29 EN nz IS he et DE e Fuer ed Tale NET a ee een Eh Ru, re BE 8 2 ee He SE no * N: Sr, 2 . . 8 8 3 7. = —— — es a ——— en HARVARD UNIVERSITY ul ETBRARN MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY "MNOIMUUY A HLAON LIUMNN’S OA OU AN e Mo UIUDOLSIH 8 va IASNI u — — . — — — . — — NAS TIAA NAHOS moos | 1 LLILOHOS AAd LHIISNV AH \ JOWLUDITDZIG ANLUEN TIP THUN + STTLLS HM. ans — — — ER Zone oe Johann Andreas Naumann's, mehrerer gelehrten Geſellſchaften Mitgliede, Naturgeschichte der Voͤgel Deutſchlands, Rech eigenen Erkahrungen entworken. 2060 Durchaus umgearbeitet, ſyſtematiſch geordnet, ſehr vermehrt, vervollſtaͤndigt, und mit getreu nach der Natur eigenhaͤndig gezeichneten und geſto— chenen Abbildungen aller deutſchen Voͤgel, nebſt ihren Hauptver— ſchiedenheiten, aufs Neue herausgegeben von Deifen Sohne Johann Friedrich Naumann, Doct. phil. und Profeſſor; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Halle; der Societät für Forſt— und Jagdkunde zu Dreyßigacker und Meiningen; der Wetteraueſchen Geſellſchaft für die ge— ſammte Naturkunde zu Hanau; der Geſellſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften zu Marburg; der naturforſchenden Geſellſchaft zu Leipzig; der allgemeinen Schweizeriſchen Geſellſchaft für die geſammten Naturwiſſenſchaften, der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin, der naturforſchenden Geſellſchaft zu Görlitz und der Moldauiſchen naturforſchen— den Geſellſchaft zu Jaſſy wirkliches, correſpondirendes und Ehrenmitglied. + hte h Mit 31 colorirten Kupfern. ir is Ernft Fleiſſche er. 1840, Vorwort, hinſichtlich des Titelkupfers. Mein verſtorbener Freund Herr E. Fleiſcher aus Leipzig, beſuchte auf einer ſeiner Reiſen in Großbri— tannien, im Jahr 1820, auch die, von Alters her, bis auf dieſen Tag, als Wohnſitz von Myriaden verſchieden— artiger Seevögel berühmte, von Menſchen nicht bewohnte Felſeninſel Baß, in der Mündung des Meerbuſens (Frith. of Forth) von Edinburg, welche mit den vielen Tau— ſenden, wie Mückenſchwärme fie umſchwirrenden, meiſtens weißen Geflügels, in der Fortpflanzungszeit deſſelben, das höchſte Intereſſe des Ornithologen erregt, zugleich auch ih— res geſchichtlich-wiſſenſchaftlichen Rufes wegen, und weil ſogar der Beiname einer Vogelart von dem dieſer Inſel entnommen iſt. Dieſe Art iſt der baſſan'ſche Tölpel oder Gannet (Pelecanus s. Dysporus bassanus v. Sula bassana), die auf ihr einen ihrer größten und, als nordi— ſcher Vogel, zugleich am ſüdlichſten gelegenen Brüteplätze hat. Der Obengenannte, vom regſten Eifer für Kunſt und Wiſſenſchaft beſeelt, entwarf zur Stelle jenes treue Bild und ließ es für mein Werk in Kupfer ätzen, dem 1v 5 ich es auch nach ſeinem Ableben nicht vorenthalten mag, zumal es nicht allein das Ausſehen eines hochnordiſchen ſogenaunten Vogelbergs verſinnlicht, ſondern weil zugleich auch eine Mevenart (Larus canus) in unſäglicher Menge auf ihm niſtet. Der Hauptvogel dieſer, nur oben mit Erde und Raſen bedeckten Klippe iſt indeſſen Dysporus bassanus, mit deſſen Schilderung unſer nächſtfolgender (XI.) Theil beginnen wird. In der Iſis, 1821. Litter. Anz. S. 330. u. f. gab übrigens Hr. E. F. noch beſondere Auskunft über das Treiben der Vögel auf dieſer merkwürdigen Fel— ſeninſel. Dr. J. F. Naumann. Suhbaltsanzeige des zehnten Theils. Dre teh mne Deren umg. Schwimmvögel. — NATATORE S. Waſſervögel. (Fortſetzung.) Zweite Unterabtheilung. Langſchwinger. Longipennes. (Mevenartige Voͤgel) S. 3. Taf. LXXVII. Gattung. Meerſchwalbe. Sterna. — 5. 1. Fam. Weiße oder aͤchte Meerſchwalben. Ster- nae candidae. — 17. 278. Raub-Meerſchwalbe. Sterna caspia, — 18, 279. Lache Meerfchwalbe. St. anglica. — 38. 280, Brand- Meerſchwalbe. St. cantiaca. — 50. 281. Dougalls-Meerſchwalbe. St. Dougalli. — 78. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. St. hirundo. — 89. 283. Kuͤſten⸗Meerſchwalbe. St. macrura. — 114. 284. Zwerg-Meerſchwalbe. St. minuta. — 145. 2. Fam. Graue Meerſchwalben oder Seeſchwal— ben. Sternae cinereae (Hydrochelidon. Boie). — 167, 285. Weißbaͤrtige Seeſchwalbe. St. leucopareia. — 168. 286. Schwarze Seeſchwalbe. St. nigra. \ — 189, 287. Weißfluͤglige Seeſchwalbe, St. leucoptera. — 215, VI LXXVIII. Gattung. Meve. Larus. 288. Zwerg-Meve. L. minutus. 289. Schwarzkopf-Meve. L. melanocephalus. 290. Lach-Meve. L. ridibundus. 291. Sturm-Meve. L. canus. 292. Dreizehen-Meve. L. tridactylus. 293. Elfenbein-Meve. L. eburneus. 294. Eis⸗Meve. L. glaucus. 295. Polar-Meve. L. leucopterus. 296. Silber-Meve. L. argentatus. 297. Herings-Meve. L. fuscus. 298. Mantel-Meve. L. marinus. LXXIX. Gattung. Raubmeve. Lestris. 299. Große Raubmeve. L. cataractes. 300, Mittlere Raubmeve. L. pomarina.“ 301. Schmarotzer-Raubmeve. L. parasitica. 302. Kleine Raubmeve. L. crepidata. LXXX. Gattung. Schwalbenſturmvogel. Thalassidroma. 303. Kleiner Schwalbenſturmvogel. Th. pelagica. 304. Gabelſchwaͤnziger Schwalbenſturmvogel. Th. Leachii. LXXXI. Gattung. Mevenſturmvogel. Pro- cellaria. 305. Eis-Mevenſturmvogel. P. glacialis. LXXXII. Gattung. Taucherſturmvogel. Puffinus. 306. Nordiſcher Taucherſturmvogel. P. arcticus. J. A. Naumann's Naturgeſchichte der Voͤgel Deutſchlands. Herausgegeben von deſſen Sohne em een. Zehnter Theil. 108 Theil. h Dreizehnte Ordnung. Schwimmvoͤgel. NarATORES. (Waſſer vögel.) Fortſetzung. Zweite Unterabtheilung. Langſchwinger. Longipennes. (Me venartige Voͤgel.) An ihnen ſind die Fluͤgel am meiſten ausgebildet, ſehr lang, ſchmal und ſpitz; ihre Schnaͤbel mittellang, ſehr zuſammengedruͤckt, mit ſcharfen Schneiden, vorn entweder gerade zugeſpitzt, oder an der Spitze etwas gekruͤmmt, oder dieſe ein beſonderer Haken; an der Unterkinnlade tritt da, wo die Kielſpalte aufhoͤrt, ein eigenthuͤm— liches Eck hervor, das in manchen Gattungen ſehr auffallend iſt Ihre Fuͤße ſind nur von mittler Groͤße, in einigen Gattungen ſogar ſehr klein und haben Schwimmhaͤute zwiſchen den drei Vor— derzehen, eine freie, etwas hoͤher geſtellte Hinterzeh, welche ſehr klein, oder nur als eine Warze mit kleinem Nagel angedeutet iſt oder auch gaͤnzlich fehlt. 1 * 4 XIII. Ordn. Schwimmvoͤgel. Sie ſind Stoßtaucher, d. h. ſie ſuchen gewoͤhnlich ihre Nah— rung, welche meiſtens in Fiſchen und andern Waſſergeſchoͤpfen be— ſteht, indem ſie uͤber dem Waſſer hinfliegen, und wenn jene ſich der Oberflaͤche naͤhern, ſich aus der Luft ins Waſſer ſtuͤrzen, kurz un— tertauchen, ihre Beute mit dem Schnabel ergreifen, ſich damit wie— der in die Luft erheben und ſie gewoͤhnlich fliegend verzehren. — Sie fliegen ſehr leicht, gewandt und viele ſo anhaltend, daß ſie viel laͤngere Zeit in der Luft, als auf dem Waſſer oder der Erde zubringen. Ihr Niederlaſſen auf die Erde oder das Waſſer iſt, wenn ſie nicht nach einem lebenden Nahrungsmittel ſtoßen, ſehr ſanft und mit großer Leichtigkeit erheben ſie ſich auch wieder in die Luft. — Manche Gattungen ſchwimmen ſelten, ſehr oberflaͤchlich und koͤnnen ſich nur ganz langſam auf dem Waſſer fortbewegen. Auch auf dem Trocknen gehen nur einige gut und oͤfter, viele ſchlecht, daher ſelten. Einige ſind raͤuberiſcher Natur, manche freſſen auch Aas, die meiſten fangen ſich jedoch ſelbſt lebende Geſchoͤpfe und verſchmaͤhen jenes. Sieben und ſiebzigſte Gattung. Meerſchwalbe. Sterna. Schnabel: Kaum ſo lang oder wenig laͤnger als der Kopf; hart, faſt gerade oder der Firſte nach nur ſanft gebogen; am Kiel, wo deſſen Spalte aufhoͤrt, mit einem ſchwachen Eck, vorn zugeſpitzt ohne Haken; ſehr zufammengedrüdt, die Schneide etwas eingezogen, ſehr ſcharf und ſcheerenartig etwas in einander greifend; der Rachen bis unter das Auge geſpalten und etwas erweitert. Die Zunge iſt faſt ſo lang als der innere Raum im Schnabel, pfriemenfoͤrmig, ſpitz, die Spitze etwas getheilt, auf der Oberflaͤche eben, auf der untern mit ſtumpfkantigem Kiel. Naſenloͤcher: Seitlich, in einer kleinen, vorn zugeſpitztem Hoͤhle, nicht weit von der Stirn, ein gleichmaͤßig erweiterter, oft faſt laͤnglichovaler, durchſichtiger Ritz, parallel mit der Schna— belfirſte. Fuͤße: Sehr klein, mit kaum bemerklich zuſammengedruͤcktem Lauf, ſtarkem Ferſengelenk, uͤber ihm etwas nackt; mit drei ziem— lich kurzen Vorderzehen, welche Schwimmhaͤute verbinden, die vorn mehr oder weniger ausgeſchnitten ſind; mit einer freien, etwas hoͤher geſtellten, ſehr kleinen Hinterzeh, und mit etwas kleinen, randſchneidigen, wenig gebogenen, ziemlich ſpitzen Krallen. Der haͤutige Uiberzug hat nur vorn am Lauf, auf dem ſogenannten 6 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. Spann, etwas größere, auf den Zehenruͤcken ſchmale Schilder, uͤbri⸗ gens kleine und ſehr kleine ſechs- und achteckige Schildchen. Fluͤgel: Ungewoͤhnlich lang, ſchmal und ſpitzig, Schwal— benfluͤgeln aͤhnlich, mit noch etwas laͤngern Armknochen, obgleich dieſe auch hier nicht lang. Die großen Schwingfedern, von welchen die vorderſte die Laͤngſte von allen, die folgenden ſtufenweis, aber ſchnell an Laͤnge abnehmen, ſo daß die letzten ſehr große Stufen bil— den, ſind ungemein lang und ſtark; die unter ſich faſt gleich langen zweiter Ordnung ſehr kurz; alle haben ſehr ſtarke, ſteife, gegen die Spitze ſanft aufwaͤrts gebogene (ſaͤbelfoͤrmige) Schaͤfte, die laͤngſten außen ganz ſchmale, innen viel breitere Fahnen, wel: che gegen das Ende allmaͤhlich ſchmaͤler werden und ſo in die Spitze uͤbergehen. Schwanz: Mittellang, gabelfoͤrmig, bei manchen ſehr tief, bei andern ſeichter, nur bei ſehr wenigen kaum ausgeſchnitten, ei— nem Schwalbenſchwanz aͤhnlich, zwoͤlffederig, die aͤußerſte Feder oft noch einmal ſo lang als eine der mittelſten und in einen langen, ſehr ſchmalen Spieß auslaufend. Das kleine Gefieder iſt nicht lang, nicht ſehr dick, aber dicht, knapp anliegend und ſehr weich, meiſt zerſchliſſen und ohne deutliche Umriſſe, im Ganzen von ſehr zartem Aeußern. Die Schwingfedern erſter Ordnung haben auf der Außenflaͤche ihrer Fahnen einen eigenthuͤmlichen puder— oder ſammetartigen Uiberzug, welcher eine viel lichtere (weißgraue) Farbe hat als der eigentliche (ſchwarzgraue) Feder: bart, ſich leicht von dieſem abſcheuert, am erſten an der ganzen Außenfahne der vorderſten Feder und an den Enden der 4 bis 5 folgenden, weshalb er nur am ganz friſch erhaltenen oder eben ent— ſtandenen Gefieder ſich vollſtaͤndig zeigt, wenn er aber abgerieben, dem Vogel eine weit dunkler, oft ſchwaͤrzlich gefaͤrbte Fluͤgelſpitze verſchafft. Die Meerſchwalben bilden eine deutlich geſonderte, an Arten ziemlich zahlreiche Gattung. Als Verwandte ſtehen ihnen die Scheerenſchnaͤbeel (Rhynchops) am naͤchſten, weniger die Meven XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. 7 (Larus), obgleich fie Manches mit ihnen gemein haben und einige kleinere Arten, der Geſtalt nach, zu der der Meerſchwalben Uibergaͤnge bilden. Es ſind mittelgroße, auch kleine Voͤgel und die verſchiedenen Arten in der Groͤße ſehr abweichend. Ihre großen, oder vielmehr ſehr langen, ſpitzigen Fluͤgel und der meiſtens auch mehr als mit— tellange Schwanz, geben ihnen, zumal fliegend, eine ſcheinbare Groͤße, welche ſich gewaltig vermindert, wenn der Vogel ſitzt oder wenn man ihn in den Haͤnden hat, wo dann der ſehr kleine Rumpf, der etwas kurze, ſchwache Hals, der vorn nach allen Seiten zuge— ſpitzte, flachſtirnige Kopf, endlich die unverhaͤltnißmaͤßig kleinen Fuͤße nicht zu jenen zu paſſen ſcheinen, waͤhrend bei vielen durch einen langen und ſtaͤrkern Schnabel der Kopf ein groͤßeres Ausſehen ge— winnt und das der ganzen Figur eben nicht verbeſſert. So wie ſie weder zum Gehen und Sitzen, noch zum Schwimmen geſchaffen, zeigen ſie auch nur im Fluge die eigenthuͤmliche Schoͤnheit ihrer Geſtalt, deren leichter Bau den Luftbewohner verraͤth und das Auge mit Wohlgefallen darauf verweilen laͤßt, wenn es ihren ſo gewandten als zierlichen Bewegungen in dieſem Elemente folgt. In dieſer Gattung iſt eine ſehr einfache, zarte Faͤrbung, na— mentlich die weiße Farbe die vorherrſchende, naͤchſt ihr ein ſanftes, blaͤuliches Aſchgrau. Die Mehrzahl der Arten hat ein ganz weißes Gefieder, bloß am Mantel einen ſchwachen Anſtrich von blaͤulichem Aſchgrau, mit etwas dunklern Fluͤgelſpitzen, und einen tief ſchwar— zen Oberkopf und Nacken. Dieſe einfache, bei ſo vielen Arten gleichfoͤrmige Vertheilung jener drei Farben, weiß, grau, ſchwarz, laͤßt im Allgemeinen die Gattung ſehr leicht erkennen, erſchwert aber das Erkennen und Unterſcheiden der Arten ſehr. In einer Unterabtheilung wird das Aſchgrau dunkler und zur herrſchenden Farbe, vom Scheitel und Nacken ſteigt das Schwarz tiefer herab, und reines Weiß iſt nur an einzelnen Koͤrpertheilen zu ſchauen. Von dieſem allgemeinen Gattungs-Typus weicht indeſſen eine dritte Unterabtheilung oder Familie, dem fuͤnften Erdtheil angehoͤrig, auf eine heterogene Weiſe ab, in ihrem Gefieder iſt naͤmlich ſchwarz, ſtatt weiß, die herrſchende Farbe, und waͤhrend unſere weißen Meer— ſchwalben eine ſchwarze Platte auf dem Kopfe haben, iſt dieſe bei jenen weiß. Es erinnert uns an die ſchwarzen Schwaͤne Neu— hollands und an andere wunderliche Abnormitaͤten jenes Erdtheils. Auch ſetzen ſich die Noddi's, wie man dieſe fremden ſchwarzen Meerſchwalben zu nennen pflegt, ganz gegen die Gewohnheit der unſrigen, oft auf Baͤume und ſollen ſogar darauf niſten; eine Art 8 XI. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. derſelben, Sterna stolida, hat auch keinen gegabelten Schwanz. Deſſen ungeachtet wuͤrden wir die Noddi's nicht als Gattung von den übrigen Meerſchwalben trennen, weil fie in ihrer übrigen Geſtalt und Lebensart ſich dieſen voͤllig gleichſtellen. Unter beiden Geſchlechtern herrſcht bloß in der Groͤße ein ge— ringer Unterſchied, die Weibchen ſind naͤmlich ein Wenig kleiner, als die Maͤnnchen und haben, in einigen Arten, etwas kuͤrzere Schnaͤbel und kuͤrzere Schwanzſpieße. Die Verſchiedenheit in Farbe und Zeichnung iſt eben ſo unbedeutend; ein etwas tiefer herabge— hendes Schwarz des Nackens, eine etwas tiefere Faͤrbung an den grauen Theilen, eine hoͤhere Faͤrbung der Fuͤße und des Schnabels, wenn dieſe hellfarbig, ſind kaum bemerkbare Vorzuͤge des Maͤnn— chens. Weil dieſe Voͤgel aber zwei Mal im Jahr wenigſtens das kleine Gefieder, obgleich nicht immer an allen Koͤrpertheilen, wech— ſeln, ſo entſteht am Winterkleide eine etwas andere Zeichnung als am Sommerkleide. Bei den weißen Meerſchwalben (unſerer erſten Familie) wird die ganz ſchwarze Kopfplatte des Sommerkleides im nachfolgenden Winterkleide von der Schnabelwurzel bis zwiſchen die Augen rein weiß, und der uͤbrige Theil derſelben behaͤlt das Schwarz nur in laͤnglichten, kleinen Flek— ken auf weißem Grunde; alles uͤbrige Gefieder behaͤlt die Farbe je— nes, nur daß dieſe ein friſcheres Ausſehen haben. Bei den grauen Meer: oder Seeſchwalben (unfrer zweiten Familie) entſteht durch die Herbſtmauſer ein mehr in die Augen fallender Unterſchied; es werden naͤmlich im Winterkleide derſelben alle untern Theile, auch die Stirn, rein weiß, der Hinterkopf ſchwarzgefleckt; es unter— ſcheidet ſich demnach gar ſehr von dem viel dunkler gefärbten Some merkleide. Noch anders iſt das Jugendkleid, worin ſich jedoch alle Arten mehr oder weniger aͤhneln; es hat hinſichtlich der Kopf— zeichnung, in der zweiten Familie auch des Unterkoͤrpers, Aehnlich— keit mit dem Winterkleide, allein auf dem Mantel, bei manchen auch auf dem Schwanze, ſtehen vor der weißen Endkante der blaͤu— lichgrauen Federn braune Mondfleckchen oder Wellenlinien, bei einer Art dunkler, haͤufiger, bei der andern bleicher, ſparſamer u. ſ. w. Das Neſtkleid find ſehr dichte, weiche Dunen, oben graulich oder braͤunlich, mit ſchwarzen, oft in Streife geſtellten Flecken, un— ten weiß. Durch die Herbſtmauſer geht das Jugendkleid in das Win— terkleid über; durch eine nochmalige Mauſer im Fruͤhjahr entſteht das Sommerkleid, und in dieſem iſt der junge Vogel vom vori— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. 9 gen Jahr zeugungsfaͤhig, wodurch ſich die Meerſchwalben ſehr be— deutend von denen ihnen ſonſt ſo nahe verwandten Meven unter— ſcheiden, von welchen, wenigſtens die groͤßern Arten, nicht vor dem zweiten und dritten Jahr mannbar und ausgefaͤrbt werden. Die Schwingfedern und die aͤußern Schwanzfedern wechſeln die mehr als ein Jahr alten Meerſchwalben jaͤhrlich nur ein Mal in der Herbſtmauſer; bei jungen bleiben ſie dagegen, mit Ausnahme der Schwanzfedern, vom Jugendkleide her durch ihr erſtes Winter— und Sommerkleid dieſelben, und erſcheinen daher im letztern, zumal kurz vor der zweiten Herbſtmauſer, weit ſtaͤrker abgerieben als bei jenen, woran ſich Alte und Junge leicht unterſcheiden laſſen. Der Wechſel der Schwingfedern geht bei Allen ſehr langſam von Statten. Die Meerſchwalben ſind Bewohner der heißen und gemaͤßigten Zone, wandern aber im Sommer auch in die kalte und manche Arten hoch nach Norden hinauf, um dort ſich fortzupflanzen, halten ſich aber in dieſer bloß vom Mai bis zum Auguſt, alſo etwa nur ein Vierteljahr auf. Die meiſten ſind aͤchte Seevoͤgel, wohnen nur am Meer, an deſſen Kuͤſten und auf Inſeln; wandern auch bloß uͤber dem Meere hin oder an deſſen Geſtade entlang, meiſtens des Nachts, in kleinen Gefelfchaften oder auch in Schaaren, hoch durch die Luͤfte. Manche Arten bewohnen nicht die ſalzigen, ſondern ſuͤße Gewaͤſſer im Lande, und folgen bei ihren Wanderungen dem Lauf der Fluͤſſe und der Richtung ſtehender Gewaͤſſer, der Landſeen, gro— ßen Teiche und Suͤmpfe, und verweilen auch auf ihren Reiſen nie lange am Meeresufer. Dieſe lieben Schilf und hohe Graͤſer an ih— ren Aufenthaltsorten, dagegen die meiſten und faſt alle jener, kahle, niedrige, ſandige oder kieſige Ufer, auch ſteinige und Felſen, ohne Gruͤn, oder nur mit ganz kurzem Raſen. Wenn ſie nicht auf der Wan— derung begriffen ſind, bringen ſie die Nacht ganz ruhig und ſchla— fend zu, wobei ſie ſich einige Fuß vom Waſſerrande auf die Bruſt niederlegen, das Geſicht aber ſtets der Waſſerſeite zukehren. Am Tage ſchwaͤrmen ſie dagegen ohne Ruhe und Raſt meiſtens uͤber dem Waſſer hin und her und entfernen ſich oft Meilen weit vom eigentlichen Wohnorte. Sitzend nehmen ſich die Meerſchwalben eben nicht vortheilhaft aus; ſie ſtehen auf ihren kleinen Fuͤßchen mit ſteifer Ferſe, den Rumpf wagerecht, nach hinten oft hoͤher gehalten, um die zarten Schwanzfedern nicht zu beſchaͤdigen, die langen Saͤbelfluͤgel hoch über dem Schwanze ins Kreutz gelegt, den Hals ſo ſehr eingezogen, 10 XIII. Ordn. LXXVIL Gatt. Meerſchwalbe. daß die ſchwarze Kopfplatte an den Ruͤcken grenzt und mit ihm beinahe in einer Flucht liegt. Nur bei ſtuͤrmiſchem Wetter ruhen ſie oͤfter eine kurze Zeit auf dem Erdboden, auf aus dem Waſſer ra— genden Pfaͤhlen oder kleinen Steinen, und kehren dann dem Winde das Geſicht zu; denn ſtarker Wind und kalte Regenſchauer ſind ihnen ſehr zuwider. Jener behindert ihren Flug ſehr, deswegen ſu— chen ſie ihm ſtets die Spitze zu bieten; wenn er das federleichte Ge— ſchoͤpf mit dem umfangsreichen Gefieder von der Seite faßt, wird es jedoch oft ſein Spiel und weit fortgeſchleudert, wobei es ſichtlich angegriffen wird. Ihr Gang ſind kurze Schrittchen, und ſie trip— peln nur kurze Strecken fort. Nur bei ſtillem Wetter laſſen ſie ſich zuweilen auf der Spiegelflaͤche des Waſſers nieder und ruhen ſchwim— mend aus, wobei der Körper beinahe nur oben auf der Waſſerflaͤ— che ruhet und ſehr wenig eintaucht, die Spitzen der über dem Buͤr— zel gekreutzten Fluͤgel aber ſehr hoch gehalten werden. Sie bleiben dabei auf einer Stelle oder rudern ſehr ſelten ein Stuͤckchen weiter. Leicht und geraͤuſchlos laſſen fie ſich nieder und eben fo ſchwingen ſie ſich wieder auf. Im Fluge aͤhneln ſie der Geſtalt nach den Schwalben, beſonders die kleinern Arten; allein obgleich jener ſehr leicht, gewandt, zierlich und ſchnell iſt, ſo kann man ihn doch nicht mit dem dieſer ver— gleichen, deſſen reiſſende Schnelle er wenigſtens nicht, oder doch nicht in jener Ausdauer erreicht. Fliegen ſie gemuͤthlich einher, ſo ſtrek— ken ſie die Fluͤgelſpitzen nicht weit von ſich, bewegen die Fluͤgel in weit ausholenden, nicht ſchnellen Schlägen, wobei bei den mehreſten Arten der Koͤrper ſich etwas hebt, wenn die Fluͤgel herabgedruͤckt, und wieder etwas ſenkt, wenn ſie aufgehoben werden, wodurch der Vogel in einer ſanften Wellenlinie fortgeſchoben wird, was dem Fluge etwas Unſtetes giebt. Eilen ſie, ſo wird dies nicht bemerk— lich, weil dann die kuͤrzern Fluͤgelſchlaͤge ſchneller folgen. Sie koͤn— nen auch ſchweben, wobei ſie die Fluͤgel ganz von ſich ſtrecken, auch ſchwebend, d. h. ohne ſichtliche Bewegung der ganz ausgebreiteten Fluͤgel, ſich an einer Stelle hoch in der Luft erhalten, ſchnell im Bogen herabſchleßen und ſich wieder heben, ſich uͤberpurzeln, durch ſchnelles Flattern an einer andern Stelle in der Luft erhalten (rüt: teln), ſich koͤpflings und faſt ſenkrecht auf das Waſſer ſtuͤrzen und durch die Wellen fahren, um ſich alsbald, gewoͤhnlich mit einer Beute im Schnabel, wieder zur vorigen Hoͤhe hinaufzuſchwingen u. ſ. w. Weil ſie faſt beſtaͤndig fliegen, ſo iſt ihr Flug ſo abwechſelnd, wie der Flug der Schwalben und das Auge wird nicht muͤde, ſeinen XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. 