— — RE 1 Fr ee . E } — — 2 = na 1 x r = — 3 * N ——— —— —— ey . i h SMART U ERDE EEE Er ee “ nn nn ar 5 * „ „ * 12 HARVARD UNIVERSITY LIBRARY MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY a Fleischer os Johann Andreas Naumann's, mehrerer gelehrten Geſellſchaften Mitgliede, Paturgeschicht der Voͤgel Deutſchlands, nach eigenen Erkahrungen entworken. — e 2 Durchaus umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, ſehr vermehrt, vervollſtaͤndigt, und mit getreu nach der Natur eigenhändig gezeichneten und gefto: chenen Abbildungen aller deutſchen Voͤgel, nebſt ihren Hauptver⸗ ſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von deſſen Sohne Johann Friedrich Naumann, Profeſſor; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle; der Societät für Forſt- und Jagdkunde zu Dreyßigacker und Meiningen; der Wetteraueſchen Geſellſchaft für die geſammte Natur⸗ kunde zu Hanau; der Geſellſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften zu Marburg; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig; der allgemeinen Schweizeriſchen Geſellſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, und der naturforſchenden Geſellſchaft zu Görlitz wirkliches, correſpondirendes und Ehrenmitglied. eine Shen! Mit 28 colorirten und 1 ſchwarzen Kupfer. Leipzig: Ern ſt Fleiſcher. 1838. 22 a 30 . 5 5 N N An — — Ich habe dieſem neunten Theile meines Werks das wohlgetroffene Bild des nunmehr verſtorbenen Mitzſch vor- angeſtellt und füge eine kurze biographiſche Scizze deſſelben bei, weil es mir die Dankbarkeit gebietet, dem fleißigen und gelehrten Mann, deſſen anerkannt treffliche ornithologiſche Arbeiten gewiß eine Zierde dieſes Werks ſind und bleiben werden, dem theuern, unvergeßlichen Freunde auch noch im Tode meine hohe Achtung, meine Verehrung zu bezeigen. Ch riſtian Ludwig Nitzſch war im Dorfe Beucha unfern Leipzig, den 3. September 1782 geboren, wo ſein Vater, Carl Ludwig Nitzſch, Pfarrer war; ſeine Mut⸗ ter, Louiſe Eleonore Gottliebe, war die Tochter des braunſchweigſchen Hofraths und Profeſſors zu Helmſtädt, Joh. Chriſt. Wernsdorf. Der junge N. kam mit ſei⸗ nem Vater nach Borna, wo er zwei, dann nach Zeitz, wo er drei Jahre zubrachte, bis ſein Vater als Superin⸗ tendent nach Wittenberg berufen wurde. Den erſten Unterricht empfing er in Borna und Zeitz. In Wittenberg trieb er bei Schenk die alten Sprachen fleißig, verwendete * VI aber alle Nebenſtunden auf das Studium der Naturge— ſchichte, das ihn mächtig anzog und worin er ſich Linne zum Führer gewählt hatte. Sehr gefördert wurde er durch die liebevolle Einhülfe und Aufmunterung der beiden Er d— mann, von denen der ältere Phyſtkus in Dresden, der jüngere Profeſſor der Medicin in Wittenberg wurde. Nach- dem er ein Jahr lang das Lyceum in Wittenberg be— ſucht hatte, kam er auf das Gymnaſium zu Gotha, das damals unter der Leitung Döring's, eines Freundes ſei⸗ nes Vaters, blühete. N. ſprach ſich oft mit Innigkeit aus, daß er auſſer ſeinen Aeltern niemand mehr verdanke als Döring, der ihn in ſein Haus nahm und ihm die liebevollſte Sorgfalt widmete; hier waren außer D. berühmte und treff⸗ liche Lehrer, wie Jacobi, Lenz, Schlichtegroll, Kries, Galetti, und dieſen verdankt N. unſtreitig die treffliche klaſſiſche Bildung, die er beſaß, die große Kenntuiß des Griechiſchen und Lateiniſchen, von denen er das Letztere ſehr correct und elegant ſchrieb. Nach drei und einem halben Jahre kehrte er nach Witteuberg zurück und wurde hier 1800 academiſcher Bürger. Er wollte ſich, mit Zuſtim⸗ mung feines Vaters, der Medicin widmen. Im erſten Uni⸗ verſitätsjahre beſuchte er jedoch, außer der Anatomie, bloß philoſophiſche, hiſtoriſche, phyſikaliſche und philologiſche Colz legien; zu Hauſe trieb er alte und neue Sprachen, machte ſich auch mit dem Spaniſchen, Holländiſchen und Däniſchen bekannt, und hörte in den folgenden Jahren ſämmtliche theoretiſche und praktiſche Collegien. Daukbar gedachte er der beſondern Beihülfe Schkuhr's, welcher ihn mit der Botanik vertraut machte und ihn auch das Kupferjtechen lehrte. Gegen Ende des Jahres 1804 machte N. das Era⸗ & I 7 h V men pro candidatura und erhielt die Erlaubniß, öffentliche Vorleſungen halten zu dürfen. Er wählte die Literärge⸗ ſchichte der Mediein, woran er ein gauzes Jahr arbeitete und ſie von den älteſten Zeiten bis auf Haller durchführte. Im nächſten Sommer hielt er zoologiſche Vorleſungen über die ganze Anatomie und Phyſtologie der Thiere, trieb dies Studium mit ungemeiner Liebe und ſchrieb bereits 1805 für Voigts Magazin f. d. neueſt. Zuſt. d. Naturkunde. Schon frühzeitig zog ihn die Anatomie der Vögel an und eine feiner erſten Arbeiten find die „pterylographiſchen Fragmente,“ welche in Voig'ts Magazin XI. Bd. 5. St. Mai 1806 ſtehen und die merkwürdige Geſtalt und Bunt⸗ heit des Flaums betreffen; eine Arbeit, die im ausgedehu— tern Maaße (über das ganze Gefieder), auch ſeine letzte, leider unvollendete (die Pterylographie) geblieben iſt. — Die Anatomie der Juſekten war es aber vorzüglich, die ihn zuerſt auzog und welche er drei Jahre lang trieb; hierbei rühmt er die Unterſtützung feines frühern Lehrers Lang: guth, welcher eine reiche Bücher- und Naturalienſammlung beſaß. Frühzeitig kam er mit Voigt in Jena, Bertuch in Weimar und Froriep, damals in Berlin, in Brief: wechſel und rühmt deren wiſſenſchaftliche Unterſtützung. Am 4. Januar 1808 wurde er zum Doctor der Medicin pro— movirt, und ſchrieb hierzu ſeine fünf Bogen lange Inaugu⸗ ralabhandlung „de respiratione animaljum“, die ſich eines wohlverdienten Rufs erfreuet; ſie beruht durchaus auf ei— genen Unterſuchungen, namentlich was Vögel und Juſekten betrifft. — Bald nachher ward er außerordentlicher Pro- feſſor der Zoologie und Botanik und Proſector (ich denke unter Seiler, jetzt in Dresden); lebte aber mit den Sei⸗ * VI nen während der unglücklichen Belagerung von Wittenberg und der traurigen Occupation des Laudes, von Oſtern 1813 bis Michaelis 1815, in dem von dort 2 Stunden entfernten Städtchen Kemberg, wo er oft auf die Jagd ging, Vö— | gel ſchoß und fie zu Haufe zergliederte. Er war bereits ſeit 1811 verheirathet mit Julie, geb. Laue aus Wit⸗ tenberg, wurde bei Vereinigung beider Univerſitäten, Wit— tenberg und Halle, au letztern Ort verſetzt, wo er 1816 einzog, als ordentlicher Profeſſor der Zoologie und Director des academiſchen zoologiſchen Muſeums, das er eigentlich neu ſchuf, dann mit ungewöhnlichem Eifer und klugem Auf- wand aller Hülfsmittel zu vervollſtändigen trachtete und endlich auf eine Stufe erhob, die es andern Sammlungen zweiten Ranges nicht nur gleichſtellte, ſondern daß es zu⸗ letzt manche noch weit überſtrahlte, zumal er bei Auſchaf⸗ fung der Sachen die Förderung der Wiſſenſchaft weit mehr, als eine bloße ſyſtematiſche Anhäufung vieler Arten ſein Hauptaugenmerk ſein ließ. Bedeutendes Aufſehen unter den gründlichen Ana- tomen und Naturforſchern erregten ſchon ſeine, 1811 er⸗ ſchienenen „oſteographiſchen Beiträge z. Naturg. d. Vögel, mit 2 Kupfert.“; noch mehr ſeine „Beiträge zur Infuſo⸗ rienkunde oder Naturg. d. Zerkarien und Bazillarien. Halle 1817; nicht minder mehrere gehaltvolle, ſtets auf eigene Beobachtungen begründete Abhandlungen für Meckel's Ar- chiv und andere naturwiſſenſchaftliche Zeitſchriften, für d. allgem. Eucyclopädie von Erſch und Gruber; ſo wie ſeine Schrift: „De avium arteria carotide communi.“ Ferner zeugt ſein „Prodromus einer Naturgeſch. der Thierinſecten (Insecta epizoica)“ im III. Bande von Germar's und VII Zinken's Magaz. f. d. Entomologie. 1818, wie er hier mit großem Fleiße und Gelehrſamkeit ein faſt neues Feld bearbeitete. Das überaus reiche Material für die beabſich⸗ tigte Herausgabe einer Naturgeſchichte dieſer Thierklaſſe, worüber er viele Jahre eifrigſt geſammelt, alle Zeichnungen (durchgängig mikroſkopiſch) eigenhändig mit ängſtlicher Ge- nauigkeit verfertigt, auch das äußere Leben dieſer Thierchen, wie keiner vor ihm, beobachtet und aufgezeichnet hatte, be- ſchäftigte ihn mit unveränderter Beharrlichkeit bis au fein Lebensende. Sein reger Forſchungsgeiſt ſtrebte ſtets uach Neuem, zugleich aber auch nach Gründlichkeit, um feine Eut- deckungen möglichſt feſtzuſtellen; daher hielt er ſeine Manu⸗ ſcripte fo lange an ſich, daß viele nicht geſchloſſen waren als ihn der Tod ereilte. Hoffentlich wird jedoch noch Mau- ches davon von würdigen Händen zu ſeinem Nachruhm benutzt werden. — Seine Vorleſungen über Zoologie hatten einen allgemeinen Ruf und waren traditionell bald in ganz Deutſchland als vorzüglich bekannt; die meiſten feiner Schü— ler gedenken feiner mit Liebe, Hochachtung und Dankbarkeit, Im Sommer 1827 machte N. ſeine erſte bedeutende Reiſe über Frankfurt am Main, Bonn (wo fein Bru- der lebt), nach Leyden zu Temmind, von da nach Pa— ris, wo er mit d' Alton d. j. und Andr. Wagner in Einem Hanſe wohnte, mit dieſen, Prof. Rudolph Wag- ner und Ef ebricht (jetzt in Kopenhagen) in den Galerien für vergleichende Anatomie u. a. täglich zuſammentraf und bei Cuvier ſehr hoch ſtand. — Sein häufiges Uebel, Ma⸗ genkrampf, beſtimmte ihn damals, nicht, wie er beabſichtigt hatte, die Südküſten Frankreichs zu ſehen, ſondern über Geuf und durch die Schweiz zurück zu reiſen. — Seine VIII zweite bedeutende Reiſe machte er im Sommer 1835, über Dres den, Prag, Wien, nach Trieſt, Venedig, Verona und über München und Erlangen zurück. Allenthalben wo es Gelegenheit gab, arbeitete er emſig und unermüdlich in ſeinem Fache; überall wo er war, nahm er die Hochachtung derer mit, die ſeine ne Bekannt⸗ ſchaft machten. Er lebte in ſehr glücklichen ichen Verhältniſſen, war Vater von acht Kindern, von denen ihm fünf vorangingen und nur zwei Söhne und eine Tochter mit ihrer Mutter an feinem Grabe weinen; er war ſtets zärtlicher Gatte und feinen Kindern ein forglicher, liebevoller Vater. Oft klagte er über Unwohlſein — bei feiner raſtloſen Thätigkeit ver⸗ muthlich von zu anhaltendem Sitzen und anſtrengenden Kopfarbeiten —, wurde aber zuletzt ziemlich corpulent. Erſt zwei Tage vor ſeinem Ende fing er an bedenklich zu klagen, konnte Tags darauf nicht mehr ſchlucken und verſchied am Morgen des 16. Auguſt 1837, viel zu früh für die Wiſ— ſenſchaft, ein ſchmerzlicher, uuerſetzlicher Verluſt für die Seis nen und ſeine Freunde. | Ziebigk, den 20. Juli 1838, J. Fr. Naumann. Inhalts anzeige des ee n en he eee Swölfte Ordnung. Wad vögel. Grallatores. (Beſchluß.) Dritte Unterabtheilung. Reiherartige Wadvögel. Herodii. Saite 3. A) Rether. Ardeidae, 2 LXVI. Gattung. Reiher. Ardea. — 5. I. Fam. Duͤnnhalſige Reiher. Eigentliche Reiher. Ardeae guineae,) — 23. 250. Fiſch⸗Reiher. A. cinerea, — 24. 251. Purpur⸗Reiher. A. purpurea. e 252. Silber⸗Reiher. A. egretta. — 85. 253. Seiden⸗Reiher. A. garzetta. — 101, 2. Fam. Dickhaͤlſige oder bemaͤhnte Reiher (Ar- deae jubatae.) — 119. 254. Schopf⸗Reiher. A. comata, — 120. 3. Fam. Rohrdommeln. Nachtreiher. Nycte- rodiae.) — 138. 255. Naͤchtliche Rohrdommel. A. nycticorax. — 139. 256. Große Rohrdommel. A. stellaris, — 159. 257. Kleine Rohrdommel. A. minuta. — 194. Taf. 7 B) Störche. Pelargi. Seite 219. Taf. 227. LXVII. Gattung. Storch. Ciconia. — 220. — — 258. Weißer Storch. C. alba. 5 — 231. — 228. 259. Schwarzer Storch. C. nigra. — 279. — 229. LXVIII. Gatt. Loͤffler. Platalea. — 305. — 229. 260. Weißer Loͤffler. P. leucerodius. 312 230 \ 0) Kraniche. Gruinae, — 333, 8 LXIX. Gatt. Kranich. Grus. — S 261. Gemeiner Kranich. G. cinerea, — 345. — 231. 262. Jungfern⸗Kranich. G. virgo. — 386. — 232. D) Waſſerſtelzen. Hygrobatae. — 396, — — LXX. Gatt. Flaming. Phoenicopterus. — 397. — — 263. Roſenfarbiger Flaming. Ph. antiquorum. — 408. — 233. Vierte Unterabtheilung. Schwalbenwader. Glareolidae. Seite 431. Taf. — LXXI. Gatt. Giarol. Glareola. . 264. Halsband⸗Giarol. Gl. torquata. — 437. — 234. Fuͤnfte Unterabtheilung. 3 Nallenartige Wadvögel. Kalli dae. Seite 463. Taf. — LXXII. Gatt. Ralle. Kallus. — 465. — 265. Waſſer⸗Ralle. R. aquaticus. — 472. — 235. LXXIII. Gatt. Sumpfhuhn. Crex. — 491. — — 1. Fam. S. mit etwas hoͤherm, kuͤrzerm Schnabel und kuͤrzern Zehen. a — 495. — — 266. Wieſen⸗Sumpfhuhn. C. pratensis. — 496. — 236. 2. Fam. S. mit niedrigerm, ſchlankern e 5 und laͤngern Zehen. — 3522 „—-n 267. Geſprenkeltes Sumpfhuhn. C. porzana. — 523. — 237. 268. Kleines Sumpfhuhn. C. pusilla. — 547. — 238. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. C. pygmaea. — 567. — 239. LXXIV. Gatt. Teichhuhn. Gallinula. N 270, Gemeines Teichhuhn. G. chloropus. — 587. — 240. XI Dreizehnte Ordnung. Schw imm vögel. Natatores: Seite 621. Taf. 240, Erſte Unterabtheilung. Lappeufüßer. Lobipedes. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. Fulica. „ 66 271. Gemeines Waſſerhuhn. F. atra. i — 635. — 24, LXXVI. Gatt. Lappentaucher. Colymbus. — 668. — — 272. Großer Lappentaucher. C. cristatus. — 686. — 242. 273. Rothhalſiger Lappentaucher. C. rubricollis. — 720. — 243. 274. Gehoͤrnter Lappentaucher. C. cornutus. — 739. — 244. 275. Arctiſcher Lappentaucher. C. arcticus. — 755. — 245. 276. Geoͤhrter Lappentaucher. C. auritus, — 768. — 246. 277. Kleiner Lappentaucher. C. minor. L 785, — 2247. ARE Anmerk. Im Texte Seite 138. Z. 1. muß es flatt Zweite — „Dritte“ Familie u. ſ. w. heißen, und auf S. 625, 626. 627. in der Uiberſchrift muß „LXXIV. Gatt.“ geſtrichen werden. Zwoͤlfte Ordnung. Wadvoͤgel. GRALLATORES. itte Ünteratbſthei lg ng.) Reiherartige Wadvögel. Zerodü. Ihr Schnabel iſt ſehr ausgebildet, hart, zumal an der Spitze und an den Kanten, von verſchiedener Geſtalt, doch meiſtens ſcharf zugeſpitzt, dann viel ſchmaͤler als hoch; an einigen auch ganz platt und ſehr breit, an noch andern aufgeblaſen. Die Naſenloͤcher liegen in einer weiten Hoͤhle, die meiſtens in eine lange Furche auslaͤuft. Bei den mehreſten ſind die Zuͤgel, bei andern ein Theil des Kopfs oder Halſes nackt. Ihre Fuͤße ſind anſehnlich hoch, ſchlank, mit nackter Ferſe, bei den allermeiſten auch die Tibia hoch hinauf nackt. Sie haben ſehr große, wegen der langen Armknochen auch ſehr lange und ziemlich breite, an der Spitze aber meiſtens abgerundete Fluͤgel, aber einen kurzen Schwanz. Ihr Kopf iſt klein und niedrig, der Hals ſehr lang und dünn, im mehrern oder mindern Maaße Sfoͤr⸗ mig gebogen, ihr Rumpf, im Vergleich mit den großen und langen Gliedern, klein und oft ſehr ſchmal zuſammengedruͤckt. 5 Sie leben an den Ufern der Gewaͤſſer und in Suͤmpfen, obgleich viele abwechſelnd auch aufs trockne Feld gehen. Im Gegenſatze der °) Sollte eigentlich die vierte fein, da durch ein Verſehen eine dritte, nämlich die der Sichelvögel, Falcati, eine Gruppe, durch weiche die Schnepfen mit den Reih ern verbunden werden, vor S. 534 des vorherigen (VIII.) Theils einzu⸗ ſchalten vergeſſen worden iſt. 1 4 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. behenden und ſchnelllaufenden Schnepfenvoͤgel, ſchreiten die reiherar⸗ tigen Voͤgel ſtets nur in langſamen Schritten und nicht ohne An: ſtand einher. Die meiſten ſcheuen die Naͤhe der Waldungen nicht und ſetzen ſich oft auf Baͤume. Ihre Nahrung ſind Fiſche, Amphi⸗ bien, Wuͤrmer und Inſekten, manchmal auch kleine Saͤugethiere und Voͤgel, zuweilen ſogar Aas, bei einigen nebenbei, ja in manchen Zeiten faſt vorherrſchend, Samen und Getraidekoͤrner, auch gruͤne Pflanzentheile. Sie ſind ſaͤmmtlich ſehr mißtrauiſch und vorſichtig, lieben nur die Geſellſchaft ihres Gleichen, und ihre Stimmen ſind rauhe, unangenehme Toͤne. Sie pflanzen ſich paarweiſe fort, viele Paare oft nahe beiſammen, bauen große Neſter auf Baͤume, Ge⸗ baͤude, Felſen oder ins Schilf und Gebuͤſch der Suͤmpfe, legen 2 bis 6 eifoͤrmige, meiſtens einfarbige Eier, und fuͤttern die mit wolligem Flaum bekleideten Jungen im Neſte, bis ſie dies fliegend verlaſſen koͤnnen, aus dem Kropfe, oder ſpeien ihnen das Futter ſpaͤter vor. Bei aller Aehnlichkeit im Totalhabitu und in der Lebensweiſe ſondern ſich dieſe Voͤgel doch auffallend in 1 Gruppen, deren wir 4 aufſtellen. A) erben. Ardeidae. Mit llonsent, ſehr zuſammengedruͤckten, ſcharf oe harten Schnabel; hohen, über den Ferſen mehr oder weniger nackten Fuͤßen, welche mit langen, ſchlanken Zehen und großen Krallen ver⸗ ſehen ſind, deren kaum weniger lange Hinterzeh mit den uͤbrigen in einer Ebene liegt und der innern Vorderzeh gegenuͤberſteht; mit einem, gegen die großen Gliedmaßen, ſchmaͤchtigen, leichten, von den Seiten ſehr zuſammengedruͤckten, daher ſehr ſchmalen Rumpf. Sie ſind fleiſchfreſſend und zum Theil arge Raͤuber. t | Sechs und fechzigfte Gattung. Reiher. Ardea. Zuͤgel, oder der Raum zwiſchen Schnabel und Auge, nebſt den Augenlidern nackt. Das Auge iſt der Schnabelwurzel ſehr genaͤhert. | 1 Schnabel: Langer oder auch nur eben fo lang als der Kopf, ziemlich ſtark, gerade, ſehr ſpitzig, von beiden Seiten ſehr zuſammen⸗ gedrückt, daher viel ſchmaͤler als hoch, am Firſte und Kiel fehr. ſchmal, die ziemlich eingezogenen Mundkanten ſchneidend ſcharf, zu= naͤchſt der Spitze gezaͤhnelt, der Rachen bis unter das Auge gefpal- ten und ſehr breit. Er iſt durchaus hart, bloß in der Wee und in der Naͤhe der Mundwinkel weich. Naſ enloͤcher: Ritzartig, ſchmal, ohnfern der Schnabelwurzel, jederſeits in einer ſchmalen weichen Haut liegend, die als Furche in der Naͤhe der Schnabelſpitze verlaͤuft. Fuͤße: Lang, oder mittellang, ziemlich groß, uͤber der Ferſe bei manchen hoch hinauf, bei einigen andern wenig nackt; mit be⸗ deutend langen, ſchlanken Zehen, von welchen die drei vordern nur zwiſchen der aͤußern und mittlern eine kleine Spannhaut haben, alle in einer Ebene liegen, und die ziemlich lange Hinterzeh auf der inwen⸗ digen Seite der Fußwurzel, der innern Vorderzeh gerade gegenuͤber ſteht. Die Vorderſeite des Fußes und die Zehenruͤcken bedecken duͤnne, aber ſehr breite Schilder. Die Krallen ſind lang, ſchmal, ſchlank zugeſpitzt, flach gebogen, die der Mittelzeh hat auf der innern Seite einen vorſtehenden, fein kammartig gezaͤhnelten Rand. 6 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. Flügel: Lang, mittelmäßig breit, vorn ſtumpf, mit ſehr lan. gen Armknochen, aber etwas kurzen Schwingfedern, von welchen die erſte etwas kuͤrzer als die zweite iſt, die aber oft mit der dritten oder auch noch der vierten einerlei Lange hat, oder auch für ſich allein die laͤngſte von allen iſt. Schwanz: Abgerundet, kurz, zehn- oder zwoͤlffederig. Sie haben einen kleinen, flachen und ſchmalen Kopf, einen ſehr langen duͤnnen Hals, welchen ſie Sfoͤrmig ſo ſtark zuſammen⸗ legen, daß das Hinterhaupt auf dem Anfange des Ruͤckens und der Schnabel horizontal auf der Gurgel ruht, naͤmlich in ruhiger Stellung und im Fluge, konnen ihn aber aus dieſer Lage wie eine Schnellfeder kraͤftig vorſchnellen, im Nu gerade ausſtrecken und eben ſo ſchnell wieder in jene Lage bringen. — Ihr Rumpf iſt auffal⸗ lend leicht und ſchwaͤchlich, von beiden Seiten ungewoͤhnlich zuſam⸗ mengedruͤckt, und außerordentlich ſchmal. An jeder Seite deſſelben liegen zwei kiſſenartige Stellen, die eine unter dem Fluͤgelbuge neben der obern Bruſthoͤhle, die andern neben dem Kreuzbein an der Seite des Bauchs; fie fühlen ſich fettig an und find mit einem eigenthuͤm⸗ lichen, hellgelben oder gelbweißen, ſeidenartigen, flockigen oder zotti⸗ gen Flaum, eben nicht ſehr dicht, bedeckt. Dieſe ſonderbaren Fett⸗ kiſſen zeichnen fie vor allen andern Sumpfoögeln aus. Es find große oder doch mittelgroße Vögel, deren Geſtalt nicht ſchoͤn, zumal wenn der Hals, wie gewoͤhnlich, ſo ſtark in die Sform gedruͤckt wird, daß er an drei Stellen (etwas unter dem Genick, in ſeiner Mitte und an ſeinem Urſprung) wie geknickt ausſieht, und wenn das breite, weiche Gefieder der Fluͤgel nachlaͤſſig herabhaͤngt; denn ſie haben keine Tragfedern, außer einem Buſche loſer Federn, welche nur das Handgelenk bedecken und jene ſehr unvollkommen erſetzen. Sie tragen ihr Gefieder uͤberhaupt ſelten anders als locker, weshalb fie das Auge taͤuſchen und größer ſcheinen als fie find, wäh: rend die ungewoͤhnliche Leichtigkeit ihres Koͤrpers und Umfangs un⸗ gemein überraſchend iſt. | Ihr lockeres, weiches Gefieder trägt vielerlei Shah jedoch keine eigentliche Prachtfarben; manche ſind ganz weiß. Zwiſchen beiden Geſchlechtern iſt in der Faͤrbung wenig Unterſchied, aber die Weib⸗ chen ſind weniger ſchoͤn als die etwas groͤßern Maͤnnchen. Die meiſten Arten haben verlaͤngerte Scheitel- und Hinter⸗ hauptsfedern, welche fie aufſtraͤuben koͤnnen, viele auch noch eigen⸗ 1 XII. Ordn. LXVI. Sat. Reiher. 7 . ieren am Genick einige herabhaͤngende, ſehr a ſchmale, banderartig flatternde Federn oder einen Buͤſchel ſolcher; am Vorderhalſe, zunaͤchſt der Bruſt einen Buͤſchel langer, ſchmaler zugeſpitzter Federn; an den Oberruͤcken⸗ und Schulterfedern entweder baͤnderartig zerſchliſſene Enden, oder jene Federn ſind ſehr lang und entweder haarfoͤrmig zerſpalten oder an den außerordentlich verlän- gerten Schaͤften mit einem langen, loſen, flatternden Bart weitlaͤufig beſetzt. Der ungemein zarte Bau der einen oder der andern macht fie zum Schmuck für die Menſchen beliebt, aber nur bei alten Voͤ⸗ geln und namentlich in der Begattungszeit finden ſich dieſe oder jene in ihrer beſten Vollkommenheit. 4 Die jungen Voͤgel find im Anfange mit lockern Dunen be- kleidet; ihr nachheriges Gefieder traͤgt ſchmutzigere und oft ganz an⸗ dere Farben, als das alter Voͤgel, und erſt nach zweimaligem Mau⸗ ; fern erhalten fie es ausgefaͤrbt; es vergehen demnach mehr als drei Jahr, ehe es die moͤgliche Vollkommenheit erlangt. — Die Mauſer erfolgt nur ein Mal im Jahr, bei den Alten im Spaͤtſommer, bei den Jungen in den Wintermonaten, geht ſehr langſam von Stat⸗ ten, und die Schmuckfedern kommen bei jenen meiſt erſt gegen das Fruͤhjahr zur Vollkommenheit. Die Reiher leben in der gemaͤßigten und heißen Zone, wandern im Winter aus den Faltern Gegenden in waͤrmere, gehen aber auch im Sommer nicht hoch nach Norden hinauf. Ihren Aufenthalt ha⸗ ben ſie an Gewaͤſſern verſchiedener Art, am meiſten an ſumpfigen, an ſtehenden und fließenden, zuweilen auch an ſtillen Meeresbuchten, aber nie an der offenen See. Sie ſcheuen den Wald nicht, ſetzen ſich gern auf Baͤume, und viele niſten ſogar auf ſolchen; andere waͤhlen zum Aufenthalt vorzuͤglich hohes, dichtes Rohr und Schilf. — Sie koͤnnen ſehr verſchiedene Stellungen annehmen, von denen keine x anmuthig zu nennen iftz find gemaͤchlich, langſam und bedaͤchtig im Gange und Fluge, aber nicht ungeſchickt; treiben ihr Weſen gern im Stillen, find hämiſch, mißtrauiſch, furchtſam, ſuchen ſich den Au- gen der Menſchen zu entziehen, entweder durch ſonderbare Stellun⸗ gen und ſtarres Beharren in einer ſolchen, oder fliehen ſie in großer Entfernung ſchon. Ihr ungemein leichter Koͤrper wird von den mit langen Zehen verſehenen ſchlanken Fuͤßen leicht uͤber den ſchwankenden Sumpf, oder von den großen, langen und breiten, vorn abgeſtumpften Fluͤgeln, welche ſehr breite Schwingfedern haben, durch die Luft getragen, wobei fie die Flügel jedoch nur fanft und langſam, in nicht weit ausholenden Schlaͤgen ſchwingen, was dem 8 XII. Ordn. LXVI. Sat. Reiher. Fluge ein n ſchwerfälliges oder vielmehr träges Ausſehen giebt. Manche lieben zu gewiſſen Zeiten die Geſellſchaft 5 Gleichen, wandern aber nie in großen Schaaren; gegen andere Voͤgel find fie ungeſel⸗ lig, gegen ſchwaͤchere unfriedlich. — Sie naͤhren ſich hauptſaͤchlich von kleinen Fiſchen, die ſie im ſeichten Waſſer und an den Ufern beſchleichen, felbft bis an den Bauch ins Waſſer nach ihnen waden, und ſie durch pfeilſchnelles Vorſchnellen des vorher zuſammengezo⸗ genen Halſes mit ihrem ſpitzen und ſcharfen Schnabel fangen und dabei ihr Ziel ſelten verfehlen; ſie freſſen aber auch Froͤſche, Mu⸗ ſcheln, Inſekten und Maͤuſe. Aus dem Pflanzenreiche genießen ſie nichts. Sie beſchleichen ihren Raub und ſind gefraͤßige Geſchoͤpfe; ſtehen aber vollgepfropft oft auch Stunden lang an einer Stelle, die Verdauung abwartend, und ſpritzen ihren duͤnnfluͤſſigen, weißen, kalkartigen Unrath weit von ſich. — Sie leben in Einweibigkeit, bauen ihre großen, flachen, kunſtloſen Neſter entweder ins dichte Rohr, Schilf oder Geſtraͤuch, oder auf hohe Baͤume, zuweilen ſogar auf Felſen, nicht immer ganz nahe beim Waſſer; legen 3 bis 6, nicht gar große, eigeſtaltige, ungefleckte, weiße, gruͤnliche oder ſchoͤn blaugruͤne Eier, welche die Weibchen allein ausbruͤten und waͤhrend dem von den Maͤnnchen mit Futter verſehen werden. Einige Arten niſten in großen Geſellſchaften beiſammen. Die Jungen werden anfaͤnglich aus dem Kropfe gefüttert, nachher wird ihnen die Nah: rung vorgewuͤrgt; die der hoch niſtenden ſitzen fo lange im Neſte, | bis fie völlig flugbar find und den Alten folgen können, durch deren Anweiſung fie ſich bald ſelbſt naͤhren lernen; die der tief und ver⸗ ſteckt niſtenden verlaſſen dagegen das Neſt, noch ehe fie fliegen ler⸗ nen und nur noch unvollkommen mit Federn bekleidet ſind. — Ge⸗ gen ihre Feinde zeigen ſie ſich ſehr furchtſam, vertheidigen ſich jedoch im Nothgedraͤnge tapfer und koͤnnen mit ihrem ſcharfſpitzigen Schna= bel, den ſie unverſehens mit großer Geſchwindigkeit und kraͤftig gegen den Feind anſchnellen, oft gefährlich verwunden, indem alle die auf- fallende Gewohnheit haben, ihre wuͤthenden Blicke auf die Augen des Angreifers zu heften und dieſe zum Zielpunkte ihres Stoßes zu machen, was den Unvorſichtigen leicht Schaden bringen kann und manchen voreiligen Jagdhund ein Auge gekoſtet hat. Auch gegen ihre Verfolger unter den Raubvoͤgeln gebrauchen ſie den Schnabel als kraͤftige Vertheidigungswaffe und zwar oft mit Erfolg. Da der Kampf mit fluͤchtigen und beherzten Edelfalken und einem Reiher in der Luft ein ſehr anziehendes Schauſpiel giebt, ſo richtete man jene zum Fange dieſer kunſtgemaͤß ab und nannte dies koſtſpielige, 4 I XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 9 daher nur fürfttiche Vergnügen: die Reiherbaitze, die jedoch in neuern Zeiten faſt ganz aus der Mode gekommen iſt. — Die mei⸗ ſten ſind ſo ſehr vorſichtig und ſcheu, daß ſie nur mit großer Vor⸗ ſicht, hinterſchlichen oder uͤberliſtet, mit Schießgewehr erlegt werden koͤnnen, dem eine beſondere Familie derſelben wieder durch ſtilles Verſteckthalten zu entgehen ſucht. — Zur Speiſe taugen ſie im All⸗ gemeinen nicht, und man kennt keinen andern Nutzen, als den, wel⸗ chen die ſchoͤn gebildeten Schmuckfedern einiger Arten zum Putz ge⸗ währen, wo fie hier und da ein bedeutender Handelsartikel werden koͤnnen. — Schaden thun ſie in ſogenannten zahmen Fiſchereien durch Wegfangen vieler Fiſchbrut, die ihnen an wilden Gewaͤſſern Marge angerechnet wird. f Anatomiſche und iet abi Charakteriſtik der | Gattung Ardea, von Nitzſche „Die Reiher bieten (nach Unkerfüchung der 8 cinerea, purpurea, Nycticorax, stellaris, comata und minuta) nicht wenige anatomiſche Merkwürdigkeiten dar, von denen ſchon eine geringe An: zahl hinreichen wuͤrde, um einen vollkommen unterſcheidenden Cha— rakter zu bilden, ſelbſt bei der noͤthigen Ruͤckſicht auf die Gattung des Savaku (Cancroma), als welche Gattung allerdings, trotz der ſo abweichenden Schnabelform, in einer ſehr nahen, freilich von den Syſtematikern der Ornithologie bisher oft uͤberſehenen oder nicht gehörig gewuͤrdigten Verwandtſchaft ſteht. (Ich verbinde dieſe bei: den genera zu einer Familie, Erodi genannt, indem ich derſelben nur anhangsweiſe noch die amerikaniſche Gattung Eurypyga beifuͤge).“ „Am Knochengeruͤſte dieſer ſehr zahlreichen Gattung iſt die Schlankheit mehrerer Theile, beſonders des Halſes, der Rippen und Hinterglieder, wiewohl nach Verſchiedenheit der Arten in ſehr ver— ſchiedenem Maaße, augenfaͤllig. Es bietet vorzuͤglich in Anſehung des Thraͤnenbeins, der Hirnſchale, des Quadrat- oder Pau⸗ kenknochens, des Gabelbeins, der Schluͤſſelbeine und der Stellung und Gelenkung des erſten und zweiten Zehs mehrere beſondere Eigenheiten dar.“ „Das ſehr geſtreckte Schaͤdelgeruͤſt ähnelt im Ganzen, nicht bloß in der Kieferform, ſondern auch in manchen andern ſpeciellen Verhaͤltniſſen, dem eines Lappentauchers, ja wohl ſelbſt dem eines Eisvogels, unterſcheidet ſich aber gerade von dem Schaͤdel des ſonſt den Reihern ſo aͤhnlichen Savaku in mehrern, freilich nicht 10 XII. Orbn. LXVI. Gatt. Reiher. ſehr weſentlichen Punkten. Die Hirnſchale iſt ſehr niedrig und auch uͤber dem hoͤchſten Theil der Hemiſphaͤren des Hirns nur we⸗ nig gewoͤlbt. Die ſehr ausgebildete crista oceipitalis begrenzt von hinten ſehr große, oben, bis auf eine ſehr ſchmale Laͤngsleiſte, zuſam⸗ menſtoßende Schlaͤfgruben, in welchen die hintere groͤßeſte Abthei⸗ lung des Musculus temporalis liegt. Die Schläfdornen, ein vor: derer und hinterer, ſind beide klein. Vor dem vordern befindet ſich noch ein Orbitalausſchnitt fuͤr die vordere Portion des genannten Muskels, und eine kleine Orbitalecke, oder ein dritter Schlaͤfdorn. Uebrigens iſt der ganze obere Orbitalrand ſcharf, und hier ſo wenig als oben auf dem Stirnbeine eine Spur von Eindruck der Naſen⸗ druͤſe wahrzunehmen.“ „Die bei Waſſervoͤgeln ſo haͤufig vorkommenden Foramina ob- turata des Hinterhauptes ſind bei der Reihergattung niemals vor⸗ handen. Das Hinterhauptsloch iſt groß, faſt rund, und ſteht, wie bei manchen Schwimmvoͤgeln, beſonders Steganopod en und Pygopoden, gerade nach hinten.“ g „Die Scheidewand der Augenhoͤhlen fehlt hier, wie bei Colym- bus, IIlig. groͤßtentheils; auch iſt der Orbitalboden der Calvaria über den Augen, unter dem vordern Theil der Hemiſphaͤren bis auf einen mittlern Knochenriegel groͤßtentheils nur haͤutig.“ „Das Riechbein, welches nur den vorderſten Theil der Au⸗ genhoͤhlenſcheidewand bildet, hat nur ſehr kleine niedrige Seitenfluͤgel.“ „Das Thraͤnenbein iſt dagegen ſehr groß und beſonders merkwuͤrdig durch die weite longitudinale Erſtreckung ſeines obern, an das Naſenbein ſeiner Seite angelegten Theils. Der untere Theil deſſelben, welcher durch eine aͤußere Rinne fuͤr die Thraͤnenkanaͤle vom obern abgetheilt iſt, bildet meiſt einen platten, nach hinten ge⸗ richteten, am Ende wohl gabeligen Zacken, welcher dem gedachten kleinen Seitenfluͤgel des Riechbeins nahe kommt oder ihn wirklich beruͤhrt.“ „Die Ne fengr d iſt meiſt ſchief dreieckig und von geringer Weite. Die Scheidewand zwiſchen den Nafenlöchern fehlt.“ „Die Gaumenbeine bilden lange, in ihrer hintern Strecke fuͤr den Musculus pterygoideus tief der Laͤnge nach gehoͤhlte, oder rinnenartig gebogene Platten. Ihr aͤußerer Rand ſowohl als der innere oder Choanenrand ſind nach unten gerichtet und geradlinig; ihr Hinterrand aber iſt mehr oder weniger ausgeſchnitten, und die Seitenecken demnach mehr oder weniger nach hinten verlaͤngert. (Ganz andere Berhältniffe dieſes Knochens finde ich bei Cancroma.)“ q» 0 0 c XII. Orbn. LXVI. Gatt. Reiher. 11 „Der vorn zugeſpitzte Vomer iſt ebenfalls der Laͤnge nach tief gehoͤhlt.“ „Den Verbindungsbeinen (Fluͤgelbeinen) fehlt die, beſonders bei Schnepfenvoͤgeln fo häufige, dritte Gelenk⸗ verbindung ganzlich; fie find gerade ſtabfoͤrmig und berühren vorn einander in ſehr ſpitzem Winkel.“ „Der Pauken- oder Quadratknochen zeichnet ſich 8 vor⸗ zuͤglich auch durch die Laͤnge und ſpatelartige Ausbreitung ſeines freien Fortſatzes, noch mehr aber durch vier zur Verbindung mit dem Unterkiefer dienende Gelenkkoͤpfe aus, von denen der vierte, ſonſt kaum vorkommende, ſehr abgeplattete, dicht bei der Gelen⸗ kung dieſes Knochens mit dem Verbindungsbeine liegt.“ „Der Unterkiefer hat meiſt kein offenes Querloch in den ho⸗ hen Aeſten; ſein ſpitzer Kinnwinkel reicht weit nach vorn, und die Aeſte enden hinten mit einer dreieckigen Flaͤche, deren innere Rand⸗ leiſte den hintern und innern Fortſatz verbindet, welche beide abge⸗ rundet und ſehr wenig ausgebildet ſind.“ „Immer iſt der Hals ſehr bedeutend laͤnger als der Rumpf. Die Zahl der Halswirbel differirt von 16 bis 19; die letzte Zahl hat Ardea purpurea. Die meiſten dieſer Wirbel vom zweiten an ſind ſchlank und ſchmalgedruͤckt, und zwar bei vielen in einem Grade, wie vielleicht bei keinem andern Vogel außer Phoenicopterus und Plotus. Die erſten vom zweiten bis zum vierten ſind der ſtaͤrkſten Krümmung nach vorn und unten, aber keiner nach hinten, die naͤchſtfolgenden einer eben ſo ſtarken Biegung nach hinten und gar keiner nach vorn fähig; mittelſt der letzten hingegen biegt ſich der Hals wieder nach unten. Bei den ſogenannten dickhalſigen, mit langen Maͤhnenfedern am Halſe verſehenen Arten, die wohl als Rohr— dommel zuſammengeſtellt werden, obgleich ſonſt unter ihnen manche Bildungsverſchiedenheit iſt, geſchehen dieſe Biegungen des Halſes, auch die allerſtaͤrkſten, wie fie der vordere und mittlere Theil übt, im Leben aͤußerlich faſt unſichtbar, indem ſie von der weiten Hals⸗ haut, die dieſen Biegungen der Wirbel nicht folgt, und durch die Hautmuskeln, jene uͤberſchreitend, angezogen wird, voͤllig verdeckt werden. Es ſcheint namentlich bei Ardea stellaris und minuta in Folge jener Anordnung der Hals wie ein Tubus aus- und einge⸗ zogen und bisweilen fo verkürzt zu werden, daß er fo zu ſagen ſchwindet, und der Kopf dicht an den Rumpf angeſetzt wird.“ „Die Ruͤckenwirbel, 8 bis 9 an der Zahl, ſind, wie ge⸗ woͤhnlich, nicht mit einander verwachſen; der letzte aber verſchmilzt, 12 XII. Ordn. LXVI. Bart Reiher. wie bei ſo vielen Voͤgeln, völlig zu einem Stuͤck mit den Becken⸗ wirbeln.“ „Die 7 bis 9 Schwan zwirb el ſind klein; die ebenfalls klei⸗ nen Querfortſaͤtze fehlen an dem vorletzten he der letzte, wel⸗ cher vielleicht bei allen Voͤgeln urſpruͤnglich aus mehrern, ſpaͤterhin verwachſenden Wirbeln beſteht, iſt eine perpenbifuläre, abgerundete, bei manchen ſehr kleine Platte.“ „Von den 8 oder 9 Rippenpaaren ſind die erſten 3 fal⸗ ſche; fuͤnf oder ſechs haben gewoͤhnlich den Rippenknochen, aber der der letzten, auch wohl der vorletzten Rippe ſind nur an den der vorhergehenden Rippe angelegt und erreichen das Bruſtbein nach ſehr gemeiner Regel nicht. Uebrigens herrſcht in Hinſicht der Ver⸗ haͤltniſſe der Rippen und Rippenknochen, beſonders in dieſer Gat⸗ tung, manche individuelle Verſchiedenheit. Alle Rippen der Reiher find ſehr dünn «und ſchmal. Der ebenfalls ſehr ſchmaͤchtige Rip⸗ penaſt, womit die dritte bis fuͤnfte Rippe verſehen iſt, erreicht in der Regel die folgende Rippe nicht.“ „Das Bruſtbein iſt von ſehr maͤßiger oder geringer Groͤße, bei Ardea minuta (und vermuthlich auch bei andern ſehr kleinen aͤhn⸗ lichen Arten) ganz auffallend klein, immer viereckig, ziemlich gleich⸗ breit, und etwa zwei Mal ſo lang als breit; der Kiel iſt hoch, fein Rand ſehr bogenfoͤrmig. Der kleine ſchmale Mittelgriff deut: lich vom Kiel geſchieden. Die Seitengriffe ziemlich ſtumpf und quer gerichtet. Am Hinterrande jederſeits nur eine weit geoͤffnete winkelfoͤrmige Hautbucht (excisura obturata). „Vorzuͤglich merkwuͤrdig und auszeichnend aber iſt die aſymme⸗ triſche Richtung der beiden Gelenkhoͤhlen fuͤr die Hakenſchluͤſſelbeine.“ „Dieſe beiden Schluͤſſelbeine ſtehen naͤmlich mit ihrem un⸗ tern und innern Theil nicht neben einander in einer Linie, ſondern hinter einander; ſo daß das rechte zum Theil weiter nach vorn als das linke geſtellt iſt, und beide, mit dem innern Theil ihres untern queren Gelenkkopfs etwas ſich kreuzend, die Mit⸗ tellinie des Bruſtbeins uͤberragen, das linke naͤmlich rechts, das rechte links dieſelbe uͤberſchreitet; — ein Verhaͤltniß, welches in gleichem Grade auch bei Cancroma, ſonſt aber wohl nur noch bei Stoͤrchen und manchen Ra ubvögeln, aber da weit weniger ausgebildet vorkommt.) „Der Gabelknochen iſt duͤnn, wenig geſpreizt, von der Seite angeſehen ſanft gebogen, ſchmalgedruͤckt, zur aͤußern Flaͤche etwas gehoͤhlt, und ganz beſonders ausgezeichnet durch einen laͤngli— XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 13 chen, unparen, wohl dreikantigen ſtumpfen Fortſatz, wel⸗ cher, von dem Vereinigungswinkel der beiden Seiten: theile aus, eben fo zwiſchen denſelben nach oben auf: ſteigt, wie der ihm gegenuͤber ſtehende kurze platte, meiſt mit dem Kiel des Bruſtbeins artikulirende Griff nach unten gerichtet iſt. Dieſe merkwuͤrdige Bildung, durch welche eine gewiſſe Aehnlichkeit des Gabelknochens mit dem Zungenbein der Voͤgel bedingt wird, finde ich außer den. Reihern nur noch beim Savaku, ſonſt nirgends.“ „Die Schulterblätter ſind ſchmal, ſpitz und wenig gebogen.“ „Die Geruͤſte der Vorderglieder haben nach Verſchiedenheit der Arten verſchiedene Laͤngenverhaͤltniſſe; indeſſen iſt der Ober— armknochen immer viel laͤnger als das Schulterblatt, der Vorderarm laͤnger, und der ſchlanke Handtheil kuͤrzer als der Oberarm.“ „Der, bei Schnepfenvoͤgeln und Palmatis longipennibus ſo ausgebildete, am untern Ende des Oberarmknochens, uͤber dem aͤußern Gelenkknorren befindliche Fortſatz oder Dorn, von welchem der Musculus extensor metacarpi a longus entſpringt, iſt hier faſt unmerklich.“ „Das Becken. iſt ſchmal, beſonders in der vordern Abtheilung; ſeine Seitentheile find ſchief nach unten gerichtet; die Leiſten aus: gebildet; die Ruͤckenmuskelgruben eng und meiſt verdeckt; die ſchmalen Schambeine laſſen außer dem vordern rundlichen Loche noch einen ziemlichen, mit Haut gefuͤllten Raum zwiſchen ſich und den Sitz⸗ beinen; ihre Enden uͤberragen dieſe und ſind etwas gegen einander 9 en. % An den Hintergliedern iſt der Unterſchenkel immer der läͤngſte Theil. Bei den langfuͤßigen Arten iſt das Os metatarsi merklich länger als das Os femoris. Je mehr ſich die Füße ver⸗ kuͤrzen, deſto mehr nimmt letzteres an Laͤnge zu, waͤhrend der Mit⸗ telfußknochen ſich verkürzt. Die Knieleiſten des Schienbeins find ſtumpf und weit weniger ausgebildet als bei den Schnepfenvo- geln und Fulicarien.“ „Das merkwürdigſte und eigenthümlichſte Verhaͤltniß der Hin⸗ terglieder aber beſteht in der Richtung und Gelenkung des Fußdaumens und des innern dreigliederigen Vorder⸗ zehs. Indem naͤmlich der ganz nach unten reichende kleine Mit⸗ telfußknochen fuͤr den Daumen ſehr ſchief nach innen und faſt quer gerichtet iſt, und das erſte Glied des dreigliedrigen Vor⸗ 14 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. derzehs an der Wurzel ſich ſehr nach innen ausbreitet, ſo kommen die Wurzelglieder beider Zehen in Berührung und Ge lenkverbindung ſowohl unter einander als mit dem ge⸗ nannten Metatarſusknochen. — Ein gleiches Verhaͤltniß finde ich, wenigſtens unter Wadvoͤgeln, nur noch bei Cancroma.“ „In Hinſicht der Muskulatur der Reiher iſt der ſchon von Cuvier wohl bemerkte gaͤnzliche Mangel des zweibäu- chigen Nackenmuskels (M. biventer cervicis), den ich bei allen von mir anatomirten Reiherarten immer beſtaͤtigt gefunden habe, ausnehmend merkwuͤrdig. Weit weniger auffallend iſt der Mangel des von mir ſogenannten Musculus communicans patagii magni, ferner des gracilis femoris (rectus femoris, Meckel) und des pero- neus brevis.“ i „Dagegen iſt der M. thoraco- ulnaris N. (sterno- ulnaris Cari) vorhanden.“ „Der M. extensor metacarpi radialis longus iſt in zwei ganz getrennte Muskeln zerfallen.“ „Ein eigner M. tensor patagii magni brevis, welcher überhaupt außer den Sing voͤgeln und Spechtvoͤgeln hoͤchſt ſelten vorkom⸗ men mag, iſt nicht vorhanden. Die kurze, vom Hauptſpanner der großen Flughaut entſpringende, zum Vorderarm gehende Sehne, welche ihm hier wie ſonſt entſpricht, iſt gabelig getheilt. Auch giebt die lange Sehne einen Aſt dahin ab.“)“ „Der M. tensor patagü axillaris oder costocutaneus, wie ich ihn lieber nennen moͤchte, zeigt eine merkwuͤrdige, aber auch beim Kranich und allen Fulicarien vorkommende Anordnung. Der⸗ felbe entſpringt naͤmlich als ein breiter quadratfoͤrmiger Mus⸗ kel von zwei oder drei Rippen und geht in eine Quer⸗ ſehne uͤber, welche mit ihrem hintern Ende oder Zipfel an die Spitze des Schulterblattes angeankert iſt, mit dem andern entgegengeſetzten Ende aber, theils in elaſtiſche Subſtanz ver⸗ wandelt, in den Rand der Axillarflughaut uͤbergeht und ſich in Sehnenfaſern verliert, die wohl bis zum Ellenbogengelenk ſich fort⸗ ſetzen. Die kurzen, am Mittelfußknochen entſpringenden Mus⸗ keln der Zehen ſind, zumal bei den Rohrdommeln, von unge⸗ woͤhnlicher Staͤrke.“ ») Der ganze Muskel⸗ und Sehnenapparat, welcher die große Flughaut der Reiher ſpannt, iſt gut abgebildet von Lauth in d. Memoires de la soc. d'hist. nat. de Stras- bourg, tom. I. pl. IX. Nitzſch. XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 15 5 Be „Die Bauchmuskeln fand ich hier, wie überall, vollftändig, aber der M. rectus abdominis (welchen Meckel ſehr mit Unrecht den Krähen abſpricht) geht bei den Reihern, wenigſtens bei Ardea ecinerea, gar nicht zu den Schaambeinen, ſondern inſerirt ſich mit dem der andern Seite vereint in dem Schließmuskel des Afters.“ „Die empfindenden Organe anlangend, ſo iſt das Hirn ſehr geſtreckt und horizontal gerichtet, ſo daß die flachen und nach vorn ſpitzen Hemiſphaͤren mit ihrem groͤßten Theile uͤber den Augen zu liegen kommen. Die Corpora quadrigemina (lobi optici des Serres) find fo wie das kleine Gehirn verhaͤltnißmaͤßig groß Das letztere iſt ganz hinter das große Gehirn geſtellt, und wird gar nicht von dieſem gedeckt. Die umgekehrt koniſche Zirbel liegt (wie ich dies außer den Eulen faſt immer ſo bei den Voͤgeln ge⸗ funden) gleich an der Oberfläche und ſitzt feſt an der harten Hirn⸗ haut. Die Sehnerven weichen in ſehr ſpitzen Winkeln aus ein⸗ ander. Beim Einſchnitt in das Chiasma erkannte ich deutlich rechts wie links acht ſich kreuzende Blätter.” „Die Augen haben eine ganz ſeitliche Richtung, aber die Horn⸗ haut iſt wenigſtens beim großen Rohrdommel dem untern Rande etwas näher geſtellt als dem obern. Die Kr yſtallinſe iſt hinten ſehr gewoͤlbt; der Faͤcher ziemlich viereckig, am Anfange wenig niedriger als in der Mitte oder am Ende, jedoch meiſt in 05 * 5 u der Mitte etwas prominirend; er bildet bei Ardea cinerea, Nycti- cebrax, stellaris und minuta immer 11 oder 12 bis 13 Falten und war ganz entfaltet etwa 1½ bis 1?/, fo lang als der größte Quer⸗ durchmeſſer des Augapfels. Der flache ſklerotiſche Knochen⸗ ring zeigt 14 Schuppen, von denen 2 bloß bedeckt, 2 bloß deckend ſind.“ = „Die Harderſche Thranendrüfe bildet einen einfachen, langen, ſchmalen, am freien Ende abgerundeten Lappen. Die äußere oder eigentliche Thränendruͤſe iſt kurz, klein, rundlich und hat gleich der vorigen einen, wie gewohnlich, einfachen Ausfuͤh⸗ rungsgang.“ „Die Naſendrüf e nimmt eine bei Waſſervoͤgeln ziemlich % feltene Stelle ein; fie liegt nämlich im vordern Theil der Augen⸗ hohle unter den Stirnbeinen, in einer ſchwachen Grube derſelben, wie bei Adlern und Geiern.“ „„dem untern Augenlide fehlt die innere Knorpelplatte.“ „Was die Verdauugswerkzeuge betrifft, fo iſt der Gau⸗ men der Reiher ungemein ausgezeichnet durch den gaͤnzlichen 16 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. Mangel eines hintern Randes oder einer hintern Quer⸗ leiſte, überhaupt durch fo feine Hautbedeckung der hintern Abthei- lung, daß die Musculi pterygoidei deutlich und faft jo, als ſeien ſie nackt, hindurchſcheinen; auch wird die vordere Querleiſte jederſeits durch einen ſehr ſchiefen, etwas gezaͤhnelten Hautlappen dargeſtellt, und dadurch eine Art winkeliger Taſche gebildet. Die Choanenſpalte läuft nach hinten und vorn ſpitz zu, und der Vomer erſcheint durch die ſchon oben erwähnte tiefe Rinne der Laͤnge nach gleichſam verdoppelt.“ „Die Zunge iſt ſehr ſchmal, lang, weich, ſpitz, an beiden Seitenraͤndern ſehr zugeſchaͤrft, auch am ſpitzwinkelig und tief ein- ſpringenden Hinterrande weich; von den fo. abgetheilten hintern Seitenſpitzen geht, wenigſtens bei A. stellaris, ein Haͤutchen zum Zungenhalſe. Der ſehr ſchmale Zungenkern, welcher bloß knor— pelig und faſt ſo lang als die Zunge iſt, hat einen Laͤngsſchlitz in der hintern Strecke, aber es fehlen ihm die hintern Spitzen ganzlich. Der Zungenbeinkörper iſt ſehr ſchmal; der Zun- genbeinſtiel nicht eingelenkt und entweder ganz und gar oder wenigſtens hinten unverknoͤchert.“ „Die Zunge hat unten und an den Seiten einige Drüfen- öffne ſonſt konnte ich keine in der Rachenhoͤhle wahrnehmen, und es ſcheinen Mundwinkel⸗ und Gulardruͤſen zu fehlen. 11 „Der Schlund der Maͤnnchen erweitert ſich an der Kehle periodiſch zur Begattungszeit nebſt der Halshaut, die ſich zugleich verdickt und durch Feuchtigkeit aufſchwillt. Dies ſah ich ungemein auffallend bei Ardea stellaris, wo die erweiterte Kehle wohl einer Mannsfauſt Raum gab. (Eben ſo auffallend ſah ich dies bei eini⸗ gen andern maͤnnlichen Voͤgeln, namentlich beim gemeinen Kuk⸗ kuk, beim Auerhahn und beim Trappen, und iſt dieſe Erſchei— nung dem angeblich vom Geſchrei zur Begattungszeit herruͤhrenden Aufſchwellen der Kehle mancher maͤnnlichen Saͤugethiere, dae der An wohl analog.)“ „Der Kropfloſe Schlund der Reiher bildet mit 1. Vor⸗ magen und Magen ein Continuum oder einen langen Sack, ohne N aͤußerlich merkliche Abtheilung oder Einſchnuͤrung. Vorzuͤglich ſind Vormagen und Magen aͤußerlich eins und durch gar keine Strictur geſchieden.“ „Der Vormagen iſt weit, nicht lang, und mit unzähligen kleinen niedrigen Druͤſen beſetzt; er zieht, ſich an der age des Magens ein gutes Stuͤck herunter.“ a y a % XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 17 „Der eigentliche, unten abgerundete Magen iſt ein duͤnnwaͤn⸗ waͤndiger Hautmagen, welcher doch eine deutliche Sehnenſcheibe zu jeder Seite hat, und nicht mehr als der Vormagen und wohl meiſt nur mit dieſem zugleich angefuͤllt und ausgedehnt wird. 1 „Außerdem iſt ſehr merkwuͤrdiger Weiſe ſtets ein Nebenmagen da, der gleichſam die Stelle der erſten kleinen Strecke des Duodenum einnimmt, und, aͤußerlich mit einem klei⸗ nen divertikalartigen Buckel endend, in jenes über geht.) Er iſt aͤußerlich kaum dicker als das Duodenum, ſcheint zu dieſem zu gehoͤren oder der Anfang deſſelben zu ſein, iſt aber durch ſtaͤrkere Waͤnde ausgezeichnet, und wird bei allen Arten ſehr augenfaͤllig, beſonders durch den erwähnten kleinen Sack oder Buckel.“ „Das eigentliche, bei Waſſervoͤgeln (d. i. Wad⸗ und Schwimm⸗ voͤgeln) uͤberhaupt ſo gewoͤhnliche Divertikel in der Mitte der Darmlaͤnge iſt nicht beſtaͤndig, und wenn es vorhanden, immer ſehr eng und klein.“ „Der Darmkanal iſt wohl 10 bis 12 Mal ſo lang als der Rumpf, dünn und vielmal hin und her gewunden. „Außer dem Nebenmagen zeigt der Nahrungskanal eine zweite große Merkwuͤrdigkeit, naͤmlich einen einzigen wirklichen, ſehr kurzen Blinddarm am Anfang des Maſtdarms. (Als conſtante Bildung findet ſich ein ſolcher einfacher Blinddarm vielleicht nur noch beim Savaku, deſſen Eingeweide ich noch nicht unter— ſuchen konnte. Als individuelle Abweichung aber iſt mir derſelbe (oder der Mangel des einen Blinddarms) mehrmals bei Edelfal— ken verſchiedener Art und einmal bei Mergus albellus vorgekommen).“ „Der Maſtdarm iſt merklich weiter als der Duͤnndarm, bei Ardea cinerea 4 Zoll 2 Linien lang und fo nach Verhaͤltniß bei den uͤbrigen Arten.“ „Die Bursa Fabricii fehlte immer bei alten Voͤgeln; ne jüngern war fie vorhanden und ziemlich groß.“ „Das Pancreas iſt kuͤrzer als die nicht lange amc linge in der es liegt, und reicht meiſt nicht bis zum Winkel derſelben. Es beſteht aus zwei laͤnglichen, hinten vereinigten Lappen. Der Aus⸗ fuͤhrungsgaͤnge ſind zwei oder drei, von denen zwei immer ſich ſo in den Darm inſeriren, Br fie die beiden Gallgaͤnge zwiſchen ſich nehmen.“ ») Rudolph Wa gner hat dieſen, wie es ſcheint, von frügern Anatomien über⸗ ſehenen dritten Magen der Reiher wohl bemerkt. S. deſſen ſehr verdienſtliches Lehrbuch der vergleichenden Anatomie S. 137. Nitzſch. U j or Theil. 2 18 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. „Die beiden Leberlappen ſind abgerundet ohne weitere Ein⸗ ſchnitte oder Zipfel und von ſehr ungleicher Groͤße; der linke viel kuͤrzer und kleiner als der rechte. Die Gallblaſe erſcheint oft als ein ziemlich langer ſchmaler Aſt des einen Gallgangs.“ „Die Milz fand ich immer etwas laͤnglich oder elliptiſch, bei Ardea minuta faſt ſo geſtreckt wie bei Singvoͤgeln.“ „Das Herz iſt mehr oder weniger ſchmal und ſpitz, ganz aus⸗ nehmend ſchmaͤchtig bei Ardea minuta.“ „Die Reiher beſitzen zwei, ihrem ganzen Verlauf nach ge trennte Kopfſchlagadern (arteriae carotides communes) — bis auf eine ſehr merkwuͤrdige und, ſo viel bekannt, einzige Ausnahme. Bei Ardea stellaris verſchmelzen naͤmlich die ſtaͤrkere rechte und die ſchwaͤchere linke ſehr bald zu einem einzigen Stamm, welcher ungetheilt vorn am Halſe unter mehrern von den Halswir: beln gebildeten Knochenbruͤcken aufwaͤrts ſteigt und erſt in der Naͤhe des Kopfs ſich wieder in die rechte und linke Kopfſchlagader theilt. Dieſes von Fr. Meckel zuerſt bekannt gemachte Verhaͤltniß habe ich bei einer beträchtlichen Zahl von Individuen des großen Rohr— dommels immer beſtaͤtigt gefunden. Meine früher*) geaͤußerte Vermuthung, daß alle ſo genannte dickhalſige Reiher oder Rohrdommel hierin mit Ardea stellaris uͤbereinkommen möchten, hat ſich nicht beſtaͤtigt; denn bei zwei Individuen der Ardea Nycti- corax und fuͤnf Individuen der Ardea minuta, die ich bald darauf zu unterſuchen Gelegenheit hatte, fand ich zwei ganz getrennte Carotiden. )“ „Der Kehlkopf liegt ſehr weit hinter der Zunge und unter dem Kopfe im Schlunde, als ſei er verſchluckt. Er iſt ſchmal, be— ſonders nach vorn ſehr verſchmaͤchtigt, bei einigen auch nach hinten und dann von ziemlich rhomboidaliſcher Figur. Der ſchiefe Hinter— rand jeder Hälfte deſſelben bildet nicht immer eine deutliche Seiten: ecke, aber immer eine ſtarke laͤngere Spitze zunaͤchſt der Stimm: ritze. Dieſer letztern fehlt die, bei manchen Waſſervoͤgeln vorkom⸗ mende, crista des Os thyreodeum.“ „Die Luftroͤhre iſt faſt drehrund oder nur ſehr wenig von vorn nach hinten gedruckt, meiſt gleichweit, nur ganz am Ende ein ) S. Observationes‘ de avium arteria carotide communi. Halae, 1829. %) Da mir ſchon Nachtreiher im Jugendkleide von Jägern als junge Rohrdommel dargeboten wurden, ſo erlaube ich mir hier die Vermuthung auszu⸗ ſprechen, daß der angebliche junge Rohrdommel, bei dem Herr Profeſſor Bar: kow in Breslau zwei ganz getrennte Carotiden fand, vielmehr ein innger Nacht⸗ reiher (Ardea Nycticbrax) geweſen ſein möchte. Nitzſch. XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 19 wenig erweitert, um in die Bronchien uͤberzugehen, welche an der innern Seite haͤutig, anfangs (von der Seite oder vorn angeſehen) ſehr verbreitert, dann geknickt ſind, und unter dem Knick bald merk⸗ lich ſchmaͤler werden. Die Ringe der Luftroͤhre ſind alle hart knochig; auch die Halbreifen der erſten kurzen Strecke der Bronchien ſind es, die der folgenden Strecke aber bleiben knorpelig.“ „Die eigentlichen Muskeln des untern Kehlkopfs (es iſt jederſeits nur eine vorhanden) ſind ſchwach, und inſeriren ſich an den erſten Knorpel unter dem Knie der Bronchien. Ein haͤutiger brei⸗ terer Raum oder eine Schallhaut an der aͤußern Seite der Bronchien iſt nicht vorhanden.“ „Die Knochen des Kopfes, Halſes und Rumpfs, we⸗ nigſtens Kiefer, Hirnſchale, Quadratknochen, Thraͤnenbein, Wirbel, Bruſtbein, auch wohl Schulterknochen, Rippen und Becken ſind marklos und der Luft geöffnet. Von den eigentlichen Glie⸗ derknochen aber iſt es nur der Oberarmknochen; den Ober— ſchenkelknochen fand ich bei keiner Reiherart pneumatiſch.“ „Die Form der Nieren iſt ausgezeichnet und in den Haupt⸗ punkten, wie es ſcheint, immer dieſelbe. Beide liegen dicht an einander, ja ſie ſind in der hintern Strecke, wie ich es bei allen unterſuchten Individuen der oben genannten Arten, namentlich auch bei vielen der Ardea stellaris nie anders gefunden habe, voͤllig verſchmolzen oder mit einander verwachſen. Sie verſchmaͤlern ſich - conftant nach hinten; ihr vorderer Lappen iſt groß lang, nach hinten zu geſpitzt, der mittlere ſchmaͤler bei verſchiedener Form des aͤußern Randes, der hintere am ſchmaͤlſten und mit dem der andern Niere zu einem quadratfoͤrmigen Stüd verwach⸗ fen.*) Die Schenkelvene wird in ſehr ſpitzem Winkel von den Nierenvenen aufgenommen, ohne daß jene, wie es bei Stoͤrchen und Singvoͤgeln der Fall iſt, die Nieren durchbohrt.“ „Die Nebennieren (welche ich bei einem rothkehligen See 8) Eben ſo iſt es bei den ſehr ähnlichen Nieren der Psophia erepitaus. Uebri⸗ gens kömmt die Verſchmelzung des Hintertheils der Nieren noch öfter, beſonders bei Singvögeln vor. Die völlige Vereinigung beider Nieren zu einer ein⸗ zigen langen Maſſe ſah ich als ganz conſtante Bildung bei allen unterſuchten Arten der Lappentaucher (Podieeps Lath. Colymbus IIlig.). Freilich iſt kaum ein anderes Organ der Vögel ſolchen individuellen Variationen unterworfen, als die Nieren es find; daher ich den, als Seltenheit von Herrn Prof. Rudolf Wagner beobachteten, Fall von ganz getrennten Nieren bei einer Ardea cinerea im Geringſten nicht in 3 ziehen will, ob mir gleich derſelbe niemals in dieſer Gattung vorgekommen Nitzſch. 2 * 20 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. taucher (Eudytes septentrionalis) zu einer einzigen Maſſe vereinigt ſah) ſind hier, wie gewoͤhnlich, getrennt.“ „Den Eierſtock fand ich ſtets einfach, niemals die Spur eines rechten.“ „Die Hoden ſind ſehr laͤnglich und von gleicher Groͤße; der un höher als der linke. Sie ſchwellen z. B. beim großen Rohrdommel von 3 Linien Länge und Linie Dicke bis zu 1 Zoll 9 Linien Laͤnge und 8 Linien Dicke zur Begattungszeit an.“ „Ich habe in den, zu dieſem Werke bisher gegebenen, anato⸗ miſchen Beiträgen aus, wie ich meine, unverwerflichen Gründen, immer nur einen Theil der durch eignen Unterſuchungen gewonnenen Thatſachen auszugsweiſe benutzt, auf die Verſchiedenheiten der von Andern bisher niemals beachteten Pteryloſe, denen ich ein lang⸗ wieriges und umfaͤngliches Studium zugewendet habe, aber gar keine Ruͤckſicht genommen. Da jedoch die Reiher gerade von dieſer Seite ganz beſonders ausgezeichnet ſind, und uͤberhaupt in dieſer anatomiſchen Schilderung ein etwas anderer Maßſtab als in den fruͤhern befolgt wurde, ſo moͤgen folgende Bemerkungen hier noch eine Stelle finden.“ „Wie bei den allermehrſten Voͤgeln, ſo nehmen auch bei den Reihern die Conturfedern gewiſſe eingeſchraͤnkte Striche oder Fluren (Federfluren, pterylae) ein, und laſſen, zumal am Rumpfe und Halſe, betraͤchtliche Strecken, welche nackt oder nur mit Dunen bekleidet ſind, und von den Conturfedern bloß uͤberlegt werden, (ich nenne fie Federraine, apteria) unbeſetzt.) Aber die Verhaͤltniſſe jener Conturfederfluren ſind hier, wenigſtens am Halſe, ganz eigenthuͤmlich. Nur die Seiten des Halſes ſind mit Conturfedern beſetzt, und letztere fehlen am Hinter- und Vorderhalſe gaͤnzlich. Es ſind alſo Halsſeitenfluren (pterylae colli laterales) da, welche die Stelle der Halsſeitenraine einnehmen, vom Kopf bis zum Rumpf fortgehen, auch hier getrennt bleibend ſich noch zwiſchen oder auf den Schulterblaͤttern hin fortſetzen, da die Ober, ruͤckenfedern enthalten, und weit vor dem Ende der Scapulae enden. Man kann dieſe beiden Endſtrecken fuͤr den Interſcapulartheil der Spinalflur, dem ſie wirklich entſprechen, anſehen; zumal da ſie bei einigen Arten nur durch zwei einfache Federlinien mit den Halsſeitenfluren zuſammenhangen. Hierauf folgt in ſchwachem oder undeutlichem Zuſammenhange mit gedachten Enden der Halsfeiten: °) ©. Nitzsch, Pterylographia avium I. Halae, 1833. XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. 21 fluren die ebenfalls getheilte Ruͤckenflur oder der bedeckte Theil der Spinalflur, als zwei mit kleinen einzelnen Federn beginnende all: maͤhlig aber ſtaͤrker und intenſiver werdende Streifen, die bis zum Buͤrzel fortlaufen, hier oder etwas fruͤher ſich verbinden, und neben der Buͤrzeldruͤſe mit der Schwanzflur verſchmelzen.“ } „Die beiden Unterfluren (pterylae gastraei) beginnen erſt an der Schulter ebenfalls von den Seitenhalsfluren. Sie bilden jeder⸗ ſeits einen ſchmalen, beim Kniehafen noch ein wenig abfallenden Strich, entbehren eines aͤußern und innern Aſtes, und enden frei vor dem After.“ „Die Eigenthuͤmlichkeit der Pteryloſe der Reiher beſteht Bar nach darin, daß flatt des ganzen Halstheils ſowohl der Spinalflur als der aſtloſen Unterflur nur Halsſeitenfluren, die, nota bene, an der Gurgel ſich nicht verbinden, da find; daß folglich der Spi— nalrain ſo wie der Unterrain bis zum Kopf hinauf reichen, der Halsſeitenrain fehlt, und die Unterfluren aſtlos find. (Bei Can- croma finde ich zwar ſehr aͤhnliche Verhaͤltniſſe, aber hier verbinden ſich beide Halsſeitenfluren unten an der Gurgel, und es haben die Unterfluren einen anſehnlichen aͤußern Aſt.)“ „Die uͤbrigen Federfluren zeigen keine Beſonderheit.“ „Die Zahl der Conturfedern des Kopfs, Halſes und Rumpfs iſt bei den Reihern vielleicht geringer als bei allen uͤbrigen mit ordent⸗ licher Ptiloſe verſehenen Waſſervoͤgeln.“ „Die Conturfedern haben einen deutlichen flaumigen After⸗ ſchaft. Eben ſo die Dunen.“ „Die Fadenfedern (Filoplumae) find bei vielen fo frequent, daß eine Conturfeder deren wohl 6 —8 dicht neben ſich haben kann.“ „Die Dunen beſetzen ſowohl Raine als Federfluren ziemlich unregelmaͤßig, indem ſie auch zwiſchen den letztern oͤfters fehlen.“ „Deſto dichtere und unregelmaͤßigere Haufen werden von jener ſonderbaren und merkwuͤrdigen Dunenart gebildet, welche ich Pu- derdunen (plumae pulverulentae) nenne, die nach meiner Beobach⸗ tung ihre Spuhlen nie vollkommen ausbilden, und waͤh— rend ihre Aſte immer abgenutzt werden, ſtets fortwach— ſen, und beſtaͤndig eine Art weißlichen Staubes frei ma— chen. — Dergleichen Puderdunengruppen (plagae pulveru- lento-plumulosae) finden ſich zwar auch bei mehrern andern Vögeln verſchiedener Familien, aber außer den Reihern wohl nur noch bei Cancroma von ſolcher Intenſitaͤt und Zahl. Alle Reiherarten haben deren wenigſtens zwei Paare, und zwar beſitzen Ardea 22 XII. Ordn. LXVI. Gatt. Reiher. stellaris und A. minuta nur dieſe, nämlich ein Paar in der Ge gend des Gabelknochens zwiſchen den beiden Unterfederfluren, und ein zweites, welches das groͤßeſte iſt, an den Huͤften zwiſchen der Ruͤcken⸗ und Lenden⸗Conturfederflur. — Bei den mehrſten Arten aber kommt noch ein drittes ſehr ſchmales Paar in der Leiſten— gegend, neben dem aͤußern Rand der Unterflur vor, welches ich außer den erſt genannten wenigſtens bei Ardea cinerea, purpurea, Egretta, Leuce, sibilatrix, Nycticorax, tigerina, scapularis, virescens, * andere zu geſchwingen, deutlich vorfand.“ „Die Oldruͤſe auf dem Schwanz *) iſt bei den Reihern ver: haͤltnißmaͤßig klein, platt herzfoͤrmig koniſch, der Zipfel nicht abge⸗ ſetzt, wohl in der Regel mit einem Kranz von kurzen Oelfedern ver⸗ ſehen, welcher etwas hinter der kurzen Spitze ſteht, aber oͤfters (viel⸗ leicht nur zufällig) gaͤnzlich von mir vermißt ward. Es befinden ſich nur zwei kleine Oeffnungen an der Spitze des Zipfels; eine fuͤr jede Halbdruͤſe, welche in einen kurzen engen Keſſel der⸗ ſelben fuͤhrt.“ 23 Weil die Reihergattung zahlreich an Arten iſt, und dieſe ſich in verſchiedene Gruppen von einander ſondern laſſen, ohne jedoch fo ſcharfe Grenzen zu zeichnen, daß fie in mehrere Gattungen zer— ſpaltet werden koͤnnten, fo hat man fie zweckmaͤßiger in mehrere F a⸗ milien gebracht, bei welchen es nirgends an Uebergaͤngen von der einen zur andern fehlt, die jedoch das Zuſammenſtellen der naͤchſt⸗ verwandten Arten und das Zurechtfinden unter denſelben erleichtern. Fuͤr den Umfang dieſes Werkes halte ich die Abtheilung in drei ſolcher Familien fuͤr hinreichend. ) Dieſe Drüſe fehlt nach meinen Unterſuchungen außer den in der Pterylographia avium ©. 44. genannten Vögeln, auch noch einigen andern Papageien, ferner der Co- lumba coronata und dem Argus giganteus, keineswegs aber der Gattung Aptenodytes Linn. Nitzſch. Erſte Familie. Dünnhälſige Reiher. Eigentliche Reiher. (Ardea gun e ae.) Der lange Hals erſcheint ſehr duͤnn wegen ſeiner kurzen Be⸗ fiederung, wodurch auch feine winklichte Biegung oder geknickte S Form ſehr ſichtbar wird; die langen, ſchmal zugeſpitzten Kropffedern der Alten haͤngen buſchartig herab; die ſehr ſchlanken Fuͤße ſind hoch uͤber die Ferſe hinauf nackt, und ihr groß geſchilderter Ueberzug hart und glänzend. — Sie gehen ihrer Nahrung am Tage oder in der Daͤmmerung nach und ruhen des Nachts. In ihrem Gefieder iſt ein blaͤuliches Aſchgrau, Schieferfarbe, Roſtfarbe oder auch reines Weiß vorherrſchend, und viele unter ihnen bekommen im Alter jene geſchaͤtzten Schmuckfedern am Genick, auf dem Rüden und am Un⸗ terhalſe. In Deutſchland haben wir Pier Arten 250, Der Fiſch-Reiher. Ardea cinerea. Lallı. Fig. 1. Dreijaͤhriges Männchen. Fig. 2. Halbjaͤhriges Weibchen. Alter Vogel: Großer Reiher; großer Kammreiher; blaͤulich⸗ ter —, gehaͤubter —, tuͤrkiſcher Reiher; Schildreiher; Reiher mit weißer Platte. Junger Vogel: Reiher, Reiger, Reyer, Reigel, Rager; gemeiner —, grauer —, aſchgrauer —, blauer —, weiß: bunter —, ungehaͤubter Reiher, grawer Reigel, Bergreiher, Rhein⸗ reiher; Heergans; hier zu Lande: Reiher (ſchlichthin) oder Fiſchreiher. ‚Ardea cinerea. Lath. Ind. p. 691. n. 54. — MBechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 10. = Nilss. Orn. suec. II. p. 36. n. 157. — Retz. Faun. suec. p. 196. n. 133. — Ardea major. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 627. n. 12. — Le Heron huppe. Buff. Ois. VII. p. 342. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 44. t. III. f. 1. Id. Planch. enl. 755. et 787. Heron commun. Gérard. Tab. elem. II. p. 121. — Heron cendre. Temmiuck. Man. d'Orn. nouv. Edit. II. p. 567. —= Common Heron. Lath. syn. V. p. 83. — Ueberſ. von Bechſtein, III. 1. ©. 54. u. 50, — Penn. aret. Zool. lieberſ. von Zimmermann, II. S. 413. n. 260. — Bewick, brit. Birds. II. p. 37. — Sgarza cenerina. Stor. degl. ucc. IV. tav. 427. — Nonna. Savi, Orn. Tose. II. p. 343. — Bechſtein, Taſchenb. II. S. 255. Wolf und Meyer, Taſchenb. II. 332. — Meyer, Vög. Livs und Eſthlands. S. 180. — Meißnee und Schinz, Vög. der Schweiz. S. 184. n. 180. — Koch, Baier. Zool. I. S. 331. u. 205. —= Brehm. Beitr. III. S. 136. Deſſen Lehrb. II. S. 546 — Deſſen Naturg aller Vög. Deutſchl. S. 578 bis 581. Gloger, Wirbelthier-Fauna Schleſ. S. 49. — Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 58. — Friſch, Vög. Taf. 199. - Naumann's Vög, alte Ausg. III. S. 121. Taf. XXV. Fig. 34. altes Männchen u. Nachtr. S. 313. Taf. 220. Jugendkleid. Ardea cinerea (fem.) Lath. Ind. II. p. 691. = Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 627. u. 12. B. = Ardeu rhenana. Sander, Naturf. 13. S. 195. = Le Heron, XII. Ordn LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 25 Buff. Ois, VII. p. 342. t. 19. Id. Planch. enl. 787. — Sgarzu marina. Stor. degli uce. IV. Tav. 429. — De Blaauwe Reiger, Sepp. Nederl. Vog. III. t. p. 289. — Friſch, Vögel Taf. 198. — Naumann's, Vög. alte Ausg. III. S. 110. Taf. XXIV. Fig. 33. (junges Männchen im Herbst), u. Nachtr. S. 313, Kennzeichen der Art. | Von obenher aſchgrau, von unten 1 am Vorderhalſe mit ſchwaͤrzlichen Fleckenreihen. Beſchreibung. Unſer gemeiner Reiher, gewoͤhnlich „Fiſchreiher“ genannt, iſt ein ſo allbekannter Vogel und dabei ſo eigenthuͤmlich geſtaltet und gezeichnet, daß er wol ſchwerlich mit einem andern verwechſelt wer: den kann. Unter den auslaͤndiſchen Arten der Gattung ſind einige ihm nahe verwandt, wie z. B. Ardea Cocoi und A. atricollis, auch in der Faͤrbung aͤhnlich, doch aber auffallend genug durch eine ganz andere Vertheilung der Farben u. ſ. w. verſchieden. Vom Pur⸗ purreiher unterſcheidet er ſich ſelbſt in weiter Ferne durch ſeine weit betraͤchtlichere Groͤße und das vorherrſchende helle Aſchgrau oder Aſchblau ſeines Gewandes. b 5 Es iſt ein anſehnlich großer Vogel, doch mehr der großen Glied—⸗ maßen und des langen Halſes wegen, da der Rumpf ohne Federn den eines Haus hahnen nicht übertrifft und dabei außerordentlich ſchmal iſt. Die Ausmeſſungen von alten Voͤgeln gegen junge vom erſten Jahr geben bedeutende Abweichungen, und letztere ſind ſtets viel kleiner, was nebſt den etwas verſchiedenen Zeichnungen und Farben fruͤhere Schriftſteller veranlaßte, zwei verſchiedene Arten unter dieſen Reihern zu vermuthen, wovon aber, apodictiſch 1 Ardea major auctor. nur der alte ausgefaͤrbte Vogel von unſrer A cinerea iſt. Die Laͤnge des ausgeſtreckten Vogels, von der Scpnabehwunge bis zur Schwanzſpitze (wie hier immer gemeſſen), ift bei jungen, etwa ein halbes Jahr alten, oft nur 33 bis 34 Zoll oder 2 Fuß 9 bis 10 Zoll, bei gegen drei Jahr alten ſteigt ſie dagegen von 3 Fuß bis zu 3 Fuß 7 Zoll; die Fluͤgelbreite, bei jenen 5 Fuß 1 bis 2 Zoll, ſteigt bei dieſen bis zu 5 Fuß 12 Zoll; die Fluͤgel⸗ laͤnge (vom Handgelenk oder Bug bis zur laͤngſten Schwingenſpitze) dort 1 Fuß 7°), Zoll, hier 1 Fuß 9 Zoll; die Schwanzlaͤnge von 6% Zoll bis zu 7½ Zoll oder noch darüber, und die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen gegen 3 Zoll uͤber ſein Ende hinaus. U 26 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Die Fluͤgel ſind, wegen der langen Armknochen, bedeutend lang, nicht ſehr breit, ausgeſtreckt jedoch eine große Flaͤche bildend, vorn abgerundet, weil die zweite oder dritte der großen Schwingfe⸗ dern etwas laͤnger als die uͤbrigen, jedoch alle in der Laͤnge wenig verſchieden, die vorderſten etwas gebogen und ſtumpf zugeſpitzt, die andern abgerundet ſind, waͤhrend die der zweiten Ordnung etwas nach hinten gebogene Schaͤfte und ein ſchief abgeſtutztes (an der In⸗ nenfahne etwas laͤngeres) Ende haben, die der dritten Ordnung ab— gerundet und alle Schwingfedern etwas kurz, aber ziemlich breit ſind. Ihre Schaͤfte ſind etwas ſchwach und ziemlich biegſam, die laͤngſten Schulterfedern wie die hintern Schwingen geſtaltet. Der Schwanz iſt kurz, beſteht aus 12 ziemlich breiten und gleichbreiten, nicht harten Federn, deren Enden ab- und zugerundet und faſt von gleicher Laͤnge ſind, ſo daß das Ende des Schwanzes beinahe ganz gerade iſt. Der Schnabel iſt ziemlich groß, lang, gerade, ſtark, aber an den Seiten ſo ſehr zuſammengedruͤckt, daß er um Vieles hoͤher als breit und die Firſte wie der Kiel aͤußerſt ſchmal iſt; nach vorn laͤuft er allmaͤhlig in die ſcharfe Spitze aus, in deren Naͤhe die Schneide einen kleinen Ausſchnitt, ruͤckwaͤrts aber feine Saͤgezaͤhnchen hat, ſonſt aber bis gegen den Mundwinkel glatt und ſchneidend ſcharf iſt. Zwar hart, zumal an der Spitze, iſt er es doch weniger wurzel- waͤrts, wenigſtens ſein Ueberzug, von welchem ſich das Oberhaͤutchen in der Mauſer in Geſtalt eines ſchaͤbigen Weſens abloͤſt, und erſt nachher wieder ganz glatt erſcheint; auch iſt eine Laͤngefurche von der Naſenhoͤhle ausgehend und bis ſehr weit vorreichend am Ober⸗ ſchnabel zu bemerken, wie denn auch die Spalte des Kiels ſo weit vorgeht, daß die Kehlhaut einen dehnbaren, weiten, jedoch befieder⸗ ten Sack bildet, und mit Huͤlfe des ſehr weiten Rachens viele Nah: rungsmittel auf einmal aufnehmen kann. Der Schnabel iſt bei jungen Voͤgeln, von der Stirn bis zur Spitze gemeſſen, nicht unter 4½ Zoll und nicht uͤber 5 Zoll lang, an der Wurzel 1 Zoll 1 Linie hoch und / Zoll breit; bei den Alten 5¼ bis 5 ¾ Zoll lang, 1 Zoll 2 Linien hoch und / Zoll breit. Die Naſenloͤcher ſind ſchmale Ritze, und die Haut uͤber ihnen macht ſie verſchließbar; die Zuͤgel nackt mit weicher Haut bedeckt, die bis an die Augen reicht, deren Lider ebenfalls nackt ſind. Die unbefiederten Theile am Schnabel und im Geſicht haben bei den Jungen im erſten Herbſte ihres Lebens folgende Farben: Der Schnabel iſt oben dunkelaſchgrau, an der Firſte und ſpitzewaͤrts XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 27 faſt ſchwarz, unten nur ſpitzwaͤrts mehr oder weniger ſchiefergrau, übrigens bleich grünlichgelb, nach der Wurzel zu faſt ſchwefelgelb, welche Farbe auch an der obern Schnabelwurzel ſich zeigt, an den Zuͤgeln und Augenlidern aber mehr bleiches Gruͤngelb wird, und hier zuweilen noch eine blaͤuliche Miſchung hat. Im folgenden Jahr werden die Zuͤgel gelb, und der Schnabel, bis auf einen braun⸗ ſchwaͤrzlichen Streif auf der Firſte und der Spitze, ſchon ziemlich ſchoͤn gelb, faſt Zitronengelb, das ſpaͤterhin immer ſchoͤner wird und an den Alten, wenigſtens dreijährigen, beſonders in der Begat— tungszeit, ganz rein und außerordentlich ſchoͤn wird, ſo daß ſolche dann einen einfarbigen, nur an der Spitze etwas lichtern Schnabel haben, von einem prächtigen Gelb, das ausſieht, als ſei es über ein hohes Scharlachroth hinweg geſtrichen und dieſes ſchimmere durch; weniger ſchoͤn ſind bei ſolchen die Zuͤgel, deren Gelb vor den Augen einen Anſtrich von Schiefergrau hat. Dies herrliche Gelb des Schna⸗ bels veraͤndert ſich im Tode ſehr bald und wird viel roͤthlicher, faſt Orangeroth, und rothe Aederchen werden darin ſichtbar, haͤlt ſich aber, als ein weniger ſchoͤnes Gelb, ſehr lange noch am getrockneten Schnabel. An denen junger Voͤgel wird es im Tode bald ſtrohgelb und verſchwindet im getrockneten Zuſtande ganz, ſo wie das Schie⸗ ferblaue hornfarbig Braun wird. Inwendig iſt der Schnabel an der vordern Haͤlfte mehr oder weniger gelb, nach dem Rachen zu in Fleiſchfarbe uͤbergehend; die lange, ſchmale, dreieckige, oben flache, ſpitzige Zunge fleiſchfarbig, ſpitze⸗ waͤrts gelblich. Das ſehr lebhafte, ſchlaue und heimtuͤckiſche Auge iſt nicht groß, und hat bei ganz jungen Neſtvoͤgeln einen weißen, bei halbjaͤhrigen einen ſchwefelgelben, bei noch aͤltern einen zitronengelben Stern, wel⸗ cher bei ganz Alten brennend hochgelb wird und faſt in Feuerfarbe uͤbergeht. Die Fuͤße ſind ziemlich hoch, ſchlank, mit langen Zehen, von welchen die aͤußere und mittlere eine ziemliche Spannhaut, die mitt⸗ lere und innere aber kaum ein Rudiment einer ſolchen haben, und an denen die ziemlich lange Hinterzeh, wie bei andern Reihern, mit den vordern in einer Ebene liegt und mit ihrem Gelenkknopf dem der innern Vorderzeh gerade gegenuͤber ſteht und ſo in einer Linie mit dieſer an der innern Seite des untern Fußtheiles (Pelma) liegt. Laufe und Unterſchenkel, die weit hinauf nackt, find von beiden Sei⸗ ten ziemlich zuſammen gedruͤckt; der Ueberzug der Fuͤße, eine etwas harte Haut, iſt vorn herab, an Schiene und Spann, in große 28 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Schildtafeln, hinten in kleinere, und zwiſchen dieſen in noch kleinere getheilt, an den Gelenken netzartig, auf den Zehenruͤcken geſchildert und an den Sohlen grobwarzig. Die Krallen ſind nicht groß, flach gebogen, ſchlank, aber nicht ſehr ſcharf zugeſpitzt, unten mit einer Rinne, die der mittlern Vorderzeh an der Seite nach innen mit einem vorſtehenden, fein kammartig gezaͤhnelten Rande, die der Hin⸗ terzeh die groͤßeſte oder ſtaͤrkſte. Der Unterſchenkel iſt gewoͤhnlich 3 Zoll über die Ferſe hinauf nackt; der Lauf 6 bis 6 ½ Zoll, ja bei alten Voͤgeln bis faſt 7 Zoll lang; die Mittelzeh, mit der 3; bis J Zoll langen Kralle, 4¼ bis 4½ Zoll; die Hinterzeh, mit der / Zoll langen Kralle, 2 Zoll 3 bis 4 Linien lang. Die Farbe der Füße iſt verſchieden; bei hal bjaͤhrigen Herbſt⸗ voͤgeln, wo ſie auffallend dicke Ferſen haben, ſchwarzgrau, auf dem Spann und den Zehenruͤcken faſt ſchwarz, an den uͤbrigen Theilen mit durchſchimmerndem weißlichen Gelbgruͤn, das an dem obern Theil des nackten Unterſchenkels und hinterwaͤrts an den Ferſen, auch an den Zehenſohlen am meiſten hervorſticht; die Krallen ſind ſchwarz. Im getrockneten Zuſtande werden die Fuͤße ſchwarz, in den Zwiſchenraͤumen der Schilder und an den Sohlen gelblichgrau. Im zweiten Lebensjahre des Vogels werden ſie ſchon etwas lichter, das Schwarze braͤunlicher, das Grünliche roſtgelblicher; an den ausge: faͤrbten Alten endlich roͤthlich braun, unter den Sohlen und an den Fußgelenken viel blaͤſſer und über der Ferſe ins Roͤthlichgelbe ſpie— lend, die Krallen dunkelbraun. Die ſo gefaͤrbten Fuͤße ſolcher alten Voͤgel verlieren durch das Austrocknen ihre Farbe nur in ſo weit, daß ſie viel dunkler werden, wobei ſich jedoch die fruͤhere noch erra— then laͤßt. 5 Ueber das Gefieder iſt im Allgemeinen noch zu bemerken, daß die Federn des Ober- und Hinterkopfs in jedem Alter des Vogels verlaͤngert erſcheinen, aufgeſtraͤubt werden koͤnnen und eine Federhaube oder Holle bilden, deren laͤngſte Federn am Hinterhaupt bei ein- jaͤhrigen Voͤgeln gegen 2 Zoll, bei alten wol 4 Zoll lang ſind. Sie kann auch niedergelegt, wie ſie oft wird, nicht ganz verberget werden. Außer dieſer ſtruppigen Holle keimen nun bei manchen Individuen ſchon mit Ablauf des zweiten Lebensjahres, bei andern erſt mit dem dritten, gewoͤhnlich 2, ſeltner 3, ganz eigen geſtal— tete Federn am Genick hervor, welche aͤußerſt duͤnne, ſchlaffe Schaͤfte, von 4 bis 5% ͤ Zoll, ſelten ſogar bis zu 7 Zoll Länge, und jeder: ſeits nur gegen 1 Linie breite und bis faſt zur Spitze gleichmaͤßig fo fortlaufende, ſehr zarte, aber geſchloſſene Fahnen haben, ihres zar- XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 29 ten Baues wegen ſchlaff herabhaͤngen und im Winde flattern. Sie ſind im Anfange der Begattungszeit oder kurz vor ihr am vollftän: digſten, oft aber unvollſtaͤndig, weil fie zu zart find und leicht beſchä⸗ digt werden oder ganz verloren gehen koͤnnen. — Die Federn an der untern Halswurzel, welche die Bruſthoͤhle oder Kropfgegend be⸗ decken, ſind ſehr verlaͤngert, bei jungen Voͤgeln aber bloß buſchicht und am Ende wenig ſpitz, bei aͤltern aber ſchon länger und ſchmaͤ⸗ ler zugeſpitzt, bei ganz alten endlich bis 7¼ Zoll lang und ganz eigen geſtaltet, der Schaft ſchwach und gegen das Ende verjuͤngt, die Fahnen von der Wurzel her ziemlich lang, nicht geſchloſſen und wie Strahlen zu beiden Seiten abſtehend, bald aber viel kuͤrzer wer⸗ dend, von der Mitte der Schaftlaͤnge an ſich ſchließend, immer kuͤr⸗ zer, die ganze Feder daher ziemlich ſchnell ſchmaͤler werdend und in ein nadelſpitzes Ende auslaufend. Sie flattern weniger im Winde, weil ſie ſteifer als die Hinterhauptsfedern ſind, geben aber, theils wegen ihrer langen, ſchmalen, duͤnn zugeſpitzten, herabhangenden Enden, theils wegen ihrer ſich kreuzenden loſen Bartſtrahlen zunaͤchſt der Wurzel, welche im natürlichen Zuſtande wie die Faden von Spitzengrund ausſehen, dem Vogel eine herrliche Zierde. — An den Seiten der Oberbruſt, in der Naͤhe der Einlenkung des Fluͤgels, ſteht eine Partie wieder anders gebildeter Federn, welche breit, am Ende abgerundet ſind, ſehr zarte und lange, zerſchliſſene oder loſe Baͤrte und ſo ſtark einwaͤrts gebogene Schaͤfte haben, daß ſie ſich am ruhenden Fluͤgel uͤber das Handgelenk oder den Bug legen und fo ebenfalls ſehr ſichtbar werden, doch ſehr auffallend nur beim al: ten Vogel, waͤhrend ſie beim jungen von der gewoͤhnlichen Bil⸗ dung der Federn dieſer Theile an andern Voͤgeln wenig abweichen. — Endlich bekommen die Federn des Oberruͤckens und der Schul: tern nach der erſten Mauſer, alſo im zweiten Lebensjahr des Vo⸗ gels den Anfang einer ganz eigenthuͤmlichen Structur, welcher in den ſpaͤtern Mauſerepochen immer mehr und mehr ausgebildet wird, und dem alten Vogel nicht wenig zur Zierde gereicht. Ihre Fah⸗ nen zerſpalten ſich naͤmlich und am meiſten an den Enden der Fe— dern in mehrere abgeſonderte Strahlen, ſchmalen Bandſtreifen aͤhn⸗ lich, welche heller als die Grundfarbe ſind, ſchwach glaͤnzen und ein eigenes Ausſehen haben, wie mattes Silber. 4 Dieſe Federzierden finden fich faſt eben ſo bei den alten Vögeln mehrerer anderer Reiherarten dieſer Reiherfamilie, und ziemlich genau fo bei unſerm Purpurreiher. b . Die erſte Bedeckung des jungen Fiſchreihers, nachdem er dem 30 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Eie entſchluͤpft, iſt ſein Dunenkleid. Er iſt darin mit einem ziemlich langhaarigen, feinen, weichen Flaum bekleidet, welcher auf dem Kopfe und Ruͤcken am laͤngſten iſt, hier und uͤberhaupt an den obern Theilen lichtgrau, an der Kehle, dem Vorderhalſe, der Bruſt und dem Bauche aber weiß ausſieht. Sein Schnabel nebſt dem Zuͤgel iſt dann roͤthlich weiß, der Augenſtern weiß, die Fuͤße ſchwach roͤthlichgrau. 5 Im vollſtaͤndigen Jugendkleide, drei bis vier Monate alt, hat das Gefieder (die Farbe der nackten Theile iſt ſchon befchrieben) folgende Farben: Die Stirn iſt aſchgrau, und dies geht auf dem Scheitel in blaͤuliche Schieferfarbe uͤber, die an den laͤngſten Federn im Genick am dunkelſten, faſt ſchieferſchwarz wird, alles bald heller, bald dunkler; die Schlaͤfe find weißlich; die Wangen weiß und licht: grau gemiſcht oder gefleckt; der Hals an beiden Seiten und hinten hinab, der ganze Ruͤcken nebſt dem Schwanze, die Schultern, der Oberfluͤgel und die vom Fluͤgel bedeckten Seiten des Koͤrpers einfar⸗ big hell aſchgrau, auf dem Mantel am dunkelſten, uͤberall ohne Glanz, im friſchen Zuſtande vielmehr wie mit einer blaͤulichen Farbe beſtaͤubt. An den Fluͤgeldeckfedern zeigen ſich oͤfters ſchwaͤrzliche Schaͤfte, bei manchen Individuen auch braͤunliche (beſchmutzte?) Kan⸗ ten. Kehle und Anfang der Gurgel ſind weiß und ungefleckt; das Uebrige des Vorderhalſes auch weiß, aber mit laͤnglichen, ſtumpf lanzetfoͤrmigen, kleinen, ſchieferfarbenen oder ſchieferſchwarzen Flecken beſetzt, welche anfaͤnglich zwei, weiter hinab drei Laͤngereihen bilden, und etwas ſchief ſtehen; auch die weiße Oberbruſt hat in der Mitte noch einzelne ſchiefergraue Flecke, an den Seiten derſelben ſind aber die Federn, welche ſich uͤber das Handgelenk des ruhenden Fluͤgels legen, aſchgrau und ſchwaͤrzlich, jede in der Mitte weiß, dies zuwei— len mit roſtgelblicher Miſchung; der uͤbrige Unterkoͤrper weiß, an der untern Schenkelbefiederung mit roſtgelblichem oder braͤunlichem An- fluge; der Fluͤgelrand weiß, hin und wieder roſtgelb oder zimmtfar⸗ big angeflogen; die Daumenfedern ſchieferſchwarz; die Fittichdeck— federn dunkelaſchgrau, an den Enden ſchieferſchwarz, ſo die meiſten der Schwingfedern zweiter Ordnung, die vordern nebſt denen erſter Ordnung ganz ſchieferſchwarz, auch die Enden der laͤngſten Schul- terfedern gehen in dieſe Farbe uͤber. Die untere Seite des Fluͤgels iſt dunkelaſchgrau, an den Enden der laͤngſten Federn weiß geſaͤumt, die Schwingen ſchieferblau. Im Allgemeinen haben alle jungen Fiſchreiher bis zur erſten Mauſer dieſe Farben und außer einer lichtern oder geſaͤttigtern XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 31 Hauptfarbe und den ſchon erwaͤhnten kleinen Verſchiedenheiten ſehen ſich alle ec Maͤnnchen und Weibchen laſſen ſich daher, ohne Obduction, ſchwerlich erkennen, obgleich die letztern meiſtens etwas kleiner und wol auch etwas bleicher gefaͤrbt ſind. Nach der erſten Mauſer, alſo im zweiten Jahr, ſieht der Fiſchreiher ſchon etwas anders aus; der Hinterkopf iſt ſchwaͤrzer, die Stirn weißer, der Federbuſch laͤnger geworden, und bei vielen, na⸗ mentlich den Maͤnnchen, zeigen ſich ſchon ein Paar lange, ſchmale, flatternde Federn im Genick, welche aber noch viel kuͤrzer als bei den alten ſind; der Hinterhals iſt lichter, der Vorderhals reiner, und dunkler, aber auch klarer, gefleckt als bei den einjaͤhrigen, die bu⸗ ſchichten Kropffedern an den Enden ſchon ſchmal und ſehr zugeſpitzt, wurzelwaͤrts aber grau gemiſcht und an den Spitzen roſtgelb ange⸗ flogen; die Ruͤcken⸗ und Schulterfedern an den Enden ſchon geſpal⸗ ten oder baͤnderartig getheilt und dieſe Theile ſilbergrau, alles Uebrige aber noch eben ſo oder wenig ſchoͤner als das beſchriebene Jugendkleid. Das Veraͤndern der Farbe der nackten Theile iſt oben ſchon angegeben. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich in dieſem Zwi⸗ ſchenkleide ſchon viel leichter von einander als im Jugendkleide, er⸗ ſteres doch auch nur durch feine anfehnlichere Größe, größere Schoͤn⸗ heit des Gefieders und die laͤngern flatternden Federn im Genick und am Unterhalſe, die dem Weibchen von dieſem Alter ſogar mei⸗ ſtens noch ganz fehlen. Nach der zweiten Mauſer, alſo im dritten Lebensjahre, hat der Fiſchreiher ſein aus gefaͤrbtes Kleid, das in den naͤchfolgen⸗ den nur noch wenig an Schoͤnheit zunimmt. Ein Maͤnnchen von wenigſtens dreijaͤhrigem Alter hat dann nachfolgende Farben und Abzeichen: Die Farbe des Schnabels, der Zuͤgel, Augen und Fuͤße iſt ſchon oben beſchrieben. Die Stirn iſt rein weiß, und dies zieht ſich als ein immer ſchmaͤler werdender Streif und ſpitz auslaufend faſt uͤber den ganzen Scheitel hin, deſſen Seiten und Hintertheil, jene weiße Blaͤſſe umgebend, blauſchwarz ſind und lange buſchichte Federn haben; am Genick haben zwei bis drei *) gegen 6 Zoll lange, nur 2 Linien breite und ſo gleichfoͤrmig bis faſt zur ſtumpfen Spitze fortlaufende, ſchlaffe, tief blauſchwarze Federn ihren Sitz, welche am Hinterhalſe gegen den Ruͤcken herab haͤngen, und im Winde flattern. Wangen, Halsſeiten und Hinterhals ſind grauweiß, mit einem ſanf⸗ ), Die vollſtändige Zahl ſcheint immer drei zu fein. 32 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. ten, truͤberoͤthlichen Anfluge oder wie mit dieſer Farbe uͤberhaucht; Schlaͤfe, Kinn, Kehle und Anfang der Gurgel rein weiß; der uͤbrige Vorderhals, oder nur ein ſchmaler Streif laͤngs der Gurgel herab, weiß, mit zwei bis drei Laͤngereihen laͤnglichter, zugeſpitzter, kleiner, blauſchwarzer Flecke, die ihre untern Spitzen gegen einander neigen und nach dem Kopfe zu immer ſchmaͤler und kleiner werden; dieſer wird von einem Buſche herabhangender ſchneeweißer, nur an den Wurzeln roͤthlichgrau angeflogener Federn beſchattet, welche die ſchon oben beſchriebene Form haben und eine praͤchtige Zierde des Vogels ſind. Die Partie breiter, gebogener oder hohler, zerſchliſſener Federn, welche oben an der Seite der Bruſt ihren Sitz hat und ſich in ru⸗ higer Stellung uͤber den Bug des ruhenden Fluͤgels heruͤberlegt, iſt tief blauſchwarz, zart und weich wie Sammet; von ihr geht ein eben ſo gefaͤrbter breiter Streif an den Seiten der weißen Bruſt und des Bauches herab, wo er ſich in der Naͤhe des Afters verliert. Die Unterſchenkel ſind weiß, nach außen roͤthlichgrau angeflogen; die Oberſchenkel auf der Außenſeite hellaſchgrau, mit undeutlichen weißen Schaftflecken oder Strichen, die Weichen lichtaſchgrau. Alle obern Theile von dem untern Theil des Hinterhalſes an bis auf den Schwanz hinab, nebſt dieſen und dem Oberfluͤgel, ſind rein hell blaͤulichaſchgrau, die Fahnen der Oberruͤcken⸗ und Schulterfedern tief in ſchmale baͤnderartige Strahlen zerſpalten und dieſe viel lichter, ſilberartig weißgrau gefaͤrbt, oft faſt ſilberweiß; der Fluͤgelrand iſt weiß, Daumenfedern, Fittichdeckfedern und die Schwingfedern blau⸗ ſchwarz, dieſe nach hinten auf den Außenfahnen ſchieferfarbig; der Schwanz aber blaͤulichaſchgrau, unten etwas heller. Ein ſolcher alter, ausgefaͤrbter Fiſchreiher in ihm herr⸗ lichen Federſchmuck, welchen er im Winter und Fruͤhjahre am vollkommenſten hat, iſt in der That ein praͤchtiger Vogel, vorzuͤg⸗ lich wegen der ungemeinen Sanftheit und Nettigkeit ſeines mit ſo beſcheidenen als angenehmen Farben ausgeſtatteten Gefieders, wel— ches durch das hohe Gelb des Schnabels und des lebhaften Auges noch mehr gehoben wird. Sein ſchoͤnes Ausſehen verliert ſehr im Laufe des Sommers, und nicht ſelten ſind vor Beginn der neuen Mauſer die meiſten Schmuckfedern ſehr abgerieben, zum Theil zer— brochen oder gar gaͤnzlich verloren gegangen. Das Weibchen, wenn auch von gleichem Alter, iſt ſtets kleiner, weniger ſchoͤn ge— faͤrbt und mit kuͤrzern Genickfedern verſehen, von welchen noch oͤf— ter als beim Maͤnnchen eine oder die andere fehlt. Ein ſehr merkwuͤrdiges Vorkommen iſt mir ein außerordentlich XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 33 ſchoͤner alter Fiſchreiher geweſen, welcher drei prächtige über 6 Zoll lange Genickfedern hatte, von denen zwei ſchwarz, wie gewoͤhnlich, die dritte aber ſchneeweiß war. Ein Jaͤger, welcher an vielen ſoge⸗ nannten Reiherſtaͤnden gejagt hatte, verſicherte indeſſen, daß ſolche Individuen fo ganz ſelten nicht ſeien, daß es welche mit halb weis ßen halb ſchwarzen, am ſeltenſten auch welche mit zwei weißen und einer ſchwarzen Genidfedern gebe.“) Da wo dieſe Reiher haͤufig ſind, wie vorzuͤglich wo ſie niſten, ſieht man auch noch andere zufällige Abweichungen oder Spiels arten, namentlich ſolche, welche an verſchiedenen Koͤrpertheilen ein⸗ zelne weiße Federn zwiſchen den gewoͤhnlich gefaͤrbten, einige oder mehrere dergleichen beſonders in den Fluͤgeln oder auf den Ruͤcken haben, ſind eben nicht ſehr ſelten, deſtomehr aber ſolche, wo ſchon das Weiße ſich faſt uͤber die Mehrzahl der Federn verbreitet oder weißgeſcheckte Fiſchreiher. Am allerſeltenſten ſind ganz rein weiße Fiſchreiher, wie Friſch a. a. O. einen abgebildet hat. D. aus dem Winkel erwaͤhnt in einem ſeiner Jagdwerke ſogar einer ſchwarzen Spielart; zur genauern Angabe ſind mir dieſe jedoch dermalen nicht zur Hand. Die Mauſer iſt einfach, d. h. ſie kehrt nur einmal im Jahr wieder und geht, wie bei andern großen Voͤgeln, nur langſam von Statten. Alte Voͤgel fangen ſchon im Auguſt an viele Federn zu verlieren und haben den Federwechſel meiſtens im December über: ſtanden, junge, welche zum erſten Mal die Federn wechſeln, fangen damit erſt ſpaͤt im Herbſt, mit Anfang des November an und ſind im Fruͤhling kaum damit fertig. k Aufenthalt. Ein weit verbreiteter Vogel, welcher, Auſtralien kaum aus⸗ genommen, in allen Erdtheilen vorkommt. Sm nördlichen Ame— rika wird er namentlich als haufig um New-York und auch in ) Da man weiß, daß an ſolcher Stelle, an welcher Federn immer wiederholt aus⸗ gezogen werden, zuletzt weiße hervorkommen, ſo beruht das Entſtehen weißer Genick⸗ federn, anſtatt ſchwarzer, bei den Reihern, vielleicht auf derſelben urſache. Wahrſchein⸗ lich raufen fie jene zarten Federn einander im Kampfe, oder die Männchen den Weib⸗ chen beim Betreten, öfters aus, da man fo manchen alten Reiher erhält, welchem fie fehlen, und andere, wo fie nur noch fragmentariſch vorhanden find. Ich halte demnach jene zuweilen vorkommenden weißen Genickfedern nicht für ein regelmäßiges Vorkommen im hohen Alter der Reiher, ſondern für bloße Zufälligkeiten, und zähle ſolche unter die Spielarte r Theil. 1 3 34 XI Ordnu. LXVI. Gatt. 280. Fiſch⸗Reiher. Carolina angezeigt; von Afrika nennt man die Berberei, Aegypten und Nubien, von Aſien das gemaͤßigte Sibirien und Perſien, auch die Philippinen als Laͤnder, in welchen er vorkommen ſoll. Unſern Erdtheil bewohnt er faſt in ſeiner ganzen Ausdehnung, und iſt in Suͤd- und Mitteleuropa, auch im noͤrdlichen noch gemein; nur allein der hohe Norden iſt hiervon ausgenommen, denn in Norwegen, Schweden und Rußland kommt er zwar noch bis in die Naͤhe des Polarkreiſes, jedoch nur noch ganz einzeln vor. Daß ein ſolcher Vogel im ſuͤdlichen Theil von Groͤnland und auf Island, oder gar im noͤrdlichen Norwegen unter dem 68 Grad n. Br. vorgekommen iſt, gehoͤrt zu den Ausnahmen und ſeltenen Erſcheinungen. In England iſt er ſehr gemein, ſehr haͤufig in Preußen, Polen, Ungarn und andern Deutſchland umgrenzenden Laͤndern, wie in dieſem ſelbſt, wo er uͤberall, wie dort, zu den bekannten Voͤgeln gehoͤrt, und manche Striche in großer Anzahl bewohnt, beſonders die niedern, waldigen und waſſerreichen Gegenden der nördlichen Hälfte, oder die Flußgebiete der untern Oder, der Havel, Elbe, Weſer, Ems, des Rheins u. ſ. w. Da er in allen Theilen unſers Va⸗ terlandes vorkoͤmmt, ſo verdient er den Beinamen „gemein“ mit allem Rechte, nur die verſchiedene Lage der einzelnen Striche kann den Unterſchied bedingen, daß er in einem haͤufiger als in dem andern geſehen wird. Auch Sachſen und unſer Anhalt durchſteift und bewohnt er alljaͤhrlich in nicht geringer Anzahl, und er iſt auch unter uns ein allgemein gekannter Vogel, namentlich an der Elbe, Mulde, Saale und andern groͤßern Gewaͤſſern. Er iſt für alle von uns aus nördlicher gelegene Länder ein Zugvogel, in ſuͤdlichern mehr Strichvogel, auch bleiben ſchon in unſern Umgebungen, ſogar noch weiter noͤrdlich, einzelne uͤber Winter, die dann in dieſer Zeit hin und her oder von einem offe⸗ nen Gewaͤſſer zum andern ſtreichen und an den gelegenſten am laͤng— ſten verweilen, aber bei heftiger Kaͤlte viel leiden, abmagern und ermatten, oder wol gar einzelne Zehenglieder erfrieren und Kruͤppel werden. — Die große Mehrzahl verlaͤßt indeſſen im September und October das Land, und wir ſehen von da an nur noch wenige durchwandern, bis es zuwintert. Zu Ausgang des Maͤrz und im April kommen ſie aus dem ſuͤdlichen Europa und vom Jenſeits des Mittelmeeres, wo ſie uͤberwinterten, wieder bei uns an, um theils hier zu bleiben, theils und in der Mehrzahl weiter nach Nor⸗ den zu wandern. Sie ſind dann etwas gegen drei Monate an den XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 35 Heckorten, ſtreichen von da an aber in weiten Umkreiſen bald hier⸗ bald dorthin, bis zu ihrem wirklichen Abzuge im Herbſt. Die nicht in gar großer Entfernung von uns ausgebrüteten jungen Fiſch⸗ reiher treiben ſich ſo ſchon vom Ende des Juni an bis zum Anfang des September an allen Teichen, Baͤchen und Fluͤſſen herum, und man trifft fie einzeln dann oft ſelbſt an den unbedeutendſten Gewaͤſ⸗ ſern und Suͤmpfen an. Die Ufern der groͤßern ſind indeſſen ihre Sammelplaͤtze, wo ihre Zahl nicht ſelten zu 20 bis 50 und noch mehr Stuͤcken anwaͤchſt, die von da ihre Wanderung, gewoͤhnlich aber nicht in einem Fluge, ſondern in mehrere zertheilt, antreten. Noch größere Vereine ſieht man in unſern Gegenden nicht. Sie wandern in ſolchen Fluͤgen, doch viele auch einzeln, und nehmen dabei meiſtens eine ſuͤdweſtliche oder auch ganz ſuͤdliche Richtung. Ihre Reiſen machen ſie am Tage, ſehr hoch durch die Luͤfte, aber langſam fliegend, wobei fie, wenn mehrere beiſammen, eine regelmä- ßige ſchraͤge Linie bilden. Dieſe Ordnung ſuchen ſie feſtzuhalten, wenn die Geſellſchaft auch nur klein iſt und bloß aus 3 bis 4 In⸗ dividuen beſteht. Auch des Nachts ziehen ſie zuweilen, was recht gut zu beobachten iſt, weil ſie auf dem Zuge ihre Stimme oͤfters hoͤren laſſen, wodurch ſie ſich auch am Tage oft bemerklich machen, wenn ſie ſo hoch fliegen, daß ſie außerdem unbeachtet bleiben wuͤr⸗ den. Sie thun dies beſonders, wenn es in den obern Luftregionen recht ſtill, in den untern aber ſehr ſchwuͤl iſt; bei ſtuͤrmiſchem Wet— ter ziehen ſie dagegen gar nicht, weil ſtarker Wind, ſelbſt wenn er aus einer guͤnſtigen Richtung blaͤſt, ihrem Fortkommen ſehr hinders lich iſt, oder ſie ſchwingen ſich dann in eine ruhigere Region auf. Der Aufenthalt des Fiſchreihers ſind Gewaͤſſer aller Art, flie— ßende und ſtehende, ſuͤße und ſalzige, wenn ſie nur fiſchreich ſind und dabei klares Waſſer haben, doch nicht den Strand der hohen See und nicht die zu ſtark mit Waſſerpflanzen bedeckten Suͤmpfe, wo er dort wenigſtens die ſtillen Buchten, und hier die freien Plaͤtz— chen auswaͤhlt, um ſich daſelbſt noͤthigenfalls auf einige Zeit nieder— zulaſſen. Mit Gebuͤſch koͤnnen indeſſen die Gewaͤſſer dicht umgeben fein, oder auch mitten im Walde liegen, wenn fie nur feichte Ufer: ſtellen und von Waſſerpflanzen freies Waſſer haben; ja er liebt gerade die Gewaͤſſer, welche durch waldreiche Gegenden ſtroͤmen, und ſolche große Landſeen, welche von Hochwald umkraͤnzt ſind, am meiſten. An ſolchen lebt er namentlich in der Fortpflanzungszeit am haͤufigſten. Uebrigens nehmen ihn Gewaͤſſer jeden Umfangs zu Zeiten auf, 3 0 36 XI. Oedn. LXVI. Gott. 250. Fiſch⸗Rether. wenn er darin Etwas zu fiſchen erwarten darf; er verſchmaͤhet die kleinſten Feldteiche, die zu Pfuͤtzen eingeſchrumpften Tuͤmpel nicht, wagt ſogar an ſolche ſich niederzulaſſen, die nahe bei Dörfern lie: gen, obgleich er an dieſen, wegen großer Furchtſamkeit, meiſtens keine ruhige Stunde zu verleben hoffen darf, und wagt ſich in den Betten kleiner fiſchreicher Waldbaͤche oft tief waldeinwaͤrts, oder in gebirgigen Lagen in enge Bergeinſchnitte hinein, beſonders in einſa⸗ men Gegenden. In den Bruͤchern ſucht er die freieſten Stellen und laͤßt ſich nur an dieſen nieder, verſchmaͤhet aber an ſchilfigen, gras: und kraͤuterreichen Orten herumzuwaden, und geht nie ins hohe Rohr und Schilf, wenn nicht etwa groͤßere, von allem Pflanzenwuchs freie Plaͤtze in ſolchen hohen Rohrwaͤldern vorkommen, und dann jene auch nur im Nothfall. Ein beſonderer Inſtinet mag ihn wol ſchon aus der Ferne erkennen laſſen, welche Gewaͤſſer fiſchreich ſind und welche nicht, an groͤßern ſogar die Stellen bezeichnen, wo die Fiſche zahlreicher vorkommen als anderswo; denn alle Fiſchreiher, welche durch ſolche Gegend ſtreichen, ſprechen daſelbſt ein, man trifft ſie immer nur an ſolchen und hoͤchſt ſelten an den andern an. Dies iſt in einem Jahr wie im andern, wenn nicht großartige Veraͤnder⸗ ungen, etwa durch Waſſer⸗ und Fiſchmangel oder menſchlichen Ver⸗ kehr herbeigefuͤhrt werden, wie z. B. an den Teichen dicht bei mei⸗ nem Wohnorte, an welche ſich ſonſt jeden Sommer Fiſchreiher her⸗ abließen, andere nahen Teiche nebenbei mit beſtrichen u. ſ. w., wo ſich jetzt, in einer Reihe trockener Sommer, waͤhrend welcher das Waſſer großentheils verſiegte und die Fiſche zu Grunde gingen, nicht Ein ſolcher niederließ, und ein hoch durch die Luft uͤberhin ſtreichen⸗ der Fiſchreiher für hieſige Dorfbewohner eine ſeltene Erſcheinung ge: worden iſt. Hoffentlich werden aber, bei kuͤnftig wieder hergeſtelltem Gleichgewicht in der Natur, wie in einem langen Zeitraum ſchon öfter geſchehen, ihre Beſuche wiederkehren. Auf meiner Reiſe durch Ungarn und Slavonien (1835) hatte ich taͤglich Gelegenheit zu beobachten, wie ſehr er uͤberall das fließende Waſſer dem ſtehenden vorzieht; an der Donau, Theiß, Drau, Save und auch an den kleinen Fluͤſſen, z. B. der Te⸗ mes, Bega, Aranka u. a. m. zeigte er ſich allenthalben in Menge, aber immer nur am fließenden Waſſer, nicht in den Suͤm⸗ pfen, wenn dieſe auch ganz nahe dabei waren. In Gegenden, wo jenes ganz fehlte, zeigte er ſich dagegen nur ganz einzeln, an den von Schilf und andern hohen Waſſerpflanzen ganz freien Stellen ſtehender Gewaͤſſer. Die Suͤmpfe belebte der Purpurreiher, die XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 37 fließenden Gewaͤſſer ſtets der gemeine Reiher, und ſo fand ich es durch ganz Ungarn bis uͤber die jenſeitigen Grenzen hinaus. In Gegenden, wo es keine fließenden Gewaͤſſer giebt, wird er deshalb, wenn es nicht etwa Landſeen und mit ihnen zuſammen⸗ haͤngende Gewaͤſſer von bedeutender Ausdehnung und von ſchon erwaͤhnter Beſchaffenheit ſind, z. B. wie die im Bran denburg⸗ ſchen u. a. m., nie in ſolcher, Menge geſehen, als an den großen deutſchen Fluͤſſen, unter denen die Donau, vorzüglich wegen ihres ſuͤdlichen Laufs, vermöge deſſen ſie gewiſſermaßen eine Heerſtraße fuͤr die aus Norden nach Suͤden und zuruͤckwandernden Sumpf⸗ und Waſſervoͤgel wird, den erſten Rang einnimmt, zumal die in die nordiſchen Meere ausmuͤndenden deutſchen Fluͤſſe, wegen weit groͤßerer Anzahl, ſich zu eben ſo vielen Straßen bilden. Zauweilen verläßt der Fiſchreiher auch das Waſſer auf einige Zeit ganz, und man ſieht ihn dann auf großen Viehweiden, auf Brach⸗ und Stoppelädern, und an andern trocknen Orten verwei⸗ len. Manchmal begiebt er ſich zu Fuß vom Waſſer weg auf Aen⸗ ger und Viehtriften; ſind ſolche trockne Weideplaͤtze aber weit ent⸗ fernt, fo fliegt er dahin. Man ſieht ihn fo oftmals auf den Fel⸗ dern, weit von allem Waſſer, Stunden lang herumgehen. Außerdem liebt der Fiſchreiher auch waldige Gegenden, um ſich auf Baͤumen niederlaſſen zu koͤnnen. Er pflegt dort, auf einen ſtar⸗ ken Aſt hingeſtellt, oft lange der Ruhe, und waͤhlt zu ſeiner Stel⸗ lung, um einen recht weiten Umkreis uͤberſehen zu koͤnnen, ſtets die in der Naͤhe des Wipfels, und zwar der hoͤchſten Baͤume. Er hat ſeine Lieblingsbaͤume, die faſt von allen, welche durch die Gegend kommen, zu Ruheplaͤtzen gewaͤhlt werden, ohne auf die Art eigen⸗ ſinnig zu ſein, ſo daß es Eichen, Buchen, Erlen, Silberpappeln, Kiefern und Fichten ſein koͤnnen, worunter er doch den alten Eichen, welche duͤrre Wipfel oder doch, wenn auch nicht ganz oben, große trockne Aeſte, ſogenannte Hornzacken haben, den Vorzug zu geben ſcheint. Auf ſolchen ganz freien Hornzacken, ſelbſt in mittler Höhe alter Baͤume, ſieht man ſich nicht ſelten 2 bis 3 Fiſchreiher zu glei⸗ cher Zeit neben einander aufſtellen; allein auf niedrigen Bäumen. oder auf ganz niedrigen Aeſten ſehen wir ihn ſo wenig, wie auf den Stangen des niedrigen Buſchholzes; dies uͤberlaͤßt er den Rohrdom⸗ meln und andern ſeiner Verwandten. An langen und heißen Sommertagen, wo wir ihn öfters mit aufgeſperrtem Schnabel keuchen ſahen, verhaͤlt er ſich meiſtens um die Mittagszeit ſehr rubig, und ſchläft da entweder frei auf die 38 XI Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Erde hingeſtellt, an ruhigen Orten gleich am Waſſer, an andern auf dem weiten Felde, oder er begiebt fi in dieſer Abſicht auf den ho⸗ hen freien Aſt eines Baumes. Er ſchlaͤft meiſtens auf beiden Bei⸗ nen ſtehend, mit ganz ſenkrecht aufgerichtetem Körper, den Hals im Zickzack ganz zuſammen gebogen, ſo daß Kopf und Schnabel wag⸗ recht auf der Gurgel ruhen, kauert ſich dabei auch wol auf die Ferſen nieder, aber ſehr ſelten ſo weit, daß auch die Bruſt aufliegt. Er ſteht auch zuweilen nur auf einem Beine. In hellen Sommer- naͤchten iſt er bis laͤngſt die Daͤmmerung vorüber thaͤtig und fchläft wenig, nur mitten in der Nacht eine oder einige Stunden. Im Herbſt dagegen, wo die Naͤchte ſchon viel laͤnger ſind, wo die Tem⸗ peratur vielleicht auch nicht ſo erſchlaffend fuͤr ihn iſt, und man ihn daher aum Tage ſelten ruhen oder ſchlafen ſieht, ſucht er in der Daͤmmerung, vor Einbruch der Nacht, regelmaͤßig eine Schlafſtelle auf einem hohen Waldbaume, auch wenn er weit darnach fliegen muͤßte; an dieſer bringt er anhaltend und bis zur Tagesdaͤmmerung ſchlafend zu; ſie iſt und bleibt auch, ſo lange er nicht geſtoͤrt wird oder uͤberhaupt in der Gegend ſich aufhält, alle Abende die naͤm⸗ liche. Sogar andere dieſe Gegend beſuchende uͤbernachten auf der⸗ ſelben, und der aufmerkſame Jaͤger kann alle Jahr von dem naͤm⸗ lichen Aſte Fiſchreiher herabſchießen. Eigenſchaften. Anſpruchsloſe, aber ſehr nette und angenehm vertheilte Farben, auf einem ſehr ſanften Gefieder, mit den verſchiedenen Partieen eigenthuͤmlich und ſchoͤn geformter Zierfedern, machen beſonders den alten Fiſchreiher zu einem ſchoͤnen Vogel, obgleich dies vortheilhafte Aeußere keineswegs von einer ſchoͤnen Geſtalt unterſtützt wird, die man eher haͤßlich nennen moͤchte, zumal er ſich in Stellungen zu zeigen pflegt, an welchen nur die wunderliche Abwechslung und ihre barocken Eigenthuͤmlichkeiten gefallen koͤnnen. Steht er ganz ruhig, z. B. die Verdauung abwartend, da, ſo iſt ſein Rumpf ſo gerade aufgerichtet, daß Ruͤcken und Schwanz in einer Linie ſenkrecht herab— hängen, wobei die Fluͤgel, in ruhender Lage, parallel mit der ange: nommenen Ruͤckenlinie, dieſelbe Richtung haben, wodurch Schwanz: und Fluͤgelenden bis auf die halbe Hoͤhe der Laͤufe herabreichen und ſich an dieſe anſchmiegen, ſo daß die obere Haͤlfte der Laͤufe, die Ferſen und die Unterſchenkel ganz unter den Fluͤgeln verſteckt werden, XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 39 weshalb die, vom eigentlichen Knie an, ſteif lothrecht ſtehenden Beine ſehr kurz ausſehen; oben, an der untern Halswurzel, bildet ſich ein hoher, ſchmaler Buckel, an welchen auf beiden Seiten die Handgelenke der Fluͤgel hinaufreichen oder noch uͤber ihn hinaus ſtehen, und ſich gegenſeitig faſt beruͤhren; zwiſchen ihnen biegt ſich nun der lange duͤnne Hals ſchnell herab, uͤber die Bruſthoͤhle hin— aus, ſchnell wieder zuruͤck, ſo daß ſich das obere Halsende auf die Halswurzel legt, Kopf und Schnabel aber wagerecht liegen und letzterer auf der Gurgel ruht; dieſe zickzackartige oder ungemein zu⸗ ſammengedruͤckte Sform des Halſes, nebſt Kopf und Schnabel, voll⸗ endet die Haͤßlichkeit der barocken Figur, die in der Vogelwelt, alle ächten Reiherarten ausgenommen, ihres Gleichen nicht hat. Steif und ſtockſtill ſteht der phlegmatiſche Fiſchreiher ſo da, wenn er auch nicht fchläft, was er ebenfalls in dieſer Stellung thut, anſcheinend mit aller Ruhe des Gemuͤths; allein ſein kleines lebhaftes Auge wirft mißtrauiſche, liſtige und haͤmiſche Blicke auf die Umgebungen, und blitzſchnell ſchießt der Hals aus ſeiner gepreßten Lage in eine gerade und ſchnellt den Schnabel, gleich der Spitze eines Pfeils, gegen das ſchwaͤchere Geſchoͤpf, das ſich dieſem Scheinheiligen unvor⸗ ſichtig naͤherte. Selten verfehlt dies Geſchoß ſein Ziel, und ſo ſchnell der Hals aus der Zickzacklage in die gerade uͤberging, eben ſo ſchnell kehrt er wieder in jene zuruͤck, beides iſt das Werk nur eines Au⸗ genblicks. Naͤhert ſich dem fo da ſtehenden Fiſchreiher Etwas, vor dem er Furcht hat, ſo hebt ſich der Hals allmaͤhlich und nimmt eine ſchoͤnere Sform an, der Hintertheil des Körpers hebt ſich ebenfalls etwas, er thut einige langſame Schritte, ſeine Figur wird ſchlanker und verliert viel von jener Haͤßlichkeit; ebenſo ſinken auch Hals und Koͤrper wieder allmaͤhlich in jene zuruͤck, wenn ſich die Gefahr ent⸗ fernt; kommt aber das Gefuͤrchtete noch naͤher, dann dehnt ſich der Hals ganz gerade aus und ſteigt ſenkrecht aufwaͤrts, wobei aber Kopf und Schnabel wagerecht bleiben, ) und ſtockſteif, unbeweglich wie ein Pfahl, ſteht nun der große Vogel da, zuweilen Viertelſtun⸗ den lang, ohne weiter etwas zu ruͤhren, als dann und wann Kopf und Augen, bis ſich die Gefahr wieder entfernt, oder bis zu dem Zeitpunkt, wo er glaubt entfliehen zu muͤſſen. Dies iſt diejenige 9 Es beruht auf falſches Beobachten, wenn man ſagt: Auch Kovf und Schnabel ſtänden in dieſer Stellung ſenkrecht in die Höhe; es mag blöden Augen in der Ferne ſo ſcheinen, darum ſollten ſolche ein Fernglas zu Hülfe nehmen. 40 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Stellung, in welcher man den freien Fiſch⸗Reiher am öfterften ſieht, weil er ſie alle Mal annimmt, wenn ein Menſch ſich ihm auf einige Hundert Schritte genaͤhert hat. Sie iſt am frei lebenden Vogel allenfalls noch mit recht ſcharfſehenden unbewaffneten Augen zu er⸗ kennen, die zuerſt beſchriebene nur durch ein Fernrohr oder wenn der Beobachter ſich ſo verſteckt hat, daß ihn der nahe genug ſtehende Reiher gar nicht ahnet, oder bloß an gezaͤhmten Reihern zu ſehen. — Iſt der Fiſchreiher in der zuerſt beſchriebenen, und will er dann zufaͤllig Etwas vom Boden aufnehmen, fo verändert er die faſt ſenkrechte Richtung des Rumpfes gar nicht, biegt bloß den ausge⸗ ſtreckten Hals ſenkrecht herab, und der Schnabel reicht fo ganz be- quem auf die Erde, dadurch nimmt aber auch der Buckel auf dem Anfange des Ruͤckens ſehr bedeutend an Hoͤhe zu. — Manchmal ſetzt ſich der Fiſchreiher auch auf die Ferſen nieder, wobei der Koͤr— per ebenfalls ſehr aufrecht ſteht und der Hals wie ein Taſchenmeſ— fer zuſammengelegt iſt, und ſchlaͤft, wie ſchon bemerkt, öfters in fol- cher Stellung, in welcher er recht klein ausſieht. — Nur beim Be⸗ ſchleichen der ihm zur Nahrung angewieſenen Geſchoͤpfe ſenkt ſich ſein Koͤrper, auf den dadurch ſcheinbar laͤnger werdenden Beinen, bis faſt in eine wagerechte Lage, der Hals mit ſeinen Kruͤmmungen wird dann herabgeſenkt, der Schnabel vorgeſtreckt und mit der Spitze etwas gegen die Erd- oder Waſſerflaͤche gerichtet. Dem Fiſchreiher fehlt, wie ſeinen ſaͤmmtlichen Gattungsver⸗ wandten, die gravitaͤtiſche Haltung der Stoͤrche ganz; ſein Gang beſteht aus langſamen, pathetiſchen Schritten ohne Wuͤrde. Er tritt leiſe auf und verſteht zu beſchleichen, kann aber nicht ſchnell laufen; ein Fluͤgellahmgeſchoſſener ſucht daher nicht durch Laufen zu ent⸗ kommen, ſondern ſetzt ſich, haͤßlich ſchreiend, ſofort zur Wehre, und man hat ſeine unerwarteten und heftigen Schnabelſtoͤße ſehr zu fürchten. — Er ſchwimmt aus freiem Antriebe nie, kann es auch, wenn ihm gar nichts weiter uͤbrig bleibt, z. B. wenn er angeſchoſ— ſen ins Waſſer ſtuͤrzt, nur auf eine erbaͤrmliche Weiſe, und ſucht in dieſem Falle immer ſobald wie moͤglich das Land zu erreichen. Er wadet dagegen gern im Waſſer, geht jedoch nicht leicht bis uͤber die Ferſen hinein. Der Flug iſt ausgezeichnet, und unſer Fiſchreiher ſchon in wei: ter Ferne daran zu erkennen, obgleich auch die Gattungsverwandten auf eine aͤhnliche Art fliegen. Mit ein paar Spruͤngen, oft auch nur mit einem, erhebt er ſich von der Erde unter einigen großen, haſtigen Fluͤgelſchlaͤgen, die aber bald maͤßiger werden und nun ganz XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 41 langſam auf einander folgen, ja wenn es recht ſchwuͤl iſt und er ſehr hoch fliegt, nur ein langſames, mattes Zucken genannt werden koͤnnten. Die großen, breiten Fluͤgel ſind dabei ihrem Vorderrande nach ziem⸗ lich, ihrem Laͤngendurchſchnitt nach ſtark gebogen, das Ellenbogen⸗ gelenk nämlich höher als der Urſprung und das Ende des Flügels, der Hals auf ſchon beſchriebene Weiſe ſo doppelt zuſammengelegt, daß das Genick oben auf der Halswurzel und der Schnabelkiel auf der Gurgel ruht; dazu werden die Fuͤße hinten gerade hinausge⸗ ſtreckt. Dies Alles iſt ganz anders als bei Stoͤrchen, Krani⸗ chen und andern langhalſigen großen Voͤgeln, von welchen daher die Reiher ſich ſchon in weiter Ferne unterſcheiden. So traͤge ſeine Fluͤgelbewegungen auch ausſehen, ſo kann er ſie doch nie ganz unter⸗ laſſen, nicht ſchweben oder durch die Luft ſchwimmen, eine ganz kurze Strecke vor dem Niederſetzen ausgenommen. Die Hoͤhe zu gewinnen oder aus dieſer herab zu ſteigen, fliegt er meiſtens in Kreiſen, doch auch hier ſieht man, wie ihm das Schweben ſchwer faͤllt, da er es immer nur auf kurze Strecken, etwa die Haͤlfte eines ſol⸗ chen Kreiſes, aushaͤlt, uͤbrigens aber dabei die Fluͤgel wie gewoͤhn⸗ lich bewegt. Wenn er Abends uͤber ein Waſſer fliegt, ſo geſchieht dies oft in ſo geringer Hoͤhe uͤber dem Spiegel deſſelben hin, daß man alle Augenblicke meint, er muͤſſe, wenn er nur ein wenig aus dem Takt kommen und die Fluͤgel nicht gar zu matt, nicht gar zu gleichmaͤßig ſchwingen wollte, mit den Fluͤgelſpitzen das Waſſer be⸗ ruͤhren. Vielleicht beabſichtigt er durch dieſe eigenthuͤmliche, gemuͤth⸗ liche Annaͤherung die aufſteigenden Waſſerduͤnſte als Erfriſchung in vollen Zuͤgen einzuathmen und ſich in ihnen gleichſam zu baden und abzukuͤhlen; denn er iſt ein ſchlaffer Vogel, den große Hitze ſehr ermattet, wo er oft den Schnabel aufſperrt und keucht, den etwas ſtrenge Kaͤlte aber ebenfalls ſehr angreift, ſo daß einzelne, welche bei uns uͤberwintern, gewoͤhnlich ein trauriges Leben fuͤhren, ermatten, abmagern, ja nicht ſelten, wie ſchon erwaͤhnt, einzelne Zehenglieder erfrieren und einbuͤßen. — So matt und langſam im Allgemeinen ſein Flug ausſieht, iſt er es in der That doch nicht; denn der fliegende Fiſchreiher ruͤckt, trotz dem, doch dem Beobachter bald aus dem Geſicht, zumal auf dem Zuge begriffen; dagegen moͤchte man das gemaͤchliche Streichen von einem Fiſchteiche zum andern oftmals nur ein Schleichen nennen. Wird er, in voller Sicherheit traͤge und gemuͤthlich durch die Luft ſteuernd, erſchreckt, 3. B. durch einen unvermutheten Schuß, fo fahrt er gewaltig zu⸗ ſammen, dehnt auf einen Augenblick den Hals, doch nicht uͤber die 42 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Sform hinaus, verdoppelt die Fluͤgelſchlaͤge und ſchwankt dabei hin⸗ uͤber und heruͤber, geht aber doch bald wieder in das alte Tempo zuruͤck. Daß er auf der Wanderung oft ſo hoch fliegt, daß er kaum Taubengroͤße zu haben ſcheint, und mehrere beiſammen dann eine gerade Linie bilden, die bi e ien ‚vorwärts zieht, # oben ſchon erwähnt. Der Fiſchreiher hat ein d außerordentlich ſcharfes Geſicht; vr zwar kleinen, aber lebhaften, ausdrucksvollen und funkelnden Auge entgeht nichts, was ihm Nutzen oder Schaden bringen konnte, in einem ſo großen Umkreiſe und auf ſo weite Entfernung, daß dies, wenn wir es mit der h e vergleichen, Staunen 5 ß. In ale ſeinen Bewehungen lungſam aber ſchlau berechnend jeden Tritt und Schritt, hat fein Betragen einen ſtarken Anſtrich von Traͤgheit, mit aͤngſtlichem Mißtrauen und einer grenzenloſen Furchtſamkeit gepaart. Er iſt daher außerordentlich ſcheu. Beſtaͤn⸗ dig auf ſeiner Huth, flieht er den Menſchen und weicht ihm uͤberall aus, oder hat nur ihn im Auge, wenn dieſer ſich kaum erſt auf 500 bis 1000 Schritte blicken laͤßt. Der alte Vogel ſchon auf dieſe, der halbjahrige junge meiſt auf jene Weite, ſtehen, einer wie der andere, ſtockaͤhnlich da, allen Bewegungen des anruͤckenden Feindes mit den Augen folgend, um ja nicht den rechten Zeitpunkt zum Entfliehen zu verſaͤumen, das immer ſchon in einer Entfernung ge⸗ ſchieht, wo ihn ſelbſt eine Buͤchſenkugel niemals erreichen kann. Auch dem Reiter trauet der ſcheue Fiſchreiher nicht; eher einem Wagen, doch auch mindeſtens bloß auf Buͤchſenſchußweite. — Wenige Voͤgel ſind ſo aͤngſtlich auf ihre Sicherheit bedacht, als er. Sind mehrere beiſammen an einem Orte, wo ſie ſchon Verfolgung erfuhren, und wo deſſen Lage eine ungeſehene Annaͤherung erlaubt, ſo ſtellt ſich einer von ihnen an einem erhabenen, ein weiteres Umſchauen erlau: benden Platze als Wache auf, um durch Zeichen und eigenes Flie⸗ hen den uͤbrigen von der nahenden Gefahr Kunde zu geben. — Einen ſchrecklichen Effect macht ein Fehlſchuß auf den Fiſchreiher. Daher mag es denn auch kommen, daß er nahe Blitze und Donner— ſchlaͤge fuͤr etwas Aehnliches oder fuͤr lebensgefaͤhrlich haͤlt, und ſich dabei aͤngſtlich bis zum Laͤcherlichen gebehrdet. Wir beobachteten, an einem Feldteiche in einem Erdloche verſteckt, ein paar Mal einige Fiſchreiher waͤhrend ſolchen Wetters, und konnten uns uͤber ihre Grimaſſen des Lachens kaum enthalten, als ſie bei jedem heftigen, damals ſehr ſchnell nach einander wiederkehrendem Blitze und Schlage XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 43 mit Geſchrei auffuhren, gerade in die Hoͤhe ſprangen und flogen, bei den naͤchſten fich in der Luft faſt uͤberſchlugen, umkehrten, ſich wieder ans Waſſer ſetzten, und dies Alles in den die hoͤchſte Angſt verrathenden Abwechslungen wiederholten, ſo daß ſie auch ein Fehl⸗ ſchuß nicht forttrieb, weil fie ihn vermuthlich für daſſelbe Phaͤno⸗ men hielten. Sie benahmen ſich gerade ſo, wie wenn fortwaͤhrend auf ſie geſchoſſen worden waͤre, wie wenn aus jeder Richtung, wo⸗ hin ſie entfliehen wollten, immer wieder von neuem Schüſſe auf ſie abgefeuert wuͤrden. Bei ſtarkem Regenwetter iſt er en und verläßt dann den gewahlten Stand lange nicht; bei ſchwachem Regen ſchwaͤrmt er dagegen von einem Teich und Flußufer zum andern, und laͤßt da⸗ bei ſeine Stimme fleißig hoͤren. Am unruhigſten iſt er, wenn an⸗ haltendes Regenwetter ſo eben bevorſteht, am traͤgſten bei ſtiller hei⸗ ßer Witterung. Er lebt dabei meiſtens einſam, hält ſich abgeſchie⸗ den von andern Voͤgeln, und wenn ihn der Zufall zu ſolchen fuͤhrt, fo iſt er gegen ſtaͤrkere argwoͤhniſch und furchtſam, gegen ſchwaͤchere unfriedlich, neidiſch, heimtuͤckiſch und beißig. Oft ohne anſcheinende Veranlaſſung verſetzt er feinem zutraulichſten Nachbar unverſehends einen empfindlichen Schnabelhieb, oder er beißt andere vom Futter weg, wovon er ſelbſt nichts genießen kann. Man ſieht zwar oft andere Waſſer⸗ und Sumpfoögel in feiner Nähe, aber keinen ſich ihm als Freund anſchließen; Enten, Schnepfen und dergl. meiden daher, wegen ſeines haͤmiſchen Sinnes, ſeinen nähern Umgang. Auch gegen ſeines Gleichen iſt er wenig freundlicher; doch ſieht man vorzüglich junge Fiſchreiher oft zu zweien und dreien beiſammen, und es bilden in der Zugzeit oft noch mehrere mit einander einen, wie es ſcheint, weniger auf gegenſeitige Zuneigung, als auf ein be aͤngſtigendes Gefuͤhl gegen das Alleinſein, begruͤndeten Verein. In der Fortpflanzungszeit iſt er in ſo fern am geſelligſten, als oft mehr als 100 Paͤärchen, in einer Colonie, dicht neben einander niſten; die verſchiedenen Alten fiſchen jedoch auch dort nicht geſellig an einerlei Orten, ſondern einzeln uͤber die ganze Gegend verbreitet und oft in weiter Entfernung vom Niſtplatze, fliegen aber oft, wenn es Meilen weit iſt, zu dreien und vieren mitſammen dahin und zer⸗ ſtreuen ſich erſt dort. Seine Stimme iſt ein unangenehmer, rauher, kreiſchender, weit⸗ ſchallender Ton, einem uͤberſchlagenden (fiſtulirenden) Gaͤnſegeſchrei ſehr ähnlich, wie Kraͤik oder vielmehr Chraͤik, — zuweilen auch kurzer und höher Chraͤth oder Chruͤth — klingend, ein dem OHM 44 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. ähnlicher Ton, welcher hervorgebracht wird, wenn man ſtark in die friſche Gurgel einer eben geſchlachteten (zahmen) Gans blaͤſt, wie bei uns oft Kinder thun, wenn die Mutter oder Koͤchin jene mit der Stimmritze u. ſ. w. unbeſchaͤdigt herausnahm. In der Naͤhe klingt er faſt wie ein ungeſchickt hervorgebrachter Trompetenton, auch ziemlich ſo ſtark, in der Ferne aber immer gaͤnſeartig. Die jungen Voͤgel laſſen ihn am oͤfterſten, namentlich auf dem Zuge in hoher Luft, dagegen ſehr ſelten ſitzend hoͤren, und da er bei verſchiedenen Individuen hoͤher oder tiefer toͤnt, ſo giebt das abwechſelnde Schreien der verſchiedenen Glieder eines groͤßern Vereins zuweilen eine in Halben⸗ und Vierteltoͤnen ſich bewegende, widerliche Muſik. Man hoͤrt ihn in der Zugzeit faſt noch oͤfter des Nachts als am Tage, aber jener Ton wird immer nur ein Mal ausgeſtoßen oder nur in langen Intervallen wiederholt. In Angſt und Noth, z. B. bei Fluͤ⸗ gellahmgeſchoſſenen, wird er zu einem heftigen, groben Geplaͤrr oder Bloͤken ausgedehnt und klingt graͤßlich. Außerdem hoͤrt man von den Alten bei den Neſtern oft noch ein ſchwaͤcheres, kurzes Ka oder Cha, eine aͤngſtliche Warnung ausdruͤckend, das wir ſonſt nur ein⸗ zeln hoͤrten, wenn ſich einer, um Nachtruhe zu halten, auf ſeinen Aſt ſo eben aufgeſtellt hatte, wo es uns ein behagliches Gefuͤhl aus⸗ zudruͤcken ſchien. Der Fiſchreiher, durch einen Schuß gelaͤhmt, bleibt gewoͤhnlich nicht lange am Leben, ſondern ſtirbt in den naͤchſten Tagen den freiwilligen Hungertod, auch wenn ihm ein einſamer Platz im Freien und ſelbſt an einem natuͤrlichen Gewaͤſſer, in einem Garten u. |. w., angewieſen wurde. Wird ja ein ſolcher am Leben erhal: ten, ſo bleibt er doch wild, unbaͤndig, ſchuͤchtern und wird auch gegen ſeinen Waͤrter nie zutraulich. Tritt jemand in ſein Gemach, ſo begiebt er ſich in eine Ecke, dehnt den Hals ganz lang aus und ſtreckt ihn gerade in die Höhe, wobei er vor Angſt zittert und ver: gehen will; naͤhert man ſich ihm, ſo ſtraͤubt er die Kopffedern bor⸗ ſtig in die Höhe, erhebt ein droͤhnendes Geſchrei und verſetzt unver: ſehens Schnabelſtiche, die gewoͤhnlich nach dem Geſicht und den Augen gerichtet ſind und ſehr gefaͤhrlich werden koͤnnen. Obgleich alle in Noth gekommene Voͤgel bei Annaͤherung des Menſchen oder auch eines groͤßern Thieres ihre Blicke ſtets am meiſten auf die Augen dieſer heften, fo findet ſich dies doch bei keiner Vogelgat— tung in einem ſo hohen Grade, als bei den Reiherarten, die bei der Gewohnheit, ſich ihres ſehr ſcharfſpitzigen Schnabels als Angriffs— und Vertheidigungswaffe mit großer Energie zu bedienen, ihn un⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reih er. 45 vermuthet, pfeilſchnell und mit großer Kraft gegen den Feind ſchnel⸗ len, und da die Augen dieſes vorzugsweiſe oder faſt immer das Ziel ſolcher, es ſelten verfehlender, Stoͤße ſind, ſo kann man nicht genug davor warnen. — Sonderbar genug zwickt auch ein ſolcher die bloße Hand, welche ihm hingehalten wird, augenblicklich, und halt dage⸗ gen die naͤmliche, mit einem Handſchuh bekleidete, deſſen gar nicht werth. 15 5 Jung aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert wird dagegen der Fiſchreiher recht zahm, jedoch nicht zutraulich, und behaͤlt ſeine natürliche Tuͤcke. Ich ſahe einen ſolchen in Berlin (wo dies eben nichts Seltenes iſt) bei einem Vogelliebhaber unter Stoͤrchen, Pfauen, Perlhuͤhnern, Haushuͤhnern, Tauben und anderem Gefluͤgel auf dem Hofe herumgehen, wo er zwiſchen dieſen lebte, aber ſich mit keinem etwas zu ſchaffen machte, nur den ſchwaͤchern oft durch heimtuͤckiſche Schnabelhiebe ſchmerzlich wehe that und junges Gefluͤgel toͤdtete. Er blieb auf zwei Schritt nahe noch ganz in ſeiner ruhigen Stel⸗ lung und ſchlich nur, wenn man die Hand nach ihm ausſtreckte, die⸗ ſer aus dem Wege, weil er ſich nicht gern ſtreicheln laſſen mochte. Sein Gefieder hielt er reinlich und nett, worin er ſehr gegen die um ihn lebenden und haͤßlich beſchmutzten Stoͤrche abſtach. Einen andern erwachſenen jungen Fiſchreiher ſah ich auf dem Spittal⸗ markt, in derſelben Stadt, neben ſeiner Waͤrterin ſtehen, die ihn zum Verkauf ausbot; er ſtand neben ihr, ohne gefeſſelt oder irgend angebunden zu fein, in feiner barocken Stellung ruhig, aber wohl- gemuth, ohne auf das ihn umgebende Geraͤuſch des lebhaften Vic⸗ tualienmarktes und der unaufhoͤrlich voruͤber raſſelnden Wagen be⸗ ſonders zu achten. So zahm nun ſolche junge Fiſchreiher auch werden, ſo entwickeln ſie doch in der Folge ſo wenig intellectuelle Faͤhigkeiten, daß ihr trauriges Ausſehen, ihr ununterbrochenes Phlegma und ihre duͤſtere Stimmung zuletzt nur langweilen koͤnnen. Sie halten ſich mehrere Jahre, bekommen aber erſt ſpaͤt, zuweilen nicht vor dem vierten Jahre, das ausgefaͤrbte Kleid der Alten. Nahrung. Fiſche, vorzuͤglich ſolche, die in ſuͤßem Waſſer leben, ſind die Hauptnahrung dieſer Reiherart. Er verſchlingt ſie von den klein⸗ ſten bis zu denen, die einer Hand lang ſind, oder von 1 bis zu 8 Zoll Laͤnge; aber nicht groͤßer als er ſie ſo eben noch ganz hinunter zu wuͤrgen vermag, weil ihm das Zerſtuͤckeln größerer, wie wir oft 46 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. geſehen haben, nicht gelingt. Von welcher Gattung und Art iſt ihm gleich, doch ſind ihm die von laͤnglichter oder ſchmaler Geſtalt lieber, als die breiten und dicken. So ſtellt er von der Karpfengat⸗ tung (Cyprinus) vorzuͤglich denen aus der Abtheilung der Weiß⸗ fiſche (Leuciscus), namentlich die Arten Cyprinus Dobula, C. ru- tilus, C. erythrophthalmus, C. Alburnus, und aͤhnliche, ſehr nach, wobei ſich die Bemerkung aufdringt, daß dies alles ſehr lebhafte, haͤufig nahe an der Oberflaͤche des Waſſers ſchwimmende, ſeichte Stellen und klares Waſſer liebende Fiſche ſind, Eigenſchaften, die ihm den Fang derſelben erleichtern helfen muͤſſen. Sind ſolche nicht vorhanden, ſo faͤngt er andere, kleine Karpfen, Hechte, Forellen u. dergl., ſelbſt Barſche (Perca fluviatilis) und Stich⸗ linge (Gasterostens aculeatus), trotz ihrer Stacheln, die ſie im Sterben gewoͤhnlich ausſpreizen; da er aber alle gefangenen Fiſche vor dem Verſchlucken, im Schnabel immer erſt ſo zu wenden ſucht, daß der Kopf derſelben voran rutſchen muß, ſo werden ihm die Floſſen dabei nicht hinderlich. Er frißt bloß lebende Fiſche, ſo eben abgeſtandene nur in hoͤchſter Noth, bereits faulende nie. Außer Fiſchen faͤngt er auch Froͤſche, dieſe jedoch nur wenn und wo jene mangeln, und die kleinen lieber als die großen; viel lieber als ſie ſelbſt verzehrt er jedoch ihre Larven, die ſogenannten Kaulquappen oder Kaulpadden, und größere Waſſerinſekten, Schwimm⸗ kaͤfer, Waſſerkaͤfer, Waſſerſcorpione, Notonecten und Libellen, auch ihre Laryen und Regenwuͤrmer. Wo es Gelegenheit giebt, raubt er auch noch ganz unbehuͤlfliche, junge Sumpf- und Waſſervoͤgel, und faͤngt ſogar Maͤuſe. Ferner muͤſſen, wo Fiſche mangeln, ſelbſt zuweilen die großen duͤnnſchaligen Teichmuſcheln ſeinen Hunger ſtil— len helfen. Er iſt dabei ein arger Freſſer und verſteht fein Hand: werk, das Fifchen, ſo gut, daß er an alle den Orten, wo das Fut⸗ ter nicht gar zu ſparſam iſt, noch lange Pauſen dazwiſchen haben kann, in welchen er die Verdauung, die uͤbrigens ſehr ſchnell geht, in großer Ruhe und Unthaͤtigkeit abwartet. Sein Auswurf oder Unrath iſt eine weiße, kalkartige, durchaus ſehr duͤnnfluͤſſige Maſſe, welche er bei Schreck und Angſt oft mehrere Fuß weit von ſich ſpritzt, und wovon an ſeinen Ruheplaͤtzen oft große breite Stellen weiß gefaͤrbt find. Man ſagt, daß er ſo aͤtzend ſei, daß die wieder: holt damit beſudelten Zweige der Baͤume, auf welchen er niſtet, oder doch das Gras unter dieſen Baͤumen davon abſtuͤrben. Zu allen obengenannten Nahrungsmitteln, die vielfältig in ſei— nem Schlunde und Magen gefunden wurden, gelangt er auf ver- XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250, Fiſch⸗Reiher. 47 ſchiedentliche Weiſe. Schon von Weitem und aus der Hoͤhe erkennt er an Gewaͤſſern die Stellen, wo ſich die meiſten Fiſche aufhalten, ſtreichen und ihren Laich abſetzen, weshalb er hauptſaͤchlich nur an dieſen ſich niederlaͤßt, und alle in der Folge dort vorbei ſtreichende Fiſch⸗ reiher ſolchen Ort fortwaͤhrend dadurch auszeichnen. Sein Betragen beim Fiſchfange hat aber außerdem noch viel Merkwuͤrdiges, und dieſes, in fruͤhern Zeiten nur oberflächlich beobachtet, gab Veran⸗ laſſung zu dem Maͤhrchen: daß der Fiſchreiher ſich bloß ins Waſſer zu ſtellen brauchte, waͤhrend die Fiſche, vom Glanze oder Geruche ſeiner Beine angezogen, ſich in Menge um ihn verſammelten und ſo nach Belieben von ihm gefangen wuͤrden. Dieſe Sage mag theils dadurch entſtanden ſein, daß die verſchluckten Fiſche ihre Koͤpfe ſtets nach dem Schlunde zu, alſo dem Reiher entgegen gerichtet haben, theils weil man den Fiſchreiher immer ſtill ſtehen ſah und doch, wenn er erlegt war, ſeinen Magen mit Fiſchen angefuͤllt fand. Das Stillſtehen iſt aber bloß Folge der Annaͤherung eines Menſchen; ſobald er ihn ſchon in weiter Ferne gewahr wird, laͤßt ſeine große Furcht und Vorſicht nicht mehr zu, ſich zu ruͤhren oder um etwas anderes als den Herannahenden zu bekuͤmmern, damit er nicht ver⸗ ſaͤume, zur rechten Zeit die Flucht zu ergreifen. Gar oft bemerkt er den Menſchen fruͤher als dieſer ihn, und dann ſteht er immer ſchon ſtockſteif da. Hat ſich dieſer dort aber früher, ehe der Fifch- reiher ſich daſelbſt niederließ, in ein gutes Verſteck begeben, ſo darf er erwarten, daß der nichts ahnende Vogel ihm nahe genug koͤmmt, um ganz deutlich ſehen zu koͤnnen, wie dieſer beim Fangen der Fiſche verfaͤhrt. An einem nahen Feldteiche, in einem Anſtandsloche verſteckt, haben wir uns dieſes intereſſante Schauſpiel gar oft verſchafft und ihrem Treiben Stunden lang, nicht ſelten kaum 15 bis 20 Schritt entfernt, am hellen Tage und auch Abends, zugeſehen. Angelangt am Teiche, die Naͤhe des Lauſchers nicht ahnend, gingen die Reiher gewoͤhnlich ſogleich ins flache Waſſer und begannen ihre Fiſcherei; den Hals niedergebogen, den Schnabel ebenfalls geſenkt, den ſpaͤ⸗ henden Blick aufs Waſſer geheftet, ſchlichen ſie in abgemeſſenen, ſehr langſamen Schritten und ſo behuthſam und leiſen Trittes, daß man nicht das geringſte Plumpen oder Plaͤtſchern hoͤrte, im Waſſer und in ſolcher Entfernung vom Uferrande entlang, daß ihnen das Waſſer kaum bis an die Ferſen reichte, und umkreiſeten ſo nach und nach den ganzen Teich, welcher nur von geringem Umfange, aber damals mit kleinen Ka rauſchen uͤberfuͤllt war. So ſchleichend 48 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. und ſuchend ſchnellten ſie alle Augenblicke, ehe man ſichs verſah, den zuſammengelegten Hals wie eine Schnellfeder vor, ſo daß bald nur der Schnabel allein, bald auch noch der ganze Kopf dazu unter die Waſſerflaͤche und wieder zuruͤck fuhr, wobei immer ein Fiſch gefangen war, welcher ae verſchluckt oder zuvor im Schnabel in eine verſchluckbare Lage, den Kopf vorn, gebracht, und dann verfchlungen wurde. Mochte der erzielte Fiſch zu tief im Waſſer geſtanden haben, ſo fuhr der Reiher mit dem ganzen Halſe hinunter, wobei er, um das Gleichgewicht zu behalten, jedes Mal die Fluͤgel etwas oͤffnete und mit deren vorderm Theil, dem Buge, das Waſſer ſo ſtark be— ruͤhrte, daß es immer laut plumpte. So und nicht anders habe ich dieſe Voͤgel Fiſche beſchleichen und fangen ſehen. Es iſt mir jedoch auch vorgekommen, daß einmal ein ſolcher Schleicher ploͤtzlich Halt machte, einige Augenblicke ſtill ſtand, und ſogleich einen Fiſch erwiſchte, weil er vermuthlich eben zwiſchen mehrere dieſer flinken Waſſerbewohner trat, die nicht gleich wußten, wohin ſie fliehen ſollten, und nahe neben ſeinen Beinen hin und her ſchoben, ſo daß ihn die Wahl und auch das Zielen in augenblickliche Verlegenheit brachte; denn er iſt gewohnt ſicher zu zielen, wie man daraus deutlich er⸗ ſieht, daß er hoͤchſt ſelten fehl ſtoͤßt, auch nie einen zweiten Stoß auf einen verfehlten Fiſch wuͤrde anbringen koͤnnen. Froͤſche, Froſchlarven und Waſſerinſecten ſucht er ebenfalls ſchlei⸗ chend auf. Die erſtern, wenn ſie etwas groß ſind, machen ihm viele Muͤhe; er ſticht ſie mit dem Schnabel, wirft ſie weg und faͤngt ſie wieder auf, giebt ihnen Kniffe u. ſ. w., bis ſie halb todt, mit dem Kopfe voran, hinab geſchlungen werden. Man ſieht, daß er ſie nicht gern genießt. Fiſch- und Froſchlaich, die wol auch zu ſei⸗ nen Nahrungsmitteln gezaͤhlt wurden, ſind ihm wahrſcheinlich zu geringfuͤgige Dinge; ich habe ſie wenigſtens nie in ſeinem Magen gefunden. i Seine Fiſchereien treibt er zu allen Stunden des Tages, am wenigſten aber in den Mittagsſtunden heißer Sommertage. Beſon⸗ ders unruhig zeigt er ſich gegen Abend, geht dann am meiſten auf den Fiſchfang aus und fiſcht oft bis tief in die Nacht hinein, wenn dieſe ſtill und mondhell iſt. Er wechſelt von einem Fiſchplatze zum andern, deren er in einem Umkreiſe gewoͤhnlich mehrere hat, bald zu dieſen, bald zu jenen, auch ohne an dem einen geſtoͤrt zu ſein, und von den Reiherſtaͤnden (Niſtorten) fliegen manche Stunden, ja Meilen weit nach ſolchen. Man weiß, daß manche das Futter fuͤr ihre Jungen aus 5 Stunden Wegs entfernten Teichen holten. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 49 Daß er die zarten Jungen der Sumpf- und Waſſervoͤgel, auch wol mancher Feldvoͤgel, raubt, iſt gewiß; fangen doch gezaͤhmte Fiſchreiher oft junge Huͤhnerchen, ja alte Sperlinge, dieſe mit vieler Liſt, vom Hofe weg und verſchlingen ſie. Wir ſahen, wo große Geſellſchaften von gemeinen Meven (Larus ridibundus) beiſammen niſteten, dieſe den Fiſchreiher, welcher ſich auffallend oft unter ihnen ſehen ließ, eben fo heftig wie Kraͤhen und Naubvögel verfolgen; ganz wie fie dieſen thun, fielen fie in Maſſe mit entſetz⸗ lichem Laͤrm und wuͤthenden Schnabelſtoͤßen uͤber jenen her, wobei der Geaͤngſtete durch Schreien und Weitwegſpritzen ſeines Unraths ſich Luft zu machen ſuchte, und trieben ihn ſo uͤber die Grenze ihrer Colonie hinaus, genau ſo, wie ſie es z. B. mit der Rohrweihe (Falco rufus), einem bekannten Neſtpluͤnderer, zu machen pflegen. Maͤuſe finden ſich oͤfters und ſogar zu mehrern Exemplaren auf ein Mal im Magen des Fiſchreihers; ſo weiß ich, daß ein ſolcher geſchoſſen wurde, in deſſen Magen ſich vier Stuͤck befanden. Er holt ſie meiſtens vom Felde, weshalb er dort oft Stunden lang herum ſchleicht und einer von ihm bemerkten, in ihre Hoͤhle ent— ſchluͤpften, vor derſelben auflauert, wie eine Katze. Es iſt meiſtens die kleine Feldmaus (Hypudaeus arvalis), doch koͤmmt auch die Waſſerſpitzmaus (Sorex fodiens) und aͤhnliche, die er am Waſſer fangen mag, darunter vor. Auch gezaͤhmte Reiher ſahe man Maͤuſe fangen. Daß der Fiſchreiher zuweilen auch große Teichmuſcheln, na⸗ mentlich die duͤnnſchalige Anadonta cygnea verſchluckt, beobachtete mein ſel. Vater an mehr als einem geſchoſſenen, bei denen er ſie in der zum Sacke ausgedehnten Unterkehle vorfand. Vermuthlich wartet der Reiher ab, bis die Muſchel, von der Waͤrme ermattet, ihre Schalen aufklafft, wo er ſie ausſpeiet und ſo zum Thiere gelangen kann. Mit vieler Wahrſcheinlichkeit glaubte mein Vater, daß dieſe Reiher die Verpflanzer jener Muſcheln aus einen Teich in den an— dern würden, wenn fie eine ſolche an einem andern Waſſer aus: ſpieen, dabei geſtoͤrt wuͤrden und die Muſchel liegen ließen, die ſich dann wieder erholt, fortkriecht u. ſ. w. Er kam auf dieſe Ber: muthung, als er einen Fiſchreiher an den hieſigen Teichen ſchoß, welcher eine ſolche noch lebende Muſchel im Kehlſacke hatte, zu einer Zeit, als es in dieſen ſolche gar nicht gab, und als er mehrere Jahre ſpaͤter bemerkte, daß ſich welche darin aufhielten, die ſich bald erſtaunend vermehrten. Sonderbarer Weiſe ſind ſie jetzt, nach einem Zeitraum von vielen Jahren, abermals verſchwunden, wozu das or Theil. 44 50 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. letzte Quinquennium mit ſeiner unerhoͤrten Duͤrre, wo alle Graͤben und Teiche austrockneten, auch die letzte Spur, hin und wieder herumliegende Scherben alter verwitterter Schalen rein ausgetilgt hat. Wenn der Waſſerſtand wieder normal ſein wird, wollen wir erwarten, daß uns die Reiher abermals zu dieſen unſchuldigen Thieren verhelfen. Der junge Fiſchreiher iſt mit Fiſchen, Froͤſchen, Maͤuſen und Fleiſch von andern warmbluͤtigen Thieren leicht aufzuziehen, und haͤlt ſich nachher auch bei ihm vorgeworfenen Eingeweiden von Fi⸗ ſchen, geſchlachtetem Gefluͤgel und andern rohen Abgaͤngen der Kuͤche, Jahre lang gut. In großen Haushaltungen, Speiſehaͤuſern und dergleichen iſt er daher wohlfeil zu ernaͤhren. Dem ſchwaͤchern Ge⸗ flügel, das ihm beigeſellt iſt, verſetzt er freilich manchen heimtüdi- ſchen und nicht ſelten gefaͤhrlichen Schnabelhieb, ganz junge Kuͤchel⸗ chen toͤdtet und frißt er ſogar, dieſe duͤrfen daher nicht in ſeine Naͤhe kommen; aber ſeine Raubluſt buͤßt er vorzuͤglich oft an den Sper⸗ lingen, welche aus den Freßtroͤgen der Huͤhner und Tauben na⸗ ſchen wollen. Hier ſteht er Stunden lang mit eingezogenem Halſe auf der Lauer, ſtockſtill und ohne Lebenszeichen, das Blitzen des kleinen, beweglichen Auges ausgenommen; aber ſein Wurfgeſchoß, der ſcharfſpitze Schnabel und der zuſammengelegte Hals, immer zum Vorſchnellen bereit, ſchießt blitzſchell und ſo ſicher auf den kecken, ſich zu nahe heranwagenden Spatz, daß dieſer ſich ſchon gepackt ſieht, ehe er noch an eine ſolche Gefahr dachte; ein paar Kniffe und Stöße des Schnabels enden das Leben des Ungluͤcklichen, den er auch nicht ſelten noch zappelnd und ſchreiend verſchlingt, und ganz wie er iſt, ſammt allen Federn, hinabwuͤrgt. Ein ſolcher muß recht oft reines Waſſer, und dies in einem breiten Gefaͤße vorge⸗ ſetzt bekommen, weil er ſich gern waͤſcht oder doch mit den Fuͤßen ſich hinein ſtellt, und ihm dies ſehr behaglich und geſund zu ſein ſcheint. Fortpflanzung. Der Fiſchreiher pflanzt ſich nicht allein in Polen und Preu— ßen, ſondern auch in Deutſchland haͤufig fort, namentlich in der noͤrdlichen Haͤlfte und in den untern Flußgebieten der Oder, Elbe, Weſer u. ſ. w., auch der kleinern in dieſe muͤndenden Fluͤſſe, be⸗ ſonders der Havel, im Meklenburgſchen, Holſteinſchen, XII. Ordn. LXVI. Satt. 250. Fifhs Reiher. 51 Hanoͤverſchen und anderwaͤrts in vielen Gegenden mit großen Landſeen, fließenden und andern Gewaͤſſern, welche waldige Umge— bungen haben. Auch die waldigen Ufer kleinerer Fluͤſſe, wie z. B. der Mulde, bieten ihm hin und wieder Niſtorte dar. Dieſe machen ſich gewoͤhnlich ſehr bemerkbar, weil nur ſelten ein einzelnes Paͤaͤrchen dieſer Reiher einſam niſtet, ſondern immer mehrere, ja viele beiſammen und in geringer Entfernung von einander ihre Neſter machen, und ſo waͤhrend der Fortpflanzungszeit groͤßere oder kleinere Colonien bilden, die man Reiherſtaͤnde und die einzelnen Neſter Horſte nennt. Die Fiſchreiher gleichen hierin den Saatkraͤhen (Corvus frugilegus) vollkommen. Der kleinſte Reiherſtand, welchen ich geſehen, mochte ohngefaͤhr aus 15 bis 20 Neſtern beſtehen; es giebt aber ſolche, die 100, ja viele Hunderte zählen, welche alle in geringer Entfernung von ein⸗ ander auf hohen Baͤumen, ſogar oft auf einem Baume 3, 4 und noch mehrere ſtehen, je nachdem ſich ſchickliche Plaͤtze genug auf den ſtaͤrkern Aeſten dazu finden. So giebt es kleine, mit Hochwald be— ſetzte Inſeln, Halbinſeln, Landecken und Landzungen an jenen Fluͤſſen und Stroͤmen, oder beſondere Waldtheile in der Naͤhe jener oder andrer Gewaͤſſer von großem Umfange, die ſolche Reiherſtaͤnde und fie ſchon ſeit vielen Jahren haben, weil fie die Fiſchreiher alle Früh: jahre wieder beziehen, ſelbſt wo man ſie nicht ſchonte, und es iſt außerordentlich merkwuͤrdig, welche arge Verfolgungen dazu gehoͤren, dieſe ſonſt ſo furchtſamen und ſcheuen Voͤgel dahin zu bringen, daß ſie ihren alten Niſtplatz aufgeben, im naͤchſten Jahr nicht wieder kommen und ſich anderswo einen neuen ſuchen. Je zahlreicher und aͤlter eine ſolche Colonie, deſto ſchwerer haͤlt ihre Vertreibung. Gewoͤhnlich iſt ein ſolcher gemeinſchaftlicher Niſtplatz in der Naͤhe einiger großen Gewaͤſſer, aber nicht immer unmittelbar am Waſſer. Es giebt Gegenden, wo die Reiher 1 bis 2 Stunden We⸗ ges und noch weiter vom Waſſer nach ihren Niſtplaͤtzen fliegen muͤſſen. Eine Meile von meinem Wohnorte, mitten in einem großen Kiefern: walde, an einer Stelle, wo die aͤlteſten und hoͤchſten Baͤume ſtehen, war ein Reiherſtand in einer uͤbrigens ganz trocknen Gegend, von der Mulde 1, von der Elbe faſt 3 Stunden entfernt, und ſolche von ähnlicher Lage habe ich mehrere geſehen. Werden fie an ſolchen Orten, wo fie einmal Poſto faßten, gar nicht geftört, fo vermehrt ſich ihre Anzahl von Jahr zu Jahr und kann zu vielen Hunderten an⸗ wachſen. Es giebt Waͤldchen, in welchem jeder dazu ſchickliche hohe Baum ein oder einige Reiherneſter traͤgt, und wo eine ſolche Colonie 4 0 52 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. nicht ſtark genug oder aus zu wenigen Gliedern zuſammen geſetzt iſt, um ſo ein Waͤldchen ganz zu uͤberziehen, nimmt ſie nur einen Theil deſſelben an einer Stelle dazu ein, wo Baͤume von gewuͤnſch— ter Beſchaffenheit in noͤthiger Anzahl nahe beiſammen ſtehen. So hatte jene im Kiefernwalde gegen 20 Neſter, und die alten Kiefern, welche dieſe trugen, ſtanden auf einem Raume von kaum 200 Schritt im Umfange. Ob der Wald aus Laub- oder Nadelholz beſtehe, iſt dem Fiſch— reiher gleich; man findet die Neſter auf Eichen, Buchen, Erlen, Ulmen wie auf Kiefern und andern Nadelbaͤumen, jedoch nur auf den aͤlteſten und hoͤchſten Baͤumen einer Gegend, und da, wo viele ſolcher neben einander ſtehen. Die Standorte der Neſter ſind immer die Wipfel oder die dieſen am naͤchſten ſtehenden ſtarken Aeſte ſolcher, gewoͤhnlich ſchwer zu erſteigender Baͤume. Es iſt daher das Herab— holen eines Reiherneſtes eine ſchwierige Aufgabe, die nur bei einigen wenigen ein Wagehals zu loͤſen im Stande iſt. — Gegen die Be⸗ ſchaffenheit des Bodens iſt der Fiſchreiher ebenfalls gleichguͤltig, und es kommen Reiherſtaͤnde ſowol auf ganz duͤrren, wie in Niederun- gen, in naſſen und fruchtbaren Lagen vor. ‘ Wenn auch in der Regel dieſe Reiher in großen Geſellſchaften beiſammen niſten, ſo machen doch einzelne Paͤaͤrchen hin und wieder eine Ausnahme hiervon. Haͤufig mag es indeſſen nicht vorkommen. Uns iſt mit Gewißheit nur ein Beiſpiel bekannt, wo in einer jener herrlichen waldreichen Elbauen ein Fiſchreiherpaͤaͤrchen mehrere Jahre nach einander auf einer hohen alten Eiche niſtete, bis es zuletzt weggeſchoſſen wurde. | In allen ebenen und waldreichen Gegenden niſten dieſe Reiher nur auf Baͤumen; in gebirgigen Laͤndern, wie an den großen Seen der Schweiz auch auf Vorſpruͤngen ſehr hoher ſchroffer Felſen und zwar auch hier geſellig. Daß aber in baumarmen Gegenden in großen Suͤmpfen, wie man von den oͤſtlichen Laͤndern unſres Erd— theils angegeben hat, manche ihr Neſt ins Schilf bauen ſollten, moͤchte ich, nach Allem, was mir von den bei der Fortpflanzung dieſer Reiherart obwaltenden Umſtaͤnden bekannt geworden iſt, ſehr bezweifeln. Es gewaͤhrt an ſolchem Reiherſtande viel Unterhaltung, die Reiher aus allen Richtungen zu jeder Tageszeit ab und zu fliegen zu ſehen, was ſie thun, theils um den bruͤtenden Weibchen, theils den Jungen Futter zu bringen oder zu holen. Sie fliegen dabei einzeln und ſtets ſo hoch, daß ſie ein gewoͤhnlicher Flintenſchuß XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 5a meiſtens nicht würde erreichen koͤnnen, und gehen auch beim Herab— laſſen auf die Neſter, zumal wenn ſie ſich nicht recht ſicher glauben, mit aller Vorſicht zu Werke. Am Platze ſelbſt hoͤrt man wenig mehr als das Geraͤuſch, was hin und wieder beim Auf- oder Ab— fliegen durch Anſchlagen der Fluͤgel gegen die Zweige entſteht, oder dann und wann ein verſtohlnes Quaken der lungernden Jungen, und nur in großen Colonien iſt mehr Laͤrm. Sonderbarerweiſe liebt ein dem Reiher gar nicht verwandter Vogel, der Kormoran (Halieus s. Carbo cormoranus), dieſe Reiherſtaͤnde ſo ſehr, daß er, ebenfalls in groͤßern Vereinen, ſich in ſolche einzudraͤngen und die Reiher aus ihren Neſtern zu vertreiben ſucht, um ſich dieſer fuͤr ſeine Brut zu bedienen. Dies giebt Anlaß zu vielen laͤrmenden Balgereien, da beide Theile nicht ſtumm dabei bleiben, die Reiher vielen Widerſtand leiſten und nicht ſo leicht weichen, endlich aber doch wenigſtens zugeben muͤſſen, daß die Uſur— patoren ſich zwiſchen ihnen, theils auf den nebenſtehenden Baͤumen, theils auf noch unbeſetzten Aeſten der mit Reiherneſtern bereits ver— ſehenen, anſiedeln, wo dann beide Arten, trotz der vielen unange— nehmen Beruͤhrungen, bunt durch einander, jedes nach ſeiner Weiſe, ihre Fortpflanzungsgeſchaͤfte betreiben. Im naͤchſtfolgenden Jahr kommen aber gewoͤhnlich die Reiher nicht wieder, und der Ort bleibt den Kormoranen uͤberlaſſen, die dann von den alten Reiherneſtern ungeſtoͤrt Gebrauch machen. Erſt vor ein paar Jahren kam dies in der Gegend von Oderberg vor. Eine ſolche Doppelcolonie hat dann auch fuͤr den Beobachter wie fuͤr den Jaͤger ein doppeltes Intereſſe. Daß an ſolchen gemeinſchaftlichen Niſtorten der Unflaͤterei . und des Geſtankes viel iſt, indem vom Kothe der Voͤgel Alles weiß und wie uͤbertuͤncht ausſieht, das Gras am Boden und das Laub auf den Baͤumen verderbt wird, dazu faulende Fiſche, welche Alte und Junge zuweilen verlieren, die Luft verpeſten helfen, find Un: annehmlichkeiten, die ſich, freilich in viel geringerm Grade, auch an den geſellſchaftlichen Bruͤteplaͤtzen der Saatkraͤhen finden. Im April zeigen ſich die alten Fiſchreiher an den auserwaͤhlten Niſtplaͤtzen. Sie treiben ſich dann einzeln und paarweiſe in deren Umgegend herum, ſuchen die alten Neſter auf, beſſern ſie aus oder bauen fi) neue, und der alte, feit ¾ Jahren veroͤdete Stand ge: winnt wieder neues Leben. Man ſieht die alten Bügel theils duͤrre Zweige abbrechen, theils mit ſolchen und andern Baumaterialien im Schnabel von Ferne hergeflogen kommen, noch andere auf dem Felde darnach ſuchen u. ſ. w. Das Fiſchreiherneſt hat Aehnlichkeit mit 54 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. / einem großen Naubvogelnefte und heißt daher in der Jaͤgertermino— logie Horſt. Es iſt zwiſchen 2 und 3 Fuß breit, ziemlich flach und ohne beſondere Kunſt gebauet, doch ſo, daß es meiſtens Halt— barkeit genug hat, um nicht ſo leicht von Stuͤrmen herabgeworfen zu werden. Das Hauptmaterial dazu ſind duͤrre Stecken und Reiſer, von welchen die ſtaͤrkſten die erſte Lage bilden und nach oben zu die ſchwaͤchſten kommen, die oft mit Rohrſtengeln, Schilfblaͤttern, Stroh und andern trocknen Pflanzentheilen vermiſcht find, in der Mitte eine ſeichte Vertiefung bilden, welche meiſtens mit noch weichern Dingen, Borſten, Wolle, Haare, Federn und dergleichen, doch ſehr nachlaͤſſig, ausgelegt iſt, worin nachher die Eier gelegt und ausge— bruͤtet werden. Beide Gatten fuͤhren gemeinſchaftlich dieſen Bau auf. In der letzten Haͤlfte des April findet man Eier in dieſen Neſtern, deren in jedem 3 bis 4 liegen, die etwas groͤßer als ge— woͤhnliche Huͤhnereier oder faſt ſo groß wie die zahmer Enten ſind. Ihre Geſtalt iſt gewoͤhnlich eine rein eifoͤrmige, oft kommen ſie auch ziemlich bauchicht und an einem Ende mehr oder weniger zugeſpitzt vor; ihre Schale ſtark, glatt, mit ſichtbaren Poren, ohne allen Glanz. Sie find völlig einfarbig, von einer hellen, im friſchen Zuſtande ſehr lebhaften Gruͤnſpahnfarbe, oder angenehm ſeladongruͤn, eine Farbe, die zwiſchen Blau und Gruͤn das Mittel haͤlt, aber ſchon durch das Bebruͤten, noch mehr aber ausgeblaſen und lange in der Sammlung aufbewahrt, ſehr verbleicht und ſich zum blaugruͤnlichen Weiß hinneigt. Dieſe Farbe, die nur bei friſchgelegten, mit ihrem Inhalt verſehenen, recht ſchoͤn iſt, aͤhnelt zwar der, welche wir an den Eiern des Gartenroͤthlings (ſ. Thl. III. S. 510. d. V.) und der Heckenbraunelle (Ebendaſelbſt, S. 951.) finden, allein ſie erreicht die Lebhaftigkeit dieſer darum nicht, weil ihr aller Glanz abgeht und die Oberflaͤche der Schale Falfartig ausſieht und ſich auch fo anfuͤhlen laͤßt. Sie ſind ſehr kenntlich und unterſcheiden ſich von andern aͤhnlichen Reihereiern namentlich durch ihre anſehnlichere Groͤße. Ein gewiſſer Vorfall verdient ſeiner Sonderbarkeit wegen Er— waͤhnung. Wir ſahen einſtmals einen alten Fiſchreiher einer Me— vencolonie (von Larus ridibundus) einige Tage nach einander feinen Beſuch machen, welchen die Meven, wie gewoͤhnlich, ſehr unguͤnſtig aufnahmen und den ungebetenen Gaſt bald mit Schreien und Beißen zu vertreiben ſuchten. Alles Laͤrmens zum Trotze hielt er ſich doch das eine Mal laͤnger als gewoͤhnlich zwiſchen den Neſtern jener auf, die wir gleich nachher zufaͤllig muſterten, zu unſerm Erſtaunen aber in einem leeren Mevenneſte ein friſchgelegtes Ei des Fiſchreihers XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 35 fanden. Hatte die bloße Angſt es ihm ausgepreßt, oder hatte die zu große Entfernung von ſeinem Neſte und gleichzeitige Reife des Eies ihn dazu vermocht? Wir wiſſen es nicht und erfuhren auch nie etwas von einem Reiherſtande in dortiger Gegend, da mehrere Meilen in die Runde gewiß kein ſolcher vorhanden war. Da es wirklich einzeln in Waͤldern niſtende Reiherpaͤaͤrchen giebt, ſo moͤchte er zu einem ſolchen gehoͤrt haben; aber auch der naͤchſte Wald war faſt 1½ Meilen weit von dort. Vielleicht war es ein ungluͤckliches Weibchen, das ſein Maͤnnchen kuͤrzlich verloren und als Wittwe ſein Neſt verlaſſen hatte und daher noch ein Ei bei ſich trug, das nach und nach reifte und nun hier im unabſichtlichen Herumirren unwillkuͤhrlich irgend wohin gelegt werden mußte. Dies iſt mir das Wahrſcheinlichſte. Nach meinen Beobachtungen bruͤtet das Weibchen ſeine Eier allein aus und wird waͤhrend dem vom Maͤnnchen fleißig mit Futter verſorgt, daher das viele Ab- und Zufliegen der Reiher in der Brü- tezeit nach ihren Staͤnden. Sie ſind auch dort zwar ſehr auf ihrer Huth, jedoch der ſtarken Baͤume wegen, die das Anſchleichen befoͤr— dern, leichter zu beobachten. Das Weibchen bruͤtet ohngefaͤhr 3 Wo: chen, liegt ziemlich feſt auf ſeinen Eiern und fliegt gewoͤhnlich erſt ab, wenn mit einem Stocke unten an den Baum geſchlagen wird. Hat es Junge, ſo zeigt es ſich, wenn es unten Menſchen bemerkt, bald uͤber ihnen in der Luft, aber hoch uͤber den Baͤumen, und ſtoͤßt zuweilen ein aͤngſtliches tiefes Cha, ganz einzeln, aus, und dann iſt gewoͤhnlich ſein Maͤnnchen auch nicht fern. Die Jungen in ihrem Dunenkleide haben nichts Angenehmes in ihrem Aeußern und ſind unbehuͤlfliche Geſchoͤpfe, wachſen aber bald heran. Sie ruͤcken, wenn ſie Federn bekommen, oͤfters auf den Rand des Neſtes, noch ſpaͤter und faſt fluͤgge, ſtellen fie ſich wol auch auf die naͤchſten ſtarken Aeſte, kehren aber, ſobald ſie Gefahr ahnen, oder von den Alten gewarnt werden, ſchnell in daſſelbe zuruͤck. Sie werden fleißig mit Futter verſorgt, das ihnen die Alten im Kehlſacke, welcher ſich in dieſer Zeit beſonders ſehr weit ausdehnt, zutragen und vorſpeien. Mancher Fiſch faͤllt dabei zufaͤllig herab und wird der Faͤulniß uͤber⸗ laſſen, dadurch aber ein Geſtank erzeugt, welcher mit dem, welchen die Excremente verbreiten, den Aufenthalt an einem zahlreichen Reiher— ſtande ſehr unangenehm machen. Sie ſitzen laͤnger als 4 Wochen im Neſte und verlaſſen es nicht eher, bis ſie voͤllig wie die Alten fliegen und ſich naͤhren koͤnnen. An den Spitzen der Nackenfedern, die ſie am ſpaͤteſten bekommen, ſitzen oft noch Reſte der vormaligen 56 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. Dunenbekleidung, wenn fie ſchon Wochen lang ſelbſtſtaͤndig geworden waren, wie wir ſie an entferntern Teichen und Gewaͤſſern zu Ende des Juni oder im Juli antreffen. Dieſe Jungen entfernen ſich naͤmlich aus ihrer Geburtsgegend, ſobald ſie in Gegenwart der Alten Fiſche fangen gelernt haben, was ſie ſehr ſchnell begreifen muͤſſen, weil dieſe, ſobald jene das Neſt verlaſſen haben, nicht mehr fuͤr ſie fiſchen, ſondern ſie gaͤnzlich ſich ſelbſt uͤberlaſſen. Sie ſuchen jetzt andere entferntere Gegenden auf, und wo ſie Futter genug finden, verweilen ſie bis zum wirklichen Fortzuge. Ihre Fiſchſtellen, deren ſie dort gewoͤhnlich mehrere haben, wenn ſie auch Stunden weit aus einander laͤgen, wechſeln ſie dann ſo oft, als ſie an dieſer oder jener geſtoͤrt werden, bis ſie gaͤnzlich fortziehen. Auch die Alten zerſtreuen und vereinzeln ſich nach vollbrachten Fortpflanzungsgeſchaͤften und verlaſſen groͤßtentheils die Niſtgegend; an den Reiherſtaͤnden, wo 2 bis 3 Monate lang ein reges Leben herrſchte, wo Luſt und Freude, Sorge und Angft wechfelten und ſich laut ausſprachen, iſt nun Alles ſtill und oͤde geworden, bis auf einzelne Reiher, die fortwaͤhrend ihre Nachtruhe dort halten. | Die Fortpflanzungsgeſchichte des Fiſchreihers giebt, wie aus Vorliegendem zu erſehen, faſt in allen Stuͤcken ein Analogon von der der Saatkraͤhez wer eine Saatkraͤhencolonie beobachtet hat, mag ſich leicht eine ziemlich richtige Vorſtellung von einem Reiher⸗ ſtande machen koͤnnen, wenn er ſich bei dieſem Alles in einem groͤßern Maßſtabe denken will. Feinde. Daß der Fiſchreiher von groͤßern und muthigen Raubvoͤgeln, Edelfalken und Habichten, auch im freien Naturzuftande an: gefeindet wird, erhellt theils aus dem Triebe, nach welchem gezaͤhmte Falken ſich ſo leicht dazu abrichten laſſen; theils zeugt jene Beobach— tung, Thl. I. S. 265, wo ein weiblicher Finkenhabicht oder Sperber (Falco Nisus) aus freien Stuͤcken einen voruͤberziehenden Fiſchreiher packte, mit ihm zur Erde herabpurzelte u. ſ. w., fuͤr dieſelbe. Uns ſind noch einige ſolche Faͤlle bekannt, ein Mal, wo ebenfalls ein Sperber, und ein anderes Mal, wo ein Tauben— falke (Falco peregrinus) einen ruhig uͤberhin fliegenden Reiher atta— quirten und ihm hart zuſetzten, wobei es beide jedoch auch nicht bis zum Aeußerſten trieben. Das Merkwuͤrdigſte dieſer Art begegnete indeſſen meinem mittlern Bruder: Ein Fiſchreiher ſtand an einem Fiſchteiche XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 357 dicht am Walde, als ploͤtzlich aus dieſem eine ſehr große Eule (Strix Aluco oder wegen ihrer auffallenden Groͤße, ihres raſchen, energiſchen Fluges und weil noch heller Tag war vielleicht gar Str. uralensis) hervorgeſtuͤrzt kam und den Reiher, welcher fogleich auf: ſtieg, ſchrecklich ſchrie, die verſchluckten Fiſche und ſeine Excremente von ſich gab, angriff, wiederholt auf ihn ſtieß, da er aber uͤber den Wald hin fluͤchtete, bald mit ihr verſchwand, ſein Schreien aber noch lange hoͤren ließ. Es iſt zu bedauern, daß das Ende dieſes ſonderbaren Kampfes des Waldes wegen nicht zu ſehen war. 5 Ob die gewoͤhnlichen Neſtpluͤnderer, Raben, Kraͤhen und einige unedle Raubvoͤgel ſich in die Reiherſtaͤnde wagen, iſt nicht wahrſcheinlich, eher vielleicht an ein einſames Reiherneſt. Dem Baummarder iſt ſo etwas wol noch am meiſten zuzutrauen, doch fehlen daruͤber zuverlaͤſſige Beobachtungen. | In feinem Gefieder finden ſich zuweilen Schmarotzerinſekten, in ſeinem Innern, nach dem Wiener Verzeichniß, mehrartige Wuͤrmer, als: Filaria pellae femoralis, Ascaris microcephala, Echinorhyn- chus striatus und Amphistomum Cornu. Ia g d. Der Fiſchreiher iſt als außerordentlich mißtrauiſcher, wachſamer und ſcheuer Vogel ſehr ſchwer anzukommen, in ſchußrechter Entfer⸗ nung, zumal im Fluge, aber leicht zu ſchießen. Er ergreift ſtets ſchon die Flucht, wenn er noch weit außer dem Bereich nicht nur des Schuſſes mit der Schrotflinte, ſondern auch des der Kugelbuͤchſe iſt. Auf mehr denn 700 Schritt beobachtet der alte Fiſchreiher ſchon den Jaͤger und fliegt, ſo wie dieſer ſich auf 400 Schritte genaͤhert hat, ſchon weg, der junge Vogel wenigſtens auf 200 Schritte An⸗ naͤherung. Will man ihn hinter Waͤllen, Huͤgeln, hohen Ufern oder Baͤumen anſchleichen, ſo darf man vorher nicht von ihm ge— ſehen worden ſein, und mißgluͤckt es ein Mal, dann iſt fuͤr die Folge alle Hoffnung dazu verloren. Sogar Wachen ſtellen dieſe ſchlauen Voͤgel, wenn mehrere beiſammen, an ſolchen Orten aus, wo ſie ſchon Verfolgungen erfuhren. Sieht man einen Fiſchreiher, und. wäre die Entfernung auch noch fo groß, fo darf man ſich ver— ſichert halten, auch von ihm bereits geſehen worden zu ſein. Er fliegt auf, um eine hohe Uferecke, und hat ſich dort geſetzt; jetzt giebt man der Hoffnung Raum, ſich ihm da ungeſehen naͤhern zu 38 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. koͤnnen; endlich muͤhſam ſchleichend dort angelangt, iſt jedoch laͤngſt kein Reiher mehr zu ſchauen; denn, das ganze Manoͤver ahnend, hat er dort gar nicht lange verweilt und ſich, wohlberechnend, im Stillen fortgemacht, ehe der Schuͤtze ihm ſchußmaͤßig nahe kommen konnte. Solche berechnende Vorſicht zeigt der verſchlagene Fiſchreiher nicht allein gegen den Schuͤtzen, ſondern, mit kaum merklicher Maͤßi⸗ gung, auch gegen andere Menſchen. Schiffer, Hirten und dergleichen Leute koͤnnen ſich daher ſeines Zutrauens kaum mehr ruͤhmen, als Jaͤger, ſelbſt einem voruͤberfahrenden Wagen weicht er ſchon aus, ehe moͤglicherweiſe ein Schuß mit Erfolg auf ihn anzubringen waͤre. Eben fo, ja faſt noch mehr, fürchtet er einen an ihin vorbeirudern— den Kahn oder Nachen. Die ſicherſte Art, ſich feiner zu bemaͤchti— gen, bleibt daher allein der Anſtand an ſeinen bekannten Fiſchplaͤtzen, in einem Erdloche gut verborgen, oder im Walde, wo er Abends zu baͤumen und zu uͤbernachten pflegt, hinter Baͤumen verſteckt. Solche Anftandsorte find alle Jahr ziemlich dieſelben, weil fie faſt von allen die Gegend durchſtreifenden Fiſchreihern beſucht werden. Nicht allein fuͤr Reiher, ſondern auch fuͤr alle andern Sumpf— und Waſſervoͤgel, bei welchen der Anſtand oder die Lauer oft das einzige Mittel bleibt, zum Zwecke zu gelangen, iſt am Waſſer ein Verſteck in einem Erdloche viel beſſer als eine Huͤtte von Rohr, Schilf und dergleichen; denn aus dieſer kann man nicht im Fluge ſchießen, und man ſieht und hoͤrt auch weniger; zudem ſcheuen ſie die Voͤgel, fie muß lange ſtehen, ehe fie ſich an den Anblick einer ſol— chen gewöhnen oder ihr Mißtrauen gegen fie verlieren. Das An: ſtandsloch, hinlaͤnglich tief in die Erde gegraben, muß, wohl zu merken, ſo enge wie moͤglich ſein; koͤmmt dann ein Vogel darauf zu geflogen, ſo buͤckt man ſich tief nieder, verhaͤlt ſich ſtockſtill, und kann verſichert ſein, daß man in dieſer zuſammengekauerten Stel— lung, zumal in einem erdgrauen Anzuge, auch von dem ſcheueſten und ſcharfſehendſten Vogel nicht bemerkt wird, wenn er auch dicht uͤberhin ſtriche. Schlimmer iſt es ſchon, wenn er hoͤher fliegt, weil er dann aus der Hoͤhe bereits von weitem in daſſelbe hinein ſchauen und die geringſte Bewegung, die zuweilen nicht vermieden wird, gewahren kann; jedoch bei einiger Uebung von Seiten des Schuͤtzen iſt auch dieſes gewoͤhnlich nicht zu fuͤrchten. Oft flogen die ſcheueſten Voͤgel ſo dicht uͤber meinem Kopfe hin, daß ich das Wehen ihrer Fluͤgel deutlich vernahm und die Bewegung der Luft fuͤhlte, oder daß ſie ſich dicht vor mir ans Waſſer ſetzten, ohne meine Naͤhe zu ahnen. Iſt ein ſolches Erdloch aber zu weit, jo wird es vom Körz ' XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 59 per zu wenig ausgefuͤllt und der Schuͤtze von oben herab weit leichter geſehen. | Bei den Reiherſtaͤnden kann die Jagd auch nur durch un— bemerktes Anſtellen an gewiſſe Orte gut von Statten gehen, zumal wo die Reiher nicht zu hoch uͤberhin ſtrichen. Iſt an ſolchen aber ſchon mehrmals geſchoſſen, dann ziehen ſie entweder eine andere Straße oder zu hoch durch die Luft. Bei den Neſtern iſt es daſſelbe, eben ſo an den Fiſchplaͤtzen; da jedoch dort viele Reiher ſind, ſo wird mancher zufällig erlegt. Die Neſtbaͤume find gewöhnlich zu hoch, um die Flinte, mit Schrot (Hagel) geladen, gegen die Jungen mit ſicherm Erfolg in Anwendung zu bringen, zumal dieſe bei entſtehendem Laͤrm ſich in die Neſter zuruͤck ziehen, die ihnen dann Schutz gegen den Schuß gewaͤhren. Die Kugelbuͤchſe iſt dazu wol beſſer, die richtig abgeſandte Kugel toͤdtet auch trotz des zum natuͤr⸗ lichen Panzer werdenden Neſtes; allein die erſchoſſenen Jungen bleiben darin liegen, und nur die nicht ſogleich getoͤdteten wollen entfliehen, taumeln uͤber den Rand hinaus und purzeln zur Erde herab. Auf dieſen ſchauderhaften Jagden, die nur Vertilgung be— zwecken, wird gleichwol nur ſelten ein alter Reiher erlegt, gerade wie bei den Metzeleien, welche man gegen junge Saatkraͤhen anſtellt. Man will damit die Reiher wo nicht gaͤnzlich wegſcheuchen und ihnen den Platz fuͤr immer verleiden, ihre Anzahl doch moͤglichſt zu vermindern ſuchen und einer zu großen Vermehrung entgegen arbeiten. Es iſt ſonderbar genug, daß ein ſo ſcheuer und ſo unge— mein furchtſamer Vogel, wie unſer Fiſchreiher, von ſolchem Orte, den er einmal zu ſeinen Brutgeſchaͤften fuͤr zweckmaͤßig haͤlt und ſich da feſtgeſetzt hat, d. h. zu der Zeit ſchon mehrere Jahr nach einan— der wieder dazu benutzt hat, ſich oft mit aller Gewalt nicht vertrei— ben laͤßt. Das bloße Wegſchießen vieler Jungen und dann und wann eines Alten iſt nicht hinreichend, eine Reihercolonie zu ver⸗ mögen, daß ſie denſelben Stand nicht wieder beziehe. Um das Weg⸗ bleiben einer ſolchen zu erzwingen iſt noͤthig, daß man das ganze Jahr, vom erſten Fruͤhjahr an, unablaͤſſig auf die Reiher Jagd macht, ihnen beim Fiſchen, beim Neſtbauen und allerwaͤrts auf— lauert, ſie uͤberall und fortwaͤhrend mit Schießen beunruhigt und ſo wenige wie moͤglich von den Jungen aufkommen laͤßt. In dem ſchon erwaͤhnten Kiefernwalde, unfern von meinem Wohnorte, beſtand jener kleine Reiherſtand ſchon ſeit vielen Jahren, obgleich faſt alle Jahr Junge geſchoſſen wurden, denen man freilich, der zu hohen Kiefern wegen, mit der Flinte nicht viel Abbruch thun 60 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. konnte. Man kam endlich darauf, ſie mit Kugelbuͤchſen zu beſchie⸗ ßen und fand dies wirkſamer, ſo daß im naͤchſtfolgenden Jahr, dem vorletzten, eine kleine Geſellſchaft guter Buͤchſenſchuͤtzen ſich da— hin begab, die ſich nicht allein begnuͤgten, die Jungen in den Neſtern mit Kugeln zu durchbohren, ſondern auch viele Neſter herabſchoſſen; indem ſie ſo viele Kugeln in einen ſolchen Aſt ſchickte, welcher ein Neſt trug, bis er brach und ſammt dieſem herabſtuͤrzte. Dies war den Reihern zu arg, ſie kamen im naͤchſten Jahre nicht wieder, und haben ſich wahrſcheinlich in einer entfernteren Gegend einen neuen gewaͤhlt oder gaͤnzlich zerſtreuet. Fangen kann man den Fiſchreiher in den oft e und in dieſem Werke (Thl. VII. S. 209.) beſchriebenen Laufſchlingen, die man dahin dicht an das Waſſer ſtellt, wo man ihn oft herum gehen ſahe. Die Schlingen muͤſſen aber beſonders groß und ſtark genug fein. Auch in einem gut verdeckten Tellereiſen kann man ihn an ſolchen Orten fangen. — Noch ein andrer Fang iſt der mit einem Angelhaken, welcher nicht zu klein fein darf, an einer feſten Schnur im Waſſer liegt und mit einem lebenden, muntern Fiſch bekoͤdert iſt. Alle drei Fangarten ſind erprobt. Ein fuͤrſtliches Vergnügen war ſonſt die ſogenannte Reiher—⸗ baitze, wo abgerichtete Falken (Falco candicans, F. laniarius und F. peregrinus.) auf den Reiher gehetzt wurden, vor welchen er, nachdem er Alles, was er genoſſen, von ſich gegeben und ſich leicht gemacht hatte, zuerſt durch Steigen in die Luft, bis zur größten Höhe, ſich zu retten ſuchte, vom Falken aber bald uͤberſtiegen ward, welcher nun ſo lange auf ihn ſtieß, bis er ihn packte und mit ihm auf die Erde herabpurzelte, wo beide von den aufpaſſenden Falko: nieren ergriffen und feſtgenommen wurden. Gewoͤhnlich bekam der Reiher das anſtrengende Steigen, wie das haͤufige Ausweichen der wiederholten Stoͤße des Falken bald ſatt, und fing nun an ſich zu vertheidigen, in den wunderlichſten Wendungen dem heftigen An— dringen des Falken die Schnabelſpitze entgegen zu halten, ſo daß er, wie man ſagt, zu tollkuͤhne und unvorſichtige Falken oft damit verletzte. Alles dieſes gab hoch in den Luͤften ein allerdings in— tereſſantes, aber wegen Anſchaffen, Abrichten und Unterhalten des Falken auch ein recht koſtſpieliges Schauſpiel, und war daher nur fuͤr große Herren. Der ſo gefangene Reiher war gewoͤhnlich nicht ſtark verletzt, und wurde lebend mit nach Hauſe genommen, um ge— legentlich junge Falken auf ihn loszulaffen und dieſe in ihrer Kunſt zu uͤben, oder jenes Schauſpiel mit alten Falken zu wiederholen. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. 61 Haͤufig legte man jedoch dem Reiher einen metallenen Ring, mit dem Namen der Herrſchaft nebſt der Zahl des Jahres und Fange⸗ tags, um den einen Fuß, und gab ihm ſo die Freiheit wieder. Es ſollen manche Reiher gefangen worden fein, welche ſchon mit meh: rern ſolchen Ringen verſehen waren, und ſolche, deren Alter, dieſer Angabe zu Folge, uͤber 50 Jahre hinaus ging. Nutz en. Das Fleiſch des Fiſchreihers wird gewoͤhnlich nicht gegeſſen; es iſt ein magerer, leichter, knochenreicher, widerlich riechender Vogel; doch bereitet man aus dem jungen Reiher in manchen Laͤndern die ſogenannten Reiherpaſteten, in welchen es nicht übel ſchmecken ſoll. Die Schmudfedern der alten Reiher wurden ſonſt von Feder: ſchmuͤckern zu ſchoͤnen Federbuͤſchen verarbeitet und theuer verkauft. Die koſtbarſten waren die langen ſchmalen Genickfedern, deren jeder nur 2 bis 3 hat, die gewöhnlich ſchwarz find, wenn fie aber zufäl- lig weiß waren, die hoͤchſten Preiſe hielten. Es gehoͤren ihrer gar viele zu einem nur maͤßigen Federbuſche, weshalb dieſe außerordent⸗ lich koſtbar waren. — Zu krauſen Federbuͤſchen wurden die ſammet⸗ ſchwarzen an den Bruſtſeiten verwandt, welche ein ſeidenartiges Ausſehen, aber geringern Werth hatten. Mehr geſchaͤtzt waren die, wie zarte Stacheln ausſehenden, weißen Federn vom Unterhalſe des Fiſchreihers. Alle ſcheinen aus der Mode gekommen zu ſein. — Die großen breiten Fluͤgel werden als Weher oder Facher von verſchiedenen techniſchen Gewerben noch gern gebraucht. Dadurch, daß er hin und wieder eine Maus wegfaͤngt, wird er nuͤtzlich, doch iſt dies nicht von vieler Bedeutung. — Daß er den Fiſchern die Plaͤtze zeige, wo die Fiſche am meiſten ſtreichen, iſt wol des Erwaͤhnens kaum werth, indem jene ihr Handwerk ſchlecht verſtehen muͤßten, wenn ſie ſo Etwas erſt vom Fiſchreiher lernen ſollten. Dem Jaͤger werden die Füße (Ständer), als von einem den Fiſchereien ſehr nachtheiligen Vogel, von ſeiner Obrigkeit, bei uns das Paar mit 6 gr., in andern Ländern auch wol nur mit 2 ggr., ausgeloͤſet. Schaden. Da ſich der Fiſchreiher meiſtens von lebenden Fiſchen naͤhrt, ſo wird er den ſogenannten zahmen Fiſchereien, namentlich den Streich 62 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 250. Fiſch⸗Reiher. oder Brutteichen ſehr nachtheilig, indem er die junge Brut in ſolchen Maſſen verzehrt, daß man bei einem einzigen, dabei erleg⸗ ten, oft den Magen mit einer ganzen hohlen Hand voll kleiner, zolllanger Fiſchchen angefuͤllt findet. Ein Paar Reiher ſind, wo ſie Ruhe haben, im Stande, in ſehr kurzer Zeit einen Teich rein aus⸗ zufiſchen, weil ſolche Streichteiche gewoͤhnlich nicht groß ſind und nur flaches Waſſer haben, wo fie ihnen am beſten beikommen koͤn— nen. Man weiß, daß ein einziger Fiſchreiher, wo ihm Ruhe ver: gönnt war, mit dem Ausfifchen eines kleinen Fiſchtuͤmpels in kurzer Friſt bis auf die letzte Schuppe fertig war. Die Fiſchereibeſitzer haben daher ſehr recht, wenn ſie ihn ernſtlich verfolgen und von ſolchen Orten abzuhalten oder zu vertreiben ſuchen. An den ſoge— nannten Streckteichen, worin ſich nur große Fiſche, namentlich Karpfen, befinden ſollen, wird er weniger verderblich, weil er hier nur die kleinen Fiſche herausfaͤngt, welche zufaͤllig hinein kamen und den groͤßern die Nahrung ſchmaͤlern, doch aber in fiſcharmen Gegenden, unter dem allgemeinen Namen „Speiſefiſche“ auch Werth haben. Wir haben indeſſen auch beobachtet, daß er, wo die kleinen Fiſche alle wurden, endlich auch an die großen ging, ſie fing und toͤdtete, weil er ſolche aber nicht hinabwuͤrgen konnte, liegen ließ, und fie den Kraͤhen Preis gab, die man deshalb auch oft in ſei— ner Naͤhe ſich herumtreiben ſieht. Es geht ihm dabei nicht beſſer als den Stoͤrchen, welche zwar etwas größere Fiſche verſchlingen koͤn⸗ nen, zu große aber auch liegen laſſen muͤſſen, weil fie ſolche fo we— nig wie der Fiſchreiher zu zerſtuͤckeln vermoͤgen. In den Reiherſtaͤnden ſoll, wie ſchon oben beruͤhrt, ihr Unrath, mit dem dort Alles weiß uͤbertuͤncht iſt, eine aͤtzende Kraft an den Baͤumen, namentlich Laubholzbaͤumen, und an dem auf dem Boden wachſenden Graſe aͤußern, dieſes endlich ganz verderben und von jenen, wenn auch nicht ganze Baͤume, doch viele Zweige abſterben machen. \ | 2 U ; | 251. Der Purpur⸗Reiher. 0 Ardea purpurea. Linn. Fig. 1. Dreijähriges Männchen. Taf. 221. Fig. 2. Halbjähriges Männchen. Gehaubter —, glattkoͤpfiger Purpurreiher, purpurfarbener Rei⸗ her, braunrother Reiher; Braunreiher, Zimmtreiger; Bergreiher, cas⸗ piſcher Reiher; jung: Graugelber Reiher. Ardea. purpurea. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 626. n. 10, — Lath. Ind. II. p. 697. n. 72. = _Ardea purpuralu. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 641. n. 63. Zath. Ind. II. p. 698. n. 75. — Ardeu botaurus. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 636. n. 50. — Latlı. Ind. II. b. 698. u. 74. —= _Ardea cuaspica, Gmel. Reis. II. p. 193. t. 24. — Latlı. Ind. n. 73. — Ardea rufa. Scopoli, Ann. I. u. 119. Lath. Ind. II. p. 692. u. 55. == Ardea variegata. Scopoli, Ann. I. n. 120. Lath. Ind. n. 36. = Ardea monticola. La Peyrouse, Tab. des Ois. p. 44. Le Heron Pourpre huppe. Buff., Pl. enl. 788. Heron pourpre. Buff. Ois. VII. p. 369. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 73. Heron montagnard. Sonn. nouv. Edit. d. Buff. Ois. XXI. p. 171. — Gerard. Tab. elem. II. p. 127 u. 128. = Temminck. Man. d'Orn. nouv. Edit. II. . p. 570. (Grand Butor. Buff. Ois. p. 422. Cres ſed purple Heron and rufous Heron and purple Heron. Lath. syn. V. p. 95 & 96 & 99. — Ueberſ. von Bechſtein, III. 1. n. 65. 66. & 72. — African Heron. Lath. syn. Supp. I. p. 237. — Ueberſ. III. 1. S. 73. n. 80. — Sgarza 1 Stor. des. uce. IV. Tav. 430. & 431. — Runocchiaja Savi. Oru. Tose. II. p. 345. Purpere Reiger. Sepp. Nederl. Vog. IV. tab. p. 353. hauen u. a. teutſche Ornith. Heft 1. (Weibchen.) — Bechſtein, . Deutſchl. IV. S. 27, — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 257. n. 2, — Deſſen Diana II. S. 39. t. II. — Wolf und Meyer, Taſchenb. U. S. 334. — Meißner u. Schinz, Vög. der Schweiz. S. 185. n. 181. — Koch, Baier. Zool. I. S. 333. n. 206. — Brehm, Lehrb. II. S. 548. — Deſſen Naturg. a. V. Deutſch. S 581—583. ms. Schleſ. Faun. S. 49. n. 215. ög. Würtembergs. . 58. — Naumann's Vög. alte Ausg. Nachträge S. 307. Taf. XLV. Fig. 89 ee Männchen) u. Fig. 90. (Männchen im erſten Jahr). 64 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. Keun zei chte Der A. | Von obenher dunkelaſchgrau mit Roſtfarbe gemiſcht, die am Halſe und Unterkoͤrper zur Hauptfarbe wird; im Jugendkleide gelblichroftfarben, dunkelgrau gefleckt, mit weißlichem Bauch. Beſchreibung. Der Purpurreiher iſt ein ſehr ausgezeichneter und zugleich ſchoͤ— ner Vogel, vom gleichgeſtalteten Fiſchreiher ſchon in weiter Ferne an der viel geringern Groͤße und dunklern Faͤrbung zu unterſchei— den, die beide in der Naͤhe noch weit auffallender werden, beſonders durch die vorherrſchende Roſtfarbe. Mit einer andern inlaͤndiſchen Art hat er gar keine zum Verwechſeln verleitende Aehnlichkeit. Un— ter den Auslaͤndern ſind ihm dagegen mehrere recht aͤhnlich, von denen ich 3 Arten, Ardea gigantea, A. Agami und A. leucopry- mnos, des Berliner Muſeums, welche faſt nach demſelben Muſter gezeichnet und gefaͤrbt ſind, wovon namentlich die erſtere beinahe ganz die Zeichnungen und Farben unſres Purpurreihers hat, aber wol noch ein Mal ſo groß iſt. Dieſer Uebereinſtimmungen wegen koͤnnte man, wenn es noͤthig ſchiene, wol eine beſondere Familie fuͤr unſern Purpurreiher mit den ihm aͤhnlichen Arten bilden. Auch dieſer Reiher taͤuſcht hinſichtlich ſeiner Groͤße das Auge, wegen der langen und großen Extremitaͤten, waͤhrend der Rumpf an und fuͤr ſich kaum die Größe des einer Haushenne hat. Er iſt demnach viel kleiner als der gemeine Fiſchreiher; auch fin— det man oͤfters zwiſchen verſchiedenen Individuen von einerlei Alter, wie zwiſchen alten und jungen Voͤgeln gewöhnlich, ziemlich bedeu- tende Verſchiedenheiten in den Maaßen, ſowol des Koͤrpers als des Schnabels und der Fuͤße. Ich erlegte ſelbſt an einerlei Orten und in derſelben Gegend erwachſene junge Purpurreiher von 2 Fuß 3 Zoll bis zu 2 Fuß 7 Zoll Laͤnge (ohne Schnabel), und von 4 Fuß 4 Zoll bis zu 4 Fuß 7 Zoll Breite; desgleichen fand ich ebendaſelbſt Alte von 2 Fuß 5 Zoll bis zu 2 Fuß 11 Zoll Laͤnge, und von 4 Fuß 11 Zoll bis zu 5 Fuß 4 Zoll Breite, und bin uͤberzeugt, daß dieſes die moͤglichen Extreme noch lange nicht ſind; denn ich ſahe auffallend groͤßere und kleinere, von denen ich die Maaße nicht nehmen und vergleichen konnte. — Der Fluͤgel, vom Bug bis zur Spitze, mißt 15 bis 15 10, Zoll; der Schwanz 4 bis XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 65 5 Zoll, und die ruhenden Flügel reichen mit den Spitzen uͤber ſein Ende hinaus. Die Geſtalt des Flügels mit ſeinen Federn, ſo 1 1 die des Schwanzes iſt ganz wie beim Fiſchreiher und bedarf keiner Wie⸗ derholung. Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig laͤnger und niedriger als der der genannten Art, und ſieht daher geſtreckter oder ſchlanker aus, hat aber im Uibrigen ebenfalls dieſelbe Geſtalt, auch das Naſenloch mit der Furche, und das Innere des Schnabels iſt ſo. Die Laͤnge des Schnabels ift 4½ bis 5 Zoll, ja manchmal bis gegen 6 Zoll; feine Höhe an der Wurzel unter 1 Zoll, die Breite gegen ¼8 Zoll. Er hat ſchon am jungen halbjaͤhrigen Purpurreiher eine goldgelbe Farbe, und eine ſchwarzbraune Firſte, bei vielen Individuen auch noch von dieſer abwärts einen braͤunlichen Anſtrich, welcher am ge— trockneten Schnabel viel ſichtbarer wird, ja faſt den ganzen Schna⸗ bel uͤberlaͤuft. Die nackten Zuͤgel und Augenlider ſind etwas bleicher gelb, aber die Iris des ziemlich kleinen lebhaften Auges iſt gold⸗ gelb.) Bei den Alten iſt dies alles praͤchtiger gefärbt, der Schna⸗ bel hoch orangegelb, an der Spitze heller, ohne alles Braun; die Zuͤgel hochgelb; die Iris brennend orangegelb. Die Fuͤße ſind groß, Lauf und Schiene von den Seiten ziem⸗ lich zuſammengedruͤckt, mit ſehr langen, ſchlanken Zehen, dieſe ver⸗ haͤltnißmaͤßig viel laͤnger als bei der vorigen Art und auch mit viel laͤngern, aber ſchwaͤchern und ſpitzigern Krallen; Spannhaͤute und Lage oder Stellung der Zehen aber wie bei jener und andern aͤch⸗ ten Reihern. Ihr ziemlich harter Uiberzug iſt auf aͤhnliche Weiſe vorn herab auf Schiene und Spann in ſehr große Schildtafeln, hinten und auf den Zehenruͤcken in etwas kleinere und in den Zwi⸗ ſchenraͤumen in noch kleinere achteckige Schilder zerkerbt, an den Gelenken netzartig und an den Zehenſohlen fein warzig. Die gro⸗ ßen, ſchlanken, ſchwach zugeſpitzten, ſehr flach gebogenen Krallen haben unten eine Rinne, die der Mittelzeh auf der Innenſeite eine vorſtehende, fein kammartig gezaͤhnelte Schneide, und die der Hin⸗ terzeh iſt die groͤßeſte. Geſtalt und Groͤße der Zehen und Krallen deuten auf eine Annaͤherung zu den Rohrdommeln hin, was auf die Lebensart Bezug hat. — Die Laͤnge des nackten Theils des Unterſchenkels (wie immer die Haͤlfte der Ferſe mit oder von ) Ein ſchwach ins Braun nhendes Hochgelb, wie reines Gold, doch ohne metalliſchen Schimmer. or Theil. ig 5 66 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. deren Einlenkung an gemeſſen) iſt 2½ bis 2 Zoll; die Länge des Laufs 4 bis 5 ¾ Zoll, die der Mittelzeh, mit der 10 bis 14 Li⸗ nien langen Kralle, 5⅛ bis 5 Zoll und daruͤber; die der Hinter⸗ zeh, mit der 12 bis 16 Linien langen Kralle, 3 bis 3 ½¼ Zoll. Solche und noch ſtaͤrkere Extreme in den Maaßen kommen zwiſchen jung und alt vor. Die Farbe der Fuͤße iſt bei erwachſenen jungen Voͤgeln ein blaſſes Gruͤngelb, oben rein, unten ſchmutzig, auf dem Spann und den Zehenruͤcken braͤunlich ſchwarzgrau, die der Krallen ſchwarzbraun; bei den Alten ſchwaͤrzlichbraun, an den Gelenken, Zehenſohlen und Spannhaͤuten ſehr lichtbraun ins Roͤthliche uͤbergehend, dies am ſtaͤrkſten über der Ferſe, wo es zunaͤchſt der Befiederung der Tibia ein roͤthliches Roſtgelb wird; die Krallen ſind braunſchwarz. Im Tode werden dieſe Farben bald dunkler, und am Ausgeſtopften ver⸗ wandelt ſich das Gruͤnlichgelbe in lichte Hornfarbe, und die Roͤth⸗ liche wird ſchmutziges Braun. Uiber das Gefieder iſt im Allgemeinen zu bemerken, daß es dem des gemeinen Fiſchreihers faſt vollig gleicht. Ober- und Hinterkopf haben in jedem Alter verlaͤngerte Federn, die nicht ſo glatt angelegt werden koͤnnen, daß ſie nicht, wenigſtens nach hinten, eine Holle bilden ſollten, die ſehr aufgeſtraͤubt werden kann. Im ausgefaͤrbten Kleide der Alten zeigen ſich an denſelben Stellen, im Genick, am Kropfe, an der Seite der Oberbruſt und auf den Schul⸗ tern genau ebenſo gebildete Schmuckfedern, wie bei jenem, und wie ſie dort beſchrieben ſind. Im Dunenkleide iſt der junge Purpurreiher mit etwas laͤn⸗ germ Flaum als der junge gemeine Reiher bekleidet, an den obern Theilen rothgrau, an den untern weißlich, der Schnabel roͤthlich⸗ weiß, die Füße roͤthlich- oder gelblichgrau, die Augenſterne weiß. Im Jugendekleide, feiner erſten Befiederung, drei bis vier Monate alt, hat er ein von dem zwei- und dreijaͤhrigen Vogel ganz verſchiedenes Ausſehen, eine duͤſtere gelbliche Roſtfarbe und dunkles Aſchgrau ſind die vorherrſchenden, welche in der Ferne geſehen in ein roͤthliches Braun zuſammenfließen. In der Naͤhe betrachtet iſt die Stirne braunſchwarz, welches auf dem Scheitel bis zum Hinterhaupt in Roſtbraun oder dunkele Roſtfarbe uͤbergeht, wobei die Federn ſich von der Stirne an verlaͤngern und am Genick bis gegen 2 Zoll Laͤnge anwachſen, doch ſind ſie auch bei manchem Individuum hier kaum 1½ Zoll lang; die Seiten des Kopfes und des Halſes find duͤſter gelblichroſtfarben, am dunkelſten oder roͤthlichſten ein verwa⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 67 ſchener Streif vom Mundwinkel nach dem Ohre zu und ſo auch der ganze Hinterhals; die Kehle weiß, gelblich angeflogen; der Vor⸗ derhals auf der Gurgel herab roſtroͤthlich- oder roſtgelblichweiß, mit in abgebrochene Streifen herablaufenden, laͤnglichten, ſchmalen, ſchwarzen oder braunſchwarzen Flecken, die an den lockern, ſchma⸗ len, aber nicht ſpitzen Kropffedern, welche roſtgelblichweiß, an den Kanten roſtfarbig ſchwach angeflogen ſind, zu langen, aber bloß ſchwarzbraunen Streifen werden, deren jede Feder der Laͤnge nach eine oder zweie haben, die ſich in gleichmaͤßiger Entfernung vom Schafte halten. Der ganze Unterkoͤrper bis an den Schwanz iſt roſtgelblichweiß, mit ſchwaͤcherm oder ſtaͤrkern roſtfarbigen Anfluge, die Außenſeite der Schenkel am ſchoͤnſten, die Oberbruſt mit ver⸗ loſchenen ſchwaͤrzlichbraunen Laͤngeflecken oder Streifen; die Weichen roͤthlichaſchgrau; die Federn, welche das Handgelenk am ruhenden Fluͤgel decken, etwas, aber nicht auffallend, buſchicht, blaß roſtfarbig, in einem Streife laͤngs dem Schafte am lichteſten und neben ihm jederſeits mit einem großen ſchwarzbraunen Laͤngefleck; die Federn des Ruͤckens und Buͤrzels ſchwaͤrzlichgrau, mit braͤunlicher oder gelb: licher Roſtfarbe ſtark, aber verwaſchen gekantet; die Oberſchwanzdeck⸗ federn, die der Schultern und der Fluͤgel im Grunde dunkelaſchgrau, aber mit ſo breiten, doch groͤßtentheils verwaſchenen Kanten von einer braͤunlichen oder gelblichen Roſtfarbe, welche die Grundfarbe nur als Flecke von unbeſtimmten Umriſſen hervorblicken laſſen. Die Schwingfedern der dritten Ordnung ſind ſchwarzgrau, an den Außen⸗ fahnen in duͤſtere Roſtfarbe und in einen roſtgelblichen Saum über: gehend; die der zweiten Ordnung ebenfalls ſchwarzgrau, auf den Außenfahnen aſchgrau uͤberflogen; die großen Schwingen, ihre Deck⸗ federn und die Daumenfedern grauſchwarz, etwas ins Braune zie— hend; der Fluͤgelrand weiß, hin und wieder gelbroͤthlich angeflogen; der Unterfluͤgel dunkelaſchgrau, an den Deckfedern mit breiten licht: roſtfarbigen Kanten; der Schwanz dunkelaſchgrau, auf der untern Seite bloß etwas lichter. Im friſchen Zuſtande hat das dunkle Aſchgrau, wo es an den obern Theilen und den Fluͤgeln ſichtbar wird, und auf dem Schwanze einen ſchwachen gruͤnlichen Seidenſchimmer. Ich habe ſehr viele in dieſem Kleide und meiſtens friſch in den Haͤnden gehabt, und darf behaupten, daß ſie verſchiedenen Indivi⸗ duen im Allgemeinen nur in der Hoͤhe und Tiefe der Roſtfarbe, ſonſt nicht auffallend von einander abweichen. Bei manchen fällt dieſe Farbe ſo ſtark ins Gelbe, daß ſie der der großen Rohr— > * 68 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. dommel aͤhnlich ſieht. Gewoͤhnlich find die kleinſten Exemplare am meiften gelb und licht gefärbt, die größeften immer am roͤtheſten und dunkelſten; diefe find männlichen, jene weiblichen Geſchlechts, wovon ich mich durch das Oeffnen derſelben überzeugte. Maͤn n⸗ chen und Weibchen ſind alſo bei einiger Uibung auch aͤußerlich ziemlich leicht zu unterſcheiden, wenigſtens leichter als beim gemei⸗ nen Reiher. Ein durch ſeine anſehnliche Groͤße und dunkele Roſtfarbe vor andern ſeiner Art ausgezeichnetes junges Maͤnnchen erlegte i in Syrmien (am 5. Sept. 1835), an welchem ſich, als ich es genauer beſahe, der beſondere Umſtand zeigte, daß in ſeiner an ſich ſchon recht anſehnlichen Holle ſich am Genick zwei neben einander ſtehende Federn fanden, welche viel laͤnger als die übrigen, nämlich 27 Zoll lang waren, waͤhrend die benachbarten einen vollen Zoll weniger maßen; ſie hatten ſehr feine, loſe Baͤrte, welche, da dieſe gegen den Schaft gedruͤckt waren, ihnen ein ſehr ſchmales Ausſehen verſchafften und ſogleich an die in ſpaͤtern Jahren an derſelben Stelle hervorkeimenden, ſchmalen, baͤnderartig flatternden Schmud: federn des ausgefaͤrbten Kleides erinnerten. Da dieſer Umſtand noch nirgends erwaͤhnt und von mir auch nicht wieder ſo beobachtet wor⸗ den iſt, ſo mag er ſelten vorkommen. Im zweiten Jahr iſt der Purpurreiher noch nicht ausgefaͤrbt, ſieht aber deſſen ungeachtet ſchon ganz anders aus als im erſten. Nach der erſten Mauſer alſo hat der Scheitel ſchon etwas laͤngere Federn, und am Genick zwei baͤnderartige, ſehr ſchmale, ſchlaff her— abhangende Schmuckfedern von nicht bedeutender Laͤnge, die auch oͤfters gar nicht vorhanden ſind; ſie und der ganze Oberkopf ſind grau— ſchwarz, eben ſo ein Streif auf dem Hinterhalſe bis in die Mitte deſſen Laͤnge hinab; die Kehle iſt weiß, abwaͤrts roſtgelblich; Kopf— und Halsſeiten dunkelroſtgelb, gegen den Hinterhals roſtfarbig; ein ſchwarzer Fleckenſtreif faͤngt vom Mundwinkel an, geht uͤber die Wangen, wo er oft doppelt ſcheint, und an der Seite des Halſes herab; er beſteht aus groͤßern Flecken, iſt aber ſchwaͤcher gezeichnet als die auf der gelblichweißen Gurgel herablaufende, doppelte oder dreifache Reihe kleiner, ſchiefer, laͤnglichter, ſchwarzer Flecke, die zu groͤßern Strichen werden, an den roſtgelblichen, ziemlich ſchmalen und ſpitzen Kropffedern; die Seiten der Oberbruſt roſtfarbig, ſchwarz gefleckt, fo die Mitte derſelben, aber viel bleicher; der übrige Unter koͤrper matt roſtfarbig, weißgemiſcht; die Weichen grau. Der untere Hinterhals iſt grau; der Ruͤcken duͤſter aſchgrau, an den Federkan⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 69 ten mit gelblichroſtfarbigem Anſtrich; eben ſo die Schulterfedern, deren Enden ſich ſchon ſtrahlenfoͤrmig theilen und dieſe ſchmalen, baͤnderartigen Streifen hellroſtfarbig; der Oberfluͤgel aſchgrau, mit roſtfarbigen Federkanten; der Fluͤgelrand weiß; das Uibrige des Fluͤ⸗ gels und der Schwanz wie im Jugendkleide. Der Schnabel iſt dann ſchon reiner gelb, mit wenig Braun auf dem Ruͤcken, und die Fuͤße haben einen weniger gruͤnlichen Anſtrich, als in jenem. Am etwas groͤßern Maͤnnchen ſind die Farben bloß etwas ſchoͤner und die Schmuckfedern ausgebildeter, als am gleichalten Weibchen. Erſt nach der zweiten Mauſer, alſo im dritten Lebens: jahre, iſt das Kleid dieſes Reihers ausgefaͤrbt und ausgebildet zu nennen, und es nimmt in den folgenden Jahren nur noch an Schön: heit zu. Ein ſehr alter Purpurreiher, mit vollſtaͤndiger, friſcher Befiederung, iſt dann ein praͤchtiger Vogel und ſtreitet mit dem aus⸗ gefaͤrbten gemeinen Reiher, wenn er ihn nicht gar uͤbertrifft, um den Rang. Die Hinterhauptsfedern find weit über 2 Zoll verlaͤn⸗ gert, buſchicht, und im Genick haben ein Paar (drei ſolcher Federn habe ich bei keinem gefunden) ſchlaffe, wie ſehr ſchmale Bandftrei- fen herabhangende, flatternde Federn ihren Sitz, welche faſt bis zur Spitze gleichbreit (nur gute 1½ Linien) und 5 ¼ Zoll bis 6 Zoll lang, alſo verhaͤltnißmaͤßig laͤnger und ſchmaͤler als bei der vorigen Art ſind. Dieſe, nebſt dem Scheitel, von der blaugrau angefloge⸗ nen Stirne bis zum Genick, ſind tief ſchwarz, mit gruͤnlichem Sei⸗ denglanze; die Schlaͤfegegend weißlich, nach hinten in gelbliche Roſt⸗ farbe uͤbergehend; die Kehle rein weiß, abwaͤrts in Roſtgelb und in die Hauptfarbe des Halfes, eine ſehr lebhafte Roſtfarbe, uͤbergehend, die hinterwaͤrts aber, auf dem letzten Drittheil der Halslaͤnge, einem angenehmen Aſchgrau Platz macht, vorn aber nach und nach an den Kropffedern verſchwindet; vom Genick laͤuft ein ſchmaler ſchwarzer Streif am Hinterhalſe herab, welcher auf der Mitte der Halslaͤnge endet; ein andrer faͤngt am Mundwinkel ſchmal an, geht an der Ohrgegend, welche meiſtens noch einige ſchwarze Flecke hat, vorüber und laͤuft, in der Breite wachſend, der Laͤnge nach an der Seite des Halſes herab, und verliert ſich an den Seiten des Kropfs in feinen Laͤngeſtrichen; ein ſchmaler Streif laͤngs der Gurgel herab iſt weiß, roſtgelb oder roſtfarbig angeflogen, mit feinen ſchwarzen Laͤn⸗ gefleckchen, welche ihre unteren ſpitzen Enden gegen einander neigen und zwei bis drei Laͤngereihen bilden, in den Kropffedern aber eben⸗ falls als lange Striche ſich verlieren; dieſe langen, ſchmalen, in ganz ſchmale Spitzen auslaufenden Federn, meiſt von 7 Zoll Laͤnge, gehen 70 XI. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. aus dem reinen Hellaſchblau der Wurzelhaͤlfte, von der Mitte an, in ein ſilberweißes, bei ſehr alten Voͤgeln in ein reines weißes Ende uͤber, und viele haben an ihrer Wurzelhaͤlfte auf der einen Seite einen ſchwarzen, auf der andern einen roſtfarbigen Laͤngeſtreif; ſie bil⸗ den einen praͤchtigen, loſen, die Bruſthoͤhle deckenden Buſch, welcher bei zuſammengelegtem Halſe ſtruppig herabhaͤngt und im Freien vom Winde bewegt wird. An der Seite der Oberbruſt, und ſich uͤber den Fluͤgelbug legend, ſteht eine Partie ſehr weicher, ziemlich großer, runder oder gewoͤlbter, zerſchliſſener Federn, von einem ſehr dunkeln Braunroth, ſanft in Purpurfarbe ſpielend, und dieſe ſchoͤne Farbe, der mancher Kirſchen gleichend, verbreitet ſich auch uͤber die ganze Bruſt, welche auf der Mitte entlang noch einige große ſchwarze Flecke zeigt, die oͤfters in einen einzigen zuſammenfließen; die Schen⸗ kelfedern rein hellroſtfarbig; Bauch- und Unterſchwanzdeckfedern aſch⸗ grau, an den Enden der Federn roſtfarbig; die Weichen aſchgrau, roſtfarbig gemiſcht. An den obern Koͤrpertheilen, an den Fluͤgeln und Schwanz nimmt ein etwas duͤſteres Aſchgrau Platz, das etwas ins Olivenbraͤunliche ſpielt oder vielmehr einen ſchwachen olivengruͤn⸗ lichen Seidenglanz traͤgt, wobei die Fahnen einiger Oberruͤcken- und der meiſten Schulterfedern ſtrahlenfoͤrmig in ſchmale, ſpitze Bänder: ſtreifen zerſpalten ſind, welche hellroſtfarbig ausſehen, bei ſehr alten Voͤgeln aber ſpitzewaͤrts in Silbergrau uͤbergehen und nur wenig von jener Farbe an ſich haben; ſie vollenden den Schmuck des alten Vogels. Die Schwingfedern, ihre Deckfedern und die Daumenfedern ſind ſchwarzgrau, auf den Außenfahnen mehr aſch— grau; der Fluͤgelrand hellroſtfarbig; die untern Fluͤgeldeckfedern aſch— grau, roſtfarbig gemiſcht; die Schwingen auf der untern Seite ſchie⸗ ferfarbig; der Schwanz oben dunkelaſchgrau, unten etwas heller. In dem Hell oder Dunkel der Färbung, dem mattern oder leb—⸗ haftern Ausſehen des Gefieders, der wenigern oder haͤufigern Anwe— ſenheit der Roſtfarbe zwiſchen oder an den Schulterfedern, oder an denen des Kropfs, welche auch zuweilen ſtark roſtgelb angeflogen erſcheinen, giebt es mancherlei Abweichungen, ohne daß dadurch ein ſehr wichtiger Unterſchied entſtaͤnde. Immer find auch in dieſem Kleide die Männchen viel fcho: ner gefaͤrbt als die Weibchen, meiſtens auch bedeutend groͤßer. Letztere haben ſtets einen etwas kuͤrzern und matter gefärbten Feder⸗ buſch und weit kleinere Genickfedern, welche ihnen auch oft ganz fehlen; die ſchwarzen Zeichnungen des Halſes ſind mehr Flecke als Streifen, alles Roſtfarbige ſtark ins Roſtgelbe ziehend, am Fluͤgel⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 71 rande ſogar faſt weiß; das Braunroth an der Bruſt und unter dem Fluͤgelbuge nicht ins Kirſchrothe, ſondern ins Roſtfarbige uͤbergehend; die Kropffedern weniger lang und unreiner gefaͤrbt; die Schulter⸗ federn in weniger Strahlen geſpalten, aber mehr roſtfarbig, oft ohne alle Silberfarbe und an deren Statt roſtgelb; zuletzt noch alles Aſch⸗ grau ſtaͤrker mit Olivenbraun uͤberflogen. Dieſes Alles macht das Weibchen vor dem gleich alten Maͤnnchen leicht kenntlich, faſt mehr noch als am Jugendkleide beider der Fall iſt. Die Mauferzeit iſt die naͤmliche wie beim gemeinen Fiſch⸗ reiher. An jungen Voͤgeln, gegen Ende des September erlegt, fanden ſich noch keine Spuren derſelben, waͤhrend die Alten ſie dann ſchon angetreten haben. Dieſe kehren daher im Fruͤhjahr voͤl⸗ lig ausgemauſert an ihre Sommerwohnſitze zuruͤck, wenn bei vielen vorjaͤhrigen Jungen noch viele alte Federn zwiſchen dem neuen Ge⸗ fieder vorhanden find. Aufenthalt. Der Purpurreiher iſt ein ſuͤdlicher Vogel, häufig im Süden und Suͤdoſten von Europa, mehr noch in Aſien, am ſchwarzen und caspiſchen Meer, durch einen großen Theil des ſuͤdlichen Sibi⸗ riens, in Natolien, Syrien, Perſien und ſelbſt auf den Philippinenz ſo auch im noͤrdlichen Afrika, in Nubien und am Vorgebirge der guten Hoffnung. Vom ſchwarzen Meer an iſt er in der ganzen europaͤiſchen Tuͤrke i, in Griechenland, dem Archipel, Italien, Ungarn, Serbien, der Moldau u. ſ. w. ſehr gemein, und koͤmmt von dort oft bis in die ſuͤdlichen Theile von Frankreich, der Schweiz und Deutſchland, und nach Schleſien. Er iſt in Holland haͤufig, was wol das noͤrd⸗ lichſte Land ſein moͤchte, von dem dies geſagt werden kann. Von Illyrien und Ungarn koͤmmt er oft nach Oeſterreich heruͤber, an der Donau und im ſuͤdweſtlichen Deutſchland wie in den Rheingegenden faſt alle Jahr vor, iſt dagegen fuͤr die noͤrdliche Haͤlfte unſers Vaterlandes ein ſeltener Vogel, wovon ſich jedoch ſchon einzelne bis in die Laͤnder an den Kuͤſten der Oſt⸗ und Nord⸗ ſee verflogen haben. Daß er in Schleſien weniger ſelten iſt, macht deſſen oͤſtliche Lage und der Lauf der Oder. Er iſt aber ſchon in Mitteldeutſchland eine große Seltenheit, wurde zwar 72 XII. Orbn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. ſchon einige Mal in Sachſen und Thuͤringen, aber, ſo viel mir bewußt, in Anhalt noch nicht geſchoſſen. Fuͤr die noͤrdlichſten jener Laͤnder iſt er durchaus Zu 39 U gel er verlaͤßt ſie im September und kehrt im April wieder, ohne daß einer im Winter dabliebe, ſelbſt aus dem mittlern Ungarn ziehen alle im Winter nach Suͤden, und auch in Slavonien bleiben kaum Einzelne. In dieſen Laͤndern, wo er uͤberall, am meiſten jedoch nach den ſuͤdlichen Grenzen hin, ein ſehr gemeiner Vogel, und in den Sommermonaten an jedem Waſſer anzutreffen iſt, waren im September 1835, als ich dort war, alle alte Vögel bereits wegge⸗ zogen, nur junge noch in Menge da, dieſe nahm aber nach und nach ſo ab, daß ſich zu Anfang des October nur hin und wieder noch ein einzelner Purpurreiher zeigte. Fuͤr den groͤßten, naͤmlich den mittlern und noͤrdlichen Theil von Deutſchland ſind die einzeln vorkommenden nur als Verirrte zu betrachten. — Sie ziehen am Tage, vermuthlich aber auch des Nachts, und ich ſahe ſie dabei zu 2 bis 4 Individuen ſehr hoch durch die Luft nach Suͤ— den ſtreichen und wie die gemeinen Reiher eine ſchraͤge Linie bil⸗ den, eine Art zu fliegen, die bei dieſen Voͤgeln, wenn auch nur zwei beiſammen, immer ſichtbar bleibt. \ So ſehr man geneigt fein möchte, aus der aͤußern Aehnlichkeit des Purpurreihers und Fiſchreihers, wenn man naͤmlich beide bloß in Sammlungen ausgeſtopft neben einander ſtehen ſahe, zu ſchließen, ſie muͤßten genau einerlei Aufenthalt und Betragen haben; um fo mehr muß es, wenn man beide im freien Leben beobach- tet, uͤberraſchen, beim Purpurreiher Vieles, ja das Meiſte ganz anders als bei jenem, und an ihm einen Vogel zu finden, welcher an Geſtalt und Faͤrbung ein aͤchter Reiher, ſeiner ganz andern Lebensweiſe nach aber beinahe ein Rohrdommel iſt. Haͤtte man demnach analogiſch folgern wollen, ohne das Leben in der freien Natur zu Huͤlfe zu nehmen, ſo wuͤrde man ſich gewaltig weit von der Wahrheit entfernt haben. Der Purpurreiher achtet das Flußwaſſer ſo wenig, daß ich auch nicht einen an einem freien Flußufer geſehen habe; dieſe uͤberlaͤßt er allein dem Fiſchreiher. Nur ſolche Fluͤſſe, deren Waſſer lang⸗ ſam ſchleicht, deren Ufer in Sumpf verlaufen und mit Sumpfpflan⸗ zen bedeckt ſind, wie die Theiß, welche dazu ungemein fiſchreich iſt, auch kleinere, ſelbſt die kleinſten mit dieſen Eigenſchaften, deren es in Ungarn viele giebt, beſucht er und weilt an ihnen; aber nicht ſolche Ufer, wie die majeſtaͤtiſche Donau meiſtens hat. Anſtatt XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 73 der Fiſchreiher die freieſten Uferſtellen ſucht, wo man ihn in gro⸗ ßer Entfernung ſchon ſtehen, und er alles ihm Verdaͤchtige auf viele Hundert Schritte weit ankommen ſieht, und ſchon deshalb am lieb⸗ ſten und laͤngſten an Fluͤſſen verweilt; ſucht der Purpurreiher ſolche, welche mit Schilfgraͤſern beſetzt ſind, in denen er ungeſehen her⸗ umwaden kann; da ſolche aber an ſchnellfließenden Stroͤmen ſelten vorkommen, dagegen an ſtehenden Gewaͤſſern gewöhnlich find, fo ſind dieſe ſein wahrer Aufenthalt. Ich habe ihn in Ungarn an | feinem einzigen fiehenden Gewaͤſſer, in keinem einzigen Sumpfe nur von einiger Bedeutung, vermißt, einzeln zwar auch auf Donauinſeln angetroffen, aber bloß auf ſolchen, die mit niederm Weidengeſtraͤuch und hohen Graͤſern bedeckt waren. Man ſieht ihn nie von Weitem ſchon am Waſſer ſtehen, weil er ſich, wo moͤglich, immer hinter ho⸗ hem Schilf und Rohr verſteckt haͤlt oder ſelten ein Mal zwiſchen ihm nur bis an die Schultern reichenden und ſo duͤnn ſtehenden Sumpfgraͤſern herumwadet, daß man ihn ſchon in einiger Entfer⸗ nung, ſo lange er beweglich bleibt, gewahr werden kann. Er poltert oft unvermuthet aus Dickichten heraus, wo man einen ſol⸗ chen Vogel nicht vermuthet haͤtte. Seine Lieblingsorte ſind nicht ſowol die eigentlichen Rohr⸗ dickichte ſelbſt, ſondern freie Plaͤtzchen in dieſen und zwiſchen dem hohen Rohr und Schilf, oder ſolche Stellen, wo dieſe Pflanzen nicht ganz dicht ſtehen, wo das Waſſer nicht zu tief iſt, dieſes aber auch nicht ganz fehlt, oder der Boden doch feucht oder moraſtig iſt. Auch zwiſchen Weidengeſtraͤuch ſind es immer die freiern Plaͤtze, wo man ihn antrifft; allein auf Felder oder Viehtrifften geht er nicht, dort iſt es ihm zu frei. Auch wenn er auf einem Baume ſitzt, wird man ihn nie aus der Ferne gewahr, weil er auch hier die Wipfel und freien Aeſte vermeidet, uͤberhaupt nicht oft aufbaͤumt, zudem meiſtens in Gegenden lebt, wo Baͤume nicht haͤufig ſind oder weit und breit ganz fehlen. Er ſucht nicht, wie der Fiſchreiher, vorzugsweiſe die Stellen auf, wo das Waſſer am klarſten iſt, ſondern fiſcht in jedem Sumpfe, faſt immer auf ſchlammigem Boden, in den er, wie zum Theil auf ſchwimmenden Waſſerpflanzen, wegen feiner viel laͤngern Zehen, weit weniger einſinkt, und verſchmaͤhet ſelbſt die kleinſten Tuͤmpel und Pfuͤtzen nicht, wenn ſie nur im hohen Geſtruͤpp verſteckt liegen. Betrachtet man demnach das uͤber den Aufenthalt Geſagte, ſo ergiebt ſich, daß dieſer zwar ein ganz anderer, als der des Fiſchreihers iſt, jedoch auch von dem der großen Rohrdommel darin ab: 74 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. weicht, daß der Purpurreiher ſich wol auch verſteckt haͤlt, aber nie in den allerdichteſten Rohrdickichten verbirgt, und ſein Verſteck auch nie ſo feſt haͤlt als jene. Er aͤhnelt hierin mehr dem Schopfrei— her; allein dieſer lebt haͤufig am hellen Tage an ganz freien Orten, wo nie ein Purpurreiher verweilt. Er lebt alſo noch verſteckter als dieſer, auch verſteckter als der kleine und große Silberreiher, die ſich freilich gar nicht verſtecken, doch aber in Suͤmpfen leben, wo ſie an ganz freien Stellen am hellen Tage oͤffentlich ihrer M ung nachgehen. An den ſtillen Plätzchen zwiſchen hohen Sumpfpflanzen ſcheint er auch am Tage zuweilen zu ſchlafen, in einer Stellung, die man an Gezaͤhmten beobachtete, und die weiter unten beſchrieben iſt. Sonſt hoͤrt ſeine ſtille Lebensthaͤtigkeit nur mit dem Einbruch der Nacht auf. Eigenſchaften. Der kleinere, ſchlanker gebaute, aber nicht zierlicher geſtal⸗ tete, mit noch abwechſelndern Farben, ſonſt aber mit ganz aͤhn⸗ lichen Schmuckfedern an denſelben Koͤrpertheilen gezierte alte Purpurreiher iſt ein noch viel ſchoͤnerer, obwol im Ganzen viel dunkler gefaͤrbter Vogel, als der alte Fiſchreiher. Durch Letzteres unterſcheidet er ſich vorzuͤglich in der Ferne von die⸗ ſem, wo Alles duͤſterer, mehr braun als grau, in die Augen faͤllt und, nebſt der geringern Groͤße und ſchlankern Figur, fuͤr den Vogelkenner hinreichend iſt, ihn nicht mit jenem zu verwechſeln, woran in der Naͤhe gar nicht zu denken iſt, auch dort, beſonders bei jungen Vögeln, das ganze Colorit eine in Rothbraun gehende Mi- ſchung zu fein ſcheint. In feinen Stellungen ähnelt der ſtets fchlan- ker ausſehende Purpurreiher zwar auch jenem ſehr, zumal in der ruhigen, wo der Rumpf zwar nicht ſo ganz ſenkrecht geſtellt, auch hinten mehr herabgekruͤmmt, der Hals aber ebenfalls wie ein Taſchenmeſſer zuſammengelegt iſt, daß der Schnabelkiel auf der Gurgel ruht; auch in der, worin er ſich zeigt, wenn er nach Nahrung ſucht und her— umſchleicht, wo auch die Sform des geſenkten Halſes weniger zufam- mengedruͤckt und die Schnabelſpitze gegen die Waſſerflaͤche geneigt iſt u. ſ. w.; allein die, worin der Rumpf beinahe ſenkrecht ſteht, der Hals ganz zuſammengelegt iſt, und in welcher er auf der Sohle des Laufs und auf dem Hintern ſitzt, wie ein Hund, die er gewoͤhn⸗ 7 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 75 lich annimmt, wenn er ruht und ſchlaͤft, und darin ſehr klein aus⸗ ſieht, wird bei jenem bei weitem ſeltner geſehen; endlich ſieht man diejenige niemals beim Fiſchreiher, welche er annimmt, wenn er uͤberraſcht aber unſchluͤſſig zum Entfliehen iſt, und worin er einer Rohrdommel gleicht, aber freilich viel laͤnger und duͤnner aus⸗ ſieht. Er ſitzt in ſolcher Stellung ebenfalls auf dem Hintern, zieht das Gefieder ganz knapp an den Koͤrper, und dieſer bildet mit dem in ganzer Laͤnge ausgeſtreckten Halſe, mit dem Kopfe und Schnabel eine einzige gerade Linie, die nicht ganz ſenkrecht, ſondern mit eini⸗ ger Neigung nach vorn vom Boden aufſteigt. Ganz ſteif und ohne ſich zu rühren fo hingeſtellt ähnelt der Purpurreiher in einiger Ent⸗ fernung vollkommen einem alten, ſpitzigen, etwas ſchief ſtehenden Pfahl. Die Figur 2. auf unſrer Kupfertafel giebt einen anſchau⸗ lichen Begriff von dieſer ſonderbaren Poſitur. Sein Gang ſieht etwas leichter und gefaͤlliger aus, doch ſchrei⸗ tet er auch meiſtens bloß in langſamen Schritten einher und kann ebenfalls nicht ſchnell laufen und eben ſo wenig ſchwimmen. In der Art zu fliegen aͤhnelt er ebenfalls dem Fiſchreiher, ſcheint ſich jedoch etwas leichter zu bewegen, ſchwingt zwar die eben ſo gekruͤmm⸗ ten Fluͤgel (das Ellbogengelenk hoͤher als Urſprung und Spitze) auf aͤhnliche Weiſe, in kurzen, langſamen, matt ausſehenden Schlaͤgen, und kann eben ſo, wie jener, nur eine ganz kurze Strecke, gewoͤhn⸗ lich vor dem Niederſetzen, ſchweben. In ſeinem Fluge, worin der Hals ſtets zickzackartig zuſammen gebogen wird, daß das Genick auf dem Anfange des Ruͤckens und der Schnabel auf der Gurgel ruht, und die Fuͤße gerade hinten hinaus geſtreckt werden, iſt daher, wenn man ſeine kleinere oder ſchlankere Figur und duͤſterere Farbe nicht beachten will, nichts auffallend Abweichendes, was ihn fliegend von jenem unterſchiede. Er lebt faſt immer in ſtiller Abgeſchiedenheit, und verlaͤßt ungern den ein Mal gewaͤhlten ruhigen Ort, am wenigſten bei ſtuͤr⸗ miſcher Witterung, weil ſtarker Wind den leichten Koͤrper mit den großen breiten Fluͤgeln und langen Extremitaͤten hin und her wirft und ſeine Kraͤfte erſchoͤpft. Seine Gemuͤthsart ſcheint freundlicher, nicht ſo haͤmiſch und weniger falſch. Von allen Eigenſchaften, welche den Fiſchreiher zu einem ſo außerordentlich ſcheuen Vogel machen, bemerkt man am Purpurrei⸗ her keine. Da ſein Aufenthalt am Tage, wenn er ihn nicht eben fliegend wechſelte, ſtets ein Verſteck iſt, ſo kann er ſo wenig einen von Ferne herkommenden Menſchen ſehen, als dieſer ihn gewahr 76 XI. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. werden kann. Nur von einem Baume herab moͤchte es fuͤr ihn anders ſein, aber nicht fuͤr den Menſchen, weil er ſich nie ſo auf freie Aeſte hinſtellt, wie der Fiſchreiher, ſondern auch hier zwi⸗ ſchen belaubten Zweigen ſteckt, wenn ſich ein Menſch naͤhert, jene duͤnne pfahlaͤhnliche Stellung annimmt und erſt abfliegt, wenn die⸗ ſer ihm ziemlich nahe gekommen iſt. In den Suͤmpfen macht er es immer ſo. Es koͤmmt im Sommer, wenn alle Pflanzen hoch auf— geſchoſſen ſind, ſelten vor, daß man einen Purpurreiher ſchon auf ein paar Hundert Schritte gehen oder ſtehen ſieht. Ich ſahe einſtens zwei ſolche Reiher ſich an einer Stelle eines kleinen Grabens mit fließendem Waſſer niederlaſſen, an welchem wie in dem Moraſte, durch den er ſich zog, nur 1 bis 1½ Fuß hohe Riedgraͤſer und Binſen ſehr duͤnn ſtanden, weil dieſer ſeichte Sumpf ganz vom Vieh zertreten war, weshalb ich die Reiher dort auf 200 bis 300 Schritt deutlich ſehen und ihr Schleichen oder Suchen nach Nahrungsmit⸗ teln beobachten konnte. Erſt als ich mich ihnen bis auf etwa 150 Schritt genaͤhert hatte, ſtanden ſie ſtill und begaben ſich in jene Poſitur, die ſie behielten und leblos ſchienen, ſo lange ich ihnen noch nicht zu nahe kam, und dann erſt, etwa auf 80 bis 100 Schritte, wegflogen. Dies mag im Frühjahr öfter vorkommen, weil dann das junge Schilf, Gras und Rohr noch niedrig iſt, im Herbſt gewiß ſelten, denn ich ſahe es nicht wieder, obgleich ich unzaͤhlige angetroffen und zu belauſchen geſucht habe. Ein Mal ſahe ich eben: falls zwei Purpurreiher ſich in einem hohen Rohrwalde, nicht ſehr weit vom Rande, niederlaſſen, die ich zu belauſchen beſchloß, was auch ſo gut gluͤckte, daß, als ich um eine Rohrecke bog, ſich mir eine Durchſicht nach dem freien Platze öffnete, wo die Reiher ſtan— den. Ich war ihnen nahe genug gekommen, um zu ſehen, wie jeder auf einem kleinen Schlamminſelchen in jener ſteifen pfahlaͤhnlichen Stellung auf den Ferſen ſaß, worin ſie vermuthlich ſchon ſo lange beharrten, als ſie das Herannahen meiner Fußtritte hatten verneh— men koͤnnen, in demſelben Augenblicke, als ich ſie ſahe und ſie mich erblickten, in einer Entfernung von etwa 30 Schritten, aber ſogleich auf und davon flogen. Unzählige andere find vor mir herausgepol— tert, was immer mit ſichtbarem Schreck und Angſt geſchieht, ohne daß ich ſie vorher ſahe oder ihre Anweſenheit nur vermuthen konnte, am oͤfterſten ohngefaͤhr in jener Weite, oft auch noch viel naͤher, auf kaum 10 Schritte. Ich glaube, daß ſolche, fo nahe aushalten: den, ſich im Schlafe hatten überrafchen laſſen; denn hin und wieder fliegt auch ein Purpurreiher ſchon auf 70 bis 100 Schritte aus XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 77 dem gruͤnen Sumpfe auf, und dies thun nicht allein alte, ſondern auch junge Voͤgel. Fliegend weicht der Purpurreiher wol dem Menſchen, welcher ihn beachtet und ſich nach ihm umſchauet, uͤber Schußweite aus, aber nicht ſolchen Perſonen, die ihn keines Anblicks wuͤrdigen, wie Wanderer, Hirten, oder Weiber, gegen welche er meiſtens nicht die geringſte Furcht zeigt. Seine Vorſicht auch gegen den Schuͤtzen iſt oft ſo gering und ſeine Unachtſamkeit ſo groß, daß ein aus der Ferne herkommender, herzufliegender Purpurreiher, von dem man gewiß laͤngſt bemerkt ſein mußte, dennoch auf ein Verſteck, einen Erdwall, hohen Rohrbuſch, Baum u. dergl., losfliegt, in das man ſich ſo eben erſt begab, was ihm ebenfalls, bei einiger Aufmerkſam⸗ keit, nicht entgangen ſein konnte. Dies Alles bildet, mit dem des Fiſchreihers verglichen, einen gewaltigen Contraſt, und characteri⸗ ſirt unſern Purpurreiher keineswegs als einen liſtig ſcheuen, ſondern viel eher als einen aͤngſtlich einfaͤltigen Vogel, welcher leicht mit Schießgewehr zu erlegen iſt. Wo er mehrfach verfolgt wurde, wird er wol furchtſamer, aber wirklich ſcheu niemals. — Seine Einfalt und Aengſtlichkeit kam mir oft laͤcherlich vor, wenn ein ſolcher dicht vor mir herauspolterte, dabei, mir den Ruͤcken zugewandt, in angſt⸗ voller Eil die Fluͤgel haſtig ſchwang und den Schnabel nach einer Seite drehete, um meine Bewegungen wenigſtens mit einem Auge beſſer beobachten zu koͤnnen, bis er ſich außer Schußbereich glaubte, wo er einen ruhigern Fluͤgelſchwung annahm, den Schnabel, mit der Spitze vorwaͤrts, wieder auf die Gurgel legte und ſo fortſteuerte; Schreck und Angſt ſprachen ſich, ſo zu ſagen, in allen 10 60 und Gebehrden eines ſolchen aus. Daß der Purpurreiher ein ſehr ruhiger, faſt phlegmatiſcher Vo⸗ gel iſt, oft an dem naͤmlichen Orte ſehr lange verweilt und deshalb am Tage wenig umher fliegt, wurde oben ſchon berührt. In ſei⸗ nem Stillleben kuͤmmert er ſich faſt gar nicht um andere neben ihm lebende Voͤgel; er achtet ſo wenig auf ſie, daß ihn oͤfters ihre Flucht kaum aufmerkſam oder aͤngſtlich macht. Gegen ſeines Gleichen iſt er etwas geſelliger, ſo daß man oft zwei ſolcher Reiher mitſammen fliegen und ihrer Nahrung nachgehen, drei aber ſchon viel ſeltener, und nur auf der Wanderung zuweilen einige mehr beiſammen ſieht. In den heißen Mittagsſtunden verlaͤßt er ſein einſames Plaͤtzchen nur, wenn ihn Gewalt vertreibt, aber gegen Abend und am fruͤhen Morgen ſchwaͤrmt er viel und weiter umher, und iſt bis zum Ein⸗ bruch der Nacht in Thaͤtigkeit. 78 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. Seine Stimme ſcheint eine matte Nachahmung der Fiſchreiher⸗ ſtimme; denn ſie klingt, bei einiger Aehnlichkeit mit dieſer, um Vie⸗ les ſchwaͤcher und gedaͤmpfter, wie Chraͤht oder Rraͤhb, in einiger Entfernung der des Maͤnnchens der gemeinen wilden Ente (Anas boschas) bis zum Taͤuſchen aͤhnlich, ſo daß ich oft glaubte dieſe zu hoͤren, wenn ſie von einem, mir bis daher unbemerkt geblie⸗ benen, vorbeifliegenden Purpurreiher kam. Er ſchreiet ſelten und gewöhnlich nur im Fluge, am meiſten bei feinem abendlichen Herum: ſchwaͤrmen. Oft preßt fie ihm Schreck und Angſt bei plößlicher Uiberraſchung im Herausfliegen aus, fie iſt dann aber kuͤrzer abge brochen, faſt nur ein kurzes Schnarchen, wie Rhaͤ klingend. Ihres ſchwachen Toͤnens wegen klingt dieſe Stimme wie ganz entfernter Fiſchreiherruf. Bei Fluͤgellahmgeſchoſſenen wird ſie beim Ergreifen derſelben nicht ſelten zu einem widerlichen Geplärr. Der Purpurreiher wird jung aufgezogen recht zahm, betraͤgt ſich dann wie der gemeine Reiher, iſt jedoch in feinen Bewegun— gen etwas zierlicher und in ſeinem Weſen gemuͤthlicher. Reizt man ihn, ſo ſetzt er ſich zur Wehre, richtet die Scheitelfedern wie Bor— ſten in die Hoͤhe und drohet mit dem Schnabel, deren unerwartete, ſchnelle, heftige, meiſtens nach den Augen gerichtete Stiche eben ſo gefährlich werden koͤnnen, als bei jenem. In Ungarn hält man ihn oft auf Huͤhnerhoͤfen unter anderm Geflügel. Seine melanchoe liſche Stimmung und wenige Beweglichkeit machen ihn jedoch zu einem Vogel, deſſen man leicht uͤberdruͤſſig wird. Nahrung. Auch fuͤr dieſen Reiher ſind Fiſche die Hauptnahrung, und zwar kleine Fiſche, bis etwa zu 6 Zoll Laͤnge oder zu einer Groͤße, die das Hinabſchlingen noch geſtattet, weil auch ihm das Zerſtuͤckeln größerer nicht gelingt. Abgeſtandene Fiſche frißt er, fo lange lebende vorhanden ſind, nicht, faulende niemals. Außer Fiſchen frißt er aber auch kleine Froͤſche ſehr haͤufig, auch groͤßere Waſſerinſekten, ihre Larven und Würmer, Froſchlarven und Maͤuſe. Alle dieſe Nahrungsmittel ſucht er theils im Waſſer der Suͤm⸗ pfe und Moräfte, theils im Geſtraͤuche und zwiſchen hohen Sumpf— pflanzen, wo jenes vertrocknet iſt, an früher uͤberſchwemmt geweſenen Orten, am hellen Tage, aber nie auf ganz freien Plaͤtzen auf. Seine Fiſchplaͤtze ſind immer zum Theil oder ganz von hohem Schilf und XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 79 Rohr umgeben, ſelten ſolche, wo dieſe das weniger dicht ſtehen und das Durchſchauen geſtatten. Wegen ſeiner langen Zehen und leichten Koͤrpers ſinkt er auch im duͤnnfluͤſſigen Schlamme wenig ein, wadet vorzuͤglich gern in ſolchen, uͤber welchen noch einige Zoll hoch Waſ— ſer ſtehet, nicht ſo gern im tiefern Waſſer, das ihm bis an oder uͤber die Ferſen reicht, herum, und beſchleicht und faͤngt hier Fiſche und dergl. ganz auf dieſelbe Weiſe wie der Fiſchreiher, ſcheint aber vorzugsweiſe die kleinſten Fiſchchen am meiſten zu lieben, deren man von 1 bis 3 Zoll Laͤnge, oft 50 und noch mehr auf ein Mal in ſeinem Magen findet. Alle Suͤmpfe in Ungarn, wenigſtens ſolche, welche nie ganz austrocknen, wie die meiſten, ſind außerordentlich fiſchreich, zumal die, welche ihr Waſſer aus vorbei- und durchſtroͤ⸗ menden Fluͤſſen beim Anſchwellen derſelben erhalten, wie die, durch welche die Theiß, welche beilaͤufig fuͤr den fiſchreichſten Fluß in ganz Europa gehalten wird, ſich hindurch windet, und viele andere von mir beſuchten, wie der uͤber 6 Geviertmeilen ausgedehnte ſchwarze Sumpf im Banat, die Gegend in der Naͤhe des Velenzer Sees u. a. m. Eben weil der Suͤmpfe fo viele und dieſe fo fiſch— reich ſind, ſo iſt es kein Wunder, daß alle Reiherarten, nebſt noch vielen andern Fiſchfreſſern, in jenem Lande in fo großer Anzahl an— getroffen werden. Sie naͤhren ſich dort vortrefflich und finden in jeder Pfuͤtze eine reichlich beſetzte Tafel. 6 Er fiſcht beſonders gern an ſolchen Stellen, wohin ſich die Fiſche ziehen, wenn das Waſſer abnimmt, und entvolkert ſolche fehr bald von ihnen. In trocknen Sommern, wo ſich das Waſſer mit den darin lebenden Geſchoͤpfen mehr concentrirt, gelangt er daher leichter zu ſeinen Nahrungsmitteln als in ſolchen, wo die Suͤmpfe einen zu hohen Waſſerſtand behalten. Die grünen Wafferfröfche (Rana esculenta), aber nur Brut von demſelben oder dem vorigen Jahre, aͤltere weniger, — machen naͤchſt den Fiſchen eine Haupt⸗ nahrung fuͤr den Purpurreiher aus; ſie beleben aber auch die Suͤmpfe jener Laͤnder in einer Staunen erregenden Menge, und muͤſ⸗ ſen als Larven und ganz kleine Froͤſchchen dort zahlloſen Sumpf: und Waſſervoͤgeln zur täglichen Speiſe dienen. Er ſucht fie oft zwi⸗ ſchen Weidengebuͤſch und nicht ganz nahe am Waſſer auf, und hier muß es auch ſein, wo er hin und wieder eine Maus erwiſcht. Daß er dieſe nicht ungern freſſen mag, beweiſt das nicht ſelte Vorkom⸗ men und daß ich ein Mal ſogar 2 Stuͤck (wie es mir ſchien, Junge Min: Hypudaeus-Art) in dem Magen eines Erlegten gefunden habe. Seine häufigen Ereremente find weiß, kalkartig und ſehr duͤnn⸗ 80 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. flüffig, wie bei andern Reihern, und er ſpritzt ſie, beſonders in der Angſt, mehrere Fuß weit von ſich. Im gezaͤhmten Zuſtande wird er, wie der Fiſchreiher, mit rohen Abgaͤngen der Kuͤche, Gedaͤrmen von geſchlachtetem Federvieh, Fi⸗ ſchen und dergl. leicht unterhalten. Oft erneuetes friſches Waſſer iſt ihm dabei ebenfalls nothwendig, zumal er die Gewohnheit hat, das ihm Vorgeworfene gewöhnlich erſt in fein Waſſergeſchirr zu tra⸗ gen und es anzufeuchten, bevor er es verſchluckt. Fortpflanzung. Der Purpurreiher niſtet in einzelnen Paaren als feltene Er⸗ ſcheinung hin und wieder ſchon im ſuͤdweſtlichen und ſuͤdoͤſtlichen Deutſchland, nicht ſelten in deſſen ſuͤdlichſten Theilen, haͤufig in Holland, aber vielleicht in keinem Lande der Welt haͤufiger als in Ungarn, in Slavonien und dem Militaͤrgrenzlande. Jeder nicht ganz unbedeutende Sumpf, voll von hohem Schilf und Rohr, von mit hohen Waſſerpflanzen und Sumpfgraͤſern durchſchlun⸗ genem Weidengeſtraͤuch, jedes wilde moraſtige Geſtruͤpp von einiger Ausdehnung, zumal auf den weiten, unbebaueten, einſamen Flaͤchen, wo ſelten jemand anders hinkoͤmmt, als zuweilen einzelne Hirten mit ihren Heerden, oder auch niedrige, feuchte, dicht mit Schilfgraͤ⸗ ſern durchwobenem Strauchholz bedeckte Donauinſeln, ſind zur Fort⸗ pflanzungszeit allenthalben von vielen einzelnen Paͤaͤrchen bewohnt, die jedoch unabhängig von einander leben und niemals ſolche abge— ſchloſſene Vereine wie die Fiſchreiher bilden. Er aͤhnelt in dieſem Hange zur Einſamkeit wiederum den Rohrdommeln ſehr. Zwar ſind ſeine Niſtorte von andern da auch niſtenden Reiherarten oͤfters umgeben oder verſchiedentlich ſolche in der Nahe anzutreffen, wie z. B. auf der Reiherinſel bei Belgrad, wo auch hin und wieder ein Paͤaͤrchen derſelben neben den fie inne habenden Silberreihern u. a. niſtet; dies iſt jedoch nur Sache des Zufalls, und eine wirk⸗ liche Anhaͤnglichkeit oder Zuneigung an dieſe oder jene wird nicht bemerkbar. Eben ſo kann es allerdings Stellen geben, wo man auf einem nicht ſehr großen Flaͤchenraum mehr als ein Purpurrei⸗ herneſt findet; allein von einem ſo abſichtlichen Zuſammendraͤngen, wie beim Fiſchreiher, koͤmmt nie eine Spur vor, und die aller⸗ meiſten Paͤaͤrchen niſten zerſtreuet und weit von einander aten ohne daß ſich das eine um das Thun des andern bekuͤmmert. 4 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 81 Das Neſt des Purpurreihers ſteht gewoͤhnlich mitten in den Suͤmpfen, in einem dichten Schilf- oder Rohrbuſche, und iſt mei: ſtens von tiefem Moraſte und Waſſer umgeben, wodurch es oft unzugaͤnglich wird, zuweilen jedoch auch an der Seite eines Sum— pfes und von deſſen Rande aus zugaͤnglicher, oder auch in mit Rohr und Schilf durchmiſchtem Weidengeſtraͤuch einige Schritte vom Waſſer entfernt. Es ruhet bald unmittelbar auf dem Erdboden, bald und viel gewoͤhnlicher auf Rohrſtorzeln, umgeknicktem Schilf oder Rohr und anderm alten Wuſt, am oͤfterſten an Orten, wo jene hohen Sumpfpflanzen nicht uͤber Winter abgemaͤhet worden ſind und das Neſt beſſer verſteckt ſteht, als wo bloß diesjaͤhriger Pflanzenwuchs, im Anfange gewoͤhnlich noch zu niedrig, aufſchießt. Deshalb moͤgen dieſe Voͤgel auch, wie Rohrdommeln und andere im Rohre niſtenden, ihre Fortpflanzungsgeſchaͤfte etwas ſpaͤter und dann erſt beginnen, wenn die Vegetation bereits weiter vorgeſchrit⸗ ten iſt. Es iſt verſchieden gebauet, meiſtens aus vielen duͤrren Rohr— ſtengeln, mit wenigen Reiſern vermiſcht, in holzarmen Gegenden auch ganz ohne dieſe; jene ſind dann im Kreiſe herumgelegt, ge— knickt und gebogen, und bilden eine mehr oder weniger dicke Unter— lage, von ziemlichem Umfange, worauf trocknes Schilf, Binſen, überhaupt ſchwaͤchere Materialien folgen, die in der Mitte eine Ver⸗ tiefung haben, welche mit noch feinern Stoffen, Stroh, duͤrrem Graſe, einzelnen Rohrrispen und dergl. nachlaͤſſig ausgelegt iſt; ein kunſtloſer, großer, breiter, flacher, in der Mitte wenig vertiefter Bau. Zuweilen iſt es mit noch weniger Material und noch gerin- gerer Sorgfalt auf umgeknicktes Schilf oder Rohr gebauet, das in der Mitte niedergetreten und dieſe Vertiefung mit duͤrren Schilf- blaͤttern, Binſen, Grashalmen und dergl. ausgelegt iſt, und ſo das Neſt bildet, das dann viel kleiner iſt. Es ſollen auch Neſter vor: kommen, welche ganz dicht über das Waſſer niederhangendes Wei: dengeſtruͤpp zur Unterlage haben; ob aber der Purpurreiher auch auf Baͤume baue, konnte ich nicht ermitteln, wenigſtens waren alle Gegenden, welche ich durchreiſet bin, wo ſich dieſe Reiher aufhielten und nach uͤbereinſtimmenden glaubhaften Nachrichten aller dortigen Jagdliebhaber in Menge fortpflanzten, ohne alle Baͤume, oder die wenigen, wie Pflaumenbaͤume, Maulbeerbaͤume, Acazien u. a. nicht dazu geeignet, andere wildwachſende auf den meiſt ſehr ſchoͤn bewal⸗ deten Inſeln und vielen Uferſtrecken der Donau ausgenommen, wo ich aber damals keinen Purpurreiher bemerkt habe. d Ein ſonderbarer Bau war der eines in den Rheingegenden auf— Ir Theil. d 6 82 XI. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. gefundenen Purpurreiherneſtes, das zwei Junge enthielt, die ausge⸗ nommen und aufgezogen wurden. Auf 8 bis 10 Fuß ins Gevierte hatten die alten Voͤgel alle Stengel des hohen Rohres ſo im Kreiſe niedergebogen, daß ſie ſich in deſſen Mittelpunkte kreuzten und da⸗ ſelbſt eine Vertiefung entſtand, welche das Neſt bildete, das bloß mit abgeſtorbenen Rohrblaͤttern ausgefuͤttert war. Durch das Nie⸗ derbiegen der vielen Rohrſtengel von allen Seiten war eine dichte Decke entſtanden, fo feſt, daß fie im Stande geweſen fein fol, einen Mann, ohne einzuſinken, zu tragen, unter welcher man wie unter einer hohlen Halle ſtehen konnte und dann das Neſt uͤber dem Kopfe hatte. Das Vogelpaar, welches dies merkwürdige Neſt bauete, gehörte offenbar unter die Sonderlinge, welche bei ihrem Neſtbau zuweilen auf die ſonderbarſten Einfälle kommen und von der gewohn⸗ ten und bekannten Weiſe auffallend abweichen, dergleichen es faſt unter allen Vogelarten giebt. Auf in ähnlicher Weiſe niedergebo- gene Rohrſtengel gebauet fand ich auch ein Mal das Neſt der ſchwarzen Seeſchwalbe (Sterna nigra), die es ſonſt immer auf Schlammhuͤgelchen oder auf die platte Erde bauet. Das Weibchen legt gewoͤhnlich erſt im Mai und nur ein Mal im Jahre 3 bis 4 Eier in ſein Neſt. Sie aͤhneln denen des Fiſch— reihers, ſind aber gegen dieſe gehalten etwas kleiner und bleicher von Farbe, die auch aus dem Gruͤnblauen mehr ins Gruͤnliche zieht, ſchoͤn eifoͤrmig, wie ein wohlgeformtes Huͤhnerei geſtaltet und ohn— gefaͤhr auch von derſelben Groͤße. Sie haben eine ſtarke, glatte oder ebene Schale, mit ziemlich ſichtbaren Poren, keinen Glanz, vielmehr ein mattes Ausſehen, als waͤren ſie mit trockner Kreide oder Kalk abgerieben. Mit denen des Fiſchreihers ſind ſie, bei Beachtung oben angegebener Unterſcheidungsmerkmale, nicht leicht zu verwech⸗ ſeln, wol aber mit manchen andern Reihereiern. Uiber die Brutgeſchaͤfte, die im Allgemeinen wol denen anderer Reiher gleichen moͤgen, und beſondern dabei obwaltenden Umſtaͤnden, habe ich nichts Sicheres erfahren koͤnnen, außer daß die Jungen lange im Neſte ſitzen und von den Alten gefuͤttert werden, bis ſie, faſt ſo groß wie dieſe, das Neſt verlaſſen und von jetzt an ſich ſelbſt zu ernaͤhren ſuchen muͤſſen. Ich erlegte mehrere Junge, welche an den Spitzen der Nackenfedern noch Uiberbleibſel des Dunenkleides zeigten; aber fie waren voͤllig ſelbſtſtaͤndig, und keines der Alten zeigte ſich in ihrer Naͤhe. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. 83 Feinde. Dies find wahrſcheinlich die naͤmlichen, welche auch den Fiſch⸗ reiher anfeinden. — Seine Eier und zarten Jungen werden ihm von den Weihen, namentlich den in Ungarn ebenfalls ſehr häus figen Wieſen⸗ und Rohrweihen (Falco cineraceus und F. rufus.) oft weggeſtohlen, was auch die in vielen Gegenden des Landes in Menge lebenden Wanderratten, auch wol Fuchs und Wolf, nicht ſelten thun. Nach dem Wiener Verzeichniß wohnen in ſeinen Eingeweiden verſchiedene Wuͤrmerarten, naͤmlich: Ascaris microcephala, Amphist- omum Cornu, Taenia unguicula, nebſt noch einigen unbeſtimmten Arten. n d Da er weder ſo klug, noch ſo mißtrauiſch, noch ſo vorſichtig, daher viel weniger ſcheu iſt, als der Fiſchreiher, ſich auch faſt immer an Orten aufhaͤlt, wo er leicht zu hinterſchleichen oder an den verſteckten Plaͤtzchen, wo man ihn einfallen ſahe, leicht zu über: rumpeln iſt, was Alles an nicht zu breiten Gewaͤſſern, und mit einiger Sachkenntniß, ohne viele Umſtaͤnde und Schwierigkeiten aus⸗ geführt werden kann, fo hält es gar nicht ſchwer, ihn mit Schieß— gewehr zu erlegen. Auch koͤmmt im Spaͤtſommer, wenn der Jaͤger nach Becaſſinen und andern Voͤgeln in den ungariſchen und flavonifchen Suͤmpfen herumwadet, fo mancher Purpurreiher zufaͤl⸗ lig in feine Gewalt, wo er keinen ſuchte, der nahe vor ihm aus einem Schilfhorſte oder Weidenbuſche herauspolterte und ſich zum leichten Schuß im Fluge darbot. Mir iſt dies dort, im Sommer 1835, ſo oft begegnet, daß ich bald nutzlos fand, alle zu morden, die mir Gelegenheit dazu gaben, und nur die auswaͤhlte, welche ſich von andern ihres Gleichen durch Groͤße, Farbe und dergl. auszu⸗ zeichnen ſchienen. Der Schuß auf den ſo Herausfliegenden iſt ſo leicht, daß auch der ungeuͤbte Flugſchuͤtze am Gelingen nicht zu zweifeln braucht. Nutz en. Ob der alte Vogel durch ſeine Schmuckfedern, wovon die ſchma⸗ len, ſchwarzen im Genick die ſchoͤnſten und denen des Fiſchrei⸗ 6 0 84 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 251. Purpurreiher. hers ſehr aͤhnlich ſind, nuͤtzlich wird, iſt mir nicht bekannt. Dieſe Federn ſind uͤbrigens eben ſo ſchoͤn, wie von jenem. Sein Fleiſch wird nicht gegeſſen. Wenn ſonſt ein nuͤtzlicher Zweck damit zu ver⸗ binden waͤre, wuͤrde ſeine Jagd viel Vergnuͤgen gewaͤhren. Schaden. Er mag allerdings der groͤßern Vermehrung der Fiſche ſehr entgegen arbeiten; da er aber in Laͤndern lebt, wo die Gewaͤſſer ungemein fiſchreich ſind, dabei aber faſt nur in ſogenannten wilden Fiſchereien beſtehen, obwol dieſe hin und wieder auch dort zu hohen Preiſen verpachtet werden, fo wird er nicht für ſo ſchaͤdlich gehal⸗ ten, daß man es der Muͤhe werth achtete, auf ſeine Verminderung zu denken, eine Geſinnung, welche in unſerm Vaterlande wol nicht vorkommt, woran aber Gnuͤgſamkeit und Schlaffheit jener ſuͤdlichen Nationen ſehr vielen Antheil haben. 252, Der Silber-Reiher. Ardea egrelta. Linn. Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 222, Fig. 2. Junges Maͤnnchen. Großer Silberreiher; — weißer —, ſchneeweißer —, großer weißer Reiher; großer weißer Reiher ohne Federbuſch; Schneereiher; Federbuſchreiher, Aigrettreiher, große Aigrette; tuͤrkiſcher oder indi⸗ ſcher Reiher; weißer Gelbſchnabel; weißer Reigel. Ardea Egreita. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 629. n. 34. — Lath. Ind. II. p. 694. n. 63. — Ardea alba. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 639. n. 24. — Lath. - Ind. II. p. 695. n. 65. — Wagler, Systema avium, pl. 11. = _Ardea candida. Briss. Orn. V. p. 428. n. 15. — _Ardea egrefioides. Gmel. Reis. II. p. 193. t. 24. Retz. Faun. suec, p. 170. n. 134. — Wilson, Americ. Ornith. VII. p. 106. tab. 61. f. 4. — Lu grande Aigreite. Buff. Ois. VII. p. 377. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 84. — Id, Plauch. eul, 925. — Le Heron blanc. Buff. Ois. VII. p. 365. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 69. — Id. Pl. enl. 886. — Gerard. Tab. élém. II. p. 125. = Temminck. Man. d'Orn. II. p. 572. — The great Egret. Lath. Syn. V. p. 89. n. 58. — uUeberf, von Bechſtein, III. 1. S. 60. n. 58. — Great white Heron. Lath. Syn. V. p. 91. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. ©. 61. n. 60. = Penn. arct, Zool. II. p. 446. — Uiberſ. von Zimmermann, II. S. 414. n. 261. u. S. 415. n. 263. — Sgarza bianca. Stor. deg. ucc. IV. tav. 425 K 426. — Airone maggiore, Savi. Orn. tose. II. p. 347. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 35 u. 38. — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 260. n. 3. u. S. 261 n. 3. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 335. - Meisner u. Schinz, Vög⸗ der Schweiz. S. 187. u. 182. — Koch, Baier. Zool. I, S. 334. n. 207. — Brehm, Lehrb. II. S. 550. — Bellen Naturg. a. V. Deutſch. S. 584—585. Gloger, Schleſ. Faun. S. 49. n. 212. — Landbeck, Vög. Würtembergs. ©. 58. — Naumann's Vög., alte Ausg., Nachträge S. 315. Taf. XLVI. Fig. 91. (altes Weibchen.) Anmerk. In Friſch Vorſtellung der Vögel ꝛc. ꝛc. iſt Tafel 204. ein weißer Reiher abgebildet, welcher aber nicht hierher gehört, ſondern viel wahrſcheinlicher ein⸗ 86 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. weiße Spielart von Ardea einerea fein mag. — Die großen weißen Reiher, mit und ohne Schmuckfedern auf dem Oberrücken und den Schultern, welche den jun⸗ gen Vögeln ſtets fehlen und bei den Alten nur im Frühjahr vollſtändig ſind, gehö⸗ ren zwar nicht alle zu einer und derſelben Art, ſcheinen jedoch nicht ſo viele zu bilden, als man in neuern Zeiten wol angenommen hat. Alle hochbeinigen und laugſchnäbligen Sumpfvögel variiren in der Höhe der Tarfen und in der Länge des Schnabels oft fo ſehr, hauptſächtich die Jungen gegen die Alten, daß man nicht ſelten darüber erſtaunen muß, wo nur das mehrfache Beobachten an ihren Wohn- und Brüteorten ein genügen⸗ des Reſultat über ihre Identität geben kann. Ich bin daher mit Lichtenſtein der Meinung, daß in Europa nur Eine Art großer Silberreiher vorkomme, von welcher nur die Ardea leuce des Berliner Muſeums, aus dem ſüdlichen Amerika (Wagler, in feinem Syst. avium, nennt dieſe A. Egretta, unſere A. egretta aber A. alba.) als ſelbſt'tändige Art zu unterſcheiden iſt, welche unſrer A. Egretta in Allem, auch den Schmuckfedern und dem Mangel langer, ſchmaler Nackenfedern, völlig ähnlich iſt, ſich aber ſtets und ſtandhaft durch 14 bis 2 Zoll kürzere Tarſen unterſcheidet. Die Reiher einer Art variiren ſchon ziemlich in der Körpergröße, viel auffallender aber noch in der Läuge des Schnabels und der Röhrenknochen der Beine; die Maaße derſelben ſind daher zwiſchen Jungen und Alten oft ſehr verſchieden, und die Nacktheit der Tibia iſt vollends ein ganz unſicheres Kennzeichen, weil ihr Maaß immer nur davon abhängt, wie weit zufällig die Schenkelbefiederung herabreicht, die oft lang oder kurz iſt, wenn die Tibien am Skelet ſich von gleicher Länge finden. Eben ſo bei Ardea Nyeticorax, A. stellaris, bei Phönicopterus, Hypsibates, Recurvirostra und andern langbeinigen Vögeln. Kennzeichen der Art Rein weiß; — Laͤnge 36 Zoll; die Fußwurzel 7 Zoll lang. Beſchrei bun g. Der ausgewachfene Silberreiher im vollſtaͤndigſten Federſchmuck unterſcheidet ſich von der Arden leuce aus Mexiko, Brafilien und andern Theilen des ſuͤdlichen Amerika's durch ſeine etwas beträchtlichere Größe und (wie bemerkt] durch die hoͤhern Tarſen, desgleichen durch ſeinen faſt ganz ſchwarzen Schnabel, welcher bei A. leuce bis auf einen kleinen Spitzentheil ganz hochgelb iſt, wie ihn aber auch A. Egretta im erſten Lebensjahr hat. Der Kopf hat bei allen hinterwaͤrts nur etwas verlaͤngerte Federn, die ſich buſchicht aufſtraͤuben laſſen, aber keine jener langen, ſchmalen, gleichbreiten, flatternden Federn, welche den alten Voͤgeln ſo vieler andern Reiher— arten, namentlich auch unſrer A. Garzetta fo ſehr zur Zierde gerei— chen. Von der letztern unterſcheidet er ſich in jedem Alter durch die Groͤße, worin er dieſe um mehr als ein Drittheil uͤbertrifft, und, im Gegenſatze dieſer kleinen, unter die großen Reiher gehoͤrt, ja be— deutend hoͤher, jedoch ſchlanker, als der gemeine oder Fiſchrei— her iſt. | Sein Rumpf iſt wenig größer als der des letztgenannten, etwas weniger ſchmal, doch immer noch ſehr ſtark zuſammen gedruͤckt, aber XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 87 ſeine langen und großen Extremitaͤten machen hauptſaͤchlich, daß er hoͤher und ſchlanker ausſieht. Die Ausmeſſungen fallen ziemlich verſchieden aus, da nicht allein Junge und Alte, ſondern letztere auch unter ſich oft bedeutend von einander abweichen, wobei indeſſen, wenn man bloß Ausgeſtopfte vergleichen kann, ſehr zu beruͤckſichti⸗ gen iſt, daß oft Vieles auf Rechnung des Ausſtopfers koͤmmt. Bei alten Vögeln habe ich meiſtens folgende Maaße gefun: den: Laͤnge (von der Stirn bis zur Schwanzſpitze), 3 Fuß 3 bis 7 Zoll; Breite, 6 Fuß 2 bis 6 Zoll; Fluͤgellaͤnge, 1 Fuß 9 bis 11 Zoll; Schwanzlaͤnge, 7 bis 7½ Zoll; bei jungen dagegen die Laͤnge 3 Fuß, ſelten 2 Zoll daruͤber, oͤfter auch darunter; Flug⸗ breite 5 Fuß 4 bis 6 Zoll; Fluͤgellaͤnge 1 Fuß 7¼ bis 8 / Zoll; Schwanzlaͤnge 61], bis 6 ¼ Zoll. i Das ganze Gefieder iſt etwas knapper und derber als am Fiſchreiher, ſonſt ihm nach den Umriſſen und in der Textur voͤl⸗ lig aͤhnlich. Die Fluͤgel ſcheinen zwar etwas ſpitzer, doch iſt dies nicht immer auffallend und ruͤhrt von den etwas ſchmaͤler endenden großen Schwingfedern her, von welchen die erſte auch nur ein we: nig kuͤrzer als die zweite, dieſe von gleicher Laͤnge mit der dritten, und die vierte noch etwas laͤnger als die erſte, die folgende dann aber uͤber 1 Zoll kuͤrzer als dieſe iſt, was, wenn der Fluͤgel ganz ausgeſtreckt wird, ein abgerundetes Fluͤgelende giebt. Die der zwei⸗ ten Ordnung haben ſchief abgerundete Enden und ſind etwas kuͤrzer als bei jenem, daher am fliegenden Vogel der Flügel ſchmaͤler aus: ſieht und am Hinterrande etwas ſtaͤrker ausgeſchnitten iſt. Der Schwanz hat ebenfalls 12 faſt gleichbreite, zu- und abgerundete, ziemlich weiche Federn, iſt kurz, und die Spitzen der ruhenden Fluͤ⸗ gel reichen oͤfters noch 1 bis 2 Zoll, manchmal auch faſt gar nicht, uͤber ſein Ende hinaus. Der Schnabel hat die mehr geſtrecktere Geſtalt des der vorher⸗ gehenden Art, iſt groß, lang, um Vieles ſchmaͤler als hoch, ſcharf zugeſpitzt (bei jungen Voͤgeln weniger), mit ſchmaler, abgerundeter Firſte, und tief geſpaltetem Kiel, weshalb die Kehlhaut weit vor: reicht, an der Schneide des Oberkiefers dicht an der Spitze mit einem kleinen Ausſchnitt und einigen noch viel kleinern Saͤgezaͤhn⸗ chen, das Uibrige der Schneiden glatt und ſehr ſcharf. Das Na— ſenloch liegt nahe an der Baſis, ſeitwaͤrts, aber in der mit einer weichen Haut uͤberſpannten Naſenhoͤhle, unten, ſo daß jene oberhalb des Ritzes ein Raͤndchen bildet, wodurch das Naſenloch verſchließbar gemacht wird; von der Nafenhöhle läuft eine furchenartige, ſeichte 88 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. Vertiefung auf der ſeitlichen Schnabelflaͤche bis faſt gegen die Schna⸗ belſpitze vor. Die Schnabellaͤnge iſt auch unter alten Voͤgeln oft verſchieden, ſo daß ſie von 5 Zoll 4 Linien bis beinahe zu volle 6 Zoll wechſelt; die Hoͤhe deſſelben an der Baſis im Durchſchnitt 11 Linien bis 1 Zoll, die Breite hier 8 bis 9 Linien. Bei erwach⸗ ſenen jungen Voͤgeln (3 bis 4 Monate alt) iſt er gewoͤhnlich nicht uͤber 5 Zoll, zuweilen auch nur 4 Zoll 7 Linien lang, an der Wurzel 10 Linien hoch und 7½ Linien breit. — Der Rachen iſt groß und bis unter das Auge geſpalten. N Die Farbe des Schnabels iſt verſchieden, im erſten Lebensjahr, aus⸗ und inwendig, außerordentlich ſchoͤn hochgelb Goͤnigsgelb, Hochchromgelb), nur ein ganz kleines laͤnglichtes Fleckchen oder Strich oben und unten an der Spitze ſchwarz, die nackten Zuͤgel ſchoͤn ſchwefelgelb, ums Auge und an den Augenlidern ins Gruͤnliche ſpielend, der Rachen gelb, in der Tiefe fleifchfarbig. — Im zweiten Sommer hat der Schnabel noch die hochgelbe Grundfarbe, allein das Schwarz der Spitze hat ſich laͤngs der Schnabelfirſte bis faft zur Stirn ausgedehnt und verlaͤuft an den Seiten des Schnabels als Braun in das Gelbe; die Zuͤgel ſind dann ſchon ſtark mit einem ſchmutzigen Gruͤn uͤberlaufen. — Bei den Alten erſcheint endlich der Schnabel braunſchwarz, am Kiel, vorzuͤglich an der Wurzel des Unterſchnabels, allein noch gelb, bei dem einen mehr, beim andern weniger; die nackten Zuͤgel dunkelgruͤn, ums Auge gelblich. Inwendig iſt der Schnabel bei dieſen gelb, nach vorne zu ſchwaͤrz— lich. — Im Tode verändert ſich die Schnabelfarbe, zumal an ge— trockneten Baͤlgen, in ſchmutziges Wachsgelb oder in Weißgelb, das Schwarz in dunkles Braun, die Farbe der nackten Zuͤgel in Schwarz⸗ grau mit braͤunlicher Mifchung. *) Der Stern des kleinen aber ſehr lebhaften Auges iſt bei jun— gen Voͤgeln rein ſchwefelgelb, wird nach und nach zitronengelb und bei Alten endlich ein feuriges Hochgelb. Die Fuͤße ſind viel hoͤher als bei andern einheimiſchen Reiher— arten, dabei auch ziemlich ſtark; die Zehen ſchlank, aber mit Schiene «) Diefe Beobachtungen machte ich ſowol an friſchen als an vielen ausgeſtopften Exemplaren, und die Veränderung der Färbung des Schnabels darf als regelmäßig ſo an⸗ genommen werden. H. Geh. R. Lichtenſtein hat die Anſicht, daß das mehrere oder wenigere Gelb bei alten Vögeln auch Reſultat des Slima's fein kann, und führt außer mehrern auch ein Beiſpiel von Sterna anglica vom Mittelmeer an, welches einen ganz weißen Schnabel hat und in dieſer Geſtalt von Sterna cayenneusis nicht verſchieden iſt u. ſ. w. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 89 und Lauf verglichen nicht unverhaͤltnißmaͤßig lang; die Hinterzeh iſt auffallend ſchwaͤchlich; zwiſchen der Innen- und Mittelzeh befindet ſich keine, zwiſchen der letzten und aͤußern eine noch nicht bis ans erſte Gelenk reichende Spannhaut. Der Unterſchenkel iſt nur am obern Theil kurz und dicht befiedert, der untere weit groͤßere bildet eine ſehr lange nackte Stelle uͤber der Ferſe; der Ueberzug der nackten Fußtheile iſt vorn herab in ſehr große, breite Schildtafeln, auf der entgegengeſetzten Seite in kleinere getheilt, in den Zwiſchenraͤumen ſeitwaͤrts, ſo wie an der Ferſe und Zehenbaſis grob gegittert; auf den Zehenruͤcken grob geſchildert, an den Zehenſohlen flach und fein⸗ warzig. Die Krallen ſind nur mittelmaͤßig, die an den innern und aͤußern Vorderzehen die kleinſten, ſchmal, flachgebogen, ſpitz, aber nicht ſcharf, unten mit einer feinen Laͤngefurche, die der Mittelzeh mit vorſtehendem fein gezaͤhneltem Innenrande. Der nackte Theil der Tibia, von der Mitte des Ferſengelenks bis an die Befiederung hinauf, mißt gewoͤhnlich uͤber 4 Zoll, ſehr oft 4 Zoll 6 bis 8 Linien oder gar noch daruͤber; bei einem alten (ausgeſtopften) Individuum war ſie dagegen nur 3 Zoll 8 Linien, was ſehr ſelten vorkoͤmmt. Der Lauf iſt gewoͤhnlich uͤber 7 Zoll und bis 7 Zoll 9 Linien lang, maaß aber bei dem erwaͤhnten Exemplar?) nur 6 Zoll 9 Linien. Die Länge der Mittelzeh iſt 4°), bis 5 Zoll, wovon auf die Kralle bei jungen 7 bis 8 Linien, bei alten Voͤgeln uͤber 10 Linien abgehen; die der Hinterzeh, mit der 10 bis 13 Linien langen Kralle, 2½ bis 2½ Zoll. Bei einem jungen Vogel war die Mittelzeh, mit der Kralle, nur 4½ Zoll, die Hinterzeh, nebſt ihrer Kralle, 2 Zoll 1 Linie, der Schnabel nur 4 Zoll 7 Linien lang. Die Faͤrbung der Füße iſt nach dem Alter verſchieden, im fri—⸗ ſchen Zuſtande bei erwachſenen jungen Voͤgeln oben gruͤnlich blaß⸗ - gelb, an den Ferſen duͤſterer, die großen Schilder auf dem Spann und den Zehenruͤcken braunſchwarz, die Zwiſchenraͤume nebſt den Zehenſohlen graugelblich, die Krallen braunſchwarz. Im getrockneten Zuſtande werden die groͤßern Schilderreihen noch ſchwaͤrzer, das Uebrige gelblichgrau, uͤber den Ferſen am lichteſten. Die Ferſenge— lenke find ziemlich dick. — Bei den Alten find die Füße von oben 8) Es befindet ſich im Berliner Muſeum und iſt ein alter Vogel, aus dem ſü d⸗ lichen Frankreich, bei dem die Kürze der Fußtheile (auch die Mittelzeh iſt J Zoll kürzer als bei den andern), auch des Schnabels bei genauerm Vergleichen, zwar auffällt, ſich aber im Uebrigen durchaus nicht von denen aus Aegypten und Sibirien, wie eines 1824 bei Berlin geſchoſſenen, unterſcheidet. 90 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. herab ſchmutzig roͤthlichgelb, weiter herab in roͤthliches Braun uͤber⸗ gehend, dieſes an den großen Schildern auf dem Spann und den Zehenruͤcken ſehr dunkel, faft ſchwarzbraun, die Zwiſchenraͤume und Zehenſohlen gelbroͤthlichgrau, die Krallen braunſchwarz. Sie werden bei Ausgeſtopften faſt ganz braunſchwarz und behalten nur von der Ferſe aufwaͤrts ein lichteres Braun, was ihre fruͤhere Faͤrbung kaum errathen läßt. Im Ganzen iſt die Farbe der Füße, bei Jungen und Alten, der des Fiſch- und Purpur-Reihers ſehr aͤhnlich. Die erſte Bekleidung des jungen Silberreihers find fchnee: weiße, flockige Dunen. Hierauf folgt das eigentliche Jugendkleid, in welchem der Vogel einen ganz hochgelben Schnabel und ſchwefelgelbe Augenſterne, am Hinterhaupt nur etwas verlaͤngerte, an der Kropfgegend groͤßere, lockere, weichere Federn hat, die hier einen flatternden Buſch bilden, dort aber, wenn fie, wie gewoͤhnlich, glatt niederliegen, nicht be— merkbar ſind und nur im Affect buſchicht in die Hoͤhe ſtehen. Am uͤbrigen Gefieder iſt nichts ungewoͤhnlich, außer daß bis nach dem vierten Lebensmonate ſich hin und wieder noch die weißen Dunen— reſte auf den Spitzen vieler Federn zeigen. Das ganze Gefieder iſt im friſchen Zuſtande ſo weiß und rein wie friſchgefallener Schnee. — Die Weibchen ſind etwas kleiner oder ſchwaͤchlicher als die Maͤnn— chen, ſonſt aber nicht verſchieden. N Im zweiten Jahr zeigen ſich die Federn auf dem Hinter- ſcheitel merklich verlaͤngert, ſie ſtehen einen Zoll lang uͤber das Genick hinaus und bilden eine buſchichte Holle, die aber gewoͤhnlich nieder— liegt; die Federn am Kropfe und an den Seiten der Oberbruſt ſind groß, locker und buſchicht, jene haͤngen uͤber die Bruſthoͤhle herab und ſind nur bei ganz gerade ausgeſtrecktem Halſe nicht bemerklich, dieſe decken in ruhiger Stellung die Handwurzel des Fluͤgels; von den Schulterfedern ſind mehrere der groͤßten in ganz eigen gebildete umgewandelt; dieſe haben nämlich gegen 16 Zoll lange, ſchwache Schaͤfte, mit einem weitſchichtigen, loſen Federbart, deſſen einzelne Strahlen einige Zoll lang, ſehr duͤnn, ungemein zart und unter ſich völlig ohne Zuſammenhang find, weshalb fie jeder leiſe Luftzug in Bewegung ſetzt; dieſe ſo ganz eigenthuͤmlich conſtruirte Federn legen ſich auf den Hintertheil des Fluͤgels und reichen uͤber deſſen Spitzen und den Schwanz hinaus. Sie ſind, ſo wie das ganze uͤbrige Ge— fieder ohne Ausnahme, von einem zarten, blendenden Weiß, ohne die ſchwaͤchſte Beimiſchung irgend einer andern Farbe, am lebenden Vogel von der hoͤchſten Reinheit. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 91 Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich aͤußerlich dadurch, daß letzteres ſtets etwas kleiner und ſchmaͤchtiger iſt und in dieſem Alter kaum einige und viel kleinere Schmuckfedern an den Schultern, auch weniger verlaͤngerte Federn am Hinterhaupte hat. Im dritten Jahr hat das Gefieder feine Vollkommenheit erlangt, der Federbuſch am Hinterſcheitel iſt bedeutend laͤnger gewor⸗ den; die langen buſchichten Federn uͤber der Bruſthoͤhle haben lange, ſehr ſchmale, allmaͤhlig ganz ſpitz auslaufende Enden, in Geſtalt langer, duͤnner Stacheln und manche eine Laͤnge von 8 bis 9 Zoll, welche loſe herabhaͤngen und einen herrlichen flatternden Buſch bilden; auch die obern Schulterfedern haben denſelben Bau, ſind aber noch laͤnger; dann folgen endlich an der Stelle der laͤngſten Schulter⸗ federn jene koſtbaren, eigenthuͤmlichen Schmuckfedern, deren viel mehrere als im vorigen Jahre und wovon bie Schaͤfte der laͤngſten gegen 20 Zoll meſſen, ihre weitſchichtigen, von einander getrennten Fahnenſtrahlen, die gegen 3 und 4 Zoll wurzelwaͤrts ſogar bis 5½ Zoll lang und aͤußerſt zart find, ſich haaraͤhnlich in ſtumpfen Winkeln ausbreiten, und zuſammen einen wallenden Buſch bilden, welcher den Ruͤcken des Fluͤgels und ſeine Spitze auf eine ganz eigene Weiſe deckt und kaum durchſcheinen laͤßt, und weit uͤber das Ende des Schwanzes und der Fluͤgel (wol 8 bis 10 Zoll) hinausragt; das Leichte, Luftige, Zarte in der Geſtaltung, dazu das anſpruchs— loſe, reinſte Weiß dieſer Federn iſt uͤber alle Beſchreibung anziehend. Auch iſt das ganze uͤbrige Gefieder des Vogels durchaus vom rein— ſten Weiß und dies beim lebenden oder eben getoͤdteten Vogel un- vergleichlich, aber auch fo zart, daß es nach dem Ableben bald be— deutend verliert und ſpaͤter bei Ausgeſtopften, und zumal bei ſchlecht Verwahrten, etwas truͤbe und gelblich wird, weil in dem weichen Gefieder ſich leicht Staub, Rauch und andrer Schmutz unvertilgbar einfrißt. Auch in dieſem Alter hat das Weibchen viel weniger und kuͤrzere Schmuckfedern. Dieſe ſind uͤberhaupt nur in den erſten Fruͤhlingsmonaten in ihrer wahren Vollkommenheit anzutreffen, nicht lange nachher, als ſie hervorgekeimt waren; denn ſie werden bei allen bald, theils durch das Wetter, theils durch Reibungen, Abſtoßen und dergleichen, zerbrochen oder ſonſt beſchaͤdigt und beſchmutzt, und fallen im Laufe des Sommers nach und nach aus, ſo daß der alte Vogel im September kaum noch einzelne Bruchſtuͤcke von dieſem Schmuck aufzuweiſen hat und auch dieſe bald gaͤnzlich verliert. Von der kuͤrzeſten Dauer find fie bei den Weibchen, weil fie bei dieſen 92 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. ſchon durch das Betreten der Männchen, und bei den vielen Be⸗ ruͤhrungen mit den Umgebungen des Neſtes, dieſem ſelbſt, den Jungen u. ſ. w. ungewoͤhnlich leiden muͤſſen. Obwol der Vogel in weiter vorgeruͤckten Jahren noch an Schön: heit, naͤmlich an noch groͤßerer Ausbildung der Schmuckfedern und an Menge derſelben, zunimmt, ſo iſt dies doch nicht ſehr auffallend, und es bleibt ſehr ungewiß, ob er im hohen Alter einige ſolcher ganz ſchmaler, bandſtreifenaͤhnlicher, herabhaͤngender Federn am Genick bekoͤmmt, wie ſie andere Reiherarten haben, namentlich der alte Vogel der folgenden, Ardea garzetta, hat. Bloß Meisner will ein ſolches Exemplar beſeſſen haben, das zwei ſolcher Federn, von 4 Zoll Laͤnge, im Genick herabhaͤngen hatte. Mir ſelbſt und allen, bei denen ich mich angelegentlichſt darnach erkundigte, iſt in: deſſen nie ein ſolches vorgekommen; ich habe in dem Muſeen zu Berlin, Wien, Peſth und in vielen reichen Privatſammlungen hin und wieder die herrlichſten Exemplare angetroffen und unter⸗ ſucht, unter welchen ſich viele durch anſehnlichere Größe und Reich: thum des Gefieders als ſehr alte Individuen characteriſirten, allein niemals an einem ſolchen Vogel dergleichen Genickfedern entdecken koͤnnen. Es bleibt mir daher jenes Vorkommen, wenn es nicht auf Taͤuſchung beruhet, — ein Näthfel. Die Mauſer iſt wie bei andern Reihern einfach, und faͤngt bei den Alten im Sommer, bei den Jungen fpäfer an, ruͤckt lang⸗ ſam vorwärts und iſt gegen die Fortpflanzungszeit erſt beendigt, wo dann das Gefieder am ſchoͤnſten und reinſten iſt. Die Schmuck— federn keimen am ſpaͤteſten hervor und ſind, wie ſchon erwaͤhnt, von kurzer Dauer. ö g A ü fe nt h e Der große Silberreiher iſt ein mehr oͤſtlicher als ſuͤdlicher Vogel. Er lebt in verſchiedenen Theilen von Aſien, namentlich im ſuͤdli— chen Sibirien, in den Gegenden am caspiſchen und ſchwarzen Meer, in Perſien und Syrien, koͤmmt auch im noͤrdlichen Afrika vor, und iſt in Europa nur uͤber die ſuͤdlichen oder vielmehr ſuͤdoͤſtlichen Laͤnder verbreitet, am ſchwarzen Meer und an der untern Donau haͤufig, in der Moldau, Galizien, Ungarn, in der europaͤiſchen Tuͤrkei, Griechenland und deſſen Inſeln, Dalmatien, Unteritalien, Sicilien und Sardinienz allein ſchon im ſuͤdlichen Frankreich ſelten, noch ſeltner im ſuͤdlichen XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 93 Deutſchland und der Schweiz, und außerordentlich ſelten in Mitteldeutſchland. Aus Ungarn, wo er auch nur in den ſuͤd— lichſten Theilen, in Sla vonien, Syrmien, dem Militaͤrgrenz⸗ lande, ziemlich haͤufig iſt, verfliegt er ſich noch am oͤfterſten nach Oeſterreich und Schleſien, aber hoͤchſt ſelten ein einzelner bis zu uns und in die Mark. Man hat ihn ein Mal am Schwa⸗ nenſee bei Erfurth erlegt, in den Herzogthuͤmern Anhalt aber, unſres Wiſſens, noch niemals angetroffen. Er iſt in Ungarn Zugvogel, koͤmmt im April dort an und verlaͤßt es im September wieder, um in waͤrmeren Laͤndern zu uͤber⸗ wintern. Ich ſahe im Anfange des letzten Monats (1835) in Syr⸗ mien und laͤngs der tuͤrkiſchen Grenze noch viele, aber faſt nur junge Voͤgel, welche ſpaͤter immer einzelner wurden, und zu Ende jenes Monats keinen mehr. Sie ziehen am Tage, ſehr hoch durch die Luft, damals ſuͤdwaͤrts, und meiſtens zu 2, 3 und 4 beiſammen, in der Ordnung wie andere große Reiherarten. Sein Aufenthalt hat die meiſte Aehnlichkeit mit dem des Fiſch⸗ reihers; es ſind immer freie Gewaͤſſer, wo er ſchon von weitem geſehen werden kann, aber nicht die Kuͤſten des Meeres, ſondern ſowol Flußufer als Suͤmpfe, Teiche und andere ſtehende Gewaͤſſer, an Stellen, wo ſie frei von allem Pflanzenwuchs ſind, an welchem wol jener oft, der Purpurreiher aber am Tage nie verweilt. In den ungeheuern Suͤmpfen in Syrmien und im Banat ſah ich ihn ſtets nur an den groͤßern Waſſerflaͤchen, wo vieles Vieh weidete und nur kurze Gräfer die Umgebungen bedeckten, oder auch tief in den Suͤmpfen, wo Schilf und Rohr weite Waſſerflaͤchen frei ließen; aber nie wo jenes fo dicht ſtand, daß nur hin und wieder kleine Stellen frei blieben und niemals an ſolchen Orten, an welchen ſich der Purpurreiher verſteckt hielt. Zudem ſucht er auch im Fruͤh⸗ jahr die Naͤhe der Waldungen, oder wenigſtens Gegenden, wo viele hohe Baͤume beiſammen ſtehen, wie er an der untern Donau gar viele findet, und ruht gern auf Baͤumen aus. Nicht allein an klarem Waſſer, ſondern auch im Moraſt ſieht man ihn oͤfters bis an die Ferſen ſtehen oder nach Nahrung umher ſchleichen. Dem Anſchein nach iſt ihm ſtehendes oder langſam fließendes Waſſer auf Schlammboden lieber als ſchnell rauſchendes mit ſandigem Boden. Die furchtbaren Suͤmpfe und moraſtigen Strecken jener Laͤnder bieten ihn uͤberall die gewuͤnſchte Auswahl, da ſich oft kleine Fluͤßchen durch den Moraſt winden und alle un⸗ bedeutenden Waſſerlachen von kleinen Fiſchen wimmeln. 94 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. Eigen ſch aft e n. Der große Silberreiher iſt ein durch Eleganz und hoͤchſte Ein⸗ fachheit feines Gefieders ausgezeichneter, die andern weißen Neiher: geſtalten durch ſeine anſehnlichere Groͤße uͤberſtrahlender, herrlicher Vogel; unvergleichlich der Anblick vieler dieſer, weit in die Ferne leuchtenden, hehren Geſtalten beiſammen, ſowol wenn ſie durch die Luft ſteuern, wo oft die Sonnenſtrahlen das reinſte Weiß ihres Gefieders bis zum Blenden ſteigern, oder auch, wenn ſie an den dunkeln Ufern eines Gewaͤſſers ſtehen. Hierbei tragen ſie zwar auch den Rumpf ſtark aufgerichtet, den Hals in gedruͤckter Sform nieder⸗ gelegt, ſtehen aber viel hoͤher auf den Beinen und bieten eine bei weitem weniger barocke Figur zur Schau, als der Fiſchreiher. Naͤhert ſich ihnen ein verdaͤchtig ſcheinender Gegenſtand, dann dehnt ſich, indem fie einige langſame Schritte thun, der lange, dünne Hals, jedoch nicht fo ſtark, daß er die Biegungen eines S ganz ver⸗ loͤre, und nie ſo ganz gerade, wie in ſolchen Faͤllen beim Fiſch⸗ reiher, aus, mit deſſen ſonſtigen Bewegungen uͤbrigens auch die unſres Silberreihers große Aehnlichkeit haben. 5 Waͤre die Farbe nicht ſchon hinreichend ihn augenblicklich, auch in weiter Ferne, ſogleich vom Fiſchreiher zu unterſcheiden, ſo wuͤrde es ſeine ſchlankere Geſtalt gewiß ſein, und fuͤr den Geuͤbten ſelbſt ein weißer Fiſchreiher gegen den Silberreiher ſich ſicher kennt⸗ lich genug auszeichnen. Obgleich im Fluge eben ſo wie bei jenem, der Hals im Zickzack nieder gebogen, das Genick auf dem Anfang des Ruͤckens, der Schnabelkiel auf der Gurgel ruht, die Fluͤgel eben ſo gebogen und auf aͤhnliche Weiſe bewegt werden, ſo ſind dieſe doch ſo viel laͤnger oder vielmehr ſchmaͤler, und die hinten gerade hinausgeſtreckten Beine um ſo viel laͤnger, daß dieſes auffallend genug wird; dazu ſieht der Flug leichter aus, die Bewegungen der Fluͤgel ſcheinen ſchneller oder doch weniger traͤge, und er wird auch oͤfter auf kurze Strecken ſchwebend. Von andern großen weißen Stelzvoͤgeln unterſcheidet ihn die Reihergeſtalt und der Reiherflug, vom kleinen Silberreiher ſeine weit betraͤchtlichere Groͤße. In feiner ganzen Haltung wird mehr Anſtand, in feinem Be— tragen weniger ſteife Traͤgheit bemerklich; aber er iſt ebenfalls ſehr ſchlau und vorſichtig, doch lange nicht ſo ſcheu wie der Fiſchrei— her. Auf eine Annaͤherung von etlichen Hundert Schritten geht er noch ziemlich ruhig ſeiner Nahrung nach, bleibt, wenn ſich ein ihm Verdaͤchtiger noch mehr naͤhert, etwa auf 200 Schritte, ihn XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 95 aͤngſtlicher beobachtend, ſtehen, und entflieht gewoͤhnlich erſt auf 150 bis 100 Schritt Entfernung, wovon er jedoch gegen ihn nicht beachtende Perſonen, vorzuͤglich gegen Weiber, eine ſo bedeutende Ausnahme macht, daß ich ein Mal mehrere große Silberreiher, nebſt vielen kleinen oder Seidenreihern und Schopfreihern ganz in der Naͤhe Waͤſche reinigender Weibsperſonen unbefangen ihrer Nahrung nachgehen ſahe. Er iſt ziemlich geſellig, am meiſten in der Fortpflanzungszeit, auch gegen andere Reiher, namentlich der eben erwaͤhnten Arten, fliegt jedoch nie mit ihnen, ſo wie er an den allgemeinen Sammel⸗ plaͤtzen vielartiger Sumpfvoͤgel wol gern unter dieſen verweilt, aber ſich weiter nicht um ſie kuͤmmert. Ein dumpfes, heiſeres, nicht weit vernehmbares Rha! iſt die einzige Stimme, die ich nur ein Mal von einem ſolchen gehoͤrt habe; ich konnte auch von Niemand erfahren, ob er, außer dieſem, a andere Toͤne hören laſſe. In Slavonien hat man oft Junge auferzogen und ſolche unter anderm Gefluͤgel auf dem Hofe gehalten, was eben ſo leicht gelang als bei andern Reiherarten. Da er ſich hier ſehr reinlich und ſchmuck haͤlt, dabei ein ſtattlicher und zierlicher Vogel iſt, ziem⸗ lich zahm wird, auch Jahre lang ausdauern ſoll, fo mag ein fol: cher viel Vergnuͤgen gewaͤhren; mir war es jedoch nicht vergoͤnnt, einen ſolchen gezaͤhmten Silberreiher beobachten zu koͤnnen. Nahrung. Dieſe beſteht, wie bei den vorhergehenden Arten, hauptſaͤchlich in Fiſchen, nebenbei wol auch in kleinen Froͤſchen, Froſchlarven, Waſſerinſekten, Wuͤrmern, Maͤuſen, auch wol ganz jungem zarten Gefluͤgel. Ich fand bloß Fiſche, dieſe in Menge, die größeften aber nur wie ein Finger lang, in ſeinem Magen. Er ſucht ſie im ſeichten Waſſer und Moraſt am Tage 5 und faͤngt ſie beſchleichend und durch Vorſchnellen ſeines Schnabels, wie mit einer Harpune. An den Orten, wo er fiſcht, ſieht man ihn wol manchmal nicht ſchon aus der Ferne, weil ſie hinter hohem Rohr oder Gebuͤſch liegen; naͤher geſehen ſind es jedoch immer groͤßere freie Plaͤtze und viel oͤfter noch ſolche Gewaͤſſer, welche ganz von allen hoͤhern Pflanzen frei ſind und kahle Umgebungen haben. Auch im fließenden Waſſer fiſcht er gern. Er wechſelt am Tage ſeine 96 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. Fangeplaͤtze oft, ſtreicht jedoch beſonders gegen Abend am meiſten von einem zu dem andern umher, ſcheint aber, fo viel mir zu beob⸗ achten vergoͤnnt war, in der Nacht nicht zu fiſchen. Da in jenen Laͤndern faſt alle Suͤmpfe und Waſſerlachen von Fiſchen und Fiſch⸗ brut wimmeln, ſo findet er dort ſeine Tafel allenthalben beſetzt und hat ſelten noͤthig nach andern Nahrungsmitteln ſich umzuſehen. Fo ret pef han z ung. Die ſchon oft ausgeſprochene Klage, daß ich zu einer dem Beobachten der Voͤgel ſehr unguͤnſtigen Jahreszeit in Ungarn war, die freilich von nicht abzuaͤndernden Verhaͤltniſſen bedingt wurde, — daß ich jene fuͤr die Ornithologie ſo uͤberaus reichen Laͤnder nicht in der Fortpflanzungszeit der Voͤgel bereiſen konnte, muß ich auch jetzt wiederholen, wenn ich mich in Gedanken zuruͤck verſetze auf die das hoͤchſte Intereſſe erregende Reiherinſel, eine Donauinſel, ſehr nahe bei Belgrad. Dieſe kleine, anmuthige, dicht bewaldete Inſel moͤchte man das Paradies der weißen Reiher nennen; denn große und kleine Silberreiher, auch Schopfreiher, Nacht— reiher u. a. m. bewohnen ſie in der Fortpflanzungszeit zu vielen Hunderten, vielleicht Tauſenden; auf allen Bäumen, hoch und nie: drig und im Geſtraͤuche, dicht neben einander, ſtehen ihre Neſter, zuſammengedraͤngt, wie bei uns die der Saatkraͤhen; auf einem Baume, in einem Strauche oft mehrere zugleich. Sie niſten in ſo großer Menge dort, daß die zu jener Zeit daſelbſt herrſchende eigen— thuͤmliche Regſamkeit und froͤhliche Geſchaͤftigkeit der Voͤgel dieſer ſonſt ſtillen Inſel ein wunderbares Leben verleihen, das viele Be— wohner des benachbarten Semlins, Schuͤtzen und Nichtſchuͤtzen, anzieht, an ſchoͤnen Tagen auf einem Nachen (Schinakel) hinuͤber zu ſteuern, um ſich einige Stunden lang zu ergoͤtzen an dem viel— ſeitigen, lebensfrohen Treiben der wirbelnden Menge dieſer herrli— chen ſchneeweißen Voͤgel, waͤhrend andere unter ihnen ſich mit Schie— ßen beluſtigen, wo 20 bis 30, oder noch mehr, meiſtens Junge, an einem ſolchen Nachmittage (wo man zuweilen Hunderte bloß zur Luſt toͤdtet), zu erlegen, fuͤr Einen Schuͤtzen noch keine beſondere Schießfertigkeit erfordert. Sie erzählten mir mit Entzuͤcken von die⸗ ſen Herrlichkeiten, wie bei uns wol von den Metzeleien an den Bruͤteorten der Saatkraͤhen zu geſchehen pflegt. — Man kann fi denken, wie mir bei ſolchen Erzählungen zu Muthe war, und » XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. 