckt, unten ſcharf gefurcht, mit nadelfoͤrmiger Spitze. Sie variiren in der Größe und Form, bei verſchiedenen Individuen, ſo daß ſie das eine bedeutend laͤnger, das andere um Vieles kuͤrzer hat, wo dann jene zugleich weniger, dieſe viel ſtaͤrker (faſt im Halbkreiſe) gebogen find. Dabei trifft es ſich nun ſehr oft, daß Individuen mit auffallend langem Schnabel gerade die kuͤrzeſten, und die mit kurzem Schnabel die laͤngſten Krallen haben, was an der Hinterzeh beſonders bemerklich wird. Doch nicht immer; denn es findet nicht nur oͤfters das Gegen— theil ſtatt, ſondern es giebt auch hier eben ſo viel Uebergaͤnge, wie bei der Schnabelform. — *) Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges gelbbraͤunliches Weiß, was am lebenden Vogel, beſon— ders bei jungen, etwas ins Fleiſchfarbene ſpielt; die der Krallen *) Auch die Länge der Krallen wechſelt bei einer und derſelben Vogelart oft zum Erſtauen ab. Vor kurzem erhielt ich vom Rieſengebirge eine ganze Menge Waſſerpieper (Anth. aquaticus), Alte und Junge verſchiedenen Alters und Geſchlechts, und fand hier die Groͤße und Form des Nagels an der Hinterzeh faſt noch auffallender verſchieden, als bei unſern Baumlaͤufern, mancher alte hatte einen ſehr kurzen, und mancher junge einen außerordentlich langen Sporn, und ſo auch umgekehrt. VI. Orb. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 401 ebenſo, doch oft an den Spitzen hornbraun. Die Hoͤhe der Fuß— wurzel mißt 73 Linien; von den Zehen (die Krallen nicht mit gemeſ— fen) iſt die mittlere 5 Linien, die hintere 4 Linien lang; von den Krallen (über den Bogen gemeſſen) die der erſtern gegen 3 und bis etwas uͤber 4 Linien, die der letztern, als die groͤßte, von 4 bis 6 und 7 Linien lang. Das Gefieder hat folgende Farben: Die Zuͤgel find braungrau; ein weißer Streif laͤuft uͤber das Auge hin und loͤſt ſich erſt neben dem Nacken in weiße Flecke auf; vom Auge nach dem Ohre ein ſchwarzbrauner Streif; die Wangen, ſo weit ſie dieſen begrenzen, braungrau, weiß gefleckt; der Scheitel matt ſchwarzbraun, lohgelb angeflogen oder gemiſcht, mit truͤbe weißen, tropfenfoͤrmigen Schaftflecken; der ganze Hinterhals, Ruͤcken und Schultern eben ſo, aber mit groͤßern weißen Flecken; der Buͤrzel braungrau, ſtark gelblich roſtfarben uͤberlaufen. Alle untern Theile, von der rein weißen Kehle an, ſind grauweiß, in den Seiten und am After oft graugelb angeflogen; die untern Schwanzdeckfedern roͤthlich grau— gelb, mit großen weißen Enden. Die Schwingen ſind ſchwarz— braungrau, alle, die vorderſten ausgenommen, mit einem weißen Spitzenfleck, welcher an den drei letzten anſehnlich groß iſt und eine dreieckige Geſtalt hat, und von der vierten bis zur funfzehnten zieht ſich eine weißgelbe Binde mitten durch ſie hin, welche oben und unten eine Ecke hat, aber nur beim ausgebreiteten Fluͤgel in voll— kommener Geſtalt zu ſehen iſt; vor ihr ſind die Federn auf der Kante der aͤußern und an den drei letzten auf beiden Fahnen licht gelbgrau angeflogen. Bei zuſammengelegtem Fluͤgel iſt die weiß— gelbe oder gelblichweiße Querbinde ſehr verſchoben und ſcheint ſchwarz eingefaßt zu ſeyn; die großen Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarz— braun, mit dreieckigen weißen Spitzenflecken auf der Außenfahne von oben gelblichgrau, nach unten grauweiß, welches Letztere bin— denartig erſcheint; die mittleren Deckfedern, Afterfluͤgel und Fit— tichdeckfedern ſchwarzbraun, mit weißen dreieckigen Spitzenfleckchen. Die Schwanzfedern ſind braungrau, an den Außenkanten licht gelb— grau, am lichtgelbbraunen Schafte entlang ſchwarzbraun. Auf der untern Seite iſt der Schwanz braͤunlichweißgrau, an den Spitzen braungelb; die Schwingen unten ſchwaͤrzlichgrau, die gelbliche Binde nur ſchwach gezeichnet; die untern Fluͤgeldeckfe— dern ſchmutzig weiß. Maͤnnchen und Weibchen ſind in der Farbe faſt nicht ver⸗ ſchieden, jedoch iſt zuweilen bei letzterm der lohgelbe Anflug an den 5r Theil. 26 402 VL Ordn. XXXIII. Gatt.174. Grauer Baumläufer. obern Theilen nicht fo auffallend, die weiße Fluͤgelbinde weniger gelb ſchattirt, und dann iſt es immer etwas kleiner, auch der Schnabel gewoͤhnlich ſchwaͤcher und kuͤrzer. Der lohgelbe Anflug iſt uͤbrigens in beiden Geſchlechtern bald ſtaͤrker, bald ſchwaͤcher, auch die weißen Flecke nicht bei allen von einerlei Umfang; dann bemerkt man auch bei manchen an der Unterbruſt ſchwaͤrzliche Schaft— ſpitzchen, die das Weiß noch grauer machen; alles geringe, kaum merkliche, Abweichungen, welche weder auf die Verſchiedenheit des Alters, noch Geſchlechts Bezug haben. Gleich nach der Mauſer, im Herbſt, ſieht das Gefieder am ſchoͤnſten aus und alle Farben ſind noch friſch, dann iſt auch der lohgelbe Anflug am ſtaͤrkſten, die Grundfarbe dunkler und alle Zeich— nungen reiner, beſonders ſieht man da die Schwanzfedern in ihrer wahren Geſtalt. Den Winter hindurch iſt, außer an den letztern, noch wenig veraͤndert; aber im Fruͤhling leidet ſchon das ganze Gefieder durch Abreiben der Federraͤnder, jo daß im Sommer die Federn alle wie befreſſen oder wie von Motten benagt ausſehen, daß fie ſelbſt das dunkelgraue Dunengefteder nicht mehr allenthal— ben decken wollen, wodurch denn jenes Lohgelb, weil es meiſtens an der Seitenkanten der Federn ſeinen Sitz hat, faſt ganz ver— ſchwunden iſt. Das weißliche Gelb auf den Fluͤgeln iſt dann auch in Weiß abgeſchoſſen, das dunkle Braunſchwarz ganz fahl gewor— den, die Fluͤgelſpitzen haben ſich ſehr abgeſtoßen, aber ganz vor— zuͤglich veraͤndert findet man dann die Schwanzſpitze, indem ſie ſich ſo ſtark abgeſchliffen hat, daß nicht ſelten 3 bis 4 Linien an der Laͤnge des Schwanzes fehlen. Das erſte Gefieder der Jungen ſieht im Ganzen dem der Al— ten ebenfalls ſehr aͤhnlich, Fluͤgel und Schwanz ſind ganz ſo wie bei dieſen, und verbleiben, wie gewoͤhnlich, dem erſten Herbſt— kleide u. ſ. w., bis zur zweiten Mauſer; das uͤbrige Gefieder des Jugendkleides iſt aber noch viel lockerer und haarartiger, als bei den Alten, von oben unreiner und groͤber gezeichnet, auf braͤun— lichſchwarzgrauem Grunde ſtehen groͤßere, aber unbeſtimmter be— grenzte gelblichgrauweiße Tropfenflecke; denn die einzelnen Federn haben dort weiße Schaͤfte, ſind ſpitzwaͤrts naͤchſt dieſen grauweiß, dann braungelblichweiß, und haben endlich ſchwarzbraungraue Raͤnder; der Buͤrzel hat einen lohgelben Anſtrich; der weiße Au— genſtreif iſt bald mehr, bald weniger deutlich, Schnabel und Fuͤße find lichter als bei den Alten, und es ſcheint hier mehr Fleiſchfarbe, was dort weißgelbliche Hornfarbe iſt. Im Neſte haben ſie noch VI. Ord n. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 403 ſehr kurze Schnaͤbel, mit ganz unbedeutender Kruͤmmung, und nachher, wenn ſie ausgeflogen, wird dieſer Theil erſt allmaͤhlich ausgebildet, ſo auch die Krallen. Uebrigens kommen dieſe Theile ſchon bei den Jungen, ſogar von Einem Geniſt, von ſehr verſchie— dener Lange vor. ) Ein aͤußeres Geſchlechtskennzeichen giebt die verſchiedene Laͤnge und Bildung des Schnabels und der Krallen hier nicht, auch ſonſt kein Merkzeichen im Gefieder, und die verſchie— dene Koͤrpergroͤße entſcheidet auch nichts. Abweichungen in der Groͤße ſind, wie ſchon erwaͤhnt, unter dieſen Voͤgeln ſehr haͤufig, ſo daß in aͤltern Zeiten manche Jaͤger und Schriftſteller an zwei Arten von Baumlaͤufern, eine große und eine kleine, glaubten, wie man z. B. aus Friſchs Abbil— dungen von beiden ſehen kann. Sie gehoͤren indeß zu Einer Art, und ſind ein Vorkommen, was man auch bei vielen andern Vogel— arten trifft. Daß aber die kleinen immer die groͤßten Schnaͤbel und kuͤrzeſten Krallen, die großen dagegen ſtets die kuͤrzeſten Schnaͤ— bel und groͤßten Krallen haben ſollten, iſt gegen meine Erfahrung; ich habe ſehr kleine alte Voͤgel mit kurzem, und ſehr große mit lan— gem Schnabel gehabt, Brehms ſogenannte C. brachydactyla ſo⸗ gar ſehr oft größer gefunden, als feine ſogenannte C. familiaris, da es doch nach ſeinen Behauptungen (a. a. O.) ſich damit umge— kehrt verhalten ſoll, ja das kleinſte Exemplar, was ich jemals ge— ſehen (ich beſitze es noch), iſt von der kleinſchnaͤblichen Spielart, wofuͤr ich nach Gruͤnden, die ſich auf eigene genaue Beobachtungen ſtuͤtzen, und die ich weiter unten aufzaͤhlen werde, die langſchnaͤbli— gen und kurzſchnaͤbligen Individuen unter unſern Baumlaͤufern nur halten kann. Uebergaͤnge von einer dieſer Spielarten zur andern ſind ja gar nichts Seltenes; wo wollte man denn mit dieſen *) In den Umgebungen meines Wohnorts niſten Baumläufer ſelten, doch kom⸗ men öfters aus der Nähe Alte mit den eben ausgeflogenen Jungen zu uns; fo vor zwei Jahren eine ſolche Familie, wovon die Alten, ihrer Scheu wegen, zwar nicht, aber drei ihrer Jungen erlegt werden konnten, von welchen denn der eine ein auf⸗ fallendes kurzes Schnaͤbelchen (wie es C. familiaris Brehmii immer haben ſoll), die beiden andern aber ſchon fo lange, krumme Schnaͤbel hatten, daß fie H. Brehm ohne einiges Bedenken, ſogleich für feiner C. brachydactyla angehörig erklärt haben wuͤrde, denn ſie ſtimmten mit den lang- und kurzſchnaͤbligen Exemplaren jun⸗ ger Baumlaͤufer, die ich von ihm ſelbſt als zwei verſchiedene Arten erhielt, genau uͤberein. — Ein ander Mal ſchoß ich von ſolcher Familie beide Alte, bekam aber nur eins der Jungen, alles Langſchnaͤbel; dann wieder ein Mal auf aͤhnliche Weiſe lauter Kurzſchnaͤbel; doch habe ich in ſolchen Faͤllen niemals alle Glieder der Familie in meine Gewalt bekommen koͤnnen, obgleich die wenigen eine ziemliche Verſchiedenheit der Schnaͤbel zeigten, und bei manchen es zweifelhaft blieb, ob man fie lang- oder kurzſchnaͤblig nennen koͤnne. 404 VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. hin? Sie mit Hn. Brehm (f. deſſen Beiträge I. S. 577) für Baſtarde halten? Solche Saͤtze aufſtellen, heißt wahrlich viel gewagt. | | Unſere Baumlaͤufer maufern jährlich ein Mal, im Auguſt und September, die Jungen fruͤher, als die Alten. Au fen t. Der graue Baumlaͤufer bewohnt Europa, beſonders das mitt— lere, geht aber in Norden noch einzeln ziemlich hoch nach Schweden und Norwegen hinauf, koͤmmt in Rußland, auch in Sibi— rien vor, und iſt in Deutſchland und den angrenzenden Laͤn— dern, vorzuͤglich in waldigen Gegenden, gemein. Auch in der hieſigen Gegend iſt er, ſelbſt in den weniger baumreichen Strichen, uͤberall nicht ſelten. 5 Er gehoͤrt unter die Strich voͤgel, verlaͤßt nach der Fort— pflanzungszeit ſeinen Aufenthaltsort und beſucht die umliegende Gegend, doch iſt ſeine wahre Strichzeit der September und Okto— ber, wenn die Meiſen ziehen, und im Maͤrz begiebt er ſich wieder zuruͤck an die Bruͤteplaͤtze. Er ſtreicht dann im Herbſt in weſtlicher Richtung fort, muß aber, weil er den Baͤumen und Gebuͤſch nach— fliegt, oft ſehr davon abweichen. Viele ziehen dann bei uns nur durch, andere bleiben hier und verlaſſen uns nur erſt gegen das Fruͤhjahr wieder. In unſern Waͤlbern trifft man ſie aber Jahr aus Jahr ein an, und das Durchſtreichen wird nur da bemerklich, wo es nicht viele Baͤume giebt und im Sommer keiner dieſer Voͤgel wohnt. Seine Reiſe macht er einzeln oder paarweis am Tage, zieht vom Morgen an bis Mittag, gewoͤhnlich mit den Meiſen, fliegt aber ungern weit uͤber das Freie, und zeigt dabei, wie dieſe, ſelten große Eil. Er wohnt in allen Arten von Waͤldern, im Nadel-, wie im Laubholzwalde, in gebirgigen, wie in ebenen, auf trocknen, wie auf ſumpfigen Boden, nur ſehr hoch auf die Gebirge verſteigt er ſich ſelten. Im Sommer iſt er nur im eigentlichen Walde, oder doch in Gegenden, die ſehr viele und ausgedehnte Baumpflanzun— gen, beſonders viel Weidenbaͤume haben, und die zum Theil mit groͤßern Waldungen zuſammenhaͤngen, in kleinen abgeſonderten Holzungen aber ſelten. Dieſe ſucht er jedoch in der Strichzeit ebenfalls auf, iſt dann an den Bäumen und Gebuͤſch in den Um: gebungen der Doͤrfer und Staͤdte, in den Baumreihen an den Land— ſtraßen, in allen Baumgaͤrten, beſonders aber in den Kopfweiden— VI. Drdn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 405 pflanzungen, uͤberall anzutreffen. Sonſt ſieht man ihn in jeder Art von Nadelholz, wenn es nicht zu jung iſt, in den Waͤldern wo Nadel- und Laubholz durcheinander wachſen, und in Laubwaͤl— dern von den verſchiedenſten Holzarten, ohne Unterſchied, wenn ſie nur alte Baͤume genug haben. Aus den Obſtgaͤrten koͤmmt er nicht nur im Winter, ſondern in waldigen Gegenden ſelbſt auch im Som— mer nicht ſelten an die Gebaͤude, und klettert hier beſonders gern am alten Holzwerk zwiſchen Lehmwaͤnden, an breternen Giebeln der Strohdaͤcher und an alten hoͤlzernen Thuͤrmen, ſogar mitten in den Doͤrfern herum, und niſtet manchmal auch an ſolchen Gebaͤuden. Fuͤr Weidenbaͤume zeigt er uͤberall eine große Vorliebe. Der Aufenthalt dieſes kleinen behenden Voͤgelchens wuͤrde oft verborgen bleiben, zumal auf großen alten Baͤumen, wenn er ſich nicht meiſtens durch ſeine Stimme verrieth. Er hat zwar ein eig= nes Revier, was er taͤglich durchſtreift, aber nirgends lange Ruhe, verlegt ſeinen Aufenthalt ſehr bald von einem Baum zum andern, findet jedoch auf ſehr großen ſperrichten Baͤumen, z. B. auf alten Eichen, laͤnger Beſchaͤftigung, als an den ſchwaͤchern und ſchlank gewachſenen. Man hat ihn nicht auf den Zweigen, ſondern an den Schaͤften und groͤßern Aeſten der Baͤume, vornehmlich ſolcher, die eine rauhe Rinde haben, zu ſuchen; denn die glattſchaligen be— klettert er faſt nie. Er haͤlt ſich alſo mehr an, als auf den Baͤu— men auf, geht ſelten auf die Erde, am oͤfterſten noch im Winter, wenn kein Schnee liegt oder auf den aufgethaueten Stellen, unten an den Staͤmmen der Baͤume. Auf dem Felde oder ſonſt auf großen freien Plaͤtzen laͤßt er ſich nicht auf den Erdboden nieder. Da, wo er im Sommer wohnt, hat er, beſonders im Walde von ſehr alten Baͤumen, eben kein großes Revier, und man kann ihn z. B. auf gewiſſen alten Eichen täglich wiederfinden; an feis nem Winteraufenthaltsorte iſt es aber oft ziemlich ausgedehnt, und nimmt nicht ſelten die Umgebungen von ein paar nahe liegenden Doͤrfern und die damit zuſammenhaͤngenden Gebuͤſche und Baum— reihen ein, die er dann mit feiner Geſellſchaft, einigen Meifen, Goldhaͤhnchen, Kleibern, wozu ſich nicht ſelten auch ein Bunt— ſpecht geſellt hat, taͤglich ein und mehrere Mal, aber unregelmaͤßig, durchſtreift. Fuͤr ſich allein findet man ihn dann ſehr ſelten, und man kann immer mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß bei einer ſolchen kleinen, in Gärten und Weidenbaͤumen u. ſ. w. her: umziehenden Truppe von Meiſen und Goldhaͤhnchen, ein oder 406 VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumläufer. zwei Baumlaͤufer nicht fehlen. Auch die, welche in Nadelwaͤldern uͤberwintern, ſind meiſtens in Geſellſchaft jener zu ſuchen. Zur Nachtruhe ſucht er mehrentheils einen hohlen Baum, ſelt— ner einen Ritz an Gebaͤuden, aber alle Mal eine ſolche Kluft, an welcher der Eingang ſehr enge iſt. Dies iſt ſehr oft in hohlen Wei— den, und dieſes Loch wird, ſo lange er in der Gegend bleibt und keine zu große Stoͤrungen vorfallen, alle Abende zur Schlafſtelle benutzt. 1 Ei genf cha en. Ein munteres, ungemein behendes, harmloſes Voͤgelchen, deſ— ſen uͤberaus große Gewandtheit und Geſchaͤftigkeit außerordentlich beluſtigt, indem man zuweilen kaum im Stande iſt, ſeinen lebhaf— ten Bewegungen mit den Augen zu folgen. Ob es gleich meiſtens ſo zutraulich iſt, daß man ganz nahe hinzutreten kann, ſo wird es doch auch durch fortgeſetzte Verfolgungen zuweilen ſo mißtrauiſch gemacht, daß man es ſcheu nennen moͤchte; doch iſt es gewoͤhnlich nicht Furcht, ſondern ſeine allzugroße Lebhaftigkeit und Unruhe, wodurch es ſich den Blicken des Beobachters entzieht. Dies um ſo ſchneller zu bewirken, hat es die Gewohnheit, ſich an die entgegen— geſetzte Seite des Baumſchaftes zu begeben und auf dieſer ſchnell hinaufzuklettern, wo dann nur zuweilen das Koͤpfchen hervor— guckt; auch fliegt es nicht ſelten von dieſer Seite weg und ſo unbe— merkt an einen andern Baum. Selten ſetzt ſich unſer Baumlaͤufer, wie andere Voͤgel, in die Quere auf einen Zweig, und hat dann eine geduckte Stellung, in— dem er die Ferſen ſehr krumm macht und den Leib faſt wagerecht traͤgt. Er klettert vielmehr beſtaͤndig huͤpfend, in flachen Spruͤngen an ſenkrechten Flaͤchen, vorzuͤglich an Baumſchaͤften und ſtaͤrkern Aeſten hinauf, ja ſelbſt an der untern Seite wagerechter Aeſte ent— lang, mit einer Leichtigkeit, wie die Fliege an der Decke des Zim— mers. Seine ſchlanken Zehen mit den langen, duͤnnſpitzigen, ſcharfen Krallen bewirken dies, und ſein etwas langer, elaſtiſcher Stachel— ſchwanz befoͤrdert es noch mehr, indem er, ſtets geſchleppt (darum am Ende bald abgenutzt), bei jedem Halt zur Stuͤtze wird. Er klettert daher mit einer bewundernswuͤrdigen Leichtigkeit und Schnelle, aber nur aufwaͤrts, den Baum umkreiſend, oder an der Seite der Aeſte hin, mit vorwaͤrts gerichtetem Kopfe und Schna— bel; allein niemals herabwaͤrts, den Kopf nach unten, den Schwanz nach oben gerichtet, was nur die Kleiber koͤnnen. VI. Or dn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 407 Auch er hat in ſeinem Betragen viel Aehnlichkeit mit den Mei— ſen, koͤmmt eben ſo ſelten, wie ſie, auf die Erde herab, und hat hier einen aͤhnlichen huͤpfenden Gang. Durch das Klettern ſchließt er ſich anderſeits an die Spechte an, aber ſein ſchwacher Schnabel beſtimmt ihn, ſich auf ganz andere Art damit zu naͤhren, als dieſe und jene. Er zeigt aber eine große Zuneigung zu ihnen, und wenn er gleich fuͤr ſich ungeſellig iſt, indem man ſelten mehr als zwei, oder gleich nach der Begattungszeit Alte und Junge einer Familie noch einige Zeit, beiſammen ſieht, ſo ſucht er doch die Geſellſchaft jener Voͤgel, beſonders in der Strichzeit und da, wo er uͤberwin— tert. Man trifft ihn dann in Geſellſchaft der Kohl-Blau- und Sumpfmeiſen, in Nadelwaͤldern in der der Hauben- und Tannenmeiſen, der gelbkoͤpfigen Goldhaͤhnchen und Kleiber, auch einzelner Buntſpechte, gleichviel von welcher Art. Ein ſo bunter Verein von ſo verſchiedenartigen Voͤgeln hat dann ein Revier gemeinſchaftlich, was er ſeiner Nahrung wegen taͤglich mehrmals durchſtreift, ein Glied der Geſellſchaft folgt dem Gelocke des andern, bald iſt der Specht, bald ſind die Meiſen die Anfuͤhrer, und alle leben in der beſten Eintracht. Der Baum— laͤufer iſt uͤberhaupt ein friedlich geſinntes Geſchoͤpf, und man ſieht ſelbſt in der Begattungszeit nicht oft zwei Männchen um ein Weib⸗ chen ſich jagen und verfolgen. Der Baumlaͤufer trägt fein Gefieder gewöhnlich etwas knapp, und es iſt eine Anzeige von Unbehaglichkeit, wenn er ſich etwas kugelicht macht oder gar die langen Federn des Unterruͤckens fo auf: blaͤht, daß ſie uͤber die Fluͤgel emporſtehen. Nur bei naßkalter Witterung und vorzuͤglich im Winter bei Rauhreif oder wenn Glatt— eis an den Baͤumen iſt ſieht man ihn ſo; ſonſt iſt er, ſelbſt bei ſtrenger Kaͤlte, immer munter. Sein Flug iſt meiſenartig, durch das abwechſelnde Zuſammenziehen und Ausbreiten der Fluͤgel, wo— gend und huͤpfend, ungleichfoͤrmig, doch ſchneller und ſicherer, als bei mancher Meiſenart. Er fliegt indeſſen ungern weite Strecken uͤber's Freie, ſondern immer den Baͤumen nach, und ruht bei jeder Gelegenheit. Von einem Baum zum andern ſchießt er gleichſam nur mit wenigen Stoͤßen hin, und hat die Gewohnheit, ſich unten an den Baum anzuhaͤngen, um ihn ſo von unten auf bis zur Spitze, immer auſwaͤrts, beklettern zu koͤnnen. Mit kuͤhnem Schwunge ſtuͤrzt er ſich dann, wenn er eben mit dem einen fertig iſt, aus der Höhe, beinahe ſenkrecht, bis faſt zur Erde herab, und indem er. ſich eben in ſanftem Bogen zu heben ſcheint, klebt er ſchon wieder 408 VI DOrdn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. unten am naͤchſten Baum; Alles iſt Ein Schuß ohne ſichtliche Fluͤ— gelbewegung, mit an den Leib angezogenen Fluͤgeln. Selbſt ſeine gewoͤhnliche Stimme, ein leiſes Sit, iſt dem Ton, den faſt alle Meiſen, die Goldhaͤhnchen und die Kleiber auch haben, ſo aͤhnlich, daß es ſich kaum davon unterſcheiden laͤßt. Auch im Fluge hoͤrt man dies, aber ſobald er ſich geſetzt hat, und auch ſonſt an den Baͤumen hinauflaufend, ſtoͤßt er ſeinen Lockton gewoͤhnlich ein paar Mal hinter einander aus, welcher ſchnarrend, wie ßrih, ßrih klingt, und faſt dem der Schwarzdroſſel aͤhnlich, aber zarter und hoͤher im Ton iſt. Manchmal lockt er auch: Zi zi zi n ßrih ßrih ßriuͤh, und wenn er oben in den Aeſten iſt, recht laut: Zit zit zit zitzitzitzitzitz, wobei er ge- woͤhnlich recht luſtig forthuͤpft, als wenn er ſich woruͤber freuete. Weil er fich oft hören läßt, fo verräth er dadurch feine Anweſenheit bald; denn ſelbſt an rauhen Wintertagen, wo ſich alle Voͤgel ſtill verhal— ten, hoͤrt man zwiſchen dem Wispern der Goldhaͤhnchen, Meiſen u. a., in deren Geſellſchaft er dann faſt immer angetroffen wird, ſein ßrih, aber meiſtens nur einzeln; denn es iſt ſtets ein Zeichen, daß er ſehr wohl gelaunt iſt, wenn er es mehrmals nach einander und im ſchnellern Tempo ausruft, was beſonders gegen das Fruͤh— jahr am oͤfterſten geſchieht. Dann laͤßt auch das Maͤnnchen ſei— nen Geſang, bei ſchoͤnen Tagen im Februar ſchon, beſonders aber im Maͤrz und April, oft hoͤren, welcher aber einfoͤrmig und ſchlecht genannt zu werden verdient, indem er nur aus einer Strophe beſteht, und ſich etwa durch die Sylben: Sihtititirroititerih oder Tititititiwuͤiti verſinnlichen läßt. Es ſingt bis tief in den Sommer hinein, und iſt auch dabei ſtets in gewohnter Bewe— gung. Man ſieht ihn an den Baͤumen nur auf Augenblicke bei einem aufgefundenen Fraße, ſonſt uͤberhaupt aber ſelten anders ſtill ſitzen, als wenn er ſich erſchreckt hat, wo er es wie die Goldhaͤhnchen macht, und ein Weilchen wie angenagelt ſitzen bleibt, z. B. wenn nach ihn geſchlagen, geworfen oder mit dem Blaſerohr geſchoſſen wor— den und der Schlag nahe an ihm voruͤbergefahren iſt, oder wenn er ſich ſeiner Exkremente entledigt, wobei er auch allemal einige Augenblicke anhaͤlt und den Schwanz hoch emporhebt; dies erfolgt auch nicht ſelten auf ſolch einen Schreck. Db ſchon Jemand den Baumlaͤufer gezaͤhmt und als Stuben— vogel gehalten habe, iſt mir nicht bekannt, und ich glaube auch nicht, daß es mit dieſem hoͤchſt unruhigen und dabei weichlichen Klettervoͤgelchen gelingt. Fluͤgge Junge ſah ich ein Mal in einer VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumläufer. 409 Stube, wo ſie ſich wie Mäufe ſchnell verkrochen, an den Bett- und Fenſtervorhaͤngen in die Hoͤhe kletterten, und ſich in den Falten derſelben zu verbergen ſuchten, ſo daß man ſie kaum wieder auf— finden konnte. Ra, h eu mg. Er lebt faſt von lauter Inſekten und Inſektenbrut, verſchluckt im Nothfall aber auch allerlei kleine Saͤmereien, die man jedoch nur einzeln unter jenen in ſeinem Magen findet. Er laͤuft ſeiner Nahrung wegen beſtaͤndig an den Baͤumen und ſtaͤrkern Aeſten hinauf, oder klettert auch wol zuweilen am alten Holzwerk der Gebaͤude und Daͤcher herum, um in den Ritzen der Borke, zwiſchen den Flechten derſelben, unter den Schuppen der aͤußern Schale oder ſonſt in Vertiefungen verborgene Inſekten, deren Eier, Larven oder Puppen aufzuſuchen, mit ſeinem ſpitzigen Schnaͤ— belchen hervorzuziehen und zu verſchlucken, was Alles mit einer un— gemeinen Behendigkeit geſchieht. Er liebt deswegen die Baͤume mit rauher Rinde, durchſucht ſie ganz unten vom Stamme an, bis in die Krone, ja ſelbſt bis an die Enden der Aeſte hinauf, und laͤuft ſelten an glattſchaligen, wie z. B. an jungen Weißbuchen u. a., hinan, nicht darum, weil er abgleiten moͤchte, was nicht der Fall iſt, ſondern weil er an ihnen nichts findet, ſeinen Hun— ger zu befriedigen, den er immer haben muß, weil man ihn nie an— ders, als in der groͤßten Thaͤtigkeit Nahrungsmittel aufſuchen, auch beſtaͤndig etwas finden und verſchlucken ſieht. Er muß daher au— ßerordentlich ſchnell verdauen. Hat vollends ein Paͤaͤrchen noch Junge mit Futter zu verſorgen, ſo wird das emſige Suchen, Zu— tragen, und beilaͤufig das eigne Ernaͤhren dieſer kleinen Freſſer in der That ein ſehr beluſtigendes Schauſpiel. Sie gleichen dabei den flinkſten Meiſen, machen auch dann nur einen Augenblick halt, wenn ſie eben ein Inſekt aus ſeinem Schlupfwinkel hervorziehen; das Verzehren deſſelben, wenn es nicht gerade ein nicht leicht zu verſchluckender Biſſen oder zu groß iſt, haͤlt ſie weiter nicht auf, es geſchieht auch im Forthuͤpfen. Seine Hauptnahrung machen ganz kleine Kaͤferchen aus, von den kleinſten Arten bis zu den Fichten- und Borkenkaͤfern (Bostrichus piniperda et B. typographus) und bis zur Groͤße der Sonnenkaͤfer (Coccinella VII punctata et C. XIV pustulata) und der Zangen⸗ kaͤfer (Forficula auricularia). Die Larven der letztern liebt er 410 VI. Or dn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. ganz vorzuͤglich, auch die Nymphen und Eier, nicht allein dieſer und der andern eben genannten, ſondern auch noch vieler andern, die Eier, Raupen und Puppen kleiner Schmetterlinge, Spinnen, Fliegen und viel andere Inſekten, welche in den Riſſen der Borke und an alten Gebaͤuden ihre Schlupfwinkel finden oder ihre Eier dahin abſetzen. Nach letztern vorzuͤglich durchſucht er die untere Seite langer, ſtarker, wagerechter Aeſte ſehr ſorgfaͤltig, und iſt hierbei langſamer als ſonſt. Im Winter ſucht er in Walddoͤrfern, beſonders an der Sonnenſeite der Gebaͤude, an alten breternen Giebeln, den Raͤndern der Strohdaͤcher, an den Wetterbretern und morſchen Geſimſen der Bauernhaͤuſer, ſelbſt an alten Thuͤrmen, woran viel Holzwerk iſt, dort verſteckte Inſekten auf, wenn ſie die erwaͤrmenden Sonnenſtrahlen hervorlocken; denn er iſt nicht im Stande, mit ſeinem ſchwachen Schnabel zu den tiefer ſitzenden, als dieſer reicht, zu gelangen, wie die Spechte, weil er weder Loͤcher hacken, noch die Zunge, wie dieſe, zum Hervorſchnellen und zum Anſpießen ſeines Fraßes gebrauchen kann. Auch in Gaͤr⸗ ten und Waͤldern ſieht man ihn, um jene Jahreszeit, bei warmen Sonnenblicken meiſtens an der Mittagsſeite der Baumſchaͤfte. An den alten Kopfweiden iſt er vorzuͤglich gern, durchſucht ihre rauhe riſſige Borke vom Stamme an bis zum Kopfe, und haͤlt ſich, weil er darin, in den Spalten derſelben und zwiſchen dem faulenden Holze, eine Menge verſteckter Inſekten, Puppen, Larven und Eier findet, in großen Pflanzungen von dieſen Baͤumen ſehr oft und lange auf Uebrigens findet er an allen Arten von Baͤumen, ſie moͤgen Namen haben, wie ſie wollen, etwas fuͤr ſeinen Schnabel, nur nicht, wie ſchon erwaͤhnt, an den ſehr glattſchaligen Schaͤf— ten mancher. Am Buſchholz ſieht man ihn auch nicht, ſelbſt wenn ſchon armsdicke Stangen darunter ſind, eher noch zuweilen im Stangenholz von Nadelbaͤumen. Nur ſelten und einzig im Winter ſucht er ſeine Nahrung auch auf dem Erdboden, aber nie weit von den Baͤumen, vielmehr ganz nahe an den Staͤmmen, wo die Sonne den Schnee weggethaut hat, woſelbſt er das Moos und alte Gras nach allerlei darin ver— borgenen kleinen Kaͤfern, kleinen Puppen u. dergl., durchſucht, und dann auch einzelne Samenkoͤrner von Nadelbaͤumen, Grasarten und andern kleinen Pflanzen mit aufſucht, und ſie ganz, mit der Huͤlſe, verſchluckt. Um zu trinken, ſieht man ihn zuweilen an Waſſer— pfuͤtzen und Gräben, beſonders des Morgens und Abends, und er badet ſich auch oͤfters. + VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 411 Fort pflanze un ge Im Maͤrz begeben ſich die meiſten dieſer Voͤgel in die Waͤlder, um hier ihre Bruͤteplaͤtze zu beziehen. Nur wenige Paͤaͤrchen fin= den dieſe auch außer dem eigentlichen Walde, in großen Baum— pflanzungen, worunter beſonders viel Kopfweiden ſeyn muͤſſen, in großen verwilderten Baumgaͤrten und ſonſt in zuſammenhaͤngen— dem Gehoͤlz, in den Walddoͤrfern ſelbſt bei den Haͤuſern. Daß ſie die alten Kopfweiden ſehr lieben, bemerkt man uͤberall, und ſelbſt da, wo es dergleichen Pflanzungen in den Waͤldern giebt, ſuchen ſie ſolche auch in dieſer Jahreszeit immer auf. In unſern Auenwaͤldern niſten ſie in Menge, auch in den hieſigen Kiefernwal— dungen, doch hier mehrentheils nur an ſolchen Stellen, wo dieſe mit Laubholz vermiſcht ſind und auch alte hohe Eichen haben. In andern Gegenden niſten ſie eben ſo haͤufig in gemiſchten Fichten— und Tannenwaldungen. In ſolchen großen Strecken von Buſch— werk und Wieſen, deren viele Abtheilungen mit Reihen von Erlen, Ruͤſtern, Eſchen, Pappeln und vorzuͤglich mit Kopfweiden um— pflanzt ſind, wie ſie z. B. unſere Fuhngegend darbietet, findet man auch manches Paͤaͤrchen niſtend; ſeltner in aͤhnlichen, aber weniger ausgedehnten Holzungen, wie in den Umgebungen meines Wohnorts. Sonſt, als es hier noch recht viel alte Kopfweiden gab, war es jedoch oͤfterer der Fall, als jetzt, da dieſe ſehr ver— mindert ſind, wo ihnen die neuen Anpflanzungen noch zu jung ſeyn moͤgen. Wo viele Reihen von Weiden und andern Baͤumen, als vielfaͤltig verzweigte Einfaſſungen von Graͤben, Teichen und Daͤmmen, mit dem Walde zuſammenhaͤngen, niſten ſie in den erſtern beſonders gern. Ihr Neſt bauen ſie in eine Höhle, Spalte oder Ritze, die bald weit, bald enge iſt, wie fie ſolche gerade vorfinden, welche jedoch ſtets einen engen Eingang haben muß. Meiſtens finden ſie ſolche in faulenden Baͤumen und ſtarken Aeſten, von andern Voͤgeln oder von der Faͤulniß bereitet, und ſie fragen nicht darnach, ob ſie un— ten an den Wurzeln oder ſehr hoch oben ſey, doch waͤhlen ſie am oͤfterſten ſolche, die etwas uͤber Mannshoͤhe bis zu einigen 20 Fuß hoch uͤber dem Erdboden ſind. In hohle Weiden legen ſie ihr Neſt vorzuͤglich gern an, aber auch in Eichen, Aspen, alte Nadelbaͤume und andere, hinter hohlgewordene Borkenſtuͤcke, ſelbſt in Holzſtoͤße und in die Kluͤfte zwiſchen zwei nahe beiſammenſtehenden und ver— wachſenen Baͤumen, wie man es bei Fichten oͤfters findet, endlich 412 VI. Ord n. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. auch in Spalten ausgefaulter Balken, in die Kluͤfte, hinter bre— ternen Giebeln und ſchadhaftem Geſimſe, oder ſonſt in Loͤcher an alten Gebaͤuden, die an Gaͤrten und Holzungen ſtoßen, was am oͤfterſten in eigentlichen Walddoͤrfern vorkoͤmmt. Ihr ſchwacher Schnabel erlaubt ihnen auch hier nicht, etwas Anderes an der Hoͤhle zu thun, als etwa nur die meiſten der loſen Holzbrocken, die ſolche fruͤher oft enthaͤlt, herauszuwerfen; denn ſelbſt in faules Holz ein Loch u. ſ. w. zu picken, auf welche Weiſe ſich viele Meiſen ſehr artige Hoͤhlen verfertigen, vermoͤgen ſie nicht, aber ſie bezie— hen die von jenen verlaſſenen ſehr gern. Nicht ſelten ſucht ein Paͤaͤrchen auch dieſelbe Höhle im folgenden Jahr wieder auf, aber zwei Mal in einem Jahr niſtet es nie in einer, ob es gleich 15 gewöhnlich jährlich zwei Bruten macht. Das Neſt ſteht bald faſt 1 Fuß tief vom Eingange der Hoͤhle, bald nahe an demſelben, jenachdem dieſe tief oder flach iſt, und die Maſſe der Materialien richtet ſich ebenfalls nach der Weite, ſo wie der aͤußere Umfang des Neſts nach der Geſtalt des Innern der Hoͤhle; in laͤnglichten Spalten iſt es daher oͤfters von zwei Seiten ganz ſchmal, von der andern ſehr breit oder lang. Der innere Napf iſt dagegen ſtets rund, nicht ſehr tief, und das ganze Neſt darf nicht unter die ganz kunſtloſen gezaͤhlt werden, zumal wenn es in eine etwas weite Hoͤhle gebaut iſt. Zur Anlage verarbeiten ſie, zu den groͤßern, kleine ſehr duͤnne Reiſerchen, Stroh, trockne Grashalme und Grasblaͤttchen, Baumbaſt, was Alles mit Raupen— geſpinnſt, Spinnengewebe u. dergl. durchflochten iſt, zur Ausfuͤt— terung des Innern aber ſehr feine Faſern von Baſt, Werg, Kluͤmp— chen Inſektengeſpinnſt und endlich eine Menge Federn von groͤßern und kleinern Voͤgeln, wie ſie ſie in der Naͤhe gerade haben koͤnnen. Zuweilen, wenn es klein iſt, enthaͤlt es nur wenig, ſeltner gar keine Federn, auch ſind manchmal feine Flechten und etwas Moos von Baͤumen eingemiſcht, am ſeltenſten lauter Baumbaſt, in Stuͤck— chen und feinern Faſern, dazu verwandt. Kleine, aus wenigem Material verfertigte Neſter ſind gewoͤhnlich auch ſehr nachlaͤſſig ge— baut. Das Baumbaſt, was dieſen Neſtern faſt nie ganz fehlt, macht ſie vor andern ſehr kenntlich. In frühzeitig warmen Frühjahren findet man zuweilen ſchon im Maͤrz oder doch Anfangs April das Neſt mit den Eiern, und zu Anfang des Mai giebt es ſchon fluͤgge Junge; von dem zweiten Gehecke dann im Juni, in ſpaͤtern Jahren aber oft erſt Anfangs Juli wieder Eier, und von ſolcher Brut fliegen dann die Jungen VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumläufer. 413 oft erſt im Auguſt aus. Das erſte Mal legt das Weibchen meiſtens acht bis neun, das zweite Mal aber oft nur drei bis fuͤnf Eier, die im Ganzen vielen kleinern Meiſeneiern bis zum Taͤuſchen aͤhneln, dazu in der Groͤße, Geſtalt und Farbe unter ſich ſo abweichen, wie etwa die unſers Zaunſchluͤpfers, daher oft ſchwer von denen der Tannen-Hauben- und Blaumeiſe zu unterſchei⸗ den ſind, wenn ſie nicht, wie oͤfters, einen Fleckenkranz am ſtum— pfen Ende hätten, der bei jenen ſelten vorkommt. Sie find kleiner, als die des Zaunſchluͤpfers, meiſt von einer kurzovalen Geſtalt, in der Mitte oft ſehr bauchicht und an einem Ende ziemlich zuge— ſpitzt, aber es giebt rundlichere, laͤngligere u. ſ. w. Ihre Schale iſt ſehr zart und zerbrechlich, wenig glaͤnzend, bald rein, bald truͤbe weiß, uͤber und uͤber, doch mehr am ſtumpfen Ende, ſonſt ſpar— ſam, mit ſehr feinen und einzelnen groͤßern, roſtrothen Punkten beſtreut, welche in der Farbe hoͤher oder dunkler, bis faſt zum Blutroth vorkommen, ſich auch bei vielen am ſtumpfen Ende kranz— artig haͤufen oder hier einen wirklichen Fleckenkranz bilden. Unter dieſen ſieht man hier auch oͤfters noch violettgraue Punkte. Die Eier werden, ſo viel ich habe bemerken koͤnnen, von bei— den Gatten abwechſelnd dreizehn Tage lang bebruͤtet, und die Jun— gen ſind anfaͤnglich mit dunkelgrauen Dunen nur ſparſam bekleidet. Andere Beobachter ſahen das Maͤnnchen ſeinem bruͤtenden Weib— chen Futter bringen, und ſchloſſen daraus, daß ſie nicht wechſels— weiſe bruͤteten. Die Jungen werden indeſſen von beiden mit glei— cher Geſchaͤftigkeit und Liebe gepflegt, beide tragen ihnen mit gleicher Anſtrengung das Futter, in kleinen Raͤupchen und andrer zarten Inſektenbrut beſtehend, im Schnabel zu, und gebehrden ſich gleich aͤngſtlich, wenn man ſich dem Neſte und den Jungen naͤhert. Dieſe ſitzen, wenn ſie nicht geſtoͤrt werden, ſo lange im Neſte, bis ſie ihre Federbekleidung faſt vollſtaͤndig haben, nur die Schwanzfe⸗ dern ſind dann noch nicht ausgewachſen, wenn ſie das Neſt ver— laſſen; denn dieſe wachſen langſamer, als das uͤbrige Gefieder. Stoͤrt man ſie, ehe ſie zum Ausfliegen reif genug ſind, ſo ſchluͤpfen ſie gleich aus dem Neſte, klettern an den Baͤumen ſchnell herum, ſchluͤpfen in Ritzen und Loͤcher, oder ſuchen ſich, wenn ſie herabfal— len, auf der Erde im Graſe und Mooſe zu verbergen, und ſie koͤnnen dies fo meiſterlich, daß fie nachher ſchwer wieder aufzufin— den ſind. Mit ihren noch kurzen Schwaͤnzen klettern ſie doch ſchon ſo, flink wie die Alten. Wenn ſie ausgeflogen ſind, fuͤhren ſie die Aeltern von Baum zu Baum, füttern fie fleißig, und üben fie im 414 VI. Ord n. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. Klettern und Aufſuchen der Nahrung, bis ſie dieſe ſelbſt finden lernen. Eine ſolche Familie iſt ein luſtiges Voͤlkchen; die geſchaͤf— tigen und aͤußerſt beſorgten Alten, mit den vielen Jungen um ſich, alle oft an einem großen oder einigen nahe beiſammen ſtehenden Baͤumen verſammelt, bald dieſem, bald jenem Jungen ein aufgefun— denes Inſekt reichend, oder von dieſen beim emſigen Aufſuchen eines neuen verfolgt, die verſchiedene Stimme der Alten, zumal wenn ſich ein vermeintlicher Feind zeigt und ihr aͤngſtliches Betragen da⸗ bei, die unzaͤhligſten Abwechslungen und ihre poſſierliche Eilfertig— keit bei allen ihren Verrichtungen, gewaͤhren dem, der darauf achtet, die angenehmſte Unterhaltung. F e in d Der Sperber und im Winter der Merlin fangen ſie ſelten, weil ſie ſich, wenn dieſe auf ſie ſtoßen, immer ſehr ſchnell auf die entgegengeſetzte Seite der Baumſchaͤfte und Aeſte begeben. So wird es auch dem großen Wuͤrger ſchwer, einen zu 1 Wieſeln und Maͤuſe zerſtoͤren nicht ſelten ihre Brut. 5 Ign ihrem Gefieder haufen Schmarotzerinſekten von einer ſehr kleinen Art, aber auch von fliegenden Vogellaͤuſen (Ornithomya) werden ſie oͤfters geplagt. 8 Da er gar nicht ſcheu, vielmehr meiſtens ſehr zutraulich iſt, ſo wuͤrde er ſehr leicht zu ſchießen ſeyn, wenn nicht ſeine Kleinheit und ſein unruhiges Weſen oft am gluͤcklichen Erfolge hinderlich waͤren, wozu noch die Vorſichtsmaßregel koͤmmt, daß er bei anſcheinlicher Gefahr immer die entgegengeſetzte Seite des Baums ſucht. So leicht es indeſſen dem geuͤbten Schuͤtzen an den Baumſchaͤften oft wird, ihn zu erlegen, deſto ſchwerer koͤmmt er zum Zweck, wenn das flinke Voͤ— gelchen oben an den Aeſten in einer großen Baumkrone herumklettert. Hat man ihn erſt durch heftiges Verfolgen, vergebliches Schießen und dergleichen ſcheu gemacht, dann haͤlt es noch ſchwerer, und er fliegt oft weit weg. Im Spaͤtherbſt und Winter findet man ihn dagegen auch manchmal ſo einfaͤltig, daß man ihn an niedrigen Baͤumen leicht mit dem Blaſerohr ſchießen kann, ja ich habe ihn hier ſogar von muthwilligen Knaben mit einem langen Stocke her- abſchlagen ſehen. Dies ſind indeß faſt immer junge Voͤgel, die alten ſind ſtets etwas vorſichtiger. So lange die Alten noch bei den Jungen ſind, warnen ſie dieſe bei jeder anſcheinlichen Gefahr, VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. 415 und wenn man dann erſt einige der Letztern weggeſchoſſen hat, ſo wiſſen ſie ſie zuletzt ſo in den Baumkronen fortzufuͤhren, daß es nur ſelten gelingt, das ganze Gehecke zu erlegen, wobei auch die Alten ſich ſelbſt meiſtens zu ſichern wiſſen. Wenn man ihn fangen will, muß man ſich die Baͤume merken, welche er bei ſeinem Herumſtreifen am oͤfterſten beklettert, und ſolche etwa in Mannshoͤhe, nicht mit Leimruthen, dieſe ſcheut er, fondern mit Schweinsborſten, welche mit Vogekleim beſtrichen ſind, ringsum beſtecken. Schlingen, auf dieſe Art angebracht, ſind nicht ſo gut, und wenn ſie fangen ſollen, muͤſſen ſie ſehr klein, und nur von einem ſchwachen Pferdehaar ge— macht ſeyn; das Befeſtigen derſelben macht aber, wenn es auch nur mit Drahtſtiftchen geſchieht, doch einige Veraͤnderung am Baume, wovor er ſich fuͤrchtet und ſie uͤberſpringt. Dies Alles habe ich an einer hohen Weide bei meinem Vogelheerde, aus dem Haͤuschen, ſehr oft mit angeſehen, wo ich auch oͤfters einen mit den Netzen ruͤckte, wenn er tief genug uͤber den Heerdplatz flog. Er iſt alſo eigentlich kein einfaͤltiger Vogel, und man darf ſein zu— trauliches Weſen, das er oft zeigt, nicht fuͤr Dummheit nehmen. — Auf dem Kloben beim Meiſentanz wird er ſelten, in den Spren— keln daſelbſt noch ſeltner, auf dem Traͤnkheerde aber oͤfters ge— fangen, beſonders Morgens und Abends, doch ſtets nur einzeln. Nu tz en Dies kleine Voͤgelchen hat ein recht wohlſchmeckendes Fleiſch; es waͤre jedoch ſuͤndlich, um eines ſo winzigen Biſſens willen, ein ſo nuͤtzliches Geſchoͤpf zu tödten, was den Wald- und Gartenbaͤumen durch das Aufzehren einer unſaͤglichen Menge ſchaͤdlicher Inſekten— brut ſo wohlthaͤtig wird. Er macht ſich um die Cultur unſeres Ob— ſtes eben ſo verdient wie die Meiſen, denn er ſucht aͤhnliche Baum— verderber, aber wieder in andern Verſtecken auf, und waͤhrend jene die Zweige und Knospen davon reinigen, durchſucht er die Schaͤfte und ſtaͤrkern Aeſte, wo jene nicht ſo gut wie er dazu gelangen koͤnnen. Ich ſah ihn oͤfters den ſchaͤdlichen Froſtſchmetterling (Geometra brumata), in beiden Geſchlechtern, an den Baumſchaͤften fangen und verzehren, waͤhrend die ihn begleitenden Meiſen, die Knospen der duͤnnſten Zweige durchſuchend, an den Eiern dieſes Zerſtoͤrers der Obſtbaumknospen ein erwuͤnſchtes Mahl fanden. So durch⸗ ſtreifen die Geſellſchaften von Meiſen, Goldhaͤhnchen, Baumlaͤu⸗ 416 VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. fern, Kleibern und Spechten unſere Gaͤrten und Anpflanzungen als die wohlthaͤtigſten Erhalter und Befoͤrderer derſelben. | SEM Er wird uns niemals nachtheilig. Sr G uͤber den kurzzehigen Baumlaͤufer, Certhia brachydactyla, Brehmi. Ich halte fuͤr noͤthig, in der Kuͤrze zu bemerken, was mich veranlaßt, zur Zeit nicht der Meinung des Herrn Brehm beizutre— ten, welcher ſich naͤmlich bewogen fand, in ſeinen herausgegebenen Schriften zwei von einander verſchiedene Arten von Baumlaͤufern anzunehmen, die viele andere Maͤnner vom Fach, und auch ich, nur fuͤr eine einzige halten. Er benannte die eine (die mit laͤngerm Schnabel) von den kuͤrzern Naͤgeln, die ſie zugleich immer haben fol: C. brachydactyla; ) der andern, welcher er ſtets laͤngere Naͤgel und einen kuͤrzern Schnabel zuſchreibt, ließ er den alten Namen: C. familinris. Im Zweiten Bande ſeiner Beitraͤge z. D. V. S. 71 bis 73. gab er die vermeintlichen Unterſcheidungszeichen ſeiner beiden Arten genau an, welche ich nun hier nach der Reihe durchgehen, und dabei bemerken werde, was und wie ich es fand, nachdem ich eine Menge dieſer Voͤgel, friſche und ausgeſtopfte, genau mit einander verglichen, viele ſelbſt geſchoſſen und ſie auch vielfaͤltig im Freien zu beobachten geſucht habe. Es iſt wahr, hat man von beiden Spielarten nur gerade die Ex⸗ treme zur Hand, ſo nimmt man ein Weilchen Anſtand, beide fuͤr Eine Art zu halten, beſonders wenn ſie zugleich, wie nicht ſelten, in der Groͤße und Farbe auch etwas abweichen; allein ſobald man ſich mehrere Baumlaͤufer zu verſchaffen ſucht, finden ſich denn bald auch Uebergaͤnge (die H. B. fuͤr Baſtar de haͤlt), in allen Abſtufungen von einer zur andern; dann finden ſich Lang— ſchnaͤbel (welche nach B. ſtets kleiner von Koͤrper ſeyn ſollen), die *) Brachydactyla heißt kurzzehig, und giebt einen falſchen Begriff, denn H. B. ſelbſt ſagt, daß nur die Krallen, nicht die Zehen, etwas kuͤrzer waͤren, als bei der andern Art. VI. Ordn. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer 417 größer find, als mancher Kurzſchnabel (umgekehrt, wie es H. B. will, habe ich es ſogar ſeltner gefunden); da ſind bei einigen die Krallen laͤnger, und weniger gebogen, bei andern kuͤrzer, und ſtaͤrker gekruͤmmt; da hat das Gefieder an den obern Theilen des Koͤrpers bei dem einen einen ſtaͤrkern lohgelben Anflug, als bei dem andern, mancher auch nur ſehr wenig davon, jedoch dieſes wie jenes ohne Bezug auf Laͤnge und Geſtalt des Schnabels. Ich muß mich demnach gegen die von B. angegebenen Kenn— zeichen, die in der ſtandhaft verſchiedenen Körpergröße, und der verſchiedenen Groͤße und Form der Schnaͤbel und Krallen liegen ſollen, foͤrmlich erklaͤren, weil ich ſie, meinen Erfahrungen zu Folge, nicht ſtandhaft nennen kann; und an den von Federn entbloͤßten Ruͤmpfen finde ich auch kein Stich haltendes Unterſchei— dungsmerkmal, noch weniger Verſchiedenheit aber in der Geſtalt der Koͤpfe und Haͤlſe. — Die Krallen gehen nach Groͤße und Geſtalt in einander uͤber. — An den Schwingfedern finde ich gar keinen, oder keinen andern Unterſchied, als ſo unbedeu— tende, wechſelnde Abaͤnderungen, wie ſolche auch bei andern Voͤ— geln Einer Art nicht ſelten vorkommen. — Das Gelbe in der Binde und in den Flecken auf den Fuͤgeln varürt ebenfalls ganz unbedeutend und nicht ſtandhaft. — Die Ruͤcken farbe und Zeichnung iſt allerdings oft etwas verſchieden, oft aber auch nicht; denn ich beſitze ein kurzſchnaͤbliges Exemplar, mit ſo dunkler Ruͤckenfarbe, wie fie nur jemals ein langſchnaͤbliges haben kann, ) und dagegen einen Langſchnabel, mit ſo ſtark lohgelb uͤberlaufenem Ruͤcken, wie ihn nach B. nur Kurzſchnaͤbel haben ſollen. Mit der Farbe des Unterleibes iſt es eben ſo, aber noch weniger auffal— lend. — Was B. von dem verſchiedenen Bau der Körperfe dern ſagt, iſt ebenfalls von Extremen genommen, auch gar ſo arg nicht, ſogar das, was er dort (S. 73.) von den Ruͤcken⸗ federn ſehr beſtimmt ausſpricht, habe ich bei einigen Exempla— ren, nach der genaueſten Unterſuchung, geradezu umgekehrt gefunden. f Zu dieſen Allem und dem, was bereits in vorliegender Be— ſchreibung geſagt wurde, auch von jenen, von mir erlegten drei Jungen, zweier Langſchnaͤbel und eines Kurzſchnabels aus Einem Gehecke, muß ich endlich noch die Verſicherung fuͤgen, daß ich auch 5) S. Meyer, Taſchenb. III. ©. 35. 5r Theil. ö 27 418 VI. Ord n. XXXIII. Gatt. 174. Grauer Baumlaͤufer. die Stimme der lang- und kurzſchnaͤbligen Baumlaͤufer beobach— tet, aber durchaus nicht verſchieden gefunden habe. Wenn ich, um die Sache zu erforſchen, in den zuletzt verfloſſenen Jahren, jedem Baumlaͤufer, der ſich hoͤren ließ, nachſtellte und ihn mir zu verſchaffen ſuchte, ſo erhielt ich bald Lang- bald Kurzſchnaͤbel, aber niemals konnte ich ſie, bei aller Aufmerkſamkeit, vorher, weder am Betragen noch an der Stimme, unterſcheiden. Meinem von Jugend auf an ſolche Dinge gewoͤhnten ſehr leiſen Gehoͤr wuͤrde, davon bin ich feſt uͤberzeugt, auch die ſubtilſte Abweichung im Ton und ſonſt in der Stimme nicht entgangen ſeyn. 5 Wollte man meinen, ich kenne Brehms C. brachydactyla nicht; ſo erwiedere ich: daß H. B. ſelbſt ſo guͤtig war, damals, als ich noch glaubte, ſeine neue Art uͤberſehen zu haben, mir ein altes Paͤaͤrchen und einen jungen Vogel ſeiner langſchnaͤbligen — und zugleich auch einen Jungen von ſeiner kurzſchnaͤbligen Art, ausgeſtopft, zu uͤberſchicken. So gelangte ich auf dem kuͤrzeſten und ſicherſten Wege zur Kenntniß derſelben, wofuͤr ich H. B. denn auch recht ſehr danke. Da aber, wie man ſieht, meine nachherigen Beobachtungen ein ganz anderes Reſultat gaben, wie kann ich nun anders als ihm widerſprechen? Was mir uͤbrigens recht ſehr leid thut, da ich gegen den Mann, deſſen unermuͤdlichem Fleiße die vater— laͤndiſche Ornithologie ſo ſehr viel zu verdanken hat, die groͤßte Ach— tung hege. Darum kann ich ihm jedoch in einer Sache nicht beipflich— ten, von welcher ich, nach gemachten eignen Erfahrungen, eine ganz andere Anſicht habe, die auch noch mancher Andere mit mir theilt, fo daß ich leicht ein halbes Dutzend Namen (auch großer Natur— forſcher) denen beifügen koͤnnte, die ſich ſelbſt ſchon genannt haben, und ebenfalls meiner Meinung ſind. Moͤge denn immerhin H. B. auf mich anwendbar finden, was er in feinem Lehrbuche d. Naturg. a. europ. Voͤg. S. 154. ſagt, wo er Allen denen, die nicht an feine C. brachydactyla glauben wollen, Mangel an Gelegenheit in der Natur zu beobachten, und Unfaͤhigkeit zu ſehen und zu hoͤren zuſchreibt; moͤge mir auch noch Schlimmeres bevorſtehen; ich kann bis heute nicht anders, als ſeinelang- und kurzſchnaͤbligen Baumlaͤufer nur fuͤr zu⸗ fällige Abweichungen unferer C. familiaris halten. Vier und dreißigfte Gattung. Mauerklette. Tichodroma. Luger. Schnabel: Sehr lang, duͤnn, wenig gebogen, faſt rund an der Wurzel etwas kantig, vorn ſpitz. Naſenloͤcher: Am Schnabelgrunde, von oben mit einer gewoͤlbten Haut verſchloſſen, die Oeffnung ſchmal, lang, vor— waͤrts in die Hoͤhe gebogen. Zunge: Lang, gebogen, hornhart, dünn, faſt pfriemenfoͤrmig, oben von der abgeſtutzten Spitze bis zur Mitte mit zwei geraden Laͤngefurchen; der Hinterrand gezaͤhnelt, mit einem getheilten Eckzahn jederſeits, und f Zaͤhnchen hin⸗ ten an den Seitenraͤndern. Fuße: Eben nicht ſtark, mit vier ſchlanken Zehen, wovon drei nach vorn und eine nach hinten gerichtet, die aͤußere und mitt— lere der Voderzehen bis ans erſte Gelenk verwachſen, und alle mit ſehr großen, ſchlanken, ſchoͤn gebogenen, ſpitzigen Krallen be— waffnet ſind, von welchen ſich die der Hinterzeh beſonders durch ihre ſehr anſehnliche Groͤße auszeichnet. Fluͤgel: Mittellang, ſehr breit, mit ſehr abgerundeter Spitze, weil die erſte Schwingfeder ſehr kurz, die zweite laͤnger, die dritte noch laͤnger, aber die vierte und fuͤnfte erſt die laͤngſten, und dieſe beide mit der ſechſten faſt von einerlei Laͤnge ſind. Schwanz: Kurz, mit 12 weichen, etwas breiten Federn, die eine ſehr abgerundete Spitze haben; daher als Stuͤtze beim Klettern voͤllig unbrauchbar. Das kleine Gefieder iſt ſeidenweich, locker, zerſchliſſen, und beſonders am Rumpfe anſehnlich groß, kann daher ſehr aufgeblaͤ— het werden. 420 VI. Ordn. XXXIV. Gatt. Mauerklette. Die Voͤgel dieſer Gattung gehoͤren zu den kleinern. Sie haben eine zwiefache Mauſer, und das Sommerkleid ſieht anders aus, als das Winterkleid, aber dem Geſchlecht nach iſt wenig Unterſchied, und auch die Jungen ſehen den alten Weibchen im Winterkleide gleich. 5 Dieſe ungeſellige, muntere, unruhige Voͤgel halten ſich an hohen Felſenwaͤnden, Thuͤrmen und anderem hohen Mauerwerk alter Gebaͤude, in Gebirgsgegenden, aber nicht an Baͤumen, auf, klettern mit großer Behendigkeit an ſenkrechten Flaͤchen aufwaͤrts, doch nicht wie die Baumlaͤufer und Spechte, denen ihr elaſtiſcher Stachelſchwanz dabei zur Stuͤtze dient, auch nicht wie die Klei— ber, ſondern ſie huͤpfen in großen Spruͤngen, mit Huͤlfe ihrer breiten Flatterfluͤgel, die daher in beſtaͤndiger Bewegung ſind, die Mauern und Felſen hinan, von einer Unebenheit und kleinem Vor— ſprunge zum andern, in groͤßern und kleinern Abſtaͤnden, bis ſie den hoͤchſten Gipfel erreicht haben, worauf ſie herabfliegen, ſich an eine andere Flaͤche anhaͤngen und es hier eben ſo machen. Dies geſchieht ihrer Nahrung wegen, die aus dort ſich aufhaltenden und verſteckten Inſekten und Larven beſteht, namentlich aus Fliegen, Spinnen u. a. m., welche fie aus den Ritzen und Löchern des Ges ſteins mit Huͤlfe ihres langen, duͤnnen, ſpitzigen Schnabels und der Zunge hervorziehen. Sie niſten auch an ſolchen Orten, hoch oben, in Felſen⸗ oder Mauerſpalten und legen fuͤnf bis ſechs un⸗ gefleckte Eier. 1 Europa, ſo wie Deutſchland, und uͤberhaupt dieſe ganze Gat⸗ tung, hat nur Eine Art. a m m b FT TREE FR a nn en en nn. 175. Die Alpen:-Mauerktlette Tichodroma muraria. N. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 141. 0 — 2. Weibchen im Winterkleide. Die Mauerklette, rothfluͤgelige Mauerklette, Mauerlaͤufer, rothfluͤgeliger Mauerlaͤufer, Mauerbaumlaͤufer, Mauerklettervo⸗ gel, Mauerchlaͤn, Mauerſpecht, Murſpecht, Alpenſpecht, Klet⸗ terſpecht, kleiner —, ſchoͤner Baumlaͤufer, Todtenvogel. Certhia muraria. Gmel. Linn. Syst. I. 1. p. 473. n. 2. = Lath. ind. I. P. 294. n. 40. = Tichodroma alpina. Koch, Baier. Zool. I. S. 80. n. 11. Tichodroma phoenicoptera. (Tichodrome ęchelette.) Temminck Man, nouv. Edit. I. p. 412. — Le Grimpereau de muraille. Buff, Ois. V. 5. p. 487. t. 22. — Edit. d. Deuxp. X, p. 183. t. 3. f. 1. = Id. Planch. enlum. 372, f. 1. et 2. — Le Vaillant, Ois. de Parad. III. t. 20. et 21. = Gerard, Tab. elem. I. p. 367. — Mall- Creeper or Spider-Catcher. Lath. Syn. I. 2. p. 730. n. 32. — Ueberſ. von Bechſtein, I. 2. ©. 596. n. 32. — Edw. Gl. t. 361. Picchio muraiolo. Stor. deg. ucc, II. t. 197. = Blumenbad, Abbild. naturh. Gegenſt. Heft. 8. Taf. 76. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1093. Deſſen orn. Taſchenb. I. S. 78. — Deſſen Abbild. naturh. Gegenſt. V. Hun⸗ dert. Taf. 76. = Wolf u. Meyer, Naturg. a. Voͤg. Deutſchl. Heft 26. — Deren Taſchenb. I. S. 131. — Meyer, Zuſaͤtze u. Berichtigungen z. Taſchb. S. 36. Meisner u. Schinz, Voͤg. d. Schweitz. S. 45. n. 46. Brehm, Lehrb. d. Voͤg. I. S. 156. — C. Gesner. Av. p. 683. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. Nachtr. Heft 6. S. 292. Taf. 41. Fig. 82. Weibch. im Winterkleide. Kennzeichen per A Der zuſammengelegte Fluͤgel an der obern Haͤlfte hochroth; an den Innenfahnen der großen Schwingfedern, von der zweiten bis zu vierten, zwei runde weiße Flecke. Beſchreibung. Dieſer ſchoͤne Vogel ſteht, ſoweit die jetzigen Entdeckungen reis chen, in ſeiner Gattung als einzige Art, und abgeſondert genug, um ihn mit einem andern verwechſeln, nicht einmal vergleichen, zu koͤnnen. 422 VI. DOron. XXXIV. Gatt. 175. Alpen » Mauerklette. An Größe ähnelt er ohngefaͤhr unferm Kleiber; auch feine Körpergeftalt hat, wenn man den kleinen viel ſpitzigern Kopf und manches Andere nicht beruͤckſichtigt, eine entfernte Aehnlichkeit von der dieſes Vogels. Die Laͤnge, ohne Schnabel, beträgt 5 bis 6 Zoll, die Fluͤgelbreite 102 bis 115 Zoll, die Länge d 5 am Ende wenig ausgeſchnittenen oder faſt geraden Schwanzes, welcher aus 12 weichen, etwas breiten, nach außen ſchief abgeſtumpften Fe— dern beſteht, 2 bis 27 Zoll, wovon die ruhenden Flügel über zwei Drittheil oder faſt vier Fuͤnftheile bedecken. Die vorderſte Schwingfeder iſt klein, nur halb ſo lang als die zweite; dieſe viel kuͤrzer als die dritte; letztere auch noch etwas kuͤrzer als die vierte, welche die laͤngſte, aber oft mit der fuͤnften von gleicher Laͤnge iſt; auch die ſechſte hat faſt noch dieſelbe Laͤnge; aber an den fol— genden nimmt dieſe nun viel ſchneller ab; der ausgebreitete Flügel hat daher eine ſehr ſtumpfe, abgerundete Spitze. Der Schnabel koͤmmt an Jungen und Alten von ſehr verſchiede— ner Laͤnge vor, von 1 Zoll 1 Linie zu 1 Zoll 3, 5 bis 10 Linien, ja bis zu volle 2 Zoll lang; auch der ſanfte Bogen, in welchem er ſich ſeiner ganzen Laͤnge nach etwas abwaͤrts kruͤmmt, iſt bald hoͤher, bald nur wenig uͤber die gerade Linie erhaben. Er iſt duͤnn und ſieht daher ſehr ſchlank aus, an der Wurzel 2 Linien breit, aber kaum 2 Linien hoch; hier an feinem obern Theil etwas ſtumpf drei— kantig, an dem untern, wie uͤberhaupt im Ganzen nach vorn zu, rundlich, die pfriemenfoͤrmige Spitze eher etwas platt, als von den Seiten zuſammengedruͤckt. Seine Farbe iſt ſchwarz, wie Fiſchbein glaͤnzend, die Spitze gewoͤhnlich heller, zuweilen ins Braͤunliche uͤbergehend. Die Naſenhoͤhle iſt mit einer Haut aus— gefuͤllt, die uͤber den obern Rand des Naſenlochs als ein kleiner Wulſt hervortritt, die Oeffnung ſelbſt aber nicht klein, laͤnglich, ſchmal bohnenfoͤrmig, vorn hoͤher liegend, als hinten, und durch— ſichtig. Das Auge iſt klein und hat eine tiefbraune Iris. Die Zunge beſchreibt H. Pf. Steinmuͤller (ſ. Meyers Zuſaͤtze u. Berichtig. z. Taſchenb. S. 38.) auf folgende Art: „Sie iſt, nach ihm, 4 Zoll lang und ihre Spitze liegt ganz nahe bei der Schnabelſpitze, ſpießfoͤrmig und aͤußerſt ſpitzig, und ſticht wie eine Nadel; ſie iſt hornartig, ſehr elaſtiſch, und bei einer geringen Vergroͤßerung bemerkt man uͤberall eine Menge borſtenartiger Widerhaken. Damit nun das Aufſpießen der Inſekten und das Zuruͤckziehen derſelben in den Schlund deſto beſſer von Statten gehe, ſo beſitzt dieſer Vogel auch die zwei langen federartigen, VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen : Mauerflette. 423 halbmondfoͤrmigen, elaſtiſchen Zugbaͤnder, die hinten uͤber den Hirnſchaͤdel hinauflaufen, und durch einen ſtarken Muskel in Be— wegung geſetzt werden koͤnnen, voͤllig nach Art der Spechte.“ Die Fuͤße ſind groͤßer und hoͤher, als bei den Baumlaͤu— fern, uͤbrigens eher ſchlank als ſtark zu nennen; der glatte Ueber— zug der Laͤufe mit wenigen ſeichten Einſchnitten, daher faſt geſtie— felt, auch die Schildraͤnder auf den Zehen wenig vorſtehend; die Sohlen und Ballen der ſchlanken Zehen feinwarzig; die Krallen groß, duͤnn, zuſammengedruͤckt, unten doppelſchneidig, mit nadels ſcharfer Spitze, dabei ſchoͤn und faſt im Halbzirkel gebogen, die der Hinterzeh aber vorzuͤglich durch ihre außerordentliche Groͤße ausgezeichnet, auch weniger krumm als die andern, die Kruͤmme nur den vierten Theil eines Zirkelbogens beſchreibend. Fuͤße und Krallen find pechſchwarz und glaͤnzend. Die Höhe der Fußwurzel betraͤgt 11 Linien; die Laͤnge der Mittelzeh, mit der 4 Linien lan⸗ gen Kralle, auch 11 Linien bis faſt 1 Zoll; die der Hinterzeh, mit der 7 bis 9 Linien langen Kralle, 12 bis 14 Linien. Die Laͤnge und Biegung der Krallen wechſelt, ohne Bezug auf die Schnabellaͤnge, bedeutend ab, wie beiunſerm Baumlaͤufer, doch findet man auch ſehr oft, daß aͤltere Voͤgel einen laͤngern Schnabel und groͤßere Krallen haben als die Jungen. Das weiche, lockere Gefieder traͤgt ſehr ſanfte Farben, worun— ter ein gar herrliches Roth, und keine ſticht grell von der andern ab, ſo daß man dieſen Vogel wohl unter die ſchoͤnſten zaͤhlen darf. Da er nach der Jahreszeit in zweierlei verſchieden gefaͤrbten Ge— waͤndern vorkommt, aber von dem Gefieder des einen viel in das andere mit hinuͤbernimmt, ſo iſt das, was er in der Hauptmau— ſer nach allen Theilen erneuet und im Herbſt eben angelegt hat, als das Hauptkleid zu betrachten, und es fol deshalb zuerſt beſchrie-⸗ ben werden. An dieſem, dem Herbſt- oder Winterkleide, ſind fol— gende Farben und Zeichnungen: Die Zuͤgel ſind weißgrau; Schei— tel, Hinterhals, Ruͤcken, Schultern und Buͤrzel hell aſchgrau, erſtere ſchwach gelbbraͤunlich uͤberlaufen; die Oberſchwanzdeckfedern dunkel aſchgrau; Kinn, Kehle, Vordertheil der Wangen, Gurgel und Kropfgegend, bis auf die Oberbruſt herab, weiß; Bruſt, Seiten, Bauch und Schenkel dunkel aſchgrau (ſchiefergrau); die großen Unterſchwanzdeckfedern ebenfo, aber mit großen weißen Enden und dunkelbrauen Schaͤften. Der groͤßte Theil des Fluͤ— gels, wenn er ſich an den Koͤrper anlegt, iſt von oben herab mit 424 VI. Or dn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen⸗Mauerklette. einen herrlichen ſanften Roſenroth gleichſam uͤbergoſſen, was an den Spitzen der kleinen und an den Kanten der groͤßern Federn in ein geſaͤttigteres Roth, in die Farbe des feinſten rothen Karmins im trocknen Zuſtande, uͤbergeht. Eigentlich hat der Fluͤgel aber folgende Zeichnung: Die kleinen Deckfedern ſind hoch roſenroth, in helles Karminroth uͤbergehend; die großen, nebſt den Fittichdeck— federn, braunſchwarz, mit hoch karminrothen Kanten an den Au— ßenfahnen; die drei letzten Schwingfedern braunſchwarz, an den aͤußern Fahnen verwaſchen graulich oder braͤunlichgrau gekantet, an ihren Enden braͤunlichweiß geſaͤumt; die zunaͤchſt folgenden braunſchwarz, an der Wurzel der aͤußern Fahne hoch karminroth, am Ende ſchmutzigweiß geſaͤumt; die darauf folgenden fünf eben— fo gefärbt, nur mit mehrerem und immer wachfendem Roth, und auf der Mitte der innern breiten Fahne, an der Wurzelhälfte, mit einem runden, ſchoͤn oker- oder roſtgelben Fleck, welcher aber auch oft fehlt; die vier folgenden von eben der Farbe, auf der innern Fahne aber, an der Wurzelhaͤlfte, ſtatt des gelben, mit einem weißen, ſo wie auch in der Mitte der Endhaͤlfte mit einem zweiten, weißen, runden Fleck, doch bemerkt man an der vorderſten dieſer Schwingen nichts Rothes, und auch an den an— dern nimmt dieſe ſchoͤne Farbe nur die Wurzelhaͤlfte der aͤußern Fahne ein; die allererſte, ſehr kurze Schwingfeder einfarbig dun— kelbraun, bloß mit lichterem Saum. Die Schwanzfedern ſind faſt gleich lang, braunſchwarz, mit hellgrauen Enden und brau— nen Spitzchen; dieſe hellgrauen Enden werden nach den Seiten zu immer größer und weißer, fo daß die aͤußerſte Feder von der Flei= nen braungrauen Spitze 7 Linien weit herauf rein weiß iſt. Auf der Unterſeite iſt der Schwanz ſchwarz, mit weißem Ende; die Fluͤgel unten ſchwarzgrau, mit den weißen Flecken an den großen Schwingen, und die Deckfedern am obern Fluͤgelrande ſind roſen— roth, die uͤbrigen dunkelgrau. Das Maͤnnchen unterſcheidet ſich im Aeußern vom Weib— chen kaum durch die etwas verſchiedene Groͤße, indem dieſes ge— woͤhnlich etwas kleiner als jenes iſt, auch meiſtens einen etwas kuͤr⸗ zern Schnabel hat; dann dadurch, daß am Maͤnnchen das Aſch— grau der obern Theile ſtets reiner und etwas lichter, und das Roth auf dem Fluͤgel geſaͤttigter und feurichter erſcheint, alles aber in ſo geringem Grade, daß man dann beide Geſchlechter nur mit einiger Sicherheit erkennt, wenn man ſie neben einander halten kann. Hierzu koͤmmt denn noch, daß auch die jungen Voͤgel den VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen-Mauerklette. 