11 herrlichen Bewegungen zu folgen. Gewoͤhnlich fliegen ſie niedrig, wo ſie ſich nicht ſicher waͤhnen, hoͤher, auf ihren Reiſen aber ſehr hoch. Wenn ſie nicht hoch fliegen, oder wenn ſie nach Nahrung umherſtreifen, zeigen fie in ihrem Fluge eine Eigenthuͤmlichkeit, die ihn vor denen der meiſten Voͤgel auszeichnet; der ſpitze Kopf und lange Schnabel wird dann nicht, wie ſonſt, wagerecht vorge— ſtreckt, ſondern die Schnabelſpitze ſenkrecht und der Kopf im rechten Winkel gegen die Erd- oder Waſſerflaͤche geneigt, vermuthlich weil ſie dann ſchaͤrfer ſehen und die lebenden Nahrungsmittel beſſer er— ſpaͤhen koͤnnen. Sie ſind ſaͤmmtlich hoͤchſt unruhige und dabei ſcheue Voͤgel und nur an den Bruͤteorten, wo ſie noch keine Nachſtellung erfuhren und neben den Jungen weniger furchtſam; dies nur mit einzelnen Ausnahmen. Im hohen Grade geſellig lieben ſie nicht allein die Geſellſchaft ihres Gleichen, ſondern auch die andrer, oft nicht ver— wandter Waſſervoͤgel, zumal an den Niſtorten. Manche Arten ver— ſammeln ſich zu vielen Tauſenden an einem Ort um zu bruͤten, oder um mitſammen zu wandern; manche pflanzen ſich ſtets nur in Schwaͤrmen bei einanderwohnend fort und von den meiſten Ar— ten find einſam niſtende Paͤaͤrchen ein ſeltenes Vorkommen. Das häufig vorkommende Zanken einzelner unter der Menge ſcheint fo boͤſe nicht gemeint, ſondern nur ein augenblickliches Aufbrauſen, oft bloße Neckerei zu ſein. Ihre Feinde, ſelbſt ungleich ſtaͤrkere, verfol— gen ſie mit großer Kuͤhnheit und vielem Laͤrm. — In der Stimme haben alle Arten Aehnlichkeit mit einander; unter verſchiedener Mo— dulation koͤmmt ein kraͤhender Ton bei Groß und Klein in dieſer Gattung vor, und Sterna minuta oder St. nigra, ſchreien ſo gut ihr Kriaͤh, wie St. caspia oder St. hirundo, nach Verſchiedenheit der Größe nur in einem hoͤhern oder tiefern, ſchwaͤchern oder kraͤfti— gern Tone. Sie naͤhren ſich von lebenden kleinen Fiſchen, die ſie ſich ſelbſt fangen, ruͤhren aber abgeſtandene nicht an. Außerdem fangen ſie auch Waſſerinſekten, Landinſekten, kleine Froͤſche, manche zuweilen ſogar Regenwuͤrmer. Nur die beiden letztern fangen ſie auch auf dem Lande, indem ſie ſich im Augenblick des Ergreifens neben ih— nen niederlaffen, die Fiſche aber, indem fie von 4 bis 12 Fuß Höhe über dem Waſſerſpiegel hinfliegen und ſobald fie einen flach: gehenden erblicken, ſich entweder ſogleich auf ihn herabſtuͤrzen, oder, um ihn beſſer aufs Korn zu nehmen, einige Augenblicke uͤber ihn anhalten, ruͤtteln und jetzt erſt herabſtoßen. Mit angezogenen Fluͤgeln 12 AH. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. und koͤpflings fahren ſie ſo, meiſt ſenkrecht, ſehr ſchnell herab, drin— gen aber mit wenigem Geraͤuſch und nie ſehr tief unter die Flaͤche des Waſſers, aus dem ſie eben ſo ſchnell wieder auftauchen und mit dem gefangenen Fiſch im Schnabel davon fliegen. Die meiſten Arten tauchen dabei nicht ſo tief ein, daß nicht noch Einiges von den Fluͤgeln und dem Schwanze uͤber der Waſſerflaͤche ſichtbar bliebe. — Einige groͤßere Arten verrathen in der Fortpflanzungszeit auch Raub— ſinn, indem ſie andern in der Naͤhe niſtenden Sumpf- und Waſ— ſervoͤgeln die Eier und zarten Jungen ſtehlen und verſchlingen. In der Fortpflanzungszeit ſind die meiſten in großer Anzahl beiſammen und haben ihre Neſter auf einem kleinen Raume nahe neben einander, vermuthlich um mit vereinten Kraͤften die Feinde deſto beſſer davon abhalten zu koͤnnen. Auch ſchließen ſich niſtende Schaaren einer Art an die von einer andern, und wo dies nicht ſein kann, an Meven an, oder miſchen ſich unter andere Waſſer- und Sumpfvoͤgel. Nur wenige Paͤaͤrchen niſten einſam. Ihre Niſtorte ſind die Ufer der Gewaͤſſer, am meiſten des Meeres; bei manchen auch Landſeen, Fluͤſſe und Suͤmpfe. Sie leben in Monogamie. Die der erſten Familie gehoͤrenden Arten bauen kein Neſt; dieſe legen ihre Eier in eine vorgefundene oder ſelbſt bereitete, unbedeu— tende Vertiefung auf den nackten Sand, Kies, ganz kurzen Ra— ſen oder auf platten Felſen. Die der zweiten Familie niſten auf kleine Schlammhuͤgelchen und geben ihren Eiern eine leichte Unter— lage, die bei manchen zu einem kunſtloſen Neſt und auf hoͤhere Schilf- oder Rohrbuͤſche geſtellt wird; hierdurch ſchließen ſich dieſe an eine dritte Familie (welche auslaͤndiſch) an, deren Neſter auf den Aeſten hoher Baͤume ſtehen. Die Eier ſind ziemlich groß, bei manchen laͤnglich-, bei andern kurzeifoͤrmig, auf ſchwach gefaͤrbtem Grunde grau, braun und ſchwarz gefleckt, Meveneiern am aͤhnlich— ſten, auch eben ſo variabel. Die Normalzahl iſt drei, und vier oder zwei kommen nur ausnahmsweiſe vor. Beide Gatten haben Bruͤte— flecke, jederzeit zwei, auf der Mitte des Bauchs, entweder uͤber- oder nebeneinander; ſie bruͤten aber bei ſchoͤnem Wetter am Tage faſt gar nicht, bei ſchlechtem mehr, doch mit vielen Unterbrechungen, bloß die Naͤchte hindurch anhaltend. Die Jungen verlaſſen die Neſtſtel— len bald und verbergen ſich gut zwiſchen Kraͤutern, im lockern Sande u. ſ. w. Sie empfangen von den Alten ihr Futter aus dem Schnabel, werden noch gefuttert, wenn ſie bereits ſehr gut fliegen koͤnnen, wo es ihnen jene nach Art der Schwalben im Fluge dar— reichen, und die Alten lieben ſie noch mehr als fruͤher die Eier; XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. 13 viele ſonſt ſehr ſcheue Arten wagen daher bei der Brut ihr Leben, ſcheuen ſich nicht dieſelbe gegen ſtaͤrkere Geſchoͤpfe mit Schnabelſtoͤßen zu vertheidigen oder ſogar in Beruͤhrung mit dem einzelnen Men— ſchen zu kommen. Erſt wenn jene voͤllig erwachſen und im Stande ſind, ſich ſelbſt zu ernaͤhren, verlaſſen die Alten ſie und zugleich auch den Niſtort, um ſogleich die Wanderung anzutreten, zu welcher ſich die Jungen etwas ſpaͤter anſchicken und ſo meiſtens fuͤr ſich allein abgeſonderte Reiſegeſellſchaften bilden. Feinde haben die Meerſchwalben an den großen Meven, welche ihnen oft Eier und Junge rauben, wenn ſie in deren Naͤhe niſten, ſo auch an den Raubmeven, die ihnen außerdem auch die gefangenen Fiſche abjagen, an mehrern Raubvoͤgeln und Raubthie— ren, am meiſten leiden ſie aber an ihrer Brut durch ploͤtzliche Ui— berſchwemmungen, wodurch oft die ganze Nachkommenſchaft eines Jahrganges mit einem Schlage vernichtet wird. Sie ſind nicht leicht zu ſchießen, theils weil ihre Dimenſionen das Auge taͤuſchen, theils wegen ihrer Scheuheit, welche einſame Paare auch am Bruͤ— teplatze nicht, in großen Vereinen niſtende aber daſelbſt ſo weit ab— legen, daß ſie leicht zu toͤdten ſind. In manchen Laͤndern faͤngt man ſie auch auf dem Durchzuge und benutzt dazu eine Art Neu— gier, welche faſt allen Arten anhaͤngt. — Ihre Eier geben eine nahrhafte, ſehr wohlſchmeckende Speiſe, und werden ihnen an man: chen Orten, wo die groͤßern Arten in Schaaren niſten, planmaͤßig ein paar Wochen lang taͤglich genommen, worauf man ihnen end— lich die zuletzt gelegten ruhig ausbruͤten laͤßt. Auf dieſe Weiſe ge— ben manche Plaͤtze alljaͤhrlich ein angenehmes und nicht unbedeuten— des Einkommen, und die Voͤgel kehren regelmaͤßig im naͤchſten Jahr wieder, wenn auch nicht in vermehrter, doch in gleicher Anzahl; wo es der Platz erlaubt, wird jedoch auch das Anwachſen der Maſſe bemerklich, oder es entſtehen in deren Nähe neue Colonien, bis ein: mal wieder unbekannte Urſachen die wiederkehrende Zahl vermindert haben. Ihr Fleiſch dient ſeltner zur Speiſe, obgleich es nicht ganz unſchmackhaft iſt. — Schaden wuͤrden ſie der Fiſchzucht zufuͤgen, wenn ſie nicht meiſtens am Meere und an Orten wohnten, wo die Natur ſo ſehr reichlich fuͤr ihre Nahrung geſorgt hat und der Menſch auf die Maſſe junger Fiſchchen, welche dort das Waſſer beleben, keinen Werth legt. 1% AI. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. Anatomiſche Charakteriſtik Der Ga et zu en g tenen n von Nudolph Wagner. „Die Seeſchwalben ſtimmen in ihrem ganzen Bau ſo mit den Meven uͤberein, daß faſt alles, was bei der letzteren Gattung geſagt werden wird, auch von jenen gilt.“ „Was das Skelett betrifft, ſo findet man ein rundliches Hin— terhauptsloch; der Schaͤdel iſt gewoͤlbt, die Graͤten- und Schlaͤfedornen ſind nicht ſo ſtark entwickelt, als bei den Meven; die Gruben fuͤr die Muskeln am Hinterkopf ſind ziemlich tief; ſeit— liche Fontanellen ſind nicht vorhanden. Das Stirnbein iſt ſchmal, ſchmaler als bei den Meven; eine lange, ſchmale bogenfoͤrmige Grube fuͤr die Naſendruͤſe liegt auf dem Stirnbein am obern Orbi— talrand und erſtreckt ſich bis nahe an den Schlaͤfedorn. Die Au— genhoͤhlenſcheidewand iſt durchbrochen; der obere (Orbital) Aſt des Thraͤnenbein's iſt ſeitlich ſtark vorſpringend; das ganze Thraͤnenbein iſt mittelmaͤßig entwickelt, ſtoͤßt nicht ganz an den Jochbogen und hat unten als Anhang den zuerſt von Nisfch“) beſchriebenen eigenthuͤmlichen, kleinen, nagelfoͤrmigen, durch ein Kapſelband artikulirenden, ſehr beweglichen Knochen. Die Fluͤgel— beine find lang, ſchlank, faſt ſtabfoͤrmig, ohne dritte Gelenkung; am Quadratbein ſind beide Schenkel ziemlich gleich lang, der vordere etwas breit, loͤffelfoͤrmig; der Pflugſchar hat eine tiefe Furche; die Gaumenbeine find mäßig vertieft; der Unterkiefer iſt hinten breit und abgeſtutzt.“ „Man zählt 13 ziemlich kurze Halswirbel, 8 Ruͤckenwirbel, 8) Oſteografiſche Beiträge zur Naturgeſchichte d. Vögel, S. 77. „In der Sterna hirundo hingegen bemerke ich einen ſolchen eingelenkten Fortſatz am Ende der Thränenbeine, ꝛc. Er iſt ſeyhr dünn, grätenförmig, kaum 2 Linien lang und dem Zygoma parallel von vorne nach hinten gerichtet.“ Nitzſch giebt weiter an, daß er ihn zwar an den trocknen Schädeln von St. minuta und fissipes nicht finden könne; daß er aber leicht beim Prä— pariren verloren gehen könne, wayhrſcheinlich aber bei allen Sterna-Arten und auch wohl bei den ſehr nah verwandten Meven vorkomme. Ich finde ihn allerdings auch bei St. minuta, nur verhältnißmäßig kleiner. XIII. Deda. LXNVII Gitt. Meerſchwalbe. 15 12 verſchmolzene Kreuzbeinwirbel, 7 Schwanzwirbel mit ziemlich ſtarken Querfortſaͤtzen, bis auf den letzten.“ „Von den 8 Rippen iſt eine vordere und eine hintere falſch; 5 haben den anſehnlichen Queraſt. Wahrſcheinlich kommt aber auch hier allgemein noch eine ſehr kleine Ite Rippe, als vorderſte falſche, wie bei Larus vor, die bei der Praͤparation ſehr leicht verloren geht, ſo daß eigentlich nur 12 Halswirbel vorhanden ſind.“ „Das Bruſtbein iſt oben ſchmaler, unten breiter, im Ganzen aber breit; der Kamm iſt ſtark, ſpringt beſonders oben und vorne vor; hinten finden ſich jederſeits 2 kurze Abdominalfortſaͤtze, die kaum den achten Theil der Laͤnge des Bruſtbein's ausmachen und eben ſo kleine Hautbuchten (2 jederſeits) abgrenzen. Die obern ſeit— lichen und mittleren Fortſaͤtze ſind wenig entwickelt.“ . „An der Gabel find die Aeſte ſtark gekrümmt; fie ift mäßig ausgeſchweift; beide Aeſte ſtoßen in einen ziemlich e un⸗ teren Fortſatz zuſammen.“ „Die hinteren Schluͤſſelbeine ſind ziemlich Ein, unten breit.“ „Die Schulterblaͤtter ſind ſchmal und ziemlich gerade.“ „Am Oberarmbein iſt der aͤußere Hoͤcker des vorderen Ge— lenkkopfs ſtark, faſt hakenfoͤrmig nach unten gebogen, der Knochen im Ganzen kurz, nur um ein Viertheil laͤnger als der Vorderarm— knochen.“ „Die Hand iſt ſehr lang und ſchlank, beſonders ſind die Pha— langen des Zeigefingers lang; der erſte Phalanx iſt von zwei Oeff— nungen durchbrochen.“ „Am Becken ſind die Darmbeine breit, beſonders nach hin— ten, die Schambeine ſchmal und graͤtenfoͤrmig, divergirend.“ „Die Oberſchenkelbeine find markig, die Tibialfortſaͤtze mittelmaͤßig, das ganze Schienbein ungefaͤhr noch einmal ſo lang als das Oberſchenkelbein. „Die Eingeweide ſind denen der Meven uͤberaus aͤhnlich; die Zunge iſt lang und ſchmal und ziemlich tief gefurcht; der Schlund iſt ſehr weit, der Muskelmagen klein und rundlich, aber fleiſchig und dick, mit hartem Epithelium; die Druͤſenſchicht im Vormagen iſt nicht beſonders ſtark; der linke Leberlappen iſt wenig kleiner, als der rechte; die Milz iſt drehrund und ſehr laͤng— lich, wurſtfoͤrmig; die doppelten Blinddaͤrme ſind ſtets klein, nur einige Linien lang, aber blattfoͤrmig, abſpringend und daher ſehr deutlich hervortretend; der Dickdarm iſt kaum weiter, als der 16 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. Meerſchwalbe. Duͤnndarm; ein Divertikel fand ich nie, es iſt daher gewiß ganz unbeſtaͤndig.“ „Das Herz iſt ſehr laͤnglich und drehrund; die Karotiden ſind doppelt.“ „Die Nieren liegen enge beiſammen, ſind aber unverſchmol— zen, breit; die hintern Lappen ſind am groͤßten, die mittleren ſchma— le , die oberen rundlich.“ „Von den rundlichen Hoden fand ich in der Paarungszeit den linken, wie gewoͤhnlich, viel groͤßer, faſt noch einmal ſo groß, als den rechten.“ „Der Eierſtock ſcheint ſtets einfach und nur links vorzukommen.“ „Die Sinnesorgane u. ſ. w. ſcheinen ganz analog wie bei den Meven gebildet zu ſein.“ „Die Naſendruͤſe weicht jedoch auch bei den groͤßeren Arten, z. B. Sterna caspia von der Bildung bei Larus ab; bei Sterna ift fie nämlich allgemein ſehr ſchmal und lang, und liegt mehr am Dr: bitalrand ſichelfoͤrmig nach hinten gekruͤmmt.“ „Die Buͤrzeldruͤſe iſt zweilappig oder vielmehr herzfoͤrmig und ziemlich anſehnlich; bei weitem jedoch nicht ſo tief geſpalten wie bei den Enten und Saͤgern.“ N „Die anatomiſchen Unterſuchungen find von mir vorzüglich an St. hirundo und minuta angeſtellt worden.“ Wie ſchon bemerkt, halten wir fuͤr noͤthig, die verſchiedenen Arten dieſer Gattung, ſowohl ihres Aeußern, als ihrer Lebensart, Aufenthalt u. dergl. wegen, in drei verſchiedenen Gruppen oder Familien aufzuſtellen, von welchen jedoch die dritte, als auslaͤndiſch fuͤr dieſes Werk ausgeſchloſſen bleibt. Erſte Familie. Weiße oder ächte Meerſchwalben. Sternae candidae. Ihr Gefieder iſt meiſtens weiß. Sommer- und Winterkleid ſind nur am Kopfe auffallend verſchieden. Die Nackenfedern alter Voͤgel ſind etwas verlaͤngert und zugeſpitzt. Ihr Aufenthalt iſt das Meer, nur einige wenige kommen auch an Landſeen und Fluͤſſe; ſie lieben uͤberall große freie Waſſerflaͤchen, klares Waſſer und kahle Ufer. Sie naͤhren ſich hauptſaͤchlich von Fiſchen, wonach ſie in das Waſſer ſtoßen, nur ſelten von kleinen Froͤſchchen, Froſchlarven und Inſekten; einige große Arten freſſen auch Voͤgeleier und junge Voͤgel. Sie niſten ſelten einſam, ſondern entweder unter andern Sumpf- und Waſſervoͤgeln, neben andern Arten ihrer Gattung, oder für ſich in Geſellſchaften, oft in unge: heuern Schaaren vereint. Ihre 2 bis 3 laͤnglich eifoͤrmige Eier le— gen ſie auf das Trockene an eine wenig vertiefte Stelle, ohne wei— tere Unterlage auf Sand, Kies, Erde, ganz kurzen oder halbverdorrten Raſen oder kahles Geſtein. In Deutſchland haben wir Sie db een unten; 8 — 10r Theil. 2 278. Die Raub⸗-Meerſchwalbe. Sterna caspia. Pallas. N Fig. 1. Männchen im Sommerfleide. Taf. 248. \ Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Jugendkleid. Kaspiſche —, balthiſche —, Schillingſche Raubſeeſchwalbe; ka⸗ ſpiſche Meer- oder Seeſchwalbe; große —, großſchnablige Meer: ſchwalbe; groͤßte Seeſchwalbe; große Schwalbenmeve; Wimmermeve, Kreiſchmeve; große ſtuͤbberſche Kirke. 0 Sterna caspia. Pall. Nov. Com, Petr. XIV. 582 u. 5; == Sparm. Mus. Carla. III. t. 62. == mel. Syst. Lion. I. 2. p. 603. n. 8. — Latlı. lud. II. 803. u. 1. Retz. Faun. Suec. p. 164. n. 126. = Nilss. Oru. Suec. II. 155. u. 209. Sterna Tschegrava. Lepechiu, nov. comm. Petrop. XIV. 500. n. 2. t. 13. f. 2. Sterna megarhynchos. Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. 457. — Hirondelle de mer Tschegrava, Sonn, nouv. édit. de Buff. Ois. XXIV. 117. — Otto, in der Uiberſ. von Büff. Vög. XXXI. 63. mit 2 Abbüdgn. — Temminck, Man. nouv. edit. II. 733. —= Caspian Tern. Lath. Syn, VI. 350. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 308. n. 1. == Penn, aret. Zool. II. 526. — Uiberf. v. Zimmermann, II. 487. B. — Eyton, Rar. brit. Birds, p. 66. — Sterna maggiore. St. degl. uce V. Tar. 540. = Rondine di mare maggiore. Savi, Oruit. Tose. III. 96. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl IV. 674. = Deſſen, orn Taſchenb. II. 377. Wolf u. Meyer Vög. Deutſcht. II. Heft 18. Taf. 6. — Brehm, Beitr. III. S. 630. u. 641. (St. caspia et. St. Schillingii). — Deſſen Lehrb. II. S. 680. u. 681. ʒ Deſſen Naturg. a. V. Deutſcht. S. 769 u. 770. = Hornſchuch u. Schilling, Verz. Pommerſch. Vög. S. 18. u. 229. = v. Homeyer. Vög. Pommern's, S. 67. n. 218. = Naumann's, Vög. alte Ausg. III. S. 188. u. Nachtr. S. 85. Anmerk. Daß Sterna Schillingii keine beſondere, von St. caspia verſchiedene Art ſei, wird von Hn. p. Brehm, welcher fie in feinen Beiträgen a, a. O. zuerſt als ſolche aufſtellte, zum Theil ſchon dadurch von ihm ſelbſt widerrufen, daß er fie in feiner Naturgeſch. a. V. Deutſchids. nur noch ats Subſpecies von St. caspia XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub-Meerſchwalbe. 