97 mit welchen Empfindungen ich am 1. September 1835 an dieſer Inſel herumfuhr, die jetzt fo völlig ausgeſtorben ſchien, daß ſich, wenigſtens am Waſſerrande oder fliegend, auch nicht eine jener gei— ſteraͤhnlichen, weißen Geſtalten, nicht ein Mal ein andrer intereſſan⸗ ter Vogel darauf ſehen ließ. So lange ich in dem freundlichen Semlin verweilte, ſchauete ich taͤglich mit Betruͤbniß nach der ſtil— len Inſel hinüber, und vermochte den Wunſch nicht zu unterdruͤcken, hier ein Mal zur rechten Zeit Nachleſe halten zu koͤnnen. Einſtwei⸗ len mußte ich mich mit dem begnuͤgen, was mir glaubhafte Leute davon erzaͤhlten. se Nach dieſen niſtet der große Silberreiher auf jener Inſel in nicht unbedeutender Anzahl, die jedoch in keinem Vergleich ſteht mit der, in welcher die kleine Art ſich daſelbſt ſindet. Er thront dort ſtandesgemaͤß uͤber die andern, haͤlt die hoͤchſten Baͤume beſetzt und überläßt die niedrigern Niſtſtellen dieſen. Er bauet fein Neſt auf die ſtarken Aeſte der Bäume, meiſtens hoch oben oder auf den Wi⸗ pfel. Zur Grundlage des großen ſperrigen Neſtes verbraucht er viele ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere duͤrre Reiſer, dann folgen meiſtens trockne Rohrſtengel und Schilf, zuletzt Blaͤtter von dieſen, welche in der Mitte eine Vertiefung bilden, worin man 3 bis 4 einfarbige blaßblaugrüne Eier findet, welche denen des Purpurreihers an Geſtalt und Faͤrbung aͤhneln, aber groͤßer, faſt wie die zahmer En⸗ ten, ſind. Das Ab- und Zufliegen der Maͤnnchen, welche die bruͤtenden Weibchen mit Futter verſorgen, wird von den Schuͤtzen, die jene der ſchoͤnern Schmuckfedern wegen am liebſten ſchießen, fleißig beachtet; wenn ſie aber Junge haben, und die ſorgſamen Al⸗ ten unaufhoͤrlich hin und her ſchwaͤrmen, ſchießt man ſie ſchon nicht mehr ſo gern, weil dann die Federn bereits viel ſchlechter gewor⸗ den ſind. ö In manchen andern Gegenden jenes Landes, z. B. im ſchwar⸗ zen Sumpf (Banat), an der Theiß und anderwaͤrts ſoll auch hin und wieder ein einzelnes Paͤaͤrchen dieſer Reiher im Schilfe oder Rohre großer Sumpfſtrecken, nach Art der Purpurreiher, niſten. Dies iſt leider Alles, was ich Glaubhaftes uͤber die Fortpflan⸗ zung des Silberreihers habe erfahren koͤnnen. Es iſt wenigſtens dem nicht entgegen, was wir bereits durch Pallas, von denen in der Naͤhe des ſchwarzen Meeres niſtenden, wiſſen. Ir Theil. 5 7 98 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. Feinde. ee Es iſt mir nicht bekannt geworden, ob Raubvoͤgel oder Raub⸗ thiere ihm oder ſeiner Brut Schaden zufuͤgen, und eben ſo wenig, ob ſchmarotzende Geſchoͤpfe auf oder in feinem Körper wohnen. Jagd. Er iſt zwar viel leichter zu ſchießen als der Fiſchreiher, weil er lange nicht fo vorſichtig iſt und ſich noch beſchleichen läßt, wenn er den Schuͤtzen auch ſchon von Ferne bemerkt hatte; jedoch find alte Voͤgel immer ſcheu genug, um allen Bemuͤhungen des Schuͤtzen, ihnen verſteckt anzukommen, zeitig genug durch die Flucht zu entge⸗ hen, und faſt nur auf dem Anſtande oder beim Neſte zu erlegen. Daß die vielen Nachſtellungen, welchen er in Ungarn, namentlich in der Zeit, wo ſein Gefieder am ſchoͤnſten, fortwaͤhrend ausgeſetzt iſt, feine Vorſicht mehr und mehr wecken und fein ſcheues Beneh⸗ men gar ſehr verſtaͤrken, geht daraus hervor, daß junge Voͤgel, die wenig beachtet werden, ſich in einem weit geringern Grade ſcheu zeigen, und in dieſer Hinſicht mit den Jungen jener Art gar nicht verglichen werden koͤnnen, welchen Furcht und Menſchenſcheu ange— boren find, während fie beim Silberreiher erſt nach und nach hervor: gerufen werden. — Einen recht ſchoͤnen alten Silberreiher erlegt zu haben, haͤlt der gemeine Wlache oder Serbler (Raatze) fuͤr einen Triumph ſeiner Schießfertigkeit, was es eigentlich nicht iſt, ſobald man die Manieren kennt, wodurch man zum Schuß gelangen kann, die freilich oft nur mit Anſtrengungen und vieler Geduld auszufuͤh— ren ſind. Aber nicht allein Stolz iſt es, eines ſolchen Vogels hab— haft zu werden, ſondern mehr noch der Reiz des Gewinns, den die ſchoͤnen Schmuckfedern bringen, die er ſofort ausrupft, auf ſeine Muͤtze ſteckt und den herrlichen Vogel wegwirft. Zum Ausſtopfen und fuͤr Sammlungen kann man daher von dieſen Leuten ein unberupftes Exemplar nur zu einem Preiſe erſtehen, welcher dem, den dieſe aus den Schmuckfedern ziehen wuͤrden, weit uͤberlegen iſt. Nutz en. Nicht des Fleiſches wegen, das man jedoch nicht fuͤr ungenieß— bar hält, ſtellt man dem großen Silberreiher fo ſehr nach, ſondern N | | XII. Ordn. LXVI. Gatt 252. Silberreiher. 99 der herrlichen, langen, zartgebaueten, über den Hinterkörper herabwal⸗ lenden, ſchneeweißen Schmuckfedern wegen, die in Ungarn und weiter ſuͤdoͤſtlich gelegenen Laͤndern im hohen Werthe ſtehen, indem man ſie als Federbuͤſche auf der Kopfbedeckung anbringt, wo ſolche fuͤr eine große Zierde gehalten werden und es in der That auch ſind. Es giebt ſchwerlich noch ein anderes Federgebilde in der Natur, das zu dieſem Behuf ſich ſchoͤner machte, als dieſe Reiher— federn mit ihren an langen, duͤnnen, ſchwankenden Schaͤften in ab⸗ gemeſſenen Zwiſchenraͤumen ſitzenden, blendendweißen, zarten, von jedem Lufthauch bewegten Federbaͤrten, die ihres Gleichen nur an denen der amerikaniſchen Art (Ardea leuce) finden und ihrer viele in einem großen Buſche vereint, ein wahrhaft hoͤchſteleganter Putz ſind. Sie waren daher und ſind auch jetzt noch fuͤr Ungarn und die Tuͤrkei eine koſtbare Handelswaare. * Als ein allgemein beliebter und geſuchter Artikel fuͤr den Han⸗ del im Lande find dieſe Reiherbuͤſche in allen größern Städten Un: garns uͤberall neben andern Koſtbarkeiten zum Verkauf ausgeſtellt, und uͤberſtrahlen, nach der allgemeinen Meinung, alle andern Feder⸗ zierden, die beilaͤufig jene großherzige Nation ſehr liebt, wozu nicht allein die vom kleinen Silberreiher, die ihnen jedoch weit nach: ſtehen, ſondern auch die gekraͤuſelten Hinterfluͤgelfedern der grauen Kranichs, eine einzelne Fluͤgel- oder Schwanzfeder eines großen Adlers, ſogar einzelne ſchoͤne Sichelfedern des Haushahnen ge⸗ hoͤren. Im reichen Nationalcoſtuͤm, den Kalpak auf dem Haupte und dieſen mit einem hohen Buſch von den Federn des großen Sil⸗ berreiher 5 geziert, prangt der edle Ungar bei feſtlichen Gelegenheiten, und ein recht ſchoͤner Reiherbuſch it fein Stolz. Auch Damen tra⸗ gen fie zu hohem Putze. Ein ſolcher Buſch hat einen nicht unbe⸗ deutenden pecuniaͤren Werth. Ich ſahe einen ſolchen (nicht in Un- garn; denn auch im Auslande, beſonders bei den hoͤchſten Militaͤr⸗ chargen, ſtehen dieſe Reiherbuͤſche ebenfalls im hohen Werthe), wel⸗ cher mit 100 Carolin bezahlt war, obgleich er nur einfach, freilich aus einer großen Menge der ſchoͤnſten Federn, zuſammengeſetzt war, naͤmlich ohne Hinzufuͤgung von Gold u. ſ. w. Denn in Ungarn vereint man gewoͤhnlich die einzelnen Federn unten in eine goldene Kapſel mit Stiel, ſehr oft iſt dieſe ſogar mit Brillanten beſetzt, und dann kann ein ſolcher Buſch weit uͤber 1000 Gulden an Werth haben. Recht ſchoͤne einzelne Federn bezahlt man oft aus der erſten Hand mit 1 fl. das Stuͤck, und es gehoͤren gar viele ſolcher zu einem maͤßig hohen Buſche, vielleicht von 5 bis 6 alten Silberreihern, 7 * 100 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 252. Silberreiher. wenn man alle nimmt, die man bei dieſen antrifft; waͤhlt man aber bloß die ſchoͤnſten aus, ſo gehoͤren vielleicht mehr als noch ein Mal ſo viele dazu. Sogar Schuͤtzen, die den Werth kennen und die Fe⸗ dern der erlegten Reiher an den Juwelier oder Kurzwaarenhaͤndler verkaufen, haben oft die von einem einzigen alten Vogel, wenn ſie recht ſchoͤn waren, mit 10 fl. C. M. bezahlt erhalten. Man nennt dieſe Federbuͤſche vorzugsweiſe Egretten, von dem Franzoͤſiſchen: Aigrette, womit eigentlich jeder loſe, flatternde, buſchartige Zierrath, wenn auch nicht von Reiherfedern, bezeichnet wird, unſerm Vogel aber ſeinen Beinamen verſchafft hat. Ob die ſchmalen, langen, zugeſpitzten Federn, welche dem alten Silberreiher am Vorderhalſe herabhaͤngen, in Ungarn nicht auch zu Federbuͤſchen benutzt werden, habe ich nicht erfahren koͤnnen; ſie verdienten es allerdings. Schaden. Daß der Silberreiher viele Fiſche vertilgt, iſt gewiß; man rechnet ſie ihm jedoch in jenen Laͤndern, wo die Gewaͤſſer, trotz der großen Menge Fiſche freſſender Vogel, doch fiſchreicher als irgendwo ſind, nicht ſo hoch an, als dies in einem kultivirteren Lande geſche⸗ hen wuͤrde. 3 Ya n 5 1 e 2 e a 17 K 3 N nn 253 R N a 8 Der Seiden ⸗Reiher. 7 Ardea garzetta. Linn. Sig. 1. Altes Maͤnnchen. a 1 Fig. 2. Junges Weibchen. Kleiner Silberreiher, kleiner weißer Reiher, weißer Zwergreiher, | Straußreiher, weißer Reiher, gelbzehiger Reiher; kleine Aigrette. Ardea Garzella, Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 628. n. 13. — Lath. Ind. II. p. 603. n. 64. Ardea candidissima. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 633. n. 45. — Jaeguin, Beitr. ©. 18. v. 13. Arden nivea. Gmel. Linn. syst. I. 2, p. 640. n. 39. -S. G. Gmel. Nov. com. Petrop. XV. p. 458. t. 17. Ardea xanthe- dactylos. S. G. Gmel. Reis. III. p. 253. L'Aigretie. Buff. Ois. VII. p. 372. t. 20. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 79. t. 25 f. 3. — La Garzette blunche. Buff. Ois. VII. p. 371. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 77. — Gerard. Tab. élém. II. p. 131 * 133. — Temminck. Man. d' Orn. II. p. 574. — Little Egret. Lath. Syn. V. p. 90. n. 59. — Ueber. von Bechſtein, III. 1. S. 61. u. 59, — Penn. aret. Zool. p. 447. — uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 414. n. 262. u. S. 415. n. 264. = = Bewick. brit. Birds. II. p. 45. — Sgarza minore bianca. Stor. degl. Use. IV. Tav. 423. & 424, — Airone ne. Savi. Oro. tosc. II. p. 348. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 42 43. 44. — Deſſen, ornit. Taſchenb. II. S. 262. n. 6. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 337, — Meisner u. Schinz, Vögel d. Schweiz. S. 188. n. 183. - Koch, Baier. Zool. I. S. 334. n. 208. Brehm, Lehrb. II. S. 352. Deſſen Naht. a. V. Deutſchl. S. 7 586387. Gloger, Schleſ. Fauna. S. 49. n. 213. = Naumann's Ey alte Ausg., DA S. 319, Taf, XLVH. Fig. 92. (Weibchen.) N * RR Kennzeichen der Art. Rein weiß; 24 Zoll lang. 102 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. Beſchreibung. Der kleine Silberreiher, wie man dieſen Reiher am gewoͤhn⸗ lichſten nennt, unterſcheidet fich vom großen Silberreiher auf den erſten Blick durch die geringere Groͤße, die uͤber ein Drittheil weniger iſt, ſo daß er gegen jenen, welcher zu den wirklich großen Reihern gehoͤrt, ſo klein ausſieht, daß er auch den Ungeuͤbten ſogleich als beſondere Art auffallen muß, ſelbſt wenn er beide in noch ſo großer Entfernung neben einander ſaͤhe. Unter den Reihern hat er nur eine mittlere Groͤße, und unterſcheidet ſich deshalb wieder leicht von einer noch kleinern Art aus Suͤdamerika, welche von La- tham wie im Berliner Verzeichniſſe: Ardea nivea, von Wilſon (f. Americ. Ornith. VII. p. 120. t. 62. F. 4.) und Wagler (f. Systema avium) Ardea candidissima genannt iſt, deſſen alter Vogel eben ſolche zerſchliſſene Federn am Hinterkopfe und an der untern Halswurzel wie auf dem Ruͤcken und den Schultern hat, und von welcher der junge Vogel (wenigſtens nach einem Exemplar, was ich von St. Domingo erhielt) an den aͤußerſten Spitzen der großen Schwingfedern braunſchwarz gefleckt iſt und beinahe gar keine Haube hat. — Noch uͤberſchreitet die ſuͤdlichſten Grenzen unſres Erdtheils zuweilen eine aͤhnliche kleine weiße Reiherart, welche kleiner als A. garzetta iſt und kein durchaus rein weißes Gefieder trägt, indem beſonders der Ober- und Hinterkopf nebſt dem Mittelruͤcken einen ſtarken iſabellfarbenen oder roͤthlichroſtgelben Anſtrich hat. Es iſt dies die auf Cypern häufige A. coromandelica des Berl. Verz. oder Ardea russata, Wagler, welche wegen des länger befiederten Hal- ſes und ſonſt nach Geſtalt und Lebensart recht eigentlich in der Mitte ſteht, zwiſchen den kleinen weißen oder Silberreihern und dem Schopfreiher. f In neuern Zeiten hat der verſtorbene Michahelles geglaubt, in Italien eine noch andere kleinere Art Silberreiher aufgefun⸗ den zu haben, die er Ardea jubata nannte, welche der A. garzetta ſehr aͤhnlich, nur 21 Zoll (mit dem Schnabel) lang ſein, einen etwas gebogenen Schnabel und am Genick einen herabhangenden maͤhnenartigen Federbuſch haben ſoll. ' Unſer kleiner Silberreiher iſt am Rumpfe kaum größer als eine gewöhnliche Taube, der alte Vogel hoͤchſtens wie eine Ringel⸗ taube, wenn man ſich das Volumen des Koͤrpers dieſer mehr in die Länge gezogen und von den Seiten ſtark zuſammengedruͤckt den⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. 103 ken will; allein feine langen Ertremitäten geben ihm ein viel grö- ßeres Ausſehen. 0 Die Maaße des alten Vogels ſind, ge 1 Fuß 9 ¼ bis 401, Zoll; Flugbreite: 3 Fuß 6 bis 10 Zoll; Fluͤgellaͤnge (vom Bug, bis zur Spitze): 12 bis 12% Zoll; Schwanzlaͤnge: 4 bis 4 Zoll; des jungen (über 3 Monat alten) Vogels Länge: 1 Fuß 71], bis 83|, Zoll; Flugbreite: 3 Fuß 21], bis 31½ Zoll; Fluͤgellaͤnge: 11 bis 115% Zoll; Schwanzlaͤnge: 3 1½ bis 35 Zoll. Das Gefieder iſt noch weicher, zarter und ſeidenartiger als am großen Silberreiher, aber den Umriſſen nach ihm im Allgemeinen völlig gleich. Die Flügel haben ſehr breite Federn, beſonders beim alten Vogel; beim jungen (im Jugendkleide) ſind die Schwing⸗ federn auffallend ſchmaͤler und die vorderſten ſpitzer. Uibrigens ha⸗ ben dieſe, hier wie dort, ſtumpf zugeſpitzte oder vielmehr zugerun⸗ dete Enden, von welchen das der erſten ein wenig kuͤrzer als das der zweiten und dritten (die von gleicher Laͤnge), und mit dem der vierten großen Schwingfeder gleichlang iſt. Der Schwanz hat 12 breite abgerundete Federn, von denen die aͤußerſten wenig kuͤrzer als die mittelſten ſind. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel ragen bei den Alten oft gegen 2 Zoll, bei Jungen wenig oder gar nicht uͤber das Schwanzende hinaus. Dier Schnabel iſt ſchlank und geſtreckt, nach vorn allmaͤhlig ver⸗ juͤngt und duͤnn zugeſpitzt, mit ſcharfkantiger Firſte und Kiel, erſtere nach der Spitze kaum merklich herabgebogen, letzterer mit ſehr ſchma⸗ ler Kehlſpalte; die Mundkanten ſchneidend ſcharf, die des Dberfihna- bels vor der Spitze mit einem kleinen Ausſchnitt. Das Naſenloch, ein ſchmaler Ritz, liegt dicht an der Schnabelbaſis in einer weichen Haut, welche von obenher ein ſchwaches Raͤndchen über der Oeff— nung bildet und fie verfchließbar macht, nach vorn aber an den Schnabelſeiten in eine mit der Firſte parallele, nicht fern von der Spitze endende, ſchmale Furche verläuft. Er hat bei alten Bo: geln eine Laͤnge von 3 Zoll 8 bis 10 Linien, und iſt an der Wur⸗ zel im Durchſchnitt 8 Linien hoch, aber auch 6 Linien breit, weil er hier viel weniger ſchmal als gegen die Mitte hin iſt; bei den erwachſenen Jungen beträgt dagegen feine Länge kaum 3 Zoll, die Hoͤhe an der Wurzel 6 Linien und die Wie hier nur 5è Linien. Die Faͤrbung des Schnabels im Leben iſt bei den letztern oben⸗ her und an der Spitze blauſchwarz, am Unterſchnabel, bald mehr, bald weniger, hauptſaͤchlich wurzelwaͤrts, ſo wie die ganzen nackten 104 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. Zuͤgel lichtaſchblau, dieſe gegen das Auge hin und die nackten Au⸗ genlider zuweilen ins Gruͤnliche ſpielend; — an den Alten faſt ganz ſchwarz, nur an der Wurzel des Unterſchnabels wenig hell⸗ blaͤulichaſchgrau, zuweilen auch fleiſchfarbig, wovon ſich ſelten auch etwas oberwaͤrts an den ſchwarzen Zuͤgeln oder um das Auge herum zeigt, denn dieſe ſind gewoͤhnlich durchaus matt ſchwarz, blau beduf⸗ tet, an und neben den Augenliedern gruͤnlich; im Fruͤhjahr ſind bei dieſem Schnabel und Zuͤgel faſt ganz gleichfoͤrmig tief und glaͤnzend ſchwarz. Der innere Schnabel iſt nach vorn zu ſchwarz, auch die Zunge fo, nach dem Rachen zu gelblich oder roͤthlich. — An aus geſtopften alten Voͤgeln wird der Schnabel faſt durchaus glaͤnzend ſchwarz, die lichten Flecke an der untern Baſis, ſo wie die Raͤnder der nackten ſchwarzen Zügel horngelblich; an jungen jener im aus: getrockneten Zuſtande grauſchwarz, an der Unterkinnlade livid, die Zuͤgel duͤſter braun. Das kleine, ſehr lebhafte Auge hat bei erwachſenen Jungen eine hellſchwefelgelbe, bei den Alten eine hochſchwefel- oder faſt zitronengelbe, praͤchtig gefaͤrbte Iris. „Die ſchlanken Fuͤße haben verhaͤltnißmaͤßig dieſelbe Hoͤhe, die Zehen und Krallen dieſelbe Lange und Geſtalt wie beim großen Silberreiher. Sie ſind hoch uͤber die Ferſe hinanf nackt, die ſtar⸗ ken Läufe bedeutend zuſammengedruͤckt, die aͤußere und mittlere Zeh mit einer kurzen Spanhaut an der Baſis, die Hinterzeh etwas ſchwaͤchlich. Ihr Uiberzug iſt vorn herab an Schiene und Lauf in ſehr große Schildtafeln, hinten in viel kleinere und zwiſchen den Reihen beider, an den Seiten des Laufs, in noch kleinere zerkerbt; die Zehenruͤcken grob geſchildert, die Zehenſohlen flachwarzig; die Krallen mittelmaͤßig, flach gebogen, ſchmal, ſpitz, unten mit einer Rinne, die der Hinterzeh die groͤßte und etwas ſtaͤrker gebogen als die uͤbrigen, die der Mittelzeh mit vorſtehendem fein gezaͤhnelten Rande auf der Innenſeite. Die Maaße ſind folgende: Bei den Alten, die Länge des nackten Theils über der Ferſe 2 Zoll 5 Li: nien; die des Laufs 4 Zoll 7 Linien; die der Mittelzeh, mit der 6 Linien langen Kralle, 3 Zoll 1 Linie; die Laͤnge der Hinterzeh, mit der 8 Linien langen Kralle, 1 Zoll 11 Linien; — bei erwach⸗ ſenen Jungen, wo die Ferſengelenke noch etwas dick, die Krallen noch kleiner, die Fuͤße im Ganzen auch kleiner ſind, mißt der nackte Theil der Schiene 2 Zoll 3 Linien; der Lauf 4 Zoll; die Mittelzeh mit der nur 5 Linien langen Kralle, 2 Zoll 4 Linien; die Hinter⸗ zeh, mit der kaum 7 Linien langen Kralle, 1 Zoll 8 Linien. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. 105 Die Farbe der Fuͤße iſt am lebenden alten Vogel, von oben herab, an Schiene, Ferſe und Lauf glaͤnzend ſchwarz, die Zehen im Fruͤhjahr lebhaft gruͤnlichgelb, im Herbſt ſchoͤn hellgelbgrün, dies am Ballengelenk ſcharf vom Schwarzen getrennt; die Krallen braun, ſpitzewaͤrts ſchwarz. In fruͤher Jugend, wenn der junge Vogel kaum flugbar, ſind ſie durchaus hell gelbgruͤn; bald nachher faͤrben ſich aber zuerſt die großen Schilder auf dem Spann, und nach und nach mehrere Theile ſchwarz, ſogar die Zehenſchilder bekommen ſchwaͤrzliche Flecke u. ſ. w.; ſpaͤter, am 3 Monate alten Vogel, ſind ſie endlich matt ſchwarz, am Unterſchenkel und der Ferſe ſchmutzig blaßgruͤn, an den Zehen und Sohlen gelbgrün. — Im Tode und ausgetrockneten Zuſtande werden ſie unſcheinbar, bei letzterm matt ſchwarz, ſelbſt an den Zehen, dieſe am blaſſeſten, in den Zwiſchen⸗ raͤumen oder Fugen der Schilder, am meiſten aber an den Zehenſoh⸗ len, ſtaubartig gelblichgrau; bei den Alten glaͤnzend ſchwarz, nur die Schilder auf den Zehenruͤcken grauſchwarz, ihre Fugen und die Zehenſohlen duͤſter graugelb, alſo keine Ahndung von jenem ſchoͤnen Gelb der ganzen Zehen mehr. Wenn der junge Seidenreiher dem Eie entſchluͤpft, entwickelt ſich ſehr bald ſein Dunenkleid. In dieſem ſind ſein kurzes Schnaͤbelchen und ſeine kleinen weichen Fuͤßchen blaß bleifarbig, der Augenſtern weiß, und alles Uibrige iſt mit ſchneeweißen, ſeidenwei⸗ chen, faſerichten Flaum bedeckt, welcher nicht ſehr dicht ſteht, und auf dem Kopfe und Ruͤcken am laͤngſten iſt. Hat er ſein erſtes Federkleid, das ſogenannte Jugendkleid, vollſtaͤndig und ſchon uͤber 2 Monate getragen, ſo zeigen ſich die Federn am Hinterhaupt etwas verlaͤngert, ohne eine merkliche Haube zu bilden, wenn ſie nicht der gereizte Vogel aufſtraͤubt; am Vorder⸗ halſe unten uͤber der Bruſthoͤhle ſind die Federn verlaͤngert, locker, und hangen zuweilen, beſonders wenn er den Hals einzieht und niederlegt, buſchicht herab; wenn er ſich ſchlank macht, ſind aber weder dieſe noch jene beſonders auffallend. Das uͤbrige Gefieder hat nichts Ausgezeichnetes, als daß es von einem ungemein feinem Gewebe iſt, und ſich ſo weich wie Seide anfuͤhlen laͤßt. Es iſt durchaus von einem ungetruͤbten, reinen, blendenden Weiß, wie frifch: gefallener Schnee, an dem eben erlegten Vogel ſo zart, daß man zaudert es anzugreifen, weil man befürchtet, es zu verderben. — Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich bloß in der Groͤße, denn das Männchen ift ſtets etwas größer als das ſchwaͤchlichere Weibchen. Im zweiten Fruͤhlinge erſcheint der maͤnnliche Seiden⸗ 106 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. reiher am Scheitel mit etwas verlaͤngertem Federbuſch; an der Kropf: gegend hängt ein Buſch zerſchliſſener Federn loſe herab, deren lange Enden ſehr ſchmal und verjuͤngt zugeſpitzt, langen duͤnnen Nadeln ähnlich, im Winde flattern; die laͤngſten Schulterfedern, die ſchoͤn⸗ ſten und wunderbarſten von allen Schmuckfedern, ſind außerordent⸗ lich verlaͤngert, uͤber 7 Zoll lang, mit aͤußerſt feinen, wie ſtraffe Haare endenden Schaͤften, die mit einer ungemein zarten Fahne, aus den feinſten Bartſtrahlen, ohne Zuſammenhang, in ziemlich wei⸗ ten, aber gleichmaͤßigen Abſtaͤnden beſetzt ſind, die wurzelwaͤrts bis 3 ½ Zoll lang, an den Enden, die ſich oft etwas aufwaͤrts kruͤm⸗ men, aber um Vieles kuͤrzer find, und meiſtens, beſonders ſpitze⸗ waͤrts, in ſtumpfen Winkeln vom Schafte abſtehen. Dieſe herrli— lichen Federn liegen als ein loſer Buſch auf dem Ruͤcken des hin- tern Theiles der ruhenden Fluͤgel und reichen bis zu deſſen Spitze. — Das Weibchen von gleichem Alter hat dieſe Federn nicht nur in weit geringerer Anzahl, ſondern auch kuͤrzer und mit kuͤrzern Fah⸗ nenſtrahlen beſetzt. Das gleichalte Maͤnnchen zeichnet ſich haͤufig auch noch dadurch aus, daß im Genick ſich ſchon ein Paar aͤußerſt ſchmale, baͤnderartige, zugeſpitzte, 3 Zoll lange, loſe herabhangende Federn zeigen. Das ganze Gefieder iſt auch in dieſem Alter vom reinſten, zarteſten Weiß. 65159 Inm dritten Fruͤhlinge iſt der Schmuck des Vogels in voll⸗ ſter Pracht oder doch ſeiner Vollendung nahe; außer den mehr ver⸗ laͤngerten Federn des Hinterſcheitels, deren Fahnen zerſchliſſen und ſeidenartig geworden, hangen vom Genick noch zwei, ſeltner drei, ſehr lange, ſehr ſchmale, baͤnderartige oder gleichbreite, endlich zuge— ſpitzte, flatternde Federn herab, von 6 Zoll Laͤnge und nur gute 2 Linien Breite; ſie haben ungemein duͤnne Schaͤfte, aber geſchloſ— ſene Fahnen. An der Kropfgegend haͤngt ein flatternder Buſch jener langen, ſonderbar gebildeten Federn, deren Baͤrte an der Wur⸗ zel zerſchliſſen ſind, uͤbrigens aber groͤßten Theils dicht an den haar⸗ artigen Schaft anliegen, wodurch dieſe Federn ganz ſchmal werden, ſich ſpitzewaͤrts ſanft verjüngen, endlich fein zugeſpitzt find und wie lange Nadeln ausſehen; ſolcher Federn, wovon die laͤngſten 5½ Zoll meſ— ſen, ſind hier oft 50 und mehr vorhanden. Der eigenthuͤmliche Bau und ihr elegantes Ausſehen machen ſie zu einer großen Zierde des Vogels. Die groͤßte deſſelben ſind jedoch die langen Schulter⸗ federn, deren wunderbare Struktur ſchon oben beſchrieben wurde, die aber hier in groͤßerer Menge les ſind ihrer mehr denn 60) und von groͤßern Umfange, von 8 1½ Zoll Länge, mit gegen die Schaft: XII. Ordn. LXVI. G att. 258. Seidenreiher. 107 wurzel bis 41], Zoll langen Bartſtrahlen, welche wie Seidenfaͤden flattern und zuſammen, als dicker Buſch, den Unterruͤcken und Hin⸗ terfluͤgel ſanft und loſe decken. — Uiber das ganze Gefieder. herrſcht das reinſte, blendendſte Weiß, das ſehr zart und empfindlich iſt, im Tode leicht fremden Schmutz annimmt und nicht genug davor ver⸗ wahrt werden kann, zumal gerade jene herrlichen Schmuckfedern, | über dem Hinterflügel, ſehr leicht einen gelblichen Schein annehmen, von dem am lebenden Vogel keine Spur zu finden iſt. Blutflecke laſſen ſich daher bei Geſchoſſenen friſch wol noch recht gut aus⸗ waſchen, aber nicht jener gruͤnlichaſchgraue Schmutz, der in das Ge⸗ fieder ſolcher eindringt, die beim Schuſſe aus der Luft in ſchwarzen Schlamm ſtuͤrzten; an ſolchen ſcheitern alle Kunſtgriffe des Aus⸗ ſtopfers. Auch in dieſem Alter und einem noch hoͤhern en ſich die Weibchen durch ihre etwas geringere Größe und an den wenis ger zahlreichen, kuͤrzern Schmuckfedern, die auch bei den Brutgeſchaͤf 25 fruͤher Schaden leiden, als die der Maͤnnchen. Vom dritten Jahr an verſchoͤnert ſich das Gefieder nur noch unmerklich; die ſchmalen Bandſtreifchen aͤhnelnden Genickfedern (nie mehr als drei) koͤnnen dann wol bis gegen 7 Zoll, die laͤngſten der wallenden Schulterfedern gegen 10 Zoll lang werden und dieſe wurzelwaͤrts bis 4½ Zoll lange Bartſtrahlen bekommen; ſolche Exemplare ſieht man aber nur ſehr ſelten. Als etwas ſehr Auffal⸗ lendes fand ich bei einem ſolchen prachtvollen maͤnnlichen Exemplar dieſer Reiherart die aͤußerſten Spitzen der beiden ſchmalen Genick⸗ federn ſchwarz gefaͤrbt, — bezweifle aber, daß dies bei allen ſehr alten Voͤgel, deren ich gar viele aber ſtets rein weiß geſehen, regel⸗ maͤßig ſo vorkomme, ſondern halte es bloß fuͤr Sache des Sylals oder gar von einer fremden Einwirkung herruͤhrend. 1 Die Mauſer iſt, wie bei andern Reiherarten, einfach, zu derſel⸗ ben Zeit und geht ebenfalls langſam von Statten. Die zarten Schmuckfedern kommen gegen das Fruͤhjahr zum Vorſchein und ſind im Anfange der Begattungszeit am vollkommenſten, leiden aber in kurzer Zeit durch Abnutzen oder Verſtoßen und werden dabei gelblich, ſo daß ſie bei den Weibchen ſchon nach einem Monat in ſchlechterm und unvollkommnen Zuſtande, und im Sommer nur noch in geringen Reſten gefunden werden; beim Maͤnnchen zwar ſich laͤnger und beſſer halten, doch auch im Laufe des Sommers ſo ſchlecht werden, daß ſie dann mahlen als ens a Pr genutzt werden können. K ER 98 * 108 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. Aufen t 0 a ı t. Der Seidenreiher oder, wie er ach oͤfterer heißt, ber Fl eine a Silberreiher, ſcheint eine weitere Verbreitung zu haben als der große, wird aber nach neuern Nachrichten ebenfalls nicht in Amerika ange⸗ troffen. Fuͤr Europa iſt er wie jener ein mehr ſuͤdoͤſtlicher als ſuͤdlicher Vogel und lebt hier, aber in weit groͤßerer Anzahl, faſt in gleichen Laͤnderſtrichen; denn er verbreitet ſich, von den Küſtengegen⸗ den des ſchwarzen Meeres an, durch die Tuͤrkei, Griechenland und Italien, nebſt Sicilien und Sardinien, bis in das ſuͤd⸗ liche Frankreich, ſo auch auf der gegenuͤberliegenden Seite uͤber einen großen Theil von Aſien, wie von Afrika, von dieſem na⸗ mentlich Aegypten, Nubien und Senegambien. Er bewohnt beſonders ſehr haͤufig das ſuͤdliche Rußland, die Moldau und Ungarn, hier am meiſten die ſuͤdlichſten Provinzen, Slavon ien Croatien und Dalmatien. Von der eben genannten Laͤnder⸗ ſtrecke koͤmmt er ſchon an deren nördlichen Begrenzung einzelner, weiter nordwaͤrts aber noch viel ſeltner vor, und iſt daher in Eng- land eine hoͤchſt ſeltene Erſcheinung; Latham ſagt jedoch, daß er in fruͤhern Zeiten dort ziemlich haͤufig geweſen ſei. Sein Erſchei⸗ nen in Deutſchland und der Schweiz, die ſuͤdlichſten Theile ausgenommen, gehoͤrt unter die ſeltenſten Zufaͤlligkeiten; in Ober: ſchleſien, hin und wieder auch wol in Mitteldeutſchland hat man einzelne Beiſpiele hiervon, aber von der noͤrdlichen Haͤlfte und Holland iſt uns keins bekannt. Er ſcheint ſich uͤberhaupt noch ſeltener als der Vorhergehende bis zu uns zu verfliegen. In unſrer Naͤhe wurde vor vielen Jahren ein Mal ein ſolcher Vogel am ſal⸗ zigen See im Mannsfeldiſchen einige Tage nach einander von den Fiſchern geſehen, aber nicht geſchoſſen. Er iſt in Ungarn und andern europaͤiſchen Laͤndern ein Zug⸗ vogel, koͤmmt als ſolcher dort im April an und verlaͤßt ſie im Sep⸗ tember wieder, meiſtens um die naͤmliche Zeit wie der große Sil⸗ berreiher, obgleich er eigentlich nicht in deſſen Geſellſchaft wandert. In den europaͤiſchen Laͤndern, die er mit dieſem in jedem Sommer bewohnt, iſt er uͤberall haͤufiger als jene große Art, in den noͤrd⸗ lichen Theilen von Ungarn zwar viel weniger, in deſſen groͤßerer Hälfte nach Süden zu dagegen deſto zahlreicher. Die meiften giebt | es in den banatiſchen und flavonifchen Militaͤrgrenzlan⸗ den, und nach der Menge zu ſchließen, die ich noch im September dort ſahe, wo bereits ein großer Theil, vorzuͤglich faſt alle Alten, XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. 109 weggezogen war, iſt es ſehr glaubhaft, daß, wie dortige Einwoh⸗ ner verſicherten, es gemeinſchaftliche Niſteorte gebe, wo man ſie zu vielen Hunderten beiſammen antraͤfe. Sie zeigten ſich damals allent⸗ halben uͤber den Suͤmpfen oder von einem Moraſte zum andern ſchwaͤrmend, und an einem freien, langen, ſchmalen, moraſtigen Teiche bei Szurcsin, einem raatziſchen Dorfe im untern Savethale, gab es am 5. September 1835 (wie Titelkupfer und Vorwort zum VIII. Thl. d. Werks darthun) ſo viele, daß ich mit meinen Beglei⸗ tern ein Mal in Verſuchung kam, ſie zuſammen zu treiben, wo uns dann der entzuͤckende Anblick ward, auf einem Raume von einigen 1000 Quadratſchritten allein 27 Stuͤck Seidenreiher, die unglaubliche Menge andrer um fie verſammelter Sumpfoögel nicht gerechnet, auf etwa 100 Schritte vor uns verſammelt und in den verſchiedenſten Stellungen zu ſehen; allein dies war doch nur ein kleiner Theil der dort anweſenden Menge, denn mehr als drei Mal ſo viele waren uns ſeitwaͤrts ausgewichen, theils ganz fortge⸗ flogen, theils hatten ſie ſich am entgegengeſetzten Theil dieſes freien Moraſtes wieder niedergelaſſen. Im ſchoͤnſten Abſtich ſtanden dieſe blendendweißen Geſtalten gegen die dort eben auch in gleicher An⸗ zahl anweſenden Schwarzſchnepfen (Ibis faleinellus), und es gewaͤhrte einen reizenden Anblick, wenn ſie nach einem Schuſſe alle zuſammen aufflogen und die Luft vom Gewimmel dieſer abſtract gefaͤrbten Vogelarten angefuͤllt war. Große freie Waſſerflaͤchen in ausgedehnten Suͤmpfen, große ſchlammige Teiche, wo wenig Schilf und kein hohes Rohr waͤchſt, die Ufer der Landſeen, auch der langſam fließenden Gewaͤſſer ge⸗ währen. ihm gewöhnlich und meiſtens einen längern Aufenthalt. Wie der Silberreiher kömmt er auch an falzigen Suͤmpfen vor, doch liebt er das Salzwaſſer nicht, und man ſagt von ihm wie von jenem, daß er unmittelbar am Meere nie anzutreffen ſei. — Er ſucht ſich ſo wenig in den hohen dichten Sumpfpflanzen zu verſtecken wie die vorige Art, iſt aber oft an ſolchen Orten, wo dieſe in kleinen Buͤ⸗ ſchen auf der Sumpf: und Waſſerflaͤche empor wachſen, und wird dadurch zuweilen, ohne es zu wollen, verſteckt, weil ſie hin und wieder nicht geſtatten, daß er aus allen Richtungen von Ferne her ſchon geſehen werden konnte. Nicht bloß ganz baumleere Gegenden, ſondern auch ſolche, wo es viele Baͤume und nahe am Waſſer Waͤldchen giebt, oder mit Bäumen und Gebuͤſch beſetzte Inſeln, wie ihm die Donau manche bietet, liebt der Seidenreiher, zumal in der Fortpflanzungszeit. Er N, h 110 XI. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. fest ſich, um auszuruhen, gern auf Bäume und nicht immer auf hohe, ſondern auch auf niedrige Aeſte und ins hohe Geſtraͤuch, doch meiſtens immer auf ſolche Plaͤtzchen, wo er wenigſtens von ein paar Seiten eine freie Ausſicht behaͤlt, nicht wie die Nachtreiher, welche ſich abſichtlich zwiſchen den gruͤnen Zweigen zu verbergen ſuchen. Daß er in der Nacht auch auf Baͤumen ſchlafe, iſt kaum zu be⸗ zweifeln; in Suͤmpfen habe ich ihn einige Mal am hellen Tage in einer Stellung, wie fie ſchon bei den vorhergehenden Arten beſchrie— ben, lange Zeit unbeweglich an einer Stelle ſtehen ſehen, daß es ganz ſo ſchien, als mache er da ſein Mittagsſchlaͤfchen. Eigenſchaften. Der Seidenreiher iſt ſeinem Aeußern nach ein im perkleite Maaßſtabe dargeſtellter Silberreiher. Muſtert man alle Theile genauer, ſo findet ſich indeſſen noch mancher andere Unterſchied als der der Größe. Sein zarterer Gliederbau, fein noch ſanfteres, fei- denartiges, blendendweißes, mit den herrlichſten Schmuckfedern gezier⸗ tes, elegantes Gefieder, verbunden mit mehr Zierlichkeit und Be⸗ hendigkeit in ſeinen Bewegungen, erheben ihn in mancher Hinſicht noch uͤber jenen. Er iſt ein gar niedliches, allerliebſtes Geſchoͤpf. Der ſchlanke, nicht uͤbermaͤßig lange, glatte Hals iſt nicht ſo eckig zuſammen gebogen, ſondern haͤlt ſich an die ſanftern Schwingungen der Sform. Der Rumpf iſt in ruhiger Stellung auch ſehr aufge— richtet, und der Hals doppelt zuſammengelegt u. ſ. w., aber die ganze Figur hat nicht das Bizarre oder Barocke der Fiſchreiherfigur, ſondern abgerundete, gefaͤlligere Umriſſe. Schreitet er weiter, fo geſchieht es, fern von dem pathetiſchen Weſen des Fiſchreihers, mit mehr Freiheit, zierlicher, behender, lebhafter als bei andern Rei⸗ hern, obgleich auch Schnelllaufen ſein Fach nicht iſt. Dieſes Alles mit ſeinem Betragen im Uebrigen vereinigen in ihm Eigenſchaften, die ihn uͤber alle einheimiſche Reiherarten erheben und zu einen unge⸗ mein anmuthigen, eleganten und liebenswuͤrdigen Vogel machen. So wie in den Stellungen, dem Gange und dergleichen das Reiherartige gemaͤßigter erſcheint, ſo auch im Fluge; hier liegt der Hals zwar eben ſo doppelt zuſammen und der Schnabel auf der Gurgel, die langen Beine ſind eben ſo hinten gerade hinausgeſtreckt, die Fluͤgel auf gleiche Weiſe gebogen, im Ellenbogengelenk hoͤher als am Urſprung und an der Spitze, allein ſie ſind ſchmaͤler, ſcheinen XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. 111 deshalb langer (doch nicht ſpitzer) und werden zwar auch in nicht weit ausholenden, langſam folgenden, aber doch viel ſchnellern Schwingungen bewegt, als bei den groͤßern Arten, der Flug ſieht daher auch weit leichter und gefaͤlliger aus und geht ſchneller von Statten. Er ſchwebt auch oft, jedoch nur kurze Strecken, beſonders vor dem Niederſetzen und ſchwingt ſich, um ſchneller eine groͤßere Hoͤhe zu gewinnen, in Kreiſen aufwaͤrts, ſo auch umgekehrt, wenn er ſich ſchneller herablaſſen will, wobei er dann noch öfter ſchwebt. Er fliegt zuweilen ſehr hoch, namentlich auf dem Zuge, von einer Fiſchſtelle zur andern aber gewoͤhnlich nicht viel hoͤber, als noch ſo eben die Wirkſamkeit eines Flintenſchuſſes reicht. Dies thut er frei. lich nur an Orten, wo ihm wenig nachgeſtellt wird. Starker Wind macht ihm viel zu ſchaffen, er fliegt dann ungern, niedrig und wo möglich gegen den Wind. Wenn er erſchreckt plotzlich aus dem Sumpfe auffliegt, ſchwingt er die Fluͤgel haſtig, laͤßt die Beine gerade her⸗ abhangen, zieht fie aber allmaͤhlig und bald in die hinten gerade hinausgeſtreckte, wagerechte Lage und ſteuert nun beruhigter weiter; es machen dies jedoch alle Reiher ſo, am auffallendſten der Pur⸗ purreiher und die Rohrdommeln. Einen herrlichen Anblick gewaͤhren dieſe ſchlanken, blendendweißen Geſtalten von der Sonne beſchienen auf ſchwarzem Moraſte ſtehend, zumal in ſolcher Anzahl, wie damals bei Szurcsin, oder durch die Luft ſegelnd, ein dunkles Gewoͤlk im Hintergrunde. Unter den duͤnnhaͤlſigen Tagreihern iſt der Seidenreiher am wenigſten furchtſam und ſchuͤchtern, aber nur in dem Grade vor- ſichtig, daß er auf dem Freien den Schuͤtzen, welcher ſich ihm offen naͤhern will, fo eben noch außer Schußweite entflieht, ſich aber hinter Huͤgeln, Schilfbuͤſchen und dergleichen nicht ſchwer anſchleichen laͤßt, wenn er auch zuvor jenen ſchon von weitem bemerkt haͤtte. Auf ein paar Hundert Schritte Entfernung geht er noch ganz ruhig ſeinen Geſchaͤften nach; auf 150 Schritte wird er erſt aufmerkſam, bleibt in einer Stellung, wobei er den Hals etwas dehnt (man denke aber hierbei ja nicht an das Stockſteife des Fiſchreihers oder gar des Purpurreihers), den Herannahenden beobachtet, bis auf 100 Schritte, wo er erſt die Flucht ergreift; wenn ſich aber jener etwas fruͤher auf die erſte Entfernung zuruͤck zieht, ſchleicht er wieder wie zuvor ganz beruhigt einher. Es iſt ſchon oben erwähnt, daß meh- rere ſolcher Reiher, freilich an Orten, wo fie damals wenig Berfol- gungen erfuhren, und meiſtens junge Voͤgel, ſich gemaͤchlich hin und her treiben ließen; ſie gaben jenen Teich nicht eher auf, bis vielfach— 112 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. mehrentheils auf andere dort anweſende Voͤgel, doch mitunter auch nach ihnen, geſchoſſen worden war, auch kamen einzelne bald nach- her wieder dahin zuruͤck. An ſolchen Orten fliegen ſie nahe genug an den Schuͤtzen worüber oder über feinen Kopf weg, wenn er ſich nur ganz ruhig benimmt, nicht aufwaͤrts ſchauet, vielmehr den Blick zur Erde ſenkt oder ſich niederkauert. Sie zeigen dabei die beſon⸗ dere Klugheit, daß fie den, welcher ſich feindfelig gegen fie gebehr⸗ det, ſehr wohl von ſolchen Leuten zu unterſcheiden wiſſen, welche ſich nicht um fie bekuͤmmern, nähern fi) daher ohne Furcht Hirten, fpielenden Knaben oder beſchaͤftigten Weibern, bei denen ich ſie mehr: mals in ſolcher vertraulichen Naͤhe einher ſchleichen ſahe, daß ihnen ein Eräftiger Steinwurf von dieſen leicht lebensgefaͤhrlich hätte wer⸗ den koͤnnen. Daß er geſellig gegen ſeines Gleichen ſei, ergiebt ſich zum Theil ſchon aus dem Geſagten. Man ſieht auch außer der Fort⸗ pflanzungszeit oft ſehr viele an einem Orte beiſammen, jedoch ohne engern Anſchluß der einzelnen, und wenn ſie aufgeſcheucht werden, fliegt jeder ſeine Straße oder allenfalls nur 2 bis 3 Individuen mit einander und nahe beiſammen in einer Richtung fort. Sie ſcheinen zwar die Geſellſchaft anderer Sumpfvoͤgel nicht zu ver⸗ ſchmaͤhen, miſchen ſich unter dieſe und leben anſcheinlich im Frieden mit ihnen, jedoch ohne ſich im mindeſten um ihr Thun zu bekuͤm⸗ mern. Manche, beſonders alte, Seidenreiher verrathen auch Hang zum Einſamleben, und man trifft ſolche von allen abgeſondert ſehr oft immer wieder an denſelben Orten an. Ueberhaupt miſchen ſich alte Voͤgel nicht oft unter die jungen, und wo ſie es gethan, ſind ſie bei drohender Gefahr ſtets die erſten, die ſich auf und davon machen. Die verſchiedenen Glieder einer ſolchen loſen Verſammlung weichen auch gewoͤhnlich nur einzeln aus, die dem Ruheſtoͤrer am naͤchſten natürlich immer zuerſt, und nur der unerwartete Knall eines Schießgewehres macht, daß alle zugleich aufſtieben, viele ſich fort machen, viele aber auch wiederkehren, manche ſogleich, andere wenn ſie ſchon weit weg waren, und nicht weit vom erſten Platze ſich abermals niederlaſſen, dies jedoch wol nur an Orten, wo in langer Zeit kein Schuß gefallen war, wie damals bei Szuresin in Syrmien. Obgleich ich Hunderte dieſer niedlichen Reiher in freier Lebens: thaͤtigkeit gefehen und am Tage, auch Abends, in den verſchieden⸗ ſten Situationen und mit allem Fleiße beobachtet habe, ſo hoͤrte ich doch niemals eine Stimme von ihnen. — In fruͤhern Werken * XII Orbn. XVI. Gatt. 288, Seidenreiher. 113 iſt angegeben, daß ſie ihre laute Stimme vorzuͤglich des Nachts hoͤren ließen; mir iſt jedoch keine Probe davon vorgekommen, und die Leute, welche von den großen Verſammlungen der weißen Reiher (dieſer und der vorigen Art) auf der Reiherinſel bei Belgrad u. ſ. w. erzaͤhlten, ſprachen zwar im Allgemeinen vom vielen Laͤrm der dort niſtenden Reiherarten, konnten mir aber von der Stimme, ſowol dieſer wie der andern, etwas Specielles nicht angeben. Ich muß alſo zweifeln, daß er eine ſehr laute oder ſonſt auffallende Stimme habe. Auch dieſer niedliche Reiher läßt ſich im gezaͤhmten Zuſtande erhalten. Fluͤgellahm geſchoſſene Alte bleiben zwar ſelten lange am Leben, Junge laſſen ſich dagegen leicht aufziehen und halten ſich auf dem Hofe unter anderm Gefluͤgel vortrefflich. Gemuͤthlich und mit ungemeiner Anmuth ſieht man ſolche zwiſchen ſteifen und immer duͤſter gelaunten Fiſchreihern, brutalen und dabei ſchmutzigen Stoͤr⸗ chen, gravitaͤtiſchen Kranichen, beſcheidenen Loͤfflern u. dergl. ſich wie freundliche Grazien bewegen, ihr zartes Gefieder immer fauber und nett halten, uͤberhaupt ein Betragen entwickeln, das allgemeines Intereſſe erweckt. Es iſt dazu freilich ein großer, reinlicher Raum, auf welchem ſie ſich frei bewegen koͤnnen, nothwendig, und ein in einem engen Behaͤlter Geſperrter moͤchte allerdings viel von jenen An⸗ nehmlichkeiten verlieren. In Ungarn werden dieſe allerliebſten kleinen Reiher öfters auf Höfen: gehalten. Ein gewiſſer H. San- dor in Peſth (nicht der beruͤhmte Graf dieſes Namens, welcher in Ofen wohnt), hielt zu ſeinem Vergnuͤgen Hunderte von lebenden Vögeln, theils in Kaͤfigen (wobei die ſeltenſten Singvoͤgel, Droſſeln, Erde, Laub: und Rohrſaͤnger, Fliegenfaͤnger, Meiſen, Eisvoͤgel, ſogar Schwalben u. a. m.) theils frei in Stuben und Kammern, oder auf dem großen, gepflaſterten, reinlichen Hofe, hier die großen Sumpf⸗ und Waſſervoͤgel, wobei auch ein Seidenreiher, deſſen An: muth in Geſtalt und Betragen ungemein anzog. Ganz zahm und zutraulich wird indeſſen, wenigſtens unter dieſen Umſtaͤnden, ein ſolcher nicht; er bleibt immer in einem gewiſſen Grade ſchuͤchtern und mißtrauiſch. ei Nahrung. Auch bei dieſem Reiher ſind kleine Fiſche die Hauptnahrung. Ich habe ſolche von 1 bis 3 Zoll Länge am oͤfterſten, und meiſtens keine größern, viel feltner auch kleine Waſſerfröſchchen, Froſchlarven, or Theil. | 8 * 114 XII. Orbn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. Fragmente von Waſſerinſekten oder deren Larven und anderes Ge. wuͤrm in ſeinem Magen gefunden. Er beſchleicht dieſe Geſchoͤpfe, wie die Gattungsverwandten, in etwas gebuͤckter Stellung langſam fortſchreitend, mit gegen die Waſ⸗ ſerfläche geneigtem Schnabel und eingezogenem Halſe, ſchnellt dieſen und den Schnabel beim Fange urploͤtzlich nach feinem Ziel und ver⸗ fehlt dies ſelten. Er ſcheint gern auf ſchlammigem Grunde zu fiſchen, uͤber welchen noch eine Querhand hoch Waſſer ſteht, wadet dagegen in ſo tiefes, das ihm bis an oder uͤber die Ferſe reicht, nicht gern. Auf trocknem Raſenboden oder auf ganz ausgetrocknetem Schlamm ſahe ich ihn nicht nach Nahrung ſuchen. Seinen Unrath, eine kalk⸗ artige, weiße, ſehr dünnflüffige Maſſe, ſpritzt er in tuͤchtigen Por⸗ tionen weit von ſich, ſtehend oder auch fliegend, letzteres beſonders wenn er erſchreckt wird; er zeigt auf gefaͤrbte baumwollene Zeiche namentlich grüne, eine beitzende Wirkung.“) Die Jungen ſind leicht mit kleinen Fiſchen, Froͤſchchen, Regen wuͤrmern, klein geſchnittenem Fleiſch und Gedaͤrmen von Geflügel und Fiſchen aufzuziehen und zu erhalten. Sie nehmen ihr Futter am liebſten aus dem Waſſergeſchirr und tragen es gewoͤhnlich ſelbſt hinein, trinken viel und ſtellen ſich auch oft und lange in das Waſſer ihres Gefaͤßes, weshalb ihnen oͤfter friſches gegeben werden muß, wo fie ſich dann aͤußerſt reinlich und mehrere Jahre lang halten. Fortpflanzung. Noch oft werde ich nicht unterdruͤcken koͤnnen, jene Klage zu wiederholen, mit welcher dieſe Rubrik bei voriger Art, dem Silber⸗ reiher, anfing. Leider war ich nicht zur Bruͤtezeit der Voͤgel i jenen intereſſanten Ländern, bewohnt von Myriaden ſeltner, ihrer Lebensweiſe nach zum Theil noch voͤllig unbekannter Voͤgel. A erſten September 1835 ruderte ich mit meinen lieben Reiſegefaͤhrten traurig an der uns fo gerühmten Reiherinſel vorüber, dem Wun⸗ der der Gegend, wo jaͤhrlich viele Hunderte großer und kleiner Silberreiher ausgebruͤtet werden, — 3 bis 4 Monate fruͤher noch der Schauplatz der Freude, der Liebe, eines Gewimmels jener herr⸗ lichen weißen Geſtalten, das jede Schilderung hinter ſich laͤßt; — e) Mein Jagdrock von damals trägt noch ein ſolches Zeichen, das ihm ein ü mich hinweg fliegender alter Seidenreiher verſetzte, an deſſen unauslöſchliche Spuren jedoch die angenehmſten Rückerinnerungen knüpfen. WR XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Se ide nreiher. 115 jetzt dagegen Alles todt, wie ausgeſtorben dort, kein Vogel von einiger Bedeutung zu ſehen, auf dieſer anmuthigen, mit vielen Baͤumen und hohem Strauchholz ziemlich dicht beſetzten Donau⸗ inſel, die nur auf Buͤchſenſchußweite vom jenſeitigen Ufer dem alten Belgrad gegenuͤber liegt. Das in der Fortpflanzungszeit, nach Ausſage der achtbarſten Einwohner des ebenfalls nahen Semlins, dort herrſchende außerordentliche, raſtlos bewegliche, fröhliche Leben einer enormen Menge von reiherartigen Voͤgeln iſt ſchon oben, unter dieſer Rubrik beim Silberreiher, geſchildert worden. Unter die⸗ ſem vielfeitigen Getuͤmmel bilden die Seidenreiher die große Mehr: zahl, und es wurde verſichert, daß viele Hundert Paͤaͤrchen von die⸗ ſer Art dort niſteten, daß jeder Strauch ein Neſt oder mehrere ent⸗ hielte, auch alle niedrigen Baumzweige damit beſetzt waͤren, ſo daß man, wohin nur der Blick ſchweifte, hoch und tief, Reiherneſter aa Zahl vor ſich ſaͤhe. f Nicht allein dort auf der Reiherinſel, ſondern auch an vielen een ähnlichen Orten an der Save und untern Donau ſoll es Colonien von weißen Reihern geben, und auch viele in den großen Suͤmpfen jener Laͤnder, dieſe meiſtens in einzelnen Paaren, ſich fort⸗ pflanzen, nicht allein in den untern Provinzen, ſondern hin und wieder auch im mittlern Ungarn, wo der Vogel dann an Land- ſeen, Fluͤſſen und in großen Suͤmpfen in der Fortpflanzungszeit nirgends eine Seltenheit iſt. Das Neſt ſteht entweder in einem Weiden oder Schilfbuſche, Rx ch an oder auf dem Erdboden, oder auf dem umgeknickten Rohr Schilf oder niedergebogenen Weidenzweigen, auf den dich- Rat Aeſten der Baͤume in Mannshoͤhe und daruͤber, doch nicht auf ſo hohen Bäumen und Aeſten als das der vorigen Art, von wel- cher geſagt wurde, daß ſie auf der Reiherinſel allein die Baum: wipfel und hohen Aeſte, die kleine Art dagegen ſtets die niedrigen K Bauſtellen inne habe. Was auf jener Inſel nicht auf Baͤumen Platz findet, niſtet auf dem Geſtraͤuch oder auf der Erde. In den baumleeren Sümpfen ſteht es in Schilf⸗ oder Rohrbuͤſchen, oft viele in geringer Entfernung von einander, manche, wie geſagt, auch einzeln. Das Neſt ſoll andern Reiherneſtern gleichen, gewöhnlich erſt 25 leichte Lage trockner Reiſer enthalten oder auch, ohne dieſe, aus trocknen Rohrſtengeln, inwendig aus dürren Schilfblaͤttern, Binfen, Rohrrispen, trocknem Gras mit den Wurzeln und dergl. ae, und ein eben ſo kunſloſer, Me aber breiter Bau ſein. 8 ng 116 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. Durch feine viel geringere Größe unterſcheidet es ſich leicht von dem der vorigen Art, iſt aber dem der beiden folgenden Arten aͤhnlich. Die Eier, auch viel kleiner als die des Silberreihers, kaum fo groß wie die der kleinſten Entenarten (Anas Querquedula und A. Crecca), ſollen, nach Verſicherung glaubhafter Männer, unge fleckt, aber nicht rein weiß, ſondern ſehr blaß blaugruͤnlich ausſehen. Es ſollen immer 4 bis 5 in einem Neſte liegen. | Das Zutragen des Futters für das brütende Weibchen beſchaͤf⸗ tigt das Maͤnnchen ſehr, noch viel mehr aber nachher das der bei⸗ den Alten fuͤr die Jungen, das auch viel laͤnger dauert und einer Colonie die meiſte Lebendigkeit giebt, weil die Jungen lange im Neſte bleiben und es nicht eher verlaſſen, bis fie völlig flugbar und faͤhig ſind, ſich ſelbſt Nahrung aufzuſuchen. Den Erzaͤhlungen der Semliner Jagdliebhaber zu Folge, mag es an ſolchen gemeinſchaft— lichen Bruͤteorten ohngefaͤhr zugehen, wie bei uns an den Reiher⸗ ſtaͤnden, doch mit dem großen Unterſchiede, daß die Seidenreiher ſich viel mehr dreiſt und unvorſichtig als ſcheu benehmen, die Jun⸗ gen beſonders wenige Klugheit verrathen, zwar in der Angſt hoͤher auf die Baͤume hinauf ſteigen, aber auch da noch mordluſtigen Schuͤtzen Gelegenheit genug geben, ihre Mordſucht bis zum Uiber⸗ druſſe zu buͤßen; ſo auf der Reiherinſel bei Belgrad. Feinde. Daß die Weihen, namentlich die Rohr- und Wieſ enweihe, weniger die in Ungarn nicht ſo haͤufige Kornweihe, oͤfters ein⸗ ſam niſtenden Paͤaͤrchen die Eier oder die zarten Jungen wegſteh⸗ len, iſt gewiß. Sie vertheidigen, wenn ſie anweſend, ihre Brut oft herzhaft gegen jene. Ob ſie ſonſt noch Feinde haben, die ihnen oder ihrer Brut zuweilen gefaͤhrlich werden, iſt nicht bekannt. « In ihren Eingeweiden wohnt ein Wurm, Amphistomum Cornu, des Diener Verzeichniſſes. } Jagd. 1. | An Orten, wo der Seidenreiher felten hinkoͤmmt und ſich nicht heimiſch fühlt, gehört er allerdings auch unter die furchtſamen oder ſcheuen Voͤgel, und muß ungeſehen hinterſchlichen werden. Wo er indeſſen alljaͤhrlich und in großer Anzahl wohnt, iſt er, zumal an IL. Drdn. XII Gatt. 253. Seidenreiher. 117 Orten, wo er nicht oft durch Schießen beunruhigt wird,) dies kei⸗ neswegs, hält da zuweilen den frei, jedoch mit Sachkenntniß, ſich naͤhernden Schuͤtzen ſchußrecht aus, oder läßt ſich jedoch immer ſehr leicht anſchleichen, ſelbſt wenn er den Schuͤtzen ſchon aus der Ferne gewahr wurde. Es koͤmmt dort oft vor, daß ein in geringer Hoͤhe gerade auf ihn zu fliegender Seidenreiher kaum etwas ſeitwaͤrts biegt, wenn er ſchon nahe heran iſt, oder auch in ſeinem Striche bleibt und nur etwas hoͤher ſteigt, beides gewoͤhnlich nicht hinreichend genug, um gegen den Schuß geſichert zu ſein. Sieht man einen ſolchen ſchon von weither ankommen, ſo darf man ſich nur ſogleich in ein, wenn auch ſehr unvollkommenes, Verſteck begeben, oder wenn etwas dem Aehnliches gar nicht da waͤre, ſich nur an die Erde niederkauern oder niederlegen, oder auch nur eine gebuͤckte Stellung und den Schein annehmen, als ſuche man an der Erde etwas und ſaͤhe den Vogel gar nicht, — und man darf ſich dann verfichert halten, gewiß zum Schuß zu kommen. Uns wurde es auf dieſe Weiſe gar nicht ſchwer, in Syrmien fo viele dieſer herrlichen Voaͤ gel zu erlegen, als wir nur Luſt hatten, nicht allein Junge von demſelben Jahr, ſondern mitunter auch Alte. Auf dem Abend, 125 anſtande war es das Naͤmliche, ohne daß wir Gelegenheit fanden, an dem freien Sumpfe uns nach Wunſche und gut verbergen zu koͤnnen; ein kleiner Schilfhorſt, 1 kaum zur Haͤlfte deckte, war dazu voͤllig hinreichend. Wie leicht Alte und Junge an den Niſtorten erlegt werden koͤn⸗ nen, iſt oben ſchon erwaͤhnt; letztere muͤſſen auf der Reiherinſel oft der Schießluſt ungeuͤbter Schuͤtzen Vorſchub leiſten, die ſich gegen mich ruͤhmten, 25 bis 30, oder noch mehrere junge Seidenreiher an einem Nachmittage niedergemetzelt zu Babe wie bei uns mit Saatkraͤhen geſchiehet. Bei fluͤgellahmgeſchoſſenen Reihern dieſer Art if ebenfalls vor ihren unvermutheten Schnabelſtichen, die gewöhnlich nach den Au: gen gerichtet find, zu warnen, weshalb es auch gewagt ift, den Jagdhund auf einen ſolchen loszulaſſen. 10 Nutz en. Man ißt das Fleiſch dieſer Reiher gol nicht, obgleich es nicht uͤbel 10 0 ſoll, ſtellt aber den 00 alten Vögeln, *) Im grellen Abſtich vom Fiſchreiher, der überall, auch in jenen Ländern, wo man ihm eigentlich gar nicht nachſtellt. gleich vorſichtig, miftrauiſch und ſcheu bleibt. 118 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 253. Seidenreiher. beſonders im Fruͤhjahr, ihrer herrlichen Schmuckfedern wegen nach, von welchen weniger die mattweißen Bandſtreifchen aͤhnlichen vom Genick, fo wie die nadelfoͤrmigen glaͤnzendweißen von der Kropf⸗ gegend, als vielmehr die zarten, eigenthuͤmlich gebildeten Schulter⸗ federn ſehr geſchaͤtzt ſind. Sie gehen aus der Hand des Jaͤgers an Federſchmuͤcker oder an Putz- und Galanteriewaarenhandlungen uͤber, werden zu Federbuͤſchen in eine goldene Kapſel mit Stiel vereint und ſind dann eine theuere Waare. Dieſe Federbuͤſche, aus den Schulterfedern des Seidenreihers, ſind viel kuͤrzer und kleiner als die vom großen Silberreiher, ſtehen deshalb im Werthe tief unter dieſen, werden aber doch in in Ungarn ſehr häufig, ja noch viel häufiger getragen als jene, fei es nun, weil ſie uͤberhaupt haͤufiger vorkommen und viel wohlfeiler ſind, oder deshalb, weil das beſcheidnere, niedlichere Ausſehen derſel⸗ ben allgemein mehr anſpricht, als das ſtolzirende, mehr militaͤriſche eines hohen Reiherbuſches von großen Silberreiherfedern, oder ob die kleinen damals gerade mehr Mode waren als die großen, weiß ich nicht. Man ſieht dieſe allerliebſten Buͤſche bei Juwelieren und in Putzlaͤden zum Verkauf aufgeſtellt, oder im Staatsanzuge auf der National⸗ muͤtze des edeln Ungars; auch beim Nationalcoſtuͤm der edeln Unga- rinnen iſt er oft zu ſchauen. Der Reiherbuſch, dieſer oder jener Art, ſpielt dort immer noch die naͤmliche Rolle, wie vor 100 und mehr Jahren, obgleich die Nationaltracht (jedoch mit Beibehaltung des Grundtypus) im Laufe der Zeiten manche Veraͤnderung und auch der Mode unterworfen wurde. — So tragen auch Tuͤrken und an⸗ dere Orientalen am liebſten dieſe Buͤſche, von Silber- oder Seidens reiherfedern, auf den Turbans und Muͤtzen, vornehme Herren die hohen, von erſtern, meiſtens bloß zum Staatsanzuge, die niedrigen, vom Seidenreiher, zur gewöhnlichen Tracht. — Von den etwas ſtei⸗ fer, aber doch ſehr ſauber ausſehenden Kropffedern ſetzt man eine Art faͤcherfoͤrmiger Buͤſche zuſammen. Schaden. Man mißgoͤnnt ihm in jenen fiſchreichen Gegenden die Fiſchbrut nicht, die er allerdings in großer Menge we und halt ihn für unſchaͤdlich. Zweite Familie. Dickhälſige oder bemähnte Reiher. (Ardeae Jjubatae.) Der nicht ſehr lange Hals iſt mit lockern, ziemlich großen Fe⸗ dern bedeckt, welche ihm ein dickes Ausſehen geben, und die Alten haben im Genick einen maͤhnenartig herablaufenden Federbuſch, aus ſehr vielen ſchmalen, flatternden Federn beſtehend, oder doch ſehr buſchichte Hinterhauptsfedern; die Fuͤße ſind mittelhoch, nicht weit uͤber die Ferſe hinauf nackt, ihr Uiberzug ziemlich weich. — Es ſind Tagvoͤgel, als welche fie des Nachts ruhen, aber ſich gern im Schilfe und Rohre verſtecken. Roſtgelb und Weiß ſind die Haupt⸗ farben ihres Gefieders. Nach Deutſchland koͤmmt nur zuweilen Eine Art. 254. Der Schopf-Reiher. Ardea comata. Lim. Fig. 1. Altes Männchen. ; Taf. 224. Fig. 2. Junges Männchen. Rallenreiher, Squackoreiher, Squajottareiher, Maͤhnenreiher, Poſeganiſcher Reiher, kaſtanienbrauner (2) Reiher, gelbbraunes Rei— gerchen, kleiner Reiher, kuͤhner (kecker) Reiher; gelbe Rohrdommel; Rallenrohrdommel. Ardea comata. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 632. n. 41. — Pallas, Reiſe. II. p. 715. n. 31. - Lath. Ind. II. p. 687. n. 39. = .Ardea castanea et A. squa- jotta. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 633. n. 46. & p. 634. n. 47. — Lath. Ind. II. p. 686. & 687. u. 36. & 40. — Ardea audax. La Peyrouse, Neue ſchwed. Abh. III. 106. — Ardea ralloides. Scopoli, Ann. I. n. 121. — Le Crabier de Ma- hon, et Crabier Catot. Buff. Ois. VII. p. 393. & 389. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 106. & 101. — Id. Planch. eul, 348, — Le Crabier gentil. Gerard. Tab. elem. II. p. 137. n. 8. & t. 22. f. 4. = Heron Crabier. Temmiuck. Man. d’Orn, II. p. 581. — Squacco heron, and Squajotta heron, and Castaneous heron. Latli. Syn. V. p. 72. 74. & 75. n. 36. 39 & 40. — Ueberſ. von Bechſtein, III. 1. S. 45. n. 36. S. 47. n. 39. S. 48. n. 40. = Sgarza ciuſelto. Stor. deg. uee. IV. Tav. 419. & 420. = Savi. Ora. tose, II. p. 351. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 47 — 52. — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 268. n. 13. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 341. —= Meisner u. Schinz, Vög. der Schweiz. S. 191. n. 186. — Koch, Baier. Zool. I. S. 336. n. 210. — Brehm, Lehrb. II. S. 557. — ODeſſen Naturg. a. V. Deutſch. S. 588 — 590. = Gloger, Wir⸗ belthier Fauna Schleſ. S. 49. n. 214. - Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 59. Naumann's Vög., alte Ausg., Nachträge S. 151. Taf. XXII. Fig. 44. (altes Männchen) und Fig. 45. (Junges im erſten Sommer.) Jugendkleid. Ardea erythropus. Gmel. Liun. syst. I. 2. p. 634. n. 88. — Lath. Ind. II. p. 686. u. 38. — Ardea comatae simillima. Iter Posegan. p. 24. = Ardea XII. Orbn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 121 Marsigh et A. pumila. Nov. com. Petr. XIV. p. 302. t. 14. f. 1. Gmel. s I. 15 p. 637. n. 52 et p. 644. n. 74. — Lath, Ind. II. p. 681. n. 683. n. 28. — Le petit Butor. Briss. Orn. V. p. 452. Buff. Ois. VII. p. 1.824 — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 143. Sabian Bittern, and Dwarf Heron. 60 Syn. V. p. 60. et 77. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 36. n. 20. u. 49. u. 42. — Desgl. S. 46. n. 38. b rn Dana, der Art. Roſtgelb, die Federn auf dem Kopfe und Hinterhalſe, auf jeder Seite, mit einem ſchmalen ſchwarzbraunen Laͤngeſtreif; M Buͤrzel, Schwing⸗ und Schwanzfedern weiß. Beſchreibung. Der Schopfreiher iſt in allen Kleidern von der ihm wegen der roſtgelben Farbe aͤhnlichen kleinen Rohrdommel leicht zu unter⸗ ſcheiden, weil dieſe ſtets ſchwarze oder dunkelbraune Schwing- und Schwanzfedern hat, auch um Vieles kleiner iſt. Leichter iſt er mit Ardea russata zu verwechſeln, welche jedoch am Halſe weniger lang und dicht befiedert iſt, daher langhaͤlſiger ausſieht, viel mehr Weiß hat und im Jugendkleide ohne dunkle Schaftflecke iſt. — Ein dem unſrigen noch viel ähnlicher Vogel, den man für eine eigene, bisher unbekannt geweſene Art hält, kam über Paris aus Spanien. Das Exemplar, welches ich im Balge ſahe, ſchien etwas groͤßer als Ardea comata, hatte einen ſtaͤrkern Schnabel, mit einer ſanften Bie⸗ gung wie bei Ardea nycticorax, das Gefieder ohngefaͤhr dieſelbe oder doch eine ſehr aͤhnliche Faͤrbung wie bei unſerm Schopfreiher, das Ochergelb aber viel dunkler oder vielmehr geſaͤttigter und praͤch⸗ tiger, ſo auch der kaſtanienbraune Anſtrich des Ruͤckens, von dieſer Farbe auch ein ſtarker Anflug auf der Maͤhne, welcher wenig oder nichts von den feinen weißen und ſchwarzen Bandſtreifchen übrig ließ; — ich ſahe indeſſen nur dies eine Exemplar und kann daher nicht behaupten, ob es als eigene Art, oder bloß als Altersverſchie⸗ denheit von der unſrigen, oder als klimatiſche Abaͤnderung von die⸗ ſer zu betrachten ſei. Ein kleiner Reiher, 1 von der Groͤße einer etwas klei⸗ nen Taube, wohlzumerken, aber mit viel kleinerm, ſehr zuſammen⸗ gedruͤckten und viel ſchmaͤlern Rumpf und viel leichter, wegen des langen Halſes u. ſ. w. aber groͤßer ſcheinend. Die Maaße alter find folgende: Länge: 17 ½ bis 19 Zoll; Flugbreite: 301], bis 31 ¾ Zoll; Fluͤgellaͤnge (vom Bug zur Spitze): 10 ½ bis 11 Zoll; 122 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. Schwanzlaͤnge 3 ½ bis 3½ Zoll; bei erwachſenen jungen Vöͤ⸗ geln, Länge: 16 bis 16 ¼ é Zoll; Breite: 29 bis 30 Zoll; Flügel: länge: 9 ½ bis 93/, Zoll; Schwanzlaͤnge: 3 Zoll. Die ganze Geſtalt iſt rohrdommelartig, der Hals nicht ſehr lang, dick befiedert, am Kropfe mit großen, abgerundeten, buſchich⸗ ten Federn, die Fuͤße zwar nicht klein, doch nicht beſonders hoch. Das Gefieder iſt groß, ſehr weich und locker, in den Umriſſen unbeſtimmt, weil die Federbaͤrte an den Kanten unzuſammenhaͤn⸗ gend und wie zerſchliſſen ausſehen, wovon bloß Schwing: und Schwanzfedern eine Ausnahme machen. Von den großen Schwing⸗ federn iſt die erſte entweder von gleicher Laͤnge oder wenig kuͤrzer als die zweite, und dieſe auch nur wenig laͤnger als die dritte; von der vierten an wird die ſtufenweiſe Abnahme erſt ſtaͤrker, wodurch, da auch die vordern von der Mitte an allmaͤhlig ſchmaͤler werden und ſich ſchmal zurunden, eine etwas abgeſtumpfte Fluͤgelſpitze ent⸗ ſteht. Die der zweiten Ordnung ſind gleichbreit, gegen das Ende zugerundet; die der dritten eben ſo, noch breiter und viel laͤnger, wodurch eine hintere Fluͤgelſpitze entſteht, die, wenn der Fluͤgel zu⸗ ſammengefaltet, beinahe ſo lang als die vordere oder eigentliche iſt. Der zehnfederige Schwanz iſt kurz und ſchmal, ſeine Federn von gleicher Laͤnge oder doch kaum verſchieden, abgerundet, ſeine untern Deckfedern ſo lang, daß ſie bis an ſein Ende reichen; die Spitzen der ruhenden Fluͤgel haben mit ihm gleiche Laͤnge oder ge⸗ hen gegen 1 Zoll uͤber ihn hinaus. Der Schnabel iſt nicht groß, ſchlank, nach vorn verjuͤngt zuge⸗ ſpitzt und ſehr zuſammengedruͤckt, hier auch an der Firſte und dem Riel ſcharfkantig, wurzelwaͤrts breiter und jene abgerundeter. Seine ſehr ſcharfen Schneiden ſind nicht ſo ſtark eingezogen als bei den vorhergehenden Arten, vor der Spitze aber fein ſaͤgeartig gezaͤhnelt. Die Kielſpalte und auch die Kehlhaut reichen weit vor, und der Rachen iſt bis unter das Auge geſpalten. Das Naſenloch, ein fei- ner Ritz, öffnet ſich unterhalb der mit weicher Haut bedeckten Nas ſenhoͤhle, die als eine feine Furche an der Seite des Oberſchnabels verlaͤuft, aber nicht ſehr weit vor reicht. Er iſt bei alten bedeu⸗ tend laͤnger als bei jungen (3 Monate alten) Voͤgeln, dort oft noch uͤber 3 Zoll lang, an der Baſis 7 Linien hoch und etwas uͤber 6 Linien breit, hier gewöhnlich kaum 2 ½ Zoll lang, 6 Linien hoch, und 5 ½ Linien breit. a Die Faͤrbung des Schnabels iſt ſehr verſchieden, im friſchen Zuſtande bei den erwachſenen Jungen gruͤnlich graugelb, obenher an Den, art Watt 255 Shopfreigen 123 braunſchwarz, die nackten Zügel ſchoͤn gelb, in em Kreiſe um das Auge gruͤnlich; an den Alten jener gewoͤhnlich hellgelb, faſt hochgelb, am Kiel und der Spitze ſchwarz, die Zügel gelb und grün gemiſcht; bei ausgefaͤrbten, wenigſtens dreijaͤhrigen Vögeln im Frühjahr der Schnabel hellblau, von der Spitze an ziemlich weit herauf ſchwarz, die Zuͤgel gruͤn, zuweilen mit einiger Miſchung von Gelb, wie dort. Der innere Schnabel iſt gelb, nach dem Rachen zu fleiſchfarbig. — Im Tode und ausgetrockneten Zuſtande wird der Schnabel an alten Voͤgeln, die ſchwarz bleibende Spitze ausge⸗ nommen, ſchwarzgrau, die Zuͤgel hornfarbig; an jungen nebſt den Zuͤgeln blaß hornfarbig, obenher ſchwaͤrzlich, zuweilen auch im Win⸗ kel des Unterſchnabels und an den Zuͤgeln ein Fleck ſchwaͤrzlich; von Gruͤn, Gelb und Blau bleibt dann keine Ahnung. Das kahle Augenlid iſt immer gelb oder gruͤn, der Stern in dem kleinen lebhaften Auge bei ganz jungen Voͤgeln weiß, bei erwachſenen blaßgelb, bei alten hochgelb. Die Fuͤße ſind, als Reiherfuͤße betrachtet, ziemlich niedrig und nicht groß; der Unterſchenkel uͤber der Ferſe nicht hoch hinauf nackt; der Lauf wenig zuſammengedruͤckt; die Zehen ſchlank, die einzige Spann⸗ haut zwiſchen der aͤußern und mittelſten nur klein, die Stellung der Hinterzeh wie bei andern Reihern. Sie ſind weich, — wenigſtens ihr Uiberzug ſehr weich anzufuͤhlen; dieſer vorn herab in ſehr große aber duͤnne Schildtafeln getheilt, die auf der Hinterſeite kleiner, zwi⸗ ſchen dieſen beiden Reihen und an den Gelenken noch kleiner ſind; auf den Zehenruͤcken liegt ebenfalls eine Reihe großer Schilder, aber die Sohlen ſind ſchwach warzig. Die Krallen ſind mittelmaͤßig, flachgebogen, ſehr ſchmal und ſpitzig, unten mit einer feinen Rinne; die der Hinterzeh iſt die groͤßte, und die der Mittelzeh hat auf der Seite nach innen einen vorſtehenden, kammartig gezaͤhnelten Rand. — Der Unterſchenkel oder Schiene iſt (wie immer mit dem halben Ferſengelenk gemeſſen) nicht über / Zoll hoch nackt; der Lauf 2½ Zoll; die Mittelzeh, mit der 8 Linien langen Kralle, 3 Zoll; die Hinterzeh, mit der / Zoll langen Kralle, 1 Zoll lang. Bei den erwachſenen Jungen ſind dieſe Maaße etwas geringer, der Lauf meiſtens nur 2 ½ bis 25 Zoll, die Mittelzeh, mit der 6 Linien langen Kralle, 25/ Zoll, und die Hinterzeh, mit der 5]; Zoll lan⸗ gen Kralle, 15 Zoll lang. Die Farbe der Fuͤße iſt bei alten Voͤgeln ein gruͤnliches Gelb, bei jungen ein gelbliches Grün, an den Sohlen und Gelenken rei⸗ nes Gelb; die Krallen bei dieſen dunkelbraun, bei jenen ſchwarz⸗ 124 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. braun. Im ausgetrocknetem Zuſtande wird die Faͤrbung der Fuͤße gruͤnlich mattſchwarz, an den Sohlen und Gelenken geen folglich ganz unkenntlich. Die Jungen haben anfaͤnglich ziemlich dicke Serge die ſich nach 3 bis 4 Monaten verlieren; auch ſind ihre ſehr weichen Fuͤße an den Laͤufen etwas ſchwammicht anzufuͤhlen, doch lange nicht in dem Grade angeſchwollen wie bei Rohrdommeln. Am Jugendkleide iſt das Gefieder am Halſe ziemlich ver— laͤngert, ſchmal, ohne aber im Genick eine auffallende Holle zu bil: den; weiter herab wird die Befiederung noch laͤnger und groͤßer, und an der Kropfgegend haͤngt ſie als ein loſer Buſch herab, deſſen Federn groß und laͤnglich, aber nicht zugeſpitzt find, und zer ſchliſſene Raͤnder haben. Die laͤngſten Schulterfedern ſind ebenfalls groß, mit zerſchliſſenen Kanten und am Ende faſt gerade abgeſtutzt. — Die Färbung iſt folgende: Kinn und Kehle find weiß und un- gefleckt; der Scheitel und die Seiten des Kopfs roſtgelb, mit ſchmalen braunſchwarzen Laͤngeſtreifchen, welche an beiden Seitenkanten der laͤnglichen Federn ihren Sitz haben, aber die Enden der Federn frei laſſen; der Hals eben ſo, die Streifen zwar groͤßer, aber matter, am Vorderhalſe beides jedoch weniger, und an den buſchichten Kropf— federn ſich verlierend; Oberruͤcken und Schultern matt braun lerd— braun) mit roſtgelbem Schein, welcher an den laͤngſten in dunkel⸗ roſtgelbe verwaſchene Schaftſtreife uͤbergeht; die großen hintern Schwingfedern einfarbig erdbraun, bloß am Ende mit kleinem roſt⸗ gelben oder weißlichen Schaftfleck oder auch ohne dieſen; die Flügel- deckfedern roſtgelb, mit matten erdbraunen Streifen an den Seiten, die jedoch an den mittlern, zumal nach hinten zu, ſo ſtark gezeichnet ſind, daß das Roſtgelb auf dieſer Partie nur noch als ſtarke Schaft— ſtreife fi) hervordraͤngt; die größten Fluͤgeldeckfedern weiß, an den Seiten roſtgelb verwaſchen; alles Uibrige des Fluͤgels, auch der Rand und die ganze untere Seite zart weiß, jedoch die Daumen: federn auf der Außenfahne mit einem braungrauen Streif laͤngs dem Schafte, die Fittichdeckfedern ſtatt deſſen mit einem ſtaubfar⸗ big punktirten, welcher ſich, noch etwas verſtaͤrkt, auf den vorderſten Schwingfedern fortſetzt, auf der erſten in eine lange braungraue Spitze auslaͤuft, bei den andern aber in der Mitte ihrer Länge auf: hoͤrt, aber wieder an der Spitze, an beiden Seiten, ſich als ein braun⸗ grauer Fleck zeigt, eine Zeichnung, die ſtufenweis kleiner wird und ſich an der fuͤnften oder ſechſten Feder vollends verliert; dabei ſind die Schaͤfte dieſer Federn von der Wurzel an bis uͤber zwei Dritt⸗ . . Ordn. XII Gatt. 284. S choß eo, 125 i theile ihrer Länge, auf der Außenſeite, braunſchwarz/ welches die vorderſte der erſten Ordnung am ſtaͤrkſten hat, an den kuͤrzern nach und nach abnimmt, ſo daß es meiſtens an den vorletzten dieſer Ord⸗ nung ganz verſchwindet. Unterruͤcken und Buͤrzel, Bruſt, Weichen, Bauch, oberen und unteren Schwanzdeckfedern, auch die langen Un⸗ terſchenkel, ſo weit ſie befiedert, zart weiß, nur letztere auf der Hin⸗ terſeite mit roſtgelbem Anſtriche; der Schwanz weiß, die beiden Mittelfedern mit braungrauem Ende, das ein gelblichweißer Schaft⸗ ſtreif in zwei Theile zerſpaltet, die folgenden Federn an der Spitze noch mit Grau beſtaͤubt, das ſich aber nach und nach ganz en er an den aͤußerſten Paaren nicht vorkoͤmmt. Maͤnnchen und Weibchen Ateeſcheidew ſich eben I Pro auffallend, ſo daß es oft ſchwer haͤlt, ohne Section Gewißheit über das Geſchlecht zu erlangen. Hat man mehrere von beiden Geſchlech⸗ tern bei einander, ſo laſſen ſich die letztern ſowol an der kleinern Statur und dem ſchwaͤchlichern Bau, ſo wie an der lichtern Faͤr⸗ bung und unbeſtimmtern Zeichnungen des Gefieders wol herausfin⸗ den; bei einzeln Vorkommenden moͤchte dies jedoch viel Uibung er⸗ fordern und dennoch unſicher bleiben, wenn gleich die Maͤnnchen unter der Mehrzahl ſich ſelbſt in der Ferne ſchon an jenen Abwei⸗ | chungen erkennen laſſen. 13 "Sm zweiten Jahr hat der Schopfteiher ſich bedeutend ver⸗ ändert. Da er jedoch außer der gelben Farbe des Schnabels, den kürzern Genick⸗ und Hinterhalsfedern, die auch eine weniger reiche Maͤhne bilden, dabei ſtatt ſchwarz nur ſchwarzbraun und weniger ſcharf geſtreift ſind, und, außer dem weniger ſchoͤnen Gelb, ſich nicht ſo auffallend unterſcheidet, daß uns eine detaillirte Beſchreibung noͤthig ſchiene, fo gehen wir ſogleich zu der des alten Vogels uͤber. Im dritten Jahr iſt er Ausgeffrbt und ein gar ſchoͤner Vogel: Von der Mitte des Scheitels fangen die Federn an ſich zu verlaͤngern, und die am Hinterhaupte und dem obern Hinterhalſe bilden einen ſchoͤnen, maͤhnenartigen herabhaͤngenden Buſch, welcher aus ſehr vielen ſanften, flatternden, langen ſchmalen und ſpitzigen Ben beſteht, von welchen die längften und zugleich ſchmalſten im Genick ihren Sitz haben, 3 bis 4 Zoll und daruͤber lang, und an der Wurzel nur 3 Linien breit find; ein zartes Weiß nimmt die Mitte dieſer Federn ein, das an beiden Seiten entlang von einem ſchwarzen ſehr ſchmalen Streif begrenzt wird, woran ſich endlich noch ein zarter ochergelber e anſchließt; eine allerliebſte 126 NII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. | Zeichnung, welche dieſe flatternden Federn zugeſpitzten Bandftreifchen noch ähnlicher macht. Die zwar auch ſchmalen, aber viel kuͤrzern Federn auf dem Scheitel und an den Kopfſeiten ſind dunkelochergelb, zuweilen roſtroͤthlich uͤberlaufen, mit einem ſchmalen, verwaſchenen, braunſchwarzen Streif auf jeder Seite. Die Kehle iſt rein weiß; der Hals mit großen, ſanften Federn dick beſetzt, die vorn herab hellochergelb ſind, am Hinterhalſe aber in geſaͤttigtes Ochergelb uͤber⸗ gehen und hier einzelne ſchwaͤrzliche Strichelchen haben. Am untern Vorderhalſe ſind die Federn beſonders groß, lang, breit, zugerundet, die Fahnen wenig zuſammenhaͤngend, daher einen lockern Buſch bildend, welcher uͤber die Bruſthoͤhle oder Kropfgegend herab haͤngt und eine gefärtigte ochergelbe Farbe hat; Bruſt, Weichen, Schenkel, Bauch und Unterſchwanzdeckfedern weiß, erſtere hin und wieder ſchwach ochergelb angeflogen; die Fluͤgeldeckfedern ebenfalls weiß, beſonders die mittlern mit ſchoͤn ochergelbem Anfluge; die Schwingfedern, der Fluͤgelrand und ganze Unterflügel, Unterruͤcken, Buͤrzel und Schwanz rein weiß; die Federn des Oberruͤckens und der Schultern blaß pur⸗ purbraun, die letztern roſtgelb uͤberflogen, mit ſehr langen, haar⸗ ähnlichen, unzuſammenhaͤngenden Baͤrten, und fo verlängert, daß fie bis an das Ende der Flügel oder gar noch etwas über dieſes hinaus reichen. Dieſe zart gebildete Federpartie, welche leicht und luftig den obern Theil des Hinterfluͤgels deckt, wenn dieſer in Ruhe liegt, iſt eine eigenthuͤmliche, ſchoͤne Zierde des alten Vogels, deſſen lockeres, ſeidenweiches mit lauter lichten, klaren, ſanft in einander verſchmelzenden Farben geziertes Gefieder uͤberhaupt ihm eine An⸗ muth und Schoͤnheit verleihet, die ungemein anziehend iſt. Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich in dieſem Kleide etwa auf dieſelbe Weiſe wie in den vorigen, d. h. das Weibchen iſt immer etwas kleiner und ſchmaͤchtiger, das Laͤngenmaaß oft um 1 Zoll und daruͤber geringer, ſeine Faͤrbung weniger ſchoͤn, auf den Fluͤgeln mehr gelb, der maͤhnenartige Federbuſch kuͤrzer, mit ſchwaͤcherer Farbe geſtreift, Oberruͤcken⸗ und Schulterfedern etwas bleicher ge- färbt und letztere kuͤrzer, auch der Schnabel mehr ſchwarz und das Blaue mehr bleifarbig, ſo daß dies Alles, mit geuͤbtem Auge be⸗ ſchauet und erwaͤgt, Kennzeichen genug abgiebt, die es ſogleich, auch ohne die Section zu Huͤlfe zu nehmen, vom Maͤnnchen unter⸗ ſcheiden laſſen. Im hohen Alter wird die Schoͤnheit des Schopfreihers noch um Vieles geſteigert, das liebliche ſanfte Ochergelb am Halſe erreicht eine Hoͤhe von ſeltener Schoͤnheit, der roſtfarbige Anflug auf dem XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 127 Scheitel wird auffallender, Ruͤcken und Schultern bekommen ein geſaͤttigteres Purpurbraun, ) die Federn der letztern erſcheinen ver: laͤngerter, der Mittelfluͤgel weißer, der Federbuſch länger und reicher, indem er faſt laͤngs dem ganzen Hinterhals herablaͤuft, und dies Alles erhöhet die Pracht des Vogels bedeutend. Ob hieher der oben erwähnte Vogel aus Spanien zu zählen ſei, bleibt indeſſen vor der Hand noch ungewiß. Die Mauſer iſt, wie bei andern Reihen, einfach, faͤngt bei den Alten im Sommer, bei Jungen erſt im Herbſt an und ſchreitet nur langſam vorwaͤrts. Im Fruͤhjahr, wo ſie vollendet, iſt das Gefieder am ſchoͤnſten und vollſtaͤndigſten, und haͤlt ſich in dieſem Zuſtande bei den Maͤnnchen viel laͤnger als bei den Weibchen. An dieſen ſind Federbuſch und Schulterfedern ſchon nach ein paar Monaten ſehr abgenutzt, zerbrochen und beſchmutzt, und wenn die neue Mauſer beginnt, nur noch Fragmente davon uͤbrig, waͤhrend dies Alles bei erſterem ſich in einem weit geringern Grade zeigt und manche derſelben noch zu Ende des Auguſt einen großen Theil jener Federn, jedoch auch im verſchlechterten Zuſtande, haben. Das ſchoͤne Ochergelb des Gefieders bleicht im Laufe des Sommers bedeutend ab, und das Weiß verliert ſehr an ſeiner urſpruͤnglichen Reinheit. Aufenthalt. Der Schopfreiher iſt ebenfalls ein ſuͤdoͤſtlicher und ſuͤdlicher Vogel. Er bewohnt in großer Anzahl Aſien um das caspiſche und ſchwarze Meer herum, Perſien, Natolien, Syrien und Arabien; in Afrika namentlich Aegypten und Nubien; in Europa das ſuͤdliche Rußland, Beſſarabien, die Moldau, die europaͤiſche Turkei, Griechenland, Italien mit Sicilien und Sardinien, das ſuͤdliche Frankreich und Spanien. Er iſt in Ungarn, beſonders in den ſuͤdlichen Theilen, laͤngs der tuͤr⸗ kiſchen Grenze bis nach Dalmatien hin ſehr gemein, verbreitet ſich von da einzelner über Oeſtreich und die Schweiz, koͤmmt öfters nach Schleſien, ſo wie in die Gegenden der obern Donau und den Rhein, einzeln auch bis nach Holland, ſehr ſelten aber ins mittlere Deutſ e und noch weiter noͤrdlich von uns fie. In 9 Nie Kaſtanienbraun, wie in * dieſe eigene Farbe fälschlich auch wol genannt worden iſt. 8 Ungarn wird er allenthalben, nach Süden zu aber außerordent⸗ lich haufig geſehen, und mag ſchwerlich irgendwo zahlreicher vor⸗ kommen, als ich ihn in Syrmien und dem Militaͤrgrenzlande angetroffen habe, es muͤßte denn in den großen Niederungen ſein, durch welche, in mehrere Arme getheilt, die Donau, der Dnieper und andere Stroͤme ſich ins ſchwarze Meer ergießen, namentlich in dem waſſerreichen Strich von Galatz bis zur Kiliamuͤndung u. a. m., wo die Anzahl dieſer Voͤgel alles Glaubliche uͤberſteigen ſoll. — Auch bei uns, in Anhalt, hat er ſich als große Seltenheit ſchon einige Mal gezeigt; es wurde naͤmlich vor vielen Jahren ein Exem⸗ plar auf einer mit Weidengebuͤſch bewachſenen Inſel der Saale, ein anderes erſt vor nicht langer Zeit im Anhalt-Zerbſtiſchen, Coͤ⸗ thenſchen Antheils, an einem großen Teiche geſchoſſen, und es ift große Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß er ſchon in der Naͤhe ge⸗ bruͤtet haben mag, wie auch an andern Orten, wo er ſelten, z. B. in der Schweiz, vorgekommen ift.- Als Zug vogel koͤmmt er in den Ländern ſeines gewoͤhnlichen Sommeraufenthaltes im April an und verlaͤßt ſie mit Ende des September wieder, um in Syrien, Aegypten, Nubien u. ſ. w. zu uͤberwintern. Er ſcheint geſellig zu wandern, weil man im Herbſt oͤfters gar viele an einem Orte verſammelt findet, die bald darauf verſchwinden; doch moͤgen auch nicht wenige ihre Reiſe einzeln oder paarweiſe machen, manche bei Tage, die meiſten aber des Nachts. Sein Aufenthalt ſind die großen Suͤmpfe mit vielem freien Waſſer, die niedrigen Flußufer und Inſeln, welche mit hohen Sumpf: pflanzen und Gebuͤſch beſetzt ſind, aber auch freie Plaͤtze haben, die Ufer und Inſeln der Landſeen und großen Teiche, wo es nicht an hohem Schilf und Rohr, Weiden oder Erlengebuͤſch fehlt; — dage— gen nicht die dichten ununterbrochenen Rohrwaͤlder oder die duͤſtern moraſtigen Gehoͤlze, worin es ganz an freien Waſſerflaͤchen fehlt, und nicht die Bruͤcher, wo von hohen Graͤſern und Seggenſchilf alles Waſſer verdeckt wird und er ſich leicht verbergen koͤnnte. Er thut dies zwar auch, aber nur in einem Grade und unter Bedin⸗ gungen, die ganz von denen der Rohrdommeln abweichen, und worin er dem Purpurreiher viel aͤhnlicher wird. Mit dieſem habe ich ihn unzaͤhlige Mal an ganz gleichen Orten angetroffen, aber nie an ſolchen, wo ſich jene verborgen hielten, fo wenig wo Ardea stel- laris und A. minuta als A. nycticorax hauſeten. Er koͤmmt auch in ſalzigen Suͤmpfen, aber nie unmittelbar an den Kuͤſten des Meeres vor, liebt vorzuͤglich ſchlammige, ſtehende — XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 129 oder langſam fließende Gewaͤſſer; nicht die rauſchenden und zu kla⸗ ren, auch nicht ganz von Sumpfpflanzen entbloͤßte. Er ſteckt zwar gern hinter Schilf und Rohr, aber nur da, wo es in kleinen Buͤ⸗ ſchen zerſtreuet und nicht ſehr hoch empor ſchoſſt, ſo auch auf bloß feuchtem Boden hinter Weidengebuͤſch, wo offenes Waſſer in der Naͤhe iſt. An ſolchen Orten, wo er eben nicht ſtreng verſteckt iſt, doch auch nicht aus der Ferne geſehen werden kann, koͤmmt er am Tage fo leicht hervor wie der Purpurreiher, aber ganz im Ge: genſatze mit dieſem laͤßt er ſich, gewoͤhnlich bald darauf, wieder oft ganz auf dem Freien, zuweilen ſogar vom Waſſer entfernt, auf dem Trocknen nieder, oder begiebt ſich aus freiem Antriebe, an hellem Tage, an ganz freie Gewaͤſſer, wie die Silber- und Seidenrei⸗— her, ja oft mit dieſen in Geſellſchaft. Auf jenem ganz freien Teiche bei Szuresin in Syrmien (f. Vorwort und Titelkupfer zum VIII. Theil d. W.) ſtanden an einem heitern und heißen Vormittage (den 5. September 1835) viele Hunderte dieſer weißen und weißgelben Reihergeſtalten, von welchen wenigſtens zwei Drittheile Schopfreiher waren, die dort nebſt Tauſenden andrer Sumpf- und Waſſervoͤgel zu gleicher Zeit ihrer Nahrung nachgingen. Er haͤlt ſich beſonders gern da auf, wo Vieh in den Suͤmpfen weidet, namentlich zwiſchen dem Borſtenvieh, und man kann ſich verſichert halten, daß, wo man in den großen Moraͤſten von Sla— vonien auf eine Schweineheerde ſtoͤßt, dieſe gewiß von einem oder einigen dieſer Voͤgel begleitet iſt. Im niedrigen lichten Strauchholz auf Donauinſeln ſtieß ich zwar nicht ſelten auch auf dieſe Reiher, aber nie in zu hohen und ſehr dichten; auch ſahe ich nie einen auf einem Baume, will jedoch gern den Verſicherungen der dortigen Einwoher Glauben beimeſſen, nach welchen er ſich, beſonders im Fruͤhjahre, oͤfters auf Baum⸗ zweigen niederlaſſen ſoll. Er ſchlaͤft auch am Tage, den Rumpf faſt ſenkrecht, den Hals ganz eingezogen, hinter einen Weidenſtrauch oder Schilfbuſch ge: ſtellt, anſcheinend ſo feſt, daß er erſt erwacht und erſchreckt fortfliegt, wenn man ihm ſchon ganz nahe gekommen iſt. Auch ganz auf dem Freien halten manche ihr Mittagsſchlaͤfchen; wenigſtens ſtehen ſie oft ſehr lange bewegungslos, in jener Stellung beharrend, us pflegen fo der Ruhe. or Theil. 9 130 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. Eigenſchaften. So viel Rohrdommelartiges auch in der Geſtalt dieſes Reihers liegt, ſo wuͤrde dieſes doch gewaltig irre leiten, wenn man davon auf ſein Betragen und ſeine Lebensweiſe ſchließen wollte, wie wol geſchehen ſein mag, in dem Wenigen, was man daruͤber in fruͤhern Werken findet. Da ich Gelegenheit hatte, dieſe Voͤgel zu Hunderten zu beobachten, ſo fand ſich bald, daß unſer Schopfreiher von dem Betragen der Tag- und Nachtreiher in vielen Stuͤcken ſo ſehr abweiche und damit ſo viele Eigenthuͤmlichkeiten vereinige, daß ich mich gezwungen fuͤhlte, ihn hier weder der Abtheilung der erſten, noch der der andern zuzuzaͤhlen, ſondern zwiſchen jenen in der Mitte eine eigene Abtheilung zu bilden, zu welcher außer ihm ſich wol auch noch auslaͤndiſche Arten finden werden und die ſuͤdeuropaͤiſche Ardea russata wahrſcheinlich auch gehoͤrt. Der Schopfreiher faͤllt ſchon von Weitem durch ſeine angenehme in Weiß verſchmelzende, hellgelbe Farbe auf, und unterſcheidet ſich, auch außer dieſer gelben Faͤrbung, dann noch durch die kleinere, nie⸗ drigere, gedrungenere, kurzhaͤlſigere Figur von dem Seidenreiher. Steht er ganz ruhig da, fo iſt fein Rumpf faſt ſenkrecht aufgerich— tet und der Hals ſo eingezogen oder Sfoͤrmig niedergedruͤckt und mit den großen Vorderhalsfedern bedeckt, daß er ganz kurz und ſehr dick zu ſein ſcheint, doch lange ſo arg noch nicht als bei der großen und kleinen Rohrdommelz dabei ruht der große Federbuſch auf dem Anfange des Ruͤckens, und der Wind ſpielt anmuthig mit def- ſen Federn, gegen welchen der Vogel gern den Schnabel zu richten pflegt, zumal wenn er etwas ſtark wehet. In ſolcher Stellung ſchlaͤft er auch. Bemerkt er etwas Verdaͤchtiges, ſo dehnt ſich der Hals ein wenig, die Figur wird einigermaßen einem ſpitzen Pflocke aͤhnlich, doch nie ein ſolches Zerrbild wie die des Purpurreihers oder der Rohrdommeln oft. So ſteht er oͤfters ziemlich lange, ſtockſtill, bis zum Wegfliegen; entfernt ſich aber die Gefahr, fo vers liert die Figur allmaͤhlig wieder das Steife, die Bruſt ſenkt ſich etz was, fo auch der wieder mehr gedehnte Hals und abwärts geneigte Schnabel, und der Vogel ſchreitet langſam ſuchend weiter. Wird er uͤberraſcht, fo dehnt ſich der Hals in feiner ganzen Länge gerade in die Hoͤhe, wobei jedoch, wohlzumerken, Kopf und Schnabel wa— gerecht bleiben, und er hat dann ein recht ſtattliches Ausſehen. Außer dieſen, welche ohngefaͤhr die Hauptverſchiedenheiten ſind, faͤllt er noch in ſo vielartige Uibergaͤnge von einer Stellung zur andern, XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 131 daß es mir ein hohes Vergnügen gewährte dieſe Vögel in den ver: ſchiedenſten Situationen zu beobachten, indem ihnen dabei wirklich etwas Poſſierliches anhaͤngt, das man bei allen andern Reiherarten vergeblich ſucht, was oft ſehr ergoͤtzlich wird, wenn man, wie mir mehrmals begegnete, recht viele ſolcher gelben Voͤgel zu einer Zeit beiſammen ſieht. Er ſchreitet zwar nicht ganz flink einher, wie Schnepfen, aber doch viel behender als andere Reiher, obgleich er auch in jenem lang⸗ ſamen Schleichen, vorzüglich wenn er Etwas fangen will, das Rei: herartige nicht verleugnet. Im Fluge, worin die Reiher⸗ und Rohr: dommelfigur um den Rang ſtreiten, legt er den Hals nicht ſo ganz kurz zuſammen, aber die Kruͤmmungen deſſelben ſind unter den dicken Federn verſteckt, die Beine ſtrecken ſich hinten wagerecht hin- aus, dadurch wird die Figur zwar etwas kurz und dick, hinten und vorn aber ſehr zugeſpitzt; die nicht ſehr breiten, ſpitzewaͤrts beſonders ſchmalen Fluͤgel ſind dabei weniger gekruͤmmt, aber die Spitzen nicht weit hinaus geſtreckt, oder mehr zuruͤckgezogen, und werden in ſanf— ten, nicht weit ausholenden Schwingungen etwas lebhafter bewegt als bei den groͤßern Gattungsverwandten. Sein Flug iſt daher nicht langſam, aber ſanft und geraͤuſchlos, und der Vogel wegen Geſtalt, Groͤße und beſonders der hellen Faͤrbung, der weißen Fluͤgel und dergl., eben ſo wie ſitzend, auch fliegend nicht zu verkennen. Wenn er ſich aus der Hoͤhe herablaſſen will, ſo zieht er die ſtillgehaltenen Fluͤgel bedeutend an und ſchießt ſo ziemlich ſchnell ſchraͤg herab, was man aber kein Schweben nennen kann, und flattert kurz vor dem Niederſetzen etwas; dies immer auch, wenn er nur eine kurze Strecke nahe uͤber der Erde hin fliegt und ſich niederſetzt. Zuweilen bewegt er auch, wenn er ſich niederlaſſen will, die mehr ausgeſtreckten Fluͤ⸗ gel ſehr wenig und ganz langſam, wie manchmal Meven, und glei⸗ tet ſo ganz ſanft und gemaͤchlich herab. Recht ſchnell ſchwingt er dagegen die Fluͤgel, wenn er uͤberraſcht und e. ſchreckt aus dem Sum: pfe aufſtiebt, wobei denn auch kurze Zeit die Beine gerade herabhangen. Auch das ſcheinbar Liſtige und Argwoͤhniſche im Blicke dieſes Vogels iſt Taͤuſchung; er iſt dies weniger als irgend ein andrer die⸗ ſer Gattung. Wo er wenig Verfolgungen auszuſtehen hat, kann man ihn unbedingt einen einfaͤltigen Vogel nennen. Gegen Leute, welche ihn nicht beachten, ſich nicht nach ihm umſchauen, iſt er un⸗ gemein zutraulich. Wir ſahen z. B. unter jener Bruͤcke, welche auf dem ſchon oben erwaͤhnten Titelkupfer dargeſtellt iſt, mehrere fleißige Slavonierinnen unter lautem Geſpraͤch mit dem Reinigen ſchmutziger 9 E 132 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. Waͤſche beſchaͤftigt, und wenige Schritte von ihnen die gemuͤthlichen Schopfreiher in bedeutender Anzahl, ohne die geringſte Furcht und Argwohn, ihren Geſchaͤften nachgehen; für uns ein hoͤchſt über: raſchender Anblick. Uns Schuͤtzen, die wir ihnen jedoch ſogleich ver— daͤchtig vorkommen mochten, flohen ſie freilich, einer nach dem andern, anfaͤnglich auf 40 bis 50 Schritt, ſetzten ſich aber kaum 30 bis 40 Schritt davon ſchon wieder, ließen ſich fo ordentlich zuſammen trei⸗ ben und wurden erſt ſpaͤter, als vielmals dort geſchoſſen war, etwas furchtſamer, aber wenig vorſichtiger. Wir haͤtten dort, wenn damit ein reeller Nutzen zu verbinden geweſen waͤre, mit geringer Muͤhe, ihrer gar viele erlegen koͤnnen; allein es that uns leid um die zutrau⸗ lichen, poßierlichen, gelben Voͤgel, deren Menge und geringe Furcht uns in freudiges Erſtaunen ſetzte; denn es waren dort mehrere Hun⸗ derte auf einem gar nicht großen freien Raume auf ein Mal zu uͤberſchauen, außer dieſen aber auch noch eine Menge von kleinen und großen Silberreihern, Loͤfflern, Tauſenden von ſchne— pfenartigen Voͤgeln u. a. m., von welchen manche unſere Aufmerk— ſamkeit mehr in Anſpruch nahmen, als jene Einfaltspinſel, die allent⸗ halben zu haben waren. — Oft ſtuͤrzte anderswo ein ſolcher Reiher nahe vor uns aus einem Geroͤhricht oder hinter einem Weidenbuſche hervor, welcher, anſtatt fortzueilen, ſich erſt noch ein Mal außerhalb des Geſtruͤpps, ganz auf dem Freien, kaum 30 bis 40 Schritt weit, niederließ, um ſo die Ruheſtoͤrer ſich beſſer beſchauen zu koͤnnen, und flog nun erſt, wenn er ſeine Neugierde befriedigt und nicht etwa mit dem Leben hatte buͤßen muͤſſen, gemaͤchlich weiter weg; ein Betra⸗ gen, das dem der Rohrdommeln gaͤnzlich fremd iſt. Man kann es wirklich kaum anders als Neugier nennen, wenn manche, von Weitem herkommend, oft auf den ſich ſchlecht verſteckten Schuͤtzen zufliegen oder, um ihn genauer betrachten zu koͤnnen, von einer frü- hern Richtung abweichen und naͤher bei ihm voruͤberſtreichen. Eine ganz beſondere Eigenheit iſt, wie ſchon beruͤhrt, ſeine Liebe zu Viehheerden, namentlich zu den Schweinen. Groß iſt ſeine Ver⸗ traulichkeit zu dieſem ſchmutzigen Vieh, das in den ſlavoniſchen Suͤm— pfen uͤberall in Heerden angetroffen wird, und ſich, um auszuruhen und abzukuͤhlen bei der Tageshitze, gewoͤhnlich in den Moraſt ſo tief einzuſenken pflegt, daß nur noch Naſe, Augen und Ohren ſichtbar bleiben; zwiſchen ihnen treibt ſich dann auch faſt immer ein ſolcher Vogel oder mehrere herum, und wenn man ſie wegſcheucht, kehren ſie doch bald wieder zu der geliebten Geſellſchaft zuruͤck. Sehr oft nimmt ein in der Gegend aufgeſcheuchter Schopfreiher ſeine Zuflucht XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 133 zu einer ſolchen Schweineheerde, entweder aus reiner Zuneigung zu dieſen Thieren, oder weil er weiß, daß weder dieſe noch ihre Hirten ihm etwas zu Leide thun, oder aus noch anderen Abſichten, etwa wie die gelben Bachſtelzen bei den Schaafheerden. — Ich habe viele zwiſchen den Schweinen erlegt, weil ſie hier gar keine Furcht zeigten. Mehr als ein Mal begab es ſich, als ich in jenen fuͤr meine Wiſſenſchaft ſo reichen Gegenden jagte, daß ich auf eine Heerde Borſtenvieh ſtieß, die ſich, 50 bis 100 Schritte vom Waſſer zerſtreuet, auf trocknem Raſen gelagert hatte, waͤhrend der Jagdhund einen Schopfreiher aus dem Sumpfe daneben aufſtoͤberte, der ſogleich zu den Schweinen ſeine Zuflucht nahm, ſich einſtweilen auf trock— nem Boden mitten unter jener niederließ und hier ziemlich beruhigt abwartete, was weiter geſchahe. Es war nicht ſelten, der Naͤhe der Schweine wegen, ſchwer, den Vogel zu erlegen, weil man befuͤrch— ten mußte, dabei zugleich auch eines oder mehrere von jenen zu verwunden, was auch wirklich, aller Vorſicht ungeachtet, anderswo ſich einige Mal ereignete, wo man die ganz im Moraſte ſteckenden und ſtillliegenden Schweine nicht geſehen hatte. Daß er die Geſellſchaft feines Gleichen liebt, iſt ſchon aus dem Vorhergehenden zu erſehen, eben ſo daß er gern da iſt, wo ſich vie les Gefluͤgel, nicht allein reiherartiges, ſondern auch ſchnepfenartiges, ſo wie Seeſchwalben, Meven u. a. m., verſammelt hatte. Er treibt ſich gemuͤthlich und, wie es ſcheint, mit Allen im Frieden lebend, zwiſchen dem vielartigſten Gewimmel herum, kuͤmmert ſich, bei na⸗ hender Gefahr, wenig um das fruͤhere Entfliehen der ſcheuern Arten, ergreift ganz nach eigener Anſicht die Flucht erſt, wenn oft die Ge⸗ ſellſchaft bereits faſt ganz zerſtoben iſt, und fliegt auch mit keinem weg, ſelbſt fuͤr ſich nur einer nach dem andern und ſelten zwei oder drei zugleich und dieſe oft in ganz entgegen geſetzten Richtungen fort, wodurch ſie ſich eben ſo leicht wieder uͤber eine ganze Gegend zerſtreuen, als ſie ſich an einem futterreichen Platze verſammelten. Seine Stimme iſt ein kurzer, ſchnarchender, heiſerer oder ge: daͤmpfter Ton, wie karr oder charr klingend, welcher nur in eini⸗ ger Naͤhe vernehmbar iſt. Wenn er erſchreckt auffliegt und entflieht, aber nicht immer, ſtoͤßt er ihn ein paar Mal nach einander und nicht ſchnell auf einander folgend aus; viel gewoͤhnlicher fliegt er ſtumm davon. Ich habe dieſen Ton uͤberhaupt nur an Orten gehoͤrt, wo viele verſammelt waren, einen andern lautern aber nie vernommen. Ob er in der Fortpflanzungszeit vielleicht noch andere hoͤren laſſe, weiß ich nicht. 134 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. Er iſt, jung aus dem Neſte genommen, leicht aufzuziehen, wird ziemlich zahm und erſcheint dann, auf einem geraͤumigen Platze her⸗ umgehend, als ein recht angenehmer Vogel, haͤlt ſich reinlich, und dauert mehrere Jahre aus, obwol er weichlicher zu ſein ſcheint als die groͤßern Reiherarten. Er betraͤgt ſich hier ohngefaͤhr wie der Seidenreiher und thut andern ihm zugeſellten kleinern Gefluͤgel, wenn er nicht zu enge mit ihm eingeſperrt iſt, nichts zu Leide. Nahrung. Froͤſche, Fiſche und Reſte verſchiedener Waſſerkaͤfer habe ich ge- woͤhnlich in feinem Magen gefunden. Eben fo kommen auch Froſch⸗ larven, kleine Conchylien und anderes Waſſergewuͤrm, nebſt Regen⸗ wuͤrmern und Inſektenlarven darin vor. Er frißt nur ganz kleine Fiſche, von 1 bis hoͤchſtens 3 Zoll Laͤnge, und dieſe ſcheinen die Lieblingsnahrung auch dieſes Reihers zu fein. Große Froͤſche beach⸗ tet er nicht, fo wenig wie größere Fiſche; aber die kleinen Waſſer⸗ froͤſche (Rana esculenta), von demſelben oder dem vorigen Jahr, ſind naͤchſt Fiſchen ſein gewoͤhnliches Futter. Er wadet und ſchleicht in etwas gebuͤckter Stellung im ſeichten Waſſer und Moraſte nach dieſen Geſchoͤpfen ſuchend einher, und findet aller Augenblicke Etwas zu fangen, was oft ſehr kleine Thier— chen ſein moͤgen, weil Zuſtoßen, Fangen und Verſchlucken faſt in einem Moment geſchieht, was bei kleinen Froͤſchen, die er erſt todt kneipt und im Schnabel ſo zu wenden ſucht, daß der Kopf beim Verſchlingen vorweg geht und eben ſo bei fingerslangen Fiſchchen immer viel laͤnger dauert. Er fiſcht am liebſten auf ſolchem Moraſte, uͤber welchem nur noch ein paar Querfinger hoch Waſſer ſteht, oder wo ſich dieſes ſchon in kleine Pfuͤtzchen abgetheilt hat. Das geringe Gewicht ſeines Koͤrpers und die ziemlich langen Zehen geſtatten ihm, noch uͤber ziemlich duͤnnfluͤſſigen Schlamm, ohne zu tief einzuſinken, hinweg zu gehen. Bis an die Ferſen geht er ſelten ins Waſſer, auch ſcheint er nicht geſchickt genug, in ſolchen einen reichlichen Fang zu machen, weil die Fiſche darin mehr ausweichen koͤnnen, weshalb er auch ſel— ten im klaren Waſſer fiſcht. An Orten, wo er in Noth gerathene, halb und halb geſtrandete, auf ein paar Geviertfuß ganz ſeichten Waſſers beſchraͤnkte, in kleine Pfuͤtzchen abgeſchloſſene Fiſchchen zu erwiſchen hoffen darf, iſt er dagegen am liebſten; da hat er leichten Fang, und dies mag ihm eben die Geſellſchaft der Schweine fo XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 135 angenehm machen. Dieſe wuͤhlen naͤmlich den Moraſt auf, verwan⸗ deln ſeine ebene Flaͤche in eine unebene, das wenige Waſſer uͤber ihm tritt in die dadurch entſtandenen Vertiefungen zuſammen, waͤhrend ſich zwiſchen dieſen Schlamminſelchen erheben; die an ſolchen Orten vorhandenen Fiſchchen, welche den Schweinen entkamen, werden unter ſolchen Umſtaͤnden gezwungen, mit dem zuſammentretenden Waſſer ſich in die kleinen Pfuͤtzen zu ziehen, woraus ſie, zum Theil er⸗ mattet, nicht mehr entrinnen koͤnnen und daher eine leichte Beute des Schopfreihers werden. Die Schweine werden auf dieſe Weiſe mittelbar feine Gehuͤlfen beim Fiſchen, und ſomit wäre feine Anhaͤng⸗ lichkeit an dieſe unſaubere Geſellſchaft erklaͤrlich. — Eben ſo bleibt die große Anzahl dieſer und andrer Fiſche freſſender Voͤgel in jenen Laͤnderſtrecken kein Wunder, wenn man ſieht, wie es in allen Gewäf: ſern von Fiſchbrut fuͤr ſie wimmelt, und wenn die Suͤmpfe durch Anſchwellen des Waſſers fuͤr unſern Schopfreiher weniger zugaͤnglich werden oder ihm jene durch voͤlliges Austrocknen entzogen wird, ſo bleibt ihm doch noch eine beliebige Auswahl von andern Nahrungs⸗ mitteln, vorzuͤglich Froͤſchen, die ſich in jenen ungeheuern Moraͤſten ebenfalls bis zum Unglaublichen vermehren. Er ſucht ſeine Nahrung am hellen Tage und noch bis in die Daͤmmerung hinein, aber, ſo viel ich ihn beobachten konnte, nie des Nachts; dann verhaͤlt er ſich ruhig. Dies Betragen ſteht daher im geraden Widerſpruch mit dem der Rohrdom meln. Er ſucht ſich ferner bei dieſer Beſchaͤftigung nicht zu verſtecken, und fiſcht entwe⸗ der an ganz freien Gewaͤſſern, oder auf freien Plaͤtzen zwiſchen buͤ⸗ ſchelweis wachſendem Schilf und Rohr, bei ſtuͤrmiſcher Witterung, welche ihm ſehr zuwider iſt, gern hinter Rohrbuͤſchen, die ihm Schutz gegen jene gewaͤhren. Er verweilt oft den ganzen Tag in einem kleinen Umkreiſe, ſchwaͤrmt aber gegen Abend weiter umher. Um die heiße Mittagszeit iſt er meiſtens unthaͤtig und ſucht ſich ein ſtilles, etwas verſtecktes Plaͤtzchen zwiſchen duͤnnſtehendem Schilfe u. dergl. oder hinter einem Weidengeſtraͤuch, um der Ruhe zu pflegen. Außer⸗ dem ſieht man ihn den ganzen Tag gemuͤthlich nach Nahrung herum ſchleichen, mitunter auch wol eine lange Weile ſtill ſtehen und ruhig die Verdauung abwarten, das zuweilen an trockner Stelle geſchiehet, die man dann nachher gewoͤhnlich von ſeinem kalkartigen, duͤnnfluͤſ⸗ ſigen Unrath großen Theils weiß gefaͤrbt findet. — 136 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. Fortpflanzung. Leider weiß ich von der Fortpflanzungsweiſe auch dieſes Vogels nach eigener Anſicht nichts mitzutheilen. Ich war an vielen Orten, von welchen die Einwohner verſicherten, daß er da in großer Anzahl niſte; allein ſie konnten mir, weil der Vogel ſie wenig intereſſirt, noch weniger davon erzaͤhlen, als von einer der vorhergehenden Arten. Er koͤmmt auch auf jener Reiherinſel bei Belgrad niſtend vor, bauet aber, ſo viel davon zu erfragen war, nicht auf Baͤume, ſon⸗ dern unten ins Geſtraͤuch oder auf die Erde. — Eben ſo niſtet er in Ungarn in allen groͤßern Suͤmpfen zerſtreuet auf alten Rohrſtor— zen, umgeknicktem Schilf oder auf kleinen Schlamminſeln, mit Rohr und Schilf oder Geſtraͤuch umgeben, ohne das Neſt ſehr zu verſtek— ken. Dieſes ſei von vorjaͤhrigem trocknem Rohr, Schilf und Binſen gebauet, und enthalte 4 bis 5 weiße Eier. Zu meinem großen Bedauern iſt dies leider Alles, was mir die Leute in Slavonien davon ſagen konnten. Es bleibt daher ſpaͤ— tern Forſchungen, namentlich dem guten Willen der ungariſchen Naturforſcher uͤberlaſſen, naͤhere Beobachtungen daruͤber anzuſtellen und die Ergebniſſe derſelben bekannt zu machen. Dies kann dort gar nicht ſchwer fallen, da er hin und wieder im ganzen Lande niſtet und im Suͤden des Koͤnigreichs in ſo großer Menge gefunden wird. Man darf wol aus ſeinem, freilich ſehr ſeltenen, Vorkommen bei uns, in der Bruͤtezeit, vermuthen, daß er auch ſchon in unſrer Naͤhe gebruͤtet haben mag, wie daſſelbe auch in der noͤrdlichen Schweiz und in Holland vorgekommen ſein ſoll, — Neſt und Eier ſind aber dort auch nicht aufgefunden worden, ſo wenig wie bei uns. Feinde. Man weiß nichts Gewiſſes hieruͤber, und darf bloß vermuthen, daß er darin mit der vorigen Art uͤbereinkomme. Nach dem Wiener Verzeichniß wohnen in ſeinen Eingeweiden verſchiedene Würmer, nämlich: das in mehren Reiherarten vorkom⸗ mende Amphistomum Cornu, die Ascaris microcephala und ein der Art nach noch unbeſtimmtes Distomum. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 254. Schopfreiher. 137 saı ©. Der Schopfreiher iſt leichter zu ſchießen als andere Tagreiher und der einfaͤltigſte unter ihnen. Oftmals haͤlt er, wenn der Schuͤtze mit Sachkenntniß verfaͤhrt, frei zum Schuß aus, oder laͤßt ſich doch ohne viele Muͤhe hinterſchleichen. Viel oͤfterer noch ſtuͤrzt er uner⸗ wartet und nahe genug, ohne daß ein Hund zum Aufftöbern dabei noͤthig waͤre, aus dem Schilfe oder Gebuͤſche hervor, wo er leicht im Fluge geſchoſſen werden, oder dann noch im Sitzen erreicht wer: den kann, wenn er kurz nach dem Herauspoltern, wie ſehr oft, ſich erſt noch ein Mal auf dem Freien niedergelaſſen hat und den Ruhe: ſtoͤrer einige Augenblicke angafft; denn lange dauert dies Anglotzen freilich nicht, der Schuͤtze muͤßte denn ihm gegenuͤber auch unbeweg⸗ lich bleiben. — Bei den Schweineheerden macht es vollends gar keine Muͤhe, ihn zu erlegen. Daß er hinter hohen Sumpfpflanzen oder Geſtraͤuch verſteckt ſo nahe aushaͤlt, dabei jedoch ſein Verſteck ohne Vergleich weniger feſt haͤlt als die Rohrdommeln, die oft der Hund nur zum Herausfliegen bewegen kann, wenn er ſie, ſo zu ſagen, mit der Naſe herausſtoͤßt, bringt ihn gar oft und nahe genug vor den Schuͤtzen, ſelbſt noch für das zweite Rohr des Dop⸗ pelgewehrs, wenn der Schuß des erſten ihn verfehlte. Etwas vor. ſichtiger mag er wol ſein, wo er ſelten hinkoͤmmt; doch iſt dies eben⸗ falls ſo arg nicht, weil ihm die Beſonnenheit und Schlauheit andrer Reiher gaͤnzlich fehlen. Nutz en. Man nuͤtzt weder fein Fleiſch, noch feine Federn, und er wird deshalb in jenen Laͤndern faſt gar nicht beachtet, allenfalls nur von jungen Leuten, die ſich an den furchtloſen Vogel im Schießen üben wollen. Schaden. Eben ſo wenig haͤlt man ihn dort fuͤr ſchaͤdlich; daß er viele Fiſchbrut wegfaͤngt, weiß man kaum, und wuͤrde ſie ihm auch ohne⸗ dem nicht mißgoͤnnen, zumal er auch viele Froͤſche vertilgt, deren uͤbergroße Menge in den niedern Gegenden jener Laͤnder laͤſtig wird. Zweite Familie. Rohrdommeln. Nachtreiher. (Nyceterodiae.) Der ziemlich lange Hals ift mit großen, langen, breiten, lok— kern Federn beſetzt, welche uͤber einen ſchmalen, bloß mit Dunen beſetzten, auf dem Nacken der Laͤnge nach herablaufenden Streif zu— ſammengreifen und dieſen verdecken, ſo auch den ganz wie ein Ta— ſchenmeſſer zuſammengelegten Hals vorn und ſeitwaͤrts gaͤnzlich ein— huͤllen und jene gedruͤckte Lage deſſelben voͤllig verbergen koͤnnen. Ihre Fuͤße ſind viel niedriger und weniger ſchlank, haben uͤber der Ferſe nur einen kleinen oder auch gar keinen nackten Raum, einen weiten, weichen Uiberzug, unter dem fie oft wie geſchwollen erſchei⸗ nen und daher nach dem Trocknen bei Ausgeſtopften ſehr einſchrumpfen. Es find nächtliche Voͤgel, deren Regſamkeit mit der Abenddaͤm— merung beginnt und mit dem Morgen aufhoͤrt, welche am Tage ruhen, ſich tief in Rohrdickichten und dichten ſumpfigen Gebuͤſchen verbergen und aus ihrem Verſteck am Tage nur mit Gewalt auf— ſcheuchen laſſen, ſich dann ſogleich wieder verſtecken, und freiwillig nur des Nachts auf dem Freien erſcheinen. An ihrem Ruheplaͤtzchen uͤberraſcht, nehmen ſie eine ſehr ſonderbare ſteife Stellung an und find, während fie in ſolcher beharren und ſich ſtockſtill verhalten, dann eher fuͤr einen alten Stumpfen, Pfahl u. dergl., als fuͤr einen lebenden Vogel anzuſehen. Deshalb und noch mancher andern Aehnlichkeit wegen, kann man fie die Eulen unter den Sumpf: voͤgeln nennen, da auch ihr Flug etwas Eulenartiges, und ſelbſt ihr Gefieder nebſt ſeinen Zeichnungen bei manchen Arten Aehnlichkeit von denen jener Nachtraubvoͤgel hat. Deutſchland wird bewohnt von: Drei Arten. 255. Die nächtliche Rohrdommel. Ardea nyeticorax. Linn. Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 225. J Fig. 2. Zweijaͤhriges Maͤnnchen. Fig. 3. Weiblicher junger Vogel. Nachtreiher, Quaakreiher, Schildreiher; Schildreger; Nacht: rabe, Nachtram; aſchgrauer Reiher mit drei weißen Nackenfedern. Focke. — Jung: Grauer —, ſchwarzer —, bunter —, gelfleckter Reiher. Ardea nycticorax. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 624. n. 9. — Lath. Ind. II. p. 678. n. 13. — Wils, Amerie, Orn. VII. p. 101. t. 61. f. 2. — Le bihoreau. Buff. Ois. VII. p. 435. t. 22. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 159. — Id. Pl. enl. 785. Gerard. Tab. elem. II. p. 145. Bihoreau d manteau noir. Temminck. Man. @Orn. II. p. 577. = Night heron. Lath. Syn. V. p. 52. & Supp. I. p. 234.. — Uiberſ. von Bechſtein, III. 1. S. 29, u. 13. a, — Penn. arct. Zool. überſ. von Zimmermann, II. S. 420. n. 273. = Bewick. brit. Birds. II. p. 43. Sgarza nitticora. Stor. degli. Ucc. IV. Tav. 422. — Nitticora. Savl. Orn. tosc. II. p. 353. — Blaauwekwak. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 151. — Friſch, Vög. Taf. 203. - Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 54. — Deſſen ornit. Taſchenb. II. S. 263. — Wolf u. Meyre, Taſchenb. S. 339, — Meyer, Vög. Eſth⸗ u. Livlands. S. 182. — Meisner u. Sch inz, Vögel d. Schweiz. S. 189. n. 185. Koch, Baier. Zool. I. S. 335. n. 209. — Brehm, Lehrb. II. S. 556. — Deſſen Nas turg. a. V. Deutſchl. S. 591-593. = Gloger, Schleſ. Fauna. S. 30. n. 217. —Landbeck, Vög. Würtembergs, S. 59. - Naumann's Vögel, alte Ausg., III. S. 123. u. Taf. XXVI. Fig. 35. (altes Männchen), und Nachtr. S. 322. Taf. XLVIII. Fig. 93. (junger Vogel) und Fig. 94. (Weibchen im zweiten Jahr.) — Vögel im zweiten Jahr. Ardea grisea. Gmel. Liun. syst. I. 2. p. 625. n. 9. B. = Ardea badia. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 644. n. 75. - Lath, Ind. II. p. 686. n. 37. Bi- horeau (femelle). Buff. Ois. VII. p. 435. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 159. = 140 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. Id. Pl. enl, 759. — Chesnut Heron. Lath. Syn. V. p. 73. — Uiberſ. v. Bech⸗ ſtein, III. 1. S. 46. u. 37, — Desgl. S. 30. n. 13. b. Vögel im erſten Jahr. Ardea maculata. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 645. n. 80. = Ardea Gar- deni. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 645. n. 81. — Lath. Ind. II. p. 685. n. 32. Le Pouacre et Pouacre de Cayenne. Buff. Ois. VII. p. 427. — Edit, d. Deuxp, XIV. S. 148. (Le Pouacre on Butor tacheté.) — Id. Pl. enl, 939. — Spolted and Gardenian Heron. Lath. Syn. V. p. 70. n. 31. and p. 71. n. 32. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 44. u. 31 & 32. —= Wils. Americ. Orn, t. 61. f. 3. Sgarza cenerina. Stor. deg. Uec, IV. Tav. 421. — Friſch, Vög. Taf. 202. Wenn; ichen dee e Fluͤgel bei den Alten von außen rein aſchgrau, ein großes Rückenſchild gruͤnſchwarz; beide bei juͤngern duͤſter braungrau; bei ganz jungen dunkelbraun mit weißen Tropfenflecken. Beſchreibung. Die Nachtrohrdommel hat in ihrem Aeußern ſo viel Ausgezeich— netes, daß ſie mit einem andern inlaͤndiſchen Vogel nicht verwechſelt werden kann. Die Zeichnung des ausgefaͤrbten Kleides hat zwar manche Aehnlichkeit mit der der kleinen Rohrdommel, ebenfalls im ausgefaͤrbten Kleide, jedoch eine ganz andere Hauptfarbe, Grau, wo dort Gelb iſt u. ſ. w., auch iſt die Größe beider gewaltig ver: ſchieden. Unter den bis jetzt bekannten auslaͤndiſchen Arten ſtehen ihr einige ziemlich nahe, z. B. A. Sparrmanni, A. leuconotus u. a. m. Er hat ohngefaͤhr die Groͤße einer Kraͤhe, als Reiher einen et— was dicken Kopf und Schnabel, kurzen dicken Hals, aber ein weni: ger großes, weniger lockeres Gefieder als andere Rohrdommeln. Die Ausmeſſungen alter Voͤgel geben Folgendes: Länge: 21 bis 222), Zoll; Flugbreite: 44 bis 45 Zoll; Fluͤgellaͤnge: 12 ½ bis 13 Zoll; Schwanzlänge: 4¼ bis 45d Zoll; Halslaͤnge gegen 8 Zoll; — wogegen erwachſene Junge gewoͤhnlich nur 19 bis 20 ½ Zoll lang, 36 bis hoͤchſtens 40 Zoll breit ſind, deren Fluͤgellaͤnge dann 10°), bis 11 ½ Zoll beträgt. Das Gefieder iſt groß, locker, ſehr weich, auch Fluͤgel- und Schwanzfedern, jedoch etwas derber als bei den folgenden Familien: verwandten und koͤmmt dem der Tagreiher naͤher, iſt jedoch an dem kuͤrzern Halſe wie uͤberhaupt auch viel laͤnger und buſchichter als bei dieſen. Die Fluͤgel haben lange Armknochen, ſtrecken ſich daher XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 141 ziemlich in die Laͤnge, ohne ſehr breit zu ſein, und haben eine zuge⸗ rundete Spitze. Die erſte der großen Schwingfedern iſt ſo lang als die vierte, die dritte die laͤngſte, alle breit, vor dem Ende ſchnell ſchmaͤler und von da abnehmend zugerundet; die hintern Schwingen (dritter Ordnung) außerordentlich breit, zugerundet, ſehr lang, ſo daß die hintere Fluͤgelſpitze, wenn der Fluͤgel geſchloſſen, faſt ſo lang als die vordere iſt. | Der Schwanz hat 12 ziemlich breite, zugerundete, am Ende jedoch faſt abgeſtutzte Federn von gleicher Laͤnge; nur das aͤußerſte Paar iſt ein wenig kuͤrzer als die uͤbrigen. Die ruhenden Fluͤgel reichen wenig oder gar nicht uͤber ſein Ende hinaus. Der Schnabel iſt kaum mittellang, ſtark (zumal bei alten Voͤ⸗ geln), etwas gekruͤmmt, im Profil rabenartig, aber ſonſt ſchmaͤler und die Schneiden viel ſtaͤrker eingezogen. Er ähnelt denen der groͤ⸗ ßern Meerſchwalben, weicht daher von der Schnabelform ſeiner Familienverwandten etwas ab. Er iſt ſchmal, hoch, der Ruͤcken ein ſanfter Bogen, der Kiel ziemlich gerade, dieſer zur Haͤlfte geſpalten, die Schnabelfirſte ſtumpf oder etwas gerundet, die Spitze nicht ſehr ſcharf, deſto ſchaͤrfer die etwas eingezogenen Schneiden, welche vor der Spitze eingekerbt ſind. Das Naſenloch, ein keilfoͤrmiger 6 Li⸗ nien langer Ritz, öffnet ſich ſeitwaͤrts nahe an der Sirn, unten in der dreieckigen mit einer weichen Haut bedeckten Naſenhoͤhle, die je: derſeits als eine, mit der Firſte parallel laufende, Furche erſt in der Naͤhe der Schnabelſpitze endet. Der Schnabel iſt bei alten Voͤgeln 3 bis 31/, Zoll lang, an der Wurzel 11 Linien hoch und etwas über 9 Linien breit; bei jungen (drei Monate alten) etwas ſchwaͤ⸗ cher und gewöhnlich nur 2 ½ bis gegen 2 / Zoll lang, oft noch bedeutend kuͤrzer, nur 9 Linien hoch und 8 Linien breit; dann auch der Schnabelruͤcken noch weniger gebogen, etwa nur ſo wie bei der alten Ardea stellaris. Die Farbe des Schnabels iſt verſchieden, in der Jugend blaß— gelb, oben braͤunlich, bei voͤllig erwachſenen, im friſchen Zuſtande, von oben braunſchwarz, an den Schneiden braungelb und der ganze Unterſchnabel gruͤnlich graugelb, die nackten Zügel grünlich, die kah- len Augenlider gelb; im zweiten Lebensjahr iſt er von obenher ganz ſchwarz, nur an der Wurzel der Unterkinnlade zeigt ſich noch eine mehr oder minder ausgedehnte mattgelbe Stelle, die Zuͤgel auch ſchwarz, bloß in der naͤchſten Umgebung der Augen zuweilen noch etwas gelbgruͤnlich; — im dritten Jahr, wenn der Vogel ausge⸗ faͤrbt, iſt der Schnabel, ſammt Zuͤgeln und Augenlidern, voͤllig und * . 142 XI. Oron. IXVI. Gatt. 235. Nächtl. Rohrdommel. einfaͤrbig ſchwarz, erſterer glaͤnzend, letztere matt. Die Faͤrbung im innern Schnabel entſpricht der aͤußern, ſie iſt nur matter und geht im Rachen in Fleiſchfarbe über. — Im getrockneten Zuſtande ver- aͤndert ſich ſeine Farbe nur bei juͤngern Voͤgeln bedeutend, indem das Gelbe verſchwindet und lichte Hornfarbe, das Schwarzbraun ein haͤßliches Hornbraun wird, wobei der Schnabelüberzug ſehr Ich big ausſieht, waͤhrend er bei den Alten deſto ſchwaͤrzer und glaͤn⸗ zender wird. | | Das Auge ift größer als bei andern Reihern und feine Iris ſehr lebhaft gefärbt, bei jungen Vögeln, im erſten Herbſte ihres Lebens noch ſchoͤn goldgelb, bei zweijaͤhrigen hochroth, bei den alten aber praͤchtig karminroth und von einem ungemeinen Feuer. Die niedrigen, nicht ſehr ſtarken, weichen Fuͤße haben uͤber der Ferſe nur eine kleine nackte Stelle, nicht ſehr lange, ſchlanke Zehen, von welchen die aͤußere und mittlere eine kurze Spannhaut haben, und in der Stellung derſelben mit andern Reiherfuͤßen uͤbereinkommen. Ihr Uiberzug, welcher ſehr weich und ziemlich ſchlotterig, iſt vorn herab in ſehr große Schildtafeln zerkerbt, auf der hintern Seite laͤuft eine Reihe etwas kleinerer herab, und die Zwiſchenraͤume ſind noch kleiner geſchildert, an den Gelenken netzfoͤrmig, die Zehenruͤcken grob geſchildert, die Zehenſohlen fein warzig. Die Krallen ſind ziemlich groß, flach gebogen (dies jedoch bei manchen Individuen mehr, bei andern weniger), ſpitzig, von unten zweiſchneidig, die der Mittelzeh mit ſehr ſtark vortretendem, fein kammartig gezaͤhnelten Innenrande. Sie haben folgende Maaße: die nackte Stelle uͤber der Ferſe kaum % Zoll hoch; der Lauf 3 Zoll 2 bis 3 Linien lang; die Mittelzeh 3½ Zoll, wovon ihre Kralle ½ Zoll, die Hinterzeh 1 Zoll 11 Li nien und ihre Kralle fuͤr ſich 9 Linien lang. Bei jungen, drei Monate alten, Voͤgeln ſind ſie etwas geringer, der Lauf oft nur 2 Zoll 2 bis 3 Linien, Mittelzeh und 5 Linien lange Kralle kaum etwas uͤber 3 Zoll und die Hinterzeh, nebſt ihrer 7 Linien langen Kralle, nur etwas über 1½ Zoll oder 1 Zoll 8 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt in andern Werken oft falſch angegeben worden, weil ſie ſich gleich nach dem Ableben des Vogels und im getrockneten Zuſtande noch mehr verändert. Sie find beim alten Vogel, im Leben, hell fleiſchfarbig, bloß in den Gelenken und an den Zehenſohlen etwas gelblich, werden aber, ſobald der Vogel todt und erkaltet iſt, durchaus hellgelb, noch ſpaͤter und völlig ausgetrock net endlich ſchmutzig gelb, mehr oder weniger ins Braͤunliche oder Roͤthliche ſpielend. Die Krallen find hornſchwarz. — Beim jun: * 4 XII. Stdn. LXVI.Gatt. 255. Nächtl. Rohrdommel. 143 gen Vogel im erſten Jahr ſind die Süße matt grün, an den Ge⸗ lenken gelb; im zweiten Jahr verliert ſich das Gruͤnliche in dem Maaße als die Fleiſchfarbe mehr und mehr hervortritt, die am Ende die herrſchende wird; die Krallen ſind fruͤher dunkelbraun, ſpaͤter braunſchwarz. In getrockneten Baͤlgen wird die Fußfarbe horngelb⸗ lich und überhaupt fo unſcheinlich, daß ihre frühere nicht zu erra— then iſt. 5 Das Jugendkleid, wie es der 3 bis 4 Monate alte Vogel hat, wo oft den Scheitel- und Nackenfedern an den Spitzen noch Dunenfaſern anhaͤngen, folgende Farben: Kinn und Kehle ſind rein weiß; Vorderhals, Bruſt, Weichen, Bauch und Schenkel auf wei: ßem Grunde mit ſchmalen braungrauen Laͤngeflecken beſetzt, die an den Bruſtfedern am groͤßeſten ſind, hier wie am ganzen Unterkoͤrper an den Seiten der Federn ſtehen und das Weiße nur als breiten Schaftſtreif zwiſchen ſich laſſen. Die Scheitelfedern, nach dem Ge— nick hin etwas verlaͤngert, ſind dunkelbraun, jede mit einem feinen roſtgelben Schaftſtrich; die Wangen weißlich, roſtgelb gemiſcht und dunkelbraun geſtrichelt; der Hinterhals und die Halsſeiten dunkel⸗ braun, etwas matter als der Scheitel, und mit breiterm roſtgelben Schaftſtreif; Oberruͤcken und Schultern dunkelbraun oder tief choco= latbraun, jede Feder ſpitzewaͤrts mit einem tropfen» oder birnfoͤrmi⸗ gen hellroſtgelben Schaftfleck; die kleinen Fluͤgeldeckfedern eben ſo; auch die mittlern Deckfedern ſo, an dieſen jedoch die Flecke groͤßer und weißer; die großen Fluͤgeldeckfedern matter braun, oder nur dunkel braungrau, jede am Ende mit einem runden oder nierenfoͤr⸗ migen weißen Fleck, ſo auch die hintern Schwingfedern und die Fit⸗ tigdeckfedern; die groͤßern Schwingfedern ſchwarzgrau mit weißen Endflecken; Buͤrzel, Oberſchwanzdecke und die Schwanzfedern tief grau, die untern Deckfedern deſſelben weiß; der Unterfluͤgel an den Deckfedern dunkelbraungrau und weiß gefleckt, an den Schwingfedern ſchieferſchwarz. Dieſe jungen Voͤgel wurden ſonſt fuͤr eine eigene Art gehal⸗ ten, weil ſie in Farbe und Zeichnung ihres Gefieders gar keine Aehnlichkeit mit denen ihrer Aeltern haben. Ihr buntſcheckiges, auf faſt ſchwarzem Grunde mit weißen oder ſehr lichtfarbigen Flecken befäetes Gewand giebt ihnen ein fo ganz verſchiedenes Ausſehen, daß man ſich nicht wundern darf, wenn ſich unſere Vorgaͤnger nicht überreden konnten, fie für das zu halten, was fie wirklich find, fir junge Vögel von A. Nycticorax. — Diefe jungen Voͤgel zeichnen ſich übrigens noch in mancherlei kleinen Abweichungen, in der Größe 144 XII. Ordn. LXVI. Gatt.255. Nächtl. Rohrdommel. und Form der hellen Flecke ſowol, wie in der Faͤrbung dieſer und des dunkeln Grundes, unter ſich aus, ohne daß dies jedoch das ganze Ausſehen ſo ſtark veraͤnderte, daß jene Zeichnungen nicht im— mer kenntlich blieben. Kaum unterſcheiden ſich die Weibchen durch. geringere Groͤße und weniger lebhafte Zeichnung ſtark genug von den gleich alten Maͤnnchen, um ohne Section das Geſchlecht zu erkennen. Aber ziemlich veraͤndert ſind die Farben derſelben nach Verlauf eines halben Jahres geworden, wo die Grundfarbe in ru= ßiges Braun oder Braungrau und das Roſtgelb der Flecke in gelb⸗ liches Weiß abgebleicht iſt. Nach der erſten Mauſer, alſo im zweiten Lebensjahr, ſieht dieſer Vogel wieder anders aus; ſein Gewand iſt dann durch ein vorherrſchendes, duͤſteres, faſt einfarbiges Grau zum unanſehnlichſten geworden unter allen, womit er je bekleidet wird. Es hat ſowol mit dem vorhergehenden, als mit dem zukuͤnftigen Kleide ſo wenig Aehnlichkeit, naͤmlich wenn es ganz rein dargeſtellt iſt, daß es eben ſo wenig zu verwundern war, wenn die aͤltern Ornithologen ihn darin fuͤr ſpecifiſch verſchieden vom einjaͤhrigen wie vom alten Vo⸗ gel hielten, wovon jedoch in neuerer Zeit das Gegentheil bis zur Evidenz erwieſen worden iſt. — Der Scheitel hat nach dem Genick zu ziemlich verlaͤngerte Federn und iſt ſchwarzbraun, etwas roſtgelb gemiſcht oder auch nur eintoͤnig rußfarbig, faſt rußſchwarz; der An⸗ fang der Stirn, Kinn und Kehle weiß; die Kopfſeiten ſchmutzig weiß, roſtgelb gemiſcht und braungrau geſtrichelt; die Gurgel weiß, mit verloſchenen braungrauen Laͤngeflecken und Streifchen; Bruſt und Schenkel dem aͤhnlich; nur etwas groͤber, aber auch nicht deut: licher gefleckt; die Weichen und der Bauch lichtgrau, mit weißlichen Schaftſtrichen; die untern Schwanzdeckfedern weiß; der Hals hinten und an den Seiten braungrau, mit großen, verwaſchenen, roſtgelb⸗ lichen oder weißlichen Schaftſtreifen; Oberruͤcken und Schultern ein: farbig braungrau, dunkler als andere Theile von dieſer Farbe; der ganze Oberfluͤgel graubraun oder braungrau, an den kleinen und mittlern Deckfedern hin und wieder mit einem kleinen lichtroſtgelb⸗ lichen, an den groͤßern und den hintern Schwingfedern, deren Grund: farbe etwas dunkler, mit einem groͤßern weißen Tropfenfleck, die jedoch bei den meiſten, namentlich maͤnnlichen Voͤgeln, fehlen, wo dieſe ganze Fluͤgelflaͤche voͤllig fleckenlos iſt; die großen Schwin⸗ gen nebſt den Fittichdeckfedern einfarbig dunkelgrau, zuweilen an den Enden mit einem kleinen weißlichen Fleck; Unterfluͤgel licht braͤunlichgrau, an den Schwingfedern dunkelaſchgrau; Buͤrzel und Schwanz aſchgrau. * 0 * XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 145 Man findet dieſes Kleid gewoͤhnlich erſt ſpaͤt im zweiten Früh: ling ihres Lebens rein, fruͤher aber meiſtens, weil die Mauſer noch nicht beendigt iſt, mit vielen Federn des Jugendkleides vermengt, die es dann bunter machen und Veranlaſſung zu Irrungen beim Beſchreiben ſolcher Voͤgel, als zweijaͤhrige, gegeben haben, eben weil viele der Jungen, beſonders ſolche von verſpaͤteter Brut, im Fruͤh⸗ jahr noch in voller Mauſer begriffen wiederkehren. Im zweiten Som⸗ mer iſt es erſt bei allen ganz vollſtaͤndig, erſcheint dann aber bei den meiſten ſchon wieder etwas verſchoſſen und abgebleicht. Maͤnn⸗ chen und Weibchen ſind darin eben ſo ſchwer zu unterſcheiden wie in dem fruͤhern, jedoch ſind, wie ſchon beruͤhrt, die erſtern mei⸗ ſtens auf den Flügeln ohne alle weiße Flecke, und ſtets etwas groͤ⸗ ßer, obwol es auch hiervon Ausnahmen geben kann. Exemplare, die in der Mauſer begriffen ſind, welche ſie aus dem eben beſchrie⸗ benen zum ausgefaͤrbten Kleide uͤberfuͤhrt, im mittlern Europa aber wol nur ſelten vorkommen, ſehen, je nachdem ſie viele oder wenige Federn des einen oder des andern durch einander tragen, ſonderbar bunt aus. Im dritten Fruͤhlinge, alſo nach der zweiten Mauſer, iſt das vollſtaͤndige Kleid endlich ſo weit hergeſtellt, daß es in den fol⸗ genden Jahren nur noch verſchoͤnert, aber nach Farben und Zeich- nungen nicht weſentlich veraͤndert erſcheint; der gruͤnſchwarze Kopf, das eben ſo gefaͤrbte Ruͤckenſchild, der rein aſchgraue Fluͤgel u. ſ. w. alles wie in ſpaͤtern Jahren, nur noch weniger ſchoͤn, weniger voll⸗ kommen, der Hals und die Seiten des Unterkoͤrpers beſonders grauer; auch die drei ſonderbar gebildeten weißen Genickfedern ſind vorhan⸗ den, es hat ſie das Maͤnnchen ſchon wenigſtens von 4 Zoll, das Weibchen von 3 Zoll Lange, fie find aber bei beiden, zumal dem letztern, meiſtens noch auffallend dünner, als ſpaͤter nach einem noch⸗ maligen Federwechſel. Nach dieſem, alſo ihrem dritten, und im vierten Fruͤhlinge ihres Lebens, iſt endlich ihr Kleid ausgefaͤrbt zu nennen. Der Ober⸗ und Hinterkopf hat dann bedeutend verlaͤngerte, an den Raͤndern nicht geſchloſſene, tiefſchwarze, ſtahlblau und grün glänzende Federn, die aufgeſtraͤubt eine buſchige Holle bilden. Dazu entſpringen im Genick drei ſonderbar gebildete Federn, alle drei nicht neben-, ſondern übereinander, fo daß eine die andere decken kann; fie find vom zar⸗ teſten Bau, jedoch ſteif genug, um willkuͤhrlich auf und nieder be- wegt werden zu koͤnnen; ihre ſchlanken, ſchwachen Schaͤfte haben jederſeits eine ſehr ſchmale Fahne, welche ſich hohl nach unten biegt, r Theil. 10 1 # ! 24 * | 146 XII. Ord n. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 1 ſo daß die oberſte die zweite, und dieſe die unterſte, wie in einer hohlen, unten offnen Rinne, aufnimmt und alle zuſammen, wenn eine in die andere fo eingeſchachtelt iſt, ausſehen, als wenn es nur eine einzige waͤre, oder wie ein einfacher, ins Genick geſteckter Feder⸗ kiel oder Schaft ohne Bartfahnen. Sie verjuͤngen ſich naͤmlich nach vorn, laufen, gleich Nadeln, ſpitz zu, und nehmen ſtufenweis an Laͤnge ab, ſo daß die oberſte die laͤngſte, die unterſte die kuͤrzeſte, und dieſe etwa einen Zoll kuͤrzer als jene iſt. Die laͤngſte dieſer Fe⸗ dern mißt bei Maͤnnchen dieſes Alters gewoͤhnlich bis 7 Zoll; ich habe fie aber bei noch viel aͤltern ſogar bis zu 8 Zoll Länge gefunden. Dieſe drei Federn ſind nie anders als vom zarteſten reinſten Weiß.) — — Der Hals hat ziemlich große, wulſtige Fe⸗ dern, die ſich beſonders nach hinten biegen und den Dunenſtreif, | welcher auf dem Hinterhalſe herablaͤuft, loſe überdeden, vorn am Unterhalſe aber buſchicht herabhangen, Alles jedoch weniger ſtark als bei den folgenden Arten. — Die Stirn iſt weiß und dies ſchei⸗ det ſich, indem es, etwas ſchmaͤler, über das Auge weglaͤuft, ſcharf von der ſchwarzgruͤnen Kopfplatte ab; Vordertheil der Wangen, | — — Kinn, Kehle, Gurgel ebenfalls weiß, das am Kropfe und den Hals- ſeiten ungemein fanft in ein ſehr lichtes Violettgrau und dieſes auf dem Hintertheil des Halſes allmählich in roͤthliches Aſchgrau ver ſchmilzt; alle untern Theile, vom Anfange der Bruſt bis an den Schwanz, deſſen untern Deckfedern, wie die Schenkelbefiederung, rein weiß, alles Weiß jedoch, von der Stirn bis an den Schwanz und an die Fuͤße, am lebenden Vogel mit einem ungemein angeneh⸗ men blaſſen Schwefelgelb ſanft uͤberlaufen oder wie angehaucht. Dieſer außerordentlich zarte Hauch des reinſten Gelb ift im Früh: jahr am friſchen Gefieder am bemerkbarſten, verſchwindet aber ſpaͤ⸗ terhin allmaͤhlig großentheils oder auch ganz; er iſt von ſo zarter Beſchaffenheit, daß er auch am todten Vogel ſichtlich abnimmt und ſehr bald ſpurlos fo ganz verſchwindet, jo daß er an ausgeſtopften Exemplaren nie mehr vorkoͤmmt. — Der Oberruͤcken und die Schul⸗ tern ſind tiefſchwarz, mit ſtahlblaugruͤnem Glanze; ſie bilden ein großes, ovales, ſcharfgezeichnetes Ruͤckenſchild (daher der Name: Schildreiher);z Unterruͤcken, Buͤrzel, die obern Deckfedern des Schwanzes und dieſer ſelbſt hell aſchgrau, die aͤußerſten Federn des 5 Zu os — ) Im Nationalmuſeum zu Peſth ſahe ich zwar ein ſehr altes Exemplar, deſſen fange Genickfedern an den äußerten Spitzen ſchwarz waren, halte dieſe Erſcheinung je⸗ doch für keine natürliche. 0 1 * XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 147 letztern am lichteſten und mit weißem Außenſaum. Der ganze Fluͤ⸗ gel, nebſt den Schwingfedern, iſt von außen ſehr ſanft und rein aſchgrau, eine ganz gleichmaͤßige, ziemlich helle und angenehme Farbe; der Unterfluͤgel viel blaſſer, ſehr licht aſchgrau, an den Deckfedern ſilberweiß; der Schwanz auf der untern Seite ſilbergrau. Sehr alte Voͤgel zeichnen ſich beſonders durch den auffallend ſtaͤrkern Schnabel aus; die Männchen durch einen faſt ganz wei⸗ ßen (ſchwefelgelb angeflogenen) Hals, welcher nur hinterwaͤrts ſchwach grau uͤberflogen iſt; durch einen ſilberweißlichen Fluͤgelrand, und durch ein viel ſchwaͤrzeres und ſtaͤrker ſchillerndes Ruͤckenſchild, wie auch der Scheitelfedern, welche dabei groͤßer und buſchichter ſind, und durch viel längere Genickfedern, vor den drei: und vierjährigen aus. In dieſem Kleide iſt die Nachtrohrdommel ein praͤchtiger Vogel, zumal lebend, wo alle Farben viel friſcher ausſehen, hingegen am Ausgeſtopften ſehr verlieren, weil das ſeidenweiche Gefieder leicht fremden Schmutz annimmt, und außer dem Verſchwinden der gelben, auch die aſchgraue Farbe unſcheinlicher wird. Beide Geſchlechter haben dieſelben Zeichnungen, dieſelben Farben, die Weibchen nur an der ſchwarzen Kopfplatte und dem Ruͤckenſchilde einen ſchwaͤchern Stahlglanz, das Aſchgrau des Fluͤgels iſt weniger ſchoͤn, der zarte gelbe Anflug des Weißen ſehr ſchwach oder gar nicht vorhanden, und die drei weißen Genickfedern find etwas kuͤrzer und ſchwaͤcher. — In der Regel ſind die Weibchen etwas kleiner als die Maͤnn⸗ chen von gleichem Alter; daß jedoch Ausnahmen hiervon vorkommen koͤnnen, wird durch ein Beiſpiel bemerkt, deſſen Bechſtein in feiner Uiberſetzung von Latham's Syn. a. a. O. erwaͤhnt. Da der eigenthuͤmliche Schmuck, die zierlichen weißen Genick⸗ federn, viel ſteifer ſind, als die der erſten Reiherfamilie, darum weni⸗ ger vom Winde bewegt werden, zumal wenn ſie, wie gewoͤhnlich, eine in die andere eingeſchachtelt ſind, und den Einwirkungen von Außen mit vereinten Kraͤften widerſtehen, ſo zeigen ſie auch viel mehr Dauer; ſie ſind ſelbſt noch im Spätfommer kaum auffallend beſchaͤdigt, oder nicht mehr vorhanden, wie bei jenen ſo oft vorkoͤmmt. Die Mauſer iſt, wie bei den Gattungsverwandten, einfach, und | geht bei den jungen Voͤgeln erſt ſpaͤt vor ſich, ſo daß viele im naͤch⸗ ſten Fruͤhjahr e damit noch, nicht fertig ſind und dies erſt im Mai und Juni werden. Bei den Alten beginnt ſie mit dem Herbſt und geht ebenfalls ſo langſam, daß ſie ihnen das Weg⸗ fra nicht behindert; ſie ſind bei ihrer Ruͤckkehr im Fruͤhjahr aber \ 10 * 148 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. vollig damit fertig. Die drei weißen Genickfedern find die letzten und vollenden den Federwechſel. Aufenthalt. Die Nachtrohrdommel, gewoͤhnlicher Nachtreiher genannt, iſt ein ſehr weit verbreiteter Vogel, und bewohnt nicht allein viele Theile der alten Welt, ſondern auch die neue. In Amerika wird er nämlich von der Hudſonsbei an bis Braſilien und Pa ra— guay hinab in dieſen und allen dazwiſchen liegenden Laͤndern an— getroffen; in Aſien vom caspiſchen und ſchwarzen Meere an durch Perſien, Syrien u. ſ. w., auch in China und auf Java; in Afrika von Aegypten, Nubien bis Senegambien als vor— kommend angezeigt. Fuͤr Europa iſt er ein oͤſtlicher und ſuͤdlicher Vogel; er bewohnt davon das ſuͤdliche Rußland, die Tuͤrkei und Griechenland, Ungarn, Dalmatien und Italien nebſt Si- cilien und Sardinien, zum Theil in ſehr bedeutender Anzahl; etwas weniger das ſuͤdliche Frankreich und Spanien, noch we: niger die Schweiz und das ſuͤdliche Deutſchland, einzeln end— lich Holland und auch noch England, das mittlere und auch das noͤrdliche Deutſchland, Polen, Preußen, bis in die ö | ruſſiſchen Oſtſeeprovinzenz jenſeits der Oſtſee ſcheint er indefs ſen nie vorzukommen. — Man iſt berechtigt zu glauben, daß er in manchen Gegenden Deutſchlands, in fruͤhern Zeiten oder noch vor einem Jahrhundert, viel oͤfterer vorgekommen ſein muͤſſe als jetzt, wo er von der Mitte bis zur nördlichen Grenze in keiner mehr re= gelmaͤßig (ein Jahr wie das andere) erſcheint, ſondern zufällig hier oder dort ein Mal, bald in dieſer, bald in einer andern, bemerkt worden iſt und uͤberhaupt unter die ſeltnen Erſcheinungen gehoͤrt. Am wenigſten ſcheint dies noch mit Schleſien und den Gegenden längs der Oder der Fall zu fein, wohin er aus den ſuͤdoͤſtlichen Staaten Oeſterreichs heruͤber koͤmmt und an jenem Fluſſe hinabgeht. So mag es einerſeits auch mit der Weichſel und andrerſeits mit der Donau ſein. — In unſrer Gegend, namentlich in Anhalt, gehoͤrt er unter die ſehr ſeltnen Voͤgel, und es ſind uns in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren kaum 3 bis 4 in der Naͤhe erlegter In⸗ dividuen vorgekommen, wobei ſich jedoch die Bemerkung aufdringt, daß, wegen der verſteckten Lebensart dieſer Voͤgel, von den durch eine Gegend wandernden nur ſehr wenige bemerkt werden, obgleich XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 149 man in der Zugzeit faſt alle Jahre ihre Stimme Nachts in den Luͤften hoͤrt. Auch er iſt Zug vogel und kömmt im April und Mai aus einem ſuͤdlichern Himmelsſtriche zuruͤck, und nachdem er den Som— mer in einem gemaͤßigtern zugebracht hatte, verlaͤßt er dieſen im September und October wieder. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß im ſuͤdlichen Ungarn ſchon einzelne uͤberwintern. Seine Wan⸗ derungen unternimmt er nur des Nachts, am meiſten in ſtillen mond⸗ hellen Nächten, jedoch gewöhnlich einzeln, wenn gleich viele in der: ſelben Nacht die naͤmliche Straße wandern moͤgen, was man deut— lich wahrnehmen kann, weil er ſeine Stimme dabei oft hoͤren laͤßt und dieſe bei einem Individuum nicht genau ſo wie bei dem andern iſt. Oft hoͤrt man daran deutlich, wie ein ſolcher von weitem her ankoͤmmt, einen Teich oder ſonſtiges Gewaͤſſer erſt ein Mal umkrei⸗ ſet und dann ſeine Luftreiſe (im Herbſt immer ſuͤdlich) weiter fortſetzt. Sein Aufenthalt ſind mehr ſolche Sumpfgegenden, welche von Laubwaͤldern oder doch vielen Baͤumen und dichtem Buſchholz um— geben oder durchſchnitten werden, das mit vielem Rohr, Schilf und hohen Graͤſern abwechſelt, wie es ſich haͤufigſt an den Ufern der Fluͤſſe und Landſeen findet; aber nicht die großen freien Suͤmpfe, wo wenige oder gar keine Baͤume und dergl. vorkommen. In den unermeßlichen Suͤmpfen Ungarns, frei von allem Holzwuchs und weit und breit kein Baum zu ſehen, obgleich oft mit den ausgedehn⸗ teſten Dickichten und undurchdringlichen Wäldern hohen Rohres bes deckt, traf ich mit meinen Begleitern (1835) am Tage nie einen Nachtreiher an; ſobald es jedoch Abend ward, kamen ſie aus den naͤchſten Gehoͤlzen und Waͤldern dorthin. Aus allen Richtungen vernahm man dann ihr Geſchrei in der Luft; jetzt erſt ſuchten ſie die freien Stellen der entferntern Moraͤſte, wo ſie ſich niederließen, und mehrere wurden dabei auf dem Anſtande von uns erlegt. Anfaͤng⸗ lich wunderte ich mich, daß unſer ſehr braver Hund nie Voͤgel dieſer Art, die doch in Ungarn ſo gemein ſein ſollten, aus dem Schilfe aufſtoͤberte, das doch mit großen und kleinen Rohrdommeln geſchahe, die ihr Verſteck noch feſter halten; bis uns dortige Jagd⸗ liebhaber zurechtwieſen und uns die Aufenthaltsorte der Nachtrohr⸗ dommeln, Baͤume und hohes Geſtraͤuch, bezeichneten. Dies fand ſich dann nicht allein an den waldigen Ufern und auf dergleichen Inſeln der Donau, ſondern auch an kleinern Fluͤſſen, z. B. dem Ta pjo, und in kleinern Gehoͤlzen; doch immer nur in dieſen, nie im bloßen Schilfe oder Rohre. — Auch bei uns kamen fie nur in 150 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. naſſen Laubholzwaldungen an den waſſerreichſten Stellen vor, oder an Gewaͤſſern, wenn auch nur Graben und Teichen, welche mit vie- len Bäumen und Gebuͤſch beſetzt find, oder an Fluͤſſen und Strö: men, wo dieſe durch tiefe, waldige Gegenden fließen, zumal an den ſogenannten Altwaſſern, den vormaligen, jetzt nur noch mit ſtehen⸗ dem Waſſer verſehenen Flußbetten. Er ſitzt am liebſten auf Baͤumen, ſeltner im Geſtraͤuch, und noch viel ſeltner (am Tage) auf der Erde zwiſchen dieſem. Seinen Sitz waͤhlt er jedoch nie auf ganz freien Aeſten, noch viel weniger jemals auf dem Wipfel eines Baumes, ſondern auf einem der nie drigen oder auch bis über die Mitte der Baumhoͤhe herausragen⸗ den, am dichteſten belaubten Aeſte. Hier hat er feine Stelle gewoͤhn⸗ lich fo gewählt, daß er vom Schafte des Baumes nicht ſehr ent⸗ fernt iſt, damit er bei vorfallender Stoͤrung naͤher hinan ruͤcken und ſich an ihn anſchmiegen koͤnne. Auch auf hohem Stangenholze oder auf einem alten Weidenkopfe nimmt er nicht ſelten ſeinen Stand. Einen ſolchen behält er, wenn er nicht weggefcheucht wird, den gan zen Tag uͤber, den er meiſtens ſchlafend hinbringt, wobei er den Hals ganz kurz macht, oder vielmehr wie ein Taſchenmeſſer zuſam⸗ men legt und ſich dazu meiſtens auf die Ferſen niederkauert. Er iſt dort gewoͤhnlich ſchwer zu entdecken, weil er ſich bei Annaͤherung eines Menſchen ſtockſteif macht, und wenn dieſer nicht zu laͤrmend auftritt, oder ihm gar zu nahe koͤmmt, nicht fortfliegt und meiſtens gar nicht geſehen wird. Freiwillig koͤmmt er am Tage nie aufs Freie, ſondern erſt mit Anbruch der Abenddaͤmmerung, an die Ufer und ſeichten Stellen der weniger von Waſſerpflanzen beſetzten Ge waͤſſer, wo er die Nacht hindurch verweilt und munter von einem Waſſer zum andern wechſelt. Eigenſchaften. Die Nachtrohrdommel, im ausgefaͤrbten Kleide ebenfalls ein zwar einfach gezeichneter, aber dabei doch ſchoͤner Vogel, hat nicht ſelten ein recht ſtattliches Ausſehen, zumal wenn fie aufgereizt mit etwas aufgerichteter Bruſt, lang und gerade in die Hoͤhe gerecktem Halſe, jedoch Kopf und Schnabel wagerecht, da ſtehet, die Halsfe dern aufgelockert, die Scheitelfedern buſchicht in die Hoͤhe gerichtet, die drei weißen Genickfedern hoch gehalten und fingerfoͤrmig ausge: breitet, mit dieſen wie mit einem ſich oͤffnenden und ſchließenden Faͤd XI. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 131 cher ſpielt. Sie bleibt oft lange in dieſer Stellung, ohne weiter etwas zu ruͤhren als die Kopffedern und die lebhaft rothen Augen, wobei ſie auch ſtets ziemlich hoch auf den Beinen ſteht. Iſt ſie aͤngſtlich und darauf bedacht, das Auge des anruͤckenden Feindes zu taͤuſchen, ſo kauert fie ſich auf die Ferſen nieder, macht ſich unge: mein ſchlank, Rumpf, Hals, Kopf und Schnabel in einer Linie ſchraͤg aufwaͤrts gerichtet, einen ſchiefſtehenden ſpitzen Pfahl aͤhnlich, und ruͤckt dazu auf ihrem Aſte (auf dem Erdboden ſahe ich ſie in ſolcher Stellung nicht) dicht an den Schaft des Baumes, um ſich an dieſen anzuſchmiegen, wie dies Alles oft auch Eulen, thun, und da fie, fo lange ſich die Gefahr nicht entfernt, ſtockſteif in dieſer Po— ſitur bleibt, ſo kann ſie dabei vom Ungeuͤbten leicht uͤberſehen wer— den. Iſt ſie wieder beruhigt und ſicher, ſo ſinkt der Hals nach und nach in die gewoͤhnliche Sform zuruͤck, und die wulſtigen Halsfedern, die beſonders an der Kropfgegend dick herabhaͤngen, ſchließen jene Biegungen, wenn ſie ſehr gedruͤckt ſind, ſo ein, daß davon wenig ſichtbar bleibt, die Figur wird zu einen dicken Klumpen zuſammen⸗ gezogen, zumal wenn fie, wie auf ſchwachen Aeſten immer, die Fer⸗ ſen in einen ſehr ſpitzen Winkel zuſammen biegt. — Sehr unrich— tig ſind die Abbildungen, wie man ſie hin und wieder ſieht, bei welchen die Halsfedern dicht anliegen und dann dieſer nicht ſtaͤrker gemacht iſt, als bei den Reihern unſrer erſten Familie, was im Le⸗ ben des Voges niemals vorkoͤmmt, da in jeder Stellung die hohlen dickbuſchichten Federn dieſer Theile ſich ſtets locker nach hinten bie⸗ gen und dem Hals ein dickes Ausſehen geben. Eben fo unwahr iſt, was Bechſtein (a. a. O.), welcher wahrſcheinlich nie eine lebende Nachtrohrdommel in der Nähe ſahe, von einer kraͤhenartigen Hal— tung derſelben ſagt; dieſer Vergleich iſt ſehr unpaſſend und giebt eine ganz falſche Vorſtellung von der Figur dieſes gar nicht kurz⸗ beinigen Vogels, und der Name „Nachtrabe“ iſt zuverlaͤſſig nicht von einer aͤußern Aehnlichkeit, ſondern von der ihres nächtlichen rabenartigen Geſchreies abzuleiten. Der Gang iſt ein bedaͤchtiger Schritt; lebhafte Bewegungen ſind dem Vogel uͤberhaupt fremd; er ſchleicht mehr, meiſtens im Verborgenen, iſt traͤge und verlaͤßt oft Stunden lang, zumal am Tage, daſſelbe Plaͤtzchen nicht. In der Nacht iſt er dagegen vie beweglicher, wenigſtens mehr noch als die folgende Art, welche den Eulen noch viel aͤhnlicher iſt. Vom Schnelllaufen und unruhigen Hin: und Herirren haͤlt die Nachtrohrdommel jedoch auch nichts. Ihr Flug iſt ebenfalls etwas eulenartig, nicht hoch (außer auf der Wan⸗ 152 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. derung), völlig geräufchlos, ſanft, und die der Länge nach ſtark ge⸗ bogenen, an den Enden ziemlich zuruͤckgezogenen Fluͤgel werden in langſamen, nicht weit ausholenden oder kurzen Schwingungen be⸗ wegt, aber nur ſo eben vor dem Niederſetzen findet ein kurzes Schwe⸗ ben, ohne ſichtliche Fluͤgelbewegung, Statt; der Hals iſt dabei dop⸗ pelt zuſammengelegt, ſcheint daher kurz und dick, und die Fuͤße ſind hinten gerade hinausgeſtreckt, nur im Moment des Auffliegens noch. einige Augenblicke herabhangend. Ihre ſchlankere Geſtalt, die ſchmaͤ⸗ lern Fluͤgel, ihre lebhaftern Bewegungen und der etwas raſchere Flug machen ſie auch im Daͤmmerlichte, ohne Farbe, ſehr leicht vor der großen Rohrdommel kenntlich. Sie iſt vollkommen Nachtvogel, dabei furchtſam, mißtrauiſch und ſchuͤchtern, aber eigentlich nicht ſcheu, verſteckt ſich vielmehr im⸗ mer ſo, daß ſie nur mit Muͤhe aufzufinden iſt, an einſamen Orten, meiſtens auf dicht belaubten Baͤumen und hohem Gebuͤſch, auf Weidenkoͤpfen, ſeltner in niedrigerm, mit Weiden und Erlengeſtraͤuch vermiſchten Geroͤhricht, hier zuweilen nahe an oder auf der Erde, dort hoch oben zwiſchen den Aeſten, und hält ſich fo in ſtiller Ver: borgenheit. An ſolchen Orten wartet ſie bei anruͤckender Gefahr das Aeußerſte ab, nimmt zuerſt jene ſteife Stellung an und fliegt nur dann erſt weg, wenn der Ruheſtoͤrer ihr bereits ganz nahe ge— kommen iſt. Wer ihren Aufenthalt nicht kennt, von ihren Manie— ren nichts weiß, kann ſo 20 bis 15 Schritt oder noch naͤher vor ihr voruͤbergehen, ohne daß ſie wegfliegt und er ſie gewahrt; nur dann, wenn er mit vielem Geraͤuſch ankoͤmmt, fliegt ſie zuweilen etwas früher hinweg, ſucht aber gewöhnlich bald, in nicht gar gro— ßer Entfernung, wieder ein aͤhnliches Verſteck. Weit uͤber das Freie zu fliegen wagt fie am Tage nie, und iſt kein Gebuͤſch mehr vor: handen, ſo wirft ſie ſich auch wol ins dichte Schilf und Rohr, iſt dann aber aus ſolchem zum zweiten Mal nur mit Gewalt aufzuſcheuchen. Von ihrem lichtſcheuen, traͤgen und aͤngſtlichen Benehmen, was ſie am Tage beherrſcht, bemerkt man am Abend wenig mehr; fie zeigt ſich dann munter und gemuͤthlich auf dem Freien, beſucht die freien Gewaͤſſer, ſchwaͤrmt von einem zum andern, und wenn ſie hier auch nicht ganz ſorglos auf den Menſchen zufliegt, ſo iſt ſie doch auch im Gegentheil nicht beſonders ſcheu, junge Voͤgel noch weniger vor⸗ ſichtig, als alte. Man trifft ſie meiſtens einſam, und ein Hang zur Geſelligkeit ſcheint ihnen nicht inzuwohnen; obgleich in der Daͤmmerung ſich oft mehrere an geeigneten Futterplaͤtzen zuſammen finden und da herum — XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. 153 treiben, ſo ſcheint dies doch nur Sache des Zufalls, ohne daß eine ſich um die andere kuͤmmert. An den Bruͤteorten iſt es eben ſo; fie miſchen ſich dort nicht ſelten unter Silber- und Seidenrei⸗ her, an andern unter die Fiſchreiher, doch nur in geringer Zahl und ohne Gemeinſchaft mit ihnen zu halten oder eine beſondere An⸗ haͤnglichkeit zu zeigen. Ihre Stimme hoͤrt man am Tage niemals; erſt mit der Abend⸗ daͤmmerung wird die Nachtrohrdommel laut, und ihr kraͤftiger Ruf ertoͤnt dann bei ihrem Herumſchwaͤrmen, wie auf dem Zuge, haͤufig in den Luͤften. Es iſt ein rauher, weitſchallender, rabenartiger Ton, wie Koau! bei jungen Voͤgeln etwas hoͤher und heller, oft wie Kwuͤak! — klingend. In ſtillen Naͤchten hoͤrt man ihn in weiter Ferne ſchon, und man kann daran das Fortruͤcken des Vogels in der Luft deutlich beobachten, da er ihn, zwar immer nur einzeln, aber in großen Zeitraͤumen oft ausruft und ſo die gewaͤhlte Richtung da⸗ mit bezeichnet. Da eine individuelle Verſchiedenheit in der Hoͤhe und Tiefe des Tones dieſes naͤchtlichen Rufes nichts Seltenes iſt, ſo kann man daran auch in der Nacht wahrnehmen, ob ihrer zwei oder drei zu gleicher Zeit und mitſammen dieſelbe Straße wandern; dies iſt jedoch nicht oft der Fall. — Wir hörten ihn nur von flie: genden Individuen und ſonſt keinen andern. Er iſt dem, welchen die große Rohrdommel zur Nachtzeit auch nur im Fluge hoͤren läßt, ſehr ähnlich, klingt jedoch reiner, nicht fo rauh, weniger ſchnar⸗ rend und weniger tief, ſo daß ihn der Kenner leicht von jenem un⸗ terſcheiden kann. — Oft hört- man dieſen wohlbekannten Ton des Nachts in Gegenden, wo man Tags vorher keinen ſolchen Schreier aufgefunden hatte, vermuthlich, weil fein Verſteck ein Plaͤtzchen ge⸗ weſen war, wo man nicht nach ihm gefucht oder ihn überfehen hatte. Bei meinem Aufenthalte in Ungarn war dies gar oft der Fall; wo des Nachts zuweilen die Luft von ihren Stimmen erfuͤllt war, hat⸗ ten wir am Tage nicht einen einzigen finden koͤnnen; aber welche Verſtecke gab es dort auch fuͤr ihn! Oder wer vermochte in ſolche einzudringen! Gezaͤhmt hat die Nachtrohrdommel, obgleich ſonſt ein huͤbſcher Vogel, wenig empfehlende Eigenſchaften, weil ſie ſich am Tage zu verſtecken ſucht oder, wo ſie dazu wenig oder gar keine Gelegenheit findet, ſtill und traurig da ſteht und das ein Mal gewählte Plaͤtz⸗ chen Stunden lang nicht verläßt, dagegen Abends und die Nacht hindurch herum tobt, an höhere Gegenſtaͤnde in die Höhe ſteigt u. ſ. w. Den Trieb, lieber hoch als auf dem Erdboden zu ſitzen, bekundet ſie 154 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Naͤchtl. Rohrdommel. auch hier. In einem ſehr großen, mit Draht uͤbergitterten Vogel⸗ behaͤlter auf der Pfaueninſel bei Potsdam ſahe ich ein Paͤaͤr⸗ chen, das bei meiner Annaͤherung von ſeinem Waſſertroge ſich ſogleich wegbegab, einen nahen Baumſtumpf, welcher einige Aeſte hatte, be⸗ ſtieg, darauf ſeinen Stand nahm, und ruhig, faſt moͤchte man ſagen: ſtarr, ſtehen blieb, waͤhrend Hunderte andrer in demſelben Raume eingeſperrter Voͤgel es, bald laufend, bald fliegend, luſtig umſchwirrten. Nahrung. Lebende kleine Fiſche zieht die naͤchtliche Rohrdommel allen an— dern Nahrungsmitteln vor. Größer als von der Länge eines Fin- gers mag ſie jedoch keine, weil ihr das Verſchlucken groͤßerer zu viele Muͤhe macht und ſie das Zerſtuͤckeln ſolcher nicht verſteht. Am liebſten iſt ihr die noch ganz kleine Fiſchbrut. Sie verzehrt jedoch auch kleine Waſſerfroͤſche, Froſchlarven, Waſſerkaͤfer, Libellen, Inſek⸗ tenlarven, welche im Waſſer leben, Wuͤrmer, beſonders Regenwuͤr— mer, wie man ſagt auch Blutegel, nebſt ganz kleinen, zartſchaligen Conchylien. 0 Da fie den Tag in Unthaͤtigkeit und meiſtens ſchlafend hin- bringt, fo iſt es eine große Seltenheit, fie dann ein Mal nach Nah: rung umher ſchleichen zu ſehen, was ſie auch nur an ganz verſteckten Orten und im Verborgenen thut und kaum in einer andern Zeit, als der, in welcher ſie Junge zu fuͤttern haben, verfallen kann. Erſt nach Sonnenuntergang beginnt ihre wahre Lebensthaͤtigkeit und dauert ununterbrochen bis gegen deren Aufgang. Sobald die Daͤm— merung angebrochen, durchſtreift ſie ſchreiend die Luft und begiebt ſich an die von Sumpfpflanzen freien Stellen der großen Moraͤſte, an die Ufer der ſtehenden oder langſam fließenden Gewaͤſſer, und iſt hier mit dem Aufſuchen jener Geſchoͤpfe eifrig beſchaͤftigt und viel beweglicher, als fie es ſonſt ſcheinen möchte. So wie die Morgen: daͤmmerung zu Ende geht und der Rand der Sonnenſcheibe am Horizont auftaucht, hat ſie ſich bereits wieder in ihr Tagesverſteck zuruͤck gezogen. Sie fiſcht die ganzen Naͤchte hindurch, theils an den Waſſerraͤndern, theils im ſeichten Waſſer der Suͤmpfe und Waſſer⸗ lachen, geht aber kaum bis an die Ferſen hinein. Sie beſchleicht die Fiſche und dergl. wie die andern Reiher und faͤngt ſie eben ſo durch kraͤftiges Vorſchnellen des Schnabels, toͤdtet ſie ſchnell durch einige Stiche oder Kniffe deſſelben und verſchlingt ſie, wenn ſie XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Nächtl. Rohrdommel. 155 ſolche zuvor in eine Lage gebracht hat, worin der Kopf des Ge: ſchoͤpfes voran rutſcht, was ſie ſehr ſchnell bewirkt. Fortpflanzung. Sie niſtet in Ungarn und andern füdöftlichen Ländern in be⸗ dutender Anzahl, auch hin und wieder in Deutſchland, in deſſen noͤdlichen Theilen jedoch nur in ſehr vereinzelten Paͤaͤrchen, obwol denleichen Faͤlle bis in die Nähe der Oſtſeekuͤſten vorkommen. In der Niederlauſitz ſoll ſie ſich ſonſt in einigen Gegenden, z. B. im Spreewalde, ſehr häufig fortgepflanzt haben, iſt in neuern Zei⸗ ten cber dort gaͤnzlich verſchollen. Noch vor wenig Jahren fand man mehrere bruͤtend in einem Reiherſtande an der Oder, unweit Oderberg, die aber bei der Uſurpation deſſelben durch Kormo— rane (Halieus carbo s. cormoranus) ſammt den Fiſchreihern da— ſelbſt veſchwunden find. Vir einem Jahrhundert ſoll fie überhaupt in Deutſhland, namentlich in den nordöftlichen Theilen häufig geweſen fein, und es iſt wahrfüeinlich, daß die geſteigerte Cultur der wilden Gewaͤſer und Holzungen, die wachſende Menſchenmenge, nicht minder Vevollkommnung de Jagdweſens und Ausdehnung deſſelben auch über font weniger beabtete Geſchoͤpfe, den furchtſamen und gern unbeachtet bleibenden Vogel, wie ſo manchen andern, ver⸗ trieben haben. — In den Gegenden al der untern Donau, der Theiß u. ſ. w. ſollen ſehr viele niften, un es wurde dies auch von der mehrerwaͤhnten Reiherinſel bei Belgrad gefagt. Das Neſt fol nur ausnahmswaͤſe unt ſelten in ſumpfigem Gebuͤſch nahe an der Erde vorkommen, oͤftere auf Weidenkoͤpfen und noch gewöhnlicher auf höhern Baͤunen ſtehen, jedoch nicht auf ſehr hohen Aeſten oder in de Naͤhe der Baumwipfer, ſondern mei⸗ ſtens auf den niedrigen, nicht über der Mitte hoher Raumfchäfte herausragenden Aeſten, entweder wo dief. aus dem Schafs hervor⸗ gehen, außerdem auch ihr Lieblingsſitz, oder auch wo fie ſich in weh rere theilen und recht dicht ſtehen. Es it ziemlich groß, flach, aus duͤrren Reiſern, nach Innen mit trockner Rohrſtengeln und Schilf⸗ blättern gebauet, und die geringe Vertiefung in feine Mitte mit Binſen, trocknen Grashalmen und Wurzechen ausgelegt Man fin: det 4 bis 5 Eier in demfelber, welche bedeutend kleinen als die vom Purpurreiher, dieſen abe im Uibrigen ſehr aͤhnich ſind, eine ſchoͤn eifoͤrmige Geſtalt, glatt Oberfläche ohne allen Glanz, und eine ſehr blaß blaugruͤne Farb, etwas bleicher als jne, haben. 156 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Nächtl. Robrdommel. Dies iſt leider Alles, was mir uͤber die Fortpflanzungsweiſe die⸗ ſer Art mit Gewißheit bekannt geworden, das Ausfuͤllen der vielen Luͤcken in dieſer Rubrik bleibt demnach ſpaͤtern Forſchungen aufge— hoben; ich war leider nicht zu einer Zeit in dem Lande der ſeltnern Reiherarten, daß mir das Gluͤck hätte zu Theil werden koͤnnen, dieſ Voͤgel beim Bruͤten u. ſ. w. zu beobachten. Unter den Junge,, welche ich dort Anfangs September auf dem Abendanftande erhic, trugen mehrere noch lange, wollenartige, ſeidenweiche, weiße Duen⸗ zaſern an den Spitzen der Hinterhauptsfedern, und das ganze Zus: ſehen ihres Federkleides war fo zart, daß fie gewiß noch nicht Ange geflogen haben mochten, doch waren ſie von ihren Aeltern verhſſen, und keine Alten in ihrer Naͤhe anzutreffen. Feinde. Ob dieſe Art beſondern Nachſt'llungen von Seiter mancher Raubvoͤgel und Raubthiere ausgefest ſei, iſt nicht bekant. Nach dem Wiener Verzeichnis leben in ihren Eimeweiden mehr: artige Wuͤrmer, als: Ascaris microcephala, Disemum excavatum und noch eine unbeſtimmte irt dieſer Gattung auch Ligula sim- plicissima und Taenia ungucula. sagd. Man findet iv alten deitſchen Jagdbuͤchern, z. B. in Doͤbel's Jaͤgerpractica, ] Kap. 28., gar viel von der Jagd des „Focken,“ wie dieſer Vel darin genannt iſt, woraus erhellt, daß er, wie ſchon meh mals erwähnt, ſonſt haufig bei uns vorgekommen fein muß. Nan zaͤhlte ihn, ius welchem Grunde iſt nicht klar, ſogar zur hohen Jagd. Die alten Waidmaͤnner ſcheinen jedoch fein Naturell wenig gekannt u haben, da fie Karren buͤchſen und Schießpferde bei der Fockenjagd in Anwendung gebracht wiſſen wollen, was ganz im Wderſpruch mit den neuern Beobachtungen ſteht, wonah man ihn nil aus ſolchef Entfernung, die jene noͤthig machen mödten, zu ſehen bekoͤmmt, neil er fi immer verſteckt hält und dagegen meiſtens ganz unverhoft in ſolcher Naͤhe vor dem Schuͤtzen aufliegt, daß er mit unſern heutigen Flinten bequem mit jeder Schrotummer im Fluge herab geſchoſſen werden kann, oder XII. Ordn. LXVI. Gatt. 255. Nächtl. Rohrdommel. 157 wer ihn kennt, ſich an ihn ſchleichen und ihn eben fo leicht von ſei⸗ nem Stande, wo er bekanntlich bei Annaͤherung des Schuͤtzen eine ſteife Stellung annimmt und bis zum nahen Wegfliegen bewegungslos darin beharrt, herabſchießen kann. Das Schwierigſte bei dieſer Jagd iſt immer das Auffinden des Vogels, weil bei dem Suchen Hund und Jaͤger oftmals unſer demſelben Baume weggehen, auf welchem er einen Aſt beſetzt hoͤlt, ſich, klein und ſchlank gemacht, an den Schaft deſſelben angeſchmiegt hat und, wenn das Suchen nicht etwas laͤrmend geſchahe, gar nicht abfliegt. Wer einen ſolchen Vo⸗ gel in dieſer ſteifen, unbeweglichen Poſitur zum erſten Male erblickt und nicht recht genau danach hinſchauet, wird ihn nimmermehr fuͤr einen Vogel anſehen, und dies kann gar oft auch noch der Zufall verhindern, wenn nämlich der Beſchauer gerade auf der Seite vor: uͤber geht, wo der Vogel durch den Baumſchaft gedeckt iſt. Dies iſt ohne Zweifel die Haupturſache, warum der Nachtreiher bei uns ſo ſelten geſchoſſen wird, da er doch in der Zugzeit faſt alle Jahr durch ſein naͤchtliches Schreien in der Luft uns ſeine Anweſenheit kund thut. Wo es viele giebt, wie in Ungarn, iſt der Abendanſtand an freien Waſſerlachen in den Moraͤſten das leichteſte und am ſicherſten zum Zweck fuͤhrende Mittel, ohne daß ein ſehr genaues Verſteck da⸗ bei noͤthig waͤre. Nutzen. Als zur hohen Jagd gehoͤrig iſt in alten Jagdſchriften ihr Wildpret geruͤhmt und damals nur auf die Tafeln der Großen ge⸗ bracht worden. Wir haben es nicht unſchmackhaft gefunden; jedoch wird es im Allgemeinen nicht dafuͤr gehalten und nicht gegeſſen. Die herrlichen weißen Genickfedern alter Voͤgel, deren jeder frei⸗ lich nie mehr als drei hat, werden von Federſchmuͤckern geſucht und geben ſehr zart ausſehende Federbuͤſche. Sie haben als ſolche bei den Orientalen einen hohen Werth, werden gewoͤhnlich in goldene, oft mit Edelſteinen beſetzte Kapſeln befeſtigt und zieren ſo, in kur⸗ zen Buͤſchen, den Turban vornehmer Tuͤrken. Sie ſind noch jetzt ein koſtbarer Luxusartikel bei dieſen, waͤhrend ſie in Ungarn und Polen aus der Mode gekommen zu ſein ſcheinen, oder wenigſtens im Werthe tief unter denen von Silberreihern ſtehen. 158 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Naͤchtl. Rohrdommel. Schaden. Auch dieſer Reiher gehört unter die Fiſchraͤuber, obwol nicht in ſo hohem Grade als manche andere Art der Gattung, und ſteht deshalb auch nicht im Geruche beſonderer Schaͤdlichkeit. Die Blut⸗ egelfaͤnger beſchuldigen ihm zwar der Schmaͤlerung ihres Geſchaͤfts, ſchwerlich jedoch mit Fug und Recht. | 256. Die große Rohrdommel. Ardea siellaris. Linn. Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 226. Fig. 2. Weibchen. (Fig. 3. Junge Voͤgel. Rohrdommel, . gemeiner Rohrdommel, Rohr⸗ trummel, Rohrdump, Ruhrdump, Rohrpumpe, Rohrbombe, Rohr: bruͤller. Moorochſe, Waſſerochſe, Erdbull, Moor: —, Moos-, Us — und Lohr⸗Rind, Mooskuh; Moosreiher, Moosreigel, Moos- kraͤhe, Rohrreiher; dickhaͤlſiger Reiher; Iprump; Hortyhel; Faule; in hieſigen Gegenden: Der oder die Rohrdummel. Ardea stellaris. Linn. Faun. suec, p. 58. n. 164. — Gmel. Linn. syst. I. 2. 635. n. 21. — Lath. Ind. II. p. 680. n. 18. — Retz. Faun. suec, p. 168. n. 132. Niss. Orn. suec. II. p. 39. n. 159. — Le Butor. Buff. Ois. VII. p. 411. t. 21. — Edit. d. Deuxp. XIV. p. 130. & 141. t. III. f. 2. — Id. Pl. enl. 789. — Gerard. Tab. elem. II. p. 140. = Heron grand Butor. Temminek. Man. d’Orn. II. p. 380. — Bittern. Lath. Syn. V. p. 56. and Supp. I. p. 234. — Uiberſ, von Bechſtein, III. 1. S. 35. n. 18. — Penn, aret. Zool. überf, von Zimmermann, II. S. 420. n. 274. = Bewick, brit. Birds. II. p. 47. Sgarza stellare. Stor. deg. uce, IV. Tav. 432. — Tarabuso. Savi. Oru. tosc. II. p. 355. — Roode Roerdomp. Sepp. Nederl. Vog. IV. t. p. 341. - Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 63. — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 264. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 338. — Meyer, Vög. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 182. Meisner u. Schinz, Vög. der Schweiz. S. 188. n. 184. — Koch, Baier. Zool. I. S. 337. n. 211. Brehm, Beitr. III. S. 134. — Deſſen Lehrb. II. S. 554. — Deſſen Naturg. a. . V. Deutſch. S. 594 — 596. Gloger, Schleſ. Fauna, ©. 30. u. 219. = Landbeck, Vög. Würtembergs, S. 39. n. 205. — Friſch, Vögel, Taf. 205. — Naumann's Vög., alte Ausg. III. S. 126. Taf. XXVII. Fig. 36. (Weibchen) und Nachträge S. 82. Kennzeichen der Art. Schwingfedern dunkelſchieferfarbig und hellroſtfarbig gebaͤndert. 160 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Große Rohrdommel. Beſchreibung. Das Gefieder der großen Rohrdommel hat ſowol in Farbe und Zeichnung, wie in ſeiner uͤbrigen Beſchaffenheit, ein eulenartiges Aus⸗ ſehen, und kein inlaͤndiſcher Vogel dieſer Ordnung kann ihr ver⸗ glichen, ſie daher nicht mit einem andern verwechſelt werden. Unter den Ausländern hat fie indeſſen mehrere nahe Verwandte, und außer: ordentlich aͤhnlich iſt ihr eine bekannte nordamerikaniſche Art, Ardea Mokoho (A. minor. Wils. Americ. Orn. VIII. p. 35. t. 65. f. 3.), welche ſich vorzuͤglich durch die einfarbig bleiſchwarzen Schwingfedern unterfcheidet, eine A. poiciloptera, Wagl., und noch einige entfernter aͤhnliche Arten, an welchen allen der Typus der Geſtalt und Faͤr— bung unſrer großen Rohrdommel ſogleich in die Augen ſpringt. Wegen des großen, lockern Gefieders, des langen, dickausſehen— den Halſes und der großen Fluͤgel erhaͤlt dieſe Art einen Schein von Groͤßenumfang, welcher auf Taͤuſchung beruhet und bei genaue⸗ rer Betrachtung ſchwindet, indem ſich bald ergiebt, daß ihr Rumpf kaum größer als der einer Nebelkraͤhe und dabei von beiden Sei⸗ ten ſo außerordentlich zuſammengedruͤckt, unglaublich ſchmal und federleicht, daß auch der Hals lang und ſehr duͤnn iſt, und daß die Fluͤgel zwar große Knochen, ſchlaff mit Haut umgeben, aber nur ſchwache Muskeln haben, ſo daß Alles ſich auffallend welk anfuͤhlt. Die Laͤnge (ohne Schnabel) betraͤgt 2 Fuß 2 Zoll bis 2 Fuß 5 Zoll; die Flugbreite 3 Fuß 9 Zoll bis 3 Fuß 11 Zoll; die Fluͤ⸗ gellänge 13% bis 14 ¼ Zoll; die Schwanzlaͤnge 4¼ bis 4% Zoll; wovon die kleinſten Ausmeſſungen den Weibchen und einjaͤhri— gen Voͤgeln zukommen, und einen ſehr auffallenden Groͤßenunter⸗ ſchied machen. a Der Hals ift in der That weder dick noch kurz, 12 bis 13 Zoll lang, ſcheint es aber, wegen der großen breiten, lockern Federn, wo⸗ mit er zu beiden Seiten bekleidet iſt, welche ſich hinterwaͤrts biegen und den bloß mit Dunen bekleideten Streif laͤngs ſeiner obern Kante (er ift ſeitlich fo zuſammengedruͤckt, daß er zwei ſchmale und zwei breitere Flaͤchen bildet) umhuͤllen und jenen Dunenſtreif ver⸗ ſtecken, am Kropfe aber noch mehr verlaͤngert als ein loſer, dicker Buſch erſcheinen, welcher ſich uͤber die Bruſthoͤhle hinab biegt; auf der Gurgel herab ſind ſie am kleinſten, dichteſten und immer glatt anliegend. Auf dem Hinterſcheitel ſind die Federn ebenfalls verlaͤn⸗ gert, bilden aber keinen auffallenden Buſch, wenn ſie der Vogel nicht ſtraͤubt. Auf dem Ruͤcken und den Schultern ſind die Federn N 1 XI. Ordn. LXVI.Gatt: 286. Gr. Rohrdommel. 161 beſonders groß, das ganze Geſieder aͤußerſt weich und locker, immer wie aufgedunſen, und dem der Eulen ſehr aͤhnlich. 1 a Die Fluͤgel ſind ziemlich lang, breit, vorn etwas abgerundet; fie 1 5 ſchwache, biegſame, etwas nach hinten gebogene Schwing⸗ federn, die vorderſten dieſer ein ziemlich ſpitzes, die folgenden ein ab⸗ gerundetes, die der zweiten Ordnung ein ſchief nach hinten abge⸗ ſtumpftes Ende, und die der dritten Ordnung ſind, wegen der lan⸗ gen Oberarmknochen, ſo lang, daß bei zuſammengelegtem Fluͤgel die Spitzen der vorderſten Schwingen kaum 1 Zoll vorragen; die erſte große Schwingfeder iſt mit der dritten von gleicher Laͤnge, die zweite nur wenig länger, gewöhnlich aber die laͤngſte von allen; denn es giebt auch Individuen, wo die erſte und zweite eine gleiche Länge haben. Der kurze Schwanz hat nur 10, ziemlich ſchlaffe, ſchmale, zu⸗ gerundete Federn, von denen die aͤußern ſtufenweis kuͤrzer werden, wodurch ein ſtark zugerundetes Schwanzende gebildet wird. Die ruhenden Fluͤgel laſſen etwa ein Drittheil vom Schwanze unbedeckt. Der Schnabel hat nur die Laͤnge des Kopfes, eine abgerundete, ſpitzewaͤrts ein wenig abwaͤrts geſenkte Firſte, einen faſt geraden, ſehr ſchmalen, bis in die Naͤhe der Spitze geſpaltenen Kiel, eine ſcharfe Spitze, iſt aber an der Wurzel ziemlich ſtark, feine Mund⸗ kanten ſchneidend ſcharf, die obere zunaͤchſt der Spitze mit einem klei⸗ nen Ausſchnitt, der Rachen tief geſpalten und weit. Von der Spitze bis zur Stirn iſt er ſelten uͤber, oft noch eine oder zwei Linien unter 3 Zoll, bis in den Mundwinkel aber gegen 4 Zoll lang, an der Wurzel 10 Linien hoch und 8 Linien breit. Das Naſenloch, ein hinterwaͤrts erweiterter Ritz unfern der Schnabelwurzel, liegt unter: waͤrts in einer vertieften, mit weicher Haut bedeckten Flaͤche, die als Furche, parallel mit der Schnabelfirſte, erſt gegen die Schnabelſpitze hin verlaͤuft. | Die Färbung des Schnabels iſt bei alten Voͤgeln gruͤngelb, im Fruͤhjahr reiner gelb, von obenher braun, die Firſte meiſt ſchwarzbraun, bei juͤngern weniger lebhaft; die nackten Zuͤgel gelb: gruͤn, oft blaͤulich beduftet, bei Jungen gelblicher, die Augenlider gruͤngelb. Im getrockneten Zuſtande geht die gruͤnliche Farbe, die auch im Leben nicht ſchoͤn, ganz verloren; es wird eine gelbliche Hornfarbe, an den Zuͤgeln und der untern Schnabelwurzel oft ſchwaͤrzlich und der Schnabelruͤcken wird brauner. Das kleine lebhafte Auge hat in den erſten Tagen des Daſeins eine weiße Iris, die ſich bald Sen = bei erwachſenen Jungen dr Theil. 11 162 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. ſchwefelgelb färbt, und bei den Alten bis zum Goldgelben ausge⸗ bildet wird. 150 Die große Rohrdommel hat keine hohen, aber ſehr kack und große Fuͤße mit ſehr langen Zehen und Krallen. Der Unterſchenkel (Tibia) iſt beinahe bis an das Ferſengelenk befiedert, dieſes ſtark, die Laufe dick, die Zehen groß, aber ſchlank, die Hinterzeh noch am ſtaͤrkſten und mit ihrem Gelenkknopf dem der innern Vorderzeh gegen⸗ uͤber geſtellt, alle Zehen in einer Ebene liegend, die aͤußere und mitt⸗ lere mit einer nicht ganz ans erſte Gelenk reichenden Spannhaut, die mittelſte und innere kaum mit einer ſchwachen Spur einer fol chen. Die Füße haben das Merkwuͤrdige, daß fie im friſchen Zu⸗ ſtande ſehr weich anzufuͤhlen und an den Laͤufen wie angeſchwollen ſind. — Ihr Uiberzug iſt auf der vordern Seite des Laufs, auf eine ganz eigenthuͤmliche Weiſe, in eine Reihe ſehr breiter, aber wenig hoher Schildtafeln, an der hintern Seite in fuͤnf- und ſechseckige kleine, zwiſchen dieſen und jenen, auch uͤber ihnen, in noch kleinere Schilder getheilt, an den Gelenken gegittert, an den Zehenruͤcken mit großen Schildtafeln belegt, an den Zehenſohlen grob: und flachwar⸗ zig. Die großen, ſchlanken Krallen ſind ſehr flach gebogen, ſchmal, ſpitz, unten mit einer gleichen Flaͤche oder nicht ausgehoͤhlt; die der Hinterzeh die groͤßeſte und zugleich am ſtaͤrkſten gebogen; die der ins nern Vorderzeh die geradeſte; die der Mittelzeh auf der Innenſeite mit einem ſtark vorſtehenden, fein kammartig gezaͤhnelten Rande. — Die Nuditaͤt der Tibia gleich über der Ferſe iſt ſehr verſchieden, bei ſehr vielen Exemplaren gar nicht zu meſſen, bei andern und zwar den meiſten kaum etwas über ½ Zoll, bei manchen 1½ Zoll, aber ſehr ſelten bis zu 11½ Zoll; gemeiniglich deckt die Befiederung des obern Theils das Meiſte davon. Der Lauf mißt 4 Zoll; die Mit⸗ telzeh, mit ihrer 1 Zoll langen Kralle, über 4% Zoll; die Hinter⸗ zeh, mit der 13, Zoll langen Kralle, volle 27, Zoll. Bei jungen (erwachſenen) Vögeln find dieſe Maaße, beſonders der 1 aa len wegen, etwas geringer. Die Farbe der Fuͤße iſt bei den Alten ein fhönes gleichförmie ges Gelbgruͤn, nur an den Sohlen etwas gelblicher, im Herbft: auf den Zehenſchildern mehr oder weniger ſchwaͤrzlich, wie dies bei j un⸗ gen Herbſtvoͤgeln immer. Im Tode wird die gelbgruͤne Farbe bald ſchmutziger, und nach voͤlligem Austrocknen verſchwindet ſie ganz, es bleibt nur eine ſchmutzige Hornfarbe, und dieſe geht in mehr oder weniger verbreitetes Braunſchwarz uͤber, eine Faͤrbung, die jene am lebenden Vogel nicht ahnen läßt. — Die Krallen find ſchwaͤtzlich⸗ 3 Nr, „ 2 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 163 braun, oben und ſpitzewaͤrts in lichtes Braun uͤbergehend, ſo daß zuweilen die Spitzen ins Weißliche fallen; an den Janßen ſind ſie am lichteſten, oft ſpitzewaͤrts gelbbraun. Das Dunenkleid beſchreibt H. P. Brehm, in den Beitraͤ⸗ gen, III. S. 158, folgendermaßen. „Der Hals iſt mit graugelber Wolle bekleidet, dieſe wird auf dem Ruͤcken laͤnger, tief- und ſchwarz⸗ grau mit gelben Querflecken; der Unterkoͤrper hat einen an der Wur⸗ zel tiefgrauen, an der Spitze gelblichen Flaum. Die ſeidenartigen Federbuͤſchel, deren ich oben bei dem grauen Reiher gedachte, ſind weißlich und ſtechen, weil ſie nicht von Federn bedeckt werden, ſehr hervor. Der Schnabel, die Augen und Fuͤße ſind lichter als im Jugendkleide.“ — Ich weiß nicht, was ich aus dieſer Beſchreibung machen ſoll, da fie gar nicht zu meinen Beobachtungen paſſen will, ſelbſt wenn man annehmen wollte, Hrn. Brehm's Vogel ſei meh⸗ rere Tage aͤlter geweſen, als die, welche ich ſo eben beſchreiben werde, welche ich erhielt, als von der Brut, uͤber welcher die Mut⸗ ter im Herausfliegen geſchoſſen wurde, erſt zwei Junge ganz aus den Eiern und abgetrocknet waren, ein drittes aber noch halb, ein viertes ganz im Eie ſteckten und das fuͤnfte Ei faul gebruͤtet war, was ich Alles zuſammen, den muͤtterlichen alten Vogel, die Eier und Jungen, uͤberſchickt bekam, ſo daß uͤber die Art, zu welcher es gehoͤrte, nicht der geringſte Zweifel obwalten konnte. — Dieſe jun⸗ gen Voͤgel ſehen ganz abenteuerlich aus; ſie ſind mit einem ſehr langen, aber nicht ſehr dicht ſtehenden, Festen Flaum bekleidet, welcher am Kopfe und dem Oberkoͤrper ſehr lange Haarſpitzen hat, in rechten Winkeln abſteht und ſie ganz ſtruppicht macht. Dieſer Flaum iſt im Grunde dunkelroſtgelb, nach den Spitzen zu matt roſtroth, an den obern Theilen dies mehr als an den untern, ſo daß dieſe, namentlich die Kehle, die Bruſt und der Bauch, mehr ins Roſtgelbe fallen, an den uͤbrigen Theilen aber die bleich roſtrothe Farbe vorherrſcht. Eine andere Farbe iſt nicht an ihnen, auch keine Flecke. Das Schnaͤbelchen, nebſt den zarten Fuͤßchen, iſt a weiß, die Augenſterne perlweiß. Die nachherige erſte Federbekleidung, das Jugendkleid, “= dem der Alten jo ähnlich, daß eine detaillirte Beſchreibung von je⸗ nem uͤberfluͤſſig wird. Es hat eine viel hellere Grundfarbe, Stroh: gelb ſtatt Roſtgelb, die dunkeln Zeichnungen mehr Braun als Schwarz, dieſe ſind auch feiner oder von wenigerer Ausdehnung, der dunkle Streif neben der Kehle bleicher und undeutlicher, die Fe⸗ dern am Hinterſcheitel kuͤrzer und von aan 17 5 und der ganze 164 XII. Ordn. LXVI Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. Vogel iſt fo viel lichter gefärbt und weniger dunkel gezeichnet, daß er ſich neben einem Alten ſogleich erkennen laͤßt. Beide Geſchlech⸗ ter ſind aͤußerlich kaum zu unterſcheiden, nur zeichnet ſich das Männchen, wie auch im ſpaͤtern Alter immer, durch feine anſehn⸗ lichere Größe von dem ſchwaͤchlichern Weibchen aus. — Sie wer⸗ den den Aeltern noch aͤhnlicher, wenn ſie ſich zum erſten Male ver⸗ mauſert haben, und alle fernern Federwechſel ſteigern zwar die Haupt⸗ farben immer noch, und die Flecke werden groͤßer und deutlicher ge⸗ zeichnet; dieſes Alles geſchiehet jedoch in einer Weiſe, daß die Abſtu⸗ fungen kaum merklich werden. Der alte Vogel im friſchen Gefieder, am ſchoͤnſten im Spätherbfte, auch noch im Anfange des Frühlings, hat Far: ben und Zeichnungen, welche denen mancher Eulen ſehr aͤhnlich ſehen. — Der Scheitel, von der Stirn an bis uͤber das Genick hinab, iſt braunſchwarz, im friſchen Zuſtande mit Schieferfarbe über: duftet, an den Federenden mit ſchmalen, nur am Genick breiter wer⸗ denden, roſtgelben Kaͤntchen; ein ſchmaler, lichtroſtgelber, ſchwaͤrzlich gewellter Streif zieht ſich von den Seiten der Stirn und uͤber dem Auge hin; die Wangen find roſtgelb, dunkelbraun gewellt und be: ſpritzt, am meiſten an der Ohrgegend; die Dunen, welche in einem f ſchmalen Streife den ganzen Hinterhals bekleiden, find dunkelroſt⸗ gelb; die großen Federn an den Halsſeiten, welche ſich uͤber jene hinneigen und den von großen Federn entbloͤßten Streif verſtecken, roſtgelb mit braunſchwarzen, zum Theil nur punktirten Wellen- und Zickzackſtreifchen, die an den Seiten des Kropfes auch theilsweiſe in Pfeil: oder Herzfleckchen übergehen; von der Wurzel des Unterſchna— bels laͤuft neben der weißen Kehle herab ein roſtbrauner, ſchwarz gemiſchter und gewellter Streif; ein blaßroſtfarbiger, ſchwaͤrzlich be⸗ ſpritzter Streif faͤngt unter dem Kinn an, geht mitten auf der Kehle herab, wird auf der gelblichweißen Gurgel zu einer unordent⸗ lichen Doppelreihe laͤnglicher, bleichroſtfarbiger, mit ſchwarzbraunen Pfeil⸗ und Herzfleckchen, auch Schaftſtrichen und Punkten bezeich⸗ neter Flecke, die am Kropfe ſehr lang und ſchmal aufhoͤren. An den Seiten der Oberbruſt ſtehen große, in der Mitte braunſchwarze, an den Seiten weißlichroſtgelbe Federn, welche ſich beim angeſchmieg⸗ ten Fluͤgel uͤber deſſen Handgelenk legen; alle untern Theile bis an den Schwanz find ſehr licht roſtgelb, an der Bruſt mit ſchmalen . ſelten gezackten Schaftſtreifen, die tiefer hinab und an den Unterſchwanzdeckfedern nach und nach immer ſchmaͤler und * S tletcher werden, und die etwas dunkler gelbe Außenſeite der Unter⸗ „ XII. Drdn. LXVI. Gatt. 256, Gr. Rohrdommel. 165 ſchenkel hat einzelne dunkelbraune gepunktete Pfeilfleckchen oder iſt nur mit dieſer Farbe beſpritzt. Die Oberruͤcken⸗ und die. Schule terfedern ſind meiſtens an einer Seite röthlich⸗ „an der andern weißlichroſtgelb, in der Mitte entlang bis in die Spitze mit ei⸗ Dr nem breiten, an feinen Raͤndern mehr oder weniger tief ausgezack⸗ ten, braunſchwarzen Streif, viele der groͤßten Schulterfedern auch bloß mit ſchwarzem Schaft und vielen braunſchwarzen, zackichten Querbinden; Unterruͤcken und Buͤrzel dunkelroſtgelb, ſchwarz⸗ braun gebaͤndert und beſpritzt, die dunkeln Zeichnungen auf den Oberſchwanzdeckfedern beſonders haͤufig, aber fein. Dieſes Alles giebt auf dem Oberkoͤrper einen Wirrwar von regelloſen braunſchwar⸗ zen Zeichnungen auf roſtgelbem, hell und dunkel, auch roſtfarbig ge⸗ miſchten Grunde. Die Fluͤgeldeckfedern ſind roſtgelb, an den Sei⸗ tenraͤndern am lichteſten, in der Mitte, dem Schafte entlang, roſt⸗ farbig uͤberlaufen, die kleinen ganz mit ſtarkem Anſtrich von dieſer Farbe und mit braunſchwarzen Wellen- und Pfeilflecken, die mitt⸗ lern mit feinern Pfeilfleckchen, Zickzacks und Punkten von derſelben Farbe, die an den großen in Zickzacklinien, auf deren roſtroͤthlichen Innenfahnen aber in braunſchwarze zackige Querbaͤnder uͤbergehen. Die verdeckten Innenfahnen abgerechnet, iſt der Mittelfluͤgel viel lichter und klarer gezeichnet als die großen Oberruͤcken- und Schul⸗ terfedern. — Der Flüͤgelrand iſt gelblichweiß; die erſte und zweite Ordnung Schwingfedern, die Fittichdeckfedern und die des Daumens find auf einem mattroſtroͤthlichen Grunde mit ſtarken braunſchwar⸗ zen oder vielmehr dunkelſchieferſchwarzen Querbaͤndern durchzogen, welche ſo breit als ihre Zwiſchenraͤume und oft ſehr gezackt ſind, auch bildet die dunkele Farbe an den vorderſten Schwingen einen großen Endfleck; die dritte Ordnung hat Farbe und Zeichnung der laͤngſten Schulterfedern. Nicht allein die dunkeln Bandſtreifen des Fittichs, ſondern auch noch die der kleinen Fluͤgeldeckfedern, wie die des Scheitels, haben im friſchen Zuſtande einen ſchieferblauen Uiber⸗ flug, aͤhnlich dem Duft auf manchen Fruͤchten. — Die Deckfedern auf der Unterſeite des Fluͤgels ſind ſehr bleich roͤthlichroſtgelb, nur wenig mit Dunkelbraun beſpritzt und abgebrochen gewellt; die gro⸗ ben Deckfedern und Schwingfedern unten roſtroͤthlich weiß (eine ange⸗ nehme Miſchung), aſchgrau gebaͤndert. Der Schwanz iſt roͤthlichroſtgelb, braunſchwarz beſpritzt, wodurch eine unregelmaͤßige Zeichnung entſteht, die bald Wellen, bald Zickzacks, bald veräftelte Laͤngeſtreifchen darſtellt, und ſehr abwechſelt; auf der Unterſeite iſt er ſehr blaß roſtroͤthlichgelb, R ee ng der obern Seite aſchgrau. 4 4 23 166 XII. Ord n. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt, außer der etwas ver⸗ f ſchiedenen Groͤße, die Zeichnung ganz dieſelbe, jedoch bei erſterem die gelbe Grundfarbe ſtets lebhafter, mehr mit einem roͤthlichen Roſtgelb gemiſcht, die ſchwarzbraunen Flecke am Oberkoͤrper groͤßer und ſchwaͤr⸗ zer, der Bartſtreif zwiſchen den Wangen und der Kehle breiter und dunkler, die letztere ſelbſt reiner weiß, die ſchwarze Kopfplatte wei⸗ ter über das Genick ausgedehnt, gegen 3 Zoll über dies hinausge— hend, und das Alles verſchafft, wenn man beide in einiger Entfer⸗ nung neben einander ſieht, dem Maͤnnchen eine viel dunklere Faͤr⸗ bung, während die feinern und bleichern Zeichnungen beim Weib» chen mehr mit der blaſſern Grundfarbe verſchmelzen. Die Farben des Gefieders, fo wie dieſes ſelbſt, leiden bedeu- tend durch den Gebrauch; ſie bleichen vom Fruͤhjahr an nach und nach ſehr ab, und dieſes verliert durch Reibungen und dergleichen. Recht ſehr auffallend wird dieſes bei den meiſten im Sommer oder ſchon im Juni und Juli; die Fluͤgeldecken find gewoͤhnlich am ſtaͤrkſten abgerieben, zumal wo der Vogel eine Gegend bewohnte, in welcher man uͤber Winter das alte Rohr und Schilf hatte ſtehen laſſen und das junge zwiſchen dieſem empor geſchoſſen war, wodurch das Dickicht noch gedraͤngter wurde, daher die Reibungen haͤufiger und an den trocknen harſchen Rohrblaͤttern deſto heftiger ſein mußten. | anden wird dadurch das Gefieder ungemein verunſtaltet. Die einfache Mauſer geht ſchneller von Statten als bei den vor⸗ herbeſchriebenen Reiherarten. Die jungen Vögel legen ihr erſtes Fer derkleid zum Theil noch ab, ehe fie unſere Gegenden im Herbſt ver- laſſen, ſtehen aber, auf dem Zuge begriffen, gewoͤhnlich noch in voller Mauſer und beendigen ſie erſt in ihrer Abweſenheit im Win⸗ ter; Schwing- und Schwanzfedern vom Jugendkleide behalten fie 5 bis zur naͤchſten Mauſer. Schneller geht es damit bei den Alten. Der Federwechſel beginnt bei dieſen meiſtens ſchon zu Anfang des ö Auguſt, und in einem Monat iſt er faſt ganz beendet. In dieſer Zeit ſehen ſie ſehr berupft aus, es fehlen ihnen ganze Federpartien, wo die Blutkiele hervorkeimen; ſie fliegen dann aͤußerſt ſchlecht und ſind kaum mit Gewalt dazu zu bewegen. Ihre verſteckte Le⸗ bensweiſe beguͤnſtigt ſie dabei, ſonſt wuͤrden ſie waͤhrenddem vielen Bee ausgeſetzt ſein. 1 N 8 N Aufenthalt. 1 £ Diese Art iſt uͤber viele Theile der alten Welt , wohnt jedoch am meiſten die gemaͤßigte Zone, iſt aber, ſonderbater⸗ r % * * * 2 5 N. vr Ord. 20 Gatt. 256. Gr Rohrdommel. 0 weiſe, aus Afrika noch nicht zu uns gebracht worden. Sonſt glaubte man auch, ſie ſei im noͤrdlichen Amerika, oder gar in Neuholland; allein nach neuern Beobachtungen ſind dies ganz andere, ihr bloß ſehr aͤhnliche Arten. — Sie iſt uͤber einen großen Theil von Sibirien bis zur Lena hin, uͤber Perſien und an⸗ dere Länder Aſiens verbreitet, im ſuͤdoͤſtlichen und ſuͤdlichen Eu⸗ ro pa ſehr häufig, fo wie überhaupt auch in deſſen mittlern Thei⸗ len gemein, geht aber nicht hoch nach Norden hinauf, uͤberall wol kaum bis zum 60 Grad nord. Br., da ſie vom 55. an ſchon ſelten wird. Sie iſt ungemein haͤufig in den zunaͤchſt dem ſchwarzen Meere gelegenen europaͤiſchen Laͤndern, in der Tuͤrkei und Griechen⸗ land, in Galizien, Ungarn, ganz Italien und Spanien, ſehr gemein in ganz Frankreich, wol noch mehr in England, ſehr haͤufig in Holland und dem noͤrdlichen Deutſchland, auch in den uͤbrigen Theilen unſres Vaterlandes uͤberall keine Seltenheit, auch in Preußen und Liefland, aber jenſeits der Oſtſee kaum noch einzeln, anzutreffen, wie fie denn im ſuͤdlichen Scandina⸗ vien nur hin und wieder noch und ziemlich ſelten vorkoͤmmt. Sie iſt bei uns, Gebirgsgegenden allein ausgenommen, allenthalben ge⸗ mein, und wird auch in Anhalt an geeigneten Orten in keinem Jahr vermißt, ob es gleich welche giebt, in welchen ſie auffallend einzelner als gewoͤhnlich vorkommt. Wegen ihrer verſteckten Lebens⸗ weiſe iſt ſie im Allgemeinen in allen Laͤndern weit weniger gekannt, als manche minder haͤufige Vogelart. Obwol in Deutſchland, in gelinden Wintern und an geſchüͤtz ten Orten, hin und wieder ein ſolcher Vogel uͤberwintern mag, ſo gehoͤrt dies doch unter die Ausnahmen, und er muß deſſenunge⸗ achtet unter die Zugvoͤgel gezaͤhlt werden, zumal er auch gegen die Kaͤlte unſrer Winter ſehr empfindlich zu ſein ſcheint, und oͤfters vorgekommen iſt, daß von einem heftigen Vorwinter überrafchte er⸗ mattet aus der Luft herabfielen, ſo auch einmal hier, in meinem Wohnorte, wo ein ſolcher auf meines Nachbars Hofe ganz ermattet mit den Haͤnden gefangen wurde. Gewoͤhnlich ſtellt ſich die große Rohrdommel nicht vor Ende des Maͤrz, oft erſt im April, bei uns ein, und zieht im September und October wieder weg; iſt aber noch länger ſchoͤnes Herbſtwetter, ſo bleiben manche bis in den No- vember und warten ab, bis ſie Schnee und harte Froͤſte forttreiben. Haben fie an Landſeen und großen Teichen einen ſchuͤtzenden Auf: enthalt in recht großen und dichten Rohrwaͤldern uͤber fiſchreichem Waſſer, und kommen keine ſo ſtarken Froͤſte, welche erlauben, 168 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gt. Rohrbom mel, 1 4 daß die Leute das Rohr auf dem Eiſe abhauen koͤnnen, in wel⸗ chem Falle und wenn der Winter fortwaͤhrend gelinde bleibt, jenes dann oft gar nicht abgebracht werden kann, ſo iſt dies ihnen eben recht; dann uͤberwintert darin manche Rohrdommel. Bei Erde⸗ born am ſalzigen See im Mannsfeldiſchen wurden auf ſolche Weiſe ein Mal 7 große Rohrdommeln an einem Tage, alle in geringer Entfernung von einander, mitten im Winter erlegt. Im ſuͤdlichen Ungarn und in Italien iſt dies gewöhnlich, und eine große An⸗ zahl uͤberwintert dort regelmäßig alle Jahre in den großen Sum: pfen, wo man nie alles Schilf und Rohr rein abmaͤhet. Es hat überhaupt den Anſchein, daß die Mehrzahl dieſer Voͤgel ſich be gnuͤgt, in den ſuͤdlichen Laͤndern unſres Erdtheils den Winter hinzu- bringen, ohne deshalb über das Meer zu gehen. Sogar in Eng: f land ſollen regelmaͤßig viele uͤberwintern. Sie zieht des Nachts, hoch durch die Luͤfte, vermuthlich nur einzeln, wie man beſonders an ſtillen Herbſtabenden deutlich an ih- rer ſtarken rabenartigen Stimme vernehmen kann, die ſie dabei von Zeit zu Zeit hoͤren laͤßt, die weithin ertoͤnt, und an welcher man auch die Richtung des Zugs, im Herbſt ſuͤdlich, bemerken kann; zuweilen noch ſpaͤt im November vernahm ich den wohlbekannten Ton in den Luͤften, ſo auch im Fruͤhjahr, im Maͤrz und wi je nachdem die Witterung fruͤher oder ſpaͤter gut wurde. k Ihr Aufenthalt find tiefe und ebene Gegenden, auch weite wußß ö ſerreiche Thaͤler mit großen wilden Sumpfſtrecken, Gegenden, wel⸗ che durch menſchlichen Verkehr wenig beunruhigt werden, gleichvie £ ob in der Nähe von Waldungen oder in holzarmen Umgebungen, die Landſeen, großen Teiche, Bruͤcher, langſam ſtroͤmenden Fluͤſſe, aber alles nur ſolche Gewaͤſſer, die meiſtens oder doch in großen Gruppen von hohen Sumpfpflanzen, Schilf und Rohr, oder auch mit dieſem zum großen Theil vermiſchtem wilden Gebuͤſch, auf naſ⸗ ſem Boden, bedeckt ſind. An den weitſchichtigen Gewaͤſſern und Suͤmpfen von Ungarn iſt ſie daher unſaͤglich gemein, faſt eben ſo in Holland und den Marſchlaͤndern des noͤrdlichen Deutſch— lands; ſo wie ſie auch bei uns an Landſeen, großen Teichen und in Bruͤchern, wo recht viel hohes dichtes Rohr waͤchſt, nirgends fehlt. Je einſamer, wilder und unzugaͤnglicher ſolche Rohrſuͤmpfe und Rohrwaͤlder ſind, deſto haͤufiger werden ſie von ihr bewohnt. Sie kann in den Zugperioden wol auch ein Mal an kleinern Ges waͤſſern von ſolcher Beſchaffenheit vorkommen, giebt aber den aus⸗ gedehntern doch ſo den Vorzug, daß jenes ſelbſt dann nicht oft der u I. Ordn LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 169 Fall iſt, wenn ſie nicht weit davon in groͤßern naſſen n ihren Sommeraufenthalt hat. 1 1 Nie ſieht man fie an freien Gewaͤſſern ı nd kahlen Ufern, ſelbſt des Nachts ſcheint ſie wol kaum jemals an ſolchen lange zu ver⸗ weilen. Sie muß ſich verſtecken koͤnnen, und zwar nicht etwa durch Niederdruͤcken in niederm Graſe und aufſchoſſendem Seggenſchilf, oder alten Schilfſtoppeln, wie Bekaſſinen, ſondern ſtets ſtehend oder allenfalls zuſammen gekauert, im dichten hohen Rohr (Arundo) oder Kolbenſchilfe (Typha), in dieſem ſchon weniger gern als in jenem. Das Rohr iſt ihre eigentliche Lieblingspflanze; ſie kann es kaum entbehren; nur im Nothfall ſucht ſie wol auch an ſolchen Orten eine Zuflucht, wo es weniger dicht beiſammen waͤchſt. Wo es ganz fehlt, haben wir niemals einen ſolchen Vogel angetroffen. — Iſt das alte Rohr uͤber Winter ſtehen geblieben, ſo iſt dies ihr ſehr erwuͤnſcht, wenn es auch keine gar großen Buͤſche waͤren und nur Hoffnung da iſt, daß in den Umgebungen bald viel junges aufſchoſ— ſen wird, weil, bei ihrer Ankunft im Fruͤhjahr, dieſes fuͤr ſich allein ihr noch zu wenig Schutz gewährt. Sie weiß recht gut, wo binnen wenigen Wochen dichte, hohe Rohrwaͤlder aufſchießen, wenn die vorjaͤhrigen auch ganz abgemaͤhet ſind; weil dies aber in den mei⸗ ſten Gegenden und in etwas kalten Wintern bei uns immer auf dem Eiſe geſchiehet, um es als Brennmaterial oder zum Dachdecken zu benutzen, ſo ſieht ſie ſich haͤufigſt genoͤthigt, einſtweilen in den naͤchſten Umgebungen, im dichten Geſtraͤuch und alten Pflanzenge⸗ ſtruͤpp, in niedern ſumpfigen Gehoͤlzen, Weidenhaͤgern und der⸗ gleichen ſich ein Verſteck zu ſuchen und es hier abzuwarten, bis Rohr und Schilf nach und nach aufſchoſſen. Dies mag eine ſchlimme Zeit fuͤr ſie ſein, und es iſt wahrſcheinlich, daß deshalb viele Rohr⸗ dommeln noch fo lange zuruͤckbleiben und mit andern ihrer Art, ſuͤdlich von uns, an ſicherern Orten, verweilen, bis ſie ihr Aſyl bei uns ſchon ſo weit hergeſtellt finden, daß ſie es ſogleich beziehen koͤn⸗ nen. An ſolchen Orten, wo ſie ein Unterkommen ſuchen, es aber vor der Hand noch nicht finden, ſchwaͤrmen ſie dann wohl des Nachts herum, wo ſie ſich durch ihre Stimme bemerklich machen; allein am Tage muͤſſen ſie ſich einſtweilen anderswo zu verbergen ſuchen, und ſollte es auch in Waldungen und auf Baumen ſein. Sie haben es beſonders in ſolchen Jahren ſchlimm, in welchen der Winter bis zu ihrer Ankunft im Fruͤhjahr anhielt; dann bleiben auch ihre en oft uͤber einen N weiter hin⸗ aus verſchoben. te 170 XII. Ordn. LAVI, Gatt. 256. Gr. Rohrdom mel. Diejenigen unſrer Bruͤcher, welche anfaͤnglich, ſo fruͤh es die Witterung geſtatten will, zur Weide für Rindvieh und fpäter im Jahr erſt zum einmaligen Heumachen benutzt werden, bewohnt ſie nur an den tiefſten Stellen zuweilen, wo das Vieh ſeltner hinkoͤmmt, aber auch zwiſchen ſogenannten Kufen, doch erſt wenn die Pflan⸗ zen auf dieſen ſchon etwas hoͤher aufgewachſen ſind. Sie verbirgt ſich dann zwiſchen dieſen kleinen gruͤnen Inſelchen recht leidlich; doch ſind ſolche Orte wol von allen ihr lichteſter und zugaͤnglichſter Auf⸗ enthalt. Sind ſpaͤter die großen Seggenarten (Carex), Binſen (Scirpus), die große Wolfsmilch (Euphorbia palustris) und andere hohe Sumpfpflanzen, auch Rohr (Arundo), das niemals fehlen darf, ein paar Fuß hoch herangewachſen, dann haͤlt ſie, wenn nicht etwa das Waſſer verſiegt, auch wol den ganzen Sommer auf ſolchen Plaͤtzen aus. Die große Rohrdommel ſetzt ſich nicht gern auf Baͤume, muß aber im Fruͤhjahre ihre Zuflucht doch oft auf ſolche nehmen, ſelbſt oft ein Stuͤck in den Wald hinein und nicht immer nahe am Waſ⸗ fer; auf hohe, freiſtehende koͤmmt fie jedoch nie. Sie ſucht auf hoͤhern Bäumen immer nur an ſolchen Stellen einen Sitz, wo fie die dichten Zweige etwas verſtecken oder nahe am Schafte, damit fie, um nicht fo leicht bemerkt zu werden, ſich gelegentlich an dies ſen anſchmiegen koͤnne. Zwiſchen den dichten Zweigen der Kopf weiden oder auf einem ſeitwaͤrts herausgehenden Zweige eines ſol⸗ { chen Weidenkopfes, wo dieſe Bäume nicht gar zu frei und verein zelt ſtehen, ſitzt ſie ſchon lieber und oͤfterer, ſo auch auf den Stan⸗ gen des niedrigen Weidenbuſchholzes, der Erlen und andrer am Waſſer wachſenden Holzarten, aber hier immer nahe am Boden und wo das Holz am dichteſten ſteht. Iſt jedoch Schilf und Rohr erſt hoch genug aufgeſchoſſen, dann lebt und webt ſie a. und Nacht einzig in dieſem. Sie hat im Sommer und Herbſt auch ihre Schlafſtellen im Schilfe und Rohre; nur im Fruͤhjahre, ehe jenes hoch genug wird, ſchlaͤft ſie auch auf Bäumen und im Gebuͤſch, wo fie nicht ganz frei ſitzt, und zwar am Tage, wie die Eulen. Ihre Lebensthaͤtigkeit beginnt mit Anbruch der Abenddaͤmmerung und hoͤrt auf, wenn der Tag wiederkehrt; einzelne Ausnahmen hiervon koͤnnen hoͤchſtens in der Begattungszeit vorkommen. Daß man fie auf dem Abendan⸗ ſtande von einem Baume herabgeſchoſſen hat, beweiſt noch nicht, daß | ſie e uͤbernachten wollte; oder es moͤchte dies in dieſelbe ! | 347 | j er — — — ee Ep — “4 XII. Ordn. u Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 171 Kategorie gehoͤren, Wie das Fiſchen des gemeinen Keihers in 1 Naͤchten, d. 5 unter die ie bee DR N * 9 i gel 5 80 55 ** Die große Rohrdommel iſt ein wunderliches Geſchöpf, ohne alle einnehmenden Eigenſchaften; ſie hat mit ihrem ſchlotternden, eulenartigen Gefieder, das ihre keineswegs angenehme Geſtalt zum Theil verſteckt, aber gerade nicht verſchoͤnert, unter allen Reiherar⸗ ten das haͤßlichſte Ausſehen. Die ſchmutzige, gelbe Hauptfarbe, wel⸗ che mit ihren ſchwarzen Zeichnungen und roͤthlichen Abſtufungen, in einiger Entfernung, ganz denen eines abgeſtorbenen Schilf- oder Rohrbuͤſchels gleicht, dient ihr ſehr, das Auge des ſich ihr naͤhern⸗ den Menſchen zu taͤuſchen, weil ſie in dieſem Falle ſtockſtill daſteht und dazu eine ganz ſonderbare Poſitur annimmt. In dieſer ſitzt ſie auf dem Hintern, ſtreckt Rumpf und Hals, Kopf und Schna⸗ bel in einer geraden Linie faſt ſenkrecht aufwärts, fo daß die Schna⸗ belſpitze gegen den Himmel gerichtet iſt, kehrt dazu dem Störer ‚ges woͤhnlich die Bruſt entgegen, folgt ſeinen Wendungen, ö B. wenn er ſie umkreiſt, ſich bloß auf den Ferſen drehend oder in wunderli⸗ chen Wendungen auf den Zehen, wenn ſie auf einem Aſte ſitzt, ohne irgend einen andern Koͤrpertheil im mindeſten zu ruͤhren. In die⸗ ſer ſteifen Attituͤde gleicht ſie einem alten zugeſpitzten Pfahl, abge⸗ ſtorbenen Schilfbuͤſchel oder Weidenſtummel, zumal auf einem Stam⸗ me oder Pfahle ſtehend, ſo vollkommen, daß der Ungeübte gar nicht darar denkt, ſie fuͤr einen lebenden und namentlich fuͤr einen ſo großen Vogel zu halten, indem ſie dabei auch noch die Kunſt ver⸗ ſteht, durch Anziehen der Federn ſich ungemein klein und duͤnn zu machen. Sie laͤßt on in folcher meiſtens ganz nahe kommen, 45 f ſie fortfliegt. N Ihr ſonderbarer Körperbau, 05 Hülfe ſeiner umfangsreichen Befiederung, geſtattet der Rohrdommel die abweichendſten Stellun⸗ gen und Gebehrden. Ihr Hals, eigentlich ſehr lang und duͤnn, ſcheint dies gar nicht, weil ihn fo. ungewoͤhnlich große und lockere Federn umhuͤllen, daß ſelbſt die Sförmigen Biegungen, die er in der allergedruͤckteſten Lage anzunehmen im Stande iſt, nicht geahnt Be se fie z. 5 ganz ruhig und unelengen are e iſt et 1 ne 0 Dieſe Ss jene agel et find, in Sainzs Vogel er 5 w. für 1 genommen, was durchaus nicht fein darf; fie fi nd vielniehr ſo höͤchſt verſchieden einander, wie die Absichten, weshalb fie der Vogel annimmt. N © 9 1 Pr * ** w N 1 172 NII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. ihr Rumpf ziemlich aufgerichtet, ſo daß der herabhaͤngende Schwanz faſt die Ferſen beruͤhrt, der Hals, an ſeinem Urſprunge ſchnell her⸗ abgebogen, liegt über der Bruſthoͤhle, ragt etwas über fie hinaus, biegt ſich ſchnell wieder zuruͤck bis an ſeine Wurzel, hier abermals, dicht unter dem Genick, wieder vor, wo dann Kopf und Schnabel, wagerecht und auf der Gurgel liegend, den Zickzack vollenden; dieſe ſcharfen Biegungen werden jedoch unter dem großen Gefieder ver, ſteckt; Schnabelfirfte und Stirn liegen in einer Horizontallinie, und die langen buſchichten Genickfedern ſchließen ſich auf der untern Hals⸗ ö wurzel an die des Oberruͤckens, ohne Abſatz, an; die langen Ser tenfedern des Halſes, hohl nach hinten gebogen und dort locker ſchließend, verſtecken alle jene Biegungen deſſelben gaͤnzlich, die noch laͤngern des Kropfes legen ſich über die Oberbruſt und feitwärts uͤber das Handgelenk des Flügels; — fo ſteht die ausruhende Rohrdom⸗ mel da, in einen dicken Klumpen zuſammengepreßt, wie der Fury. halſigſte Vogel; man möchte die wirklich bedeutende Länge des Hal ſes nicht ahnen und erſchrickt gewiſſermaßen, wenn ſie ihm ploͤtzlich vorſchnellt oder momentan ausdehnt und zuruͤckzieht, als wenn er aus dem Leibe wie aus einer Scheide herausfuͤhre. 10 Iſt ſie weniger in Ruhe, ſo traͤgt ſie im Fortſchreiten den Hals wol auch in eine gemaͤßigte S⸗Form gebogen und hat dann wiederum eine durchaus andere Geſtalt. Noch in einer andern tritt ſie auf, wenn fie aufgeregt iſt und eben fort will, wo fie den Hals in fer. ner ganzen Lange gerade ausdehnt, etwas vorwärts neigt, Kopf und Schnabel aber wagerecht traͤgt, und langſam fortſchreitet; dieſe Stellung iſt eine der ſeltnern. Iſt fie böfe, fo geht fie dem Feind entweder ohne alle Umſtände zu Leibe, oder fie ſetzt ſich auf die Fer⸗ ſen, luͤftet die großen Flügel, blaͤhet das ganze Gefieder hoch auf, ſtraͤubt die Hinterhauptsfedern ſtrahlenfoͤrmig aus einander, ſperrt den Schnabel auf und vertheidigt ſich mit heftigen Stoßen deffek ben, indem ſie den eingezogenen und zuruͤckgebogenen Hals blitz: ſchnell und mit vieler Kraft ſicher nach dem Ziele ſchnellt, das bei andern Thieren, auch Menſchen, immer die Augen ſind, weshalb ſolche Stiche ſehr gefaͤhrlich werden koͤnnen. Koͤmmt fie in noch groͤßere Noth, z. B. fluͤgellahm geſchoſſen, ſo legt ſie ſich auf den Ruͤcken und nimmt zu ihrer Vertheidigung auch noch die Fuͤße zu Huͤlfe, hackt und kratzt dann fuͤrchterlich um ſich, und wehrt 10 mit Wuth und Verzweiflung bis zum letzten Augenblicke, und bis ſie endlich der Starke und Gewalt unterliegen muß. Die Rohrdommel ſteht ſehr niedrig auf den Beinen, und daß | u XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 173 dieſe ſo dick ſind und ſo große Zehen haben, vermehrt ihr plumpes Ausſehen. Ihr Gang aa langſame, bedaͤchtige Schritte; ſchnell mag ſie nicht. Ihre langen, großen Zehen, die ſie, wie an⸗ dere Reiher, ſtehend nicht ſehr weit ausſpreizt, weshalb im Still⸗ ſtehen von den innern meiſtens eine uͤber die andere greift, leiſten ihr wichtige Dienſte uͤber weichen Schlamm zu gehen, oder auf we⸗ nigen niedergebogenen Rohrſtengeln, weil ſie uͤber mehrere ſolcher hinwegreichen, ſich empor zu halten; auch kann fie mit demſelben mehrere ſtehende Rohrſtengel zugleich umfaſſen und ſo an dieſen hinauf und hinab ſteigen, ja ſogar im Rohrwalde fortwandeln, ohne das Wal- ſer zu beruͤhren. An einzelnen Rohrſtengeln wuͤrde ſie Letzteres nicht koͤnnen, ohne fie durch die eigene Laſt umzubeugen und niederzu- druͤcken. Ihre geringe ſpecifiſche Schwere koͤmmt ihr indeſſen beim Klettern im Rohr gewiß auch ſehr zu Statten. Wo ſie uͤber zu tiefem Waſſer wohnt, kann fie nie anders als auf dieſe Weiſe ei⸗ nen feſten Stand nehmen und ſich gelegentlich fortbewegen, und dies iſt an den allermeiſten ihrer Wohnorte fo; denn ihre ziemlich kurzen Beine geſtatten ihr nur im ſeichten Waſſer zu waden, und ſie geht uͤberhaupt nicht in tieferes, als das ihr hoͤchſtens bis an die Ferſe reicht, wohnt aber gar haͤufig uͤber 2 Fuß und noch tie⸗ keen. Ihr Flug ſieht dem einer großen Eule nicht unaͤhnlich und iſt chen ſo ſanft und geraͤuſchlos. Die großen breiten Fluͤgel ſind im Fluge ſtark gebogen und hohl, d. h. das Elbogengelenk ſteht ho: her als Baſis und Spitze; auch ſind ſie nie ganz gerade ausgeſtreckt. Dabei iſt der Hals doppelt zuſammengelegt, ſeine Knieen werden aber unter den dicken Halsfedern verſteckt, und er ſieht daher ſehr kurz und ſehr dick aus. Dies Letztere, die breitern und rundern Fluͤgel und noch traͤgere Bewegungen unterſcheiden ſie im Fluge von den Tagreihern, wozu denn auch die eigenthuͤmliche Farbe hilft. Sie bewegt die Fluͤgel aͤußerſt nachlaͤſſig, in kurzen, lang⸗ ſam auf einander folgenden, einem matten Zucken aͤhnlichen Schwin⸗ gungen, die nur bei aͤngſtlichem Auffliegen etwas kraͤftiger und ha⸗ ſtiger folgen, wobei denn die Beine gerade herabhaͤngen, welche aber ſpaͤter, wenn ſie beruhigt weiter ſteuert, hinten gerade hinausge⸗ ſtreckt werden. Schweben ſahe ich ſie nie, und ſie flattert vor dem Niederſetzen, das mehr ein Niederwerfen iſt, nur wenig, wahrſchein⸗ lich aus Schonung gegen ihr großes weiches Gefieder, das durch unnuͤtzes Flattern an den Stengeln und ſcharfrandigen Blaͤttern des Rohres ſehr oft Schaden leiden wuͤrde, was auch das ſolcher deut⸗ 3 “ f 5 * + | 174 XII. Ordn. LXVI. Gätt. 256. Gr. Rohrdommel. lich genug vor Augen legt, die im alten vorjaͤhrigen Rohr ihren Wohnſitz aufſchlugen. Ihre natuͤrliche Traͤgheit bewahrt ſie am meiſten gegen ſolche ſchaͤdliche ee e unvermeidlich wären, wenn fie ſich lebhafter zwiſchen den gedrängt ſtehenden, harſchen Stengeln des Rohres bewegen wollte. Gewoͤhnlich ſitzt ſie tief un⸗ ten im Rohr, dicht uͤber dem Waſſerſpiegel; will ſie heraus fliegen, ſo muß ſie erſt an den Stengeln in die Hoͤhe ſteigen; weil ſie un⸗ ten, wo dieſe zu ſtark ſind, die Fluͤgel meiſtens gar nicht wuͤrde ausbreiten koͤnnen und, wollte ſie Gewalt brauchen, ſich an ih⸗ nen beſchaͤdigen wuͤrde. Ihrem Aufſchwingen aus hohem dichten Rohr geht daher allemal ein vernehmliches Kniſtern vorher; man hört das Aufklettern an den Stengeln deutlich und kann es auch, wenn man hoch genug ſtehet, an den Bewegungen der Rohrſpitzen und Rispen ſehen. Freiwillig fliegt fie indeſſen am Tage nie auf; dies koͤnnte hoͤchſtens in der Paarungszeit bei kampf- oder paarungs⸗ luſtigen Maͤnnchen zuweilen vorkommen. Wird ſie mit Gewalt zum Auffliegen gebracht, fo fliegt fie fo niedrig wie moͤglich über Schilf und Rohr hin und flürzt ſich, ehe man ſichs verſieht, nicht wei von der vorigen Stelle wieder in ſolches hinein, um es zum zwei⸗ ten Mal nicht ſobald wieder zu verlaſſen. Uiber größere freie Flaͤ⸗ chen fliegt fie am Tage ſehr ſelten, nur wenn gar kein zweites Ver ſteck in der Naͤhe iſt. Will ſie die Hoͤhe gewinnen, ſo ſteigt ſie in Kreiſen auf, auch ſo herab, wenn ſie hoch flog, was ſie jedoch nur des Abends, wenn ſie weit weg will oder eben ankoͤmmt, aber nie am Tage thut. f Sie gehört unter die Vögel, deren Beſtreben fortwährend dar⸗ auf hingeht, ſich den Augen der Menſchen zu entziehen; fie vet: laͤßt deshalb am Tage ihr gutes Verſteck freiwillig nie, ſondern nur wenn ſie Gewalt daraus vertreibt; Knittel und Steine in das Rohr werfen, das fie umgiebt, oder mit langen Stangen darauf ſchla⸗ gen, hilft in den meiſten Fällen hierzu noch nichts; ſogar ein thaͤ tiger Waſſerhund kann ſie meiſtens nur zum Auffliegen bringen, wenn er ihr wirklich zu Leibe geht; es ſcheint ſogar, daß ſie, bei feiner Annäherung, über ihm auf Rohrſtengeln, ſich einen Sitz waͤh und dieſen nicht verläßt, wenn er auch gerade unter ihr, im Waf fer, zwiſchen dichten Rohrſtengeln und alten Storzeln fi abmuͤhet, Sieht er fie dann über ſich, ohne zu ihr gelangen zu koͤnnen, ſo wird fie oft erſt durch fein Bellen herausgetrieben, aber nur, um auf kurzer Entfernung ſich ſogleich wieder in vielleicht noch dichte⸗ res Rohr zu werfen und dann da noch feſter zu liegen. Beſon⸗ K f 4 % cl 0 III. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 173 ders hartnaͤckig halten alte Rohrdommeln am Niſtoyte oder ſolche r Verſteck feſt, die man gleich mit zu heftigem Toben angriff, aͤhrend fie zu anderer Zeit, auch wo ihr Verſteck weniger dicht iſt, und wo man gleich anfaͤnglich weniger geraͤuſchvoll gegen ſie ver⸗ fuhr, fo wie überhaupt junge Vögel, ſich leichter aufftöbern laſſen. Sie ſind klug genug einzuſehen, daß ſie nirgends ſicherer ſind als in ſolchem Rohrwalde, daß ihnen dagegen moͤglicherweiſe alles Unheil drohet, wenn man ſie zwingt, eine ſolche Abgeſchiedenheit e ben, weshalb fie ſich auch ſehr davor hüten. Die Rohrdommel iſt ein ſehr aͤngſtlicher, ütgwöhniſchen u li: ſtiger Vogel, dabei aber in allen ihren Bewegungen ſchlaff, träge und langſam, nur nicht wenn ſie boͤſe gemacht iſt, wo ſie viel Muth und Kraͤfte entwickelt. Sonſt iſt ſie ſehr furchtſam und zeigt ſich nur Abends auf dem Freien, wo ſie freiwillig von einem Verſteck zum andern fliegt, oder ſich auf die Wanderung begiebt; allein an ganz von allem Pflanzenwuchs entbloͤßten Ufern der Gewaͤſſer ſahen wir nie eine herum gehen. Man hat daher auch nicht beobachten koͤnnen, ob ſie auf dem Freien auch wirklich ſcheu ſei; dies moͤchte jedoch zu Folge ihres Mißtrauens, ihrer Vorſicht und großen 1 ſamkeit nicht zu bezweifeln ſein. Ihr haͤmiſches, heimtuͤckiſches Gemuͤth zeigt ſie beſonders dem andere ihr nahe wohnenden Vögel, die ihr daher auch gern aus dem Wege gehen; ſogar gegen ihres Gleichen iſt ſie ganz ungeſellig, und mehrere Paare leiden ſich nicht auf einem Teiche, wenn er nicht einen bedeutenden Umfang hat. Nur dort, wo es ihrer ſo viele giebt, wie im ſuͤdlichen Ungarn, ſind manchmal mehrere nicht weit von einander anzutreffen; bei uns aber ſieht man ſie, die Paͤaͤrchen oder Familien in der Heckezeit, oder andere zuweilen in einem vor⸗ zuͤglichen Aſyl für den Winter ausgenommen, immer bloß ein⸗ zeln. Naͤhert man ſich einer ſolchen, ſo nimmt ſie jene ſonder⸗ bare, zugeſpitzte Stellung an und ſitzt ſtockſteif da, bis man ihr ganz nahe gekommen, dann erſt fliegt ſie weg. Jedoch nur an et⸗ was freiern Orten, im Frühjahr wo der Pflanzenwuchs noch nie- drig, die Baͤume noch wenig belaubt, oder die Seggenarten und dergleichen auf den Kufen in unſern Bruͤchern noch nicht hoch aufs geſchoſſen find, kann man fie in dieſer Stellung zu ſehen befom: men. Auf Weidenkoͤpfen oder andern Baͤumen lehnt ſie ſich dazu nicht ſelten an den Schaft oder an einen ſenkrechten Aſt, zwiſchen Kufen an den Rand einer ſolchen, und dann iſt dieſer große Vo⸗ gel noch ſchwieriger zu erſpaͤhen. Wie leicht ſelbſt das geuͤbte Auge . N 0 . 4 l . =. er 176 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 356. Gr. Rohrdommel. einen ſolchen uͤberſieht, erfuhr einſt mein mittler Bruder, deſſen Fal⸗ kenblick ſonſt dem Aehnliches nicht entgeht, indem er im hohen Roh einem andern Vogel, den er mit den Augen folgte, nachſchlich ur ganz unvermuthet einige Puffe auf der Jagdtaſche und an den Rock⸗ ſchoͤßen fühlte, die ihm eine neben ihm ſtehende große Rohrdommel, die freilich an einem Fluͤgel, aber nicht durch ihn, gelaͤhmt war, in ihrem Zorne verſetzte, weil er ihr unverſehens zu nahe gekommen war. Hier ſieht man boͤſen Sinn und Tollkuͤhnheit des Vogels auffallend genug angedeutet; welch” andrer Vogel würde, in fo un: tergeordneter Lage, wol ſo etwas gewagt haben? — Ihres Muthes in Gefahren, wo fie, des Flugvermoͤgens beraubt, weder durch Ent: laufen noch durch Schwimmen, welches Beides herzlich ſchlecht geht, ſich nicht zu retten weiß, ſetzt ſie ſich, wie ſchon erwaͤhnt, wuͤthend zur Wehre, oder geht dem angreifenden Hunde oder gar dem Men- ſchen zu Leibe, und ihre Schnabelhiebe nach den Augen, dem Ge ſicht und andern bloßen Koͤrpertheilen koͤnnen dem Unvorſichtigen leicht gefährlich werden. Jungen Jagdhunden hat ein folcher Kampf ſchon oft ein Auge gekoſtet. * Sie ſchlaͤft, wie die Nachteulen, am Tage, aber ſehr leiſe, ruht dann oft ununterbrochen mehrere Stunden und verläßt waͤh— renddem daſſelbe Plaͤtzchen, denſelben Ort und dergleichen, wenn ſie nicht geſtoͤrt wird, nicht um einen Fuß breit, wo ſie zu wenig verſteckt wohnt und ſich vor dem Herausfliegen fürchtet, wahrſchein⸗ lich den ganzen Tag nicht. Wer ſie da entdeckte, ſich ſtellt, als ſaͤhe er ſie nicht, ſich behutſam zuruͤck zieht u. ſ. w., kann jetzt, wenn er kein Gewehr bei fich hatte, gemaͤchlich eins herbei holen und ver: ſichert ſein, fie nach Verlauf von Stunden genau noch auf dem: ſelben Flecke anzutreffen. Daß ſie jedoch in langen Tagen, wo ſie im Rohre verſteckt lebt, nicht den ganzen Tag verſchlaͤft, zeigt oͤf⸗ ters ein Kniſtern im Rohrwalde oder auch ihr Ruf manchmal an. Aber mit der Daͤmmerung am Abend faͤngt ihr eigentlich thaͤtiges Leben an, dauert die Nacht hindurch, und geht gegen Aufgang der Sonne wieder in ein Stillleben, in dumpfes Hinbruͤten, mit wirk⸗ lichem Schlaf abwechſelnd, über. Ihre Regſamkeit iſt indeſſen, au: ßer der Fruͤhlingszeit, auch in jenem naͤchtlichen Zeitraum nicht groß; von ihrem gewoͤhnlichen Tagsaufenthalt im Abendzwielicht ſich er— hebend, wirft ſie ſich gewoͤhnlich bald wieder an einem aͤhnlichen Orte nieder, wo ſie die, wenn auch weniger dichten, Umgebungen mit Huͤlfe des abendlichen Dunkels dem Auge des Lauſchers nicht minder verbergen; fie ſchleicht dann aber zwiſchen den hohen Wal XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 177 N ſerpflanzen viel gewandter herum als am Tage, was man daran bemerken konnte, daß ſie da, wo ſie ſich ſo eben niedergelaſſen, gleich darauf, durch Steinwuͤrfe und dergleichen nicht zum Auf— fliegen gebracht wurde, weil ſie zu Fuße ſich gewoͤhnlich ſchon weit davon entfernt hatte und an einem ganz andern Orte heraus— flog. — An truͤben Tagen iſt ſie munterer als an heitern und ſehr heißen; des Nachts iſt es umgekehrt; da iſt fie bei ſtillem, war⸗ men Wetter und hellem Mondſchein am regſamſten. Die große Rohrdommel hat eine ſehr ſtarke, laute rabenartige Stimme, welche ſie aber nur allein des Nachts auf dem Zuge und beim Herumſchwaͤrmen, und zwar nur fliegend, nie ſitzend, hoͤren laßt; ein rauher, tiefer Ton, dem des Kolkrabens, noch mehr aber dem des Nachtreihers aͤhnlich, aber tiefer und rauher als der des letztern und daher leicht von dieſem zu unterſcheiden. Er klingt wie Krahw oder Krauw, und ſchallt in der Stille der Nacht weit in die Luͤfte, iſt ihr Lockton und ganz und gar nicht mit dem zu verwechſeln, durch welchen dieſer Vogel gewiſſermaßen in Verruf gekommen iſt, dem hoͤchſt merkwuͤrdigen, welchen allein das Maͤnnchen in der Paarungszeit, bis dahin, wo die Jungen das Neſt verlaſſen, junge Maͤnnchen auch, wiewol nie anhaltend, zuweilen im Herbſte, hoͤren laſſen. Dieſer ominoͤſe Paarungsruf, welcher bei dieſen Voͤgeln die Stelle eines Geſangs vertritt, iſt ein furchtbares Gebruͤll, dem ei: nes Ochſen aͤußerſt aͤhnlich und ihm an Tiefe und Staͤrke des Ge— toͤns wenig nachgebend; Toͤne, die ein Unkundiger nimmermehr ei: nem Vogel, zumal von verhaͤltnißmaͤßig ſo untergeordneter Groͤße, zutrauen möchte, die es verzeihlich machen, wenn er wähnt, ſie kaͤ⸗ men aus dem Rachen eines Ungeheuers, das darauf ausginge, eine ganze Gegend in Schrecken zu ſetzen. Sie haben auch, wo der gemeine Mann nicht durch oͤfteres Vorkommen ſolcher Schreier daran gewöhnt iſt, oft die abenteuerlichſten Meinungen bei ihm ge: weckt, Albernheiten veranlaßt und dem Aberglauben Nahrung ge— geben. Es iſt in der That nicht zu verwundern, wenn Unwiſſende dies nächtliche Gebruͤll, das ihnen an oͤden Orten, aus dem tief: ſten Sumpfe entgegen ſchallt, fuͤr etwas Uibernatuͤrliches halten, weil ſie das laͤrmende Ungethuͤm nie ſehen, und ſolche einſame, naſſe Gegenden ſchon an ſich fuͤr Furchtſame etwas Unheimliches haben muͤſſen, zumal in ſtiller Nacht, wenn das zweideutige, leiſe Lispeln des nächtlichen Luftzugs in dem Rohrwalde nur dann und wann von den Mißtoͤnen ſchreiender Waſſervoͤgel und deren Ge: 9r Theil. 2 178 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. plaͤtſcher unterbrochen wird, wenn die Rohrdommel dann gerade recht eifrig ihren fuͤrchterlichen Baß dazwiſchen brummt und damit | den ganzen Umkreis erfüllt. — Dieſer mehr oder weniger oft wie: 1 derholte Ton, in der Naͤhe, wie geſagt, beinahe voͤllig ſo ſtark wie der eines Ochſen, ſchallt ſo weit in die Ferne, daß man ihn | in ſtiller Nacht auf eine Stunde Wegs noch recht deutlich, unter dem Luftzuge faſt eine Meile weit noch vernimmt. In ſolcher Ferne klingt er auch genau wie Rindergebruͤll; nur der Kenner vermag es davon zu unterſcheiden. Vielleicht verſtaͤrkt die Nähe der Waſſer⸗ fläche deſſen Schall. Kaum erinnere ich mich, das Bruͤllen von Ochſen oder Kuͤhen, das mitten in der Nacht freilich ſelten vor " koͤmmt, in fo weiter Entfernung gehört zu haben, als das der Rohr⸗ dommel, wovon man dann aber immer nur die zweite (ſtaͤrkere) Sylbe vernimmt, die ſich dann nur noch wie ein bumm, bumm u. . w. natuͤrlich ganz ſchwach, vernehmen laͤßt. Da ich das Bruͤllen und Brummen der maͤnnlichen großen N Rohrdommel unzählige Mal, oft ganze Nächte hindurch, fern und nahe, und in den verſchiedenſten Gegenden, ſelbſt beobachtet habe, fo glaube ich im Stande zu fein, fo weit als thunlich, eine Be- ſchreibung dieſes, in der Vogelwelt faſt (wenigſtens in dem Maaße) einzigen Phaͤnomens zu entwerfen, die ausfuͤhrlich genug ſein wird, dem Leſer, welcher es ſelbſt noch nicht hörte, eine möglichſt deut: liche Vorſtellung davon zu geben. — Es kann in ſofern mit dem Wachtelſchlage verglichen werden, daß es, wie dieſer, aus einem! Vorſchlage und einem Hauptton zuſammengeſetzt iſt, und daß 0 das Rohrdommelmaͤnnchen, wie das Wachtelmaͤnnchen, im Anfange und ehe es recht in Zug koͤmmt, den erſtern oft zwei bis drei Mal, nachher aber jedes Mal nur einfach dem Hauptſchlage vorangehen läßt, und endlich, daß manche Männchen (wahrſcheinlich die juͤn⸗ gern) nur zwei bis drei, andere vier bis ſechs Mal beide wieder— holen, ehe eine laͤngere Pauſe eintritt. Das ganze verrufene Lied beſteht aus den zwei Toͤnen oder Sylben — ü prumb — von well chen die letzte viel ſtaͤrker und weittoͤnender als die erſte, — welche im langſamen Tempo mehrere Male wiederholt werden, und nach— her in laͤngern oder kuͤrzern Pauſen oder Zeitraͤumen vom Neuen beginnen, wie beim Wachtelſchlage. Man kann, wenn man ihm nahe genug iſt, ganz deutlich vernehmen, daß es das Ü*) durch ) Nicht ui, ſondern ü muß es are werden; denn es iſt ein einfacher Ton. — In der alten Ausg. d. W. III. S. 131. ſteht mehrere Male Ui ſtatt ü, | XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 179 Zuruͤckziehen, das Prumb durch Ausſtoßen des Athems hervor: bringt, was in der Naͤhe recht graͤßlich klingt. Es uͤbt ſein Bruͤllen ſtets nur an den verborgenſten Orten und iſt dabei mehr oder we— niger ſcheu, jenachdem es ſchlechter oder beſſer verſteckt wohnt. In einem unſrer Bruͤcher, nur im Seggenſchilfe, mit ſehr duͤnn ſtehen⸗ dem Rohr vermiſcht, ſitzend, hoͤrte ein ſolches ſchon auf, wenn man noch 500 bis 600 Schritt von dem Platze entfernt, oder wenn 800 Schritt davon ein Schuß gefallen war; dagegen konnte man an mehrern großen Rohrteichen und dichten hohen Rohrwaldungen ohne beſondere Vorſicht ſich bis auf 100 Schritt nahen, ehe der graͤß— liche Saͤnger verſtummte. Hier wurde es mir ſogar moͤglich, mit Beharrlichkeit und moͤglichſt behutſamen Schleichen, ihm ſo nahe zu kommen, daß es mir ſchien, als ſei der wunderliche Tonkuͤnſt— ler kaum noch 20 Schritt von mir entfernt. Daß mancher Verſuch ſolcher Annaͤherung misgluͤckte, konnte ich indeſſen auch dort beim beſten Willen nicht vermeiden; denn das leiſeſte Knacken eines Rohr⸗ halmes unter meinen Fußtritten, zufaͤllig, aber haͤufig nicht zu verhindern, macht ihn augenblicklich verſtummen. Nur ein paar Mal gelang es mir, aber auch ſo vollkommen, daß nichts weiter fehlte, als daß ich ihn auch hätte ſehen mögen, woran aber das dichte Rohr niemals denken ließ. Ruͤhrte ich mich dann nur mit dem leiſeſten Geraͤuſch, ſo hatte das Bruͤllen fuͤr jetzt und die naͤchſte Stunde ein Ende, und der Vogel zog ſich uͤberhaupt auch noch viel tiefer in das Rohrdickicht zuruͤck. Ganz deutlich hoͤrte ich, im gluͤcklichſten Falle bei ſolcher Annaͤherung, daß dem Gebruͤll meiſtens oder doch recht oft Toͤne vorausgingen, welche klangen, als ſchluͤge jemand mit einem Rohrſtengel zwei bis drei Mal aufs Waſſer; ich vermuthe, daß ſie vom Springen des Vogels auf einen friſchen Stand, an den Rohrſtengeln, herruͤhrten, weil er an dem Orte, we— gen zu tiefen Waſſers, nicht in, ſondern uͤber dieſem ſtehen konnte; dann begann er fein ü prumb, das Ü unbezweifelt mit Einziehen, das Prumb mit Ausſtoßen der Luft, und ſetzte es in dieſer Weiſe fort; die große Naͤhe machte es moͤglich, daß ich dies Alles genau und ganz beſtimmt vernehmen konnte. — Daß es, wenn es eine Strophe anfaͤngt, das zuruͤckziehende ü vor dem Hauptton Prumb und dies iſt ein Druckfehler, welcher in der Folge: Nachträge S. 82. als ſolcher ange⸗ zeigt und verbeſſert iſt. — Gleichwol haben alle ſpätern Abſchreiber dies unachtſamer⸗ weiſe überſehen, und fo iſt dieſer Druckfehler in alle mir bekannten ſpätern Werke übergegangen. Dies hat Misdeutungen zur Folge gehaßzt. Wahrbeitsliebe und Achtung für den Vater mögen dieſe Rüge entihuldigen. So etwas kömmt vom Abſchreiben. 12 * 180 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. (wie das Wachtelmaͤnnchen ſein Rauau vor dem Bickwerbick) nicht ſelten einige Mal wiederholt, ehe es in Zug koͤmmt, giebt fein Lied dann oͤfters fo anzuhören: Ü ü ü prumb, ü prumb, uͤprumb, ü prumb! Denn mitten in ſolcher Strophe wird es je— des Mal nur einfach vernommen. Zuweilen, aber ſelten, ſchließt ſich dem letzten Prumb noch ein dumpfes Buh an, welches klingt, als ruͤhre es von noch uͤbrig gebliebener Luft her, deren ſich der Vogel damit entledigte. Auch auf dem Abendanſtande hoͤrt man vom aus freiem Willen ſein Dickicht verlaſſenden Maͤnnchen, zu— weilen im Fluge, einen dem letzten aͤhnlichen, ſehr gedaͤmpften Ton. Im Anfange der Begattungszeit bruͤllt das Rohrdommelmaͤnn— chen am fleißigſten und täglich, beginnt aber damit nur ſelten vor Sonnenuntergang, ſicher aber in der Daͤmmerung, iſt am eifrigſten damit vor Mitternacht, ſetzt es mit wenigen Unterbrechungen durch die ganze Nacht bis zu Ende der Morgendaͤmmerung fort, iſt dann ſtill, macht aber Vormittags, etwa zwiſchen 7 und 9 Uhr, oft noch ein kurzes Verschen, ſchweigt aber gewoͤhnlich in den uͤbrigen Ta⸗ gesſtunden, um ſo anhaltender, als es in der verwichenen Nacht ſeine gewiß ſehr anſtrengende Kunſt allzu fleißig geuͤbt hatte. Hat ein Paͤaͤrchen erſt Junge, ſo wird das Bruͤllen ſchon ſeltner, und wenn dieſe erſt dem Neſte entſtiegen ſind, hoͤrt es nach und nach ganz auf. — Es bleibt wirklich raͤthſelhaft, wie ein Vogel dieſer Größe eine ſolche übernatürlich ſcheinende Kraft in feinen Stimmor: ganen haben kann, wie er fo mächtige Töne auf gewöhnliche Weiſe hervorzubringen im Stande iſt. Daher glaubte man in frühern Zeiten, er beduͤrfe zur Verſtaͤrkung des Tons noch außer ihm lie— gende Huͤlfsmittel und ſtellte manche Hypotheſe auf, unter welchen die gangbarſte die war: Er ſtecke dabei den Schnabel oder ganzen Kopf unter das Waſſer, — was jedoch niemand geſehen hatte, und was auch ganz unwahrſcheinlich iſt. Man ſagte, ein ſolcher habe angefangen zu ſtammeln, als das Waſſer in ſeinen Umgebungen abgenommen habe u. ſ. w.; es war aber natuͤrlich, daß er dann ſtammelte, denn die Heckezeit und die Luſt zum Bruͤllen waren vorüber. — Wie er es moͤglich macht, koͤnnen wir zwar heute noch nicht begreifen, wiſſen indeſſen, daß ſich davon die Haut an ſeiner Kehle ſo gewaltig ausdehnt, daß beinahe eine Mannsfauſt darin Raum gewinnt, ſogar anſchwillt, wie der Hals brunftender Hir— ſche, und daß ſie unaufgeblaſen dann ſchlaff herabhaͤngt, wie die mancher Rinder. — Es iſt ſchade, daß es weder mir noch ſonſt jemand gelungen iſt, dem wunderlichen Vogel beim Hervorbringen == ll. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 181 jenes fuͤrchterlichen Getoͤns zuſchauen zu koͤnnen; wahrſcheinlich ſind Stellung, Bewegungen und Gebehrden dabei außerordentlich auf— fallend, wenn man nur an das ſchlagende Wachtelmaͤnnchen den⸗ ken will. Es iſt zwar irgendwo erwaͤhnt, daß eine gezaͤhmte Rohr⸗ dommel gebruͤllt haben ſoll, jedoch nichts Weiteres daruͤber geſagt und deshalb noch ſehr an der Wahrheit der ganzen Angabe zu zweifeln. a Im gefangenen Zuſtande kann dieſer von Außen und Inne haͤßliche, mistrauiſche, heimtuͤckiſche Vogel kaum jemand Freude machen, zumal er auch nie ordentlich zahm wird; er verliert ſelbſt jung aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert ſein ſchuͤchternes, argwoͤhniſches Weſen nie ganz. Koͤmmt ihm etwas Unerwartetes uͤber den Hals, ſo nimmt er ſogleich jene gedehnte, pfahlaͤhnliche, ſtarre Stellung an und dreht ſich, ohne alle andere Bewegung, bloß auf den Ferſen oder Zehen, um dem Ruheſtoͤrer immer die Bruſt zuzukehren und ſo deſſen Wendungen zu folgen, bleibt auch in dieſer ſonderbaren Attituͤde, bis ſich die ſcheinbare Gefahr wie: der entfernt hat. Bei jung Aufgezogenen koͤmmt ſie jedoch ſeltner vor, weil fie etwas zutraulicher werden, und nur eine ganz fremd: artige Erſcheinung bringt ſie zuletzt noch dazu. Glaubt die einge⸗ ſperrte Rohrdommel ſich unbeobachtet, ſo ſteht ſie mit ganz einge— zogenem Halſe, wie ein dicker Klumpen auf ihren plumpen Fuͤßen (wie die Fig. 2. auf unſrer Kupfertafel) Stunden lang, wie ange: mauert, auf derſelben Stelle; ſieht ſie ſich gefaͤhrdet, ſo ſpruͤht ihr kleines, rollendes Auge Wuth, und ſie geht ihrem Feinde tollkuͤhn entgegen; iſt fie in einem groͤßern Raum, z. B. einem Garten, ein= geſperrt, ſo ſchleicht ſie im Verborgenen, wie ein Dieb, oder pflegt in einem Verſteck der Ruhe und koͤmmt erſt mit dem Abend, und dann noch mit groͤßter Unſicherheit auftretend, zum Vorſchein, u. ſ. w. Alte, an einem Flügel gelaͤhmte, betragen ſich frei herum⸗ gehend dumm und unbaͤndig; legen ihr lichtſcheues, aͤngſtlich furcht⸗ ſames Weſen, ſo lange ſie leben, nie ganz ab, greifen Hunde und Katzen an, welche ſich ihnen naͤhern wollen, und koͤnnen unter al⸗ len Umſtaͤnden allein dem wiſſenſchaftlichen Beobachter von einigem Intereſſe ſein. Solche alt in Gefangenſchaft gerathene Rohrdom⸗ meln bleiben gewoͤhnlich auch nicht lange am Leben; jung aufgezo⸗ gene halten ſich dagegen bei guter Pflege oft mehrere Jahre. 182 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. Nahrung. Ihr liebſtes und gewoͤhnlichſtes Nahrungsmittel find ebenfalls Fi- ſche und Fiſchbrut; dann Waſſerkaͤſer, Libellen und ihre Larven, Wuͤr— mer, auch kleine Conchylien, Froͤſche und Maͤuſe; mit größter Wahr: ſcheinlichkeit auch die Jungen von im Sumpfe und am Waſſer ni: ſtenden Voͤgeln, wenn ſie noch ganz zart und unbehuͤlflich ſind. Fiſche findet man am oͤfterſten in ihrem Magen, aber nur kleine, nicht viel uͤber einen Finger lange. Sie ſind immer von ſolchen Arten, welche ſich in morafligem Waſſer aufhalten, na— mentlich Schleihe, Karauſchen, Hechte, Schlammbeißker (Cobitis fossilis), Weißfiſchchen, Stichlinge, auch kleine Kar— pfen u. a. m., aber nicht ſolche, welche bloß in klarem Flußwaſ— ſer oder in Baͤchen leben, die ſie zwar gelegentlich keineswegs ver— ſchmaͤhet, aber nie dort aufſucht, weil ſie nicht gewohnt iſt, in freien Gewaͤſſern zu fiſchen. Dies koͤnnte nur vorkommen, wenn ein fruͤher Vorwinter oder ein ſpaͤter Nachwinter die ſtehenden Gewaͤſ— ſer mit Eis bedeckte, wo ſie indeſſen doch im Rohr und unter dem Schutze andern Geſtruͤpps noch immer Stellen findet, welche ihr zugaͤnglich bleiben, ohne daß ſie nothgedrungen zu jenen ihre Zuflucht zu nehmen brauchte. Sie beſchleicht die Fiſche, wie andere Reiher, langſam fortſchreitend, im gebuͤckten Gange, mit ganz eingezogenem Halſe, ſchnellt dieſen ploͤtzlich vor, und die Schnabelſpitze verfehlt ſel— ten ihr Ziel. Da ſie auch des Nachts ſelten auf dem Freien fiſcht, ſo iſt dies kaum anders als an Gezaͤhmten zu beobachten. Unter den Waſſerinſekten faͤngt ſie nur die groͤßern Arten von Ditycus und Hydrophilus, Libellen, ebenfalls noch Notonecten und Waſſerſcorpione, kleinere ſeltner; dann die groͤßern Larven vieler, auch von Phryganeen und Libellen. Gar nicht ſelten erwiſcht fie auch eine Maus, und die Uiberbleibſel oder unver: kennbaren Reſte von dieſen Thieren werden oft genug in ihrem Magen gefunden, als daß man glauben dürfte, daß ihr dieſes Nah- rungsmittel nur die Noth anwieſe. Viel eher gehoͤren Froͤſche fuͤr einen Nothbehelf bei ihr, und man findet, daß ſie immer nur ganz kleine von Rana esculenta, viel oͤfter aber und nicht ſelten in Menge Froſchlarven verſchlingt. Auch Waſſermolche und kleine Schlangen ſoll ſie nicht verachten. Blutegel frißt ſie oͤfters, Regenwuͤrmer, wenn ſie, wie z. B. auf Erdhuͤgeln und kleinen Inſeln zwiſchen dem Schilfe, dazu gelangen kann, ebenfalls, weniger und wol nie XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel 183 in groͤßerer Menge kleine Schnecken und Muſcheln oder nackte Schnecken. Zu allen dieſen ſucht fie wo möglich immer an verſteckten Dr: ten, zwiſchen hohem Rohr, Schilf und anderem Geſtruͤpp zu ge⸗ langen, wo man ſie nicht beobachten oder ihr doch nicht zuſchauen kann, zumal ſie eigentlich nur des Nachts darauf ausgeht. Man hoͤrt ſie, wenn man auf dem Abendanſtande in ihrer Naͤhe ſteht, gegen Abend das Rohr erklettern, und fie entſteigt dieſem, mit anbre: chender Daͤmmerung, an der Stelle, wo man eine Weile vorher ein leiſes Kniſtern und Raſſeln vernahm; jetzt ſieht man ſie auch, wie ſie einem andern Rohrwalde zufliegt, oder auch nur an einer andern Stelle des naͤmlichen ſich ſchon wieder in das Dickicht nie⸗ derwirft. Sie fliegt ſelten weit weg, wirft ſich auch nicht oft an zu lichte Stellen, am wenigſten an ſolche nieder, wo man ſie von weitem ſehen koͤnnte; immer iſt Schilf und dergleichen noch genug da, um dieſes zu verhindern. Auch muͤſſen ihre Fiſchplaͤtze ganz ſeichtes Waſſer haben; denn in zu tiefem kann ſie ſo wenig fiſchen, als zwiſchen zu gedraͤngt ſtehendem Rohr. Wie oft ſie in der Nacht mit den Fangeplaͤtzen wechſele, iſt unbekannt. Sie beſucht dann vorzuͤglich gern zwiſchen Waſſerpflanzen verſteckte Schlamminſeln, aber wol nur aͤußerſt ſelten einen ganz freien Uferrand; dort fan⸗ den wir wenigſtens ihre Faͤhrten oft, hier niemals. | Ob fie auch in ihren Verſtecken am Tage zu Fuße auf den Fiſchfang ausgehe, iſt nicht bekannt, auch nicht wahrſcheinlich, weil ſie da immer nur an derſelben Stelle oder doch auf zu kleinem Um⸗ kreiſe um dieſelbe angetroffen wird, dies auch gewoͤhnlich einer der am dichteſten mit hohem Rohr beſetzten Plaͤtze im ganzen von ihr bewohnten Rohrwalde iſt, wo die zu enge beiſammen wachſenden Rohrſtengel es nicht geſtatten, und ſie zudem auch da gewoͤhnlich uͤber zu tiefem Waſſer ſitzt. Ihre Ungeſelligkeit kann ſchwerlich aus Futterneid entſpringen; es muß ihr vielmehr ſehr leicht werden, ſich allenthalben hinlaͤng—⸗ lich mit Nahrung zu verſehen, da ſie gewoͤhnlich wohlgenaͤhrt, ja ſehr oft ganz erſtaunend fett gefunden wird, dies am meiſten im Herbſt, wo ſie oft einem mit Fleiß gemaͤſteten zahmen Vogel darin nichts nachgiebt, wo alle ihre Eingeweide in Fett eingehüllt und ſolches durch die aͤußere Haut am ganzen Körper und in großen Klumpen ſichtbar iſt. Gefangene laſſen ſich mit kleinen Fiſchen, mit Gedaͤrmen von Fiſchen und Gefluͤgel, kleinen Froͤſchen, Regenwuͤrmern und 184 NI. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. dergleichen erhalten. Da fie in Gärten eingeſperrt viel unnuͤtze Ge⸗ ſchoͤpfe und ſogenanntes Ungeziefer wegfaͤngt und ſich davon naͤhrt, fo bedarf fie da noch wenigerer Futterung und kann ſogar dort nuͤtz— lich werden. Fortpflanzung. Die große Rohrdommel niſtet in den meiſten als ihr Aufent- halt oben angegebenen Laͤndern und Gegenden, auch in Deut ſch— land in allen geeigneten Lagen. Wir haben deren viele auch hier in Anhalt und deſſen Umgrenzungen; alle groͤßern Rohrteiche, de— ren Lage etwas abgeſondert, beherbergen in der Fortpflanzungszeit wenigſtens ein Paͤaͤrchen, manche umfangsreichern auch wol mehr als eins; doch wohnen ſolche nie ganz nahe beiſammen. Es ver— langt vielmehr ein jedes fein beſonderes Revier, worin es ſich feſt⸗ ſetzt und gegen andere zu behaupten ſucht, und dieſes iſt ſtets von einem bedeutenden Umfange, ſo daß nur in ſehr weitlaͤufigen Sumpf- ſtrecken und ſehr verzweigten, hohen, dichten Rohrwaldungen hin und wieder ſich mehr als ein Paͤaͤrchen anſiedelt, weshalb es im Fruͤhjahr haͤufige Balgereien zwiſchen den Maͤnnchen giebt. Es ſcheint auch nur da vorzukommen, wo zwiſchen großen Rohrbuͤſchen auch groͤßere freie Waſſerflaͤchen liegen, durch welche ſolche Paͤaͤr— chen abgeſondert mehrere hundert Schritt von einander wohnen, nicht in großen, ununterbrochen fortlaufenden Rohrwaͤldern, wo ſie einander bekriegen koͤnnten, ohne deshalb uͤber das Freie fliegen zu duͤrfen. An dem ſalzigen und ſuͤßen See ohnweit Eisleben, nebſt den nahegelegenen Rohrteichen, ſind ſolche nur ſehr einzeln vertheilt; man ſollte meinen, es müßten dort mehrere, trotz aller Ungefellig: keit, Raum genug zum Niſten finden, waͤhrend ein großer Teich bei Badetz, auch andere in Anhalt jenſeits der Elbe, immer ei— nige haben, und jedes derſelben hier auf einen bei weitem kleinern Raum beſchraͤnkt iſt. Die Urſache davon liegt offenbar nicht allein in ihrer Streitſucht, ſondern hauptſaͤchlich in der Gewohnheit, dieſe wie alle ihre Handlungen, wo nur irgend möglich, im Verborge⸗ nen auszuüben, nicht in Futterneid. — In den Bruͤchern in der Nähe des Zuſammenfluſſes der Saale und Elbe niſtet feltner ein | Paͤaͤrchen und dies nur in weniger trocknen Jahren. Jie weniger eine ſolche Gegend von Menſchen beſucht wird, deſto mehr ſcheint fie dieſen Vögeln zu behagen, und wo ein Paͤaͤr— chen ungeſtoͤrt brüten konnte, kehrt es gewiß im naͤchſten Jahre wie: — XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 185 der, zumal wo man ihm etwas altes Rohr und Schilf hatte ſtehen laſſen. Fallen nicht weſentliche Veraͤnderungen daſelbſt vor, ſo be— hauptet es dieſen Stand viele Jahre nacheinander. Dagegen niſtet keins auf ſolchen Teichen und in ſolchen Rohrwaldungen, an wel⸗ chen frequente Straßen zu dicht vorbei fuͤhren, oder welche Doͤrfern und Staͤdten zu nahe liegen, und wo zu lebhafter Verkehr von Men⸗ ſchen Statt findet. Laͤrmendes Geraͤuſch, wie es letzterer faſt immer im Gefolge hat, wo es uͤber das ſtille Treiben der Hirten oder ein⸗ zelnen Landleute hinaus gehet, iſt ihnen am Niſtorte beſonders zu— wider. Es koͤmmt daher in den zu dicht bevoͤlkerten Theilen von Deutſchland auch faſt nie vor, daß ein Rohrdommelpaͤaͤrchen auf eis nem kleinern Rohrteiche niſtet, wie es in den menſchenleeren Step: pen ſuͤdoͤſtlicher Länder aber oft der Fall iſt. Wo ein Rohrdommelpaͤaͤrchen ſeinen Stand genommen, wird man erſt dann deutlich gewahr, wenn das Maͤnnchen ſein Bruͤllen hoͤren laͤßt. Es wurde ſchon oben erwaͤhnt, daß es dabei ſehr ſchuͤch⸗ tern ſei, daß es nur da bruͤllt, wo es ſich zwiſchen Schilf und Rohr verſtecken kann und damit alſo, wenn an ſeinem Niſtorte kein altes verblieben, warten muß, bis das junge wenigſtens 2 Fuß uͤber den Waſſerſpiegel aufgeſchoſſen iſt. Zudem bruͤllt es an weniger ſtillen Orten, wo vielleicht oͤfters geſchoſſen oder auch nur haͤufig mit Peit⸗ ſchen geknallt oder ſonſt dann und wann gelaͤrmt wird, faſt nie am Tage, beſchraͤnkt ſich vielmehr, wie uͤberhaupt im Anfange, damit beinahe bloß auf die Stille der Nacht u. ſ. w., Alles aus Furcht vor dem Menſchen, ſo daß es an manchen Orten, namentlich an zu lichten oder zu wenig einſamen, ſich oft erſt ſpaͤt im Juni hoͤren laͤßt, waͤhrend an ſichern Plaͤtzen, zumal in alten Rohrwaͤldern, es ſchon im Anfange des Mai fein ü prumb verſucht, damit bald in Zug koͤmmt, und ſich dann gar nicht ſelten auch am Tage vers nehmen laͤßt. ö Dieſe oft zufälligen Nebenumſtaͤnde, welche namentlich die Um⸗ gebungen herbeifuͤhren, beſchleunigen oder verzoͤgern gelegentlich die Brutgeſchaͤfte, wie bei den Rohrſaͤngern und vielen andern Rohr: bewohnern, um mehrere Wochen. Wenige Paare finden bei ihrer Ankunft in unſern Gegenden ſo gluͤckliche Verhaͤltniſſe beiſammen, daß ſie, in fruͤhzeitig warmen Fruͤhlingen, ſchon im Mai ihr Neſt bauen und mit Eierlegen anfangen koͤnnten; die meiſten koͤnnen erſt im Juni, manche ſogar kaum vor Ende dieſes Monats damit be— ginnen. Das Neſt ſteht gewöhnlich nicht weit entfernt von der Stelle, an welcher man das Bruͤllen des Maͤnnchens am öfterften = 186 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. vernimmt. Da der ſonderbare Muſikus ſeinen Platz wenig veraͤn— dert, wenigſtens niemals ſehr weit davon zu bruͤllen pflegt, ſo wuͤrde ein ſolches Neſt bald aufzufinden ſein, wenn es nicht in einer Wild— niß verborgen wäre, die nicht ſelten undurchdringlich oder ganz unzu— gaͤnglich iſt. Schwankender Sumpf, zaͤher Moraſt oder auch tiefes Waſſer von unten, hohes, ganz dicht ſtehendes, ſtarkes Rohr über demſelben, bieten dem nach ihm Verlangenden oft nicht zu beſeiti— gende Hinderniſſe dar, ſelbſt wenn er ſich von Weitem die Stelle ziemlich genau gemerkt und jemand angeſtellt haͤtte, welcher vom Ufer oder einer entferntern Erhoͤhung aus dem Suchenden den Weg durch Zurufen bezeichnete; denn dieſer wuͤrde im hohen Rohr fuͤr ſich allein die Richtung ſchwerlich treffen oder Gefahr laufen, ſich im Rohrwalde zu verirren und ſich erfolglos abzumatten. Man muß es ſelbſt verſucht haben in ſolcher Abſicht in einen hohen Rohr— wald einzudringen, wenn man ſich einen Begriff machen will von den damit verknuͤpften Leibesanſtrengungen und Gefahren, die oft menſchliche Kräfte überfleigen. *) — Das Rohrdommelneſt iſt fo in den allermeiſten Faͤllen vor allen Zerſtoͤrungen durch Menſchen voͤllig ſicher geſtellt. Etwas leichter iſt dann zu ihm zu gelangen, wenn es in ſolchen Fiſchteichen ſich befindet, durch welche, zum pe— riodiſchen Ablaſſen des Waſſers, tiefe Graͤben, mit einem kleinen Erdwall zu beiden Seiten, gezogen find, wo man mittelſt der letz tern bis in die Mitte und von da aus bis zu den Bruͤteplaͤtzen ſol— cher Rohrbewohner mit weniger Muͤhe vordringen kann, obgleich auch da noch Schwierigkeiten genug zu bekaͤmpfen ſind. In einſa— men, ſumpfigen Gebuͤſchen, wo es manchmal nicht ſehr verſteckt ſteht, iſt es oft zugaͤnglicher, wenn man nur den Platz, wo das Maͤnn— chen ſich hören ließ, ſich ohngefaͤhr gemerkt hatte. Am leichteſten ſind die Neſter der einzelnen Paare zu finden, welche zuweilen in unſern Bruͤchern, auf den Seggenſchilfkufen, zwiſchen duͤnn ſtehendem jungen Rohr, oder den Buͤſchen der großen Sumpfeuphorbie niſten, wo ein erwachſener Menſch zwar auch bis uͤber die Kniee in Mo— raſt und Waſſer einſinkt, aber doch uͤber demſelben nicht mit zu ho— ) Solche Rohrwaldungen zogen mich immer unwiderſteblich an; fie müſſen auch für den Forſcher hohes Intereſſe haben, da fie gewiß noch Mauches bergen, was uns bis dahin unbekannt blieb; allein ſie bieten in der That meiſtens allen menſchlichen Kräften ä S ³·wm. . ET a N vr Hohn, und der zu Eifrige läuft Gefahr darinnen umzukommen; zudem macht auch das Durchdrängen zwiſchen den ſtarken Rohrſtengeln zu viel Geräuſch, wodurch die Rohrbe⸗ wohner fortgeſcheucht werden, und dann iſt an Schießen in ſolchem Gedränge, wo man nicht 3 Schritt weit ſehen kann und das Rohr mehr als klafterhoch über ſeinen Kopf hinausragt, nicht zu denken. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel 187 hen und dichten Pflanzenſtengeln zu kaͤmpfen hat, wodurch er wenig behindert wird, unter den vielen dasjenige der kleinen grünen Inſel⸗ chen herauszufinden, worauf das Neſt gebauet iſt. Dieſes, demnach dem Forſcher recht oft unzugaͤngliche, oder doch nur mit vieler Muͤhe, großen Anſtrengungen und ganz beſondern Vorkehrungen zu erreichende Neſt iſt ſehr verſchieden gebauet, ſowol hinſichtlich ſeiner Stellung, wie ſeiner Bauart. Wo es noch altes, vorjaͤhriges Rohr giebt, hat es in ſolchen, uͤberdem aber ſtets an den dichteſten Stellen eines Rohrwaldes und meiſtens fern vom Ufer feinen Stand. Es ſteht daſelbſt gewoͤhnlich auf alten Rohr: ſtorzeln und friſch umgeknickten jungen Halmen, uͤber dem Waſſer, und iſt gleichſam ſchwimmend, ſo daß es beim Steigen und Fallen des Waſſers ſich gelegentlich heben oder ſenken kann. Manche Bo: gel gebrauchen dabei die Vorſicht, wo noch zu wenig Rohrſtorzeln und dergl. zur Zeit uͤber dem Waſſer hervorragen und junges Schilf noch nicht weit genug herauf iſt, die laͤngern Enden der groͤbern een um einzelne alte Rohre oder in das Waſſer hangende Buſchweidenzweige zu ſchlingen, es ſo gewiſſermaßen anzuankern und das Fortſchwimmen zu verhindern. Recht oft ſteht es auch auf altem umgetretenen Schilf und Rohr, und dann recht feſt; feltner auf Erdhuͤgelchen und auf ganz kleinen Schilfinſelchen, ſogenannten Kufen oder Polten, wie zuweilen in unſern Bruͤchern. So verſchie⸗ den die Stelle, ſo verſchieden iſt auch der Bau, bald ein ſehr gro— ßer und ziemlich hoher Klumpen, bald nur wenige Materialien zu— ſammen getragen, das eine ſorgfaͤltiger, das andere hoͤchſt nachlaͤſſig gebauet. Es kann zuweilen ein Arm voll trockner Rohrſtengel und dergl. ſein, wenn ſich von einem andern ſaͤmmtliche Materialien in einer Hand faſſen laſſen. Auf dem aufſchoſſenden Seggenſchilf einer Kufe iſt dieſes zuweilen nur in der Mitte tuͤchtig niedergetreten und dann wenige duͤrre Rohrhalme, Schilfblaͤtter, große Waſſerbinſen (Scirpus lacustris) in die Runde gelegt, kaum fo viel, daß die Eier nur nicht ganz und gar auf dem Grünen liegen. Auch das voll- ſtaͤndigſte Rohrdommelneſt iſt dennoch ein kunſtloſes, meiſt lockeres Geflecht; anfaͤnglich und wo ſie zu haben aus einzelnen, duͤrren Zweigen, uͤbrigens aus lauter trocknen Rohrſtengeln und Schilf zu— ſammen gelegt, unvollſtaͤndig gerundet, breit, mehr oder weniger flach, nach innen mit etwas feinerm Material, duͤrren Rohrblaͤttern, Seg⸗ genſchilf, Waſſerbinſen, Simſen (Juncus), und in der geringen Ver— tiefung fuͤr Eier und Junge wol noch mit alten Rohrrispen und duͤrrem Graſe ausgelegt. Anfänglich iſt das Geflecht ſehr locker; 188 NII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. es wird aber durch den Gebrauch und das Betreten dichter und endlich, wenn es die Jungen verlaſſen, ein derber Klumpen. | Wie ſchon bemerkt, kann man bei uns die Eier dieſer Voͤgel zu ſehr verſchiedenen Zeiten finden, an manchen Orten ſchon in der zweiten Hälfte des Mai, an vielen erſt im Juni, einzelne unbebruͤ tete Gelege bisweilen ſogar noch zu Ende dieſes Monats. Letztere find. jedoch wahrſcheinlich, da fie immer weniger Eier enthalten, ent— weder von jungen, zum erſten Male legenden Weibchen, oder von einem zweiten Gelege, wenn einem Paͤaͤrchen das erſte vor dem Ausbruͤten zu Grunde gegangen war; der einzige Fall, wo ſie zwei Mal im Jahre Eier legen. Haben ſie ſchon laͤnger gebruͤtet oder gar ſchon Junge, und das Neſt geht ihnen dann zu Grunde, fo le— gen und bruͤten ſie in dieſem Jahre nicht wieder. — Die Zahl der Eier eines Neftes ſteigt, fo viel mir bewußt, nicht über 5, iſt öfteren nur 4, zuweilen gar nur 3. Sie haben ziemlich die Größe gewoͤhn licher Huͤhnereier, find dieſen auch in der Form ähnlich, doch mei ſtens etwas kurz eifoͤrmig, das ſtumpfe Ende etwas ſchneller abge— rundet als das entgegengeſetzte ſchwaͤchere, bald find darin beide Enden fo wenig verſchieden, daß dadurch der ſtaͤrkſte Umfang mehr der Mitte genaͤhert iſt und ſie dann beinahe ein Oval bilden, oder auch ſtarkbauchicht genannt werden koͤnnen. Ihre ſtarke Schale ſcheint glatt, iſt, naͤher beſehen, aber voller Poren, zum Theil Schmarren, und daher ohne Glanz. Sie find einfarbig, blaß gruͤn— lichbraungrau; eine ſchmutzige Farbe, die in Sammlungen noch von der gruͤnlichen Beimiſchung viel verliert und bräunlicher, auch mat ter wird. In der Faͤrbung ähneln fie daher denen des Edelfaſa⸗ nen, oder auch des Rebfeldhuhns, aber keineswegs in der Größer worin fie die des erſtern noch um Vieles übertreffen, fo daß an eine Verwechslung mit dieſen nicht gedacht werden kann. Das Geſchaͤft des Ausbruͤtens beſorgt allein das Weibchenz das Männchen verſieht es waͤhrenddem mit Futter, und unterhält es von Zeit zu Zeit, namentlich des Nachts, mit feinem Gebruͤll, Es bruͤtet ſehr emſig und liegt feſt uͤber den Eiern, ſo daß ſelbſt vieler und ſehr naher Laͤrm es noch nicht davon aufſcheucht, zumal im dichten Geroͤhricht. Aber auch auf Seggenkufen, wo es einen herannahenden Menſchen ſchon in ziemlicher Ferne gewahren, oder doch ſein Plumpen und Plaͤtſchern beim Durchwaden des tiefen Waſſers der Umgebungen deutlich vernehmen mußte, flog es nur wenige Schritte von mir erſt vom Neſte. In einem andern Falle, wo die Jungen den Eiern zum Theil eben entſchluͤpft waren, zum Theil XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 189 noch in den Schalen ſteckten, flog die Mutter dicht neben dem Schuͤtzen auf, indem ſie ſoeben ſein Hund auf dem Neſte ergreifen wollte, aber fehl ſchnappte. Die Zeit des Bruͤtens dauert etwa 3 Wochen oder 21 bis 23 Tage, und die ſorgſame Mutter liegt uͤberdem noch einige Tage, bei ſchlechtem Wetter um ſo laͤnger, uͤber den zarten Jungen, um ſie zu erwaͤrmen, füttert fie nachher, unter Beihuͤlfe des Vaters, mit klei— ner Fiſchbrut, mit Waſſerinſekten und allerlei Gewuͤrm, das ihnen beide im Kehlſack zutragen und auf den Rand des Neſtes, wo man ie Zeichen davon findet, vorſpeien. Wo ſie Ruhe haben, ſitzen dieſe wo lange im Neſte; an unſichern Orten, beſonders, wo man ie betaſtet hatte, entſteigen ſie demſelben aber viel fruͤher als ſie iegen lernen, klammern ſich dann an den Rohrſtengeln im Rohr: ickicht an und ſteigen dazwiſchen herum, ohne ſich auf dem Freien ehen zu laſſen, aber auch ohne jemals in Gefahr zu kommen, in as unten befindliche Waſſer zu ſtuͤrzen. Beim Auf- und Abſteigen n den ſenkrechten Rohrſtengeln muͤſſen ſie natuͤrlich die Fuͤße kreuz⸗ weis uͤber einander fortſetzen, weil ſie nicht huͤpfen oder ſpringen, ſondern ſowol jenes wie das wagerechte Fortwandeln zwiſchen dem Rohr ſchrittweiſe verrichten. Man muß uͤber die Sicherheit erſtau— nen, womit ſie das Eine wie das Andere verrichten, wie ſie immer mehrere Rohrhalme zugleich umſpannen, ſo gewoͤhnlich nahe uͤber dem Waſſerſpiegel behende durch das Dickicht fortſchreiten, ohne an den ſenkrechten Rohrſtengeln herabzugleiten u. ſ. w. Es iſt ihnen daher ganz gleich, wie tief das Waſſer an ſolchen Orten iſt, ja das tiefſte iſt ihnen am liebſten, weil fie da am ſeltenſten geſtoͤrt werden. Sie bleiben gewoͤhnlich lange in den Umgebungen, welche das Neſt bargen, benutzen dies auch anfaͤnglich noch manchmal zum Ausru— hen, ziehen ſich jedoch ſpaͤter me ſtens in größere Rohrdickichte, die um dieſe Zeit, wo das Rohr ſeine volle Hoͤhe erreicht hat und noch mit allen feinen Blättern verſehen iſt, für Menſchen völlig undurchdring— lich find. Sie vereinzeln ſich dann und entfernen ſich gelegentlich weit von ihrem Geburtsorte. Im Auguſt, wo ſie voͤllig erwachſen und ſelbſtſtaͤndig geworden, haben fie ſich gewöhnlich ſchon weit zerſtreuet, auch ſahe man lange vorher ſchon keinen der Alten mehr in ihrer Nähe, woraus hervorgeht, daß fie der aͤlterlichen Fuͤrſorge gar nicht lange bedürfen mögen, wie denn auch die Alten den Brutort, ohne die Jungen mitzunehmen, bald verlaſſen und den Reſt des Som— mers an einem andern verſteckten Orte verleben. 190 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. Feinde. Wenn das Rohr erſt 2 bis 3 Fuß uͤber die Waſſerflaͤche auf geſchoſſen iſt, find dieſe Voͤgel faſt vor allen Feinden ſicher, zumal ſie ihr Aſyl am Tage nie freiwillig verlaſſen oder ſie nur die hoͤchſte Noth dazu zwingen kann, ſolches aufzugeben. Da das Weibchen Tag und Nacht auf ſeinen Eiern liegt, auch die zarten Jungen be— ſchuͤtzt, muthig vertheidigt, und dabei ſehr wachſam iſt, fo koͤnnen auch Rohr- und Wieſenweihen, wie andere Neſtpluͤnderer, ih- nen ſelten Schaden zufuͤgen, wenn nicht etwa die zuerſt gelegten Eier, auf denen das Weibchen gewoͤhnlich noch nicht bruͤtet, jenen ö gelegentlich zu Theil werden. Gegen den Anfall vierfuͤßiger Raub thiere ſchuͤtzt ſie ebenfalls faſt immer ihr Aufenthalt, 0 wie ihre Brut der unzugaͤngliche Stand des Neſtes. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten und in den Eingeweiden ein Wurm: Amphistomum Cornu. | SIE NG. Die große Rohrdommel iſt ein furchtſames, ſchlaues, verſteckt lebendes Geſchoͤpf, dem deshalb nicht leicht mit Schießgewehr beizu⸗ kommen iſt, wenn dies nicht vom Zufall beguͤnſtigt wird. Nur im N Frühjahr, an Orten, wo über Winter kein altes Rohr ſtehen geblie- ben, wo das junge Schilf und Rohr erſt hervorzuſproſſen anfaͤngt, wo Baͤume und Gebuͤſch noch nicht genug belaubt ſind und ſie ſich noch nicht gehoͤrig verſtecken kann, iſt ſie leichter aufzufinden. Sie nimmt in dieſer Zeit, wie überall, wo es die Noth erfordert und fie an zu lichten Orten uͤberraſcht wird, zur Liſt ihre Zuflucht und jene ſtockſteife Stellung an, beharrt in ſolcher, in der Meinung nicht er: kannt oder uͤberſehen zu werden, und erwartet den behutſam heran— ſchleichenden Schuͤtzen bis auf eine geringe Entfernung. Wenn in— deſſen dieſer nicht vertraut mit ihren Eigenheiten iſt, ſo wird er ſie gewiß die meiſten Male eher fuͤr einen alten Pfahl, Baumſtumpf oder duͤrren Schilfbuͤſchel als fuͤr einen lebenden Vogel halten, an ihr voruͤbergehen, oder ſie wird, wenn ihn der Zufall zu nahe bringt, jetzt ploͤtzlich ihr Heil in der Flucht ſuchen, weit wegfliegen und zum zweiten Male nicht mehr ſo nahe aushalten. Im Spaͤtherbſt, bei niedrigem Waſſerſtande, kann man die Rohrwaͤlder, in welchem man Rohrdommeln vermuthet, durch Menſchen oder Hunde abtreiben laf ſen und ſie im Herausfliegen ſchießen. Bei der Bekaſſinenjagd in unſern Bruͤchern, vorzuͤglich im Fruͤhjahr, poltert nicht ſelten ein ſolcher Vogel nahe vor dem Jaͤger oder Jagdhunde aus dem jun: XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 191 gen Seggenſchilf zwiſchen den Kufen heraus, und mancher wurde fo zufällig erlegt. Ebenſo fliegt auch wol ein Mal eine Rohrdom— mel vor dem Hunde aus dem hohen Schilfe, wo man ſolche eben: falls nicht vermuthet hatte. Dies Alles ſind Zufaͤlle, auf welche nicht ſicher gezaͤhlt werden kann, die aber, wenn man ſie abwartet, am leichteſten zum Ziel fuͤhren. — Etwas ganz Anderes iſt es da⸗ gegen im Sommer oder Herbſt mit dieſer Jagd, wo es ganz al— lein auf das Erlegen einer Rohrdommel abgeſehen iſt, deren Verſteck man kennt, zumal wo ſie uͤber zu tiefem Waſſer ſitzt; eine ſolche iſt, die Gefahr ahnend, kaum mit Gewalt zum Auffliegen zu bewegen; Steinwuͤrfe, mit langen Stangen auf das Rohr ſchlagen und andere Scheuchungsmittel fruchten gewoͤhnlich nichts, Menſchen koͤnnen mei— ſtens in ſolches Dickicht nicht eindringen, Hunde halten das Schwim— men zwiſchen den dichten Rohrſtengeln, an welchen fie ſich oft blu: tig verletzen, nicht lange aus, und die Rohrdommel ſteigt an den Rohrhalmen in die Hoͤhe, wo ſie der Hund dann uͤber ſich hat, ſie aber nicht erreichen kann, was er oft durch Bellen anzeigt, u. ſ. w. Soll es gelingen, ſo muß ein ſolcher Platz wo moͤglich ringsum von Schuͤtzen beſetzt werden; ehe man die Hunde in das Rohr ſchickt, darf niemand laut dabei werden, weil die Rohrdommel in ihrem Verſteck Alles, was um ſie vorgeht, genau hoͤrt, und beſtimmt die Stellen weiß, wo ſich die Schuͤtzen befinden, welche ſie beim nachherigen Herausfliegen vermeidet und gewiß immer auf ſolchem Striche zu entkommen ſucht, wo ſich kein Schuͤtze anſtellen konnte. Ihre Liſt hierbei iſt zum Bewundern groß. Sieht ſie ſich gaͤnzlich umzingelt, und wurde bei ihrem erſten Erſcheinen uͤber dem Rohr vielleicht gar fehl nach ihr geſchoſſen, ſo ſtuͤrzt ſie ſich ſogleich wie— der in daſſelbe Rohrdickicht und iſt nun fuͤr die Schuͤtzen ſo gut wie verſchwunden. Ihr Trotz und ihre Beharrlichkeit in ſolchen Faͤllen haben ſchon manche Jagdgeſellſchaft abgewieſen. Auf dem Abendanſtande iſt die große Rohrdommel leichter zu erlegen, wenn ſie ſich im Zwielicht freiwillig auf ihrem Verſteck erhebt, einem andern zufliegt oder dann uͤberhaupt von einem Gewaͤſſer zum andern ſtreicht. Sie ſieht im abendlichen Dun: kel beſonders einer großen Eule recht aͤhnlich, unterſcheidet ſich aber von dieſer ſogleich durch die vorn wie hinten zugeſpitzte Figur. Ihr langſamer Flug, der weite Umfang ihrer Glieder und ihre große Befiederung gewähren ein leichtes Ziel, ſelbſt für den minder geuͤb— ten Flugſchuͤtzen. — Da ſich die angeſchoſſene Rohrdommel fuͤrch— terlich wehrt, in hoͤchſter Noth Menſchen und Hunden ſogar zu 192 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. Leibe geht und mit ihren Schnabelſtoͤßen ſchmerzlich verletzt, ja ges faͤhrlich werden kann, weil ſie meiſtens nach dem Geſicht und den Augen gerichtet ſind, ſo iſt vor ſolchen nicht genug zu warnen. — Stuͤrzt eine fluͤgellahm Geſchoſſene in der Naͤhe ihres Rohrwaldes, ſo beſinnt ſie ſich nicht lange, rudert oder laͤuft ins Dickicht hinein und iſt dann gewoͤhnlich fuͤr den Schuͤtzen verloren; dies zu vermei— den, iſt daher anzurathen, ſie ſogleich, ehe ſie das Rohr erreicht, mit einem zweiten Schuß zu toͤdten. Wird eine ihres Flugvermoͤgens beraubte, aber ſonſt nicht verletzte Rohrdommel weiter nicht geſtoͤrt, ſo lebt ſie in ihrem Rohrwalde im Verborgenen fort, bis dieſes im Winter abgemaͤhet wird. ö Ehemals ſoll man die Rohrdommel auch, wie Reiher, mit ab— gerichteten Falken gebaitzt haben, wobei ſie ſich hartnaͤckig, ſogar auf der Erde liegend, noch gegen dieſe vertheidigt haben ſoll. Die Faͤhrten dieſer, wie der Rohrdommeln überhaupt, ähneln denen der Tagreiher, doch ſind die Zehen noch viel enger geſtellt. Durch dieſes engere Beiſammenſein der laͤngern und ſchlankern Zehen, wie durch die langen ſich immer abdruckenden Krallen, unterſcheiden ſie ſich ſchon hinlaͤnglich von denen der Stoͤrche, Loͤffler, Kra— niche, Ibiſſe und der groͤßern Schnepfenvoͤgel, namentlich aber noch durch ihre mit der innern Vorderzeh in einer Flucht und neben den gemeinſchaftlichen Zehenballen liegenden, ſtets in ihrer ganzen Laͤnge deutlich abgedruckten Hinterzeh. Auch das Schlep— pende in ihrem Gange druckt die Faͤhrte deutlich aus, zumal in et⸗ was tieferm Moraſte, wo vorzuͤglich der lange Nagel der Hinterzeh ſtets eine Schleppfurche macht, das bei der großen Rohrdommel im— mer am ſtaͤrkſten iſt und dieſe Faͤhrte ſpeciell charakteriſirt. Nutz en. Für gewöhnlich und in den meiſten cultivirten Ländern, Eng: land ausgenommen, wird das Fleiſch der großen Rohrdommel nicht gegeſſen. Es finden ſich jedoch hin und wieder, auch bei uns, Lek— kermaͤuler, welche den haͤßlichen Vogel ſogar wohlſchmeckend finden. Da ſich uͤber den Geſchmack nicht ſtreiten laͤßt, ſo will ich nur von dem eigenen bemerken, daß ich das Wildprett dieſer Rohrdommel, auf gewoͤhnliche Art gebraten, ſeines widerlichen thranichten Beige— ſchmackes wegen, kaum genießen konnte, es daher nicht empfehlen mag, obwol ich zugeben will, daß die feine Kochkunſt, vorzuͤglich wol das junger Herbſtvoͤgel, vielleicht in ein ſchmackhafteres Gericht XII. Ordn. LXVI. Gatt. 256. Gr. Rohrdommel. 193 herzuſtellen vermag. Im Herbſt ſind dieſe Voͤgel, namentlich die Jungen, oft fo erſtaunend fett, daß fie kuͤnſtlich gemaͤſtetem Geflügel darin nichts nachgeben. Auch das Fett hat man als wohlſchmeckend geruͤhmt. Daß die großen Hinterkrallen, in Silber gefaßt, zu Zahnſto⸗ chern benutzt werden, koͤmmt ſelten vor. Als von einem Fiſche freſſenden Vogel werden dem Jaͤger die Fuͤße (Staͤnder) von ſeiner Obrigkeit mit einem guten Schußgelde, wie die von Reihern und Stoͤrchen, ausgeloͤſet. Schaden. Weil die Hauptnahrung der großen Rohrdommel in Fiſchbrut beſteht, ſo wird ſie den ſogenannten zahmen Fiſchereien, beſonders in Teichen, ſehr nachtheilig. Doch iſt es damit nicht ſo ſchlimm als bei den Tagreihern, weil gewoͤhnlich in den eigentlichen Brut- teichen nicht ſo viel Rohr und Schilf geduldet wird, daß ſie ein ordentliches Verſteck darin faͤnde, und wenn ſie ſolche auch des Nachts 5 ſo mag dies doch nur die in ganz einſamen Gegenden treffen. Jeden Falls moͤchte ſie hinſichtlich ihrer Schaͤdlichkeit dem gemeinen Fiſchreiher weit nachſtehen. r Theil. 13 257. Die kleine Rohrdommel. Ardea minuta. Linn. Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 227. Fig. 2. jüngeres Weibchen. Fig. 3. Halbjähriges Männchen. Kleiner Rohrdommel, Zwergrohrdommel, Rohrdommelein, Elei: ner brauner Rohrdommel, kleiner Rohrtump, kleiner —, ſchwaͤbi⸗ ſcher —, geſtrichelter —, geſcheckter Reiher, kleiner Rohrreiher, kleine Mooskuh, Quartanreiher. Ardea minuta. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 646. n. 26. = Lath. Ind, II. p. 683. n. 27. — Nils. Oru. suec. II. p. 38. n. 158. — Botaurus rufus. Briss. Oro. V. p. 458. — Blongios de Suisse. Buff. Ois. VII. p. 395. — Edit. de Deuxp. XIV. p. 109. = Id. Pl. enl. 323. = Le Butor roux. Gerard, Tab. elem. II. p. 145. u. 10. — Heron blongios. Temminek. Man. d’Orn. II. p. 584. | =— Little Bittern aud rufous Bittern. Lath. Syn. V. p. 60. and 65. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. ©. 36. n. 19. u. S. 40. n. 27. a u. b. — Penn. aret. Zool. überſ. v. Zimmermann. II S. 422. n. 276. — Bewick, brit. Birds. II. p. 51. (iüngerer B.). — Sgarza guacco. Stor. deg. Uce. IV. Tav. 418. — Nornotto, Sari, Oru. tose. II. p. 358. —= oudliopje. Sepp, Nederl. Vog. I. p. t. 57. f. 1. (alt) &. f. 2. (jung). — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 71. u. S. 78. Deſſen Taſchenb. II. S. 265. u. 9. u. S. 267. n. 11. = Wolf und Meyer, Ta⸗ ſchenb. II. S. 343. — Borkhauſen, u. a., Teutſche Ornith. Heft. VII. (Männ⸗ chen.) = Meyer, Bög. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 183. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 192. u. 187. — Koch, Baier. Zool. I. S 338. n. 212. Brehm, Lehrb. II. S. 559. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchl. S. 597 bis 598. Gloger, Schleſ. Faun. S. 50. u. 218. - Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 59. n. 206. — Friſch, Vög. Taf. 207. - Naumann's Vög. alte Ausg. III. G. 132. Taf. XXVIII. Fig. 37. (altes Männchen) und Nachträge S. 82. Taf. XII, Fig. 25. (jüngeres Weibchen) u. Fig. 26. (junger männlicher Vogel). tern. Lath, Syn, V. p. 61. — uUiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 37. n. 21. XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 195 Junge Voͤgel. Ardea danubialis. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 637. n. 53. — Lath. Ind. II. . 681. u. 21. = Ardea soloniensis. Gmel. Liun. syst. I. 2. p. 637. n. 31. Lat. Ind. II. p. 681. n. 19. — Le Butor brun raye et le Eaton roux. Buff. Ois. VII. p 424 et 425. — Edit. de Deuxp. XIV. p. 144 et 145. — Ruyed Büt- Friſch, Vög. Taf. 206. Gehört offenbar hierher und iſt nur in der Grundfarbe (dieſe iſt vielleicht verſchoſſen) 1 un Kennzeichen deer Urt. Unterſchenkel bis an die Ferſe befiedert; Fluͤgel in der Mitte meiſt hellroſtgelb, an der Spitze ſchwarz; Ruͤckenſchild bei den Al- ten ſchwarz, bei juͤngern dunkelbraun, oder roſtgelb und braun gefleckt. Beſchreibung. Die kleinſte einheimiſche Art der Reihergattung, der oder die kleine Rohrdommel, iſt ein ſehr ausgezeichneter Vogel. In ſeinem Gefieder iſt ein ſchoͤnes Roſtgelb die vorherrſchende Farbe, und Schwarz oder Dunkelbraun wechſeln darin nicht in feinen Zeichnun— gen, ſondern in groͤßern Maſſen, zumal im ausgefaͤrbten Kleide, wo eine aͤhnliche Farbenvertheilung wie bei der ausgefaͤrbten Nacht— rohrdommel Statt findet, aber hier gelb, was bei dieſer aſchgrau erſcheint, u. ſ. w. Der großen Rohrdommel ähnelt fie in dies ſer Hinſicht gar nicht, wohl aber in der Geſtalt, im Betragen und der Lebensart; von beiden Arten unterſcheidet ſie ſich aber ſehr durch ihre viel geringere Größe. Auch fie hat unter inlöndijchen Voͤgeln dieſer Ordnung keinen ſo aͤhnlichen, daß ſie verwechſelt oder verkannt werden koͤnnte. Nur im Auslande finden ſich einige aͤhnliche Arten, von welchen Ardea exilis aus Amerika die aͤhnlichſte iſt, und eis nige noch kleiner als unſere Art ſind. 5 Auch bei dieſem Vogel taͤuſcht das große lockere Gefieder das Auge und giebt ihm ein viel groͤßeres Ausſehen, waͤhrend der Rumpf kaum ſo groß als der einer Turteltaube und dabei ſeitlich eben⸗ falls ungewoͤhnlich zuſammengedruͤckt und ſehr ſchmal iſt. Die Laͤnge, welche nicht allein zwiſchen alten und erwachſenen jungen Voͤgeln, ſondern oft auch unter Individuen einerlei Alters etwas verſchieden vorkoͤmmt, wechſelt (ohne Schnabel gemeſſen) mei⸗ ſtens zwiſchen 14 und 16 Zoll, noch kleinere oder größere kommen ſehr ſelten vor; die Flugbreite varlirt dabei zwiſchen 21½ bis 23½¼ Zoll 13* 196 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257, Kl. Rohrdommel. die Länge des Fluͤgels vom Bug bis zur Spitze zwiſchen 8 bis 5 Zoll; der Schwanz iſt 2 Zoll lang. Das Gefieder der kleinen Rohrdommel iſt verhaͤltnißmaͤßig we— niger umfangsreich als das der großen und aͤhnelt hierin mehr dem der Nachtrohrdommel. Am größeften iſt es an den Halsſeiten, hier auch am lockerſten und an den Federkanten am wenigſten ge— ſchloſſen, auch hohl nach hinten gebogen, und den bloß mit Du— nen beſetzten Streif laͤngs dem Hinterhalſe hinab zu verdecken be— ſtimmt, waͤhrend es an den uͤbrigen Koͤrpertheilen ein derberes Aus— ſehen hat, ſich dabei jedoch ſeidenweich anfuͤhlen laͤßt. Die Schwing— federn ſind nicht lang, ihre Schaͤfte ein wenig nach hinten gebogen, ziemlich weich, die groͤßten an den Enden ſchmal und ſchief zuge— rundet, die uͤbrigen abgerundet, die erſte meiſtens die laͤngſte, ſel— ten etwas kuͤrzer als die zweite oder von gleicher Laͤnge mit dieſer, die drei vorderſten uͤberhaupt in der Laͤnge wenig verſchieden, wo— durch die Fluͤgelſpitze ziemlich abgeſtumpft wird. Der Schwanz iſt kurz, ſchmal, ſeine weichen Federn zugerun— det, die aͤußerſten wenig kuͤrzer als die mittelſten und ſo das Ende nur etwas abgerundet; die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen etwas uͤber ſein Ende hinaus, ſind auch zuweilen nur von derſel— ben Zange; die untern Schwanzdeckfedern find eben fo lang als der Schwanz. ö Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig gerader, geſtreckter und ſchlan— ker als der der großen Rohrdommel, ſehr zuſammengedruͤckt, die ſchmale Firſte nur wenig gebogen, der Kiel anfaͤnglich ganz ge— rade, dann wenig nach der Spitze aufſteigend, weit vor geſpalten; die Spitze an beiden Theilen ſchlank und ſehr ſcharf; die Schneiden etwas eingezogen, ſchneidend ſcharf, ſpitzewaͤrts ſehr fein gezaͤhnelt; der tief, bis unter das Auge, geſpaltene Rachen auch ziemlich weit; die Kehlhaut ſehr dehnbar; die Naſenhoͤhle, in welcher das Naſen— loch, ein hinten etwas erweiterter, kurzer Ritz, verlaͤuft jederſeits in eine mit der Schnabelfirſte parallele Furche, die ziemlich weit vor reicht. Er iſt bei alten Voͤgeln 2 Zoll 2 Linien lang, an der Wurzel im Durchſchnitt 4½ Linien hoch und 3 ½ Linien breit, bei erwachſenen Jungen 2 bis 3 Linien kuͤrzer. Die Farbe des Schnabels iſt bei den Alten, zumal im Fruͤh— jahr, ein ſchoͤnes, unvermiſchtes Gelb, das nur im Herbſt ein wenig ins Gruͤnliche ſpielt, dann auch an der Firſte etwas braͤun— lich wird, ſonſt aber, beſonders bei den alten Maͤnnchen, bis auf einen ganz kurzen, ſchmalen, ſchwarzbraunen Laͤngeſtrich an der XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 197 Spitze (oben mehr als unten), ganz rein erſcheint. Mehr ins Gruͤn— liche, an der Firſte ins Braͤunliche und dies an der Spitze am dunkelſten, iſt er bei juͤngern Voͤgeln, bei noch juͤngern bloß an der Wurzel der Unterkinnlade rein blaßgelb, übrigens blaß grün: gelb und am Ruͤcken braͤunlich. Die nackten Zuͤgel ſind blaß gelb— gruͤn, an den Augenlidern in reines Gelb uͤbergehend. Sie werden im Tode und ausgetrocknet unſcheinlich hornfarbig, fo auch der Schnabel von obenher; das Gruͤne deſſelben verſchwindet und das Gelbe wird ſchmutzig und bleich, faſt weiß. Rachen und Zunge ſind, auch bei den Alten mit ſchoͤn gelbem Schnabel, ſtets fleiſchfarbig; der innere Schnabel geht bloß ſpitze— waͤrts ins Gelbe uͤber. Das kleine, lebhafte Auge hat bei jungen Voͤgeln eine blaßgelbe Iris, die bei alten von der Pupille an aus Weißgelb in ein dunkeles Gelb (Goldgelb) uͤbergeht, und das Auge noch weit lebhafter macht. Die Fuͤße ſind nicht ſehr hoch, und wuͤrden dies noch weniger ſcheinen, wenn die Knochen der Tibia nicht noch bedeutend laͤnger als die des Tarſus waͤren. Sie ſehen im friſchen Zuſtande etwas plump aus, weil beſonders die Läufe dann wenig zuſammengedruͤckt, faſt rund ſind und ſich anfuͤhlen laſſen, als waͤren ſie geſchwollen, oder unter dem weichen Uiberzuge mit einer Fluͤſſigkeit angefuͤllt. An den Zehen iſt dies weit weniger oder gar nicht der Fall; ſie ſind ſchlanker und fühlen ſich derber an, obgleich ihre Bedeckung Feines: wegs hart zu nennen iſt. Die nackten Fußtheile verlieren im Tode und nach dem voͤlligen Austrocknen dieſes ſonderbare Ausſehen ganz; ſie ſchrumpfen zuſammen, werden duͤnn, die Laͤufe von beiden Sei— ten ſchmal, ihr Uiberzug bekommt dadurch ſogar Falten, und Alles nimmt eine ihnen im Leben gaͤnzlich fremde Haͤrte an. — Der Un— terſchenkel iſt bis an das nackte Ferſengelenk mit Federn bekleidet; dieſes ſtark, die Laͤufe dies auch, doch mehr bloß ſcheinbar; die Zehen ſchlank; die Spannhaut zwiſchen der aͤußern und mittlern unbedeu: tend und kleiner als bei andern Rohrdommeln; ſonſt Alles dem der großen Rohrdommel ſehr aͤhnlich, auch die Krallen, welche, ſchlank, wenig gebogen und faſt noch gerader wie dort, ſehr ſpitz, wenig zuſammengedruͤckt, nur unten in einem ganz ſchmalen Streif— chen abgeplattet und kaum etwas ausgehoͤhlt ſind. Der weiche Ui— berzug iſt an der Ferſe gegittert, vorn am Laufe in ſchmale, aber ſo lange Schilder getheilt, daß dieſe den Lauf in der Staͤrke uͤber die Haͤlfte umſpannen, der uͤbrigens gegittert und nur nach hinten herab mit einer Reihe kleiner Schildchen bekleidet iſt; auf den Zehen⸗ 198 XI. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. ruͤcken in ſchmale Schilder getheilt, an den Sohlen flachwarzig. Die Laͤnge des Laufs iſt 2 Zoll 1 Linie, ſelten etwas mehr; die der Mittelzeh, mit der 5 Linien langen Kralle, 2 Zoll, bei Jungen, namentlich der kuͤrzern Krallen wegen, etwas weniger; die der Hin— terzeh, mit der 6 Linien langen Kralle, 1 Zoll 3 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt am lebenden Vogel ein angenehmes blaſſes Maigruͤn, an den Zehenſohlen Zitronengelb, bei jungen Voͤgeln Alles matter und weniger ſchoͤn; die Krallen hellbraun. Im getrockneten Zuſtande ſchwindet die ſchoͤne Farbe der weichen Fußtheile und wird in gruͤnliche Hornfarbe verwandelt. Das Jugendekleid der kleinen Rohrdommel iſt von den nach: herigen, zumal dem ausgefaͤrbten des Vogels in ſeinem dritten Le— bensjahre, ſehr verſchieden. Von der Stirn läuft über das Auge hinweg ein weißlicher, dunkelroſtgelb, auch wol roſtfarbig gemiſchter, an den Schlaͤfen verloſchen ſchwaͤrzlich geſtrichelter oder gefleckter Streif; den Oberkopf deckt eine matt braunſchwarze Platte, welche ſich bis auf die etwas verlängerten Genickfedern erſtreckt, auch roſt— farbige oder roſtgelbe Federkanten hat; Wangen und Halsſeiten ſind bräunlichroftgelb, matt ſchwarzbraun gefleckt, meiſtens Schaftflede, die nach der Halswurzel zu groͤßer werden und wovon manche durch einen lichtern Schaftſtrich in zwei Laͤngeflecke getheilt ſind, auch ſind die laͤngſten Federn an den Enden, wo ſie den bloß mit Dunen beſetzten Hinterhals umhuͤllen, meiſt mit Roſtfarbe uͤberlaufen; die Kehle iſt weiß, mit einem roſtgelben, ſchwaͤrzlich gefleckten Laͤnge— ſtreif; der ganze Vorderhals auf weißem Grunde dunkelroſtgelb ge— fleckt und dieſe Flecke einſeitig mit einem braunſchwarzen Schaft— fireifhen, das an den groͤßern Kropffedern breiter wird; die großen Federn an den Seiten der Oberbruſt, welche ſich gewoͤhnlich uͤber das Handgelenk des ruhenden Fluͤgels legen, ſchwarzbraun, an den Kanten breit in Roſtgelb uͤbergehend; die Bruſt und Seiten des Unterkoͤrpers roſtgelb, weiß gemiſcht, mit ſchwarzbraunen Schaft— ſtreifen; die Schenkel weiß, an der Auſſenſeite mit dunkelroſtgel— bem Anſtrich und ſtaͤrkern, ſchwarzbraungrauen Schaftflecken als auf der innern; Bauch und Unterſchwanzdeckfedern, welche ziemlich das Ende des Schwanzes erreichen, weiß, hin und wieder roſtgelb an— geflogen, mit einzelnen ſchwarzbraunen Schaͤften. Die Federn am Oberruͤcken und an den Schultern ſind meiſtens ſchwarzbraun, mehr oder weniger mit Roſtfarbe gemiſcht, mit ſehr breiten braͤunlichroſt— gelben Kanten; die des Unterruͤckens, Buͤrzels und der obern Schwanz— decke eben ſo, aber dunkler und weniger licht gekantet, dieſe Theile XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 199 daher weniger gefleckt; die kleinen Fluͤgeldeckfedern roſtbraun, in der Mitte ſchwarzbraun, breit roſtgelb, gekantet; die mittlern noch breiter roſtgelb und dieſe Farbe nun die herrſchende, an den großen Deckfedern faſt ganz rein 1 9 viel dunkler roſtgelb; die hintern Schwingfedern in der Mitte entlang matt braunſchwarz, an den breiten Kanten dunkel braͤunlichroſtgelb, bei manchen nebſt den laͤngſten Schulterfe— dern noch uͤberdem mit Roſtfarbe wie uͤbergoſſen; die Schwingen zweiter Ordnung mattſchwarz mit weißlichen Endſaͤumen; die Schwin- gen erſter Ordnung und ihre Deckfedern braunſchwarz, die vorderſte mit weißlichen Auſſenkanten, die uͤbrigen mit roſtroͤthlichweißlichen Endſaͤumen; der Fluͤgelrand weiß; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß und roſtgelb gemiſcht, die Schwingfedern auf der untern Seite hell ſchiefergrau; die Schwanzfedern ſchwarz, mit ſehr feinen braͤunlich— weißen Saͤumen, beſonders an den Enden, auf der untern Seite dunkel ſchiefergrau. Unter dieſen jungen Voͤgeln finden ſich mancherlei kleine Ab— weichungen, theils hinſichtlich der Grundfarbe, die heller oder dunk— ler, bei manchen mehr ein wirkliches Roſtgelb, bei andern ein duͤſte— res Lehmgelb, bei noch andern ſehr ſtark mit Roſtfarbe vermiſcht iſt, theils in der Zeichnung auf dieſem Grunde, die dunkler oder lichter, groͤber oder klarer vorkoͤmmt; auch kommen Individuen vor, deren ſchwarze Kopfplatte mit Roſtfarbe umgeben iſt, deren Schulterfedern roſtfarbig, nur am dunkeln Schafte ſchwarzbraun gefleckt und bloß an den Seiten breit hellroſtgelb gekantet ſind, dieſem aͤhnlich auch die Federn des Oberruͤckens nur etwas brauner ausſehen. Zudem erſcheint auch die ganze Faͤrbung friſcher und ſchoͤner, ſobald ſie dieſes erſte Federkleid eben erſt vollſtaͤndig erhalten haben, wogegen es ſpaͤterhin, wenn ihnen ein Federwechſel nahe bevorſteht, ſchon verbleicht und abgetragen ausſieht. Es giebt jedoch unter dieſen kleinen Abweichungen keine ſo beſtaͤndigen, daß ſie einen Unterſchied des Geſchlechts bezeichneten, welcher ſicherer an der verſchiedenen Groͤße zu erkennen iſt, naͤmlich wenn man mehrere nebeneinander vergleichen kann, indem die Weibchen ſtets etwas kleiner oder ſchwaͤchlicher als die Maͤnnchen ſind. Das mittlere Kleid, naͤmlich das des Vogels im zweiten Lebensjahre, iſt ſowol vom Jugendkleide wie vom ausgefaͤrbten ſehr verſchieden. Haͤufig iſt dies Kleid fuͤr das ausgefaͤrbte des Weib— chens gehalten worden; dem iſt jedoch nicht alfo, ſondern ſowol Männchen wie Weibchen find in ihrem zweiten Lebensjahre fo gefärbt und einander darin fo aͤhnlich, wie im Jugendkleide und 200 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. ſpaͤter im vollkommen ausgefärbten. Schnabel und Füße haben in demſelben ſchon eine weniger bleiche Farbe als im vorhergehenden, und das Auge eine lebhafter gelbe Iris. Den Oberſcheitel von der Stirn bis auf das Genick, das etwas verlaͤngerte Federn hat, deckt eine ſchwarze Platte; ein Streif uͤber dem Auge, die Wange die Seiten des Halſes und der Hinterhals roftrothlichgrau, auf dem letztern am ſtaͤrkſten mit Roſtfarbe uͤberlaufen, oder ganz in dieſe uͤbergehend; die Kehle weiß, in der Mitte roſtgelb gefleckt; der ganze Vorderhals auf weißem Grunde dunkelroſtgelb gefleckt, in den Flecken, welche in unordentlichen Reihen herablaufen, auch hin und wieder mit ſchwaͤrzlichen oder braunen Schaͤften; an der Seite der Ober⸗ bruſt ſtehen etwas große, gewoͤlbte Federn, welche ſich am ruhenden Fluͤgel uͤber deſſen Handgelenk legen, roͤthlich braunſchwarz ausſehen und breite hellroſtgelbe Kanten haben; von der Bruſt an iſt der Unterkoͤrper licht roſtgelb und weiß gemiſcht, mit langen dunfelbraus nen Schaftſtreifen, die ſich am Bauche und an den untern Schwanz— deckfedern gaͤnzlich verlieren; die Schenkel ſind gelblichweiß, auf der Auſſenſeite ſtaͤrker roſtgelb angelaufen und dunkelbraun gefleckt. Der Ruͤcken, die Schultern und die dritte Ordnung Schwingfedern ſind roͤthlich dunkelbraun (chocolatbraun), eine eigene ſchoͤne Faͤrbung, mit ſchmalen weißgelben Federſaͤumen; etwas von der Ruͤckenfarbe zeigt ſich zuweilen auch noch an den kleinen Fluͤgeldeckfedern, zunaͤchſt dem gelbweißen Fluͤgelrande, ſonſt find fie roſtgelb mit durchſchim⸗ merndem Grau; die uͤbrigen Fluͤgeldeckfedern weißlich aſchgrau mit hellem Ochergelb uͤberlaufen, eine angenehme Miſchung von lichtem Grau und Gelb, die auf zuſammengelegtem Fluͤgel ſich als ein ovales Feld darſtellt, deſſen Rand oben weiß, unten und vorn ſchwarz begrenzt wird; denn die mittlern und großen Schwingfedern, nebſt den Fittichdeckfedern, ſind ſchwarz, an den Enden in Braunſchwarz uͤbergehend und hier braͤunlich geſaͤumt. Der Unterruͤcken iſt einfar— big dunfelchocolatbraun, welches auf dem Buͤrzel und der Ober: ſchwanzdecke allmälig in Schwarz übergeht; der Schwanz ſchwarz. An dieſem Kleide zeichnen ſich, bei einem oberflaͤchlichen Uiber— blick, ſchon die Kopfplatte und das große Ruͤckenſchild durch ihre dunklere Faͤrbung bei weitem mehr als am Jugendkleide aus; ſie geben ſchon eine Andeutung zu dem nachherigen. Zwiſchen Männz chen und Weibchen iſt, den der verſchiedenen Größe ausgenoms men, kein ſtandhafter Unterſchied im Aeußern aufzufinden, die Faͤr⸗ bung wol bei manchen Individuen friſcher, mehr ins Roſtrothe, bei andern matter, mehr ins Roſtgelbe gehalten, ohne jedoch ftandhaft XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 201 auf Geſchlechtsverſchiedenheit hinzudeuten. Die Weibchen ſind gewoͤhn— lich auffallend kleiner und ſchwaͤchlicher, dazu auch meiſtens matter ge— faͤrbt als die Maͤnnchen, ohne Section doch aber nicht ſicher zu erkennen. Im dritten Lebensjahre traͤgt endlich die kleine Rohrdommel ihr ausgefaͤrbtes Kleid, das wiederum ſehr verſchieden von den beiden vorigen iſt, aber nun fuͤr die fernere Lebensdauer mit jeder neuen Mauſer immer wieder dieſelben Farben und Zeichnungen er: hält, mit dem geringen Unterſchiede, daß fie mit den ſteigenden Jah⸗ ren bloß reiner und praͤchtiger werden. Die ſcharf von den Umge— bungen begrenzte Kopfplatte und das große Ruͤckenſchild, naͤmlich Ruͤcken, Schultern, die dritte Ordnung Schwingfedern, Buͤrzel und Schwanz, ſind ſchieferſchwarz, mit ſchwachem gruͤnlichem Seidenglanz; die mittlern und großen Schwingfedern bloß ſchieferſchwarz, letztere an den Enden braͤunlich und ihre Deckfedern matt ſchwarz; die Kehle weiß; der Vorderhals ſchoͤn roſtgelb, heller oder dunkler, aber nur ſchwach geſtreift, Wangen und Halsſeiten roſtgelb, durch eine roͤthlichbraungraue Miſchung verduͤſtert; die großen gewoͤlbten Federn an den Seiten der Oberbruſt, welche ſich gewoͤhnlich uͤber das Handgelenk des Fluͤ— gels legen, braunſchwarz, mit roſtgelben Kanten; Bruſt und Bauch hell roſtgelb, mit braunen Schaftſtreifen, welche in den Weichen noch am ſtaͤrkſten gezeichnet ſind; die Schenkel nach innen weiß, auſſen roſtgelb; die Unterſchwanzdeckfedern roſtgelblichweiß. Die kleinen, mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern ſind hell roſtgelb, die letztern am lichteſten; der Fluͤgelrand weiß; der Unterfluͤgel bleich roſtgelb, an den Schwingfedern i ſo auch die Unterſeite der Schwanzfedern. Man meinte fruͤher, bloß das alte Maͤnnchen bekomme dies Kleid und das Weibchen bleibe durch alle fernern Federwechſel, für ſein ganzes Leben, in der Faͤrbung des zweiten Jahres, was aber neuere und ſichere Beobachtungen widerlegt haben. Es unterſchei⸗ det ſich naͤmlich, nach dieſen, von dem gleichalten Maͤnnchen bloß durch die etwas geringere Groͤße, durch etwas bleichere oder weni— ger lebhafte Farben, und durch die ſtaͤrkern Schaftſtreifen am Unter: koͤrper, iſt daher nur mit Huͤlfe des Zergliederns ſicher zu erkennen. Im vierten Lebensjahre, nämlich nach dem dritten Federwech⸗ ſel des Vogels, hat ſich dieſe Faͤrbung bloß verſchoͤnert, alle Farben und Zeichnungen ſtehen reiner da und die kleine Rohrdommel iſt nun in ihrem völlig ausgefaͤrbten Kleide ein ſchoͤnes Geſchoͤpf. Der Schnabel iſt jetzt, bis auf ein kleines ſchwarzes Laͤngefleckchen an der Spitze, rein hochgelb, die Zuͤgel gruͤngelb, der Augenſtern 202 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. goldgelb, nach innen hellgelb; die Füße ſanft maigruͤn, an den Soh⸗ len zitronengelb; der Oberſcheitel von der Stirn bis auf das Genick, in Geſtalt einer Platte, tief ſchwarz, mit gruͤnem Stahlglanz; ein ſchmaler Streif uͤber dem Auge ochergelb; die Keh) weiß; die Wan⸗ gen und wulſtigen, lockern Federn der Halsſeiten dunkelochergelb, ſanft in ſchwaches Roͤthlichgrau oder Violettgrau verſchmolzen, dies am bemerklichſten hinterwaͤrts am Halſe, wo die langen Federn uͤber den bloß mit Dunen beſetzten Hinterhals hin liegen und dieſen loſe verdecken; die Gurgel bis zur Kropfgegend herab rein und licht ochergelb, die Federn an der letztern ſehr verlaͤngert und buſchicht, über die Bruſthoͤhle hinab gebogen; die großen gewoͤlbten Federn an den Seiten der Oberbruſt, beſtimmt ſich uͤber das Handgelenk des Fluͤgels zu legen, wenn dieſer an den Leib geſchmiegt wird, aber nicht in allen Stellungen des lebenden Vogels ſichtbar, weil fie oft von den langen Kropffedern verdeckt werden, find tief braun: ſchwarz, mit ſcharf abgeſetzten, ziemlich breiten, dunkelroſtgelben oder hellroſtbraunen Kanten umgeben; der uͤbrige Unterkoͤrper hell ocher— gelb, an den untern Schwanzdeckfedern und der innern Seite der Schenkel in Weiß uͤbergehend, an der Bruſt hin und wieder zuwei— len noch mit braunen, aber ſehr feinen Schaftſtrichen oder bloß braunen Federſchaͤften. Der ganze Ruͤcken bis auf den Schwanz hinab, nebſt dieſen, den Schultern und hintern Schwingfedern, iſt tief ſchwarz, mit ſchoͤn gruͤnem Stahlglanze, zuſammen eine Art gruͤnſchwarzen Mantel bildend; alle uͤbrigen Schwingfedern, die Fittichdedfedern, auch die Daumenfedern zum Theil, find ſchwarz, etwas weniger gruͤnglaͤnzend als jene; auf dem Oberfluͤgel ſind die kleinen, mittlern und großen Deckfedern hell ochergelb, die erſtern am dunkelſten, die letzten am lichteſten, und dieſe gehen an ihren Enden in ein ſehr lichtes Aſchgrau oder in Grauweiß ſanft uͤber; es bildet dieſe Partie, wenn der Fluͤgel in Ruhe an den Leib gelegt iſt, ein großes, ovales, weißgelbes, zu drei Viertheilen von Schwarz umkraͤnztes Feld. Der obere Fluͤgel— rand iſt weiß; die untern Fluͤgeldeckfedern ſehr bleich ochergelb; Schwing- und Schwanzfedern unten ſchiefergrau. — Das Weib— chen von gleichem Alter unterſcheidet ſich bloß durch geringere Rein— heit und Pracht des Gefieders und durch eine unbedeutend gerin— gere Groͤße. Das Gefieder leidet zwar vom Fruͤhlinge an, wo es am ſchoͤnſten iſt, durch Reibungen mit dem dichtſtehenden Schilf und Rohr, ſo wie durch den Einfluß der Witterung nach und nach XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 203 merklich, und die Faͤrbung ſowol, wie die uͤbrige Beſchaffenheit deſſelben, verſchlechtert ſich bis zum Sommer und einer neuen Mauſerperiode ſichtbar genug, ohne jedoch ſo weſentliche Veraͤnde— rungen hervor zu bringen, daß dieſe eine naͤhere Beſchreibung ver— dienten. Eigentliche Spielarten ſcheinen nicht vorzukommen. Es be— ſchraͤnken ſich die verſchiedenen Abweichungen, wie ſie eben beſchrie— ben ſind, alle auf ein ungleiches Alter u. ſ. w. Gleich nach der Mauſer, die im Auguſt und September, bei Alten fruͤher als bei Jungen, Statt hat, iſt zwar das Gefieder am reinſten, ſeine Faͤrbung am friſcheſten; allein ſelten erhaͤlt man einen ſolchen Vogel vor ſeinem Abzuge aus unſern Gegenden, bei dem der Federwechſel ſchon voͤllig vollendet waͤre. Au fen that Die kleine Rohrdommel gehoͤrt mehr einem ſuͤdlichen als ent— gegengeſetzten Klima an. Sie bewohnt die alte Welt und geht in keinem Lande derſelben hoch nach Norden hinauf, noch weniger als die vorige Art. In Aſien koͤmmt ſie in vielen Theilen, nament— lich im ſuͤdlichen Sibirien, in Perſien, Syrien und Arabien ſtrichweiſe ſehr haͤufig vor, auch in Afrika, z. B. in Nubien. In Europa find es vorzüglich die ſuͤdlichen und ſuͤdoͤſtlichen Theile, welche ſie ſehr haͤufig bewohnt, von den wilden Ufern der durch ausgedehnte waſſerreiche Niederungen in das ſchwarze Meer aus— muͤndenden Ströme an, durch die Tuͤrkei, Griechenland, Ita⸗ lien, das ſuͤdliche Frankreich, bis Spanien u. ſ. w. Auch Ungarn, vorzüglich die ſuͤdlichen Theile, Slavonien und das Mi: litaͤrgrenzland bis Dalmatien, iſt voll von Voͤgeln dieſer Art. Im ſuͤdlichen Deutſchland und in der Schweiz nimmt ihre Zahl ſchon bedeutend ab, und von den noͤrdlicher gelegenen Laͤndern mag Holland vielleicht dasjenige Land ſein, das ſie noch am oͤf— terſten aufzuweiſen hat. In England iſt ſie ſelten, noch ſeltner im mittlern Schweden und in Livland; höher hinauf ſcheint fie nie vorzukommen. Auch im mittlern und noͤrdlichen Deutſch— land gehoͤrt ſie keineswegs unter die gemeinen Voͤgel, obwol es hin und wieder Gegenden giebt, welche ſie regelmaͤßig alle Jahre haben; wegen ihrer verſteckten Lebensart wird ſie nur nicht ſo leicht be— merkt, zumal wo ſie nur einzeln und nicht jedes Jahr vorkoͤmmt. Dies iſt in vielen Strichen von Sachſen, dem Brandenburg: 204 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. ſchen und auch unſerm Anhalt der Fall. An den großen Teichen im Zerbſtiſchen und ſonſt noch in verſchiedenen Theilen Anhalts und den Grenzlaͤndern, an Fluͤſſen und ſtehenden Gewaͤſſern, an ge- eigneten Orten ſogar auf kleinen Teichen, zuweilen ganz in der Naͤhe menſchlicher Wohnſitze, trafen wir dieſe huͤbſchen Voͤgel, nicht bloß auf dem Zuge, ſondern auch niſtend an. Sie iſt naͤmlich ebenfalls ein Zugvogel, welcher die Kaͤlte ſcheuet, mit Ende unſres Sommers Deutſchland verläßt, den Win: ter unter einem waͤrmern Himmelsſtriche zubringt und im Fruͤhjahr ziemlich ſpaͤt erſt wieder zu uns zuruͤck kehrt. Dies geſchiehet in nicht beſonders warmen Fruͤhlingen nicht leicht vor Ende des April, meiſtens erſt im Mai, wenn die Bäume ſchon junges Laub bekom— men und das neue Rohr bereits 1 Fuß hoch aufgeſchoſſen iſt. Im September verſchwinden ſie wieder, ſo daß ſelten in der erſten Haͤlfte des October noch ein ſolcher Vogel bemerkt wird. Die ſo verſpaͤte— ten ſind gewoͤhnlich Junge von demſelben Jahr. Ihr Naturell ſcheint weichlicher als das der nahverwandten Arten und man hat kein Beiſpiel, daß eine kleine Rohrdommel hier im mittlern Deutſch— land uͤberwintert haͤtte; es iſt vielmehr zu vermuthen, daß die mei— ſten deshalb uͤber das mittellaͤndiſche Meer hinuͤber wandern. Dieſe Wanderungen geſchehen immer des Nachts, gewoͤhnlich einzeln, oder doch nicht in engern Geſellſchaften. Wir ſahen die Einzelnen ſich bei Einbruch der Nacht aus ihrem Verſteck erheben, himmelan ſteigen und dann fortwandernd in den Luͤften verſchwinden. Die Aufenthaltsorte dieſer Art, an welchen ſie laͤnger verweilt, find niedrige, buſchreiche, auch waldige, mit vielen hohen Sumpf. pflanzen, namentlich mit Rohr (Arundo L.) beſetzte Ufer der Ge waͤſſer, ſowol der fließenden als der ſtehenden, die in Sumpf und Moraſt verlaufenden Ufer der langſam ſtroͤmenden Fluͤſſe und Baͤche, der Landſeen und großen Teiche, die mit dichtem Geſtruͤpp von Rohr und untermiſchtem Weidengeſtraͤuch bedeckten tiefern Sumpfſtellen in den Bruͤchern, beſonders ſolche Teiche, welche ganz von Sumpf umgeben ſind und in welche ſich das Waſſer aus dieſen zuſammen zieht, die alſo im Sommer nicht verſiegen, auch zuweilen fogar kleine, mit Rohr angefuͤllte, mit Weidengebuͤſch, auch Kopfweiden, oder von Baumgaͤrten umgebene Teiche, ganz nahe bei Dörfern. ı Das ſuͤdliche Ungarn, mit feinen ungeheuern, baumleeren Suͤm- pfen, bietet Tauſenden dieſer Voͤgel einen Aufenthalt, waͤhrend die kultivirtern Gegenden Deutſchlands nur wenige aufnehmen koͤn— nen, weil Wildniſſe von ſolcher Beſchaffenheit hier kaum noch vorkom— XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 205 men, und es dringt ſich dabei dem Beobachter die Bemerkung auf, daß die Voͤgel hier andere Aufenthaltsorte haben als dort, daß ſie bei uns die buſchreichen Suͤmpfe den baumleeren vorziehen, weil den letztern bei uns jene einſame Lage, jene Ausgedehntheit und jener uͤppige Pflanzenwuchs der ſuͤdlichen fehlt. Ich fand ſie naͤmlich in jenem Lande in den von allem Holzwuchs gänzlich entblößten Suͤm— pfen in eben ſolcher Menge als an mit Gebüfch beſetzten Ufern, dagegen hier im Vaterlande nie anders, als an mit Baͤumen und Gebuͤſch beſetzten Gewaͤſſern. Etwas Veraͤnderung bringt wol die Jahreszeit; denn wenn im Sommer das Rohr zu ſeiner ganzen Hoͤhe aufgewachſen iſt, kuͤmmern ſie ſich auch weniger um Baͤume und Gebuͤſch, und wohnen dann oft weit von dieſen, tief in den reinen Rohrwaldungen. Große freie Waſſerflaͤchen ſind ihnen eben ſo zuwider, wie lange kahle Uferſtrecken; ſie ſcheinen es aber zu lieben, wenn Dickichte von Schilf und Rohr mit kleinen Spiegelflaͤchen, die mit Sumpfpflan: zen, Graͤſern, oder Strauchholz bedeckten Ufer mit kleinen nackten Stellen abwechſeln. Die unter zu hohen Baͤumen verſteckten, ſchat— tigen und kalten Gewaͤſſer beſuchen ſie nicht; kaum daß ſie ihnen im Nothfall eine kurze Zuflucht gewaͤhren, und man ſucht ſie auch in der Zugzeit vergeblich an ſolchen, obwol ſie in dieſer Zeit, beſon— ders im Fruͤhjahre, an Orten vorkommen koͤnnen, wo man ſie kaum vermuthet haben wuͤrde, z. B. in verwilderten Baumgaͤrten, welche an Gewaͤſſern liegen, in Kopfweidenpflanzungen auf naſſem Boden oder in der Naͤhe von Waſſergraͤben und Teichen, in den Weiden— haͤgern an den Fluͤſſen, uͤberhaupt wo niedere Holzarten auf naſſem Boden wild empor wachſen, an ſumpfigen Waldraͤndern und aͤhn— lichen naſſen Orten. In den Bruͤchern zwiſchen den ſogenannten Kufen oder ſonſt in niedern Schilfarten ſind uns dieſe Voͤgel dage— gen niemals vorgekommen. Sie zeigen uͤberhaupt in ihrem Auf— enthalt viel Eigenthuͤmliches und weichen in vielen Stuͤcken ſo von der großen Rohrdommel ab, daß man gewiß nur ſelten beide Arten nahe beiſammen wohnend antrifft. Im Vergleich mit der großen nimmt auch unſere kleine Rohrdommel mit Aufenthaltsorten, wo ihr ſonſt Alles zuſagt, von weit geringerm Umfange fuͤrlieb, und ſo kleine Teiche wie ſie oft bewohnt, waͤhlt die große Art kaum in der hoͤchſten Noth zu einer kurzen Zuflucht, wuͤrde aber an ſolchen nie laͤnger verweilen. In dem Letztern, namentlich aber darin, daß ſie viel lieber auf Baͤumen oder Baumzweigen ſitzt, als irgend eine andere Reiherart, 206 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. naͤhert ſie ſich weit mehr der Nachtrohrdommel als der zuletzt erwähnten Art, eine Aehnlichkeit, welche auch die Hauptvertheilung der Farben des Gefieders beider anzudeuten ſcheint. Im Fruͤhjahr, wenn das junge Schilf und Rohr nur erſt gegen einen Fuß hoch aufgeſchoſſen iſt, ſie ſich daher noch nicht gut darin verſtecken kann, darf man ſie kaum anderswo als auf Baͤumen ſuchen; zwar nicht auf hohen Baͤumen oder auf freien Aeſten derſelben, ſondern na— mentlich im hoͤhern Weiden- und Erlengeſtraͤuch, im dichten Stan— genholz, an nicht zu freien Orten zwiſchen den Zweigen der Kopf weiden, oder auf andern Baͤumen von mittler Groͤße. Sie ſitzt da gewoͤhnlich nicht weit vom Schafte entfernt oder, wenn es ein bloßer Strauch iſt, da, wo die Aeſte am dichteſten ſtehen, auf einem mei⸗ ſtens fingersdicken Zweige, ſelten auf ſchwaͤchern, gewoͤhnlich in einer Hoͤhe von 5 bis 10 Fuß, ſelten hoͤher, oft aber tiefer oder gar nahe am Erdboden, zuweilen auch auf einem niedern Pfahle oder alten Baumſtorzel. Wenn das Rohr ſpaͤterhin bis zu 3 bis 4 Fuß Hoͤhe zn = ſich über das Waſſer erhebt, lebt fie tief in dieſem verſteckt, aber bei uns auch dann noch beinahe nur an Orten, wo dies an den ſeicht auslaufenden Ufern mit Weidengebuͤſch vermiſcht iſt oder wo ſich dergleichen, nebſt andern Bäumen, in der Nähe befindet. SE ſie auch nicht, wie die Nachtrohrdommel, im Vorſommer auf ſumpfigen, mit Waſſer umgebenen Wald angewieſen, ſo ſind es doch auch nicht die reinen Rohrwaͤlder, welche ſie in dieſer Zeit bewohnt. Sie iſt wie die andern Rohrdommeln ein Nachtvogel und laͤßt ſich ungezwungen am Tage nie ſehen, koͤmmt erſt mit der Abend: daͤmmerung zum Vorſchein, geht dann an den freien Uferſtellen oder wadet im ſeichten Waſſer herum und iſt die Nacht hindurch bis gegen Ende der Morgendaͤmmerung nur in ungebundener Lebensthaͤ— tigkeit zu ſehen. Den Tag uͤber lebt ſie verſteckt, ruhig und bringt ihn großentheils ſchlafend zu. Auf dem naͤmlichen Zweige, an der: ſelben Stelle, wo man, ohne ſie zu ſtoͤren, ſie Vormittags ſitzen ſahe, wird man ſie am Nachmittage, nach Verlauf von Stunden, noch antreffen; ſie ſchlaͤft aber ſehr leiſe und iſt, wohl zu merken, dann nicht mehr im Schlafe begriffen, wenn ſie jene ſteife Stellung annimmt, welche auch der großen Rohrdommel bei ſolchen Ge legenheiten eigen iſt. III. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 207 Eigenſchaften. Die kleine Rohrdommel iſt unter den einheimiſchen Arten aus der Abtheilung der dickhalſigen Reiher eine der huͤbſcheſten. Ihre kleine Figur, die in großen Partieen ſcharf von einander getrenn— ten und zugleich angenehmen Farben, zumal des alten Vogels, und ihr ſanftes Gefieder vereinigen ſich zu einem gefaͤlligen Ganzen, abe geſehen davon, daß man eine Art einer, nach unſern Begriffen, nicht wohl geſtalteten Gattung vor ſich hat. Ihr kleines Auge bewegt ſich lebhaft und ſein Blick verraͤth viel Verſchlagenheit, waͤhrend die Stellungen ihres Koͤrpers und deſſen Gliedmaßen nach verſchiedenen Veranlaſſungen auf das Mannigfaltigſte abwechſeln. Steht ſie ruhig auf plattem Boden, ſo iſt an ihren Fuͤßen im Ferſengelenk keine Biegung bemerkbar, der Hals iſt fo ſtark in die 8-Form herab ges druͤckt, daß die Mitte der Gurgel noch uͤber die Bruſthoͤhle vorſteht, und die langen buſchichten Federn des vordern Unterhalſes ſich dabei ſchoͤn über die Kopfſtelle woͤlben; er ſieht dann ſehr kurz aus, weil die Kehle beinahe auf der Obergurgel ruhet, der Schnabel horizon— tal liegt, ſeine Firſte mit der flachen Stirn und Scheitel und dem Anfange des Ruͤckens, im Profil- Umriſſe, eine ununterbrochen fort: laufende, ſanft gebogene Linie bilden, die ſich von da an etwas ſchneller gebogen, aber auch wieder ohne Unterbrechung uͤber den Unterruͤcken und Hinterfluͤgel auf den Schwanz herabſenkt, welcher faſt lothrecht herabhaͤngt; dazu ſchließen ſich die großen, gewoͤlbten Federn der Halsſeiten theils auf dem Hinterhalſe, wo ſie die Bie— gungen des Halſes ganz verdecken, theils legen fie ſich über die Bruſt⸗ ſeiten und uͤber die in gewoͤhnlicher Stellung den Fluͤgelbug decken— den, anders gefärbten Federn und einen Theil des Flügels; die grün: ſchwarze ovale Kopfplatte und das eben fo gefärbte große Ruͤcken— ſchild ſind dann einander ſo genaͤhert, daß ſie in Eins verfließen. In dieſer Stellung ahnet man die bedeutende Laͤnge des Halſes durchaus nicht. Sie dehnt ihn allmaͤlig, ſobald ihr etwas Unge— woͤhnliches in die Augen fällt, in eine ſchoͤne S: Form; wird fie aber durch ploͤtzliches Erſcheinen eines Gegenſtandes in Furcht ge— ſetzt, dann kauert ſie ſich ſogleich auf die Ferſen nieder, richtet den Rumpf faſt ſenkrecht, Hals, Kopf und Schnabel in derſelben Rich— tung gegen den Himmel, wobei ſie ſich zugleich ſehr ſchmal macht, und bleibt in dieſer bizarren Stellung unbeweglich, bis die Gefahr ſich wieder entfernt oder ſie endlich zum Fortfliegen gebracht hat, zu welchem ſie ſich oft erſt in bedeutender Annaͤherung entſchließt. 208 III. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. * Sie ſieht in dieſer Stellung einen zugeſpitztem Pfahl, Baumſtumpf oder Schilfbuͤſchel ſehr aͤhnlich und beabſichtigt damit auch gewiß, zu ihrer Rettung, fuͤr ſo etwas gehalten zu werden. Wer ſie in ſolcher Stellung zum erſten Male ſieht, wird ſie ſchwerlich fuͤr einen Vogel, noch weniger fuͤr einen lebenden Vogel halten. Schreitet ſie ſuchend einher, ſo koͤmmt der Rumpf in eine faſt wagerechte Lage, der ausgedehnte Hals biegt ſich tief nieder und die Spitze des geſenkten Schnabels iſt gegen die Erde geneigt. Zuwei— len ſteht ſie, den Hals eingezogen, anſcheinlich ruhig da; aber ganz unerwartet ſchießt ſie den Hals vor, ſtreckt ihn in ſeiner ganzen Laͤnge gerade aus und zwar beinahe wagerecht, ſetzt zugleich auch den Rumpf in dieſe Lage und laͤuft, die Fluͤgel unter den Schwanz hangend, mit dieſem wippend, in großen Schritten und ſchnell weiter. Der Gang und alle ihre Bewegungen ſind viel hurtiger als bei den nahe verwandten Voͤgeln, ſie kann ſogar ſehr ſchnell laufen. Dieſes und das Wippen mit dem Schwanze — allen an— dern einheimiſchen Reiherarten fremd — bringt ſie in der That den Rohrhuͤhnern und Rallen nahe, und der Name: „Rallen— reiher“ wuͤrde eher fuͤr ſie als fuͤr Ardea comata paſſen. Im Uibrigen bleibt ſie dennoch eine wahre Rohrdommel. Auf mehr oder weniger wagerechten Baumzweigen ſitzt fie ſtets mit in ſehr ſpitze Winkel gebogenen Ferſen, und wenn ſie jene ſelt— ſame ſteife Stellung annimmt, ſieht man von den Fuͤßen kaum mehr als die den Aſt umklammernden Zehen. An faſt lothrechten Aeſten ſitzt ſie ebenfalls ohne Beſchwerde, wie an den Rohrſtengeln, an denen fie, wo ſolche dicht ſtehen, ohne herab zu gleiten, gemäch- lich hinwandelt, wie wenn ſie auf ebenem Boden ginge, oder auch eben fo, ſchreitend, an ihnen hinauf und herab ſteigt, wobei fie natuͤrlich die Fuͤße uͤber Kreuz fortſetzen muß. Sie ſchluͤpft mit der groͤßten Gewandtheit durch das dichteſte Rohr, nicht ſpringend, ſondern ſchrittweis, fort, und augenſcheinlich iſt darum ihr Koͤrper fo ſchmal gebauet, um ohne zu ſtarke Reibungen überall durchzu— kommen. Da dieſe aber dennoch nicht ganz zu vermeiden ſind, ſo iſt zu verwundern, daß ſich ihr ſehr weiches Gefieder nicht noch ſtaͤrker abreibt. Dies wird bloß bei ſolchen Individuen auffallender, welche an Orten wohnten, wo vorjaͤhriges Rohr ſtehen geblieben war, bei den meiſten faſt gar nicht. Ihr Flug iſt auch ganz verſchieden von dem andrer Rohrdommeln; fie ſchwingt darin die Flügel viel kraͤftiger, in viel ſchnellern Schlägen, und waͤren die Fluͤgel an den Federn nicht viel breiter und abgerundeter XII. Ord n. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 209 ſo wuͤrde er dem einer Taube nicht unaͤhnlich ſein, wobei freilich der doppelt zuſammengelegte, in dicke Federn eingehuͤllte Hals, der duͤnn zugeſpitzte Kopf und Schnabel, der kurze Schwanz und die hinten lang und gerade hinausgeſtreckten Fuͤße eine Figur von ganz andern Umriſſen geben. Sie hat ihre Flugwerkzeuge ſehr in ihrer Gewalt, fliegt nicht allein ſchnell gerade aus, ſondern iſt auch gewandt im Schwenken, flattert beim Auffliegen haſtig und läßt die Beine ge- rade herabhaͤngen; ihr Niederlaſſen iſt dagegen oft ein Niederwerfen und beginnt ſchon in einiger Hoͤhe uͤber dem Rohr, gewoͤhnlich fliegt ſie indeſſen nur dicht uͤber demſelben hin und am Tage nie hoch. Manche Eigenthuͤmlichkeiten des Fluges, woran ſie ſogleich wieder zu erkennen iſt und welche jedem auffallen moͤgen, ſind jedoch ohne zu viele Umſchweife nicht wohl zu beſchreiben; wie denn auch das bunte Gefieder, beſonders das große hell gefaͤrbte Feld auf dem ſchwarzen Fluͤgel zum ſofortigen Erkennen das Seinige beitraͤgt, na— mentlich bei ein- und zweijährigen Voͤgeln. Sich liſtig den Augen der Menſchen zu entziehen, iſt ein Haupt: zug im Betragen der kleinen Rohrdommel. Im Fruͤhjahr, wo es noch zu ſehr an dichten Verſtecken fuͤr ſie fehlt, nimmt ſie zu jenem Mittel ihre Zuflucht; fie begiebt ſich, beim Herannahen eines Men— ſchen, in eine Poſitur, die ſie dem Ungeuͤbten völlig unkennilich macht, und uͤberzeugt, daß ihr die Taͤuſchung faſt immer gelingt, läßt fie es darin zum Aeußerſten kommen, indem fie fo ohne alle Bewegung bleibt, bis ihr jener zu nahe auf den Leib koͤmmt, dann wieder durch ploͤtzliches Fortfliegen ihn meiſtens fo uͤberraſcht, daß ſie gewoͤhnlich außer Gefahr und weit genug fort iſt, ehe er zur Beſinnung koͤmmt. Iſt aber Schilf und Rohr hoch genug aufge— wachſen, ſo lebt ſie darin ſo voͤllig verborgen und haͤlt dies Verſteck fo feſt, daß kaum Gewalt fie daraus aufzufcheuchen vermag. Sie weicht dem Ruheſtoͤrer, welcher ſich in ihr Aſyl wagt, entweder an den Rohrſtengeln wagerecht durch das Dickicht fortlaufend, oder durch Hinaufklimmen an den Rohrſtengeln aus; dies letzte namentlich wenn ein Hund ſie auftreiben ſoll, ſo daß ſie uͤber ihm ſitzt, er ſie aber, weil er mit Waſſer und dichten Rohrſtaͤmmen zu kaͤmpfen hat, nicht erreichen kann. Iſt das Rohr recht ſtark und dicht, ſo bildet es gewoͤhnlich ein ſolches Dickicht, daß fie ſelbſt dem ſich hinein wa— genden Menſchen auf wenige Schritte unſichtbar bleibt. Steinwuͤrfe, Schlagen mit Stangen auf das Rohr und anderer Laͤrm von außen bringen ſie nie zum Auffliegen. Nur am Abend koͤmmt ſie freiwil⸗ lig hervor, und wo ſie ſich ſicher glaubt, fliegt ſie dann niedrig auch 9 Theil. 14 210 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. uͤber freies Waſſer hinweg nach andern Rohrbuͤſchen oder laͤßt ſich gar an kahlen Ufern nieder. Hatte ſie jedoch fruͤher den Lauſcher bemerkt, ſo iſt ihr Auffliegen oft bloß eine kurze Erſcheinung dicht uͤber dem Rohr, um ſich ſehr bald an einer andern Stelle deſſelben Buſches wieder hineinzuſtuͤrzen. Uibrigens iſt ſie die ganze Nacht hindurch bis zur kommenden Tageshelle in ununterbrochner Thaͤtig— keit, aber nie ohne Vorſicht und Aufmerkſamkeit auf die Umgebun⸗ gen. — Am Tage ſie unbemerkt belauſchen zu wollen, waͤre ver— gebliche Mühe, weil fie theils am Tage ſchlaͤft, theils auch die lei— ſeſte Annaͤherung eines Menſchen vernimmt und die Stelle genau weiß, von welcher aus ſie belauſcht wird. Ob ihr leiſes Gehoͤr ihr dieſe bezeichnet, oder ob ſie geraͤuſchlos an den Rohrſtengeln ſo hoch hinauf ſteigt, daß ſie den Feind mit den Augen erſpaͤhen kann, ohne daß dieſer ſie gewahr wird, habe ich nicht erfahren koͤnnen; es ſetzt oft in Erſtaunen. Ihre Furcht vermehrt ſich, wo ſie ſich verfolgt ſieht. An zugänglichen Orten, im Frühjahr, halt fie das erſte Mal in jener ſteifen Stellung ſehr nahe aus; allein nach mehrmaligem Aufſcheuchen wird ſie immer ſcheuer und fliegt viel weiter weg, bis ihr zuletzt kaum noch bis auf Schußweite beizukommen iſt. Sie merkt es klugerweiſe ſehr bald, ob ſie zufaͤllig angetroffen oder ge— ſucht und verfolgt wird. Auch da, wo ſie an ihren Sommerauf— enthaltsorten niemals Verfolgungen erfuhr, laͤßt ſie ſich das erſte Mal leicht aus ihrem Verſteck, dem Rohr oder Gebuͤſch, auftreiben, ſtuͤrzt ſich aber ſehr bald wieder in daſſelbe und iſt zum zweiten Male ſchon viel ſchwerer und ſpaͤter ebenfalls gar nicht mehr zum | Auffliegen zu bewegen. Mit Vergnuͤgen erinnere ich mich noch immer eines Vorfals aus früherer Zcit, welcher ſich in einem Dorfe, kaum eine halbe Stunde von meinem Wohnorte, zutrug und den Beweis für das eben Ge ſagte liefert. Eine kleine Geſellſchaft Schuͤtzen, wobei auch ich war, umſtellte damals einen mit Weiden und andern Bäumen umgebe⸗ nen, groͤßtentheils mit hohem Rohr bewachſenen, kleinen Teich, dicht bei einem Gehoͤfte des Dorfes, in deſſen Mitte noch ein viel groͤße⸗ rer Teich liegt, welcher bloß durch einige Gehoͤfte und Baumgarten | von jenem getrennt iſt. Auf beiden Teichen hatten wir ſchon En- tenjagd gemacht, als der Geſellſchaft einfiel, nun die bewußte Rohr- dommel zu erlegen. Knaben und Hunde wurden in das Rohr ge | ſchickt und die Schuͤtzen umſtellten in gleichen Zwiſchenraͤumen 9 | Teich. Bald flog unfere kleine Rohrdommel auf, ſahe den Kreis von Schuͤtzen und ſtuͤrzte erſchreckt ſich wieder ins Rohr, bei welcher VII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 211 Gelegenheit fehl nach ihr geſchoſſen wurde. Lange muͤheten ſich nun Menſchen und Hunde vergeblich ab, den Vogel abermals zum Her— ausfliegen zu bringen; zwei Schuͤtzen fanden das Lauern langweilig, verließen ihre Poſten und plauderten miteinander. Dieſes war, wun: derbarerweiſe, dem Vogel im Rohr nicht entgangen, obgleich niemand bemerkt hatte, daß er ſich uͤber dem Rohr oder an der Seite deſſelben hätte ſehen laſſen; genug, er nutzte augenblicklich den guͤnſtigen Zeit: punkt und entfloh auf der ihm geoͤffneten Paſſage durch die Gaͤrten nach dem großen Teiche. Beſchaͤmt von dem kleinen Vogel ſich uͤberliſtet zu ſehen, wurde die Mordluſt der Schuͤtzen dadurch nur noch mehr angeſpornt, und alle zogen ihm nach. Doch ehe der entworfene Angriffsplan noch zur Ausfuͤhrung kam, entfloh er ſchon wieder, kehrte auf einer noch unbeſetzten Stelle zuruͤck und ſtuͤrzte ſich abermals in ſein altes Aſyl, worin er ſich ſichrer waͤhnen, wahrſcheinlich auch Gattinn und Neſt haben mochte, und wo das Rohr ſtellenweis wirklich unzugaͤnglich war, wenigſtens fuͤr un— ſere damalige Treiber. Die Schuͤtzen verließen nun ihre eingenom— menen Poſten nicht wieder, die Treiber thaten, ſoweit es die Kraͤfte geſtatteten, ihre Schuldigkeit, doch Alles vergeblich; der Geaͤngſtete zeigte ſich nur ein Mal noch uͤber dem Rohr auf ein paar Augen⸗ blicke, gleichſam um uns zu hoͤhnen und die halb und halb Entmu— thigten wieder aufzuregen — denn ſo ſchnell konnte nicht nach ihm geſchoſſen werden — und dann nicht wieder. Nach mehr als zwei Stunden langem vergeblichen Abmuͤhen ſahen wir uns gezwungen, ihn in Ruhe zu laſſen und beſchaͤmt nach Hauſe zu gehen. Obwol ſie ſich uͤberall lebhafter und gemuͤthlicher zeigt, als die große Rohrdommel und die meiſten andern Reiher, ſo wuͤrde man ſich doch taͤuſchen, wenn man ihrem ſchlauen Blicke Vertrauen ſchenken wollte, denn ſie iſt eben ſo heimtuͤckiſch und muthig wie ſie. Koͤmmt ihr, wo ſie nicht ausweichen kann, ein Geſchoͤpf zu nahe, ſo erhaͤlt es unverſehens, durch kraͤftiges und ungemein raſches Vorſchnellen des Halſes, die heftigſten Schnabelſtoͤße, die gewoͤhn— lich nach den Augen, bei Menſchen auch nach den Haͤnden oder an— dern entblößten Theilen gerichtet find, und leicht gefährlich werden koͤnnen. So ſchnell der Hals dabei wie aus einer Scheide faͤhrt, eben ſo ſchnell zieht er ſich wieder in die vorige Lage zuruͤck; beides iſt das Werk eines Augenblicks. Dieſes heftige, augenblickliche Vor⸗ ſchnellen des Halſes gegen ihre Angreifer uͤberraſcht dann ungemein, wenn der Vogel wie ein Klumpen zuſammengezogen daſteht und ruhig ſcheint; das dick und kurz ausſehende Geſchoͤpf wird fuͤr einen 14 * 212 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. K.. Rohrdommel. Augenblick zu einem ſchlanken, duͤnnen und von mehr als doppelter Laͤnge als es vorher ſchien. — In großer Bedraͤngniß vertheidigt ſie ſich bis zum letzten Athemzuge. Sie iſt ſo wenig geſellig wie die große Rohrdommel, we— nigſtens fliegt ſelten mehr als eine aus ihrem Rohrbuſche auf, wenn man auch beſtimmt wüßte, daß er mehrere baͤrge. Auch mit an— dern ihr nahe wohnenden Voͤgeln ſcheint fie ſich nie etwas ze ſchaf— fen zu machen, ausgenommen daß die ſchwaͤchern vor Schnabelſtoͤßen nicht ſicher ſind, ſobald ſie ihr zufaͤllig zu nahe kommen. Es iſt geleugnet worden, daß das Männchen auf aͤhnliche Weiſe wie das der großen Rohrdommel einen bruͤllenden Ton von ſich gaͤbe, doch mit Unrecht. Es bruͤllt allerdings in der Begattungs— zeit auch, doch iſt der Ton ohne Vergleich ſchwaͤcher als bei jenem und nur in ſehr ſtillen Naͤchten hoͤchſtens eine Viertelſtunde weit dem Ohr des Kenners vernehmbar. Es iſt in bewohnten Gegenden ſehr vorfichtig damit, bruͤllt nie, wenn es Menſchen in der Nähe vernimmt, daher kaum jemals am Tage, ſondern immer erſt in der Nacht, wenn aller menſchliche Verkehr ſchweigt. Vor vielen Jah— ren, als noch in jenem Teiche mehrmals kleine Rohrdommeln niſte— ten, ging ich, wenn mir die nahe wohnenden Leute von dem naͤcht— lichen Bruͤllen jener erzaͤhlten, das ſeines hoͤhern, ſchwachen, ge— daͤmpften Tons wegen durchaus von keiner großen Rohrdom— mel, die auch nie dort gewohnt hat, kommen konnte, ihnen oft nach, vernahm dieſes dann immer nur aus der Ferne; ſobald ich aber in die Naͤhe ihres Wohnſitzes kam, verſtummten die Schreier jedes Mal. So viel ich mich erinnere, aͤhnelte der Ton dem der großen Art auch nur entfernt; es iſt zwar auch ein ziemlich tiefer Baßton, aber ſo ſehr gedaͤmpft, daß dieſes Pumm oder Pumb, eher mit einem recht ſtarken und tiefen Unkenruf (von der Feuer— kroͤte, R. Bombina. L.) als mit Rindergebruͤll zu vergleichen waͤre. Der Vogel wiederholte die Sylbe Pumm gewoͤhnlich zwei bis drei Mal langſam nacheinander, dann folgte wieder eine laͤngere Pauſe und fo fort. Es thut mir leid, daß mir ſpaͤter keine Gelegenheit geworden, in ruhigern Gegenden Beobachtungen daruͤber anſtellen zu koͤnnen, da zu vermuthen iſt, daß ſie dort weniger aͤngſtlich beim Ausſtoßen dieſes Paarungsrufes ſind und ſich leichter belauſchen laſſen, als an Orten, wo ſie in ſteter Furcht und Beaͤngſtigung, der Naͤhe der Menſchen wegen, ſein muͤſſen. — Außer daß das Weibchen, wenn dem Neſt Gefahr drohet, zuweilen herbei koͤmmt und ein aͤngſtliches, quaͤkendes Gaͤth, gaͤth, oder get, get u. ſ. w. XII. Ord. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 213 ausſtoͤßt, hoͤrte ich auch zuweilen an ihren Wohnorten einen dieſem nicht unaͤhnlichen einzelnen Ton im Dickichte, ohne den Schreier gewahr werden zu koͤnnen, welcher aber ſicher von keinem andern. Vogel kam und mit dem der Rohrhuͤhner und Rallen Aehn— lichkeit hat. Gezaͤhmt iſt die kleine Rohrdommel ein recht angenehmer Vo— gel, welcher durch ſeine abwechſelnden, wunderlichen Stellungen und Gebehrden ſehr beluſtigt; alt eingefangen oder flügellahm geſchoſſen uͤberleben ſie jedoch den Verluſt der Freiheit ſelten und verſchmaͤhen gewoͤhnlich die Annahme aller Nahrungsmittel; jung aufgezogen hal— ten ſie ſich dagegen bei guter Wartung mehrere Jahre und koͤnnen unter guͤnſtigen Umſtaͤnden recht zahm werden, ſo daß ſie ihrem Waͤrter nachlaufen und auf deſſen Ruf hören. Ich ſahe auf der Pfaueninſel bei Potsdam mehrere in einem geraͤumigen Kä: fige, welche ihr Gefieder ſehr ſauber hielten, aber, weil man ſich wenig mit ihnen abgeben mochte, ziemlich wild waren. | Nahrung. Gewöhnlich halt man dafür, dieſe Vögel naͤhrten fich haupt: ſaͤchlich von Waſſerinſekten, Inſektenlarven und Würmern, und ver: zehrten nur nebenbei zuweilen auch kleine Fiſchchen. Dies bedarf jedoch, nach meinen Beobachtungen, einer bedeutenden Berichtigung, indem mich das Oeffnen vieler geſchoſſenen zwar auch Inſekten und deren Larven, auch kleine Amphibien und deren Brut, weit oͤfter jedoch bloß Fiſche in ihren Maͤgen finden ließ. Sogar nicht ganz kleine Fiſche habe ich darin gefunden. Erſt vor Kurzem (am 19ten Juni) erhielt ich ein altes Maͤnnchen, welches nichts als Fiſche, eine kleine Karauſche (Cyprinus Carassius) von 1 ½ Zoll Länge und zwei nicht weniger als 6 Zoll lange Schlammbeitzker (Co- bitis fossilis), fuͤr einen Vogel dieſer Groͤße gewiß ſehr große Biſſen, im Magen hatte, die dieſen anfuͤllten und noch eine gute Strecke in der Speiſeroͤhre heraufreichten. In den fiſchreichen Suͤmpfen Slavoniens hatten die dort erlegten niemals etwas anderes als Fiſchbrut in den Maͤgen. Die auf dem Abendanſtande, noch mehr aber die am fruͤhen Morgen erlegten, haben gewoͤhnlich einen mit Nahrungsmitteln angefuͤllten, oft vollgepfropften Magen und geben haͤufigſt dies Reſultat, waͤhrend er bei am Tage erlegten wo nicht ganz leer, doch nur mit geringen Uiberbleibſeln fruͤherer, nun mei— ſtens verdaueter Mahlzeiten gefunden wird. 214 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. Das Letztere iſt Beweis genug, daß ſie hauptſaͤchlich des Nachts, vom Untergange. bis gegen den Aufgang der Sonne ihrer Nahrung nachgeht. Am Tage fiſcht ſie dagegen, außer wenn ſie Junge hat, wenig, weil ſie ihn meiſtens in Unthaͤtigkeit und, beſonders in den Mittagsſtunden, ſchlafend hinbringt, auch hat die im freien Zuſtande lebende kleine Rohrdommel wol noch niemand dabei belauſchen koͤn— nen, weil ſie ihr dichtes Verſteck dann nie verlaͤßt. Auf dem An— ſtande, am fruͤhen Morgen oder in der Abenddaͤmmerung, iſt dies eher moͤglich, weil ſie ſich dann auf dem Freien zeigt und manchmal an faſt nackten Uferſtellen niederlaͤßt; auch habe ich an einer ſolchen, hinter duͤnnſtehenden Binſen und dergl. ein Mal einen jungen Vo— gel erlegt, welcher dort fiſchte, als es noch heller Tag war. Sie wadet da nur in ſehr ſeichtem Waſſer oder am Rande deſſelben, ſchleicht in langſamen Schritten, mit geſenktem Kopf und Schnabel einher, ſchnellt den Hals ploͤtzlich aus, wenn ſie ein Geſchoͤpf faͤngt, wobei die Schnabelſpitze ſelten ihr Ziel verfehlt, und ſchlingt nun das Gefangene ganz hinunter; denn das Zerſtuͤckeln größerer vermag ſie nicht und faͤngt deshalb auch keins, bei denen dies nothwendig wuͤrde. Ganz junge Fiſchchen von 1 bis hoͤchſtens 3 Zoll Laͤnge ſind ihr die liebſten; groͤßere mag ſie nicht, wenn ſie nicht, wie eine der obengenannten, zu den biegſamen Arten gehoͤren. Junge Schleihe (Cyprinus Tinca) ſcheinen ihr beſonders zu behagen oder, weil ſie an den meiſten Orten ihres Aufenthaltes, nebſt Karauſchen, Weißfiſchchen, Stichlingen, Schlammbeitzkern und andern am gewoͤhnlichſten vorkommen, den andern vorzuziehen. Von Froͤ⸗ ſchen ſind es ebenfalls nur die ganz kleinen von der gruͤnen Art (Rana esculenta), welche fie in Ermanglung jener fängt, mit eini⸗ gen Schnabelſtichen toͤdtet und verſchlingt. Sie verſchluckt oft meh: rere ſolcher hintereinander, noch lieber aber ihre Larven, ſogenannte Kaulquappen, auch wol zuweilen einen kleinen Waſſermolch. Aller: lei neben dieſen ihr aufſtoßende Inſekten, beſonders Waſſer- und Rohrkaͤfer, Libellen, Phryganeen, und mancherlei Inſektenlarven, verſchmaͤhet ſie ebenfalls nicht; aber Blutegel, ganz kleine Schnecken und Muſcheln, ſammt den Schalen, gehoͤren ſchon unter ihre un: gewoͤhnlichern Nahrungsmittel, noch mehr Regenwuͤrmer. Die Gezaͤhmten unterhaͤlt man mit letzteren, mit kleinen Fiſchen und jungen Froͤſchen, wobei fie ſich auch an klein geſchnittenes Fleiſch, beſonders an zerſtuͤckelte Gedaͤrme von Gefluͤgel und Fiſchen, auch an Stüde von groͤßern Fiſchen gewöhnen, ſelbſt Stuͤckchen gekoch⸗ XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 215 ter Kartoffeln verſchlucken lernen. Mit Inſekten, Regenwürmern, klei⸗ nen Froͤſchen und Fiſchchen ſind die J Jungen leicht aufzufuͤttern, da ſie nur ganz im Anfange geſtopft zu werden brauchen und dann ſehr bald ſelbſt zulangen. Reines Waſſer zum Baden, was ſie oft thun, darf ihnen nicht fehlen und Reinhalten ihres Behaͤlters, oͤfteres Beſtreuen des Bodens mit friſchem Sande, u. dergl. iſt zur Erhaltung ihrer Geſundheit und ihres zarten Gefieders ebenfalls ſehr nothwendig. ee an z enn g Die kleine Rohrdommel pflanzt ſich oͤfter in Deutſchland fort als man gewoͤhnlich glaubt; ihre verſteckte Lebensart und große Vorſicht machen, daß fie ſelbſt an weniger einſamen Orten von Leu: ten, welche auf ſolche Dinge nicht achten, haͤufig ganz unbemerkt bleibt. Uns ſind wenigſtens mehrere ſolcher Faͤlle vorgekommen, wo ſie in mit Weiden und allerlei Buſchwerk umgebenen Rohrteichen nahe bei den Gehoͤften an manchen Doͤrfern hieſiger Gegend niſtete, ohne daß ſie von den Dorfbewohnern bemerkt worden war, und das naͤchtliche Brummen des Maͤnnchens, was ſie haͤtte verrathen koͤn— nen, hatten jene fuͤr keine Vogelſtimme gehalten. Sonſt ſind ihre Niſtorte rohr, ſchilf- und buſchreiche Seeufer, im Wald verſteckte Rohrlachen und tiefe Rohrſuͤmpfe, große mit Gebuͤſch und Baͤu— men umgebene Rohrteiche, die tiefern Stellen in den Bruͤchern, wo viel Buſchwerk und dichtes Schilf und Rohr waͤchſt, auch ſolche Flußufer, alles wilde, unfreundliche Orte, wohin menſchlicher Verkehr ſelten vordringt. Ihre Anweſenheit wird deshalb auch faſt immer bloß durch Zufall entdeckt, und ihr Neſt aufzuſuchen, wenn es dieſer nicht beguͤnſtigt, moͤchte eine ſehr ſchwierige Aufgabe ſein, weil es meiſtens an unzugaͤnglichen Orten, zuweilen auch wol an ſolchen ſteht, wo man es nicht geſucht haben wuͤrde. Der Kampf mit tiefem Moraſt und Waſſer, und uͤber denſelben mit dichtem Rohr und Geſtruͤpp, würde die Kräfte des Suchenden bald erfchö- pfen, wenn er ſich auf blindes Gluͤck in ſolche Wildniſſe begeben wollte. Bald ſteht es weit vom Ufer, bald nahe, bald auf dem⸗ ſelben, bald uͤber tiefem Waſſer, bald auf dem naſſen Erdboden, auf kleinen Inſeln und aus dem Waſſer ragenden Huͤgelchen, mei: ſtens an Stellen, wo das Geſtruͤpp am dichteſten, und das Neſt nur ganz aus der Nähe zu erſpaͤhen iſt. Von der Waſſerſeite iſt es je⸗ doch in den meiſten Faͤllen leichter zugaͤnglich, als vom Ufer aus. Selten ſteht dies Neſt auf dem Erdboden feſt, viel gewoͤhnlicher aber auf alten Rohrſtoppeln, auf umgeknicktem Rohr und Schilf, 216 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. ſchwebend über demſelben oder uͤber dem Waſſer, über dieſen zuwei⸗ len mehr als einen Fuß hoch auf eingeknickten Rohrſtengeln, oder gar auf einem uͤber das Waſſer hangenden niedern Weidenkopfe, oder auf den dichten Zweigen ſolchen Weidengeſtraͤuches. Am ſel— tenſten kommt es wirklich ſchwimmend vor, wo es dann mit Schilf und Rohrhalmen, auch wol einzelnen duͤnnen aͤſtigen Reiſern, an das umſtehende Rohr loſe angefeſſelt iſt, damit es beim Steigen oder Fallen des Waſſers ſich heben oder ſenken, aber nicht fortſchwim— men moͤge. Es iſt ein ziemlich großer, beſonders hoher, unkuͤnſtlich und locker, aber doch ziemlich dauerhaft geflochtener Klumpen von trock— nem Rohr, Schilfblaͤttern und Waſſerbinſen, deſſen erſte Grundlage oft mit feinen duͤrren Reiſern durchmiſcht und deſſen obere Vertie— fung etwas feineres Schilf, Binſen und Gras enthaͤlt. Vor An— fang des Juni darf man bei uns nicht nach dieſem Neſte ſuchen, und in ſpaͤt warmen Fruͤhlingen kaum vor Ende dieſes Monats. Dann findet man in einem ſolchen 3 bis 4, ſelten 5 und noch feltner 6 Eier, welche bedeutend kleiner als Feldtaubeneier, bald voͤllig eifoͤrmig, bald etwas bauchicht ſind, ſpitzere oder ſtumpfere Enden haben, aber ſtets der ſchoͤnſten Eiform nahe bleiben. Ihre Schale iſt ohne Glanz, glatt und ziemlich zart, die Poren wenig ſichtbar; ihre Farbe friſch, ein ins Blaugruͤnliche ſpielendes Weiß, wovon, wenn ſie ihres Inhalts entleert ſind, das erſtere bald ver— ſchwindet, ſie daher in den Sammlungen zuletzt rein weiß erſcheinen. Das Weibchen bruͤtet ſehr eifrig 16 bis 17 Tage lang und ſitzt auch noch lange uͤber den ausgeſchluͤpften Jungen, wenn bei dieſen, ſtatt der roſtgelben Dunen, ſchon ordentliches Gefieder her— vorkeimt. Beide Alten tragen ihnen das Futter in der Kehlhaut, die ſich zu dieſer Zeit ſackartig ausdehnt, zu und ſpeien es ihnen auf den Rand des Neſtes vor, das von dem haͤufigen Betreten eine ganz flache Geſtalt annimmt. Wo ſie nicht beunruhigt wurden, bleiben ſie lange im Neſte, aber auch im entgegengeſetzten Falle kommen ſie nie in Verlegenheit, in's Waſſer zu fallen, weil ſie ſich überall enhaͤkeln, an ſenkrechten Zweigen und Rohrhalmen anklam— mern und an ihnen auf und ab ſteigen, ohne jemals herab zu glei— ten. Wenn ſie fliegen koͤnnen, ſieht man keinen der Alten mehr in ihrer Naͤhe; es ſcheint auch, daß dieſe fruͤher und ohne ſich weiter um ihre Nachkommenſchaft zu kuͤmmern, aus dem Lande ziehen. Dieſe Voͤgel lieben ihre Brut ſehr und das Weibchen haͤngt ſo an dieſer, daß es ſich aus dem Buſche, worin ſein Neſt ſteht, XII. Ord. LXVII. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. 217 kaum mit Gewalt vertreiben laͤßt. Nähert man ſich dem Neſte mit den Eiern, ſo wird es, ganz gegen ſeine ſonſtige Gewohnheit, ſo— gleich ſichtbar, koͤmmt ganz nahe herbei; an den Rohrſtengeln und andern Pflanzen hin und her oder auf und ab ſteigend, ſchreit es klaͤg— lich gaͤck, gaͤck, gaͤck, wippt dazu mit dem Schwanze wie ein Ralle oder ein Rohrhuhn, und zeigt die hoͤchſte Angſt und Verzweiflung. Bei den Jungen, wenn dieſe noch im Neſte, koͤmmt es oft ſo nahe, daß man es faſt mit einem Stocke erſchlagen koͤnnte. Das Maͤnnchen hält ſich indeſſen entfernter und beobachtet den Ruheſtoͤrer mehr aus dem Verborgenen; man hoͤrt von Zeit zu Zeit wol auch einen aͤhn— lichen Angſtruf von ihm, aber es laͤßt ſich dabei nur ſelten auch erblicken. Dies Betragen beim Neſte iſt dem der Rohrhuͤhner und Rallen ebenfalls aͤhnlicher, als dem andrer Reiherarten. Feinde. | Ob die kleine Rohrdommel von manchen Raubvoͤgeln beſonders angefeindet werde, iſt uns nicht bekannt geworden. Gegen Kräs hen und Elſtern vertheidigen ſie ihre Brut herzhaft; Fuchs und Iltis erſchleichen dieſe auch nur ſelten. In ihren Eingeweiden hauſet ein Wurm, Ascaris microcephala, des Wiener Verzeichniſſes. Jagd. Es iſt bereits oben von der Verſchlagenheit dieſes Vogels, wenn bei Verfolgungen derſelbe merkt, daß es auf ſein Leben abgeſehen iſt, geſprochen und ein Beiſpiel davon erzaͤhlt. Er ſcheint dann nicht allein die unzugaͤnglichſten Orte zu kennen und weiß ſich ſehr gut da zu verſtecken, ſondern ſitzt dann da auch ſo feſt, daß ihn nur ganz nahe Lebensgefahr zum Auffliegen bewegen kann, weil er ſehr gut weiß, daß er in ſolchem Rohrwalde und Dickicht um vieles ſichrer iſt, als auf dem Freien, wo ihm von allen Seiten Gefahren drohen. Uiberhaupt kann von einer beabſichtigten beſondern Jagd, bloß gegen ihn, ſelten die Rede ſein, weil man an den meiſten ſei— ner Aufenthaltsorte ſeine Anweſenheit oft nicht ahnet oder zuvor er⸗ ſpaͤhet hat. Der Anſtand, Abends und Morgens, macht bloß eine Ausnahme hiervon. Hier erlauert man den am Tage im Verbor— genen hauſenden, wenn er ſein Verſteck freiwillig verlaͤßt und im Zwielicht aufs Freie koͤmmt, um außerhalb deſſelben Nahrung zu 218 XII. Ordn. LXVI. Gatt. 257. Kl. Rohrdommel. ſuchen und ein wenig in der Gegend umher zu ſchwaͤrmen. — Vor dem im Rohre ſuchenden Hunde erſcheint er gewoͤhnlich nur ein Mal uͤber oder neben dem Rohre, gleichſam nur, um auf ein paar Au— genblicke den Jaͤger ins Auge zu faſſen und ſich wieder ins Rohr zu ſtuͤrzen, und um zum zweiten Male an einer Seite zu entflie— hen, die kein Schuͤtze beſetzt haͤlt, oder auch um gar nicht wieder außerhalb des Rohrs zu erſcheinen. — In menſchenleeren Gegen: den, wie z. B. in der Naͤhe der ungariſch-tuͤrkiſchen Grenze, fand ich indeſſen dieſe Voͤgel weniger vorſichtig; freilich gab es dort deren auch ungleich mehr als hier in Deutſchland, und niemand kuͤmmerte ſich dort um ſie, ſie fuͤrchteten daher den Hund mehr als den Menſchen und ließen ſich viel leichter von jenem aufſtoͤbern, als bei uns. g Im Fruͤhjahr, ehe ſich die kleine Rohrdommel noch im jungen Rohr verbergen kann und kein vorjähriges dazu ſtehen geblieben iſt, kann man ſie in ihren Lieblingsgegenden zwiſchen Gebuͤſch und auf niedern Baͤumen (ohne Hund) aufſuchen, wenn man naͤmlich ihre Gewohnheiten und beſonders jene ſonderbare ſtarre Stellung kennt, in welcher ſie, in der Vorausſetzung uͤberſehen zu werden, nahe genug, auch zum zweiten Male noch, aushält, zuletzt, nach oͤfterm vergeblichen Anſchleichen, aber auch ſcheuer wird. — Zufaͤllig wird beim Abſuchen nach Waldſchnepfen zuweilen eine erlegt. . Nutz en. Ihr zaͤhes Fleiſch wird gewöhnlich nicht gegeſſen, ſchmeckt jedoch ziemlich gut, beſonders das der Jungen im erſten Herbſt. Sich a d een Sie verzehrt viele Fiſchbrut und mag deshalb nicht unter die ganz unſchaͤdlichen Voͤgel gezaͤhlt werden; doch von Bedeutung iſt dies wol nicht, da ſie nebenbei auch noch andere Geſchoͤpfe, als Fiſche, genießt und ein ſo kleiner Vogel nicht gar viel zu ſeiner Saͤttigung bedarf. XII. Ordn. LXVII. Gatt. Stoͤrche. 219 * B) Störche. Pelargi. Mit laͤngerm, weniger zuſammengedruͤckten, ſpitzen und harten, auch ſtumpfen, — oder auch an der Spitze ſehr erweiterten und platt⸗ gedruͤckten, loͤffelartigen Schnabel; hohen, ſchlanken, uͤber der Ferſe weit hinauf nackten Fuͤßen, deren Zehen nicht lang, die hintere auf— fallend ſchwaͤchlicher, aber doch mit den vordern nicht ganz in einer Ebene liegend, der mittlern Vorderzeh gegenuͤber ſtehend; die vordern mit zwei bedeutenden Spannhaͤuten; die Krallen klein und ſtumpf. Mit ſtaͤrkerm, weniger zuſammengedruͤckten Rumpf. Zum Theil Raͤu⸗ ber und meiſtens fleiſchfreſſend. | | | | E | | | | Sieben und ſechzigſte Gattung. Storch. Ciconia. Die Kehlhaut iſt nackt und ſehr ausdehnbar. Schnabel: Mit der flachen Stirn gleich hoch, lang, gerade, oder ein wenig aufwärts gebogen, geſtreckt kegelfoͤrmig, wenig feil: foͤrmig und nur ſpitzewaͤrts ſchwach zuſammengedruͤckt, ſcharf zuge— ſpitzt, mit ſchneidend ſcharfen, eingezogenen Raͤndern, glatter Ober— flaͤche und einer nur kurzen Laͤngefurche vor und hinter den Nafen: loͤchern. Er iſt länger, dicker und walzenfoͤrmiger als bei den Reihernz groͤßer, laͤnger, hinten dicker, nach vorn zugeſpitzter als bei den Kranichen. Naſenloͤcher: Seitlich, nahe an der Stirn, klein, ku, ritz⸗ artig, in der harten Schnabelmaſſe nur mit einer ſehr kleinen, wei— chen Haut, die ſie verſchließbar macht, umgeben; viel weiter von der Schnabelſchneide entfernt als bei den Reihern. Fuͤße: Sehr lang, ziemlich ſtark, wenig zuſammengedruͤckt, hoch über die flarfen Ferſengelenke hinauf nackt, mit kurzen, unten breiten Zehen; von den Vorderzehen die aͤußere an der Wurzel mit einer bis zum erſten Gelenk reichenden, die innere mit einer kleinern Spannhaut; die Hinterzeh kurz, ein wenig hoͤher geſtellt als die vordern, doch nur ſo, daß auf ebener Flaͤche mehr als ihre vordere Haͤlfte noch aufliegt. Ihr Uiberzug iſt netzartig gegittert, nur die Zehen— ruͤcken find geſchildert. Die Krallen naͤgelartjg, auf den Zehenſpitzen liegend, ſehr kurz, gewoͤlbt, rundlich, mit wenig ſcharfem Rande. XII. Ordn. LXVIL Gatt. Stoͤrche. 221 | Flügel: Groß, lang, ziemlich breit, mit ſehr langen Armkno⸗ chen, weniger langen Schwingfedern, von welchen die 1fte viel Fürs zer als die folgende, und fo fort bis zur Aten, welches die laͤngſte if, die zuſammen nebſt der Sten von der Mitte ihrer Lange an auf der Innenfahne ſchnell an Breite abnehmen und ſich endlich kurz zuſpitzen; die laͤngſten Schulterfedern den Schwingen 2ter Ord⸗ nung gleich geſtaltet, groß, breit, abgerundet. ö Schwanz: Kurz, abgerundet, aus 12 Federn beſtehend. Das kleine Gefieder am Kopf und Halſe iſt ſchmal und lanzettfoͤrmig ſpitz (bei mehrern Auslaͤndern unvollkommen) an den obern Koͤrpertheilen dicht, glatt anliegend. Die Haut um das Auge iſt gewoͤhnlich nackt und bildet eine mehr oder weniger große kahle Stelle. Die Stoͤrche find ſaͤmmtlich große, zum Theil ſehr große Voͤ⸗ gel, mit langen duͤnnen Haͤlſen, hohen Beinen und großen Fluͤgeln, im Habitu mehr den Kranichen als den Reihern, in der Le— bensart aber den letztern aͤhnlich. Ihr laͤngerer, ſchaͤrfer zugeſpitzter Schnabel, die nackte Kehlhaut, die zweifachen Spannhaͤute zwiſchen den Vorderzehen, die tiefer geſtellte und größere Hinterzeh, desglei⸗ chen eine ganz andere Art ſich zu naͤhren, unterſcheiden ſie von den Kranichen; ihr groͤßerer, dickerer, mehr walzenfoͤrmiger Schnabel, der rundere, gerade, nie in ſolche ſcharfe 8-Form geknickte Hals, der weniger ſchmale, viel dickere Rumpf, die hoͤhern, rundern Beine, kuͤrzern Zehen, nebſt der viel kuͤrzern, ſchwaͤchern und anders ge— ſtellten Hinterzeh, und den kurzen runden Naͤgeln, ſo der im Fluge ganz gerade ausgeſtreckte Hals unterſcheiden fie hoͤchſt auffallend von den Reihern. Sie tragen meiſtens einfache Farben, viele Weiß und Schwarz, find dem Geſchlecht nach wenig von einander verſchieden, die Weibs chen bloß etwas kleiner als die Maͤnnchen, die Jungen faſt ebenſo gefaͤrbt, nur die Farbe der Fuͤße etwas verſchieden von der der Alten. Sie ſcheinen erſt nach dem zweiten Jahr mannbar zu werden, mauſern ſich jaͤhrlich ein Mal und der Federwechſel dauert lange. ö Die Störche leben theils in der gemäßigten, theils in der wars men Zone, an den Flußufern niederer Gegenden, an Seen und Teichen, in naſſen Niederungen mit vielen Wieſen und Waſſergraͤ— | | | 222 XII. Ordn. LXVII. Gatt. Stoͤrche. ben, in Suͤmpfen und Moräften, manche haͤufigſt in angebaueten Gegenden und in der Naͤhe der Menſchen, andere in waſſerreichen Waldungen und an einſamen Orten. Sie ſind Zugvoͤgel und wan— dern am Tage, in Geſellſchaften und oft in Schaaren vereint, um unter einem waͤrmern Himmelsſtriche zu uͤberwintern. Sie ſtehen gewoͤhnlich ziemlich aufrecht, mit geraden Beinen, oft auf einem, und mit faſt geradem oder nur ganz ſanft S-foͤrmig gebogenem Halſe; gehen ſchrittweiſe und mit edlem Anſtande einher, fliegen ſehr ſchoͤn, I leicht und oft ſehr hoch, nicht felten ſchwebend oder ſchwimmend und in Kreiſen oder Schneckenlinien, mit lang und gerade ausge- ſtrecktem Halſe und eben ſo hinterwaͤrts hinaus geſtreckten Fuͤßen, wodurch fie ſich in weiter Ferne ſchon von den Reihern, aber wer nig von den Kranichen unterſcheiden. In ihrem Betragen herrſcht 1 Ernſt und Wuͤrde mit vieler Klugheit vor. Eigenthuͤmlich iſt ihnen ein lautes Klappern beider Schnabeltheile gegen einander, was ſie, mehrentheils bei heftigen Aufregungen, hervorbringen. Sie koͤnnen unter Umſtaͤnden zuweilen im freien Zuſtande zu halben Hausthie⸗ ren werden und ſind deshalb leicht zu zaͤhmen. — Ihre Nahrung ſind Amphibien, Fiſche, Wuͤrmer, Inſekten, kleine Saͤugethiere und junge Voͤgel, ſogar Aas, die ſie an und in den Gewaͤſſern, oft bis uͤber die Ferſen hineinwadend, in Suͤmpfen, auf Wieſen oder auf Aeckern am Tage aufſuchen, des Nachts ruhen, aber ihre Schlaf ſtellen an erhoͤheten Orten, auf Baͤumen, Felſen, hohen Daͤchern u. dergl., allein ohne dringende Noth niemals auf plattem Erdbo— den finden. — Sie leben gepaart, bauen große, ſperrichte Neſter von duͤrren Reiſern und Stoͤcken, inwendig von weichern Dingen, Stroh, Heu und dergl., auf hohe Baͤume, auf Dachfirſten und Schornſteine der Gebaͤude, auf Schloͤſſer und Thuͤrme, hohe Mauern und Felſen, legen nur wenige, eben nicht ſehr große, weiße, flecken— loſe Eier, die vom Weibchen, das einen Brutfleck in der Mitte und jederſeits einen an der Seite des Bauches hat, allein ausge— bruͤtet werden, wobei es ſein Maͤnnchen mit Nahrung verſorgt— Beide Aeltern füttern die Jungen anfänglich aus dem Kehlſacke, ſpaͤter wuͤrgen ſie ihnen das Futter bloß vor, und dieſe beduͤrfen lange der aͤlterlichen Pflege. — Wo man ſie in der Naͤhe der Men— ſchen duldet, werden ſie ſehr zutraulich; wo ſie aber Nachſtellungen zu fuͤrchten haben, ſind ſie vorſichtig und ſehr ſcheu, daher hier ſchwer zu ſchießen. — Man ißt gewoͤhnlich ihr Fleiſch nicht, weil es unangenehm riecht. Ihre Federn ſind nutzbar, auch vertilgen ſie mancherlei ſogenanntes Ungeziefer, ſchaden aber auch in noch weit XII. Ordn. LXVII. Gatt. Stoͤrche. 223 groͤßerm Maaße den Jagden und Fiſchereien, weshalb man in vielen kultivirten Laͤndern ein hohes Schießgeld fuͤr ſie bezahlt. Wohlthaͤtig werden manche Arten in heißen Laͤndern durch Aufzeh— ren des Aaſes, und der Marabu: Storch in Indien fol deshalb ſogar in die Staͤdte kommen, ſich auf den Gaſſen niederlaſſen, um jenes hier aufzuſuchen und zu verzehren. „Die Stoͤrche, bemerkt Nitzſch, unterſcheiden ſich von den Reihern durch mehrere Verhaͤltniſſe ihrer Organiſation. Sie haben dieſe Eigenheiten wohl großentheils mit den Gattungen Tantalus, Anastomus und Scopus, welche ich mit Ciconia zu einer befondern Familie der Wadvoͤgel unter dem Namen Pelargi verbinde, gemein, aber jene fremden Gattungen ſind ſchon durch ihre aͤußere Bildung ſehr deutlich unter ſich und von den Stoͤrchen unterſchieden. Das Skelett iſt zumal bei den großen Arten ſtaͤrker und ſtaͤm⸗ miger als bei den Reihern. Die Hirnſchale iſt weit weniger ge— ſtreckt, und uͤber der Hemiſphaͤre des Hirns mehr gewoͤlbt. Das große Hinterhauptsloch ſteht nach unten, die Schlaͤfgruben ſind viel kleiner und ſtoßen nicht mit einander zuſammen. Die Schlaͤfdornen ſind laͤnger, der vordere nach oben, der hintere unter demſelben ge— ſtellt. Der ſcharfe Orbitalrand der Stirnbeine traͤgt eben ſo wenig wie bei den Reihern die Naſendruͤſen. Die Foramina obturata feh⸗ len auch hier am Hinterhaupte. Die knoͤcherne Scheidewand der Augenhoͤhlen iſt dagegen ganz vollſtaͤndig. Die Seitenfluͤgel des Riechbeins ſind noch kleiner als bei den Reihern. Das Thraͤ— nenbein iſt ebenfalls kleiner und ſein oberer am Naſenbein ſeiner Seite ſitzender Theil von viel geringerer Erſtreckung. Der duͤnnere 8 abſteigende Theil deſſelben bildet keinen Haken nach hinten, aber es befindet ſich an ſeiner Wurzel ein innerer Fortſatz, welcher den ſehr dicken hohen blaſigen, wohl netzfoͤrmig gegitterten, Muſcheltheil des Oberkieferknochens von oben berührt: 1 Die Gaumenbeine find von der Seite geſehen faſt dreieckig und in einen Winkel ſehr erhoͤht, aber die Hoͤhlung fuͤr den Mus— culus pterygoideus auf der Gaumenflaͤche iſt ſehr kurz, obgleich tief. Der Vomer iſt kuͤrzer, verborgener als bei den Reihern und ohne Laͤngsrinne. Die Verbindungsbeine, denen wie bei den Reihern die dritte Gelenkverbindung fehlt, weichen hinten mehr aus einander und ſind kuͤrzer als dort. Dem Paukenknochen fehlt der bei den Reihern vorkommende 224 III. Ordn. LXVII. Gatt. Störde. vierte untere Gelenkkopf; der freie innere oder Augenhoͤhlenfortſatz deſſelben iſt viel kuͤrzer, ſtumpfer und nicht ſpaltartig erweitert. Der Unterkiefer hat in den hohen Aeſten ein ovales von innen zum Theil verdecktes Queerloch; ſein ſpitzer Kinnwinkel reicht ebenfalls weit nach vorn und ſeine Aeſte enden hinten mit einer dreieckigen nicht ſchiefen Flaͤche, deren untere und innere abgerundete Ecke dem hintern und innern Fortſatz entſprechen. Der Hals, aus 15 Wirbeln beſtehend, iſt zwar laͤnger als der Rumpf, aber in weit minderem Grade als bei Ardea. Die Hals: wirbel find weit weniger ſchlank und werden in ganz andern Ver⸗ haͤltniſſen gebeugt; denn nur die beiden erſten Halswirbel und etwa die beiden letzten ſind der Beugung nach vorn oder unten fahig, alle übrigen laſſen bloß die Beugung nach hinten zu. Die Ruͤckenwirbel (7 bei Cic. alba und nigra) ſind wie ge⸗ woͤhnlich nicht mit einander verwachſen, nur der letzte verſchmilzt mit den Lendenwirbeln zu einem Stüd. Die Schwanzwirbel, 7 an der Zahl, haben ſtaͤrkere Queer— fortſaͤtze und zumal der letzte iſt groͤßer als bei Ardeen. Von den 7 Rippenpaaren haben fuͤnf den Rippenfno- chen und gelenken damit am Bruſtbein. Bisweilen ift noch ein ſechſter überzähliger und rippenloſer Rippenknochen vorhanden. Nur das vierte, fünfte und ſechste Rippenpaar haben den Rip— penaſt, welcher auf der folgenden Rippe mehr oder weniger auf— liegt. a a Das Bruſtbein iſt dem der Reiher aͤhnlich; es iſt wie dieſes viereckig und am Hinterrande jederſeits nur mit einer Hautbucht verſehen, aber es iſt etwas breiter, der Mittelgriff iſt weit kleiner und ſehr wenig ausgebildet, der Kiel nach dem Halſe zu ungemein und am meiſten erhoͤht, der vordere Rand des Kiels hat eine tief gehoͤhlte ſcharfrandige Grube, und die Aſymmetrie der beiden zur Aufnahme der Hakenſchluͤſſelbeine beſtimmten Gelenkflaͤchen iſt ſehr unbedeutend. Dieſe Schluͤſſelbeine kreuzen ſich naͤmlich nur ſehr wenig mit der innern Ecke ihres untern Randes. Der Gabelknochen iſt ſtaͤrker und mehr geſpreizt als der der Reiher; auch entbehrt derſelbe des dort vielleicht einzig vorkom— menden aufſteigenden unpaaren Fortſatzes gaͤnzlich. Sein kurzer Griff (oder unterer unpaarer Fortſatz) aber iſt mit dem Kiel des Bruſtbeins, wie es ſcheint durch Synchondroſe, verbunden. XII. Ordn. LXVII. Gatt. Storch. 225 | Die Schulterblätter find etwas breiter, ſtaͤmmiger und ſtum⸗ pfer als bei der mehr genannten Gattung. i Die Geruͤſte der Vorderglieder verhalten ſich faſt eben ſo wie dort; nur ſind ſie ſtaͤrker. Die Seitenleiſte des obern Endes des Oberarmknochens iſt mehr entwickelt; auch hat der Daumen ge⸗ woͤhnlich noch ein Krallenglied. i | Das Becken iſt im vordern Theil fehr flach, horizontal und breiter als bei Ardea; im uͤbrigen aber iſt es dem jener Gattung ähnlich. | Die Gerüfte der Hinterglieder zeigen faſt dieſelben Ver⸗ hältniffe, aber die Gelenkung des Unterſchenkels und Metatarsnz iſt in Schnell gelenk, wie niemals bei den Reihern; und die bei en letztern bemerkte ſehr ſonderbare Stellung und Verbindung des Wurzelgliedes des innern Vorderzehs mit dem Mittelfußknochen des . und dieſem ſelbſt findet hier durchaus nicht Statt. In Hinſicht der Pneumaticitaͤt des Skeletts iſt zumal be⸗ een daß nicht nur die bei den Reihern Luft fuͤhrenden Knochen, ſondern außerdem auch immer die Oberſchenkelkno— chen und bei den rieſenmaͤßigen Arten, als z. B. C. Mycteria, Argala, Marabu, ſogar auch die Knochen des Vorderarms und der Hand, alſo überhaupt alle Knochen der Vorderglieder mark: los und der Luft geoͤffnet find. *) In Anſehung der Muskulatur bemerke ich nur Folgendes. Der Musculus biventer cervicis, welcher ſonderbarer Weiſe den Reihern fehlt, iſt hier vorhanden, ſeine mittlere Sehnenſtrecke iſt ungemein lang. — Der M. costocutaneus (s. tensor patagii axillaris) iſt gar nicht ſo wie bei Reihern und Waſſerhuͤhnern und Kranichen an das Schulterblatt angeankert. — Der M. latissimus dorsi po- sterior geht in eine dünne Sehne über, welche ſich in zwei ſehr ges ſpreizte Aeſte theilt, von denen der eine an den Oberarmknochen, der andere in den innern ſehnigen Uiberzug des M. anconeus longus ſich inſerirt. — Der M. communicans patagii magni N. fehlt dieſer Gattung wie den Reihern. Ein kurzer Riegel von elaſtiſcher Subſtanz, welcher vor der aͤußern obern Leiſte des Oberarms zur — ; | ) „Dieſe Prreumaticität der ganzen Gerüſte der Vorderglieder habe ich zuerſt bei N dann aber auch bei Vultur, Neophron, Cathartes, ferner bei den eben genann⸗ ten großen Störchen und ſogar bei einer Gattung der Schwimmvögel, nämlich bei der Fregatte (Tachypetes) wahrgenommen. Es iſt ſolche alſo nicht ſo eigenthümlich für Buceros als ich früher geglaubt habe. Hingegen iſt mir von completter Pneumaticität aller Knochen der Hinterglieder außer den Kalaos noch kein Beiſpiel weiter vorge⸗ kommen.“ Nitzſch. gr Theil. 15 226 XII. Ordn. LXVII. Gatt. Storch. Sehne des M. tensor patagii magni longus geht, ſcheint einigerma⸗ ßen feine Stelle zu vertreten. — Der M. sterno ulnaris Cari, (für welchen ich ſchon die Benennung thoraco- ulnaris gebraucht, der aber vielleicht beſſer ulnoaxillaris heißen dürfte), iſt mit der lan⸗ gen duͤnnen Sehne vorhanden; dieſe geht durch eine ſehnige Seiten⸗ fläche des M. teres major, theilt ſich dann hinter dem Hakenſchluͤſ⸗ ſelbein in eine breiter geſpannte Queerſehne, die ſich mit dem untern Ende an den aͤußern Griff des Bruſtbeins, mit dem obern an das Hakenſchluͤſſelbein ſetzt. An den Hinterglied ern iſt der gracilis femoris (rectus cruris Meckel.), der den Reihern abgeht, wohl vorhanden; hingegen fehlt der peroneus brevis gaͤnzlich. Das große Gehirn iſt größer, gewoͤlbter, breiter, weit weni- ger geſtreckt und weniger horizontal gerichtet, die Corpora quadri- gemina und das kleine Gehirn ſind kleiner und mehr dem großen Gehirn untergeordnet als bei Ardea. Die ſogenannten Muſcheln des Geruchsorgans ſind wie beit den meiſten Voͤgeln bloß knorpelig. Die obere Muſchel iſt eine bloße ſchief perpendikulaͤre Einbiegung der knorpeligen Seitenwand der Naſe, ſie geht in die mittlere Muſchel ſo zu ſagen uͤber, oder bildet gleichſam den Stiel derſelben. Die mittlere Muſchel bil⸗ det eine lange lanzettfoͤrmige, vorn ſpitz zulaufende Lamelle ohne die geringſte Spur einer Einrollung oder Windung. Die vordere oder untere M. iſt weit kleiner und kuͤrzer; fie ent behrt ebenfalls jeder Einrollung und Seitenkante oder Leiſte, reicht noch nicht bis zum Naſenloch und kann von außen nicht geſehen werden. Die Naſendruͤſe liegt vorn in der Augenhoͤhle, aber nicht, wie bei Arden, oben an den Stirnbeinen; vielmehr iſt fie in per⸗ pendikulaͤrer Richtung an der Seite des Riechbeins gleichſam au gehaͤngt, indem ſie mit ihrem Ausfuͤhrungsgang, der auf der vor dern Muſchel vorn in der Naſenhoͤhle muͤndet, eine Hammerſth bildet. Die Harder ſche Shrämenpeite iſt rundlich, viel breiter als bei Ardea. Die äußere Thraͤnendruͤſe wie gewöhnlich klein und queer gegen ihren Ausfuͤhrungsgang gerichtet. Der Fächer im Auge bildet wenigſtens bei unſern einheimi- ſchen Arten 11 bis 13 Falten; er iſt ziemlich quadratfoͤrmig, doch auf der Hoͤhe kuͤrzer als an der Baſis. Der Gaumen der Störche iſt von ſehr ſonderbarem Anſehen. Die ſchmale faſt ungezaͤhnte Stufe oder Queerleiſte deſſelben zieht XII. Ordn. LXVII. Gatt. Storch. 227 ſich ſeitlich nach hinten und etwas nach außen, um von beiden Seiten ohne Unterbrechung in den gezaͤhnelten hintern Gaumenrand, der bei Ciconia nigra ſpitz und etwas zweilappig getheilt, bei Ciconia alba aber ungetheilt und abgerundet erſcheint, uͤberzugehen, und ſo eine zuſammenhaͤngende, die weite Choanenoͤffnung und Tuba Eustachiana einſchließende Figur zu bilden. Die Choanenoͤffnung iſt durch den Vomer, da dieſer ſehr hoch und verſteckt liegt, nicht ſichtbar getheilt, aber ſie wird nach vorn uͤber die Gaumenſtufe hinaus in eine ſchmale Spalte fortgeſetzt. Die Parotis oder Mundwinkeldruͤſe iſt klein, Länglie elliptiſch; fie liegt hinter oder unter der Zygome; ihr Ausfuͤhrungs⸗ gang iſt kurz. Gulardruͤſen habe ich nicht gefunden und ſchei— nen ſolche gaͤnzlich zu fehlen. Durch die ungemeine Kleinheit der Zunge unterſcheiden ſich die Stoͤrche (gleich den uͤbrigen Gattungen meiner Pelargi) gar ſehr von den Reihern und den meiſten uͤbrigen Wadvoͤgeln. Dieſe, ſo wie bei den Lipaglossis und Steganopodibus, mit der Groͤße und Laͤnge des Schnabels in gar keinem Verhaͤltniß ſtehende Kuͤmmerzunge iſt laͤnglich dreieckig, vorn ziemlich ſpitz, uͤberall ganz⸗ randig, glatt, nicht hornig; ſie geht ohne Unterbrechung in den Zungenhals uͤber und entbehrt eines abgeſetzten Hinterrandes, der nur etwa durch ein Paar kleine Tuberkel jederſeits einigermaßen an— gedeutet iſt. Sie iſt beim ſchwarzen Storch viel ſchmaͤler als beim weißen. Der Zungenkern entſpricht voͤllig in Figur und faſt auch in Größe der Zunge, nur daß er hinten abgeſetzt iſt, und feine Sei: tenecken deutlich ſind. Sein hinterer (bei Cic. nigra der Laͤnge nach getheilter) Theil iſt knoͤchern, der vordere knorpelig. Der Zungenbeinkoͤrper iſt kurz, nach hinten ſehr verbreitet; der Zungenbeinſtiel unbeweglich mit ihm vereint, kurz, ganz oder nur an der Spitze knorpelig und die Zungenbeinhoͤrner ſehr duͤnn, maͤßig groß, ihr zweites Stuͤck ſehr kurz. Der Schlund iſt laͤngs des Halſes unbeſtimmt erweitert, aber ſo anſehnlich, daß er auch ſchon bei unſern Stoͤrchen eine ziemliche Menge Fiſche oder Froͤſche faſſen kann. Der Vormagen, der ſich ſchon aͤußerlich vom Schlund und eigentlichen Magen leicht unterſcheiden laͤßt, hat wegen der ſtarken hohen Druͤſen ſehr dicke Waͤnde. Seine innere Haut iſt glatt und derb, ſo daß die Druͤſen hauptſaͤchlich nur durch ihre anſehnlichen Veſſnungen bemerklich werden. 15 228 XII. Ordn. LXVII. Gatt. Storch. Der eigentliche, oft ſehr prall angefuͤllte Magen gleicht dann einem gedruͤckten hollaͤndiſchen Kaͤſe. Er iſt, obgleich aͤußerlich je: derſeits mit glaͤnzender Sehnenſcheibe und am ſtumpfen Rande mit rothen in jene uͤbergehenden Muskelfaſern verſehen, doch eigentlich ein dehnbarer ſogenannter Hautmagen. Vor dem Urſprunge des Darms bildet derſelbe einen kleinen Seiten- oder Nebenmagen, der aber weder die Laͤnge und das dornaͤhnliche Anſehn, noch die kleinen Diverticktl — oder Blinddarmmartigen Buckel zeigt, welche man an dem Nebenmagen der Reiher bemerkt. Die Duodenalſchlinge iſt ſehr lang (bei Cic. nigra 1 Fuß 2 Zoll) und am Ende noch umgebogen. | Die Lange des ganzen Darmkanals iſt nicht ſo betraͤcht— lich als bei den Reihern. Die Blinddaͤrme, deren immer zwei find, find ſehr kurz oder ganz winzig klein und dann um ſo leichter zu uͤberſehen, als ſie mit dem Darm verwachſen ſind. Das in der Nähe der Mitte der Darmlaͤnge befindliche Di— vertikel iſt meiſt ſehr klein und vielleicht nicht beſtaͤndig. Die Bursa Fabricii fand ich hier, wie ſonſt, nur bei jungen und jugendlichen Individuen. Die innere Flaͤche des Darmkanals zeigt durchaus kurze, dichte Zotten, keine Falten. Das Pankreas beſteht nur aus einem einfachen ſchmalen Lap⸗ pen, welcher viel kuͤrzer als die Biegung des Duodenums iſt, in der es liegt. Ich fand nur zwei Ausfuͤhrungsgaͤnge, welche dicht bei den beiden Gallgaͤngen mit dieſen alternirend in den Darmkanal einmuͤnden. Ich habe das Pankreas einige Male bei freilich nicht mehr friſchen Eingeweiden des weißen und ſchwarzen Storchs nicht finden koͤnnen, wage aber nicht zu behaupten, daß daſſelbe wirk— lich gefehlt habe, was freilich ganz unerhoͤrt waͤre. Die beiden Leberlappen ſind kurz, breit, faſt ſo gleich wie bei Raubvoͤgeln, ja der linke bisweilen groͤßer als der rechte. Die laͤnglichrundliche Gallblaſe ſcheint bisweilen individuell zu fehlen. Die Milz fand ich bald rund, bald elliptiſch, bald am vor: dern Ende zugeſpitzt nach individueller Verſchiedenheit. Das Herz iſt dicker und groͤßer als das der Reiher. — Beide Carotiden laufen wie gewöhnlich dicht neben einander, von Mus: keln verdeckt, vorn am Halſe in die Hoͤhe. Sie ſind nie verſchmolzen. Der vom Hinterrande der Zunge ſehr wenig entfernte obere Kehlkopf iſt hinten dreitheilig; der mittle Theil wieder der Laͤnge XII. Ordn. LXVII. Gatt. Storch. 229 nach durch Furchung getheilt und in der Furche doppelt gezaͤhnelt, nach ſehr gewoͤhnlichem Verhaͤltniß. In der Stimmritze ſieht man einen erhabenen ſchmalen Laͤngskiel der pars thyreoidea. Eine beſondere Auszeichnung der Stoͤrche und vielleicht der ganzen Storch familie bildet die Luftroͤhre, zumal in Anſehung des mangelnden untern Kehlkopfs und der bedeutenden Laͤnge und Rigiditaͤt der Bronchien. Sie iſt an der Schlund— ſeite platt, uͤberhaupt von vorn nach hinten gedruͤckt und mit den gewöhnlichen hier ſehr ſchmaͤchtigen Sternotrachealmuskeln ver— ſehen; aber die eigentlichen Muskeln des untern Kehlkopfs und die— ſer ſelbſt fehlen wie jede innere und aͤußere Schallhaut oder haͤuti— ges Fenſter gaͤnzlich. Die Ringe der Trachea ſind in der groͤßten Strecke derſelben abwechſelnd an der einen oder andern Seite brei— ter, uͤbrigens durchaus knorpelig, zumal an der hintern Flaͤche weich, und gegen einander beweglich und einſchiebbar. Aber die der letzten Strecke ſind ſehr ſchmal, gedraͤngt, hinten faſt ſtarr, vorn weicher, und hier biegt ſich die Luftroͤhre leicht knieartig ein, Behufs der ge— rade da geſchehenden Beugung des Halſes nach unten. An den anfangs dicht neben einander herabſteigenden Bronchien ſind nicht nur die ſchmalen ganz vollſtaͤndigen theils erhabenen Ringe, ſondern auch die breitern Zwiſchenraͤume derſelben knorpelig und beide bilden im ununterbrochenen Continuum ein hohles unverkuͤrzbares Knor— pelſtuͤck, welches nach Zuſammendruͤckung elaftifch fein voriges Lu- men (nach Art der Inſectentracheen) wieder herſtellt. Sobald die Bronchien in die Lunge eintreten, ſcheinen alle Knorpelringe aufzu— hören. Eben dieſe langen rigiden Bronchien zeigen eine beim ſchwar— zen Storch ſehr auffallende feruelle Verſchiedenheit, indem fie bei dem Maͤnnchen dieſer Art jederſeits eine ſehr ſtarke Sfürmige Bie— gung machen, die bei dem Weibchen kaum angedeutet, auch bei dem maͤnnlichen weißen Storch nicht ſehr merklich iſt. Die eingeathmete Luft dringt aus den vordern Luftzellen des Rumpfes durch die Achſelhoͤhle und erfuͤllt da wenigſtens einige Raͤume am Oberarm zwiſchen den Bruſt- und Schultermuskeln, wenn ſie nicht wie bei den großen Arten ſich an den Vordergliedern noch viel weiter und faſt bis zu Ende derſelben erſtreckt. Bei eben dieſen großen Stoͤrchen fand ich auch pneumatiſche Unterhautzellen zwiſchen den Federſpuhlen an Schultern, Fluͤgeln und Ruͤcken, jedoch nur mit ſparſamen runden Oeffnungen. Die Nieren der Stoͤrche ſind merklich von denen der Rei— her verſchieden. Der vordere Lappen iſt ſehr rundlich und tritt noch 230 XII. Ord. LXVII. Gatt. 257. Storch. mehr wie der groͤßere laͤngliche hintere, am Außenrande uͤber den ſchmalen mittlern Lappen hervor. Die bei den Reihern in der Regel Statt findende Verſchmelzung der hintern Strecke beider Nie— ren findet ſich, ſo viel ich geſehn, hier niemals. Vorzuͤglich merk— wuͤrdig aber iſt, daß die Nieren der Stoͤrche von der Schenkel— vene durchbohrt werden, was bei allen Paſſerinen und einigen Nicinen, aber bei den Waſſervoͤgeln (d. i. Sumpf- und Schwimm⸗ voͤgeln) ſonſt kaum oder nicht der Fall ſein duͤrfte. Die Weibchen haben nur den linken Eierſtock. Die Männ- chen laͤngliche abgerundete Hoden, von denen der linke immer groͤßer, zumal laͤnger, als der rechte zu ſein ſcheint. Auch iſt bei den Maͤnnchen eine kleine zungenfoͤrmige Ruthe vorhanden, welche vorn im After zuruͤckgezogen liegt.“) Die Oeldruͤſe auf dem Schwanz iſt maͤßig groß, ziemlich flach, abgeſtutzt-herzfoͤrmig; der Zipfel dick, breit, nicht abgeſetzt; die Endflaͤche deſſelben mit drei bis ſieben Oeffnungen und einem Doppelkranz von Doldenfedern um dieſelben fuͤr jede Halbdruͤſe. So nach Unterſuchung der Ciconia alba und nigra, und der Skelette und Haͤute von Ciconia Mycteria, Marabu, Argala und anderer.“ Nitzſch. * ** * Die Gattung der Stoͤrche iſt nicht ſehr zahlreich an Arten, und in Europa kommen nur drei vor. Da jedoch die eigentlich in Suͤdamerika wohnende, nur erſt ein paar Mal in Frankreich erlegte Ciconia Maguari Temm. meines Wiſſens in Deutſch— land noch nicht vorgekommen iſt, ſo haben wir hier bloß 3 we ji Arten 9 Eine ähnliche aber verhältnißmäßig größere, auf der Unterfläche mit einer deutli⸗ chen Rinne verſehene Ruthe fand ich eben da bei der Gattung Crypturus. Nitzſch. Der, weiße Stor ch. Ciconia 231 B a. Briss. Fig. 1. altes Maͤnnchen. ne | dig. 2. junges Weibchen. Storch, gemeiner —, bunter Storch, Stork, Stuhrk; Adebar, Aehbaͤr, Odeboer oder Odebaͤr, Ebeher, Ebiger, Ebinger, Honnot— ter; Langbein, Langbeen, Klapperbein; bei uns zu Lande: Klap— perſtorch oder Klapperſtork. Ciconia alba. Briss. Orn. V. p. 365. n. 2, t. 32. — Bechſtein, Naturge⸗ ſchichte Deutſchl. IV. S. 82. 1 ciconia. Linn. Faun. suec. p. 162. — Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 622. n. 7. — Retz. Faun. suec. p. 167. att 1 Ind. II. p- 676. n. 9. — Nilss. Orn, suec. II. p. 31. n. 154. — La Cicogne blanche. Buff. Ois. VII. p. 253. t. 12. — Edit. de Deuxp. XIII. p. 311. t. V. 715 1. = R. pl. enl. 866. — Gerard Tab. lem. II. p. 149. — Temminck, Man. nouv. Edit. II. p. 369. Mile Stork. Lath. Syn. V. p. 47. — Id. Supp. I. p. 234. — Uiberſ. v. Bechſtein. III. 1. S. 25. n. 9, — Penn. aret. Zool. II. p. 455, — Uiberſ. v. Zimmermann II. S. 424. C. — Bewick. brit. Birds. II. p. 32, — Cicog ns bianca. Stor. deg. Uce. IV. Tav. 334, — Savi, Orn. tose. II. p. 336. — Bech⸗ fein, ornith. Taſchenb. II. S. 269. n. 1. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 345. — Meyer, Vög. Liv» u. Eſthlands S. 185. — Meisner u. Schniz, Vög. d. Schweiz. S. 194. n. 18 Koch, Baier. Zool. I. S. 329. u. 203. — Brehm, Lehrb. II. S. 535. — Deſſen, Beiträge III. S. 106, — Deſſen, Natur geſch. a. V. Deutſchl. S. 573 575. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 49. u. 211. — Landhed, Vög. Würtembergs, S. 57. u. 198. — Friſch, Vüg. Taf. 196. D — Naumanns Vög, alte Ausg. III. S. 101. Taf. XXII. Fig. 31. Männchen im Frühlinge. 232 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Kenn zeichen der A rt Weiß (auch der Schwanz); bloß die laͤngſten Schulterfedern, die Schwingen und großen Fluͤgeldeckfedern ſchwarz; die nackte Haut um das Auge ſchwarz und glatt. Beſchreibung. Der weiße Storch iſt mit einem andern einheimiſchen Vogel nicht zu verwechſeln. Der amerikaniſche Storch (Ciconia ame- ricana s. Maguari), welcher auch ſchon einige Mal in Europa er⸗— legt worden iſt, unterſcheidet ſich leicht durch das Schwarz am Schwanze, durch die groͤßere und dabei warzige nackte Umgebung der Augen, welche auch nicht ſchwarz, ſondern roth iſt; durch den etwas aufſteigenden, anders gefaͤrbten Schnabel; durch den ſtarken Metallglanz des Schwarzen auf den Fluͤgeln u. ſ. w., obgleich auch bei ihm die Hauptfarbe weiß iſt. 8 Er iſt einer unſrer groͤßeſten Voͤgel und ſcheint, wegen ſeines langen Halſes und Schnabels, ſeiner ſehr hohen Beine, und der langen, breiten Fluͤgel dies noch mehr zu ſein, indem ſein Rumpf lange nicht dem einer Hausgans nahe koͤmmt, kaum die Groͤße des eines tuͤrkiſchen oder Biſam-Entrichs (Anas moschata) erlangt und der ganze große Vogel nur zwiſchen 6 und 8 Pfund wiegt. f Die Laͤnge eines recht großen alten, maͤnnlichen Storchs dieſer Art iſt (ohne Schnabel) 3 Fuß 1 bis 2 Zoll, wovon auf den Hals 13 Zoll, auf den Schwanz 10 Zoll abgehen; die Flug⸗ breite 7 Fuß 2 Zoll; die Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, 2 Fuß 1 Zoll. Die ruhenden Fluͤgel ragen mit den Spitzen nur ein wenig uͤber das Ende des Schwanzes hinaus. Bei weiblichen Voͤgeln der Art, die ſtets etwas ſchwaͤchlicher, koͤnnen Laͤngen- und Breitenmaaße um einige Zoll weniger betra— gen. Noch auffallender iſt dies bei kaum einjaͤhrigen weißen Stoͤrchen, wovon manche kaum 2½ Fuß Länge und 6 Fuß Breite haben, ſolche aber deshalb ſchon ſehr auffallen, auch, wenn ſie bereits ein halbes Jahr zuruͤckgelegt haben, ſelten ſo vorkommen. Daß uͤbrigens die Ausmeſſungen eines ſo großen Vogels be— deutend differiren koͤnnen, darf nicht verwundern, da auf die Art — XII. Ordn.[LXVU. Gatt. 258. Weißer Storch. 233 des Meſſens und Ausdehnens beim friſchen Vogel gar viel ankoͤmmt, und daß zumal bei Ausgeſtopften oder Baͤlgen noch groͤßere Ver⸗ ſchiedenheiten vorkommen koͤnnen, weiß jeder, wer ſolches verſucht und Vergleiche angeſtellt hat. Obige, ſo wie die folgenden, ſind an friſchen Exemplaren genommen. Am Kopfe und Halſe find die Federn ſchmal und ſehr zuge⸗ ſpitzt, beides am letztern am meiſten und am Vorderhalſe, unten am Kropfe ſind ſie um Vieles groͤßer, laͤnger, die laͤngſten bei den Alten 7 Zoll, und dieſe bilden einen großen, flatternden, die Bruſt⸗ hoͤhle uͤberſchattenden Buſch; das übrige kleine Gefieder iſt nicht be- ſonders dicht und ziemlich weich. Die ſehr großen Fluͤgel haben ſehr lange Armknochen und ſtarke Schwingfedern; die erſter Ord— nung find bedeutend lang, mit ſehr ſtarken, etwas nach innen ge: bogenen Schaͤften; ihre breite Innenfahne wird, wie bei vielen Raub⸗ voͤgeln, nicht weit von der Wurzel ſogleich viel ſchmaͤler und ſie laufen nun in gleicher Breite in die Spitze aus; die vorderſte iſt beinahe 2 ½ Zoll kuͤrzer als die zweite, dieſe nur ½ Zoll kuͤrzer als die dritte, welche mit der fuͤnften gleiche Laͤnge hat, und die vierte, als die laͤngſte von allen, ragt über fie etwa / Zoll vor; dies wuͤrde eine ſehr abgerundete Fluͤgelſpitze geben, wenn dieſe Fe⸗ dern nicht ſo ſchmal in die Spitze uͤbergingen, daß ſie ſich bei ganz ausgebreiteten Fluͤgeln, namentlich wenn der Vogel ſchwebt, oft fingerfoͤrmig ausbreiten. Die der zweiten Ordnung ſind weniger hart und dabei viel kuͤrzer und außerordentlich breit, gegen das Ende wenig ſchmaͤler und dieſes kurz abgerundet; die der dritten Ordnung noch weicher und an den Enden ſchmaͤler; die groͤßten Schulterfedern den Schwingen zweiter Ordnung aͤhnlich. Die Laͤnge der Oberarm— knochen macht, daß bei zuſammengefalteten Fluͤgeln die Schwingfe⸗ dern der erſten und letzten Ordnung von einerlei Laͤnge zu ſein ſcheinen. Der kurze Schwanz beſteht aus 12 faſt gleichbreiten, kurz ab⸗ gerundet oder faſt gerade endenden Federn, von welchen die aͤußer⸗ ſten uͤber 1 Zoll kuͤrzer als eine der mittelſten ſind, und bis zu dieſen ſtufenweis an Laͤnge zunehmen, wodurch das Schwanzende abgerundet erſcheint. Der Schnabel iſt anſehnlich groß, lang und ſtark, nach Ber: haͤltniß viel größer, dicker und runder als ein Reiherſchnabel. Er läuft vom Kopfe an von allen Seiten verjuͤngt allmählich in die nicht ſehr ſcharfe Spitze aus; bildet, von der Seite betrachtet, von der ganz flachen Stirn an, wo er ſehr hoch iſt, an der Firſte wie 234 XH. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. am Kiel eine beinahe ganz gerade Linie, die nur nach vorn, unten wie oben, ſich ein wenig ſchneller gegen die Spitze neigt; von oben geſehen faͤllt er an der vordern Haͤlfte viel ſchmaͤler, obgleich lange nicht ſo arg als bei Reihern. Seine Flaͤche iſt ganz glatt, die ſehr ſcharfen Schneiden ziemlich eingezogen, die Kehlſpalte hinten weit und auf zwei Drittheile der Schnabellaͤnge im Kiel vorlaufend; die⸗ ſer und die Firſte zwar ſchmal, aber abgerundet; die Schneide des Oberſchnabels vor der Spitze mit einem kleinen Ausſchnitt. Das Naſenloch liegt in der Schnabelmaſſe, nahe an der Stirn, dem Ruͤcken viel naͤher als der Mundſpalte, als ein in der Mitte etwas erweiterter, durchſichtiger Ritz, und verlaͤuft als ſehr unbedeutende, kaum ſichtbare Furche ſehr bald auf der Seitenflaͤche des Schnabels. Der Rachen iſt ſehr weit, und wegen der ungemein dehnbaren, nackten Kehlhaut ſehr tief. Er iſt bei alten Voͤgeln 71], bis über 8 Zoll lang, an der Wurzel im Durchſchnitt gute 1½ Zoll hoch und 1 ½ Zoll breit, bei ausgewachſenen Jungen bedeutend kuͤrzer, ſchwaͤcher auch ſtumpfer zugeſpitzt. Die Farbe des Schnabels iſt ein praͤchtiges Zinnoberroth, gegen die Spitze hin etwas heller, dieſe nicht ſelten gelblich; der innere Schnabel hoch zinnoberroth, der Rachen, Zunge u. ſ. w. hoch gelb— roth; die nackte Kehlhaut iſt vom Anfange des Kinns bis wo an den Seiten der Unterkinnlade die Federn anfangen, ſchwarz, und dieſes ſchneidet ſcharf ab von dem Hochroth der uͤbrigen Kehlhaut, die aber von der Mitte herauf mit weißen Federn bekleidet iſt, ſo daß ſich das Roth nur dann ſtaͤrker zeigt, wenn der Kehlſack recht angefuͤllt iſt. Die Zuͤgel ſind in einem ſchmalen Streif, welcher aber um das Auge ſtark erweitert iſt und hinter demſelben ſpitz endet, nackt, glatt und ſchwarz, nur unter dem Auge zeigt ſich zu— weilen auch ein hochrothes Randfleckchen. Die Haut des ganzen Vogels iſt ſchoͤn gelbroth, am ſchoͤnſten am Kopfe und Halſe, blei— cher an den Fluͤgeln, und an den untern Theilen geht ſie in Fleiſch— farbe uͤber. a Am jungen Vogel iſt im Anfange das Roth des Schnabels ſehr bleich, zumal ſpitzewaͤrts, auch hin und wieder grau gemiſcht, der innere Schnabel nur fleiſchartig, die Zuͤgel- und Kehlhaut grau— ſchwarz; mit zunehmendem Alter wird dieſes aber dunkler, das Roth lebhafter, bis es im zweiten Lebensjahr in ſchoͤnes geſaͤttigtes Zin— noberroth uͤbergeht. Im Tode wird das Roth des Schnabels ein wenig dunkler. dem Karminroth aͤhnlicher; iſt es aber voͤllig ausgetrocknet, wie bei XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258 Weißer Storch. 235 Ausgeſtopften, ſo wird es bleicher, gelblicher, doch ſtets nur in ſo weit, daß es ſelbſt nach langen Jahren noch ein recht huͤbſches Roth bleibt. Freilich iſt es am lebenden Vogel, zumal im Fruͤhjahr, um Vieles ſchoͤner und hier eine wirkliche Prachtfarbe zu nennen. Das Auge iſt etwas klein und hat einen dunkelnußbraunen Stern, welcher bei den nicht lange ausgeflogenen Jungen braun⸗ grau, in fruͤhſter Jugend blaßgrau iſt. An 0 ſind die nackten Augenlidraͤndchen meiſtens graugelblich. Die Fuͤße ſind ſehr lang und ſtark, te über den Ferſen und an den Gelenken, auch runder oder weniger zuſammengedruͤckt als bei den Reihern; die Zehen auch kuͤrzer und ſtaͤrker, die vordern mit zwei Spannhaͤuten, von welchen die aͤußere reichlich bis an's erſte Gelenk reicht, die der innern Zeh aber nur etwa halb ſo groß als jene iſt. Die kleinliche, ſchwache Hinterzeh iſt ebenfalls viel kuͤrzer als bei den Reihern, zudem nicht in einer Ebene mit den Vorderzehen liegend, doch auch nicht hoͤher geſtellt, als daß ſie auf hartem Boden zu zwei Drittheilen ihrer Laͤnge nach vorn aufliegt. Die Zehen haben keine auffallenden Gelenkballen, eine gleichfoͤrmige, etwas platte Sohle und laufen gegen das Ende ziemlich ſchwach aus. Der Uiberzug der Fuͤße iſt durchaus gegittert, vorn herab am groͤbſten, (das Gitterwerk beſteht meiſtens in ſechseckigen Schild— chen) die Zehen ausgenommen, welche auf dem Ruͤcken kurze, breite Schilder, unten koͤrnige Waͤrzchen haben. Die Krallen ſind wahre Naͤgel, ſtark gewoͤlbt, faſt oval, bloß ihr vorderer ſcharfer Rand und an der Mittelzeh der auf der innern Seite ſtehen etwas vor, ſonſt liegen ſie ganz auf der Spitze der Zehen feſt auf und ſind offenbar bloß zum Schutze dieſer da, wie die menſchlichen Naͤgel. Der Unterſchenkel (Tibia) iſt uͤber die Haͤlfte nackt und dieſer Theil, von den Federn bis auf das halbe Ferſengelenk, mißt 5 ½ Zoll und drüber; der Lauf 9 bis 9 ½ Zoll; die Mittelzeh, mit dem 5 Linien langen Nagel, 37, Zoll; die Hinterzeh, mit dem 5 Linien langen Nagel, 13/8 Zoll. Die Farbe der Fuͤße iſt ein praͤchtiges Snmebehboskl, in den Zwiſchenraͤumen der Schildchen weißlich. Sie behalten auch, wenn ſie ſanft getrocknet wurden, dieſe Farbe, ſie wird aber blaſſer und nach Jahren gelblicher. Die Naͤgel ſind roͤthlichdunkelbraun, an den Schneiden etwas lichter. Bei jungen Voͤgeln haben ſie ein bleicheres Roth, fruͤher iſt dies noch bleicher, auf den Zehenſchildern ſchwaͤrzlich, auch oft vorn an den Laͤufen ſchwarzgrau gefleckt. 236 XII. Ordn. LXVII. Satt. 258. Weißer Storch. Das Gefieder dieſes Vogels hat nur zwei Farben; ſaͤmmtliche Schwingfedern, die Fittig⸗-Deckfedern, die Daumenfedern, die gro⸗ ßen Fluͤgeldeckfedern (d. i. die erſte Reihe über den Schwingen) und die laͤngſten oder groͤßeſten Schulterfedern, ſind tief ſchwarz, bei recht Alten oft auf der Mitte des Flügels mit ſchwachem farbi- gen Stahlglanze, die der zweiten Ordnung auf den Auſſenfahnen (im friſchen Zuſtande) aſchgrau uͤberpudert; alle ſchwarzen Federn auf der untern Seite ebenſo nur matter, und ins Schwarzbraune ſpie⸗ lend; das ganze uͤbrige Gefieder, vom Kopfe bis zum Schwanze, auch die mittlern und kleinen Fluͤgeldeckfedern, der Fluͤgelrand und die Deckfedern unter den Fluͤgeln, weiß, ohne alle Flecke, aber an den Enden der Federn meiſt mit einem gelblichen Anfluge, welcher wol von Auſſen koͤmmt, weil die Oberflaͤche jeder Feder, zumal ſpitze⸗ waͤrts, ſehr weich iſt und fremden Schmutz ungemein leicht annimmt. Daher kommt es auch, daß junge, friſch vermauſerte Voͤgel bei ihrer Ankunft im naͤchſten Fruͤhjahr viel weißer und reiner ausſehen als gewoͤhnlich die Alten. Zwiſchen beiden Geſchlechtern iſt kein anderer Unterſchied im Aeußern als der der Größe, indem, wie ſchon erwähnt, das Männ- chen oft um ein Betraͤchtliches groͤßer iſt als das Weibchen; er wird jedoch auch oft nur dann auffallend, wenn man beide beiſam⸗ men hat. \ Im Spätfommer ift das Gefieder am ſchlechteſten, das Weiße ſehr beſchmutzt, an den Enden verſtoßen, das Schwarze fahler ge— worden, und beſonders hat ſich das Aſchgrau auf den mittlern Schwingfedern, das ſeinen Sitz in einem ſehr empfindlichen Sam— metuͤberzuge dieſer Federn hatte, abgerieben und iſt meiſt ſpurlos verſchwunden. Uibrigens darf nicht unbemerkt bleiben, daß dieſer graue puderartige Anflug bei aͤltern Voͤgeln viel ſchwaͤcher iſt als bei juͤn gern. Das Jugendkleid gleicht ganz dem der aͤltern Voͤgel, in den Farben, wie nach ihrer Vertheilung; das Unvollkommnere des Gefieders, namentlich des weißen, macht ſie jedoch leicht kenntlich, welches die blaſſere Farbe des Schnabels und der Beine, die Kuͤrze und geringere Haͤrte des erſtern, und die dickern Ferſengelenke der letztern, wie uͤberhaupt die geringere Koͤrpergroͤße unterſtuͤtzen. Der gepuderte Anflug auf den Auſſenfahnen der Schwingfedern zweiter Ordnung iſt bei ihnen viel ſtaͤrker und von einer hellern, faſt weiß: grauen Farbe. Wenn ſie noch im Neſte ſitzen, hat ihr Schnabel noch wenig Roth, die Fuͤße kaum einen roͤthlichen Schein unter dem XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 237 gelblichen Grau; beide haben dann noch lange nicht ihre eigentliche Groͤße und wachſen langſam erſt mit dem uͤbrigen Koͤrper heran. Im Dunenkleide haben die jungen Stoͤrche am Schnabel und an den Fuͤßen eine gelblichgraue Farbe, ihre Augenſterne ſind weiß⸗ grau, die dichten wolligen Dunen, welche auf dem Kopfe und Ruͤcken am laͤngſten ſind und ſich ſeidenweich anfuͤhlen laſſen, ſehen einfar⸗ big grauweiß aus. Es waͤhret lange, ehe die wirklichen Federn her⸗ vorkeimen, von welchen die an den Fluͤgeln und dem Schwanze am erſten, die am Halſe und an dem Unterleibe zuletzt ſich zeigen. Die Manſer geht, wie bei andern großen Voͤgeln, ſehr lang⸗ ſam von Statten und die jungen Stoͤrche wechſeln im Laufe des erſten Winters ihr kleines Gefieder nicht ein Mal vollſtaͤndig mit neuem, waͤhrend man auch bei den Alten faſt zu jeder Jahreszeit alte und neuhervorkeimende Federn findet, dies am meiſten jedoch im Spaͤtſommer und am wenigſten im Fruͤhlinge. An den Enden der alten Schwing- und Schwanzfedern ein Jahr alter Stoͤrche findet man die Baͤrte oft ſo ſtark abgeſtoßen, daß die Schaftſpitzen ganz davon entblößt find. Aufenthalt. Der weiße Storch iſt über viele Laͤnder der alten Welt verbrei- tet und bewohnt Europa vom ſuͤdlichen Schweden an bis an die ſuͤdlichen und weſtlichen Grenzen unſres Erdtheils, das ganze mittlere Aſien bis zum 50 ſten Breitegrade hinauf, haͤufig die Ge⸗ genden am Irtiſch und an andern großen Fluͤſſen im waͤrmern Si⸗ birien, die Tartarei, die Gegenden um das kaspiſche und ſchwarze Meer, Perſien, Syrien und viele andere, ſelbſt Japan. Be⸗ merkenswerth iſt, daß er in Europa hoͤher nach Norden hinaufzu⸗ gehen ſcheint, indem er in Schweden noch unter dem 57. Grade n. B. nicht ganz einzeln erſcheint. Er iſt ferner in Afrika, in der Berberei, Aegypten und andern Laͤndern bis gegen den Wendekreis hin verbreitet. Im gemaͤßigten Europa koͤmmt er in geeigneten Lagen in allen Ländern vor, nur England ſcheint fon: derbarerweiſe davon wo nicht ganz ausgenommen, ihn jedoch we⸗ nigſtens unter die ſelten vorkommenden Voͤgel zu zaͤhlen. In Un⸗ garn iſt er auch nur in den bewohntern Gegenden ziemlich gemein, in den einſamen aber ſelbſt auf dem Zuge nicht haͤufig. 238 XII. Ordn. LXVIL Gatt. 258. Weißer Storch. Unſer Storch iſt in vielen Gegenden Polens, Preußens, in den diesſeitigen Oſtſeelaͤndern, in Daͤnemark, den daͤniſchen Herzogthuͤmern u. ſ. w. ungemein haͤufig, dies am allermeiſten jedoch in den Laͤndern laͤngs der Nordſee, namentlich in den Mar— ſchen von Holſtein, Hanover, Oldenburg und in Holland. Ihre Menge ſetzt dort hin und wieder in Erſtaunen, z. B. in den Vierlanden vor Hamburg, wo man ihre Neſter ſchon in ſehr großer Anzahl, aber noch in keinem Vergleich mit denen in Ditt: marſchen ſieht, wo ſelten ein abgeſondertes Haus oder Gehoͤfte ohne ein Storchneſt iſt und in den groͤßern Orten oder Flecken noch viel mehrere ſolcher zu zaͤhlen ſind. Im alten Friesland und Weſtphalen giebt es gar viele ſolcher nicht minder haͤufig von Stoͤrchen bewohnter Striche und ſelbſt das mittlere Deutſchland hat deren genug, wo ſie, wenn auch nicht ſo haͤufig vorkommen, doch zu den allbekannten Voͤgeln gehoͤren. Auch Suͤddeutſch— land und die Schweiz ſind in manchen weniger gebirgigen Ge— genden nicht davon ausgenommen, und obgleich im letztern Lande der Storch in allen gebirgigen Theilen gaͤnzlich unbekannt iſt, ſo iſt er doch auch wieder in einem tiefen, flachen Striche des Cantons Aargau ſo zahlreich anzutreffen, wie in manchen norddeutſchen Laͤn derſtrichen. Die hieſige Gegend und das geſammte Anhalt gehoͤrt zwar nicht zu ſolchen, doch ſieht man in den tiefern Lagen und in der Naͤhe der Flußauen hier und da niſtende Storchpaͤaͤrchen und in der Zugzeit große Schaaren durchwandern, ſo daß der große ſchoͤne Vogel hier ebenfalls zu den allgemein gekannten gehoͤrt. Unſer Storch ſcheuet zu große Hitze, wie zu heftige Kaͤlte, und lebt daher in einem gemaͤßigten Klima, das er immer haben kann, weil er, mit den kraͤftigſten Flugwerkzeugen verſehen, als Zugvo— gel ſeine noͤrdlichſten Wohnorte gegen Beginn der kalten Jahreszeit verläßt, einem ſuͤdlichen Himmelsſtriche zuwandert, dort uͤberwin— tert und mit Eintritt der warmen Jahreszeit wieder an die erſten zu= ruͤckkehrt. Dies geſchiehet regelmaͤßig alle Jahr und Ausnahmen ſind ſehr ſelten. Man hat zwar hin und wieder einen einzelnen Storch noch im Winter bemerkt, aber auch beobachtet, daß ein fol- cher bei Eintritt heftiger Kaͤlte, weil dieſe ihm alle Nahrung entzog, ſein Leben einbuͤßte. Bei genauer Unterſuchung fand ſich jedoch ge— woͤhnlich, daß ſolche Zuruͤckgebliebene nicht vollkommen geſund ge— weſen waren, und daß Mangel an Kraͤften und Vertrauen ſie ab— gehalten hatten, die Reife mit den Uibrigen zu machen. Sehr merk— wuͤrdig in dieſer Hinſicht iſt eine Beobachtung uͤbre ein Storchpaar * XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 239 im Vorarlbergſchen, wovon das Weibchen mehrere Winter nicht wegzog, bis ſich endlich auch ſein Maͤnnchen verleiten ließ dazublei⸗ ben, beide ſo, drei Jahr nacheinander, die damals eben nicht gelin— den Winter aushielten, im letzten Winter aber von hartherzigen Menſchen getoͤdtet wurden, wo ſich dann ebenfalls ergab, daß das Weibchen, durch eine fruͤhere Wunde an der Flugkraft geſchwaͤcht, vom Wegziehen abgehalten worden war. Das geſunde Maͤnnchen, was die erſten 3 Jahre im Fruͤhlinge immer wieder zu feiner zu: ruͤckgelaſſenen Gattinn wiederkehrte, und die Sommer in geſegneter Ehe mit ihr verlebte, blieb endlich drei Winter nacheinander, aus treuer Liebe zu feiner Gattin, auch da, um die Gefahren zu thei- len, die ihnen moͤglicherweiſe ein hieſiger Winter bereiten konnte und die auch beide im letzten ereilten. Uiber die Wanderungen des Storchs ſind viele Beobachtungen gemacht. Die Zeit der Ankunft wie der Abreiſe iſt jedoch nicht auf einen beſtimmten Tag feſtgeſetzt, wie dies wol hin und wieder der gemeine Mann noch waͤhnt, im ſuͤdlichen Deutſchland meint: Pe⸗ tri Stuhlfeier (den 22ſten Februar), hier zu Lande aber glaubt: am Tage Gregorius (den 12ten März) muͤſſe der Storch un: fehlbar erſcheinen, auf Jakobi (den 25 ſten Juli) das Neſt ver: laſſen u. ſ. w. Sie richtet ſich, wie bei andern Zugvoͤgeln, theils nach der Witterung und Wärme, theils nach der mehr oder weni— ger noͤrdlichen Lage der Gegenden. In der unſrigen kommen ſie nur in zeitig warmen Fruͤhlingen im Anfang des Maͤrz, in den meiſten Jahren aber erſt um die Mitte deſſelben, in ſuͤdlicher gele⸗ genen noch vor Ende des Februar, in noͤrdlichern ſelten vor Anfang April, in Schweden erſt in der letzten Haͤlfte dieſes Monats oder gar erſt Anfangs Mai an. Man beobachtete z. B. ihre Ankunft zu Strasburg viele Jahre nacheinander und fand, daß die Zeit ihrer Wiederkunft durchſchnittlich zwiſchen den 19ten Februar und 9 ten April fiel, jenachdem das Frühjahr früher oder ſpaͤter warm genug war. Im Holſteinſchen ſcheinen fie nicht vor Anfang des April, oft auch erſt um die Mitte deſſelben anzukommen. Daß ſich, wie Bechſtein (a. a. O.) ſagt, in Thuͤringen, in einem ſehr gelinden Winter, ſchon am 9 ten Januar ein Storch ſehen ließ, ge: hört unter die Ausnahmen. Uibrigens iſt fein Erſcheinen im Früh: jahr, in vielen Gegenden, für den Landmann ein erfreuliches Sei: chen des wiederkehrenden Fruͤhlings, und man erzaͤhlt, daß deshalb in fruͤheren Zeiten dies frohe Ereigniß an manchen Orten durch die Stadtmuſikanten vom Thurme verkuͤndigt wurde. 240 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Um Jakobi, d. i. zu Ende des Juli, ruͤſten ſich unſere Störche ſchon wieder zum Wegzuge; Junge und Alte verlaſſen jetzt die Ne⸗ ſter, treiben ſich noch einige Zeit in der Geburtsgegend herum und begeben ſich früher oder ſpaͤter an entferntere Orte, wo fie mit An: dern ihrer Art zuſammentreffen. Nach und nach ſammeln ſich viele, meiſtens auf beſtimmten Plaͤtzen, auf großen Wieſenflaͤchen, ſumpfi⸗ gen Niederungen oder faſt ausgetrockneten Bruͤchern, und verſchwin⸗ den von da im Laufe des Auguſtmonats. Spaͤter kommen noch viele Zuͤge aus Norden, welche jenen folgen, um die Mitte des September aber alle, bis auf wenige Nachzuͤgler, auch unſer Land verlaſſen. Die fruͤher wegziehenden Stoͤrche zeigen gewoͤhnlich wenig Eile und bleiben, wo es ihnen gefaͤllt, oft mehrere Tage, thun dies auch beſonders an gewiſſen Orten, um ſich hier mit noch mehreren zu vereinigen, und in Geſellſchaft zur weiten Reiſe vorzubereiten. Manche Gegenden halten ſie beſonders dazu geſchickt und man kennt ſolche, wo ſie den gruͤnen Teppich großer freier Niederungen, all⸗ jaͤhrlich um dieſe Zeit, wie mit einem weißen Flor uͤberdecken und zu vielen Tauſenden daſelbſt geſehen werden, aber bald und alle mit einem Mal verſchwinden. Beruͤhmt geworden ſind ſolche bei Zweibrüden, Saarbruͤcken, ZBrehmerleh, Echzell in der Wetterau, Trebur im Darmſtaͤdtiſchen und andre mehr, wo man ſie waͤhrend ihrer Verſammlungen beobachtete, dabei mancherlei wun— derliche Auftritte geſehen haben will, wie ſie unter andern die Kran— ken und zur Reife Unfaͤhigen ausſonderten, ja toͤdteten, gegen Ge: zaͤhmte, welche ſich unter ſie miſchen wollten, ebenſo verfuhren u. ſ. w. Wem bekannt iſt wie Raben und viele andere Voͤgel, ſelbſt Haſen und Rehboͤcke gegen Gezaͤhmte ihres Gleichen geſinnt ſind, den wird dies Betragen der Stoͤrche nicht befremden, zumal ſich ein kranker, kruͤppelhafter oder der Gefangenfchaft entflohener Vogel leicht durch ſein Ausſehen verraͤth. Dies iſt das beruͤchtigte Storchgericht, das bis zur Fabel ausgeſchmuͤckt worden, an deſſen Richtigkeit jedoch nicht zu zweifeln iſt, indem man auch von vielen andern Voͤgeln ſieht, wie ſie ihre angeſchoſſenen Kameraden nicht unter ſich dulden und fie vollends umzubringen ſuchen. — Nach abgehaltener Muffe rung bricht endlich das ganze Heer der Stoͤrche unter vereintem Schna— belklappern auf, ſchwingt ſich in Schneckenlinien himmelan und ver— ſchwindet ſo den Augen des Beobachters in den obern Luftregionen. Von ſolchen Vereinigungsplaͤtzen beginnen die Stoͤrche ihre Reiſe in einer ſolchen Hoͤhe, daß ſie das menſchliche Auge nicht mehr ge— wahrt, und ſetzen ſie auch ſo fort, vielleicht in einem Zuge bis an * XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 241 den Ort, oder doch in deſſen Naͤhe, wo ſie zu uͤberwintern geden⸗ ken, eine Annahme, welche weder ihrer Natur, noch ihrer Flugkraft entgegen ſteht. Immer mag jedoch beides nicht ſo ſein. Wir ſahen unter andern Fluͤge von Stoͤrchen, deren Zahl ſich auf 2000, ja manchmal gegen 5000 Individuen belaufen mochte, in ſehr langen, ſchmalen Zuͤgen nur etwa 400 Fuß hoch ſuͤdweſtlich oder weſtlich durch die Luͤfte ſteuern, welches uns lebhaft an die Schilderung des Dr. Shaw erinnerte, welcher, als er ſich am Fuße des Berges Carmel befand, ganze Stroͤme von Stoͤrchen, — es waren drei Fluͤge, jeder uͤber 3 Stunden lang und ½ (engl.) Meile breit, — aus Aegypten nach Aſien zuruͤck ziehen ſahe. Dies war nam: lich im Fruͤhjahre, wo dagegen jene aus ihren Winterquartieren nach Mitteleuropa zuruͤckwandernden, wenn fie bereits bei uns ange: langt ſind, ſich ſchon mehr zerſtreut haben, am Niſtorte daher ein⸗ zeln, das Männchen wol einen bis acht Tage früher als das Weib⸗ chen, oder paarweiſe anlangen, und ſo zu ſagen aus den Wolken herab kommen. Mein Freund von Woͤldicke zu Brunsbuͤttel hatte einſt das ſeltne Gluͤck, gerade gegenwaͤrtig zu ſein, als ſein Storchpaar 1818 am 14 ten April ankam und ſich aus einer Höhe, wo es das ſcharfe Auge dieſes thaͤtigen Ornithologen kaum gewah⸗ ren konnte, in Spirallinien auf das Dach ſeiner Scheuer, die das ſchon Jahre lang beſtehende Storchsneſt trug, herabließ und ſich fo- gleich heimiſch zeigte. Selten koͤmmt dem Forſcher fo etwas zu Ge: ſicht; aber von andern Leuten, die ſo Etwas nicht ganz gleichguͤltig anſehen, hoͤrte ich es oͤfter erzaͤhlen. Die meiſten Male wird in⸗ deſſen ihr erſtes Niederlaſſen nicht bemerkt; der Storch iſt auf ein Mal da, ohne daß man weiß wann und woher er kam. Dies ſind Thatſachen. Ich bin jedoch dabei der feſten Meinung, daß die Stoͤrche auch im Frühjahr nicht einzeln oder parrweile, ſondern ge: ſellig wandern, daß aus den Fluͤgen, ſo wie ſie uͤber den Sommer⸗ wohnort des einzelnen hinſegeln, dieſer die Geſellſchaft verlaͤßt und ſich allein, oder, wenn ſein Weibchen mit in dem naͤmlichen Zuge iſt, mit dieſem zugleich niederlaͤßt, die andern aber, gewoͤhnlich un⸗ geſehen, ihre Wanderung ohne Aufenthalt fortſetzen u. ſ. w. Wenn nicht ſehr guͤnſtige Umſtaͤnde dabei in's Spiel kommen, ſo wird ſo Etwas freilich nicht bemerkt. Wir haben indeſſen im Fruͤhlinge gar oft in Heerden zuruͤckkehrende Stoͤrche beobachtet; aber nicht alle Jahre fügt es ſich, dies zu ſehen, weil die Stoͤrche dazu ſelten niedrig genug fliegen, und haben keine Vermuthung, warum ſie dies nur zuweilen thun moͤgen. Sie ſetzten in geringer Hoͤhe ihre Reiſe or Theil. 16 242 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. unaufhaltſam fort, ohne ſich bei uns niederzulaſſen, was die im Herbſte durchwandernden ſehr gewoͤhnlich thun; unter andern ſahen wir im Maͤrz 1823 Fluͤge, aus mehr als 30 Individuen beſtehend, unaufhaltſam nordoͤſtlich fortſteuern. Iſt vorwaͤrts nochmals ſchlechte Witterung eingetreten, ſo zoͤgern ſie und ſetzen erſt nach einem kur⸗ zen Aufenthalt bei uns ihre Reiſe weiter fort. In ſolchen Faͤllen ſehen wir denn auch im Fruͤhjahr in unſern Bruͤchern Heerden von Stoͤrchen verweilen, bis ihnen das Wetter zur Weiterreiſe guͤnſtiger geworden iſt. Uiberraſcht ſie bei ihrer Ankunft in unſern Gegenden noch ein zu heftiger Nachwinter, zumal mit ſtarkem Schneefall, ſo muͤſſen ſie oft viel Noth leiden, gehen dann traurig an den noch offenen Gewaͤſſern einher, ermatten und viele ſterben, wenn das boͤſe Wetter lange anhaͤlt, den Hungertod. Sie ſuchen bei tiefem Schnee ſogar in Waͤldern und unter dichtem Gebuͤſche Schutz und druͤcken ſich auf dichte Klumpen zuſammen, um ſich zu erwaͤrmen. Mein fel. Vater traf ein Mal 17 Stoͤrche bei einem heftigen Nach: winter, mit bis an die Kniee hochliegendem Schnee, zu Ende des März, im eignen Waͤldchen an, wo ſonſt niemals ein Storch gefe: hen wurde. Solche und aͤhnliche erlebte Vorfaͤlle rief erſt neulich die ſchauderhafte Witterung und der ſchreckliche Schneefall im April dieſes Jahres (1837) ins Gedaͤchtniß zuruͤck, wo Tauſende von Finken, Lerchen und andern Geſaͤmvoͤgeln ihr Leben auf Miſt⸗ hoͤfen, in Doͤrfern und Staͤdten zu friſten ſuchten und ſogar in die Haͤuſer kamen, eben ſo viele aber auf dem Freien ihren Tod fan⸗ den, wo ſich Staare auf die Taubenhaͤuſer und in die Viehſtaͤlle fluͤchteten, und den Hungertod ſtarben, alle bereits angekomme⸗ nen kleinen Inſektenvoͤgel ohne Unterſchied umkamen, deren Zahl durch dieſe Unfaͤlle in dieſem Jahr durchſchnittlich weit uͤber die Haͤlfte, bei vielen Arten uͤber zwei Drittheile vermindert war, wo endlich auch Kibitze und andere Ufervoͤgel und Stoͤrche haufenweis herum irrten, hinter Gebuͤſchen Schutz ſuchten, ermattet ganz nahe aushielten, und viele wirklich umkamen, oder ohne viele Mühe ge⸗ toͤdtet wurden. Manches Storchsneſt iſt in Folge dieſer Unfaͤlle in dieſem Jahre unbeſetzt geblieben, was ſelbſt unter den wenigen, welche die hieſige Gegend zaͤhlt, ſehr bemerkbar wurde. Sie ziehen ſtets am Tage und die, welche nicht ſehr eilen, laſſen ſich gegen Abend zuweilen auf Daͤchern, ſelbſt in Staͤdten, auf hohem Mauerwerk, Ruinen und Felſen, am oͤfterſten aber auf hohen, alten Baͤumen nieder, ruhen die Nacht hindurch, und ſetzen, ſobald der Tag grauet, die Reiſe fort, oft ohne ſich um Nahrung XII. Orbn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 243 zu bekuͤmmern. Manche gehen aber auch erſt an Orte, wo ſie un⸗ geftört Futter zu finden hoffen dürfen, und begeben ſich nach vor: laͤufiger Sättigung erſt wieder auf die Wanderung. Noch andere bleiben den ganzen Tag da, wo ſie hinlaͤngliche Nahrung finden, halten gewoͤhnlich im naͤchſten Walde auf Baͤumen ihre Nachtruhe, und reifen dann mit Anbruch des naͤchſten Tages weiter. Sie flie: gen dabei nie gedraͤngt, meiſtens in ſehr langen, ſchmalen Zuͤgen, ohne eine beſondere Ordnung, und gleiten oft ſo lange Strecken ohne ſichtliche Fluͤgelbewegung durch die Luft, daß ſo weit das Auge des Beobachtenden ihnen folgen kann, kein Zucken der Fluͤgel be⸗ merkbar wird. Beſtimmen zu wollen, wohin unſere Stoͤrche ziehen und in welchem Lande ſie uͤberwintern, iſt ſehr gewagt oder unmoͤglich. Eine alte Erzaͤhlung ſagt: Der Wirth eines Storchpaares habe einen ſeiner alten Stoͤrche eingefangen und am Fuße mit einem Metall⸗ ringe mit der Inſchrift (in mehreren Sprachen): „Storch, wo wohnſt du?“ vor der Abreiſe verſehen; im naͤchſten Fruͤhjahr ſei derſelbe wieder erſchienen und auf dem Ringe ſei die Antwort: „In Sicilia“ beigefuͤgt geweſen. — Ferner erzaͤhlt ein neuerer Zeitungs⸗ bericht: Ein Edelmann bei Lemberg habe einen Storch eingefangen und ihn mit einem leichten eiſernen Halsbande, das die Inſchrift trug: „Haec Ciconia ex Polonia“, verſehen wieder fliegen laſſen; im naͤchſten Jahr ſei der Storch wiedergekommen und habe unter dem eiſernen noch ein duͤnnes goldenes Halsband mit den Worten bezeichnet gehabt: „India cum donis remittit Ciconiam Polonis.“ — Die Glaubhaftigkeit ſolcher Erzählungen bleibt dahingeſtellt; nur fo viel iſt gewiß, daß Verſuche, die fortziehenden Stoͤrche mit anfra⸗ genden Inſchriften zu verſehen, gar oft gemacht worden ſind, daß aber immer im naͤchſten Fruͤhjahr kein Storch mit einem ſolchen Zeichen, noch weniger mit einem beantwortenden verſehen wieder ein⸗ gefangen worden iſt. Wie ſchwer es uͤberhaupt haͤlt, einen ſich ſelbſt uͤberlaſſenen, frei lebenden Vogel mit einem ſolchen Zeichen fuͤr die Dauer zu verſehen, iſt dem, welcher die beharrliche Geſchicklichkeit der Voͤgel, ſich ſolcher Buͤrde zu entledigen, kennt, bekannt genug und bei Gelegenheit von Hr. P. Brehm (in den Beiträgen, III. S. 119. u. f.) genuͤgend auseinander geſetzt und an der naͤmlichen Stelle auch der Beweis trefflich durchgefuͤhrt, daß die Angabe: „Unſere Stoͤrche bruͤteten an den Orten ihres Winteraufenthaltes, ‚alfo in demſelben Jahr, noch ein Mal“ nur auf groben Irrthuͤ⸗ mern beruhet und voͤllig unmoͤglich iſt. Wer nur die Zeit berechnen 16 * A XU.Drdn LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. will, die bei den Stoͤrchen zum Anſchwellen der Geſchlechtstheile, zur Paarung, zum Neſtbau, zum Eierlegen, zum Bruͤten, zur Er⸗ ziehung der Jungen, und auch zur Hin- und Herreiſe erfordert wird, muß bald finden, daß das Jahr viel zu kurz iſt zu zweien ſolcher Perioden. Im ſuͤdlichen Spanien uͤberwintern ſchon viele Stoͤrche und glaubhafte Nachrichten verſichern, daß fie zur Winterszeit in Se— villa oft alle Thuͤrme und hohe Gebaͤude beſetzt hielten; noch mehr moͤgen aber uͤber das Meer hinuͤbergehen, nach Afrika, ja ſogar Marocco liegt ihnen dazu noch nicht ſuͤdlich genug und fie wan- dern, nach Verſicherung eines neuern Reiſenden, im Winter von da noch weiter nach Suͤden bis nach Senegambien und an den Niger. Aegypten und Nubien iſt im Winter, in den großen naſſen Ebenen, von Myriaden dort uͤberwinternder Stoͤrche bedeckt, eben ſo ſieht es in Arabien, in Perſien um dieſe Zeit aus; wer mag jedoch beſtimmen, welches von allen denen die Stoͤrche find, die im Sommer bei uns wohnen? Die unfrigen nehmen freilich auf der Wegreiſe eine mehr weltliche als ſuͤdliche Richtung, wer ver: mag jedoch zu behaupten, daß fie ohne abzuweichen genau in gera⸗ der Linie bis an den Endpunkt der Reiſe fortziehen? Bei manchen andern Zugvoͤgeln, beſonders ſolchen, welche nach Weſten wegwan⸗ dern, hat man bis zu vieler Wahrſcheinlichkeit erwieſen, daß ſie dies nicht thun und viele auch krumme Straßen haben moͤgen. Daß uͤbrigens beim Beſchiffen des Mittelmeeres noch niemand wandernde Stoͤrche bemerkt hat, darf nicht verwundern, weil ſie vermuthlich auch dort ſo hoch durch die Luͤfte ſegeln, daß ſie ſchwerlich be— merkt werden koͤnnen; uͤber den Bosphorus hat man ſie indeſſen in Schaaren fliegen ſehen. Der weiße Storch lebt nur in ebenen, flachen und tiefen Ge⸗ genden von bedeutender Ausdehnung, in gebirgigen Laͤndern bloß in weiten Thaͤlern und naſſen Wieſengruͤnden, in wellenfoͤrmigen Lagen auch nur in den größern Niederungen, überhaupt überall allein, wo Gewaͤſſer und Moraͤſte in Menge vorhanden ſind. Er liebt die Flußufer nicht beſonders und nur ſolche, wo es daneben auch ſtehende Gewaͤſſer genug giebt, verabſcheuet aber das offene Meer. Er wohnt zwar haͤufig in der Naͤhe deſſelben, aber auch hier nur, wo Suͤmpfe und ſtehende Gewaͤſſer nicht fehlen; aber das Salzwaſſer iſt ihm zuwider. Die Marſchen des nördlichen Deutſchlands und Hollands ſcheinen ihm ganz beſonders zu— zuſagen, nicht ſowol der Naͤhe des Meeres als der vielen Waſſer⸗ XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 245 behaͤlter, Graͤben und Kanaͤle wegen, durch welche das Land der See abgewonnen, theils in treffliche Wieſen und fette Viehweiden, theils in das fruchtbarſte Ackerland verwandelt, und durch ſchuͤtzende Deiche gegen fernern Einbruch der Meeresfluthen geſichert iſt. In unglaublich großer Anzahl bewohnt er ſolche Laͤnderſtrecken. Er fehlt aber auch in andern Theilen unſres Vaterlandes nicht, wenn ſie nicht zu hoch und zu trocken liegen oder gar Gebirge enthalten; doch ſind nur wenige, wo er gaͤnzlich unbekannt waͤr. In den nie⸗ dern Lagen, mit vielen naſſen Wieſen, Waſſergraͤben, Teichen und Moraͤſten koͤmmt er uͤberall vor. Er liebt vorzuͤglich die ſogenann⸗ ten Bruͤcher oder Moore, worunter wir tiefe, gruͤne Niederungen verſtehen, welche mit vielen Graͤben und wirklichem Moraſt abwech— ſeln, theils als Heuwieſen, theils zur Viehweide benutzt werden, auch ſtellenweis ſich ſelbſt überlaffen bleiben muͤſſen. Trockne und etwas hoch gelegne, wenn auch ebene Gegenden haben keine Stoͤrche. Mitten in ſolchen waſſerarmen Gegenden weiß er jedoch auch die ihm zuſagenden Ortſchaften auszuwaͤhlen, und ein Storchsneſt in einer ſolchen iſt eine ſichere Anzeige, daß allein dieſer Ort vor den nachbarlichen ſich durch eine tiefere Lage und ee vieler Naͤſſe auszeichnet. Hoͤchſt auffallend iſt des Storchs Zuneigung zu den Menſchen. Er wohnt bekanntlich gern, ja meiſtens in ſeiner Naͤhe; nicht allein auf einzelnen Haͤuſern und abgeſondert liegenden Gebaͤuden, ſondern auch in Doͤrfern, an lebhaften Straßen, und in ziemlich volkreichen Staͤdten ſchlaͤgt er ſeinen Sommerwohnſitz auf. Wo er dieſen ja ein Mal im Walde oder in einer entlegnern Gegend genommen hat, was aber nicht haͤufig vorkoͤmmt, ſo ſind es doch immer noch die lebhafteſten und den menſchlichen Wohnorten zunaͤchſt liegenden Theile, welche er auffallend genug den einſamern vorzieht. So hat Ungarn nur in den viel bewohnten und bebauten Theilen nicht wenig Stoͤrche, waͤhrend die großen, mit weitſchichtigen Suͤmpfen durchſchnittenen, aber wenig oder gar nicht angebaueten Ebenen im Suͤden, ſogar in der Zugzeit nicht oft Stoͤrche ſehen. Dies ſind die Laͤnder der Reiher, nicht der Stoͤrche. — Die Annaͤherung an den Menſchen wird jedoch nur in der Fortpflanzungszeit ſo auffal⸗ lend, zu andern Zeiten viel weniger, ja da, wo er nicht ganz in der Nähe fein Neſt hat, wo er fern von ihm auf Nahrung aus: geht und auf ſeinen Wanderungen verleugnet er ſie ſogar gaͤnzlich. Man ſieht ihn dann in den Suͤmpfen und Moraͤſten, an allerlei Gewaͤſſern, am ſeltenſten an fließenden und ganz klaren, auf Wieſen 246 XII. Ordn. LXVIL Gatt. 258. Weißer Storch. und Triften, auf Feldern, gleichviel ob in waldigen oder ganz freien Gegenden, und wenn er ausruhen will, mehr auf Baͤumen als auf Gebaͤuden, wie jeden andern wilden Vogel; dagegen ſcheint er, wo er in der Naͤhe menſchlicher Wohnungen oder gar auf ihnen ſein Neſt hat, ein halb zahmer zu ſein und in dieſer Hinſicht etwa in ähnlichen Verhaͤltniſſen zu dem Menſchen zu leben, wie unfer Haus: ſperling, ſchwerlich aber aus denſelben Gruͤnden. Man findet ihn in waldigen wie in ganz von Baͤumen ent⸗ blößten Gegenden, unter gewiſſen Umſtaͤnden mag er jedoch die er- ſtern den letztern vorziehen. Er lebt aber hauptſaͤchlich in bewohn⸗ ten Gegenden und in den von Menſchen bewohnten Orten ſelbſt, auf den Daͤchern der Gebaͤude, wo er ſein Neſt auf Thuͤrme, Schorn— ſteine, hohe Dachfirſten oder auf naheſtehende alte hohe Baͤume an⸗ legt, ſein Futter aber in den Umgebungen, am Waſſer, auf Wieſen und Feldern aufſucht. In den Marſchlaͤndern muß ſich gar Vieles vereinen, was ihm das Leben angenehm macht, weil er ſie in ſo großer Menge bewohnt, die einzeln abgeſonderten, im ganzen Lande zerſtreuten Gehöfte mit den hohen Rohrdaͤchern, die feuchten Umge- bungen, die vielfach ſich durchkreutzenden Gewaͤſſer zwiſchen den fetten Wieſen und Feldern, das Alles mag ihm ganz außerordent— lich behagen. Als ich im Sommer 1819 die beiden Dittmarſchen durchreiſete, ſahe ich dort faſt kein Haus oder Gehoͤfte, das nicht ein Storchsneſt trug, und in den Flecken Brunsbuͤttel, Marne, Meldorf und allen übrigen hatte jeder eine Menge, der letztge⸗ nannte allein gegen 40 aufzuweiſen; welch' eine ungeheuere Anzahl von Stoͤrchen muͤſſen nur in dieſer Provinz allein jährlich ausge⸗ bruͤtet werden! — Etwas dem aͤhnliches ſoll, nach Schinz, im obern und untern Aargau vorkommen, und er verſichert, ein aar⸗ gauiſches Dorf durchgereiſt zu ſein, wo ſich ihm auf den Haͤuſern deſſelben über 40 junge und alte Störche, zu 2 bis 4 beiſammen ſtehend, praͤſentirten, was gegen Meldorf in Suͤderdittmarſchen doch noch Nichts iſt, wo ich damals vom Markte aus, von einem einzigen Standpunkte, einige 20 Storchsneſter groͤßtentheils nebſt ihren Bewohnern, uͤberſchauen konnte, außerdem beinahe ebenſoviel noch von andern Standpunkten her zu ſehen waren. In das von Pflanzenwuchs freie, klare Flußwaſſer oder in rauſchende Baͤche geht er ſehr ſelten; die ſtehenden Gewaͤſſer ſind ihm viel lieber, gleichviel ob ſie ſandigen oder ſchlammigen Boden haben, wenn die Ufer nur nicht zu kahl ſind, Graͤſer, Seggenſchilf, Binſen, Simſen und andere niedere Sumpfpflanzen dort und im XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 247 ſeichten Waſſer wachſen. Er beſucht manche taͤglich, meiſtens in beſtimmten Stunden, unterlaͤßt übrigens auch nicht allen, im Um: kreiſe einer Stunde Wegs, in den Umgebungen ſeines Wohnſitzes liegenden Gewaͤſſern jeder Art zu Zeiten ſeinen Beſuch zu machen, wovon auch die kleinſten Feldteiche und ſolche nicht ausgenommen ſind, welche mitten in den Waͤldern liegen. Außerdem wandelt er gern auf naſſen, gruͤnen Flaͤchen und feuchten Wieſen im Graſe einher, das ihm bis an den Bauch reicht, beſonders an ſolchen Stellen, wo zwiſchen Gras und Binſen unten noch handhoch Waſſer ſtehet, auch im Moraſte zwiſchen den Kufen in den Bruͤchern. Eben ſo gemuͤthlich ſieht man ihn oft auf gruͤnen Viehtriften und Wei⸗ deplaͤtzen herum ſpazieren, oder auf den mit Blumen durchwirkten gruͤnen Teppichen der weniger naſſen Wieſen, eben ſo auf den Fel⸗ dern, wo er gewoͤhnlich im jungen Getraide herumgeht, ſeltner auf Brach⸗ und Stoppelaͤckern. In das hohe Getraide geht er indeſſen nie, auch nicht in hohe Erbſen, fo wenig wie ins hohe Schilf oder Rohr. Er mag ſich uͤberhaupt nie abſichtlich verſtecken und iſt aͤngſtlich, wo er ſich nicht nach allen Seiten umſchauen kann. Man bemerkt ihn daher faſt immer ſchon in weiter Ferne; ſeine Groͤße, das leuchtende Weiß und die Gewohnheit, ſich mehrentheils an freien Orten aufzuhalten und ſich nie zu verbergen, machen jenes faſt an jedem ſeiner Aufenthaltsorte moͤglich. Er ſtellt ſich gern auf die ſtarken Wipfelaͤſte alter, hoher Eichen, Erlen, Kiefern, Tannen und dergl., oder auf abgekoͤpfte hohe Bäume, von denen er eine freie Ausſicht hat und ſelbſt von weitem Zeſehen werden kann, thut dies jedoch, wenn er nicht etwa auf ſolchen niſten will, nur ſelten am Tage, außer in der Zugzeit, wo er zuweilen auf Baumen ausruhet und nachher die Reiſe noch weiter fortſetzt. Ehe er ſich auf dem Dache eines Gebaͤudes angeſiedelt hat, haͤlt er gewoͤhnlich ſeine Nachtruhe auf einem Baume, daher die wandern⸗ den Störche faſt immer, die planlos oder ohne zu niſten herum ſchwaͤrmenden, deren es alle Jahr und in vielen Gegenden giebt, nie anders als auf Baͤumen uͤbernachten. In einem hieſigen Walde, welchen große ſumpfige Niederungen umgeben, haben wir dies Schau: ſpiel oft; vor einigen Jahren uͤbernachtete ſogar einmal, es war in der Mitte des Auguſt, ein Flug von wenigſtens 500 Störchen in einer Nacht in demſelben, und alljaͤhrlich wurden dort welche von uns erlegt, theils wenn ſie ſich in der Abenddaͤmmerung aus den Wolken auf die hohen Eichen herabgelaſſen, theils und viel gewoͤhn⸗ licher noch, wenn fie in den nahen Brüchern ſich am Tage geſaͤttigt 248 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. hatten und nun im Zwielicht, wie die Reiher, dem Walde zu flo⸗ gen, um auf den kahlen Wipfelaͤſten hoher Eichen ſich aufzuſtellen, dem Schlaf zu überlaffen und nach gluͤcklich vollbrachter Nachtruhe mit Eintritt der Morgendaͤmmerung von da wieder aufzubrechen. Es ſtellen ſich oft mehrere auf einen Baum, wo ſie ſtets die hoͤch— ſten, freieſten, ſtaͤrkſten und moͤglichſt wagerechten Aeſte waͤhlen, weil fie nicht anders als mit geraden Beinen ſtehen, ſich nicht nieder— kauern, daher auf ſchwachen und krummen Aeſten keinen ſichern Stand haben würden, auch nie zwiſchen belaubte Zweige ſich ver— ſtecken, was ſie auf Eichen im Fruͤhjahr ohnehin nicht koͤnnten. Selten ſteht mehr als einer auf einem großen Aſte, aber die Ge: ſellſchaft verbreitet ſich nur uͤber die naͤchſten Baͤume, nie uͤber eine groͤßere Waldſtrecke. Sie ſind oͤfters ziemlich ſchlaftrunken und dabei ohne viele Schwierigkeiten zu beſchleichen, wenn nicht die Dunkel⸗ heit dies verbietet. Der heimiſche Storch, welcher ein Mal Beſitz Bon einem Neſte genommen, ſchlaͤft ſtets auf dieſem oder in deſſen Unmittelbarer Naͤhe, auf der Dachfirſte, einem Schornſteine, Thuͤrm⸗ chen und jeder der Gatten nimmt gewoͤhnlich alle Abende denſelben Stand ein, welcher fuͤr die erwachſenen Jungen ſtets das Neſt iſt. Wandernde Störche laſſen ſich, um Nachtruhe zu halten, ſelten auf ein Dach oder ſonſt ein Gebaͤude in bewohnten Orten nieder. Der ſchlafende Storch ſteht ſteif auf einem Bein, das andere unter den Bruſt⸗ und Bauchfedern verborgen, den Schnabel hinter die Schul⸗ terfedern geſteckt, und trotzt in dieſer Stellung, die Bruſt wind— waͤrts gekehrt, jedem Wetter; Blitz und Donner, Sturm und Re— gengüffe hält er hier aus, ohne nur zu wanken, geſchweige ſich her⸗ abwerfen zu laſſen. An langen heißen Tagen ſcheint der Storch nicht ſelten auch ein Mittagsſchlaͤfchen zu halten, Eigenſchaften. Allbekannt iſt dieſer ſtattliche Vogel; ſeine anſehnliche Groͤße, ſeine impoſante Geſtalt, die einfache Zeichnung, die abſtracten, weit in die Ferne leuchtenden Farben ſeines großen Gefieders, mit dem glaͤnzenden Roth ſeines langen, ſpitzigen Schnabels, ſeiner hohen, ſchlanken Beine; ferner fein herrlicher Flug, fein wuͤrdevolles Be: XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 249 tragen, vor allen aber die zutrauliche Annäherung des großen, ein- fach ſchoͤnen Vogels zu den Menſchen und ſein oͤfteres Vorkommen, haben dem weißen Storch uͤberall Freunde, allenthalben Bekannt⸗ ſchaft erworben. Der Storch erfreuet ſich einer allgemeinen Zunei⸗ gung, weil er ſie zu erwiedern weiß; in den wenigen Gegenden, wo er nicht geduldet, nicht geliebt iſt, wird er doch bewundert. Ihn kennt jedes Land, jedes Kind, ſelbſt dem Gebirgsbewohner bleibt er nicht fremd, wenigſtens dem Namen nach und aus Erzaͤhlungen, deren vom Storche gar viele im Munde des Volkes ſind. Obgleich hoch- und duͤnnbeinig, langhalſig, großſchnaͤblig, iſt die Geſtalt der Stoͤrche doch eine viel edlere als die der Reiher; ſie iſt der der Kraniche aͤhnlich. Stehend uͤberlaͤßt gewoͤhnlich der leine Kopf den Schnabel ſpitzewaͤrts eine ſanfte Neigung nach unten; der lange, nicht ganz ſchwache, eher ſchlanke als duͤnne, faſt cylindriſche Hals iſt nur im Fluge ſtockſteif ausgeſtreckt, ſonſt faſt nie ohne ge⸗ faͤllige Schwingung, immer, wenn auch Kopf und Schnabel dazu genommen, ganz ſchwach in die fanfte 8S-Form gebogen, aber durch— aus nicht und niemals in jene geknickte, bizarre der Reiher zuſam⸗ mengedruͤckt, ſelbſt dann nicht, wenn der Storch niedergeſchlagen daſteht, den Rüden etwas buckelicht macht, das Gefieder loſe her: abhaͤngen laͤßt u. ſ. w. Selten ſtreckt ihn der ſtehende Storch bei— nahe ganz gerade aus, dies nur wenn er aͤngſtlich iſt und eben fort will, wo er auch den Rumpf vorne hoch aufrichtet und dann be— ſonders groß ausſieht. Iſt er in traͤger Ruhe und anſcheinlich truͤbe gelaunt, ſo iſt der Hals niedergebogen, das Genick ruhet faſt auf dem Anfange des Ruͤckens, der Schnabel auf der Gurgel, die bu— ſchichten Kropffedern haͤngen flatternd herab, der Schwanz und Hin: terkoͤrper neigen ſich ſtark abwaͤrts, und er ruht dazu nur auf einem Beine, wie er beim Schlafen zu thun pflegt. Dann ſieht er lange nicht ſo ſchoͤn aus, als wenn er munter mit ziemlich aufgerichtetem Halſe ſich dem Beſchauer praͤſentirt, wie die Stoͤrche gewoͤhnlich thun, wenn ſie auf den Daͤchern und bei den Neſtern ſtehen, und eben etwas Ungewoͤhnliches voruͤber geht. In Gegenden, wo ſie nicht haͤufig vorkommen, gewaͤhrt dies oft einen hoͤchſt uͤberraſchen⸗ den Anblick. So ſahe ich vor Kurzem, wo ich es nicht erwartet hatte, auf einem anſehnlichen, auf einem hohen Ufer der Elbe bele⸗ genen Schloſſe eine Storchfamilie, das Neſt mit den Jungen auf einem hoch uͤber das Dach hinausragenden Schornſteine, zu beiden Seiten deſſelben, in gleicher aber geringer Entfernung, ein Thuͤrm⸗ chen mit kugelfoͤrmigem Knopf ohne Spitze, und auf dieſen Knoͤpfen 9 250 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. die beiden alten Stoͤrche ſymmetriſch aufgeſtellt; ein anmuthiges, un⸗ beſchreiblich liebliches, entzuͤckendes Bild; die hehren weißen Geſtal⸗ ten uͤber dem blauen Schieferdache des hohen Gebaͤudes gewaͤhrten demſelben unbeſtreitbar eine anziehende, wahrhaft herrliche, lebendige Zierde. Sehr anſtaͤndig ſieht der Storch aus, wenn er mit einer ge⸗ wiſſen Grandezza, in abgemeſſenen, großen, langſamen Schritten ein⸗ herſtolzirt, was er immer thut. Ernſt und Würde liegen in dieſem Gange, den er ſelten oder nur dann beſchleunigt, wenn ihm unter andern eine Beute entlaufen will, oder in aͤußerſter Noth, wenn er, der Flugkraft beraubt, heftig verfolgt wird; allein er kann we⸗ der ſchnell, noch auf die Dauer laufen. Gravitaͤtiſch durchwandelt er ſo die Wieſen und Felder, wadet ſo lang die Beine reichen im Graſe und Getraide, ins Waſſer aber ſelten tiefer als bis an die Ferſen. Aber viel ſchoͤner noch als ſein ernſter, bedaͤchtiger, wuͤrde⸗ voller, faſt pathetiſcher Gang iſt ſein herrlicher Flug. Er ſcheint ihn gar nicht anzuſtrengen und foͤrdert ganz ungemein. Mit ein bis zwei Spruͤngen erhebt er ſich von der platten Erde, vom Dache der Neſte in einem Satze, ſtreckt den ſpitzen Schnabel, den langen Hals und die langen Beine in gerader Linie entgegengeſetzt von ſich, die großen Fluͤgel in ihrer ganzen Laͤnge aus, die Spitzen, welche ſich gewöhnlich fingerfoͤrmig theilen, gerade hinaus, fo daß die Fi⸗ gur des fliegenden Storchs ein Kreutz bildet. Er bewegt dabei die Flügel nur in mäßigen, anfaͤnglich oͤfterer wiederholten Schlägen, die nachher ſeltner werden und nur ruckweiſe kommen, weil er mei: ſtens ſchwebt, ohne ſichtliche Fluͤgelbewegung durch die Luft ſchwimmt, den ziemlich ausgebreiteten, kurzen Schwanz bemerkbar als Steuer: ruder gebraucht und ſo, wie die großen Raubvoͤgel, ſanft und hoͤchſt elegant durch den Aether dahin gleitet, haͤufig große Kreiſe beſchreibt, in einer Spirallinie ſich bis uͤber die Wolken erhebt, daß er dem menſchlichen Auge entſchwindet, und auf gleiche Weiſe aus der un— ermeßlichen Höhe ſanft wieder herabſchwebt. Es iſt ein ergoͤtzender, großartiger Anblick und hat etwas Erhabenes, einen oder ein Paar Stoͤrche bei heiterm Wetter und im Anfange der Begattungszeit, wo ſie es am oͤfterſten thun und ſich damit zu vergnuͤgen ſcheinen, ſich in weiten Kreiſen gegen einander, anfaͤnglich oft niedrig, viertel ja halbe Stunden lang, uͤber einer Gegend herumdrehen, dann hoͤ— her und immer hoͤher himmelan ſteigen und in gigantiſchen Schnek⸗ kenlinien bis zu den Wolken hinaufſchrauben zu ſehen. — Der Flug iſt dem des gemeinen Kranichs ſehr aͤhnlich, auch die Figur faſt XII. Ordn. LXVII. 258. Gatt. Weißer Storch. 251 dieſelbe, der Wanderflug aber viel ungeregelter, nie in ſchraͤgen Li⸗ nien oder ſpitzen Winkeln, der gewoͤhnliche Flug, ſelbſt wenn er ge⸗ rade aus, in einer Strecke fortgeht, mit weit wenigern Fluͤgelſchlaͤ⸗ gen begleitet und viel haͤufiger oder laͤngere Zeitraͤume ſchwebend, woran beide der Kenner leicht unterſcheidet. Der gerade ausgeſtreckte Hals, die zugeſpitzten, großen, die Spitzen ganz von ſich ſtrecken⸗ den Fluͤgel und eine ganz andere Art des Fortbewegens unterſchei⸗ den dagegen die Stoͤrche um deſto leichter und ſicherer von den Rei⸗ hern. Ganz aͤhnlich in den Bewegungen beim Fliegen ſind den Stoͤrchen die Loͤffler, aber ſie unterſcheiden ſich durch andere Merk⸗ male leicht genug. Da der weiße Storch meiſtens nahe um die Menſchen wohnt, ſo iſt er auch vielfach beobachtet worden; das Wohlwollen, welches viele Menſchen für den großen, ſchoͤnen, zutraulichen Vogel hegen, hat jedoch ſo manches Geſehene uͤbertrieben geſchaͤtzt, die Erzaͤhlun⸗ gen davon wunderlich ausgeſchmuͤckt und alles zu des Storches Gun— ſten gedeutet. Manches iſt davon durch den Druck noch allgemei- ner bekannt geworden, aber nicht Alles darf man als wahrhaft nehmen. Es bleibt indeſſen nach genauem Erforſchen, im Leben und Betragen des herrlichen Vogels noch ſo viel Bewundernswerthes und Außerordentliches, daß es jener Zuſaͤtze gar nicht bedarf. Seine auffallende Zuneigung zu den Menſchen, die ſich vor: nehmlich darin kund thut, daß er die Fortpflanzungszeit hindurch ſo gern in ihrer Naͤhe wohnt und ſo viel Vertrauen zu ihnen hegt, iſt uns ein Raͤthſel. Daß er es in der Abſicht thue, feſtere Bau- ſtellen fuͤr ſein Neſt zu finden, ſcheint nicht zu genuͤgen, da ſein Neſt auch auf alten Eichen und andern Baͤumen, auf hohen Ruinen u. ſ. w., auch ohne menſchliche Beihuͤlfe, nicht weniger feſtſteht. Eher wär wol zu vermuthen, daß er klug genug ſei, den Schutz zu er: kennen, welcher ihm von Seiten der Menſchen überall, wo er fich an⸗ ſiedeln will, zu Theil wird, und daß er gerade in ihrer Naͤhe vor andern Gefahren ſichrer ſei, als an einſamen Orten. Der große, ſchoͤne, jedermann in die Augen fallende Vogel erfreut ſich naͤmlich in den meiſten Laͤndern, in denen er lebt, des Schutzes faſt aller Nationen, manchen, wie den Mahomedanern, iſt er ſogar heilig; man hält bei ihnen den für außerordentlich gluͤcklich, auf deſſen Dach fi der Storch haͤuslich niederlaͤßt, man liebt und ehrt den Storch, keiner wagt ihn zu beleidigen, geſchweige zu toͤdten, und der Frev⸗ ler, welcher dieſes thun wollte, wuͤrde unfehlbar ſein eignes Leben in Gefahr bringen; in nicht mahomedaniſchen Ländern, wo man 252 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Menſchenleben hoͤher ſchaͤtzt, wuͤrde ein ſolcher wenigſtens den Haß der andern, wo nicht tuͤchtige Pruͤgel auf ſich laden. Auch in Deutſchland hegt der gemeine Mann viel Vorliebe fuͤr den Storch, ſieht es gern, wenn er ſich auf ſeinem Hauſe anſiedeln will, iſt ihm behuͤlflich dazu und thut ihm vorſetzlich nie etwas zu Leide. An dieſe Zuneigung knuͤpft ſich mancher Volksglaube; der Aberglaͤubige meint, der Storch, welcher ſein Haus zum Neſtplatze erkor, bringe ihm Gluͤck, ſchuͤtze jenes gegen Blitz und Wetterſchlag, zeige es an, wenn eine Feuersbrunſt drohe, indem der Storch unmittelbar vorher Waſſer herbei ſchleppe, Neſt und Junge naß mache u. dergl. mehr. Viele Erzaͤhlungen von Vorfaͤllen, die dies und noch manches andere beſtaͤtigen ſollen, ſind im Munde des Volks, werden in vielen Ge— genden noch geglaubt, zum Theil noch ausgeſchmuͤckt und auf fol: gende Generationen vererbt. Allgemein hält ihn der Landmann we: nigſtens für ein ganz ſchuldloſes Geſchoͤpf. Sein zierliches oder ftatt- liches, kluges und dabei zutrauliches Benehmen, der Nutzen, den er durch Vertilgung vielerlei Ungeziefers ſchafft, wird ihm, nebſt jenen uͤbernatuͤrlichen Eigenſchaften, ſo hoch angeſchrieben, daß man gar nicht daran denkt, daß der Storch auch Schaden thun koͤnne. Der Storch beſitzt viel intellectuelle Faͤhigkeiten und iſt ſehr klug. Er weiß ſich in die Zeiten und in die Leute zu ſchicken, uͤber⸗ trifft darin faſt alle uͤbrigen Voͤgel, und iſt keinen Augenblick dar⸗ uͤber in Zweifel, wie die Menſchen an dem oder jenem Orte gegen ihn geſinnt ſind. Er merkt gar bald, wo er geduldet und gern ge— fehen ift, und der wenige Tage früher in einer fremden Gegend an- gekommne, ſchuͤchtern und vorſichtig den Menſchen ausweichende, al: len mißtrauende Storch, hat nach der Einladung, die ein, zur Grundlage ſeines zukuͤnftigen Neſtes, auf ein hohes Dach oder einen Baumkopf gelegtes Wagenrad u. dergl. iſt, ſofort alle Furcht ver: loren, und nachdem er Beſitz von jenem genommen, iſt er nach we: nigen Tagen ſchon ſo zutraulich geworden, daß er ſich furchtlos aus der Naͤhe begaffen laͤßt und kaum den mit Schießgewehr verſehenen noch auf Schußweite ausweicht. — Wo er geduldet oder gehaͤtſchelt wird, kann ſein Vertrauen ſehr groß werden, obgleich er von Natur ein mißtrauiſcher und vorſichtiger Vogel iſt. Wo er nie Nachſtel⸗ lungen erfuhr, geſtattet er, daß ſelbſt ein Fremder unter das Dach, worauf er ſein Neſt hat, tritt und mit der Flinte auf ihn zielt, ohne daß er die mindeſte Furcht verraͤth. Ich ſahe im Holſteinſchen einen Mann das Rohrdach eines Hauſes ausbeſſern, als er gerade dicht neben dem Storchsneſte das alte Rohr mit neuem vertauſchte, XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 253 5 dieſes feſt knuͤpfte und glatt klopfte, ohne daß das bruͤtende Storch⸗ weibchen im mindeſten Furcht zeigte, ungeachtet der Mann ihm ſo nahe war, daß er es ganz leicht mit ſeinem Klopfholze haͤtte er⸗ ſchlagen koͤnnen. So zahm ſind jedoch nicht alle auf Gebaͤuden wohnende Störche, und viele koͤnnen fo nahe Störungen nicht ver⸗ tragen. Wo man ſich gar nicht um ihn kuͤmmert, thut auch er ein Gleiches; wo er ſich aber aufmerkſam oder gar ſcharf beobachtet ſieht, da wird er auch beim Neſte bald mißtrauiſch und vorſichtiger; ſieht er ſich gar angefeindet oder ſein Leben gefaͤhrdet, dann kann er ſchnell ſehr vorſichtig und zuletzt ſogar ſcheu werden. H. P. Brehm erzaͤhlt (a. a. O.) ein Beiſpiel hiervon: Er wollte naͤmlich bei Mondſchein ein Storchweibchen vom Neſte ſchießen, das auf einer Tanne ſtand, das Gewehr verſagte ihm, worauf die Stoͤrchin ab— fleg, ſpaͤt in der Nacht erſt zuruͤckkehrte, nachher zwar fortbruͤtete, aber nie mehr die Annaͤherung auf Schußweite erlaubte, auch im naͤchſten und dem naͤchſtfolgenden Jahr es noch nicht vergeſſen hatte und allemal abflog, ehe ſich ihm jemand ſchußmaͤßig naͤhern konnte. Fern vom Neſte iſt der Storch ſtets ein ganz Anderer und ohne Vergleich vorſichtiger; dort leidet er kaum, daß Landleute, Hirten oder Kinder ſich auf eine Entfernung von 40 bis 50 Schritten na⸗ hen, und flieht den Schuͤtzen noch in viel weiterer Ferne. Auf mehrere hundert Schritte laͤßt er den ihm Verdaͤchtigen ſchon nicht mehr aus den Augen, obgleich er jetzt noch in ſeinen Beſchaͤftigun⸗ gen bleibt; je mehr ſich der Feind naͤhert, deſto aufmerkſamer wird der Storch und er flieht ehe jener noch einen Flintenſchuß anzubrin⸗ gen fuͤr moͤglich halten darf. Noch viel mißtrauiſcher, vorſichtiger und ſcheuer ſind fremde Stoͤrche auf dem Zuge, oder die, welche ſich ohne zu niſten herumtreiben. Nur allgemeine Noth macht Aus⸗ nahmen, namentlich bei einem langen, ſchneereichen Nachwinter, wenn ſie im Fruͤhjahr ſchon wieder zuruͤckgekehrt ſind, wo ſie, zu⸗ mal ſchon abgemattet, die Beſinnung verlieren und die Annaͤherung des Menſchen bis auf geringe Entfernung nicht beachten. Störche, welche ihren Wohnſitz nicht auf Daͤchern bewohnter Orte, ſondern in waldigen Gegenden auf Bäumen aufſchlagen, werden nie fo zu⸗ traulich wie jene; ſie bleiben nicht bloß vorſichtig, ſondern auch miß⸗ trauiſch, furchtſam und ſcheu in nicht geringem Grade. So harmlos der Storch ſcheint, iſt er nicht; er hat auch Auf⸗ wallungen, und mitunter recht heftige und boͤsartige. Seine Art ſich zu naͤhren macht ihm das Morden zur Gewohnheit, und dieſes kann zu Zeiten ſogar auf ſeines Gleichen uͤbergehen. Man hat Bei⸗ | 254 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. ſpiele, daß Stoͤrche von anderwaͤrts herkamen, die Neſter anderer ſtuͤrmten, uͤber die Jungen darin herfielen und, trotz der verzweifel⸗ ten Gegenwehr ihrer Aeltern, ſie endlich doch ermordeten, und dies bei mehrern in der Gegend ſo machten. Daß ſie kraͤnkliche Indi⸗ viduen vor dem Wegzuge umbringen, iſt oben ſchon erwaͤhnt. Auch bei gezaͤhmten ſahe man wilde Stoͤrche ankommen, anſcheinlich ſie mit fort zu nehmen; da ſie dies aber nicht wollten oder konnten, ſie todt hacken. — Der zahme gereizte Storch geht ſeinem Wider⸗ ſacher unter gewiſſen Umſtaͤnden zu Leibe; der angeſchoſſene wehrt ſich tapfer und bis zum letzten Hauche, verſetzt heftige Schnabel⸗ ſtoͤße, und da dieſe haͤufigſt nach den Augen gerichtet ſind, koͤnnen ſie Menſchen oder Jagdhunden leicht gefaͤhrlich werden. Auch vor eben gefangenen hat man ſich in dieſer Hinſicht zu huͤten, ſelbſt vor zahmen, wenn man ſie unvorſichtig packt. Von ſeiner ehelichen Treue iſt ſchon oben ein Beiſpiel erzählt, und ohnerachtet man der— gleichen mehrere kennt, ſo kann man ihn doch keineswegs als Muſter derſelben aufſtellen wollen, da eben ſo viele Beiſpiele vom Gegen⸗ theile, von Untreue, ſogar von Untreue mit Mord verknuͤpft, auch von Ehebruch vorkommen. Sonderbar genug herrſcht unter den weißen Stoͤrchen eine große Verſchiedenheit der Geſinnungen, die ſich namentlich auch gegen ihre Jungen kund thut, worauf wir wei: ter unten zuruͤckkommen werden. So find manche gegen andere Stoͤrche vertraͤglich, leiden ſie auch niſtend in der Naͤhe, waͤhrend andere in einem gewiſſen Umkreiſe, mit ſtoͤrriger Beharrlichkeit, die Alleinherrſchaft behaupten. Einerlei Ziel, Zweck und Mittel, auch wol Furcht vor Gefahren, machen ihn auf ſeinen Reiſen geſellig oder veranlaſſen ihn, in groͤßern Vereinen zu reiſen. Aber nur gegen ſeines Gleichen kann der Storch auch geſellig ſein, gegen andere Voͤgel nie; der Vereinzelte ſchließt ſich nie einer andern Art an, ſelbſt nicht ein Mal den Vereinen des ihm ſo nahe verwandten ſchwarzen Storchs, der dies doch im umgekehrten Falle thut, wie wir mehr als ein Mal beobachtet haben. Sonderbar daß dieſer große, ſtarke Vogel faſt keine Stimme hat; ein ſehr ſchwaches, heiſeres (gaͤnſeartiges) Ziſchen iſt alles, was der erwachſene Vogel, aber nur hoͤchſt ſelten in Bedraͤngniſſen, aus ſeiner Kehle von ſich giebt. Dafuͤr hat ihn aber die Natur mit dem wunderlichen Klappern entſchaͤdigt, das er hervorbringt, indem er beide Schnabelhaͤlften heftig und ſchnell nacheinander zu— ſammen ſchlaͤgt, das länger oder kuͤrzer anhält, ſchneller oder felt- ner wiederholt und nach Umſtaͤnden bald forte, bald piano, bald XII. Ord. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 255 1 5 crescendo oder decrescendo hervorgebracht wird. Es klingt gerade wie wenn man mit einem duͤnnen Stecken ziemlich raſch uͤber die Zaͤhne einer etwas großen Harke oder Rechen hinfaͤhrt, wird aber nicht ſehr weit gehoͤrt, außer in der Hoͤhe, wo man den Storch oft noch nicht ſieht, wenn man ſein Klappern ſchon hoͤrt. Maͤnnchen und Weibchen klappern, und auch die Jungen lernen es ſo bald ſie anfangen flugbar zu werden. Dieſe klappern, wenn ſie uͤber Hunger klagen, und klappern ebenſo, wenn ihnen die Alten Futter bringen, fuͤr Freude; dieſe druͤcken damit ebenfalls Freude, Verlangen, Aer⸗ ger, Wuth, aber ſelten Verlegenheit aus. Es iſt ihre allgemeine Sprache, jedoch klappern ſie im Fruͤhjahr viel oͤfter und anhaltender als ſpaͤter im Jahr. Mit Klappern erheben ſie ſich zur Abreiſe, wo es von vielen tauſend Schnaͤbeln ganz ſonderbar klingt, und mit lautem Klappern verkuͤndigen fie ihre Ankunft in der alten Heil neth. Stehend laſſen fie dabei die Flügel gewöhnlich nachlaͤſſig herabhaͤn⸗ gen und biegen dazu anfaͤnglich den Hals ſo ganz zuruͤck, daß das Genick faſt den Unterruͤcken beruͤhrt, der Schnabel aber gegen den Himmel gerichtet iſt, welcher im waͤhrenden Klappern einen gro⸗ ßen Bogen vorwaͤrts beſchreibt und am Ende des Verſes vor der Bruſt ſich herabbeugt. Es ſcheint eine Art Balzen vorzuſtellen. Sie klappern ihr Verschen haͤufig aber auch, ohne die gewoͤhnliche Stellung zu veraͤndern und ſo im Fluge immer. Nur die jungen Stoͤrche haben eine, aber eben nicht ſtarke Stimme, die bald als ein wehmuͤthiges Winſeln, bald als ein verlangendes Zwitſchern vernommen wird, bei freudigen Veranlaſſungen ſogar kraͤhend wer⸗ den kann. Die hungernden jungen Stoͤrche, welche man aufzieht, verfolgen mit ihrem klaͤglichen Fitſchuͤh, Schuͤt ſchuͤt ſchuͤt u. ſ. w. ihren Waͤrter, ſchlingen das Dargebrachte unter dieſen Ti: nen hinunter, wodurch ſich dieſe verſchiedentlich moduliren und eben dann zumellen kraͤhend werden. Jemehr fie heranwachſen, deſto ſeltner werden dieſe melancholiſchen Toͤne, und von voͤllig erwach⸗ enen hoͤrt man ſie nie mehr. Von manchen aufgezogenen jungen Stoͤrchen haben wir ſie zwar bis tief in den Herbſt hinein noch hoͤren muͤſſen, bei den in Freiheit lebenden verlieren ſie ſich dagegen ſtets, wenn ſie nicht mehr von den Alten gefuͤttert werden, oder ſich allein naͤhren lernen, daher vor ihrem Wegzuge gaͤnzlich und fuͤr immer. Der weiße Storch iſt leicht zu zaͤhmen und wird, jenachdem man ſich mehr oder weniger mit ihm abgiebt, ſehr zahm und zu: 15 traulich, nicht ſo alt eingefangen oder flügellahm geſchoſſen, wo die » 256 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Zaͤhmung nie ganz gelingt, ſondern die Jungen, halb flügge aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert, was mit Froͤſchen, Mäufen kleinen Voͤgeln, Regenwuͤrmern u. dergl. ſehr leicht geht, indem man ihnen dieſe bloß vorzuwerfen braucht, wobei fie das ihnen Zugewor— fene auch bald und ſehr geſchickt, ohne fehl zu ſchnappen, aus der Luft auffangen lernen. Solche junge Stoͤrche lernen nicht nur ihren Waͤrter, ſondern von andern Perſonen auch die unterſcheiden, welche ihnen einigermaßen wohlwollen und die, welche ihnen abhold ſind. Von jenem laſſen ſie ſich nach dem beigelegten Namen herbei rufen, ſich betaſten u. ſ. w., wenn fie den letztern mißtrauend immer aus: weichen, ſogar anfeinden. Haben ſtoͤrende Vorfaͤlle oder fremde Er⸗ ſcheinungen ſie in Unruhe verſetzt, ſo laufen ſie ihrem Wohlthaͤter, ſobald er ſich ſehen laͤßt, freudig entgegen, bekomplimentiren ihn, indem ſie ſich tief buͤcken, die Fluͤgel halb ausbreiten, mit dem Schwanze ein Rad ſchlagen, froͤhlich zwitſchern, und unter ſeinem Schutz, in ſeiner Naͤhe, ſich bald wieder beruhigen. Solche lernen beſonders gut ſich in Zeit und Leute ſchicken, und gewaͤhren durch ihr zum Theil umſichtiges und uͤberlegtes Benehmen viel angenehme Unterhaltung. Manche laufen ihrem Pfleger wie ein Hund nach, folgen ihm Stunden weit in's Freie, und werden aͤngſtlich, wenn er ſie heimlich verlaͤßt. So lange ſie in einem Zuſtande ſind, welcher ihnen das Fliegen nicht erlaubt, entwickeln ſie ihre Faͤhigkeiten nur halb. Wo es daher angeht, goͤnnt man ihnen nach einiger Zeit freien Gebrauch ihrer Fluͤgel; ſie fliegen dann auf Felder, Wieſen und an die Teiche, durchkreiſen die Umgegend bald in der Luft, bald zu Fuß, und kehren des Abends regelmaͤßig in das bekannte Gehoͤfte und zu ihrem Erzieher zuruͤck, dem ſie auch folgen, wenn er ſie im Freien antrifft und bei ihren Namen ruft. Sie koͤnnen uͤberhaupt ſo zahm werden, wie unſer Hausgeflügel kaum wird; laſſen ſich auch in Staͤlle eintreiben oder nehmen zur Nachtruhe einen beſtimmten Sitz ein, wenn ſie fliegen koͤnnen auf einer Dach— firſte oder ſonſt an einem erhabenen Orte. Im Winter muͤſſen ihnen ſolche angewieſen werden, wo ſie gegen ſtarken Froſt und Schneefall geſchuͤtzt ſind; auch Futter, was ſie ſich in der guten Jahreszeit draußen ſelbſt ſuchen, muͤſſen ſie dann zu Hauſe erhalten. In der Zugzeit werden fie gewoͤhnlich unruhig, auch oft von fremden Stör: chen beunruhigt, zum Theil heftig angefeindet. Man hat gar viele verbuͤrgte Erzählungen und wir ſelbſt haben manche Erfahrung von ſolchen zahmen Stoͤrchen, die beweiſen, was ſchon oben erwaͤhnt wurde, daß dieſe Voͤgel ihren Faͤhigkeiten und Geſinnungen nach, XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 257 individuell, oft ſehr verſchieden ſind. Man hat auch Faͤlle erlebt, wo ſolche zahme Stoͤrche wirklich mit den andern wegzogen, im naͤchſten 1 wiederkehrten, durch beſondere Zutraulichkeit an den fruͤhern Aufenthaltsort ſich vor andern auszeichneten und kennt⸗ lich machten, dann aber gewoͤhnlich nicht mehr auf den Ruf ihres fruͤhern Wohlthaͤters hoͤrten, ihrem eignen Willen folgten und ver⸗ ſchwanden. Will man dies nicht mit ihnen wagen, aber auch auf manches Andere, was unter ſolchen Umſtaͤnden nur vorkommen kann, verzichten, ſo verſchneidet man ihnen einen Fluͤgel und weiſet ihnen, am beſten, den Garten zum Aufenthalt an, beſonders wenn dieſer groß und gut umſchloſſen iſt; fie koͤnnen da fo angenehm unterhals tend als nuͤtzlich werden, und ſich, bei einigem Zuſchuß von Nah: rungsmitteln, lange Jahre lang vortrefflich halten. Weniger iſt dies der Fall, wo man ſie auf Hoͤfen haͤlt, zumal auf zu kleinen, wie ſie namentlich in Staͤdten oft angetroffen werden; ſie muͤſſen hier gar zu Vieles entbehren, bleiben jedoch, wenn ſie ſonſt ſorglich gepflegt werden, zuweilen viele Jahre geſund. Eine traurige Rolle ſpielen dagegen die Stoͤrche, welche man manchmal auf kleinen Ho: fen bei den Gaſthaͤuſern in Staͤdten antrifft, um die man ſich ge⸗ woͤhnlich wenig kuͤmmert, ihnen allenfalls ihr Freſſen hinwirft, ſonſt aber an weiter nichts denkt; bejammernsvolle Niedergeſchlagenheit blickt aus ihrem ganzen Betragen, ihr Gefieder iſt mit haͤßlichem Schmutz uͤberzogen, daß es ſtatt weiß, ekelhaft braun ausſieht u. ſ. w. Meine Stoͤrche, deren ich mehrere aufzog, thaten mir, im Garten frei herum gehend, durch Vertilgen vielerlei Ungeziefers, namentlich der boͤſen Maulwurfsgrille, vortreffliche Dienſte, befanden ſich bei guter Pflege und Aufmerkſamkeit ſehr wohl und ſahen ſtets reinlich aus; wenn ſie ſich auch uͤber Winter, wo ſie auf den Hof und Nachts in den Stall kamen, ihr Gefieder ziemlich beſchmutzten, ſo wuſch es doch, wenn ſie im Fruͤhjahr wieder in den Garten kamen, ein tuͤchtiger Regen oder wiederholtes Baden bald wieder rein und nett. ahr ung Der Storch iſt ein raͤuberiſches gefraͤßiges Geſchoͤpf. Er naͤhrt ſich allein aus dem Thierreiche und verſchmaͤhet alle Pflanzenkoſt. Seine Lieblingsnahrung ſind, nach meinen Beobachtungen, FPraoͤſche, namentlich Thau- oder Heckenfroͤſche (Rana temporaria), or Theil. 17 258 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. weniger gern die grünen Waſſerfroͤſche (Rana esculenta), Kröten gar nicht, auch Waſſermolche und ſogar Laubfroͤſche ſehr ungern und nur bei groͤßtem Hunger; dagegen Eidechſen, Blindſchleichen, Nattern, ſelbſt Giftſchlangen, ſehr gern, ebenſo Regenwuͤrmer und Blutegel; ferner eben ſo gern als Froͤſche auch Fiſche aller Art, desgleichen Froſchlarven oder ſogenannte Kaulquappen, ob aber auch von Kroͤten, habe ich nicht unterſcheiden koͤnnen; dann auch noch Maͤulwuͤrfe, Maͤuſe, junge Kaninchen und ganz junge Haſen, auf dem Erdboden oder am Waſſer ausgebruͤtetes, junges Gefluͤgel, unter andern Junge von Lerchen, Wachteln, Rebhuͤhnern, wilden und zah- men Enten, Kibitzen, Waſſer- und Strandläufern und vielerlei Sumpfvoͤgeln; dann, allerlei größere Inſekten, als: Mift: und Dungfäfer (Scarabaeus et Hister), große Lauf- und Aaskaͤfer (Ca- rabus, Silpha et Necrophorus), Mai⸗, Brach⸗ und Roſenkaͤfer (Melolontha), Schwimm- und Waſſerkaͤfer (Dyticus et Hydrophy- lus) und vielerlei andere, Libellen, Heuſchrecken, Feldheimchen, Maul: wurfsgrillen und noch viele andere, nebſt den Larven aller dieſer, auch ſogar kleinere Inſekten und bienenartige, wie man ſagt, ſelbſt Honigbienen. Nackte und kleine Gehaͤus-Schnecken verſchluckt er ſeltner. Auch aufgefundene Theile von todten Thieren oder Stuͤcken Aas verſchmaͤhet er in der Zeit der Noth nicht. Alle jene Geſchoͤpfe hat man ihn freſſen ſehen, in ſeinem Ma⸗ gen oder Speiſebehaͤlter, wol auch mit zufaͤllig dazwiſchen verſchlun⸗ genen Theilen von Waſſerpflanzen oder mit den Kaͤfern verſchluck⸗ ten Miſt der Thiere vermiſcht, gefunden. Dieſen wie jene, fuͤr ihn unnuͤtze Stoffe, wirft er, mit den harten Fluͤgeldecken der groͤßern Kaͤfer, zum Theil auch Froſchknochen und Fiſchgraͤten, auch Haare und Knochen von Saͤugethieren u. dergl. in laͤnglichrunden Ballen, durch den Rachen wieder heraus, wie ein Raubvogel. Den braunen Fröfchen ſchleicht er hauptſaͤchlich im Graſe der Wieſen und im jungen Getraide, den gruͤnen am Waſſer und im Sumpfe nach. Behutſam und leiſe den Vorderleib etwas, den Hals noch mehr niedergebogen, den Schnabel gegen die Erde geſenkt, ſchleicht er bedaͤchtig und unverwandten Blickes in den Graͤſern und Kraͤutern einher, ſchnellt, wo ſich etwas regt, ſogleich den Schnabel darauf und verfehlt ſelten das Ziel, in welchem Falle die Stoͤße wiederholt und ſchneller folgen und er auch feine Schritte befchleu- nigt, um das fliehende Thier einzuholen, das ihm nicht oft ent: koͤmmt. Ein paar derbe Stoͤße toͤdten das Schlachtopfer ehe er es verſchlingt, hat er aber viel Hunger, ſo genuͤgt auch der erſte XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 259 Stoß, womit er es fing, und man ſieht oft, wie es ſich, indem es in dem weiten Schlunde hinab gleitet, in demſelben ſich noch regt und zappelt. Daß er keine Kroͤten frißt, haben wir oft geſehen, an freien wie an gezaͤhmten, und bei geſchoſſenen und geoͤffneten Stoͤrchen auch nie eine gefunden, wiſſen alſo auch nicht, was Herr P. Brehm fuͤr eine Kroͤtenart meint, die er ein Mal im Magen eines Storchs vorgefunden zu haben verſichert. Alle, welche wir ſelbſt beſaßen und die vielen andern zahmen Stoͤrche, denen wir Kroͤten vorwarfen, gingen mit Ekel an ihnen voruͤber. Der freie Storch haßt ſie ſo, daß er ſie toͤdtet, wo er ſie antrifft und ſeine Luſt am Morden derſelben zu haben ſcheint, ſie aber nachher liegen laͤßt, und zwar nicht bloß einzelne, ſondern viele gleich nacheinander. Wir ſahen dies an Bufo variabilis, B. portentosa, B. bombina s. ignea und B. vulgaris unzaͤhlige Mal. Nicht weit von hier, an einen Feldteich, kamen ein Paar, eine Stunde weit davon wohnende Störche öfters, immer des Nachmittags und fiſchten nach kleinen Karauſchen (Cyprinus carassius), die nebſt einer Menge von bun⸗ ten und Kreutz⸗Kroͤten (B. variabilis et B. portentosa) dies Waſſer faſt allein belebten; wenigſtens ſahen wir niemals einen Froſch dort. Wenn wir nun mit Sonnenuntergang dort ankamen, um nach ſchnepfenartigen Voͤgeln uns anzuſtellen, waren die Stoͤrche immer ſchon fort, hatten aber ihre hinterlaſſene Spur auf eine ſcheußliche Weiſe bezeichnet; denn zahlloſe Kroͤten von jeder Groͤße lagen am Waſſer, bis auf mehrere Schritte davon, entweder auf dem Ruͤcken ſchon todt da, oder wanden ſich noch, meiſtens mit aufgeriſſenem Bauche und zerfetzten Gedaͤrmen, in den letzten Zuckungen, und die meiſten hauchten erſt nach Untergang der Sonne ihr Leben aus. Dies haben wir mehrere Sommer nacheinander beobachtet. Den Schlangen verſetzt er zuerſt einen tuͤchtigen Hieb auf den Kopf, dann einen auf den Ruͤckgrath, um dieſen zu laͤhmen, und verſchlingt ſie nun, worauf man ſie oft noch in ſeinem Schlunde ſich winden ſieht. Daß er auch die giftige Kreutzotter (Vipera berus) faͤngt und verſchlingt, nicht ſelten noch im Rachen von ihr gebiſſen wird, der Biß ihm ſchmerzhaft, jedoch unſchaͤdlich iſt, beobachtete Dr. H. O. Lenz (ſ. deſſen Naturg. II. u. III.) — Regenwuͤrmer verzehrt der Storch in großer Menge und ſucht ſie am fruͤhen Mor⸗ gen auf gruͤnen Triften, Aengern und Brachaͤckern. Blutigel, ſo⸗ wol Hirudo officinalis, als H. sanguisuga, H. gulo u. a. holt er aus Moraͤſten, achtet ſie aber nicht beſonders. Nach Fiſchen iſt er faſt ſo begierig, wie nach Froͤſchen, kann 17° 260 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. aber mit dem Fange derſelben in zu tiefem, klaren Waſſer, wo ſie ihm zu leicht ausweichen koͤnnen, nicht gut fertig werden. Er fifcht deshalb am liebſten im Truͤben, fängt fie am leichteſten in der Laich⸗ zeit und liebt vorzuͤglich die Arten, welche ſich in ſchlammigem Waſſer aufhalten; Schleie, Karauſchen, Hechte, Barſche, Schlamm- beitzker und vielerlei andere kommen darunter vor, ſehr haufig auch junge Karpfen. Kleine bis zur Laͤnge einer Mannshand, auch noch etwas laͤngere, ſind ihm die liebſten, weil er bis gegen 1 Fuß lange ganz verſchlingen kann, das Zerſtuͤckeln noch groͤßerer ihm aber ſchlecht abgeht, wie man bei gezaͤhmten Stoͤrchen genugmals ſehen kann; doch ſchleppen die Alten ihren Jungen oft ziemlich große in's Neſt — uns ſind Beiſpiele von zwei- bis drittehalbpfuͤndigen Hechten bekannt —, und weil dieſe noch weniger mit ſolchen fertig werden Tonnen, fo fallen die armen Gepeinigten unter dem fruchtloſen Be: muͤhen der jungen Störche nicht ſelten aus dem Neſte und auf die Erde herab. Die breiten Fiſche machen ihm auch viel Muͤhe; er ſtoͤßt ſie ſo lange, bis ſie nachgiebig werden und er ſie hinab wuͤr— gen kann; er mag fie deshalb nicht gern. Wo das Waſſer verſiegt und die Fiſche abſtehen wollen, zeigt er ſich beſonders geſchaͤftig, und beſucht ſolche Stellen alle Tage. Bei alledem iſt er doch lange nicht ſo auf dieſes Nahrungsmittel erpicht als der ſchwarze Storch, welcher darin den Reihern noch weit mehr aͤhnelt. Todte und bereits angegangene Fiſche freſſen ſelbſt gezaͤhmte Stoͤrche un⸗ gern, die andern nur in hoͤchſter Noth. ö Junge Voͤgel von mancherlei Arten, welche ihm bei ſeinem Herumſchleichen aufſtoßen und nicht entfliehen koͤnnen, faͤngt und verſchlingt er ohne Gnade, und nicht wenigen wird, beſonders wenn er ſelber Junge hat, dies traurige Geſchick zu Theil. Bei jungen Haſen ſahe man, wie die gerade anweſende Mutter ihre Kinder herz⸗ haft vertheidigte, auch wohl den Raͤuber abſchlug, aber er erwiſcht dennoch manchen. Den Mäufen lauert er auf Feld und Wieſen, oft Stunden lang, vor ihren Loͤchern auf, ſo den Maulwuͤrfen, wenn dieſe nahe an der Erdoberflaͤche wuͤhlen, und ſein gut abgepaßter Schnabelſtoß verfehlt ſelten das Schlachtopfer, das er aus der lockern Erde hervorzieht. Dieſe und noch mancherlei andere Geſchoͤpfe ſchleppt er oft noch lebend, im Schnabel, ſeinen Jungen zu, damit auch dieſe das Morden bald lernen und ſich darin uͤben moͤgen, wobei jene nicht ſelten herabpurzeln und mit dem Leben davon kommen. Kleinere Dinge, z. B. Regenwuͤrmer, Kaͤfer, Engerlinge und andere Larven traͤgt er ihnen, beſonders wenn die Jungen noch klein ſind, XII. Ord n. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 261 im Kehlſacke zu und wuͤrgt ſie ihnen zu ganzen Haͤnden voll vor. Auf blumigen Wieſen treibt er oft den Inſektenfang ſehr eifrig und faͤngt nicht allein die ſitzenden und kriechenden, ſondern bemuͤht ſich auch oft die ihn umſchwirrenden, manchmal ſogar durch in die Hoͤhe ſpringen, im Fluge zu erſchnappen, und iſt, wie man an Gezaͤhm⸗ ten ſieht, nicht ungeſchickt darin. Man beſchuldigt ihn auch des Bienenraubes; es bleibt jedoch zu bezweifeln, daß er ſo ſchmerzhaft ſtechende Inſekten, wie Bienen, Hummeln, Wespen u. dergl., ohne geſtochen zu werden, verſchlucken kann. Man fand, meines Wiſſens, ſolche noch nie in einem geoͤffneten Storche und bei gezaͤhmten ſahe ich nicht ſelten, wenn ihn eine einzelne Hummel umſummte, dieſer obgleich nicht furchtſam ausweichen, doch nie darnach ſchnappen. An das Aas geht der Storch nur beim groͤßten Hunger, um Stuͤcke faulenden Fleiſches abzureißen und zu verſchlingen, zu allen andern Zeiten aber bloß der Kaͤfer und Maden wegen, die darin leben und die er in Menge davon ablieſt. Die einzelnen Stoͤrche, welche im Winter hier bleiben, leiden viele Noth und gehen bei ſehr ſtrengen Wintern gewoͤhnlich drauf; gezwungen, an offnen Gewaͤſſern, oder gar an fließendem Waſſer, in welchem ihnen ohnehin das Fiſchen ſchlecht abgeht, ihrer Nah— rung muͤhſam nachzuſchleichen, ermatten ſie aus Nahrungsmangel und verhungern endlich oder gehen auf andere Weiſe zu Grunde. Ein ſtarker Freſſer ertraͤgt der Storch Hunger eben nicht lange, weshalb auch ſolche Nachwinter, wie die im April dieſes Jahres (1837) viele aufreiben. Der Storch verſchlingt Alles unzerſtuͤckelt und hat, wie andere große, langſchnaͤblige Voͤgel, eine eigene Manier, die Nahrungsmittel zu verſchlucken; er faßt ſie naͤmlich mit der Spitze des Schnabels, ſchleudert ſie mit einem Ruck in den Rachen und ſchlinget ſie nun vollends hinunter. Recht auffallend wird dies beſonders, wenn er viel kleine Gegenſtaͤnde, z. B. Mift: oder Aaskaͤfer, nacheinander recht begierig auflieſt, und Kopf und Hals dabei in der niederge⸗ buͤckten Stellung bleiben. Bei großen, namentlich breiten Dingen, hat das Verſchlingen oft einige Schwierigkeit, breite Fiſche werden daher erſt durch haͤufige Schnabelſtoͤße muͤrbe oder biegſamer ge⸗ macht, Fiſche uͤberhaupt, wegen des Straͤubens der Floſſen und Schuppen, allemal erſt ſo gewendet, daß der Kopf voran gehen muß. Auch bei den Reptilien thut er dieſes. Er trinkt haͤufig und viel, badet ſich auch oͤfters im Waſſer, und der frei lebende Storch ſieht deshalb immer ziemlich reinlich und 262 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. ſchmuck aus, am wenigſten wenn er Junge hat und dieſe ſelbſt. Sein Unrath iſt duͤnnfluͤſſig, kalkartig, weiß, und wird in breiten Flecken weit fortgeſpritzt, ſo daß er an der Stelle, wo ſein Neſt ſteht, die Daͤcher zu beiden Seiten weiß faͤrbt, da auch die Jungen den Unrath uͤber den Rand des Neſtes hinweg ſpritzen; auch der fliegende Storch entledigt ſich deſſen oft, beſonders wenn er erſchreckt wird. Beim gemeinen Mann iſt dies vergleichsweiſe zum Sprich⸗ wort geworden. | Der Storch wohnt und weilt nur da gern, wo er viele Nah: rungsmittel zu finden hoffen darf. Trockne Gegenden koͤnnen ihm wenig geben, daher meidet er ſie. Obgleich wol Froͤſche ſeine Haupt⸗ nahrung genannt werden duͤrfen, ſo ſind es daneben Fiſche ſicher nicht minder. Die Marſchen Norddeutſchlands, namentlich die Ditt— marſchen im Holſteinſchen bewohnt er ganz gewiß nicht darum in ſo unglaublicher Menge, weil ſie beſonders reich an Reptilien waͤren, was ich gar nicht gefunden habe; ſondern weil daſelbſt alle Pfuͤtzen und Graͤben von kleinen Fiſchen wimmeln, die man dort gar nicht beachtet und die groͤßern und wohlſchmeckendern Seefiſche leicht und wohlfeil zu haben ſind. Sehr oft ſahe ich ihn dort in halb und halb ausgetrockneten Graͤben, gegen ſeine ſonſtige Gewohnheit, tief verſteckt, ſo daß nur ſein Kopf zuweilen, um ſich zu ſichern, herausſchauete, eifrig fiſchen. Namentlich wimmelt es dort von klei⸗ nen Karauſchen, die ich ihn in Menge fangen und ſeinen Jungen zuſchleppen ſahe. Recht im Gegenſatze von dieſen Marſchlaͤndern ſahe ich die unabſehbaren Suͤmpfe Sla voniens, wo es von Rep⸗ tilien, namentlich von grünen Waſſerfroͤſchen buchſtaͤblich fo wim— melte, daß man glauben mußte, hier koͤnnten Tauſende von Stoͤr— chen Unterhalt vollauf finden und dieſe ihnen ſonſt ganz angenehme Speiſe müßte fie in Menge dort hinziehen; allein ich ſahe dort fo: gar nicht einen einzigen, ob es gleich in ihrer beſten Zugzeit war, habe auch nicht erfahren, daß dort Stoͤrche niſten und ſelbſt dort nirgends ein Storchsneſt geſehen. Auch Fiſche giebt es dort in groͤßter Menge. Es muß alſo wol etwas Anderes ſein, was den Stoͤrchen die Marſchen ſo angenehm macht. Ich vermuthe, daß auch die vielen feuchten Wieſen und Viehweiden, die er uͤberall ſehr liebt, auf den letztern gern, doch erſt wenn das Vieh weg iſt, her— umſtolziert, vielen Antheil haben, weil ſie ihm ſehr viel Wechſel an angenehmen Nahrungsmitteln bieten, auch die Lage der zerſtreueten Gehoͤfte mit den hohen Rohrdaͤchern und den waſſexreichen Umge⸗ bungen ihm Bequemlichkeiten aller Art gewaͤhrt, die er nirgends XlI. Ordn. LXV II. Gatt. 258. Weißer Storch. 263 anderswo ſo a daß endlich die Leu die Huld, die ihm von Seiten der Menſchen dort wird, auch das ihrige dazu beitra⸗ gen. Darum bewohnt er auch ſchon ſehr häufig die Vierlande vor Ham burg, weil fie einen ähnlichen Charac tragen. Der gezaͤhmte Storch bedarf, ſelbſt wo ihm ein ziemlich großer Garten, mit Grasplaͤtzen oder gar natuͤrlichen Waſſerbehaͤltern, zum Aufenthalt angewieſen iſt, im Sommer meiſtentheils noch Unterſtuͤz⸗ zung an Lebensmitteln, weil er ein tuͤchtiger Freſſer iſt, z. B. 10 bis 15 mittelgroße Froͤſche oder faſt eben ſo viel ziemlich flugbare Sperlinge — dieſe ſammt den Federn — hintereinander verſchlin⸗ gen kann. Man ſieht da deutlich wie die einzelnen, oft noch lebend und ſich kruͤmmend, dem duͤnnen Halſe entlang in den ſich erweiternden Speiſekanal hinabgleiten, die letzten davon aber oft noch einige Zeit im Kehlſacke bleiben, ehe weiter hinab Raum fuͤr ſie wird und ſie nachruͤcken koͤnnen. Da er gern Regenwuͤrmer und Inſektenlar⸗ ven frißt, iſt er gleich bei der Hand, wo jemand graͤbt, um jene aufzuleſen. Er faͤngt ſich dort Maͤuſe, Maulwuͤrfe, toͤdtet ſelbſt Wieſeln, laͤßt dieſe aber gewoͤhnlich liegen, wenn der Hunger nicht gar zu ſtark iſt. Auf dem Hofe gehalten ſtellt er ſich an den Fut⸗ tertrog des Hofgefluͤgels, lauert den diebiſchen Spatzen auf und faͤngt nicht ſelten einen, aber auch junge Kuͤchelchen, junge Entchen u. dergl., weshalb man ihn nicht dazu gelangen laſſen darf. Hier wird er uͤbrigens meiſtens mit rohen Fleiſchabgaͤngen aus der Kuͤche, mit Gedaͤrmen von Gefluͤgel und Fiſchen, auch mit klein geſchnitte⸗ nem Fleiſch, wenn es auch ſchon angegangen waͤre, mit abgeſtande⸗ nen und zerſtuͤckelten Fiſchen und dergl. gefuͤttert, gewoͤhnt ſich aber nie an Brod, obgleich der eine dies, der andere jenes von obigen Nah⸗ rungsmitteln lieber frißt, manche ſogar Menſchenkoth verſchlingen, andere dagegen Gedaͤrme von Thieren nur dann genießen, wenn der Unrath aus ſolchen entfernt iſt. Er genießt nicht gern etwas, woran Erde und Staub klebt, traͤgt ſolches zuvor gewoͤhnlich in ſein Waſſergeſchirr und ſpuͤlt es ab. Der Mangel des Genuſſes lebender Geſchoͤpfe ſcheint den meiſten auf die Dauer nicht wohl zu bekommen. Recht viel Waſſer und recht oft friſches muß er immer haben. Em 264 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Fortpflanzung. N Daß der weiße Storch im Sommer in den gemaͤßigten Kli⸗ maten der alten Welt lebt und die niedrigen, ſumpfigen, waſſerrei⸗ chen Striche mit Auswahl, zum Theil ſehr haͤufig bewohnt, auch welche Gegenden, iſt ſchon im Obigen bezeichnet. Seine Sommer⸗ aufenthaltsorte ſind in der Regel die naͤmlichen, in welchen er ſich auch fortpflanzt. Nicht allein unſer Erdtheil hat dergleichen viele, ſondern auch Aſien, und man ſagt, das große Bag dad fei voll von auf hohen Gebäuden und den Kuppeln der Moſcheen niſtenden Stoͤrchen, in den weitlaͤufigen Truͤmmern der alten Perſepolis ſei jede noch ſtehende hohe Saͤule, deren Zahl ſehr groß, und jede hohe Ruine uͤberhaupt mit einem Storchsneſte beſetzt. Wie es in den Marſchen Deutſchlands und Hollands und mehrern an: dern Gegenden damit ausſieht, iſt ſchon oben vorgekommen; auch von ſeiner Anhaͤnglichkeit an den Menſchen iſt bereits viel geſagt. Dieſe iſt in der That ſehr groß. Wenn Stoͤrche, welche ſchon länger ihr Neſt an bewohnten Orten hatten oder auf dem Dache eines bewohnten Hauſes geboren und erzogen wurden, alle Jahre wieder dahin kommen oder auch andere eben ſo lebhafte Orte auf: ſuchen, um ſich wieder da fortzupflanzen, ſo iſt dieſer Hang, in der Naͤhe des Menſchen zu leben, bei ſolchen lange nicht ſo bewun⸗ dernswerth als bei andern, in einer fremden Gegend gebornen und in einer andern, für fie neuen Gegend ankommenden Storchpaͤaͤr⸗ chen. Man muß erſtaunen, wie ſolche, bei allem angebornen Miß⸗ trauen, ſogleich erkennen, daß man ſie gerne ſieht, die Anſtalten, mit denen man ihnen meiſtens entgegen koͤmmt, ihnen einen Neſtplatz bereitet oder eine feſte Grundlage fuͤr das zukuͤnftige Neſt anlegt, ſogleich verſtehen und den Wuͤnſchen der Menſchen folgen. Ich kenne ſchon viele ſolcher Faͤlle. Erſt vor wenigen Jahren, in einer nahen Gegend, zeigte ſich ein Storchpaar und muſterte die breiten Koͤpfe der alten hohen Pappeln zwiſchen zwei Nachbardoͤrfern, ein Zeichen, das der daſige Jagdbeſitzer nicht gleich verſtand, den Stoͤr⸗ chen, dort eine ſeltne Erſcheinung, mit Schießgewehr nachſchlich, auch ſogar, doch vergeblich, eine Kugel ihnen nachſandte, worauf ſie eine Viertelſtunde weiter gingen. Hier, in einem andern Dorfe, errieth man ihre Abſicht ſchneller, man befeſtigte alsbald ein altes Wagen⸗ rad auf der Firſte eines hohen Strohdachs, die Stoͤrche nahmen ſo— lil. Orb. LXVIL Gatt. 258. Weißer Storch. 265 gleich dieſe Einladung an, in wenigen Tag n waren ſie mit dem Bau des Neſtes, auf jener Grundlage, 0 heimiſch, und kommen ſeitdem alle Jahr wieder. — Was der Grund dieſer Zu⸗ neigung zum Menſchen ſei, bleibt jedenfalls raͤthſelhaft; daß aber doch wol die Sicherheit, die ihnen aus allgemeiner Zuneigung der Menſch in ſeiner Naͤhe gewährt, fo wie der fichere, feſte Stand des Neſtes, ſowol fuͤr Alte als Junge, wenigſtens nicht Nebenſachen dabei ſind, mag ſchwerlich geleugnet werden koͤnnen. Das Vertrauen zur menſchlichen Huͤlfe iſt in der That bei ihnen ſo groß, daß ſelbſt ſolche Stoͤrche, welche die Abſicht verriethen, ihr Neſt auf einen Baum zu bauen, unter mehreren Bäumen aber in der Wahl un⸗ ſchluͤſſig waren, lange pruͤften, ob dieſer oder jener einen ſichern Stand für das anzulegende Neſt haben möchte, es ſogleich annah—⸗ men, wenn man ihnen, auf's Gerathewohl, auf dem erſten beſten eine Grundlage machte, Stangen oder Staͤbe annagelte und Reis⸗ buͤndel befeſtigte, worauf ſie ſogleich ihren Bau begannen, u. ſ. w. Man kann fie ſogar dahin, wo fonft keine waren, mit ſolchen An: ſtalten locken; daß dazu die Gegend eine ihnen zuſagende Beſchaffen⸗ heit haben muß, verſteht ſich von ſelbſt. Sehr auffallend bleibt es immer, daß ſie in waldigen Gegenden, wo ſich große und hohe Baͤume zu guten und feſten Neſtplaͤtzen in Menge finden wuͤrden, dennoch auch da lieber auf Gebaͤuden in der Naͤhe des Menſchen niſten. Das einmal begründete Neſt oder Horſt, wie es nach der Jaͤ⸗ gerterminologie heißt, iſt, wenn deſſen Inhabern nicht entſchiedenes Ungluͤck begegnete, alle Jahr bewohnt, und es ſind ſolche bekannt, die über 100 Jahr, jeden Sommer, mit Storchen beſetzt waren. In Schleſien ſahe ich eine gaͤnzlich abgeſtorbene, faſt aller Aeſte beraubte, ſehr hohe und ſehr ſtarke Eiche, die mitten in einem gro⸗ ßen Gehoͤfte ſtand, ſeit undenklichen Zeiten oder ſo weit nur Nach⸗ richten in die Vergangenheit hinausreichten, als ſie noch gruͤnte, nach und nach abſtarb, bis zur Stunde, da ich fie ſahe, ein Storchs⸗ neſt trug, das Stuͤrme, in Abweſenheit der Stoͤrche, mehrmals her⸗ abgeworfen, ſie aber immer wieder aufgebauet hatten; als der todte, ungeheuere Baum nach und nach alle Aeſte verlor, ließ der Guts herr ein Rad auf dem Wipfel befeſtigen und ſo wurde der aus ent⸗ wichenen Jahrhunderten ſtammende Baum den geliebten Störchen noch lange erhalten, bis er endlich fo morſch ward, daß er umzu⸗ ſtuͤrzen und dadurch Schaden anzurichten drohete, und gefaͤllt wer⸗ den mußte. — Solcher Storchneſter, deren erſter Anbau ſich in laͤngſt vergangenen Zeiten verliert, giebt es mehrere. 266 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Daß es immer die naͤmlichen alten Individuen ſein ſollten, welche in jedem Fruͤhlinge wieder auf das alte Neſt zuruͤckkehren und darin ihre Brut machen, iſt nicht wahrſcheinlich, dies auch oft deutlich zu bemerken; denn die neu anlangenden vorjaͤhrigen Be— ſitzer kommen, wie ſchon erwaͤhnt, gewoͤhnlich ganz unerwartet aus den Wolken auf daſſelbe herab, und ſind in demſelben Augenblicke, ganz wie im vorigen Jahr, ohne Weiteres wieder heimiſch. Der Storch lebt bekanntlich in Monogamie und die Ehen ſcheinen fuͤr Lebenszeit geſchloſſen. Gewoͤhnlich koͤmmt im Frühjahr das Maͤnn⸗ chen zuerſt beim Neſte an, oft einige oder mehrere Tage fruͤher als das Weibchen, ſeltner beide zugleich. An ihrem Betragen iſt dann ſehr leicht zu erkennen, nicht allein ob es dieſelben Stoͤrche vom vo⸗ rigen Jahr, ſondern auch ob es die Gatten eines ſchon ſeit Jahren vereint geweſenen Ehepaares find. Koͤmmt nur einer der Alten zu: ruͤck, ſo dauert es laͤnger, ehe ſich noch ein zweiter dazu findet; koͤmmt gar keiner davon wieder, ſo entſteht oft unter mehreren, wahrſcheinlich jungen, Stoͤrchen Streit um den Beſitz des Neſtes und es dauert noch laͤnger, ehe ſich ein Paͤaͤrchen darin behauptet, wobei oft blutige, ſogar zuweilen mit Mord endigende Balgereien vorfallen. In ſolchen Faͤllen kann ſogar vorkommen, daß daruͤber gar keines den Beſitz erringt und daß, um dies zu verhindern, der Menſch abermals eingreifen muß, indem der Krieg oft nur durch Wegſchießen eines der Maͤnnchen beendigt wird und Ruhe eintritt. Auch ſahe man zwei Paar Stoͤrche lange Zeit um den Beſitz eines Neſtes kaͤmpfen, endlich eins ihn behaupten, ſich feſtſetzen, das Neſt ausbeſſern, Eier legen, und Alles ſchien beruhigt; jedoch ploͤtzlich er: ſchien ein anderes Paar, vermuthlich das was fruͤher zuruͤck trat, uͤberfiel ganz unerwartet das erſtere, kaͤmpfte mit mehr Gluͤck, warf die Eier heraus und nahm das Neſt fuͤr ſich in Beſitz. Bei einem lange beſtehenden Storchsneſte ließe ſich eine Chronik von ſolchen und andern Storchgeſchichten ſammeln. Das Storchsneſt ſteht immer an erhabenen Orten, faſt immer frei und aus weiter Ferne zu ſehen, auf hohen Gebaͤuden, Daͤchern, uͤber dieſe hinausragenden Schornſteinen, nicht gar hohen Thuͤrmen, verfallenen Burgen und andern hohen Ruinen, auf den breiten Wipfelaͤſten hoher Waldbaͤume von Laub- wie von Nadelholz, auf den breiten Koͤpfen alter hoher Pappeln, Erlen und Ulmen, wenn ſich fuͤr daſſelbe ein hinlaͤnglicher Raum findet, welcher wenigſtens 3 Fuß breit ſein oder 9 bis 10 Geviertfuß halten muß. Wo dieſer geringer iſt und nicht von Menſchen nachgeholfen werden kann, XII. Ord. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 267 werfen es Stuͤrme leicht herab. Die bloße Firſte eines gewoͤhnlichen Satteldachs, fuͤr ſich allein, wuͤrde ihm einen ſchlechten Standpunkt gewaͤhren, wenn den Storch nicht menſchliche Liebhaberei dabei unterſtuͤtzte, zuvor entweder an beiden Seiten des Dachruͤckens Reis⸗ buͤndel oder obenauf bloß ein altes Wagenrad*) wagerecht dar⸗ auf befeſtigte. Die Radform, freilich der des Neſtes am aͤhnlich— ſten und angemeſſenſten, ſcheint der Storch ſehr zu lieben, da man beiläufig fein Neſt hin und wieder ſogar auf den Rädern bei den Hochgerichten findet. — Er ſtellt es gern anf ſolche Schornſteine oder Feuereſſen, welche oben platt zugedeckt find und die Oeffnun⸗ gen fuͤr den Rauch an den Seiten haben; auch ſolche ſind dem Herabwerfen durch Sturm ſehr ausgeſetzt, zumal wenn ſie alt wer⸗ den und an Hoͤhe zunehmen, was alle Jahre durch hinzugekommene friſche Materialien geſchieht, bei dem einen mehr, beim andern we⸗ niger, ſo daß alte Storchsneſter vorkommen, welche Mannshoͤhe er⸗ reichen. Das auf einem Schornſteine des Schloſſes Friedrichs— werth bei Gotha ſoll ſogar uͤber 10 Fuß hoch ſein; man hat es aber kuͤnſtlich befeſtigt und ſo dem Herabſtuͤrzen vorgebeugt. Solche alte hohe Storchsneſter dienen zugleich Hausſperlingen und Mehlſchwalben, ihre Neſter in Menge unten oder an den Seiten deſſelben anzubringen, und der Storch ſcheint ſie gern zu dulden. Seit Menſchengedenken war in hieſiger Gegend ein ſolches die Zierde eines alten Wohnhauſes mit hohem Dach und einem noch viel hoͤ— hern Schornſteine, auf welchem das Neſt ſtand, das gluͤcklicherweiſe unten einen recht weiten Umfang hatte, nach und nach bis zu einer Hoͤhe zwiſchen 6 und 7 Fuß anwuchs, ſo manchem Sturme trotzte, endlich aber doch von jenem furchtbaren, welcher die aͤlteſten Baͤume entwurzelte und ganze Waldſtrecken niederwarf, am 18 ten Dezem— ber 1833 ſo erſchuͤttert und aus dem Gleichgewicht gebracht wurde, daß man ſeinen Einſturz befuͤrchtete und weil dabei das Dach leicht haͤtte Schaden leiden koͤnnen, es lieber herab nahm. Unverkennbar iſt, bei der Wahl des Neſtplatzes, des Storches Vorliebe für die Rohr⸗ oder Strohdaͤcher; fie mögen ihm natürlicher ſcheinen als die von Ziegeln, Schiefer und Metall, zumal ſich auf ſolchen, wenn kein paſſender Schornſtein überragt, ſelten ein Plaͤtz⸗ chen findet, wo das en ohne fremde Huͤlfe einen feſten Stand gewaͤnn. Das Storchsneſt iſt von bedeutendem Umfange, manches mehr, ein anderes weniger; es hat einen Breitendurchmeſſer von minde⸗ ) Kein Pflugrad, wie Bechſtein meint; das wäre zu Hein, N 268 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. ſtens 3 Fuß, nicht ſelten aber bis zu 5 und 6 Fuß, und iſt daher eins der groͤßten einheimiſchen Vogelneſter. Urſpruͤnglich und friſch hat es kaum 1 Fuß Hoͤhe und ſeine Vertiefung in der Mitte, fuͤr die Eier, iſt auch nur ſo weit ausgehoͤhlt, daß dieſe nicht herab— rollen koͤnnen, ſelten etwas tiefer; das Ganze, wenn es erſt von Alt und Jung dichtgetreten, bekoͤmmt ein niedriges, oft ganz plat⸗ tes Ausſehen. Zur Grundlage nimmt er trockene Stäbe und Stek— ken, mitunter von der Dicke eines Daumens und daruͤber, duͤrres Reisholz und Dornen, dazwiſchen Erdklumpen und Raſenſtuͤcke; weis ter oben folgt feineres Reiſig, auch wol einzelne alte Rohrhalme und Schilfblaͤtter, Alles kunſtlos, doch ziemlich feſt ineinander ge— fuͤgt und mit etwas Erde vermiſcht; zuletzt zum Lager fuͤr Eier und Junge folgen, bloß inwendig und die flache Vertiefung bildend, duͤrre Grasſtuͤckchen und anderes Wurzelwerk, Miſt, Stroh, Stop: peln, Klumpen von Borſten und Haare, Lumpen, Papierſtuͤcken, Faͤden, auch wol Federn, die das Innere weich machen, ihm aber, da die Gegenſtaͤnde mit allem Schmutze herbei geſchleppt werden, eben kein reinliches Ausſehen geben; von Außen ſieht man nur duͤrre Stecken und Reiſer. Er lieſt die Materialien auf dem Felde, auch in der Naͤhe von Baͤumen und an den Wegen zuſammen und traͤgt ſie im Schnabel zum Neſte. Es iſt ein ganz ſonderbarer Anblick, den ſtattlichen Storch mit einem langen Knittel quer im Schnabel oder gar mit einem Klumpen Miſt dem Neſte zuſchweben zu fe: hen.) Beide Gatten bauen daran, das Weibchen eifriger als das Maͤnnchen, und das eine ſteht gewoͤhnlich auf dem Neſte gleichſam Wache, wenn das andere auf dem Felde nach Materialien ſucht. In einer Woche iſt der Bau fertig, und wenn es ein altes Neſt war, deſſen Ausbeſſerung noch weniger Zeit erfordert als ein Neu— bau, weil fie meiſtens nur fein Inneres betrifft, fo iſt die Einrich— tung in wenigen Tagen gemacht und das Wochenbett bereitet. Ihre Freude bei dem Bauen legen ſie oft durch abwechſelndes Klappern an den Tag. Das Neſt iſt von nun an ihr eigentliches Wohnhaus und ſelten ohne einen der Gatten, welcher ſich auf deſſen Rand ſtellt, waͤhrend der andere abweſend iſt, Nahrung ſucht, oder hoch in den Lüften klappert, welches der erſte gewöhnlich eben fo beant: wortet. In dieſer Zeit klappern ſie uͤberhaupt oft und anhaltend, wie ſpaͤter wieder bei den Jungen, um es dieſen zu lehren. Das e) Beiläufig geſagt, glaubt der gemeine Mann, wenn er den Storch viel Miſt in's Neſt ſchleppen ſieht, zumal wenn er ſchon Junge hat, daß es bald und viel Regen geben werde. XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258 Weißer Storch. 269 fertige Neſt bleibt nun Tag und Nacht beſetzt, es dient zur Schlaf: ſtelle, wenigſtens fuͤr den einen, wo dann der andere dicht daneben ſteht. Auch die Begattung wird, gewoͤhnlich unter vorhergehendem vielen Klappern, auf dem Neſte, ſelten auf freiem Felde vollzogen. Immer ſteht das Storchsneſt ſehr hoch vom Erdboden, nicht einmal auf etwas niedrigen Daͤchern oder Baͤumen; dies iſt in der Regel ſo. Es ſetzt daher nicht wenig in Verwunderung, wenn er⸗ zaͤhlt wird, daß im Jahr 1828 ein Storchpaar im Jardin des plan- tes zu Paris ſein Neſt neben ein Geſtraͤuch auf die Erde bauete und binnen 31 Tagen 5 Eier ausbruͤtete. Die Sache ſoll voͤllig gegruͤndet ſein und keine Taͤuſchung dabei obwalten. Wenn das Neſt fertig iſt, gewoͤhnlich nicht vor Anfang des April, in kalten Fruͤhlingen wol erſt gegen Ende deſſelben oder gar im Mai, wird das erſte Ei gelegt; das Storchweibchen liegt oft lange auf dem Neſte, ehe es dazu koͤmmt, zumal junge Weibchen, welche zum erſten Mal und dann gewoͤhnlich, in dem Zeitraume von mehreren Tagen, nicht mehr als 3 Eier legen, waͤhrend alte 4 bis 5 Eier fuͤr eine Brut legen. Wenn die letzten Ungluͤck damit haben, legen ſie in demſelben Jahre wol noch ein Mal, dann aber ſelten mehr als 2 oder 3; verlieren ſie aber die Jungen, ſo bleiben fie in dieſem Jahr ohne Nachkommenſchaft. Die Eier find nicht auffallend groß, gleichen am Umfange lange nicht einem ziemlich kleinen Gaͤnſeei, eher dem der Biſamente. Sie meſſen im Durch⸗ ſchnitt in der Laͤnge gegen 3 Zoll, auch wol einige Linien druͤber, in der Breite 2 Zoll einige Linien. Ihre Geſtalt iſt eine wahre eifoͤrmige oder eine ovale, an dem einen Ende wenig dicker und ſtumpfer als an dem andern, ohne auffallend bauchicht zu fein; ihre Schale ſtark, glatt, ſchwachglaͤnzend, von ſehr feinem Korn wie Euleneier, die Poren ſehr fein und wenig auffallend. Sie ſind ſtets rein weiß und, wenn nicht fremder Schmutz zugegen, ohne die leiſeſte Beimiſchung einer andern Faͤrbung. Klein, Bechſtein und Meyer nennen ſie ochergelb, Schinz gelbgruͤnlich, Farben, von welchen ich niemals eine Spur an dieſen Eiern geſehen habe. Das Weibchen bruͤtet allein und ſehr eifrig 28 bis 31 Tage lang, und geht in dieſer Zeit ſehr ſelten und dann nur auf ganz kurze Zeit vom Neſte, bei dem das Maͤnnchen indeſſen Wache haͤlt, ſeiner bruͤtenden Gattin, welche am Bauche drei von Federn ent⸗ bloͤßte Brutflecke hat, auf jeder Seite und in der Mitte einen, aber hinreichend Nahrung zuſchleppt. Als ſorgſamer Eheherr ſteht es ihr bei, haͤngt mit Liebe an ihr und der zukuͤnftigen Nachkommenſchaft, 270 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. bewahrt es vor Gefahren und entfernt ſich auch des Nachts nicht vom Neſte. Wenn es nicht mit dem Aufſuchen des zu feiner eige⸗ nen und der Gattin Saͤttigung Noͤthigen an entferntern Orten zu ſein gezwungen iſt, ſteht es neben ihr. Recht oft wird ein Ei von einem Gelege faul gebruͤtet; uͤberhaupt ſind 5 Junge in Einem Neſte ſchon etwas Ungewoͤhnliches, und von ſolchen eins beſonders kleiner und viel ſchwaͤchlicher als die uͤbrigen. Sind die Jungen den Eiern entſchluͤpft und noch einen Tag von der Mutter erwaͤrmt, dann holen die Aeltern Futter für fie herbei, das anfänglich in Regen: wuͤrmern, Blutigeln, Inſektenlarven, kleinen Kaͤfern und andern Inſekten beſteht, welche ſie ihnen im Kehlſacke bringen, anfaͤnglich in den Schnabel ſtecken, bald aber bloß vorwuͤrgen. Auch Waſſer ſchleppen ſie im Kehlſacke zum Neſte. Aber nie gehen beide Aeltern zugleich vom Neſte und den Jungen, um Futter zu holen, ſondern abwechſelnd, bald die Mutter, bald der Vater, damit die Jungen nie allein und ohne Schutz bleiben. Spaͤter, wenn dieſe groͤßer werden und groͤßere Quantitaͤten zur Saͤttigung verlangen, zwingt die Noth oft beide zugleich nach Futter zu fliegen, aber lange bleibt doch keins von ihnen abweſend. Es gewaͤhrt eine ungemein angenehme Unterhaltung, eine ſolche Storchfamilie zu beobachten, was man meiſtens mit der groͤßten Bequemlichkeit kann, und es fallen da ſo verſchiedenartige Auftritte vor, daß ſie manches Unangenehme, das die Naͤhe eines Storchs— neſtes mit ſich bringt, vergeſſen machen. Hierher gehoͤren beſonders das ekelhafte Anweißen des das Neſt tragenden Daches mit ihrem uͤberaus haͤufigen Unrathe; der uͤble Geruch, der zu Zeiten davon und noch mehr von herabgefallenen und faulenden Froͤſchen, Fiſchen u. dergl. entſteht, und das oͤftere Entkommen ins Neſt geſchleppter, noch lebender Maͤuſe und Maulwuͤrfe, die dann des Storches Wirthe zur Laſt fallen; dieſer hat dagegen doch auch zuweilen die Freude, daß ſie ihn zu einem großen Fiſche verhelfen, den die Jungen nicht zu meiſtern vermoͤgen und welcher bei ihren desfallſigen Bemuͤhun⸗ gen noch lebend herabfaͤllt. Es ſieht herrlich aus, wenn einer der Alten nebſt den Jungen, die Ankunft des Andern erwartend, auf dem Neſte ſteht und ein froͤhlich bewillkommendes Klappern erhebt, wenn dieſer mit Futter beladen ſich nahet, wie die Jungen ihn freu— dig zwitſchernd empfangen und nun gierig verſchlingen, was er ih— nen auftiſcht, naͤmlich auf den Neſtrand, ihre Speiſetafel, vorwuͤrgt. Er hat den Kehlſack gewoͤhnlich ſo vollgepfropft, daß der Schnabel kaum geſchloſſen werden kann und dann oft noch in dieſem frei ein XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 271 beſonderes Stuͤck. Manche, aber nicht alle, alten Stoͤrche, erwei⸗ tern, wenn die Jungen heranwachſen, um ihnen mehr Raum zu ſchaffen, den Rand des Neſtes mit friſchem Reisholz u. dergl., da⸗ mit die Jungen nicht ſo leicht herabfallen koͤnnen, was dennoch zu⸗ weilen einem einzelnen begegnet, aber gewiß nur als ein zufaͤlliges Ungluͤck zu betrachten iſt, keineswegs aber abſichtlich von den Alten geſchieht, ſo wenig wie mit einem einzelnen Ei, das zuweilen her⸗ abfaͤllt, und das das Weibchen beim heftigen Aufſtehen wahrſchein⸗ lich mit den Beinen unwillkuͤrlich uͤber den Neſtrand hinausſchnellt. Daß ſie ihrem Wirthe damit eine Art von Miethszins zu zollen ge⸗ daͤchten, iſt laͤcherlich, und daß ſie das wieder hinaufgebrachte Junge deshalb abermals herabſtießen, ebenſo; das junge Geſchoͤpf iſt durch den Sturz betaͤubt, außer Faſſung gekommen, vielleicht auch be⸗ ſchaͤdigt, und wankt im Neſte hin und her, bis es abermals herab⸗ purzelt; ſo iſt es wahrſcheinlicher, und wer es weiß, daß viel an⸗ dere junge Voͤgel, z. B. auch Tauben, ein Mal aus dem Neſte gehoben, keinen feſten Sitz wieder in demſelben erlangen, wird die⸗ ſer Anſicht beitreten. — Die Jungen ſitzen anfaͤnglich auf den Fer: ſen und koͤnnen nicht aufrecht ſtehen; mehrere Wochen alt lernen ſie erſt das letztere, das Klappern aber nicht ſehr lange vor dem Ausfliegen. Mit dem Klappern fangen ſie auch an dann und wann die Fluͤgel zu heben, damit zu flattern und dazu auf dem Neſte herumzuſpringen, das ſich immer oͤfterer wiederholt, bis nachher die Alten ihnen das Auffliegen vormachen und ſie dazu antreiben, mit ihnen wieder auf's Neſt, dann auf ein benachbartes Dach und im— mer weiter wegfliegen, und ſie endlich aufs Feld, in die Wieſen und Suͤmpfe geleiten. Es dauert lange, ehe ſie ſo weit heranwach⸗ ſen, ja mehr als zwei volle Monate ſind dazu noͤthig, in welcher Zeit ſie mit der zaͤrtlichſten Sorgfalt von den Alten genaͤhrt und behandelt wurden. Jetzt koͤmmt die ganze Familie noch eine Zeit lang bloß des Abends auf das Neſt, haͤlt auf demſelben und theil⸗ weis ganz in deſſen Naͤhe ihre Nachtruhe, bald aber verlaſſen alle die Gegend und ziehen von uns fort. Die Liebe zu ihrer Brut aͤußert ſich bei verſchiedenen Stoͤrchen oft ſehr verſchieden. Manche machen ſich z. B. gar nichts draus, wenn man ihre Eier beſieht und ihnen eins nimmt, oder die Jun⸗ gen betaſtet, manche ſogar nicht, wenn man ein ſolches herabholt und nach kurzer Zeit wieder hinaufſchaft und in das Neſt ſetzt; an⸗ dere verlaſſen dagegen in ſolchen Faͤllen zwar das Neſt nicht, wer⸗ fen aber das betaſtete Stuͤck herab; noch andere werfen nach ſolchem 272 XI. Ordn. LXVIL Gatt. 258. Weißer Storch. Vorfalle nicht allein das betaſtete Junge heraus, ſondern verlaſſen ſogar auch die uͤbrigen Jungen, und laſſen ſie verhungern, ſelbſt wenn ſie ſchon ziemlich heran gewachſen ſind, verlaſſen ſogar Neſt und Gegend fuͤr immer. Boßhafter Uſurpatoren unter ſich, welche nach gluͤcklichem Kampfe mit den Erbauern das Neſt erſtuͤrmten, die Eier oder kleinen Jungen herauswarfen, ſich darin feſtſetzten und darin niſteten, iſt ſchon oben gedacht; es ſind aber auch Faͤlle be⸗ kannt, wo ſich ſpaͤter andere, vielleicht die Vertriebenen, an ſolchen auf gleiche Weiſe raͤchten, indem ſie jene meuchlings uͤberfielen. Mord der einen Partei faͤllt dabei nicht ſelten vor. Man erzaͤhlt, daß zu einem Paͤaͤrchen, deſſen Weibchen ſchon Eier hatte, auf dem Neſte ſaß, fein Männchen aber neben ihm ſtand, ein einzelnes frem= des Maͤnnchen kam, uͤber den rechtmaͤßigen Eheherren herfiel, ihn, und zwar mit Huͤlfe der falſchen Gattin, uͤberwaͤltigte, und nach— dem ſie ihn zu Schanden gehackt und vertrieben hatten, nahm der Fremde Weib und Ehebett in Beſitz, und die Neuvermaͤhlten ſetz— ten, wunderlich genug, die angefangenen Fortpflanzungsgeſchaͤfte aus erſter Ehe ſo fort, als wenn gar nichts vorgefallen waͤre; dies iſt eine verbuͤrgte Geſchichte. Noch viel andere Geſchichten von treuer Liebe und Gutmuͤthigkeit, wie, im ſchroffen Gegenſatze, von Untreue und Bosheit, von Rach- und Mordſucht werden vom Storch erzaͤhlt. Seine Fortpflanzungsgefchichte iſt uͤberhaupt voll der wunderlichſten Begebenheiten. Es wurde oben erwaͤhnt, daß man in manchen Gegenden glaubt, der Storch wiſſe vorher, wenn dem Hauſe, worauf ſein Neſt ſtehet, Feuer drohet. Erſt im Jahr 1820 ſtand im Allg. Anzeig. d. Deutſch. Nr. 338., von Pr. Obbarius aus Rudolſtadt, folgende Geſchichte. „Bei einer Feuersbrunſt zu Kelbra, im Juni, droheten die Flam⸗ men auch einem Storchsneſte und leckten ſchon an den Brandgiebel des Gebaͤudes, worauf dieſes ſtand, in die Hoͤhe; die Stoͤrche flogen zur Helme, machten ſich naß und beſpritzten ſo Neſt und Junge, bis dieſe, beſonders erſteres, nach wiederholtem Experiment ganz durchnaͤßt waren, auch ſchien es, daß ſie ſelbſt aus dem Schnabel Waſſer darauf ſpritzten. Als die Gluth zu ſtark wurde, konnten ſie kein Waſſer mehr herbeiſchaffen, aber das Gebaͤude blieb verſchont, und den Jungen ſchadete die ausgeſtandene Gluth auch nichts.“ Wenn hier auch nichts von einer vorhergehenden Ankuͤndigung des Ungluͤcks geſagt iſt, ſo moͤchte der Vorfall doch wol darthun, daß die Stoͤrche, wunderbar genug, die gegenſeitige Wirkung jener Ele⸗ mente gekannt haͤtten. \ XII. Ordn. i Gatt. 258. Weißer Storch. 273 Merkwuͤrdig bleibt e daß ſich die Anzahl der Stoͤrche nicht von Jahr zu Jahr auffallender vermehrt, da doch die aller⸗ meiſten ihre Jungen ungeſtoͤrt und gluͤcklich aufziehen und mit fort⸗ nehmen. Auch zu ganzen Heerden ſieht man bloß junge Stoͤrche wegziehen. Obgleich ſo etwas auf dem Ruͤckzuge im Fruͤhjahr eine Seltenheit iſt, und viele fern von uns, auf der Reiſe verungluͤcken mögen, fo kehren doch noch ſehr viele und ſtets mehr zuruͤck, als zum Beſetzen der erledigten Stellen, wo Alte waͤhrend des Wegſeins abhanden kamen, noͤthig ſind, und doch vermehrt ſich die Zahl der Storchsneſter nirgends in einem ſolchen Verhaͤltniſſe, wie man es wol erwarten ſollte. Es giebt freilich auch alle Jahre eine Menge ſogenannter guͤſter Stoͤrche, die nicht hecken und ſich in abgelegenen Gegenden geſellig herumtreiben; allein dies ſind nicht lauter Junge vom vorigen Jahr, ſondern es ſind auch viele Alte unter ihnen. Solche Stoͤrche ſind ſehr wild, halten ſich meiſtens in ſumpfigen Waldgegenden auf, kommen nie zu denen in bewohnten Orten und ſcheuen den Menſchen mehr als alle andere ihrer Art. 10 NS F ei n de Es iſt nicht bekannt, ob irgend ein Raubvogel mit dieſem gro⸗ ßen, ſtarken Vogel anbindet; auch die Neſtpluͤnderer, Kraͤhen, El⸗ ſtern u. a. m. wagen ſich nicht an ſein Neſt. Dieſes beſucht jedoch der Haus: oder Steinmarder, in ſtiller, dunkler Nacht zuwei⸗ len und erwuͤrgt die Jungen. Nach einem ſolchen naͤchtlichen Uiber⸗ fall verlaſſen die alten Stoͤrche gewoͤhnlich den unheimlichen Ort fuͤr immer. Er beherbergt mehrartige Schmarogerinfeften oft in bedeutender Menge, beſonders ſieht man junge Stoͤrche oft ſehr von ihnen be⸗ unruhigt, nach meines gelehrten Freundes Dr. Ch. L. Nitzſch's Wahrnehmung, naͤmlich: Philopterus incompletus, Ph. versicolor und Liotheum Zebra. Nach dem Wiener Verzeichniß leben in ſei⸗ nen Eingeweiden mehrmals Wuͤrmer von verſchiedenen Arten, als: Ascaris microcephala, Distomum ferox und Taenia unguiculata. . | 18 274 XII. Ord. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Sag, d Wo der Storch ſich nicht einer ausgezeichneten Duldung erfreuet, gehoͤrt er unter die ſcheueſten Voͤgel und iſt auf dem Freien hoͤchſt ſelten, etwa nur Junge beim Wegzuge, oder wenn ihm Kaͤlte und Hunger den Muth benommen haben, anzukommen und mit einem Schießgewehr zu erlegen. Selbſt der in bewohnten, lebhaften Ortſchaften wohnende, in einem kleinen Neſtbezirk fo vertraulich, faſt dummdreiſt ſcheinende Storch iſt wenige hundert Schritte davon, ſo wie er aufs Freie koͤmmt, ſo aufmerkſam, mißtrauiſch, ſcheu und hellſehend, daß er ſogleich die Abſicht des ſich Naͤhernden erraͤth und ſtets zur rechten Zeit die Flucht ergreift. Obgleich zutraulicher gegen die Leute, welche ſich mit Feldarbeiten beſchaͤftigen, ſei es gehend, reitend oder fahrend, gegen ruhig und ihn unbeachtend voruͤber Wandelnde, beobachtet er doch unbemerkt ihr Treiben, und der geringſte Verdacht darin ſcheucht ihn weg. Den Schuͤtzen erkennt er, er mag fahrend, rei⸗ tend oder zu Fuß kommen, ſchon in weiter Ferne und haͤlt, vor letzterm wenigſtens, nie auf Schußweite für die Kugelbuͤchſe, viel weniger fuͤr die Schrotflinte aus. Er muß daher aus weiter Ent⸗ fernung ſchon hinter Erdwaͤllen, Gebuͤſch oder ſtarken Baͤumen hin⸗ terſchlichen, oder aus einem guten Verſteck, wo er nicht aus der Hoͤhe hinein ſehen kann, erlauert werden. Die Zugſtoͤrche ſchießt man auf dem Abendanſtande, wo ſie baͤu⸗ men, d. h. ſich auf Baͤume ſetzen, um Nachtruhe darauf zu hal⸗ ten. Man kennt gewoͤhnlich aus Erfahrung ſchon die Orte und die Baͤume, welche ſie dazu waͤhlen, das alljaͤhrlich faſt immer die⸗ ſelben und vorzuͤglich ſolche ſind, die oben einen breiten Wipfel mit ſtarken, meiſt horizontalen, am liebſten ganz kahlen Aeſten ha— ben, ſogenannte Hornzacken, wie ſie haͤufig auf alten Eichen ſind. Sie kommen nicht ſpaͤt da an, gewoͤhnlich ſchon mit Untergang der Sonne, ſind dabei aber ſehr vorſichtig; man thut aber wohl, ihnen vorerſt Ruhe zu goͤnnen, denn wenn ſie einmal feſtſtehen oder ſchon ein Wenig geſchlafen haben, laſſen ſie ſich dort ehe es voͤllig Nacht wird oder, wenn dieſe mondhell genug, auch mitten in derſelben recht leicht anſchleichen; ſie ſind dann ſo ſchlaftrunken, daß oft die von der naͤchſten Eiche noch nicht abfliegen, wenn nahe dabei Flintenſchuͤſſe auf die andern fallen und die Getroffnen nicht ohne Gepolter herabſtuͤrzen. Man darf dabei aber nicht vergeſſen ſich XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 275 ſtets ſo anzuſchleichen, daß man gegen das Mondlicht zielt; in an⸗ drer oder gar entgegengeſetzter Richtung iſt das Zielen aͤußerſt un⸗ ſicher, weil jenes Licht dann blendet. — In bewohnten Orten wird der Storch faſt allenthalben gehegt, nur dadurch bekanntlich zutrau- lich, und hier beim Neſte wuͤrde er freilich mit leichter Muͤhe erlegt werden koͤnnen, waͤhrend dies bei andern, welche nicht in Doͤrfern und Staͤdten niſten, und ſich keines beſondern Schutzes erfreuen, wie ein ſchon angefuͤhrtes Beiſpiel beweiſt, zu dem ich aus eigner Erfahrung noch mehrere fuͤgen koͤnnte, faſt eben ſo ſchwer haͤlt, als ihn auf dem Freien zu ſchießen. Man ſoll ihn an einem Angelhaken oder auch in einem Teller⸗ eiſen, auf dem als Lockſpeiſe ein lebender Froſch befeſtigt waͤre, fan⸗ gen koͤnnen, ich habe es aber ſelbſt nicht verſucht, und möchte ver⸗ muthen, daß der Fang in ſtarken Laufſchlingen, wie ſie in dieſem Werk ſchon oͤfter nach Erfahrung empfohlen ſind, am Waſſer auf geſtellt, noch leichter gelingen muͤſſe. Die Storchsfaͤhrte iſt gegen die der Reiher ſehr kenntlich an der auffallenden Kuͤrze der Hinterzeh und den weiter ausgeſpreitzten Vorderzehen. Etwas ſchwerer unterſcheidet fie ſich von der Kranich⸗ faͤhrte, an welcher jedoch die viel kleinere und kuͤrzere Hinterzeh ſich gar nicht, außer in etwas tiefem Schlamme, abdruckt, wo ihre be⸗ ſondere Kleinheit doch noch Unterſcheidungszeichen genug bleibt. Der Storch ſtellt die Vorderzehen ſehr regelmaͤßig auf 3 Thei⸗ lungslinien eines 6theiligen Kreiſes. N unt e n. Der Storch mit ſeinem orangenrothen Fett, das nie in beſon⸗ derer Menge vorhanden, und ſeiner widerlichen Ausduͤnſtung, wird gewoͤhnlich nicht gegeſſen; ſein Fleiſch iſt zaͤhe und unſchmackhaft. Brauchbarer ſind ſeine Federn zu Betten, die Fluͤgel geben gute Flederwiſche, auch Facher (Anfacher) für Metallarbeiter, weniger ſind die Spulen zu Schreibfedern tauglich. Aus den beiden Schna— beltheilen verfertigen die Jaͤger Tabakspfeifenraͤumer und Stopfer. Sein Hauptnutzen beſteht im Vertilgen einer Menge, dem Men⸗ ſchen ſchaͤdlicher, laͤſtiger oder bloß widerlicher Geſchoͤpfe. Ein Storch⸗ paar kann unter den Froͤſchen einer Gegend unglaublich aufräumen 18 276 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. eben ſo unter andern uns wirklich ſchadenden Thieren, z. B. man⸗ chen Kaͤferarten und ihren Larven. Im Ganzen genommen wird ſeine Nuͤtzlichkeit doch bei Weitem uͤberſchaͤtzt und er deshalb faſt uͤberall mehr gehegt, als er es verdient. Aber das ſchoͤne ſtolze Thier, mit ſeiner Familie, iſt doch auch die Zierde und Freude ſo manchen Dorfes, ſo mancher Gegend, in denen es mit Vertrauen ſich dem Menſchen naͤhert und auf deſſen Hauſe wohnt, es iſt, genau erwogen, doch mitunter ihm entſchieden nuͤtzlich, verdient alſo doch hin und wieder Duldung, wenigſtens keine allgemeine Verfolgung. Am nuͤtzlichſten kann der gezaͤhmte Storch in Gaͤrten werden, wo er allen Geſchoͤpfen nachſtellt, die den Pflanzenwuchs theils hemmen, theils zerſtoͤren, und wenn er nicht junges Gefluͤgel erreichen kann, gar keinen Nachtheil bringt, als hoͤchſtens durch Umtreten dieſes oder jenes zarten Pflaͤnzchens, was gegen den Vortheil gar nicht in Betracht koͤmmt, den er durch Wegfangen der Maulwurfsgrillen, der Mai⸗ und Roſenkaͤfer und zahlloſer andrer Inſekten, nebſt ihren Larven und Puppen, desgleichen der Regenwuͤrmer, ſogar der Maul⸗ wuͤrfe und Maͤuſe und noch vieler andern ſchaͤdlichen Geſchoͤpfe, dem Beſitzer ſtiftet. Durchſchnittlich iſt wol anzunehmen, daß der Storch ſo viel nuͤtzt als er ſchadet, oder Nutzen und Schaden von ihm ſtehen im Gleichgewicht. cha d e n Dieſer iſt im Grunde viel bedeutender als man gewoͤhnlich waͤhnt. Der Storch raubt junge Haͤschen, junge Kaninchen, Junge von Rebhuͤhnern, Faſanen, Wachteln, wilden Enten, allerlei ſchnepf⸗ artigen Voͤgeln, Lerchen und anderem jagdbaren oder ſonſt nuͤtzlichen Gefluͤgel, verſchlingt es oder ſchleppt es ſeinen Jungen zu, verſchont auch, wo er fie erwiſchen kann, junge zahme Entchen und Hühner: chen nicht, denen er, dreiſt genug, zuweilen am fruͤhen Morgen nahe bei den Gehoͤften nachſtellt. Er wird ferner den Fiſchereien, hauptſaͤchlich den ſogenannten wilden, ſehr nachtheilig und fiſcht oft ſolche Behaͤlter, in denen das Waſſer knapp wird, ſehr bald rein aus, vergreift ſich bei ſolcher Gelegenheit auch oft genug an ſo groß n Fiſchen, die er kaum uͤberwaͤltigen, aber nicht genießen kann, XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. 277 jedoch toͤdtet oder zu Schanden hackt. Der Landmann beachtet die⸗ ſes wenig oder gar nicht, er weiß vom geliebten Storche nur Gu- tes zu reden; allein der Jaͤger kennt ihn beſſer; er iſt nicht freund⸗ lich gegen ihn geſinnt, und das nicht mit Unrecht. Seine Raͤube⸗ reien werden um ſo aͤrger, jemehr in ſeiner Neſtgegend das Waſſer und mit ihnen Froͤſche und Fiſche abnehmen; er ſieht ſich dann ge: zwungen, jenen jagdbaren Thieren um deſto fleißiger in den Fluren nachzuſchleichen. Die Obrigkeiten mancher Laͤnder haben es daher nicht fuͤr Unrecht gehalten, ihn fuͤr einen den Jagden ſchaͤdlichen Rauber zu erklaͤren und dem Jaͤger als Ausloͤſung 2 bis 6 Ggr. für feine eingelieferten Beine (Ständer) zu zahlen. f Mein verehrter Freund Fr. Boie zu Kiel theilte mir einſt folgende verbuͤrgte Geſchichte N die wol verdient, wenigſtens im Ausgange, hier zu ſtehen. | Sr. Durchl. der Landgraf Carl von Heſſen kaufte im Sep⸗ tember (das Jahr iſt zufällig vergeſſen) auf feinem, 1 ½½ Meilen von Schleswig entfernten Gute Louiſenlund einen weiblichen Storch, den ein Knabe gefangen hatte. Der Vogel ward gegen den Winter mit in die Stadt genommen und auf dem Schloßhofe zu Gottorf unterhalten, im Fruͤhlinge aber wieder nach Louiſen⸗ lund gebracht. Man gab ihm einen maͤnnlichen Storch, den ein Muͤller in der Nachbarſchaft beſeſſen, zur Geſellſchaft. Da beide fliegen konnten und ſich ihre Nahrung auf dem Felde zu ſuchen an: fingen, ſo ließ der Herr Landgraf fuͤr das Paͤaͤrchen ein Neſt auf einem Gebaͤude anlegen, welches es auch wirklich bezog und ſich zum Bruͤten anſchickte. Allein Stoͤrche aus der Nachbarſchaft fielen uͤber die Neuangeſiedelten her und toͤdteten wahrſcheinlich das Maͤnnchen; denn es erſchien nicht wieder. Das Weibchen nahm die Gewohnheit an, faſt taͤglich von Louiſenlund nach Schleswig zu fliegen, wo es ſich auf dem Gottorfer Schloßdache niederzulaſſen, aber auch den Hof zu beſuchen und fein Futter aus der Schloß⸗ kuͤche zu holen pflegte. Immer den Verfolgungen der benachbarten Stoͤrche ausgeſetzt, fand es hier eine ſichere Zuflucht. Die Diener⸗ ſchaft gebrauchte den Vogel als Brieftraͤger zwiſchen Schleswig und Louiſenlund. Verſchiedentlich verſuchte dies Weibchen ein 278 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 258. Weißer Storch. Neſt zu bauen und erhielt Beſuche von andern Stoͤrchen; dies war vielleicht die Urſache der Verfolgungen von andern Weibchen, deren Eiferſucht durch die Beſuche ihrer Maͤnnchen aufgeregt war. Es lebte auf die erzaͤhlte Weiſe 3 Jahre, ließ ſich dann ſeltner ſehen und verſchwand endlich voͤllig. Kurz vor Abdruck dieſes Bogens ging mir nachtraͤglich noch folgende intereſſante, durchaus verbuͤrgte Geſchichte zu, die, weil ſie oben nicht mehr eingeſchaltet werden konnte, hier wol noch ein Plaͤtzchen verdient. „Auf dem Gute des Grafen Zichy (Ober-Ungarn, Presbur⸗ ger Comitats), hatten ſich Stoͤrche angebauet, von welchen im Herbſt ein Junger zuruͤck blieb. Ob ſolcher zufaͤllig aus dem Neſte gefallen, oder aus einer andern Urſache von den grauſamen Aeltern zuruͤck— gelaſſen wurde, iſt dem Berichterſtatter nicht mehr genau erinnerlich. Dieſer junge Storch wurde nun reichlich gefuͤttert und durch ſorg⸗ liche Pflege ſo zahm, daß er jeden Morgen in den Salon ſtolziert kam, um ſich da ſein Fruͤhſtuͤck aus den Haͤnden der Kinder abzu⸗ holen. — Den darauf folgenden Herbſt war dieſer zahme Storch⸗ juͤngling auf ein Mal fort, und das naͤchſte Frühjahr, fo wie die zwei darauf folgenden Jahre, brachten ihn nicht zuruͤck. Oefters wurde dieſes gute treue Thier von den Kindern erwaͤhnt, doch aber endlich vergeſſen. — An einem Morgen des vierten Fruͤhjahres ſitzt die ganze Familie des Grafen wie gewoͤhnlich zuſammen beim Fruͤhſtuͤck und freuet ſich bei offenen Thuͤren der erſten Sonnen⸗ waͤrme; auf ein Mal koͤmmt ganz unerwartet der lange vermißte, langbeinige Freund durch den Garten heran marſchiert; er laͤßt ſich durch das Freudengeſchrei der Kinder nicht ſtoͤren, ſondern geht ganz ernſt und ruhig, gerade wie vor vier Jahren, — ſtracks auf den Salon zu, in ihn hinein, und nimmt allda, nach gewohnter Weiſe, ſein Fruͤhſtuͤck in Empfang. Dieſen ganzen Sommer blieb er allein da; den Herbſt darauf war er jedoch ploͤtzlich verſchwunden, man weiß nicht wie und wohin, und kehrte nie mehr wieder.“ 259. Der ſchwarze Storch. Ciconia nigra. Belon. . Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 229. L Fig. 2. Junges Weibchen. \ Fig. 3. Ganz junger Vogel. Brauner —, kleiner —, wilder Storch; ſchwarzer Reiher; Aiſt; bei uns zu Lande: ſchwarzer Klapperſtorch. i Ciconia nigra. Belon. av. 145. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 96. — Ciconia fusca. Briss. Orn. V. p. 362. t. 31, — .Ardea nigra. Liun. Faun. suec. p. 163. — Retz. Fn. Sy. p. 168. n. 131. Gmel Linn. syst. I. 2. p. 623 n. 8. - Lath. Ind. II. p. 677. n. 11. Nilsson, Orn. suce. II. p. 32. u. 155. A Cicogne noire. Buff. Ois. VII. p. 271, - Edit. de Deuxp. XIII. p. 331. Id. Plauch, enl. 399. — Gerard. Tab. élém. II. p. 153. — Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 561, — Black Stork. Lath, Syn. V. p. 50. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 28. n. 11, = Penn. aret. Zool. II. p. 456, — Uiberſ. v. Zimmer⸗ mann II. S. 426. D. — Cicogna nerd. Stor. deg. Uec. VI. Tav. 33. — Savi, Orn, tose. II. p. 338. — Bechſtein. ornith. Taſchenb. II. S. 269. n. 2. Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 348. — Meyer, Big. Liv⸗ und Eſthlands, S. 185. — Meisner und Schinz. Vög. d. Schweiz. S. 197. nu. 189. = Koch, Baier. Zool. I. ©. 329. n. 204. - Brehm, Beitr. III. S. 125. — Deſſen, Lehrb. II. S. 537. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchl. S. 576. - Gloger, Schleſ. Faun. S. 49. n. 211. - Landpeck, Vög. Würtembergs, S. 38. n. 199. Friſch. Vög. Taf. 197. (junger Vogel). — Naumann's, Vög. alte Ausg. III. S. 107. Taf. XXIII. Fig. 32. (in Folio junger Herbſtvogel, in vo. altes Männchen.) 280 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. Kennzeichen der Art. Braunſchwarz mit Metallglanz, bloß Bruſt, Bauch und Schen- kel weiß. Fuͤße und Schnabel im Alter roth, in der Jugend gruͤn. Beſchrei bung. Bei dem ſchwarzen Storch ſind die gegebenen Artkennzeichen völlig hinreichend, um vor jeder Verwechslung mit einer andern Art dieſer Gattung zu ſichern. Er ſteht demnach ganz abgeſondert, obwol die Gattung in ihm nicht zu verkennen, er in der Geſtalt voll: kommen dem weißen Storch aͤhnlich, nur ein wenig kleiner und ſchlanker als dieſer iſt, und einen etwas ſchwaͤchern Schnabel hat. Die Maaße des friſchen Vogels koͤnnen etwas verſchieden vor⸗ kommen, jenachdem dieſer aͤlter oder juͤnger war, ſo daß voͤllig er⸗ wachſene junge Voͤgel in der Laͤnge (von der Stirn bis zur Schwanz⸗ fpige) kaum 2 Fuß 6 Zoll, mehrjährige alte aber felten unter 3 Fuß und oft noch 1 bis 2 Zoll daruͤber meſſen, unter ſehr vielen von mir gemeſſenen habe ich jedoch nur ein ſehr altes Maͤnnchen gehabt, das reichlich 3 Fuß 2 Zoll lang war. Die Flugbreite iſt nicht min⸗ der verſchieden, bei jungen Herbſtvoͤgeln von 6 Fuß und einige Zoll, bei den meiſten Alten 6 Fuß 7 bis 8 Zoll, bei wenigen bis zu 7 volle Fuß oder noch ein paar Zoll daruͤber. Der Schwanz iſt 9 bis 9 ½ Zoll lang, und die Spitzen der in Ruhe liebenden Fluͤgel reichen etwas uͤber die Schwanzſpitze hinaus. Das Gefieder aͤhnelt zwar in den Umriſſen dem des weißen Storchs, iſt jedoch von etwas dichterm Gewebe, mit mehr glatter und glaͤnzender Oberflaͤche, nur am Kopfe und Oberhalſe ſchmal und zugeſpitzt, am Unterhalſe breiter und zugerundet, am Kropfe zwar auch in einen loſen Buſch verlaͤngert, deſſen Federn aber breit, abgerundet, gewoͤlbt und an den Raͤndern zerſchliſſen, im Ganzen auch kuͤrzer als bei jenem. Die großen Fluͤgel mit ihren ſtarken Schwingfedern, die laͤngſten Schulterfedern und die des kurzen brei⸗ ten, zwoͤlffederigen Schwanzes haben dieſelbe Geſtalt, wie am weißen Storch. | Der Schnabel ift weniger hoch und breit, und ſieht daher ſchlanker und laͤnger aus als der der genannten Art. Im Profil geſehen ſind die Umriſſe etwas anders, namentlich bildet die Firſte 16 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 281 eine beinahe ganz gerade Linie, die nur kurz vor der Spitze ſich ſanft abwaͤrts ſenkt, waͤhrend der Kiel nur bis etwas uͤber die Mitte ganz gerade bleibt und von da an ſehr ſanft gegen die Spitze auf⸗ Ist Diele Verſchiedenheit in den aͤußern Umriſſen beider Schna⸗ eltheile verſchafft dem Schnabel des ſchwarzen Storchs das Ausſe⸗ hen, als ſei er ſanft aufwaͤrts gebogen. Dieſer Anſchein iſt aber ganz ſchwach, auch nur bei ganz alten Voͤgeln bemerkbar. Weil er weniger hoch und von den Seiten mehr zuſammengedruͤckt oder weniger walzenfoͤrmig iſt, auch feine ſcharfen Schneiden etwas ſtaͤr⸗ ker eingezogen ſind, ſo ſieht er auch viel ſpitziger aus und naͤhert ſich der Schnabelform der Reiher, doch nur entfernt, indem noch gar viel fehlt, ehe er dieſe ſo ſehr zuſammengedruͤckte und duͤnn zu⸗ geſpitzte Geſtalt bekaͤm, wobei er auch verhaͤltnißmaͤßig viel größer iſt. — Das Naſenloch iſt wie beim weißen Storch ein kleiner Ritz, aber die kleine furchenartige Vertiefung, in welcher es liegt, iſt etwas länger und bemerklicher; wieder eine kleine un mit dem Reiherſchnabel. Die Laͤnge des Schnabels am jungen Herbſtvogel iſt gewöht⸗ lich 6 Zoll 3 bis 5 Linien, die beim alten ſchwarzen Storch bis zu 8 Zoll Länge, 1 Zoll Höhe und 1½ Zoll Breite (dieſe bei⸗ den wie immer an der Schnabelwurzel gemeſſen) anwaͤchſt; nur bei einem ſehr alten Maͤnnchen fand ich die Schnabellaͤnge 8 ½ Zoll. Seine Farbe iſt verſchieden, in früher Jugend blaß blaͤulicholi⸗ vengruͤn, an der Spitze in braungelbliches Weiß uͤbergehend, an der Wurzel roͤthlichgelb, — bei Erwachſenen blaß olivengruͤn, an der Spitze hell graugruͤn und immer lichter als in ſeiner Mitte, — bei den Alten im Fruͤhjahr hoch zinnoberroth ins Karmin⸗ rothe uͤbergehend mit in Gelbroth auslaufender Spitze, — bei den Alten im Herbſt dunkelkarminroth mit hellrother Spitze. Sowol die Kehlhaut, wie die Augenlieder und Augenkreiſe, dieſe in einem ovalen Felde, das bei den Alten beinahe bis an den Anfang des Schnabels reicht (kaum daß noch einige Federchen es davon ſchei⸗ den), ſind nackt, bei den Alten hochroth, immer etwas heller als die Schnabelfarbe, auch im Herbſte dunkler als im Fruͤhjahr, in der Jugend blaß olivengruͤn, allemal lichter als der Schnabel; doch haben wir auch junge Voͤgel gehabt, an denen der Schnabel bloß olivengruͤn, an der Spitze gelblich, in der Mitte nebſt der Kehlhaut blaͤulich oder bleifarbig war, an denen die nackten Augen⸗ kreiſe ins Braunſchwaͤrzliche übergingen, und wo nur noch am untern Augenlide etwas Gruͤnliches zu bemerken war. Inwendig iſt bei ſolchen 282 XI. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. der Schnabel vorn nebſt der Zungenſpitze blaßblaͤulich, hinten und der Rachen gelbroͤthlich, bei den Alten aber der innere Schnabel, Zunge und Rachen, bis tief hinab, einfarbig hochroth. — Am tod⸗ ten alten Vogel aͤndert ſich die Farbe dieſer Theile nicht ſehr auf⸗ fallend, und vorſichtig getrocknet bleibt ſie nach vielen Jahren och kenntlich, wenn gleich das Roth ſein Feuer verloren oder bleicher und gelblicher geworden iſt. Schlimmer ſteht es mit dem Oliven⸗ gruͤn der jungen Voͤgel, welches im Tode blaͤſſer und grauer wird, nach dem Vertrocknen, an Ausgeſtopften, eine dunklere Faͤrbung an⸗ nimmt und ins Grauſchwarze uͤbergeht. Das etwas kleine Auge hat in zarter Jugend eine weiß⸗ 1 Iris, die nachher graubraun und im Alter hell braͤunlichgrau wird Die Fuͤße ſind ebenſo geſtaltet, desgleichen ihre Zehen, Spann⸗ haͤute und Naͤgel, der weiche Uiberzug der Beine auch auf gleiche Weiſe in meiſtens ſechseckige Schildchen u. ſ. w. getheilt, ſo daß ſie in Allem denen des weißen Storchs vollkommen gleichen, bloß etwas ſchlanker oder ſchwaͤcher ausſehen, und demnach die Be⸗ ſchreibung jener auch auf die des ſchwarzen Storchs paßt, hier alſo nicht wiederholt zu werden braucht. — Die ſtarken Gelenke ſind in der Jugend noch ſtaͤrker, zumal das Ferſengelenk, die Beine fuͤhlen ſich dann auch noch viel weicher an als die der Alten, und ſind etwas kuͤrzer; bei erwachſenen jungen Voͤgeln iſt naͤmlich der Unter⸗ ſchenkel 3 ½ bis 4 Zoll nackt, die Fußwurzel 8 Zoll, die Mittelzeh, mit dem ½ Zoll langen Nagel, 3 ½ Zoll, und die Hinterzeh, mit dem / Zoll langen Nagel, 1½ Zoll lang; wogegen bei alten Voͤ⸗ geln die Nuditaͤt der Tibia 5 bis 5 ½ Zoll, der Lauf 8 / Zoll, die Mittelzeh 4 Zoll, die Hinterzeh 1½ Zoll meſſen, wobei die Nägel, welche groͤßtentheils auf den Zehenſpitzen liegen und ihren Vorderrand nur um ein paar Linien uͤber dieſe een wenig in Betracht kommen. Die Faͤrbung der Fuͤße iſt in fruͤher Jugend bleifarbig, an den Laͤufen und Zehenruͤcken ins Gruͤnliche ſpielend; ſpaͤter und bis ins zweite Jahr blaß olivengruͤn, am nackten Unterſchenkel am lich⸗ teſten und etwas gelblich, an den Gelenken ins Blaͤuliche fallend, an den Zehenſohlen gelbbraͤunlich, die Krallen oder Naͤgel braun; an den ausgefaͤrbten Alten zinnoberroth in Karminroth uͤbergehend, die vertieften Linien zwiſchen den Schildchen und dem Gitterwerk weißlich, die Nägel roͤthlichſchwarzbraun, gegen ihren vordern ſchar⸗ fen Rand in lichte Hornfarbe oder ins Weißliche uͤbergehend. Im XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 283 Herbſt haben die Fuͤße ebenfalls ein dunkleres Roth, dazu vorn auf dem Lauf (Spann) und den Zehenruͤcken auch noch ſchwarze Flecke, der eine mehr, der andere weniger. Was von den Veraͤnderungen der Farben des Schnabels im Tode und im getrnäneten Zuſtande geſagt wurde, gilt auch von denen der Fuͤße. Der junge ſchwarze Storch iſt anfaͤnglich in dichte, weiche, wollige Dunen gekleidet, welche auf dem Kopfe und Ruͤcken am laͤngſten ſind und uͤberall graulichweiß ausſehen. Sein weicher, noch ſehr kurzer, hochausſehender, an der Spitze ſtumpfer, faſt abgerun⸗ deter Schnabel, ſeine ebenfalls weichen und noch ſehr kurzen, plum⸗ pen Fuͤße mit den dicken Ferſengelenken, geben ihm eben kein an⸗ genehmes Ausſehen; er hat weißliche Augenſterne. Nach einiger Zeit kommen die ſchwarzen Federn durch den weißen Flaum, zuerſt an den Fluͤgeln und dem Schwanze, dann auf den Schultern, dem Ruͤcken, an den Seiten des Kopfs, wo er dann ſcheckig wird und auf dem Kopfe, wo noch die langen, dichten, wollichten Dunen unvermiſcht ſtehen, eine weiße Pelzmuͤtze zu tragen ſcheint; die wei⸗ ßen Federn an den untern Koͤrpertheilen kommen faſt am letzten von allen hervor. Hat er ſein vollſtaͤndiges Gefieder und bereits einige Wochen geflogen, alſo im Jugendkleide, ſo iſt er an der ganzen Bruſt, dem Bauch, den langen untern Deckfedern des Schwanzes, die bis faft an deſſen Ende reichen, an den Schenkeln und den langen Fe: dern unter der Achſel (Ala nota Möhringi) rein weiß; Schwingen und Fittigdeckfedern ſchwarz, von außen mit ſchwachem gruͤnen und pur⸗ purnen Schimmer, auf den innern Fahnen mattſchwarz; der Schwanz ebenſo, von außen etwas brauner; das ganze übrige Gefieder ſchwarz⸗ braun, am Kopfe und Halſe am lichteſten, auf dem Scheitel faſt ungefleckt und ſchwach gruͤnlich glaͤnzend, an den Kopfſeiten und dem ganzen Halſe mit roſtbraͤunlichweißen Federſpitzchen, daher von lichten Fleckchen bunt, die an den breitern Kropffederenden wie Mond⸗ fleckchen ausſehen, auf dem Mantel dunkler, grün und purpurfar⸗ big glaͤnzend, nur hin und wieder, beſonders an den Fluͤgeldeckfe⸗ dern und den hintern Schwingfedern mit roſtbraͤunlichweißen, ſehr ſchmalen Endſaͤumchen. Auf der Unterſeite ſind Schwanz⸗ und Schwingfedern mattſchwarz, die Fluͤgeldeckfedern ſchwarzbraun mit geringem Metallſchimmer. Ein ſtandhafter Unterſchied zwiſchen Bio Geſchlechtern iſt in der Faͤrbung des Gefieders nicht zu finden, obwol dieſe jungen Voͤgel in mancherlei Kleinigkeiten unter ſich abweichen, die ſchwarz⸗ 284 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. braune Hauptfarbe dunkler oder matter, die lichten Flecke am Halſe u. ſ. w. groͤßer oder kleiner, klarer oder undeutlicher vorkommen, auch dieſe Theile mehr oder weniger ins Rauchfahle oder Erdbraune uͤbergehen, wogegen auf dem Rumpfe und den Fluͤgeln die einen mehr, die andern weniger Metallglanz haben. Stellt man beide nebeneinander, fo hat das Männchen allerdings immer eine leb- haftere Faͤrbung, und das unanſehnlichere Weibchen iſt ſtets etwas kleiner; es ſcheint vorzuͤglich einen kuͤrzern Hals zu haben, und iſt, beſonders fuͤr den Kenner, nicht ſchwer zu unterſcheiden, aber an Einzelnen wird auch dieſer, wenn er nicht die Anatomie zu Huͤlfe nimmt, das Geſchlecht kaum mit Sicherheit beſtimmen koͤnnen. In dieſem Jugendkleide zieht der ſchwarze Storch im Herbſt weg und kehrt auch in dem naͤmlichen im naͤchſten Fruͤhjahr wieder; dann iſt ſein Ausſehen aber einfoͤrmiger geworden, weil durch das Abſtoßen der Federraͤnder die lichtgefaͤrbten Federſpitzen theilweiſe entweder ganz verſchwunden oder nur noch am Halſe und Kropfe als kleine Fleckchen verblieben ſind; dieſe Uiberbleibſel haben dann aber eine lichtere Faͤrbung, ſehr dem Weißlichen ſich naͤhernd, be: kommen. Schnabel und Fuͤße, obwol noch olivengruͤn, haben ſich auch etwas veraͤndert, die Schnabelſpitze iſt lichter und gelblicher geworden und an der Schnabelwurzel zeigt ſich ſchon im Spaͤtherbſt eine gelbröthliche Miſchung, die im Frühjahr noch auffallender wird; die Farbe der Beine zieht auch mehr ins Gelbliche. Erſt im zwei— ten Herbſt ihres Lebens bekommen dieſe Theile eine hochrothe Farbe und das Gefieder, was ſich nun erneuert, die Faͤrbung des der Alten. Ein noch in der Mauſer ſtehender ſchwarzer Storch von dieſem Alter ſieht dann zuweilen recht bunt aus, weil die alten, abgeſchoſſenen, erdbraunen Jugendfedern gegen die faſt ſchwarzen und ſtark glänzenden neuen Federn gewaltig abſtechen. Im naͤchſten Fruͤhjahr, dem dritten ſeines Lebens, iſt er im ausgefaͤrbten Kleide und vermuthlich nun erſt zur Fortpflanzung faͤhig. In dieſem ausgefaͤrbten Kleide ſind beim ſchwarzen Storch Schnabel, Füße und andere nackte Theile lebhaft hochroth, wie weiter oben beſchrieben, gefärbt, und das ſehr dunkel gefärbte Ge— fieder iſt mit einem herrlichen Metallglanz uͤbergoſſen, wogegen das hohe Roth jener und das klare Weiß des Unterkoͤrpers ſehr ſchoͤn abſtechen. Wie im Jugendkleide ſind auch hier die ganze Bruſt, die Schenkel, der Bauch und die langen Unterſchwanzdeckfedern, nebſt der Ala nota Möhringi unter der Achſel, rein weiß, aber noch zarter als an jenem; alle uͤbrigen befiederten Theile, vom Kopfe bis XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 285 zum Schwanze, ſcheinen in der Ferne geſehen glaͤnzend ſchwarz, ſind dies jedoch nicht, wenn man ſie naͤher betrachtet, ſondern nur roͤth⸗ lichbraunſchwarz, aber mit kraͤftigem Glanz, wie polirtes und ange⸗ laufenes Metall, in Goldbraun (Bronze) Kupferfarbe, Purpurroth, Stahlblau und Stahlgruͤn bis wieder zum Goldgruͤn, gleichſam uͤbergoſſen, aus einem in das andere uͤbergehend und koͤſtlich ſchil⸗ lernd, am meiſten am Halſe, wo jener Farbenglanz, an einer Stelle hinter dem Ohr und unter der Wange, eine Art Halsband in den Farben des Regenbogens bildet, was ſich vortrefflich ausnimmt. Die großen Schwingfedern haben den ſchwaͤchſten Glanz, meiſtens nur in Gruͤn, oder ſind bloß kohlſchwarz, (dies bei juͤngern Voͤ⸗ geln) auf den Innenfahnen braunſchwarz; die Schwanzfedern ſchil⸗ lern auf den Außenfahnen etwas ſtaͤrker als die Schwingen in Gruͤn und Purpur. Unter den lockern, buſchichten, breiten, abgerundeten, nicht zugeſpitzten, Kropffedern faͤngt ploͤtzlich und ſcharf abgeſchnitten das Weiße an, ohne Uibergangsfarbe, Flecke oder Zacken aus einer in die andere Farbe. Die Grundfarbe mit ihrem verſchiedenfarbigen Metallſchiller koͤmmt kaum bei einem andern europaͤiſchen Vogel ſo vor, am aͤhn⸗ lichſten noch auf dem Mantel des dunkelfarbigen Sichlers (Ibis falcinellus); die des gemeinen Kibitzes, mit der fie auch Aehnlichkeit hat, iſt viel heller. Eigentlich ſchwarz, den Glanz nicht beachtet, iſt ſie nie; ſelbſt bei ſehr alten ſchwarzen Stoͤrchen naͤ⸗ hert ſie ſich bloß dem Schwarzen, weil ihm immer noch eine Mi⸗ ſchung von roͤthlichem Braun beigegeben bleibt. Stellt man einen wirklich ſchwarzen Vogel daneben, z. B. eine i ſo faͤllt dies grell in die Augen. | Maͤnnchen und Weibchen find gleich gefärbt; bei letzterem iſt zwar der Schiller etwas ſchwaͤcher, dies jedoch kaum zu bemer⸗ ken, dabei iſt dieſes aber ſtets etwas kleiner und kurzhalſiger als teh Das Geſchlecht laͤßt ſich daher, ohne Oeffnung, faſt nur bei ſehr vieler Uibung, doch nie ganz ſicher beſtimmen. Spielarten mögen ſehr ſelten vorkommen; es iſt in fruͤhern Schriften, ſo viel ich weiß, nur eine erwaͤhnt, welche in der Mitte des Schwanzes einige weiße Federn hatte. Die Mauſer beginnt in den Sommermonaten, geht ſehr lang⸗ ſam von Statten, und iſt noch im vollen Gange, wenn die ſchwar⸗ zen Stoͤrche bereits wegziehen, ſo daß ſie wahrſcheinlich erſt im Winter, in ihrer Abweſenheit, beendigt wird. Sie zeigt ſich auch an den Oberhaͤutchen des Schnabels und der Fuͤße, an letzteren be⸗ 286 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. ſonders dadurch, daß bei alten Voͤgeln die Schilder auf den Ze⸗ henruͤcken, nebſt denen laͤngs dem Spann, ſich ſchwarz faͤrben oder ſchwarze Flecke bekommen, die ſie bis zum Wegzuge behalten, die aber bei der Wiederkunft im Fruͤhjahr ſpurlos verſchwunden ſind und einem gleichfoͤrmigen hohen Roth Platz gemacht haben. Ein Mal bekam ich am Aten Juli ein ſehr ſchoͤnes altes Maͤnnchen, bei dem ſich dieſes ſchon ſtark zeigte, waͤhrend es noch keine Feder gewechſelt hatte, dagegen ein anderes Mal ein altes Weibchen am 22ſten Juni, das ſchon viele neue Federn bekommen hatte. Die Zeit, wo der Federwechſel anfaͤngt und vollendet wird, iſt alſo bei den verſchie⸗ denen Individuen nicht genau dieſelbe. Aufenthalt. Der ſchwarze Storch iſt ebenfalls weit, vielleicht noch weiter verbreitet als der weiße Storch, in vielen Theilen der alten Welt und, wie behauptet wird, auch in einigen der neuen zu Hauſe. Indeſſen, obgleich er in manchen Laͤndern haͤufig genug ſein mag, ſo ſind doch auch viele, namentlich die bekannteſten, wo er bei wei⸗ tem einzelner vorkommt als jener, und es iſt mit ziemlicher Gewiß⸗ heit anzunehmen, daß dieſe Art uͤberall an Individuen weniger zahl⸗ reich iſt als die weiße. Er iſt in Europa in den meiſten Laͤn⸗ dern und ſoll hoͤher nach Norden hinaufgehen als der weiße Storch, wenigſtens bis in die Mitte von Schweden und Finnland; er iſt in Rußland, beſonders dem ſuͤdlichen, in Preußen, Polen, dem noͤrdlichen und oͤſtlichen Ungarn, in Daͤnemark, ganz Deutſchland, der Schweiz, Frankreich, auch in Italien keine Seltenheit, ſoll aber nicht in Holland und ſehr ſelten in England vorkommen. In Aſien wird er in den Laͤndern am Don, am ſchwarzen und caspiſchen Meer und in mehrern Theilen des gemaͤßigten Sibiriens, in Perſien, Syrien und fogar auf Ceilon und Ja va als vorkommend angezeigt. In Afrika wird in dieſer Hinſicht Nubien, Senegambien und ſelb ſtdas Kafferland genannt; in Amerika St. Domingo, Mar: tinique und Trinidad als ſein Aufenthalt angegeben. — In Deutſchland iſt er zwar uͤberall, doch nirgends ſo gemein und in keiner Gegend in ſolcher Menge beiſammen als der weiße Storch, XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 287 einzeln aber faſt allenthalben, ſogar in manchen Lagen, namentlich waldigen und gebirgigen, wo jener nicht vorkoͤmmt. Es giebt in unſerm Vaterlande viele Gegenden, in welchen er regelmaͤßig alle Jahr und in nicht geringer Anzahl angetroffen wird, worunter auch die hieſige gehoͤrt; denn er bewohnt unſer Anhalt ebenſo in ein⸗ zelnen Paaren niſtend, als er es alljaͤhrlich auf dem Zuge in ſolcher Anzahl beſucht, daß er hier keineswegs als ein ſeltner Vogel be: trachtet werden darf. Als Zugvogel ſucht er, wie der weiße Storch, beim Ein⸗ tritt der kalten Jahreszeit ein milderes Klima, um dort zu uͤber⸗ wintern, kann aber, dem Anſchein nach, mehr Kaͤlte vertragen und ſoll deshalb im Sommer auch hoͤher nach Norden hinauf gehen; wenigſtens haͤlt er im Herbſt oft laͤnger bei uns aus, koͤmmt jedoch im Fruͤhjahr wenig fruͤher als jener zuruͤck. In Deutſchland uͤberwintert nie einer; es waͤre denn, daß ihn Kraͤnklichkeit dazu zwaͤnge. Er koͤmmt gewoͤhnlich zu Ende des Maͤrz oder im April zu uns, und ſchickt ſich in der letzten Hälfte des Juli ſchon wieder zum Wegzuge an; fogar im Juni ſtreichen ſchon einzelne, wahr: ſcheinlich ſolche, welche ungluͤcklich in den Fortpflanzungsangelegen⸗ heiten waren oder welche ſich in dieſem Jahr gar nicht gepaart hat⸗ ten, und treiben ſich bei uns in ſumpfigen Gegenden laͤngere Zeit herum. Im Auguſt ſieht man ſie in Fluͤgen von 12, 20 bis 30 Stuͤcken, ſelten nochme hrere beiſammen. Ein Mal ſahen wir ſchon am 21ſten Juli 7 Stuͤck in einem unſrer Brüder. Im Laufe des September verlieren ſie ſich nach und nach aus unſern Gegenden, die einzelnen Nachzuͤgler zuweilen erſt im Anfange des Oktober. Sie ziehen ebenfalls am Tage und ſehr hoch durch die Luft, wie jene. Der ſchwarze Storch hat andere Aufenthaltsorte und unterſchei⸗ det ſich vor allen dadurch vom weißen, daß er ſtets den Menſchen fliehet und in deſſen Naͤhe nie ſeine Wohnung aufſchlaͤgt; daß er ferner die Waͤlder weit mehr liebt, im Fruͤhling mitten in großen, einſamen Waldungen wohnt, ſelbſt in gebirgigen Gegenden, in wirk⸗ lichen Gebirgswaͤldern und hoch auf die Gebirge hinauf, wenn es dort auch nur einzelne Quellwaſſer, Teiche, Baͤche, namentlich feuchte Wieſengruͤnde, wenn auch ſonſt weit und breit keine ausgedehnte Suͤmpfe giebt. Er koͤmmt jedoch in ebenen, waldreichen Gegenden in der Naͤhe großer Fluͤſſe, vieler ſtehender Gewaͤſſer und feuchter Wieſen, noch viel oͤfterer vor, und iſt daher in den Auenwaͤldern an unſern norddeutſchen Fluͤſſen und Stroͤmen gar keine Seltenheit, und zwar nicht unmittelbar an den Ufern dieſer, ſondern gewoͤhn— 288 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. licher in etwas abgelegenen Waͤldern, durch welche ſich fiſchreiche kleine Gewaͤſſer ſchlaͤngeln, die ſich dann in jene ergießen. Zu trockne und von Suͤmpfen Meilen weit entfernte Waͤlder bewohnt er nicht. In der Zugzeit haͤlt er ſich mehr in den großen Bruͤchern auf, zu⸗ mal in waldigen Gegenden. Stehende Gewaͤſſer und Moraͤſte zieht er dem Flußwaſſer we⸗ niger vor, als vom weißen Storch das Gegentheil bekannt iſt; er ſucht an ſolchen die ſtillen, theilweis mit Sumpfpflanzen oder auch Weidengeſtraͤuch beſetzten Buchten und Ufer zwar vorzugsweiſe auf, verweilt jedoch oft auch an ganz freien, klaren, ſogar ſchnell⸗ fließenden Gewaͤſſern, ſelbſt an kleinen rauſchenden Baͤchen zuweilen. Immer richtet ſich der Aufenthalt der Voͤgel nach der Art ſich zu naͤhren und den Nahrungsmitteln; dies wird zwiſchen unſern beiden Storcharten ſehr auffallend, denn ſie weichen, trotz ihrer ſonſtigen Aehnlichkeit, in beiden ſehr von einander ab. — Der ſchwarze Storch wohnt oft in der Naͤhe des Meeres, geht aber nicht in das Waſſer deſſelben, verſchmaͤhet uͤberhaupt, hierin wieder dem weißen Storch ganz aͤhnlich, alles Salzwaſſer, ſo daß er ſelbſt ſtehende Seen mit ſalzigem Waſſer, wie z. B. den oft erwähnten Salzſee bei Eis le— ben, nicht beſucht, an dem dicht daneben liegenden, kein ſalziges Waſſer enthaltenden, Suͤßſee aber ſchon oͤfter vorgekommen iſt. Sonſt findet man ihn in den Bruͤchern am gewoͤhnlichſten an ſolchen Stellen, wo es das mehreſte Waſſer giebt, weniger zwiſchen den Kufen, wo dies bis auf etwas Moraſt verdunſtet iſt; auch auf den feuchten Wieſen haͤlt er ſich gern an ableitenden Waſſergraͤben und zuruͤckgebliebenen Waſſerlachen auf, beſucht aber ſeltner ganz frei liegende Feldteiche, ausgenommen in ſehr einſamen Gegenden, ſonſt aber auch die kleinen, im Gebuͤſche oder tief im Walde liegenden Moorplaͤtze, Quellwaſſer, Baͤche oder ſtehende Tuͤmpel, ſelbſt die verſteckteſten. Auch auf trocknen, blumenreichen Waldbloͤßen trifft man den Einzeln oft an, dagegen ſeltner auf bebaueten Feldern, wenn ſolche nicht nahe am Waſſer oder gar im Walde liegen. Man ſieht ihn wol manchmal ruhig auf freiem Felde ſtehen, vielleicht nur um abzupaſſen, ob anderswo ein beſſerer Ort ihm zugaͤnglich werde, aber nie dort laͤngere Zeit herumſpatzieren. — In Un⸗ garn war er auf jenen unabſehbaren, gruͤnen, mit ſchleichenden Fluͤßchen und Suͤmpfen durchzogenen Weide- und Wieſenflaͤchen haͤufiger als der weiße Storch, aber, jedoch vielleicht nur zufaͤllig, nicht in Slavonien und in den ganz von Baͤumen entbloͤßten Ge⸗ genden des ſuͤdlichen Ungarns. XII. Ordn. LXVII. Satt. 259. Schwarzer Storch. 289 Sein Sommeraufenthalt dehnt ſich uͤber einen viel groͤßeren Flaͤchenraum im Umkreiſe aus als der des weißen Storchs, und er behauptet ſich darin gegen andere ſeines Gleichen. Es ſind ſolches ſtets waldige Gegenden mit vielen hohen und alten Baͤumen, denn dieſe liebt der ſchwarze Storch vorzugsweiſe; er uͤbernachtet auf ihnen, ſelbſt wo er Stunden weit darnach fliegen muß, niſtet auf ſolchen, und ſtellt ſich ſogar am Tage, um da bloß auszuruhen, oft auf Baͤume. Dies Letztere ſieht man aber meiſtens bloß von Einzelnen. Er waͤhlt hierzu die aͤlteſten, ſtaͤrkſten, hoͤchſten, mit brei⸗ ten Wipfeln und ſtarken, kahlen, meiſt wagerechten Wipfelaͤſten ver⸗ ſehenen, gleichviel ob Laubholz- oder Nadelholzbaͤume, hat darunter ſeine Lieblingsbaͤume und auf dieſen ſeine auserwaͤhlten Aeſte, auf welchen man ihn daher vorzugsweiſe und alle, welche nach und nach durch die Gegend kommen, aufgeſtellt ſieht. Die alten wipfelduͤrren Eichen und Kiefern oder Foͤhren gewaͤhren ihm am oͤfterſten, was er wuͤnſcht, um ſo mehr, wenn ſie frei ſtehen oder hoch uͤber andere des Waldes emporragen, damit er von ſeinem Stande einen weiten Kreis uͤberſchauen kann. Er beabſichtigt nie, ſich hinter dem dichten Laube der Zweige zu verſtecken, fo wenig wie er dies je hinter ho⸗ hem Rohr und Schilf verſucht. Jenen aͤhnlich ſind auch die Baͤume, worauf er Nachtruhe zu halten pflegt; wir beobachteten jedoch, viele Jahre nacheinander, in einem Walde, welcher in einer weiten, tie: fen, ſumpfigen Gegend in der Naͤhe der Elbe, Saale und anderer Gewaͤſſer liegt, in welchem in der Zugzeit alle Jahre ſchwarze Stoͤrche uͤbernachten und dabei erlegt werden, die am Tage an den nahen Gewaͤſſern und in den Bruͤchern ſich aufhielten, dann mit Sonnen⸗ untergang daſelbſt anlangten und, wenn ſie nicht geſtoͤrt wurden, mit dem daͤmmernden Morgen wieder abzogen, daß dieſe nicht in dem Waldtheile und nicht auf den Baͤumen Nachtruhe halten, welche gewoͤhnlich den dort einkehrenden weißen Stoͤrchen dazu dienen, ſondern ihre eigene Gegend und ihre eigenen Baͤume haben. Er ſtellt ſich dabei, ganz gegen die Gewohnheit jener, nie auf den Wi⸗ pfel des Baumes, ſondern auf einen ſeitwaͤrts aus der Krone her: ausragenden ſtarken, kahlen, duͤrren, meiſt wagerechten Zacken, was meiſtens dieſelben ſind, von denen nicht allein fruͤher und mehrmals welche, ſondern zu andern Zeiten auch Fiſchreiher herabgeſchoſſen wurden. — Uibrigens ſteht auch er dabei, ohne ſich niederzukauern, ſteif auf einem Beine und ſteckt den Schnabel unter die Ruͤckenfedern auch iſt ſelten mehr als einer auf demſelben Baume oder noch we niger auf dem naͤmlichen Aſte. gr Theil. 19 290 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. Eigenſchaften. Der ſchwarze Storch iſt ein anſehnlich großer, praͤchtiger Vogel und uͤbertrifft in mancher Hinſicht an Schoͤnheit noch den weißenz ſeine Figur iſt ſchlanker, man moͤchte ſagen zierlicher, und ſein dunkles Gefieder mit einem Glanz uͤbergoſſen, welcher in der Sonne ſtrahlt und ihn von Weitem ſchon kenntlich macht. Stehen und Gehen verrichtet er in gleichen Stellungen, in ganz aͤhnlichen Manieren; er ſchreitet ebenſo langſam, bedaͤchtig, wuͤrdevoll und ſtolz einher, wie der weiße Storch, und ſelten wird dieſer 05 Gang zu einem ganz kurzen Lauf beſchleunigt. f Etwas ganz Eigenthuͤmliches iſt jene Stellung, in welcher man nicht ſelten die einzelnen wie ganze Geſellſchaften ſchwarzer Stoͤrche laͤngs dem Rande eines Gewaͤſſers, wie Soldaten, in Reihe und Glied, aufgeſtellt erblickt, was um ſo impoſanter wird, wenn ihnen gegen uͤber ſich gerade auch mehrere Fiſchreiher, in aͤhnlichen Stellungen und einer Reihe, in ihren aſchblauen Uniformen aufge⸗ ſtellt haben; — dann ſtehen ihre Beine lothrecht, der Rumpf bei⸗ nahe ebenſo, der Schwanz haͤngt gerade und die Fluͤgel ſo ſtark herab und unter dieſen, daß ſie zum Theil die Ferſen verdecken, der Hals iſt faſt ſo ſtark nieder gedruͤckt wie bei Reihern, die wul⸗ ſtigen Kropffedern haͤngen, weit vorragend, uͤber die Oberbruſt herab, und der Schnabel iſt ſpitzewaͤrts ſo geſenkt, daß er ſich ſehr der Gurgel naͤhert. — In dieſer Stellung ſcheint der Einzelne, wie ganze Geſellſchaften zugleich, die Verdauung abzuwarten. Sie aͤh⸗ neln darin weit mehr dem Fiſchreiher als dem weißen Storch, welcher eine ähnliche Poſitur nur dann annimmt, wenn er ſehr krank iſt, uͤbrigens auch dann den Rumpf doch nicht ſo ganz lothrecht ſtellt. Sein Flug iſt dem des weißen Storchs völlig ähnlich, mei- ſtens ſchwebend, mit ſeltnen Fluͤgelſchlaͤgen, und wenn dieſe bei ha— ſtigem Fortwollen oͤfter nach einander wiederholt werden, ſo geſchieht es, wie bei jenem, in großen, kraͤftigen Schwingungen. Ebenſo ſchoͤn iſt er im Schweben, wenn er, ohne alle Fluͤgelſchlaͤge, große Kreiſe beſchreibt und in einer Schneckenlinie zu den Wolken auf⸗ ſteigt, ſo hoch, daß er dem natuͤrlichſcharfen Auge des Beobachters nur noch in Muͤckengroͤße erſcheint oder als ein beweglicher Punkt vorkoͤmmt, oder wenn er ſich aus dieſen Hoͤhen auf aͤhnliche Weiſe wieder herab ſchraubt, wenn beide Gatten uͤber dem Niſtorte mit — XII. Orbn. LXV II. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 291 Beſchreiben ſolcher Kreiſe gegeneinander, der eine rechts, der andere links ſich drehend, ſich vergnuͤgen, oder wenn ſie ſich in großen Kreiſen horizontal fort und nach einer andern Gegend zu drehen, in dem Allen gleicht er jenem vollkommen; auch beim Aufſchwingen von der Erde, das mit ein paar Spruͤngen geſchieht, und beim Niederſetzen, das bald in herabſteigenden Kreiſen, bald in gerader, ſich allmaͤhlich ſenkender Linie, ſtets ſchwebend, bewirkt wird, wo er, nach dieſem, erſt die großen Fluͤgel zurecht ruckt und ordentlich an den Koͤrper ſchmiegt, ehe er weiter ſchreitet. Bei aller dieſer Aehnlichkeit iſt er doch in weiter Ferne ſchon, ſowol fliegend, wie ſitzend, und ſelbſt wenn er in den Luͤften ſchwebend gerade von unten geſehen wird, an ſeiner ſchlankern Geſtalt und der dunkeln Farbe ſogleich zu erkennen und von jenem zu unterſcheiden. Pracht⸗ voll, in vielfältigen Abwechslungen, glaͤnzt beim Schweben in großen Kreiſen und den mancherlei Wendungen gegen die Sonne, ſein Ge⸗ fieder in den Strahlen derſelben. a Auch in ſeinem Betragen iſt er dem weißen Storch uͤberaus aͤhnlich, auch, wie man an Gezaͤhmten ſahe, eben ſo klug und um⸗ ſichtig, aber viel wilder, furchtſamer, argwoͤhniſcher und ſcheuer. Er gehoͤrt unter die ſcheueſten Voͤgel und weicht dem Menſchen aus wo er nur kann, iſt deshalb immer aufmerkſam, beſtaͤndig auf ſei⸗ ner Huth, ſtellt ſich und geht nur an ſolche Orte, von wo er ſich weit umſchauen kann und meiſtens auch ſchon aus großer Entfer⸗ nung geſehen wird, wagt es nur da an verſtecktern zu verweilen, wo hoͤchſt ſelten ein Menſch hinkoͤmmt, wie z. B. an kleinen im Gebuͤſch und Walde verſteckten Waſſerlachen, kleinen Waldbaͤchen oder auf Wieſen⸗ oder Moorplaͤtzen in den unbeſuchteſten Waldthei⸗ len. Seine Liebe zur ſtillen Abgeſchiedenheit und ein damit verbun⸗ dener Abſcheu gegen den Menſchen contraſtiren ſo hoͤchſt auffallend gegen die zutrauliche Annaͤherung des weißen, daß man ihn in vielen Gegenden nur den wilden Storch nennt. Ob bloß natuͤr⸗ liche und angeborne Furcht, oder noch andere damit verbundene Grundurſachen ihn abhalten, ſich, gleich jenem, vertrauensvoll dem Menſchen zu nahen, bleibt uns ein Raͤthſel. Dieſe ſchroffe Abwei- chung und ſein weniger zahlreiches Vorkommen erſchweren es, ihn ſo zu beobachten, als man wuͤnſchen moͤchte und wie es dem For⸗ ſcher beim weißen Storch ſo leicht wird; daher die wenige Be⸗ kanntſchaft mit ſeinen Sitten und Eigenthuͤmlichkeiten. Sein Hang zur Geſelligkeit iſt nicht groß und nur gegen ſei⸗ nes Gleichen gerichtet. Von ſehr bedeutendem Umfange iſt das 19 * 292 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. Revier, welches ein Paͤaͤrchen in der Fortpflanzungszeit bewohnt und in welches ſich kein anderes niederlaſſen darf. Auch auf die Wan- derung begeben ſich die Alten gewoͤhnlich einzeln oder paarweiſe, und die kleinern oder groͤßern Vereine von ſchwarzen Stoͤrchen, die man in dieſer Zeit in den Bruͤchern oder in den Nachtquartieren beiſammen antrifft, beſtehen faſt immer bloß aus jungen Voͤgeln. Sie halten ſich auch von den weißen Stoͤrchen entfernt, fuchen ihre Nahrung und ihre Nachtruhe an andern Orten und wandern nie in ihrer Geſellſchaft. Es iſt eine hoͤchſt ſeltne Erſcheinung, wenn ein Mal ein einzelner ſchwarzer Storch ſich jenen naͤhert; man ſieht deutlich, daß ein ſolcher nicht in die Geſellſchaft aufgenommen und kaum in deren Naͤhe geduldet wird. Nur allgemeine Noth bringt zuweilen beide Arten zuſammen, z. B. wenn die ſchon zuruͤckgekehr⸗ ten Stoͤrche ein anhaltender, heftiger Nachwinter mit tiefem Schnee uͤberraſcht, wovon ſchon im Vorhergehenden, beim weißen Storch, bemerkt wurde, daß mein ſeel. Vater einſt (den 19 ten Maͤrz 1770) bei fuͤrchterlichem Schneefall, im eignen Waͤldchen, 17 Stoͤrche unter einem Geſtraͤuche Schutz ſuchen und ſich auf einen Klumpen anein: ander ſchmiegen ſahe, worunter auch ein ſchwarzer Storch war, welcher ſich aber bei Annaͤherung meines Vaters ſogleich von jenen losmachte und davon flog, ehe die weißen nur daran denken moch— ten, ohne wegzufliegen ganz nahe aushielten, ſogar ſitzen blieben, als ſie ſahen, daß mein Vater ſie weiter nicht beunruhigte. Ein umgekehrter Fall, wo ein einzelner weißer Storch ſich einer Ge: ſellſchaft von ſchwarzen angeſchloſſen haͤtte, mag noch viel ſeltner, nach unſern Beobachtungen wol nie vorkommen. Auch der ſchwarze Storch giebt nur in ſeiner Jugend 195 Toͤne aus der Kehle von ſich, hat aber, wenn er erſt ein halbes Jahr alt iſt, keine vernehmbare Stimme mehr; ſie wird bei ihm ebenfalls durch ein lautes Klappern mit dem Schnabel erſetzt, wobei er beide Schnabelhaͤlften heftig, wiederholt und ſchnell nach— einander zuſammen ſchlaͤgt und dazu eine aͤhnliche Stellung annimmt wie der weiße. Sein Klappern hat jedoch einen hoͤhern Ton und toͤnt nicht ſo ſtark; der Kenner kann es deshalb, aber nur bei vieler Uibung, leicht unterſcheiden. Er klappert auch weniger oft und nie ſo anhaltend, am haͤufigſten noch in der Begattungszeit, weniger wenn er Junge hat. Auch des Abends beim Aufbaͤumen, wo die weißen Stoͤrche gewoͤhnlich und zwar ſehr anhaltend klappern, hoͤrten wir dies von ſchwarzen Stoͤrchen niemals. Die Jungen haben eine aͤhnliche Stimme wie die des weißen Storchs, XII. Ordn. IXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 293 ſie unterſcheidet ſich jedoch ebenfalls, auch in der Modulation der Toͤne. Es iſt anfaͤnglich ein lautes Wimmern oder Schirken, und wenn ſie beinahe erwachſen ſind, klingen dieſe Toͤne wie Tſchuͤt⸗ ſchuͤtſchuͤtſchuͤt, tſchuͤtſchuͤtſchuͤt u. f. w. Wenn die Jungen das Neſt verlaſſen haben und die Huͤlfe der Alten nicht mehr bes duͤrfen, ſind auch dieſe Toͤne fuͤr immer verſchwunden; ſie haben jetzt an deren Statt klappern gelernt. Daß der ſchwarze Storch, wie Bechſtein (a. a. O.) ſagt, im Fluge zuweilen lachende oder kickernde Toͤne ausſtoße, haben wir niemals gehoͤrt, auch von voͤllig flugbaren Jungen auſſerhalb des Neſtes ein. Der alt eingefangene oder fluͤgellahm geſchoſſene ſchwarze Storch beträgt ſich im Anfange viel aͤngſtlicher, wilder, ſtoͤrriger und wird nie ſo zahm als einer von der weißen Art; jung aus dem Neſte genommen iſt es dagegen ganz einerlei, und die ſchwarzen werden ſo zahm und zutraulich wie die weißen. Wir haben einige Mal Junge aufgezogen, welche uns viele Freude machten, ihren Waͤrter auch genau kennen lernten, auf deſſen Ruf herbei kamen, wenn ſie hungrig waren ihm nachliefen, unaufhoͤrlich ſchrieen und wenn er ihnen etwas reichte, es aus ſeiner Hand annahmen oder im Zuwer⸗ fen aus der Luft auffingen, und unter oft wunderlich gurgelndem Schirken und Zwitſchern hinunter ſchlangen. Sie behielten die ju: gendliche Stimme laͤnger, als die draußen, bis ſie ſchon voͤllig er⸗ wachſen waren, und ſie verlor ſich erſt nach und nach in dem erſten Winter ihres Lebens. Wir hielten ſie im Garten, wo ſie frei her⸗ um gingen, aber nicht fliegen konnten, und wo fie ſich durch Ver⸗ tilgen vielerlei ſogenannten Ungeziefers eben ſo nuͤtzlich zeigten, wie weiße Stoͤrche. Ihr Gefieder beſchmutzten fie nie fo, wie es ein: geſperrte Junge von dieſen gewöhnlich thun, weil die dichtere Ter⸗ tur und glattere Auſſenſeite des Gefieders weniger Veranlaſſung dazu geben moͤgen. Gegen die Winterkaͤlte waren ſie weniger em⸗ pfindlich als jene und hielten ſelbſt ein Mal einen ziemlich kalten Winter, ohne viele Beſchwerde Tag und Nacht im Freien aus, wo ihnen ein Platz von Schnee rein gehalten und mit etwas Stroh beſtreuet wurde, worauf ſie ſich bei heftigem Froſte auf Bruſt und Bauch niederlegten und ſo ihre Beine beſſer erwaͤrmen konnten. Spaͤter uͤberließen wir einem Freunde in Leipzig ein Paͤaͤrchen ſolcher von uns aufgezogenen Jungen, das wir ſchon uͤber 2 Jahr beſeſſen hatten, welcher es auf dem Hofe ſeines Landhauſes noch mehrere Jahre lang unterhielt. Die Verwandelung der gruͤnen Farbe am Schnabel und an den Beinen in die rothe kam bei dieſen erſt 294 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. am Ende ihres dritten Lebensjahres zu Stande. — Einen ſchwar⸗ zen Storch, dem das Fliegen geſtattet geweſen waͤre, haben wir niemals beſeſſen, koͤnnen daher auch uͤber ſein Betragen in ſolchem Zuſtande keine Auskunft geben, hegen aber die Vermuthung, daß er hoͤchſtwahrſcheinlich da viel eher für immer entfliehen, als ſich an ein regelmaͤßiges Aus» und Einfliegen gewöhnen würde. Naher unn g. Der ſchwarze Storch lebt vorzuͤglich von Fiſchen, und naͤchſt dieſen gelegentlich auch von Froͤſchen, Eidechſen, Schlangen, Maͤu— ſen, Spitzmaͤuſen, Maulwuͤrfen, ganz jungem Gefluͤgel, von Regen⸗ wuͤrmern, Blutegeln und vielerlei Inſektenlarven, von Waſſer⸗ — Laub: — und Miftkäfern, Heuſchrecken, Grillen, Libellen und vie⸗ lerlei andern Inſekten. Gegen Kroͤten zeigt er Abſcheu; er macht ſie nicht immer, doch manchmal todt, laͤßt ſie aber liegen und verſchlingt nie eine, auch beim groͤßten Hunger nicht. Die gruͤnen Froͤſche (Rana esculenta) gehoͤren eben auch nicht zu ſeinen Lieblingsgenuͤſſen; er leidet lieber mäßigen Hunger, ehe er fie angeht, manche Individuen mehr, an— dere weniger; aber Thaufroͤſche (Rana temporaria) freſſen alle ſehr gern. — Froſchlarven verſchlingt er auch nur, wo er gerade nichts Beſſeres hat; ſo gelegentlich Maͤuſe und Spitzmaͤuſe, meiſtens ſolche, welche nahe am Waſſer wohnen, denen er mit vieler Geduld vor ihren Loͤchern auflauert, ſo auch Maulwuͤrfe bei ihrem oberflaͤchlichen Wuͤhlen und Aufſtoßen. Er beſchleicht und faͤngt die zarten, noch das Dunenkleid tragenden Jungen von allerlei Wafjer- — Sumpf⸗ — und Feldvögeln, eben fo Inſekten aller Art, ſowol am oder im Waſſer, als auf Viehtriften, wo er nicht ſelten den Miſt der Thiere nach Kaͤfern durchſtoͤrt, auf den Wieſen und Waldbloͤßen, aber faſt nie auf Feldern, — und man ſieht ihn dort eben ſo herum ſchlei— chen, die kriechenden, wie an den Blumen ſitzenden, ſogar die flie⸗ genden Inſekten erwiſchen und im Wegſchnappen derſelben ſich eben ſo geſchickt zeigen, wie der weiße Storch. Einen langen Zeitraum hindurch hatten wir Gelegenheit genug, faſt alle Jahr Erfahrungen an lebenden Voͤgeln dieſer Art zu machen, die ſich immer durch das Oeffnen der Maͤgen einer Menge Erlegter XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 295 beftätigten und ein Ergebniß brachten, das uns vollkommen uͤber⸗ zeugen mußte, daß dem ſchwarzen Storch Fiſche uͤber Alles gehen. Selten fanden wir keine, ſehr oft nichts Anderes als Fiſche in den in hieſiger Gegend erlegten und geoͤffneten ſchwarzen Stoͤrchen; z. B. ein Mal bei einem wol 20 Stuͤck bis 10 Zoll lange Schlamm- beitzker (Cobitis ſossilis) und nichts weiter; ein anderes Mal 3 große Rothaugen (Cyprinus ee e wol 40 Stuͤck junge Barſche (Perca fluviatilis) und mehrere Stichlinge (Ga- sterosteus aculeatus); bei einem Dritten eine Rothfeder (Cyprinus rutilus) von der Laͤnge einer Mannshand, uͤber 60 kleine, nicht viel uͤber 1 Zoll lange, Barſche und einen Froſch; und deren koͤnnte ich noch viele anfuͤhren, auch ſolche, die zugleich beweiſen, daß er auſſer den genannten auch noch andere Arten faͤngt, naͤmlich Hechte, Ka rauſchen, Schleie, Ukelei, Döbel, e ge und junge Aale, vorzüglich auch Karpfen. Er ift im Fiſchfangen um Vieles gewandter als der weiße Storch und gar nicht fo ungeſchickt als Herr P. Brehm (ſ. Beitr. III. S. 133.) waͤhnt, denn wir ſahen ihn auch in klaren und flie: ßenden Gewaͤſſern fiſchen und guten Fang machen; warum ſollte er denn nicht auch Forellen fangen koͤnnen, wie thuͤringiſche Jaͤger gegen Hrn. P. Brehm, gewiß nicht ohne Grund, behauptet haben, dieſer aber nicht glauben wollte? Da wir nach und nach faſt alle bekannten Arten von Suͤßwaſſerfiſchen, welche in hieſigen Gewaͤſſern vorkommen, in vielen geoͤffneten vorfanden, ſo iſt die groͤßte Wahr⸗ ſcheinlichkeit vorhanden, daß er auch Schmerlen, Gruͤndlinge und Forellen aus den Waldbaͤchen wegfaͤngt, zumal er gar oft in der Naͤhe ſolcher wohnt; ich wuͤßte auch gar nicht, warum er allein Forellen ungenießbar finden ſollte. Daß ein ſolcher Vogel, wenn er mehrere Tage nacheinander wiederkehrte, manche Graͤben und Tuͤmpel rein ausfiſchte, haben wir oft geſehen; was ſollte ihn wol abhalten, den Forellenbaͤchen, nach oͤftern Beſuchen, das Naͤm⸗ liche zu thun? — Er iſt beſonders an ſolchen Orten ſehr thaͤtig, wo der Waſſerſtand zum Ungewoͤhnlichen herabgeſunken iſt und dadurch die vorhandenen Fiſche auf eine zu geringe Quantitaͤt Waſſer und zu kleinern Raum beſchraͤnkt werden, weil er überhaupt am lieb: ſten im ſeichten Waſſer fiſcht; aber er wadet auch in tieferes Waſſer, nicht ſelten bis an die Ferſen, und lauert hier den Fiſchen auf, die er ſo geſchickt wegfaͤngt wie ein Reiher, ohne eine ſolche Einrichtung des Halſes wie dieſe zu beſitzen, die Hrn. P. Brehm dazu unum: gaͤnglich nothwendig bunt. 296 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. Wie ſehr der ſchwarze Storch Fiſche aller andern Nahrung vor⸗ zieht und wie bald er ſolche Orte, wo es dergleichen giebt, auswit⸗ tert, mag folgende Thatſache darthun: Mein mittler Bruder beſetzte einſt einen kleinen Tuͤmpel im Walde, worin bis dahin n war, mit einem Schock (60 Stuͤck) junger Karauſchen. 