425 - alten im Herbſtkleide vollkommen ahnlich ſehen und kaum durch den ſtaͤrker gelbbraͤunlich angeflogenen Hinterkopf und Nak— ken, und durch ein ſchwaͤcheres Roth, zwiſchen welchem auf dem der Schulter am naͤchſten liegenden Theil des Fluͤgels noch ein lichtes Aſchgrau ſtark hindurch ſchimmert, uͤberhaupt aber durch weniger Reinheit in den Farben, ſich vor dieſen einigermaßen aus— zeichnen; allein unter dieſen iſt aͤußerlich die Verſchiedenheit des Geſchlechts noch weniger zu erkennen. Eine merkwuͤrdige Verſchiedenheit unter dieſen Voͤgeln findet ſich in dem Vorkommen jener weißen und braungelben Flecke, auf der innern Fahne der Schwingfedern. Daß ſie keinen Bezug auf das Geſchlecht haben, leidet keinen Zweifel; aber daß ſie ſo oder ſo, einen jungen oder alten Vogel bezeichnen ſollten, iſt noch nicht im Klaren. Das eine Exemplar hat an der zweiten, drit— ten, vierten und fuͤnften Schwingfeder bloß zwei weiße Flecke, ſonſt an allen uͤbrigen keine Spur, weder eines weißen noch eines gelben Zeichens; das andere an den Schwingen Nr. 2, 3, 4, 5, zwei weiße, an 6, 7, 8, 9, 10, einen ſchoͤn gelben Fleck; einem dritten mangeln an den Schwingen Nr. 6, 7, 8, 9, alle Flecke, und erſt 10, 11, 12, haben bloß eine ſchwache Andeu— tung von einem gelben Fleck, nahe an der Wurzel; bei einem vierten haben Nr. 2, 3, 4, 5, zwei und Nr. 6, bloß einen wei— ßen runden Fleck, ſonſt keine Spur von Gelb; ein anderes hatte, außer den weißen Flecken auf den vorderſten Schwingen, von Nr. 6 bis 13, und noch ein anderes gar von 6 bis 15 einen ſehr großen gelben Fleck auf jeder Feder; allein es wuͤrde zuweit fuͤhren, alle Abweichungen der Flecke, wie ſolche nach Zahl, Standort, Groͤße, Farbe u. ſ. w. oft vorkommen, aufzaͤhlen zu wollen, da ſie zu wan— delbar ſind. Standhaft bleibt bloß, daß die ſehr kleine erſte Schwinge ſtets ungefleckt iſt, die folgenden aber bis zur vierten oder fuͤnften, immer zwei runde weiße Flecke haben. Man will zwar behaupten, daß einjaͤhrige Voͤgel noch keine gelbe Flecke, aͤltere ſie aber nach und nach, und mit zunehmenden Alter in wachſender Anzahl und Größe bekaͤmen; dagegen ließe ſich jedoch auch Manz ches erwiedern, z. B. daß das ſchoͤnſte und aͤlteſte Maͤnnchen, was mir je zu Geſicht gekommen, in allen Theilen als ein ſolches hoͤchſt ausgezeichnet (daher als Vorbild zur Abbildung Fig. 1. auf unſrer Kupfertafel genommen), nur an den vordern Schwingen die weißen Flecke, ſonſt aber keine hatte, als nahe an der Wurzel der zehnten, elften und zwölften einen ſchwachen gelben Züpfel, = 426 VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen-Mauerklette. gleichſam als wenn beim Malen deſſelben nicht Farbe genug dage— weſen wäre, um einen ordentlich runden, deutlichen Fleck klar da— mit ausführen zu koͤnnen. Dann habe ich wieder einen Vogel ges ſehen, welcher mir noch jung zu ſeyn ſchien, welcher fuͤnf ſchoͤne brandgelbe Flecke hatte, und einen andern, welchem ſie gaͤnzlich mangelten. Da ich aber keinen dieſer Voͤgel im friſchen Zuſtande erhalten und unterſucht habe, ſo bleibt die Sache, da beſonders die geringere Schnabellaͤnge kein ſicheres Kennzeichen der Jugend zu ſeyn ſcheint, immer etwas ungewiß, ob es auch wirklich ein— jaͤhrige Voͤgel waren. An den alten Voͤgeln mauſert ſich im Laufe des Winters ein großer Theil des kleinen Gefieders, naͤmlich der ganze Kopf, ein Theil des Halſes, Kehle und Gurgel, bis auf die Bruſt herab; von dem Uebrigen iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich, von den untern und obern Schwanzdeckfedern, ſaͤmmtlichen Fluͤgel- und Schwanzfedern aber gewiß, daß fie bis zur Hauptmauſer, im naͤchſten Sommer, ver: bleiben. — In ſeinem Fruͤhlings- oder Sommerkleide hat demnach das alte Maͤnnchen einen ſehr dunkel aſchgrauen Kopf, ſchwaͤrzliche Zuͤgel, und die Kehle, die vordere Haͤlfte der Wangen, und der ganze Vorderhals, bis auf die Oberbruſt herab, ſind ſammet— ſchwarz; — an den ſchwarzgrauen Unterſchwanzdeckfedern haben ſich die weißlichen Enden, an den Schwanzfedern die braunen Spitzchen, und an den hintern Schwingfedern die lichten Endſaͤume abgerieben und ſo abgetragen, daß man kaum noch eine Spur von ihnen ſieht. Das Uebrige iſt wie am Herbſtkleide und ohne merkliche Veraͤnde— rung geblieben. — Das alte Weibchen ſieht dem etwas juͤn— gern Maͤnnchen dadurch aͤhnlich, daß die Kehle nicht ſo tief ſchwarz und der Kopf auch etwas lichter aſchgrau ausſieht. An noch jüngern Voͤgeln iſt dagegen das Schwarz der Kehle und Gur— gel weniger ausgedehnt, die ſchwarzen Federn ſtehen einzelner und jene Theile erſcheinen daher oft nur ſtark ſchwarz gefleckt, ſo wie alle waͤhrend ſie ſich mauſern, anfaͤnglich auch nur eine weiße, mehr oder weniger ſchwarzgefleckte Kehle und Gurgel haben. | Die Hauptmauſer, worin fie das ganze Gefieder neu erhalten, iſt im Juli und Auguſt; im September haben ſie das Herbſtkleid vollkommen und ihr Gefieder iſt dann ſehr ſchoͤn. In den Win— termonaten mauſern ſie zum zweiten Mal, die Alten fruͤher als die Jungen, aber dieſe Mauſer erſtreckt ſich, wie ſchon erwaͤhnt, nur über einige Theile des Körpers, VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alyen » Mauerklette. 427 A u ie t ha ht Dieſer Vogel bewohnt die gebirgigen Theile des waͤrmern Eu— ropa. Er iſt in Spanien, Italien und in der Schweiz ziemlich haͤufig, koͤmmt oͤfter auch in den ſuͤdlichen Provinzen Deutfhlands, aber ſehr ſelten in den mittlern und noͤrdlichern Gegenden unſers Vaterlandes vor, wo er auch bloß als ein Verirr— ter zu betrachten iſt, und lebt eigentlich nur in hohen Gebirgen. In der Schweiz bewohnt er die hoͤchſten Gebirge, z. B. die Fel— -fen des Gemmi, des Weißenburger Bades, der ſogenannten Gal— lerie bei Inden und Varn in Wallis und aͤhnliche Gegenden, und Saussure (ſ. Voyages IV. p. 230.) ſah ihn ſelbſt auf dem Col de Geant, 1763 Klafter über der Meeresflaͤche, an einer ganz von Eisbergen umgebenen Stelle. In Tirol iſt er auf den hoͤchſten Alpen ebenfalls nicht ſelten, auch in den Hochgebirgen von Salzburg. Er ſtreicht von hier im benachbarten Schwa— ben oͤfters nach Seckingen, Siegmaringen, Muͤhlheim, Fuͤſſen, bis Heidelberg, oder durch die Fraͤnkiſchen Gebirge bis Saalfeld, und hat ſich von hier ſelbſt noch weiter nach Thuͤringen, ja vor vielen Jahren ſelbſt ein Mal bis in die Stadt Halle an der Saale verflogen. In den Gebirgen der an Tirol grenzenden Oeſter— reichiſchen Lande wird er oͤfters geſehen, und ſoll auch Boͤh— men und Schleſien zuweilen beſuchen, was aber ſehr ſelten vorkommen mag. Uebrigens iſt dieſe Art nirgends in ſolcher Menge, daß fie in großen Geſellſchaften beiſammen geſehen würde; überall iſt fie einzeln, oder bloß paarweis und in einzelnen Familien, nur uͤber wenige Gegenden verbreitet. f Er iſt ein Strich vogel, und verläßt feine hohen Aufent— haltsorte, ſobald ſich im Herbſt dort zu rauhe Witterung einſtellt, wo er ſich zuerſt in die weniger hohen Gebirge und Thaͤler begiebt, endlich ſogar bis in die Vorberge und in die Bergſtaͤdte herab geht, und ſich von hier im Fruͤhling eben ſo wieder entfernt, um die erſtern nach und nach wieder zu beziehen. Auf dieſen Streifereien im Herbſt, ſeltner im Fruͤhjahr, geſchieht es denn zuweilen, daß er, einzelnen Bergreihen nachfliegend, ſich auch wol ein Mal in eine ſolche Gegend verirrt, die man eigentlich nicht gebirgicht, aber auch nicht eben, nennen kann. Er ſtreicht auch uͤberhaupt und mehrentheils nur einzeln umher, wenn er ſich weit von ſeinem Sommeraufenthalt entfernt, und nur in der Naͤhe deſſelben ſieht man ihn auch wol zuweilen paarweiſe. In der Gegend, wo er 428 VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen⸗Mauerklette. uͤberwintert, waͤhlt er ſich einen eignen etwas großen Bezirk, den er aber taͤglich regelmaͤßig durchſtreift, ſo daß er mehrere Wochen lang, zu gewiſſen Stunden, allemal an derſelben Mauer und dergleichen bemerkt worden iſt. Als Alpenvogel findet er ſeinen Sommeraufenthalt nur auf den Hochgebirgen, an ſchroffen Felſenwaͤnden und ſelbſt an den hoͤchſten oͤdeſten Bergfluͤhen. Dort ſieht man ihn nur am kahlen, rauhen Geſtein, wo er die ſenkrechten Flaͤchen beklettert, um ſeine Nahrung zu ſuchen und in den Ritzen und Loͤchern der Felſen ſich fortzupflanzen. Nach dieſer Zeit, wo er tiefer herabgeht, ſucht er ebenfalls noch ſolche Gegenden, wo es gegen Mittag gelegene kahle Felſenwaͤnde giebt, bis er ſich im Herbſt allmaͤlig den bewohn— ten Gegenden und den hoͤher gelegenen Staͤdten, Schloͤſſern und andern Orten naͤhert, welche viel alte hohe Gebaͤude, Thuͤrme und anderes hohes Gemaͤuer haben. So gelegene alte Staͤdte, wie z. B. Bern, beſucht er alle Winter, nicht ſo Zuͤrich, wegen der Entfernung vom eigentlichen Hochgebirge. Er treibt dann oft mit⸗ ten in den volkreichſten Bergſtaͤdten ſein Weſen, klettert hier bald an den alten Ringmauern herum, bald die hoͤchſte Thurmſpitze hinauf, oder er durchſucht die Verzierungen alter gothiſcher Kir— chengiebel, das Geſimſe und die Dachkanten an hohen Haͤuſern, unbekuͤmmert um das Geraͤuſch der unter ihm verkehrenden Men— ſchen. An ruhigern Orten geht er auch noch tiefer herab, und haͤngt ſich hier oft nahe uͤber der Erde an das wuͤſte Gemaͤuer. Die verfallenen Bergſchloͤſſer und Burgen, ſelbſt große Stein— bruͤche, waͤhlt er dann auch gern zum einſtweiligen Aufenthalt; allein Wald, und uͤberhaupt Baͤume ſind ihm zuwider. An den Thuͤrmen und hohen Giebeln hat man ihn oͤfters auch durch die groͤßern Oeffnungen auf die Boͤden gehen ſehen, und ſo hat ſich ſchon hin und wieder einer ſelbſt in die Zimmer hoher Haͤuſer ver— ſtiegen. ' Nach den neueſten Beobachtungen fol er ſich nie an Bäume haͤngen oder niemals auf Baumzweige ſetzen. Eigen ſchaften. Die Mauerklette iſt ein gar ſchoͤnes, lebhaftes, aͤußerſt unruhi⸗ ges Geſchoͤpf, und im Betragen unſerm Ba umlaͤufer aͤhnlich. Sie kann kaum auf Augenblicke ſtill ſitzen; denn auch wenn man glaubt, ſie wolle ausruhen, ſo ſind doch Fluͤgel und Schwanz immer VL Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen- Mauerklette. 429 auf irgend eine Art in Bewegung. Sie iſt immer munter und froher Laune, hat einen huͤpfenden Gang, und klettert mit der groͤßten Gewandtheit an ſenkrechten Flaͤchen hinan; dies aber auf eine eigne Art und nicht, wie Spechte, Kleiber und Baumlaͤufer, bloß huͤpfend, ſondern mit Huͤlfe ihrer Fluͤgel in kleinern und groͤßern Spruͤngen oder Abſaͤtzen, aber ſo, daß ſie bei jedem Sprunge auch nur auf Augenblicke anhaͤlt, und in der Geſchwin— digkeit mit dem Abſuchen einer hohen Felſenwand oder eines Thurms, von unten an bis zur Spitze hinauf, fertig iſt. Sie klettert aber immer nur aufwaͤrts, Kopf und Schnabel nach oben gerichtet, nie— mals abwaͤrts wie die Kleiber, ob ihr gleich der weiche Schwanz auch, wie bei dieſen, niemals zur Stuͤtze dient. So geht es in flatternden Spruͤngen von einer kleinen Unebenheit und rauhen Vorſprung einer ſenkrechten Flaͤche zur oder zum andern, bis die groͤßte Hoͤhe des Felſens oder Gemaͤuers erreicht iſt, worauf fie wieder herabfliegt, ſich unten oder in der Mitte an eine an— dere anhaͤngt, ſie ebenſo erklettert, und dies in ununterbrochner Thaͤtigkeit den ganzen Tag treibt. Auf flachen Erdboden hat man ſie ſich niemals ſetzen ſehen, denn ſie treibt ihr Weſen uͤberhaupt am liebſten in der Hoͤhe. Sie iſt ungeſellig, zaͤnkiſch gegen andere ihrer Art, lebt daher faſt immer einſam, und es iſt eine Seltenheit, außer der Fortpflan— zungszeit, ein Mal ein Paͤaͤrchen dieſer Voͤgel beiſammen zu ſehen; denn auch dieſe und die Jungen vereinzeln ſich, ſobald fie ſich wei⸗ ter von den Sommeraufenthaltsorten entfernen. Da ſie nun an dieſen ſelten Menſchen zu ſehen bekoͤmmt und ihre Verfolgungen nicht kennt, ſo iſt ſie, vielleicht auch von Natur ſchon, dort ſehr zutraulich, ſelbſt nachher, in bewohnten Orten, auch gar nicht ſcheu, ſo, daß man ſie zuweilen ganz in der Naͤhe beobachten kann. Sie hat einen ungemein leichten flatternden Flug, den man nur deshalb unſicher und ſchwankend nennen kann, weil ſie dazu die Fluͤgel unregelmaßig, bald ſchneller, bald langſamer ſchwingt, wodurch er dem unſers Wiedehopfs ſehr aͤhnlich wird. — Gegen die Kaͤlte ſcheint ſie ziemlich umempfindlich, in⸗ dem man auch bei heftiger Kaͤlte im Winter nichts von ihrer ſonſti⸗ gen Munterkeit vermißt, und ſie ſogar zuweilen ſingen hoͤrt. Ihre Lockſtimme wird mit der des Rothgimpels (Pyrrhula vulgaris) verglichen, und ſie hat auch einen baumlaͤuferartigen, jedoch aus mehreren kurzen, lauten, melodiſchen Strophen beſte⸗ 430 VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen - Mauerklette. henden Geſang, in welchem die kurze Strophe: Di didi zaͤaͤ unter kleinen Veraͤnderungen oͤfters wiederholt vorkoͤmmt, die auch mit einigen Stellen des Staarengeſanges verglichen wird. Nicht allein das Maͤnnchen ſingt, beſonders in der Begattungszeit, recht fleißig, ſondern auch zuweilen das Weibchen; man hoͤrt es jene Strophe ſelbſt in Wintertagen mehrmals wiederholen. Auch waͤh— rend fie ſingt, ſitzt die Mauerklette nicht ſtill, fie dreht dabei den Koͤrper hin und her, und bewegt Fluͤgel und Schwanz dazu, oder flattert dabei immer die Felſen hinan. Prof. Spruͤngli beſaß eine Mauerklette auf einige Zeit lebendig im Kaͤfige, welche ſelbſt bei ſtarker Kaͤlte und Winterwitte— rung recht laut und ſonſt fleißig ſang. Nia her ue n g Sie lebt von Inſekten, deren Larven, Puppen und Eiern, namentlich von verſchiedenen Arten von Fliegen, die in Felſen— und Mauerritzen Winterſchlaf halten, oder ſich ſonſt dahin verkrie— chen, von Spinnen, Ameiſen und vielen andern, holt auch Larven, ſelbſt Raupen und kleine Puppen von Schmetterlingen und andern Inſekten mit ihrem langen duͤnnen Schnabel aus den Fugen des Mauerwerks und aus den Ritzen und Spalten der Felſen hervor, und beklettert jene deshalb unablaͤſſig, ſucht ſie im Winter ſogar zuweilen auf hohen wuͤſten Boͤden und unter den Daͤchern auf, und ob ſie gleich ſtets flatternd klettert und gut fliegt, ſo faͤngt ſie doch kein fliegendes Inſekt. Sie durchſucht aber vorzuͤglich die Mittagsſeite der Felſen, alten Gebaͤude, Kirchen und Thuͤrme, weil ſich da mehr Inſekten aufhalten, als an der Schattenſeite, und ſcheint, was man kaum glauben möchte, immer genug zu fin= den, ihre ſtets rege Eßluſt zu befriedigen; denn man ſieht ſie ſelbſt an ſehr kalten Wintertagen ſtets luſtig, niemals um Fut— ter verlegen, ſondern beſtaͤndig und oft in ſehr kurzen Zwi— ſchenraͤumen etwas auffinden und verzehren. Steinmuͤller fand auch ein Mal eine kleine Schnecke (Turbo perversus, L.) in ihrem Magen. Diejenige, welche Prof. Spruͤngli einige Zeit lebendig er= hielt, fuͤtterte er mit zerſtoßenen Mandeln, Nuͤſſen und Fliegen, und gab ihr Schneewaſſer zu trinken. Die Mauerklette ließ ſich alſo wahrſcheinlich auch an das bekannte Stubenfutter der Gras⸗ muͤcken gewoͤhnen und laͤngere Zeit erhalten. VI. Ord n. XXXIV. Gatt. 175. Alpen ⸗Mauerklette. 431 4 Fortpflanzung. Von dieſer iſt leider noch ſehr wenig bekannt, weil dieſe Voͤ⸗ gel meiſtens in ſehr unwirthbaren Gegenden und an Orten niſten, wohin nur ſelten ein Menſch gelangen kann. Man weiß bloß, daß ſie z. B. in verſchiedenen Gegenden der Schweiz, an den be— reits oben beim Sommeraufenthalt angegebenen Orten, in die Ritzen und Loͤcher ſehr hoher, ſchroffer Felſen und kahler Fels— wände, hoch oben, ihr Neſt bauen, und fünf bis ſechs rundliche, weiße Eier legen. Die Jungen ſind im Juli ausgeflogen, und werden nachher noch eine Zeitlang von den Alten gefuͤttert und zum Aufſuchen der Nahrung angefuͤhrt; im Auguſt haben die Fa— milien ſich ſchon getrennt und ihre Glieder vereinzelt. *) Ein Ei, das ich, als dieſem Vogel angehoͤrig, aus der Schweiz erhalten habe, iſt nicht rundlich, ſondern mehr aͤcht oval, an Groͤße dem des Hausroͤthlings aͤhnlich, aber von ganz anderer Geſtalt, übrigens weiß, ohne alle Zeichnung. Feinde. Die kleinern Raubvoͤgel und die Eulen find mit vieler Wahr: ſcheinlichkeit hieher zu zählen, obgleich auch hierüber nichts Be— ſtimmtes bekannt iſt. Jagd. Sie iſt mit der Flinte, ihrer Zutraulichkeit wegen, leicht zu erlegen, nur der hohe Aufenthalt und die uͤbergroße Beweglichkeit und Unruhe des Vogels erſchweren das Gelingen ſehr oft. Eine beſondere Fangmethode iſt nicht bekannt. Zufaͤllig hat man ſie ſchon in Stuben hoher Haͤuſer gehaſcht, indem man ſie uͤberraſchte, ehe ſie den engen Eingang, wodurch ſie herein ge— kommen war, wieder finden konnte. Nutz en. Dieſer beſteht wol bloß darin, daß ſie an den Haͤuſern Flie⸗ gen und andere laͤſtige Inſekten wegfaͤngt. Ihr Fleiſch ſoll zwar wohlſchmeckend ſeyn, aber ſie zum Verſpeiſen toͤdten zu wollen, *) Den aͤltern Nachrichten, nach welchen ſie auch in hohlen Baͤumen, ſogar in Menſchenſchaͤdeln in den Knochenhaͤuſern der Gottesaͤcker, niſten ſollen, kann man wenig Glauben geben. 432 VI. Ordn. XXXIV. Gatt. 175. Alpen⸗Mauerklette. moͤchte wol Niemanden einfallen, weil ſie ſelbſt da, wo ſie alljaͤhrlich brütet, zu einzeln vorkoͤmmt. Ihre Anweſenheit belebt ihre wuͤ— ſten Aufenthaltsorte. Sich a d e n. Hiervon iſt nichts bekannt. Sie ſcheint zu den Voͤgeln zu ge— hoͤren, von welchen wir weder Schaden, noch auffallenden Nutzen haben. Anmerkung. Weil ich dieſen Vogel nicht ſelbſt in der Freiheit habe be⸗ obachten koͤnnen, indem er ſich wol niemals bis in unſere große Ebene verirren moͤchte, fo bin ich in vorliegender Beſchreibung feiner Lebensart und feines Be tragens den Angaben meiner beſſern Vorgaͤnger gefolgt, in ſo weit naͤmlich ihre Nachrichten mit denen uͤbereinſtimmten, die ich durch Briefwechſel aus der Schweiz von dortigen Forſchern erhielt. 5 Fuͤnf und dreißigſte Gattung. Wiedehopf. Upupa. Schnabel: Sehr lang, etwas gebogen, ſchlank, etwas zu— ſammengedruͤckt, daher ſchmaͤler als hoch, ſpitz, die Kinnladen faſt dreieckig und inwendig ausgefüllt. Naſenloͤcher: Am Schnabelgrunde dicht an den Stirnfe— dern, klein, offen, oval. Zunge: Aeußerſt klein und kurz, platt, dreieckig oder herzfoͤrmig, am ausgeſchnittenen Hinterrande gezaͤhnt, auch auf der etwas gewoͤlbten Oberflaͤche mit einzelnen Zaͤhnchen. Füße: Kurz, etwas ſtark, mit vier Zehen, wovon drei nach vorn, eine nach hinten gerichtet, und die aͤußere und mitt— lere der Vorderzehen bis ans erſte Gelenk verwachſen find. Die, Fußbedeckung beſteht aus groben Schildern; die Krallen ſind kurz, wenig krumm, ſtumpf; die der Hinterzeh faſt gerade und ziem— lich lang. Fluͤgel: Groß, beſonders anſehnlich breit, an der Spitze ſehr abgerundet; denn die erſte Schwingfeder iſt klein, ſchmal, und kaum halb ſo lang als die zweite; dieſe auch noch viel kuͤrzer als die dritte; letztere auch noch etwas kuͤrzer als die vierte, welch die laͤngſte, und mit der fuͤnften von gleicher Länge ift. 6 Schwanz: Aus zehn Federn beſtehend, von mittlerer Groͤße, am Ende gerade. Das kleine Gefieder iſt ſehr weich, etwas locker, und auf dem Scheitel ſteht bei den beiden bekannten Arten kl Sa ein faͤcherfoͤrmiger Federbuſch⸗ 5r Theil. 28 434 VI. Ordn. XXXV. Gatt. Wiedehopf. Die Wiedehopfe ſind von mittlerer Groͤße. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich im Aeußern nur wenig, auch die Jun⸗ gen nicht ſehr auffallend von den Alten. Sie wohnen nicht in geſchloſſenen Wäldern, aber gern in wal⸗ digen Gegenden, oder doch in ſolchen, welchen es nicht ganz an Baͤumen und Gebuͤſch fehlt; halten ſich viel mehr auf der Erde, als auf Baͤumen auf, und ſind beſonders an ſolchen Orten, wo öfters Vieh weidet, ſehr gern. Was die Bau mlaͤufer an den Baͤumen, die Mauerkletten an Felſen und Mauern thun, ſieht man den Wiedehopfen auf dem Erdboden verrichten, und man koͤnnte ſie, im Vergleich mit jenen, Erdlaͤufer nennen. Sie ſind furchtſam und vorſichtig, dabei ungeſellig, und lieben die Einſamkeit. Ihr Gang auf dem Erdboden iſt ſchrittweis und ziemlich behend; ihr Flug durch ein unregelmaͤßiges Schwingen der Fluͤgel ausgezeichnet, aber nicht hoch. Einen Geſang haben ſie nicht, aber doch einen eigenen Paarungsruf an deſſen Statt. Ihre Nahrung ſind Inſekten, meiſtens aber Inſektenlarven und allerlei Maden, hauptſaͤchlich ſolche, die ſie auf dem Erdboden, beſonders auf den Triften und Waideplaͤtzen des Viehes finden, und mit ihrem langen ſpitzigen Schnabel auch aus der Erde hacken. Sie niſten in den Hoͤhlen der Baͤume, Felſen, Mauern, Staͤmme, ſelbſt zuweilen auf plattem Erdboden, bauen ein ſchlechtes Neſt, und legen vier bis fuͤnf laͤnglichte, einfarbige Eier. „Dieſe Gattung,“ bemerkt Nitzſch nach anatomiſcher Unter» ſuchung des gemeinen Wiedehopfs, „aͤhnelt zwar in einigen Punkten ihres innern Baues den Singvoͤgeln, entfernt ſich aber in weit mehreren, wie ſchon durch den Mangel des Singmuskelapparats am untern Kehlkopf, von demſelben und gehoͤrt entſchieden nicht zu jener Familie. Der Schädel bietet mehrere beſondere Verhaͤlt— niſſe dar. Die Stirne, welche vorn faſt ſo breit als das eigent— liche Hirnſchalengewoͤlbe iſt, hat auf ihrer Flaͤche, zumal nach vorn, eine ſehr betraͤchtliche Aushoͤhlung wegen ſtarker Entwickelung des Muskelſtratums, durch welches die Aufrichtung der Federkrone bewirkt wird. Das Thraͤnenbein ſcheint zu fehlen, aber der Querfortſatz des ganz knoͤchernen und eine vollſtaͤndige Augenſchei— dewand bildenden Riechbeins iſt ſehr anſehnlich. Der freie Fort— ſatz des Quadratknochens iſt ziemlich kurz. Die Verbindungsbeine ſind ſtabfoͤrmig und ziemlich lang; die Gaumenbeine breit, flach, und ihr hinterer Rand laͤuft in mehrere, duͤnne, theils lange Knochen— ſplitter aus. Die Aeſte des Unterkiefers haben ein kaum merkli⸗ VI. Ordn. XXXV. Gatt. Wiedehopf. 435 ches Seitenloch und enden hinten mit einem dicken, über ihre Ges lenkung hinausragenden Fortſatz. Der verhaͤltnißmaͤßig lange Hals hat 14 Wirbel. Der Schwanzwirbel ſind 6, und der letzte iſt durch einen ſehr ſtarken großen Dornfortſatz ausgezeichnet. Sechs, nach dem Ruͤcken zu meiſt ſehr breite, Rippenpaare haben Rippenknochen; der Rippenknochen des letzten und vorletzten Paa— res aber erreicht das Bruſtbein nicht. Ein oder zwei andere Rip penpaare ſind ſogenannte falſche oder Fleiſchrippen. Es ſind alſo 7 oder 8 Rippenpaare in summa vorhanden. Das Bruſtbein gleicht allerdings dem der Singvoͤgel in Form und Zahl der am Abdominalrande befindlichen haͤutigen Buchten und der dadurch abgetheilten Fortſaͤtze, deren jeder Seits nur einer iſt, aber dieſe Fortſaͤtze enden ſo wie der mittlere Theil des Hinterrandes mit Knorpelplatten. Die ziemlich ſchmaͤchtige Furcula iſt von mittler Groͤße und ohne untern unpaaren Fortſatz. Die Schluͤſſelbeine ſind unten ſehr verbreitert; die Schulterblaͤtter von ganz gewoͤhn— licher Bildung, maͤßig lang, am Ende ſpitzig und wenig nach außen gebogen. Die Nebenſchulterblaͤtter und Armpatellen fehlen. Das Becken aͤhnelt dem der Singvoͤgel, jedoch iſt es oben glatter und ebener; die Schaamſtuͤcke ſind laͤnger und gegen einander geneigt. Schaͤdel, Wirbelbeine, Bruſtbein, Becken, Oberarmknochen und ſogar merkwuͤrdiger Weiſe die Oberſchenkelknochen, welche wie die der Falken nach vorn eine ſehr deutliche Oeffnung haben, ſind pneumatiſch.“ „Die Naſen druͤſe ſcheint zu fehlen." „Die bekanntlich ſehr kleine gleichſam nur im Rudiment vor⸗ handene Zunge iſt von dreieckiger Geſtalt, hinten fo breit als lang, nur mit weicher Haut uͤberzogen, vorn abgerundet und ganz, am hintern Rande und den hintern Ecken ſehr fein gezaͤhnt. Der Zungenkern beſteht aus zwei, paarigen, hinten knoͤchernen, vorn knorpeligen und da vereinigten Stuͤcken. Der Gaumen iſt ohne vordere Querleiſte, und überall auf der Fläche und am hin: tern Rande mit feinen ſpitzen Papillen beſetzt. Die Luftroͤhre hat weiche, hinten offene Ringe, die Bronchien haben, wie gewoͤhn— lich, knorpelige Halbringe. Von eigenen Muskeln des untern Kehlkopfs ſah ich keine Spur, und ſelbſt die Sternotrachealmus— keln find ungemein ſchwach.“ „Der Schlund iſt ohne kropfartige Erweiterung; der Vorma— gen durch dicke Druͤſenwaͤnde wohl ausgezeichnet und von gewoͤhn— licher Größe und Lange; der Magen ſchwach-muskuloͤs. Von 436 VI. Ordn. XXXV. Gatt. Wiedehopf. Blinddaͤrmen keine Spur. Die innere Darmfläche iſt zottig. Das Pankreas doppelt; jedes groß zweitheilig. Die Leber aͤhnelt der des Kuckuks in Hinſicht der ziemlich langen Commiſſur der beiden ſehr ungleichen Leberlappen; ſie hat eine laͤngliche ſpitze Gallblaſe. Die Milz erſcheint ſo drehrundlich, wie bei Singvoͤgeln, iſt aber kuͤrzer und uͤberhaupt ſehr klein.“ „Die Nieren gleichen nicht minder denen der Paſſerinen auch darin, daß ſie von der Schenkelvene durchbohrt ſind; ihre vordern, am Rande deutlich geſonderten Lappen ſind breit und kurz.“ „Die Hoden erſcheinen zur Fortpflanzungszeit ſo kugelig, wie bei den Singvoͤgeln. Der Eierſtock iſt einfach.“ „Die Oeldruͤſe auf dem Schwanze zeichnet ſich durch einen ſehr laͤnglichen, roͤhrenfoͤrmigen und mit Federn beſetzten Zipfel aus. Ihre freilich veraͤnderliche Abſonderung ſcheint die Urſache des widerlichen Geruchs zu ſeyn, welcher am Wiedehopf oͤfters be— merkt wird.“ * 8 * Die Gattung: Upupa, zählte nach Linne eine Menge Arten, von welchen nach neuern Anſichten manche zur Gattung Epimachus, Cuvier, andere zur Gattung Nectarinia, Slliger, einige gar zu Muscicapa, Linne' und Merula, Briſſ. gehören, fo daß, nachdem ſie die neuern Syſtematiker, doch, wie es ſcheint, etwas fluͤchtig, geſichtet hatten, ihr nur zwei Arten verbleiben, auf welche die obigen Gattungskennzeichen genau paſſen, und wovon die eine im mittaͤglichen Afrika, vom Senegal bis zum Cap, lebt und der unſrigen außerordentlich aͤhnelt, aber bedeutend kleiner iſt. Europa hat nur die gemeine, alſo: Eine Art. 176. Der Europaͤiſche Wiedehopf. Upupa epops. Linn. N Fig. 1. Maͤnnchen. a 2. Weibchen. Der Wiedehopf, gemeine —, gebaͤnderte —, bunte Wiede⸗ hopf; Wiedehoppe; Wiedehoͤppe; Widehopfe; Wiedhoff; Wie- ſenhopp. Kuckukskuͤſter, Kuckukslaquai, Kuckuksknecht. Baum⸗ ſchnepfe; Heervogel; Gaͤnſehirt; Stinkvogel, Kothvogel, Dred: kraͤmer, Dreck- und Stinkhahn; im Reigen Lande: Die Wede⸗ huppe oder Wiedehoppe, Upupa Epops,. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 466. n. 1. — Lath. ind. I. p. 277. — Retz, faun. suec. p. 107. n. 60, = Nilsson orn. suec. I. p. 96. n. 45. — La Huppe. Buff. Ois. VI. p. 439. t. 21. — Edit, d. Deuxp. XIII. p. 98. t. 2.f. 1. — Id, Pl. enl. 52. == Gerard, Tab. &lem, I. p. 373. = Le Vaill. Ois, de Parad. et Promer, III. pl. 22. = Temminck, Man, nouv. Edit, I. p. 415, = Common Hoopoe. Lath. syn. I. 2. p. 688. n. 1. — Ueberſ. v Bechſtein, I. 2. S. 561. n. 1. = Edw. Glan. t. 345. = Bewick, brit. Birds. I. p. 167. == Upupa rubbola. Stor. deg. ucc. II. t. 205. = De Hoppe. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 129, = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1071. Deſſen orn. Taſchenb. I. S. 76. — Wolf und Meyer, Taſchenb, I. S. 114. Deren Naturg. a. Voͤg. Deutſchl. Heft 17. = Meisner u. Schinz, Vög, d. Schweiz. S. 47. n. 47. = Meyer, Voͤg. Liv⸗ und Eſthlands. S. 56. = Koch, Baier. Zool. I. S. 83. n. 13, = Brehm, Lehrb. I. S 159. = Friſch, Voͤg. Taf. 43. = Naumann's Voͤg. alte Ausg. I. S. 186. Taf. 38. Fig. 85. M. Kennzeichen der Art. | Die großen Schwingfedern find ſchwarz, mit einer weißen Binde ohnfern der Spitze; der ſchwarze Schwanz hat in ki: Mitte ein halbmondfoͤrmiges weißes Querband. Beſchreibung. f i Ein ſehr ausgezeichneter Vogel, daher mit keinem andern Europaͤiſchen zu verwechſeln. Von der ihm ſehr aͤhnlichen Afrika⸗ niſchen Art unterſcheidet er ſich auffallend durch ſeine anſehnlichere Groͤße, da dieſe gegen 3 Zoll weniger mißt, auch hoͤhere Fußwur⸗ 458 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. zeln hat, bei welcher auch die weiße Binde näher an der Schwanz⸗ wurzel ſteht, und deren vordere große Schwingen ganz ſchwarz ſind. — Er hat eine ſchlanke Geſtalt, wozu der etwas lange Hals und Schwanz viel beitraͤgt; ſeine Fluͤgel ſind groß; ein ſchoͤner, faͤcherfoͤrmiger bunter Federbuſch ziert feinen Scheitel, den Mantel auf ſchwarzem Grunde ſcharfbegrenzte weiße und roſtgelbe Baͤnder, Kopf, Hals und Bruſt eine angenehme roͤthliche Farbe, und man kann ihn demnach in die Reihe unſrer ſchoͤnſten Voͤgel ſtellen, wenn gleich ſein Gefieder keine Prachtfarben traͤgt. Obwol fein von Federn entbloͤßter Körper kaum Droſſel⸗ groͤße hat, ſo macht doch ſein großes Gefieder, beſonders die brei— ten Fluͤgel, der etwas längere Hals u. dergl. m., daß er noch groͤ⸗ ßer ausſieht, als eine Wachholderdroſſel. Seine Laͤnge iſt 103 bis gegen 11 Zoll; die Fluͤgelbreite 19 bis 20 Zoll; die, Länge des Flügels 64 Zoll; die des Schwanzes 4 Zoll, und die ruhenden Fluͤgel decken dieſen zur Haͤlfte. Die erſte Schwingfeder iſt klein, ſchmal, nur halb ſo lang als die zweite, welche groß, aber doch viel kuͤrzer als die dritte, dieſe auch noch etwas kuͤrzer als die vierte, dieſe aber mit der fuͤnften gleich lang iſt, welche beiden die laͤngſten find; dann iſt die ſechſte wieder nur wenig kuͤr— zer, die ſiebente aber etwas mehr, dies giebt eine ſehr abgerun— dete Fluͤgelſpitze, und bis hieher ſind die Federn ſpitz zugerundet; dann folgen ſie viel breiter, mit ſchwach abgerundetem, faſt geradem Ende, zuletzt noch breiter, auch etwas laͤnger als die mittleren, und mit zugerundetem Ende. Die zehn Schwanzfedern ſind faſt gleich breit, mit faſt geradem Ende, von einerlei Laͤnge, ſo daß das Schwanzende, wie mit der Scheere verſchnitten ausſieht. Der Schnabel iſt ſehr ſchlank und geſtreckt, allmaͤhlich ſchwaͤ— cher und ſo in die Spitze auslaufend, ſanft gebogen, an der Wurzel etwas breit, dann aber ſchnell abnehmend und bis nach vorn merklich zuſammengedruͤckt, daher viel hoͤher als breit, und von dort bis zur etwas ſtumpfen Spitze faſt von gleicher Breite; beide Ruͤckenkanten ſind erhaben, faſt ſcharf, ſo daß jeder Theil des Schnabels, weil er von der Spitze bis da, wo die ſehr kleine kurze Zunge liegt, nicht, wie bei den meiſten Voͤgeln, ausgehoͤhlt, ſondern voll iſt, eine vollkommen dreieckige Geſtalt hat. Seine Lange iſt felten unter 2 Zoll, öfters gar bis 2 Zoll 3 Linien, bei jungen Voͤgeln immer unter 2 Zoll, wol auch nur 1 Zoll 8 Linien; feine Höhe, an der Wurzel, 4 Linien, die Breite 4 Linien. An der Wurzel, beſonders unterhalb, iſt er ſchmutzig fleiſchfarben, in VI, Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 439 der Mitte roͤthlichgrau, und dies geht nach und nach in die ſchwarze Endhaͤlfte und Spitze uͤber. Das Naſenloch liegt ſo dicht an der Stirn, daß ſich die Federchen derſelben zum Theil uͤber daſſelbe herabbiegen, ohne es eigentlich zu bedecken; es iſt klein, kurzoval und durchſichtig. Der Stern im Auge iſt dunkelbraun. | Die Fuͤße find nicht groß, aber ſtark und ſtaͤmmicht; das Fußbeugegelenk nur vorn kurz befiedert, hinten kahl; die Laͤufe nies drig, ſtark, rauh getaͤfelt; die Ruͤcken der nicht langen, ſtarken, faſt etwas plumpen Zehen grob geſchildert; die Sohlen runzlicht; die Krallen an den Vorderzehen nicht groß, wenig krumm, ſonſt von eigner Geſtalt, naͤmlich: Oben ſchmal, unten hohl, und ihre beiden Schneiden ſo ausgebreitet, daß ſie, beſonders die mittelſte, von unten beinahe ſchaufelfoͤrmig, oder vielmehr faſt wie ein klei— ner Loͤffel ausſehen und dazu ſehr ſcharfe Raͤnder haben; die der Hinterzeh iſt dagegen groß, ſpornartig, faſt gerade, durchaus ſchmal, auf der untern Seite mit einer tiefen Rinne, aber die bei— den davon gebildeten Schneiden nur klein und nicht ausgebreitet; die Spitzen aller abgerundet, aber ſcharf. Die Fußwurzel iſt 11 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, 1 Zoll, die Hinterzeh, mit der 4 Linien langen Kralle, 9 bis 10 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchmutziges Bleiblau oder Bleigrau, das nur an den Spitzen der Krallen in Grauſchwarz uͤbergeht, bei jungen Voͤgeln Alles mehr Grau als Blau, und an den getrockneten Fuͤßen der Ausgeſtopften veraͤndert ſich (beſonders bei jenen) die Bleifarbe in ein duͤſteres Braun, daher die unrichtige Angabe der Farbe dieſer Theile in naturhiſtoriſchen Werken, wo ſie manchmal gar Rothbraun genannt wird, was ſie jedoch nie— mals iſt. 6 b f Mitten auf dem Scheitel entlang ſtehen zwei Reihen großer, langer, am Ende ſchmal zugerundeter Federn, welche von der Stirn an allmaͤhlich immer laͤnger werden, in der Mitte die groͤßte Länge (bei alten Männchen über 2 Zoll) erreichen, nach dem Ge: nick zu wieder an Laͤnge abnehmen und endlich am Anfange des Nackens in einem weniger vollkommenen Zuſtande aufhoͤren. Sie liegen gewoͤhnlich als eine große ſpitzige Haube nach hinten zu uͤber einander, bilden aber einen gar praͤchtigen Federbuſch, wenn ſie der Vogel, was oft geſchieht, aufrichtet und wie einen Faͤcher auf faltet. Er bewirkt dies, wie oben erwähnt, durch ein Paar dar: unter liegende ſtarke Hautmuskeln. Dieſe Federn wenden ſich uͤbrigens beim Entfalten des Buſches fo, daß fie mit den Kehrfei- 440 VI, Dron. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. ten aneinander kommen, und die des Vorderſcheitels biegen ſich dabei ſo weit vor, daß die vorderſten eine ſtarke Neigung gegen den Schnabel bekommen, wodurch der ſchoͤne Faͤcher oben vollkommen kreisfoͤrmig wird; ſieht man ihn aber gerade von vorn, ſo ſieht er nur wie eine ganz ſchmale Spitze aus. Die Federn dieſes ſtattlichen Kopfputzes haben eine ſchoͤne, aber etwas bleiche Roſtfarbe, die an den Rändern ins Roſtgelbe uͤber— geht, dann, bis auf die letzten am Genick, einen kohlſchwarzen rundlichen Fleck auf der Spitze, und vor dieſen ſchwarzen Feder— ſpitzen zeigt ſich, beſonders in der zweiten Haͤlfte des Buſches, auch noch ein helles Weiß, das vom Schwarzen ſcharf begrenzt iſt, in die Roſtfarbe aber ſanft verlaͤuft. Das Geſicht iſt ſehr bleich roſt— farbig, an der Kehle, welche etwas lange, breite, ſpitzige, zer— ſchliſſene Federn hat, am blaſſeſten, und dieſe Kehlfedern ſtraͤuben ſich auch etwas, wenn der Kopfputz entfaltet wird. Der Nacken und Hinterhals hat ebenfalls jene blaſſe Roſtfarbe, welche aber ar den Kopf- und Halsſeiten noch bleicher, oder mehr weißroͤthlich wird, in einem immer matter werdenden Ton an der Gurgel und bis auf die Bruſt herabgeht und endlich im ſanfteſten Uebergange in dem Weiß des Bauches ſich verliert. An den Wangen und Schlaͤfen iſt oft ein ſehr ſchwacher graulicher Anflug bemerklich; an der Halswurzel wird die ſanfte Roſtfarbe allmaͤhlig grauer, bis ſie auf dem Oberruͤcken in Roſtgrau uͤbergeht; hieran ſchließt ſich der ſchwarze Unterruͤcken mit einem breiten deutlichen und einem ſchmalen undeutlichen, weißlichroſtgelben Querbande; dann folgt der ſchneeweiße Buͤrzel, und endlich die kohlſchwarzen Oberſchwanz— deckfedern. An den Seiten der Unterbruſt, vorzuͤglich über den Schenkeln, die roſtgelblichweiß befiedert ſind, ſtehen mattſchwarze verwiſchte Schaftſtriche, die bald groͤßer, bald kleiner vorkommen, bald deutlicher, bald ſchwaͤcher gezeichnet ſind, doch nie ganz feh— len; die untern Schwanzdeckfedern ſind weiß. — Der Fluͤgel iſt bunt und hat auf ſchwarzem Grunde weiße und weißroſtgelbe Quer— binden, von welchen die oberſte weißlichroſtgelbe, mit den beiden fie begrenzenden ſchwarzen, auch über die Schultern und dem Mit— telruͤcken hinweglaufen, oder mit der daſelbſt befindlichen ſich ver— einigen; eigentlich hat der Fluͤgel aber folgende Zeichnung: Die kleinen Fluͤgeldeckfedern bleichroſtfarben, braͤunlich uͤberlaufen, die groͤßten derſelben, in Form eines Bandes, ſchwarz, die mittlere Reihe Deckfedern weißlichroſtgelb, durch welche ein reinweißes Querband, das an der Wurzel der großen Deckfedern befindlich, VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 441 hindurch ſchimmert und dies helle Band bilden hilft; dann folgt ein ſchwarzes, dann wieder ein weißlichroſtgelbes, nun wieder ein ſchwarzes, weil die großen Deckfedern ſchwarz ſind und noch ein, vor der Spitze durchlaufendes, vorn weißes, hinten weißlichroſt— gelbes Band haben; die zwei letzten Schwingfedern nur braun— ſchwarz, mit breiter, ſcharfbegrenzter, weißlichroſtgelber Einfaſ— fung nach außen, und einem ſolchen Schaftſtrich auf der Innen— fahne, die naͤchſtfolgenden tiefer ſchwarz, mit breiten weißroftgel- bem Endſaum, drei dergleichen eckigen Querbinden und weißer Wurzel; die naͤchſten, wie alle nun folgenden uͤbrigen Schwingen und die Fittichdeckfedern kohlſchwarz, jene noch mit drei reinweißen, ſchmaͤler werdenden Binden und weißer Wurzel, von welchen die unterſten auf den vorderſten der zweiten Ordnung endlich ver— ſchwinden, ſo daß denen erſter Ordnung nur eine einzige große ſchneeweiße Querbinde unfern der Spitze verbleibt, welche ſich auch nicht auf die allererſte kleine Schwinge erſtreckt. — Der Schwanz iſt kohlſchwarz, mit einer halbmondfoͤrmigen (die Hoͤr— ner nach dem Schwanzende gerichteten) breiten, ſchneeweißen Binde, und die aͤußerſte Feder hat noch einen weißen Strich auf dem Rande der Außenfahne, dicht vor jener. Auf der untern Seite ſind die Schwanz- und Schwingfedern ebenſo wie an der obern; die untern Fluͤgeldeckfedern ſanft roſtroͤthlich, am Rande in Weiß uͤbergehend. Maͤnnchen und Weibchen ſind nicht ſehr auffallend v ver⸗ ſchieden; letzteres iſt bloß etwas kleiner, der Federbuſch niedriger, die roſtroͤtbliche Hauptfarbe nicht ſo lebhaft, vielmehr an den Sei— ten des Kopfs und auf dem Hinterhalſe mehr mit Grau überlaus fen, Alles aber in ſo geringem Grade, daß es, ohne beide bei— ſammen zu haben, nur der Geübtere ſicher unterſcheiden kann. Bei juͤngern Weibchen ſind indeſſen jene Abweichungen et⸗ was e Im Sommer ſind die Farben etwas abgebleicht und das Ge⸗ fieder abgenutzt, an einigen Theilen, z. B. an den Fluͤgelſpitzen, welche bei manchen ganz fahl geworden und zerſtoßen ſind, iſt die kleine Veraͤnderung am merklichſten, vorzuͤglich bei Weibchen, welche gebruͤtet haben. Schon im Neſte bekommen die Jungen den Federbuſch, da ſind aber ihre Schnaͤbel noch ſehr kurz, faſt ganz gerade, die Mundwinkel etwas dick und weißgelb; ſind ſie aber ausgeflogen, fo ähneln fie den Alten noch mehr, obgleich der Schnabel feine ge: 442 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. hoͤrige Länge noch nicht hat. Sie haben erdgraue Füße mit wei- ßen Sohlen, einen erdgrauen, an der Spitze grauſchwarzen, an der Wurzel unten fleiſchgrauen Schnabel, einen dunkelbraunen Au: genſtern; Augenkreiſe und Unterhals ſind ſtark mit Grau uͤberlau— fen; die Unterbruſt und Seiten des Unterkoͤrpers haben große ſchwarze Laͤngflecke; die Oberruͤcken- und die kleinen Fluͤgeldeckfe⸗ dern ſind duͤſter roͤthlichgrau; Haube, Fluͤgel und Schwanz wie an den Alten, nur nicht ſo ſchoͤn, erſtere beſonders niedriger und oft ohne Weiß. Voͤllig erwachſen, ſehen ſie ihren Aeltern, we— nigſtens dem alten Weibchen, ſehr aͤhnlich, das jugendliche An⸗ ſehen ihres Gefieders unterſcheidet ſie jedoch leicht. Man hat auch eine weiße Spielart (Upupa epops alba) gefunden, ſie mag aber ſehr ſelten vorkommen. Wahrſcheinlich iſt die Mauſer bei dieſen Voͤgeln zwiefach, weil man bei ihrem Wegzuge, Anfangs Herbſts, ſchon viele ſieht, bei denen ein Federwechſel beginnt, und weil ſie deſſen ungeachtet im Fruͤhjahr in einem noch ſo neuen Kleide wiederkommen, daß man es ihm anſieht, daß es nicht lange zuvor vollendet war, theils an der Friſche ſeiner Farben, theils an dem ganz vollkommenen Zuſtande der Federn ſelbſt. Sie vollenden beide Mauſern in ihrer Abweſenheit, und da wol die eine wie die andere auf der Wande⸗ rung vor ſich geht, ſo reiſen ſie dabei gemaͤchlich fort, was man beim Herbſtzuge deutlich ſieht, aber auch im Fruͤhjahr daraus ſchließen kann, daß die Einzelnen zu ſehr verſchiedenen Zeiten bei uns ankommen. Au f e n t h a lä k. Unſer Wiedehopf iſt ziemlich weit, über den größten Theil von Europa, einen Theil von Aſien und das noͤrdliche Afrika ver— breitet. In unſerm Erdtheil geht er zwar auch ziemlich hoch nach Norden hinauf, man ſagt ſogar bis Lappland, doch iſt er ſchon im obern Schweden ſehr einzeln und in Norwegen geht er lange nicht bis an den arktiſchen Kreis. Im ſuͤdlichen und mittle— ren Europa iſt er uͤberall haͤufiger, als im noͤrdlichen; daſſelbe kann man auch von Rußland ſagen, in deſſen ſuͤdlichſten Theilen und der Tatarei er beſonders fehr gemein ſeyn fol. Von Schwe⸗ den an iſt er in allen Europaͤiſchen Laͤndern bis Portugal und Griechenland, auch auf den Britiſchen Inſeln, überal bekannt, und auch in Deutſchland allenthalben kein ſeltner Vogel, ja in manchen Strichen ſogar ziemlich gemein, wie z. B. U VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 443 in Anhalt und den angrenzenden Laͤndern. Er wohnt in ge— birgichten, wie in ebenen Gegenden, ſelbſt die Marſchlaͤnder nicht ausgenommen, gehoͤrt aber unter die an Individuen nicht zahl— reiche Arten, daher wird er auch nirgends in großen Geſellſchaften beiſammen geſehen, ſondern nur einzeln oder paarweis, und in Familienvereinen bloß beim Wegzuge, wo man ihn auch in Un— teritalien zahlreicher als irgendwo antreffen ſoll. Er iſt ein Zug vogel, koͤmmt als ſolcher zwar noch ziemlich fruͤh, zuweilen ſchon in den letzten Tagen des Maͤrz oder doch bald im April, zu uns, wandert aber im Auguſt ſchon wieder weg.) Im Fruͤhjahr macht er feine Reiſen einzeln oder paarweis, im Herbſt zuweilen familienweis, aber er reiſt ſehr langſam und wird daher auf dem Herbſtzuge, der ſchon im Juli oder Anfangs Auguſt beginnt und im September endet, gemeiniglich ſehr fett ge— funden. Denn ſobald die Jungen ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen, An— fangs Juli, verlaſſen ſie mit den Alten die Brutgegend, und bege— ben ſich allmaͤhlig auf die Wanderung. Solche Familien halten ſich dann aber, da wo es ihnen behagt, oft mehrere Tage auf, ehe ſie weiter ruͤcken, worauf ihnen andere folgen, und ſo ver— ſchwinden dieſe Voͤgel aus unſern Gegenden ſo unbemerkt, daß man in der letzten Haͤlfte des September nur noch ſelten einen ſieht. Sie ziehen des Nachts, was ſich wenigſtens vom Frühjahrs- zuge beſtimmt behaupten laͤßt; dieſer ſcheint aber ebenfalls lang⸗ ſam zu gehen, indem ſich einige zuweilen ſchon im Maͤrz, andere im April, ja manche im Mai erſt bei uns einfinden, und auch auf dieſen Reiſen nicht ſelten mehrere Tage an einem Orte, wo es ihnen gefaͤllt, verweilen. Vielleicht iſt die ungleichzeitige Win⸗ termauſer der Einzelnen die Urſache hiervon. Im vorigen Jahr war das in meinen Gaͤrten und Holzungen wohnende Paͤaͤrchen ſchon im Anfang des April da; allein in dieſem Jahr blieb das Maͤnnchen bis zum 11. Mai aus, und ich hatte in den hieſigen Umgebungen auch noch keinen einzigen Wiedehopf geſehen oder gehoͤrt, waͤhrend in einem Walde, anderthalb Meilen von hier, ſchon ſeit dem Ende des Maͤrz alle Paͤaͤrchen ihre Bruͤteplaͤtze bezo⸗ gen hatten. Aehnliche Bemerkungen habe ich in mehreren Jahren und an verſchiedenen Orten gemacht. ) Weil er in Deutſchland allezeit früher als der Kuckuk ankommt, fo hat man ihn als deſſen Vorläufer betrachtet, und daher die Namen: Kuckuks⸗ küſter, Kuckukslaquai, Kuckuksknecht, gegeben. 444 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. Obgleich der Wiedehopf unter die Waldvoͤgel zu zaͤhlen iſt, ſo bewohnt er doch nicht das Innere ſehr ausgedehnter Waldungen oder die alten Hochwaͤlder, ſondern die Raͤnder derſelben, wo die Baͤume einzeln ſtehen, wo Aecker, Wieſen und Viehweiden in der Naͤhe ſind, auch feuchte Gegenden lieber als duͤrre, beſonders das zuſammenhaͤngende Gebuͤſch in der Nähe bewohnter Orte, an Fluß⸗ ufern und ſonſt in fruchtbaren angenehmen Gegenden. Er iſt be= ſonders gemein in ſolchen, wo es ſehr ausgedehnte, mit alten Eichen und andern Baͤumen nur ganz einzeln beſetzte, Huthungen und Waideplaͤtze giebt, ſo auch in großen Thiergaͤrten und wo ſonſt viel Hochwild geduldet wird. Um ſo oft wie moͤglich in der Nähe des Viehes ſeyn zu koͤnnen, iſt er nicht allein bei den Wald» doͤrfern, ſondern auch bei andern gern, wo Vieh gehalten und aus— getrieben wird, wenn ihre Umgebungen nur nicht gar zu arm an Baͤumen und Gebuͤſch ſind, auch wenn ein großer Theil derſelben nur aus Kopfweiden beſtaͤnde. Laubhoͤlzer ſind ihm die liebſten, doch iſt er auch in ſolchen Nadelwaͤldern gern, wo zwiſchen den Nadelbaͤumen auch Eichen und anderes Laubholz waͤchſt, nicht fo im reinen Nadelwalde; wenigſtens habe ich ihn tief in alten . ferwaldungen nie angetroffen. Daß er nicht allein in ebenen und tiefliegenden Gegenden, 12 dern auch in gebirgichten vorkoͤmmt, iſt ſchon erwaͤhnt, aber er geht nicht hoch in die Gebirge hinauf, und wählt dort die waldi= gen, mit Wieſen abwechſelnden Thaͤler und die Vorberge zum Aufenthalt. Auch in ſumpfigen Niederungen, wenn viel Kopf— weiden daſelbſt ſind, wohnt er gern, und ſo ſelbſt hin und wieder in den Marſchen des noͤrdlichen Deutſchlands, an gut mit Baͤumen umpflanzten Gehoͤften, in Weiden- und Pappelanpflanzungen und wo es ſonſt dort nicht gar zu ſehr an Baͤumen fehlt. Ob er gleich meiſtens auf dem Erdboden herumlaͤuft, ſo kann er doch die Baͤume nicht entbehren, um einen Verſteck zwiſchen ihren Zweigen zu ſuchen, ſich auszuruhen u. ſ. w., und er ſitzt im Fruͤhjahr ſehr oft und lange in den Baumkronen, fluͤchtet ſich auch, wenn er vom Erdboden aufgeſcheucht wird, faſt immer auf einen Baum und thut ſehr aͤngſtlich, wenn er, wie man in der Zugzeit wol fin⸗ det, ſich ein Mal in einer aus noch jungen Baͤumen beſtehenden Anpflanzung auf ſonſt freiem Felde niedergelaſſen oder auf einer Viehtrift zu weit von den Baͤumen entfernt hat. Wo es irgend ſeyn kann, fliegt er auch immer am Gebuͤſch entlang und den Baumreihen nach. Ganz aufs freie Feld verfliegt ſich ſelten einer, VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 445 davon haͤlt ihn ſchon ſeine natuͤrliche Furchtſamkeit ab. Wo er ſich nicht ſicher weiß, entfernt er ſich ſelten uͤber 100 Schritt von den Baͤumen, und haͤlt auch auf einem ſtarken Aſte, wo dieſer aus dem Baumſchafte hervorgewachſen oder auf einem alten Weiden— kopfe, ir in einer Höhle, feine Nachtruhe, Eigen ſch aft e n Dieſer ſtattliche Vogel iſt auch in der Ferne geſehen ſehr bunt zumal fliegend, wenn die gebaͤnderten Fluͤgel ausgebreitet und bewegt werden, und ſtets von Weitem kenntlich, ſowol an Farbe und Geſtalt, wie am Betragen. Er iſt vorſichtig und ſcheu, flieht die Annaͤherung des Menſchen, ſelbſt da, wo er unverfolgt oder un— beachtet in feiner Nähe wohnt. Man ſollte es eigentlich und füg- lich Furcht, nicht Vorſicht, nennen, denn er giebt dem Lauſcher faſt auf allen Tritten Gelegenheit, ſein aͤngſtliches Weſen zu be— obachten; jede nahe und ſchnell über ihn wegfliegende Schwalbe erſchreckt ihn, er faͤhrt zuſammen, entfaltet ſchnell den Federbuſch, ſchlaͤgt ihn aber eben ſo ſchnell wieder zuſammen, wenn er ſieht, daß es nichts auf ſich hatte und laͤuft weiter; jetzt koͤmmt aber un⸗ vermuthet eine Taube oder ſonſt ein etwas großer Vogel uͤber ihn hinweg, und im Nu hat er ſich in die Zweige des naͤchſten Baums gefluͤchtet; erſcheint gar, waͤhrend er herumlaͤuft, ploͤtzlich ein Raubvogel, oder auch manchmal nur eine Kraͤhe, fo flürzt er gleich zu Boden, breitet augenblicklichſt den Schwanz und die Fluͤ⸗ gel auf der Erde ſo weit aus, daß ſich die Spitzen der letztern faſt beruͤhren und ſo die gebaͤnderten Schwing- und Schwanzfedern wie die Strahlen einer Blume ihn umgeben, wobei er auch noch den Kopf zuruͤckbiegt und den Schnabel in die Hoͤhe haͤlt. So lange noch Gefahr droht, bleibt er in dieſer aͤußerſt merkwuͤrdigen Poſi⸗ tur, womit er den Feind vermuthlich taͤuſchen will, ihn nicht fuͤr eine zu ergreifende Beute zu halten; denn der fo gleichſam hingebrei⸗ tete Wiedehopf ſieht (wie auch Bechſtein a. a. O. ſchon bemerkt) in der That einem alten bunten Zeuchlappen aͤhnlicher, als einem lebendigen Vogel. Es beluſtigt ungemein, dieſen aͤngſtlichen Vogel ungeſehen aus der Naͤhe beobachten zu koͤnnen; alle Augenblicke wird er erſchreckt, und ehe man es ſich verſieht, fluͤchtet er ſich in die belaubten Zweige eines nahen Baums, laͤßt da beim Aus⸗ ruhen ſeinen Ruf oder beim Wegfliegen ſeine ſchnarchende Stimme hören und macht auch hierbei allerlei ſonderbare Geberden. Ge— woͤhnlich traͤgt er den Federbuſch nicht entfaltet, er ſteht ſpitz nach 446 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. hinten, fo daß der Kopf, mit dem langen Schnabel vorn und dem ſpitzen Buſch im Genick, wie ein Spitzhammer ausſieht. Er fächelt aber damit, wenn er boͤſe wird, und trägt ihn ganz ausges breitet, wenn er in Ruhe auf einem Baume ſitzt, beſonders wenn er ſeinen Ruf ertoͤnen laͤßt, wobei er denn auch noch die Kehlfedern aufblaͤſt und den Schnabel ſenkt. Auf der Erde herumlaufend ſieht man ihn denſelben nur zur Paarungszeit, vorzuͤglich wenn das Weibchen oder gar ein Nebenbuhler in der Nähe iſt, öfters entfalten und eine kurze Zeit ſo mit tiefgeſenkter Schnabelſpitze und wiederholten Verbeugungen einherſchreiten; wenn er fortfliegen will, legt er ihn aber ſtets zuſammen, und bloß auf Augenblicke ſpielt er, im ganz kurzen Fluge, manchmal damit, wie man ſpie— lend einen Faͤcher auf- und zumacht. Das Weibchen entfaltet ſeinen Federbuſch viel ſeltner als das Maͤnnchen. Sein Gang auf dem Erdboden iſt ſehr behend, ſchrittweis, wobei er den Schnabel meiſt etwas ſenkt, und bei jedem Tritte mit dem Kopfe nickt, was recht nett ausſieht. Hier ſcheint er ein leb— hafter Vogel zu ſeyn, ob er gleich, ungeſtoͤrt, oft lange auf einem nicht ſehr großen Platze herumlaͤuft, auch immer wiederkehrt, fo daß er oͤfters viele Tage nach einander ſtets an einem und demſelben, wenn er Futter da fand, angetroffen wird; auf den Baͤumen macht er ſich dagegen wenig zu ſchaffen, und ſitzt da auf einem etwas ſtarken Aſte (niemals auf ſehr duͤnnen Zweigen) mit ziemlich auf— gerichteter Bruſt, oft lange ſtill, fliegt von da auch wol auf einen an⸗ dern Baum, flattert jedoch nicht in den Kronen derſelben herum, geht aber zuweilen auf den ſtaͤrkern wagrechten Aeſten entlang. Er ſitzt auch ſelten hoch oben, ausgenommen in der Begattungszeit, wo er zuweilen von einem dem Wipfel nahen Aſte ſeinen Ruf hoͤren laͤßt, doch iſt ſein Stand faſt immer ſo gewaͤhlt, daß ihn dichtbelaubte Zweige verbergen. Frei, auf duͤrre Zweige und Baumſpitzen ſetzt er ſich nie, ſondern allemal in die Kronen der Baͤume; nur wenn er ſich ſoͤnnt, was er ſehr gern und oͤfters thut, ſitzt er freier; dagegen iſt er aber auch bei naßkalter Witterung, die ihm ſehr unbehaglich iſt, ſtill und niedergeſchlagen, und dieſe Empfindlichkeit gegen Kälte hat man auch an Gezaͤhmten ſehr auf: fallend gefunden. Der Wiedehopf iſt ein einſamer, ungeſelliger Vogel, und da wo mehrere nahe beiſammen wohnen, giebt es unter ihnen, im Fruͤhjahr, oft Streit, welcher jedoch nie heftig wird, und ſich VI. Ordn. XXXV, Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 447 mehr im Geberdenfpiel, ungewöhnlichen Hin- und Herflattern und heiſern Schreien ausdruͤckt. Selbſt unter den Gliedern Einer Fami⸗ lie ſieht man kurz vor dem Wegzuge oft Ausbruͤche des Unwil⸗ lens des einen gegen das andere, und die kleine Geſellſchaft haͤlt auch nicht enge zuſammen und laͤßt ſich leicht trennen oder ausein⸗ ander ſcheuchen. Er fliegt leicht, geraͤuſchlos, am Tage aber nie ſehr hoch; ſeine breiten abgerundeten Fluͤgel ſchwingt er in ſehr unregelmaͤßigen, abwechſelnd bald ſchnellen, bald langſamern, weit ausholenden Schlägen, wodurch der Flug ein wankendes aͤngſtli— ches Anſehen und Aehnlichkeit mit dem des Eichelhehers be— koͤmmt; dabei geht er nicht gerade, aber auch in keiner regel— maͤßigen Wogenlinie, ſondern zuckend vorwaͤrts, und man ſieht den Wiedehopf auch ſelten weite Strecken, ohne oͤfters auszuruhen, in ei⸗ nem Zuge zuruͤcklegen. Er ſtreckt im Fluge den Hals ziemlich lang aus, den Schnabel nicht gerade vor, ſondern etwas geſenkt, dann ſteht auch der Federbuſch vom Nacken etwas abwaͤrts, daß er ſichtbar bleibt, und ſo hat denn dieſer Vogel auch fliegend viel Ausgezeichnetes. Das Niederſetzen auf den Erdboden geſchieht allemal mit einer eignen kleinen Schwenkung, wobei auch der Fe— derbuſch auf einige Augenblicke entfaltet wird. Seine gewoͤhnliche Stimme, welche als Lock gebraucht, aber auch im Unwillen und bei Zaͤnkereien ausgeſtoßen wird, iſt ein heis ſerer, ſchnarchender Ton, Chrr, dem Staarengeſchrei aͤhnlich, aber noch viel heiſerer, manchmal auch wie Schwaͤr klingend, und dies Geſchrei laſſen beide Geſchlechter fliegend und ſitzend, doch eben nicht haͤufig hoͤren. Im Wohlbehagen ſtoͤßt er manchmal auch ein heiſeres, dumpfes Waͤck waͤck waͤck aus; aber der Fruͤhlings⸗ ruf des Maͤnnchens, welcher ihm ſtatt eines Geſanges dient, ſein Weibchen damit anzulocken und ihm die Zeit zu vertreiben, iſt ein hohlklingendes Hu pp hupp, das man zwar nicht ſtarktoͤnend nen⸗ nen kann, aber dennoch weit hoͤrt, zumal im Walde. Die Sylbe hup p wird gewoͤhnlich zwei- oder dreimal, ſeltner viermal, aber niemals noch oͤfterer, ziemlich ſchnell nach einander, ausgeru⸗ fen, und zwar in Pauſen zwiſchen jedem Hupp hupp oder Hupp hupp hupp von gleichem Zeitmaaß mit dieſem; fo geht es be= ſonders in der Paarungszeit, mit wenigen Unterbrechungen, manchmal Stunden lang hintereinander fort. Von weitem gehoͤrt hat es dann viele Aehnlichkeit mit dem fernen Bellen des Fuchſes oder eines kleinen Hundes. — Uebrigens iſt dieſer Ton dem gleich, welchen man durch Luftſtoͤße oder kurzabgebrochenes Blaſen auf 1. ’ 448 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. einem hohlen Schluͤſſel, einem kleinen glaͤſernen Flaͤſchchen mit engem Halſe, oder auf den hohlen Haͤnden hervorbringt, und wenn man dann den Ton F in der zweiten Octave der großen Floͤte trifft, ſo hat man ihn zum Taͤuſchen hervorgebracht; ihn aber auf dieſem Inſtrument ſelbſt nachahmen zu wollen, geht nicht, weil der Floͤtenton zu ſcharf oder zu klar anſpricht. — So wie im Frühjahr das Männchen angekommen iſt, laͤßt es ſich ſchon hoͤren, vom fruͤhen Morgen an und den ganzen Tag uͤber, am fleißigſten, ehe es ein Weichen und bis dies ein Neſt hat; nachher wird es etwas ruhiger, und gegen Ende des Juli hoͤrt es ganz auf zu rufen. Spaͤterhin habe ich dieſen Ruf nicht mehr gehoͤrt, und vom Weibchen auch niemals. Wenn im Anfange der Begattungs— zeit zwei Maͤnnchen um ein Weibchen ſtreiten, oder auch wenn jenes dieſes zur Begattung auffordert, rufen ſie am eifrigſten und hängen jenem Rufe dann öfters noch ein heiferes tiefes Buh, buh an, welches man aber nicht weit hört. Das Männchen ruft auch niemals im Fluge, ſelten auf dem Erdboden, ſondern faſt immer auf Baͤumen ſitzend, und verweilt dabei oft lange auf demſelben Baume und auf dem naͤmlichen Aſte, gewoͤhnlich im Innern gro— ßer Baumkronen, auf Eichen, Aepfel- oder Birnbaͤumen, Pap— peln und andern dichtbelaubten ſtarkaͤſtigen Baͤumen, ſelbſt manch— mal ganz oben nahe am Wipfel derſelben, doch nie ſo frei ſitzend, daß man es ſchon von Weitem ſehen koͤnnte. Mit einem ſonderbaren Anſtande, in ſehr aufgerichteter Stellung, den Federbuſch ganz wie einen Faͤcher ausgebreitet, die Kehle dick aufgeblaſen, den Schnabel abwaͤrts geſenkt, ſtoͤßt es jede einzelne Sylbe mit einem ſo ſtarken Kopfnicken heraus, daß man wol ſieht, daß ihm das ee eee jener Toͤne nicht leicht wird. Sein Fruͤhlingsruf hat ihm auch zu den meiſten Namen ver— holfen, denn: hopfe, hoppe, huppe, lat. Upupa, griech. Epops (emow), franz. Huppe, engl. Hoopoe, holl. Hoppe, zeigen alle jenen Ton an; und das Wiede — mag vielleicht Wieſe oder Waide, feinen Aufenthalt, andeuten ſollen, da der ge— meine Mann hieſiger, wie vieler anderer Gegenden, das letzte Wort gewoͤhnlich Wede, oder Wiede (dreiſylbig) ausſpricht. ) Die uͤbrigen Namen ſind theils vom Aufenthalt auf Waideplaͤtzen und *) Unfer Landmann ſpricht daher auch im Namen Wiedehoppe das Wie als zweiſylbig oder ſo aus, daß man das e darin hoͤrt, ohne jedoch eine 1 Ber tonung auf biefen Buchſtaben zu legen. VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 449 der Art ſich hier zu naͤhren, theils von einer Sage herzuleiten, nach welcher der Wiedehopf unleidlich ſtinken ſoll, ſo daß dies ſo— gar zum Sprichwort geworden iſt. Dem iſt jedoch nicht alſo. Der Wiedehopf ſtinkt zwar zu gewiſſen Zeiten recht arg, doch hat dieſer Geruch etwas Biſamartiges oder Aehnlichkeit mit dem, wel— chen friſch aufgeſchuͤrte Roßameiſenhaufen ausſtroͤmen; die meiſte Zeit im Jahr ſtinkt er aber gar nicht, oder der ihm eigenthuͤmliche, etwas rabenartige Geruch iſt doch ſo ſchwach, daß man ihn nicht ein— „mal widerlich nennen kann. Er ruͤhrt nicht von der Ausduͤnſtung her, ſondern hat aͤußere Urſachen. Den aͤrgſten Geſtank verbreitet das Neſt und die in ihrem eignen faulenden Unrath ſitzenden Jungen; ſind dieſe aber erſt ausgeflogen, ſo verliert er ſich allmaͤhlig, und wenn ſie erſt einen Monat geflogen haben, riecht man bald gar nichts mehr. So ſtinkt das alte Brutweibchen, und beide Alten, wenn ſie Junge zu fuͤttern haben, und oft mit ihnen und dem Neſte in Beruͤhrung kommen, aber der uͤble Geruch verliert ſich bei ihnen noch fruͤher wieder, als bei jenen. Im Fruͤhjahr ehe ſie bruͤten und auf dem Wegzuge im Herbſt ſtinkt kein Wiedehopf. Dies meine Erfahrungen uͤber dieſen Punkt. Alt laͤßt ſich der Wiedehopf nicht gut zaͤhmen, weil er den Verluſt ſeiner Freiheit gewoͤhnlich nicht lange ertraͤgt, ſondern mei— ſtens bald dahinſtirbt; allein jung aufgezogen haͤlt er ſich gut, wird bald ſehr zahm und zutraulich, und zeigt dann nicht allein eine ſehr große Anhaͤnglichkeit an ſeinen Herrn, ſondern ſogar viel Beurtheilungskraft oder Verſtand, folgt jenem uͤberall hin, ſelbſt ins Freie, ohne daß es ihm einfiele, wegzufliegen, ſchmeichelt ſich ihm an, liebkoſt ihm, weiß ſich nach dem Benehmen deſſelben, ſelbſt nach feinem Mienen- und Geberdenſpiel zu richten und in deſſen Launen zu fuͤgen, ſo, daß er in dieſer Hinſicht unſern ge⸗ ſcheidteſten Stubenvoͤgeln, Elſtern, Staaren u. dergl., an die Seite geſtellt werden kann. Seine Talente zeigt er beſonders, wenn er im Wohnzimmer frei herumgehen kann, wo er ſich auch ſonſt ſehr artig betraͤgt, ſelten in die Hoͤhe fliegt, aber vom warmen Ofen, den er ſehr ſucht, abgehalten werden muß, weil die Hitze nach— theilig auf den an ſich ſchon ſchlecht ſchließenden Schnabel wirkt, und ihn an der Spitze ſo klaffen macht, daß er ganz entſtellt und zuletzt zum Aufnehmen der Speiſen ganz untauglich wird, ſo daß der Vogel endlich gar verhungern muß. Man hat Beiſpiele, daß der Schnabel ſo vertrocknete, daß die Spitzen zuletzt einen Zoll weit von einander klafften. Die Stubenluft uͤbt ihren ſchaͤdlichen Sr Theil. 29 450 VI. Ordn. XXAV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. Einfluß uͤberhaupt nur zu bald auch an dieſem weichlichen Vogel aus, da die Winter bei uns zu lang ſind, und man hat auch wenige Beiſpiele, daß er mehrere uͤberlebte. Im Vogelbauer beſchmutzt er ſein Gefieder ſehr, und macht ſich darin uͤberhaupt nicht gut. Nahrung. Er naͤhrt ſich von allerlei Kaͤfern und andern Inſekten, vor— zuͤglich aber von Inſektenlarven, die er vom Erdboden auflieſt oder mit feinem langen ſpitzen Schnabel hier aus ihren Löchern herverzieht, aber nur ſelten von den Blättern und Aeſten der Baͤume wegnimmt. Er laͤuft deshalb beſtaͤndig auf dem Erdboden herum, beſon— ders gern, wo derſelbe nur kurz beraſet iſt, wie auf Aengern, Vieh— triften und andern Waideplaͤtzen, an Wegen, breiten Rainen, auf abgemaͤheten Wieſen und aͤhnlichen Orten. Er liebt beſonders die Kaͤferarten, welche man haͤufig auf Viehwaiden, im Duͤnger oder gar in todten verweſenden Thieren findet, als Miſt- und Aaskaͤ— fer, Lauf- und Dungkaͤfer, Todtengraͤber, dann Mai- Brach⸗ und Roſenkaͤfer und vielerlei andere, Heuſchrecken, Heimchen, ſelbſt Maulwurfsgryllen, nebſt Larven und Nymphen aller dieſer, auch glatte Raupen, Schmeißfliegenmaden, Ameiſen und Ameiſen— puppen, und ſonſt noch vielerlei andere Inſekten, die er nicht im Fluge zu fangen braucht, was er nicht kann. Die ſogenannten Erdmaſtmaden ſind ihm ein Leckerbiſſen. Er weiß dieſe auf den freien Plaͤtzen in den Waͤldern unter dem alten Laube ſehr gut auf— zufinden, ſucht jene im kurzen Graſe oder unter den Baͤumen, oder an Stellen, wo Aas gelegen hat oder noch liegt, auf, und iſt dabei ſehr emſig beſchaͤftigt, indem man ihn alle Augenblicke etwas aufnehmen oder mit dem Schnabel darnach picken ſieht. Letzterer ſcheint recht eigentlich dazu geſchaffen, die Maden und Kaͤfer, ſelbſt ein paar Zoll tief, aus ihren Loͤchern im Erdbo— den oder unter den Haufen von Thierexcrementen hervorzuziehen, weil er nicht allein bedeutend lang, an der Spitze hart, beſonders aber vorn an ſeinem laͤngſten Theil nicht hohl iſt, und ſo, ohne Schaden zu leiden, mit ziemlicher Gewalt in den Boden geſtoßen werden kann. Ich habe ihn dabei oft wie ein Specht zu Werke gehen ſehen, ſo daß er erſt nach vielen anſtrengenden Schnabelhieben ſeine Beute aus der Erde hervorzuziehen vermochte. Er ſchließt ſich alſo hiedurch gewiſſermaßen an die Spechte, vorzuͤglich an die Erdſpechte (welche ihre Nahrung auf dem Erdboden ſuchen), ent- VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 451 fernt an. Wo er den Miſt der Heerden und des Wildes durch— ſucht hat, oder wo er ſonſt eine Zeitlang den Maikaͤferlarven nachge⸗ gangen iſt, ſieht man daher eine Menge kleiner Loͤcher, die er mit ſeinem Schnabel in den weichen Boden gebohrt hatte. Aber er dient ihm auch zum Toͤdten der groͤßern Kaͤfer und zum Abſtoßen der harten Theile dieſer, der Fluͤgeldecken, Füße, Köpfe und Bruſt⸗ ſchilder, die er z. B. bei einem Scarabaeus sıercorarius und an- dern dieſer Groͤße nicht mit verſchluckt. Er ſtoͤßt ſolch einen Kaͤfer ſo lange mit dem Schnabel gegen den Boden bis jene Theile ab— ſpringen, und wirft ihn dann ſo zu bereitet in den Schlund hinab, um ihn verſchlucken zu koͤnnen. Die kurze Zunge mag ihm wol beim Perſchlingen der Nahrungsmittel wenig Dienſte leiſten, daher wirft er uͤberhaupt Alles, was er genießen will und mit der Schna— belſpitze aufgenommen hat, ſelbſt die kleinſte Made, ſo in den Schnabel in die Hoͤhe (wenn naͤmlich die Schnabelſpitze, wie ge— woͤhnlich, gegen den Erdboden geſenkt iſt), und da dies auf einen Stoß ſelten gelingt, fo iſt fein Freſſen, da die Stoͤße ſchnell fol: gen, mit einem beſtaͤndigen Schuͤtteln oder ſchnellen Nicken verge— ſellſchaftet. Die großen Kaͤfer machen ihm auch dann noch, wenn er ſie ſich bereits, ſo wie oben erwaͤhnt, verſchluckbar gemacht hat, noch viel zu ſchaffen; denn er verſchlingt keinen, wenn er ihm quer in den Schlund koͤmmt, ſondern wirft ihn ſo lange im Schnabel vor und zuruͤck, bis er in paſſender Lage, der Laͤnge nach, in die Speiſeroͤhre hinabgleiten kann. Er liebt daher dieſe Koſt auch nicht beſonders, ſondern zieht, wo er es haben kann, die Larven und weichen Maden den vollkommenen Inſekten ſtets vor. Die ſogenannten Engerlinge (Larven vom Maikaͤfer und andern Melolonthen) ſucht er begierig auf; aber auch andere Kaͤferlarven, beſonders Fliegenmaden und Ameiſenpuppen ſind ihm wahre Lek— kerbiſſen. Von dem immerwaͤhrenden Stoͤren nach dieſen, in der weichen Erde oder in Thierexcrementen und faulenden Stoffen, er: ſcheint fein Schnabel ſtets ſehr beſchmutzt, und die Füße find auch ſelten ganz rein von anklebender Erde u. dergl., weil er jenen haͤu⸗ figſt auf feuchtem Boden nachgehen muß. a Der Wiedehopf badet ſich ſehr nachlaͤſſig, nur im Staube oder Sande, und man ſieht ihn uͤberhaupt wol oft in waſſerreichen Ge— genden, aber aͤußerſt ſelten dicht am Waſſer. Er wuͤrde jung noch leichter aufzufuͤttern ſeyn, wenn ihm das Schlucken beſſer abginge; ſonſt waͤchſt er, wenn man ihm in Milch \ 452 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. eingeweichte Semmel und Inſekten, oder auch klein geſchnittenes Fleiſch fleißig in den Schnabel ſteckt, bald heran. Ich habe ihn auch von Knaben mehrmals bloß mit friſchem Kaͤſe (Quark) auf: fuͤttern ſehen; allein bei dieſer Nahrung halt er nicht lange aus und: man muß ihn nach und nach an ein anderes Futter gewoͤhnen, wozu das gewoͤhnliche Grasmuͤckenfutter am beſten iſt, was man ihm aber oͤfters mit Ameiſenpuppen würzen, oder ihm auch fonft manch— mal mit Kaͤfern, Mehlwuͤrmern und andern Inſekten eine Ab— wechslung machen muß. F ort peel aun z ung! Unſer Wiedehopf niſtet in allen Gegenden Deutſchlands, die nicht zu arm an Baͤumen und Buſchwerk ſind, namentlich da, wo er in der Naͤhe des Viehes ſeyn kann, oder wo viel Wild geduldet wird, daher gleich oft in den Umgebungen bewohnter Orte, als in einſamern Gegenden, aber nie tief in den duͤſtern Hochwaldun— gen, und viel ſeltner in Nadelwaͤldern als in andern. Daß er auch hin und wieder in Gegenden niſtet, wo es wenig Baͤume giebt, wie in den Marſchen des noͤrdlichen Deutſchlands, macht, daß dort ſo viel Vieh gehalten wird, was Tag und Nacht auf der Waide bleibt, wo er alſo ſeine Nahrung in ſtetem Ueberfluſſe findet. So niſtet er auch im mittleren Deutſchland ſehr gern in Niederun— gen, wo es nur einzelne Kopfweidenreihen oder Anpflanzungen von dieſen Baͤumen von nicht zu großem Umfang giebt, wenn dort taͤglich Vieh waidet oder durchgetrieben wird; daher in waldigen Gegenden auch lieber an Waldraͤndern, 995 den Wald fuͤhrenden Straßen und Waldwieſen, als tiefer im Walde, und hier uͤberhaupt nur an lichtern, nur ganz einzeln mit Baͤumen beſetzten Stellen, und beſonders wo das Gras unter den Baͤumen oft vom Vieh ab: gewaibet wird. In der Wahl des Orts, ſein Neſt anzubringen ſcheint der Wiedehopf nicht lange verlegen, da man es bald in hohlen Baͤu— men, Mauer- und Felſenloͤchern, niedrig oder hoch, bald gar nur auf dem bloßen Erdboden findet; doch iſt es am oͤfterſten in Baum⸗ hoͤhlen. In hohle Weiden bauet er es vorzuͤglich gern; ſonſt aber auch in Obſtbaͤume, Eichen und andere, beſonders in abgebro— chene, von oben hohle und offene Schaͤfte, doch auch in engere, an der Seite hineingehende Köcher, bald in einer Höhe von 20 bis 30 Fuß, bald nahe am Stamme, ſelbſt zuweilen in alte hohle VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 458 Staͤmme, unter die Wurzeln, oder unten neben den Baum ganz auf den Erdboden, und in freiern Gegenden auf oder hinter einen Graſerain, in die Loͤcher der Gartenmauern, oder in eine Felſen— ſpalte. Er ſcheint die Baumhoͤhlen zu lieben, in welchen durch Faͤulniß zu Erde gewordenes Holz eine natuͤrliche weiche Unterlage bildet, auf welche dann das Weibchen, ohne weitere Vorkehrungen, ſogleich ſeine Eier legt und ausbruͤtet. So findet man es am oͤfterſten. Zuweilen traͤgt er aber auch noch Haͤlmchen, einzelne Grasſtoͤckchen und feine Wuͤrzelchen herbei, und belegt damit die fau— len Holzbrocken ſehr nachlaͤſſig, daß man es auch in dieſem Falle, ohne die Eier u. ſ. w., nicht fuͤr ein Vogelneſt anſehen moͤchte. Mehr von jenen findet man aber darin, wo unten weniger weiche Erde iſt, und da ſind denn auch 1900 zuweilen ſogar Stuͤckchen trockenen Kuhmiſts mit eingemiſcht. Ganz von Kuhmiſt gebauet, wie man wol vorgiebt, habe ich noch keins geſehen. Auf dem Erdboden ſind allerlei trockne alte Halme, feine Wurzeln und Ge— niſt, zuweilen mit Stuͤckchen Kuhmiſt vermengt, den Eiern kunſt— los untergelegt; auch findet man in vielen Neſtern einige Federn, beſonders Gaͤnſefedern; aber von allen, die ich ſah, und was keine geringe Zahl iſt, da der Vogel hier herum haͤufig und ſelbſt alljaͤhrlich ein Paͤaͤrchen in meinem Garten oder Waͤldchen, oder doch in den Umgebungen meines Wohnorts niſtet, war kein einzi— ges von Menſchenkoth gebauet. Die Sage, daß das Wiedeho— pfenneſt von dieſem ekelhaften Material e ſey, iſt zwar auch in hieſiger Gegend noch beim gemeinen Mann allgemein, aber deſ— ſenungeachtet grundlos. Die Eier ſind, im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels, ziem— lich klein, und von einer ſo laͤnglichten Geſtalt, als es deren nur wenige giebt, ſo daß der Durchmeſſer der groͤßten Breite meiſt nur drei Fuͤnftheile der Laͤnge hat. Ihr groͤßter Umfang in der Breite liegt faſt in der Mitte, von wo aus ſich die eine Spitze bald ſanfter, bald ſchneller abrundet, die andere laͤnglich gerundet und das duͤnnere Ende bildet. Ob fie nun gleich hierin etwas variiren, fo find die kuͤrzeſten unter ihnen doch immer noch laͤng⸗ lich eifoͤrmig zu nennen. Die Schale hat deutliche Poren, iſt zwar ſonſt eben und glatt, aber ohne Glanz, und ihre Farbe ſehr ver— ſchieden. Am oͤfterſten kommen fie jedoch in einem ſchmutzigen gruͤn— lichen Weiß vor, das aber durch alle Abſtufungen in Gelblichgrau mit gruͤnlichem Schein herabgeht, bis ſogar zum braͤunlichen Grau, und an dem dunkelſten bis zu einem roͤthlichen Braungrau oder 454 VI. Ord n. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. einem matten Chokolatbraun. “) Die letztern find gewoͤhnlich auch noch mit zahlloſen, aͤußerſt feinen, weißen Puͤnktchen uͤber— ſaͤet, ſo daß ſie dadurch ein Anſehen gewinnen, als waͤren ſie kuͤnſtlich aus einem Stein gemacht. Dieſe Spielart iſt uͤbrigens die ſeltenſte. Dann iſt auch noch zu bemerken, daß die haͤufiger vor— kommenden lichtern Eier dieſer Voͤgel durch das Bebruͤten dunkler und ſchmutziger werden, als ſie es vom Anfang an waren, und daß die vom Dunkeln zum Hellen am ſtaͤrkſten abweichenden Spiel⸗ arten meiſtens nicht in einem, ſondern in verſchiedenen Neſtern vorkommen. — Die gewoͤhnliche Zahl der Eier, welche man in einem Neſte findet, iſt vier oder fuͤnf, zuweilen auch nur drei; doch ſind auch ſchon ſechs gefunden, was aber ſelten iſt, und mir iſt nur ein Fall bekannt, wo ſogar ſieben Eier in einem Neſte lagen. Von ſo vielen wird dann auch meiſtens eins oder zwei Eier faul gebruͤtet, und ich ſah nie mehr als fuͤnf, gewoͤhnlich aber nur vier oder drei Junge in einem Neſte. Sie machen alljaͤhrlich nur eine Brut, und haben in guten Fruͤhjahren Ende April, gewöhnlich aber erſt im Mai Eier. Wer⸗ den ihnen dieſe genommen ehe ſie bruͤten, ſo legen ſie zuweilen noch ein Mal, aber dann ſelten mehr als drei Eier; ſolche findet man dann oft noch fpat im Juni. Dem Weibchen iſt das Ge: ſchaͤft des Ausbruͤtens allein uͤberlaſſen, wozu es ſechszehn Tage gebraucht, und in dieſer Zeit, wo es nur in ſehr kurzen Zwiſchen— raͤumen abgeht, um die noͤthigſte Nahrung zu ſuchen, bekoͤmmt es einen ganz kahlen Bauch und magert ſehr ab. Es ſitzt ſo feſt uͤber den Eiern, daß es ſich durch Stockſchlaͤge an den Baum nicht aus der Hoͤhle ſcheuchen laͤßt, und daß man es leicht mit der Hand uͤber den Eiern ergreifen kann. Die Jungen ſind anfaͤnglich mit langen grauen Dunen nur ſehr duͤrftig bekleidet, von ſehr unglei— cher Koͤrpergroͤße, und haben dann noch ganz kurze, faſt gerade Schnaͤbel. Sie werden von beiden Alten ſehr ſorgfaͤltig gepflegt, mit Maden und Kaͤfern gefüttert, und dieſe geberden ſich ſehr aͤngſt⸗ lich und ſchreien viel, faſt wie Staaren, wenn man ſich dem Neſte und den Jungen naͤhert, die nur langſam heranwachſen und erſt wenn fie völlig und mit Leichtigkeit fliegen koͤnnen, ſich zum Aus⸗ fliegen bequemen. Beſonders unruhig ſind die Alten, wenn die *) Daher bie verſchledene Angabe der Farbe dieſer Eier in ornithologiſchen Werken, wo ſie in dem einen grauweiß, im andern graugelblich, im dritten gruͤnlich, im vierten roͤthlichaſchgrau beſchrieben find, was zufammen genommen ganz richtig iſt, indem ſie in allen dieſen Faͤrbungen vorkommen. VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 455 Jungen eben das Neſt verlaſſen, nun einzeln aus der Höhle her: vorkommen, auf den naͤchſten Bäumen oder an der Erde hinflattern, wo jene bald dieſen, bald jenen ein Stuͤck begleiten, wiederkehren, einem dritten forthelfen, alle aber durch die Locktoͤne zuſammen zu halten ſuchen; ſolch eine Geſellſchaft großer bunter Voͤgel, mit ſo ſchoͤnen Federkronen geziert, ſich ſo durch einander bewegen zu ſehen, giebt ein recht angenehmes Schauſpiel. Ich habe ſie oft noch im Anfange des Auguſt bei den Alten und dieſen folgen ſehen, wo ſie noch nicht voͤllig erwachſen waren. Die Neſthoͤhle, worin junge Wiedehopfe ſitzen, aͤhnelt uͤbri— gens einer ſtinkenden Cloake, indem ſie bis an die Haͤlſe im eignen Unrath ſitzen, den die Alten nicht wegzuſchaffen verſtehen, ſondern im Innern der Hoͤhle und im Neſte ſelbſt liegen laſſen, wo er in Faͤulniß uͤbergeht und einen ekelhaften Aasgeruch, der jedoch zu— weilen etwas Aehnliches von dem der großen Ameiſen hat, verbrei— tet. Dieſer Umſtand mag Veranlaſſung zu dem Wahn gegeben haben, der Wiedehopf baue ſein Neſt von Menſchenkoth, wo— gegen allein ſchon der ganz unaͤhnliche Geruch ſpricht. Das Brut— weibchen legt ſchon den Grund zu dieſer unſaubern Wirthſchaft, indem es fo eifrig bruͤtet, daß es ſich nur ſelten die *.ühe nimmt, ſeinen eigenen Unrath herauszutragen. Der Geſtank zieht oͤfters eine Menge Fliegen herbei, die eine ſolche Hoͤhle umſummen und auf Gelegenheit lauern, ihre Brut darin abſetzen zu koͤnnen, ſo daß ein paar Tage nach dem Ausfliegen der jungen Wiedehopfe, nicht ſelten das Neſt von Maden durchwuͤhlt wird. In der letz⸗ ten Zeit des Bruͤtens, noch mehr aber, wenn ſie Junge haben und fuͤttern, theilt ſich der haͤßliche Geruch des Neſtes auch den Alten mit, aber die Jungen ſtinken am meiſten. Bei den erſtern verliert er ſich nachher aber auch fruͤher wieder, und den letztern haͤngt er noch mehrere Wochen lang an. Jetzt entfernen ſie ſie noch nicht weit von dem Orte, wo ſie ausgebruͤtet waren, aber nach und nach fuͤhren ſie die Alten auf Aengern und Triften weiter, ſie tren— nen ſich zum Theil von dieſen oder begeben ſich vereinzelter auf den Zug, um allmaͤhlich wegzuwandern. In dieſer Zeit, wo ſie nun völlig erwachfen und den Alten ganz ähnlich geworden find, hat ſich jener haͤßliche Geruch gaͤnzlich verloren. Feinde. Daß fie vor den Angriffen mancher Raubvoͤgel nicht ſicher find, zeigt ihre große Furcht vor denſelben, und ſie halten ſich darum 456 VI. Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. immer in der Naͤhe von Baͤumen auf, um ſich in den belaubten Zweigen derſelben ſchnell verbergen zu koͤnnen, weil ihr unſichrer Flug ſie auf dem Freien nicht retten wuͤrde, ſobald ein Habicht oder Sperber es ernſtlich auf ſie anlegte. Wo ſie nicht ſchnell genug eine ſchirmende Baumkrone erlangen koͤnnen, verſuchen ſie es durch die oben beſchriebene Stellung, den Raͤuber zu taͤuſchen. — Vom Neſte ſcheint der üble Geruch die Raubthiere abzuhalten, in: dem nicht einmal zahme Katzen todte junge Wiedehopfe moͤgen. Verſchiedene Eingeweidewuͤrmer find im Wiedehopf gefunden, als: Echinorhynchus ricinoides, eine Taenia und in der Bauch— haut eine Acuaria. Sonſt wohnen im Geſieder zuweilen auch eine kleine Art Schmarotzerinſekten. Jagd. Der Wiedehopf flieht die Annaͤherung des Menſchen ſchon von weitem. Ob er gleich oft Gegenden bewohnt, wo außer Hirten auch noch viel andere Menſchen taͤglich verkehren, ſo gewoͤhnt er ſich doch ſelten ſo weit an ſie, daß er auf dem Freien auf Schuß— weite aushaͤlt. Man muß ihn daher, wenn man ihn ſchießen will, meiftens ungeſehen zu binterfchleichen ſuchen, was jedoch eben nicht ſchwer haͤlt. Weniger ſcheu ſind die auf dem Zuge begriffenen Jungen. — Wer gut auf der hohlen Hand pfei— fen und den Fruͤhlingsruf des Maͤnnchens gut nachahmen kann, dem iſt es ein Leichtes, dies im Anfange der Begattungszeit her— bei zu locken; er muß ſich aber dabei verſteckt und uͤbrigens ſehr ſtill verhalten. ha Zu fangen ift er nur da, wo man ihn oͤfters herumlaufen ſieht, wenn man ſpannenlange, ganz feine Ruͤthchen, die mit Vogelleim beſtrichen ſind, und an welche man in der Mitte an einem einige Zoll langen Pferdehaar einen lebenden Mehlwurm ge— bunden hat, ſo loſe in die lockere Erde ſteckt, daß wenn er an dem Wurm zupft, das Leimruͤthchen ihn beruͤhrt oder auf ihn faͤllt. — Einen Kreis von Fußſchlingen (von deren Befeſtigung in der Erde man aber nichts ſehen darf), in welche Wuͤrmer auf obige Art angelegt ſind, fuͤr ihn aufzuſtellen, iſt ein weniger ſichrer Fang. | Nutz en. Wenn gleich ſein Fleiſch bei uns nicht geachtet wird, und den Bekennern des Moſaiſchen Glaubens, als von einem unreinen VL Ordn. XXXV. Gatt. 176. Europ. Wiedehopf. 457 Vogel, ſogar geſetzlich verboten war, fo darf man es doch deshalb nicht fuͤr ſchlecht halten, ja es iſt vielmehr im Herbſt, wenn dieſe Voͤgel auf dem Wegzuge begriffen ſind, oft außerordentlich ſchmack— haft, indem beſonders die jungen Voͤgel dann, oftmals ſo fett wie Lerchen, einen ſehr zarten Braten geben, auch keine Spur von jenem widerlichen Geruche mehr an ſich haben. Sonſt nuͤtzt er uns vorzuͤglich dadurch, daß er eine Menge ſchaͤdlicher oder laͤſtiger Inſekten vertilgt. In der Nähe der Laub— hoͤlzer, Obſtgaͤrten und andrer Baumpflanzungen fruchtbarer Ge— genden thun die Maikaͤferlarven oft furchtbaren Schaden (viel mehr als die Kaͤfer ſelbſt), indem ſie die Wurzeln der Gewaͤchſe abnagen, daß dieſe verdorren, und große Raſenflaͤchen, ja ganze Wieſen ver— derben, dies um ſo leichter, da ſie bekanntlich einige Jahre in der Erde leben und freſſen, ehe ſie zur Verwandlung kommen. Die— ſem Uibel arbeiten nun eine Menge Voͤgel nach allen Kraͤften ent— gegen, am meiſten aber die Staaren und die Wiedehopfen, welche jene verderbliche Geſchoͤpfe mit großer Begierde aufſuchen, ſich ſelbſt und ihre Jungen damit zu naͤhren. — Man ſieht, wie ſich dieſe Voͤgel auf ſolchen Plaͤtzen taͤglich und beſtaͤndig einfinden, mit ihren Schnaͤbeln unablaͤſſig tiefe Loͤcher in die von den Maden aufgelockerte Erde bohren, um zu dieſen zu gelangen, deren Sitz ih— nen wahrſcheinlich ihr feiner Geruch anzeigt. Hier lernt man auch den ſonſt ſo verſchrieenen Fuchs von einer vortheilhaften Seite kennen; denn auch ihm find dieſe ſchaͤdlichen Larven eine Lieblings- ſpeiſe. Und finden ſich endlich auf ſolchen angegriffenen Stellen noch Saatkraͤhen dazu ein, ſo wirkt die vereinte Huͤlfe bald zuſe— hends. Manche ſchoͤne grasreiche Wieſe ſah ich ſchon auf dieſe Weiſe vom Verderben retten, und andere, wo dieſe Huͤlfe fehlte, fuͤr viele Jahre zu Grunde gehen. — Sein Fruͤhlingsruf belebt manche Gegend, und gezaͤhmt macht er ſeinem Beſitzer viel Ver— gnuͤgen. Schaden. Der Wiedehopf wird uns auf keine Weiſe nachtheilig. Siebente Ordnung. Sitzfüßler. AL Y ONES. Schnabel: Mittelmaͤßig oder lang, hinten ziemlich ſtark, vorn ſpitzig, beinahe viereckig, ſchwach gebogen oder gerade. RN Füße: Weich, mit ſehr kurzer Fußwurzel und nacktem Ferſengelenk, vierzehig; von den drei Vorderzehen iſt die mitt— lere mit der aͤußern bis zum zweiten Gelenk, mit der innern bis zum erſten Gelenk verwachſen, die Sohlen daher handfoͤrmig; die einzelne Hinterzeh etwas klein, frei, mit breiter Sohle an ihrer Wurzel; die Krallen nicht groß, aber ſcharf, und die der Hinterzeh iſt die kleinſte. Das Gefieder iſt faſt immer, oft in großen Partieen, mit Prachtfarben geziert, wovon Kupfergruͤn oder Gruͤnblau am oͤfter— ſten vorkoͤmmt. Beide Geſchlechter ſind faſt gleich ſchoͤn, die Jungen nur weniger ſchoͤn gefärbt, ſonſt beinahe eben fo ge- zeichnet. ö Die Voͤgel dieſer Ordnung naͤhern ſich den Schwalbenar— tigen, weil ſie ihre Nahrung meiſtens im Fluge erhaſchen, wes— halb bei der einen Gattung die Flugwerkzeuge beſonders ausge— bildet ſind, bei der andern zwar ſcheinbar zuruͤcktreten, doch auch einen ſchnellen Flug, aber ohne raſche Wendungen, geſtatten. VII. Ordn. Sitzfuͤßler. 459 Sie wohnen gern an fließenden Gewaͤſſern, gebrauchen ihre kleinen Fuͤße weder zum Klettern, noch zum Gehen, ſondern bloß zum Sitzen und zum Kratzen, indem ſie ſich ſenkrechte Loͤcher in die Ufer graben und darin niſten. Anmerk. In dieſe Ordnung gehört unſtreitig auch die Gattung: Coracias (1. Bd. II. S. 156. die Anmerk.), wenigſtens iſt ihre nahe Verwandtſchaft mit der Gattung Merops ſogar aͤußerlich ſchon ſichtbar. Sechs und dreißigſte Gattung. Bienen freſſer. Merops. Schnabel: Mittelmaͤßig; ſanft gebogen; an der Wurzel ſtark, nach vorn verduͤnnt und ſchwach zugeſpitzt; vorwaͤrts etwas zuſammengedruͤckt; mit ſcharfkantigem Oberruͤcken und ſcharfen Schneiden; hart; die Spitze des Oberkiefers etwas laͤnger als die des untern und ohne Ausſchnitt. Naſenloͤcher: Dicht am Schnabelgrunde, ſeitwaͤrts, kreis— oder eirund, offen oder zum Theil von den borſtigen Stirnfedern bedeckt. Zunge: Lang, dünn, an der vordern Halfte hornar— tig hart, an der hintern weich; die ſehr duͤnne Spitze ſtark zerriſ— ſen, der Hinterrand ausgeſchnitten und ungezahnt. Fuͤße: Klein, mit ſehr kurzem Lauf und nackter Ferſe; von den drei Vorderzehen die aͤußerſte mit der mittelſten bis zum zweiten Gelenk, und dieſe mit der innern bis zum erſten Gelenk verwachſen, wodurch eine ſehr breite handfoͤrmige Sohle entſteht, indem auch die kleine Hinterzeh an der Wurzel auffallend breit iſt; die Kralle dieſer ſehr klein, die der uͤbrigen Zehen viel groͤßer, ziemlich lang, ſehr krumm, an der Spitze ſcharf, auf der inwen- digen Seite mit einer vorſtehenden Schneide. Flügel: Groß, ſchwalbenartig, d. h. mit kurzem Armkno⸗ chen, aber vorn ſehr lang, ſchmal und ſpitzig; die Schwingfedern mit ſehr ſteifen Schaͤften; die vorderſte (bei den meiſten Arten) aͤußerſt klein, die zweite die groͤßſte und laͤngſte; — bei andern (auslaͤndiſchen) die erſte mittellang, die zweite noch laͤnger und erſt die dritte die laͤngſte; bei allen jedoch die vordern Schwingen ſehr lang und ſchmal. VII. Ord n. XXXVI. Gatt. Bienenfreſſer. 461 Schwanz: Meiſtens lang, zwoͤlffederig, bei mehreren durch die beſondere Laͤnge der Mittelfedern ausgezeichnet. N Das kleine Gefieder iſt etwas kurz, derb, und liegt meiſtens knapp an; der Koͤrper ſchoͤn geformt, ſchlank und geſtreckt; was aber die Schoͤnheit dieſer, bis auf die kleinlichen Fuͤße, ſehr wohl gebildeten Voͤgel noch mehr erhoͤhet, ſind die glaͤnzenden Pracht— farben, womit ihr Gefieder geſchmuͤckt iſt, und worin die verſchie⸗ denen Arten einander zu übertreffen ſuchen. Die Maͤnn— chen unterſcheiden ſich aͤußerlich von den Weibchen nur durch ihre noch prachtvollere Farben, und die Jungen weichen nur wenig von der Zeichnung und den Farben der Weibchen ab. Sie ſchei— nen alljaͤhrlich nur ein Mal zu maufern. Hinſichtlich der Groͤße erreichen manche kaum eine mittlere, an⸗ dere koͤnnen unter die kleinern Voͤgel gezaͤhlt werden. Bei dieſen ſchoͤnen Vögeln treten die großen Flug- und Fang: werkzeuge ſehr hervor, und die Fuͤße, ihrer geringen Groͤße wegen, zuruͤck; dieſe ſchlanke Geſtalten, mit den langen, ſchmalen und ſpitzigen Segelfluͤgeln, ſind daher eben ſo geſchickte Flieger und In— ſektenfaͤnger als die Schwalben. Sie bewohnen die heißen Him- melsſtriche der alten Welt, kommen nur im waͤrmern Europa, aber in Deutſchland ſehr ſelten vor, und wandern beim Wechſel der Jahreszeiten aus einer Zone in die andere. Sie ſind geſel— lig und leben oft in großen Geſellſchaften vereint. In ihrer Lebens— art aͤhneln ſie den ſchwalbenartigen Voͤgeln, fangen, wie dieſe, ihre Nahrung im Fluge, die in groͤßern Inſekten, Heuſchrecken, Zicaden, Libellen, Kaͤfern, vorzuͤglich auch in Wespen, Hum— meln, Bienen und andern ſtechenden Inſekten, deren Stachel ihnen nichts ſchadet, in Bremen, Bremſen u. dergl. beſteht, und die ſie auch im Fluge verzehren. Sie leben paarweis, doch niſten oft viele Paͤaͤrchen nahe beiſammen, in langen, engen, hinten er— weiterten Roͤhren, die ſie ſich ſelbſt, mit Huͤlfe des Schnabels und der Fuͤße, in die lockere oder ſandige Erde ſteiler Ufer an Fluͤſſen oder Huͤgeln graben, und legen meiſtens fuͤnf bis ſieben rundliche, der Kugelform ſehr nahe kommende, weiße Eier. Nach Hesel verirrt ſich nur zuweilen: Ginge Art. 177: Der Ervropailide Bie nen fe; Merops apiaster. Linn. Fig. 1. altes Männchen. J Faß ee 2. junger Vogel. Gemeiner —, gelbkehliger —, goldkehliger —, goldkoͤpfi— ger Bienenfreſſer; der Bienenfreſſer, Bienenfraß, Bienenfaͤnger, Bienenvogel, gemeiner Bienenvogel, Bienenwolf, gelber Bienen— wolf, Immenwolf, Immenfraß; Heuvogel, Heumaͤher, einſa— mer Braacher; Schwanzeisvogel; Krinitz; Cardinal; Meer— ſchwalbe; Seeſchwalm. Merops Apiaster. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 460. n. 1. — Lath. ind. I. p. 269. n. 1. == Merops schaeghagha. Forskael Faun. arab. p. 1. n. 3, = Le Guepier. Buff. Ois. VI. p. 480. t. 23. — Edit. d. Deuxp. XII. p. 145. t. 2. f. 2. = Id. Pl. enl. 938. = Gerard. tab. elem. I. p. 377. = Le Vaill. Ois. de Parad. et Prom. III. t. 1 et 2. = Guöpier vulgaire. Temminck, Man. nouv. Edit. I. p. 420. == Common Bee eater. Lath. syn. I. 2. p. 667. n. 1. Suppl. p. 119. — Ueberſ. v. Bechſtein, I. 2. S. 546. n. 1. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1098. — Deffen Taſchenb. I. S. 79. = Wolf und Meyer, Voͤg. Deutſchl. Heft 10. (juͤngeres M.) — Deren Taſchenb. d. V. I. S. 132. = Meisner und Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 48. n. 48. = Koch, Baier. Zool. I. S. 85. n. 14. = Brehm, Beiträge I. S. 952. — Deſſen Lehrb. I. S. 117. = Friſch, Voͤg. Taf. 121. W. u. 122. M. — Naumann's Voͤg. alte Ausg. Nachtr. S. 207. Taf. 27. Fig. 56. Maͤnnchen. Wahrſcheinlich gehört auch hierher noch: Merops chrysocephalus. Lath. ind. I. p. 273.n. 3. = Yellow-throated Bee-eater. Lath. syn. 1. 2. p. 678. — Ueberſ. v. Bechſtein, I. 2. ©. 553. n. 10. Kennzeichen der Art. Genick und Nacken kaſtanienbraun; die Schultern ſtrohgelb; der ganze Unterkoͤrper, von der hochgelben mit einem dunkeln Quer⸗ bande begrenzten Kehle an, hell gruͤnblau. Beſchrei bung. Ein Prachtvogel und unter den einheimiſchen einer der aller⸗ ſchoͤnſten; auch mit keinem derſelben zu verwechſeln. Mit noch VII. Ordn. XXXVI. Gatt.177. Europ. Bienenfreffer. 463 mancher auslandifchen Art dieſer Gattung hat er die gelbe, dunkel begrenzte Kehle gemein, z. B. mit M. angolensis, erythropterus, u. a. m., die alſo fuͤr ſich allein kein ſicheres Artkennzeichen abge— ben kann. — Sein ſchlanker Wuchs, wozu die angenehme Bil— dung der Fluͤgel und des Schwanzes beitragen, und die pracht— vollen, ſanft in einander verſchmelzenden Farben ſeines Gefieders, bilden vereint ein fo herrliches Ganzes, daß man ihn ſelbſt man— chem ſchoͤn geſchmuͤckten Vogel der Tropenlaͤnder an die Seite ſtel— len koͤnnte. In der Größe ähnelt er einer Rothdroſſel, ſieht aber, der laͤngern Fluͤgel- und Schwanzfedern wegen, viel ſchlanker aus. Von der Stirn bis ans Ende der langen mittleren Schwanzfedern mißt ein alter Vogel 94 bis 10 Zoll, weil aber dieſe letztern oft 4 bis 44 Zoll, die übrigen Schwanzfedern nur 33 bis 32 Zoll meſſen, bei juͤngern Voͤgeln aber alle faſt von gleicher Laͤnge ſind, fo iſt die Länge eines ſolchen oft nur 84 Zoll. Die Fluͤgelbreite beträgt 16 bis 184 Zoll; die Fluͤgellaͤnge vom Bug zur Spitze 64 Zoll, und die ruhenden Flügel decken den Schwanz bis faſt auf ein Viertheil ſeiner Laͤnge. Die Fluͤgelfedern, beſonders die gro— ßen Schwingen, haben ſehr ſtarke, ſteife Schaͤfte, ſind hart, ſchmal, die vorderſten ſchmal und ſpitz zugerundet, die uͤbrigen am Schafte der ſchiefen Spitze zierlich ausgerandet, nur die letzten zugerundet. Die erſte Schwingfeder iſt außerordentlich klein und ſpitz, die zweite ſehr lang und die laͤngſte von allen. Der Schwanz beſteht aus 12 ziemlich harten, ſchmalen Federn, welche am Ende gerade oder da noch am Schafte ausgerandet ſind, und ziemlich einerlei Länge haben, indem die aͤußerſte nur F Zoll kuͤrzer als eine der mittleren iſt; allein die beiden mittelſten find bei alten Voͤ— geln am Ende ſehr ſchmal in eine lange zugerundete Spitze aus— laufend, die uͤber das Ende der andern gegen 1 Zoll weit hin— uͤber ragt, waͤhrend dieſe Federn bei jungen Voͤgeln nur gleiche Laͤnge mit dem naͤchſten Paar und ein abgerundetes Ende haben. Der ſehr harte ſchwarze Schnabel iſt gegen 1 Zoll lang, an der Wurzel faſt 5 Linien hoch und 54 Linie breit. Er biegt ſich in einem ſanften Bogen ſeiner ganzen Laͤnge nach etwas abwaͤrts, iſt an der Wurzel ſtark und breit, nach vorn ſchmal und ziemlich zuſammengedruͤckt, allmaͤhlig duͤnner in die Spitze laufend; der Oberkiefer mit einer ſtumpfeckigen Ruͤckenkante und die nicht uͤber— haͤngende Spitze deſſelben oft etwas laͤnger, als die des untern, deſſen Ruͤckenkante weniger ſcharf iſt; die Schneiden beider Kinn⸗ 464 VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. laden ſehr wenig eingebogen, auf einander paſſend und fehr fcharf. Inwendig iſt er ebenfalls ſchwarz, wenig hohl, unten und oben mit einem ſcharfen vorſtehenden Leiſtchen ſeiner Laͤnge nach, neben welchem im Oberſchnabel jederſeits noch ein niedriges hinlaͤuft. Die kleinen Naſenloͤcher liegen nahe an der Stirn; ſie ſind rundlich und mit kurzen borſtigen ſchwarzbrauen Federchen nur zum Theil bedeckt. Das Auge iſt eben nicht groß, hat aber eine aͤußerſt leb— hafte hoch karminrothe, bei den Jungen eine roſenfarbige Iris, und gleich hinter dem Auge befindet ſich ein dunkelbraunes kahles Fleckchen. | Die ſehr kleinen, aber ſtaͤmmichten, ſonderbar geftalteten Füße haben ſehr kurze Fußwurzeln und ſind nicht allein an der Fußbeuge, ſondern noch ein gut Stuͤck (bei Alten faſt 2 Zoll) am Unterſchenkel hinauf kahl; die Laͤufe vorn grob, hinten ſehr fein geſchildert, die Zehenruͤcken ebenfalls mit Schildern bedeckt, die ſehr breiten Sohlen aber feinwarzig. Die drei Vorderzehen ſind, im Verhaͤltniß zu der ſehr kleinen Hinterzeh, etwas groß; die mittelſte iſt mit der aͤußer— ſten bis ans zweite, und mit der innern bis ans erſte Gelenk ver— wachſen; die kleine Hinterzeh iſt an der Wurzel ſehr breit, und da die Zehenſohlen uͤberhaupt alle breit, und die Zehen ſo weit mit einander verwachfen find, fo hat der Fuß, von unten geſehen, eine entfernte Aehnlichkeit von einer Hand. Die Hinterzeh hat nur eine kleine faſt im Halbzirkel gebogene Kralle, die der uͤbrigen ſind aber ziemlich lang, auch ſtark gebogen, ſpitzig, unten doppelt ge— furcht, und auf der Seite nach innen mit einer Schneide verſehen, die an der mittelſten ſehr aufgeworfen und beſonders groß iſt. Die Farbe der Fuͤße iſt ein bleiches roͤthliches Braun oder ein dunkles roͤthliches Grau; die Sohlen ſind lichtgrau und die Krallen braun— ſchwarz. Die Fußwurzel mißt 6 bis 7 Linien, die Mittelzeh, mit der 4 Linien langen Kralle, 10 Linien (die aͤußere iſt nur 12 Linien kürzer) und die Hinterzeh faſt 6 Linien, wovon bei— nahe 2 Linien auf die Kralle kommen. Die Fuͤße haben im Gan⸗ zen große Aehnlichkeit mit denen unſers Eisvogels. Die Farben des Gefieders haben einen beſondern Glanz, und die blaugruͤnen ſpielen bei verſchiedenem Lichte ins Laſurblaue, andere ins Goldgruͤne oder Goldfarbige. Am alten Maͤnnchen haben ſie folgende Vertheilung: Ein Streif, welcher Zuͤgel und Wangen einnimmt und hinter dem Ohr ſpitzig auslaͤuft, iſt tief ſchwarz; ein ſchmaler Strich unter dieſem, VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 465 vom Mundwinkel ausgehend, weiß, ſchoͤn blaugruͤn angeflogen; die Kehle glänzend hochgelb, unten mit einem ſchmalen gruͤnſchwar— zen Querbande begrenzt; Kropf und Bruſt ſchoͤn blaugruͤn oder ſeladongruͤn (Gruͤnſpanfarbe), hie und da, beſonders dicht un— ter dem ſchwarzen Querbande, mit einem ſtrahlenden Gelbgruͤn (Schmaragdgruͤn) angeflogen; doch ſchimmern an der Unterbruſt, wo das Blaugruͤn oder Gruͤnblau blaſſer wird, bei etwas ver— ſchobenem Gefieder die hellbraungrauen Wurzeln der Federn ſtellen— weis etwas durch, und daͤmpfen die Pracht jener Farbe zuweilen; Bauch, After und die langen Unterſchwanzdeckfedern blaß ſeladon— grün oder grünblau (wie bei der blauen Rake), erſterer ſeit— waͤrts mit roſtgelbem Anſtrich, und letztere an den Seiten in bräuns lichweiß uͤbergehend. — Die Stirn iſt weiß, hinterwaͤrts hellſela— dongruͤn angeflogen, welches ſich auch in einem ſchmalen Striche uͤber das Auge hinzieht, oben gegen die Mitte des Scheitels aber in Schmaragdgruͤn verwandelt, was endlich ſanft in das tiefe Kaſtanienbraun des Hinterhaupts verlaͤuft; Nacken und Hinterhals ſchoͤn und glaͤnzend kaſtanienbraun, was nach dem Ruͤcken zu lichter wird, an dieſem ſich in Dunkelgelb oder lebhaftes Braungelb ver— wandelt, welches noch mit einem glaͤnzenden Hochgelb uͤberflogen zu ſeyn ſcheint (Haferſtrohfarbe), und den ganzen Unterruͤcken und die nur an den Enden etwas lichter gelben Schulterfedern einnimmt; die obern Schwanzdeckfedern blaugruͤn, gelbgruͤnlich uͤberlaufen. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind ſchoͤn gruͤn, die groͤßern ſchoͤn roſtfarbig oder zimmetfarben, hin und wieder etwas gruͤn geſaͤumt, die hinterſten derſelben, ſo wie die letzten Schwingfedern gruͤnblau, an den Wurzeln grasgruͤn; die mittlern Schwingen zimmetfarben, nach der Mitte ihrer Laͤnge etwas blau und gruͤn, mit breiten ſchwarzen Enden; die großen Schwingen und ihre Deckfedern gruͤn— blau, mit ſchwarzen Spitzen, und auf der Innenfahne mit braͤun— lichen Kanten; die ſtarken Schäfte aller Schwingfedern ſchwarz; der Fluͤgelrand vornher, wie die kleinen untern Fluͤgeldeckfedern bleich roſtfarbig, die Ala nota, Möhr. roͤthlich roſtgelb, die uͤbri⸗ gen Deckfedern und der Anfang der Schwingen blaß iſabellfarbig, das Uebrige der untern Seite der Schwingen weißgrau mit ſchwarz— grauen Enden. Die Schwanzfedern ſind blaugruͤn, gelblich uͤber— laufen, oder grasgruͤn mit gruͤnblauen Außen- und grauer Innen⸗ kante; die langen Spitzen des mittelſten Paars nebſt den Schaͤften aller ſchwarz; auf der untern 0 iſt der Schwanz 17% die Schaͤfte weißlich. Bt Theil. 