19 trennt. Wir glauben indeſſen auch hieran noch nicht, ſondern halten ſie für eine, unter verſchiedenen Individuen Einer Vogelart vorkommende, ganz gewöhnliche Abweichung, vielleicht gar nur Altersverſchiedenheit; wenigſtens habe ich, wie noch mehrere Drnithoto- gen, denen man auch wol eine Stimme zugeſtehen muß, mehrere Exemplare von der Dft- ſee und von Hrn. Dr. Schilling ſelbſt, mit von anderswo erhaltenen, auf das Ge— naueſte verglichen, aber einen weſentlichen Unterſchied, welcher eine ſpecielle Trennung beider erheiſchte, durchaus nicht finden können. Uns allen hat es geſchienen, als ſeien in Brehms Beiträgen unter Sterna caspia recht alte, unter St. Schillingii bloß einjährige Vögel beſchrieben. — Die Größe des Körpers, wie des Schnabels und andrer Theile kann bei Meven oder Meerſchwalben einer Art ſehr verſchieden vor— kommen, was ſich an den Brüteplätzen, wo viele beiſammen find, gar häufig zeigt, wo demnach ein aufmerkſamer Beobachter dergleichen Abweichungen genug bemerken kann; wo es ihm aber auch nicht entgehen kann, die vermuthlichen Urſachen zu finden, wenn er ſieht, wie viele Mal ſolche Vögel vergeblich Eier legen, wie dadurch ihre Kräfte er— ſchöpft werden und am Ende der Legezeit viel ſchwächlichere Eier zur Welt kommen, aus welchen dann auch ſchwächlichere Jungen ſchiüpfen u. ſ. w. Man betrachte nächſtdem den Schnabel einer erwachſenen, d. h. völlig flugbaren Meerſchwalbe und vergleiche ihn mit dem einer mehrtre Jahr alten derſelben Art; welch' ein Unterſchied! Da nun in der langen Zeit, die der Schnabel (andere Theile nicht zu erwähnen) bedarf, um voll— kommen ausgebildet heißen zu können, auch mancherlei Störungen, dieſes theilweis zu behindern, vorkommen können, zumal in der Jugend, wo er noch weich, fo kann es. gar nicht fehlen, daß der Zufall und andere unbekannte Urſachen allerlei kleine Abnor— mitäten herbeiführen. Auch ift bei den Meerſchwalbenarten das mehr oder weniger aus— geſchnitten fein der Schwimmhäute keineswegs fo ſtreng conſtant, als mancher glaubt, und es kommen individuelle Verſchiedenbeiten genug vor; zudem kann ſich das Auge leicht täuſchen, zumal an ganz ausgetrockneten Füßen; es läßt dieſe Sache wenig ſtens kein genaues Meſſen nach Zollen und Strichen zu. Beiläufig mag noch zu bemerken ſein, daß die Länge der Fußwurzel, welche bei den Meerſchwalben ſo oft zu den Art— kennzeichen gezogen werden muß, nicht immer ganz pünktlich nach dem angegebenen Maaße genommen werden kann, theils wegen verſchiedener Meſſung, indem ein Schrift- ſteller das ganze, der andere richtiger das halbe Ferſengelenk zur Länge des Laufs ge— rechnet, mancher wol gar das ganze Gelenk davon ausgeſchloſſen hat; theils weil der Fuß ebenfalls an jüngern Vögeln nicht ganz ausgebildet iſt. ie nene iche nder A vit Der große ſtarke Schnabel roth, in der Jugend roͤthlich; die Fuͤße ſchwarz, bei Jungen braͤunlich; die Fußwurzel 1¼ bis 2 Zoll hoch; der kurze Schwanz nicht tief ausgeſchnitten. Bee ſ chere ii un g. Dieſe Meerſchwalbe iſt unter allen europaͤiſchen Arten die grö- ßeſte, uͤberhaupt eine der groͤßten der ganzen Gattung. Sie ſtellt zwar in den Umriſſen ihrer Geſtalt den Typus der Meerſchwalben deutlich, aber nicht in ſo ſchoͤnen und ſchlanken Verhaͤltniſſen dar, als viele andere; ein mehr gedrungener, weit kraͤftigerer Bau zeich: 3 * Ei * 20 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub-Meerſchwalbe. net ſie vor ihren zierlichen Verwandten aus, ſelbſt wenn man die Groͤße nicht in Anſchlag bringt. Sie iſt unter ihnen was der Kolkrabe unter den Kraͤhen. Der bedeutend große Kopf mit dem langen und ſehr ſtarken Schnabel, dazu der kurze, nur wenig gegabelte Schwanz, ſcheinen im Mißverhaͤltniß zu den ſehr langen ſchmalen Fluͤgeln, mit den ſaͤbelfoͤrmig gebogenen großen Schwingfedern zu ſtehen und geben ihr als Meerſchwalbe ein etwas plumpes Ausſehen. Sie aͤhnelt ſo an Geſtalt wie im Betragen etwas den Meven und kommt an Größe der Heringsmeve (Larus fuscus) nahe oder übertrifft doch die Sturmmeve (L. canus) um Vieles. Die Laͤnge dieſes Vogels (ohne Schnabel gemeſſen) betraͤgt ge— gen 20 Zoll, oft aber auch bis 21 und 21½ Zoll; groͤßer habe ich aber keine gefunden. Die erſtern ſind dann gewoͤhnlich 54 bis 56 Zoll und die groͤßeſten 58 Zoll oder 4 Fuß 10 Zoll breit; die Fluͤgellaͤnge 17¼ bis 17½ Zoll. Der Schwanz iſt ver: haͤltnißmaͤßig kurz, zwar gabelfoͤrmig, doch nicht ſehr tief ausge— ſchnitten, indem die Mittelfedern noch nicht volle zwei Zoll kuͤrzer als die ziemlich ſchmal, doch kurz zugeſpitzten Seitenfedern ſind, dieſe naͤmlich 6½ Zoll und die Mittelfedern 4 Zoll meſſen. Die in Ruhe liegenden Flügel reichen mit ihren Spitzen weit (über 3 Zoll) uͤber die Schwanzſpitzen hinaus; ſie kreutzen ſich faſt in der Gegend, wo die Mittelfedern des Schwanzes enden. Das kleine Gefieder zeichnet ſich wenig vor dem anderer Meer: ſchwalben aus und iſt ebenfo im Sommerkleide unter dem Ge— nick etwas verlaͤngert und hier gegen das Ende der Federn ſchmal. Von den großen Schwingfedern iſt die erſte die laͤngſte, alle haben ſehr ſtarke und harte Schaͤfte, die ſich an den vordern ſpitzewaͤrts ſanft ſaͤbelartig in die Hoͤhe biegen. Sie haben ebenfalls die pu— derartige Bedeckung auſſen auf den, ſich in die Spitze ſehr ſchmal endenden Fahnen, welche ſich im Gebrauch abreibt und dann erſt die eigentliche, viel dunklere Farbe der Federn ſehen laͤßt. Auch die Schaͤfte der 12 Schwanzfedern find ſtark und elaſtiſch, die Enden der mittelſten Federn zugerundet, die der uͤbrigen von innen nach außen zugeſpitzt, die aͤußern ſehr ſpitz. Der verhaͤltnißmaͤßig große und ſtarke Schnabel aͤhnelt in ſei— nem Profil dem Schnabel der Saatkraͤhe (Corvus frugilegus) oder vielmehr dem des Nachtreihers (Ardea nycticorax). Der Ruͤcken des Oberſchnabels, ſo wie auch ſeine Schneiden machen ei— nen ſanften Bogen abwaͤrts; der Unterſchnabel iſt dagegen von der Wurzel aus, bis auf zwei Drittheile ſeiner Laͤnge, gerade, dann XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe 21 ſteigt er in gerader Linie zur Spitze auf, bildet aber kein merkliches Eck und auch keine ſehr ſcharfe Spitze. Nach vorn iſt der Schna— bel ſehr zuſammengedruͤckt und ſchmal, nach hinten aber anſehnlich, gute 8 Linien breit und an der Wurzel im Durchſchnitt II Linien hoch. Die ſehr ſcharfen Schneiden ziehen ſich nur wenig einwaͤrts, nur uͤber den Mundwinkeln merklicher, weil da der Oberſchnabel uͤber der Schneide wulſtartig vortritt; aus einer laͤnglichen Vertiefung, worin das Naſenloch liegt, gehen feine Streifen, mit dem Schna— belruͤcken parallel, in ſchraͤger Richtung gegen die Schneide, wo ſie ſich verlieren. Dieſe erhabnen Streifen ſind nur an den Schnaͤbeln ſehr alter Voͤgel recht deutlich; ja bei manchen zeigen ſich aͤhnliche Streifchen auch am Unterſchnabel, an jungen Voͤgeln iſt dagegen die Oberflaͤche des Schnabels meiſt ganz glatt. Seine Laͤnge be— trägt von der Stirn bis zur Spitze 2°/,, und bei großen Exempla— ren volle 3 Zoll, vom Mundwinkel bis zur Spitze aber 4 bis 4¼ Zoll; denn er ſpaltet ſich bis unter das Auge, daher der Rachen ſehr weit wird. Das ſchmal laͤnglichrunde, durchſichtige Naſenloch befindet ſich in einer ſeichten Vertiefung 3 bis 4 Linien von der Schnabelwur— zel entfernt, iſt 4½ Linie lang und etwas über eine Linie hoch. Die Zunge iſt vorn pfriemenfoͤrmig, mit etwas abgeſtutzter Spitze, hat aber ſonſt nichts, wodurch fie von den Zungen der übrigen Meerſchwalben zu unterſcheiden waͤr, als ihre Groͤße. Die Farbe des Schnabels iſt ein brennendes Hochroth oder Korallenroth, an der Spitze mehr oder weniger ſchwaͤrzlich, die Spitze ſelbſt, aber nur in einem ſehr kleinen Raum, roͤthlich gelb. Das Schwarze nahe an der Spitze zeigt ſich auf beiden Kiefern oft nur als ein kurzer Strich oder laͤnglicher Fleck, der weder die Schneide noch den Ruͤcken derſelben beruͤhrt; nur ſehr ſelten fehlt dieſe ſchwarze Zeichnung. Die Zunge hat ganz die Farbe des Schna— bels, nur die rothe Farbe mehr dem Orangerothen ſich naͤhernd, welche Farbe auch der weite Rachen hat. Im Herbſt iſt das Roth des Schnabels viel lichter, an der Firſte, dem Kiel und Mundwin— kel in Orangegelb uͤbergehend, das Schwaͤrzliche vor der Spitze ruͤckwaͤrts ſehr ausgebreitet, die Spitze licht horngelblich. Bei jungen Vögeln, wenn fie völlig flugbar und zum Wegzie— hen bereit ſind, iſt der Schnabel noch um Vieles kleiner, gewoͤhnlich von der Spitze bis zur Stirn nur 2 Zoll, von jener bis in den Mundwinkel 3½ Zoll lang, ſtark, von noch mehr mevenartigem Anſehen, wozu befonders das bemerklichere Eck am Unterkiefer, nicht 22 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub⸗Meerſchwalbe. weit von der Spitze viel beitraͤgt. Von Farbe iſt er bei dieſen matt rothgelb, ſpitzewaͤrts ſchwarzbraun oder mattſchwarz. Es iſt ſehr merkwuͤrdig wie dieſer Schnabel mit dem Alter an Groͤße und Staͤrke zunimmt, daher ein gewaltiger Unterſchied zwi— ſchen dem eines einjährigen und dem eines dreijährigen Vogels (von wo an er nicht mehr merklich zunimmt) Statt findet, fo daß es verzeihlich war, wenn man wegen ſolcher Abweichungen verſchiedene Arten unter dieſen Meerſchwalben vermuthete. Das Auge iſt von mittlerer Groͤße und hat eine ſehr dunkel— oder ſchwarzbraune Iris, die nur bei Jungen ins Graue uͤbergeht. Die Fuͤße ſind nach Verhaͤltniß klein, aber ſtark und ſtaͤmmig, mit ſtarken Laͤufen, noch ſtaͤrkern Ferſengelenken, kurzen Vorderzehen, deren Schwimmhaͤute wenig oder kaum ausgeſchnitten, und tiefſte— hender ſehr kleiner Hinterzeh. Der Uiberzug iſt netzartig fein ge— ſchuppt, an den Schwimmhaͤuten faſt chagrinartig, der Lauf fein geſchildert, nur der Spann mit etwas groͤbern Schildern und die Zehenruͤcken mit ſchmalen Schildchen belegt. Weil die Maſchen in der Mitte erhaben ſind, ſo wird die Oberflaͤche dadurch rauh oder koͤrnicht. Die kleine Hinterzeh ſteht tief und hat eine faſt gerade ſpitzige Kralle, die uͤbrigen Zehen mittelmaͤßige, ſcharfe und krumme Krallen, welche alle auf der innern Seite eine ſcharfe Schneide ha— ben, die beſonders groß an der Kralle der Mittelzeh iſt, deſſen ſehr verlängerte Spitze ſich auch nach außen kruͤmmt. Uiber dem Fer: ſengelenk iſt der Unterſchenkel noch 8 bis 10 Linien weit nackt; der Lauf mißt 13/, bis 2 Zoll; die aͤußere Zeh mit der Kralle 1½ Zoll; die Mittelzeh mit der 5 Linien langen Kralle, 1 Zoll 8 bis 9 Linien; die innere Zeh mit der Kralle 1 Zoll 1 bis 2 Linien, und die Hinterzeh mit der 3 Linien langen Kralle faſt ½ Zoll. — Die Farbe der Fuͤße ſammt den Schwimmhaͤuten und Krallen iſt ſchwarz, nur die Spitzen der letztern etwas lichter, braͤunlich. Zuweilen zei— gen ſich auf den Zehſohlen und an der untern Seite der Schwimm— haͤute olivengelbe Flecken, doch ſind Individuen mit ſolchen ſelten. Die Fuͤße flugbarer junger Voͤgel haben noch auffallend dicke, vorn herab mit einer Furche verſehene Ferſengelenke, wegen noch nicht ausgewachſener, daher ſehr kurzer, dicker, ſtumpfer, faſt gera— der Krallen kuͤrzer ausſehende Zehen und volle Schwimmhaͤute, wie denn uͤberhaupt auch bei dieſer Meerſchwalbenart das mehr oder weniger ausgeſchnitten fein der Schwimmhaͤute individuell variirt und bei den Jungen gewoͤhnlich am geringſten iſt. Ihre Farbe iſt braͤunlich und braungelb, die der Krallen dunkelbraun. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub-Meerſchwalbe. 23 Das Dunenkleid ſoll dem der Silbermeve aͤhneln, doch kenne ich es aus eigner Anſicht nicht und habe auch nirgends eine Beſchreibung von ihm gefunden. Das Jugendkleid am voͤllig flugbaren Vogel hat folgende Farben: Schnabel und Fuͤße wie angegeben, die Augenſterne duͤſter braun; den ganzen Oberkopf, an den Seiten bis uͤber die Haͤlfte der Wangen herab und hinten bis auf den Nacken, deckt eine dunkle, ſchwarz und weiß geſtrichelte Kappe, indem die braunſchwarzen Fe— dern der Stirn, des Scheitels und Genicks, der Zuͤgel und Wan— gen ſchmutzigweiße Kaͤntchen, und dieſe mehr an ihren Seiten als an den Spitzen haben, am wenigſten aber dicht vor dem Auge und an den Schlaͤfen. Ruͤcken-, Schulter- und Fluͤgeldeckfedern find hellaſchblaͤulich (hell mevenblau), ſehr blaß, mit gelblich weißer Endkante und vor dieſer mit einem zickzackfoͤrmigen braunen Quer— ſtreif an jeder Feder; dieſe Querſtreife ſind zum Theil ſchwaͤrzlich gemiſcht, am Oberruͤcken und den Schultern am deutlichſten, auf dem Fluͤgel, beſonders den kleinen Deckfedern, wie verloſchen; der Fluͤgelrand weiß geſaͤumt; die hintern Schwingfedern wie die Schultern; die zweite Ordnung aſchgrau, mit weißer End— kante; die großen Schwingfedern aſchgrau, laͤngs dem ſtarken weißen Schaft am lichteſten, am Rande dunkler und die laͤng— ſten an den Enden in braͤunliches Schwarz auslaufend, auf der untern Seite an der breiten Fahne und Spitze faſt ganz ſchwarz, das Uebrige ſilbergrau; die untern Fluͤgeldeckfedern weiß; ebenſo die obere und untere Schwanzdecke und der Buͤrzel, der Unterruͤcken aber rein hellaſchblaͤulich; die Federn des nur ſeicht ausgeſchnittenen, doch ziemlich ſpitz gegabelten Schwanzes ſehr licht aſchgrau, an den Raͤnden und Spitzen weiß, vor letztern mit einem braͤunlichen halb— zirkelichten Zickzackſtreif; Kinn, Kehle, die untern Kopfſeiten, der Hals und alle untern Theile des Vogels rein weiß. — Maͤnnchen und Weibchen ſind einander gleich gefaͤrbt, letzteres bloß etwas kleiner als erſteres. Das Winterkleid unterſcheidet ſich namentlich am Kopfe bedeutend vom nachherigen Sommerkleide. Der Schnabel iſt viel heller und gelblicher als in dieſen, hat auch gegen die Spitze zu mehr Schwarz; die Stirn und ihre Seiten zunaͤchſt der Schna— belwurzel ſind weiß, ſehr wenig und fein ſchwarzgrau beſpritzt; das Uibrige des Zuͤgels auf weißem Grunde ſchwarz geſtrichelt, dicht vor dem Auge in einen großen ſchwarzen Fleck zuſammengefloſſen; eben ein ſolcher noch groͤßerer, aber hellgrau gemiſchter, nimmt die 24 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerihwalbe, Wangen und Ohrgegend ein; der uͤbrige Oberkopf bis auf den hal: ben Nacken hinab auf weißem, licht aſchgrau gemiſchten Grunde, mit zahlloſen abgerundeten, ſchwarzen Laͤngefleckchen bezeichnet, indem jede Feder einen ſolchen auf ihrem Schafte hat, weßhalb am Ge— nick, weil hier die groͤßeſten Federn, auch die groͤßeſten Fleckchen ſtehen. Ruͤcken, Schultern, ſaͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern nebſt den hintern Schwingfedern ſind rein hellaſchblaͤulich (hellmevenblau), eine aͤußerſt ſanfte Farbe, aber etwas dunkler als die des Sommer: kleides, ſo auch das Aſchgrau der Sekundarſchwingfedern, deren Endkanten weiß; die Primarſchwingen bald heller, bald dunkler, je nachdem ſie friſch hervorgewachſen oder noch die vorjaͤhrigen alten ſind; denn wenn ſie jenes ſind, ſo bedeckt der erwaͤhnte puderartige Sammetuͤberzug die Auſſenſeite der Fahnen und von dem viel dunk— lern, gegen die Spitze des Fluͤgels beinahe voͤllig ſchwarzen Grund wird wenig ſichtbar; — ſind ſie aber letzteres, ſo iſt der Sammet— überzug nur an den Theilen der Fahnen noch ziemlich vollſtaͤndig, welche von andern verdeckt werden, aber die abgeriebenen Raͤnder und Enden der großen Schwingen ſind dann ſo rein davon entbloͤßt, daß ſie nun voͤllig ſchwarz (mattſchwarz) erſcheinen. Das ſchwache Blaugrau des Unterruͤckens verlaͤuft auf dem Buͤrzel ſanft in reines Weiß, doch iſt die obere Schwanzdecke ſpitzewaͤrts wieder etwas gräulich angelaufen; der Schwanz iſt blaß blaͤulichaſchgrau, an den beiden Mittelfedern am lichteſten, an dem aͤußerſten und laͤngſten Federpaare nur noch vor der Spitze in ſchwachem Anfluge graulich, ſonſt dieſes, wie die Endkanten aller Schwanzfedern weiß; die Un: terſeite des Schwanzes rein weiß, nach innen ſilberweiß. Bei eini— gen Individuen zeigen ſich neben der Schnabelwurzel auf der befie— derten Unterkinnlade noch verſchiedene kleine ſchwarzgraue Fleckchen, ſonſt iſt alles Uibrige, Kinn, Kehle, Hals, Bruſt, Bauch, Schen— kel und untere Schwanzdecke, das Fluͤgelraͤndchen und der Unterfluͤ— gel, mit Ausnahme der ſchwarzen Primarſchwingfedern, rein weiß; die Unterſeite der ſchmalen Fahne der letztern ſilberweiß, die ſtarken Schaͤfte weiß. Das Sommer- oder Hochzeitskleid unterſcheidet ſich fol— gendermaßen. Die Farben ſeines Gefieders ſind, wie bei den mei— ſten Meerſchwalben und Meven beſonders einfach, aber darum doch ſchoͤn. Eine tlefſchwarze, ſeidenartig ſchwach grün glänzende Platte bedeckt den großen Kopf von oben; ſie faͤngt am Schnabel an, geht zur Seite deſſelben aber nur bis gleich dem Naſenloch herab und bildet gleich im Anfang eine Ecke oder Bucht, nimmt die obere XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. 25 Haͤlfte der Zuͤgel, die Stirn, den Scheitel, Hinterkopf und das Ge— nick ein, endet ſpitz oder zugerundet auf dem obern Hinterhalſe oder Nacken, und ſchließt auch das Auge noch etwas ein. Ein von dem Schwarzen ſcharf abgeſchnittenes zartes Weiß nimmt die untere Haͤlfte der Zuͤgel, Wangen und Kehle ein, und verbreitet ſich uͤber den Hals, die Bruſt, den Bauch, die untern Fluͤgeldecken und über - die ganze untere Seite des Vogels. Bei manchen iſt ein ganz ſchwacher graulicher Anflug auf der Bruſt, aber kaum, bemerklich; wenn er vorhanden, truͤbt er nur das Weiße daſelbſt ein Wenig. Ein ſehr ſanftes, lichtes, dem Weißen ſich naͤherndes Blaͤulichgrau verbreitet ſich uͤber den Ruͤcken, die Schultern und Fluͤgel, verlaͤuft ſanft in den weißen Hinterhals und wird abwaͤrts nach dem wei— ßen Schwanze hin immer lichter, fo daß es auf den mittleren Schwanz— federn nur noch ein graulicher Anflug bleibt und an den Seitenfe— dern nach und nach ſo verlaͤuft, daß man an den aͤußerſten, ganz weißen Federn der meiſten Exemplare nichts mehr davon bemerkt. Die großen Schwingen haben ſtarke weiße Schaͤfte, find aſchgrau, ziemlich dunkel gegen die Spitze, dazu aber auf den Auſſenfahnen blaͤulichweiß uͤberpudert. Auf der untern Seite ſind die Schwin— gen weit dunkler als auf der obern und gehen an den Spitzen der vorderſten ins Schwaͤrzliche uͤber; hier fehlt ihnen auch jener puder— artige Uiberzug. | Zwiſchen Männchen und Weibchen habe ich kein ſtandhaftes aͤußerliches Unterſcheidungsmerkmal auffinden koͤnnen. Daß einige Voͤgel mehr oder weniger Schwarz am Schnabel hatten, daß die Kopfplatte bei einigen tiefer uͤber das Genick hinabreichte als bei andern, und daß fie in der Größe um einige Zoll verſchieden wa: ren, fand ich unter den Maͤnnchen wie unter den Weibchen abwechſelnd, und ich glaube, daß dieſe kleinen Abweichungen mehr Folge des verſchiedenen Alters ſind. An vielen weiblichen Exempla— ren fand ich jedoch die obere Seite des Schwanzes mehr grau an— geflogen, als bei den Maͤnnchen, bei einigen war auch noch an der Außenfahne der dritten Schwanzfeder, nahe am Ende, ein dun— kelgrauer Anſtrich oder Fleck, welcher bei manchen ſich auch auf die naͤchſten Federn in ſchwacher Anlage ausdehnte. In der Mitte des Auguſt fängt die Hauptmauſer an, die, wäh: rend dieſe Voͤgel fortziehen, vor ſich geht, wo dann die ſchwarze Kopfplatte allmaͤhlig verſchwindet, die Stirn und der Oberkopf weiß gefleckt wird, und außer dem kleinen Gefieder nach und nach die Schwing: und Schwanzfedern mit neuen vertauſcht werden. 