2 Benige Tage nachher bemerkte er an demſelben einen ſchwarzen Storch in der oben beſchriebenen Verdauungsattituͤde, beſchlich und erlegte ihn. Als er ihn aufnehmen wollte, ſahe er, wie dieſem die Karauſchen ſchon zum Schnabel herausquollen, er öffnete ihn ſogleich und fand, daß 44 Stuͤck feiner Fiſche im Magen und Speiſekanal dieſes Raͤu⸗ bers ſteckten, die dieſer auf eine Mahlzeit zu ſich genommen, und ſo den Beſatz des Tuͤmpels bereits um drei Viertheile vermindert hatte. Dringende Noth konnte ihn keineswegs dazu gebracht haben; denn es war mitten im Sommer, wo dieſe Voͤgel uͤberall Nahrung im Uiberfluß finden. An Karpfenbrutteichen iſt er ein arger Gaſt, was man hier zu Lande auch allenthalben weiß. Er faͤngt zwar gewoͤhnlich nur kleine oder junge Fiſche bis zur Laͤnge einer Hand, und die breiten Arten von letzterer Groͤße machen ihm ſchon einige Muͤhe, wenn er ſie ganz verſchlingen will, was er mit allen Fiſchen thut, weswegen er ſie wiederholt durch kraͤftige Schnabelſtoͤße biegſamer macht. Bei langen ſchmalen Fiſchen iſt das nicht noͤthig; ſie ſchluͤpfen ſchon hinab, wenn er ſie, wie immer, ſo wendet, daß der Kopf voran gehen muß. Wir fanden Hechte von 1 Fuß Laͤnge und noch laͤngere Aale und Schlammbeitzker in feinem Speiſekanale, weil dieſe noch bieg⸗ ſamer und ſchluͤpfriger als die erſtern ſind. Er faͤngt zwar noch groͤßere Fiſche auch, z. B. bis gegen 1 Pfund ſchwere Karpfen, toͤdtet ſie und bemuͤht ſich, ſie zu zerſtuͤckeln; dies gelingt ihm jedoch nicht und er muß ſie ſo, mit den blutigen Spuren ſeiner vergeb— lichen Bemuͤhungen, unbenutzt liegen laſſen. Abgeſtandene Fiſche verſchmaͤhet der im freien Zuſtande lebende ſchwarze Storch gaͤnzlich. Regenwuͤrmer, Blutegel, allerlei Inſektenlarven, Käfer, Heu: ſchrecken, Maulwurfsgrillen, Feldheimchen, und andere kleine Ge: ſchoͤpfe traͤgt er anfaͤnglich vorzuͤglich ſeinen noch zarten Jungen im Kehlſacke zu, welchen man von ſolchen Dingen oft dick angefuͤllt ſieht und welcher ſich in dieſer Zeit mehr als gewoͤhnlich ausdehnt. Er iſt ein tuͤchtiger Freſſer und der Hungerige faͤllt mit Gier uͤber ein aufgefundenes Nahrungsmittel her; er bedarf viel zu ſeiner Saͤttigung und verdauet ſchnell, kann daher Hunger gar nicht lange ertragen. Seinen weißen duͤnnfluͤſſigen Unrath ſpritzt er weit von XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 297 Ä * ſich und die großen Klee rben den Boden weiß, wo er ſich deſſel ben entledigte. u Die Jungen ſind leicht mit Fröschen, Fiſchen, Regenwuͤrmern, Mai: — und Brachkaͤfern, kleinen Vögeln, die ſie ſammt den Fe⸗ hinabwuͤrgen, mit unnuͤtzen rohen Fleiſch⸗ und Fiſchabgaͤngen uͤche, wie junge weiße Stoͤrche aufzuziehen. Sie verlangen aber viel und ſind eben ſolche Freſſer, koͤnnen zu einer Portion 8 bis 10 ziemlich fluͤgge Sperlinge oder 10 bis 12 ziemlich große Froͤſche hintereinander hinab ſchlingen, und ſind dennoch bald dar— auf wieder hungerig. Auch ſie geben ſchon den Fiſchen vor andern Nahrungsmitteln den Vorzug, ſelbſt wenn man ſie ihnen zerſtuͤckeln muß, freſſen zwar auch abgeſtandene, gehen aber nicht an ſchon faulende und ſtinkende; bei ſolchen würden fie verhungern, was wir ein Mal in einem heißen, ſehr trocknen Sommer beobachten konn⸗ ten, wo die Fiſche in den hieſigen Teichen abſtanden und wir ſie unſern jungen ſchwarzen Stoͤrchen in ſolcher Menge zutrugen, daß der Uiberfluß zu faulen anfing u. |. w. Beim Aufziehen der Sun: gen von beiden Storcharten iſt ſehr anzurathen, immer fuͤr Futter zu ſorgen und ſie nie zu lange hungern zu laſſen, ſie auch auf ein Mal nicht zu ſehr zu uͤberfuͤllen; beides wirkt nachtheilig auf ihr Befinden und hat ein baldiges Dahinſterben zur Folge. Friſches Waſſer verlangen ſie immer, weil ſie oft und viel trinken, ſich zu⸗ weilen baden oder doch gern mit den Fuͤßen hineinſtellen. Fortpflanzung. Der ſchwarze Storch niſtet in ſehr vielen Gegenden Deutſch— lands in einzelnen Paaren zerſtreuet, beſonders in waldreichen Auen: gegenden nahe an Fluͤſſen und Stroͤmen, in ſumpfigen Waldungen, auch in trocknen, wenn ſie ſonſt nur von vielen Wieſen, Sumpf und Waſſer umgeben find, endlich auch tief in waldreichen Gebir: gen, wo er nur Baͤche, Quellwaͤſſer, feuchte Wieſenthaͤler, wenn auch keine ausgedehnten Suͤmpfe hat. So niſten nicht allein in den hieſigen Waldungen, in den Niederungen ohnfern der Elbe und Mulde, auch Stunden weit davon, hin und wieder ſchwarze Störche, ſondern auch auf den hoͤhern Theilen des Thuͤringer-Waldes pflan— zen ſich einzelne Paͤaͤrchen fort. In weitlaͤufigen Gebirgen lebt er 298 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. * oft in weiter Entfernung von niſtenden weißen Stoͤrchen und in Gegenden, wo man keinen Vogel dieſer Gattung ſuchen moͤchte; in vielen andern dagegen wieder in der Naͤhe der weißen, jedoch ſtets ſtrenge von ihnen abgeſondert, weit von bewohnten Orten, in we⸗ nig von Menſchen beſuchten Waldgegenden. Sein Neſt bauet er nie auf ein Gebaͤude, wol nur ſehr ſelten auf einen Felſenvorſprung, ſondern immer auf einen Baum. Es ſteht ſtets ſehr hoch vom Bo— den und er waͤhlt fuͤr daſſelbe unter den Baͤumen einer Gegend einen der aͤlteſten und hoͤchſten, welcher uͤber die andern empor ragt und ihm eine freie und weite Ausſicht gewährt, ſeltner im geſchloſſen ſtehen⸗ den, finſtern Hochwalde, als viel gewoͤhnlicher da, wo die Baͤume einzelner ſtehen, am Rande des Waldes, wo dieſer von Wieſen, Sumpf und Waſſer begrenzt wird. Auch einen ganz abgeſonderten, einzelnen, von vielen Wieſen umgebenen und in einer waſſerreichen einſamen Gegend ſtehenden, alten, hohen Baum waͤhlt er gern dazu. Solche, welche oben eine breite Krone oder breite, zum Theil duͤrre Wipfelaͤſte haben ſind ihm die liebſten; am oͤfterſten gewaͤhren ihm daher unſere alterthuͤmlichen Eichen was er wuͤnſcht, doch auch recht alte, ſtarke und hohe Ulmen und Buchen findet er dazu geſchickt, ſogar alte, hohe, oben breite Kiefern, zuweilen weit von allem Waſſer und Sumpf, erwaͤhlt er hin und wieder zu ſeinem Niſtorte. Jedes Paͤaͤrchen hat fein abgeſondertes Niſtrevier, in welches es alle Jahr wiederkehrt, worin es ſich gegen andere behauptet, gegen fremde Eingriffe kaͤmpfend auftritt und ſie mit aller Macht abzuweiten ſucht. In der Regel iſt es auch immer derſelbe Baum und daſſelbe Neſt, welche es alljaͤhrlich wieder bezieht, woraus her: vorgeht, daß ein ſolches Paͤaͤrchen auch ein bedeutendes Alter errei⸗ chen muß, weil es alte Eichen giebt, welche man ſeit langen Jah— ren als den Sitz eines ſolchen Storchpaares kennt und mit dem Namen: Schwarze: Stord : Eichen bezeichnet hat, eine Benen⸗ nung, die auf Kindeskind forterbte. Solche Bäume find gewoͤhn⸗ lich unerſteiglich oder es iſt auf ihnen doch ſchwer und nur mit Le- bensgefahr zum Neſte zu gelangen, das immer auf dem breiten Wi⸗ pfel deſſelben ſteht und deſſen weit uͤberſtehender Rand am meiſten hinderlich iſt, weshalb ſich kein Menſch hinauf wagt; wo dies aber Statt fand, kehren die Stoͤrche im naͤchſten Jahr gewoͤhnlich nicht wieder. Man weiß daß ſolche oͤfter erſtiegene Neſter ein auch zwei Jahr nachher unbewohnt blieben, vermuthlich weil ihre Beſitzer ſich an einen andern Ort begeben und ein neues Neſt erbauet hatten, daß jedoch ſpaͤter jene wieder von ſchwarzen Stoͤrchen bezogen wurden. XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 299 Der ſchwarze Storch nimmt ſogleich, wenn er im Fruͤhjahr in der Bruͤtegegend angekommen, Beſitz vom alten Neſte und beſſert es aus, oder waͤhlt einen Baum fuͤr ein neues, deſſen Bau er ſo⸗ fort begruͤndet und bald vollendet; Alles geht ſchneller und die Fort⸗ pflanzungsgeſchaͤfte kommen gewoͤhnlich ſchneller im Gang und fruͤher Junge zum Vorſchein, als bei den weißen Stoͤrchen, obgleich ſie zum Bruͤten eben ſo viel Zeit beduͤrfen, wogegen aber die Jungen wieder ſchneller heranwachſen. Daß Meyer 1801 ſchon am 14ten Mai 3 fluͤgge Junge ausnehmen laſſen konnte, iſt jedoch ungewoͤhn⸗ lich fruͤh; viel haͤufiger ſind es ſolche erſt im Juni, ja zuweilen ſo⸗ gar erſt zu Anfang des Juli. Fruͤher eintretendes oder laͤnger aus⸗ bleibendes Fruͤhlingswetter und die davon abhaͤngende Ankunft der Alten bei uns, koͤnnen fo bedeutende Verſchiedenheiten bedingen. Das Neſt, in der Jaͤger⸗Kunſtſprache: Horſt, hat zu Stuͤtzpunkten die ſtarken, breiten, meiſt waagerechten Aeſte auf oder neben dem Wipfel des erwaͤhlten Baumes. Zuweilen bildet ein alter Horſt irgend eines großen Raubvogels ſeine Grundlage. Auch wenn es von Grund aus neu erbauet werden muß, geht die Arbeit ſchnell von Statten, beide Gatten tragen wechſelsweiſe Materialien im Schnabel herbei, zuerſt ſtarke Staͤbe, dann ſchwaͤcheres Reisholz, nach innen mit Klumpen feuchter Erde vermengt, die es feſter und am Boden dichter machen; oben folgen duͤrre Reiſer, mit wenigem Schilf und Rohr vermengt, und die Vertiefung nach innen iſt mit duͤrrem Wurzelwerk, woran noch Erde, mit Stroh, duͤrrem Graſe, Miſt, Baſt, Haaren, Borſten, Federn und alten Zeuchlappen aus⸗ gelegt; Alles dieſes ſuchen ſie auf Wieſen und Feldern zuſammen. Es iſt ein mehrere Fuß breiter aber flacher Bau, noch flacher als das des weißen Storchs, und ſelbſt viele Jahre gebrauchte, welche doch zu jeder neuen Brut oder alle Jahr eine Ausbeſſerung erhal⸗ ten, erlangen keine auffallende Hoͤhe. Im Umfange iſt es jenem ziemlich gleich. Wenn nach der erſten Ankunft der Alten auf dem⸗ ſelben zwei Wochen verfloſſen ſind, hat das Weibchen ſchon Eier gelegt; dies kann freilich, jenachdem die Fruͤhlingswitterung war, bald im April, bald im Mai, aber ſehr ſelten noch fruͤher, im Maͤrz, vorkommen. Die Eier ſind denen des weißen Storchs ſehr aͤhnlich, von derſelben Geſtalt, Maſſe und Farbe, gewoͤhnlich aber um ein Be⸗ deutendes kleiner, 2 ½ Zoll lang und 2 Zoll breit, die größte Breite beinahe in der Mitte, was ein ſehr kurzes Oval giebt, deſſen eines Ende wenig ſchmaͤler zugerundet iſt als das andere, oder ſie kommen 300 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. auch 2 Zoll 8 Linien lang und nur 1 Zoll 11 Linien breit vor, und ſind dann ziemlich eifoͤrmig. Ihre ſtarke Schale hat ein feines Korn und ſichtbare aber feine Poren, friſch eine blaͤulichweiße, in⸗ wendig, wenn man ſie gegen das Licht haͤlt, ſchwach gruͤnliche Farbe, wodurch ſie ſich am meiſten von den rein weißen Eiern der erſten Art unterſcheiden, die jedoch in Sammlungen nach einiger Zeit in reines Weiß uͤbergeht, wo dann kein Unterſchied als der der Groͤße bleibt. Schmutzig gruͤnlich, oder gelbgruͤnlichweiß ins Ochergelbe uͤbergehend, wie man ſie wol beſchrieben findet, ſahen wir dieſe Eier nie. — Es liegen 2 bis 4, ſelten 5 Eier in einem Neſte und eine Brut von 4 Jungen koͤmmt am öfteren vor. Bechſtein erwähnt zwar eines Neſtes, aus dem 7 junge ſchwarze Stoͤrche ausgenommen worden ſein ſollen; wir zweifeln jedoch, daß es mit dieſer Angabe ſeine Richtigkeit habe. Die ſchwarzen Stoͤrche ſcheinen weniger um ihre Brut beſorgt als die weißen, wenigſtens verleugnen ſie dabei ihre Furcht vor dem Menſchen keineswegs, und fliegen ſchon weg, ehe man ſich dem Neſte auf 200 Schritt genaͤhert hat. Sie beobachten die Gefahr, welche ihrer Brut drohet, aus weiter Ferne, oder drehen ſich hoch in den Luͤften, wo ſie keine Kugel erreichen kann, uͤber dem Neſte mit den Jungen, verlaſſen aber, wenn jemand ein Ei herabholt, die uͤbrigen nicht; auch ſo mit den Jungen. Alle Paͤaͤrchen ſind jedoch nicht ſo gleichguͤltig, und es iſt ſchon beruͤhrt, daß manche, denen man freilich alle Junge nahm, im naͤchſten Jahr das Neſt nicht wieder bezogen. Die Bruͤtezeit iſt wie bei den weißen Stoͤrchen ohngefaͤhr 28 Tage. Das Weibchen beſorgt dies Geſchaͤft allein, liegt wäh rend dieſer Zeit faſt ohne Unterbrechung uͤber den Eiern und wird unterdeſſen vom Männchen fleißig mit Futter verſehen. Die Ernäh- rung der Jungen iſt, außer daß ſie noch mehr Fiſche bekommen, wie bei der weißen Art, ſie ſcheinen jedoch ſchneller aufzuwachſen, obwol ſie lange im Dunenkleide bleiben und faſt die Haͤlfte ihrer Groͤße erlangen, ehe dies nur erſt ſtellenweis von den hervorkeimen— den Federn einigermaßen verdraͤngt und der junge Vogel bedeutend ſcheckicht wird. Auch ſie hocken anfaͤnglich auf den Ferſen und ler— nen erſt aufrecht auf den Beinen ſtehen, wenn ſie ſchon zum Theil ziemlich vollſtaͤndige Federn bekommen haben. Einer der Alten iſt gewoͤhnlich bei ihnen, wenn der andere Futter herbei holt, fliegt aber, ſobald ſich ein Menſch in der Gegend blicken laͤßt, weg und die Jungen legen ſich platt auf das Neſt nieder. Ein Zeichen, daß dieſe ausfliegen wollen, iſt, wenn ſie klappern lernen, das ſie aber XII. Ordn. IXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 301 bei Weitem ſeltner als die weißen und nie thun, wenn ſie die Nähe eines Menſchen vermuthen, wovon ihnen die wachſamen Al⸗ ten wahrſcheinlich ſchon aus der Ferne her Anzeige machten. Sie werden, nachdem ſie ausgeflogen, von dieſen in die Suͤmpfe und Wieſen gefuͤhrt, von ihnen noch einige Tage begleitet, bald aber ſich allein überlaſſen. Von jetzt an hoͤrt nun auch das Neſt auf, der allgemeine Sammelplatz zur naͤchtlichen Ruhe fuͤr die Familie zu ſein, zu welchem ſie nun, Alte und Junge getrennt, andere hohe Baͤume in entlegenern Gegenden aufſuchen und ſich bald ganz hin⸗ weg begeben. Die Alten thun dies fruͤher als die Jungen; ſie ver⸗ ſchwinden unvermerkt und die einzelnen ſchwarzen Stoͤrche, die man dann hin und wieder an einſamen Orten antrifft und welche ſich durch außerordentliche Scheuheit auszeichnen, ſind immer alte Voͤgel, waͤhrend die Jungen einer Brut bis zum Wegzuge beiſammen bleiben, ſich auch wol mit andern in kleine Fluͤge vereinigen und weniger ſcheu ſind, jedoch auf dem Freien auch niemals ſchußmaͤßig aushalten. Auch unter dieſen Stoͤrchen ſcheint es alle Jahr ſolche zu ge⸗ ben, welche guͤſte (gieſte) gehen, d. h. keine Brut machen, und ſich planlos herum treiben, ſo wie es wol nicht zu bezweifeln iſt, daß die Jungen im naͤchſten Jahr noch nicht fortpflanzungsfaͤhig ſind, ſondern erſt im folgenden, mit Antritt ihres dritten Lebensjahres, mannbar werden. J i nd e. Man kennt kein Beiſpiel von feindlichen Angriffen eines großen Raubvogels auf den ſchwarzen Storch, und will bloß bemerkt ha⸗ ben, daß der kuͤhne Baum marder zur Nachtzeit zuweilen die Brut deſſelben vernichte. Ihr Gefieder, am oͤfterſten das der Jungen, ſitzt zuweilen recht voll von Schmarotzerinſekten, von der Art der Federlinge, welche Nitzſch Philopterus tricolor nennt. ag d. Der ſchwarze Storch iſt, ſeiner groͤßern Scheu und Vorſicht wegen, noch weit ſchwerer zu ſchießen als der weiße. Er trauet * * * 302 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. keinem Menſchen, jeder iſt ihm verdaͤchtig, ſelbſt Hirte und Ackers⸗ mann moͤgen ſich ſelten ruͤhmen, ſich unabſichtlich ſo weit genaͤhert zu haben, daß er mit einem Buͤchſenſchuß zu erreichen geweſen waͤre; der, bei dem er boͤſe Abſichten vermuthet, ſieht ihn noch in viel weiterer Entfernung entfliehen. Auf dem Freien haͤlt er fuͤr keine Art tragbaren Schießgewehrs ſchußrecht aus, und wenn er geſund iſt, oder ſich nicht eben recht vollgepfropft hat und an Ort und Stelle die Verdauung abwartet, ſtellt er ſich gewiß ſtets nur an ſolche Orte, die ihm das Umſchauen uber einen weiten Kreis geftat- ten und er alſo nicht hinterſchlichen werden kann. Dies gelingt zu⸗ weilen doch im Walde, wenn die Baͤume belaubt ſind, oder wenn man ihn an einem Waldwaͤſſerchen uͤberraſcht; eine zufällige Gele⸗ genheit, wo er im Herausfliegen herabgeſchoſſen oder, wenn man ihn fruͤher bemerkte, beſchlichen werden kann. Wenn man ſeine Lieblings⸗Baͤume und ohngefaͤhr die Tageszeit, in welcher er auf ſolchen auszuruhen pflegt, kennt, iſt er dort, wohl verſteckt, zu er: lauern. Das leichteſte Mittel, ihm beizukommen, iſt jedoch der Abend⸗ anſtand, unter den Baͤumen, welche durchziehende und am Tage in der Umgegend bemerkte ſchwarze Stoͤrche zur Nachtruhe benutzen, die man von mehrern Jahren her als ihre Schlafſtellen kennt. Sie kommen da mit Sonnenuntergang an, ſtellen ſich auf die ſtarken, kahlen, tiefern Aeſte und gehen mit Tagesanbruch wieder weg. Daß dies ſtets andere Baͤume in einer andern Waldgegend ſind, als die, worauf die weiß en Stoͤrche zu uͤbernachten pflegen, auch niemals die duͤrren Wipfel, ſondern ſolche Seitenaͤſte ſind, die auch Fiſch— reiher gern dazu waͤhlen, iſt ſchon erwaͤhnt; die ſchwarzen machen ſich mit den weißen nichts zu ſchaffen. Dies iſt in den herzogl. Anhalt: Cöthenfchen Forſtrevieren Klein-Zerbſt und Diebzig alle Jahr zu beobachten, wo auch alle Jahr Zugſtoͤrche von beiden Ar⸗ ten, beſonders beim Wegzuge im Sommer, erlegt werden. Der angeſchoſſene ſchwarze Storch vertheidigt ſich, wie andere verwandte Voͤgel, mit ſeinem Schnabel bis zum Aeußerſten, und da deſſen Stoͤße meiſtens nach den Augen gerichtet ſind, ſo hat man ſich vor dieſer fuͤrchterlichen Waffe ſehr zu huͤten und Hunde von ihm abzuhalten. — Ein ſchwarzer Storch, dem vom Schuſſe bloß der Oberarmknochen zerſchmettert iſt, athmet durch dieſe Oeffnung fo leicht, daß das feſte Verſchließen des Schnabels und der Nafen: loͤcher ihn gar nicht zu behindern ſcheint. Ob der ſchwarze Storch zu fangen ſei, etwa auf aͤhnliche Weiſe wie der weiße, ſcheint niemand verſucht zu haben. Seine Faͤhrte a . XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. 303 iſt genau wie die der weißen Art, kaum etwas kleiner, die Zehen im Abdruck etwas ſchmaͤler oder ſchlanker, oe 0 von jener zu unterſcheiden. Nutz en. Das Fleiſch dieſes großen Vogels, mit ſeinem orangegelben Fett, das nie haͤufig iſt, wird ebenfalls nicht gegeſſen, zumal es noch uͤbelriechender ausduͤnſtet, als das des weißen Storchs, ſo daß Jagdhunde ihn ungern faſſen oder aportiren, woraus vermuth⸗ lich auch die Sage entſtand: Schmeißfliegen legten ihre Eier nicht daran, und die ausgeſtopfte Haut wuͤrde weder von Motten, noch von Spedfäfern und deren Larven zerfreſſen. Dies iſt jedoch kei⸗ neswegs ſo, und das Fleiſch wie der Balg ſind ſo gut der Vernich⸗ tung durch jene gefräßigen Geſchoͤpfe ausgeſetzt, wie das Fleiſch und die Haͤute anderer Voͤgel, welche man nicht ſorgfaͤltig dagegen ver⸗ wahrt. — Auch von eingeſperrten Raubvoͤgeln, Uhus, Eulen, Ra⸗ ben, Kraͤhen und von den Haushuͤhnern wird das Fleiſch, ſelbſt wenn es bereits ſehr angegangen, nicht verſchmaͤhet. — Die großen Fittiche geben ſchoͤne Facher fuͤr Metallarbeiter und dauerhafte Fle⸗ derwiſche, die Spuhlen taugen aber nicht wohl zum Schreiben, die uͤbrigen Federn nur zu ſchlechten Betten, alles Andere wie beim weißen Storch. Im gemeinen Leben, wie in manchen naturgeſchichtlichen Wer⸗ ken, ſteht er als Verminderer vieler dem Menſchen nachtheiliger und laͤſtiger Geſchoͤpfe in einem beſſern Rufe als er verdient. Zugegeben daß ſeine Stellung im Haushalte der Natur eine nothwendige ſei, ſo ſind ihm doch, außer mancherlei Inſektenarten, Regenwuͤrmern, hier und da einer Maus oder einzelnen Maulwurfs, allermeiſtens nur ſolche Geſchoͤpfe zur Nahrung angewieſen, welche den Fleiß des Menſchen wenig beeintraͤchtigen oder welche dieſem gar von entſchie⸗ denem Nutzen ſind. Sch aden. Er iſt in kultivirten Laͤndern ein den Fiſchereien ſehr nachthei⸗ liger Vogel, weil er ſich mehrentheils von Fiſchen und namentlich von Fiſchbrut naͤhrt und dieſe in großer Menge vernichtet. Seine 4 * 304 XII. Ordn. LXVII. Gatt. 259. Schwarzer Storch. oͤftern Beſuche koͤnnen daher den kleinen Fiſchen in Brutteichen ſo vielen Abbruch thun wie die des Fiſchreihers. — Was ein ein- ziger Beſuch auch nur eines einzelnen ſchwarzen Storchs in einem kleinen Waſſerbehaͤlter fuͤr Schaden anrichten kann, davon iſt oben ſchon ein merkwuͤrdiges Beiſpiel erzaͤhlt worden. — Gerade deshalb, weil er am liebſten kleine Fiſche fängt, deren er, als ſtarker Freſſer, zu ſeiner Saͤttigung einen deſto groͤßere Anzahl bedarf, wird er um fo ſchaͤdlicher; daß er, wo es keine kleinen giebt, öfters auch fo große Fiſche toͤdtet, welche er nicht ganz verſchlingen und des— halb nicht ſelbſt verzehren kann, ſolche aber den herumſtreifenden Raben und Kraͤhen oder der Faͤulniß Preis giebt, macht ihn dem Fiſchereibeſitzer faſt noch verhaßter. Wo bei der Hitze und Duͤrre im Sommer das Waſſer knapp wird und die Fiſche matt werden, zeigt er ſich beſonders thaͤtig und fiſcht kleine Teiche und Tuͤmpel oft in wenigen Tagen rein aus, indem er zuerſt die kleinen ver⸗ ſchlingbaren, dann die groͤßern, und zuletzt auch ſolche Fiſche faͤngt und toͤdtet, die er ihrer bedeutenden Groͤße wegen, wie geſagt, nicht verſchlingen kann und unbenutzt dem Verderben uͤberlaſſen muß. Den Jagden wird er nebenbei ebenfalls nachtheilig durch das Wegfangen vieler zarten Jungen von jagdbarem Gefluͤgel, wenn auch die von zahmen Federvieh nicht leicht etwas von ihm zu befuͤrchten haben. Die Beine (Ständer) werden daher, hinſichtlich feiner Raͤu⸗ bereien, an Fiſcherei⸗ und Jagdberechtigte, dem Jaͤger von deſſen Obrigkeit, mit noch mehrerem Rechte als vom weißen Storch, gegen ein Schießgeld von 2 bis 6 gute Groſchen, das Paar, aus: geloͤſet. nn — — a Acht und ſechzigſte Gattung. Loͤffler. Platale a. Linn. Zügel, Augenkreiſe, Kinn und Kehle find nackt, bei manchen auch der ganze Kopf. Schnabel: Lang, ziemlich gerade, ſtark, niedrig, an der Baſis etwas breiter als in der Mitte, nach vorn aber außerordentlich er⸗ weitert, ſehr abgeplattet und flach, oder voͤllig ſpatelfoͤrmig; das ab⸗ gerundete Ende in der Mitte des Oberſchnabels in einem unbedeu⸗ tenden Nagel herabgebogen, der etwas kuͤrzere Unterſchnabel ohne dieſen und noch platter; der innere Schnabel unten und oben mit dichten, feinen, dem Rande parallel laufenden Laͤngeriefen. Er iſt in der Jugend ſehr weich und biegſaam. Na ſenloͤcher: Oben auf dem Schnabel, nahe beiſammen, un: fern der Stirn, mehr laͤnglich als oval, in einer ſchmalen weichen Haut, die als feine Furche in der Naͤhe des Schnabelrandes und parallel mit ihm, vor, bis an den kleinen Nagel laͤuft und den Rand als eine flache Leiſte abſondert. Fuͤß e: Stark, lang, hoch uͤber die Ferſen hinauf nackt; die drei Vorderzehen ziemlich lang, mit breiten Sohlen und zwei tief ausgeſchnittenen, aber weit vorreichenden Spannhaͤuten, von welchen die zwiſchen der aͤußern und mittelſten die groͤßeſte; die Hinterzeh ſchwaͤchlich, etwas kurz, und ein wenig hoͤher eingelenkt als die vor⸗ dern; ihr Uiberzug durchaus gegittert, nur die Zehenruͤcken grob ge: ſchildert; die Krallen klein, ſchmal, ſtumpf, unten etwas ausgehöhlt. or Theil. 20 306 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. Löffler. Sie gleichen den Füßen der Stoͤrche, unterſcheiden ſich aber durch größere Spannhaͤute und durch ſchmaͤlere und weiter vorra⸗ gende Krallen. Fluͤgel: Groß, breit, mit langen Armknochen, aber weniger langen Schwingfedern, von welchen die erſte etwas kuͤrzer als die zweite und dritte, dieſe aber die laͤngſten ſind. Schwanz: Kurz, ab- oder zugerundet, aus 12 Federn beſtehend. Das kleine Gefieder iſt dicht, ziemlich derb, dem der wei⸗ ßen Stoͤrche aͤhnlich, aber weich anzufuͤhlen, daher zur Aufnahme fremden Schmutzes geneigt, hinten am Kopfe und Halſe ſchmal, zu: weilen in einen lockern Buſch verlaͤngert, aber uͤber der Bruſthoͤhle weder verlaͤngert noch ſonſt ausgezeichnet. 5 N Die Loͤffler ſind Stoͤrche mit abgeplattetem Schnabel, unterſcheiden ſich aber noch außerdem bedeutend von dieſen, ſtehen ihnen jedoch bei Weitem naͤher als den Reihern. Obwol ſie in ihrem Leben und Wirken ein Gemiſch von beiden zeigen, ſo kommen darin doch auch Eigenthuͤmlichkeiten genug vor, welche dieſe Gatz. tung abſondern und ſie als eine ſehr natuͤrliche characteriſiren. — Es ſind hochbeinige, langhalſige, großſchnablige Geſtalten. Die bekannten Arten, deren es nicht viele giebt, gehoͤren noch unter die groͤßern Voͤgel. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr. Ihr Gefieder traͤgt ſehr einfache, helle Farben, meiſtens Weiß, mit wenigen dunkler gefaͤrbten Abzeichen. Beide Geſchlechter ſind in der Faͤrbung nicht verſchieden, die Weibchen nur etwas kleiner oder ſchwaͤchlicher und weniger ſchoͤn als die Männchen. Die Jungen unterſcheiden ſich durch geringe Abweichungen im Gefie— der, am meiſten aber durch den kuͤrzern, weichern und glatten Schna— bel, welcher bei den Alten oben mit Querrunzeln verſehen iſt, die ſich erſt im zweiten Jahr zeigen und mit den kommenden ausbil⸗ den, wo auch der Schnabel an Laͤnge zugenommen hat, und erſt mit dem vierten ſeine bleibende Groͤße und Geſtalt erreicht. Sie gehoͤren der gemaͤßigten Zone an und verirren ſich ſelten in die kalte, vertauſchen jene im Winter mit einer waͤrmern und wandern bei Eintritt der kalten Jahreszeit in Schaaren weg. Ihr Aufenthalt ſind die Ufer ſuͤßer Gewaͤſſer, ſeltner der Seekanten, ob— wol gern die Nähe derſelben, Suͤmpfe und Moraͤſte, auch mora⸗ ſtige Flußufer. Es ſind harmloſe, doch ziemlich ſcheue Voͤgel, welche ſich leicht zaͤhmen laſſen. Sie ſchreiten leicht und mit Anſtand ein⸗ XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Löffler. 307 her, tragen dabei den Hals gerade oder ſanft Sfoͤrmig gebogen, und fliegen ſchoͤn, hoch, oft ſchwebend, mit gerade ausgeſtrecktem Halſe, wie Stoͤrche, auf dem Zuge in einer beſondern Ordnung, klap⸗ pern zuweilen mit dem Schnabel und ſind gleich dieſen Tag⸗ voͤgel. Sie leben von Fiſchen, beſonders von junger Brut derſelben, von kleinen Froͤſchen, Laich, Waſſerinſekten, weichem Gewuͤrm, ganz kleinen Conchylien und verſchlucken wol auch zarte Pflanzentheile. Ihre großen, ſperrichten Neſter bauen ſie entweder auf hohe Baͤume, oder ins Gebuͤſch, oder in einen Rohr- oder Schilfbuſch, jenachdem ſich die Gelegenheit darbietet, von duͤrren Reiſern, Binſen u. dergl. und legen 2 bis 3, ſehr ſelten 4, weiße, wenig braun gefleckte, ziemlich große Eier, und die mit weißem wolligem Flaum dicht be⸗ kleideten Jungen ſitzen lange im Neſte, waͤhrenddem ſie von den Alten aus dem Schlunde und Kehlſacke geaͤtzt werden. Ihr Fleiſch haͤlt man hin und wieder, weil ſie Loͤffel-Gaͤnſe heißen, fuͤr eß⸗ bar und findet es nicht unſchmackhaft; ſonſt kennt man weder Nutzen noch Schaden. * Anatomiſche Bemerkungen über , Platt alsea von Nudolph Wagner.“) Die Gattung Platalea bietet in ihrem Knochenbau betraͤchtliche Verſchiedenheiten von Ardea und Ciconia dar, nähert ſich jedoch der letztern Gattung auch in der Structur der Eingeweide weit mehr; in vielen Punkten finde ich eine große Verwandſchaft mit Ibis, viel⸗ leicht noch mehr mit Tantalus. „) Wenn ich hier zum erſten Male an die Stelle des verewigten und mir unver⸗ geßlichen Freundes Nitzſch trete, um die anatomiſchen Monographien für dieſes Werk fortzuſetzen, ſo muß ich einige Worte zur Verſtändigung hinzufügen. Als ich vor nun gerade zehn Jahren Nitzſch zuerſt in Paris kennen lernte, und mit ihm mehrere Wochen bei Cuvier zuſammen arbeitete, mußte ich gegen dieſen trefflichen Mann dieſelbe Zunei⸗ gung faſſen, die jeder ſeiner Bekannten theilte. Eine wechſelſeitige nähere Verbindung wurde durch Aehnlichkeit der Studien und der Behandlungsweiſe unſerer Lehrfächer her⸗ beigeführt und durch öfteren Briefwechſel und mehrmalige perſönliche Berührungen in Halle und Erlangen immer enger befeſtigt. Es gehörte zu meinen Lieblingsge⸗ 20 * A K 308 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. Löffler. Der Knochenbau (nach Unterſuchung bei Platalea leucerodius und zweier Skelette von Platalea tenuirostris, und namentlich der Schaͤdel, ſtimmt in allen Verhaͤltniſſen und in der Configuration der einzelnen Theile ſehr mit Ibis falcinellus überein. Der Schädel iſt ſchoͤn gewoͤlbt und ſehr abgerundet; er iſt anſehnlich breit zwi⸗ ſchen den Orbitalraͤndern, und hat vor den Stirnbeinen (an der Glabella) nur einen flachen Eindruck. An der Hinterhauptsbein— ſchuppe finden ſich die beiden, vielen Sumpf- und Waſſervoͤgeln zu— kommenden Fontanellen, welche aber gerade bei den Reihern und Stoͤr— chen fehlen; die beiden hintern Schlaͤfedornen (process. zygomat- posteriores) ſind maͤßig groß und ſpitz; die beiden unteren Fluͤ— gelbeine (Verbindungsbeine, ossa communicantia Nitzsch) ſind nicht ſo ſchlank als bei den Reihern, an ihrer vorderen Verbindung mit den Gaumenbeinen betraͤchtlich dicker und ſtaͤrker; fie entbehren der dritten Gelenkung. Die Naſenſcheidewand iſt vollſtaͤndig knoͤ— chern. Am obern Orbitalrande bemerkt man den flachen, aber weit danken und war eine wirkliche Sorge für mich, dem lieben Manne zu ſeinen ſchönen und gediegenen, allen falſchen Schmuck verſchmähenden Arbeiten, ſo viel Material als möglich zu liefern und ich trat ihm im Verlaufe von dieſen 10 Jahren Vieles ab, was ihm Freude machte und was er von anderwärts vergebens erwartet hatte. Nitzſch ſprach dafür auch feine freundliche Anerkennung öffentlich an verſchiedenen Orten (auch in dies fen Werke aus). Noch vor wenig Wochen meldete ich ihm die Ankunft von 2 Cathar- tes in Weingeiſt, die ich für ihn von meinem Bruder aus Algier erhalten hatte, und erfuhr als Antwort dagegen die erſchütternde Nachricht von ſeinem Tode. Ich betrachte es als eine Sache der Pietät, ſein Nachfolger in der Theilnahme an dieſem vorzüglichen Werke zu werden; meinem Wunſche, feinen ornithotomiſchen Nachlaß ordnen, herauszu⸗ geben und außerdem für dieſe Beiträge benutzen zu dürfen, mit dem ich mich an die Fa⸗ milie und die Freunde des Verewigten wandte, konnte bis jetzt nicht entſprochen werden. Ich verſuche es daher aus eigenen Mitteln, dieſe Lücke auszufüllen; kann ich auch, we nigſtens für jetzt, die aus langjährigen und umfänglichen Studien hervorgegangenen mo— nographiſchen Darſtellungen meines abgeſchiedenen Freundes lange nicht erreichen, fo Hoffe ich doch im Verlauf der nächſten Jahre hinreichendes Material für eine größere Vollſtän⸗ digkeit zu gewinnen und ich werde dieſer Arbeit Eifer und Fleiß zuwenden, ſo viel ich in meiner beſchränkten Stellung vermag. Für Ausdehnung und Gründlichkeit der orni⸗ thotomiſchen Arbeiten wird Nitzſch ein kaum je erreichbares Muſter bleiben; Niemand kannte den Bau der Vögel ſo wie er. Daß ich aber nach ihm mich am meiſten, wenig⸗ ſtens mit der Anatomie der deutſchen Vögel „ vertraut gemacht habe, glaube ich wohl fagen zu dürfen. Er hat dieß ſelbſt anerkannt, als ich ihm meine „Beiträge zur Ana- tomie der Vögel“, die im nächſten Bande der Denkſchriften der Akademie der Willens ſchaften erſcheinen werden, überſandte. Manches Lückenhafte meiner erſten hier zu ge— benden Beiträge hoffe ich in den Nachträgen, welche dieſes Werk beſchließen werden, aus: zufüllen. Hier werde ich auch die Anatomien ſolcher Vögelgattungen geben, welche Nitzſch früher aus Mangel an hinreichendem Material nicht liefern konnte; ich nenne z. B. die Gattungen Vultur, Cathartes, Gypaetus, Merops u. a. m. wofür ich mancher— lei geſammelt habe. Die Richtung meiner übrigen Studien hat mich übrigens auf manche Punkte in der Anatomie der Vögel geführt, welche Nitzſch ferner lagen, was freilich noch reichlicher im umgekehrten Verhältniſſe der Fall war. Und fo empfehle ich mich dem freundlichen Leſer, welchem ich dieſe Erläuterungen zu geben ſchuldig bin und deſſen Nach— ſicht ich, beſonders bei dem Hinblick auf meinen für mich unerreichbaren Vorgänger, in vollem Maaße in Anſpruch nehmen muß. i XII. Ordn. LXVIII. Gatt. Löffler. 309 nach hinten ſich erſtreckenden Eindruck fuͤr die Naſendruͤſe, aͤhnlich, nur ſtaͤrker, wie bei Ibis, der den Reihern und Stoͤrchen dagegen ganz fehlt; das Siebbein hat ziemlich anſehnliche, in einen Fort— ſatz, der ſich mit dem Thraͤnenbeine verbindet, auslaufende Seiten⸗ flügel. Die Gaumenbeine find nach hinten nur eine kurze Strecke und nur flach ausgehoͤhlt, viel weniger als bei Ardea und Ciconia. Der Pflugſchar iſt ſcharfkantig und ohne Furche oder Aushoͤhlung, wie dies bei den Reihern und beim Kranich der Fall iſt. Das Thraͤnenbein iſt ziemlich anſehnlich, beſonders in ſeinem unteren Theile (ganz wie bei Ibis) und verbindet ſich wie hier durch Synchon⸗ droſis mit dem Jochbeinfortſatz des Oberkiefers. Der Muſchel-⸗ theil des Oberkiefers iſt ſtark blaſig aufgetrieben und enthaͤlt weite Knochenzellen, aͤhnlich wie bei den Stoͤrchen, iſt aber doch hier mehr als bei der genannten Gattung vom Siebbein abgeruͤckt. Der Zwiſchenkiefer ſendet einen anſehnlichen Fortſatz zwiſchen die ganz nach oben geruͤckten Nafenlöcher und zum Stirnbein; der vor⸗ dere verbreiterte Theil zeigt noch am Knochen aͤhnliche kleine Gruͤb⸗ chen und Zellen wie bei den Schnepfen. Das Quadratbein hat keinen ſo ſpatelfoͤrmig verbreiteten Fortſatz wie bei den Reihern; dagegen findet ſich an der hinteren Flaͤche des Koͤrpers, zwiſchen dem oberen und unteren Gelenkfortſatz, ein kleiner abgerundeter Hoͤcker, den ich auch bei Ibis wahrnehme. Am Unterkiefer iſt ſtatt des bei Ciconia anſehnlichen Querlochs nur eine ſchmale Spalte; der hintere Fortſatz iſt kurz abgeſtutzt, aber breit und zwiſchen den beiden ſcharfen Seitenkanten vertieft. Die Wirbel ſind viel weniger ſchlank als bei den Reihern, mehr denen vom Storch und Ibis aͤhnlich. An den von mir un. terſuchten Skeletten fand ich 16 Halswirbel (wovon jedoch am un⸗ terſten leicht eine Rippe verloren gegangen fein koͤnnte), 7 Ruͤcken⸗ wirbel und 7 Schwanzwirbel. Von den 7 Rippen haben die 6 hinteren den Rippenknochen und befeſtigen ſich an das Bruſtbein; die 4 vorderſten dieſer wahren Rippen haben den eigenthuͤmlichen Fortſatz (Rippen⸗Aſt Nitzſch); die erſte Rippe iſt eine falſche. Das Bruſtbein weicht ſehr von dem der Störche, Kraniche und Reiher ab, ſtimmt dagegen mit dem von Ibis ſehr überein. Es iſt ziemlich breit, mit einem maͤßig ſtarken Kiel verſehen und hat am Hinterrande jederſeits zwei Abdominalfortſaͤtze von ziemlich gleicher Länge, welche an jeder Seite 2 nicht ſehr tiefe haͤutige Buch⸗ ten begrenzen, von denen die innere etwas groͤßer iſt. 310 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. Löffler. Die Gabel iſt rundlich, ausgeſchweift und geſpreizt, durchaus nicht fo ſpitzwinklich, wie bei Grus und Ardea, mehr der Gabel der Stoͤrche ähnlich, aber ohne unteren Fortſatz und durchaus nicht (wie dies bei allen genannten Gattungen der Fall iſt) mit dem 9 des Bruſtbeins verbunden. Schluͤſſelbeine und Schultkrblätter wie bei den ver⸗ wandten Gattungen. Am Becken ſind die Schambeine ſchmal und graͤtenfoͤrmig, ſchwach konvergirend. Das Foramen ischiadicum iſt einfach. Die Oberarmbeine ſind lufthaltig, die Oberſchenkelbeine nicht. Die Tibialfortſaͤtze find abgerundet, nicht beſonders entwi- ckelt; die Knieſcheibe klein. Die Eingeweide habe ich leider nur unvollkommen unterſu⸗ chen koͤnnen, daher ich die Angaben uͤber die Verdauungsorgane aus Meckel entlehne. Die Zunge iſt ſehr kurz und breit (nähert ſich alſo hier dem Ibis und Storch); Zungenbeinknorpel klein; hinteres oder mittleres Stuͤck des Zungenbeins kurz, breit, platt. Druͤſen-Magen aͤhn⸗ lich wie bei den Reihern; Muskel-Magen dagegen größer, did: fleiſchiger; zwei ſehr kleine Blinddaͤrme; auf der Darmflaͤche anfangs lange und arfehnliche Zotten, welche zu dicht ſtehenden niedrigen Falten werden. Die Luftroͤhre iſt weit, die Ringe (gegen 170) ſind weich; bei Maͤnnchen und Weibchen ſcheint die eigenthuͤmliche Kruͤmmung der Luftroͤhre hinter dem Bruſtbeine vorzukommen; die Luftroͤhre macht nehmlich eine Biegung nach unten, ſteigt dann wieder in die Hoͤhe, um ſich bald in die Bronchien zu theilen. Die Biegung der Luftroͤhre hat im Ganzen faſt die Form einer Geige und liegen die Windungen nicht wie beim Kranich in einer Ebene mit dem Kiel des Bruſtbeins, ſondern in gleicher Fläche mit dem Bruſtbeinkoͤrper. “) Der obere Kehlkopf hat die nach innen vorſpringende Leiſte; der untere beſteht aus 6 niedrigen, zuſammengedraͤngten, knoͤcher— nen Ringen. Die Bronchien beſtehen aus Halbringen; ein anſehn— liches, aͤußeres, ovales haͤutiges Fenſter iſt vorhanden. Beſondere Kehlkopfmuskeln fehlen. Die Nieren zeigten bei einem Exemplare in dem Berliner ana⸗ tomiſchen Muſeum eine ſeltnere und merkwuͤrdige Form von Ver— *) Eine ſehr gute Abbildung der trachea von Platalea gab Marrell in einer ſehr ausgezeichneten Abhandlung über die Luftröhre und den untern Kehlkopf der Vögel. S. Transaction of the Liunean Soc, Vol. XVI. (1829). XII. Ordn. LXVIII. Gatt. Löffler. , e (mehung; ſie waren faſt hufeiſenfoͤrmig, an den Mittellappen rch eine breite Subſtanzbruͤcke verbunden, während die Vorderlap⸗ pen weit von einander getrennt waren. Dieſe Bildung erinnert leb⸗ haft an die beim Menſchen zuweilen vorkommende hufeiſenfoͤrmige Verſchmelzung beider Nieren. Ob dieſe Bildung bei Platalea allge⸗ mein oder nur individuell vorkommt, muͤſſen fernere Unterſuchungen lehren.“) Die Hoden fand ich bei demſelben Exemplare ziemlich gleich groß. Aus der Betrachtung dieſer anatomiſchen Verhaͤltniſſe geht her⸗ vor, daß die Gattung Platalea zwiſchen der Gattung Ibis und Ci- conia mitten inne ſteht, eine viel geringere Verwandtſchaft dagegen mit den Reihern hat, und den Uebergang von Nitzſch's Familie der Pelargi (Ciconia, Tantalus, Anostomus und Scopus) zu derje⸗ nigen der Limicolae bildet, welche von dieſer Seite mit Ibis beginnt und von hier durch Numenius zu den eigentlichen Schnepfenvoͤgeln fuͤhrt. * Von dieſer Gattung, welche uͤberhaupt nur wenige Arten zaͤhlt, haben wir in Europa nur Eine Art: — — —— ſfſ:—— ) ueber Verſchmelzung der Nieren bei den Vögeln vergleiche man meine Beiträge zur Anatomie der Vögel in den Abhandlungen der mathematiſch- phyſikaliſchen Klaſſe der K. Akademie der Wiſſenſchaften zu München 2r Bd. 1837. 260. Der weiße Löffler. Platalea leucerodius. Glog. Fig. 1. Altes Männchen. Fig. 2. Zweijähriges Weibchen. Fig. 3. Junges Männchen. Fig. 4. Ganz junger Vogel. Taf. 230. Loͤffler; Loͤffelreiher, weißer —, gemeiner Loͤffelreiher; Loͤffel⸗ gans; Lepler; Schufler, Schuffler, Schaufler; Spatelgans; Pa⸗ lette; Pelikan. Platalea leuccrodius. Gloger, Schleſ. Fauna S. 30. n. 220. = Platalea leucorodia. Linn. Faun. suec. p. 56. n. 160. Retz. Faun. suec. p. 166: n. 128. —- Gmel,. Linn. syst. I. 2. p. 613. u. 1. = Lath, Ind. II. p. 667. n. 1. = Nils- son, Orn. suec. II. p. 27. n. 153. — La Spatule. Buff. Ois. VII. p. 448. tab. 24. — Edit, de Deuxp. XIV. p. 172. t. 4. f. 2. — Id. Planch, enl. 405. == Gerard. Tab. élém. II. p. 161. — Spatule Blanche, Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 595. = White Spoonbill. Lath. Syn. V. p. 13. K. Supp. I. p. 66. — Uiberſ. v. Bech⸗ ſtein, III. 1. S. 1. n. 1. — Penn. aret. Zool. II. p. 441. A. &. Supp. p. 66. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 410. A. — Bewick, brit. Birds. II. p. 25. A Pelicano volgare, Stor. deg. Ucc. IV. Tav. 437. — Spatola, Savi Orn. tosc. II. p. 361 == De Lepelaar. Sepp. Nederl. Vog. II. t. p. 172. = Bedftein, Nas turg. Deutſch. IV. S. 4. - Deſſen Taſchenb. II. S. 254. n. 1. = Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 330. — Meyer, Vög. Liv⸗ und Eſthlands, S. 179. Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 182. n. 179. — Koch, Baier. Zool. I. S. 327. n. 202. = Brehm, Lehrb. II. S. 531. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchl. S. 600. — Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 59. u. 207. Friſch, Vög. Taf. 200. (zweijähriges Weibchen) u. Taf. 201. (im erſten Jahr). — mann's Vög. alte Ausg. Nachtrag S. 302. Taf. XLIV. Fig. 87. (altes Männchen) Fig. 88. Rain im erſten Jahr). XII. Ord n. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 313 55 125 1 Kennzeichen der Art Kopf befiedert, Zügel und Kehlhaut nackt; das Gefieder mei: ſtens ganz weiß. Be ſſch rei b ung. Der weiße Loͤffler iſt ein ſo ausgezeichneter Vogel, daß er mit einem andern europaͤiſchen nicht verwechſelt werden kann, angenom⸗ men, daß es in Europa nur eine Art davon gaͤbe, was manche Schriftſteller jedoch nicht zugeben wollen, wie z. B. Gerardin und Brehm, welche zwei Arten annehmen, wozu ſie ſich anſcheinend durch die verſchiedene Groͤße, welche individuell unter dieſen Voͤgeln vorkoͤmmt, haben verleiten laſſen. In wie fern ſie Recht oder Un⸗ recht haben, mag ich nicht behaupten, kann jedoch verſichern, daß die groͤßern wie die kleinern Individuen nicht auf beſondere Laͤnder beſchraͤnkt ſind und in Ungarn recht auffallend kleine, ſo wie in Holland recht auffallend große unter denen von gewoͤhnlicher Groͤße vorkommen, und daß die oft merklich abweichende Schnabellaͤnge oder Breite, ſo auch kleine Verſchiedenheiten in der Hoͤhe der Beine, ebenfalls nur individuelle Abweichungen ſind, wie ſie gar nicht ſel⸗ ten auch bei andern aͤhnlich geſtalteten Voͤgeln, aus der Ordnung der Wadvoͤgel vorkommen. So lange ſolche individuelle Abwei⸗ chungen nicht im Leben neben den auf entgegengeſetzte Weiſe abwei⸗ chenden beobachtet und ſtandhafte Verſchiedenheiten in ihrer Lebens⸗ weiſe noch nicht aufgefunden ſind, ſo lange muͤſſen ſie als bloß zu⸗ faͤllige Abweichungen angeſehen werden. — Von den jungen Bi: geln des roſenfarbigen Loͤfflers (P. Ajaja) aus Südame: rika, welche auch großentheils weiß ausſehen, unterſcheidet ſich unſer Loͤffler leicht an ſeinem vollſtaͤndig befiederten Oberkopf, den dunkeln Fuͤßen und andern Merkmalen; zudem iſt jene Art auch bedeutend kleiner. Eine dritte Art, mit meiſtens weißem Gefieder, welche nach Temminck die Philippinen bewohnt, habe ich nicht vergleichen koͤnnen. ö 5 f Unſer Löffler variirt, wie gefagt, oft ſehr in der Größe, und die aͤlteſten Individuen ſind nicht immer die groͤßeſten; bei ausge⸗ ſtopften mag jedoch oftmals die Behandlungsweiſe Taͤuſchungen herbei führen. Er iſt ſtets bedeutend kleiner als der gemeine Rei⸗ 314 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. her, oder ſteht zwiſchen dieſem und dem kleinen Silberreih er in der Mitte. Gewoͤhnlich iſt das wenigſtens 3 Jahr alte Maͤnn— chen (ohne Schnabel) 2 Fuß 6 bis Zoll lang und gegen 5 Fuß breit, das Weibchen um einige Zoll kuͤrzer und weniger breit; ich habe jedoch von jenen ein Exemplar gemeſſen, das 2 Fuß 10 Zoll in der Laͤnge und noch etwas über 5 Fuß in der Flugbreite hatte; ein anderes eben ſo ſchoͤnes altes Maͤnnchen hatte dagegen nur eine Laͤnge von 2 Fuß 4 Zoll und eine Breite von 4 Fuß 6 Zoll, und dieſes war gegen jenes auffallend klein; beide kamen aus Ungarn. Bei den groͤßern mißt der Fluͤgel vom Bug bis zur Spitze 17 Zoll, der Schwanz 5½ Zoll; bei den kleinern jener 16 Zoll, dieſer 4¾ Zoll. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel haben entweder gleiche Laͤnge mit dem Schwanze, oder gehen ein paar Zoll uͤber ihn hinaus. Ein ausgewachſener junger Vogel, beſonders groß, aus Holland, hatte eine Lange von 2 Fuß 6°), Zoll und eine Flugbreite von 4 Fuß 8 bis 9 Zoll; einer aus Ungarn dagegen (frifch gemeſſen) nur 2 Fuß 3½ Zoll Lange, wovon etwas über 5 Zoll auf den Schwanz abgingen, 4 Fuß 6 Zoll Breite und die Länge des Fluͤ⸗ gels betrug 15 ½ Zoll. Das Gefieder iſt mehr dem der Stoͤrche als der Reiher aͤhn— lich; es hat eine Textur wie das weißer Gaͤnſe. Am Kopfe und Halſe iſt es ſchmal, ohne deutliche Umriſſe, auf dem Ruͤcken, den Fluͤgeln und an der Bruſt ſind dieſe dagegen geſchloſſener, daher deutlicher, die Federn breit und zugerundet; uͤbrigens iſt es zart und weich anzufuͤhlen. Am Genick ſind die Federn beim jungen Vo⸗ gel kaum auffallend verlängert, mehr dies ſchon beim zweijaͤhri⸗ gen; beim noch aͤltern erlangen ſie eine bedeutende Laͤnge und bil⸗ den einen ſchoͤnen Federbuſch, welcher gewoͤhnlich maͤhnenartig auf den Nacken hinabhaͤngt, aber auch aufgerichtet werden kann. Die Schwingfedern haben ſtarke elaſtiſche Schaͤfte, zumal die erſter Ord— nung, von denen die vorderſte ½% bis / Zoll kuͤrzer als die zweite, dieſes die längfte, die dritte etwas, die vierte aber gegen / Zoll kuͤrzer als die zweite und mit der erſten von gleicher Laͤnge iſt. Die Schaͤfte dieſer Federn ſind ein wenig nach hinten gebogen, die Außen⸗ fahne an der erſten von gleicher Breite, an den 3 oder 4 folgenden auf dem letzten Drittheil ſchnell ſchmaͤler, dieſem Abfall gegen uͤber auch die wurzelwaͤrts ſehr breiten Innenfahnen ſchnell viel ſchmaͤler, alle ſtumpf zugeſpitzt; die folgenden viel breiter, ſpitzewaͤrts ohne Abfall wenig ſchmaͤler, endlich mit ſchiefer ſtumpfer Spitze; die der zweiten Ordnung gleichbreit, mit ganz flach abgerundeten oder etwas XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 315 ausgebogenen Enden, die letzten fehr breit und zugerundet; dieſe bilden die ſehr abgerundete hintere Fluͤgelſpitze, die am eee gelegten Fluͤgel faſt die Laͤnge der andern hat. | Der kurze Schwanz ift aus 12 faſt gleich breiten, an den En: den zu⸗ oder abgerundeten Federn zuſammengeſetzt, von welchen die mittlern von gleicher Laͤnge, die beiden aͤußern Paare aber ein wenig kuͤrzer ſind, wodurch er ein abgerundetes Ende erhaͤlt. Der Schnabel iſt von hoͤchſt auffallender Geſtalt, groß, lang, gerade, von oben und unten ſehr platt gedruͤckt, daher von unbe⸗ deutender Hoͤhe aber großer Breite, beides am meiſten ſpitzewaͤrts, wo er ſich allmaͤhlig zu einem breiten, duͤnnen oder ganz flachen Spatel erweitert, beide Haͤlften ohne Hohlung platt aufeinander paſſen, wovon die untere in einen großen Bogen abgerundet iſt, die etwas laͤngere obere ſich aber in der Mitte in einem kleinen Zipfel uͤberbiegt, welcher einen unbedeutenden Nagel bildet, der mit Laͤnge⸗ riefchen und einem ſcharfen Kaͤntchen nach unten verſehen iſt. Dies iſt der einzige ſcharfe Theil am Schnabel, deſſen duͤnne Raͤnder rings⸗ um abgerundet ſind. Im Profil von der Seite ſieht er einem duͤn⸗ nen, nach vorn kaum etwas abwaͤrts geneigten, am Ende bloß ganz kurz abwaͤrts gebogenen Schnepfenſchnabel aͤhnlich; im Profil von oben oder unten iſt er dagegen an der Wurzel bedeutend breit, nimmt aber ſogleich allmaͤhlig an Breite ab, iſt in der Mitte am ſchmaͤlſten, wird von da an aber nach und nach breiter, endlich um Vieles breiter als an der Wurzel, und endet von ſeiner groͤßten Breite ſchnell, jedoch ohne Eck, jenen kleinen Zipfel in der Mitte abgerech- net, in einen flachen Zirkelbogen. Von oben geſehen bemerkt man noch, daß die untere Schnabellade, von der Naſengegend bis an die breiteſte Stelle vor, etwas breiter iſt als die obere, und daß ihr Rand am meiſten vor der Mitte gegen den der obern vortritt. Der Oberſchnabel iſt unter den Naſenloͤchern ſeitwaͤrts etwas aufgetrie⸗ ben, zwiſchen ihnen ſehr ſchmal und platt, hier jederſeits durch eine gerade vertiefte Linie von der Naſenhoͤhle geſondert, welche ſich aus der Spitze dieſer fortſetzt, mit dem Schnabelrande parallel fort und in den kleinen Nagel auslaͤuft, ſo eine deutliche, aber flache und ſchmale Randleiſte bildet, deren groͤßte Breite (2 Linien) da iſt, wo der ſpatelfoͤrmige Theil des Schnabels am breiteſten wird. Der Un⸗ terſchnabel iſt ohne Randleiſte, ganz flach und platt, vor der kaum angedeuteten Spitze (dem Nagel des obern gegenuͤber), deren Rand kaum bemerkbar gerieft, hinter ihr mit einem ſeichten Eindruck, in welchem die gerade Mittelfurche endet, waͤhrend der e mit 316 XI. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. der nackten Kehl: und Kinnhaut ausgeſpannte Theil, von dem dieſe die Fortſetzung iſt, noch bis über die Mitte der Schnabellaͤnge vor- reicht. — Der innere Schnabel hat ebenfalls eine ſehr merkwuͤrdige, hoͤchſt eigenthuͤmliche Geſtalt. Der Gaumen iſt anfaͤnglich ſo ver⸗ dickt, daß er einen bedeutenden Raum im Unterſchnabel ausfuͤllt, in der Mitte durch eine tiefe Laͤngefurche geſpalten, die viel flacher, aber ein wenig breiter bis an die Schnabelſpitze hinlaͤuft; von der Naſen⸗ gegend wird er bald nach und nach flacher, vorn ganz flach, wie gleichfalls der untere von der Kehlſpalte an, aus welcher ſich eine nur wenig erhoͤhete Mittelleiſte bildet, die verjuͤngend in die Spitze auslaͤuft und in die Mittelrinne des Oberſchnabels eingreift; dazu hat der flache und breiteſte Schnabeltheil, unten wie oben, dichte, feine, mit dem Schnabelrande parallel laufende Riefchen, die dem einfachen Hieb einer feinen engliſchen Feile gleichen, von denen ſich eine, im Unterſchnabel, 2 bis 3 Linien vom Rande, mehr als die uͤbrigen erhebt und vorn in die Spitze verlaͤuft, waͤhrend ſie im Oberſchnabel in eine entſprechende Vertiefung oder feine Rinne paßt, die unter dem kleinen Haken des Nagels aufhoͤrt. Alle dieſe zarten Linien ſind im ſchoͤnſten Ebenmaaß, dem aͤußern Schnabelrande ent— ſprechend gezogen und ſchließen auf der Mittelfurche und Spitze. Mit einer Schaufel oder mit einem Löffel iſt diefer Schnabel nicht wohl zu vergleichen, weil er dann auf einer Seite oder auch an beiden Theilen ausgehoͤhlt ſein muͤßte. Eher moͤchte er einem ſehr breiten Loͤffelſtiel aͤhnlich ſein; doch bleibt der Vergleich mit einem Spatel, einem völlig flachen, breit ausgehenden Inſtrument, das bekannt genug iſt, der paſſendſte; jede Schnabelhaͤlfte iſt namlich einen ſolchem Spatel mit etwas eingeknickter Spitze aͤhnlich. Der Schnabel iſt vielen Veraͤnderungen unterworfen, bevor er ſeine bleibende Groͤße und Geſtalt erhaͤlt. In fruͤheſter Jugend iſt er ſehr klein, ſpitzewaͤrts wenig breiter als an der Wurzel und un: gewoͤhnlich weich. Er waͤchſt mit der Groͤße der uͤbrigen Koͤrper⸗ theile bald heran, die Haut, mit welcher er, (wie bei Enten) uͤberzogen iſt, bleibt jedoch im erſten Lebensjahr noch weich und der ganze Schnabel ſehr biegſam; erſt im zweiten bekömmt er von den Naſenloͤchern an auf der platten Firſte hinab, mehr oder weniger deutliche Querrunzeln; im dritten werden dieſe ſtaͤrker und ziehen ſich bis auf zwei Drittheile der Schnabellaͤnge gegen das Schnabelende hin, und an den Seiten unter den Naſenloͤchern zei— gen ſich aͤhnliche Querrunzeln; im vierten ſind dieſe wie alle übri: gen noch weit ſtaͤrker und jene laufen, von der Stirn an, quer uͤber XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260, Weißer Löffler. 317 den mittlern, durch die glatte Randleiſte abgeſonderten Schnabeltheil, als krumme oder gerade, gebrochene oder zuſammenlaufende Erha— benheiten, mit ſchmalen vertieften Zwiſchenraͤumen, und verlieren ſich, immer ſchwaͤcher werdend, erſt 1 bis 1½ Zoll vor dem Ende des Schnabels. Auch die Unterkinnlade bekoͤmmt von der Wurzel an, wo die Gabelaͤſte viel hoͤher als breit ſind, bis in die Gegend, wo der Schnabel am ſchmaͤlſten wird, einige ſolcher Runzeln und Hoͤcker. Mit dieſer Veraͤnderung der Außenflaͤche geht auch eine im innern Schnabel vor; es zeigt ſich naͤmlich am Gaumen, zunaͤchſt der Mund: kante eine Reihe kleiner, abgeſonderter, erhabner, halbkugelfoͤrmiger Huͤgelchen, die vom Mundwinkel an aber nur 3 ½ Zoll weit vor⸗ reichen, indem ſie an Groͤße nach und nach abnehmen und in jener Entfernung ganz verſchwinden; ihnen gegenüber hat auch der Unter: ſchnabel ſolche Huͤgelchen, beide Reihen paſſen aber nicht aufeinan⸗ der, weil der letztere hier weiter iſt als der Oberſchnabel. Die Naſenloͤcher ſind laͤnglichrund, offen, von der Stirn 7 bis 8 Linien entfernt, oben auf dem Schnabel, nahe beiſammen (4 bis 5 Linien), in einer ſchmalen weichen, vorn bald ſpitz auslaufenden Haut, die ein weiches Raͤndchen um ihre Oeffnung bildet, wodurch ſie beim Eintrocknen weiter erſcheinen als ſie im Leben ſind. Der Rachen iſt ſchmal, wegen der dehnbaren Kehlhaut, auf welcher die kleine dreieckige Kuͤmmerzunge liegt, aber tief; die Mundſpalte kurz, nur vom Anfang des Schnabels ausgehend; die breiten Zuͤgel und eine ſchmale Umgebung des Auges nebſt den Augenlidern nackt, ſo auch die weit vorreichende Haut des Kinns und der Kehle, welche ſehr dehnbar iſt und einen ziemlichen Kehlſack bildet, der bei alten Voͤgeln 3 bis 4 Zoll am Halſe herabgeht. Die Maaße des Schnabels koͤnnen theils nach dem Alter, theils nach Individualität ſehr verſchieden fein. Er kann bei mindeſtens 3 Jahr alten Maͤnnchen — bei gleichalten Weibchen iſt er ge— wohnlich über 1 Zoll kuͤrzer, — von 8 ½ bis zu 9¾ Zoll Lange vorkommen, und ſieht bald mehr bald weniger geſtreckt und mehr oder minder breit aus, weil die Hoͤhen- und Breitenmaaße oft nicht im gleichen Verhaͤltniſſe varüiren. Meiſtens iſt ein ſolcher an der Baſis im Durchſchnitt 1½ Zoll, in der Mitte, wo er am ſchmaͤl⸗ ſten, / Zoll, und vorn an der größten Ausdehnung des Spatels gute 2 Zoll breit, aber nur an der Baſis 1 Zoll, in der Mitte 4 Linien und vorn 2 Linien hoch. Ein ganz verſchiedenes Reſultat giebt die Ausmeſſung des Schnabels bei flugbaren, erwachſenen jun: gen Herbſtvoͤgeln; er iſt bei dieſen ſelten uͤber 6 Zoll lang, an der 318 XI. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. Wurzel 12 bis 14 Linien breit und 1 Zoll hoch, in der Mitte / Zoll breit und 4 Linien hoch, vorn 1 Zoll 11 Linien breit und 2 Linien hoch. Wegen der geringern Laͤnge ſieht er breiter aus als bei alten Voͤgeln. Doch kommen auch Faͤlle vor, wo er wirklich breiter iſt, alſo auch hierin variirt; ſo hatte der Spatel eines von mir ge— meſſenen jungen Herbſtvogels noch 2 Linien uͤber 2 Zoll Breite. Zu bemerken iſt noch, daß er bei ausgeſtopften, namentlich jungen Voͤgeln, bedeutend eintrocknet und zwar nicht an Laͤnge, wol aber an Staͤrke etwas verliert und einſchrumpft. Er bekommt dadurch auch an ſeinem vordern breiteſten Theil, bis an den Rand, viele vertiefte Punkte und wird hier uneben und ſtippicht; dies wegen der Menge kleiner Zellen des unter der Oberhaut liegenden knochigen Theils. ii Die Farbe des Schnabels ift nach dem Alter ſehr verſchieden; bei den zarten Jungen licht bleifarbig, woraus im Tode und aus: getrocknet Schwarz wird, die nackte Kehl- und Augenhaut weiß, welche ſich nachher in Braun verwandeln; bei erwachſenen jungen Herbſtvoͤgeln iſt der Schnabel auf der untern Seite, nebſt Kehl⸗ ſack, und oben an der Stirn blaß fleiſchfarbig oder roͤthlichweiß, auf dem Spatel hell roͤthlichgrau, am Unterſchnabel der vertiefte Mits telſtrich, von der Kinnſpalte bis vor, rein weiß, Zuͤgel und Augen⸗ kreiſe grauweiß, der Rachen fleiſchfarbig; dies Alles veraͤndert ſich, wenn der Vogel todt iſt und nach dem Austrocknen am Ausgeſtopf⸗ ten bis zum Unkenntlichen, in ein ſchmutziges, hin und wieder lich— teres Hornbraun, das an dem Rüden und den Rändern des Ober: ſchnabels in Dunkelbraun übergeht. Im zweiten Jahr iſt der Spa- tel von obenher ſchon dunkler gefaͤrbt, nur am Ende faͤllt er etwas ins Gelbe, die Kehlhaut gelbroͤthlichweiß und die zwiſchen dem Schna— bel und den Augen gelblichweiß; im getrockneten Zuſtande werden ſie, bis auf die lichtbraungelbe Schnabelſpitze, dunkler als die des jungen Vogels, gewoͤhnlich zeigen ſich auch zwiſchen den ſchwaͤrz— lichen Runzeln des Oberſchnabels lichtgelbe Flecke. Am ausgefaͤrb— ten, drei Jahr alten Loͤffler iſt der Oberſchnabel, bis auf das einen Zoll oder etwas laͤngere, lebhaft ochergelbe Ende, tief ſchwarz, auch die Randleiſte ſo, in den Raͤumen zwiſchen den Querrunzeln aber hell ſchieferblau, was ſeine Oberflaͤche zuſammen ſehr bunt macht, der Unterſchnabel von der Wurzel an auch ſchwarz und zwi— ſchen den Runzeln ſchieferblau gefleckt, die Endhaͤlfte des Spatels aber ochergelb; der Kehlſack roͤthlichgelb, nach unten am roͤthlichſten, nach oben oft auch nur weißgelb, wie die Zuͤgel und Augenlider, XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 319 die auch haͤufig ganz weiß vorkommen. Im getrockneten Zuſtande wird dies Alles anders, bis auf das Gelb am Schnabelende, was ſich am wenigſten veraͤndert; allein das Schwarz wird braun, hin und wieder zum Schwarzbraun, das Schieferblau in den Querfur⸗ chen iſt ganz verſchwunden und in duͤſteres Horngelb, die lichte Faͤr— bung des Kehlſacks und der Zuͤgel in Gelbbraun umgewandelt; daher die Verſchiedenheit in den Beſchreibungen dieſer Theile, wenn ſie nach friſchen oder ausgeſtopften Exemplaren entworfen wurden. Das etwas kleine Auge hat in zarteſter Jugend eine perlweiße, erwachſen eine hellgraublaue Iris, die nach dem zweiten Lebensjahr ins Braungelbe uͤbergeht, bei alten Voͤgeln blutroth und endlich dun⸗ kelkarminroth wird. Die nackten Augenlider ſind immer weiß oder gelbweiß. Die Fuͤße ſind hoch, ſchlank, an den Gelenken ſtark, weit uͤber die Ferſe hinauf nackt, die Laͤufe rundlich oder wenig zuſammenge⸗ druͤckt, den Storchfuͤßen aͤhnlich, doch etwas niedriger und dabei mit etwas laͤngern Zehen, von welchen die drei vordern an den Wurzeln auch durch noch groͤßere Spannhaͤute verbunden ſind, von denen die aͤußerſte bis zum zweiten Gelenk der Auſſenzeh, die innere bis ans erſte Gelenk der Innenzeh reicht, die noch am Rande der Zehen etwas fortlaufen, jedoch tief ausgeſchnitten ſind. Auch die Hinter⸗ 1 zeh iſt der der Stoͤrche aͤhnlich, nur etwas groͤßer und laͤnger, aber auch nur ein klein wenig hoͤher als die vordern eingelenkt, ſo daß fie ſtehenden Fußes auf eine Ebene von der Wurzel an weit über die Haͤlfte ihrer Laͤnge nicht aufliegt. Der Uiberzug der Beine iſt ganz ſtorchartig, grob gegittert oder aus lauter kleinen, meiſt ſechs⸗ eckigen Schildchen, die nur vorn etwas groͤber ausfallen, zuſammen⸗ geſetzt, welche auf den Zehenruͤcken allein in eine Reihe breiterer Schilder uͤbergehen, waͤhrend die Zehenſohlen ungemein feine Waͤrz⸗ chen bedecken. Die Krallen ſind dagegen ganz anders als bei Stoͤr⸗ chen und Reihern, nicht groß, ſchwach gebogen, ſchmal und zuſam⸗ mengedruͤckt, unten ziemlich ausgehoͤhlt, die der Mittelzeh mit etwas vorſtehender glatter Schneide auf der Innenſeite, alle an den Spitzen abgeſtumpft. Die Maaße der Fuͤße ſind, wie bei andern hoch- und duͤnn⸗ beinigen Voͤgeln, ſehr variabel und in der Regel bei mehrjaͤhrigen Alten laͤnger als bei erwachſenen Jungen im erſten Herbſte ihres Lebens, bei jenen gewoͤhnlich der nackte Theil der Schienen uͤber der Ferſe (wie immer gemeſſen, von der Mitte des Gelenks bis an die Federwurzeln) 3 ½ Zoll; der Lauf 63/, Zoll; die Mittelzeh, mit 1 Ku 8 11 320 XII. Ordn. LXV III. Gatt. 260. Weiß er Löffler. der 7 Linien langen Kralle, 4 Zoll und die Hinterzeh, mit der ½ Zoll langen Kralle, 1 bis gegen 2 Zoll lang; bei halbjaͤhrigen jun- gen Vögeln, der nackte Theil der Schiene 3 Zoll oder auch 3¼ Zoll, der Lauf 5 ½ bis 5 Zoll; die Mittelzeh, mit der ½ Zoll langen Kralle, 3¾ bis 4 Zoll; die Hinterzeh, mit der / oder nur ½ Zoll langen Kralle, 1 bis 17/8 Zoll lang. — Ihre Farbe iſt durchaus ſchwarz, auch die der Krallen, bei den jungen bloß matter als bei alten Voͤgeln, bei jenen auch wol an den Gelenken, noch mehr an den Spannhaͤuten, am meiſten an den Zehenſohlen, ins Grauliche uͤbergehend, was auch im getrockneten Zuſtande bemerkbar bleibt, dann aber in Hornbraun umgewandelt iſt, waͤhrend alles Uibrige, wie die ganzen Fuͤße der Alten, tief ſchwarz bleibt. Der ganz junge Vogel, in der erſten Zeit feines Daſeins, iſt am ganzen Koͤrper mit einem feinen weichen, wolligen Flaum dicht bekleidet, welcher im Grunde grauweiß, an den Spitzen aber reinweiß ausſieht. Faſt das ganze Geſicht, nebſt der Kehlhaut, iſt nackt, die Haut ebenfalls weiß; der Augenſtern perlweiß; das noch ſehr kleine, beinahe gleich breite, ſehr weiche Schnaͤbelchen, und die ebenfalls ſehr weichen, kurzen, an den Gelenken unfoͤrmlich dicken Fuͤßchen ſind hell bleifarbig. Das Jugendkleid, oder das erſte Federkleid der jungen Löff: ler hat, wie alle nachfolgende, ein reines Weiß zur Hauptfarbe, das ſich, mit weniger Ausnahme, uͤber alle befiederte Theile des Vogels verbreitet. Kurz vor oder bei dem Wegzuge im Herbſt hat es ſeine moͤglichſte Vollkommenheit erreicht. Am Genick ſind die Federn zwar etwas verlaͤngert, was man ſieht, wenn ſie aufgeſtraͤubt werden; ſie bilden jedoch keinen auffallenden Buſch und werden im Leben faſt immer platt niedergelegt. Das ganze Gefieder iſt rein weiß, nur die Flügel haben folgende Abzeichen: Die Schaͤfte aller Schwing: federn, die allerletzten etwa ausgenommen, find von oben glän: zend ſchwarz, von unten nur die groͤßern mattſchwarz, die an- dern bloß grau beſpritzt und die kleinern ſchmutzig weiß; dazu iſt die erſte große Schwingfeder auf der ganzen Außenfahne und an der Endhaͤlfte auch auf der innern mattſchwarz; an der zweiten ein Strich neben dem Schafte auf der aͤußern Fahne, nebſt einem Fleck nahe am Ende auf beiden, ebenſo gefaͤrbt; an der dritten ein ſchmaͤ⸗ lerer und an der vierten ein noch ſchmaͤlerer und kuͤrzerer Strich, nebſt den Spitzen, von derſelben Farbe. Dieſe Abzeichen tragen die meiſten jungen Voͤgel, namentlich die maͤnnlichen ſo; es giebt je— doch eine Menge individueller Verſchiedenheiten, die ſich auf das N XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 321 mehrere oder wenigere Schwarz dieſer Fluͤgelzeichnungen beziehen, welche aber weder das Geſchlecht mit Sicherheit, noch viel weni⸗ ger andere Arten bezeichnen. — Bei einem (in Syrmien ſelbſt er⸗ legten) Exemplar ſind die Schaͤfte aller großen Schwingen und ein großer Theil der zweiten Ordnung, ſo wie auch der Fittichdeckfedern und der Daumenfedern glänzend ſchwarz, die erſte große Schwing⸗ feder an der ganzen Außenfahne, eben ſo breit auch auf der innern laͤngs dem Schafte und beinahe an der ganzen Spitzenhaͤlfte matt ſchwarz; die zweite bloß auf der ganzen Außenfahne und am Ende ſchwarz, wur elwaͤrts auf der aͤußern Kante weißlich gefleckt; die dritte hat ni ur auf der ſchmalen Fahne am Schafte einen oben brei⸗ tern, unten ganz ſchmalen Strich und eine 1 Zoll lange Spitze von grau⸗ oder braunſchwarzer Farbe; die vierte hat nur an der Wurzel neben dem Schafte etwas und eine kleine Spitze von noch matterm Schwarz; alle uͤbrigen ſind weiß, doch alle nahe an der Wurzel mit einem grauſchwarzen, an den letzten immer kleiner und bleicher werdenden Schaftſtrich; die vorderſte der Fittichdeckfedern iſt bis auf einen kleinen Theil an der Spitze und Wurzel grauſchwarz; die zweite oder längfte an der Außenkante ſchwarzgrau gefleckt, auch wol dicht am Schafte ſo beſpritzt; die übrigen dieſer Partie, wie alle übrigen Fluͤgelfedern, weiß; der Fluͤgel unten wie oben, die Schaͤfte der vor⸗ derſten Schwingfedern aber bloß grauſchwarz, die der uͤbrigen weiß und grau gefleckt, die großen Deckfedern mit ſchwarzgrauen Schaͤf⸗ ten und dreieckigen Spitzenfleckchen. — Wie wenig auf die kleinen Verſchiedenheiten in dieſen Zeichnungen gelegt werden kann, beweiſt ſchon, daß Individuen vorkommen, bei denen dieſe Zeichnungen in dem einen Fluͤgel mit denen im andern nicht ganz genau uͤberein⸗ ſtimmen, was jedoch nur als Seltenheit vorkoͤmmt. — Es giebt auch Individuen, welche noch außerdem an den Enden aller uͤbri— gen Schwingfedern, den hintern großen Deckfedern, auch wol noch an einigen der groͤßten Schulterfedern einen kleinen runden oder drei⸗ eckigen mattſchwarzen oder ſchwarzbraunen Fleck haben, wo dieſe Flecke mit den glaͤnzendſchwarzen Schaͤften aller großen Federn, auf den Schultern und den Flügeln, ſich ſehr ſchoͤn auf dem blen⸗ dend weißen Grunde ausnehmen. — Die Farbe der unbefiederten Theile, wodurch ſich dieſe Jungen auch von den Alten unter⸗ ſcheiden, iſt ſchon oben beſchrieben, es verdient nur noch Erwaͤh⸗ nung, daß ſie bis zu ihrer Wegreiſe im Herbſt ſehr dicke Ferſenge⸗ lenke haben. Die Weibchen ſind kleiner oder ſchwaͤchlicher wie die Maͤnn⸗ r Theil. 21 322 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. chen, dieſe auf den Fluͤgeln gewoͤhnlich auch weniger bunt als jene, dieſe Kennzeichen jedoch nicht immer ganz zuverlaͤſſig. Im zweiten Lebensjahr, nachdem ſie das Jugendkleid ab⸗ gelegt haben, zeigt der Schnabel ſchon die oben beſchriebene Veraͤn⸗ derung, die Federn im Genick ſind etwas laͤnger geworden und bil— den bereits eine kleine ſtruppige Holle, die der Vogel durch Nieder legen nicht gut mehr verbergen kann; das ganze Gefieder iſt rein ſchneeweiß, ohne irgend eine andere Beimiſchung oder Flecke. Sehr felten kommen unter ſolchen Zweijaͤhrigen auch Individuen vor, an denen die vorderſte Schwingfeder auf der Außenkante einen ſchwaͤrz⸗ lichen Strich und Schaft hat, wo dann die Schaͤfte der naͤchſten Federn auch noch einen ſchwarzen Anſtrich davon erhalten. Maͤnn⸗ chen und Weibchen ſind nur in der Groͤße, ſonſt nicht verſchieden, doch zeigt ſich bei einigen Maͤnnchen ſchon ein ſchwacher Schein des gelben Halsbandes, das ſonſt nur den alten Vogel auszeichnet. Im dritten Jahr iſt der weiße Loͤffler ausgefaͤrbt, obgleich er noch von Jahr zu Jahr ſchoͤner wird; dann hat ſein Schnabel die oben beſchriebenen Auszeichnungen und Farben, das Auge eine dunkelrothe Iris u. ſ. w., vom Hinterkopfe bis unter das Genick hinab ſtehen bis 6 Zoll lange, zugeſpitzte, ſehr ſchmale an den Raͤn⸗ dern zerſchliſſene Federn, von einem ſehr ſanften Aeußern, doch nicht ſo ſchlaff wie bei vielen Reihern; dieſer ſchoͤne, große Buſch iſt weiß, nach innen angenehm roſtgelb, haͤngt in Ruhe maͤhnenartig herab, kann aber hoch aufgerichtet und faͤcherartig ausgebreitet werden. Die untere Halswurzel, wo Hals und Bruſt ſich ſcheiden, umgiebt ein zwei Finger breites, nicht ſcharf begrenztes, auch wol unten und oben offenes, ſchoͤn roſtgelbes Band; das ganze uͤbrige Gefieder und alle Federſchaͤfte ſind blendend weiß. Das alte Weibchen hat, außer der geringern Groͤße, den kuͤrzern und weniger ſchoͤn gefaͤrbten Schnabel, auch einen kuͤrzern, mehr weißen Federbuſch, ein weniger gelbes und ſchmaͤleres Hals: band, und iſt daher eben nicht ſchwer von Ma Männchen zu unterfcheiden. Im vierten Jahr iſt der Vogel in vollkommener Schoͤnheit; dann erreichen die groͤßeſten Federn des reichen Kopfputzes eine Laͤnge von faſt 7 Zoll und ein friſches, roͤthliches Ochergelb verdraͤngt faſt alles Weiß daran; auch das hochochergelbe Halsband iſt breiter, an den Halsſeiten roͤthlicher; das uͤbrige Gefieder vom zarteſten, rein⸗ ſten Weiß; der Schnabel ganz vorzuͤglich ſchoͤn, das Gelbe am Ende faſt orangefarbig, die blauen Streifen zwiſchen den ſchwarzen Quer⸗ XII. Ordn. LXVIO. Gatt. 260. Weißer Löffler. 323 runzeln hell und ſehr deutlich, dies alles beſonders im Fruͤhlinge. Das weniger praͤchtige Weibchen unterſcheidet ſich auf aͤhnliche Weiſe wie das der dreijährigen von feinem Maͤnnchen, iſt jetzt aber faſt ſo ſchoͤn wie der dreijaͤhrige maͤnnliche Vogel. Das weiße Gefieder nimmt, wegen ſeiner weichen Oberflaͤche, leicht fremden Schmutz an, welcher ſich manchmal unausloͤſchlich darin feſtſetzt, und iſt daher bald nach der Mauſer oder auch noch anfaͤnglich im Frühjahr am reinſten und in der That blendend weiß, bekoͤmmt aber gewohnlich im Laufe des Sommers einen ſchmutziggelblichen Anflug an den Federkanten und der Federbuſch durch Verſtoßen ein ſchlechteres Ausſehen, auch ſind die Farben am Schnabel im Herbſt weniger lebhaft. Aus oben erwaͤhnter Urſache verliert das Gefieder mit dem Tode des Vogels ſehr an ſeiner Rein⸗ heit, und bei noch ſo ſorgfaͤltig aufbewahrten ausgeſtopften Exem⸗ plaren doch ſo ſehr an ſeiner urſpruͤnglichen blendenden Weiße, daß es mit dem eines im Freien lebenden oder eben getoͤdteten Loͤfflers keinen Vergleich aushält. Spielarten ſcheinen nicht vorzukommen. Was in fruͤhern Werken hierher gezaͤhlt worden iſt, mag andern Arten dieſer Gat⸗ tung angehoͤren. Bei der großen Biegſamkeit und Weichheit des Schnabels in der Jugend, wo ihn jeder Stoß verletzen kann, iſt es zu verwundern, daß verkruͤppelte Schnaͤbel unter dieſen Voͤgeln nicht oͤfter vorkommen; ſie gehoͤren unter die Seltenheiten. Die Mauſer geht, wie bei den Stoͤrchen, nur langſam von Statten, faͤngt mitten im Sommer an und endet erſt in ihrer Ab⸗ weſenheit, im Winter. Im Fruͤhjahr kommen ſie rein vermauſert wieder. Aufenthalt. Der weiße Loͤffler iſt keineswegs ein nordiſcher Vogel, wie man in fruͤhern ornithologiſchen Werken wol angegeben findet, obgleich angezeigt iſt, daß er einzeln im obern Schweden und bis Lapp⸗ land vorgekommen ſein ſoll. Wenn dieſe Angabe keinen Zweifel erlaubt, ſo muͤßte er ſeine Reiſe aus den Gegenden am ſchwarzen Meer, durch Rußland dahin nehmen, weil er in den ſuͤdlichen Theilen der ſcandinaviſchen Halbinſel noch niemals vorge⸗ 21* 324 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. kommen ſein ſoll, und es kaͤme hier genau derſelbe Fall vor, deſſen ſchon im II. Thl. Seite 210 d. W. bei der roſenfarbigen Staar— amſel gedacht iſt, Beide Vogelarten leben fuͤr gewoͤhnlich auf der Grenze zwiſchen Aſien und Europa, unter gleichem Klima, folg⸗ lich koͤnnten ſie ſich auch auf gleiche Weiſe bis in jene noͤrdlichen Gegenden verirren; auf welchem Wege ſie dahin gelangen, bleibt zwar ungewiß, es iſt jedoch ſehr wahrſcheinlich, daß es ein und der⸗ ſelbe iſt, den beide ſonſt ganz und gar nicht verwandte Arten ver⸗ folgen. — Ein Anderes iſt es mit den Faͤroͤern, wenn es anders wahr iſt, daß, wie man ſagt, ſchon ein Mal ein Loͤffler auf dieſen Inſeln vorgekommen ſei; ein ſolcher koͤnnte von England aus, wo er ſo gar ſelten nicht ſein ſoll, durch Stuͤrme dorthin verſchla⸗ gen worden ſein. Die wahre Heimath des weißen Loͤfflers iſt die gemaͤßigte und warme Zone, die ſuͤdlichen uud ſuͤdoͤſtlichen Theile von Europa, ein großer Theil von Aſien und ebenſo von Afrika. Das noͤrd⸗ lichſte europäifche Land, welches er regelmäßig alle Jahr und in be⸗ deutender Anzahl bewohnt, mag wol Holland ſein. Auch in Irland kommt er oͤfters vor. In Frankreich ſoll er hin und wieder ſehr bekannt ſein, weniger weiß man dies von Spanien und Italien, von denen es jedoch ſehr wahrſcheinlich iſt. Ungarn in ſeinen ſuͤdlichen Theilen bewohnt er ſehr haͤufig und iſt auch in den uͤbrigen eben nicht ſelten. Ferner iſt er gemein im Militärs grenzlande, in Dalmatien, in Griechenland und der Tuͤr— kei, am häufigften vielleicht in den untern Flußgebieten der Donau, des Pruth und anderer in das ſchwarze Meer muͤndender Stroͤme. Er bewohnt ferner in Aſien von da an die Länder bis zum kas⸗ piſchen Meer, die Tartarei, Perſien und Syrien; in Afrika mit Gewißheit Nubien, das Cap der guten Hoffnung aber ungewiß, weil die dort vorgekommen ſein ſollenden der kleinern Art von den Philippinen (Platalea tenuirostris. Temm.) zugehoͤren koͤnnten. — Mitten im Feſtlande von Mitteleuropa iſt er uͤberall ſelten, ſo in der Schweiz wie in Deutſchlandz in den Rhein— laͤndern mag er aus Holland noch am oͤfterſten, ſo in Oeſter— reich und an der Donau aus Ungarn heruͤber kommen, allein im Innern Deutſchlands und weiter noͤrdlich, auch in Schleſien, ſind nur wenige Anzeigen vorhanden, daß man einen ſolchen Vogel bemerkt hätte und noch weniger, daß einer erlegt worden wäre, In Anhalt iſt uns weder das eine noch das andere vorgekommen. Als Zugvogel uͤberwintert er unter einem ſuͤdlichen Himmel, XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 325 wandert von da im Frühjahr in die gemaͤßigte Zone und kehrt mit Eintritt der kalten Jahreszeit in jene zuruͤck. Seine Zugzeit iſt die der Stoͤrche, im Fruͤhjahr der Maͤrz und April, im Herbſt der Au— guſt und September. Als ich im Anfang des September 1835 in den Gegenden an der ungariſch-tuͤrkiſchen Grenze jagte, hatten die Alten faſt alle das Land ſchon verlaſſen, nur junge Voͤgel frie- ben ſich hin und wieder noch in kleinen Geſellſchaften herum oder waren auf dem Wegzuge begriffen; an den Niſtorten war keiner mehr anzutreffen. Sie ziehen am Tage in kleinern oder groͤßern Geſellſchaften, wobei ſie, wie man ſagt, die ſonderbare Ordnung beobachten, in einer langen Querreihe, ein Vogel neben dem an⸗ dern, zu fliegen, wie die braunen Ibiſſe (ſ. Thl. VIII. S. 551 u. f. dieſes Werkes) ebenfalls thun, ſchwerlich aber in ſo großen Schaaren wie dieſe. Man hält gewoͤhnlich die Seekuͤſten fir den eigentlichen Auf enthalt unſres Loͤfflers, jedoch ohne Grund. Er lebt zwar hin und wieder häufig in der Nähe des Meeres, doch nicht an ihm ſelbſt, ſondern in den nahen Suͤmpfen, in tiefen, moraſtigen, mit vielen ſtehenden und fließenden Gewaͤſſern durchſchnittenen Gegenden, be: ſonders an den weitſchichtigen ſumpfverlaufenden Ufern der Muͤn⸗ dungen großer Fluͤſſe; ſo in Holland, ſo am ſchwarzen Meer. Allerdings wird er dann hier und dort wol mitunter auch an der See geſehen, ohne jedoch wirklich Seevogel zu ſein, ſo wie er an⸗ derwaͤrts eben in ſo großer Anzahl in weiter Entfernung vom Meere lebt, wie z. B. an den Gewaͤſſern des mittlern und ſuͤdlichen Un⸗ garns, und hier hauptſaͤchlich an den langſam fließenden, welche ſich durch weite Sumpfflaͤchen winden, wie dort faſt alle in die Do⸗ nau muͤndenden Nebenfluͤſſe thun, oder am Hauptfluſſe ſelbſt, oder auch an den groͤßern Landſeen. Daß er dem Salzwaſſer den Vor⸗ zug vor dem ſuͤßen gaͤbe, wird uͤberall nicht bemerklich. Er verſteckt ſich nicht im Schilfe oder Rohre, haͤlt ſich auch nie da auf, wo dieſe Pflanzen große Flaͤchen ganz dicht bedecken, noch weniger in den ſogenannten Rohrwaͤldern, ſondern an mit vielen, von hohen Waſſerpflanzen freien Waſſerflaͤchen abwechſelnden Stel⸗ len, oder an ganz freien Teich- und Flußufern ſolcher Gegenden. Sie muͤſſen ſchlammigen Boden haben, wo er laͤnger an ihnen ver⸗ weilen ſoll; andere beſucht er dagegen nur voruͤbergehend, die ganz klaren Gewaͤſſer aͤußerſt ſelten. Sein ſchneeweißes Gewand, wie die Art und Weiſe ſich immer auf dem Freien aufzuhalten, oder ſich abfichtlich nicht zu verſtecken, 326 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. machen ihn ſchon von Weitem bemerklich. Hierin den Störchen und weißen Reihern aͤhnlich, kann er in der Ferne leicht mit dieſen verwechſelt werden. Er ſtellt ſich auch, ebenſo gern wie dieſe, zu- weilen auf hohe Baͤume, wo er gleichfalls die kahlen Aeſte hoch oben, dazu waͤhlt, meiſtens auch auf Baͤumen niſtet und, wo es nur irgend angeht, ebenfalls Nachtruhe auf ihnen haͤlt. Eigenſchaften. Dieſer mehr als mittelgroße, ſtattliche Vogel gehört, hauptſaͤch⸗ lich ſeines ſonderbar geſtalteten Schnabels wegen, zu den auffallend⸗ ſten Geſtalten, welche die Vogelwelt uns bietet. Dieſer Schnabel ſcheint auch viel zu groß für den kleinen Kopf, den langen dünnen Hals, und den eifoͤrmigen, wenig zuſammengedruͤckten, uͤbrigens ro: buſten Rumpf, welcher wieder auf zu ſchwach ſcheinenden oder zu hohen Beinen ruhet; allein das blendende Weiß ſeines Gefieders, noch mehr der herrliche flatternde Federbuſch des alten Loͤfflers, den er bald ſchlaff und ſchmal herabhaͤngen läßt, bald hoch aufſtraͤubt und ſtrahlenfoͤrmig ausbreitet, fo daß er den ganzen Hinterkopf und Anfang des Halſes beſchattet und dem Kopfe abwechſelnd das ſonderbarſte Ausſehen giebt, ſein ſchoͤn gefaͤrbter Bruſtguͤrtel und bunter Schnabel, dazu ſein zierlicher Anſtand oder ſeine wuͤrdevolle Haltung, mildern Vieles von den Mißverhältniffen, die das Auge in ſeiner Figur zu erblicken glaubt. Selten ſteht er mit ganz gerade ausgeſtrecktem Halſe; dieſer hat vielmehr ſtets eine ſanfte Doppelſchwingung, der eines lateini⸗ ſchen S ähnlich, die ſtaͤrker wird, wenn der Vogel ſich ganz in Ruhe befindet, aber auch dann nie in die zu ſtark gebogene und geknickte der Reiher uͤbergeht, auch dann nicht, wenn der duͤnne runde Hals das Genick faſt bis auf den Ruͤcken herabzieht, wenn die Gurgel einen Bogen macht, welcher weit uͤber die Bruſthoͤhle vortritt und der Schnabelkiel faſt auf dieſer ruhet, wozu dann der Ruͤcken einen ſtarken Bogen macht und der Hinterkoͤrper, beſonders der Schwanz, beinahe lothrecht herabhaͤngt, wobei der Vogel gewoͤhnlich nur auf einem Beine ſteht. Dies thut er auch, wenn er ſchlaͤft, wobei er dann gewoͤhnlich den empfindlichen Spatelſchnabel zwiſchen den Ruͤcken⸗ und Schulterfedern verſteckt. Den Rumpf wagerecht, den XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 327 Hals tief herab gebogen, nach vorn wieder erhoben, aber die Kelle des Schnabels mehr oder weniger abwaͤrts geſenkt, ſchleicht er, Nah⸗ rung ſuchend, ganz wie ein Storch einher. Sobald er etwas aufs fallendes erblickt, richtet ſich der Vorderkoͤrper etwas, der Hals ganz auf, dieſer wird gerader, der Schnabel weniger geſenkt, die Fuͤße dazu in langſamen Schritten fortgeſetzt. Alles dieſes mit einem ge⸗ wiſſen Ernſt und einer Gravitaͤt, die nicht pedantiſch ausſehen; denn er kann auch, wenn es Noth thut, recht zierlich und behende fortſchreiten, obgleich Schnelllaufen ſeine Sache nicht iſt. Im Fluge ſtreckt er den langen Hals und Schnabel in gerader Linie, die Fuͤße dieſen entgegen geſetzt von ſich, die Fluͤgel ebenfalls gerade aus, bewegt dieſe in leichten Schwingungen, doch nicht ſchnell, ſchwebt aber auch, ohne ſichtliche Fluͤgelbewegung, abwech⸗ ſelnd viel und weite Strecken, doch weniger häufig als die Störche, kann ſich indeſſen auch, wie dieſe, in großen Kreiſen oder einer Schneckenlinie hoch in die Luft erheben und wieder herablaſſen, manch⸗ mal ſo hoch, daß ihn das menſchliche Auge kaum noch erreicht. Er fliegt beſonders bei ſchoͤnem Wetter ſehr hoch, wenn er aber von einem Futterplatz zum andern oder ſonſt herumſchweift, nicht ſehr hoch und ſeltner ſchwebend. Er fliegt leicht und ſchoͤn; der große weiße Vogel leuchtet weit in die Ferne und nimmt ſich, von der Sonne beſchienen, gegen das Blau des Aethers, vorzuͤglich ſchoͤn aus. Von den Störchen bleibt er, bei aller Aehnlichkeit in der Ferne, leicht an der kleinern Figur und den etwas andern Fluͤgel⸗ bewegungen zu unterſcheiden, auch entgeht dem natürlich ſcharfen Auge das am Ende ſo ſehr breite Schnabelende nicht. Von den großen weißen Reihern unterſcheidet ihn dagegen ſtets der gerade ausgeſtreckte Hals und die weniger gekruͤmmten Fluͤgel. Der ſon⸗ derbaren Gewohnheit mehrerer auf der Wanderung begriffener Loͤff— ler, in langen Querreihen zu fliegen, iſt oben ſchon gedacht; er fliegt dann gewoͤhnlich ohne Schweben. Er iſt argwoͤhniſch und ſehr vorſichtig, gehoͤrt daher unter die ſcheuen Voͤgel. Wenn ich in Un garn Löffler unter andern ver: wandten Voͤgeln antraf, waren ſie immer die erſten, welche ſich gleich nach den großen Silberreihern, auf- und davonmachten, ehe noch daran zu denken war, einen Schuß auf fie anzubringen. Das damals von fo vielen Sumpfvoͤgeln belebte, in einem kleinen Bilde zum vorigen (VIII.) Theil d. W. dargeſtellte Gewaͤſſer, bei Szuresin in Syrmien, bot unter Hunderten anderer großen blen⸗ dendweißen Geſtalten auch mehrere Loͤffler dar, die aber entflohen, 328 XII. Ordn. LXVI n. Gatt. 260. Weißer Loͤffler. ehe ich ihnen nahe genug kam und ehe ein Schuß in den Umge- bungen gefallen war, einer Gegend, in welcher man noch dazu ſel⸗ ten ſchießt, die Voͤgel wenig beachtet oder faſt gar nicht beunruhigt. Auf dem Anſtande zeigt er ſich weniger ſcheu; beim Neſte ſoll ein Gleiches Statt finden. — Er geht, wie die Tagreiher, nur am Tage feinen Geſchaͤften nach und bringt die Nacht ſch aſend zu, iſt in⸗ deſſen fpäter als die Stoͤrche, bis in die Abenddaͤmmerung hinein, noch munter. Gegen ſeines Gleichen iſt er geſellig; ich ſahe in Ungarn (vielleicht doch nur zufällig) keinen Einzelnen, aber oͤfters kleine Vereine von Loͤfflern, obgleich damals die meiſten ſchon weggezogen waren; es wurde aber verſichert, daß man zuweilen Schaaren, aus Hunderten zuſammengeſetzt, ſaͤhe. Auf den allgemeinen Futterplaͤtzen ſahe ich ihn zwiſchen vielerlei anderem Gefluͤgel, namentlich aus den Abtheilungen der Schnepfen- und Reiherartigen, mit allen vertraͤglich, ſein Futter ſuchen, ſich aber auf der Flucht von allen abſondern. Sein Schnabel iſt eine zu ſchlechte Waffe, um mit Reihern, Stoͤr— chen und vielen andern anbinden zu koͤnnen; er weicht daher ihren Anfaͤllen kluͤglich aus, und ſcheint überhaupt ein harmloſer, fried- liebender Vogel zu ſein. Man ſagt, daß er eine ſtarke, reiherartige, quakende Stimme habe und an feinen Niſlplaͤtzen viel Laͤrm mache. Ich kam zu ſpaͤt im Jahr in jenes intereſſante Land, um mich hiervon mit eigenen Sinnen uͤberzeugen zu koͤnnen; von allen denen Loͤfflern, welche ich dort antraf, hörte ich keinen Laut. — Er hat mit den Störchen noch das gemein, daß er mit dem Schnabel zu klappern verſteht; das Klappern des Loͤfflers klingt jedoch lange nicht ſo ſtark und haͤlt auch einen hoͤhern (weniger hohlen) Ton. Er klappert beſon— ders, wenn er boͤſe iſt, auch wenn er ſich freuet oder ein Verlangen ausdruͤcken will, im Ganzen jedoch viel ſeltner als jene. Der weiße Loͤffler iſt leicht zu zaͤhmen, zumal wenn er jung aus dem Neſte genommen und aufgefuͤttert wird. In Holland wird er daher haͤufig zwiſchen anderem Gefluͤgel auf Hoͤfen gehal— ten, wo er als ein ſtiller, harmloſer Vogel ſich mit jenem gut ver⸗ traͤgt, viel Anhaͤnglichkeit an ſeinen Waͤrter zeigt, ſich reinlich und nett hält, und ſehr beliebt iſt. Auch in reiſenden Menggerien koͤmmt er oft vor; ich ſahe ihn zu vier Individuen, in beiden Geſchlech— tern, einen ziemlich engen Behaͤlter bewohnen, dieſe Geſellſchaft ſich gut vertragen und alle von einem geſunden, ſehr reinlichen Ausſe— hen. Sie unterſchieden ihren Waͤrter genau von andern Leuten, 8 XII. Ord. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Loͤffler. 329 ließen ſich geduldig von ihm ſtreicheln „ und wenn er ſie reitzte oder ihnen Futter zeigte, ohne es ihnen zu el klapperten fie mit den Schnaͤbeln. „„ Wenn man das durch eine ganz ungewöhnliche Geſtalt fo ſehr ausgezeichnete Freßwerkzeug der Löffler betrachtet, dieſen langen, nach vorn ſcheibenfoͤrmig erweiterten, ganz flachen und ſehr duͤnnen Schnabel, ohne Zaͤhne, ohne ſcharfe Raͤnder zum Feſthalten, ohne ſcharfe Spitze und viel zu ſchwach, zu biegſam zum Toͤdten ge: fangener, nicht ganz zarter Geſchoͤpfe, zum Kneipen, zum Stoßen durchaus nicht geſchickt, wohl aber mit einer (in der Jugend auf fallend) weichen Haut überzogen, die ihm bis an den ganz unbe— deutenden Endhaken Gefuͤhl giebt, weil unter ihr viele Nerven lie⸗ gen, die ihn, wie den vieler Schnepfenvoͤgel, zu einem Taſtwerk⸗ zeug machen, — ſo ſollte man meinen, dieſe Voͤgel muͤßten ſich von ganz andern Dingen naͤhren, als Stoͤrche und Reiher. Und doch ſcheint dies der Fall nicht zu ſein, wenigſtens nicht durchgaͤngig. Dem Anſchein nach ſind auch bei ihm Fiſche die Hauptnah⸗ rung. Man fand die Uiberbleibſel davon in dem Magen Getoͤdte⸗ ter und ſieht an Gezaͤhmten, wie ſie Fiſche mit Begier verſchlingen und wie ſolche ihnen von allen andern gebotenen Speiſen am beſten bekommen. Freilich nur kleine, von den ſchmaͤlſten Arten kaum einer Hand lange, ſonſt nur ganz kleine Fiſche, duͤrfen dies ſein, weil fein Rachen zu enge iſt für größere oder zu breite. Am mei: ſten naͤhrt er ſich wol von ganz kleiner, kaum 1 Zoll langer Fiſch⸗ brut und von Fiſchlaich; naͤchſt dieſen a von allerlei im Waſſer lebenden Inſektenlarven und weichem Gewuͤrm, von Blutegeln, klei⸗ nen Waſſerſchneckchen und zarten Muſcheln ſammt den Gehaͤuſen. Auch Amphibien, man ſagt Schlangen und Froͤſche, fol er freffen, jedoch gewiß keine großen, die er mit ſolchem Schnabel ſchwerlich uͤberwaͤltigen moͤchte. Daß er Froſchlarven freſſe, waͤre eher zu ver⸗ muthen. — Ob es wahr ſei, daß er andern ſchwaͤchern Voͤgeln die gefangenen Fiſche abjage, mag ich nicht behaupten; fein friedlieben⸗ des Weſen und ſeine ſchlechte Bewaffnung, wenn er nicht etwa in ſolchem Kampfe Fluͤgel und Beine mehr gebrauchen moͤchte als den Schnabel, ſtimmen wenigſtens nicht dafuͤr. 330 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. Daß er auch zarte Vegetabilien genieße, wie man ſagt: Theile von Graͤſern, Seetang, und andern im Waſſer wachſenden Gewäch: ſen, auch Wurzeln von Schilfgraͤſern u. dergl. mag ich nicht be— ſtreiten, weil ich in den von mir geöffneten und ſorgfaͤltig unter— ſuchten Magen des einzigen in Syrmien erlegten Exemplars be— ſtimmt vegetabiliſche Stoffe und ganz deutlich Pflanzenfaſern, mit Viberbleibfeln von ganz kleinem Gewuͤrm, Alles jedoch bis zum Unkenntlichen zerrieben und in einen graugruͤnlichen, etwas koͤrnich— ten Brei verwandelt, worunter einige kleine Muſcheln (Tellina) von Linſengroͤße, ſelbſt gefunden habe. Schwerlich waren die Ve— getabilien, welche offenbar der Maſſe die gruͤnliche Farbe gaben, zufaͤllig verſchluckt, dazu auch zu viel davon vorhanden. — Ich ſahe die Loͤffler an ganz freien Stellen, im ſeichten ſchlammigen Waſſer, in gebuͤckter Stellung langſam ſchleichen und oft an einer Stelle anhaltend mit dem Schnabel im Schlamme ſchnattern, wie Enten zu thun pflegen. Ihre Bewegungen verriethen, daß es nur ganz kleine Weſen ſein mußten, welche ſie dabei fingen und un— merklich verſchluckten. Vom fruͤhen Morgen bis zum Beginn der Abenddaͤmmerung waren die Löffler mit dem Aufſuchen ihrer Nah— rung beſchaͤftigt; ſie hielten ſich lange auf einem Platze auf, moch— ten daher viel des Genießbaren an ſolchen finden, kamen aber, wo ſie weggeſcheucht wurden, bis lange nachher nicht wieder dahin zu— ruͤck, woraus hervorging, daß es der guten Futterplaͤtze viele in jener Gegend geben mußte. Die eingeſperrten und gezaͤhmten Loͤffler freſſen auch Regen— wuͤrmer, wollen aber ſonſt nicht gern an andere Koſt als an Fiſche, und verlangen dieſe lebend oder doch ganz friſch. Sie ſind deshalb, wenn ſie ſich wohl befinden und lange leben bleiben ſollen, nicht ſo leicht und wohlfeil zu unterhalten als die groͤßern Tagreiher und Stoͤrche. Wie dieſe lernen ſie die ihnen zugeworfenen Fiſche aus der Luft auffangen, ohne jemals fehl zu ſchnappen. Bis uͤber 6 Zoll lange Rothaugen und Ukelei ſahe ich ſie ohne Beſchwerde verſchlucken; hatten ſie die Fiſche nicht gleich ſo aufgefaßt, daß der Kopf derſelben dem Schlunde zugekehrt war, ſo wußten ſie dieſel— ben im Schnabel ebenfalls ſchnell ſo zu wenden, daß die Floſſen und Schuppen dem Hinabgleiten nicht hinderlich waren. Recht viel und oft durch friſches erſetztes Waſſer iſt ihnen zum Trinken, wie zum Baden und ihrem uͤbrigen Wohlbefinden unumgaͤnglich noth— wendig. XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 331 Fortpflanzung. Der weiße Löffler pflanzt ſich in Holland und in Ungarn in Menge, auch im ſuͤdlichen Frankreich und andern beim Auf⸗ enthalte angegebenen Laͤndern fort, aber keine Nachricht giebt Kunde, daß er auch in Deutſchland niſtend vorgekommmen ſei. | Wo es Gruppen hoher Bäume oder Wälder in der Nähe ſei⸗ ner Aufenthaltsorte giebt, niſtet er in dieſen, wo ſie aber fehlen, in ſchilfreichen Suͤmpfen, dort auf hohen Baͤumen, hier in einem Weidenbuſche oder bloß im Schilfe, Rohre oder in hohen Binſen. Wo er es haben kann, niſtet er geſellig, wie mehrere Reiherarten. Dies thun vorzugsweiſe die, welche ihre Neſter auf Baͤume bauen, wozu ſie der dem Waſſer zugewendeten Seite eines Waldes den Vorzug vor den andern oder der Mitte geben, hier nahe beiſammen alle Baͤume mit Neſtern beſetzen, wie die Saatkrähen (welche ſogar zuweilen ihre Nachbarn ſind) abgeſonderte Colonien bilden und dort faſt eben ſo viel Laͤrm als dieſe machen. In der Gegend von Ley: den ſoll, nach aͤltern Nachrichten, ehedem ein Wald geſtanden ha: ben, den fie zur Brutzeit in großer Menge bewohnten, es mag je: doch in Holland jetzt kaum noch aͤhnliche Bruͤteplaͤtze geben, ob⸗ gleich viele in dieſem Lande ſich fortpflanzen. In Ungarn niſten ſie in manchen Gegenden des Plattenſees und der untern Donau eben ſo haͤufig, auch hin und wieder colonienweis; da ich aber un⸗ gluͤcklicherweiſe nicht in der Fortpflanzungszeit in jenem Lande war, habe ich ihre damals ſchon leeren Niftpläge nicht aufſuchen mögen und zufällig auch leider keine geſehen. | Das Neft hat feinen Stand entweder nahe am Wipfel eines hohen Baumes, auf ſtarken, meiſtens wagerechten Aeſten, oder auf den dichten Zweigen eines niedrigen Gebuͤſches, oder auf eingeknick⸗ ten hohen Sumpfpflanzen, oder auch nur auf den alten Storzeln ſolcher, aber ſelten unmittelbar auf dem Erdboden ſelbſt. In den großen, weitſchichtigen Suͤmpfen ſollen die Neſter einſam niſtender Paare ſchwer aufzufinden oder noch ſchwerer dazu zu gelangen ſein. Es gleicht einem Reiherneſte und iſt ein breites, ſperrichtes, locke⸗ res Geflecht von duͤrren Reiſern und alten Rohrſtengeln, inwendig mit trocknen Schilfblaͤttern, Binſen und Rohrrispen ausgelegt, aber wenig vertieft. Es enthaͤlt 2 bis 3, in einzeln aber ſehr ſeltnen Faͤllen auch 4, verhaͤltnißmaͤßig anſehnlich große Eier, indem fie 332 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. denen des ſchwarzen Storchs an Groͤße gleichkommen, obgleich der Vogel viel kleiner als dieſer iſt. Sie ſind im Durchmeſſer 25% Zoll lang und ziemlich 2 Zoll ſtark, haben groͤßtentheils eine regelmaͤßige Ciform*), eine ſtarke Schale von grobem Korn mit ſehr ſichtbaren Poren, weshalb ihre Oberflaͤche glanzlos und ziem⸗ lich rauh erſcheint. Sie ſind weiß, friſch ins Blaͤuliche, lange aufbewahrt ins Gelbliche ſpielend, beides aber kaum merklich, dazu gewöhnlich; mit vielen aͤußerſt bleichen roͤthlichgrauen Fleckchen und Punkten tief in der Schale, die aber oft kaum zu erkennen ſind, auf derſelben aber mit zerſtreueten groͤßern und kleinern Fleckchen und Punkten von einer dunkelolivenbraunen, zuweilen ins Roſt⸗ braune ziehenden, Farbe, die mehr oder weniger zahlreich ſind, am ſtumpfen Ende haͤufiger ſtehen, oder am ſpitzen ganz fehlen, die uͤberhaupt nach Zahl und Groͤße ſehr variiren und deren Farbe ſo oberflaͤchlich aufgetragen iſt, daß ſie ſich an friſchen Eiern mit heißem Waſſer faſt rein abwaſchen laſſen, weshalb es zuweilen kom— men mag, daß ſich beim Legen die kurz zuvor gebildete Farbe hin und wieder verſchiebt oder in einzelne groͤßere Flecke zuſammen tritt. Solche mit ſo einzelnen, ſehr großen Flecken ſind jedoch ſehr ſelten; viel oͤfterer kommen ganz ungefleckte unter dieſen Eiern vor. Man hat weder am Maͤnnchen noch am Weibchen ſogenannte Brutflecke auffinden koͤnnen, überhaupt auch über die Zeit des Bruͤ⸗ tens und ob beide Gatten es abwechſelnd verrichten, oder ob, wie bei Stoͤrchen und Reihern (welches am wahrſcheinlichſten), das Weibchen allein bruͤtet und waͤhrendeem vom Männchen mit Fut⸗ ter verſorgt wird, keine Beobachtungen geſammelt, weiß bloß, daß die Jungen langſam heranwachſen und, bis ſie voͤllig fliegen und ſich ſelbſt Nahrung ſuchen koͤnnen, im Neſte bleiben, dann von den Alten in die Suͤmpfe gefuͤhrt werden, aber bald ſich ganz allein uͤberlaſſen bleiben. Bald nachher verlaſſen ſie die Niſtgegend, die Alten noch fruͤher als ihre Nachkommenſchaft. einde ee. Ob er von großen Raubvoͤgeln verfolgt oder ſeine Brut von dieſen oder andern Raͤubern zuweilen zerſtoͤrt wird, iſt nicht bekannt. *) In Thienemann's Eierwerk, Fortpflanzung der Vögel Europa's. IV. Taf. XVII. Fig. 3. iſt es ein wenig zu ſchlank gemacht, weshalb es zu klein erſcheint, auch die Farbe der Flecke, wenigſtens im vorliegenden Exemplar, viel zu grün gehalten, XII. Ordn. IXVII. Gatt. 260. Weißer Löffler. 333 Daß er, namentlich der junge Vogel, von vielen Schmarotzer⸗ inſekten, die im Gefieder wohnen, geplagt werde, habe ich oft ge ſehen. Sie kommen nach dem Ableben des Vogels beſonders um den Kopf herum in Menge zum Vorſchein, wo man ſie nachher oft noch am ausgeſtopften Löffler in vertrocknetem Zuſtande findet. Sie ſind groß, ſehr breit, faſt oval, dunkel gefaͤrbt und mit dem Namen: Liotheum plataleae. N. bezeichnet. a ig . Der weiße Löffler iſt ein ſehr mißtrauiſcher, ſcheuer Vogel, halt darum auf dem Freien nicht zum Schuß aus und muß ſtets unge: ſehen hinterſchlichen werden. Da er ſelten an Orten ſtehet, die ihn am freien Umſchauen verhindern, ſo gelingt auch das letztere nicht oft. Am ſicherſten geht man, wenn man ihn auf dem Anſtande an den Gewaͤſſern, wo man ihn oͤfters bemerkte, aus einem guten Verſteck erlauert, beſonders des Abends, wo bekanntlich alle Voͤgel weniger vorſichtig ſind. Beim Neſte mag dies eben ſo der Fall ſein. In fruͤhern Zeiten, als die Falknerei noch im Flor war, baitzte man ihn auch mit Falken und ließ beſonders junge Falken gern gegen ihn los, hauptſaͤchlich um dieſen wegen geringer Gegen— wehr des Loͤfflers, Muth zu machen und ſie im Fangen zu uͤben. Seine Fährte ähnelt der der Stoͤrche beinahe ganz, iſt jedoch viel kleiner, die breitern Spannhaͤute bemerkbarer und dieſe beiden Abweichungen ſind hinreichend, ſie dem Geuͤbten kenntlich genug zu machen. N h ( n Sein Fleiſch wird in Gegenden, wo er häufig vorkommt, fuͤr eßbar gehalten, zumal er dort und anderwaͤrts Loͤffel-Gans heißt, und man von dem Namen auf eine Aehnlichkeit des Fleiſches mit dem der Gaͤnſe abſtrahirt. Ganz unrichtig iſt dieſer Schluß gerade nicht; zwar ſollen die alten Löffler ein zaͤhes Fleiſch haben, das der jungen iſt es dagegen nicht, ſondern in der That ziemlich ſchmackhaft, auch keineswegs thranig, wovon ich mich ſelbſt durch 334 XII. Ordn. LXVIII. Gatt. 260. Weißer Löffler. eigenes Genießen deſſelben uͤberzeugt habe und verſichern kann, daß die Slavonier, Serben, Wlachen u. a. m. eben nicht Unrecht haben, wenn ſie es gern verſpeiſen oder deshalb auf die Maͤrkte zum Verbrauch bringen. In Holland holte man ſonſt die jun⸗ gen Löffler mit langen Stangen, an welchen oben ein Haken befe- ſtigt war, aus den Neſtern, und fand dieſe beſonders wohlſchmeckend. Sch e de n Wenn er hauptſaͤchlich von Fiſchbrut lebt, ſo mag er viel von dieſer vernichten, obgleich er kaum halb ſo viel zu ſeiner Erhaltung bedarf als ein Storch. Da es jedoch in den Laͤndern, welche er in Menge bewohnt, wenig oder keine ſogenannte zahme Fiſchereien giebt, alle andere wilde Gewaͤſſer aber von kleinen Fiſchchen, die man aber dort kaum beachtet, wimmeln, fo denkt dort auch Nie: mand daran, daß er Schaden thue. XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kraniche. 335 C) Kraniche. Gruinae Mit etwas kurzem, an der ſtumpfen Spitze (huͤhnerartig) ge⸗ woͤlbten, vorn harten Schnabel; hohen ſchlanken, weit uͤber die Ferſe hinauf nackten Fuͤßen, deren Zehen nicht lang, die hintere aber um Vieles kuͤrzer und ſchwaͤchlicher als eine der vordern und mit dieſen nicht in einer Ebene liegend, ſondern etwas uͤber den gemeinſchaftlichen Zehenballen eingelenkt; der Koͤrper den großen Gliedmaßen angemeſſen, kraͤftig und der Rumpf faſt gar nicht zu⸗ ſammengedruͤckt. Meiſtens aus dem Pflanzenreiche lebend und haͤufigſt Geſaͤme freſſend. Neun und fechzigfte Gattung. Kranich. Grus. Schnabel: Lang, etwas laͤnger oder nur eben ſo lang als der Kopf; ſtark; gerade; viel ſchmaͤler als hoch? mit erhabener, flach abgerundeter Firſte; an den Seiten beider Schnabelladen mit einer furchenartigen Vertiefung, die von der Wurzel an bis faſt zur Mitte vor geht; ſein vorderer Theil weniger zuſammengedruͤckt, ſpitzewaͤrts allmaͤhlig verjüngt, aber in eine ſtumpfe Spitze uͤbergehend, huͤh— nerartig und hart, die Wurzelhaͤlfte weicher, Ober- und Unter: ſchnabel von gleicher Staͤrke; die Schnabelſchneiden ſcharf und ein- gezogen; der Rachen nur bis an den Kopf geſpalten. Er iſt denen der Stoͤrche und Reiher ganz unaͤhnlich. Na ſenloͤcher: Seitlich; ziemlich entfernt von der Stirn; vors wärts in einer großen, mit weicher Haut uͤberſpannten Naſenhoͤhle, die vorn kurz in die Seitenfurche auslaͤuft, hinten und oben ein weiches Randchen an der laͤnglicheirunden, durchſichtigen Nafenöff- nung bildet, die viel laͤnger als breit iſt. Fuͤße: Sehr lang, ſtark, weit uͤber die Ferſe hinauf nackt, mit ſtarken Gelenken; von den drei ziemlich ſtarken, eben nicht lan⸗ gen Vorderzehen, ſind die aͤußere und mittlere durch eine dicke, bis zum erſten Gelenk reichende Spannhaut verbunden; die Hinterzeh klein, ſehr kurz und ſo hoch geſtellt, daß ſie den Boden kaum mit XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. 337 der Spitze des Nagels beruͤhrt; der Uiberzug grob gegittert, auf dem Spann⸗ und Zehenruͤcken groß geſchildert; die Krallen nicht lang, flach gebogen, ſtumpfrandig, bloß die der Mittelzeh auf der innern Seite mit etwas vorſtehender glatter Schneide. Sie aͤhneln denen der Stoͤrche, aber die Hinterzeh iſt viel klei⸗ ner und ſteht viel hoͤher; die Vorderzehen haben nur eine Spannhaut. Fl agel: Groß, lang, breit; die ſehr langen Armknochen machen, daß bei in Ruhe liegenden Fluͤgeln die Enden der letzten Schwing⸗ federn weit uͤber die der erſten hinausreichen; von dieſen iſt die erſte kurz, die zweite etwas laͤnger, die dritte noch ein wenig laͤnger als ihre Vorgaͤngerin, die dritte aber die laͤngſte von allen. Die hin⸗ tern Schwingfedern (die ſogenannte dritte Ordnung) mit ihren naͤch⸗ ſten Deckfedern haben eine ausgezeichnete Geſtalt. Schwanz: Ziemlich kurz, ab- oder zugerundet, aus 12 Fe: dern beſtehend. Das kleine Gefieder iſt dicht anſchließend, ziemlich derb, im Aeußern doch weich anzufuͤhlen, in ſeinen nicht ſehr deutlichen Umriſſen gerundet, am Halſe aber ſchmal und ſpitz, am Kopf oft haarartig oder mit kahlen Stellen abwechſelnd. Die Kraniche ſind große oder ſehr große Vögel, in ihrer Ge⸗ ſtalt den Stoͤrchen weit aͤhnlicher als den Reihern, doch von beiden in vielen Stuͤcken weſentlich und durch ihre Lebensart ganz verſchieden. Genau genommen hat der Schnabel keine Aehnlichkeit mit denen jener Gattungen, ausgenommen, daß er auch etwas lang iſt. Betrachtet und unterſucht man ihn aufmerkſam nach allen ſei⸗ nen Theilen, ſo wird die Vermuthung zur Uiberzeugung, daß die Kraniche ſich von ganz andern Dingen naͤhren muͤſſen, weil er in ſeinen vordern Theilen ein Huͤhnerſchnabel iſt und im Ganzen mit denen der Trappen große Aehnlichkeit hat, durch welche, nebft. einer daraus hervorgehenden Lebensweiſe, Trappen und Kra— niche einander naͤher ſtehen, als eine oberflaͤchliche Theorie bisher vermeinte. Mit großem Unrecht hatte Linnee die Kraniche der Reihergattung zugeſellt, wo ihre Stellung noch weit unnatuͤrlicher war als die der Stoͤrche, welche dieſer große Syſtematiker jener ebenfalls beizaͤhlte. — Die Kraniche haben zwar den kleinen Kopf und ſehr langen duͤnnen Hals der Höſiche aber einen viel kuͤrzern und ſtum⸗ Or Theil. 22 338 XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. pfern Schnabel, einen noch mehr gerundeten oder walzenfoͤrmigern Rumpf, zwar eben ſo ſchlanke, hohe Beine, aber mit einer viel kleinern und hoͤher ſtehenden Hinterzeh und ganz anders geſtalteten Naͤgeln. Alles dieſes iſt bei den Reihern wieder ganz anders, ihr Koͤrperbau im Allgemeinen zeigt ganz andere Verhaͤltniſſe; ſchon die uͤbermaͤßige Groͤße ihrer Glieder zu dem leichten, ſo ſehr ſchma— len oder zuſammengedruͤckten Rumpf, nebſt der Schlaffheit in ihrem ganzen Weſen, deuten zur Gnuͤge an, daß man die Kraniche weit von ihnen entfernen muͤſſe. Der lange cylindriſche Hals der Kra— niche wird zwar ſelten, ausgenommen im Fluge, lang und ſchnur— gerade ausgeſtreckt, ſondern gewoͤhnlich in die mehr oder weniger geſchwungene, zierliche Form eines S gebogen, kann jedoch nie die gedruͤckte und geknickte eines Reiherhalſes annehmen. Die Zerglie— derung zeigt dies und der frappanten Unterſchiede noch mehrere. Das Gefieder der Vögel dieſer Gattung prangt nicht mit eis gentlichen Prachtfarben; ein beſcheidenes reines Aſchgrau, Schiefer: farbe, Schwarz, auch reines Weiß, kommen oft in großen Partieen vor, waͤhrend die Arten durch theils eigenthuͤmliche, theils in der ganzen Gattung vorkommende Federzierden ausgezeichnet ſind. Zu den letztern gehoͤrt die Verlaͤngerung oder noch auf andere Weiſe abweichende Geſtaltung der hintern Schwingfedern und ihrer Deck— federn, ſtatt daß bei den Reihern dieſe an den Schulterfedern ſich finden. Bei mehrern Arten iſt der Kopf mit ganz beſondern Feder— zierden, bei andern mit Borſthaaren beſetzt, bei vielen mit nackten oder warzigen Stellen verſehen; ſogar Lappen am Kinn kommen vor, ſo wie lange ſpiſſige Federn am Vorderhalſe. Sie mauſern wie andere große Voͤgel nur ein Mal im Jahr. Männ chen und Weibchen unterſcheiden fich bloß an mehrerer oder minderer Schoͤnheit der naͤmlichen Faͤrbung und ebenſo der Vollkommenheit des ſpeciellen Federſchmucks oder ähnlicher Auszeich— nungen; doch ſind dabei die Weibchen bedeutend kleiner als die Maͤnnchen. Die Jungen tragen ſchon im erſten Jahr dieſelben Farben mit den uͤbrigen Auszeichnungen ihrer Art, dieſe jedoch ſchwaͤcher, und werden erſt nach dem zweiten Jahr zeugungsfaͤhig. Nach ihrer Lebensweiſe ſtehen die Kraniche auf der Grenze zwiſchen den Wadvoͤgeln, den huͤhnerartigen und den Laufvoͤgeln, indem ſie von allen drei Ordnungen etwas an ſich tragen, und ſo bald als Sumpf- bald als Feldvoͤgel erſcheinen. Sie bewohnen verſchiedene Zonen, wandern regelmaͤßig im Herbſt aus der kalten und gemaͤßigten in die warme, und im Fruͤhlinge XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. 339 zuruͤck, machen ihre Reiſe in großen Geſellſchaften, wobei ſie eine eigene Ordnung beobachten, in einer ſchraͤgen Linie, oder in zwei ſolchen, vorn in einen ſpitzen Winkel vereinten Linien fliegen, und ihre Schaaren lagern ſich bald auf weiten, trocknen Feldern und Aeckern, bald in Suͤmpfen und Moraͤſten. Sie ſind mißtrauiſch, vorſichtig und außerordentlich ſcheu; gehen zierlich, aber mit ernſtem oder wuͤrdevollem Anſtande und meiſtens in langſamen Schritten einher; fliegen mit gerade ausgeſtrecktem Halſe und Beinen, haͤufig ſchwebend und in großen Kreiſen, leicht, ſchoͤn und hoch durch die Luͤfte. Im Betragen zeigen ſie viele Eigenheiten; ſie ſind klug und umſichtig, bald ernſt bald fröhlich geſtimmt, mit vielen intellectuellen Fähigkeiten begabt, im gezaͤhmten Zuſtande verſtaͤndig und zutrau⸗ lich gegen den Menſchen, den fie in der Freiheit fo ungemein fuͤrch⸗ ten, daß ſie zu den allerſcheueſten Voͤgeln gezaͤhlt werden muͤſſen. Sie haben eine durchdringende weitſchallende Stimme, die man oft weiter oder fruͤher hoͤrt, als man die Voͤgel ſieht. Ihre Nahrung ſind Koͤrner und Saͤmereien, namentlich vom Getraide, zarte Blaͤtter, Wurzeln und andere Pflanzentheile, Inſekten und Würmer, weni: ger Amphien und noch ſeltner Fiſche. Sie niſten in tiefliegenden oder ſumpfigen Gegenden, auf einem von tiefem Moraſt umgebe— nen Huͤgelchen in einem Schilfbuſche oder ſonſt auf dem Erdboden, leben in Monogamie, bauen große, kunſtloſe Neſter, legen 2 gruͤn⸗ liche, braungefleckte Eier, die beide Gatten abwechſelnd ausbruͤten, und fuͤttern gemeinſchaftlich die Jungen, welche nicht lange im Neſte bleiben. Sie ſetzen ſich nicht auf Baͤume, was ausnahmsweiſe doch einige auslaͤndiſche Arten thun und zuweilen gar auf Baͤumen niſten ſollen. Sie ſind, wegen ungemeiner Scheuheit, ſchwer zu ſchießen; ihr Fleiſch, zum Verſpeiſen nicht ſonderlich beliebt, wird nicht allenthal⸗ ben gegeſſen; ihr uͤbriger Nutzen iſt nicht ganz unbedeutend, dagegen der Schaden, welchen ſie dem Feldbau thun, fuͤr manche Gegenden ſehr groß. „Die Gattung Grus“, bemerkt R. Wagner, nach der ana— tomiſchen Unterſuchung maͤnnlicher und weiblicher Exemplare des gemeinen Kranichs, „entfernt ſich im Bau des Skeletts eben ſo von den Stoͤrchen und Reihern, als ſie ſich den Gattungen Pso— phia und ſelbſt Dicholophus *) nähert. Am beſten vereinigt man die Gattung Grus mit Psophia und vielleicht Palamedea zu einer ) ueber die Oſteologie von Psophia erepitaus und Dicholophus eristatus hat Prof. Andreas Wagner in dem 2ten Bande der Abhandlungen der K. Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften zu München (1837) genaue Details gegeben und mit Abbildungen begleitet. R. W. 22 * 340 XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. eigenen kleinen Familie (nach dem Vorgange von Nitzſch), welche durch Dicholophus zur Familie der Trappen fuͤhrt.“ „Der Schaͤdel des Kranichs iſt ſchoͤn gewoͤlbt und abgerundet, ohne vorſpringende Kaͤmme und Leiſten, über den Orbital-Raͤn⸗ dern ſchmal, aber auch hier an der Stirne gewoͤlbt. Ueber dem maͤßig ſchraͤg geſtellten Hinterhauptsloch finden ſich ein Paar kleine, auseinander geruͤckte Fontanellen; die beiden hinteren Schlaͤ— fedornen ſind maͤßig entwickelt, nicht verbunden; der Orbital-Rand iſt ſchief nach unten und innen zugeſchaͤrft fuͤr den bogenfoͤrmigen flachen Eindruck der Naſendruͤſe. Die Scheidewand der Augen— hoͤhle iſt zum Theil durchbrochen, jedoch nicht fo ſtark, als bei Ar- dea. Den unteren Keilbeinfluͤgeln fehlt die dritte Gelenkung, aber wo dieſe ſonſt vorkoͤmmt, befindet ſich ein kleiner, ſpitzer, nach oben und hinten gerichteter Dorn; das Siebbein hat ſchwache und dünne Seitenfluͤgel. Die Gaumenbeine ſind ziemlich auseinan— der geruͤckt uud mäßig gefurcht; der Pflugſchar iſt nicht ſehr hoch und kammfoͤrmig, hinten und unten mit einer rinnenartigen Ver— tiefung (an die Bildung bei den Reihern erinnernd). Die Naſen— beine laufen lang und ſpitz aus und legen ſich hier an den gro— ßen mittleren Fortſatz des Zwiſchenkiefers an, deſſen vorderes Stuͤck, wegen der am knoͤchernen Schaͤdel ungemein großen Naſen— loͤcher, ſehr wenig Maſſe hat. Dadurch werden auch die beiden hinteren Fortſaͤtze des Oberkiefers ſchmal und ſtabfoͤrmig; der Muſcheltheil dieſes Knochens iſt ein duͤnnes, nach außen flach aus— gehoͤhltes Blatt. Am Quadratbein iſt der vordere Fortſatz oder Schenkel ſehr anſehnlich. Am Unterkiefer befindet ſich eine maͤßig große durchbrochene Luͤcke; der hintere Fortſatz iſt ſpitz nach unten gerichtet.“ „Die Halswirbel ſind zwar ſchlanker als beim Storch, aber viel kuͤrzer und gedrungener als beim Reiher; ich zahle 17 Hals— wirbel, I Ruͤckenwirbel mit (bis auf die hinterſten) unverſchmolze⸗ nen Dornfortſaͤtzen und 7 Schwanzwirbel.“ „Von den 9 Rippenpaaren befeſtigen ſich die 8 hinteren uns mittelbar mit ihren Rippenknochen an das Bruſtbein; die 5 in der Mitte liegenden haben den gewoͤhnlichen Rippen-Aſt.“ „Der merkwuͤrdigſte Theil am Skelet iſt unſtreitig das Bruſt— bein. Es iſt, aͤhnlich wie bei Psophia, ſehr lang und ſchmal, ent⸗ behrt der aͤußeren oberen Handgriffe, ſo wie der unteren Fortſaͤtze und Ausſchnitte gaͤnzlich und iſt hier quer abgeſchnitten; der Kiel iſt ſehr ſtark und dick, am Rande flach gewoͤlbt; zwiſchen den beiden XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. 341 ſeitlichen Knochentafeln ſind da, wo die Luftroͤhrenwindungen ſich nicht befinden, alſo nach oben und vorne und beim Weibchen auch am hinteren Theil, weite, von duͤnnen Blaͤttern und Knochenfaͤden durchzogene Zellen, zu denen die zahlreichen pneumatiſchen Oeffnun— gen, die reihenweiſe ſich an der hinteren Flaͤche und an den Raͤndern des Bruſtbeinkoͤrpers befinden, fuͤhren. Die Windungen der Luft— roͤhre liegen gleichſam in einer beſonderen Knochenkapſel (die eigent— lich nur beim Weibchen ſo vollſtaͤndig iſt) im Kiele des Bruſtbeins. Dieſe Kapſel bildet auf der inneren, der Bruſthoͤhle zugekehrten Flaͤche des Bruſtbeins einen gewoͤlbten, kielfoͤrmigen Vorſprung oder Buckel, in welchem der hintere, aufſteigende Theil der erſten Luft: roͤhrenwindung liegt. Beim Maͤnnchen erſtreckt ſich dieſer Buckel, hinten flacher werdend, bis nahe zum Hinterrande, weil hier die erſte Windung der Luftroͤhre viel tiefer herabſteigt. Indem dieſe Windung nun höher emporſteigt, um ſich nochmals nach unten um⸗ zubiegen und die zweite Windung zu bilden, kommt ſie in dem vor— deren Theil des Bruſtbeinkiels zu liegen, welcher ſich zwiſchen der Gabel und den hinteren Schluͤſſelbeinen befindet und hier eine Art Mauer oder Scheidewand bildet, da, wo ſonſt bei den Voͤgeln ein Ausſchnitt am vorderen Rande des Kieles iſt; uͤber dieſe Wand biegt ſich die Luftroͤhre von der ten Windung heruͤber, um in die Bruſthoͤhle zu treten und ſich bald darauf in die Bronchien zu theilen. Die Bruſtbeine der maͤnnlichen und weiblichen Thiere laſſen ſich durch die angegebenen Merkmale an der hinteren Flaͤche ſchon aͤußerlich er— kennen.“ „Die beiden Aeſte der Gabel verbinden ſich unter ſehr ſpitzem Winkel und verſchmelzen hier vollſtaͤndig zu einer Maſſe mit der vorderen Spitze des Bruſtbeinkiels.“ „Die Schulterblaͤtter find ſchmal und verhaͤltnißmaͤßig Für: zer als bei Ardea und Ciconia; die hinteren Schluͤſſelbeine ſind ebenfalls kuͤrzer, aber viel breiter und gedrungener.“ „Die lufthaltigen Oberarmknochen ſind faſt ſo lang als die Vorderarmknochen, dieſe daher auch im Verhaͤltniß kuͤrzer, als bei den eben genannten Gattungen.“ „Am Becken ſind die Darmbeine weit ſchmaler, als bei den Stoͤrchen und mehr denen der Reiher aͤhnlich, die ſchmalen Scham⸗ beine ſchwach konvergirend.“ „Das Oberſchenkelbein iſt nicht lufthaltig, die Tibia ſehr lang und ſchlank, mit einem maͤßig ſtarken, abgerundeten, vorderen Fortſatz; der Mittelfußknochen iſt ebenfalls ſehr lang und ſchlank.“ 342 XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. „Die Zunge iſt maͤßig lang und ziemlich breit, etwas lanzett⸗ foͤrmig, mit ſchwacher Mittelrinne und hinten wie gewoͤhnlich mit ſpitzen Warzen beſetzt.“ „Der Schlund iſt maͤßig weit, nach unten enger, ohne Kropf, mit ziemlich ſtarken Laͤngsfalten, welche durch kleine Querfalten ver— einigt eine Art Netzwerk bilden.“ „Der Vor- oder Druͤſenmagen iſt, beſonders im Verhaͤltniß zum Fleiſchmagen klein, aͤußerlich wenig abgeſchnuͤrt, die Druͤſen— ſchicht mittelmaͤßig entwickelt.“ ü „Der Muskel-Magen iſt groß und ſtark, etwas abgeplattet, oben gegen den Vormagen und unten rein fleiſchig, hat eine ſtarke Sehnenſchicht, welche in der Mitte ſchmaͤler, gegen die Raͤnder auf jeder der beiden Flaͤchen 2 Spiegel bildet; nach oben aus dem flei— ſchigen Theile entſpringt das Duodenum ohne deutliche Andeutung des ſonſt bei Sumpf- und Waſſervoͤgeln oͤfter vorkommenden dritten Magens.) Das Epithelium iſt inwendig gelbbraun, hart und dick.“ „Der Darmkanal iſt ziemlich weit und lang, ungefaͤhr 9 mal länger als der Rumpf, wovon der Dickdarm ungefähr nur den 15ten Theil einnimmt; die zwoͤlffingerige Darmſchlinge iſt lang; es finden ſich jederſeits zwei 4 Zoll lange Blind daͤrme, welche im Ganzen kaum ſo weit als der Darm ſind und am Ende nicht anſchwellen. Sie ſind nicht immer ganz ſymmetriſch; einmal fand ich den rech— ten laͤnger. Das Divertikel ſcheint unbeſtaͤndig und fehlte bei einem Weibchen; bei einem Maͤnnchen fand ich es klein, nur 2 Linien lang und duͤnn.“s) Im ganzen Darme findet man zierliche, aber ſehr niedere und enge Zickzackfalten, auf welchen ſich in der erſten Haͤlfte des Darms ſehr kleine Zotten zu erheben ſcheinen. Im Dick— darm findet man bloße ſehr kleine Querfaͤltchen und die Schleim— haut der Blinddaͤrme iſt ganz glatt.“ „Die Leber iſt anſehnlich, der rechte Lappen viel laͤnger und im Ganzen faſt noch einmal ſo groß an Maſſe, als der Linke. Die Gallblaſe wie gewoͤhnlich. Die Milz iſt groß, dick, rundlich, doch etwas abgeplattet.“ e) Dieſer dritte, von mir zuerſt bei den Reihern näher beſchriebene und hier be— ſonders entwickelte Magen findet ſich auch beim Pelikan und (in geringerem Grade) auch bei mehreren andern Sumpf- und Waſſervögeln. R. ) Ueber dieſes öfter als eine regelmäßige Bildung vorkommende Divertikel, welches ſelbſt typiſche Formverhältniße zeigt, vgl. meinen früher erwähnten Aufſatz über die Ana— tomie der Vögel in den Münchner Denkſchr. Bd. II. Dieſes ſonſt den Sing- und Klet— tervögeln ganz abgehende Divertikel, findet ſich merkwürdiger Weile Eonftant beim Kuckuk. R. 2 XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. 343 „Die Bauchſpeicheldruͤſe beſteht aus 2 ganz getrennten Lap⸗ pen, welche ungefähr ein Drittheil der Duodenalſchlinge ausfüllen.‘ „Das Herz iſt zwar laͤnglich aber doch breiter und dicker, als das ſchmaͤchtige Herz der Reiher. Die Karotiden ſind doppelt.“ „Die Lungen ſind groß und derb. Die merkwürdig gewundene Luftroͤhre zeigt bei beiden Geſchlechtern eine aͤhnliche Bil: dung, jedoch mit beſtimmten Modifikationen. Sie iſt ſehr lang, rund und beſteht aus mehr als 300 knoͤchernen Ringen; ſie laͤuft am Halſe gerade herab und tritt durch eine derbe, die beiden Aeſte der Gabel verbindende, ſehnige Haut, dicht an der Verbindungsſtelle der Gabel-Aeſte, in den Kiel des Bruſtbeins, biegt ſich beim Weib⸗ chen hinter der Mitte des Bruſtbeins in einen Bogen um, ſteigt wieder nach oben, biegt ſich dann wieder nach unten, bis in die erſte Windung hinein, geht dann hinter dem erſten abſteigenden Theil wieder nach oben, meiſt etwas noch links (zuweilen auch in der Mitte) und ſteigt dann zwiſchen den beiden Schluͤſſelbeinen in die Bruſthoͤhle. Die beiden Windungen betragen ungefähr die Hälfte der ganzen Luftroͤhrenlaͤnge und gleichen einer ſeitlich zufammenge- druͤckten flachen Spirale, deren Windungen in einer Ebene und zwar hier parallel mit den beiden Flaͤchen des Kieles liegen. Beim Männchen laͤuft die Luftroͤhre dicht hinter dem Kiele bis zu deſſen Ende und biegt ſich nahe am Hinterrande in einen ſpitzen Winkel in den aufſteigenden Theil um, welcher in der Vertiefung des Buk⸗ kels an der hinteren Bruſtbeinflaͤche emporſteigt. Die Ringe der Luftroͤhre ſind beſonders hier im Bruſtbein ſehr breit; gegen die Bronchialtheilung werden ſie wieder ſehr ſchmal und ſind enge an— einander geruͤckt (fo die letzten 30 Ringe), wo fie den ſogenannten unteren Kehlkopf bilden. Die beiden erſten Bronchialringe find an: ſehnlich, ſehr wenig gebogen, lang von vorne nach hinten; zwiſchen ihnen und den zweiten Halbringen iſt ein aͤußeres haͤutiges Fenſter; an ſie ſetzt ſich das ſtarke einfache Muskelpaar an, das hoch an der Luftroͤhre herauflaͤuft; außerdem finden ſich die ſtarken Ster— notracheal-Muskeln und von ihnen getrennt, die an der Seite der Luftroͤhre entſpringenden Ypsilotracheales. Die erſten 8 bis 10 Bronchialhalbringe bilden nur halbe Boͤgen und zwiſchen ihnen iſt nach innen die anſehnliche, rein haͤutige membrana tympaniformis interna ausgeſpannt, die keine Pelotte enthält. Die folgenden Bronchialringe bilden größere Bogenſegmente. Der Bügel?) iſt ziemlich breit.“ 8 „) Ich folge hier, wie in anderen Dingen, der Terminologie, wie ich ſie in mei⸗ 344 XII. Ordn. LXIX. Gatt. Kranich. „Die Nieren ſind durchaus nicht verſchmolzen, von einander abgeruͤckt; die Niere jeder Seite iſt ſehr laͤnglich, beſteht aus 3 Haupt⸗ lappen, die ſehr ſtark von einander abgeſetzt ſind; beſonders iſt der hinterſte ganz getrennt und haͤngt mit dem ſchmalen mittleren Lap⸗ pen blos durch den Harnleiter zuſammen.“ „Eierſtock und Eileiter fand ich durchaus einfach.“ „Die Hoden ſind laͤnglich; ich fand ſie gleich groß.“ „Der Faͤcher im Auge, welcher bei den Voͤgeln ſo große Ver⸗ ſchiedenheiten darbietet, hat 14 Falten, die ſich gegen die Mitte zu erhoͤhen und nach beiden Seiten abnehmen, jedoch nie ſo ſehr, wie z. B. bei den Singvoͤgeln; die letzten Endfalten find noch immer halb fo groß, als die laͤngſten Mittelfalten.“)“ „Im Darme finden ſich mehrere Eingeweidewuͤrmer, 0 eine von mir gefundene, ſehr große, wahrſcheinlich neue Ascaris-Art.“ Das Huͤhnerartige im Bau der Zunge und des Magens, auf ihre harten Nahrungsmittel bezuͤglich, erwirbt der Kranich-Gat— tung eine ganz eigene Stellung unter den hochbeinigen Wadvoͤgeln. Sie zaͤhlt ohngefaͤhr gegen zwoͤlf Arten, und wir haben davon in Europa 5 Zwei Arten. — nem Lehrbuche der vergleichenden Anatomie gegeben habe; ſonſt auch, ſo viel als 15 lich, der Anordnung und den Benennungen von Nitzſch. R. ») ueber die fo abweichende Zahl der Fächerfalten vergleiche man meine Bemer⸗ kungen in den mehrfach citirten „Beiträgen zur Anatomie der Vögel.“ Abhandl. der Akad. d. Wiſſenſch. zu München (math. phyſikal. Klaſſe) Bd. II. R. W. 261. Der gemeine Kranich. Grus cinerea. Bechst. Taf. 231. Altes Männchen. Kranich, Kranig, Kranch; grauer —, ſchwarzgrauer gemeiner —, weißer Kranich; Kreon, Scherian, Tſuri; im hieſigen Lande: Krannich. Grus cinerea. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 103. = Nilsson., Orn. suec. II. p. 34. n. 156. — Ardea grus. Linn. Faun, suec. p. 161. — Retz. Faun. suec. p. 167. n. 129. — Lath, Ind. II. p. 674. n. 5. - Gmel. Linn. syst. I. 2. p- 620. n. 4. — La Grue. Buff. Ois. VI. p. 287. t. 14. — Edit. de Deuxp. XIII. P. 348. t. 6. — Planch. enl. 769. = Gerard. Tab, élém. II. p. 153. Common Crane. Penn. aret. Zool. II. p. 453. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 422. A. — Lath. Syn. V. p. 50. — Uiberſ. v. Bech ſtein, III. 1. S. 18. n. 5. Bewick, brit. Birds. II. p. 29. = Grue comune, Stor. deg, Uec. IV. Tav. 415. —= Savi, Orn. tosc. II. p. 331. — Bedhftein, ornith. Taſchenb. II. S. 271. n. 1. (Grus communis.) — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 350. - Meyer, Vög. Liv.⸗ und Eſthlands. S. 187. - Meisner und Schinz, Vög. d. Schweiz. ©. 199. n. 190. = Koch, Baier. Zool. I. S. 261. n. 168. — Brehm, Beitr. III. S. 171. = d Deſſen, Lehrb. II. S. 540. — Deſſen, Naturg. Deutſchl. S. 570. Gloger, Schleſ. Faun. S. 48. n. 209. — Landbeck, Vög. Würtembergs, ©. 57. u. 197. = Friſch, Vög. Taf. 194. - Naumann's Vög. alte Ausg. II. S. 7. Taf. 2, Fig. 2. (In Fol. Weibchen, in 8vo Männchen.) Kennzeichen der Art. Aſchgrau; der Kopf borſtig befiedert, an einer Stelle oben ziem⸗ lich kahl; die hintern Schwingfedern mondfoͤrmig gebogen und ge⸗ kraͤuſelt. 346 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. Beſchreibung. Der gemeine Kranich iſt ein ſo ausgezeichneter großer Vogel, daß an eine Verwechslung mit einem andern einheimiſchen nicht ge: dacht werden kann, fobald nur die Gattungs- und Artkennzeichen richtig aufgefaßt ſind. Vom naͤchſtfolgenden, dem Jungfernkra— niche, unterſcheidet er ſich durch eine viel bedeutendere Groͤße, den verhaͤltnißmaͤßig ſtaͤrkern und laͤngern Schnabel, das mit borſtigen Fe— dern bedeckte Geſicht und den zum Theil kahlen Hinterkopf, den Man: gel langer Federn an der Untergurgel, und an den gekraͤuſelten Fe— dern des Hinterfluͤgels auf den erſten Blick; von einigen ebenfalls grau gefaͤrbten auslaͤndiſchen hat dagegen Erus torquata, Wag., einen groͤßern, laͤngern, ganz ſchwarzen Schnabel, gruͤnliche Beine, und einen ganz kahlen Kopf und Oberhals, Gr. Antigone einen oben weißen, nackten, an den Seiten und auf dem Genick mit ro: then Warzen beſetzten Kopf, dunkelgefaͤrbte Wangen und keine Frau: ſen Federn auf dem Hinterfluͤgel. In der Groͤße laͤßt unſer Kranich den weißen Storch ziem— lich weit hinter ſich zuruͤck, zumal auch der Hals bedeutend laͤnger iſt; allein mit der eines Puterhahns iſt er (wie Bechſtein that) doch lange nicht zu vergleichen, hoͤchſtens mit einer Puterhenne, bei welchem Vergleich jedoch die Laͤnge des Halſes und der Beine, auch die Groͤße der Fluͤgel nicht in Betracht kommen duͤrfen. Ein alter maͤnnlicher Kranich kann eine Laͤnge (ohne Schnabel ge— meſſen) von 4 Fuß und eine Breite von 7 Fuß, 6 bis 10 Zoll errei⸗ chen, waͤhrend die Weibchen etwas weniger meſſen, und junge Voͤgel oft nur 3 Fuß 6 bis S Zoll Länge und 7 Fuß Breite haben. Die Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, betraͤgt 2 Fuß bis 2 Fuß 1 Zoll, die Schwanzlänge 7 bis 8 / Zoll; die ruhenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen etwas uͤber das Ende des Schwan— zes hinaus. i Die Bekleidung des Kopfes ſind in der Jugend ſchmale Fe— derchen, deren Schaft in eine bartloſe Spitze auslaͤuft, ſpaͤter an den Zuͤgeln, an der Stirn und dem Scheitel bloß ſtarre Borſthaare Rund auf dem Hinterkopfe iſt ein mondfoͤrmiger, roth gefaͤrbter Fleck beinahe ganz kahl; die Seiten des Kopfes und der Hals haben ſehr ſchmale Federchen, die weiter hinab, wo ſie groͤßer und breiter wer— den, auch noch lanzettfoͤrmig zugeſpitzt ſind, bald aber voͤllig in eine XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 347 zugerundete Form und auf dem Ruͤcken, den Fluͤgeln und der Bruſt in eine abgerundete übergehen, aber eben keine ſcharfen Um: riſſe zeigen, wie denn das kleine Gefieder an dieſen Theilen uͤber— haupt zwar ſehr gut ſchließt, dicht iſt und faſt immer glatt anliegt, dennoch ſich ſehr weich anfuͤhlen laͤßt und in der Textur dem Gaͤn⸗ ſegefieder entfernt aͤhnelt. Wegen der langen Armknochen ragt die hintere Fluͤgelſpitze, bei in Ruhe liegendem Fluͤgel, uͤber die vordere hinaus; die zweite der großen Schwingfedern iſt die laͤngſte von allen, dieſe Ordnung uͤberhaupt ſtark, von der Mitte an allmaͤhlig, ohne Abſatz, ſchmaͤler werdend und zuletzt ſpitz zugerundet, die letz— ten dieſer Federn viel breiter und am Ende ſtumpfer, die Schaͤfte aller ſtark und ſpitzewaͤrts ſanft nach Innen gebogen; die der zwei— ten Ordnung ziemlich gleich breit, mit abgeſtumpften, auf der Außen⸗ fahne etwas ausgeſchnittenen Enden; die 6 letzten dieſer oder die ſogenannte dritte Ordnung bedeutend verlaͤngert, an der Endhaͤlfte ſchmal und zuletzt zugeſpitzt, an dieſem Theil glatt und mit ge— ſchloſſenen Baͤrten, an der Wurzelhaͤlfte viel breiter, die Fahnen ge— wölbt, ihre Baͤrte meiſtens geſpalten und gekraͤuſelt, ihre Schaͤfte ſchlaff und gegen die Spitze herabſinkend, wodurch dieſe Federn eine halbmondfoͤrmige Geſtalt bekommen, beliebig aufgerichtet und faͤcher— artig ausgebreitet werden koͤnnen und im Winde flattern, in Ruhe aber uͤber die Spitze des Vorderfluͤgels und den Schwanz gebogen herabhaͤngen. Sie machen eine eigenthuͤmliche Zierde des alten Vogels aus, haben aber auch ſchon beim jungen eine ähnliche Ge: ſtalt, aber wenig oder gar nicht gekraͤuſelte Fahnen. Der Schwanz iſt nicht lang, beſteht aus 12 ziemlich breiten, ſchlaffen, am Ende zu- und abgerundeten Federn, von denen das mittelſte Paar 1½ bis 1¾ Zoll laͤnger iſt als das aͤußerſte, die uͤbrigen aber ſtufenweis an Laͤnge zu- oder abnehmen, wodurch ein zugerundetes Schwanzende entſteht. ; Der Schnabel ift weder auffallend groß noch beſonders ſtark, etwas laͤnger als der Kopf, gerade, doch die Firſte in der Mitte, als fo weit ſie von der Stirn aus platt iſt und an den Seiten lei: ſtenartig etwas vortritt, ein wenig niedergedruͤckt, ſpitzewaͤrts abge— rundet, eben ſo weit auch der Kiel ſo, und der vordere Theil des Schnabels uͤberhaupt bedeutend gerundet oder gewoͤlbt, mit ſtum— pfer Spitze, hart und hier einem Hühner: oder Trappenſchnabel aͤhn— lich; von der Wurzel an bis zur Mitte der Kiel gegabelt, der Zwi⸗ ſchenraum aber ziemlich ſchmal. Er iſt an der Wurzel viel ſtaͤrker und nimmt allmaͤhlig darin ab, iſt aber viel hoͤher als breit; die 348 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. Mundkante an der Wurzelhälfte ſtumpf, leiſtenartig vortretend, was bei der des Unterſchnabels mehr geſchiehet, als am obern, wodurch er auch breiter als dieſer erſcheint, — an der Endhaͤlfte und der zu— gerundeten Spitze ſchneidend ſcharf, aber wenig eingezogen. Die große Naſenhoͤhle beginnt gleich neben der Stirn und reicht bis uͤber die Schnabelmitte vor, wo ſich kurz vor dem Ende, 1 Zoll 2 Li: nien von der Stirn entfernt, die ovalen, 5 bis 6 Linien langen und 1 ½ bis 2 Linien hohen, durchſichtigen Naſenloͤcher öffnen. Der ganze Schnabel iſt bei alten Vögeln gewöhnlich 4 bis 4 Zoll, ſeltner volle 5 Zoll lang, bei halbjaͤhrigen jungen meiſtens kuͤrzer, doch nicht leicht unter 4¼ Zoll; feine Höhe an der Stirn etwas uͤber 1 Zoll, die Breite hier 10 Linien, bei den Jungen hier beides etwas weniger, auch der Schnabel weicher anzufuͤhlen als ſpaͤter, die Schnabelſpitze aber vom Anfang an hart. Die Farbe des Schnabels iſt in der Jugend ſchwach grau— gruͤnlich, ſpitzewaͤrts braungelblich, an der Spitze ſelbſt ſtets am lich⸗ teſten, im Alter nicht viel anders, die gruͤnliche, oft ins bleifarbige ſpielende Faͤrbung der Wurzelhaͤlfte wenig lebhafter, ſo auch die braungelbliche, die wol auch an der Wurzel und den Mundwinkeln etwas zum Vorſchein koͤmmt und zuweilen, beſonders im Fruͤhjahr am Unterſchnabel eine ſchmutzig roͤthliche Beimiſchung hat. Im Tode wird Alles dunkler und ſchmutziger, ausgetrocknet die Wurzelhaͤlfte ſchwarzgruͤnlich, die Spitzenhaͤlfte licht hornfarbig. Der ſchmale und nur bis an den Kopf geſpaltene Rachen und die huͤhnerartige Zunge ſind fleiſchfarbig, der innere Schnabel nach vorn ins horn— gelbliche uͤbergehend. i Das kahle Augenlidraͤndchen iſt ſchwaͤrzlich; das etwas kleine, aber ſehr ausdrucksvolle Auge hat in der Jugend einen hellbrau— nen, im Alter einen feuerricht rothbraunen, faſt blutrothen Stern. Die ſehr langen und etwas ſtarken Fuͤße ſind hoch uͤber die Ferſe hinauf nackt, an den Gelenken beſonders ſtark; die drei Vor: derzehen nicht lang, die aͤußere und mittlere mit einer Spannhaut an der Wurzel, welche der innern fehlt oder ſich als ein kaum be— merkbares Rudiment zeigt; die Hinterzeh ſehr klein, kurz, hoch uͤber dem gemeinſchaftlichen Ballen der Vorderzehen eingelenkt, ſo daß ſie ſtehenden Fußes kaum mit der Spitze der Kralle den Boden beruͤhrt; die Krallen nicht groß, doch ziemlich weit uͤber die Zehenſpitzen vor— ragend, ziemlich gebogen, etwas zuſammengedruͤckt, aber unten nicht hohl, nur die der Mittelzeh auf der innern Seite mit einer vorſte— henden, glatten Randſchneide, alle mit etwas ſtumpfen Spitzen; XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemein er Kranich. 349 der Uiberzug der Fuͤße vorn herab und auf den Zehenruͤcken grob geſchildert, uͤbrigens gegittert, an den Zehenſohlen warzig. Bei aller Aehnlichkeit mit den Beinen der Stoͤrche weichen ſie doch durch die viel kleinere und viel hoͤher geſtellte Hinterzeh und die ganz anders geſtalteten Krallen bedeutend von dieſen ab. Ihre Farbe iſt ſchwarz, bei den Alten tief und glaͤnzend, bei juͤngern Voͤgeln etwas matter und an den Zehenſohlen graulich; die Krallen bei allen ſchwarz. Ihre Maaße nehmen mit dem Alter etwas zu, doch bei Weitem nicht ſo auffallend als an vielen andern Stelzvoͤgeln. Beim alten maͤnnlichen Kranich find fie 8 Zoll über der Ferſe nackt, der Lauf gegen 10 Zoll, die Mittelzeh, mit der 8 Linien langen Kralle, gegen 5 Zoll, die Hinterzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, etwas über 1 Zoll lang; alle dieſe find bei einem halbjaͤhrig en geringer, deſſen Läufe noch nicht 9 Zoll, die Nudität der Tibia nur zwiſchen 6 und 7 Zoll lang; jener ſieht daher immer ein Wenig hochbeinichter aus. Das Dunenkleid, ſein erſtes was der Kranich erhaͤlt oder zum Theil ſchon aus dem Eie mitbringt, beſteht in einem dichten grauen Flaum; in ihm find der noch ſehr kleine Schnabel fleiſchfar⸗ big, die Augenſterne grau, die an den Gelenken, zumal der Ferſe, unfoͤrmlich dicken und noch ſehr kurzen Fuͤße roͤthlichgrau. ö Sobald er voͤllig befiedert iſt und ſein Jugendkleid vollſtaͤn⸗ dig bekommen hat, ſieht er im Allgemeinen denen im ausgefaͤrbten Kleide ſchon ſehr aͤhnlich, hat aber am Kopfe und Halſe eine ans ders gefaͤrbte Bekleidung, und jene ſichelfoͤrmig verlaͤngerten Federn auf dem Hinterfluͤgel haben eine geringere Groͤße und wenig oder gar nicht gekraͤuſelte Fahnen, ſo daß ſie, wenn ſie auf den ruhen⸗ den Fluͤgel liegen, nicht beſonders auffallen, auch iſt ihre Faͤrbung mehr grau als ſchwarz. Zwiſchen dem Schnabel und Auge ſtehen dicht deckende, kurze, ſteife, ſchwarze Haare, auf der Stirn und dem Schnabel aber ordentliche Federchen, welche grau ausſehen, deren ſchwarze Schaͤfte am Ende ohne Bart ſind, daher eine haarartige Spitze haben, und nach dem Genick zu faſt ganz in ſchwarze Borſt— haare uͤbergehen; der obere Hinterhals iſt hellgrau; die Wangen ſind noch heller oder weißgrau; Kehle und Gurgel bis auf die Mitte herab aſchgrau, wenig dunkler als der uͤbrige Hals; ſonſt Alles wie bei den Alten, das Aſchgrau aber lichter, vorzuͤglich an den untern Theilen und unter den Fluͤgeln, und das Schwarze matter, mehr ſchieferſchwarz. Maͤnnchen und Weibchen ſind gleich gefaͤrbt. Dies erſte Gefieder iſt, wie bei andern jungen Voͤgeln, zarter, 350 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. leidet aber durch Abſcheuern weniger als durch Abbleichen, ſo daß es nach einem Jahr, wo ihre erſte Mauſer eintritt, im Allgemei— nen lichter, das Aſchgrau weißlicher, das Schwarze fahler gewor— den iſt, jenes etwas ins Roͤthliche zieht und an den ziemlich abge— riebenen Enden der Federn haͤufig einen fremden braͤunlichen Schmutz traͤgt, weshalb es gegen die hervorkeimenden neuen, rein aſchgrauen Federn ſehr abſticht. Ein ſolcher gerade im Federwechſel ſtehender junger Vogel, wie man ihn wol auf dem Wiederzuge im naͤchſten Frühjahr erhält, ſieht daher oft ſehr ſcheckig aus, zumal an der Kehle und Gurgel, wo die neuen ſehr dunkeln Federn gegen die alten ſehr licht gefärbten und dazu bis zum Weißlichen abgebleichten ge: waltig abſtechen. Ganz zuletzt zeigt ſich in dieſer Mauſer auch die bloß haarartige Bedeckung am Oberkopfe und hinterwaͤrts eine eben noch nicht große kahle rothe Stelle.“) Im zweiten Lebensjahr iſt er ſchon ziemlich ausgefaͤrbt, auf dem Hinterkopfe befindet ſich bereits eine faſt kahle, von oben geſehen halbmondfoͤrmige Stelle, welche zwar noch mit zerſtreueten ſchwarzen Haͤaͤrchen, aber doch ſo duͤnn beſetzt iſt, daß ihre hoch— rothe unebene Haut ſchon von Weitem hindurch leuchtet. An allen anderen Theilen iſt die Faͤrbung der naͤchſten, bis auf eine geringere Lebhaftigkeit, ganz aͤhnlich. Die Weibchen ſind etwas ſchwaͤch— licher und weniger ſchoͤn gefaͤrbt als die Maͤnnchen. Nach der zweiten Maufer, alſo im dritten Lebensjahr, iſt unſer Kranich ausgewachſen und völlig ausgefaͤrbt. Das Geſicht und der Oberkopf ſind mit ſchwarzen, glaͤnzenden Borſthaaren dicht beſetzt; der Hinterſcheitel in einem großen mondfoͤrmigen Fleck kahl, mit kleinen Waͤrzchen bedeckt, zwiſchen welchen noch einzelne ſchwarze Haͤaͤrchen ſtehen, dieſer Fleck übrigens im Leben hochroth oder Far: minroth, aber eben wegen der Haͤaͤrchen dieſe Faͤrbung etwas ge— daͤmpft; hinter ihm find die ſchmalen, zugeſpitzten, gewöhnlichen Federn, vom Genick abwaͤrts grauſchwarz, und dies bildet einen anfaͤnglich breiten, dann ſchmaͤlern, endlich zugeſpitzten, auf dem erſten Drittheil der Laͤnge des Hinterhalſes verlaufenden Streif; ») Bei jung Aufgezogenen iſt die Färbung des Jugendkleides zuweilen etwas anders, woran wol das Einſperren die meiſte Schuld haben mag; der Kopf düſter braun— grau, der Hals einfach grau, der Oberkörper ſehr düſter und unrein grau, alle Federn mit graubraunen Rändern, dieſe Theile daher dunkel geſchuppt; die untern grau. Bei den Weibchen iſt die graue Hauptfarbe gewöhnlich noch düſterer und von oben ſo ſtark braun geſchuppt, daß der ganze Mantel faſt einfarbig braun erſcheint, die Männchen ſich dagegen beſonders durch die etwas lichtern Wangen unterſcheiden; auch die Farbe der Augenſterne iſt lichter als bei jenen. Die Ausbildung der krauſen Federn am Hin— terflügel Halt mit der Stimme gleichen Schritt. XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 351 Schlaͤfe und Wangen licht weißgrau, faſt grauweiß, das ſich hinter⸗ waͤrts zieht, den ganzen Hinterhals herablaͤuft und an der Halswurzel in das herrſchende Aſchgrau uͤbergeht; Kinn und Kehle, desgleichen die Gurgel in einem nach unten breiter werdenden, etwas uͤber der Mitte der Halslaͤnge breit endenden Streif grauſchwarz; von hier an der ganze Vogel ſanft aſchgrau, eine reine Aſchenfarbe, die an der Unterbruſt, dem Bauche, den Schenkeln, unter dem Schwanze und unter den Fluͤgeln etwas heller iſt als an den obern Theilen, wo ſie auf dem Buͤrzel am dunkelſten iſt; an den großen, zum Theil auch den mitt⸗ lern Schulterfedern, wie an den mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern, ſind die Schaͤfte ſchwarz, und die letztern, zumal hinterwaͤrts auf dem Fluͤgel, haben am Ende einen laͤnglichen oder auch meiſtens tropfenförmigen, tiefſchwarzen Schaftfleck, und die letzten der großen Deckfedern eine verlaͤngerte, ſichelfoͤrmige Geſtalt und eine faſt ganz ſchwarze Innenfahne; die unter dieſen hervorkommenden 6 letzten Schwingfedern ſind ausgezeichnet lang, an der ſichelfoͤrmigen Spitze und an dem ſchlaffen Schafte ganz ſchwarz, an dem gekraͤuſelten Theil gegen die Wurzel hin dunkel aſchgrau, fie biegen ſich mond⸗ oder ſichelfoͤrmig mit den Spitzen nach unten, bilden einen ſchoͤnen be⸗ weglichen Buſch, welcher in Ruhe uͤher die vordere Fluͤgelſpitze herab haͤngt, fie und den Schwanz verdeckt, im Fluge neben dem Unter: ruͤcken liegt, aber nicht (wie in manchen Beſchreibungen falſch an— gegeben iſt) auf dem Buͤrzel oder Schwanz ſeinen Sitz hat. Die uͤbrigen Schwingfedern zweiter Ordnung wie die großen Schwingen und die Fittichdeckfedern ſind dunkelſchieferſchwarz, ihre ſtarken Schaͤfte ſchwarz, die untere Seite ebenfalls ſchwarz, aber matter; der Schwanz ſchieferfarbig von außen und gegen das Ende, uͤbrigens aſchgrau. Das alte Weibchen iſt wenig kleiner als ſein Maͤnnchen, ihm auch ziemlich gleich gefaͤrbt, nur der ſchieferſchwarze Streif laͤngs der Gurgel etwas ſchmaͤler und von weniger dunkler Farbe, der nackte Fleck auf dem Hinterſcheitel etwas kleiner und mit zahlreichen ſchwarzen Haͤaͤrchen beſetzt, die ſeinen rothen Grund wie ein Flor durchſchimmern laſſen, wodurch er weniger leuchtend wird, als der des alten Maͤnnchens. Bei manchen Weibchen ſieht man auch noch zu beiden Seiten des ſchwarzen Kinns einen lichtgrauen Streif. Der Buſch auf dem Hinterfluͤgel iſt gewöhnlich von geringerm Um: fange und die Fahnen ſeiner Federn ſind nicht ſo ſchoͤn gekraͤuſelt als am Maͤnnchen. In ſpaͤtern Jahren bemerkt man keine weſentliche Veraͤnderung an dieſen Voͤgeln; auch in der Groͤße und Staͤrke der Gliedmaßen 352 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. haben ſie kaum noch zugenommen; aber ſie weichen individuell darin ab, was unter andern Voͤgeln zwar auch vorkoͤmmt, jedoch bei ſo großen immer mehr in die Augen faͤllt. Spielarten mag es nicht geben; einige weiße Federn zwi⸗ ſchen den gewoͤhnlich gefaͤrbten kommen aͤußerſt ſelten bei einzelnen Individuen vor. Die Mauſer, nur ein Mal im Jahr, geht wie bei andern großen Voͤgeln ſehr langſam von Statten. Sie faͤngt bei jungen und auch vielen alten Kranichen ſchon im Winter an und fie kehren im Fruͤh— jahr in einem von alten und neuen Federn ganz bunten Gewande zuruͤck; zu Anfang des Sommers iſt ſie dann gewoͤhnlich beendet. Doch iſt dies nicht bei allen ſo; wir wiſſen beſtimmt, daß ſie bei vielen in den Sommermonaten vor ſich geht, bei unſern alten zah— men Maͤnnchen im Juni begann und nach zwei vollen Monaten kaum beendet war. An den auf dem Herbſtzuge erlegten Kranichen iſt daher das Gefieder und ſeine Faͤrbung am ſchoͤnſten, das Roth der Kopfplatte dann aber weniger leuchtend als im Fruͤhjahr. , amt. Unſer Kranich iſt ein Bewohner der alten Welt, uͤber ganz Europa, mit Ausnahme des hoͤhern Nordens, uͤber den groͤßten Theil von Aſien, ebenſo, und auch über viele von Afrika verbrei- tet. Er lebt im Sommer in der hoͤhern gemaͤßigten Zone, bis an die kalte hinauf, im Winter in der Naͤhe der Wendekreiſe, zum Theil auch unter dieſen. In Europa geht er bis ins obere Schwe— den, Finnland, Rußland; im mittlern Sibirien, ſeiner ganzen Länge nach, ſogar bis Kamſchatka hin und in die Naͤhe des arctiſchen Kreiſes hinauf, zu andern Zeiten wieder nach China, Hindoſtan, Perſien, Arabien, auch Aegypten und uͤberhaupt ganz Nordafrika bis zum Wendekreiſe hinab, ſogar unter den Voͤgeln vom Cap der guten Hoffnung iſt unſer Kranich aufgezählt. In manchen europäifchen Ländern iſt er beſon— ders haͤufig, bald bloß durchwandernd, bald um ſich fortzupflanzen; Polen, Preußen, Litthauen, Liv: und Eſthland, beſonders die Inſel Oeſel, das mittlere Rußland, Finnland und manche Provinzen Schwedens gehoͤren zu den letztern, zu ihnen zum Theil auch das nordöftliche Deutſchland; zu denen wo er mehr als Zug— vogel bekannt iſt, die uͤbrigen Theile unſres Vaterlandes, Ungarn, Italien, Frankreich und Spanien. In England ſoll er ſel⸗ XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich 353 ten ſein, ſelbſt in Holland ſelten auf ang Temminck nur in ſehr kalten Wintern, geſehen werden. Viele überwintern ſchon in der Tuͤrkei, Griechenland e ilien, die jeiften jedoch in den Ländern jenſeits des mittelländifhen Meeres. Sn Deutſchland gehört er nur in den flachern Theilen zu den alljaͤhrlich zwei Mal in großer Menge geſehenen Voͤgeln, koͤmmt niſtend nur in tiefliegenden einzeln vor, wird dagegen in gebirgigen ſelten und dann nur hoch in den Luͤften bemerkt. In der Schweiz, Tyrol, Steiermark, dem hohen Böhmen und Thuͤringen iſt er daher fehr felten, dagegen in den Ebenen der nordoͤſtlichen Pro⸗ vinzen unſers Vaterlandes ein allbekannter Vogel, zeigt ſich hier alljaͤhr⸗ lich und oft in unermeßlichen Schaaren, ſo auch in unſerm Anhalt, dem benachbarten Sachſen, Brandenburg und andern mehr. Er wandert als Zug vogel regelmaͤßig alle Jahr zwei Mal aus den noͤrdlichern Laͤndern nach den ſuͤdlichen, um unter einem ſchnee- und froſtfreien Himmlesſtriche zu überwintern. Im Fruͤhjahr wie im Herbſt verrichtet er dieſe Reiſen geſellig und meiſtens in un⸗ geheuern Fluͤgen, zu Hunderten, ja Tauſenden vereint. Die einzel⸗ nen Paare und Familien verſammeln ſich in gewiſſen Gegenden, die beinahe immer dieſelben ſind, und aus den Strichen, durch welche ſie fortwandern, ſchließen ſich dieſen Fluͤgen immer noch mehrere an, ſo daß ſie endlich zu einer furchtbaren Menge anwachſen, ſo das Land verlaſſen und in den Winterquartieren anlangen. Dies thun ſie ſowol auf der Hin- als auf der Herreiſe. Auf Ruͤgen ſammeln ſich im Fruͤhjahr oft viele Tauſende und warten daſelbſt entgegenwehenden Wind und guͤnſtiges Wetter ab, um nun mit einem Male über das baltiſche Meer hinüber zu ſegeln, ein Vor: haben, das ſie gewoͤhnlich in einer Nacht ausfuͤhren, aber ſchon Tags oder Abends vorher durch ungewöhnliche Unruhe, wiederhol— tes Auffliegen, Kreiſen und Niederſetzen, unter laͤrmendem Schreien, verkuͤndigen. Auf einigen Inſeln des mittellaͤndiſchen Meeres und an manchen Kuͤſten deſſelben machen ſie es ebenſo, wenn ſie im Herbſt dies Meer uͤberfliegen wollen. Sie haben auf dieſen Reiſen ihre Straßen und eine Kranichſchaar nimmt die naͤmliche alljaͤhrlich hin und zuruͤck. Wir kennen eine ſolche aus vielen Hunderten die⸗ ſer Voͤgel zuſammengeſetzte, in einzelne große Gruppen abgetheilte Schaar, welche wir nun ſchon ſeit vielen Jahren beobachteten, die regelmäßig jährlich zwei Mal genau ihre Straße haͤlt, welche ſehr bemerklich wird, weil ſie dabei ein Dorf (Wohnort meines Bru— ders) meiſtens gerade uͤberfliegt, oder hoͤchſtens 1000 Schritt bald 23 dr Theil. 354 XII. Ordn. LXIX. Gatt 261. Gemeiner Kranich. rechts, bald links davon abweicht, dort meiſtens ziemlich, bei Sturm zuweilen ſehr niedrig fliegt, ſich auch manchmal auf kurze Zeit nie⸗ derlaͤßt. Noch wunderbarer iſt, daß dieſe Kranichſchaar auch ihre Zeit ziemlich puͤnktlich haͤlt, im Fruͤhjahr zwar weniger als im Herbſt, wo ſie in vielen oder den meiſten Jahren (nur mit Ausnahme ein⸗ zelner, der Witterung wegen, ſpaͤter) um den Tag „Gallus“ (den 16 ten October) durchpaſſirt, und 3 bis 4 Tage früher oder ſpaͤter, und an einem von dieſen 6 bis 8 Tagen bemerkt wird. — Dies ſcheint jedoch nicht allenthalben ſo zu ſeyn; denn man hat auch ein Mal durchziehende Kranichſchaaren in Gegenden bemerkt, wo viele Jahre vorher und nachher keine geſehen wurden; ebenſo giebt es welche, wo ſie nur auf dem Fruͤhlingszuge, aber nie im Herbſte, geſehen werden. Mit ihren Lagerplaͤtzen auf der Reiſe iſt es eben ſo, und wir kennen ſolche, wo ſich einzig und allein, in einer wei— ten Gegend, Kraniche in der Zugzeit niederlaſſen, deren Anzahl und oft beobachteter Weg dahin zur Vermuthung berechtigen, daß es immer dieſelben wieder ſind, welche fruͤher auch dort ſich niederließen. Dies beweiſt, daß ihre Wanderungen ſehr regelmaͤßig gehen und ſelten Abweichungen geſtatten, daß die bei weitem groͤßte Anzahl das Land, was ſie geboren, zur beſtimmten Zeit verlaͤßt und ſo wieder— kehrt. Die im Sommer noͤrdlicher wohnenden Kraniche ziehen alle weg und in Deutſchland iſt ein im Winter zuruͤckgebliebener ſchon eine Seltenheit; nur in ſehr gelinden Wintern und wenn der Herbſt lange hinaus warm war, leidet dies Ausnahmen, wie z. B. in dem Winter 1824 — 25, wo fie nicht allein ſehr ſpaͤt noch zogen, fon= dern auch nicht einzeln, ſogar bis zu 10 und 20 Individuen bei— ſammen, gaͤnzlich dablieben und uͤberwinterten, wie es nicht weit von hier, in der Lauſitz und anderwaͤrts an Orten geſchahe, wo viel Sumpf und Waſſer offen und ihnen zugaͤnglich blieben. Ein einſamer Kranich in dieſer Jahreszeit iſt indeſſen ſehr oft ein kran— ker, welcher ſich zu ſchwach fuͤhlte zur Reiſe; die geſunden halten ſich dagegen zuſammen. Sie kommen, jenachdem das Fruͤhjahr zeitiger oder ſpaͤter warm wird, entweder ſchon um die Mitte des Maͤrz oder in der erſten Haͤlfte des April in unſern Gegenden an, nur wenige Paare bleiben den ganzen Sommer hier, die anderen ziehen nach kurzem Verweilen auf unſern Fluren weiter, wenn ſie nicht durch widrigen Wind und Wetter laͤnger zu bleiben gezwungen werden, was beſonders bei ſo— genannten Nachwintern zuweilen der Fall iſt. Im Anfange des October verſammeln ſie ſich zur Wegreiſe und ziehen gewoͤhnlich in XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 355 dieſem Monate in entgegengeſetzter Richtung abermals durch unſer Land, wo die, welche den Sommer hier wohnten, ſich ihnen an— ſchließen. Gewoͤhnlich iſt um die Mitte dieſes Monats der ſtaͤrkſte Zug; wenn jedoch die Witterung fortwaͤhrend gelinde und anmuthig bleibt, kann er auch durch den ganzen November, ſogar manchmal noch bis tief in den December hinein dauern. Im Jahr 1824 zo⸗ gen fie alle erſt im November weg; wir ſahen den 27 ſten d. M. noch große Heerden durchwandern, ja am Zten Dezember noch eine gewaltige Schaar. Dies war hinſichtlich des Kranichszugs eins der ungeregelſten und merkwuͤrdigſten, denn wir beobachteten noch am 6ten Januar 1825 gegen 200 Stuͤck vollkommen im Wegziehen be⸗ griffener, nach Weſten ſteuernder Kraniche. a Ihre Reiſen machen ſie bei Tag und bei Nacht und moͤgen daher, bei einem außerordentlichen Flugvermoͤgen, große Strecken in kurzer Zeit zuruͤcklegen. Im Jahr 1835 ſahe ich kurz vor Ablauf des September in Mittelungarn Kraniche ſchaarenweis, anſchein— lich ſchon auf dem Zuge, welche ihre Heimath ungewoͤhnlich fruͤh verlaſſen haben mußten, vielleicht aber auch ſich dort erſt zu ſam—⸗ meln begannen; denn unſer Kranich koͤmmt in vielen Gegenden Un⸗ garns ſehr haͤufig vor. In ſolchen, wo ſie in der Zugzeit, aus irgend einem Grunde, laͤnger verweilen, brechen ſie gewoͤhnlich des Nachts auf, fo daß man oft, wo man Tags vorher noch Tauſende leb⸗ haft beſchaͤftigt ſahe, am naͤchſten Morgen keinen einzigen mehr wahrnimmt. An andern, wo ſie bloß zu einer kurzen Erholung ſich niederließen, iſt ihnen jede Tageszeit und jeder Augenblick dazu gelegen. Bei anhaltend ſchoͤner Witterung ziehen ſie gemaͤchlich; ſehr bemerklich wird dagegen ihr Forteilen und ihre Unruhe, wenn ſchlechtes Wetter bevorſteht. Die Nacht ziehen ſie in einem Striche und wahrſcheinlich oͤfters noch bis zum kommenden Mittage fort; auch Nachmittags ziehen fie wieder. Die Zwiſchenzeit zu ihrer Erho— lung beſtimmen vielleicht die Gelegenheit und die Lage der Gegen- den; denn manche laſſen ſich am Morgen, andere gegen Mittag, noch andere Schaaren gegen Abend nieder, um ſich Nahrung zu ſuchen und auszuruhen; mitten in der Nacht, ſie mag mondhell oder ſehr finſter fein, laſſen ſich jedoch keine nieder, weil die Kra⸗ niche keine Nachtvogel find, dann ſchlecht ſehen, ſich aͤngſtlich ſtill und, mit alleiniger Ausnahme des Zuges, die Naͤchte hindurch ruhig verhalten. Daß ſie ſtets in großen Fluͤgen wandern, iſt ſchon erwaͤhnt. Eine ſolche nicht ſelten aus mehr als 1000 Individuen beſtehende 23 ö 356 XII. Ord. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. Kranichſchaar hat jedoch das Beſondere, daß fie ſich immer in ver: ſchiedene kleinere und groͤßere ſpaltet, die deſſenungeachtet doch bei— ſammen bleiben und mitſammen dieſelbe Straße dicht hinter und neben einander reiſen. Dies wird ſehr auffallend, weil ſie in einer beſondern Ordnung fliegen und dieſe die groͤßern wie die kleinern Abtheilungen befolgen. Sie fliegen naͤmlich dabei entweder, doch nicht oft, in einer einzigen ſchraͤgen Reihe, oder gewoͤhnlicher in zwei ſolchen, vorn im ſpitzen Winkel vereinigten, hinten weit geoͤff— neten, einem umgekehrten V ahnlich ſehenden Linien, bei welchen jedoch der eine Schenkel faſt immer etwas, oft viel, laͤnger iſt als der andere, weshalb unſer Landmann die Figur, recht ſehr paſſend, mit einer Pflugſchleife vergleicht. — Die groͤßten ſolcher Abtheilun— gen beſtehen aus 30 bis 60, nicht leicht aus noch mehrern, die klei⸗ nern aus 10 bis 20 Individuen. Die Spitze jeden Zuges bildet meiſtens, gleichſam als Anfuͤhrer, einer der groͤßeſten aus der Schaar; auch neben den Reihen fliegt hin und wieder ein einzelner oder zwei bis drei, gleichſam wie Adjutanten; aber auch nur zwei oder drei Kraniche beiſammen fliegen ſchon in ſchraͤger Linie. Hoch durch die Luͤfte ſegeln ſie ſo, unter laͤrmendem Geſchrei, nur wenn ſie ſehr eilen und in der Nacht ganz ſtill, lange Strecken unterbrochen fort, oft ſo weit als das Auge ihnen zu folgen im Stande iſt. Jedoch von Zeit zu Zeit ſieht man auch ganz unerwartetet und gewoͤhnlich unter vielem Schreien, ſolchen Zug in der Luft Halt machen, die Reihen ſich aufloͤſen, ſaͤmmtliche Kraniche, jeden fuͤr ſich, ſchwebend große Kreiſe beſchreiben und alle durcheinander fliegen. Verſchiedene Urſachen fuͤhren ſolche Unterbrechungen herbei, am oͤfterſten iſt jedoch darin die Abſicht unverkennbar, ſich von dem anſtrengenden Wan— derfluge, in dem ohne Fluͤgelbewegung ſchwebenden etwas zu erho— len; denn die meiſten Male ordnet ſich die Schaar nach ſolchem In— termezzo bald wieder in Reihen, wobei andere Anfuͤhrer an die Spitzen der Colonnen treten, und ſetzt dann die Reiſe wieder auf vorige Weiſe fort. Oft geſchieht dies Anhalten und Drehen aber deutlich genug um eine hoͤhere Luftregion zu gewinnen, in der dann die Schaar weiter ſteuert. Wenn fie hohe Gebirge uͤberfliegen wol: len, manoͤvriren ſie gewoͤhnlich ſo, wenn ſie in die Naͤhe derſelben kommen. Nur bei nebeligem Wetter fliegen ſie zuweilen niedrig uͤber die Bergruͤcken, auch auf den Ebenen dann niedriger als bei heiterm Himmel. Bei ſtuͤrmiſcher Witterung fliegen ſie auch nie— driger, auf dem Zuge jedoch immer ſo hoch, daß ihnen keine Art tragbaren Schießgewehrs Gefahr bringt. XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 357 Wie hoch die wandernden Kraniche zuweilen fliegen, iſt ſchwer anzugeben, da man ſie oft noch in großer Hoͤhe uͤber den Brocken fliegen ſahe, welcher doch gegen 3,600 Fuß hoch fein fol. Manch⸗ mal fliegen ſie ſo hoch, daß man ſie eher hoͤrt als ſieht, oder nur ein gutes Auge ſie zu erkennen vermag. In ſolcher Hoͤhe macht ſie nichts irre. Wenn ſie dagegen niedriger fliegen, bringt ſie nicht ſelten eine ihnen auffallende Erſcheinung auf der Erde aus ihrem Wanderfluge, ſie umkreiſen, ihre vorige Hoͤhe haltend, ſolchen Platz unter vielem Schreien einige Minuten oder auch laͤnger, bis ſie ſich jene genug beſchauet haben, ordnen ſich dann wieder und ziehen ihre Straße. Man ſagt, daß fie durch Feuersbruͤnſte, namentlich in fin- ſterer Nacht, beſonders angezogen wuͤrden, dieſe im niedrigern Fluge und fuͤrchterlich ſchreiend, laͤngere Zeit umkreiſeten, wo ſie dann, vom Feuer beleuchtet, gegen den ſchwarzen Himmel einer Schaar böfer Geiſter glichen, fo das Grauſenhafte und den Laͤrm, welche ein ſolches Ungluͤck gewoͤhnlich begleiten, auf eine ſchaudererregende Weiſe vermehren huͤlfen, wie es einſt bei einem großen Brande im thuͤringiſchen Dorfe Ernſtroda ſich zutrug, wovon Bechſtein und Brehm (letzterer als Kind) Augenzeugen waren und eine treffliche Schilderung gegeben haben. — Sie fliegen in finſtern Nächten über: haupt viel niedriger, ſo daß man das Rauſchen ihrer Fluͤgelſchlaͤge oft deutlich uͤber ſich vernimmt, dabei aber ſelten einem Einzelnen einen kurzen ſchwachen Ton ausſtoßen hört, worin fie den Saat— gänfen gleichen, die auch das Schwatzen nie ganz laſſen koͤnnen. Der Zug dieſer großen ſchoͤnen Voͤgel hat ſo viel Anziehendes, daß auch der Gleichguͤltigſte nicht unterlaſſen kann, nach ihnen auf— zuſchauen, ſobald er ihre weitſchallenden Toͤne hoch in den Luͤften vernimmt, der Liebhaber aber nicht muͤde wird, ihrem Fluge zuzu— ſehen, ſo weit ihm das Auge zu folgen vermag. Man kann ſagen, er hat ein allgemeines Intereſſe und war daher ſchon in den uräl- teſten Zeiten beruͤhmt und von Dichtern beſungen; die Bibel wie die griechiſche Mythologie geben Zeugniß davon. Sehr merkwuͤrdig beim Zuge iſt die Richtung deſſelben. Bei uns ziehen die Kraniche nie nach Norden, nie nach Suͤden, ſondern ſie ſteuern im Fruͤhjahr gerade nach Oſten und im Herbſt, umge— kehrt, gerade nach Welten. Nimmt man bie Charte zur Hand, fo muß man bald einſehen, daß ſie die ſchnurgerade Richtung von hier aus unmoͤglich ſehr weit hinaus halten koͤnnen, ſondern daß ſie im Herbſt ſuͤdlich, im Fruͤhjahr noͤrdlich davon abweichen muͤſſen. In dieſer Vermuthung beſtaͤrkten mich meine Beobachtungen in Ungarn, 358 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. wo ich die Kraniche nach Suͤden, mit geringer weſtlicher Abweichung zu ſteuern ſahe. Der gemeine Kranich iſt bald Feld- bald Sumpfvogel, jenach— dem er da oder dort Unterhalt zu finden hofft. Nur ebene Gegen— den, mit tiefen abwechſelnd, waͤhlt er zu ſeinem Aufenthalt; die huͤgeligen ſind ihm zuwider und die gebirgigen verabſcheuet er ganz, uͤberfliegt ſie ſogar ungern und läßt ſich freiwillig nie dort nieder. Er zieht daher am haͤufigſten durch die aneinanderhaͤngenden, weiten Ebenen, wo er hin und wieder auch Suͤmpfe findet, die ihn jedoch im Allgemeinen nicht mehr anziehen, als weite, ganz freie, angebauete Fluren. Er hat zwar keine ſo große Furcht vor Wald und Baͤu— men wie Trappen und wilde Gaͤnſe, lebt zu Zeiten ſogar in waldigen Gegenden, wenn ſie ihm uͤbrigens nur einſam genug ſind, weicht ihnen jedoch in andern Zeiten, beſonders dichten Baumgrup— pen, aͤngſtlich aus, laͤßt ſich dann auch nur in ſolchen Gegenden nieder, wo Dörfer und andere menſchliche Wohnſitze ſehr entfernt liegen, auch frei von Baͤumen ſind. Im Sommer wohnt er dage— gen gewoͤhnlich in ſumpfigen Waldgegenden, namentlich in Erlen: bruͤchern, wo dieſe Holzart ſtrauchartig waͤchſt, wenn auch mitunter hohe oder alte Baͤume da vorkommen; nur nicht in dicht gedraͤng— ten Waldungen, auch immer in ſolchen waldigen Sumpfgegenden, die einerſeits an bebauetes Feld grenzen. Große, freie Gewaͤſſer liebt er nicht, koͤmmt daher nie an den Rand der Meereskuͤſten, hoͤchſt ſelten an die nackten Ufer groͤßerer Fluͤſſe oder großer Landſeen, ſogar nur im Nothfall an die ganz freiliegender Feldteiche. An einem ſolchen, unweit von hier, den wir viele Jahre lang in der Zugzeit beſuchten und manchen ſeltnen Sumpf: oder Waſſervogel daſelbſt erlegten, haben wir in ſehr lan— ger Zeit nur ein paar Mal ihre Faͤhrte und ein Mal fie ſelbſt an— getroffen, obgleich dieſer Teich auf einer weiten Fläche ebenen Fel- des der einzige Waſſerbehaͤlter iſt. Dieſe Flaͤche gehoͤrt indeſſen zu den von Kranichen weniger beſuchten, waͤhrend in einer andern, eine kleine Meile davon, alljaͤhrlich ſich Schaaren niederlaffen, die dort in trocknen Zeiten keinen Tropfen Waſſer finden und daher von da nach den weit entfernten Bruͤchern wechſeln muͤſſen. Im Fruͤhjahr liebt er uͤberſchwemmte gruͤne Viehweiden und uͤber Wieſen ausge— tretenes Flußwaſſer ſehr, wenn dort bereits hin und wieder Stellen vom Waſſer frei geworden ſind. Sonſt waͤhlt er gewoͤhnlich die gruͤnen Suͤmpfe und Moraͤſte zum Aufenthalt, hier zwar nicht mit hohem Rohr und Schilf verwachſene Stellen, ſondern ſolche Flaͤchen, XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 359 wo bloß niedrige Seggen- und Grasarten den naſſen Boden fo weit bedecken, daß fie aus der Ferne grünen Fluren aͤhniich ſehen und ihm rundum eine weite Ausſicht geſtatten. In ſolchen Bruͤchern iſt er auch gern an den Orten, wo es ſogenannte Kufen giebt, und er durchwadet gern den nackten Moraſt zwiſchen dieſen kleinen gruͤ— nen Inſelchen, auf ſumpfigen Wieſen die naſſeſten und quelligen Stellen, in der Fortpflanzungszeit auch zwiſchen Erlen- oder Wei: denſtämmen und Geſtraͤuch, wo der Sumpf am tiefſten und fuͤr Menſchen unzugaͤnglich iſt. Alle dieſe, die meiſten Menſchen ab- ſchreckende Orte, wechſelt er aber zu allen Zeiten oft mit dem trod- nen Felde, ausgenommen im Winter, wo ſich die einzeln zuruͤck— bleibenden Kraniche, auch bei gelinder Witterung, meiſtens auf die offenbleibenden Quellwaſſer und Moraͤſte beſchraͤnken muͤſſen, und nur bei gaͤnzlichem Mangel an Schnee auch auf die Saatfelder wech⸗ ſeln koͤnnen. Auf bebaueten Feldern hält er ſich in jeder Jahreszeit ſehr häufig auf, im Herbſt auf den mit Wintergetraide, im Fruͤhjahr auf den mit Sommerfruͤchten beſtellten; auf letztern iſt er auch im Sommer ſehr oft und anhaltend; aber er verkriecht ſich dort nie im hohen Getraide und geht in das gruͤne meiſtens auch nicht laͤnger, als bis es ihm an den Bauch reicht. Er iſt zu allen Zeiten beſonders gern auf mit Erbſen beſaͤeten Aeckern, fuͤhrt gern ſeine Jungen in dieſe Frucht, die zuweilen bis gegen die Erntezeit ihren dauernden Wohnſitz darin nehmen, beſonders wo ſie zur Stillung des Durſtes auch Waſſer in der Nähe haben. Auch auf Kleeaͤckern ſieht man den einzelnen Kranich zuweilen, wie denn namentlich der in der Gegend niſtende alle Arten von Feld, ſogar die kahle Brache oder die friſch gedüng- ten Aecker, Viehtriften und trocknen Wieſen zuweilen beſucht. Auf Bäume fest ſich unſer Kranich niemals; es ſcheint ganz gegen ſeine Natur ſich auf hohe Gegenſtaͤnde niederzulaſſen, noch viel weniger jemals auf Gebaͤude, was ſelbſt Gezaͤhmte nie thun. Unſer Kranich iſt vollig Tagvogel, aber gewohnt, gleich vielen andern Zugvoͤgeln, oft auch des Nachts zu ziehen. Zu allen andern Zeiten verfchläft er die Naͤchte ruhig, und es iſt erwieſen, daß er in der Dunkelheit bei Weitem ſchlechter ſieht, als viele andere Nacht⸗ ſchwaͤrmer unter den Voͤgeln. Wenn der Abend herannahet, ſuchen die ziehenden Kraniche, welche in einer Gegend verweilen wollen, ein weites und ſicheres Feld oder ſtilles Bruch, und dort einen Ort, wo kein Geſtraͤuch oder ſonſt etwas in der Naͤhe iſt, das ihnen Ge⸗ fahr bringen koͤnnte; ſie fliegen, um einen ſolchen ausfindig zu machen 360 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. nicht felten lieber einige Stunden in die Nacht hinein. Schwaͤrmend umkreiſen ſie denſelben in moͤglichſter Stille und immer niedriger, wol Viertelſtunden lang, ehe ſie ſich niederlaſſen, ſtellen ſich dann nahe beiſammen, doch nicht gedrängt, mehrere einzelne aber in eini⸗ ger Entfernung vom Hauptheer oder den einzelnen Gruppen, gleich⸗ ſam als Feldwachten, auf, die dann auch bei einer nahenden Ge— fahr zuerſt Laͤrm machen und alle zum ploͤtzlichen Aufbruch bewegen. Daß namentlich dieſe Wachehabenden in die eine Klaue einen Stein nehmen ſollten, damit deſſen Fall ſie beim Einſchlafen und Loslaſſen wieder wecken moͤchte, gehoͤrt unter die Fabeln. Nur ſo viel iſt davon gewiß, daß der ſchlafende Kranich auf einem Beine ſteht, waͤhrend er das andere an den Leib ziehet und um es warm zu halten unter die Federn verſteckt, ſo mit beiden oͤfters wechſelt, daß er dabei den Schnabel und Vorderkopf auf dem Ruͤcken oder zwi— ſchen den Schultern in den Federn ebenfalls verbirgt, und daß er einen ſehr leiſen Schlaf hat. Außer der Zugzeit geht der Kranich mit Ende der Abenddaͤmmerung zur Ruhe und ſchlaͤft bis zum Be— ginn der Morgendaͤmmerung; diejenigen aber, welche des Nachts auf der Wanderung waren, ſuchen ſich gewoͤhnlich am Nachmittage durch kurzen Schlaf zu erquicken, an denſelben Orten, wo ſie ſich eben Futter geſucht hatten. Eigenſchaften. Dieſer ſtattliche große Vogel iſt einer der merkwuͤrdigſten unf: rer Fauna. Seine hehre Geſtalt, nach unſern Begriffen von einem Sumpfvogel die wohlproportionirteſte, ſchlank von Gliedern und kraͤftig von Körper zugleich, feine wuͤrdevolle Haltung, fein Beneh— men in ernſter wie in froͤhlicher Stimmung, vor allem ſeine ausge— zeichnetee Klugheit und intellectuellen Faͤhigkeiten verſchaffen ihm von allen Seiten Anerkennung. Zwar nicht ſchoͤn an Farben, doch mit ſchoͤn gekraͤuſeltem Fluͤgelbuſch, den der lebende alte Kranich faſt immer, im Fruͤhjahr nie anders als aufgerichtet und faͤcherfoͤrmig ausgebreitet traͤgt, — wenn er ſteif auf ſeinen hohen Beinen, den Rumpf etwas aufrichtet, den Hals fait ganz gerade in die Höhe gereckt, Kopf und Schnabel wagerecht haͤlt, wie er da ſteht, wenn er ſich vor etwas fuͤrchtet und eben entfliehen will, ſieht er in der That doch herrlich aus und imponirt durch ſeine bedeutende Hoͤhe. Nicht minder ſchoͤn iſt er, wenn er mit ſanft S foͤrmig gebogenem * XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 361 Halſe, etwas geſenkter Schnabelſpitze und wenig geneigter Bruſt, in langſamen Schritten ernſt und gravitaͤtiſch einher ſtolzirt, oder wenn er ſchneller und gemuͤthlicher einher ſchreitet und der Gang aus dem Pathetiſchen ins Zierliche übergeht; auch wenn er ſich ſchlank macht, Hals und Körper vorwärts neigt und in großen Schritten ſchnell fortlaͤuft. Drollig wird er dagegen, wenn er in heiterer Laune ſeine poſſierlichen Spruͤnge, Verbeugungen und andere Sonderbarkeiten ſehen läßt. So weit man ihn im wilden Zuflande hat beobachten koͤnnen und dies namentlich an Zahmen geſchehen iſt, ſind alle ſeine Stellungen und Bewegungen noch um Vieles wuͤrdevoller, grazioͤ— ſer und zierlicher als die der Stoͤrche und mit denen der Reiher vollends gar nicht zu vergleichen. Sein Gang iſt leicht, oͤfters auch behend, und er tritt dabei leiſe auf, auch wenn er, wie meiſtens, in großen abgemeſſenen Schrit⸗ * ten aufmarſchirt. Auch im Laufen nimmt er ſehr weite Schritte; es geht daher in vielen Faͤllen ſehr ſchnell von Statten. Im Fluge aͤhnelt er den Stoͤrchen, ſtreckt wie ſie Schnabel, Kopf und Hals in gerader Linie vor, die langen Beine entgegengeſetzt gerade nach hinten von ſich, und iſt mit ein bis zwei Spruͤngen in der Luft. Hier ſtreicht er mit langſamen, ziemlich weit ausholenden Schlaͤgen die großen gerade von ſich geſtreckten Fluͤgel, gerade fort, ſchwebt ſehr haͤufig und ſchoͤn in großen Kreiſen, kann ſich in ſolchen bis über die Wolken fo hoch, daß er kaum noch ſichtbar bleibt, gleich: ſam hinaufſchrauben. Alles dieſes macht ihn auch im Fluge ſchoͤn, aber den Stoͤrchen fo ähnlich, daß er in der Ferne nur an dem klei⸗ nern Kopf und Schnabel, laͤngern Hals und der grauen Farbe zu un⸗ terſcheiden iſt, wenn er es nicht ſchon durch ſeine durchdringende Stimme kund that. — Es giebt ein herrliches Schauſpiel eine Heerde von Kranichen, jeden einzeln in einem beſondern Kreiſe, groͤßer, kleiner, niedriger, höher, einige links, andere rechts herum, mit ein⸗ zelnen oder ganz ohne Fluͤgelſchlaͤgen, hoch in den Luͤften ſchweben, ſich drehen, auch gemaͤchlich fort drehen zu ſehen, was ſie bei an— haltend ſchoͤnem, heiterm Wetter, wo ſie nicht eilen, ſehr oft thun. Der regelmaͤßige Wanderflug iſt ſchon oben beſchrieben; er foͤrdert ungemein, obgleich es, weil die Fluͤgel zwar kraͤftig, aber doch nur langſam darin bewegt werden, nicht ſo ſcheint. In der Naͤhe, zu— mal beim Niederſetzen oder Auffliegen vernimmt man ein ſtarkes Rauſchen der Fluͤgel, bei jenem, der haͤufigern Schlaͤge wegen, ein ziemliches Gepolter. Trotz ſeiner Groͤße iſt unſer Kranich bei en munterer und * 362 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich beweglicher als Reiher und Stoͤrche. In ſeinem Betragen zeigt er oft ſchroffe Abwechslungen und Launen, ſcheint zu manchen Zeiten ſehr ernſt geſtimmt, ſchreitet dann mit Grandezza einher, verrichtet ſein Thun mit einer ſtolzen und ſelbſtgefaͤlligen Gemaͤchlichkeit, oder ſteht gar wie in tiefen Betrachtungen verſunken da; iſt zu andern Zeiten dagegen wieder ſehr aufgeregt, reizbar, munter, unruhig und laͤßt ſich bald hier, bald da ſehen und hoͤren; in noch andern zeigt er die froͤhlichſte Stimmung und wird ſogar ausgelaſſen, luͤftet die Fluͤgel, rennt in Kreiſen herum und macht die poſſierlichſten Ver— beugungen und albernſten Bocksſpruͤnge, wobei dann ſein krauſer Fluͤgelbuſch ganz beſonders figurirt, nimmt im Uibermuth Steinchen oder kleine Holzbrocken von der Erde auf, ſchleudert ſie in die Luft und ſucht fie wieder aufzufangen, oder buͤckt ſich und ſpringt ihnen beim Herabfallen aus dem Wege; der ſonſt ſo wuͤrdevolle, verſtaͤn— dig ausſehende Kranich ſcheint mit einem Male ein Narr geworden zu ſein. Im Fruͤhjahr ſieht man ſolche Taͤnze am oͤfterſten, einer tanzt um den andern herum und ſie ſchreien dazu, als wenn ſie ſich zankten; es ſcheint aber vielmehr, daß damit die Maͤnnchen ihre Weibchen ergoͤtzen wollen, oder ihre Werbungen begleiten; doch tan— zen auch dieſe. Die eigentliche Veranlaſſung und Abſicht möchte jedoch ſchwer zu errathen fein, da es auch einſam eingeſperrte, ſoga alt in Gefangenſchaft gerathene Kraniche thun, ja alle thaten, welche wir in dieſem Zuſtande ſahen und deren betruͤbende Lage meiſters zu ſolchen Albernheiten und Ausgelaſſenheiten in grellem Abſtiche ſtand. Die ausgezeichnetſte Eigenſchaft unfres Kranichs iſt jedoch feine außerordentliche Klugheit und unbegrenzte Vorſicht, vermoͤge welcher er uͤberall Gefahren ahnet, deswegen uͤberall auf ſeiner Hut iſt, den meiſten zu entgehen weiß und daher ein ſehr hohes Alter errei— chen mag. — Daß die Schaaren, wo ſie weiden oder ausruhen, auch am Tage, gleichſam Wachen ausſtellen oder einzelne der aͤlte— ſten dies Geſchaͤft uͤbernehmen, ſich auswaͤrts der Heerhaufen halten, um jede anruͤckende Gefahr ſchon von Weitem zu erſpaͤhen und den an— deren Anzeige davon zu machen, damit alle zur rechten Zeit entfliehen koͤnnen, iſt ſchon erwähnt. Dieſe ungemeine Wachſamkeit iſt Ur: ſache, daß ſelbſt in Gegenden, wo alle Jahre Tauſende von Kra— nichen ſich niederlaſſen, dennoch ſelten ein Mal einer mit Schieß— gewehr erlegt wird, was dem unverdroſſenſten und umſichtigſten Waid— mann fogar an den Bruͤteorten des Kranichs hoͤchſt ſelten gelingt. Klugerweiſe haͤlt der Kranich nirgends beſtimmte Wechſel, iſt bald hier, bald da, allenthalben aufmerkſam auf Alles, was um ihn her XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 363 vorgeht, beſonnen und mißtrauiſch, gegen Feldarbeiter, Hirten und Kinder zwar weniger, doch auch noch hinreichend, um nicht bei ir- gend einem in Schaden zu kommen. Es iſt daher ein aͤußerſt ſelt⸗ ner Fall, daß er ſich ein Mal ſo weit vergißt, der einzelne kaum jemals, eher kleine Geſellſchaften, wenn ſie eben einen guten Fut⸗ terplatz gefunden haben und Begierde zeigen ihren Hunger ſchnell zu ſtillen. Nur ein einziges Mal in meinem Leben war mir der Zufall fo guͤnſtig, daß mich, in einem einſpaͤnnigen, verdeckten Wa- gen ſitzend, ein ſtiller Feldweg ganz unerwartet in die Naͤhe einer aus 40 Individuen beſtehenden Kranichheerde brachte, die auf einem friſch beſaͤeten Acker ſo emſig mit Aufleſen der Erbſen beſchaͤftigt war und ſich ſo wenig ſtoͤren ließ, daß ich kaum 40 Schritte an ihr voruͤber fuhr, die erſt dann ein kleines Stuͤck weiter flog, als ich ſtill hielt, fie mir einige Minuten betrachtet hatte und laut gewor⸗ den war; ein in der Geſchichte des Kranichs gewiß unerhoͤrter Fall, welcher dem unglaublich vorkommen muß, der mehrmals verſuchte auf Ackerwagen verſteckt, hinter Ackerpferden verborgen, in Frauen: kleidern mit einem Korbe auf dem Ruͤcken und in noch andern Mas⸗ ken ſich den weidenden Kranichen auf Schußweite zu naͤhern; kaum fuͤr die Kugelbuͤchſe wird dies in einzelnen Faͤllen, aber von zehn Verſuchen vielleicht erſt einer gelingen. Der Kranich iſt unter allen einheimiſchen Voͤgeln unſtreitig einer der allerſcheueſten. — Daß alles hierauf Bezuͤgliche ſich auf wirkliche Klugheit ſtuͤtzt, be— weiſen gezaͤhmte Kraniche, bei welchen fie daraus intellectuelle Faͤ⸗ higkeiten entwickeln, welche durch Umſtaͤnde und Umgebungen her- vorgerufen und ausgebildet werden, die daher bei den wilden nicht vorkommen mögen, aber geeignet ſind, ohne Uibertreibung, fie Ver: ſtand zu nennen, darum oft Bewunderung erregen und ins hoͤchſte Erſtaunen verſetzen. Daß er geſellig iſt, geht ſchon aus der Schilderung ſeiner Wan⸗ derzuͤge hervor. Die Abtheilungen dieſer Kranichheere ſcheinen ſogar alle Jahr aus den naͤmlichen Individuen, nebſt ihrer Nachkommen⸗ ſchaft, zuſammengeſetzt, weil man, wie ſchon beruͤhrt, beobachten konnte, daß eine ſolche Schaar alljaͤhrlich ziemlich dieſelbe Straße hielt, ebenſo dieſelben Futterplaͤtze beſuchte, ſogar meiſtens um die naͤmliche Zeit, wie in vielen der verfloſſenen Jahre, ſich daſelbſt ein⸗ ſtellte. Man ſieht wie jedes Glied eines ſolchen Vereins ſich be muͤht in Reihe und Glied zu bleiben, wie ſehr durch Zufaͤlle etwas davon entfernte ſich beeilen nachzukommen und wieder einzuruͤcken, und wie aͤngſtlich der durch widriges Geſchick ganz von ſeiner Truppe 364 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. abgekommene Kranich unter vielem Rufen, Tage lang faſt unaus⸗ geſetzt, hin und her fliegt und ſich nicht eher beruhigt, bis er ſich wieder einer Geſellſchaft anſchließen kann. Offenbar gruͤndet ſich dieſer Hang zum geſelligen Beiſammenſein auf die Furcht vor Ge— fahren; was einer nicht ſieht, wird der andere gewahr, die uner— fahrnen Jungen lernen von den Alten; dann iſt im menſchlichen Leben bekannt genug, daß eine Geſellſchaft Wanderer leichter fort: ruͤckt als ein einzelner, u. ſ. w. Auf der Wanderung begriffen ſieht man einen einſam fliegenden Kranich nie; ein ſolcher iſt daher in der Zugzeit eine ſeltne Erſcheinung. Benimmt ſich ein ſolcher ruhig, ſo iſt er gewiß ein Kranker, der den andern nicht folgen kann, der dann aber auch das Fortziehen gewoͤhnlich ganz aufgiebt. Da die Glieder eines Vereins von denſelben Geſinnungen beſeelt ſind, fallen auch keine Streitigkeiten unter ihnen vor, und ihre luſtigen Spruͤnge an ſchoͤnen Tagen, duͤrfen keineswegs fuͤr Zank gehalten werden; allein gegen Gezaͤhmte zeigen ſich die Wilden nicht ſelten raufſuͤchtig. Dies ſollen auch die Maͤnnchen zur Paarungszeit ſein, wo ſogar hitzige Kaͤmpfe zwiſchen nahe wohnenden Paaren, bald um den Beſitz der Weibchen, bald um den des Neſtortes vorfallen ſollen. Im Ganzen genommen leben ſie jedoch auch da in Friede und Ein— tracht, und in den einzelnen Familien herrſcht eine liebevolle An— haͤnglichkeit. Gegen anderartiges Gefluͤgel betragen ſie ſich ebenfalls friedlich oder beachten es vielmehr gar nicht und ſehen mit Stolz auf das kleinere herab; auch mit Stoͤrchen und Reihern machen ſie ſich nichts zu ſchaffen und werden nie in ihrer Geſellſchaft ge— ſehen; eben ſo iſt es nirgends bemerkt, daß ſich ihnen irgend eine andere Vogelart angeſchloſſen haͤtte. Unſer Kranich iſt, vermoͤge ſeiner ſehr verlaͤngerten, unten in trompetenartige Beugungen im Bruſtbein verwachſenen und wieder aufſteigenden Luftroͤhre, im Stande, ungewoͤhnlich ſtarke Toͤne von ſich zu geben, die um ſo weiter ſchallen, je hoͤher er fliegt, ſo daß man ihn meiſtens eher hoͤrt als ſieht. Der Lockton, womit ſich auf der Reiſe begriffene Kraniche fleißig unterhalten, zumal wenn ihnen etwas Auffallendes begegnet, mit dem der einzelne dem andern zu— ruft und dieſer ebenſo beantwortet, iſt ausgebildet, d. h. bei alten Voͤgeln, ein ſchnarrendes Kruh oder Gruh, in der Naͤhe unge— mein heftig, ſchmetternd oder trompetenartig, daher in weiter Ferne hin noch deutlich vernehmbar. Bei juͤngern Kranichen haͤlt es einen etwas hoͤhern Ton und dieſer ſchlaͤgt oft, ſo zu ſagen, in die Fiſtel uͤber, bald wie Kruͤu, bald wie Kruuͤe (den Ton auf das U XII. Ord n. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 365 gelegt), bald noch anders vernehmbar und mit Buchſtaben nicht gut deutlich zu machen; zuweilen klingt er auch weniger ſchnarrend und dann gaͤnſeartig. Die Jungen piepen oder ſchiepen, auch wenn ſie erwachſen und auf dem Herbſtzuge begriffen ſind haben ſie noch keine andere Stimme, ſogar bei der Wiederkehr im Fruͤhjahr ſchreien die meiſten noch Schieb oder Wieb, waͤhrend dann bei einigen dies ſchon in den ſpaͤtern gewoͤhnlichen Ton uͤbergeht, wodurch oft ſon⸗ | derbare Mißtoͤne entſtehen. Zuweilen hörten wir von ganzen Hei: hen, zu 20 bis 30 Individuen, nur allein dieſes ſchneidende Schieb, was uns in der, hier nachträglich zu bemerkenden, Vermuthung be— ſtaͤrkte, daß die jungen Kraniche zwar mit den Heeren der Alten wandern, aber darin meiſtens abgeſonderte Abtheilungen bilden. Im Frühjahr lag dieſes namentlich mehrere Male ganz deutlich vor Aus gen. — Alles dieſes giebt dem Schreien eines Kranichheeres ſehr viel Abwechslungen, wozu noch die Alten ein faft eben fo ſtarkes Kurr und Kuͤrr auch Kirr haͤufig einmiſchen, und von den vie— lerlei höhern, tiefern und verſchiedentlich modulirten Toͤnen entſteht eine fo bunte und regelloſe als melancholiſche, in Molltoͤnen ſich be— wegende Muſik, daß man ſie ein ſchnarrendes Geheul nennen moͤchte, welches man bei hellhoͤrichtem Wetter wol eine Meile weit vernimmt und den Kranichzug ganz beſonders charakteriſirt. In großer Entfer— nung klingt ſie dem Laͤrmen der Schaaren von Saatgaͤnſen nicht unaͤhnlich, dem Kennerohr jedoch eigenthuͤmlich genug, um beide nicht zu verwechſeln. Die Kraniche ſchreien beſonders viel, wenn Regenwetter bevorſteht, dann auch der einſame mehr als ſonſt, oder wenn den wandernden Fluͤgen etwas Beſonderes in die Augen faͤllt und ſie dann in der Luft Kreiſe beſchreiben, auch wenn ſie ſich der Gegend naͤhern, wo ſie ſich bald darauf niederlaſſen wollen. " Die verſchiedenen Toͤne im Kranichgeſchrei und ihre verſchiedene Modulation haben ihre mannigfachen Bedeutungen, die am beſten bei ge⸗ zähmten Kranichen wahrgenommen werden koͤnnen. Ein ſolcher, deſſen weiter unten noch gedacht werden wird, gebrauchte ſeine Trompeten⸗ ſtimme in vollſter Kraft, wenn er ein größeres Thier damit in Furcht zu ſetzen gedachte; Furcht und ſchnelles Erſchrecken preßten ihm ein tie⸗ fes, nicht ſehr lautes Kru aus, das anders modulirt noch andere Gemuͤthsbewegungen ausdruͤckte; antwortete er feinem gehoͤrnten Freunde, dem Zuchtſtier des Gutes, oder wollte er etwas zu freſſen haben, dann ſchrie er ſtark und ſcharf kierr, kierr, nicht ſchnell auf einander folgend; Ausdruck der Behaglichkeit war ein ſchwaches, tiefes, ſchnell aufeinander folgendes Kurr kurr kurr u ſ. w.; bat 366 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. er um etwas, ſo ertoͤnte dieſes Kurr ganz leiſe und in laͤngern In⸗ tervallen; wurde er ungeduldig, dann ſchrie er ſtark und ſcharf, ſchnell aufeinander: Kurrrrrr oder kirrrrrr; im Zorne wechſelte er mit dem Kirrr ein ſtarkes Ziſchen bei offnem Schnabel; ein innerer knurrender Ton war Ausdruck des Schmerzes u. ſ. w. Mit wenigen Ausnahmen beobachteten wir dieſes alles eben ſo an einem alt in unſern Beſitz gerathenen Kraniche und noch bei andern dergleichen. Obgleich es noch allerlei individuelle Verſchiedenheiten giebt, fo bleiben doch das Kru (das vielleicht der alte lateiniſche Name Grus andeuten ſoll) oder Kurr die Grundtoͤne von allen. Auch in der Gefangenſchaft wird die piepende Stimme der Jungen von Zeit zu Zeit ſchaͤrfer und bleibt den Herbſt und Winter hindurch die einzige; erſt im naͤchſten Frühjahr faͤngt das Schieb an in an» dere Toͤne umzuſchlagen, die denen eines einjaͤhrigen Pfauhahnen nicht unaͤhnlich ſind, und ſich ſpaͤter erſt voͤllig in die der Alten umbilden. f Daß der gemeine Kranich leicht zu zaͤhmen iſt und beſon— ders jung aufgezogen außerordentlich zahm und zutraulich wird, war ſchon ſeit langen Zeiten bekannt. Es iſt merkwuͤrdig, daß ein ſo argwoͤhniſches, furchtſames und aͤußerſt ſcheues Geſchoͤpf, wie der alte Kranich, wenn er in Gefangenſchaft geraͤth, ſich doch ſobald an dieſe gewoͤhnt und nach Umſtaͤnden recht zahm wird. Wir ſahen mehrere, die frei umher gingen, ſich aber nie weit von ihrem Ge— höfte entfernten, auch Beſuche in andern abſtatteten, aber ſtets in das ihrige zuruͤckkehrten; die ſo zahm waren, daß ſie den Leuten kaum aus dem Wege gingen, denen, welche ſie eſſen ſahen, ihr An— theil abforderten u. ſ. w. Weil die Fuͤrſten von Reuß einen Kra— nich im Wappen haben, halten ſie immer einen lebenden in Koͤ— ſtritz, welcher ebenfalls dort frei herum geht. Solchen alten Kra— nichen iſt jedoch, weil ſie manchen Neckereien ausgeſetzt ſind, nicht immer zu trauen, weil ſie mit ihrem Schnabel tuͤchtig hacken koͤn— nen und ſich gegen manche Perſonen doch zuweilen heimtuͤckiſch zei— gen. Ihrem Waͤrter ſchenken ſie immer das meiſte Vertrauen und hoͤren auf deſſen Ruf. Ich ſahe in Ungarn einen bei einem Dorf— prediger; dieſer Kranich ging ebenfalls frei und im ganzen Dorfe herum, kam wieder ins Pfarrgehoͤfte, ſo oft es ihm beliebte und alle Abende regelmaͤßig; er hatte eine ſonderbare Stimme, man moͤchte ſagen, ein Mittelding zwiſchen der einer Gans und eines halbjahrigen Pfaues, war jedoch ein alter Vogel; er folgte feinem Waͤrter (eine ſonderbare verkruͤppelte Figur) in Allem faſt puͤnktlich XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 367 und tanzte namentlich, wenn ihn dieſer durch Verbeugungen, frap: pante Geſticulationen und Bocksſpruͤnge dazu aufforderte, mit dieſem ein ſo wunderliches Duett, daß man meinte, man muͤſſe uͤber die beiden Tanzenden vor Lachen vergehen. — Ein fluͤgellahm geſchoſſener, ſehr alter Kranich, welchen mein ſeel. Vater mehrere Jahre beſaß, vor ſeinem Fenſter in einer fuͤr ihn gemachten Abtheilung des Gartens herumgehend, wurde nicht ſo zahm; weil er außer meinem Vater felten einen Menſchen ſahe, fo wurde er nur gegen dieſen etwas zu: traulicher, kam, wenn er Futter verlangte, an das Fenſter, ſchauete wiederholt hinein und pochte endlich gar an die Scheiben, obgleich er nie ſein Behoͤr auf dieſem Wege erhielt, aber wenn ihm mein Vater etwas uͤberbrachte, ſchnell auf ihn zukam und es ihm zuletzt aus der Hand abnahm; dagegen war er außer ſich, wenn ein Frem— der in ſein Gaͤrtchen kam, und wenn gar mehrere Menſchen zugleich ſich ihm nahen wollten, ſchrie er vor Angſt. Dieſer Kranich tanzte auch, aber nur wenn es ihm beliebte, war aber eben nicht oft auf— gelegt dazu, woran wol ſeine ſchwere Fluͤgelwunde Antheil haben mochte. Uiberhinziehenden und ſchreienden Kranichen antwortete er mit ſtarker Stimme und ſchauete ſehnſuͤchtig, meiſt mit einem Auge, nach ihnen hinauf. Er mauſerte regelmaͤßig vom Juni bis in den Auguſt, hielt ſich auch im Winter gut im Freien, wo ſein Lieblings— plaͤtzchen fleißig vom Schnee gereinigt und mit friſchem Stroh be— ſtreuet wurde, worauf er ſich dann mit Bruſt und Bauch nieder— legte und die Fuͤße unter den Federn dieſer Theile warm zu halten wußte. Bei weitem zahmer wurden jedoch die Kraniche, welche man ſich noch ganz jung zu verſchaffen ſuchte und dann groß fuͤtterte. Ihre Anhaͤnglichkeit, ihr Vertrauen zu den Menſchen macht ſie bald bei allen beliebt, namentlich bilden ſich bei ſolchen eine Menge in: tellectueller Faͤhigkeiten aus, die Verſtand, Nachdenken und Uiber⸗ legung verrathen und deshalb Bewunderung und Erſtaunen erregen. Niemals iſt ein jung aufgezogener Kranich beſſer beobachtet und die⸗ ſes trefflicher beſchrieben, als dies vom Hrn. Freiherrn von Sey— fertitz auf Ahlsdorf, bei Herzberg in Sachſen, geſchahe, zu leſen in Brehms Ornis J. II. III. Dieſe Mittheilungen find in der That ſo reizend als belehrend, wie noch ſo manche andere die— ſes bewaͤhrten Forſchers in derſelben Schrift, ſo daß ich mir erlaube das Wichtigſte davon im Auszuge hier mitzutheilen, zumal die Or— nis in nicht vielen Haͤnden zu ſein ſcheint und leider nicht fortge— ſetzt wird. Der verehrte Beobachter ließ 2 junge Kraniche ausneh— 368 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. men, d. h. muͤhſam in einem großen Sumpfe auffuchen, als fie das Neſt ſchon verlaſſen hatten und mehrere Tage alt ſein mochten. Sie wurden bald zahm und zutraulich, lernten ihren Pfleger kennen, ließen ſich bei den beigelegten Namen rufen u. ſ. w. Sie praͤdo⸗ minirten bald uͤber das Hofgefluͤgel, ohne ihm Leids zu thun, ſchlich— teten aber allen Streit unter demſelben und beſtraften dann nach Umſtaͤnden. Sie verlangten Reſpect und erhielten ihn; ihre Herrſch— ſucht erſtreckte ſich uͤber alles, auch uͤber das groͤßere Vieh, Ochſen, Kuͤhe, Fuͤllen u. a. m., mit Schweinen gaben ſie ſich aber nicht ab. Sie begleiteten ihren Beſitzer auf Spatziergaͤngen, folgten wohin er wollte, ſogar zuweilen fliegend, da das Verſtutzen einiger Schwing— federn ihnen das Fliegen nicht ganz verſagte, daher oͤfters flogen, halbe und ganze Tage abweſend waren, aber Abends jederzeit in ihr Schlafgemach zuruͤck kehrten. Sie zeigten keine Neigung den voruͤberziehenden wilden Kranichen zu folgen. Als das Maͤnnchen einen Fluͤgel brach, gebehrdete ſich das Weibchen hoͤchſt theilnehmend, wich, ſo lange jenes krank war, nicht von ſeiner Seite oder ließ es wenigſtens nie aus den Augen, keinen Fremden zu ihm, bis es her— geſtellt wieder mit ihm ausgehen konnte. Sie gingen wieder auf Felder und Wieſen und kamen regelmaͤßig wieder. Ein noch ſchlim— meres Ungluͤck, das mit dem Tode endete, traf bald nachher das Weibchen; das Maͤnnchen gebehrdete ſich jaͤmmerlich, ſchrie ſchnei— dend, verſuchte die todte Schweſter aufzurichten, durchſuchte, als fie weggebracht war, alle Winkel im Haufe, die Treppe auf und ab, verlangte, daß ihm verſchloſſene Gemaͤcher geoͤffnet wurden und da es ſie nirgends finden konnte, verſchwand es auf ein paar Tage vom Hofe und ward erſt am dritten Morgen traurig und in ſich gekehrt nicht weit vom Gehoͤfte gefunden, von wo es ſich jedoch gewillig in ſeinen Stall treiben ließ, den es lange nicht mehr verlaſſen wollte. — Es gewoͤhnte ſich bald an die Winterfälte, ging aber nicht aus, bis im Februar freundliche Tage kamen. Nun groͤßer, ſchoͤner, wuͤr— devoller, zugleich auch drolliger geworden, entwickelte es einen Grad von Klugheit, der in Erſtaunen ſetzte. In Ermangelung einer Ge— faͤhrtin ſchloß es ſich einem andern lebenden Weſen an, und dies war ſonderbarerweiſe der Zuchtſtier des freiherrlichen Gutes; es begleitete dieſen aus dem Stalle, auf die Weide und zuruͤck, beſuchte ihn im Stalle wenn er nicht heraus kam, ſtand ehrerbietig neben ihm oder wehrte ihm die Fliegen ab; draußen marſchirte er neben ihm her, tanzte um ihn herum, lief ein Stuͤck voraus, drehete ſich ploͤtzlich um und verbeugte ſich ſo lange bis jener herankam; dann ging es XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 369 von neuem ſo, im Dorfe entlang, zur Kurzweil aller, bib es mit anſahen. Der Ochſe ſchien ebenfalls nicht gleichguͤltig gegen ihn. Nur er allein ward vom Kranich mit Auszeichnung und Ehrfurcht behandelt; uͤber alle andere Thiere des Hofes ſuchte er die Oberherr⸗ ſchaft zu behaupten. Merkwuͤrdigerweiſe trug er feine Zuneigung in aller Fuͤlle auch auf die nachfolgenden Stiere uͤber, als der erſte, folgende u. ſ. w. durch andere erſetzt waren. Bei der Viehheerde vertrat er die Stelle eines geſcheueten Hirtenhundes, ließ keine Un⸗ bill ungeſtraft durch, trieb die Verlaufenen wieder ein, holte die Nachgebliebenen zur Heerde oder nach Hauſe, und that dies Alles aus eignem Antriebe und mit vielem Verſtande. Er ſtellte ſich vor die angeſpannten Pferde, ließ ſie, wenn niemand zugegen war, nicht von der Stelle, und wußte ſie durch ſeine drohende Poſitur und fuͤrchterliche Stimme, auch wohl durch Schnabelhiebe ſo einzuſchuͤchtern, daß ſie ihm Folge leiſteten; waren ſie ruhig, ſo war er es auch. Gegen Frauenzimmer bewies er ſich artiger als gegen Mannsperſo⸗ nen, heimtuͤckiſch jedoch gegen keinen. Beſonders zutraulich war er gegen feine Pflegerin, die Koͤchinn, die ihn auch in fein Schlafge mach bringen mußte, wozu er fie jederzeit aufforderte und ſich ruhig gefallen ließ, daß ihn dieſe unter den Arm nahm und dahin trug. Gegen Beleidiger war er dagegen unverſoͤhnlich und nicht ohne Rach⸗ ſucht (von beiden ſind mehrere Zuͤge erzaͤhlt); er entwickelte dabei zuweilen außerordentlichen Verſtand. Er war unerſchrocken und ohne Furcht, mochte aber ſchwarz ausſehende Gegenſtaͤnde nicht leiden, floh einen ſchwarzen Hund, waͤhrend er mit einem andern aus einer Schuͤſſel ſpeiſte, mochte von allem Gefluͤgel die Truthuͤhner am we⸗ nigſten leiden, weil die Haͤhne impertinent gegen ihn waren oder vielleicht auch, weil ſie ſchwarz ausſahen; die groͤßte Furcht hatte er aber vor dem Schornſteinfeger. Zwei Jahr alt war er im Fruͤh⸗ jahr, in der Zugzeit, zumal gegen Abend, ſehr unruhig, ſuchte die Geſellſchaft durchziehender Kraniche und verweilte manchmal die ganze Nacht bei ihnen, kam aber regelmaͤßig des Morgens wieder nach Hauſe und blieb hier im Betragen unveraͤndert. Nach einiger Zeit hatte er ſich eine Braut erworben, die ſich in ſeiner Geſellſchaft dem Gehoͤfte taͤglich mehr naͤherte, ein Mal ſogar mit in den Garten kam, etwa 60 Schritt vom Hauſe, wenn er nicht bei ihr war, das Gehoͤfte ſehr niedrig uͤberflog und ihn rief, worauf er antwortete und Folge leiſtete. Die Fremde war bereits ſo zutraulich geworden, daß ſie bei dem Zahmen auf 40 Schritte aushielt; der zunehmende Ver⸗ kehr der Garten- und Feldarbeiter ſcheuchte jene jedoch nach 8 Tagen 24 9 Theil. 370 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. weg und dieſer ſchien auch bald wieder beruhigt. Ein jung aufge⸗ zogenes, aber ſchwaͤchliches Weibchen, das ihm beigegeben wurde, machte ihm Freude; er ſuchte es aufzuheitern, gab ihm Unterricht im Tanzen und gravitaͤtiſchen Aufmarſchieren, war aber ziemlich gleichguͤltig bei ihrem Tode. Das Huͤten des Rindviehes blieb fort⸗ während fein Lieblingsgeſchaͤft; er trieb es aus und ein, draußen hatte er acht, daß ſich kein Stuͤck vereinzele und wenn es zu Scha: den ging, beſtrafte er es. Einſtmals fand er zwei verlaufene Ochſen im Garten; er ſuchte fie ſogleich herauszutreiben, allein fie wider: ſetzten ſich und es entſtand ein hitziger Kampf, wobei, wie bei der— gleichen immer, zumal mit Fuͤllen, feine außerordentliche Gewand» heit, mit welcher er ihren Stoͤßen und Tritten auszuweichen und doch tuͤchtige Schnabelhiebe anzubringen wußte, zu bewundern war, ſo daß er doch zuletzt Sieger blieb und die Ochſen aus den Garten jagte. Sein Schreien war bei ſolchen Gelegenheiten aͤußerſt heftig und er ſuchte damit zu imponiren. Beleidigungen verzieh er ungern, er raͤchte ſie lieber auf der Stelle. Als er ein Mal in einem frem⸗ den Garten Inſektenjagd hielt und vom Beſitzer mit einer Ruthe einen Hieb bekam, ſetzte er ſich zur Wehre und wich erſt nach wie— derholten Schlaͤgen, ſtellte ſich aber nun auf eine Bruͤcke, woruͤber der Weg zum Dorfe fuͤhrte, die der Mann paſſiren mußte, verwehrte demſelben den Uibergang, den dieſer erzwingen mußte, dabei vom Kranich manchen Hieb bekam und bis in die Thuͤre feiner Woh⸗ nung von ihm verfolgt wurde; der Kranich war ſeitdem ſein erklaͤr— ter Feind. Gegen ſeine Wohlthaͤter war er nicht ſo empfindlich und verzieh ihnen manche kleine Kraͤnkung. Auf dem Herbſtzuge, welcher in dieſem Jahr (1824) ungewoͤhnlich lange dauerte, hatte er wieder Zuſammenkuͤnfte mit wilden Kranichen. Seine Stimme war ſehr ausgebildet, ſtaͤrker als die jener und leicht zu unterſcheiden; er uͤbte ſie aber auch bei jeder Gelegenheit; es durfte unter Menſchen oder Vieh nichts Ungewoͤhnliches vorfallen, ſo ſchrie er; Bettler, fremde Bauern und dergleichen Leuten verwehrte er damit den Zugang ins Haus, andere trompetete er zum Hofe hinunter. Im gelinden Win: ter 1824 — 25, wo in jener Gegend viele Kraniche uͤberwinterten, kam er taͤglich mit dieſen zuſammen, oft in der Naͤhe des Gutes, aber oft auch zerzauſt und blutend zuruͤck, weil er bei ihnen durch Anmaßung und Herrſchſucht ſich in Streit verwickelte, bei welchem er natuͤrlich den Kuͤrzern ziehen mußte. Gleich einem wohlgezoge— nen Hunde wußte er recht gut, daß er nicht zu weit ausgehen ſollte, erſchrak daher bei ſolchen Gelegenheiten uͤber den Zuruf ſeines Herrn XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 371 und ſtatt zu ihm zu kommen, ſchlich er ſich ſogleich auf Umwegen, durch Gebuͤſche moͤglichſt verborgen, nach Hauſe; wurde er ausge⸗ zankt, ſo zeigten Stellung und Gebehrden, daß er ſich ſchaͤme. Als er ſich ein Mal zu weit und zu lange entfernt hatte, war er in einem andern Dorfe eingekehrt, in eine Stube gegangen, aus welcher er ſich von den Leuten nicht wegtreiben ließ und von da abgeholt werden mußte. Einſt wurde ein mit der Kugel geſchoſſenes und ſehr mit Blut beſchmutztes Kranichweibchen ihm gezeigt, woruͤber er ſehr beſtuͤrzt ſchien; als man aber ein Meſſer herbei holte um das aufgeweichte Blut abzuſchaben, wurde er außer ſich fuͤr Zorn, ſuchte dies mit Gewalt zu verhindern und konnte ſich lange nachher erſt etwas beruhigen, war ſogar lange Zeit mißtrauiſch gegen ſeinen Herrn und hoͤrte nicht mehr auf deſſen Ruf; der Mann aber, welchen er jenes Geſchaͤft verrichten ſahe, hatte ſeine Gunſt fuͤr immer ver⸗ loren, ein vorgezeigtes Meſſer jagte ihn Furcht und Schrecken ein, auch mied er aͤngſtlich den Platz, wo jenes vorgefallen, obgleich es ſonſt einer ſeiner Lieblingsorte war. Als ſein Schlafgemach, wegen eines Baues, verloren ging, waͤhlte er dazu den Kuhſtall und nahm an der Seite ſeines theuern Freundes, des Bullochſen, Platz. Re⸗ gelmaͤßig kam er dahin, pochte an die Thuͤr, wenn ſie zugemacht war, damit ſie ihm geoͤffnet wuͤrde, u. ſ. w. Er blieb fortwaͤhrend Aufſeher über das größere Vieh und dieſes reſpectirte ihn, weil es feine Schnabelhiebe fuͤrchtete, er ſtrafte aber auch nach Gebühr; am ſtrengſten benahm er ſich gegen juͤngeres Vieh. Sein Muth und ſeine Unerſchrockenheit ſetzte ihn oft in Gefahr, aber er wußte ihr immer mit bewundernswuͤrdiger Klugheit und Gewandtheit auszu⸗ weichen. Vor Raubvoͤgeln, ſelbſt kleinen, hatte er große Furcht, waren ſie aber eingeſperrt, dann neckte er ſie, ſogar den Adler, und einen halblahmen Buſſard erhaſchte er und wuͤrde ihn ohn⸗ fehlbar getoͤdtet haben, wenn man ihn nicht daran verhindert hätte. Er wurde von einem Maſtochſen, den er zur Ordnung bringen und beſtrafen wollte, niedergeſtoßen und uͤbel zugerichtet; als er nach 8 Tagen wieder geneſen, war ſein erſter Gang in den Maſtſtall um jenen Ochſen zu zuͤchtigen. Dieſes Ungluͤck hatte ihn aber zum Kruͤppel und muthlos gemacht; er uͤberlebte es nicht lange. Nhe nen g Dieſe nimmt der gemeine Kranich bald aus dem Pflanzen-, bald aus dem Thierreiche, wie er ſie gerade vorfindet, die erſtere iſt a 60 ar 372 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. jedoch oͤfter als die letztere die Hauptnahrung, denn es giebt Zeiten für ihn, wo er faſt allein auf Pflanzenkoſt, grünes Getraide oder Koͤrner, angewieſen iſt. Dies iſt beſonders bei ſeiner Ankunft im Fruͤhjahr der Fall, wo er auf den friſch beſaͤeten Aeckern nichts als Körner findet und die Bruͤcher meiſtens nur des Waſſers wegen be- ſucht, dort allenfalls einige Schilfwurzeln und junge Grasſpitzen zu ſich nimmt, von lebenden Geſchoͤpfen aber noch wenig oder nichts antreffen mag. Alle Arten von reifem Getraide, auch in halbreifem Zuſtande, und das grüne, wenn es noch nicht in Halme aufgeſchoſſen, vor: zuͤglich gern wenn es eben hervorgekeimt iſt, die zarten Blaͤtter der Kleearten, weniger von Ruͤbſaat und andern angebaueten Ge⸗ waͤchſen, aber von Kaͤſepappeln (Malva), Neſſeln, Huͤhnerdarm (Alsine), Gras und vielen andern wilden Feldpflanzen, ſucht er auf den Aeckern auf. Erbſen find vor allen feine Lieblingskoſt, und da ſie im Fruͤhjahr zuerſt ausgeſaͤet werden, ſo ſind die damit friſch beſtellten Aecker bei ſeiner Ankunft in unſern Gegenden ſein Haupt⸗ aufenthalt, beſonders auf großen, weit von Dörfern entlegenen Flu⸗ ren, wo ſich dann oft Heere von Kranichen verſammeln, anfaͤnglich die oben auf liegenden aufleſen, nachher auch die gruͤnen Blaͤttchen der hervorkeimenden abrupfen und verzehren. Die Liebhaberei zu dieſer Feldfrucht geht ſo weit, daß ſie an manchen Orten ihre Jun⸗ gen in die ſchon erwachſenen Erbſen fuͤhren, theils der Sicherheit, theils des guten Inſektenfangs wegen, aber auch um ihnen die gruͤ— nen Schalen zu oͤffnen oder ſtuͤckweis, mit den Schalen, ſpaͤter auch die reifen Erbſen aushacken und verzehren zu lehren. Später im Fruͤhjahr ſind es die eben beſaͤeten Gerſtenaͤcker, welche er, der Koͤr⸗ ner wegen, haͤufiger beſucht als die mit Hafer beſtellten, doch auch dieſe Getraideart nicht ganz verſchmaͤhet. Auf dem Durchzuge im Herbſt ſchenkt er dem ausgeſaͤeten Waitzen mehr Aufmerkſamkeit als dem Roggen; denn Waitzen iſt nach den Erbſen ſein liebſter Genuß. Im Herbſt geht er indeſſen auch öfter in die Bruͤcher. Iſt das Ge traide aufgegangen, ſo genießt er junge Saat, d. h. die jungen zar⸗ ten Blaͤtter, von allen Halmfruͤchten, doch vom Waitzen am liebſten. Im Sommer naſcht er von allen Arten reifenden und reifen Ge— traides, klugerweiſe aber ſelten an den naͤmlichen Orten und ohne beſondere Auswahl, bald von dieſer, bald von jener Art. Er ver— zehrt auch gern Haidekorn oder Buchwaitzen, wie auch die Saamen vieler wildwachfenden Pflanzen, aus der Klaſſe der Leguminoſen, der Graͤſer und anderer von mehligem Inhalt, fo auch in Suͤm⸗ XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 373 pfen, wo er aber meiſtens mit Gruͤnem fuͤrlieb nimmt, junge Graͤ⸗ ſer und andere zarte Waſſerpflanzen, in der rauhen Jahreszeit die ſchleimichten Struͤnke und Wurzeln von Schilf, nur als Beihuͤlfe der dann knapper werdenden animaliſchen Nahrung, verzehrt. Seine Koſt aus dem Thierreiche beſteht in Inſekten, Wuͤrmern, Amphibien und ganz kleinen Saͤugethieren. Ob er im freien Zu⸗ ſtande auch Fiſche freſſe, muß ich bezweifeln, da alle alt in Gefan⸗ genſchaft gekommene, von mir beobachtete Kraniche ſie gaͤnzlich ver⸗ ſchmaͤheten, und ich auch bei mehrern geoͤffneten keine Spur davon in ihren Maͤgen gefunden habe. — Naͤchſt den Koͤrnern ſcheinen mir Inſekten und Regenwuͤrmer ſeine liebſte Nahrung zu ſein. Die erſtern ſucht er als Larven im Sumpfe und moraſtigen Waſſer, oder auch auf Aeckern und zu Zeiten unter dem Mooſe, abgefalle: nem Laube und zwiſchen alten Stoͤcken auf, und graͤbt die flach—⸗ ſitzenden ſogar aus dem lockern Boden. Von vollkommenen Inſek⸗ ten liebt er vorzüglich die groͤßern, als Miſt- — und Dungkaͤfer, Laufkaͤfer, Mai⸗— Brady: — und Roſenkaͤfer, allerlei Waſſerkaͤ⸗ fer, Heuſchrecken, Maulwurfsgrillen, Feldheimchen, Libellen, auch Zweifluͤgler, ſogar Fliegen, ſucht ſolche weit weniger am Waſſer als auf dem Trocknen, auf Wieſen und Feldern, auf Kraͤutern und Blu⸗ men, an den niedrigen Feldfruͤchten wie auf dem freien Erdboden, auch unter Steinen und Erdſchollen auf, faͤngt ſie aber auch ſehr geſchickt und faſt ohne jemals fehlzuſchnappen, ſelbſt die kleinſten, im Fluge weg, daher das allen gezaͤhmten Kranichen eigene, ge— wandte Auffangen in kleinen Brocken zugeworfner Nahrungsmittel. In den Wieſen oder auf mit Huͤlſenfruͤchten bebaueten Aeckern und auf duͤrren Feldern ſtellt er namentlich den Heuſchrecken und Heim⸗ chen (Acheta), an andern Orten den Brach- und Roſenkaͤfern, (Me- lolontha), auf den Viehtriften den Roßkaͤfern (Scarabaeus s. Geo- trupes) und andern ſehr nach, und iſt der Larven der letztern und andern Gewuͤrms wegen im Fruͤhjahr gern an theilweis uͤberſchwemm⸗ ten Orten, wo bis ſpaͤt im Herbſte Vieh geweidet hatte. Im Som⸗ mer geht er zuweilen auch, der Raupen wegen, in die Kohlſtuͤcke, ſelten um von den zarteſten Blaͤttern zu naſchen. Seine Fertigkeit im Graben iſt bewundernswuͤrdig; er ſtoͤßt dabei den Schnabel bis an die Nafenlöcher in den lockern Boden und bricht dieſen durch eine heftige Seitenbewegung auf, holt ſo vorzuͤglich die flachliegen⸗ den Erdraupen, Kaͤferlarven, beſonders die Regenwuͤrmer hervor, die er uͤbrigens auch des Morgens auf dem Thau, wenn ſie außer⸗ halb ihrer Löcher find, haufig aufſucht und welche überhaupt unter U m 7 * 8 394 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. feinen Nahrungsmitteln eine ſehr bedeutende Rolle fpielen. — Er frißt auch nackte und kleine Gehaͤusſchnecken. Von Amphibien wiſſen wir nur, mit Beſtimmtheit, daß er Sröfche und zwar bloß Thaufroͤſche (Rana temporaria) frißt, die kleinern den groͤßern vorzieht, mancher gezaͤhmte Kranich ſie ſogar, wenigſtens die großen, gaͤnzlich verachtet. Von den freien Krani⸗ chen werden ſie daher nur dann aufgeſucht, wenn die Jahreszeit ihnen gerade nichts Beſſeres darbietet. Viel lieber ſind dagegen allen Kranichen Maͤuſe und Spitzmaͤuſe, die auch die wilden haͤufig be⸗ ſchleichen und zu erwiſchen wiſſen. Hieraus iſt zu ſchließen, daß ſie zarte junge Voͤgel, wenn ihnen ſolche in den Wurf kommen, ge— wiß auch nicht verſchonen, da Gezaͤhmte nicht ungern dargebotene kleine Voͤgel nehmen und ſammt den Federn verſchlucken. Die im Winter zuweilen in unſern Gegenden bleibenden Kra⸗ niche halten ſich meiſtens an den offnen, von Eiſe frei bleibenden Stellen in den Bruͤchern und deren Naͤhe auf, wo ſie die im Schlamme verſteckten Froͤſche und Waſſerinſekten aus dem Winterſchlafe hervor holen und ihre Schlupfwinkel genau zu kennen ſcheinen, auch hin und wieder ſogar unter nahen Baͤumen das alte Laub umwenden und allen alten Wuſt durchſtoͤren, unter dem Mooſe, auch unter Steinen, Raſenſtuͤcken, an alten Staͤmmen, die ſie deshalb zuwei⸗ len zerſtuͤckeln oder die alte Borke los hacken, nach dort verſteckten Inſekten und Gewuͤrme ſuchen, aus dem Moraſt ſchmierige Wur— zeln und Struͤnke von mancherlei Sumpfpflanzen hervor ziehen und theilweiſe genießen, an quelligen Orten immerfort gruͤnende zarte Graͤſer und allerlei Pflanzenkeime und junge Sproͤßchen finden, die ihnen ebenfalls angenehme Nahrungsmittel ſind, wo die Felder frei von Schnee auch auf die grüne Saat gehen und von dieſer geniee ßen und ſich ſo ziemlich gut durch den Winter bringen. Treten harte Froͤſte ein oder faͤllt ein Mal der Schnee etwas ſtark, dann leiden fie, wenn ſolche Perioden nicht recht bald voruͤber gehen, frei⸗ lich viele Noth. Man weiß, daß dieſe ſonſt ſo ſcheuen Voͤgel vom Hunger abgequaͤlt und von der Kälte erſtarrt in einem faſt bewußt⸗ loſen Zuſtande angetroffen und mit den Händen gefangen wurden. Ein Paar ſolcher erholte ſich in der Gefangenſchaft bald wieder und bot nachher aͤhnliche Beweiſe von großer Zaͤhmbarkeit und außeror⸗ dentlicher Klugheit, als jene jung aufgezogenen Kraniche des Frei⸗ herrn von Seyffertitz. Unſer Kranich trinkt viel und wo er es haben kann auch oft, zumal wenn er hartes Getraide in Menge genoſſen hat. u XII. Orb. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 375 Er wechſelt daher nach abgehaltener Sättigung vom Waſſer zum Trocknen mehrere Mal an einem Tage. Auf dieſen Flügen machen große Heerden meiſtens viel Laͤrm. Seine Loſung (Excremente) iſt ganz anders als die der Reiher und Stoͤrche, nur wenig (bloß im Winter etwas mehr) von der kalkartigen weißen Fluͤſſigkeit, im Uibrigen theils breiartig, theils noch conſiſtenter und cylinderfoͤrmig, graugruͤnlich oder gelbbraͤunlich, weiß durchmiſcht, vom vielen Genuß des Getraides faſt broͤcklich, öfters mit kleinen Stuͤckchen von Käfer: flͤgeln und Beinen durchmiſcht, im Ganzen denen der Trappen und wilden Gaͤnſe ſehr aͤhnlich. f In der Gefangenſchaft iſt der Kranich ſehr leicht zu unterhal- ten, weil er bei bloßem Getraide ſich ſchon recht wohl befindet, da- neben auch Brod und gekochte Kartoffeln genießen lernt, manche auch klein geſchnittene Ruͤben, Kohl, Obſt und Stuͤckchen Fleiſch annehmen, wenn er frei herum gehen kann, ſich auch mancherlei In⸗ ſekten fängt, ſich Regenwuͤrmer aufſucht, hin und wieder ein Maͤus⸗ chen erwiſcht und dann ſich noch weit beſſer befindet. In der Lieb⸗ haberei zu dieſem oder jenem Nahrungsmittel giebt es individuelle Verſchiedenheiten und mancher frißt das gern, was der andere durch— aus nicht mag. Der zahme Kranich meines Vaters wurde meiſtens mit Erbſen gefuͤttert, weniger lieb war ihm Waitzen, noch weniger Gerſte, doch dieſe bei Weitem lieber als Hafer; Roggen mochte er ungern. Aus Gruͤnem, mochte es auch Namen haben welche es wollte, machte er ſich gar nichts, eben ſo aus großen Froͤſchen, nur kleine fraß er, doch ungern; viel lieber als dieſe waren ihm Maͤuſe; kleine Voͤgel, ſelbſt gerupfte, wollte er gar nicht; nach Kaͤfern und Inſekten aller Art war er ſehr begierig, bezeigte ſeine Freude, wenn ihm mein Vater welche brachte und verſchluckte ein Mal einen hal⸗ ben Hut voll Maikaͤfer hintereinander, obgleich er ſonſt ſehr maͤßig war, wie andere ſeiner Art es zu ſein pflegen, zwar oft, aber nie viel auf ein Mal fraß und fleißig dazu trank. Er fing die Fliegen an der Wand weg und in ſeinem Gaͤrtchen ſtellte er allen Inſekten und den Regenwuͤrmern beſtaͤndig nach, grub der letztern wegen den Boden deſſelben durchgehends bis in die Winkel um und wieder⸗ holte dies ſo oft, daß es ſeine liebſte Beſchaͤftigung zu ſein ſchien, wie er denn auch immer, wenn ihm wohl war, ſich in Thaͤtigkeit befand und wenn es nichts weiter zu thun gab, ſich mit Tanzen be⸗ luſtigte, oder tuͤchtig ſchrie und dazu hin und her ſprang. Will man die Jungen aufziehen, ſo geſchieht es am beſten zu⸗ erſt mit Regenwuͤrmern, Kaͤfern und kleinen Thaufroͤſchen; fie ge⸗ 1 376 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. woͤhnen ſich indeſſen ſehr bald an Brod, das man ihnen im Waſſer, in kleine laͤngliche Biſſen zerſchnitten, vorſetzt. Kleine Fleiſchſtuͤck⸗ chen, ſogar kleine Voͤgel ſammt den Federn, Maͤuſe und Froͤſche ver⸗ ſchlingen ſie auch, die drei letztern aber nur wenn ſie ihnen zuvor die Knochen zerſtoßen und ſie ſo ganz welk gemacht haben; man ſieht ſolche dann als Beule außen am Halſe und wie ſie allmaͤhlig den Schlund hinab rutſchen. Die des Baron v. Seyffertitz waren luͤſtern nach Kuchen, Semmel, Zwieback und ſogar gebratenem Fleiſche, ihr regelmäßiges Futter war jedoch im Anfange Brod im Waſſer geweicht, was ſie, wenn man es ihnen trocken gab, auch ſelbſt zuvor ins Waſſer legten, ſpaͤter es aber trocken genoſſen und zwar am liebſten recht hartes und die Rinde davon. Sie bekamen es regelmaͤßig drei Mal taͤglich, kamen zur beſtimmten Zeit unter die Fenſter und meldeten ſich dazu; hoͤrte man nicht nach ihnen, ſo gingen ſie in die Kuͤche, forderten es von der Koͤchinn, der ſie es begreiflich zu machen wußten, auf welche Weiſe ſie es wuͤnſchten, aus der Hand, vom Boden oder aus ihrer Waſſerſchuͤſſel. Dieſe, ihre Pflegerinn, kannten ſie an der Stimme, ſogar am Gange, wenn ſie ſie nicht ſahen, und wenn ſie abweſend war, ſuchten ſie dieſelbe in allen Gemaͤchern. Spaͤter bekam der eine, als der andere weg war, auch Getraide, zog Waitzen allem andern vor, zupfte ſich zur Erndtezeit die appetitlichſten Aehren von den Getraidewagen, hackte die Koͤrner aus und verſchluckte ſie. Dieſer Kranich fraß auch (wie andere) Pflaumen, aber nur wenn er ſie ſich von den niedrigen Zweigen ſelbſt pfluͤcken konnte, wunderlich genug aber keine, welche von ſelbſt vom Baume herabgefallen waren. — Sie trinken ſehr viel, ſchnattern im Waſſer wie Enten oder Gaͤnſe und verlangen es rein, daher oft friſches. Die oben erwaͤhnten kippten abſichtlich ſchmutziges ſogleich aus und gaben zu verſtehen, daß man ihnen friſches bringen ſolle; wenn dieſes geſchahe, waren ſie beruhigt und erquickten ſich ſichtlich daran. | Fortpflanzung. Der gemeine Kranich pflanzt ſich auch ſchon in den Ebenen des nordoͤſtlichen Deutſchlands ziemlich haͤufig fort, namentlich in Mecklenburg, Pommern, den Marken, Niederſchleſien und der Lauſitz; auch in der Gegend von Eilenburg, Torgau und Wittenberg und in Anhalt jenſeils der Elbe, namentlich * XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 377 zwiſchen den Doͤrfern Doberitz und Ha gendorf giebt es niſtende Kraniche. Daß dies jenſeits der Oder, in Polen, Preußen und vielen andern von uns oͤſtlich und noͤrdlich gelegenen Laͤndern noch viel haͤufiger iſt, wurde ſchon oben bemerkt. 8 Buſchreiche, ausgedehnte, tiefe, wenig von Menſchen ) Suͤmpfe, vorzüglich Erlenbruͤcher, wo auf dem moorigen Boden dieſe Holzart nicht beſonders gedeihet, nur als Buſchholz gezogen wird, wo zwiſchen den alten, einige Fuß hohen, umfangsreichen Stoͤcken oder Staͤmmen deſſelben tiefer Moraſt befindlich, welcher nur in harten Wintern bei heftigen Froͤſten zugaͤnglich wird, wo — jedoch noch nicht alle dazwiſchen vorhandene, brackige Quellwaſſer zufrieren, zum Theil ſchwankenden Moraſt bilden, Orte von dieſer unfreundlichen Beſchaffenheit, die im Sommer zum groͤßten Theil unzugaͤnglich ſind, wenn ſie auch von mehren Seiten von wirklichem Wald umgeben, einerſeits aber an offenes Feld und Wieſen gren⸗ zen, waͤhlt unſer Kranich in den meiſten Gegenden zur Vollziehung ſeiner Brutgeſchaͤfte. Auch in großen freien Suͤmpfen ſind es nur die tiefſten, am ſeltenſten beſuchten, mit Buſchwerk von Weiden und Erlen untermiſchten Stellen, ſo weit wie moͤglich vom Rande des Sumpfs, wo er ſein Neſt anlegt. Dieſes ſteht immer an einer Stelle, wo man es gewoͤhnlich nicht vermuthet, weil ſie die Alten nicht verrathen, meiſtens weit vom Ufer an einem nicht ohne Ge— fahr zu erreichenden und zwiſchen dem Gebuͤſch, Schilf und andern Sumpfpflanzen verſteckten, ſtillen Plaͤtzchen. Jedes Paar hat ſeinen Bezirk, in deſſen Naͤhe es kein anderes duldet, und dieſer iſt von ziemlichem Umfange. Es giebt daher im Fruͤhjahr oft Uſurpatoren und dann Streit unter den Kranichen einer Gegend, wobei ſie ſich tuͤchtig zauſen und viel ſchreien. Daß auch aus Eiferſucht, der Weibchen wegen, Raufereien vorfallen ſollten, iſt vielleicht nur Ver⸗ muthung, weil man gewoͤhnlich nur die Maͤnnchen im Kampfe ſieht. Ein Kranichpaar koͤmmt in jedem Frühjahr wieder an denfel- ben Brutort, an dem es in den vorigen Jahren feine Brut aus⸗ brachte. Wenn es nun, wie gewoͤhnlich, im Fruͤhjahr daſelbſt an— kam, ſich zeigte, nach einiger Zeit aber nicht mehr und auch kein anderes geſehen wurde, und im April und Mai auch noch keins dort war, ſo folgerte man daraus, daß dieſer Sommer heiß, trocken und ſehr arm an Regen werden und das Waſſer der Gegend fo weit austrocknen wuͤrde, daß den Kranichen kein Plaͤtzchen verbleibe, wo fie mit der gewohnten Sicherheit und Ruhe ihre Eier ausbruͤ— ten koͤnnten; dies Alles wuͤßten ſie vorher und vermieden deshalb 378 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. lieber ſolche Gegend, bis ein folgendes Jahr ihnen wieder einen beſſern Bruͤteplatz von der gewuͤnſchten Beſchaffenheit daſelbſt be: reite, wo ſie dann wieder dahin kaͤmen u. ſ. w. Dieſe Beobach⸗ tung iſt gewiß nicht ohne Grund, wenn man weiß, daß etwas ganz Aehnliches auch bei andern Sumpf- und Waſſervoͤgeln vorkoͤmmt, von denen ich nur die Graugaͤnſe nenne, bei denen es am auffallend» ſten iſt, und daß Sommer von entgegengeſetzter Beſchaffenheit an jenen Orten ebenfalls ſchon im Fruͤhjahr, durch das ungewoͤhnliche Eindraͤngen mehrerer Kranichpaare angekuͤndigt werden. N Sobald die Kraniche bei uns ankommen, gegen Ausgang des Maͤrz oder in den erſten Tagen des April, nehmen die, welche da bleiben wollen, von ihren Bruͤteplaͤtzen Beſitz und kuͤmmern ſich weiter nicht um die uͤber ſie hinziehenden. Erſt wenn die Suͤmpfe grüner werden und die Baͤume Laub bekommen, bauet jedes Päär- chen fein einſames, kunſtloſes Neſt, zwiſchen Pflanzengeſtruͤpp und tiefen Moraſt moͤglichſt verſteckt, auf ein trocknes Plaͤtzchen, einen erhoͤheten Schilf- oder Seggenhorſt, einen niedergedruͤckten Weiden⸗ oder Erlenbuſch, einen abgehauenen Erlenſtamm, oder auch nur in hohes Gras und Binſen. Es iſt ſehr flach, aber ziemlich groß, ohne aus ſehr vielem Material zu beſtehen, hat zur Unterlage faſt immer duͤrre Reiſer, manches mehr, ein anderes weniger, dann fol— gen trockne Halme und Blaͤtter von Rohr, Schilf, Binſen und altem Graſe, die in der Mitte eine geringe Vertiefung bilden, in welcher nachher die Eier liegen. Es iſt ein loſes, niedriges, weit uͤber 2 Fuß breites Geflecht von weniger Dauer. Hoͤchſt merkwuͤrdig iſt das Benehmen der Kraniche am Niſt⸗ orte, ſo daß man kaum begreift, wie der auffallende, große Vogel es anfaͤngt, ſo wenig bemerkt zu werden, oder wenigſtens den Platz des Neſtes, im engern Sinne, nicht zu verrathen. Er läßt den Beobachter nur ahnen, in dieſem großen Sumpfe muͤſſe er irgendwo ſein Neſt haben, aber die Stelle ſelbſt weiß er jenem dadurch ſtets zu verbergen, daß er ſich von Weitem her ihr jederzeit nur zu Fuß, in gebuͤckter Stellung und unter dem Schutze hoher Pflanzen und des Gebuͤſches naͤhert, daß das auf dem Neſte ſitzende Weibchen, bei annahender Störung, ſich von demſelben eben fo verſteckt davon, ſchleicht und weit vom Neſte aus dem freiern Sumpfe erſt auffliegt und ſichtbar wird, oder auch wol, wenn ihm der Laͤrm nicht gar zu nahe kommt, gar nicht heraus fliegt. Es iſt daher das Plaͤtzchen ſo ſchwer auszumitteln als es, wenn auch dieſes durch beſondern NI. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 379 * Zufall gegluͤckt wäre, muͤhſam iſt, fi . 1 tiefen Moraſtes wegen zu naͤhern. ö Die Zahl der Eier iſt nie mehr als 2. Dieſe Eier ſind a um vieles größer als die des weißen Storchs und eben ſo groß als die größten der Graugans oder die einer Hausgans, im Durchſchnitt gemeſſen gewöhnlich 3 Zoll 7 Linien lang und 2½ Zoll dick. Sie haben eine ſchoͤne Eigeſtalt und die groͤßte Breite liegt der Mitte nahe, manche ſind ſtaͤrker, andere ſchwaͤcher zugerundet, an der Spitze immer ſchwaͤcher als am entgegengeſetzten Ende. Sie haben eine ſtarke, feſte Schale von einem groben Korn und auf der Oberflaͤche viele Poren, die dieſe etwas rauh oder fo weit uns eben machen, daß ſie ohne Glanz erſcheint. Ihre Grundfarbe iſt ein ſehr bleicher Anſtrich von einer braungruͤnlichen Faͤrbung, mit ſehr vielen roͤthlichaſchgrauen Punkten, kleinern und groͤßern Flecken unter der Oberflaͤche, mit eben ſo gefaͤrbten, deutlichern auf der Oberflaͤche, außer dieſen aber noch mit vielen Punkten, Zuͤgen, Elei: nen und großen unregelmaͤßigen Flecken, von einem nicht ſehr dun⸗ keln Olivenbraun, welche gewoͤhnlich gegen die Spitze einzelner, gegen das ſtumpfe Ende aber ziemlich haͤufig ſtehen, auch ſind die groͤßern Flecke in der Mitte oft dunkler braun, uͤberhaupt alle dun⸗ keln Flecke und Punkte nicht ſcharf gezeichnet, das ſtumpfe Ende ganz unten zuweilen von den vielen verſchieden gefaͤrbten Flecken wie marmorirt. Es giebt dichter und ſparſamer, deutlicher und un: deutlicher gefleckte und fo mancherlei Abweichungen. In den Samm⸗ lungen werden fie noch bleicher, die Grundfarbe verliert das Gruͤn— liche, und bekoͤmmt einen ſchwachen roͤthlichen Schein. Die ganze Faͤrbung iſt ſchwer recht deutlich zu beſchreiben. Sie aͤhneln darin manchen Eiern des großen Trappen ganz ungemein, ſo daß ſie leicht zu verwechſeln waͤren, wenn ſie nicht ſtets eine bedeutendere Groͤße unterſchiede; auch haben die Trappeneier eine auffallend glat— tere Oberfläche und etwas Glanz, wogegen die Kranicheier ganz matt ausſehen, auch etwas deutlicher gefleckt ſind. Uiber die Brutgeſchaͤfte und die Dauer derſelben fehlt es zur Zeit noch ganz an Beobachtungen. Ich wohnte den niſtenden Kra— nichen nicht nahe genug, um ſelbſt etwas davon entdecken zu koͤn⸗ nen, was auch wol, ſogar aus der Naͤhe, mit großen Schwierig— keiten verknuͤpft ſein moͤchte. Man darf indeſſen mit groͤßter Wahr⸗ ſcheinlichkeit wenigſtens glauben, daß Männchen und Weibchen ab: wechſelnd bruͤten, weil eins wie das andere, fuͤr jedes Ei einen 380 XII. 9 LXIX. Gatt. 261. W Kranich. rundlichen Brutfeck alſo deren zwei, an jeder Seite des Bauches oder vielmehr der Unterbruſt einen, haben. Die Jungen find vom Ei ab mit graubraunen Dunen beklei⸗ det, bleiben nur einige Tage im Neſte und werden anfaͤnglich von den Alten wahrſcheinlich aus dem Kropfe geaͤtzt, weil man an ers wachſenen gezaͤhmten ſahe, daß fie ſich zuweilen wie Tauben ſchnaͤ⸗ belten. Wenn ſie das Neſt verlaſſen haben, lernen ſie allein freſſen, weil es ebenfalls jung eingefangene ohne Umſtaͤnde thaten. Wegen der ausgezeichneten Laͤnge ihres Halſes und ihrer Fuͤße mit den dicken Gelenken, haben die jungen Kraniche ein ſonderbares Ausſehen. Sie laufen ſchnell, verkriechen ſich gut und liegen dann ſtill, wie die Jungen von Huͤhner- oder Schnepfenvoͤgeln, huͤten ſich aber ſehr, ſich ohne hoͤchſte Noth durch ihre piepende Stimme zu verra⸗ then. Fallen Stoͤrungen am Geburtsorte vor, dann fuͤhren ſie die Alten oft weit weg, zuweilen ſogar auf das Feld ins lange Ge: traide, namentlich, wie ſchon erwaͤhnt, auf die Schotenaͤcker, wo ſie, wenn die Ausſaat uͤppig empor gewachſen iſt und eine große Flaͤche bedeckt, auch ſonſt keine Stoͤrung da vorfaͤllt, verweilen und ſich zwiſchen den Ranken trefflich verbergen, bis ſie fliegen koͤnnen. Die Alten ſind nur bei ihnen, wenn ſie ſich unbeobachtet glauben, in andern Fallen halten fie ſich fern und verrathen fie durch ihr Benehmen ſo wenig, wie fruͤher das Neſt; ſogar wenn ihnen die Jungen von Menſchen geraubt werden, bleiben ſie fern, zeigen zwar viel Unruhe und Angſt, huͤten ſich jedoch ſo nahe zu kommen, daß ihnen irgend Etwas, ſelbſt keine Buͤchſenkugel, lebensgefaͤhrlich wer: den kann. Als Herr von Seyffertitz die oben erwähnten Sun: gen in einem tiefen Sumpfe muͤhſam aufſuchen ließ, verrieth ſich der eine dieſer erſt, als er den andern, bereits Tags zuvor eingefange⸗ nen, vermißte, durch ſein ununterbrochenes, klagendes Piep oder Wieb, und war daher leicht aufzufinden. Die Alten hielten ſich dabei in großer Entfernung und waren nicht zu ſchießen, kamen aber nachher, auch in groͤßter Hoͤhe ſchwebend und ſtark ſchreiend, was die Jungen durch ihr Wieb beantworteten und ſehnſuchtsvoll nach ihnen hinauf ſchaueten, taͤglich mehrere Male uͤber das Ge— hoͤfte, in welchem die Jungen eingeſperrt waren und gaben ſie erſt nach einigen Tagen auf. Ihr leiſes Gehoͤr, ſcharfes Geſicht, ihre große Kinderliebe und ſcheue Vorſicht zeigten ſich hierbei im vollſten Lichte. Dieſe Jungen waren erſt zu Anfang des September ganz befiedert und erwachſen; die veränderte Lebensart hatte doch, bei aller ſorglichen Pflege, ihren Wachsthum um einige Wochen aufgehalten. * En. XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 381 Die jungen Kraniche Werden erſt im dritten he ihres Le⸗ bens mannbar. Sie ziehen abgeſondert, mit den Schaaren der Uibrigen im Herbſt weg, kehren im Fruͤhjahr mit ihnen wieder, trennen ſich aber dann ganz von den Alten und verleben den zweiten Lebensſommer meiſtens einſam an abgelegenen Orten, bis ſie wieder mit den andern wegziehen, wiederkehren und dann ſich fortpflanzen. Solche einjähe rige Kraniche ſtreichen allenthalben herum, doch felten in folche Ge: genden „wo ſich ſonſt nicht oft Kraniche niederlaſſen; fie halten ſich mehr in ſolchen auf, wo gewoͤhnlich auch Kraniche bruͤten. . Es iſt nicht wohl zu begreifen, was Temminck (a. a. O.) vom Niſten unſres Kranichs auf den Dächern einſam gelegener Ge⸗ baͤude ſagt, was ſo durchaus gegen das ganze Weſen dieſer Art ſtreitet, daß dabei nur grobe Taͤuſchung zu Grunde liegen kann. — Nicht beſſer ſteht es mit der Angabe mancher Schriftſteller, daß der Kranich ſeine Eier reitend ausbruͤte, naͤmlich ſeine langen Beine zu beiden Seiten des Neſtes herabhaͤngen ließe. Die ganz gewoͤhn⸗ liche runde Form des Kranichsneſtes ſeinem Umfange nach, ſeine be⸗ deutende, gleichfoͤrmige Breite ringsum, bei überall gleichem Durch- meſſer, machen dies rein unmoͤglich; nicht zu gedenken, daß der Bau eines Vogels eine ſolche Stellung gar nicht erlaubt, wozu das Neſt nur handbreit ſein duͤrfte und auf ſolcher ſchmalen Flaͤche 2 ſo große Eier nicht nebeneinander liegen koͤnnten, was ſie doch muͤſſen, wenn die Brutflecke der Alten nicht umſonſt neben einander geſtellt ſein ſollten. Dieſe Betrachtungen werden hinreichen dieſe erdichtete Art zu bruͤten — denn geſehen hat ſie gewiß niemand — zu den Hirn⸗ geſpinnſten zu zaͤhlen. Ä de un. oe Man fagt, daß die Adler zuweilen junge Kraniche fingen, ob auch alte, iſt nicht bemerkt, doch deutet wol die große Furcht ge⸗ e ſelbſt vor kleinen Raubvoͤgeln, auf ſo etwas hin. In ſeinem Gefieder wohnt haufig ein Schmarotzerinſekt, Phi- lopterus ebraeus, Nitzsch, in ſeinen Eingeweiden aber Wuͤrmer, Distomum Gruis, des Wiener Verzeichniſſes. ange d Der Kranich gehört in einigen Ländern zur hohen, in den meiſten zur niedern Jagd, und in noch andern, wo er vielen * 382 XM.Drbn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. Schaden am Getraide thut, iſt es ſogar jedem erlaubt ihn zu fan⸗ gen oder zu ſchießen. Da er bei Weitem vorſichtiger und ſcheuer als Trappen und wilde Gaͤnſe iſt, ſo gelingt es dem Jaͤger nicht oft einen zu er⸗ legen, eben ſo wo Tauſende vorbei ziehen oder ſich niederlaſſen, als auch an den Niſtorten. Nur der Zufall, ein ganz unerwartetes Ge— ſchick, bringt ihn hoͤchſt ſelten vor das Rohr des Schuͤtzen, am erſten 50 wenn zuruͤckgebliebene im Winter in Noth kommen oder wenn Fruͤhjahr ein Nachwinter mit vielem Schnee die Kraniche auf N Zuge überrafcht, wo fie dann oft niedrig fliegend und regellos Gegenden durchſchwaͤrmen und nach ſchneefreien Stellen ſuchen, wo ſich ſonſt nie einer niederlaͤßt. Auf Feldern, wo ſie regelmaͤßig alle Fruͤhjahr auf die friſchbeſaͤeten Aecker kommen, kann man ihnen an einem in die Erde gegrabenen Loche, wie zu anderm Wildpret ge— woͤhnlich, doch moͤglichſt enge gemacht, in einem erdfarbigen An— zuge, niedergedruͤckt und ſich nicht ruͤhrend, auflauern; aber auch hier wird es dem Zufall uͤberlaſſen bleiben, ob ſie den Zug nahe beim Loche vorbei nehmen, oder ſich nahe genug neben ihm niederlaſſen wollen, um mit Erfolg zum Schuſſe zu kommen. An einem Feld⸗ teiche, wo wir Tags vorher ihre Faͤhrten fanden, erlauerten wir ſie am naͤchſten Tage, ebenfalls aus einem Erdloche. Iſt ein Mal an ſolchem Orte nach ihnen geſchoſſen, ſo koͤmmt die naͤmliche Schaar nicht wieder dahin. In den Bruͤchern, wo ſie uͤbernachten wollen, der Schuͤtze ſich aber gewoͤhnlich nicht gut verbergen kann, iſt das Gelingen des Anſtandes auch wieder bloß zufaͤllig, naͤmlich wenn die Kraniche recht ſpaͤt, indem es bereits ſehr dunkelt, daſelſt an— kommen, weil ſie, wie ſehr viel andere Voͤgel, dann viel ſchlechter ſehen als am Tage. Daß die ſchlauen Kraniche keinem Menſchen trauen, weder den auf und bei einem Wagen, noch ſonſt bei an— geſpanntem Zugvieh, weder den mit Feldarbeit beſchaͤftigten noch dem friedlichen Hirten bei ſeiner Heerde, auch nicht dem als Laſttraͤger oder Frauenzimmer verkleideten und mit aller Umſicht zu Werke ge: henden Jaͤger, iſt ſchon oben bemerkt; ſolche Maskeraden helfen zu nichts. Wenn fie im Frühjahr an einem Waſſer ſich niedergelaſſen, auf welchem man mit einem Kahne fahren kann, fo halten fie zu: weilen auf Buͤchſenſchußweite vor diefem aus, wenn der Lenker des Kahns wie der Schuͤtze ihre Sache gut verſtehen und in dieſer Art Jagd Erfahrung haben. Ob ſie vor dem beim Rebhuͤhnerfange (VI. Seite 524 d. W.) gebraͤuchlichen Schilde oder Kuh ſchuß— maͤßig aushalten, haben wir nicht verſucht, bezweifeln es aber nicht; . * * 8 ö XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gem einer Kranich. 383 das Schild müßte aber anders eingerichtet und größer fein. Noch beſſer waͤre dazu ein tragbares, enges, ringsum geſchloſſenes, glocken⸗ foͤrmig ausgeſpanntes, von leichtem erdfarbigen Zeuche verfertigtes Zelt, das durch eine beſondere, an den Schultern angebrachte, Vor⸗ richtung, ſchwebend uͤber dem Kopfe des Schuͤtzen erhalten wuͤrde, ihn nicht am Gehen verhinderte und bis an die Fußknoͤchel ver⸗ birge, vor dem Geſicht deſſelben bloß einen offenen Schlitz fuͤr das Gewehr habe, u. ſ. w. Alle ſolche Vorrichtungen, wobei dieſe ſchlauen Voͤgel nichts von dem dahinter verſteckten Menſchen gewah⸗ ren, fuͤhren noch am erſten zum Ziele. | Der fluͤgellahm geſchoſſene Kranich läuft gewöhnlich fo ſchnell er kann, ſchreiet beim Einholen betaͤubend und wehrt ſich tapfer mit Schnabel und Krallen; vor erſterm hat man ſich, da ſeine heftigen Hiebe nach den bloßen Theilen und nach den Augen gehen, ſehr in Acht zu nehmen; deshalb ſind auch unvorſichtige Jagdhunde nicht zuzulaſſen. N Fangen kann man den Kranich am leichteſten in den oft in dieſem Werke beſchriebenen Laufſchlingen, welche ſtark und gut befeſtigt fein muͤſſen, und welche man da aufftellt, wo man dieſe Voͤgel am oͤfterſten weiden oder an der Traͤnke ſahe. Aus leicht zu errathenden Urſachen bleibt dieſer Fang jedoch auch ſehr dem Zu— fall uͤberlaſſen. Der Vorſchlag — denn ein ſolcher mag es nur ſein — ein tiefes Loch zu graben, Getraide hinein zu ſtreuen und oben am Rande eine Schlinge zu legen, durch welche der nach den Koͤrnern hackende Kranich den Kopf ſtecken und ſich ſo fangen ſolle, klingt eben ſo laͤppiſch, wie der von der Papiertuͤte, deren innerer Rand oben ringsum mit Vogelleim beſtrichen werden ſoll, in welcher unten Erbſen ſtecken, damit, wenn der Kranich dieſe her— ausholen wolle, die Tuͤte ihm am Kopfe kleben bleibe und er ſo geblendet waͤre; beide haben nicht ein Mal die Wahrſcheinlichkeit des Gelingens fuͤr ſich. In fruͤhern Zeiten, als die Falknerei bei uns noch im Flor war, ließ man auch abgerichtete Falken gegen den Kranich los und dies gewaͤhrte dieſelbe Jagdluſt wie bei der Reiherbaitze. Seine Faͤhrte iſt der des weißen Storchs ſehr aͤhnlich, aber daran auffallend genug verſchieden, daß ſich die hoͤher ſtehende und viel kleinere Hinterzeh ſehr ſelten abdruckt und wo ſie dies that, wie im tiefern Schlamme, doch durch ihre geringere Groͤße deutlich von der der Stoͤrche zu unterſcheiden iſt. Mit der Reiherfaͤhrte kann ſie gar nicht verglichen werden. 384 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemeiner Kranich. 1 N. u, Fee n. 38 In vielen Gegenden haͤlt man das Wildpret eßbar, in manchen, wo er zur hohen Jagd gehoͤrt (beſonders in fruͤhern Zeiten), ſogar für ein Herrengericht, in noch andern wirft man es mit dem von Stoͤrchen und Reihern in eine Kategorie und ißt es nicht. So viel iſt gewiß, daß junge Kraniche recht wohl— ſchmeckend ſind, daß man ſie in Polen und wo ſonſt viele niſten, jung einfaͤngt und ſie dazu ordentlich maͤſtet. — Die Federn ſind brauchbar, auch die Spuhlen, ſtehen aber vielen andern weit nach. Die gekraͤuſelten Federn des Hinterfluͤgels gebraucht man hin und wieder noch zum Schmuck; ich ſahe ſie z. B. in Ungarn auch die Nationalmuͤtze der Vornehmen zieren. Sie geben einen beſcheid— nern Putz als die weißen Reiherfedern und ſehen gar nicht uͤbel aus. Als Vertilger vieler Inſekten und ihrer Brut, vor Allen der Heuſchrecken und ſchaͤdlichen Kaͤfer, auch der Regenwuͤrmer, wird der Kranich außerordentlich nuͤtzlich, dies aber im Allgemeinen zu wenig beachtet, weil ſeine Schaͤdlichkeit weit mehr in die Augen faͤllt. Diäieſe ſtattlichen Vögel, zumal in imponirender Menge auf dem Zuge geſehen, erfreuen jeden Unbetheiligten und das naͤhere Bei⸗ ſammenſein mit Gezaͤhmten gewaͤhrt dem einzelnen Liebhaber ein hohes Vergnuͤgen. Sie werden auch als Wetterverkuͤndiger von denen geachtet, welche auf ihr Betragen fleißig Acht geben. S ch a d Dieſer iſt in der That ſehr betraͤchtlich oder wird es vorzuͤglich zu Zeiten durch die enorme Anzahl dieſer Voͤgel, obgleich der Ein— zelne, im Verhaͤltniß zu feiner Größe, eben kein ſtarker Freſſer iſt. Auf friſch beſaͤeten Aeckern richten die Heere von Kranichen, welche ſich in der Zugzeit dort lagern, zuweilen große Verwuͤſtungen an, theils durch das Ableſen der oben auf liegenden Koͤrner, theils durch das Ausgraben der nur flach mit Erde bedeckten, oder durch das Abweiden der jungen Keime, und endlich auch noch, bei naſſer Wit⸗ terung, durch das Dichttreten des Bodens. Die Erbſenausſaat, als die erſte im Fruͤhjahr und ihm zugleich die liebſte von allen, wird des Kranichs fuͤr XII. Ordn. LXIX. Gatt. 261. Gemein er Kranich. 385 an manchen Orten alle Jahr ſo ſehr von ihm heimgeſucht, daß beim Beſtellen der Aecker ſchon vorlaͤufig auf die Kraniche gerechnet und ſtaͤrker geſaͤtt werden muß, um fo Mißerndten einigermaßen vorzu⸗ beugen. An ſolchen Orten ſind ſie nur durch ſtete Wachſamkeit der Ackerbeſitzer zu verſcheuchen, aber trotz dem iſt ihre oft ungeheuere An⸗ zahl nicht ganz abzuhalten, obgleich fie dabei beſonnen genug blei- ben, um ſich auch hier nicht von ſo maͤchtiger Triebfeder, dem Hun⸗ ger, bethoͤren und mit Schießgewehr ankommen zu laſſen. An vie⸗ len ſolcher Orte iſt es jedem erlaubt, dieſe unverſchaͤmten Gaͤſte zu fangen oder zu ſchießen; allein es bleibt dennoch meiſtens nur bei blindem Laͤrm, um ſie, wenn auch nicht ganz los zu werden, doch zu ſtoͤren, zu aͤngſtigen oder das Mahl zu verleiden. Auf Ruͤgen mag dies ſehr arg, doch nicht mit dem Unfug zu vergleichen ſein, welchen jene Myriaden anrichten, in welchen ſich die Kraniche in ſuͤd— lichen Laͤndern verſammeln, um dort oder in der Naͤhe zu uͤberwin⸗ tern. Alt und Jung der Einwohner muß dort, wenn nur Etwas von den gemachten Ausſaaten uͤbrig bleiben fol, gegen dieſe unab⸗ ſehbaren Heerſchaaren zu Felde ziehen und die alte griechiſche Dich— tung vom Kriege der Pygmaͤen mit den Kranichen verdankt gewiß dem Umſtande ihr Entſtehen, daß man das Abwehren der Schaden verbreitenden Kraniche meiſtens Kindern uͤberlaͤßt, gegen die fie we: niger Furcht als gegen Erwachſene haben. or Theil. | 25 262. Der Jungfern⸗ Kranich. Grus 27g . Cuv. Fig. 1. Altes Maͤnnchen. 5 er ' Fig. 2. Junges Weibchen. Numidiſche Kranich; numidiſche Jungfer; Fräulein aus Nu: midien. Grus virgo. Cuvier's Thierr. überſ. v. Schinz, I. S. 753. — Grus numi- dica. Briss. V. p. 388. n. 12. = Ardea virgo. Gmel, Linn, syst. I. 2. p. 619. n. 2. — Lath. Ind. II. p. 35. n. 2. — La Grue de Numidie, ou Demoiselle Buff. Ois. VII. p. 313. t. 15. — Edit. de Deuxp. XIV. p. 11. t. 1. f. 1. Planch, enl. 241. — Numidian Crane, Albin. III. p. 83, = Demoiselle of Nu- midia. Edw. glan. 134. — Seeligm. Vög. V. t. 29, = Demoiselle Heron. Lath. Syn. III. 1. p. 35. n. 2, Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1 S. 14 n. 2. — Da- migella di Numidia. Savi, Om. tosc. II. p. 334. — Klein, Hiſtorie d. Vög. v. Reyger, S. 127. u. 7. Kennzeichen deer Art Aſchgrau; hinter den Schlaͤfen jederſeits ein Lofer Buͤſchel zar- ter weißer oder hellgrauer Federn; die hintern Schwingfedern ſind verlaͤngert und zugeſpitzt; Geſicht und Kopf ohne kahle Stellen. Bie f cher e i hu ß Dieſer angenehme, mit ganz eigenthuͤmlichen Zierden ausgeſtat⸗ tete, etwas kleine Kranich, ein Bewohner ſuͤdlicher Laͤnder der alten = XII. Ordn. LXIX, Gatt. 262. Jungfern⸗Kranich. 387 Welt, hat erſt ganz neuerlich durch fein Erſcheinen auf Helgo— land das deutſche Buͤrgerrecht erworben. Er iſt mit einer andern Art dieſer Gattung nicht zu verwechſeln, von jeder durch die ſtets deutlich ausgepraͤgten Artkennzeichen und vom gemeinen Kranich, dem er nur in der aſchgrauen Hauptfarbe gleicht, ſogleich an der weit geringern Groͤße kenntlich. In dieſer iſt er kaum mit dem Fiſchreiher zu vergleichen, da fein Rumpf weniger zuſammen gedruͤckt iſt und der ganze Vogel viel ſchlanker ausfieht. Beide Geſchlechter find in der Größe ziem⸗ lich verſchieden, das alte Maͤnnchen gewoͤhnlich 2 Fuß 8 Zoll lang und 5 Fuß 6 bis S Zoll breit; das Weibchen ſelten bis 2 Fuß 6 Zoll lang und 4 Fuß 10 Zoll breit. Der Flügel mißt vom Hand⸗ 5 bis zur Spitze bei jenem 1 Fuß 10 ½ Zoll, bei dieſem 1 bis 2 Zoll weniger; der Schwanz hier 51), Zoll, dort 6 ½ Zoll; die Hoͤhe des alten maͤnnlichen Vogels, von der Krallenſpite der Mittelzeh bis zur Schnabelſpitze 3 Fuß 9 Zoll. Das Gefieder iſt dem des gemeinen Kranichs ſehr aͤhnlich, fühlt ſich aber noch zarter an, iſt ſonſt aber ziemlich derb und ſchließt knapp an. Es deckt auch am Kopfe, welcher keine nackte Stelle hat, gut und iſt nur an den aͤußerſten Spitzen der Stirnfedern haarar⸗ tig, an den Schlaͤfen und der Ohrgegend aber aͤußerſt zart, mit ſehr duͤnnſtehenden Federbaͤrten und hier jederſeits in einem 2 ½ bis 3 Zoll langen, loſen Buͤſchel verlaͤngert, welcher flatternd herabhaͤngt und beſonders bewegt werden kann; am Halſe iſt es ſchmal und zugeſpitzt, auf der Gurgel abwaͤrts immer laͤnger werdend und am Kopfe in einen flatternden Buſch ſchmaler, bandartiger, zugeſpitzter, bis zu 8 Zoll Laͤnge anwachſender Federn uͤbergehend, welche uͤber die Bruſthoͤhle loſe herabhaͤngen. Das kleine Gefieder am Rumpf und den Fluͤgeln iſt ſehr ſanft, in den Umriſſen undeutlich, dieſe aber meiſtens gerundet, nur an den laͤngſten Schulterfedern und den hinterſten großen Fluͤgeldeckfedern lanzettfoͤrmig zugeſpitzt. Die gro⸗ ßen Schwingfedern, von welchen die erſte gegen 1 ¾ Zoll kuͤrzer als die zweite, dieſe aber die laͤngſte iſt, find bedeutend ſtark und hart, vorzüglich ihre ſpitzewaͤrts ein wenig nach innen gebogene Schäfte, ihre Fahnen gehen ohne Abſatz immer ſchmaͤler werdend in die zu— gerundete Spitze uͤber; die der zweiten Ordnung find am Ende ſtumpf zugerundet, weiter nach hinten an Laͤnge zunehmend und ſpitzer, die letzten 4 bis 6 (die ſogenannte dritte Ordnung) noch mehr verlaͤn⸗ gert, bei alten Voͤgeln ſo ſchmal zugeſpitzt und ſo lang, daß ſie gegen 7 Zoll uͤber die Spitze der großen 1 wenn der Fluͤ⸗ 25 . 388 XII. Orbn. LXIX. Gatt. 262. Jungfern⸗ Kranich. gel in Ruhe liegt, hinausragen, in dem die laͤngſte dieſer Zierfe⸗ dern eine Laͤnge von 1 Fuß 3 bis 4 Zoll erreicht. Der kurze, aus 12 ziemlich breiten, zugerundeten Federn beſtehende Schwanz hat ein abgerundetes Ende, doch iſt das aͤußerſte Federpaar gegen 1 Zoll kuͤrzer als die meiſten der mittlern; bei ruhendem Fluͤgel reichen die Schwingenſpitzen bis an ſein Ende oder noch ein Wenig uͤber daſſelbe hinaus. Der Hals ſcheint nach Verhaͤltniß zur uͤbrigen Groͤße etwas kuͤrzer, Kopf und Schnabel merklich kleiner als beim gemeinen Kranich; die uͤbrige Koͤrpergeſtalt iſt die naͤmliche. Der Schnabel hat die Laͤnge des Kopfs, beide ſind jedoch klein zu nennen. Die Geſtalt des Schnabels wuͤrde ganz die des ge— meinen Kranichs fein, wenn nicht die dicht mit Federchen beklei⸗ dete Haut des Zuͤgels ſich ſpitzwinkelig auf der Naſenhoͤhle ſo weit vordraͤngte, daß ihre Spitze beinahe das wirkliche Naſenloch erreicht. Er iſt gerade, nur oben in der Mitte etwas niedergedruͤckt, nach vorn allmählich verjuͤngt in die gewoͤlbte, ſtumpfe Spitze auslaufend, nach hinten ſtaͤrker zuſammen gedruͤckt, am obern mit ſtark vortretender, leiſtenartiger Mundkante, die am Unterſchnabel nur ganz ſchwach iſt, und mit tiwas erhoͤhetem Seitenrande der bis über die Mitte ab: geplatteten Firſte; der Kiel bis uͤber die Mitte geſpalten, aber enge, ſpitzewaͤrts ganz und ſehr gerundet; die Schneiden hinten ſtumpf, nach vorn und an der zugerundeten Spitze ſcharf, dieſer Theil übers haupt huͤhnerartig, hart, die Wurzelhaͤlfte weich; die große, lange Naſenhoͤhle vorn undeutlich endend, mit einer weichen Haut über: ſpannt, in welcher die laͤnglichovalen, durchſichtigen Naſenloͤcher ſich öffnen, die der Stirn etwas näher liegen als bei der gemeinen Art. Die Laͤnge des Schnabels von der Spitze bis zur Stirn be— trägt 2d bis 2¼ Zoll, bis in den Mundwinkel ½ Zoll mehr; feine Höhe an der Wurzel im Durchſchnitt / Zoll; feine Breite daſelbſt gute 7 Linien. Von Farbe iſt er im getrockneten Zuſtande mattſchwarz gegen die Spitze gelblichhornbraun, am friſchen oder lebenden Vogel von der Wurzel bis uͤber die Mitte dunkelbleifarbig, ins Gruͤnliche ſpielend, am vordern Theile ſchmutzigroͤthlich, an der Spitze braungelblich. Im Frühjahr iſt das Roth am ſtaͤrkſten. Die Augenlider ſind bis auf ein ſchmales Raͤndchen befiedert und ſchwarz; das etwas kleine Auge hat in der Jugend einen brau— nen, im Alter einen dukelrothbraunen Stern. Die Fuͤße ſind lang und ſchwach, ſehen daher ſehr ſchlank aus ziemlich hoch uͤber die Ferſe hinauf nackt; die Schienen rundlich, die All On Ian Gatt. 262. Jung fern⸗Kranich. 389 Läufe auch nur ſehr wenig zuſammengedruͤckt; die Zehen etwas kurz, ſchlank, von den drei vordern die aͤußere und mittlere an der Wur⸗ zel mit einer Spannhaut, die innere frei; die Hinterzeh hochſtehend, uͤber dem Ballen der vordern eingelenkt, ſehr klein und kurz, ſo daß 1 ſtehenden Fußes nur mit der Spitze den Boden berührt, Der ug, eine ziemlich ſtarke Haut, iſt nur vorn herab an den Laͤu⸗ fen, weniger an der Tibia, in mehrere Reihen nicht ſehr großer, ſechseckiger Schilder, auf den Zehenruͤcken in ſchmaͤlere getheilt, ſonſt grob gegittert, an den Zehenſohlen warzig. Die Krallen ſind eben nicht groß, die der innern Zeh die groͤßte, mittelmaͤßig gebogen, ziemlich ſpitz, etwas zuſammen gedruͤckt, unten nicht hohl, die der Mittelzeh auf der innern Seite mit vorſtehender ſchwachen Schneide. Ihre Farbe wie die der ganzen Fuͤße iſt ein glaͤnzendes Schwarz. Der nackte Theil der Schiene, von der Mitte des Ferſengelenks bis n die unterſten Federwurzeln, iſt 3 ½ bis 3 ⅝ Zoll, der Lauf 7¾ N be 75 [a Zoll, die Mittelzeh, mit der 6 Linien langen Kralle, 3 Zoll, die Herze „ mit der faſt 3 Linien langen Kralle, / Zoll lang. Im Jugendkleide hat dieſer Kranich die naͤmlichen Farben, die er in den folgenden Kleidern trägt, fie find jedoch weniger rein, Kopf und Hals faſt einfarbig grau, die Ohrenbaͤſchel kleiner und grauer, die Federn des Hinterfluͤgels und am Kropfe zwar ſpitzer als die übrigen, aber nur von einer nicht ungewöhnlichen Laͤnge, daher von keiner auffallenden Geſtalt; alles ſchwarze Gefieder matter oder fah⸗ ler und wie das andrer junger Vögel mehr dem „ eichen und Unſcheinlichwerden ausgeſetzt. Im Anfange des zweiten Lebensjah⸗ res mauſern fie zum erſten Mal, und ſehen bei dem ederwechſel wie das auf unſrer Kupfertafel Fig. 2. abgebildete junge Weib⸗ chen aus, an dem die Hinterfluͤgel noch keine neue Federn haben. Nach dieſer erſten Mauſer erhaͤlt ihr Ausſehen das alter Voͤ⸗ gel, nur die Zierfedern noch nicht jene Laͤnge und Vollkommenheit als bei zwei⸗ oder mehrmals vermauſerten. Der ganze Oberkopf bis auf das Genick iſt hell aſchgrau, an der Stirn durch die ſchwarzen, in Haare auslaufenden Federſchafte verdunkelt; Zuͤgel und Seiten des Oberkopfes ſchwarz; am hintern Augenwinkel entſpringt ein wei⸗ ßer Streif, welcher ſich uͤber die Schlaͤfe hinzieht und in der Ohr⸗ gegend in wenigſtens 3 Zoll lange, aͤußerſt zarte, mit fein zerſchliſſe⸗ nen, ſchmalen Baͤrten beſetzten Federn uͤbergeht, welche hier einen loſen, weißen Buͤſchel bilden, der hinter dem Ohr an den Halsſei⸗ ten, etwas mondfoͤrmig mit der Spitze nach vorn gebogen, herab⸗ haͤngt und im Winde flattert; der untere Theil des Kopfs, vom 390 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 262. Jungfern⸗Kranich. Kinn und den Zuͤgeln an ſchwarz, ſo der ganze Oberhals bis auf die Mitte herab und der Vorderhals, mit ſeinen immer langer wer⸗ denden Federn, bis auf den Kropf, wo dieſe außerordentlich lang, zugeſpitzt, wie ein Buſch ſchmaler Baͤnder, die jeder Lufthauch be⸗ wegt, uͤber die Bruſthoͤhle lang herabhaͤngen. Der Hinterhals i von der Mitte an, der ganze Ruͤcken, die Schultern, der Buͤrzel, die Schwanzdeckfedern, oben und unten, die Bruſt, Seiten, Bauch und Schenkel, desgleichen alle Flügeldeckſebern ſind hell aſchgrau, ganz vorzuͤglich rein und von einem ſehr ſanften Ausſehen, am Fluͤ⸗ gelrande und an einigen Deckfedern unter dem Fluͤgel mit etwas dunklerm Grau gemiſcht, übrigens am Unterfluͤgel, zumal den lan⸗ gen Achſelfedern das Aſchgrau am hellſten. Alle Schwingfedern ſind ſchieferſchwarz, auch die Daumen- und Fittigdeckfedern, die großen Schwingen am ſchwaͤrzeſten mit braunſchwarzen Schaͤften, auf der Untenſeite braunſchwarz und die Schaͤfte weißgrau ſymmetriſch ge⸗ fleckt; von den außerordentlich langen, lang zugeſpitzten, hintern Schwingfedern find die zunaͤchſt den Deckfedern ebenfalls hellaſch⸗ grau, die folgenden gegen die Spitze hin fchieferfchisarg, die laͤng⸗ ſten faſt ganz ſchwarz, nur an der Wurzel und ihre Schaͤfte ober- waͤrts grau); der Schwanz dunkel ſchiefergrau, an den Enden am dunkelſten, faſt ſchwarz, auf der untern Seite einſach ſchiefergrau. Der Unterſchied zwiſchen beiden Geſchlechtern iſt, außer daß das Weibchen ſtets etwas kleiner iſt, nicht ſehr auffallend; das Schwarze iſt jedoch beim Maͤnnchen dunkler, die Ohrenfedern ſind laͤnger und von einem reinern Weiß, die Kropffedern viel laͤnger, vor allen aber dies die hintern Schwingfedern, zu denen ſich auch noch viele Deckfedern und die laͤngſten Schulterfedern geſellen, die eine aͤhn⸗ liche, langgeſtreckte, ſpiſſige Geſtalt und ſchieferſchwarze Enden haben, wodurch dieſe ſichelfoͤrmig weit uͤber den Schwanz hinabhaͤngende Fe— derpartie noch bei Weitem auffallender wird. Nach der dritten Mauſer veraͤndern ſich dieſe Voͤgel nicht mehr ſehr auffallend; außer daß jene Federzierden an den Seiten des Kopfes, am Kropfe und auf dem Hinterflügel noch mehr vervoll— kommt erſcheinen, die Faͤrbung des uͤbrigens Gefieders noch reiner und am Schnabel, zumal im Frühjahr, lebhafter wird, iſt Fein erheblicher Unterſchied bemerkbar. 5) Dieſe prächtigen Federn find keineswegs die „obern Schwanzdeckfedern“ wie fie fälſchlich in Waglers Syst. av. heißen, ſondern ſtehen, wie bezeichnet, hinten am Flügel. * XII. Ordn. LXIX. Gatt. 262. Jung fern⸗Kranich. 391 Sie mauſern ein Mal im Jahr, in den Sommermonaten, wo dann die noch zwiſchen den neuen ſtehenden, alten grauen Federn mit ihren abgeſchabten und ſchmutzig gewordenen Enden, ſehr gegen die neuen abſtechen und das Ganze, oft nicht zu ſeinem 5 0 ziemlich bunt machen. Aufenthalt. Dieſer Kranich bewohnt Aſien in vielen Theilen, namentlich von Syrien, Perſien und Natolien bis zum ſchwarzen und kaspiſchen Meer, von Hindoſtan bis in die große Tartarei unterhalb des Baikal; in Afrika von Guinea bis zum obern Aegypten faſt alle Zwiſchenlaͤnder, beſonders das alte Numidien und die laͤngs den Kuͤſten des atlantiſchen und mittellaͤndi— ſchen Meeres. Von den letztern ſtreicht er auch, wiewol nicht haͤufig, nach Europa heruͤber, nach Italien, Griechenland und in die europaͤiſche Tuͤrkei. Schon in Toskana wird ein einzeln verirrter Vogel der Art als große Seltenheit betrachtet, und bis nach Deutſchland mag ſich noch viel ſeltner ein ſolcher verfliegen. Nach einer uralten Nachricht ſoll er ein Mal in Oberſchleſien geſchoſſen worden fein. Gewiſſer iſt, was erſt neuerlich oͤffentliche Blätter ver: kuͤndigten, daß in dieſem Frühjahr (1837), wo der für den Zug der Voͤgel ſo verhaͤngnißvolle Nachwinter im April ſo manchen von ſeiner gewohnten Straße verſchlug, auch ſo manchen aufrieb, ein Jungfernkranich auf der Inſel Helgoland erlegt wurde, wodurch dieſe ſchoͤne Art nun auch eine deutſche geworden iſt.“) Er iſt ein Zugvogel, welcher im Sommer nur die waͤrmern Theile der gemaͤßigten Zone bewohnt, in Aſien haͤufigſt bis zum 45. Grad n. Br., in einigen Laͤndern unſers Erdtheiles einzeln nur etwa bis zum 42. Grad, auch nur die mehr oͤſtlich gelegenen, wo er noch re⸗ *) Beiläufig ſtehe hier die Bemerkung, daß die Inſel Helgoland hinſichtlich des Vögelzugs zu den merkwürdigſten Punkten gehört, welche uns Deutſchland bietet, und zwar nicht der nordiſchen Vögel wegen allein, ſondern wunderbarerweiſe auch der ſüdlichen. Es kommen dort eine Menge von Arten durchziehend vor, die man nimmer⸗ mehr daſelbſt vermuthet haben würde, vorzüglich unter den kleinen Singvögeln, wo ich Arten von dort erhielt, die früher z. B. nur im ſüdlichen Sibirien oder in Ae⸗ gypten angetroffen waren, ſogar ganz neue, deren Bekanutmachung ich, um die Anordnung nicht zu unterbrechen, für die Nachträge habe aufſparen müſſen. Da auch der dunkelfarbige Sichler auf Helgoland vorgekommen, war die Nachricht von einem dort erlegten Jungfernkranich wenigſtens keine ganz unerwartete, da beide Vögel⸗ arten gewöhnlich faſt gleiche Länderſtrecken bewohnen und beide gute Flieger find, 392 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 262. Jungfern⸗Kranich. gelmaͤßig einwandert, weiter nördlich. fi aber aͤußerſt fe dann nur vereinzelt verirrt, mit Ende des Sommers dieſe a alle wie: der verläßt und den Winter unter den Wendekreiſen verlebt. Er wandert wie der gemeine Kranich in großen Schaaren, beobach— tet dabei eine gleiche Ordnung und fliegt entweder in einer ſchraͤgen Reihe oder in zwei ſolchen vorn in einem ſpitzen Winkel vereinig⸗ ten Linien. f Seine Aufenthaltsorte ſind bald trockene, bald naſſe Gegenden, große, ebene, zum Theil angebauete Flaͤchen und die ausgedehnten gruͤnen Steppen, wo ſie von Suͤmpfen durchſchnitten werden, oder große Moraͤſte in der Naͤhe der Fluͤſſe und Flußmuͤndungen, an Landſeen und am Meere. Er iſt jedoch kein Seevogel, uͤberhaupt auch mehr auf dem Trocknen als am Waſſer. Hinfichtlich feines Aufenthalts koͤmmt er in den meiſteu Stuͤcken mit unſerm gemei⸗ nen Kranich überein und iſt mehr Feld- als Sumpfoogel. Eigenſchaften. Der Jungfernkranich iſt ein zierlicher, ſchlank gebaueter Vogel, von einem ſo gefaͤlligen Aeußern, daß er von den aͤlteſten Zeiten her bei den alten Roͤmern die Jungfer oder das Fräulein aus Nu— midien hieß, weil er aus dem damals ſo benannten Laͤnderſtrich (dem heutigen Biledulgerid) häufig lebend nach der alten Haupt: ſtadt der Welt gebracht und zum Vergnuͤgen der Großen unter⸗ halten wurde. Seine ſchoͤne Geſtalt, obgleich nur in wenige und ſo beſcheidene Farben gekleidet, wovon das dunkele Schiefer⸗ ſchwarz ſehr angenehm von der Hauptfaͤrbung, dem zarten rei⸗ nen Aſchgrau, abſticht, und die weißen Ohrenbuͤſchel dieſes ſo ſchoͤn heben, bedarf kaum noch des ausgezeichneten Federſchmucks am untern Vorderhalſe uud auf dem Hinterfluͤgel, um ein recht lieb: liches Bild zu vollenden. Hierzu koͤmmt dann noch eine anſtaͤndige, ſtolze Haltung, leichte, zierliche und ſehr veraͤnderliche Bewegun⸗ gen, im Fortſchreiten bald ein komiſcher Ernſt, bald eine anmu— - thige Gewandtheit des lebenden Vogels, die jedermann anſprechen und den Jungfernkranich beliebt machen. Im Gang und Laufe zeigt er ſich noch leichter und grazioͤſer als der gemeine Kra— nich, dem er in den übrigen Stellungen völlig gleicht, den lan⸗ gen duͤnnen Hals ebenſo, bald ziemlich gerade, bald in den ſanften XII. Or dn. LXIX. Gatt. 262. Jungfern Kranich. 393 Schwingungen eines S gebogen u. ſ. w. Steht er aufmerkſam in etwas aufgerichteter Stellung da, wie wenn er eben entfliehen wollte (wie ihn Fig. 1. auf unſrer Kupfertafel darſtellt), fo zeigt er ſich in ſeiner ſchlankſten Attituͤde, doch fallen die herrlichen Zierrathen, die zarten weißen Ohrgehaͤnge, der Buͤſchel langer, baͤnderartiger, im leiſeſten Lufthauch ſich bewegender Federn am Kropfe, und die glatt anliegenden, in einem ſanften Bogen vom Hinterfluͤgel weit uͤber den Schwanz hinausragenden, ſehr langen (nicht ſchlaffen, nicht gekraͤuſelten) ſpießartig zugeſpitzten Federn noch bei Weitem mehr auf, wenn er mit mehr wagerecht getragenem Leibe, ziemlich Sfoͤr— mig gebogenem Halſe, ganz beruhigt da ſteht, oder ſachte fortſchleicht und jene Federzierden loſe herabhaͤngen und im Winde flattern läßt, was jedoch die letztern, ihrer Steifheit wegen, am wenigſten thun. Steht er, wie wol auch zuweilen, mit ziemlich gerade aufgerichte— tem Rumpfe, ſo beruͤhren die Spitzen dieſer 1 Federſpieße, beim alten Maͤnnchen, faſt den Boden. Sein Flug iſt noch leichter und ſchoͤner als der des gemeinen Kranichs, eben ſo oft ſchwebend oder ſchwimmend, außerdem mit großen Fluͤgelſchwingungen; er ſtreckt dabei, wie jener, Hals und Beine in gerader Richtung entgegengeſetzt von ſich, drehet ſich bei ſchoͤnem Wetter oft himmelan und in großen Kreiſen wieder aus der Hoͤhe herab, fliegt auf ſeinen Wanderungen, wie ſchon erwaͤhnt, in der naͤmlichen Ordnung, bald in einer ſchraͤgen Reihe, bald in zweien, wie ein umgekehrtes V ausſehenden; feine ſchlankere und kleinere Figur unterſcheidet ihn jedoch ſchon von Weitem. Er iſt ihm auch in ſeinem uͤbrigen Betragen ſehr aͤhnlich, eben ſo klug, vorſichtig und ſcheu, hat eine aͤhnliche, ſehr weitſchallende, doch etwas ſchwaͤchere und höhere Stimme, iſt auch eben fo geſellig und außer der Fortpflanzungszeit oft in unermeßlichen Schaaren beiſammen. Daß er ſehr leicht zu zaͤhmen iſt, wußte man ſchon im grauen Alterthume; er wird befonders jung aufgezogen ungemein zahm und zutraulich. Sein aͤußerſt kluges Benehmen, ſein friedliches, einſchmei⸗ chelndes Weſen, ſeine meiſtens heitere Laune, die ſich oft in dem mannichfaltigſten Wechſel der Bewegungen, in drolligen Verbeugun⸗ gen, in poſſierlichen Spruͤngen, als wollte er tanzen, ausſpricht und in Uibermuth auszuarten ſcheint, wenn er waͤhrend ſolcher Bock— ſpruͤnge ein Steinchen, Holzſpaͤnchen u. dergl. von der Erde auf: hebt und in die Luft wirft, es im Herabfallen wieder aufzufangen ſucht oder ſich buͤckt und auf die Seite ſpringt, als wenn er ſich vor dem Falle deſſelben fuͤrchtete u. ſ. w., jetzt ernſt und gravitaͤtiſch 394 XII. Ordn. LXIX. Gatt. 262. Sungfern- Kranich. \ aufmarſchirt, dann wieder zierlich einher trippelt, die Fluͤgel lüftet, ſich ſchuͤttelt, die Federbuͤſchel bewegt, daß er ſogar auf Befehl fei- nes Waͤrters oder gar nach der Muſik tanzt und andere Ergoͤtzlich⸗ keiten treibt, erwarben ihm von jeher viele Freunde und machten, daß man ihn häufig in Menagerien und auf Höfen hielt, und ſei— ner mimiſch ſcheinenden Bewegungen wegen mit dem Namen „Men— ſchenaffe“ belegte. Er zeigt ſich in der Gefangenſchaft auch als ein ſehr dauerhafter Vogel, hält viele Jahre aus, pflanzt ſich darin fo- gar fort. In Paris hat man, bis heute, immer mehrere unter: halten, und von einem in Verſailles ausgebruͤteten Jungfernkra⸗ nich ſagt man ſogar, daß er 24 Jahr gelebt habe. N ah er en Dieſe ſucht der Jungfernkranich mehr auf trocknem Boden als im Naſſen, auf Feldern und großen Viehweiden, auf Wieſen und Aeckern, nicht ſelten aber auch im Sumpfe und am Waſſer. Sie beſteht in Koͤrnern, namentlich der Getraidearten und Huͤlſenfruͤchte, theils angebaueter, theils wildwachſender Gewaͤchſe, z. B. mehrerer Astragalus- Arten und ähnlicher Leguminoſen; in den zarten Spitzen mehrerer Grasarten, wie in jungen Blaͤttern, Keimen und Wurzeln verſchiedener anderer Pflanzen; in Inſekten, vorzuͤglich Heuſchrecken und Kaͤfern, aue Inſektenlarven; in Regenwürmern, kleinen Schnecken mit und ohne Gehaͤuſen, und anderem Gewuͤrm; ſeltner in kleinen Amphibien und wol ſchwerlich je in Fiſchen. In der Gefangenſchaft halten ſie ſich, mit Erbſen, Waitzen, Brod, auch gekochten Kartoffeln gefuͤttert, ſehr gut, verlangen viel und oft friſches Waſſer zum Trinken und Baden, und ihr reinliches, ſchmuckes Gefieder, wie ihr heiteres Weſen verrathen dann ihr Wohl— befinden, das bei einiger Freiheit viele Jahre dauern kann. Fortpflanzung. So viel, nach glaubwuͤrdigen Nachrichten, hiervon bekannt, niſtet dieſer Kranich in jenen ſuͤdlichen oder ſuͤdoͤſtlichen, beim Aufenthalt genannten Ländern, in den großen Suͤmpfen, an einſamen, oft un- zugaͤnglichen Orten, wo er ſein Neſt in einen vom Waſſer umgebe— nen Schilf- oder Binſenbuſch, oder, nach andern, auch auf kahlen Boden kleiner Inſelchen bauet und 2 olivengruͤnliche oder graugruͤn⸗ 1 XIX Gatt. 262. . 395 * liche, braun oder roͤthlichbraun gefleckte, geh des großen Trap⸗ pen nicht unaͤhnliche, aber laͤnglichter geſtaltete und auch bedeutend kleinere Eier, etwas groͤßer als Hausenteneier legt. Die Jungen werden bald aus dem Sumpfe in trockenere Gegenden gefuͤhrt und von den Alten ſehr geliebt, auch in Gefahren beſchuͤtzt. Sie ſollen ſehr unvorſichtig ſein, in Taurien haͤufig eingefangen und gezaͤhmt werden, um als Waͤchter in den Haͤuſern zu dienen. f Nach Falk ſoll er auf hohen Baͤumen niſten, was dieſer Schrift⸗ ſteller ebenfalls vom weißen Kranich (Gr. leucogeranos) behaup⸗ tet; von beiden iſt dies jedoch nicht glaubhaft, weil ſie ſich als aͤchte Kraniche wol ſchwerlich auf Baͤume ſetzen moͤgen. 0 Fee i n des N 0 4 Ob und von welchen Thieren der Jungfernkranich angefeindet werden moͤchte, weiß man nicht; wie er denn im Freien uͤberhaupt noch wenig beobachtet oder dieſes nicht bekannt gemacht iſt. 5.09 d Als ein aͤußerſt kluger, mißtrauiſcher und furchtſamer Vogel iſt er ſehr vorſichtig und ſcheu, fo daß er, wie Männer behaup- ten, welche jene Laͤnder bereiſeten, faſt eben ſo ſchwer zum Schuſſe fuͤr die Schrotflinte anzukommen ſei, als bei uns der gemeine Kranich. N u Bern: Man hat ſein Fleiſch nicht unſchmackhaft gefunden; doch ſteht er bei mehrern Nationen als Heuſchreckenvertilger ſo hoch angeſchrie— ben, daß fie ihn eher hegen als tödten. Daß er in manchen Ge: genden als Hauswaͤchter gehalten wird, iſt oben ſchon erwaͤhnt. Sich a d e n Weil er auch gern Getraide frißt und hierin abermals dem ge⸗ meinen Kranich aͤhnelt, mag er auf beſaͤeten Feldern, wenn er ſich in Schaaren auf ſolchen niederlaͤßt, auch wol ſchaͤdlich werden. —— ͤ—————— 396 XII. Ordn. D. Waſſerſtelzen. % 1 D) Waſſerſtelzen. Hygrobatae. Mit kurzem, dicken, ſonderbar in einem Winkel herabgeboge⸗ nen, aufgetriebenen, an der Spitze (gaͤnſeartigen) ſtumpfen Schna bel, deſſen Schneiden nach innen mit lamellenartigen Zaͤhnen beſetzt ſind; mit außerordentlich hohen und ſchwachen, weit uͤber die Ferſe hinauf (faſt bis an den Leib) nackten Fuͤßen, deren Vorderzehen kurz, aber durch volle Schwimmhaͤute verbunden, deren Hinterzeh uͤber dem gemeinſchaftlichen Zehenballen eingelenkt und ſo klein, daß ſie nur ein Rudiment vorſtellt; der Koͤrper gegen die außerordentlich langen und ſchlanken Gliedmaßen klein, aber wenig zuſammen⸗ gedruͤckt. | Sie leben von zarten animalifchen Dingen. v Siebzigſte Gattung. Flaming. Phoenicopterus. Zinn. Schnabel: Etwas länger als der kleine Kopf, dick, höher als breit, hohlzellig, in der Mitte ſchnell in einen ſtumpfen Winkel herab gebogen, nach der Spitze verengert; der Oberkiefer viel kleiner, ſchmaͤ⸗ ler, aber etwas laͤnger als der untere, an der Wurzel dreiſeitig, dann plattrund, von der Beuge bis zur herabgeſenkten Spitze ganz platt, hier mit einer Saumleiſte jederfeits; der Gaumen inwendig wie eine ſtumpfdreieckige Leiſte, einem Schiffskiel ahnlich; die Un: terkinnlade faſt zwei Mal fo hoch, viel dicker und breiter, als der Oberkiefer, ihre Raͤnder ſo ſtark einwaͤrts gebogen, daß inwendig ein tiefer Kanal entſteht, in welchem die dicke fleiſchige Zunge liegt; die Raͤnder beiderſeits mit kurzen, ſcharfen, lamellenartigen Zaͤhnen (wie ein Entenſchnabel) beſetzt, die hinterwaͤrts feiner und niedri⸗ ger, nach vorn groͤßer und hoͤher ſind; der Kiel, laͤngs der Mitte, eingedruͤckt, ſo daß die Spitze des Unterſchnabels faſt viereckig wird, ſich am Ende gegen den Oberſchnabel neigt und in deſſen etwas uͤberſtehende Spitze rund eingreift; dieſe hat äußerlich eine Menge feiner Laͤngefurchen. Der Oberſchnabel ſteht im Verhaͤltniß zum untern wie der Deckel einer Doſe zu dieſer. | 398 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. * Naſenloͤcher: In einer großen dünnen Haut liegend, laͤng⸗ lich, ſchmal, gleichbreit, durchſichtig, voſſ ein eine kurze 7 aus⸗ laufend. Zuͤgel und Halfter: Nat; die Mundwinkel ſehr kurz und der Rachen nur bis an den Kopf geſpalten; das Auge klein. Fuͤße: Außerordentlich lang und duͤnn, ziemlich zuſammenge⸗ druͤckt; die Laͤufe ſehr lang; die Schiene ſehr hoch und faſt bis an den Leib hinauf nackt; die drei Vorderzehen ziemlich kurz, durch Schwimmhaͤute verbunden, welche ſich bis an die Nägel erſtrecken, aber halbmondfoͤrmig ausgeſchnitten ſind; die hoch eingelenkte Hin— terzeh ungewöhnlich klein und kurz; die nackte Haut der Füge fehr weich, durch ſehr flache Einſchnitte in große Schilder getheilt, auch die Schwimmhaͤute ſehr ſeicht netzartig ee die Naͤgel kurz und flach gewoͤlbt. Fluͤgel: Nicht groß, auen die erſte und ae Schwing: feder die laͤngſten; die vorderſten der großen Schwingen am Ende ſchmal, dann mit in einem Abſatze ſchnell breiter werdenden Fah⸗ nen; am Fluͤgelbuge ein etwas hervortretender Knochenknoten. Schwanz: Kurz, abgerundet, zwoͤlffederig. Das kleine Gefieder iſt dicht und derb, am Kopfe und Halſe beſonders ſehr knapp, an den übrigen Theilen auch, nicht wie bei Reihern und Stoͤrchen, ſondern dem der Schwimmvoͤgel aͤhnli⸗ cher, ſo auch der Bau der Fluͤgel. Die Spitze dieſer iſt bei allen Arten ſchwarz, der Oberfluͤgel von einem ſpeciell verſchiedenen praͤch⸗ tigen Roth, das uͤbrige Geſieder mit demſelben aber bleichern und mattern Roth uͤbergoſſen, oder weiß. Die Flamings ſind einfach, aber praͤchtig gefaͤrbte Vögel von der auffallendſten Geſtalt. Fuͤr ihre ungewoͤhnlich langen Gliedmaßenſcheint der eifoͤrmige, ſehr wenig zuſammen gedruͤckte Rumpf viel zu klein, und jene geben ihnen das Anſehen ſehr großer Voͤgel; denn ihr ungemein duͤnner Hals iſt viel laͤnger als bei irgend einem andern Wadvogel, eben ſo ihre uͤbermaͤßig ſchlanken Stelzenbeine ſo lang und duͤnn, daß fie den übrigens keineswegs ſchwerfaͤlligen Rumpf kaum zu tra⸗ gen ſcheinen. Die Fuͤße der Flamings haben im Verhaͤltniß eine nicht geringere Länge als die der Gattung Hypsibates, N. und ähneln 0 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. 