30 466 VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. Bei juͤngern Maͤnnchen ſind alle Farben etwas matter, die kaſtanienbraune lichter, die Einfaſſung der Kehle noch mehr gruͤnlich als ſchwarz, und die mittlern Schwanzfedern ragen nicht ſo weit uͤber die andern hinaus. Am etwas abgetragenen Gefie— der der Alten bemerkt man an der Unterbruſt noch mehr von dem durchſchimmernden roͤthlichen Grau, weil die Federn nicht mehr ſo gut decken; die Nackenfarbe iſt bleicher geworden, hell kaſtanien— braun, oder auch hell roſtroth, braun uͤberlaufen; an den laͤngſten Schulterfedern haben die Spitzen ins Weißliche abgebleichte Saͤume, die roſtfarbenen in der Mitte des Fluͤgels ins Gelbe fallende Enden bekommen; die Schwingenſpitzen ſind braunſchwarz geworden, aber an den uͤbrigen Farben bemerkt man keine Veraͤnderung. Das alte Weibchen iſt eben ſo groß, als ſein Maͤnnchen, doch ſind die mittlern Schwanzfedern um ein paar Linien kuͤrzer. Im Ganzen hat es dieſelben Farben und Zeichnungen, wenigſtens weicht es nicht ſehr auffallend ab. Am Unterkoͤrper iſt es ganz ſo, die Farben kaum etwas bleicher, aber die Einfaſſung der Kehle bloß ſchwarzgruͤn; an den obern Theilen weicht es mehr ab; das Kaſtanienbraun des Scheitels iſt mehr mit Gruͤn gemiſcht, auf dem Hinterhalſe bleicher, auf dem Oberruͤcken aber ſo ſtark mit Schmaragdgruͤn gemiſcht, daß es im gewiſſen Lichte bis an den Buͤrzel hinab ganz Goldgruͤn zu ſeyn ſcheint; dieſer und die Ober— ſchwanzdeckfedern matt grasgruͤn, hell blaugruͤn gemiſcht; die Schul— tern oben blau- und goldgruͤn, die laͤngſten Federn ſtrohgelb, mit weißlichen Enden; die Mitte des Fluͤgels mehr gruͤn und nur wenig zimmetfarbig, dieſe Farbe auch matter und gelblicher; das Uebrige der Fluͤgel und des Schwanzes wie am Maͤnnchen, alle Farben aber weniger ſchoͤn und ſchmutziger. Beim Bruͤten bekoͤmmt es nicht nur einen kahlen Bauch, ſondern die Federn der untern Theile reiben ſich auch ſtark ab, weshalb die roͤthlich weißgrauen Feder— wurzeln dann mehr hervorſchimmern, als beim Maͤnnchen. Der junge unvermauſerte Vogel weicht mehr ab. Die Kopfzeichnung iſt zwar dieſelbe, die Stirn aber hochgelb an— geflogen, Scheitel und Kehle etwas matter, die Einfaſſung der Kehle bloß dunkelgruͤn; Gurgel und Kropf ſeladongruͤn; der uͤbrige Unterkoͤrper eben ſo, nur viel blaͤſſer, als an den alten, mit einem ſchwachen gelblichen Schein; das matte Kaſtanienbraun des Hin: terhauptes hoͤrt ſchon am Nacken auf, wo es ſich nur noch etwas an den Halsſeiten herumzieht, und am Anfang des Ruͤckens in ein ſchmutziges lichtes Grasgruͤn uͤbergeht, was ſich uͤber den ganzen VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 467 Ruͤcken und auch einen großen Theil der Fluͤgel verbreitet, auf dem Buͤrzel am lichteſten wird und mit hellem Blaugruͤn gemiſcht iſt, im verſchiedenen Lichte auch ins Goldgruͤne ſchillert, und an den Enden der großen Schulterfedern in ein mattes roͤthliches Stroh— gelb uͤbergeht; die Fluͤgel ſind wie am alten Weibchen, das Gruͤn aber viel ſchmutziger, ein blaſſes Grasgruͤn, ſogar mit braunlich- weißen verwaſchenen Endkaͤntchen an den groͤßern Federn, mit noch viel wenigerer und viel bleicherer Roſtfarbe, und kaum einer Spur von gruͤnblauem Anflug an den Schwingen und den ſchmutziggras— grünen Schwanzfedern, und bloß mit mattſchwarzen Spitzen an den Schwingfedern. Das junge Maͤnnchen unterſcheidet ſich vom Weibchen bloß durch einen etwas ſtarken gruͤnblauen An— flug an den Kanten der Schwing- und Schwanzfedern, und die mittlern Schwanzfedern ſind ein wenig laͤnger und zugeſpitzter, auch ſchwaͤrzer an der Spitze, da ſie bei jenem alle faſt gleich lang und dieſe nur ſchmaͤler zugerundet ſind. Der Schnabel iſt bei ſolchen jungen Voͤgeln noch viel kuͤrzer und weniger ſpitz, 1 Zoll 2 Linien lang, die Iris roſenfarbig, die Fuͤße ſchmutzig gelbgrau oder gelb— braun. Au fen t h a lt. Dieſer ſchoͤne Vogel hat eine anſehnliche Verbreitung und iſt ein Bewohner der waͤrmern und heißen Zone *). Von Afien bewohnt er einen ſehr großen Theil, und iſt darin vielleicht noch weiter ver— breitet, als bis jetzt bekannt geworden iſt; man nennt naͤmlich Ben— galen, Perſien, Arabien, Syrien, Palaͤſtina, Nato— lien, die Gegenden am Caspiſchen Meer, von wo er am Ir— tiſch einzeln ſogar bis Tobolsk, an den Fluͤſſen Jaik, Wolga, Don, ins ſuͤdliche Rußland, bis Woroneſch oder an die Samara und weiter, hinauf geht. Dann iſt er nicht allein in allen Laͤndern des noͤrdlichen Afrika, ſondern auch an deſſen Suͤd— ſpitze, dem Cap, zu Hauſe. Allein von Europa ſind, außer den genannten, hauptſaͤchlich nur die weſtlichſten und ſuͤdlichſten, *) Nimmt man die Karte zur Hand, fo ergiebt ſich, daß er auf der noͤrd⸗ lichen Halfte unſerer Halbkugel vorzüglich die Länder bewohnt, welche zwiſchen dem 30 bis 110 Laͤngegrad, und zwiſchen dem 10 bis 50ſten, in Aſien ſelbſt bis zum 56ſten, Breitegrad liegen, zugleich aber in den niedern Breiten auch weſtlicher, bis zu den Canariſchen Inſeln, in den hoͤhern dagegen viel weniger weſtlich, vielleicht kaum bis gegen den 50ſten Laͤngegrad, ſich ausbreitet. Er wird aber auch jenſeits der Linie angetroffen. 468 VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 5 zunaͤchſt dem mittellaͤndiſchen und ſchwarzen Meer gelegenen Laͤn⸗ der, Spanien, das ſuͤdliche Frankreich, Unteritalien, Sardinien, Sicilien, vorzuͤglich die Inſel Candien und mehrere im Archipel gelegene Inſeln und deſſen Kuͤſtenlaͤnder, ſo auch die am ſchwarzen Meer, an den Donaumuͤndungen, am Prut, dann die Krimm, die Moldau und Wallachei, Gal— lizien, bis zum ſuͤdlichen Polen hinauf, diejenigen, wo er alle Jahre und in manchen Strichen ſehr haͤufig angetroffen wird, ſo z. B. auf Candia, wo er oft in ſolcher Menge, wie bei uns die Schwalben, herumfliegen ſoll. Von den genannten Laͤndern ſtreicht er dann zuweilen auch ſeitwaͤrts, mehr nach Norden zu, ins mittlere Frankreich, bis Elſaß und Lothringen, aus Oberitalien in die ſuͤdliche Schweiz, aus der Tuͤrkei nach Ungarn und von hier eben nicht ſelten bis nach Oeſterreich, hier vornehmlich an den Donauufern hinauf, und nach Oberſchleſien. Aber ungleich ſeltener erſcheint er noch noͤrdlicher, im Innern Deutſchlands, und die man in Franken, Thuͤringen, Sachſen, oder gar in der Mark angetroffen hat, was groͤßtentheils nur einzelne wa- ren, kann man wol nur als Verirrte, durch Unfälle von ihrem rech- ten Wege Abgekommene, betrachten. Nicht ſehr weit von hier wurde erſt vor einigen Jahren ein ſolcher geſchoſſen, und vor laͤngerer Zeit auch ein Mal ein über meinem Garten ſchwebender bemerkt. In fei- nem rechten Vaterlande iſt uͤbrigens dieſer Vogel ſehr haͤufig, und man ſieht ihn da in großen Schaaren. Er ſoll auch uͤberhaupt die gemeinſte Art ſeiner Gattung ſein. In allen den Europaͤiſchen Laͤndern, wo er jaͤhrlich regelmaͤßig erſcheint, iſt er ein Zugvogel, als welcher er dort ohngefaͤhr mit den Schwalben im Fruͤhjahr ankommt und im Herbſt eben ſo wieder wegziehet. So ſah man dieſe Voͤgel jährlich zwei Mal die Meer enge von Gibraltar paſſiren, und die auf Candien wohnenden nach Egypten hinüber wandern, wahrſcheinlich, um dort zu uͤber— wintern, auch im Fruͤhjahr aus jener Himmelsgegend zuruͤckkehren. Auf Malta hat man dieſelben Beobachtungen gemacht. So koͤmmt er im ſuͤdlichen Rußland, bei Woroneſch, oder bei Borkofka, um die Mitte oder in der letzten Haͤlfte des April an, und verlaͤßt jene Gegenden im September wieder. Von den in Ungarn, na— mentlich an den Donauufern, wohnenden hat man daſſelbe bemerkt. In jenen Gegenden, wo er faſt ſo haͤufig wie die Schwalben ſein ſoll, ſieht man ihn in großen Schaaren ankommen und wegziehen, und auch an den Ufern der untern Donau lebt er in ziemlich großen VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 469 Geſellſchaften und wandert in ſolchen. Nach der Brutzeit trennen ſich denn öfters einzelne Familien, oder auch Alte, die durch irgend eine Urſache vom Bruͤten abgehalten wurden, von der Geſellſchaft, irren umher, und ſolche verfliegen ſich denn auch zuweilen bis zu uns ins mittlere Deutſchland. Deshalb trifft man dieſe, wenn ſie ſich ein Mal in unſere Gegenden verirren, meiſtens im Juni und Juli, ſelten im Auguſt, aber noch viel ſeltener ſchon im Mai hier an. Im letztern Falle koͤnnen ſolche Verirrte denn natuͤrlich auch bloß alte Voͤgel ſein, und von ſolchen weiß man ſogar, daß ſie ſich in Deutſch— land, z. B. an der Donau oberhalb Wien, und in Schleſien ein— mal ein Paͤaͤrchen am Ohlaufluſſe, fortpflanzten. Der naͤmliche Fall ſoll ſich auch zuweilen in den ſuͤdlichen Cantons der Schweiz ereig— nen, welche nicht ſelten in der Zugzeit von Heerden dieſer Vögel durchſtreift werden, und wovon dann zuweilen einige dableiben. Er haͤlt ſich weniger in Ebenen, als in bergichten Gegenden auf, liebt aber vorzuͤglich die Naͤhe der Gewaͤſſer, welche ſteile Ufer haben; am liebſten wohnt er an Fluͤſſen und Stroͤmen. Aber er durchſtreift von da aus auch die Umgegend in einem weiten Kreiſe, wenn ſie auch weniger fruchtbar iſt, die blumenreichen Thaͤler und Wieſen zwiſchen hoͤhern Bergen, die Felder, Weinberge und Gaͤrten, be— ſucht Baumpflanzungen, Gebuͤſche und Waldraͤnder; aber tief in den Waͤldern wird er nie geſehen. Oefters ſchwaͤrmt er auch nahe um menſchliche Wohnungen herum, beſonders in ſeiner eigentlichen Heimath, wo er ſogar gern in bewohnten Gegenden lebt. Er fliegt beſtaͤndig, wie die Schwalben, bald hoch, bald niedrig, und man ſieht ihn ſelten auf der Erde oder auf einem Baumzweige ſitzen. Zum Ausruhen waͤhlt er am oͤfterſten einzelne frei ſtehende Baͤume, und dann meiſtens die oberſten Spitzen derſelben. igen e e . Wenn unſer Bienenfreſſer im lebenden ruhigen (oder gar nur im todten ausgeſtopften) Zuſtande, ſeiner Schoͤnheit wegen, ſchon Bewunderung erregt, ſo muß dies, bei ſeiner ungemeinen Lebhaf— tigkeit, beim fliegenden Vogel in einem noch viel hoͤhern Grade der Fall ſeyn, wenn die Sonnenftrahlen feinem Gefieder abwechſelnd den praͤchtigſten Goldglanz mittheilen, und man zugleich erſtaunen muß uͤber die Schnelligkeit und Gewandtheit ſeines kuͤhnen Fluges, womit er in den abwechſelndſten, anmuthigſten Schwenkungen und 470 VIL.Drbn. XXXVI.Gatt. 177. Europ. Bienenfreffer. in jeder beliebigen Richtung die Lüfte durchſchneidet. Seine ſchwal— benartige Lebensart treibt den unruhigen Vogel raſtlos bald hier- bald dorthin, und wenn ihn nicht beſondere Umſtaͤnde laͤnger an einen Ort feſſeln, z. B. vorgefundene reichliche Nahrung, oder die Naͤhe des Neſtes, ſo iſt er bald den ihn beobachtenden Augen auf eine Zeit— lang entſchwunden; er kehrt jedoch auch eben ſo oft wieder, ob es gleich manchmal lange dauert; denn ſeine Jagden nach Inſekten in der Luft gehen weit und beſchaͤftigen ihn, gleich den Schwalben, den ganzen Tag unaufhoͤrlich. Mit dieſen hat er im Betragen auch die groͤßte Aehnlichkeit; denn er ſetzt ſich eben ſo ſelten, wie dieſe, doch oͤfterer noch auf Erdhuͤgel und hohe Ufer, als auf den flachen Erdboden, wo er auch eben ſo ſchlecht zu Fuß iſt, in kleinen Schritt— chen nur kurze Strecken geht, und ſehr bald wieder auffliegt. Noch ſeltner ſetzt er ſich, auch nur auf ſehr kurze Zeit, auf einen duͤrren Baumzweig oder auf die trockne Spitze eines Baumes oder eines niederen Geſtraͤuchs, eher noch auf freie Stangen, Pfaͤhle und hohe Steine. Dabei iſt er ein ſo geſelliger Vogel, daß man zu manchen Zeiten mehrere Tauſende in einer einzigen Schaar vereint ſieht, und daß ſelbſt in der Fortpflanzungszeit ſehr viele nahe beiſammen woh— nen und große Geſellſchaften bilden, die durch ihr gegenſeitiges be— ſtaͤndiges Zurufen das Vereinzeln der Mitglieder zu verhuͤten ſuchen, und ſich demnach ſehr bemerklich machen. Hier ſind ſie denn auch gar nicht ſcheuz aber die Einzelnen, oder die kleinen Geſellſchaften, welche ſich zuweilen in noͤrdlichere Gegenden verirrten, hat man da— gegen ſtets vorſichtiger, zuweilen ſogar ziemlich ſcheu gefunden. Sein Flug iſt ſchoͤn, leicht, gewandt, mannichfaltig abwechſelnd, und ganz dem der Schwalben aͤhnlich, am meiſten dem der Ufer— ſchwalbe. Bald ſchwebt oder ſchwimmt der wunderſchoͤne Segler ohne ſichtbare Fluͤgelbewegung in der Luft, bald ſchießt er in einem großen Bogen oder mit einem kuͤhnen Schwunge ſeitwaͤrts eine große Strecke durch fie hin, bald zieht er flatternd vorüber u. ſ. w., gerade wie jene. Er liebt, wie ſie, Waͤrme und Sonnenſchein; Regen und unfreundliche Witterung macht ihn dagegen traurig, und dieſe Niedergeſchlagenheit ſticht dann ſehr gegen ſein ſonſtiges munteres Weſen ab; er iſt dann auch weniger ſcheu und fluͤchtig. Sein Flug fuͤhrt ihn bald dicht uͤber der Erde oder dem Waſſer hin, bald ſchwingt er ſich ungemein hoch durch die Luͤfte, ein ander Mal umkreiſt er die Baumkronen oder ſtreicht dicht an Felſenwaͤnden und hohen Ufern hin, Alles in den mannichfaltigſten Abwechslungen. VII. Ordn. XXXVI Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 471 Seine Stimme, die er in Geſellſchaft beſtaͤndig, auch einzeln ſehr oft hören läßt, iſt ein helles, lautpfeifendes Siſikruͤiz ſie aͤhnelt auf eine entfernte Weiſe dem Geſchrei der Mauerſchwalben. Er laͤßt ſie meiſtens nur fliegend hoͤren, und eine Geſellſchaft ſolcher Voͤgel kuͤndigt ſich damit ſchon von Weitem an. Man hat ſie auch mit dem pfeifenden Ton verglichen, den man auf einer durchbohrten Nuß hervorbringt. Er mag aber vielleicht auch noch andere Toͤne hervorbringen koͤnnen, da ein alter Schriftſteller (Belon), welcher ihn auf Candia, wo er außerordentlich haͤufig iſt, beobachtete, ſagt, es klaͤnge fo ſtark, wie das Geſchrei des Pirols, und wie Gruͤl— grürururül, als wenn ein Menſch mit dem Munde pfiff und dabei die Oeffnung deſſelben klein machte oder in die Runde zoͤge. Noch andere ſprechen auch vom vielen Gezwitſch er dieſer Vögel, worunter man indeſſen keinen Geſang verſtehen darf, welcher dieſer Art gaͤnzlich fehlen ſoll. einen Dieſe beſteht lediglich in fliegenden Inſekten, beſonders in groͤ⸗ ßern Arten, die er beinahe immer bloß im Fluge fängt und verzehrt. ) Gleich den Schwalben jagt er unaufhoͤrlich den Inſekten in der Luft nach und faͤngt ſie fliegend, ſcheucht auch die ſitzenden durch ſein ſchnelles, nahes Voruͤberfliegen von den Zweigen, Stengeln und Bluͤthen der Baͤume und Pflanzen, um ſie im Fluge erſchnappen zu koͤnnen. Er umkreiſt deswegen die blühenden Obſtbaͤume und andere, ſtreicht dicht uͤber Wieſen und Getraidefelder oder an hohen Uferwaͤnden dahin, oder er treibt ſich zu andern Zeiten ſehr hoch in den Luͤften herum. So faͤngt er Heuſchrecken, Zicaden, Libellen, Phryganeen, Bremen, Bremſen, Muͤcken, Schnaken und allerlei Fliegenarten, aber auch ſolche Inſekten, welche einen Stachel ha— ben, womit ſie auch noch im Tode ſehr empfindlich ſtechen, als: Horniſſen, Wespen, Hummeln, Honigbienen und andere Arten aus aͤhnlichen Gattungen; ferner: auch allerlei Kaͤfer, Mai-, Brach:, Roſen⸗, Miſt- und Dungkaͤfer. Im Sitzen faͤngt er felten ein In⸗ *) Man will zwar auch Samenkoͤrner, namentlich von Lapsana, Caucalis, Ruͤbſen, ſogar Waitzen, in ſeinem Magen gefunden haben; dies klingt aber ſehr unwahrſcheinlich, und er hat ſie, wenn es wirklich vorgekommen ſein ſollte, gewiß nicht abſichtlich, wegen Mangel an Inſekten, ſondern vielleicht bloß zufaͤllig be⸗ kommen, wenn er an Pflanzenſtengeln und Aehren ſitzende Inſekten, daruͤber hin⸗ fliegend weggeſchnappt und ſo einzelne Koͤrner mit abgeriſſen und verſchluckt hatte. 472 VII. Ord n. XXXVI. Gatt. 177. Euro p. Bienenfreſſer. ſekt, und eben ſo ſelten ſieht man ihn ein groͤßeres, was er im Fluge gefangen, ſitzend verzehren. Es iſt ſo bewundernswuͤrdig als wahr, daß er Wespen, Bie— nen und andere ſtechende Inſekten verſchluckt, ohne daß ihm der Stachel ſchadet, welcher ſonſt auch noch bei der todten Biene, ſo— bald nur der Hinterleib gedruͤckt wird, aus ſeiner Scheide und in die Haut faͤhrt, die er erreicht, daß bei unvorſichtiger Beruͤhrung ſelbſt Jahre lang todt geweſene Bienen noch hoͤchſt empfindlich ſtechen, ſo daß man es nicht begreift, wie es zugeht, daß unſer Vogel beim Verſchlingen jener Inſekten nicht geſtochen wird, was ihm in der Speiſeroͤhre, oder im Magen noch, wie man meinen möchte, unzählige Mal begegnen muͤßte. Schwalben, Flie— genfaͤngern und andern kleinen Vögeln wird der verſchluckte Bie- nenſtachel toͤdtlich, ſelbſt bei jungen Enten habe ich den naͤmlichen Erfolg geſehen; die Kohlmeiſe, welche ich oft habe Bienen freſ— ſen ſehen, huͤtet ſich ſorgfaͤltig vor dem Stachel, indem ſie auf die Biene tritt, ihr die Eingeweide aushackt und ſie ſtuͤckweis verzehrt, aber den Stachel liegen laͤßt. Allein ſchon ein Beiſpiel vom Gegen— theil bei einem andern Vogel: Ich ſchoß 1821 einen Tannen⸗ heher (C. Caryocatactes), welcher einige Hummeln (Bombus terrestris) mit ſammt den Stacheln im Magen hatte, und einer meiner Freunde, ein ſehr fleißiger und zuverlaͤſſiger Beobachter, ſpaͤter auch einen ſolchen Vogel, welcher außer einer Hummel ſo— gar zwoͤlf Horniſſen (Vespa Crabro, L.) ebenfalls mit ſammt den Stacheln verſchluckt hatte, ohne daß man ihm ein Uebelbefinden angeſehen haͤtte. Es iſt alſo auch gar keinem Zweifel unterworfen, daß es die Bienenfreſſer nicht auch koͤnnen ſollten, ob man gleich nicht recht begreift, wie es zugehen mag. Daß ſie die Bienen oder Wespen erſt im Schnabel zerſtuͤckeln und den Stachel nicht mit ver⸗ ſchlucken ſollten, iſt nicht wahr; man hat dieſe Inſekten noch ganz in ihrem Magen gefunden. Des Bienenfanges wegen umſchwaͤrmt der Bienenfreſſer ſehr gern die bluͤhenden Fruchtbaͤume, die Gegenden, wo viel Heidekraut, und die Berglehnen und blumenreichen Thaͤler, wo viel wilder Thy— mian und andere den Bienen angenehme Blumen bluͤhen. Die, welche im Mai zuweilen nach Deutſchland kommen, finden an den Maikaͤfern ein erwuͤnſchtes Mahl. Die harten unverdaulichen Theile der Inſekten giebt er in runden Ballen durch den Schnabel wieder von ſich. VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 473 Fortpflanzung. In Deutſchland, die Donauufer unterhalb Wien ausgenom— men, *) niſtet er nur an den ſuͤdoͤſtlichen und ſuͤdlichen Grenzen zu⸗ weilen, doch auch ſelten, und nur in einzelnen Paaren. Dies iſt in den ſuͤdlicher gelegenen oben genannten Laͤndern aber nicht leicht der Fall; da bruͤtet er meiſtens in großen oder kleinern Geſellſchaf— ten vereint, etwa wie unſere Uferſchwalben, mit denen auch ſeine Fortpflanzungsgeſchichte im Uebrigen viel Aehnlichkeit hat. Seinen Sommerwohnſitz ſchlaͤgt er ebenfalls gern an fließenden Ge⸗ waͤſſern, die hohe Ufer haben, oder ſonſt in huͤgelichten Gegenden auf. — Sie bruͤten hier, wie jene Schwalben und unſere Eis— voͤgel, in Erdhoͤhlen oder engen Röhren, die fie fich in die ſteilen Waͤnde der Ufer und Huͤgel, wo der Boden ſandig oder nicht zu feſt iſt, ſelbſt graben, wahrſcheinlich mit Huͤlfe der Fuͤße und auch des Schnabels. Dieſe Roͤhren ſind nicht weiter, als fuͤr ihre Groͤße gerade noͤthig iſt, in wagerechter Richtung 3 bis 6 Fuß tief, hinten aber, wo das Neſt iſt, backofenfoͤrmig erweitert, und eine ſolche dient durch die ganze Begattungszeit dem Paͤaͤrchen und nachher der ganzen Familie noch eine Zeitlang auch zur gemeinſchaftlichen Schlafſtelle. Solcher Roͤhren ſind oft ſehr viele dicht neben einan⸗ der, wie bei den Uferſchwalben, ja wo ſehr große Geſellſchaften beiſammen niſten, ſollen die Ufer oft ſo durchloͤchert ſein, daß ſie den Honigwaben aͤhnlich ſaͤhen. — Es iſt außerordentlich merkwuͤr— dig, daß gerade ſolche kleinfuͤßige Geſchoͤpfe, wie Bienenfreſſer, Eis⸗ voͤgel und Uferſchwalben, die weder zum Gehen noch zum Klettern eigentliche Geſchicklichkeit beſitzen, zu einer ſo muͤhſamen Arbeit, tiefe Erdhoͤhlen ſich ſelbſt zu graben, beſtimmt wurden; und wenn man auch gewiß wuͤßte, daß die beiden erſtgenannten Gattungen ihren ſtarken Schnabel dazu gebrauchten, ſo muß man doch erſtau⸗ nen, daß es ihnen moͤglich wird, die losgearbeitete Erde, was doch nicht wenig ſein kann, aus dem Hintergrunde einer ſo langen Roͤhre heraus zu ſchaffen. Auf welche Art ſie dies kleine Wunder verrichten, hat man noch nicht beobachten koͤnnen. Den Bienen- freſſern und Eisvoͤgeln leiſten dabei ihre handfoͤrmigen Füße viel⸗ leicht ſehr weſentliche Dienſte. In der am hintern Ende backofenfoͤrmig erweiterten Hoͤhle ſteht das Neſt, welches aber bloß eine ſchlichte Unterlage von etwas Moos ) Fuͤr meine Sammlung erhielt ich z. B. von den bei Stadlau (Wien ge⸗ genuͤber) bruͤtenden alte und junge Voͤgel. 474 VII. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. und einigem Geniſt iſt, worauf die Eier, wahrſcheinlich vom Weib— chen allein, ausgebrütet werden. Es legt deren im Mai fuͤnf bis ſechs, auch ſieben, welche den Eisvogeleiern aͤhneln, aber um Vie⸗ les groͤßer ſind. Sie haben eine beinahe kugelfoͤrmige Geſtalt, eine ungemein glatte, glaͤnzende Schale, wie jene, und ſehen ebenfalls rein weiß aus. Bon den erwähnten unterſcheiden fie ſich deſſenun— geachtet ſehr leicht, durch ihre weit betraͤchtlichere Groͤße, auch koͤmmt ihre Geſtalt der Kugelform faſt noch naͤher. Gegen Ende des Juni ſieht man ſchon Junge mit den Alten herumfliegen, die ſich dann familienweis zuweilen von den groͤßern Vereinen trennen und wei— ter umherirren. Sie werden, wie die jungen Schwalben, noch eine Zeitlang nach dem Ausfliegen von den Alten und meiſtens im Fluge gefuͤttert, und folgen dieſen mit vielem Schreien. Feinde. Man ſagt, daß ſie von ſogenannten Vogellaͤuſen haͤufig geplagt wuͤrden. Ob ihnen gewiſſe Raubvoͤgel und ihrer Brut Raubthiere nachſtellen, iſt nicht bekannt, doch nicht unwahrſcheinlich. Nach dem Wiener Verzeichniß von Eingeweidewuͤrmern fand man bei ihnen eine Filaria, in der Bauchhaut eine Acuaria, in den Eingeweiden ein Distamum und eine Taenia, ſaͤmmtlich neue, in jenem Werke noch nicht mit unterſcheidenden Trivialnamen belegte Arten. a g de Fuͤr einen guten Flugſchuͤtzen iſt der Bienenfreſſer eben kein ſchwerer Schuß, da er groͤßer iſt als unſere Schwalben, die dem weniger Geuͤbten, welcher das Schwalbenſchießen fuͤr die hoͤchſte Vollkommenheit im Flugſchießen haͤlt, freilich ſchon zu ſchaffen machen. In jenen warmen Laͤndern, wo er fo haufig iſt, ſelbſt in der Naͤhe menſchlicher Wohnungen und bewohnter Orte, oder wo er niſtet, iſt unſer Bienenfreſſer auch gar nicht ſcheu, vielmehr ziem⸗ lich zutraulich. Allein die, welche ſich ſelbſt bis zu uns zuweilen verfliegen, zeigen ſich, wie geſagt, viel vorſichtiger und koͤnnen nach einem gethanen Fehlſchuß ſogar ganz ſcheu werden. Da wo ſie haͤufig ſind und ſo, wie bei uns die Schwalben, herumfliegen, faͤngt man ſie an Angelhaken, die man an das Ende eines langen Fadens befeſtigt und mit einem lebenden groͤßern Inſekt bekoͤdert, das man denn ſammt dem Haken auffliegen und dem Vogel wegſchnappen laͤßt. Auf dieſe Weiſe wird er haͤufig auf VI. Ordn. XXXVI. Gatt. 177. Europ. Bienenfreſſer. 475 Candia gefangen. Man mag aber auch noch andere Fangmethoden haben (vielleicht Schwalbennetze), da man gefangene Voͤgel haͤufig auf den Maͤrkten der Staͤdte jener Suͤdlaͤnder verkaufen ſieht. Nutz en. Sein Fleiſch iſt ſehr ſchmackhaft, und er wird in vielen von jenen Laͤndern, namentlich in den Staͤdten Italiens, in Menge auf die Maͤrkte gebracht und fuͤr die Kuͤche verkauft. f Durch das Aufzehren einer Menge laͤſtiger und ſchaͤdlicher In⸗ ſekten wird er ſehr nuͤtzlich. Schaden. Weil er auch Honigbienen frißt, ſo wird er durch das Weg— fangen derſelben ſchaͤdlich, denn er zieht ſich gern nach ſolchen Ge— genden, wo es viele Bienen giebt, und er thut auch der zahmen und wilden Bienenzucht in jenen Laͤndern, wo er haͤufig iſt, vielen Abbruch. f ö Daß er vor die Bienenſtoͤcke gehen, die Bienen mit feiner Zunge anſpießen, und ſie ſo in den e ziehen ſollte, wie in einem großen, neuern, oben angefuͤhrten Werke angegeben wird, iſt wol nicht gut moͤglich, indem der Bau der Zungenſpitze und ſelbſt der ganzen Zunge durchaus nicht zum Anſpießen der In— ſekten geſchickt zu ſeyn ſcheint. Da, wo er in großen Vereinen niſtet, ſoll er das Einſtuͤrzen der Ufer befördern. Sieben und dreißigſte Gattung. Eisvogel. AIO edo. Schnabel: Groß, lang, gerade, faſt vierſeitig, von der ſtarken Wurzel aus nach und nach zugeſpitzt, an der Spitze faſt keilfoͤrmig oder etwas zuſammengedruͤckt, an den ſcharfen Schneiden ſehr wenig eingezogen, die Ruͤckenkanten ſcharf; ſehr ſelten von oben und unten zuſammengedruͤckt. Naſenloͤcher: Seitlich, nahe an der Stirn, klein, ritzfoͤr— mig, ſchief, von oben durch eine nackte weiche Haut verſchließbar. Zunge: Sehr kurz, platt, hinten breit, faſt triangelförmig. Fuͤße: Sehr klein, kurz, weich; von den drei Vorderzehen die mittlere mit der beinahe eben ſo langen aͤußern bis zum zweiten, und mit der viel kuͤrzern innern bis zum erſten Gelenk enge verwach⸗ ſen; die Hinterzeh klein, an der Wurzel breit. Die vierte Zeh iſt oft ſehr klein, ein bloßes Rudiment, ohne Nagel, oder an ihrer Stelle nur dieſer. Die Naͤgel kurz, klein, beſonders der der Hin— terzeh, und ſpitzig. Fluͤgel: Kurz, ziemlich ſtumpf; die erſte Schwingfeder wenig kuͤrzer als die zweite, welche mit der dritten, der laͤngſten, entwe⸗ der gleich lang oder nur wenig kuͤrzer als dieſe iſt. Schwanz: Sehr kurz, zwoͤlffederig, abgerundet oder gez rade; — zuweilen auch etwas lang. Kopf und Schnabel ſind bei den Eisvoͤgeln ſo groß, daß ſie gegen die kleine kurze Geſtalt des Koͤrpers, gegen die kurzen Fluͤgel, Schwanz und ſehr kleinen Füße, ſehr hervortreten, und ein unges woͤhnliches Mißverhaͤltniß hervorbringen, das ſie zu uͤbelgeſtalteten Vögeln macht. Dagegen iſt ihr, am kleinen Gefieder ſtets zerſchliſ— VII. Ordn. XXXVII. Gatt. Eisvogel. 477 ſenes, aber glaͤnzendes Gewand haͤufigſt mit den ſchoͤnſten Pracht⸗ farben, vornehmlich in Blau und Gruͤn geziert, oder dieſe bilden auch oft nur Eine Farbe, ſchillern aber bei verſchiedenem Lichte in Blau, oder in Gruͤn. Auch Roſtroth und Weiß iſt faſt bei allen Arten anzutreffen. Beide Geſchlechter ſind bei den meiſten nur wenig, bei andern mehr verſchieden, und die Jungen ſind bald beiden Aeltern, bald nur der Mutter in der Farbe aͤhnlich, aber duͤſterer gefaͤrbt, oder ſie unterſcheiden ſich an den anders gefaͤrbten Schnaͤbeln und Fuͤßen. Sie mauſern nur einmal im Jahr. Die Fuͤße der Eisvoͤgel aͤhneln denen der Bienenfreſſer ſehr auf— fallend, aber in vielen andern Stuͤcken weichen beide Gattungen ſehr von einander ab. Sie wohnen in allen Laͤndern der Erde, einſam, an Baͤchen, Fluͤſſen, Teichen und Graͤben, in buſchreichen Gegenden, aber nicht in waſſerarmen Waͤldern, ſind daher halbe Waſſervoͤgel, und holen ſich auch ihre Nahrung, kleine Fiſche und groͤßere Waſſerinſekten, aus dem Waſſer, indem ſie jenen dicht uͤber demſelben, auf Zweigen, Steinen oder Pfaͤhlen ſitzend, auflauern oder daruͤber hinflatternd ſie auszuſpaͤhen ſuchen, ſich hineinſtuͤrzen, ſie mit dem Schnabel ergreifen und dann außer demſelben unzertheilt verſchlingen. Die Graͤten und andere harte Ueberbleibſel geben ſie, nachdem ſie ſich bei der Verdauung im Magen abgeſondert, in laͤnglichen Ballen durch den Schnabel wieder von ſich. — Sie ſind ſehr ungeſellig, aber ſcheu und vorſichtig, fliegen pfeilſchnell, niedrig und gerade aus, aber nicht anhaltend, und haben eine hellpfeifende Stimme. — Sie gehen faſt gar nicht, klettern auch nicht, verſtehen aber die Kunſt, lange Roͤhren in die Erdwaͤnde ſteiler Ufer zu graben, worin ſie niſten, aber kein eigentliches Neſt bauen. Sie legen 5 bis 11 rundliche, ſehr glänzende weiße Eier, die das Weibchen allein aus= bruͤtet und unterdeſſen vom Maͤnnchen mit Futter verſorgt wird. Ueber den innern Bau der Eisvoͤgel bemerkt mein Freund Nitzſch, nach Unterſuchung der Alcedo Ispida, Folgendes. „Das Kopfgeruͤſt hat im Ganzen, zumal auch in Hinſicht der Groͤße und Form der Kiefer, eine zwar oberflaͤchliche, aber unverkennbare Aehnlichkeit mit dem der Reiher. Schnabelruͤcken und Stirn liegen faſt in einer geraden Linie. Die Augenſcheidewand iſt ſehr unvoll— ſtaͤndig und das Riechbein hat ſehr kleine Querfluͤgel, aber das Thraͤ— nenbein iſt ſehr anſehnlich, es verbreitert nicht nur die Stirn merk— lich und bildet einen ſtarken Vorſprung am Orbitalrande, ſondern reicht auch nach unten bis zum Jochbogen. Die Gaumenbeine ſind 478 VII. Ordn. XXXVII. Gatt. Eisvogel. ausnehmend flach und breit, vom Hinterrande jederſeits in eine ſehr feine Spitze auslaufend. Die Verbindungsbeine find fo ſtab— foͤrmig und noch laͤnger als bei Upupa. Am Gelenkbeine oder Qua- dratknochen iſt die Kuͤrze und tiefe Richtung des freien Fortſatzes merkwuͤrdig. Den Aeſten des Unterkiefers fehlt das Querloch. Der Halswirbel ſind 11, der Ruͤckenwirbel 8, der Schwanzwirbel 7; der letzte Schwanzwirbel iſt, wenigſtens bei der eben genannten Art und wahrſcheinlich bei allen kurzſchwaͤnzigen, klein, und fein ver- haͤltnißmaͤßig ſehr ſchwacher Dornfortſatz iſt gerade nach hinten, nicht aufwaͤrts, gerichtet. Von den 8 Rippenpaaren haben nur die 5 letzten Rippenknochen; der Rippenknochen des letzten Paares er— reicht das Bruſtbein bei weitem nicht und iſt im Bogen an den des vorhergehenden angelegt. Das Bruſtbein gleicht voͤllig dem der Spechte, nur daß die Knorpelplatten am Ende der vier Abdomi— nalfortſaͤtze fehlen. Die Schulterblaͤtter zeichnen ſich durch bedeu— tende Laͤnge und auffallende Seitenkruͤmmung ihres ſehr zugeſpitzten freien Endes aus. Der wenig geſpreitzte, an den Seiten breite Gabelknochen ohne untern unpaaren Fortſatz. Das Becken iſt an der Ruͤckſeite ſehr flach, glatt abgerundet, ohne merkliche Leiſten der Muskelgruben; die Schaamſtuͤcke ſind weit von einander entfernt, ragen aber kaum über die Sitzſtuͤcke hinaus. An den Hintergliedern iſt die Kuͤrze des Laufs, welcher nur die halbe Laͤnge des Oberſchen— kels hat, auffallend, und wie es ſcheint, allen Eisvoͤgeln gemein.“ „Die, wie bei Upupa, ganz kleine und mit der Laͤnge des Schnabels in außerordentlichem Mißverhaͤltniß ſtehende Zunge iſt wenig laͤnger als breit, von ziemlich dreieckiger Figur, jedoch an den Seitenraͤndern auswaͤrts, am Hinterrande einwaͤrts gebogen, ohne Zaͤhne. Das Zungengeruͤſt iſt merkwuͤrdig durch die Kleinheit des Zungenkerns und die Breite des Zungenbeinkoͤrpers.“ „Am untern Kehlkopf konnte ich keine eigenen Muskeln erken— nen. Die Muskeln, welche die aus zarten weichen Ringen be— ſtehende Luftroͤhre in die Bruſthoͤhle ziehen, ſind ſehr ſchmaͤchtig und ſchwach.“ ö „Der Schlund iſt weit, aber ohne Kropf. Der Botmagen aus⸗ nehmend kurz; der Magen haͤutig und ausdehnbar; das Gedaͤrm, welches nach hinten immer enger wird, ohne Spur von Blinddär- men. Die Leber nicht groß, die Lappen derſelben, wie gewoͤhn— lich, ungleich, beide faſt nur durch Gefaͤße zuſammenhaͤngend. Die Nieren breit, meiſt dicht an einander liegend, nur ſcheinbar von der Schenkelvene durchbohrt. Die Hoden zur Fortpflanzungszeit VII. Ordn. XXXVI, Gatt. Eisvogel. 479 faſt kugelig, außerdem ſehr klein und laͤnglich. Die ziemlich große Buͤrzel- oder Schwanzdruͤſe iſt am Ausführungsgange mit ſchwaͤrz⸗ lichen Federn beſetzt.“ „ Von den zahlreichen Arten der Linneiſchen Gattung Alcedo wur— den fruͤherhin ſchon von Latham, und mit Recht, die Jaka mars (Galbula) getrennt; in neuern Zeiten hat man ſich ebenfalls be— wogen gefunden, noch eine (ſehr große) Art als Gattung (Dacelo. Leach.) von den Eisvoͤgeln zu trennen; daß es aber auch mit den dreizehigen Eis voͤgeln (Ceyx, La Cep.) geſchehen, möchte wol weniger zu loben ſeyn, da ſie von den uͤbrigen auch nicht mehr abweichen, als die dreizehigen Spechte von den andern, zu— mal da ſich . ebenfalls ganz aͤhnliche Uebergaͤnge finden, wie unter jenen. In Europa haben ſich bis jetzt nur zwei Arten Eis⸗ voͤgel gefunden und in Deutſchland lebt davon nur Eine Art. 178. Der gemeine Eisvogel. Alcedo ispida. Linn. Fig. 1. altes Männchen. f W 2. junger Vogel. Der Eisvogel; (Bſchvogel) blauruͤckiger —, laſurblauer —, Europaͤiſcher Eisvogel; Koͤnigsfiſcher, Europaͤiſcher Koͤnigsfiſcher; Fiſcher⸗Martin, St. Martinsvogel; Uferſpecht, Waſſerſpecht, See— ſpecht; Waſſermerl; Waſſerhaͤhnlein, Waſſerhennle, Seeſchwalme; Eiſengart; hier Eisvogel. Alcedo Ispida. Gmel. Linn. syst. I. 1. p. 448. n. 3. — Lath. ind. I. p. 252. n. 20. = Le Martin pecheur ou l’Alcyon. Buff. Ois. VII. p. 164. T. 9. — Edit. de Deuxp. XIII. p. 207. t. 4. f. 1. = Id. Pl. enl, 77. = Gerard, tab. elem. I. p. 380. = Martin-pecheur Alcyon. Temminck Man. nouv. Edit. I. P. 423. = Common Kingsfisher. Lath. syn. I. 2. p. 626. n. 16. supp. p. 115.— Ueberſ. v. Bechſtein. I. 2. S. 513. n.16.= Penn. arct. zool. II. p. 280. A. uͤberſ. v. Zimmermann. II. S. 264. A. Z. = Bewick brit. Birds. II. p. 19. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. II. S. 1106. Deffen orn. Taſchenb. I. S. 80. Wolf u. Meyer, Taſchenb. d. Voͤgelk. I. S. 134. - Borkhauſen, Becker u. a. Teutſche Ornith. Heft 11. M. u. W. — Meisner u. Schinz, Voͤg. d. Schweiz. S. 49. n. 49. = Meyer, Voͤgel Liv- u. Eſthlands. S. 69. = Koch, Baier. Zool. I. S. 78. n. 10. - Brehm, Beitr. I. S. 587. = Friſch, Voͤg. Taf. 223. = Naumann's Voͤg. alte Ausg. III. ©. 