26 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. Sie ſind aber laͤngſt in ferne Laͤnder gezogen, ehe ſie den Feder— wechſel vollenden; rein vermauſerte Individuen koͤnnen wir daher nur von dorther erhalten. In ihrer Abweſenheit, gegen das Fruͤh— jahr, mauſern ſie zum zweiten Male und viele kommen noch in der Mauſer begriffen zu uns zuruͤck. Sie bekommen dann die rein ſchwarze Kopfplatte wieder, und es ſcheint nicht, daß ſich auch an— dere Theile des Koͤrpers zum zweiten Male mauſerten; denn die blaſſere Farbe des Mantels, die dunklere der Schwingen und die weiße des Schwanzes, beim Sommerkleide, ſind theils Folgen des Abbleichens, theils des Abreibens. Dies Letztere ſieht man deutlich an den Schwing: und Schwanzfedern, und dieſe werden zuverlaͤſſig nur ein Mal im Jahre gewechſelt. — Durch die Fortpflanzungszeit leidet das Gefieder haͤufigere Reibungen, deren Folge ſich an den Schwingfedern und am Schwanze am meiſten zeigen; desgleichen verliert das ſanfte Blaͤulichgrau des Mantels ſehr an Zartheit, es wird auch bleicher, alles Weiß unſauberer und am Unterkoͤrper nimmt das Gefieder bei vielen einen gelbbraͤunlichen oder ſchmutzig— gelblichen Anflug an, welcher vermuthlich vom haͤufigen Beruͤhren mit dem ſandigen oder lehmigen Boden beim Bruͤten und derglei— chen entſteht und gewoͤhnlich bei den Weibchen ſtaͤrker als bei den Maͤnnchen iſt. Durch alle dieſe kleinen Veränderungen wird nun gerade keine ſehr auffallende Verſchiedenheit herbeigefuͤhrt, aber das fruͤher ſo einfach gefaͤrbte und lieblich in die Augen fallende Gefie— der verliert dadurch außerordentlich an Schoͤnheit. A u fen t h al t. Dieſe große Art, welche man die Koͤniginn der Meerſchwalben nennen moͤchte, ſoll in großer Menge die Ufer und kleinen Inſeln des caspiſchen Meeres, uͤberhaupt viele Theile von Aſien, In— dien und China, ſogar die Sandwichs- und Freundſchafts— inſeln bewohnen, haͤufig am ſchwarzen Meere und im grie— chiſchen Inſelmeer ſein, auch in Nordafrika, namentlich in Aegypten vorkommen. An den ſuͤdlichen Kuͤſten des europaͤi— ſchen Feſtlandes ſcheint ſie nicht uͤberall vorzukommen, wenigſtens wird ſie an denen des noͤrdlichen Italiens fuͤr eine ſeltne Erſchei— nung gehalten. Dies iſt fie freilich auch an vielen nordeuropät: ſchen, z. B. an denen von Holland und, Frankreich, an der Oſtkuͤſte der britiſchen Inſeln, waͤhrend ſie in groͤßerer Anzahl XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe 27 nur an einzelnen Stellen der ſuͤdlichen Kuͤſte von Schweden, an mehreren der Kuͤſten und Inſeln Daͤnemarks den Sommer über wohnt, nicht hoͤher nach Norden hinauf vorkoͤmmt, und alſo zu den oſt-europaͤiſchen Voͤgeln gezählt werden muß. Sehr einzeln koͤmmt ſie an den deutſchen Kuͤſten der Oſtſee und zum Theil auch der Nordſee vor. Auf der Inſel Stuͤbber, beim Ausfluß der Oder in die Oſtſee, ſoll ſie nach Otto, ſonſt haͤufig geweſen ſein; ſie koͤmmt aber dort nicht mehr vor, weil, wie erſt neuerlich verſichert wurde, jene in der Ornithologie durch genannten Schriftſteller beruͤhmt gewordene Inſel jetzt bis auf eine unbedeu— tende Sandbank vom Meere verſchlungen ſei, eine an den deutſchen Kuͤſten nicht ungewoͤhnliche Erſcheinung. Auch auf der Inſel Ruͤ— gen iſt ſie nur hoͤchſt einzeln. Ein paar Mal wurde ſie, auf dem Zuge begriffen, auf der Schlei bei Schleswig geſchoſſen. Auf einem Ausfluge nach den daͤniſchen Inſeln der Nordſee traf ich ſie nirgends als auf der noͤrdlichſten Spitze der Inſel Sylt, bei den Dünen von Lyſt, wo neben Myriaden von andern Seevögeln auch ein Schwarn von gegen 300 Paͤaͤrchen dieſer Meerſchwalben bruͤteten ). Zu dieſem Bruͤteplatz kamen ſie alljaͤhrlich und ſchon ſeit langen Jahren immer wieder zuruͤck, doch waren ſie in dem, als ich ſie ſahe, wie verſichert ward, lange nicht ſo zahlreich als in vielen vorhergehenden. Sie iſt fuͤr das innere Deutſchland ein noch weit ſeltenerer Vo— gel und nur wenige Naturforſcher moͤchten ſich ruͤhmen koͤnnen ſie irgendwo auf einem Gewaͤſſer unſres Feſtlandes angetroffen zu ha— ben. Bechſtein ſahe ein Paͤaͤrchen auf dem Fruͤhlingszuge bei einem großen Teiche in Thuͤringen, wovon das Maͤnnchen geſchoſſen wurde; mein Vater erhielt einſt ein auf einem Teiche in hieſiger Gegend erlegtes Individuum, und ich traf vor vielen Jahren eben: falls ein Paar dieſer Vögel, zu Anfang des September, am ſalzi— gen See im Mannsfeldiſchen an. Wie die andern Meerfchwalben gehört auch fie zu den Zug— ») Diefe und andere nicht unwichtige Beobachtungen im Frühjahr 1819, auf einer Reiſe an und auf die Nordſee, geſammelt, machte ich gleich darauf in der Iſis, 1819. Heft XII. bekannt. H. p. Brehm ſcheint indeſſen den Theil des Meeres, welcher die Weſtküſte Jütlands und ihre Inſeln beſpült, nicht für die Nordſee zu halten, ins dem er in feinen Beiträgen, III. S. 637. ſagt: die kaſpiſche Seeſchwal be brüte nicht an der Nordſee. Später, in ſeiner Naturgeſch. a. Vög. Deut ſchlds., S. 770. giebt er dies in ſofern zu, als er die von mir auf Sylt beobachtete Art für ſeine Subſpecies Sterua (Sylochelidou, Scbillingii hält. 28 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. voͤgeln, welche ſpaͤt ankommen und uns bald wieder verlaſſen. Obgleich ihre Ankunft und Abzug mit denen der andern ziem— lich oder oft zuſammentrifft, ſo kommen doch manchmal Aus— nahmen vor, welche andeuten, daß unſere Art die kalte Witterung weniger ſcheuet; man ſahe z. B. ein Mal einen Flug von 12 Stüf: ken ſchon in der Mitte des Februar bei Ruͤgen vorbei gegen Nordoſt ſteuern, wozu ſie freilich wol der gelinde Winter des Jah— res (1822) verleitet haben mochte; beim Wegzuge iſt ſie dagegen, in guten Jahren, noch Ende des September einzeln geſehen wor— den. In der Regel koͤmmt ſie jedoch erſt in der letzten Haͤlfte des April an den Bruͤteorten an und verlaͤßt ſie im Auguſt wieder, oft nicht fruͤher und nicht ſpaͤter als die Brandmeerſchwal be und andere. Sie zieht am Tage, oft ſehr hoch durch die Luft, wahr— ſcheinlich aber auch oͤfter des Nachts, wie zuweilen ihr Tags vor— her noch nicht geahnetes, fruͤhes Erſcheinen am naͤchſten Morgen beim Niſtplatze vermuthen laͤßt. Sie iſt ganz Seevogel, liebt das Salzwaſſer und findet ſich an ſuͤßen Gewaͤſſern nicht heimiſch. Truͤbes Waſſer und ſchlammi— ger Boden ſind ihr ebenfalls zuwider; ich ſahe ſie wenigſtens nie— mals da, obgleich ihre Wohnſitze nicht ferne lagen. Immer waren dies, wie mir auch andere Beobachter beſtaͤtigten, ſolche Stellen an der Kuͤſte, welche ganz klares, wenn auch tiefes, Waſſer hatten, und zwar am offnen Meer oder in weit offnen Buchten. Daß ſie ſolche Plaͤtze auch an felſigen Geſtaden finde und ihre Eier auf den Felſen ausbruͤte, wird verſichert; ich ſelbſt ſahe ſie jedoch nur an ſandigen Ufern, die flach genug ins Meer verliefen, um bei unge— woͤhnlicher Fluth von den Wellen uͤberſtroͤmt zu werden, in der Nähe hoher Sandduͤnen oder auch Watten und Sandbänfe. Sie verlaͤßt das Meer ſo aͤußerſt ſelten, daß ſie ſelbſt auf großen und ganz nahen Landſeen und Fluͤſſen eine ganz ungewoͤhnliche Er— ſcheinung iſt. Ihre Streifereien vom Niſtplatze aus treibt ſie auch nie ſo weit, als wol oft die andern Arten, und es iſt eine Selten— heit 5 Meilen davon an derſelben Kuͤſte eine zu ſehen, waͤhrend die Brandmeerſchwalbe in mehr als doppelter Weite von ihrem Bruͤteplatze herumſchweift; ihre Streifzuͤge ſcheinen dagegen mehr ſeeeinwaͤrts gerichtet, was man deutlich an dem Herbeiſtroͤmen der Menge bemerkt, wenn man ſich ihrem Bruͤteplatze nähert. Wird ſie an ihrem Wohnorte oder nur gelegentlichen Aufenthalte beunru— higt, ſo ſucht ſie ſtets die hohe See und verſchwindet, wenigſtens XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. 29 auf eine viel längere Zeit, den ihr folgenden Blicken, als andere Arten der Gattung. Ihre jährlichen Reiſen mag fie, wie viele an: dere Seevoͤgel, auch laͤngs der Kuͤſte hin machen; aber es iſt der— malen noch ein naturgeſchichtliches Raͤthſel, wo dieſe Meerſchwalben, welche den Sommer an der Oſt- und Nordſee verleben, ihre Win— terquartiere aufſchlagen moͤgen. Vermuthlich wandern ſie in mei— ſtens ſuͤdweſtlicher Richtung weg, aber bis wohin? Denn an den Suͤdkuͤſten Frankreichs kommen ſie im Winter auch bloß ein— zeln vor. Die im Innern Deutſchlands vorgekommenen ſehr wenigen Individuen, ſind durch widriges Geſchick von der gewohnten Straße abgekommen und als Verirrte zu betrachten. Sie muͤſſen, da ſie kein Salzwaſſer finden, mit jedweden fuͤrlieb nehmen und kamen an kleinen und großen Teichen, Fluͤſſen und Landſeen vor. Das Paͤaͤrchen, welches ich an jenem Landſee antraf, ſchwebte dort uͤber dem Waſſer, ließ ſich einige Mal auch ſchwimmend auf demſelben nieder, hatte aber die Seite des Sees, wo ſeine Ufer ſehr ſeicht verlaufen und ſandig ſind, wo auch das Waſſer immer ganz klar iſt, beſonders zu ſeinen kurzem Aufenthalte ausgewaͤhlt und lief hier oft ziemlich lange und behende am Waſſerrande entlang. Ihre Nachtruhe haͤlt ſie ganz nahe am Waſſer, auf freiem Bo— den und auf der Bruſt ſtets ſo liegend, daß ſie den Schwanz dem Lande zukehrt, und wenn Hunderte beiſammen liegen, auch am Tage und bei den Neſtern, ſo hat nicht eine ihr Geſicht anders als dem Meere zugewandt. Eigenſchaften. Die caſpiſche Meerſchwalbe iſt ein praͤchtiger Vogel; der koral— lenrothe große Schnabel, die atlasſchwarze Kopfplatte, das praͤdo— minirende blendende Weiß, mit der ſanften blaͤulichen Schattirung von oben her und den ſchwaͤrzlichen Schwingenſpitzen, bei ihrer, als Meerſchwalbe koloſſalen Groͤße, feſſeln das Auge, doch wuͤrde es mit noch mehr Wohlgefallen auf ihr ruhen, wenn nicht der zu große Schnabel und Kopf, wie der etwas kurze und wenig gegabelte Schwanz die Schoͤnheit etwas verminderten, indem dieß Mißverhaͤlt— niſſe zu ſein ſcheinen, wenn man auf andere und viel ſchlankere Meerſchwalbengeſtalten hinuͤberblickt. Sitzend ſieht ſie daher wirklich 30 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 275. Raub: Meerfhwalbe. etwas plump aus; fie trägt dann den Rumpf ganz wagerecht, die Bruſt oft tiefer als den Schwanz, die langen Fluͤgel hoch uͤber die— ſen gekreutzt, den Hals ganz eingezogen, und dieſer dehnt ſich erſt dann, wenn ſich etwas Verdaͤchtiges naͤhert, mehr aufwaͤrts, aber nur erſt in ganzer Laͤnge aus, wenn ſie ihre unliebliche Stimme hoͤren läßt. Sie geht in kleinen Schrittchen und trippelnd. Ihr ganzes Weſen entſpricht der Bildung ihres Koͤrpers; es iſt nicht der leichte Sinn, das froͤhliche oder gemuͤthliche, kecke und roſtloſe Treiben faſt aller andern ihrer Gattungsverwandten, nicht dieſe uns oft laͤcherliche Neugier alles Ungewohnte zu begaffen, zu umkreiſen, zu beſchreien u. ſ. w., ſondern ein truͤber Ernſt, eine zwar kraͤftige, doch mit Gemaͤchlichkeit gepaarte Gewandtheit, immer unnoͤthiges Aufſehen vermeidend, uͤberall ſtilles Mißtrauen verrathend, kein vertrauliches Anſchließen an andere ihr nahe wohnende Voͤgel; dies find Züge, wodurch fie ſich von den übrigen einheimiſchen Meerſchwalbenarten ſehr unterſcheidet. Langſamer und ſchwerfaͤlliger als alle uͤbrige Arten dieſer Gat— tung, aber doch noch fluͤchtiger und gewandter als die Meven, aͤh— nelt ſie in ihren Bewegungen der einen Gattung wie der andern. Laͤßt man, von fern geſehen, die ſchmaͤlern, ſpitzigern Fluͤgel un— beachtet, ſo kann man ſie leicht fuͤr eine Meve halten; denn der we— nig ausgeſchnittene Schwanz, der groͤßere Kopf und Schnabel, fal— len nur in der Naͤhe als Unterſcheidungsmerkmale genuͤgend in die Augen. Wenn ſie uͤber den Beobachter gerade hinwegfliegt, ſo ſcheinen die Fluͤgelſpitzen ganz ſchwarz zu ſein und die ſchwarzen Fuͤße bilden einen dunkeln Fleck am Bauche. Sie ſchwimmt viel lieber als die andern Arten, aber eben ſo ſchlecht; laͤuft auch ziemlich ſchnell, doch ſeltner, am Geſtade ent— lang, und fliegt mit langſamen kraͤftigen Fluͤgelſchlaͤgen, zuweilen ſchwebend, wie die Meven; beim Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel jedoch auch ſchneller, oft auch kreiſend wie ein Rabe. Es ſcheint, daß fie die Geſellſchaft der Brandmeerſchwalbe gern habe, denn ich ſahe beide in vertraulicher Naͤhe und in großen Schaaren bei einander. Das iſt bei andern geſellig lebenden Voͤgel nicht im— mer der Fall, daß ſie auch andere Voͤgel ſo in ihrer Naͤhe leiden, zumal wenn der ſtaͤrkere ein ſo unfreundlich geſinnter iſt, wie hier. Andere Meerſchwalben als jene ſahe ich nie in ihrer Geſellſchaft; ſie ſcheinen aus triftigen Gruͤnden der caspiſchen auszuweichen. Eigentlich iſt ſie auch nur gegen ihres Gleichen geſellig, wie man auf dem Zuge und an den Bruͤteplaͤtzen deutlich genug ſehen kann. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Mecrfhwalbe 31 Man darf ſie unbedingt unter die ſchlauen und ſehr ſcheuen Voͤgel zaͤhlen, ob ſie gleich da, wo ſie niſtet, dieſe Eigenſchaften zum Theil abzulegen ſcheint; jedoch bleibt ſie auch hier vorſichtiger als die ſonſt weit ſcheuere Brandmeerſchwalbe. In der Noth beißt und ſtoͤßt ſie mit ihrem ſtarken Schnabel fuͤrchterlich um ſich, und man hat ſich bei fluͤgellahm geſchoſſenen vor den Hieben dieſer gewaltigen Waffe ſehr in Acht zu nehmen, ſo wie er ihr gegen die Angriffe der großen Meven, wenn ſie auf ihre Eier und Junge gerichtet ſind, dieſelben Dienſte leiſtet. Wenn jene ſie ihnen nicht in ihrer Abweſenheit wegſtehlen, ſo erwiſchen ſie keins; denn ſie bin— det mit den groͤßten Meven an und ſchlaͤgt ſie in die Flucht. Daß manche Voͤgel geſellig bruͤten, um dadurch ihre Brut mehr vor raͤuberiſchen Angriffen zu bewahren, zeigt ſich beſonders bei den Meerſchwalben, die am Tage ſo wenig auf den Eiern liegen, ſehr deutlich. Obgleich die meiſten Bruͤtvoͤgel unter ihnen den Tag uͤber weit umherſchweifen, ſo bleiben doch immer noch viele am Bruͤt— platze zuruͤck, um gleichſam Wache zu halten und bei jedem bedenk— lichen Vorfall Laͤrm zu machen, damit die naͤchſten, die ihn ver: nehmen, auch noch zu Huͤlfe kommen koͤnnen. Auf dieſe Weiſe er: klaͤrt ſich denn auch, daß die Brandmeerſchwalben ſo ganz in der raͤuberiſchen Naͤhe der caspiſchen bruͤten koͤnnen, ohne ihre Brut mindeſtens zur Haͤlfte von dieſen vernichtet zu ſehen, was einzelnen Paaren ganz gewiß, wie ſo vielen andern ſchwaͤchern Strandvoͤgeln, widerfahren wuͤrde, wenn ſie ſelbige nicht gemeinſchaftlich vertheidig— ten. Denn die caspiſche oder Raub-Meerſchwalbe iſt allem ſch waͤ— chern Gefluͤgel ein gefaͤhrlicher Nachbar, wegen ihrer Raubſucht, wor— in ſie ſich den großen Mevenarten voͤllig gleichgeſtellt. Ihre Stimme hoͤrt man, wenn ſie nach Nahrung umherfliegen, ſelten, oͤfterer aber auf dem Zuge und haͤufig an ihren Bruͤteplaͤtzen, jedoch hier auch nur, wenn ſich dieſen ein Menſch naͤhert. Sie ſchreiet überhaupt bei weitem nicht fo viel, wie die andern Arten ihrer Gattung. Ihr ſtarktoͤnendes, rauhes und kreiſchendes Geſchrei hat große Aehnlichkeit mit der Stimme des gemeinen Reihers; es klingt unangenehm wie: krraͤik! — Erräife! — und krraͤi! und laͤßt ſich nachahmen, wenn man dieſe Toͤne hinten am Gau— men hervorzubringen ſucht. Außer dieſem hoͤrt man auch noch an ihren Bruͤteplaͤtzen, ein weniger laͤrmendes, ſchnarchendes Krraͤe, — und Kraͤe! Beim Ausrufen der erſteren Stimme dehnen fie, auch fliegend, den Hals in ganzer Laͤnge aus, blaſen die Kehle auf und ſperren den großen Schnabel weit von einander; es ſcheint 32 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe als muͤßten ſie zum Hervorbringen der haͤßlichen Toͤne alle Kraͤfte aufbieten. e e e e Dieſe beſteht, wie es ſcheint, hauptſaͤchlich in lebenden Fiſchen, namentlich aus der Gattung Clupea, die ſie ſich ſelbſt fangen. We— gen ihres weiten Rachens find fie im Stande über handlange He— ringe zu verſchlingen, wie die ſich oft im Magen findenden, ſehr ſtarken Ruͤckenwirbel beſtaͤtigen; aber ſie fangen ſtets nur ſolche Fi— ſche, welche nahe an die Oberflaͤche des Waſſers kommen. Sie ſchweben und flattern deshalb in geringer Hoͤhe uͤber dem Waſſer, erhalten ſich oft eine kurze Zeit flatternd auf einer Stelle, um ihr Ziel recht aufs Korn nehmen zu koͤnnen (ruͤtteln), und ſtoßen dann plotzlich aufs Waſſer herab. Ich habe fie jedoch nie gänzlich unter— tauchen, aber am haͤufigſten den Fiſch ſo fangen ſehen, daß dabei bloß Kopf und Schnabel in's Waſſer kamen. Dies Niederſtoßen geſchieht immer mit vielem Kraftaufwande und man glaubt oft der Sturz muͤſſe ſie jetzt tief unter die Waſſerflaͤche druͤcken, waͤhrend ſie dennoch bloß mit dem Schnabel durch die Oberflaͤche der Wel— len fahren und doch faſt immer mit einem gefangenen Fiſche davon fliegen. Sie fiſchen mehr an den Kuͤſten und in ruhigen Buchten, als auf ofner See, und lieben hauptſaͤchlich ſolche Gegenden, wo das Meerwaſſer recht klar iſt. Sie verſchlingen alle Fiſche ganz, ohne jemals einen zu zerfleiſchen, fangen daher auch keine groͤßern, als ſolche, die ſie noch ſo eben verſchlucken koͤnnen. Unmittelbar nach dem Auftauchen den gefangenen Fiſch todt kneipen, ihn fo drehen, daß der Kopf vorangeht und ihn verſchlingen, iſt alles das Werk weniger Augenblicke. Waͤhrend ſo der Kopf in den Magen hinabreicht, ſteckt der uͤbrige Theil noch in der Speiſeroͤhre; die Verdauung geht indeſſen ſehr ſchnell, iſt unten am ſtaͤrkſten, und ſo wie der ſcharfe Magenſaft den Kopf des Fiſches aufloͤſet, ruͤckt das Uibrige nach; bald iſt Alles in Brei verwandelt und nur die einzeln Knochen noch kenntlich; Alles in bewundernswuͤrdig kurzer Zeit. Ob ſie vielleicht auch andre kleine in der See lebende Ge— ſchoͤpfe, Würmer oder Kruſtaceen, und, bei ihren Irrwegen durch das feſte Land, wol gar auch Amphibien freſſe, habe ich nicht er— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub-Meerſchwalbe. 