399 in der Geſtalt, wie nach ihrer ganzen uͤbrigen Beſchaffenheit, denen der Gattung Recurvirostra hoͤchſt auffallend. — Die ganz eigen⸗ thuͤmliche, mit keiner andern vergleichbare Geſtalt des Schnabels, welcher fuͤr den kleinen eifoͤrmigen Kopf wieder zu dick erſcheint, hilft das Sonderbare der Verhaͤltniſſe an dieſen wunderlichen Voͤgel⸗ geſtalten vollenden. Eine bei Beſtimmung der Arten ſehr zu beachtende und, wie es ſcheint, in der ganzen Gattung vorkommende Eigenthuͤmlichkeit der Flamings iſt die, daß hier Voͤgel einer Art in der Koͤrpergroͤße wie in der Laͤnge der Beine und auch des Halſes, individuell ſehr auffallend von einander abweichen; auch unter gleich alten Voͤgeln und denen von einerlei Geſchlecht kommen große Verſchiedenheiten vor. Durchſchnittlich find jedoch unter den Alten die groͤßeſten Indivi⸗ duen maͤnnlichen Geſchlechts und die Weibchen gewoͤhnlich um ein Bedeutendes kleiner; die Jungen auffallend kleiner als die Alten. Sie wachſen ſehr langſam, bis zum dritten Jahr und ſind dann vielleicht kaum ausgewachſen zu nennen. Es iſt moͤglich, daß in einem ſo langen Zeitraume ſich mancherlei zutragen kann, z. B. ſchroffer Witterungswechſel, Nahrloſigkeit oder Uiberfluß u. a. m., wodurch ihr Wachsthum entweder gehemmt oder gefoͤrdert wird; oder vielleicht koͤmmt die große Verſchiedenheit ſchon aus dem Eie, da bekannt iſt, daß aus abweichend kleinern Eiern 1 kleinere Voͤgel ſchluͤpfen, u. ſ. w. ER In der Faͤrbung des Gefieders herrſcht nach dem Alter eine große Verſchiedenheit. Im Jugendkleide ſind die Flamings ſchmutzig weiß, dunkel gefleckt; im zweiten Lebensjahr rein weiß, der Oberfluͤgel roth; im dritten J Jahr das ganze Gefieder roth mit noch roͤthern Oberfluͤgeln; im vierten ebenfalls fo, aber noch praͤch— tiger gefaͤrbt, und man kann ſie nun als ausgefaͤrbt betrachten, weil ſich an ihnen nun nichts mehr merklich veraͤndert. Beide Geſchlech— ter ſind gleich gefaͤrbt, die Maͤnnchen bloß viel ſchoͤner als die Weibchen. Was die Stellung betrifft, welche dieſe Voͤgel im Syſtem ein⸗ nehmen, ſo iſt es ſchwer ihnen den richtigen Platz anzuweiſen. Sie machten daher dem aͤngſtlichen Syſtemmacher viel zu ſchaffen und wurden bald hierhin, bald dorthin geworfen, von manchem ſogar zu den Schwimmvögeln gezählt, mit denen fie aber kaum weiter etwas als die Schwimmhaͤute gemein haben, und ſo wenig dahin gehoͤren wie die Saͤbler (Recurvirostra), die den Flamings der Fuͤße wegen aͤhneln, im Uibrigen aber Schnepfen ſind, waͤhrend die Flamings N 400 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. ſich doch unbedingt den ſtorchartigen Voͤgeln anſchließen und den Loͤfflern, hinſichtlich der Ernaͤhrungsweiſe, vielleicht am naͤchſten ſtehen, jedoch auch wieder von Allen fo abweichen, daß es noͤthig wird, ihnen eine beſondere Unterabtheilung zu goͤnnen. Die wenigen Arten dieſer Gattung gehoͤren alle einem warmen Himmelsſtriche an, kommen in der gemaͤßigten Zone regelmaͤßig nur in der Naͤhe der Wendekreiſe vor, verirren ſich aͤußerſt ſelten weiter nordwaͤrts, aber niemals in die kalte Zone. Sie gehoͤren ebenfalls unter die Zugvoͤgel, wandern regelmaͤßig, geſellig und oft in großen Schaaren. Ihr Aufenthalt ſind meiſtens die Seekuͤſten oder die großen Gewaͤſſer und Suͤmpfe in der Naͤhe des Meeres, von wo aus ſie ſich ſelten tiefer in das Land hinein verfliegen. Sie gehen in großen Schritten zierlich einher, tragen dabei den langen duͤnnen Hals wie ein S gebogen, den Rumpf oft ſenkrecht; ſtellen ſich, wo viele beiſammen, oͤfters in einer langen Reihe auf; waden gern in tiefes Waſſer, ſchwimmen aber ſelten; fliegen leicht, hoch und ſchoͤn, auf dem Zuge in einer langen ſchiefen Reihe oder in zwei vorn in einen ſpitzen Winkel vereinigten Linien. Ihre Nahrung, kleine Weich— wuͤrmer, Inſektenlarven, Laich und Fiſchbrut, zarte Conchylien und Manches was noch unbekannt, ſuchen ſie an ſchlammigen Ufern oder im Moraſte und Sumpfe, in welchen ſie, wegen der Schwimmfuͤße, weniger tief einſinken und mit dem langen Halſe auf den Grund des tiefern Waſſers reichen, auf eine hoͤchſt merkwuͤrdige und eigen⸗ thuͤmliche Weiſe mit dem Schnabel umgekehrt (ſeinen Kiel oben, die Firſte unten) den fluͤſſigen Schlamm durchwuͤhlen und (wie Enten) durchſchnattern, ihn ſammt dem Waſſer durch die lamel⸗ lenartige Bezahnung treiben, um die kleinen Geſchoͤpfchen davon auszuſcheiden und allein verſchlucken zu koͤnnen. — Zur Fortpflan⸗ zungszeit leben ſie paarweis in großen Suͤmpfen, wo ſie an ſchwer zugänglichen Stellen ein ſonderbares Neſt bauen, indem fie einen kleinen Huͤgel von halbverfaulten Waſſerpflanzen zuſammen bringen und auf deſſen abgeplattete Spitze erſt das eigentliche Neſt machen. Dies hat nur einen geringen Umfang, weshalb man ſich einbildete, die Flamings bruͤteten ihre 2 bis 3 weißen Eier in einer reitenden Stellung aus, wobei ſie ihre langen Beine zu beiden Seiten des erhoͤheten Neſtes herabhaͤngen ließen. Dieſe Art von Sitzen, in der übrigen Vogelwelt unerhoͤrt, würde indeſſen der allerunbequemſte für einen bruͤtenden Vogel fein; und das alle anderen langbeinigen Bo: gel auf eben die Art wie die kurzbeinigen auf ihren Neſtern ſitzen, wenn ſie legen oder bruͤten, ſo bleibt die Wahrheit dieſer Angabe XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. 401 vorlaͤufig bis auf genauere Beobachtungen dahingeſtellt. — Sie ge⸗ hoͤren zu den ſcheuen Vögeln und find daher ſehr ſchwer zu ſchießen; einen beſondern Nutzen oder Schaden kennt man nicht. Anatomie des Phoenicopterus von N. Wagner. „Die Gattung Phoenicopterus zeigt nach Unterſuchung mehre⸗ rer Exemplare unſerer europaͤiſchen Art folgende Bildungen.“ „Was zuerſt das Skelett betrifft, ſo hat der Schaͤdel eine ziemlich abgerundete Form ohne Leiſten und Kaͤmme. Das Hin— terhauptsloch ſteht ſenkrecht, iſt gerade nach hinten gerichtet, mehr dreieckig als rund, uͤber ihm befinden ſich die beiden bei Sumpf: und Waſſervoͤgeln fo oft vorkommenden, hier ziemlich an: ſehnlichen, Fontanelle. Die Augenſcheidewand iſt ganz knoͤ— chern und vollſtaͤndig, der Raum an den Stirnbeinen, zwiſchen den beiden Orbitalraͤndern ſchmal und zu beiden Seiten liegt hier eine große, bogenfoͤrmige, zugeſchaͤrfte Flaͤche; beide Flaͤchen werden oben in der Mittellinie durch eine ſtumpfe Laͤngsleiſte geſchieden, dieſe abgeplatteten Stellen dienen unſtreitig fuͤr die „ ſind jedoch keine eigentlichen Gruben.“ „Die beiden hinteren Schlaͤfedornen ſind ſehr wenig ent⸗ wickelt.“ „Die unteren Fluͤgelbeine entbehren der dritten Gelen⸗ kung, find hinten ſehr ſchmal und ſchwach, vorne gegen die Gau: menbeine viel breiter.“ „Das Riechbein iſt nicht groß und ſtoͤßt mit dem Thraͤ⸗ nenbein nicht zuſammen. Dieſes iſt ſehr anſehnlich, der untere abſteigende Theil (der beim Kranich dornfoͤrmig, dünne und zuge: ſpitzt ift) iſt hier ſtark und dick, aber aus lockerem Gefüge beſtehend und pneumatiſch; er ſtoͤßt bis an den Jochbogen und iſt mit ihm durch Bandmaſſe locker verbunden. Die Gaumenbeine find ziem⸗ lich breit, das innere Blatt, an der ſonſt ſeichten Furche, nach hin— ten faſt hakenfoͤrmig endend; der Vomer iſt ein duͤnnes Blatt, aber an der unteren Flaͤche mit einer ſchmalen und ſe gen, Ae ver⸗ ſehen.“ f or Theil. 26 402 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. „Der Muſcheltheil des Oberkiefers iſt zellig; nicht fo blaſig e e als beim Storch, aber ſtaͤrker entwickelt, als beim Kra— nich. Der Zwiſchenkiefer giebt dem Oberſchnabel die eigenthuͤm— lich im Winkel gebogne, vorne abſchuͤſſige Form.“ „Am Quadratbein iſt der vordere Schenkel oder Fortſatz ſtark 1 Der Unterkiefer iſt vorne breit, hoch und zellig; der hintere Fortſatz iſt ganz verſchieden von den Bildungen bei den uͤbrigen Wadvoͤgeln und ſtellt ein laͤngliches, duͤnnes, ſaͤbelfoͤrmig nach oben gekruͤmmtes Blatt dar, eine Bildung, welche ganz mit derjenigen der entenartigen Voͤgel (Dermorhynchi) überein kommt. Der innere Fortſatz iſt nicht ſtark entwickelt.“ „Die Halswirbel übertreffen an Schmaͤchtigkeit die aller Sumpf: und Waſſervoͤgel, ſelbſt die der Reiher bei weitem; befon- ders gilt dies von den mittleren; daher die Laͤnge und Schlankheit des Halſes nicht auf Rechnung der Zahl der Halswirbel (es ſind deren, wie bei anderen nahe ſtehenden Sumpfvoͤgeln, 18), ſondern ihrer laͤnglichen Form kommt. Beſonders lang und ſchmal gedruckt find der Ste bis 11te Halswirbel. Ihre Bewegung iſt ſehr frei, fo daß ſie die ſtaͤrkſten Beugungen des Halſes zulaſſen; die Querfort⸗ ſaͤtze ſpringen ſehr wenig vor, ſcheinen faſt ganz mit dem Koͤrper zuſammen zu fließen und die Löcher, welche fie durchbohren, find ſehr klein.“ „Die Ruͤcken wirbel bieten das merkwuͤrdige dar, daß der 2te bis Ste ganz verfchmolzen find, auch ihre Quer- und Dorn- fortſaͤtze zu einem Knochenblatt zuſammenfließen?); der Gte iſt frei, der 7 te und Ste mit dem Lendenwirbel verbunden; der Zte und Ate haben ſtarke untere Dornen. Im Ganzen zaͤhle ich 8 Ruͤcken⸗ wirbel.“ 15 „Das Kreuzbein ſcheint aus 12 oder 13 verſchmolzenen Wir⸗ beln zu beſtehen. Von den 7 kleinen Schwanz wirbeln iſt der blattfoͤrmige, letzte, ſehr wenig entwickelt.“ „Das Bruſtbein iſt kurz, bedeckt nicht die Hälfte der Laͤnge des Rumpfs, iſt aber ziemlich breit, gewoͤlbt und mit einem maͤßig großen Kamm verſehen. Der mittlere obere, zwiſchen den Schluͤſ— ſelbeinen gelegene, Fortſatz iſt hinten gelenkartig eingedruͤckt; die obe— ren ſeitlichen Fortſaͤtze ſind ſehr ſchwach entwickelt; hinten findet ſich ein maͤßig breiter Abdominalfortſatz jederſeits, der eine laͤngliche, ) Dieſe Bildung, welche ich beſtätigt finde, wurde zuerſt von dem engliſchen Zoo⸗ tomen Richard Owen beſchrieben. R. W. XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. 403 ohngefaͤhr den Aten Theil des Bruſtbeins betragende Hautbucht abgrenzt.“ a „Es finden ſich 8 Rip pen⸗ Paare, wovon die 2 vorderſten und das hinterſte falſche ſind; die 5 mittleren, wahren, ſind ziemlich breit und haben ſehr große Rippen-Aeſte; auch die ?te falſche Rippe traͤgt einen (ſchwaͤchern) Rippen-Aſt. Die Rippen ſind viel brei⸗ ter, die Aeſte ſtaͤrker, als beim Reiher und Kranich.“ „Die Gabel iſt beſonders merkwuͤrdig durch die von dem Sumpfvogeltypus abweichende Geſtalt; ſie iſt ſtark ausgeſchweift, faft fo geſpreizt, als bei den Tag-Raubvoͤgeln; die Aeſte find jedoch nicht ſo abgeplattet als bei dieſen, ſondern mehr rundlich und ſehr ſtark gekruͤmmt, und weit nach hinten reichend; an ihrem ſtumpfen Verbindungswinkel haben ſie einen ganz kurzen hinteren Dorn als Fortſatz. Die Gabel kommt in ihrer ganzen Bildung der der En— ten ſehr nahe, iſt nur etwas mehr ausgeſchweift; ganz verſchieden iſt ſie von der faſt ſpitzwinklichen und duͤnnſchenkligen Form der uͤbrigen Sumpfvoͤgel. Die hinteren Schluͤſſelbeine ſind ſtark, unten breit; die Schulterblaͤtter ſehr ſchmal, aber lang, wenig gebogen.“ „Die Oberarmknochen ſind lang, ſchmaͤchtig, lufthaltig; die längeren Vorderarmknochen, fo wie die Handknochen theilen die verlängerte ſchmaͤchtige Form, find aber ſonſt ohne erhebliche Unter: ſchiede von den vorhergehenden Gattungen.“ „Am Becken ſtehen die Darmbeine zwiſchen den Reihern und Stoͤrchen in Hinſicht ihrer Breite zwiſchen inne; die Schambeine ſind ſehr lang, rippenfoͤrmig, nicht verbreitert, gerade, konvergiren ſehr wenig; die haͤutigen Räume (for. obtur etc.) wie gewoͤhnlich.“ „Die Oberſchenkelknochen ſind ſehr kurz, aber pneuma— tiſch; die Luftoͤffnung liegt oben und vorne, wie beim Storch und bei den meiſten Voͤgeln. Das Schienbein iſt außerordentlich lang und ſchlank und uͤbertrifft an relativer Laͤnge alle bekannten Voͤgel; die oberen Tibialfortſaͤtze find ſtark vorſpringende Blätter, mehr ent— wickelt als bei den übrigen großen Grallen; das Wadenbein ver: ſchmilzt ſehr hoch oben mit der Tibia; die Knieſcheibe iſt klein, abgeplattet. Der Mittelfußknochen iſt ebenfalls ein ſehr lan— ger, ſchlanker Roͤhrenknochen, jedoch kuͤrzer als die Tibia. Die Pha⸗ langen und das Gelenkſtuͤck der freien Hinterzehe ſind klein und loſe mit dem Mittelfußknochen verbunden.“ „Der Verdauungskanal zeigt viele merkwuͤrdige Berhält: niffe. Die Zunge iſt fehr groß, füllt den Schnabel ganz aus und 26 * 404 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. ahmt die Form des Oberſchnabels nach. Die vordere Haͤlfte der Zunge iſt abſchuͤſſig nach vorne, ihre Oberflaͤche gleicht hier einem laͤnglich⸗lanzettfoͤrmigen Blatte, das vorne ſpitz auslaͤuft. Die hin⸗ tere Haͤlfte iſt ſehr dick und inwendig mit vielem Fett verſehen, welches den ganzen knorpeligen Zungenbeinkern umgiebt. Oben hat dieſer hintere Abſchnitt eine feichte Mittelfurche, an deren Seite jederſeits eine Reihe langer, ſpitzer, nach hinten gebogner, dornfoͤrmiger, aber biegſamer, Warzen ſitzt; der Hinterrand laͤuft in zwei ſchwache Zacken aus und iſt mit feinen, kammfoͤrmig geſtellten Warzen beſetzt.“ „Am anſehnlichen Zungenbein iſt der Kern ganz knorplig, hat vorne ein kurzes, ſpatelartig erweitertes Stuͤck, welches ſich an das aus 2 langen, parallelen Knorpeln beſtehende hintere Stuͤck an— ſetzt; beide Knorpel fließen hinten in einen einzigen zuſammen und artikuliren hier mit dem Körper; dieſer iſt anſehnlich, ſtark compri— mirt nach der Seite, oben mit einer Aushoͤhlung verſehen. Der hier anſitzende eingelenkte Zungenbeinſtiel beſteht nur aus einem klei— nen Knochenſtuͤck und laͤuft in einen duͤnnen Knorpelfaden aus. Die beiden Zungenbeinhoͤrner ſind ſehr ſtark; das vordere Stuͤck iſt von oben nach unten platt und auf der oberen oder vorderen Flaͤche nach hinten gefurcht, das hintere Stuͤck iſt ebenfalls ſehr ſtark und ganz knoͤchern. Die Muskeln des Zungenbeins ſind ſehr dick und ſtark. Zunge mit Zungenbein kann einigermaßen den fleiſchigen Zungen der Enten und Gaͤnſe verglichen werden; die ſtarken Muskeln und das viele, dunkelgelbe, Fett verleihen ihr unſtreitig den von den Roͤ⸗ mern ſo geruͤhmten Wohlgeſchmack.“ „Der Schlund iſt in ſeinem ganzen Verlauf ausnehmend enge, bis auf eine im letzten Drittel befindliche ſehr anſehnliche Erweite- rung. Dieſe — ein wahrer, bei den Sumpfoögeln ſonſt nicht wei: ter beobachteter Kropf — entwickelt ſich ploͤtzlich; dahinter iſt die Speiſeroͤhre wieder ſehr enge.“ „Der Vor- oder Druͤſenmagen iſt klein, laͤnglich, nach außen ſehr wenig angedeutet, hat aber doch, beſonders in der un— teren Haͤlfte, ſehr dicke Waͤnde und anſehnliche, dicke, laͤngliche, ſack foͤrmige Baͤlge.“ „Der Muskelmagen iſt groß, ſehr platt und ausnehmend muskuloͤs, viel mehr als beim Kranich, faſt ganz ſo wie bei den Enten (wie er uͤberhaupt denn auch in der Form dem Enten-Ma— gen ſehr aͤhnlich iſt) und gehoͤrt zu den ſtaͤrkſten Fleiſchmaͤgen. Die beiden Seitenmuskeln ſind ſo ſtark, daß ſie nur eine kleine, laͤng liche Höhle zulaſſen, welche mit hartem und dickem Epithelium über: XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. 405 zogen iſt. Zwei große glaͤnzende Sehnenſcheiben bedecken jederſeits die Magenmuskeln auswendig; gegen das Duodenum ſchiebt ſich eine ſtarke fleiſchige Parthie hervor, welche vielleicht als eine Art Andeutung des ſonſt wol vorkommenden dritten oder Pylorus-Ma— gen zu betrachten iſt.“ „Die Schlinge des Zwoͤlffingerdarms iſt mittelmaͤßig lang, 0 Duͤnndarm ſehr lang, aber enge; er maß bei einem Weibchen 11 Schuh; ich fand kein Divertikel, was alſo in jedem Falle unbeſtaͤndig iſt; der Dickdarm iſt weiter (4 Zoll lang) und zwiſchen ihm und dem Duͤnndarm fand ich keine Andeutung einer Klappe; die Blinddaͤrme ſind mittelmaͤßig groß, ohngefaͤhr von der Laͤnge des Dickdarms, aber enge; ich fand ſie einmal gleich lang; bei einem 2ten Exemplare war der linke um ½ länger. Der ganze Duͤnndarm iſt mit langen, anſehnlichen, dichtgedraͤngten Zotten be— ſetzt, welche auch — nur viel ſchwaͤcher — in dem Dickdarm und in den Blinddaͤrmen vorkommen. Falten fehlen durchaus.“ „Die Mundſpeicheldruͤſen find ſehr ſchwach entwickelt.“ „An der Leber iſt der rechte Lappen groͤßer als der linke, doch nicht um ſo viel als z. B. bei Crus. Die Gallenblaſe iſt ſehr anſehnlich und weit; die 2 gewoͤhnlich vorkommenden Gallgaͤnge muͤnden 3 Linien von einander entfernt ins Ende der Duodenum— ſchlinge. Der ductus hepaticus zeigt eine eigne (bereits von Meckel richtig erwaͤhnte) Bildung; er erweitert ſich nehmlich kurz nachdem er aus der Leber getreten iſt, ſchlauchfoͤrmig.“ „Die Milz iſt dick, laͤnglich rund.“ „Die Bauchſpeicheldruͤſe ſcheint aus 2 getrennten Lap— pen zu beſtehen; ſie hat 2 Ausfuͤhrungsgaͤnge, welche nahe anein— ander, zwiſchen den Gallgaͤngen, muͤnden.“ „Die Nieren habe ich leider nicht unterſucht und fehlen an den von mir in Cagliari gemachten Praͤparaten.“ „Den Eierſtock fand ich einfach. Die Hoden ſind laͤnglich.“ „Das Herz iſt an der Baſis 8 aft aber gegen die Spitze etwas ſchmaͤchtiger zu.“ „Von den Kopfpuls-Adern iſt te Weiſe nur eine rechte Karotis vorhanden, wie Meckel zuerſt erwaͤhnt und Nitzſch beſtaͤtigt hat. Waͤhrend eine einfache, linke Kopfpuls— Ader bei allen Singvoͤgeln und noch ſonſt oͤfter vorkommt, iſt eine aſymmetriſche rechte bisher nur noch beim Pelekan beobachtet worden.“ „Die Athemwerkzeuge zeigen nichts Beſonders merkwuͤr— diges. Vor der oberen Kehlkopfſpalte findet ſich jedoch eine anſehn— 406 XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. liche, halbmondformige, wulſtige aber warzenloſe Falte, als ein deutliches Kehldeckelrudiment. Die Laͤngsleiſte in der Kehl— kopfhoͤhle, welche ſonſt häufig an der inneren Seite des Schildknor— pels vorkommt, fehlt. Hinter dem Kehlkopf finden ſich ſpitze, kamm⸗ foͤrmig geſtellte Warzen. Die Luftroͤhre beſteht aus ungefaͤhr 200 breiten, ganz knoͤchernen Ringen und iſt drehrund, faͤllt nicht zuſammen. Der untere Kehlkopf wird aus 45 viel engeren, aber dicken, abgerundeten, vorne und hinten verwachſenen Ringen gebildet, wodurch eine Form entſteht, welche derjenigen des unteren Kehlkopfs der Gans ſehr aͤhnlich iſt, nur daß bei dieſer die unteren Ringe nicht mehr zu unterſcheiden, ſondern zu einer Wand verſchmol— zen find, Zu beiden Seiten iſt der untere Rand des letzten Rings, welcher den Kehlkopf nach unten begrenzt, bogenfoͤrmig und zwiſchen ihm und dem erſten ſehr ſchmalen und geraden, mehr knorpeligen Bronchialhalbring befindet ſich eine große, laͤnglich eirunde, aͤußere Stimmhaut. Der Buͤgel wird deutlich von den beiden Halbringen der 2 erſten Bronchialringe, oder wenn man will, von den 2 letz— ten Luftroͤhrenringen gebildet, welche in einer Naht zuſammenſtoßen; die erſten 5 geraden Bronchialhalbringe ſchließen die große innere Stimmhaut ein; die folgenden, noch weicheren Ringe, bilden groͤ— ßere Bogenſegmente, ohne jedoch vollkommen zuſammen zu ſtoßen. Auch dieſe Bildung iſt aͤhnlich wie bei der Gans. Außer den Ster: notracheal-Muskeln findet ſich ein einfaches, ziemlich ſtarkes Muskel: Paar, deſſen breite, ſehnige Ausbreitung, ſich an den oberen Rand des aͤußeren Fenſters 1 letzten Ring des unteren Kehlkopfs) eee „Das Auge iſt klein, breiter als hoch, wie bei den Sumpf⸗ voͤgeln überhaupt. Der Fächer beſteht aus 8 — 9 Falten, wovon die meiſten gleich lang ſind, die letzten 3 raſch abnehmen, faſt ohne Endlappen. Den Knochenring der Sklerotika fand ich aus 14 ziemlich gleich hohen und breiten Knochenſchuppen gebildet. Die Linſe iſt hinten ſehr conver, vorne viel flacher. Die Lidhaut iſt ohne Knorpel.“ „Ich habe die Anatomie des Flamingos etwas genauer gege⸗ ben, da wir außer der aͤlteren Anatomie von Perrault nur frag— mentaͤre Angaben von Meckel und R. Owen beſitzen, Cuvier aber gar keine eigene Unterſuchungen gemacht zu haben ſcheint und die Gelegenheit, dieſen Vogel zu zergliedern, bei uns nicht haͤufig ſein duͤrfte. Der Flaming bildet als einzige Gattung den Typus einer ſehr eigenthuͤmlichen Familie, welche Nitzſch Odontoglossae XII. Ordn. LXX. Gatt. Flaming. 407 nannte und zwiſchen die Stoͤrche (Pelargi) und ſeine Schnepfen⸗ vögel (Limicolae) ſtellte. Mir ſcheint der Flamingo eine eigenthuͤm⸗ liche Uibergangsgruppe zwiſchen den langbeinigen Wadvoͤgeln und den Enten (Anatidae s. Lamellirostres) zu bilden; es iſt ein Waſ— ſervogel, deſſen Rumpf den Hals und die Beine eines Sumpfvo— gels trägt; außer den Schwimmhaͤuten und der lamelloͤſen Beklei- dung des Schnabels, naͤhern der Bau der Zunge, des Magens, Darmkanals, der Athemwerkzeuge, des Herzens, ſelbſt mehrere Theile des Knochengeruͤſtes, wie namentlich des Bruſtbeins und der Ga. bel, den Flaming den Entenvoͤgeln ſehr.“ © * re Von dieſer merkwuͤrdigen Vogelgattung beſitzt Europa nur Eine Art. 263. Der roſenfarbige Flaming. Phoenicopterus antiguorum. Temm. Fig. 1. Sehr altes Männchen. Taf. 233. Fig. 2. Zweijaͤhriges Männchen. Fig. 3. Einjähriges Weibchen. Flamingo, Flammingo, Flamant, rother Flamant, Flammant, Flammant der Alten; Pflugſchnabel, Scharſchnabel, Schartenſchna— bel, Schartenſchnaͤbler; weißer —, rother Schartenſchnaͤbler. Phoenicopterus antiquorum. Temminck, Man. nouv. Edit. II. p. 587. = Phoe- nicopterus ruber. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 612. u. 1. = Lath. Ind. II. p. 788. n. 1. — Le Flammant, Buff. Ois. VIII. p. 475. t. 39, — Edit de Deuxp. XVI. p. 234. t. 7. — Id. Planch. enl. 63. — Red Flamingo Lath. Syn. V. p. 299, and. Suppl. I. p. 263. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 267. —= Fenicottero, o Fiamingo. Stor. deg. Uce. Tav. 496. = Savi, Orn. tosc. p. 363, — Wolf u. Meyer, Taſchenb. III. S. 173. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 242. n. 224. — Brehm, Lehrb. II. S. 652. — Deſſen Naturg. a. V. Deutſchl. S. 602. - Landbeck, Vög. Würtembergs, S. 60. — Friſch, Vög. Supp. Taf, 152. Kennzeichen die A e Der Oberfluͤgel, auf der obern und untern Seite, im Alter von einem geſaͤttigten Roſenroth; bei einjährigen Voͤgeln weiß, dun— kelgefleckt, nur der Unterfluͤgel ſchwach roſenfarbig uͤberlaufen. XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 409 Beſchreibung⸗ Dieſe Art der ſo hoͤchſt merkwuͤrdigen Gattung der Flamings ziert ſeit noch nicht langer Zeit auch die Liſte der deutſchen Voͤgel. Sie gehoͤrt einem waͤrmern Klima der alten Welt an und aͤhnelt einer in der neuen ſo ſehr, daß ſie in aͤltern ornithologiſchen Wer⸗ ken mit dieſer fuͤr eine Art gehalten wurde. Sie unterſcheidet ſich aber von allen bekannten Arten der Gattung durch ihre anſehnlichere Groͤße, von der letztern noch beſonders durch eine andere bleichere Faͤrbung, die bei den aͤlteſten Voͤgeln unſrer Art nur ein ſchwaches Roſa auf weißem Grunde, auf den Flügeln aber eine erhöhete, praͤch⸗ tige Roſenfarbe iſt, waͤhrend die aͤhnliche, fruͤher mit ihr identiſch gehaltene Art aus Suͤdamerika, im ausgefaͤrbten Kleide ein viel hoͤheres Roth ziert, das auf den Fluͤgeln zum feurigſten Karmin⸗ roth geſteigert iſt. — Die Flamings haben das Eigenthuͤmliche, daß fie auffallender als andere hoch- und duͤnnbeinige Wadvoͤgel in der Länge der Beine individuell variiren, eben fo auch in der Körpers größe; daß die flugbaren Jungen noch lange nicht die Größe der Alten haben, erſt nach und nach heranwachſen, ſo langſam, daß ſie binnen einigen Jahren erſt ihre vollkommen, Zroͤße erlangen; daß manche Individuen auch dann noch und für immer viel kleiner blei⸗ ben, als andere von gleichem Alter; daß endlich auch die Weibchen ſich ſtets durch eine viel geringere Groͤße von ihren Maͤnnchen un⸗ terſcheiden. Alle dieſe Verſchiedenheiten kommen bei der euro paͤi⸗ ſchen Art faſt am auffallendſten und oͤfterſten vor. Es haben ſich deshalb einige neuere Ornithologen bewogen gefunden, Zweifel zu zu erheben: Ob alle dieſe kleinen und großen, kurz- oder langhal⸗ ſigen, kurz- oder langbeinigen unter den im ſuͤdlichen Europa oder noͤrdlichen Afrika erlegten Flamings zu Einer Art gehoͤren moͤchten. Leider kennt man aber bei uns dieſe Voͤgel meiſtens nur aus trods nen oder ausgeſtopften Baͤlgen, oft ohne beſtimmte Angabe des Ge: ſchlechts, und weiß noch ſo wenig von ihrem Leben und Wirken im freien Naturzuſtande, daß es ſpaͤtern Forſchungen an den Aufent⸗ haltsorten dieſer merkwuͤrdigen Geſchoͤpfe aufbehalten bleiben muß, uns uͤber ſolche Dinge und noch vieles Andere im Leben derſelben Aufklaͤrung zu geben. Vor der Hand muͤſſen wir daher dabei blei⸗ ben, daß es in Europa nur eine Art Flamings gebe. Unſer Flaming iſt ein Vogel von anſehnlicher Größe, nament— lich aber von einer enormen Hoͤhe. Die Groͤße ſeines Rumpfes, 410 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. wenn die ungewoͤhnliche Laͤnge des Halſes und der Beine nicht in Betracht kommen, mag hoͤchſtens mit der des gemeinen oder Fiſch⸗Reihers verglichen werden, feine Flügel find aber um Vieles kleiner. Da die Groͤße und deren Ausmeſſungen unter dieſen Voͤ⸗ geln ſo außerordentlich verſchieden vorkommen, moͤgen ſie hier von 4, der europaͤiſchen Art zugehoͤrigen Individuen, zum leichtern Ver⸗ gleich, nebeneinander ſtehen, von welchen das erſte aus dem noͤrd— lichen Afrika, die drei uͤbrigen aus dem ſuͤdlichen Europa ſind. Sehr alter Alter Zweijaͤhr. 9 (maͤnnl.) (weiblich.) (maͤnnl.) (weiblich.), Vogel.] Vogel. Vogel. Vogel. Spitze des Schwanzes . . 50 Zoll. 42 Zoll. 40 Zoll. 36 Zoll. Höhe, von der Spitze der Mit: | ö telzeh bis zu der des Schnabels 74 „ 62 „ 56 „ 49 „ Lan ge des Halles s „ 23 „„ 19, Breite, von einer Fluͤgelſpitze 0 „zur anderern 66 „, 60 „ 3 „ Fluͤgellaͤnge, vom Handwur— zelgelenk bis zur Spitze .. 19 „ 16 „ 16 „ 15 „ Schwanzlaͤngne % Die Fluͤgel decken den Schwanz bis auf: 12 „ Laͤnge 955 Schnabels, 5 5 Laͤnge, von der Stirn bis zur 11 „ 1 7 0 ” die Kruͤmme gemeſſen. 63 „ 55 „ 5 „ 57 „ Schnabelhoͤhe, an der Wurzel 25 „ II „ „ a BR 3 an der Kruͤmme | 15 „|E „ IR „ I „ vor der Spitze rr „„ „ „ „ Breite des Oberkiefers in ſeiner Mitte 0 0 0 0 + 0 0 2 „ 3 „ 3 Pr 3 7) Breite der Unterfinnlade in 925 Mitte „ 2 0 0 12 MM 1 77 1 7 1 „ Schienenhoͤhe, fo heit fie nackt I „„, 9 Laufhoͤhe oder Laͤnge . 153 „IE „ 13 „91 „ Laͤnge der aͤußern Zeh mit dem Nagel * 0 ie * „ * 0 0 0 37 17 2; 77 3 7 23 7) Länge der mittlern Zeh u... »| 3 „ 3f „ 37 „ 3 is „ . . 7 . 22 „ 2. 2 „inter A 1 a „ Das Gefieder des europaͤiſchen Flamings iſt, wie bei den uͤbri— gen auslaͤndiſchen Arten, viel dichter und derber als das der Rei— her und Stoͤrche, mehr pelzartig, wie das der Schwimmoögel, zu: mal an der untern Halshaͤlfte, wo die kleinen abgerundeten Federn XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 411 beſonders dicht ſtehen, waͤhrend ſie am obern Theil und dem Kopfe ſehr klein und ſehr ſchmal ſind, aber ebenfalls ſehr dicht ſtehen. Die Schulterfedern ſind ſchmal, lang, faſt lanzettfoͤrmig zugeſpitzt. Die Flügel haben nur eine mittlere Größe, aber ziemlich lange Armkno— chen. Von den Schwingen erſter Ordnung haben die beiden vor— derſten gleiche Laͤnge und ſind zugleich die laͤngſten von allen, alle aber ſtarke Schaͤfte, die ſich ſpitzewaͤrts etwas nach innen biegen; die zweite und dritte, weniger die vierte, haben auf dem letzten Drittheil ihrer Laͤnge an der ſonſt ſehr breiten Innenfahne einen ploͤtzlichen Abfall und laufen von da ſchmal in die Spitze aus, ihm gegenüber auch die Außenfahne der zweiten und dritten einen aͤhn— lichen aber ſchwaͤchern; die der zweiten Ordnung ſind ziemlich breit bis zum ſchnell abgerundeten Ende; die der dritten Ordnung haben ein etwas verlaͤngertes mehr zugerundetes Ende, reichen aber, wenn der Fluͤgel zuſammengelegt, nicht bis an die Spitze der vor— derſten. Am Fluͤgelbuge tritt das Handgelenk wie ein kleiner Kno⸗ chenknoten ſichtbar vor. 5 Das Ende des kurzen Schwanzes iſt bald mehr, bald weniger abgerundet; von den 12 Schwanzfedern ſind die mittlern ziemlich breit und zugerundet, wenig länger als die aͤußern, dieſe ſchmaͤler, gleich: breit, am Ende abgerundet und ihre Schaͤfte etwas einwaͤrts gebogen. Der ſonderbare Schnabel iſt von ziemlichem Umfange, nur von oben oder unten geſehen gerade, im Seitenprofil der Firſte nach mit der Stirn: und Scheitelflaͤche in eine Flucht, gleich am Anfange ein wenig aufgetrieben, nach der Mitte zu ganz ſchwach abwaͤrts geſenkt, auf der Mitte aber ploͤtzlich, doch ohne ein Eck zu machen, in einen ſtumpfen Winkel abwaͤrts gebogen, dann bis zur Spitze ebenfalls wieder ziemlich gerade, nur dieſe ſelbſt ſanft über die un: tere Spitze hinabgebogen, waͤhrend der Kiel (am Unterſchnabel) von der Wurzel an einen ſehr flachen Bogen aufwärts macht, der ſpitze⸗ waͤrts nur etwas ſchaͤrfer angezogen iſt, von da an aber bald und ziemlich ſchnell aufwaͤrts ſteigt, wodurch das viel ſchwaͤchere Ende beider Schnabeltheile zuſammen genommen ſich in eine dicke Spitze ſchließt. Dazu iſt die Firſte anfänglich bloß zugerundet, an der vor: dern Haͤlfte aber ganz platt, hier an beiden Raͤndern mit einer ab⸗ geſonderten platten Leiſte, die in die Spitze verlaͤuft. Der Kiel iſt ſehr ſonderbar, von der Wurzel an bis etwa auf ein Drittheil aͤu— ßerſt breit geſpalten, dann ſchnell in Eins verbunden, dieſer Theil mit der breiten nackten Kehlhaut ausgeſpannt; von hier an bis gegen die Spitze iſt der eigentliche Kiel platt oder gar etwas ausgehoͤhlt, 412 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. mit einem erhabenen Mittelleiſtchen. Das Ende des Unterſchnabels iſt mit Laͤngeriefen gefurcht, die Spitze ſelbſt zugerundet aber ſcharf— ſchneidig, ſein hinterer, wie aufgeblaſen ausſehender, dickſter und in der Mitte hoͤchſter Theil auf der großen Seitenflaͤche glatt; im ge⸗ trockneten Zuſtande unterwaͤrts mit einigen ſchlaͤngelnden Einſenkun— gen der Laͤnge nach, die nach oben ſich in Quereindruͤcke veraͤſteln, wahrſcheinlich Anzeigen unter der Oberhaut liegender Zellen mit ein- getrockneten Nerven. Die Schneiden des Unterſchnabels ſind unge— 1 woͤhnlich ſtark einwaͤrts gebogen, ſo daß neben ihnen eine Flaͤche entſteht, welche in die Quere in ganz feine Lamellen zerkerbt iſt, auf welche die viel hoͤhern, ſpitzewaͤrts noch ſtaͤrker und ſchaͤrfer wer— denden Lamellen: Zähne des Oberſchnabels paſſen und eingreifen, deſſen Schneiden deshalb auswärts gebogen find. Durch dieſe ent: gegengeſetzte Biegung wird das Schließen beider Schnabeltheile be: wirkt, die ſonſt nicht Statt finden koͤnnte, weil der Oberſchnabel um Vieles ſchmaͤler als der untere iſt; dazu koͤmmt denn aber auch, daß die Zaͤhnchen am Unterſchnabel eigentlich auf der aͤußern (ein⸗ gebogenen) Seite deſſelben, am Oberſchnabel aber, wie bei andern Zahnſchnaͤblern, auf der innern Flaͤche, laͤngs dem Rande, ihren Sitz haben. Dieſe Einbiegung der Raͤnder des Unterſchnabels, welche ſich bis an die Spitze erſtreckt, macht dieſen zu einem hohlen, inwendig aufgeſchlitzten Cylinder, welcher groͤßtentheils von der dicken fleiſchigen Zunge ausgefuͤllt wird, waͤhrend die hohe, pyramidale Gaumenleiſte des Oberkiefers jenen ziemlich engen Schlitz ſchließt. Der Vergleich mit einer Doſe iſt daher in jeder Hinſicht fuͤr den Flamingsſchnabel ein ſehr paſſender, da ſchon dem Aeußern nach ſein viel kleinerer, nach vorne ganz platter oberer Theil den flachen Deckel, der um Vieles hoͤhere und bei weitem dickere, aufgeblaſene untere Theil aber die hohle Doſe bildet. Er iſt mit einer weichen Haut uͤberzogen ?), die nach vorn haͤrter wird und in die hornharte Spitze uͤbergeht. Die Mundſpalte geht nur bis an den Kopf, deſſen Haut hinter ihr noch ein ziemliches Stuͤck nackt iſt, und der Rachen iſt ſchmal aber etwas tief. ») Dieſe Haut mag im friſchen Zuſtande ſehr lätabel fein. Ich beſitze ein Exem⸗ plar, an dem fie ſich in einem Streif, worauf die Lamellen ſitzen, ſammt dieſen hin und wieder abgelöſet oder abgeſchält hat, woran dautlich zu ſehen iſt, daß dies nicht erſt im trocknen Zuſtande, durch Abreiben u. dergl. geſchahe. Au einem andern iſt ein Hautſtreif nebſt den Lamellen am Oberſchnabel bis nahe an die Spitze deſſelben abgeſchält; ein Zufall, welcher zu beweiſen ſcheint, daß auch dieſe Lamellen nicht mit den Knochen des Schnabels verwachſen ſind. XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Rofenfarb. Flaming. 413 Die Nafenhöhle iſt groß, langoval, vorn ſpitz, mit einer weis chen, ziemlich duͤnnen Haut uͤbe rſpannt; die Naſenoͤffnung unter⸗ halb, ein langer, etwas De durchſichtiger Schlitz, von 1 Zoll Laͤnge und bloß vorn gegen 1 Linie weit, uͤbrigens viel ſchmaͤler, von der Stirn etwas uͤber ½ Zoll entfernt. Die Farbe des Schnabels iſt ziemlich verſchieden, doch ſpite⸗ waͤrts meiſtens ſchwarz oder doch braunſchwarz, was am Oberſchna— bel weiter heraufreicht als am untern. Bei alten ausgefaͤrbten Voͤgeln iſt er übrigens meiſtens roſenroth, bei zwei- bis dreijaͤh⸗ rigen gelbroͤthlich, bei einjaͤhrigen Jungen blaß ochergelb. Im Tode und an ausgetrockneten Baͤlgen geht das Roth faſt ganz ver⸗ loren oder iſt dem gelblichen Grunde nur noch als eine Roͤthelſtein⸗ farbe beigemiſcht; an den zweijährigen iſt die Hauptfarbe deſſel⸗ ben in ein ſchmutziges Roſtgelb, an jungen Voͤgeln in truͤbes und bleiches Ochergelb mit bleifarbiger Beimiſchung verwandelt. Rachen und Zunge ſind im friſchen Zuſtande fleiſchfarbig oder roͤthlichweiß. Am Anfange des Kopfes um die Schnabelwurzel iſt die Haut nackt, an der Stirn nur ſchmal, an den Seiten aber über ½¼ Zoll breit, ſo die Haut am Kinn (aber nicht die Kehle) und die breiten Zuͤgel, nebſt einem kleinen Augenkreis und den Augenlidern; dieſe nackten Theile ſind bei juͤngern Voͤgeln gelblichweiß, ſpaͤter weiß, oder roͤthlichweiß. Ausgetrocknet bekommen fie eine ſchmutzige mei- ſtens braune Faͤrbung. Das Auge iſt ziemlich klein und hat in der Jugend einen weißgrauen, im mittlern Alter eine braungelbe, im hohen eine blutrothe Iris. Die Fuͤße haben eine enorme Laͤnge und ſind verhaͤltnißmaͤßig ziemlich ſchwach oder ſehr ſchlank, an den Laufen bedeutend, an den Schienen weniger zuſammen gedruͤckt, an den Gelenken etwas ſtark; die Nuditaͤt der Schienen von ungemeiner Laͤnge, von den Ferſen an faſt zwei Drittheile hinauf; die drei Vorderzehen kurz, durch bis an die Spitzen reichende, jedoch halbmondfoͤrmig ausgeſchnittene Schwimmhaͤute verbunden; die Hinterzeh frei, ſehr klein, ſehr kurz, hoch uͤber dem Zehenballen eingelenkt. Ihr Uiberzug beſteht in einer zart anzufuͤhlenden, duͤnnen, im Leben weichen Haut, welche durch ſehr ſeichte Einſchnitte vorn und hinten in eine Reihe großer Schild— tafeln, auf den Zehenruͤcken in ſchmaͤlere Schilder getheilt, an den Gelenken ſchwach, an den Schwimmhaͤuten noch undeutlicher gegit— tert, an den Zehenſohlen flachwarzig iſt. Dieſer Uiberzug macht ſie denen des Avoſett-Saͤblers noch aͤhnlicher als ihre ſonſtige Ge: ſtalt, weil die Zehen verhaͤltnißmaͤßig viel kuͤrzer und die Krallen 414 XII. Orbn. IXX. Gatt. 263. Rofenfarb. Flaming. ganz anders geformt ſind als dort. Dieſe ſind denen der Stoͤrche aͤhnlich und liegen wie bei dieſen ſo auf der Spitze der Zehen, daß kaum ihr vorderer, zugerundeter, ſcharfer Rand ein wenig uͤber ſie vorſteht, weshalb ſie beim Meſſen der Zehenlaͤnge nicht in Betracht kommen; fie find klein, laͤnglicheirund, wenig gewoͤlbt, außer einer etwas vortretenden Schneide auf der Seite nach innen an der der Mittelzeh, nur die zugerundete, ſcharfſchneidige Spitze frei, im Uibri— gen feſt aufliegend. — Daß alle Koͤrpertheile an dieſen Voͤgeln erſt nach Jahren ihre völlige Größe erreichen und ihr Wachsthum viel langſamer als bei den allermeiſten Voͤgeln von Statten geht, wird namentlich auch an den Beinen ſehr auffallend. Es mag wenig Voͤgelarten geben, bei welchen dies in einem ſolchen Grade der Fall wäre als bei den Flamings. Daß fie bei einjährigen Vögeln. um ein Drittheil, ja faſt um zwei Fuͤnftheil kuͤrzer als bei recht alten und großen Individuen vorkommen, iſt nichts Seltnes, und vergleicht man damit den jungen, eben flugbar gewordenen Vogel, ſo wird ein noch bei weitem groͤßerer Abſtand bemerklich. — Bei jungen Vögeln iſt das Ferſengelenk unfoͤrmlich dick und zu⸗ naͤchſt ihm auch der Lauf, welcher auch vorn herab eine Rinne hat, die ſich aber noch vor Eintritt des zweiten Lebensjahres völlig ver loren hat. Die Farbe der Fuͤße iſt nach dem Alter ſehr verſchieden, an jungen Voͤgeln blaß gelblichfleifehfarben, an den Gelenken bleifar— big oder ſchmutzig gruͤnlich uͤberlaufen, im getrockneten Zuſtande licht hornfarbig, an den Gelenken unſcheinlicher; im Mittelalter gelbroͤthlich, nach dem Austrocknen ſchmutzig roſtgelb; im hohen Alter truͤbe roſenroth, an todten Baͤlgen gelbroͤthlich. Die Farbe der Naͤgel iſt beſtaͤndiger, bei alten ſchwarz, an den Enden braun, bei jungen Voͤgeln ſchwarzbraun, an den Spitzen hellbraun. Das Dunenkleid unſeres Flamings ſoll ein dichtſtehender hell— grauer Flaum ſein. Sie ſollen darin eben nicht huͤbſch ausſehen und ſehr unbehuͤlfliche Geſchoͤpfe ſein. Wenn die Jungen ihr erſtes Federkleid bereits vollſtaͤndig an— gelegt haben und ziemlich gut fliegen koͤnnen, ſind ſie nach allen Koͤrpertheilen kaum erſt halb ſo groß als die Alten. Das Jugendkleid hat zur herrſchenden Farbe ein grauliches Weiß, dieſes aber nicht rein, nur an den untern Koͤrpertheilen ohne Flecken und anderer Beimiſchung; am Kopfe und der ihm naͤchſten Halshaͤlfte ſchwach braͤunlichgrau uͤberlaufen, an der letztern auch noch durch einen dunklern Anſtrich von dieſer Farbe auf der Mitte XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 415 der Federchen und durch braunſchwarze Schaͤfte geſprenkelt oder fein gefleckt; an dem untern Theil des Halſes iſt eine aͤhnliche Faͤrbung vorhanden, aber ſie wird durch die breitern in Weiß uͤbergehenden Federenden beinahe ganz verdeckt; Ober- und Unterruͤcken bis auf den Schwanz hinab truͤbe weiß, die feinen Schaͤfte dieſer Federn dunkelbraun oder ſchwaͤrzlich; ebenſo die Schulterfedern, an welchen aber gegen die Wurzeln der Federn noch graubraune Schaftſtriche zum Vorſchein kommen, die an den laͤngern Federn immer groͤßer, dunkler und auffallender werden, endlich an den Enden der laͤng— ſten Schulterfedern dieſe bis zu und uͤber die Haͤlfte ganz braun⸗ ſchwarz faͤrben; die Untergurgel, Bruſt, Tragfedern, Schenkel und untere Schwanzdecke weiß und ungefleckt. Auf dem Oberflügel find die kleinen Deckfedern weiß, mit ſchwarzbraunen Schaftſtrichen; die mittlern weiß, mit braunſchwarzen Schaftſtrichen, die ſich an den Enden der Federn ſehr ausbreiten und an den Raͤndern in Braun verlaufen; die großen nur an der Wurzelhaͤlfte weiß, dann ſogleich, auf der Außenfahne fruͤher als auf der innern, bis zur Spitze durch— aus braunſchwarz, lichtbraun geſaͤumt; die Fittichdeckfedern weiß, mit einem ſchwachen roſenfarbigen Schein, und braunſchwarzen Schaft: ſtrichen, welche an den Enden der Federn zu Tropfenflecken werden, die an den groͤßten, welche tief ſchwarze Schaͤfte haben, in eine ganz braunſchwarze Spitze ausarten; ſaͤmmtliche Schwingfedern ſind tief braunſchwarz, die letzten bloß an den Raͤndern etwas lichter. Am Unterflügel find die Deckfedern weiß, mit fanfter Roſenfarbe über: laufen, die ſich am ſtaͤrkſten und ſchoͤnſten an Moͤhrings falſchem Fluͤgel, d. i. unter der Achſel zeigt, alle Federn mit einem braun⸗ ſchwarzen Schaftſtrich, die groͤßern noch mit ſolchen Flecken, und die Schwingen auf der untern Seite matt braunſchwarz. Der Schwanz iſt weiß, die Mittelfedern dies ganz, die folgenden haben aber auf der Außenfahne, nahe an der Spitze, einen zolllangen, ſchmalen ſchwarzbraunen Randfleck, welcher aber auf der aͤußerſten Feder nur halb ſo groß iſt; die untere Seite hat die naͤmliche Zeichnung aber blaſſer. Unter dem Conturgefieder ſitzen ziemlich dichte, aber kurze, braungraue Dunen. — Dieſe jungen Voͤgel haben anfaͤnglich graue, ſpaͤter in Gelbbraun uͤbergehende Augenſterne; einen weißlich ocher— gelben, bei einigen etwas ins Gruͤnliche ziehenden Schnabel, mit braunſchwarzer Spitze; gelbgruͤnlichweiße Halftern und Zuͤgel, und blaß gelblichfleiſchfarbene, an den Gelenken bleifarbig oder ſchmutzig⸗ gruͤnlich uͤberlaufene Füße. Maͤnnchen und Weibchen ſind in dieſem Kleide von gleicher 416 XII. Orb. LXX. Gatt. 261. Roſenfarb. Flaming. Faͤrbung, aber gewoͤhnlich von ſehr ungleicher Groͤße, indem das Letztere immer etwas, oft auch viel, kleiner als Erſteres iſt. Die jungen Flamings tragen ihr Jugendkleid ein volles Jahr, verändern ſich aber in dieſem Zeitraum hoͤchſt auffallend, nament⸗ lich in der Groͤße und am meiſten in der Laͤnge des Halſes und der Beine; ein vierteljaͤhriger und ein volljaͤhriger ſind darin zum Erſtaunen verſchieden. Weniger kann dies von der Faͤrbung des Gefieders geſagt werden, obwol auch manche nicht unbedeutende Ver⸗ aͤnderungen damit vorgehen, ehe es in einer voͤlligen Mauſer durch neues erſetzt wird. Es erſcheint kurz vor ſolcher, alſo im zweiten Sommer ihres Lebens, viel lichter und weißer, weil die Farbe der Flecke, namentlich auf dem Mantel, oder auch an den Schwin— gen, merklich bleicher und fahler geworden, das Grau am Kopf und Halſe auch verbleicht iſt, weiter am Halſe herab die Federn an den Enden ganz weiß geworden ſind, die alles nur an den Wurzeln noch verbliebene Grau verdecken, obgleich ihre Raͤnder durch Abrei- ben am Umfange verloren haben; dies Abreiben wird weiter hinab auf den Schultern noch auffallender, dadurch hin und wieder die grauen Schaftflecke an den Federwurzeln ſichtbar, an den groͤßern aber ſo außerordentlich, daß der Bart der Federn nicht allein bloß an der Spitze, ſondern bei vielen zur Haͤlfte und bei einigen noch weiter herauf verſchwunden iſt und die leeren Federſchaͤfte wie Schweins⸗ borſten daſtehen und auch eine ſo blaſſe braune Farbe haben. Es iſt zu verwundern, woher die heftigen Reibungen gerade an dieſen Theilen kommen moͤgen, da ſie an allen uͤbrigen gar ſo ſehr auf— fallend nicht ſind, namentlich Schwing- und Schwanzfedern faſt keine Spur davon zeigen. Die Angabe: Die Flamings waͤren im erſten Jahr grau, im zweiten weiß, wuͤrde demnach, nach genauerer Unterſuchung, dahin zu berichtigen fein, daß die 2 bis 3 Monate alten viel duͤſte⸗ rer und grauer ausſehen, als 8 bis 9 Monate ſpaͤter, wo dann in ihrem Gefieder eine viel weißere Grundfarbe herrſchend geworden, dies jedoch ohne ſtattgehabten beſondern Federwechſel, ſondern bloß durch Verbleichen und Abſcheuern des Gefieders bewirkt iſt. Unſer Flaming wird uͤber ein Jahr alt ehe bei ihm der erſte Federwechſel eintritt, der alfo im zweiten Sommer feines Lebens Statt hat. Sobald dieſer vollendet iſt, hat ſein Gefieder eine weit reinere, einfachere Faͤrbung; es iſt durchgehends, an den Fluͤgeln allein ausgenommen, rein weiß, wie Schnee, bei einigen (Maͤnn— chen) jedoch an der untern Halswurzel, den Schultern und am XII. Orbn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 417 Schwanze ganz ſchwach mit Roſenfarbe uͤberhaucht; alle Fluͤgeldeck⸗ federn, auch die unter dem Flügel, und die 3 oder 4 letzten Schwing⸗ federn, rein und wunderlieblich roſenroth, friſch von beſonderem Feuer, an den Fittichdeckfedern jedoch etwas bleicher; die Schwing: federn erſter und zweiter Ordnung kohlſchwarz. Dann iſt der Schna⸗ bel, außer der ſchwarzen Spitze und Mundkante oder den Lamellen, hellgelblich, vorwaͤrts roͤthlich, nach unten an der hohen Unterkinn⸗ lade in blaſſes Roth uͤbergehend; die nackten Zuͤgel, Halfter und Kinnhaut weißgelblich; die Beine gelbroͤthlich, an den Gelenken und Schwimmhaͤuten heller; die Iris gelbröthlichbraun. Maͤnnchen und Weibchen find nur durch die abweichend Groͤße verſchieden; doch iſt mir noch kein als weiblicher Vogel bezeichnetes Exemplar vorgekommen, das jenen roſenfarbigen Anflug an den bezeichneten Stellen im Weißen gehabt haͤtte. Dieſe ſo leiſe aufgehauchte Roſenfarbe iſt uͤbrigens von geringer Dauer und im naͤchſten Frühjahr verſchwunden, eben fo hat dann das herrliche Roſa auf den Flügeln viel von feinem Feuer verloren und iſt bei mans chen (vermuthlich Weibchen) ſehr blaß geworden, wo ſich denn auch an dieſen nun zwei Jahr alten Voͤgeln, zumal gegen eine neue Mauſer hin, das Gefieder an den Schultern ziemlich abgerieben zeigt, doch ſelten ſo ſtark als bei einjaͤhrigen. Uibrigens iſt das Roth auf den Fluͤgeln auch individuell verſchieden, bei manchen von allem Anfang an blaͤſſer, bei andern friſcher, dieſes bei den Maͤnn⸗ chen, jenes gewöhnlich bei den Weibchen; aber von einem ſolchen Feuer und dem Karminroth ſich naͤhernd, wie bei der ſuͤdamerika⸗ niſchen Art (Ph. ruber. Temm.), koͤmmt es bei der europaͤiſchen in gleichem Alter nie vor. Nach der zweiten Mauſer oder im dritten Lebensjahr iſt unſer Flaming beinahe ausgefaͤrbt; dann iſt alles Weiße ſeines Gefieders ſchwach roſenroth uͤberlaufen, an der Gurgel, hinten an den Schul⸗ tern und am Schwanze am wenigſten, an der Unterbruſt, den Schen⸗ keln, dem Bauche und den untern Schwanzdeckfedern faſt gar nicht; ſeine Oberfluͤgel auf beiden Seiten, ſchoͤn roſenroth, das Uibrige wie im vorigen Kleide, Schnabel und Beine aber roͤthlicher. Die Weibchen ſind blaͤſſer gefaͤrbt und kleiner als die Maͤnnchen. Nach der dritten Mauſer oder im vierten Lebensjahr ſind dieſe Voͤgel endlich ausgefaͤrbt, ſo daß ſie ſich nun nicht mehr auf⸗ fallend veraͤndern. Das friſch vermauſerte Gefieder prangt dann in den herrlichſten ſanfteſten Farben und iſt gleichſam eingetaucht in eine ungemein W zarte Roſenfarbe; Kopf, Hals, Bruſt, Seiz I Theil. 27 418 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. ten, Schenkel, Ruͤcken, Schultern und Schwanz ſind damit leicht oder etwas matt uͤbergoſſen, am Hinterkopfe, Halſe und an den obern Koͤrpertheilen am lebhafteſten, am Bauch und den untern Schwanz⸗ deckfedern aber in Weiß uͤbergehend; alle Fluͤgeldeckfedern, auch die unter dem Fluͤgel, nebſt den drei oder vier hinterſten Schwingfedern ſind dagegen von einer viel geſaͤttigtern oder hoͤhern Roſenfarbe, aͤhnlich der im Innern der Centifolien-Roſe, faſt karminroth, eine koͤſtliche Farbe, die nur an den Fittichdeckfedern etwas bleicher iſt, und gar herrlich abſticht gegen das tiefe Schwarz der Schwingfe⸗ dern erſter und zweiter Ordnung. Das Auge ſo alter Voͤgel hat dann einen feuerig rothbraunen oder blutrothen Stern; die nackten Augenkreiſe ſind weiß, Zuͤgel, Halfter und Kinn roͤthlichweiß; die Schnabelwurzel roſenroth; der Oberſchnabel blaß fleiſchfarbig, gegen die Biegung etwas roͤther; der Unterſchnabel dunkel roſenfarbig, nach der Mundkante zu etwas bleicher; die Schnabelſpitze ſchwarz, ſcharf vom Rothen getrennt, an dem Oberſchnabel weiter herauf reichend als am untern; oft auch die Lamellen ſchwarz; die Haut an den Füßen roſenroth, doch etwas truͤbe oder einer geſaͤttigten Fleiſch— farbe ſich naͤhernd; die Naͤgel braunſchwarz. Die nackten Theile haben im Fruͤhjahr ihre reinſte und hoͤchſte Faͤrbung, das Gefie: der iſt dann aber ſchon merklich abgebleicht und feine zarten Farben ſind im Herbſt, bald nach der Mauſer nur in ihrer hoͤchſten Rein⸗ heit und Pracht. Sie verbleichen im Tode, zumal an Ausgeftopf: ten bedeutend. Auch die alten Weibchen tragen ein kaum weniger praͤchtig gefaͤrbtes Gewand, find aber ſtets kleiner als die Männchen. Ich habe ein ſolches vor mir, das ſich durch ſeine auffallende Kleinheit auszeichnet, in der Mauſer ſteht, aber faſt ganz ausgefaͤrbt iſt, an welchem nicht allein die viel kuͤrzern Fuͤße, ſondern auch der kleinere Schnabel ſehr in die Augen fallen, während es herrlich blaßroſa gefärbt und dieſer Anflug am Kopfe und Oberruͤcken am lebhafte ſten iſt, an den groͤßten Schulterfedern und am Schwanz aber in faſt reines Weiß uͤbergeht, deſſen Fluͤgel hochroſa, die Schwingfe— dern kohlſchwarz, die blaßroſenfarbigen Fittichdeckfedern an den Spitzen auch ſchwarz ſind. Schnabel und Fuͤße ſehen im getrockneten Zu— ſtande ganz bleich gelblichgruͤn aus ). b ») um die natürlichen Farben der nackten Theile, die dieſe im friſchen Zuſtande haben, ziemlich genau keimen zu lernen, iſt erforderlich, daß man die Häute eine ges wiſſe Zeit lang einweiche; wo man dies kann, wird man, bei einiger Uibung, bald die natürlſche Färbung erkennen, zumal an ſolchen, die allmählich und nicht in Ofen⸗ hitze getrocknet worden ſind. XII. Orden. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 419 Im Sommerkleide iſt die Farbung auch des alten Fla⸗ mings um Vieles bläffer als fie im Herbſte war; es kommen daher in Sammlungen eine Menge von Abſtufungen vor, die oft ſehr auffallend ſind, waͤhrend das Roth auf den Fluͤgeln mehr Dauer zu haben ſcheint. Ein die groͤßten Maße haltendes, ausgefaͤrbtes Maͤnnchen, im Vorſommer erlegt, iſt ſo blaß roſenfarbig, daß man die herrſchende Faͤrbung deſſelben nur Weiß, mit Roſenfarbe ſchwach uͤberlaufen nennen darf, waͤhrend deſſen Fluͤgel hoch roſenroth geblieben ſind. Bei Ausgeſtopften ſchadet das Licht dieſer zarten Farbe ſehr und den Sonnenſtrahlen ausgeſetzt wuͤrde ſie in nicht gar langer Zeit ganz verſchwinden; nicht ſo die auf den Fluͤgeln, welche ſich auch dann eben nicht ſehr veraͤndert. ; Jene zarte Farbe bleibt bei unſerem Flaming auch im hoͤchſten Alter nur eine etwas ſtaͤrker aufgetragene ſanfte Roſenfarbe und wird nie ein ſo lebhaftes Roth, als das, was ſtets die ſuͤdameri⸗ kaniſche Art auszeichnet und von ihr unterſcheidet, bei welcher das Gefieder auch etwas Glanz und die Farbe nach dem Tode mehr Dauer hat, wie ſie denn bei dem unſrigen uͤberhaupt eine aus ganz andern Stoffen beſtehende Farbe und nur auf das Gefieder gehaucht au je ſcheint, wovon allein die der Fluͤgel auszunehmen ſein moͤchte. Daß vorſtehende Beſchreibungen alle nach in Suͤdeuropa oder an den Kuͤſten von Nordafrika erlegten Exemplaren entworfen find, bedarf wol kaum einer Erwähnung. Ich habe dazu eine Menge von Exemplaren in Sammlungen und bei Naturalienhaͤndlern auf das Genaueſte unterſucht und ſie mit einander verglichen, aber nur allein ſolchen meine volle Aufmerkſamkeit geſchenkt, bei welchen der Fundort angegeben war. “er 5 Die Flamings mauſern nur ein Mal im Jahr, wie viele große Vigel iemiich Angi, und zwar in den Sommermonaten. 2 0 1 Bam 970,30 a u fe entha r 1 Duck gaming iſt ein den open der alten Welt geb riger Vogel, welcher in der gemaͤßigten Zone nur in det Nähe der Wendekreiſe noch regelmäßig vorkommt, aber nicht tief, theilweiſe nur bis zum 44. Grad n. Br., in die unſrige eindringt. Verſchiedene Theile von Afrika, nament⸗ lich die Berberei, ee ſelbſt das Kap der guten 27* 420 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. Hoffnung, und mehrere von Aſi ien ſind, nebſt einigen des ſuͤd⸗ lichen Europa, vorzuͤglich die Kuͤſten und Inſeln des mittellaͤndi⸗ ſchen Meeres, diejenigen, wo er hin und wieder in ſehr bedeuten⸗ der Anzahl angetroffen wird. Kalabrien, Sizilien und Sar⸗ dinien, ſeltner Korſika, ſehen ihn alljaͤhrlich in großer Menge, auch Spanien und Portugal, weniger Toscana, und die ſuͤdliche Kuͤſte von Frankreich noch bei weitem einzelner, obwol er an einigen Orten, z. B. an den Muͤndungen der Rhone und mehrern aͤhnlichen Gegenden auf dieſem Kuͤſtenſtriche alle Jahre vor⸗ kommt. Von feinem Vorkommen noch weiter noͤrdlich hat man keine Nachrichten, außer daß er zuweilen am Luganer-See be⸗ merkt wurde, auch im März 1795 ein ſolcher am Neuenburger: See in der Schweiz erlegt ift, daß er am Bodenſee geſehen wurde, und endlich daß ſich einige Mal: Flamings bis faſt in die Mitte von Deutſchland verirrt haben, weshalb man dieſe Art auch unter die deutſchen Voͤgel zaͤhlen darf. Schon 1728 am 10 ten April wurde ein Exemplar am Altrhein bei Alzey geſchoſſen, und im Juni des ſehr heißen Sommers 1811 kam gar eine Geſellſchaft, 27 an der Zahl, an den Rhein, zuerſt bei Kehl, dann bei Gambs⸗ heim, von welchen 6 Stuͤck, fuͤnf Weibchen und ein Männchen ge: ſchoſſen wurden; am 25 ſten Juni deſſelben Jahres ſahe man eine Anzahl dieſer Voͤgel uͤber Bamberg ziehen; von dem 14ten bis 16 ten Juli hielten ſich 2 bei Schierſtein an einer Rheinaue auf dem Sande auf „ und einige Tage nachher zeigten ſich dieſelben bei Idſtein. Diefe, Flamings waren ſaͤmmtlich junge zweijaͤhrige Vögel. Obgleich ein Bewohner warmer Länder, ift. dieſer Flaming doch nicht ohne Wandertrieb. Er hält feine gewiſſ e Zugzeit, ‚Scheint, aber nicht wie die Zugvoͤgel noͤrdlicherer Lander gegen Beginn der kalten Jahreszeit wärmere, als die ſind, welche er im Sommer bewohnte, ſondern nur ſolche aufzuſuchen, von denen er weiß, daß ſie ihm Nahrung im Uiberfluſſe darbieten und welche die Juͤngern in Ge— ſellſchaft der Aeltern u. ſ. w. kennen lernten, wo er ſich dann alle Jahr ganz regelmaͤßig und in großen Schaaren einfindet und ſie nach langem Aufenthalte zu beſtimmter Zeit auch wieder verlaͤßt. Man weiß, daß dies auf Sardinien von jeher der Fall war und daß man dieſe Voͤgel im Winter alle Jahr dort in großer Anzahl verſammelt und im Fruͤhjahr wieder wegziehen ſieht. Unter andern ſagt der Cav. della Marmora, daß in Cagliari die Spaziergänger von den Baſtionen herab ſie alle Jahr ſchon um die Mitte des Au— guſt (nach einigen erſt im September, nach andern noch ſpaͤter) in XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Rofenfarb. Flaming. 421 den praͤchtigſten Zügen (wie man meint, aus Afrika) ankommen ſehen und daß ſie gegen Ende des Maͤrz wieder von dort wegzoͤgen. Dieſem haͤtte ich bloß hinzuzufuͤgen, daß die gefäligen Mittheilun⸗ gen des Hrn. Prof. Rudolph Wagner es mir ganz fo beftätig- ten. Er war im Februar 1828 dort und konnte die herrlichen Fla⸗ mings in großer Menge an der Kuͤſte, vorzuͤglich aber an den mit dem Meere in Verbindung ſtehenden Teichen und Suͤmpfen bei Cagliari, ebenfalls vom Kaſtell aus, in der Ferne beobachten. Tauſende überwintern demnach in jenen Gegenden, die fie im Früh: jahr wieder verlaſſen, bis auf einzelne Paare, die (nach Cetti, Uec. di Sardegna) im Lande bleiben und alljaͤhrlich da bruͤten, wovon Hr. R. W. jedoch nichts erfahren konnte. — Es laͤßt ſich ir mit Beſtimmtheit behaupten, aus welchen Gegenden jene dort überwin- ternden Schaaren kommen moͤgen, doch liegt ihre Sommerheimath dem Anſchein nach ſuͤdlicher und ſuͤdweſtlicher, und dann koͤnnte man das alljährliche Erſcheinen und Verſchwinden der Flamings auf Sar— dinien wol eigentlich nicht Zug, ſondern viel richtiger Strich nen⸗ nen. Es waͤre ohngefaͤhr eine Erſcheinung, wie wir ſie an unſern Goldammern und Feldſperlingen haben, die ſich auch im Herbſt in Heerden verſammeln und in ſolchen ſich an Orte begeben und uͤberwintern, wo man dieſe Arten im Sommer auch nur in einzelnen Paaren oder faſt gar nicht ſieht. Auch an der Suͤdkuͤſte von Frankreich, z. B. bei Montpellier, überwintern oft Fla⸗ mings, die daſelbſt nicht ſelten Schnee zu ſehen bekommen, der ihnen beiläufig ſehr widerlich fein mag, indem ſie in ſolcher Zeit viel von ihrem ſonſt ſo ſcheuen Weſen verlieren. Waͤre es uͤbrigens erwieſen, daß, wie man ſagt, unſer Flaming im Sommer auch am ſchwar— zen und caspiſchen Meer lebte, ſo koͤnnten es auch dieſe ſein, welche in Suͤdeuropa uͤberwintern und ihr Zug ginge dann, wie bei vielen andern Voͤgeln, von Oſten gerade nach Weſten und in umgekehrter Richtung im Frühjahr wieder dorthin zuruͤck. g Die Flamings find Seevoͤgel und lieben die ſalzigen Gewaͤſſer. Sie entfernen ſich ſelten weit vom Meere und gehen nur dann tie— fer landeinwaͤrts, wenn die Gewaͤſſer mit dieſem in Verbindung ſtehen. Sie lieben beſonders die ſogenannten Lagunen, die ſeichten, moraſtigen Umgebungen der Flußmuͤndungen, die niedrigen kleinen Inſeln vor dieſen und Orte, wo bei der Ebbe weit ausgedehnte Flächen von Waſſer frei werden. Auch auf ihren Streifzuͤgen fol gen ſie in der Regel immer der Meereskuͤſte. Ihr Erſcheinen tief im Lande, an Stroͤmen, großen Landſeen und andern Gewaͤſſern, f 422 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. gehört daher unter die ſeltenſten Zufälle, und ſolche Flamings ſind nur als durch widriges Geſchick verſchlagene und planlos herumir⸗ rende zu betrachten. Sie halten ſich ſtets an offenen, ganz freien, . Orten auf, verbergen ſich nie im Schilfe und andern Sumpfpflanzen‘, ſetzen ſich auch niemals auf Baͤume und leben uͤberhaupt meiſtens in Ge⸗ genden, wo weit und breit kein Baum waͤchſt. Eigenſchaften. Eine wunderbare Geſtalt, mit praͤchtig gefaͤrbtem Gefieder, ge⸗ hoͤrt unſer Flaming unbeſtreitbar unter die allermerkwuͤrdigſten Voͤgel. Ausgezeichnet durch den etwas kleinen Kopf mit einem hoͤchſt ſon⸗ derbaren, aufgeblaſenen, nicht langen Schnabel, einen ungewoͤhn⸗ lich duͤnnen und uͤbermaͤßig langen Hals, auf dem klein ſcheinenden, ziemlich ſchlanken Rumpfe, von ſo enorm langen als duͤnnen Bei⸗ nen getragen, ſieht der ſtattliche Vogel aus, als wenn er auf hohen Stelzen einherſchritte; die kurzen Zehen mit den Schwimmhaͤuten, die dieſen Theil den Gaͤnſefuͤßen aͤhnlich machen, vollenden das Wun⸗ derliche dieſer hohen Geſtalt. Dunch die außergewoͤhnliche Laͤnge der Beine und des Halſes bekoͤmmt der ſtehende Flaming ein ſo bewundernswerthes als uͤbertrieben ſchlankes Ausſehen, und wenn er dieſen ſchlangenartigen Hals gerade in die Hoͤhe reckt und die Bruſt, wie gewoͤhnlich, hoch traͤgt, eine ſo enorme Hoͤhe, daß der alte ausgewachſene Vogel darin der eines erwachſenen Menſchen, mittler Groͤße, nichts nachgiebt. — Gewoͤhnlich traͤgt er ihn jedoch nicht ganz gerade ausgeſtreckt, ſondern in eine gefaͤllige 8S-Form ges bogen, die ſtaͤrker wird, wenn der Vogel ſich ganz in Ruhe befin: det, wie z. B. bei den Kranichen; er kann ihn übrigens in den zierlichſten Beugungen nach allen Richtungen ſchnell und ſchlangenartig bewegen. So wie ſeine Geſtalt, iſt auch ſein Leben voll der eigenthuͤm⸗ lichſten und abweichendſten Erſcheinungen. Sein Gang iſt wuͤrde— voll und, durch leiſes Auftreten, zugleich zierlich; feine großen, leich⸗ ten Schritte bringen ihn ſchnell vorwaͤrts. Wenn er ſuchend einher ſchleicht, den Leib in faſt wagerechter Lage, den Hals herabhangend, ſtuͤtzt er ſich im Gehen ſonderbarerweiſe oͤfters nicht auf die Spitze des Schnabels, ſondern, wie Papagaien, auf den obern Theil XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 423 der vordern Schnabelhaͤlfte, die dann einen dritten Fuß vorſtellt; der ſtakelbeinige flinke Fußgaͤnger ahmt darin alſo den kurzbeinigſten und ſchlechteſten nach. Nach allen Nachrichten haben die Flamings (außer dem unſ⸗ rigen auch andere Arten der Gattung), wo mehrere beiſammen ſind, die ſonderbare Gewohnheit, die wir indeſſen auch bei ſchwarzen Stoͤrchen und Fiſchreihern beobachteten, daß fie, wenn ſie ſich eben niedergelaſſen haben oder ſonſt nicht mit dem Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel beſchaͤftigt ſind, ſich in einer langen Reihe, einer neben dem andern, aufſtellen, dann, um zuvoͤrderſt die Gegend zu durchſpaͤhen oder bei ſonſt ihnen auffallenden Erſcheinungen, alle die Haͤlſe empor recken und ſo wie paradirende Soldaten daſtehen. Man hat ſogar Erzaͤhlungen, daß ſie in der Eil und Furcht, aus weiter Entfernung, fuͤr ſolche gehalten worden waren, wie namentlich in Kriegszeiten auf St. Domingo geſchehen ſein ſoll, wo man die hohen, glaͤnzendrothen Voͤgel “), die ſich in großer Anzahl unerwars tet an der Seekante aufgeſtellt hatten, eine kurze Zeit fuͤr eben ge⸗ landete engliſche Truppen hielt. Eine recht große Schaar fo auf: geſtellter rother Flamings ſoll uͤbrigens einen praͤchtigen Anblick ge⸗ waͤhren. Er wadet bis über die Ferſen ins Waſſer, doch oͤfterer in we⸗ niger tiefes, ſchwimmt aber nur im aͤußerſten Nothfall. Die Schwimm⸗ haͤute zwiſchen den Zehen ſcheinen mehr beſtimmt, das zu tiefe Ein⸗ ſinken in den weichen Schlamm zu verhindern, als zum wirklichen Rudern. Man ſetzt hinzu, daß er darin von der Avoſette, die gleichgeſtaltete Fuͤße hat und aus freiem Willen öfters ſchwimmt, abwiche. Er fliegt leicht, ſchoͤn und meiſtens ſehr hoch. Da er wahr— ſcheinlich ſeine ungemein langen Extremitaͤten gerade von ſich ſtreckt, ſo mag der fliegende Flaming eine ganz eigenthuͤmliche Figur bilden. Wir waren zwar nibinlorglüdlich einen lebenden Flaming im freien Naturzuſtande zu beobachten, koͤnnen aber nicht glauben, daß er im Fluge feinen Hals nach Art der Reiher zuſammen lege, weil dem: ſelben jene eigenthuͤmlichen Vorrichtungen dazu im Knochen- und Muskelbau fehlen. — Wenn ihr Flug weit geht, namentlich auf der Wanderung, wo ſie zugleich ſehr hoch fliegen, beobachten ſie eine ähnliche Ordnung wie 1 und Saatgaͤn ſe. Sie flie⸗ *) Die amerikaniſche, dort nur vorkemmende, Art iſt 1 noch viel cler roth gefärbt, als die europäiſche. 424 XII. Ord n. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. gen dann, wenn weniger beiſammen, in einer ſchragen Linie, groͤ⸗ ßere Vereine aber in zwei ſolchen, vorn in einem ſpitzen Winkel ver⸗ einten, langen Reihen, an deren Spitze immer einer der groͤßeſten und aͤlteſten fliegt. Ein Zug alter Voͤgel, von der Sonne beſtrahlt, ſoll, nach Verſicherung von Augenzeugen, einen prachtvollen An⸗ blick gewaͤhren, ſo daß er mit einer am Himmel gezeichneten, be⸗ weglichen Feuerlinie verglichen wird. Kommen ihre Schaaren ſo in geſchloſſenen Reihen an den Ort, wo ſie ſich niederlaſſen wollen, dann halten die Zuͤge etwas an, die Reihen loͤſen ſich auf, die ein⸗ zelnen Voͤgel fangen an ohne Fluͤgelbewegung in der Luft zu ſchwe⸗ ben, ſich zu drehen und in anfaͤnglich großen, dann immer enger werdenden Spirallinien aus der Hoͤhe auf die Erde herab zu laſſen, um ſich hier vorerſt in einer langen Reihe am Waſſerrande aufzu⸗ ſtellen. Das Ganze ſoll ein vortreffliches Schauſpiel geben. In eben ſolchen Schneckenkreiſen pflegen fie ſich auch aufſteigend in hoͤ⸗ here Luftregionen zu erheben, wenn ſie beabſichtigen die Gegend ihres bisherigen Aufenthaltes zu verlaſſen. Man haͤlt ihn allgemein fuͤr einen ſehr ſcheuen Vogel, ſagt ſogar, daß die Schaaren, wenn ſie ruhig weideten und die Mehr⸗ zahl die Koͤpfe unter dem Waſſer haͤtte, auch wo ſie Nachtruhe hiel⸗ ten, foͤrmlich Wachen ausſtellten, die waͤhrenddeß blos aufpaßten und beim Anruͤcken einer anſcheinlichen Gefahr, den andern ſogleich Zeichen zur ſchleunigſten Flucht gaͤben. Sie halten ſich deshalb im— mer an ganz freien Orten auf, wo ſie ihre Feinde, weil ſie ein ſehr ſcharf ſehendes Auge haben, ſchon von Weitem beobachten, um jeder Gefahr zeitig genug ausweichen zu koͤnnen. Ihre Vorſicht ſoll ſo weit gehen, daß den großen Heeren auch in der Luft ein alter Vo⸗ gel vorausfloͤge, um zuvor die Gegend zu recognosciren, in welcher ſie ſich niederlaſſen wollten. Aeußerſt furchtſam und mißtrauiſch fliehen fie fo den Menſchen in weiter Ferne za es mag ihnen daher, zumal auf den nackten Watten oder on Fallen Suͤmpfen ſchwer mit Schießgewehr beizukommen fein- Sie ſind geſellig und leben außer der Brutzeit in Vereinen, die oft aus Hunderten, ja Tauſenden ſolcher Voͤgel beſtehen, wan— dern namentlich in ſolchen und ihre praͤchtigen Fluͤge wurden von jeher bewundert, zumal die von alten ausgefaͤrbten Individuen, die gewoͤhnlich von den jungen getrennt leben, waͤhrend dieſe fuͤr ſich beſondere Vereine oder eigene Abtheilungen in den Heeren bilden, ſo daß man in einem Fluge lauter rothe, in einem andern lauter weiße Flamings ſieht und aus dieſen verſchiedenen Abtheilungen jene 4 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. 425 beruͤhmten Heerſchaaren zuſammen geſetzt ſieht, die man zuweilen fuͤr menſchliche, in rothen und weißen Uniformen, e haben will. Nur in der Fortpflanzungszeit leben die Alten in einzelnen Paaren zerſtreuet; die noch nicht fortpflanzungsfaͤhigen Jungen vom vorigen Jahr bleiben dagegen auch durch dieſe Zeit noch in kleinern Heerden beiſammen, und treiben ſich, von jenen geſondert, bis zur naͤchſten Zugzeit, an abgelegenen Orten herum, und ſie ſind es ge⸗ woͤhnlich, die ſich dabei zuweilen verirren und in ganz ferne, fremde Gegenden gerathen. 9 Unſer Flaming ſoll eine ſehr ſtarke Stimme haben und ſo laute Toͤne von ſich geben, daß man dieſe mit den ſchmetternden einer Trompete hat vergleichen koͤnnen. Genauer hat ſie niemand beſchrieben. Daß er, vermuthlich jung aufgezogen, laͤnger am Leben erhal⸗ ten und gezaͤhmt werden koͤnne, beweiſen die Nachrichten von einem Individuum in der Menagerie der Zoological Society zu London; es iſt uns indeſſen etwas Naͤheres daruͤber nicht bekannt geworden. Sie ſollen ſogar ſehr zaͤhm werden, und an dieſen hat man befon- ders das oben erwaͤhnte Aufſtuͤtzen des Schnabels beim langſamen Gehen beobachtet. Sie ſcheinen jedoch in der Gefangenſchaft, ver muthlich aus Mangel an ſchicklichen Nahrungsmitteln, nicht alt zu werden. Prof. R. Wagner erhielt einen bloß fluͤgellahm geſchoſſe⸗ nen, welcher zwar mehrere Tage am Leben blieb, aber nicht zur Annahme von irgend einem Nahrungsmittel zu bringen war. Nach er u n g. Dieſer große Vogel ſcheint wunderbarerweiſe nur von ganz win⸗ zigen Geſchoͤpfchen zu leben, und wenn hierbei Fiſche erwaͤhnt wer⸗ den, ſo kann es eben ſo nur die ganz junge Brut derſelben ſein, weil ſein Rachen ſo enge iſt, daß er hoͤchſtens eines Fingers lange und breite, nur von den ſchmaͤlſten Arten, zu verſchlucken im Stande fein moͤchte. Man überzeugte ſich durch das Oeffnen getoͤdteter Fla⸗ mings, daß er wol ſchwerlich von Fiſchen, eher von Fiſchlaich, haupt⸗ ſaͤchlich aber von ganz kleinen Würmern und Mollusken, namentlich von kleinen und außerordentlich kleinen Seekonchylien lebt, wie ſie ſich im Schlamme und Sande der ſalzigen Gewaͤſſer in großer Menge finden, den Boden deshalb mit dem Schnabel aufwuͤhlt, darin wie eine Ente ſchnattert und das Waſſer wie den fluͤſſigen Schlamm durch **. 226 XII. Orbn. LXX. Gatt. 263. Rofenfarb. Flaming. die lamellenartigen Zaͤhne treibt, um das Genießbare im Schnabel und auf der dicken Zunge zuruͤck zu behalten und allein zu ver⸗ ſchlucken. Sei es nun Zufall oder Abſicht, daß er hierbei oft gro⸗ ben Sand und kleine Quarzkoͤrner mit verſchlucke, genug daß dieſe, beim Oeffnen Getoͤdteter, faſt immer zwiſchen jenen animaliſchen - Stoffen in den nachher geöffneten Maͤgen angetroffen wurden. Auch Hr. Prof. R. Wagner fand es in den Magen von ihm geöffne- ter Flamings ſo, und die große Menge der kleinen einſchaligen Mu⸗ ſcheln ſchienen ihm meiſtens zur Gattung der Cerithien zu gehoͤren. Zur Zeit der Ebbe ſind ſie beſonders auf den weiten Watten ſehr thaͤtig und folgen dem Abgange des Waſſers immer an deſſen Rande fiſchend, wie es viele andere Strandvoͤgel thun, unter denen ſie, ihrer Groͤße und Schoͤnheit wegen, die bedeutendſte Rolle ſpielen. Der Flaming wadet, um jene aufzuſuchen, im ſeichten Waſſer und Moraſte, im erſtern oft bis uͤber einen Fuß tief, und taucht mit dem Kopfe auf den Grund deſſelben, wozu er vom Schoͤpfer mit ſo außerordentlich langem und nach allen Seiten beweglichem Halſe begabt wurde, daß ſich der Vordertheil ſeines Rumpfs nur wenig nach unten zu neigen braucht, um den Schnabel in eine Ebene mit ſeinen Zehen zu bringen. Waͤhrend er ſo zum Theil ſchon mit den Fuͤßen, meiſtens aber mit dem Schnabel, den beweglichen Bo— den des Waſſers aufregt, aufwuͤhlt und durchſchnattert, wuͤrde ihm dabei die Kruͤmmung des letztern, von ſeiner Mitte ploͤtzlich nach unten, nur hinderlich ſein, wenn ihm nicht, wunderbar genug, eine Art und Weiſe des Freſſens eigenthuͤmlich waͤre, die in der uͤbrigen Vogelwelt wol kaum noch vorkoͤmmt. Er biegt naͤmlich dabei den Kopf ſo ſtark, daß der Obertheil des Schnabels auf den Boden ge— druͤckt wird und ſein unterer Theil zu oberſt koͤmmt. — Nur auf dieſe Weiſe durchpfluͤgt und durchſucht der Flaming den weichen Bo— den des Waſſers, und das Zweckmaͤßige im Bau dieſes ſonderbaren Schnabels wird ganz klar. Daß dies wirklich ſo ſei und auf keiner Taͤuſchung beruhe, haben lebend erhaltene Flamings bewieſen, die ihre Nahrungsmittel nie auf andere Weiſe zu ſich nahmen. Wollte er auf gewoͤhnliche Weiſe, wie andere Voͤgel, die Nahrungsmittel bloß mit der Schnabelſpitze aufnehmen, ſo wuͤrde der große Vogel, bei der Kleinheit jener, um ſich zu ſaͤttigen, eine viel zu lange Zeit beduͤrfen. Wir koͤnnen dieſe Wunder der Schoͤpfung nur mit Stau⸗ nen uͤber die Weisheit ihres Urhebers betrachten. N XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſen farb. Flaming. 427 Fortpflanzung., Der europaͤiſche Flaming niſtet in den ſuͤdlichen Theilen von Italien und auf verſchiedenen groͤßern und kleinern Inſeln des Mittelmeeres, haͤufiger wol noch auf der entgegengeſetzten Kuͤſte dieſes Meeres als auf unſrer Seite. Als einer ſeiner noͤrdlichſten Bruͤteorte find wol die Muͤndungen der Rhone, bei Arles im uͤdlichen Frankreich zu bemerken, wo alle Jahr einige Paͤaͤrchen bruͤten, namentlich auf der, zwiſchen der Vereinigung der beiden Arme jenes Stromes mit dem Meere liegenden ehr flachen und unbewohnten Inſel Lamargue. In Amerika ſollen die dortigen Zlamings in Geſellſchaften nahe nebeneinander ihre Neſter bauen, wie namentlich von denen auf den Bahama⸗Inſeln erzaͤhlt wird; von der europaͤiſchen Art hat man dies nicht bemerkt. Die Neſter dieſer hat man mehr ein⸗ zeln gefunden; ſie ſtehen im weiten, tiefen Sumpfe, an freien Or⸗ ten und werden auf kleinen, vom Waſſer umgebenen Huͤgelchen an⸗ gelegt, die der Vogel ſich ſelbſt verfertigt, indem er mit den Fuͤßen den Schlamm nebſt faulenden Vegetabilien zuſammen ſcharrt, oben auf eine Aushoͤhlung bildet, und dieſe mit trocknen Pflanzentheilen, Halmen, Stengeln, Wurzelchen, nur duͤrftig auslegt. Luft und Sonne trocknen unter jenem ſuͤdlichen Himmel dieſe Huͤgelchen bald aus, daß ſie ganz feſt werden. Sie ſind immer mit ſeichtem Waſſer umgeben und gegen 2 Fuß hoch, vermuthlich um bei zu⸗ faͤlligem Anwachſen des Waſſers dem moͤglichen Uiberſchwemmen vorzubeugen. In jedem Neſte liegen 2, ſehr ſelten 3, laͤnglich eiförz. mige, ſehr große, den Gaͤnſeeiern in der Groͤße faſt gleichkommende, weiße und ungefleckte Eier, die von beiden Gatten abwechſelnd aus⸗ gebruͤtet werden. — Man will bemerkt haben, daß das bruͤtende Weibchen oft durch ſtarkes Schreien ſein Maͤnnchen zum Wechſeln dieſes Geſchaͤfts auffordern muͤſſe, oder daß es bei Annäherung deſſel⸗ ben fuͤr Freude ſeine Stimme erhebe, welches wahrſcheinlicher als das erſtere waͤre. — Die Jungen verlaſſen das Neſt bald, koͤnnen ſehr ſchnell laufen, druͤcken ſich aber auch vor ihrem Verfolger ehe ſie ſich zum Fortlaufen entſchließen; dies Alles wenn ſie noch im grauen Dunenkleide und unfaͤhig zum Fliegen ſind. Die Zeit des Bruͤtens iſt nicht bekannt, wol aber eine alte Sage uͤber das Wie, die anſcheinlich ein Schriftſteller dem andern nachgeſchrieben hat, ohne dabei bedacht zu haben, daß ſie den Um⸗ # 428 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. fländen nach und auf die angegebne Weiſe gar nicht Statt haben kann. Die Flamings ſollen naͤmlich auf dem ſelbſtverfertigten, ke⸗ gelfoͤrmigen Huͤgel, deſſen Spitze abgeſtutzt und etwas ausgehoͤhlt (übertrieben genug hat jemand dieſe gar mit einem Topfe vergli⸗ chen), das eigentliche Neſt vorſtellt, nicht wie alle andere langbei⸗ nigen Voͤgel, Stoͤrche, Reiher, Avoſetten u. a. m. mit unter⸗ gezogenen Beinen uͤber den Eiern liegen, ſondern ihre langen Stel⸗ zen zu beiden Seiten des Huͤgels frei herabhangen laſſen und alſo gleichſam auf dem Neſte reiten. — Obgleich ich ſelbſt nicht fo gluͤck⸗ lich war, einen bruͤtenden Flaming mit eigenen Augen zu beobach⸗ ten, ſo kann ich doch meine Meinung nicht unterdruͤcken, daß ich aus folgenden Anſichten, die Sache mit dem Reiten auf dem Neſte fuͤr ein Maͤhrchen und fuͤr rein unmoͤglich halte. Die Huͤgel wer⸗ den naͤmlich 18 bis 20 Zoll oder gegen 2 Fuß hoch und an ihrer Baſis eben fo breit beſchrieben. Sollte nun das Reiten des Vo⸗ gels moͤglich werden, ſo duͤrfte die abgeſtumpfte und fuͤr die Eier ausgehoͤhlte Spitze des Huͤgels nur einer Hand (kaum 5 Zoll) breit ſein, weil bei unſerm alten Flaming der Zwiſchenraum von einem Schenkel zum andern nicht mehr betraͤgt, — und dazu müßte den: noch der reitende Vogel, wegen nothwendig wachſender Breite des Huͤgels nach der Baſis zu, ſeine Beine ſo weit auswaͤrts ſpreitzen, daß er in dieſer Stellung auf die empfindlichſte Weiſe leiden wuͤrde, wenn anders eine ſo widernatuͤrliche Spreitzung wirklich moͤglich waͤre, wovon aber weder Knochen- noch Muskelbau etwas zeigen. Auch würde dem bruͤtenden Vogel in ſolcher Stellung viel Brut⸗ waͤrme verloren gehen, weil er nicht, wie andere Voͤgel, auch die Tragefedern zum Umſchließen der Eier nach außen gebrauchen koͤnnte. Aber nicht dies allein macht das Reiten unglaublich; man darf auch wol fragen, ob ein Raͤumchen von 5 Zoll Durchmeſſer, wenn auch etwas ausgehoͤhlt, zwei bis drei Eiern, von der Größe der Gaͤnſe— eier, ein Lager gewaͤhren koͤnnte, von dem ſie nicht bei der leiſeſten Beruͤhrung herab rollen ſollten? — Fuͤr ſo große Eier duͤrfte ein ſolcher Napf wenigſtens nicht unter 7 Zoll Durchmeſſer haben, ſelbſt wenn er auch keine kreisfoͤrmige, ſondern eine ovale Form haͤtte, wovon jedoch in den Beſchreibungen nichts geſagt wird. Nach ſol— chen Betrachtungen erſcheint die Sache des Reitens der Flamings auf ihrem Neſte als Erdichtung und rein unmoͤglich. Freilich wird es nicht leicht ſein Gewißheit zu erhalten, daß ſie wie alle andern Voͤgel mit an den Leib gezogenen Beinen uͤber ihren Eiern liegen, da bei der Scheuheit dieſer Voͤgel dies nur durch ein gutes Fernrohr * XII. Orbn. LXX. Gatt. 263. Roſen farb. Flaming. 420 m moͤglich gemacht werden koͤnnte, wobei der Beobachter auch etwas hoch, vielleicht auf einem Schiffe, ſtehen müßte. Die Flamings werden wahrſcheinlich erſt im dritten Fruͤh— linge ihres Lebens zeugungsfaͤhig, weil man vor dieſer Zeit, bis dahin ſie ſich durch ihr weißes Kleid auch in großer Ferne von den Alten unterſcheiden, keine an den gewöhnlichen Brutorten antrifft und ſie, waͤhrend die Alten die Fortpflanzungsgeſchaͤfte betreiben, ſich an ganz andern Orten gefellig herumtreiben. Sie find es vorzuͤg⸗ lich, welche ſich zuweilen in Gegenden verirren, wo man ſonſt nie ſolche Voͤgel ſahe. Von einem alten ausgefärbten Flaming, der ſich namentlich bis nach Deutf chland verirrt hätte, iſt mir wenigſtens kein Beiſpiel bekannt. 5 . 0 F ie bis jetzt noch ſehr oberflächlichen das Le⸗ ben unſres Flamings betreffend, laſſen dieſe Rubrik noch ziemlich leer. Pr. R. Wagner hat ſo wenig wie Owen in den Eingewei⸗ den einen Wurm gefunden. Der Letztere giebt jedoch die Beſchrei⸗ bung eines ſehr eigenthümlich gebildeten Bandwurms, welchen Capitain Sykes im Zwoͤlffingerdarm eines Flamings gefunden und Taenia lamelligera genannt hat. N 8 Bie 10% nie. 1 Es wird allgemein behauptet, daß hie SL, 0 ſamen und ſcheuen Voͤgel, zumal ſie ſich immer an ganz freien, dem Schuͤtzen keinen Hinterhalt bietenden Orten aufhalten, ſehr ſchwer mit Schießgewehr zu erlegen ſind. Pr. R. Wagner erhielt jedoch an den Gewaͤſſern in der Nähe von Cägliari, durch daſige Schuͤtzen, mehrere in einer Woche; aber dieſe Suͤmpfe ſtehen in dieſer Jahres⸗ zeit, wegen Erzeugung boͤſer Fieber, in einem ſo uͤbeln Rufe, daß ſich ohne Noth niemand zum Jagen hinein wagt. Sinkt am Win⸗ teraufenthaltsorte die Temperatur bis zum Froſte und faͤllt dazu gar Schnee, ſo leiden dieſe Voͤgel ſehr und ſind in dieſer Noth leicht zu erlegen. Sie ſollen kein zaͤhes Leben haben und 15 leichte Wunden ihnen bald toͤdtlich werden. 430 XII. Ordn. LXX. Gatt. 263. Roſenfarb. Flaming. N u tz en. Sein Fleiſch ruͤhmten die Alten als wohlſchmeckend; die Neuern ſagen dagegen, es ſchmecke thranicht, modrig und ſchlecht. Nur das junger Voͤgel mag etwas beſſer fein. Es beſtätigt fich demnach daran, daß das Fleiſch aller achten Conchylienfreſſer einen wider: lichen Beigeſchmack nach Thran hat. Die dicke, fette Zunge, To wie das Gehirn, galten bei den Schwelgern des alten Roms fuͤr Leckerbiſſen. Apicius ſoll es zuerſt auf die Tafel gebracht haben, und fpäter hat es Gaſtmaͤhler gegeben, wobei ganze Schüffeln voll Zunge und Hirn von dieſen Voͤgeln vorkamen. Es iſt dabei billig zu verwundern, wie man damals, wo es noch kein anderes Schieß⸗ gewehr als Pfeile gab, in Beſitz ſo vieler Flamings kommen konnte; wahrſcheinlich hatte man eine Fangmethode, wodurch man ſich vieler auf ein Mal bemaͤchtigen konnte, die aber mit dem Ruhme jener Draller untergegangen zu fein ſcheint. Hin und wieder benutzt man ihre Federn zum Putz, und die Sorden machen aus den Roͤhrenknochen der Beine eine Art Floͤte, welche einen ſanften Ton haben ſoll. Schad enn. Es iſt nicht bekannt und auch nicht wahrſcheinlich, daß er dem Menſchen auf irgend eine Weiſe Nachtheil bringe. Vierte Unterabtheilung. Schwalbenwader. Glareolidae. Ihr Schnabel iſt kurz, zuſammengedruͤckt, der Rachen groß und ſehr breit; die Fuͤße ſchwach, hoch, über der Ferſe etwas nackt; die Zehen ziemlich kurz, mit einer kleinen Spannhaut zwiſchen der aͤußern und mittlern; die Krallen lang aber ſchwach; die Hinterzeh klein und hochgeſtellt; der Kopf ſtark; der Hals kurz; der Rumpf ſchlank, wenig zuſammen gedruͤckt; die Fluͤgel außerordentlich lang und ſehr ſchmalz der Schwanz lang und meiſt gegabelt. Ihre Geſtalt ift ſchwalbenartig, und als ſolche mehr oder min⸗ der hochbeinig. Sie leben in waſſerreichen W meistens auf dem Trock⸗ nen, wechſeln aber oft zum Waſſer. Sie ſind ſehr geſchickte und ſchnelle Flieger, hierin den Seeſchwalben aͤhnlich, laufen aber auch auf der Erde ſehr ſchnell, und ſuchen bald auf dieſe Weiſe, bald in der Luft ihre Nahrung, die meiſtens in groͤßern Inſekten beſteht. Ihre Lebensweiſe iſt ein Gemiſch von denen der Schwal⸗ ben, Seeſchwalben und Regenpfeifer, ohne ſich einer von dieſen ſehr verſchiedenen Vögelgattungen naͤher anzuſchließen. Sie niſten auf die Erde und legen ihre gefleckten Eier in ein kunſtloſes Neſt. Die einzige Gattung, welche bis jetzt dieſe Unterabtheilung bildet, iſt wegen des ſonderbaren Gemiſches in ihrer Geſtalt und Lebensweiſe, und wegen ſo iſolirter Eigenthuͤmlichkeiten in den kuͤnſt⸗ lichen Syſtemen ſchwer unterzubringen. N 8 Ein und ſiebzigſte Gattung. Giarol. 80 Jare ola. Schnabel: Kurz, an ſeinem obern Theil ziemlich bogenfoͤr⸗ mig in die ſcharfe, ein wenig längere Spitze auslaufend, der untere Theil ziemlich gerade, an der duͤnnen Spitze kaum etwas abwaͤrts geſenkt, nach vorne an den Seiten ſtark zuſammengedruͤckt, nach hin⸗ ten ſehr breit, die Firſte ſchmal zugerundet, die Schneiden ſcharf und glatt, an den dicken Mundwinkeln gerundet; der Rachen tief gefpalten und anſehnlich breit. Die Zunge iſt ſchmal lanzettfoͤr⸗ mig, ſpitz und hat nach dem Schlunde zu einen Abſatz mit 1 5 wärts ſtehenden Franſen beſetzt. Naſenloͤcher: Seitlich, am Schnabelgrunde, ein kurzer, etwas erweiterter, ſchief aufwärts ſteigender Ritz, über ihm eine weiche Hautdecke der nach vorn abgerundeten Naſenhoͤhle, uͤber welcher ſich die Stirnfedern ſpitz anfangen. Fuͤße: Von mittler Hoͤhe, etwas ſchwaͤchlich, an den Gelen⸗ ken ſtark, über der Ferſe wenig nackt; mit 3 etwas kurzen Vorder⸗ zehen, von denen die mittelſte bedeutend laͤnger als die uͤbrigen und an der Baſis mit der äußern durch eine kurze Spannhaut verbun⸗ den, und mit einer kurzen, ſchwaͤchlichen Hinterzeh, die etwas höher als die vordern eingelenkt iſt; ihr Uiberzug auf den Rüden der Läufe XII. Orb. LXXI. Gatt. Giarol. 433 und Zehen nur ſchwach geſchildert. Die Krallen ſchwaͤchlich, wenig bogenförmig, duͤnn zugeſpitzt, die der wee ae 155 Alter r Schneide, Fluͤgel: Schwalbenartig, lang, ſchmal und ſpitz, mit kurzen Amk nochen, aber ſehr langen vordern Schwingfedern, von welchen die erſte die laͤngſte. Schwanz: Swolffederig, etwas lang, meiſtens tief gegabelt, wie bei Schwalben, bei wenigen faſt gerade. Das kleine Gefieder deckt gut ohne beſonders dicht zu ſein, iſt am Unterleibe nicht pelzartig, uͤbrigens ohne deutliche Umriſſe, ſehr weich und ſanft anzufuͤhlen. 5 Die Voͤgel dieſer Gattung, die nicht zahlreich an Arten, errei⸗ chen eine mittlere Groͤße nicht; die meiſten Arten gehoͤren unter die kleinen. Ihre ſchwalbenartigen Flugwerkzeuge, die langen, ſchmalen Flügel und der gabelfoͤrmige Schwanz, und die übrigen Koͤrperthei⸗ le, welche denen der Charadrien am meiſten aͤhneln, geben ihnen eine ganz eigenthuͤmliche Geſtalt. Der etwas dicke Kopf hat zwar eine ganz flache und ziemlich lange Stirn, zwiſchen den großen Augen aber eine ſehr bedeutende Breite; der Hals iſt dick und kurz; der Rumpf etwas ſchlank, aber von den Seiten wenig zuſammen gedruͤckt; dieſes Alles mit den ziemlich hohen und ſchlanken, nicht großen Füßen und dem kurzen, gebogenen, nach vorn fo ſehr ſchma- len, als in den Mundwinkeln erweiterten Schnabel, allen bekann⸗ ten Arten eigen, vollenden eine Geſtalt, welche ſie mehr den Schwal⸗ ben und Seeſchwalben, als den Schnepfenvoͤgeln nahe bringt, aber nichts verraͤth, was fie den Huͤh nern anſchloͤſſe. Hätten ihre Zehen wirkliche Schwimmhaͤute, ſo wuͤrden die Fuͤße Seeſchwalben⸗ fuͤße fein, fo wie Flügel und Schwanz ganz, Kopf, Hals und Be fiederung der obern Theile ziemlich denen der Seeſchwalben (- Sterna) ähneln; eine annähernde Verwandtſchaft, die auch ihre 1 Lebensweiſe deutlich ausſpricht. Die Vereinigung ungleichartiger Grundſtoffe in dieſen Voͤgeln, die bald einem Land-, bald einem Sumpf-, bald einem Waſſervo⸗ gel entlehnt zu ſein seinen, mußten den Syſtematiker, welcher alle lebende Weſen in eine Reihefolge zu ſtellen wuͤnſcht, in Verlegen⸗ heit ſetzen, welche Stelle er dieſen Voͤgeln anweiſen ſollte; ſie ſind Ye deshalb von dem einen hier-, von dem andern dorthin geworfen worden. Or Theil. ‚28 1 . ao 434 XII. Ordn. LXXI. Gatt. Giarol. Wir muͤſſen ſelbſt geſtehen, daß, nach eigenem Erforſchen der Na⸗ turgeſchichte unſrer europaͤiſchen Art, die den Typus der Gattung bildet, uns die ihr in dieſem Werke angewieſene Stelle auch noch nicht genuͤgt, wiſſen aber vor der Hand keine paſſendere. Zu den Huͤhnervoͤgeln gehört, nach unſrer feſten Uiberzeugung, Glareola durchaus nicht; vielmehr naͤhert ſie ſich den ſchwalbenartigen. Auf der einen Seite wohl den Laufvoͤgeln, namentlich .Chara- drius, ahnlich, fraͤgt man: Wo unter dieſen (auch die auslaͤndiſchen Arten beruͤckſichtigt) eine Verbindung oder eine naturgemaͤße Stelle zum Einſchalten ſich finden ſoll, wenn man dabei auf das große Flugvermoͤgen und auf andere Zuͤge aus dem Leben unſerer Gat— tung ſieht? Dieſe wuͤrden ſie allerdings den Sternen ſehr nahe ſtellen, wenn nicht neben der Geſtalt und vielen Eigenſchaften dieſer, faft im gleichen Maaße auch wieder ganz heterogene aus ihnen her⸗ vorblickten, die ſie den Uferlaͤufern verwandt machen; wie weit dieſe aber im Syſtem von den langſchwingigen Schwimmvoͤgeln ent⸗ fernt ſtehen, iſt bekannt. Nirgends will daher die Gattung Gla- reola als ein natuͤrliches Bindeglied zwiſchen zwei andere paſſen, die ihr dazu nahe genug verwandt waͤren. is Die Giarols find zwar nicht mit prächtigen, dafür aber mit ſanften und beſcheidenen Farben, ohne viele ſchroffe Abwechslungen, bekleidet, manche an der Kehle mit einem feinen ſchwarzen Ringe geziert, und die meiſten an den untern Koͤrpertheilen weiß gefaͤrbt. Mannchen und Weibchen haben gleiche Faͤrbung, erſteres bloß eine etwas ſchoͤnere, aber die Jungen ſind an den obern Theilen dunkler und heller gefleckt und gewellt, und bunt, wo die Alten ein⸗ farbig ſind. Die Mauſer ſcheint einfach, das Herbſtkleid bloß etwas dunkler, durch Abſtoßen und Abbleichen in das lichtere Fruͤh— lingskleid uͤberzugehen. Die Jungen ſind im zweiten Fruͤhlinge zeugungsfaͤhig. f Sie ſind Bewohner der waͤrmern Laͤnder und die das ſuͤdliche Europa bewohnende Art iſt auch uͤber die angrenzenden Erdtheile ver⸗ breitet. — Sie ſind Zugvoͤgel und wandern in Schaaren, halten ſich in ganz freien Gegenden bald am Waſſer, bald auf dem Trock⸗ nen auf, ſuchen nicht die Ufer großer Gewaͤſſer und kommen nur ſelten und zufaͤllig an die Meereskuͤſten. Die weiten Steppen der ſuͤdoͤſtlichen europaͤiſchen und ihnen benachbarten Laͤnder, ſind, wo ſie mit Suͤmpfen und ſeichten Gewaͤſſern durchſchnitten, ihr liebſter Aufenthalt, wo man ſie ſchaarenweis und in ganz aͤhnlichem Fluge wie die kleinern Seeſchwalben von einem Gewaͤſſer zum andern XII. Ordn. LXXI. Gatt. Giarol. 435 ſtreichen und ſich bald an dieſen, bald auf feuchten Brachaͤckern, bald auf kurzabgeweideten Raſen und an andern ganz trocknen Orten her⸗ umlaufen ſieht. Sie laufen und fliegen aͤußerſt e ſchnell, gewandt und zierlich, ſind uͤberhaupt ſehr lebhafte Voͤgel, ſchlagen im Sitzen oft mit dem Schwanze nach unten, und verrathen ihre Anweſenheit durch vieles; Schreien. Ihre Stimme zhat mit denen einiger See⸗ f chwalben die groͤßte Aehnlichkeit. Ihre Nahrung, meiſtens Kaͤ⸗ fer, Heuſchrecken und vielerlei fliegende Inſekten, ſeltner Inſekten⸗ larven, erhaſchen ſie theils laufend, theils im vollem Fluge, und zei— gen darin, als zugleich gewandte Laͤufer, noch weit mehr Geſchick. lichkeit als jene Voͤgel. Sie pflanzen ſich in der Naͤhe der Gewaͤſ⸗ ſer, wenn auch nur ſolcher fort, die bald austrocknen, gewoͤhnlich mehrere Paͤaͤrchen in derſelben Gegend, machen ihr kunſtloſes Neſt hinter einen kleinen Grasbuͤſchel auf kurzen Raſen, auf Aeckern hin⸗ ter eine Erdſcholle oder eine erhabene Furche, und legen wenigſtens 4, gruͤnliche, braun gefleckte Eier. Die Jungen laufen bald davon, verbergen ſich geſchickt und werden von den Alten ſehr geliebt. Sie ſind eben nicht ſcheu und daher ziemlich leicht zu ſchießen; ihr Fleiſch iſt nicht unſchmackhaft, und ſie nuͤtzen auch durch das Vertilgen vie— ler Inſekten, zumal der Heuſchrecken. „Glareola torquata ſteht nach der Bildung des Skeletts den Schnepfenvoͤgeln Nitzſch's, namentlich der Gattung Charadrius am mnaͤchſten, entfernt ſich jedoch auch auf mehrfache Weiſe.“ „Die Stirnbeine haben eine eigene Grube neben dem Hr: bitalrand für die Naſendruͤſe; das Thraͤnenbein iſt ſehr anſehn⸗ lich; die unteren Fluͤgelbeine ſind ſchmal und lang, entbehren der dritten Gelenkung. Die Gaumenbeine ſind ziemlich breit und ſchwach ausgehoͤhlt.“ „Ich zaͤhle 13 Halswirbel, 7 Ruͤckenwirbel und 7 Schwanzwirbel; von den 7 Rippen iſt die vorderſte eine falſche.“ „Das Bruſtbein iſt mittelmaͤßig breit, nach hinten breiter; hat 2 Abdominalfortſaͤtze von gleicher Laͤnge auf jeder Seite, welche jederſeits 2 Buchten abgrenzen, von denen die aͤußere etwas groͤßer iſt. Die Schambeine ſind ſehr ſchmal und graͤtenfoͤrmig. An den vorderen Extremitaͤten faͤllt der erſte Phalanx des Zeigefingers durch ſeine Laͤnge und Schlankheit auf.“ „Die Eingeweide habe ich bisher leider nicht unterſuchen koͤnnen.“ en | R. Wagner. * * 28 436 XII. Ordn. LXXI. Gatt. Giarol. Dieſe merkwuͤrdige Gattung zaͤhlt bis jetzt etwa nur 4 Arten, die ſich alle durch eine zierliche Geſtalt, wie durch einfache und ſanfte Färbung ihres ſeidenweichen Gefieders auszeichnen, ſich aber bei aller Aehnlichkeit in den Gattungscharakteren ſehr gut von einander, durch Groͤße, auffallend verſchiedene Laͤnge der Beine, den mehr oder minder gabelfoͤrmigen Schwanz u. dergl., unterſcheiden, wovon die Mehrzahl im ſuͤdlichen Aſien und auf deſſen Inſeln lebt. Eu⸗ ropa ſo wie zuweilen Deutſchland, hat davon nur Eine Art. 264. Der Halsband-Giarol. Glareola Zorgwata. Briss. | Fig. 1. altes Männchen J; 093 Taf. 234. ] Fig. 2. Weibchen N im Frühling Fig. 3. Junger Vogel. Giarol, Giarolvogel, oͤſterreichiſcher Giarolvogel; — Sand: huhn, oͤſterreichiſches —, gemeines Sandhuhn, (rothfüßiges Sand: huhn); Sandvogel, Sandvogel mit dem Halsbande; Grieshuhn; ſchwalbenſchwaͤnzige Steppenralle; Steppenſchwalbe, Brachſchwalbe, Wieſenſchwalbe; Schwalbenwader; Schwalbenſtelze, gemeine Schwal⸗ benſtelze. (Koppenriegerle, Kobelregerlein). Jung: Geflecktes Sand⸗ huhn (Rothknuſſel, Rothknillis); geflecktes Seerebhuhn. Glareolu: torquata. Briss. Av. V. p. 145. n. 2. Wolf u. Meyer, Ta⸗ ſchenb. II. S. 404. — Glareola austriaca. Gmel. Linn. syst. edit, XIII. I. 2. p. 695. n. 1. = Hirundo pratincola. Gmei. Liun. syst. edit. XII. I. p. 345. n, 12. — La Perdrix de mer. Briss, Oru. V. p. 141. & 12. f. 1. — Buff. Ois. VII. p. 544. — Edit de Deuxp. XIV. p. 284. - Plaach, eul, 882. — Perdrix de mer ordinaire et d collier. Gerard Tab. élém. II. p. 242. n. 1, 2 et 3. — Gla- reole d collier. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 500. — Austrian Pratincole. Latli. Syn. V. T. 222. t. 85. — Uiberf. v. Bechſtein, III. 1. S. 195. n. 1. = Gla- reola, Stor, deg. Uec. V. Tav. 547. == Pernice di mare. Savi, Orn. tosc. II. p. 214. — Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 457. Deſſen, Taſchenb. II. ©. 333. n. 1. = Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 234. n. 217. Koch, Baier. Zool. S. 256. n. 165. — Brehm, Lehrb. II. S. 525. Deſſen, Naturg. a. Vög. Deutſchl. S. 565 — 567. — Gloger, Schleſ. Fauna S. 43. u. 172. — Na umann's Vög. alte Ausg. Nachtr. S. 215. u. 397. Taf. XXIX. Fig. 58. (altes Männchen) Fig. 59. (Junges im erſten Sommer). 438 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. Junger Vogel. Glareola naevia. Briss. Av. V. p. 147. n. 3. — Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 695 n. 3. - Giarol. Buff. Ois. VII. p. 95 — Edit de Deuxp. XIV. p. 25 A Spotted Pratincole, Lath. syn. V. p. 225. u. 3. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1, S. 197. n. 3. Kennzeichen der ert Der Schwanz tief gegabelt; die Oberſchwanzdecke Wu die größten Deckfedern unter dem Flügel roſtroth. Bf ere ignb u n g. Dieſer ſchwalbenartige Vogel iſt ſo ſehr durch Geſtalt und Ge⸗ fieder ausgezeichnet, daß er mit einem andern innlaͤndiſchen gar nicht verwechſelt werden kann. Von den bisher entdeckten Arten des Auslandes, von denen wir im K. K. Naturalienkabinette zu Wien Glareola indica, G. orientalis , G. grallaria (worunter auch wol G. lactea, Temm. 7 vergleichen konnten, iſt die unfrige die groͤßeſte. In der Große koͤmmt unſer Giarol ungefaͤhr einer Singdrof- ſel (Turdus musicus) gleich, die ſchwalbenartigen Flugwerkzeuge geben ihm aber ein ganz anderes Ausſehen, weshalb man ihn paſ⸗ ſender mit einer der kleinern Seeſchwalben, z. B. mit Sterna nigra vergleichen koͤnnte, gegen welche er aber viel robuſter oder we⸗ niger ſchlank von Körperbau erſcheint, und um die Hälfte ſchwerer iſt. Seine Laͤnge iſt, an friſchen Voͤgeln gemeſſen und deren viele verglichen, gewöhnlich 10 Zoll, bei recht alten, wegen der längern Schwanzgabeln, gegen 11 Zoll, die Flugbreite 20 bis 22 / Zoll; die Fluͤgellaͤnge, von der Handwurzel bis zur Spitze, 8 Zoll; der Schwanz an den aͤußerſten Federn 4½ bis hoͤchſtens 4 Zoll 10 Li⸗ nien, aͤußerſt ſelten bis 5 volle Zoll, wahrend die Mittelfedern nur 2 ¼ Zoll meſſen. Die Weibchen ſind kaum etwas kleiner als die Maͤnnchen, ihre Schwanzſpieße aber ſtets etwas kuͤrzer, daher die ganze Laͤnge des weiblichen alten Vogels nicht uͤber 10 Zoll, die Flugbreite wenig uͤber 20 Zoll. Der junge Vogel, wenn er voͤllig flugbar, iſt wegen des kuͤr⸗ zern Schwanzes nur 9 ½ bis 9½ Zoll lang; gegen 18 Zoll breit; der Fluͤgel 6 ½ͤ Zoll, die aͤußerſten Schwanzfedern kaum XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. 439 3 ½ Zoll. Auch in dieſem Alter find die Männch en ſchon etwas größer als die Weibchen. Der Kopf iſt bei unſrer Art etwas ſtark; beſonders ſein hinte⸗ rer Theil, zwiſchen den Augen anſehnlich breit, von hier an von allen Seiten gegen den Schnabel verjuͤngt auslaufend, die Stirn flach und lang, das Auge weit vom Schnabel entfernt; der Hals kurz, etwas ſtark; der Rumpf etwas geſtreckt, aber von den Seiten nur wenig zuſammen gedruͤckt; die Schenkel nicht lang; Schienbeine und Laͤufe laͤnger, und beide faſt von gleicher Länge; Flügel und Schwanz ſchwalbenartig, erſtere mit ziemlich kurzen Armknochen und fehr langen Schwingfedern erſter Ordnung, daher lang, ſchmal und ſpitz. Das kleine Gefieder iſt, wie bereits oben angegeben, ſehr weich und ſeidenartig anzufuͤhlen, an den untern Theilen wie bei Regenpfeifern und andern Schnepfenvoͤgeln. Die Schwing⸗ und Schwanzfedern find etwas derber, die Schwingen erſter Ord- nung, von welchen die erſte die laͤngſte, ſchmal, gegen das Ende ſpitz, ihre Schaͤfte bedeutend ſtark, gegen die Spitze etwas nach hin⸗ ten gebogen und ſchwach ſaͤbelfoͤrmig; die mittlern Schwingen ziemlich kurz, viel weicher, mit breitern Fahnen, zugerundeten Enden und ſtark nach hinten gebogenen, ſchwachen Schaͤften; die hinterſten breit, lanzettfoͤrmig (im Jugendkleide an der Spitze faſt gerade abge⸗ ſtutzt oder ſehr kurz abgerundet), eine ſtumpfe hintere Fluͤgelſpitze bildend, die, wenn der Fluͤgel zuſammengelegt, kaum das Ende der ſiebenten von den Schwingfedern erſter Ordnung uͤberragt. Der Schwanz iſt tief gabelfoͤrmig ausgeſchnitten, ſo daß ſeine zwei aͤu⸗ ßerſten Federn gegen 2 ¼ Zoll länger als die beiden mittelſten, welche etwas breit und gegen das Ende zugerundet ſind; ihnen aͤhnlich iſt das nächfte Paar und nur ſehr wenig länger; etwas mehr iſt dies beim folgenden der Fall, das auch gegen das Ende ſchon ſchmaͤler zugerundet iſt; das naͤchſtfolgende iſt ſchon um 4 Linien länger und am Ende noch viel ſchmaͤler als jenes; das zweite von außen iſt ſchon uͤber 7 Linien laͤnger als Voriges, hat eine gleichmaͤßige ſchmale Außenfahne und die breite innere verjuͤngt ſchon ihre Breite von der Mitte an und läuft in die kaum 2¼ Linien breite, endlich abge⸗ rundete Spitze aus; das Außerfte Paar iſt 1 bis 1 ¼ Zoll laͤnger als voriges und wird ſpitzewaͤrts noch viel ſchmaͤler, ſo daß es in kaum 1½ Linien breite, an der Spitze jedoch abgerundete Spieße endet, ähnlich wie bei Hirundo rustica, doch in etwas plumpern Verhaͤltniſſen. Die ruhenden Flügel e ſich uͤber de Wurzel des Schwan- — * 440 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarot. zes, deſſen lange Spieße dann nur bei alten Voͤgeln etwas laͤnger als die Fluͤgelſpitzen erſcheinen, waͤhrend bei erwachſenen jun⸗ gen beide von einerlei Laͤnge ſind oder die Fluͤgelenden noch etwas uͤber die des Schwanzes hinweg ragen. Der ziemlich kleine und kurze Schnabel beſchreibt, von der Seite geſehen und der ſtumpfkantigen Firſte nach, einen in der Mitte etwas aufgeſchwungenen, flachen Bogen, waͤhrend der Kiel gerade iſt und ſich bloß ſpitzewaͤrts etwas ſenkt; beide Theile laufen ſpitz aus und der obere iſt ein wenig laͤnger als der untere. Von oben geſehen iſt er an der Wurzel ziemlich breit, wird aber bald ſchmaͤler und gegen die Spitze ſehr ſchmal. Er theilt ſich in einem flachen Bogen und von den ſcharfen Schneiden iſt die am Oberſchnabel ziemlich, die am untern kaum bemerkbar eingezogen, nach den Mundwinkeln zu, die weit in das Geſicht (doch lange nicht bis an das ſehr ent⸗ fernte Auge) hinein gehen, der obere am Rande dick und uͤber den des untern bedeutend vortretend, alſo breiter als dieſer; dieſer Rand auch weich, das Uibrige des Schnabels hornhart und ſeine Ober⸗ flaͤche glatt. Der Kiel iſt hinten breit und eben, dann abgerundet, zunaͤchſt der Spitze ſehr ſchmal zugerundet; die Kinnhaut ſpannt den hintern ſehr weiten Gabeltheil in einem Bogen aus. Der Ra⸗ chen iſt ſehr weit. Dieſe Schnabelform iſt ſo eigenthümlich, daß ſie ſich mit einer andern ſchwerlich vergleichen laͤßt. Wenn ſie auf einen flüchtigen Blick auch etwas Huͤhnerartiges zu haben ſcheint, fo muß dieſer ſchwache Anſchein doch ſogleich ſchwinden, ſobald man dieſen Schna⸗ bel naͤher betrachtet und ſorgfaͤltiger unterſucht. Er muß in fruͤher Jugend erſtaunend klein ſein, da er dies auffallend genug bei den erwachſenen Jungen, etwa gegen 3 Mo: nate alt, noch iſt, an welchen er viel kuͤrzer, niedriger und abge- ſtumpfter erfheint.*) Dieſer Umſtand mag entſchuldigen, daß fruͤ⸗ here Schriftſteller, welche nicht ſelbſt Jaͤger waren, dieſe Jungen fuͤr eine von den Alten verſchiedene Art hielten. Die Naſenhoͤhle liegt ſeitlich am Schnabelgrunde, iſt nicht ſehr groß, oval, mit einer Haut uͤberſpannt, die an der hintern Haͤlfte noch etwas von den Halfterfedern bedeckt, nach vorn und zum gro⸗ ßen Theile bloß und frei iſt, in welcher ſich unterhalb das ritzartige, etwas erweiterte, kurze Naſenloch ſchraͤg aufſteigend öffnet, Die Farbe des Schnabels iſt bei den Alten ein glaͤnzendes 9 Etwas Aebnliches haben wir ſchon bei Schnepfenvögeln kennen gelernt, werden es aber ſpäter bei den Seeſchwalben noch auffallender mit unſerm Vogel finden. XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. 441 Schwarz, an der Wurzel des Unterſchnabels, unterhalb bis an die Gabelſpalte, die obere vom Mundwinkel bis in die Naͤhe des Na⸗ ſenloches ſchoͤn roth, im Fruͤhjahr hoch zinnoberroth und ſo dauer⸗ haft gefaͤrbt, daß dieſes an getrockneten Baͤlgen viele Jahre lang noch kenntlich bleibt, jedoch an Lebhaftigkeit nach und nach ver⸗ liert. Bei den Jungen kommen dieſe ſtaͤten Farben erſt mit der völligen Ausbildung des Schnabels im naͤchſten Jahre, vor dem und bald nach dem Fluͤggewerden iſt der Schnabel matt braun⸗ ſchwarz, nach der untern Wurzel noch lichter nnd an den Mund— winkeln fleiſchfarbig, wie Rachen, innere Schnabel und Zunge, die bei den Alten etwas roͤthlicher gefaͤrbt ſind. Die Lange des Schnabels alter Vögel beträgt von der Stirn bis zur Spitze, in gerader Linie gemeſſen, 7 Linien, von dort bis in den Mundwinkel 12 bis 13 Linien; er iſt im Durchſchnitt an der Baſis 3 Linien hoch und an derſelben Stelle beinahe 4 Linien breit, vor den Naſenloͤchern ein wenig hoͤher als 3 Linien, noch nicht 2 Linien und an der Spitze kaum noch ½ Linie breit. Bei voͤllig flugbaren Jungen iſt der Schnabel von der Stirn bis zur Spitze noch nicht 6 Linien lang, an der Wurzel 2 ½ Linien hoch und nur ein Wenig breiter als hoch. Das weit vom Schnabel entfernte, etwas große Auge hat eine ſehr dunkel nußbraune Iris und von außen weiß befiederte, nach innen mit einem nackten ſchwarzen Raͤndchen verſehene Augenlieder. So ſahe ich dieſe immer und an vielen friſchen Exemplaren, auch im Fruͤhlinge; aber niemals roth, wie ſie in fruͤhern Werken irrig angegeben ſind. Bei jungen Voͤgeln ſind die Augenſterne graubraun. Die Fuͤße haben nur eine mittlere Hoͤhe. Sie ſind zwar hoͤher als bei den meiſten Seeſch walben (Sterna), doch auch niedriger als bei der Mehrzahl der Charadrienz mit denen der erſtern ha= ben ſie bis auf den Mangel der Schwimmhäute eine auffallende Aehnlichkeit. — Sie ſind im Ganzen genommen etwas klein und ſchwaͤchlich, über der Ferſe nicht weit nackt, das Gelenk dieſer ſtark, der Lauf zunaͤchſt dieſem auch ſtark, nach unten ſchwaͤcher, uͤbrigens von den Seiten ziemlich zuſammen gedruͤckt; die Zehen kurz, ſchwach, die Mittelzeh bedeutend laͤnger als die aͤußere, mit der ſie am Ur⸗ ſprunge durch eine kleine Spannhaut verbunden; die freie Innenzeh noch kuͤrzer als die aͤußere; die Hinterzeh ſehr kurz und ſchwaͤchlich, uͤber dem gemeinſchaftlichen Zehenballen eingelenkt, ſo daß ſie ſte⸗ henden Fußes nur mit der Spitze den Boden beruͤhrt. Ihr Uiber⸗ der andern Kopfſeite zuſammen fließt; dieſes herrliche Sammetbaͤnd⸗ 442 XII. Ordn. LI Galt. 264. Halsband⸗Giarol. zug iſt nur ſchwach gekerbt, vorn am Laufe in eine Reihe großer, hinten in eine kleinerer Schil der getheilt, dazwiſchen ſehr zart ge⸗ gittert, zum Theil auch geſchildert, auf den Zehenruͤcken mit einer Reihe ſchmaler Schilder, an den Zehenſohlen warzig. Die Krallen ſind wenig gebogen, bei manchen Individuen faſt gerade, ſchmal und ſpitz, die der Mittelzeh vor allen ausgezeichnet, die groͤßeſte oder laͤngſte, geradeſte, auf ihrer innern Seite mit einer bedeutend brei⸗ ten, bis an die Spitze reichenden Randſchneide, die bei alten Bo: geln durch feine Quereinſchnitte grob gezaͤhnelt ift, bei jungen, wo die Kralle nur halb ſo groß, aber eine glatte, nicht bis in die Spitze vorreichende, innere Randſchneide hat, deren Fuͤße ſich auch noch durch eine unförmliche Dicke des Laufes unter der ebenfalls dicken Ferſe, und einer Furche von da herab, auszeichnen. 1 Nacktheit des Unterſchenkels uͤber der Ferſe mißt hoͤchſtens 3 Linien, bei vielen iſt ſie noch unbedeutender; der Lauf mißt 17 bis 1/6 Zoll; die aͤußere Zeh, mit der 2 Linien langen Kralle, noch nicht 8 Linien; die Mittelzeh, mit der bei Alten bis 5 volle Li⸗ nien langen Kralle, 1 Zoll 1 Linie; die Hinterzeh, mit der 1½ L. langen Kralle, 3 ½ Linien. Bei den flugbaren Jungen find dieſe Maaße geringer, beſonders die der Mittelzeh, weil deren Kralle kaum erſt 3 Linien mißt. Die Farbe der Fuͤße iſt im Leben ein roͤthliches Schwarz, oder ein durchſichtiges Schwarz, mit untergelegtem Roth, das jedoch nur ganz ſchwach durchſchimmert; fie behalten auch im Tode und ge: trockneten Zustande ziemlich dieſelbe Farbe, die man auch wol nur ſchwarzbraun oder braunſchwarz nennen koͤnnte. — Roth, wie man früher glaubte, find ſie auf keine Weiſe und zu keiner Zeit. — Die Krallen ſind ſchwarz. An den Jungen ſind die Fuͤße duͤſter roͤth⸗ lichgrau, an den Sohlen am lichteſten, und werden an Ausgeſtopf⸗ ten bloß dunkler und unſcheinlicher. N Das Gefieder der alten Voͤgel im vollkommenen Zuſtande, namentlich im Fruͤhlinge, hat folgende einfache Farben und Zeich⸗ nungen: Kinn, Kehle und Anfang der Gurgel find von einem an⸗ genehmen, gefättigtem Roſtgelb, gleich unter dem Schnabel am lich⸗ teften, ſonſt ganz gleichfoͤrmig; dieſer ſchoͤne Kehlfleck iſt ringsum begrenzt von einem ſchmalen ſammetſchwarzen Baͤndchen, das dicht uͤber dem Mundwinkel anfängt, von hier bis zum Auge aber ein wenig breiter und nicht ſo tief ſchwarz iſt, unter dem Auge aber ſenk⸗ recht uͤber den Vordertheil der Wange und zur Seite der Kehle her: abſteigt und auf der Obergurgel in einem ſchoͤnen Bogen mit dem XII. Ordn LXM. Gatt. 2061. Halsband: Giarol. 443 chen wird noch beſonders a e durch einen ſchmalen weißen Schein, von dem es vom Auge abwaͤrts, beſonders an ſeinem halb⸗ mondförmigen Bogen auf der Gurgel, begrenzt iſt. Dieſe nicht in prunkhaften, wohl aber in beſcheidenen und dabei ſo lieblichen und zarten Farben dargeſtellte, als ſchoͤn geformte Kehlzeichnung, iſt eine ungemein huͤbſche und eigenthuͤmliche Zierde dieſer alten Voͤgel. — Die herrſchende Färbung auf dem Oberkopfe, dem hintern Theil der Kopfſeiten, dem Hinterhalſe, der Kropfgegend, dem ganzen Rüden, den Schultern, den Fluͤgeldeckfedern und hintern Schwingen iſt ein ſanftes Roſtgelblichgrau (Maͤuſegrau), an den Halsſeiten etwas roſtgelb, am Kropfe ſchwach lichtaſchgrau überlaufen, an dieſen Thei⸗ len am lichteſten, dagegen auf den Fluͤgeln, Schultern und dem Un⸗ terruͤcken am dunkelſten (tief maͤuſegrau), mit einem ſchwachen, gruͤnlichen Seidenglanze; an der Oberbruſt geht dieſe dort lichte und mehr aſchgraue Faͤrbung ſanft in ein liebliches Roſtgelb, aus dieſem aber bald in das reine Weiß über, das bis zum Schwanze alle un⸗ tern Theile bedeckt und bloß an der Außenſeite der Unterſchenkel braungrau gefleckt iſt; die ſehr langen Oberſchwanzdeckfedern find ſchneeweiß und bilden ein großes, im Sitzen weniger als im Fluge bemerkbares, weißes 5 eld. Die Schwingfedern erſter Ordnung, nebſt den Fittichdeckfedern, ſind tief ſchwarzbraun, der Schaft der erſten Schwinge weiß, der zweiten braun, der uͤbrigen braunſchwarz; die zweite Ordnung dunkelbraungrau, nach außen mauſegrau, an der Spitze mit weißlichen Kaͤntchen, die bei einigen breiter, bei andern ſchmaͤler erſcheinen, und auch der Rand der Innenfahne iſt weiß; die dritte Ordnung Schwingfedern wie der Ruͤcken. Die untere Seite des Fluͤgels iſt ſehr merkwuͤrdig aber auch einfach, die großen Schwingfedern rauchfahl, die uͤbrigen hell braungrau und glaͤnzend, die Schaͤfte aller weiß, nur an den Enden in lichtbraun verlaufend; die kleinen Deckfedern, nebſt den Fittichdeckfedern rauchfahl, ziemlich dunkel; der vordere Fluͤgelrand weißlich geſchuppt, zuweilen faſt ganz weiß; ſaͤmmtliche mittlern und großen Deckfedern ſchoͤn roſtfarbig, zuweilen ſogar roſtroth. — Der Schwanz, von oben geſehen, iſt tief ſchwarzbraun, an den Spitzen der Federn braungrau, die beiden Mittelfedern ohne Weiß, die folgenden an der Wurzel, querdurch ſcharf getrennt, weiß, dieſes verdeckt, aber an den folgenden immer weiter herabgehend, an dem vorletzten Paar ſchon die halbe Laͤnge i der Federn einnehmend und hier auch von außen ſichtbar; am aͤu⸗ 11 5 Paar zwei Drittheile der Länge ganz weiß und dies auf der ehr ſchmalen Außenfahne am Rande kurz vor dem Ende ſanft aus⸗ 444 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband : Giarol. laufend. Von der untern Seite iſt der Schwanz weiß, mit rauch⸗ fahlen Federenden und weißen Schaͤften. Maͤnnchen und Weibchen find gleichgefaͤrbt, erſteres kaum etwas lebhafter, was an dem Roſtgelb der Kehle und der Oberbruſt nur bemerklich wird, wenn man beide Geſchlechter neben einander ſtellen kann; dazu iſt erſteres auch ein Wenig groͤßer und hat auch etwas laͤngere Schwanzſpieße. Bei einiger Uibung ſind, trotz dieſer ſubtilen Abweichungen, beide eben nicht ſchwer von eine anden zu unterſcheiden, zumal ſich bei vielen Männchen ſchon im zweiten Jahr an der Seite der untern Schnabelwurzel ein kleiner ſchwarzer Strich zeigt. Im dritten Jahr iſt dieſer ſchwarze Streif ſehr deutlich, brei- ter und länger, er nimmt feine gerade Richtung gegen die Ohrge: gend und erreicht beinahe jene vom Auge herabkommende ſchwarze Einfaſſung des roſtgelben Kehlfeldes; dies nur beim Maͤnnchen, waͤhrend beim gleichalten Weibchen davon Nichts oder hoͤchſtens bloß ein paar halbſchwarze Federchen, dicht am Schnabel, bemerkt werden; ein ſicherer aͤußerer Geſchlechtsunterſchied, welcher in fruͤhern Beſchreibungen nicht erwaͤhnt iſt. — Außerdem ſind die Voͤgel von dieſem Alter am Halſe und Kropfe etwas lichter gefärbt als die jüngern, das Roſtgelb der Kehle noch geſaͤttigter und reiner, das fie begraͤnzende, ſchwarze, zart weiß eingefaßte Sammetbändchen ſteht in hoͤchſter Reinheit da, die bezeichneten Deckfedern der Unterflägel find ſchoͤn roſtroth. Das weiche Gefieder mit ſeiner ſanften Faͤrbung hat beſonders am lebenden Vogel ein ungemein zartes Ausſehen, verliert aber ſchon im Tode, noch mehr aber nach dem Ausſtopfen, wobei auch die Fe⸗ dern des Kehlbaͤndchens nicht immer wieder in die richtige Lage kommen, die dieſes im Leben fo ſchoͤn macht, wo es ſtets regelmaͤ⸗ ßig, ohne Wellen und ohne Unterbrechung, in einem e genden Bogen, jene Theile umgiebt. | Das beſchriebene Fruͤhlingskleid verbleicht im Laufe des Sommers etwas, auch ſtoßen ſich die Raͤnder des kleinen Gefie— ders etwas ab, wodurch es ſehr an ſeinem zarten Ausſehen verliert; an den nur etwas fahler gewordenen Fluͤgelſpitzen bemerkt man we: nig vom Einfluß aͤußerer Reibungen, am Schwanze noch weniger. Wenn ſich dieſe Vögel einer neuen Mauſer naͤhern, ſieht ihr Gefie— der demnach nicht viel ſchlechter aus als im Fruͤhjahr, und dies wird nur auffallend, wenn ſchon hervorgekommene neue Federn 5 ſchen den alten ſtehen. * XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. 445 Das friſchvermauſerte Gefieder des Herbſtkleides traͤgt die⸗ ſelben Farben und Abzeichen wie jenes, im Ganzen iſt jedoch Alles dunkler. Das ſchwarze Kehlbaͤndchen erſcheint nur fo lange in ab- geſonderten Fleckchen, bis alle dazu gehoͤrenden Federn durch neue erſetzt ſind; dann iſt es eben ſo zuſammenhaͤngend wie dort. Die mäufegraue Hauptfarbe des Vogels iſt dann auffallend dunkler, be⸗ ſonders auf dem Scheitel und dem ganzen Mantel, wo ſie brauner und gruͤnlicher ausſieht, wo auch jener gruͤnliche Seidenſchimmer viel ſtaͤrker iſt, und wo ſich an den Federn noch auffallend lichtere Raͤnder zeigen als an den uͤbrigen grauen Theilen; dieſe Federkan⸗ ten ſind jedoch nur in der Naͤhe zu unterſcheiden, weil ſie wenig lichter als die Grundfarbe und auch nicht ſcharf von ihr begrenzt ſind; die friſchvermauſerten großen Schwingen ſind braͤunlichſchwarz, und die Fürzern haben an den Spitzen ein weißliches Saͤumchen; die dunkele Farbe der Schwanzfedern iſt auch faſt ſchwarz zu nen: nen; das Roth der Schnabelwurzel iſt bleicher, ſonſt Alles wie oben beſchrieben, nur dunkler. Ich glaube mich feſt überzeugt zu haben, daß das Fruͤhlingskleid dieſer Art nicht durch eine neue Mau: ſer, ſondern bloß durch Abreiben der Raͤnder und Abbleichen der Farben des Gefieders, das ſie im Herbſte erhielten, nach und nach entſteht, wie man denn auch an manchen Fruͤhlingsvoͤgeln noch hin und wieder Uiberbleibſel jener leichtern Federkanten findet. Unter einer großen Anzahl dieſer Vögel, welche ich zu unterſuchen Gele: genheit hatte, iſt mir wenigſtens nicht ein einziger vorgekommen, an welchem man eine Spur einer Fruͤhlingsmauſer haͤtte entdecken koͤn⸗ nen, was doch bei andern zwei Mal mauſernden Voͤgeln ar oft vorkoͤmmt. Sehr verſchieden von dem vollkommenen iſt das Zugendkleid dieſer Art. Farben und Zeichnungen haben auf den erſten Blick eine merkwuͤrdige Aehnlichkeit mit denen des Jugendkleides des Mornell⸗Regenpfei fers (Charadrius Morinellus); — alſo aber: mals eine Andeutung der Verwandtſchaft mit dieſen Voͤgeln. Der Kopf, die Beine (wohlverſtanden, die Zehen nicht beruͤckſichtigt), wie überhaupt vieles in der Haltung des lebenden jungen Giarols, er: innern ſehr an jene Gattung — Wie klein der Schnabel, wie dick die Fuͤße an und unter der Ferſe, wie kurz die Schwanzſpieße, zum Theil auch noch die Fluͤgelſpitzen u. dergl. mehr noch an den eben flugbar gewordenen Giarols ſind, iſt ſchon bemerkt; wir gehen daher zur Be⸗ ſchreibung der Farben des Gefieders uͤber. Der ganze Oberkopf iſt auf truͤbem roſtroͤthlichweißen Grunde matt braunſchwarz gefleckt, / 446 XII. Orbn. LXXI. Gatt. 264, Halsband-Giarol. weil die dunkeln Federn hellfarbige Ränder haben, die an den Sei⸗ ten derfelben befonders breit find, auf einem Streifen, vom Schna⸗ bel uͤber das Auge, aber faſt alle Flecken verdecken und hier etwas mehr mit lichter Roſtfarbe uͤberlaufen ſi nd; Vordertheil der Wan⸗ gen ſchwach roſtgelblich und ungefleckt; Kinn, Kehle und Obertheil der Gurgel trübe gelblichweiß, ein Feld bildend, das oben von den grauen Zügeln, an den Seiten aber von einem unter dem Auge anfangenden, gerade herablaufenden und dann auf der Obergurgel ſich in einem Bogen ſchließenden Bande eingefchloffen wird, welches aber nur aus ſchwarzbraunen Lanzettflecken beſteht, die neben ſich f weißliche Zwiſchenraͤume laſſen, jene niedliche Zeichnung der Alten alſo nur in kurzen Strichen andeuten; ſie ſind jedoch durch weit dunklere Farbe von den andern Flecken der übrigen Halstheile aus⸗ gezeichnet. Die Ohrgegend iſt licht gelblichgrau; von hier an die Hals- ſeiten, ſo wie vom Genick an den Hinterhals duͤſter roſtgelblich (lehmfarbig), dunkelbraungrau geſtrichelt und gefleckt; die Kropfge⸗ gend von gleicher Farbung, aber grober gefleckt und mit dun⸗ kelbraunen Fleckchen durchmiſcht; die Oberbruſt roͤthl ichroſtgelb, un⸗ gefleckt; alle uͤbrigen untern Theile bis an die nackten Fuͤße und an den Schwanz rein weiß; die obern Schwanzdeckfedern eben ſo. Der ganze Mantel iſt auf maͤuſegrauem Grunde hell und dunkel gefleckt, genauer genommen, die Federn am Oberruͤcken dunkel⸗ oder faſt ſchwarzbraun, mit großen ſchmutzig gelbweißen Seitenflecken und grauen Wurzeln; der Unterruͤcken, bis an die weiße Ober⸗ ſchwanzdecke, maͤuſegrau mit monbförmigen, gelbweißen Endkanten und einem dunkeln Schein zwiſchen ihnen und der Grundfarbe; die Schulterfedern und die letzten der Schwingfedern ebenfalls maͤu⸗ ſegrau, fein roſtgelb geſaͤumt und dieſes nach innen meiſt mit einer ſchwaͤrzlichen Linie, die ſich an einzeln roſtgelben Seitenfleckchen oft verſtaͤrkt oder zackicht wird, jede Feder mit einem braunſchwarzen, meiſt wie ein W geftalteten Endfleck, in deſſen offene Enden zwei meiſtens dreieckige roſtgelbweiße Flecke ſtehen, die auch oft in einen zuſammen fließen und eine gelbweiße Spitzenkante bilden, eine unre⸗ gelmaͤßige, doch recht niedliche Zeichnung. Die Fluͤgeldeckfedern ſind maͤuſegrau, die kleinen mit dunkelroſtgelben Kanten, die uͤbrigen mit mondfoͤrmigen roſtgelbweißen Endkanten, die ein ſchwarzbrauner Strich von der Grundfarbe trennt; die mittlern Schwingfedern braunſchwarz, an den Enden in Grau uͤbergehend, mit gelbweißer Endkante; die großen Schwingen, von welchen die erſte einen wei⸗ ßen Set hat (beiläufig auch etwas kuͤrzer als die zweite ift) XII. Ord n. LXXI. Ga t. 264. Halsband G i arol. 447 braunſchwarz, die Enden ‚der Fürzern graulich, dieſe mit breitern, die uͤbrigen mit ſehr feinen roſtgelbweißen Endkaͤntchen; e Fittich⸗ deckfedern ſchwarzbraun. Der Unterfluͤgel ſieht dem der ten faſt gleich, am vordern Raͤndchen weiß, grau geſchuppt, an den kleinen und Fittichdeckfedern matt dunkelbraun, an den mittlern und großen wie unter der Achſel roſtfarbig, an den Schwingfedern ganz wie bei jenen. Der Schwanz hat an ſeiner Wurzel ebenfalls ein nach außen zu wachſendes Weiß, was den Mittelfedern ganz fehlt, dagegen an der aͤußerſten Seitenfeder am Außenrande bis ziemlich zur Spitze reicht, ſonſt geht die Farbe der Endhaͤlften der Schwanzfedern (die mittlern gleich von der. Wurzel an) aus dem Braungrauen in ein braunſchwarzes Ende uͤber, das eine roſtgelblichweiße Kante hat. Von unten iſt der Schwanz weiß mit mattſchwarzem Ende. Einen auffallenden Unterſchied zur Unterſcheidung des Ge⸗ ſchlechts von auſſen habe ich unter dieſen jungen Voͤgeln nicht ge⸗ funden, doch iſt bei männlichen Individuen die gefleckte Zeichnung meiſtens etwas kraͤftiger und das Roſtgelbliche über den Augen am Halfe und unter dem Kropfe ſpielt etwas mehr ins Roſfarbige, aber nur ganz ſchwach.“ i Dieſe jungen Voͤgel ziehen in dem eben beſchriebenen Fugend⸗ kleide weg, mauſern ſich in ihrer Abweſenheit und erſcheinen bei ih⸗ rer Wiederkunft im naͤchſten Fruͤ hjahr in der Tracht der Alten. Dieſe mauſern dagegen noch bei ihrem Hierſeyn (in der Brüuͤtege⸗ gend), in der letzten Haͤlfte des Auguſt und find erſt gegen die — Mitte des September, wo ſie ſich ſchon auf dem Zuge befinden, | damit ganz fertig. Ich erlegte am 23. Auguſt mehrere, welche im vollen Federwechſel begriffen waren, andere am 7. September, die ihn bis auf die Kehlgegend ganz beendet hatten; dieſe ſcheint alſo am letzten die Federn zu wechſeln und daher ſieht in dieſer Periode das Halsbändchen gewoͤhnlich unzuſammenhaͤngend oder fleckicht aus. Von einer Doppelmauſer zeigte kein einziges der vielen Don. mir geſehenen Exemplare eine Spur. N HIN 1 N rufen. Dieſer Vogel gehört einem mildern Himmelsſteiche an, als der unſrige iſt. Er bewohnt nur die waͤrmeren ‚Theile der ge mäßien Zone bloß im Sommer, und zieht ſich im Winker in die heißere zuruck. Aſien und Afrika bewohnt er in großer Anzahl und weiter Ausdehnung, erſteres vom mittlern Sibirien und der 448 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarol. Tartarei, oder vom 46. Grade n. Br. an bis in feine ſuͤdlich⸗ ſten Theile, und ift im Sommer in den Gegenden des caspiſchen und ſchwarzen Meeres, namentlich zwiſchen jenem und dem Aral⸗ fee ſehr gemein; — letzteres von feiner noͤrdlichen Kuͤſte bis Nu⸗ bien und Senegambien, auch wol noch weiter nach Suͤden zu. Fuͤr Europa iſt er ein ſuͤdoͤſtlicher Vogel und bei weitem weniger haͤufig in Suͤdweſten; denn er lebt in großer Anzahl in den Laͤndern vom 48. Grade n. Br. an nach Suͤden zu, in dieſer Höhe aber in öftlicher Laͤnge nur etwa vom 33. Grade (von Ferro) an bis nach Aſien hinuͤber; ſteigt dagegen weſtlich von dieſem Laͤngengrade in hoͤchſt⸗ auffallender Abnahme immer weniger nach Norden hinauf, je wei⸗ ter er ſich, nach Weſten zu, von ihm entfernt. So iſt er denn, ſo weit die Nachrichten reichen, in Spanien und dem mittaͤglichen Frankreich, wie ſelbſt im mittlern Italien, eben nicht haͤufig; dies faͤngt erſt mit Dalmatien an und geht in Ungarn bis zum Neuſiedler See und die obere Theiß hinauf, und bleibt in dieſer Hoͤhe durch Neurußland bis uͤber die europaͤiſche Grenze hinaus. Alle unterhalb dieſes Strichs gelegene Laͤnder, wie das mittlere und ſuͤdliche Ungarn, nebſt Slavonien u. ſ. w., die europaͤiſche Tuͤrkei und das ſuͤdliche Rußland bewohnt er, in geeigneten Lagen, in großer Anzahl. Er iſt in Ungarn beſonders haͤufig, und ich habe ihn dort ſelbſt ebenſo an der tuͤrkiſchen Grenze, wie am Tapjo und der Theiß, als in der Gegend des Valenzer Sees in Menge gefun⸗ den, wie er auch noch in vielen andern Lagen, auch am Platten: und Neuſiedler⸗See haͤufig genug vorkoͤmmt, von wo er alle Jahr nach Oeſterreich heruͤber ſchweift und gar nicht ſelten die Donau herauf ſich noch viel hoͤher als Wien ins Land herein und bis nach Baiern verirrt, einerſeits auch, wiewohl ſehr ſelten, ſich bis auf die Gewaͤſſer der Schweiz und in die Rheingegenden, andrerſeits bis nach Oberſchleſien verfliegt; im letztern Lande ſoll dies ſonſt oͤfter als jetzt vorgekommen ſein. Ein bis zur Mitte von Deutſchland verirrter Vogel dieſer Art darf wol unter die groͤß— ten Seltenheiten gezaͤhlt werden. Man will ihn naͤmlich vor vielen Jahren in mehreren Individuen am ſalzigen See im Manns⸗ feldiſchen bemerkt haben; ſpaͤter erhielten wir indeſſen ſelbſt ein friſches Exemplar aus der hieſigen Gegend, das 3 Stunden Wegs von meinem Wohnorte, und 3/, Meilen von Coͤthen, bei Mar: dorf, an einem Feidteiche am 6ten Juni 1812 erlegt worden war. Er iſt auch fuͤr Ungarn nur Sommervogel, koͤmmt dort ſelten > XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. 449 vor Ende des April, viel gewöhnlicher erſt im Mai an?), und ver: läßt es zu Anfang des September wieder. Eine Ausflucht von Peſth am 18ten und 19ten September (1835) vom rechten Do- nauufer in die Gegenden des Velenzer Sees, welche er im Som— mer ebenfalls in bedeutende Anzahl bewohnt, überzeugte mich, daß bereits alle verſchwunden und aus den noͤrdlichen Gegenden des Lan— des, wo ich ſie einen Monat fruͤher in Menge angetroffen hatte, weggezogen waren. So wie er überhaupt ein geſelliger Vogel iſt, zieht er auch immer in groͤßern Geſellſchaften, Junge und Alte un— tereinander, die ſich weiter ſuͤdlich oft zu anſehnlichen Schaaren ver— einigen, und fliegt dabei ohne beſondere Ordnung aͤußerſt ſchnell, gerade fort und oft ſo hoch, daß man dieſe Voͤgel wohl hoͤrt, aber oft nicht ſieht, ob ſie gleich oft am Tage reiſen, mehr noch aber des Nachts zu wandern ſcheinen. So wie er in ſeinem ganzen Weſen eine Menge ſonderbarer Eigenheiten zeigt, ſo auch hinſichtlich ſeines Aufenthaltes. Er lebt allerdings in der Naͤhe der groͤßern Gewaͤſſer, jedoch ohne ihnen eine be— ſondere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Es ſind ſchon oben die Land— ſeen Ungarns genannt, wozu man auch wol die Fluͤſſe dieſes Lan⸗ des zaͤhlen darf, und doch koͤmmt er ſelten an ihre Ufer, ſondern giebt den kleinern Gewaͤſſern, nahe und fern von jenen, bei Wei- tem den Vorzug. Sie ſind ihm indeſſen eine bloße Nebenſache; er nimmt ſeinen Aufenthalt nur in ihrer Naͤhe, wenn ihm auch die uͤbrigen Umgebungen zuſagen, weshalb er mitten in den großen Suͤmpfen, von jeder Beſchaffenheit, nicht vorkoͤmmt, nur an ihren Raͤndern und weit mehr auf dem Trocknen lebt, wie er denn nicht allein die ſeichten Ufer kleiner Sumpfſtrecken, ſondern hauptſaͤchlich ſolche Feldteiche und Waſſerlachen liebt, welche im Laufe des Som: mers zum Theil oder auch gaͤnzlich austrocknen, wo dann gewoͤhn— lich der ausgedoͤrrte Schlamm tauſendfach in kleine Scherben zer— borſten vorkoͤmmt. Ich ſahe ihn nie an ſandigen Waſſerraͤndern. Man ſieht ihn an ſuͤßen wie an ſalzigen Gewaͤſſern, was in Ungarn ſehr oft abwechſelt, ohne daß man bemerkte, daß er dem einen oder dem andern den Vorzug gaͤbe. Die Meereskuͤſten mag er nur auf dem Zuge beruͤhren, weil er unmittelbar am Meere we— nig oder keine Nahrung finden kann, die ihm zuſagt. Nur jenes *) Nach Savi kömmt er in Toskana auch erſt gegen die Mitte des Mai in kleinen Flügen an, fliegt dann ſehr raſch und in allen Richtungen über den feuchten Wieſen nicht weit vom Meere herum, ſetzt ſich auf den Raſen nieder und fängt Inſek⸗ ten, verweilt dort aber nur einige Tage und verſchwindet dann, Ir Theil, i 29 450 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarol. nothwendige Erſcheinen und Verſammeln großer Schaaren an den Kuſten, um als Zugvoͤgel ein Meer, wie das mittellaͤndiſche, zu uͤberfliegen, was ſie zwei Mal im Jahr dahin bringt, koͤnnen dieſen Vogel zu dem franzoͤſiſchen Namen: „Perdrix de Mer“, verholfen haben, da er ſonſt fo wenig mit dena Rebhuͤhnern wie mit dem Meer zu ſchaffen hat. Er belebt im Sommer hauptſaͤchlich die unabſehbaren Steppen der oben genannten Laͤnder, ausgedehnte, ganz ebene oder doch nur ſchwach wellenfoͤrmige, baumloſe, gruͤne Flaͤchen, welche großen und zahlreichen Viehheerden zur Weide dienen, ſtellenweiſe auch zum Heumachen benutzt werden, die man in Ungarn faͤlſchlich Haiden nennt, obgleich nie Haidekraut (Erica) dort waͤchſt. Er ſcheint von dieſen, in der Ferne hoͤchſt einfoͤrmig ausſehenden Gegenden beſon⸗ ders die Stellen zu lieben, welche weniger fruchtbar ſind, wo die Graͤſer hin und wieder nur kuͤmmerlich gedeihen und der ſandige Boden Bloͤßen durchſcheinen laͤßt, oder ſich meiſtens nur duͤnn mit niedern Blumen, Nelken, namentlich Dianthus arenaria u. a., Ne- ranthemum annuum, einigen kurzen Wolfsmilcharten und andern Sandpflanzen zwiſchen duͤrftigen Graͤſern bedeckt. Gewöhnlich zie⸗ hen ſich durch ſolche Flaͤchen auch Gewaͤſſer, die er zuweilen beſucht und in ihrer Naͤhe verweilt, wo ihre Ufer ſeicht genug ſind und ihm ſonſt zuſagen. Grenzen bebauete Felder an, ſo iſt er auf die— ſen, beſonders auf tiefliegenden und ſolchen, wo oͤfters Waſſerpfuͤtzen ſtehen bleiben, zumal auf Brachaͤckern. Eben weil er ſich ſehr haͤufig auf Brachfeldern aufhaͤlt, wird er in Ungarn allgemein „Brach— ſchwalbe“ genannt, aus gleicher Urſache warum man die groͤßern Regenpfeiferarten bei uns „Brachvoͤgel“ zu nennen pflegt, und in allen von mir bereiſeten Gegenden kannte man unſern Giarol unter keinem andern als jenem Namen. Er Hält ſich, nach den Beobachtungen meiner Freunde, in je: nem intereſſanten Lande, wie ich es ſelbſt mit eigenen Augen ges prüft und beſtaͤtigt gefunden habe, ſtets mehr auf dem Trocknen als am Waſſer auf, obgleich er dieſes, etwa in demſelben Verhaͤltniß wie die groͤßern Regenpfeifer, nicht ganz entbehren zu koͤnnen ſcheint. Ich ſahe ihn auf Brachaͤckern, wie auf dem duͤrren und zerborſte⸗ nen Schlamme großentheils ausgetrockneter Pfuͤtzen, oder an den kahlen Raͤndern groͤßerer freier Waſſerlachen auf dem Trocknen, oder auf ganz kurz abgeweideten, von der Sonnenglut halbverſengten Ra⸗ ſen umherlaufen, oft zwiſchen Tauſenden von Saatkraͤhen, Staa— ren und zahlloſen Kibitzen, wo dieſes ſchwarze Gefluͤgel, damals * XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Öiarol. 451 im Anfange der Zugzeit, nicht felten die ungeheuern Flächen bedeckte, ſo weit das Auge reichte, wo eben Vieh geweidet hatte und uͤber welche ſich theilweiſe noch ſo eben maͤchtige Schaafheerden ausge— breitet hatten, zwiſchen dieſen und jenen, doch jederzeit viel mehr herum fliegen als laufen. Ich ſahe ihn dagegen nie ganz dicht am Waſſerrande, noch vielweniger im Waſſer herum waden. In einer Gegend am Tapjo, wo ein Teich von ſehr großem Umfange, damals ſeicht und uͤberall zum Durchwaden, auch ganz frei von Sumpfpflanzen und mit ſehr flachen Ufern, einer Mühle wegen das wenige Waſſer des Fluͤßchens ſammelte, wimmelte es buchſtaͤblich von Schnepfenvoͤgeln aller Arten, von Seeſchwalben und andern, aber kein Giarol war darunter, obgleich eine Geſellſchaft dieſer muntern Voͤgel nur ein paar Tauſend Schritte davon ſich mitten auf der großen gruͤnen Flaͤche mit einer ziemlich vertrock— neten Pfuͤtze begnuͤgte, und als ſie ſich verfolgt ſahe, den herrlichen Teich ebenfalls unbeachtet ließ, und ſich wieder auf die Brachfelder zuruͤck zog, von wo ſie kurz zuvor vermuthlich auch hergekommen ſein mochte, weil ſie auf der Steppe vorher nicht geſehen worden war. Er pflegt ſich niemals abſichtlich zu verſtecken und verweilt nur, um einen Fang zu machen, gelegentlich auf Augenblicke in ihn etwas bergenden Graͤſern und Binſen, geht aber niemals in hohes Rohr oder Schilf, auch nie dahin, wo Baͤume oder Gebuͤſch wachſen. So lebt er immer an ganz freien Orten, wo er ſtets fihon von Weitem geſehen werden kann. Eigenſchaften. Das Schwalbenartige dieſes zierlichen, gewandten und lebhaf- ten Vogels zeigt ſowol Geſtalt als auch Lebensweiſe und Betragen, und Brachſchwalbe, Steppenſchwalbe, Wieſenſchwalbe, wie er in den haͤufig von ihm bewohnten Laͤndern bei Landleuten und Hirten heißt, ſind Namen, welche ſo bezeichnend als denen vorzuziehen ſind, die man ihm nur in Buͤchern beigelegt hat. Weniger wird man aus ſeiner Geſtalt errathen, daß er in manchen Lebensmomenten auch den Regenpfeifern ähnelt. So ſehr auch dies, wie noch andere Ei: genthuͤmlichkeiten uͤberraſchen muͤſſen, wenn man dieſes wunderliche Gemiſch der Sitten des frei lebenden Vogels beobachtet, ſo wird man doch durchaus nichts Huͤhnerartiges darin finden, und die Sy⸗ 2 452 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. ſtematiker, welche ihn zu ihren Huhnſtelzen (Alectorides) neben die ihm ſo hoͤchſt unaͤhnlichen Gattungen Palamedea, Dicholophus und gar Psophia (ein Kranichgeſchlecht!) ſtellten, hatten ihn gewiß nie im Leben beobachtet, wobei ſie dieſer irrigen Meinung gewiß ſogleich entſagt haben wuͤrden. Meine aus der Natur geſchoͤpfte, treue Schilderung des Lebens dieſes merkwuͤrdigen Vogels, wie ich ſie hier gebe, wird demnach manche fruͤhere Anſicht aͤndern. Steht der Halsbandgiarol ganz ruhig da, was jedoch nicht oft koͤmmt, ſo hat er, wenn man ſich die langen Fluͤgelſpitzen und Schwanzgabeln wegdenkt, ganz die Geſtalt eines Regenpfeifers, den dicken Kopf, eingezogenen Hals, wagerechten Leib und die weder zu hohen noch zu niedrigen Beine; eben ſo iſt ſeine Bruſt und der ganze Vogel aufgerichteter, wenn er, wie auch jene oft thun, auf einem kleinen Huͤgelchen oder einer Erdſcholle ſteht, die er im Laufe als kurze Ruhepunkte erreicht, wenn er, ebenfalls in aͤhnlichen Ab— ſaͤtzen, ſchnell auf einer Flaͤche hin rennt; denn er iſt ein ſehr ge⸗ wandter Laͤufer, ſetzt zwar ſeine Fuͤße nur in kleinen Schritten, aber aͤußerſt behend fort, trippelt aber auch zuweilen an einer Stelle län: ger herum. Er theilt ſeine Zeit in Laufen und Fliegen, und uͤbt, obgleich er auch manchmal lange herumlaͤuft, das letztere viel mehr und anhaltender als alle Uferlaͤufer. Vom langen Stillſitzen haͤlt er nichts. Statt des Nickens oder zuckenden Buͤckens der meiſten Schnes pfenvoͤgel, wenn ihnen etwas in die Augen faͤllt, dem ſie nichts Gutes zutrauen, iſt unſerm Giarol Erſatz gegeben in einer hoͤchſt eigenthuͤmlichen Bewegung des Hinterleibes und Schwanzes; er wippt naͤmlich mit dieſen, letztern in demſelben Augenblick ausbreitend und ſchließend, gegen die Erde zu, nicht aufwärts, gerade wie ein Stein: ſchmaͤtzer (Saxicola oenanthe). Dieſe fremdartige Bewegung iſt fuͤr den, welcher fie zum erſten Male ſieht, ſehr uͤberraſchend. Zumei: len wiederholt ſie der Giarol auch einige Mal und erhebt ſich dann gleich nachher immer in die Luft. Hier iſt er in ſeinem rechten Elemente, ſeine Bewegungen und Abwechslungen, wie ſeine große Fertigkeit im Fliegen ſind denen der Schwalben ganz aͤhnlich, oder vielmehr denen der kleinern See— ſchwalben, namentlich der Sterna nigra voͤllig gleich. Er aͤhnelt dieſen auch in der ganzen Figur und Haltung ſo vollkommen, daß man ihn in weiter Ferne leicht fuͤr dieſe halten und in geringerer Entfernung nur an dem kurzen Schnabel, dickern Kopf und anſchein⸗ lich kuͤrzern Hals unterſcheiden kann. Im hohen und reißend ſchnellen Wanderfluge, wo er die weniger von ſich geſtreckten Fluͤgel haſtig bes XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarol. 453 wegt, wie im gemüthlichen und langſamern Fluge aus einer nahen Gegend in die andere, wo er nicht ſehr hoch fliegt, die Fluͤgel faſt ganz ausſtreckt und bei ihren hoch ausholenden Schlägen auch immer den Koͤrper etwas hebt und ſenkt, gleicht er vollkommen jenen, ſeine Be⸗ wegungen ſind jedoch meiſtens noch lebhafter. Sein ſeeſchwalbenar⸗ tiges Geſchrei, das er bei ſolchen Streifzuͤgen fleißig hören läßt, ver: mehrt dieſe Aehnlichkeit noch um Vieles. Begegnet einer ſo umher ſtreifenden Geſellſchaft unterwegs etwas Auffallendes, fo umſchwaͤr⸗ men ſie ſchreiend zuweilen daſſelbe einige Male, wie aus Neugierde oder Uibermuth, wobei fie haufig auch ohne Fluͤgelſchlaͤge ſchoͤn ſchwe— ben, gewoͤhnlich jedoch ohne langen Aufenthalt ihren Streifzug luſtig und unter mancherlei Schwenkungen fortſetzen. An dem Orte, wo fie fi) niederlaſſen wollen, ſchießen fie bald mit angezogenen Fluͤ⸗ geln wie Pfeile durcheinander, bald in großen Bogen herab und wieder hinauf, in Halbkreiſen herum und in ſo mannichfaltigen als anmuthigen Schwenkungen hin und her, auf und ab, daß es eine Luſt iſt ihnen zuzuſchauen. Beim Niederſetzen ſtrecken ſie oft noch die Fluͤgel einen Augenblick in die Hoͤhe und legen ſie dann erſt an den Leib zurecht, ſchuͤtteln ſich und laufen nun auf der Erde be— hende dahin. Uiber Graͤſern und andern niedern Pflanzen, ſo wie anderswo auch uͤber bloße Erde und Waſſer ſtreichen ſie oͤfters wie Schwalben kaum ein paar Fuß hoch ſehr ſchnell hin und ſchwenken ſich dabei wie dieſe. Es gewaͤhrt eine reizende Unterhaltung, einem dieſer fluͤchtigen Geſchoͤpfe mit den Augen zu folgen, und man iſt zweifelhaft ob man mehr die große Flugkraft und Schnelle oder mehr die große Abwechslung und zierliche Gewandheit bewundern ſoll. Das oben erwaͤhnte, in hieſiger Gegend erlegte Individuum flog im Felde uͤber einem kleinen Teiche, bald hoch, bald niedrig in vielerlei Schwenkungen wie eine Schwalbe herum und wurde von dem Schuͤtzen aus der Ferne auch fuͤr eine ſolche gehalten, deren beſondere Groͤße ihm allein auffiel, weshalb er hinging und aus Neugier die vermeintliche große Schwalbe (merkwuͤrdig genug, mit einer Kugel in der Flinte) ſehr geſchickt aus der Luft herabſchoß und ſie mir mit der Anfrage uͤberſchickte, was dies fuͤr eine Schwalbenart ſei? — Der Halsbandgiarol iſt ein außerordentlich lebhafter Vogel und ſeine Munterkeit ſcheint manchmal wirklich in Ausgelaſſenheit uͤber⸗ zugehen. Seine Regſamkeit laͤßt ihn nirgends lange ruhen, er ſchweift weit von ſeinem gewoͤhnlichen Wohnſitze weg, und wenn man auch die Gegend, wo man ihn anzutreffen gedachte, fuͤr den Augenblick leer findet, ſo darf man nicht gleich verzagen; denn ehe man 454 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarol. ſichs verſieht, find alle wieder da. Sie find dabei gar nicht furcht⸗ ſam und fliegen oft nahe bei Hirten und Landleuten herum, lernen jedoch den, welcher ihnen nachſtellt, bald von jenen unterſcheiden; ſie halten dann, zumal wenn ſie Verfolgung erfuhren oder gar nach ihnen geſchoſſen wurde, vor der Hand nicht wieder ſo nahe aus. Ver⸗ einzelte ſind gewoͤhnlich gar nicht ſcheu. Unſer Giarol iſt ein geſelliger Vogel, doch nicht eben gegen an— dere Voͤgel, dagegen aber gegen ſeines Gleichen ſo, daß man ſehr ſelten einen Einzelnen fliegen ſieht, wo dieſer dann gewoͤhnlich durch vieles Rufen kund thut, daß er ſich nach der Geſellſchaft ſehne. Flüge von 12 bis 20 Individuen ſieht man am oͤfterſten, ſelbſt an den Bruͤteorten; denn hier findet man faſt immer mehrere Paͤaͤrchen in geringer Entfernung von einander niſtend, wie Seeſchwalben, zu andern Zeiten aber auch manchmal Schwaͤrme von Hunderten, zu— mal wenn ſie eben wegziehen wollen. Laͤßt ſich eine Geſellſchaft auf ein Brachfeld oder auf eine Steppe nieder, ſo zerſtreuen ſich die einzelnen und breiten ſich uͤber eine ziemliche Flaͤche aus; macht aber einer Laͤrm, fo ſtieben alle zugleich auf, vereinigen ſich in der Luft kreiſend und ſchwenkend wieder in eine Heerde, drehen ſich noch ei— nige Mal uͤber dem Platze herum und ſuchen dann erſt das Weite. Uibrigens ſahe ich ihn auch unter andern Voͤgeln, z. B. unter Ki⸗ bitzen, doch immer abgeſondert genug von dieſen, aber nie zwiſchen Seeſchwalben, denen er nur in der Geſtalt, den Bewegungen u. ſ. w. ähnlich, in der Art ſich zu nähren aber ganz unaͤhnlich iſt. Deſſenunge⸗ achtet ſollen ihn jedoch die Italiener mit denſelben Vorrichtungen fangen. N ee Seine Stimme iſt fo ganz ſeeſchwalbenartig, daß ich, als ich fie das erſte Mal vernahm, glaubte eine Sterna cantiaca zu hoͤren, ſo taͤuſchend ſchlugen dieſe Toͤne an mein Ohr. Sie wuͤrden jedoch, wie ich glaube, wenn man beide neben einander haͤtte, wol verſchieden ſein, die des Giarol namentlich höher und ſchwaͤcher klingen, obgleich der Schall für einen Vogel dieſer Größe bedeutend laut und durchdringend ge— nannt werden kann, ſo daß man dieſe Toͤne ſehr weit hoͤrt. Als ich ſie eben aufzeichnen wollte, hatte dies bereits mein lieber Freund Pethenyi*) gethan, jo daß ich fie bloß zu vergleichen brauchte, wo— bei ich die von ihm aufgezeichneten Toͤne auch ganz ſo fand, wie ) Eifriger und kenntnißreicher Ornitholog, Procuſtos am National-Muſeum zu Peſth und mein gütiger Begleiter auf allen meinen Reiſen in ungarn, für deſſen viele Aufopferungen ich mich unendlich verpflichtet fühle und ihm hiermit öffentlich von ganzen Herzen meinem wärmſten Dank darbringe. XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. 455 ich ſie ſelbſt vernahm. Ihr gewoͤhnlicher Ruf und Lockſtimme klingt kraͤftig, wie Karjah — karjah! Zuweilen auch Kei, karjah! Sind mehrere beiſammen und recht gemuͤthlich, ſo miſchen ſie noch einige andere Toͤne ein, wie wenn fie dazwiſchen ſchwatzten, z. B. Karjah, bimwedrel Karjah mitwedre! auch wol nur einzeln wedre oder woͤdre und bedroͤl! Um eine richtige Vorſtellung zu bekommen, muͤſſen alle dieſe Sylben oder Worte ſehr ſchnell geſpro— chen werden. Es ſchienen mir dieſe Toͤne recht froͤhliche und ange— nehme, vielleicht nur aus zu großem Intereſſe fuͤr den Vogel; ganz in der Naͤhe moͤgen ſie wenigſtens das letztere wol nicht ſein. Bei den erwachſenen Jungen waren es dieſelben Toͤne, doch ein wenig anders modulirt und daher zu unterſcheiden, obgleich der e * kein erheblicher war. Nicht allein die Jungen, ſondern auch alte Voͤgel dieſer Art ſollen ſich ziemlich leicht an die Gefangenſchaft gewoͤhnen und bald zutraulich oder ſo zahm werden, daß ſie ihrem Waͤrter das Futter aus der Hand nehmen, ſich ſtreicheln laſſen u. ſ. w.; auch ſoll er ein ziemlich harter Vogel ſein und lange dauern. N ah er unn g Nicht, wie man ſonſt meinte, ganz kleine Inſekten, ſondern umgekehrt, recht große, find die gewöhnliche Nahrung des Hals: bandgiarols. Die Natur hat ihn zu dieſem Behufe mit einem har— ten Schnabel, ſehr breiten Rachen und weiten Schlund, wie mit einem tuͤchtigen Muskelmagen verſehen, und um ihm das Aufſuchen und Verfolgen zu erleichtern, mit einer ungewoͤhnlichen Flugkraft, Gewandheit und ſchnellem Laufe begabt. Nicht Muͤcken und Flie⸗ gen, — dieſe vielleicht kaum beifaͤllig, — ſondern größere, hart: ſchalige Inſekten, Käfer, von der Größe des Maikaͤfers bis zu den kleinſten herab; Heuſchrecken und dieſen verwandte Geſchoͤpfe faſt von jeder Groͤße, große und kleine Libellen und dieſen aͤhnliche, machen feine Hauptnahrung aus. Alle von mir geöffneten Voͤgel dieſer Art hatten von dieſen oder jenen noch die unverkennbaren Ui⸗ berreſte im Magen oder ſie noch weniger unkenntlich, meiſtens nur etwas verſtuͤmmelt, in der Speiſeroͤhre ſe ben, und ich ſahe mit ei— genen Augen, wie fie ſolche jagten, fingen und die größten zuwei— len mit vieler Anſtrengung verſchlangen. 0 5 456 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband-Giarol. Er fängt bald laufend bald fliegend faſt alle Arten von Kaͤ⸗ fern, welche ihm an ſeinen waldarmen Aufenthaltsorten auf dem Freien vorkommen, namentlich aus den Gattungen: Melolontha, Scara- baeus, oder Geotrupes der Neuern, Copris, Aphodius, Hister, Ca- rabus, Harpalus, Cicindela, aus den Familien der Silphen, Sta- philinen und vielen andern mit dieſen und jenen verwandten Gat⸗ tungen. Ob er auch Waſſerkaͤfer faͤngt, wenn fie außer ihrem Ele: mente ſind, weiß ich nicht; gewiß iſt, daß er ſie nie aus dem Waſſer holt. Er macht ferner Jagd auf Heuſchrecken, von der Wander; heuſchrecke bis zu den kleinſten Arten aller Gattungen, nebſt ihren Larven, auch Maulwurfsgrillen (Gryllotalpa), Feldheimchen (Acheta campestris), große und kleine Libellen, Phryganeen, Hafte, auch wol große Bremen, die drei letzteren aber ſchon ſeltener und wenn an Kaͤfern und Heuſchrecken Mangel iſt. Es würde zu weit füh- ren, alle Arten namhaft zu machen, welche ihm zur Nahrung dienen. Er verfolgt ſie auf Brachaͤckern, zwiſchen dem jungen Sommerge— traide, auf Wieſen, Viehweiden und weniger fruchtbaren Steppen unablaͤſſig, aber ſelten dicht am Waſſer. Daß er auch Kaͤferlarven frißt, iſt nicht unwahrſcheinlich; ob auch Regenwuͤrmer und anderes kleines Gewuͤrme, habe ich nicht erfahren koͤnnen. Die großen Heuſchrecken, Grillen und Kaͤfer, ſelbſt Libellen, ſucht er, indem er ſie mit dem Schnabel erfaßt hat, mit derben Stoͤßen gegen die Erde zu toͤdten, ihnen die Fluͤgel und Beine zu zerbrechen und zum Theil zu entfernen, um ſie dadurch verſchling— barer zu machen. Ein voͤllig erwachſener Junger fing vor meinen Augen eine große Heuſchrecke; als er ſie auf jene Weiſe verſchluck— bar gemacht und hinunter gewuͤrgt hatte, wurde er erlegt und das Thier ſteckte mit ſeinem Hintertheil nach oben im Rachen, weil die Speiſeroͤhre abwaͤrts bereits mit andern angefuͤllt war. — Der in hieſiger Gegend erlegte hatte den Magen ꝛc. voll kleiner Kaͤfer aus den Gattungen Cicindela, Harpalus und ähnlicher, am meiſten je— doch von erſterer, die man ihn im Fluge fangen und ſogleich ver— ſchlucken ſahe, weil ihre geringe Groͤße jenes Experiment unnoͤthig machte. Faͤngt er dagegen in ganz niedrigem Fluge, dicht uͤber den Graͤſern hinſtreichend, ein groͤßeres Inſekt von einem Halme oder einer Blume hinweg, ſo ſetzt er ſich damit ſogleich auf die Erde, giebt ihm die noͤthigen Stoͤße, verſchluckt es und beginnt ſofort ſeine Nachſuchungen, auf vori, Weiſe fliegend, von Neuem. Bemerkt er hierbei eins auf der Erde, ſo ergreift er es im ſchnellen Nieder— ſetzen, oder verfolgt es, wenn er fehl griff, auch wol noch laufend, XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband: Giarol. 547 erhebt ſich aber, nachdem er es bearbeitet und verſchlungen, ſogleich wieder aus den Graͤſern. Nur auf ganz freien Flaͤchen, auf ganz kurz abgeweidetem Raſen und nacktem Boden, betreibt er ſolche Jagden auch zu Fuß. Daß er in Gegenden, wo gewoͤhnlich Vieh weidet, fo gern auf dem hartgetrockneten und tauſendfach zerborſtenen Schlamme der Pfuͤtzen und Waſſerlachen herumlaͤuft, koͤmmt allein daher, daß in die kleinen Kluͤfte zwiſchen den Schlammſcherben ſehr viele Inſekten, namentlich Heuſchrecken, ſtuͤrzen oder ſich abſichtlich verſtecken, wenn ſie das nahe Weidevieh aufgeſcheucht hatte, und welche dort leicht von ihm erwiſcht werden. Die Steppen und gro— ßen Weideflaͤchen liebt er darum zum Aufenthalt, weil er daſelbſt unter andern auch viele Kaͤfer in dem aͤltern Miſte der Thiere fin⸗ det. Auf duͤrren Plaͤtzen verfolgt er Grillen und Feldheimchen, auf feuchten Wieſen und in der Naͤhe der Gewaͤſſer an den Halmen ſitzende Libellen und andere Netzfluͤgler, und macht fich dabei ſtets bemerklich; auf Brachfeldern iſt dies dagegen meiſtens weniger der Fall, weil er dort ſeine Kaͤferjagden mehr zu Fuße uͤbt. Er verweilt jedoch nie lange an einem Orte, denn ſeine Unruhe und große Leb— haftigkeit treibt ihn von einem Futterplatze zum andern ur er wechſelt dieſe täglich viele Male. Er iſt allem Anſchein nach ein tuͤchtiger Freſſer und verdauet ſehr ſchnell; wahrſcheinlich ſoll der grobe Sand und einige Quarz⸗ koͤrner, die man faſt immer in ſeinem Magen findet, das Letztere befördern helfen. Seinen Durſt mag er, fo viel ich ſahe, wol mei— ſtens an kleinen Waſſerpfuͤtzen ſtillen; dicht am Rande eines großen oder tiefen Gewaͤſſers habe ich ihn wenigſtens niemals angetroffen. Der Prof. Savi zu Pisa unterhielt einen ſolchen Vogel mehrere Monate in ſeinem Hauſe und ſagt von ihm Folgendes: Er ver— ſchmaͤhte keine Art ihm vorgelegter Inſekten, zog aber Maulwurfs⸗ grillen allen andern vor. Er verſchlang dieſe aber weder lebendig noch ganz, ſondern ſchlug ſie zuvor heftig und ſo lange gegen den Boden, bis fie todt waren und die Beine, namentlich die hornhar⸗ ten, gezackten Vorderpfoten, abgingen. Er gewoͤhnte ſich bald an hartgeſottenes und zerkleinertes Ei, und dies ſchien ihm faſt eben ſo gut zu ſchmecken als Inſekten. Merkwuͤrdigerweiſe nahm er ſeine Lieblingsſpeiſe, die Maulwurfsgrillen, nie an, wenn man ſie ihm noch lebend auf den Boden ſeines Trinkgefaͤßes ins Waſſer legte, ſondern nur, wie alle andern Inſekten, vom trocknen Boden — oder aus der Hand ſeines Pflegers; ein Beweis, daß er auch in der Freiheit keine Inſekten aus dem Waſſer holt. Wenn er Hun: \ 458 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. ger hatte, ſchrie er mit ſtarker, ſchrillender Stimme: kiah, kiah, u. ſ. w.; ſo oft er merkte daß ſich jemand ſeinem Aufenthalte naͤ⸗ herte, wiederholte er dies Geſchrei, bis ihm Nahrung gebracht wurde. Er trank wenig und verſuchte niemals ſich zu baden. Dieſem zu Folge wuͤrde ſich unſer Giarol leicht an ein Stu⸗ benfutter, vielleicht aus Weißbrod in Milch oder auch nur in Waf: ſer geweicht, oder an ſonſt ein bei Inſektenvoͤgeln bewaͤhrtes, ge⸗ woͤhnen und laͤngere Zeit am Leben erhalten laſſen. Fortpflanzung. Wie wenig die ſuͤdlichen und oͤſtlichen Laͤnder unſres Erdtheils, nebſt den gegenüber liegenden Aſiens, welche als Aufenthalt uns ſres Halsband⸗Giarols ſchon unter der bezuͤglichen Rubrik näher bezeichnet wurden, in ornithologiſcher Hinſicht erforſcht ſind, geweiſt unter andern auch die Fortpflanzungsgeſchichte dieſes dort in gar vielen Lagen ſo gemeinen und in Menge daſelbſt niſtenden Vogels. Es iſt kaum zu begreifen, daß ein Land wie Ungarn, welches in ſeinen Magnaten Leute von den liebenswuͤrdigſten Eigenſchaften, den feinſten Sitten, von Geiſtesbildung und gutem Willen beſitzt, deren Patriotismus begierig Alles zu foͤrdern ſucht, was ihrem Va⸗ terlande zur Ehre gereicht, ein Land, das in den Staͤdten, nament⸗ lich an den hoͤhern Lehranſtalten und Muſeen, fo viele hoͤchſt acht: bare Gelehrte beſitzt, — daß von denen allen bis jetzt auch noch nicht Einer uns etwas Ausfuͤhrliches und Zuverlaͤſſiges uͤber dieſen Gegenſtand gegeben hat. Jedem, welcher naturgeſchichtliche Gegen— ſtaͤnde nicht ganz gleichgültig betrachtet, iſt dort unſer Vogel be: kannt; allein keiner weiß mehr von ihm zu ſagen, als was man auch dem ausgeſtopften anſehen kann und aus dem Landesnamen: „Brachſchwalbe“ hervorgeht. Wir wiſſen nur erſt ſeit ein paar Jahren, was der Giarol fuͤr Eier legt, weil man einen weiblichen Vogel geſchoſſen hatte, der ein zum Legen reifes Ei bei ſich trug; aber man weiß nicht wie viel ſolcher Eier er lege, und in dem lan⸗ gen Zeitraum der folgenden 3 bis 4 Jahre iſt dieſe Forſchung auch nicht im Geringſten vorgeruͤckt. Man duͤrfte ſich dort nur an die Hirten wenden und wuͤrde zuverlaͤſſig gar viele finden, denen Neſt, Eier, Junge u. ſ. w. bekannt ſeyn muͤſſen, da ſie ihre Heerden gar oft dort weiden laſſen, wo die allgemein bekannten Brachſchwal— XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband:Giarol. 459 ben niſten. Bei ſolchen Unterſuchungen Landleute und Hirten aus⸗ zufragen, iſt ein Mittel, das den deutſchen Naturforſcher ſo ſehr oft auf dem kuͤrzeſten Wege zum Ziele, zum eignen Anſchauen und Be⸗ obachten fuͤhrte, auf dieſes ſo nahe liegende Mittel ſcheint ſich dort, merkwuͤrdig genug, noch niemand beſonnen zu haben. Ich kam im Jahr 1835 leider erſt in der letzten Haͤlfte des Auguſtmonats in das intereſſante Land und an die Bruͤteorte dieſer lieblichen Voͤgel, als ſie dieſelben, fuͤr dieſes Jahr ſchon großentheils verlaffen hatten, traf die meiſten dieſer Vögel ſchon auf dem Weg⸗ zuge begriffen und viele waren bereits ſuͤdlichern Laͤndern zugeeilt. Was ich daher von ihrer Fortpflanzungsgeſchichte ſahe oder erfahren konnte, waren leider nur Bruchſtuͤcke, die ich denn, in ſo weit ich ſie fuͤr wahr halten darf, hier mittheile. N Nicht in Suͤmpfen, noch viel weniger jemals im Schilfe, Rohre oder gar im Gebuͤſch, ſondern auf trockenem Boden bruͤtet der Halsband⸗ Giarol ſeine Eier aus. Kurz abgeweidete, gruͤne Flaͤchen, wellen⸗ foͤrmige, ſandige, duͤrftig mit niedern Pflanzen und Blumen beſetzte Strecken, an die Weideflaͤchen grenzende Aecker, welche entweder brach liegen oder mit Sommergetraide beſaͤet ſind und leere Stellen haben, wo vorzuͤglich dieſe, uͤberall zwar ſolche Plaͤtze, welche auch Waſſerlachen und Pfuͤtzen in der Naͤhe haben, jedoch meiſtens nicht ganz nahe beim Waſſer; dies ſind im Allgemeinen ſeine Bruͤteorte, ſo weit ich ſolche mit Gewißheit auszumitteln im Stande war. Das Neſt ſteht in einer kleinen, meiſtens vorgefundenen Ver— tiefung des Bodens, iſt nachlaͤſſig mit duͤrren Haͤlmchen und Wuͤr— zelchen ausgelegt, zuweilen aber recht gut gerundet, und hat gewoͤhn- lich einerſeits an einem Grasbuͤſchel, einer blaͤtterreichen, niedern Pflanze, oder auch wol an einer Erdſcholle oder an einem kleinen Raſenſtuͤck einigen Schutz; oft unterſcheidet ſich die Stelle auch gar nicht von den Umgebungen. Es iſt daher eben nicht leicht zu ent: decken, obgleich die alten Voͤgel den Platz durch vieles Schreien verrathen. Das Ei, welches mein ſchon oben erwaͤhnter, verehrter Freund Pethényi von einem ſelbſtgeſchoſſenen Weibchen erhielt und das zum Legen voͤllig reif war, glich an Groͤße und Geſtalt, zum Theil auch an Farbe einem Wiedehopfei. Es war ſehr laͤnglich— eifoͤrmig, auf einem bleich⸗ und ſchmutzig gruͤnlichem Grunde mit blaſ— ſem Olivenbraun punktirt und gefleckt, am meiſten am ſtumpfen Ende.“) *) Alſo nicht gelblichweiß und ungefleckt, auch von ganz anderer Form, wie es Schinz im VIII. Hefte ſeines Eierwerks beſchrieben und abgebildet hat. 460 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 264. Halsband⸗Giarol. — Wie viel ſolcher Eier er in ein Neſt legt, iſt bis jetzt unbekannt. Wenn man aber von der Zahl der ausgekommenen und zu einer Familie oder zwei Alten ſich haltenden Jungen auf die der Eier ſchließen darf, ſo koͤnnte, nach meinem Ermeſſen, ein Neſt wol ſchwerlich mehr als 4 Eier enthalten; denn ich habe ein Mal ganz beſtimmt nur drei, ein anderes Mal fogar nur zwei Junge bei ei: nem Paͤaͤrchen Alter, und in den kleinen Fluͤgen mehrmals Alte und Junge untereinander auch kaum in dieſem Zahlenverhaͤltniß zu einander angetroffen, ſo daß wir damals ſogar mehr Alte als Junge erlegten, weil jene aus Beſorgniß fuͤr dieſe uns naͤher kamen, obgleich die Jungen, noch arm an Erfahrung, eben ſo leicht zu ſchießen waren. Es konnten dies zwar, der Jahreszeit nach, ver— ſpaͤtete Bruten ſeyn; allein die Zahl der Jungen haͤtte dennoch ſtaͤrker ſeyn muͤſſen, wenn es wahr wäre, daß, wie früher geglaubt wurde, unſer Halsband⸗Giarol 7 oder gar noch mehr Eier in Ein Neſt legte. Die Jungen, welche das Neſt ſehr bald verlaſſen, laufen, drüf- ken und verſtecken fi) wie junge Kibitze und andere Schnepfen⸗ voͤgel; ſie moͤgen deshalb ſchwer aufzufinden ſein. Die Alten lieben ihre Brut ungemein und ſollen dem, welcher ſich den Jungen na: het, mit aͤngſtlichem Schreien dicht um den Kopf herum fliegen. Auch wenn fie ſchon erwachſen und völlig ſelbſtſtaͤndig geworden, wie ich ſie damals antraf, warnen die Alten unter vielem Schreien ſie noch, ſobald ihnen Gefahr drohet und ſetzen dabei ihre eigene Sicherheit aufs Spiel. Obgleich ich damals in einem Fluge Alte und Junge beifam: men antraf, fo bin ich doch geneigt zu glauben, daß ſich die Jun— gen fruͤherer Bruten beim Wegzuge von den Alten trennen und das Land in abgeſonderten Schaaren verlaſſen; denn ich ſahe im Sep— tember an der ſlavoniſch⸗tuͤrkiſchen Grenze auch Fluͤge aus lauter Alten beſtehend. Feinde. Vermuthlich find dieſe Voͤgel auch den Nachſtellungen der klei⸗ nen, fluͤchtigen Falken und ihre Brut denen der Weihen u. a. ausgeſetzt; es iſt jedoch nichts Beſtimmtes daruͤber bekannt. Nach dem Wiener Verzeichniß leben in den Eingeweiden die⸗ XII. Ordn. LXVXI. Gatt. 264. Halsband-Giarol. 461 ſer Voͤgel, nach Unterſuchung von 35 Individuen, verſchiedene Wuͤr⸗ mer, aus den Gattungen Ascaris, Distomum und Taenia, deren Arten jedoch dort nicht feſt beſtimmt ſind; auch in der Bauchhaut fand man einen noch nicht beſchriebenen Wurm. 5 f Jagd. Wo dieſem Vogel noch nicht nachgeſtellt wurde, iſt er gar nicht ſcheu und ſowol ſitzend als fliegend leicht zu ſchießen. Sieht er ſich verfolgt, ſo wird er wol ſcheuer, iſt jedoch auch dann noch hinter kleinen Anhoͤhen und dergl. ſchußrecht zu beſchleichen. Bei dem Neſte oder den Jungen hat dies gar keine Schwierigkeit. Auch iſt der Schuß auf den fliegenden Vogel leicht, wenn man, wie beim Schwalbenſchießen, nur Ruhe genug hat, den guͤnſtigen Augenblick abzupaſſen. N Es iſt ſchon erwaͤhnt, daß der Schuͤtze, welcher einſtens einen verirrten Vogel dieſer Art, in hieſiger Gegend an einem Feldteiche antraf, nachdem er ihn einige Zeit ſich hin- und herſchwenken ge⸗ ſehen und die Bewegungen ſeines Fluges nun in der Naͤhe und mit aller Ruhe abgemeſſen hatte, ſo ſicher zielte, daß beim Schuſſe die einzige Kugel, womit zufaͤllig ſein Gewehr nur geladen war, dem Vogel unter den Fluͤgeln durch den Rumpf ging, ſo daß er, übrigens weiter nicht verletzt, aus der Luft ſtuͤrzte u. ſ. w. So Et: was gehört freilich unter die ſeltenſten und gluͤcklichſten Zufaͤlle von der Welt. Die Geſchichte wird indeſſen verbuͤrgt und iſt genau ſo wie hier angegeben. © In Italien fängt man dieſe Vögel in der Zugzeit mitunter in den Netzen, die man dort fuͤr den Fang der kleinen Seeſchwal⸗ benarten aufzuſtellen pflegt. N u tze n. Sein Fleiſch iſt eßbar und ſogar ſehr wohlſchmeckend. — Er wird jedoch bei Weitem nuͤtzlicher durch das Wegfangen vieler ſchaͤd⸗ licher Inſekten, vorzuͤglich der grillenartigen. Wenn er auch den großen Arten, namentlich den Wanderheuſchrecken, weniger 462 XII. Ordn. LXXI. Gatt. Halsband: Giarol. Abbruch thun kann, weil er, wenn auch bei großer Gefraͤßigkeit, doch mit wenigen Individuen ſchon ſeinen Hunger zu beſeitigen vermag, ſo bedarf er dazu von den kleinern Arten, welche auch oft ganze Wieſenſtrecken kahl freſſen, eine deſto groͤßere Anzahl, und ſie ſind deshalb ſeinen Verfolgungen faſt noch mehr ausgeſetzt, wozu denn auch die der Feldheimchen, Maulwurfsgrillen und vieler andern kommen. Er verdient alſo ſo gut den Schutz der Menſchen jener Laͤnder, wie die Roſen-Staaramſel und andere Heuſchrecken vertilgende Voͤgel, weil jene verheerenden Inſekten⸗ ſchwaͤrme ihm ebenfalls ſein Lieblingsfutter in Menge darbieten und deshalb heftig von ihm verfolgt werden. Das Erſcheinen des muntern, immer regſamen, ſich uͤberall be— merklich machenden Vogels verbreitet ein froͤhliches Leben uͤber die eintoͤnigen und einſamen Gegenden ſeines Aufenthaltes. | Schaden. Sich allenthalben nur nuͤtzlic zeigend, iſt dieſem lieblichen Vo⸗ gel nichts nachzuſagen, wodurch er dem Menſchen nachtheilig wuͤrde Die im Vorliegenden naturgetreu dargeſtellten, bisher noch un- bekannt geweſenen Eigenthuͤmlichkeiten in den Sitten und der Le⸗ bensweiſe dieſer, aus ſo verſchiedenartigen Elementen zuſammenge⸗ ſetzt ſcheinenden, Vogelgattung, geben ein ganz anderes Lebensbild von unſerm Giarol, als das war, welches man ſich aus zum Theil, irrigen Anſichten und hoͤchſt duͤrftigen Nachrichten früherer Beob: achter ſchaffen konnte. Wenn ich mich freuen durfte, durch eigene Anſchauung und eigenen Fleiß, dies Bild nach der lebendigen Natur entwerfen zu koͤnnen, ſo that es mir um ſo mehr leid, ein leeres Fleckchen darin laſſen zu muͤſſen; ein Mangel, den ich jedoch mit Huͤlfe meiner Freunde in jenem gaſtlichen Lande, vor Schluß dieſes Werks auch noch zu beſeitigen hoffe, da mir von mehrern Seiten her Neſt und Eier verſprochen worden ſind. Fünfte Unterabtheilung. Rallenartige Wadvögel. Rallidae. Der Schnabel ift kurz oder kaum von mittler Länge, meiſtens viel hoͤher als breit, ſtumpf zugeſpitzt, ſelten ſchlank; an der Spitze und den Rändern hart, mit ſcharfen Schneiden. Die Naſenloͤcher f liegen in einer weiten, mit Haut bedeckten Hoͤhle, ſeitlich und nicht nahe an der Stirn. Die Fuͤße ſind groß, haben lange Unterſchen⸗ kel, die weit uͤber der Ferſe nackt, mittellange Laͤufe, welche ziem⸗ lich zuſammengedruͤckt, drei ſehr lange, ſchlanke Vorderzehen, und eine kuͤrzere, ſchwaͤchlichere, oft ziemlich kurze und kleine, mehr oder weniger hoͤher geſtellte Hinterzeh, und ſchlanke, ſehr ſpitzige Krallen. Sie haben ziemlich ſchlaffe Flugwerkzeuge, kaum mittellange, etwas breite, bei manchen am Handgelenk mit einem Knochenknoten oder Sporn bewaffnete, etwas gewoͤlbte Fluͤgel, deren Spitze abgerundet, einen kurzen Schwanz und uͤberhaupt ein ſehr weiches Gefieder. Ihr Kopf iſt klein, ſchmal, der Hals mittellang . der leichte un von beiden Seiten ſehr ſtark zufammengedrüdt. Sie leben meiſtens auf naſſem Boden und in Suͤmpfen, auch auf tieferm Waſſer, uͤberall nur wo ſie ſich zwiſchen Sumpf- und Waſſerpflanzen verbergen koͤnnen, auch im Graſe der Wieſen und im Getraide; manche ſetzen ſich zuweilen auch auf Baumzweige und viele lieben das Gebuͤſch. Sie haben einen ſchrittweiſen, ſehr behenden Gang, koͤnnen ſehr ſchnell laufen und vermoͤge ihres ſehr ſchmalen Koͤrpers durch enge Schluchten ſchluͤpfen, daher aͤußerſt ſchnell und durch das dichteſte Pflanzengeſtruͤpp zu Fuße entfliehen, was ſie fo auch weit lieber thun als fliegend, indem ihr wankender und matter Flug ihnen ein weit ſchlechteres Rettungsmittel gewaͤhrt. 464 XII. Ord. LXXI. Gatt. Ralle. Viele ſchwimmen auch freiwillig, alle im Nothfall und zwar ſehr behend, ungeachtet ihnen die Schwimmhaͤute oder Schwimmlappen mangeln. Die meiſten tauchen auch in Lebensgefahr vortrefflich. Sie ſuchen ſich den Augen der Menſchen ſorgfaͤltig zu entziehen und halten bei Verfolgungen ihr Verſteck ungemein feſt; nur wes nige verlieren unter Umſtaͤnden etwas von ihrem Mißtrauen. Ihre Nahrung beſteht in Inſekten, deren Larven und Puppen, Regen: wuͤrmern und kleinen Schnecken, gruͤnen Pflanzentheilen, Saͤmereien und Getraide. Sie find ungeſellig, pflanzen ſich in einzeln zerſtreue⸗ ten Paaren fort, bauen ihre tiefen Neſter in das Schilf uͤber dem Waſſer oder auch auf die Erde und legen 6 bis 16 eifoͤrmige, meiſt gelbliche und dunkelgefleckte, wenige ganz einfarbige, Eier, welche beide Gatten abwechſelnd bebruͤten. Die ſchwarzwolligen Jungen verlaſſen das Neſt, ſobald ſie nur abgetrocknet, und werden ſogleich von den Alten laufend oder ſchwimmend zum Auffinden ihrer Nah: rung angewieſen. Dieſe Voͤgel haben Manches mit den huͤhnerartigen gemein und repraͤſentiren dieſe Klaſſe unter den Wadvoͤgeln, naͤhern ſich aber auf der andern Seite wieder den Schwimmvoͤgeln ſehr. Zwei und ſiebenzigſte Gattung. Ralle. Rallus. Schnabel: Laͤnger als der Kopf; geſtreckt ziemlich ſchwach, faſt gerade oder ſanft abwaͤrts gebogen, zuſammengedruͤckt, die Spitze rundlich, aber, wie die Laden, mit ſcharfer, etwas eingezogener Schneide; der Rachen nicht tief geſpalten und ſchmal. Naſenloͤcher: Seitlich, nicht weit vom Schnabelgrunde, ein kurzer, hinten erweiterter Ritz, durchſichtig, in der weichen Haut der großen, vorn in eine, bis uͤber die Schnabelmitte vorgehenden, Furche auslaufenden Naſenhoͤhle. Fuͤße: Ziemlich groß und ſtark, etwas uͤber die Ferſe hinauf nackt; die drei Vorderzehen lang, ſchlank und frei; die Hinterzeh ziemlich klein, ſchwaͤchlich, etwas höher geſtellt als jene; die Nägel ſchlank und ſpitz; der weiche Ueberzug vorn und hinten, wie auf den Zehenruͤcken ſeicht geſchildert. Fluͤgel: Gewoͤlbt oder muldenfoͤrmig, kurz, ſtumpf, mit, wei: chen, abgerundeten Schwingfedern, deren ſaͤbelfoͤrmig gebogene Schaͤfte ziemlich ſchlaff; die vorderſte Schwingfeder kuͤrzer als die folgende, dieſe zuweilen, oft auch erſt die dritte und vierte die laͤngſten. Schwanz: Sehr kurz, großentheils unter den Dedfedern ver: ſteckt, ſchmal, gewoͤlbt, aus 12 ſchwachen, gewoͤlbten, ſpitz zugerun⸗ deten Federn beſtehend. Das ganze Gefieder iſt ſehr weich, das kleine an den obern Theilen laͤnglich, ohne ſcharf gezogene Umriſſe, die an den untern noch undeutlicher find, wo an Bruſt und Bauche die ganze Bedek⸗ kung noch dichter und pelzartig, wie bei Schwimmvoͤgeln, wird. 9. Theil. 466 XII. Ordn. LXXII. Gatt. Ralle. Der kleine Kopf iſt ſchmal; die Stirne flach; das Auge nicht weit vom Schnabel entfernt und ſehr lebhaft; der Hals mittellang, durch die Befiederung von etwas dickem Ausſehen; der Rumpf hoch und ſehr ſchmal. Die Rallen ſind Voͤgel von mittler Groͤße, die meiſten, auch die europäifche Art, ſtehen noch unter dieſer, und find nur in duͤ— ſtere Farben, mit wenigen ſcharfen Abzeichen, gekleidet, worunter Olivenbraun, Schieferblau und Schwarz die Hauptfarben. Maͤnn⸗ chen und Weibchen find gleich gefärbt z letzteres iſt bloß etwas ſchwaͤ⸗ cher von Koͤrper, das Jugendkleid aber von dem ausgefaͤrbten ziem⸗ lich verſchieden. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr. Die Rallen ſind oft mit den folgend 1 Gattungen unter ein⸗ ander geworfen worden, weil ſie ihnen faſt in Allem aͤhneln und bloß im Schnabelbau etwas abweichen. Das ſicherſte Kennzeichen fuͤr die Gattung Rallus bleibt jedoch bei aller ſonſtigen Aehnlichkeit, ſelbſt in der Art und Weiſe der Färbung des Gefieders, der ſchwaͤ— chere Schnabel, welcher ſtets laͤnger als der Kopf, bei den Gattun— gen Crex, Gallinula, Parra und Porphyrio aber nur ſo lang oder noch Rüter als der Kopf und im Allgemeinen au ſtaͤrker oder viel hoͤher iſt. Fuͤr die kaͤltern Laͤnder ſind die Rallen Zugvögel, aber ſie wan⸗ dern meiſtes einzeln, des Nachts und wegen des ſchlechten Flugver— moͤgens in vielen Unterbrechungen. Man hat Urſache fogar zu glau: ben, daß ſie ihre Reiſen abwechſelnd, zum Theil zu Fuße, machen, da ſie viel beſſer gehen als fliegen. Sie bewohnen tiefliegende Ge— genden, naſſe Wieſen, Suͤmpfe und die ſumpfigen Umgebungen der größern ſuͤßen Gewaͤſſer, mit vielen dichten Sumpfpflanzen be: deckte naſſe Gegenden, mit untermiſchtem Buſchholz beſetzt oder auch von Wald umgeben. Ueberall ſuchen fie ſich den Augen der Men ſchen zu entziehen, ſich zu verſtecken und ungeſehen durch das Ge— ſtruͤpp zu entlaufen und dabei alle freiern Stellen zu vermeiden. Sie fliegen bei Verfolgungen nur in hoͤchſter Noth eine kurze Strecke im unſichern, ſchwachen Fluge niedrig durch die Luft, um ſich ſo— bald wie moͤglich wieder in die dichten Pflanzen zu werfen und ihre Flucht zu Fuß fortzuſetzen. Sie laufen auſſerordentlich ſchnell und ihr ſehr ſchmaler Koͤrper macht, daß ſie leicht und ohne anzuſtoßen, zwiſchen dichtſtehenden Pflanzenſtengeln und anderem Geſtruͤpp hin⸗ durch ſchluͤpfen. Sie haben eine laute Stimme, die ſie hauptſaͤch⸗ lich Abends und Morgens, wo dieſe Voͤgel ſich am meiſten bemerk— lich machen, hoͤren laſſen. Ihre Nahrung ſind Inſekten, die Larvne XII. Ordn. LXXII. Gatt. Ralle. 467 und Puppen derſelben, Würmer und kleine Saͤmereien, namentlich von Graͤſern. Bei Kaͤlte und Froſt ziehen ſie ſich an die offenen Stellen der Gewaͤſſer und halten ſich in deren Naͤhe verſteckt. In groͤßern oder kleinern Suͤmpfen, an ſumpfigen Teich und Graben: raͤndern legen die einzelnen Paͤaͤrchen ihr Neſt meiſt über dem Waſ— ſer an, indem ſie mehrere Schilfblaͤtter einknicken und darauf aus altem Schilf, Binſen und Halmen ein ziemlich gutes Geflecht ma⸗ chen oder dieſes auch nur in das dichte Gras auf naſſem Boden ſtellen. Die eigeſtaltigen 6 bis 12 Eier haben eine bleiche gelbliche oder gruͤnliche Faͤrbung, mit dunkeln Fleckchen und Punkten beſtreut; ſie werden von beiden Gatten abwechſelnd bebruͤtet, und die wolli⸗ gen, ganz ſchwarzen Jungen entlaufen dem Neſte gleich nach dem Ausſchluͤpfen. Die Jagd nach dieſen Voͤgeln kann nur durch gute Stoͤberhunde betrieben werden; dann ſind ſie im Fluge leicht zu ſchießen. Ihr Fleiſch iſt wohlſchmeckend und nicht ſelten recht fett. Anatomiſche Bemerkungen uͤber die Gattung Rallus und die Familie der Fulicariae oder Rallidae, von R. Wagner. „Die Gattung Rallus bildet mit Crex, Gallinula, Porphyrio, Fulica und Parra eine auch in anatomiſcher Hinſicht ſehr natuͤrliche Familie, welche Nitzſch Fulicariae nennt, als deren eigentlich typi⸗ ſche Gattung jedoch Crex oder Gallinula betrachtet werden kann. Trotz der großen Verwandtſchaft der einzelnen Gattungen koͤnnte man fie doch in 2 Gruppen oder kleine Unterfamilien bringen, wo: von bei der einen Rallus oder Crex, bei der andern Fulica die ty⸗ piſche Gattung iſt, Gallinula und Porphyrio aber die Uebergangs⸗ formen bilden. Rallus und Crex charakteriſiren ſich durch ſchmale— res Bruſtbein, ſchwaͤchere, ſchmaͤlere Abdominalbuchten, geringere Entwickelung der Zehen, etwas ſchwaͤchern Muskelmagen, Gallinula, Porphyrio und Fulica durch ſehr ſtarken Muskelmagen, etwas brei- teres Bruſtbein, mit tiefen, uͤber die Haͤlfte des Bruſtbeins einneh— menden Hautbuchten, unten ſtumpfwinklich gebogenes Schambein. Die ganze Familie zeichnet ſich durch einen ſchmalen, ſehr ſtark ſeit— lich komprimirten Rumpf aus. Der große Bruſtmuskel iſt nach hinten und nach den Seiten wenig entwickelt.“ „Dieſe ganze Familie ſteht ziemlich iſolirt, zeigt jedoch, nament⸗ lich im Knochengeruͤſte und im Schaͤdel manches Uebereinſtimmende mit Grus. Es find wahre Sumpfoögel”. 30* 468 XII. Ordn. LXXII. Gatt. Ralle. „Anatomifche Eigenthuͤmlichkeiten, welche die Gattung Rallus mehr oder weniger mit den uͤbrigen Gattungen dieſer Familie theilt, ſind folgende:“ „Der Schaͤdel iſt bei allen Gattungen ſehr rundlich, ſchoͤn gewoͤlbt, ohne entwickelte Muskelkaͤmme. Das Hinterhaupts⸗ loch iſt anſehnlich, rund, mehr horizontal gegen die Baſis des Schaͤdels gelegen, ohne hintere Fontanelle. Die zwei hinteren Joch—⸗ fortſaͤtze ſind wenig entwickelt. Die Augenſcheidewand iſt ſtark durchbrochen; der Stirntheil zwiſchen den Augenhoͤhlen-Raͤn— dern ſchmal. Das Thraͤnenbein iſt mittelmäßig entwickelt, dem vom Kranich ſehr aͤhnlich; der untere, abſteigende Aſt aber ſo, wie hier, ſehr ſchmal, duͤnn, dornfoͤrmig. Die untern Fluͤgelbeine ſind laͤnglich, ſchmal, mehr ſtabfoͤrmig, ohne dritte Gelenkung. Die Gaumenbeine ſind anſehnlich vertieft. Der Vomer iſt auf der untern Fläche nach hinten ebenfalls mit einer ſolchen Rinne verſe⸗ hen, welche nach hinten in zwei Schenkel auslaͤuft, ganz aͤhnlich, wie bei Grus. Der Muſcheltheil des Oberkiefers iſt, wie beim Kranich, ein duͤnnes, nach außen konkaves, nach innen flach gewoͤlbtes Knochenblatt. Das Quadratbein zeigt keine Beſon— derheiten. Der Unterkiefer iſt hinten abgeſtutzt, wie beim Kra⸗ nich, mit geringer Entwickelung der Fortſaͤtze.“ „Die 13 Halswirbel ſind ziemlich ſchlank; die 10 Bruſt⸗ wirbel unverſchmolzen; von den 8 ſchwachen Schwanzwirbeln iſt zumal der letzte, ſeitlich komprimirte, ſehr verkuͤmmert, was zu dem wenig entwickelten Schwanz paßt.“ „Von den 10 Rippen ſind 2 vordere und 2 hintere falſch; die erſte Rippe iſt beſonders ſehr rudimentaͤr und geht leicht verlo- ren; die 6 aͤchten Rippen haben anſehnliche, lange, aber ſchmaͤchtige Aeſte.“ f „Das Bruſtbein iſt ſehr charakteriſtiſch; ziemlich lang, aber ſehr ſchmal, mit einem betraͤchtlichen Bruſtbeinkamm. Die beiden vorderen, ſeitlichen Handgriffe ſind ziemlich ſtark entwickelt. Nach hinten findet ſich jederſeits ein langer, divergirender ſchmaler Abdo⸗ minalfortſatz, der jederſeits eine ſchmale, ſpitzwinkliche (alſo nicht abgerundete), tief eingehende Hautbucht einſchließt.“ „Die Gabel iſt nicht geſpreitzt, aus ſchwachen, rippenfoͤrmi— gen Aeſten gebildet, welche ſich in einem ſchmalen Bogen (nicht ſpitzwinklich) verbinden.“ „Die hinteren Schlüffelbeine find lang und ſchlank. XII. Ordn. LXIXII. Gatt. Ralle. 269 Der Flügel-Daumen trägt ein ziemlich anfehnliches, faſt gera⸗ des, knoͤchernes Klauenglied. „Am Becken ſind die Darmbeine bei allen Gattungen lang und ſchmal; die Schambeine ſind kurze, ſchmale, voͤllig divergirende Knochen.“ „Die Oberſchenkelknochen ſind lang, ſchlank, bei allen Gattungen markig.“ „An der Tibia ſind die oberen Fortſaͤtze 980 Kaͤmme ziem⸗ lich ſtark entwickelt, am wenigſten jedoch bei Crex und Rallus. Das Wa denbein laͤuft ungewoͤhnlich weit herab und verſchmilzt erſt tief unten mit dem Schienbein.“ „Der Mittelfußknochen iſt dick, rundlich-viereckig, unge: faͤhr ſo lang, als das Ober⸗Armbein.“ „Die Phalangen der Zehen, auch der Hinterzeh, ſind ſehr lang und ſchlank.“ „Was die Verdauungsorgane anbetrifft, ſo iſt die Zunge lanzettfoͤrmig, vorne an der Spitze in kurze, ſpitze Zaſern oder Wim⸗ pern geſpalten, hinten mit wenig kurzen Waͤrzchen beſetzt.“ „Das Zungenbein iſt mittelmäßig groß, die hinteren Hör: ner ſchlank, der mittlere hintere Fortſatz ziemlich anſehnlich.“ „Die Speicheldruͤſen, beſonders die Parotis ſind a ent⸗ wickelt.“ „Die Gaumenleiſte iſt doppelt.“ „Der Schlund iſt weit, faltig.“ „Der Vormagen iſt aͤußerlich ſchwach vorſpringend, laͤnglich, vom Muskelmagen abgeſetzt, hat inwendig ſtarke ungeſpaltene Baͤlge.“ „Der Muskelmagen iſt ſehr ſtark muskulös, platt, mit ſtar⸗ ker Sehnenſchicht; die Hoͤhle inwendig iſt ſehr klein, eine Spalte vom Vormagen gegen die Baſis des Muskelmagens (der großen Kurvatur entſprechend) herablaufend, mit hartem Gpiihtien uͤber⸗ zogen.“ „Der Duͤnndarm hat die gewoͤhnliche, hier kurze, Seal ſchlinge und iſt mittelmäßig weit, aber kurz, zwei- bis dreimal jo lang als der Rumpf. Inwendig findet man anſehnliche Zotten.“ „Das Divertikel iſt immer vorhanden, anſehnlich, 3 — 6 ja 10 Linien lang, durchgaͤngig, d. h. Darmkontenta e gerade, an den Duͤnndarm angelegt.“ „Die Blind daͤrme find ziemlich anſehnlich, fo lang, ie etwas länger als der Dickdarm, nicht angeſchwollen am blinden 470 XII. Ordn. LXXII. Gatt. Ralle. Ende. Gewoͤhnlich ſind beide gleich lang, ſelten der eine etwas kuͤrzer.“ „Der Dickdarm iſt gewöhnlich nicht oder unbedeutend weiter, als der Duͤnndarm.“ | „Die Bursa Fabricii iſt meiſt anſehnlich, dickwandig und ſcheint ſich lange zu erhalten.“ „Die Leber iſt groß, der rechte Lappen iſt groͤßer, jedoch im ungleichen Verhaͤltniß gegen den linken, je nach den verſchiedenen Gattungen. Die Milz iſt beſonders merkwuͤrdigz fie iſt au⸗ ßerordentlich groß, dick, drehrund, wurſtfoͤrmig, jedoch gegen die Mitte henkelartig umgeknickt, ſo daß ein Zipfel, wie bei einer Schlafmuͤtze, herabhaͤngt.“ „Die Bauchſpeicheldruͤſe iſt zweilappig und ſcheint auch zwei geſonderte Gaͤnge zu haben.“ „Gallblaſe und doppelter Gallengang, wie gewoͤhnlich.“ „Die Nieren ſind ſehr eigenthuͤmlich, oben dick und ſtark, laufen ſie nach hinten ſchmal zu, ſo daß die gewoͤhnliche Abtheilung in drei Hauptlappen nicht ſtattfindet, die Tieren dagegen da, wo ſie am Boden anliegen, in eine Menge locker verbundener Laͤppchen zerfallen. Die Nebennieren ſind mittelmaͤßig groß.“ „Die Hoden werden nicht ſehr groß, ſind laͤnglich oder rund— lich, der linke iſt gewoͤhnlich etwas groͤßer.“ „Die weiblichen Geſchlechtstheile, Eierſtock und Eileiter ſind gewoͤhnlich einfach, nur auf der linken Seite.“ „Das Herz iſt bei allen Fulicarien ſehr laͤnglich, ſchmaͤchtig, ohne breite Baſis, drehrund.“ ö „Die Karotiden find doppelt; die rechte vena jugularis iſt gewöhnlich viel ſtaͤrker als die linke.“ Der obere Kehlkopf iſt hinten mit wenigen, ſchwach ent- wickelten Warzen beſetzt und entbehrt der inwendigen Leiſte.“ „Die Luftroͤhre iſt platt, beſteht aus weichen, ſchmalen Rin⸗ gen; eben ſo iſt der untere Kehlkopf aus einigen ſchmalen, unver— ſchmolzenen Ringen gebildet; das aͤußere, maͤßig große Fenſter liegt zwiſchen den beiden erſten Bronchialringen. Das einfache Mus: kelpaar ſetzt ſich an den oberſten Bronchialring. Die Sternotra= chealmuskeln find mäßig entwickelt. Die innere Stimmhaut iſt zwi: ſchen den Bronchialhalbringen wie gewöhnlich ausgeſpannt und fest ſich an den ſchwachen Buͤgel.“ „Die Augen ſind mittelmaͤßig groß, der Augapfel mehr flach. Die Linſe iſt ſehr wenig gewoͤlbt, vorne flacher, als hinten. Der XII. Ordn. LXXII. Gatt. Ralle. 471 Faͤch er hat einen ſchwarz geſaͤumten, in der Mitte nach vorne in einen Zipfel auslaufenden Rand und beſteht aus 15 bis 16 Falten mit einem ſchmalen, geraden Endlappen. Den Knochenring in der Sklerotika fand ich bei allen Gattungen aus 15 mittelmäßig ſtarken Knochenſchuppen gebildet.“ 8 „Die Harderſche Druͤſe iſt anſehnlich, die Nafendrüfe - liegt meiſt am Orbitalrande und iſt von verſchiedener Entwickelung 15 den einzelnen Gattungen. Die Buͤrzeldruͤſe (glandula uro- ygi) iſt ziemlich ſtark, herzfoͤrmig geſpalten und die dadurch ge: 1 Lappen ſind dick, kolbig, ganz dick mit Druͤſenblaͤschen beſetzt.“ „Fuͤr die Gattung Rallus insbeſondere kann man als eigen⸗ thuͤmlich, jedoch auch zum Theil mit Crex und Gallinula überein ſtimmend, bemerken!“ „Der Schnabel iſt laͤnger, die Spalte fuͤr die Naſenloͤcher am knoͤchernen Schaͤdel ſchmaͤler, kleiner, die Zunge iſt laͤnger, mehr zu⸗ geſpitzt; der Magen iſt nicht ſo platt, mehr fleiſchig und nicht ſo ſtark ſehnig; der Duͤnndarm iſt ſehr kurz; das Divertikel iſt 5 bis 6 Linien lang, ziemlich weit; die Blinddaͤrme haben die Laͤnge des Dickdarms; der rechte Leberlappen iſt betraͤchtlich laͤnger und ſtaͤr⸗ ker; die Milz it ſehr groß, wurſtfoͤrmig rund mit umgebogenem Zipfel; die lange, ſchmale, haldmondfoͤrmige Naſendruͤſe liegt bogen⸗ foͤrmig am obern Orbital⸗Rand. Am oberen Kehlkopf findet ſich als ganz ſchwaches Rudiment des Kehldeckels ein kleines ul mit einem hoͤchſt feinen Hautzipfelchen.“ „Die anatomiſchen Unterſuchungen habe ich an allen einheimi⸗ ſchen Arten (nur mit Ausnahme von Crex pygmaea) und an den Skeleten mehrerer auslaͤndiſchen Arten angeſtellt.“ ** a ** Dieſe Gattung enthaͤlt viele Arten, von denen die Meiſten nur in warmen Laͤndern leben; viele derſelben bewohnen das mittlere und ſuͤdliche Amerika, andere Aſien und Spanien, Europa und auch Deutſchland nur eine Art. 265, Der Waſſer⸗Ralle. Rallu s aguaticus. Linn. Fig. 1. altes Männchen. Taf. 235. | Fig. 2. Weibchen im Jugendkleide. Die oder der Ralle; gemeiner —, ſchwarzer Ralle; europaͤi⸗ ſche —, deutſche Ralle; gemeiner —, großer Waſſerralle; Waſſer⸗ huhn; langſchnaͤbliges Waſſerhuhn; kleines Waſſerhuͤhnchen; Aſch⸗ huhn, Sammethuhn, Sammethuͤhnlein; Miethhuhn; Rohrhuͤhnlein, Rohrhennele; ſchwarzer Waſſertreter; ſchwarze Waſſerſtelze; lang⸗ ſchnaͤbliger Waſſerkoͤnig; ſchwarzer Kasper; grauer —, ſchwarzer Wieſenknarrer; Thauſchnarre. Rallus aquaticus. Linn. Faun. suec. p. 70. u. 195. = Retz. Faun. suec. p. 202. n. 176. - Latlı. Ind. II. p. 755. n. 1. = Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 712. u. 2. Nilsson, Orn. suec, II. p. 110. n. 188. — Le Rale d’eau. Buff. Cis. VIII. p. 154. t. 13. — Edit. de Deuxp. XV. p. 190. t. 4. f. 3. — Planch. enl. 749. — Gerard. Tab. élém. II. p. 256. - Temm. Man, nouv. Edit. II. p. 683. Maler Rail Lath. Syn. V. p. 227. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. p. 198. n. 1. = Bewick, brit. Birds. II. p. 13. — Gallinella palustre. Stor. deg. Uec. V. Tav. 481. = Savi, Orn. boeh II. p. 371. - Faber, Prodrom. d. isl. Orni⸗ thol. S. 31. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 464. — Deſſen ornitholog. Taſchenb. II. S. 335. u. 1. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 406. — Teut⸗ ſche Ornithol. v. Borkhauſen ꝛc., Heft 5. (altes Männchen). = Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz, S. 235. n. 218. — Koch, Bair. Zool. I. S. 340. u. 213. = Brehm, Beitr. IH. S. 554. = Deſſen, Lehrb. II. S. 632. — Dieſſen, Naturg. a. V. Deutſchl. S. 690 - 691, = Gloger, ſchleſ. Faun. S. 51. n. 223. — Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 66. n. 237. — Friſch, Vög. Taf. 212. (alter Vogel). — Naumann's Vög., alte Ausg. III. S. 151. Taf. XXX. Fig. 41 (Männchen im Frühling). Kennzeichen der Are Die Weichen ſind ſchwarz, weiß gebaͤndert. N. XII. Ord. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 473 Beschreibung. Unſer Waſſerralle unterſcheidet ſich von andern einheimiſchen, nahe mit ihm verwandten Voͤgeln leicht durch den laͤngern und ſchwaͤchern Schnabel, welcher eine entfernte Aehnlichkeit mit dem mancher Schnepfenvoͤgel hat, weshalb es ſchon vorgekommen, daß kenntnißloſe Jaͤger den Rallen fuͤr eine Schnepfe gehalten haben. Er iſt bedeutend groͤßer als eine Wachtel und aͤhnelt darin faſt einem (wenn man ſo ſagen darf) halbwuͤchſigen Rebhuhn, ſein von den Seiten ſo ſehr zuſammengedruͤckter Rumpf macht ihn aber um Vieles leichter. Man findet jedoch viele individuelle Ver⸗ ſchiedenheiten in den Ausmeſſungen, wobei aber zu bemerken iſt, daß die kleinen Exemplare gewoͤhnlich weiblichen Geſchlechts ſind. So kann ſeine Laͤnge von 9 Zoll bis zu 11 Zoll, ſeine Breite von 15 ½ bis zu 18 Zoll, fein Gewicht ſogar von 6 bis zu 12 Loth variiren; doch hat an dem Letztern eine geringere und ſtaͤrkere Be: leibtheit großen Antheil, indem zuweilen im Winter gefangene und ungewoͤhnlich abgemagerte Individuen federleicht und nur von jener geringen Schwere vorkommen, andere im Herbſt gewoͤhnlich ſehr wohlgenaͤhrte und feiſte bisweilen das angegebene groͤßere Gewicht erreichen. — Eins der kleinſten uns vorgekommenen Individuen maß von der Schnabelwurzel bis zur Schwanzſpitze nur 8 ¼ Zoll, in der Flugbreite 15 ¼ Zoll und wog (wohlbeleibt) 7½ Loth; es war ein Weibchen. — Die Laͤnge des Fluͤgels vom Bug bis zur Spitze iſt felten über 43/, Zoll; die des Schwanzes meiſtens 2 Zoll 3 bis 4 Linien. Die ruhenden Fluͤgel reichen mit den Spitzen bis uͤber ſeine Mitte hinweg. Das Gefieder iſt ungemein ſanft, weich, an den oben Theilen groß, an den untern ſehr dicht und pelzartig. Die kurzen, beinahe gleich breiten, vorn zugerundeten Fluͤgel haben ſchwache, faſt gleich breite, meiſt zugerundete Schwingfedern, deren Schaͤfte ſchwach und ſaͤbelfoͤrmig nach hinten gebogen; die hintere Fluͤgelſpitze iſt ſo lang als die vordere, welche bald die zweite und dritte, bald die dritte und vierte der großen Schwingen bildet. 5 Der kurze, muldenartig gewoͤlbte, am Ende zugerundete Sh want beſteht aus 12 weichen Federn, von welchen die aͤußerſten gegen 5 Linien kuͤrzer als die mittlern, dieſe zugeſpitzt, die andern zuge⸗ rundet ſind. Der Schnabel iſt von mittler Laͤnge, faſt gerade, nur von der Mitte an gegen die Spitze ſanft bogenfoͤrmig geſenkt, ſchlank nach 474 XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. vorn bedeutend ſchwaͤcher, nicht pfriemenfoͤrmig, ſondern etwas kol⸗ big zugeſpitzt, der obere kaum etwas laͤnger als der untere. Er iſt von beiden Seiten ziemlich zuſammengedruͤckt, daher ſchmaͤler als hoch, an der Firſte abgerundet, die Kielſpalte als Furche ziemlich weit vorgehend; die Schneiden ſind etwas eingezogen und ſcharf, am Unterſchnabel wurzelwaͤrts zeigt ſich eine mit jener parallel lau⸗ fende ſchwache Furche, eine andere am Oberſchnabel von der Naſen— hoͤhle aus, bis auf zwei Drittheile der Schnabellaͤnge vorreichend. Der Rachen iſt nicht tief geſpalten und ſchmal, die Zunge lang, ſchmal, oben platt. — In der Jugend iſt der Schnabel ganz ge— rade; die fanfte ſchwache Biegung koͤmmt erſt, wenn er beinahe aus: gewachſen, nach und nach. Die Naſenhoͤhle iſt weit und lang, vorn ſpitz auslaufend, mit einer Haut uͤberſpannt, in welcher, nicht weit von der Stirn und der Schneide genaͤhert, ſich die kurz;ritz⸗ foͤrmigen, hinten etwas weitern und durchſichtigen Naſenloͤcher oͤff— nen, welche durch ihr oberes Hautraͤndchen verſchloſſen werden koͤnnen. Der ganze Schnabel ift 1½ bis faſt 1⅝ Zoll lang, an der Wurzel faſt 4 Linien hoch und eben ſo breit. Seine Faͤrbung iſt bei alten Voͤgeln ein ſehr lebhaftes Gelbroth, die Firſte und Spi- tzen aus Braun in Schwarz uͤbergehend, letztere auch oft heller hornfarbig, Rachen und Zunge gelbroth; — bei jungen vor der erſten Mauſer bleich gelbroth, von oben und an der Spitze duͤſter braun und ſchwaͤrzlich grau, inwendig gelbroͤthlich, an der Zungen— ſpitze braunroͤthlich; wenn ſie nur erſt Federn bekommen, iſt ſtatt Roth bloß gelbliche Fleiſchfarbe, die dunkele Farbe oben und ſpitzwaͤrts horngrau; er iſt dann auch noch um Vieles kuͤrzer, als bei vollig erwachfenen Vögeln. Die rothe Farbe der Alten iſt ziemlich dau⸗ erhaft und haͤlt ſich lange Jahre, obwol dunkler geworden, an den Ausgeſtopften. Das etwas kleine lebhafte Auge liegt nicht weit vom Schna⸗ bel entfernt, und hat in fruͤheſter Jugend eine graubraͤunliche, ſpaͤ— ter eine gelbbraune, nach und nach ins Hellroͤthliche und endlich bei den Alten, in ein feueriges Orange- oder Gelb-Roth uͤbergehende Iris und weißlich befiederte Augenlider. Die Fuͤße ſind groß und ziemlich ſtark, mit langen Schenkeln, etwas zuſammengedruͤckten Laͤufen und ſehr langen ſchlanken Vor⸗ derzehen, deren Sohlen etwas breit ſind, von welchen nur die aͤußere und mittlere ein ſchwaches Anſaͤtzchen einer Spannhaut zeigt, die innere aber ganz frei iſt. Die ſchwaͤchliche und kurze Hin⸗ XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 475 terzeh iſt etwas hoͤher eingelenkt als die vordern. Uiber der Ferſe iſt der Unterſchenkel nicht hoch hinauf nackt, der weiche Uiberzug der Beine vorn herab in große Schildtafeln, auf den Zehenruͤcken in ſchmaͤlere zerkerbt, im uͤbrigen gegittert. Die Krallen ſind mit⸗ telmaͤßig, ſchlank, ſchwach gebogen, ſcharfrandig und ſehr ſpitz. Die Nacktheit des Unterſchenkels mißt gewoͤhnlich ½ Zoll, die ganze Ti⸗ bia 2½ Zoll; der Lauf 1 Zoll 10 Linien; die Mittelzeh, mit der 4 Linien langen Kralle, 2 Zoll; die Hinterzeh mit der etwas über 2 Linien langen Kralle, 7 bis 8 Linien. Die Fuͤße bei alten Voͤgeln ſind duͤſter grauroͤthlich, an den Gelenken dunkler oder grauer, bei erwachſenen jungen matter roͤthlichgrau, bei noch juͤn gern mehr graulichfleiſchfarbig. Im ges trockneten Zuſtande bekommen ſie eine braͤunliche Hornfarbe, die bei den letzteren lichter und gelblicher als bei jenen iſt. Die Krallen ſind ſchwarz, an der Baſis in lichtes Braun uͤbergehend. Die erſte Bekleidung, nachdem die Jungen den Eiern ent: ſchluͤpft, find dichte und durchaus tiefſchwarze Dunen; dabei iſt ihr kleines Schnaͤbelchen nebſt den Fuͤßen roͤthlichweiß und der Augen⸗ ſtern grau. Nach etwa 8 Tagen keimen ſchon ordentliche Federn hervor, zuerſt an den Flügeln, dem Schwanze, dann auf dem Ruͤ⸗ cken, an der Bruſt u. ſ. w., waͤhrend ſich am Halſe der Flaum zu⸗ letzt in wirkliche Federn BERN Das nun entſtandene Jugendkleid, wenn ed völlig ausge: bildet und der junge Vogel flugbar und ganz erwachſen iſt, hat nur an den obern Theilen eine der der Alten aͤhnliche Farbe und Zeich— nung, waͤhrend alle untern viel lichter und ſehr abweichend gefaͤrbt ſind. Der Schnabel iſt braun, gegen die Spitze ſchwaͤrzlich, an der Wurzel und der Wurzelhaͤlfte des Unterſchnabels blaß gelbroͤthlich; die Füße roͤthlichgrau; der Oberkopf olivenbraun, mit kleinen ſchwar⸗ zen Laͤngeflecken beſetzt, an der Stirn mit roſtgelben Borſthaaren durchmiſcht; ein Streif uͤber dem Zuͤgel und Auge roſtgelblich weiß; erſterer nebſt den Wangen grau geſchuppt; Kinn, Kehle (fehr breit) und Mitte der Gurgel weiß; der Hinterhals wie die Wangen aber ſtark olivenbraun uͤberlaufen; die Kropfſeiten und die der Oberbruſt ſchwach roſtroͤthlich, etwas grau angeflogen, mit ſchwarzgrauen, oft mondfoͤrmigen Flecken an den Enden der Federn; die Mitte der Bruſt bis an den Bauch weiß; die Tragfedern roſtroͤthlich weiß, grau überflogen, mit viel groͤßern ſchwarzgraubraunen Flecken als die Kropfſeiten; die eigentlichen Weichen (Hypochondria) grauſchwarz und unordentlich weiß gebaͤndert; die Schenkel vorn weiß, hinten 476 XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. braungrau und dunkler gefleckt; der After und die aͤußern Unter⸗ Schwanzdeckfedern roͤthlichweiß, die mittlern grau. Die obern Theile von dem Anfange des Halſes an bis auf die Schwanzſpitze und die ganzen Oberfluͤgel ſind olivenbraun, mit ſchwarzen Schaftflecken, wovon keiner bis zur Spitze der Feder reicht, weil eigentlich jede dieſer Federn ſchwarz iſt und nur einen breiten, ſcharf getrennten, olivenbraunen Rand hat, welcher bei manchen am Schwarzen ent— lang noch mit einem kraͤftigern Braun verwaſchen iſt; die großen und mittlern Schwingen nebſt den Fittichdeckfedern matt braun⸗ ſchwarz, an den Raͤndern in Olivenbraun uͤbergehend; die Fluͤgel⸗ kante ein ſchmales weißes Raͤndchen, die untere Seite des Fluͤgels an den Deckfedern grauſchwarz, weiß gebaͤndert und gefleckt, an den Schwingen einfarbig ſchwarzgrau oder rauchfahl. Am Schwanze ſind die Mittelfedern wie ſeine Deckfedern, in der Mitte ſchwarz, mit breitem olivenbraunen Rande, an den uͤbrigen dieſe Farben weniger ſcharf getrennt, auf der untern Seite rauchfahl. In den Farben und Zeichnungen bemerkt man zwiſchen Maͤnn⸗ chen und Weibchen keinen Unterſchied, aber dieſes iſt ſtets etwas kleiner als jenes. Nach der erſten Mauſer erhalten dieſe Voͤgel ihre beftändige Färbung, obgleich noch weniger ſchoͤn als fie nach mehr⸗ maligen Federwechſeln wird. Sie unterſcheiden ſich von den aͤltern durch eine mehr ausgedehnte weißliche Faͤrbung der Kehle, durch eine lichtere Schieferfarbe der untern Theile und laͤngern roͤthlich roſtgelblichen Federenden an der Unterbruſt und dem Bauche, auch hat der Schnabel und Augenſtern eine weniger brennende Farbe. Immer ſind beide Geſchlechter aͤußerlich kaum anders als an der ver⸗ ſchiedenen Groͤße zu erkennen. Der alte Vogel hat folgende Farben: das Roth des Schna— bels und Augenſterns nähert ſich dem Zinnoberroth und iſt am letz— tern von beſonderem Feuer; die Zuͤgel ſind ſchwarz; uͤber denſelben iſt die Stirn, welche eigentlich ſchieferfarbig, mit kurzen, ſtraffen, ruͤckwaͤrts ſtehenden, borſtigen, gelbbraunen Haaren dicht beſetzt, die einen beſondern Glanz haben und genau ausſehen wie Fiſchotter— haare; — Kinn und Kehle ſind weißgrau; die Seiten des Kopfs, der ganze Vorder- und Seitenhals, Kropfgegend, die ganze Bruſt und die Vorderſeite der Schenkel ſind ſchoͤn ſchieferfarbig oder tief blaͤulichaſchgrau, an der Unterbruſt und zwiſchen den Beinen mit roͤthlichweißen Federſpitzen; die hintern Tragfedern, die Weichen, Bauchſeiten und hintern Theile der Schenkel ſchwarz, mit weißen Querbaͤndern durchzogen; die Mitte des Bauches und der After XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 477 weiß, an den Federenden bleich roſtfarbig angelaufen; die langen Unterſchwanzdeckfedern eben ſo, tief im Grunde aber ſchwarz, das aber bei ganz geordnetem Gefieder von auſſen wenig oder gar nicht geſehen wird. Die Mitte des Oberkopfs, Genick, Hinterhals, der Ruͤcken und alle obern Theile bis an den Schwanz, auch die ganzen Oberfluͤgel olivenbraun mit ſchwarzen Flecken, deren Umfang ſich nach der Größe der Federn der verſchiedenen Theile richtet, in⸗ dem jede Feder, einzeln betrachtet, ſchwarz ausſieht und einen von dieſem ſcharf getrennten, breiten, olivenbraunen Rand hat. Die Schwingen erſter und zweiter Ordnung, die 5 bis 6 letzten ausge⸗ nommen, die wie der Rüden ausſehen, matt ſchwarz, an den Kan— ten in Olivenbraun auslaufend; die Fittichdeckfedern ebenſo; ein ſchmales Fluͤgelraͤndchen weiß, welches ſich auch auf der Auſſenkante der vorderſten Schwingfeder etwas fortſetzt; der Unterfluͤgel rauch⸗ fahl, an den Deckfedern ſchwarz, weiß gebaͤndert. Der Schwanz hat ſchwarze, olivenbraun breit gekantete Federn, deren Unterſeite rauchfahl ausſieht. Durch den ſchwarzbefiederten Zuͤgel zieht ſich bei ganz alten Voͤgeln ein ſchmaler nackter Streif von der Schnabelwurzel bis zum Auge, welcher gelbroth ausſieht, aber von den Federn zu beiden Seiten meiſtens bedeckt wird, weshalb er leicht uͤberſehen werden kann, zumal er bei weiblichen Voͤgeln ſehr ſchmal iſt oder ganz fehlt, wie auch bei zweijährigen Männchen nie bemerkt wird. Er ſcheint ſich erſt nach mehrern Jahren auszubilden. — Die alten Weibchen ſehen ihren Maͤnnchen bis auf eine geringere Lebhaf— tigkeit der Farben, ganz aͤhnlich; nur ihre kleinere Statur macht ſie gegen dieſe kenntlich. Im Herbſt, gleich nach der Mauſer, iſt das Gefieder am ſchoͤnſten oder vollſtaͤndigſten; die ſchwarzen Flecken an den obern Theilen treten weniger hervor und das vorherrſchende Olivenbraun iſt friſcher und dunkler; an der Unterbruſt haben die ſchieferblauen Federn feine weiße Endſaͤumchen, und der roſtroͤthliche Anflug an den Enden der Bauch- und Unterſchwanzdeckfedern iſt lebhafter. Durch theilweiſes Abreiben der Federſaͤume und durch geringes Abbleichen der Farben entſteht das Fruͤhlingskleid, das bloß et— was lichter, von oben ſtaͤrker ſchwarzgefleckt und ohne jene weißen Saͤumchen an der Bruſt erſcheint. Die Wirkungen von Luft, Sonne und Reibungen treten im Laufe des Sommers noch deutlicher hervor, ſo daß kurz vor einer neuen Mauſer oft der Mantel viel mehr Schwarz als Braun zeigt, und dieſes, nebſt der Schieferfarbe 478 XI. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. der untern Theile, bedeutend verbleicht iſt, wodurch viel von ihrem ſchoͤnen Ausſehen verloren geht. Der erſte Federwechfel junger Voͤgel tritt ziemlich ſpaͤt im Herbſte ein und iſt meiſtens erſt um Weihnachten beendet. Die Alten mauſern dagegen im Auguſt und September und kommen ſchon im October in vollſtaͤndig erneuertem Gefieder vor. Aufenthalt. Der Waſſerralle bewohnt Europa und das noͤrdliche Aſien; in unſerm Erdtheile, wie es ſcheint, auch mehr die noͤrdlichen und mittlern als die ſuͤdlichen Laͤnder. Er geht ziemlich hoch nach Nor: den hinauf und iſt ſchon oͤfters im obern Norwegen und Finn: land vorgekommen, bewohnt ſogar Island in nicht geringer Zahl, ſoll auch auf den Faroͤern bemerkt worden ſein, iſt uͤbrigens in Schottland bekannt und in England gemein. Sonſt find Ruß⸗ land, Preußen und Polen, ſo wie Holland und Frank— reich als von ihm bewohnte Länder genannt, wo er in vielen Ge— genden gemein iſt. Auch in Ungarn koͤmmt er oft genug vor, wie auch im obern Italien, in der Schweiz und Deutſchland. Hier wird er faſt in keiner Gegend, die kahlen hohen Gebirgsruͤcken etwa ausgenommen, vermißt und in den niedrig gelegenen wuͤrde er zuverlaͤſſig zu den gemeinen Voͤgeln gezahlt werden muͤſſen, wenn er ſich nicht ſeiner Gewohnheit nach ſo zu verbergen wuͤßte, daß der Unkundige an vielen Orten keine Ahnung von dem Daſein ei— nes ſolchen Vogels hat; derjenige aber, welcher ſeine Aufenthalts— orte, ſein Betragen, ſeine Lebensart und die Art und Weiſe kennt, wie er aufzufinden iſt, wird in gelegenen Gegenden ſelten vergeb— lich nach ihm ſuchen. Auch in Anhalt kommt er allenthalben vor, doch auch hier, wie überall, wo er nicht bruͤtet, nur einzeln. Faſt immer iſt es Sache des Zufalls, einen ſolchen Vogel auf dem Freien zu ſehen oder mit Schießgewehr zu erlegen, oder zu fangen, wes— halb er denn auch, trotz ſeines jaͤhrlichen Vorkommens (auch 1 bei uns zu den faſt unbekannten Voͤgeln gehoͤrt. Man zahlt ihn mit allem Rechte zu den Zug voͤgeln; von ſeinen Wanderungen ſind jedoch ſo verſchiedene Beobachtungen be— kannt, daß man ihn hin und wieder auch den Strich- oder gar den Stand voͤgeln zugeſellen koͤnnte, Verſchiedenheiten, die man XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 479 auf feine geringe Flugkraft bezüglich findet, und daraus die Unfaͤ⸗ higkeit, weite Reiſen in einem Zuge zu machen, folgert. Bei uns und in Deutſchland überhaupt zieht die große Mehrzahl mit An- näherung der kalten Jahreszeit aus dem Lande, und es iſt im Fruͤh⸗ jahr, je nachdem dies fruͤher oder ſpaͤter warm wird, der Maͤrz und April, im Herbſt der October und November, im Allgemeinen als ſeine Zugzeit ziemlich beſtimmt anzunehmen. Waͤhrend dies nun wol von der Mehrzahl behauptet werden darf, ſo finden ſich auch eine Menge Ausnahmen, indem bei ſchoͤnem Herbſtwetter viele nicht nur länger bei uns verweilen und fi von Kälte und Schnee über- raſchen laſſen, ſondern manche, namentlich junge Voͤgel, ſogar bei uns uͤberwintern, an offenen Quellwaſſern ihr Leben durchzubringen ſuchen, aber auch, wenn Kaͤlte und Futtermangel zu arg werden, an Orten Zuflucht ſuchen, wo ſie ſonſt nicht hinkommen, ſich ſogar in Gebaͤude und Wohnungen verirren und hier gewoͤhnlich ihren Untergang finden. An ſolche ungewoͤhnliche Orte moͤgen ſie wol meiſtens zu Fuße gelangen, und es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß ſie auf ihren Reiſen uͤber Land wol oͤfters mit Laufen und Fliegen abwechſeln. Wir duͤrfen indeſſen nicht glauben, daß der Waſſerralle auch ſeine groͤßern Reiſen immer ſo mache; denn es geht ihm das Fliegen viel beſſer ab, wenn er ſich erſt zu einiger Hoͤhe in die Luft erhoben, als dicht uͤber der Erde hin, was man in der Zug— zeit, des Abends, beſonders im Fruͤhjahre, recht gut beobachten kann, wo man, in manchen Gegenden, alle Jahre ſeine wohlbekannte Stimme in der Luft hoͤrt, an dieſer deutlich wahrnimmt, wie er uͤber der eben verlaſſenen Gegend Kreiſe beſchreibt, um ſich hoͤher aufzuſchwingen, und dann hoch in der Luft feine Wanderung an- tritt und in einer geraden Richtung fortſtreicht, wie dies Alles der nach und nach ſchwaͤcher werdende, ſich entfernende und endlich ver— hallende Ton ebenfalls deutlich darthut. Es kann uns daher gar nicht befremden, wenn wir, nach aͤltern Nachrichten, vernehmen, daß man ihn im Fruͤhjahr und Herbſt, die Inſel Malta uͤberfliegend, ja 50 Meilen von der Kuͤſte Portugalls über dem Meere ange: troffen hat. Auf Island haͤlt man ihn fuͤr einen Standvogel, weil dort an den warmen Quellen gar viele uͤberwintern, bei heftiger Kaͤlte jedoch auch haͤufig in ſolche Noth gerathen, daß ſie in den Haͤuſern eine Zuflucht ſuchen. Daß jedoch alle im Sommer dort wohnen— den daſelbſt auch uͤberwintern ſollten, koͤnnen wir nicht glauben, da er auch auf den Faroͤern und andern Inſeln einzeln zuweilen vor⸗ 480 XII. Ordn. LXXI. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. gekommen iſt und dahin natuͤrlich nur uͤber Meer gelangen konnte, welches auch gar nicht unwahrſcheinlich iſt, wenn wir bedenken, daß er ſchwimmen und im Nothfall ſich dadurch retten kann, was an- dere kleine Voͤgelchen nicht vermoͤgen und doch ſolche Reiſen wagen, wie wir namentlich an unſern Goldhaͤhnchen (Regulus) bewun⸗ dern muͤſſen, die nach glaubwuͤrdigen Berichten ſogar ſchon bis zu den Faͤroͤern hinauf ſich verirrt haben. Seine Reiſen haben freilich nichts Auffallendes und können bloß dem wirklichen Kenner oder durch beſondern Zufall bemerklich werden, weil er ſie des Nachts macht und ſtets einzeln zieht, ſo daß kaum die Richtung, an der wohlbekannten Stimme, vernommen, der Vogel aber auch beim hellſten Mondſchein nicht mit den Augen verfolgt werden kann. Nach dem Schall der Stimme zu urtheilen, zieht er im Fruͤhjahr ſtets in mehr oͤſtlicher als noͤrdlicher Richtung von uns weiter; da er aber auf dem Herbſtzuge ſich viel ſeltener hoͤren laͤßt, ſo getrauen wir uns nicht die, welche er dann befolgt, anzugeben, zumal ſich dann ſeine Zugzeit nach Beſchaffenheit der Witterung auch länger hindehnt als im Frühjahr, wo der Begat— tungstrieb die Voͤgel weit mehr als alles Andere anſpornt, ihre Bruͤteorte bald zu erreichen. Seine Aufenthaltsorte ſind unfreundliche Suͤmpfe, die der Menſch nur ungern betritt, die naſſen Wildniſſe, wo Waſſer und Moraſt unter dichten Pflanzen verſteckt und dieſe mit Gebuͤſch ver— miſcht ſind; oft in der Naͤhe von Waldungen oder ſelbſt von dieſen umſchloſſene, ſchilf- und binſenreiche Gewaͤſſer; die Erlenbruͤcher und Seilweidengebuͤſche, welche mit vielem Schilf und hohen Graͤſern abwechſeln, viel Moraſt und Waſſer haben, oder von Schilf bedeckten Waſſergraͤben durchſchnitten werden. Die ganz freien Gewaͤſſer ſind ihm zuwider. Nur dann verſchmaͤhet er ſie nicht, wenn ihre ſeich— ten Ufer breit genug in begruͤnten Sumpf verlaufen; allein es gnuͤ— gen ihm nicht die zu kurz begruͤnten und ſolche, welche die Bekaſ— ſinen und ſelbſt die kleinen Sumpfhuͤhner lieben, nicht die ſogenannten Kufen und ihre moraſtigen Zwiſchenraͤume in unſern Bruͤchern; ſondern er ſucht tieferes Waſſer, das zum Theil ganz oder doch an den Raͤndern mit hoͤhern Sumpfpflanzen bedeckt iſt, oder in den Bruͤchern die Gräben und Waſſerbehaͤlter, wo höhere - Schilfarten mit Weiden- und Erlengebuͤſch vermiſcht, ein hoͤheres und dichteres Geſtruͤpp bilden, das ihm Schutz genug gewaͤhrt, bei vorkommenden Verfolgungen ungeſehen zu bleiben, ihnen ſich ſo zu Fuß entziehen zu koͤnnen und nicht auffliegen zu dürfen. Er be XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 481 wohnt auch im Vorſommer bald trocken werdende Rohrteiche und Schilfwieſen, wenn ſich tiefe oder nie ganz austrocknende Abzugs⸗ graͤben hindurch ziehen, deren Ufer dichtes und hohes Pflanzenge: ſtruͤpp bedeckt. An kahlen Ufern hat man ihn niemals angetroffen. Obgleich er auf dem Zuge an allerlei verſteckten Orten, ſogar oft weit vom Waſſer und ſelbſt in Waldungen gefunden worden iſt, ſo ſind dies doch nur Ausnahmen und Zufluchtsorte, welche ihm die Noth an⸗ wies. Er mag oft auf ſeinen Reiſen, durch den anhaltenden Flug ermattet, an Orte gerathen, die ihm ſonſt fremd ſind; denn er kommt dann zuweilen in Gaͤrten vor, ſogar in ſolchen, worin ſich kein Waſſer befindet, und ſucht, wie ſchon beruͤhrt, in der kalten Jahres⸗ zeit manchmal in der Naͤhe von Gebaͤuden, oder gar in dieſen, Schutz. Bringt ihn der Zufall an ſo ungewoͤhnliche Orte, ſo ſucht er doch auch hier zum naͤchſten Waſſer zu gelangen; wir fanden ihn ſo in Waͤldern an finſtern, ganz unter Gebuͤſch verſteckten Graͤben, Sumpfloͤchern, an verſteckten Quellen und an Waldbaͤchen; allein er verweilt an ſolchen nie lange und iſt gewoͤhnlich den naͤchſten Tag nicht mehr daſelbſt anzutreffen. Mein verſtorbener Vater fing einmal im eignen Waͤldchen einen ſolchen Vogel auf dem Vogel⸗ heerde, als er von einem Waſſergraben zum andern und dabei uͤber den mit Netzen beſtellten Platz lief; er hatte ihn zuvor ſchon eine Zeitlang am Waſſer nach Nahrung herumſchleichen ſehen und aus dem Vogelſtellerhaͤuschen beobachten koͤnnen. An ſeinen naſſen Aufenthaltsorten, welche er vorzuͤglich im Fruͤhlinge und Sommer bewohnt, liebt er die Dickichte von verſchie⸗ denen Schilfarten (Carex, Sparganium, Typha), Binſen (Scirpus), mit niederm Holzgeſtraͤuch vermiſcht, mehr als die eigentlichen Rohr waͤlder, bloß aus hohem, gedrängt ſtehendem Rohr (Arundo) beſte⸗ hend, die er jedoch in der kalten Jahreszeit, wenn jene ſchon mehr darnieder liegen und ihm weniger Sicherheit gewaͤhren, auch nicht verſchmaͤhet. Aus freiem Willen verlaͤßt er am Tage ein ſolches Aſyl nie, hoͤchſtens ſchaut er einmal vom Rande aus auf das Freie, wenn ſich ſonſt in der Gegend nichts regt und er keinen Menſchen in der Naͤhe wittert; ſobald aber die Abenddaͤmmerung anbricht, wird er ſicherer, unruhiger und wechſelt dann, theils gehend, theils fliegend, auch zuweilen von einem Theile des Schilfſumpfes zum andern, oft ziemliche Strecken uͤber das Freie und zuruͤck. Am Tage wird er noch viel ſeltener bemerkt; er laͤuft dann, von dichten Pflan⸗ zen beſchirmt, auf dem ſchlammigen Boden oder im 1 Waſſer 9. Theil. 482 XVI. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. herum, ſchwimmt uͤber die tiefern Stellen hinweg, oder rennt, ohne einzuſinken, uͤber ſchwimmende Gegenſtaͤnde, Blaͤtter, Stengel oder Zweige dahin, ſteigt auch wol ſtellenweis auf herabhangenden, ihn in den Weg kommenden Zweigen uͤber dem Waſſer entlang u. ſ. w.; ſo bietet ſich ihm auch in dem verworrenſten Geſtruͤpp und über tieferem Waſſer kein Hinderniß ſchnell fortzuſchluͤpfen, aber ſelten wird dem Beobachter das Gluͤck zu Theil, ihn dabei belauſchen zu koͤn⸗ nen. An den Ufern von Teichen und Gräben ſahe ich ihn zuwei⸗ len zwiſchen dem Flechtwerk todter Zaͤune herumſteigen oder auf denſelben hinlaufen, beſonders wo ſolche unter Baͤumen und Ge— buͤſch verſteckt waren. An ſolchen Orten ploͤtzlich uͤberraſcht, fliegt er auch auf Baͤume und ſetzt ſich auf einen fingerdicken oder noch ſchwaͤchern Zweig, doch nie ſehr hoch oben und auch nie auf eine: ſolchen, wo man ihn ſchon von Weitem gewahr werden koͤnnte. Er iſt mehr Nacht: als Tagvogel und in der Dämmerung am munterſten. Den Tag verlebt er im Stillen und es iſt nicht un⸗ wahrſcheinlich, daß er dann ſtundenweiſe ſich ganz der Ruhe uͤber⸗ laſſen mag, weil er im Gegentheil in allen Stunden der Nacht ſich vernehmen laͤßt. Eigenſchaften. Der Waſſerralle hat in ſeinem Betragen große Aehnlichkeit mit den Sumpfhuͤhnern und traͤgt auch ſeinen Koͤrper ſo, den Rumpf meiſtens wagerecht, den Hals eingezogen, den Schwanz haͤngend. Erblickt er aber irgend etwas Auffallendes, ſo reckt er den Hals et⸗ was empor, ſeine Fluͤgelſpitzen erheben ſich uͤber den Buͤrzel und er wippt wiederholend mit dem Schwanze aufwaͤrts. Schleicht er dann weiter, ſo legen ſich Hals und Kopf, gleich dem Rumpfe, wagerecht vor, die Ferſen biegen ſich je mehr und mehr, die ganze Figur wird ungemein niedrig, die Schritte werden groͤßer, folgen ſchneller und der Vogel geraͤth in vollen Lauf, ſo daß er, auf nicht ganz freiem Boden, in wenigen Augenblicken dem Beobachter entſchwunden und weit weggelaufen iſt. Beides grenzt in der That oft ans Wunder⸗ bare, zumal wo ſich der Ralle verfolgt ſieht. So zierlich und behende er einherſchreitet, ſo ſchnell und leicht er uͤber alles hinwegrennt, was ihm nicht erlaubt, darunter hinweg zu kriechen, wie über flüffigen Schlamm, über ſchwimmende Blätter XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 483 und Stengel, uͤber aufliegende dichte Zweige, ſo behende ſchluͤpft er auch durch die engen Zwiſchenraͤume und Gaͤßchen, welche die Sten⸗ gel und Halme der dichtſtehenden Sumpfpflanzen bilden, wobei ihm ſein ſehr ſchmaler Koͤrper ſo auſſerordentlich zu Statten koͤmmt, daß er ſogar in dichtſtehenden Schilfgraͤſern faſt nie anſtoͤßt und die Richtung ſeines Laufs niemals durch die Bewegungen der Halme und dergl. zu erkennen giebt. Wer ihn in ſolchen Lagen zufällig uͤberraſcht, wird eher der Meinung ſein, eine Ratte dahin laufen und eben ſo ſchnell verſchwinden geſehen zu haben, als einen Vo— gel. Iſt man zufaͤllig und ohne Geraͤuſch an feinen Aufenthalts: ort gekommen, und verhaͤlt man ſich auf laͤngere Zeit ganz ſtill, fo kann man zuweilen das Vergnügen haben, feinem ſtillen gefchäf: tigen Treiben ganz in der Naͤhe zuzuſchauen; es ſind uns ſelbſt Faͤlle bekannt, wo der harmloſe Vogel wenige Schritte von den Fuͤßen des ſtockſtillſtehenden oder ſitzenden Lauſchers ohne Scheu ſei⸗ nen Geſchaͤften nachging, als wenn er dieſen gar nicht ſaͤhe oder für ein lebloſes Geſchoͤpf hielte. Dann zeigt ſich der Ralle auch in den lieblichſten Stellungen und Bewegungen, zumal wenn er endlich an: fängt, Verdacht zu fchöpfen, ſich ſchlanker macht, lebhaft mit dem Schwanze wippt und ſich anſchickt in das Verborgene ſich zuruͤck⸗ zuziehen. Er ſchwimmt mit Leichtigkeit und Anmuth, auch ohne Zwang und geht deshalb den tiefern Stellen des Sumpfes, wo ſeine Beine den Grund nicht mehr erreichen, nicht aus dem Wege, vermeidet aber ſtets uͤber etwas große, freie Flaͤchen zu ſchwimmen. In ſei⸗ nen behenden Bewegungen gleicht er ſchwimmend ganz dem Teich— ſchilfhuhn, traͤgt die Fluͤgel hinten hoch, den wippenden Schwanz aufgerichtet und etwas ausgebreitet und nickt bei jedem der ſchnell⸗ folgenden Ruderſchlaͤge der Fuͤße mit dem Kopfe. Auch ſchwimmend iſt er ein allerliebſter Vogel. Wird er dabei uͤberraſcht, ſo flieht er ſchnell, halb fliegend, halb laufend, uͤber die Waſſerflaͤche hin, dem naͤchſten Dickicht zu. Heftig verfolgt und in hoͤchſter Noth ſucht er, auf tieferm Waſſer, ſich auch wol durch Untertauchen zu retten. Sein Flug iſt ſchlecht, mit vieler Anſtrengung verbunden, wo— bei er, wenn jener, wie gewoͤhnlich, nicht weit geht, die langen Beine faſt ſenkrecht herabhangen laͤßt. Er ſtreckt darin die Fluͤgel ganz von ſich und bewegt ſie in kurzen, zappelnden, faſt zittern⸗ den, matten Schlägen, faſt wie die Fledermaͤuſe; er ſtreicht wan- kend gerade aus und niedrig fort, um ſich je eher deſto lieber wie⸗ der in ein Dickicht niederzuwerfen. Sehr ſelten fliegt er auf einen 31 * Ab 484 XII. Ord. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. Baum, auf einen Weidenkopf oder andere dicht mit Zweigen und Blaͤttern verſehene Aeſte, um da einige Augenblicke zu verweilen. In jedem Falle fliegt er aͤußerſt ungern; es iſt daher etwas Selte⸗ nes, wenn er bei ploͤtzlichem Uiberraſchen, durch Menſchen oder Thiere, aus ſeinem Verſteck auf- und ein Stuͤck wegfliegt. Wenn ihn da Angſt und Zufall ganz auf das Freie brachten, verliert er oft ſo den Kopf, daß er ſich mit der Hand fangen laͤßt. Mehr als ein Beiſpiel iſt uns bekannt, daß er, aus ſeinem naſſen Verſteck aufge⸗ ſcheucht, gerade auf das Feld flog, ſich da bald niederſtuͤrzte, ſich an die Erde druͤckte und, ohne ſich auch nur durch Laufen zu retten, zuließ, daß man ihn ergreifen konnte. Bei dem unwiderſtehlichen Hange, ſich den Augen ſeiner Ver⸗ folger, namentlich des Menſchen, zu entziehen, und bei einer unge: meinen Furchtſamkeit, zeigt er zwar viel Liſt und Verſchlagenheit, aber niemals eigentliche Scheuheit. Das immerwaͤhrende Verſteckt⸗ halten iſt ihm ſo zur andern Natur geworden, daß er feſt darauf vertrauet, im Stillen ſein Weſen treibt und auf die Naͤhe eines Menſchen nicht achtet, ihn ſogar, wenn dieſer ſich ſtill verhaͤlt, nicht zu bemerken oder zu ſehen ſcheint, ob er gleich ganz nahe bei ihm iſt. f Er hat eine ziemlich weit toͤnende Stimme, ein hohes, ſchnei— dendes, lieblich klingendes Krrihk oder Krrieb, das wir aber nie anders als in der Luft von ihm hoͤrten, beſonders Abends, wenn er herumſchwaͤrmend ſich auf die Wanderung begeben will und in großen Kreiſen die Höhe zu gewinnen ſucht. An den erſten ſchoͤ— nen Fruͤhlingsabenden hoͤrt man in niedern Gegenden dieſe Stimme oft in den Luͤften. Eine andere, welche er auch am Tage nicht, am haͤufigſten aber des Abends in der Daͤmmerung hoͤren laͤßt und womit die Gatten im Anfange der Begattungszeit einander fleißig zurufen, iſt ein ſonderbarer Ton, ein ſcharfer Pfiff, wie Wuitt (ſchnell geſprochen) und gerade ſo klingend, wie der Ton, welcher hervorgebracht wird, wenn man mit einer fchlanfen Gerte einen ſchnellen, kraͤftigen Hieb durch die Luft fuͤhrt. Brehm giebt dies ganz richtig an; ein anderer nach ihm hat aber „hau“ daraus ge— macht, was einen ganz falſchen Begriff giebt. Der Ralle iſt ein ſehr ungeſelliger Vogel, ſo daß man faſt nie mehrere an einem Orte antrifft, und ſelbſt wo ein Paͤaͤrchen wohnt, ſtets nur den einen Gatten zu ſehen bekoͤmmt, und wenn einer zum Auffliegen gezwungen wird, der andere dennoch unſichtbar bleibt. Auch auf dem Zuge trifft man nie mehrere Individuen beiſammen. XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 483 Er gewoͤhnt ſich bald an die Gefangenſchaft, ſucht ſich aber in der erſten Zeit am Tage immer unter Hausgeraͤth verſteckt zu hal- ten, wird aber dennoch bald zutraulicher und zuletzt ſehr zahm, fo daß er ſeinem Pfleger das Futter aus der Hand nimmt, ſich ſogar von ihm ſtreicheln läßt, feinem Rufe folgt und ihm überall nach: laͤuft. Brehm erzaͤhlt von einem ſolchen, daß der außerordentlich zahme Vogel im Winter ſeinem Herrn ins Bett folgte, unter der Bettdecke ſchlief und die Waͤrme ſo behaglich fand, daß er ſich da— bei ganz ruhig niederkauerte, ſich gern mit der Hand ſtreicheln ließ u. ſ. w. Wer einen ſolchen Vogel im Wohnzimmer leiden mag, und den Schmutz, welchen er macht, nicht unertraͤglich findet, wird ſich an ſeinem artigen Betragen, ſeinen lieblichen Stellungen und Gebehrden ſehr ergoͤtzen, wovon freilich viel verloren geht, wenn man ihn in einen engern Behaͤlter ſperrt oder gar in ein entfern⸗ teres Zimmer bringt, wo er dann auch nie ſo zahm wird. Nahrung. 405 Diefe befteht meiſtens in im Waſſer lebenden Larven verfchie: dener Inſekten, als von Muͤcken (dieſe vorzuͤglich haͤufig), Haften, kleinen Libellen, auch Phryganeen ſamt deren Gehaͤuſen, und vielen andern, nebſt den vollkommenen Inſekten dieſer Gattungen, auch Waſſerſpinnen, Waſſermilben und kleinen Kaͤfern. Außer dieſen ſind aber auch noch ganz kleine, zarte, im Waſſer oder im Sumpfe und an dieſen zwiſchen Graͤſern und niederm Geſtraͤuch lebende Schnecken eine Hauptnahrung des Rallen; denn wir fanden oft ſehr viele von verſchiedenen Gattungen und Arten, von der Größe einer kleinen Linſe bis zu der eines recht großen Gerſtenkorns in den Magen von uns geöffneter und ſelten einen, dem fie ganz gefehlt hätten. Er genießt dieſe kleinen Conchylien ſammt den zarten Schaalen, die ihm vielleicht deren Verdauung befoͤrdern helfen, wozu er auch noch eine Menge groben Sand und Quarzkoͤrner verſchluckt. Aus dem Pflanzenreiche naͤhrt er ſich nicht, ſo lange es jene noch in hinreichender Menge giebt, wol aber wenn es im Spaͤt⸗ herbſt und bei Froͤſten daran zu mangeln anfaͤngt, wo er dann an Rohr-, Schilf⸗ und Gras⸗Saͤmereien feinen Hunger ſtillt, doch aber nicht lange bei dieſer Nahrung aushaͤlt. Wir haben ſie auch nie ganz allein, ſondern ſtets nur mit jener animaliſchen Koſt vermiſcht in ſeinem Magen gefunden. 486 XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. Sehr ſelten gluͤckt es, dieſen furchtſamen, verſteckt lebenden Vo⸗ gel beim Aufſuchen ſeiner Nahrung zu belauſchen. Gelingt dies aber, ſo ſieht man ihn außerordentlich behende, bald vom Waſſer⸗ ſpiegel, bald vom Schlamme, bald niedrig von den Pflanzen Etwas aufnehmen und verſchlucken, oft lange an einer Stelle begierig hin⸗ tereinder picken, und die kleinen Geſchoͤpfchen eben ſo raſch verſchlu⸗ cken. Auch im Schwimmen uͤber etwas tiefere Stellen unterlaͤßt er nicht, vom Waſſer abzuleſen, was ihm da Genießbares vorkoͤmmt. Zu allen Zeiten, da wir ihn belauſchen konnten, ſahen wir ihn auch mit dem Auffuchen feiner Nahrung beſchaͤftigt, und dieſe ſtille Thaͤ⸗ tigkeit ſeine immer rege Eßluſt zu befriedigen, macht auch, daß die⸗ ſer Vogel ſtets ſehr wohlbeleibt, ja meiſtens ſein Koͤrper dick mit gelbem Fett uͤberzogen iſt. In der Gefangenſchaft gewöhnt er ſich, mit untermengten zer: ſtuͤckelten, kleinen Regenwuͤrmern, Mehlwuͤrmern, Fliegen u. dergl. bald an in Milch oder auch nur in Waſſer eingeweichtes Weißbrod oder Semmel und haͤlt ſich bei dieſem Futter ſehr gut. Zu ſeinem Wohlbefinden traͤgt etwas grober Waſſerſand, um daraus Koͤrner zum Verſchlucken auszuleſen, viel bei; er muß ihn, nebſt Waſſer, oft friſch erhalten und würde, bei gehöriger Reinlichkeit und guter Pflege Jahre lang in der Stube dauern, wenn er nicht meiſtens ſo kirre wuͤrde, daß er dadurch gewoͤhnlich zu Schaden kommt. Fortpflanzung. Unſer Waſſerralle pflanzt ſich auch in Deutſchland in den meiſten Gegenden, nur hohe und kalte Gebirge ausgenommen, über: all fort, meiſtens ohne ſich andern als mit ſeiner Lebensart vertrau— ten Menſchen bemerklich zu machen. Nicht allein ausgedehnte Sumpfgegenden, ſondern auch naſſe Wieſen mit Waſſergraͤben, Schilf und Gebüfh durchſchnitten, einzelne, halb vertrocknete Rohrteiche von einigem Umfange, ſelbſt kleinere, mit Wieſen umgeben und nicht ohne Waſſergraͤben und ſchilfreichem Gebuͤſch in deren Naͤhe, kurz, tiefliegende Gegenden aller Art, wo unter dichtem Pflanzenwuchs ſich ſtellenweis auch Waſſer befindet, das in den Sommermonaten nicht ganz verſiegt, bald von Wald, bald von Feld umgeben, geben dieſen Voͤgeln Brutplaͤtze, an welchen ſie ſich Abends durch das oben beſchriebene ſonderbare Geſchrei bemerklich machen. In dieſer Hin⸗ XII. Ordn. LXXII. Gatt. 365. Waſſer⸗Ralle. 487 ſicht ſteht der Ralle recht in der Mitte zwiſchen dem mehr trocknere Gegenden liebenden Wachtelkoͤnig und den nur in ausgedehntern Suͤmpfen und bei mehrerem Waſſer niſtenden kleinen Sumpf⸗ huͤhnern. | Sein Neſt ift ungemein ſchwer zu finden, wenn es nicht der Zufall entdecken laͤßt. Die Gegend deſſelben zeigen die Alten durch ihre Abendmuſik nur ohngefaͤhr an und man darf die Muͤhe nicht ſcheuen, an ſolchen Orten Strich vor Strich in den hohen Graͤſern, Schilfe und Geſtraͤuche darnach zu ſuchen, wo man es, wie das der Sumpfhuͤhner, ſtets uͤber dem Waſſer, oder doch uͤber moraſtigem Boden, auf den umgeknickten Blaͤttern eines Seggenbuſches findet. Sehr oft ſteht es dicht am Rande eines Waſſergrabens, bald unter Weidengeſtraͤuch, bald auch in weniger dichten Schilfgraͤſern, ſehr ſelten in etwas kurzem Graſe. Es iſt ein loſes Geflecht von trod- nen Schilfblaͤttern, Binſen und Grashalmen, ziemlich groß, und hat eine tiefnapffoͤrmige Geſtalt. Hierin, wie im Standorte, unterſchei⸗ det es ſich ſehr auffallend von dem des Wachtelkoͤnigs, deſſen Neſt bei Weitem kunſtloſer gebaut und ſtets auf trocknem Boden angelegt wird. Am leichteſten iſt es im Anfange aufzufinden, wenn die jungen Schilfgraͤſer noch nicht über einen Fuß hoch aufgeſchoſ⸗ ſen ſind, was gewoͤhnlich nicht vor Anfang des Juni, oft ſogar erſt zu Ende deſſelben der Fall iſt, weil ihre Brutgeſchaͤfte, wie bei an⸗ dern an aͤhnlichen Orten niſtenden Voͤgeln, ſich darnach zu richten pflegen. Wenn ſie ſpaͤter bereits bruͤten, ſind ſolche und aͤhnliche Neſter, wegen des nun viel hoͤhern und dichtern Pflanzenwuchſes, noch bei Weitem ſchwerer zu entdecken. Manches ſolcher wird dem: nach, trotz des eifrigſten und muͤhſamſten Suchens, nicht eher auf⸗ gefunden, als bis das Schilf abgemaͤhet wird, weil man es vorher an ganz andern Stellen ſuchte. In dieſes Neſt, das ſelten mit ſeiner untern Flaͤche auf dem Boden ruht, legt das Weibchen ſeine 6 bis 10 Eier, deren Zahl ſich ſogar zuweilen bis auf 16 belaufen ſoll. Sie aͤhneln denen der Sumpfhuͤhner, ſind von einer meiſt regelmaͤßigen Eigeſtalt und ha⸗ ben eine ziemlich feſte, glatte, etwas glaͤnzende Schale von feinem Korn. Ihre Grundfarbe iſt ein blaſſes Roſtgelb, friſch ins Gruͤn⸗ liche, in den Sammlungen ins Roͤthliche ſpielend; die Zeichnungen eben nicht ſehr zahlreiche Punkte und kleine Fleckchen, die auf der ganzen Flaͤche zerſtreuet, am ſtumpfen Ende gewoͤhnlich aber etwas dichter ſtehen, als am entgegengeſetzten, und unter der Oberflaͤche der Schaale violettgrau und aſchgrau, auf derſelben aber roͤthlichbraun, 488 XII. Ordn. IXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. faſt zimmtbraun ausſehen. Sie ändern in dem mehr oder weniger bleicher oder dunkler Geflecktſein vielfältig, doch nicht ſehr auffallend ab, und aͤhneln manchen aͤhnlich gezeichneten des Wachtelkoͤnigs bis zum Taͤuſchen. Gewoͤhnlich ſind dieſe jedoch ein wenig groͤßer, die Mehrzahl mit groͤßern und noch roͤthern Flecken beſetzt, und im friſchen Zuſtande ihre Grundfarbe gruͤnlicher. Bei dieſen geringen Unterſcheidungszeichen gehen uͤbrigens manche der Letztern nach Form, Groͤße, Farbe und Zeichnung ſo in die des Waſſerrallen uͤber, daß man die Eier beider Arten in Sammlungen ſehr haͤufig verwechſelt findet und dies kaum zu vermeiden iſt, wenn man nicht von der Aechtheit der einen oder der andern am untruͤglichen Unterſchiede der Neſter ſich überzeugen konnte. — Von denen der Crex porzana un: terfcheiden fie ſich ſehr leicht an der ganz andern Farbe der Flecke, ) die hier ſtets ein viel dunkleres Braun iſt, auch find fie, nach un- fern Erfahrungen, ſtets ein wenig größer und ihre Grundfarbe et: was lebhafter als an dieſen. — Die verſteckte Lebensart der Rallen und Sumpfhuͤhner, die man auch beim Neſte ſelten zu ſehen be: koͤmmt, iſt bei nicht ſehr geuͤbten Sammlern ſtets ein großes Hin⸗ derniß geweſen, ſicher zu beſtimmen, ob das aufgefundene Neſt die⸗ ſer oder jener Art angehoͤren moͤge. Die ſchwarzwolligen Jungen verlaſſen das Neſt, ſobald ſie ab— getrocknet ſind; ſie laufen, den Maͤuſen gleich, ſchnell durch das Pflanzengeſtruͤpp davon, werden aber durch ſanfte Toͤne der Alten oͤfters zuſammengerufen, wenn ſie ſich zerſtreut hatten, was nach Stoͤrungen beſonders vorkoͤmmt, wo ſie unten im Graſe nach allen Richtungen hin fliehen und wenn ihnen die Gefahr zu nahe koͤmmt, fi ſtill niederdruͤcken und fo ohne guten Hund kaum aufzufinden ſind. Im Nothfall zeigen ſie auch, daß ſie ſchwimmen koͤnnen, ma⸗ chen aber ungezwungen nicht eher Gebrauch von dieſer Fertigkeit, als bis ſie ziemlich erwachſen ſind. Sie ſind nur an ihrem kleinern, ſchwaͤchlichern Schnaͤbelchen von den ebenfalls ſchwarzen Jungen des Wachtelkoͤnigs und punktirten Sumpfhuhns zu unter: ſcheiden. Nach Thienemann ſchönem Eierwerk müſſen wir die Beſchreibungen beider (S. 49. und 51.) allerdings für ächt Halten, nicht aber die Abbildungen, indem auf Taf. XVIII. die Fig. 4. das Ei unſeres Rallen vorſtellen ſoll, das aber, wenigſtens nach dem uns vorliegenden Exemplar des Werks, keiner andern Art, als Cr. porzana angehören kann: denn die Größe und Farbe der Flecke ſind ganz fo, wie wir ſie bei dieſer Art unzählige Mal, aber nie fo bei Rallus aquaticus antrafen. | 1 XII. Ordn. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. 489 Feinde. vi Der am Tage ohne dringende Noth nicht auf dem Freien er⸗ ſcheinende Waſſerralle hat von Tagraubvoͤgeln nicht leicht etwas zu fürchten. Auch feine Eier werden ſelten von Raben, Krähen oder Elſtern ausgeſpaͤhet und geraubt; oͤfterer geſchieht dies von Wanderratten, die auch, nebſt den Iltiſſen und Wieſeln, den kleinen Jungen ſehr nachſtellen. e In ſeinem Gefieder wohnen mehrern Fulicarien eigne Schma⸗ rotzerinſekten, z. B. Philopterus minutus. Nitzsch. und in feinen Eingeweiden ein Wurm aus der Gattung Distomum. ' Jagd. f Wenn man zufällig jo gluͤcklich iſt, den Vogel ſitzen oder lau: fen zu ſehen, ſo iſt man gewoͤhnlich ſo nahe bei ihm, daß ihn der Schuß zermalmen wuͤrde, es waͤre denn, daß man, wie aber noch ſeltener vorkoͤmmt, ihn aus einem kleinern Verſteck nach einem groͤ⸗ ßern, ein Stuͤck uͤber das Freie, in ſehr gebuͤckter Stellung, hinren⸗ nen, oder den erſchreckten Vogel auf den Aſt eines Baums ſich auf⸗ ſetzen ſaͤhe; in beiden Faͤllen muß man raſch ſchießen. Vom Hunde aufgeſtoͤbert iſt er indeſſen, weil er gerade aus und gar nicht ſchnell fliegt, ſehr leicht im Fluge zu ſchießen, was aber zufällig auch öfter vorkoͤmmt, als wenn man ihn dazu mit Vorſatz aufjagen will. Weiß man ſein Verſteck und fliegt er da nicht gleich beim erſten Abſuchen des Hundes heraus, ſo haͤlt es ſehr ſchwer, ihn dazu zu bringen; denn je toller er ſich verfolgt ſieht, deſto feſter haͤlt er ſein Verſteck, und nicht ſelten faͤngt ihn darin der Hund. Zu fangen iſt er nicht ſchwer, wenn man nur erſt feine Auf: enthaltsorte und beſonders die Stellen ausfindig machte, woruͤber er oft hin und her läuft, was man an dem glatt getretenen, hin und wieder mit ſeinem Unrath beklexten Boden erkennt, auf wel⸗ chem ſich auch wol ſeine, wegen der langen Zehen einer der groͤßern Schnepfenvoͤgel aͤhnelnde, Faͤhrte abdruckt. An den Ufern der mit Schilfgraͤſern beſetzten Graͤben und zwiſchen dem Geſtruͤpp hat er ordentliche glatt gelaufene Gaͤnge, die er freilich auch oft mit Rat⸗ ten und Maͤuſen theilt. In dieſe, ſeine Verbindungswege und Stra⸗ ßen, ſtellt man aͤhnliche Laufdohnen, wie bei den Reb huͤhnern 10 490 XII. Ord n. LXXII. Gatt. 265. Waſſer⸗Ralle. (ſ. Thl. VI, S. 537 und 538.), doch, wie ſich von ſelbſt verſteht, alles daran ſchwaͤcher und kleiner, die Schlingen von drei bis vier Pferdehaaren gedrehet und, wenn ſie aufgeſtellt, ihr unterer Bogen nur 1 bis 2 Zoll uͤber dem Boden hangend, weil der Ralle faſt im⸗ mer ſehr geduckt gehet. Fußſchlingen ſind hier weniger anwendbar. In ſchilfigen Wieſenſtellen, wo man oft viele ſolcher Gänge be: merkt, giebt das Wachtelſteckgarn (ſ. VI, S. 606.) einen leich⸗ ten und ſichern Fang. Auch in Rebhuͤhner-Garnſaͤcken iſt er an ſolchen Orten zu fangen. Man hat ſogar Beiſpiele, daß er in auf freiem Lande zum Trocknen aufgeſtellte Fiſch⸗Garnſaͤcke oder von Weiden verfertigte Fiſchreuſen kroch und ſo zufaͤllig gefangen wurde, was auch bei unſerm Zaunkoͤnige oft vorkoͤmmt; eine ſonderbare Aehnlichkeit in der Gewohnheit Alles zu durchkriechen, welche die Alten vielleicht bewog, ihn Trochilus terrestris zu nennen. Nutz en. Das Fleiſch iſt zart und wohlſchmeckend, auch meiſtens unge⸗ woͤhnlich fett, nur iſt die Haut muͤhſam von den vielen feinen grau: ſchwarzen Dunen zu reinigen, welche ſie wenigſtens unanſehnlich machen. — Auch die Eier werden mit denen anderer ähnlicher Ar- ten geſammelt und fuͤr eine leckere Speiſe gehalten. S ch a d e n. Der Waſſerralle gehört unter die uns auf keine Weiſe fchaden- den Voͤgel und mag durch ſeine Nahrung eher nuͤtzen als Nachtheil bringen. ö Drei und fiebenzigfte Gattung. Sumpfhuhn. Crex. Schnabe!: Kuͤrzer als der Kopf; nicht ſehr ſtark, aber viel hoͤher als breit, beſonders nach vorn ſehr zuſammengedruͤckt; hinten in die Stirnfedern merklich aufſteigend; die ſcharfkantige Firſte bis uͤber die Haͤlfte gerade, gegen die etwas kurze, aber ſcharfe Spitze mehr oder weniger ſanft herabgebogen; der Kiel bis zum Ende der ſchmalen Spalte gerade, dann ziemlich ſchnell und meiſtens gerade in die Spitze aufſteigend, daher an jener Stelle oft ein mehr oder minder bemerkbares Eck bildend; die Schneiden gerade, ſehr ſcharf, aber wenig eingezogen; die Mundſpalte nicht tief; der Rachen ſchmal. Die Zunge lang, ſchmal, flach, an der ſtumpfen Spitze in feine Borſten zerriſſen, ihr Hinterrand gezaͤhnelt. Naſenloͤcher: Seitlich, in einer ſehr großen, mit weicher Haut uͤberſpannten Naſenhoͤhle, nicht weit von der Stirn, durch das ſie umgebende Hautraͤndchen bald nur ein kurzer Ritz, bald ein ſehr ſchmales Oval, und durchſichtig. Füße: Groß und ſtark, an den Laufen ziemlich zuſammenge⸗ druͤckt, uͤber dem ſtarken Ferſengelenk nackt, mit drei ungewoͤhnlich langen, ſchlanken, faſt ganz getrennten Vorderzehen und einer kur⸗ zen, ſchwaͤchlichen, hoͤher als dieſe eingelenkten Hinterzeh; mit ſchlan⸗ ken, flach gebogenen, ſpitzigen, an den Raͤndern ſcharfen Krallen. Ihr weicher Uiberzug iſt vorn herab an den Laͤufen und auf den Zehen groß, hinten klein geſchildert, ſonſt netzfoͤrmig und an den weichen, ſich breit druͤckenden Zehenſohlen ſehr fein warzig. 492 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. Sumpfhuhn. Fluͤgel: Kurz, breit, ſehr gewoͤlbt, ſtumpf, weil von den, mit ſaͤbelfoͤrmig nach hinten gebogenen, ſchlaffen Schaͤften und nicht ſehr breiten, ziemlich weichen Fahnen verſehenen Schwingfedern ſelten die zweite, aber oft dieſe mit der dritten, oder gar erſt die vierte, die laͤngſten find. Der Flügel hat Aehnlichkeit mit einem Hühner: fluͤgel, aber viel weichere und ſchlaffere Federn. Schwanz: Kurz, zum großen Theil von den Deckfedern ver: deckt, von ſeinen 12 e zugerundeten Federn die mittlern ſehr gewoͤlbt. Das kleine Gefieder iſt ſehr weich, von ziemlichem Umfang, ohne ſcharfe Umriſſe, die Strahlen der Federn wenig zufammenhän: gend; unter ihm ſitzen grauſchwarze, flockige Dunen auf der Haut. Es deckt gut ohne beſonders dicht zu ſein, wird meiſtens etwas lo— cker getragen, kann aber auch ſehr angeſchmiegt werden. Die Voͤgel dieſer Gattung ſtehen alle unter einer mittlern Groͤße, viele ſind wirklich klein. Sie zeichnen ſich beſonders noch durch den kleinen, ſchmalen Kopf mit der niedrigen und etwas langen Stirn, durch den langen, unterwaͤrts ſtaͤrker werdenden Hals, den ſehr zu— ſammengedruͤckten Rumpf, daher ſchmalen Bruſt und Ruͤcken, durch die langen Schenkel, Schienbeine, uͤberhaupt großen Fuͤße aus; der Ruͤcken iſt dazu bedeutend herabgekruͤmmt, der eigentliche Gauch lang, ſchmal und eingezogen. Ihr Muskelbau iſt zart, der Kno— chenbau nicht ſtark, Alles im Tode bald welk und ſchlaff, daher be— ſonders ſchnell in Verweſung uͤbergehend. Die Sumpfhuͤhner repraͤſentiren nach Geſtalt und Lebensweiſe die eigentlichen Hühner unter den Sumpfvoͤgeln. Sie ſchließen ſich den Rallen an, wozu fie auch früher von Linné und andern ge: zaͤhlt wurden, von welchen ſie ſich aber hauptſaͤchlich durch einen ganz anders geſtalteten Schnabel unterſcheiden, welcher auf noch nicht entdeckte Verſchiedenheiten in ihrer Ernaͤhrungsweiſe hinzudeu— ten ſcheint, obwol ſie in allem Uibrigen jener Gattung ſehr nahe ſtehen, ſo daß unter den auslaͤndiſchen Arten auch in jener Hinſicht manche eine Art von Uibergangsform von einer Gattung zur an— dern machen. Wenn wir uns uͤberzeugt halten, Rallus Crex, Linn. nicht von den uͤbrigen, von uns hierher gezaͤhlten Arten, als abgeſonderte Gat— tung, trennen zu dürfen, fo muͤſſen wir dagegen Gallinula chloro- pus, auctor. von ihnen abfondern, koͤnnen dieſe aber auch keines— wegs zur Gattung Fulica, Linn. zaͤhlen. . XII. Ordn. LXXIII. Gatt. Sumpfhuhn. 493 Die Sumpfhuͤhner mauſern zwei Mal im Jahr, ſind aber in den Winter⸗ und Sommerkleidern nicht ſehr auffallend ver⸗ ſchieden, eben nicht mehr die bloß etwas groͤßern und ſchoͤnern Maͤnnchen von ihren Weibchen. Etwas abweichender iſt bei 1 das Jugendkleid von den ſpaͤtern. Das Neſtkleid bei allen en bekannten Arten, find ziemlich dichte, ee ſchwarze Dunen. Eine in dieſer Gattung herrſchende Faͤrbung iſt ein eigenthuͤm⸗ liches Olivenbraun mit ſchwarzen Zeichnungen; überhaupt find die meiſten in duͤſterel Farben gekleidet und eigentliche Prachtfarben ſchei— nen nicht vorzukommen. Die Sumpfhuͤhner ſind einſam Abende Voͤgel und machen auch ihre jaͤhrlichen Wanderungen, im Herbſt aus den kaͤltern Gegenden nach einer waͤrmern Zone, im Fruͤhjahr umgekehrt, nur einzeln und des Nachts. Ihr Aufenthalt find theils Wieſen und fruchtbare Ge: traidefelder, theils und fuͤr die meiſten, tiefe, ausgedehnte, mit vie⸗ lem Pflanzenwuchs ausgeſtattete Suͤmpfe, Teiche und andere ſuͤße Gewaͤſſer, aber nie freie, ſondern ſtets ſolche Orte, wo ſie unter dichten Sumpfpflanzen im Verborgenen ihr Weſen treiben koͤnnen. Sie find mehr Nacht: als Tagvoͤgel und in der Daͤmmerung am munterſten, mehr furchtſam als ſcheu, laufen auſſerordentlich ſchnell und oft in ſehr gebuͤckter Stellung, am und im ſeichten Waſſer, ſchwimmen meiſtens auch ungezwungen uͤber tieferes, ſind auſſeror⸗ dentlich beweglich, wippen oft mit dem Schwanze aufwaͤrts, ſetzen ſich ſelten auf niedere Baumzweige, werden aber aͤußerſt ſelten auf dem Freien geſehen. Sie fliegen ſchlecht, matt, flatternd, geraͤuſch— los, gewöhnlich niedrig und nur kurze Strecken, wobei fie anfang: lich die langen Beine gerade herabhaͤngen laſſen, ſind daher am Tage auch nur mit Gewalt zum Auffliegen zu bewegen, fliegen aber leichter und beſſer, wenn fie, wie auf ihren Reiſen, ſich in eine bo: here Luftregion aufgeſchwungen haben. Ihr ſehr ſchmaler Koͤrper geſtattet ihnen, durch die engen Schluchten des Pflanzengeſtruͤpps zu ſchluͤpfen, ohne anzuſtoßen, und ſeine geringe Schwere, daß ſie, mit Huͤlfe der Fluͤgel, ohne einzuſinken, uͤber wenig von Pflanzen bedeckte Waſſerflaͤchen hinlaufen koͤnnen. Nur einige tauchen, aber nur im hoͤchſten Nothfall. Ihre Nahrung ſuchen fie ſtets an ver: ſteckten Orten; ſie beſteht in Inſekten, Larven, Wuͤrmern, kleinen Schnecken und in Grasſaͤmereien, wozu ſie auch viele grobe Sand— koͤrner verſchlucken. Nur eine einheimiſche Art niſtet in Wieſen auf trockenem Boden, alle andern im Sumpfe oder uͤber dem Waſſer, 494 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. Sumpfhuhn. auf umgeknickten Schilfſtauden, und dieſe flechten ein kunſtloſes, tie⸗ fes und weites Neſt von duͤrren Halmen und Blättern der Seggen⸗ graͤſer, von Binſen u. dergl., und legen wie jene, 6 bis 10, oder noch mehr, eifoͤrmige, gelbliche, roͤthliche oder gruͤnliche, mit dunkeln Flecken und Punkten beſetzte Eier, die beide Gatten, mit drei Brut⸗ flecken am Unterleibe verſehen, abwechſelnd gegen 3 Wochen bebrü: ten, auch die ausgeſchluͤpften Jungen ſehr bald weg- und zum Auf⸗ ſuchen der Nahrung anfuͤhren. Die in ganz ſchwarze Dunen ge⸗ kleideten Jungen laufen wie Maͤuſe unter dem Geſtruͤpp herum, wiſſen ſich aͤußerſt geſchickt zu verkriechen, bei zu heftigen Verfolgun⸗ gen ſtill niederzudruͤcken und ſind ohne Hund ſchwer aufzufinden. Wegen ihres ſteten Verſteckthaltens find auch die Allen kaum an— ders, als wenn ſie vom Hunde mit Gewalt aufgeſtoͤbert werden, im Herausfliegen zu ſchießen. Ihr Fleiſch iſt zart und wohlſchmeckend, im Herbſt auch ſehr fett; ſeine weichliche Beſchaffenheit macht, daß es vor allen Sumpfvoͤgeln am leichteſten verdirbt und bei warmen Wetter ſehr ſchnell in Faͤulniß uͤbergeht. „Die Gattung Crex (wozu ich Crex pratensis rechne) iſt ſehr nahe mit Rallus und Gallinula verwandt. Folgendes moͤchte ihr mehr eigenthuͤmlich ſein:“ „Die Halswirbel ſind hier unter den Fulicarien am wenig⸗ ſten ſchlank gebildet, breiter und kuͤrzer; Bruſtbein wie bei Ral- lus ſehr ſchmal, mit ſchmaleren und weniger tiefen Abdominalbuch— ten; ich zaͤhle nur 12 Halswirbel; die Tibialleiſten ſind hier am wenigſten entwickelt, die Phalangen der Zehen am kuͤrzeſten. Der Muskelmagen iſt wie bei Gallinula, jedoch weniger breit und platt und hat 2 Sehnenſcheiben; die Blinddaͤrme ſind hier am kleinſten und ſchwaͤchſten, nicht viel mehr als halb fo lang, als der Die: darm; der linke Leberlappen iſt unbedeutend kleiner und kuͤrzer als der rechte; die Milz iſt ſehr groß, wie bei Rallus umgeknickt.“ R. Wagner. % * * Zur Gattung Crex zahle ich nach meinen Anſichten vier in Europa und in Deutſchland vorkommende Arten. Da ſich jedoch die erſte derſelben in vielen Stuͤcken von den uͤbrigen drei Arten unterſcheidet, ſo war es nothwendig, die Gattung in zwei Familien abzutheilen. XII. Ordn. LXXIII. Gatt. Sumpfhuhn. 495 Erſte Familie. Sumpfhuͤhner mit etwas hoͤherm und kürzerm Schna⸗ bel, und mit etwas kuͤrzern Zehen. * Sie leben in fruchtbaren, feuchten, aber nicht naſſen Gegenden, hauptſaͤchlich in den Wieſen, die hohen Graswuchs mit vielen an⸗ dern Pflanzen und Blumen vermiſcht haben, niſten hier auf trock— nem Boden, gehen auch weit davon in das gruͤne Getraide, in Schoten-⸗ und Kleefelder, beſonders wenn die Wieſen gemähet find, im Herbſt auch in das Schilf, Gras und niedere Gebuͤſch an zum Theil ausgetrockneten Graͤben und an Waldraͤndern. Es ſcheint, daß ſie niemals ſchwimmen, ſich auch nie auf Baͤume ſetzen. Wir haben aus dieſer Familie in Deutſchland nur Eine Art. 236, Das Wieſen⸗ Sumpfhuhn. Crex pratensis. Bechst. Fig. 1. Männchen im Frühling. Taf. 236. J Fig. 2. Weibchen im Herbſt. Fig. 3. Ganz junger Vogel. i Ralle, gemeine —, graue Ralle, Wiefenralle, Gras⸗—, Wieſen⸗ laͤufer, Gras⸗—, Wieſenſchnarcher, Wieſenknarrer, Wieſenſchnaͤrper; knarrendes Rohrhuhn; Schnarrwachtel; Wachtelkoͤnig; Feldwaͤchter; Grasrutſcher, Grasraͤtſcher, Grasraͤker; Heckenſchaͤr, Heckſchnaͤrr; Eggenſchaͤr; Knarrer, Schnarker, Schnerker, Schnerper, Schnarf, Schnerps, Schnaͤrz, Schars, Schnarrichen, Schrecke, Schryk, Arp— ſchnarp, Groͤſſel, Kreßler; alter Knecht; faule Magd; ſchwarzer (grauer) Kasper; bei uns zu Lande: Wachtelkoͤnig oder Schnaͤrper. Crex pratensis. Bechſte in, Naturg. Deutſchl. IV. S. 470. = Rallus er. Linn. Faun, suec, p. 70. u. 194. = Reiz. Faun suec. p. 201. n. 175. = Gmel, Lion, syst. I. 2. p. 711. n. 1. = Gallinula crcx, Lath. Ind. II. p. 766. n. 1. Nilsson, orn. snec. II. p. 112. n. 189. = Rale de genet ou Roi des cail. es. Buffon. Ois. VIII. p. 146. t. 12. — Edit. de Deuxpout, XV. p. 181. t. 4. f. 2. = Planch. enl. 750. — Gerard. Tab. elem. II. p. 250. Poule d' ea de genet. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 686. = Crake gallinule. Penn. aret. Zool. II. p. 492. n. 411, A. — Uiberſ. v. Zimmermann. II. S. 458. A. — Latli. Syn. V. p. 250. n. 1. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 220. u. 1. — Be- wick, brit. Birds. I. S. 363. Ortigometra, o Gallinella terrestre, Stor. deg. Uecc. V. Tav. 248. = Re di Gudagli. Savi, Orn. tose, II. S. 374. == Ribartel Koning. Sepp. Nederl. Vog. III. t. p. 275. — Bechſtein, Taſchenb. II S. 337, n. 1, —= Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 408. — Deren Vög. Deutſchl. Heft 10. Meyer, Vög. Liv: und Eſthlands. S. 213, — Meisner u. Schinz, Vö⸗ gel d. Schweiz. S. 236. m, 219. = Koch, Bair. Zool. I. S. 342. n. 214. —= XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wiefen Runen 497 Brehm, Beitr. III. S. 571. = Deſſen Lehrb. II. S. 636. — Dein Naturg. all. V. Deutſchl. S. 693 u. 694. — Gloger, Schief. Faun. S. 50. m. 222. —Land⸗ beck, Vög. Würtembergs. S. 66. n. 238. — Friſch, Vög. Taf. 212, = Raus mann's Vög. alte Ausg. II. S. 26. Taf. V. Fig. 5. (altes Drängen)», Kennzeichen der Art. Der Oberfluͤgel iſt braunroth oder roſtfarbig. Beſchreibung. Das Wieſenſumpfhuhn, oder, wie es ſehr allgemein heißt, der Wachtelkoͤnig, unterſcheidet ſich leicht von den andern Arten dieſer Gattung an den roſtfarbigen Fluͤgeln und einer weit hellern Grund— farbe der obern Theile, mit der einfachen ſchwarzen Zeichnung auf der Mitte der Federn. Die letztere ähnelt am meiſten der der Waſ— ſerralle, bei welcher dieſe Flecke aber auf einem viel dunklern Grunde ſtehen, und welche zudem an dem duͤnnen, langen Schnabel auch dem Unkundigen kenntlich genug bleibt. Es iſt die groͤßeſte Art dieſer Gattung, aber am Umfange noch lange nicht einer kleinen Feldtaube zu vergleichen, und wegen des ſehr zuſammengedruͤckten Rumpfes und feines ſchlaffen Koͤrperbaues gewoͤhnlich nur zwiſchen 8 und 12 Loth ſchwer. Seine Laͤnge be⸗ trägt 10 bis 11 Zoll; die Flugbreite 17 bis 18 ½ Zoll. Die Lange des Flügels 6 bis 67⅛ Zoll; die Länge des Schwanzes 1 bis 17/; Zoll, wovon die groͤßern Maaße auf die alten Maͤnnchen, die kleinern auf die Weibchen und juͤngern Voͤgel kommen. Das Gefieder aͤhnelt dem der uͤbrigen Arten, iſt ziemlich groß, locker und ſehr weich; der kurze, etwas breite, vorn ſtumpfe Fluͤgel, hat ſchlaffe, etwas breite, am Ende zugerundete Schwingfedern, von welchen die vorderſten ſtark nach hinten gebogene ſchlaffe Schaͤfte haben und die zweite von vorn die laͤngſte iſt, welcher wieder die hintere Fluͤgelſpitze (die ſechſte Schwingfeder von hinten) an Laͤnge gleichkoͤmmt. Der ſehr kurze Schwanz iſt ſehr zugerundet und bes ſteht aus 12 ſchmalen, ſchlaffen, am Ende zugerundeten Federn, von welchen das aͤußerſte Paar 7 bis 8 Linien kuͤrzer als das mit⸗ telſte iſt. Die ruhenden Fluͤgel reichen nicht ganz an das Ende gr Theil, 32 498 XII. Ord. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. des zum großen Theil unter feinen langen Deckfedern verſteckten Schwanzes. Der Schnabel iſt vergleichsweiſe der groͤßte und ſtaͤrkſte in die⸗ fer Gattung, obwol verhaͤltnißmaͤßig auch nicht groß. Er iſt ſehr zuſammengedruͤckt und viel hoͤher als breit, zumal an der ſehr fla— chen und ſchmalen, mit ihm in einer Flucht fortlaufenden Stirn, wo er in einer Spitze ein Stuͤckchen in die Stirnfedern geht; er iſt weich, an der Spitze und den Schneiden hart. Der ſchmalkantigen Firſte nach, hat dieſe in der Mitte, uͤber den Naſenloͤchern, einen ſeichten Einbug und ſenkt ſich, der Spitze näher, erſt in einem ſanf— ten Bogen in dieſe herab; dazu iſt der Kiel, ſo weit die ſchmale Spalte reicht, gerade, dann biegt er ſich noch ſanfter als jene zur Spitze auf, woher das Ende der beiden Schnabeltheile zuſammen nur ſtumpf zugeſpitzt erſcheint. Seine Schneiden ſind gerade und ſehr ſcharf, der Mundwinkel etwas tief einſchneidend, daher der Na: chen ziemlich tief geſpalten, aber doch ſchmal. Die Naſenhoͤhle iſt ein ziemlich großes Oval, in deſſen weicher Haut fi) das kleine, eis runde, durchſichtige Naſenloch faſt in der Mitte des Schnabels oͤff— net. Das ſtarke Aufſteigen der Firſte vor der Stirn iſt bei juͤn⸗ gern Voͤgeln, wo die Spitze ſich noch weniger geſtreckt hat, noch auffallender als an alten. Die Laͤnge des Schnabels bei letztern iſt 9½ bis 10 Linien, ſeine Hoͤhe an der Stirn faſt 5 Linien, aber die Breite hier nur 21½ bis 3 Linien. Er ſieht fleiſchfarbig, an der Spitze dunkler und der Firſte entlang roͤthlichgrau aus, dieſes bald mehr, bald weniger dun— kel, und iſt uͤberhaupt im Herbſte und auch bei juͤngern Voͤgeln grauer, als bei den Alten im Fruͤhjahr, wo mehr Fleiſchfarbe als Grau vorherrſcht. Bei Herbſtvoͤgeln iſt er oft bis auf die fleiſch— farbigen Schneiden und untere Schnabelwurzel ganz dunkelgrau. Etwas gelblich wird die Fleiſchfarbe nur im Tode. Bei erwachſe— nen Jungen ſahen wir ihn auch gruͤngelblichgrau, oben und an der Spitze braͤunlich, die Mundwinkel gelbroͤthlich. Inwendig iſt er etwas lichter, Zunge und Rachen roͤthlich weiß, vorn grau. Im ge⸗ trocknetem Zuſtande bekoͤmmt er eine unſcheinliche Hornfarbe. Das nicht ſehr große, lebhafte Auge hat bei alten einen ſchoͤn hellbraunen, bei juͤngern Voͤgeln einen dunkelgraubraunen Stern, und weißlich befiederte Lider. Die Fuͤße ſind zwar ziemlich groß, haben jedoch etwas kuͤrzere Zehen, als die der folgenden Arten. Die Nacktheit uͤber dem etwas ſtarken Ferſengelenke iſt von keinem ſehr großen Umfange; die Laͤufe XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 499 ſind maͤßig zuſammengedruͤckt; die ſchlanken Vorderzehen ohne Spann⸗ haͤute, nur zwiſchen der aͤußern und mittelſten ein kleines Anſaͤtzchen einer ſolchen; die kleine, kurze, ſchwaͤchliche Hinterzeh hoͤher als die vordern eingelenkt und nur mit den Spitzeballen den Boden beruͤh— rend; die Krallen nicht groß, flach bogenfoͤrmig, ſchlank zugeſpitzt. Der weiche Uiberzug der Fuͤße iſt vorn herab, an Schienen und Lauf, mit breiten, auf den Zehenruͤcken mit ſchmalen Schildern bes ſetzt, das Uibrige mehr netzfoͤrmig in kleinere Schilderchen getheilt und die Zehenſohlen fein warzig. Die ganzen Fuͤße fuͤhlen ſich friſch ſehr weich an. Sie find über der Ferſe 4 bis 5 Linien hoch nackt, die Fuß: wurzel 1½ Zoll lang; die Mittelzeh 1½ bis 1 Zoll lang, wovon auf die Kralle 2½ oder faſt 3 Linien abgehen; die Hinterzeh, mit der 1½ Linien langen Kralle, 6 bis 7 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt eine ſchmutzige Fleiſchfarbe, dieſe mehr oder weniger mit Grau, bei jungen Voͤgeln an den Laͤufen und Zehengelenken ſchwach graugruͤnlich uͤberlaufen. Im Tode wird dieſe Faͤrbung bald duͤſterer und an Ausgeſtopften verwandelt ſie ſich in lichte Hornfarbe. Die Krallen ſind bei den Jungen hell braungrau, bei den Alten dunkler. Die den Eiern entſchluͤpften Jungen ſehen ganz ſchwarz aus und tragen dieſes aus dichten, haarigen Dunen beſtehende, unkennt⸗ liche Kleid einige Zeit, bis es von ordentlichen Federn nach und nach verdraͤngt wird, was am Kopfe zuletzt geſchieht. Schnabel und Fuͤße ſind im Anfange roͤthlichweiß, der Augenſtern hellgrau. Von den jungen Waſſerrallen ſind ſie an dem kuͤrzern, ſtaͤrkern Schnaͤ⸗ belchen, von andern jungen Sumpfhuͤhnern aber ſehr ſchwer zu un— terſcheiden. Das Jugendkleid, das zugleich ihr erſtes Herbſtkleid iſt, unterſcheidet ſich vom Fruͤhlingskleide durch eine dunklere und brau—⸗ nere Färbung, mit kleinern oder mehr verdeckten ſchwarzen Flecken der obern Theile, durch eine bleichere und ſchmutzigere Fluͤgelfarbe, durch eine lichtere Faͤrbung an den untern Theilen und durch den gaͤnzlichen Mangel des Aſchgrauen am Halſe. Demnach iſt es an Kinn und Kehle weiß; im Geſicht, auch einem breiten Streif uͤber den Augen bis in die Naͤhe des Hinterkopfs blaß hellgelbbraun, an den Zuͤgeln und einem Streif uͤber die Wange etwas dunkler; die Gegend unter den Wangen und die Gurgel ſehr leicht gelbbraͤunlich, an den Kropfſeiten dieſe Farbe ſtaͤrker aufgetragen; die Bruſt und der Bauch in der Mitte weiß, an den Seiten (die Tragfedern) auf 32 * 8 500 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. weißem Grunde unordentlich mit Braun vermiſchter Roſtfarbe ge⸗ baͤndert; die Schenkel weiß, mehr oder weniger roſtfarbig gefleckt, ſo auch die Unterſchwanzdeckfedern. Alle obern Theile find hell oli⸗ venbraun, mit ſchwarzen Schaftflecken, indem jede Feder in der Mitte am Schafte einen vorn zugerundeten und nicht bis an die Spitze reichenden ſchwarzen Fleck hat und die Grundfarbe an dies ſem etwas dunkler, als an ihrem breiten Rande iſt. Dieſe Flecke richten ſich nach der Groͤße der Federn und ſind daher auf den Schultern und den Schwingfedern dritter Ordnung am größeften, auf dem Scheitel am kleinſten, und auf dem obern Nacken am un⸗ deutlichſten. Saͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern ſind duͤſter roſtfarbig, mit meiſtens verdeckten, abgebrochenen, gelblichweißen Querbaͤndern und Flecken; die Schwingfedern braungrau, mit ſchwarzen Schaͤften, roſtfarbig angeflogenen Auſſenfahnen und die vorderſte mit roſtgelblicher oder weißlicher aͤußerer Kante; der Fluͤgelrand weiß; der Unterfluͤgel an der Spitze ſchwarzgrau, roſtfarbig angeflogen, in der Mitte roſtfar— big, nach dem Oberrande in Weiß uͤbergehend. Die Schwanzfe— dern ſind ſchwarz, mit hell olivenbraunen Kanten. f Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen iſt der Unterſchied ſehr unbedeutend, letzteres weniger rein und ſchoͤn gefärbt, aber kaum fo, daß man beide nebeneinander mit Sicherheit unterſcheiden koͤnnte. Die Alten im Herbſtkleide unterſcheiden ſich von den Sun: gen, welche dies zum erſten Male tragen, an dem aſchgrau ange— flogenen breiten Streif uͤber den Augen, dem etwas deutlichern, hell— braunen Zuͤgel- und Wangenſtreif, durch lebhaftere Faͤrbung der obern Theile, beſonders aber der Roſtfarbe auf dem Fluͤgel, die oft ohne weiße Spitzchen an den Federn und deren weißliche Querflecke nur bei aufgehobenen Federn bemerkbar werden, und an den ſchoͤ— ner, regelmaͤßiger und dunkler gefaͤrbten Tragfedern. Die ſchwarzen Federn der obern Theile haben auch viel breitere, olivenbraune Raͤn— der, als im nachherigen Fruͤhlingskleide, weshalb ſie von oben viel kleiner gefleckt ſind, als in dieſem. Das Fruͤhlingskleid des alten Maͤnnchens iſt an der Kehle weiß, ſeitwaͤrts etwas roſtgelb angeflogen; vom Schnabel nach dem Auge und von dieſem uͤber die Ohrgegend hinweg, zieht ein ſehr ſchwach zimmtbräunlicher Streif, welcher vor dem Auge ein zimmtbraunes Fleckchen und an den Schlaͤfen einen ſolchen Anſtrich hat; unter dem lichten Zuͤgel zeigt ſich bei ſehr alten ein dunkel— brauner, in der Naͤhe des Schnabels faſt ſchwarzer Streif, bei den XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 501 meiſten jedoch nur ein dunkelzimmtbrauner, welcher ſeine Richtung mitten uͤber die Wange, gerade nach hintell, nimmt und wie ein Schnurbart ausſieht. Bei vielen iſt auch unter dem Mundwinkel noch ein Anfang eines zweiten zimmtbraunen Streifs. Von jenem abwaͤrts zieht ſich neben der Kehle ein lichtes blaͤuliches Aſchgrau herab und dehnt ſich uͤber die Gurgel und ganze Kropfgegend aus, fo daß nur an den Seiten des Halfes ein ſchmaler Streif ſehr licht zimmtbraͤunlich und etwas dunkler gewoͤlkt bleibt. Uiber den Zuͤgel und das Auge bis neben das Genick zieht ein breiter Streif von lichtem blaͤulichtem Aſchgrau. Die Mitte des Scheitels, das Ge— nick, der Nacken, der ganze Ruͤcken bis an den Schwanz, die Schul: tern und die hintere Fluͤgelſpitze haben olivenbraune, an den Kanten ins Weißgraue ziehende Federn, deren jede in der Mitte einen theils ovalen, theils auch nur breit lanzettfoͤrmigen, tiefſchwarzen Schaft: fleck hat, von welchen aber keiner bis ans Ende einer Feder reicht; die Schwanzfedern haben dieſelbe Zeichnung, nur etwas mehr Schwarz. Der Oberfluͤgel iſt roſtfarbig, mit weißer Kante, die kleinen Deckfedern mit weißen Spitzenkaͤntchen, die groͤßern dazu noch mit abgebroche— nen weißen Querſtreifen, welche aber nicht ſehr ſichtbar ſind; die Schwingfedern ſchwarzgrau mit ſchwaͤrzlichen Schaͤften und auf der Auſſenfahne mit roſtfarbigem Anſtrich, welcher an der vorderſten in ein weißgelbes Kaͤntchen uͤbergeht; der Unterfluͤgel, wie ſchon be— ſchrieben, aber ſchoͤner roſtfarbig. Die Mitte der Bruſt und des Bauches aift rein weiß, die Seiten derſelben auf weißem Grunde mit ſchoͤnen roſtbraunen, ſchwaͤrzlich ſchattirten, wellenfoͤrmigen Quer⸗ baͤndern durchzogen; Schenkel und untere Schwanzdecke weiß, hin und wieder roſtbraun angeflogen oder undeutlich gefleckt. Die jüngeren Männchen unterſcheiden fi) an dem weni: gern und lichtern Aſchgrau der Kopfſeiten und des Vorderhalſes, wo dieſes lichtbraͤunlich gemiſcht oder gefleckt vorkoͤmmt, von ſolchen eben beſchriebenen, ſehr alten maͤnnlichen Voͤgeln, deren gleich alte Weibchen ſich ebenſo, beſonders aber an ihrer durchgaͤngig lichtern Faͤrbung und dem noch ſparſamern Aſchgrau an der Unter: gurgel und Kropfgegend erkennen laſſen. Es gehoͤrt jedoch nicht wenig Uibung dazu, beide Geſchlechter ohne anatomiſche Huͤlfe un: terſcheiden zu wollen. Im Laufe des Sommers verbleichen die Farben des Gefie— ders nicht wenig, die ſchwarzen Flecke der obern Theile ſtehen dann auf einem viel lichtern Grunde und die Roſtfarbe des Fluͤgels ift auffallend lichter geworden, wodurch kurz vor einer neuen Haupt⸗ 502 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. mauſer dieſe Veränderungen ſehr in die Augen fallen, ohne daß man, wie man vermuthen moͤchte, auch ſehr bedeutende Spuren des Abreibens an den Federn faͤnde. Recht ſehr auffallend wird dann auch das Abbleichen des Aſchgrauen am Kopfe und Halſe, das bei vielen ſogar hin und wieder verſchwindet oder in gelbliches Grau— weiß verwandelt erſcheint. Die Hauptmauſer geht im Auguſt, und zwar ſehr ſchnell von Statten, ſo daß dann bei manchen die Schwingen und Schwanz— federn faſt alle auf ein Mal ausfallen, ſie dann einige Zeit gar nicht fliegen koͤnnen und ſolche, ſo ſtark im Federwechſel ſtehende Individuen wie berupft und haͤßlich ausſehen. Die Alten verlaſ— ſen Deutſchland in dem bald hergeſtellten Herbſtkleide, die Jungen in ihrem Jugendkleide, und beide beſtehen in ihrer Abweſenheit im Maͤrz eine zweite Mauſer, welche ihnen das Hoch— zeitskleid bringt, in dem ſie im Fruͤhlinge wieder bei uns erſchei— nen. An in Gefangenſchaft gehaltenen Individuen laͤßt ſich dieſe zweite Mauſer ſehr gut beobachten. Au fen t h alt. Das Wieſenſumpfhuhn, haͤufigſt Wachtelkoͤnig genannt, iſt uͤber viele Theile der alten Welt verbreitet, ſogar auch Jamaika hat man zu ſeinem Aufenthalt gezaͤhlt. Es iſt indeſſen im ganzen noͤrdlichen Aſien und in manchen Gegenden des ſuͤdlichen, wovon Syrien und China genannt ſind, angetroffen worden, wie es denn im Sommer alle Theile Europa's, einzeln bis in die Naͤhe des arctiſchen Krei— ſes hinauf, z. B. das obere Norwegen in der Lage von Dront— heim und einige Inſeln an dieſer Kuͤſte, das obere Schottland, die Orcaden und Hebriden, bewohnt, in vielen Theilen des ge— maͤßigten und waͤrmern Europa aber ungleich haͤufiger und in manchen ſehr gemein iſt. England, Irland, Frankreich, Holland, die Schweiz, Italien, Ungarn und viele andere ſind in dieſer Hinſicht genannt, und auch in Deutſchland finden wir es faſt in jeder Gegend, theils wohnend, theils durchwandernd, angezeigt, und man darf es daher wol zu den gemeinen Voͤgeln zählen, obgleich, feiner verſteckten Lebensweiſe wegen, an manchen Orten und fuͤr den Unkundigen es nicht ſo ſcheinen moͤchte. Sach— ſen und unſer Anhalt haben es ebenfalls alle Jahr, aber, wohl XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 503 zu merken, in dem einen haͤufig, in einem andern ſeltener, dies namentlich im Bezug auf einzelne Striche. Sein concentrirter Aufenthalt beſchraͤnkt ſich, wie bei vielen andern Voͤgeln, auf gewiſſe Lagen, welche ihm gerade zuſagen; ſon— derbarerweiſe kommen ihm hierbei jedoch vom Wetter, oder vielmehr von zur Zeit vorherrſchender Duͤrre oder Näffe abhaͤngende, verſchie— dene Beſchaffenheiten ins Spiel, ſo daß es in einer und derſelben Gegend in dem einen Jahr ſehr haͤufig ſein, in dem naͤchſten oder mehrern nach einander folgenden ſelten oder gar nicht vorkommen kann. Dies kann ſogar bewirken, daß dieſe Voͤgel in manchen Jahren an ihnen recht zuſagenden Orten ſich ungewoͤhnlich zuſam— mendraͤngen und an vielen andern, welche fie ſonſt nicht einzeln be: wohnten, ganz vermißt werden, waͤhrend ſie in andern, ihren Beduͤrf— niſſen im Allgemeinen mehr entſprechenden Jahren viel gleichmaͤßiger uͤber das ganze Land vertheilt ſind. Wer nur auf den bekannten Ton, welcher ſie im Fruͤhjahr leicht bemerklich macht, achten will, wird dieſe Bemerkung uͤberall beſtaͤtigt finden. So koͤmmt es auch, daß in hieſiger Gegend, auf dem Herbſtzuge in manchem Jahr viele, in einem andern gar kein ſolcher Vogel beilaͤufig auf den Rebhuͤhnerjagden erlegt wird. Als Zug vogel iſt es, auch ſchon im mittlern Deutſch— land, einer der im Fruͤhjahr am ſpaͤteſten wiederkehrenden und, merkwuͤrdig genug, koͤmmt es auch in Schweden faſt um dieſelbe Zeit als bei uns an. Es laͤßt ſich jedoch nicht behaupten, daß dies immer ſo ſei, weil ſich ſeine Ankunft mehr nach der Witterung als nach der Zeitfolge richtet, indem er in zeitig genug warmen Fruͤh— lingen ſchon in der erſten Haͤlfte des Mai gehoͤrt wird, waͤhrend im Gegentheil dies in unguͤnſtigen Jahren oft erſt im Anfange des Juni vorkoͤmmt. Sein durchdringender, bekannter Laut zeigt uns ſtets ſeine Ankunft an, und ſie hat inſofern, als nun keine Froͤſte mehr zu befürchten find, etwas Erfreuliches, eben fo wie der Wach⸗ telſchlag. Nur erſt wenn das Gras und junge Wintergetraide ge— gen einen Fuß hoch aufgeſchoſſen iſt, daß ſie ſich darin verbergen koͤnnen, zeigen ſich dieſe Voͤgel an ihren Sommeraufenthaltsorten und kaum etwas fruͤher auf dem Durchzuge. — Gegen Ende des Auguſt, ſobald die Mauſer beendet, fängt ſchon wieder ihr Wegzug an, welcher durch dem September am ſtaͤrkſten und gewoͤhnlich um die Mitte des October auch von Durchziehenden beendet iſt. Selten koͤmmt bei recht ſchoͤnem Herbſtwetter gegen Ende dieſes Monats noch ein Einzelner bei uns vor. 504 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. Seine Reiſen macht dieſer Vogel des Nachts und ſchwingt ſich dabei hoch durch die Luͤfte. Da ſein Flug am Tage ſehr matt und kurz iſt, er auch nur mit Gewalt zum Auffliegen bewogen werden kann, ſo hat man gemeint, er mache jene zum Theil zu Fuß, was jedoch wol nur ausnahmsweiſe der Fall ſein mag, indem man hin und wieder einen nach einer ſolchen durchreiſeten Nacht an unge— woͤhnlichen Orten antraf, wohin er ſich nur aus Ermattung ge— fluͤchtet haben konnte. Auch von andern matt fliegenden Voͤgeln weiß man, daß ſie viel leichter fliegen, wenn ſie ſich zu einiger Hoͤhe aufgeſchwungen haben und einmal im Zuge ſind. Bei den bei Nachtzeit, ohne Geraͤuſch und ſtillſchweigend durch die Luͤfte wan— dernden iſt dies ſchwer zu beobachten, manche Zugvoͤgel laſſen aber dann auch ganz eigene Toͤne hoͤren, die von den gewoͤhnlichen ſehr abweichen und die uns oft nicht bekannt ſind. Unſer Vogel gehoͤrt zu den erſtern; nur auf dem Fruͤhlingszuge laͤßt das Maͤnnchen zuweilen in ſtillen Naͤchten ſein Arp-Schnarp hoch in den Luͤften hören, jedoch fo ſelten, daß wir uns deſſen in einer Reihe von Jah- ren nur ein paar Mal erinnern. Wir erkannten daran, daß der Vogel ſehr hoch fliegen mußte und einer mehr oͤſtlichen als noͤrdli— chen Richtung folgte. — Aus allen begleitenden Umſtaͤnden geht ferner hervor, daß er ſeine Reiſen vereinzelt macht, und daß die Alten im Herbſt fruͤher wegziehen als die Jungen. Den Namen: „Wachtelkoͤnig“ hat dieſer Vogel, bei einer oberflaͤchlichen Aehnlichkeit mit unſrer Wachtel, im Vergleich zu dieſer, von ſeiner betraͤchtlichern Groͤße; ferner, weil er meiſtens mit den Wachteln ankommt und oft in ihrer Nähe, noch oͤfterer zu Ende der Erndtezeit an gleichen Orten angetroffen wird, und deshalb beim gemeinen Mann fuͤr deren Anfuͤhrer auf der Reiſe gilt. — Daß er allerdings oft mit den Wachteln zuſammentrifft, kann man faſt in jeder Zugperiode bemerken; daß aber deshalb eine ſo beſondere Zuneigung zwiſchen dieſen beiden ungleichen Vogelarten Statt finden ſollte, iſt ganz unwahrſcheinlich, zumal er auch im Fruͤhjahr haͤufig erſt nach dieſen und von allen Zugvoͤgeln am ſpaͤteſten bei uns ankommt. Dieſes Sumpfhuhn bewohnt eigentlich nur niedrig gelegene, fruchtbare Gegenden, die ebenen wie die huͤgelichten, ſelbſt bergige, wenn ſie weite und fruchtbare Thaͤler haben, koͤmmt aber auf der Wanderung auch in andern, ſelbſt in waldigen, nur nicht auf kah— len Bergen vor. Er liebt beſonders die fruchtbaren Wieſengruͤnde mit anſtoßenden Getraidefeldern, hauptſaͤchlich ſolche, wo auch zer: XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 505 ſtreutes Gebuͤſch vorkoͤmmt, oder hin und wieder zum Theil damit verwachſene Waſſergraͤben jene durchkreuzen. Obgleich Wieſen ſein eigentlicher Aufenthalt ſind, ſo darf man gleichwol nicht alle ohne Unterſchied dazu zählen; es liebt fie weder zu naß, noch zu trocken, und zieht die blumenreichen den meiſtens bloß mit Graͤſern beſetzten vor. So haͤufig es daher in den fruchtbaren Auen an Flußufern, der vielen Wieſen wegen, lebt, ſo findet man es daſelbſt doch mehr an ſolchen Stellen, wo Wieſen und Aecker mit einander abwechſeln oder wo der Graswuchs ſelbſt abwechſelnder iſt, ebenſo an den in Heuwieſen und dann in bebautes Feld uͤbergehenden Raͤndern unſrer Bruͤcher, nie im Sumpfe ſelbſt. Zu naß duͤrfen die Wieſen nicht ſein und wenn man es ja ein Mal in einem ſogenannten Bruche antrifft, ſo iſt dies nur an trock— nern Stellen, wo ſich unter den dichten Graͤſern nur feuchter Boden, aber kein Waſſer befindet. Auch die dichten Gefilde von hohen Seggengraͤſern, wenn unten auch kein Waſſer, liebt es nicht, und zwiſchen den ſogenannten Kufen haben wir, ſo lange Waſſer dort war, es niemals angetroffen. Es verſchmaͤhet dagegen auch die zu trocknen, einſchuͤrigen Wieſen, wo es ſich nicht nach Wunſch verbor— gen halten koͤnnte. Es verlangt auch ſonnige Wieſen und haͤlt ſich nie anders, als wenn es keine andere Zuflucht weiß, auf ſolchen auf, welche auf der Schattenſeite eines Hochwaldes liegen. Wir kennen ſo gelegene, ſchmale Wieſenſtrecken, welche ſonſt ganz die Beſchaffenheiten, auch in den Umgebungen, haben, welche das Wie— ſenſumpfhuhn liebt, wo wir aber doch niemals eins wohnend ge— funden haben, und wo wir es ſogar auf dem Zuge ſehr ſelten an— trafen, waͤhrend nur 1000 Schritt davon, auf freien, ſtets dem Sonnenſchein ausgeſetzten, bloß hin und wieder mit kleinen Weiden: buͤſchen abwechſelnden Wieſen, von übrigens ganz mit jenen über: einkommendem Pflanzenwuchs, beinahe alle Jahre einige wohnen und auf dem Zuge jedes Jahr welche einſprechen. Es verlangt auch große oder an einander haͤngende Wieſenflaͤchen und zeigt in der Wahl ſeines Sommeraufenthaltes manche Eigenthuͤmlichkeiten. Schon bei ſeiner Ankunft im Fruͤhlinge, zumal wenn ihm das Gras noch nicht hoch genug, wechſelt es häufig in die mit Winter: getraide, namentlich Waitzen, ſeltner Rapps, bebaueten und die Wieſen begrenzenden Aecker, und iſt bald hier bald dort, doch iſt der Umfang ſolcher Strecken, beſonders wenn mehrere Paͤaͤrchen die Gegend bewohnen, eben nicht groß. Man hört es an ſolchen Orten jeden Abend und bemerkt an feinem Geſchrei, daß es dieſelben un: 506 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. abläffig nach allen Richtungen laufend durchkreuzt, dabei aber ftets ungeſehen bleibt. Eine ſchlimme Zeit iſt fuͤr ihn die des Heuma⸗ chens; er fluͤchtet ſich dann vor der Senſe des Maͤhers aus einem noch ſtehenden Grasfleck in den andern, bis es ſich zuletzt gezwungen ſieht, im Geſtraͤuche, an bewachſenen Grabenraͤndern oder im nahen Getraide eine Zuflucht zu ſuchen. Zuweilen begiebt es ſich dann, zumal in nicht zu trocknen Sommern, weit weg auf das Feld, und läßt ſich dort in Schotenaͤckern, Kleeſtuͤcken oder zwiſchen dem Som: mergetraide hoͤren. Erhebt ſich, nach abgebrachtem Heu, der Graswuchs der Wieſen wieder, ſo koͤmmt es dahin zuruͤck, und ſchlaͤgt da wieder ſeinen Wohnſitz auf, bis zur Zeit der Grummeterndte. Bei geringerm Gedeihen der zweiten Grasſchur, beſonders durch Duͤrre veranlaßt, bleibt es jedoch oft auf den Feldern und wird, wenn auch hier die Senſe das Sommergetraide niedergeworfen, gewoͤhnlich, doch nur kurze Zeit noch, in den tiefern, verwachſenen Furchen, an ſtruppigen Rainen und unter dem niedergehauenen Getraide, den ſogenannten Schwaden oder Gelegen, angetroffen. Hier theilt es oft das Schick— ſal der Wachteln, wie es denn auch, wie viele von dieſen, ſich nun nach niedern Gegenden zieht und ſich in die Grummetwieſen begiebt. Wenn ihm auch hier wieder die Senſe ſein Verſteck raubt, ſieht es ſich gezwungen, dieſes an buſchigen Grabenraͤndern und im niedern Gebuͤſche zu ſuchen, ſo wie man es in dieſer Zeit, naͤmlich der ſeines Wegzugs, auch zwiſchen hohem Kartoffelkraut, in Luzerne— und Kleeſtuͤcken, im Schilfgraſe trockner Teichraͤnder, zwiſchen Brom: beerranken und andern angehaͤuften hohen Kraͤutern, ja auf jungen Schlaͤgen in den Waͤldern zuweilen antrifft. Es iſt ſchon beruͤhrt, daß es in dieſer Zeit in ſolchen Waldtheilen auch in gebirgigen La— gen vorkommen kann. So oft es auch vorkommen mag, dieſen Vogel in der Zugzeit an ungewoͤhnlichen Orten zu finden, ſo ſind dies doch ſtets nur trockene und niemals iſt er unmittelbar am Waſſer angetroffen wor— den, nie an kahlen Uferraͤndern. Mußte er ja ein Mal mit einem unten etwas naſſen Verſteck fuͤrlieb nehmen, ſo gehoͤrt dies doch unter die ſehr ſeltnen Ausnahmen. Es unterſcheidet ſich dieſe Art dadurch ſehr auffallend von den uͤbrigen dieſer Gattung, denen ſie an Geſtalt und Betragen ſonſt ſo aͤhnlich iſt, daß der, welcher die einzelnen abweichenden Zuͤge in ihrer Lebensweiſe nicht kennt, nicht daran denken wird, ſie generiſch von den naͤchſtfolgenden trennen zu wollen, waͤhrend andere, welche unſer Wieſenſumpfhuhn in ſeinem XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 507 Leben und Wirken beobachteten, entgegengeſetzter Meinung waren, was man ihnen auch nicht verdenken konnte, indem dieſe Art we— nigſtens ein vollkommener Landvogel iſt, die übrigen aber. Bewohner der Suͤmpfe find und nahe am Waſſer oder über dem ſelben leben. Obgleich ſein Aufenthalt oft Gebuͤſche und nicht ganz baum— arme Gegenden ſind, es auch ſogar in Waͤldern vorkommen kann, ſo hat man doch niemals geſehen, daß es ſich auf einen Baumzweig geſetzt hätte. Es iſt, fo ſehr es auch das einzelne, niedere Bufch- holz liebt, ungern in der Naͤhe hoher Baͤume und verweilt ſelten im Schatten derſelben. Auch im hohen Schilfe und Rohr, wenn auch unten kein Waſſer, iſt es uns nie vorgekommen. Es iſt mehr Nacht: als Tagvogel und die Zeit feiner größten Beweglichkeit die Abend» und Morgendaͤmmerung. Auch in warmen, hellen Naͤchten laͤßt es ſich zu allen Stunden hoͤren, gewoͤhnlich iſt es jedoch um Mitternacht ein Stuͤndchen ruhig. Daß es am Tage, wo es ſich nur aͤußerſt ſelten vernehmen laͤßt, voͤllig unthaͤtig ſei, laͤßt ſich jedoch nicht behaupten, wenigſtens ſind es wol nur gewiſſe Tagesſtunden, in welchen es ſich der Ruhe und dem Schlafe uͤber— laͤßt, wie man dies deutlich an Gezaͤhmten ſieht. Eigenſchaften. Das Wieſenſumpfhuhn iſt ein netter, ſein ſanftes Gefieder faſt immer glatt anliegend tragender Vogel, welcher in ſeiner Haltung den uͤbrigen Sumpfhuͤhnern aͤhnlich iſt, und ſeine Stellungen auf das Mannichfaltigſte zu wechſeln vermag. Beſonders beweglich iſt, außer den Fuͤßen, ſein ziemlich langer Hals, den es bald in ſeiner ganzen Laͤnge ausſtreckt, bald ſo ſehr einziehen kann, daß man dieſe gar nicht ahnet; dies beſonders wenn es in gaͤnzlicher Ruhe da ſtehet, wo der kleine Kopf faſt am Rumpfe zu ſitzen ſcheint, der Ruͤcken ſtark gekruͤmmt iſt, die Schenkel ſo eingezogen ſind, daß die Beine nur vom Ferſengelenk ab ſichtbar bleiben und letztere etwas einge—⸗ bogen werden, eine Stellung, welche es der Wachtel ſehr aͤhnlich macht. Schreitet es gemuͤthlich weiter, ſo wird die Figur hoͤher, die Schenkel über der Jerſe etwas ſichtbar, der Hals ein wenig länger u. ſ. w. Oft ſteht es auch mit weniger wagerechtem Leibe, die Bruſt erhaben, den Hals etwas verlaͤngert, hoch, ohne gebogene 508 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. Ferſen, auf den Fuͤßen, und dieſes kann in eine wirklich ſtolze Stel⸗ lung uͤbergehen, in welcher der Hals in ganzer Laͤnge empor geſtreckt, dabei aber nie ganz ohne ſanfte Biegungen iſt, die Bruſt hoch auf— gerichtet, der Rumpf uͤberhaupt naͤher dem Senkrechten getragen wird und an den ſteifen Fuͤßen die Unterſchenkel mit dem befiederten Theil ſichtbar werden. Dieſer Stellung fehlt es nicht an einiger Wuͤrde, ſie wird aber nie lange beibehalten und im anfaͤnglich ſach— ten Fortſchreiten buͤckt, oft ſchnell, der Vogel den Rumpf ganz wagerecht, der noch immer ausgedehnte Hals ſchiebt ſich gerade vor und der gemaͤchliche Schritt wird ploͤtzlich zu einem ſchnellen Rennen. Nicht muͤde ſieht ſich der Liebhaber an einem ſolchen gefangen gehal— tenen und einigermaßen gezaͤhmten Vogel dieſer Art, denn nur an dieſem, nicht am im Freien lebenden laſſen ſich die mancherlei Stel⸗ lungen beobachten. N Es traͤgt gewoͤhnlich die Enden der ruhenden Fluͤgel uͤber dem Schwanze, dieſen meiſtens etwas hangend; nur wenn es verfolgt wird und in Angſt fortrennt, wippt es ſchwach mit dieſem aufwaͤrts und trägt dazu die Fluͤgelſpitzen ſehr hoch. Der von allen Seiten gegen den Schnabel verjuͤngt zulaufende Kopf giebt ihm ein gewiſſer— maßen freundliches Geſicht, aus welchem das muntere Auge liſtig hervorglaͤnzt. Wie die laufende Wachtel nickt es bei jedem Tritte mit dem Koͤpfchen, was ſeinem Gange viel Anmuth giebt. Es geht leiſe auftretend, ſehr behende und kann ungemein ſchnell laufen, ſo daß es uͤber den Boden hinzuſchießen ſcheint. Hoͤchſtſelten wird man aber Gelegenheit finden, etwas mehr als ein ſolches Voruͤberhuſchen, das eher dem einer Ratte als eines Vogels gleicht, an dem in Freiheit lebenden Vogel zu ſehen, weil er ſich ſtehend oder gehend faſt nie auf dem Freien zeigt. Stets unter dichtem Graſe und Pflanzengeſtruͤpp verſteckt, waͤhnt man ihm ganz nahe zu ſein, wenn er unter dem Schutze jener bereits ſchon weit fortgerannt iſt, und nur der Zufall kann bei ganz ſtillem Verhalten dazu fuͤhren, vielleicht ſein munteres Koͤpfchen hervorſchauen zu ſehen. Dieſes aͤngſtliche und ſorgfaͤltige Verſteckthalten hat er mit andern Sumpfhuͤhnern und den Rallen gemein, uͤbertrifft dieſe aber darin noch bei Weitem. Dadurch daß er ſich nie auf Baͤume ſetzt, unge— zwungen am Tage nie, auch wol des Nachts nicht oft, aus ſeinem Verſteck hervor koͤmmt, was doch jene oͤfters thun, bleibt er ſtets ungeſehen, wenn er nicht mit Gewalt aufgeſcheucht und zum Auf— fliegen gezwungen wird, was bei ihm auch noch viel ſchwerer haͤlt als bei jenen. Sein unaufhoͤrliches Hin- und Herrennen unter dem XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 509 Schutze der Graͤſer und anderer Pflanzen, — zwiſchen deren dichte Halme und Stengel ſein ſchmaler Koͤrper ohne anzuſtoßen hindurch ſchluͤpft, fo daß man die Richtung feines Laufes niemals weiß, weil keine Bewegung der Grashalme uͤber ihm ſie anzeigt, — macht daß er ſich ordentliche Gaͤnge bahnt, die aber von obenher durch die uͤberhangenden Halme ſo bedeckt ſind, daß ſie ihn den Augen ſeiner Feinde ſtets entziehen. Es bedarf gar nicht ſehr hoher Graͤſer zu b ſolchen Gaͤngen, weil er gewohnt iſt ſehr geduckt zu gehen und manche wuͤrde man eher fuͤr Wechſel der Ratten und andrer kleinen Thiere halten. Oft laufen ſie in einer Vertiefung oder in einem trocknen, mit Graͤſern bewachſenen Graben entlang, auch wol quer durch ſolche, und durch die Weidenbuͤſche. Wenn dieſem Vogel der Menſch nicht zufällig ganz ploͤtzlich uͤber dem Hals koͤmmt, ſo rettet er ſich allein durch Fortlaufen und wird nicht bemerkt; in jenem Falle allein und vor dem Hunde fliegt er auf, gerade und niedrig fort, um ſich jedoch bald, allenfalls ein paar Hundert Schritt weit, wieder an einem, dem erſten aͤhnlichen oder noch verſtecktern Orte niedergelaſſen, wo man ihn dann nicht ſo leicht wieder auffindet, weil er, ehe man dahin gelangt, ungeſehen ſchon weit weggelaufen und oft an einer Stelle verſteckt iſt, wo man ihn vielleicht nicht ſucht. In ſolchem Fluge laͤßt er die Beine an⸗ faͤnglich und ziemlich weit hin gerade herab haͤngen, ſtreckt ſeine kurzen Fluͤgel gerade von ſich und bewegt ſie in kurzen, raſchen | Schlägen, faſt zitternd, und man fieht es dieſem matten Fluge an, daß er nicht weit gehen wird; als wenn dem Vogel allmaͤhlig die Kraͤfte zu dieſem nur einige Fuß hohen Fluge ausgingen, ſenkt er ſich bald mehr und mehr, laͤßt ſich flatternd und die Beine herab— geſtreckt wieder in das Gras, Gebuͤſch und dergleichen nieder und iſt in demſelben Augenblick auch ſchon wieder darin verſchwunden. Der Flug ſieht dem eines jungen Vogels, welcher feine Flugwerk: zeuge zum erſten Male verſucht, nicht unaͤhnlich, geht meiſtens gerade aus oder beſchreibt ſeitwaͤrts einen großen Bogen, zumal wenn er gerade vor ſich hin kein Verſteck ſieht. Zu Ende der Erndte, wo er ſich oft unter dem abgemaͤheten Getraide verkriecht, ſucht er, hier aufgeſcheucht, bald bloß laufend, bald nach einem kurzen Fluge ein nahes aͤhnliches Verſteck, und wenn die Schwaden oder Gelege auf etwas hohen Stoppeln und recht hohl liegen, ſchluͤpft er unter den⸗ ſelben ſchnell weiter und man ſucht ihn vergeblich an der Stelle, wo man ihn darunter kriechen ſahe; liegen aber jene zu dicht auf der Erde auf, ſo kann er noch an derſelben mit der Hand hervor⸗ ) 510 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. gezogen werden, weil er da nicht ſo ſchnell weiter konnte. Raſche Hunde ſchnappen ihn oft, wenn er dicht vor ihnen herausfliegt, aus der Luft weg. Ein Hauptzug im Betragen dieſes Sumpfhuhns iſt eine gren⸗ zenloſe Furchtſamkeit, vermoͤge welcher es ſich uͤberall den Augen ſeiner Verfolger zu entziehen ſucht, die Annaͤherung dieſer mehr durch ſein leiſes Gehoͤr als durch ſein Geſicht erfaͤhrt, um ihnen zur rechten Zeit und unbemerkt auszuweichen. Scheu koͤnnte man es deshalb nicht heißen, wenn man nicht auch an dem ſchreienden Maͤnnchen bemerkte, daß es ſich in der Naͤhe eines, wenn auch nicht geſehenen, Menſchen, ſtill verhielte und nur bis es ſich wenigſtens gegen 40 Schritte wieder entfernt hat, ſein Lied von Neuem an— ſtimmte und es immer weiter weglaufend dann erſt dreiſt fortſetzte, wenn es ſich genug wegbegeben zu haben glaubte. Es ſind einſame Voͤgel, die ſich weder um die Geſellſchaft andrer Voͤgel, noch um die von ihres Gleichen kuͤmmern. Selbſt die Jungen einer Familie, ſobald ſie halbwuͤchſig geworden und die aͤlterliche Pflege nicht mehr beduͤrfen, zerſtreuen und vereinzeln ſich nach allen Richtungen. Wenn man auch in der Zugzeit zuweilen mehrere in einem Bezirk antrifft, ſo machen ſich doch die Einzelnen ſo wenig mit einander zu ſchaffen, daß man glauben darf, daß ſie auch ihre Wanderungen vereinzelt machen. Da wo die Niſtreviere zweier Paͤaͤrchen an einander grenzen, ſoll es zuweilen Balgereien zwiſchen den Maͤnnchen geben und ſie dabei ein haͤßliches katzenar⸗ tiges Quaͤken ausſtoßen. Das Maͤnnchen giebt in der Fortpflanzungszeit ſonderbare Laute von ſich, die wie der Schlag der Wachtel den Geſang oder Paarungsruf vorſtellen. Dieſer weitſchallende, knarrende Ruf beſteht ſtets in zwei Sylben, die wie Arp-Schnarp oder Knaͤrp-Knaͤrp oder richtiger Raͤrp-Raͤrp und gerabe fo klingen, wie der Ton, welcher hervorgebracht wird, wenn man einen etwas ſtarken Kamm, auf ein ſehr dünnes Brettchen gedruͤckt, feſthaͤlt und mit einem Hoͤlzchen uͤber die Spitzen der Zaͤhne deſſelben hin und her faͤhrt, daher der Vogel auch mit dieſem Inſtrumente, wenn es gut ab— geſtimmt, angelockt werden kann. Sobald es im Fruͤhlinge bei uns ankoͤmmt, wenn es weiter ziehen will, auch ſo lange es dann hier verweilt, oder auch zuweilen, doch ſelten, auf der naͤchtlichen Wanderung hoch in den Luͤften, die Maͤnnchen hier niſtender Paare aber den Juni und Juli hindurch, laſſen dieſe gellenden Toͤne hoͤren, und zwar am Tage wenig, deſto eifriger und ununterbrochener aber von 25 “ XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 511 der Abenddaͤmmerung bis gegen Mitternacht, und ſo wieder etwa von 1 Uhr in der Nacht bis zum Aufgang der Sonne. Zuweilen ſteht es Viertelſtunden lang auf einer Stelle, unter dem Schutze der Graͤſer oder des jungen Waitzens, und ſchnaͤrpt ohne Unterlaß in Einem fort; ein anderes Mal rennt es, immer ſchnaͤrpend, in einem gewiſſen Bezirk in die Kreutz und Quer herum, was man Alles, obgleich man es nicht ſiehet, an dem lauten Tone recht gut bemer— ken kann. Im Anfange der Begattungszeit und bis das Weibchen Eier legt, ſchreit es ſo anhaltend die Naͤchte hindurch, daß man ſich wundern muß, wie es das heftige Knarren, ohne heißer zu werden, aushaͤlt. Waͤhrend der Bruͤtezeit knarrt es ſchon weniger anhaltend, und wenn die Jungen groͤßer werden, hoͤrt es allmaͤhlich ganz auf. In einer Entfernung von 40 bis 50 Schritten moͤgen Menſchen laut voruͤberwandeln oder Wagen vorbeifahren, ohne daß es ſich im Muſiciren ſtoͤren läßt; will aber der Einzelne ſich näher heran ſchlei— chen, ſo hoͤrt es bei 20 bis 30 Schritten wol gerade nicht auf, zieht ſich aber weiter zuruͤck. Es gelingt wenigſtens nicht oft, es noch naͤher hoͤren zu wollen; nur wenn mehrere Menſchen ſich naͤhern, einer von ihnen zuruͤck bleibt und ſich ganz ſtill verhält, die übrigen aber fort gehen, kann es jenem gelingen, es noch naͤher zu hoͤren, wo man dann auch vernimmt, daß das Knarren eine Art von Re ſonanz in der Kehle giebt, welches es hohl- und weittoͤnend zugleich macht, wie es denn auch auf den mit Thau bedeckten gruͤnen Ge— filden eine Art Echo giebt und in naͤchtlicher Stille uͤber eine Vier— telſtunde weit gehoͤrt wird. Der gewöhnliche Ruf beider Geſchlechter iſt ein ſchwaches Gad: fen, wie fjü Ejo kjaͤ Elingend und den Tönen anderer Sumpfhuͤh⸗ ner nicht unaͤhnlich, ſo daß ſich darin eine nahe Vewandtſchaft mit dieſen ebenfalls ausſpricht. In der Angſt hörten wir auch ein hei: ſeres Zieb, und wenn man es in der Hand hielt, ein dumpfes, innerliches Knurren, das aus dem Bauche zu kommen ſcheint. Bechſtein erwähnt auch, daß gefangen gehaltene Päärchen ſich nahe beiſammen niederkauerten und wie Katzen ſchnurrten. Die noch ziem⸗ lich kleinen Jungen ſchilken faſt wie junge Sperlinge, doch ſelten und nur wenn ſie ſehr hungern, im Freien auch dann nie, wenn ſie einen Menſchen in der Naͤhe vermuthen. Der in Gefangenſchaft gerathene Wachtelkoͤnig zeigt ſich zwar anfänglich aͤußerſt aͤngſtlich, verkriecht fi) in alle Winkel, und wenn man ſich ihm da naͤhert, ſchießt er mit Ungeſtuͤm hervor nach einem andern Verſteck, zumal wo er dabei uͤber freie Stellen weg muß; ** 512 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. allein er wird dennoch bald zutraulicher und in Wohnzimmern nach und nach ſehr zahm, alte freilich nicht ſobald als junge Voͤgel; er geht dann nach Belieben frei in der Stube herum und fluͤchtet ſich nur bei ungewoͤhnlichen Erſcheinungen noch unter das Stubenge— raͤthe. In ſolchen Stuben, worin mehr menſchlicher Verkehr iſt, haͤlt er ſich jedoch haͤufiger unter Schraͤnken und andern Moͤbeln auf, verunreinigt daher auch meiſtens nur dort den Fußboden und iſt in dieſer Hinſicht eben nicht unleidlich. Er iſt uͤberhaupt ein nettes Geſchoͤpf, haͤlt ſich immer reinlich, ſteigt am Tage nicht auf Tiſche und Stuͤhle oder in die Fenſter und erfreuet den Beſitzer durch ſeine außerordentlich abwechſelnden Stellungen und zierlichen Be— wegungen. Am ruhigſten verhaͤlt er ſich in den Mittagsſtunden, die er auch meiſtens ſchlafend hinbringt; gegen Abend wird er aber un— ruhiger und des Nachts, zumal bei Mondſchein oder in der Zugzeit, fliegt er oft ungeſtuͤm gegen die weiße Zimmerdecke, auch wol in die Fenſter, auf Tiſche und Stuͤhle; iſt das Zimmer und auch die Nacht recht dunkel, dann iſt er ruhiger, doch ohne zu ſchlafen. Die naͤcht— lichen Stoͤrungen abgerechnet iſt er in der That ein ſehr huͤbſcher Stubenvogel. Er liebt die Ofenwaͤrme, noch mehr aber die erwaͤr— menden Sonnenſtrahlen und laͤßt nicht leicht eine Gelegenheit vor— bei, ſich ſonnen zu koͤnnen, wobei er ſich oft ſehr behaglich auf den Boden hinſtreckt. Wenn man Maͤnnchen und Weibchen beiſammen im Zimmer hat, ſoll das erſtere im Fruͤhjahr auch ſchnaͤrpen. — Bei guter Pflege haͤlt ſich dieſer Vogel mehrere Jahre in der Stube. Am zahmſten werden die, welche man jung, ehe ſie fliegen koͤnnen, einfaͤngt; ſolche lernen ihren Waͤrter kennen, kommen ihm entgegen und nehmen ihm das Futter aus der Hand. Gegen andere Voͤgel ſind ſie, beſonders die Alten, in der Gefangenſchaft oft herrſchſuͤch— tig und beißig. Unter mehrern andern hatten wir ein Mal einen ſolchen in einem Gemach mit vielen andern droſſel-ſaͤnger- und fin⸗ kenartigen Voͤgeln zuſammen geſperrt, welcher ſolche von dieſen, welche etwa ermattet oder zufaͤllig auf den Fußboden kamen, nicht allein heftig hackte, ſondern ſogar mehrere nach einander todt biß, ihnen, ſonderbar genug, das Gehirn aus dem Kopfe hackte und dies ver— zehrte; ſogar naſchhafte Maͤuſe ſuchte er bei ſeinem Futtergeſchirr zu erwiſchen, und wir ſahen mehrmals welche, denen er den Kopf ab— geſchunden und das Gehien herausgeholt und verzehrt hatte. — Uiberhaupt bemerkten wir in dem Betragen dieſer Voͤgel mancherlei individuelle Verſchiedenheiten; mancher wurde bald und ſehr zahm, ein andrer blieb immer wild und ungeſtuͤm; der eine liebte dies, der XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wie ſenſumpfhuhn. 513 andere jenes Nahrungsmittel; einer badete ſich ſelten, ein anderer verlangte es taͤglich und dergl. mehr. Manche gewoͤhnen ſich ſo an die Stube, daß ſie bei offnen Thuͤren nicht hinaus gehen, oder wenn ſie dies gethan, ſogar freiwillig wieder zuruͤckkehren. Dieſe beſteht hauptſaͤchlich in Inſekten, deren Larven und Pup⸗ pen, in Wuͤrmern, namentlich Regenwuͤrmern und ganz kleinen Gehaͤusſchnecken, viel ſeltner auch in Saͤmereien, beſonders den Samen verſchiedener Grasarten. In den Magen von uns Goeoͤffneter fanden wir allerlei Käfer, vorzuͤglich Laufkaͤfer aller Arten, auch kleine Ruͤſſelkaͤfer und Roſen⸗ kaͤfer Melolontha horticula), viele Heuſchrecken, Spinnen, Weber: knechte (Opilio), Fliegen, Schnaken und mancherlei Inſektenlarven, welche immer mit Pflanzenfaſern untermiſcht waren, deren anſehn— liche Menge öfters vermuthen ließ, daß fie wol nicht bloß zufällig zwiſchen die Animalien gekommen ſein mochten. Grober Sand, kleine Steinchen bis zur Erbſengroͤße oder auch ganz kleine Schnecken— haͤuschen, eins oder das andere, fehlten ebenfalls nie darin. Zu— weilen fanden wir ihn großentheils mit Regenwuͤrmern angefuͤllt. Er mag die letztern ſehr gern freſſen, indem es Bechſtein, wie auch uns, vorgekommen iſt, daß ſie dem eben geſchoſſenen Wachtelkoͤnige aus dem Schlunde und Rachen herauf quollen, weil er eben eine tuͤchtige Mahlzeit davon zu ſich genommen haben mochte. Ein anderer, heftig verfolgt, trat, ganz gegen die ſonſtige Gewohnheit, am Rande des Graſes aufs Freie und ſpie haſtig einen ganzen Klumpen davon aus, vermuthlich um ſich leicht zu machen oder weil ihn die Angſt zum Vomiren brachte, ehe er auf und davon flog. Wenn dagegen auch Brehm einen ſolchen Vogel hatte, wel: cher nach 8 Tagen ſtarb, weil er bloß mit Regenwuͤrmern gefuͤttert wurde, ſo entkraͤftet dies die Wahrheit unſrer Behauptung nicht, daß die Mehrzahl dieſer Vögel in der Freiheit oft und viel Negen: wuͤrmer freſſe, wie denn auch ſchon an einem andern Orte, S. 153. u. f. des VII. Thls. dieſes Werkes, erwieſen wurde, daß ſolche In: dividualitaͤten unter Voͤgeln Einer Art zuweilen irrige Meinungen erwecken koͤnnen. g Da er in der Freiheit immer die groͤßte Auswahl unter den 9. Theil, 33 514 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. * verſchiedenartigſten Inſekten und Wuͤrmern hat und benutzt, an ſeinen Aufenthaltsorten auch uͤberall ſeine Tafel reich gedeckt findet, ſo braucht er deshalb niemals ausſchließlich eine einzige Art von Nahrungsmittel zu ſich zu nehmen, weil auch ſelten ein anderes ſo häufig beiſammen vorkoͤmmt als gerade die Regenwuͤrmer des Abends und die Naͤchte hindurch, welche deshalb zuweilen jene Ausnahme bewirken. Wie er alle Geſchaͤfte im Verborgnen treibt, ſo kann man ihn auch beim Aufſuchen ſeiner Nahrung nicht belauſchen. Daß er immer regen Appetit habe, zeigen Gefangengehaltene, wie die Wohl⸗ beleibtheit zu verſchiedenen Zeiten Geſchoſſener, namentlich aber, daß man ihn im Herbſt oft ganz außerordentlich fett findet. Von Saͤmereien fanden wir ſelten mehr als einzelne Körner zwi: ſchen der animaliſchen Koſt in ſeinem Magen; ſie ſcheinen ihm bloß ein Nothbehelf zu fein, obgleich manche Gezaͤhmte das Gegentheil ver— muthen ließen. — Bei dem allen trinkt er viel und nimmt auch alle Tage ein naſſes Bad, kann daher das Waſſer nicht wohl ent— behren, obgleich er gewohnt iſt an trocknen, oder doch bloß feuchten Orten ſeinen Wohnſitz aufzuſchlagen. In der Gefangenſchaft gewoͤhnt man ihn bald mit untermeng⸗ ten Inſekten und zerſchnittenen Regenwuͤrmern an ein beliebiges Stubenfutter, entweder an das bekannte Droſſelfutter (ſ. Thl. II. S. 64. d. Wks.), oder an das noch einfachere, aus in Milch oder auch nur in Waſſer eingeweichter Semmel oder Weißbrod beſtehende, welches er bald ohne jene genießen lernt und ſich wohl dabei be— findet. Daß man einem Vogel, welcher in freiem Zuſtande an ſo ſehr abwechſelnde Nahrungsmittel gewoͤhnt iſt, eine Guͤte erzeige, wenn man ihn recht oft von dieſen neben dem einfoͤrmigen Stuben: futter gaͤbe, laͤßt ſich leicht denken; der Gefangene zeigt auch ſelbſt darauf hin, indem er nebenbei auch zerſtreuete Brodkrumen, klein— geſchnittenes Fleiſch, auch gekochtes, Fettkluͤmpchen, hartgeſottene Eier, Reis, Hirſen, allerlei Grasſamen, Ruͤbſen, Hanf und ſogar Waitzen, je nach ſeiner individuellen Liebhaberei, frißt. Wir beſaßen einen ſolchen, welcher Waitzen ſehr gern und in Menge verſchluckte, beſonders wenn dieſer aufgequellt war. In der Stube faͤngt er gern Fliegen, die an ſeinen Napf kommen oder ſonſt nahe am Boden an den Waͤnden ſitzen, beſchleicht ſie, oder thut auch wol einen klei— nen Satz nach ihnen, wenn ſie ihm etwas zu hoch ſitzen und er ſie, trotz dem daß er ſich auf den Zehen erhebt und den Hals ganz ausreckt, wobei er außerordentlich ſchlank wird, nicht anders erreichen kann. Aus dem Waſſer nimmt er ungern Nahrungsmittel, geht aber alle XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 515 Augenblicke zu ſeinem Freßnapf, nimmt wenig auf ein Mal, wie⸗ derholt dies aber deſto oͤfterer. Er trinkt oft und viel, bedarf dazu öfters friſches Waſſer und verachtet das ſchmutzige. Wenn indeſſen mancher es gar nicht lange entbehren zu koͤnnen ſcheint, ſo beſaßen wir einſt einen, welchen wir faſt ganz erwachſen, mit vieler Muͤhe, unter Gerſtenſchwaden gefangen hatten und welcher ſehr zahm ge— worden war, dem es gar nicht unbequem zu ſein ſchien, wenn wir ihn verſuchsweiſe einen ganzen Tag lang durſten ließen. Brachte man ihm dann nach uͤberſtandener Probe friſches Waſſer, ſo ſetzte er ſich ſogleich hinein und badete ſich. Wenn er, wie gewoͤhnlich, ſolches taͤglich erhielt, badete er ſich auch alle Tage, machte ſich dabei ziemlich naß, ja am Kopfe und Halſe war dann das Gefieder mehrentheils ganz durchnaͤßt. Fort pf lian zung: Unſer Wachtelkoͤnig pflanzt ſich bei uns in ſchon oben befchrie: benen Lagen, namentlich zwiſchen dem Graſe der Wieſen, ſeltner im jungen Wintergetraide oder in Kleeſtuͤcken fort. Sonnige, blumenreiche, fruchtbare Wieſen, welche recht viel kraͤftiges oder das meiſte und beſte Heu geben, ſind ihm die liebſten; in ſauern Bruchwieſen, meiſtens mit dichtſtehenden Seggengraͤſern beſetzt, iſt er uns dagegen niſtend nicht vorgekommen, auch in zu ſehr von hohen Baͤumen be— ſchatteten, wenn auch ſonſt guten Wieſen, nicht. Solche, welche von fetten Waitzenfeldern begrenzt werden und obige Beſchaffenheit ha— ben, ſcheinen ihm die liebſten. Merkwuͤrdig iſt, daß dieſe Voͤgel in manchem Jahr in einer Gegend ziemlich haͤufig erſcheinen und niſten, in welcher ſie in einem andern Jahre gar nicht bemerkt werden. — Daſſelbe kann oft auch bloß von ihrem Durchzuge geſagt werden. — Sehr haͤufig mag dies von der Jahreswitterung im Allgemeinen, ob naſſer oder trock— ner, wol abhängen, jedoch nicht immer. Es kann dabei eben fo gut Vieles auf Rechnung ihres ſchlechten und unſtaͤten Flugs kom— men, der fie, durch widrigen Wind und andere unbekannte Urfa- chen, den vorjaͤhrigen Aufenthalt nicht ſo genau wiederfinden laͤßt und ſie veranlaßt, an einem andern nicht unpaſſenden zu bleiben. Der Zufall mag ſo auch oft bewirken, daß an manchen Orten, wo nur wenige Paͤaͤrchen zum Niſten Raum haben, mehrere zuſammen- 33* — 516 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. treffen, die jenen bald nachher weichen und entferntere Bruͤtorte auf- ſuchen muͤſſen. Durch das Schnaͤrpen verrathen die Männchen be- kanntlich ihre Ankunft im Fruͤhlinge; nach dieſer hoͤrten wir auf den Wieſen bei hieſigem Orte oft an einem Abende 3 bis 4 Maͤnn⸗ chen muſiciren, an einem der naͤchſtfolgenden wieder weniger, bis ſich ſpaͤter ergab, daß nur ein Paͤaͤrchen zum Niſten hier geblieben war; waͤhrend wir dagegen in mehrern nach einander folgenden Jahren nicht ein einziges, weder niſtend noch durchziehend, hier hatten. Man moͤchte faſt vermuthen, ſie haͤtten Vorempfindungen von der zukuͤnftigen Witterung des Sommers. So hatten wir auf den erwähnten Wieſen mehrere Jahre nach einander nicht ein ein— ziges Paar gehabt, als ſich im Fruͤhlinge 1837, obgleich dieſer noch eben ſo trocken war als viele vorhergehende, mehrere hoͤren ließen, zwei Paar dablieben und niſteten, und der Sommer dieſes Jah— res wurde darauf wirklich, wie keiner der zunaͤchſt vorhergehenden, ein naſſer. Daß jedes Paͤaͤrchen ſein beſtimmtes Niſtrevier habe, kann man, wenn die Zugzeit vorüber, deutlich an dem Schnaͤrpen des Maͤnn⸗ chens hoͤren; es hat jedoch, wo mehrere nahe beiſammen wohnen, keinen ſehr großen Umfang. Beim Uiberſchreiten der Grenzen von einem zum andern will man auch Kaͤmpfe der Maͤnnchen, mit einem haͤßlichen Geſchrei begleitet, vernommen haben. Die Stelle des Neſtes in einem ſolchen aufſuchen zu wollen, wuͤrde ohne beguͤnſti— genden Zufall reine Unmoͤglichkeit ſein. Dazu niſtet dieſe Art unter allen Landvoͤgeln, naͤchſt der Wachtel, am ſpaͤteſten, und erſt dann, wenn das Gras zu einer bedeutenden Hoͤhe aufgewachſen iſt und viele Grasarten ſchon zu bluͤhen anfangen, in zeitig warmen Fruͤhlingen nicht vor Ende des Juni, in vielen andern erſt im Juli. Wenn ſich das Maͤnnchen am lebhafteſten hoͤren laͤßt, naͤmlich von ſeiner Ankunft an ein paar Wochen hindurch, hat ſein Weibchen noch kein Neſt; ſondern dann erſt iſt dies zu vermuthen, wenn jenes nicht mehr ſo eifrig ſchnaͤrpt. Bald mitten auf einer großen Wie⸗ ſenflaͤche, bald naͤher am Rande, ſteht es ſtets an einem trocknen, aber von den Umgebungen nicht ausgezeichneten Orte, meiſt im tiefen Graſe verſteckt, und iſt demnach nur durch Zufall zu entdecken. Die allermeiſten dieſer Neſter werden erſt aufgefunden, wenn ſie beim Maͤhen der Wieſen die Senſe trifft, aber dann auch leider verflört. Hat dann das Weibchen die gehörige Anzahl Eier noch nicht voll, ſo begiebt es ſich an einen andern Ort, aus Mangel am Graſe oft in Kleeſtuͤcken und ins junge Getraide, um ein neues XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 517 Neſt zu bauen, zu legen und zu bruͤten, legt dann aber ſtets eine weit geringere Anzahl Eier als das erſte Mal. Die Jungen aus ſolchen verſpaͤteten Hecken ſind es vorzuͤglich, welche auf den Huͤh— nerjagden im September noch unerwachſen und ohne fliegen zu koͤn— nen oͤfters noch vorkommen. Waren die Eier des erſten Neſtes aber bereits dem Ausſchluͤpfen nahe, ſo macht es ſelten eine zweite Brut. Die Stelle des Neſtes wird durch Ausziehen der Grasſtoͤckchen und durch Kratzen napffoͤrmig vertieft und dann kunſtlos mit trock— nen Grashalmen, Grasblaͤttern, Moos und feinen Wurzelchen aus— gelegt, die bald häufiger, bald ſparſamer, einen mehr oder weniger tiefen Napf, aber ſtets nur ein ganz loſes Geflecht bilden. In den meiſten Faͤllen iſt es ſchlechter gebaut als das andrer Sumpfhuͤhner und des Waſſerrallen, was es aber am deutlichſten von allen dieſen unterſcheidet, iſt ſein trockner Standort, worin es eher einem Wachtelneſte aͤhnelt, dem jedoch ſein uͤbriger Ausbau zu fehlen pflegt. Die Zahl der Eier beim erſten Gelege alter Weibchen kann bis auf 12 ſteigen, gewoͤhnlicher findet man aber deren nur 7 bis 9, in einem zweiten Gelege oft nur 5 in einem Neſte. Dieſe Eier ähneln denen des Waſſerrallen ſehr, beſonders manche feiner und dunkler gefleckte Varietaͤten; gewoͤhnlich ſind ſie aber etwas groͤßer als dieſe. Von den Eiern andrer Sumpfhuͤhner unterſcheiden ſie ſich ſehr durch die hellere eigenthuͤmliche Farbe der Flecken. Sie ſind im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels etwas groß, gewoͤhnlich von einer ſchoͤnen Eigeſtalt, mit weniger Abwechslung in der laͤng— lichern oder kuͤrzern Form, meiſtens bis 18 Linien lang und 12 bis 33 Linien breit. Ihre ziemlich feſte Schale iſt von feinem Korn, glatt und ſchoͤn glaͤnzend, oft wie polirt; ihre Grundfarbe ein gelb— liches, unausgeblaſen und noch nicht ſtark bebruͤtet, mehr oder we— niger ins Gruͤnliche ſpielendes Weiß, das ſich in Sammlungen bald in ein reines Gelbweiß oder ein angenehmes Roͤthlichgelbweiß ver— wandelt, ſo daß vom Gruͤnen nur inwendig, wenn man die Schale gegen das Licht haͤlt, ein ſchwacher Schein bleibt. Die Farbe der Zeichnungen, in Flecken oder Punkten, iſt im friſchen Zuſtande dunkler oder hervorſtechender, und wird nach dem Ausblaſen, noch mehr ſpaͤter in den Sammlungen, lichter, bleibt aber nicht minder angenehm, ſo daß ſie zu den ſchoͤnſten, aber der Verſchiedenheit der Zeichnungen wegen auch zu den wandelbarſten Eiern gehoͤren. Die Zeichenfarbe unter der Oberflaͤche der Schale iſt ein angenehmes Violettgrau, das ſich jedoch meiſtens bloß am ſtunpfen Ende in ein— zelnen Flecken, uͤbrigens in wenigen feinen Puͤnktchen zeigt; die auf 518 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. der Oberflaͤche ein ſchoͤnes helles Rothbraun, das bei ausgeblaſenen noch lichter, ein angenehmes Zimmtbraun und bis in ſchoͤne Roſt⸗ farbe verwandelt wird. Von dieſen kommen nun groͤßere und kleinere Punkte, Klexe und verſchieden geſtaltete, doch mehr abge: rundete als gezackte, Flecke von verſchiedener Groͤße vor, die bald ſehr einzeln, auch nie ſehr haͤufig als etwa am ſtumpfen Ende, bald groͤßer oder kleiner vorkommen. Oft hat ein ſolches Ei lauter große und kleine Punkte und nur einige große Flecke, ſogar zuweilen nur einen einzigen ſehr großen Fleck von dieſer Farbe, waͤhrend die uͤbrige Zeichnung nur in unbedeutenden und ſparſam vertheilten Punkten beſteht. Die allermeiſten dieſer Eier ſind am ſtumpfen Ende ſtaͤrker oder dichter mit Flecken oder Punkten bezeichnet als an den uͤbrigen Theilen, zumal der Spitze, aber zu einem Kranze gehaͤufte Flecke an jenem kommen ſelten vor. Das Weibchen zeigt eine große Anhaͤnglichkeit an ſeine Eier, zumal wenn es ſchon laͤngere Zeit gebruͤtet hat, und laͤßt ſich zu— weilen, wenn man das Neſt weiß und ſich behutſam naͤhert, mit der Hand von demſelben wegnehmen, ſcheuet ſogar das Rauſchen der ſich nahenden Senſe nicht, ſo daß es dieſe oft trifft und ihm nicht ſelten den Tod bringt. Die Bruͤtezeit dauert 3 Wochen. Sobald die ſchwarzwolligen Jungen abgetrocknet ſind, kaum einen Tag nach dem Ausſchluͤpfen, verlaſſen fie das Neſt für immer und die ſorg— ſame Mutter verſammelt ſie, bald hier, bald da, an einem ſichern Plaͤtzchen oͤfterer unter ihre Fluͤgel, wo ſie dann bei Uiberraſchungen ſchnell auseinander ſtieben und in allen Richtungen, wie Maͤuſe, ein Stuͤck im Graſe fortlaufen, ſich verkriechen und ſtill niederdruͤcken. Verlieren ſie, wenn ſie nur erſt wenige Tage alt, die Mutter, ſo hoͤrt man ſie nach einigen Stunden, wenn Alles um ſie her ſtill, dieſe aͤngſtlich rufen. Dieſe Stimme klingt genau wie das Schil— ken junger Hausſperlinge, aber ſie unterlaſſen es zu ſchreien, ſobald ſie ein Geraͤuſch in der Naͤhe vernehmen; wenn ſie groͤßer werden und Federn bekommen, verliert ſich dies Schilken ganz. In zarter Jugend Eingefangene ſchreien auch, wenn ſie hungern, doch ſelten. Wenn dieſe Jungen ziemlich erwachſen, aber noch nicht flugbar, find fie faſt noch ſchwerer zu erhaſchen als früher; in ganz niedergedruͤckter, wagerecht lang ausgedehnter Stellung laufen ſie mit großen Schritten ſo ſchnell auf dem Boden unter dem Graſe hin, daß man bald ihre Spur verliert; ſteht das junge Gras zu dicht, wie oft auf den fetten Grummetwieſen, oder hat es ſich gar gelagert, dann gerathen fie bei ſolchem Fortrennen zuweilen oben XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 519 auf das Gras und es ſieht poßierlich aus, wie ſie ſich, einem Maul⸗ wurf aͤhnlich, augenblicklich wieder hinein wuͤhlen und wieder unter dem Schutze deſſelben weiter zu kommen ſuchen. Auch unter Ger: ſten⸗ oder Haferſchwaden angetroffene Junge von jener Groͤße ſind, obgleich ſie nicht wegfliegen koͤnnen, nur mit vieler Muͤhe und kaum von einem einzelnen Menſchen zu erhaſchen, weil fie alle Augen: blicke wie verſchwunden ſcheinen, und waͤhrend man ſie an der Stelle, wo ſie unterkrochen, zu ergreifen gedachte, ſie bereits weit davon wieder nur augenblicklich zum Vorſchein kommen u. ſ. w., ſogar ein Hund muß ſehr raſch ſein, wenn er ſie in ſolchen Faͤllen fangen will. Dies geſchieht zwar oͤfter, aber nur wenn er ſie uͤberrumpelt, ſeltner wenn er ſie vorbereitet und eben an ſolchen Orten antrifft, wo ſie ungeſehen ſchnell weglaufen koͤnnen, und wenn er ſich dabei mehr der Augen als der Naſe bedient. Die Jungen aus verſpaͤteten Bruten trifft nicht ſelten noch, bevor ſie fliegen koͤnnen, das Ungluͤck, daß ſie beim Abmaͤhen des Grummets ihren ſichern Aufenthalt verlieren, wobei denn manches untergeht. In Jahren, wo die Erndte ſich ſpaͤter hinaus zog, haben wir noch um die Mitte des Septembers Junge in den Wieſen ans getroffen, welche noch nicht fliegen konnten. Feinde. Sehr ſelten erwiſcht den immer im Verborgenen lebenden Wach⸗ telkoͤnig ein Raubvogel, weniger ſelten wird noch das brütende Weib» chen von den Weihen vom Neſte hinweg genommen und hinterher auch die Eier aufgefreſſen; auch Raben, Kraͤhen und Elſtern rauben dieſe, wenn das Weibchen nicht uͤber ihnen liegt. Unter den Saͤugethieren ſchleichen dieſen Voͤgeln Fuchs, Iltis, Wieſel und Katze nach, fangen manchen weg, beſonders die Jungen, oder ſchluͤrfen ihnen die Eier aus. Ein Hauptfeind iſt dieſen Voͤgeln der Miher, deſſen Senſe ihm, wo nicht das Leben raubt oder ſeine Brut vernichtet, doch ſeine Sicherheit gewaltig gefaͤhrdet. Beim Abmaͤhen der Heuwieſen werden alle Jahr ſo viele Neſter zu Grunde gerichtet, daß es gar nicht zu verwundern iſt, wenn ſich dieſe Voͤgel, obgleich ſie ſo viele Eier legen, nicht ſtaͤrker vermehren. Zudem werden die bruͤtenden Weibchen gar nicht ſelten von der Senſe getroffen und toͤdtlich ver⸗ 520 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wiefenfumpfhuhn. wundet; uns ſind Beiſpiele bekannt, wo ein ſolches durch und durch in zwei Haͤlften zerhauen war, ein anderes an der Senſenſpitze ſteckend und zappelnd den Geiſt aufgab, ein drittes rein gekoͤpft wurde, u. ſ. w. Da ſie gerade in der Heuerndte noch legen oder bruͤten, ſo gehen eine große Menge oder vielmehr die meiſten Neſter zu Grunde, weil ſich auch das Heumachen, nach der fruͤher oder ſpaͤter eintretenden Fruͤhlingswaͤrme richtet und faſt immer mit dem Niſten diefer Voͤgel zuſammentrifft. In ſeinem Gefieder hauſet ein Schmarotzerinſekt, zu den Fe⸗ derlingen gehörig, von Nitzſch Philopterus attenuatus genannt; in ſeinen Eingeweiden ein zur Gattung: Ascaris gehoͤriger Wurm. Jag d. Dieſen Vogel im Sitzen ſchießen zu wollen, moͤchte aͤußerſt ſelten gelingen, weil er ſich kaum jemals auf dem Freien ſehen laͤßt und, wenn dies ſich wirklich ereignet, ſich dann doch nur laufend zeigt und alſo im Laufen geſchoſſen werden muͤßte. Viel gewoͤhnli⸗ cher ſchießt man ihn im Fluge, und weil dieſer matt, niedrig und geradeaus geht, gehoͤrt wenig Geſchicklichkeit dazu, ihn jedes Mal zu treffen. Er fliegt zwar zuweilen zufaͤllig vor den Fuͤßen des Ankommenden heraus; da dies jedoch aͤußerſt ſelten koͤmmt, ſo laͤßt man ihn lieber vom Huͤhnerhunde aufſtoͤbern, indem ihn dieſe ſehr gern aufſuchen und, wenn ſie raſch, oft im Herausfliegen aus der Luft wegſchnappen. Er fliegt nie weit weg, verbirgt ſich dann aber noch beſſer und iſt viel ſchwerer zum Auffliegen zu bewegen als das erſte Mal. Auf dem Abſuchen nach Rebhuͤhnern und Wach— teln inden Grummetwieſen, den Klee» oder Kartoffelſtuͤcken oder im niedern Gebuͤſche, alles an etwas feuchten Orten, wird er am haͤufigſten, jedoch meiſtens zufaͤllig geſchoſſen. Zu fangen iſt er ſehr leicht in La ufdohnen, welche man in ſeine glatt gelaufenen Gaͤnge, beſonders an und durch Gebuͤſche, ſtellt. Sie ſind wie die fuͤr Rebhuͤhner, nur etwas ſchwaͤcher ge— macht und etwas niedriger geſtellt; er fängt ſich aber auch zufällig oft in den für jene geſtellten, wie in Steckgarnen und Garn: ſaͤcken, und kann auch, wiewol nur unter guͤnſtigen Umſtaͤnden, vor dem vorſtehenden Hunde mit dem Tiraß gefangen werden (ſ. Thl. VI. S. 527. 534. 535. und 537.). XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. 521 Zufaͤllig wird mancher Vogel dieſer Art beim Aberndten des Graſes oder Getraides gefangen, entweder, wie geſagt, von der Senſe getroffen, oder durch das Abmaͤhen mit Gewalt aufgeſcheucht und, wenn er ſich dann unter einen Haufen oder Schwad fluͤchtete, mit den Haͤnden hervorgezogen. Das Maͤnnchen durch das auf einem Kamme u. ſ. w. nach⸗ geahmte Schnaͤrpen anzulocken und im Steckgarne auf die Art wie das Wachtelmaͤnnchen (ſ. Thl. VI. S. 609.) zu fangen, haben wir nicht verſucht, zweifeln aber nicht am Gelingen ſolcher Fangeart. R Der Wachtelkoͤnig oder das Wieſenſumpfhuhn hat ein fehr zar⸗ tes und wohlſchmeckendes Fleiſch, und da er meiſtens fett, im Herbſte oft ſehr feiſt iſt, fo giebt er einen vortrefflichen Braten. Auch die Eier ſollen ſehr ſchmackhaft ſein. Daß er durch Wegfangen vieler den Wieſen nachtheiliger In⸗ ſekten, welche er bei ſeiner Gefraͤßigkeit in großer Menge vertilgt, uns am meiſten nuͤtze, leidet wol keinen Zweifel. b i e, en. Nachtheilig wird uns dieſer bloß nützliche Vogel auf keine Weiſe. 522 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 266. Wieſenſumpfhuhn. Zweite Familie. Sumpfhuͤhner mit niedrigerem und ſchlankeren Schna⸗ bel, und mit laͤngern Zehen. Sie leben an naſſen und waſſerreichen Orten, in Bruͤchern, an Teichen und Gräben, an und in welchen viel Seggenſchilf (Carex), Binſen und hohe Graͤſer wachſen, worin ſie ſich verborgen halten; bauen hier beſſere, vom Waſſer umgebene, oder auf Schilfbuͤſcheln uͤber demſelben angebrachte Neſter; und kommen nur im hoͤchſten Nothfall, in der Zugzeit, zuweilen im Walde oder in Getraide⸗ feldern vor. Sie ſchwimmen oft, auch ungezwungen, und ſetzen ſich auch zuweilen auf Baumzweige. Die Weibchen haben, mit denen aller naͤchſtfolgenden Fuli⸗ carien, die Gewohnheit, wenn ſie auf dem Neſte ſitzen, legen oder brüten, die über ihren Kopf hinaus ragenden Spitzen der Gras: oder Schilfblaͤtter herabzubiegen, auch wol einzuknicken, um ſich und das Neſt den ſpaͤhenden Blicken uͤberhinſtreichender Raubvoͤgel eini⸗ germaßen nicht ganz bloß zu ſtellen. 267. Das geſprenkelte Sumpfhuhn. Crex porzana. Lichtenst. Fig. 1. Männchen im Frühling. Taf. 237. | Fig. 2. Weibchen im Herbſt. Punktirtes —, geflecktes —, mittleres Rohrhuhn; Grashuhn, Grashennel; geſprenkeltes —, geflecktes —, getuͤpfeltes —, punktir⸗ tes —, kleines Waſſerhuhn; punktirtes Meerhuhn; Muthhuͤhnchen; mittlere —, kleinere —, kleine europaͤiſche Waſſerralle; Wieſen⸗ ſchnarre; Heckenſchnarre; Eggeſcher; Weinkernell, Winkernell, Wyn— kernnel, Matkern, Matknelzel, Makoſch; bei hieſigen Jaͤgern: klei⸗ nes Waſſerhuͤhnchen. Crex porzana. Kaup, das Thierreich, II. S. 346. — Gallinula porzana, Lath. Ind. II. p. 772. n. 19. = Nilsson, Orn, suec, II. p. 114. n. 190. Ral- dus Porzana. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 712. n. 3. — Retz. Faun, suec, p. 202. u. 177. = Le petit Rale d’eau ou la Marouette. Buff. Ois. VIII. p. 157. — Edit. de Deuxp. XV. p. 194. - Planch. enl. 751. - Gerard. Tab. elem, II. p. 253. - Poule d’eau Marouelte. Temm. Man. nouv. Edit, II. p. 688. Spotted Gallinule. Lath. Syn. V. p. 264. u. 18. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. ©. 233. n. 15. - Bewick, brit. Birds. II. p. 10. — Gallinella aquatica o sutro. Stor. deg. Ucc. V. Tav. 484. Voltolino. Savi, Orn. tosc. II. p. 376. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 478. — Deſſen, Taſchenb. II. S. 339. u. 1. Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 412. - Meyer, Vög. Liv⸗ und Eſthlands, S. 216. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz, S. 239. n. 221. - Koch, Baier. Zool. I. S. 345. n. 216, — Brehm, Beitr. III. S. 586. - Deſſen, Lehrb. II. S. 638. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchl. S. 696 — 699. —= Gloger, ſchleſ. Faun. S. 51. n. 226. — Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 67. n. 239. — Friſch, Vög. Taf. 211. — Naumann's Vög., alte Ausg. III. S. 155. Taf. XXXI. Fig. 42. (Weibchen im Frühling). 5 Kennzeichen der Art. Hauptfarbe: Olivenbraun; der Hintertheil und die Seiten des Halſes auf dunklem Grunde weiß punktirt. Wachtel-Groͤße. 524 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. Beſchreibung. Dieſes aͤchte Sumpfhuhn unterſcheidet ſich, bei vieler Aehnlich— keit der Faͤrbung und Zeichnungen, ſehr leicht durch die bedeuten— dere Groͤße von den beiden naͤchſtfolgenden Arten, im Gegentheil durch mindere Groͤße und eine ganz andere, dunklere Faͤrbung von der vorhergehenden. Es iſt in allen Kleidern ſehr ausgezeichnet durch die zahlloſen weißen Punkte und Spritzfleckchen, mit welchen ſaͤmmt— liche ſehr dunkel gefaͤrbten obern Theile des Vogels gleichſam uͤber— ſtreuet ſind, wozu auch Kopf und Hals gehoͤren, die bei Crex pusilla und Cr. pygmaea nie ſolche Zeichnung haben. Es hat ohngefaͤhr die Groͤße unſrer Wachtel oder uͤbertrifft darin dieſe nur etwas; der laͤngere Hals, die laͤngern Beine und auch der von den Seiten außerordentlich zuſammengedruͤckte Rumpf, geben ihm indeſſen wo nicht ein groͤßeres Ausſehen, doch eine ganz andere Geſtalt, wie denn auch das Gewicht beider Voͤgel im Durch— ſchnitt ziemlich daſſelbe iſt. Seine Lange beträgt 8 bis 9 Zoll; die Flugbreite 15 bis 16½ Zoll; die Länge des Fluͤgels vom Handgelenk bis zur Spitze 5 ¼ Zoll, die des Schwanzes 2¼ Zoll. Zwiſchen den Alten und den flugfaͤhi— gen Jungen findet ein bedeutender Unterſchied in der Groͤße Statt, wie ſich denn auch einzelne Alte darin noch beſonders auszeichnen und auch die Maͤnnchen ſtets merklich groͤßer als die Weib— chen ſind. Die Fluͤgel ſind kurz, breit, gewoͤlbt, vorn zugerundet, am Hinterrande ſichelfoͤrmig ausgeſchnitten, wodurch eine hintere Fluͤ— gelſpitze entſteht, welche bei zuſammengelegtem Fluͤgel ſo lang als die vierte oder fuͤnfte der vordern Schwingfedern iſt und aus 4 bis 5 lanzettfoͤrmig zugeſpitzten Federn beſteht, waͤhrend alle uͤbrigen Schwingfedern zugerundet ſind, ſaͤbelfoͤrmig nach hinten gebogene ſchwache Schaͤfte und ſchlaffe Fahnen haben, und unter ihnen die allererſte bedeutend kuͤrzer als die zweite, und dieſe gewoͤhnlich die laͤngſte iſt. Sie decken, in Ruhe liegend, zwei Drittheile des kur— zen, ſchmalen, gewoͤlbten, zugerundeten und zwoͤlffederigen Schwan— zes, deſſen ſchmale Federn nach außen ſtufenweis an Laͤnge abneh— men, fo daß die aͤußerſte 6 bis 8 Linien kuͤrzer als eine der mittel— ſten iſt. Er wird von den langen Deckfedern, zumal von unten her, großentheils verdeckt. Das uͤbrige Gefieder iſt nicht beſonders reich, aber am Rumpfe ziemlich lang, obgleich ſchmal, die Umriſſe, XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 525 wegen geringen Zuſammenhangs der Fahnen, etwas undeutlich, im Ganzen Alles ſeidenweich (auch etwas fettig) anzufuͤhlen. Der Schnabel iſt, im Verhaͤltniß zur Koͤrpergroͤße, bedeutend kleiner als der des Wieſenſumpfhuhns oder Wachtelkoͤ— nigs, bei juͤngern Voͤgeln noch merklich ſchwaͤcher als bei alten, hat aber im Uibrigen ganz die Geſtalt wie bei jenem; es bedarf deshalb keiner wiederholenden Beſchreibung. Er iſt 9 bis 9½ Linien lang, an der Wurzel 4 Linien hoch, aber nur etwas uͤber 2 Linien breit. Von Farbe iſt er nach Alter und Jahreszeit ziemlich verſchie— den, immer jedoch an der Stelle, wo er merklich zwiſchen die Stirn- federn eindringt, ins Roͤthlichgelbe ziehend; bei erwachſenen Sun: gen gruͤngelblichgrau, oben und ſpitzewaͤrts braͤunlich, vor der Stirn ſchwach orangeroͤthlich; bei alten Herbſtvoͤgeln ebenſo, doch mehr ins Gelbe ziehend und vor der Stirn roͤthlicher, beſonders bei den Maͤnnchen; im Fruͤhlinge noch gelber und vor der Stirn lebhaft gelbroth, auch an der Wurzel der Unterkinnlade ein ſtarker Anſtrich von dieſer Farbe; daher bei recht alten Maͤnnchen in der Be gattungszeit die Hauptfarbe ein ziemlich reines Zitronengelb, an der Spitze wenig braͤunlich uͤberlaufen, vor der Stirn ſehr lebhaft, an der Wurzel der Unterkinnlade aber etwas blaſſer gelbroth, das oben eine kleine rothe Stirnblaͤſſe bildet. Der innere Schnabel iſt ſchmutziggelb, Rachen und Zunge, welche ſchmal und ſehr weich, gelbroͤthlichweiß. — Im getrockneten Zuſtande werden jene Farben in ein ſchmutziges Gelbbraun verwandelt und auch bei alten Früh: lingsvoͤgeln bleibt kaum eine Spur von Roth vor der Stirn. Das kleine Auge hat in der Jugend einen hell graubraunen, im Alter einen lebhaft hellbraunen, faſt zimmetbraunen Stern, und grauweiß befiderte Lider. Die Fuͤße ſind, im Verhaͤltniß zur Groͤße des Koͤrpers und mit denen des Wieſenſumpfhuhns verglichen, groͤßer und haben bedeutend laͤngere Zehen, ſonſt aber eine aͤhnliche Geſtalt, uͤber der Ferſe eine nackte Stelle, ſtarke Gelenke, ſtark zuſammengedruͤckte Laͤufe, lange, ſchlanke, ſchmale Zehen ohne Spannhaͤute, eine ziem⸗ lich kleine, ſchwaͤchliche, uͤber dem gemeinſchaftlichen Zehenballen eingelenkte Hinterzeh, alles mit einer ſehr weichen Haut uͤberzogen, welche auf den Zehenruͤcken und dem Spann in große, an der Lauf⸗ ſohle in kleinere Schilder, in den Zwiſchenraͤumen netzartig und an den Zehenſohlen fein chagrinartig zerkerbt iſt. Die Krallen ſind klein, ſchmal, flach gebogen, ſcharfrandig und ſehr ſpitz. Von dem Fer⸗ ſengelenk an iſt die Schiene 3½ Linien nackt; der Lauf 1 Zoll 526 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 4 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, I Zoll 7 Linien und die Hinterzeh, mit ihrer 1½ Linien langen Kralle, 6 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt bei den Alten ein ziemlich lebhaftes Gruͤn, meiſtens ins Gelbliche, an den Gelenken aber ins Blaͤuliche ziehend, und dieſe Faͤrbung am lebhafteſten im Fruͤhjahr; bei den erwachſenen Jungen matter und ſchmutziger, hell gelblichgraugruͤn, an den Gelenken am gelblichſten, an den Zehenſohlen in Roͤthlich— grau uͤbergehend; die Krallen bei dieſen lichtbraun, bei jenen auch wenig dunkler. — Im Tode wird die Haut an den Beinen bald welk und ihre Faͤrbung verliert ſehr an Schoͤnheit; im getrockneten Zuſtande verwandelt ſich das Gruͤn in ein unſcheinliches, dunkles, ſtellenweis auch lichteres Braun, meiſtens ohne alle Spur von Gruͤn. Die Jungen in ihrem Neſt- oder Dunenkleide ſind in einen dichtſtehenden, zarten, durchaus kohlſchwarzen Flaum gekleidet; ihr Auge hat einen weißgrauen Stern; ihr ſehr kleines Schnaͤbel⸗ chen iſt roͤthlichweiß, ihre Fuͤßchen ebenſo gefaͤrbt, doch ein wenig grau uͤberlaufen. Sie aͤhneln darin denen des Wieſenſumpf— huhns bis zum Zäufchen. Ihr Jugendkleid, oder erſte Befiederung, ſobald es voͤllig hergeſtellt, hat folgende Faͤrbung: die Federn auf dem Oberkopf, in einem ſchmalen Streif von der Stirn bis auf das Genick, ſind ſchwarz, mit großen olivenbraunen Seitenflecken; vom Mundwinkel nach dem Auge zieht ein ſchwaͤrzlicher Schatten, uͤber ihm ein weiß⸗ licher, gegen das Auge in einen gelbbraͤunlichen Fleck uͤbergehender, auch an der Ohrgegend zeigt ſich ein Anſtrich von Gelbbraun; vor ihm iſt die Wange dunkelgraubraun, grauweißlich geſcheckt; die Kehle iſt ſchmutzig weiß oder nur weißlich, braungrau beſpritzt; hin— ter dem Auge und uͤber dem Ohre ein an den Halsſeiten allmaͤhlich verlaufender, breiter Streif mattſchwarz, hellweiß getuͤpfelt; Hinter⸗ hals und Oberruͤcken olivenbraun, ſchwarz gefleckt, mit zerſtreueten weißen Punkten beſetzt; die Schulterfedern ſchoͤn olivenbraun, mit großen ſchwarzen Schaftflecken (eigentlich ſchwarz, mit breiten oliven⸗ braunen Kanten), und blaͤulichweißen, haͤufig ſchwarz begrenzten Tuͤpfeln und Strichen im Olivenbraun an den Seiten der Federn; Unterruͤcken und Buͤrzel ſchwarz, etwas olivenbraun gefleckt und weiß beſpritzt; die Oberſchwanzdeckfedern ſchwarz, olivenbraun ge— kantet und mit hellweißen Seitenſtrichen, die an den Außenfahnen der uͤbrigens ganz gleich gefaͤrbten Schwanzfedern wurzelwaͤrts bloß als ein feines weißes Gekritzel erſcheinen. Der Oberfluͤgel iſt oliven⸗ XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 527 braun, ſparſam weiß bepunktet und die großen Deckfedern mit hell⸗ blaͤulichweißen, meiſt ſchwarz begrenzten oder beſchatteten winkelichten Strichen und Tuͤpfeln; die hintern Schwingfedern auf der hintern Kante hell olivenbraun und ungefleckt, auf der vordern meiſt ſchwarz, mit blaͤulichweißen Querſtrichen, auch Zickzacks und Laͤngelinien ſehr fein, aber nicht dicht bezeichnet; die mittlern und großen Schwingen dunkelbraungrau, auf der Außenfahne olivenbraun uͤberlaufen, die Außenkante der vorderſten und der Fluͤgelrand hell weiß; die un- tern Fluͤgeldeckfedern matt ſchwarz, weiß gebaͤndert; die Schwingen auf der untern Seite ſehr dunkel und glaͤnzend aſchgrau. Gurgel und Kropfgegend ſind duͤſter olivenbraungrau, matt weiß gefleckt; Bruſtfeiten und die Tragefedern olivenbraun, matt ſchwarz gefleckt und gebaͤndert, mit weißen Querflecken und Querbaͤndern unregel⸗ mäßig durchzogen; die Stelle über den Schenkeln und an den Bauch- feiten matt ſchwarz, roſtgelb gefleckt; die Schenkelbefiederung nach außen ſchwarzgrau, nach innen, nebſt der Mitte des ganzen Unter: koͤrpers roſtgelblichweiß, nur am After etwas ſchwarz gefleckt, die langen Unterſchwanzdeckfedern ſchoͤn roͤthlich roſtgelb und ohne alle Flecke. — Maͤnnchen und Weibchen ſind wenig verſchieden, an dem letztern, ſtets etwas kleinern, find die Querbinden an den Trage: federn etwas ungeregelter, die Dunkeln meiſtens ohne Schwarz, auch ſind Gurgel und Kropfgegend etwas lichter gefaͤrbt. Fruͤher oder ſpaͤter ausgebruͤtet erhalten dieſe Voͤgel mit Ende des Auguſt oder des September ihr erſtes Herbſtkleid, das dem vorigen aͤhnlich, doch an den obern Theilen von einer ſchoͤnern und dunklern Hauptfarbe, mit ſchwachem gruͤnlichen Seidenglanze, und mit noch mehrern weißen Punkten und Strichen beſtreuet iſt, welche meiſtens ſchwarz eingefaßt ſind und deshalb noch mehr von der Grundfarbe abſtechen. Das Kinn iſt weiß; Kehle und Gurgel olivenbraungrau, dicht weiß punktirt; weiter abwaͤrts bis auf die Oberbruſt und Seiten derſelben dieſe Grundfarbe etwas bleicher, die weißen Tuͤpfel aber groͤßer und an den letztern in Querflecke uͤber⸗ gehend; die Mitte der Unterbruſt und des Bauches weiß, welches an den langen Unterſchwanzdeckfedern in ein angenehmes roͤthliches Roſtgelb uͤbergeht; die Tragefedern, Fluͤgel und Schwanz wie ſchon beſchrieben. — Das Weibchen unterſcheidet ſich wie im vorigen Kleide, auch an dem ausgebreitetern Weiß der Kehle. Die Alten in ihrem Herbſtkleide unterſcheiden ſich von denen, welche es zum erſten Male tragen, bloß an dem ſchoͤnern Gruͤn der Beine, dem mehrern Gelb des Schnabels und durch die 528 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. orangerothe Wurzel deſſelben; dieſe Theile haben eine kaum weniger lebhafte Faͤrbung als im Fruͤhjahr; auch zeigt die anſehnlichere Größe leicht den aͤltern Vogel an. Manche, beſonders die Maͤnn⸗ chen, haben gewöhnlich auch über den Augen einen ſtarken An: ſtrich von Schiefergrau, welchen kein junger Herbſtvogel aufzu⸗ weiſen hat. | Das Fruͤhlingskleid ift ziemlich verfchieden, doch am aufs fallendſten nur am Kopfe und Halfe. Das alte Maͤnnchen hat darin einen ſchoͤn zitronengelben, nur an der Spitze etwas ſchmutzi⸗ ger gefärbten, vor der Stirn aber hochgelbrothen und an der Wur⸗ zel der Unterkinnlade orangegelben oder roth angeflogenen Schnabel, und ſchoͤn hellgruͤne, an den Laͤufen maigruͤne oder ins Gruͤnlichgelbe fpielende Füße Von der Schnabelwurzel zieht ein breiter braun: lichweißer, dicht vor dem Auge zimmtbrauner Streif; vorn und oben neben der Stirn iſt dieſer von einem laͤnglichen Fleckchen, unten von einem, von der untern Schnabelwurzel und dem Mundwinkel bis zum Auge und noch etwas unter demſelben hin, ſich ausdehnenden breiten Streif begrenzt, beide von ſammetſchwarzer Farbe; dicht unter dem Auge ſteht noch ein braͤunlichweißes, uͤber ihm ein zimmt: braunes Fleckchen; die Wangen ſind weißbraͤunlich, etwas zimmt— und dunkelbraun gemiſcht; die Mitte der Stirn und faſt der ganze Oberkopf, die Mitte des Kinns (deffen Seiten ſchwarz), die Kehle, der Vordertheil der Wangen und der Anfang der Gurgel ſchoͤn hell ſchiefergrau oder blaͤulichaſchgrau, das ſich allms hlich auf der Unter: gurgel in das bis auf die Oberbruſt hinab und an den Halsſeiten herrſchende braͤunliche Olivengrau ſanft verliert; letzteres iſt dazu mit zahlloſen weißen Tuͤpfeln und Punkten uͤberſaͤet, von denen viele von einer dreieckigen oder herzfoͤrmigen Geſtalt und die meiſten an ihrer obern Seite von einem ſchwarzen Striche oder Punkte be— grenzt ſind, und ſich gegen die rein hell ſchieferfarbige Kehle als feine weiße Puͤnktchen verlieren, auf der Oberbruſt aber, ohne ſchwarze Begrenzung, und auf der matt verlaufenden Grundfarbe zu groͤßern weißen Querflecken werden. In der Mitte des Hinterſcheitels faͤngt ein dunkeles Olivenbraun, mit ſchwarzen Schaftflecken und weißen Tuͤpfeln an, und zieht ſich auf dem Hinterhalfe hinab; der Ober— ruͤcken und die Schultern ſind dunkel olivenbraun, mit ſehr großen tieffchwarzen Schaftflecken und ſehr vielen ſchneeweißen oft eckigen, auch mondfoͤrmigen Tuͤpfeln und feinen Laͤngeſtreifchen, die zum Theil auf einer, zum Theil auf zwei Seiten von einer tiefſchwarzen Zeichnung begrenzt werden und an den Raͤndern der Federn ſtehen; XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 529 der Unterruͤcken und Buͤrzel iſt ſchwarz, olivendraun gefleckt, wenig weiß beſpritzt; die Oberſchwanzdecke und der Schwanz ſchwarz, mit olivenbraunen ſehr breiten Federkanten und dieſe weiß getuͤpfelt, auch mit einzelnen kurzen weißen Strichen bezeichnet. Der Oberfluͤgel iſt etwas lichter olivenbraun als die Schultern, auch mit wenigern weißen, ſchwarz begrenzten Zeichnungen, doch die hintern Schwin— gen wie die Schulterfedern, alles Uibrige des Fluͤgels aber wie oben beſchrieben. Die Tragfedern ſind mit olivenbraunen, ſtark ſchwarz ſchattirten und mit weißen Querbaͤndern abwechſelnd durchzogen, doch ſind dieſe zackicht, verſchiedentlich gebogen und ziemlich unregel— mäßig, neben dem Bauche faſt nur ſchwarz und weiß; die Unter— ſchenkel auf der Außenſeite ſchwarzgrau, mit einzelnen weißen Quer: ſtrichen, auf der innern Seite, wie die Milte der Unterbruſt und des Bauches weiß; die langen untern Schwanzdeckfedern ſchoͤn dun⸗ kelroſtgelb. Das gleichalte Weibchen unterſcheidet ſich von ſeinem Maͤnn⸗ chen durch eine im Allgemeinen mattere Färbung, durch weniger zahlreiche weiße Zeichnungen, die beſonders bei manchen auf den kleinen und mittlern Oberfluͤgeldeckfedern ganz fehlen, deren Grund— farbe auch um Vieles lichter als die des Oberruͤckens iſt; durch das weniger am Unterhalſe ausgedehnte, überhaupt viel mattere Schie= fergrau des Vorderkopfs und das wenigere Schwarz in der Gegend der Zügel; auch die obere Schwanzdecke hat weniger weiße Zeichnun— gen und die Schwanzfedern faſt gar keine. Zu dieſem allen auch ſeine geringere Groͤße in Betracht genommen, wird es nicht ſchwer, es auch ohne anatomiſche Huͤlfe von dem Maͤnnchen zu unterſchei⸗ den, zumal es auch an der Schnabelwurzel weniger und bleicheres Roth hat, die Schnabelſpitze ſtaͤrker in Braun uͤbergeht und die gelbe Hauptfarbe etwas ins Gruͤnliche zieht. Im Laufe des Sommers verſchlechtert ſich das zarte Gefieder dieſer Voͤgel ſehr durch Abbleichen der Farben und durch Abſtoßen der Federraͤnder, wodurch viele der feinen weißen Zeichnungen ver⸗ loren gehen; das ſehr abgeſchabte Gewand iſt dann viel weniger weiß geſprenkelt als es im friſchen Zuſtande war, und dies ſonſt ſo eigenthuͤmlich gezeichnete Sumpfhuhn hat ſehr an Schoͤnheit verloren. Eigentliche Spielarten ſcheinen nicht vorzukommen. Wie oft der Eiſenocher in brackigen Quellwaſſern das weiße Gefieder man⸗ cher Waſſervoͤgel unausloͤſchlich zu faͤrben pflegt, ſo auch zuweilen die untern weißen Theile unſres Vogels, auf deſſen Gefieder ſie aber keine dunkelroſtgelbe Farbung hervorbringen, ſondern eine ſchwach 9. Theil. 34 530 XII. Ordn. LXXM. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. roſtroͤthliche, faſt roſenfarbige. Ich ſahe einen ſolchen, deſſen Fe⸗ derſpitzen auf der Unterbruſt, am Bauche und zum Theil der an ſich ſchon roſtgelben Unterſchwanzdecke, einen ſehr ſtarken roſenroͤth⸗ lichen Anflug hatten, welcher ſich recht ſchoͤn ausnahm, dem man es aber gleich anſahe, daß er von aͤußern Urſachen entſtanden ſein mußte. Die Mauſer iſt doppelt; ſie geht bei alten Voͤgeln mit Ende des Juli und im Anfange des Auguſt vor ſich und ſchnell von Statten, ſo daß viele in dieſer Zeit nicht fliegen koͤnnen; bei den Jungen ſpaͤter und, wie ſchon geſagt, je nachdem ſie fruͤher oder fpäter ausgebruͤtet waren, oft erſt im September. In dieſer legen fie ihr Winterkleid an, welches fie bis gegen den Maͤrz tragen, wo es durch eine abermalige Mauſer abgelegt und durch ein neues, das Hochzeits- und Sommerkleid, erſetzt wird. Wenn fie im Fruͤh⸗ jahre zu uns kommen, bemerkt man nur an wenigen noch Spuren eines nicht vollig beendeten Federwechſels, wogegen bei der mr zahl dies Prachtkleid ſich bereits voͤllig ausgebildet hat. ü fen t hel k. Dieſes Sumpfhuhn gehoͤrt einem gemaͤßigten Clima an, und ſcheint gegen Norden nicht höher als bis zum mittaͤgigen Sch we⸗ den aufzuſteigen. Es ſoll in England, Dänemark, in Liv: und Eſthland ſchon nicht gar haͤufig mehr vorkommen; auch von Holland wird daſſelbe geſagt, was uns jedoch nicht ganz richtig ſcheint, indem es auch bei uns an manchen Orten, wegen ſeiner verſteckten Lebensweiſe, von ſo Manchem nicht geſehen wird und den— noch gemein iſt. In Frankreich, in der Schweiz, in Italien, Ungarn und andern ſuͤdlichen und ſuͤdoͤſtlichen Laͤndern iſt es an geeigneten Orten allenthalben haͤufig; ſo im ſuͤdlichen Rußland bis weit in Sibirien und viele andere Laͤnder Aſiens verbreitet, wie man es denn auch aus Nord-Afrika, namentlich aus Ae— gypten erhalten hat. In Deutſchland koͤmmt es allenthalben vor, iſt aber vorzuͤglich in ebenen und ſumpfigen Strichen ein ge— meiner Vogel. Auch hier in Anhalt und den benachbarten Pro— vinzen iſt es in jedem Jahre in bedeutender Anzahl vorhanden und unter den uͤbrigen Arten dieſer Gattung die bei weitem gemeinſte, auch häufiger als der Waſſerralle und das roͤthblaͤſſige Teichhuhn. XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 531 Als Zug vogel koͤmmt es ſelten vor der Mitte des April oder nicht fruͤher, als wenn bereits etwas junges Gruͤn in den Suͤmpfen aufſproßt, in hieſigen Gegenden an, und dieſer Fruͤhjahrs— Durchzug dauert bis tief in den Mai oder bis die Gehoͤlze anfangen, ſich mit friſchem Laube zu ſchmuͤcken. In unſern Bruͤchern haben wir daher oft fchon eine bis zwei Wochen hindurch Bekaſſinen angetroffen ehe dieſe Sumpfhuͤhner ſich zeigen. Sie ſind dann den Sommer uͤber da und verlieren ſich im Herbſt ebenfalls wieder etwas fruͤher als jene, fangen ihren Wegzug einzeln aber ſchon mit Ende des Auguſt an, ziehen im September am ſtaͤrkſten und verſchwinden im Anfange des Octobers vollends aus unſern Gegenden. Dieſe Wanderungen find an Orten, wo dieſe Voͤgel nicht niſten, noch beſſer zu beobachten, wie dies in den Umgebungen meines Wohnorts der Fall iſt, wo wir ſie in jeder Zugzeit antreffen, was aber genaues Nachſuchen erfordert, da fie ſich noch mehr als die nahverwandten Arten den Augen des Lauſchers zu entziehen wiſſen, wenigſtens wol kaum jemals durch ihre Stimme verrathen. Dieſes immerwaͤhrende Stillleben und Verſteckthalten iſt auch Schuld, daß man fie an vie⸗ len Orten, die ihnen ſonſt wol zuſagen moͤchten, nicht angetroffen haben will, und daß man ſie fuͤr viel ſeltner haͤlt als ſie ſind. Nach zuverlaͤſſigen Nachrichten uͤberwintern wol die meiſten dieſer Voͤgel im ſuͤdlichen Europa in der ſuͤdlichen Krim, der Tuͤrkei, Griechenland, Italien, ja viele ſchon in den pon: tiniſchen Suͤmpfen, in Dalmatien und dem ſuͤdlichen Ungarn. Sie machen ihre Wanderungen des Nachts und vereinzelt, ſchwingen ſich dazu in der Abenddaͤmmerung hoch in die Luͤfte und ſo weiter fort. In der Hoͤhe wird ihnen das Fliegen leichter als nahe uͤber der Erde hin, wo es ihnen weit mehr Anſtrengung koſtet und ſchlecht von Statten geht. Daß fie eine weite Reiſe er. mattet und fie nicht felten zwingt, an ungewöhnlichen Orten ſich nie: derzulaſſen, beweiſen manche, die ſich auf Hoͤfen oder gar in Ge⸗ baͤuden befanden und mit Haͤnden fangen ließen, wiewol auch die ſes nicht immer Ermattung, ſondern augenblicklichen Verluſt aller Geiſtesgegenwart anzuzeigen ſcheint, welches auch ſolchen begegnet, die ſich ploͤtzlich von vielen Menſchen umgeben und laͤrmend verfolgt ſehen. So erhielt ich am Iöten April 1831 ein lebendes, völlig geſundes Sumpfhuhn dieſer Art, das beim Fiſchen eines ziem⸗ lich abgelaſſenen Teiches von den Leuten entdeckt, verfolgt und er⸗ haſcht wurde. a Seinen Sommeraufenthalt waͤhlt das geſprenkelte Sumpfhuhn 34* * 532 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. in größern oder kleinern Bruͤchern, d. h. naſſen, ſauern Wieſen— flaͤchen, welche theilweis in wirklichen Sumpf uͤbergehen, in welchen im Frühjahr die aufſchoſſenden Seggengraͤſer (Carex) von Rindvieh⸗ heerden abgeweidet, ſpaͤter im Jahre aber als einſchuͤrige Wieſen zu Heu oder auch nur zur Streu benutzt werden, Flaͤchen, die im erſten Fruͤhjahr meiſtens unter Waſſer ſtehen, wo ſich ſpaͤter durch die Tritte des Viehes in mehr oder weniger großen Strecken jene kleinen Inſelchen, die ſogenannten Kufen, bilden, wo jene ſchilfigen Graͤ— fer, nachdem fie vom Viehe laͤngere Zeit verſchont, im Spaͤtſommer dicht und bis zu 2 Fuß hoch aufwachſen und gedraͤngt ſtehende gruͤne Gefilde bilden, unter welchen man die Unebenheiten des Bo— dens, den Moraſt und das Waſſer nicht ahnet, die aber auch, wenn dieſes verdunſtet, immer noch fuͤr die Sumpfhuͤhner ein gewuͤnſchter und ſicherer Aufenthalt bleiben. An ſolchen Orten fehlt es dann gewoͤhnlich auch nicht an tiefern Graͤben, die in trocknen Sommern, wenn in den Sumpfwieſen alle Naͤſſe verſchwunden, meiſtens noch Waſſer behalten, faſt immer an den Raͤndern mit dichten Sumpfpflanzen, auch wol Weiden- und Erlengeſtraͤuch, beſetzt ſind und ihnen ſo zur Zuflucht dienen. An offnen, von Sumpfpflanzen ganz entbloͤßten Gewaͤſſern trifft man dieſes Sumpfhuhn nie an. Wenn Teiche weit in begruͤnten Sumpf verlaufen, ſo iſt es nur dieſer, welcher dieſe Voͤgel auf— nimmt; aber nie zeigen fie ſich an den weniger mit Pflanzen be: ſetzten Raͤndern des freien Waſſers. Ob ſie auf trocknem oder naſſem Boden wandeln, ob ſie in zolltiefem Waſſer waden oder auf fuß— tiefem ſchwimmen muͤſſen, iſt ihnen voͤllig gleich, wenn ſie dies Alles nur unter dem Schutze der Graͤſer thun koͤnnen; gerathen fie aber zufällig aufs Freie, fo eilen fie um fo ſchneller dem naͤchſten Ber: ſteck zu. | Das hohe und ſehr dicht ſtehende Rohr (Arundo) und das Kolbenſchilf (Typha) liebt es durchaus nicht; es geht nur dann in daſſelbe, wenn es gar keinen andern Zufluchtsort in der Naͤhe hat. Seine Lieblingspflanzen find dagegen die Seggenarten (Cares) auch Schneideſchilf genannt, zumal wo C. acuta, C. paludosa, C. flacca und andere ſchmalblaͤtterige Arten dichte gruͤne Gefilde bilden. Im Fruͤhjahr iſt es ſehr gewoͤhnlich an denſelben Orten anzutreffen, welche auch die gemeine Sumpfſchnepfe oder Bekaſſine liebt; im Spaͤtſommer lebt es dagegen viel tiefer und fo unter uͤberhangenden Graͤſern verſteckt, daß es zuweilen nicht einmal herausfliegen kann“ wenn es auch wollte, folglich an ganz andern Orten. ron EK. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 533 Auf ſeinen Wanderungen und an Orten, wo es nicht niſtet, nimmt es oft mit jedem finſtern, unter Gebuͤſch verſteckten Gra— ben und Tuͤmpfel, mit ſumpfigen Stellen in Gehoͤlzen, mit Wei: den und anderm Gebuͤſch beſetzten Grabenraͤndern, ſogar mit Teich: ufern, an welchen geflochtene Zäune unter uͤberhangenden Bäumen hinlaufen, und mit andern unbedeutenden Gewaͤſſern fuͤrlieb, wenn ſie an den Raͤndern nur nicht ganz kahl ſind. Beim Fruͤhlingszuge, wo die ſchuͤtzenden jungen Graͤſer noch fehlen und an den Holzarten ſich noch kein Laub entwickelt hat, fanden wir es oͤfters an Gräben, welche ſich durch Gehoͤlze ziehen, und hier verfolgt im Walde ſelbſt zwiſchen altem Geſtruͤpp ſich verbergen. Im Herbſt bedarf es in: deſſen dieſe Art Verſteck nicht, weil es dann, wenigſtens in ebenen oder tiefliegenden Gegenden, Graͤben, Teichraͤnder und andere naſſe Stellen mit Graͤſern beſetzt findet. In hochgelegenen trocknen Gegenden und auf Bergen mag es wol nicht vorkommen, wenn es nicht durch erlittene Unfaͤlle auf der Reiſe dahin verſchlagen wurde. An ſolchen ungewoͤhnlichen Orten wird es indeſſen auch nie anders als zufaͤllig bemerkt, wozu ein gluͤckliches Zuſammentreffen vieler Umſtaͤnde gehört, wenn man weiß, daß ſelbſt an ſeinen bekannten Wohnorten, planmaͤßig und mit allen erforderlichen Requiſiten nach ihm geſucht, es aͤußerſt ſchwer aufzu— finden iſt. An den mit Gebuͤſch beſetzten Graben- und Teichraͤndern ſetzt es ſich auch zuweilen auf einen niedern Baumzweig; wir fahen es jedoch nie lange auf ſolchen verweilen. So ſahen wir es manchmal auch zwiſchen dem Flechtwerk der Zäune hinſchluͤpfen und auf den untern Stangen entlang gehen; aber auch dieſes koͤmmt ſelten vor. Am Tage verhaͤlt es ſich, wo es nicht geſtoͤrt wird, ganz ruhig; am Abend wird es dagegen aufgeregter, laͤßt ſeine Stimme hoͤren, fliegt auch von ſelbſt auf und ein Stuͤck weg oder ganz fort, und erſt mit Ende der Morgendaͤmmerung wird es wieder ruhig. Wie man an Gezaͤhmten wahrnimmt, ſind es die heißen Mittagsſtunden, in welchen es ſich gaͤnzlicher Ruhe und dem Schlafe uͤberlaͤßt. Eigenſchaften. Das geſprenkelte Sumpfhuhn ſcheint in der Ferne geſehen faft ganz ſchwarz zu fein, denn feine niedlichen Zeichnungen, die es zu einem ſehr huͤbſchen Vogel machen, find nur ganz in der Nähe zu 534 XII. Ordn. LXXII. Gatt. 267. Gefp. Sumpfhupn. unterſcheiden. In feinen Stellungen verraͤth es die nahe Verwandt: ſchaft mit dem Wachtelkoͤnige, geht aber noch geduckter, beſon— ders wenn es laͤuft, aͤhnelt ihm aber auch in ſeinem uͤbrigen Be— tragen ſehr. In gaͤnzlicher Ruhe ſteht es faſt wie die Wachtel, den Hals ziemlich eingezogen, den Ruͤcken ſehr gekruͤmmt, den Schwanz han— gend, die Ferſen an den Leib gezogen und ſieht dann ganz kurz— beinig aus, wie es denn uͤberhaupt durch Anziehung der Beine in ſcharfe Biegungen ſich auf eine ſehr merkwuͤrdige Weiſe niedrig zu machen weiß und, den Koͤrper wie den Hals wagerecht, in großen Schritten ſo dicht uͤber der Erde hinzulaufen verſteht, daß man es eher fuͤr eine Ratte als einen ſo langbeinigen Vogel halten moͤchte, dies beſonders, wo es ſich geſehen glaubt und wo es die Umgebun— gen auch in dieſer Stellung nicht decken, z. B. auf ebenem, ganz kurz abgeweidetem Raſenboden. Schreitet es ganz unbefangen ein- her, dann iſt ſeine Stellung hoͤher, der Rumpf wagerecht, aber der Hals ziemlich empor gereckt und es nickt bei jedem Tritte mit dem Koͤpfchen. Erblickt es dann etwas Verdaͤchtiges, ſo wippt es mit dem ſonſt immer haͤngenden Schwanze lebhaft aufwaͤrts, legt den Hals etwas vor und rennt ſchnell einem beſſern Verſteck zu. Cs ſetzt, wie die ihm verwandten und alle ſchnepfenartigen Voͤgel den gemeinſchaftlichen Zehenballen nicht hart auf und hat daher einen leichten, gefaͤlligen Gang, den es gelegentlich in ſchnelles Rennen verwandeln kann, wobei es merkwuͤrdig weite Schritte macht, und oft uͤber den Erdboden hinzuſchießen oder hinzurollen ſcheint. Vermoͤge ſeines ſehr ſchmalen Koͤrpers ſchluͤpft es ohne An⸗ ſtoß durch das dichteſte Geſtruͤpp oder zwaͤngt ſich im Nothfall durch ſehr ſchmale Luͤcken. Sehr behende laͤuft es uͤber eine mit Pflanzen oder altem Wuſt nur dürftig bedeckte Waſſerflaͤche hinweg, wobei ihm auch die große Leichtigkeit ſeines Koͤrpers zu Statten koͤmmt. Es ſteht, wie die beiden folgenden Arten, auf der Grenze zwi— ſchen Sumpf- und Schwimmvoͤgeln, wird zwar gewöhnlicher an bloß naſſen Orten oder wo das Waſſer ihm noch das Durchwaden erlaubt, angetroffen, ſcheuet ſich jedoch nicht, das tiefere zu uͤber— ſchwimmen und zwar ſehr anhaltend zu ſchwimmen, was es mit vieler Anmuth thut, bei jedem Ruderſchlage mit dem Koͤpfchen nickt, den Schwanz erhaben traͤgt und wenn es ſich bemerkt glaubt, damit aufwaͤrts wippt. Wie wenig unangenehm ihm das Schwimmen iſt, zeigen uns oft ſeine Aufenthaltsorte. Wir trafen es im Fruͤhjahr nirgends haͤufiger als auf den Stellen in unſern Bruͤchern, wo es XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 535 jene ſogenannten Kufen giebt und dieſe nur wenig über dem fuß⸗ tiefen Waſſer hervorragen, wo es nicht anders als ſchwimmend von einem ſolchen, von 1 bis 4 Geviertfuß großen, Inſelchen zu dem andern gelangen kann und, wie man, ohne es oft ſelbſt zu ſehen, an dem ſuchenden und der Witterung folgenden Hunde deutlich be— merkt, ſehr ſchnell fortkoͤmmt. Eben ſo oft trafen wir es im Spaͤt⸗ ſommer auf fußtiefen, duͤnn mit Seggenſchilf beſetzten, großen Waſſer⸗ flaͤchen, und zwar hier wie dort nicht an den Raͤndern, ſondern meiſtens ſehr weit vom Lande, wo es unausgeſetzt ſchwimmen mußte, wo ihm hoͤchſtens hin und wieder umgeknickte Halme oder ſchwim⸗ mender alter Wuſt gelegentlich ein kleines Ruheplaͤtzchen goͤnnen konnten, wo es aber, wegen Tiefe des Waſſers, an ein langes Hin: und Herlaufen nicht denken durfte. So viel Kraft fi) auch in feinen Fuͤßen äußert, ſo wenig kann man dies von ſeinen Flugwerkzeugen ſagen. Es bewegt zwar im Fluge die mit den Spitzen gerade von ſich geſtreckten Flügel ſchnell flatternd, dabei aber auffallend matt und man ſieht es dieſem nie⸗ drigen Fluge ſogleich an, daß ſein Ziel nicht fern liegt. Unſer ge⸗ ſprenkeltes Sumpfhuhn erhebt ſich, am Tage aufgeſtoͤbert, nur we: nige Fuß hoch uͤber die Graͤſer, fliegt zappelnd, wie ein junger zum erſten Male fliegender Vogel, gerade aus oder beſchreibt einen großen flachen Bogen, um ſich ſehr bald, meiſtens nicht uͤber 100 Schritt weit, wieder niederzulaſſen. Im Auffliegen haͤngen die Beine lang herab, erſt nach und nach werden ſie hinten gerade hinausgeſtreckt; wenn es nicht weit geht, unterbleibt dieſes ganz; wenn es ſich flat: ternd niederſetzt, haͤngen ſie wieder herab. Dieſe Art zu fliegen haben alle Arten dieſer Gattung gemein, ſo wie ſie ſich auch darin gleichen, daß ihr Koͤrper im Leben ſich ſehr weich anfuͤhlen laͤßt, im Tode aber auffallend welk wird und ſehr ſchnell in Faͤulniß uͤbergeht. Der ausgezeichnetſte Zug im Betragen dieſes Sumpfhuhns iſt ſein Hang ſich immer moͤglichſt verſteckt zu halten. Dieſen legt es allent: halben ſo an den Tag, daß es an den allermeiſten Orten unbemerkt bleibt. Nur durch ganz beſondere Zufaͤlligkeiten kann es dem ſicht⸗ bar werden, welcher ſein Betragen nicht kennt und ſelbſt der Unter⸗ richtete hat bei aller angewandten Muͤhe ſelten das Gluͤck, es anders als nach gewaltſamen Aufſtoͤbern im Fluge zu erblicken, weil es ſeinen Verfolgern ſo lange wie moͤglich durch ungeſehenes Entlaufen auszuweichen ſucht und hoͤchſt ungern fliegt. Wird es nicht plotzlich vom Menſchen uͤberraſcht, ſo fliegt es nicht auf; ebenſo ſucht es dem ah ar; en * MR 536 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. langſam ſuchenden Hunde ſo lange wie moͤglich zu entlaufen, bis er ihm zu nahe auf den Leib koͤmmt und es zum Auffliegen zwingt. Wohl zu merken, geſchieht dieſes Entlaufen immer ſo unter dem Schutze der Graͤſer und des Geſtruͤpps, daß es dabei hoͤchſt ſelten und nur wenn es an eine weniger gedeckte Stelle koͤmmt, auf einen Augenblick ſichtbar wird. Einſt folgte mein Hund am wenig bewach— ſenen Rande eines Grabens, welcher ein Gehoͤlz umgab, der Spur eines ſolchen Sumpfhuhns, das durch das nur hin und wieder genuͤgend deckende Geſtruͤpp bald 6, bald 10 Schritt vor ihn hinlief, wol gegen 300 Schritt weit, wo endlich der Grabenrand zu kahl wurde und es dieſen, nach kurzem Beſinnen, ſchnell verließ, im rechten Winkel abwaͤrts rennend, gleichſam in einem Schuſſe, uͤber eine freie Stelle in das Gehoͤlz eilte und ſich augenblicklich unter ein da liegendes Haͤufchen duͤrre Reiſer und altes Laub verkroch. Hier haͤtte ich es mit der Hand fangen koͤnnen, wenn ich nicht vorgezogen haͤtte, zu beobachten, was es nun wol anfangen oder ob es nun nicht auf— fliegen wuͤrde? Erſt als ich das Haͤufchen mit der Spitze eines meiner Füße luͤftete, ſchoß es auf eben die Weile wieder hervor und war, ohne aufzufliegen, im Nu wieder am Graben, wo ich es weiter nicht ſtoͤrte. An manchen Stellen in unſern Bruͤchern, wo nach dem Heu— machen abermals Vieh geweidet, alles vorjaͤhrige Gras kurz abge biſſen war und das junge erſt aufzukeimen anfing, mußten wir oft ſtaunen uͤber die unglaubliche Fertigkeit dieſes Vogels, ſich den Au— gen feiner Verfolger zu entziehen; nicht ſelten fiel ein ſolches zwi: ſchen den Kufen oder ſonſtigem Moraſte aufgeſcheuchtes Sumpfhuhn in der Angſt auf eine ganz ebene glatte Raſenflaͤche nieder; den Fleck feſt im Auge behalten und ſogleich darauf zugehen, aber den Vogel weder an demſelben noch in deſſen Naͤhe finden, war jedoch das gewoͤhnliche Ergebniß; man haͤtte gemeint, eine Maus wuͤrde man weglaufen geſehen haben, geſchweige einen Vogel diefer Groͤße, und doch war er nicht mehr da. Er mußte wol im Augenblicke des Niederſtuͤrzens auch ſchon wieder, allerdings nur zu Fuß, aber in der niedergedruͤckteſten Stellung und in groͤßtmoͤglichſter Geſchwin⸗ digkeit, dem naͤchſten Moraſte wieder zugeeilt ſein und ſich hier ſchnell weiter fortgeſchlichen haben. — Wird ein ſolcher an einem einzel— nen Teiche oder Graben angetroffen und von Menſchen laͤrmend verfolgt, ſo geraͤth er ſo in Angſt, daß er ſich zuletzt aufs freie Feld, aber auch nie weit weg, fluͤchtet, ſich da irgendwo, wenn auch nur in eine Furche, zu verbergen ſucht, aber den Kopf dabei ſo verliert, 8 2 Be a a a XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 337 f daß er auch nicht mehr an 8 Entlaufen denkt und ſich mit der Hand fangen laͤßt. Die Gewohnheit ſich zu verſtecken und ohne bade Noth nicht aufzufliegen iſt ſo ſtark, daß es am Tage ſich aus freiem An⸗ triebe nie aufs Freie wagt und zwar bloß aus Furchtſamkeit; denn eigentlich ſcheu iſt das geſprenkelte Sumpfhuhn ſo wenig, daß man es eher kirre und zutraulich nennen moͤchte, ſobald ſich der Menſch ihm nicht laͤrmend und ungeſtuͤm nahet. Hat es auch feine Annaͤ⸗ herung vernommen und verhaͤlt er ſich jetzt nur einige Zeit ganz ſtill und ruhig, ſo koͤmmt es wol an den Rand ſeines Verſtecks und lauſcht daraus hervor, oder es geht, wenn es keine Gefahr ſieht, auch wol ganz in der Naͤhe ſeinen Geſchaͤften nach. Dies theilweiſe zu ſehen, braucht der Beobachter ſich nur ganz ſtockſtill zu verhal— ten, wenn er auch frei da ſtaͤnde. Aus einem Hinterhalt iſt dieſes freilich noch ſicherer und es gewaͤhrt viel Vergnuͤgen ſeinem ſtillen, geſchaͤftigen Treiben, fo weit es die Umgebungen erlauben, zuzu— ſchauen. So etwas iſt indeſſen mitten in den Suͤmpfen nicht, ſondern bloß an Teich- und Grabenufern moͤglich, denn dort kann man es nie eher, als bis es heraus fliegt, gewahr werden, weil es ſich ſelbſt in den unbedeutenden Stoppeln des Seggenſchilfes auf den Kufen ſo zu verbergen weiß, daß man eher darauf treten als es ſitzen ſehen wuͤrde. Geſellig iſt es ſo wenig wie die andern Arten; man findet es demnach, außer der Fortpflanzungszeit, ſtets nur einzeln, auch in dieſer ſelten beide Gatten nahe beiſammen und ſogar bei den Jungen oft keinen von beiden anweſend. Es hat eine helltoͤnende, mehr quikende als pfeifende Stimme, welche Lockruf zu fein ſcheint, ſich aber mit Buchſtaben kaum ver: ſinnlichen laͤßt; man hoͤrt es uͤbrigens am Tage niemals, deſto oͤfterer aber in den Abendſtunden und des Nachts. Einen hoͤchſt ſonderbaren Ton, wodurch ſich Maͤnnchen und Weibchen anlocken, hoͤrt man noch oͤfter als jenes, aber auch nie am Tage von ihnen. Er klingt nicht ſtark und wuͤrde nur in der Naͤhe vernehmbar ſein, wenn nicht das naſſe Element zum weitern Fortpflanzen des Schalles beitruͤge, wo er denn bei naͤchtlicher Stille noch ziemlich weit ver: nommen wird und der Hervorbringer deſſelben oft naͤher zu ſein ſcheint als er wirklich iſt. Wenn die Daͤmmerung voruͤber, Be— kaſſinen und Enten, des Herumſchwaͤrmens muͤde, ſich wenig mehr hoͤren laſſen, vernimmt man dieſen wunderlichen Ton immer noch, bis tief in die Nacht hinein, und fo gegen die Morgendaͤm⸗ 538 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. merung auch; dann wird er um ſo auffallender, weil er nicht von andern ſtaͤrkern uͤbertaͤubt wird. Er läßt ſich kaum deutlich durch die Sylbe Quit (ganz kurz geſprochen) verſinnlichen und klingt viel: mehr genau wie das Fallen eines ſtarken Waſſertropfens aus ein paar Fuß Hoͤhe in ein großes Gefaͤß mit Waſſer, — auch eben ſo glatt oder gerundet. Oft oder ſchnell nach einander wird indeſſen dieſer liebliche Ton nie wiederholt. Ihr Angſtgeſchrei ſind mehr quaͤkende als quikende Toͤne. Auch dieſes Sumpfhuhn gewoͤhnt ſich ſehr bald an die Gefan— genſchaft und wird in kurzer Zeit zahm und zutraulich. Wir haben es mehrmals beſeſſen und es erfreuete uns durch ſeine ſtille Gemuͤth— lichkeit ſehr. Es wird eben ſo zahm als der Wachtelkoͤnig und dauert bei guter Wartung eben ſo lange. Im Wohnzimmer befindet es ſich freilich am beſten und gewoͤhnt ſich hier am erſten an die Menſchen, gewaͤhrt daher hier auch das meiſte Vergnügen, obwol der Schmutz, den es beſonders am Trinkgeſchirr macht, es fuͤr rein⸗ liche Stuben eben nicht empfiehlt. Wollte man es in einen großen Kaͤfig ſperren, ſo muͤßten deſſen Staͤbe bedeutend enge ſtehen; ſonſt moͤchte es leicht durchſchluͤpfen, indem es hierin merkwuͤrdig geſchickt und ſein Koͤrperbau dazu ſo eingerichtet iſt, daß es ihm mancher nicht anſehen moͤchte, wie ſchmal es ſich machen kann. Nahrung. Dieſe beſteht, wie bei den andern Arten, in allerlei am Waſſer lebenden Inſekten, Inſektenlarven und Puppen, in kleinen Schnecken ſammt den Gehaͤuſen, in allerlei kleinem Gewuͤrm, in zarten Pflan⸗ zentheilen, ſowol den jungen Spitzen der Blaͤtter als der Wurzeln, und in Saͤmereien, namentlich von Graͤſern. Zu dem Allen ver: ſchlucken ſie eine Menge groben Sand und kleine Steinchen. Von Kaͤfern fanden wir immer nur kleinere Arten in die Ab: theilungen der Laufkaͤfer, Rohrkaͤfer (Donacia) u. a. m. gehörig, Schwimmwanzen, Waſſerſpinnen, Waſſermilben und dergl. doch viel haͤufiger im Moraſte lebende Kaͤfer- und andere Inſektenlarven, z. B. von Haften, kleinen Libellen und beſonders haͤufig Muͤckenlarven in den von uns geoͤffneten Maͤgen, die ſtets mit klaren Pflanzentheilen, mit ganz kleinen Gehaͤusſchneckchen und grobem Sande vermiſcht und ſich meiſtens in einem breitartigen Zuſtande befanden, ſo daß XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 539 die einzelnen Arten ſchwer zu erkennen waren. Regenwuͤrmer fanden wir nicht darin, obgleich ſie Gezaͤhmte nicht ungern annahmen. Sie ſuchen dieſe Nahrungsmittel am und im ſeichten Waſſer, im Schlamme, auf naſſem oder doch feuchtem Boden, und wo die Naͤſſe im Sommer verdunſtet, zuweilen auch auf abgetrocknetem Bo⸗ den, aber nie an zu jeder Zeit trocknen Orten. In den gruͤnen Suͤmpfen und an moraſtigen, begruͤnten Ufern der ſtehenden Gewaͤſſer finden ſie auch ihre Tafel ſtets reichlich beſetzt, ſind aber auch immer mit dem Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel beſchaͤftigt, und es iſt kein Wunder, daß ſie bei einer ſtets regen Eßluſt immer wohlbeleibt und im Herbſt oft ſehr fett gefunden werden. In der Gefangenſchaft gewoͤhnen ſie ſich, mit untermengten Fliegen, Mehlwuͤrmern, zerſchnittenen Regenwuͤrmern und dergl., ſehr bald an ein paſſendes Stubenfutter, deren ſchon mehrmals bei Sumpfvoͤgeln in dieſem Werk gedacht wurde. Sie fangen dann nebenbei gern Fliegen, die fie erreichen koͤnnen und gut zu beſchlei⸗ chen wiſſen und nehmen es mit ſichtlicher Freude an, wenn man ihnen recht oft Inſekten oder Inſektenlarven bringt. Ein ausgeſto— chenes Stuͤck Sumpfraſen ihnen zuweilen vorgelegt, gewaͤhrt ihnen viele Unterhaltung; ſie durchſuchen und zerhacken es von allen Seiten und finden darin nicht allein Inſektenbrut und Gewuͤrm, ſondern auch manches Genießbare an den Wurzeln und zartem Grün. Gro— ber Sand und täglich friſches Waſſer darf ihnen nicht fehlen; denn aus jenem ſuchen ſie die groͤßten Koͤrner und verſchlucken ſie, und dieſes iſt ihnen ſowol zum Trinken, was ſie ſehr haͤufig thun, als zum Baden, was auch taͤglich ein Mal geſchieht und wobei ſie ſich tuͤchtig naß machen, hoͤchſt nothwendig. Das Gefaͤß, welches es enthaͤlt, mag flach, aber nicht zu klein ſein, weil ſie ſich ſehr oft mit den Füßen hineinſtellen und es ihnen, wie es ſcheint, unbehag— lich iſt, wenn ſie dieſe nicht oͤfters anfeuchten koͤnnen, wodurch aber eben nicht allein das Waſſer, ſondern auch der Boden um das Waſſergefaͤß faſt immer ſchmutzig iſt, was ſie fuͤr reinliche Stuben freilich nicht empfiehlt. Fortpflanzung. Das geſprenkelte Sumpfhuhn niſtet nicht allein in unſern Bruͤ⸗ chern ziemlich häufig, ſondern auch hin und wieder in weniger aus: gedehnten Moraͤſten und an den breiten und ſumpfigen, in Wieſen ver⸗ 540 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. laufenden Umgebungen mancher Teiche, ſo wie einzeln auch in tiefen, mit vielen fchilfigen Waſſergraͤben durchkreuzten Wieſengruͤnden. An ſolchen und ähnlichen Orten iſt es wol in ganz Deutſchland keine Seltenheit; weil aber das Maͤnnchen nicht, wie das des Wachtel— koͤnigs, durch ein weitſchallendes und jedermann auffallendes Ge: ſchrei ſeine Anweſenheit und Abſicht kund thut, ſo wird es nur vom wirklichen Kenner, dem ſeine Eigenthuͤmlichkeiten bekannt genug ſind, bemerkt, aber dennoch oft genug uͤberſehen. Nur am ſpaͤten Abend und bei naͤchtlicher Weile verrathen die Paͤaͤrchen erſt ihren gewähl- ten Aufenthalt durch jenen oben beſchriebenen, ſonderbaren aber kei— neswegs laͤrmenden Ton, womit die Gatten ſich oͤfters zuzurufen pflegen. Vom Wieſenſumpfhuhn oder dem ſogenannten Wachtel⸗ koͤnige unterſcheidet es ſich darin, daß es ſein Neſt nie auf trocknen Boden bauet, was dagegen dieſer immer thut. Wenn man es ſpaͤter uͤber ſolchen findet, ſo wird man leicht bemerken, daß hier fruͤher Waſſer war, jetzt aber verdunſtet iſt. Wir haben es nie an— ders als auf ſehr naſſem Boden oder noch oͤfter geradezu uͤber mehr als einen halben Fuß tiefem Waſſer gefunden. Es aͤhnelt darin dem des Waſſerrallen, mit dem es auch oft genug verwechſelt worden ſein mag. — Es iſt ungemein ſchwer aufzufinden, wenn dies der Zufall nicht beguͤnſtigt, weil ſich das Plaͤtzchen von den Umgebungen nicht unterſcheidet, und ſteht entweder auf einer foge: nannten Kufe auf naſſem Boden, wo die alten Stoppeln und die jungen Grasſpitzchen in der Mitte niedergetreten und zum Theil ab— gezupft werden, damit eine Art von Vertiefung entſteht, auf welcher dann der lockere Bau beginnt, oder es ſteht ſchwebend uͤber dem moraſtigen Boden oder uͤber ſeichtem Waſſer, zuweilen ſo, daß die Beſitzer nur ſchwimmend dazu gelangen koͤnnen, entweder an einem Grabenrande oder noch viel oͤfter mitten in einer uͤberſchwemmten Seggenwieſe, auf kreuzweis eingeknickten Seggenhalmen. In dem letztern Falle entdeckt man es ſchon aus einiger Ent⸗ fernung, weil um dieſe Zeit die Seggenarten noch duͤnn ſtehen und ihre jungen Blaͤtter nicht viel uͤber einen Fuß uͤber dem Waſſerſpie⸗ gel aufgeſchoſſen ſind. Waͤhrend des Bruͤtens verwaͤchſt es aber ſo, daß es nun kaum mehr auf einen Schritt Weite ſichtbar iſt, weil ſich die jetzt dichtern und laͤngern Blaͤtter und Halme uͤber daſſelbe hinhaͤngen, ſo daß man von oben nicht gut mehr hineinſehen kann. Bei den auf Seggenkufen ſtehenden geht dies eben ſo. Die Voͤgel kennen dieſes Schutzmittel auch ſehr wohl, denn das darauf ſitzende XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 541 Weibchen zupft, waͤhrend es ein Ei legt, an den Spitzen der um das Neſt ſtehenden, zum Theil mit ihm verflochtenen und uͤber ihn emporragenden Seggenblaͤtter, damit ſich dieſe uͤber ſeinem Haupte herabbiegen und kreuzen, wodurch es nun unter eine Art von gruͤner Kuppel ſitzt, die, wenn gleich noch durchſichtig und luftig genug, doch bewirken mag, daß mancher daruͤber hinweg ſtreichende Raub— vogel das auf dem Neſte ſitzende Weibchen oder deſſen Eier nicht gewahr wird. Auf dieſe Weiſe iſt manches ſolcher Neſter ſehr nied— lich gebaut, und die gruͤne Bedachung wird zunehmend dichter, je— mehr noch andere nahe Halme in die Hoͤhe ſchießen und waͤhrend des Bruͤtens ebenfalls herab gebogen werden. Von den erſten Ne: ſtern, gegen Ende des Mai, ſind die meiſten ſo gleichſam uͤberbauet, von den ſpaͤtern, wenn jene zu Grunde gegangen, die etwa gegen Ende des Juni gebauet werden, indeſſen viele nicht, weil dann die Schilfarten bereits hoch und dicht genug aufgewachſen ſind und das Neſt beſſer verbergen, obwol auch viele Weibchen beim Bruͤten, viel: leicht aus langer Weile, die uͤber ihn hinausragenden Halme noch zum Theil herabbiegen. Wie der Vogel wo moͤglich immer ſolche Aufenthaltsorte ſucht, die ihn auch von oben herab den Blicken ſeiner Feinde entziehen, ſo ſorglich verwahrt er auch dagegen ſein Neſt. Dieſes Neſt iſt ein loſes, aber doch recht haltbares und grobes Geflecht, aus trocknen Schilf- oder Seggenblaͤttern, Binſen, nach innen mit feinern Materialien, duͤrren Grashalmen und Grasſtoͤck— chen durchwebt, zum Theil mit den umſtehenden Blättern oder Hal- men verflochten, und ſo recht gut befeſtigt, wenn es unten auch nur auf nach innen eingeknicktem Seggenſchilfe ruhet und einige Zoll uͤber dem Boden oder dem Waſſer ſchwebt. Es hat eine anſehn— liche Groͤße, ſo daß es oben an dem etwas eingezogenen Rande nicht ſelten 6 Zoll Durchmeſſer haͤlt, ſehr wohl gerundet und ſo tief napf— foͤrmig gebauet iſt, daß der bauchige Boden uͤber 4 Zoll vom Ober⸗ rande entfernt bleibt. Im Bau und dem Material ähnelt es eben: falls dem des Waſſerrallen ſehr, iſt aber meiſtens etwas tiefer und hohler in feinem Innern. Man findet, jenachdem das Frühjahr zeitiger oder ſpaͤter warm war, im Mai oder erſt Anfangs Juni 9 bis 12 Eier in einem fol: chen Neſte. Daß noch mehr, ja 16 bis 18 in einem Neſte gefun: den, auch von einem Weibchen gelegt waͤren, wird geſagt, und auch uns ſind 18 Stuͤck aus einem Neſte gebracht worden. Da dieſe jedoch im Neſte unordentlich uͤbereinander liegend gefunden wurden, ſo hatte es den Anſchein, als waͤren nicht alle von einem Weibchen, 542 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. ſondern mehrere von Menſchen anderswo hergeholt und hinzugethan. Die Leute naͤmlich, welche in jenem Bruche im Fruͤhlinge taͤglich nach Voͤgeleiern ſuchen, alle den Kibitzeiern aͤhnliche mit dieſen und als ſolche an die Leckermaͤuler verkaufen, alle andern aber fuͤr die eigene Kuͤche behalten, ſammeln ſie gewoͤhnlich bis zu einer gewiſſen Anzahl und prüfen dann alle am erſten beſten klaren Waſſer durch Schwemmen, wo bekanntlich die friſchen zu Boden ſinken, die be— bruͤteten aber ſchwimmen. Die letztern werfen ſie nun entweder zur Stelle entzwei, oder, die Verſtaͤndigern unter dieſem Raubgeſindel, tragen ſie in das naͤchſte Neſt, worin ebenfalls bereits bebruͤtete Eier liegen, und thun ſie zu dieſen. So koͤnnen dort Neſter ſchnepfen— artiger Voͤgel mit mehr als 4 und mit verſchiedenartigen Eiern vor— kommen, ebenſo bei Neſtern anderer Gattungen, und der Forſcher muß an ſolchen Plaͤtzen ſehr vorſichtig fein, wenn er nicht Taͤuſchun⸗ gen erfahren will. Die Eier ſind etwas groͤßer als die der Wachtel und etwas kleiner als die des Waſſerrallen, 17 Linien lang und gegen 12 Linien breit“). Sie haben eine regelmäßige Eiform, ſind laͤnglich— oval, an dem einen Ende weder zu ſtumpf, noch an dem andern zu ſpitz, mit nicht ſtarkem, hinter der Mitte liegenden Bauch, und aͤn— dern in dieſer Form nicht auffallend ab. Ihre Schale iſt feinkoͤrnig, glatt und etwas glaͤnzend; ihre Grundfarbe ein lichtes ſchmutziges Roſtgelb, von vielen ſehr feinen Puͤnktchen noch getruͤbt, uͤbrigens mit violetgrauen Schalenflecken und Punkten, und mit noch meh— rern rothbraunen Klexen und Punkten, deren Umriſſe ſcharf und ſelten gezackt, auf der Oberflaͤche eben nicht ſehr dicht bezeichnet. Die groͤßern Flecke ſind meiſtens oval, die dunkeln Zeichnungen bald haͤufiger, bald ſparſamer, doch nie in ſehr großer Menge vorhanden und meiſtens ziemlich gleichfoͤrmig auf der ganzen Flaͤche verbreitet. Sehr bedeutende Abweichungen ſind uns unter dieſen Eiern nie vor— gekommen, immer ſehen ſie denen des rothblaͤſſigen Teichhuhns, die verhaͤltnißmaͤßig etwas groͤßern Flecken abgerechnet, und bis auf die viel geringere Groͤße ſehr aͤhnlich, und bekunden die nahe Ver— wandtſchaft dieſer Arten. — Sonſt haben fie noch die meiſte Aehn— lichkeit an Groͤße, Geſtalt und Farbe mit denen der kleinen Meer— ſchwalbe (Sterna minuta), dieſe ſind jedoch am ſchmalen Ende ſtets „) Brehm giebt die Größe zu 19 und 131 Linien an (f. deſſen Beitr. III. S. 599.); fo groß ſahen wir indeſſen keine. — Auch dünkt uns in dem ſchönen Thies nemann'ſchen Werk auf Taf. XVIII. ſeien die Zahlen 4 und 6 zu wechſeln. XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Sefp. Sumpfhuhn. 543 ſpitzer zugerundet, der Umriß des Ovals uͤberhaupt ein ganz an⸗ derer, auch die Grundfarbe lichter, die Zeichenfarbe anders, kurz, beide genauer verglichen, bleibt dieſe Aehnlichkeit nur noch eine ſehr entfernte. Die Eier liegen immer in ſchoͤnſter Ordnung neben einander im Neſte und das darauf bruͤtende Weibchen ragt nicht uͤber den Rand dieſes tiefen Neſtes hervor. Es zeigt ungemeine Anhaͤnglich— keit an daſſelbe und man darf ſich ihm behutſam bis auf einen Schritt nahen, ehe es herabſpringt und entſchluͤpft, ſich aber nie weit entfernt und ſobald die Stoͤrung voruͤber, ſich wieder darauf ſetzt. Beſonders feſt ſitzt es auf demſelben in der letzten Zeit des Bruͤtens, die uͤberhaupt 3 Wochen dauert, und es iſt nichts Seltnes, daß eins von der Senſe getroffen wird, wenn die Sumpfwieſen abgemaͤhet werden. Dies Ungluͤck trifft indeſſen ſelten andere als verſpaͤtete Bruten; wenn naͤmlich das erſte Neſt mit den Eiern zu Grunde gegangen war, in welchem Falle ſie nur eine zweite Brut machen, die dann aber hoͤchſtens nur 6 bis 8 Eier enthält. Daher das verſchiedene Alter, Groͤße u. ſ. w. der Jungen im Anfange des Herbſtes. Sobald die ſchwarzwolligen Jungen abgetrocknet ſind, ſprin⸗ gen ſie für immer aus dem Neſte und laufen mit der Mutter davon. Da nun das Waſſer um das Neſt her bedeutend abgenommen hat oder ganz verſchwunden iſt, ſo ziehen ſie ſich nach feuchtern Plaͤtzen und leben dort ſo verſteckt wie die Alten, ſchwimmen auch, wenn es die Noth erfordert, mit dieſen uͤber die tiefern Stellen hinweg. Sie laufen wie Maͤuſe unter dem Schutze der Graͤſer hin und druͤcken ſich, wenn die Gefahr ihnen zu nahe koͤmmt, ſtill nieder, ſind daher aͤußerſt ſchwer und ohne Huͤlfe eines guten Hundes kaum zu fangen. Selten laͤßt ſich eins der Alten dabei blicken, obgleich man verſichert ſein darf, daß ſie ganz in der Naͤhe ſind. Zum Auf⸗ fliegen ſind dieſe hier nicht zu bewegen, eher laſſen ſie ſich vom Hunde erwiſchen. Wenn die Jungen das Dunenkleid nur noch am Kopfe und Halſe tragen, uͤbrigens befiedert ſind, aber noch nicht fliegen können, fangen ſie an ſich zu zerſtreuen und die Alten ſie ſich ſelbſt zu uͤberlaſſen. Ob der Vater vielen Antheil an der Erziehung ſeiner Nachkommenſchaft nimmt, iſt nicht beobachtet, und es ſcheint nicht ſo. 544 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. Feinde. Die große Furchtſamkeit dieſer Voͤgel deutet auf viele Nach⸗ ſtellungen. Indeſſen koͤnnen die Raubvogel ihnen ſelten etwas an— haben, weil ſie aus freiem Willen am Tage kaum jemals ihr Verſteck verlaſſen und auch, wo im Fruͤhjahr die Graͤſer noch ſehr kurz und alte nicht vorhanden, ſich dennoch meiſterlich zu verbergen wiſſen. Nur den bedaͤchtigen, Alles ausſpaͤhenden Weihen (Falco rufus, F. cyaneus et F. cineraceus) mag es zuweilen gelingen, das auf dem Neſte ſitzende Weibchen zu uͤberrumpeln oder ihm wenig— ſtens die Eier zu rauben, was Kraͤhen und Raben auch oft thun. Unter den Saͤugethieren haben ſie dagegen noch weit aͤrgere Feinde; denn der liſtige Fuchs ſchleicht Alten und Jungen nach und erwiſcht viele, auch Iltis und Wieſeln werden ihnen oft gefaͤhrlich, und von der jungen Brut fangen die Wanderratten viele weg, die auch die Eier nicht verſchonen. Es iſt ſchon erwaͤhnt, daß durch Menſchen viele Bruten ab: ſichtlich, ſeltner zufällig beim Abmaͤhen der Schilfgraͤſer, zerſtoͤrt wer: den, wenigſtens koͤmmt letzteres lange nicht ſo oft vor als beim Wachtelkoͤnige, weil die von unſerm geſprenkelten Sumpfhuhn bewohnten Grasgefilde nur ein Mal im Jahr und viel ſpaͤter gemaͤhet werden; allein es leidet auch bei weitem oͤfter durch ploͤtzliches An— ſchwellen des Waſſers an ſeinen naſſen Aufenthaltsorten, und es koͤmmt in unſern Bruͤchern oft vor, daß dadurch nicht allein die Neſter dieſer, ſondern auch aller anderen da niſtenden Sumpfvoͤgel wie mit einem Schlage vernichtet werden. Es wohnt in ſeinem Gefieder ein auch andern Fulicarien eigen⸗ thuͤmliches Schmarotzerinſekt, Philopterus minutus, Nitzsch, und in ſeinen Eingeweiden Wuͤrmer, Distomum uncinatum und noch eine andere Art dieſer Gattung. Jagd. Nur vom Zufall beguͤnſtigt kann es dem ſtill einher fchleichen: den, mit der Lebensweiſe dieſer Vögel vertraueten Schuͤtzen gelingen, ein Mal einen ſolchen an einem wenig bewachſenen Grabenufer lau— fen zu ſehen, oder wo er ihn verſteckt weiß und in Ruhe erlauert, im Sitzen zu ſchießen. In den Bruͤchern, ſelbſt im Fruͤhjahr, wenn 9 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. 545 ihr Verſteck weder ſo hoch, noch ſo dicht iſt als ſpaͤter, kann dies kaum vorkommen. Hier werden ſie aufgeſtoͤbert und im Fluge ge— ſchoſſen, wozu wenig Fertigkeit gehoͤrt, weil ſie langſam, niedrig, matt und ohne alle Schwenkungen gerade aus fliegen. Nicht ſelten fliegen ſie dem Suchenden unter den Fuͤßen, uͤberhaupt nie uͤber ein paar Schritte weit, heraus und auch der langſamſte Schuͤtze hat genug fertig mit ihnen zu werden. Die Hunde nehmen gern itterung auf und ſtehen ihnen vor, daher erleichtert ein guter San viefe Jagd noch mehr. Die meiſten werden demnach auf den Bekaſſinenjagden geſchoſſen, wo fie namentlich im Fruͤhjahr an den: ſelben Orten angetroffen und wie jene Schnepfen beim Herausfliegen geſchoſſen werden. Im Herbſt, wo ſie ſich in den dichten, hohen Riedgraͤſern noch beſſer zu verſtecken und unter deren Schutze zu entlaufen wiſſen, find fie ohne Hund kaum zum Auffliegen zu be: wegen, und auch dieſer hat, wenn er nicht recht raſch und entſchloſſen iſt, ſeine Noth mit ihnen; iſt er indeſſen dieſes, ſo faͤngt er auch manches im Herausfliegen aus der Luft- weg. Auch iſt vorgekom— men, daß er fo dicht vorſtand, daß ſich das geaͤngſtigte Sumpf: huhn nicht zu rühren wagte und vom herbei ſchleichenden Schuͤtzen mit der Hand gefangen wurde, wie dieſes im Sitzen Wegfangen auch manchen Hunden noch oͤfter gluͤckt. Wenn es mehrmals nach einander aufgeſtoͤbert, vielleicht durch Fehlſchuͤſſe geaͤngſtigt, ſich in einen einzelnen Pflanzenbuͤſchel wirft, kann es manchmal gluͤcken, wenn man recht behutſam verfaͤhrt, ſich ſachte naͤhert, die Graͤſer oben ſanft aus einander biegt und es nun ſitzen ſieht, es mit der Hand zu fangen. AZ3iu fangen iſt es ebenfalls leicht, entweder im Wachtelſteck⸗ garn (ſ. Thl. VI. S. 609.), das man im dichten Riedgraſe auf- ſtellt, oder in Laufdohnen, die man in ihre glattgelaufenen Gänge oder an die finſtern Ufer der Graͤben und Teiche, als querlaufende Waͤnde ſtellt, naͤmlich die Raͤume zwiſchen den Dohnen durch ein— geſteckte Reiſer oder Rohrſtengel verſchließt, damit der hin oder her laufende Vogel nicht neben der Dohne vorbei kann, ſondern durch. dieſelbe muß, wo er dann am Halſe in den Schlingen haͤngen bleibt. Dieſe Laufdohnen werden eben ſo angefertigt und aufgeſtellt, wie ſie beim Rebhuhn, Thl. VI. S. 537. u. f. in dieſem Werke ſchon deutlich beſchrieben ſind, der geringern Groͤße des Vogels angemeſſen muͤſſen fie aber bedeutend ſchwaͤcher, die Schlingen von 2 Pferde haaren (doppelt genommen) gemacht, auch wenn ſie aufgeſtellt, der untere Bogen derſelben nur gegen 2 Zoll vom Erdboden entfernt bleiben gr Theil. 35 346 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 267. Geſp. Sumpfhuhn. Nutz en. Sein meiſtens fettes, oft außerordentliches feiſtes Wildpret iſt ſehr zart und wohlſchmeckend. Es iſt aber auch ſo zarter Natur, daß es ſchnell verdirbt. Wirft man auf der Jagd den erlegten Vo— gel ohne Umſtaͤnde in den Waidſack und noch anderes naſſes, war⸗ mes Gefluͤgel dazu, ſo iſt es bei warmer Witterung in ein paar Stuͤndchen faul und ſtinkend, ſo wie denn das leichtfluͤſſige Fett nicht allein aus den Schußwunden, ſondern ſelbſt durch die zarte Haut dringt. Dem Schuͤtzen iſt daher, zu welchem Zweck er es auch getoͤdtet haben mag, nicht genug zu empfehlen, dieſes Wildpret wie alles zarte Sumpfgefluͤgel, ſtets nur außen auf die Jagdtaſche an Schlingen um den Hals aufzuhaͤngen, wo jenes ausluͤftet, ab— trocknet und, bei nicht zu vielem Sonnenſchein, auch ſteif wird, das Gefieder ſein gutes Ausſehen behaͤlt und das Fleiſch ſich laͤnger vor dem Fauligwerden bewahren laͤßt. Das Fleiſch giebt dem der Bekaſſinen an Wohlgeſchmack we⸗ nig oder nichts nach. Beim Zubereiten erſchweren die vielen ſchwarz⸗ grauen Dunen das Reinmachen der leicht zerreißbaren Haut ſehr, wie denn uͤberhaupt das Schlaffe oder Welke des Vogels manchem Koche widerlich iſt. Auch ſeine Eier ißt man gern und findet ſie ſehr ſchmackhaft, leider geben ſie aber nur kleine Biſſen. Schaden. Das geſprenkelte Sumpfhuhn gehoͤrt, ſo viel uns bekannt, unter die voͤllig unſchaͤdlichen Geſchoͤpfe. 268. Das kleine-Sumpfhuhun. Crex pwsilla. Licſilensi. & (Fig. 1. Männchen im Frühling. Taf. 238, Fig. 2. Weibchen im Frühling. Fig. 3. Junger Vogel. Kleines Rohrhuhn (Zwergrohrhuhn), kleines Meerhuhn; Moor— huͤhnchen; kleines Waſſerhuͤhnchen; kleiner Waſſerralle; tauriſcher Ralle; Sumpfſchnerz; kleiner Heckenſchnarrer. Crex pusilla. Kaup, das Thierreich II. S. 346. — Gallinula pusilla, Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 484. = Rallus pusillus. ‘ Pall. iter. III. p. 700. n. 30. — Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 719. n. 30. - Lath. Ind. II. p. 761. n. 24. Rallus parvus. Scopoli Ann. überſ. v. Günther, S. 126. n. 157. Poule d’eau Poussin. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 690. — Gallinella pa- lustre piccola. Stor, degl. Ucc, V. Tav. 482. jung. Vog. — Schiribilla. Savi, Orn. tosc. II. p. 379. —= Bechſtein, Taſchenb. II S. 340. 0.2, = Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 414. — Meyer, Vög. Liv: und Eſthlands. S. 217. Meisner u. Schinz, Vögel d. Schweiz. S. 240. n. 222. — Koch, Bair. Zool. I. S. 343. n. 215. = Brehm, Lehrb. II. S. 640. - Deſſen Naturg. all. Vög. Deutſchl. S. 699. n. 1. u. 2. = Gloger, Schleſ. Faun. S. 51. n. 225. Lands beck, Vög. Würtembergs. S. 67. n. 240. — Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 159. Taf. XXII. Fig. 43. (a. Männchen. 5. Weibchen), und Nachtr. S. 172. Kennzeichen der Art. | Von oben olivenbraun, die Mitte des Ruͤckens ſchwarz, mit wenigen, ovalen, weißen Fleckchen; im Alter die Tragfedern hell ſchieferblau, die Füße ſchoͤn grün. Haubenlerchen-Groͤße. 5 35 * 548 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. Beſchrei bung. Dieſes Sumpfhuhn iſt vom geſprenkelten ſchon durch ſeine weit geringere Groͤße auffallend genug verſchieden; dagegen hat es aber mit dem folgenden, dem Zwergſumpfhuhn, ein ſo große Aehnlichkeit, daß der Ungeuͤbte leicht in Verlegenheit kommen kann, beide zu verwechſeln, was freilich nicht vorkommen wird, wenn man genau auf die hier gegebenen Kennzeichen achtet und noch folgendes zu Huͤlfe nimmt: In der Größe übertrifft das gegenwärtige das folgende Sumpf- huͤhnchen ſtets um Etwas; dazu iſt es ſchlanker, wozu vorzuͤglich die laͤngern Fluͤgel und Schwanz viel beitragen; ſein Schnabel iſt geſtreckter, weniger hoch und ſanfter zugeſpitzt; die Fuͤße bedeutend höher und die Zehen länger. Im Fruͤhlingskleide find bei die ſem beide Geſchlechter verſchieden gefaͤrbt, das Maͤnnchen an den Kopfſeiten und allen andern Theilen, vom Schnabel bis an die Schenkel, hell ſchieferblau, das Weibchen bloß an den Kopfſeiten ſo, an der Kehle weiß, an Gurgel und Bruſt ſehr bleich roſtroͤthlich, waͤhrend bei der folgenden Art beide Geſchlechter an dieſen Theilen gleich gefärbt, ſchoͤn ſchieferblau ausſehen. Im friſchen Zuſtande ſind ferner bei C. pusilla der gruͤngelbe Schnabel an der Wurzel ſchoͤn roth, die Füße lebhaft gelbgruͤn, bei C. pygmaca erſterer meer⸗ gruͤn ohne Roth, die Fuͤße roͤthlichgrau oder graulich fleiſchfarben. — Im Jugendekleide, wo beide Arten am ſchwereſten zu unter- ſcheiden ſind, muß beſonders das, was von Verſchiedenheit der Groͤße und Geſtalt geſagt wurde und die Zeichnung des Oberkoͤrpers genau beachtet werden, wo die weißen Zeichnungen bei C. pusilla nur ein⸗ zelne, große weiße Tuͤpfel, bei C. pygmaea dagegen ſehr zahlreiche, viel kleinere, weiße Punkte und abgeſetzte Strichelchen ſind. Will man genau auf diefe Verſchiedenheiten achten, fo wird man ſie nicht ſo zart finden, als ſie bei einem bloß oberflaͤchlichen Anblick geſchienen hatten, und beide Arten nicht verwechſeln koͤnnen. In der Groͤße iſt dies Sumpfhuhn kaum mit unſrer Hau— benlerche (Alauda cristata) zu vergleichen und junge Herbſtvoͤ— gel uͤbertreffen darin gewoͤhnlich die Feldlerche nicht; der laͤngere Hals und die viel hoͤhern und groͤßern Beine geben ihm freilich ein ſtattlicheres und ganz anderes Ausſehen. Es mißt von der Stirn bis zur Schwanzſpitze 7 bis 7½, ja manchmal bis 8 ¼ Zoll in der Länge; die Flugbreite iſt 12 bis 13 Zoll; die Länge des Fluͤgels vom Hangelenk bis zur Spitze 4½ bis XII. Ordn. LXXIII. Gott. 268. Kleine Sumpfhuhn. 549 41, Zoll; der Schwanz 2 bis 2¼ Zoll; dies Alles an alten Voͤ— geln und friſch gemeſſen. Bei jungen Herbſtvoͤgeln ſind alle ein Wenig geringer. i Das Gefieder iſt ganz wie bei C. Porzana, die erſte Ordnung der Schwingen und die Schwanzfedern aber ana länger, von jenen die zweite kaum ein Wenig länger als die erſte und die eben fo lange dritte; oder auch die erſte 8 Linien kuͤrzer als die dritte, welche nur 1 bis 2 Linien laͤnger als die zweite, dieſe aber mit der vierten von gleicher Laͤnge; die zweite Ordnung kurz; die Fittichdeckfedern ziemlich kurz, die Daumenfedern aber auffallend groß und breit. Die Spitze des ruhenden Fluͤgels reicht nicht ganz an die Spitze des Schwanzes, welcher viel groͤßer und breiter als bei jener Art iſt, aus 12 weichen, breiten, zugerundeten Federn beſtehet, von denen die aͤußerſte faſt / Zoll kuͤrzer als eine der mittelſten, ſtumpf zuge: ſpitzten iſt, und durch dieſe ſtarke Abſtufung erhält das Schwanzende faſt einen keilfoͤrmigen Zuſchnitt. Das Verhaͤltniß der Laͤnge des angeſchloſſenen Fluͤgels zu der des Schwanzes koͤmmt ſo aͤußerſt verſchieden vor, daß es ſich am allerwenigſten zu einem Artkennzeichen eignet. An einem vor— liegenden, friſch erlegten jungen Maͤnnchen in ſeinem erſten Herbſtkleide, an dem man alle Theile fuͤr erwachſen halten moͤchte, ſind die Fluͤgel ſo kurz, daß ſie von der Schwanzlaͤnge einen vollen Zoll unbedeckt laſſen. Der Schnabel iſt geſtreckter und ſchlanker als bei der vorigen und folgenden Art, vor der Stirn weniger erhaben, bis zum Ende der Kielſpalte, d. i. bis auf drei Fuͤnftheile ſeiner Laͤnge, ziemlich von gleicher Hoͤhe, dann oben ſehr ſanft gebogen in die ein wenig vorſtehende Spitze, unten vor der Kielſpalte als ein ſehr ſeichtes Eck vorſtehend und von dieſem faſt gerade in die Spitze auslaufend. Er iſt ſehr ſchmal zuſammengedruͤckt, Firſte und Kiel faſt ſcharf, und die Kinnfedern gehen ziemlich weit in die Spalte des letztern vor Die aufeinander paſſenden Schneiden ſind ganz gerade, ſehr ſcharf; der Rachen nicht tief geſpalten und ſehr ſchmal; die Naſenhoͤhle ſehr groß, bis in die Mitte des Schnabels vorreichend, die Naſenoͤffnung in der weichen Haut groß, ſchmal und langoval, durchſichtig, ober= halb mit etwas vorſtehendem haͤutigen Raͤndchen. i Die Maaße des Schnabels ſind folgende: Laͤnge von der Stirn bis zur Spitze bei erwachſenen Jungen wenig über 8 Linien, bei alten Voͤgeln 9 bis 10 Linien; die 25555 an der Wurzel bei jenen kaum, bei dieſen volle 3 Linien; die Breite da: 550 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. ſelbſt 1½ oder doch nicht volle 2 Linien, gegen die Spitze nur 1 Linie. — Seine Faͤrbung zieht immer ſtark ins Gelbgruͤnliche und iſt bei jungen Herbſtvoͤgeln oben und an der Spitze dunkel hornfarbig, am Unterſchnabel gruͤnlich gelbbraͤunlich, an der Wurzel beider, hauptſaͤchlich an den Mundwinkeln ſtark ins Gruͤngelbliche uͤbergehend, der Rachen fleiſchfarbig Bei den Alten, zumal im Fruͤhjahr, iſt er dagegen ſchoͤn gelbgruͤn, nach der Spitze zu und am Unterſchnabel gruͤnlich gelb, an der Wurzel und an den Mund— winkeln lebhaft roth, der innere Rachen gelbroͤthlich — Im Tode und an Ausgeſtopften verwandelt ſich alles in gruͤnliche Hornfarbe und von dem Roth an der Wurzel bleibt nur eine ſchwache Spur zuruͤck, doch nicht immer; noch unanſehnlicher wird er an jungen Voͤgeln. | Das nach innen nackte Augenliedraͤndchen ift bei erwachſenen Jungen fleiſchgrau, der Augenſtern hellbraun, ſpaͤterhin rothbraͤun— lich; bei den Alten, beſonders im Fruͤhjahr, iſt jenes voͤllig nackt und ziegelroth gefaͤrbt, der Augenſtern praͤchtig hochroth, um die ſchwarze Pupille in Feuerfarbe uͤbergehend. Die Fuͤße ſind groß, hoch und ſchlank, mit langen, ſchwachen und ſchmalen Zehen, ſtark zuſammen gedruͤckten Laͤufen und uͤber den Ferſen ziemlich weit nackten Schenkeln. Die drei Vorderzehen ſchei— nen auf den erſten Blick ganz getrennt, allein ſie haben, wenn auch nicht zwiſchen der innern und mittlern, doch zwiſchen dieſer und der aͤußern ein kleines Rudiment eines Spannhaͤutchens. Die Hin— terzeh iſt etwas uͤber dem gemeinſchaftlichen Zehenballen eingelenkt, ſchwaͤchlich, aber nicht ſehr kurz. Der weiche Uiberzug der Fuͤße iſt vorn herab in große, breite Schildtafeln, auf den Zehenruͤcken in ſchmale Schilder zerkerbt, Schienen- und Laufſeiten kleiner geſchil— dert, die Hinterſeiten, Gelenke und Zehenſohlen fein gegittert, be— ſonders die letztern ſehr fein, faſt chagrinartig. Die Krallen ſind mittelmaͤßig groß, flach gebogen, ſehr zuſammengedruͤckt, unten mit einer vertieften Laͤngenlinie, vorn nadelſpitz. Der Unterſchenkel iſt uͤber der Ferſe 6 bis 7 Linien nackt; die Fußwurzel oder der Lauf 1 Zoll 3½ Linien bis 1 Zoll 5 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 3 bis 4 Linien langen Kralle 1 Zoll 8 bis 10 Linien; die Hinter: zeh, mit der 2½ Linien langen Kralle, 8 bis 9 Linien lang, wovon die groͤßern Maaße aͤltern Voͤgeln zukommen. Die Farbe der Fuͤße iſt ein angenehmes Gruͤn, auf dem Spann und den Zehenruͤcken ſchoͤnes Gelbgruͤn, an den Zehenſohlen und Gelenken zuweilen mehr blaͤulichgruͤn; fo an den Alten im Früh: 65 1 7 7 XII. Or dn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 551 jahrz im Herbſt nur etwas weniger ſchoͤn; aber oft an den Zehen— ſohlen braͤunlich. Die Krallen ſind lichtbraun, mit etwas dunkleren Spitzen, ebenſo oder noch lichter bei den erwachſenen Jungen, deren Fuͤße aber nicht gruͤn, ſondern faſt wie die der folgenden Art, ſchmutzig gelblichfleiſchfarbig ſind, nur an den Gelenken und hinten einen ſchwachen Schein von Gruͤn haben. Spaͤter werden ſie all⸗ maͤhlich gruͤnlicher und im Herbſt faſt ganz ſchmutzig blaßgruͤn, und an den Gelenken und Sohlen bleibt nur noch Etwas von jenem roͤthlichen Grau. — Im ausgetrockneten Zuſtande bekommen fie eine dunkele haͤßliche Hornfarbe, die bei alten Voͤgeln etwas ins Olivengruͤne zieht, die fruͤhere aber nicht erkennen laͤßt. Die Jungen, wenn fie eben den Eiern entſchluͤpft, find auf: fallend klein, und durchaus in dichte kohlſchwarze Dunen gekleidet; ſie haben ein weißes Schnaͤbelchen, graue Augenſterne und roͤthlich— weiße Fuͤße. Das nachherige Jugendkleid in voller Befiederung hat fol gende Farben und Zeichnungen: Am Schnabel und an den Fuͤßen herrſcht noch eine ſchmutzige Fleiſchfaͤrbe vor, und die Augenſterne ſind hellbraun; das ganze Geſicht, Kehle, Gurgel und die Mitte der Bruſt ſind weiß, an den Zuͤgeln und hinter den Ohren mehr oder weniger braun angelaufen, an den Halsſeiten in eine braune gewoͤlkte Zeichnung, aber an den Kropf- und Bruſtſeiten in eine ſtark braun gefleckte und gebaͤnderte uͤbergehend, ſo daß die laͤngſten Tragfedern braun, ſchmutzig weiß gebaͤndert werden, ſo auch die untere Schwanzdecke, während am Bauche mehr Grauſchwarz eins gemiſcht und die weißen Flecke unregelmaͤßiger ſind, die Schenkel aber noch mehr Weiß haben. Die Mitte der Stirn und der ganze Oberkopf und Hinterhals ſind olivenbraun, erſterer etwas ſchwaͤrzlich gefleckt; der ganze uͤbrige Oberkoͤrper olivenbraun, der Unterruͤcken ſehr dunkel, die Hinterkante der hinterſten Schwingfedern (dritte Ordnung) aber noch heller als die Schultern, wo hier und dort ſchwarze Schaftflecke zum Vorſchein kommen, wie denn auf der Mitte des Oberruͤckens ein wirklich großer ſchwarzer Fleck zuſammen fließt, der wie die olivenbraunen Umgebungen mit tropfenfoͤrmigen weißen Fleckchen, eben nicht dicht beſtreut iſt, dergleichen ſich, jedoch kleiner, auch noch auf den groͤßern Fluͤgeldeckfedern und an den En⸗ den der hintern Schwingfedern zeigen. Die großen und mittlern Schwingen, nebſt den Fittichdeckfedern find rauchfahl, an den Kan⸗ ten in Olivenbraun uͤbergehend, ſo auch die Schwanzfedern, doch dieſe gegen den Schaft faſt ſchwarz; der Unterfluͤgel ſchwarzgrau. | m" . i 552 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. Es finden ſich unter dieſen Jungen wol Abweichungen, und bei dem einen iſt das Weiß im Geſicht und am Vorderhalſe reiner und ausgedehnter, oder ſchmutziger und beſchraͤnkter, zumal in der Augengegend, bei dem andern find die Bruſtſeiten mehr oder weni- ger weiß geſcheckt, und dergl. mehr, jedoch ohne einen aͤußern Ge: ſchlechtsunterſchied zu bezeichnen. — Eben durch jenes haͤufigere Weiß, durch die groͤbere Zeichnung der Bruſtſeiten und durch die groͤßern und einzelnern weißen Tropfen auf dem Oberruͤcken unterſcheiden ſie ſich leicht von den Jungen des Zwergſumpfhuhns. Das Herbſtkleid derer, welche es zum erſten Male tragen, iſt ſchon ziemlich von dem Jugendkleide verſchieden; es iſt im Gan— zen duͤſterer, und ihre Fuͤße haben ſich beinahe ganz gruͤn, die Au— genſterne braunroth gefaͤrbt. Ein roͤthlichweißer Streif zieht ſich uͤber das Auge hin; die Zuͤgel ſind mehr oder weniger dunkelgrau, oder es ſteht vor dem Auge nur ein graues Fleckchen, ſo die Ohrgegend; unter den Zuͤgeln, vorn auf der Wange, an Kinn und Kehle iſt Alles rein weiß; allein der ganze uͤbrige Hals, vorn und ſeitwaͤrts, die ganze Bruſt in ihrer Mitte, bis zwiſchen die Schenkel hinab und theilweis noch dieſe, ſind roſtroͤthlich weiß, mit dunkelgrauen Feder— ſpitzchen, wodurch eine undeutlich grau gewellte und beſpritzte Zeich— nung entſteht, welche die Grundfarbe mehr oder weniger truͤbt; die Bruſtſeiten ſind olivenbraun, ſchmutzig roͤthlichweiß gefleckt und zum Theil, beſonders hinterwaͤrts, gebaͤndert; die Schenkel nach innen dunkelaſchgrau; der Bauch grauſchwarz, mit undeutlich begrenzten truͤbweißen Querflecken; die ſehr langen untern Schwanzdeckfedern nach außen olivenbraun, weiß gebaͤndert, die mittlern grauſchwarz, mit roſtroͤthlich weißen Spitzen. Der ganze Oberkopf iſt tief oliven⸗ braun, bloß gegen die Stirn etwas lichter; der Hinterhals, Ober— ruͤcken, die Schultern und letzten Schwingfedern hell olivenbraun, an den letzten und mehrern Schulterfedern mit Durchblicken großer ſchwarzer Schaftflecke, die auf der Mitte des Oberruͤckens in ein großes ſchwarzes Feld zuſammen fließen, auf welchem und neben welchen noch, doch nicht zahlreich, große hellweiße Tropfen ſtehen, von welchen die Schultern auch einige tragen und an der hintern Fluͤgelſpitze wie auf mehrern großen Deckfedern noch einige als große Punkte vorhanden ſind. Der Unterruͤcken iſt faſt ſchwarz, da nur die Enden der Federn ſehr dunkel olivenbraun ausſehen, mit einzel— nen weißen Punkten; Buͤrzel und Oberſchwanzdecke mehr dunkel oli— venbraun und ohne Weiß; die Schwanzfedern braunſchwarz, oliven— braun gekantet und die kuͤrzern oft mit einem hellweißen Punkt XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 553 vor der Spitze. Der Oberfluͤgel iſt etwas dunkler olivenbraun als die Schultern; die Schwingfedern matt braͤunlichſchwarz, an den Raͤndern fahl; der Unterflügel ganz ſchwarzgrau. — Die eiten Tropfen an einigen Theilen des Mantels, find nicht bei allen Ins dividuen gleichmaͤßig vertheilt, naͤmlich ſie fehlen zuweilen denſelben Federn der einen Seite des Vogels, welche auf der andern damit geziert ſind, wie ſie denn uͤberhaupt ausſehen, als waͤre ein mit weißer Farbe angefuͤllter, etwas großer Pinſel uͤber dem Vogel aus— geſpritzt und dem Zufall uͤberlaſſen, wo die Tropfen haͤtten hinfallen wollen. Ich habe ein Exemplar vor mir, an dem an einem Fluͤgel die vorletzte Schwingfeder dritter Ordnung an der Außenſeite neben der Spitze einen weißen Tuͤpfel hat, welcher derſelben Feder am andern Fluͤgel fehlt, der kleinern Federn mit ſolchem Vorkommen zu geſchweigen, an welchen dies nicht ſo ſehr in die Augen faͤllt, und ſich erſt bei genauerer Unterſuchung findet. — Zwiſchen beiden Geſchlechtern habe ich in dieſem Kleide keinen ſtandhaften aͤußern Unterſchied entdecken koͤnnen, als daß das Weibchen immer etwas kleiner als das Maͤnnchen iſt. Das Herbſtkleid der alten Voͤgel ſteht in der Mitte zwi— ſchen dem oben beſchriebenen und dem weiblichen Fruͤhlings— kleidez es hat naͤmlich an der Gurgel und ganzen Bruſt eine rei— nere Faͤrbung als das jugendliche, weniger grau beſpritzte Spitzen an den bleich roſtroͤthlich gefärbten Federn und an den Bruſtſeiten nur undeutliche oder gar keine olivenbraͤunliche Baͤnder. So das des alten Weibchens; wogegen ſich das des alten Maͤnnchens durch noch groͤßere Reinheit auszeichnet und ſo beinahe ganz dem weiblichen Fruͤhlingskleide gleicht, indem auch die Augengegend ſtaͤrker aſchblau angeflogen iſt, welches beim Weibchen nur ganz ſchwach vorkoͤmmt. Die alten Voͤgel ſind auch ſogleich an der ſchoͤnern Faͤrbung des Schnabels und der Fuͤße, wie an den praͤchtig feuerrothen Augenſternen kenntlich. Im Fruͤhlingskleide ſind dieſe Voͤgel ſehr ſchoͤn, 10 0 beide Geſchlechter verſchieden gefaͤrbt. In ſeinem ſchoͤnſten Fruͤhlingsſchmuck iſt das alte Maͤnnchen, mit ſeinem ſchoͤn gruͤnen, an der Spitze gelben, an der Wurzel hochrothen Schnabel, mit feinen brennendrothen Augenſternen, hellrothen Augenlidern und den lebhaft gruͤnen Fuͤßen ein praͤchtiges Geſchoͤpf. Dann iſt das ganze Geſicht, der Hals vorn und an den Seiten, die ganze Bruſt, nebſt den Seiten und den Schenkeln ſchoͤn hell ſchieferblau, die beiden letztern mit weißlichen Federkaͤntchen, daher etwas gewellt; der Bauch und deſſen Seiten dunkelaſchgrau mit 4 554 XII. Ordn. LXXIU. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. abgebrochnen weißen Querbinden, weiter hin bloß mit weißen Spitzen, welche auch die langen, ganz ſchwarzen Unterſchwanzdeckfedern haben. Der Scheitel, von der Stirn ganz ſchmal anfangend, und Hinter: kopf, ein ſchmaler Streif laͤngs dem Hinterhalſe und der ganze Mantel nebſt dem Schwanze ſind ſchoͤn olivenbraun, auf dem Hinterhaupte, dem Unterruͤcken und Buͤrzel am dunkelſten, an den Schultern am hellſten; in der Mitte dieſer wie des Oberruͤckens zeigen ſich tief ſchwarze Schaftflecke, und neben dieſen, am meiſten jedoch auf dem Ruͤcken, einzelne rundliche oder ovale, weiße Fleckchen, die kleiner als am Herbſtkleide ſind; die Schwingfedern ſind ſchwaͤrzlichbraun, olivenbraun gekantet, die dritte Ordnung ſchwarz, mit breiten oli— venbraunen, am Hinterrande ins Weißliche uͤbergehenden Kanten; der Unterfluͤgel ſchwarzgrau; die Schwanzfedern in der Mitte ſchwarz, an den Seiten olivenbraun. Das Fruͤhlingskleid des Weibchens iſt an der Kehle weiß; an der Gurgel, dem Kropfe, der ganzen Bruſt, auch den Seiten derſelben, und an den Schenkeln ſehr licht roſtfarbig oder weiß mit ſchwacher Roſtfarbe uͤberlaufen, eine recht liebliche Faͤrbung; an den Tragfedern zeigen ſich bei recht alten zuweilen, doch ſelten und immer nur ſehr wenige, kleine weiße, obenher fein braun begrenzte Tropfen und an ſolchen (wie auch unſere Abbildung Fig. 2. auf Taf. 238. zeigt) ſind dann die ganzen Kopfſeiten hellſchieferblau, da bei juͤngern dieſe Theile nur ſchwach mit dieſer Farbe uͤberlaufen ſind. Der Bauch iſt grauſchwarz, die untern Schwanzdeckfedern ſchwarz, beide weiß gefleckt und abgebrochen gebändert, das Weiße auch wol roſtfarbig uͤberlaufen. Die obern Theile ſind ganz wie am Maͤnnchen. — Daß die Weibchen im hohen Alter auch am Halſe und an der Bruſt ſchieferblau, wie die Maͤnnchen, werden ſollten, ſcheint uns durchaus unwahrſcheinlich. Wir haben ihrer mehrere beim Neſte oder bei den Jungen erlegt und ſie nie anders als wie beſchrieben, gefunden, dabei die groͤßten auch fuͤr die aͤlteſten halten muͤſſen, die ſich dann vor den andern nur durch die ſtaͤrker ſchieferblau gefärbten Kopfſeiten auszeichneten. Es wird geſagt, daß das junge Maͤnnchen in ſeinem er⸗ ſten Fruͤhlingskleide dem alten Weibchen gleich gefaͤrbt ſei; wir haben jedoch in dieſer Jahreszeit nie einen maͤnnlichen Vogel in dieſem, dem Herbſtkleide aͤhnelnden Gewande gefunden. Im Sommer werden die Farben etwas bleicher, ausgezeichnet in der Art die hintere Kante der letzten Schwingfedern, aber abge— rieben findet man das Gefieder an keiner Stelle ſehr auffallend. XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 555 Die Mauſer erfolgt ziemlich fruͤh; wir haben ſchon mit Ende des Juli oder zu Anfange des Auguſt voͤllig fertig vermauſerte Alte und gegen Ende des September ebenſo Junge erhalten. Sie geht ſehr ſchnell von Statten und die Voͤgel halten ſich in dieſer kurzen Zeit noch verſteckter als je, weil ſie dann oft nicht fliegen koͤnnen. Die Mauſerzeit iſt alſo bei den Alten der Juli, bei den Jungen, je nachdem ſie von fruͤherer oder ſpaͤterer Brut, der Auguſt oder September. — Die zweite Mauſer findet im Anfange des Fruͤh— lings Statt, ehe ſie in unſern Gegenden ankommen; denn wenn dies geſchiehet, find fie bereits im friſcheſten, vollſtaͤndigen Fruͤh⸗ lingsgewande. Aufenthalt. Das kleine Sumpfhuhn liebt eine waͤrmere one und ſcheint auch im Sommer kaum bis gegen den 55 Grad n. Br. aufzuſtei⸗ gen, dies auch nur in mehr oͤſtlicher Lage, indem es, von uns aus, mehr in den füdöftlichen Ländern, gegen das ſchwarze Meer hin, und auch im ſuͤdlichen Sibirien, viel haͤufiger vorkoͤmmt als in den direct ſuͤdlich gelegenen, obwol es auch dort nicht ſelten iſt. Es bewohnt die Krim, das ſuͤdliche Rußland, die europaͤiſche Tuͤr— kei, Ungarn, Italien, koͤmmt in dem ſuͤdlichen Frankreich, auch in der Schweiz oft vor, iſt aber gegen die Kuͤſten der Nord: ſee, auch in Holland, in Juͤtland, in Preußen, in Liv- und Eſthland ſehr ſelten. In Deutſchland iſt es haͤufiger in den ſuͤdlichen und oͤſtlichen als in den noͤrdlichen Theilen, in Oeſter⸗ reich, Schleſien, Sachſen, auch in den Rhein- und Main: gegenden gar nicht ſelten, auch bei uns in Anhalt dies nicht, obgleich es, wegen ſeiner Gewohnheit ſich immer verborgen zu hal— ten, fo ſcheint, wie es denn deshalb auch von wenigen Waidmäns nern gekannt iſt. Wir ſahen es in den Umgebungen des ſalzigen und ſuͤßen Sees im Mannsfeldiſchen, in denen der großen Teiche im Zerbſtiſchen, an vielen kleinern Teichen in unſrer Naͤhe, am oͤfterſten und alle Jahre in unſern groͤßern Bruͤchern, namentlich in denen in der Naͤhe des Zuſammenfluſſes der Elbe und der Saale. Als Zug vogel gehört es bei uns zu den am ſpaͤteſten wieder: kehrenden, erſcheint daher auch bei zeitig warmer Witterung nicht leicht vor Anfang, ſondern viel oͤfterer erſt gegen die Mitte des Mai, 556 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. doch oft etwas fruͤher als das Zwergſumpfhuhn, und wird nicht ſelten noch zu Ende dieſes Monats an Orten, wo es nicht niſtet, alſo durchwandernd, angetroffen. Gegen Ende des Auguſt beginnt der Fortzug und mit Ende des September verſchwindet es vollends aus unſern Gegenden. Es ziehet allezeit des Nachts und ſtets nur einzeln. a ; Es bewohnt im Sommer nicht allein die größern und kleinern Bruͤcher, welche im Frühjahr zur Weide für Rindvieh, im Spät: ſommer aber zum Maͤhen und Heumachen benutzt werden, ſondern auch die mit weniger ausgedehnten, begruͤntem Sumpf umgebenen, ſchilfreichen Teiche, und koͤmmt auf dem Zuge an ſo beſchaffenen Ufern der Fluͤſſe, Teiche und Waſſergraͤben auch in andern niedrigen, nicht gerade ſumpfigen Gegenden vor. Suͤmpfe und Sumpfwieſen in groͤßern Strecken, ſowol in weiten Ebenen als in etwas bergigen Gegenden, haben in Deutſchland wol allenthalben dies Sumpf: huhn; es verbirgt ſich aber ſo ſorgfaͤltig an ſeinen Aufenthaltsorten, daß dieſer kleine Vogel nur von wenigen Menſchen bemerkt wird und ungleich ſeltner ſcheint als er wirklich iſt. — An die Seekuͤſte koͤmmt es fo wenig, wie eine ihm naͤchſtverwandte Art, aber eben fo in die nahe liegenden Suͤmpfe. In den groͤßern Bruͤchern ſucht es im Fruͤhjahr die waſſerreich— ſten und moraſtigſten Stellen, wo der ſchlammige Boden fruͤher vom größern Vieh zerknetet und die dort wachſenden Seggenarten (Carex) die große Sumpfeuphorbie (Euphorbia palustris) und andere, zum Theil auch Rohr (Arundo) in einzelne Buͤſchel ſich abgeſondert ha— ben und zahlloſe, kleine vom Waſſer und Moraſt umgebene gruͤne Inſelchen, hier zu Lande Kufen genannt, bilden. Auch die naſſe Sumpfwieſen durchſchneidenden Graͤben, deren Raͤnder moraſtig, mit vielem Gras und Schilf, namentlich auch Weidengeſtraͤuch beſetzt ſind, uͤberhaupt ſolche Stellen der Bruͤcher, wo letzteres waͤchſt, liebt es ebenfalls ſehr. An groͤßern oder kleinern ſchilfigen Teichen fanden wir es auch nur an ſolchen Stellen, wo viel Weidengeſtraͤuch wuchs, auch wol unter Erlen, jedoch unter dieſem weniger, wie denn auch nur am Rande der Erlenbruͤcher, in dieſen nie. In den offnen Bruͤchern erſcheint es im Fruͤhjahr nicht eher, bis dieſe aus der Ferne ſchon ein gruͤnliches Ausſehen bekommen, welches ihnen die neu hervorſproſſenden, jetzt aber noch ſehr niedrigen Graͤſer geben, zwiſchen welchen dann allendhalben Waſſer hindurch blinkt. Spaͤter werden dieſe zu gruͤnen Fluren und die hoͤhern Graͤſer verbergen das darunter befindliche Waſſer, das nach und nach auch abnimmt XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 557 und im Sommer einen bloß feuchten, nur hin und wieder morafti: gen Boden hinterlaͤßt, wo dann dieſe und andere Sumpfhuͤhner unter gruͤner Bedachung, daher allen ihren Feinden von außen und oben verborgen, im Stillen und ungeſtoͤrt ihr Weſen treiben. Dadurch daß es auch auf Teichen mit vielem hohen Rohr und Kolbenſchilfe (Typha) beſetzt, wenn fie nur moraſtige, mit vielem Seggenſchilf und untermiſchten Weidengeſtraͤuch beſetzte Ufer haben, vorkoͤmmt, ja niſtet, und daß es ſich auch oͤfters vor den bergenden Schilfbuͤſchen und ſonſt an freien Stellen zeigt, auch wenn es in den Umgebungen laͤrmend hergeht, unterſcheidet es ſich ſowol von der vorhergehenden als folgenden Art. Es koͤmmt in feuchten Gegenden auch wol unter finſterem Ge— buͤſch und Geroͤhricht an den Ufern ſtehender und langſam fließender Gewaͤſſer vor, aber nicht wo dieſe zu ſehr von dichtſtehenden hohen Baͤumen beſchattet ſind; wir fanden es wenigſtens nie an ſo finſtern Waldwaſſern, wo dagegen das geſprenkelte Sumpfhuhn zu— weilen vorkoͤmmt. Es ſetzt ſich auch nicht ſelten auf niedere Baum— zweige, unter dem Schutz der Blaͤtter und anderer Pflanzen, ver— weilt aber nie lange auf ſolchem Sitze. So wenig es ſonſt das Trockne liebt und nicht einmal auf etwas trocknen Wieſen vorkoͤmmt, ſo wird es doch manchmal auf Feldern im Getraide angetroffen, dies beſonders gegen Ende der Erndte, wenn es in den Bruͤchern ſchon zu unruhig und das Schilf— gras gemaͤhet wird, hauptſaͤchlich wenn, wie oft in einem trocknen Sommer vorkoͤmmt, das Waſſer dort knapp geworden iſt. Auch moͤgen auf Feldern angetroffene Voͤgel dieſer Art wol ſchon auf dem Wegzuge begriffen ſein. Wir trafen einſt ein ſolches gegen Ende des Auguſt auf einem etwas tiefem Felde, wo aber in den vielen dies durchkreuzenden Graͤben kein Tropfen Waſſer war, in einem großen Stuͤck noch auf dem Stiele ſtehender Gerſte an; es fluͤchtete aber, vom Hunde aufgetrieben, nicht weiter ins Getreide, ſondern an einen der mit Gebuͤſch beſetzten Grabenraͤnder, wo es ſich ſo verkrochen hatte oder im Geſtruͤppe des Grabens fortgelaufen war, daß es, aller angewandten Mühe ungeachtet, nicht wieder aufge: funden wurde. Eigenſchaft en Dieſes kleine niedliche Geſchoͤpf übertrifft an Schönheit bei Wei: tem noch das geſprenkelte Sumpfhuhn, dem es uͤbrigens in 558 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. der ganzen Haltung aͤhnlich iſt, wobei aber ſeine ſchlankere Figur, in jeder Stellung ſichtbar, nicht unbeachtet bleiben kann. Es ſteht auch immer höher auf den Beinen, trägt aber auch den Rumpf faſt wagerecht, den Hals eingezogen, den Schwanz ziemlich haͤngend, wodurch der Ruͤcken ſtark gebogen erſcheint, wenn es ſich in gaͤnz⸗ licher Ruhe befindet, was aber dem in der Freiheit lebenden ſelten begegnet, an dem ſich dagegen immerwaͤhrend eine große Regſamkeit bemerklich macht. Gewahrt es dann Etwas, das ihm gefaͤhrlich werden koͤnnte, fo dehnt ſich fein Hals und neigt ſich etwas vor, die Fluͤgelſpitzen heben ſich hoch und der etwas ausgebreite Schwanz ſchnellt wiederholt ſenkrecht aufwaͤrts, die anfaͤnglich zierlich langſa— men Schritte folgen ſchneller, ſetzen ſich in den ſchnellſten Lauf, und der Vogel iſt im Nu im naͤchſten Verſteck verſchwunden. Geht es ohne Furcht einher, ſo zuckt es nur zuweilen etwas mit dem Schwanze, nickt aber bei jedem Tritte mit dem Koͤpfchen, das immer ſehr ſchlau ausſieht. Will es ſich moͤglichſt unbemerkt wegſchleichen, ſo macht es ſich durch ſtarkes Einbiegen der Ferſen ganz niedrig und ſtreckt den Hals gerade vor. Sein Rennen geſchieht mit fo ſchnellem Fort: ſetzen der Fuͤße, daß es auf der Erde hin zu ſchurren ſcheint. Es ſchwimmt ſo zierlich als gern, mit Kopfnicken bei jedem Ruderſchlage und aufgehobenem, oft wippendem Schwanze, taucht auch im Nothfall eben fo fertig, wie das geſprenkelte Sumpf: huhn. Wo gruͤne oder trockene Pflanzen auf dem Waſſer ſchwim⸗ men, laͤuft es leicht uͤber ſolche Flaͤchen hin, klettert auch uͤber nie— derhangende Zweige, wenn es nicht unter ſie durch kann, geraͤth aber keineswegs in Verlegenheit, wenn es durchtritt und ſchwimmen muß. Zwiſchen den Kufen kann es gewoͤhnlich von einer zur an— dern nur ſchwimmend gelangen und im Geroͤhricht der Teiche muß es oft weit und lange auf tiefem Waſſer ſchwimmen. Sein Flug iſt ſchnell flatternd, mit ganz von ſich geſtreckten Fluͤgeln und faſt zitternder Bewegung, matt, niedrig und kurz, wie der der andern. Es iſt darin vor den andern Arten an den vorn ſchmaͤlern und ſpitzern Fluͤgeln, gegen die vorige an der geringern Groͤße kenntlich. Es ſcheint auch etwas fluͤchtiger, fliegt aber eben ſo ungern auf und iſt nur mit Gewalt dazu zu bringen, wenn es die Fußtritte des Menſchen zu ertreten oder der ſeinem Lauf fol⸗ gende Hund es zu erſchnappen drohen. Es koͤmmt bei ihm ebenſo wie bei C. Porzana vor, wenn auf den ſitzenden oder ſeiner Nahrung nachgehenden Vogel geſchoſſen wird, der Schuß ihn aber verfehlt, daß er nicht auffliegt, ſondern fortrennt und ſich beſſer verſteckt. . XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 559 Man bekoͤmmt es ſelten anders als im Herausfliegen zu ſehen und fein Flug geht dann ſelten über 100 Schritt weit, meiſtens ge: rade aus oder einen ſehr flachen Bogen beſchreibend, um wo moͤglich ſich an einen noch verſtecktern Ort wieder nieder zu werfen, dies beſonders gern in der Naͤhe von Geſtraͤuchen. Seine langen, faſt gerade herabhangenden Beine geben der fliegenden Figur dieſer wie anderer Sumpfhuͤhner ein ſonderbares Ausſehen. Nur der, wel— cher mit den Gewohnheiten dieſer verſteckt lebenden Voͤgel vertraut iſt und ihre Aufenthaltsorte kennt, kann behutſam ſchleichend und ſpaͤhend oder ohne ſich zu ruͤhren hingeſtellt, zuweilen ſehen, wie ſie, wenn Alles um ſie her ſtill, ſich am Rande des Geroͤhrichts der Teiche und Graͤben hervorwagen und an weniger gedeckten Stellen herum ſchleichen. Das geſprenkelte zeigt ſich in ſolchen Faͤllen immer vorfichtiger als die beiden kleinen Sumpfhuͤhnerarten, und rennt manchmal beim geringſten Geraͤuſche wieder in das dichtere Verſteck, die letztern zeigen ſich dabei weniger furchtſam; aber ganz aufs Freie, auf nackte Schlammſtellen außerhalb des Geſtruͤpps, kommen alle Arten nur erſt in der Abenddaͤmmerung und zur Nachtzeit. Eine ſonderbare, von denen der andern Arten ganz abweichende Gewohnheit charakteriſirt dies kleine Sumpfhuhn. Obgleich ſich eben ſo ſorgfaͤltig verbergend, eben ſo das Freie ſcheuend, aber noch weit weniger den Menſchen fuͤrchtend, koͤmmt naͤmlich das harmloſe Geſchoͤpf zuweilen, wenn es Menſchen nahe am oder auf dem Waſſer laut verkehren hört, aus feinem Verſteck hervor, und ſtellt ſich, ge: woͤhnlich auf der Waſſerſeite, auf ſchwimmende Seeroſenblaͤtter, oder auf ein anderes ſchwimmendes Inſelchen, oder auf umgeknickte Schilf⸗ und Rohrhalme keck auf das Freie hin und begruͤßt jene mit gellender Stimme und ſetzt ſein Schreien noch lange fort. So trat einſt ein ſolches, vom Kahne, auf dem ich mich mit noch zwei Perſonen be⸗ fand, ganz unerwartet und ſo wenig von uns entfernt auf, daß ich, um es durch den zu nahen Schuß nicht zu zermalmen, noch ein Stuͤck fortrudern laſſen mußte, ehe ich es erlegte. Ein anderes Mal geſchahe daſſelbe an einer großen offnen Stelle im Sumpfe, an deſſen Rande ich ſtand, von wo ich dem Schreier nichts anha— ben konnte. Beſorgniß fuͤr die Brut kann es durch ſolch Benehmen nicht ausdruͤcken wollen; denn wir beobachteten es zu einer Zeit, da die Jungen bereits erwachſen ſein mußten, und das erſtere, ein altes Weibchen, befand ſich damals ſchon im vollſtaͤndigen Herbſtkleide. Es iſt ſo wenig geſellig wie die andern Arten dieſer Gattung * 560 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. und man trifft es eben ſo bloß in der Fortpflanzungszeit paarweiſe, zu allen andern nur einzeln an. Ein einſames, ſtilles, und ver- borgenes Treiben, ſo daß man an ſo manchem Orte ihre Anweſen— heit nicht ahnet, indem ſie ſich auch mit andern Voͤgeln nichts zu ſchaffen machen, zeichnet dieſes wie die uͤbrigen Sumpfhuͤhner vor den meiſten Voͤgeln aus, um ſo mehr als ſie halbe Nachtvoͤgel ſind. Dieſes Sumpfhuͤhnchen hat eine hohe, mehr quikende als pfei⸗ fende, hellgellende Stimme. Sein Lockton, welchen es vorzuͤglich am Abend und in der Nacht, beſonders wenn es ſich zur naͤchtlichen Luftreiſe in Kreiſen hoch aufſchwingt, hoͤren laͤßt, iſt ein hellpfeifen⸗ des Kiihk, das ſich durch eine gewiſſe Zartheit von den Locktoͤnen des geſprenkelten Sumpfhuhns und des Waſſerrallen leicht unterſcheiden laͤßt. In beſondern Faͤllen, wie oben erwaͤhnt, man weiß nicht ob aus Hohn oder aus Verwunderung, ſtoͤßt es daſſelbe in kurzen, ziemlich ſchnell folgenden und lange nach einander wiederholten Sylben aus, die wie kik, kik, kik u. ſ. w. und gerade ſo klingen wie die Locktoͤne des mittlern Buntſpechts (Picus medius). Zuweilen iſt dieſer Ton auch weniger kurz und weniger oft wiederholt, wenn ſie tief im Schilfe und Rohre verſteckt ſind und außerhalb deſſelben menſchliche Stimmen vernehmen, was gewoͤhnlich recht ſpaßhaft iſt. Auch eine quaͤkende Stimme hoͤrten wir oft aus den Rohrwaldungen kommen, ohne den Schreier zu zu ſehen, wo es freilich ungewiß blieb, welcher Art er angehoͤrte, obwol die Eigenthuͤmlichkeiten im Klange der Töne nicht bezweifeln ließen, daß ſie, wo nicht von dieſer, doch von einer der nahe ver— wandten Arten kommen mußten. Als Stubenvogel iſt dies Sumpfhuͤhnchen ein gar liebenswuͤr— diges Geſchoͤpf. Es gewoͤhnt ſich ganz leicht an die Gefangenſchaft und wird bald ſehr kirre. Nur anfaͤnglich verkriecht es ſich oft unter das Stubengeraͤth, bald aber nur dann, wenn es in Angſt geſetzt wird, z. B. wenn ein fremder Hund ins Zimmer koͤmmt; gegen Menſchen legt es bald alle Furcht ab. Es geht am Tage wenig herum, bleibt meiſtens bei feinem Futter- und Trinkgeſchirr, iſt aber des Nachts, zumal bei Mondſchein ſehr unruhig, flattert in die Hoͤhe gegen die weiße Decke und in die Fenſter, doch nicht ungeſtuͤm oder ſo, daß es ſich den Kopf oder die Scheiben beſchaͤdigte. Es iſt bei aller Beweglichkeit zugleich ein ſehr ſanftes Geſchoͤpf. Wir haben es, im Wohnzimmer gehalten, Jahr und Tag gehabt, andere haben es noch länger erhalten. Es will vorzüglich recht reinlich gehalten Bram LXXIII. Gatt. 268. Kleine feine 561 fein, obgleich durch ihn felbft, wie bei andern Sumpfvoͤgeln, wenig: ſtens um ſeine Speiſetafel herum, es nicht ohne Schmutz abgeht. N a h r Au An 9 a Es naͤhrt ſich, wie die andern, von Inſekten und deren Brut, die in Suͤmpfen und moraſtigem Waſſer leben und zu den kleinern gehoͤren, von ganz kleinen Conchylien ſammt den Schaalen, ſeltner von Regenwuͤrmern, allerlei kleinen Saͤmereien der Grasarten und von zarten gruͤnen Pflanzentheilen, neben welchen es noch vielen groben Sand und kleine Steinchen verſchluckt. Den geoͤffneten 9 a gen Getödteter fand ich oft vollgepfropft von Kaͤferreſten, welche die Arten kaum erkennen ließen, worunter nicht ſelten Stuͤcke ziemlich großer ſchwarzer Fluͤgeldecken vorkamen, welche kleinern Arten von 2 Schwimm- und Waſſerkaͤfern anzugehoͤren ſchienen. Selten fehlten dazwiſchen kleine Schneckenhaͤuſer, von denen manche leer geweſen waren. In dieſem Falle war gewoͤhnlich kein Sand und keine Steinchen vorhanden. Vegetabilien vermißte ich manchmal ganz darin. Ä Es fängt übrigens allerlei auf naſſem Boden und zwiſchen den Sumpfpflanzen ſich aufhaltende kleine Inſekten, aus der Abthei⸗ lung der Laufkaͤferartigen, der Rohrkaͤfer u. a. Phryga⸗ neen, Hafte, Fliegen, Muͤcken, Schnaken, Schwimm⸗ wanzen (Hydrometra), Spinnen, Waſſerſpinnen (Hydrachna), und vielerlei andere, nebſt ihren Larven, auch kleinen Heuſchrecken. Sind ſie ſeinem engen Rachen etwas zu groß, ſo zerhackt es ſie vor dem Verſchlucken. Von kleinen Conchylien fand ich zwar nie ſehr viele, doch einzelne immer in ſeinem Magen, namentlich die Arten: Valvata planorbis, Planorbis lentieularis, Cyclostoma im- purum und Ancylus lacustris, nicht ſelten auch bloß die leer gewe⸗ ſenen Schalen diefer Arten. Viele zarte Pflanzentheile ſcheint es zufaͤllig mit zu verſchlucken und Saͤmereien nur im Nothfall zu ge⸗ nießen. Ein ſehr haͤufiger und wie es ſcheint angenehmer Genuß ſind ihm die Muͤckenlarven. Es ſchleicht den ganzen Tag unter Pflanzengeftrüpp am Wafler oder im Moraſte dieſen Geſchoͤpfen nach und wo es dem Laufcher ſichtbar wird, ſieht er es alle Augenblicke Etwas erhaſchen oder auch ſchwimmend vom Waſſer wegnehmen. In der Abenddaͤmmerung koͤmmt es mehr aus dem Dickicht hervor und lieſt von freiern Schlamm⸗ 9. Theil, 36 * 562 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. hügelchen auf, was ihm behagt. Es muß wol meiſtens im Uiber⸗ fluſſe ſchwelgen, denn es wird faſt zu allen Zeiten wohlbeleibt, ja oft ſehr fett gefunden. In der Gefangenſchaft greift es begierig nach allen ihm vorge: legten kleineren Inſekten und Larven, verſchmaͤhet auch kleine Re— genwuͤrmer nicht, und faͤngt gern und geſchickt die untenſitzenden Fliegen weg. Mit untermiſchten Inſekten und Gewuͤrm gewoͤhnt es ſich bald an bloße Semmel, welche ihm taglich ein oder zwei Mal friſch in Milch eingeweicht gegeben wird. Es nimmt es freudig an, wenn ihm daneben auch öfters Inſekten gereicht, oder in Ermange⸗ lung dieſer ein Mehlwurm oder einige Ameiſenpuppen vorgelegt werden. Wenn ihm ein ausgeſtochenes Stuͤck Sumpfraſen gebracht wird, iſt es ſehr geſchaͤftig, daß Genießbare daraus hervorzuſuchen; es kann Stunden lang daran herum picken. Es trinkt viel und zur Erhaltung ſeiner Geſundheit darf ihm reines Waſſer, und dieſes oft friſch gegeben, nicht fehlen, und das Trinkgeſchirr muß beſonders flach ſein, weil es ſich oft und anhaltend mit den Fuͤßen ins Waſſer ſtellt und ſich uͤbrigens faſt taͤglich badet. Hierbei durchnaͤßt es ſein Ge⸗ fieder tuͤchtig und beſchmutzt die naͤchſten Umgebungen des Gefaͤßes, was in reinlichen Stuben freilich nicht angenehm iſt. Grober Waſſer⸗ ſand iſt ihm auch noͤthig. 5 Fortpflanzung. Das kleine Sumpfhuhn pflanzt ſich in mehr Gegenden Deutfch: lands fort, als man gewoͤhnlich glaubt. Seine verſteckte Lebensart macht, daß es von wenig Menſchen und meiſtens bloß zufaͤllig be— merkt wird, weshalb man es fuͤr ſeltner haͤlt, als es wirklich iſt. Es niſtet nicht allein in unſern groͤßern Bruͤchern, ſondern auch an vie— len andern ſtehenden Gewaͤſſern, deren Raͤnder in gruͤnen Sumpf verlaufen und in naſſe Wieſen uͤbergehen. Von gruͤnen Pflanzen, Rohr, Schilf, Binſen, namentlich Carex-Arten bedeckten Moraſt von einiger Ausdehnung verlangt es uͤberall, und wo ſolcher an Schilfteichen, wie in ſtillen Winkeln langſam fließender Gewaͤſſer nicht fehlt, findet man es gewöhnlich niſtend. In naſſen Jahren niſtet es in unſern Bruͤchern haͤufiger, in trocknen ſeltener; es ſcheint ſich dann mehr an die Teiche zu begeben. Das Neſt iſt ſo ungemein ſchwer aufzufinden, daß die meiſten, XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 565 welche man von ihnen zu ſehen bekommt, bloß zufällig entdeckt werden, nicht allein weil fie gut verſteckt find und das Neftpläschen ſich von den Umgebungen nicht auszeichnet, ſondern auch weil man oft nur mit großer Anſtrengung durch Moraſt und Waſſer zu dem— ſelben gelangen kann. Wenn man wirklich ein Paͤaͤrchen auf einer beſchraͤnktern Flaͤche, z. B. an einem Teiche wuͤßte, wenn man auch feine Eigenthuͤmlichkeiten in der Wahl des Neſtplatzes kennte, um nicht jedes Schilfbuͤſchchen durchſuchen zu duͤrfen, und wenn man dann zum Aufluchen deſſen Neſtes Zeit, Mühe und Kräfte nach Moͤglichkeit daran ſetzen wollte, ſo wuͤrde es dennoch ſchwer halten, daſſelbe zu entdecken. Ein gut vorſtehender, gelaſſen fuchender Hund hilft hierbei am ſicherſten zum Ziele. Sie machen nicht fruͤher zum Niſten Anſtalt, als bis die Schilf⸗ arten ſchon einen Fuß und druͤber aufgeſchoſſen ſind, entweder Aus⸗ gangs Mai oder erſt im Juni. Das Neſt ſteht entweder geradezu über dem Waſſer oder über moraſtigem oder doch naſſem Boden, gewoͤhnlich im Seggenſchilf, in unſern Bruͤchern auf einer kleinen Seggenkufe, anderwaͤrts auf ſolch einem Buͤſchel. In der Groͤße der Rundung werden nun alle vorhandenen jungen Blaͤtter oder Halme nach einem gemeinſchaftlichen Mittelpunkt eingeknickt und in der Mitte niedergedruͤckt, wodurch ſchon eine Art Napf entſteht, wel cher mit abgeſtorbenem Seggenſchilf und Binſen durchflochten und im Innern mit feinerm Material, meiſtens trocknem Graſe vollends ausgefuͤhrt wird, ſo daß das ganze Neſt einen verhaͤltnißmaͤßig ſehr großen, bauchigen und tiefen Napf vorſtellt, in welchem ſich der auf den Eiern ſitzende Vogel ganz verbergen kann, wozu er denn auch gewoͤhnlich noch die naͤchſten, im Kreiſe das Neſt umgebenden Seggenblaͤtter uͤber ſich herabzieht und davon eine Art Laube bildet, wie das geſprenkelte Sumpfhuhn, von dem ſich das Neſt, und zum Theil auch die Eier, nur durch eine viel geringere Größe un: terſcheiden. ) Gewöhnlich findet man nicht vor Anfang des Juni die 8 bis 10 Eier, wenn es dieſe aber nicht gluͤcklich ausbruͤten kann, zum zweiten Mal im Juli 6 bis 8 Stuͤck in einem Neſte. Dieſe Eier ähneln denen der C. Porzana in der Geſtalt ganz, in der Farbe viel weniger, in der Groͤße ſtehen ſie aber weit unter dieſen, indem ſie nur die Größe derer der Schwarzdroſſel (Turdus Merula), im Gan⸗ zen auch die Geſtalt dieſer haben. Sie ſind etwas uͤber 15 Linien lang und wenig uͤber 101½ Linien breit, regelmaͤßig eifoͤrmig, nur manche von etwas dickerem Ausſehen. Ihre Schale iſt von en 36” 564 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. Korn, ſehr glatt, aber ohne Glanz; ihre Grundfarbe ein ganz ſchwa— ches, truͤbes Braungelb oder Lehmgelb, welches mit vielen gelbgrauen und angenehm gelbbraunen Fleckchen und Punkten beſtreut iſt, und weil dieſe Zeichnungen nicht ſehr vom Grunde abſtechen, ſo ſcheint, bei flüchtigem Anſchauen, die ganze Flaͤche mit Gelbbraun auf blaſſem Grunde marmorirt; allein genauer betrachtet, ſondern ſich die dunkeln Fleckchen und Punkte weit deutlicher von der Grundfarbe, zumal wenn man ſie gegen die der C. pygmaca haͤlt, gegen welche ſie viel lichter, deutlicher gefleckt und ſehr auffallend verſchieden ſind. Noch mehr iſt dies bei einigen Spielarten der Fall, an welchen die Flecke ins Roͤthlichbraune uͤbergehen und weit mehr vom licht lehmgelb— lichen Grunde abſtechen, wo man denn in der meiſtens ovalen Form und den glatten Umriſſen der Zeichnungen den allgemeinen Typus der Gattung, welchen die der C. Porzana darſtellen, nicht verkennen wird. In dem deutlichern oder undeutlichern Geflecktſein ſo wie in der ſtaͤrkern oder ſchwaͤchern Anlage der Grundfarbe kommen man⸗ cherlei Abweichungen vor. Von den uͤbrigen Bruͤtegeſchaͤften iſt nichts bekannt, als daß die ſchwarzwolligen, anfaͤnglich ſehr kleinen Jungen das Neſt ver— laſſen, ſobald fie abgetrocknet, dann aber wie Maͤuſe unter dichten Pflanzen verſteckt herum laufen, in allen Richtungen entfliehen und ſich verkriechen, wenn ein Feind zwiſchen ſie tritt, wobei man wol auch die geaͤngſtete Mutter hin und wieder zu ſehen bekoͤmmt und ein ſchwaches Piepen von ihr vernimmt. Dieſen klagenden Ton ſtoͤßt es auch wiederholt aus, wenn es ſchon lange gebruͤtet hat und vom Neſte gejagt wird, wo es in großer Angſt, ganz nahe, aber ungeſehen, unter den Graͤſern, den Stoͤrer ſchwimmend oder laufend umkreiſet. Spaͤter, wenn ſie Federn bekommen, zerſtreuen ſich die Jungen, und es dauert einige Wochen, ehe ſie fliegen lernen. Da gewoͤhnlich gegen den Sommer das Waſſer in den Umgebungen, wo das Neſt ſtand, austrocknet, ſo verlaſſen ſie ſolche und ziehen ſich nach feuchtern Plaͤtzen, an die Grabenraͤnder u. ſ. w. oft weit weg. Feinde. Das kleine Sumpfhuhn wagt ſich ungezwungen am Tage ſo wenig aufs Freie als das vorhergehende und folgende. Daher wird es auch nur ſelten eine Beute der Raubvoͤgel, hoͤchſtens der Rohr-, XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. 565 Korn: oder Wieſenweihe, welche gewöhnlich dicht über den Graͤſern hin und her wanken und im langſamen Fluge die gruͤnen Seggengefilde taͤglich abſuchen, und welche denn auch das Weibchen zuweilen vom Neſte weggreifen oder wenn dies entwiſcht, ihm die Eier wegkapern. Durch das obenerwaͤhnte Herabbiegen der uͤber das Neſt hinausragenden Schilfhalme ſuchen ſie ſich und ihre Eier den gierigen Blicken jener Spaͤher zu entziehen, was ihnen auch in den meiſten Faͤllen zu gelingen ſcheint. — Biel ärger werden dieſe Voͤ⸗ gel durch die Nachſtellungen der Fuͤchſe, Iltiſſe, Wieſeln und Wanderratten heimgeſucht, zumal ihre Brut. Dieſe Raͤuber ver⸗ nichten ungemein viele. Wenn das Neſt, wie jedoch ſelten und immer nur nahe bei Sumpfe, auf Heuwieſen vorkoͤmmt, wird es zuweilen durch die Senſe zerſtoͤrt. Im Gefieder wohnt ein Schmarotzerinſekt, Philopterus minutus, Nitzsch. Jagd. Es iſt nur dem ſtill einher ſchleichenden oder dem Schuͤtzen welcher das kleine Sumpfhuhn, ſeine Aufenthaltsorte und ſeine Sitten genau kennt, und welcher es nicht zu langweilend findet, demſelben in der Zugzeit an Teich- und Grabenraͤndern aufzulauern, zuweilen vergoͤnnt, es im Sitzen zu ſchießen. Die ſeltne Beobachtungsgabe und ruhige Beharrlichkeit meines ſel. Vaters brachten ihn oͤfters bei dieſer oder einer der andern Arten dazu, fie auf dieſe Weile zu er- legen und auch ich habe einige fo bekommen. Gewoͤhnlich ſchießt man ſie aber im Fluge, wenn ſie, wie in unſern Bruͤchern, dem Schuͤtzen vor den Fuͤßen oder ſeinem kurz ſuchenden Hunde vor der Naſe heraus fliegen und weil ſie ſchlecht, niedrig und geradeaus fliegen, einen ſehr leichten Schuß gewaͤhren. Wenn dies aber ja mehr als ein Mal nicht gelingen ſollte, ſo ſind ſie zuletzt nicht mehr zum Auffliegen zu bewegen, zumal wenn ſie ſich in Weidengeſtraͤuch oder höheres Schilf und Rohr werfen, in welchem fie auch der ra: ſcheſte Hund nicht zu folgen vermag, indem ſie viel leichter durch das dichteſte Dickicht fortkommen als jener, welcher dort bald ihre Spur verliert. Bei auf abſichtlich nur gegen dieſe Voͤgel gerichteten Jagden bleibt das Ergebniß ſtets ſehr zweifelhaft; es bleibt uͤberall mehr dem Zufall uͤberlaſſen, ſie ſchießen zu koͤnnen. 566 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 268. Kleine Sumpfhuhn. Wo man genau die Plaͤtze kennt, auf welchen ſie oͤfters herum laufen, auch unter dem Geſtruͤppe hin und wieder ſich glatte Gaͤnge bahnen, find fie, wie die vorige Art, in La ufdohnen, welche man in kleine Stiege ſtellt und die Zwiſchenraͤume der Dohnen, mit einer Art von kleinem Zaun verſchließt, damit ihnen nur die Dohnenoͤffnun— gen zu Durchgaͤngen bleiben, ſehr leicht zu fangen. Auch im Wach— telſteckgarn ſind ſie zwiſchen den mehr gleichfoͤrmigen Schilfgraͤſern zu fangen. Einſt bemerkte mein ſel. Vater im nicht zu dichten Ge— ſtruͤpp eines Teichrandes ein daſelbſt herum laufendes kleines Sumpf— huhn, beobachtete es ein Weilchen und der Wunſch, es lebend in ſeinem Beſitze zu ſehen, veranlaßte ihn, ſofort eine Nachtigall— falle (ſ. Thl. II. S. 395. d. Wks.) herbei zu holen und mit einem lebenden Mehlwurm an der Stellzunge unter dem duͤſtern Geſtraͤuche am Waſſer an jenem Plaͤtzchen aufzuſtellen; kaum eine Stunde war vergangen, als es bereits in der Falle ſaß und nachher als niedli— cher Stubenvogel beobachtet werden konnte. f Nutz en. Sein Fleiſch iſt ſehr zart, gewoͤhnlich ſehr fett, und außeror: dentlich wohlſchmeckend. Da es jedoch ſo klein iſt und bei uns nie in genuͤgender Menge vorkoͤmmt, ſo werden ihm in dieſer Hinſicht die Bekaſſinen immer vorgezogen bleiben muͤſſen. Vielleicht wird es als Inſektenvertilger noch beſonders nuͤtzlich. Die Sumpfhuͤhner verzehren eine ungeheure Anzahl von Muͤcken⸗ larven und helfen die Vermehrung dieſer laͤſtigen Geſchoͤpfe wenig⸗ ſtens ſehr beſchraͤnken. S ich a d ez n. Es laͤßt ſich an ihm nichts auffinden, was auch nur den An— ſchein einer Schaͤdlichkeit fuͤr uns haben moͤchte. Das Zwerg⸗ Sumpfhuhn. rex py8 emaea. N. (Fig 1; Männchen im Fruͤhling. Taf. 239. Fig. 2. Weibchen im Frühling, 0 Fig. 3. Junger Vogel. ne 75 2005 e kleinſtes Waſſer⸗ huͤhnchen. ˖ 8 6 u Cr Ballon, 1 0 0 das Thierreich, II. S. 346. —= Gallinulu Baillonit. Vieillot, ‘Orn. frang. Pl. 272. fig. . et fig. B. Poule d’eaw'Baillon. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 692, Schiribilla grigiata. Savi, Orn. tosc. II. p. 380. Wolf u. Meyer, Taſchenb. III. S. 168. — Brehm, Lehrb. II. S. 641, — Deſſen, NH a. 258. Beutſchl. S. 701. u. 3. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 51. n. 224. 9 0% e 5 Anmerk. Vor mehr als 20 Jahren entdeckte ich dieſes Sumpfhuhn auch in hie⸗ ſiger Gegend und war damals in Deutſchland der Erſte, welcher es hier auffand, von der vorhergehenden Art als beſondere und eigene Species unterſchied, ihm obigen Namen beiſegee und unter dieſem ſchon damals meine gemachte Entdeckung veröffentlichte. Es wird mir daher vergönnt ſein, dieſen Namen, welcher früher gegeben war als der weni⸗ ger bezeichnende von Vieilliot und Temminck, beizubehalten. 183 0 ichen. der art. Von oben oligenbrasse en und Schultern auf ſchwarzem Grunde mit vielen feinen, weißen Zeichnungen und Punkten; im Alter die Tragfedern ſchwarz, weiß gebaͤndert, die Fuͤße licht roͤth⸗ lichgrau. Feldlerchen⸗Groͤße. RE * 568 XII. Ordn. LXXIII. mail 269. Zwerg⸗ Sumpfhuhn. 7 a den Nicht allein von der großen Aehnlichkeit mit der vorhergehenden Art, ſondern auch von den Eigenthuͤmlichkeiten, wodurch ſich das Zwergſumpfhuhn von dem kleinen unterſcheidet, iſt in vorhergehen⸗ der Beſchreibung bereits das Noͤthige geſagt; ich erinnere nur, daß C. pygmaea ſtets etwas kleiner, kuͤrzer an Fluͤgeln und Schwanze, an Schnabel und an den Fuͤßen iſt, die beiden letzten bei den Alten eine ganz andere Faͤrbung, die Bruſtſeiten eine ganz andere Zeichnung haben und dies auch von den obern Theilen geſagt werden kann, die hier auf ſchwarzem Grunde im Olivenbraun aus einer ſo großen Menge feiner weißen Spritzfleckchen, Punkten und Gekritzel beſtehen, daß jene der C. pusilla dagegen eine ſehr einfache und grobe Zeichnung darſtellen. Daß im Fruͤhlingskleide Maͤnnchen und Weibchen an allen untern Theilen gleiche Farben und Zeichnungen tragen, waͤre noch dahin zu ergaͤnzen, daß dies im Allgemeinen an den obern Koͤrpertheilen auch ſo ſei, daß aber hier das Weibchen viel zahlreichere weiße Puͤnkt⸗ chen und viel mehr und feineres weißes Gekritzel habe, als ſein Maͤnnchen. Die Größe iſt ohngefaͤhr die der Feldlerche (Alauda arvensis); die hoͤhern und groͤßern Beine und andere Abweichungen in der Ges ſtalt duͤrfen bei ſolchen Vergleichen freilich nicht in Betracht kommen. In der Laͤnge, von der Stirn bis zur Schwanzſpitze (wie von uns immer gemeſſen), iſt es kaum von voriger Art verſchieden, 67/; bis 7½ Zoll lang; dagegen iſt die Flugbreite, nach vielen frifch gemeſſenen Exemplaren, ſtets uͤber einen Zoll geringer und bei alten Voͤgeln, uns wenigſtens, nicht über 11¾ Zoll vorgekommen, wäh: rend fie bei jungen Herbſtvoͤgeln oft kaum 11 Zoll betrug. Die Fluͤgellaͤnge iſt nur 3 bis 33/, Zoll; die des Sch wanzes auch nur 1¾ Zoll. Das Gefieder ift dem der vorigen Art ganz aͤhnlich, nur die Schwingfedern erſter Ordnung und die Schwanzfedern ſind bedeu— tend kuͤrzer, die Verhaͤltniſſe der einzelnen Federn zu einander aber die naͤmlichen. Sowol die Fluͤgelſpitze als der Bau der Schwanz— federn ſind denen des geſprenkelten Sumpfhuhns aͤhnlicher als denen des kleinen. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen etwas über die Schwanzwurzel, bei alten Voͤgeln hoͤchſtens 1 Zoll, hinaus, was freilich ſchon uͤber die Haͤlfte der Schwanzlaͤnge iſt. Es ſind alſo bei der gegenwaͤrtigen Art nicht allein die Fluͤgel, ſon⸗ * 27 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. swerg⸗Sumpfhuhn. 569 dern auch der Schwanz kuͤrzer als bei t der vorhergehenden, was in fruͤhern Beſchreibungen gewöhnlich nicht t beruͤckſichtigt wurde. Der Schnabel iſt bedeutend kürzer und höher, auch ſtumpfer zugeſpitzt, als bei C. pusilla, an der Stirn auch mehr erhaben, uͤbrigens ebenfalls ſehr ſchmal zuſammen gedruͤckt, mit ſehr ſtumpfem Eck am Ende der Kinnſpalte, geraden, ſehr ſcharfen Schneiden und nicht weitern Rachen. Er aͤhnelt in ſeiner Geſtalt ganz dem der C. Porzana. Die Naſenhoͤhle iſt ebenfalls ſehr groß, die weiten, N durchſichtigen Nafenlöcher find laͤnglich oval und Fürzer als bei C. pusilla, und ſo finden ſich, außer der verſchiedenen Faͤrbung, ſehr auffallende Unterſchiede am Schnabel beider Arten. Die Schnabellaͤnge betraͤgt bei juͤngern Voͤgeln kaum 6 Linien und ſteigt bei aͤltern bis zu 7 Linien, bei ganz alten Maͤnn⸗ chen, wie mir aber nur erſt ein einziges vorgekommen, hoͤchſtens bis auf 7½ Linien. Seine Höhe an der Wurzel iſt meiſtens noch über 3 Linien, die Breite hier 1½ Linien, in der Schnabelmitte nur etwas uͤber 1 Linie. — Seine Faͤrbung iſt bei jungen Herbſt⸗ voͤgeln oben und an der Spitze horngrau, an der Unterkinnlade ſchmutzig hellbraͤunlich, an der Wurzel beider, beſonders an den Mundwinkeln gruͤngelblich; bei den Alten im Fruͤhjahr meergrün, an der Firſte und Spitze aus dunklerem Gruͤn mehr oder weniger ins Schwaͤrzliche uͤbergehend, ohne alles Roth; der innere Rachen ſchwach gelbroͤthlich. Im Tode und nach voͤlligem Austrocknen be— koͤmmt er nach und nach eine dunkle Hornfarbe. An den erwachſenen Jungen iſt das Augenlid nach innen nackt und grau, nach außen weißlich befiedert, der Augenſtern blaß braun; an den Alten, zumal im Fruͤhjahr, jenes kahl und ſchoͤn roͤthlichgelb, der Augenſtern praͤchtig feuerroth, bei manchen nach dem Außenrande in feurichtes Karminroth uͤbergehend. Die Fuͤße haben zwar die naͤmliche Geſtalt als bei der vorher⸗ gehenden Art, ſind aber verhaͤltnißmaͤßig weniger hoch, ſchwaͤcher und die Zehen kuͤrzer. Ihr weicher Uiberzug iſt auf gleiche Weiſe abgetheilt und die Krallen von eben der Geſtalt, nur etwas kuͤrzer als bei jener. Der Unterſchenkel iſt über der Ferſe /s bis ½ Zoll nackt; der Lauf 1 Zoll 2 Linien bis 1 Zoll 3 Linien hoch; die Mit⸗ telzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, 1 Zoll 7 bis 8 Linien; die ſchwaͤchliche Hinterzeh, mit der 2 Linien langen Kralle, nur 7 Li⸗ nien lang. Die Faͤrbung der Fuͤße weicht von der der naͤchſtverwandten Arten ganz ab. Sie iſt nie gruͤn; ſondern bei ganz alten 3 570 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. Voͤgeln in der Fortpflanzungszeit ſchmutzig oder graulich fleiſchfarben oder blaß roͤthlichgrau, an den Gelenken ſehr ſchwach gelblich angelaufen; die Krallen bloß etwas dunkler fleiſch⸗ grau, mit braunen Spitzchen. Bei juͤngern Voͤgeln, zumal im Herbſt, zieht zuweilen das Gelbliche an den Gelenken ein Wenig ins Gruͤnliche, doch nur ſo ſchwach, daß es kaum einer Erwaͤhnung werth iſt. So und nicht anders haben wir ſie ſtets bei lebenden oder fo eben getoͤdteten alten Vögeln. gefunden). — An den Jungen find die Füße ſchmutzig fleiſchfarbig, wenn fie völlig er⸗ wachſen, denen der Alten aͤhnlich, nur weniger roͤthlich, naͤmlich ſchmutzig gelblichgrau, ſehr wenig fleiſchfarbig uͤberlaufen. — An Ausgeſtopften bekommen ſie eine ſchmutzige rodinkuhe, welche die frühere nicht errathen läßt. Die ſehr kleinen Jungen auch dieſer Art ſind 1 bug aus in kohlſchwarze Dunen gekleidet, haben ein weißes Schnäbel: chen und roͤthlichweiße Fuͤße. Sie ſind von denen der vorigen Art nur an der auffallenden Kuͤrze des Schnabels zu unterſcheiden. Dies bleibt jedoch immer zweifelhaft, wenn man nicht die Aeltern dabei antraf, weil die Kleinen aller Arten unſerer Sumpfhuͤhner und auch die des Waſſerrallen eine gleiche Bekleidung haben, ihre Schnaͤbel, noch unausgebildet, die nachherige Geſtalt kaum er⸗ rathen laſſen, und die Fuͤße gar kein unte eee Merkmal an ſich tragen. Wenn ordentliche Federn jenen ſchwarzen Saum, te Hai ben und das JugendEleid volftändig da ſteht, find fie an dem kuͤrzern, hoͤhern Schnabel, an dem wenigern Weiß des Vorderhalſes, der etwas dunklern Hauptfarbe, den viel zahlreichern ſchwarzen und weißen Fleckchen und Punkten und den dunkler gebaͤnderten Trag⸗ federn leicht von denen der vorigen Art zu unterſcheiden. — Das Geſicht, Kehle und Anfang der Gurgel ſind weiß, am reinſten bloß Kinn und Kehle, die Uibrigen mehr oder weniger mit braͤunlichen Federſpitzchen, die an den Schlaͤfen und unter dem Ohr hin am be— merkbarſten, wie denn auch vor dem Auge oft eine dunkele Stelle °) Ich muß möglichſt darauf aufmerkſam machen, weil man fie in frühern Schrif⸗ ten grün angegeben findet, was ſie aber nie ſind, und was daher falſch iſt; — wie denn auch das Verhältniß der ruhenden Flügelſpitzen zum Schwanz dort wol nur nach Ausgeſtopften, daher meiſtens falſch bezeichnet iſt. Beides kann nur an lebenden oder eben getödteten Individuen richtig geſehen werden, wozu es mir an einer hinläuglichen Anzahl von C. pussilla wie von C. pygmaea, nicht gefehlt hat, ich daher meine desfal⸗ ſigen Beobachtungen aus reinſter Quelle ſchöpfen konnte. XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. 571 bilden; Untergurgel und Kropf olivengrau, weiß gewellt und ge⸗ fleckt; die ganze Bruſt dunkel olivengrau, weiß punktirt und be⸗ ſpritzt, auf der Mitte am meiſten, in den Seiten und an den laͤn— gern Tragfedern in gefleckte und unterbrochene weiße Querbinden uͤbergehend, zwiſchen welchen der Grund noch ſchwarz ſchattirt iſt; die Schenkel dunkel olivengrau, weiß beſpritzt; der Bauch braͤunlich ſchwarzgrau, mit weißen Federſpitzen, wie Querflecke; die langen Unterſchwanzdeckfedern mattſchwarz, mit weißen Querbinden. Von obenher herrſcht ſchoͤnes Olivenbraun, das auf der Stirn und an den Halsſeiten, wie am Hinterrande der letzten Schwingfedern am lichteſten, auf dem Hinterſcheitel dunkel, am dunkelſten aber auf dem Unterruͤcken iſt. Auf der Mitte des Oberruͤckens wie der Schultern zeigen ſich theils große ſchwarze Schaftflecke, theils ganz ſchwarze Federn, an den groͤßern Fluͤgeldeckfedern auch vielgeſtaltige, ſchwarze Fleckchen vor dem Ende der meiſten, worauf an der Spitze ſelbſt hellweiße Punkte und bogige Zeichnungen folgen, und auf Schul: tern und Oberruͤcken ebenfalls eine große Menge hellweißer Punkte, Spritzfleckchen und abgebrochener Strichelchen zerſtreuet find, wodurch der ganze Mantel ſehr buntſcheckig wird. Die Fittichdeckfedern und Schwingen ſind dunkel rauchfahl, an den Raͤndern olivenbraun, die Schwingfedern dritter Ordnung in der Mitte ſchwarz, manche am Rande mit einigen weißen Punkten; der Unterfluͤgel iſt rauchfahl, an den Deckfedern etwas weiß gefleckt. Auch die Federn des faſt ſchwarzen Unterruͤckens ſind weiß beſpritzt; die Oberſchwanzdeckfedern und die mittlern Schwanzfedern am Schafte entlang ſchwarz die uͤbrigen der letztern faſt ganz ſchwarz, nur am Rande in Oliven⸗ braun uͤbergehend. Außer dem Unterſchied in der Groͤße, indem das Mömichten darin das Weibchen ſtets etwas uͤbertrifft, haben wir bei erſteren auch eine dunklere Faͤrbung und kraͤftigere Zeichnungen wahrgenom⸗ men; es erfordert freilich viel Uibung bei Einzelnen, wenn auch nur muthmaßlich, das Geſchlecht daran erkennen zu wollen. Das Herbſtkleid dieſer Art iſt leider nicht bekannt. Dieſe Sumpfhuͤhner verlaſſen unſere Gegenden fruͤher als alle andere, wes⸗ halb wir nie im Spaͤtſommer oder Herbſte eins erhielten. 1 Die alten Voͤgel in ihrem Fruͤhlingkleide, mit den bren⸗ nend rothen Augenſternen, obgleich ohne Roth am Schnabel und ohne Gruͤn an den Fuͤßen, ſind noch ſchoͤner gefaͤrbt und gezeichnet als die der C. pusilla. — Das alte Maͤnnchen im vollkommen⸗ fen Zuftande ſeines Gefieders ſieht folgendergeſtalt aus: Das ganze 572 XII. Ord n. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn— Geſicht, die Kehle, der Hals vorn und an den Seiten, der Kropf, die ganze Bruſt bis zwiſchen die Schenkel ſind ſchoͤn ſchieferblau oder dunkelaſchblau, an der Kehle am lichteſten, an den Zuͤgeln am dunkelſten. Dieſes Schieferblau iſt ſtets dunkler als am alten Maͤnn⸗ chen der C. pusilla. — Die Tragfedern, der Bauch, die ſehr lan- gen untern Schwanzdedfedern find mattſchwarz, an den Bauchſeiten etwas mit Olivenbraun gemiſcht, uͤbrigens mit hellweißen Querbaͤn⸗ dern und Querflecken bezeichnet; es hat naͤmlich jede dieſer ſchwarzen Federn zwei bis drei ziemlich gerade, weiße Querbaͤnder (welche ſehr oft am Schafte unterbrochen ſind) und haͤufig einen einzelnen, oft runden weißen Fleck an der Spitze. Die Schenkel find dunkelaſch⸗ grau, mit weißen Querflecken. Alle obern Theile ſind, bei einem fluͤchtigen Uiberblick, ſchoͤn olivenbraun, ſchwarz gefleckt, auf dem Ruͤcken ſchwarz, mit weißen Zeichnungen; genauer beſehen ſind dieſe Farben ſo vertheilt: Ein Streif von der Stirne uͤber den Scheitel hinweg bis ins Genick ſchwarz, mit breiten olivenbraunen Federkan⸗ ten, der Hinterhals ebenſo, nur lichter und die braunen Federkanten breiter; der ganze Ruͤcken, Buͤrzel und Schwanz, die Schultern und hintern Schwingfedern ſchwarz, an den Seiten des erſtern, der Schultern und an den mittelſten Schwanzfedern mit ſehr breiten, an den Oberruͤckenfedern aber mit ganz ſchmalen, oft kaum bemerk⸗ lichen, ſchoͤn olivenbraunen Federkanten. Auf den faſt ganz ſchwar⸗ zen Ruͤckenfedern ſtehen nun ſehr viele, auf den mehr braunen als ſchwarzen Schulierfedern aber weniger und kleinere, hellweiße Fled- chen von ſehr verſchiedener Geſtalt, als: Punkte, Querfleckchen, kurze Striche, bald wie Hirſekoͤrnchen geſtaltet oder tropfenartig, bald gerade, bald hakenfoͤrmig u. |. w. Die olivenbraunen großen Fluͤ— geldeckfedern ſind, wie die hintern Schwingen, nach dem Schafte und der Wurzel zu ſchwarz und haben im Braunen einzelne, ver— ſchiedengeformte, weiße Fleckchen, die hier alle eine ſchwarze Einfaf- ſung haben. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern ſind olivenbraun, hin und wieder mit hervorſchimmernden grauſchwarzen Wurzeln; die erſte und zweite Ordnung der Schwingfedern dunkelbraungrau, mit hel— lern, braͤunlichen Saͤumen, und jede der zweiten und auch noch einige der letzten erſter Ordnung mit einem weißen Punkt an der Spitze; der Fluͤgelrand und der Saum der vorderſten großen Schwing: feder weiß; die untern Fluͤgeldeckfedern dunkelbraungrau, mit großen weißen Punkten beſtreuet, von denen viele ſchwarz eingefaßt ſind, die Schwingen auf der untern Seite rauchfahl. Bei juͤngern Maͤnnchen iſt die ſchieferblaue Farbe ſtets hel⸗ XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. 3werg⸗Sumpfhuhn. 573 ler, ſo auch das Schwarz an den Tragfedern und dem Bauche; ebenſo hat der Ruͤcken weniger Schwarz und die weißen Zeichnun⸗ gen, meiſtens Punkte, bis zur Groͤße eines Hirſekorns, ſind weit weniger zahlreich vorhanden als bei jenen. Deſſenungeachtet ſind doch am Fruͤhlingskleide der einjaͤhrigen Maͤnnchen alle Farben noch dunkler und die weißen Zeichnungen viel haͤufiger, als an den alten Männchen der C. pusilla. Das Weibchen dieſer Art hat im Fruͤhlingskleide die naͤmlichen Farben wie fein Männchen und iſt daher dem Xeußern nach ſchwer von ihm zu unterſcheiden. Genau verglichen iſt jedoch die Kehle weißlicher, die Schieferfarbe etwas lichter, uͤbrigens nicht minder ſchoͤn, und die weißen Zeichnungen im Schwarzen der obern Theile wie des Bauches viel zahlreicher, aber zugleich zarter, kritze— liger und ſeltner Punkte oder Tropfenfleckchen. Das mehrere Jahr alte Weibchen verdient daher einer nähern Beſchreibung: An ihm iſt das Kinn graulichweiß; das Geſicht hell aſchblau, an den Zu: geln und Wangen braun uͤberlaufen; Vorderhals, Kropfgegend und Bruſt hell blaͤulichaſchgrau oder hell ſchieferfarben; Schenkel und Oberbauch lichtgrau mit unregelmaͤßigen weißen Querflecken; die Weichen ſchoͤn braun, mit großen kohlſchwarzen Flecken und in die— ſen wieder mit rein weißen Zeichnungen; die uͤbrigen Tragfedern aſchgrauſchwarz, mit abgebrochenen Querbinden und Flecken; der Hinterbauch und die langen Unterſchwanzdeckfedern ſchwarz, mit hell⸗ weißen Zeichnungen von den verſchiedenſten Umriſſen, als: Quer⸗ flecke, Hufeiſen, Tuͤpfel, ungeſchloſſene Ringel und andere fonder: bare Figuren, welche ſelten den Rand der Federn beruͤhren und der Zeichnung dieſer zweifarbigen Theile die mannichfaltigfte Abwechs— lung geben. — Stirn, Oberkopf, Hinterhals, der ganze Ruͤcken bis zum Schwanze und alle Fluͤgeldeckfedern ſind olivenbraun, etwas hell, ins Olivengelbbraune ziehend, auf dem Kopfe am dunkelſten, an den Halsſeiten, wo es ſich in der Mitte des Halſes ſehr weit in die Schieferfarbe vorzieht, am hellſten. Die Mitte der Kopf- und Hinterhalsfedern iſt mattſchwarz, wodurch dieſe Theile etwas gefleckt erſcheinen, letztere unmerklicher als erſterer. Auf dem Ruͤcken ſieht man ſehr große ſammetſchwarze Flecke, die in der Mitte des Ruͤckens faſt die ganzen Federn einnehmen. In dieſen ſchwarzen Flecken ſieht man auf jeder Feder, aber ſtets nur an der einen Fahne, meiſtens an der nach außen, eine ſehr feine hellweiße Zeichnung, die auf die abwechſelndſte Weiſe bald ſchiefe, bald gerade, kurze Laͤngeſtriche, glatt oder gezackt, Zickzacks, Halbkreiſe, Winkel, die feinſten, gereiheten 574 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. Pünktchen und dergleichen darſtellt und zu den niedlichſten Zeich- nungen in der Vogelwelt gehoͤrt. — Auch auf den großen Fluͤgel⸗ deckfedern ſieht man aͤhnliche, nur weit ſchmaͤlere, mehr in die Laͤnge gezogene, gezackte oder punktirte, ſchwarz eingefaßte, weiße Laͤnge⸗ ſtriche und gereihete Puͤnktchen. Die Schwingfedern ſind graubraun, an den Raͤndern olivenbraun, der Saum der vorderſten und das Fluͤgelkaͤntchen weiß; die Schwingen dritter und die meiſten auch der zweiten Ordnung haben an den Spitzen einen oder zwei, meiſtens gezackte oder auch bloß punktirte, weiße Striche. Die Schwanzfe⸗ dern ſind braunſchwarz, mit ſehr breiten Kanten von der Farbe des Ruͤckens, in welchen an denen nach außen zu noch weiße, ſchwarz eingefaßte Querfleckchen oder Punkte ſtehen. Die untern Fluͤgeldeck— federn ſind blaß braungrau, mit weißen Mondfleckchen und Punkten, die Schwingen auf der untern Seite braungrau. | Die einjährigen Weibchen find weniger ſchoͤn, die weißen Zeichnungen auf dem Mantel groͤber, und die weiße Farbe ſcheint hin und wieder in groͤßere Flecke zuſammengefloſſen, doch ſind dieſe noch bei weitem feiner und zahlreicher als bei den Maͤnnchen und bei Voͤgeln der vorigen Art. Die Mauſer ſcheint zu derſelben Zeit vor ſich zu gehen, wie bei der vorhergehenden Art; etwas Naͤheres iſt uns daruͤber nicht bekannt geworden. Daß auch ein zweiter Federwechſel im Fruͤhjahr Statt finde, zeigt deutlich die Friſche des Gefieders, womit dieſe Voͤgel im Fruͤhlinge bei uns ankommen, das jedoch im Laufe der Zeit weder durch Abbleichen noch durch Abreiben bedeutend litt. Wir erlegten einſt am 27ten Juni ein ſehr altes Maͤnnchen, deſſen Ge— fieder gegen andere im Mai erhaltene, wenig veraͤndert erſchien, an welchem ſich aber auch noch keine Spur einer Mauſer bemerklich machte. Aufenthalt. Das Zwergſumpfhuhn liebt wie das Vorhergehende eine waͤr— mere Zone und ſcheint im Sommer nicht einmal ſo hoch nach Nor— den vorzukommen als dieſes. Hin und wieder mag jedoch eine Ver— wechslung mit jenem, unſrer C. pusilla, dieſe Sache noch ungewiß machen. Sicher iſt es ein mehr ſuͤdlicher als oͤſtlicher Vogel und koͤmmt als ſolcher in Griechenland, Italien, Dalmatien, im * XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. 3werg⸗Sumpfhuhn. 575 Genueſiſchen und in Suͤdfrankreich wenigſtens nicht ſeltner als jenes vor; ob auch in Ungarn, iſt ungewiß, wie denn behauptet wird, daß es noch weiter oͤſtlich nicht mehr angetroffen werde. In den ſuͤdlichſten Theilen von Deutſchland iſt es nicht ſelten, auch in Schleſien vorgekommen, ſo in Franken und Heſſen, wie namentlich in den Maingegenden. In Anhalt und den Nach: barlaͤndern fanden wir es faſt alle Jahre, doch weniger oft als das Vorhergehende, hier ſowol in den Umgebungen der Teiche bei den naͤchſten Ortſchaften, als vorzuͤglich in den großen Bruͤchern unfern des Zuſammenfluſſes der Elbe und Saale, in dieſen alle Jahr, wenn ſie nicht zu trocken waren; denn in trocknen Sommern ſind die kleinen Sumpfhuͤhner beiderlei Arten dort ſehr ſelten und werden es immer mehr, wenn der Waſſermangel mehrere Jahre nach ein: ander dauert, wie namentlich in den letztvergangenen 6 bis 7 Jah- ren. Am haͤufigſten fanden wir ſie in den Jahren 1816, 1817 und einigen der folgenden, nicht allein in jenen Bruͤchern, ſondern auch an andern weniger waſſerreichen Orten. Es iſt Zug vogel und nur im Sommer bei uns, koͤmmt erſt im Mai in hieſigen Gegenden an und verlaͤßt ſie fruͤher als das kleine Sumpfhuhn, wahrſcheinlich ſchon im Auguſt, zieht auch wie dieſes einzeln und bloß des Nachts. Es hält ſich im Sommer meiſtens bloß in den Bruͤchern zwi: ſchen den ſogenannten Kufen und an ſumpfigen Graben- und Teich⸗ raͤndern der groͤßern Moraͤſte auf, koͤmmt nur in der Zugzeit auch an den mit hohen Sumpfpflanzen und Gebuͤſch bewachſenen, mo⸗ raſtigen Ufern der Teiche und Graͤben in weniger ſumpfigen Gegen⸗ den vor, und liebt das offene, freie Waſſer noch weniger als das kleine, worin es mehr mit dem geſprenkelten Sumpfhuhn uͤberein koͤmmt. Wie dieſes ſucht es nur ſolche Moraͤſte und moraſtige Ufer, welche dicht mit Schilfgraͤſern, namentlich Carex- Arten, beſetzt find. Weil nun die vorjaͤhrigen entweder vom Viehe abgeweidet oder ab— gemaͤhet, zu Heu oder Streu benutzt wurden, ſo muß es abwarten, bis zwiſchen den alten Stoppeln wieder junge bis zu einer Hand lang und daruͤber aufgeſchoſſen ſind, um ſich zwiſchen denſelben verbergen zu koͤnnen, weshalb es zum Theil ſo ſpaͤt im Fruͤhjahr erſt wiederkehrt. Es haͤlt ſich dann in den Bruͤchern auf den mit ziemlich tiefem Waſſer bedeckten Flaͤchen auf, wo recht viele jener kleinen gruͤnen Inſelchen, hier Kufen genannt, beiſammen daraus hervorragen, wo es ſich auf denſelben ſehr gut verbirgt und wenn # 576 XII. Ordn. LXXIII. Satt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. es weiter will, uͤber das zum Durchwaden zu tiefe Waſſer i in den Zwiſchenraͤumen hinweg ſchwimmt. Auch dieſes Sumpfhuhn liebt das Weidengebüſch, wo dieſes in den Suͤmpfen in einzelnen Geſtraͤuchen mit allerlei Sumpfpflanzen durchmiſcht am oder im ſeichten Waſſer ſteht. Uibrigens iſt es im⸗ mer an naſſen Orten und auf Feldern im Getraide auch von uns nie angetroffen worden. Auf Baumzweige ſetzt es ſich eben fo ſelten wie das Kleine. Eigenſchaften. Das Zwergrohrhuhn iſt ein noch um Vieles niedlicheres und ſchoͤneres Geſchoͤpf als das kleine. Es hat zwar eine weniger ſchlanke Geſtalt, auch niedrigere Fuͤße, und koͤmmt darin, nur nach einem kleinern Maaßſtabe, ganz dem geſprenkelten Sumpf⸗ huhn gleich, aber Farbe und Zeichnung des Gefieders der Alten ſind die huͤbſcheſten unter denen aller einheimiſchen Arten. In Stel⸗ lung und Haltung des Koͤrpers koͤmmt es den andern voͤllig gleich, ſchreitet wie dieſe zierlich und behende einher, nickt bei jedem Tritte mit dem Köpfchen, wippt in Aufregung mit dem Schwanze auf: waͤrts und in oͤftern Wiederholungen, laͤuft auch eben ſo flink und in geduckter Stellung, und zeigt uͤberhaupt ganz dieſelben Manieren in allen ſeinen Bewegungen. Es ſchwimmt auch vortrefflich, mit hochgehaltenem, oft zucken⸗ dem Schwanz unter beſtaͤndigem Kopfnicken, taucht auch im Nothfall entſchloſſen unter, laͤuft uͤber ſchwimmende Seeroſen (Nymphaea), Waſſernuͤſſe (Trapa), Bieberklee (Menyanthes trifoliata), Drachen⸗ wurz (Calla), u. a. uͤber ſchwimmende Gras- und Schilfarten oder uͤber modernde Pflanzentheile und andern ſchwimmenden Wuſt mit großer Leichtigkeit hin, und zeigt überhaupt in allen feinen Bewe: gungen eine ungemeine Gewandtheit, nur nicht im Fliegen; denn ſein Flug iſt eben ſo matt, ſo zitternd, kurz und niedrig wie der der andern Arten. Es ſucht, wie dieſe, dem Menſchen und dem ſuchenden Hunde fo lange wie möglich, zwiſchen Pflanzen verſteckt, laufend zu ent: kommen, fliegt nur erſt auf, wenn die Gefahr ihm ganz nahe ge— kommen, läßt im Fluge die Beine herabhangen und fliegt nie weit, um ſich von Neuem zu verbergen, wozu es von dem freiern Sumpfe * XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. 3Zwerg⸗Sumpfhuhn. 577 ſich gern dahin begiebt, wo Seilweidengebuͤſch waͤchſt, vorzuͤglich an die Raͤnder ſolcher und unter vielem andern Pflanzengeſtruͤpp verſteckten tiefen Graͤben. Man kann es fliegend an den kuͤrzern und ſtumpfern Fluͤgeln von dem kleinen e unter⸗ ſcheiden; es gehört aber viel Uibung dazu. a Die Gewohnheit, ſich allenthalben aͤngſtlich zu Aanrgen, iſt ihm eben ſo eigen als eine große Zutraulichkeit zum Menſchen, wenn dieſer nicht geraͤuſchvoll und boͤſe Abſichten verrathend gegen daſſelbe auftritt. Leiſe heranſchleichend oder es ſtillſtehend erwartend, ſahen wir oͤfters im nicht zu dichten Geſtruͤpp an Teichufern ganz in unſrer Naͤhe ſeinem geſchaͤftigen Stillleben mit großem Vergnuͤgen zu, eben ſo wie auch beim vorigen. In den Bruͤchern kann ſo Etwas freilich nicht vorkommen, weil dort das Plumpen und Rau— ſchen der Fußtritte im Waſſer und Moraſt es zu bald aufmerkſam und aͤngſtlich machen. Es hat uns immer geſchienen, als ſei es noch kirrer als das Vorhergehende. . Es iſt eben fo ungeſellig wie die andern. Eine Stimme hört man am Tage nicht von ihm, wohl aber in der Abenddaͤmmerung und in ſtillen, hellen Naͤchten. Es laͤßt ſie beſonders hoͤren, wenn es ſich aufſchwingt, kreiſend zu einer groͤßern Hoͤhe aufſteigt und ſich auf die Reiſe begiebt. Es iſt dies ein quikendes Pfeifen, etwas verſchieden von dem der vorigen Art, doch nicht leicht zu un— terſcheiden. Die Toͤne der Sumpfhuͤhner laſſen ſich uͤberhaupt ſchwer beobachten und eben ſo ſchwer beſchreiben. Erſteres kann nur da mit Sicherheit geſchehen, wo man an einem beſchraͤnktern Platze ſich ganz gewiß uͤberzeugt hat, daß er nur von einer einzigen der verſchiedenen Arten bewohnt iſt. i Dies Sumpfhuͤhnchen iſt ein allerliebſter Stubenvogel. Es gewoͤhnt ſich ſehr leicht an den Menſchen, zumal in Wohnzimmern, und wird zuletzt ſo kirre, wie irgend ein Vogel. Man hat es bei nicht beſonderer Pflege uͤber ein Jahr erhalten; es wuͤrde aber bei ſorgfaͤltiger Wartung gewiß noch laͤnger dauern. Wir beſaßen ein ſolches nur kurze Zeit, wo es an den Folgen der Schußwunden in ein paar Wochen darauf ging. N a hr u n g. Das Zwergſumpfhuhn naͤhrt ſich wie das kleine. Es ſind uns wenigſtens keine auffallenden Abweichungen darin vorgekommen. 9. Theil. 37 ii 578 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. Beim Oeffnen der Magen Getoͤdteter fanden wir ebenſo in Menge die Reſte vielartiger Käfer und Larven, von Haften, Phry: ganeen, Fliegen, Muͤcken, Spinnen und vielerlei andern Inſekten, ebenfo kleine Conchylien von mehrern Arten, auch grobe Sandkoͤr⸗ ner, ſeltner Vegetabilien, öfter noch grüne Pflanzentheile als Saͤme⸗ reien. Muͤckenlarven ſcheinen ebenfalls eines ſeiner gewoͤhnlichſten Nahrungsmittel zu ſein. 1 Wie die andern ſchleicht es am Tage ſtill und ungeſehen unter dem Schutze der Pflanzen einher und findet da, wie auch wenn es ſchwimmt, beſtaͤndig etwas aufzupicken. Es geraͤth beim eifrigen Verfolgen mancher Geſchoͤpfe zuweilen auf Stellen, wo es der ruhige Lauſcher erblicken und ſeinem geſchaͤftigen Treiben zuſchauen kann, was uns an einem Teichufer mit dieſer und der vorigen Art einige Mal gluͤckte. Da es in der Jahreszeit, in welcher es in unſern Umgebungen hauſet, ihm nie an Futter mangeln mag und es ihm auch nie an Eßluſt zu fehlen ſcheint, ſo findet man es auch ſtets wohlgenaͤhrt und meiſtens fett. 5 In der Gefangenſchaft zeigt es mehr Hang ſich zu verbergen als das Vorige, und hält ſich nur dann in der Nähe feines Ef- und Trinkgeſchirres auf, wenn es Appetit hat, was jedoch ſehr oft koͤmmt. Man behandelt es hier ganz wie das Vorige, fuͤttert es auf die naͤmliche Weiſe und giebt ihm ebenſo zum Trinken und Baden viel und recht oft friſches Waſſer, u. ſ. w. Fortpflanzung. Das Zwergſumpfhuhn niſtet auch in Deutſchland nicht ſel— ten und an aͤhnlichen Orten wie das kleine, doch haben wir es immer nur in unſern groͤßern Bruͤchern, beſonders in naſſen Jahren, niſtend angetroffen, bezweifeln jedoch nicht, daß es auch an Teichen und andern ſtehenden oder langſam fließenden Gwaͤſſern, wenn weitſchichtige moraſtige Umgebungen oder Sumpfwieſen angrenzen oder die Ufer in ſolche verlaufen, ſich fortpflanze. Auch dieſes Neſt wird gewoͤhnlich nur durch Zufall entdeckt. Es in den gleichfoͤrmigen unfreundlichen Umgebungen abſichtlich auf— ſuchen zu wollen, wuͤrde ohne bedaͤchtig ſuchenden und gut vorftehen: den Hund wol meiſtens vergebliche Muͤhe ſein. Es ſind auf aͤhn— liche Weiſe wie bei der vorigen Art die Blätter eines Seggenbuͤſchels XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. 579 mit den Spitzen alle nach innen eingeknickt und ſo niedergedruͤckt, daß ſo ſchon eine korbfoͤrmige Aushoͤhlung entſteht, die nun mit trocknen Seggenblaͤttern und Binſen in die Runde belegt und dieſe mit einander verflochten, im Innern aber etwas feinere Dinge, be— ſonders trockne Grashalme eingewebt ſind. Es iſt ein ziemlich loſes, doch gut verbundenes und ziemlich haltbares Gefllecht. Sehr ge— woͤhnlich biegt das daraufſitzende Weibchen waͤhrend des Legens und Bruͤtens, die Spitzen der umſtehenden naͤchſten Halme uͤber ſeinem Kopfe zuſammen, ſo daß eine Art luftiger, gruͤner Decke entſteht, die es wahrſcheinlich den Spaͤherblicken von oben herab verbergen ſoll. So wie hierin, als in der tiefen, bauchichten Aushoͤhlung gleicht es denen der andern Arten, aber es iſt das kleinſte von allen, und zwar auch nach Maaßgabe der Groͤße des Vogels das kleinſte, und hierdurch ausgezeichnet oder kenntlich. Es legt nur 7 bis 8 Eier; wenn ihm dieſe genommen werden, zum zweiten Mal, einige weniger, und man findet die erſten nicht oft vor dem Juni, die letzten zuweilen erſt im Juli. Dieſe Eier ſind bedeutend kleiner als die der C. pusilla und uͤbertreffen hierin die größten der Zippdroſſel (Turdus musicus) nur wenig. Sie find nicht volle 15 Linien, manche nur 14½ Linien lang und etwas uͤber 9 Linien breit, ſchoͤn eifoͤrmig, manche auch etwas kuͤrzer und dann liegt der Bauch faſt in der Mitte. Ihre Schale iſt von feinem Korn, glatt und etwas glaͤnzend, auf olivengelblichem Grunde fein gelblicholivenbraun beſpritzt und marmorirt, ſo daß von der Grundfarbe wenig durchblickt und die Zeichnungen, weil keine Um: riſſe ſichtbar, meiſtens in einander fließen. Manche haben am ſtumpfen Ende einen duͤſtern Schattenkranz. Durch ihre viel dunklere oder viel haͤufigere nnd undeutlichere Zeichnung, bei der weit ge ringern Groͤße unterſcheiden ſie ſich ſehr von denen der C. pusilla. Mit noch andern iſt eine Verwechslung nicht wohl moͤglich. Das Betragen beim Neſte iſt dem der vorigen Arten aͤhnlich. Wenn es ſchon laͤnger gebruͤtet hat, ſitzt es ſehr feſt uͤber den Eiern und ſchluͤpft erſt davon, wenn man dicht bei ihm iſt. Es druͤckt ſich in ſolchen Faͤllen ſehr tief ins Neſt nieder. Die Jungen betra⸗ gen ſich wie die des vorigen, wie denn uͤberhaupt im Betragen und allem Uibrigen die drei hier auf einander folgenden Sumpfhuͤhner nur in wenigen Stuͤcken von einander abweichen. 37° 580 XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. 3 werg⸗Sumpfhuhn. f F e i n de. Weil dieſe Voͤgel am Tage und freiwillig nie zum Vorſchein kommen, ſo koͤnnen ihnen die Raubvoͤgel nichts anhaben. Nur das bruͤtende Weibchen oder wenigſtens die Eier koͤnnen von den Weihen— arten, Falco rufus, F. cyaneus und F. cineraceus, zuweilen er⸗ ſpaͤhet und geraubt werden. Viel mehr Schaden fuͤgen ihnen und ihrer Brut die Raubthiere, Fuchs, Iltis, Wieſeln und die Wanderratten zu. Wo ſie am Rande der Heuwieſen niſten, wird durch das Maͤhen derſelben auch wol hin und wieder ein Neſt zerſtoͤrt. a g d Der, welcher ſeine Lieblingsorte kennt und in der Zugzeit dort fleißig aufpaßt, kann das ſtille, harmloſe Voͤgelchen zuweilen an Graben- oder Teichraͤndern zu ſehen bekommen und im Sitzen ſchießen. Es gehoͤrt zu ſolcher muͤhſamen Jagd freilich viel Ruhe, Ausdauer, ein gutes Geſicht und das flinke Geſchoͤpf darf auch nicht merken, daß es auf ſein Leben abgeſehen iſt. Viel gewoͤhnlicher und leichter iſt die Jagd, wenn man es in den ſchon etwas gruͤn gewordenen Suͤmpfen und zwiſchen den Kufen durch den Hund aufſuchen laͤßt und es im Herausfliegen herabſchießt. Dies koͤmmt zufaͤllig auf der Bekaſſinenjagd oͤfter vor. Es iſt da, wegen ſeines matten und geraden Fluges, eben ſo leicht wie die andern zu ſchießen. Viel Mühe macht ein fluͤgellahm Geſchoſſenes; ein ſolches entkoͤmmt ohne guten Hund gewoͤhnlich. In ſumpfigen Dickichten von mit Wei: dengebuͤſch durchmengten Schilfarten vermag dieſer nicht einmal das Geſunde zum Auffliegen zu bewegen. Zu fangen iſt es eben fo leicht wie eins von den beiden vor: hergehenden Arten, ſowol im Wachtelſteckgarn, als in Lauf— dohnen oder auch in der Nachtigallfalle. N u te n Daß ſein Fleiſch ſehr zart, meiſtens fett und ſehr wohlſchmeckend iſt, kann bei ſeiner Seltenheit uud bei ſeiner geringen Groͤße nicht XII. Ordn. LXXIII. Gatt. 269. Zwerg⸗Sumpfhuhn. 581 ſehr in Betracht kommen, wenn man es bloß deshalb aufſuchen wollte; denn an den, an gleichen Orten, jaͤhrlich zwei Mal und ſtets häufig anzutreffenden ſtummen Bekaſſinen (Scolopax gal- linula) erreicht man dieſen Zweck weit ſicherer und fie find wo nicht beſſer, doch eben ſo ſchmackhaft. Schaden. Es gehoͤrt zu den uns vollig unſchaͤdlichen Geſchoͤpfen, die uns unbewußt vielleicht als Inſektenvertilger noch nuͤtzen. Vier und fiebenzigfte Gattung. Teichhuhn. Gallinula. . Schnabel: Kuͤrzer als der Kopf, ziemlich ſtark, gerade, kegelfoͤrmig, mit kurzer Spitze, viel ſchmaͤler als hoch; die Schnei— den gerade, nur wenig eingezogen, ſehr ſcharf. Er iſt hart und geht vor der Stirn in eine mehr oder weniger breite nackte Platte oder Blaͤſſe uͤber. Dies iſt ſtets viel ſtaͤrker, der Schnabel nach vorn auch weniger zuſammengedruͤckt als bei Crex. Naſenloͤcher: Seitlich, ein ziemlich erweiterter, durchſichtiger, kurzer Ritz, nach unten und vorn in einer ſehr großen, ovalen, mit weicher Haut uͤberſpannten Naſenhoͤhle. Fuͤße: Mittelhoch, ſtark, uͤber der Ferſe etwas nackt; der Lauf zuſammengedruͤckt; die drei Vorderzehen faſt ganz getrennt, ſehr lang, ſchlank, mit breiten Sohlen, die Mittelzeh laͤnger als der Lauf; die ſchmal zuſammengedruͤckte Hinterzeh um Vieles kuͤrzer, auch hoͤher eingelenkt als die vordern, von welchen die mittelſte viel laͤnger als eine der beinahe gleichlangen Seitenzehen. Ihr ſehr weicher Uiberzug hat auf dem Spann ſehr große Schildtafeln, hinten kleinere und auf den Zehenruͤcken ſchmale Schilder, iſt uͤbrigens gegittert und an den beſonders weichen Zehenſohlen aͤußerſt feinwarzig. Die Krallen ſind mittelmaͤßig, flach gebogen, ſehr ſchmal und ſpitz, unten mit einer Rinne. Fluͤgel: Nicht groß, gewoͤlbt, breit, ſtumpf; die erſte Schwing⸗ feder iſt bedeutend kuͤrzer als die zweite, dieſe oder die dritte die XII. Ordn. LXXIV. Gatt. Teichhuhn. 583 laͤngſte, oft auch beide von gleicher Lange; fie haben fäbelförmig nach hinten gebogene ſchwache Schaͤfte und breite, etwas weiche Fahnen. Am Fluͤgelbuge befindet ſich ein kleiner, harter, ſpitziger Hoͤker. b Schwanz: Kurz, etwas breit, aus 12 etwas breiten, weichen Federn beſtehend, mit ſehr langen untern Deckfedern. Das kleine Gefieder iſt ſehr dicht, an den untern Theilen pelzartig, nur an wenigen Theilen mit deutlichen Conturen, ſonſt faſt durchgängig weitſtrahlig, unzuſammenhaͤngend, wie zerſchliſſen. Es aͤhnelt dem der Schwimmvoͤgel und ganz dem der Gattung Fulica. Der Kopf iſt klein, ſehr ſchmal, mit niedriger oder ſanft auf: ſteigender Stirn; der Hals mittellang, der Rumpf ſeitlich ſehr ſtark zuſammengedruͤckt und ſchmal, dem der Gattung Cres aͤhnlich, auch im Bau der Fuͤße und des Schnabels, doch dieſer ſtaͤrker, die Zehen laͤnger und die Sohlen breiter. Die Teichhuͤhner ſind Voͤgel etwas unter einer mittlern Groͤße, meiſtens in dunkle Farben gekleidet, worunter ſehr dunkele Schiefer— farbe und tiefes Olivenbraun vorherrſchen, mit weit einfachern Zeich— nungen als in der letzten Abtheilung der vorigen Gattung. Maͤnn— chen und Weibchen ſind gleich gefaͤrbt, letzteres nur etwas kleiner als erſteres; das Jugendkleid iſt verſchieden von dem der Alten, mit wenig ausgezeichneter Stirnblaͤſſe; das Neſtkleid ſind dichte einfarbig ſchwarze Dunen, in dieſem Kleide aber ſchon die kleine Stirn⸗ blaͤſſe durch lebhaftere Faͤrbung gehoben. Sie mauſern nur ein Mal im Jahr, die Alten in den Som: mermonaten, die Jungen im Winter. Die Muſealnaturforſcher haben die Voͤgel dieſer Gattung, — zu welcher, außer der unſrigen, noch viele auslaͤndiſche Arten ge: hören, — bald zu unſrer Gattung Crex, bald zu Fulica gezählt; allein der, welcher ſie oft im freien Leben beobachtete, wird geſtehen muͤſſen, daß ſie ſich ſehr auffallend von ihnen abſondern, und als ein Bindeglied gerade in der Mitte von beiden ſtehen. So wie einerſeits eine ganz andere, pelzartige Befiederung, andrerſeits ganz anderartige Zehen auf eine eigenthuͤmliche verſchiedene Lebensweiſe hindeuten, ſo iſt dieſe auch wirklich ein Gemiſch von denen der bei— den genannten Gattungen. Dem Forſcher zeigt ſich hier eine hoͤchſt anziehende Stufenfolge, wenn er ſieht, wie die Sumpfhuͤhner — 584 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. Teichhuhn. (Crex) ihre allermeiſten Geſchaͤfte laufend verrichten, ſelten ſchwim⸗ men, und nur aͤußerſt ſelten in hoͤchſter Noth tauchen; — daß die Teich huͤhner (Gallinula) wenig laufen, dagegen faſt immer ſchwim⸗ men, in der Noth immer anhaltend und mit großer Fertigkeit tau— chen; daß endlich die Waſſerhuͤhner (Fulica) ſehr felten Tau: fen, vielmehr unausgeſetzt ſchwimmen und nicht allein in Noth, ſondern ihrer Nahrung wegen beſtaͤndig tauchen. Er ſieht ſo in den erſtern wahre Sumpfvoͤgel, in den letztern aͤchte Schwimm: voͤgel und unſere Teichhuͤhner, als auf dem Uibergange von dieſen zu jenen, bei ſorgfaͤltigerm Beobachten, ſich mehr zu den letz⸗ tern neigen; mit andern Worten: unſere Teichhuͤhner wuͤrden zu den Waſſerhuͤhnern gezaͤhlt werden koͤnnen, wenn ihnen nicht die Schwimm— lappen fehlten und die Fertigkeit auch nach Nahrung unterzutau— chen abging. > Sehr nahe verwandt mit ihnen find die Gattungen: Sporn— flügel (Parra) und Sultanshuhn (Porphyrio); die letzte wäre vielleicht mit ihnen zu vereinigen. Von dieſer iſt eine Art auch europaͤiſch; wir haben ſie aber nie im Leben beobachten koͤnnen. Die Teichhuͤhner beſchließen die lange Reihe der S umpfvoͤ— gel und ſchließen ſich ſehr natürlich an die Waſſerhuͤhner an, mit welchen wir die große Ordnung der Schwimmvoͤgel eroͤffnen. Nach unſerm Ermeſſen iſt dieſer Uibergang ganz der Natur gemaͤß, wie nicht allein ein Blick auf ihr Aeußeres, ſondern auch Anatomie und Lebensweiſe deutlich darlegen. Die Teichhuͤhner find für die nördlichen Länder Zug voͤgel, wandern aber bloß einzeln und ſtets des Nachts. Ihr Aufenthalt ſind waſſerreiche Suͤmpfe, vorzuͤglich die mit vielem Schilf und an— dern Waſſerpflanzen beſetzten Teiche niederer Gegenden. Auf freiem Waſſer werden ſie nicht angetroffen, daher weder auf dem Meere noch auf groͤßern Fluͤſſen. Die meiſte Zeit ihres Lebens bringen ſie ſchwimmend hin, auf kleinern Waſſerflaͤchen in der Naͤhe des Schilfes, um bei Gefahren ſich in dieſem verſtecken zu koͤnnen. Sie gehen und ſchwimmen ſehr behende, mit beſtaͤndigem Kopfnicken und einem kecken Anſtande, wippen haͤufig mit dem meiſtens hochgetra— genen Schwanze, tauchen bei heftigen Verfolgungen tief und weit unter, halten ſich unten mit den Fuͤßen feſt und laſſen nur Schna— bel und Augen uͤber der Waſſerflaͤche. Sie rudern unter dieſer auch mit den Flügeln. An ſtarken Sumpfpflanzen und niedrigen Baum: zweigen ſteigen ſie oͤfters in die Hoͤhe, um auf einem der letztern auszuruhen, ſetzen ſich jedoch nie auf hohe Baͤume oder ganz freie f XII. Ordn. LNXIV. Gatt: Teichhuhn. 585 Aeſte. Sie fliegen ſehr ungern, ſchwerfaͤllig, niedrig und nicht weit; ſind liſtig und vorſichtig, auch wo ſie in der Naͤhe der Menſchen leben und zutraulich ſcheinen. Ihre Stimme ſind gellende, kraͤftige Toͤne; ihre Nahrung, die ſie meiſtens ſchwimmend ſuchen, In— ſekten und Inſektenlarven, Wuͤrmer und kleine Schalthiere, aber auch grüne Waſſerpflanzen und ſehr haufig Saͤmereien, ſelbſt Ge: traide. — Sie leben in uneingeſchraͤnkter Monogomie, beide Gat— ten, mit drei Brutflecken am Unterkoͤrper, nehmen naͤmlich am Bruͤ⸗ ten und Erziehen der Jungen Theil, fuͤr welche ſie die zaͤrtlichſte Anhaͤnglichkeit zeigen. Die Maͤnnchen ſind ſehr eiferſuͤchtig und es giebt heftige Balgereien unter ihnen, wobei jedes Paͤaͤrchen fein Nift- revier zu behaupten ſucht. Ihr Neſt bauen ſie immer uͤber ſolchem Waſſer, das nicht verſiegt, auf eingeknickte Schilfbuͤſchel von trocknem Schilf, ohne viele Kunſt, aber recht feſt. Die ziemlich großen, aͤcht eigeſtaltigen Eier, 5 bis 12 an der Zahl, ſind gelblich, braun punktirt und gefleckt. Die Jungen ſind anfaͤnglich in dichten, tieffchwarzen Flaum gekleidet, an der Stirn durch eine lebhafte Faͤrbung ausge— zeichnet; ſie ſchwimmen den Alten gleich nach, werden von dieſen angefuͤhrt, ihre Nahrung auf der Oberflaͤche des Waſſers zu ſuchen, was ſie ſehr bald lernen, immer ſchwimmen, zum mannichmaligen Ausruhen Schilfblaͤtter und andere ſchwimmende Gegenſtaͤnde waͤh— len, aber bevor ſie ordentlich befiedert, nicht oder doch hoͤchſt ſelten ans Er kommen. Sie ähneln hierin denen der folgenden Gattung, abet durchaus nicht denen der vorhergehenden. — Sie ſind, wo ſie keine Verfolgungen erfuhren, leicht zu ſchießen; in entgegengeſetzten „Fallen macht dies ungleich mehr Schwierigkeiten, weil ſie ſich durch Untertauchen, Verſtecken und Verkriechen zu retten ſuchen und ſelten auffliegen. Ihr Fleiſch hat zum Verſpeiſen wenig Werth. „Die Gattung Gallinula zeigt ganz den Typus der Fulica⸗ rien, welcher wenig varürt; in den leichteren Unterſchieden zeigt Gallinula chloropus, (ſo wie Crex porzana und pusilla) folgendes, bald mehr mit Fulica, bald mehr mit Crex und Rallus uͤberein⸗ ſtimmende: Die ſchlanken Halswirbel, das etwas breitere, mit tiefen ſpitz einſchneidenden Buchten und ſtaͤrkeren, divergirenden Abdominalfort: ſaͤtzen verſehene Bruſtbein, das unten oder hinten etwas breitere, ſich ſtumpfwinklig umbiegende Schambein jeder Seite und die langen und ſchlanken Phalangen der Zehen nähern dieſe Gattung mehr zu Fulica; auch der Muskelmagen iſt ſehr ſtark, platt, mit 2 ſtarken Sehnenſcheiben. 586 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. Teichhuhn. Die Aſymmetrie der Leberlappen iſt unbetraͤchtlich. Das Divertikel iſt 3 bis 4 Linien lang, ziemlich dick und weit, wie bei Rallus und Crex. Die Milz hat einen anſehnlichen Henkel (den ich bei Cr. por- zana nicht deutlich finde). Die Blinddaͤrme ſind laͤnger als der Dickdarm. Kehldeckelrudiment fehlt bei G. chloropus; bei Cr. porzana iſt es angedeutet. Die Zunge iſt kuͤrzer als bei Rallus. Die Naſendruͤſe ſchmal, bogenfoͤrmig, wie bei Rallus und Crex, jedoch hinten etwas breiter, mehr wie bei Fulica.“ . R. Wagner. ** ** ** Wir haben von dieſer Gattung in Deutſchland nur Eine Art. 270. Das gemeine Teichhuhn. Gallinula cehloropus. Lath. (Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 240. Fig. 2. Weibchen im Jugendkleide. Fig. 3. Ganz junger Vogel. Gruͤnfuͤßiges Teichhuhn; gruͤnfuͤßiges Rohrhuhn; Rohrhuͤhnlein; kleines Rohrhennel; Rohrhennel mit rothem Blaͤſſel; rothes Blaͤß— huhn; große —, gemeine Waſſerhenne; Waſſerhuhn, gruͤnfuͤßiges Waſſerhuhn oder Waſſerhuhn mit gruͤnen Fuͤßen; rothblaͤſſiges —, dunkelbraunes —, großes Waſſerhuhn; Waſſerhuhn mit rother Stirn und Knieen; ſchwarzes Waſſerhuhn mit grünen Beinen; kleines Waſſerhuhn, Waſſerhuͤhnchen, Waſſerhennel; gemeines —, gruͤn— fuͤßiges —, braunes Meerhuhn oder (richtiger) Moorhuhn; Waſſer— laͤufer; ſchwarzer Waſſertreter; ſchwarzer Ralle; Thauſchnarre; bei hie ſigen Jaͤgern: Waſſerhenne oder Rothblaͤßchen. Gallinula chloropus. Lathi. Ind. II. p. 770. n. 13. — Nilsson, Orn, suec. II. p. 116. n. 91. — Fulica chloropus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 698. n. 4. Retz. Faun. suec, p. 200. n. 173. La Poule d’eau. Buff. Ois. VIII. p. 171. t. 15. — Edit. de Deuxp. XV. p. 213. — Id. Planch. enl. 877. - Gerard. Tab. élém. II. p. 278. n. 1. Poule d eau ordinaire. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 693. = Common Guaullinule. Penn, arct. Zool. II. p. 492. u. 411. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 457. n. 328. — Latlı. Syn. V. p. 258. n. 12. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 227. n. 12. = Bewick, brit. Birds. II. p. 128. Pullo Sultano cimandorlo. Stor. deg. Ucc. V. Tav. 585. —= Sczabica. Savi, Orn. tosc. II. p. 382. Waterhoentje. Sepp. Nederl. Vog. I. t. p. 71. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 489. — Deſſen, Taſchenb. II. S. 341. n. 3. Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 410. — Deren, Vög. Deutſchl. Heft 13. (altes M. u. junger Vog.) —= Meyer, Vög. Live und Eſthlands, S. 215. Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz, S. 237. n. 220. = Koch, Baier. Zool. I. S. 346. u. 217. — Brehm, Beitr. III. S. 601. — Bellen, Lehrb. II. S. 643. Deſſen, 588 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. Naturg. a. V. Deutſchl. S. 704 - 707. = Gloger, ſchleſ. Faun. S. 51. u. 227. Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 67. n. 211. — Friſch, Vög. Taf. 209. Naumann's Vög., alte Ausg. III. S. 137. Taf. XXIX. Fig. 38. altes Männchen. Fig. 39. junger Herbſtvogel. Junger Vogel. Gallinula fusca. Lath. Ind. II. p. 771. n. 15. Fulica uscu. Gmel. Liun. syst. I. 2. p. 697. u. 1. — La Poulette d’eau. Buff. Ois. VIII. p. 177. — Edit. de Deuxp. XV. p. 220. — La petite Poule d’eau. Gerard. Tab. élém. II. p. 282. n. 2. Brown Gallinule. Lathi. Syn. V. p. 260. — Uiberſ. v. Bed: ſtein, III. 1. S. 230. u. 14. — Friſch, Vög. Taf. 210. Ken i zeichen Der Krk Die untere Schwanzdecke hat außen herum ganz weiße, in der Mitte ganz ſchwarze Federn; die untern Fluͤgeldeckfedern dunkel ſchie⸗ ferfarben, mit weißen Spitzenkaͤntchen. Beſchreibung. Das gemeine Teichhuhn iſt mit einem andern einheimiſchen Vogel nicht leicht zu verwechſelnn. Vom gemeinen Waſſerhuhn iſt es, wenn ſich auch die jungen Voͤgel beider noch aͤhnlicher ſehen als die alten, doch ſogleich an den unbelappten Zehen zu un- terſcheiden. In Suͤdamerika hat es jedoch an Crex (Gallinula) galeata, des Berliner Muſeums, einen nahen Verwandten, welcher ihm ſehr aͤhnlich ſieht, aber viel laͤngere Zehen und etwas hoͤhere Tarſen hat. In der Größe übertrifft es den Wachtelkoͤnig (Crex pra- tensis) um ein Bedeutendes. Seine Länge beträgt 12 bis 13½ Zoll; die Flugbreite 22 bis 24 Zoll; die Laͤnge des Fluͤgels vom Bug zur Spitze 7 Zoll; die Länge des Schwanzes 2½ bis 2°/, Zoll, wo⸗ von die kleinern Maaße den weiblichen Individuen zukommen. Das Gefieder iſt ungemein dicht, an den untern Theilen pelz— artig dick, faſt durchgaͤngig mit unzuſammenhaͤngenden Fahnen, daher die Conturen nur an den groͤßern Flügel: und Schwanzdeck— federn deutlich, auf den Schultern kaum angedeutet, an allen uͤbrigen XII. Stdn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 589 Theilen ganz unkenntlich. Die kurzen breiten Fluͤgel haben eine etwas verlaͤngerte aber abgerundete Spitze, weil die erſte der großen Schwingfedern über ¼ Zoll kürzer als die zweite, dieſe bald ein Wenig kuͤrzer, bald auch laͤnger, oder auch von gleicher Laͤnge mit der dritten und oft auch der vierten; die folgenden nehmen dann erſt ſtufenweis bedeutender und weiter nach hinten immer ſtaͤrker an Laͤnge ab, bis zu den gleichlangen der zweiten Ordnung, von denen ſich die allerletzten in eine hintere Fluͤgelſpitze verlaͤngern, die aber bei geſchloſſenem Fluͤgel nur bis ans Ende der ſiebenden Schwinge erſter Ordnung reicht. Dieſe haben ſchwache, aber ziemlich elaftifche, etwas nach hinten gebogene Schaͤfte, breite, weiche Fahnen, ſchmaͤ— lere Spitzen, die an den vorderſten ſchief zugerundet, an den uͤbrigen abgerundet ſind. Die Schwanzfedern haben ebenfalls ſchlaffe Schaͤfte, breite Fahnen und ein abgeſtumpftes Ende; die aͤußerſte Feder iſt 1¼ Zoll kuͤrzer als eine des mittelſten und auch faſt noch des naͤch— ſten Paares, von welchem erſt die andern in größern Stufen nach außen an Laͤnge abnehmen, wodurch eine ſchoͤn gerundete Form des Schwanzendes entſteht. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel be— decken ohngefaͤhr ein Drittheil der Schwanzlaͤnge. Der Schnabel iſt ſtark, zwar ſehr zuſammengedruͤckt, doch bei weitem weniger als der der vorigen Gattung, namentlich der drei letzten Arten, weshalb ſowol ſeine Firſte als ſein Kiel auch nicht ſo ſchmal; jene iſt bis in die Mitte gerade, dann in einem ſanften Bogen in die Spitze uͤbergehend, dieſer, ſoweit ſein etwas breiter Spalt reicht, ebenfalls gerade, hier ein kaum bemerkbares Eck bil- dend und in eine faſt gerade Linie in die Spitze uͤbergehend, welche im Ganzen ſtumpf kegelfoͤrmig iſt. Die Schneiden ſind nicht ganz gerade, ſondern nach vorn ſanft abwaͤrts geſenkt, uͤbrigens ſehr ſcharf, zuweilen ſehr fein gezaͤhnelt, die untere ein Wenig unter die obere eingreifend. Vor der Stirn ſteigt die Firſte in dieſe zwiſchen die Federn auf, bei alten Voͤgeln bis zwiſchen die Augen, und breitet ſich bis dahin als eine ovale, etwas convexe, ziemlich harte Platte oder nackte Blaͤſſe bis zu 5 Linien breit aus, welche bei jungen Herbſt vögeln noch unvollſtaͤndig, kaum etwas über 2 Linien breit iſt und lange nicht ſo hoch hinaufreicht. — Der ganze Schnabel iſt hart, nur ſoweit die ſehr große ovale Naſenhoͤhle reicht, mit wei: cher Haut uͤberzogen, in welcher ſich der Schneide genaͤhert das ritz— foͤrmige, vorn bedeutend erweiterte und durchſichtige Naſenloch oͤffnet. Die Laͤnge des Schnabels mißt bei alten maͤnnlichen Indi⸗ viduen bis zum Anfang der Stirn 1¼ Zoll, bis zum Ende der 590 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. Blaͤſſe 1 Zoll 7 Linien in der Laͤnge; an der Wurzel 4½ Linien in der Höhe und hier 3½ Linien in der Breite, dies beſonders nach oben, wo er in die 5 Linien breite Stirnbläffe unmerklich übergeht. In der fruͤheſten Jugend iſt die Farbe des Schnabels roͤthlich und eine deutliche rothe Stirnblaͤſſe vorhanden; beides verliert ſich nach und nach, ſo daß die jungen Herbſtvoͤgel nur eine ſehr kleine Stirnblaͤſſe haben, welche wie der Schnabel graugruͤn aus— ſieht, an welchem bald an der Spitze, bald an den Schneiden etwas Gelb durchſchimmert. Bei den Alten iſt im Herbſt die groͤßere Haͤlfte des Schnabels nebſt der Stirnblaͤſſe ſchmutzig roth, das Ende gruͤngelb, im Fruͤhjahr aber von einer praͤchtigen Faͤrbung, an der Blaͤſſe und Wurzel bis uͤber die Mitte und bis noch uͤber die Naſenloͤcher hinaus, unten bis an das Ende der Kielſpalte glaͤnzend hochroth, wie Zinnober mit Karmin vermiſcht, ſpitzewaͤrts am letzten Drittheil hoch zitronengelb. Nur bei den Einjaͤhrigen iſt das Roth ein wahres Siegellackroth, das Gelb etwas blaͤſſer und gruͤn— licher. Im Tode werden dieſe ſchoͤnen Farben nicht ſobald unſchein— lich, und ſelbſt getrocknet bleiben ſie kenntlich, obgleich lange nicht mehr ſo ſchoͤn. Das kleine lebhafte Auge hat bei den Alten eine ſehr lebhaft rothbraune Iris, oft in dieſer auch noch ein lichteres Raͤndchen um die Pupille; bei erwachſenen Jungen iſt ſie graubraun, in fruͤheſter Jugend braungrau. Die großen, ziemlich ſtarken Fuͤße ſind uͤber der ſtarken Ferſe ein kleines Stuͤck nackt, an den Laͤufen ſehr zuſammengedruͤckt; die ſehr langen und ſchlanken Vorderzehen faſt ganz getrennt, indem ſich nur zwiſchen der aͤußern und mittlern ein ſchwaches Rudiment eines Spannhaͤutchens zeigt; ſie haben ſehr weiche, platte Sohlen, die uͤber dem Zehenballen eingelenkte, ziemlich kurze Hinterzeh aber eine ſehr ſchmale. Der weiche Uiberzug iſt vorn auf den Laͤufen, dem ſogenannten Spann, in ſehr große Schildtafeln, hinten uͤber der Ferſe in ſchmale, an der Ruͤckſeite der Laͤufe in kleine, auf den Zehenruͤcken wiederum in ſchmale Schilder getheilt, in den Zwiſchen— raͤumen gegittert, an den Zehenſohlen ungemein fein gekoͤrnelt und darum hier beſonders ſehr ſanft anzufuͤhlen. Die mittelmaͤßigen Krallen ſind an den Vorderzehen nur ſchwach gebogen, an der Hin— terzeh ſtaͤrker gekruͤmmt, ſehr ſtark zuſammengedruͤckt, nadelſpitz, unten mit einer feinen Rinne. Die nackte Stelle uͤber der Ferſe geht nur 5 bis 6 Linien hinauf; der Lauf iſt 2 Zoll lang; die Mittelzeh, XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 591 mit der etwas über 6 Linien langen Kralle, 2 Zoll, — die Hin: terzeh, mit der 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 1 Linie lang. Die Farbe der Fuͤße iſt bei den Alten ein ſehr angenehmes helles Grün, das, außer an den Gelenken, ſtark ins Gelbgruͤn zieht, ein ſchoͤn gelb und hochroth gefaͤrbter Knieguͤrtel ziert die nackte Stelle uͤber der Ferſe, hier ſind naͤmlich die hochgelben Schildchen in ihrer Mitte praͤchtig zinnoberroth, und da auf der Hinterſeite die Schildchen am größeften find, fo ift hier auch das mehreſte Roth. — An in Herbſtvoͤgeln find fie ebenfalls grün, aber weniger ſchoͤn, an den Zehenſohlen oft braͤunlich, die Knieguͤrtel erſt ſpaͤter durch eine gelbe Faͤrbung gehoben, die zwar zuweilen ins Rothgelbe zieht, aber von dem ſpaͤtern hohen Gelb und Roth nur eine ſchwache Andeutung giebt. Die Krallen ſind lichtbraun, gegen die Spitzen dunkler und dieſe braunſchwarz. Bei ganz jungen Voͤs geln find die Füße blaß graugruͤnlich. — Im Tode verliert die ſchoͤne Faͤrbung der Fuͤße bei allen, am auffallendſten bei den Al⸗ ten; ſie wird von Stunde zu Stunde duͤſterer, bei voͤlligem Aus⸗ trocknen ſchwaͤrzlich olivengruͤn, aber von dem Roth an den Knie: baͤndern bleibt ſtets etwas, wenn auch nur eine ſchwache Spur, zuruͤck. Die erſte Bekleidung des dem Ei entſchlüpften Jungen iſt ein dichtes einfarbiges Dunenkleid, aus einem haarartigen, kohl⸗ ſchwarzen Flaum beſtehend, welcher den Koͤrper ganz dicht, wie ein Pelz, bedeckt, bloß an den Fluͤgelchen und vor den Augen die Haut etwas durchſchimmern laͤßt, die an letztern roͤthlich iſt, und an der Kehle und den Kopfſeiten ſilberweiße Spitzen hat. Das vorn blaßroͤthliche Schnaͤbelchen hat einen ſchneeweißen Hoͤker (wo⸗ mit es die Schale des Eies durchbrochen), iſt aber hinterwaͤrts und an der ziemlich großen Stirnblaͤſſe lebhaft gelbroth. Dies ſchoͤne Roth hebt das ſchwarze Gewand und macht dieſe Jungen ſchon von Weitem kenntlich. Die Füße find anfänglich blaß graulichfleiſchfar⸗ big, werden aber nach wenigen Tagen gruͤnlich und ſind, wenn bei dieſen Jungen ihr erſtes Federkleid hervorzukeimen anfaͤngt, matt graugruͤn. Um dieſe Zeit iſt auch das Rothe am Schnabel ver— ſchwunden und in ſchmutziges Gruͤn verwandelt, dieſer auch viel groͤßer geworden, waͤhrend das Stirnblaͤßchen damit nicht gleichen Schritt gehalten, ſo klein wie im Anfange geblieben und auch die rothe Faͤrbung ſich in eine gruͤnliche verwandelt hat. Sie haben lichtbraungraue Augenſterne. Die ſtufenweiſe Ausbildung der Koͤrpertheile bei dieſen Jungen 592 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. ähnelt mehr der junger Schwimmvoͤgel; wie die Natur diejenigen immer am erſten ausbildet, welche am meiſten gebraucht werden, zeigt ſich hier deutlich. So gelangen die Fuͤße ſchnell zu einer faſt unfoͤrmlichen Groͤße, die Bekleidung mit ordentlichen Federn tritt, in der zweiten Woche ihres Daſeins, zuerſt am Unterkoͤrper hervor, und die untern Theile des Rumpfs ſind ſchon vollſtaͤndig befiedert, wenn Ruͤcken, Kopf und Hals noch ganz allein mit ſchwarzem Flaum bekleidet ſind; zuletzt erſcheinen die Schwanz- und Fluͤgelfedern, zu allerletzt die Schwingfedern, und wenn fie endlich flugbar geworden, noch 4 bis 5 Wochen, iſt alle Spur des Flaums, auch an den Kopf: und Halsfedern, verſchwunden. Voͤllig erwachſen hat das Jugendkleid eine von dem Kleide der Alten ſehr abweichende Faͤrbung, weshalb man in fruͤhern Zeiten dieſe jungen Voͤgel fuͤr eine eigene verſchiedene Art hielt. — Die Stirnblaͤſſe iſt ſehr klein und unbedeutend, wie der Schnabel ſchmutzig gelblichgruͤn, dieſer hin und wieder, beſonders in der Mitte, in Olivengruͤngrau uͤbergehend; die Fuͤße gruͤn, aber ungleich weniger lebhaft als an den Alten und der gelbliche Knieguͤrtel wenig aus— gezeichnet. Die Zuͤgel ſind gewoͤhnlich weißlich, vor dem Auge mit einem dunkeln Fleckchen; Kinn und Kehle weiß; Oberkopf, Wangen, Hinterhals olivenbraun; die Halsſeiten olivenbraun, mit Aſchgrau vermiſcht; Gurgel, Kropf, die Mitte der Bruſt und die Schenkel dunkelaſchgrau, mit weißen Federſpitzen, daher beſonders an den erſtern in der Mitte herab ſtark weiß gewoͤlkt, und auf der Unter— bruſt und der innern Seite der Schenkel faſt ganz weiß; die Trag— federn dunkel olivengrau, die laͤngſten in der Mitte mit einem mehr oder weniger deutlichen roſtgelblichweißen Schaftſtreif, wodurch ſich laͤngs dem Fluͤgel ein weißes Fleckenband bildet, dem aber noch die Reinheit und das Zuſammenhaͤngende des der Alten abgeht. Der Bauch iſt roſtgrau; die untere Schwanzdecke in der Mitte ſchwarz, an den Seiten und dem Ende weiß, mehr oder weniger roſtgelb uͤberlaufen. Ruͤcken, Schultern, der ganze Oberfluͤgel, Buͤrzel und die Oberſchwanzdecke olivenbraun, am dunkelſten der Unterruͤcken; ein ſchmales Raͤndchen am Fluͤgel weiß, das ſich als feiner Außen— ſaum auf der erſten Schwingfeder fortſetzt, uͤbrigens die großen Schwingen rauchfahl, gegen den Außenſaum bloß lichter, die der zweiten Ordnung aber breit olivenbraun gekantet; die letzten ganz von dieſer Farbe, wie die mittlern Schwanzfedern; die uͤbrigen Schwanzfedern wie die Secundarſchwingfedern, auf der untern Seite mattſchwarz. Der Unterfluͤgel iſt ſchwarzgrau, an den Deckfedern XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 593 mit weißen Kaͤntchen. — Aeußere Merkmale, beide Geſchlechter zu unterſcheiden, ſind nicht vorhanden, die Maͤnnchen ſind bloß ein Wenig groͤßer als die gleich alten Weibchen. Im Herbſt, kurz vor ihrer Wegreiſe, legen dieſe Jungen das eben beſchriebene Jugendkleid meiſtens noch ab, und erſcheinen dann: in einem Gewande, das hinſichtlich feiner Faͤrbung das Mittel halt zwiſchen jenem und dem voͤllig ausgefaͤrbten Kleide der Alten. Die lichtern, denen des Jugendkleides aͤhnlich gefaͤrbten Federraͤnder an den untern Theilen, vom Kinn bis an den After, verdecken die unter ihnen großentheils verſteckte dunkle Schieferfarbe, am Dberfopfe: und Halſe thun dies olivenbraͤunliche, und durch Abreiben dieſer anders gefaͤrbten Federkanten entſteht dann nach und nach gegen das Frühjahr das dem der Alten ganz aͤhnliche Fruͤhlingskleid. Sie un: terſcheiden ſich von den Alten im Herbſtkleide außer der viel lich⸗ tern Faͤrbung, auch der obern Theile, an einem mehr vorherrſchen— den Olivenbraun, und an dem vielen Weiß an den untern Theilen, auch hauptfächlich an der noch ganz kleinen Stirnblaͤſſe, die wie der Schnabel gruͤn iſt, welcher nur an der Spitze ſich gelb zu faͤrben anfaͤngt, und an den kaum etwas gelbroͤthlich gefaͤrbten Kniebaͤndern. Das erſte Fruͤhlingskleid iſt dem alter Voͤgel ſehr aͤhn⸗ lich, die ganze Faͤrbung aber weniger dunkel, an der Unterbruſt mit mehr Weiß, das Weiß der Unterſchwanzdecke ſchmutziger und gelblicher, der weiße Laͤngeſtreif auf den Tragfedern ſchmaͤler und weniger zuſammenhaͤngend, die nackte Stirnblaͤſſe von geringerm Umfange, ſie und die Wurzelhaͤlfte des Schnabels heller roth, die Schnabelſpitze nur gruͤnlichgelb, die Kniebaͤnder weniger roth, ſonſt Alles wie bei den Alten. Der alte Vogel dieſer Art in feinem cane Fruͤhlings⸗ ſchmucke iſt ein praͤchtiges Geſchoͤpf und die herrlichen Farben der nackten Theile, naͤmlich das glaͤnzende, prachtvolle Hochroth der großen Stirnblaͤſſe und des Schnabels, das reine Hochgelb der Spitze dieſes, das Feuer des dunkel braunrothen Auges, das liebliche Gruͤn der Füße mit den hochgelben, zinnoberroth gefleckten Kniebaͤndern, — gereichen ihm zu einer ganz ausgezeichneten Zierde, waͤhrend die dunkeln Farben des Gefieders, zwar ziemlich einfach, durch einige weiße Abzeichen ſehr angenehm gehoben werden. — Der ganze Kopf und Hals bis zum Anfang des Ruͤckens, von dem Kinn bis zur Bruſt, dieſe ganz bis auf den Bauch, nebſt den Schenkeln, alſo der groͤßte Theil der Oberflaͤche des Vogels iſt dunkel ſchiefer⸗ farbig, am Kopfe faſt ſchwarz, auf der Mitte der Unterbruſt und or Theil, 38 1 G 594 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. in der Naͤhe des eigentlichen Bauches mehr oder weniger mit zer⸗ ſchliſſenen weißen Federkaͤntchen, an den größten, dem Flügel am naͤchſten ſtehenden Tragfedern mit einem langen, in die Spitze aus⸗ laufenden, meiſtens 2 Linien breiten, ſchneeweißen Schaftſtreifen, welche zuſammen, wenn (wie gewoͤhnlich) der Fluͤgel unter den Trag⸗ federn ruht, auf dieſen einen zuſammenhangenden, langen, weißen Streifen laͤngs dem Fluͤgel bilden. — Die eigentlichen Weichen find ſchiefergrau, olivenbraun uͤberlauſen; der After ſchwarz; die untere Schwanzdecke hell weiß, wurzelwaͤrts dieſer Federn jedoch etwas roſtgelb angeflogen, oft auch rein weiß, der Anfang und die Mitte dieſer Federpartie tief ſchwarz. Wenn der Schwanz, wie ge— woͤhnlich, hoch aufgerichtet und etwas ausgebreitet iſt, ſo giebt die ſchwarze Unterſeite der Schwanzfedern, die im Halbkreiſe das Weiß der Unterſchwanzdecke etwa ½ Zoll uͤberragen, einen ſchwarzen Rand um daſſelbe. Der ganze Ruͤcken, Buͤrzel und obere Schwanzdecke, die bei Weitem kuͤrzer als die untere, nebſt Schultern und Oberfluͤgel, find dunkel olivenbraun, am Anfange des Ruͤckens und der Schulz tern mit einem ſchwachen apfelgruͤnen Seidenglanz; die großen Schwingfedern und Fittichdeckfedernn matt braunſchwarz, an den Enden graulich gekantet, die Secundarſchwingfedern mit breiten oli⸗ venbraunen Kanten, die letzten dieſer faſt ganz olivenbraun; der obere und vordere Fluͤgelrand ſchmal weiß, welches auf der aͤußern Fahne der erſten Schwingfeder als ein feines weißes Saͤumchen aus⸗ laͤuft; der Unterfluͤgel iſt an den Schwingfedern rauchfahl, an den Deckfedern ſehr dunkel aſchgrau und glänzend, mit weißen Feder⸗ kaͤntchen. Der Schwanz iſt ſchwarz. Maͤnnchen und Weibchen ſind aͤußerlich ſchwer zu unter: ſcheiden; das letztere iſt etwas kleiner, hat eine kleinere Stirnblaͤſſe, kaum etwas mattere Farben am Schnabel und an den Fuͤßen, etwas breitere weiße Ränder der Federn an der Unterbruſt und am Bauche, einen ſchmaͤleren und weniger zuſammenhaͤngenden weißen Länge: ſtreif auf der Tragfedernpartie, und im Ganzen etwas mattere Far⸗ ben am ſaͤmmtlichen Gefieder. Wenn man nicht beide beiſammen hat, ſind die Geſchlechter ſchwer zu unterſcheiden. Im Sommer verbleichen die Farben etwas und die Federraͤn⸗ der ſtoßen ſich bedeutend ab, ſo daß ſie wie benagt ausſehen; auch die ſchoͤnen Farben des Schnabels werden unſcheinlicher. Im Herbſt, in einem voͤllig erneuerten Gewande, haben ſie an der Bläffe und am Schnabel ein truͤbes Braunroth, das Ende des Schnabels iſt gruͤnlichgelb, die Knieguͤrtel ſind nur matt roth, die XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 595 Farben des ſehr weichen und dicken Gefieders ſind friſcher oder dunkler als ſie ein halbes Jahr ſpaͤter im Fruͤhlinge erſcheinen, und die auf der Mitte der Bruſt bis auf den Bauch hinab ſehr deutlich gezeich- neten weißen oder auch roͤthlichweißen Federraͤnder find ſehr auffal⸗ lend, beſonders zwiſchen den Schenkeln, ſo daß der Rumpf unten die Mitte entlang in einiger Entfernung ganz grauweiß zu ſein ſcheint, dies zumal bei den Weibchen. Dieſe weißlichen Feder⸗ kanten und die weit mattere und ziemlich verſchiedene Farbung der nackten Theile, beſonders des Schnabels mit der Stirnblaͤſſe, unter⸗ ſcheiden das Herbſtkleid am meiſten von dem Fruͤhlingskleide. Die Mauſer iſt einfach oder nur ein Mal im Jahr, bei den Alten im Auguſt, gewoͤhnlich wenn das zweite Gehecke der Jungen ihrer beſondern Pflege nicht mehr bedarf; bei dieſen, je nachdem ſie fruͤher oder ſpaͤter ausgekommen, im September oder gar erſt im October. Bei den Alten geht ſie faſt immer ſehr ſchnell von Statten, ſie koͤnnen in dieſer Zeit gewoͤhnlich nicht fliegen und halten ſich deshalb ſehr verſteckt. Aufenthalt. Wenn allen Nachrichten zu trauen iſt, ſo waͤre dieſes Teichhuhn faſt uͤber alle Theile unſrer Erde verbreitet. Wir finden es außer Europa als vorkommend angezeigt in Sibirien und am Jeniſei, in Aegypten und am Senegal, auf der Inſel Frankreich, fogar auf der Inſel Norfolk, auf Neuſeeland und den Freund: ſchaftsinſeln; dann wieder von Canada bis Florida, auf Guadeloupe und Jamaika. In Europa iſt es in allen Thei— len, den hohen Norden ausgenommen, denn es geht nur bis zum mittlern Schweden und in gleicher Breite in Rußland hinauf. Es iſt gemein in England, in Frankreich und in Spanien, in Italien, Ungarn, der Türkei, in Polen, Preußen, Liv— land, in Daͤnemark, in Holland, der Schweiz und in Deutſchland; in allen dieſen Laͤndern fehlt es nur in wenigen, ihm nicht zuſagenden Gegenden, iſt dagegen in vielen vorhanden und in manchen ſehr haͤufig. Auch in unſerm Anhalt und den angrenzenden Ländern gehört es unter die gewoͤhnlichen, daher allge⸗ mein oder doch ziemlich bekannten Voͤgel. In nördlichen Laͤndern, bis Deutſchland und unter gleicher 5 39° 596 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. Breite gelegenen, iſt es Zug vogel, weiter ſuͤdlich dies nicht mehr unbedingt, und im Suͤden von Europa uͤberwintern ſchon ſehr viele dieſer Voͤgel; vielleicht gehen nur wenige uͤber das mittellaͤn⸗ diſche Meer. Auch in der Mitte von Deutſchland bleiben in ge— linden Wintern einzelne, meiſtens junge Voͤgel, an ſolchen Gewaͤſſern, welche dann nicht zufrieren, zuruͤck, muͤſſen jedoch dies Wagſtuͤck nicht ſelten ſchwer buͤßen. — Es erſcheint in unſern Gegenden, wenn fruͤhzeitig warme Witterung eintritt, oft ſchon zu Ende des Maͤrz, in den meiſten Jahren aber erſt im April, in ſpaͤt warmen wol auch erſt mit Anfang des Mai, dies aber ſelten. Jeden war⸗ men, ſtillen Abend hoͤrt man in dieſer Zeit die Stimme dieſer Voͤgel in den Luͤften; denn fie wandern, wie die verwandten Arten, eben= falls des Nachts und einzeln, im Fruͤhjahr allenfalls paarweiſe. Da ihre Sommerwohnſitze oft nahe bei menſchlichen Wohnungen liegen, ſo iſt dies leicht zu beobachten. Wo Tags vorher noch kein ſolcher Vogel ſich blicken ließ, ſieht man am fruͤhen Morgen den einen der Gatten in alter bekannter Thaͤtigkeit, oder auch wol beide vertrau— lich herum ſchwimmen. Bald bemerkten wir das Maͤnnchen, bald das Weibchen zuerſt und es vergingen manchmal mehrere Tage, ehe ſich das andere einſtellte, wo dann in der Zwiſchenzeit das erſte ſeine Sehnſucht Tag und Nacht laut werden ließ, bis jenes ſich ebenfalls eingefunden hatte. Da fruͤher in meinem Garten ein Teich war, welchen ſeit langen Jahren ein Paͤaͤrchen dieſer Teich— huͤhner bewohnte, fo konnten wir fie hier ſehr bequem und alljaͤhr⸗ lich beobachten. Sehr oft waren beide Gatten in derſelben Nacht angelangt. Ein Mal erſchien das Weibchen allein, weil aber, trotz allem naͤchtlichen Zurufen, ſich kein voruͤberziehendes Maͤnnchen herbei locken ließ, verſchwand es nach zweiwoͤchentlichem vergeblichen Harren und ſehnſuͤchtigen Rufen wieder und der Teich wurde in dieſem Jahre erſt viel ſpaͤter von einem wahrſcheinlich jungen Paare beſetzt. Ein anderes Mal kam das Maͤnnchen allein; es lockte Tag und Nacht ohne Unterlaß, worunter ſich oft ſo klaͤgliche Toͤne miſchten, daß man es nicht ohne Mitleid anhoͤren konnte; endlich erſchien in der fuͤnften Nacht die erſehnte Gattin und ihre haͤusliche Einrichtung war ſchon am naͤchſten Tage gemacht. f Im September beginnt ihr Wegzug und dauert gewoͤhnlich den October hindurch. Junge verſpaͤteter Bruten verweilen auch wol noch laͤnger, bis tief in den November und einzelne wagen es, wol meiſtens aus Bequemlichkeit, weil ſolche oft ſo fett ſind, daß ſie kaum fliegen koͤnnen, — an offen bleibenden Gewaͤſſern zu überwintern. 6. | XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 597 Daß auch dieſe Vögel ihre Reiſen immer fliegend und vorſaͤtz— lich nie zu Fuß machen, laͤßt ſich leicht an den bekannten Toͤnen wahrnehmen, womit ſie bei den naͤchtlichen Reiſen, zumal im Fruͤh⸗ jahr, die Luft erfuͤllen. In der rechten Zugzeit hoͤrt man ſie in manchen Gegenden alle Abende, man vernimmt daran, wie ſie ſich in großen Kreiſen zu groͤßerer Hoͤhe aufſchwingen und dann gerade fortſtreichen, dies im Fruͤhjahr immer in mehr oͤſtlicher als noͤrdli— cher Richtung. Hat bereits ein Paar von einem Teiche Beſitz ge— nommen, ſo beachtet es den Ruf der naͤchtlichen Luftreiſenden nicht mehr; iſt aber nur erſt der eine Gatte da, jo antwortet er dem Liber: hinfliegenden und ladet ihn durch aͤhnliche Toͤne ein, zu ihm herab zu kommen; dieſer beſchreibt dann einen Kreis in der Luft, als wenn er ſich beſoͤnne, was zu thun ſei, ſetzt aber gewoͤhnlich die Reiſe weiter fort, was man Alles an dem wiederholten Schreien wahr: nehmen kann. Freilich trifft man im Herbſte bald ſehr fette, bald auch ganz abgemagerte Individuen manchmal an Orten an, wo fie ſonſt nie vorkommen, wo ſie nur ihre Durchreiſe hinbringen konnte, und in einem Zuſtande, worin ſie nicht fliegen konnten. Wenn ihnen aber zu vieles Fett oder zu große Abmagerung das Flie⸗ gen unterſagte, ſo wuͤrde eins wie das andere auch das Lau— fen erſchweren. Bei ihrer gar nicht geringen Flugfertigkeit, die wenigſtens ſtaͤrker als die der vorletzten Gattungen iſt, moͤgen, nach unſrer Meinung, ſolche Verſchlagene aus einem ihre Kräfte gaͤnzlich erſchoͤpfenden Fluge ſich aus Noth an ungewoͤhnlichen Orten nieder⸗ laſſen, dahin aber viel wahrſcheinlicher fliegend als laufend gelangen. Man hat ſolche ſogar ſchon in Gehoͤften vorgefunden, und daß ſie nicht fliegen zu koͤnnen ſchienen, mag theils der Erſchoͤpfung, theils dem Verluſt aller Faſſung zuzuſchreiben ſein, indem ſie ſich nicht einmal verkrochen, ſondern ohne Umſtaͤnde mit den Haͤnden fan⸗ gen ließen. Das Teichhuhn koͤmmt nicht ebe am Meere) und auch nie an kahlen Flußufern vor. Sein Aufenthalt ſind vielmehr die ſtehenden ſuͤßen Gewaͤſſer, groͤßere, aber auch ganz kleine Teiche, Landſeen und Suͤmpfe, und zwar ſtets ſolche Orte, welche tieferes Waſſer haben, das im Laufe des Sommers nicht verſiegt. Stille Winkel an Fluͤſſen, namentlich die ſogenannten Altwaſſer, gehoͤ⸗ ren ebenfalls dazu. Da es uͤberall a Waſſer verlangt und e) Meerhuhn iſt daher ein ganz unpaſſender Name für dieſe Vögelgattung. 398 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. ſich auf demſelben mehr aufhaͤlt als an deſſen Ufern, ſo koͤmmt es nur ſelten und bloß zufaͤllig an Orten vor, welche die Rallen und Sumpfhuͤhner lieben, obwol ſein Aufenthalt oͤfters an ſolche grenzt; denn in unſern Bruͤchern wird es nie zwiſchen den Kufen und an ganz kleinen Waſſergraͤben, wol aber auf den in den Moraͤſten vorkommenden Teichen und an groͤßern Waſſerbehaͤltern an⸗ getroffen. Klares und vom engen freies Waſſer verabſcheuet es; man ſieht es daher niemals auf ſolchen großen freien Waſſerflaͤchen, wie das gemeine Waſſerhuhn, obgleich es ein faſt eben fo fer tiger Schwimmer iſt. Es verlangt mit Gebuͤſch, dichtem Rohr und Schilf reichlich verſehene Gewaͤſſer, ſowol vom Ufer aus, als in ge⸗ draͤngten Buͤſchen auf der uͤbrigen Flaͤche großentheils beſetzt und die davon freien Stellen wieder mit ſchwimmenden Waſſerpflanzen be: deckt. In der Zugzeit bleibt ihm freilich nicht immer ſo ſtrenge Wahl, als für den Sommeraufenthalt; aber auch hier koͤnnen Aus: nahmen vorkommen. Wenn naͤmlich mehre Paͤaͤrchen ſich in einer Gegend, vermuthlich weil ſie in ſelbiger geboren, durchaus feſtſetzen wollen, die aͤltern Beſitzer eines Teichs ſie aber auf dieſem nicht leiden, ſo koͤnnen jene ſich gezwungen ſehen, in der Naͤhe dieſes mit weniger guͤnſtigen Verhaͤltniſſen fuͤrlieb zu nehmen. Einſt halte ſich die Nachkommenſchaft des den Teich in meinem Garten bewohnen— den Paares ſo vermehrt, daß es alle Fruͤhjahr unter den Wieder— kehrenden die heftigſten Kaͤmpfe gab, wobei das alte Paar aber ſeinen Teich ſtandhaft behauptete, waͤhrend die andern außerhalb des Gartens auf den naͤchſten Teichen eine buſchige oder ſchilfige Stelle nach der andern beſetzten, ein Paar aber, da kein paſſender Teich mehr vorhanden, fogar mit einem jungen Schlage in meinem Waͤld— chen, auf dem damals fußtiefes Waſſer und viel Schilf ſtand, zu= frieden ſein mußte, obgleich es haͤtte vorausſehen koͤnnen, daß ſich hier das Waſſer kaum ſo lange halten wuͤrde, um die Eier ruhig ausbruͤten zu koͤnnen. Die kleinen Teiche ſind ihm lieber als große, wenn ſie nur ſonſt die gewuͤnſchte Beſchaffenheit haben, recht viel dichtes Schilf und an den davon freien Stellen recht viel ſchwimmende Waſſer⸗ pflanzen da wachſen, z. B. Ceratophyllum, Myriophyllum, Pota- mogeton, Chara und andere untertauchende, die Oberflaͤche nur zum Theil bedeckende Gattungen, dabei auch wol Hydrochaeris, Trapa und Nymphaea, vor allen aber die, wo Salvinia und Lemna den Waſſer⸗ ſpiegel faſt ganz bedecken. Die letzte Gattung, das ſogenannte En⸗ XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 599 ; tengrün, oder auch Waſſerlinſen genannt, liebt es vor allen andern, und von den uͤber dem Waſſer erhabenen die eigentlichen Schilfarten, als: Sparganium, Acorus, Carex, am meiſten das große Schneide. ſchilf (Carex riparia, Spr. ), weniger die blätterigen Binſen (Juncus maritimus und J. sylvaticus) und das Kolbenſchilf (Typha), am wenig⸗ ſten das eigentliche Rohr (Arundo] hragmitis). — Wenn dann die Ufer ſolcher Teiche noch mit Bäumer ‚vorzüglich aber mit Buſchhoͤlzern, Erlen, Weiden und dergl. mehr oder weniger beſetzt ſind, ſelbſt wenn ſie das Waſſer ſehr beſchatten, ſo ſind ihnen ſolche ſtille Gewaͤſſer gerade recht, zumal in übrigens nicht zu freien und zu trocknen Ge— genden, weil ſie hier im Nothfall auch auf andern nahen Gewaͤſſern und Graͤben eine Zuflucht finden. Es haͤlt ſich da immer in der Naͤhe des Schilfes und Gebuͤſches auf, um bei Gefahren ſogleich in dieſes ſchluͤpfen und ſich verborgen halten zu koͤnnen, erſcheint daher faſt nie auf ganz freien großen Waſſerflaͤchen, und nur, wo es zu— traulicher geworden, auf den kleinern zwiſchen Schilfbuͤſchen u. dergl. Obgleich in abgelegenen, einſamen Gegenden ein furchtſamer und ſcheuer Vogel, kann es doch in andern eine gewiſſe Zutraulich- keit erlangen. Wenn ihm Teiche, Wallgraͤben und dergl. ſonſt zu: ſagen, ſchlaͤgt es ſeinen Wohnſitz ſelbſt auf ſolchen, die ganz in der Naͤhe menſchlicher Wohnungen, mitten in Doͤrfern, Gaͤrten, bei Städten und an lebhaften Wegen liegen, auf und zeigt hier wenig Furcht vor dem Menſchen. In unſern niedern Gegenden treffen wir es daher allendhalben auf Teichen von obiger Beſchaffenheit und beinahe oͤfterer noch in der Nähe des Menſchen als an einſamen Orten an; ſelbſt in bergigen giebt es dergleichen Gewaͤſſer und es iſt auch dort nicht ſelten. Bäume und Gebuͤſch find ihm allend— halben angenehm, es wohnt daher nicht auf davon ganz freien, wenn auch hinlaͤnglich mit Schilf verſehenen Feldteichen, wenn ſie nicht weite ſumpfige Umgebungen haben, aber um deſto oͤfter auf mitten im Walde liegenden und von Erlen- und Weidengebuͤſch zum Theil umgebenen, ſchilfigen Teichen. Das hohe Kolbenſchilf und Rohr liebt es ſo wenig, daß man es in den eigentlichen Rohrwaͤldern nur ſelten und bloß in der Zugzeit antrifft. Es ſteigt leicht an den Rohrſtengeln in die Hoͤhe, naͤmlich wo dieſe ſo dicht ſtehen, daß es mehrere zugleich mit den Zehen umfaſſen kann; noch lieber klettert es auf uͤber dem Waſſer herabhangenden Weidenzweigen herum, ſitzt gern, um auszuruhen, auf niedern Baum⸗ zweigen, auf geflochtenen Zaͤunen, ſelbſt auf Aeſten groͤßerer Baͤume, und verweilt auf ſolchen Plaͤtzen, wo es jedoch von andern Zweigen 600 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. und Blättern wenigſtens etwas Schutz haben muß, oft längere Zeit; ſo frei, daß man es ſchon von weitem ſaͤhe, ſitzt es nie, wie denn auch auf alten Baͤumen niemals ſehr hoch oben. 40 Es iſt mehr Tag- als Nachtvogel. Da es bloß in der au nicht allein in der Abend: und Morgendämmerung, fondern auch die ganze Nacht hindurch munte iſt, zu allen andern Zeiten aber in der Abenddaͤmmerung regelm ig zur Ruhe geht und die Nacht anhaltend bis zum grauenden Morgen durchſchlaͤft, ſo duͤrfte man es eher noch zu den Tagvoͤgeln zaͤhlen. Seine Schlafſtelle iſt oft ein niedriger, uͤber das Waſſer hangender Aſt, eine Zaunſtange dicht am Ufer, oder, und zwar am öfterften, ein vom Ufer entfernter, niedergetretener Schilfbuͤſchel. Es ſteht dabei entweder auf einem Beine und ſteckt Schnabel und Kopf zwiſchen die Schulter- und Ruͤckenfedern, oder es kauert ſich dazu auf die Bruſt nieder. Eigenſchaften. Unſer Teichhuhn iſt ein allerliebſtes Thier, dem jeder gewogen fein muß, wer ihm nur einige Aufmerkſamkeit ſchenkt. Ein gewiſſer 1 9 Nr Grad von Zutraulichkeit macht es an vielen Orten, wo es ſich ein Mal haͤuslich niedergelaſſen, jedermann bemerklich und ſeine kecke Haltung, fein munteres Betragen und andere in der That liebens⸗ wuͤrdige Eigenſchaften, gewinnen ihm die Zuneigung gar vieler Menſchen. Seine mannigfachen, meiſtens anmuthigen Bewegungen und Stellungen ſcheinen bald ſtille Gemuͤthlichkeit, bald Frohſinn bis zum Uibermuth auszudrucken, ſehr ſelten aber Mißmuth oder Uibelbefin- den anzudeuten; iſt dies ein Mal der Fall, ſo ſteht es, wo es ſich unbeobachtet glaubt, auch wol einige Zeit auf einem Flecke, oder ſchleicht ganz langſam einher, zieht dabei den Hals ein und laͤßt den Schwanz faſt ſenkrecht hangen; macht es dann gar das Ge: fieder dick und laͤßt die Fluͤgelſpitzen, die ſonſt immer uͤber dem Schwanze liegen, unter dieſen herab ſinken, dann fehlt ihm zuver— laͤſſig Etwas. Zu allen andern Zeiten hat feine Figur etwas Lieb- liches, Abgerundetes, die Fluͤgelſpitzen kreuzen ſich uͤber dem Buͤrzel, der etwas breite Schwanz iſt faſt ſenkrecht aufgerichtet und wird fortwährend durch leiſes Zucken bewegt, der Hals hoch erhaben in eine ſanfte Sform gebogen, der Rumpf faſt wagerecht getragen; X!II. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 601 faͤllt ihm dann gar etwas Ungewoͤhnliches in die Augen, ſo wird der Hals noch länger, der Koͤrper ſchlanker und der mehr ausge: X eitete Schwanz wippt in noch ſchneller folgenden Schlaͤgen heftig aufwärts dann liegt in dieſer Geſtalt eine zierliche Anmuth und eine gewiſſe Keckheit. Es ſchreitet leicht, behende und ſelbſtgefaͤllig einher, nimmt dabei aber ziemlich große Schritte. De pelt ſo groß macht es dieſe, wenn es ſich in Lauf ſetzt, welcher ſehr ſchnell iſt. Nicht allein uͤber den Erdboden kann es ſehr ſchnell hinrennen, ſondern auch ein ziemliches er Stuͤck uͤber einen mit Waſſerpflanzen nur etwas belegten Waſſer⸗ ſpiegel, wobei es aber gewoͤhnlich die Fluͤgel zu Huͤlfe nimmt und endlich ganz ins Flattern koͤmmt. Im Steigen am Schilf und an Rohrſtengeln, oder an aufſtrebenden Baumzweigen hat es viel Fer⸗ tigkeit und umfaßt mit ſeinen langen Zehen viele Halme auf ein Mal. Sehr niedlich ſieht es aus, wenn es auf einem wagerechten Aſte oder einer ſolchen Stange der Laͤnge nach hingeht und dazu im Gehen faſt bei jedem Tritte mit dem Schwanze wippt. Das haͤu— figere und namentlich ſtaͤrkere Schlagen mit dem Schwanze iſt je: doch ſtets ein Zeichen, daß es Etwas im Auge hat, dem es nicht recht trauet. Es ſchwimmt vortrefflich, ſehr anhaltend, uͤberhaupt mehr als es geht, — taucht dabei den Rumpf, wo es ſich ſicher glaubt, eben nicht tief, zu andern Zeiten tiefer, unter die Waſſerflaͤche, trägt den Hals Sfürmig, die Fluͤgelſpitzen hoch über dem Buͤrzel gekreuzt, den Schwanz faſt ſenkrecht erhaben, unaufhoͤrlich leiſe damit zuckend; fo= bald es aber etwas Verdaͤchtiges erblickt, breitet es dieſen ſtaͤrker aus und ſchlaͤgt ihn heftiger aufwaͤrts. Das ſchwimmende Teichhuhn nimmt ſich ſehr ſchoͤn aus; die Faͤrbung dieſer lieblichen Geſtalt ſcheint in einiger Entfernung ſchwarz, auf welchem das glaͤnzende hohe Roth des Schnabels und der Stirnblaͤſſe, der zierliche, weiße Laͤngeſtreif auf den, den Fluͤgel zur Haͤlfte verdeckenden, Tragfedern, und das breite Weiß der untern Schwanzdecke herrlich abſtechen. — Bei jedem Ruderſchlage nickt es mit dem Koͤpfchen; dieſes und das unaufhoͤrliche Wippen mit dem Schwanze geben ihm auch fchwim: mend eine eigene Lebendigkeit. Sehr ſelten ſind Momente, wo es an einer Stelle laͤnger ſtill haͤlt, an welcher es ſich ſo eifrig mit dem Aufleſen der Nahrungsmittel beſchaͤftigt, daß es daruͤber jene Beweglichkeit des Schwanzes aufgiebt, dieſen bis zur Horizontallinie ſinken laͤßt und ſtill haͤlt; ſobald es aber weiter rudert, kehrt jenes Zucken u. ſ. w. wieder. Es ſchwimmt ſehr behende, aber nicht ſehr 602 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. ſchnell, doch ſchneller, als man ihm wegen ſeiner ganz geſpaltenen und unbelappten Zehen zutrauen moͤchte, beſchaͤftigt ſich auch meiſtens ſchwimmend und Stunden lang nach einander, ruht dann aber gern ein Mal auf ſchwimmenden Holzſtuͤcken, auf einem kleinen Inſelchen, auf einem niedergetretenen Schilfbuͤſchel oder auch auf niedrigen Baumzweigen, viel ſeltner auf dem Ufer ſeines Teiches aus, und putzt in dieſer Zeit unaufhoͤrlich an ſeinem Gefieder, das es dabei aus der Buͤrzeldruͤſe fleißig einfettet. Es taucht ausgezeichnet gut und gewandt, rudert ungemein ſchnell, und zwar mit Huͤlfe ſeiner Fluͤgel, unter dem Waſſer fort, wenn es verfolgt wird, verbirgt ſich in hoͤchſter Gefahr ſogar unter dem Waſſer, indem es ſich unten auf dem Boden deſſelben mit den Zehen feſtklammert und ſo zum Erſtaunen lange ohne Athem zu holen unter dem Waſſer aushalten kann. In den meiſten Faͤllen zieht es ſich jedoch tief im Waſſer nach dem Schilfe oder nach dem Ufer zu und ſteckt dann bloß Schnabel und Kopf bis an das Auge uͤber den Waſſerſpiegel, waͤhrend der ganze uͤbrige Koͤrper voͤllig unter Waſſer bleibt, und liegt hier fo ſtill, daß es fich, wenn man es gewahr wird und behutſam verfaͤhrt, zuweilen mit der Hand fangen laͤßt; dies beſonders wenn es ganz (auch mit dem Kopfe) unter dem Waſſer ſteckt und dieſes klar genug iſt, um es durch daſ— ſelbe zu ſehen. So große Fertigkeit es nun auch im Tauchen und Schwimmen unter der Waſſerflaͤche beſitzt, ſo uͤbt es ſolche doch nur in der Noth, aber nie um dadurch Nahrung zu ſuchen oder zum bloßen Zeitvertreibe. Sein Flug iſt matt, niedrig, gerade aus, und die weit von ſich geſtreckten Flügel werden darin in kurzen, ſchnellfolgenden Schlaͤ— gen bewegt, ſo daß er einem bloßen Flattern gleicht. Anfaͤnglich haͤngen die großen Beine gerade herab, ſie werden aber in die Hoͤhe gezogen und nach hinten wagerecht ausgeſtreckt, ſobald das geſteckte Ziel nicht ganz nahe liegt, und wenn das Teichhuhn erſt zu eini— ger Hoͤhe aufgeſtiegen iſt, geht dieſer Flug noch ziemlich ſchnell von Statten. Er iſt uͤberhaupt kraͤftiger und ſchneller als der der Sum pf— hühner, obwol immer noch ein ſchlechter Flug. Es fliegt auch eben ſo ungern wie dieſe, nur wenn es, an Orten wo es ſich nicht gut verſtecken kann, ploͤtzlich uͤberraſcht wird, auch nie weit, als etwa in der Paarungszeit des Abends, wo nicht ſelten eine halbe Stunde entfernt wohnende ſich Beſuche machen, welches vermuthlich die noch ungepaarten thun, — und dann auf ihren naͤchtlichen Reiſen. Unſer Teichhuhn iſt mehr ein aͤngſtlich vorſichtiger als ſcheuer - 2 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 603 0 Vogel. Wo es an einſamen Orten wohnt, zieht es ſich, ſobald es * einen Menſchen von Ferne her erblickt, von der freien Waſſerflaͤche nach dem naͤchſten und dichteſten Schilfe ſchwimmend zuruͤck, bleibt einer gewaͤhlten Stelle zwiſchen dieſem, auf der Flaͤche ſchwim⸗ mend, ganz unbeweglich, ſo lange bis ſich jener wieder weit genug entfernt hat. Dies kann man oft durch das Schilf hindurch, wenn dieſes noch ganz niedrig und weniger dicht, deutlich ſehen, auch daß es dabei den Rumpf tiefer als im gewoͤhnlichen Schwimmen unter das Waſſer druͤckt. Erſcheint der Menſch unvorhergeſehen ganz in ſeiner Naͤhe, ſo laͤuft es aͤußerſt ſchnell und mit Huͤlfe der Fluͤgel uͤber die Waſſerflaͤche hin und dem naͤchſten Schilfe oder ſonſtigen Verſteck zu, wobei es ſich auch zuweilen in einem wirklichen, aber nur niedrigen, flatternden und kurzen Flug erhebt, um ſo das ber⸗ gende Schilf und dergl. noch ſchneller zu erreichen. Zeigt ſich jetzt der Menſch als ſein Verfolger und geht dabei unbehutſam zu Werke, ſo faͤngt es auf die beſchriebene Weiſe an zu tauchen und iſt oft, ſelbſt auf ganz kleinen Teichen, nicht wieder aufzufinden; ſogar einer guten Waſſerhunde gluͤckt dies nicht immer, weil es unter dem Waſſer ganz ſtill liegt, nur den halben Kopf, oft ſogar bloß den Schnabel herausſteckt und dieſem ſo keine Witterung giebt. Wo dieſe Voͤgel nicht geſchont worden, find fie fo außerordentlich vorſichtig, daß fie gar nicht leicht mit Schießgewehr zu erlegen ſind; wo ihnen dage— gen ſeltner nachgeſtellt wird, werden ſie zutraulicher, doch nur zum Schein; denn bei der geringſten Veranlaſſung kehrt ihr altes Miß⸗ trauen wieder und ſie entwickeln bei wirklichen Verfolgungen eben ſo viel aͤngſtliche Beſorgniß und Schlauheit als jene. Wenn auf kleinen Teichen in Dörfern und an bewohnten Orten Alles vermie- den wird, was fuͤr ſie ſtoͤrend und unangenehm ſein koͤnnte, wenn naher und lebhafter Verkehr ſie beſtaͤndig Menſchen ſehen laͤßt, die ſich nicht um ſie kuͤmmern, ſo bleiben ſie auf 15 bis 20 Schritte weit noch ganz ruhig und furchtlos bei ihren Beſchaͤftigungen; bleibt aber ein Menſch, ſeinen Blick auf ſie geheftet, in ſolcher Naͤhe ſtehen, ſo iſt ihre Ruhe augenblicklich dahin und ſie fluͤchten ſich ſchnell in das naͤchſte Verſteck. Auf dem Teiche in meinem Garten waren ſie faſt ſo zahm wie zahme Enten; aber auch dieſe Teichhuͤhner mochten es nicht leiden, daß man nahe hinzutrat und ſie ſtarr anſahe; auch waren ſie gegen bekannte Perſonen weit zutraulicher als gegen Fremde und ein frem⸗ der Hund jagte ihnen paniſches Schrecken ein, wenn ſie ihn nur von Weitem erblickten. Den genoſſenen Schutz vergalten ſie durch PA 604 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. vieles Vertrauen und wenn ſie ja ein Mal Kraͤnkungen erfahren mußten, vergaßen ſie dieſe bald wieder. Ein paar Mal fanden wir uns veranlaßt einen der Gatten einzufangen, was das eine Mal nicht ohne bedeutenden Laͤrm abging, weil er nicht gutwillig in den aufgeſtellten Garnſack gehen wollte und wir dann Gewalt gegen ihn verſuchen mußten; nach ganz kurzer Gefangenſchaft wieder in Frei⸗ heit geſetzt, hatten ſie die verdruͤßliche Stoͤrung doch nach einigen Tagen voͤllig vergeſſen. Dem Treiben ſolcher Teichhuͤhner in der Nähe zuzuſehen, gewährt eine hoͤchſt angenehme Unterhaltung, na= mentlich wenn ſie erſt Junge haben. Die Gewohnheit, ſich im Schilfe und Gebuͤſche zu verbergen, hat es mit den Voͤgeln der vorhergehenden Gattungen gemein, doch thut es auch dieſes mehr ſchwimmend als gehend, dazu mit dem Unterſchiede, daß es dabei oͤfterer ſichtbar werden muß, weil es uͤber die kleinen, freien Zwiſchenraͤume ſchwimmt oder von einem Schilf— buſch zum andern rudert. Indeſſen, wo das ſchilfige oder buſchige Ufer eines Waſſers ſo flach auslaͤuft, daß das Teichhuhn nicht ſchwim— men kann, durchwandelt es das Schilf auch zu Fuß, ſchluͤpft, ver- moͤge ſeines ſchmalen Koͤrpers, leicht durch das dichteſte Geſtruͤpp und feine langen Zehen, welche eine große Fläche uͤberſpannen, er— leichtern ihm das Fortkommen auf dem weichen Schlamme. Bei aller Liebenswuͤrdigkeit blickt doch im Betragen unſers muntern Teichhuhns ſehr haͤufig ein haͤßlicher Zug durch, naͤmlich Neid und Raufſucht. Dieſe aͤußern ſich nicht allein gegen ſeines Gleichen, ſondern auch gegen andere Voͤgel. Ein Teich von 50 bis gegen 200 Schritt Durchmeſſer iſt ſtets nur von einem Paare be— wohnt, und auf groͤßern wohnen zwar mehrere, aber ſtets weit von einander entfernt. Wagt es eins, in des andern Revier zu kommen, ſo wird es vom inwohnenden ſogleich angegriffen, mit Wuth be— kaͤmpft und bald wieder weggejagt. Das Gefieder aufgefträubt, den Kopf und Schnabel niedergedruͤckt fahren ſie auf dem Waſſer halb laufend halb ſchwimmend gegen einander los, hacken und kratzen mit Schnabel und Fuͤßen und ſchlagen dazu auch mit den Fluͤgeln fo lange auf einander ein, bis das fremde Teichhuhn wieder Reiß— aus nimmt, was immer der Fall iſt, weil beide Gatten ſich gegen daſſelbe beiſtehen. Der hornharte Hoͤker am Fluͤgelbuge mag die Schläge damit recht wirffam machen. Den meiſten Streit veran— laſſen gewöhnlich junge Päärchen, wenn fie bei ihrer Ankunft im Fruͤhjahr den Anſchein geben, ſich in der Geburtsgegend feſtzuſetzen. Auf dem Teiche, welchen das alte Standpaar inne hat, werden ſie XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 605 nun durchaus nicht gelitten, aber dieſes bietet auch Alles auf, fie von den naͤchſten Teichen und Gewaͤſſern abzuhalten, was ihm je: doch nicht immer gelingt, zumal wenn dieſe nicht mit jenem un: mittelbar in Verbindung ſtehen. Als ſich einſt dieſe huͤbſchen Voͤgel auf dem Teiche meines Gartens ſehr vermehrt hatten, kamen alle Fruͤhjahre ſolche Streitigkeiten vor, bis ſich endlich doch ein Paar nach dem andern in den uͤbrigen Umgebungen, einige hundert Schritte vom Garten an geeigneten Plaͤtzen einſiedelte, ſo daß wir einſtmals 5 bruͤtende Paͤaͤrchen auf den verſchiedenen Gewaͤſſern bei hieſigem Dorfe auf einem ziemlich ſchmalen und etwa nur 700 Schritt langen Striche hatten, die dann freilich einander oft genug ins Gehege kamen und wo man faſt den ganzen Vorſommer alle Abende ihre Balgereien hoͤren und mit anſehen konnte. Sie ſind unverſoͤhnlich und manche ſo raufſuͤchtig, daß es manchmal ſcheint, als ſuchten ſie abſichtlich Haͤndel; denn ſie begeben ſich zuweilen ſogar fliegend, was ſie ſonſt ſo ungern thun, in das Revier eines andern, oft eine Viertelſtunde weit entfernt wohnenden Paares, um da ihr Ansehen geltend zu machen. Ihre Herrſchſucht erſtreckt ſich auch uͤber groͤßeres Gefluͤgel; kom⸗ men Enten auf ihren Teich, ſo werden ſie angegriffen, einzelne gewoͤhnlich fortgejagt; auch zahme Enten muͤſſen oͤfters Anfaͤlle von ihnen erleiden und ſelbſt Gaͤnſen gehen fie zuweilen zu Leibe. Kom: men dieſe aber oͤfter und in Mehrzahl, ſo muͤſſen ſie mit verbiſſener Wuth Friede halten, aber ein ſolcher Zwang iſt ihnen dann ſehr unangenehm. Als mein Vater nur einzelne wilde Enten und wilde Gaͤnſe auf dem von den Teichhuͤhnern ſeit langen Zeiten alljaͤhrlich in Ruhe bewohnten Teiche hielt, ließen es ſich dieſe noch zur Noth gefallen; als aber die Zahl jener zu ſehr anwuchs, begaben ſich die Teichhuͤhner gaͤnzlich weg. Indeſſen mag dieſes neidiſche, unge— ſellige Betragen ſich meiſtens wol auf Abbruch an Nahrung be— ziehen; denn als unſere Voͤgel noch die einzigen Bewohner des Teiches waren, war die ganze Waſſerflaͤche dicht mit Entengruͤn (Lemna) bedeckt, die ſich mehrenden Enten und Gaͤnſe vertilgten aber dieſe Pflanze nach und nach ganz und es mußte jenen nun an ſchicklicher Nahrung fehlen. Als ſpaͤter dieſe abgeſchafft waren und die ſtille Waſſerflaͤche ſich wieder mit Entengruͤn zu bedecken anfing, kamen unſere Teichhuͤhner wieder und blieben nun, alle Jahr wiederkehrend, im ungeſtoͤrten Beſitze des Teiches, bis dieſer ausge⸗ fuͤllt und in Gartenland verwandelt wurde. Das Teichhuhn hat eine kraͤftige Stimme, die man weit TH SS 606 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. kann; es ſchnellt gleichſam die Toͤne heraus, wovon nur ein leiſes Ku rr kurr, als Warnung für die Jungen, ausgenommen iſt. Ein ſcharfes Krex oder Ker, das Aehnlichkeit mit dem des grünen Waſſerfroſches hat, aber kraͤftiger toͤnt, und ein ſtarkes Kuͤrrk hoͤrt man immer nur einzeln, doch nicht ſelten von ihnen; der eigentliche Lockton auf dem Waſſer iſt jedoch ein lautes Terterter, das in der Naͤhe wie Kirkreckreck klingt, dem oͤfters ein quaͤkender Clarinet⸗ tenton angehaͤngt wird, was ſie in kleinen Zwiſchenraͤumen Abends, wenn der eine Gatte noch fehlt, nicht ſelten Stunden lang wieder: holen. Ein wiederholtes Kerrtettet iſt ſehr oft das Zeichen, daß ihnen oder ihren Jungen eine Katze oder ein anderes Raub— thier auflauert. Abends und die Nacht hindurch, in der Luft und auf dem Zuge, ſtoßen ſie ein helltoͤnendes und weitſchallendes Keckeckeck oder Kickickick in laͤngern Zwiſchenraͤumen wieder⸗ holt, aber oft genug aus, um daran die Richtung ihres Weges, wenn man ſie in der Hoͤhe auch nicht ſehen kann, deutlich wahrzu⸗ nehmen. In der Zugzeit, namentlich im Fruͤhlinge, kann man in hieſiger Gegend faſt in jeder Nacht dieſe Toͤne hoͤren, theils von ſolchen, welche durchwandern, theils von bloß herumſchwaͤrmenden, welche hier bleiben wollen, aber das rechte Niſtplaͤtzchen noch nicht aufgefunden haben. Zuweilen ſchreiet es auch Kick oder zieht dies laͤnger wie Kih. Die Jungen geben einen ſonderbaren Laut von ſich, eine Art Piepen, das man beinahe auch ein Quaͤken nennen koͤnnte, faſt zweiſylbig Tſchuͤi, tſchoͤi oder noch anders, und fläg: lich klingt. Wo fie ſicher wohnen, verfolgen fie, beſonders im An: fange, die Alten damit unablaͤſſig; wenn ſie aber Gefahr ahnen, iſt die leiſeſte Warnung dieſer hinreichend, ſie verſtummen zu machen, auch wenn ſie ſich im Schilfe befinden. Sie piepen oder quaͤken noch, wenn ſie ſchon viele Federn haben. Das gefangene Teichhuhn zappelt zwar anfaͤnglich ziemlich, ergiebt ſich doch aber fo bald in fein Schickſal, daß ich mehrmals ein eben ein: gefangenes, in einen großen Käfich geſteckt, mit dieſem vor mir hin⸗ ſtellte, um es nach dem Leben zu malen, wobei es ſich ſo ruhig betrug, als wenn es ſchon Jahr und Tag an jo Etwas gewöhnt waͤre. Als Stubenvogel wird es auch bald zahm; doch giebt es mancherlei individuelle Verſchiedenheiten und auch heftige Tempera⸗ mente unter ihnen. In bewohnten Stuben gewoͤhnen ſich alle Vögel leichter an den Menſchen; allein fuͤr reinliche taugt unſer Teichhuhn nicht, weil es zu viel Schmutz macht, beſonders bei feinem Waſſer— geſchirr. Ein recht großer Käfig würde die beſte Wohnung für einen XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 607 ſolchen Ungluͤcklichen ſein, doch wird er hier nie ſo zahm, als frei herum gehend. Man hat welche gehabt, die ihrem Pfleger nachlie⸗ fen und auf ſeinen Ruf hoͤrten, aus dem Hauſe auf den Hof gin⸗ gen und freiwillig wiederkehrten. Bechſtein beſaß ſogar ein ſolches Teichhuhn, das aus dem Hofe ging, einen nahen Teich und Bach beſuchte, wieder in erſtern zuruͤckkehrte, unter einem Holzſchuppen übernachtete u. f. w. Am beſten befindet ſich ein ſolches in einem mit Mauern gut umſchloſſenen Garten, worin es beilaͤufig durch Wegfangen vieler Inſekten und Wuͤrmer ſehr nuͤtzlich wird und im Sommer wenig anderer Nahrung bedarf. Im Winter iſt es jedoch noͤthig, ſolche an einen ſichern Ort unter Dach zu bringen, nicht ſowol der Kaͤlte wegen, gegen welche ſie ziemlich gleichguͤltig ſind, als um ſie vor andern Unfaͤllen, beſonders vor Raubthieren, ſicher zu ſtellen. Auch in der Gefangenſchaft zeigt es den Hang, ſich zu verſtecken, bei jeder Gelegenheit und legt ſeine große Furchtſamkeit nie ganz ab. Bei richtiger Behandlung kann es im Zuſtande eines Gefangenen einige Jahr aushalten, zumal auf die zuletzt erwähnte Weiſe. ks haͤlt ſein Gefieder immer ſchmuck, und vergnuͤgt durch ſein munteres Betragen, ſeine zierlichen, ſehr abwechſelnden e mag aber nicht gern andere hh um ſich leiden. Nahrung. Unſer Teichhuhn genießt bald animaliſche, bald vegetabiliſche Koſt, wie es die Umſtaͤnde fügen, doch zieht es die erſtere vor. A: lerlei kleine Kaͤfer, welche im und am Waſſer oder am Schilfe leben, Libellen, Phryganeen, Ephemeren, Waſſerwanzen (Hydrometra), Waſſerſpinnen, Waſſermilben, Fliegen, Muͤcken und die Larven vieler, beſonders der letztern, auch ganz kleine Waſſerſchnecken, ſind ſeine gewoͤhnlichſte Nahrung, wobei es die zarten Spitzen der Blaͤtter verſchiedener Graͤſer, die unentwickelten Bluͤten ſchwimmender Pflan⸗ zen, fo wie die Samen z. B. der Potamogeton-, Rumex-, Polygo- num-Arten, auch von Myriophyllum und Ceratophyllum, nicht ver⸗ achtet, vor allen andern aber die bei Millionen den Waſſerſpiegel bedeckenden winzigen Pflaͤnzchen der Lemna- Arten, Entengruͤn, auch Waſſer- oder Meerlinſen genannt, häufig genießt. Getraidekoͤr⸗ ner, namentlich Gerſte und Hafer, frißt es ebenfalls gern, wenn es dazu gelangen kann. Außer dieſen fehlen grobe Sandkörner und kleine Steinchen auch nie in den Magen Geöffneter, welche aber jene Nahrungsmittel häufig 608 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. bis zum Unkenntlichen zerrieben haben, wenn man den Vogel nicht beim Freſſen toͤdtete, wo dann auch nur die Saͤmereien, Schnecken und harten Theile der Kaͤfer, welche er zuletzt genoſſen, noch kenntlich find. So zarte Geſchoͤpfe wie Muͤckenlarven, wovon ſich hauptſaͤch⸗ lich die Jungen naͤhren, wozu fie aber auch ſehr viel Grünes, be: ſonders Entengruͤn und kleine ſchwimmende Saͤmereien genießen, verſchwinden dann faſt unmittelbar nach dem Santa zwiſchen der derbern Pflanzenkoſt. So wie nun neben Schilf und Rohr, ihnen zum Schutz ier nend, die hier genannten Nahrungspflanzen den Aufenthalt dieſer Teichhuͤhner beſtimmen, indem ſie nur auf ſolchen ſtehenden Ge— waͤſſern, in welchen dieſe in großer Menge beiſammen wachſen, einen bleibenden Wohnſitz nehmen, ſo ſieht man ſie auch, Nahrung ſuchend, nie auf klaren, von allem Pflanzenwuchs entbloͤßten, groͤßern Waſſer⸗ flächen. Weil ihnen die Nahrungsſtoffe nur in kleinen Portionen zugehen, ſo ſind ſie auch auffallend thaͤtig beim Aufſuchen derſelben, und der groͤßte Theil des Tags beſchaͤftigt ſie damit. Deshalb lieben ſie auch ſtille Gewaͤſſer und ſolche, wo man ſie gern ſieht oder doch ſelten feindſelig gegen fie auftriit, damit fie recht ungeſtoͤrt die Nah: rungsgeſchaͤfte betreiben koͤnnen. Wo ſie geduldet werden, ſchwimmen ſie zu allen Tageszeiten außerhalb des Schilfes auf dem mit ſchwim⸗ menden Pflanzen mehr oder weniger bedeckten Waſſerſpiegel herum, und man ſieht nachher noch einige Zeit die Bahnen, welche ſie beim Durchſchwimmen der gruͤnen Flaͤchen hinterließen, namentlich wenn fie bloß aus Lemna- Arten beſtehen, und dieſe Bahnen verrathen oft ihre Anweſenheit auf Teichen und Tuͤmpfeln, wo man ſie fruͤher nicht bemerkt hatte, obwol auch Waſſerratten ähnliche Bahnen hin: terlaſſen. Ungern ſchwimmt dagegen unſer Teichhuhn durch jenen grünen Pflanzenpelz (Conferva bullosa s. furcata), mit dem manche ſtehenden Gewaͤſſer theilweis bedeckt ſind, entweder weil ſich ihm die Faͤden dieſer Pflanze um die Beine ſchlingen, oder weil es darin keine Nahrung findet. Sehr ſelten ſucht das Teichhuhn ſeine Nahrung anders als ſchwimmend, und man muß erſtaunen uͤber das haͤufige Finden, Aufleſen und Genießen derſelben, von der Waſſerflaͤche, zumal an manchen Stellen, wo dem vielen Picken zufolge die Nahrungsmittel in großer Menge neben einander liegen muͤſſen. Es ſchleicht zwar auch zu Fuß bisweilen am Ufer oder zwiſchen Schilf und Gebuͤſch auf ſchlammigem Boden in der Abſicht herum, Nahrungsmittel auf— zuſuchen, doch mehr an ſolchen Gewaͤſſern, wo der Waſſerſpiegel XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 609 weniger mit Pflanzen bedeckt iſt und demnach ſchwimmend weniger zu erlangen iſt. Aber nur von der Oberfläche nimmt es das Ge: nießbare hinweg; nicht einmal den Kopf taucht es dabei unter Waſſer, noch viel weniger jemals den ganzen Koͤrper. Die oben beſchriebene Fertigkeit im Tauchen iſt ihm deutlich genug nicht dazu, ſondern einzig und allein zu ſeiner Rettung bei Verfolgungen gegeben. Selten geht es um Futter zu ſuchen aufs trockene Land, es waͤre denn, daß es hier ausgeſtreuete Getraidekoͤrner zu finden hoffte; dieſe muͤſſen aber nahe am Ufer vorkommen, denn auch in anderer Abſicht, namentlich von einem Gewaͤſſer zum andern, macht es oͤfters kleine Strecken zu Fuß, aber nur durch Gebuͤſch zuweilen groͤßere bis zu 100 Schritt weit. Wenn Gerſte oder Hafer dicht am Ufer ſtehen, ſo holt es ſich oͤfters Koͤrner, welche es entweder auflieſt oder auch, wie es bei andern Pflanzen oft thut, aus den Aehren pickt. Unſere Teichhuͤhner im Garten kamen ſehr haͤufig auf den Futter⸗ platz der wilden Gaͤnſe und Enten, und ſaͤttigten ſich an dem hin⸗ geſtreueten Getraide oder fraßen aus derſelben Krippe mit. Auf den Gartenbeeten, vielleicht um Wuͤrmer und Inſekten zu ſuchen, ſahen wir dieſe ſehr ſelten. Wie zutraulich ſolche werden koͤnnen, beweiſt ein von Brehm (Beitr. III. S. 618.) erzaͤhltes Beiſpiel, von einem Teichhuhn, das im Winter da geblieben war. Es kam, als die Nahrung knapp zu werden anfing, auf den Pfarrhof, fraß mit den Huͤhnern, ging dann wieder aufs Waſſer und gewoͤhnte ſich ſo an dieſe Lebensweiſe, daß es zuletzt auf den Ruf, womit man die Huͤhner zuſammen lockte, ſich auch beim Futter einſtellte. In der Gefangenſchaft ſind dieſe Voͤgel ſehr leicht durchzubrin⸗ gen, denn ſie gewoͤhnen ſich bald an in Waſſer eingeweichtes Brod, was ihnen ſehr wohl bekoͤmmt, freſſen daneben Getraide aller Art, am wenigſtens jedoch Roggen, auch andere Saͤmereien, ſcheinen Inſekten ziemlich gut entbehren zu koͤnnen, aber nicht ſo das Waſſer. Man muß es ihnen in einem etwas großen flachen Gefaͤße immer in Menge vorſetzen, weil ſie ſich ſehr oft, taͤglich ſogar mehrmals baden. Dies haͤufige Baden macht ſie in Wohnſtuben unleidlich. Recht grober Sand darf ihnen auch nicht fehlen, weil ſie viel kleine Steinchen 3 und zu verſchlucken pflegen. Fortpflanzung. Allendhalben wo es in Deutſchland ſolche Teiche und Gewaͤſſer giebt, wie fie bereits näher bezeichnet find, une - auch dieſe 9. Theil. 