463. Taf. 72. Fig. 113. Maͤnnchen. Hierher wird auch noch gezählt: Gracula atthis. Gmel. Linn. syst. I. p. 398. n. 8. = Lath. ind. I. p. 192. n. 10. —= Egyptian Grakle. Lath, syn. uͤberſ. v. Bechſtein. I. 2. S. 383. n. 9. = Ispida senegalensis. Brisson Orn. IV. p. 485. n. 7. t. 39. f. 1. (aber nicht Alcedo senegalensis, Gmelin Linn. System. n. 10.) = Le Baboucard. Buff. Ois. VII. p. 193. — Edit. d. Deuxp. XIII. P. 241. = Der Eisvogel mit dem Feder buſch (aber nicht Alcedo cristata, Gm. Lin. I. p. 447. n. 1). Sander u. Goͤtz im Naturforſcher. XIII. S. 182. und XV. S. 137. Kennzeichen der Art. Scheitel und Hinterhaupt dunkelgrün, mit hell grünblauen Monde fleckchen; Schultern und Fluͤgeldeckfedern dunkelgrün, letztere mit hell gruͤnblauen Fleckchen; ein Streif dem ganzen Rüden entlang berill— blau; der ſehr kurze Schwanz dunkel laſurblau. Laͤnge (ohne Schnabel) 64 Zoll. VII. Drdn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 481 Beſchrei bung. Wenn gleich die aus einer vollſtaͤndigen Beſchreibung ausge⸗ hobene kurze Diagnoſe unſers Eisvogels, gegen die andrer nah- verwandten Arten gehalten, nicht viel Hervorſtechendes zu haben ſcheint, ſo unterſcheidet ſie ihn doch beſtimmter von dieſen, als man meinen moͤchte, wenn man ihn nicht neben recht vielen andern Arten dieſer Gattung aufgeſtellt geſehen hat; denn bei der, in dieſer Gattung uͤberhaupt vorkommenden, oͤftern Wieder— holung der Hauptfarben und Zeichnungen, indem viele Arten einen roſtfarbigen Unterkoͤrper, mehrere einen beryll-, gruͤn- oder laſur— blauen Ruͤcken, und manche einen dunkelblauen Schwanz haben, iſt es keine leichte Aufgabe, gute Artkennzeichen aufzuſtellen. Zwar koͤmmt der Schwanz nur bei wenigen ſo kurz vor, als beim unſri— gen, und die blaue Farbe hat hier ebenfalls etwas Eigenthuͤmliches; dies kann aber, wie noch manches Andere, nicht mit wenigen Wor— ten, ſondern beinahe bloß durch vergleichendes Beſchauen ganz ver— ſinnlicht werden. Die meiſte Uebereinſtimmung in den Farben und deren Vertheilung hat er mit dem gehaͤubten Eisvogel (Alcedo cristata) von den Molucken und Philippinen, welcher aber um Vieles kleiner iſt, deſſen Hinterhauptsfedern, welche aufge— ſtraͤubt eine Holle bilden (doch auch nicht viel laͤnger als bei dem unſrigen ſind), auf einem hell beryllblauen Grunde rein gezeichnete, tiefſchwarze Wellenlinien haben, deſſen Schultern mehr violett und beryllblau, als grün, und deſſen übrige Farben auch, obgleich aͤhn— lich, doch weit heller und noch viel praͤchtiger ſind, als an dem unſrigen. Mit einem andern Europaͤiſchen Vogel iſt unſer Eisvogel nicht zu verwechſeln. Daß gemeine Leute eine Aehnlichkeit zwiſchen ihm und unſerm Kleiber finden wollen, wie ich mehrmals gehoͤrt habe, iſt gar zu weit hergeholt. Er wuͤrde ſeines, mit ſo prachtvollen Farben geſchmuͤckten Kleides wegen den allerſchoͤnſten unter den ein— heimiſchen Voͤgeln den Rang ſtreitig machen, wenn er, nach unſern aͤſthetiſchen Begriffen, nur beſſer geſtaltet waͤre; denn die ſehr klei— nen Fuͤßchen, die kleinen Fluͤgel und der ſehr kurze Schwanz ſchei— nen insgeſammt nicht allein mit dem Rumpfe, ſondern vorzuͤglich mit dem dicken Kopfe und großen Schnabel in einem widrigen Miß— verhaͤltniß zu ſtehen. Seine Geſtalt haͤtte faſt etwas Spechtartiges, wenn Kopf und Schnabel nicht gar zu groß, oder Fuͤße und Schwanz nicht gar zu kurz waͤren. or Theil. 31 482 VII. Ordn. XXXVIL Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. Er iſt nicht viel groͤßer als ein Hausſperling, aber der große Kopf macht, daß er groͤßer ausſieht, als er wirklich iſt. Seine Länge (ohne Schnabel) iſt 6 bis 62 Zoll; die Fluͤgelbreite 104 bis gegen 12 Zoll; die Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, 3 Zoll 2 Linien; die ruhenden Flügel reichen deshalb nur etwas über die Wurzel des Schwanzes hinweg, welcher nur 18 bis 17 Zoll lang iſt. Die Schwingfedern, von welchen bloß die erſte kuͤrzer und die zweite die laͤngſte iſt, haben faſt einerlei Laͤnge, und bilden einen kleinen, etwas breiten, ſtumpfen Fluͤgel; die der erſten Ordnung ſind etwas ſtark, ſchmal, und ſpitz zugerundet, die der andern brei— ter, am Ende gerade oder ausgerandet, die letzten abgerundet; die zwoͤlf weichen Federn des abgerundeten Schwanzes auch mit runden Enden, uud die obern und untern Schwanzdeckfedern außerordent— lich lang, ſo daß ſie den Schwanz uͤber die Haͤlfte bedecken. Der Schnabel iſt, vergleichsweiſe, ein Mittelding zwiſchen einem Specht- und einem Reiherſchnabel. Er iſt groß, lang, ſtark und etwas eckig, gerade und allmaͤhlig zugeſpitzt, doch nicht ſo ſchnurgerade in die Spitze auslaufend, daß, in ſeiner Profilanſicht, nicht eine ſehr ſanfte Biegung gegen die Spitze hin, aber dem obern und auch dem untern Ruͤcken nach, bemerklich wuͤrde; er hat vor dem Naſenloch eine ſchwache Laͤngenfurche, ſcharfe Ruͤckenkanten, wenig eingezogene, auf einander paſſende ſcharfe Schneiden, und die ſcharfe Spitze des Oberſchnabels ragt zuweilen etwas uͤber die des untern vor. Er iſt 1 Zoll bis 1 Zoll 8 Linien lang, an der Wurzel uͤber 4 Linien hoch und faſt 4 Linien breit, meiſtens ganz ſchwarz, bei recht alten Maͤnnchen aber an der Wurzel des Unter— ſchnabels im Herbſt rothgrau oder ſchmuzig roth, im Frühling, wie auch die Mundwinkel, hochroth; der innere Schnabel und Rachen ſchoͤn gelbroth, nur letzterer nach hinten blaͤſſer; die kurze, breite, platte, triangelfoͤrmige Zunge eben ſo. g Die kleinen, am Schnabelgrunde liegenden Naſenloͤcher ſind ritzfoͤrmig, und koͤnnen von der ſie, beſonders von oben, umgeben— den weichen Haut nach Belieben verſchloſſen werden. Das Auge iſt etwas klein, liegt nahe am Schnabel, und hat einen breiten, dunkelbraunen Stern. 6 f Die Fuͤße ſind ſehr klein, im Verhaͤltniß noch kleiner als beim Bienenfreſſer, mit deſſen Fuͤßen ſie ſonſt viele Aehnlichkeit haben. Sie ſind zart, fleiſchig und weich anzufuͤhlen, die Laͤufe aͤußerſt kurz, die Ferſen bis über das Gelenk hinauf kahl, Fuß- und Zehenruͤcken ungemein ſeicht in Schilder zerkerbt; von den Zehen VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 483 die mittelſte mit der faſt eben ſo langen aͤußerſten bis zur zweiten, und mit der viel kuͤrzern innern bis zum erſten Gelenke verwachſen, die Sohlen breit und ſchwammicht; die Hinterzehe klein und noch etwas kuͤrzer als die innere Vorderzehe, an der Wurzel ebenfalls mit breiter Sohle. Die Krallen find weder groß noch ſcharf, ziem⸗ lich ſtark gebogen, unten gerieft, befonders die groͤßeſte an der Mittelzehe. Die Fußwurzel mißt z bis faſt 4 Zoll, die Mittelzehe mit der 2 Linien langen Kralle faſt 4 Zoll, die äußere ziemlich eben ſo viel, die Kralle aber bedeutend kuͤrzer, die Hinterzehe ohne ihre 14 Linien lange Kralle nur 4 Zoll. Die Farbe der Füße iſt ein lebhaftes Mennigroth, die Krallen ſind ſchwarz. Das kleine Gefieder iſt zerſchliſſen, dabei ziemlich derb, mei— ſtens glatt anliegend, und hat einen beſondern Glanz, der an den untern Theilen ſeidenartig, an den obern metalliſch iſt, oder faſt, wie wenn es mit Fett beſtrichen waͤre, ausſieht. Die Federn am Hinterkopf und Nacken ſind groß, etwas lang, und koͤnnen ſo aufgeſtraͤubt werden, daß ſie eine Art von Holle bilden. Zwei Hauptfarben zieren vornehmlich dieſen Vogel; von oben ein koͤſt— liches in Gruͤn ſchillerndes Blau, am Unterkoͤrper eine angenehme Roſtfarbe, und ihre Vertheilung iſt folgende: Von der Stirn bis in den Nacken hinab iſt der ganze Ober- und Hinterkopf ſehr ſchoͤn dunkelgruͤn, im Grunde der Federn etwas grau ſchimmernd, am Ende jeder derſelben aber mit einem mondfoͤrmigen hell blaugruͤnen Querflecke, wodurch das Ganze auf dunkelgruͤnem Grunde licht blaugruͤn gebaͤndert erſcheint; ein eben ſo gefaͤrbter, aber mehr gefleckter als gebaͤnderter breiter Streif geht vom untern Schnabelwinkel neben der Kehle an der Seite des Halſes herab, bis gegen die Einlenkung des Fluͤgels, wo er mit wenigem Blaugruͤn ſich eines Theils etwas nach der Bruſt herumzieht, andern Theils in das mit wenigem Blau gemiſchte Dunkelgruͤn der Oberruͤckens und der Schultern verlaͤuft; der Raum, zwiſchen jenem Gruͤn und Blau der Kopfſeiten vom Schnabel an, durch die Zuͤgel, unter dem Auge, über die Wange weg, bis hinter das Ohr, bildet aber- mals einen Streif, aber von einer ſchoͤnen Zimmet- oder Roſtfarbe, und gleich unter ihm, an der Seite des Halſes ſteht ein weißer Fleck. Auf der Mitte des Oberruͤckens faͤngt ein Streif von einem ausge— zeichnet ſchoͤnen glaͤnzenden ſatten Beryllblau an, welcher weiter hinab bald breiter wird, den ganzen Unterruͤcken und Buͤrzel ein— nimmt, und an den laͤngſten der ſehr langen Oberſchwanzdeckfedern ſanft in laſurblau uͤbergeht; die Schwanzfedern praͤchtig dunkel 484 VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. laſurblau, ins Gruͤne ſpielend, mit ſchwarzen Schaͤften, an den Innenfahnen und auf der untern Seite matt braunſchwarz. — Die Fluͤgeldeckfedern ſind dunkelgruͤn, die kleinen und mittlern an den Spitzen mit hell gruͤnblauen Fleckchen, von der Groͤße eines Hirſekorns, die großen mit gruͤnblauen Endkanten; von den Schwingfedern ſind die letzten auf der ganzen Außenfahne, die mittleren bloß an der Kante derſelben, die großen eben daſelbſt als ein noch ſchmaͤleres, hier auch die Spitze nicht erreichendes Saͤumchen, ſehr ſchoͤn glaͤnzend gruͤnblau; das Uibrige der Schwingen braun— ſchwarz, auf den verdeckten Fahnen matter als an den freien und an den Spitzen. — Die Kehle iſt weiß, gelblich angeflogen; von der Mitte der Gurgel an bis an den Schwanz ſind alle untern Theile des Vogels, auch die untern Fluͤgeldeckfedern, ſchoͤn zimmet- oder roſtfarben, am lichteſten am After und an den Unterſchwanzdeck— federn; das uibrige des Unterfluͤgels grau, oberwaͤrts roſtroͤthlich angeflogen. Dies die Beſchreibung eines alten Maͤnnchens. Die grünen und blauen Farben glänzen und ſchillern ganz vor⸗ trefflich, ſo daß nach dem verſchiedenen Einfallen der Lichtſtrahlen beim Wenden des Vogels, oder wenn er aus einem andern Licht- und Stand— punkte geſehen wird, die eine in die andere ſchnell uͤbergeht; ſieht man ihn z. B. in vollem Lichte, ſo vereinigen ſich jene Prachtfarben in eine einzige, in ein prismatiſches, herrliches Blaugruͤn, womit der ganze Vogel von oben uͤbergoſſen zu ſeyn ſcheint; hingegen im Halbdunkel geſehen, iſt dies Alles wieder ein koͤſtliches Ultramarin, oder auch ein etwas dunkleres prachtvolles Laſurblau; ſo geht es, je nachdem das Licht von der oder jener Seite, ſchief oder gerade u. ſ. w. auf ihn faͤllt, in unzaͤhligen Abſtufungen aus dem tiefſten Blau in das hellſte Gruͤn uͤber, daß man ſich nicht wundern darf, wenn der Eine Gruͤn nannte, was der Andere im Augenblicke für Blau hielt; daher auch die verſchiedene Benennung der Hauptfarbe in den Beſchreibungen dieſes Vogels. Dieſer Schiller iſt bei allen, jedoch nur am Gefieder ganz alter maͤnnlicher Voͤgel von recht ausgezeich— neter Schoͤnheit, bei weiblichen und juͤngern Voͤgeln dagegen lange nicht ſo leuchtend. Bei juͤngern Maͤnnchen iſt die dunkle Grundfarbe des Kopfes mehr graugruͤn, die baͤnderartigen Mondflecken viel lichter blaugruͤn, die Streifen neben der Kehle noch unreiner gruͤn, ſo auch die Schultern, die Farbe des Unterkoͤrpers faͤllt mehr ins Gelb⸗ braͤunliche als in wahre Roſtfarbe, und an der Oberbruſt laufen graugruͤne Federkanten, von der Seite nach der Mitte, ziemlich weit VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 485 herein, die ſich zum Theil ſpaͤterhin abreiben und verlieren; auch iſt kaum der Mundwinkel etwas roth, ohne daß dies noch weiter an der Wurzel des Unterſchnabels verbreitet waͤre; ſonſt aͤhneln ſie ganz dem aͤltern Maͤnnchen. Das Weibchen ſcheint oͤfters etwas kleiner zu ſeyn, und hat ein dem jüngern Männchen ähnlich gefärbtes Kleid, nur daß hier die Haupt: farbe durchaus mehr Grün als Blau iſt, was befonders auffallend wird, wenn man ein altes Maͤnnchen daneben hat; auch der ſchoͤne Ruͤckenſtreif iſt ſchmaͤler, die Farbe des Unterkoͤrpers matter, und wenn es noch jung iſt, ſchmutziger; es iſt alſo lange nicht ſo ſchoͤn gefaͤrbt, wie das alte, auch weniger ſchoͤn, als das juͤngere Maͤnn— chen. Es hat auch weniger, das einjaͤhrige oft gar kein Roth an den Schnabelwinkeln. Das Jugendkleid iſt ebenfalls wenig von dem der Alten verſchieden, doch durchaus viel dunkler. Wenn die jungen Eis— voͤgel laͤngſt das Neſt verlaſſen haben, ſind ſie doch noch bedeutend kleiner, und oft ohne Schnabel um einen Zoll kuͤrzer, als jene, be— ſonders klein iſt dann noch der letztere, öfters F bis gegen 4 Zoll kuͤrzer, als bey den Alten, und er bildet ſich erſt allmaͤhlig aus. Von Farbe iſt dieſer hier ganz grauſchwarz, und ſo ſind in fruͤher Ju— gend auch die Fuͤße bloß ſchwarzgrau; aber dieſe werden bald, wenn ſie ausfliegen, zuerſt auf der innern Seite ſchmutzig roth, endlich nach und nach hell mennigroth, und ſie fuͤhlen ſich anfaͤnglich un— gemein weich an. Das Gefieder hat viel duͤſterere Farben; das dunkle ſchwaͤrzliche Gruͤn iſt mit Grau gemiſcht, das Blaugruͤn und Gruͤnblau weniger glaͤnzend, und uͤber kleinere Flaͤchen verbreitet; die Farbe des Unterkoͤrpers, ein ſchmutziges gelbliches Zimmetbraun, iſt an der Oberbruſt durch graugruͤne Federkanten noch duͤſterer ge— macht, und an den Zuͤgeln befindet ſich ein ſchwaͤrzliches Fleckchen. Oefters iſt der Oberſchnabel ganz gerade, der untere etwas gewoͤlbt, fo daß es ausſieht, als waͤre der Schnabel ein wenig aufwaͤrts gebogen, was aber eigentlich der Fall nicht iſt, und dies verliert ſich auch bei der Ausbildung des Schnabels bald ganz. Die Weibchen dieſes Alters ſind kaum durch etwas mattere Farben und mehreres ſchmu— tziges Gruͤn an den Federraͤnden der Oberbruſt von den gleich alten Maͤnn en zu unterſcheiden. Nach den r findet man am Gefieder der Eisvoͤgel wenig Veraͤnderung. Im Winter ſind ſie am ſchoͤnſten, und im Laufe des Fruͤhjahrs verſchießt vorzuͤglich die Farbe der untern Theile, ſo, daß dieſe im Sommer eine Farbe haben, die der 486 VII. Or dn. XXXVII. Gatt.178. Gemeiner Eisvogel. gleich koͤmmt, welche das roͤthlichgelbbraune ſeidenartige Papier hat, worin man das Buchbindergold eingepackt findet, oder die wie ver— ſchoſſenes braungelbes Seidenzeug ausſieht, und die ſchoͤnen gruͤnen und blauen Farben ſind dann auch etwas heller, doch eben nicht ſchlech— ter geworden. Die alten Eisvogel mauſern ſich im September und Oktober, die jungen aber ſpaͤter und langſamer, ſo daß man ſie vom Oktober bis zum Dezember, und ſpaͤter, immer noch im Federwechſel begriffen findet. Das Jugendgefieder iſt uͤberhaupt auch nicht ſo locker und unvollkommen, wie das anderer junger Landvoͤgel, und ſie aͤhneln hierin den Waſſervoͤgeln. een OLE. Der gemeine Eisvogel lebt mehr in gemaͤßigten und warmen, als in noͤrdlichen Laͤndern, und hat eine weite Verbreitung. Eu— ropa bewohnt er von Weſten und Suͤden an, in allen Theilen, bis England, wo er eben nicht ſelten iſt, im Norden aber nur einzeln bis Daͤnemark, oder bis Liv- und Eſthlandgeht, im Oſten auch Rußland ein gutes Stuͤck hinauf bewohnt, aber nun ebenfalls in den angrenzenden Erdtheilen, in Afrika und Aſien, in vielen Laͤndern, z. B. im erſtern von Egypten und der Berberey bis an den Senegal, im andern von Perſien, Indien und China bis in die Tartarey und Sibirien hinauf, vorkommen ſoll. In Deutſchland und in den gegen Morgen, Mittag und Abend angrenzenden Laͤndern iſt er nirgends ſelten, obwol er uͤber— all nur einzeln vorkoͤmmt; denn er gehoͤrt unter die Zahl der Voͤgel die nie in Menge beiſammen geſehen werden, ſondern ſich bloß ver— einzelt uͤber viele Gegenden verbreiten. Auch in der hieſigen koͤmmt er oft genug vor, aber in manchem Jahre haͤufiger, als in andern, und ich glaube bemerkt zu haben, daß ſie nach ſtrengen Wintern immer weniger haͤufig waren, als ſonſt. Er iſt ein Strichvogel, und verlaͤßt feinen Sommeraufent— halt als ſolcher zwar, wandert aber nicht weit weg, und wo es ihm ſonſt an nichts mangelt, bleibt er mit wenigen Unterbrechungen von kleinen Ausfluͤchten oͤfters faſt das ganze Jahr hindurch. Im Juli oder Auguſt laͤßt ſich zuweilen ſchon einer an Orten ſehen, die fern von denen liegen, wo er bruͤtete, doch iſt die eigentliche Strichzeit der September, Oktober und November. Es treibt dann einer den andern, und der, welcher ſeinen Platz behauptet, haͤlt oft mehrere Wochen da aus; denn es iſt ein hoͤchſt ungeſelliger Vogel, welcher VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eis vogel. 487 immer einſam ſeyn will, ſo, daß außer der Brutzeit ſelten einmal ein Paͤaͤrchen ſich lange an einem Orte mit einander vertraͤgt. So ſieht man ihn denn zu jeder Jahreszeit; aber wenn der Winter ſtrenge wird, begiebt er ſich an ſolche Gewaͤſſer, welche nicht zu— frieren, oder die ſtellenweis vom Eiſe frei bleiben, und ſtreicht auch zum Theil nach mildern Gegenden. Dies Herumſtreichen dauert denn in guten Fruͤhjahren bis in den Maͤrz und April hinein, in ſchlechten wol bis gegen den Mai, worauf ſie ſich an den Bruͤte— plaͤtzen wieder ſehen laſſen, und hier wenigſtens bis in die Mitte des Sommers, oͤfters auch bis in den Herbſt verweilen. Er ſcheint dieſe Streifzuͤge zur Nachtzeit zu unternehmen, ob er gleich außer— dem, gleich andern Landvoͤgeln, des Nachts ruhig iſt. Sein Aufenthalt ſind die Ufer der Stroͤme, Fluͤſſe, Bäche, Teiche, Graͤben und anderer ſtehenden oder fließenden Gewaͤſſer, aber nicht die Seeufer. Er liebt vorzuͤglich ſolche Gewaͤſſer, deren Ufer zum Theil hoch und ſteil, und die mit Gebuͤſch und Baͤumen beſetzt ſind, koͤmmt aber in der Strichzeit auch an die flachufrigen, wenn ſie nur mit Gebuͤſch umgeben ſind, und ſucht im Sommer ſelbſt die kleinſten, unter finſterm Gebuͤſch verſteckten Graben und Tuͤm⸗ pfel auf; doch duͤrfen dieſe nicht zu weit von groͤßern entfernt und gar zu tief im Walde liegen. Ob die Gegend eben oder gebirgig ſey, iſt ihm gleich, wenn nur buſchreiche oder hohe Ufer da ſind, und dann liebt er auch vorzuͤglich klares, ſeichtes Waſſer, weshalb er ſich gern nach abgelaſſenen Fiſchteichen zieht. Im Winter ſucht er warme Quellen und andere offene Stellen, ſelbſt die von Menſchen ins Eis gehauenen Loͤcher auf. So frei, daß er ſich weit umſehen koͤnnte, ſitzt der Eisvogel ſelten; ſeine Ruheoͤrter ſind vielmehr faſt immer an ſolchen Stellen, welche ihm nur nach ein paar Seiten hin freie Ausſicht gewaͤhren, ja er ſucht ſich, beſonders in lebhaften Gegenden, nahe bei Doͤr— fern und Staͤdten oder Waſſermuͤhlen, nicht ſelten recht unter Ge— buͤſch verſteckte Plaͤtzchen und Winkel zu Lieblingsſitzen aus, auf welchen nicht allein einer, ſondern auch andere, nach ihm in die Gegend kommende Eisvoͤgel immer anzutreffen ſind; derſelbe Stein, Pfahl, Stock, daſſelbe Wehr, oder ein uͤber das Waſſer haͤngen— der Baumzweig, den oder das der eine bequem fand, wird auch von dem andern zu gleichem Zwecke benutzt, und ſie laſſen ſich ſelten auf einem andern jenem aͤhnlichen Sitze dort nieder. Solcher allgemeis nen Lieblingsplaͤtzchen gibt es in einer Gegend immer mehrere, aber oft in ziemlicher Entfernung von einander, mit denen er denn haͤu— 488 VII. Ord n. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eis vogel. ſig wechſelt; aber ſie ſind allemal tief unten, ſelten uͤber 2 Fuß hoch uͤber dem Waſſerſpiegel, und ſtets an etwas abgelegenen Orten. In einſamern, von menſchlichen Wohnungen weit entfernten Gegen: den waͤhlt er ſich zwar auch oft freiere Sitze, auf welchen man ihn ſchon von weitem bemerken kann; aber ganz auf hoͤhere freie Zweige oder gar auf die Wipfel hoher Baͤume, fliegt er nur, wenn er ſich paaren will, und mit dem Weibchen herumjagt, wo er ſich zuweilen ſogar vom Waſſer weit entfernt und bis auf einzelne Feldbaͤume verfliegt, was außerdem nie der Fall iſt, da er, wo es irgend ſein kann, ſtets ganz nahe bei und uͤber dem Waſſer bleibt, auch flie— gend dem Laufe der Ufer oder Gewaͤſſer folgt, und ſich nie auf hohe Baͤume ſetzt. Dazu hat jeder dieſer Voͤgel ein eignes Revier, wor— aus er jeden andern, welcher ſich einzudraͤngen ſucht, ſo lange hart— naͤckig verfolgt, bis er daraus gewichen iſt. An zu kahlen Stellen der Ufer, oder gar an freiliegenden, flachufrigen Gewaͤſſern verweilt er nie lange, auch nicht da, wo ſehr viel Rohr und Schilf waͤchſt; hier haͤlt er ſich an den freiern Stellen auf, und nimmt ſeinen Sitz zwar immer nahe bey jenen, jedoch ohne jemals ſich in die Buͤſche von dieſen Waſſerpflanzen zu verkriechen. In den Bruͤchern findet man ihn daher auch nur an den einzelnen Abzugsgraͤben, welche mit Bäumen und Gebuͤſch ein- gefaßt find; denn er hat es gar zu gern, wenn Baumzweige recht tief uͤber das Waſſer herabhaͤngen. Seine Schlafſtelle iſt auch oft da, wo es keine hohe hohle Ufer gibt, ein ſolches, ſonſt eine Ufer— hoͤhle, und er durchſchlaͤft, wie ſchon erwaͤhnt, die Naͤchte, wenn er nicht wandert, der Gewohnheit der Waſſervoͤgel entgegen, ganz ruhig. Ei g een ch a fei en,. Unſer Eisvogel iſt ein wilder, ſcheuer, ſchneller und ungeſtuͤmer Vogel, dabei hoͤchſt zankſuͤchtig und ungeſellig. Er betrachtet jeden ſich ihm naͤhernden andern Vogel mit neidiſchen Augen, und ſucht ihn gelegentlich fortzujagen, wenn er ihn zu meiſtern gedenkt, iſt dagegen auch wieder ſchrecklich aͤngſtlich, wenn ein ſtaͤrkerer uͤber ihn koͤmmt, und ihn jagt, wie ich z. B. von Kraͤhen zuweilen geſehen habe, und ſucht dann ſchreiend ſein Heil in der Flucht. Gegen ſeines Gleichen iſt er ein ſolcher Neidhard und Zaͤnker, daß ſich nie zwey in der Naͤhe leiden, wovon nur in der Fortpflanzungszeit und dann eine Ausnahme ſtatt findet, wenn beide gerade ein Paͤaͤrchen ſind, und an dem Orte vollauf zu freſſen haben. Sonſt wird der VII. Ord n. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 489 eine von dem andern ſo lange gejagt und gezwickt, bis einer von ihnen weicht, und ſich ein anderes Revier aufſucht. So hat auch jedes Paͤaͤrchen ſein eigenes Niſtrevier, und wenn da einer des zu— naͤchſt wohnenden die Grenze uͤberſchreitet, ſo wird er augenblicklich heftig und ſo lange verfolgt, bis er ſich wieder zuruͤckgezogen hat. Wie ein Pfeil dicht uͤber der Waſſerflaͤche hinſtreichend, um die Ecken des Ufers im ſchnellſten Schwunge ſich ſchwenkend, und unter be ſtaͤndigem Schreien, ſchießt der eine hinter dem andern her, daß ſie in blinder Wuth oft den am Ufer ſtehenden Menſchen nicht eher ge— wahren, bis ſie dicht bey ihm ſind, aber dann gemeiniglich auch fo heftig erſchrecken, daß fie über den Schreck ihren Zank augen- blicklich vergeſſen, und jeder ſeines Weges fliegt; denn es ſind gar ſcheue Voͤgel, die in Zeiten des Uiberfluſſes die Annaͤherung des Menſchen von weitem ſchon fliehen, ſich deswegen gern in ſtillen einſamen Winkeln der Gewaͤſſer aufhalten, und nur bei weniger Nahrung und an kalten Wintertagen ihre ſonſtige Wildheit etwas ablegen. ö Seine kleinen Fuͤßchen ſcheinen nur zum Sitzen, nicht zum Gehen beſtimmt, denn er geht aͤußerſt ſelten, und dann nur einige Schritt— chen, etwa auf der kleinen Flaͤche eines Steins oder Pfahls, aber nie auf flachem Erdboden. Er ſitzt dagegen ungemein viel und anhaltend, immer ſtill und ſeinen Blick meiſtens nach dem Waſſer geſenkt, am liebſten auf der kleinen Plattform einer Steinſpitze, eines Pfahls u. dgl., doch auch auf ſtumpfen Spitzen derſelben, oder auf wage— rechten Zweigen; einen ſchiefen Sitz auf Rohrſtengeln und ſchiefen Stecken liebt er weniger, und haͤlt dies nie ſo lange aus, als auf jenen, wo er zuweilen wol Stunden lang einen fo bequemen Sitznicht, oder wenigſtens nur in kleinen Unterbrechungen verlaͤßt. Vielleicht iſt auch ein ſolcher Sitz, wo er gerade wagerecht auf den Fuͤßen ſteht, dem ſchnellen Hinabſtuͤrzen ins Waſſer, und dem ſichern Fange ſei— ner Nahrung befoͤrderlicher, als ein ſchiefer; denn er iſt gewohnt, von ſeinem Sitze, den Schnabel unterwaͤrts gerichtet, ſich wie ein Bleiklumpen ins Waſſer zu ſtuͤrzen, oder wie ein Froſch hinein zu ſpringen, ohne dabey die Fluͤgel zu entfalten. Um auf wagerechten, ſehr duͤnnen Zweigen, die er gerade recht gern hat, feſter zu ſitzen, nimmt er die innere Vorderzehe, ob ſie gleich an ihrem Grunde etwas mit der Mittelzehe verwachſen iſt, herum zur hintern, wie es in aͤhnlichen Faͤllen viele Raubvoͤgel mit der, meiſt auch durch eine kleine Spannhaut mit der mittlern verbundenen aͤußern Vorderzehe machen, kann ſie aber deshalb noch lange nicht parallel neben die 490 VII. Ord n. XXXVII. Gatt.178. Gemeiner Eisvogel. Hinterzehe legen, und die Fuͤße zu paarzehigen machen, wie man ſonſt vorgab; denn daran hindert eben jenes Verwachſenſein der Zehenwurzeln. Seine Stellung iſt ſitzend gewoͤhnlich etwas aufrecht, und im Affect ſtraͤuben ſich die Federn des Hinterkopfes zu einer Holle auf, wie bei Lerchen und Finken. Er iſt auch ein guter Tau— cher, haͤlt ſich aber nicht lange unter dem Waſſer auf, und ſchwimmt ſehr gut, wobei ihm wol die breiten Sohlen ſehr gute Dienſte leiſten moͤgen. Er ſcheint traͤge zu ſeyn, weil er ungeſtoͤrt ſeinen Sitz eben nicht oft aͤndert, und nur in der Fortpflanzungszeit etwas mehr herum fliegt, als ſonſt, auch dann noch laͤngere Zeit ſitzend als fliegend zubringt; allein dieſe ſcheinbare Gemaͤchlichkeit liegt vielmehr in der ſchwerfaͤlligen Einrichtung der ganzen Flugmaſchine; die kurzen Fluͤgelchen, von dem ganz kurzen Schwanz nur unbedeutend unter— ſtuͤtzt, koͤnnen den unbehuͤlflichen Rumpf mit dem dicken Kopfe nur mit Anſtrengung durch die Luft fuͤhren, daher muͤſſen ſie ſehr ſchnell (ſchnurrend) bewegt werden, und der Flug kann nicht von langer Dauer ſeyn. Er iſt dabei aber reißend ſchnell, geht in einer geraden Linie kaum einen oder einige Fuß uͤber dem Waſſerſpiegel oder uͤber der Erde hin, meiſtens dem Laufe und der Richtung der Gewaͤſſer mit allen ihren Kruͤmmungen nach, und nur im Nothfalle auch uͤber eine Landecke, oder von einem Waſſer zum andern eine kurze Strecke ganz uͤber Land. Die Fluͤgelſchlaͤge ſind ſo kurz und zahlreich, daß ſie das Auge nicht unterſcheidet, aber ein Schnurren hoͤrbar iſt, das wol zuweilen, beſonders wenn der Vogel ſich bald ſetzen will, auch in kleinen Abſaͤtzen, nicht wie brrrrr, ſondern wie brrr brrr brrr ſich ausnimmt. Uiber 200 bis 300 Schritt weit in einem Zuge geht der Flug nur ausnahmsweiſe, doch in der Begattungs— zeit auch wol noch ein Mal ſo weit, und ſein Ziel iſt faſt immer ein bequemer Sitz, von welchen jeder Vogel in der Gegend alle mal mehrere beſtimmte hat. Wird der Eisvogel an das Ende eines Grabens getrieben, ſo macht er eine Seitenſchwenkung uͤber Land, um den Graben ruͤckwaͤrts wieder zu gewinnen, und uͤber ihn der Laͤnge nach hinſtreichen zu koͤnnen; aber ſteht ein Menſch dicht am Graben, ſo umfliegt er dieſen im Halbkreiſe, ebenfalls, um ſo bald wie moͤglich wieder uͤber dem Waſſer entlang zu fliegen. Alles dies geſchieht, um immer in ganz niedriger Richtung bleiben zu koͤn— nen, und er ſchwingt ſich dabey oft lieber durch die Luͤcken der Zweige hindurch, als oben uͤber niedrige Baͤume und Buͤſche hinweg. Steht man auf einem hohen Ufer, ſo gewaͤhrt der unten dicht uͤber VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 491 dem Waſſerſpiegel hinſtreichende, alſo von oben geſehene Eisvogel, zumal im Sonnenſchein, ſeiner koͤſtlichen Farben wegen, einen vortrefflichen Anblick. Auch dann, wenn er einige Ellen hoch uͤber dem Waſſer durch ſchnelles Flattern ſich in der Luft erhaͤlt, um eine Beute zu erſpaͤhen und ſich nach ihr ins Waſſer zu ſtuͤrzen, wie manche Raubvoͤgel thun, ſieht er ſehr ſchoͤn aus, wenn dabei die Sonnenſtrahlen den Schmelz ſeiner Farben erhoͤhen. An Fluͤſſen, wo es etwas lebhaft iſt, oder wo es ihm an ruhigen und bequemen Sitzen, aber nicht an Fiſchen fehlt, ſieht man dies Flattern oder Ruͤtteln, wobei die Fluͤgel in groͤßern, aber auch ſehr ſchnellen Schlaͤ⸗ gen bewegt werden, ſehr haͤufig von ihm, und nicht immer nahe am Ufer. Ob man gleich vorgegeben hat, unſer Eisvogel koͤnne die ſtrengſte Kaͤlte unſerer Winter vertragen, ſo kann ich dies doch nicht ſo unbe— dingt annehmen. Er iſt bei nicht zu heftiger Kaͤlte, und wenn er noch uͤberall ſtellenweis offenes Waſſer, alſo auch Nahrung findet, lange nicht ſo lebhaft und weit weniger ſcheu, als im Sommer, und in ſtrengen Wintern gehen ihrer viele drauf, welche man dann ſchon oft auf dem Eiſe, und auch wol an entferntern Orten todt gefunden hat *). Freilich mag wol kaͤrgliche Nahrung oder Man— gel an allem Futter hierzu viel beitragen; doch weiß ich auch, daß man Eisvoͤgel neben dem offenen Waſſerloche todt fand, aus welchem, nebſt einigen andern ſolchen, der Fiſcherei wegen, ins Eis gehauenen Loͤchern, ſie ſich ſchon laͤngere Zeit Nahrung geholt hatten, und taͤglich munter von einem zum andern geflogen waren. Ich weiß mich auch nicht zu erinnern, daß in ſolchen Wintern, wo die Gewaͤſſer zwar laͤngere Zeit alle mit Eis belegt, die Kaͤlte aber dennoch nicht ſehr heftig war, todte Eisvoͤgel gefunden worden waͤren, ſondern allemal nur dann, wenn wir einmal einige Tage hinter einander recht heftige Kaͤlte gehabt hatten. Seine Stimme iſt ein gerader, ungemein hoher, hellpfeifen— der, ſchneidender Ton, und klingt wie Tiht oder Tiit, welcher Aehnlichkeit mit der Stimme des kleinen grauen Waſſerlaͤu⸗ fers (Totanus hypoleucos) hat, ſich aber doch dem geuͤbten Ohr durch den hoͤhern und ſchneidendern Ton von dieſer unterſcheidet. Er läßt dieſes Tiit faſt nur fliegend hören, wo er es auch oͤfters *) In einem von den letztern kalten Wintern fiel ein ſolcher Vogel mitten in der Stadt Cöthen von einem Hausdache todt in den Hof herab. Es war an einem der kaͤlteſten Tage jenes Winters. 