33 fahren koͤnnen; an der See fand ich ſtets nur Uiberbleibſel von Fi- ſchen in ihrem Magen. Es iſt gewiß, daß ſie andern Strandvoͤgeln die kleinen Jungen und die Eier raubt und verzehrt, wie auch die großen Meven thun. H. Schilling (S. Brehm's Beitr. III. S. 639.) fand in dem Magen einer auf Ruͤgen geſchoſſenen einen jungen halbverdaueten Kibitz. Dies wird auch noch von andern Seiten her beſtaͤtigt. Ich ſelbſt konnte mich jedoch nicht davon vergewiſſern, weil ich zu kurze Zeit an ihrem Bruͤteplatze und ſeinen naͤchſten Umgebungen verweilen konnte. F ort p feb an z u ne g. Da die caspiſche, wie andere Meerſchwalben und Meven, gern geſellig lebt, ſo trifft man auch nur ſelten ein einzelnes Paͤaͤrchen niſtend an. Weil dieſe Art jedoch nicht ſo zahlreich, wie manche andere dieſer Gattung iſt, ſo kann es auch nicht ſo zahlreich be— ſetzte Niſtplaͤtze geben. Die groͤßte Kolonie, aber auch die einzige, welche ich auf meinen nordiſchen Reiſen ſelbſt ſahe, bewohnte die Sandwatten hinter den Dünen von Lyſt (59° 6“ N. Br.) auf dem noͤrdlichſten Ende der Inſel Sylt. Sie beſtand aus ohngefaͤhr zwei— bis dreihundert Paͤaͤrchen, ſollte aber in manchem vergangenen Jahr bei weitem zahlreicher daſelbſt geweſen ſein, als gerade in dieſem Jahr, 1819. Unvergeßlich bleibt mir der hoͤchſt uͤberraſchende erſte Eindruck, den dieſe Kolonie auf meine Sinne machte. Wohl wiſ— ſend, wohin man mich führte, daher in der gefpannteften Erwar— tung, durchwanderte ich damals jenes weitlaͤufige, intereſſante Duͤ— nengebirge, von Tauſenden der hier bruͤtenden großen Meven um— ſchwebt, die, je weiter ich vorruͤckte, in wachſender Anzahl mich ſchreiend begleiteten; wo einige Eidervoͤgel dicht vor meinen Fuͤ— ßen ſchwerfaͤllig vom Neſte flatterten und wenige Schritte von mir ihr Schickſal erwarteten; wo ich, als ich das Ende dieſer Sandberge faſt erreicht hatte, jenſeits dieſer ſandigen Watten nahe am Meer bereits eine Schaar von vielen Tauſenden der Brandmeerſchwalbe erblickte, die mir mit unſaͤglichen Laͤrm entgegenſchwirrte; endlich aber unter meinen Fuͤßen, am Rande der Berge, ſich die herrliche Kolonie der Koͤniginn unſrer Meerſchwalben ploͤtzlich von ihren Ne— ſtern erhob und mir mit ihrem durchdringenden Gekraͤchſe entgegen 10r Theil. 3 34 Illi. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe kam; als nun die Luft von ſchreienden Voͤgeln wimmelte und faſt verdunkelt ward, wo die wechſelnden, ununterbrochenen, kreiſchen⸗ den Stimmen aller dieſer Schreier das Gehoͤr betaͤubten; da mag nur der ſich mein Entzuͤcken denken, wer ſelbſt eifriger Ornitholog iſt und ſo e mit eignen Augen und zwar zum erſten Male abe. — An der Oſtſee giebt es auch einige Bruͤteplaͤtze, fo viel mir! nn ußt aber keinen von ſolchem Umfange oder mit einer fo großen Anzahl ſolcher Voͤgel beſetzt, als der auf Sylt. Ehedem 1 etzt ziemlich weggeſchwemmten Sandinſel Stuͤbber, unweit S er eine bedeutende Kolonie geniftet haben, die : wunden iſt. Bei Rügen niſtet nur hin und ieder ein eir 9 ies Paar und dies auch nicht alle Jahr. Von ſolchen hoͤrt man uͤberdem noch aus mehrern Gegenden des Oſtſee⸗ ſtrandes oder einiger Oſtſeeinſeln, Fuͤhnen, Bornholm u. a., ſie ſcheint aber dort nirgends in ſtarker Anzahl vorzukommen. Die Eier liegen auf dem bloßen Sande in einer kleinen Vertiefung, welche ſich die Voͤgel ſelbſt ſcharren, nicht ganz nahe am Waſſer, doch im Angeſichte deſſelbenn ). Die Neſter ſind, wo ihrer viele beiſammen niſten, kaum 2 Fuß eins von dem andern entfernt. Es liegen in einem Neſte meiſtens zwei, oͤfters jedoch auch drei Eier, aber nie mehr als drei Stuͤck, welche, wie mir verſichert wurde, in noch nicht vollen drei Wochen ausgebrütet werden. Dieſe Eier ſind groͤßer als Huͤhnereier, ſie haber vielmehr ganz die Groͤße der Eier von zahmen Enten, und auch die Form derſelben. Ihre Schale iſt ziemlich glatt, doch ohne Glanz, die Farbe ſchmutzig gelblich⸗ oder braͤunlich⸗ weiß, mit aſch⸗ grauen und ſchwarzbraunen Punkten und Flecken beſtreut. Sie va⸗ riiren in der Grundfarbe wie in der Zeichnung gar ſehr; denn erſtere geht vom ſchmutzigen Weiß ins Roſtgelbliche, Roſtbraͤunliche, Roſt⸗ roͤthliche, bald mit, bald ohne einen gruͤnlichen Schein über: letztere beſteht oft in lauter Punkten verſchiedener Groͤße, manchmal ſind dazwiſchen große Flecke eingeſtreuet, ein ander Mal wenig Punkte und viel Flecke, dann mal wieder umgekehrt, oft haben ſie viel, manchmal ſehr wenig Zeichnung; kurz es herrſchen darin gar ma⸗ nichfaltige Abaͤnderungen, obgleich es damit noch nicht fo arg, wie bei manchen andern Waſſervoͤgeln iſt. Erſt in der zweiten Haͤlfte des Maies fangen ſie an zu legen. Man nimmt ihnen auf Sylt mehrmals die Eier, und laͤßt ſie erſt 8 bis 14 hd * 22 — LE “7 — Le) (ar .. 7 0 . “su ) Do es frlüge Ufer giebt, ſollen fie die Eier auf den kablen Felſen legen, fo anf einigen Scheeren der Oſtſte in der Rüde der ſchwediſchen Küſte. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. 35 Tage vor Johannis bruͤten. Wenn man ſich den Eiern naͤhert, ſo fliegen einem beide Gatten mit graͤßlichem Geſchrei uͤber dem Kopfe herum und das Maͤnnchen iſt hierbei dreiſter als das Weibchen). Die Jungen, welche mit oben graulichen, ſchwarzgefleckten, unten weißen Dunenkleid bekleidet ſind, laufen bald aus dem Neſte und werden von den Alten mit kleinen Fiſchen groß gefuͤttert; auch das bruͤtende Weibchen wird oft vom Maͤnnchen mit dergleichen verſorgt. Beim Legen oder Bebruͤten der Eier hat eine wie die andere ihr Geſicht dem Waſſer zugekehrt. Sie bruͤten zwar mit vielen Unterbrechungen, ſitzen jedoch viel oͤfterer über den Eiern als andere Gattungsverwandte. Sind ſie ein Mal aufgeſcheucht, ſo dauert es lange, ehe ſich Einzelne wieder auf die Eier herablaſſen; denn ſolche Stoͤrungen machen auf dieſe ſcheuen Voͤgel einen anhaltendern Eindruck als bei vielen andern, und die Be— ſorgniß, daß oͤfteres Beſchießen ihnen einen Bruͤteplatz ſo verleiden koͤnne, daß ſie ſolchen im naͤchſten Jahr nicht wieder beſuchten, wie die Leute auf Sylt behaupteten, ſcheint mir nicht ganz grundlos. „n & Außer den Menſchen ſind mir keine bekannt. Gegen die gro— ßen Meven und andern Raubvoͤgel, welche ihren Eiern oder Jun— gen nachſtellen, vertheidigen ſie ſich, wenn ſie gerade anweſend, mit ihrem großen Schnabel nicht ohne Erfolg; ob nicht aber zuweilen der Seeadler eine Alte erwiſcht, iſt nicht unwahrſcheinlich, da ſie, wie ich ſelbſt geſehen, mit andern groͤßern Seevoͤgeln, viel Furcht vor ihm bezeigen. Daß ſie zuweilen den groͤßern Edelfalken zur Beute dienen mußten, iſt indeſſen auch ſchon vorgekommen. Hohe Fluthen ſchwemmen ihnen oft die Eier weg, wie 2 Tage vorher, als ich jene herrliche Kolonie beſuchte, mit allen dieſer und der Brand-Meerſchwalbe geſchehen war. Wiederholt ſich ein ſolches Ungluͤck mehrmals, beſonders gegen Ende der Fortpflanzungs— zeit, ſo muß eine ſolche Kolonie zuweilen fuͤr dieſes Jahr ganz ohne Nachkommen bleiben. ) um die Eier iſt das Männchen, um die Jungen mehr das Weibchen beküu⸗ mert. Dieſe Erfahrungsſache babe ich bei allen Seevögeln beſtätigt gefunden. Von Meerſchwalben, Meven, Auſterfiſchern u. a. m. habe ich bei den Eiern ſtets Männchen, und nur ſelten ein Weibchen geſchoſſen; bei den Jungen war es umgekehrt. 3 * 36 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 278. Raub: Meerfhwalbe. Ja eg d Da ſie ſehr ſcheu und vorſichtig ſind, ſo iſt ihnen ſchwer ſchuß— maͤßig beizukommen. Kann man ſie nicht ungeſehen beſchleichen, wozu es am Meere nicht oft Gelegenheit giebt, ſo flieht die Einzelne den Schuͤtzen ſchon auf mehr als hundert Schritt, ſtreicht weit in die See hinaus und kommt lange nicht wieder zuruͤck. Sie aus ei— nem Hinterhalte zu belauern, haͤlt in der Naͤhe der Bruͤteplaͤtze und da, wo man ſie oͤfters hin und her fliegen ſieht, eben nicht ſchwer. Am leichteſten bekoͤmmt man fie freilich auf ihren Bruͤteplaͤtzen, wenn ſie Eier oder Junge haben. Hat man aber erſt einige Mal geſchoſ— ſen, ſo werden ſie auch hier vorſichtiger und man muß ihnen dann eine Zeit lang Friede laffen, ehe man wieder mit Sicherheit etwas gegen ſie unternehmen kann; denn ſie haben ein zaͤhes Leben, ein dichtes Federkleid, und vertragen daher einen tuͤchtigen Schuß, zu— mal ihre Groͤße leicht das Auge taͤuſcht, daß man zu weite Schuͤſſe wagt, die dann nicht toͤdtlich werden. — Sind ſie angeſchoſſen, ſo fliehen ſie, wie die meiſten Seevoͤgel, dem Waſſer zu, und gehen ſo dem Schuͤtzen verloren. Fluͤgellahm geſchoſſene beißen fuͤrchterlich um ſich und koͤnnen mit ihrem ſcharfen Schnabel blutruͤnſtig und ſehr ſchmerzhaft verwunden. Fallen ſolche ins Meer, fo ſchwimmen ſie ſehr ungeſchickt, tauchen nicht, und ſuchen baldmoͤglichſt wieder an das Land zu kommen; auch anderartig verwundete thun dies und warten ihr Ende lieber am Lande ab. Nützen. Man ſammelt ihre Eier und verſpeißt ſie. Dieſe Eier haben einen ſehr dunkel orangegelben Dotter und ſind ſehr wohlſchmeckend, weil ſie nicht nach Meerwaſſer ſchmecken, ein unangenehmer Beige— ſchmack, welcher beim Genuß der großen Meveneier Manchem wider: lich wird. Wo dieſe großen Eier eine beſtimmte Zeit lang planmaͤßig geſammelt werden, wie dies auf der Nordſpitze Sylts mit denen dieſer, wie ſaͤmmtlicher dort niſtender Seevögel, der Fall war, geben fie dem Beſitzer des Stuͤck Landes, worauf ſolche Meerſchwalbenko— lonie niſtet, einen bedeutenden Ertrag. — Das Fleiſch iſt zaͤhe, ſoll unſchmackhaft ſein, und wird fuͤr gewoͤhnlich nicht gegeſſen. Die XIII. Or dn. LXXVII. Gatt. 278. Naub: Meerfchwalbe. 37 Schwingfedern taugen zum Zeichnen und die uͤbrigen Federn wuͤr— den zu Betten zu benutzen ſein, wo dieſe Vogelart freilich haͤufiger vorkommen muͤßte. S ch a d e n. Daß ſie Fiſche freſſen, kann ihnen an den Seekuͤſten und In— ſeln nicht hoch angerechnet werden, weil ſie doch nur kleine Fiſche fangen, auf welche der Menſch dort keinen Werth legt. Ein an— dres moͤchte es ſein, wenn ſie haͤufiger ins innere Deutſchland kaͤmen und die Gewaͤſſer mit den ſogenannten zahmen Fiſchereien beſuchten; da wuͤrden ſie bald in Verruf als ſchaͤdliche Fiſchraͤuber kommen. Beneidet man doch unſern kleinen Meerſchwalben die klei— nen Ukelei und . welche ſie aus unſern Fluͤſſen und Teichen holen. 279. a Die Lach⸗Meerſchwalbe. Sterna anglica. Montagu. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Lachſeeſchwalbe; balthiſche —, ſuͤdliche —, amerikaniſche Lach— ſeeſchwalbe, Ackerlachſeeſchwalbe; engliſche See- oder Meerſchwalbe; mevenſchnaͤblige —, dickſchnaͤblige See- oder Meerſchwalbe. Spin— nenmeerſchwalbe. Kleine Lachmeve. Taf. 249. 0 Sterna unglica (Gull-billed Tern). Montagu, Ornithol. Dictionary, Supp. — Jenyns, Mau. of brit, Vert. — Selby, Illustr. of brit. Ornith. = Eyton, Rar. brit. Birds. p. 97. = Sterna aranea. Wilsson, Amerie. Orn. VIII. p. 143. t. 72.f. 6. == Hirondelle de Mer Hansel. Temmiuck Man. nouv. Edit, II. p. 744. — Rondine di mare xampe — nere. Savi, Ornit. Tose. III. 90. = Meyer, Zuſ. z. Taſchenb. III. S. 188. = sSierna risoria. Brehm, Beitr. III. S. 650. — Deſſen Lehrb. II. S. 682. == Gelochelidon balthica, — agraria, — meridionanalis, — aranea. Deſſen Naturg. a. V. Deutſchl. S. 772 - 775. = Land⸗ beck, Vög. Würtembergs. S. 70. — Hornſchuch u. Schilling, Verzeich. der in Pommern vork. Vögel. S. 17. u. 227. - V. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 66. u. 217. Nen ze ih e e Der ſchwarze Schnabel iſt etwas mevenartig, kurz und ſtark; die Laͤufe der ſchwarzen Fuͤße ſchlank, 16 bis 18 Linien lang; der Schwanz nicht tief gegabelt. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach⸗Meerſchwalbe. 39 Bee ſoch re i b eu ng Dieſe Meerſchwalbe traͤgt an allen Theilen, ſowol den nackten als den befiederten, dieſelben Farben wie die naͤchſtfolgende Art, un— terſcheidet ſich aber von dieſer, unſrer Brand meerſchwalbe, St. cantiaca, welcher fie auch an Größe gleichkoͤmmt oder kaum uͤber— trifft, doch hoͤchſt auffallend durch den viel kuͤrzern, dickern Schna— bel, — durch viel hoͤhere und ſchlankere Fußwurzeln — und durch einen kuͤrzern, ſtumpfern Schwanz, deſſen Federn auch viel breiter als an dem jener ſind. Sie gehoͤrt zu den groͤßern Arten, iſt, (ohne Schnabel) 13 bis 134 Zoll lang, ſelten noch um 1 bis 14 Zoll laͤnger; 37 bis 41 Zoll breit; die Laͤnge des Fluͤgels, vom Handgelenk bis zur Spitze, 135 bis 14 Zoll; die Lange des Schwanzes an den aͤußerſten Fe: dern 47 bis 5% Zoll, ſelten noch länger, an den mittelſten aber nur 31 bis 42 Zoll, daher fein Ausſchnitt nicht tief und die Gabelen— den ziemlich kurz; die Spitzen der ruhenden Flügel ragen 23 bis 3 Zoll und daruͤber uͤber die letztern hinaus. Die kleinern der obern Maaße ſind von weiblichen Voͤgeln, welchen indeſſen die der erwachſenen Jungen auch noch nachftehen. Der Schwanz hat ſehr breite Federn, die mittelſten zugerundete, die nach auſſen an der breiten Fahne mehr und mehr ſchraͤg zuge— ſpitzte Enden, nur das aͤußerſte Paar endlich etwas ſpießartige. Im Uibrigen hat die Befiederung nichts, woran ſie ſich von der anderer Arten unterſchiede. Die Schwingfedern haben ebenfalls auf der Auſ— ſenſeite jenen ſonderbaren ſchimmelartigen Uiberzug, welcher ſich nach und nach abreibt und dann erſt die eigentliche, viel dunklere Faͤr— bung derſelben zeigt. Der Schnabel iſt etwas kurz und verhaͤltnißmaͤßig ſtaͤrker als bei irgend einer andern Meerſchwalbenart; an der Firſte nach vorn fanft herab gebogen, am Kiel, ſoweit die Spalte reicht, gerade, dann aufſteigend, daher hier ein merkliches Eck bildend; die Schneiden etwas eingezogen, ſehr ſcharf; aus den laͤnglich ovalen Naſenloͤchern laufen einige kleine Riefen vorwaͤrts der Schneide zu. Er aͤhnelt im Ganzen dem Schnabel der St. caspia ſehr, iſt aber verhaͤltniß— maͤßig noch etwas kuͤrzer. Die Haut in den Mundwinkeln iſt ſtark, aber ſehr dehnbar und laͤßt eine bedeutende Erweiterung des Ra— chens zu. Die Länge des Schnabels von der Stirn an beträgt 1 Zoll 6 bis 8 Linien, vom Mundwinkel bis zur Spitze 2 Zoll 5 bis 40 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach⸗Meerſchwalbe. 6 Linien; dabei iſt er an der Stirn 6 Linien hoch, hier immer et— was weniger, zuweilen ſogar nur 4 Linien, breit. Von Farbe iſt der Schnabel durchaus tief ſchwarz, nur bei et— was juͤngern Voͤgeln an der Spitze braͤunlich und am untern Eck mit einem gummigelben, durchſcheinenden Fleckchen, das mit zuneh— mendem Alter unbemerklich wird; inwendig iſt er hinterwaͤrts, nebſt Zunge und Rachen gelbroth oder orangengelb. So lange der junge Vogel ſein Jugendkleid traͤgt iſt der Schnabel nur ſchwarzbraun, an der Spitze hellbraun, an der Wurzel nach unten ſchmutzig fleiſchfarbig. Die Iris der eben nicht großen Augen iſt braun, in der Ju— gend graulich und lichter, ſpaͤter ſehr dunkel, faſt ſchwarzbraun. Die Fuͤße ſind, mit denen anderer Meerſchwalben verglichen, nicht ſo ſehr klein, ſehen aber, der langen Laͤufe wegen, beſonders hoch aus, haben ſtarke Ferſengelenke, etwas tief ausgeſchnittene Schwimmhaͤute und große, ſchlanke, ziemlich gekruͤmmte, mit einer Schneide auf der innern Seite verſehene Krallen, die Hinterzeh eine wie gedrehete und faſt gerade. Der Uiberzug der Fußwurzel und Zehen iſt oben groß, aber ſeicht getaͤfelt, an erſterer hinten fein ge— ſchildert, die Schwimmhaͤute chagrinirt. Die Nacktheit des Unter: ſchenkels uͤber der Ferſe (vom Gelenkpunkte dieſer an bis zu den er— ſten Federwurzeln) mißt 6 bis 7 Linien; die Fußwurzel (von eben jenem Punkte bis ins Mittel der Zeheneinlenkung herab) bis zu 1½ Zoll; die Mittelzeh, mit ihrer faft 4 Linien langen Kralle, über 1/, Zoll; die Hinterzeh, mit der 24 Linien (alſo auffallend) langen Kralle, 5 bis 6 Linien. Fuͤße und Krallen ſind ſchwarz, bei jungen Voͤgeln ae bei noch juͤngern ſchmutzig fleifchfarbig. ' Im Neft: oder Dunenkleide iſt das ſehr kurze Schnabel chen blaß roͤthlich, in der Mitte grau, an der Spitze weiß; die Iris braungrau; die Füße ſchmutzig weißroͤthlich; die Krallen weiß, ſpaͤ— ter grau u. ſ. w. Die dichte weiche, auf dem Kopfe haarartige Dunenbedeckung iſt am Kopfe, die reinweiße Kehle ausgenommen, weißgrau, auf dem Hinterhaupte und Nacken mit einzelnen, kleinen, grauſchwarzen Flecken, mit einem groͤßern auf dem Ohr und einem gebognen vom Mundwinkel unter der Wange herum, von eben der Farbe; der Oberkoͤrper hellgrau, etwas dunkler als Oberkopf und Hinterhals, mit grauſchwarzen Flecken, welche ſich in mehrere Laͤn— geſtreifen reihen, von welchen die vier dem Ruͤckgrat am naͤchſten XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach-Meerſchwalbe 41 die deutlichſten ſind; der Vorderhals weißgrau; der uͤbrige Unterkoͤr— per rein weiß. Sobald ſie befiedert ſind und das vollſtaͤndige Jugendkleid erhalten haben, haben ſie folgende Farben: Der Schnabel unter— waͤrts und an der Wurzel iſt ſchmutzig gelbroͤthlich oder blaß fleiſch— farbig, in der Mitte, beſonders der Firſte entlang, ſchwarzbraun, die Spitze hellbraͤunlich; die Fuͤße blaß roͤthlichbraun, mit dunkel— braunen Krallen; Kehle, Stirn, Wangen, Hals, Bruſt, Bauch, un— tere und obere Schwanzdecke, der Fluͤgelrand und groͤßte Theil des Unterfluͤgels rein weiß; vor dem Auge ſteht ein kleiner, hinter ihm ein groͤßerer ſchwarzer Fleck; der weiße Oberkopf hat nach vorn nur ſehr ſchmale ſchwarze Schaftſtriche, die aber nach hinten zu größer werden, auf dem Genick vom Weißen nur noch ſchmale Raͤndchen laſſen, worauf das Schwarz auf dem Nacken endet; der Ruͤcken, die Schultern, die mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern, nebſt den Schwingfedern dritter Ordnung ſind hell blaͤulichaſchgrau, vor der gelblichweißen Endkante der Federn an den erſtern und letzten mit einem braunen, ſtark gezeichneten, auf der Mitte des Fluͤgels aber grauen, undeutlichern, mondfoͤrmigen oder gezackten Querfleck und ziemlich bunt; die kleinen Fluͤgeldeckfedern neben dem Unterarmkno— chen entlang ſchwarzgrau; die Schwingfedern erſter Ordnung ſchwarzgrau, mit weißen Endkaͤntchen und Schaͤften, die der zweiten ſilbergrau mit weißen Spitzen; der wenig gegabelte Schwanz hat ſilbergraue Federn, mit weißen Spitzen, vor welchen meiſtens noch ein braunes Mondfleckchen ſteht, welches aber auch oͤfters kaum mit etwas dunkler Farbe in einzelnen Tuͤpfeln angedeutet iſt. Das Herbſt- oder Winterkleid dieſer zwei Mal maufern: den Voͤgel, iſt, bis auf die Zeichnung des Kopfes, dem hochzeit: chen Kleide ganz aͤhnlich. Die Stirn iſt weiß, gegen den Scheitel geht dieſes aber allmaͤhlig in ein ſanftes Weißgrau uͤber, was auf dem Genick und Nacken am ſtaͤrkſten aufgetragen iſt, jede Feder hier mit einem ſchmalen, kurzen, ſchwarzen Schaftſtrich, dieſe fangen ſehr zart, oben erſt auf der Mitte des Scheitels an und werden nur hinterwaͤrts nach und nach ſtaͤrker; die Zuͤgel fein ſchwarz geſtrichelt; vor dem Auge ein ſchwarzes Mondfleckchen, hinter ihm, laͤngs den Schlaͤfen, ein mattſchwarzer Streif. Alles Uibrige ſieht aus wie im Sommerkleide, das eben vermauſerte Gefieder des hell blaͤulich— grauen Mantels hat aber eine friſchere Faͤrbung, und wenn auch neue Schwingfedern ſchon da ſind, ſo ſehen dieſe viel heller aus und ſtechen von den dunkeln alten ſehr ab, weil jene den puderarti— 42 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lah:Meerfchwalbe. gen weißgrauen Uiberzug vollſtaͤndig haben, derſelbe aber an dieſen