610 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. Voͤgel fort. Sie kehren auf die auserwaͤhlten Gewaͤſſer alljaͤhrlich wieder, auch, wie man, wo ſie nahe wohnen, deutlich bemerken kann, immer daſſelbe Paͤaͤrchen. Einen ſolchen Standort behauptet es hartnaͤckig gegen das Eindraͤngen anderer und es fehlt daſelbſt, zur Zeit ihrer Ankunft im Fruͤhjahr, nicht an heftigen Kaͤmpfen, beſonders zwiſchen den Maͤnnchen. Sie fahren auf einander los mit heftigen Fluͤgelſchlaͤgen, Beißen und Kratzen, bis der Eindringling gewichen; worauf der Sieger in ſtolzer Stellung zu ſeiner Gattin ſchwimmt und dieſe ihm ihre Zufriedenheit durch freundliche Gebehr⸗ den zu erkennen giebt. Junge Maͤnnchen paaren ſich erſt ein Weib⸗ chen an, wenn ſie bereits einen Niſtort gewaͤhlt und ſich da feſt⸗ geſetzt haben; allein von alten Paͤaͤrchen darf man wol behaupten, daß ſie das ganze Jahr gepaart bleiben, obgleich ſelten beide Gatten in derſelben Nacht auf dem bekannten Teiche ankommen. Das aͤngſt⸗ liche, die naͤchſten Naͤchte unausgeſetzt anhaltende Rufen des Maͤnn⸗ chens, welches gewoͤhnlich zuerſt ankoͤmmt, die ſofortige Vertraulich⸗ keit des endlich erſchienenen Weibchens, ſeine Bereitwilligkeit, gleich in den erſten Tagen des Beiſammenſeins zum Niſten zu ſchreiten und dergl. mehr, machen dies, wenn man es mit dem ganz andern Betragen junger, zum erſten Mal niſtender Paͤaͤrchen vergleicht, wenigſtens ſehr wahrſcheinlich. Es iſt ſchon oben erwaͤhnt, daß ſie, ſobald beide Gatten beiſammen am gewohnten Orte angekommen, ſogleich Anſtalt machen, ihr Neſt zu bauen u. ſ. w.; dies koͤnnen aber junge Paͤaͤrchen nicht ſo bald, theils weil ſie ſpaͤter ankommen als die alten Ausſtaͤnder, theils weil die Wahl und Behauptung eines Bruͤteorts, einer Gattin und dergl. ihnen mehr Zeit raubt; ſolche haben dann gewoͤhnlich den Neſtbau noch nicht angefangen, wenn jene bereits Eier haben oder gar ſchon bruͤten. Dies konnten wir damals, als ſich auf den Teichen bei meinem Wohnorte nach und nach 5 Paͤaͤrchen anſiedelten, ſehr bequem beobachten. Das alte Standpaar in meinem Garten war, wenn es ſonſt kein Ungluͤck gehabt, ſtets zuerſt und oft eine Woche fruͤher da als die andern, und weil es Alles fand, was es wuͤnſchte, ſo war ſeine Einrichtung ſogleich gemacht, man ſahe es bald zaͤrtlich thun und ſich begatten, was nicht ſchwimmend, ſondern auf einem Schilfbuͤſchel oder am Ufer geſchiehet, — beide Gatten den Neſtplatz waͤhlen, dann Schilf herbei holen und den Neſtbau beginnen, der in einem Tage zu Stande kam u. ſ. w. Je nachdem nun das Fruͤhjahr zeitiger oder ſpaͤter milde wird und die Schilfarten von Neuem aufſproſſen, beginnt der Anfang XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 611 zum Niſten bald noch gegen Ende des April, bald erſt im Mai, bei jungen Paaren aber oft erſt Anfangs Juni. Wo das Schilf auf dem Eiſe bei niedrigem Waſſerſtande abgehauen worden und im Frühjahr kaum die Stoppeln aus dem Waſſer ragen, bleiben ſie nicht, kommen aber, wenn ſie eine zweite Brut in dieſem Jahr machen wollen, wenn naͤmlich das junge Schilf uͤber Fußhoͤhe her⸗ auf gewachſen, wieder dahin zuruͤck. Um frühzeitig niſten zu Fön: nen, beduͤrfen ſie durchaus altes, vom vorigen Jahr ſtehen geblie⸗ benes Schilf, oder doch ſolches, was im vorigen Spaͤtſommer ge⸗ ſchnitten und dann im Herbſte wieder nachgewachſen war, ſo daß es ihnen nothduͤrftig und ſtellenweis Schutz giebt. Die letzte Eigen⸗ ſchaft hat, neben der, daß das gaͤnzlich ſtehen gebliebene auch durch den Winter nicht voͤllig abſtirbt, die große breitblätterige Segge (Carex riparia), vom gemeinen Mann Schneideſchilf genannt, die ſchon oben als ihre Lieblingspflanze bezeichnet wurde. Wo es daher nur irgend angehen will, bauen ſie ihr Neſt in einen Buſch von dieſem Schilfe, wozu ſie, um eine Grundlage zu bekommen, die Blaͤtter in der Mitte eines einzelnen Buͤſchels niederknicken, oder auch das Neſt zwiſchen mehrern Buͤſcheln völlig ſchwimmen laſſen, auch wol ein ſchwimmend Stuͤckchen Holz zur Unterlage benutzen, ſehr ſelten es aber auf ein aus dem Waſſer emporragendes trocknes Huͤgelchen bauen. Alte Bretterhaͤuschen, zum Niſten fuͤr wilde Enten auf Pfaͤhlen ins Schilf geſtellt, benutzten ſie auf dem Teiche in meinem Garten manchmal dazu, aber nie die, welche auf kleinen kuͤnſtlichen Inſeln von Erde, mit Flechtwerk umgeben, ſtanden. Ein anderes Mal baueten ſie ihr Neſt auf die Truͤmmer eines im Schilfe liegenden alten Fiſchkaſtens. Dieſes Alles ſind jedoch Ausnahmen und zum regelrechten Bau wird uͤberall das Schneideſchilf vorgezogen. Sollten ſie dieſes nicht ſo haben, wie ſie es wuͤnſchen, ſo ſehen ſie ſich wol auch gezwungen, einmal im Kolbenſchilfe (Typha) oder gar im Rohre (Arundo) zu niſten, dann muß aber vorjaͤhriges ge⸗ nug vorhanden oder doch recht hohe Stoppeln von ihm uͤbrig geblie⸗ ben ſein. Tief in reinen Rohrwaͤldern niſtet dieſe Art nie, ſelbſt da, wo jenes Schneideſchilf in großen Maſſen beiſammen waͤchſt und bedeutende Flächen bedeckt, iſt das Neſt nie in der Mitte folder um fangreichen Schilfbuͤſche, ſondern ſtets dem Rande naͤher, doch im⸗ mer nach der Waſſerſeite zu ſuchen. Von dieſer iſt es auch leichter zu entdecken als von der Landſeite. Wer vertraut mit den Sitten dieſer Voͤgel iſt, wird es vom r aus Ae ſchon von Weitem e ie 612 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. erblicken. — Zwiſchen entblößten Wurzeln oder auf niedrigen Baum: zweigen, wie Bechſtein vorgiebt, ſahen wir es niemals. Den Neſtbau beſorgen beide Gatten gemeinſchaftlich; er iſt öfters recht forgfältig und nicht ganz unkuͤnſtlich, manchmal aber auch recht leicht hingemacht. Zu den ſchwimmenden Neſtern ſind oft mehr als noch ein Mal ſo viel Materialien verarbeitet als zu den feſtſte⸗ henden. Dieſe auf alten Stoppeln oder eingeknickten Schilfblättern ruhend, ſtehen oͤfters am Boden eine Querhand hoch vom Waſſer⸗ ſpiegel, oft beruͤhren ſie auch denſelben. Sie ſind von trocknen, halbtrocknen, zum Theil auch noch ganz grünen Schilfblaͤttern, die fie aus den naͤchſten Umgebungen zuſammen tragen, geflochten. Die allermeiſten ſind einzig aus den Blaͤttern von Carex riparia verfer⸗ tigt. Sehr ſelten bauen ſie eins aus Rohrſtengeln und dieſe ſind dann doch noch mit Schilfblaͤttern durchwebt. Die ſchwimmenden Neſter ſind meiſtens ſehr groß und breit, weniger gut geflochten als die in einem Schilfbuͤſchel ſtehenden, welche zuweilen korbfoͤrmig ge⸗ nannt werden koͤnnen, da manche einen ſehr tiefen, bauchigen Napf bilden, und ohngefaͤhr eine Halbkugel darin aufnehmen wuͤrden; die meiſten ſind jedoch viel flacher, im Lichten 7 bis 8 Zoll weit und etwa 5 Zoll tief. Bei vielen iſt der Rand recht gut geflochten, andere wieder durchaus nachlaͤſſiger gebauet, im Innern alle mit et⸗ was klarerm Schilf ausgelegt. Beim Bauen des Neſtes find fie ſehr vorſichtig und wenn ſie bemerken, daß ſie ein Menſch dabei be⸗ lauſcht, ſo geben ſie dieſe Stelle ſogleich auf; man findet daher in einem kleinen Bezirke oft mehrere unvollendete Neſter oder nur durch Einknicken des Schilfes zubereitete und weiter nicht benutzte Neſt⸗ ſtellen. Unvollendete Neſter dienen ſpaͤter den Jungen zu gelegent⸗ lichen Ruheplaͤtzen. Alte Paͤaͤrchen, welche bei ihrer Ankunft im Fruͤhjahre am alten bekannten Bruͤteplatze Alles noch unveraͤndert und ſo finden, wie ſie es wuͤnſchen oder im vorigen Herbſte verließen, fangen ſogleich an zu niſten und etwa 6 bis S Tage nachher hat das Weibchen be: reits einige Eier gelegt, deren Zahl gewoͤhnlich zu 9 bis 10, auch wol 11 ſteigt, jüngere legen jedoch nur 7 bis 8. Geht Alles gluͤck⸗ lich, ſo folgt ein zweites Gelege in ein neues Neſt, nach ohngefaͤhr 6 Wochen, vom allererſten Ei erſter Hecke an gerechnet, das dann aber nur 6 bis 7 Eier enthaͤlt. Wird ihnen ein Gelege zerſtoͤrt, ſo kann auch ein drittes folgen, was dann aber nicht leicht aus mehr als 5 Eiern beſteht. Man kann daher vom Mai an bis Ende Juli XII. Stdn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 613 Neſter mit Eiern finden. An Orten, welche anfaͤnglich zu kahl ſind und wo fie das Heraufwachſen des jungen Schilfes abwarten muͤſ— fen, kommen fie erſt Anfangs Juni zum Legen und ſolchen unter: ſagt das Vorruͤcken der Jahreszeit gewoͤhnlich eine nochmalige Brut. Die Eier ſind um Vieles groͤßer als Feldtaubeneier und aͤhneln hierin, wie auch in der Geſtalt, denen der gemeinen Meerſchwalbe (Sterna hirundo). Sie ſind 20 bis 21 Linien lang und 14 bis 15 ½ Linien breit, meiſtens ſchoͤn eigeſtaltig, zuweilen auch etwas ſtarkbauchicht, einige auch an einem Ende ziemlich ſchmal zugerundet, an dem andern kurz abgerundet, die erſte Form jedoch immer vorherrſchend. Die Schale iſt ziemlich feſt, feinkoͤrnig, glatt, aber gewöhnlich ohne Glanz; ihre Grundfarbe ein angenehmes, blaf: ſes, roͤthliches Roſtgelb, das friſch einen kaum bemerklichen grünli- chen Schein hat, welcher in Sammlungen ſpurlos verſchwindet; da: bei ſind ſie unter der Oberflaͤche mit vielen violettgrauen und aſch— grauen Punkten, außen aber mit noch weit zahlreichern zimmtbrau⸗ nen und rothbraunen Punkten, Klexen oder kleinen Fleckchen beſtreuet, unter denen ſich bei vielen noch roͤthlichſchwarzbraune Fleckchen be⸗ finden. Dieſe dunkeln Zeichnungen ſind gewoͤhnlich uͤber die ganze Flaͤche verbreitet, bei wenigen am ſtumpfen Ende haͤufiger als am entgegegenſetzten, niemals aber ſo zahlreich vorhanden, daß ſie nicht ſtets die Grundfarbe uͤberall ſtark durchſchauen ließen. Selten kom⸗ men ſolche vor, die nur mit Einer Farbe, mit Zimmtbraun und dazu nur ſparſam, bloß am ſtumpfen Ende in ſtaͤrkern Fleckchen, bezeichnet ſind, wie ſie denn nie ſehr auffallend variiren und immer kenntlich bleiben. Sie aͤhneln in Farbe und Zeichnung ſehr denen der Crex porzana, übertreffen fie aber in der Größe um fo Vieles, daß ſie mit dieſen nie zu verwechſeln ſind. — Bechſtein und Meyer nennen die Grundfarbe dieſer Eier oliveng run, und Temminck ſie grauweiß; eins wie das andere gibt aber einen ganz falſchen Begriff von dieſem Roſtgelb, das nicht einmal oft ſchmutzig oder ins Grauliche ſpielend vorkommt, wenigſtens nie gelbgrau genannt zu werden verdient, wie von Brehm geſchehen iſt. Sie bruͤten 20 bis 21 Tage ſehr emſig und das Maͤnnchen, welches ebenſo drei Brutflecke, an jeder Seite einen und in der Mitte einen, am Unterrumpfe hat, loͤſt ſein Weibchen mehrmals am Tage darin ab, damit ſich dieſes unterdeſſen Nahrung ſuchen kann, doch ſitzt es nie ſo lange uͤber den Eiern als dieſes, dem dies Ge⸗ ſchaͤft auch die Nacht hindurch allein uͤberlaſſen bleibt, waͤhrenddem das Männchen in der Nähe des Neſtes auf niedergetretenem Schilf feine 614 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. Nachtruhe haͤlt oder vielleicht auch den Waͤchter macht. So zaͤrt⸗ lich die Gatten gegen einander ſind, ſo viele Anhaͤnglichkeit zeigen ſie auch fuͤr die Producte ihrer Liebe. Wenn der bruͤtende Vogel, zumal in der letzten Zeit, auch zehn Mal an einem Tage geſtoͤrt wuͤrde und vom Neſte muͤßte, ſo verlaſſen ſie es doch ‚nicht; ebenſowenig wenn ihnen eins oder mehrere Eier genommen werden und wenn dies auch mit vielem Geraͤuſche geſchaͤhe und mit Unordnung in dem umgebenden Schilfe verbunden geweſen waͤre und dergl. mehr. Als ich den Teich in meinem Garten ausfüllen ließ, um ihn in Garten⸗ land zu verwandeln, hatten meine Teichhuͤhner bereits zwei Wochen gebruͤtet und weil ich ihnen gern vergoͤnnen wollte, zum letzten Male hier Junge auszubringen, ſo ließ ich einen Kreis um das Neſt vor der Hand mit dem Ausfüllen verſchonen; da jedoch Umſtaͤnde gebo⸗ ten, die Arbeit ſchnell fortzuſetzen und der Voͤgel wegen nicht auf⸗ zuſchieben, ſo ließ ich im Kreiſe herum nachfuͤllen, wodurch dieſer immer kleiner wurde, fo daß er endlich nur etwa) noch 6 bis 7 Fuß im Durchmeſſer hatte, wobei es ein ungeſchickter Arbeiter ver⸗ ſah und an der einen Seite ſo viel Erde auf ein Mal ausſtuͤrzte, daß dadurch das Neſt ſammt dem darauf ſitzenden Weibchen eine maͤch⸗ tige Erſchuͤtterung erhielt; aber auch dieſer Fall veraͤnderte nichts in deſſen Benehmen; es blieb fortwaͤhrend ſeinen Pflichten treu und ich fuͤhlte mich ſo von dieſem Aufopfern fuͤr die Nachkommenſchaft er⸗ griffen, daß ich die Arbeiter augenblicklich wegſchickte, um ſie ſo lange anderswo zu beſchaͤftigen, bis die Jungen ausgeſchluͤpft ſein wuͤrden, welches ſehr nahe ſein mußte, weil man ſchon ein leiſes Piepen in den Eiern unter der Mutter vernahm, die jetzt mit ihrem Neſte auf einen ganz kleinen Raum beſchraͤnkt, von laͤrmendem Verkehr um⸗ geben, dennoch das Aeußerſte abwartete und zu meiner Freude noch an demſelben Tage alle Eier gluͤcklich ausbrachte. Ich ſage die Mutter; denn der Vater hatte in dieſen verhaͤngnißvollen Ta⸗ gen ihr das Bruͤten anſcheinlich allein uͤberlaſſen, aͤngſtigte ſich aber zu ſeinem Theile nicht minder um ſie, indem er am Ufer des naͤchſten Teiches, etwa 20 Schritt vom Neſte, beſtaͤndig hin und her ſchwamm und durch oͤfteres⸗Zurufen die Gattin zur Ausdauer zu ermuntern ſchien. Sie fuͤhrten jetzt ihre lieben Kleinen auf dieſen nahen Teich und er⸗ zogen ſie gluͤcklich. — Auch Brehm erzaͤhlt (Beitr. III. S. 623) eine nicht minder merkwürdige Anhaͤnglichkeit an Neſt und Eier. Es wurde ihm nämlich ein Neſt mit 11 Eiern gebracht, die ſchon pickten und in denen man zum Theil die Jungen bereits piepen hoͤrte; aus Mitleid ließ er es wieder an den Ort hintragen, wo es geſtan⸗ XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 615 den hatte und obgleich 3 Stunden (?) darüber vergangen waren, ſo nahm es doch das alte Weibchen wieder an, ſetzte ſich darauf und bruͤtete gluͤcklich aus. Die Jungen werden, nachdem ſie den Eiern entſchlupf, bei gu: tem Wetter kuͤrzer, bei ſchlechtem länger, doch nicht über einen Tag lang von der Mutter im Neſte erwaͤrmt und voͤllig abgetrocknet, dann aber ſogleich auf das Waſſer gefuͤhrt, wo auch der Vater da— zu koͤmmt und ſeine Freude bezeigt, worauf dann beide Aeltern ihre Kinder um ſich verſammeln, mit ihnen auf der Flaͤche herumſchwim⸗ men und ihnen ſogleich zum Aufſuchen ihrer Nahrung Anleitung geben. Es giebt ein liebliches Schauſpiel, wenn ſie ſo bald in eine Familie um beide Alte verſammelt ſind, bald in zwei Gruppen ge⸗ trennt, die eine dem Vater, die andere der Mutter folgt, die, aͤngſt⸗ lich um fie beſorgt, ihnen bei jeder anſcheinenden Gefahr ein War— nungszeichen geben, um ſich mit ihnen in's Schilf zu fluͤchten, oder wenn eine dringende Gefahr ploͤtzlich koͤmmt, ſogleich unterzutauchen, was ſie eben ſo bald koͤnnen als das Schwimmen. Schwimmen ſie furchtlos auf einer von Schilf freien Flaͤche, beſonders wenn dieſe dicht mit Entengruͤn bedeckt iſt, ſo ſieht man, wie die Alten alle Augenblicke etwas Genießbares fuͤr ſie aufnehmen, das ſie den Klei⸗ nen nicht ſo ſchnell darbringen koͤnnen, als es ihnen dieſe ſchon aus der Schnabelſpitze abnehmen, indem ſie mit verlangendem Piepen immer dicht nebenher ſchwimmen und auf den Schnabel jener ihr Augenmerk richten. Ein leiſes Duck, — Duck, lockt ſie naͤher herbei, wenn ſie ſich einmal zerſtreuet, die Alten aber fuͤr ſie Etwas gefunden haben und ihnen es vorlegen wollen; denn den naͤchſten Tag iſt nur dieſes, am dritten kaum noch ſo viel noͤthig, ſie mit dem Schnabel darauf hinzuweiſen und es ihnen ſelbſt fangen oder wegnehmen zu laſſen. Nach einigen Tagen ſind ſie ſchon voͤllig ein⸗ geuͤbt, ſich ſelbſt Nahrung zu ſuchen, welches ſie auch in ſtets treuer Begleitung ihrer Aeltern, die zaͤrtlichſt fuͤr ſie beſorgt ſind, den gan⸗ zen Tag betreiben, ſich Abends aber bald zur Ruhe begeben, die ſie ſelten im alten Neſte, ſondern auf Plaͤtzchen im Schilfe halten, die ihnen die Alten bereiteten, wozu fie einen Schilfbuͤſchel niederknick⸗ ten und noch mit trocknem Schilfe belegten, oder auch bloß von dieſem ein Haͤufchen zuſammen trugen, das aber oben ſtets ganz flach iſt. Auf ſolchen Schlafſtellen nehmen ſie die Alten bis zum Anbruch des naͤchſten Tages unter ihre Fluͤgel und Bauchfedern ſo lange bis ſie, etwa nach zwei Wochen, dazu ſchon zu groß gewor⸗ den oder ſelbſt ſchon Federn, ſtatt der bisherigen Dunen am Unter⸗ 616 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. koͤrper bekommen. Dann ſitzen fie auf ein Kluͤmpchen zuſammen gedraͤngt, die Alten neben ihnen und ſie bewachend. Ein paar Wochen ſpaͤter, wenn ſie bereits Wachtelgroͤße erlangt haben, theilweis ſchon gewoͤhnliche Federn ſichtbar zwiſchen den ſchwarzen Dunen hervortreten und das rothe Stirnblaͤßchen allmaͤh⸗ lich verſchwindet, wo ſie ſich ſelbſt zu ernaͤhren im Stande ſind und die dabei noͤthige Vorſicht ihnen von den Alten eingepraͤgt iſt, ſuchen dieſe die Laſt der Erziehung von ſich zu waͤlzen, und werden ſtren⸗ ger gegen ſie, wo dann, wenn die Jungen dennoch neben den Alten herſchwimmen und unter quaͤkendem Piepen verlangen, daß ſie ihnen beim Aufſuchen der Nahrung behuͤlflich ſein ſollen, dieſe eine ſolche Plackerei oft mit Schnabelhieben abzuwenden ſuchen, woruͤber die Jungen oft erbaͤrmlich ſchreien. Dieſe ſcheinbare Haͤrte, nament⸗ lich von Seiten der Mutter, iſt aber gewoͤhnlich das Zeichen, daß ſich die Alten zu einer zweiten Brut anſchicken. In dieſer Zeit iſt jedoch der Vater noch oft unter ſeinen Kindern, bis er das Bruͤten mit ſeiner Gattin theilen muß, wo auch er ſelten in ihrer Mitte er⸗ ſcheint. Obgleich ohne Fuͤhrer, zerſtreuen ſich die Jungen doch nicht; man ſieht ſie oft alle beiſammen auf einem kleinen Raume und ein gewiſſer Grad von Zuneigung herrſcht fortwaͤhrend unter ihnen, bis zum völligen Flugbarwerden, das erſt, ſpaͤterhin erfolgt; dann erſt zerſtreuen ſie ſich, um ſich nie mehr in einen Trupp zu verſammeln. Die intereſſanteſte Periode in der Fortpflanzungsgeſchichte dieſer liebenswuͤrdigen Voͤgel iſt die, wenn die Jungen der zweiten Brut auf dem Waſſerſpiegel erſcheinen. Sogleich kommen die nun mehr als halbwuͤchſigen Jungen der erſten Brut herbei, zeigen ſich freund⸗ lich und zuvorkommend gegen ihre juͤngern Geſchwiſter und helfen ſie den Aeltern fuͤhren. Groß und Klein, Alt und Jung iſt ſo zu ſagen ein Herz und eine Seele. Die großen Jungen theilen mit ihren Aeltern die Erziehung der juͤngern Geſchwiſter, nehmen ſich diefer Kleinen mit Liebe und Sorgfalt an, ſuchen ihnen Nahrungs⸗ mittel und bringen ſie ihnen im Schnabel oder legen ſie ihnen vor, ganz ſo wie es die Alten ihnen fruͤher thaten und jetzt wieder den Neugebornen thun. Ein unvergleichlich anmuthiges Bild giebt eine ſolche Doppelfamilie, wenn ſie ſich furchtlos auf einem kleinen Waſ⸗ ſerſpiegel ausgebreitet hat und in voller Thaͤtigkeit iſt; jedes der er⸗ wachſenern Jungen iſt eifrig bemuͤht, einem ſeiner kleinen Geſchwiſter das, was es fuͤr daſſelbe als Nahrungsmittel aufgefunden, dar⸗ zureichen, weshalb dieſe Kleinen bald einem von jenem, bald einem der Aeltern nachſchwimmen und mit verlangendem Piepen ihre Es XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 617 luſt andeuten, gleich zufrieden, wer ſie zuerſt ſtillt. Da gewoͤhnlich die Zahl aus zweiter Brut kleiner iſt als die von der erſten, auch noch die beiden Aeltern bei der Pflege der Kleinen keineswegs muͤ⸗ ßig ſind, ſo kommen nicht ſelten zwei von den Jungen erſter Brut auf eins von der zweiten, deſſen Fuͤhrer ſie nun machen; dies ſchwimmt dann gewoͤhnlich in ihrer Mitte und wird wechſelſeitig von beiden geliebkoſet und gefüttert. Auch bei vorkommenden Ge: fahren warnen die großen, recht altklugerweiſe, die kleinen Jungen, wie es ihnen ſonſt die Aeltern thaten. Es iſt fuͤr den Naturfreund ein aufheiternder, mit Wonne erfuͤllender Genuß, ſolchem lieblichen Treiben zuzuſchauen und man wird nicht muͤde, dies Stunden lang zu thun; ein Vergnuͤgen, das uns dieſe herrlichen Voͤgel ſonſt, in einem langen Zeitraum, alle Jahr machten, um ſo vollſtaͤndiger, als eben die in meinem Garten niſtenden ſo außerordentlich zahm waren, daß ſie ohne alle Furcht zugaben, ſie ganz aus der Naͤhe zu beobachten. Ich habe in der That niemals zahmere Teichhuͤhner geſehen als die waren, welche wir damals die unſrigen nannten. 6 Wenn die Jungen etwas heranwachſen, verwandelt ſich das wehmuͤthige Piepen, eben nicht angenehm, in einen mehr ſchaͤpen⸗ den Ton, der ſich gewoͤhnlich dann zu verlieren anfaͤngt, wenn die von der erſten Brut als Gehuͤlfen ihrer Aeltern bei der Erziehung der jüngften Geſchwiſter auftreten und wird endlich, wenn fie fliegen lernen, nie mehr von ihnen gehört; dann bekommen fie Locktoͤne, Wan der Alten gleich. = RER UN N Vor Raubvögeln find fie ziemlich ficher, weil fie am Tage fel- ten auffliegen, auf dem Waſſer ſich durch Untertauchen retten, oder, wo dies nicht angeht, ſich verkriechen. Fuͤchſe, Iltiſſe, Wie⸗ ſeln, und, wo ſie in oder nahe an Doͤrfern wohnen, hauptſaͤchlich Katzen beſchleichen oͤfter ein ſolches Teichhuhn, namentlich Junge, denen auch die Wanderratten manchen Abbruch thun. Die letz⸗ tern, fo wie Kraͤhen und Elſtern rauben ihnen oft die Eier. Durch heftige Gewitterguͤſſe und ploͤtzliches Anſchwellen der Teiche wird zuweilen ihr Neſt uͤberflutet; in trocknen Jahren und bei zu großer Abnahme des Waſſers aber daſſelbe ruchloſen Buben zugänglicher, daher oft muthwillig zerftört. Im Gefieder wohnen außerdem auf mehrern Fulicarien vorkom⸗ 618 XII. Oron. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. mende Schmarotzer , Philopterus minitus, Nitzsch, auch noch Phi- lopterus luridus. In den Eingeweiden leben nach dem Wiener Ver⸗ zeichniß 1 mutabile und Distörmum nenne: ng d! Sie hat an Orten, wo dieſe Voͤgel ſelten Menſchen ſehen, auch wol gar wie anderes Wild verfolgt werden, nicht wenige Schwie⸗ rigkeiten, wenn man ſie nicht hinter einem Walle oder ſehr dichtem Strauchwerk anſchleichen kann. Wenn das Teichhuhn den Jaͤger von Ferne herannahen ſieht, ſo zieht es ſich in das Schilf oder Rohr zuruͤck, verhält ſich darin ganz ſtill und koͤmmt nicht eher wie⸗ der zum Vorſchein, als bis ſich jener wieder weit genug entfernt hat. Will er Gewalt brauchen und den Hund ſuchen laſſen, um es aufzuſtoͤbern, damit er es im Fluge ſchießen koͤnne, ſo wird ihm dieſes auch nur ſelten glücken; denn anſtatt aufzufliegen, taucht es unter und verbirgt ſich im Waſſer, aus welchem es nur den Kopf bis an die Augen oder nur den Schnabel herausſteckt, daß der Hund, wenn er nicht zufaͤllig darauf kommt, es nicht wittern kann. Daß es vor dem Glitz der Pfanne fo ſchnell untertauchen ſollte, daß es der Schuß nicht traͤfe, wie Bechſtein ſagt, iſt uns niemals vorge⸗ kommen, auch bei den heutigen Percuſſionsgewehren nicht moͤglich. In der Naͤhe von bewohnten Orten, wo dieſe Teichhuͤhner oft ſehr zahm werden koͤnnen, ſind ſie ſehr leicht zu ſchießen und man darf ohne alle Umſtaͤnde ſich ihnen ſchußrecht naͤhern; ſobald ſie aber Gefahr ſehen oder gar mit Laͤrm angegriffen werden, kehrt ihre angeborne Furcht und Schlauheit ſogleich wieder und ſie gleichen dann wieder ganz denen aus einſamen Gegenden. Sehr ſchwer iſt das ange⸗ ſchoſſene Teichhuhn zu bekommenz iſt es toͤdtlich verwundet, fo taucht es auf den Grund, haͤlt ſich da mit den Fuͤßen feſt und endet in dieſer Stellung; iſt es bloß fluͤgellahm, fo entgeht es oft, trotz al⸗ ler Muͤhe des mit dem Hunde Suchenden und ſcheint zuweilen auf ganz kleinen Gewaͤſſern wie verſchwunden. In dieſem Falle aͤhnelt es ganz den Lappentauchern. ö ö N In ihren Gängen durch das Schilf, die man leicht ausfpähen kann, faͤngt man ſie in einem Garnſacke, den man ſo aufſtellt, daß die Einkehle der Waſſerflaͤche gleich ſteht. Es kann dies ein Fiſch⸗ oder ein Rebhuͤhner⸗Garnſack fein. Einſt wuͤnſchte mein Va⸗ N daß ich ein Teichhuhn nach dem Leben malen moͤchte und einer XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. 619 ſeiner Lieblinge vom Teiche im Garten, ward dazu auserſehen, ein Garnſack aufgeſtellt, doch keines gefangen. Jetzt ſuchten wir einen der Schlaukoͤpfe gemächlich hineinzutreiben; dies nahmen ſie ſehr uͤbel, tauchten und ließen ſich nicht mehr ſehen. Nun ſchritten wir zur Gewalt, ſtellten den Garnſack unter das Waſſer, doch mit ſei⸗ nem hintern Ende über daſſelbe, damit der Gefangene nicht ertrin⸗ ken konnte, und ſtauchten nun mit einer Stange im Schilfe und am Ufer entlang dem Garnſack zu, und trieben ſo im Kurzen das alte Weibchen hinein, dem wir nach erlangtem Zweck wieder die Freiheit ſchenkten und unſere Teichhuͤhner ſchienen dieſen Gewalt⸗ ſtreich, zu unſrem Verwundern, nach einigen Tagen voͤllig vergeſſen zu haben. In einem andern Jahr bewog ein aͤhnlicher Wunſch meinen Vater, das Maͤnnchen zu fangen, das taͤglich regelmaͤßig beim Futter der wilden Gaͤnſe und Enten ſich einſtellte. Er nahm einen großen Netzkaͤfig, deſſen Fallthuͤre, in einer der Seitenwaͤnde, ſich bloß zum Hineingehen oͤffnen ließ, nachher wieder zufiel und von innen nach außen ſich nicht oͤffnete, gerade wie an einer Rebhuͤh⸗ ner⸗Schneehaube (ſ. Thl. VI. S. 528. d. W.). Er band ſie ein paar Tage feſt, daß der Eingang ganz offen war und blieb, ſtreuete Gerſte hinein und als er den Uiberliſteten einige Mal nach dem Futter in den Kaͤfig hatte gehen ſehen, band er das Thuͤrchen los, jener kam wieder, verſuchte bald das nachgiebige Thuͤrchen, ſchluͤpfte hinein und war gefangen. — In Stecknetzen (a. a. O. S. 535.) ſind ſie nur im hohen Schilfgraſe und ſeichten Waſſer zu fangen, ebenſo daſelbſt in Laufdohnen, wenn man zuvor ſchmale Gaͤnge durch das Gras hat ſchneiden laſſen und im tiefern Waſſer die Schlingen ſo ſtellt, daß ſie ſich ſchwimmend am Halſe fangen muͤſ— ſen. Recht zuverlaͤſſig iſt indeſſen keine von den letztern Fangarten. Nutz e m Ihr Fleiſch wird fuͤr recht wohlſchmeckend gehalten und das der Alten ſoll von beſſerm Geſchmack ſein als das der jungen Herbſtvoͤ⸗ gel. Es iſt meiſtens, im Herbſt oft außerordentlich fett, hat uns aber nie recht ſchmecken wollen; dazu hat ihre Haut eine wenig reitzende ſchwarzblaue Farbe und viele ganz kleine ſchwarze Dunen, die abgeſengt werden muͤſſen. Es hat oft einen ſogenannten ſchlaͤm⸗ mernden Beigeſchmack, welcher bei uns wenig Beifall fand; wir meinen daher, daß es nicht der Muͤhe werth iſt, ſie des Bratens 620 XII. Ordn. LXXIV. Gatt. 270. Gem. Teichhuhn. wegen zu ſchießen; doch laͤßt ſich uͤber Geſchmackſachen nicht ab⸗ ſprechen. Sie ſcheinen viel mehr als Inſektenvertilger zu nuͤtzen, nament⸗ lich verzehren ſie eine enorme Menge von Muͤckenlarven. Durch ihre Zutraulichkeit und ihr angenehmes Betragen ergoͤtzen dieſe allerliebſten Voͤgel, zumal in der Naͤhe menſchlicher Wohnun⸗ gen, wo ſie Teiche und Tuͤmpfel auf die unterhelienbiie Weiſe bele⸗ ben, und vielen Menſchen Freude machen. SD ee Für den Menſchen find es vollig unſchaͤdliche Weſen. Der boͤſe Ruf, daß ſie Fiſchbrut verzehren ſollten, iſt von neidiſchen Fiſchern, die in jedem Waſſervogel einen Fiſchraͤuber zu ſehen glauben, erſon⸗ nen und auch ihnen, wie ſo manchem andern Unſchuldigen, ange⸗ dichtet. Wenn es wirklich wahr waͤre, daß gezaͤhmte Teichhuͤhner kleine Fiſche verſchluckt haͤtten, ſo bewieſen alle von uns in ihrer Freiheit getoͤdteten und geoͤffneten, wie die von vielen andern For⸗ ſchern unterſuchten ſtets ganz das Gegentheil. Dreizehnte Ordnung. Schwimmvoͤgel. NATATores. (Waſſer vögel). Schnabel: Von der verſchiedenſten Geſtalt, kurz; lang; ſpitz; ſtumpf; ſchmal; ſehr hoch; platt; die Spitze gerade, oder hakenfoͤrmig, haͤufig ein eingeſchobener Nagel oder Haken; — die Mundkanten ſchneidend ſcharf, oder fägeartig, oder lamellenartig ge: zaͤhnelt. Naſenloͤcher: Sehr verſchieden, doch meiſt laͤnglich, offen, aber auch faſt unſichtbar, zuweilen in einer ganzen oder gepaarten Roͤhre. Fuͤße: Niedrig oder kurz, mit ſeitlich ſehr zuſammengedruͤckter Tarſe und langen Zehen, wovon drei nach vorn gerichtet, die bald nur an der Baſis durch Schwimmhaut verbunden, im Uibrigen an den Seiten mit breiten Schwimmlappen beſetzt, — oder ganz bis vor mit Schwimmhaͤuten vereinigt ſind. — Die Hinterzeh fehlt ent⸗ weder, oder iſt ein bloßer Nagel; — oder ſie iſt, wie bei den mei⸗ fen, ſehr kurz und ſchwaͤchlich, höher geſtellt als die vordern und frei; — oder etwas laͤnger, tiefer eingelenkt, noch mehr nach innen gerichtet als gewoͤhnlich und durch eine Schwimmhaut mit der in⸗ nern Vorderzeh verbunden. Die Fluͤgel haben ziemlich oder ſehr lange Armknochen, ſind bald klein, bald groß, ſtets mehr laͤnglich als breit, bei vielen ſehr MD _ XIII. Ordn. Schwimmvoͤgel. lang und ſchmal, bei manchen dagegen verkuͤmmert bis zur Untaug⸗ lichkeit des Fliegens. Der Schwanz iſt zuweilen lang, bei den meiſten Gattungen aber kurz oder ſehr kurz, bei einigen fehlt er ganz. N ö Der Kopf iſt nicht groß; der Hals ſelten kurz, gewoͤhnlich lang, oft ſehr lang; der Rumpf walzig oder niedergedruͤckt, oft brei⸗ ter als hoch. Obgleich der Schnabelbau in dieſer Ordnung außerordentlich verſchieden iſt, ſo ſind doch die allermeiſten Gattungen Fiſche freſ⸗ ſend und man erſtaunt uͤber die große Mannigfaltigkeit in der hier⸗ auf Bezug habenden Bildung. Die hoͤchſt verſchiedene Schnabel⸗ bildung zu gleichem Zweck ſcheint daher bloß die Art und Weiſe zu bedingen, nach welcher ſie angewieſen ſind, ſich jene flinken Ge⸗ ſchoͤpfe zu verſchaffen. Die eigentlichen Fiſchfreſſer haben meiſtens harte, ſcharfſchneidige, ſpitzige oder auch hakige, dabei oft ſehr ſchmale Schnaͤbel, manche an der Kehle auch eine ſehr dehnbare Haut, um darin noch recht viel Nahrungsmittel aufnehmen zu koͤnnen, wenn der Magen bereits angefuͤllt iſt. Andere haben nach vorn zu platt gedruͤckte, mehr breite als hohe Schnaͤbel, mit auf verſchiedene Weiſe gezaͤhnelten Mundkanten, die zu ganz andern Zwecken dienen, deren Schnaͤbel mit einer nervenreichen weichen Haut uͤberzogen ſind, wo⸗ durch ſie zu Taſtwerkzeugen werden, um aus Schlamm und Kraͤu⸗ tern daß Genießbare heraus zu fühlen, das in Gewuͤrm und vege- tabiliſchen Stoffen beſteht, und viele dieſer ſind auch Koͤrner freſſend. Der Bau der Fuͤße, die ſtets weit nach hinten und außer dem Gleichgewicht des Koͤrpers liegen, bietet, im Vergleich zum Schna⸗ bel, lange nicht ſo viele Abwechſelungen dar, wenigſtens ſieht man es ſaͤmmtlichen Abweichungen ſogleich an, daß ſie alle zum Rudern beſtimmt ſind und das ſie dem Beſitzer mehr zum Schwimmen als zum Gehen dienen, worin auch nur wenige einige Fertigkeit beſitzen, die meiſten aber ſchlecht und ſelten gehen, manche ſogar, nicht auf den Zehen (der Spur, Pelma), ſondern auf der Sohle des Tarſus oder Laufs (Planta) ſtehen und gehen, das wegen der ebenfalls kur⸗ zen und noch dazu weit herab in die Bauchhaut verwachſenen Un⸗ terſchenkel (Tibia) noch viel ſchlechter als bei jenen von Statten geht. Die mehreſten ſind dagegen außerordentlich fertige Schwimmer; ſie bringen die meiſte Zeit ihres Lebens auf dem Waſſer ſchwimmend zu und haben ohne Waſſer ein trauriges Daſein; andere gehen lange und anhaltend aufs Land und wechſeln nur öfter zum Waf- | XIII. Ordn. Schwimmvoͤgel. 623 ſer; noch andere ſchwimmen ſelten, haben aber ein ſo großes Flug: vermoͤgen, daß ſie mehr als die halbe Lebenszeit fliegend hinbringen, aber dabei nicht ohne Waſſer ſein und zwar nur bei vielem Waſſer exiſtiren koͤnnen. Die letztern ſchwimmen auf der Waſſerflaͤche wie ein Stuͤck Kork, tauchen den Rumpf wenig ein, rudern langſam und ungeſchickt, waͤhrend die Mehrzahl dabei den Rumpf faſt zur Haͤlfte im Waſſer hat, nach Belieben auch oberflächlicher oder tiefer eingeſenkt ſchwimmen kann. Naͤchſt der Fertigkeit auf der Oberflaͤche des Waſſers zu ſchwim⸗ men und mehr oder weniger ſchnell fortzurudern, iſt den meiſten auch noch die des Tauchens und des ſchnellen Schwimmens im Waſſer ſelbſt und bis auf deſſen Grund gegeben. Manche haben darin eine ſo große Meiſterſchaft, daß ſie ſich unter der Oberflaͤche noch weit ſchneller und gewandter fortbewegen als auf derfelben, ja mehrere Klafter tief bis auf den Grund in ſo kurzer Zeit hinab und wieder herauf tauchen, daß es in Erſtaunen ſetzt. Sie koͤnnen, ohne zu athmen, mehrere Minuten lang unter Waſſer ſein. — Die mehreſten tauchen mit angeſchloſſenen, unter den Tragfedern verſteck⸗ ten Fluͤgeln und rudern unter dem Waſſer, wie auf demſelben, bloß mit den Fuͤßen; andere nehmen dabei die Fluͤgel noch zu Huͤlfe, rudern demnach unter Waffer mit allen Gliedern, Kopf und Hals gerade vorgeſtreckt. Die meiſten gehen aus dem Schwimmen in das Tauchen uͤber; einige wenige tauchen ſowol ſchwimmend als aus der Luft herabſtoßend; die eigentlichen Stoßtaucher ſtuͤrzen ſich aber fliegend aus der Luft herab, mehr oder weniger tief, unter die Waſſerflaͤche und erheben ſich nach erlangtem Zweck gleich wieder in die Luft, und tauchen nie auf andere Art, ſelbſt bei beraubter Flug⸗ kraft nicht; wieder andere tauchen, wenn ſie vorher ſchwammen, nur mit den vordern Theilen, Kopf, Hals, Rumpf bis an die Schenkel, unter die Flaͤche und ſtehen ſo an einer Stelle gleichſam auf dem Kopfe, waͤhrend ſie mit den Beinen zappelnd ſich im Gleichgewicht zu erhalten und mit dem Schnabel auf den Grund des Waſſers zu reichen ſuchen; noch andere tauchen bloß mit Kopf und Hals unter und der letztere iſt darum von einer ungewoͤhnlichen Laͤnge. Alle Schwimmvoͤgel verſtehen zu tauchen und viele erlangen ihren Unterhalt allein dadurch, waͤhrend manche es nur bei ihren Spielen oder wenn ſie in Noth kommen, uͤben. Manche koͤnnen es ſchon im Dunenkleide, andere lernen es erſt, wenn ſie ihr ordentliches Ge⸗ fieder bekommen. Diejenigen, welche ihre Nahrung dadurch erwer⸗ ben, ſehen im Waſſer mit offnen Augen oder durch das Nickhaͤut⸗ 624 XIII. Ordn. Schwimmvoͤgel. chen und verfolgen die Geſchoͤpfe in der Tiefe, wie die Landvoͤgel ihre Beute auf dem Trocknen, verſchlucken ſie aber gewoͤhnlich erſt in dem Augenblicke, wo ſich Schnabel und Kopf wieder aus dem Waſſer erheben. Unbegreiflich if, wie es manche anfangen, wenn fie bereits einen gefangenen Fiſch im Schnabel haben, noch einen oder mehrere dazu zu fangen, um ſo den Jungen gleich mehrere auf ein Mal bringen zu koͤnnen. Bei den meiſten Gattungen ſteht das Vermoͤgen zu fliegen weit hinter dem des Schwimmens und Tauchens; fie fliegen mit großer Anſtrengung, jedoch geſchwind, wenn ſie ſich erſt erhoben, viele aber nur ungern. Manchen iſt das Fliegen ganz verſagt, und da dieſe auch ſchlecht gehen, ſo ſind ſie faſt allein auf das naſſe Element angewieſen. Noch andere und zwar eine große Abtheilung ſind dagegen mit ſo maͤchtigen Flugwerkzeugen verſehen, daß ſie zierlich, leicht, hoch, anhaltend und mit bewundernswuͤrdiger Aus⸗ dauer fliegen, ſich ungleich laͤngere Zeit in der Luft als auf dem Waſſer aufhalten, aber ihre Nahrung aus dieſem entnehmen und als Stoßtaucher durch die groͤßte Gewandtheit im Fliegen dazu gelangen. Nur wenige und die beſſern Fußgaͤnger unter ihnen ſuchen mit⸗ unter ihre Nahrung zu weilen am Ufer entlang oder ganz auf dem Trocknen; die allermeiſten kommen aber niemals deshalb, ſondern bloß um ſich auszuruhen, zu ſoͤnnen, oder um zu niſten an das Land. Auf Baͤume ſetzen ſich nur wenige Gattungen oder bloß ein⸗ zelne Arten. Das Gefieder dieſer Voͤgel, durch eine eigenthuͤmliche pelz⸗ artige Dichtheit an den untern Koͤrpertheilen ausgezeichnet und darunter mit vielen Dunen verſehen, erleidet hinſichtlich ſeiner Faͤr⸗ bung mehrere periodiſche Veraͤnderungen, welche durch eine jaͤhrlich zweifache Mauſer entſtehen; denn anders iſt das Jugendkleid, anders das Sommer: und noch anders das Winterkleid in den meiſten Gattungen dieſer großen Ordnung. Eigentliche Prachtfarben kommen kaum in einer Gattung vor; in allen uͤbrigen iſt Weiß vorherrſchend, und Schwarz, oft mit Glanz, Braun und Grau fin⸗ den ſich in vielen Abwechſelungen. Eine oft vorkommende Wieder⸗ holung der Farben und Zeichnungen mehrerer zu einer Gattung ge⸗ hoͤrender Arten erſchweren ſehr haͤufig das Unterſcheiden dieſer. Eine Eigenthüͤmlichkeit dieſer Voͤgel iſt ein zu allen Zeiten mehr oder weniger häufig anweſendes Fett unter der Haut, das theils von ſelbſt in die Federn dringt, dieſen ſogar zuweilen eine eigene Faͤr⸗ bung mittheilt, theils in Menge in der Buͤrzeldruͤſe abgeſondert wird, XIII. Ordn. LXXIV. Gatt. Shwimmvögel. 625 um mittelſt des Schnabels das Aeußere des Gefieders und das des Kopfs durch Waͤlzen auf derſelben, fleißig einfetten zu koͤnnen. Es ſchuͤtzt gegen das Durchnaͤſſen des Gefieders, und Mangel am nö: thigen Fett zeigt ſtets einen krankhaften Zuſtand oder nahen Tod an- Ihren Aufenthalt haben ſie nur an und auf dem Waſſer, viele auf dem Meere, wo manche mehrere Hundert Meilen vom naͤchſten Lande zuweilen angetroffen werden. Sie lieben einen war⸗ men Himmelsſtrich weniger als einen gemäßigten, find aber vorzuͤg⸗ lich haͤufig in der kalten Zone, wo ſie oft in Myriaden beiſammen leben, wie denn überhaupt die Meiften ſehr geſellig find. Sie naͤh⸗ ren ſich meiſtens von Fiſchen und Fiſchbrut, auch von Schalthieren und Kruſtaceen, von allerlei Gewuͤrm und Inſekten, von gruͤnen Pflanzentheilen, Saͤmereien und Koͤrnern, manche gelegentlich auch vom Aas todter Seethiere. Sie pflanzen ſich nur am Waſſer und an von dieſem umgebenen Plaͤtzen oder auch auf demſelben, viele in Vereinen zu vielen Tauſenden fort, leben aber doch meiſtens in Mo⸗ nogamie. Ihre Neſter find mit weniger Kunſt, oft ſehr nachlaͤſſig gebaut, bald groß, von groben Stoffen, bald kleiner, bei manchen Gattungen beim Bruͤten mit den eigenen Dunen ausgefuͤttert, bald nur eine ausgeſcharrte Vertiefung im Sande, ja manche legen die Eier nur auf den nackten Felſen, und noch andere graben ſich Roͤh⸗ ren in die Erde oder ſelbſt in broͤckelichtes Geſtein; dieſe drei letzten Gattungen bauen alſo gar kein ordentliches Neſt. Die meiſten ſtel⸗ len dieſes an einen trocknen Ort, auf die platte Erde oder auf Fel⸗ ſen, oder legen, wenn ſie keins bauen, bloß ihre Eier dahin; andere bauen auf eingeknickte Sumpfpflanzen oder zwiſchen dieſe und an⸗ deres Geſtraͤuch; noch andere bauen es geradezu aufs Waſſer, und eine Gattung ſogar ein ſtets durchnaͤßtes, ſchwimmendes Neſt, nur wenige das ihre auf Baͤume. Manche legen viele, manche wenige Eier, mehrere Gattungen gar nur ein Ei fuͤr eine Brut, die bei al⸗ len im Verhaͤltniß zum Koͤrper, namentlich bei letztern, groß ge⸗ nannt werden koͤnnen. Das Geſchaͤft des Ausbruͤtens verrichtet bei vielen das Weibchen allein, bei andern wird es vom Maͤnnchen da⸗ rin abgeloͤſet und beide haben, in manchen Gattungen, einen oder einige Bruͤteflecke am Unterkoͤrper, in manchen keine. Die Jungen vieler Gattungen koͤnnen ſogleich ſchwimmen und verlaſſen das Neſt ſobald ſie nur abgetrocknet ſind; die Mutter führt ſie zum Aufſu⸗ chen der Nahrung an und beſchuͤtzt fie, woran bei manchen der Va⸗ ter Theil nimmt, bei andern nicht; andere, welche auf dem Trock⸗ nen ausgebruͤtet wurden, bleiben auch nicht im Neſte, doch en dem 9. Theil. 40 626 XIII. Ordn. LXXIV. Gatt. Schwim mvoͤgel. Trocknen und die Alten tragen ihnen Futter zu, bis ſie fliegen koͤn⸗ nen, wo die einiger Gattungen oft noch im Fluge geaͤtzt werden; noch andere, welche auf hohen Felſen, auch auf Baͤumen auskom⸗ men, werden von den Alten ernaͤhrt bis ſie fliegen lernen; dann erſt koͤnnen ſie auch ſchwimmen und tauchen. — Die Jagd der meiſten iſt ſehr beſchwerlich, bei vielen oft lebensgefaͤhrlich; denn das Fleiſch vieler iſt eine angenehme Speiſe, von noch mehrern iſt es den Inſel⸗ und Kuͤſtenbewohnern des hohen Nordens ein noth- wendiger Unterhalt, welche ſie deshalb in enormer Menge fangen, theils friſch, theils eingeſalzen oder geraͤuchert genießen, auch ihre Eier, die von mehrern ſehr wohlſchmeckend ſind, in Menge zur Speiſe benutzen. Die elaſtiſchen Federn und haͤufig vorhandenen Dunen der meiſten werden zu Betten benutzt, von andern die ab: gezogenen Haͤute als Pelzwerk gebraucht und von den nordiſchen Voͤlkern zu warmen Kleidungsſtuͤcken verarbeitet. Außer dieſen und noch mancherlei andern Benutzungen vergnuͤgen auch manche durch ihr Betragen in einem halbgezaͤhmten Zuſtande, und die Myriaden der im hohen Norden beiſammen bruͤtenden, beleben den groͤßten Theil des Sommers hindurch manche ſonſt oͤde und nackte Felſen, auf eine ganz eigenthuͤmliche Weiſe. Schaden thun nur manche da, wo der Menſch mit Muͤhe und zu eigenem Gebrauch Fiſche zieht oder wo er geſaͤet und gepflanzt hat. Zwiſchen dieſer Ordnung und der vorhergehenden ſind, wie zwi⸗ ſchen manchen Andern keine ſcharfen Grenzen zu ziehen. Wir lern⸗ ten naͤmlich unter den Wadvoͤgeln mehrere Gattungen kennen, die bald mehr ihrer Geſtalt, bald mehr ihrer Lebensweiſe wegen, auf dem Uibergange zwiſchen Wad- und Schwimmvoͤgeln ſtehen, und erinnern beſonders an die Gattungen: Recurvirostra, Phoenicopte- zus und Phalaropus, vorzüglich aber an unſere Gattung Gallinula, die im Leben eben ſo gut Schwimmvogel iſt als die Gattung Anser und manche andere, obgleich ſie keine eigentlichen Schwimmfuͤße hat. Mit ihr ſehr nahe verwandt, in mehr als einer Hinſicht zu derſel⸗ ben Familie, den Fulicarien gehoͤrend, iſt die Gattung Fulica. Sie ſteht aber, dieſer Verwandtſchaft wegen, ſchon ſcharf auf der Grenze zwiſchen dieſer und der vorigen Ordnung, neigt ſich jedoch, da ſie ganz Schwimmvogel iſt, noch mehr dieſer Ordnung hin, wes⸗ halb ich denn mit ihr die große Reihe derſelben eroͤffne. Die aus⸗ laͤndiſche Gatturg Podoa würde dann auf natürlichem Wege zu Colymbus (Podiceps auct.) hinuͤberfuͤhren, wenn man naͤmlich bei einer ſyſtematiſchen Zuſammenſtellung fein Augenmerk hauptſaͤchlich XIII. Orbn. LXXIV. Gatt. Schwimmvögel. 627 auf ſolche Aehnlichkeiten richten will, die am Aeußern des Vogels deutlich zur Schau gelegt ſind und daneben ſich in ſeinen Gewohn⸗ heiten und ſeiner Lebensweiſe ausſprechen. Die Schwimmvoͤgel theilen ſich, wie aus dem im Allgemeinen uͤber ihre Lebensweiſe Geſagten hervorgeht, in mehrere abgeſonderte Gruppen, in welchen es jedoch hin und wieder auch nicht an Uiber⸗ gangsformen von einer zur andern fehlt. Es wird daher noͤthig, die vielen Gattungen dieſer großen Ordnung, ie ae Uiber⸗ ſicht, in mehrere Unterabtheilungen zu reihen. 40 * 85 erf Auteenbegektäng. Lappeuf ß er. 'Lobipedes. Ihre Füße liegen ſehr weit nach hinten oder faſt am Ende des Koͤrpers, haben außerordentlich zuſammengedruͤckte Laͤufe, lange, über zwei Drittheile getrennte, aber hier mit großen Seitenlap⸗ pen verſehene Vorderzehen, eine kleine, kurze, etwas hoͤher ſtehende, auch belappte Hinterzeh. — Ihre Schnaͤbel ſind nicht lang, viel ſchmaͤler als hoch, ſpitz. Sie ſind Schwimmtaucher, kommen ſelten an das Land, fliegen ungern und mit Muͤhe auf, wobei ſie einen langen Anlauf nehmen und dadurch auf der Waſſerflaͤche ein plaͤtſcherndes Ge⸗ raͤuſch verurſachen, wenn ſie ſich aber zu einiger Hoͤhe erhoben haben, geſchwind. Sie bewegen in ihrem anſtrengenden Fluge die kurzen, ſpitzen Fluͤgel ſehr ſchnell, und koͤnnen weder ſchweben, noch ſich ſanft aufs Waſſer herablaſſen, fallen jedoch nicht hart auf, ſondern gleiten ein Stuͤck auf der Oberflaͤche des Waſſers hin, ehe ſie ſchwim⸗ men und tauchen. Sie laſſen ſich daher ſtets nur auf das Waſſer, nie auf das Trockne nieder. Auen 49 L adi MZ 083 8 uf und o bee Gattung. | 5 Bafferhußm ui. Schnabel: Kürzer als ber Kopf; ſehr hoch, aber wenig breit; etwas kurz zugeſpitzt, daher die Spitze ſtumpf; die Firſte ſchmal ge⸗ rundet, an der Stirn ſich zu einer breiten, ovalen, erhabenen, bis zwiſchen die Augen hinauf reichenden, nackten Platte oder Blaͤſſe er⸗ weiternd, oder gar eine kammartige Erhoͤhung bildend; die etwas geſchweiften Mundkanten ſchneidend ſcharf, die untere etwas in die obere eingreifend; der Rachen nicht tief geſpalten und ſchmal; die Kielſpalte lang. Er iſt bis auf die Naſenhoͤhle und Stienbläffe hart. Die Zunge etwas lang, oben flach, unten halbrund, an dem ſchmal zugerundeten Ende gewimpert. Naſenloch: Seitlich, ein in der ſehr großen, ovalen, weichen Naſenhöͤhle ganz vorn ſich oͤffnender, kurzer, nach vorn 1 8 9 und erweiterter, durchſichtiger Ritz. g Fuͤße: Groß; weit nach hinten liegend; aber er Ferſe etwas nackt; die Laͤufe ſtark und von den Seiten ſehr zuſammengedrückt; die drei Vorderzehen ſehr lang und ſchlank, die mittelſte die laͤngſte, alle an beiden Seiten mit ſehr breiten, bogigen, an jedem Gelenk ausgeſchnittenen Schwimmlappen; die Hinterzeh ein Wenig höher geſtellt, ſchwaͤchlich, ziemlich kurz und nur mit einem Schwimmlap⸗ 630 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. pen (als Sohle) beſetzt; der weiche Miberzug groͤßtentheils geſchildert und zwar ſehr ſymmetriſch; die Krallen ziemlich groß, ſchlank, we⸗ nig gekruͤmmt, ſpitz, unten mit einer Rinne. Fluͤgel: Nicht groß, gewoͤlbt, mit ziemlich langen Armkno⸗ chen, aber kurzen Schwingfedern, von welchen die erſte immer etwas kuͤrzer als die zweite, dieſe aber, entweder allein oder mit der zwei⸗ ten, die laͤngſte iſt. Vorn am Fluͤgelbuge befindet ſich ein kleiner, ſtumpfkegelfoͤrmiger, hornharter Auswuchs. Schwanz: Kurz oder ſehr kurz, faſt unter den Deckfedern verſteckt, abgerundet, aus mehr als 12 Federn beſtehend. Das kleine Gefieder iſt ſehr weich, dicht, pelzartig, ohne deutliche Umtiffe, an den untern Theilen außerordentlich dick, über: all mit, ſehr ſchlaffen Schaͤften. Nur die Schwingfedern haben gut geſchloſſene Fahnen und ſtarke Schäfte; fie übertreffen darin die Schwanzfedern um Vieles und ſind unter allen allein hart an⸗ sufühlen. a Die wenigen Arten, aus welchen dieſe Gattung ace ſetzt iſt, tragen die Gattungscharactere deutlich zur Schau und die in Europa einheimiſche Art bildet den Typus derſelben. Sie ha⸗ ben alle eine mittlere Groͤße; eine etwas plumpe Geſtalt; einen kur⸗ zen, dicken, walzenfoͤrmigen Rumpf, ſehr kurzen Schwanz und ſehr weit nach hinten liegende, große Beine, was ihnen, wenn auch der Hals ziemlich ſchlank und der Kopf klein genannt werden kann, auf feſtem Boden ſtehend ein eben nicht angenehmes Ausſehen ver⸗ leihet. Huͤhnerartiges liegt in dieſem allgemeinen Habitu nur we⸗ nig. Auf dem Waſſer, ſchwimmend und tauchend, erfcheint ihre Geſtalt vortheilhafter, wie denn ihr ganzer Koͤrperbau ſie zu wahren Schwimmvoͤgeln macht und eine dieſen gleiche Lebensweiſe bedingt. Die Faͤrbung ihres Gefieders iſt ſehr einfach, ſehr dunkel, faſt oder wirklich ſchwarz; ihre Mau ſer einfach; der aͤußere Geſchlechts⸗ unterſchied gering, das Weibchen bloß etwas kleiner und wenig blaſſer gefärbt als das Maͤnnchen, die Jungen aber abweichend, bei ihnen eine olivenbraune Färbung die vorherrſchende. In zarter Jugend ſind ſie mit einfarbig dunkeln Dunen dicht bekleidet. Die Waſſerhuͤhner gehoͤren theils einer gemaͤßigten, theils einer warmen Zone an, gehen nirgends hoch nach Norden hinauf, wan⸗ XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. 631 dern nur aus kaͤltern Gegenden und Lagen über Winter in wär: mere und kehren wieder zuruͤck, ſobald die Gewaͤſſer abermals frei vom Eiſe ſind. Sie reiſen bald geſellig, doch nicht in engen Ver⸗ einen, bald einzeln, und ſtets nur des Nachts. Sie bewohnen fuͤr gewoͤhnlich nur ſtehende Gewaͤſſer, Landſeen, Teiche und tiefe Suͤm⸗ pfe, auf und an welchen viel Rohr und Schilf waͤchſt, kommen an der See nur in ſtillen Buchten, aber nicht auf hohem Meere vor; bringen den groͤßten Theil ihrer Lebenszeit ſchwimmend auf freiem Waſſerſpiegel oder zwiſchen hoͤhern Sumpfpflanzen zu; tauchen eben ſo fertig als haͤufig, begeben ſich aber durch einen kleinen Sprung unter die Waſſerflaͤche, rudern unter dieſer, die Fluͤgel angeſchloſſen und unter den Tragfedern, bloß mit den Beinen, halten aber nicht lange unter Waſſer aus. Um vom Schwimmen auszuruhen, ſetzen ſie ſich auf Schilfbuͤſche oder auch an's Ufer, gehen aber ſelten und dann in großen langſamen Schritten, koͤnnen ſich aber im Nothfall auch in ziemlich ſchnellen Lauf ſetzen. Auf der Waſſerflaͤche laufen ſie noch ſchneller, doch nur kurze Strecken, gebrauchen dabei aber auch die Fluͤgel, die ſie dazu ſehr ſchnell flatternd bewegen, auf welche Weiſe ſie auch ihren wirklichen Aufflug vom Waſſer beginnen, und das ſehr ſchnell wiederholende Schlagen der Waſſerflaͤche mit den breiten Zehenſohlen verurſacht ein weitſchallendes Geplaͤtſcher. Sie fliegen ſehr ungern und mit Anſtrengung, leichter erſt wenn ſie ſich zu einiger Hoͤhe aufgeſchwungen haben, dann auch erſt weitere Strecken fort. Sie verſtecken ſich gern im Schilf und Rohr, leben aber zu manchen Zeiten auch wieder weit davon auf großen weiten Waſſerflaͤchen. Sie ſind unter ſich ziemlich geſellig, in der Begat⸗ tungszeit aber auch ſehr raufſuͤchtig, gegen andere Voͤgel haͤmiſch oder doch ganz ungeſellig; geben durchdringende, wenig angenehme Toͤne von ſich; ſind im natuͤrlichen Zuſtande ſehr vorſichtig und ſcheu, doch auch zaͤhmbar. Ihre Nahrung beſteht in gruͤnen Pflan⸗ zentheilen, Knospen und Samen der Waſſerpflanzen, in Inſekten, deren Brut und Wuͤrmern, welche ſie bald im Schwimmen, bald durch Untertauchen zu erhalten ſuchen. Man beſchuldigt ſie gewoͤhn⸗ lich, aber mit Unrecht, der Raͤuberei von Fiſchbrut. — Sie niſten zwiſchen hohem Rohr und Schilf, auf eingeknickten gruͤnen Buͤſcheln oder alten Stoppeln dieſer, ſeltner auf wirklichen Inſelchen oder am Ufer, doch nie auf trocknem Boden. Jedes Paar behauptet ſein Neſtrevier gegen andere. Sie leben in uneingeſchraͤnkter Monoga⸗ mie, beide Gatten flechten von trocknen Rohrſtengeln, Schilf und Binſen ein ziemlich haltbares, tiefes Neſt, und bebruͤten abwechſelnd 632 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. die 8 bis 15 ziemlich großen, eigeſtaltigen, braungelblichen, ſchwarz⸗ braun punktirten Eier, fuͤhren die Jungen ſogleich auf's Waſſer zum Aufſuchen der Nahrung an und beſchuͤtzen ſie gemeinſchaftlich. An einigen Raubvoͤgeln haben ſie heftige Verfolger, die ihre Vermeh⸗ rung ſehr einſchraͤnken. Zu manchen Zeiten jagt man ſie in einigen Gegenden in Menge, und obgleich ihr Fleiſch keineswegs zu dem wohlſchmeckenden gehoͤrt, ſo nutzt man es doch haͤufig zur Speiſe; die Eier ſind ſchmackhafter. Schaden thun ſie nicht. „Obwohl die Gattung Fulica alle weſentlichen anatomiſchen Merkmale der Familie zeigt, ſo kommen ihr doch auch einige eigen⸗ thuͤmliche Bildungen zu.“ „Am Schaͤdel iſt der Stirntheil zwiſchen den Augenhoͤhlen brei⸗ ter, gewoͤlbter, dicker, man findet hier einen deutlichen, hinten brei⸗ ten, jedoch flachen Eindruck fuͤr die Naſendruͤſe. Der haͤutige Stirn⸗ lappen beſteht aus ſtraffen, derben Zellgewebsfaſern. Die Halswir⸗ bel find ſehr ſchlank; die Schwanzwirbel ſind ſtaͤrker entwickelt und zaͤhle ich 9 Wirbel, alſo einen mehr, als bei den andern Gattun⸗ gen. Die großen, ſpitzwinklich eingeſchnittenen Abdominalbuchten dringen bis uͤber die Haͤlfte des Bruſtbeinkoͤrpers hinaus; die Scham⸗ beine ſind nicht ſo rippenfoͤrmig, ſondern hinten betraͤchtlich breit und in ſtumpfen Winkel nach vorne gebogen. Der obere und vor⸗ dere Fortſatz am Schienbein iſt ſtark, duͤnn, kammfoͤrmig und gleicht deutlich einem kleinen, umgekehrten Bruſtbeinkamm (crista sterni). Die Phalangen, auch die der Hinterzeh, ſind ſehr lang und ſchlank. Das Klauenglied am Fluͤgeldaumen iſt beſonders ſtark.“ „Am Schlund befinden ſich ſehr entwickelte Gulardruͤſen und von den Speicheldruͤſen iſt die Parotis ungewoͤhnlich ſtark.“ „Der Muskelmagen iſt außerordentlich ſtark und platt, mit 2 großen Sehnenſcheiben jederſeits. Der Darmkanal iſt etwas laͤn⸗ ger; die Blind daͤr me find ſehr anſehnlich, noch einmal fo lang als der Dickdarm, und (wie der ganze Dünndarm) mit Zotten be; ſetzt, welche nur in der blinden Spitze fehlen.“ „Das Divertikel iſt ſtets vorhanden, ganz eigenthuͤmlich duͤnn, ſchmal und lang, und mißt 6 bis 10 Linien, iſt aber ſtets zottenlos.“ 8 „Der rechte Leberlapp en iſt betraͤchtlich groͤßer, die Milz an⸗ ſehnlich, laͤnglich mit einem hakenfoͤrmig umgebogenen Zipfel.“ „Das Herz iſt an der Baſis breiter als bei den Rallen.“ „Die Nieren ſind beſonders hier an ihrer hinteren oder oberen, die Beckengruben ausfüllenden Fläche, in eine Menge (gegen 60) XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. 633 kleine, loſe, durch Zellgewebe verbundene Laͤppchen von 5 er zerfallen.“ „Einmal fand ich das Rudiment eines rechten Ovidukts.“ „Die Bursa Fabricii iſt lang, aber ſehr ſchmal.“ „Die Naſendruͤſe iſt groß, breit nach hinten, auf dem Schä- del aufliegend, viel ſtaͤrker als bei den uͤbrigen Gattungen der Familie.“ 5 „Beſonders merkwuͤrdig iſt die Entwickelung eigenthuͤmlicher ge⸗ lenkartig verbundener Knochenſtuͤckchen am Unterkiefer; eine ſtark ent⸗ wickelte Epiglottis (beide von Nitzſch zuerſt beſchrieben *); und das Vorkommen dicker, zellgewebiger Pelotten in der innern Stimm⸗ membran.“ „Am oberen Rande, hinter der Mitte jedes Unterkiefer⸗Aſt's, da, wo er den Jochbogen beruͤhrt, finden ſich 2 flache, ſcheibenfoͤrmige, doch etwas winklige Knochenplaͤttchen, wovon das untere groͤßere, mehrere Linien lange mit dem Rand des Unterkiefers eingelenkt iſt; das obere kleinere ſitzt artikulirend auf dem groͤßeren. Beide Kno⸗ chenſtuͤckchen dienen nicht zu Muskel-Anſaͤtzen und liegen in dem weichhaͤutigern l des Schnabels, hinter dem Mund- winkel“ 55 „Vor der oberen Stimmritze liegt ein wahres Kehldeckel⸗Rudi⸗ ment, ſo ſtark, wie es ſonſt bei keinem Vogel vorkommt; es iſt eine halbmondfoͤrmige, wulſtige Falte mit feinen Papillen beſetzt, und nach hinten ordentlich ausgehoͤhlt. Die beiden Gießkannenknorpel ſind durch Baͤnder mit dieſer Epiglottis verbunden.“ „Die Pelotten befinden ſich in der Membran an der innern einander entgegengekehrten Wand der Bronchien; in dieſer Haut liegt auf jeder Seite ein dreieckiges oder herzfoͤrmiges, dickes Kiſſen, von harter, derbfaſeriger Beſchaffenheit. Beide Kiſſen oder Pelotten ſind mit der freien Spitze nach unten gerichtet und beruͤhren e) Von den beweglichen Knochenflügenn an der unterkinnlade des Bläslings. Nitzſch, Oſteographiſche Beiträge S. 74 u. Abb. auf Tab. II. Fig. 15 u. 16. Der⸗ ſelbe über das Vorkommen einer Epiglottis bei Vögeln in Meckel's Archiv. 1836. S. 613. M. Abb. se) Die Gattung Porphyrio hat eine ähnliche, faſt noch merkwürdigere Bil: dung. Hier finde ich einen langen, ſchmalen Knochen in der Mitte des Unterkiefers ein⸗ gelenkt und weiter nach hinten einen Aten ähnlichen, jedoch kürzeren. 634 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Waſſerhuhn. * ſich mit ihrer untern Flaͤche, wenn die Luftroͤhre d wird“ *). „Dies nach den unterſuchungen der 1 Art, Fu- lica atra.“ R. Wagner.“ *. In Europa und in Deut ſch kan haben wir aus dieſer Gattung nur Eine Art. e) Aehnliche Pelotten, nur ſchwächer, fand ich bei Alcedo ispida, jedoch nicht bei allen Individuen, alſo unbeſtändig; dünere, knöcherne Lamellen, bei mehreren Enten. 271. Das gemeine Waſſerhuhn. Fulica atra. Linn. Ir Bar; Fig. 1. Altes Männchen. Taf. 241. 4 Fig. 2. Weibchen im Jugendkleide. a I Fig. 3. Ganz junger Vogel. Waſſerhuhn; ſchwarzes —, kohlſchwarzes —, rußfarbiges —, großes Waſſerhuhn; Mohrenhuhn; Mohrenwaſſerhuhn; Rohrhenne, Rohrhuhn, ſchwarzes Rohrhuhn; Blaſſhuhn, Blaͤſſhuhn, großes —, ſchwarzes —, kohlſchwarzes —, rußfarbiges Blaͤſſhuhn; Blaͤſſling; Blaͤſſe; Blaͤſſchen; Weißblaͤſſe; Blaͤſſhenne; Blaͤſſente; Blaſſgieker, Blaͤſſennoͤrk; Belchen; Boͤll; Boͤllhenne; Waſſer⸗ , Meer: —, See: teufel; Flußteufelchen; glaͤnzender Waſſerrabe; Timphahn; Horbel; Pfaffe; Zapp; Zopp; Plaͤrre; Kritſchaͤne; Kritſchele; in hieſigen Landen: Hurbel oder Weißblaͤſſchen, auch weißblaͤſſige Rohrhenne. Fulica atru. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 702. n. 2. — Lim. Faun. suec, 193. Retz. Faun suec. p. 199. n. 171. - Lath. Ind. II. p. 777. n. 1. Nilsson; Orn. suec, II. p. 122. n. 94. Fulica 'alerrima. Retz. Faun. suec. p. 199. n. 172. Gmel. Lian. syst. I. 2. p. 703. n. 3. = Fulica Aethiops. Sparrm. Mus. Carls. I. t. 13. = Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 704. n. 22. 15 Foulque ou Morelle. Buff. Ois. VIII. p. 211. t. 8. — Edit. de Deuxp, XV. 265. t. 4. f. 4. == Id. Planch. enl. 197. = Gerard. Tab. élém, II. p. 286. 5 — mu. Foulque ou Macroule Buff. Ois. VIII. p. 220. — Edit. de Deuxp. I. e. p. 272. Gerard. I. e. p. 290. n. 2. = Foulque Macroule. Temm. Man. nouy. Edit, U. 5 p. 706 Common Coot. Penn. aret. Zool. II. p. 496. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 461 n. 333. — Lath. Syn. V. p. 275. — Uiberſ. v. Bigken, III. 1. S. 243. n. 1. = Bewick, brit. Birds. II. p. 133. Greater Coot. Lath. Syn. V. p. 277. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 246. n. 2. Folaga commune. Stor. degl. Ucc. V. Tav. 524 et 6 5 A Savi, Orn. tose. III. p. 5. = Meir Koet. Sepp. Nederl. Vog. I. t. p. 61. Bech ſtein, Nas 636 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. turg. Deutſchl. IV. S. 511. Deſſen, Taſchenb. II. S. 345. n. 1, Teutſche Ornith. v. Borkhauſen, Becker u. a. Heft VI. Männchen. — Wolf u. Meyer, Ta⸗ ſchenb. II. S. 423. — Meyer, Vög. Live und Eſthlands, S. 219. = Meisner u. Schinz, Big. d. Schweiz, S. 246. n. 226. Koch, Baier. Zool. I. S. 349. u. 218. Brehm, Lehrb. II. S. 670. —= Dt 1 a. V. Deutſchl. S. 709 — 711. eee ſchleſ. Faun. S. 51. n. 228. Landbeck Vög. Würtem⸗ bergs. S. 67. n. 242. Friſch, Vög. Taf. 208, — Naumann's Vög., alte Ausg. III. S. 145. Taf. XXX. Fig. 40 (Männchen im Frühling). s Kennzeichen der Art. Die Stirnblaͤſſe weiß; die zweite Ordnung Schwingfedern gro⸗ ßentheils mit weißlichen Endkanten. Die Hauptfarbe bei den Al⸗ ten Schieferſchwarz, bei den Jungen olivenbraun. Beſchreibung. Dieſer gemeine Waſſervogel kann nicht leicht mit einem andern einheimiſchen verwechſelt werden, und ſo aͤhnlich das Jugendkleid auch dem des rothbläffigen Teichhuhns iſt, fo unterſcheiden doch die ganz verſchieden geſtalteten Zehen beide Arten und Gattun⸗ gen auf den erſten Blick. Das gemeine Waſſerhuhn iſt um Vieles größer als ein Reb⸗ huhn und koͤmmt darin wol einer mittelgroßen Haushenne nahe, wenn man ſich den Schwanz dieſer wegdenkt. Uibrigens ſind indi⸗ viduelle Groͤßenunterſchiede unter dieſen Voͤgeln ſehr gewoͤhnlich und oft ſehr auffallend, ſo daß nicht ſelten die Laͤnge um 2, die Breite um 4 Zoll bei Einzelnen abweicht, was bei Voͤgeln dieſer Groͤße ſchon eine ſehr in die Augen ſpringende Verſchiedenheit giebt. Dazu find denn auch die Weibchen ſtets etwas kleiner als die Maͤnn⸗ chen. So kann die Länge alter Individuen von 15°/, bis zu 17 Zoll, die Flugbreite von 29½ zu 32 ¾ Zoll, die Fluͤgellaͤnge von 8¼ zu 9½ Zoll, ſelbſt die Lange des Schwanzes von 2 au 23/; Zoll wechſeln. Das kleine Gefieder iſt ungemein weich, dicht und mel art TE an den untern Theilen des Rumpſes ungewöhnlich dick, uͤberall weitſtrahlig, wie zerſchliſſen und ohne deutliche Umriſſe, am Kopfe und Halſe ſammetartig anzufuͤhlen. Auch die letzten, breit lanzett⸗ foͤrmigen Schwingfedern (dritter Ordnung) haben noch undeutliche Conturen; ſie bilden eine Art hinterer Fluͤgelſpitze, die zwar ziemlich XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 637 ſtumpf ift, am ruhenden Flügel aber doch bis auf das Ende der fuͤnften großen Schwinge reicht, welche nebſt denen der zweiten Ordnung und den Fittichdeckfedern allein ſtarke, bei erſtern ſpitzewaͤrts nach innen gebogene, Schaͤfte, derbe, dicht geſchloſſene Fahnen und ſcharfe Umriſſe haben. Von denen erſter Ordnung, welche an der Wurzel bedeutend breit, ſpitzewaͤrts allmaͤhlich ſchmaͤler in das zuge⸗ rundete Ende auslaufen, iſt die allererſte beinahe ein Zoll kuͤrzer als die zweite, dieſe die laͤngſte, die folgende aber faſt eben ſo lang; die der zweiten Ordnung, die letzten ausgenommen, faſt gleich lang, anſehnlich und gleich breit, mit abgerundeten Enden. Am Fluͤgelbuge ragt ein kleiner, umgekehrt kreiſelfoͤrmiger, harter Auswuchs hervor, er iſt aber nur ein paar Linien hoch. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel, die ſtets unter den großen Federn der Bruſtſeiten (Tragfedern) getragen werden, reichen gewoͤhnlich bis auf die Wurzel des ſehr kurzen Schwanzes, welcher ſtets aus mehr als 12, gewoͤhnlich aus 14, oͤf⸗ ters auch aus 16, ſehr weichen, mit breiten Fahnen und einem ab⸗ gerundeten Ende verſehenen Federn beſteht; da ſie nach außen in der Breite, wie in der Laͤnge ſtufenweis abnehmen, ſo daß eine des äußerften Paares gegen eine des mittelſten um ½ Zoll weniger mißt, fo entſteht dadurch ein abgerundetes Schwanzende. Die Kürze des Schwanzes macht, daß er oben nur / unten bloß % Zoll aus den Deckfedern herausragt, welche uͤbrigens weder groß noch lang ſind. Diäerr ziemlich kurze, ſtarke, doch von den Seiten auſſerordentlich zuſammengedruͤckte Schnabel iſt, der Firſte nach, anfaͤnglich gerade, von der Mitte an in einem fanften oder flachen Bogen in die Spitze ausgehend; am Kiel bis zu zwei Drittheil, als ſo weit die eben nicht breite Kielſpalte vor geht, ganz gerade, dann ebenfalls gerade, in einem ſehr ſtumpfen Winkel, daher ein ganz unbedeutendes Eck machend, in die Spitze uͤbergehend, wodurch beiderſeits der Schnabel eine ſtumpfe oder kurze Spitze erhält. Die ſehr ſcharfen Schneiden, von denen die untere etwas in die obere eingreift, find nicht gerade, ſondern ſanft geſchweift, nämlich vom Mundwinkel ein Wenig ab- waͤrts geſenkt, bald wieder ſanft aufſteigend und eine laͤngere Strecke im ſchwachen Bogen in die Spitze auslaufend. Er iſt hornhart, nur an der ſehr großen, laͤnglich eirunden Naſenhoͤhle weich, in wel: cher ſich ganz vorn, in der Schnabelmitte, das kurz ritzfoͤrmige, nach vorn etwas aufſteigende und erweiterte, uͤbrigens durchſichtige Na⸗ ſenloch oͤffnet. Vor der Stirn geht der Schnabel in eine breite, ovale, nackte Platte oder Blaͤſſe uͤber, die bis zur Mitte des Schei⸗ tels, den hinteren Augenwinkeln gleich, aufſteigt, dort abgerundet 638 XIII. Orbn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. und zwiſchen den Augen am breiteſten iſt, die unter der weichen Haut, im Fruͤhjahr mehr, im Herbſt weniger, angeſchwollen ſcheint und ſich wie ein weicher Schwamm anfuͤhlen laͤßt. — Bei juͤn⸗ gern Voͤgeln iſt dieſe Blaͤſſe kleiner, bei den Jungen im Be ſommer ſehr klein und ſchmal. Die Länge des Schnabels iſt, bei alten Voͤgeln, I Zoll 3 bis 4½ Linien; feine Höhe an der Wurzel 7 Linien; feine Breite hier nur 4 Linien; die Stirnblaͤſſe II bis 12 Linien lung und zwiſchen den Augen 7 bis 8 Linien breit. Bei jungen Herbſtvoͤgeln iſt er etwas kuͤrzer, beſonders niedriger; die Stirnblaͤſſe kaum halb ſo groß als bei jenen, noch fruͤher dieſe beſonders ſehr ſchmal, nur ein paar Linien breit. Die Farbe des Schnabels nebſt der Stirnblaͤſſe iſt im Leben, bei den Alten, ein reines Weiß, zuweilen, aber nicht immer, mit einem ſehr ſchwachen roͤthlichen Schein an der hintern Schnabelhaͤlfte. Dies, zumal in der Begattungszeit, wirklich oft blendende Weiß, bekoͤmmt jedoch gleich nach dem Ableben des Vogels uͤberall einen fleiſchroͤthlichen Schein, am ſtaͤrkſten an den Mundwinkeln und der Naſenoͤffnung, und wird nach kurzem Abwelken zur wirklichen Fleiſchfarbe, an der Blaͤſſe und der Schnabelſpitze halt es ſich jedoch am laͤngſten als nur roͤthliches Weiß. Nach voͤlligem Austrocknen bleibt der Schnabel nur noch gelblichweiß und die zuſammenge⸗ ſchrumpfte Stirnblaͤſſe wird hornartig braungelblich. An den zarten Jungen iſt er anfaͤnglich bloß an der vordern Haͤlfte weiß, an der Wurzelhaͤlfte und der ſehr kleinen Blaͤſſe roth; ſpaͤter, wenn ſie Fe⸗ dern bekommen und faſt flugbar geworden, iſt er ſchmutzig weiß, an der Firſte und Spitze braͤunlich oder auch dunkelgrau, zuweilen hat er auch einige ſo gefaͤrbte Flecke an den Seiten und von oben her einen olivengruͤnlichen Anſtrich; die Stirnblaͤſſe iſt dann auch noch klein und ſchmal; erſt mit der Herbſtmauſer bildet ſie ſich je mehr und mehr aus. Die Augenlieder find weißlich befiedert; die Iris der etwas kleinen Augen blutroth oder dunkel braunroth, bei juͤngern Voͤ⸗ geln braun, bei ganz jungen braungelb. Die unfoͤrmlich großen Fuͤße ſind uͤber der Ferſe etwas nackt mit ziemlich hohen, beſonders ſtarken, von den Seiten ſehr zuſam⸗ mengedruͤckten Laͤufen, und mit auſſerordentlich langen, ſchlanken Zehen. Von den drei Vorderzehen iſt die mittelſte die laͤngſte, die innere die kuͤrzeſte, alle an der Baſis durch kurze Spannhaͤute ver⸗ VIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 639 bunden, ihrer ganzen uͤbrigen Laͤnge nach aber zu beiden Seiten mit breiten, duͤnnen Schwimmlappen beſetzt, deren Rand lauter Bo⸗ gen bildet, indem ſie an jedem Gelenk einen Ausſchnitt haben, wel⸗ cher bloß dem innern Lappen der aͤußern Zeh am vorderſten Gelenk (das Nagelgelenk nicht gerechnet) fehlt, die alſo an dem aͤußern Lappen drei, an dem innern nur zwei Ausſchnitte, aber beide Lap⸗ pen der Mittelzeh zwei und beide der innern Zeh nur einen Aus⸗ ſchnitt haben. Die Hinterzeh iſt viel kuͤrzer und ſchwaͤchlicher als eine der vordern, nur ein Wenig hoͤher als dieſe eingelenkt, bloß mit Einem Lappen, von der Sohle gebildet, verſehen, wie bei vie⸗ len Entenarten. Der weiche Ueberzug iſt auf dem Spann in große, breite Schildtafeln, neben dieſen in kleinere Schilder zerkerbt, uͤbri⸗ gens wie an den Gelenken gegittert; die Zehenruͤcken ebenfalls groß geſchildert, die Lappen mit mehrern Laͤngereihen viereckiger Schilder belegt, die zunaͤchſt jenen groß ſind, nach außen immer kleiner wer⸗ den und am Rande ganz klein ſind; die Zehen- und Lappenſohlen fein chagrinirt. Die Krallen ſind ziemlich groß, ſchlank, ſehr wenig gebogen, ſehr ſpitzig, unten mit einer breiten Rinne, daher an den Kanten ſcharf. — Die mittlern Maaße der nackten Fußtheile ſind folgende: Die Nacktheit des Unterſchenkels (wie immer, mit dem halben Ferſengelenk gemeſſen) ¼ Zoll, öfter daruͤber als darunter; die Laͤnge des Laufs 2½ Zoll; die der Mittelzeh, mit der 8 Linien langen Kralle, 3 Zoll 10 Linien; die der Hinterzeh, mit der 5 Li⸗ nien langen Kralle, 1 Zoll 4 Linien; der breiteſte Schwimmlappen an der innern Seite der Mittelzeh 5 bis 6 Linien breit. Dieſe Maaße variiren nach Individualitaͤt, doch meiſtens in demſelben Verhaͤltniß der einzelnen Theile zu einander. Die Faͤrbung der Fuͤße bei alten Voͤgeln und im friſchen Zuſtande, wo ſie ſich ſehr weich anfuͤhlen laſſen, iſt an dem nackten Ferſentheil und am Lauf graugruͤn, auf dem Spann in lichteres Gelbgruͤn, an den Gelenken aber in gruͤnliche Bleifarbe uͤbergehend; uͤber der Ferſe, hinterwaͤrts, wo die Schilder etwas größer, diefe gelb, in ih⸗ rer Mitte mehr oder weniger hochroth gefaͤrbt, welches einen ſoge⸗ nannten Knieguͤrtel von angenehm gelbrother Faͤrbung bildet, die aber weniger rein und lange nicht fo ſchoͤn als bei Gallinula chlo- ropus iſt; die Zehen und Schwimmlappen haben eine ſehr bleich olivengelbliche Grundfarbe, von welcher jedoch wenig geſehen wird, indem ſaͤmmtliche Gelenke einen dunklern, ſchmutzig blaugruͤnlichen Anſtrich haben und die Lappen nach außen ſanft in Bleigrau und nach und nach an den Raͤndern ins Bleiſchwaͤrzliche uͤbergehen; 640 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. Zehen: und Lappenſohlen find ſchwarz. So am lebenden oder eben getödteten alten Waſſerhuhn. Sobald dieſe Theile im Tode welk werden, verändert ſich dieſe, denen der Lappentaucher nicht un⸗ ähnliche Färbung; — fie wird nach und nach dunkler und unſchein⸗ licher, wenn die Beine voͤllig ausgetrocknet (wie an ausgeſtopften), ganz unkenntlich, hornbraun, ſchwarz gemiſcht oder ſchattirt, und der rothgelbe Knieguͤrtel verſchwindet ſpurlos. Die Krallen ſind braun⸗ ſchwarz oder voͤllig ſchwarz und veraͤndern ſich im getrockneten Zuſtande nicht oder nur unmerklich. An jungen Herbſtvoͤgeln iſt die Färbung der Fuͤße lichter, grauer, weniger gruͤnlich, der Knieguͤrtel durch eine mehr gelbliche Farbe angedeutet, aber ohne Roth; in fruͤher Ju— gend ſind ſie noch lichter bleifarbig, ohne Gelb und Gruͤn. Dieſe Jungen ſind, wenn ſie eben den Eiern entſchluͤpft, ſehr dicht mit haarigen Dunen bekleidet, welche im Allgemeinen dunkel ſchieferfarbig oder ſchieferſchwarz ausſehen, an den meiſten Theilen aber ſilberweiße Spitzen, uͤber dem Fluͤgel, der am wenigſten be⸗ kleidet die roͤthliche Haut durchſchimmern laͤßt, hell- und dunkelroſt⸗ gelbe Enden haben, die am Anfange des Halſes noch auffallender werden, ſich ungleichartig kruͤmmen, in Roſtfarbe und am Kopfe in Roſtroth uͤbergehen und ſich faſt kraͤuſeln, an der Stirn, den Zuͤgeln und uͤber den Augen aber in warzenaͤhnliche Knoͤtchen oder kleine Schuppen ausarten, welche prächtig hochroth gefärbt find, während auf dem Mittel- und Hinterfcheitel Schieferfarbe vorherrſcht. Zwi⸗ ſchen dieſem ſchoͤnen Roth ſteigt das aͤußerſt kleine, lichtrothe Blaͤſſ— chen auf; auch der Schnabel iſt vom Mundwinkel an zwei Drit⸗ theile feiner Länge blaßroth, wo dieſes aufhört aber dunkelroth in zackigter Linie begrenzt, am letzten Drittheil ſchneeweiß, aber das Raͤndchen der obern Schneide zunaͤchſt der Spitze und dieſe ſelbſt ſchwarz, jedoch nur ganz fein. Die Augenlider ſind weißlich, die Augenſterne licht braungelb; die Fuͤße ſehr blaß bleifarbig, an den Rändern dunkler ſchattirt. — Wegen des Rothen an der Stirn ah: neln fie in der Ferne den Jungen des gemeinen Teichhuhns; die weniger dunkele Färbung der Dunen, ihre vom Anfange an be traͤchtlichere Koͤrpergroͤße, beſonders aber die Lappen an den Zehen, laſſen keine Verwechslung zu. — An Ausgeſtopften verſchrumpfen die ſonderbaren Knoͤtchen oder Schuppen im Geſicht bis zum Un⸗ kenntlichen, ihre hochrothe Farbe verwandelt ſich in Braun, wie denn auch das Roſtroth an der Kehle und den Kopfſeiten ganz ungemein ſchlecht und undeutlich wird. Einige Tage alt wird das Roth der Stirn ſchon ſchlechter, XIII. Ordn. LXXV. Gatt 271. Gem. Waſſerhuhn. 641 auch das an den krauſen Dunenſpitzen der Kopfſeiten, und nach und nach von ſchieferfarbigem Flaum verdraͤngt, ſo daß bei 10 bis 12 Tage alten hier nur noch braͤunliche Dunenſpitzen bleiben, wo⸗ bei auch das Roth am Schnabel verſchwindet und in eine ſchmutzige a Miſchung von Weiß und ſchwachem Dlivengrün umgewandelt wird. In dieſer Zeit fangen ſchon ordentliche Federn an, die Dunen zu verdraͤngen, zuerſt an den untern Theilen des Rumpfes, dann am Oberkörper, am Halſe, Kopfe und Fluͤgeln, in dieſer Ordnung, und zuletzt erſcheinen die en ee 1 1 5 6 5 we we fie flugbar. Das vollſtaͤndige Jugendkleid, worin fie 10 den Alten f in der Groͤße noch nachſtehen, hat dann folgende Farben: Am Schna⸗ bel iſt kaum noch ein ſchwacher Schein vom Olivengruͤn zu ſehen; er iſt ſchmutzig weiß, an der Firſte und Spitze grau; die kleine, ſchmale Stirnblaͤſſe weißlich; die Iris braun; die Farbe der Füße wie oben angegeben. Stirn, Oberkopf, Hinterhals, alle obern Theile, nebſt dem Schwanz und ſeinen Deckfedern, die ganzen Ober⸗ flügel, die etwas dunklern, nach innen mehr ſchwarzgrauen, großen Schwingfedern ausgenommen, ſind duͤſter Olivenbraun, mit durch⸗ ſchimmerndem Schiefergrau; das Fluͤgelraͤndchen und die Endſaͤume der mittlern Schwingfedern ſchmal weiß. Vom Schnabel nach dem Auge und von hier durch die Schlaͤfe zieht ein mehr oder weniger deutlicher, truͤbe weißer Strich; die Zuͤgel ſind dunkel ſchiefergrau; ‚olivenbräunlich uͤberlaufen und gefleckt; die Kehle ſchmutzig weiß, ſeitwaͤrts grau gefleckt; der Hals vorn und an den Seiten ſchiefergrau, lichter gewoͤlkt, auf der Gurgel mit weißen Federſaͤumchen oder ſolchen Kanten; die Bruſt aſchgrau, mit fo breiten weißen Federkanten, daß fie auf der Mitte hinab faſt ganz weiß erſcheint, an den Seiten und den Tragfedern, wo vom Weiß nur feine Endſaͤumchen bleiben, dieſe Theile dagegen faſt ganz ſchieferfarbig ausſehen, am dunkelſten und olivenbraun uͤberlaufen uͤber den Schenkeln; die letztern, der Bauch und die Unterfluͤgel dunkelſchieferfarbig. Maͤnnch en und Weibchen ſind aͤußerlich nicht zu unterſcheiden. Nach der erſten Herbſtmauſer ſind ſie den Alten gleich gefrbt, auf der Mitte des Unterkoͤrpers hinab aber mit viel breitern weißen Federkanten, weshalb dieſer Theil in einiger Entfernung faſt ganz weiß zu ſein ſcheint, indem dieſe Federn an alten Herbſtooͤgeln nur ganz ſchmale weiße Saͤume haben. Sie unterſcheiden ſich von dieſen indeſſen noch deutlicher durch ihre um Vieles kleinere, nur ſchmutzig weiße Stirnblaͤſſe und durch die weniger lebhaften, 1 or Theil, b 41 642 XIII. Orbn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Welse braun gefaͤrbten Augenſterne, ſtehen ihnen auch ung noch in der ‚Größe nach. Beide Geſchlechter ſind an der etwas verſchiedenen Große und die Weibchen an der blaſſern Schieferfarbe kenntlich. Im Fruͤhjahr haben ſich die weißen Saͤume am Gefieder der untern Theile bei den Alten ganz abgerieben, waͤhrend bei den Jungen noch bedeutende Reſte, bei vielen ſelbſt bis in den Som: mer hinein, davon zu ſehen ſind. Auch die Stirnblaͤſſe dieſer hat noch nicht die vollſtaͤndige Groͤße und reicht nur bis dem vordern Augenwinkel gleich hinauf; ſie iſt auch nicht ſo blendend weiß * wie der Schnabel fleiſchroͤthlich uͤberlaufen. Das Fruͤhlingskleid der jungen Vögel ift übrigens u: ber alten gleich, nur matter gefaͤrbt und weniger ſchwarz. Bei dieſen ſind dann Kopf und Hals ſammetſchwarz, dieſes geht aber gegen die untere Halswurzel nach und nach in eine tiefe Schiefer⸗ farbe (Schwarzblaugrau) uͤber, welche auf allen übrigen Körpertheis len beinahe die alleinherrſchende, am Ruͤcken, an den Schultern, dem Oberfluͤgel und den Tragfedern am reinſten und ſchoͤnſten, auf der Mitte des Unterforpers und an den Schenkeln am matteſten und lichteſten iſt, an der untern Schwanzdecke aber in wirkliches Schwarz uͤbergeht. Dieſes tiefe Schwarzblaugrau iſt uͤbrigens ſehr gleichfoͤr⸗ mig, nur an den Fluͤgeldeckfedern und den laͤngſten Schulterfedern durch ſchwarze Schaͤfte unterbrochen und an den Schwingfedern dritter Ordnung nach innen in Schwarz uͤbergehend; die der zwei⸗ ten Ordnung, wie die Auſſenfahnen der naͤchſten erſter Ordnung, viel heller ſchieferfarbig als der uͤbrige Mantel, jene auf den Innen⸗ fahnen rauchfahl, an den Enden (die mittelſten am breiteſten) ſchmutzig weiß gekantet, mit ſchwarzen Schaͤften; die großen Schwin⸗ gen auch mit ſchwarzen Schaͤften, rauchfahlen Innenfahnen, nach auſſen und an den Enden dunkler, faſt braunſchwarz, die allererſte mit einem ſehr feinen weißlichen Auſſenſaͤumchen; die Fittichdeckfe⸗ dern wie die Enden der großen Schwingen, die vorderſte Daumen⸗ feder mit weißem Auſſenſaum und der obere und vordere Fluͤgel⸗ rand ſchmal weiß eingefaßt; der Fluͤgel auf der untern Seite an den Schwingfedern glaͤnzend aſchgrau, an den Deckfedern dunkel ſchieferfarbig; der Schwanz ſchwarz, die Mittelfedern an beiden, die uͤbrigen nur an den aͤußern Fahnen in dunkele Schieferfarbe uͤber⸗ gehend. Schnabel und Stirnbläffe find dann im Leben zn weiß, die Füße wie oben befchrieben. 5 Das etwas groͤßere Maͤnnchen hat gewoͤhnlich eine ei größte Stirnblaͤſſe und tiefere Farben, ſo daß man, auſſer der ſammetarti⸗ XIII. Ord n. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 643 gen, tiefen Schwarze des Kopfes und Halſes, die Hauptfarbe Schie⸗ ferſchwarz nennen kann; dabei hat dieſe bei ſehr alten auf dem Mantel einen — freilich ganz ſchwachen und nur in gewiſſem Lichte bemerklichen — blaͤulichen und am Kropfe violetten Schein; bei dem kleinern und Mähren Weibchen geht dagegen das Schwarze, das überhaupt nicht ſo dunkel iſt, am Unterhalſe früber in die, ebenfalls weniger dunkele ſchieferſchwarze Hauptfarbe uͤber, und dieſe iſt auf der Mitte des Unterkörpers, vom Kropfe an, durch roͤth⸗ -Tichgraue, bei manchen in's Weißgraue uͤbergehende Federenden gelichtet. Die Fuͤße der Weibchen haben auch weniger Gruͤn, das gelbliche Knieband wenig oder gar kein Roth; dieſes Alles im Vergleich zu den Männchen läßt fie eben nicht ſchwer von dieſen nnterſcheiden. Im Laufe des Sommers reibt ſich das Gefieder bedeutend ab und die Federraͤnder ſehen an manchen Theilen wie benagt aus, an der Faͤrbung zeigt ſich dagegen kein erheblicher Unterſchied. Mit zunehmendem Alter faͤrbt ſich ihr Gefieder immer dunkler und wird dann aͤcht ſchieferſchwarz, doch nie ganz ſchwarz und ohne jene graublaue Beimiſchung. ö Ä Unter diefen haufig vorkommenden Vögeln giebt es zuweilen Spielarten, als: Eine ganz weiße (Fulica atra candida); eine weißgefledte, mit weißen Federpartien zwiſchen den gewöhnlich gefärbten (F. a. varia); eine weißfluͤgelichte, an welcher bloß die Fluͤgel weiß, alles Uibrige die gewöhnlichen Farben hat (F. a. Teucoptera) ; fie gehören jedoch ſaͤmmtlich zu den größten Seltenheiten. Die Maufer der Alten füllt gewöhnlich zu Anfang des Aus guſt, geht ſchnell von Statten und ſie koͤnnen in dieſer Zeit, faſt ein paar Wochen lang, gar nicht fliegen, weil ihnen beinahe alle Schwingfedern zu gleicher Zeit ausfallen. Das Waſſer iſt dann, wo ſie weilen, oft von ihren Federn bedeckt, denn es ſind in dieſer Periode beſonders gern mehrere beiſammen. Die Jungen vertau⸗ ſchen ihr Jugendkleid einen Monat ſpaͤter mit einem neuen, wobei ſie aber die Schwingfedern vom vorigen beizubehalten ſcheinen. 2 Aufenthalt. a Das gemeine Waſſerhuhn iſt ein uͤber viele Theile der Erde verbreiteter Vogel. Es bewohnt am haͤufigſten die gemaͤßigte Zone, weniger haͤufig die heiße, die kalte gar nicht; denn es geht in Eu⸗ ropa kaum bis zum mittlern Schweden, in Aſien bis ins mitt⸗ 41° 644 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. lere Sibirien, in Amerika wenig uͤber die Suͤdgrenze Cana⸗ da's hinauf. Man hat es von da an in allen ſuͤdlichern Laͤndern, eines Theils durch die Tatarei bis Perſien und China, an⸗ dern Theis bis Carolina, auf Jamaika und in Braſilien, dazu in ganz Afrika, von Aegypten und Senegambien bis zum Vorgebirge der guten Hoffnung angetroffen. In Eu⸗ ropa iſt es, die hoͤher gegen Norden gelegenen Laͤnder ausgenom⸗ men, uͤberall gemein, ſo in England, Spanien, Frankreich, Italien, Ungarn, Polen, Preußen, dem ſuͤdlichen und mitt⸗ lern Rußland, Daͤnemark, wie in der Schweiz, Holland und in ganz Deutſchland. In geeigneten Lagen iſt es hier uͤberall und in vielen in ſo großer Menge vorhanden, daß es zu den bekannteſten Voͤgeln gehoͤrt. So bewohnt es auch in Anhalt und den umliegenden Gegenden jedes ſtehende Gewaͤſſer von nicht zu geringem Umfange, in einzelnen oder mehreren Paaren, die gro⸗ ßen Teiche und Landſeen, namentlich den ſalzigen und ſuͤßen See ohnweit Eisleben, aber in ſehr großer Anzahl. In ſuͤdlichern Laͤndern iſt es Stand- oder hoͤchſtens Strich⸗ vogel, aber aus noͤrdlichern zieht es vor Winter weg und kehrt erſt im Fruͤhjahr, ſobald die groͤßern ſtehenden Gewaͤſſer frei vom Eiſe werden, zuruͤck. Die hier angekommenen ſammeln ſich dann daſelbſt, bis gelinde Witterung ihnen erlaubt, ſich auch auf andere indeſſen freigewordene Teiche u. dgl. zu vertheilen oder auch wei⸗ ter nordwaͤrts zu wandern. Auch zum Wegzuge im Spaͤtherbſt pflegen ſie ſich in Schaaren zu verſammeln, indem ſie die kleinern Teiche und Suͤmpfe verlaſſen und ſich auf große Gewaͤſſer begeben. Hier werden ſie bei einfallenden Fruͤhfroͤſten oft ſo zuſammenge⸗ draͤngt, daß die ſchwarze Schaar, wie auch im Fruͤhjahr, wenn das Waſſer nur erſt ſtellenweiſe frei vom Eiſe geworden, oͤf⸗ ters die ganze offene Waſſerflaͤche bedeckt. Staͤrkere und anhaltende Froͤſte beſtimmen ſie endlich weiter zu wandern und nicht ſelten iſt von ſolchen Orten der ganze Schwarm am naͤchſten Morgen ver⸗ ſchwunden. Bleibt der Herbſt ſehr lange hinaus frei von ſtarkem Froſte, ſo bleiben auch die Waſſerhuͤhner lange bei uns, einzelne ſogar den ganzen Winter hindurch, wenn er fortwaͤhrend gelinde bleibt, ſchon in unfern Gegenden. Tritt aber plotzlich ſtrenge Kälte ein, ſo wandern auch dieſe noch weg. Im Allgemeinen darf man jedoch annehmen, daß die letzte Haͤlfte des October und die erſte des November die rechte Zeit des Wegzugs, im Frühjahr aber der März die der Wiederkunft iſt. Dieſe iſt aber faſt noch ungewiſſer als XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn 645 jener, weil ſie beinahe noch mehr von der Witterung abhaͤngt, in manchen Jahren wol noch fruͤher erfolgen, in andern, bei langſam eintretendem Thauwetter, ſich wol auch bis in den April verſpaͤten kann. Uibrigens iſt es unter den im Fruͤhjahr wiederkehrenden Zug⸗ voͤgeln ſtets einer der erſten. Viele dieſer Voͤgel uͤberwintern ſchon im ſuͤdlichen Ungarn, noch mehrere in Italien; von Sardi⸗ nien ſagt man, daß ſie dort in ſo enormer Menge den Winter verleben, daß man fie wie die abfallenden Baumblaͤtter herumflat⸗ tern oder die Gewaͤſſer bedecken ſieht. Auch auf den Schweizer⸗ Seen uͤberwintern ſchon viele, zumal in nicht allzuſtrengen Wintern. Dieſe Waſſerhuͤhner ziehen bloß des Nachts, meiſtens vereinzelt oder doch nicht in gedraͤngten Haufen. Sie brechen ſpaͤt in der Daͤmmerung oder mit Eintritt der Nacht zur Reiſe auf, ſchwingen ſich dazu hoch in die Luft und ſtreichen ziemlich ſchnell in gerader Linie fort, im Fruͤhjahr bald in noͤrdlicher, bald in oͤſtlicher Richtung, im Herbſte umgekehrt in ſuͤdlicher oder weſtlicher. Dies Alles kann man zwar nicht ſehen, aber an ihrer bekannten Stimme, die man alle Jahr an den erſten gelinden Fruͤhlingsabenden, auch auf dem Herbſtzuge ſehr oft in den Luͤften hoͤrt, deutlich wahrnehmen. Es haben dieſe Toͤne im Fruͤhlinge, als laute Verkuͤndiger des wieder⸗ kehrenden Voͤgelzugs für den Naturfreund einen eigenthuͤmlichen Reiz. In mondhellen und ſtillen Nächten werden ſie beſonders oft laut; auch laſſen fie ſich, wo fie über Gewaͤſſer fliegen, oͤfter hoͤren, als wo ihre Luftreiſe uͤber trocknes Land geht. Da man ſelten mehr als eins uͤber ſich hinſtreichen und ſchreien, aber nach Verlauf einiger Stunden viele hoͤrt, ſo koͤnnen ſie ſchwerlich in gedraͤngten Haufen fliegen, obgleich oft die auf einem großen Teich oder See verſammel⸗ ten alle in einer Nacht verfchwinden, oder umgekehrt, wo Tags vor⸗ her keine bemerkt waren, am Morgen ſehr viele geſehen werden. Sein Aufenthalt iſt nicht das Meer, in der Zugzeit allenfalls nur die ſtillſten Buchten deſſelben, aber auf die hohe See wagt es ſich nie. Auch auf Fluͤſſen und Stroͤmen wird es faſt nie angetroffen. Seine eigentlichen Wohnſitze ſind nur ſtehende Gewaͤſſer, namentlich ſolche, die tiefes Waſſer haben und an den Raͤndern mit vielem dichten Schilf und hohem Rohr beſetzt ſind, und dann die eigentli⸗ chen Rohrwaͤlder, wenn ſie neben ſich große freie und tiefe Waſſer⸗ flächen haben oder ſolche umſchließen. Alle groͤßern und kleinern Landſeen von dieſer Beſchaffenheit gewaͤhren daher einer Menge von dieſen Voͤgeln gewuͤnſchte Aufenthaltsorte, ebenſo, nur einer gerin⸗ geren Anzahl, ſo beſchaffene große Teiche und Altwaſſer. Selbſt klei⸗ 646 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. nere Teiche, mit vielem Schilf und Rohr, dienen wenigſtens einzel⸗ nen Paͤaͤrchen zu Wohnſitzen; allein ſo kleine, wie ſie oft das roth⸗ blaͤſſige Teichhuhn bewohnt, niemals, fie müßten den in einer ſehr ſtillen Gegend liegen und ſonſt noch weite waſſer- und ſchilf⸗ reiche Umgebungen haben, wie ſie denn auch in großen Bruͤchern nur an ſolchen Stellen zu finden ſind, wo das Waſſer tief iſt und große freie Flaͤchen bildet. Zwiſchen den ſogenannten Kufen trifft man ſie ebenfalls nur da an, wo das dieſe umgebende Waſſer zum Schwimmen tief genug iſt, doch immer nur in der Naͤhe groͤßerer freier Waſſerflaͤchen. Obgleich nnfer Waſſerhuhn am liebſten ent⸗ fernt von Menſchen oder doch an ſolchen Orten ſeinen Wohnſitz aufſchlaͤgt, wo es ihm durch Verſtecken im Rohr oder Wegſchwim⸗ men auf weitere Flaͤchen ausweichen kann, ſo findet man es doch auch auf Gewaͤſſern, an denen lebhafte Straßen dicht vorbeifuͤhren, ſogar auf groͤßern Teichen dicht bei Haͤuſern oder gar mitten in Doͤrfern. Wird es hier von Niemand beachtet, ſo kann es beinahe ſo zutraulich werden, wie das ihn Teichhuhn in ſolchen Faͤllen. Die meiſte Zeit 1 dieſe Waſſerhuͤhner ſchwimmend und zwar ſehr verſchieden, bald auf großen freien Flaͤchen, bald zwiſchen Schilf und Rohr verſteckt, bald in der Naͤhe dieſes, bald ſehr weit davon entfernt. An das Land kommen ſie ſelten, wo ſie ſich nicht recht ſicher glauben nur zwiſchen Schilf und Gras verſteckt, an ein⸗ ſamen Orten wol auch an kahle oder kurz beraſete Ufer, aber ſie verweilen nie lange an ſolchen. Viel oͤfterer ſtellen fie ſich auf Halbinſeln, Landzungen oder wirklichen Inſeln auf, um bei drohen⸗ der Unſicherheit ſogleich wieder flott ſein zu koͤnnen und ſchwimmend ſich auf den Waſſerſpiegel zu fluͤchten. Zu manchen Zeiten, beſon— ders gleich nach ihrer Ankunft im Fruͤhjahr, wo das vorjaͤhrige Rohr und Schilf im Winter weggebracht, das junge eben auffchoffende ſie aber noch nicht bergen kann, im Herbſt vor der baldigen Abreiſe, auch im Sommer waͤhrend der Mauſer, ſind ſie den ganzen Tag weit vom Ufer, in der Mitte großer Teiche und Seen, auf freiem Waſſer, naͤhern ſich nur gegen Abend dem Ufer und dem Rohr, halten ſich auch des Morgens nicht lange bei demſelben auf und ſchwimmen mit Sonnenaufgang ſchon wieder der Mitte des großen Waſſerſpiegels zu, nur nicht bei Sturm und Wellenſchlag, die ih⸗ nen zuwider ſind, wo ſie ſich dann in der Naͤhe des Rohrs und in ſolchen Winkeln der Gewaͤſſer aufhalten, die ihnen Schutz vor jenen gewaͤhren. Ragt eine Landzunge weit in das Waſſer hinaus, ſo XIII. Orb n. LXXV. Gatt. 2715 Gem“ Waſſerhuhm 647 genießen fie auf ſolcher gern die Morgenſonne, putzen ihr Gefieder, fetten es ſorgfaͤltig ein, und koͤnnen fich da, wenn fie von Menſchen nicht geſtört werden, in dieſer Zeit Stunden lang beſchaͤftigen! Am ſalzigen See im Mannsfeldiſchen, welcher beinahe die Geſtalt eines Halbmondes hat, erſtreckt ſich von der großen Halbinſel aus, welche das weſtliche Ufer bildet, von Weſt nach Oſt, eine ſolche ſchmale, ganz flache, ſandige, ſpitz auslaufende Landzunge gegen 400 Schritt lang in den See hinaus, die Teufelsbruͤcke oder Teufelsſpitze genannt, welche nicht allein den meiſten der in gro⸗ ßer Menge den See bewohnenden Waſſerhühner, ſondern auch allen Entenarten und andern Schwimmvoͤgeln zu jenem Zwecke dient, ſo daß man dieſe merkwürdige Landzunge gleich nach Aufgang der Sonne, beſonders in der Zugzeit, ein paar Stuͤndchen lang, oft von Tauſenden dieſer dunkelfarbigen. Geſtalten ſo bedeckt findet, daß ſie in der Ferne einen ſchwarzen Streifen auf der blauen Flut darſtellt, die vielen und vielartigen Vogel aber, durch ein Wm beſchauet, einen entzuͤckenden Anblick gewaͤhren. Die Lieblingspflanzen unſres Waſſerhuhns find, Rohr K mi) und Kolbenſchilf (Typha angustifolia, weniger T. la- tifolia) und die großen Teichbinſen (Scirpus lacustris); das niedri⸗ gere Seggenſchilf, andere Binſen⸗, Schilf- und Grasarten nur, wenn fie mit recht viel und in großen Theilen mit jenen beiden zuerſt ges nannten untermiſcht ſind oder damit abwechſeln. Weidengebuͤſch am Ufer oder auf Inſeln iſt ihm gleichguͤltig, noch weniger liebt es Baume, wenn fie nahe am Ufer ſtehen, obgleich man ſagt, daß es zuweilen auf einem Aſte ſitzend angetroffen ſei, was uns jedoch nie vorgekommen iſt. An von dichtem Walde umſchloſſenen, gröͤßern Gewaͤſſern koͤmmt es faſt gar nicht ans ufer, a es“ bildet ſich dann fern von dieſen durch Umknicken des Schilfs u. dergl. die nöthigen Ruheplaͤtzchen, wie es ſich dergleichen auch auf vielen andern Ges waer zubereitet, wo es daneben doch auch ans Land gehen kant. Das reine, bis auf den nackten Grund klare Waſſer liebt un⸗ ſet Waſſerhuhn nicht, auch nicht das bloß mit Entengruͤn (Lemma) bedeckte, dagegen aber mehr ſolches, in dem allerlei ſchwimmende Pflanzen, als: Nymphaea alba et N. Iutea, Stratiotes aloides, Me- nyanthes nymphoides, auch wol M. trifoliata; Hydrochaeris Mor- sus Ranae, Potamogeton natans, Trapa tis, Ranunculus aqua- ülis et R. heterophyllus und viele andere wachſen und die Ober⸗ fläche theilweis bedecken, noch weit mehr aber ſolches Waſſer, an deſſen Oberfläche man wenig oder nichts ſieht von dem Pflanzen⸗ 648 XIII. Ord n. LXXV. Gatt. 271. Gem. Wafferhuhm wald unter ihr, der aus der Tiefe gegen ſie aufſtrebt, wie junge Tannen, aber aus mehreren Potamogetou-, Myriophyllum-, Cerato- phyllum-, Chara-; Najas- Arten und andern untertauchenden Pflan⸗ zen (dem ſogenannten Fiſchkraut des gemeinen Manns) beſteht die, wenn das Waſſer ſtill und klar, in mehr als Klaftertiefe, von einem Nachen herab, einen intereſſanten Anblick gewaͤhren. Es liebt darum dieſe Kraͤuter, weil es an und zwiſchen ihnen die weihen ad liebſte Nahrung findet. Es iſt halb Tag⸗ halb Nachtvogel und in der Zugzeit die ganze Nacht munter; außer ihr geht es aber Abends mit Ende der Dämmerung zur Ruhe und ſchlaͤft bis zum Anfang der Morgendaͤm⸗ merung, auf einem niedergetretenen Schilfbuͤſchel oder Schlammhuͤ⸗ gelchen, ſtets vom Waſſer umgeben und nie nahe am Ufer, auf einem Beine ſtehend oder auf die Bruſt niedergekauert. Seine Schlafſtellen ſind faſt immer von dichtem Schilf oder Rohr umge⸗ ben, an der Waſſerſeite eines Rohrwaldes und oft tief in demſel⸗ ben. An den langen Sommertagen begiebt es ſich um die heiße Mittagszeit auch in das A 0 oder Schilf und haͤlt darin Er be | | Wir e * . se a r neun 10 In einiger Enterfnung ſieht unſer Waſſerhuhn ganz . aus und ſein weißer Schnabel, mit der blendend weißen großen Stirnbläſſe, macht es ſchon von Weitem kenntlich. Stehend hat es eben keine huͤbſche Geſtalt; die unförmlich großen, weit nach hinten liegenden Beine machen, daß es, um das Gleichgewicht zu erhalten, mit der Bruſt ziemlich aufrecht ſteht; den Hals biegt es dazu in eine gedruckte Sform, den Ruͤcken in einen Bogen, ſo daß der kurze Schwanz ſich ſehr nach unten ſenkt. Die langen Zehen geben Ur⸗ face, daß es mit denen des einen Fußes oft auf die des andern tritt, was einen holperichten Gang giebt, weshalb es, um dies zu verhindern, gewoͤhnlich weite Schritte macht, die ſchneller folgend zu einem ziemlich raſchen Lauf werden koͤnnen, in welchem man es aber ſelten ſieht, etwa nur wenn es einmal uͤber eine kleine Halbinſel zu Fuß hineilt und Menſchen herannahen ſieht. In ſolchen Faͤllen geht 6, um weniger in die Augen zu fallen, ganz geduckt, den Hals tief XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 27 I. Gem. Waſſerhuhn. 649 niedergebogen und den Kopf der Erde nahe. Auch uͤber den Schlamm zwiſchen Rohr und Schilf ſchleicht es in ſo geduckter Stellung fort, wenn es einen Menſchen gewahr wird. — Weit huͤbſcher nimmt es ſich ſchwimmend aus, wo es den Entenarten mit belappter Hinterzeh aͤhnlich ſieht, dabei den Rumpf ziemlich tief in das Waſſer taucht, den Schwanz nie ſo aufhebt, wie das Teich: huhn, ſondern wie jene, wagerecht und dabei ziemlich tief trägt, den Hals mehr oder weniger wie ein S biegt oder auch, wenn es nicht geſehen ſein will, ihn mit dem Kopfe gerade ausſtreckt, faſt auf die Waſſerflaͤche niederdruͤckt und ſo dem Schilfe zuſchwimmt, wenn es ſich nahe bei demſelben befand. Wird es dagegen auf freier Wafferfläche durch den Anblick eines nahenden Menſchen oder andern Feindes uͤberraſcht, ſo ſetzt es ſich, Hals und Kopf gerade vorgeſtreckt und ziemlich niedergedruͤckt, durch ſchnelles Flattern mit den Fluͤgeln ſich auf- und forthelfend, auf der Waſſerflaͤche in Lauf, ſo daß es dieſe ſchnell mit ſeinen belappten Zehen ſchlaͤgt, was viel Geplaͤtſcher macht, um deſto eher das bergende Rohr u. dergl. zu erreichen, oder auch um ſich ſchneller auſſer Schußweite auf die Mitte des freien Waſſers zu begeben. Es ſchwimmt leicht, doch nicht beſonders ſchnell, nn nickt dazu bei jedem Ruderſchlage mit dem Kopfe; aber es ſchwimmt viel, viel mehr als es geht und fliegt; man ſieht es deswegen gewoͤhnlich nicht anders als auf der Waſſerflaͤche herumrudernd, und darf be: haupten, daß es die mehreſte Lebenszeit ſchwimmend zubringt. So fertig als im Schwimmen iſt es auch im Tauchen, welches ſich aber vorzuͤglich erſt dann in ſeiner ganzen Staͤrke zeigt, wenn es geaͤngſtigt und von Hunden verfolgt wird, namentlich wo viel Rohr und Schilf waͤchſt; es rudert dann ein gutes Stuͤck unter dem Waſſer fort, klammert ſich unten an den Stengeln jener Pflanzen feſt, ſteckt nur den Schnabel und den Kopf bis an die Augen aus dem Waſſer und iſt ſo nicht leicht wiederzufinden. Dies kann es freilich auf einer freien Flaͤche und im tiefen Waſſer nicht, weil es da keine Anhaltepunkte findet; hier erſcheint es bald wieder oben auf, taucht aber ſogleich wieder unter, und dies wechſelt ſo lange bis die Gefahr, vorüber iſt oder bis es erſchoͤpft feinem. Verfolger unterliegt. Dieſes kommt bei Raubvoͤgeln, wo ihm das Auffliegen noch gewiſſer den Untergang bereiten wuͤrde, oder auch beim Ver⸗ folgen durch Menſchen, wenn es im Federwechſel begriffen iſt und nicht fliegen kann, ſehr haͤufig vor. Unſer Waſſerhuhn taucht aber nicht allein in der Noth, ſondern auch zum Erlangen feiner Nabe ® 650 XIII. DOrbn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. rungsmittel, zuweilen auch aus bloßer Spielerei unter. Ehe im Fruͤhlinge die Waſſerkraͤuter, beſonders die untertauchenden, heran⸗ wachſen, taucht es ſehr haͤufig, zu allen andern Zeiten aber ſeltner und in manchen aus freiem Willen faſt gar nicht. Sehr groß iſt indeſſen ſeine Fertigkeit in dieſer Art von Tauchen nicht; den Hals gekruͤmmt, den Schnabel gegen das Waſſer gerichtet, thut es alles mal eine Art von Sprung, um ſich koͤpflings unter die Flaͤche zu druͤcken, und gar nicht lange nachher erſcheint es auf eine eigne Manier ſchon wieder auf der Oberflaͤche; es koͤmmt naͤmlich nicht der Kopf zuerſt, ſondern der ganze Vogel mit einem Mal hervor, wie ein Stuͤck Kork, das man unter Waſſer haͤlt und dann ſchnell los laͤßt. Es kann alſo nur eine kurze Zeit, nicht viel uͤber 15 Sekunden, unterm Waſſer aushalten; viel oͤfter erſcheint es in noch kuͤrzerer Zeit wieder oben, koͤmmt auch nie weit von der Stelle, wo es eintauchte, wieder hervor, ausgenommen wenn es die Noth zum Tauchen treibt. Doch auch hier geht ihm die Gewandtheit und Ausdauer vieler andern Tauchvoͤgel ab. Es rudert unter Waſſer bloß mit den Fuͤßen, die Fluͤgel bleiben an den Leib geſchloſſen und unter den Tragfedern, wie man in dem Augenblick des Ein- wie des Auftauchens deutlich ſehen kann. Unſer Waſſerhuhn fliegt ſo ungern, daß es ſich gewohnlich nur mit Gewalt dazu bringen laͤßt, was auf groͤßern Gewaͤſſern noch ſchwerer hält als auf kleinen. Es verſteckt ſich entweder im naͤch⸗ ſten Schilf oder Rohr, wenn ſich ihm der Menſch nahet, oder es begiebt ſich auf die weite Waſſerflaͤche. Sonderbar muß es ſchei⸗ nen, wenn man dieſe Voͤgel vom Ufer nach jener fliehen, aber in einer Entfernung von 100 bis 150 Schritt Halt machen und da ganz unbeſorgt ihren Geſchaͤften wieder nachgehen ſieht, gleichſam als wuͤßten fie es, daß ihnen in ſolcher Entfernung kein Flinten— ſchuß etwas ſchaden koͤnne; die ſichtliche Angſt, ehe ſie dieſe Weite erlangen und die Ruhe, wenn ſie gluͤcklich dahin gekommen, ſind in der That hoͤchſt intereſſant. Sehen ſie die Gefahr von Weitem heran kommen, fo ſchwimmen ſie fo hurtig wie moglich und mit beſtaͤndigem Umſchauen und Wenden des Kopfes in die ſichere Weite; koͤmmt ihnen jene aber ſchnell uͤber den Hals, ſo nehmen ſie halb laufend, halb fliegend Reißaus, und wo dieſes noch nicht hinlaͤng⸗ lich foͤrdert, endlich zum wirklichen Fluge ihre Zuflucht, welcher aber nur nahe über der Waſſerflaͤche hingeht und aus dem fie dann am Ziele wie Klumpen wieder aufs Waſſer fallen. Sich in Flug zu ſetzen, muͤſſen fie jedes Mal einen ziemlich bedeutenden Anlauf nehmen, ehe fie 4 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 651 ſich erheben koͤnnen, dies ſowol vom Lande als vom Waſſer aus. Auf letzterm macht das ſehr ſchnelle wechſelweiſe Auftreten der Fuͤße ein plaͤtſcherndes Geraͤuſch, das man weit hoͤrt; die ganz von ſich geſtreckten Fluͤgel werden dazu in ſehr ſchnellen, ſehr kurzen, faſt zitternden Schlaͤgen bewegt und ſo auch fortgefahren, wenn ſie ſich in die Luft erhoben haben und weit weg wollen. Sobald bei die— ſem ſchwerfaͤlligen Auffluge die Beine auſſer Thaͤtigkeit kommen, hängen fie noch einige Zeit herab, werden aber allmählich aufgezos gen und in ganzer Laͤnge wagrecht hinten hinaus geſtreckt; das flie— gende Waſſerhuhn erhaͤlt dadurch und daß es auch den Hals lang ausdehnt und etwas geſenkt gerade vorſtreckt, durch ſeinen dicken Rumpf und kurzen Fluͤgel eine ganz eigene, ſonderbare Figur, einem fliegenden Faſan ähnlich, weil man die langen Beine leicht für einen langen Schwanz anſehen kann. Recht auffallend wird dieſe ſonderbare Eigenthuͤmlichkeit, wenn viele Waſſerhuͤhner durch heftige Verfolgungen zum Fliegen gezwungen ſich hoͤher aufſchwingen und in allen Richtungen die Luft durchkreuzen, ſich nicht wieder nieder⸗ zulaſſen getrauen und doch auch das Waſſer nicht gern ganz auf— geben möchten. Ihr Flug iſt weder ein gewandter noch ein ſchnel— ler; er ſcheint vielmehr mit vieler Anſtrengung verbunden, geht in gerader Linie fort und foͤrdert wenig; wo ſie nicht weit wollen, iſt er ſtets ein ſehr niedriger, auf dem Zuge allein ſehr hoch und wird dann ihnen vermuthlich auch leichter. Kurz vor dem Niederlaſſen haͤngen die Beine wieder herab und der Vogel fällt mit dem ganzen Unter: koͤrper aufs Waſſer, nicht koͤpflings, wie viele Taucher, und auch nicht eine lange Strecke auf der Flaͤche hingleitend, wie die Enten. Der Geuͤbte wird daher auch im Halbdunkel dieſe Gattungen an dieſen verſchiedenen, Manieren ſich auf das Waſſer niederzulaſſen, augenblicklich unterſcheiden. Das Niederlaſſen unſers Waſſerhuhns macht ſehr wenig Geraͤuſch, ſein Auffliegen deſto mehr; in der Luft iſt ſein Flug ganz geraͤuſchlos. Es gehoͤrt auf kleinen wie großen Gewaͤſſern unter die viel: mehr vorſichtigen und klugen, als eigentlich ſcheuen Voͤgel. Ob⸗ gleich es keinem Menſchen recht trauet, ſo kennt es doch ſeine Leute; wenn es naͤmlich Kinder, Frauenzimmer, Hirten, Fiſcher und andere, welche ihren Geſchaͤften nachgehend es unbeachtet laſſen, ſehr wenig fuͤrchtet, ſo iſt es doch gegen den, welcher es ſcharf ins Auge faßt, welcher ihm nachſchleicht oder ſich gar als Schuͤtze zu erkennen giebt, ſogleich voll Argwohn und weicht ihm aus, ſo weit es die Lokali⸗ tät erlaubt, iſt dieſe beſchraͤnkt, ſogar fliegend. Wo es ein Mal 652 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. Nachſtellungen erfuhr, wird es ſehr mißtrauiſch; kommen ſie zu arg und zu oft, dann meidet es ſolchen Ort gaͤnzlich und fuͤr immer. Dies wird an kleinern Gewaͤſſern beſonders auffallend; an groͤßern, wo fie Raum genug zum Ausweichen haben, vertragen ſie viel Ar gere Beunruhigungen, ſelbſt fortwaͤhrende Nachſtellungen, ohne ſich wegzugewoͤhnen, vergeſſen ſie aber nicht und ſind um ſo mehr auf ihrer Huth. Das gemeine Waſſerhuhn iſt ein ſehr geſelliger Vogel, nur in der Zugzeit auf kleinen Gewaͤſſern einzeln anzutreffen, ſonſt paar⸗ weiſe, familienweiſe, in groͤßern Vereinen, ja zuweilen in Schaaren von vielen Hunderten beiſammen. Auf großen Landſeen, wo viele Paͤaͤrchen brüten, aber jedes fein kleines Niſtrevier gegen andere hartnaͤckig behauptet, bilden nach der Fortpflanzungszeit die verſchie— denen Familien mehrere große Vereine, oder wenn der Umfang dies nicht geſtattet, einen einzigen, bis zum Wegzuge, wo er ſich vorher durch von anderwaͤrts hinzu gekommene noch allnaͤchtlich ver: groͤßert. Der ſalzige und füße See im Mannsfeldiſchen hat gewoͤhnlich viel ſolcher Truppe. Oft ſind Taucher, noch oͤfterer En⸗ ten in ihrer Geſellſchaft, mit denen ſie ſich gut vertragen, nur in der Begattungszeit nicht; dann ſind ſie ſehr beiſſig und leiden in unmittelbarer Naͤhe kein anderes Gefluͤgel, wenn es nicht groß und beherzt genug iſt, ihnen zu widerſtehen. Noch raufſuͤchtiger ſind ſie in dieſer Zeit gegen ihres Gleichen, namentlich die Maͤnnchen gegen andere ihres Geſchlechts, und jedes ſucht kaͤmpfend ſein Niſtrevier zu behaupten und andere daraus zu vertreiben; Zank und Laͤrm nimmt dann kein Ende, denn ſie flattern und plaͤtſchern unter vielem Schreien von einem zum andern und ſcheinen oft Haͤndel zu ſuchen. In der gebuͤckten Stellung des Haushahnen ſchwimmen ſie gegen einander los, hacken dabei mit verbiſſenem Ingrimm mit dem Schnabel knappend wiederholt ins Waſſer, bis ſie einander nahe genug ſind; dann fah⸗ ren fie plößlich zuſammen, hacken, kratzen und ſchlagen ſich mit den Fluͤgen, in faſt aufrechter Stellung, ſo lange, bis das eine weicht und plaͤtſchernd Reißaus nimmt, wo es vom Sieger noch ein Stüd verfolgt wird, dies Alles unter heftigem Schreien, nach welchem dann jener triumphirend in ſtolzer Haltung in die Grenzen ſeines erwaͤhl⸗ ten Niſtplaͤtzchens zuruͤck kehrt. Dieſe haͤufigen Kaͤmpfe gewaͤhren den Gewaͤſſern, auf welchen viele Waſſerhuͤhner niſten, eine eigen⸗ thuͤmliche Lebendigkeit; ſie hoͤren aber nach und nach auf, je weiter die Fortpflanzungsgeſchaͤfte vorruͤcken, und kommen zu andern Zei⸗ ten ſehr ſelten und nie ſo heftig vor. Am vertraͤglichſten macht ſie XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 653 allgemeine Noth, wenn ſie, der Mauſer wegen, nicht fliegen koͤnnen oder wenn ſie ſich zum Wegzuge anſchicken. Unſer Waſſerhuhn ſtoͤßt kraͤftige und weit hoͤrbare Toͤne aus, welche viel Eigenthuͤmliches haben und ſich dadurch leicht von denen anderer einheimiſcher Voͤgel unterſcheiden laſſen. Der Hauptlockton klingt durchdringend, wie Koͤw oder Kuͤw, in der Naͤhe gehoͤrt, Kroͤw oder Kruͤw. Er wird bald nur einzeln, bald mehrmals nach einander wiederholt ausgerufen und ſchallt ſowol auf dem Waſſer als in der Luft ſehr weit. Wenn es recht eifrig lockt, wie z. B. des Nachts auf dem Zuge, zumal wenn es uͤber Waſſer fliegt, wo es vielleicht einen da weilenden Kameraden vermuthet, wird aus dem einzelnen Koͤw oft ein Koͤwoͤw, — Koͤwoͤwoͤw, dem Bellen eines kleinen Hundes nicht unaͤhnlich. In ſtillen, na— mentlich mondhellen Naͤchten vernimmt man in der Zugzeit dieſe bellenden Toͤne hoch in den Luͤften und ſie haben vielleicht den Namen: Bellhenne begruͤndet. In ihren Kaͤmpfen auf dem Waſſer wird es vielfaͤltig modulirt, der Ton ſchlaͤgt zuweilen uͤber, wird ein anderes Mal halb verſchluckt u. ſ. w.; aber noch fonder- barer wird er zuweilen des Nachts am oder auf dem Waſſer, wenn ein anderer Vogel ankoͤmmt, beſonders wenn ſich Enten, in der Nahe eines Waſſerhuhns niederlaſſen; er iſt dann der Lockſtimme kaum noch im Ton aͤhnlich, oft ſehr wunderlich und uͤberraſchend. Auſſer dieſen ſtoßen ſie auf dem Waſſer oder im Rohr auch noch ein kurzes, hartes, helltoͤnendes Pitz, — einzeln, zuweilen auch ein paar Mal nacheinder, aus; auch vernimmt man nicht ſelten ein dumpfes Knappen, dies beſonders wenn ſie zum Kampfe an ein⸗ ander gerathen. Einen andern wunderlichen, ſchwer zu beſchreibenden Ton bringen ſie zuweilen hervor, indem ſie den Schnabel dabei mehr oder weniger tief in's Waſſer halten. — Die Jungen piepen bis ſie Federn bekommen und dies quaͤkende Piepen hat Aehnlichkeit mit dem der jungen Teichhuͤhner, halt jedoch einen tiefern, rau⸗ hern Ton und iſt daran leicht zu unterſcheiden. Zaͤhmbar iſt unſer Waſſerhuhn zwar und in einem gut um⸗ ſchloſſenen groͤßern Raum, wo es auch Waſſer in einem großen Behaͤlter haben kann, haͤlt es ſich recht gut, aber zum Stubenvogel taugt es in mehr als einer Hinſicht nicht. Es hat viel Dauer und Lebenskraft, das in Freiheit lebende kann daher einen tuͤchtigen Schuß vertragen und zeigt auch bei ſchweren Verletzungen ein zaͤ⸗ hes Leben. 654 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. Nahrung. Weder Fiſche noch Froͤſche, wie man fonft wol glaubte, ſon⸗ dern Waſſerinſekten, deren Larven, Wuͤrmer und kleine Schalthiere, meiſtens aber feine Blattchen, Bluͤthen, Knospen, Samen und zarte Wurzeln von mancherlei untertauchenden Waſſerpflanzen, ſind die Nahrungsmittel unſers gemeinen Waſſerhuhns, wobei es noch eine bedeutende Menge groben Sandes und ganz kleiner Kieſelſtein⸗ chen verſchluckt. Ob es Fiſch- und Froſchlaich frißt, iſt nicht be⸗ kannt, aber nicht unwahrſcheinlich, obwol wir niemals dergleichen in den geoͤffneten Magen Getoͤdteter gefunden haben. Ein ſolcher enthält gewöhnlich Grünes als Hauptſache, und zwiſchen dieſem die eben genannten animaliſchen Dinge, meiſtens in unkenntlichen Re— ſten, aber keine von Fiſchen oder Froͤſchen; die mineraliſchen fehlen dagegen nie darin. Es ſucht ſie kaum anders als ſchwimmend; es iſt wenigſtens ein ſehr ſeltner Fall, es zwiſchen dem Rohr auf moraſtigem Boden darnach herumſchleichen oder es gar auf kurzem Raſenboden am fruͤ— hen Morgen nach Regenwuͤrmern, wenn dieſe noch auſſerhalb ihren Loͤchern ſind, ſuchen zu ſehen. Schwimmend lieſt es die Nahrungs⸗ mittel entweder von der Waſſerflaͤche und an den aus ihr hervorra= genden Pflanzen ab, oder es taucht darnach unter. Sein baldiges Wiedererſcheinen auf der Oberflaͤche nach dem Untertauchen macht jedoch wahrſcheinlich, daß es in mehr als klaftertiefem Waſſer nicht bis auf den Grund geht, alſo bloß zwiſchen dieſem und der Ober: fläche feine Nahrung ſucht und hier die Waldungen von Potamoge- ton, Myriophyllum, Ceratophyllum u. a. durchſtreift, von denen es viele Theile genießt und die zwiſchen denſelben lebenden Inſekten wegfaͤngt. Daß es im Frühjahr viel haͤufiger taucht und feine Nahrung beinahe allein dadurch erhaͤlt, mehr als zu allen andern Zeiten, koͤmmt vermuthlich daher, weil jene Pflanzen dann nur erſt aus dem Grunde aufkeimen, im Sommer und Herbſt dagegen ſo hoch aufgewachſen ſind, daß ſie an vielen Orten bis an die Oberflaͤche heraufreichen. Daher halten ſich die Waſſerhuͤhner im Anfange auch lieber auf weniger tiefen Stellen auf. Ob es auch im freien Zuſtande Getraideförner freſſe, koͤnnen wir nicht behaupten, weil es uns nie vorgekommen iſt; es wird je⸗ doch in Cetti's Naturg. v. Sardinien, Uiberſ. II. S. 292 ge⸗ ſagt, daß man darum in jenem Lande kein Getraide nahe an die XIII. Drdn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 655 Teiche ſaͤete, weil die Waſſerhuͤhner nicht geringen Schaden daran thaͤten. Daß fe. im gefangenen Zuſtande Getraide annehmen, iſt 8 sobeilen, gewiß. Das ee Waſſerhuhn frißt Regenwuͤrmer ſehr gern, eee ſich auch bald an Brod, gekochte Kartoffeln, Fleiſch, ges kochtes Gemuͤſe, frißt gern Getraide, beſonders Gerſte, und verachtet auch kleine Fiſchchen nicht. Wenn es nicht bald im Schmutz ums zommen ſoll, muß es ſtets friſches und recht viel Waſſer bekommen. Fortpflanzung. Landſeen, große Teiche mit vielem Rohr und Schilf beſetzt, hin und wieder auch kleinere Teiche, Altwaſſer und die tiefern Stellen in den Bruͤchern ſind auch in Deutſchland zur Fortpflanzungs⸗ zeit von dieſen Waſſerhuͤhnern bewohnt, am haͤufigſten fuͤr hieſige Gegend die beiden Seen im Mannsfeldiſchen, von ihrem ver⸗ ſchiedenen Waſſer, der ſalzige und der füße genannt, und die Gewaͤſſer in deren naͤchſten Umgebungen. Aber auch in den Her⸗ zogthuͤmern Anhalt haben wir Teiche und andere Gewaͤſſer genug, PAR welchen ſie in Menge niſten. Sehr haͤufig koͤnnen ſie, im Maͤrz ſchon angekommen, in den sten Wochen noch an keine Fortpflanzungsgeſchaͤfte denken, weil an den meiſten Orten uͤber Winter das vorjaͤhrige Schilf und Rohr abgehauen und zu Brennmaterial benutzt, das neuaufkeimende aber ſelten vor Ende des April ſo wird, daß es ſich eine Hand lang uͤber dem Waſſerſpiegel erhebt, kaum hinreichend dieſe großen Voͤgel nothduͤrftig zu bergen. Iſt hier und da ein Buͤſchel altes Rohr ſtehen geblieben, ſo waͤhlen ſie ſolche am liebſten zu Niſtplaͤtzchen. In vielen Jahren koͤmmt ſogar der Mai heran, bevor ſie zum Ni⸗ ſten ſchreiten koͤnnen. In der Zwiſchenzeit, von der Ankunft an, haben ſie andere Geſchaͤfte; kaum einige Tage am Niſtplatze angelangt, fangen die einzelnen Paͤaͤrchen theils unter ſich ſchon Hader und Streit an, namentlich aber richten ſich die Kaͤmpfe derer, welche Stand genommen, gegen die, welche nur als Durchreiſende ſich noch hier aufhalten wollen. Das Jagen, Herumflattern, Plaͤtſchern und Schreien nimmt kein Ende und die Standpaare kaͤmpfen dann ge⸗ gen einander, wenn das eine in das Niſtrevier des andern koͤmmt, beſonders die Maͤnnchen. Weil nun jenes nicht groß und auf 656 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. manchen Gewaͤſſern, wo viele niſten, nie 100 Schritt im Durch⸗ meſſer Halt, fo kann es nicht fehlen, daß die Nachbarn ſehr oft die Grenzen uͤberſchreiten; dann ſchießt aber auch der Innwohnende ſogleich mit Wuth herbei, ſelbſt wenn er ſich gerade weit davon auf dem freien Waſſerſpiegel befand, und ſtrengt alle ſeine Kraͤfte an, den vermeintlichen Eindringling zu verjagen und wo moͤglich fuͤr ſein Vergehen zu beſtrafen. Zuweilen, jedoch nicht oft, nehmen auch die Weibchen Antheil an ſolchen Raufereien. Spaͤter, wenn letztere ſchon mehrere Eier gelegt, werden dieſe Balgereien nach und nach ſeltner und wenn ſie Junge haben, leben ſie viel ruhiger und vertraͤglicher. Jedes Maͤnnchen paart ſich nur ein Weibchen an und die Ei⸗ ſerſucht macht ihm viele Unruhe. In uneingeſchraͤnkter Monogamie lebend, hilft es den Neſtplatz waͤhlen, das Neſt bauen, die Eier aus⸗ bruͤten und die Jungen erziehen und chien a 5 Ba Mr ein treuer Gatte und guter Familienvater. Erſt wenn das junge Schilf und Rohr ſich einen Fuß 9000 uͤber dem Waſſerſpiegel erhoben, machen dieſe Voͤgel Anſtalt zum Neſtbau; dann iſt er aber, unter den vereinten Bemuͤhungen beider Gatten, in ein paar Tagen fertig hergeſtellt. Der Standort des Neſtes iſt verſchieden, bald tief im Rohr, bald, und auf großen Gemäf- ſern meiſtens, nahe am Rande eines Rohrwaldes oder großen Rohr⸗ bufches, aber ſtets auf der Waſſerſeite, gewöhnlich von tiefem Wafs ſer umgeben oder gar ſchwimmend, ſeltner bloß auf naſſem Erdbo⸗ den am Rande kleiner Inſeln oder auf einem Schilfhuͤgelchen. Am oͤfterſten findet man es im eigentlichen Rohr (Arundo phragmitis), weniger oft im Kolbenſchilf (Typha angustifolia), noch feltner in großen, dichten Buͤſchen von den großen, dicken Waſſerbinſen (Scir- pus lacustris), am ſeltenſten in Buͤſchen oder auf Kufen von nie⸗ dern Schilfarten. Es iſt vom Waſſer her meiſtens nicht ſchwer zu entdecken, im Anfange, ehe das Rohr zu hoch und dicht wird, oft ſchon von Weitem zu ſehen, ſpaͤter, wenn jene Pflanzen faſt ihre gewoͤhnliche Hoͤhe erreicht, aber zuweilen ſehr gut verſteckt. Selten und nur im Anfange kann man es vom Ufer aus ſehen, und zu den meiſten iſt kaum anders as auf einem Kahne zu ge⸗ langen. Seine Grundlage bilden gewoͤhnlich die Stoppeln vom PER rigen Rohr, wozu auch junge Halme eingeknickt werden, oder es hat ſeinen Stand auch ohne dieſes in einem dichten Schilfbuͤſchel. Es ſteht ſo recht feſt und kann bei zufaͤlligem Steigen des Waſſers XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 657 nicht wegſchwimmen. Es gibt indeſſen auch Neſter, die von Anfang an ſchwimmen und gewoͤhnlich von ſo dichtſtehendem Rohr umgeben ſind, daß ſie demnach nicht eigentlich flott werden koͤnnen. Sehr oft benutzen dieſe Voͤgel zu ſolchen ein vorgefundenes, ſchwimmen— des Haͤufchen alten Pflanzenwuſtes als Unterlage. Jedes ſchwim— mende Neſt iſt dabei, mehr noch als die feſtſtehenden gewoͤhnli⸗ chern, ein bedeutender Klumpen nach oben ſtets trockner Materialien, ſo daß die Eier nie im Feuchten liegen. Es iſt zwar nachlaͤſſig aber doch haltbar genug geflochten, um ſpaͤter noch den ihm laͤngſt entſchluͤpften Jungen gelegentlich ein Plaͤtzchen zur Nacht⸗ ruhe oder ſonſt zur Erholung zu ſein, wodurch es denn freilich ſeine urſpruͤngliche Form ganz verliert und ganz platt niedergetreten wird, waͤhrend es, als er fertig gebauet war, bei oft mehr als 1½ Fuß Breite, wenigſtens 1 Fuß Hoͤhe hatte. Der innere Napf iſt ziem⸗ lich tief, ſchoͤn gerundet und ſorgfaͤltiger als das Aeußere geflochten; dieſes aus gruͤnen und duͤrren Rohrſtengeln, Schilfblaͤttern und Waſſerbinſen gebauet, nach innen mit etwas feinerm Material, duͤn⸗ nern Halmen, Grasſtoͤckchen, auch wol Binſen- und Rohrſpitzen ſammt den Rispen ausgefuͤhrt, bei den meiſten unterſcheidet ſich jedoch das Innere wenig von dem Aeußern. Im hohen Kolbenſchilf haben wir dies Neſt zuweilen ganz be- ſonders huͤbſch ausſehend gefunden. Hier hatte naͤmlich der auf dem Neſte ſitzende Vogel abſichtlich oder aus bloßer Spielerei, die Spi⸗ Ben der das Neſt zunaͤchſt umgebenden ſchlanken Schilfblaͤtter in ei- nen gemeinſchaftlichen Mittelpunkt herabgezogen, manchen auch wol, um dem nachmaligen Aufſchnellen vorzubeugen, einen Knick gege— ben, ſo daß er unter einer luftigen gruͤnen Kuppel, wie unter einer gruͤnen Laube, ſaß und dadurch den Spaͤherblicken von oben herab weniger bloßgeſtellt war. Die Regelmaͤßigkeit des Herabbiegens der Schilfblätter übertraf in dieſer gefaͤlligen Ausſchmuͤckung bei wei: ten die einiger Sumpfhuͤhner, die, wie im Vorhergehenden be: ſchrieben, dieſelbe bei ihren Neſtern noch oͤfter in Anwendung brin— gen. Sie deutet auf eine nahe Verwandtſchaft mit dieſen Voͤgeln hin, koͤmmt jedoch bei unſerm Waſſerhuhn viel ſeltener vor. Selten findet man zu Anfang des Mai, viel gewoͤhnlicher erſt in der zweiten Haͤlfte die ganze Anzahl der Eier in einem Neſte, die ſelten unter 7 bis 8, zuweilen zu 12 bis 14 gefunden wird; nur ein Mal fanden wir deren 15, aber niemals, wie auch geſagt worden, 16 bis 18 Stuͤck. Wenn es um das erſte Gelege kam, macht das Weibchen ein zweites, wozu es erſt ein neues Neſt bauet, 9. Theil. 42 658 XII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſer huhn. gewoͤhnlich nicht weit vom erſten, aber beſſer verſteckt, was dann, wegen der groͤßern Hoͤhe und Dichtheit des Schilfes, ihm auch leich— ter wird; dann legt es aber nie mehr als 6 bis 8 Stuͤck. — Die Eier dieſer Vögel ähneln in der Größe faſt kleinen Haushuͤhner⸗ eiern; fie find 2 Zoll 2 bis 3 Linien lang und 1 Zoll 5%½ bis 6 ½ Linien breit, meiſtens von einer ſchoͤnen Eigeſtalt oder auch et— was laͤnglicht. Ihre ziemlich feſte Schale iſt von feinem Korn, zeigt aber auſſen ſehr viele feine Poren, welche die Oberflaͤche ſo truͤben, daß fie deshalb nicht glänzen. Ihre Farbe iſt ein ſehr bleiches Lehm⸗ gelb oder ganz blaſſes Gelbbraun, das ſich gelbbraͤunlichem Weiß nähert; aͤußerſt zarte, dunkelaſchgraue, dunkelbraune und ſchwarz— braune Puͤnktchen ſind dabei in ſo enormer Anzahl uͤber die ganze Flaͤche verbreitet, daß fie die Grundfarbe trüben, unter ihnen auch viele. Punkte etwas groͤßer, aber nur wenige von der Groͤße eines Fliegenkleres. Manche Eier ſind ſtaͤrker, andere ſchwaͤcher punktirt und beklext, einige von dunklerer, andere von hellerer Grundfarbe, im Ganzen kommen aber nur ſo geringe Verſchiedenheiten vor, daß ſie niemals zu verkennen ſind, indem es unter inlaͤndiſchen Vogel⸗ eiern keine aͤhnlichen giebt, als allenfalls die des rothblaͤſſigen Teichhuhns, die aber auch groͤber und mit einer lichtern Farbe gezeichnet und dabei um fo vieles kleiner find, daß an eine Ver: wechslung mit denſelben nicht gedacht werden kann. Nach 20 bis 21 Tage langem wechſelſeitigen Bebruͤten durch beide Gatten ſchluͤpfen die in der Ferne ſchwarz und am Vorder⸗ kopfe hochroth ausſehenden Jungen aus den Eiern, die nach dem Abtrocknen die Mutter ſogleich aufs Waſſer begleiten, mit ihr zwiſchen dem Schilf und Rohr herumſchwimmen und mit verlangendem Pie— pen beiden Aeltern folgen; doch macht der Vater dabei mehr den Waͤchter, und wenn ſie am Rande des Rohrbuſches vielleicht einem Feinde ſichtbar werden, ſo warnt er ſie augenblicklich durch eigene Toͤne, und die Familie zieht ſich ſogleich wieder ſchnell in das Rohrdickicht zuruͤck. Dieſe zarten Jungen ſehen denen des Teich⸗ huhns ſehr aͤhnlich, ſind aber vom Anfang an bedeutend groͤßer, grauer und ihr Piepen ganz verſchieden, groͤber, rauher, oder quaͤ— kender, was ſich durch Worte nur mit vielem Umſchweife deutlich machen laſſen wuͤrde. Wenn ſie die Anweſenheit eines Menſchen in der Nähe vernehmen, verhalten fie ſich ganz ſtill; nur dann ſchaͤ— pen ſie, wenn ſie ſich ganz ſicher glauben. Die Alten legen ihnen ihre Atzung anfaͤnglich vor oder halten fie ihnen in der Schnabel- ſpitze zum Abnehmen hin. Nicht ſelten kommen ſie, wenn ſie ſchon XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 659 einige Tage aͤlter, aus dem Dickicht auf ſeichtere, ſchlammige Stel— len, wo ſie oͤfters zu Fuß Jagd auf Inſekten und Wuͤrmer machen, beim geringſten Geraͤuſch aber auch pfeilſchnell dem Rohre und ih— rem Verſteck wieder zulaufen. Sie quaͤken jaͤmmerlich, wenn ein Raubvogel oder auch nur eine Kraͤhe uͤber das Rohr hinſtreicht, wenn er auch nicht nach ihnen ſtoͤßt, bleiben uͤberhaupt ſehr lange im oder nahe am Rohr, um bei jedem Anſchein von Gefahr ſich ſogleich wieder in daſſelbe fluͤchten zu koͤnnen und wagen es halb— erwachſen kaum, uͤber die Mitte eines Teiches zu ſchwimmen oder ſich auf ganz freier Waſſerflaͤche ſehen zu laſſen. Wo ſie in der Naͤhe menſchlichen Verkehrs geboren wurden, ſind ſie wol etwas zu— traulicher, doch immer furchtſamer als die jungen Teich huͤhner. Bevor ſie nicht beinahe ganz ausgewachſen ſind, begeben ſie ſich auf keine ſo große freie Waſſerflaͤche, daß ſie ſich den ganzen Tag weit vom Rohre entfernt halten muͤßten. In der erſten Zeit nimmt ſie die Mutter des Nachts unter ihre Fluͤgel, was gewoͤhnlich auf ih— rem vormaligen Wochenbett, dem Neſte geſchieht. Spaͤter, wenn das naͤchtliche Erwaͤrmen unter der Mutter uͤberfluͤſſig wird, ſitzen fie auf einen Klumpen zuſammen, dieſe dann aber in ihrer Nähe. Wenn die ordentlichen Federn durch die Dunen hervorkommen, ent- woͤhnen ſie ſich nach und nach der aͤlterlichen Pflege, die Geſchwiſter halten nicht mehr ſo aͤngſtlich aneinander, und man ſieht oͤfters ein ſolches und immer daſſelbe an dem naͤmlichen Plaͤtzchen, an einer lichten Stelle zwiſchen dem Rohr oder in einem ſtillen Winkelchen hinter demſelben, wo ſolche, wie oft die jungen Teich huͤhner, im: merwaͤhrend auf das Waſſer picken, als wenn die Nahrungsmittel daſelbſt in großer Menge für fie hingeſtreut wären. Aus der Ferne kann man ihnen dabei oft und lange zuſchauen; ſobald man ſich aber zu ſehr nähert, rudern fie ſogleich dem Schilfe zu und kom⸗ men nicht eher wieder zum Vorſchein, bis man ſich faſt hundert Schritt weit wieder entfernt hat. Ploͤtzlich uͤberraſcht laufen ſie flatternd und plaͤtſchernd uͤber den Waſſerſpiegel hin in das naͤchſte Verſteck; koͤnnen fie dies nicht fogleich erreichen, fo tauchen fie wie: derholt, aber immer nur kurze Strecken bis zum naͤchſten Geroͤh⸗ richt; anhaltender tauchen ſie, wenn ein Hund ſie verfolgt. Die Alten verrathen viele Anhaͤnglichkeit an Neſt und Eier, wie an die Jungen, doch mehr die Mutter als der Vater. Naͤhert man ſich ohne vieles Geraͤuſch auf einem Kahne dem auf dem Neſte ſitzenden, zumal wenn die Eier ſchon laͤnger bebruͤtet ſind, ſo haͤlt es oft ſehr nahe aus, ſchluͤpft dann auf der entgegengeſetzten Seite 42 * 660 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. aufs Waſſer und plaͤtſchert nun flatternd und auf dem Waſſer fort⸗ laufend der freien Waſſerflaͤche zu, um auf ihr auſſer Schußweite fo lange zu verweilen und den Störer im Auge zu behalten, bis er ſich wieder entfernt hat. Zuweilen ſchleicht es ſich auch ſchwimmend ein Stuͤck zwiſchen dem Geroͤhricht in geduckter Stellung fort, koͤmmt aber auch dann bald wieder auf obige Art zum Vorſchein und war⸗ tet auf dem Freien den Ausgang ab. Selten und nur dann erhebt es ſich zum wirklichen Fortfliegen gleich von der Naͤhe des Neſtes aus, wenn dieſes von zu ſeichtem Waſſer mit vielen niedrigen Schilf⸗ oder Grasarten umgeben iſt, in welchen ſich die Alten Schleichwege machen, in ſolchen aber nicht auf die bekannte Art fortplaͤtſchern koͤnnen. Sehr bald kehrt es, wenn die Gefahr ſich entfernt hat, auf das Neſt zuruͤck, thut dies aber ſtets nur ſchwimmend. — Aengſt⸗ lich lockt die Mutter ihre Kleinen wieder zuſammen, wenn das Haͤuflein ſich bei Stoͤrungen, beſonders bei haͤufigem Untertauchen, zerſtreuet hatte; auch der Vater ſteht dann jener dabei treulich bei, zeigt aber ſpaͤter, wenn die Jungen fchon halb erwachſen, keine bes fondere Anhaͤnglichkeit mehr. Uibrigens iſt wol im Ganzen zwi: ſchen den Gatten, wie zwiſchen Alten und Jungen, die Zaͤrtlichkeit nicht fo groß, wie wir fie bei den rothbläffigen Teichhüͤhnern finden; indeſſen ſind ſie auch nicht ſo leicht zu beobachten, weil ſie auf groͤßern Gewaͤſſern leben und auch auf kleinern nie eine ſo große Zutraulichkeit bekommen, wie jene. Wenn die Jungen nur erſt etwas fliegen koͤnnen, kuͤmmern ſich die Alten nicht mehr um ſie; ſie ſchließen ſich dann vereinzelt an andere oder leben ganz ein⸗ ſam und zerſtreut. Kurz vor dem Wegzuge trifft man ſie unter den verſammelten Alten an. Feinde. Das gemeine Waſſerhuhn zeigt ſich überall als ein argwoͤhni⸗ ſches und ſehr furchtſames Geſchoͤpf; faſt jeder groͤßere Raubvogel ſetzt es in Schrecken, ſobald es ihn nur von Weitem erblickt, und es flüchtet ſich, wo es nicht zu weit vom Rohrwalde entfernt iſt, ſo ſchleunig wie moͤglich in dieſen und verſteckt ſich darin. Wo meh⸗ rere auf einem Waſſerſpiegel verweilen, ſtoͤßt das erſte, was ihn er⸗ blickt, ſogleich einen Schreckenslaut aus, und in demſelben Augen: blicke ſtroͤmen Alle eiligſt dem naͤchſten Verſteck zu. Auf zu großer freier Waſſerflaͤche wagt es keinen weiten Flug nach einem ſolchen Aſyl, 1 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 661 weil es befuͤrchtet, waͤhrend des Fliegens unterwegs von ihm erwiſcht zu werden und in ſolchen Faͤllen taucht es wiederholt und tiefer als gewoͤhn⸗ lich unter. Die Rohrweihe (Falco rufus) jagt durch ihr bloßes Er⸗ ſcheinen Alten und Jungen Angſt und Schrecken ein, weil ſie ihnen ſehr nachſtellt und namentlich viele Junge faͤngt und den ihrigen zuſchleppt. Alte Waſſerhuͤhner erwiſcht ſie ſeltner; aber auch von dem Taubenfal⸗ ken (Falco peregrinus) und dem Huͤhnerhabicht (Falco palumbarius) haben ſie, wenn ſie von einem Gewaͤſſer zum andern ſtreifen, ſo etwas zu fuͤrchten, wenn ſie ſich nicht ſchnell genug in dichtes Rohr oder aufs Waſſer werfen und hier durch Untertauchen zu retten ver— moͤgen. Gegen die Verfolgungen der Rohrweihe auf ſehr großem, freiem Waſſerſpiegel, ſollen fie ſich zuweilen bloß auf einen Klum: pen zuſammendraͤngen und dadurch, daß ſich kein Einzelnes zum Ziele darbietet, jene unſchluͤſſig machen und ſie abweiſen. Beim Seeadler (Falco albicilla), welchem ſie oft zur Beute werden, wuͤrde ſie dies Mittel nicht retten; wenn ſie ihn uͤber ſich, obgleich noch ſehr hoch in der Luft erblicken, fangen fie an wiederholt unter: zutauchen, waͤhrend der Adler in Kreiſen ſpiralfoͤrmig immer tiefer herabſchwebt und endlich durch einen ſchnellen Stoß eins der ge— aͤngſteten und durch fortgeſetztes Tauchen ermuͤdeten Waſſerhuͤhner in dem Augenblick, wo es eben wieder auf der Oberflaͤche des Waſ— ſers erſcheint, ergreift, es an das Ufer oder auf eine nicht fehr ent: fernte Anhoͤhe traͤgt und es da, bis auf wenige Federn, ſtuͤckweis verſchlingt. Am ſalzigen See im Mannsfeldiſchen iſt dies öf- ters beobachtet worden. Sind auch Enten zwiſchen den Waſſerhuͤh⸗ nern, ſo fliegen dieſe in ſolchen Faͤllen ſchon bei guter Zeit weg, und der Adler verfolgt ſie nicht, weil ſie ihm zu fluͤchtig ſind. Noch oͤfterer als die Jungen werden der Rohrweihe, auch wol Kraͤhen und Raben, die Eier zu Theil; ſehr viele Bruten werden auf dieſe Weiſe zu Grunde gerichtet. Man ſagt, daß Il⸗ tiſſe und Wanderratten ein Gleiches thaͤten, ſo auch zuweilen der Fuchs, welcher manchmal auch ein Altes im Rohre zu beſchlei— chen weiß; die vor den Fuchsbauen gefundenen Ueberbleibſel von ſolchen Voͤgeln, ſetzten dieſes außer allen Zweifel. Ihr Gefieder iſt von einigen Schmarotzerinſekten bewohnt, von Nitſch Philopterus minutus, ein zweites Liotheum atrum genannt, ihre Eingeweide von Wuͤrmern, nach dem Wiener Verzeichniß, von Echinorhynchus filicollis, von der Taenia fulicae, und in der Bauchhaut von einer noch näher zu beſtimmenden Ascaris-Art. 662 XI Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. Jag d. Auf freiem Waſſerſpiegel haͤlt unſer Waſſerhuhn dem Schuͤtzen nie ſchußrecht aus; es weiß ihn ſehr wohl von unverdaͤchtigen Per⸗ ſonen zu unterſcheiden, obwol es auch gegen dieſe und wo es an vielen Verkehr gewoͤhnt iſt, trotz vieler ſcheinbaren Zutraulichkeit, doch immer noch ſo viel Mißtrauen bewahrt, daß es jede aufkei— mende Unſicherheit bemerkt und rettende Maaßregeln dagegen er greift, hauptſaͤchlich mehr oder weniger ſchnell, jenachdem die an: ſcheinende Gefahr ploͤtzlich oder allmaͤhlicher heranruͤckte, ſich auſſer Schutzweite begiebt und zwiſchen 100 und 200 Schritt weit ganz unbeſorgt ſeinen Nahrungsgeſchaͤften nachgeht, oder zu andern Zei- ten, beſonders auf kleinern Gewaͤſſern, ſich in das dichte Schilf und Rohr begiebt und darin verſteckt ſo lange verweilt, bis es um ihn her wieder ruhig geworden iſt. Der Schuͤtze muß ſich daher ſehr leiſen Trittes — denn es hoͤrt und ſieht gleich gut — hinter einem Erdwalle oder ſonſt ungeſehen anzuſchleichen ſuchen, dabei auch die Flinte nicht mit zu klarem Schrot (Hagel) geladen haben, weil es einen tuͤchtigen Schuß verträgt, indem der dichte Federpelz viel Koͤr⸗ ner abhaͤlt, tief genug einzudringen und das gewoͤhnlich ſchwim— mende Waſſerhuhn ſeinen Rumpf ſo tief unter Waſſer hat, daß er nur zur Haͤlfte uͤber demſelben herausragt. Man darf nicht zu weit darauf ſchießen wollen, wenn man des Erfolgs gewiß ſein will; denn wenn es nicht ſogleich auf der Stelle liegen bleibt, iſt auch der flinkeſte Hund nicht im Stande es zu fangen, weil es ihm durch Untertauchen zu entkommen ſucht; erreicht ein ſolches gar das Rohr, ſo iſt es in der Regel fuͤr den Jaͤger verloren, es verkriecht ſich, taucht, halt ſich unten feſt und läßt nur den Oberkopf aus dem Waſſer hervorſchauen u. ſ. w. Wo die Waſſerhuͤhner öfters nahe an das Ufer kommen oder gar aufs Land treten, zumal wo das Ufer kahl iſt, kann man fie aus einem guten Verſteck, einer Schilf— huͤtte oder Erdgrube, an deren Anblick ſie ſich aber ſchon gewoͤhnt haben muͤſſen, auf dem Anſtande erlauern, wenn man ſich mit Son⸗ nenuntergange, oder auch mit Anbruch der Morgendaͤmmerung, von ihnen unbemerkt, dahin begiebt und ſehr ſtill verhaͤlt. Da ſich oft Enten von verſchiedenen Arten zu ihnen geſellen, fo iſt dieſe Anz ſtandsjagd zuweilen recht intereſſant. — In ihrem geraden, wenig foͤrdernden Fluge gewaͤhren ſie einen leichten Schuß, geben aber nicht oft Gelegenheit dazu. ˖ Auf ſolchen Gewaͤſſern, wo ſich unſere Waſſerhuͤhner ſehr haus XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 663 ſig aufhalten, ſtellt man zuweilen eigene Jagden nach ihnen an, wie z. B. auf den vielen Teichen und Seen im Militzſch⸗ und Trachenbergſchen in Schleſien, namentlich in den Revieren der Hrn. Grafen von Reichenbach zu Bruſtave. Wenn ſich dort zu Ende des September Tauſende von dieſen Voͤgeln auf gro: ßen von Rohr und Schilf freien Teichen verſammelt haben, ver— theilen ſich eine gute Anzahl Schuͤtzen auf 12 bis 20 Kaͤhnen, jes der dieſer auſſerdem noch mit einem Ruderer verſehen; die ſo be— mannten Kaͤhne, in gleicher Entfernung von einander in einer lan— gen Reihe aufgeſtellt, rudern nun in beſter Ordnung und ganz lang— ſam gegen die ſchwarze Schaar an und treiben dieſe gemaͤchlich in eine vom Pflanzenwuchs freie Ecke des Teichs. Anfaͤnglich flattert nur hin und wieder ein einzelnes Waſſerhuhn ein kleines Stuͤck auf dem Waſſerſpiegel hin und ſchwimmt dann wieder, wie die uͤbrigen, mit ihnen vorwaͤrts, bald aber, wenn ſich der Schwarm in die Enge getrieben ſieht, werden mehrere unruhig, die Bewegung wird allgemeiner, endlich erheben ſich alle im Flug und das dieſem vorhergehende, ſich durchkreutzende Geplaͤtſcher gewährt einen impo⸗ ſanten Anblick und giebt ein Getoͤſe, dem eines entfernten Waſſer— falls aͤhnlich; ſie fliegen nicht uͤber Land, ſondern kommen einzeln uͤber die Kaͤhne, und was hierbei von den Schuͤtzen nicht her⸗ abgeſchoſſen wird, faͤllt 300 bis 400 Schritte hinter den Kaͤhnen wieder auf die Mitte des Waſſerſpiegels nieder. Es iſt gut, wenn jeder Schuͤtze mehr als eine Doppelflinte und einen Gehuͤlfen, wel: cher bloß die abgeſchoſſenen wieder ladet, bei ſich hat. Wenn der Zug durch iſt, die Erlegten aufgeleſen ſind, treibt man die Entkom⸗ menen auf eben die Weiſe in eine andere Ecke des Teichs und ſo fort, bis ſie nach drei⸗ bis viermaligem Eintreiben aufs Hoͤchſte ge⸗ aͤngſtigt zum Theil thurmhoch in die Luft ſteigen und ſich fortma⸗ chen, zum Theil in Schilf und Gras werfen und verkriechen. Dieſe letztern machen dann gewoͤhnlich den Beſchluß ſolcher Jagd, indem man auch dieſe noch durch Hunde aufſtoͤbern laͤßt, wozu ſich jedoch nur wenige zwingen laſſen, und die einzeln herausfliegenden herab⸗ ſchießt. Fuͤr den guten Schuͤtzen, welcher ſeine Freude an vielem Morden findet, wie auch fuͤr den, welcher ſie an vielem Knallen hat, iſt dieſe Art Jagd ein koͤſtliches Vergnuͤgen; ſie giebt viel Ausbeute, die von der aͤrmern Volksklaſſe um billiges Geld gern gekauft und zur Speiſe benutzt wird. Wenn ſich unſere Waſſerhuͤhner, um die Mauſer abzuwarten, im Sommer zum groͤßten Theil von kleinern Teichen auf groͤßere 664 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. begeben und dort bis zum Herbſtzuge, meiſtens auf dem freien Waſſerſpie⸗ gel, verweilen, fo kann ſolche Verſammlungen leicht das Unglüd be: treffen, daß ein ſolcher Teich, der Fiſcherei wegen, abgelaſſen wird. Eine ſolche Fatalitaͤt kann dieſe ſonſt fo ſchlauen Vögel ganz außer Faſſung bringen; fie folgen nach und nach dem abgehenden Waſſer, bis zur groͤßten Vertiefung des Teiches, der Keſſel genannt, welche nie ganz waſſerleer wird, ſtellen ſich am Rande des kleinen Waſſer⸗ beckens dicht aneinander gedraͤngt auf und laſſen es, durch hoͤchſte Angſt gefeſſelt, geſchehen, daß ein Schuͤtze ganz frei und ohne wei⸗ tere Vorſicht auf Flintenſchußweite herangehen und viele mit einem Schuſſe erlegen kann; dies nicht etwa in der Mauſer, ſondern wenn fie ſchon lange wieder flugbar geworden find. So etwas kann in: deſſen nur vorkommen, wo es beim Ablaſſen eines ſolchen Fiſchtei⸗ ches nicht zu laͤrmend hergeht oder gar geſchoſſen wird, und dann wird man die anweſenden Waſſerhuͤhner hauptſaͤchlich nur am fruͤ⸗ hen Morgen um den Keſſel ſitzend finden, wenn in ſtiller Nacht das Waſſer vollends bis auf dieſen abgelaufen war; ſobald ſich aber erſt mehrere Menſchen hier zeigen, fliegen die Waſſerhuͤhner auf und davon. N Eine andere Art ſich dieſer Voͤgel zu bemaͤchtigen, iſt die der Fiſcher und anderer Leute, die darum Beſcheid wiſſen und an gro⸗ ßen ſtehenden Gewaͤſſern wohnen, namentlich derer am ſalzigen See im Mannsfeldiſchen. Zur Zeit des Federwechſels halten ſich naͤmlich unſere Waſſerhuͤhner meiſtens in der Mitte des großen, freien Waſſerſpiegels oder doch ſehr weit von dem Ufer und den Rohr⸗ wäldern truppweiſe auf. Bei warmen, ſtillen Wetter, wenn das Waſſer keine Wellen ſchlaͤgt, begeben ſich dann zwei Leute in einen Kahn, zur Jagd mit nichts weiter verſehen, als mit einer gehoͤrigen Menge von Stei⸗ nen und allenfalls einem Pruͤgel, welchen in vielen Faͤllen auch das Ruder erſetzt. So rudern fie zu einer Geſellſchaft von ſolchen Bo: geln, die ganz nahe aushalten, ſich aber doch nicht mit dem Ruder oder dem etwas langen Knittel erreichen laſſen; waͤhrend der eine das Fahrzeug regiert, greift jetzt der andere zu den Steinen und wirft damit nach den Waſſerhuͤhnern, die dadurch bewogen werden unterzutauchen, im Augenblick des Auftauchens von Neuem die Steine um ihren Kopf ſauſen hoͤren, daher immer wieder untertau⸗ chen, bis ſie endlich muͤde werden und der Kahn ihnen ganz nahe auf den Leib ruͤckt, ſo daß ſie beim Auftauchen durch einen Schlag mittelſt des Ruders oder des Knittels erreicht und erſchlagen wer: den koͤnnen, wobei der dies ausuͤbenden Perſon die Durchſichtigkeit . De a XIII. Ord n. LXXV. Gatt. 371. Gem. Waſſerhuhn. 665 des dort ſehr klaren Waſſers außerordentlich zu Statten koͤmmt, in⸗ dem ſie ſchon an dem Zuge des Vogels unter der Waſſerflaͤche ſieht, wo er ſeine Richtung hinnimmt und an welcher Stelle er auf der⸗ ſelben muthmaßlich wieder auftauchen wird. Fahren vier Leute auf zwei Kaͤhnen in gleicher Abſicht auf dem See, ſo koͤnnen ſie, wenn ſie ſich einigen, mit vereinten Kraͤften noch mehr gegen die armen Waſſerhuͤhner ausrichten. Es gehoͤrt dazu nichts als eine tuͤchtige Gewandtheit im Regieren des Fahrzeugs, im Abpaſſen des guͤnſtig⸗ ſten Augenblicks und in Sicherheit des Zuſchlagens, was indeſſen viele durch Uibung erlangen und ſo jaͤhrlich eine Menge dieſer Voͤ⸗ gel tödten und zur Speiſe benutzen, zumal fie in dieſer Zeit auch beſonders fett ſind. Mit Schießgewehr wuͤrde ſich auf dieſe Weiſe wahrſcheinlich noch mehr ausrichten laſſen, allein das Schießen iſt dort dieſen Leuten nicht erlaubt. Der Fang in Garnſaͤcken, die man in ihre Bahnen zwiſchen dem Schilf, mit der Einkehle der Waſſerflaͤche gleich, aufftellen ſoll, iſt ſehr unſicher und darum nicht zu empfehlen. Wenn es ſein muͤßte, wuͤrden Schlingen uͤber das Neſt geſtellt, die an eine gemein⸗ ſchaftliche Schnur geknuͤpft, dieſe am andern Ende aber an einen Stein befeſtigt und auf dem Grunde feſtgehalten wuͤrde, ſicher zum Ziele fuͤhren. Eine Fangart, wo man ſie in Menge in ſeine Gewalt bekaͤm, mag es in Deutſchland ſchwerlich geben, wol aber muß es in Italien der Fall ſein, weil ſie dort in großer Anzahl auf die Maͤrkte gebracht und verkauft werden, beſonders aber, als den katholiſchen Glaubensgenoſſen zur Faſtenſpeiſe erlaubt, in dieſer Zeit viel Abgang finden. N u ß; Das Fleiſch oder Wildpret des gemeinen Waſſerhuhns wird zwar gegeſſen, aber nur von wenigen Perſonen fuͤr ſchmackhaft ge⸗ halten. Es ſchmeckt und riecht nach Thran, ſieht dunkelroth, die Haut, die ſich ſchwer von den kleinen Dunen reinigen laͤßt, ſchwaͤrz⸗ lich aus. Es wird daher meiſtens nur von gemeinen Leuten gegeſ⸗ ſen, die es gewoͤhlich ſauer zubereiten, damit der Eſſig ihm den uͤbeln Beigeſchmack benehme, oder dieſen vielmehr uͤbertaͤube. An⸗ dere haben es, nachdem ſie ihm die Haut abgezogen und dieſe weg⸗ geworfen, einige Zeit in Eſſig beitzen laſſen, ehe ſie es am Feuer zubereiteten, doch mildert auch dieſes Mittel kaum den natuͤrlichen 666 XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. Geſchmack deſſelben. Noch andere empfehlen, bevor man es an den Spieß ſteckte, ihm die ganze Bauchhoͤhle voll friſcher Moͤhren oder Mohrruͤben zu pfropfen, dieſe mitzubraten, ſo wie es aber gahr, die Ruͤben, die dann alles Ranzige aus dem Fleiſche geſogen und in ſich aufgenommen haͤtten, ſogleich wegzuwerfen. Wir haben dies Mittel oft bei dieſem wie bei anderm Wild von aͤhnlichem Ge— ſchmack angewandt, aber auch nie ganz genügend gefunden. End- lich empfiehlt man noch, dem getoͤdteten, aber noch warmen Vogel uͤber jeder Ferſe und dann unter der Kehle die Haut aufzuſchlitzen, durch dieſe Oeffnung mittelſt einer Federſpule die Haut ſo ſtark wie moͤglich aufzublaſen, und ihm dann zu Hauſe dieſe abzuziehen, an welcher dann das beſonders uͤbelſchmeckende Fett haͤngen bleiben und mit ihr zugleich entfernt wuͤrde. Dies ſoll das beſte Mittel ſein ihm den ſchlaͤmmernden oder ranzigen Geſchmack zu benehmen; wir haben es jedoch ſelbſt noch nicht verſucht. — Daß es in katho— liſchen Ländern zur Faftenfpeife erlaubt und für fie nicht unwichtig iſt, wurde ſchon oben beruͤhrt; das Stuͤck ſoll dort oft mit 2 bis 4 Groſchen bezahlt werden; wie es aber zu der Ehre gelangt iſt, un: ter die Fiſche gezaͤhlt zu werden, da das Waſſerhuhn doch eigentlich nicht einmal Fiſche freſſend iſt, begreifen wir nicht. Recht wohlſchmeckend ſind dagegen die Eier, die deshalb auch von Fiſchern oft aufgeſucht, auch von mehr verwoͤhnten Gaumen ſehr gern gegeſſen werden; ſie ſtehen hinſichtlich der Zartheit ihres Inhalts gegen gewoͤhnliche Huͤhnereier und Kibitzeier gerade in der Mitte zwiſchen beiden. Die Federn werden von armen Leuten gern zum Ausſtopfen der Betten benutzt. 5 5 d Sch a N Obgleich unſer Waſſerhuhn bei Fiſchern und Fiſchereibeſitzern allgemein in dem uͤbeln Rufe ſteht, als gehöre es zu den Fiſchraͤu⸗ bern, ſo iſt dieſe Beſchuldigung doch faſt ganz grundlos; wir ha- ben niemals weder Fiſche noch Fiſchbrut in ſeinem Magen gefun⸗ den, ſo viele wir auch deshalb oͤffneten. — Wenn manche Jagdbe⸗ ſitzer behaupten, die Waſſerhuͤhner biſſen die Enten von den Teichen fort, auf welchen fie niſteten, fo moͤgen ſie in manchen Faͤllen nicht ganz Unrecht haben; indeſſen koͤnnen wir ebenſo verſichern, ganz in der Nähe der Waſſerhuͤhnerneſter auch die Neſter verſchiedener En⸗ XIII. Ordn. LXXV. Gatt. 271. Gem. Waſſerhuhn. 667 tenarten gefunden zu haben, die ruhig neben ihnen ausbruͤteten und dann ihre Jungen wegfuͤhrten. Eine beſondere Abneigung gegen dieſe haben wir nie bemerkt, wie denn auch zu andern Zeiten ſich gern Enten, beſonders aus der Familie der tauchenden, unter die Waſſerhuͤhner miſchen und von dieſen geduldet werden. In der Paarungszeit, wo ſie unter ſich in beſtaͤndigem Hader leben, koͤmmt es indeſſen auch vor, daß ſie in blinder Wuth zuweilen gegen ihnen zu nahe kommende Enten oder gar Gaͤnſe auffahren; allein daß ein anhaltendes Verfolgen und Vertreiben dabei beabſichtigt ſei, moͤchte nur bei einem Aufenthalt auf ganz kleinen Teichen behauptet wer: den koͤnnen; da moͤgen ſie freilich auch zahme Enten nicht gern um ſich haben. Sechs und ſiebenzigſte Gattung. Lappentaucher. Colymbus. Schnabel: Laͤnglicht oder etwas kurz, meiſtens ſchlank, viel fehmäler als hoch, gerade, vorn mehr oder weniger lang zugeſpitzt, hart, mit etwas eingezogenen, ſehr ſcharfen Schneiden, von denen die untere ein Wenig in die obere eingreift, mit ziemlich tief ge⸗ ſpaltenem, aber eben nicht weitem Rachen. Vom Mundwinkel zum Auge geht ein nackter Streif. Die Zunge iſt lang, ſchmal, oben flach, unten rundlich, vorn mit hornartiger getheilter Spitze, am faſt geraden Hinterrande ſchwach gezaͤhnelt. Naſenloͤcher: Seitlich, in der laͤnglichen, vorn abgerundeten, weichen Naſenhoͤhle, laͤnglich oval und durchſichtig, nicht ſehr weit vom Schnabelgrunde entfernt. ; Füße: Am Ende des Körpers, nicht hoch, aber mit 3 etwas langen Vorderzehen, von welchen die aͤußerſte ſo lang oder noch etwas laͤnger als die mittelſte, die innere aber viel kuͤrzer iſt, und mit einer hoch uͤber den Zehenballen eingelenkten ſehr kleinen Hin⸗ terzeh. Der Unterſchenkel liegt groͤßtentheils in der Bauchhaut, ne⸗ ben dem Buͤrzel; die Läufe find ganz außerordentlich (ſtaͤrker als in irgend einer bekannten Vogelgattung) zuſammengedruͤckt, wodurch XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 669 der Spann ein ſcharfe, glatte Kante erhaͤlt, die Sohle aber in einer ſehr ſchmalen Doppelreihe gezaͤhnelt iſt. Die Vorderzehen ſind von der Baſis bis zum erſten Gelenk durch eine Spannhaut verbunden, von hier an und zu ihrem groͤßeſten Theil zwar geſpalten, aber zu beiden Seiten mit an der aͤußern ſchmaͤlern, an der innern ſehr breiten, an den Raͤndern nicht ausgeſchnittenen Schwimmlappen verſehen, dieſe vorn abgerundet und der Nagel nicht vorſtehend. Die ſehr kleine Hinterzeh hat nur an der nach unten gekehrten Seite einen breiten, auf der entgegengeſetzten bloß einen ſehr ſchmalen Sei⸗ tenlappen und ſteht mit dieſen ſenkrecht, ein wenig nach innen ge: richtet. — Die Krallen ſind wahre Naͤgel, ſehr breit, faſt gar nicht gewoͤlbt, ganz platt aufliegend, der lichter gefaͤrbte oder weiß⸗ liche Vorderrand des Nagels der Mittelzeh gezaͤhnelt oder ausges kerbt. An der Hinterzeh iſt er kaum bemerkbar. — Die Nacktheit des Fußes faͤngt erſt mit dem Ferſengelenk an. Am Laufe iſt die Haut ſehr ſymmetriſch in Schilder, an der innern wie an der aͤuſſern Seite, zu 4 bis 5 Laͤngereihen getheilt, von welchen die auf dem Spann ganz ſchmal, die naͤchſtfolgende an den platten Seiten des Laufs auſſerordentlich breit, die dann folgende wieder viel ſchmaͤler iſt, die letzten, welche an der Laufſohle die Saͤgezackchen bilden, aber ganz ſchmal ſind. Eben ſo ſymmetriſch iſt die Haut der Zehen und ihrer Seitenlappen, auf den Zehenruͤcken in die Quer in etwas breite Schilder, zunaͤchſt dieſen die Seitenlappen in eine ſehr breite Reihe ſchmaler Querſchilder, und endlich in eine aͤußerſt ſchmale Reihe kleiner Schildchen getheilt, und die letzte bildet einen am Rande fein gezaͤhnelten Saum um jeden Zehenlappen; nach glei⸗ chem Muſter iſt auch die Haut des Hinterzeh abgetheilt; die Soh⸗ len der Zehen und Schwimmlappen ſind ebenfalls, aber aͤußerſt ſeicht und in einer andern, weniger regelmaͤßigen Manier geſchildert. — Die Faͤrbung der nackten Fußtheile iſt auf der innern Seite des platten Laufs ſtets eine ſehr helle, auf der aͤußern eine ſehr dunkele; die lichte Farbe der Zehen mit ihren Lappen geht an den Rändern. wie auf den Gelenken ſanft in eine dunkle uͤber; Zehen: und Lap⸗ penſohlen ſind ſchwarz. 670 XIII. Or dn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. Fluͤgel: Klein, ſchmal, mit kurzen Schwingfedern, aber ſehr langen Armknochen; die vorderſte Schwingfeder von gleicher Laͤnge mit der dritten, aber wenig kuͤrzer als die zweite, welches die laͤngſte von allen iſt; die erſter Ordnung haben ſtraffe, ſpitzewaͤrts ſehr nach innen gebogene Schaͤfte. In Ruhe werden ſie ſtets von den ſtar⸗ ken Tragfedern getragen, und hinter dieſen und den Aae großentheils verſteckt. Schwanz: Fehlt gaͤnzlich; an ſeiner Stelle ſteht bloß e ein klei⸗ ner, pinſelartiger Buͤſchel zerſchliſſener Federn. Das kleine Gefieder iſt uͤberall ſehr dicht, doch am meiſten an der untern Seite des Rumpfes, wo es einen dicken Federpelz bildet; hier, wo es einen eigenthuͤmlichen Atlasglanz hat, wie am Kopfe, Halſe, dem Unterruͤcken und Buͤrzel iſt es ganz zerſchliſſen, die haarartigen Raͤnder der einzelnen Federn nicht zu unterſcheiden; etwas deutlicher zeigen ſich dieſe auf dem Oberruͤcken, den Schul⸗ tern und dem Oberfluͤgel, waͤhrend allein die Schwingfedern, nebſt den Fittichdeck⸗ und Daumenfedern gut geſchloſſene Fahnen und ſcharf gezeichnete Umriſſe haben. Der Kopf iſt dichter und laͤnger befiedert, und diese we Bekleidung geſtaltet ſich in gewiſſem Alter zu hoͤchſt eigenthuͤmlichen Kopfzierden, bei vielen Arten unten zu einem breiten Baden: und Kehlkragen, und oben zu einem zweitheiligen Federbuſch; das mehr oder weniger lange, aber ſtets ſehr dichte Gefieder dieſer Theile, fuͤhlt ſich ſo weich wie Seide an. Merkwuͤrdigerweiſe find bei den dieſer Gattung angehoͤrigen Voͤgeln allein Kopf und Hals die Theile, welche im hoͤhern Alter und im Hochzeitskleide nicht allein durch eine anderartige Befiederung, ſondern auch durch eine praͤchtigere Faͤrbung ausgezeichnet werden, waͤhrend an allen uͤbrigen Theilen keine, oder doch nur wenig in die Augen fallende Veraͤnderungen vorgehen. Der Kopf iſt klein, geſtreckt, niedrig; der Hals lang, ſchlank oder ziemlich duͤnn; der Rumpf eben nicht lang, aber auffallend breit und platt gedruͤckt; die am Ende des Letztern mit dem Bürzel in gleicher Flucht hervorgehenden Beine ſtark nach auſſen geſpreitzt. N 9 \ 1 I XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 671 Es ſind Voͤgel von Entengroͤße und darunter, von einer fon: derbaren Geſtalt, nur am Kopfe und Halſe ſchoͤn, im Ganzen aber von abentheuerlichem Ausſehen. Ganz für das Waſſer geſchaf—⸗ fen, tragen ſie auch ſchwimmend beinahe nur jene Theile zur Schau, denn von den uͤbrigen ragt kaum etwas mehr als der Ruͤcken uͤber die Flaͤche empor; auf dem Lande muͤſſen ſie dagegen, des Baues und der Lage ihrer Fuͤße wegen, faſt ganz aufrecht ſte— hen. Wenn ſie hierin den Pinguinen oder Floſſentauchern aͤhneln, ſo entfernen ſie ſich doch in allem Uebrigen ſo himmelweit von dieſen, daß an ein Anreihen nicht zu denken iſt. Auch von den Seetauchern (Eudytes, IIlig.), zu welchen fie ſonſt von Linnse u. a. gezaͤhlt wurden, ſtehen ſie zu entfernt, um ſie neben dieſe zu ſtellen. Unſere Gattung Colymbus oder Podiceps, Lath. ſteht fo abgeſondert von allen, daß wir ihr keinen andern Platz anweiſen konnten, als den, auf welchen ſie durch Aehnlichkeit des Fußbaues und einzelner Lebensmomente mit Fulica und Podoa Anſpruch macht. Sie ſteht ſo einzig, ſo geſchloſſen, in den Gattungscharaktern bei den verſchiedenen Arten ſo uͤbereinſtimmend da, wie keine andere in der Vogelwelt; bei allen Arten iſt der Typus der Gattung fo deut: lich ausgepraͤgt, daß letztere ſogleich erkannt werden muß; noch iſt keine hierher gehoͤrende Art entdeckt, welche den Uebergang von die— ſer zu irgend einer andern Gattung darſtellte. Es kann daher von dieſer engverbundenen Gruppe im Allgemeinen mehr gefagt werden, was auf alle Arten paßt, als dies ſonſt bei andern geſchehen konnte. Eigentliche Prachtfarben kommen in dieſer merkwuͤrdigen Gat⸗ tung nicht vor; eine ſchoͤne Roſtfarbe am Kopfe und Halſe, oder auch an den Bruſtſeiten, iſt die einzige, welche etwas in die Augen leuchtet; bei allen Arten iſt die Faͤrbung der obern Theile ein dun⸗ keles, oft an Schwarz grenzendes Braun, die der untern, bei far: kem Glanze des Gefieders, ein mehr oder weniger durch Silbergrau gedaͤmpftes, bei vielen auch reines Atlasweiß; der dunkele Fluͤgel hat faſt bei allen einen weißen Spiegel, weil die Secundarſchwing— federn entweder ganz oder doch an den Spitzen weiß ſind. Ihre Bekleidung leidet in verſchiedenen Lebensperioden mancherlei Verän: derungen: Das Neſtkleid iſt ein dichter Flaum, am Vorderkopfe und Borderhalfe auf weißem, am Hinterhalſe und dem Rüden auf roſtbraͤunlichem Grunde mit zuſammenhaͤngenden, großen, ſchwarzen Laͤngeſtreifen beſetzt, der Unterrumpf rein atlasweiß; die erſte ordent- liche Befiederung, das Jugendkleid, iſt bei allen an der Kehle weiß, bei den meiſten Arten dies auch im Winterkleide; denn 672 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. die Alten mauſern regelmaͤßig im Jahr zwei Mal und ihr Fruͤh⸗ lings⸗ oder Sommerkleid iſt ſehr von jenem verſchieden und in ihm allein iſt jener praͤchtige Kopfſchmuck ausgebildet, von dem man im Herbſte nur bei wenigen einige Andeutungen, bei den meiſten aber noch keine Spur vorfand. — Aeußere Geſchlechtsunterſchiede⸗ die ſtets geringere Groͤße der Weibchen abgerechnet, finden ſich hauptſaͤchlich nur im hoch zeitlichen Kleide, wo der Kopfputz der Maͤnnchen den der Weibchen an Laͤnge und Umfang, wie in der Hoͤhe der Faͤrbung uͤbertrifft, in vielen Arten jedoch kaum merklich. Eine individuelle Verſchiedenheit in der Groͤße koͤmmt haͤufig vor. Sie gehören der gemäßigten Zone an und kommen auch im Som: mer nicht ſehr hoch im Norden vor; wandern im Spaͤtherbſt bei eintre= tenden Froͤſten meiſtens geſellig in ein waͤrmeres Klima und kehren im Fruͤhjahr fruͤhzeitig aus dieſem, theils einzeln oder paarweiſe, theils in kleinen Geſellſchaften zuruͤck. Sie bewohnen die ſtehenden Gewaͤſſer, Seen, Teiche und tiefen Suͤmpfe, ſeltener langſam flie⸗ ßende, aber immer nur ſolche, welche am Rande oder in zerſtreuten Buͤ⸗ ſchen viel Schilf und Rohr haben, kommen auch an die Seekante, aber nie aufs hohe Meer, ausgenommen wenn ſie durch Stuͤrme und widriges Geſchick auf der Reiſe dahin verſchlagen wurden. Die Lappentaucher ſind wahre Waſſerbewohner und ihre hervorſtechendſte Eigenſchaft iſt die, faſt allein auf und in dem naſ— ſen Elemente zu leben, ſogar auf ihm auszuruhen, zu ſchlafen und ſich fortzupflanzen. Keine andere Vogelart iſt fo ganz Waſſer— oder Schwimmvogel wie ſie, indem auch nicht eine bis jetzt bekannt iſt, die nicht wenigſtens zu gewiſſen Zeiten laͤnger oder kuͤrzer auf dem Lande verweilte. Die Lappentaucher gehen dagegen nur in hoͤchſter Bedraͤngniß, nämlich wenn ſie fluͤgellahm gefchoffen wurden, auf das Land, doch nur ganz nahe am Waſſer, um uͤberraſcht ſich ſogleich wieder in daſſelbe ſtuͤrzen zu koͤnnen. Bei allen ihren Hand» lungen beduͤrfen ſie des Waſſers, ſelbſt um ſich in Flug zu ſetzen und fliegend in die Luft zu erheben, weil ſie dies nicht anders koͤn— nen, als mit einem kurzen Anlaufe auf der Waſſerflaͤche, ſich aber vom feſten Boden nicht aufzuſchwingen vermoͤgen. Durch Unfall weit vom Waſſer auf's Trockne gerathene Lappentaucher koͤnnen ſich daher nie durch den Flug retten. Ihre meiſte Lebenszeit theilt ſich in Schwimmen und Tauchen, und wenn ſich andere Schwimm: voͤgel erholen, ausruhen, ſöͤnnen wollen und ſich dazu an das Ufer oder ſonſt ein feſtes Plaͤtzchen begeben, bleiben die Lappentaucher auf dem Waſſerſpiegel und erreichen Daſſelbe ſchwimmend. Der XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 673 Ruhe gaͤnzlich uͤberlaſſen, liegt ihr Rumpf ſo wenig eingetaucht auf der Flaͤche, wie ein Stuͤck Kork, die Beine werden in die Hoͤhe ge⸗ nommen und auf die Tragfedern längs dem Fluͤgel gelegt, der Schnabel zwiſchen Rüden: und Schulterfedern geſteckt. So ruhen und ſchlafen fie ſtets bei ſtillem Wetter auf ruhiger Spiegelflaͤche und gewoͤhnlich weit vom Lande; iſt das Waſſer aber nicht ganz ruhig, daß ſie befuͤrchten muͤſſen, der Luftzug moͤchte ſie in die Naͤhe des Ufers treiben, dann laſſen ſie dabei die Beine in das Waſſer hangen und verſtehen es meiſterlich, vermuthlich durch ganz eigene Bewegungen derſelben, immer auf derſelben Stelle zu bleiben. Im Schwimmen und Tauchen beſitzen ſie die groͤßte Mei⸗ ſterſchaft und uͤben beides ſchon, wenn ſie nur kuͤrzlich erſt aus den Eiern geſchluͤpft ſind. Ihr ganzer Koͤrperbau muß dies befoͤrdern; der platte Rumpf ſchwimmt gleichſam von ſelbſt; der ſpitze Schna⸗ bel, die niedrige Stirn und der kleine geſtreckte Kopf, nebſt dem langen, ſtraffen Halſe, muͤſſen es leicht machen, die Waſſermaſſe zu durchbohren; die am Ende des Rumpfs zu beiden Seiten hervorge— henden, mit der Ferſe nach innen gerichteten Fuͤße mit den platten, wie eine Meſſerklinge das Waſſer durchſchneidenden Laͤufen und den breitbelappten, ſtark einwaͤrts gerichteten Zehen, die demnach in die Tiefe greifen, wenn auch die Laͤufe faſt wagerecht vom Rumpfe ab- ſtehen, wie bei Froͤſchen, koͤnnten zum Rudern nicht zweckmaͤßiger eingerichtet ſein. Sie rudern, auf der Waſſerflaͤche ſchwimmend, auch aͤußerſt gewandt und ſchnell, bei Weitem ſchneller aber unter derſelben; den unter der Waſſerflaͤche lange Strecken fortſchießenden Lappentaucher holt ein am Ufer hinlaufender Menſch nicht ein; kaum von der Oberflaͤche verſchwunden, erſcheint er wenige Secun⸗ den fpäter, 50 Schritt davon, ſchon wieder auf derſelben; in einem Augenblick Kopf und Schnabel gegen das Waſſer gerichtet, dazu einen Ruck mit dem Koͤrper und er iſt abermals verſchwunden. Nicht mit einem Sprünge, wie die Waflerhühner, fondern nur mit einem leichten Ruck tauchen die Lappentaucher unter die Flaͤche, ſtrecken unten den langen Hals, Kopf und Schnabel gerade vor, wobei auch der Koͤrper ſich lang und duͤnn macht, die Fluͤgel unter den Tragefedern bleiben, und rudern ſo allein mit den Fuͤßen in großen Schlaͤgen zum Erſtaunen ſchnell vorwaͤrts, waͤhrend ſie dazu die Augen ganz offen behalten. Beim Erſcheinen auf der Ober: flaͤche zeigt ſich gewoͤhnlich Schnabel und Kopf zuerſt, nur wo das Waſſer ſeicht iſt, taucht auch wol der ganze Vogel mit einem Male auf. — Sie konnen übrigens, ohne zu athmen, nicht ſehr lange 9. Theil. 43 674 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. unter Waſſer aushalten; eine Minute ſcheint die laͤngſte Zeit zu fein. Wenn fie bei Verfolgungen länger unſichtbar bleiben, fo ha: ben fie fih am Ufer oder fonft wo verborgen, bloß den Schnabel und die Augen über Waſſer, den übrigen Körper unter demſelben, und werden uͤberſehen. ö Beim Schwimmen auf der Oberflaͤche des Waſſers zeigen ſie das Eigenthuͤmliche, daß ſie den Koͤrper nach Belieben mehr oder weniger tief in das Waſſer einſenken koͤnnen; ſind ſie ganz ruhig und unbeſorgt, ſo ſchwimmen ſie ganz flach oben auf und kruͤm— men dazu den Hals ſtark Sfoͤrmig; etwas aufgeregt druͤcken ſie den Rumpf ſchon tiefer unter die Flaͤche und der Hals iſt faſt ganz ge— rade in die Hoͤhe geſtreckt, wobei die Alten mit Aufſtraͤuben und Niederlegen des Kopfputzes wechſeln; ſind ſie aber in Furcht und Angſt, fo machen fie ſich ſehr ſchlank, indem fie das Gefieder dicht anlegen, und ihr Rumpf iſt beinahe bis uͤber die Fluͤgel unter die Waſſerflaͤche getaucht, fo daß von jenem nicht viel mehr als der Ruͤcken uͤber letztere ſichtbar bleibt; durch das letztere erſcheinen ſie dann viel kleiner als ſie wirklich ſind. Das Schwimmen wird die— ſen Vögeln nicht allein durch die dichte pelzartige Befiederung, ſon— dern auch noch dadurch erleichtert, daß fie unter der Haut, beſon⸗ ders unter der Bruſthaut, mit ſehr vielem Fett verſehen ſind, das auch durch die Buͤrzeldruͤſe ſehr haͤufig abgeſondert wird und ihnen zum Einfetten des Gefieders von auſſen dient, was ſich auch auf— fallend fettig anfuͤhlen laͤßt. Bei jener Beſchaͤftigung, die ſie oft vornehmen, ſieht man ſie manchmal in allerlei wunderlichen Lagen, nicht ſelten ganz auf einer Seite auf dem Waſſer liegen; wenn ſie dann mit Putzen fertig ſind, richten ſie den Koͤrper faſt aufrecht, den langen Hals, Kopf und Schnabel in derſelben Richtung gegen den Himmel, ſchuͤtteln ſich tuͤchtig, und ſchwimmen dann weiter. Dieſe Art ſich zu ſchuͤtteln zeigen ſie auch ſonſt noch oͤfters, nach einem etwas langen, doch freiwilligen, Untertauchen; die Beine ſind dabei gewöhnlich faft bis an die Zehen auſſer Waſſer. Stehen und Gehen auf feſtem Boden koͤmmt bei ihnen hoͤchſt ſelten, nur ausnahmsweiſe, vor. Sie erſcheinen darin in der wunderlichſten Haltung und ihre Figur erhaͤlt das abentheuerlichſte Ausſehen. Der Rumpf iſt dann beinahe ſenkrecht, mit geringer Neigung nach vorn, aufgerichtet, der Hals fehr ſtark in die Sform gebogen, die Läufe ſtehen, mit geringer Biegung der Ferſe, faſt ſenk⸗ recht, doch unten ziemlich ſtark nach auſſen geſpreitzt; ſo und nicht anders ſtehen und gehen ſie. Man iſt daher ſehr im Irrthum XIII. Ordn. LXXV. Gatt. Lappentau cher. 675 wenn man glaubt, ſie ſtaͤnden und gingen auf der Laufſohle. Weil ſie aber das Stehen nicht lange aushalten, ſondern ſich bald wieder auf die Bruſt und den ganzen Unterrumpf niederlegen oder niederz werfen und dazu die Beine gewoͤhnlich auswaͤrts ſpreitzen, wie wenn ſie ſchwimmen wollten, zumal durch einen Schuß ſchwer verletzt, ſo mag daraus, ohne je einen geſunden Lappentaucher in der Naͤhe be— obachtet zu haben, die irrige Meinung hervorgegangen ſein, als koͤnnten fie ſich auf feſtem Boden gar nicht anders fortbewegen. Das Verwach⸗ ſen des ſehr langen Unterſchenkels in der Bauchhaut bis in die Naͤhe der Ferſe, hemmt allerdings die Beweglichkeit der Fuͤße und der Gang bekoͤmmt dadurch etwas Steifes und Unbeholfenes; er iſt indeſſen noch behende genug und ſie koͤnnen ſogar recht ſchnell lau— fen, beſonders die kleinen Arten. Im Zimmer rennen ſie aus freiem Antriebe recht oft herum, zuweilen ſchußweiſe mit ſteigen⸗ der Geſchwindigkeit, ſcheinen aber dadurch angegriffen und plum— pen nach vollendetem Umlauf gewoͤhnlich wieder auf Bruſt und Bauch nieder, welche Art auszuruhen ihnen uͤberall die liebſte iſt. Um ein kleines, flaches, mit Nahrungsmitteln verſehenes Waſſerge— ſchirr wandeln ſie oft im Kreiſe herum, um das Genießbare heraus zu fiſchen; wenn ſie damit fertig ſind, ſteigen ſie gewoͤhnlich hinein und legen ſich nieder, um wenigſtens die untere Rumpfflaͤche und die Beine im Waſſer zu haben. Die Letztern ſuchen ſie ſo oft wie moͤglich zu benetzen und das Abtrocknen derſelben mag ihnen ſehr unangenehm ſein, weil es ihnen im freien Leben wol kaum vor⸗ koͤmmt. Ei, Ihr Flug ſcheint viel Kraftaufwand zu erfordern, wenn man den Umfang des plumpen, ſchweren Körpers mit den kleinen ſchma⸗ len Fluͤgeln vergleicht, die ſich darin, in ganzer Laͤnge vom Rumpfe hinweg geſtreckt, in kurzen, aber ſehr ſchnellen, beinahe zit: ternden Schlägen bewegen. Der lange Hals, Kopf und Schnabel find darin in gerader Linie vorgeſtreckt, die großen Füße wagerecht nach hinten ausgeſtreckt, ſo daß ſie am fliegenden Vogel einen brei— ten Schwanz vorſtellen. Sie koͤnnen ſich nicht vom Lande, ſondern bloß von der Waſſerflaͤche in Flug ſetzen, weil ſie einen Anlauf dazu nehmen muͤſſen, mit ihren belappten Fuͤßen die Flaͤche laufend und plaͤtſchernd ſchlagen, dazu mit den Flügeln flattern und ſich fo er: heben, doch bedarf es dazu oft nur eines ganz kurzen Anlaufes. Sind ſie in ſchraͤger Richtung immer hoͤher geſtiegen und haben ſie dann eine bedeutende Höhe erreicht, fo geht dieſer Flug ſehr ſchnell von Statten und ſcheint ihnen in den hoͤhern Luftregionen auch bei 43 * 676 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. Weiten weniger anſtrengend zu fein. Sie konnen daher weite Rei: ſen ohne viele Beſchwerde durch die Luft machen und haben es gar nicht noͤthig, ihre jährlichen Wanderungen, wie Einige gemeint ha⸗ ben, zum Theil ſchwimmend zu machen. Man ſcheint dies bloß aus der Unluſt zum Fliegen, die ſie an den Sommeraufenthaltsor⸗ ten zeigen, gefolgert zu haben, weil man ſie in der Zugzeit und an Orten wo ſie fremd waren, nicht hinlaͤnglich beobachtet hatte; hier fliegen ſie faſt immer leicht auf und nicht ſelten weit weg, waͤhrend fie dort oft die heftigſten Verfolgungen nicht dazu bringen. Uibri⸗ gens geht ihr Flug ohne alle Schwenkungen, auch nie ſchwebend, ſondern ſtets flatternd, in gerader Linie vorwaͤrts, und wie ſie in ſolcher ſchraͤg aufſtiegen, laſſen fie ſich auch wieder fo aus der Luft herab und fallen dann mit der ganzen Unterflaͤche des Rumpfs aufs Waſſer, fo daß es laut plumpt. Wegen dieſes unſanften Nieder- werfens wuͤrde es ihnen Nachtheil bringen, wenn ſie ſich auf das Land niederlaſſen wollten, was ſie daher freiwillig oder bei geſun den Kräften nie thun. Als ſcheue, mißtrauiſche und liſtige Voͤgel entfernen fi ſie ſich bei Annaͤherung einer Gefahr ſchwimmend auf die Mitte des freien Waſſerſpiegels; iſt dieſer nicht ſehr groß, ſo tauchen ſie unter und weit von der Stelle erſt wieder auf, wieder unter und an entgegen⸗ geſetzter Stelle wieder auf u. ſ. f., bis ſie endlich in der Naͤhe des Ufers an nicht ganz nackten Stellen ſtill unter Waſſer liegen blei— ben, nur den Kopf und Schnabel bis an die Augen herausſtrecken, und ſo leicht uͤberſehen werden. In dringender Gefahr iſt Un— tertauchen immer ihr erſtes Rettungsmittel; nur in einzelnen Faͤl⸗ len ſuchen ſie dieſes auch im Wegfliegen; iſt ſie weniger dringend und Schilf oder Rohr in der Naͤhe, ſo ſuchen ſie ſich durch ſtilles Verſteckthalten in demſelben den Augen des Verfolgers zu entziehen. Zaͤhmbar ſind die Lappentaucher darum nicht, weil ſie ohne vieles Waſſer nicht lange dauern wuͤrden. b Ihre Nahrung ſuchen die Lappentaucher faſt einzig im tiefern Waſſer durch Untertauchen; ſehr ſelten ſieht man fie bloß mit dem Kopfe darnach unter die Flaͤche fahren und eben ſo ſelten ein Nah— rungsmittel von dieſer aufnehmen. Da ſie viel zu ihrer Saͤttigung zu beduͤrfen ſcheinen, ſo verſchwinden ſie alle Augenblicke von der Flaͤche und erjagen ſich ihre Nahrung, kleine Fiſchchen, Waſſerkaͤfer und andere Waſſerinſekten, wie deren Larven, viel ſeltener ganz kleine Froͤſchchen und Froſchlarven, unter derſelben, verſchlucken dieſe aber im Augenblicke des Auftauchens ihres Schnabels, ſo daß die Zr CL = Sn 2. Hup Du en nn nn ö XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 677 ſchluckende Bewegung darum ſehr ſelten bemerkbar wird, weil man nicht weiß, auf welcher Stelle fie eben auftauchen werden. Wo ihs rer zwei beiſammen ſind, tauchen ſehr ſelten beide zugleich unter; eben ſo tauchen von einer Geſellſchaft nie alle zugleich unter das Waſſer, ſondern wechſeln damit ab, wenn die eine Partie auftaucht, taucht die andere unter. Dies moͤgen ſie theils um ſich zu ſichern, theils darum thun, weil zu vieles Durcheinanderrudern unter dem Waſſer dem Fange der Fiſchchen und anderer flinken Geſchoͤpfe nicht foͤrderlich ſein würde. Häufig findet man auch grüne Pflanzentheile, namentlich vom ſogenannten Waſſermoos (Conferva) in ihren Maͤ— gen, ungewiß ob abſichtlich oder bloß zufaͤllig verſchluckt. Auch grobe Sandkoͤrner fehlen darin felten, doch find fie nie in Menge vorhanden. Hoͤchſt merkwuͤrdig und ihnen vor allen andern Voͤgeln eigen— thuͤmlich iſt die Gewohnheit, ſich ſelbſt, oder auch ein Gatte dem andern, die eigenen Federn auszurupfen und dieſe zu ver: ſchlucken. Sie nehmen dazu meiſtens Bruſtfedern, auch nicht bloß die, durch deren Entfernung ſie in der Fortpflanzungszeit, ganz un⸗ ten nahe am Bauche nackte Bruͤteflecke bilden, ſondern auch andere, auch ſolche, die von ſelbſt ausfallen, zu manchen Zeiten mehr, zu andern weniger. Man vermißt ſie bei keinem alten Vogel gaͤnzlich und der Magen iſt nicht ſelten ſo damit angefuͤllt, daß ſie einen lockern Ballen darin bilden, in dem die Nahrungsmittel ein: gehuͤllt und kaum herauszufinden find. Ihre Bruſthaͤute zeugen in jeder Jahreszeit davon; ſie ſind ſtets mit hervorkeimenden, in dem Blutkiel ſteckenden, halbreifen, kurz mit jungen Federn von jedem Alter, zwiſchen den vollſtaͤndig ausgebildeten, welche ſtets die Mehr: zahl bilden, beſetzt. Bei den groͤßern Arten der Gattung iſt dies noch auffallender als bei den kleinen. Erſt wenn ſie ihr vollſtaͤndi⸗ ges Gefieder, ihr Jugendkleid erhalten haben, fangen ſie an ſich ſelbſt Bruſtfedern auszuzupfen und ſie zu verſchlucken; ſo lange die Jungen aber im Dunenkleide ſind, wiſſen ſie von dieſem Ge⸗ nuſſe nichts. Nicht minder merkwuͤrdig, zum Theil abnorm, iſt Vieles in ih: rer Fortpflanzungsgeſchichte. Sie leben in uneingeſchraͤnkter Monogamie, bleiben das ganze Jahr gepaart und die Gatten lieben ſich zaͤrtlich. So wie die allermeiſten ihrer Handlungen wird auch der Begattungsact auf dem Waſſer vollzogen und zwar auf eine ganz abnorme Weiſe. Weil ihre Fuͤße ganz am Ende des Rum⸗ pfes liegen und ſie nothwendig ganz aufrecht ſtehen muͤſſen, ſo kann ein Betreten, wie bei andern Voͤgeln, hier nicht Statt finden; beide 678 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt, Lappentaucher. Gatten ſchwimmen daher nach vorhergegangene Liebeleien und Schnaͤ⸗ beln, die bei einigen Arten zuletzt in laͤrmendes Geſchrei ausbrechen, gegen einander und richten ſich ſenkrecht gerade in die Hoͤhe, ihre Bruͤſte ſchmiegen ſich dicht aneinander, endlich auch die Baͤuche und der Act iſt mit einem Ruck vollzogen, worauf ſie ſogleich wieder wie gewoͤhnlich neben einander ſchwimmen und ihre laute Stimme erheben. Sie niſten auf ſuͤßen Gewaͤſſern, die großen Arten in der Nähe hohen Schilfes und Rohres, die kleinern bei nie: drigern Sumpfpflanzen und Graͤſern, aber ſtets nur auf dem Waſſer, auch in nicht ganz einſamen Gegenden ſtets vom Ufer ent: fernt uͤber tieferm Waſſer. Ihre ſchwimmenden Neſter weichen von allen andern Vogelneſtern darin ab, daß fie nicht aus trocknen, ſon— dern aus naſſen Materialien gebauet werden und daß die Eier ſtets im Feuchten, zum Theil ſogar im Waſſer ausgebruͤtet werden. Auch die Neſtmaterialien erlangen dieſe Voͤgel durch Tauchen. Nachdem ſie einige alte Schilf- oder Rohrſtorzen, oder nur einige eingeknickte, auf der Waſſerflaͤche ſchwimmende Stengel ausgewaͤhlt haben, die das Forttreiben des Neſtes verhindern ſollen, und noch einige ſchwim— mende Halme und Blaͤtter darauf gelegt ſind, tauchen beide Gat— ten auf den Grund des Waſſers und holen untertauchende Waffer: pflanzen, mehr halbvermoderte als friſche, in großen Portionen her— auf, flechten davon auf jener Unterlage einen derben Klumpen zu- ſammen, welcher oben in der Mitte nur eine ſeichte Vertiefung er⸗ hält, ſonſt flache, faſt abſchuͤſſige Raͤnder hat und durch das nach: herige oͤftere Beſteigen ganz glatt wird. Es hat keinen großen Umfang und auch nur eine angemeſſene Höhe, um nicht vom Gewicht des darauf— liegenden Vogels unter Waſſer gedruͤckt zu werden. Auf dieſes feuchte, ſchmutzige Wochenbett legt nun das Weibchen ſeine 3 bis 6 Eier, deren es aber, wenn man ſie ihm bis auf eins nimmt und taͤglich ſo fort— faͤhrt, bis 20 und einige legt. Dieſe Eier ſind von einer laͤng⸗ lichen oder ſchlanken Geſtalt, nicht auffallend groß und haben eine gruͤnlichweiße ſtarke Schaale, eine lockere, kalkartige Auffenfläche, die ſehr bald vom Schmutze des Neſtes eine gelb-, roͤthlich- oder oliven⸗ braͤunliche Faͤrbung, je nach den dem Waſſer und ſeinem Boden beigemiſchten Beſtandtheilen, oft in marmorirter Zeichnung bekoͤmmt. Waͤhrend das Weibchen auf dem Neſte ſitzt, ſchwimmt das Maͤnn⸗ chen in ſeiner Naͤhe; will es vom Neſte, ſo ſtuͤrzt es ſich ins Waſ— ſer, taucht, holt vom Grunde einen Schnabel voll halbverfaulter Waſſerpflanzen und bedeckt damit in größter Eil die Eier, hat es aber dazu keine Zeit, ſo zupft es gleich ſo viel vom Rande des * XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 679 Neſtes ab und bedeckt jene auf dieſe Weiſe. — Wer nie ein Lappentaucherneſt fabe, wird ein ſolches Schlammhaͤufchen nicht für ein Vogelneſt halten; der Kenner wird dagegen an dem friſchen Haͤufchen in ſeinem Mittelpunkte ſogleich erkennen, daß unter die⸗ ſem die Eier verſteckt liegen. Die Anhaͤnglichkeit an Neſt und Eier iſt bei dieſen Voͤgeln ſo groß, daß ſie es ſtets im Auge behalten, es auch nicht verlaſſen, wenn Störungen, ſelbſt täglich mehrmals, dabei vorfielen oder ihm einige Eier entnommen und die zuruͤckgelaſſenen nicht wieder bedeckt wurden; ſogar wenn das Weibchen angeſchoſſen wurde, beſteigt es das Neſt wieder und haucht nicht ſelten über den Eiern feinen Geiſt aus. Beide Gat— ten rupfen ſich an zwei Stellen der Unterbruſt an jeder Seite die Federn aus, erhalten ſo zwei ſogenannte Brutflecken und brüten, miteinander abwech- ſelnd, doch das Weibchen im Ganzen länger als das Männchen, in 3 Wo: chen die Eier aus und fuͤhren die Jungen, in ihrem bunt geſtreiften Du— nenkleide, ſogleich auf das Waſſer, wo dieſe den Alten ſchwimmend fol- gen, das Tauchen aber erſt von ihnen lernen, nach wenigen Tagen es aber in gleicher Fertigkeit verſtehen. Koͤmmt der Familie eine Gefahr uͤber den Hals, ehe die Jungen im Tauchen geuͤbt ſind, ſo nehmen ſie die Alten ſchnell unter ihre Fluͤgel und tauchen ſo mit ihnen unter. Da ſie das Neſt ſelten wieder betreten, in zarter Jugend aber zuweilen, zumal bei ſtuͤrmiſchem Wetter und Wellenſchlag, ei: ner Erholung beduͤrfen, auch wenn ſie ſich von den Sonnenſtrahlen durchwaͤrmen laſſen wollen, dann finden ſie ein Ruheplaͤtzchen, wie Nachts eine Schlafſtelle, auf dem Ruͤcken der Aeltern oder, wenn es nicht viele, auf dem der Mutter allein. Das Erſteigen dieſes war: men und weichen Sitzes wuͤrde ihnen ſchwerlich gelingen; dafuͤr wiſſen aber die liebenden Alten Rath; fie geben ihnen ein Zeichen, ſich im Schwimmen dicht aneinander zu drängen, tauchen nun un: ter ſie ins Waſſer und erheben ſich gerade unter ihnen wieder ſo aus demſelben, daß jene auf ihren Ruͤcken zu ſitzen kommen; ein hoͤchſt intereſſantes Manoͤver, das wir ſehr oft beobachteten und ih— nen nie fehlſchlagen ſahen. Auf aͤhnliche Weiſe entledigen ſie ſich auch dieſer Buͤrde, wenn ſie ihnen zur Laſt wird, oder vielmehr wenn allen eine Gefahr drohet; die Alten tauchen dann unter, entladen ſich fo der Jungen, die ihnen nun auch tauchend in die Tiefe folgen, u. ſ. w. Nur wenn die Lappentaucher weit uͤber Land fliegen, ſind ſie den raͤuberiſchen Anfaͤllen mancher Raubvogel ausgeſetzt, und daß dies ſo etwas ganz Seltenes nicht iſt, bewieſen uns aufgefundene Reſte ſo manches von ihnen verzehrten Vogels dieſer Gattung. Auf 680 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. dem Waſſer weiß ſich Alt und Jung durch Untertauchen zu retten, aber ihren Eiern ſind Raben, Kraͤhen, Elſtern und dee ge⸗ faͤhrliche Feinde. Die Jagd dieſer Voͤgel hat ihre eigenthuͤmlichen Schwierige ten; nicht allein darum, weil ſie ſehr mißtrauiſch und ſcheu ſind, ſich bei Ahnung von Gefahr durch Untertauchen an verſteckte Orte begeben und ſobald nicht wieder zum Vorſchein kommen, oder auf freiem Waſſerſpiegel durch Tauchen und Schwimmen ſo weit vom Schuͤtzen entfernen, daß er ſie mit einem Flintenſchuß nicht mehr erreichen kann, ſondern noch mehr darum, daß ſie, auch wo der Schuͤtze ſich ihnen ungeſehen hinlaͤnglich genäbert hatte, beim Bli⸗ tzen des Gewehrſchloſſes ſo urploͤtzlich untertauchen, daß der Hagel oder das Schrot des Schuſſes ſie nicht mehr oben, ſondern auf ei— nen leeren Fieck trifft. Nur bei hellem Sonnenſchein, wenn na⸗ mentlich die Sonne dem anſchleichenden Schuͤtzen hinter dem Ruͤcken ſteht, gelingt es beſſer, weil fie in den Sonnenſtrahlen, zumal früh oder Nachmittags, wenn die Sonne tief genug ſteht, das Blinken der Pfanne nicht bemerken. Die jetzige Verbeſſerung an den Flin⸗ tenſchloͤſſern, à la percussion, hilft dem ſo ziemlich ab, wenigſtens geben ſie doch nur einen in der Daͤmmerung bemerklichen Blitz, und da ſich übrigens der Schuß raſcher entzuͤndet, fo verfehlt er auch hier nur ſelten das Ziel. Hat man ſie auf kleinen Gewaͤſſern durch unausgeſetztes Verfolgen auf eine ſeichte Stelle am Ufer treiben koͤn⸗ nen, ſo kann man aus der Naͤhe mit Sicherheit auf ſie ſchießen, weil ſie im ſeichten Waſſer nicht tief genug eintauchen koͤnnen, um der Wirkung des Schrotes zu entgehen. Alle dieſe, dem Jaͤger ſonſt ſo wichtigen Hinderniſſe ſchwinden heut zu Tage durch die neueſten Stech⸗ oder Nadelflinten, an welchen ſich der Schuß, mit einem Schlage, im Gewehrlaufe ſelbſt und verborgen, entzuͤndet. — Zu bewundern iſt, wie namentlich die groͤßern Arten dieſer Gattung die Weite kennen, in welcher ihnen ein Flintenſchuß nicht mehr gefaͤhr— lich iſt, und ſo, indem ſie ſich auf freier Waſſerflaͤche weit genug vom Schuͤtzen entfernt haben, nicht nur ganz unbeſorgt ſchwimmen und nach Belieben tauchen, ſondern auch, wenn aus ſolcher Weite (etwa gegen 100 Schritt) auf ſie gefeuert wird, auf den Schuß nicht untertauchen, was fie naͤher, auch wenn fie gefehlt wurden, doch immer thun. Dort ſind freilich die Kugelbuͤchſe und ein Schuͤtze, welcher ſie gut zu fuͤhren verſteht, ſehr an ihrem Orte. — Angeſchoſſene Lappentaucher find gewoͤhnlich für den Schuͤtzen ver: loren; kein Hund iſt im Stande ſie zu fangen, ſowol wenn ſie das XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. 681 Schilf u. dergl. erreichen, wie auf dem Freien; ſchwer am Kopfe Verwundete tauchen oft noch bis auf den Grund unter, beißen ſich an irgend einem Gegenſtande feſt und verenden in diefer Stellung; fluͤgellahme gehen aber, wie alle fluͤgellahm geſchoſſene Waſſervoͤgel und ganz ihrer Natur zuwider, an das Land, doch auch nie weit vom Waſſerrande, und koͤnnen auch hier nur mit Vorſicht vom Hunde erwiſcht oder ſicherer mit einem zweiten Schuß erlegt wer: den. — Gefangen werden koͤnnen ſie nur, wenn man das Neſt nicht mit Schlingen belegen will, zufällig, bei aufgeregtem oder ge: truͤbtem Waſſer in Klebegarnen und andern für. Fifche: aufgeſtellten Netzen, doch Geſunde auch viel ſeltener als Angeſchoſſene. Bei ab⸗ gelaffenen Teichen kann man fie auf dem Schlamme, weil ſie da nicht auffliegen koͤnnen, mit den Haͤnden fangen. Nutzen gewaͤhren die Lappentaucher wenig. Ihr dunkelrothes Fleiſch kann nur durch Entfernen des vielen uͤbelriechenden und haͤßlich ſchmeckenden, gelben Fettes, ſammt der Haut, die das Meiſte davon enthaͤlt, und durch beſondere Zubereitungen genießbar und ziemlich ſchmackhaft gemacht werden. Sauer eingedaͤmpft u. ſ. w. mag es noch am beſten ſchmecken und es iſt dann zart und muͤrbe. Das leichtfluͤſſige, dem Fiſchthran ſehr ähnliche Fett giebt eine gute Lederſchmiere. Die Bruſthaͤute der groͤßern Arten, beſonders von alten, nicht in der Mauſer ſtehenden Voͤgeln, ſammt den Federn gahr gemacht, geben ein nettes, ſchoͤn glänzendes Pelzwerkz, les iſt oft zu Muͤtzen, Muͤffen und Kleiderverbraͤhmungen, fonft aber mehr- als in jetzigen Zeiten, wo es aus der Mode gekommen zu ſein ſcheint, benutzt worden. Der Schaden, welchen die groͤßern Arten mehr als die kleinern in Fiſchteichen an der Fiſchbrut thun, iſt ſehr un⸗ bedeutend, weil ſie eben ſo viele dieſer nachtheilige Inſekten ver⸗ zehren, wodurch er wol ganz aufgehoben werden möchte. Anatomiſche Eharakteriſtik der Gattung Colymbus. (Podiceps autor.) von Rudolph Wagner. „Die Gattung Colymbus kommt in anatomiſcher Hinſicht in vielen Punkten mit Eudytes und der Familie der Pygopoden uͤberein. Vielleicht koͤnnte man die letzteren in zwei Familien tren⸗ nen, wovon die eine die Gattung Colymbus und Eudytes, die an⸗ dere die Gattungen Alca, Uria, Mergulus und Mormon umfaßt. Demohngeachtet bietet die Gattung Colymbus manche Eigenthuͤm⸗ lichkeiten, namentlich im Skeletbau dar, welche fie: von Eudytes we⸗ 682 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. ſentlich unterſcheiden. Die Verwandtſchaft der Lappentaucher (Co- lymbus) mit Fulica iſt nur eine ganz äußerliche.“ „Der Schaͤdel von Colymbus zeichnet ſich durch ſtarke Ent⸗ wickelung der Muskelgraͤten am Hinterhaupte aus, wodurch jeder: ſeits ein Paar tiefe Gruben entſtehen. Dieß iſt beſonders bei den groͤßeren Arten (Col. cristatus) der Fall; bei den kleineren Arten find die Muskelgraͤten und die Gruben ſchwaͤcher. Das Hinter⸗ hauptsloch iſt mehr nach hinten, als nach unten gerichtet. Die ſeitlichen Fontanelle fehlen. Die beiden hinteren Jochbeindornen find mäßig entwickelt; die Augenhoͤhlenſcheidew and iſt ganze lich durchbrochen; der Stirntheil des Schaͤdels zwiſchen den Au: genhoͤhlen iſt ſchmal (bei Col. minor ganz außerordentlich ſchmal) und man bemerkt hier an den Seitenwaͤnden die flache Zuſchaͤrfung fuͤr die hier angelegte Naſendruͤſe. Die Abweſenheit eigentlicher Eindruͤcke für die Naſendruͤſe, welche bei Eudytes zwei ſehr große Gruben auf der Scheitelflaͤche des Schaͤdels bilden, unterſcheidet die Gattung Colymbus vorzuͤglich von Eudytes. Das Thraͤnenbein iſt ſehr klein, nach außen und oben gar nicht vorſpringend, giebt es blos nach unten einen kurzen dornfoͤrmigen Aſt. Die Gaumen: beine haben hinten flache Gruben; der Pflugſchaar hat eine ſeichte Furche; die unteren Keilbeinfluͤgel ſind lang, ſchlank, faſt ſtabfoͤrmig, nur nach vorne breiter. Das Quadratbein hat ſehr ſchlanke Aeſte; beſonders iſt der vordere Fortſatz ſchlank, ſchmal und endigt in ein kleines Knoͤpfchen. Der Unterkiefer iſt hinten ab⸗ geſtutzt, ohne beſondere Entwickelung der Fortſaͤtze.“ „Man zaͤhlt nach den verſchiednen Arten 15 bis 19 Hals⸗ wirbel, 9 bis 10 Ruͤckenwirbel, 7 bis 8 Schwanzwirbel. Die Halswirbel find dünne, mäßig ſchlank, die unterſten haben ſehr ſtarke, ſeitlich comprimirte, zuweilen kammfoͤrmige oder ſchmaͤlere untere Dornen, weiche ſich an den Ruͤckenwirbeln noch viel ſtaͤrker entwickeln und zuweilen an ihrer Spitze in eine gemeinſame, bogen⸗ foͤrmige Knochenleiſte zuſammenfließen, wodurch beide Bruſthaͤlften ſtark abgetheilt werden. Auch oben fließen die Dornfortſaͤtze aller Rüden: und der erfien Lendenwirbel zu einem gemeinſamen Kno⸗ chenkamm zuſammen, an dem man jedoch in der Regel die einzel⸗ nen, breiten Dornfortſaͤtze der Ruͤckenwirbel erkennen kann. Die wie immer gänzlich verſchmolzenen Kreuzbein wirbel find außer- ordentlich ſtark ſeitlich comprimirt. Daſſelbe gilt von den Schwanz: wirbeln, welche weniger entwickelt, aber ſtaͤrker comprimirt find, als bei Eudytes.“ XIII. Gatt. LXXVI. Ordn. Lappentaucher. 683 „Das Bruſtbein iſt kurz, aber ſehr breit, beſonders nach hinten; der Kamm deſſelben iſt ſchwach, wenig gebogen, am vorde— ren Ausſchnitt faſt ganz gerade. Die oberen ſeitlichen Handgriffe find dünn, blattartig, aber ſehr ſtark nach außen vorſpringend. Hin⸗ ten iſt das Bruſtbein im Mitteltheil bogenfoͤrmig oder vielmehr um— gekehrt Vfoͤrmig ausgeſchnitten, ganz entgegengeſetzt von Eudytes, wo der mittlere Theil (processus xiphoideus) ein großes, breites, nach hinten vorſpringendes Blatt darſtellt. Jederſeits findet ſich ein, nach hinten in der Regel etwas breiterer Abdominalfortſatz und eine einfache, nicht beträchtlich tief einſchneidende, rundlich- ovale Bucht.“ „Bei 10 Rippenpaaren ſind die beiden vorderſten und die hinterſte falſch, d. h. ſie ſetzen ſich nicht an das Bruſtbein. Die 2. bis 7. hat den Rippen: Aſt. „Die Aeſte der Gabel ſind duͤnn und ſchlank, ſtark nach hin⸗ ten gebogen und legen ſich in einen ziemlich ſpitzen, wenig ausge⸗ ſchweiften Winkel zuſammen, wo ſtatt des oͤfter hier vorkommenden Fortſatzes nur ein kleiner Hoͤcker ſich findet. Das hintere Schluͤſ— ſelbein iſt lang und ſchlank, unten nicht beſonders breit und ohne ſtarken ſeitlichen Fortſatz. Die Schulterblaͤtter find ziemlich ge: rade und ungewoͤhnlich ſchmal, ganz wie Rippen und viel ſchmaͤler als bei Eudytes. Das Oberarmbein iſt nicht pneumatiſch, aber lang und ſchlank, faft von gleicher Länge mit den Vorderarm⸗ knochen.“ BB „Das Becken ift ausnehmend lang, aber fehr ſchmal, befon: ders der hintere Theil, wo Heiligbein und Sitzbein ein langes, ſchmales Dach bilden. Das Sitzbein giebt einen langen, rippenfoͤr— migen Aſt ab, welcher mit dem ebenfalls langen, duͤnnen, geraden, divergirenden Schambein auf jeder Seite ein ſehr langgezogenes fo- ramen ovale einſchließt. Ganz verſchieden ſind die Schambeine bei Eudytes; hier konvergiren fie ſtark und verbreitern ſich betraͤchtlich.“ „Der Oberſchenkelknochen iſt kurz, theils ſehr kurz (relativ am meiſten bei den groͤßern Arten) und nicht pneumatiſch. Die Tibia hat nach oben vor dem Kniegelenk einen ſehr merkwuͤrdigen, anſehalichen, faſt dreieckigen und nach oben zugeſpitzten, pyramiden⸗ artigen Fortſatz, der in der Regel etwas mehr als ein Dritttheil (bei Col. minor nur ½) der Laͤnge des Oberſchenkels beträgt. Da: hinter liegt eine aͤhnlich geformte, pyramidenartige Knieſcheibe, welche ſich ſo an den Tibialfortſatz anlegt und ihn etwas uͤberragt, daß beide zuſammen eine viereckige Pyramide bilden. Die Tibialleiſte 684 XIII. Gatt. LXXVI. Gatt. Lappentaucher. iſt nach vorne nicht ſtark entwickelt, laͤuft aber als eine Art Kamm bis gegen die Mitte der Tibia, an deren vorderer Flaͤche, herab. Auch die Fibula iſt ungewoͤhnlich ſtark und dick und laͤuft weit am Schienbein herab. Die Tibia iſt ein ſehr langer Roͤhren⸗ knochen. Das os metatarsi iſt ſeitlich ſtark comprimirt und hat hinten und oben einen ſtarken Hoͤcker zum Anſatz der Sehnen der Streckmuskeln.“ ' „Was die Verdauungsorgane betrifft, fo ift die Zunge lang und pfriemenfoͤrmig am geraden Hinterrande ſchwach gezaͤh— nelt (bei Eudytes findet ſich eine mehrfache Zahnreihe).“ „Die Speiſeroͤhre iſt mittelmäßig weit, weiter bei den grös ßeren Arten.“ . „Der Vormagen iſt laͤnglich, ziemlich dick, mit einfachen, ge⸗ draͤngten Baͤlgen verſehen, bald mehr, bald weniger vom Muskel⸗ magen abgeſchnuͤrt.“ „Der Fleiſchmagen iſt ſehr rundlich, weniger abgeplattet, hat jeder Seits eine einfache, runde, centrale Sehnenplatte, iſt mit⸗ telmaͤßig fleiſchig, jedoch dehnbar, mit hartem Epithelium beſetzt. Am Pyplorus entwickelt ſich eine ſtaͤrkere Fleiſchportion, vielleicht als Andeutung eines 3. Magens.“ „Der Duͤnndarm iſt ziemlich weit, aber kurz und geht ohne Klappe in den etwas weiteren Dickdarm über; die Blinddaͤrme ſind weit, etwas laͤnger als der Dickdarm, haͤufig aſymmetriſch, ſo daß der linke gewoͤhnlich etwas (zuweilen ein Drittheil) laͤnger iſt. Zotten finden ſich im Duͤnn- und Dickdarm und am Anfang der Blinddaͤrme, bis uͤber deren Mitte; ſie ſind kurz, lanzettfoͤrmig und gehen gegen die Kloake und das Ende der Blinddaͤrme in netzfoͤr⸗ mige Falten uͤber. Das Divertikel iſt unbeſtaͤndig, fehlt haͤufi⸗ ger und iſt immer nur wenig entwickelt, wenn es vorkommt.“ „Die Leber iſt anſehnlich; die beiden Lappen ſind ziemlich gleich groß, der rechte iſt etwas länger, aber ſchmaͤler. allen: blaſe iſt vorhanden. Die Milz iſt klein, laͤnglich, ſchmal. Das Pankreas iſt doppelt.“ 5 „Was die Athem- und Stim mwerkzeuge betrifft, fo fin⸗ den ſich hinter der Stimmritze zwei Reihen ſpitzer Warzen. Die Luftröhrenringe find knoͤchern; der untere Kehlkopf iſt klein; zwiſchen dem letzten Luftroͤhrenring und dem erſten Bronchialhalb— ring ein Fenſter. Ein einfaches Muskelpaar am unteren Kehl⸗ kopf. Die Lungen find klein. Von den Luftfäden des Unterleibs XIII. Gatt. LXXVI. Ordn. Lappentaucher. 685 wird die Lateralzelle durch eine Scheidewand in zwei Haͤlften getheilt.“ Das Herz iſt breit und abgeplattet; merkwuͤrdiger Weiſe iſt nur eine linke Karotis vorhanden, waͤhrend bei Eudytes zwei Karotiden vorkommen. Die rechte vena jugularis fand ich immer ſehr vielmal (9: bis 6mal) ſtaͤrker und weiter als die linke.“ „Beide Nieren liegen ſehr enge beiſammen und verſchmelzen häufig in der hinteren Hälfte oder ihrer ganzen Länge nach zu einer Maſſe; der vordere Lappen iſt gewöhnlich anſehnlich.“)“ „Die Hoden ſind laͤnglich, der linke meiſt etwas groͤßer; den Eierſtock habe ich immer nur einfach und links gefunden.“ „Die Bursa Fabricii erhält ſich lange, iſt anſehnlich, mit Druͤ— ſenbaͤlgen dicht beſetzt.“ „Die Buͤrzeldruͤſe iſt ichs anfehnlich und vollkommen zwei⸗ lappig; die Lappen ſind dick und ſtumpf, inwendig mit deutlichen einfachen, linienfoͤrmigen Baͤlgen beſetzt, welche nur in der Mittel⸗ linie einen ſchmalen Gang laſſen und hier ausmuͤnden.“ „Die Augaͤpfel ſind breiter als hoch; der Knochenring der Sclerotica beſteht aus 15 mäßig ſtarken Knochenſchuppen. Der Faͤcher hat 10 bis 12 Falten, welche faſt gleich hoch ſind und der ganze Faͤcher endigt in einen geraden Rand ohne Mittelzipfel; der Endlappen iſt ſehr ſchmal, aber ſo hoch als die letzte Falte.“ „Die ſchmale, lange, ſichelfoͤrmige Naſendruͤſe liegt am Dr: bitalrande und iſt bei Col. cristatus und rubricollis noch am brei⸗ teſten, aber auch ſchmal, beſonders ſchmal und klein aber bei Col. minor. Bei Eudytes und den uͤbrigen Pygopoden iſt die Na⸗ ſendruͤſe ſehr groß und liegt in anſehnlichen Gruben auf dem Stirnbein.“ f * Wir haben in Europa und auch in Deutſchland | ſechs Arten. ) Meine Beobachtungen laſſen ale das Vorkommen größerer Variationen zu, als diejenigen von Nitzſch, der bei allen Arten dieſer Gattung die völlige Vereinigung dei⸗ der Nieren zu einer einzigen langen Maſſe als ganz conſtante Bildung anzunetzmen ge⸗ neigt iſt. S. dieſes Werk, den vorliegenden Band, S. 19. 461 3 272. Der große Lappentaucher. Colymbus eristatbtus. Linn. 35 1. altes Männchen im Sommerkleide. 3 Fig. 2. - = Winferkleide, 2 Taf. 242. Fig. 3. Jugendkleid. Fig. 4. Neſtkleid. Gehaubter —, großhaubiger Steißfuß, großer Haubenſteißfuß, großer Arſchfuß; großer Haubentaucher, großer Kragentaucher; gro: ßer gehaubter —, bekappter —, gehoͤrnter Taucher; Taucher mi dem Schopfe; großer Taucher mit braungelbem Kibitzſchopfe; großer Kobeltaucher; Straußtaucher; Kappentaucher; Erztaucher; großkap⸗ piger —, gehoͤrnter Seehahn; Seedrache; Seeteufel; Meerhaſe; Meere rachen; Schlaghahn; Blitzvogel; Fluder; Noricke; Nericke; Merch; Work; Works; Lorch; Zorch; Rug; Rurch; Deuchel; Duͤchel; Rheinduͤchel; Tuuker; Greve; bei hieſigen Jaͤgern: Kronentaucher. Colymbus eristatus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 589. n. 7. = Colymbus cor- nulus Briss. Av. VI. p. 45. n. 4. = Hodiceps cristatus. Lath. Ind. II. p. 780. u. Il. = Retz. Faun, suce. p. 151. u. 110. - Nilsson. Orn. suec. II. p. 125. n. 95. — Le Grabe corhu. Buff. Ois. VIII. p. 235. t. 19. — Edit. de Deuxp. XV, p. 291. t. V. f. 1. = Pl. eul. 400. — Gerard. Tab. elöm. II. p. 299. — Grebe Auppe. Temm. Mau. nouv. Edit. II. p. 717 = Crested Grebe Lath. Syn. V. p. 281. — Uiberſ. v. Bech ſtein, III. I. S 219. u. 1. Bewick, brit. Birds. II. p. 145. Penn, aret. zool. überf. v Zimmermann, II ©. 463. A. — Colimbo crestato, Stor, deg. Ucc. V. Tav. 521. = Svasso commune. Savi, Orn. tosc. III. p. 23.— Bechſtein, Naturg. Dentiht. IV. S. 533. — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 350. u. 1. = Wolf u. Meyer, Naturg. a. Vög. Deutſchl. Heft IV. alt. Männch. und jung. Vogel. — Deren Taſchenb. II. S. 426. - Teutſche Din, v. Borkhauſen, XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. Gr. Lappentaucher. 687 Becker u. a. Heft. XII. Männch. (im Frühl.) und Weibch. (im Herbſt). — Meyer, Vög. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 220. - Meisner u. Schinz, Via. der Schweiz. S. 248. n. 227. = Koch, Bair. Zool. I. S. 351. v. 219. = Brehm, Lehrb. II. ©. 865. — Deſſen Naturg. a. Vög. Deutfchl. S. 952 954. - Gloger, Schleſ. Fauna. S. 60. n. 276 — Landbeck, Vög. Würtemberas S. 81. u. 288. — E. v. Homeyer Vög. Pommerns, S. 78. u. 263. - Friſch, Vög. II. Taf. 183. Naumann's Vög, alte Ausg. III. S. 425. Taf. LXIX. Fig. 106. Männchen im Frühling. 8 Winterkleid und Jugendkleid. Cohn bas et Colymbus cristatus. Briss. Oro. VI. p. 34. n. I. et 2. t. 3. f. 1. et t. 4. Columbus urinulor, Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 593. n. 9. — Le Grebe huppe ou Le Grôbe. Buff. Ois. VIII. p. 233. et 227. — Edit. de Deup. XV. p. 291. == Id. Pl. enl. 944 et 941. he commun. Gerard. Tab. elem.. II. p. 292. — Grebe huppe. id. p. 297.— Edw. Glau. t. 360. f. 2. — Tippet Grebe. Lath. Syn. V. p. 283. — Uiberf. v. Bechſtein, III. 1. S. 251. n. 2. = Co- dimb. orestuto (giovaue) Stor, deg. Ucc, Tav. 522. Kennzeichen der Art. Die Gurgel und außer dem Spiegel, nebſt dem ſehr breiten obern Fluͤgelrand, noch ein an dieſen angrenzender Theil der kuͤr⸗ zern Schulterfedern, in einem Laͤngeſtreif, weiß. Der Schnabel ſehr ogefiredt und ſchlank. Beſchrei bung. Mit einer innländiſchen Art iſt dieſe ſchon ihrer bedeutenden Groͤße wegen, worin ſie alle uͤbertrifft, nicht zu verwechſeln. Eine ſuͤdamerikaniſche Art dieſer Gattung, C. bicornis des Berliner Mu⸗ ſeums, koͤmmt ihr darin ſehr nahe, hat aber einen ſchwaͤchern, etwas aufſteigenden Schnabel und einen kaſtanienbraunen Vorderhals, und von unſerer hier folgenden unterſcheidet, auſſer der beträchtlichen Groͤße, unſern großen Lappentaucher auch ſtets der in jedem Alter weiße Vorderhals. Auch hat er von den einheimiſchen Arten das meiſte Weiß in den Fluͤgeln. r hat vollkommen die Groͤße einer gemeinen wilden Ente (Anas boschas), aber der Hals iſt noch bedeutend länger, die Fluͤ⸗ gel jedoch etwas kuͤrzer. Die Größe iſt indeſſen ſowol ſexuell als individuell ſehr verſchieden, ſo daß unter ausgewachſenen Voͤgeln das Gewicht zwiſchen 2 und 3 Pfund wechſelt, bei recht alten Maͤnnchen die Laͤnge (ohne Schnabel) 23 bis 24 Zoll, wovon der Hals allein mehr als 9 Zoll wegnimmt; die Fluͤgellaͤnge (vom Hand⸗ 688 XII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. gelenk bis zur Spitze der längften Schwingfeder) 8 Zoll, die Flug: breite (von einer Spitze der ausgebreiteten Fluͤgel bis zur andern) bis auf 36 ½ Zoll vorkoͤmmt, während es eben fo alte Weibchen giebt, die in der Laͤnge kaum 20 bis 21 Zoll, in der Breite zwi⸗ ſchen 31 und 32 Zoll meſſen, deren Fluͤgel auch nur 7 Zoll, der Hals kaum 8 Zoll lang find. Dies find ohngefähr die Extreme, zwiſchen welchen die Maaße unter alten Voͤgeln wechſeln, von de nen die Weibchen gegen ihre viel groͤßern Maͤnnchen zuweilen PIE ſehen, als konnten ſie einer andern Art angehoͤren. * Das Gefieder iſt, wie oben beschrieben; ſehr dicht, an den un⸗ tern Theilen pelzartig dick, am Kopfe und Halſe ganz zerſchliſſen, haarartig und ſeidenweich, bloß auf dem Ruͤcken, den Schultern und Fluͤgeln ſind deutliche Umriſſe zu ſehen, an Bruſt und Bauche kaum. Hier haben die auſſerordentlich gedrängt ſtehenden Federn faſt in ei⸗ nen Halbzirkel gebogene, ſehr elaſtiſche Schaͤfte, deren Kiele faſt im rechten Winkel aus der Haut hervorgehen, und deren Enden erſt an der Auſſenflaͤche dieſer Koͤrpertheile eine Ebene bilden, welche ſehr glatt iſt und wie Silber glaͤnzt, ſo daß im Ganzen dadurch eine Pelzbedeckung von faſt ein Zoll Hoͤhe entſteht, die, wenn man dar⸗ auf druͤckt, unter den Fingern kniſtert, eben weil die betreffenden Federn durch den Druck Knicke erhalten. Bei allen Lappentauchern hat die Bedeckung des Unterrumpfs dieſe Beſchaffenheit, bei den groͤßern Arten wird ſie jedoch auffallender als bei den kleinern, und wenn ſie auch ähnlich bei Meven, Enten und andern Waſſervoͤgeln vorkoͤmmt, ſo hat das Gefieder doch in keiner jener Gattungen das auffallend Fiſchbeinartige. — Bei allen Lappentauchern ſind die Schulterfedern ziemlich lang, am laͤngſten bei dem großen; fie biegen ſich bei dieſem ſchwach ſichelfoͤrmig hinten auf dem Flügel herab und reichen noch über die Spitze des ruhenden Fluͤgels hin— weg. Die Primarſchwingfedern, von denen die erſte und dritte et⸗ was kuͤrzer als die zweite und dieſe die laͤngſte von allen iſt, haben ſtark nach innen gebogene, ſtraffe Schaͤfte, zugerundete, die breitern Secundarſchwingfedern ſchief abgerundete Enden, und die mehr lan— zettfoͤrmigen der ſogenannten dritten Ordnung bilden eine hintere Fluͤgelſpitze, die wegen der langen Armknochen faſt ſo lang als die vordere wird, wenn der Fluͤgel an den Leib geſchmiegt iſt. Die Stelle wo der Schwanz ſitzen ſollte iſt durch einen laͤn⸗ gern, pinſelfͤrmigen Buͤſchel haarartiger Federn von 1 bis 1½ͤ Zoll Laͤnge bezeichnet. XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 689 Am Kopfe iſt das Gefieder in jedem Alter viel länger als am Halſe, an dieſem überhaupt am kuͤrzeſten von allem. Mit zuneh- mendem Alter bildet ſich aus verlängerten Federn eine ganz eigen— thuͤmliche Kopfzierde, oben auf dem Scheitel zwei zugeſpitzte Feder⸗ buͤſchel, nebeneinander, einem Paar Ohren oder Hoͤrnern aͤhnlich, von den Schlaͤfen uͤber die Wangen und Ohrgegend bis auf die Kehle ein kreisfoͤrmiger, auf der Gurgel etwas aufgeſchlitzter, dicker Backenkragen; dieſer wie die Federbuͤſchel werden am umfangsreich⸗ ſten im hochzeitlichen Kleide. Unter den innlaͤndiſchen Arten hat dieſe den groͤßeſten und ge: radeſten, oder laͤngſten und ſchlankeſten Schnabel. Dieſen Haupt⸗ eindruck abgerechnet variirt er jedoch auch individuell in Laͤnge und Staͤrke. Er iſt hart und glatt, ſehr geſtreckt, ſchlank, die etwas in die Stirn aufſteigende, ſchmal zugerundete Firſte bis zur Mitte ganz gerade, von hier an ſehr ſanft gegen die Spitze abwärts ges ſenkt; der Kiel, fo weit feine ſchmale Spalte reicht, ebenfalls ge rade, von da an etwas ſtaͤrker als der Oberſchnabel in die uͤbrigens ſchlanke Spitze uͤbergehend; die geraden und ſehr ſcharfen Schnei⸗ den etwas eingezogen; der ganze Schnabel von beiden Seiten zu- ſammengedruͤckt, dies am meiſten ſpitzewaͤrts; der Rachen tiefgeſpal⸗ ten, doch ſchmal; die Mundwinkel aufwaͤrts gezogen und von ihnen aus bis an die nackten Augenlieder ein bei Jungen ſchmaler, bei Alten uͤber 2 Linien breiter nackter Zuͤgelſtreif. Die Naſenhoͤhle iſt mit weicher Haut bedeckt, klein, ſchmal, vorn ſpitz und in eine ſeichte, jedoch bald endende Furche ausgehend; die Nafenlöcher oͤff— nen ſich nicht weit von den Zuͤgelfedern, ſind klein, durchſichtig, ſehr lang oval, uͤber 2 Linien lang und kaum eine Linie breit. Der Schnabel variirt bei Erwachſenen in der Länge von nicht volle 2 Zoll bis zu 2¼ Zoll, an der Wurzel in der Höhe von 64, bis zu 7½ Linien, in der Breite bis zu 5 Linien. Seine Farbe iſt nach Alter und Jahreszeit ſehr verſchieden; im Fruͤhling und Sommer gewoͤhnlich blaßroth, der nackte Zuͤgelſtreif ſchwaͤrzlich, bei ſehr alten, zumal Maͤnnchen angenehm, doch etwas dunkel ro— ſenroth, faſt purpurroth, der Zuͤgelſtreif ſchwaͤrzlichrotch; im Herbſt und Winter bei jenen ſchmutzigroth, an der Firſte grau, der Zuͤgel⸗ ſtreif mehr oder weniger roͤthlichgrau, bei dieſen roſengrau, der Zuͤ— gel ſchwaͤrzlich; im Jugendkleide roͤthlichweiß, mit graugruͤnlichen Flecken, oben faſt ganz grau, fo wie der Zuͤgelſtreif; im Neſtkleide ſehr blaß roͤthlich, an der Nafehöhle und der Wurzel der Unterkinn⸗ lade, desgleichen wieder in der Naͤhe der Spitze an beiden Theilen 9. Theil. 44 690 XIII. DOrdn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. ſchwaͤrzlich, an der Spitze weiß. Dies die ſehr verſchiedenen Faͤr⸗ bungen des Schnabels lebender oder eben getoͤdteter Individuen, die ſich im Tode ſehr, im ausgetrockneten Zuſtande noch weit mehr ver⸗ aͤndern, deren große Veraͤnderlichkeit ſehr verſchiedene, zum Theil un⸗ richtige Angaben in naturhiſtoriſchen Werken bewirkte. Das Rothe wird gleich nach dem Ableben bei alten Voͤgeln dunkler, das Roͤth⸗ liche bei jungen weißlicher, auch gelblicher, völlig ausgetrocknet er⸗ hält Alles eine bald hellere, bald dunklere Hornfarbe, beide oft ge⸗ fleckt durcheinander; endlich kommen unter Alten auch Stüde vor, die, vermuthlich durch ſorgfaͤltiges langſames Austrocknen, noch ſo viel Roth am Schnabel behalten, daß man die fruͤhere Faͤrbung ah— nen kann, was ſonſt gewoͤhnlich der Fall nicht iſt. Die Haut des Zuͤgelſtreifs wird ausgetrocknet ſtets ſchwaͤrzlich oder hornſchwarz. Die nackten Augenlieder ziehen aus dem Schwaͤrzlichen mehr oder weniger in's Rothe. Der Stern des etwas kleinen Auges iſt in zarter Jugend perlweiß, bei ziemlich erwachſenen Jungen wird er gelb, bis zum Zitronengelb, ſpaͤter rothgelb, dann hochroth, und bei ganz alten Voͤgeln iſt er brennend hochroth, faſt karminroth. Die Geſtalt der ziemlich großen Fuͤße, ihre Hautbedeckung, nebſt den Nägeln find wie fie oben, im Allgemeinen auf alle Lappen— taucher paſſend beſchrieben wurden. Sie haben 2 bis 3 Zoll lange, fo ſehr an beiden Seiten plattgedruͤckte Laufe, daß die Breite dieſer 6 bis 7½ Linien betraͤgt; die aͤußere Vorderzeh, als die laͤngſte, iſt ſammt dem ½8 Zoll langen, nach auſſen ſchief abgeſchnittenen Nagel, 3 bis 3¼ Zoll lang; die Mittelzeh ¼ Zoll kuͤrzer, mit einem laͤngern und gleichbreiten oder am geraden, kaum bemerkbar abgerunde: ten, gezaͤhnelten Vorderrande wol noch breitern, 5 Linien langen und beinahe eben ſo (4½ Linien) breiten Nagel; die innere Zeh iſt viel kuͤrzer und hat einen ſchmaͤlern Nagel, die kleine 8 bis 9 Linien lange Hinterzeh faſt gar keinen. Die Mittelzeh, mit ihren Seitenlap⸗ pen, die breiteſte von allen, deren aͤußerer Lappen jedoch, wie an den uͤbrigen Zehen und bei allen Arten der Gattung, viel ſchmaͤler iſt als der innere, hat mit den Lappen eine Breite reichlich von 1 Zoll. — Sie haben im Leben folgende Farben: Die innere platte Seite des Laufs, ſein ſcharfer Vorder- und gezaͤhnelter Hinterrand blaß gruͤnlichgelb, ebenſo die Zehenruͤcken und Mitte der Schwimm- lappen, an den Raͤndern dieſer allmählich, wie an den Zehengelen- ken, olivengruͤn, die Spannhaͤute gewoͤhnlich etwas lichter; die platte Auſſenſeite der Laͤufe graͤulichſchwarz und dies verliert ſich ſanft auf dem aͤuſſern Theile der Auſſenzeh; die Sohlen der Zehen XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 691 und Schwimmlappen ſchwarz; die Naͤgel ſchwarzbraun, mit einem ſehr bemerkbaren, ſchmutzig gelbweißen Vorderrande. Bei den Jun⸗ gen haben die Fuͤße eine truͤbere Faͤrbung und weniger Gelb, bei ganz jungen Voͤgeln ſind ſie gruͤnlichgrau, an der inneren Seite des Laufes und auf der Mitte der Zehen mit durchſchimmernder Fleiſchfarbe. Im getrockneten Zuſtande werden fie ſehr unſcheinlich, bei dieſen ſchwaͤrzlichgrau, bei jenen hornbraun, an der Auſſenſeite der Laͤufe hornſchwarz, an der innern horngelb, und von der wah⸗ ren Färbung bleibt ſehr ſelten etwas übrig. Im Dunenkleide mit dem roͤthlichen, ſchwaͤrzlich bunten, weiß beſpitzten Schnaͤbelchen, den perlweißen Augenſternen, den grün: lichbleigrauen, nach innen weißroͤthlichen Fuͤßen, ſind Kopf und Hals weiß, mit ſchwarzen Laͤngeſtreifen und einzelnen Fleckchen, Hin⸗ terhals und Halswurzel graulich, der Rumpf oben und an den Seiten maͤuſegrau, in der Mitte des Ruͤckens der Laͤnge nach ſehr dunkel, faſt ſchwarz, auch vor dem Fluͤgel ein ſehr dunkler Fleck; die Mitte des Unterrumpfs vom reinſten Weiß, aber wenig glaͤn⸗ zend. Die ſchwarzen Streifen auf weißem und graulichem Grunde am Kopfe und Halſe ſind ſtellenweis bald dunkler, bald lichter, und ſind folgende: Unter dem Mundwinkel ſteht ein ſchwarzes Fleckchen; ein ſtarker ſchwarzer Streif faͤngt unter dem Auge an, geht auf der Wange herab, biegt ſich wie ein Haken um und laͤuft in Strichen bis zur untern Schnabelwurzel; den nackten roͤthlichgrauen Zuͤgel⸗ ſtreif begrenzt ein ſchwarzer, welcher ſich uͤber und noch breiter hin⸗ ter das Auge fortſetzt und in den Schlaͤfen ſpitz endet; zwiſchen die⸗ ſem und dem erſten laͤuft vom hintern Augenwinkel ein anfaͤnglich ſchwacher, dann ſtarker, dann wieder ſchwacher uͤber die Ohrgegend, jetzt wieder breiter werdend, endlich aber gleichmaͤßig, doch nur ſchwarz⸗ grau an der Seite des Halſes bis an deſſen Wurzel herab; auf der Mitte des Scheitels ſteht ein zackichter ſchwarzer Querfleck, von dem jederſeits ein ſchwarzer Streif neben dem Nacken bis zum Ruͤcken herablaͤuft; ein kleiner Laͤngſtrich geht vom Schnabel ſeitwaͤrts, ein anderer in der Mitte an die Stirn hinauf, und zwiſchen dieſen Streifen und Zuͤgen ſtehen am Kopfe hie und da noch abgeſonderte ſchwaͤrzliche Fleckchen, die an Zahl und Groͤße ſehr verſchieden vor⸗ kommen, während jene weniger wechſeln und auch für das nachhe— rige Jugendkleid die Grundzuͤge bilden. Mehr als halb erwachſen tragen ſie noch dieſes Kleid; erſt wenn ſie faſt ſo groß wie die Al⸗ ten hat ein ordentliches Gefieder dies Dunen: oder Neſtkleid ver: draͤngt. Maͤnnchen und Weibchen find darin nicht zu unterſcheiden. 8 0 44 692 XIII. Drdn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. Dieſes Neſtkleid unterſcheidet ſich von andern aus dieſer Gat⸗ tung durch ſeine lichtere Faͤrbung, das viele Weiß als Grundfarbe, die ſchmaͤlern ſchwarzen Streifen und durch die helleren 1 ge ſtreiften Ruͤckenfarben. Das Jugendekleid dieſer Art, ihre erſte vollſtaͤndige Gefiede⸗ rung, traͤgt am Kopfe und Halſe ganz die geſtreifte Zeichnung des vorhergehenden, in derſelben Manier, nur daß hier alle in einem groͤßern Maaßſtabe erſcheinen. Die Grundfarbe am Vorderkopfe, den Kopfſeiten und am Halſe vorn und an den Seiten, iſt eben- falls weiß, doch an den Kopf⸗ und Halsſeiten etwas getruͤbt oder gelbbraͤunlich uͤberlaufen; der Hinterſcheitel und der Hinterhals bis an ſeinen Urſprung erdbraun oder matt ſchwarzbraun; die Streifen am Kopfe und Halſe braunſchwarz oder ſtellenweis nur dunkelbraun, auch hin und wieder unterbrochen; die Untergurgel und Kropfge— gend ſchwach mit Roſtfarbe uͤberlaufen; der ganze Unterrumpf weiß, wie Atlaß glänzend, die Tragfedern tief braungrau; die Weichen und der eigentliche Bauch (welcher bei den Lappentauchern nur eis nen kleinen Raum umfaßt) auf weißlichem Grunde, grau und et— was roſtfarbig gemiſcht; alle obern Theile des Rumpfs graulich ſchwarzbraun, an den Oberruͤcken- und Schulterfedern mit bräun- lichweißgrauen Endkanten, von den Schulterfedern die zunaͤchſt der Fluͤgeleingelenkung in einem ſchmalen Laͤngeſtreif weiß, dabei die meiſten an den Wurzeln, manche auch mit einem Mondflecken an der Spitze, von der Ruͤckenfarbe; der ganze Mittelfluͤgel von dieſer Farbe, der Fluͤgelrand am Oberarm, beſonders am Ellbogen ſehr breit, nach vorn ſchmaͤler, an der Hand ſehr ſchmal, fo wie die Schwingfedern - zweiter Ordnung und die ganze untere Seite des Fluͤgels weiß, die dritte Ordnung Schwingfedern ſchwarzbraun, etwas dunkler als der Ruͤcken, die der erſten Ordnung mit ihren Deckfedern, ſehr matt ſchwarzbraun, auf der untern Seite dunkelbraungrau, alle Schwing⸗ federſchaͤfte braunſchwarz. Solche Voͤgel haben dann hellgelbe Au— genſterne, einen fleiſchfarbigen, hin und wieder gruͤngelblichen, an der Firſte grauen oder auch graugefleckten Schnabel und an den graugruͤnlichen Fuͤßen ſchimmert noch Fleiſchfarbe durch. Gewoͤhnlich wird dies Kleid ſehr langſam vollendet, und bis in den Herbſt ſind auf dem Kopfe und am Genick noch immer Neſt⸗ dunen vorhanden, weil die wirklichen Federn an dieſen Theilen zu allerletzt hervorkommen. Iſt es endlich ganz hergeſtellt, ſo iſt der Hinterſcheitel, das Genick und der Nacken in einem ſchmalen Streif matt braunſchwarz und auf erſtern zeigen ſich zwei nebeneinander XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 693 ſtehende Buͤſchel ſehr wenig verlaͤngerter Federn, als Andeutung der zukuͤnftig hier Platz findenden Federohren; die Federn an den Wan⸗ gen erheben ſich etwas wulſtig, und während von den dunkeln Strei⸗ fen an den Kopfſeiten nur eine ſehr ſtark gezeichnete, vom Schna— belwinkel unter dem Auge hinweg bis hinter das Ohr reichende bleibt, verſchwinden die an den Halsſeiten vollends ganz. Jetzt iſt der Vogel ohne weitere Veraͤnderung an den uͤbrigen Koͤrpertheilen als die das beſſere Reifwerden des jungen Gefieders bewirkt hat, bloß am Halſe und Kopfe weſentlich umgewandelt und nun in ſei⸗ nem erſten Winterkleide, das er bis zum naͤchſten Frühzahr traͤgt und dann ſein erſtes Sommerkleid anlegt. In dieſen jugendlichen Gewaͤndern unterſcheiden ſich die Ge⸗ ſchlechter ſchon etwas in der Groͤße und die Kropfſeiten ſind bei den Maͤnnchen etwas ſtaͤrker mit Roſtfarbe angelaufen als bei den Weibchen. Das Herbft: oder Winterkleid der Alten unterſcheidet ſich ſehr leicht von jenem an dem Mangel des dunkeln Wangenſtreifs; an den bedeutend groͤßern oder laͤngern, durch Niederlegen nicht zu verbergenden Federbuͤſcheln des Hinterſcheitels und durch die verlaͤn— gerten, wulſtigen, einen ebenfalls nicht zu verbergenden kreisfoͤrmi⸗ gen Kragen bildenden Federn der Ohrgegend, der Wangen und Sei⸗ ten der Kehle. Ein Streif uͤber dem nackten, ſchwaͤrzlichen Zuͤgel und dem Auge, die uͤbrigen Kopfſeiten, Kehle, Gurgel und Hals— ſeiten ſind weiß; die Stirn braungrau, der Scheitel mit den kurzen Federbuͤſcheln und der ganze Hinterhals matt ſchwarzbraun, an den Halsſeiten als Grau in das Weiße uͤbergehend und an denen des Kropfs ſich etwas weiter vorziehend; der Unterrumpf weiß mit Sil⸗ berglanz, an den Tragfedern ſchwaͤrzlich braungrau, uͤber den Fer⸗ ſen etwas mit truͤbem Weiß und Roſtfarbe gemiſcht; die Fluͤgel und der Oberkoͤrper wie im Jugendkleide, an dem weißen und weiß⸗ gefleckten Schulterſtreif etwas Roſtfarbe eingemiſcht. — Die Maͤnn⸗ chen unterſcheiden ſich in dieſem Kleide ſchon durch ihre beträchtli: chere Groͤße und dadurch, daß der Backenkragen gewoͤhnlich nicht ganz weiß iſt, ſondern ſehr feine ſchwaͤrzliche Federſpitzchen hal, von den gleichalten Weibchen. Im hohen Alter wird dies Herbſtkleid noch ſchoͤner, die Federbuͤſchel auf dem Scheitel laͤnger, ihre laͤngſten Federn bis zu 1½¼ Zoll lang und der Backenkragen, zwar etwas kuͤrzer als jene, doch laͤnger und wulſtiger als fruͤher, und jetzt beſonders durch eine ſchwarzbraune Einfaſſung umkraͤnzt, bei den Maͤnnchen an der 694 XIII. Or dn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. Ohrgegend auch mit etwas Roſtfarbe vermiſcht. Bei alledem iſt der Kopfputz doch noch viel unbedeutender als der des einjaͤhri— gen Maͤnnchens im Fruͤhlinge, und die untern Theile des Ko— pfes haben dazu ungleich mehr Weiß. Bei ſolchen alten Voͤgeln iſt zuweilen noch an den Halsſeiten, beſonders aber an den Trage— federn etwas Roſtfarbe eingemiſcht, doch ſcheinen dies wol nur Fe: dern des vorherigen Kleides zu ſein, und ſie ſind ſtets auch an dem roͤthern Schnabel kenntlich. Im Fruͤhlings⸗ oder Hochzeitskleide, das ſie bis in den Sommer tragen und daher auch Sommerkleid heißt, iſt der Federputz des Kopfes am hoͤchſten ausgebildet, die ſehr verlaͤngerten zarten und dichtſtehenden Federn am Hinterſcheitel ſind an beiden Seiten dieſes viel laͤnger als in ſeiner Mitte, wodurch der Feder⸗ buſch zweitheilig wird oder ſich in zwei auswaͤrts ſtehende Spitzen theilt, die ſich nie in eine einzige vereinigen. Von oben geſehen entſteht durch ſie auf dem Kopfe eine faſt gleichſeitige, dreiſpitzige Figur, weil die dunkle Farbe derſelben auf der ſchmalen Stirn ſpitz an der Schnabelwurzel endet und die dritte Spitze bildet. Hinter den Ohren, auf den Wangen und unter der Kehle ſind die eben— falls ſeidenweichen, zartſtrahligen Federn zu einem dicken Kragen verlaͤngert, welcher die untern Theile des Kopfs kreisfoͤrmig oder wie ein Rad umgiebt, am Genick aber offen bleibt und unter der Kehle meiſtens einen mehr oder weniger bemerklichen Ausſchnitt oder eine kleine Spalte hat. Dieſer ſonderbare Kopfputz, deſſen Zweck man nicht kennt, liegt gewoͤhnlich angeſchmiegt, doch dies nicht ſo ſehr, als daß er nicht ſogleich in die Augen fiele, und daß Kragen und Federhoͤrner nicht ſchon von weiten fuͤr das angeſehen wuͤrden, was ſie aufgeſtraͤubt darſtellen ſollen. — Der Form nach haben ſie ſchon die faſt einjaͤhrigen Voͤgel in ihrem erſten Hochzeitskleide, die Maͤnnchen nur etwas größer als die Weibchen; bei beiden kom⸗ men ſie jedoch in jedem Fruͤhling, als ſo oft ſie wieder erſcheinen, v Ükommener zum Vorſchein, bis zu einer beſtimmten Groͤße; wenn demnach die Federn des Doppelbuſches bei einjährigen Maͤnn— chen 1½ bis 1 Zoll lang, die Kragenfedern etwas kuͤrzer find, ſo koͤnnen beide bei ſehr alten noch uͤber 2 Zoll lang werden. Dergleichen alte Maͤnnchen kommen zwar ſelten vor, wir haben aber ſelbſt einige erlegt und beſeſſen. Das erſte Hochzeitskleid des männlichen großen Lappen⸗ tauchers hat folgende Farben: Die Stirn, in einem ſchmalen Streif, weil ſie ſelbſt ſehr ſchmal, iſt dunkel braungrau, was auf dem Schei⸗ > 7 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt: 272. Gr. Lappentaucher. 695 tel dunkler wird und an den Feberhörnern in Schwarz übergeht; ein weißer, roſtgelblich ſchwach angelaufener Streif begrenzt oben den nackten Zuͤgel und zieht uͤber das Auge, neben dem Schwarz des Scheitels hin; die Kehle, die Gegend unter dem Zuͤgelſtreif und dem Auge ebenfalls weiß, auf den Wangen, uͤberhaupt abwaͤrts und nach dem Kragen zu ſanft in lichte Roſtfarbe und dieſe immer ſchö⸗ ner am Rande des Kragens endlich in Schwarz uͤbergehend, wo⸗ durch dieſer ringsum eine breite ſchwarze Einfaſſung erhaͤlt; Genick und Nacken, als ſchmaler Streif, matt ſchwarzbraun; längs dieſem die Halsſeiten ſchmal roſtfarbig, am meiſten neben dem Kropfe, wo auch jenes etwas weiter vor geht; der ganze Vorderhals weiß, am Kropfe mehr oder weniger mit Roſtfarbe uͤberlaufen; die untere Seite des Rumpfs weiß mit ſtarkem Silberglanz, die Tragfedern ſchwarzbraungrau mit vieler Roſtfarbe durchmiſcht; alles Wife wie ſchon beſchrieben. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden fich jetzt ſehr in der Größe und in der Lange des Halſes, weniger in denen des Kopf: putzes, am wenigſten in den Farben, welche auch beim Weibchen ganz die naͤmlichen, nur etwas lichter und weniger lebhaft, ſo wie Doppelhaube und Halskrauſe etwas kleiner ſind. — Dieſe fruͤhere Behauptung meines Vaters hat ſich mir und andern nachher ſo vielfach beſtaͤtigt, daß fie unumſtoͤßlich iſt; obgleich jetzt wol Nie: mand mehr hieran zweifelt, ſo erwaͤhne ich es doch darum, weil in einigen guten ornithologiſchen Werken vergangener Zeit hin und wieder weibliche Voͤgel im Herbſtkleide — weil man damals die jaͤhrliche Doppelmauſer nicht kannte — fuͤr Weibchen im hochzeitli⸗ chen Kleide gehalten oder ausgegeben wurden. Sehr alte Voͤgel im Hochzeitskleide zeichnen ſich von den jüngern, auſſer der anſehnlichern Leibesgroͤße und des groͤßern Um: fangs des Kopfputzes, durch eine ſchoͤnere und dunklere Färbung ih: res Gefieders und durch hoͤhere und reinere Farben des Schnabels und anderer nackten Theile aus. Der Schnabel ſolcher, beſonders der Maͤnnchen, iſt dann aͤcht purpurroth, eine Farbe, die man auch blaſſes Karmoiſin nennen kann, ebenſo die nackten Zügel, dieſe aber etwas ſchwaͤrzlich uͤberlaufen; das Auge hochkarminroth, an der ſchwarzen Pupille am hellſten; die Fuͤße ebenfalls ſchoͤner gelb und gruͤn als bei jenen. Der Oberkopf mit ſeinem Doppelbuſche it ſchwarz, nur gegen die Wurzel der Schnabelfirfte in tiefes Braun⸗ grau uͤbergehend; der weiße Streif uͤber den Zuͤgeln und Augen ſchwach roſtroͤthlich uͤberlaufen; Kehle, Wangen und Schläfe weiß, 696 XIII. Ordn. LXXVI. aht 272. Gr. Lappentaucher, 8 gegen den Kragen zu bald, doch ſanft in praͤchtige Roſtfarbe uͤber⸗ gehend, die immer dunkler wird bis gegen den Rand, wo ſie in das tiefe Schwarz deſſelben verſchmilzt, das eine ſehr breite Einfaſ— ſung rings um den Kragen bildet. Vom Hinterkopfe geht ein ſchwarzbrauner Streif den ganzen Hinterhals hinab; die Grenze zwiſchen ihm und dem weißen Vorderhalſe iſt roſtfarbig, am mei⸗ ſten an den Kropfſeiten; die Tragefedern groͤßtentheils roſtfarbig, nur wenige ſchwarzbraungraue, die meiſten noch hinterwaͤrts uͤber den Schenkeln, eingemiſcht; alle obern Theile des Rumpfs tief roͤth⸗ lichſchwarzbraun, an den Oberruͤcken- und Schulterfedern mit licht braungrauen Endkanten, bald mehr bald weniger deutlich bezeichnet; der obere Fluͤgelrand, beſonders am Ellbogen, ſehr breit weiß, und an die weißen Achſeln grenzen noch ganz oder halbweiße Schul- terfedern, von denen viele an der Grenze des Weißen und Schwarz— braunen einen roſtfarbigen Anſtrich haben; die mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern, Fittich⸗ und großen Schwingfedern dunkel afchgrau= braun, die Schwingen zweiter Ordnung weiß, die letzten dieſer oder erſten der dritten Ordnung mit wachſendem Schwarzbraun an der Wurzel und die allerletzten, wie die laͤngſten Schulterfedern und der Ruͤcken; der Unterfluͤgel weiß, an der Spitze dunkel braungrau; der ganze untere Theil des Rumpfs atlaßweiß und ſehr glaͤnzend. — Glleichalte Weibchen ſind, bei etwas kuͤrzerm Kopfputz, ebenſo, aber weniger ſchoͤn, gefaͤrbt und von auffallend geringerer Koͤr— pergroͤße. Die Hauptmauſer dieſer Art erfolgt gegen Ende des Juli und im Auguſt. Weil die Schwingfedern, die ſich nur in dieſer Mauſer erneuern, faſt alle zu gleicher Zeit ausfallen und die neuen ſehr lang: ſam nachwachſen, ſo koͤnnen dieſe Voͤgel faſt einen Monat lang gar nicht fliegen; ſie halten ſich waͤhrenddem meiſtens ſo fern wie moͤg— lich vom Ufer auf dem freien Waſſerſpiegel auf und ihr einziges Rettungsmittel in Gefahren bleibt ihnen in dieſem Zuſtande das Tauchen. Im September ſind die meiſten im vollſtaͤndigen Win— terkleide, in welchem ſie wegwandern, in ihrer Abweſenheit im Februar und Maͤrz abermals mauſern, doch die vorigen Schwing- federn behalten, und dann wieder bei uns in ihrem Hochzeits— oder Sommerkleide erſcheinen, das die Alten bei ihrer Ankunft ſchon ganz vollſtaͤndig haben, wovon aber manche vorjährige Junge, vermuthlich ſolche von verſpaͤteten Bruten, eine Ausnahme machen und ihr Winterkleid wenigſtens noch theilweiſe mitbringen, ſo daß N — * se XII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 697 im April oder Anfangs Mai noch welche vorkommen koͤnnen, bei denen dieſe Mauſer kaum begonnen hat. | Aufenthalt. Der große Lappentaucher ift über ganz Europa, den hohen Norden ausgenommen, verbreitet, fol auch eben fo in mehrern Thei⸗ len Aſiens und wahrſcheinlich im noͤrdlichen Afrika vorkommen, welches man auch von dem gemaͤßigten Nordamerika ſagt. In Schweden ſoll er ſelten uͤber Schonen hinaufgehen und unter 60 Grad n. Breite auch im europaͤiſchen und aſiatiſchen Rußland gaͤnzlich aufhoͤren. Von da ab gegen Suͤden koͤmmt er, wenigſtens in unſerm Erdtheile, in allen Laͤndern vor, ſehr haͤufig beſonders in den von der Oſt- und Nordſee begrenzten, in Daͤnemark und England, in Holland und Frankreich. Ueberall wo große Seebuchten und ſtille Winkel derſelben tief ins Land einſchneiden, auf Landſeen und andern groͤßern ſtehenden Gewaͤſſern iſt er na— mentlich in den noͤrdlichen Theilen Deutſchlands, in Pommern, Mecklenburg, Brandenburg, Holſtein, bis Friesland und weiter hin, ſehr gemein, aber auch mehr landeinwaͤrts allent⸗ halben, bis an die ſuͤdlichſten Grenzen unſers Vaterlandes und in die Schweiz, bis Polen, Ungarn und Italien, in geeigneten La⸗ gen, ebenfalls allenthalben anzutreffen. Auch in, unſerm Anhalt fehlt er auf keinem groͤßern Teiche und auf den benachbarten Seen, z. B. dem ſalzigen und ſuͤßen ohnweit Eisleben und den Teichen in deſſen Naͤhe, gehoͤrt er zu den gemeinen, zu Zeiten ſehr haͤufig vorkommenden Voͤgeln. In der Mitte von Deutſchland iſt er Zugvogel, an den Seekuͤſten theilmeis bloß Strichvogel; denn viele, namentlich junge Vögel, überwintern dort in der Nähe der Buchten auf off- nem Meere, z. B. vor dem Kieler-Foͤrde, ſelbſt in ſtrengen Win⸗ tern. In der Mitte von Deutſchland faͤngt ſein Wegzug ſchon Ausgangs September an und waͤhret bis Ende des November, je nachdem die Gewaͤſſer fruͤher oder ſpaͤter eine Eisdecke bekommen, wovon jedoch die Fluͤſſe ausgenommen bleiben, weil dieſe Art das fließende Waſſer ſo wenig liebt, wie eine andere dieſer Gattung und alle dieſes, auch zu andern Zeiten, nur im Nothfall und zu einem moͤglichſt abgekuͤrzen Aufenthalt benutzen. So lange auf großen ſte⸗ U 698 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. henden Gewaͤſſern weite Becken vom Eiſe frei bleiben, verlaſſen Ein⸗ zelne ſie nicht, aber die Mehrzahl begiebt ſich ſchon etwas fruͤher weg und wandert aus dem Lande. Sie gehen nicht weit; denn auf den Seen der Schweiz uͤberwintern ſchon ganze Schaaren, dies namentlich auf dem Neuenburger-See, wo fie im Novem- 1 ber nach und nach, nach Schinz nicht ſchaarenweis, ankommen, den Winter in großen Fluͤgen dort beiſammen bleiben und zu Ende des März, bis auf die wenigen Brutpaare, alle wieder verſchwin⸗ den. In ſehr kalten Wintern ſoll man dort aber auch einzelne im Eis erſtarrt gefunden haben. Sobald im Fruͤhjahr anhaltend Thauwetter eintritt und die groͤßern ſtehenden Gewaͤſſer wieder vom Eiſe frei werden, im Maͤrz oder im April, kehren dieſe Lappentaucher zuruͤck; ſie erſcheinen dann meiſtens paarweiſe, ſeltner einzeln, die weiter nach Norden durch: wandernden nur auf kurze Zeit, die uͤbrigen ſo lange, bis ſie ihre nahen Bruͤteplaͤtze beziehen und ſich auch auf kleinere Waſſerflaͤchen vertheilen koͤnnen. Weil dieſe ihnen gewoͤhnlich ſpaͤter zugaͤnglich werden, auch oft ſtarke Nachtfroͤſte den Abgang des Eiſes aufhalten, ſo verſammeln ſich auf jenen großen offnen Flaͤchen unterdeſſen oft alle einem gewiſſen Umkreiſe angehoͤrende Niſtvoͤgel. Bei genauem und taͤglichem Beobachten bemerkt man, daß ſie ihre Ruͤckreiſe nie in groͤßern Geſellſchaften, wol aber die Abreiſe im Herbſt ſo machen. Man ſieht ſolche dann an manchen Orten nach und nach oft bis zu 50 und 60 oder noch mehreren Individuen anwachſen, nach laͤngerm Aufenthalte eines Abends ſehr unruhig werden, hin und herflatten „ ſich necken u. dgl., Tags darauf aber nicht einen mehr an ſolcher Stelle. Sobald es zu dunkeln anfaͤngt, erheben ſich alle mit vielem Geraͤuſch in die Luft und die Schaar verſchwindet im Dunkel der Nacht, anſcheinlich ihren Zug nach Suͤden gerichtet. Eben ſo unerwartet erſcheinen ſie im Fruͤhjahr; wo Tags vorher noch keiner bemerkt wurde, erblickt man ſie, nach einer ſtillen Nacht, am fruͤhen Morgen wieder, wie im vorigen Jahr, jetzt aber nicht in Heerden, ſondern in abgeſonderten Paaren oder vereinzelt. Sehr gewagt iſt von Manchem die Meinung aufgeſtellt, dieſe Voͤgel moͤchten groͤßere Strecken ihrer Reiſen ſchwimmend zuruͤck⸗ legen. Dies wuͤrden ſie aber nur auf der See, an ihrem Wege entſprechenden Kuͤſten koͤnnen, weil man ſie auf hoher See nie an— traf, auf Fluͤſſen darum nicht, weil man ſie zu ſelten auf ſolchen ſieht. Es duͤnkt uns auch kein Grund vorhanden, ſolches annehmen zu muͤſſen, indem ſie viel beſſer fliegen als Mancher / XIII. Ordn. e Gatt. 272. Gr. een 699 glaubt, der fie nur am Bruͤteorte und im Sommer beobachtete, auch wenn er Jagd auf ſie machte, es ihnen kaum zutrauen wuͤrde, da hier meiſtens die heftigſten Verfolgungen nichts weiter bewirken, als daß ſie fortwaͤhrend untertauchen und nicht durch den Flug ſich zu retten verſuchen. Sie fliegen dagegen nach der Mauſer im September ohne ſtarke Veranlaſſung oft ſchon auf mehrere Hundert Schritt weit auf, weit und hoch durch die Luft fort, uͤben ſich vor ihrem Abzuge im Spaͤtherbſt haͤufig und aus freiem Antriebe im Auffliegen und ſchwingen ſich dabei nicht ſelten ſehr hoch in einem großen Kreiſe herum, und ihr Flug zeigt ſich, wenn ſie erſt einige Hoͤhe erreicht haben und im Zuge ſind, eben ſo kraͤftig und ſchnell, wie der vieler Entenarten, die bekanntlich ſehr weite Luft: reiſen machen. Wir koͤnnen demnach jener Meinung, die überhaupt gar viel gegen ſich hat, durchaus nicht beitreten. Der große Lappentaucher kann nicht unter die eigentlichen See⸗ vogel gezaͤhlt werden, da er nicht auf hoher See-, ſondern immer nur in der Naͤhe der Kuͤſte oder auf ruhigern Binnenwaſſern ange⸗ troffen wird, viel gewoͤhnlicher aber auf ſtehenden Gewaͤſſern iſt, gleichviel ob nahe oder fern vom Geſtade des Meeres. Große Land⸗ ſeen ſind ihm daher uͤberall der liebſte Aufenthalt, in der Zugzeit ſolche mit ſehr großem, ganz freien Waſſerſpiegel und dieſer vorzuͤg⸗ lich ſelbſt, in der Fortpflanzungszeit aber mehr die Naͤhe der Ufer und Inſeln, wenn dieſe einen breiten Rand von hohem Rohr und Schilf haben. Die Letztern ſind ihm in dieſer Jahreszeit und zum - Sommeraufenthalt durchaus nothwendig, während er fie in den Zug: perioden wenig achtet und dann auch auf ganz davon entbloͤßten Seen angetroffen wird, namentlich dann auf ſolchen mit dem Meer in Verbindung ſtehenden Gewaͤſſern wie das Haff bei Stettin, die Foͤrde bei Kiel und aͤhnlichen in Menge geſehen wird. Auch große Teiche mit vielem Rohr und Schilf, zugleich aber auch großen Spiegelflaͤchen, bewohnt er allendhalben. Er ſcheuet ſolche nicht, an welchen frequente Straßen dicht vorbei fuͤhren, wenn die Waſſerflaͤche nur breit genug iſt, um ſich bei vorkommenden Gefahren auſſer Schußweite vom Ufer weg begeben zu koͤnnen, meidet darum aber zu jeder Zeit, ſelbſt auf dem Zuge, die Teiche, deren geringer Umfang ihm ſo etwas nicht geſtattet; wir ſehen ihn daher nie auf ſolchen Teichen, bis auf deren Mitte ein gewohnlicher Flintenſchuß reicht, viel weniger auf noch kleinern, auch nie auf Fluͤſſen. Zwingen ihn je ein Mal Erſchoͤpfung und Hunger, ſich auf dieſen und jenen niederzu⸗ laſſen, ſo dauert ſolcher Aufenthalt doch ſchwerlich bis zur Tageshelle. 1 700 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272, Gr. Lappen taucher. Die Abneigung gegen Flußwaſſer bezieht ſich auf ſeinen Unter⸗ halt, den er nur da im Uiberfluß finden kann, wo vom Boden der Gewaͤſſer viele untergetauchte und auch ſchwimmende Pflanzen auf- wachſen; an Stellen, wo ſie jedoch auf der Oberflaͤche in Menge dicht beiſammen ſchwimmen und ſchon von Weitem geſehen werden, weilt er ungern und nur wenn er ſich ganz ſicher glaubt, vermuth— lich weil ſie ihn am ſchnellen Untertauchen und raſchen Fortkommen unter der Oberfläche behindern. Die Orte, wo die Myriophyllum-, Ceratophyllum-, verſchiedene Potamogeton-Arten und mancherlei aͤhn⸗ liche Gattungen, die bei vollem Waſſer kaum mit den Spitzen auf der Oberflaͤche erſcheinen, haͤufig wachſen, liebt er ganz vorzuͤglich, doch auch nur wo ſie nicht das ganze Waſſer anfuͤllen, ſondern gaͤnzlich freie Raͤume zwiſchen ſich laſſen. Da aber gewoͤhnlich auf dem Boden fließenden Waſſers dergleichen gar nicht wachſen, ſo ver— meidet er wo moͤglich ſolche Fluͤſſe. Zwiſchen Schilf und Rohr, wenn dieſes zur gewoͤhnlichen Hoͤhe aufgewachſen iſt und ſehr dicht ſteht, haͤlt er ſich auch nie auf, fruͤher, wenn es noch jung, weilt er aber gern in deſſen Nähe und bald nach feiner Ankunft im. Fruͤhjahr, wo er das alte abgemaͤhet findet und das junge kaum eine Hand lang aus dem Waſſer hervorragt, ſieht man ihn oͤfters zwiſchen demſelben und in der Naͤhe der Ufer. Sehr tief in die aufſchoſſenden Rohrwaͤlder dringt er zu keiner Zeit ein; das Fort⸗ kommen zwiſchen zu dichtſtehenden Rohrſtengeln mag ihn ſeines breiten Rumpfes und der ſehr ausgeſpreitzt ſtehenden Fuͤße wegen, ſehr be— ſchwerlich ſein, weshalb er es vermeidet und lieber an den Raͤndern, auf der Waſſerſeite, wo es einzelner ſteht, ſo auch durch duͤnnſtehen— des Kolbenſchilf und große Teichbinſen, zuweilen herumrudert. Die meiſte Zeit bringt er jedoch auf freiem Waſſerſpiegel zu, und wo er ein Mal etwas zwiſchen jenen über dem Waſſer erhabenen Pflan— zen zu thun hat, ſo geſchieht es immer an ſolchen Orten, wo ihm eine freie Ausſicht bleibt, um ſich gegen anruͤckende Gefahren, wenn auch nur ſcheinbare, ſichern zu koͤnnen. Dieſer Beweggrund mag dabei ſo ſtark ſein, wie jener. Er ruht am Tage auf freier, vom n Ufer genug entfernter Waſ⸗ ſerflaͤche, putzt und fettet ſein Gefieder ein, ſoͤnnt ſich und ſchlaͤft, wie alle Lappentaucher, Alles nur ſchwimmend, und iſt, wie ſie faſt die ganze Nacht hindurch munter. Wenn das Wetter nicht ganz ſtill, der Taucher nicht ganz ſicher iſt, legt er ſchwimmend feine Füße nicht auf die Tra⸗ gefedern; ſie ruhen dann auf dem Waſſer neben dem Rumpfe von ſich geſtreckt und ihre unmerklichen Bewegungen halten dies lebende XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 701 Schifflein trotz Wind und Wellen an einer und derſelben Stelle feſt. Am fruͤhen Morgen und in der Abenddaͤmmerung naͤhert er ſich, wo er keine Nachſtellungen befuͤrchtet, am oͤfterſten dem Ufer, ſteigt jedoch nie auf daſſelbe. Baͤume und Gebuͤſch in der Naͤhe fuͤrchtet er nicht und er bewohat oft ganz von Wald umgebene | Seen und große Teiche. Eigenſchaften. Die ganz aufrechte Stellung der Lappentaucher, hinten wie abgehackt, einem auf den Hinterbeinen ſtehenden Baͤren nicht un⸗ aͤhnlich, der ſchlanke, mehr oder weniger Sfoͤrmig gebogene Hals oben auf dem ſtarken, gleichbreiten, ungemein platten Rumpfe, bei mehreren Arten gekroͤnt mit dem ſonderbarſten Kopfputz, geben ihnen ſtehend und gehend, was ſie noch dazu mit ſteifen Knieen thun, ein hoͤchſt abentheuerliches Ausſehen. Liegend, auf der Erde wie auf dem Waſſer, auf der untern platten Flaͤche des Koͤrpers, die aus dem Ende des ſchnell abgeſtutzten Rumpfes hervorgehenden Fuͤße ſeitwaͤrts in gleicher Ebene von jenem abwaͤrts geſpreitzt, zumal in rudernder Bewegung wie wenn ſie ſchwaͤmmen, erinnern an die Froſchgeſtalt, der lange Hals dazu an eine Art Amphibium der Vorwelt. Unſere große Art ſteht in Keinem einer andern der Gat⸗ tung nach, ja der Kopfputz des alten Vogels im hochzeitlichen Schmuck gehoͤrt zu den groͤßten und auffallendſten der ganzen Sipp⸗ ſchaft. Niedergelegt, wenn der Vogel aͤngſtlich iſt, ſtehen die Spitzen des Doppelbuſches hinter und neben dem Genick hinaus, der dicke Backenkragen bildet einen ſtarken Abſatz rings um den Anfang des Halſes, tief unter der Kehle und dem Genick, beide koͤnnen auch nie ſo ſtark angeſchmiegt werden, daß ſie nicht ſelbſt in der Ferne, be⸗ merklich blieben. Iſt der Vogel ruhig, dann heben ſich dieſe Feder⸗ gruppen und werden noch bemerklicher; geraͤth er gar in Affect, dann blaͤht ſich der Backenkragen maͤchtig auf und umgiebt radfoͤrmig den untern Theil des Geſichts, einer ſogenannten Fraiſe oder Halskrauſe gleich, die Federhoͤrner des Scheitels erheben ſich und treten, nach auſſen gebogen, ſehr ſtark vor, der wunderliche Schmuck hat ſich auf dieſe Weiſe ganz entfaltet und hat feines Gleichen in der Vo— gelwelt nicht mehr. Man ſollte meinen, dieſer dicke Kopfputz muͤſſe ihn beim Tauchen, wo er ihn freilich ſo dicht wie moͤglich anlegt, 702 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. aber doch nicht ganz unterdrüden kann, hinderlich ſein; jedoch nicht der geringſte Anſchein deutet auf ſo etwas hin. Stehen und gehen auf feſtem Boden ſieht man ihn ſo ſelten wie einen der uͤbrigen Arten; er verrichtet beides wie ſie, das Letztere aber etwas ſchwerfaͤlliger oder weniger behend als die kleinen Arten. Faſt die ganze Lebenszeit bringt er dagegen, wie dieſe, auf dem Waſſer zu, mit Schwimmen und Tauchen; er verrichtet fo alle feine Handlungen, rettet ſich faſt immer nur dadurch aus Gefah: ren und macht nur bei unausgeſetzt heftigen Verfolgungen endlich von ſeinem Flugvermoͤgen Gebrauch. Schwimmend hat er das ſtattlichſte Ausſehen von allen Lappen⸗ tauchern, ſein langer Hals, verhaͤltnißmaͤßig der laͤngſte unter ſaͤmmt⸗ lichen einheimiſchen Gattungsverwandten, wird faſt immer hochge— tragen, wenn er einen Menſchen aus ſicherer Entfernung beobachtet und ihm nicht recht trauet, ganz und ſenkrecht in die Hoͤhe gereckt, ſonſt ſchwach Sfoͤrmig gebogen, Kragen und Haube abwechſelnd auf⸗ geblaͤhet und niedergelegt. Beide Gatten, wie gewöhnlich, dicht ne- beneinander ſchwimmend, auch abwechſelnd unter- und auftauchend, zieren fo, zumal von der Fruͤhſonne beſchienen, die ſtille Spiegel⸗ flaͤche der Landſeen und großen Teiche auf eine eigene Weiſe; denn naͤchſt dem Schwan nimmt kaum noch ein anderer Schwimmvogel eine ſtolzere Haltung an, als unſer großer Lappentaucher am Bruͤte⸗ orte, zumal das Maͤnnchen. 8 In der Fertigkeit zu ſchwimmen und zu tauchen übertreß ihn nur die kleinſten Arten an Gewandtheit, nicht ſo an Dauer. Er ſchwimmt weit ſchneller unter der Oberflaͤche als auf derſelben, naͤmlich ſo ſchnell als nur ein Menſch auf dem Trocknen zu laufen im Stande iſt, daher ungeſehen in kurzer Zeit weite Strecken fort. Nur wo er keinen Menſchen bemerkt und bloß nach Nahrung un⸗ tertaucht, geſchieht dieſes mit einem leichten Ruck; in jedem andern Falle ſchluͤpft er unter die Oberflaͤche, man weiß nicht wie, dies wie das Auftauchen ohne das mindeſte Geraͤuſch. Jetzt in der Naͤhe des Ufers uͤberraſcht, taucht er augenblicklich und koͤmmt erſt nach einer halben Minute oft mehr als 200 Fuß von dieſer Stelle auf der Mitte des Waſſerſpiegels wieder zum Vorſchein; ſcheint es ihm noch nicht genug, ſo taucht er noch ein Mal und koͤmmt dann in noch weiterer und vor dem Flintenſchuß voͤllig geſicherter Ent⸗ fernung wieder auf die Oberflaͤche. Hier ſchwimmt er nun ruhig und ſtolz einher, beobachtet ſeinen vermeintlichen Feind und taucht nur dann und wann, um ziemlich an derſelben Stelle wieder aufzutauchen. XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 703 Nur beim Untertauchen im Schreck vernimmt man ein plumpendes Geraͤuſch. Bei oberflaͤchlichem Schwimmen kann er den Rumpf nach Belieben mehr oder weniger tief in's Waſſer ſenken, nament⸗ lich ragt in der Angſt bloß der Ruͤcken, als ein ſehr niedriger Streif, uͤber daſſelbe heraus; dagegen kann er auch wieder bloß auf der Flaͤche liegen, z. B. wenn er ſchlaͤft oder ſich putzt; bei dieſem liegt er zuweilen ſogar auf der Seite, ſo daß ſich dem Zuſchauer oͤfters faſt die ganze untere weiße Koͤrperſeite zeigt. Seinem Fluge ſieht man es an, daß die ziemlich kurzen und ſchmalen Fluͤgel Muͤhe haben, den ſchweren Koͤrper in die Luft zu erheben und durch dieſelbe fortzutragen. Indeſſen bemerkt man auch, ſobald er eine bedeutende Hoͤhe erreicht hat und in Zug koͤmmt, daß er leichter und auch ſchnell von Statten geht. Wie andere Lap⸗ pentaucher kann er ſich vom feſten Boden gar nicht, vom Waſſer nur in einem genommenen Anlaufe erheben, wobei er unter Flattern der Fluͤgel, mit den Fuͤßen zappelnd oder ſehr ſchnell laufend, die Waſſerflaͤche auf 10 bis 15 Schritt weit ſchlaͤgt, wodurch ein lau⸗ tes Plaͤtſchern entſteht, und ſich dann erſt in wirklichen Flug zu ſetzen vermag, der am Tage nie weit und noch ſeltener uͤber Land geht. Die im Fluge mit den Spitzen ganz von ſich geſtreckten Fluͤ⸗ gel werden in ſehr kurzen Schlaͤgen, aber aͤußerſt ſchnell bewegt, der lange Hals wagerecht gerade vorgeſtreckt, ſo auch Kopf und Schna— bel, die großen Füße ragen dagegen in ganzer Laͤnge hinten hori— zontal hinaus und ſehen von ferne wie ein ziemlich langer und breiter Schwanz aus. Seine langhalſige Figur iſt im Fluge ſon⸗ derbar, aber leicht kenntlich, auch von andern großen Lappentauchern an dem vielen Weiß in den Fluͤgeln und ſonſt noch zu unterſchei⸗ den. Der Flug iſt mit einem hoͤrbaren Rauſchen begleitet, geht in gerader Linie fort und das Herablaſſen iſt mehr ein Niederfallen, mit der Bruſt aufs Waſſer, als ein Hingleiten auf der Flaͤche. Von der Ankunft unſers großen Lappentauchers bis in den Sommer fliegt er ungern; am Niſtorte iſt er daher nur durch un- ausgeſetzte Nachſtellungen mit Gewalt zum Auffliegen zu bringen, oft auch nicht, weil er ſich jenen nur durch Tauchen und endlich durch Verſtecken zu entziehen ſucht, oder ſich, wo das Waſſer eine ſehr große Flaͤche einnimmt, auf den weiten Waſſerſpiegel begiebt. Un⸗ ter die jene großen Teiche in der Naͤhe des mehrerwaͤhnten ſalzigen Sees zwiſchen Halle und Eisleben bewohnenden, großen Tau⸗ cher brachten wir jedoch einſtmals, nach langem Frieden mit ihnen, ein ſolches Entſetzen durch Anwendung der Kugelbuͤchſe hervor, daß 704 XIII. Orbn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. fie bei unſerm wiederholten Erſcheinen bei den Teichen, dieſe fchon verließen, ehe wir uns noch dem Ufer auf 100 Schritt naͤhern konn⸗ ten, ſich aufſchwangen, eine Viertelſtunde weit über Land flogen und, ſich mitten auf den großen See fluͤchteten, von dem ſie immer erſt des Nachts auf die Teiche zuruͤckkehrten. Neſter und Eier hatten ſie damals noch nicht. — So ungern ſie im Fruͤhjahr und Vor⸗ ſommer fliegen (im Spaͤtſommer mauſern ſie und koͤnnen es eine Zeitlang gar nicht), ſo leicht erheben ſie ſich im Herbſte und wenn die Zeit der Abreiſe herannahet; oft fliegen ſie dann ohne beſondere Veranlaſſung von ſelbſt auf, um ſich auf eine andere Stelle nieder⸗ zulaſſen. Sie verſammeln ſich dann auf der Mitte des Sees in großen Geſellſchaften von 50 bis 80 Stuͤck und wenn man ſich ih⸗ nen mit dem Kahne naͤhern will, fliegen alle zuſammen ſchon in gegen 200 Schritt Weite auf und eine lange Strecke weg, ehe ſie fi) wieder auf einer andern Stelle des Sees niederlaſſen. Schon aus dem zuletzt Geſagten wird hervorgehen, daß der große Lappentaucher ein ſehr ſcheuer Vogel und dabei klug genug iſt, den Schuͤtzen zu erkennen und ihn noch mehr zu fliehen als an⸗ dere Leute. Eigentlich trauet er keinem Menſchen, beobachtet ſelbſt Hirten, Frauenzimmer und Kinder erſt eine Zeit lang aus der Ferne ehe er etwas mehr Vertrauen faßt und naͤher koͤmmt. Auch den Fiſcherkahn flieht er ſchon von Weitem, ſelbſt wenn er mit Leuten beſetzt waͤre, die ſich nicht um ihn kuͤmmern. Trifft ihn jemand, wer es auch ſei, einmal in der Naͤhe des Ufers, ſo beeilt er ſich theils auf, theils unter dem Waſſer, ſo ſchnell wie moͤglich auf die freie Flaͤche und ein paar hundert Schritte weit wegzukommen; in dieſer Entfernung ſchwimmt er nun ſo ruhig, als wenn er wuͤßte, daß ihn aus ſolcher kein Leids zugefuͤgt werden koͤnne. Seine ſtete Vorſicht gebietet ihm auch uͤberall, wo es ihn nicht recht ſicher ſcheint, ſich auf freier Blaͤnke aufzuhalten, damit ihm Nichts hin- dert, ſich beſtaͤndig umzuſchauen und jede Gefahr ſchon von Weitem erſpaͤhen zu koͤnnen, und wenn ihn die Fortpflanzungsgeſchaͤfte in die Nähe der Schilf- und Rohrbuͤſche und andere in die Nähe der Ufer rufen, fo nähert er ſich dieſen nur, wenn keine Menſchen da herum ſich aufhalten. Hier von ſolchen uͤberraſcht ſchluͤpft er wol auch zwiſchen das Rohr und hält ſich da auf einige Zeit verbor- gen, aber nur ſo lange, bis er die Gelegenheit abſieht, unter dem Waſſer entlang wieder das Freie zu ſuchen, wobei er oft nur den Kopf blicken laͤßt, gleich wieder taucht und ſo fort, bis er die ſichere Weite erlangt zu haben meint. * Pr XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 705 Da ſein Mißtrauen, ſeine große Vorſicht, ſeine Gewandtheit ihn vor vielen Gefahren bewahren, ſo moͤgen viele dieſer Voͤgel ein ziemlich, manche ein ſehr hohes Alter erreichen. Wir kannten ſeit vielen Jahren einen Teich, den ein Paͤaͤrchen dieſer Taucher be— wohnte und alle Jahr auf demſelben feine Jungen aufzog; man- cher vergebliche Schuß mochte im Laufe der Jahre nach ihm gethan worden ſein; denn die aͤlteſten Leute wußten den Teich alle Jahre von einem einzigen, ſehr wahrfcheinlich demſelben Paar beſetzt, bis es uns gelang, mit einem Schuß beide Gatten zu toͤdten, die ſich dann durch Groͤße, Umfang des Kopfputzes und Faͤrbung des Ge— fieders, ſo vor allen andern bisher in Händen gehabten Vögeln die: ſer Art auszeichneten, daß wir ſie ſogleich fuͤr ungewoͤhnlich alte Voͤgel halten mußten. Ein anderes Paͤaͤrchen, das in der Naͤhe der ſogenannten Kaͤrnerbruͤcke, am erwaͤhnten ſalzigen See bei einem großen Rohrbuſche alljaͤhrlich zur Fortpflanzungszeit und auſſer die⸗ fer nie fern von dieſem feinen Wohnſitz hatte, wo es nie angeſchli— chen werden konnte, hatten wir und andere gegen 20 Jahre jeden Sommer immer an derſelben Stelle gefunden, und lange ſtrebten wir vergeblich nach dieſem ſich auch in der Ferne durch ſeine bedeu⸗ tende Groͤße, und durch das Fernrohr geſehen, durch ungewoͤhnliche Schoͤnheit vor allen uͤbrigen des Sees ausgezeichneten Paare, bis es uns zuletzt gelang, das Maͤnnchen mit einer Buͤchſenkugel zu toͤdten. Es war das größte und ſchoͤnſte, das wir bis jetzt beſaßen ‚und trägt alle Kennzeichen eines ungewoͤhnlich hohen Alters. Gegen andere Voͤgel zeigt unſer großer Lappentaucher keine An⸗ haͤnglichkeit. Zwar fuͤhrt ihn zuweilen der Zufall zwiſchen Enten und Waſſerhuͤhner; allein er macht ſich bald von ihnen los, lebt einſam oder paarweiſe und im Herbſt in groͤßern Geſellſchaften von ſeines Gleichen. Am Bruͤteorte zeigt er ſich beißig gegen andere Paͤaͤrchen, welche in feinen kleinen Bezirk ſich einzudraͤngen verſu— chen und auch andere Schwimmvoͤgel find da vor feinen Schnabel⸗ hieben nicht ſicher. Auch der Angeſchoſſene haut maͤchtig mit dem Schnabel um ſich, und da die Hiebe oft unverſehens kommen und meiſtens nach den Augen gerichtet ſind, ſo hat man Urſache ſich vor ihnen zu fürchten und muß auch den Hund davor zu bewah— ren ſuchen. \ Seine Stimme find Eräftige, weitſchallende, tiefe Toͤne. Mit einem öfter wiederholten Koͤck, koͤck, koͤck, unterhalten ſich Maͤnn⸗ chen und Weibchen ziemlich oft, und das letztere ruft es ſtets in ei⸗ nem etwas hoͤhern Tone. Dieſes Koͤck u. ſ. w. geht dann haͤufig 9. Theil. ' 2 45 5 . 