192 VII. Or d n. XXXVII. Gatt.178. Gemeiner Eis vogel. mehrmals ziemlich ſchnell nach einander wiederholt, und wenn er ſich eben ſetzen will, macht er es kuͤrzer, daß es wie Tit, tit, tit klingt. Der einſam wohnende ungeſtoͤrte Eisvogel ſchreiet ſelten, nur zuweilen, wenn er ſeine Sitze wechſelt, der verſcheuchte aber oͤfterer; am meiſten ſchreien ſie jedoch, wenn ſich zweie beißen. In der Paarungszeit hoͤrt man vom Maͤnnchen auch noch einen andern tiefern, gellendern und etwas gezogenen Ton, welcher jenem nur entfernt aͤhnelt. Das rufende Maͤnnchen ſetzt ſich dann auf die Spitzen des Geſtraͤuchs, ſelbſt hoher Baͤume, fliegt unruhig von einem zum andern, und lockt damit das Weibchen herbei, jagt ſich dann mit ihm herum, ſetzt ſich wieder auf einen andern Baum, ruft von neuem, und treibt fo dies Spiel, wobei es ſich oft einige hun— dert Schritte vom Waſſer entfernt, nicht ſelten, wenn es an einem ſchoͤnen Morgen iſt, Stunden lang. Zur Begattung koͤmmt es indeſſen hier nicht, dieſe geſchieht nicht weit vom Neſte, auf einem Steine, Pfahle oder auf einem kleinen Vorſprung des Ufers, und hat nichts Auszeichnendes, als daß fie vorher viel ſchreien. — Die noch ſehr kleinen Jungen laſſen oͤfters ein leiſes Wiſpern hoͤren, die ausgeflogenen jungen Eisvoͤgel ſchirken aber laut, faſt wie ein jun= ger ausgeflogener Kukuck. Zum Stubenvogel ſchickt ſich dies ſchoͤn gekleidete Geſchoͤpf nicht. Er iſt ein toͤlpiſcher ungeſtuͤmer Vogel, der, laͤßt man ihn in die Stube fliegen, ſich alsbald den Kopf gegen die Fenſter einrennt, die Scheiben zerbricht, oder ſich ſonſt zu Tode flattert, und im Vogel- bauer entweder eben ſo ungeſtuͤm herumflattert, oder wie ein Traͤumer ſtill da ſitzt. Weil er nun außer ſeinen ſchoͤnen Farben faſt gar nichts Empfehlendes hat, dazu alt auch ſchwer an ein Stubenfutter zu gewoͤhnen, und ſein natuͤrliches nicht jederzeit ohne viel Muͤhe zu haben iſt, ſo lohnt es ſich nicht der Muͤhe mit ihm, obwol Junge leichter aufzufuͤttern ſind, und auch zahmer werden. Nahrung. Dieſe beſteht hauptſaͤchlich in kleinen Fiſchen, wo er dieſe aber nicht haben kann, auch in Waſſerinſekten, und im Nothfall ſelbſt in Blutigeln. N Unter den Arten der Fische macht er wenig Unterſchied; er faͤngt den Ukelei, Gruͤndling, die Forelle, Ellritze, Schmerle, Karpfenbrut und andere Fiſchchen von der Laͤnge eines Fingers und darunter, fo wie ihm das Waſſer, an dem er ſich gerade aufs haͤlt, die Arten darbietet. Er liebt beſonders ſolche, die im klaren VII. Or dn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 193 Waſſer leben, oder oͤfters nahe an deſſen Oberflaͤche heraufkommen. Ehe die Fiſchereien bei meinem Wohnorte durch die Duͤrre der letzt— verfloſſenen Jahre vernichtet wurden, fingen die uns zu Zeiten be— ſuchenden Eisvoͤgel die immer an der Oberflaͤche des Waſſers ſpielen— den Wetterfiſchchen *), und ich habe damals keine andere Art im Magen der hier geſchoſſenen Eisvoͤgel angetroffen, als dieſe ſchlan— ken, hoͤchſtens 3 Zoll langen ſilbernen Fiſchchen, ſelten eine kleine Rothfeder (Cyprinus rutilus), oder Rothauge (Cypr. ery- throphthalmos), und Karpfenbrut (Cypr. carpio) gar nicht. Die an der Mulde gefchoffenen hatten am oͤfterſten Ukelei (Cypr. alburnus) oder Gruͤndlinge (Cypr. Gobio), die an Waldbaͤchen er= legten, Schmerlen (Cobitis barbatula) oder kleine Bachforel⸗ len (Salmo fario) im Magen, und ſo ſcheint er keine Art zu ver— ſchmaͤhen, wenn ſie ihm nur klein genug vorkoͤmmt, aber doch die breiten Fiſche weniger zu achten, als die ſchmalen. Hat er keine lebendigen, ſo nimmt er auch mit abgeſtandenen fuͤrlieb, aber ſie muͤſſen verſchlingbar ſeyn; groͤßere laͤßt er daher unbeachtet. | Um die Fiſche zu fangen, wählt er ſich an folchen Stellen, wo jene haͤufig herumſpielen, einen ſolchen bequemen Sitz, wovon ſchon oben die Rede war, ganz nahe uͤber dem Waſſer, lauert hier mit unermuͤdlicher Geduld, wie die Katze auf die Maus, denen auf, die an die Oberflaͤche heraufkommen, weil er ſie dann ſicherer faͤngt, als in der Tiefe, ob er gleich im Nothfalle auch dieſe nicht ſcheuet. Stunden lang ſitzt er oft ſo, unverwandten Blickes ſeine Beute er— ſpaͤhend, und ſo bald ein Fiſchchen ſich ſeinem Stoße darbietet, ſpringt er wie ein Froſch, den Kopf vorweg, ins Waſſer, koͤmmt, ob er gleich tief untergetaucht hatte, beinahe an derſelben Stelle mit dem Fiſche im Schnabel herauf, begiebt ſich auf ſeinen Sitz, ſucht den Fiſch im Schnabel zu wenden, damit der Kopf zuerſt komme, und verſchlingt ihn nun. Schmale Fiſche von 3 Zoll Laͤnge ſchlingt er leicht hinunter, ſind ſie aber laͤnger, ſo machen ſie ihm Muͤhe, und er muß oft lange daran wuͤrgen, ehe der noch aus dem Schnabel hervorragende Fiſchſchwanz vollends hinabgleiten will. Eine uͤber 4 Zoll lange, und wie ein kleiner Mannsfinger dicke Schmerl wuͤrgt er ſo den weiten Rachen hinab, was man ihm kaum ) Ich habe damals leider unterlaſſen, dieſe Art ſyſtematiſch zu beſtimmen. Sie aͤhnelten dem Stint (salmo eperlanus), und bevoͤlkerten unſere Teiche und Graͤben in manchen Jahren in großen Maſſen, ſo daß ſich Perſonen fanden, die ſie fingen, und wie Stinte gern aßen. 494 VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. zutrauen moͤchte; aber die Lage des Fiſches, den Kopf voran, damit Floſſen und Schuppen ſich nicht ſtraͤuben koͤnnen, muß ihm helfen, und der Fiſch rollt ſich nun gemaͤchlich im Magen zuſammen. Bis dies Letztere geſchehen, ſtraͤuben ſich die Kehl- und Kopffedern, und der dabey ruhig ſitzende Vogel ſieht ein Weilchen ganz dick aus. Man hat auch ſchon den Fall gehabt, daß, als er ſich an einen großen Fiſch gemacht hatte, ihm deſſen Kopf im Schlunde ſtecken blieb, nicht vor- und nicht ruͤckwaͤrts wollte, und ihm fo den Tod brachte, wovon Meisner und Schinz a. a. O. ein Beifpiel erzaͤhlen. Wo er von ſeinen gewoͤhnlichen Sitzen aus einen ſchlechten Fang macht, und fiſchreichere Stellen in der Naͤhe ſind, an welchen es aber gerade keinen Sitz fuͤr ihn gibt, da fliegt er oͤfters hin, auch in ſehr niedrigem geraden Fluge, erhebt ſich aber an einer ſolchen ſchnell bis zu 4 Fuß und wol noch etwas hoͤher uͤber dem Waſſer— ſpiegel, erhaͤlt ſich hier mit ſtetem Flattern (Ruͤtteln) an einer Stelle, wie eine Seeſchwalbe oder manche Raubvoͤgel, ſucht ſo ein Fiſchchen zu erſpaͤhen, und ſtuͤrzt beim Erblicken eines ſolchen wie ein Stein ins Waſſer, um es zu fangen. Daß er aber hier wie dort oͤfters fehl ſtoͤßt, mag daher kommen, daß er den Fiſch nicht, wie etwa die Taucher, unter dem Waſſer verfolgen kann, ſondern wenn der Fiſch dem Stoße feines Schnabels durch eine ſchnelle Wendung aus— weicht, was das ungeſtuͤme Hineinſtuͤrzen des Vogels in's Waſſer natuͤrlich oft herbei fuͤhren muß, ſo iſt jener gerettet. Er betreibt aber dieſe Art Fiſcherei, beſonders wenn er Junge zu fuͤttern hat, haͤufiger noch als jene gemaͤchlichere, die ihm vielleicht nach weniger als dieſe einbringen mag. Uiberhaupt ſieht man dies an groͤßern Gewaͤſſern viel oͤfterer von ihm, als an kleinen Graͤben und Baͤchen, wo ihm die Ufer, Stege, Bruͤckenpfaͤhle, uͤberhaͤngende Baum— zweige u. dgl. mehr Gelegenheit zu Sitzen und zum gemaͤchlichern Belauſchen der Fiſche geben. In zu tiefes Waſſer ſtoͤßt er auch nicht gern, ob er gleich dabei alle Mal gaͤnzlich untertaucht, ſo daß er einige Augenblicke ganz von der Oberflaͤche verſchwunden iſt; aber auch in zu flaches Waſſer mit ſteinichtem Grunde habe ich ihn ſich nicht ſtuͤrzen ſehen; bei der Heftigkeit des Stoßes wuͤrde er hier ſeinen Schnabel beſchaͤdigen, da er Alles, nicht wie man ſonſt wol glaubte, mit den Fuͤßen, ſondern mit dem Schnabel faͤngt. Es giebt ein artiges Schauſpiel, den ſchoͤnen bunten Vogel im Sonnen ſchein ſo uͤber dem Waſſer flattern, ſich hineinſtuͤrzen, ihn bald darauf mit einem Fiſche im Schnabel hervorkommen, und eiligſt VII. Ordn. XXXVIT. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 495 davon fliegen zu ſehen. Freilich ſieht man es, wenn man ſich nicht gut verſteckt hat, immer nur in einer Entfernung von wenigſtens 100 Schritten; denn naͤher laͤßt ſich der ſcheue Vogel auf dem Freien nicht leicht beobachten. Auch im Winter ſucht der Eisvogel Fiſche zu fangen, und wenn ſich die Gewaͤſſer mit Eis belegen, begiebt er ſich an die noch offe— nen Stellen, an ſogenannte warme Quellen, an die Wehre, und an die von Fiſchern ins Eis gehauenen Löcher (Wuhnen), um jenen hier aufzulauern. Wenn die Fiſche aber dann in der Tiefe ſich auf— halten, ſo muß er oft Hunger leiden, und nimmt dann im aͤußerſten Falle auch zu Inſektenlarven und Blutigeln ſeine Zuflucht. Man ſagt auch, daß er dann Waſſerſchnecken nicht verſchmaͤhe. Im Herbſt iſt er gern an abgelaſſenen Fiſchteichen, wo er meiſtentheils auch nur den kleinen Fiſchen in den zuruͤckgebliebenen Pfuͤtzen auf- lauert. Um dieſe Jahreszeit habe ich ihn auch oft an tief unter dem Gebuͤſch verſteckten Gräben angetroffen, in welchen keine Fiſche, ſondern bloß Waſſerinſekten, Inſektenlarven und Blutigel lebten. Er mag doch auch manchmal ohne Noth Waſſerinſekten verzehren. Auch feine Jungen füttert er anfaͤnglich mit im Waſſer ſich aufhal- tender Inſektenbrut und mit Libellen, zuletzt aber auch mit kleinen Fiſchen groß. Die Libellen faͤngt er, wenn dieſe ihre Eier ins Waſ— ſer abſetzen, dicht uͤber demſelben herum fliegen und lange an einer Stelle bleiben, indem er uͤber ſie flattert, und ſie durch einen Stoß von oben uͤberfaͤllt. Die Fiſchgraͤten, Schuppen und andere harte Theile gibt er in laͤnglichen Ballen unverdauet durch den Schnabel wieder von ſich, und das Heraufwuͤrgen ſolcher Klumpen ſcheint ihm ein i Gefuͤhl, indem er vorher alle Mal traurig wird. Will man den Eisvogel im Kaͤfige unterhalten, fo muß er an= faͤnglich kleine Fiſche bekommen, die man ihm lebend in ein Waſſer— gefaͤß thut; er frißt jedoch auch abgeſtandene Fiſche, Blutigel, und wie man behauptet, auch Regenwuͤrmer. Mit in Streifchen ge— ſchnittenen Fiſchen und Fleiſch vermengt man etwas in Milch einge— weichte Semmel, und wenn er davon zulangen lernt, bekoͤmmt er immer mehr Semmel, und ſo iſt es gelungen, ihn endlich ganz an das letztere Futter zu gewoͤhnen; allein es gluͤckt nicht mit jedem. Leichter geht es mit den Jungen, die ihre großen Rachen gern auf— ſperren, fo daß man fie mit Fiſchfleiſch, Regenwuͤrmern und Ins ſekten, zu welchen man anfaͤnglich etwas von jenem Stubenfutter thut, aber nach und nach die Fiſche u. ſ. w. ganz weglaͤßt, leicht 496 VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. auffuͤttern kann, worauf fie ſich bei Semmel in Milch geweicht, zuletzt recht wohl befinden, und dies ſelbſt zulangen lernen. Sie gewoͤhnen ſich auch eher an die Menſchen, ſind nicht ſo wild und ungeſtuͤm, als die Alten, da ſie jedoch meiſtens immer ganz ſtill ſitzen, keine angenehme Stimme hoͤren laſſen, oder ſonſt, außer ihrer Farbe, keine empfehlende Eigenſchaft haben, ſo wird man ihrer bald uͤberdruͤßig. 3.0.8. pf len z u ung. Sie niſten uͤberall in Deutſchland, an den Ufern der Stroͤme, Fluͤſſe, Baͤche, und mancher großen Teiche; ſo auch in hieſiger Gegend an der Elbe, Mulde und Saale, wo ſie hohe Ufer finden, und wo dieſe nicht zu oft von Menſchen beſucht werden, daher gern in einſamen abgelegenen Winkeln, fern von menſchlichen Wohnun— gen. Hier wohnen ſie auch die laͤngſte Zeit im Jahre, und die Paͤaͤrchen ſcheinen ſich außer der Fortpflanzungszeit nicht zu trennen, obgleich der eine von den Gatten den andern nicht gern in ſeinem Reviere leidet, dies aber auch nicht ſo weit ausdehnt, wie gegen einen Fremden. Verungluͤckt es nicht, ſo kann man ein ſolches alle Jahre an der naͤmlichen Stelle wieder antreffen, und ich kenne mehrere ſolcher Plaͤtze, wo ich ſeit vielen Jahren im Sommer ein Eisvogelpaͤaͤrchen angetroffen, auch meiftens fein Neſt gefunden habe. Dies legt es allemal an ſehr ſteilen, oder gar uͤberhangenden Stel— len eines hohen Ufers an, wo man nicht immer dazu kommen kann; ja man ſieht es an einer ſenkrechten Wand deſſelben oft nur, wenn man ſich auf dem entgegengeſetzten Ufer des Fluſſes befindet, oder aus einem Fahrzeuge vom Waſſer aus. Deshalb iſt es mehren— theils nicht ganz leicht zu entdecken. Er graͤbt oder hackt ſich naͤmlich mit ſeinem Schnabel eine lange Roͤhre in das Ufer, die nur etwas uͤber 2 Zoll weit, aber wage— recht, oder ein wenig aufwärts ſteigend, bis gegen 3 Fuß tief in das Ufer hinein geht, hinten aber eine backofenfoͤrmige Erweiterung von etwa 6 Zoll Durchmeſſer, zur Aufnahme des Neſtes bildet. Sie iſt an der kahlen, ſchroffen Wand immer in einer ſolchen Hoͤhe vom Waſſerſpiegel angelegt, daß ſie ein gewoͤhnliches Anſchwellen des Fluſſes nicht erreicht, ja zuweilen 8, 10 und mehrere Fuß uͤber demſelben; auch iſt ſie von der obern Kante des Ufers immer noch mehr als einen oder einige Fuß entfernt. Er ſcheint ſie lieber noch in lehmige Erde, als in lockeren Sandboden zu machen, im Gegenſatz von den Uferſchwalben, die dieſen vorziehen; aber VII. Ord n. XXXVIL Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 497 ein ſolcher Schnabel vermag auch mehr, als ein Schwalbenſchnabel und Schwalbenfuͤße, und ich habe, beylaͤufig geſagt, ſein Neſt auch niemals ganz nahe bei Uferſchwalbencolonien gefunden. Er ſucht lieber ein einſames Plaͤtzchen, um bei ſeiner Zankſucht mit keinem Nachbar zu thun zu haben. Einem Rattenloche ſieht es aͤhnlicher, als einem von jenen Voͤgeln; da man aber auch gerade an ſolchen Stellen, wo er es anlegt, jene Thiere felten findet, weil d ieſe lieber niedrig und dem Waſſer näher wohnen, fo kann man ſich, bei eini⸗ ger Kenntniß von dergleichen Dingen, nicht leicht taͤuſchen. Vorn am Eingange iſt die Hoͤhle, wahrſcheinlich von dem oͤftern Hinein— kriechen, nicht nur etwas weiter und abſchuͤſſig nach unten, ſondern es ſind hier nicht ſelten auch einige kleine Furchen bemerklich. Trifft er bei der Arbeit im Innern auf groͤßere Steine, ſo umgeht er ſie, daher iſt manche Roͤhre krumm; findet er aber zu viel Steine, ſo geht er hier von der Arbeit ab, und beginnt ſie in einiger Entfer— nung vom Neuen; daher findet man hin und wieder ein unvollen— detes Loch. Hat er in einem gluͤcklich ausgebruͤtet, ſo kann man verſichert ſeyn, daß er es im kuͤnftigen Jahre, und in mehreren nachfolgenden, wieder bezieht; verdirbt man ihm aber die Hoͤhle, wenn auch nur wenig, durch Erweitern, ſo bezieht er fie im kom— menden Jahre nicht wieder. Will man zum Neſte gelangen, ſo muß dies jedoch allemal geſchehen, weil das Loch fuͤr eine Manns⸗ hand zu enge, und fuͤr einen Kinderarm zu tief iſt. Der Eisvogel liebt das Plaͤtzchen, wo er mehrmals gluͤcklich bruͤtete, ſo ſehr, daß ihn ſelbſt bedeutende Veraͤnderungen des Ufers nicht abhalten, im folgenden Jahre wieder dahin zu kommen. An einem ſolchen an der Mulde brach ein Mal ein großes Stuͤck vom Ufer, in welchem gerade ein Eisvogelloch war, los, und ſtuͤrzte in den Fluß; deſſen ungeachtet kam im folgenden Fruͤhjahr der Eisvogel wieder, und hackte ſich ein neues Loch in das ſtehen ge— bliebene Ufer, faſt genau an derſelben Stelle, wo das alte mit dem Stuͤck Ufer abgebrochen war. Man hat beobachtet, daß der Eisvogel zum Verfertigen einer ſol— chen Hoͤhle einige Wochen Zeit beduͤrfe, was ſehr wahrſcheinlich wird, wenn man bedenkt, wie er eine ſolche Menge losgearbeiteter Erde mit den kleinen Fuͤßchen (eine andere Art laͤßt ſich doch kaum denken) herauszuſchaffen hat; welch muͤhſames Geſchaͤft! Es hat mir daher immer leid gethan, wenn ich aus Wißbegier ein ſolches Werk zerſtoͤren ſollte. Als ich vor einigen Jahren ernſtlich darauf ausging, ein Neſt mit Jungen aufzuſuchen (das mit a kannte ich ſchon laͤngſt), und mich 51. Theil. 498 VII. Or dn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eis vogel. deshalb in eine Gegend des Muldeufers begab, wo ich deren zwei wußte, eins ſchon ſeit einigen und eins ſeit einem Jahre, machte ich folgende Beobachtungen: Zum Erſtern war nicht zu gelangen, zum Letztern aber, welches das zweite Jahr bewohnt wurde, und wo ich den alten Vogel mehrmals ein-und ausfliegen ſah, half der Zufall; es war naͤmlich neben dem Neſte ein großes Stuͤck Raſen vom Ufer abgebrochen und hinabgeſtuͤrzt, und dieſes bildete unten am Waſſer eine Bank, ſo daß ich darauf treten, nun mit den Haͤn— den an das Loch langen und die Arbeit beginnen konnte, als mir der aus dem Neſte kommende Fiſchgeruch bereits die Anweſenheit von Jungen in demſelben verrieth. Ich war nicht allein, und wir hatten nicht nur viel geſprochen, ſondern auch tuͤchtig mit den Fuͤßen oben uͤber dem Neſte auf den Raſen geſtampft; ich erſchrak daher nicht wenig, als ich mit einer duͤnnen Ruthe im Loche ſtoͤrte, und mir der alte Eisvogel, der nun erſt die Jungen verließ, beynahe ins Geſicht flog. Einmal war der Untergang der Familie beſchloſſen, ſo ſollte denn auch ein Alter mit drauf gehen, und da wir heute kein paſſendes Inſtrument zum Graben zur Hand hatten, ſo wurde dies auf Morgen verſchoben und der Eingang, obſchon mit dem Meſſer ein kleiner Verſuch zum Erweitern gemacht war, dennoch mit Schlingen beſtellt. Alle dieſe gewaltſame Stoͤrungen hatten nicht vermocht, die ungluͤckliche Mutter abzuhalten, einen Verſuch zu wagen, zu ihren geliebten Kindern zu kommen, und ſie hing am andern Morgen todt in der Schlinge vor ihrem Neſte, waͤhrend das Maͤnnchen, als wir nun die Jungen ausgruben, mehrmals ſchreiend dicht an uns vorbeiflog. Man ſieht daraus, daß dieſer ſonſt ſo ſcheue Vogel ſeine Brut ungemein liebt. Dies Neſt enthielt ſieben nackte blinde Junge. Das Neſt des Eisvogels, wenn man, wie es zuweilen vor— koͤmmt, eine ſehr duͤnne Unterlage von einem ſonderbaren Materiale ein Neſt nennen will, iſt eins der allermerkwuͤrdigſten. Das Ma⸗ terial beſteht naͤmlich lediglich aus feinen Fiſchgraͤten, die in einem neuen Neſte zwar nur duͤnne liegen, in einem mehrjaͤhrigen aber eine dicke Lage bilden. ) Dieſe Fiſchgraͤten find dieſelben, welche der Eisvogel in laͤnglichten Klumpen durch den Schnabel wieder von ſich gibt, indem von den genoſſenen Fiſchen bloß das *) Leisler, der dieß ſchon viel fruͤher als Brehm beobachtete, und Bech⸗ ſteins Angaben berichtigte, 3 in den Wetteraueſchen Annalen I. 2. S. 293 einige Hände voll. VII. Ordn. XXX VII. Gatt.178. Gemeiner Eisvogel. 499 Fleiſch und die weichern Theile verdauet werden. Man möchte daher ſagen: Der Eisvogel ſpeiet ſich ein Neſt. Es ſcheint auch, als kaͤmen ſie bloß vom Weibchen, wenn es legt oder bruͤtet, denn in einem friſchen Neſte, worin erſt drei Eier lagen, fand ich dieſe Eier auf fo wenigen Gräten liegen, daß man dieſe nur fuͤr zufallig dahin gekommen haͤtte halten koͤnnen. Doch fand Leisler auch nur fuͤnf Eier ſchon auf einer bedeutenden Lage von Fiſchgraͤten, und dies war wahrſcheinlich auch ein neues Neſt. Dagegen bilden ſie aber in alten Neſtern nicht ſelten eine gegen 2 Zoll hohe Unterlage, und find dann noch mit einer Menge Köpfen und Flügeln von Li— bellen vermiſcht, ſo, daß dieſer Kram dann die ganze untere Flaͤche der backofen foͤrmigen Höhle dick bedeckt, und bis an die Waͤnde aus: fuͤllt. Die zum Neſt fuͤhrende Roͤhre enthaͤlt nichts von jenem Ma— terial, und man ſieht daraus, daß ſie es zur Unterlage fuͤr die Eier gefliſſentlich zuſammenhalten. Uibrigens iſt Alles trocken, und der Fiſchgeruch nur dann bedeutend ſtark, wenn ſchon größere Junge im Neſte ſitzen, fruͤher aber nur bemerklich, wenn man in die Roͤhre hinein riecht. Die Uiberbleibſel von Libellen unter den Fiſchgraͤten ſind ſtets ein ſicheres Zeichen, daß das Neſt ſchon einmal gebraucht iſt und Junge darin erzogen wurden, deren Nahrung jene Inſek— ten anfaͤnglich ausmachen. Nach den Eisvogeleiern darf man nicht vor der Mitte des Mai ſuchen. Sie ſind ſehr merkwuͤrdig, verhaͤltnißmaͤßig ziemlich groß, ſehr kurz, ja faſt kugelfoͤrmig, indem ſie oͤfters nur ein Sechstheil ſchmaͤler als lang ſind, und das dicke Ende iſt von dem andern manch— mal kaum zu unterſcheiden. Ihre Schale hat ungemein feine Poren und eine ſo glaͤnzende Oberflaͤche, daß ſie wie kuͤnſtlich polirt und, da ſie durchaus eine blendende Weiße haben, wie die ſchoͤnſte Emaille ausſehen. Friſch ſcheint der rothgelbe Dotter etwas durch, und fie variiren oft bedeutend in der Größe, ſelbſt die aus Einem Neſte, was denn auch Einfluß auf die daraus hervorkommenden Jungen hat. Man findet in einem Neſte fuͤnf bis acht, ja ſogar manchmal bis eilf ſolcher einfach ſchoͤner Eier, wobei es merkwürdig bleibt, wie ein ſo kleiner Vogel, deſſen Gefieder an den untern Theilen noch dazu nur kurz und dabei derb iſt, eine ſolche Menge ſo gro— ßer Eier gehörig erwärmen kann, da auch das Neſt aus keinen ers waͤrmenden Stoffen gebauet iſt; denn ich habe einmal ſechs nackte Junge ausgenommen, die auf ſo wenigen Fiſchgraͤten ſaßen, daß die Eier beynahe auf der bloßen Erde ausgebruͤtet worden ſein muß⸗ ten. Uiberhaupt werden auch, wenn die Anzahl der Eier zu groß 500 VII. Ord n. XX XVII. Gatt. 178. Gemeiner Eis vogel. iſt, immer einige faul gebruͤtet, und mir ſind nur ein Mal ſieben Junge aus einem Neſte gebracht worden; viel haͤufiger ſieht man da⸗ gegen nur fuͤnf Junge demſelben entkommen. 1 Das Weibchen bruͤtet allein, und das Männchen bringt ihm, waͤh⸗ rend jenes faſt unausgeſetzt vierzehn bis ſechzehn Tage lang uͤber den Eiern ſitzt, nicht nur Fiſche zur Nahrung, ſondern traͤgt auch beylaͤufig deſſen Unrath aus dem Neſte und weit weg, was beide Gatten nachher auch mit dem der Jungen thun. Selbſt am Ein— gange der Hoͤhle ſieht man wenig von dieſem. Die unlaͤngſt aus den Eiern geſchluͤpften Jungen ſind haͤßliche Geſchoͤpfe, ganz nackt, mehrere Tage blind, und von ſo ungleicher Groͤße, daß ich ſoge— nannte Neſtkiekchen gefunden habe, welche kaum halb ſo groß als die andern waren. Ihr Kopf iſt dann groß, der Schnabel aber noch ſehr kurz, und der Unterſchnabel meiſtens 2 Linien laͤnger, als der Oberkiefer. Sie ſind hoͤchſt unbehuͤlflich, zittern oͤfters mit den Koͤpfen, ſperren zuweilen die weiten Rachen auf, wispern leiſe, wenn ſie hungrig, oder wenn ſie gefuͤttert werden, und kriechen durch einander, wie Gewuͤrm. In dieſer Zeit werden ſie von den Alten mit Inſektenlarven und vorzuͤglich mit Libellen, denen dieſe zuvor die Koͤpfe und Fluͤgel abſtoßen, was im Innern der Hoͤhle geſchieht, gefüttert. Später bekommen ſie auch kleine Fiſche, und wenn ihnen nach und nach die Federn wachſen, ſo ſcheinen ſie überall mit blauſchwarzen Stacheln bekleidet zu ſeyn, weil die Fe— dern in ſehr langen Scheiden ſtecken und dieſe nicht ſo bald auf— platzen. Sie ſitzen uͤberhaupt lange im Neſte, ehe ſie zum Ausfliegen faͤhig werden, und ihre Ernaͤhrung macht den Alten viele Muͤhe, die ſich denn auch in dieſer Zeit ungemein lebhaft und thaͤtig zeigen, und wie ſchon oben erwaͤhnt, eine große Liebe fuͤr ihre Brut hegen, ſo daß ſie dabei einen großen Theil ihrer ſonſtigen Schuͤchternheit ab— legen und nicht ſelten die eigene Sicherheit aufs Spiel ſetzen. Die ausgeflogenen Jungen fuͤhren ſie in die ruhigſten Winkel der Ufer, beſonders in uͤber das Waſſer haͤngendes Geſtraͤuch, Flechtwerk, oder zwiſchen die ausgewaſchenen Wurzeln am Ufer ſtehender Baͤume, ſo, daß ein kleiner Umkreis die ganze Familie verbirgt, und jeder einzelne unweit vom andern einen ſolchen Sitz hat, wo er, wenig— ſtens von der Uferſeite her, nicht ſo leicht geſehen werden kann. Die Alten verrathen fie, wenn man ſich zufaͤllig naͤhert, durch aͤngſt⸗ liches Hin- und Herfliegen in kurzen Raͤumen, und durch klaͤgliches Schreien, waͤhrend die Jungen ſich ganz ſtill und ruhig verhalten. Das obenbemerkte ſchirkende Geſchrei legen dieſe ab, ſobald VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 501 fie der aͤlterlichen Pflege entwachſen. Stoͤrt man fi ie aus ihrem Schlupfwinkel, fo flattert der Eine das, der Andere dorthin, und die Alten folgen bald dieſem, bald jenem unter klaͤglichem Schreien. Es waͤhrt lange, ehe ſie ſich ſelbſt Fiſche fangen lernen. In der erſten Hälfte des Juni findet man nackte Junge, oder noch ſtark bebruͤtete Eier in den Neſtern; nicht vor Ende des Juni, gewoͤhnlich aber erſt im Juli giebt es ausgeflogene Junge; wenn aber im Auguſt noch eben ausgeflogene vorkommen, ſo ſind dieſe von Aeltern, denen die erſte Brut zu Grunde ging, denn dieſe machen in der Mg nie mehr als Eine Brut im Jahre. Ob unſer Eisvogel auch in natuͤrlichen Loͤchern oder in Felſen⸗ hoͤhlen bruͤte, habe ich nicht erfahren koͤnnen; bei uns macht er ſich die Hoͤhle allemal ſelbſt in die lehmigen Uferwaͤnde, und ich habe auch niemals geſehen, daß er dazu ein Rattenloch oder die Hoͤhle einer Uferſchwalbe benutzt und für ſich eingerichtet hatte. Feinde. Ich kann mich nicht erinnern, jemals bemerkt zu haben, daß er von einem Raubvogel gefangen worden waͤre, aber er fuͤrchtet ſich ſehr vor ihnen. Seine Brut mag oͤfters von Iltiſſen, Wie— ſeln und Ratten zerſtoͤrt werden, weil man doch zuweilen ein zu Grunde gerichtetes Neſt findet, ob dies gleich in den meiſten Fallen ſo angelegt iſt, daß jene Raͤuber an den ſteilen oder uͤberhangenden Uferwaͤnden von außen nicht leicht zum Loche gelangen koͤnnen. Im Gefieder wohnen viele Schmarotzerinſekten von einer langen, ſchmalen Art, und in den Eingeweiden zuweilen ein Wurm aus der Gattung Amphistomum. 5.0.9.0, Ob er gleich ſehr ſcheu ift, fo kann man ihn doch mit Schieß— gewehr leicht in ſeine Gewalt bekommen, weil man ſich an buſch— reichen oder hinter hohen Ufern meiſtens gut anſchleichen kann. Will dies nicht gelingen, ſo darf man ſich nur bei einem ſeiner Lieb— lingsſitze, die man bald kennen lernt, gut verſteckt anſtellen, ihn erwarten, oder ſich ihn von einer andern Perſon zutreiben laſſen. Schußmaͤßig frei angehen laͤßt er ſich nur im Winter, wenn ihn Hunger und Kälte abgemattet haben, oder zuweilen in der Begat⸗ tungszeit aus Unbeſonnenheit; ſonſt flieht er den Menſchen ſchon in großer Entfernung. Im Fluge iſt er, obgleich er pfeilſchnell, je: doch geradeaus und ohne Schwenkungen fliegt, ebenfalls nicht 502 VII. DOrdn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. ſchwer zu ſchießen, zumal, wenn man auf einem hohen Ufer ſteht, und er unten dicht uͤber dem Waſſer hinſtreicht, doch gehoͤrt ein Schnellſchuͤtze dazu. Weil er immer beſtimmte Sitze hat, ſo iſt er leicht zu fangen, und wo man dieſe dazu nicht bequem genug findet, kann man ihm ſogar welche machen, z. B. einen Pfahl oder einen Stock mit einer Kruͤcke ſo ins Waſſer ſtellen, daß dieſer oder jener einen halben oder ganzen Fuß uͤber der Oberflaͤche des Waſſers hervorragt, welche, wenn ſie am rechten Orte angebracht wurden, er bald zu Lauſch— plaͤtzen benutzen wird. Will man ihn nun lebend haben, ſo ſtellt man auf ſolchen Ort einen gewoͤhnlichen Sprenkel, ſo daß das Stellholz wagerecht, noch unter einen Fuß hoch, über dem Waſſer— ſpiegel ſteht, der Bauch des Sprenkels aber tief im Waſſer haͤngt. Iſt das Waſſer hierzu nicht tief genug, oder unten ſchlammig, und ſind uͤberhaͤngende Baumzweige vorhanden, ſo macht man ver— kehrte Sprenkel, an welchen der Bauch oben, das Stellholz unten iſt, hängt jenen an einen Zweig, daß dieſes etwa eine Quer⸗ hand hoch horizontal uͤber dem Waſſer ſtehet, und fo den Vogel zum Daraufſetzen einladet. Würde ein ganz gewöhnlicher Sprenkel auf den Zweig gehaͤngt, ſo kaͤme das Stellholz zu hoch, der Bauch aber dem Waſſerſpiegel zu nahe, und er wuͤrde ſich allemal lieber in den letztern ſetzen und ſich nicht fangen. — Will man ihn todt haben, ſo macht man Schlingen (jede von einem ſchwarzen Pferde— haar, doppelt genommen), und befeſtigt ſie an kleine Reiſerchen, die paarweis ſenkrecht in einem horizontalen Stocke ſtecken, welcher ſo auf einem Pfahle feſtgemacht iſt; ſolche Waſſerdohnen, wie ſie ſchon Band II. 2. S. 612 dieſes Werks beſchrieben wurden, aber beim Eisvogelfang nicht ſo lang oder aus ſo vielen Schlingen zu— ſammengeſetzt zu ſein brauchen, ſtellt man denn an die Lieblings— plaͤtze nahe uͤber dem Waſſerſpiegel auf, der Eisvogel will den be— quemen Sitz benutzen, und bleibt mit dem Halſe in den Schlingen haͤngen. Man kann ſolche Dohnen auch laͤnger ſtehen laſſen, und wird ſo in der Strichzeit immer Eisvoͤgel ohne Muͤhe fangen. — Auf Steinen und Pfaͤhlen faͤngt man ſie auch in hingelegte kleine Tellereiſen, wie man ſie zum Maͤuſefangen hat, ſehr leicht. Mit Leimruthen geht der Fang ſchlecht, weil, wenn wie immer der Vogel damit ins Waſſer faͤllt, und ſte nicht recht feſt ſitzen, er ſich leicht wieder davon los macht. — Als ein beſonderer Zufall mag es betrachtet werden, daß ich ihn ein paar Mal auf meinem Vogelheerde gefangen, wo freilich ein Waſſergraben ganz nahe VII. Ordn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel. 503 war, den zuweilen Eisvoͤgel beſuchten, ob er gleich mitten im Waͤld⸗ chen und von vielem Gebuͤſch umgeben war. Nu t z e n. Er hat, ob er gleich ſtark nach Fiſchen riecht, ein recht wohl— ſchmeckendes Fleiſch, und iſt auch im Herbſt oft ziemlich fett. Es ſchmeckt durchaus nicht nach Fiſchen, was man kaum glauben moͤchte, wenn man nicht wuͤßte, daß mancher andere aͤchte Fiſchfreſſer, wie wir im weitern Verlauf dieſes Werks unter den Waſſervoͤgeln deren mehrere werden kennen lernen, ebenfalls ein wohlſchmeckendes Fleiſch haͤtte, und daß der widerliche, ſogenannte ranzige oder thranichte Geſchmack hauptſaͤchlich nur dem Fleiſche derjenigen Voͤgel anhaͤngt, welche mehr oder weniger von Conchilien leben. Seine Farben ergoͤtzen das Auge, und durch feine Munterkeit belebt er die Ufer der Gewaͤſſer. Die Alten fafelten viel von verborgenen Kräften, die im Eis—⸗ vogel ſtecken ſollten; fie ſchmuͤckten feine Geſchichte mit allerlei Fa— beln und Maͤhrchen aus; ſein Erſcheinen war uͤberall gluͤckbringend, den Fiſchern ſollte er reichen Fiſchfang, den Schiffern gute Fahrt, Andern Frieden ins Haus bringen, hier todt noch den Blitzſtrahl davon abhalten; er ſolle ſingen, ſein Neſt auf den Meereswellen ſchwimmen, u. dgl. mehr. Mit dem Allen iſt es natuͤrlich Nichts, und ſo auch eine juͤngere Behauptung, daß die mit den Federn ge— trocknete Haut die Motten von den Zeuchen abhalten ſollte, bei welche man ſie legte, ebenfalls ohne Grund, denn man weiß, daß die Motten dieſe Haut ſelbſt gern und ſehr bald zernagen. Schaden. Sie freſſen zwar Fiſche, und das nehmen ihnen die Fiſcher ſehr uͤbel, und haſſen ſie auch deßhalb ſehr; allein an den ſogenannten wilden Fiſchereien thun ſie darum doch keinen erheblichen Schaden, weil ſie die in Menge vorhandene kleine Brut groͤßerer Arten nicht einmal ſo gern fangen, als wirklich kleine Arten, deren Werth ſehr gering iſt. In Karpfenteichen finden ſich eben ſo auch, neben die— ſen, noch andere wenig geachtete Arten, z. B. Rothfedern, Roth— augen u. a. m., die ſich ohnehin zum Schaden der Karpfen oft nur zu ſehr vermehren, und deren Brut die Eisvoͤgel viel lieber fangen, als Karpfenbrut. Hier moͤchte man fie daher eher für nuͤtzlich halten. 504 VII. Or dn. XXXVII. Gatt. 178. Gemeiner Eisvogel Beobachtung. Als ein Beitrag zur Schilderung der Lebensart unferei Eisvogels mochte folgende Geſchichte, welche mein Vater in der alten Auögabı dieſes Werks, Band III., S. 470, mittheilt, hier noch eine Stelle verdienen. Er beſaß naͤmlich einſtmals einen kleinen Taucher (Podiceps minor) welchen er in einem beſondern Wafferbehälter mit kleinen Fiſchen unterhielt, di ihm damals meine juͤngern Bruͤder fingen, und in einem kleinen, oben offenen Kaſten welcher im Waſſer und zwar in dem Teiche in unſerm Garten ſtand, anſammelten und woraus er denn gelegentlich, wenn der Taucher hungrig wurde, ſo viel als au einmal nöthig waren, herausholte und dieſen fuͤtterte. Mein Vater bemerkte jedod bald, daß die Zahl der Fiſchchen im Kaſten immer ſchneller abnahm, als es nac den ſelbſt herausgeholten der Fall ſeyn konnte, und daß ſogar auch die wegkamen denen dieſer enge Behälter den Tod brachte und die, wie gewoͤhnlich, oben au ſchwammen. Er legte ſich daher aufs Lauſchen, wozu ihm eine nahe, mit Gebuͤſe umgebene Bank als Verſteck diente, und feine Fiſchdiebe ließen nicht lange auf ſie warten. Sobald Alles um ihn her ruhig war, kamen naͤmlich zwei Eisvogel, un zankten ſich weidlich um ſeine Fiſche, ſowol um die abgeſtandenen, als um die leber den. Er holte in der Eil eine Falle herbei, die gerade wie ein niedriger Vogelbau ausſieht, oder auch Aehnlichkeit mit einem ſogenannten Meiſenkaſten und oben ein aufzuſtellende Klappdecke hat, legte todte Fiſche hinein, ſtellte ſie auf dem Kaſte auf, und begab ſich in fein Verſteck. Nicht lange, fo waren auch die Fiſchgaͤſ wieder bei der Hand; allein ſie gingen nicht in die Falle, ſondern warfen den Deck mehrmals zu, ſo daß ſich mein Vater genoͤthigt fah, fie bald wieder wegzunehmei Nun ſtellte er einige Sprenkel an den Kaſten, ſo tief unter Waſſer, daß die Stel Hölzer eine Querhand hoch über der Waſſerflaͤche ſtanden, und fing in äußerft kurz! Zeit den einen, und gleich nachher auch den andern Eisvogel. Es war ein alte Paͤaͤrchen, und der Vorfall ereignete ſich im Herbſt. Ende des fuͤnften Theils. Druckfehler. Aus Verſehen iſt Seite 246 zwiſchen der erſten und zweil Zeile ausgelaſſen: Pfeilzüͤngler. 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