durch ein Jahr langen Gebrauch voͤllig abgerieben iſt; denn die Schwingfedern werden, wie bei andern Arten dieſer Gattung, jaͤhr— lich nur ein Mal, naͤmlich in der Herbſtmauſer, mit neuen vertauſcht. Im hochzeitlichen- oder Sommerkleide, was ſie, fern von uns, in einer Fruͤhlingsmauſer anlegen und bei ihrer Ankunft im Fruͤhjahr meiſtens ſchon ganz vollſtaͤndig haben, ſind die Farben ihres Gefieders ganz die der Brandmeerſchwalbe, wobei das Schwarz der nackten Theile die Aehnlichkeit dieſer ſonſt in der Ge— ſtalt ſehr abweichenden beiden Arten ſehr vermehren hilft. Ein Streifchen uͤber dem Wundwinkel, Kehle, Wangen, Hals, Bruſt, Bauch, untere Schwanzdecke, untere Seite des Schwanzes, Flügel: rand und untern Fluͤgeldeckfedern ſind blendend weiß; eine ſcharf begrenzte, ſeidenartig glaͤnzende, tief ſchwarze Platte oder Kappe be— deckt von der Stirn und den Zuͤgeln an und gleich den Schlaͤfen, ſo, daß das Auge noch im Schwarzen, aber dicht am Rande, wo Schwarz und Weiß ſich ſcharf begrenzen, ſteht, den ganzen Ober— kopf, das Genick und endet tief auf dem Hinterhalſe, wobei die Fe— dern der letztern Theile etwas verlaͤngert ſind und ſchmale Spitzen haben; die Halswurzel oben, der daran grenzende ganze Ruͤcken, die Schultern, Oberfluͤgel und der Schwanz ſehr ſanft licht blaͤu— lichweißgrau, die aͤußerſte Seitenfeder im letztern auf der Auſſen— fahne faſt rein weiß; die großen Schwingfedern licht aſchgrau, an den Enden und auf den innern Fahnen dunkel- oder ſchwaͤrzlichgrau, die vorderſte auch auf der ganzen Auſſenfahne ſo, alle mit weißen Schaͤften, auch einem breiten weißen, von der dunkeln Farbe ſcharf abgeſchnittenen Innenrande, welcher aber nach und nach mit dem immer lichter werdenden Grau verſchmilzt, ſo daß die Schwingfedern zweiter Ordnung bloß blaͤulich weißgrau ſind, dazu aber große weiße Enden haben. Auf der untern Seite ſind die großen Schwingen ſilbergrau, an den Enden dunkler oder glaͤnzend braͤunlichgrau. Wie bei andern Meerſchwalben leidet das zarte Gefieder mit ſeinen ſanften Farben im Laufe des Sommers bedeutend; es wird heller und unanſehnlicher, das Weiße truͤber, die Fluͤgelſpitze, wegen des Abreibens des mehrerwaͤhnten Uiberzugs von der aͤuſſern Ober— flaͤche der Federn, wird dagegen dunkler. Maͤnnchen und Weibchen ſind in allen Kleidern einander gleich gefaͤrbt und unterſcheiden ſich aͤußerlich kaum anders, als durch die etwas verſchiedene Groͤße, die bei Letzterm geringer iſt als bei Erſterem. Aber auch dieſes iſt ſehr unſicher, weil aͤltere Indivi— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach⸗Meerſchwalbe 43 duen immer etwas groͤßer als juͤngere ſind, ſo daß von dieſen die Maͤnnchen, von jenen die Weibchen einander nahe kommen muͤſſen. Gegen Ende des Juli beginnt bei den Alten ſchon die Mau— ſer, welche aber langſam vorſchreitet, ſo daß die meiſten mitten im Federwechſel ſich auf die Wegreiſe begeben und wir hier rein ver— mauſerte Individuen nur aus ſuͤdlichen Laͤndern, ihren Winterwohn— orten, erhalten koͤnnen. Aufenthalt. Die Lachmeerſchwalbe iſt uͤber mehrere Erdtheile verbreitet, koͤmmt in Europa hin und wieder, wie es ſcheint, aber nirgends in ſehr großer Anzahl, am wenigſten in etwas noͤrdlichen Theilen, in Afrika, in Nord- und Suͤdamerika, wahrſcheinlich auch in Aſien vor. In der neuen Welt wurde ſie ſowol in den ver— einigten Staaten wie in Braſilien haͤufig beobachtet. Aus Aegypten und Nubien iſt ſie ebenfalls zu uns geſchickt worden und vermuthlich koͤmmt fie noch in mehreren Ländern jenes großen Erdtheils vor. In dem unſrigen moͤgen Schottlands Kuͤſten und das Kattegat ihre noͤrdlichſten Beſuchsorte ſein; ſonſt ſind es vorzugsweiſe die ſuͤdoͤſtlichen Laͤnder, welche fie ſtrichweiſe regel- maͤßig und haͤufig bewohnt. Bekannt davon ſind einige Gegenden von Ungarn, namentlich am Platten-See, weniger am Neuſiedler— See, mehrere Kuͤſtenſtriche in Illyrien und Dalmatien; aber auf der Weſtkuͤſte von Italien ſcheint ſie ſelten zu ſein; weniger iſt ſie dieſes auf der Suͤdkuͤſte von Frankreich. In England iſt ſie ein ſeltner Vogel; nicht viel weniger in Daͤnemark, wo ſie zwar an mehrern Orten, aber nur einzeln und in langen Zeitraͤu— men ein Mal, namentlich auch an den Seen Sperring und Siörring im Nordweſten der Halbinſel Juͤtland, vorgekommen iſt. Dagegen habe weder ich noch ein anderer ſie auf den verſchiedenen Inſeln der daͤniſchen Weſtſee an der Weſtkuͤſte von Juͤtland geſehen und daſigen Jagdliebhabern war ſie ebenfalls unbekannt. An der Oſtſee iſt ſie an der pommerſchen Kuͤſte und in der Naͤhe der Inſel Ruͤgen beobachtet, auf der kleinen Inſel Lips, auf letzterer auch niſtend vorgekommen. Wenn es auch nur Vermuthung waͤr, daß ſie am Bodenſee oder der Iller geſehen worden, ſo iſt ſie doch, ebenfalls im Wuͤrtenbergſchen, bei Heidenheim, 1832, wirk: 44 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach⸗Meerſchwalbe. lich erlegt worden. Auch ſagt eine vom jetzt leider verſtorbenen Prof. Wagler verbuͤrgte Nachricht, daß neuerdings ſogar ein Paͤaͤr— chen an der Iſar ohnweit Muͤnchen geniſtet habe. Dies ſind in— deſſen die einzigen Nachrichten von ihrem Vorkommen im Innern von Deutſchlaͤnd; von der nördlichen Hälfte iſt uns kein Beiſpiel der Art bekannt, auch iſt in unſerm Anhalt niemals eine geſehen worden. Gleich andern Meerſchwalben iſt auch fie Zugvogel und un— ter einem gemaͤßigten Himmelſtriche verweilt ſie nur ſo lange, als es die Fortpflanzungsgeſchaͤfte erheiſchen, den Fruͤhling und Som— mer hindurch. Erſt im Mai, und zwar meiſtens in der letzten Haͤlfte oder am Ende deſſelben, erſcheint ſie am Strande der Oſtſee, und verſchwindet dort wieder im Anfange des September. In Eng— land iſt es ohngefaͤhr eben ſo; an der Suͤdkuͤſte Frankreichs koͤmmt fie dagegen noch ſpaͤt im Herbſte im völligen Winter: kleide vor, uͤberwintert aber doch wol meiſtens in Afrika. In Ungarn am Plattenſee erſcheint fie ſchon Anfangs Mai und ver: liert ſich um die Mitte des September wieder. In andern Gegen— den von Ungarn ſahe ich ſie nicht. Ihre Aufenthaltsorte haben mit denen unfrer Flußmeer— ſchwalbe einige Aehnlichkeit, denn fie lebt wie dieſe bald am See— ſtrande, bald weit von dieſem an Landſeen, auch an Fluͤſſen, wo jene fehlen. Obgleich, ſtrenge genommen, ſie nicht Seevogel hei— ßen kann, ſo liebt ſie doch den Meeresſtrand vor allen und kuͤm— mert ſich, wenn ſie am Meere wohnt, ſo wenig um die Gewaͤſſer im Lande, daß ſie auch die naͤchſtgelegenen aͤußerſt ſelten beſucht. Sie liebt vorzuͤglich ſeichte Buchten und niedrige Inſeln, mit ſandi— gen, kahlen, mit Graswuchs abwechſelnden Flaͤchen, und die gruͤnen Vorlande. An andern Orten wohnt ſie tief im Lande an großen Landſeen, welche ihr das Meer erſetzen und entbehrlich machen; aber auf die großen freien Waſſerflaͤchen weitſchichtiger Suͤmpfe kommt ſie nur zufaͤllig, noch ſeltener auf Fluͤſſen vor. Ob die Ufer bloß niedern Graswuchs oder auch Schilf, Binſen u. dergl. haben, ſcheint ihr ziemlich gleichgültig. Eigenſchaften. Die Lach⸗Meerſchwalbe aͤhnelt in ihrem Betragen am meiſten der Vorhergehenden; ihre Bewegungen find, wenn auch nicht lang: XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach⸗Meerſchwalbe. 45 ſamer, doch kraͤftiger als die der kleinern Arten, auch weniger fluͤch— tig und gewandt als die der, freilich Alle uͤbertreffenden, Brand— meerſchwalbe. Von dieſer gleichgroßen und gleichgefaͤrbten Art unterſcheidet ſie ſich in der Ferne durch den ſtetern Flug, den kuͤrzern und ſtaͤrkern Koͤrper und Schnabel, wobei aber der Kopf weniger dick erſcheint als bei jener, und durch den ſtumpfergegabelten, da— her kuͤrzer ausſehenden Schwanz; von andern Arten aber hauptſaͤch— lich durch ihre mittlere Groͤße. Sie ſetzt ſich aͤußerſt ſelten, ſteht dann mit wagerechtem Rumpf, ſehr eingezogenem Halſe ſteif auf den Beinen und kann auch recht behende laufen. Das Schwimmen iſt ihr ſo zuwider, daß ſie es nur im Nothfall wagt, ſich aufs Waſſer herabzulaſſen, aber auch nicht von der Stelle rudert, ſondern ſtill ausruht und bald wieder wegfliegt. Ihr Flug iſt leicht, gewandt, ſchnell, bald in weit ausholenden, langſamern, bald in kuͤrzern und ſchnellern Schwingungen der lan— gen Fluͤgel, oft auch ſchwebend und kreiſend, und meiſtens hoch. Er ſieht ſteter aus, weil die Fluͤgelſchlaͤge, in langſamen Fluge, nicht den Rumpf abwechſelnd heben und ſinken laſſen, was bei den kleinern Arten, wenn ſie langſam fliegen, ſo auffallend iſt. Uibri— gens iſt er reich an kuͤhnen Schwenkungen, ſchnellen Abaͤnderungen, an auf- und abſteigenden Bogen und dabei von größter Ausdauer. Sie iſt geſellig gegen ihres Gleichen, lebt daher in kleinern oder groͤßern Geſellſchaften, ſelten vereinzelt oder in einſamen Paa— ren, miſcht ſich aber nicht unter andere Meerſchwalben, und wenn es die Einzelne that, ſo ſahe man es ihr an, daß ſie ſich nicht wohl in dieſer Geſellſchaft befand, obgleich ſie jene duldeten. Auch in der Brutzeit, wo ſie den kleinern Arten Aergerniß genug giebt, wird ſie nicht ſo von dieſen verfolgt, wie gewohnlich der Raub— meerſchwalbe geſchieht. An Orten, wo ſie ſich nicht recht ſicher vor Nachſtellungen weiß, iſt ſie auſſerordentlich ſcheu und vorſichtig; an andern, wo man ſie ſehr ſelten beunruhigte, namentlich mit Schießgewehr, iſt ſie dage— gen weit zutraulicher. Sie darf jedoch unbedingt den ſcheueſten Ar: ten beigezaͤhlt werden. Fluͤgellahm Geſchoſſene, oder ſonſt Gefangene, vertheidigen ſich heftig und ihr ſpitzer, fcharfichneidiger, ſtarker Schna— bel verſetzt ſo kraͤftige Hiebe, daß leicht Blut darnach fließt. Ihre Stimme iſt gellend und ganz meerſchwalbenartig. Das gewöhnliche Geſchrei ähnelt dem Lachen eines Menſchen und klingt wie Ha ha ha oder haͤhaͤhaͤ, auch einzeln haͤ. Es wird auf 46 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach: Meerfchwalbe. mannichfache Weiſe, nach den verſchiedenen Gemuͤthsbewegungen, abgeaͤndert, bleibt jedoch immer ſehr kenntlich und unterſcheidend. Nach einem Fehlſchuſſe, wo ſich die Lacherin zu großer und ſicherer Hoͤhe aufſchwingt, mag es dem Schuͤtzen wie ein Hohngelaͤchter klingen. Am Bruͤteplatze und beim Neſte ſchreien fie ſehr viel, auf ihren Streifereien weniger und auf dem Zuge gewoͤhnlich gar nicht. Ob ſie noch andere Toͤne als dieſe hoͤren laſſen, iſt mir nicht bekannt. Nahrung. Sie naͤhrt ſich von kleinen Fiſchen (was fruͤher und mit Un— recht bezweifelt wurde), von allerlei Waſſerinſekten und deren Lar— ven, mitunter auch von Frofchlarven und Regenwuͤrmern. Sie er: ſpaͤhet ſie im niedern Fluge uͤber dem Waſſer, holt die nahe an der Oberflaͤche befindlichen durch Niederſtoßen heraus, taucht dabei aber nicht mit dem ganzen Koͤrper, ſondern oft nur mit Kopf und Schna— bel ein. Bei unfreundlichem Wetter folgt ſie, auf nahen Aeckern, dem Pfluge und beſchaͤftigt ſich theils fliegend, theils laufend, mit dem Aufleſen der in den Furchen liegenden Regenwuͤrmer und Kaͤ— ferlarven. Sie ſoll vorzuͤglich gern Spinnen freſſen. In der Fortpflanzungszeit wird fie zum argen Raͤuber und Pluͤnderer anderer Vogelneſter. Sie raubt dann allen ſchwaͤchern Voͤgeln Junge und Eier, ja ſie ſcheint in dieſer Zeit ausſchließlich von dieſen zu leben und durchſucht einen ſehr weiten Umkreis ihres Niſtortes, ſo lange es jene giebt, taͤglich mehrmals nach ihnen. Hr. Dr. Schilling (ſ. Brehm. a. a. O.) fand in dem Magen von 6 ſolchen Meerſchwalben keine Spur von Fiſchgraͤten oder Inſekten, wol aber bei mehreren Knochen, Federn oder Dunen junger Seevoͤ— gel, bei einer einen jungen (noch ganz kleinen) Kibitz, bei einer andern ein noch unverſehrtes Ei unſerer Kuͤſten meerſchwalbe im Schlunde oder Magen. Fortpflanzung. Dieſe Art niſtet in den meiſten oben beim Aufenthalt bezeich— neten Ländern auch unſers Erdtheils, haͤufig in Ungarn, am Plat— tenſee, ſeltner und weniger zahlreich in einigen Gegenden der Oſtſee. Die ſchon erwaͤhnte kleine Inſel Lips, neben Ruͤgen, war, nach XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach-Meerſchwalbe. 47 Hrn. Dr. Schillings Bericht, im Jahr 1818 und dem darauf— folgenden von einigen Paͤaͤrchen zum Bruͤteplatz erſehen. Sie hat— ten ihre Neſter auf Raſen und ſehr nahe beiſammen, ſo daß daraus hervorgeht, daß dieſe Art, wie die meiſten der Gattung, auch geſel— lig und nahe nebeneinander niſtet. Daß vor einigen Jahren ein einzelnes Paͤaͤrchen in der Umgegend von Muͤnchen an der Iſar niſtete, iſt ſchon oben erwähnt. Von denen in den Umgebungen des Plattenſees niſtenden konnte ich uͤber die Art und Weiſe ihrer Fortpflanzung nichts weiter erfahren, als daß ſie dort zahlreich ſind und ebenfalls geſellig und nahe nebeneinander bruͤten. Bald nach ihrer Ankunft, Ende des Mai oder Anfangs Juni machen ſie Anſtalt zum Niſten. Auf einem etwas erhabnern Plaͤtz— chen ſcharren fie eine kleine Vertiefung in den kurzberaſeten oder auch fandigen Boden, welche fie mit einigen Graswurzeln und Haͤlm— chen ganz ſparſam und unordentlich belegen, was aber gar nicht verdient ein Neſtbau zu heißen. Niſten mehrere Paͤaͤrchen daſelbſt, ſo legen ſie dieſe Neſter nahe beiſammen an, ſo, daß eins von dem andern nur ein paar Fuß entfernt iſt. Die Zahl der Eier fuͤr ein Neſt iſt 2 bis 3. Sie ſind ein Wenig kleiner als die der Brandmeerſchwalbe, fallen ſtets mehr oder weniger ins Gruͤnliche, und ſind durch beide Merkmale leicht von jenen zu unterſcheiden. — In der Groͤße wechſeln ſie zwi— ſchen einer Laͤnge von 1 Zoll 9 Linien bis zu 2 Zoll und zwiſchen einer Breite von 1 Zoll 3 bis 4½ Linien ). Sie haben entweder eine ſchoͤne Eigeſtalt oder dieſe iſt durch ſtaͤrkeres Abſtumpfen des einen, oder durch ſchwaͤcheres Zuſpitzen des andern Endes etwas verunſtaltet; ebenſo naͤhert ſich die Bauchwoͤlbung des einen mehr dem ſtumpfen Ende, bei dem andern mehr der Mitte; es giebt dem— nach auch kurz oder bauchig geformte. Die eben nicht glatte, glanz: loſe Schale hat eine ziemlich verſchiedene, aber blaſſe Faͤrbung, ſchmutzig und gruͤnlich, bald ins Gelbliche, bald ins Olivengruͤnliche, bald ins Olivenbraͤunliche uͤbergehend, mit aſchgrauen Flecken unter der Oberflaͤche, von verſchiedener Groͤße und Geſtalt, zum Theil nur verwaſchen, andere fcharf begrenzt, und auf der Oberfläche mit zahl— reichern groͤßern Flecken, Klexen und Punkten von ſchwarzbrauner, bald ins Olivenbraune, bald ins Roͤthlichbraune ziehender Farbe. Die Flecke ſind nach Groͤße, Geſtalt und Anzahl ſehr verſchieden ») In Brehm's Beir. III. S. 662. ſcheinen die Maaße zu groß; vielleicht wur⸗ den fie über die Wölbung genommen? 48 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 279. Lach: Meerfchwalbe. und haͤufen ſich an manchen am ſtumpfen Ende zuweilen zu einem Fleckenkranz, waͤhrend andere Eier dieſer Art nur ſehr ſparſam ge— fleckt ſind. Uiber das Bruͤten iſt weiter nichts bekannt, als daß auch dieſe Art am Tage wenig oder gar nicht uͤber den Eiern liegt. Die Al— ten lieben ihre Brut ſehr; aber das Aufbringen der Jungen und das Verhalten der Alten zu dieſen iſt bis jetzt noch nicht beobach— tet worden. Feinde. Die großen fluͤchtigen Edelfalken ſollen zuweilen eine Alte fangen; die Kolkraben, Kraͤhen und großen Meven ihnen aber noch oͤfterer die Eier oder zarten Jungen rauben. Jag d. Als ſcheue Voͤgel iſt ihnen mit Schießgewehr kaum anders als beim Neſte beizukommen, wo ſie ſich bei anruͤckender Gefahr gewoͤhn— lich in eine Hoͤhe begeben, in welcher der Schuß nicht mehr toͤdlich auf ſie wirken kann. Am leichteſten ſind ſie auſſerdem zu erlegen, wenn ſie eben fiſchen und der Schuͤtze ſich in einem Hinterhalte gut verſteckt haͤlt, wohin er ſich freilich lange vorher begeben haben muß. Kommen ſie nahe genug, ſo ſind ſie viel leichter zu erlegen als die kleinen Arten, nicht allein, weil ſie dem Schuſſe eine groͤßere Flaͤche bieten, ſondern auch keine ſo unerwartete kurze Schwenkungen ma— chen koͤnnen als jene. Uiber den Eiern kann man ſie in Schlingen fangen. Nutzen. Es iſt nicht bekannt, ob fie uns durch Wegfangen ſchaͤdlicher Geſchoͤpfe nuͤtzlich wuͤrden, und einen unmittelbaren Nutzen, welchen wol die wohlſchmeckenden Eier gaͤben, koͤnnen ſie uns ihrer Selten— heit wegen nicht gewaͤhren. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 249. Lach⸗Meerſchwalbe. 49 Shaden... Auch dieſer ift nur ein mittelbarer, durch Zerſtoͤren der Bruten und Wegfangen junger Voͤgel von nutzbaren Arten. Das Vernich— ten vieler ⸗Fiſchbrut wird ihnen, an den von ihnen bewohnten Orten in wenig kultivirten Gegenden, auch nicht ſo hart angerechnet wer— den koͤnnen. Zu ſatz. Es war mir leider nicht vergoͤnnt, dieſe fuͤr Deutſchland ſo ſeltene Art ſelbſt im Freien und gnuͤgend beobachten zu koͤnnen. In Ungarn war ich zu ſpaͤt im Jahr um ihretwegen einen ſoge— nannten Abſtecher nach dem Plattenſee, mit Hoffnung eines guten Erfolgs, zu machen. Ich habe daher im Vorliegenden nur geben koͤnnen, was ich bei andern vorfand und was mir von andern gluͤcklichern Beobachtern muͤndlich oder ſchriftlich mitgetheilt ward. Auf die Zuverlaͤſſigkeit dieſer und jener vertrauend, hoffe ich jedoch nichts Unwahres aufgeſtellt zu haben. 10r Theil. 4 280. Die Brand-Meerſchwalbe. Sterna cantiaca. Gel. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 250. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Jugendkleid. Kentiſche —, Stuͤbberſche —, Kamtſchatkaiſche —, Cayenni— ſche —, Mexicaniſche —, Cap'ſche —, Sandwich-Meerſchwalbe; weißliche —, weißgraue —, ſchwarzſchnaͤblige Meerſchwalbe; Meer: oder Seeſchwalbe mit brandgelber Schnabelſpitze; kleine Stuͤbber— ſche Kirke; taubenfoͤrmiger Fiſchvogel; Haffpicker. Sterna cantiaca. Gmel. Liun. syst. I. 2. p. 606. n. 15. — Sterna cayennen- sis. Ibid. p. 604 u. 9. = Sterna africana. Ibid. p. 605. u, 12. - Lath. Ind. II. p. 805. n. 5. = Sterna Boysü. Lath. Ind. II- p. 806. n. 10. = Sterna stubberica. = Olto, in Uiberſzg. v. Buffon's Vögeln. XXXI. 8. 104. n. 27. nebſt Abbildgn. — Bechſtein, Naturg. Deutihids. IV. S. 679. = Sterne canescens. Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 458. — Nilsson. Orn, Suec. II. p. 158. n. 211. — Sterna columbina. Sebrauk. Faun. boie, I. p. 252. n. 215. = L’Hirondelle de mer de Sundwich. Bounaterre, p. 97. n. 18. — L’Hirondelle de mer a dos et ailes bleuatres. Sonnini, nouv. edit. de Buffon Ois. XXIV. p. 121, = Hiron- delle de mer Caugek, Temminek, Man. 2. edit, II. p. 735. = Greater Sea Swullow, Albiv, Birds. II. tab. 88. = Sandwich-Tern. Lath. Syn. VI. p. 356. u. 9. — Uiberſ. v. Bechſtein. III. 2. S. 313. n. 9. — African Tern. Ibid. p. 354. n. 5. — Uiberſ. S. 311. u. 5. Kamtschatka Tern. Penu, aret. Zool. II. p. 225. — Uiberſ. von Zimmermann II. S. 487. A. — Bewick brit. Birds. II. p. 204, = Sterna mezzana, di becco, pied, et occipite di color nera, Storia deg. Uee. V. tav. 546. = Beccapesci. Savi, Ern. tosc. III. p. 87. = Bechſtein, ornith. Taſchenb. II. S. 378. u. 2. — Koch, Baier. Zool. I. S. 365. n. 227. Fr. Boie, Wiedemanns Zool. Mag. I. 3. S. 122. = Brehm, Beiträge III. S. 664. - Deſſen Lehrbuch, II. S. 685. — Deſſen Naturg. a. V. Deutſchl. S. 776. bis 777. — Horuſchuch u. Schilling Verz pomm. Vög, S. 17. u. 226 — XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. 