706 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. in ein noch lauteres, kraͤftigeres Kraorrr, krraorrr, oder Kru— orr uͤber, das ebenfalls einige Male wiederholt wird, wobei das Weibchen mit feinem Kru orr das Kraorr des Maͤnnchens ſchnell beantwortet, doch ſo, daß beide ſelten zu gleicher Zeit zuſammentref⸗ fen. Gewöhnlich fängt das Männchen dieſen Wechſelgeſang an und das Weibchen ſtimmt dann gleich mit ein, wenn fie, wie gewoͤhn— lich, nahe beiſammen ſchwimmen; ſind ſie dies nicht, ſo locken ſie ſich erſt mit dem Koͤck, koͤck u. ſ. w. zuſammen und dann erſt be— ginnt jenes. Da wir es meiſtens nur in der Begattungszeit, am haͤufigſten im Anfange derſelben hoͤrten, ſo muͤſſen wir es fuͤr ihren Paarungsruf oder Geſang halten. Dies Kraorr und Kruorr ſchallt ungemein weit auf großen Waſſern, wo der ausgedehnte Waſſerſpiegel den Schall zu verſtaͤrken und weiter fortzupflanzen ſcheint, denn auf jenem See hoͤrten wir es bei ſtillem Wetter und unter dem Luftzuge oft eine Stunde weit. Auf kleinern Teichen laſſen ſie dieſes tobende Geſchrei ſelten, in der Naͤhe des Neſtes faſt nie hoͤren; hier iſt ſchon das ein paar Mal wiederholte Koͤck eine Seltenheit, ſelbſt an weniger unruhigen Orten; Klugheit und Furcht. verbieten ihnen hier zu vielen Laͤrm zu machen. Vor und nach dem Begattungsacte unterlaffen fie jedoch nie ihren lauten Geſang an— zuſtimmen, auf kleinern Gewaͤſſern aber nur wenn fie keinen Men: ſchen in der Naͤhe ſehen. — Eine andere Stimme hoͤrten wir nie von dieſen Vögeln; fie gehört auch nur den mannbaren an; wir er= innern uns auch nicht ſie im Spaͤtſommer und Herbſte gehoͤrt zu haben. Die zarten Jungen haben eine piepende Stimme, die, wenn fie halb erwachſen ſind, ſich bedeutend veraͤndert hat und nun bald fuͤr immer aufhoͤrt. Zaͤhmungsverſuche ſind mit dieſen Voͤgeln nicht gemacht 17005 auch nicht anwendbar. Angeſchoſſene ſuchten wir bloß ſo lange am Leben zu erhalten, bis ſie in ihren Bewegungen beobachtet und nach dem Leben gezeichnet und beſchrieben werden konnten. Sie haben ein zaͤhes Leben und leben mit ſchweren Verwundungen und ohne Nahrung oft noch einige Tage. Nahrung. Die Lappenkaucher ſind Waſſervoͤgel im ſtrengſten Sinne des Worts; denn ſie finden ihren Unterhalt nur allein auf und in dem XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 707 \ ; 0 | 9 Waſſer, ſchwimmend und tauchend. Auch die gegenwaͤrtige große Art holt alle ihre Nahrungsmittel aus dem Waſſer und findet die wenigſten auf deſſen Oberflaͤche. Sie muß daher einen großen Theil ihrer Lebenszeit unter oder im Waſſer zubringen, um jene aufzuſu— chen, wozu zwiſchen dem jedesmaligen Ein- und Auftauchen zuwei— len faſt eine Minute vergeht, währenddem der Taucher mit vorge: ſtrecktem Schnabel, ebenſo und lang ausgedehntem Halſe, mit an— geſchloſſenen Fluͤgeln und ſehr knapp anliegendem Gefieder, eine aͤußerſt ſchlanke Figur macht, bloß mit den Fuͤßen rudert, wie ein Fiſch im Waſſer hin und her ſchießt und dazu mit offenen Augen ſieht. Es ſcheint, daß er die Kunſt verſtehe, wenigſtens kleinere Dinge unter Waſſer verſchlucken zu koͤnnen, da man nur ſelten den auftauchenden Schnabel noch eine ſchluckende Bewegung machen ſieht. In den meiſten Faͤllen iſt ſein Untertauchen auf noch kuͤrzere Zeit beſchraͤnkt und wird dann deſto oͤfterer wiederholt. Er koͤmmt dann auch nahe an derſelben Stelle, auf welcher er untertauchte, wieder zum Vorſchein, waͤhrend er bei laͤngerm Untertauchen oft weit davon erſt wieder oben erſcheint. Er naͤhrt ſich von allerlei Waſſerinſekten und ihren Larven, von kleinen Fiſchchen und, doch nur im Nothfall, auch von kleinen Froͤ⸗ ſchen. Wo er Inſekten genug hat, kuͤmmert er ſich wenig um an— dere Geſchoͤpfe, faͤngt ſo vorzuͤglich Waſſerkaͤfer, von den groͤßten bis zu den kleinſten, aus den Gattungen Hydrophilus, Dytiscus, Gyri-: nus u. a., noch mehr ihre Larven, zumal der großen Arten und die dieſen aͤhnelnden Larven der groͤßern Libellen, von Aeschna und Li- bellula, doch auch von Agrion. Fiſche, aber hoͤchſtens bis einen Finger lang, fängt er, wo jene weniger häufig find, frißt aber keine abgeſtandenen. Jene Nahrungsmittel erhaͤlt er faſt alle nur durch Untertauchen, verſchmaͤht es aber auch nicht, fie von der Waſſerflaͤche, im Schwimmen auf derſelben, wegzufangen, wo er auch verungluͤckte Landinſekten begierig auflieſet, beſonders gern Melolonthen und ge— woͤhnliche Maikaͤfer, die man daher oft in Menge in feinem Ma⸗ gen findet. Er holt manche, auch die zur Verwandlung an Schilf— und Binſenhalmen in die Höhe ſteigenden Libellenlarven, von die: ſen herab, wobei er, wenn ſie hoch ſitzen, den Koͤrper oft ganz auf⸗ richten und den Hals lang ausdehnen muß. | Vegetabilien, zarte Spitzchen untertauchender Waſſerpflanzen, namentlich von dem ſogenannten Waſſermoos oder Nixhaur, einer Art Conferva, findet man gewöhnlich auch unter jenen in ſeinem Magen. Man weiß jedoch nicht gewiß, ob ſie abſichtlich oder bloß 25 1 — 708 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. zufaͤllig verſchluckt werden; letzteres iſt wenigſtens ſehr wahrſcheinlich, da beim Verfolgen jener flinken Geſchoͤpfe, wenn ſie ſich in dieſe Klraͤuter flüchten und verſtecken, fo zarte Theile während des Ergrei- fens jener mit abgeriſſen werden koͤnnen, die dann der Taucher auch mit verſchluckt. Die hoͤchſt merkwuͤrdige Erſcheinung, daß die Lappentaucher ſich ihre Federn auszupfen und verſchlucken, zuerſt von meinem Vater entdeckt, iſt bei der großen Art am allerauffallendſten. Oft iſt der Inhalt des Magens Getoͤdteter ein Federball, in welchem die Nah⸗ rungsmittel, in Verdauung begriffen, eingewickelt ſind und erſt wenn er entwirrt wird, noch ganz oder in theilweiſen Uiberbleibſeln zum Vorſchein kommen. Sie ſcheinen ihm, was vielen andern Voͤgeln Sand und Steinchen ſind, ein nothwendiges Beduͤrfniß zur leichtern Verdauung zu ſein und fehlen zu keiner Zeit in ſeinem Magen, ausgenommen er waͤre denn ganz leer und der Vogel verhungert. Ob ſie verdaut durch die Gedaͤrme abgehen oder nach geleiſtetem Dienſt durch den Schnabel wieder ausgewuͤrgt werden, iſt zur Zeit noch nicht ausgemittelt. In ſeinen Excrementen, die duͤnnfluͤſſig, kalkartig und weiß, aber ſchwer find, fo daß fie im Waſſer zu Bo⸗ den fallen, fanden wir keine Spuren davon. Er nimmt dazu, wie andere Arten, dieſe Federn bloß am untern Theile des Rumpfes weg und es ſcheint eine Art von Liebkoſung, wenn ſie die Gatten ſich einander abnehmen, wo es nur allein in dieſem Falle nicht ſeine buchſtaͤblich eigene Federn find. Weil fie in jeder Jahreszeit ge: braucht werden, ſo reproduciren ſie ſich auch immerwaͤhrend; die Bruſthaut iſt daher niemals rein von Stoppeln oder aufkeimenden und nachwachſenden Federn jeden Alters. Die Meinung aͤlterer Ornithologen und zuletzt noch Bechſteins, der große Lappentaucher ſei raͤuberiſcher Natur und pluͤndere die Neſter der am Waſſer oder im Rohr niſtenden Voͤgel, daher die Federn in ſeinem Magen, iſt laͤngſt als grundlos widerlegt. Man darf nur den Inhalt des Magens eines ſolchen Vogels in Waſſer legen, auswaſchen, die Federn trocknen und mit denen an der Bruſt vergleichen, um ſogleich die feſteſte Uiberzeugung zu gewinnen, die verſchluckten Federn ſeien keine anderen als die eigenen des naͤmli— chen Vogels oder Individuums. XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 709 Fortpflanzung. Auf allen Landſeen und groͤßern Teichen Deutſchlands, wie es ſcheint am haͤufigſten in der noͤrdlichen Haͤlfte, pflanzen ſich dieſe Voͤgel auch fort. Auch in hieſiger Gegend ſind ſie gemein, beſon— ders niſten alljaͤhrlich ihrer viele auf den mehrerwaͤhnten ſalzigen und ſuͤßen Seen und den dieſen nahe gelegenen Teichen zwiſchen Halle und Eisleben, auf den großen Fiſchteichen im Zerbſti— ſchen und anderwaͤrts. Am haͤufigſten kommen ſie niſtend aber doch wol auf allen großen ſtehenden Gewaͤſſern unfern den Oſt— Hund Nordſeekuͤſten vor, und Fr. Boie erzählte (Wiedemann's Zool. Mag. I. 3. S. 118.), daß er einſt im Mai, an einem Tage, vom Weſtenſee bei Kiel, gegen 70 Stuͤck Eier dieſer Art einſam⸗ melte. Derſelbe ſagt auch, daß er niſtende Taucher dieſer Art auf Seen antraf, deren Ufer nicht mit Schilf beſetzt waren, was uns indeffen nicht vorgekommen iſt. Wir ſahen fie ſtets nur auf fol: chen, welche in der Naͤhe des Ufers mit Schilf und Rohr, das ei— nen mehr oder weniger breiten, wenn auch haͤufig unterbrochenen Rand bildete, beſetzt waren, oder ſonſt zerſtreuete große Buͤſche da— von hatten, dabei aber auf weit groͤßern Flaͤchen und zum größten Theil ganz freies und tiefes Waſſer enthielten. N Beide Gatten erſcheinen im Fruͤhjahr faſt immer zu gleicher Zeit, an Einem Morgen, am Bruͤteplatze, welcher gewoͤhnlich der: ſelbe vom vorigen Jahr iſt. Sie bleiben das ganze Jahr gepaart, lieben ſich zaͤrtlich, ſind unzertrennlich und machen wahrſcheinlich auch ihre Reiſen mitſammen. Hat ſich, beſonders im Fruͤhjahr, der eine zufaͤllig etwas entfernt, ſo ruft ihm der andere ſehnſuͤchtlich zu, bis er ihn wieder bei ſich hat. Immer ſchwimmen ſie dann dicht neben einander her, taͤndeln mit einander und ſtimmen oͤfters ihr lautſchallendes Duett an. Jedes Paͤaͤrchen behauptet ſeinen Niſt⸗ platz bei einem Rohrbuſche oder an Stellen, wo Rohr, Schilf oder Binſen nicht dicht ſtehen, in bewohnten Gegenden jedoch nie nahe am Ufer. Dieſer hat einen Umfang von mehrern hundert Schrit⸗ ten und jedes andere Paͤaͤrchen muß ſich davon entfernt halten, wenn es ſich nicht den heftigſten Angriffen von Seiten der Beſitzer ausſetzen will. Wo daher der Umfang des Gewaͤſſers mehrern oder vielen zu brüten geſtattet, giebt es im Anfange der Begattungszeit gar viele Raufereien, wobei zuletzt der Beſiegte den Verfolgungen des Siegers gewöhnlich nicht anders als durch den Flug zu entge— hen weiß. Dieſes eigenſinnige Behaupten eines Niſtbezirks macht 710 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. auch, daß nicht ſehr große Teiche gewoͤhnlich nur von einem Paare bewohnt werden, das ſich unablaͤſſig beſtrebt, alle andern Eindring— linge mit Gewalt abzuweiſen. Wir kennen ſolcher Teiche mehrere, die ſeit Menſchengedenken zwar alljaͤhrlich, aber nie von mehr als einem Paare bewohnt waren, wenn es auch faſt alle Jahr Junge ausbrachte. Dieſe ſind es auch wahrſcheinlich, welche im naͤchſten Jahr die meiſten Streitigkeiten veranlaſſen, gegen welche aber die alten Ausſtaͤnder ſtets ihren Niſtplatz behaupten. Oben, in der allgemeinen Schilderung der Lappentaucher wurde ſchon die hoͤchſt merkwuͤrdige und abweichende Art und Weiſe der Begattung beſchrieben, die in der Vogelwelt vielleicht einzig iſt, wenn nicht etwa die Pinguine eine aͤhnliche haben, was jedoch noch nicht beobachtet zu fein ſcheint. Sie iſt bei unferm großen Lap⸗ pentaucher am leichteſten zu beobachten, weil er nicht allein der grö- ßeſte iſt, ſondern auch weil er ſich vor allen andern am meiſten auf ganz freiem Waſſerſpiegel aufhaͤlt und noch dazu den Act mit durch? dringendem Schreien beginnt und beendet. An ſchoͤnen, heitern und ſtillen Fruͤhlingstagen kann man auf großen freien Gewaͤſſern dies intereſſante Schauſpiel ſehr oft haben; es beginnt mit einem lange ſam wiederholten, lauttoͤnenden Koͤck, koͤck u. ſ. w. des Maͤnn⸗ chens, worauf das Weibchen ſogleich in einem etwas hoͤhern Tone, kack, kack, kaͤck u. ſ. w. antwortet und ſchnell herbei ſchwimmt; immer haſtiger ſtoßen ſie dieſe Toͤne aus, je naͤher ſie aneinander ruͤcken, bis fie ſich auf dem Waſſer gerade in die Hoͤhe richten, Bruͤſte und Baͤuche dicht aneinander ſchmiegen und mit einem Ruck die Begattung vollziehen, hierauf augenblicklich wieder die gewoͤhn— liche ſchwimmende Stellung annehmen und dicht neben einander nun beide aus vollem Halſe, das Maͤnnchen ſein Krraorr, das Weib— chen ſein etwas hoͤheres Krruorr, oft wiederholt ausrufen, aus ſolcher Kraft, als wenn ſie damit bezweckten, daß es alle Welt ver— nehmen ſolle, was hier eben vorgegangen ſei. Je nachdem das junge gemeine Rohr (Arundo phragmitis L.) fruͤher oder ſpaͤter aufſchoßt und etwa einen Fuß hoch aus dem Waaſſer ragt, bald im Anfange, bald erſt in der zweiten Hälfte des Mai, machen dieſe Voͤgel zum Niſten Anſtalt, ältere Paare früher als juͤngere. Ihr Neſt legen ſie ſtets in der Naͤhe von Rohr, Schilf oder Binſen an, aber nie in einem zu dichten Buſche von dieſen, noch weniger jemals tief in einem Rohrwalde; immer iſt es nahe am Rande, wo nur einzelne Halme aus dem Waſſer ragen, und auf der Waſſerſeite der Buͤſche, überhaupt vom Lande moͤglichſt ent- XIII. Ord n. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 711 fernt, ſo ganz frei, daß, wer ſchon öfter ſolche Neſter geſehen, es ſchon von Weitem erkennt. Es ſchwimmt ſtets — wir haben we— nigſtens nie ein feſtſtehendes geſehen, — ruht entweder auf einigen alten Rohrſtoppeln, oder einige eingeknickte, groͤßtentheils fchwim: mende Schilf, Rohr- oder Binſenhalme verhindern das Fortſchwim⸗ men, weil ſie mit dem Material verflochten ſind, oder man ſieht von Alledem nichts und es laͤuft bei ſtarkem Winde Gefahr gaͤnz— lich flott und an eine andere Stelle getrieben zu werden; fein be: deutendes Gewicht und geringe Hoͤhe widerſtehen jedoch dieſem in den meiſten Faͤllen. 8 Dies ſonderbare Neſt, an deſſen Bau beide Gatten gemein⸗ ſchaftlich arbeiten, das Weibchen jedoch eifriger als das Maͤnnchen, iſt etwas über 1 Fuß breit und im Ganzen etwa 6 Zoll hoch, wo— von ohngefaͤhr die Haͤlfte uͤber dem Waſſer ſteht, anfaͤnglich, ehe die Materialien dicht getreten, auch etwas hoͤher, jedoch jedem an— dern Vogelneſte in mehr als einer Hinſicht ganz unaͤhnlich, allermei: ſtens aus ſolchen Waſſerpflanzen, die unter der Waſſerflaͤche wach: ſen und durch Tauchen heraufgeholt werden muͤſſen, kunſtlos ge— flochten oder vielmehr aufeinander gehaͤuft, ein nicht bloß feuchter, ſondern wirklich naſſer Klumpen, oben ganz platt, nur in der Mitte, vielleicht bloß von der Laſt des darauf liegenden Vogels, ein wenig vertieft. Nicht einmal friſche, ſondern halbvermoderte Waſſerpflan⸗ zen, mit Schlamm vermengt, werden dazu verwandt, namentlich Potamogeton crispus, P. marinus, P. peetinatus, ſeltener P. lacidus, Ceratophyllum, Myriophyllum, Chara, Najas, Hippuris, Rauunculus aquatilis, auch wol Zostera marina, zuweilen mit einzelnen alten Binſenhalmen, Rohrblaͤttern und Rispen durchmengt; je nachdem die einen oder die andern im Umkreiſe haͤufiger wachſen, bilden ſie die Mehrzahl, aber ſie werden nie weit hergeholt, ſondern durch faſt ſenkrechtes Untertauchen heraufgebracht, nicht ſtuͤckweiſe, ſondern in langen Ranken, die dann in die Runde, aber ungeſchickt zuſammen gelegt werden, doch fo, daß der Neſtrand einigermaßen glatt wird. Das Ganze gleicht einem aufgegohrnen, zufällig vom Winde zu: ſammengeweheten, ſchwimmenden Klumpen faulender Waſſerpflanzen fo völlig, daß es ein Ungeuͤbter nie für das Neſt eines Vogels, ge— ſchweige eines ſo ſtattlichen Geſchoͤpfs anſehen wird. Es iſt nicht, allein zu bewundern, daß dieſer naſſe Klumpen den ziemlich ſchwe— ren Vogel trägt, ſondern noch mehr, das er beim Auf: und Abſtei— gen deſſelben nicht aufkippt. Aufrecht, wie auf feſtem Boden, ſa— hen wir ihn freilich nie auf demſelben ſtehen; er rutſcht mehr auf 712 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. dem Bauche hinauf und herab, wobei er denn zuweilen das Un⸗ gluͤck hat mit ſeinen Fuͤßen ein Ei fort und ins Waſſer zu ſchnel⸗ len, was jedoch auch bei andern Lappentauchern und noch oͤfterer vorkoͤmmt. Die Zahl der Eier iſt 3 bis 4. Sie halten in der Groͤße ohn⸗ gefaͤhr das Mittel zwiſchen recht großen Haustauben- und gewoͤhn⸗ lichen Huͤhnereiern, weichen aber in der Größe ſehr ab, zumal wenn das Weibchen genoͤthigt iſt mehrmals zu legen, wo dann die letzt⸗ gelegten oft nicht größer als die der folgenden Art find. So koͤn— nen fie von 2 Zoll 2 Linien Laͤnge und 1 Zoll 6 ¼ Linien Breite bis zu 1 Zoll 11 Linien lang und 1 Zoll 4 Linien breit varliren. Sie ſind bald mehr, bald weniger bauchicht, der Bauch gewoͤhnlich der Mitte nahe, das kuͤrzere Ende etwas dicker, aber beide ſchmal zugerundet; ſie ſehen daher meiſtens laͤnglich und etwas ſpitz aus, mit etwas vortretendem Bauch. Die ſtarke Schale hat einen be: ſondern kalkartigen Uiberzug, welcher weniger feſt iſt, ſich bei man⸗ chen waͤhrend dem Legen, wo er vermuthlich noch weich war, in runde Klumpen zuſammen geſchoben hat, welche dann die Flaͤche noch unebener machen. Die Farbe der Schale iſt durchaus ein ſehr bleiches Gruͤn, nach auſſen ſchmutziges und gelbliches Gruͤnweiß. So ſehen die friſchgelegten aus, die aber bald von einem, nach Be⸗ ſchaffenheit des Waſſers, ſeines Bodens und der Pflanzen bald gruͤn⸗ graulichen, gelblich», roͤthlich- oder gruͤnlichbraunen Schmutz anneh⸗ men und davon oft wie marmorirt ausſehen, welcher, als fremde Faͤrbung, ſich nachher ziemlich leicht mit warmen Waſſer abwaſchen laͤßt. Er entſteht von den faulenden Materialien des Neſtes und dem Schlamme den der Vogel am Gefieder und an den Fuͤßen mit hinauf nimmt oder aus Vorſicht mit dem Schnabel darauf legt. Die zuletzt gelegten Eier ſehen daher auch gewoͤhnlich weißer aus und ſo haben die eines einzigen Geleges oft eine ſehr verſchiedene Faͤrbung. Die unſerer großen Art unterſcheiden ſich von den uͤbri⸗ gen Arten meiſtens ſehr leicht durch ihre bedeutende Groͤße; es giebt jedoch auch ſo kleine unter ihnen, daß ſie den groͤßeſten der folgen⸗ den Art ſo ſehr gleichen, daß ſie, wo man die Voͤgel nicht dabei antraf, kaum zu unterſcheiden ſind. — Sie aͤhneln in der Geſtalt und allen andern Beſchaffenheiten ſehr den Eiern der Scharben (Halieus). N - Das beſorgte Weibchen bedeckt, wenn es ein Ei gelegt hat, daſſelbe mit einem Haͤufchen Neſtmaterial, das es entweder vom Rande des Neſtes abzupft, gewoͤhnlicher aber erſt darnach unter- XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 713 taucht und im Schnabel vom Grunde ſammt dem anhangenden Schlamme heraufholt. Es verrichtet dieſes ohne dabei aufs Neſt zu ſteigen, und wiederholt es nach jedesmaligem Legen. Ehe es bruͤtet, ſitzt oder liegt es nur ſo lange auf dem Neſte, bis ein Ei gelegt iſt; nachher, wenn es bruͤtet, liegt es anhaltend uͤber den Eiern, wird aber vom Maͤnnchen oͤfter, gewoͤhnlich taͤglich einige Mal ab⸗ geloͤſet, um ſich inzwiſchen zu erholen oder ſeinen Hunger zu ſtillen. Eins liegt daher immer uͤber den Eiern, das Weibchen jedoch im Ganzen viel längere Zeiträume als fein Männchen; auch das Ab— löfen geht ſchnell. Dies eifrige Bebruͤten iſt aber auch hoͤchſt noth⸗ wendig, weil nicht nur das ganze Neſt durchnaͤßt iſt, ſondern ſogar auch die Eier beinahe zur Haͤlfte wirklich im Waſſer liegen, beim Darauflegen des Vogels aber wahrſcheinlich zwiſchen die Bauchfe: dern genommen werden und der Brutflecke wegen, die oft in einen einzigen zuſammenfließen, unmittelbar mit der Bauchhaut in Be: ruͤhrung kommen. Ihre Brutwaͤrme iſt indeſſen ſo unerhoͤrt ſtark, daß gewoͤhnlich das ganze Neſt auffallend durchwaͤrmt, ſogar das die Eier umgebende Waſſer ganz lauwarm iſt. Bei ſo anhaltendem Bebruͤten ſchluͤpfen die Jungen nach drei Wochen aus den Eiern. Beide Gatten zeigen eine große Anhaͤnglichkeit an Neſt und Eier, halten ſich immer in deren Naͤhe auf, doch entfernt ſich bei Gefahren das Maͤnnchen immer weiter davon, behaͤlt es aber doch ſtets im Auge, während das Weibchen oft die eigene Sicherheit da— bei aufs Spiel ſetzt. Ein Neſt, woraus man ihnen alle Eier ge⸗ nommen hat, beziehen ſie nie wieder. Sehr leicht unterſcheidet man ſchon in einiger Entfernung ein leeres von einem mit Eiern, ob dieſe gleich bedeckt find, an dem friſchen Schlammhaͤufchen auf den⸗ ſelben. Ehe das Weibchen ſeine gehoͤrige Anzahl Eier gelegt hat und nicht bruͤtet, laͤßt es ſich, wenn man zum Neſte koͤmmt, nur in ſchußſicherer Weite frei ſchwimmend ſehen; hat es dieſelben aber bereits uͤber eine Woche lang bebruͤtet, ſo haͤlt es ſich, ebenfalls ſchwimmend und ſehr ſelten tauchend, nur in geringer Entfernung davon, thut ſehr aͤngſtlich und ſtoͤßt beſondere kaͤkſende Töne aus, eben ſo wie es nachher thut, wenn es die zarten Jungen in einem Schilfbuͤſchel verſteckt haͤlt und man ſich dieſem naͤhert. Bruͤtend auf dem Neſte liegend, verläßt es daſſelbe, ehe man ſich ſchußmaͤßig genaͤhert hat und bedeckt im Abgehen mit großer Eilfertigkeit die Eier gleich mit dem Material vom Rande des Neſtes, naͤmlich wenn es nicht mehr Zeit genug hat, ſchleunigſt unterzutauchen, einen Schnabel voll Schlamm und modernde Pflanzen vom Grunde her: * 714 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. auf zu holen und auf die Eier zu haͤufen, was es gewoͤhnlich thut, wenn man ſich ihm ganz langſam naͤhert; ſein aͤngſtlich geſchaͤftiges . Bemühen, dies in moͤglichſt kurzer Zeit zu bewirken, grenzt an's Poſſirliche. Es giebt die bebruͤteten Eier nicht auf, wenn man es gleich alle Tage ein Mal vom Neſte treibt, auch dann, wenn man ſie ihm alle bis auf eins wegnahm, bruͤtet es das eine noch aus. Man ſagt, wenn man ihm von den zwei zuerſt gelegten Eiern eins naͤhme und eins liegen ließ, dies in der Folge jeden Tag wieder— holte, daß man es dahin bringen koͤnnte, 20 und noch mehr Eier zu legen. „ a Eins von den Eiern iſt gewoͤhnlich unbefruchtet, manchmal kommen auch einige nicht aus; man ſieht daher gewoͤhnlich nur ein oder zwei Junge, ſelten drei bei einem Paar Alten. Obgleich an— faͤnglich noch ſehr klein und zart, verlaſſen ſie das Neſt doch ſogleich und ſchwimmen mit den Alten davon, von denen ſie zuerſt im Schwimmen und nachher auch im Tauchen eingeuͤbt werden, indem es dieſe ihnen vormachen. Der Vater nimmt nur entfernten An— theil an der Erziehung ſeiner Kinder, hilft ſie jedoch auch fuͤhren und macht bei der Familie hauptſaͤchlich den Waͤchter. Bei uͤbler Witterung und ermattet ſuchen die Jungen oft auf dem Ruͤcken der Mutter vor den Wellen Schutz, muͤſſen es ſich aber auch, beſon— ders wenn ſie erſt einige Tage aͤlter geworden, gefallen laſſen, daß die Mutter, wenn ſie nicht mehr mag, mit ihnen untertaucht und ſich ſo dieſer Buͤrde entledigt, oder ihnen auf dieſe Weiſe ihre Kunſt lehrt. Will ſie die Ermuͤdeten wieder aufnehmen, ſo giebt ſie ihnen ein Zeichen, daß ſie dicht nebeneinander ſchwimmen, taucht und er— hebt ſich gerade unter ihnen wieder und ladet fie fo auf ihren Ruͤ— cken. Sie laſſen ein helles Piepen hoͤren und druͤcken damit ihr Verlangen nach Futter aus, wobei ſie immer neben den Alten her— ſchwimmen; ſie verſtummen aber ſogleich, wenn dieſe ihnen eine anruͤckende Gefahr anzeigen. Anfaͤnglich holen ihnen die Aeltern kleine Inſektenlarven aus der Tiefe herauf und halten ſie ihnen vor und die Jungen nehmen ſie ihnen ſofort aus dem Schnabel; ſpaͤter legen ſie ihnen die Inſekten auf das Waſſer und ſie muͤſſen ſelbſt zugreifen lernen; endlich taucht der alte Taucher mit dem, was er aus dem Waſſer holte und ihnen vorzeigte, noch ein Mal unter, der junge Taucher muß hinter ihm herkommen, es ihm unter dem Waſ— ſer abnehmen und ſo auch in dieſem Elemente freſſen lernen. Auf dieſe Weiſe lernen ſie zwar in wenigen Tagen fertig tauchen, aber wie es ſcheint, viel ſpaͤter erſt ſich ſelbſt hinlaͤnglich mit Nahrung XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 715 verſehen, denn wir haben ſie die Alten noch mit Piepen verfolgen und ihnen Futter abverlangen ſehen, als ſie ſchon faſt ſo groß als dieſe waren. Mit dem Vermoͤgen ſich ſelbſt zu ernaͤhren, koͤmmt auch ihr erſtes Gefieder, ihr Jugendkleid, zum Vorſchein; allein es waͤhret von da ab noch ſehr lange, ehe ſie flugbar werden, weshalb man im September noch viele am Brutorte trifft, welche noch nicht fliegen koͤnnen, waͤhrend die Alten ſich laͤngſt weg und auf weite Waſſerflaͤchen begeben haben, von wo ſie auch fruͤher als jene weg— ziehen. Die Taucher, welche man im Spaͤtherbſt oft in Heerden verſammelt und beſonders des Abends auf dem Waſſer hin und her flattern und ſich im Fliegen uͤben ſieht, die erſt mit eintretenden ſtaͤrkern Froͤſten wegziehen und von denen einzelne auf offenen Waſ— ſern wol gar dableiben, ſind, mit wenigen Ausnahmen, alles Junge von demſelben Jahr. So beſorgt dieſe Lappentaucher auch um ihre Brut ſind, ſo kann man dies doch eigentlich nur vom Weibchen ſagen. Das Maͤnnchen nimmt nur entferntern Antheil am Schickſal feiner Gat: tin und Kinder; es haͤlt ſich zwar zur Familie, wacht fuͤr ſie und zeigt ihr jede anruͤckende Gefahr an, iſt dann aber, wenn dieſe naͤ⸗ her koͤmmt, zuerſt auf ſeine Sicherheit bedacht und ſieht jener von Ferne zu. Dagegen verheidigt das Weibchen Eier und Junge oft muthvoll und mit eigner Lebensgefahr gegen die raͤuberiſchen An— fälle der Kraͤhen und Raubvoͤgel; wir ſahen es in ſolchen Kämpfen oft hoch vom Waſſer in die Höhe ſpringen, mit dem ſcharſſpitzigen Schnabel nach dem Raͤuber ſchnappen oder hacken und dadurch die— ſen oͤfters gluͤcklich von ſeinem Vorhaben abbringen. In ſolchem beaͤngſtigenden Streite ſchreiet es jaͤmmerlich, während das Maͤnn—⸗ chen aus geringer Entfernung zwar die Angſt der Gattin zu thei— len ſcheint und tuͤchtig mitſchreiet, aber nicht Muth genug hat, ihm auch e Huͤlfe zu leiſten. Feinde. Der zwar geſchwinde, aber ohne alle Schwenkungen in gera— der Linie fortgehende Flug der Lappentaucher, auch dieſes großen, macht, daß ſie, von einem Gewaͤſſer zum andern ſtreichend, nicht ſelten und leicht von verſchiedenen Raubvoͤgeln ergriffen und ver— zehrt werden. Wir haben wenigſtens die Ueberbleibſel ſolcher, na— 716 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt.272. Gr. Lappentaucher. mentlich auch von der gegenwärtigen Art, welche dieſes bewieſen, oͤfters gefunden. Auf dem Waſſer kann ihm, ſo wenig wie einem der übrigen Arten, kein Raubvogel etwas anhaben, weil er pfeil ſchnell untertaucht, dies immer wiederholt und, wo er Schilf und Rohr erlangen kann, ſich auch noch in dieſem verſteckt. Es wird daher auch nur ſelten ein ſolcher Miene auf den ſchwimmenden Taucher machen und dieſer zeigt dagegen auch nicht die geringſte Furcht vor jenem. — Daß raͤuberiſche Kraͤhen (auch wol Raben und Elſtern) und die Rohrweihe ihm die Eier oft wegſtehlen, wurde ſchon erwähnt; wir ſahen es oͤfter ſelbſt, ſo wie ihre Kam: pfe mit ihnen, und Fr. Boie ſagt (a. a. O.): Daß im Schles— wigſchen die Rabenkraͤhen im Mai fo häufig ihre Jungen mit dieſen Eiern fuͤttern, daß die Taucher vom erſten Gelege keine be— halten, mehrmals legen muͤſſen und dann erſt ausbruͤten koͤnnen, wenn die Jungen jener dieſer Atzung nicht mehr beduͤrfen. — Die zarten Jungen erwiſchen dieſe Räuber nur dann zuweilen, wenn fie _ ein Mal, um auszuruhen, auf Blaͤttern oder Stengeln ſchwimmen⸗ der Waſſerpflanzen oder auf einem alten Taucherneſte ſitzen und die Mutter gerade unter Waſſer oder nicht ganz in der Naͤhe iſt; iſt ſie aber zugegen, ſo giebt ſie bei Annaͤherung des Raͤubers ſogleich das Zeichen zum ſchnellen Untertauchen, und dieſer muß unverrich: teter Sache abziehen. So wie die Jungen unter Waſſer ſind, taucht auch ſie ihnen nach. In ſeinen Eingeweiden hauſen, nach dem Wiener Verzeichniß, Ligula simplicissima, Taenia capillaris, und einige weniger genau beſtimmte Arten aus den Gattungen: Filaria, Ascaris und Dio- stomum. 8 Jagd. Dieſer ſcheue Vogel weicht, wo er nicht ungeſehen hinterſchli— chen werden kann, jedem Menſchen aͤngſtlich aus; er ſcheint den Schuͤtzen von andern zu unterſcheiden und ihn noch mehr zu fliehen als alle andern. Nur erſt wenn er durch Tauchen und Schwim— men ſich uͤber 100 Schritt hinaus auf freiem Waſſerſpiegel begeben hat, ſchwimmt er ruhiger, taucht ſeltener oder kuͤrzer und nimmt eine ſo ſtolze Haltung an, als wenn er wuͤßte, daß ihn hier kein gewoͤhnliches Schießgewehr erreichen koͤnnte. Seine bewundernswer: XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. Lappentaucher. 717 d the Fertigkeit im ſchnellen Untertauchen verſetzt ins hoͤchſte Erſtau⸗ nen, beim Abfeuern eines Flintenſchuſſes; denn in demſelben Au— genblicke, in welchem beim Abdruͤcken eines gewoͤhnlichen Feuerſchloſ— ſes das Feuer auf der Pfanne blitzt, iſt er auch ſchon unter Waſſer und der Schuß ſchlaͤgt auf die leere Stelle, dies ganz gleich auf 5 oder auf 50 Schritt Entfernung, ganz gleich ob vorher der Tau— cher den Schuͤtzen bemerkt oder von ihm ungeſehen beſchlichen war. — Auch bei 60 bis 80 Schritt auf ihn gefeuert, thut er noch das Naͤmliche, ſeltener wenn er ſich uͤber 100 Schritt entfernt hat. Bei truͤbem Wetter und im Zwielicht gelang es ehedem nie, einen zu erlegen, eher bei hellem Sonnenſchein, beſonders wenn die Sonne noch tief am Horizonte ſtand und der Schuͤtze ihr den Ruͤcken zu— gekehrt hatte, hauptſaͤchlich wenn der Taucher, waͤhrend er in der Morgenſonne ſein Gefieder putzte und einfettete, die Annaͤherung des Schuͤtzen durchaus nicht ahnete. Das Sicherſte war damals die An: wendung der Kugelbuͤchſe, wozu freilich ein ſehr geuͤbter Schuͤtze ge: hoͤrte, nicht wegen geringer Groͤße des Ziels, ſondern wegen richti⸗ ger Schaͤtzung der Entfernung, was bekanntlich auf freiem Waſſer⸗ ſpiegel ſehr ſchwer iſt und worauf beim Zielen hier doch auſſeror— dentlich viel ankoͤmmt. Er taucht da nicht beim Blitz der Pfanne, nicht ein Mal bei einem Fehlſchuſſe; verwundert und, wie es ſcheint auſſer Faſſung, ſieht er, nach zu tiefem Zielen, die Kugel vor ſich oder nach zu hohem, über ihn hinſauſend, hinter ſich ins Waſ— ſer ſchlagen, ohne zu tauchen, ja er bleibt und drehet ſich oft ſo lange noch an derſelben Stelle herum, daß man von Friſchem la⸗ den und abermals (jetzt, eingedenk wo die erſte Kugel aufſchlug, ſicherer) auf ihn abfeuern kann. Bei dem Getroffenen blieb oft noch der andere Gatte, ſahe ihn eine kurze Zeit an, tauchte nicht, entfernte ſich dann erſt langſam ſchwimmend, bis er nicht mehr er⸗ reicht werden konnte. Welch ſchrecklichen Eindruck einſtmals unſer Buͤchſenſchießen auf dieſe Taucher machte, iſt oben erzaͤhlt. — Die neuern Erfindungen an den Gewehrſchloͤſſern haben die Taucherjagd ſehr erleichtert und wenn gleich die Percuſſionsgewehre hier nicht immer ganz ſicher, doch in den meiſten Faͤllen den Zweck erreichen laſſen, ſo ſind die neueſten Stechnadelflinten, in welchen bekanntlich das Entzuͤnden des Schuſſes im Innern des Rohres vorgeht, hier ganz an ihrem Platze. — Kann man die Lappentaucher zum Auf— fliegen bringen, ſo gewaͤhren ſie einen ſehr leichten Schuß. Auf dem Waſſer angeſchoſſene Taucher dieſer Art bekoͤmmt man ſelten; fie. tauchen unter und verſchwinden, bei leichtern Verwundungen durch 718 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt.272. Gr. Lappentaucher. Verſtecken am Ufer, im Rohr u. dergl., wo fie nichts als Kopf und Schnabel blicken laſſen und nicht aufgefunden werden, bei toͤdtlichen Verletzungen durch Anbeiſſen auf dem Grunde, wo fie dann den Geiſt aufgeben u. ſ. w. Auf den Schweizer-Seen, 1 dem Neuenburger, jagt man fie im Winter bei Windſtille par force, mit Kaͤhnen, in: dem man ſo ſchnell wie moͤglich auf eine Schaar losrudert, ſie zum Untertauchen bringt, wenn ſie wieder oben erſcheint ebenfalls ſich ſchnell naͤhert und ſo fort, bis man nahe genug iſt, um die eben auftauchenden Voͤgel auf die Koͤpfe zu ſchießen. Dieſe Jagd, welche tuͤchtige Ruderer und gute Schuͤtzen erfordert, ſoll jetzt weniger er: giebig ſein und nicht mehr ſo oft betrieben werden, als ſonſt, wo man dieſe Taucher, dort Greben genannt, namentlich der Bruſt— haͤute wegen jagte und dieſe als Pelzwerk geſucht waren. Ihn abſichtlich zu fangen, kennen wir keine ſichere Methode. Sehr ſelten, nur bei unruhigem und truͤben Waſſer geraͤth einmal ein ſolcher Taucher in zum Fiſchfang aufgeſtellte Klebegarne, ebenſo zufällig und auch nur ſehr ſelten fängt er ſich an den mit einem kleinen lebenden Fiſchchen bekoͤderten Nachtangeln; daß jedoch beides vorkoͤmmt, iſt den Fiſchern an großen Landſeen nicht unbekannt. Nauen Das Fleiſch ſammt der Haut und dem Fett gebraten, hat einen ſo haͤßlichen fiſchthranartigen Geruch und Geſchmack, daß es nicht zu genießen iſt. Entfernt man die Haut nebſt allem Fett und laͤßt es fo zuvor in Effig beißen, fo wird es zart, mürbe und nicht al- lein genießbar, ſondern wirklich wohlſchmeckend. Das Fett, womit gewoͤhnlich die Haut, hauptſaͤchlich die der Bruſt und des Bauches, dick uͤberzogen iſt, ſieht dunkelgelb aus, iſt ſehr leichtfluͤſſig, dem Fiſchthran aͤhnlich und giebt eine vortreffliche Lederſchmiere, die ſehr ſchnell en, das Leder geſchmeidig macht und conſervirt. Die Haut an der Bruſt und dem Bauche, mit ihrem dicken, wie Atlas glaͤnzenden Federpelze, war ſonſt als ein ziemlich koſtba— res Pelzwerk beliebt, zu Muͤffen, Kragen und Verbraͤmungen ver— ſchiedener Kleidungsſtuͤcke, namentlich fuͤr Frauen, iſt aber jetzt ſehr aus der Mode und beinahe in Vergeſſenheit gekommen. Man ſtellte deshalb fruͤher dieſen Voͤgeln mehr nach als in jetzigen Zeiten, wo XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 272. Gr. La ppentaucher. 719 auch auf den Seen der Schweiz, welche ehemals die meiſten lie— ferten, ſelten Jagden in dieſer Abſicht auf ſie gemacht werden. An Dichtheit des Gefieders, an Reinheit der Faͤrbung, ſo wie an Groͤße übertreffen dieſe Haͤute die aller andern Arten dieſer Gattung, von denen wol noch manche ebenſo zu benutzen waͤren. Da ſich die Voͤgel ſelbſt an dieſen Theilen, zu manchen Zeiten mehr, zu andern weniger, doch faſt taͤglich Federn ausrupfen, die ſie ver— ſchlucken, und dieſen immer wieder neue folgen, ſo ſind dieſe Haͤute nicht alle gleich gut, weil bei manchen zufällig ſtellenweiſe gerade recht viele Federn fehlen koͤnnen, auch die jungen Federn zuweilen graue Spitzen haben, was jedoch hier weniger vorkoͤmmt als bei der folgenden Art. Er iſt eine Zierde der Landſeen und großen Teiche. Sch ad en. Weil der große Lappentaucher auch Fiſche frißt, und zwar oͤf⸗ terer oder mehr als einer ſeiner Gattungsverwandten, ſo hat man ihn unter die den Fiſchereien nachtheiligen Voͤgel geſtellt. Es iſt aber mit ſeinem Fiſchfreſſen nicht weit her und er faͤngt daneben der Fiſchbrut ſchaͤdliche Inſekten und Larven ſo viele weg, daß ſic jenes durch dieſes wol ausgleichen moͤchte. g | Daß er von den Teichen, welche er bewohnt, die Enten weg» treiben ſolle, iſt eben fo ungegruͤndet; wir ſahen Enten und Waf: ſerhuͤhner ganz in ſeiner Naͤhe niſten und ausbringen. 273. Der rothhalſige Lappentaucher. Colymbus rubricollis. Linn. Fig. 1. Altes Männchen im Sommerkleide. Taf. 243. Fig. 2. Weibchen im Uibergangskleide. Fig. 3. Jugendkleid. Graukehliger —, rothhalſiger Steißfuß, kleiner Haubenſteißfuß, kurzgeſchopfter —, graukehliger Haubenſteißfuß; graukehliger Tau⸗ cher, grauer Taucher, graukehliger Haubentaucher; kurzſchopfiger Taucher, kaſtanienhalſiger Taucher mit ſchwarzer Wirbelplatte und kurz abgeſtutztem Schopfe; Ruch. Colymbus subcristatus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 590. n. 18. — Jacquin Beitr. p. 37. t. 18. Podiceps rubricollis. Lath. Ind. II. p. 783. u. 6. Retz. Faun. suec. p. 153. n. 113. Nilsson, Ornith. suecica, II. p. 127. n, 196. Le Grebe a joues grise ou Le Jou - gris. Buff. Ois. VIII. p. 241. — Edit. de Deuxp. XV. p. 301. = Pl. enl. 931. = Grebe jou-gris. Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 720. — Red necked Grebe. Lath. Syn. V. p. 288. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 256. n. 7. nebſt Abbild. Bewick, brit. Birds. II. p. 152. — Penn, aret. Zool. Uiberf, v. Zimmermann, II. S. V. 464. C. = Svasso rosso. Savi, Oru. tosc. III. p. 21. = Bechſtein, Naturgeſch. Deutſchl. IV. S. 546. Deſſen Ta⸗ ſchenb. II. S. 351. n. 2. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 429. Meyer. Vög. Liv⸗ und Eſthlands. S. 221. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 251. n. 228. Koch, Bair. Zool. I. S. 353. n. 220, —= Brehm, Lehrb. II. ©, 867. — Deſſen Naturg. a. Vög. Deutſchl. S. 956 — 958. = Gloger, Schleſ. Fauna, S. 60. n. 277. = Land beck, Vög. Würtembergs. S. 81. n. 289. — E. v. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 78. u. 264. — Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 438. Taf. LXX. Fig. 107. Männchen im Frühling. XIII. Ordn. LXXVI Gatt. 273 nn Lappent. 721 1 Jug endkleid. i Colymbus rubricollis. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 592. n. 24. = Colymbus parotis. Sparrm. Mus. Carls. I. t. 9. == Gmel. Liun. I. c. p. 592. n. 21. — Colimbo giovane del Uantidella Specie. Stor. deg. Uce. V. Tav. 523. Anmerk. Brehm hat in ſeinem neueſten Werke a. a. O. dieſe Art in drei geſchieden, nach den kleinen Abweichungen in der Länge und Stärke des Schnabels und ſeiner Spitze, wie ſeinem mehr oder weniger weit vorgehendem Gelb der Wurzel; ich kann jedoch verſichern, dieſe Verſchiedenheiten, wie ſie B. bezeichnet, alleſammt an einer⸗ lei Orten, zu einerlei Zeit und mit einander niſtend angetroffen und erlegt zu haben, ſo wie ich dabei auch nicht die mindeſte Verſchiedenheit in ihrer Lebensweiſe, Betragen, e u. ſ. w. habe bemerken können. Kennzeichen der Art. Die Gurgel nie rein weiß, ſondern roſtroth, roſtfarbig oder roͤthlichgelb; Spiegel und Fluͤgelrand weiß; die Schulterfedern ohne Weiß. Der Schnabel nur etwas geſtreckt und weniger ſchlank. Beſchreibung. Dieſer Lappentaucher unterſcheidet ſich von der vorigen Art durch die auffallend geringere Größe, den kuͤrzern und ſtaͤrkern Schna⸗ bel, den nie reinweißen, ſondern ſtets, heller oder dunkler, roſtfarbi⸗ gen Vorderhals ziemlich leicht. Haube und Backenkragen ſind, auch beim alten Vogel im hochzeit⸗ lichen Kleide, undeutlich, weil das Gefieder dieſer Theile zwar Dich: ter und laͤnger als bei glattkoͤpfigen Voͤgeln iſt, dicht angeſchmiegt aber jene gar nicht erkennen laͤßt. Von der folgenden Art unter⸗ ſcheidet er ſich eben ſo leicht durch die weit anſehnlichere Groͤße. | Er hat ohngefaͤhr die Größe der weiblichen Loͤffelente (Anas clypeata), iſt 17 bis 18 ½ Zoll lang und 30 bis 31 Zoll breit, die Fluͤgellaͤnge 7 bis 7½ Zoll. Die Weibchen meſſen in der Laͤnge und Breite oft etwas weniger als die Maͤnnchen, oft auch nicht, und es giebt alte Weibchen, welche ihnen in der Größe nichts nachgeben; ſehr alte, welche ſogar etwas größer find, als juͤngere Maͤnnchen, gehoͤren unter die Ausnahmen. Das Gefieder iſt ganz wie bei den uͤbrigen Arten, der Hals aber im Verhaͤltniß zur Groͤße bedeutend kuͤrzer als bei C. crista- tus und daher auch etwas ſtaͤrker ausſehend. Die Schulterfedern 9. Theil. 46 7 7 722 XIII. Ordn. LXXV I. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. find nicht ganz fo lang und weniger ſichelfoͤrmig, reichen jedoch, auf dem ruhenden Fluͤgel, mit der hintern Fluͤgelſpitze ein wenig uͤber die vordere hinweg. Der Kopfputz am Fruͤhlingskleide beſteht aus auſſerordentlich dichtſtehenden, zerſchliſſenen, ſeidenwei⸗ chen, nur etwas verlängerten Federn, welche aufgeſtraͤubt dem Ko: pfe ein dickes Ausſehen geben, auf dem Hinterſcheitel eine kurze, rundlich abgeſtutzte, nicht zweitheilige Holle, an den untern Kopf⸗ feiten dicke, hinter den Ohren bis unter die Kehle im Kreiſe abge⸗ ſtutzte Bauſebacken bilden, alle aber faſt ganz glatt niedergelegt wer⸗ den koͤnnen, und im Herbſtkleide ſich 5 weniger bemerklich machen. Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig ſtaͤrker und kuͤrzer als bei C. cristatus, der tief geſpaltene Rachen faſt eben ſo weit. Seine Firſte iſt ſchmal, aber platt abgerundet, hinten wenig in die Stirn aufſteigend, bis auf oder auch über zwei Drittheile der Länge gerade, dann ſanft gegen die Spitze geſenkt; der Kiel zwei Drittheile, als ſo weit ſeine ſchmale Spalte reicht, ganz gerade, von hier an in eben— falls faſt gerader Linie in die Spitze uͤbergehend, die an beiden Theilen zuſammen bald ſtumpfer, bald ſpitzer endet; die geraden, ſehr ſcharfen Schneiden ſind etwas eingezogen, der ganze Schnabel ſpitzewaͤrts von beiden Seiten keilartig ſtark zuſammengedruͤckt. Na⸗ ſenhoͤhle und Naſenoͤffnung ſind bloß kleiner, ſonſt ganz denen der vorigen Art aͤhnlich. Der nackte Hautſtreif vom Mundwinkel zum Auge iſt ganz ſchmal, auch die Seiten des Kinns in einem ſchma⸗ len Raͤndchen nackt und wie die Schnabelwurzel gefärbt. Die Länge des Schnabels wechſelt von 1 bis 1¼ Zoll, feine Höhe von 6 bis 6 Linien und die Breite beträgt meiſtens gute 5 Linien. Seine Faͤrbung iſt nach Alter und Jahreszeit ſehr ver ſchieden, in fruͤher Jugend weiß und roͤthlich mit grauen Flecken; im erſten Herbſt blaß und ſchmutzig fleiſchfarbig, in der Naſen⸗ gegend und an der Firſte ſchwaͤrzlich, am Unterſchnabel mit einigen groͤßern oder kleinern, grauen oder ſchwaͤrzlichen Flecken; im Fruͤh⸗ linge an der Firſte und von der Spitze bis uͤber die Mitte zuruͤck, am obern Theil weiter als am untern, einfarbig, tief und glaͤnzend ſchwarz, das Uibrige, unter der Naſenhoͤhle, an den Mundwinkeln und die Unterkinnlade bis zu jenem, mit dem es ſpitzzackicht und ſcharf grenzt, hoch pomeranzengelb; dieſe praͤchtige Farbe nimmt bei ſehr alten Voͤgeln einen noch groͤßern Raum ein und laͤuft am Kiel bis zum Ende deſſen Spalte vor, während fie bei einjaͤh ri⸗ gen viel kleiner und auch von etwas blaſſerer Farbe iſt, im Herbſt XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. 723 aber bei jenen in blaſſes Roͤthlichgelb, das Schwarze in Braun⸗ ſchwarz umgewandelt wird. — Bald nach dem Ableben alter Voͤ⸗ gel wird jenes hohe Gelb viel roͤther, aber ausgetrocknet endlich duͤ⸗ ſter Gelb, jedoch nicht ganz unkenntlich, an jungen Herbſtvoͤgeln der ganze Schnabel licht hornfarbig mit dunkeln Flecken. Der ſchmale nackte Zuͤgelſtreif iſt grau⸗ oder roͤthlich⸗ſchwarz, ſo auch das innere Augenlidraͤndchen, bei den zarten Jungen roͤthlich, der Augenſtern grauweiß, dieſer ſpaͤter braun, dann rothbraun, und bei ganz Alten dunkel braunroth. Da das Auge klein und ſein Stern dunkel iſt, fo hat der Blick etwas Verſtecktes. Der Bau der Fuͤße, Zehen und Naͤgel aͤhnelt vollkommen dem der uͤbrigen Lappentaucher. Die Laͤnge des Laufs (ſtets von der Gelenkfuge der Knochen des Tarsus und der Tibia herab gemeſſen) ift 2½ bis 23), Zoll lang, an den Seiten 7 Linien breit; die Auf ſenzeh, als die laͤngſte, mit ihrem 4 Linien langen, nach auſſen ſchief abgeſtutzten Nagel, 3 ½ bis faſt 3 ¼ Zoll lang; die Mittelzeh kuͤr⸗ zer, ihre Schwimmlappen aber etwas breiter, faſt 11 Linien breit, ihr am Vorderrande gezaͤhnelter Nagel 4 Linien lang und 5 Linien breit, alſo breiter als lang; die Hinterzeh 10 Linien lang. Ihre Faͤrbung iſt etwas duͤſterer als bei vielen andern Arten, olivengruͤn⸗ grau, in der Mitte der Zehenlappen und zwiſchen den dunkeln Zeh⸗ gelenken, desgleichen auf der nach Innen gekehrten platten Seite des Laufs blaß olivengelb, auf der aͤußern braunſchwarz, an den Zehen und Lappenſohlen ſchwarz; die Nägel ſchwarzgrau mit braͤunlich— weißem Vorderrande. Die Fuͤße junger Voͤgel ſind blos lichter gefärbt, die ganz junger mit durchſchimmernder Fleiſchfarbe. Im Tode werden alle bald dunkler und ausgetrocknet faſt ganz braun⸗ ſchwarz. Das Dunenkleid ähnelt dem der vorhergehenden Art ſehr, iſt aber im Ganzen viel dunkler, beſonders auf den obern Theilen, auch der Ruͤcken dunkler und heller braungrau ſchwach geſtreift; der Kopf mit ſchmutzigweißen und ſchwarzen Laͤngeſtreifen abwechſelnd, aber nicht genau ſo bei allen, beſetzt; der Hals blaß roſtfarbig, auf der Gurgel faſt weiß, mit einigen braunſchwarzen, zum Theil unterbro- chenen Laͤngeſtreifen, von denen eine, aber zugleich die matteſte, laͤngs dem Nacken herablaͤuft; der ganze Unterkoͤrper hell ſilberweiß; Augen, Schnabel und Fuͤße wie ſchon beſchrieben. ö Im nachherigen Jugendkleide haben ſie ſchon hell grau⸗ braune Augenſterne, einen weißroͤthlichen, grau gefleckten, auf der Firſte ſchwaͤrzlichen Schnabel und die Fuͤße ſind 395 blaſſer ge⸗ 724 XIH.Drdn. LXXVI. Gatt. 273. Roth halſ. Lappent. färbt als an den Alten. Kinn und Kehle find weiß, an den Sei: ten mit drei braunſchwarzen Laͤngeſtreifen, von denen die erſten bei⸗ den ſchmal, unterbrochen und abgeſetzt, alſo faſt nur Fleckenſtreife ſind, der ſtaͤrkſte aber unter dem vordern Augenwinkel anfangt, zu: ſammenhaͤngend und gebogen uͤber die Ohrgegend laͤuft und hinter ihr endet; ein noch ſtaͤrkerer braunſchwarzer Streif zieht vom Auge an durch die Schlaͤfe bis zur obern Halswurzel oder wol gar noch tiefer an der Seite des Halſes hinab; uͤber den ſchwarzen Schlaͤfeſtreif ſteht ein ſchmaler weißer; der uͤbrige Oberkopf iſt braun⸗ ſchwarz, an der Stirn und unter dem Genick matter, vom letztern als ſchmaler Streif bis zum Ruͤcken hinablaufend; der uͤbrige Hals und der Kropf gelblichroſtfarben, an den Halsſeiten faſt roſtfarbig, an den Bruſtſeiten aber in dunkles Braungrau uͤbergehend, das die Tragfedern bis uͤber die Schenkel hinweg einnimmt; der Unterrumpf atlasweiß, doch nicht ganz rein, indem ſich hin und wieder graue Federn als kleine Fleckchen dazwiſchen zeigen, doch hier weniger als in ſpaͤtern Kleidern. Alle obern Theile ſind braunſchwarz, an den Schultern mit etwas lichtern Federraͤndern; der Fluͤgelrand weiß, vorn ganz ſchmal, am Ellbogen ſehr breit und eben ſo an der Fluͤgelwurzel, aber keine Schulterfedern weiß; alle mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern, nebſt den Schwingfedern dritter Ordnung wie der Ruͤcken; die der zweiten Ordnung weiß (daher ein weißer Spiegel), mit ſchwarzen Schaͤften; die der erſten graulich braun⸗ ſchwarz; der Unterfluͤgel weiß, an der Spitze dunkelbraungrau; die Seiten des Hinterkoͤrpers dieſen ähnlich, ſchmutzig und roſtroͤthlich— weiß durchmiſcht; an der Stelle des Schwanzes ſteht ein kleiner pinſelartiger Buͤſchel braunſchwarzer Haarfedern. — Beide Geſchlech— ter zeigen im Aeußern keinen Unterſchied, und wenn auch unter dieſen Jungen kleine Abweichungen in den dunkeln Streifen des Kopfs und in der mehr oder weniger blaſſen Färbung des roſtfar— bigen Halſes vorkommen, fo geben fie doch kein beſtimmtes Kenn: zeichen fuͤr das Geſchlecht ab. Das naͤchſte oder erſte Herbſtkleid iſt dem Jugendkleide bis auf die ungefleckte weiße Kehle, einen einzelnen ſchwaͤrzlichen Streif auf den Wangen, der auch oft nur in Flecken angedeutet iſt, und den durchaus braunſchwarzen Oberkopf, ohne weiße Seitenſtreifen, — völlig aͤhnlich und bedarf keiner weitern Beſchreibung. Dem Herbſt- oder Winterkleide der Alten fehlt der ſchwaͤrzliche Streif auf den Wangen; am Kopfe, an den Halsfeiten - und der Gurgel iſt überhaupt gar kein Streif vorhanden; die Stirn x 4 ar X XIII. Ordn. LXNVI.Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. 725 dunkelbraun; der Oberkopf braunſchwarz, und dies zieht allein in einem ſchmalen braunſchwarzen Streif den Nacken hinab bis zum Ruͤcken; Kehle und Wangen weiß, letztere in der Mitte filbergrau; der Hals matt roſtfarbig; die Kropfgegend und die Tragefedern dunkel maͤuſegrau, weiter nach hinten mit noch dunklerem Braun: grau vermiſcht; die untern Theile des Rumpfs ſilberweiß, durch viele eingeſtreuete graue Fleckchen getruͤbt, weil viele Federn an den Spitzen dieſe Farbe haben; die obern Theile ſehr dunkel ſchwarz— braun, auf den Schultern und Oberruͤcken mit lichtbraungrauen Endkanten, die bald mehr, bald weniger deutlich find; die Fluͤgel und alles Uibrige wie ſchon beſchrieben. Der Schnabel iſt nicht allein an der Wurzel, ſondern faſt am ganzen Unterkiefer gelb, doch matter als im Fruͤhjahr; die innere Seite der Laͤufe auch hellgelb⸗ licher als dann. Der Kopf hat nur wenig laͤngere Federn als der Hals, deshalb von einer Haube und Backenkragen kaum eine Spur- — Auch in dieſem Kleide ſind Maͤnnchen und Weibchen aͤußer— lich nicht verſchieden. Das Fruͤhlings- oder Hochzeitskleid iſt, wie bei andern Lappentauchern, von den vorhergehenden hauptſaͤchlich bloß am Kopfe und Halſe unterſchieden und bei dieſer Art ſehr ſchoͤn. Der Hinterſcheitel und die Gegend von der Kehle bis zu den Ohren haben ſehr dichte verlaͤngerte Federn, die dem Kopfe ein dickes Ausſehen geben und aufgeſtraͤubt die ſchon beſchriebene abgeſtutzte einfache Holle und die dicken Bauſebacken bilden. Bei recht alten Voͤgeln iſt die erſtere oder der Scheitel von der Stirn und dem nackten Augenſtreif an, bis auf das Genick hinab, tief ſchwarz, ſeidenartig und ziemlich ſtark dunkelgruͤn glaͤnzend; es zieht ſich, doch ohne Glanz, ein Stuͤck auf dem Nacken hinab und endet da ſelbſt ſpitzig; die Kehle und Kopfſeiten, vom Auge abwaͤrts, bedeckt ein aͤußerſt zartes, etwas dunkles Aſchgrau, das zwar, wie von Seide, ein wenig ins Gelbliche ſpielt, doch durchaus nicht „maͤuſe⸗ grau“ genannt werden darf, weil dieſes einen unrichtigen Begriff von dieſer, am lebenden oder eben getoͤdteten Vogel ungemein ſanft und lieblich ins Auge fallenden Farbe geben wuͤrde. Sie nimmt einen bedeutenden Raum ein und wird von den dunkeln Umgebun— gen noch mehr gehoben, indem ſie ringsum ſehr ſanft in einen weit hellern, weißgrauen, breiten Rand uͤbergeht, welcher am Mund— winkel anfaͤngt, unter dem nackten Zuͤgel und dem Auge entlang, an den Schlaͤfen, hinter dem Ohr ſich etwas weit nach hinten zieht und von da, doch ohne ſcharfes Eck, im ſanften Bogen nach der Kehle 726 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. zu wendet und unten auf dieſer dem der andern Seite begegnet. Von dieſem ausgezeichneten Kehlſchilde an iſt der ganze Hals tief roſtroth, mit kirſchrothem Schein ebenfalls eine ſeltene und ſchoͤne Farbe; die ganze Kropfgegend kaſtanienbraun, ſeitwaͤrts und am Anfange der Bruſt lichter, zuweilen mit roſtgelblicher Miſchung; die ſchwarzbraungrauen Tragfedern mehr oder weniger haͤufig mit kaſtanienbraunen oder auch dunkelroſtfarbigen durchmiſcht. Die ſchoͤnen Farben am Kopfe und Halſe werden noch durch das praͤch— tige Gelb des Schnabels und das tiefe Schwarz an ſeiner Spitze vortrefflich gehoben. Die ganze untere Seite des Rumpfs iſt gelb— lich weiß, wie Silber glaͤnzend, aber von vielen grauen Federſpitz⸗ chen unordentlich gefleckt und nie ganz ohne dieſe; der obere Rumpf braunſchwarz und glaͤnzend, meiſtens mit etwas lichtern, an den Schultern oft recht deutlichen, lichtbraungrauen Endkanten; der Fluͤgel wie in den vorigen Kleidern, neben dem Weißen des Fluͤgel— randes, wo es am breiteſten iſt, oft mit eingemiſchter Roſtfarbe im Schwarzbraunen; ſonſt Alles wie ſchon beſchrieben. — Die alten Weibchen ſind eben ſo praͤchtig am Kopf und Halſe gefaͤrbt, und auch an den uͤbrigen Theilen die Farben kaum weniger ſchoͤn; es hat aber gewoͤhnlich einen nicht ſo großen gelben Fleck an der Schnabelwurzel; doch koͤmmt auch dieſes meiſtens nur den juͤn gern Voͤgeln beiderlei Geſchlechts zu. Die Einjaͤhrigen im Fruͤhlingskleide ſind nicht ganz ſo ſchoͤn, der Kopfputz kürzer, der Scheitel weder fo tief ſchwarz, noch ſo ſtark gruͤn glaͤnzend, das ſanfte Grau der Kehle heller, der Hals bloß roſtfarbig, ſelten ins Roſtrothe uͤbergehend, der Kropf wenig anders als dieſes, doch meiſtens mehr ins Roſtbraͤunliche ziehend, die ſchwarzbraungrauen Tragfedern mehr oder weniger mit roſt— braunen untermiſcht, alles Uibrige auch weniger ſchoͤn und lichter; beſonders geben bei vielen Exemplaren die ſtark gezeichneten braun⸗ grauen Endkanten an den Schulter- und Oberruͤckenfedern dieſen Theilen ein geſchupptes Ausſehen. Gewoͤhnlich hat auch der Schna— bel ein etwas blaſſeres Gelb und dieſes nimmt einen kleinen Raum ein, obgleich dies letztere auch individuell varürt. Die ſchwaͤchlichern Weibchen unterſcheiden ſich von den Maͤnnchen in der Faͤrbung ſo wenig, daß ſich, ſelbſt gegeneinander geſtellt, das Geſchlecht nur durch anatomiſche Huͤlfe beſtimmen laͤßt. Die Mauſerzeit der Alten iſt im Juli, wo ihnen auch alle Fluͤgelfedern ſo ſchnell nach einander ausfallen, daß ſie eine Zeit lang gar nicht fliegen koͤnnen und ſich dann ſehr verſteckt halten. XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. 727 Die Jungen mauſern viel ſpaͤter. Die zweite Mauſer, in welcher fie das Fruͤhlingskleid anlegen, geht in ihrer Abweſenheit im Fe: bruar und Maͤrz vor ſich, doch ſcheint ſie ſich bei manchen mehr in die Laͤnge zu ziehen, da man zu Ende des April oder zu An— fange des Mai noch welche unter ihnen, namentlich vorjaͤhrige Junge, findet, welche das hochzeitliche Kleid noch mit vielen Federn des vorhergehenden vermiſcht tragen, was gewoͤhnlich am Kropfe und den Bruſtſeiten am bemerklichſten iſt. N Au fen t h a t. Der rothhalſige Lappentaucher ſcheint im Allgemeinen nicht in ſo bedeutender Zahl vorhanden zu ſein, als der große, auch ſeine Verbreitung ſich uͤber wenigere Laͤnder zu erſtrecken. Vorzuͤglich die gemaͤßigte und von hier auch einen Theil der heißen Zone bewoh— nend, ſteigt er auch nicht hoͤher nach Norden hinauf, als die vorige Art. Dabei dürfen wir ihn wol als einen mehr oͤſtlichen Vogel betrachten, weil er in Aſien im gemaͤßigten und waͤrmern Sibi— rien, in Europa im ſuͤdlichen Rußland am haͤufigſten angetrof: fen worden iſt und ihn die zunaͤchſtliegenden Laͤnder, Galizien, die Türkei und Ungarn zahlreich ſehen. Im Übrigen Europa koͤmmt er vom mittlern Schweden abwaͤrts nur hin und wieder, in England nicht haͤufig, in Holland und Frankreich, bis Italien nicht ganz einzeln, am haͤufigſten, von Daͤnemark an, wol noch in verſchiedenen Gegenden Deutſchlands vor. Wir duͤrfen behaupten, daß er in manchen Strichen ſogar häufiger als die große Art ſei, ſeine verſtecktere Lebensweiſe macht ihn aber uͤberall weniger bemerklich. So iſt es in Schleſien, ſo in Schles— wig und Holſtein, ſo in verſchiedenen Lagen von Branden— burg und Sachſen. Als weniger gemein iſt er auch in Pom— mern, Mecklenburg, Thuͤringen, Heſſen, Baiern, Oeſter— reich und der Schweiz angezeigt. In unſerm Anhalt koͤmmt er nur auf einzelnen Gewaͤſſern, ſehr haͤufig aber in der Nachbar⸗ ſchaft, beſonders auf und an dem ſalzigen See im Mane keldi⸗ ſchen vor. x Er zieht, wie die uͤbrigen, im Spaͤtherbſt von uns und er⸗ ſcheint erſt im Fruͤhlinge wieder; in hieſigen Gegenden iſt uns wenigſtens nie ein uͤberwinternder vorgekommen. Dies ſoll er jedoch 728 XIII. Gatt. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. einzeln in England und auf den Seen der Schweiz thun, jedoch nicht regelmäßig. oder nicht alle Jahr. In der hieſigen Ge | gend mit Umgebungen erſcheint er im Maͤrz und April, gleich nach oder mit der vorigen Art, und im September, October und Novem— ber zieht er wieder weg, beides wie die andern, zur Nachtzeit. Er zieht meiſtens paarweiſe, weil die Paͤrchen ſich das ganze Jahr nicht trennen, auch einzeln, im Herbſt, vorzuͤglich junge Voͤgel, auch in kleinen Geſellſchaften, die ſich auf groͤßern Gewaͤſſern bis zur Ab: reiſe verſammeln; doch ſahen wir nie ſo viele beiſammen, als oſt von der großen Art, trafen uͤberhaupt auch haͤufiger einzelne auf dem Zuge. Er liebt das Meer und die Fluͤſſe ſo wenig wie andere Lappen⸗ taucher, beſucht beide nur nothgedrungen und erſteres bloß an ruhi— gen Kuͤſten, in ſtillen Buchten und ſolchen Einſchnitten, deren Ufer mit Schilf und Rohr bewachſen ſind. Einen dauernden Aufenthalt gewaͤhren ihm nur die groͤßern ſtehenden Gewaͤſſer, denen es an den Raͤndern nicht an Schilf, Rohr, Binſen u. dergl. fehlt, in deren Tiefe viele untertauchende Pflanzen wachſen und die zugleich nicht zu viele ſeichte Stellen haben. Er wohnt gern auf ſolchen, die nicht zu viele und zu ſehr ausgedehnte, voͤllig freie Flaͤchen haben, wo dieſe vielmehr oͤftere Unterbrechungen durch duͤnne Rohr-, Schilf— und Binſenbuͤſche leiden und auch an den Raͤndern nicht ganz dicht, ſondern mehr buͤſchelweiſe mit jenen beſetzt ſind, und ſcheint auch auf eine gewiſſe Beſchaffenheit des Waſſers und ſeines Grundes eigenſinnig. Wir erinnern uns an zwei große Teiche, welche nur ein ſchmaler, natuͤrlich erhoͤheter Raum trennte, die unſern Anſichten nach eine ziemlich gleiche Beſchaffenheit hatten, von denen aber doch nur der eine im Sommer von mehrern Paͤaͤrchen, nebſt einem oder zweien der großen Art, der andere aber nur von einem dieſer, aber keinem einzigen der rothhalſigen Art bewohnt wurden, und beobachteten dies unveraͤndert eine Reihe von Jahren hindurch; ſogar wenn ſie auf dem von ihnen bewohnten Teiche heftig verfolgt wurden, fluͤchteten ſie ſich nie auf jenen, ſondern unternahmen lie— ber einen ſehr weiten Flug uͤber Land nach dem ſalzigen See, deſſen zu weite freie Flaͤchen ſie eigentlich verabſcheuen. So hat auch die— ſer See nur einzelne Stellen an ſeinen Ufern, wo das Rohr in kleinere Buͤſche vertheilt iſt, auch Schilf und Binſen wachſen, zwi— ſchen denen viele kleine Spiegelflaͤchen frei bleiben, die einzelne Paare bewohnen, aber auf der großen freien Waſſerflaͤche des Sees ſehr ſelten geſehen werden, fo wenig wie ſie die eigentlichen Rohr: XIII. Ord n. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. 729 waͤlder bewohnen. Dagegen fehlen ſie auf keinem der dieſem See naheliegenden Teiche, und waren fruͤher, als man einige ſehr große noch nicht trocken gelegt hatte, ſehr gemein in jener Gegend. Wir kennen nun ſchon mehrere, wo ſie die Kultur vertrieb, und ſie ſind daher ſeit einigen Decennien viel ſeltner in hieſiger Gegend geworden als ſie vordem waren. Von dem des großen Lappentauchers unterſcheidet ſich der Aufenthalt des rothhalſigen ſehr auffallend; jener haͤlt ſich immer auf dem blanken Waſſer, mitten auf den groͤßten freien Flaͤchen und weit vom Lande auf, und koͤmmt faſt nur in der Fortpflan⸗ zungszeit in die Naͤhe des Rohres u. dergl., verlaͤßt ſogar nach ihr die etwas kleinern Bruͤteteiche, wenn Seen in der Nähe, und be: giebt ſich auf dieſe und, wenn mehrere, auf die, welche die groͤßten freien Waſſerflaͤchen haben, auf welchen er ſchon in weiter Ferne geſehen wird und ihnen zur Zierde gereicht; — der rothhaͤlſige mei⸗ det dagegen ſolche, fo lange ihn nicht die Noth dazu zwingt, be⸗ nimmt ſich dann aͤngſtlich auf ihnen und wird kaum bemerkt, weil er geduckt ſchwimmt, ſich nach ſchuͤtzenden Pflanzen ſehnt, daher bald wieder nach fchilfigen Stellen am Rande zuruͤckzieht. Hier verſteckt er ſich viel lieber als jener, und auch an den Bruͤteplaͤtzen weilt er viel laͤngere Zeit auf den kleinern Zwiſchenraͤumen des Schilfs, nicht ſehr weit vom Ufer, als auf der großen Flaͤche in der Mitte ſolcher Teiche, zumal wenn ſie hier gar kein Schilf haben. Dies Verſtecken bei Annaͤherung eines Menſchen darf man jedoch noch lange nicht mit dem des geoͤhrten und kleinen Lappen⸗ tauchers vergleichen wollen, da dieſe auch bei vielen ſolchen Gele: genheiten, wo der rothhalſige immer noch ſichtbar oder gar auf freier Fläche bleibt und es offen aus der Ferne mit anſieht, ſich verbor- gen halten oder gaͤnzlich verkriechen; er haͤlt gewiſſermaßen zwiſchen dem dieſer und dem des großen Lappentauchers ebenſo das Mittel, wie man dies vom Wohnorte ſelbſt ſagen kann, wo unſer roths halſiger zwar auf kleinern Teichen als die letztgenannte, doch nicht auf ſo kleinen als jene ganz kleinen Arten angetroffen wird. Sehr oft iſt ein ſolcher Teich von gewuͤnſchter Beſchaffenheit und Umfang der alleinige Wohnſitz dieſer Art; wir haben jedoch auch Teiche gekannt, auf denen drei bis vier Arten dieſer Gattung niſteten, wo jede ihren eigenen Niſtbezirk hatte und der rothhalſige Lappentaucher die Mehrzahl bildete. So intereſſante Orte bieten Gelegenheit zu ſolchen Vergleichen in Menge. Seinen Federwechſel haͤlt er nicht auf offner Blaͤnke, wie die große Art, ſondern im 730 XIII. Orbn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. Schilf und Rohr verſteckt, iſt dann, weil er eine Zeit lang gar nicht fliegen kann, aͤußerſt furchtſam und ſcheu, erſcheint nur, wenn er keinen Menſchen in der Naͤhe gewahrt, auch außerhalb ſeines Verſtecks, beſonders aber nur vom Anbruch der Abenddaͤmmerung bis gegen Aufgang der Sonne, entfernt ſich aber nie weit davon. Eigenſchaf ten. Der rothhalſige Lappentaucher in ſeinem Fruͤhlingsſchmuck gehoͤrt zu den ſchoͤnen Waſſervoͤgeln; ſeine Haube und Bauſebacken f ſtellen ſich jedoch nur als auffallend dar, wenn er das betreffende Gefieder aufſtraͤubt, z. B. wenn er boͤſe wird, oder wenn er die Begattung zu vollziehen beabſichtigt, wozu er denn auch den Hals recht ſehr und gerade in die Hoͤhe reckt, auch wenn er nach dem Auftauchen, wie alle Lappentaucher zuweilen thun, ſich ſchuͤttelt, wobei er den ganzen Vorderkoͤrper vom Waſſer erhebt, Hals, Kopf und Schnabel in einerlei Richtung und gerade, etwa unter einen Winkel von 45° mit der Wafferfläche, in die Höhe ſtreckt und dazu die zitternde oder ſchuͤttelnde Bewegung macht, als wenn er ſich dadurch der anhangenden Waſſertropfen entledigen wollte. Die Lappentaucher thun dies gewoͤhnlich, wenn zuvor vergeblich nach ihnen geſchoſſen war, wenn ſie unvorbereitet ſchnell untertauchen mußten und nachher wieder oben erſcheinen. N Er ſteht und geht auf gleiche Weiſe, und eben ſo ſelten, wie der vorhergehende, unterſcheidet ſich aber auf dem Waſſer ſchon in weiter Ferne durch die viel geringere Größe, den kuͤrzern und flär- kern Hals und durch eine anſpruchsloſere Haltung von ihm; wenn er, wie ſehr haͤufig, mit ſtark Sfoͤrmig gebogenem Halſe ſchwimmt, ſieht er einer gleichgroßen Entenart aͤhnlicher als jenem ſtolzen Vogel, deſſen langer, dünner, meiſtens ſenkrecht in die Höhe gered: ter Hals ihn vor allen andern Schwimmvoͤgeln in großer Entfer: nung kenntlich macht. Er ſchwimmt und taucht ſehr gut, doch ſteht er im letztern der großen Art auffallend nach. Dies gilt namentlich vom raſchen Hinunterfahren unter die Flaͤche und zeigt ſich vorzuͤglich an Orten, wo noch nicht auf ihn geſchoſſen wurde, wo es dann, bei Anwen: dung der uͤbrigen bekannten Kunſtgriffe, auch mit den ſonſtigen Feuerſchloͤſſern an den Flinten oft gelang, ihn zu toͤdten, ehe er € \ 5 J XI. Orbn. LXXVI. Gatt. 273 Rothhalſ. Lappent. 7311 1 Unter dem Waſſer zieht er jedoch faſt eben fo ſchnell und ſehr weite Strecken in einem Zuge fort, ehe er wieder auftaucht, ganz wie jener. N ö 0 Auch im Fluge unterſcheidet er ſich mannichfach vom großen Lappentaucher. Er iſt viel leichter zum Auffliegen zu bringen, muß zwar auch einen Anlauf auf dem Waſſer nehmen, ehe er ſich auf— ſchwingen kann, jener iſt aber kuͤrzer und dieſes geht viel leichter, und dann geht ſein Flug, wenn er einmal im Zuge iſt, auch ſchnel⸗ ler, leichter und faſt ganz geraͤuſchlos, uͤbrigens mit ganz aͤhnlichen Fluͤgelbewegungen und ohne alle Schwenkungen, aber oft ſehr weit in einem Striche fort. Auch an der fliegenden Figur faͤllt der für: zere Hals ſehr auf. Wo er fremd, naͤmlich nur auf dem Durch⸗ zuge iſt, erhebt er ſich oͤfters bei Annaͤherung eines Menſchen, ohne das Tauchen zu verſuchen, ſogleich in die Luft und ſtreicht in ziem⸗ licher Hoͤhe in einem Striche fort, ſo weit ihm das Auge zu folgen vermag. Am Niſtplatze iſt das freilich, doch nur zu gewiſſen Zei⸗ ten, anders; wenn er nämlich brütet oder gar ſchon Junge hat, jo verläßt er bei Verfolgungen dieſe oder die Eier jo ungern, daß er nicht zum Auffliegen zu bringen iſt, nicht wegfliegt, ſondern durch Tauchen und Verſtecken ſich jenen zu entziehen ſucht, wo er ſich denn zuletzt auf die naͤmliche Art wie die andern im Schilfe oder an bewachſenen Ufern verbirgt, aber hierin auch wieder die hohe Fertigkeit nicht beſitzt, die bei unſern kleinſten Arten ſo oft Staunen erregt. R Er iſt lange nicht fo ſcheu als der Vorherbeſchriebene. Auf ſolchem Waſſer, wo noch nicht nach ihm geſchoſſen wurde und im Niſtrevier oder gar beim Neſte, fanden wir ihn oͤfters ſogar dumm⸗ dreiſt. Durch wiederholtes Schießen wird er freilich auch hier ſcheuer und fluͤchtet ſich endlich unter dem Waſſer weg, an Orte, wo man ihn vor der Hand nicht wieder zu ſehen bekoͤmmt. Als wir einſt⸗ mals die Kugelbuͤchſe gegen die Taucher am mehrerwaͤhnten Salz⸗ ſee und den ihm nahen Teichen in Anwendung brachten, geriethen ſie ſo in Angſt, daß ſie von einem großen Teiche, auf dem mehrere Paͤaͤrchen aus der gegenwärtigen Art brüteten, ſobald fie uns von Ferne herannahen ſahen, ſich auch dieſe ſogleich in Flug ſetzten und weit uͤber Feld nach dem See flogen, nicht lange darnach aber wiederkehrten und da im Fluge leicht von dem verſteckten Schuͤtzen mit der Flinte erlegt werden konnten. Bei alledem vergeſſen ſie ſo heftige Beunruhigungen ſehr bald wieder, eben weil ſie weder ſo ſcheu, noch fo klug als die große Art find. Daß fie im Herbie 732 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Nothhalf. Lappent. viel ſcheuer find als im Frühjahr, zumal beim Neſte, haben fie mit allen andern Vögeln gemein, ebenfo, daß es die Alten mehr find als die Jungen. b Obgleich ungeſellig, 1 doch oͤfters mehrere Päärchen auf einem großen Teiche, von denen aber jedes fein eigenes Niſtrevier, von viel kleinerem Umfange als die vorige Art, inne hat und gegen das Eindraͤngen anderer ſeiner Art behauptet, weshalb es im Fruͤh— linge viel Streit giebt. Gegen andere Arten ſcheint er duldſamer; wir ſahen wenigſtens große, geoͤhrte und kleine nebſt dieſen auf demſelben Teiche, ohne daß die einen mit den andern in Streit gerathen waͤren. Mit Voͤgeln anderer Gattungen machen ſie ſich nichts zu ſchaffen; wir erinnern uns nicht, fie jemals zwiſchen En: - ten oder Waſſerhuͤhnern bleibend geſehen zu haben. Die gewoͤhnliche Lockſtimme des rothhalſigen Lappentauchers aͤhnelt entfernt der des großen, haͤlt aber einen hoͤhern Ton und klingt hell Keck, keck, keck, mehr oder weniger oft im langſamen Tempo wiederholt, und ſchallt auf dem Waſſer ſehr weit. In der Begattungszeit rufen ſie einander oft damit zu, ſeltner im Herbſt. Wie dieſe iſt noch eine andere Stimme beiden Geſchlechtern gemein, welche jedoch ihren Paarungsruf oder Geſang vorſtellt und außer der Fruͤhlingszeit wenig, im Herbſt faſt gar nicht gehoͤrt wird. Dies ſind ſo ſonderbare als abſcheuliche und laͤrmende Toͤne, daß ſie ge— eignet ſein moͤgen, dem furchtſamen und aberglaͤubigen Nachtwandler Angſt und Schrecken einzujagen, zumal ſie in ſtiller Nacht auf dem Waſſerſpiegel noch ſtaͤrker ſchallen und gegen hohe Ufer widerhallen. Sie laſſen ſich mit Buchſtaben nicht verſinnlichen, aber einerſeits mit dem kreiſchenden Quiken eines in Noth ſteckenden jungen Schwei— nes, andrerſeits mit dem Wiehern eines jungen Fuͤllens vergleichen, weswegen auch der gemeine Mann hin und wieder dieſe Taucher Hengſte nennt. Koͤnnte man ſich die beiden verglichenen Stimmen mitſammen verſchmolzen denken, ſo wuͤrde dieſer Tauchergeſang voll— kommen nachgebildet ſein. Es ſind anfaͤnglich Naſentoͤne, aus der Tiefe in die Hoͤhe geſchleift, zuletzt zitternd oder vielmehr wiehernd, in welcher Zuſammenſetzung fie mehrere Male nach einander wieder: holt und am oͤſterſten von beiden Gatten zugleich, vom Weibchen in einem wenig hoͤhern Tone, hergegurgelt werden und dadurch an Haͤßlichkeit noch gewinnen. Das Männchen ruft damit dem Weib: chen zu und dieſes antwortet jenem damit; doch gehoͤrt das Ganze mehr zum Begattungsact. Mit jenem Keck, keck u. ſ. w. nähern ſich beide, ruͤcken gegen einander, der Act wird auf ganz aͤhnliche * S U XIII. Gatt. LXXVI. Ordn. 273. Rothhalſ. Lappent. 733 Weiſe, wie bei der großen Art, vollzogen und unmittelbar darauf ſtimmen beide Gatten zugleich ihr widerliches, weitſchallendes Duett an. In der Begattungszeit, zumal in der Naͤhe des Neſtes, hoͤrt man es am haͤufigſten, bei Tage wie in der Nacht, am haͤufigſten in der Abenddaͤmmerung, im Sommer und Herbſt aber nur ſelten. — Die jungen Taucher dieſer Art haben eine piepende Stimme, die ſchwer von der der vorigen Art zu unterſcheiden iſt. — N. a h d u n g. Daß dieſe nicht ganz der des großen Lappentauchers gleich iſt, ſcheint ſchon aus ſeinem verſchiedenen Aufenthalt hervorzugehen; es iſt hieraus wenigſtens zu vermuthen, daß Fiſche ſeine Lieblings⸗ nahrung, die jener zu manchen Zeiten in Menge faͤngt und deshalb ſolche Stellen, wo viele Fiſchbrut das Waſſer belebt, auszeichnet, nicht ſein moͤgen, ob er ſie gleich nicht verſchmaͤht. Auch ganz kleine Froͤſche haben wir ihn fangen und verſchlingen ſehen. Die Haupt⸗ nahrung bleiben indeſſen jederzeit Inſekten und vorzuͤglich Inſekten⸗ larven, namentlich die der groͤßern Libellen und der Waſſerkaͤfer. Sie kommen, mit zarten gruͤnen Pflanzentheilen vermiſcht, am oͤfter⸗ ſten im Magen Geoͤffneter vor. Dabei findet man denn auch zu allen Zeiten, mehr oder weniger haͤufig, oft eine bedeutende Menge, von ſeinen eigenen Federn darin, die ihm, wie andern Voͤgeln der Kiesſand, zur Befoͤrderung der Verdauung zu dienen ſcheinen. Er faͤngt jene Nahrungsmittel, wie die andern Arten, unter⸗ tauchend, ſeltner von der Oberfläche des Waſſers weg, wo er in deſſen die verungluͤckten Landinſekten auch aufnimmt und die an Binſen⸗ oder Schilfhalmen ſitzenden nicht verſchont, fo Maikaͤfer, Roſenkaͤfer, Brachkaͤfer, eben auskriechende Libellen u. a. a Fortpflanzung. Er niſtet in allen oben angegebenen deutſchen Provinzen und iſt auf nicht ganz unbetraͤchtlichen ſtehenden Gewaͤſſern, auf großen Teichen und Landſeen, in welchen viel Schilf und Rohr in zerftreu> ten Buͤſchen waͤchſt und deren Ufer theilweis in Sumpf verlaufen, 734 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. eben nicht ſelten, auf manchen, z. B. auf den Teichen in der Naͤhe des Salzſees ohnweit Eisleben, im Brandenburgiſchen, in den Daͤniſchen n und anderwaͤrts an geeigneten Orten gemein. Die ein Mal gepaarten Gatten ſcheinen lebenslang beiſammen zu bleiben. Ihre Begattung wird auf dem Waſſer unter vielem _ Schreien vollzogen, uͤbrigens auf dieſelbe Weiſe wie bei der vorigen und andern Arten. Sie waͤhlen ſich auf dem ihnen zuſagenden Teiche oder Schilfſee in den letzten Tagen des April ihr Niſtplaͤtz⸗ chen, gewoͤhnlich nahe bei duͤnnſtehendem Rohr, Schilf und Binſen, beſonders wo dieſe Pflanzen in unbedeutenden, durchſichtigen Buͤ⸗ ſcheln uͤber dem Waſſerſpiegel empor ſtehen. Dieſen Bezirk verthei⸗ digen fie gegen das Eindrängen anderer, aber er hat keinen großen Umfang, fo daß Orte vorkommen, wo mehrere Paͤaͤrchen ihre Nefter kaum 60 bis 80 Schritt von einander haben. Von andern Arten dieſer Gattung halten ſie ſich noch weniger entfernt, und es kommen deshalb wol auch Streitigkeiten mit dieſen vor, in welchen ſie aber bei der großen Art den Kuͤrzern ziehen, ſich daher auch ſehr ſelten mit ihr gemein machen und ihr lieber ausweichen, was bei den kleinern umgekehrt iſt. Beide Gatten bauen in kurzer Zeit, auf die naͤmliche Weiſe und von gleichem Material, wie die vorherige Art, ihr Neſt zwi⸗ ſchen ganz lichtes Rohr oder Schilf, auch ſtets nur am Rande und der dem Ufer entgegengeſetzten Seite der Buͤſche, aber niemals tief in dieſe verſteckt, ſondern immer ſo, daß der Kenner es ſchon von Weitem gewahr wird. Es hat entweder alte, noch unter Waſſer ſtehende Rohrſtoppeln zur Grundlage, oder einige darniederliegende Rohrſtengel halten es an der Stelle feſt, oder es ſchwimmt ganz frei zwiſchen ſehr duͤnn ſtehendem Rohr, Binſen u. dergl., welche das Wegſchwimmen deſſelben verhuͤten. Es beſteht, wie das Neft der großen Art, aus einem unordentlich, aber ziemlich dicht verfloch— tenen, platten Klumpen von faulenden Waſſerpflanzen, welche ſie tauchend vom Grunde nebſt dem anhangenden Schlamme heraufho— len und zuſammenhaͤufen. Es ſteht dem des großen Lappentauchers an Umfang und Maſſe nach, iſt aber ebenſo anfaͤnglich ein naſſes, ſchmutziges, oben abgeplattetes und in der Mitte ſehr wenig vertief: tes Haͤufchen von Ranken und Zweigen verſchiedener Potamogeton- Arten und anderer untertauchenden Gewaͤchſe, zuletzt aber, durch vielfaches Auf- und Abſteigen ſehr dicht geworden, einem modern: den Klumpen, durch Zufall vom Grunde aufgegohren und von XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Eee 735 Wind er Wellen zuſammen gefchoben, vollig gleich. Zumeilen fanden wir es zwar anfaͤnglich trockner, da viele trockene Waſſer⸗ pflanzen, auch Rohrblaͤtter und Stuͤcke von Binſen dazu verwandt waren, die zuſammen einen viel groͤßern Umfang einnahmen, als wir ihn je bei einem der vorigen Art gefunden haben, wobei es auch oben in der Mitte mit einer ziemlichen Vertiefung verſehen war, in welcher die Eier ganz trocken lagen; allein durch das Ab⸗ und Zugehen des an den Füßen und Bauchfedern ſtets Waſſer hin- eintragenden Vogels wurden auch dieſe bald feucht und zuletzt, durch das Gewicht des darauf liegenden Vogels dichter und gegen die Waſſerflaͤche niedergebruͤckt, fo daß endlich die Eier faſt ebenfo im Naſſen lagen, wie bei den von allem Anfange an feuchten Neſtern. Die Eier, 3 bis 4 an der Zahl, aͤhneln in jeder Hinſicht de⸗ nen des C. cristatus ſehr, ſind aber bedeutend kleiner, doch kommen die groͤßten den kleinſten dieſes ſehr nahe und ſind dann nicht zu unterſcheiden, ſo wie wiederum die kleinſten von den groͤßeſten des C. cornutus ſich nicht unterſcheiden laſſen, zumal ſie bei allen Ar⸗ ten der Lappentaucher — in der Groͤße, wie in dem ſchlankern oder bauchigtern Ausſehn variiren. Sie koͤnnen fo von 22 bis 24 Li⸗ nien in der Laͤnge und von 15 bis 17 Linien in der Breite vor⸗ kommen. Ihre Farbe iſt gleichfalls dieſelbe, ein truͤbes, ins Gruͤn⸗ liche ziehendes Weiß, wobei aber der kalkartige Uiberzug ſo viel vom Schmutz des Neſtes annimmt, daß ſie bei laͤngerem Bebruͤten end⸗ lich braun marmorirt werden, wobei dieſe fremde Faͤrbung nach Verſchiedenheit des Waſſers und ſeines Bodens bald ins Roͤthliche, bald ins Gelbliche, bald ins Gruͤnliche ſpielt, nicht feſt haͤlt und ſich in warmem Waſſer abwaſchen laͤßt. | Man findet fie gewöhnlich im Mai, früher oder fpäter, je nach Beſchaffenheit der Fruͤhlingswitterung, und fie machen in jedem Jahr nur eine Brut. Wird ihnen jedoch das erſte Gelege geraubt, dann machen ſie ein zweites, auch wol gar ein drittes; wenn auch dieſes, was dann erſt Ende des Juni koͤmmt und nicht uͤber 3 Eier enthaͤlt, zu Grunde geht, keins mehr. Wenn ihnen die Eier bald genommen werden, ſo iſt nach wenigen Tagen ein neues Neſt in der Naͤhe des vorigen fertig u. |. w.; haben fie aber ſchon ein paar Wochen gebruͤtet, dann dauert es laͤnger, und wenn dies einem zweiten Gelege begegnet, ſo machen ſie in dieſem Jahr keins mehr. Zu einem neuen Gelege wird jedesmal ein neues Neſt gemacht; die verlaſſenen benutzen nur die Jungen zuweilen, um fich darauf aus— zuruhen. — Die Eier liegen im Neſte nicht nur im Naſſen, ſon⸗ 1 736 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. dern oft faſt zur Haͤlfte im Waſſer, das von der ſtarken Brutwaͤrme ſich ganz lauwarm anfuͤhlen laͤßt. Beim Abgehen von den Eiern werden dieſe alle Mal ſorgfaͤltig mit einem Haͤufchen modernder Pflanzen bedeckt, die, wenn es eilig geht, gleich vom Rande des Neſtes genommen, wenn mehr Zeit dazu vorhanden, vom Grunde des Waſſers heraufgeholt und dann darauf gehaͤuft werden. Bloß liegen die Eier in der Regel nie; entweder ein Haͤufchen Moder oder der Vogel ſelbſt bedeckt ſie, weil dieſer weiß, daß ſie freiliegend gar vielen Feinden in die Augen leuchten wuͤrden. | Männchen und Weibchen brüten abwechſelnd, Tag und Nacht, 3 Wochen lang. Wenn die Gattinn, welche längere Zeiträume brü- tet, auf dem Neſte liegt, ſchwimmt der Gatte in ſeiner Naͤhe und beobachtet die Gefahren, damit jene, wenn ſie naͤher ruͤcken, auf ein gegebenes Zeichen, ſogleich vom Neſte ins Waſſer ſchluͤpfen und die Eier bedecken koͤnne. Ihre Anhaͤnglichkeit an Neſt und Eier iſt ſehr groß; ſie laſſen bei demſelben den Schuͤtzen oft ſehr nahe heran, und mehrere Fehlſchuͤſſe vertreiben ſie nicht davon, wie ſie denn in der erſten Beſtuͤrzung ſogar bei wiederholten Fehlſchuͤſſen nicht ſelten weder unterzutauchen, noch fortzufliegen verſuchen. Wird die Gattinn er⸗ ſchoſſen, ſo ſchwimmt der Gatte trauernd um ſie herum und beſieht ſie von allen Seiten; naͤhert ſich dann der Kahn oder der Jagd⸗ hund, um jene abzuholen, dann erſt fliegt er auf und eine Strecke fort. Auch wenn das Weibchen angeſchoſſen wird, verlaͤßt es Neſt und Eier nicht, legt ſich wieder auf dieſelben und haucht auf ihnen feinen Geiſt aus. In ſolchen Fällen kann ſich das Maͤnnchen ge⸗ woͤhnlich nicht entſchließen, die ihm Theuren zu verlaſſen, ſchreit jaͤmmerlich und opfert auch ſich dem Schuͤtzen, ob es gleich ſonſt ſcheuer und vorſichtiger als das Weibchen iſt. Die Jungen ſchluͤpfen bald nach dem Auskriechen vom Neſte aufs Waſſer, koͤnnen gleich ſchwimmen und lernen auch bald tau⸗ chen. Sie folgen den Alten, wo fie ſich ſicher glauben, mit verlan⸗ gendem Piepen und dieſe lieben ſie zaͤrtlich, halten ſich anfaͤnglich und auch ſpaͤter bei ſtuͤrmiſcher Witterung mit ihnen in der Naͤhe des Rohres auf, um bei Gefahren ſogleich in demſelben ein Ber: ſteck ſuchen zu koͤnnen, nehmen ſie oͤfters auf den Ruͤcken, wenn ſie noch nicht fertig tauchen gelernt haben auch wol unter ihre Fluͤ— gel und tauchen mit ihnen unter, geben ihnen zum Aufſuchen der Nahrungsmittel ſowol auf als unter der Wafferfläche Anleitung und verlaſſen ſie erſt, wenn ſie Federn bekommen und faſt ſo groß als ihre Aeltern ſind. Ihre Erziehungsgeſchichte, mit denen anderer XIII. Orbn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. 737 Lappentaucher verglichen, weicht in Nichts ab, als in dem unvor⸗ ſichtigern oder einfaͤltigern Betragen der Alten, worin ſie aber die beiden folgenden Arten noch übertreffen mögen. Feinde. Da ſie oͤfter fliegen als die andern Arten dieſer Gattung, ſo werden ſie auch oͤfter von Raubvoͤgeln erwiſcht; mehrmals aufge⸗ fundene Uiberbleibſel beſtaͤtigten uns dieſes. Auf dem Waſſer wuͤrde ihre Tauchfertigkeit ſolche Anfaͤlle ſtets vereiteln, was beide Theile ſehr gut wiſſen und ſich deshalb auch nicht um einander kuͤmmern. — Ihre Brut, namentlich die Eier, ſind ſehr den Anfaͤllen der Ra⸗ ben, Kraͤhen, Elſtern, der Rohrweihen und auch der Wan— derratten ausgefetzt und werden ihnen oft genommen, wobei die Mutter zwar jene muthig abzuwehren ſucht, aber oft zu ſchwach iſt, ihnen zu widerſtehn. In ihren Eingeweiden hauſen nach dem Wiener Verzeichniß: Ligula simplicissima, Taenia macrorhyncha und eine . Art aus der Gattung Distomum. Jagd. Die jungen Taucher dieſer Art ſind gewoͤhnlich einfaͤltig genug, den Schuͤtzen ſchußmaͤßig an ſich zu laſſen, auch die Alten beim Neſte oder den Jungen; aber keineswegs die Alten zu andern Zei: ten und an fremden Orten; dann ſind dieſe faſt ebenſo ſcheu wie die große Art und beim Schießen muͤſſen dieſelben Kunſtgriffe an gewendet werden, wenn man nicht ein Percuſſionsgewehr fuͤhrt, weil ſie ſonſt beim Blitzen der Pfanne untertauchen und der Schuß auf eine leere Stelle ſchlaͤgt. Jene thun dies nun nicht, ſondern fliegen nach einem Fehlſchuſſe auf, wo man ſie dann mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte, wenn man nicht zu weit davon entfernt iſt, herabſchießen kann, wie denn die Taucher uͤberhaupt fliegend einen leichten Schuß gewaͤhren. Angeſchoſſene ſind ebenſo ſchwer vom Waſſer zu erhalten als die von andern Arten; ſie verſchwanden oft, nachdem man ſie auf dem freien Waſſerſpiegel hatte untertauchen ſehen, weil fie in der Todesnoth bis auf den Grund hinabfuhren, ſich an irgend Etwas feſtbiſſen, ſo endeten und nur zuweilen ſpaͤter 9. Theil. 47 738 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 273. Rothhalſ. Lappent. erſt loskamen und todt oben ſchwammen, in vielen Faͤllen aber in der Tiefe vermodern mußten. Gefangen werden ſie ziemlich leicht in Klebegarnen unter dem Waſſer, in welche fie auch manchmal zufällig gerathen. Nutz en. Ihr Fleiſch iſt etwas zarter als das der vorigen Art, verlangt aber eben die Zubereitung, wenn es genießbar und ſchmackhaft wer⸗ den ſoll. Die Pelze von den Bruſthaͤuten ſind ſelten zu gebrauchen, weil ſie nie recht ſchoͤn weiß, zudem auch mit vielen grauen Federſpitzen vermiſcht ſind. f Schaden. Dieſer iſt, weil ſie ſeltner Fiſche freſſen, noch unbedeutender als bei der großen Art. Ihre Gegenwart auf Teichen iſt vielen Leuten darum unange⸗ nehm, weil ſie im Fruͤhjahr ungewoͤhnlich viel und zugleich ſehr haͤßlich ſchreien. Wo ſie recht haͤufig ſind, koͤnnen ſie dadurch auf die Laͤnge allerdings recht laͤſtig werden. 274. Der gehörnte Lappentaicher. Colymbus cornutus. Lichtenst. ig. 1. Männchen 35 2. 2210 1 im Sommerkleide. Fig. 3. M. im Herbſtkleide. Fig. 4. W. im Jugendkleide. Taf. 244. Gehoͤrnter Steißfuß; gehoͤrnter Taucher; rothhalſiger Taucher; kleiner Kronentaucher. Jung: Dunkelbrauner —, ſchwarzbrauner Steißfuß; dunkelbrauner —, ſchwarzbrauner Taucher, ſchwarz und weißer Taucher. Colymbus cornutus, weg Linn. syst. I. 2. p. 591, n. 19. Colymlaıs cx cor= nulus minor. Briss. VI. p. 50, = Podiceps cornutus. Lath. Ind. II. p. 782. n. 5. Faber, Prodromus Dee Isländiſchen Ornith. S. 61. — Le petit Gröbe cor- 2 Buff. Ois. VIII. p. 237. — Edit. de Deuxp. XV. p. 296. — Pl. enl, 404, f. 2. — Le pitit Grebe huppe. Buff. Ois. VIII. p. 235. — Edit. de Deuxp. XV. p. 5 7 5 — Grebe cornu ou esclavon, Temm. Man. nouv. Edit. II. p. 721. = Hor- ned Grebe or Dobchick, Edw. Glau. t. 145. - Lath. Syn. V. p. 287. var. A. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 255. u. 6. var. A. — Penn. arct. Zool. überſ. v. Zimmermann, II. S. 462. n. 334, — Svasso forestiero. Savi, Oru. tosc, III. p. 20. — Wolf u. Meyer Naturg. a. Vög. Deutſchl. Heft XVII. Männch. im Hochzeitskleid. — Deren Taſchenb. II. S. 431. — Meisner u. Schinz, Vög. der Schweiz. S. 252. n. 229. Koch, Bair. Zool. A. l. S. 354. u. 221. = Brehm, Lehrb. II. S. 869. - Deſſen Naturg. a. Vög. Deutfchl. S. 959 — 960. W ger, Schieſ. Fauna. S. 60. - Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 82. n. 290, 47 740 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. E. v. Homeyer, Vög. Pommerns, S. 78. n. 265. = Naumanu's Big, alte Ausg. Nachträge S. 375. Taf. LIV. Fig. 101. Männchen. Fig. 102. Weibchen im Frühlinglingskleide. 0 ' — 5 Jugend- und Herbſtkleid. Columbus obscurus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 592. n, 25. — Colymbus cas- picus. Ibid. p. 593. n. 27. — Colymbus minor. Briss. Orn. VI. p. 56. u. 7. Podiceps obscurus et P. caspicus. Lath. Ind. II. p. 782. u. 4. et 7. — Podiceps obscurus. Nilss, Orn. suec. II. p. 130. u. 198. — Le petit Grebe. Buff. VIII. p. 232. — Edit. de Deuxp. XV. p. 290. = Pl. enl, 942. Plack and white Dob- chick. Edw. Glan, t. 96. f. 1. = Penn. arct. Zool. überſ. v. Zimmermann, II. S. 463. u. 337. — Dusky Grebe. Lath. Syu. V. 286. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 254. u. 5. - Bewick, brit. Birds. II. p. 150. - Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 559. —= Deſſen ornith. Taſchenb. II. S. 353. u. 4. Kennzeichen der Art. Die erſte Schwingfeder zweiter Ordnung viel mehr ſchwarz— grau als weiß. Alter Vogel: Die ſehr buſchichte Befiederung des Kopfes oben in zwei deutlich abgeſonderte Federbuͤſchel getheilt und an den Seiten einen großen Backenkragen bildend; durch das Auge bis zum Genick ein breiter roſtfarbiger Streif. Junger Vogel: Mit glattem Kopf, gelblichweißen festen und weniger oder keiner Roſtfarbe an den Schlaͤfen. 3 Beſchreibung. Dieſe Art hat im hochzeitlichen Kleide einen aͤhnlichen, verhaͤltnißmaͤßig aber weit groͤßern und noch auffallendern Kopf⸗ ſchmuck als der große Lappentaucher und alle übrigen dieſer Gattung. Dies und feine Größe, in welcher er zwiſchen dem rot h⸗ halſigen und dem geoͤhrten Lappentaucher mitten inne ſteht, unterſcheiden ihn leicht von andern. Nicht ſo leicht iſt dies im Ju⸗ gendkleide, wo er den Jungen von C. auritus ſehr aͤhnelt und oft mit ihnen verwechſelt worden iſt, was früher ſogar wiffenfchaft: liche Maͤnner betroffen hat. Er iſt jedoch ſtets etwas groͤßer, fein gerader Schnabel ſtaͤrker oder vielmehr höher, daher kuͤrzer aus: ſehend, und der Oberſchnabel nie aufwaͤrts gebogen. Koͤnnen junge Voͤgel beider Arten zuſammen verglichen werden, ſo iſt das Erken— nen der einen wie der andern nicht ſchwer. Die Maaße werden ziemlich verſchieden angegeben, weil wol die meiſten an ausgeſtopften Exemplaren genommen wurden. Wir * XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. 741 haben ſie an drei friſch gemeſſenen Alten ganz uͤbereinſtimmend gefunden, in der Laͤnge (ohne Schnabel) 11½ Zoll und in der Flugbreite 23 Zoll, fanden aber unter mehrern ausgeſtopften nur eins von 14½ Zoll Laͤnge und 24 bis 25 Zoll Breite, die uͤbrigen zwiſchen dieſen und jenen. — Die Fluͤgellaͤnge iſt gewoͤhnlich etwas uͤber 6 Zoll, hoͤchſtens 6 Zoll 2 bis 3 Linien *). Die jungen Herbſtvoͤgel haben gewoͤhnlich gegen 1 Zoll Länge, manche noch etwas weniger, und bis 20½ Zoll Flugbreite; die Fluͤgellaͤnge vom Handwurzelgelenk bis zur Spitze mißt nur 9%, bis 5½% Zoll. Das Gefieder und die Geſtalt der Fluͤgel iſt wie bei andern Lappentauchern und oben ſchon beſchrieben; es traͤgt aber an der untern Koͤrperſeite das reinſte Weiß von allen. Die Geſtalt des Schnabels aͤhnelt der des vom kleinen La p⸗ pentaucher, doch iſt die Spitze etwas geſtreckter. Von der Seite geſehen iſt er der Firſte nach anfaͤnglich gerade, an der vordern Haͤlfte ſehr unbedeutend bogenfoͤrmig ſanft gegen die Spitze herab geſenkt; dem Kiel nach ebenfalls ziemlich gerade, dann gegen die Spitze zu ſanft aufſteigend, fo daß er von unten etwas früher auf: als von oben herabſteigt und dadurch das Anſehen gewinnt, als ſei er etwas aufwaͤrts gebogen, was eigentlich aber nicht der Fall iſt. Die Spitze iſt ſchlank und ſehr ſcharf, die Schneiden ebenfalls und ganz gerade; die Kielſpalte geht als feine Linie bis faſt an die Spitze vor. Er iſt nur vorn allmaͤhlig ſtark zuſammengedruͤckt, hin⸗ ten am obern Theile breiter als am untern, weil dort gegen den Mundwinkel der Rand wulſtig vortritt. Gegen 1½ Linien von den Stirnfedern oͤffnet ſich das ovale, durchſichtige Naſenloch in der ziemlich großen, vorn zugerundeten Naſenhoͤhle. Die Mundwinkel, von denen ein ſchmaler nackter Streif bis an das ar auſſteigt, ſind bei alten Voͤgeln ſtark aufgetrieben. Bei letztern iſt er gewoͤhnlich 10 bis gute 11 Linien lang, an der Wurzel 4 Linien hoch und 3½ Linien breit; bei jung en ) Die auffallend verſchiedene Größe auch unter gusgeftopften Vögeln dieſer Art bewog wel Hrn. Brehm, zwei verſchiedene Arten gehörnter Steißfüße anzuneh⸗ men; weil wir jedoch, bei dem ſeltnen Vorkommen dieſer Vögel in unſern Gegenden, nicht genug friſche Exemplare erhalten konnten, war es uns nicht möglich, die Sache ges nügend auszumitteln. Das obige größte Exemplar hatte nur einen 11 Linien langen Schnabel, den Hr. B. bei feiner großen Art zu 13 bis 14 Linien Länge angiebt, wir ihn aber bei keinem gefunden haben, — wol aber hatte jenes 2 Linien längere Fußwur⸗ zeln alt alle früher erhaltene Stücke 742 XIII. Orbn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. Herbſtvoͤgeln 9 bis 10 Linien lang, faſt 3½ Linien hoch und kaum 3 Linien breit. In der Begattungszeit iſt er ſehr ſchoͤn ge: faͤrbt, bei Alten glaͤnzendſchwarz, die Spitzen beider Haͤlften und die Wurzel der untern ſchoͤn pfirſichbluͤtfarben, welches ſich ſcharf vom Schwarzen trennt und von der letztern am Kiel bis gegen die Mitte der Schnabellaͤnge vor zieht; der ſchmale, gebogene, nackte Zuͤgelſtreif ſchoͤn karminroth; im Herbſte dieſer blaßroth, die untere Schnabelwurzel und die Schnabelſpitze fleiſchfarbig. — Bei jungen Voͤgeln zu Anfang des Herbſtes iſt er bleifarbig, an der Firſte ſchwaͤrzlich, an der Wurzel der Unterkinnlade fleiſchfarbig, im Spaͤtherbſt dunkel aſchblau, auf dem Ruͤcken mattſchwarz, an der Unterkinnlade vor den Mundwinkeln, nebſt dieſen, roͤthlich; der nackte Augenſtreif dort ſchmutzig fleiſchfarbig, hier ſchwarzroͤthlich. — Im ausgetrockneten Zuſtande wird er an alten Voͤgeln fehwarz- braun, an der Spitze und dem untern Mundwinkel, wie der nackte Zuͤgelſtreif, hell hornfarbig, bei jungen Voͤgeln oben ſchwaͤrzlich, unten mißfarbig, an der Wurzel am lichteſten. Das etwas kleine Auge hat ſchon, wenn der Vogel eben flug⸗ bar geworden, eine blaßrothe Iris, welche ein Paar Monate ſpaͤter zinnoberroth wird, wo dies lebhafte Roth durch eine haarfeine, ſil— berfarbige Linie um die ſchwarze Pupille von dieſer unterſchieden iſt. Bei den Alten hat dieſes Roth ein Feuer, daß es die Prachtfarbe des feinſten Karmins, wenn man ihn als trocknes Pulver ſieht, faſt noch uͤbertrifft und die Silberlinie um den Seher trennt es ſcharf von dem Schwarz deſſelben. Das Augenlid hat nur nach innen ein feines nacktes roͤthliches Raͤndchen und iſt nach außen roſtfar— big, bei jungen weißlich, befiedert. Die Fuͤße ſtehen im gleichen Verhaͤltniß zur Groͤße des Koͤr⸗ pers, wie bei andern Lappentauchern, und ihre Geſtalt iſt ganz die naͤmliche. Der Lauf mißt 1 Zoll bis 1 Zoll 9½ Linien; die aͤußere Zeh, mit dem platten aber ſchmalen Nagel, 2 ¼ Zoll bis 2 Zoll 4 Linien; die mittlere Zeh, mit dem platten und über 3 Li⸗— nien breiten Nagel, 2 Zoll bis 2 Zoll 1 Linie; die innere, mit dem platten aber ſehr ſchmalen Nagel, 1½ Zoll bis 1 Zoll 7½ Linien; die hintere, welche kaum ein Rudiment von Nagel, 6 bis 61), Li⸗ nien. — An jungen Herbſtvoͤgeln mißt der Lauf oͤfters auch ſchon 1 Zoll 9½ Linien; die Auſſenzeh 2 Zoll 1½ Linien; die Mittelzeh 1 Zoll 11 Linien; die Innenzeh 1 Zoll 7 Linien; die Hinterzeh 5 Linien; wie denn an den Fußtheilen dieſer und der ver⸗ wandten Voͤgel ein oder ein paar Linien in der Länge mehr oder XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. 743 weniger einen weſentlichen Unterſchied nicht anzudeuten ſcheinen und oͤfter vorkommen. Die Farben der Fuͤße find folgende: Das Ferſengelenk iſt grün- lich; der Lauf auf der innern Seite bis auf die ſehr ſchmale Kante oder Vorderſeite hell weißgelb, wenig bleifarbig angelaufen, auf der Auſſenſeite gruͤnlich ſchwarz, und dieſe dunkele Farbe zieht ſich auf die obere Seite der aͤußern Zeh bis zu deren zweitem Gelenk vor; ſonſt iſt die obere Seite der Zehen und Schwimmlappen hell weiß⸗ gelb, dieſe gegen die Raͤnder hin und jene dem Ruͤcken entlang hell bleiblau, auf den Gelenken der aͤußern und mittlern Zeh meiſt mit einem ſchwarzgruͤnlichen Fleckchen, auf den uͤbrigen Zehengelenken dunkelbleiblauz; die Spannhaͤute in den Winkeln dunkelgelb; die Zehenſohlen und untere Seite der Schwimmlappen und Spann⸗ haͤute ſchwarz; die Nägel mattſchwarz, am Ende mit weißlichem, fein gezaͤhneltem Rande, welcher vor dem gruͤnlichen Rande der Lappen nur allein vorſteht. — Dieſe Faͤrbung der Fuͤße iſt ziemlich allgemein in dieſer Gattung, doch bei dieſer Art am lichteſten und ſchoͤnſten. — Bei jungen Voͤgeln iſt fie ebenſo, doch etwas blei- cher oder weniger ſchoͤn. Sie wird bei dieſen wie bei jenen im Tode bald dunkler und nach voͤlligem Austrocknen haͤßlich, die Laͤufe von auſſen voͤllig ſchwarz, wie die Zehen- und Lappenſohlen, auf der inwendigen Seite jener und der obern der Zehen und Schwimm— lappen ſchmutzig olivenbraun, mehr oder weniger mit lichtern, horn— gelblichen Stellen, wie die der meiſten Steißfußarten, ſo daß die angenehme Faͤrbung und das ſanfte Ineinandergehen der verſchiede⸗ nen Miſchungen ſich nicht mehr ahnen laſſen. Das Dunenkleid iſt wahrſcheinlich aͤhnlich geſtreift wie bei andern jungen Lappentauchern, weil im Anfange des Herbſtes bei uns angekommene, uͤbrigens völlig befiederte und fluͤchtige junge Voͤgel oft noch Spuren der Streifen an den Seiten des Ko: pfes haben. Dies Jugendkleid trägt dann an feinem Gefieder folgende Farben: Der Oberkopf iſt ſchwarzbraun; ein verlorner Streif über dem Auge und den Schlaͤfen, auch wol noch ein Fleckchen neben dem Genick, weißlich; unter dieſen zieht durch die Schlaͤfe ein ſchwaͤrzlicher Streif nach dem Genick; oft ſteht unter dem Auge und uͤber dem Ohre noch ein ſchwaͤrzliches Fleckchen; Kinn, Kehle und Wangen weiß, nach hinten roſtgelb angeflogen; Gurgel und Halsſeiten graulich, braͤunlich beſpritzt; ein ſchmaler Streif auf dem Hinterhalſe herab und alle obern Theile des Vogels matt ſchwarz⸗ 744 XIII. DOrdn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. braun, die Flügel etwas lichter, mit weißem Spiegel, Fluͤgelrand⸗ chen und untern Deckfedern; die ganze untere Seite des Vogels glänzend weiß und dieſes von den Seiten des Kropfes, über die Tragfedern und bis uͤber die Schenkel herab mit einer weiß, grau und dunkelbraun gewoͤlkten Zeichnung umſchloſſen. Der Kopf iſt zwar, zumal wenn ein ſolcher Vogel die Federn ſtraͤubt, etwas dick befiedert, gewoͤhnlich liegen jedoch die Federn glatt an. — Dies iſt wol das eigentliche Jugendkleid, in welchem man im Spaͤtherbſt keinen mehr antrifft; ſie erſcheinen dann im folgenden. Das erſte Winterkleid dieſer jungen Lappenkaucher iſt am Kopfe noch einfacher gezeichnet und an den obern Theilen dunkler gefaͤrbt; dann iſt auch der Augenſtern bereits lebhaft roth. In die⸗ ſer Geſtalt wurden ſie fruͤher fuͤr eine beſondere Art gehalten und mit dem Namen: Dunkelbrauner oder ſchwarzbrauner Tau— cher (Steißfuß), Colymbus (Podiceps) obscurus bezeichnet. Kinn, Kehle und die etwas länger befiederten Kopffeiten find weiß, wel— ches ſich in einer Spitze am Genick dem der andern Seite naͤhert, bald rein weiß, bald mit ſchwachem roſtgelblichem Anfluge, zuweilen auch mit einzeln dunkeln Fleckchen unter- und hinterwaͤrts; Gurgel und Halsſeiten roͤthlichgrau, gegen den Kropf zu etwas roͤthlichgelb uͤberlaufen, dies bei einigen ſtaͤrker, bei andern nur ganz ſchwach; der ganze Oberkopf bis an den nackten Zuͤgelſtreif, das Auge, die Schlaͤfe und auf das Genick hinab ſchwarzbraun oder braunſchwarz, an der Stirn am lichteſten; an den Schlafen zeigt ſich, nicht immer und nur bei manchen Exemplaren, ein ſchmaler, meiſtens unter ſchwarzbraunen Federſpitzchen verſteckter, roſtfarbiger Streif; — der Hinterhals, ganze Ruͤcken, Buͤrzel, Schultern und Fluͤgeldeckfedern tief ſchwarzbraun oder braunſchwarz, dunkler und glaͤnzender als im Jugendkleide; die letzten Schwingfedern zunaͤchſt den Schultern (dritte Ordnung) wie der Ruͤcken, die der zweiten Ordnung ſammt den Schaͤften weiß, die hinterſte dieſer weißen Federn auf der Auſ⸗ ſenfahne großentheils, die zweite nur in einem kurzen Kantenſtrich ſchwarzbraun, oft auch nur fo beſpritzt, und von den vorderſten die— ſer Ordnung die zweite mit ſchwarzbraunem Schaft und matterm Fleck ſpitzewaͤrts der aͤuſſern Fahne, die allervorderſte ganz, wie alle Schwingfedern erſter Ordnung und die Fittichdeckfedern, ſchwarzbraungrau mit glaͤnzend braunſchwarzen Schaͤften, ſie hat aber an der Spitze noch ein weißes Kaͤntchen, was dieſen fehlt, die bloß an den Enden dunkler gefaͤrbt ſind. Faͤngt man von der vor⸗ derſten Schwingfeder erſter Ordnung zu zaͤhlen an und nimmt die XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnt. Lappent. 745 | vorderſte der zweiten Ordnung dazu, fo hat der Flügel zwölf ein: fach dunkel gefärbte Federn; dann erſt folgt der weiße Spiegel, wel⸗ chen die bezeichneten Federn zweiter Ordnung, 10 oder 11 an der Zahl, bilden ). Auf der innern Fahne find die Schwingen dunkel braungrau, an der Wurzel etwas weiß, doch ſo wenig, daß man den Fluͤgel ganz auseinander ziehen muß, wenn man es ſehen will. Das obere Fluͤgelkaͤntchen und der ganze Unterfluͤgel, bis auf die graue Spitze, ſind weiß. Das pelzartige Gefieder der untern Theile, vom Kropfe an, iſt ſehr glaͤnzend ſilber- oder atlaßweiß, rein und ohne Flecke, bloß an den Seiten des Kropfes und an ſaͤmmtlichen Tragfedern bis uͤber die Schenkel hinab, in einem breiten Streifen, braunſchwarz und weißlich gewoͤlkt; die Gegend um den After grau, an den Schenkeln und Schwanze weißlich mit i braun⸗ ſchwarzen Federſpitzen. Ein zuverläffiger äußerer Geſchlechtsunterſchied iſt nur zu be⸗ merken, wenn man mehrere Exemplare beiſammen hat, wo ſich dann zeigt, daß die Maͤnnchen etwas groͤßer ſind als die Weibchen, jene auch an den obern Theilen eine dunklere Faͤrbung, am An⸗ fange der Kropfgegend einen leichten roſtgelblichen Anflug, und an den Schlaͤfen eine bemerklichere Andeutung jenes roſtfarbigen Strei⸗ fens haben. Das Winterkleid alter Voͤgel kennen wir bloß nach ei⸗ nem aus Nordamerika erhaltenen Stuͤcke. Es unterſcheidet ſich vom vorher beſchriebenen durch die lebhaftere Faͤrbung des Schna⸗ bels und etwas dickere Kopfbefiederung, durch einen lichtgrauen Streif dicht uͤber den dunkelrothen nackten Zuͤgeln, durch das ganz reine und weiter verbreitete Weiß der Kopfſeiten und Kehle, das tief am Halſe herabreicht, durch den viel blaſſern roͤthlichgrauen An⸗ flug an dem untern Vorderhalſe und endlich durch die ziemlich deut⸗ lichen aſchgrauen Federkanten auf dem Oberruͤcken und Schultern, woſelbſt das Gefieder auch eine dunklere Grundfarbe und mehr Glanz hat. — Was man oft dafür gehalten haben mag, ſcheint das oben beſchriebene geweſen zu ſein, wovon wir Exemplare be⸗ ſaßen, an welchen, weil die Herbſtmauſer noch nicht beendet, es noch 8) Dieſe Flügelzeichnung wird darum fo genau e, weil ſie zum Unter⸗ ſcheiden dieſer Art und der nächſtfolgenden, welche nur elf dunkel gefärbte Federn vorn im Flügel hat, indem ſchon die erſte zweiter Ordnung weiß iſt, weſentlich beiträgt. Auch das mehr oder weniger Weiß an den Wurzeln der Innenfahnen der Schwingen erſter Ordnung iſt zum Erkennen der einen oder der andern wichtig. 746 XIII. Orbn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. mit vielen Federn des fruͤhern Jugendkleides vermiſcht war, ſo daß es unbedingt das erſte Winterkleid des Vogels ſein mußte. | In feinem vollendeten Hochzeitskleide, im Fruͤhlinge, iſt das alte Maͤnnchen dieſer Art ein praͤchtiges Geſchoͤpf und der Schoͤnſte unter den bis jetzt bekannten Lappentauchern. Dies wird der alte Vogel vorzuͤglich durch ſeinen ausgezeichneten Kopfputz, welcher dem des großen Lappen tauchers der Geſtalt nach aͤh⸗ nelt, aber verhaͤltnißmaͤßig von viel größerem Umfange iſt. Die ſehr verlaͤngerten Federn an den Seiten des Oberkopfes, hinter den Augen anfangend, bilden naͤmlich neben dem Genick jederſeits einen abgeſonderten, am Ende abgeſtutzten Federbuͤſchel, ſo daß der Vogel ein aus langen, zarten Federn beſtehendes Hoͤrnerpaar zu tragen ſcheint, das nach hinten gerichtet iſt; unter demſelben verlaͤngern ſich ferner die Federn an den Kopfſeiten nach und nach ſo, daß ſie vom Genick abwaͤrts um den ganzen Kopf bis zur Kehle einen großen, dicken, zirkelrund abgeſtutzten, auf der Gurgel aber deutlich geſpaltenen Backenkragen bilden, welcher den Anfang des Halſes bedeckt, wenn er niedergelegt wird. Dieſe Federn haben ſehr lange, feine Strahlen ohne Zuſammenhang unter einander, die ſich ſeiden⸗ weich anfuͤhlen laſſen, und die laͤngſten unter und hinter den Oh: ren ſind uͤber 1 Zoll lang. Der Vogel kann durch Anſchmiegen des Gefieders weder den Kragen noch die beiden Hörner ganz verber⸗ gen. — Der Oberkopf bis auf das Genick, nebſt dem obern Hin⸗ terhals, ſind mattſchwarz, erſterer mit einem ſchwachen gruͤnlichen Seidenglanz, an der Stirn ſtark mit Grau uͤberlaufen, das ſeit— waͤrts in Roſtfarbe uͤbergeht, welche den nackten hochrothen Zuͤgel— ſtreif zu beiden Seiten ſchmal einfaßt; uͤber und hinter dem Auge beginnt ein anfaͤnglich ſchmaler, nach und nach breiter werdender und neben dem Genick ſich ziemlich ausbreitender Streif von hoher Roſtfarbe, an den Federſpitzen in lebhaftes roͤthliches Roſtgelb über: gehend. Dieſer Streif, welcher ſtets breiter und ſchaͤrfer von den ſchwarzen Umgebungen getrennt als bei der folgenden Art, bedeckt indeſſen nur die Auſſenſeite der beiden Federbuͤſche, aber vollkom— men, waͤhrend ihre innere Seite, ſoweit ſie vom Kopfe abſtehen, meiſtens ſchwarz iſt. Der ganze ſchoͤne Backenkragen iſt matt— ſchwarz, am dunkelſten gegen ſeinen Rand, dem Schnabel naͤher und am Kinn aber etwas grau uͤberlaufen; von ihm abwärts find Gur⸗ gel und Halsſeiten bis auf den Kropf, und von hier in einem breis ten Bande an den Seiten des Unterkoͤrpers bis auf die Unterſchen⸗ kel herablaufend, ſchoͤn dunkelroſtroth, unter den Tragfedern mit ein⸗ [2 . XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. 747 zelnen dunkelgrauen Federn vermiſcht; als ſchoͤne Einfaſſung, oben und an den Seiten entlang, begrenzt dieſe Farbe, welche man auch kupferroth nennen koͤnnte, das fleckenlos den ganzen Unterkoͤrper ein⸗ nehmende Silberweiß, von außerordentlicher Schoͤnheit und mehr als ſeidenartigem Glanze; Schenkel und After weiß, grau und roſt⸗ roth gemiſcht. Ein ſchmaler, laͤngs dem Hinterhalſe herablaufender Streif, ſo wie alle obern Theile des Rumpfes, nebſt den Fluͤgel⸗ deckfedern, ſind matt braunſchwarz, auf dem Ruͤcken und Schultern mit lichtern Federraͤndern, die an den Federſpitzen ins Weißbraͤunli⸗ che uͤbergehen, ohne ſcharfe Begrenzung der Grundfarbe; die Fluͤgel mit großem weißen Spiegel, im Uebrigen, auch auf der untern Seite, wie im oben beſchriebenen Winterkleide. Das Feuer des Augenſterns, die lebhafte Zeichnung und Farben des Schnabels und der Fuͤße erhoͤhen die Schoͤnheit dieſes Vogels ſehr. Das gleich alte Weibchen unterſcheidet ſich wenig von ſeinem Maͤnnchenz es iſt unbedeutend kleiner oder ſchmaͤchtiger, ſein Kopf⸗ putz kaum kuͤrzer oder von geringerem Umfange und deſſen Faͤrbung etwas matter; dies wenn es, wie ſein oben beſchriebenes Maͤnn⸗ chen, wenigſtens 2 Jahr alt iſt, wo es ſich aber vom einjaͤhri⸗ gen Maͤnnchen aͤußerlich nicht unterſcheidet, deſſen Weibchen in demſelben Verhaͤltniß von ihm verſchieden iſt. Dieſe Art geht, wie andere Lappentaucher, durch eine alle Jahr zwei Mal wiederkehrende Mauſer zuerſt aus dem Jugend⸗ kleide in das erſte Winterkleid, dann aus dieſem im Fruͤhjahr in das Hochzeitskleid, auch Sommerkleid genannt, uͤber, wechſelt alſo fein Gefieder im Herbſt und dann wieder im Früh: linge. Im Laufe des Sommers werden die Farben des hochzeit⸗ lichen Kleides nur wenig bleicher und dies wird nur kurz vor der Herbſtmauſer etwas bemerkbarer. Die jungen Voͤgel mauſern im September und man erhaͤlt oft tief im October noch welche, deren Federwechſel noch nicht vollſtaͤndig beendigt iſt. Der Fruͤhlingsfe⸗ derwechſel findet waͤhrend ihrer Abweſenheit, in waͤrmern Laͤndern Statt. Aufenthalt. Dieſer Lappentaucher gehoͤrt dem nordweſtlichen Europa und noͤrdlichen Amerika, vom obern Cana da bis Florida, an; wie weit er im Norden unſeres Erdtheils von Island aus nach Oſten zu vorkomme, iſt unbekannt, ebenſo ob die im Norden von Aſien 748 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. lebenden zu dieſer oder der folgenden, ihr ſehr aͤhnlichen, Art gehoͤ⸗ ren, wenigſtens noch ungewiß. Man weiß mit Beſtimmtheit, daß er auf Island mehr oder häufiger in dem ſuͤdlichen als in andern Theilen der Inſel vorkoͤmmt, daß aber Bo ie nicht dieſe, fondern allein die folgende Art im obern Norwegen antraf. In Schott⸗ land und ſelbſt in England koͤmmt er gar nicht ſelten vor, ſehr ſelten aber in Holland und Frankreich; aber ſelbſt in Ober⸗ italien und Toskana, anch in Slavonien ſoll er angetroffen worden ſein. Auf den Seen der Schweiz, auch auf dem Rhein und Main zeigt er ſich oͤfterer auf dem Durchzuge, als dies wol in den meiften Gegenden Deutſchlands der Fall iſt, wo er al: lendhalben unter die ſeltnen Voͤgel gehoͤrt; doch iſt von der Lau: ſitz das Gegentheil geſagt worden. — Uiberall auf dem europaͤi⸗ ſchen Feſtlande koͤmmt dieſe Art ſchon im Jugend- und Herbſtkleide ſelten genug, aber noch bei Weitem ſeltner als alter Vogel im Früh: lingskleide vor. Auch in unſerm Anhalt iſt dies ſo; wir haben in einem Zeitraum von mehr als 40 Jahren nur einzelne Herbſtvoͤgel und ein Mal, am 23. Auguſt 1824, drei junge Voͤgel, in dieſen langen Jahren aber bloß, im Der 1815, drei Alte im fchönften Fruͤhlingsſchmuck erlegt. Er iſt Zugvogel. Die im Steher auf Island lebenden verlaſſen alle die Inſel, wenn manche auch erſt im November oder gar im Dezember; ſie erſcheinen dann wieder um die Mitte des April auf dem Meere in der Naͤhe jener Inſel und gegen Ende dieſes Monats auf den Teichen mit ſuͤßem Waſſer unfern den Kuͤ⸗ ſten, wo ſie den Sommer uͤber bis in den Spaͤtherbſt ihren Au⸗ fenthalt haben. Eben fo erſcheinen die in Nordamerika wohnen: den im Mai an der Hudſonsbai, verlaſſen dieſe Gegenden erſt im Spaͤtherbſt wieder, wo ſie bei Neuyork im November ankom⸗ men, aber meiſtens noch ſuͤdlicher uͤberwintern. Daß dieſe Art auch den Sommer uͤber einige Gegenden Deutſchlands, wie man ſagt (Siehe: Neumann, Uiberſ. d. Lauſitzſchen Voͤgel, S. 131.) na⸗ mentlich die Lauſitz bewohne, duͤnkt uns nicht unwahrſcheinlich, weil wir, wie ſchon beruͤhrt, in der letzten Haͤlfte des Auguſt junge Voͤgel in hieſiger Gegend erlegten, die zwar voͤllig flugbar, aber doch noch viel zu jung waren, als daß man berechtigt geweſen waͤre, zu glauben, ihre Geburtsgegend muͤſſe weit uͤber Deutſchlands Grenzen hinaus liegen; aus Island oder nur Schottland mod): ten dieſe ſchwerlich ſtammen. — Ihre Wanderungen macht auch dieſe Art in Geſellſchaften, wenn auch kleinen; denn es iſt, wenig⸗ * XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. 749 ſtens in hieſigen Gegenden, ſchon etwas auſſerordentlich Seltenes 3 bis 5 Individuen beiſammen zu ſehen. Die Reiſenden erheben ſich Abends im Zwielicht von dem Gewaͤſſer, worauf ſie am Tage ver⸗ weilten, hoch in die Luͤfte, ſetzen ſo die Reiſe nur die Nacht hin⸗ durch fort und laſſen ſich mit dem daͤmmernden Morgen erſt wie⸗ der an einem Orte nieder, wo ſie die Tagszeit zubringen wollen. Nicht auf der Mitte großer Landſeen, ſondern mehr an den mit Rohr, Schilf und andern Waſſerpflanzen beſetzten Raͤndern der⸗ ſelben, oder noch oͤfterer auf kleinern Teichen in der Naͤhe jener, auf einem mehr von Buͤſchen jener Pflanzen unterbrochenen Waf- ſerſpiegel, in den ſtillen Winkeln der Fluͤſſe, wo jene nicht fehlen, auch auf kleinern Teichen und den freien, waſſerreichen und tiefern Stellen in unſern Bruͤchern, trifft man bei uns zuweilen dieſe ſeltne Art an. Hin und wieder haben wir junge Vögel auf dem Zuge auch an denſelben Orten angetroffen, welche den Som- mer uͤber von Ohrentauchern (C. auritus) bewohnt wurden, wel⸗ che fie aber nicht unter ſich leiden wollten und unaufhoͤrlich mit ih⸗ nen neckten, wobei wir beide Arten erlegten. Dies gab Veranlaſ— fung, daß wir in den fruͤhern Jahren unſres Sammelns (f. die erſte Ausgabe d. W. III. S. 452 — 53.) die Fortpflanzungsge⸗ ſchichte beider Arten miteinander verwechſelten, viel ſpaͤter aber un⸗ ſern Irrthum einſahen und durch fortgeſetztes eifriges Forſchen uns uͤberzeugten, daß auf allen Gewaͤſſern hieſiger Gegenden hin und wieder nur die genannte Art, aber kein C. cornutus den Sommer uͤber und um zu niſten da bleibt. Wir trafen dieſe Art in der Zugzeit einige Mal ſogar auf mit⸗ ten in Doͤrfern liegenden, freilich nicht ganz kleinen Teichen an, wo ſie ſich vor den dann und wann dicht an den Ufern hinwandelnden Menſchen gar nicht zu fuͤrchten ſchienen. Eigenſchaften. Der alte gehoͤrnte Lappentaucher in ſeinem Fruͤhlingsſchmuck iſt einer der ſchoͤnſten, wo nicht der ſchoͤnſte dieſer Gattung. Sein eigenthuͤmlicher Kopfputz beſteht aus ſo langen und dichten Federn, daß auch dann, wenn er ihn, wie in aͤngſtlicher Stellung, glatt an⸗ legt, ſeine Federhoͤrner und der dicke Backenkragen immer ſichtbar bleiben; ſtraͤubt er ihn aber nach Gelegenbeit auf, dann wird der Kopf faſt unfoͤrmlich dick, die beiden Federbuͤſchel treten in die Hoͤhe, 750 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. und der Kragen breitet ſich radfoͤrmig um den Kopf herum aus. Selbſt in der Ferne faͤllt ſchon die Größe dieſes Kopfputzes auf, fo daß er darin leicht von andern Lappentauchern zu unterſcheiden iſt. Die jungen und Herbſt-Voͤgel unterſcheiden ſich indeſſen nur an einem freiern Betragen von andern kleinen Arten, welche weit mehr verſteckt leben und ſich bei naͤhernder Gefahr ſogleich unter den Schutz der Waſſerpflanzen zuruͤckziehen, waͤhrend jene auf dem Freien den Ausgang abwarten. Er iſt im Gange und den übrigen Stellungen, auch im Fluge, den naheverwandten Arten ganz aͤhnlich, fliegt aber viel lieber als andere, und wenn dieſe durch wiederholtes und langes Untertauchen ſich ungeſehen an einen weniger freien Ort begeben und auf dieſe Weiſe oft wie verſchwunden ſcheinen, fo ſchwimmt gegenwärtige Art mit langem Halſe und taucht ſelten, und wenn ſie es thut, ſo iſt es nur von kurzer Dauer und ſie erſcheinet ſehr bald wieder auf der Oberflaͤche; gewoͤhnlich fliegt ſie aber, ohne vorher getaucht zu haben, ſogleich auf und ein Stuͤck weg oder auch ganz fort. Dieſe auffallende Verſchiedenheit im Betragen machte uns wenigſtens dieſe Art immer ſchon von Weitem kenntlich. Von allen Arten iſt er am wenigſten ſcheu oder furchtſam, taucht ſelten bei einem Fehlſchuſſe, ſondern fliegt dann auf, aber gewoͤhnlich nicht weit, ohne nachher viel vorſichtiger geworden zu ſein. Von der Fertigkeit im Tauchen, welche ſonſt, als man noch Flintenſchloͤſſer mit Feuerſteinen hatte, die uͤbrigen Arten gewoͤhnlich rettete, geht ihm viel ab, was wol bloß einer augenblicklichen Un⸗ entſchloſſenheit zuzuſchreiben ſeyn moͤchte, da man ſonſt nicht be. merkt, daß er ſich beim Tauchen ſchwerfaͤlliger benehme, als die uͤbrigen. Wenn er ſchwimmt nickt er, wie dieſe, bei jedem Ruder⸗ ſchlage mit dem Kopfe. Er zeigt viel Anhaͤnglichkeit zu ſeines Gleichen und wenn von einer kleinen Geſellſchaft ein Individuum getoͤdtet wird, bleiben die uͤbrigen dabei und beſehen es, oder fliegen doch nicht weit weg. Bei gepaarten Paͤaͤrchen ſoll dies zuweilen ruͤhrende Scenen geben, der uͤbrig gebliebene Gatte um den erſchoſſenen herumſchwimmen, ihn leiſe mit dem Schnabel anſtoßen, als wolle er ihn ermuntern, wieder aufzuſtehen u. ſ. w. Seine Stimme haben wir nicht gehoͤrt. Nach Faber, welcher fie an den Bruͤteorten beobachtete, treibt oft das Männchen fein Weibchen mit aufgebläheten Halskragen und Federhoͤrnern vor XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. 751 ſich her und läßt dazu „einen zärtlich knurr enden, zitternden, zuweilen beinahe gackernden Laut“ hoͤren. Nahrung. Dieſe beſteht nicht, wie man behauptet hat, bloß aus zarten Waſſerpflanzen, namentlich Conferven, ſondern auch aus Waſſerin⸗ ſekten. Es bleibt daher, nach unſerer Anſicht, immer noch unent⸗ ſchieden, ob dieſe oder jene die Hauptnahrung ausmachen, oder ob die Pflanzentheilchen bloß zufaͤllig beim Fangen der Inſekten, wenn ſich dieſe in jenen der Verfolgung entziehen wollen, mit erſchnappt und verſchluckt werden; denn wir ſahen ihn auch auf dem Waſſer⸗ ſpiegel nach, wie es ſchien, lebenden Geſchoͤpfen picken. Oft findet man, wie auch bei andern Arten, den Magen, bis auf wenige gruͤne Pflanzenfaſern und die eignen Federn, leer; allein ein Mal war er bei drei von uns zuſammen angetroffenen und erlegten, auf dem Durchzuge begriffenen jungen Voͤgeln ganz vollgepfropft von klaren, gruͤnen, confervenaͤhnlichen Pflanzentheilen, mit einer großen Menge Fluͤgeldecken und Gebeinen von Gyrinen und kleinen Dyticus: Ar: ten vermiſcht, unter denen ſich bei dem einen auch eine noch unver⸗ ſehrte, lange, ſpitzige, weißgelbe Larve befand, die vielleicht einer Ti- pula= Art angehört und in moraſtigen Gewaͤſſern bei uns gemein iſt. Dieſes Alles war mit einer großen Menge eigener Federn ver⸗ mengt, die ganze Klumpen bildeten und jenes knotenartig ein⸗ wickelten. ? Er taucht nach dieſen Nahrungsmitteln beftändig unter und holt wenigſtens die meiſten aus der Tiefe herauf; er verſchluckt ſie, ſobald der Kopf wieder uͤber dem Waſſerſpiegel erſcheint. Hierin, wie auch in der Gewohnheit, ſich die eigenen Federn auszuzupfen und als die Verdauung befördern ſollendes Mittel zu verſchlucken, kommt er ganz mit andern Lappentauchern uͤberein. Fortpflanzung. Der gehoͤrnte Lappentaucher ſoll ſich auch auf einigen Teichen in der Lauſitz fortpflanzen. Noch eher moͤchte man ſolches von Mecklenburg erwarten, wo er jedoch von dortigen fleißigen Be: obachtern auch nur als ſelten vorkommender Zugvogel angezeigt wird. Mit Beſtimmtheit ſind die Laͤnder ſeines Sommeraufenthaltes 752 XII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehoͤrnter Lappent. und feiner Fortpflanzung das oͤſtliche obere Nordamerika, Groͤn⸗ land und Island. Die Reiſenden auf letzterm Lande berichten einſtimmig, daß er dort theils auf Suͤßwaſſerteichen, theils an ſeich⸗ ten, moraſtigen Flußufern, bald naͤher, bald entfernter von der Kuͤ⸗ ſte, niſte und, wie der Analogie nach zu vermuthen war, im Neſt⸗ bau, Form und Farbe der Eier, nebſt den Brutgeſchaͤften und Er⸗ ziehen der Jungen ganz den uͤbrigen Arten dieſer Gattung aͤhnele. Der Neſtbau beginnt in der zweiten Haͤlfte des Mai und der Ort des Neſtes iſt entweder ein duͤnner, dicht am Waſſerrande be⸗ findlicher und vom Waſſer zum großen Theil umſpuͤlter Grasbuſch, oder gewoͤhnlich ein von jenem entfernter, aus wenigen uͤber dem Waſſerſpiegel hervorragenden Pflanzen be⸗ ſtehender, welcher nur das Fortſchwaͤmmen des ſchwimmenden Neſtes verhuͤtet. Dieſes wird aus halbvermoderten und friſchen Waſſerpflanzen, namentlich Hippuris, Potamogeton u. a., bereitet, und iſt im letztern Falle ein mehrere Zoll dicker, gut in einander geflochtener, naſſer Klumpen, im erſtern Falle oft nur eine ſchwache Lage von modernden Pflanzen und auch ſtets naß. Meiſtens erſt im Anfange des Juni findet man in der in der Mitte dieſes wunderli— chen Neſtes angebrachten, geringen Vertiefung, auch ſtets im Naf: ſen liegend, ſeine 4 bis 5, ſelten 6 Eier, die bis auf die etwas ge⸗ ringere Groͤße, in Form, Farbe und uͤbriger Beſchaffenheit denen der vorigen Art voͤllig gleichen. Dieſe Eier ſind, naͤmlich nach de⸗ nen, welche ich durch Faber als zuverlaͤſſig erhielt, 1 Zoll 8 bis 10 Linien lang und 13 bis 14½ Linien breit, ſehr laͤnglich, die groͤßte Breite beinahe im Mittel der Laͤnge, das eine Ende nur et⸗ was ſchwaͤcher zugerundet als das andere; die Schale von feinem Korn, einfarbig gruͤnlichweiß, ohne Glanz, bald aber vom Schmutz des Neſtes olivenbraͤunlich überzogen und dauernd beſchmutzt; in- wendig, gegen das Licht gehalten, lebhaft hellgruͤn. Von denen der folgenden Art ſind ſie kaum zu unterſcheiden. Das Bruͤten, wie die Erziehung der im Dunenkleide ebenfalls hell⸗ und dunkelfarbig geſtreiften, am Bauche weißen Jungen iſt, nach Verſicherung der Herren Faber und Thienemann, ganz wie bei den uͤbrigen Arten. Feinde. Die Alten haben auf dem Waſſer ein ſicheres Mittel, den Raubvoͤgeln zu entgehen, naͤmlich das ſchnelle Untertauchen, werden * XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehö rnter Lappent. 753 manchen aber im Fluge deſto leichter zur Beute. Den Eiern gehen die Raben ſehr nach. Jagd. Dieſer Lappentaucher iſt unter allen Arten ſeiner Gattung am leichteſten zu erlegen, weil er ſelten auf ſehr breitem Waſſer, ge: woͤhnlicher nicht ſehr weit vom Rande ſchwimmt, oder auch auf kleinen Gewaͤſſern angetroffen wird und die Annäherung des Schü: tzen auch ohne Hinterhalt in Schußnaͤhe aushaͤlt. Er iſt ſogleich von Weitem zu erkennen, weil er nicht wie andere kleine Arten beim Herannahen eines Menſchen ſogleich untertaucht und ſich unter dem Waſſer nach dem Schilfe zieht oder ſonſt zu verbergen ſucht, ſon⸗ dern frei ſchwimmend auf der Flaͤche bleibt, bei groͤßerer Annaͤhe⸗ rung den Hals empor gereckt traͤgt, hierauf aber gewoͤhnlich, nach einigem Drehen hin und her, auf und davon fliegt, wobei man in- deſſen meiſtens nahe genug iſt, um ihn im Fluge herabſchießen zu koͤnnen, wenn man es, eingedenk der Tauchfertigkeit der andern Ar: ten, nicht wagte, im Sitzen das Gewehr auf ihn abzudruͤcken. Dies zu thun, braucht man jedoch bei den jetzigen Percuſſionsſchloͤſſern kein Bedenken zu tragen, da wir ſelbſt früher die Erfahrung mach⸗ ten, daß er auch bei den alten Feuerſteinſchloͤſſern nicht, wie die an⸗ dern Lappentaucher, beim Blitzen der Pfanne ſo ſchnell unterzutau— 4 chen vermochte, als daß ihn nicht noch der Schuß erreicht haͤtte. Im Mai des Jahres 1815 kam mein mittler Bruder an einem ziemlich anſehnlichen Teiche mitten in einem Dorfe, nicht weit von hier, vorüber und bemerkte auf jenem drei Lappentaucher, die er ſo— gleich fuͤr eine ihm noch unbekannte Art hielt. Er ſuchte ſich ſchnell ein Gewehr zu verſchaffen; es war jedoch im Dorfe kein anderes als ein franzoͤſiſcher Militaͤr⸗Karabiner und zur Ladung ein tuͤchti⸗ ger Schuß ſehr groben Hagels zu haben; er war jedoch, freilich bei einer gewaltigen Schießfertigkeit und Bekanntſchaft mit ſolchen Din: gen, ſo gluͤcklich, den Zeitpunkt ſo abzupaſſen, daß er alle drei Tau⸗ cher mit dem einen Schuſſe erlegte und wir ſomit drei herrliche alte Fruͤhlingsvoͤgel dieſer Art, ein Männchen und zwei Weibchen, beka⸗ men. — Spaͤter, im Auguſt 1823, traf derſelbe auf einem tiefen Fuhrt durch eins unſerer Bruͤcher die oben erwaͤhnten drei jungen Voͤgel an, von denen er mit dem einen Rohr der Doppelflinte zwei Stuͤck im Sitzen und das dritte mit dem andern Rohr im Auflie⸗ gen erlegte. 9. Theil. 48 754 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 274. Gehörnter Lappent. Gefangen wird er, wie andere Arten, zuweilen zufaͤllig in nach Fiſchen unter dem Waſſer aufgeſtellten Netzen, beſonders in den in ruhigen, tiefen Gewaͤſſern ſehr gebraͤuchlichen ſogenannten Klebegar⸗ nen. Auf dem Neſte wuͤrde man ihn 10 in Schlingen fangen koͤnnen. | Nutz en. Er iſt gewoͤhnlich außerordentlich fett und dieſes goldgelbe Fett ſehr leichtfluͤſſig, mit einem thranichten Geruch, welches auch dem Fleiſche anhaͤngt und dieſes faſt ungenießbar macht. Seine pelzartige, glaͤnzendweiße und fleckenloſe Bruſthaut gibt ein noch weit ſchoͤneres Pelzwerk, zu Muͤffen, Kragen u. dergl., als die des großen Lappentauchers, weil die Federn ein noch weit reineres und helleres 10 mit Perlenglanz haben. Schaden. Sollte er wirklich, wie nicht unwahrſcheinlich, bisweilen auch ganz junge Fiſchbrut fangen und verzehren, ſo koͤmmt dieſes doch gewiß fo ſelten vor, daß es ihn durchaus nicht zu einem ſchaͤdlichen Vo: gel ſtempelt. f 279. Der arctiſche Lappentaucher. Colymbus arelicus. N. 11 1 Bunde | im Sommerkleide. Fig. 3. Weibchen im Uibergang zum Winterkleide. Fig. 4. Maͤnnchen im erſten Winterkleide. Taf. 245. Arctiſcher Steißfuß, nordiſcher Steißfuß, arctifcher —, nordi⸗ ſcher Taucher. Jung: Dunkelbrauner —, ſchwarzbrauner Steiß⸗ fuß; dunkelbrauner —, ſchwarzbrauner Taucher. Podiceps arctizus. Boie, Tagebuch einer Reife durch Norwegen, ©. 97. 308 u, 337. Faber, Prodrom. d. Isländiſchen Ornith. (irrtbümlich als P. auri- tus.) — Thienemann, Reife im Norden, S. 246. Taf. III. — Brehm, Lehrb. II. S. 872. - Deſſen Naturg, aller Vög. Deutſchl. S. 961. - Thienemann, Fortpfl. d. V. Europa's. V. Abth. S. 6. u. 325. — €. v. Homeyer, Vög. Pont merns. S. 79 —= Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 450. Taf. LXXI. Sig. 109. Sugendfleid. Horned Grebe. Lath. Syn. V. p. 287, t. 9. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 255. n. 6. Taf. 97. Die Abbildung ohne Zweifel bierber gehörig. Anmerk. Das Jugend- und Herbſtkleid dieſer Art iſt unter Colymbus 6. Podiceps obscurus eben fo oft beſchrieben worden, als das von C. cornutus, Kennzeichen der Art. Die erſten Schwingfedern zweiter Ordnung mehr weiß als ſchwarzgrau; alter Vogel: Kopfſeiten und Hinterkopf buſchicht be⸗ 48 * \ 756 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. fiedert, ohne deutlich abgeſonderte Federbuͤſchel; durch das Auge bis an das Genick ein ſchmaler roſtfarbiger Streif; junger Vogel: Mit glattem Kopf, gelblichweißer Kehle und Kopfſeiten. Beſchreibung. Dieſe Art iſt der vorhergehenden durchaus ſo aͤhnlich, daß ſich an ausgeſtopften Exemplaren kaum feſte Unterſcheidungszeichen auf⸗ finden laſſen. Wir muͤſſen daher denen vertrauen, welche beide Ar⸗ ten im Leben, beim Aufenthalt, Betragen, bei der Fortpflanzung u. ſ. w. beobachten konnten und da Verſchiedenheiten fanden, welche fie be: wogen, dieſe hochnordiſchen Voͤgel in zwei Arten zu trennen. Es hat zwar den Anſchein, als ſei C. arcticus ſtets etwas kleiner als C. cornutus; vergleicht man aber wieder die Ausmeſſungen beider, ſo ſchwindet viel von jenem Schein. Auffallender mag er vielleicht am lebenden Vogel ſeyn, weil Faber anfaͤnglich den erſtern ſogleich fuͤr eine unbedingt eigene Art, aber irrthuͤmlich fuͤr den eigentlichen C. auritus hielt (ſ. deſſen Prodromus, S. 62 bis 63), welcher aber nach neuern Nachrichten wol kaum auf Island vorkommt; denn die Hunderte, welche den See Myvatn auf Island be⸗ wohnen, gehoͤren nach Hrn. Dr. Thienemann's Verſicherung alle der von Fr. Boie Podiceps arcticus benannten und hier vorliegen- den Art an. Gewoͤhnlich giebt man Folgendes als unterſcheidend an: I) Sei C. arcticus *) ſtets etwas kleiner; 2) ſei fein Schnabel ſtets etwas hoͤher, am Ende etwas ſchneller zugeſpitzt, beſonders vom letzten Drittheil des Kiels an, daher die Spitze weniger ſchlank! 3) das Gefieder am Kopfe ſei im Alter und in der Fortpflanzungszeit zwar bedeutend verlängert und dick, bilde aber nie zwei abgeſonderte Fe— derbuͤſchel, auch nie einen fo dicken Backenkragen; 4) habe er eine weiße Schwingfeder mehr in jedem Fluͤgel, als der ihm uͤbrigens ganz aͤhnliche C. cornutus. — Auch die jungen Voͤgel ſollen ſich durch den hoͤhern, ſtumpfer zugeſpitzten, daher kuͤrzer ausſehenden Schnabel von denen des C. cornutus unterſcheiden. f Von der folgenden Art, C. auritus, unterſcheidet er ſich durch die viel betraͤchtlichere Groͤße und den viel ſtaͤrkern und anders ge— ) Ja nicht mit Colymbus areticus, Linnéi (unſerm Eadytes aretieus, IIligeri) zu verwechſeln! XIII. Ordn. LXXVI. Gatt, 275. Arctiſcher Lappent. 757 bildeten Schnabel, welcher bei dieſem ſchwach und vor der Mitte ſtets etwas aufwaͤrts gebogen iſt, ſehr leicht. Er mißt von der Stirn bis an das Ende der die Stelle des Schwanzes erſetzenden haarartigen Federn, nach mehrern Ausgeſtopf— ten, 14½½ bis 143), Zoll, manche Exemplare auch wol 1 Zoll we: niger, in der Länge ); 23 bis 243), Zoll in der Breite von einer Fluͤgelſpitze zun andern; die Laͤnge des Flügels von der Handwur— zel bis zur Spitze 61½ Zoll. So die aͤlteſten Individuen, während die Maaße juͤngerer, wie bei voriger Art, oft bedeutend geringer ausfallen, und junge, nur eben flugbare, kaum 11 Zoll in der Länge und 20¼ Zoll in der Breite meſſen. Das Gefieder iſt ganz ſo wie bei den uͤbrigen Lappentauchern, namentlich der vorigen Art, und der Unterkoͤrper iſt von einem eben fo reinen ſilber⸗ oder vielmehr atlaßartig glänzenden Weiß, wie bei dieſer, worin beide ſelbſt die große Art, C. cristatus, uͤbertreffen. Der Schnabel iſt von einem ſtaͤrkern und weniger ſchlanken Ausſehen, obgleich ebenfalls ſehr zuſammengedruͤckt, der Firſte nach ganz ſanft und nur wenig gebogen, dem Kiel nach, ſo weit die Ga⸗ belſpalte reicht, d. i. auf zwei Drittheile ſeiner Laͤnge, ganz gerade, dann in einem ſehr ſtumpfen und wenig auffallenden Winkel und in einer nicht ganz geraden, eher etwas bauchigten Linie in die Spitze aufſteigend, die von oben und unten kuͤrzer endet, als bei alten Vögeln der vorigen Art. Dieſe ſubtilen Verſchiedenheiten lie⸗ gen jedoch außer den Grenzen der Meſſung nach Zoll und Linien; nur ein ſehr geuͤbtes Augenmaaß wird ſie dann erkennen, wenn man mehrere Individuen von beiden Arten gegen einander verglei⸗ chen kann, zumal genau genommen dieſe Schnabelform auch indi⸗ viduell etwas variirt und Exemplare beider vorkommen, deren Schnaͤbel ſich ganz erſtaunend aͤhneln, ſo daß ein, an ſolche Dinge nicht gewoͤhnter Blick kaum einen Unterſchied finden moͤchte. — Die Schneiden ſind gerade und ſehr ſcharf; der Mundwinkel etwas tief geſpalten und mit einem breiten nackten Rande umgeben, an wel⸗ chen ſich der nackte, ſchmale Zuͤgelſtreif anſchließt. Das laͤnglich⸗ runde, durchſichtige Naſenloch liegt 1½ Linien von der Stirn in einer laͤnglichen Vertiefung, aus welcher vorn einige ſchwache An⸗ ) F. Boie giebt in ſeiner norwegiſchen Reife, S. 337. die Länge, den Schnabel mit gemeſſen, nur zu 11 Zoll 10 Linien pariſer Maaß an, wobei er, wenn nicht ein Druckfehler Schuld iſt, ein ſehr kleines e zur Hand gehabt haben müßte, — - 758 XI. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. deutungen vertiefter Linien ſich zeigen, die fich ſanft gegen die Schna⸗ belſchneide ſenken. Dieſe fehlen bei jungen Voͤgeln meiſtens, wie denn auch der ganze Schnabel etwas kuͤrzer ausſieht und durch feine ſtumpfere Spitze fi) von den ſchlanker zugeſpitzten der vori— gen Art unterſcheidet. 5 Der Schnabel alter Vögel iſt 11 bis 11½ Linien, bei jun: gen Herbſtvoͤgeln nur 9 Linien lang, bei jenen an der Wurzel etwas tiber 4½, doch nicht volle 5 Linien hoch und 3 bis 3½ Li: nien breit. Auch eine Vergleichung dieſer Maaße, die nach meh: reren alten, aus Island gekommenen Individuen mit moͤglich⸗ ſter Genauigkeit genommen, wird gegen die der vorigen Art nur unbedeutende Verſchiedenheiten zeigen. | Die Farben des Schnabels werden im friſchen Zuſtande wie folgt angegeben: Hauptfarbe glänzend braunſchwarz, die Spitze I bis 1½ Linien lang ſchmutzig gelb, die Wurzel der Unterkinnlade, der Mundwinkel und der nackte Zuͤgelſtreif etwas lebhafter gelb, das an völlig ausgedoͤrrten Baͤlgen ein lichtes Horngelb und die Haupt⸗ farbe mehr braun wird. Wenn das Gelbe am Schnabel, vielleicht bei recht alten Voͤgeln ſtark ins Roͤthliche uͤbergehen ſollte, wie ein kuͤnſtlicher Anſtrich von wirklichem Roth an einigen von Dr. Thienemann aus Island mitgebrachten Exemplaren wol ver— muthen laͤßt, ſo waͤre hier wiederum eine große Aehnlichkeit in der Schnabelfaͤrbung der beiden kritiſchen Arten dargeſtellt. — Bei jun⸗ gen Herbſtvoͤgeln iſt er im friſchen Zuſtande ſchmutzigaſchblau, auf der Firſte entlang ſchwaͤrzlich, an der Wurzel der Unterkinnlade fleiſchfaͤrbig oder blaßroͤthlich, der ſchmaͤlere kahle Zuͤgelſtreif ſchwarz— roͤthlich; bei ausgeſtopften wird dieſes Alles ſchwaͤrzlich. ö Das kleine Auge hat in der Jugend einen lichtbraunen Stern, welcher nach und nach durch Rothbraun in Roth und an gegen ein Jahr alten Voͤgeln in ein gluͤhendes Roth uͤbergeht, eine Farbe, die bei noch Altern dem feinſten Karmin, im trocknen, ges pulverten Zuſtande, gleichkommt. Dazu iſt dieſes unvergleichliche Roth von der ſchwarzen Pupille durch einen feinen ſilberfarbigen Strich getrennt. Das Augenlidraͤndchen iſt nackt und von der Farbe des Zuͤgelſtreifs. Die Füße find denen der uͤbrigen Arten dieſer Gattung, in je der Hinſicht beſonders denen des gehoͤrnten Lappentauchers, ganz gleich geſtaltet; es bedarf daher keiner wiederholten Beſchreibung. Ich fand die Länge des Laufs bei mehrern alten Individuen zwi⸗ ſchen 1 Zoll 8 ½ Linien bis 1 Zoll 11 Linien verſchieden; die XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Aretiſcher Lappent. 759 Lange der aͤußern Zeh mit dem platten Nagel 2½ Zoll; die der Mittelzeh 2¼ Zoll; die der innern 1 Zoll 10 Linien; die der Hin⸗ terzeh kaum 6 Linien. Bei jungen Herbſtvoͤgeln find dieſe Maaße bedeutend geringer, der Lauf gewoͤhnlich etwas uͤber 1½ Zoll, die aͤußere Vorderzeh wenig abe 2 Zoll lang und fo im Verhaͤltniß die uͤbrigen. Die Farbe der Fuͤße iſt ebenfalls die naͤmliche wie bei der vor⸗ her beſchriebenen Art; die innere Flaͤche der Laͤufe und ihre vordere ſcharfe Kante weißgelb, die Außenſeite olivengruͤnlichſchwarz; die Zehen und Schwimmlappen auf ihrer obern Flaͤche ebenfalls weiß— gelb, erſtere an den Gelenken und letztere gegen die gruͤnlichen Raͤn⸗ der hin mehr oder weniger bleifarbig, ihre ganze Unterſeite ſchwarz; die Nägel mattſchwarz mit weißlicher Endkante. Bei erwachſenen jungen Voͤgeln ſind die hellen Farben, Weißgelb und Bleiblau, noch lichter und die Faͤrbung im Ganzen huͤbſcher. — Im Tode werden fie bei dieſen wie bei jenen bald dunkler und an ausgeſtopf— ten nehmen ſie eine haͤßliche olivenſchwarzbraune Farbe an und die hellern, olivengelblichen Flecken auf der Oberſeite der Schwimmlap⸗ pen, der Zehen und der Innenſeite der Läufe deuten die vorige Faͤrbung dieſer Theile kaum an. Das Dunenkleid der Jungen dieſer Art iſt ebenſo geſtreift, wie das anderer Arten; eine detaillirte e e deſſelben iſt je doch von niemand gegeben. Das erſte Herbſtkleid der jungen Voͤgel ſieht dem derer von der vorigen Art taͤuſchend aͤhnlich, und ſie unterſcheiden ſich oberflaͤchlich von dieſen nur durch den etwas hoͤheren, kuͤrzer zuge— ſpitzten, dem Kiel nach ſpitzewaͤrts etwas mehr aufſteigenden, im Ganzen kuͤrzer und ſtaͤrker ausſehenden Schnabel, welcher, nebſt den Fuͤßen und dem Augenſtern, wie oben angegeben, gefaͤrbt iſt. Kinn, Kehle, Wangen und Ohrgegend ſind gelblichweiß, das ſich in einer Spitze am Genick dem der andern Kopfſeite naͤhert, und die Federn an den Seiten etwas verlängert und dick; die Gurgel und Hals- ſeiten grau, braͤunlich gemiſcht oder beſpritzt; der Oberkopf bis un⸗ ter die Augen und Schlaͤfe, der Hinterhals in einem nach unten breiter werdenden Streifen, der ganze Ruͤcken, die Schultern, Fluͤ— geldeckſedern und hintern Schwingfedern tief ſchwarzbraun oder braunſchwarz, glaͤnzend, hin und wieder mit wenig lichtern Feder⸗ kanten; von den vorletzten Schwingfedern eine oder zwei auf der Innenfahne wurzelwaͤrts weiß, die folgende weiß, nur auf der Auſ— ſenfahne noch etwas ſchwarzbraun; alle uͤbrigen Schwingfedern zwei⸗ * 760 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. ie Lappent. ter Ordnung rein weiß, bis auf bis, zwei vorderen, von welchen ö die eine dicht vor der dreieckigen weißen Spitze ein braungraues Fleckchen, die vorderſte aber ein ſo gefaͤrbtes großes Ende und in dieſem nur noch an der Spitze ein kleines dreieckiges weißes Schaft⸗ fleckchen hat; die Schwingen erſter Ordnung, 11 an der Zahl, mit braunſchwarzen Schaͤften und von Auſſen matt ſchwarzbraun, auf den innern Fahnen noch matter, faſt braungrau, und bis auf 3 bis 5 der vorderſten an der Wurzel dieſer Fahnen weiß, das an den kuͤrzeſten oder letzten ſich ziemlich weit herabzieht; die Fittichdeckfe⸗ dern und die Daumenfedern matt ſchwarzbraun; der Fluͤgelrand ſchmal weiß, wie der ganze Unterfluͤgel, welcher nur an den Spitzen in grau uͤbergeht. Die Kropfgegend iſt weiß, fein ſchwaͤrzlich ge— ſtrichelt, meiſtens aber in der Mitte rein weiß; die Tragfedern weiß und braunſchwarz durch einander gewoͤlkt, ſo daß letzteres meiſt die Oberhand hat; die Gegend um den After grau; von hier an bis zum Kropfe der ganze Unterkoͤrper ſilberweiß, oder vielmehr glaͤn⸗ zend weiß, wie Atlaß oder ſonſt ſehr glaͤnzendes Gewebe von Sei— de, und ohne alle Flecke. Wie bei andern dieſer Gattung, beſteht der Schwanz nur aus einigen wenig verlaͤngerten zerſchliſſenen Fe⸗ dern, deren Haarſpitzen ſchwarz ausſehen. Einen aͤußern Geſchlechtsunterſchied findet man an dieſen jun⸗ gen Voͤgeln nicht. Das Winterkleid der Alten iſt von dem eben beſchriebenen der Jungen bedeutend verſchieden. Es aͤhnelt nach einem Uiber⸗ gangsſtuͤcke aus Island dem Sommerkleide ſehr. Der Kopf iſt viel dicker und länger befiedert als in jenem, doch bei weitem weni: ger als im Fruͤhjahr. Schnabel und Fuͤße haben eine kaum etwas bleichere Faͤrbung als damals; Stirn und Scheitel, Genick und Hinterhals find matt braunſchwarz, an erſterer am lichteſten und an deren Seiten in Roſtbraun uͤbergehend; von dem Auge durch die Schlaͤfe bis an das Genick zieht ein ſchmaler roſtfarbiger, durch braune Federſpitzchen verduͤſterter Streif; Kinn, Kehle und Kopf— ſeiten find maͤuſegrau, mit etwas dunklerer Farbe und weißen Fe: derſpitzchen gewoͤlkt; der Vorderhals ſehr bleich roſtfarbig; die Kropfgegend mit vielen weißlichroſtfarbigen und lichtgrauen Federn zwiſchen den roſtrothen (alten) Federn; alles Uibrige noch wie im Fruͤhlingskleide, aber mit abgebleichten Farben. Hinterwaͤrts in dem roſtfarbigen Streife an den Schlaͤfen ſtehen noch mehrere alte Fe: dern von jenem, die bedeutend länger, bleicher und an den haarar: tigen Spitzen weißlich roſtgelb ausſehen. Auch in den roſtrothen \ XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſch er Lappent. 761 Bruſtſeiten zeigen ſich viele neue ſchwarzbraune und graue Federn. Ich habe mich bewogen gefunden, eine Abbildung von dieſem in der Herbſtmauſer ſtehenden alten Vogel unter Fig. 3 auf unſrer Kupfertafel zu geben und hoffe mit Huͤlfe dieſer Beſchreibung den Farbenwechſel dadurch noch deutlicher dargeſtellt zu haben. Im hochzeitlichen Kleide, das er im Fruͤhling und Sommer traͤgt, iſt der arctiſche Lappentaucher ein recht ſchoͤner Vogel. Iſt er mehr als ein Jahr alt, ſo erſcheint, namentlich am Maͤnnchen, der Kopf ſehr dick, weil die Federn an den Seiten und dem Hintertheil deſſelben bedeutend verlaͤngert ſind, ohne jedoch ein Paar abgeſonderte Buͤſchel und einen abſtehenden Halskragen zu bilden, fo daß er hierin mehr dem C. auritus als dem C. cor- nutus aͤhnelt. Dies Gefieder iſt beſonders fein und ſeidenweich, mit einigem feiden= oder vielmehr haaraͤhnlichen Glanze. Die Stirn und der Scheitel ſind grauſchwarz, erſtere lichter und ins Braͤunliche ſpielend, an der Grenze des nackten Zuͤgels in Roſtbraun uͤberge— hend; über dem Auge und hinter demſelben fängt ein ¼ Zoll brei⸗ ter, nach hinten ſich jedoch mehr ausbreitender, ſchoͤn roſtfarbiger, an den Spitzen der laͤngern Federn in weißliches Roſtgelb uͤberge⸗ hender Streif an, welcher neben dem Genick endigt, doch bei man⸗ chen ſich auch noch etwas neben dem Nacken herabzieht; Gurgel und Halsſeiten ſind hochroſtroth, von beſonderer Schoͤnheit und ſammet⸗ weich anzufuͤhlen; an den Kropfſeiten zieht ſich dieſes Roſtroth, doch etwas dunkler, nach den Tragfedern herab und endet uͤber den Schenkeln als eine breite Einfaſſung des ungemein ſchoͤnen, glaͤn⸗ zenden Atlasweiß, welches auf dem ganzen Unterkoͤrper, ohne fremde Beimiſchung, herrſchend iſt. Das Roſtroth an den Seiten deſſel— ben iſt jedoch durch eingemiſchte braunſchwarze Federn mehr oder weniger verduͤſtert, bei manchen aber faſt ganz rein und dann ſehr ſchoͤn. An den obern Theilen bis auf das Schwanzrudiment hinab herrſcht ein tiefes Schwarzbraun oder Braunſchwarz, welches vom Genick ſchmal herab koͤmmt, aber bald breiter wird, und nur auf dem Mantel etwas lichtere Raͤnder an den Enden der Federn zeigt. Auch die Fluͤgeldeckfedern ſind braunſchwarz, uͤbrigens der Fluͤgel oben und unten wie im erſten Herbſtkleide, doch an den vor⸗ derſten und an den letzten der weißen Schwingfedern zweiter Ord- nung mit wenigerer ſchwarzbrauner Zeichnung. Dieſer weiße Spie⸗ gel auf dem Fluͤgel wird beim ſchwimmenden Vogel ganz von den Tragfedern verdeckt und iſt auch in mancher Stellung auf dem Lande wenig ſichtbar, zeigt ſich aber deſto auffallender im Fluge, * 762 XIII. Debn. LXXVI. Gatt. 275. Arctifcher Lappent. wie dies bei allen andern Lappentauchern, von denen die meiſten dieſe Art von Fluͤgelzeichnung haben, der Fall iſt. Das alte Weibchen fol im Hochzeitskleide nach Faber's und anderer Verſicherung eine eben ſo buſchigte Kopfbekleidung und eben fo ſchoͤne Farben tragen; ich habe jedoch ein gepaart geweſe⸗ nes Päärchen vor mir, deſſen Weibchen in beiden etwas von ſei— nem Männchen abweicht. Der Kopf iſt lange nicht ſo dick befie⸗ dert; der roſtfarbige Seitenſtreif weniger roſtgelb und durch ſchwaͤrz— liche Federſpitzchen an vielen Federn duͤſterer, am deutlichſten darge⸗ ſtellt an den Schlaͤfen, hinterwaͤrts ſich aber tiefer neben dem Ge— nick herabziehend; Schnabel, Füße, Augenſtern von derſelben Fär- bung, ſo auch die haarartig glaͤnzende Befiederung des Oberkopfes; die der Kopfſeiten und Kehle aber viel matter mit durchfchimmerns - dem Grau; Gurgel, Halsſeiten und Anfang der Kropfgegend be- deutend lichter roſtroth, beſonders die erſtere, dieſe Farbe auch an den Seiten des Unterkoͤrpers weniger ſchoͤn und mehr mit ſchwarz— grauen Federn vermiſcht; der Anfang der ſilberweißen Oberbruſt ſchwach lichtgrau gewoͤlkt, mit vielen kleinen, ganz kurzen dunkel- grauen Schaftſtrichelchen vermiſcht; die dunkele Faͤrbung der obern Seite des Vogels auch matter; alles Uibrige wie am Männchen. Aufenthalt. Der arctiſche Lappentaucher iſt über weit mehr Länder des noͤrdlichen Europ a's verbreitet als der vorherbeſchriebene, weil ſich ſein Aufenthalt mehr nach Oſten zieht und er wahrſcheinlich von beiden derjenige iſt, welcher ſich auch über das ganze europaͤiſche und aſiatiſche Rußland verbreitet, waͤhrend ſich der des vor— hergehenden von Island und Groͤnland nach Weſten und in das obere Nordamerika erſtreckt. Der Sommeraufenthalt gegen— waͤrtiger Art iſt, nach Angabe der neueſten Beobachter, von Juͤt— land an, wo er jedoch nur ſehr einzeln vorkommen mag, einerſeits Schottland und Island, andererſeits die Laͤnder in der Naͤhe und innerhalb des Polarkreifes, Norwegen, Schweden, Lapp— land u. ſ. w. Fr. Boie fand im obern Norwegen nur dieſe Art allein, Faber und Thienemann ſie auf Island, neben der vorigen, doch viel haͤufiger als dieſe und von ihr abgeſondert. Nach den Verſicherungen des letztern Reiſenden bewohnen dort den Muͤckenſee (Myvatn), den groͤßten der Inſel, jeden Sommer mehr — — — — — XIII. Orbn. IXXVI.Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. 763 i als 100 Paͤaͤrchen dieſer, aber kein einziges von einer andern Art dieſer Gattung. Faber (welcher ihn damals, wie ſein Prodro— mus ꝛc. S. 62. zeigt, irrthuͤmlich P. auritus nannte) ſagt noch, daß er ſich weiter von der Kuͤſte entferne, höher ins Land und zwi— ſchen die Berge hinauf gehe, als C. cornutus, uͤberhaupt viel haͤu— figer in den noͤrdlichen und weſtlichen Gegenden als in andern der Inſel ſei. — In Deutſchland koͤmmt er aͤußerſt ſelten und wol nur im Winterkleide oder als junger Vogel vor, worin er aber ſehr leicht mit denen der vorigen und folgenden Art verwechſelt werden kann, und dies auch oft genug geſchehen iſt, indem man in aͤltern Anzeigen unter dem Namen: dunkel- oder ſchwarzbrauner Taucher, C. s. P. obscurus, bald den jungen Herbſtvogel dieſer, bald der vorigen, bald der folgenden Art erkennt, ſo daß wir als gewiß nur die Gewaͤſſer in der Naͤhe der Kuͤſte von Mecklenburg und Pommern und auch unſer Anhalt als diejenigen bezeichnen koͤnnen, welche er auf dem Zuge, doch ſehr ſelten, beruͤhrt. Ein von uns erlegtes und in der alten Ausgabe dieſes Werkes III. Taf: LXXI. Fig. 109. abgebildetes Individuum giebt den Beleg fuͤr das Vorkommen auch in hieſiger Gegend. Von feinem Zuge iſt nur fo viel bekannt, daß er Is land im October und November verlaͤßt, den Winter uͤber abweſend iſt, und im April erſt wieder dahin zuruͤckkehrt. \ Sein Sommeraufenthalt find ſtehende Gewaͤſſer mit füßem . Waſſer, kleine Landſeen, Teiche und die tiefern und freiern Stellen ſumpfiger Orte. Dieſe aͤhneln in ihrer Beſchaffenheit denen der vorigen Art ganz und doch ſoll man nie beide untermiſcht auf dem naͤmlichen Gewaͤſſer antreffen. Dieſes wie der Umſtand, daß Boie nur C. arcticus, aber nie C. cornutus, in Norwegen antraf, moͤchte wol viel beitragen, die Zweifel über Artverſchiedenheit, wel: che bei Manchem noch auftauchen, zu entfernen. Eigenſchaften. Wenn dieſer Vogel ſich aͤngſtlich zeigt und die Kopffedern an⸗ ſchmiegt, oder wenn er ruhiger iſt und ſich etwas dick macht, oder ſelbſt wenn er im Affect die Kopfbefiederung moͤglichſt aufſtraͤubt, fo iſt dieſe doch niemals von ſolchem Umfange wie bei dem ge— hoͤrnten Lappentaucher und theilt ſich am Scheitel nie in zwei ſo ſichtbar getrennte Federbuͤſchel. Hieran ſind beide ſchon in 764 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. der Ferne zu unterſcheiden, naͤmlich die Alten in ihrem Hochzeits⸗ kleide. Was uͤbrigens ſeine Stellungen, ſeinen Gang, ſein Schwim⸗ men, Tauchen und Fliegen betrifft, ſo hat man darin keinen Unter⸗ ſchied von denen jener Art gefunden, und wir ſelbſt haben keine Beobachtungen an ſeinem Sommerwohnſitze daruͤber machen koͤnnen. Er ſoll noch weniger ſcheu als der Vorige ſein und beim Neſte ſogar Miene machen, dem ſich demſelben naͤhernden Menſchen zu Leibe zu gehen, dabei beſonders das Maͤnnchen die Kopffedern ge⸗ waltig aufblaͤhen und im Zorn einen „knirrenden“ Laut von ſich geben. Seine Stimme bezeichnet Faber mit den Sylben: Gi⸗au, ſagt aber nicht, ob und in wie fern ſie ſich von der der vorigen Art unterſcheide, was bei den obwaltenden Zweifeln 5 die Iten⸗ ditaͤt derſelben von 1 Wichtigkeit waͤre. Nahrung. Auch von dieſer und der Art und Weiſe, wie er ſie ſich ver: ſchafft, iſt nichts bemerkt; ſie moͤgen ſich demnach nicht von denen aͤhnlicher Arten unterſcheiden. Fortpflanzung. Der arctiſche Lappentaucher pflanzt ſich in den oben als Som⸗ 4 meraufenthalt bezeichneten Ländern, namentlich häufig auf Island fort, wo er die Landſeen, alle großen und kleinen Teiche, von nicht ganz freiem Waſſerſpiegel, in ſo bedeutender Anzahl bewohnt, daß, nach Thie nemann's Verſicherung, auf dem Myvatn, freilich der groͤßeſte, und ſeiner Lage und uͤbrigen Beſchaffenheit wegen der von vielartigem Gefluͤgel bevoͤlkertſte Landſee der Inſel, jaͤhrlich uͤber 100 Paare dieſer Taucherart, aber keine andere feiner Gattung, ni- ſten. Auch im obern Norwegen fand Boie dieſe Art uͤberall auf Suͤßwaſſerteichen, in der Naͤhe enger und tiefer Meeresbuchten. Jedes Paͤaͤrchen behauptet ſein Niſtrevier, das, auch wo ihrer viele bruͤten, einige Tauſend Schritte im Umfange haben ſoll, woruͤber oft mit den Nachbarn Streit entſteht, der ſich jedoch nicht über an: dere in der Naͤhe bruͤtende Vogelarten erſtreckt. Er TEE U XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctifger Lappent. 765 Das Neſt iſt dem 9 bern diefer Gattung ahnlich, ens ganz vom Waſſer umgeben und ſchwimmend, nur an ganz unbe: ſuchten Orten, auch dicht am Waſſerrande, ſo daß es dennoch gro— ßentheils vom Waſſer beſpuͤlt wird. Hier wie dort iſt es auf einen dünnen Gras- oder Binſenbuſch gebauet, um wenigſtens ſo viel Halt zu bekommen, daß es gelegentlich nicht ganz flott werde und wol gar an einen andern Ort ſchwimme. Es iſt von aus der Nähe genommenen Pflanzentheilen, am Ufer von Halmen verſchiedener Seggenarten (nach Thienemann: Carex atrata, C. ampullacea, C. limosa u. a.) mit Ranken und Blättern verſchiedener Saam- krautarten, als: Potamogeton crispus, P. perfoliatus, P. pectinatus u. a. vermiſcht, dieſe bei den ſchwimmenden Neſtern der Hauptbe⸗ ſtandtheil oder ganz ohne jene, mit noch andern im Waſſer wach⸗ ſenden vermiſcht, welche er ſchwimmend, theils auch durch Tauchen auf den Grund, ſammt dem anhaͤngenden Schlamme, zuſammen haͤuft und zu einem ziemlich dichten, 3 Zoll hohen und im Durch— meſſer 9 Zoll breiten, ſo flachen Klumpen verflicht, daß der Vogel beim Abgehen oft eins oder mehrere Eier herabwirft und ſelten ein Neſt gefunden wird, unter dem nicht auf dieſe Weiſe hinabgekom⸗ mene Eier auf dem Grunde des Waſſers laͤgen, wie man es > bei andern Arten der Lappentaucher oft ſieht. Die Eier, welche die mehrgenannten Forſcher, als zuverlaͤſſig dieſer Art angehoͤrig, mitbrachten, aͤhneln denen des C. cornutus ſo ſehr, daß ſich ihr Unterſchied bloß auf die kuͤrzere und dickere Form beſchraͤnkt, indem ſie meiſtens von derſelben Groͤße vorkom⸗ men und darin wie jene um einige Linien abwechſeln. Die Be⸗ ſchaffenheit der Schale, ihre Farbe und alles Andere find wie bei jener und andern Arten der Gattung. Ebenſo iſt ihre Zahl 4 bis 6, und wenn ſie wiederholt weggenommen werden, legt das Weib— chen immer wieder friſche, bis zu einer bedeutenden Anzahl. Es faͤngt gegen Ende des Mai zu legen an, kann aber auf obige Weiſe noch im Juli friſchgelegte Eier haben. Die Gatten ſind ſehr zaͤrtlich gegen einander, halten ſich immer in der Naͤhe des Neſtes auf und das Maͤnnchen umſchwimmt daſſelbe oft in ſtolzer Haltung und liebkoſet das darauf ſitzende Weibchen ſanft mit dem Schnabel. Sie ſind dabei ſehr kirre und wagen es ſogar, ſich dem Beſucher mit abwehrenden Gebehrden bedeutend zu nähern. Wenn das Weib- chen vom Neſte geht und nicht ſogleich vom Maͤnnchen abgeloͤſt werden kann, taucht es ſchnell unter, holt einen Schnabel voll mo⸗ dernder Waſſerpflanzen herauf und bedeckt damit die Eier, welche 766 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. immer in feuchtem Schmutze oder wirklich zum Theil im Naſſen liegen, wie bei andern Arten. Es haͤngt mit ſo großer Liebe an ſeiner Brut, daß es ſich zuweilen mit der Hand auf dem Neſte fangen laͤßt. N Gewoͤhnlich ſind die Jungen gegen Ende des Juli noch klein und ſie werden kaum gegen Ende des folgenden Monats flugbar; aus obigen Urſachen finden ſich jedoch auch viel ſpaͤtere, ſo daß manche erſt im November fluͤgge werden. Feinde. Speciell iſt uns hieruͤber nichts zugekommen; man darf jedoch vermuthen, daß ſie von denſelben Nachſtellungen zu leiden haben, die ſchon bei andern Arten der Gattung aufgefuͤhrt ſind. Jagd. Auch dieſe mag ſich von denen anderer Lappentaucher nur dar. in unterſcheiden, daß unſer Vogel, als der am wenigſten ſcheue, am leichteſten von allen zu erlegen iſt. Den Vorigen darin noch uͤber— treffend taucht er bei einem Fehlſchuſſe faſt nie, ſondern erhebt ſich ſogleich zum Fluge, wo er dann, weil er gerade wegſtreicht und nicht ſchneller als die andern fliegt, leicht mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte herabgeſchoſſen werden kann. Was im Uibrigen, auch vom Fange, des Vorhergehenden ge⸗ | ſagt iſt, gilt auch von dieſem. Nutz en. Er iſt meiſtens ſehr fett, ſein Fleiſch aber ebenſo unſchmack⸗ haft, das Pelzwerk, welches ſeine Bruſthaut giebt, indeſſen auch eben ſo ſchoͤn, als das des gehoͤrnten Lappentauchers. Schaden. Wie die andern Lappentaucher- oder Steißfußarten kann man auch dieſe nicht zu den ſchaͤdlichen Voͤgeln zaͤhlen. * nn x N; 7 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 275. Arctiſcher Lappent. 767 e Schluß bemerkung. e Wie im Obigen bemerkt erinnern wir uns mit Gewisheit, von dieſer Art nur ein Mal einen jungen Herbſtvogel erlegt zu haben, ſahen fie aber nie ſelbſt am Brutorte. Ich habe daber hier (wie zum Theil auch bei der verigen Art) bloß geben können, was jene zuverläſſigen Forſcher, Faber, Boie und Thienemann von der Lebensweiſe sc. derſelben aufgezeichnet haben. Diele Autoritäten können allein die Zweifel heben, welche der Muſeenforſcher über ſpecielle Verſchiedenheit des C. areticus und C. cornutus erheben möchte, da man gern die Alten von der erſten Art für einjährige Vögel der zweiten zu halten geneigt ſein möchte, zumal die angeblich weſentlichen Unterſchiede einiger Körpertheile in der That ſehr gering zu nennen ſind. Wenn wir indeſſen auf die Zuverläſſigkeit obiger Beobachter vertrauen dürfen, fo entſcheidet für ſpecifiſche Tren⸗ nung ſchon ein anderer Aufenthalt viel, für mich wenigſtens aber beſonders der Umſtand am meiſten, daß der verſtorbene Faber unſern C. arcticus für C. auritus Lien. hielt, und dazu ſagt: „Doch iſt das Aeußere des zeuaunasfähigen Vogels beider Arten (näm⸗ lich unſeres C. arcticus und C. coruutus), leicht zu unterſcheiden“ — und dies mit ſolcher Sicherheit ausſprach, daß er es gar nicht für nötpig zu halten ſchien, ſich über die Einzelnheiten dieſer Unterſchiede weiter zu verbreiten. Ungern vermißt man in den kurzen Beſchreibungen jener Männer Etwas über Verſchiedenheit oder Nichtverſchiedenheit der Stimme der fraglichen Arten, was doch am meiſten und ſicherſten Aufſchluß geben würde, und wodurch ſich ähnliche Arten oft ſchon in der Ferne unterſcheiden. Als ich im Jahr 1819 zum erſten Male das Meer mit den geſpannteſten Erwartungen erblickte und die Meerſchwalbenart, welche ich nachber Sterna macroura nannte, fliegen ſahe, fiel mir in Geſtalt und Fluge derſelben Etwas auf, was denen der mir von Kindheit an bekannten Sterna hirundo unähnlich war; ich überredete mich jedoch anfänglich, der Reiz der Neuheit der Umgebungen könne mich täuſchen; allein noch an demſeiben Tage kam ich an einen Brüteort jener Art, wo mich die Vögel ſchreiend empfingen, und ich augen blicklich an den Abweichungen in den mir lange bekannten ähnlichen Lauten ſogleich feſt überzeugt wurde, hier eine andere als unſere gemeine Fluß meerſch walbe vor mir zu haben, welches dann auch nachher noch andere Verſchiedeuheiten in den Sitten u. ſ. w, vollkommen beſtätigten. Zum Vergleichen, Beſchreiben und Abbilden der alten Vögel dieſer Art erhielt ich, durch die zuvorkommende Güte und Gefälligkeit des Hrn. Hofrath Dr. Reich en bach, die ich hier mit gebührendem Danke rühme, mehrere Exemplare des Dresdner Muſeums, in welches fie aus Island durch Hrn. Dr. Thienemann kamen. —— 276. Der geöhrte Lappentaucher. Colymbus auritus. mel. 5 Fig. 1. Altes Männchen im Sommerkleide. Taf. 246. | Fig. 2. Weibchen im Sommerkleide. Fig. 3. Jugendliches Winterkleid. Geoͤhrter Steißfuß, Ohren ⸗Steißfuß; Ohrentaucher, geoͤhrter —, kleiner gehörnter Taucher; Schwarztaͤucherlein; großoͤhrige Lau: cherente; Dachentlein; Duchentlein; Kaͤferente; Goldohr. Colymbus auritus. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 590, n. 8. — Briss. Av. VI. p. 54. n. 6. Podiceps auritus. Lath. Ind. II. p. 781. n. 3. - Retz. Faun. suec. p. 152. n. 111. —= Nilsson, Ornith. suec. II. p. 128. —= Le petit Gröbe cornu. Gérard. Tab. élém. II. p. 301. n. 5. = Gröbe oreillurd. Temm. Mau. nouv. Edit. p. 725. Hared Dobchick. Edw. Glan. t. 96. f. 2, — Eared Gre- Be. Lath. Syn. V. p. 285. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 1. S. 225. u. 4. — Penn. arct. Zool. überſ. v. Zimmermann, II. S. 464. B. Colimbo o Svasso Turco. Stor, deg. Uce. V. Tav. 529. —= Svasso piccolo. Savi, Oru. tosc, III. p. 18. = Bechſtein, Naturgeſch. Deutſchl. IV. S. 552. — Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 352. n. 3. - Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 435. - Meyer, Vög. Live und Eſthlands. S. 222, = Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 253. n. 230. = Koch, Bair. Zool. I. S. 356. n. 222, = Brehm, Lehrb. II. ©. 873. - Deſſen Naturg. aller Vög. Deutfchl. S. 962 — 963. —= Gloger, Schleſ. Fauna. S. 60. n. 278 —. Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 82. n. 292, - E. v. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 79. n. 266. — Naumanun's Vög, alte Ausg. III. S. 445. Taf. LXX. Fig. 108. Männchen im Frühlingskleide. gi XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. 769 Anmerk. Auch der junge und Herbſtvogel dieſer Art mag in ältern Wer⸗ ken unter dem Namen Colymbus s. Podiceps obscurus beſchrieben und mit den jüngern des C. eornutus und C. areticus verwechſelt ſein; da jedoch die Beſchreibungen meiſtens zu leicht überhin gemacht ſind, ſo laſſen ſich die Arten nicht mit Beſtimmtheit fondern. Kea nz e ich e n der Att Der Spiegel nebſt einigen der naͤchſten Schwingfedern erſter Ordnung iſt weiß; der Schnabel ziemlich ſchwach, nach vorn ſanft aufwärts gebogen., 8 Beſchrei bung. Er gehoͤrt zu den kleinen Arten der Gattung, ſteht in der Groͤße den vorhergehenden nach, uͤbertrifft darin aber die folgende, haͤlt alſo zwiſchen C. arcticus und C. minor das Mittel. Von al⸗ len aͤhnlichen unterſcheidet ihn der niedrigere, ſchwaͤchere, ſtets etwas aufwaͤrts gebogene Schnabel. Seine Größe läßt ſich ohngefaͤhr mit der eines halbwuͤchſi— en Rebhuhns vergleichen und übertrifft die des kleinen Zap: pentauchers noch um ein Bedeutendes. Er iſt 12 bis 13¼ Zoll lang; 22 bis 24½ Zoll breit; die Länge des Fluͤgels vom Bug bis zur Spitze 6 bis 6 Zoll. Das Weibchen iſt wenig kleiner als das Maͤnnchen, etwas mehr ſtehen darin die jungen Herbſt— voͤgel den Alten nach. Das Gefieder hat dieſelbe Beſchaffenheit wie bei den Uibri⸗ gen, iſt jedoch noch haarartiger als bei den groͤßern Arten und auch auf dem Ruͤcken und den Schultern ohne deutliche Umriſſe, jedoch nicht fo arg als bei der folgenden Art, die darin alle uͤbertrifft. Der Kopf iſt beſonders auf den Wangen ziemlich dick befie— dert und es bilden ſich ſogenannte Bauſebacken. Im Fruͤhlinge kommen noch laͤngere und dichtere, ſeidenweiche, zerſchliſſene Federn am ganzen Kopfe, hauptſaͤchlich und am laͤngſten unter den Schlaͤ⸗ fen und in der Ohrgegend hervor und bilden aufgeſtraͤubt auf dem Hinterſcheitel eine kurz und gerade abgeſtutzte Holle, hinter den Wangen eine ſtrahlig abſtehende buſchigte Federpartie, dicke Bauſe⸗ backen und eine Unterkehle, Alles bei feſt angelegtem Geber aber minder auffallend, doch nicht ganz zu uͤberſehen. Der Schnabel iſt ſchwach, ſchlank, nicht hoch, daher an der Wurzel faſt ebenſo breit, wird aber nach vorn immer ſchmaͤler, ſo daß, wenn man ihn ganz von oben ſieht, er in gerader Linie, wie r Theil. 4 770 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. ein ſchlanker Keil, in die Spitze ausläuftz die abgerundete Firſte bis dicht an die Spitze gerade, vor dem Naſenloche wol noch etwas niedergedruͤckt; der Kiel am erſten Drittheil kaum etwas, am zwei: ten mehr, und am letzten (als ſo weit die Kielſpalte geht) ſehr ſtark aufwaͤrts gegen die Spitze gezogen; es ſcheint fo, als kruͤmme er. ſich mit der ganzen Spitze (an beiden Theilen) aufwaͤrts, was auch an der Mundkante noch fo ausſieht, deren ſcharfe Schneiden ſehr eingezogen ſind und wovon die obere wurzelwaͤrts etwas aufgetrie⸗ ben oder wulſtig vorſteht, wodurch der Oberſchnäbel hier breiter als der untere wird. Das kleine laͤngliche Naſenloch iſt durchſichtig und oͤffnet ſich weit vorn in der ziemlich großen ovalen Naſenhoͤhle. Die Laͤnge des Schnabels iſt 10 bis 11 Linien, ſeine Hoͤhe an der Wurzel beinahe 4 Linien (bei erwachſenen Jungen ſehr be⸗ deutend, faſt 1 Linie, niedriger), und hier ziemlich eben ſo breit. Er ſieht bei alten Voͤgeln durchaus ſchwarz aus; bei jungen Herbſtvoͤgeln weniger dunkel und an der Wurzel der Unterkinnlade licht röthlichgrau; bei ganz jungen im Dunenkleide fleiſchfarbig, faͤrbt ſich aber laͤngs der Firſte bald grau. Der ſehr ſchmale nackte Zuͤgelſtreif iſt dunkel roͤthlichgrau, bei den Alten roͤthlichſchwarz; der Stern des kleinen Auges in fruͤher Jugend :veißlich, dann hellbraun, endlich rothgelb und bei ganz al— ten Voͤgeln brennend hochroth. Die Fuͤſſe, nach allen ihren Theilen, haben ganz die Geſtalt derer der Gattungsverwandten, auch eine aͤhnliche Faͤrbung, die nur bei den Alten im Fruͤhjahr etwas dunkler als bei vielen andern iſt, dann naͤmlich im Ganzen dunkel olivengruͤn ausſieht, auf der innern Seite des Laufs, zwiſchen den Zehengelenken und an dem Theil der Schwimmlappen, womit ſich dieſe an die Zehen anſchlie— ßen, auch an den Spannhaͤuten blaſſer iſt und ins Olivengelbe uͤbergeht, an der Auſſenſeite des Laufs gruͤnſchwarz, an den Zehen— und Lappenſohlen ganz ſchwarz, die Nägel grauſchwarz mit braͤun— lichweißer Vorderkante. Sie werden im Tode bald gruͤnſchwarz, an Ausgeſtopften hornſchwarz. Die Füße junger Herbſtvoͤgel find viel lichter gefaͤrbt, olivengruͤngrau, an der innern Seite des Laufs und oben auf den Zehen und Schwimmlappen ſchmutzig olivengelb, bald heller, bald dunkler und in Allem denen der vorigen Art ſehr aͤhnlich. Sie verwandeln ſich ebenfalls im Tode in Olivengruͤn und ausgetrocknet in Hornſchwarz. Im Neſtkleide ſind die Fuͤße bleifarbig, wo fie ſpaͤter olivengruͤn werden, und ſehr bleich gelblich: fleiſchfarbig, wo fie nachher olivengelb erſcheinen. MM. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. 771 Die Maaße der Fuͤße ſind folgende: Der Lauf iſt 1 Zoll 9 bis 10 Linien lang; die aͤußere Vorderzeh (als die laͤngſte) ſammt dem Nagel faſt 2½ Zoll, die mittlere ¼ Zoll kuͤrzer als dieſe, die Hinterzeh 6 Linien lang. Das Dunenkleid iſt an dem unterrumpfe und groͤßtentheils auch an der Gurgel rein weiß; der Oberrumpf in ſchwarzgraue und weißgraue Bandſtreifen, der Laͤnge nach, getheilt; der Hals hinten und an den Seiten roſtgrau mit einigen großen ſchwarzen Zange: ſtreifen; der Kopf ſchwarz, weißgrau geſtreift oder ſtreifartig gefleckt. Sie aͤhneln denen der folgenden Art, unterſcheiden ſich aber durch weniger Roſtbraun und eine im Allgemeinen lichtere Faͤrbung. Im Jugendkleide, ihrem erſten ordentlichen Federkleide, ſe⸗ hen ſie den Jungen der beiden vorhergehenden Arten ſehr aͤhnlich, unterſcheiden ſich aber durch die geringere Groͤße und den viel ſchwaͤ⸗ chern, aufwaͤrts gebogenen Schnabel. Unter dem nackten Zuͤgel und dem Auge ſteht ein mehr oder weniger deutlich gezeichneter ſchwar⸗ zer Streif, welcher ſich auf der Wange verliert; dieſe etwas dick be— fiedert und wie die Kehle weiß; letztere nach unten zu, nebſt der Ohrgegend und den Schlaͤfen ſchmutzig roſtgelb oder blaß roftfar- big, ſchwaͤrzlich gefleckt, dieſes unter den Schlaͤfen auch wol einen Streif bildend; der ganze Oberkopf und Hinterhals ſchwarzbraun; die Gurgel braungrau; die Hals- und Kropfſeite, fo wie die des ganzen Unterkoͤrpers ſchwarzbraungrau; die Mitte des Kropfes und des ganzen Unterrumpfes glaͤnzend atlaßweiß; der Oberkoͤrper und die Fluͤgel tief ſchwarzbraun; die 5 erſten Schwingfedern einfarbig ſchwarzbraun, die folgenden mit zunehmendem Weiß auf den in- nern Fahnen, das an denen der zweiten Ordnung beide Fahnen einnimmt und jenes ganz verdraͤngt, daher einen großen weißen Spiegel bildet; die dritte Ordnung wieder ganz braunſchwarz; ein ſchmales Fluͤgelraͤndchen und die ganze untere Seite des Fluͤgels, die ſchwarzgraue Spitze und einige ſolche Fleckchen am Rande aus— genommen, ganz weiß; die Gegend hinter den Schenkeln und um den After braungrau, weißlich gemiſcht. — Ein aͤußerer Geſchlechts⸗ unterſchied iſt nicht bemerklich. Das erſte Herbſtkleid iſt dem Jugendkleide bis auf den Mangel dunkler Streifen an den Kopffeiten ganz ahnlich, fie find jedoch an den Schlaͤfen und hinter den Ohren immer noch durch dunkele Fleckchen angedeutet. Bis auf den Mangel dieſer ſieht auch das Herbſtkleid der Alten dieſem aͤhnlich, aber die Roſtfarbe iſt bei dieſen an den Schlaͤfen etwas ſtaͤrker aufgetragen, und die Farbe 49 * 772 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. des Oberkoͤrpers viel dunkler, faſt ſchwarz, auch ſind ſie an den hochrothen Augenſternen und dunkelgefaͤrbten Füßen von jenen zu unterſcheiden. — Die etwas kleineren Weibchen haben nicht ſo ſtarke Bauſebacken, ſind aber ſonſt von den Maͤnnchen nicht zu unterſcheiden. 4 Im Fruͤhlingskleide tritt erſt der Kopfputz als Hochzeits⸗ ſchmuck in feiner beſcheidenen Größe vollſtaͤndig hervor; der kleine Federbuſch iſt am Hinterſcheitel wie mit der Scheere abgeſtutzt, doch bei recht alten Maͤnnchen in der Mitte ein wenig vertieft, eine ſchwache Andeutung eines doppelten; von der Stirn bis ins Genick iſt der ganze Oberkopf tief ſchwarz mit ſanftem gruͤnlichen Seiden. glanz, am meiſten an den laͤngſten Federn des Buſches; die Kehle bis auf die Haͤlfte der Wangen entlang ebenfalls ſchwarz, aber mit weniger Glanze, und ihre dichten, laͤngern Federn blaͤhen ſich zu einer dicken Unterkehle auf; der hintere Theil der Wangen leigent⸗ lich die Ohrdecke), nebſt den Schlaͤfen hoch roſtroth oder roſtfarbig, die ungemein zarten, ſehr verlaͤngerten, haarartig auslaufenden, ſich in Strahlen theilenden und halbkreisfoͤrmig ausbreitenden Federn aber aus dem Roſtrothen oder Roſtfarbigen nach und nach durch Roſtgelb in eine glaͤnzende, lichtochergelbe Spitze auslaufend; ſie blaͤhen ſich als dicke Bauſebacken auf und ihre Strahlen ſtehen oft noch über das Genick vor, weil die laͤngſten gegen 1½ Zoll meſſen. Genick, Nacken und der ganze uͤbrige Hals ſind ſchwarz, in der Kropfgegend mit roſtrothen, auch einigen weißen Federn durchmiſcht; die Seiten der Oberbruſt und die Tragefedern bis über die Schen— kel hinab dunkel roſtroth, mehr oder weniger mit ſchwarzen Federn durchmiſcht; vom Kropfe an bis zwiſchen die Fuͤße, der ganze uͤbrige Unterkoͤrper, rein und ſehr glaͤnzend atlaßweiß; die Weichen und der After grau mit Roſtbraun vermiſcht; der ganze Oberkoͤrper nebſt den Schultern ſchwarz, ein wenig ins Braunſchwarze ziehend und ſehr glaͤnzend; die Fluͤgel braͤunlichſchwarz; die 5 erſten der großen Schwingfedern ganz von dieſer Farbe, die folgenden nur auf der Auſſenfahne, auf der innern mit zunehmendem Weiß; die der zwei— ten Ordnung rein weiß, einen großen weißen Spiegel bildend; die der dritten Ordnung braunſchwarz; ein ſchmales Raͤndchen oben am Fluͤgel nebſt deſſen ſaͤmmtlichen untern Deckfedern weiß; die Fluͤgel— ſpitze auf der untern Seite ſchwarzbraungrau. — Das alte Weib— chen iſt wenig kleiner und kaum matter gefaͤrbt, dies bloß an der ſtrahligen Ohrdecke bemerklicher, welche gewoͤhnlich eine lichtere, im Grunde der Federn mehr roſtfarbige als roſtrothe Faͤrbung hat. X!II. Ordn. LXXVI. Gatt. 276, Geöhrter Lappent. 773 An jüngern oder einjährigen Voͤgeln iſt der Kopfputz kuͤr⸗ zer und weniger hervortretend, auch bleicher gefärbt, die unbedeu⸗ tende Haube ohne grünlichen Glanz, die Ohrfedern bleicher roſtfar⸗ big und roſtgelb. Dagegen finden ſich unter den aͤltern welche, an denen dieſe im Grunde ſehr dunkel roſtroth, an den Enden nur etwas lichter ſind, an welchem auch das gewoͤhnlich nur als Flecke an der Grenze des Kropfes und der Oberbruſt vorkommende Roſt— roth ſich hoͤher nach der Gurgel heraufzieht und die Mitte des Kropfs nebſt einem Theil jener faſt ganz ſo faͤrbt. Dieſe halte ich für ſehr alte Voͤgel, wozu ihre dunklere Färbung und ihr ſeltne⸗ res Vorkommen berechtigt. Ich ſahe nur Maͤnnchen von dieſer dunkeln Faͤrbung, bezweifle aber wich daß auch ſehr alte Weib⸗ chen ſie haben. Die Hauptmauſer geht bei 1005 wie bei den andern, im Juli, August und September vor ſich; die zweite, in welcher er das Hoch: zeitskleid anlegt, in den Wintermonaten und iſt dann bei den mei⸗ ſten im Maͤrz vollendet. 5 Auf Ant ha lil. Der geoͤhrte Lappentaucher hat ohngefaͤhr gleiche Verbreitung mit dem rothhalſigen; er iſt für uns mehr oͤſtlicher Vogel und beſonders im mittlern Sibirien und den in dieſer Richtung gelegenen europaͤiſchen Ländern häufig, im übrigen Europa dies nur in manchen Strichen, in andern ſelten; er geht auch im Norden nur bis zum ſuͤdlichen Schw. eden, aber nie höher hin⸗ auf. In den gemaͤßigten und waͤrmern Theilen Europa's mag er wol allendhalben haͤufiger ſein, als man gewoͤhnlich annimmt, weil er ſich ſehr verſteckt haͤlt, ſehr menſchenſcheu iſt und daher uͤberſehen wird. Als einzeln vorkommend wird er ſchon in Livland ange⸗ zeigt, ſo in Preußen, in Pommern und Mecklenburg; in dieſem letztern iſt er es aber gewiß nicht, weil er die angrenzenden Daͤniſchen Herzogthuͤmer, wie das Brandenburgſche, haͤufig genug bewohnt. Dies iſt gewiß auch an der ganzen Nordſeekante mehr oder weniger der Fall, obgleich er in Holland ſelten ſein ſoll, wie dies auch von der Schweiz ſo heißt. Dagegen ſoll er in Frankreich und Italien wieder haͤufiger vorkommen und in Ungarn iſt er es gewiß, da er in dem nahen Schleſien und der Lauſitz gemein iſt. Auch in Thuͤringen und Sachſen iſt er, 774 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geoͤhrter Lappent. wie in mehrern andern Strichen Deu tſchlands, auch des weſtli⸗ chen und ſuͤdlichen, ziemlich gemein. Bei uns in Anhalt und den naͤchſten Umgebungen, beſonders in denen des mehrerwaͤhnten Salz: fee im Mannsfeldiſchen, ift er zwar bei Weitem nicht fo ge⸗ mein und haͤufig als die folgende Art, gehoͤrt aber auch. Keine zu den Seltenheiten. Er iſt Zugvogel wie die andern Lappentaucher, koͤmmt fruͤh im Jahr, ſobald nur die Gewaͤſſer offen, bald im Maͤrz, bald erſt im April zu uns und verlaͤßt uns, jenachdem fruͤher oder ſpaͤter ſtarke Froͤſte eintreten, im October oder November wieder, und in gelinden Wintern ziehen einzelne, wo ſie offnes Waſſer haben, gar nicht weg, wie denn ſchon viele auf den Seen der Schweiz über: wintern. Er macht ſeine Wanderungen in ein gelinderes Klima und zuruͤck ſtets des Nachts, im Fruͤhjahr einzeln oder paarweiſe, im Herbſt in kleinen Geſellſchaften. In ſolchen ſieht man ſie ſich im Spaͤtherbſt verſammeln, auf wafferreichen freien Plaͤtzen in un: ſern Bruͤchern oder auf kleinern freien Waſſerflaͤchen zwiſchem dem Schilfe großer Teiche ſich alle Abende zur Reiſe vorbereiten, im Fliegen uͤben und deshalb kurze Strecken hin und her flattern oder auf dem Waſſer hin plaͤtſchern, einander herumjagen, dazwiſchen un⸗ erwartet und hoͤchſt ſchnell unter- und auftauchen, ſich durch allerlei Neckereien beluſtigen u. ſ. w., wozu fie auch ihre Stimme fleißig hören laſſen und ſich bemerklicher machen als ſonſt jemals. Dies Spiel treiben fie an ſtillen Abenden bis es finſter iſt, worauf fie ſich ent⸗ weder fortmachen, oder auch wieder zerſtreuen, noch da bleiben und den naͤchſten ruhigen Abend ihre Spielereien wiederholen und zwar immer auf demſelben Platze, bis ſie ſich endlich entſchließen, nach beendigtem Spiel die Reiſe anzutreten, worauf am naͤchſten Mor⸗ gen keiner mehr an dieſem Orte angetroffen wird. Wie andere Lappentaucher iſt er kein Seevogel und koͤmmt nie aufs hohe Meer, ſo wie er gleichfalls die fließenden Gewaͤſſer nicht achtet, ſie nur in der Noth auf ſeinen Reiſen beſucht und bloß an ſolchen Stellen länger verweilt, welche die wenigſte Strömung ha— ben und wo an den Ufern Schilf und Rohr nicht fehlen. Alle Lappentaucher ſind ſich hierin gleich, und nur einzelne Stellen man⸗ cher langſam ſtroͤmenden Fluͤſſe oder ſolche, deren Ufer in tiefen Sumpf und Moraſt verlaufen, wie z. B. die Theiß in Ungarn, koͤnnen eine Ausnahme machen. Wenn man fie daher im Allge⸗ meinen zu Bewohnern der Fluͤſſe ohne Ausnahme machen wollte, wuͤrde man ſehr irren. XII. Ordn. LXXVI. Satt. 276. Geöhrter Lappent. 775 Der geoͤhrte Lappentaucher bewohnt vorzuͤglich die ſchilfreichen Landſeen und groͤßern Teiche, auch die tiefern Stellen in den Brü: chern, wo fi) auch im Sommer Waſſer genug hält. Er liebt ſol— che Gewaͤſſer, die auch der rothhalſige Lappentaucher gern bewohnt, iſt aber in unſern Gegenden nicht ſo haͤufig, ſo daß auf manchen von uns oft beſuchten Teichen auf vier bis fuͤnf Paͤaͤrchen von dieſen kaum zwei bis drei vom geoͤhrten Lappentaucher kommen; er haͤlt ſich jedoch auch wieder auf andern kleinern Teichen auf, wo von jenen nie eins wohnt. Auf dieſen und anderwaͤrts trifft er wieder mit der folgenden kleinen Art oftmals zuſammen. Auf dem Zuge wird er auch oͤfterer auf kleinen und ſolchen ſtehenden Gewaͤſſern angetroffen, auf welchen die großen Arten dieſer Gat— tung faſt nie geſehen werden; aber auf ſo kleinen Tuͤmpfeln und Graͤben, wie die folgende, trafen wir ihn jedoch auch niemals an. Solche Teiche und Theile derſelben, wo mehrentheils Schilf (Typha, Sparganium, Acorus, Iris, Carex), und große Waſſer⸗ binſen (Scirpus), auch andere hohe Waſſerpflanzen, z. B. Phellan- drium, Sium, Alisma u. a. recht uͤppig und in dichten Buͤſchen wachſen, aber auch freie Zwiſchenraͤume laſſen, zieht er denen vor, in welchem Rohr (Arundo s. Phragmites) die allein vorherrſchende Pflanzengattung iſt, weshalb er im letztern auch ſelten vorkommt. Dabei muß das Waſſer ſchlammigen Boden haben, auf welchem viele untertauchende Pflanzen wachſen, die Oberflaͤche aber nicht mit Entengruͤn (Lemna) bedeckt ſein, wenn uͤbrigens auch auf ihr die Spitzen und Ranken jener zu Tage kaͤmen und fie nicht allendhal: ben frei ließen. Die einſamſten Winkel ſo beſetzter Teiche, mit nur kleinen freien Waſſerflaͤchen, ſind ſeine Lieblingsorte, damit er hier beim Erblicken eines Menſchen ſich ſogleich hinter die Buͤſche zie⸗ hen, ſich darin verſtecken und ſo lange darin ungeſehen verweilen koͤnne, bis die Gefahr ſich wieder weit entfernt hat. Von ſeinem Lieblingsplatze, welcher keinen großen Umfang hat, entfernt er ſich im Fruͤhjahr und Sommer ſelten weit, und erſcheint auch auf dem großen freien Waſſerſpiegel ſolcher Teiche und weit vom Schilfe, am Tage und aus freiem Willen, wenn es in den Umgebungen nicht recht ſtill und ruhig iſt, faſt nie, ſondern nur des Nachts, wo er, wie die andern Arten, munterer iſt als am Tage und dann auch Stellen ſeines Teiches oder Sees, ſowohl in der Mitte, wie ganz in der Naͤhe der Ufer, beſucht, auf welchen er am Tage nie geſehen wird. 776 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geoͤhrter Lappent. Sein Aufenthalt hat mit dem des kleinen Lappentauchers vieles gemein, er verlangt aber größere Waſſerflaͤchen und wählt zum laͤngern Verweilen nie ſo ganz kleine Waſſerbehaͤlter und ſtets auch tieferes Waſſer, wobei jedoch oft vorkommt, daß beide Arten einander ſehr nahe wohnen. Eigenſchaften. In Stellung und Haltung des Koͤrpers auf feſtem Boden, wenn ihn Mißgeſchick ein Mal dahin bringt, gleicht er voͤllig der kleinen Art; ſteif auf den Füßen ſtehend, den Körper gerade auf? gerichtet, macht fein Rüden eine ſtarke Biegung nach vorn, beſon— ders am Urſprung des Halſes, dieſer kruͤmmt ſich Sfoͤrmig, das Ge— fieder des Kopfes wird aufgeblaͤhet und zeigt ſeine wahre Geſtalt, wobei der Hals um ſo duͤnner erſcheint. In ſolcher Stellung laͤuft er ſteifbeinig einher wie andere, wenn ſie in dieſe ſeltne Verlegen⸗ heit kommen, aber nicht ſo ſchnell, oder etwas ſchwerfaͤlliger als der kleine Lappentaucher, wirft ſich auch, angegriffen von einem kurzen Lauf, ſogleich wieder auf Bruſt und Bauch nieder und ſpreitzt dazu die Beine aus, als wenn er ſchwimmen wollte, erhebt ſich indeſſen auch leicht wieder aus ſolcher Lage und rennt ein Stuͤck fort, um ſich bald wieder, wie zuvor, niederzuwerfen. Von dem weißen Spiegel iſt, wenn die Flügel angeſchloſſen — wie bei ans dern damit verſehenen Arten dieſer Gattung, — wenig oder nichts zu ſehen, da von oben herab die Schulterfedern, von unten die Tragefedern den Fluͤgel faſt ganz einhuͤllen. Im Schwimmen und Tauchen beſitzt er die größte Meiſter⸗ ſchaft und er iſt wie die andern Lappentaucher auf das naſſe Ele— ment ſo ausſchließlich angewieſen, daß nur Ungluͤck ihn auf feſten Boden bringt, wenn man nicht ſein ſchwimmendes Neſt oder in zarter Jugend den Ruͤcken der Mutter dazu zaͤhlen will. Er traͤgt ſchwimmend den Hals erhabner als der kleine Taucher, woran man ihn, wie an dem dicker ausſehenden Kopfe, ſchon von Weitem von dieſen unterſcheiden kann, obwol er nicht immer ſo ſchwimmt, ſondern in gaͤnzlicher Ruhe den Hals auch ſehr einzieht und den Koͤrper dazu ganz flach auf der Waſſerflaͤche ruhen laͤßt, ſobald er aber Etwas fuͤrchtet, dieſen ſo tief unter ſie ſenkt, daß vom Ruͤcken nur ein Finger breit aus dem Waſſer ragt und dann der ausge— dehnte Hals gerade in die Hoͤhe ſteht und der dicke Kopf ſich nach XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. 777 allen Seiten umſchauet. Im ruhigen Schwimmen ruckt er bei je: dem Ruderſchlage mit dem Kopfe; wenn er aͤngſtlich iſt, wird dies weniger bemerkt. Mit gegen das Waſſer gerichtetem Schnabel und gekruͤmmtem Halſe ſchluͤpft er mit einer Geſchwindigkeit unter deſ⸗ ſen Flaͤche, daß dabei nicht das geringſte Geraͤuſch vernommen wird und man oft nicht weiß, wo er geblieben iſt, weil er nicht ſelten gegen eine Minute, ohne Athem zu holen, unter dem Waſſer fort⸗ rudert und dann oft 150 Schritte von der Stelle, wo man ihn eintauchen ſahe, wieder oben erſcheint, und zwar oft nur ſein Kopf oder gar nur fein Schnabel bis an die Augen, um Athem zu ſchoͤ⸗ pfen, um augenblicklich wieder unterzutauchen, bis er das Schilf er⸗ reicht hat und nun fuͤr lange Zeit unſichtbar bleibt. Er wird hier⸗ in kaum vom kleinen La ppentaucher uͤbertroffen, während die großen Arten ihm darin entſchieden nachſtehen. Zum Auffliegen iſt er ſchwer zu bewegen, obgleich er ziemlich flüchtig iſt und im Fluge den andern ähnelt, vom kleinen Zap: pentaucher ſich aber vorzuͤglich durch das viele Weiß ſeines gro— ßen Spiegels leicht unterſcheidet. Nur in der Zugzeit und auf klei⸗ nern freien Teichen, wo er nicht laͤngere Zeit bleiben will, fliegt er bei anruͤckender Gefahr zuweilen auf und davon; an allen andern Orten und bei den heftigſten Verfolgungen ſucht er fi durch Tau⸗ chen und Verſtecken zu retten, und wo ihn kein Schilf aufnehmen kann, druͤckt er ſich nahe am Ufer ſoweit unter Waſſer, daß nur der Schnabel und Oberkopf herausragt, wo dieſe leicht uͤberſehen werden. Er erhebt ſich auch nur nach genommenem Anlauf vom Waſſer in die Luft und kann dies vom feſten Boden nicht, woher beim Ablaſſen der Fiſchteiche manche, zumal Junge, wenn ſie auf den Schlamm gerathen, leicht erhaſcht werden, oder andere im Spaͤtherbſt von Kaͤlte ermattet auf das Trockene niederfielen und dann ergriffen wurden. Er iſt unter ſaͤmmtlichen Gattungsverwandten einer der fcheue- ſten und vorſichtigſten. Wo er einen Menſchen wittert, laͤßt er ſich weder ſehen noch hoͤren, verbirgt ſich im Schilfe oder eilt, wenn er auf dem Freien uͤberraſcht wurde, auf obige Weiſe demſelben zu. Den Ort ſeines Aufenthalts wird man immer nur aus der Ferne kennen lernen, und wenn man ihn daſelbſt naͤher beſchauen will, ſo muß man ſich aͤußerſt leiſe und ungeſehen an ihn zu ſchleichen oder zu kriechen ſuchen. Auch des Abends, wo er am munterſten iſt, kann man daſelbſt Stunden lang vergeblich auf ihn lauern, wenn man ſich nicht mit Vorſicht in ein Verſteck begab, an das er ſchon 778 XIII. Ordn. LXXVI Gatt. 276. Geoͤhrter Lappent. länger gewöhnt war; immer wird er jedoch dieſes im Auge behal⸗ ten und ſich eher davon entfernen als ihm naͤher ruͤcken, ſobald er einen Menſchen darin wittert. Geſicht und Gehoͤr ſind bei ihm gleich vortrefflich. Zuweilen bleibt er bei Annäherung eines Men- ſchen ſtarr und unbeweglich auf derſelben Stelle; ſieht er aber, daß dieſer nicht weggeht, ſondern allmaͤhlig naͤher ruͤckt, ſo taucht er blitzſchnell unter und iſt gewöhnlich für längere Zeit wie verſchwunden. Seine Stimme ſind laut pfeifende, angenehme Toͤne, er laͤßt ſie aber nur am Bruͤteorte oder auf den Verſammlungs- und Spiel⸗ plaͤtzen kurz vor dem Wegzuge, und zwar, wo er ſich nicht recht fi: cher weiß, nur in den Abendſtunden, weniger des Nachts, am Tage aber nur aͤußerſt ſelten hoͤren, auch folgen ſie, von beiden Gatten zugleich, dem Act der Begattung, welcher an unſichern, lebhaften Orten meiſtens Abends oder am frühen Morgen auf die ſchon be: ſchriebene Weiſe, wie bei andern dieſer Gattung, vollzogen wird. Gewoͤhnlich rufen ſie einzeln Bib, — bib, im hohen, ſanften, doch weitſchallenden Ton; doch bald wird daraus ein trillerartiges Bi: dewide widewidewide (ſehr ſchnell geſprochen), und in dieſer Geſtalt iſt es auch der Paarungsruf, der von zweien zugleich noch mehr trillerartig und ſehr angenehm klingt. Das Schreien und Trillern treiben ſie beſonders eifrig Abends nach ſchwuͤlen Tagen und in warmen Nächten des Juni und Juli. Sie verrathen da: durch ihre Anweſenheit, auch wo man ſie am Tage nicht bemerkte, was oft uͤberraſcht, indem man Abends zuweilen das Trillern meh— rerer Paare und ihr lebhaftes Treiben an Orten vernimmt, wo man am Tage kaum eins zu ſehen bekam. Sie ſcheinen zu dieſer Abend— muſik abſichtlich auf einem Platze zuſammen zu kommen und ſich damit bei ihren Spielereien zu unterhalten. Manchmal ſtoͤßt er die Sylben Bidewidewide u. ſ. w. ſo ſchnell nach einander heraus, daß fie völlig einem Triller gleichen. Sie ähneln dem der naͤchſtfol⸗ genden kleinen Art, ſind aber vom Kenner leicht zu unterſcheiden an dem kraͤftigern Ton und, wenn man ſo ſagen kann, an den doppelten Sylben, Unterſchiede, die freilich auf dem Papier ſich nicht darſtellen laſſen. R ah er t ng, Sie beſteht mehrentheils in im Waſſer lebenden Inſektenlarven, in Waſſer⸗ und Landinſekten, wenn letztere ins Waſſer fallen oder XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. 779 an Waſſerpflanzen ſitzen; ſehr ſelten in ganz kleinen Fiſchchen oder auch in ſehr kleinen Froͤſchchen und Froſchlarven. Alle dieſe ſind gewoͤhnlich mit zarten gruͤnen Pflanzentheilen vermengt, die er wol nur zufällig, beim Fangen jener, mit verſchluckt. Zudem iſt fein Magen immer mit eigenen Bruft: und Bauchfedern in größerer oder geringerer Menge angefuͤllt, welche jene umhuͤllen oder nur un⸗ ter ſie gemiſcht ſind. Er erlangt die meiſten Nahrungsmittel auch nur tauchend, er⸗ jagt ſie zwiſchen den Pflanzen unter der Waſſerflaͤche, mag aber haͤufig auch bis auf den Grund gehen, weil viele in ſeinem Magen gefundene Larven jenen ſelten verlaſſen. Wir fanden beſonders oft die von Libellen, Haften, Phryganeen, Waſſer- und Schwimmkaͤ⸗ fern, von wirklichen Kaͤfern aber nur kleinere Arten, nebſt Notonec⸗ ten u. a. Im Schilf und Rohr ſahen wir ihn nicht nach Nah: rung tauchen, ſondern immer auf den kleinen, davon freien Plaͤtzen zwiſchen denſelben oder in deſſen Naͤhe, vermuthlich weil zu dicht ſtehende Stengel und Halme von jenen ihm unten das Fortkommen erſchweren moͤchten. Bei voͤlliger Sicherheit und Abends fiſcht er auch auf ganz großen freien Flaͤchen. Vieles mag er auch auf der Oberflaͤche finden. Wir ſahen ihn wenigſtens zuweilen ſehr fleißig mit dem Aufleſen kleiner Nahrungsmittel beſchaͤftigt und eine kleine Stelle lange nicht verlaſſen. Ein junger Vogel in den letzten Tagen des Juli, bei einem abgelaſſenen Teiche gefangen, war auſſerordentlich ſchnell in ſeinen Bewegungen auf einem großen Gefaͤß mit Waſſer, in welchem wir ihn mit Fiſchen, Froͤſchen, von beiden ſo klein als ſie zu bekommen waren, und mit Inſekten 6 Tage lang unterhielten und beobachte: ten. Er tauchte mit offnen Augen und angeſchloſſenen Fluͤgeln, verfolgte und fing die Fiſchchen mit großer Gewandtheit, die kleinen Froͤſchchen, wenn fie oben auf ſchwammen, alle Mal von unten, gegen ſie auftauchend, und hatte Muͤhe, ſie nachher hinabzuwuͤrgen. Etwas groͤßere mochte er daher nicht; zerſtuͤckelte man ſie ihm aber, ſo fraß er dieſe Biſſen auch. In der Stube ging und lief er et⸗ was ſchwerfaͤlliger als ſonſt alle kleinen Lappentaucher, deren wir mehrere einige Zeit lang beſaßen, zu thun pflegen. So oft wir ihn auf das Waſſer brachten, ſchien er ſehr erfreuet, tauchte ſogleich, wurde aber auch gleich naß, raufte ſich dann, — er ſtand naͤmlich fhon in der Mauſer, — eine Menge Federn aus, die er nachher alle ſorgfaͤltig vom Waſſer auflas und begierig verſchluckte. Um ſich abzutrocknen, zog er die Federn buͤſchelweis durch den Schnabel, 780 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. druͤckte ſo das Waſſer heraus und ſchleuderte es fort; nachher fet- tete er fie mittelſt des Schnabels mit dem Oel aus der Buͤrzel⸗ druͤſe ſorgfaͤltig ein, wobei Kopf und Hals auch nicht vergeſſen und fleißig auf der Druͤſe gewaͤlzt und gerieben wurden. So ein⸗ gefettet nahm das Gefieder nun kein Waſſer mehr an und wenn er nach dem Tauchen aus der Tiefe wieder oben erſchien, lief es wie Perlen von dem Gefieder ab. War er dann einen halben Tag wie: der in der Stube und ohne Waſſer geweſen, und wurde nun auf ſein Waſſergefaͤß gebracht, ſo ward er wieder naß und mußte jene Arbeit wiederholen. Man ſieht daraus, wie nothwendig den Wo: geln dieſer Gattung dieſes Einfetten iſt und wie oft ſie es erneuern muͤſſen, und darf ſich daher nicht wundern, wenn man ſie auch im Freien ſehr oft und lange damit beſchaͤftigt ſieht. Damit das Oel immer in zureichender Menge in die Druͤſe nachruͤcke, findet man dieſe Voͤgel zu allen Zeiten mit vielem Fett unter der Haut verſe⸗ hen, und dieſes Fett ſehr oͤlig und leichtfluͤſſig. Sonderbar iſt, daß alle Lappentaucher, ſonſt ohne Ausnahme ſehr ſcheu, in einem Zu: ſtande, wie der oben geſchilderte, ſogleich alle Furcht ablegen, ſo daß man dicht bei ihnen ſtehen und ihren Beſchaͤftigungen, denen man wenig Zwang anſieht, ganz in der Naͤhe zuſchauen kann, wenn man ſie naͤmlich aufs Waſſer bringt; dagegen in der Stube auf dem Trocknen, als in einem ihnen fremden Zuſtande, jedem, wer auf ſie zukoͤmmt, laufend ausweichen, in einen ruhigern Winkel flüchten, überhaupt ſehr betroffen und aͤngſtlich ſcheinen, fo daß dies Benehmen gegen jene Keckheit, die ſie auf dem naſſen Elemente zeigen, gewaltig contraſtirt. f i a Fortpflanzung. Auf unſern Landſeen und groͤßern Teichen ſucht der geoͤhrte Lappentaucher ſich ſolche Winkel, wo ſelten Menſchen hinkommen, wo zwar viel Schilf und Rohr waͤchſt, dies aber nicht ſehr dicht ſtehet, ſo daß zwiſchen groͤßern und kleinern Buͤſchen viel Waſſer davon frei bleibt und Spiegelflaͤchen von verſchiedenem Umfange bil: det. Er liebt mehr und dichteres Schilf, als die groͤßern Arten, weshalb er zwar mit ihnen auf einem Teiche niſtend vorkoͤmmt, ſein Niſtplaͤtzchen aber gewöhnlich nicht in ihrer Nähe hat, dieſes dage—⸗ gen oͤfterer mit der kleinern Art theilt. Daß er in vielen deut⸗ ſchen Provinzen und in manchen zahlreich ſich fortpflanzt, iſt ſchon beim Aufenthalt erwaͤhnt. * U XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geoͤhrter Lappent. 781 Sein Niſtbezirk, den er gegen andere Paͤaͤrchen ſeiner Art zu behaupten ſucht, iſt nicht groß, oft nur von 30 bis 40 Schritt Durchmeſſer, und da, wo mehrere Paare neben einander niſten, iſt oft Hader zwiſchen ihnen und ihre Abendunterhaltungen am Brü- teorte moͤgen haͤufig ihren Grund darin haben. Sie kommen im Fruͤhjahr meiſtens gepaart an und ſcheinen es das ganze Jahr zu bleiben. Ihre Begattung wird auf dieſelbe Weiſe auf dem Waſſer und unter vielem Schreien vollzogen, wie bei andern Lappentauchern. Das Neſt ſteht oder ſchwimmt nicht fo frei, als das der gro: ßen Arten, ſondern mehr zwiſchen Schilf, hinter Binſen u. dergl. verſteckt, ſo daß es vom Ufer aus ſelten, aus der Naͤhe jedoch leicht geſehen werden kann, nicht mitten in ganz dicht ſtehenden Buͤſchen, fondern am Rande derſelben, wo jene hohen Waſſerpflanzen weni— ger gedraͤngt aufgeſchoſſen ſind und ihre Stengel dem Vogel beim Durchſchwimmen nicht hinderlich werden. Nicht ſelten ſchwimmt es auf einer kleinen leeren Flaͤche mitten in einem ſolchen Schilf- oder Rohrbuſche. In volkreichen Gegenden ſteht es nie nahe am Ufer, wie denn der Vogel uͤberhaupt ſolche Teiche, an denen viel Verkehr herrſcht, wie z. B. in Doͤrfern oder an lebhaften Straßen, kaum jemals zum Niſtorte waͤhlt, aber auch auf ruhigern Gewaͤſſern ſein Neſt immer in moͤglicher Entfernung vom Ufer anlegt. Es hat entweder alte Schilfſtoppeln oder ein lichtes Schilf— buͤſchchen zur Stuͤtze, wo es erſt nach und nach, wenn es ganz nie— dergedruͤckt iſt, ſchwimmend wird, oder es ſchwimmt, wie am ge— woͤhnlichſten, gleich von allem Anfange an, wird von beiden Gat— ten auf gleiche Weiſe und von gleichem Material wie das anderer Lappentaucher gebauet, doch iſt letzteres etwas feiner, duͤnnere Bin: ſen und Grashalme eingemiſcht, auch von den untertauchenden Pflanzen ſchwaͤchere Theile und Wurzeln mit anhangendem Schlamm dazu genommen, und das Ganze ein platter Klumpen modernder Waſſerpflanzen, wie jene, nur von einem weit geringern Umfange, denn es haͤlt hoͤchſtens 9 Zoll im Durchmeſſer. Wer nicht ſchon mehr ſolcher Neſter geſehen, kann es leicht uͤberſehen, und der, wel— cher noch nie ein Lappentaucherneſt ſahe, wird dieſe unbedeutende Anhaͤufung faulender Waſſerpflanzen gar fuͤr kein Vogelneſt halten, zumal der abgehende Vogel ſtets die Eier mit Neſtmaterial bedeckt. Dies, aber nicht das beſſere Verſtecktſein, mit dem es ſo weit nicht her iſt, mag Urſache ſein, daß es gar nicht haͤufig aufgefunden wird, und mancher am richtigen Orte, wohin man meiſtens nur in einem leichten Kahn oder bis an den Leib im Waſſer und Moraſte 782 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. wadend gelangen kann, vergeblich darnach ſucht, weil er es nicht erkennt. Die gewoͤhnliche Zahl der Eier iſt 4; öfter kommen auch 5 vor, doch ſagt man auch von 6; wir fanden nur 4 bis 5 in einem Neſte. Auch er hat, bei ſchnellem Abgehen vom Neſte, zuweilen das Ungluͤck, ein Ei herab und ins Waſſer zu ſchnellen. Sie ſind an Geſtalt, Farbe und uͤbriger Beſchaffenheit denen der andern Lappentaucher voͤllig gleich, nur kleiner als alle vorher beſchriebene und aͤhneln darin nur etwas großen Haustaubeneiern. Die groͤ⸗ ßern Exemplare kommen den kleinern vom gehoͤrnten Lappen⸗ — taucher ſehr nahe, die kleinern den groͤßern der folgenden Art; fie halten alſo das Mittel zwiſchen beiden. Sie find ſelten ſtark— bauchicht, vielmehr am oͤfterſten von einer ſchoͤnen, ſchlanken Eiform, gewöhnlich 1 Zoll 7 bis 8 Linien lang und 1 Zoll 1 bis 2 Linien breit. Ihre gelbgruͤnlichweiße, mit kalkichtem Uiberzug verfehene - Schale wird bald vom Schmutze und der Naͤſſe des Neſtes beſu⸗ delt, braͤunlich gefaͤrbt oder braun marmorirt, nach dem chemiſchen Ge⸗ halt des Waſſers und Schlammes, mehr ins Gruͤnliche, ins Gelb— liche oder ins Roͤthliche ziehend. In Sammlungen werden ſie, auch wenn man die fremde Faͤrbung nicht abwuſch, lichter und manche den mit Zwiebelſchale abgekochten Huͤhnereiern an Farbe ahnlich. Männchen und Weibchen brüten l 3 Wochen lang ſehr eifrig, doch letzteres in längern Zeiträumen, über dieſen, oft faſt zur Haͤlfte im Waſſer liegenden Eiern, die ſie ſehr lieben und, wenn ſie abgehen muͤſſen, verſtohlens immer im Auge behalten; denn auch beim Neſte bleiben ſie aͤußerſt vorſichtig. Wenn man, waͤhrend ſie bruͤten, das Maͤnnchen wegſchießt, bruͤtet das Weibchen die Eier vollends allein aus und beſorgt ſo auch die Erziehung der Jungen. Dieſe iſt denen der uͤbrigen Arten ſo ganz aͤhnlich, daß es einer wiederholenden Beſchreibung nicht bedarf. Wenn das erſte Gelege glücklich auskoͤmmt, kann es gegen Ende des Juli ſchon voͤl— lig fluͤgge Junge geben; da ſie aber ſehr oft das Ungluͤck haben, die Eier einzubuͤßen, und mehrere Gelege machen muͤſſen, weshalb man, weil fie auch ſtets ein neues Neſt bauen, auf einem beſchraͤnk— tern Raum mehrere verlaſſene Neſter findet, ſo kann es ſich fuͤgen, daß ſie ſpaͤt im Juli oder gar im Auguſt noch bruͤtend angetroffen werden; daher denn die ungleichzeitige Mauſer bei Jung und Alt, ſo wie voͤllig erwachſene Junge neben noch nicht flugbaren i im Herbſt oder kurz vor dem Weggzuge. XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geöhrter Lappent. 783 * Feinde. Weil er am Tage ſelten fliegt, dies uͤberhaupt wo es nicht fein muß unterlaͤßt, fo hat er von Raubvoͤgeln ſelten etwas zu fürchten, und auf dem Waſſer kann ihm vollends keiner Etwas an: haben. Dagegen rauben ihm Rohrweihen, Kraͤhen und El— ſtern, ſo wie die Wanderratten die Eier, die letztern den klei⸗ nen Tauchern haͤufiger als den großen, weil ſie mehr in der Naͤhe des dichtern Schilfes niſten, in welchem ſich dieſe Thiere gewöhnlicher aufhalten, oder es vom nahen Ufer aus durchſtoͤbern. Nach dem Wiener Verzeichniß wohnen in feinen Eingewei— den verſchiedene Würmer, namentlich zwei Bandwuͤrmer, Tae- nia capillaris und T. macrorhyncha, auch eine noch unbeſtimmte Art der Gattung: Ascaris. 8 Jagd. Er iſt ſehr ſchwer zu ſchießen, weil er außerordentlich ſcheu iſt, ſich bei Annaͤherung des Schuͤtzen, tauchend, ſogleich außer Schuß— weite begiebt, oder, wo Schilf iſt, ſich ſogleich in dieſes verkriecht. Alle ſchon oben angegebenen Vortheile bei der Taucherjagd muͤſſen hier in Anwendung kommen, wenn ſie gelingen ſoll, und dennoch wird man, wenn das Gewehr nur ein gewoͤhnliches Feuerſteinſchloß hat, unzaͤhlige Male fehlſchießen, weil der Taucher mit dem Blitz der Pfanne augenblicklich untertaucht und der Schuß auf die leere Stelle ſchlaͤgt. Percuſſions- und noch beſſer Nadel-Flinten ſind hier am rechten Orte. Es bleibt indeſſen immer ſchwer, ihn unge⸗ ſehen auf Schußnaͤhe zu beſchleichen, ſogar auf dem Abendanſtande zu erlauern, wenn der Schuͤtze ſich nicht unbemerkt in ſein Verſteck begeben konnte. Auf kleinen Teichen von mehrern Schuͤtzen umzin⸗ gelt, laͤßt er bald nur Kopf und Hals, endlich ſich gar nicht mehr blicken, weil er ſich irgendwo ans Ufer legt, den Schnabel und Kopf bloß bis an die Augen uͤber dem Waſſer hat, und in dieſer Lage zwar ganz nahe aushält, aber leicht uͤberſehen wird. Er übertrifft hierin die groͤßern Arten, aber nicht die folgende. Schießt man ihn nicht auf der Stelle todt, ſo bekoͤmmt man ihn ſchwerlich. Wenn er ſich auf dem Grunde irgendwo feſt gebiſſen und ſo geendet hat, kann man ihn mit einem Fiſchnetze auffiſchen; iſt er aber nicht toͤdtlich verwundet, fo darf man nur auf Zufaͤlligkeiten rechnen. Ein von uns auf dem mehrerwaͤhnten Salzſee, an einer weit und breit \ 784 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 276. Geoͤhrter Lappent. von Schilf und Rohr entbloͤßten Stelle, fluͤgellahm Geſchoſſener kam zufaͤllig vor das große, von 20 Menſchen gezogene Fiſchzeuch, tauchte unter, gerieth in das Netz und war erſtickt, als man ihn mit den Fiſchen ans Land zog. Gefangen wird er zufaͤllig zuweilen in fuͤr Fiſche aufgeſtellten Klebegarnen, Garnſaͤcken und Reuſen. In abgelaſſenen Fiſchteichen auf den Schlamm gerathen, wird er, wie andere, bisweilen mit der Hand gefangen, beſonders die weniger ſchlauen Jungen. Nutz en. Sein Fleiſch iſt ebenfalls nur durch beſondere Zubereitung ge nießbar zu machen, dann aber zart und nicht unſchmackhaft. Die Bruſthaut mit ihrem ſchoͤn glaͤnzenden, meiſtens rein wei⸗ ßen Gefieder koͤnnte, wenn ſie nicht ſo klein waͤre, als Pelzwerk be⸗ nutzt werden. Schaden. Da er für gewöhnlich keine Fiſche frißt, fo koͤnnte man ihn eher zu den nuͤtzlichen als zu den ſchaͤdlichen Geſchoͤpfen zaͤhlen. Anmerk. In der alten Ausgabe dieſes Werkes, III S. 451 — 454. gehört Vieles aus der Naturgeſchichte des ſchwarzbraunen Tauchers (des Jungen oder Herbſtvogels von C. cornutus) zu der unſres geöhrten Lappentauchers, eine Verwechs⸗ lung, die nicht allein meinem Vater, ſondern auch Bechſtein (a. a. O.) begegnete, auf die aber ſchon Meyer im Taſchenb. d. D. Vögelk. II. S. 433. u. f. aufmerk⸗ ſam machte. j 277. Der kleine Lappentaucher. Colymbus minor. Linn. Fig. 1. Altes Männchen im Sommerkleide. 5 Fig. 2. Weibchen im Uibergangskleide. Taf. 247. Fig. 3. Winterkleid. 0 f Fig. 4. Jugendkleid. BR Fig. 5. Neſtkleider. Kleiner Steißfuß; Zwergſteißfuß; Kaſtanienſteißfuß; kleiner —, ſchwaͤrzlicher Taucher; Fluß —, Sumpf⸗—, Zwergtaucher, Tauch- entchen, Haarentchen, Kaͤferentchen; Ducher, Doucker, Duckchen, Duͤcker, Tuͤcheli, Tunkentli; Grundruch; Muͤderli, Poͤmpeli, Dune u hier zu Lande: Kleiner Taucher. Columbus hebridieus, Gmel. Wa syst. I. 2. p. 394. u. 28. = Colymbus Ppyrenaicus. La Peironse Neue schwed. Abh. III. p. 105. Podiceps hebridi- cus. Lath. Ind. II. p. 785. n. 11. — Le Grebe de riviere notratre. Briss. Oru. VI. p. 62. var. A. Gröbe montagnard. Sonu. nouv. Edit. de Buff. Ois. XXIII. p. 336. — Le petit Grébe. Gerard. Tab. élém. II. p. 295. Grebe castagneux. Temm, Man. nouv. Edit. II. p. 727. — Plack chined Grebe. Lath. Syn. V. p. 292. — Uiberſ. v. Bech ſtein, III. 1. S. 261. u. 1: —= Colimbo minore o Tuffetto rosso Stor. deg. Uce. V. Tav, 519. = Tuffetto. Savi, Orn. Toscan, III. p. 17. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 565. — Deſſen Taſchenb. II. S. 355. n. 5. — Wolf u. Meyer, Naturg. a. Vög. Deutſchl. Heft XVII. alt. Männ⸗ chen, Weibch. u. Neſtkleid. —= Deren, Taſchenb. II. S. 436. — Meisner u. Schinz, Vög. der Schweiz. S. 254. n. 231. —= Koch, Baier. Zool. I. S. 357, n. 223. —= Brehm, Lehrb II. S. 875. - Deſſen Naturg. q. V. Deutſchl. S. 964 — 966. Gloger, Schleſ. Fauna S. 60: u. 279. — Land beck, Vög. Wür⸗ tembergs. S. 82. n. 292. = E. v. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 79. u. 267. = Naumanns Vög. alte Ausg. III. S. 454. Taf. LXXI. Fig. 110. Männchen im Frühlinge, Fig. 111. Weibchen im Herbſt, Fig. 112. Junges im Neſtkleid. 9. Band. 50 786 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. Jugend- und Herbſtkleid. Colymbus minor. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 591. n. 20. —= Colymbus u- viatilis. Briss. Orn. VI. p. 59. = Podiceps minor. Lath. Ind. II. p. 784. n. 9. Retz. Faun. suec. p. 154. n. 114. — Nilss. Oro. suec. II. p. 131. n. 199, — Le Grobe de riviere. ou castagneux. Buff. Ois. VIII. p. 244. t. 20. — Edit. de Deuxp. XV. p. 304. Id. Pl. enl. 905. Gerard. Tab. élém. II. p. 302. Little Grebe. Lath. Syn. V. p. 289. — Uiberſ. v. Bechſtein. III. 1. S. 259. n. 10. Bewick, brit. Birds, II. p. 154. = Colimbo minore, Tuffetio o Tuffolino. Stor. leg. Uce. V. Tar. 517. = Kleine Duiker, Dood- Aas. Sepp. Nederl. Vog. III. t. p. 231. = Friſch, Vög. II. Taf. 184. Kennzeichen der Art. Die zweite Ordnung Schwingfedern nur auf den innern Fah— nen weiß, daher kein weißer Spiegel. Der Schnabel klein, nicht ſchlank, gerade. a Beſchreibung. Schon durch ſeine geringere Groͤße unterſcheidet ſich dieſer Lap⸗ pentaucher von allen uͤbrigen einheimiſchen Arten; er iſt der kleinſte unter ihnen. Von den jungen Voͤgeln der zuletzt beſchriebenen Art unterſcheidet ihn ſogleich ſein gerader, ſtaͤrker ausſehender, eigentlich aber bloß höherer Schnabel, von denen des C. cornutus und C. arcticus, deren Schnabelbau dem feinigen ähnlicher, die weit gerin⸗ gere Groͤße, und von Allen insgeſammt der Mangel des weißen Spiegels auf dem in Ruhe liegenden Fluͤgel. Seine Größe vergleicht man gewoͤhnlich mit der einer Wach⸗ tel; das iſt aber nicht genug; er iſt bedeutend größer, viel breiter am Rumpf und faſt noch ein Mal fo ſchwer. Seine Lange wech: ſelt zwiſchen 9 und 10% Zoll; die Flugbreite zwiſchen 17 u. 18 Zoll; die Länge des Fluͤgels von 3 ¼ bis über 4 Zoll, fo daß in der Re⸗ gel die kleineren Maaße juͤngern und namentlich weiblichen Voͤgeln zukommen, obwol die Groͤße auch individuell verſchieden vorkoͤmmt. Die laͤngſten Haarfedern des Schwanzpinſels koͤnnen über 1½ Zoll meſſen. Der Hals iſt weder kurz, noch auffallend lang und dünn, ver: haͤltnißmaͤßig wenigſtens kuͤrzer als bei mehrern andern Arten, die uͤbrige Koͤrpergeſtalt aber dieſelbe. Ebenſo die Fluͤgel, mit ihren ſpitzewaͤrts ſehr ſtark nach innen gebogenen Schaͤften der Schwing⸗ federn erſter Ordnung, und das uͤbrige Gefieder, das letztere jedoch 9 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 787 haarartiger als bei allen andern Lappentauchern; denn nirgends als am Flügel haben die Federn geſchloſſene Fahnen und ſcharf gezo— gene Umriſſe. Das Geſieder am Kopfe und Halſe iſt ſehr fein, ganz zerſchliſſen und ſeidenweich, am Ober- und Hinterkopfe, auch auf den Wangen etwas verlaͤngert, ſo daß es aufgeſtraͤubt dem Vogel ein dickkoͤpfiges Ausſehen verſchafft, aber in keinem Alter und zu keiner Jahreszeit eine Holle oder Backenkragen bildet, auch ganz glatt niedergelegt werden kann. Der Schnabel iſt kurz, etwas ſtark, beſonders hoch und dabei ſchmal, wenig ſchlank; die ſchmale, abgerundete Firſte von der Stirne an bis uͤber die Mitte hinaus gerade, dann ſanft gegen die Spitze herabgebogen; der etwas breite Kiel auf zwei Drittheil feiner Länge, als ſo weit die Spalte reicht, ganz gerade, dann nicht ſehr ſchnell, daher kein Eck bildend, gegen die Spitze aufſteigend, dieſe zuſam⸗ mengenommen kurz, aber ſcharf; der Schnabel ſeitlich zuſammenge⸗ druͤckt wie ein Keil, nach hinten, wenigſtens über der Mundkante des Oberſchnabels bedeutend breit; die Schneiden gerade, ſehr ſcharf, die obere etwas mehr eingezogen als die untere und doch ein we— nig uͤber ſie hinweggreifend; der Mundwinkel etwas geſchweift; die Naſenhoͤhle groß, bis über die Schnabelmitte vorreichend, vorn rund: lichſpitz; nahe am Ende, alſo in der Mitte des Schnabels, oͤfnet fi) ſeitwaͤrts das kleine laͤnglichovale, durchſichtige Naſenloch. Die Haut um den geſchweiften Mundwinkel breitet ſich mit zunehmen⸗ dem Alter aus, bei alten Voͤgeln beſonders in der Fortpflanzungs⸗ zeit, in eine rhomboidale Flaͤche, mit feinen, nach innen gerichte⸗ ten Riefen, wie die Rippen eines Blattes, und von ihr geht ein glatter, nackter Streif zum Auge. Die Laͤnge des Schnabels, von der Stirn zur Spitze, iſt 9 bis 10 Linien; ſeine Hoͤhe an der Wurzel noch nicht volle 4 Linien; die Breite hier gute 3 Linien. Er iſt verſchieden gefaͤrbt, bei den Alten im Fruͤhlinge ganz ſchwarz, bis auf ein gelblichweißes Spitzchen, vorzüglich am Unterſchnabel, wo es ſich auch ſcharf und ſenk⸗ recht vom Schwarzen ſcheidet, die haͤutigen Mundwinkel blaß gruͤnlich⸗ gelb, der nackte Zuͤgelſtreif dunkler, ſchwaͤrzlich uͤberlaufen; bei ſol⸗ chen im Herbſt das Weiße an der Schnabelſpitze undeutlicher, die Mundwinkel duͤſterer und weniger ſchwammig, der Zuͤgelſtreif ſchwaͤrz⸗ lich und die Hauptfarbe des Schnabels nur braunſchwarz; bei ju n⸗ gen Herbſtvoͤgeln mehr oder weniger gruͤnlichgrau, am Ruͤcken und der Spitze ſchwaͤrzlich, an der Unterkinnlade, beſonders wurzel⸗ waͤrts, rothgelblich oder nur ſchmutzig fleiſchfarbig; bei ganz jun⸗ 50* 788 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentauder. gen Voͤgeln roͤthlichweiß mit ganz weißer Spitze. Bei erſtern wird im Tode und getrockneten Zuſtande nach und nach die Schnabel— ſpitze licht horngelblich und verläuft in das Hornſchwarz des Schna- bels, der Mundwinkel ſchrumpft zuſammen und wird hell gruͤngrau, der Zuͤgelſtreif dunkelbraun; bei jungen Herbſtvoͤgeln der Schna: | bel oben dunkel, unten hell hornfarbig, der Zuͤgelſtreif ſchwaͤrzlich; bei den Jungen hornweißlich. Das kleine, liſtige Auge hat nach innen kahle, roͤthlichſchwaͤrz⸗ liche Lider und bei alten Vögeln dunkel braunrothe, im mittlern Alter rothbraune, fruͤher blaßbraune, in zarter Jugend N Augenſterne. Die Fuͤße haben nach allen ihren Theilen dieſelbe Geſtalt, wie die anderer Lappentaucher und die Verhaͤltniſſe der verſchiedenen Theile zu einander ſind die naͤmlichen. Individuell variirt bloß die Laͤnge der mittlern Zeh manchmal, ſo daß ſie beinahe oder ganz die der aͤußern hat. Die langen Unterſchenkel (Tibiae) liegen wage⸗ recht neben dem Buͤrzel, ſind von der Haut des Bauchs und der Weichen umſchloſſen, ganz nach hinten geſtreckt, und treten erſt nahe an der Ferſe frei hervor, eine hoͤchſt ſeltene, aber allen Lappentau⸗ chern eigene Bildung, welche das aufrechte Stehen und Gehen der— ſelben bedingt. — Der Lauf iſt 1 Zoll 4 bis 5 Linien lang; die aͤußere Vorderzeh mit ihrem 2½ Linien langen, ſehr ſchmalen Na⸗ gel, 1 Zoll 10 bis II Linien und die Hinterzeh mit ihrem ſehr un: bedeutenden Nagel faſt 6 Linien lang. — Die Nägel find ſchmaͤler als bei andern Arten, der der innern Zeh ſehr ſchmal, aber ebenfalls ganz flach; von dem der Mittelzeh, als dem groͤßten, iſt zu bemer— ken, daß er in der Jugend nur einen duͤnnen, ſchneidenden, einfa— chen und nicht gezähnelten Vorderrand hat, welcher mit zunehmen: dem Alter breiter, bei Alten über eine Linie breit wird und erſt all: maͤhlich die kammartigen Einſchnitte bekoͤmmt. So weit dieſer Bor: derrand der Naͤgel uͤber die Zeh hinaus ragt, indem ſie mit ihrer ganzen uͤbrigen Flaͤche platt auf den Zehen aufgewachſen und nicht frei ſind, iſt er bei allen Lappentauchern weißlich. Die Faͤrbung der Fuͤße iſt duͤſterer als bei andern Arten, doch nicht ſo dunkel als bei der vorigen, naͤmlich bei alten Voͤgeln; denn in der Jugend ſind ſie bei allen lichter gefaͤrbt, bei unſerer kleinen Art anfaͤnglich bleigrau, auf der Mitte der Zehen und an der Innenſeite der Laͤufe in Fleiſchfarbe ſpielend, ſpaͤter, wenn ſie ziemlich erwachſen, olivengruͤngrau, an jenen Theilen ſchmutzig gelb— lich, an der Auſſenſeite des Laufs und laͤngs dem Auſſenrande der XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 789 aͤußern Zeh ſchwarzgrünlich, Zehen⸗ und Lappenſohlen ſchwarz; bei Alten, zumal im Fruͤhjahr, dunkler olivengruͤn, auf der Mitte der Zehen und an der innern Seite des Laufs aber ſehr licht, auch mehr gelblich, an der Auſſenſeite des letztern und dem aͤußern Lappen der Auſſenzeh gruͤnlichſchwarz, an den Zehen- und Lappenſohlen rein ſchwarz. Die Faͤrbung derſelben, die der letzten Theile ausgenom⸗ men, iſt oft durch lichte Queerlinien gehoben, weil die Einſchnitte oder Zwiſchenraͤume der Schilder gewöhnlich weißlich find. Die Naͤ— gel ſind braunſchwarz, ihr Vorderrand gelbweißlich. — An Ausge— ſtopften und voͤllig ausgetrocknet iſt die Fußfarbe des lebenden Vo⸗ % gels nicht zu erkennen; fie wird bei Jungen matt, bei Alten ſehr h dunkel gruͤnlichhornſchwarz. In fruͤheſter Jugend ſind es ſehr zarte Geſchöpfe, und ihr dich⸗ tes, weiches Dunenkleid, von oben her das dunkelſte unter den einheimiſchen Arten, hat folgende Farben und Zeichnungen: Kopf und Hals, bis an die Bruſt herab, der Rumpf oben und an den Seiten find tief ſchwarz; die Stirne ſilbergrau; auf dem Scheitel und über dem Auge ein roſtfarbiger Strich; an den Kopfſeiten, be: ſonders aber an der Kehle ſtehen mehrere abgeſetzte weiße Striche; auf dem Hinterhalſe laufen zwei, an den Halsſeiten je ein dunkel roſt⸗ farbiger oder roſtbrauner Streif zum Ruͤcken hinab und hier in wach— ſender Breite bis an das Ende des Rumpfs; ein anderer, etwas lichterer, weißlichroſtfarbiger, laͤuft neben der ſchwarzen Gurgel herab und endet in weißlichen Flecken in der Fluͤgelgegend; von hier an bis zum After haben die Seiten des Rumpfs noch zwei bis drei lichtroſtbraune Laͤngeſtreifen; ſaͤmmtliche Streifen nehmen ſich auf dem ſchwarzen Grunde ſehr ſchoͤn aus, weil ſie meiſtens ſehr ſcharf gezeichnet ſind; die untere Seite des Rumpfs oder Bruſt und Bauch ungemein zart und rein weiß. Das kleine, kurze, an der Wurzel ziemlich dicke, anfaͤnglich fleiſchfarbige Schnaͤbelchen wird bald an der Firſte grau, erhaͤlt aber langſam ſeine eigentliche Geſtalt und Farbe. Der Stern des kleinen Auges geht eben ſo aus dem Weißlichen in Grau, in Graubraun, in Braun u. ſ. w. uͤber, ſo wie ſich an den Fuͤßen das Fleiſchfarbige verliert und allmaͤhlich gelblich und das Bleigrau gruͤnlich wird. Sie legen das Dunenkleid erſt ab, wenn ſie weit Bi die Haͤlfte erwachſen find und find es faſt ganz, wenn ihr erſtes ordent: liches Gefieder, das eigentliche Jugendkleid hergeſtellt iſt. In ihm ſind der ganze Ober- und Hinterkopf, der Hinterhals und alle obern Theile des Rumpfes dunkel- faſt ſchwarzbraun, am dunkelſten auf 790 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. dem Scheitel und Ruͤcken; durch die Schläfe zieht ein ſchwarzer Streif, unter ihm, in derſelben Richtung nach hinten, ein zweiter, oft nur gefleckter, auf weißem Grunde, denn die Wangen ſind weiß, nach der Ohrgegend zu roſtfarbig angelaufen und hier oder an den Seiten der Kehle oft noch mit einigen ſchwarzbraunen Fleckchen; dieſe Streifen an den Kopfſeiten ſind zum Theil noch die letzten Uiberbleibſel des Dunenkleides. Die Kehle iſt, mehr oder weniger abwaͤrts, weiß; der ganze Vorderhals und Kropf licht roſtbraͤunlich, an den Halsſeiten mit dem Braun des Hinterhalſes verſchmelzend, an den Bruſtſeiten hinab: und in die tief braungraue der Tragfe⸗ dern uͤbergehend; die Mitte der Bruſt glaͤnzend ſilberweiß; der ei⸗ gentliche Bauch und die Schenkelgegend grau, letztere oberwaͤrts et⸗ was roſtbraͤunlich gemiſcht; die den Schwanz vorſtellenden Haarfe⸗ dern oben ſchwarz, unten weißlich. Die Fluͤgeldeckfedern und hin⸗ tern Schwingfedern ſind dunkler ſchwarzbraun als der uͤbrige Fluͤ⸗ gel, welcher eigentlich rauchfahl und an den Enden der Fittichdeck⸗ und Primarſchwingfedern bloß ſchwarzbraun iſt, während die rauch: fahlen Secundarſchwingfedern auf den ganzen Innenfahnen weiß ſind, auf der aͤußern aber nur an der Spitze ein Wenig hievon ha⸗ ben, mit Ausnahme der letzten oder der dritten Ordnung, welche einfarbig ſchwarzbraun ſind; ein ſehr ſchmales Fluͤgelraͤndchen und der ganze Unterfluͤgel, bis auf die glaͤnzend dunkelgraue Spitze, weiß. — Maͤnnchen und Weibchen ſind aͤußerlich ſchwer zu un⸗ terſcheiden, gewoͤhnlich iſt jedoch das e etwas kleiner und auf der Gurgel herab weißlicher. Das erſte Herbſt⸗ oder Winterkleid, in das jenes uͤbergeht, iſt ſelten ganz ohne dunkele, ſtreifartige Flecken an den Schlaͤfen und Wangen, ſonſt aber dem der alten Voͤgel faſt ganz gleich. — Der ganze Oberkopf, Hinterhals und Oberkoͤrper ſind bei dieſen matt ſchwarzbraun, mehr oder weniger dem Dunkelbraungrauen ge⸗ nähert, auf den Schulterfedern häufig mit noch dunklern, faſt ſchwar⸗ zen Schaftſtrichen; Kinn und Kehle weiß, an den Wangen ſanft in eine blaſſe roſtbraͤunliche oder ſchmutzig roͤthlichroſtgelbe Faͤrbung gegen die Ohren zu uͤbergehend, die denn auch den ganzen Vorder hals einnimmt, an den Halsſeiten mit der des Hinterhalſes ver⸗ ſchmilzt und vom Kropfe ab ſich an den ſchwarzbraungrauen Trag⸗ federn hinzieht und mit dieſen miſcht, laͤngs der ſilberweißen Bruſt⸗ mitte aber in das Weiße verliert; die Schenkel grau; uͤber ihnen iſt dieſem etwas Weiß und Roſtfarbe beigemiſcht, zwiſchen welchen ſich feine ſchwarze Schaftſtriche zeigen; die Fluͤgel wie ſchon beſchrie⸗ XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lapp entaucher. 791 n ben. Von dem Herbſtkleide der jungen Voͤgel iſt es, wenn dieſem auch alle Streife und Flecke an den Kopfſeiten fehlen ſollten, leicht an der verſchiedenen Farbe des Schnabels zu unterſcheiden, indem dieſer hier, eine mattere Faͤrbung abgerechnet, noch ſo ziemlich die des Fruͤhlings hat, waͤhrend er bei jungen Herbſtvoͤgeln nur laͤngs der Firſte ſchwaͤrzlich, übrigens braungrau, auch wol gruͤnlich iſt, an der Wurzel der Unterkinnlade aber in ſchmutzige Fleiſchfarbe uͤber⸗ geht und hauptſaͤchlich kein weißes Spitzchen hat. — Beide Ge⸗ ſchlechter weichen in der Größe ab, in der Färbung aber fo we- nig, daß ſich ſchwerlich ſichere aͤußere Unterſcheidungszeichen auf: finden laſſen. Waͤhrend des Federwechſels vorkommende Individuen muͤſſen natürlich verſchiedene Uibergaͤnge von einem Kleide in das an: dere darſtellen, die oft ſehr bunt ausſehen, je nachdem das anwe— ſende Gefieder mehr oder weniger dem einen oder dem andern Kleide angehört, weil das Fruͤhlingskleid viel dunklere und zum Theil an- dere Farben hat, als das einfachere, lichtere Herbſtkleid. Solche zu beſchreiben, wäre überflüffig, weil fie fi) jeder in Gedanken zuſam⸗ menſetzen kann, zumal wir auf unſerer Kupfertafel Fig. 2. ein in ſolchem Uibergangskleide befindliches altes Weibchen abge— bildet haben, an dem die Kehle noch weiß, die Halsſeiten aber ſchon mit vielen dunkelroſtrothen, die Tragefederpartie und der Oberkoͤr— per ebenſo mit ſchwarzen neuen Federn durchmengt ſind, weil es, als wir es zu Ausgang des Winters erhielten, eben im Begriff ſtand, das Herbſtkleid mit dem Fruͤhlingskleide zu vertau⸗ ſchen. Eben ſolche Uebergaͤnge kommen im Sommer vor, wenn ſie dieſes ab⸗ und jenes anlegen, wo dann die lichter gefaͤrbten Federn die neuen, die dunkeln die alten ſind. Das Frühlings: oder Hochzeitskleid iſt ſehr verſchieden von den beſchriebenen Kleidern und das ſchoͤnſte von allen. Wenn es das erſte des Vogels, dieſer alſo ziemlich ein volles Jahr alt iſt, ſieht der Vorderkopf bis an das Auge, auch unten an der Kehle, glänzend braunſchwarz, das auf dem Scheitel, Genick und Nacken in wirkliches Schwarz, mit gruͤnlichem Seidenglanze uͤbergeht, und am Anfange des Ruͤckens wieder braunſchwarz wird, und als dieſes, ſehr glänzend, den ganzen Oberkoͤrper bedeckt, auch den untern Vor⸗ derhals nebſt dem Kropf, ſo wie die ganzen Seiten des Unterkoͤr⸗ pers uͤberzieht, von dieſen aus in ein großes ovales Feld auf ſeiner Mitte verlaͤuft, das ſilberweiß und dunkelbraungrau gefleckt iſt und auſſerordentlich ſtark glaͤnzt, wenn aber dieſer ſonderbare Glanz nicht 792 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. waͤre, in gewiſſem Lichte ſich kaum von ſeinen Umgebungen unter⸗ ſcheiden wuͤrde. Ein großer, hochkaſtanienbrauner Fleck, welcher die Wangen und Ohrgegend, den untern Theil der Kehle, den obern Theil des Halſes vorn und an den Seiten einnimmt, iſt die groͤßte Zierde dieſes Kleides. Die Weichen find grauweiß, roſtfarbig ges miſcht und grau geſtrichelt; der eigentliche Bauch dunkelgrau; der Schwanzpinſel oben ſchwarz, unten grauweiß, mit Roſtfarbe ge: miſcht; die Fluͤgel braunſchwarz, dunkler als in den vorigen Klei⸗ dern, aber mit denſelben weißen Abzeichen; Schnabel und Fuͤße wie oben beſchrieben. — Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen ift wei: ter kein Unterſchied, als daß erſteres etwas größer und feine Kopf⸗ befiederung etwas länger und dichter iſt, weshalb es dickkoͤpfiger ausſieht, daß das Braunroth an den Halsſeiten noch ſchoͤner und das Schwarz des Hinterhauptes noch glaͤnzender iſt. ; Bei vielen Individuen iſt dies Kleid, während fie ſchon den Fortpflanzungsgeſchaͤften obliegen, noch nicht fertig hergeſtellt, wo: durch fruͤher viele Irrungen in den Beſchreibungen dieſer Voͤgel entſtanden, und ſowol Bechſtein, wie mein Vater, ſich irre leiten ließen, das Herbſtkleid fuͤr das weibliche Fruͤhlingskleid zu halten, weil ſie namentlich die Doppelmauſer nicht ahneten. Alle folgenden Fruͤhlingskleider ſind dem erſten aͤhnlich, aber in ihrer Art noch viel ſchoͤner, oder vielmehr dunkler gefaͤrbt, bei mehrere Jahr alten der Schnabel bis an die ſcharf abge— ſetzte weiße Spitze gleichmaͤßig ſchwarz, die ſchwammige, wie ein Pflanzenblaͤttchen ſich um den Mundwinkel ausbreitende Haut, blaß gelbgruͤn; der nackte Zuͤgelſtreif ſchwaͤrzlich; der Augenſtern dunkel rothbraun; die Kehle und das ganze Geſicht tief ſchwarz; der Hin— terſcheitel und Nacken eben fo, oder noch tiefer, mit grünem Seiden⸗ glanze; der große Fleck der Kopfleiten und des obern Vorderhalſes dunkel braunroth; der uͤbrige Hals, Ober- und Unterkoͤrper voͤllig ſchwarz, auf dem Oberruͤcken und den Schultern ſtark glaͤnzend, wie polirtes Fiſchbein, auf der Mitte der Bruſt ein ovales Feld ſil— bergrau, mehr durch deſſen auſſerordentlichen Glanz als durch ſeine eigentliche Faͤrbung gehoben; der Fluͤgel auch viel ſchwaͤrzer als in den vorigen Kleidern, ſonſt mit den naͤmlichen weißen Abzeichen; die Weichen weißlich, an den Federenden roſtfarbig angelaufen und viele mit ſchwarzen Schaftſtrichen zunaͤchſt der Spitze; der Schwanz: pinſel oben ſchwarz, unten weiß, mit Roſtfarbe gemiſcht. Das ganze Gefieder glaͤnzt wie der glattgeſtrichene Pelz eines Saͤugethieres, nur der praͤchtige brauurothe Halsfleck iſt ſammetweich und ohne Glanz; XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 793 der Kopf bei aufgeſtraͤubtem Gefieder dick, wie aufgedunſen, aber nie mit einer Spur von einem Backenkragen oder einer Haube. — Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich kaum mehr als im vorigen Kleide, das Maͤnnchen durch anſehnlichere Groͤße, dickern Kopf, dunkler rothen Halsfleck und durch ein tieferes Schwarz, das beim Weibchen meiſtens etwas ins Schwarzbraune ſpielt. Das ſilbergraue Feld auf der Bruſtmitte hebt ſich auch nur in gewiſſem Lichte aus dem umgebenden, aber nicht ſcharf begrenzten Schwarz durch ſeinen enormen Glanz hervor, und ſcheint in anderm Lichte oft wie verſchwunden und Alles ſchwarz zu ſein, wie es denn uͤberhaupt auch bei manchen Individuen mehr, bei andern weniger hervortritt, ſo daß die letztern namentlich nur etwas matter ſchwarz daſelbſt zu ſein ſcheinen, das aber ebenfalls ſilberartig glaͤnzt. d Die Mauſer geht zu ſehr verſchiedenen Zeiten vor ſich und wird von gewiſſen Umſtaͤnden oft ſehr aufgehalten oder verſpaͤtet. Dies macht, daß Voͤgel dieſer Art in einerlei Jahreszeit in verſchie— denen Kleidern angetroffen werden, und hat in fruͤhern Zei⸗ ten, als die Doppelmauſer und vieles Andere noch unbekannt war, zu großen Verwirrungen in den Beſchreibungen Anlaß gegeben. Wenn im Frühjahr die Fortpflanzungsgeſchaͤfte wie gewoͤhnlich An- fangs Mai ihren Anfang nehmen koͤnnen und dem Ausbruͤten des erſten Geleges, wie der Erziehung der Jungen, Nichts hinderlich iſt, wenn alſo Alles regelrecht von Statten geht, ſo ſind die Jungen um die Mitte des Juli erwachſen und vollſtaͤndig im Jugendkleide, die Alten in der Mauſer, welche nach 3, hoͤchſtens 4 Wochen be— endet iſt, in welcher ſie, weil die Schwingfedern ausgefallen und noch nicht wieder durch neue erſetzt ſind, eine Zeit lang gar nicht fliegen koͤnnen. Man erhaͤlt dann um die Mitte des Auguſt ſchon voͤllig rein vermauſerte Alte, welche ihr Herbſtkleid ſchon ganz vollſtaͤndig haben. Dies hat denn auch Einfluß auf die Winter: mauſer, die dann im Januar und Februar Statt hat, und ihr Frühlingskleid iſt bei ihrem Wiedererſcheinen auf unſern Ge⸗ waͤſſern, im Maͤrz, ganz vollkommen hergeſtellt. Die aus ſo gluͤck— lichen Ehen hervorgegangenen Jungen vertauſchen dann im Auguſt und September ihr Jugendkleid mit dem erſten Herbſtkleide, wobei ſich der Federwechſel jedoch nur über Kopf und Hals zu ver breiten ſcheint, dieſes aber mit ihrem erſten Fruͤhlingskleide auch einen oder zwei Monate ſpaͤter als die Alten, ſind aber doch meiſtens damit fertig, wenn ſie im Maͤrz zu uns wiederkehren. So iſt es in der Regel. Dieſe kann jedoch gewaltige Ausnahmen erleiden, 794 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher.“ durch Ungluͤck der Alten bei ihren Fortpflanzungsgeſchaͤften. Dieſe Voͤgel kommen naͤmlich gar oft um das erſte, zweite, dritte Gelege und man hat ſogar ſolche noch im Auguſt auf dem Neſte und uͤber den Eiern bruͤtend, angetroffen. Da nun der Federwechſel bei den Bruͤtevoͤgeln, namentlich bei den Weibchen, fruͤheſtens erſt dann eintritt, wenn die Jungen mindeſtens halb erwachſen ſind, ſo koͤn⸗ nen jene Ungluͤcklichen oft erſt im September und October ihr Fruͤh— lingskleid mit dem Herbſtkleide vertauſchen; fo zeigt ſich bei einem vor mir ſtehenden alten Weibchen, am 1. September erlegt, das entſtehende Herbſtkleid nur erſt in wenigen weißen Fe⸗ derchen an der braunſchwarzen und roſtrothen Kehle. — Dadurch kann es denn kommen, daß im Anfange des Herbſtes alte Voͤgel in Fruͤhlings- und Herbſtkleidern, das eine oder das andere noch oder ſchon rein, durcheinander angetroffen werden. Durch eine ſo verſpaͤtete Sommermauſer wird aber auch ein weiteres Hinausſchie⸗ ben der Wintermauſer (die ſich beilaͤufig geſagt nicht auf die Schwing⸗ federn erſtreckt, ihnen alſo auf dem Ruͤckzuge nicht hinderlich wird) bedingt; ſolche Voͤgel ſind dann noch nicht damit fertig, wenn ſie ſich gepaart oder fchon Neſt und Eier haben, und da die Maͤnn— chen ſtets fruͤher, oft drei bis vier Wochen vor dem Weibchen, oder von da an in die Mauſer treten, wo fie aufhören, Bruͤtegehuͤl⸗ fen zu ſein, ſo fuͤgt es ſich oft, daß man im naͤchſten Jahr, indem auch die Wintermauſer um ſoviel fruͤher ſtatt fand, beim Neſte das Erſtere im vollſtaͤndigen Hochzeitsge wande, das letztere in noch wenig veraͤnderten Herbſtkleide antrifft, und die Mutter oft noch in einem ſonderbaren Uibergangskleide neben ihren Jungen ſchwim⸗ men ſieht. Solche ungleiche Paͤaͤrchen hatten Bechſte in und mein Vater vor ſich, als ſie meinten, dies ſei immer ſo. Es koͤmmt in⸗ deſſen wirklich auch recht oft, ja beinahe eben ſo oft vor, als beide Gatten im reinen Fruͤhlingskleide, naͤmlich beim Neſte. Ich hielt eine weitlaͤufigere Auseinanderſetzung dieſes fo ver: ſchiedenen Vorkommens darum fuͤr nothwendig, weil ſie nicht allein zum Zurechtfinden unter Individuen dieſer Art, ſondern auch ſaͤmmt⸗ licher Arten dieſer ganzen Gattung dienlich fein wird, da alle zu mehr oder weniger unregelmaͤßiger Zeit maufern, jenachdem ihre Fort- pflanzungsgeſchaͤfte früher oder ſpaͤter beendet werden konnten, oder die Jungen bis zwei Monate fruͤher oder ſpaͤter ausgebruͤtet wurden, zu⸗ mal dieſe Verſchiedenheiten unter gleichzeitig getoͤdteten Individuen einer Art früher manche irrige Meinung bei den Schriftſtellern her⸗ vorgebracht haben und eine in der Natur begründete Zurechtwei⸗ XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 795 ſung, auf vieljaͤhrige genaue Beobachtungen ſich ſtuͤtzend, hier Noth that. Aufenthalt. Der kleine Lappentaucher iſt uͤber weite Laͤnderſtrecken, naͤmlich uͤber das ganze gemaͤßigte und waͤrmere Europa, Aſien und Nordamerika verbreitet, geht in unſerm Erdtheile jedoch kaum bis zum 60 Breitegrade noͤrdlich, iſt nur einzeln auf den Hebri⸗ den und im füdlichen Schwed en, auch in Daͤnemark eben nicht haͤufig, aber gemein in England, Hoftag; der Schweiz, Frankreich, Italien, Ungarn u. ſ. w. In Deutſchland iſt er es ebenſo von feinem nördlichen Geſtade bis an die ſuͤdlichen, öft- lichen und weſtlichen Grenzen, in waſſerreichen und tiefen Gegenden ſehr gemein, aber auch auf ſtehenden Waſſern der gebirgigen Ge— genden uͤberall bekannt. Unſer Anhalt mit ſeinen Nachbarlaͤndern hat ihn ebenfalls allenthalben und er wuͤrde noch gekannter ſein, wenn er ſich nicht den Augen vieler Menſchen zu entziehen wuͤſte und ſo dieſer kleine ſcheue Vogel von den allermeiſten unbemerkt bliebe; denn ſelbſt dem Jagdliebhaber kann ſein Aufenthalt an oft fen Orten wochenlang verborgen bleiben. Im noͤrdlichen Deutſchland darf er wol unbedingt unter die Zug voͤgel gezählt werden, weniger in den mittlern und ſuͤdli⸗ chen Theilen, wo in gelinden Wintern auf offenbleibenden Gewäf: ſern hin und wieder einer uͤberwintert, was in der Regel auf den Gewaͤſſern der Schweiz und im obern Italien ſchon von ſehr vielen geſchiehet. Er iſt uͤbrigens ein harter Vogel und kann ziem⸗ liche Kaͤlte ertragen, weshalb er ſchon fruͤhzeitig, im Maͤrz, ſpaͤte⸗ ſtens im April, zu uns koͤmmt und im Herbſt ſo lange dableibt, bis ihn zu ſtarke Froͤſte forttreiben. Laͤßt er ſich indeſſen von zu heftiger Kälte, welche die Gewaͤſſer ſchnell mit Eis bedeckt und we: nige Stellen offen laͤßt, uͤberraſchen, ſo geht es ihm freilich oft ſchlecht genug. Uns ſind mehrere vorgekommen, die in ſolchen Faͤl⸗ len halb erſtarrt, halb verhungert auf dem Eiſe mit Haͤnden gegrif— fen wurden, einer erſt am 20. November 1834, bei Oſtwind und 3 bis 4 Grad (Reaumur) unter 0, auf einem zugefrornen Graben. Dieſer Vogel war indeſſen ganz geſund, lief munter in der Stube herum und lebte ohne Nahrung, die nicht zu ſchaffen war, noch 2 Tage. Zuweilen fallen ſolche auch ermattet aus der Luft aufs 796 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. Trockne, in Gehoͤfte, oder wo ſie ſonſt der Zufall hinwirft, und laſſen ſich da, weil ſie vom feſten Boden ſich Bid aufſchwingen koͤnnen, ergreifen. a Er faͤngt zwar ſchon im September an, at wegzuziehen, die mehreſten halten ſich jedoch bis zu Ausgang des November, wo fie in Geſellſchaften von 5, 10, bis 20 und noch mehrern verſam⸗ melt, ſich oft gezwungen ſehen, bei eintretendem Froſt und Schnee ſich eiligſt fort zu machen. Im Fruͤhjahr kommen ſie einzeln oder paarweiſe, auch wol zu einigen Paaren beiſammen, an. Ihre Reiſen machen ſie ſtets des Nachts, auch die kuͤrzern Strecken von einem Teiche zum andern. In der Abenddaͤmmerung bereiten ſich namentlich die im Herbſt in kleine Geſellſchaften verſammelten durch allerlei Necke⸗ reien und Spiele zur Reiſe vor, wobei fie ihr Flugvermoͤgen probi— ren, plaͤtſchernd ſich aufſchwingen, wieder niederlaſſen und endlich mit Einbruch der Nacht ſich im Ernſt in die Luft erheben und ſo ver— ſchwinden. Dieſe Spiele wiederholen ſich oft mehrere Abende, ehe ſich der kleine Verein entſchließt abzureiſen, worauf dann an ſolchen Orten plotzlich wieder Stille eingetreten iſt, wo vorher bis tief in die Nacht viel Leben herrſchte. Er iſt ſo wenig Seevogel wie die andern Lappentaucher, und beſucht auch die Fluͤſſe und Stroͤme nur wenn er muß, d. h. wenn die ſtehenden Gewaͤſſer eine Eisdecke bekommen haben, oder, zu an: dern Zeiten, wenn er ermattet nicht weiter kommen konnte. Ein lan⸗ ger Aufenthalt ſind ſie ihm daher nie, es waͤre denn, daß ſie ſtille, mit Schilf und Rohr beſetzte Winkel haͤtten, mit ſchlammigem Bo⸗ den und wenig Stroͤmung. Einen Aufenthalt fuͤr laͤngere Dauer und zu den Fortpflanzungsgeſchaͤften geben ihm nur Landſeen, Teiche und tiefe Stellen in den Moraͤſten, die erſtern indeſſen nur ſtellen⸗ weiſe, in ſchilfreichen Winkeln mit kleinern freien Waſſerflaͤchen, weil er die großen nicht liebt und Teiche von maͤßigem Umfange, in ab: gelegenen Gegenden ſelbſt ganz kleine Teiche, den großen Waſſer⸗ haͤltern vorzieht. So iſt er z. B. auf dem ofterwaͤhnten Salzſee im Mannsfeldiſchen als Zugvogel gemein, niſtet aber nicht auf dem See, dagegen aber faſt auf allen Teichen in der Naͤhe und dicht bei demſelben, und begiebt ſich erſt wieder auf jenen, wenn die Jungen voͤllig flugbar ſind, namentlich dieſe, obgleich auch viele am Niſtorte, vorzuͤglich wo dieſer nicht zu klein und ruhig genug iſt, bis zu ihrer Abreiſe im Herbſt verweilen. Klares Waſſer mag er nicht; es muß ſchlammigen Boden mit vielen untertauchenden Pflanzen haben und nicht zu tief ſein. Er XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 797 liebt es, wenn deſſen Fläche mit freiem Waſſer und Schilfbuͤſchen wechſelt und die Raͤnder mit vielem Schilf, Binſen, Graͤſern und hohen Sumpfpflanzen, z. B. Phellandrium aquaticum, Sium lati- folium, Alisma plantago aquatica, Sagittaria, Butomus, Lycopus, Lythrum, Rumex u. a. beſetzt ſind oder in Sumpf verlaufen, ach⸗ tet aber das eigentliche Rohr und das hohe Kolbenſchilf nicht. Wo viele Seeroſen (Nymphaea) und Waſſernuͤſſe (Trapa) die Waſſer⸗ fläche bedecken iſt er nicht gern; lieber wo dies Potamogeton na- tans, Polygonum amphibium, Hydrocharis Morsus ranae, Menyan- thes nymphoides, Hippuris vulgaris, im Fruͤhjahr Hottonia palu- stris, Utricularia, Callitriche u. a. nur theilweiſe thun. Auch iſt er nicht gern, wo Entengruͤn (Lemna) die Waſſerflaͤche zu dicht be⸗ deckt, entweder weil es das Waſſer unter fich ſehr dunkel macht, oder weil, wenn er in der dichten gruͤnen Decke auftaucht, jederzeit viele dieſer Pflaͤnzchen an ihm haͤngen bleiben und er ſolche dann durch tuͤchtiges Schuͤtteln nur wieder los werden kann. Noch we— niger mag er ſich auf ſolchen Stellen zu ſchaffen machen, wo der grüne Waſſerpelz (Conferva) an die Oberflaͤche herauf gegohren iſt. Er liebt, als ſcheuer Vogel, lebhafte Gegenden nicht und wohnt nur dann auch auf Teichen in Doͤrfern oder dicht bei menſchlichen Wohnungen, wenn ſie recht groß ſind, koͤmmt aber auf dem Zuge auch auf kleinere. In einſamen Gegenden bewohnt er dagegen oft ſehr kleine, mit wenigem Schilf, Binſen und Graͤſern theilweis oder nur am Rande beſetzte Teiche, gleichviel ob ganz auf dem Freien, von Wieſen oder Triften umgeben, oder an den Raͤndern mit Buſch— weiden beſetzt, oder von lichtem Walde umſchloſſen, ob in flachen, tiefliegenden oder in bergigen und hoͤhern Gegenden. Er iſt hier ſo gemein wie dort, koͤmmt auch auf den tiefen, das Waſſer im Som: mer nicht ganz verlierenden Stellen in unſern Bruͤchern, wenn jene nicht aus bloßen Graͤben beſtehen, oft genug und in der Zugzeit auf allen Arten von Teichen, auch auf ganz von Alan Pflanzen⸗ wuchs entbloͤßten nicht ſelten vor. Wenn feine Jungen erwachſen find und im Sommer das Waſ— ſer am Niſtorte knapp wird, ſucht er ſich fuͤr die uͤbrige Zeit ſeines Hierſeins nicht ſelten einen andern Aufenthaltsort, gleichviel ob groß oder klein vom Umfange, ob frei oder bewachſen, wenn nur recht einfam. Sehr oft muß dies für ihn ein viel unbehaglicher als der erſte ſein; deſſen ungeachtet kann er Monate da verweilen, ſogar die Mauſer daſelbſt abhalten u. ſ. w. So erſchien einſtmals eine Familie dieſer kleinen Taucher, nicht weit von meinem Wohn⸗ 798 XIII. Or bn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. La ppentaucher. orte, auf einem im Sommer gewoͤhnlich ſehr kleinen, ganz kahlen, mitten im freien Felde liegenden Teiche, welcher um dieſe Zeit oft gar kein Waſſer, damals aber fo eben von ſehr ſtarken Gewitter: guͤſſen ſich ganz gefuͤllt hatte. Da ſelten Menſchen dort hinkamen, blieben die Taucher lange ungeſtoͤrt und fingen an ſich auf dieſem Waſſer zu mauſern; dieſes nahm aber nach und nach wieder ab und wurde bald ſo ſeicht, daß einige muthwillige Buben, welche die ungluͤcklichen Voͤgel gewahr wurden und dabei entdeckten, daß ſie nicht fliegen konnten, hineinwadeten, nach kurzem Herumjagen ſie alleſammt (5 Stuͤck) mit den Haͤnden fingen und mir lebend uͤber⸗ brachten. — Gluͤcklicherweiſe waͤhlt er nicht oft ſo ſchlecht; denn viele Familien und Einzelne begeben ſich bei merklich werdendem Waſſermangel am Niſtorte, oft auch ohnedem, auf groͤßere und tiefere Gewaͤſſer, wo ſie bis zum Wegzuge bleiben. > Er iſt, wie andere Lappentaucher, immerwaͤhrend auf dem MWaf- ſer, wenn er nicht etwa eine kurze oder laͤngere Luftreiſe und dieſe eine Ausnahme macht, lebt verſteckter als alle andere, ſchlaͤft wie ſie auf dem Waſſer, meiſtens am Tage, iſt am Abend und fruͤhen Morgen am munterſten, auch faſt die ganze Nacht in voller Thaͤ⸗ tigkeit; er macht ſich daher am Tage viel weniger bemerklich, als in jenen Zeiten. — Eigenſchaften. Dies kleine ſonderbare Geſchoͤpf aͤhnelt in ſeinen Stellungen und Bewegungen ganz den uͤbrigen Arten dieſer Gattung; ſeine Geſtalt iſt aber etwas kurzhalſiger, der Rumpf gedrungener oder kuͤrzer und breiter. Er ſteht wie ſie auf feſtem Boden faſt aufrecht, die Oberbruſt etwas vorgeneigt, den Ruͤcken aber kruͤmmer gebogen und den Hals faſt nie anders als Sfoͤrmig gekruͤmmt, dazu die Kopffedern ſelten glatt anliegend, weshalb der Kopf gegen den duͤnnen Hals immer ziemlich dick ausſieht. Seine Bewegungen ſcheinen leichter als die der großen Arten. Platt auf Bruſt und Bauch liegend, die Fuͤße ſeitwaͤrts von ſich geſtreckt oder auch un⸗ ter den Rumpf gezogen, fein gewöhnlicher Sitz oder vielmehr La: ger, erhebt er ſich, ohne ſichtliche Beſchwerde, ſchnell auf die Fuͤße, ſchreitet dann mit etwas ausgeſpreitzten Beinen und faſt ſteifen Ferſen recht gemuͤthlich einher oder rennt ſchnell weiter. Dies Letz⸗ XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 799 tere thut er oft ſchußweiſe mit zunehmender Geſchwindigkeit und hält es auch ziemlich lange aus, wirft ſich aber ermuͤdet oder wenn er ſich beruhigt hat, ploͤtzlich wieder auf Bruſt und Bauch nieder. Niemals geht oder ruht er auf der Laufſohle, ſondern Erſteres im⸗ mer auf den Zehenſohlen, Letzteres ſtets auf der ganzen untern Flaͤche des Rumpfs. — Dies haben wir an allen, die wir lebend und in ihrem geſunden Zuſtande beſaßen, deren eine Menge waren, in der Stube beobachtet, ebenſo bei mehrern andern Arten, die bis auf unbedeutende Abweichungen ſich hier ganz ſo wie der kleine Lappentaucher betragen. Die Abbildungen auf unſerer Kupfertafel 247. ſind alle, wie ſehr viele in dieſem Werke, auf das Treueſte nach lebenden Vorbildern entworfen, und werden die vorzuͤglichſten ſten Stellungen derſelben ganz der Wahrheit gemaͤß, verſinnlichen koͤnnen. In der Meiſterſchaft des Schwimmens und Tauchens giebt er den groͤßern Arten nichts nach; ja er uͤbertrifft ſie ſogar noch, geht aber eben ſo wenig jemals aus freiem Willen auf das Trockene, auch nur hoͤchſt ſelten uͤber kleine aus dem Waſſer ragende, weiche Schlammhuͤgelchen. Dieſe und das Neſt ſind die einzigen einiger⸗ maßen feſten Punkte, welche er zuweilen betritt; ſonſt ſchwimmt er immer auf oder unter der Waſſerflaͤche, unter ihr aber noch weit ſchneller als auf ihr. Im Schwimmen nickt er bei jedem Ruder⸗ ſchlage mit dem Koͤpfchen, zieht den Hals ein, dehnt ihn aber mehr, wenn er Etwas fuͤrchtet und wendet dazu Kopf und Schnabel bald auf dieſe, bald auf jene Seite, wobei ſein Koͤrper gewoͤhnlich ſehr tief unter die Flaͤche gedruͤckt iſt, wogegen er in Ruhe oft wie ein Stuͤck Kork oben auf ſchwimmt. Durch oberflaͤchliches Schwimmen Gefahren auszuweichen, geht ihm zu langſam; er erreicht dies viel beſſer unter der Flaͤche, taucht daher ſogleich und ſtreicht in ſehr kurzer Zeit ſo große Strecken unter dem Waſſer fort, daß man ge⸗ glaubt hat, er ſchwaͤmme da unten nicht bloß, ſondern laufe auch mitunter auf dem Grunde weg; denn er taucht oͤfters nach einer halben bis ganzen Minute gegen 200 Schritte weit von der Stelle des Eintauchens erſt wieder auf, nicht ſelten, wenn er ſich noch nicht genug geſichert zu haben glaubt, ſogleich noch ein Mal unter, um ſich anderswo in aͤhnlicher Entfernung auf einem ganz andern Platze erſt wieder oben zu zeigen. Die Geſchwindigkeit mit der er dies Alles ausführt, ſetzt in Erſtaunen; er übertrifft darin alle einheimi⸗ ſchen Arten. 6 Dagegen fliegt er von Allen am ſchlechteſten, zwar geſchwind 800 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. genug, wenn er ſich einmal erhoben hat, aber mit anfcheinend fehr großem Aufwand ſeiner Kraͤfte und deshalb ſehr ungern. Es iſt ein fehr ſeltener Fall, ihn am Tage fliegen zu ſehen, weil er dies nur in der Zugzeit zuweilen aus freiem Willen thut, ſonſt aber, namentlich am Bruͤteorte, mit Gewalt nie dazu gebracht wird. Beim Auffliegen nimmt er ebenfalls einen Anlauf auf der Waſſer⸗ fläche, plaͤtſchert fo erſt 6 bis 8 Fuß weit hin, ehe er ſich auf⸗ ſchwingt, fliegt dann mit ſehr ſchnellen und ſehr kurzen Schwin⸗ gungen, faſt ſchwirrend, wie Heuſchrecken, in gerader Linie fort, und wie er in ſchraͤger Richtung die Hoͤhe gewann, laͤßt er ſich auch wieder herab und fällt dann mit der ganzen Unterſeite des Rumpfs auf das Waſſer nieder. Von einem Teich zum andern, wie über- haupt aus ein Land in das andere, fliegt er nur zur Nachtzeit. Sehr oft merkt man es ihm an, wenn er die naͤchſte Nacht fort will; er wird dann gegen Abend unruhig, verſucht oft ſeine Fluͤgel und wo mehrere beiſammen ſind, jagen und necken ſie ſich. Er iſt ſehr ſcheu und ungemein vorſichtig, bemerkt ſchon in weiter Entfernung den Menſchen und verſchwindet von der freien Waſſerflaͤche, wenn ſich dieſer nähert, gewöhnlich tauchend, um hin: ter Binſen⸗, Gras- oder Schilfbuͤſchen lauſchend zu verweilen, bis ſich jener wieder entfernt hat. Iſt ſein Aufenthalt ein ganz freier Teich, fo taucht er erſt an der dem Störer entgegengeſetzten Seite deſſelben auf und gewoͤhnlich nur mit Kopf und Hals; ſieht er ſich dann wirklich bedrohet, ſo rudert er unter dem Waſſer wieder ein weites Stuͤck weg, laͤßt beim Auftauchen nur den Oberkopf und Schnabel blicken oder legt ſich irgendwo ans Ufer, wo nur einzelne Grashalme wachſen oder ſonſt Etwas ſchwimmt, oder er druͤckt ſich an das etwas hoͤhere, obgleich ganz kahle Ufer. Hier liegt er lang ausgeſtreckt, nur die obere Schnabelhaͤlfte, den Oberkopf bis ans Auge und vom Ruͤcken aͤußerſt wenig uͤber dem Waſſer, ſo bewe— gungslos, daß man ihn ſehr leicht für ein ſchwimmendes Stüdchen Holz oder Borke anſehen kann, zumal er in dieſer Stellung auch bis auf wenige Schritte unbeweglich bleibt, jetzt erſt blitzſchnell uns tertaucht, unter dem Waſſer wegſtreicht und an einem der entgegen— geſetzten Ufer es wieder ſo macht. Aengſtigt man ihn zu ſehr, ſo ſcheint er oft gaͤnzlich zu verſchwinden; denn er haͤlt nun auch nicht mehr ſo nahe aus, und wenn nicht ſein ſchnelles Eintauchen zuwei— len von einem leiſen Plumpen begleitet waͤre, wuͤrde man ſich feſt uͤberzeugt halten, er ſei laͤngſt fort. Wo im ſeichten Waſſer die Blaͤtter von duͤnnſtehenden Graͤſern, namentlich Festuca fluitans, XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 801 auf der Waſſerflaͤche ſchwimmen, taucht er in ſolchen Fällen am ge: woͤhnlichſten auf. Wir ſahen, wie er unter denſelben, in jener lie- genden und ausgeſtreckten Stellung, ganz leiſe auftauchte, die ſchwim⸗ menden Grasblaͤtter mit aufhob, um theilweis von dieſen bedeckt, und ohne Bewegung liegend, um ſo weniger fuͤr ein lebendes We— ſen gehalten zu werden. Zwiſchen groͤßern ſchwimmenden Pflanzen gelingt ihm dies natürlich viel beſſer; aber eben, wo das Waſſer gar zu ſehr davon entblößt iſt muß man oft erſtaunen uͤber ſeine Klugheit, zum Auftauchen m 1 ſolche Stellen zu waͤhlen, an denen irgend ein unbedeutender Gegenſtand aus dem Waſſer ragt, einige Haͤlmchen, ein Stein, ein Schlammhuͤgelchen u. dergl., um daneben liegend und ohne ſich zu ruͤhren von ſeinem Verfolger fuͤr etwas Aehnliches gehalten zu werden. Stunden lang weiß er ſo den Scharfſinn des Jaͤgers auf die Probe zu ſtellen und gar oft zu er: muͤden. Geſchahe ſolches von einem Durchziehenden oder Herumſtrei⸗ cher, ſo wird der ſo geaͤngſtigte Vogel kaum erſt am Abend wieder ſichtbar und entfernt ſich in der folgenden Nacht gewiß; am Bruͤ⸗ teorte hat es dagegen zur Folge, daß dieſe Taucher nur noch ſcheuer werden, keinem Menſchen mehr trauen, ſich hoͤchſt ſelten am Tage blicken laſſen und nur des Nachts, wenn ſie weit und breit keinen Menſchen wittern, ihre Stimmen vernehmen laſſen und ihre meiſten Geſchaͤfte betreiben. Kaum anderswo als am Niſtorte hoͤrt man ihre pfeifende Stimme, beſonders des Abends und die Nacht hindurch; aber wo ſie ſich irgend unſicher duͤnken, werden ſie nie laut. Es iſt ein an⸗ genehmes, artes, doch bei naͤchtlicher Stille noch ziemlich weit ver⸗ nehmbares, kurzes Pfeifen oder Piepen, wie: Bib, Bibib, auch Biwiwib; dieſe Sylben noch öfter und, wie immer, ſchnell nach einander wiederholt, klingt es zuweilen trillerartig. Sie trillern be⸗ ſonders oft und anhaltend im Anfange der Begattungszeit und bei der Begattung ſelbſt, unterhalten ſich aber auch an ſtillen Abenden, beſonders haͤufig nach ſchwuͤlen Tagen, bis in den Sommer, fleißig damit und verrathen dadurch dem verſteckten Lauſcher, der ſie am Tage nicht gewahr worden war, oft ihre nicht geahnete Anweſen— heit. Die Naͤchte hindurch laſſen ſie ſich auch haͤufig, doch mehr abgebrochen, Bib und Biwib, aber ſeltener trillernd hören. Woh⸗ nen fie recht einſam oder waren fie, weil man ſie niemals ſtoͤrte, zutraulicher geworden, ſo ſcheuen ſie ſich nicht mehr, auch am Tage, bei ihren Beſchaͤftigungen ſich beſtaͤndig damit zuzurufen und aͤn⸗ dern auf keine Weiſe ihr Benehmen, wenn Menſchen, ſelbſt in we: r Theil. 51 802 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. niger als 100 Schritt Entfernung, voruͤberwandeln. Schoͤpfen ſie jedoch Verdacht, ſo melden ſie ſich vor der Hand nicht wieder. Bei ihren Zaͤnkereien, wenn nahe wohnende Paͤaͤrchen die Neſtbezirks⸗ grenzen anderer uͤberſchreiten, trillarn fie viel, auch bei ihren abend⸗ lichen Spielen und Neckereien; weniger hoͤrt man im Herbſt bei ihren Abendverſammlungen vor dem Wegzuge einige ſchreien, junge Voͤgel dann kaum jemals. Die zarten Jungen piepen wie an⸗ dere junge Lappentaucher, aber ganz anders wie die Alten, und dies eigenthuͤmliche Piepen verliert ſich, wenn ſie ihr Dunenkleid ablegen. ü Eingefangen iſt der kleine Lappentaucher ein ſonderbares Ge ſchoͤpf. Anfaͤnglich liegt er platt auf Bruſt und Bauche, den Hals munter in die Hoͤhe gereckt und gebehrdet ſich, als wenn er weder ſtehen noch gehen koͤnnte; ſobald es aber im Zimmer ruhiger ge— worden, richtet er ſich auf, geht und laͤuft herum, beſieht ſich das ihm hingeſtellte Waſſergeſchirr, wandelt um daſſelbe mehrmals her— um, ſteigt endlich hinein und legt ſich in daſſelbe. Manchmal rennt er wie ein Beſeſſener in der Stube herum, oft Schußweiſe wie Ler⸗ chen. Will man ihn ergreifen, ſo wirft er ſich auf die Bruſt nie⸗ der und erwartet es ſo, oder er rennt zuvor in eine Ecke. Niemals verſucht er zu fliegen; ſeine Fluͤgel bleiben ſtets unter den Tragfe⸗ dern, dicht an den Rumpf angeſchloſſen. Thut man ihm Waſſerin⸗ ſekten, kleine Fiſchchen, auch Regenwuͤrmer in ſeine Waſſerſchuͤſſel, ſo laͤuft er geſchaͤftig um dieſe herum, bis er alle herausgefiſcht hat. Sehr behaglich ſcheint er ſich zu fuͤhlen, wenn man ihn auf ein großes tiefes Waſſergefaͤß bringt, wo er ſich zu allererſt zu baden anfängt, fein Gefieder putzt und einfettet, ganz wie es beim O h⸗ rentaucher im Vorhergehenden beſchrieben wurde, und tauchend darin die lebenden Geſchoͤpfe, wozu auch kleine Froͤſchchen gehoͤren koͤnnen, die man ihm hineingethan, verfolgt und faͤngt, alles dieſes ohne alle Scheu und indem man dicht daneben ſteht, wo man denn auch deutlich ſieht, wie er ſich unter der Waſſerflaͤche lang ſtreckt, bloß mit den Fuͤßen in großen Schlaͤgen rudert und fortſchießt und dabei die Augen ganz offen hat. Regenwuͤrmer holt er vom Bo— den des Gefaͤßes, ſei es auch noch fo tief, herauf, manche Indivi⸗ duen moͤgen ſie aber nicht. Ihn auf einen kleinen Teich im Gar⸗ ten zu ſetzen, macht wenig Vergnuͤgen, weil er da, ſeiner Natur gemaͤß, ſcheuer iſt und ſich, wenn Waſſer und Ufer nicht ganz frei ſind, bei Herannahen des Beſchauers verſteckt, obgleich er auch mit fehlerfreien Fluͤgeln ohne wegzufliegen zuweilen Wochen lang da: XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 803 bleibt. In engerer Gefangenſchaft würde er mehr Vergnügen ge: waͤhren, wenn es nicht ſo muͤhſam waͤre, ihn hinlaͤnglich mit na— tuͤrlichen Nahrungsmitteln zu verſehen. Leider haben wir manchen, ja die meiſten, in ſo ſpaͤter Jahreszeit erhalten, wo gar nichts fuͤr ſie aufzutreiben war, und dennoch lebten ſie ohne alle Nahrung zu⸗ weilen laͤnger als zwei Tage. Nah run g. Dieſe beſteht groͤßtentheils in Inſekten und deren Larven, die er meiſtens im Waſſer durch Untertauchen faͤngt, zum Theil aber auch von der Oberflaͤche auflieſet, wozu auch Landinſekten gehören, welche theils verungluͤckt ſind, theils an Waſſerpflanzen ausruhen, wo er nach dieſen, um ſie zu erreichen, manchmal ſogar in die Höhe ſpringt. Sehr geſchaͤftig ſieht man ihn oft auf kleinen Raume, wo die Mafferfläche von ſchwimmenden Pflanzen bedeckt iſt. An ſolchen Stellen taucht er auch ungern, weil er beim Schwimmen unter der Flaͤche zu viel Hinderniſſe an den Ranken und Wurzeln dieſer Pflanzen findet, ſo daß man, wenn es ge— ſchieht, oben an der Bewegung der ſchwimmenden Blaͤtter die Richtung ſeines Zuges in der Tiefe wahrnimmt. Gewoͤhnlich taucht er da auch nur ſehr kurz, ſelbſt wenn ihn Furcht dazu zwingt. Je tiefer und reiner das Waſſer, deſto laͤnger iſt er bei jedesmali⸗ gem Eintauchen auch unter deſſen Flaͤche und deſto groͤßere Stre— cken kann er darin zuruͤcklegen; aber ſolches mag ihm auch weniger Nahrungsmittel gewaͤhren und die Geſchoͤpfe ſchwerer darin zu er⸗ jagen fein, weshalb er auch, wie andere Lappentaucher, das Fluß: waſſer nicht liebt. Oft fiſcht er auf ſo ſeichtem Waſſer, uͤber Schlammboden, daß er nicht untertauchen kann, und hat dann oft nur Kopf und Hals unter Waſſer, wie die Enten; doch ſahen wir ihn nie lange auf ſolchen Stellen verweilen. Im Ganzen iſt ſeine Art und Weiſe ſich zu naͤhren, die der andern Lappentaucher, mit dem Unterſchiede, daß er lieber im ſeich⸗ teren, moraſtigen, mehr untertauchenden und ſchwimmenden Pflans zenwuchs enthaltenden Waſſer ſeine Nahrung ſucht, dieſe in noch kleinern Geſchoͤpfen findet, und noch ſeltener Fiſche faͤngt. Dieſe, hoͤchſtens von ein Paar Zoll Laͤnge, werden nur dann Hauptnah⸗ rung, wenn es ſpaͤt im Herbſt an Inſekten zu mangeln anfaͤngt, 51 * 804 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. oder im Winter und anfaͤnglich im Fruͤhjahr. Wir ſahen ihn auch kleine Froͤſchchen fangen, tödten und muͤhſam hinunterwuͤrgen. Ge: fangene nahmen dieſe ſehr gern an, größere aber nur, wenn man ſie ihnen zerſtuͤckelte, und verſchlangen auch Froſchlarven begierig. Auch bei ihm ſind die animaliſchen Nahrungsmittel gewoͤhnlich mit grünen Pflanzentheilen durchmiſcht, und nie fehlen in den Mä- gen Geoͤffneter die eigenen Federn ganz, obwohl man fie in fo gro: ßer Menge ſeltener darinnen findet, als bei andern Arten. Beim Putzen und Einfetten ſeines Gefieders verſchluckt der Gefangene die Federn, welche gutwillig ausgehen und lieſet die, welche um ihn her auf dem Waſſer ſchwimmen, in gleicher Abſicht ſorgfaͤltig auf. Die ſich fortwaͤhrend aufs Neue ergaͤnzenden Bruſt- und Bauchfe⸗ dern ſcheinen bei völliger Reife gar nicht feſt zu ſitzen, und waͤh⸗ rend die Lappentaucher ſie mit dem Schnabel durchmuſtern, bleiben ihnen, ohne daß ein ſtaͤrkeres Zupfen noͤthig waͤre, immer welche im Schnabel haͤngen, die ſie dann verſchlucken; dies bei einer Art wie bei der andern. Auſſer den eigenen Federn findet man bei unferer klei— nen Art, wie wol auch bei andern, zuweilen einige grobe Sand; koͤrner und kleine Steinchen in deren Magen. | Fortpflanzung. Faſt in allen Gegenden Deutſchlands, ſelbſt gebirgichte nicht ausgenommen, findet man unſern kleinen Lappentaucher niſtend, auf ſtehenden Gewaͤſſern, tiefen Moraͤſten und Teichen, namentlich auf ſolchen, welche nicht ſowol hohes und dichtes Rohr, als viel— mehr niedrigere Schilfarten, Binſen, Graͤſer, und dann im Waſſer ſelbſt wachſende und mit ihren Blättern hin und wieder die Fläche bedeckende, verſchiedenartige Pflanzen haben, oder an den Raͤndern in gruͤnen Sumpf verlaufen. Ob ſolche freies Feld oder Wieſen und Triften, ob Wald oder Berge umgeben, ob ſie am Rande mit Weiden⸗ und Erlengebuͤſch beſetzt find oder nicht, ift ihm gleich; fo: gar nahe bei Doͤrfern oder, wenn der Raum nicht zu beſchraͤnkt iſt, mitten in denſelben koͤnnen ſolche Teiche liegen, und er ſcheint die kleinern den großen vorzuziehen, wenigſtens iſt ſein Niſtbezirk auf letztern nicht ausgedehnter und gewoͤhnlich nur ein ſtiller Winkel vom Ganzen. Oft findet man ihn auf ſehr kleinen Teichen ni— ſtend, doch überall nur auf ſolchen, an welchen ſelten menſchlicher XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 805 Verkehr laut wird und die einſamſten ſind ihm die liebſten. Der Niſtbezirk eines Paͤaͤrchens iſt nicht groß; es behauptet ihn ſtand⸗ haft gegen andere, weshalb es haͤufig Streit giebt, welchen aber unſere Art nicht zu lieben ſcheint; denn ſie wohnt viel oͤfterer auf ſo kleinen Teichen, die nicht mehr als einem Paͤaͤrchen Raum ge⸗ ben, wo alſo kein anderes die gemuͤthliche Ruhe des erſten ſtoͤren kann, wenn dies nicht als voruͤbergehend im Fruͤhjahr von Durch⸗ zuͤglern geſchiehet. Wo es ihm gefiel und er ruhig ſeine Jungen aufziehen konnte, koͤmmt er alle Jahr wieder hin; doch wuͤrde dies viel allgemeiner ſo ſein, wenn nicht muthmaßlich gar viele auf ih- rer Winterreiſe umkaͤmen, woher denn im manchem Jahr manche bekannte Bruͤteplaͤtze unbeſetzt bleiben. Die alten Paͤaͤrchen erſcheinen im Fruͤhjahr am Bruͤteplatze ſchon gepaart und bleiben es das ganze Jahr. Ihre Begattung vollziehen ſie auf dem Waſſer, auf die naͤmliche Weiſe wie andere Lappentaucher. Ebenſo wird, wie bei dieſen, der Neſtbau von bei⸗ den Gatten und auf dieſelbe Art ausgefuͤhrt. Das Neſt findet man zwiſchen lichtem Schilf, Binſen, Graͤſern und andern Pflanzen, ſeltner in der Naͤhe von Rohr, auch niemals verſteckt, oft ſogar ſo frei, daß man es vom Ufer aus und von weit her ſchon ſieht. Es iſt immer vom Teichrande entfernt, mei⸗ ſtens neben kleinen, voͤllig freien Waſſerflaͤchen, nach der Mitte des groͤßern Waſſerſpiegels zu, und an Stellen, wo von jenen Pflanzen nur hie und da einzelne Halme aufſchoſſen, oder am Rande ſolcher Buͤſche angebracht. Die kleinen, von etwas dichterm Schilf und dergl. umgebenen und von der großen abgeſonderten Spiegelflaͤchen waͤhlt er am liebſten zu dieſem Zweck. Zuweilen ruhet es auf ei⸗ nem loſen Buͤſchel von Binſen, Gras u. dergl., den es aber nie derdruͤckt und welcher bloß das Fortſchwemmen verhindert, was in andern Faͤllen auch einige auf das Waſſer niedergebogene Halme oder ein im Waſſer liegender Buſchweidenzweig, auf dem es loſe ruht, bewirken; gar oft ſchwimmt es auch ganz frei zwiſchen duͤnn⸗ ſtehenden Halmen, welche es allein vor dem Forttreiben vom Winde bewahren muͤſſen. Als ſeltene Ausnahme ſahe Bechſtein eins in einem Entenhaͤuschen, das keinen Boden hatte, wo alſo das Neſt auch ſchwamm. — Es iſt oft ein großer Klumpen mehr zu⸗ ſammengehaͤufter als durcheinander geflochtener Waſſerpflanzen von Hottonia, Callitriche, Myriophillum, Ceratophyllum, Equisetum, Potamogeton u. a. m. mit einzelnen Binſenhalmen und Grasſtoͤck⸗ 806 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. chen ſammt den Wurzeln vermengt, alles in einem modernden Zu⸗ ſtande, naß und, wenn es erſt dicht zuſammengetreten, einem Schlammhaͤufchen aͤhnlich. Es gleicht dem anderer Lappentaucher, iſt aber oft groͤßer und koͤmmt hierin ſogar zuweilen dem des C. cristatus nahe. Eine kleine Vertiefung in der Mitte dieſes platten, gewoͤhnlich 8 bis 10 Zoll im Durchmeſſer haltenden und im An: fange 4 bis 5 Zoll dicken Klumpens nimmt die Eier auf, deren Zahl gewoͤhnlich 3 bis 5, ſelten 6 iſt; man will jedoch auch noch mehr, ja 8 bis 10 in einem Neſte gefunden haben. Nachdem das Fruͤhjahr zeitiger oder ſpaͤter warme Witterung mit ſich brachte, le⸗ gen alte Weibchen mit Ausgang des April oder erſt im Mai; da dieſen Voͤgeln aber ſehr oft die Eier geraubt werden, ſo ſehen ſie ſich gezwungen, mehrere Gelege zu machen und es iſt nichts Selte- nes, ſie noch Anfangs Auguſt uͤber den Eiern bruͤtend zu finden. In Geſtalt, Beſchaffenheit der Schale und Farbe aͤhneln dieſe Eier denen der uͤbrigen Lappentaucher, aber ſie ſind die kleinſten von allen, lange nicht ſo groß als ein Feldtaubenei, eher mit einem Rebhuͤhnerei zu vergleichen, nur in der Form nicht, die mehr der von jenen gleicht. Sie ſind 1 Zoll 4 bis 6½ Linien lang und 11½ bis 13 Linien breit, bald laͤnglicher, bald kuͤrzer geſtaltet, der Bauch meiſtens der Mitte nahe, die Enden ſchroff zugerundet, eins etwas ſpitzer als das andere. Oft find fie in einem Neſte von ver- ſchiedener Geſtalt. Ihr weichlicher, kalkartiger Uiberzug iſt nur ſchwach aufgetragen, nimmt aber ebenſo, wie die der Andern, beim Bebruͤten eine fremde, gruͤnlichbraune, braungraue oder ſonſt unreine, oft marmorartig gefleckte Faͤrbung an, von dem Schmutze und Sumpfe, welcher das Neſt durchdringt oder vom Vogel mit den Fuͤßen daraufgebracht wird. Aus Mutterleibe kommend ſind ſie ein⸗ farbig gruͤngelblichweiß, jener Schmutz laͤßt ſich daher in warmen Waſſer abwaſchen. Unterlaͤßt man dies, fo verliert ſich in Samm- lungen das Gruͤnliche, als von friſchen Pflanzenſaͤften herruͤhrend, das Braun wird auſſerdem auch lichter und manche werden dann ganz lehmgelb. Dies mag auch von denen anderer Arten der Gattung gelten; daher die verſchiedenen Angaben dieſer falſchen Faͤrbung. Wenn das Weibchen ein Ei gelegt hat, und jedes Mal wenn es vom Neſte geht, bedeckt es ſorgfaͤltig die Eier mit einem Haͤuf— chen Neſtmaterial, das es entweder durch Untertauchen vom Grunde heraufholt, oder in der Eile und gewöhnlicher vom Rande des Ne: XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 807 ſtes abzupft. Beide Gatten bruͤten wechſelsweiſe 20 bis 21 Tage uͤber den Eiern, zeigen große Anhaͤnglichkeit an dieſe, und wenn man ſie auch entfernt davon glaubt, ſo ſind ſie doch nahe, behalten das Neſt immer im Auge, wiſſen ſich aber dabei ſo geſchickt zu ver⸗ bergen, daß man ſie nur ſelten gewahr wird. Sie ſind zu ſchwach, die Eier gegen Kraͤhen und Raubvoͤgel kraͤftig vertheidigen zu koͤn— nen und buͤßen ſie daher unzaͤhlige Mal ein. Die Brutwaͤrme iſt bei ihnen ebenfalls ſo ſtark, daß ſich die Eier, wenn ſie auch faſt zur Haͤlfte in dem, im Neſte in die Hoͤhe getretenen Waſſer liegen, doch ſtets heiß aufuͤhlen laſſen, und der obere Theil des Neſtes, an⸗ ſcheinend ſelbſt das Waſſer in demſelben, ganz lauwarm iſt. Bald nach dem Ausſchluͤpfen fuͤhren ſie die ſehr kleinen, niedlichen Jun⸗ gen aufs Waſſer, wo dieſe zwar gleich ſchwimmen, aber nicht tau— chen koͤnnen; dies lehren ihnen die Alten erſt nach einigen Tagen, auf die Weiſe, wie beim großen Lappentaucher angegeben wurde, nehmen fie auch fo bei ſtuͤrmiſcher Witterung auf ihren Ruͤ— cken, laden ſie ſich eben ſo auf und ab u. ſ. w. Ihre anfaͤngliche Nahrung ſcheinen vorzuͤglich Muͤckenlarven, die ihnen die Alten zu— erſt in die Schnabelſpitze geben, dann vor fie hin aufs Waſſer le gen, endlich, nachdem fie ihnen ſolche vorgezeigt, damit untertau— chen, ganz wie es die großen Arten machen und es bei dieſen ſchon beſchrieben iſt. — So zaͤrtliche Beſorgniß ſie auch fuͤr ihre niedli⸗ chen Kleinen hegen, und ihnen Zeichen geben, wenn ſie eine Gefahr von Weitem herannahen ſehen, um mit ihnen ins Schilf, Binſen u. dergl. zu fluͤchten und ſich zu verſtecken, ſo bringen doch Furcht und Schreck, oder plößliche Uiberraſchungen die Alten fo auſſer Faſ— ſung, daß ſie nur an die eigene Rettung denken und die Jungen im Stiche laſſen. In ſolchen Fällen wiſſen dieſe nicht, was fie an— fangen ſollen und koͤnnen, wenn man ſchnell hinein wadet, auf dem Waſſer mit den Haͤnden gefangen werden. Wir wiſſen Beiſpiele, daß es muthwilligen Buben gelang, in Kurzem alle Jungen einer Hecke zu erhaſchen. Sind fie etwas über eine Woche alt, dann tauchen ſie ſchon ziemlich gut und ſie zu erhaſchen gelingt nur noch, wenn ſie auf zu ſeichtes Waſſer und Schlamm gerathen. Da ſie, wie ſchon erwaͤhnt, ſo oft um die Eier kommen, ſo koͤnnen von verſchiedenen Paaren mehrere Monate hindurch, ohne daß ſie zwei Mal i. J. Junge ausbraͤchten, ganz kleine Junge neben faſt oder ganz erwachſenen vorkommen und es dergleichen noch im Sept. geben, ſo daß jene im November kaum fliegen koͤnnen, daher bei einem fruͤ⸗ 808 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. hen Winter deren viele daraufgehen. Es iſt ebenfalls ſchon oben geſagt, daß dies ungleichzeitige Auskommen auf mehrere, nachmalige Federwechſel Einfluß hat, dieſe um Monate hinausſchiebt und daß mehr als Ein Jahr vergehen mag, ehe ſie in's Geleis kommen und zu richtiger und mit den Alten gleicher Zeit ſich regelmaͤßig mau⸗ ſern koͤnnen. Bei den groͤßern Arten dieſer Gattung iſt es ebenſo doch nicht ſo ſehr haͤufig, weil ſie manchem Feinde, der Miene macht, ihnen die Eier zu rauben, die Spitze bieten und ihn von ſei⸗ nem boͤſen Vorhaben abbringen koͤnnen. „ Feinde. Nicht leicht kann dem kleinen Taucher ein Raubvogel Etwas anhaben, weil er ſeine Luftreiſen, ſelbſt von einem Teiche zum an⸗ dern, wo fie ihn erwiſchen koͤnnten, faft nie anders als des Nachts macht und auf dem Waſſer auch dem gewandteſten durch Tauchen entgeht. Dagegen ſind ſeine Eier den Rohr-, Korn- und Wie⸗ ſenweihen, den Raben, Kraͤhen und Elſtern, fo wie mitun⸗ ter den Wanderratten eine angenehme Speiſe, ja von den Jun⸗ gen erwiſcht einer oder der andere dieſer Raͤuber nicht ſelten eins; ſogar vom Storch iſt uns dieſes erzaͤhlt worden. In ſeinen Eingeweiden hauſen verſchiedene Wuͤrmer, nach dem Wiener Verzeichniß: Distomum echinatum, Taenia macrorhyncha und eine noch naͤher zu beſtimmende Ascaris. ag d. Sie war ſonſt eine der ſchwierigſten, naͤmlich mit den langſa⸗ men Feuerſchloͤſſern an den Gewehren, weil der kleine Taucher beim Blitz der Pfanne jederzeit, und ſchneller als alle andere Arten, un⸗ tertauchte und dann der Schuß ſtets fehl ſchlug. Nur ein ſehr naher Schuß, wenn der Taucher auf eine zu ſeichte Stelle gerathen war und, wie oben beſchrieben, mehr als halb im Waſſer ausge— ſtreckt liegend, das Aeußerſte abwartete, konnte ihn ſicher treffen, weil er nicht tief genug untertauchen und der Wirkung des Schro⸗ XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentaucher. 809 tes dadurch nicht entgehen konnte. Jetzt iſt dem freilich durch die neuen Erfindungen der Percuſſionsſchloͤſſer und noch mehr der Na— delflinten viel abgeholfen, jedoch ſetzt die außerordentliche Scheuheit dieſes kleinen Vogels, daß er beim Erblicken eines Menſchen ſchnell untertaucht, und bei nachmaligem Auftauchen ſich ſo zu verbergen weiß, daß ihm kaum der hiermit Vertraute wieder zu ſehen be— koͤmmt, dem Schuͤtzen noch Hinderniſſe genug in den Weg. Ihn ungeſehen zu hinterſchleichen, bleibt auch jetzt noch das Rathſamſte; denn mit Gewalt iſt durchaus Nichts gegen ihn auszurichten; er verſchwindet gleichſam, wo er ſich ernſtlich verfolgt ſieht, bietet dem ſcharfſichtigſten Schuͤtzen wie dem beſten Jagdhunde Hohn; auch iſt er in ſolchen Faͤllen niemals zum Auffliegen gebracht worden, wie es uͤberhaupt zu den ſeltenſten Beguͤnſtigungen Dianens gehoͤren moͤchte, einen ſolchen Taucher im Fluge erlegt zu haben, wo er uͤbrigens ſehr leicht zu ſchießen ſein muͤßte. An ein, in manchen Jagdbuͤchern empfohlnes augenblickliches Schießen auf den eben auf— tauchenden Vogel — ſchon bei den großen Arten hoͤchſt mißlich — iſt bei unſerm kleinen Lappentaucher niemals zu denken, theils weil er zu klein, theils viel zu geſchwind iſt. Gefangen wird er bloß zufaͤllig, aber eben nicht ſelten, in den zum Fiſchfang aufgeſtellten Klebegarnen, in Garnſaͤcken und in Fiſchreuſen aus Weidenruthen geflochten. Beim Ablaffen des Waſ⸗ ſers aus Fiſchteichen warten manche zu lange, ehe ſie fortfliegen, gerathen dann auf den Schlamm, von welchem ſie ſich nicht auf: ſchwingen und ſo erhaſcht werden koͤnnen; gewoͤhnlich ſind dies junge Voͤgel ſpaͤter Bruten. — Auf dem Neſte wuͤrde man ihn leicht in Schlingen fangen koͤnnen. Nutz en. Der ihm viel ſtaͤrker als andern Lappentauchern anhaͤngende Biſamgeruch empfiehlt ihn eben ſo wenig zur Speiſe als ſein wi⸗ derlich thranichtes Fett. Sein Fleiſch muß daher, nach Entfernung der Haut nebſt dem Fette, eine ganz beſondere Zubereitung erlei- den, ehe es genießbar wird, kann dann aber einen recht zarten und wohlſchmeckenden Braten geben; ſeines geringen Volumens wegen iſt es jedoch ſolcher Mühe kaum werth. 810 XIII. Ordn. LXXVI. Gatt. 277. Kl. Lappentauder.. Die ſchmutzige Faͤrbung des Gefieders macht die Bruſthaut nicht zu Pelzwerk geeignet. Schaden. Er frißt ſo ſelten kleine Fiſchchen, daß man ihn deshalb nicht als ſchaͤdlich betrachten kann, zumal er meiſtens von Inſekten lebt, von denen viele der Fiſchbrut ſchaden. Ende des neunten Theils. d 5 Leipzig, Druck von Hirschfeld. 0 a 0 J. h ® ram nien en —— — — — er ů . 82 — Pr — e 2 — er 5 2 5 —— on. 2 N P a Nsan re, Fee EN 2 . F ee ee Re — — ae — — — 4 22 — Te . 2 #2 — — 7 . 3 P em y Ps pr tur ® 5 — * — 72 2 he 2 . . a re et TER — = . — RE — — 2 8 V Tea rem EN 1 * A > 5 - » 3 2 be" 2 2 as