51 Inu n ger Wo g e . Steruu siriata. Gmel. Lion. Syst. I. 2. p. 609. n. 24. = Lath. Ind. II. Pp. 807. n. 11. == Sterna nubilosa? Mus. Carls, III. n. 63. = Retz. Faun. Suec. pb. 165. n. 127. = Hirondelle de mer rayee, Sonn. Nouv. edit. de Buffon Ois, XXIV. sp. 124. — Striated Tern. Lath, syn, VI. p. 358. — Uiberſ. v. Bechſtein. III. 2. S. 316. n. 10. mit Abbildg. — Kenn ichen per ure Der ſchlanke, ſchmale, über 2 Zoll lange Schnabel iſt ſchwarz, an der Spitze gummigelb, welches ſich auch bis zur Mitte, ja bis an die Wurzel verbreiten kann. — Die ſchwarzen Fuͤße haben gelbe Spurſohlen und einen 13 Linien langen Lauf. Beſchreibung. Die Brandmeerſchwalbe, welche ihren Namen entweder von der brandgelben Schnabelſpitze, oder von der Gewohnheit gern in und neben Brandungen zu fiſchen, haben mag, gehoͤrt zu den groͤßern Arten, koͤmmt in der Größe der Lachmeerſchwalbe gleich und traͤgt am Gefieder dieſelben Farben, hat aber an den viel niedrigern, ebenfalls ſchwarzen Fuͤßen, gelbe Sohlen, und an dem viel laͤngern und ſchlanker zugeſpitzten Schnabel nach vorn oder wenigſtens an der Spitze viel Gelb, dabei einen viel tiefer ausgeſchnittenen Gabel— ſchwanz mit duͤnnern Spießen, einen etwas ſchlankern Rumpf, auch laͤnger befiederten Hinterkopf und Nacken, unterſcheidet ſich alſo leicht von jener. Auch die aͤhnlich gefleckten Jungen unterſcheiden ſich an der verſchiedenen Laͤnge und Staͤrke der Schnaͤbel leicht. — Mit der viel kleinern Dougalls-Meerſchwalbe, welche einen auch an der Spitze ſchwarzen, viel duͤnnern Schnabel, durchaus hochgelbrothe Fuͤße und ungleich laͤngere Schwanzſpieße hat, kann ſie noch weni— ger verwechſelt werden. Daß die ſüdamerikaniſche Abaͤnderung (St. cayennensis), mit ganz gelbem Schnabel und unſere Brandmeerſchwalbe (St. can- tiaca s. canescens), mit ſchwarzem, bloß an der Spitze gelben Schnabel, zu einer und derſelben Art gehoͤren, beweiſen Uibergaͤnge in allen Abſtufungen von erſter und letzter Schnabelfaͤrbung. Das Berliner Muſeum erhielt vom Mittellaͤndiſchen Meer Stuͤcke, 4 52 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. an welchen der Schnabel ſchon zur Haͤlfte (von der Spitze an) und aus dem ſuͤdlichen Frankreich eins (im Winterkleide) an wel: chem er ganz gelb war; aus Mexico wieder welche, deren Schna— belſpitze kaum mehr Gelb hatte als die unſrer norddeutſchen; aus Braſilien wieder andere, neben ganz gelbſchnaͤbligen, welche noch Schwarz an der Schnabelwurzel hatten, das bei einigen ziemlich weit vorreichte. Daß alle zu einer Art gehoͤren, beſtaͤtigte mir auch mein lieber Joh. Natterer, welcher ſowol die Europaͤiſchen als die Suͤdamerikaniſchen an den Bruͤteorten und ſonſt noch vielfaͤltig beobachtete, aber Betragen, Stimme, Fortpflanzung und dergl. ſo uͤbereinſtimmend fand, daß ſie als Arten gar nicht getrennt werden koͤnnen, die Gelbſchnaͤbel alſo bloß als klimatiſche (nicht einmal ganz conſtante) Abaͤnderung zu betrachten ſind. Unſere Brandmeerſchwalbe ift 15 ½ bis 16 Zoll lang; 36 bis 38 Zoll breit; bei einer Fluͤgellaͤnge von 12 Zoll; der Schwanz 6½ Zoll lang, wegen des ſehr tiefen Ausſchnitts an den beiden Mittel— federn, als den kuͤrzeſten, nur 3¼ Zoll lang. Die Weibchen mel: fen nur darum etwas weniger, weil fie kuͤrzere Schwanzſpieße als die gleich alten Maͤnnchen haben. Das Gefieder iſt wie bei den naͤchſtverwandten Arten, aber am Genick und Nacken mehr verlaͤngert als bei irgend einer, ſo daß der alte Vogel, wenn er es aufſtraͤubt, eine anſehnliche maͤhnenartige Holle zu haben ſcheint und ſehr dickkoͤpfig ausſieht, was man ſogar auch im Fluge bemerkt. Die Fluͤgelſpitze iſt beſonders ſchmal und lang, die ihr zugehoͤrenden fchwach-fäbelfürmig gebogenen Schwingfe— dern hart, mit ſehr ſtarken Schaͤften und ſchmal zugerundeten Spi— tzen; an denen der zweiten Ordnung, welche kurz und breit, iſt das Ende der Innenfahne etwas laͤnger als das etwas ausgeſchnittene der aͤußern. Der ziemlich lange Schwanz beſteht aus 12 ſchmalen Federn, von welchen die kuͤrzeſten in der Mitte gleichſeitig, die an— dern ſchraͤg nach auſſen zugerundet, die aͤußerſten aber ſehr lang und ſchmal zugeſpitzt ſind und an jeder Seite des Schwanzes einen langen Spieß bilden. Die ruhenden Fluͤgel reichen mit den Spi— tzen bei recht alten Voͤgeln, wegen der laͤngern Schwanzſpieße, bis an, bei juͤngern etwas uͤber das Schwanzende hinaus. Der Schnabel iſt ſo lang oder noch etwas laͤnger als der Kopf, ſehr geſtreckt und ſchlank, nach vorn viel ſchmaͤler als hoch, an Firſte und Kiel gerade bis faft zur Mitte, dann oben ſehr ſanft in die Spitze abwaͤrts gebogen, unten vom ſehr wenig bemerkbaren Eck, dem Ende der ſchmalen Kielſpalte an, in die ſchlanke Spitze aufſtei— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfhwalbe 53 gend. Diefe iſt, wie die eingezogenen Schneiden bei der Hälften ſehr ſcharf, die Letztern greifen ſcheerenartig ein Wenig uͤbereinander und die Mundſpalte reicht bis unter die Augen, deshalb ein weit— geſpaltener Rachen. Er iſt gewoͤhnlich 2¼ Zoll lang, zuweilen auch länger, bis gegen 2½¼ Zoll, bei manchen, gewoͤhnlich juͤngern Voͤgeln, auch kuͤrzer, von Mundwinkel aus bis zur Spitze uͤber 3 Zoll lang, an der obern Wurzel im Durchſchnitt 6 Linien hoch und ziemlich 5 Linien breit, nach vorn aber verjuͤngt und namentlich viel ſchmaͤler. Bei jungen, eben erſt flugbaren Voͤgeln hat er gewoͤhn— lich kaum die Hälfte jener Länge. — Das Naſenloch iſt ſehr laͤng— lich oval, durchſichtig und nur ein paar Linien von den ſeitlichen Stirnfedern entfernt. Die Farbe des Schnabels iſt ein glaͤnzendes Schwarz, an der Spitze, ohngefaͤhr ½ Zoll lang, ein durchſcheinendes Gummigelb, wie recht gelbes Gummi arabicum. Daß dieſes Gelb in ſuͤdlichern Laͤndern ſich weiter, bald uͤber die ganze vordere Schnabelhaͤlfte und endlich uͤber den ganzen Schnabel verbreitet und bei manchen alles Schwarze verdraͤngt, iſt ſchon oben erwaͤhnt. — Der Schnabel der erwachſenenen Jungen hat eine braͤunlichweiße Spitze, unterwaͤrts gegen die Wurzel eine ſchmutzig- und blaß gelbroͤthliche, im Uibri— gen aber eine bloß ſchwaͤrzliche Faͤrbung. Das lebhafte Auge hat bei den Alten eine Iris vom dunkel— ſten Braun, das bei Jungen lichter iſt und ins Grauliche faͤllt, befiederte Augenlider, die bei dieſen und im Winterkleide jener mit weißen, im Sommerkleide von oben zu zwei Drittheilen mit ſchwarzen Federchen bekleidet ſind. Die Fuͤße ſind klein, niedrig, aber ſtaͤmmig und ſtark, zumal an den Ferſen; vorn und auf den Zehenruͤcken grob, uͤbrigens fein geſchildert; die ziemlich tief ausgeſchnittenen Schwimmhaͤute genarbt oder chagrinirt; die mittelmaͤßigen Krallen ſehr gebogen, unten ge— furcht, auf der inwendigen Seite mit einer Schneide verſehen, aber eben nicht ſehr ſpitzig. Der nackte Theil des Unterſchenkels mißt ½ Zoll, die Fußwurzel 1 Zoll 1 Linie, die Mittelzeh, nebſt ihrer gute 3 Linien langen Kralle, wenig über I Zoll; die Hinterzeh, mit der 1½ Linien langen Kralle ½ Zoll. Die Fuͤße ſind ſchwarz gefaͤrbt, die Zehenſohlen und untere Seite der Schwimmhaͤute ochergelb; die Krallen meiſt ſchwarz, manchmal auch ins Hornbraune uͤbergehend. Die Jungen haben roͤthlichſchwarzgraue Fuͤße mit gelblichen Sohlen und braungrauen Krallen. 54 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. Das Dunenkleid aͤhnelt dem der vorhergehenden Art ſehr; das Voͤgelchen hat darin einen blaßroͤthlichen, in der Mitte grauen, an der Spitze weißen Schnabel und blaſſe, mißfarbige Fuͤße, am Oberkopf und auf den obern Theilen des Rumpfs ſtehen auf hell— grauem Grunde grauſchwarze Flecke, welche ſich laͤngs dem Ruͤcken in mehrere Laͤngereihen vereinigen oder ſtreifenartig werden, waͤhrend Kehle, Bruſt und Bauch rein weiß ſind. Der Flaum iſt dicht, haarartig und giebt allen Theilen eine warme Bedeckung. Im Jugendkleide, wenn ſich dieſes auch ſchon vollſtaͤndig ausgebildet hat, ſind dieſe jungen Meerſchwalben, gleich andern Ar— ten, noch viel kleiner als oben angegeben und meſſen, wegen des weit kuͤrzern, nicht ſo tief gabelicht ausgeſchnittenen nach auſſen noch nicht ſpießartig verlaͤngerten Schwanzes, ſelten mehr als 14 bis 14½ Zoll in der Länge, und ihr Schnabel ift dann kaum 1½ Zoll lang, die lange noch nicht ausgebildete Spitze deſſelben oft etwas herabgebogen und ſtets viel ſtumpfer als an den Alten. Er iſt ſchwarzbraun, an der Spitze weißlich, an den Schneiden, beſonders nach den Mundwinkeln zu, ſchmutzig gelbroͤthlich, die Fuͤße wie oben beſchrieben, die Iris braun. — Der ganze Oberkopf, bis un— ter die Augen und uͤber das Genick hinab, iſt ſchwarzgrau, mit braͤunlichweißen Federkanten, die an den Stirnfedern am breiteſten ſind, daher alle dieſe Theile ein ſchwarzgrau und ſchmutzigweiß ge— ſchupptes und geſprenkeltes Ausſehen erhalten; vor und hinter dem Auge ſind dieſe Federkanten am ſchmaͤlſten, weshalb dieſe Stellen am dunkelſten ausſehen. Die Federn am Anfange des Nackens ſind ſchon merklich verlaͤngert und oft dick abſtehend. Der Ruͤcken, die Schultern, mittlern Fluͤgeldeckfedern und die letzten Schwingfe— dern ſind weiß (fruͤher ſanft grau), mit weißgelben Endkanten, alle mit einem mond- oder bohnenfoͤrmigen ſchwarzbraunen Fleck, nahe am Ende, und die groͤßern noch mit einigen unregelmaͤßigen Quer— flecken und Zickzackſtreifen von dieſer Farbe, die an den hintern Schwingfedern zuſammenzufließen ſcheinen. Die kleinen Fluͤgeldeck— federn laͤngs dem Unterarmknochen ſind lichtgrau, in der Mitte dunk— ler, mit gelblichen Saͤumen; die mittlern Schwingfedern lichtgrau, mit weißen Enden; die großen Schwingen mit ihren Deckfedern aſchgrau, an den Enden, auch auf den Kanten der Innenfahnen, breit weiß gefaͤumt; die Schwanzfedern weiß, vor der Spitze mit einem kleinen und einem groͤßern ſchwarzbraunen Fleck, welcher an den aͤußern ſich mehr und mehr nach der Wurzel zu ausdehnt und am Schafte herauf in Aſchgrau verlaͤuft. Buͤrzel, obere und untere XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. 55 Schwanzdecke, der Fluͤgelrand und untern Fluͤgeldeckfedern, Kehle, Hals, Bruſt und Bauch ſind rein weiß. — Die Stirn, bis uͤber die Mitte des Scheitels hin, iſt bei einigen mehr, bei andern weni— ger mit einem roſtgelblichen Braun uͤberlaufen, beſonders wenn das Gefieder noch ſehr jung iſt und auf vielen Federſpitzen noch Reſte des vormaligen Flaums ſitzen. Das Winterkleid unterſcheidet ſich von dem nachher zu be— ſchreibenden hochzeitlichen Kleide nur am Kopfe ſehr auffallend, im Uibrigen faſt gar nicht; ſind naͤmlich vom Letztern her die Be— deckung des Ruͤckens und Oberfluͤgels nebſt den Schwingfedern vor— handen, fo ſind dieſe, weil ſich ihr Außerer! hellgrauer Uiberzug abgeſcheuert hat, dunkler, ſchwarzgrau, jene aber, wegen Abbleichen der Farbe, lichter und nicht mehr von einem vormals ſo zartem Ausſehen; ſind ſie aber ſchon durch neue erſetzt, ſo iſt der Mantel etwas dunkler, die Fluͤgelſpitze aber viel heller, dieſe namlich darum, weil der merkwuͤrdige, ſtaub- oder ſchimmelartige Uiberzug, womit die neuen Schwingfedern auſſen auf den Fahnen bedeckt ſind, noch ganz vollſtaͤndig vorhanden iſt und die viel dunklere Grundfarbe völlig uͤberdeckt. Der ganze Oberkopf iſt dagegen ganz anders ges färbt als im nachherigen Kleide, Stirn und Anfang des Scheitels rein weiß, der uͤbrige Scheitel weiß, mit feinen ſchwarzen Schaft— ſtrichen, welche hinterwaͤrts immer ſtaͤrker, zu kleinen, dann groͤßern und laͤngs den Schlaͤfen, auf dem Genick und Anfang des Nackens endlich zu großen Schaftflecken werden, ſo daß dieſe letztern Theile ſchwarz und blaͤulichweiß geſchuppt erſcheinen; vor dem Auge ſteht ein halbmondfoͤrmiger ſchwarzer Fleck. Der junge Vogel bekoͤmmt ſchon in ſeiner erſten Herbſt— mauſer jene Kopfzeichnung und den ganz ungefleckten Mantel, be: haͤlt aber die Schwingfedern und die Schwanzfedern vom Jugend— kleide ein volles Jahr; letztere bleichen dann im Fruͤhjahr an den dunkeln Zeichnungen in Grauweiß ab, erſtere werden dagegen ſehr abgerieben und haͤßlich dunkelgrau, und wenn ſie dann gleichfalls eine ganz ſchwarze Kopfplatte haben, wie die Alten, ſo ſind ſie doch an jenen leicht von dieſen zu unterſcheiden, zumal auch die Schwanz— gabeln ſehr kurz ſind und ihnen die Spieße noch fehlen. Erſt in der zweiten Herbſtmauſer erhalten ſie neue Schwing- und Schwanz⸗ federn, denen aͤlterer Voͤgel gleich. Das hochzeitliche und Sommerkleid iſt, feiner theils ſcharf begrenzten, theils ſanft in einander uͤbergehenden einfachen Farben und der ungemeinen Zartheit des Gefieders wegen, ſehr ſchoͤn, beſonders aber 56 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 250. Brand⸗Meerſchwalbe. in ſeiner hoͤchſten Reinheit am lebenden Vogel oder ganz kurz nach deſſen Tode. Die Federn des Genicks und obern Nackens ſind am alten Vogel ſehr verlaͤngert, ſchmal, zugeſpitzt und bilden einen bedeutenden Buſch, wenn ſie ſich erheben, laſſen dieſes aber auch niedergelegt ſchon ahnen. Sie find nebſt dem ganzen Oberkopf vom tiefſten, wie Seide glaͤnzenden Schwarz; die Grenze dieſer ſchwarzen Kopfplatte zieht ſich, feitwärts der Stirn, von der Naſengegend ziemlich gerade nach dem Auge, ſchließt dieſes (deſſen unteres Augenlid ſchon weiß) groͤßtentheils ein, läuft längs den Schlaͤfen zum Nacken hinab, und iſt auf der ganzen Linie ſcharf vom angrenzenden Weiß ge— trennt. Der untere Theil des Nackens, Ruͤcken, Schultern, Fluͤgel— deckfedern und hintern Schwingfedern ſind ungemein zart und ſehr licht blaͤulichaſchgrau oder hell blaͤulichſilbergrau, eine aͤußerſt fanfte Faͤrbung, die an den Enden der ganzen Partie in Weiß verſchmilzt; die großen Schwingfedern (mit dem vollen Uiberzuge) hellaſchgrau, die aͤußere Fahne der vorderſten und die Haͤlfte der innern Fahnen an den uͤbrigen, laͤngs dem weißen Schafte, dunkelaſchgrau, die uͤbrige Haͤlfte der Innenfahnen, ſo wie die breiten Endkanten weiß; die zweite Ordnung Schwingfedern ſehr licht aſchgrau, an den En— den weiß; die Enden der hinterſten Schwing- und der groͤßten Schul— terfedern noch breiter weiß; der obere Fluͤgelrand, die untern Fluͤ— geldeckfedern, der Schwanz mit ſeinen obern und untern Deckfedern, der Buͤrzel und alle untern Theile von den Kopf- und Halsſeiten und der Kehle an bis zum Schwanze rein und blendend weiß. In der Begattungszeit, namentlich bei alten Maͤnnchen, ſind die untern Theile, beſonders die Bruſt, ſanft Roſenfarben uͤberhaucht, denn dieſe herrliche Faͤrbung ſieht wirklich aus, als wenn nur ein Hauch davon ſich auf das zarte Gefieder gelegt hatte. Sie laͤßt ſich zwar nicht abwiſchen, verbleicht aber nach dem Tode bald und verſchwindet an Ausgeſtopften, zumal wenn ſie zu hellem Lichte aus— geſetzt werden, in wenigen Jahren ganz. Recht fette Individuen haben ſie gewoͤhnlich am ſtaͤrkſten und ſie verſchwindet beim Abma— gern. Die Weibchen haben ſie auch, aber ſelten und dann nur ganz ſchwach, im Anfange der Begattungszeit. Auſſerdem unterſcheiden ſich die Weibchen kaum durch etwas kuͤrzere Nackenfedern und Schwanzſpieße von den Maͤnnchen, auch ſind ſie gewoͤhnlich etwas kleiner als dieſe. Im Sommer verſchwindet der matte Roſenſchimmer an den untern Theilen ganz, Weiß und Silbergrau verlieren ihre Reinheit und ihr zartes Aeußere, das Letztere iſt bleicher und nicht mehr ſo XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. 57 ſehr ſanft wie fruͤher, an den Schwingfedern hat ſich der lichtgraue Uiberzug beinahe ganz abgerieben und die dunkle Grundfarbe iſt hervorgetreten, endlich ſind die Schwanzſpieße mehr oder weniger beſchaͤdigt, manchmal ſogar beide abgebrochen, und das ungemein ſchoͤne Ausſehen des Vogels vom Fruͤhjahr hat ſich um gar Vieles verſchlechtert; wer ihn damals kannte und jetzt ſieht, wird ihn ſehr veraͤndert finden, ob er gleich noch dasſelbe Gefieder traͤgt. Die Hauptmauſer faͤngt bei den Alten ſchon zu Ende des Juli oder doch im Auguſt an, geht aber ſo langſam vorwaͤrts, daß eine voͤllig vermauſerte an der deutſchen Kuͤſte ſelten iſt, weil ſie dann die Bruͤtegegenden alle ſchon verlaſſen und ſich auf die Weg— reiſe begeben haben. Sie wechſeln in dieſer Mauſer auch Fluͤgel— und Schwanzfedern. Die Jungen mauſern um einen halben oder ganzen Monat ſpaͤter, und vertauſchen darin ihr Jugendkleid mit dem erſten Herbſt- oder Winterkleide, das dem der Alten ganz aͤhn— lich iſt, worin fie aber, wie ſchon erwähnt, Flügel: und Schwanz: federn nicht wechſeln und durch alle Kleider behalten, bis zur Herbſt— mauſer des naͤchſten Jahres, naͤmlich ihrer zweiten. — Die Fruͤh— lingsmauſer tritt in den letzten Wintermonaten ein, wo ſie noch abweſend ſind, die allermeiſten kehren aber voͤllig vermauſert zu uns zuruͤck. Wenn auch hin und wieder eine Einzelne von Tauſenden hierin eine Ausnahme macht, ſo begreift man doch nicht recht wie es zugeht, daß ſich bei Manchen der Federwechſel noch viel weiter hinaus verſpaͤtigt. Ich habe ſelbſt Anfangs Juli noch Voͤgel der Art erlegt und geſehen, welche auf der Stirn und dem Vorderſchei— tel noch ſo viele weiße Federn vom vorigen Winterkleide hatten, daß dieſe ſchon von Weitem in die Augen fielen; die, welche ich in Händen hatte, waren freilich Junge vom vorigen Jahr.“ Von den Jungen waͤre noch zu bemerken, daß, wenn dieſe ihr Dunenkleid ablegen, die jungen wirklichen Federn zuerſt an bei— den Seiten der Bruſt, neben dem Bruſtkamme, dann die des Ober— ruͤckens, der Schultern, dann Fluͤgel und Schwanz und zuletzt die des Halfes und Kopfes den Flaum verdrängen; daher kommt es, daß man ſchon laͤngſt Flugbare erlegt, an welchen auf den Spitzen der Befiederung des Kopfes noch die Uiberreſte der vorigen Dunen mehr oder weniger zu ſehen ſind. Das Hervorkeimen des erſten wirklichen Gefieders geht indeſſen bei den Jungen anderer Meer— und Seeſchwalbenarten auch partienweiſe und in derſelben Folge vor ſich. 58 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 250. Brand⸗Meerſchwalbe. A WORTE Die Brandmeerſchwalbe iſt ein über faſt alle Haupttheile un— ſrer Erde verbreiteter Vogel und lebt in den von ihr bewohnten Stri— chen zugleich in großer Anzahl beiſammen. Sie gehoͤrt einer gemaͤ— ßigten und mehr warmen als kalten Zone an und uͤberſteigt in Europa den 57. Grad N. Br. ſelten, bewohnt ſolche Breiten auch bloß im Sommer. Sie ſoll in Kamtſchatka, wie auf Neuſeeland, ge— wiß am Vorgebirge der guten Hoffnung, wie in andern Theilen Afrika's, ſo in Mexico, in Braſilien, Cayenne und andern Laͤndern von Nord- und Suͤdamerika vorkommen. In Europa ſind vorzuͤglich die Kuͤſten und viele Inſeln der Nordſee ihr Hautaufenthalt, wo fie zahlloſe Sommeraufenthaltsorte hat, welche durch die Fortpflanzungszeit von Myriaden dieſer Voͤgel belebt werden. Beruͤhmt ſind darin mehrere Kuͤſten Englands, nament— lich die von Kent und bei Sandwich, auch mehrere an der Kuͤſte Frankreichs; ferner die hollaͤndiſchen und frießlaͤndiſchen Kuͤſten, vor allen die Inſel Eierland, nahe beim Texel, welche alljaͤhrlich im Fruͤhjahr und Sommer von einer ſo enormen Anzahl dieſer Voͤgel bewohnt wird, daß die Beſchreibungen davon dem, der fo Etwas noch nie fahe, uͤbertrieben vorkommen muͤſſen, was fie aber ganz gewiß nicht find. Ferner iſt der ganze Kuͤſtenſtrich, mit ſeinen ſeichten Gewaͤſſern und niedern Inſeln, von dort bis an die Weſermuͤndung voll von ihnen und namentlich die Inſeln Nor— derney und Wangeroge berühmt, wegen der auf ihnen wohnen: den großen Menge dieſer Meerſchwalbenart. Folgen wir dem Lauf der Nordſeekuͤſte bis an die Weſtkuͤſte Schles— wigs, ſo finden wir wieder auf den Inſeln in der Naͤhe dieſer viele und ſtark, bis zum Unglaublichen, beſetzte Sommerwohnplaͤtze, dieſer Vögel. Im Mai, Juni und Juli des Jahres 1819 bereiſete ich jene intereſſanten Inſeln, ſammelte und forſchte auf ihnen und theilte damals die hauptſaͤch— lichſten Ergebniſſe dieſes Ausflugs kurz in der Iſis, Jahrg. 1819. XII. St. mit.?) Das kleine Eiland Norderoog (54 30“ N. Br.) ) Ich reiſete damals in Geſellſchaft zweier würdigen und gleichgeſtimmten Freunde, den ältern Boie und dem ältern v. Wöldicke und danke ihnen heute noch eben fo innig, wie ich es vor 20 Jahren that, für ihre mir ſo nützliche als lehrreiche Beglei— tung. Mit Entzücken gedenke ich noch jener Tage, als ich mit ihnen unter den vielen Tauſenden der dort niſtenden Vögel herumwandelte. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. 59 war damals von einer Kolonie dieſer Meerſchwalben bewohnt, die gewiß mehr als eine halbe Million Voͤgel zaͤhlte. Ich ſahe dies flache, bloß mit Raſen bedeckte, zur Weide fuͤr einiges Vieh benutzte Inſelchen zuerſt in der Entfernung von einer Seemeile, und haͤtte es, wenn es nicht Juni war, fuͤr eine Schneeinſel halten moͤgen, weil gerade die von den Voͤgeln bewohnte Seite ſich mir enfgegen= ſtellte und dieſe den Erdboden fo buchftäblich bedeckten, daß Alles ſchneeweiß ausſahe und einen hellweißen Streif gegen die aufgereg— ten dunkelfarbigen Meereswogen darſtellte. Der Zufall wollte, als mein Staunen ſich kaum gelegt hatte, daß ein Mann, vielleicht um Eier zu ſammeln, ſich unter den Voͤgeln zeigte; der ganze unermeß— liche Schwarm erhob ſich ploͤtzlich und wirbelte uͤber des Mannes Haupte in der Geſtalt einer ungeheuren, weißen, hin und her ſchwankenden, in ſich ſelbſt hoͤchſt lebhaft bewegenden und wunder— lich kriebelnden Wolke, was in dieſer Entfernung, wo die einzeln Voͤgel nicht zu unterſcheiden waren, einen hoͤchſt ſeltſamen Anblick gewaͤhrte und einen unbeſchreiblichen Eindruck auf mich machte. — Die nahen Inſeln Suͤderoog, Pelworm und Amrom wurden von dieſer Kolonie beſtrichen, ja ihre Streifereien erſtreckten ſich bis an den Strand des Eiderſtedt und in die Muͤndung der Eider. Bei letztgenannter Inſel bewohnte eine kleinere Schaar, aber doch wol aus mehrern tauſend Koͤpfen beſtehend, eine Sandbank; ſie war wahrſcheinlich eine Tochter jener großen Mutter und von ihr aus— gegangen. Eine dritte Kolonie, an Anzahl der Voͤgel der erſten aber lange nicht gleichend, doch zu den bedeutendern gehoͤrend und die zweite mehr als um das Drei- und Vierfache uͤbertreffend, wohnte auf den Sandwatten, hinter den Duͤnen von Lyſt, auf der noͤrdlich— ſten Spitze der Inſel Sylt, dicht neben einer großen Kolonie der Raubmeerſchwalbe (St. caspia). Ob es noch weiter hinauf am weſtlichen Strande der Halbinſel Juͤtland viele ſolcher, ſo uͤberaus zahlreich beſetzter Wohnorte dieſer Meerſchwalbe giebt, weiß ich nicht; allein ganz oben im Nordweſten der Halbinſel und ganz nahe an deren Weſtſtrande bewohnen, nach Fr. Boie (f. Iſis, 1822. VIII. St.) noch ein paar ungeheure Vereine die Seen Sperring und Sioͤring (in der Nähe des 57» N. Br., daher faſt die noͤrdlichſten Wohnplaͤtze in Europa) neben Bienenſchwaͤrmen aͤhnlichen Schaaren von Lachmeven, wo beide Arten, aufgeſcheucht, in zwei Schichten, jede fuͤr ſich, die Meven niedriger, die Meerſchwalben hoͤher, in der Luft ſich hin und 60 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand-Meerſchwalbe. her bewegen, Wolken aͤhnlich die Sonne verfinſtern und mit ihrem Laͤrm die Sinne betaͤuben. Es iſt ſehr ſonderbar, daß dieſe auf der Nordſee ſo ſehr haͤufige Meerſchwalbe nach allen neuern Beobachtungen auf der Oſtſee fo ſelten und ſtets nur vereinzelt vorkoͤmmt, ſelbſt an Juͤtlands Oſt— kuͤſte, deſſen entgegengeſetzte ſie doch in ſo großer Menge bewohnt. Auf der Meveninſeln bei Schleswig koͤmmt ſie zuweilen, aber gar nicht zahlreich, an der pommerſchen Kuͤſte noch ſeltner und auch an der ſchwediſchen wie auf allen daͤniſchen Inſeln nur ganz einzeln vor. Wie es zugeht, daß ſie ſeit Otto, wo ſie die dama— lige Inſel Stuͤbber, welche jetzt bis auf eine unbedeutende Sand— bank, Stuberſandbank genannt, vom Meere verſchlungen iſt, in großer Menge bewohnt haben ſoll und heut zu Tage dort in der ganzen Umgegend gar nicht mehr geſehen wird, iſt ſchwer zu begreifen, wenn man nicht mit Brehm (a. a. O.) annehmen will, Otto habe nicht St. cantiaca, ſondern St. anglica vor ſich gehabt, wogegen aber die a. a. O. gegebene Abbildung wie die Beſchreibung offenbar ſtreiten. — Das Gegentheil vermuthet uͤbrigens Latham (a. a. O.) von der bri— tiſchen Kuͤſte, welche die Brandmeerſchwalbe in fruͤhern Zeiten nicht bewohnt haben ſoll. Es erſcheint alſo vielleicht als eine Eigenthuͤm— lichkeit dieſer Art, einen laͤngern Wohnort ploͤtzlich fuͤr immer zu verlaſſen und einen andern mehr oder weniger entfernten fuͤr lange Zeitraͤume zu beziehen. Etwas ganz Aehnliches ſagt man auch von der St. caspia, und die Beſorgniß, daß vieles Schießen und Laͤr— men an großen Bruͤteplaͤtzen den Voͤgeln dieſe verleide, iſt gewiß nicht ohne Grund. Das ploͤtzliche Erſcheinen und, nach zu harten Verfolgungen, Wiederverſchwinden der Cormorane, in Gegenden, wo man ſie vorher nicht kannte, ſelbſt die Saatkraͤhen, geben zu ganz aͤhnlichen Betrachtungen Veranlaſſung. Ob ſie uͤber viele diesſeitige Kuͤſtenſtriche des mittellaͤndiſchen Meeres in großen Haufen verbreitet ſei, iſt nicht bekannt, nur von denen des ſuͤdlichen Frankreichs weiß man, daß ſie haͤufig da wohnt und zum Theil auch dort uͤberwintert, daß ſie an der Kuͤſte von Genua und Toscana aber bloß einzeln vorkoͤmmt. Da ſie bloß am offenen Meere lebt und nicht einmal gern tief in das Feſtland einſchneidende Meeresbuchten beſucht, auch nur Salzwaſſer will, ſo koͤmmt ſie im Innern der Laͤnder gar nicht vor, entfernt ſich ſelbſt bei großen Flußmuͤndungen nie weit vom Meer, koͤmmt auch nicht auf nahe Landſeen, und von letztern machen, ſo viel bekannt, bloß jene juͤtlaͤndiſchen, hart an der Kuͤſte gelegenen, XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. 61 eine Ausnahme, welche Lage und beſondere Beſchaffenheit des Waſ— ſers herbeifuͤhren. Die Brandmeerſchwalbe iſt daher auch nie im Innern von Deutſchland, nicht ein Mal einzeln oder von Stuͤr— men verſchlagen und verirrt, irgendwo geſehen worden, daher auch niemals bei uns in Anhalt vorgekommen. Daß fie ebenfalls zu den Zug voͤgeln gehört, iſt ſchon be— ruͤhrt worden. Sie koͤmmt in Holland, wie an der Weſtkuͤſte der juͤtiſchen Halbinſel mit Ende des April, auch wol erſt Anfangs Mai an und verlaͤßt nach eben beendeten Fortpflanzungsgeſchaͤften ſchon im Auguſt bis ſpaͤteſtens Mitte des September dieſelben. Gewohnt immer in großer Anzahl beiſammen zu ſein, wandert ſie auch in Schaaren, weshalb an dem vorjährigen Wohnplatze im Fruͤhjahr ſich alle in einer Nacht oder wenigen Tagen nacheinander einſtellen. Sie ziehen meiſtens des Nachts und man ſieht ſie daher ſelten ankommen. Gewöhnlich ſchickt das Heer einige kleine Abthei— lungen voraus, welche mit freudigem Geſchrei den wolbekannten Ort von neuem begruͤßen und bald folgt ihnen die Menge nach. Un— bemerklicher wird ihr Wegzug, weil viele, wahrſcheinlich ohne Nach: kommenſchaft gebliebene, ſich ſchon fruͤh zuſammen rottiren und aus— wandern, andere dagegen, wegen ſpaͤt ausgebrachter und noch zu pflegender Jungen, laͤnger verweilen muͤſſen. Letztere machen immer den Beſchluß des Zuges, ſehen ſich jedoch gewoͤhnlich gezwungen, wenn auch geſellſchaftlich, doch ohne alte Fuͤhrer, die Reiſe anzutreten; ſie zeigen ſich oft noch zu Ende des September am Geburtsorte. Weil dieſe Meerſchwalben wahre Seevoͤgel ſind und das Meer nie aus den Augen laſſen, ſo wandern ſie auch bloß den Kuͤſten entlang um unter einen waͤrmern Himmelsſtrich zu kommen. Wenn man weiß, daß ſie beim Wegzuge ſich in ſuͤdweſtlicher Richtung fortbe— geben, fo brauchen fie von Juͤtland an bis zur Weftküfte Afrika's, ohne eine bedeutende Landſtrecke uͤberfliegen zu muͤſſen, bloß den Kuͤſten zu folgen, um in gerader Linie dorthin zu gelan— gen. Es darf uns daher gar nicht wundern, daß nie ein ſolcher Vogel ins Innere von Deutſchland verſchlagen, und hier vorgekom— men iſt; die Heerſtraße fuͤr ſeine Reiſen iſt ihm zu deutlich vorge— zeichnet, wie er denn auch uͤberhaupt auf ſeinen Streifereien vom Niſtplatze aus nach reichern Futterplaͤtzen, oft 5 Meilen weit, ſtets auf gewiſſen Bahnen hin und zuruͤck zu fliegen gewohnt iſt. — Eine ganz andere, vielleicht nicht ſo regelmaͤßige Straße, wahrſchein— lich auch ganz andere Winterquartiere, mag St. caspia haben. So gewiß die Brandmeerſchwalbe nur am Meere wohnen will, 62 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand-Meerſchwalbe. ſo hat man doch keine Vermuthung, warum ſie dort den einen Platz einem andern ganz aͤhnlichen vorzieht. Seichtes, klares und von vielen kleinen Fiſchen belebtes Waſſer ſcheint ſie vorzuͤglich anzuzie— hen, weniger die Geſtaltung des Ufers; denn ſie wohnt an felſigen Geſtaden, wie an ganz niedrigem Strande, welcher ſanft in das Meer verlaͤuft, auf Sandbaͤnken und Sandduͤnen, wie auf mit kur— zem Raſen bedeckten Flaͤchen, ſogar wo Schilf und Rohr am Rande wachſen, wie an den oben erwaͤhnten juͤtlaͤndiſchen Seen, verſchmaͤ— het ſie dazwiſchen liegende, mit kurzem Graswuchs bedeckte Inſeln nicht. Am haͤufigſten wohnt ſie jedoch in ganz kahlen Gegenden. Sie liebt die Brandungen, namentlich die weit vom Strande ent— fernten, auf unterſeeiſchen Riffen ſich erhebenden, und keine andere Meerſchwalbenart, ja kein anderer Vogel iſt bei Sturm ſo ſehr um dieſes hier in ſchauderhafter Größe aufſteigende Wogenſpiel beſchaͤf⸗ tigt, als unſere Brandmeerſchwalbe, welche daher den von jenen entlehnten Beinamen ſehr wohl verdient. Ihre Nachtruhe halten ſie, wie andere am Meere wohnenden Arten dieſer Gattung, immer nahe am Waſſer, auf dem Erdboden oder auf Felſen, auf Bruſt und Bauche liegend und ſtets ſo, daß das Geſicht dem naͤchſten Waſſer zugekehrt iſt. Nach Untergang der Sonne naͤhern ſie ſich den Ruheplaͤtzen, aber es iſt ſchon ganz duͤſter, ehe alle zum Sitzen kommen. Dabei halten ſie ein unauf— hoͤrliches Geſchwaͤtz, wie die Mauerſegler, und dieß dauert bis tief in die Nacht hinein; erſt um Mitternacht wird es in großen Vereinen ganz ſtille. Nachtraͤglich geſagt, werden ſie auch auf ih— ren naͤchtlichen Wanderungen beſtaͤndig laut und man kann an den bekannten Toͤnen recht gut, wenn man den Flug auch nicht ſieht, die Richtung, in welcher er fortſtreicht, wahrnehmen. Mit dem grauenden Morgen ſind ſie wieder wach, bleiben aber noch auf dem naͤchtlichen Ruheplatze und in deſſen Naͤhe, meiſtens ſitzend und ihr Gefieder putzend bis nach Aufgang der Sonne, wo ihre Streife— reien beginnen, die ſie, wenn ſehr viele beiſammen leben, auf mehr als 15 Meilen in die Runde ausdehnen. Eigenſchaften. Die Brandmeerſchwalbe iſt im Leben ein herrliches Geſchoͤpf und kann an Schoͤnheit jeder andern Gattungsverwandtinn an die XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfchwalbe. 63 Seite geſtellt werden. Der ſammetſchwarze, nach hinten buſchichte Oberkopf entſtellt ſie nicht, wenn er gleich durch das lange Gefie— der des Nackens eine taͤuſchende Größe erhält, das Mevenblau des Mantels iſt hier von der ſanfteſten Blaͤſſe, das Weiß der uͤbrigen Theile von der blendenſten Reinheit, unvergleichlich, wenn es von unten her mit jener lieblichen Roſenfarbe uͤberhaucht iſt, ſo daß das Auge des Beſchauers mit Wohlgefallen auf dem ſchlanken Geſchoͤpf ruhet, deſſen Schoͤnheit der gar nicht begreift, welcher es nur im trocknen Balge oder ausgeſtopft ſahe. Im Fluge unterſcheidet ſie der allerdings etwas dicke Kopf mit dem langen ſchwarzen Schna— bel und der, gegen die ſehr langen und ſehr ſchmalen Fluͤgel, kurz ſcheinende Gabelſchwanz, in weiter Ferne ſchon, von den drei zunaͤchſt folgenden Arten, die freilich ſchlanker und auch kleiner ſind; aber auch ihr Flug iſt ganz anders, energiſcher, flinker und noch viel abwech— ſelnder. Mit der viel groͤßern, langſamern, ſchwerfaͤlligern, ihr ge— genuͤber toͤlpiſchen Rau bmeerſchwalbe wird dies ungemein be: wegliche Geſchoͤpf auch im Fluge Niemand verwechſeln koͤnnen. Sie ſetzt ſich aͤußerſt ſelten, dann immer nur in der Nähe des Waſſers, ſteht dann wie die andern Arten, aber weil ſie ruhend gewoͤhnlich die Nackenfedern aufſtraͤubt, ſo erſcheint dann ihr Kopf ſo dick, daß man ſie daran ebenfalls ſchon von Weitem erkennt. Noch ſeltner ſchwimmt ſie, dies ſehr flach, mit hochgehaltenen Fluͤ— geln, rudert aber ſelten von der Stelle. Wie die Schwalben bringt ſie die meiſte Zeit ihres Lebens flie— gend zu. Ihr Flugvermoͤgen ſetzt in Erſtaunen. Mit bewunderns— werther Leichtigkeit durchſegelt ſie die Luft in großer Hoͤhe, wenn ihr Ziel fern liegt, ſonſt gewoͤhnlich in mittler Hoͤhe, und nur da niedriger, wo ſie fiſchen oder zu ihrer Brut herab will. Selten und nur wenn ſie Eil hat, ſtreicht ſie mit reißender Schnelle und weiten ſehr geſchwinden Fluͤgelſchlaͤgen eine Strecke gerade aus, und entſchwindet bald dem Auge. Streicht ſie auf kuͤrzern Ausfluͤchten auch ein Mal in gerader Linie fort, ſo unterbricht ſie doch bald und oft dieſe Einfoͤrmigkeit durch allerlei Schwenkungen, die meiſtens ganz unerwartet kommen, ſie nicht ſelten im rechten Winkel ab-, auf- oder ſeitwaͤrts werfen, engere oder weitere Bogen bilden u. ſ. w. Alle ihre Bewegungen in der Luft ſind kraͤftig, lebhaft, un: ternehmend und aͤußerſt geſchickt, ſelbſt der Sturm behindert nur wenig ihre große Beweglichkeit, wenn er ihr nicht ruͤckwaͤrts ins Gefieder koͤmmt. Ich ſahe fie bei haushohen Brandungen mehrmals 64 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand» Meerfhwalbe. in voller Beſchaͤftigung und dem Sturme mit bewundrungswuͤrdiger Gewandtheit die Spitze bieten. Schweben ſahe ich ſie ſelten und nur ganz kurz, zuweilen auch in einem Stuͤck von einer herabſtei— genden Schneckenlinie, aber gleich wieder die Fluͤgel ſchwingen. Ge— woͤhnlich ſchlaͤgt ſie die langen ſchmalen Fluͤgel ſchnell und faſt im— mer in weiten Raͤumen auf und nieder, ſchwenkt ſich im ſchnellſten Fluge ploͤtzlich, flattert einige Augenblicke an einer Stelle, ſchlaͤgt plotzlich die vorige oder eine andere, nicht geahnte Richtung ein und man wird nicht muͤde, dieſen unvergleichen Flieger mit den Augen zu folgen. Beim Fiſchen und wenn am Bruͤteplatze ſich ein Feind zeigt, iſt ihr Flug am allerabwechſelndſten. Eine unuͤbertreffliche Lebhaftigkeit und ſtete Unruhe zeichnen ſie vor allen aus; Muthwillen und Neckerei entſpringen aus dieſen, aber ſelten eigentlicher Zank, ſo daß ein vorkommender kleiner Zwiſt eben fo ſchnell voruͤbergeht, als er ſich entſpann. Dabei iſt ſie aͤu— ßerſt ſcheu, vorſichtig im hohen Grade, und Brehm (a. a. O.) iſt ſehr unrecht berichtet, wenn er ſagt: Sie komme an Klugheit den Vorhergehenden nicht bei. Sie giebt, ſo weit ich ſie kenne, darin ſogar der Raubmeerſchwalbe durchaus nichts nach, ja ſie iſt bei wirklichen Verfolgungen noch vorfichtiger, und ich muß fie des: halb fuͤr die ſcheueſte von allen Meerſchwalben halten. Schon von Ferne weicht ſie dem Menſchen aus und wuͤrde haͤufig unbemerkt bleiben, wenn ſie, da ſie nicht lange ſchweigen kann, ſich nicht durch ihre Stimme verrieth, zumal wenn einige beiſammen ſind. Freilich ſind ſie dies nicht bei ihren Neſtern; wer ſie bloß hier ſieht, wuͤrde ſie wo nicht fuͤr dummdreuſt, doch fuͤr hoͤchſt unvorſichtig, vielleicht fuͤr tollkuͤhn halten, da es in großen Vereinen vorkoͤmmt, daß ſie den, der ihnen die Eier nehmen will, dann und wann mit den Fluͤgeln an den Kopf ſchlagen. Ighre Geſelligkeit iſt, wie ſchon aus dem Vorherigen ergeht, ſehr groß und man trifft Schwaͤrme von ihnen, welche Wolken gleichen und aus vielen Hunderttauſenden beſtehen, und die Einzel— nen, welche man hin und wieder ſieht, gehoͤren immer zu irgend einem groͤßern oder kleinern Verein, von dem ſie ſich nur auf kurze Zeit entfernten. Vereinzelte ſieht man kaum anders, als wenn fie. ihre Fiſchereien betreiben oder nach guten Fiſchplaͤtzen fliegen, wo jedoch wenige von der Luftbahn dahin abweichen, auf welcher das Hin⸗ und Herfliegen deshalb kein Ende nimmt. An den Brüte plaͤtzen leben ſie gewoͤhnlich ſehr enge beiſammen, dulden dann aber XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 29. Brand⸗Meerſchwalbe. 65 auch andere Voͤgel nicht unter ſich, doch in der Naͤhe. Auf Nor— deroog lebten außer ihnen nur noch einige Paͤaͤrchen Auſternfi— ſcher und einige Rothſchenkel; die Sandbank bei Amrom hiel— ten ſie allein beſetzt; hinter den Duͤnen von Lyſt auf Sylt wohn— ten fie einerſeits nahe neben jener großen Kolonie der Raubmeer— ſchwalbe, andrerſeits waren Silber- und Sturmmeven ihre Nachbarn; aber nirgends fahe ich kleinere Meerſchwalbenarten nahe bei ihnen niſten oder ſich mit ihnen gemein machen, was jedoch hin und wieder auch, wo die Brandmeerſchwalben die Minderzahl aus: machen, aber ſehr ſelten, vorzukommen ſcheint. Wo mehrere Meer— ſchwalben- und Mevenarten einen gemeinſchaftlichen Bruͤteplatz ha— ben, halten ſich die Brandmeerſchwalben jedoch ſo ſtreng abgeſon— dert, daß ſie nie unter andere gerathen, aber auch keine andere un— ter ſich dulden. Modificirt ſoll dieſer Trieb ihres engen Beiſammen— ſeins, welches ihre Sicherheit bezweckt, bloß da vorkommen, wo nur wenige Paare wohnen, wie z. B. auf einigen Inſeln in der Mündung der Schley im Schleswigſchen, woſelbſt fie ſich in andere Geſellſchaften eindraͤngen, entweder von St. macroura, St. minuta u. a., oder ſogar von Larus ridibundus. Ihre Stimme iſt ſehr ausgezeichnet, aber keineswegs eine un— ſerm Ohr angenehme; der Geuͤbte wird indeſſen an den Toͤnen die einer Meerſchwalbe gleich erkennen, obgleich das der Gattung eigen— thuͤmliche Kraͤhen ziemlich ſelten und auch ganz anders betont vor— koͤmmt, und wie kree oder krree klingt. Viel gewoͤhnlicher ſchreien fie laut und kreiſchend: kirreck —, kerreck—, kirraͤike —, auch kraͤike und keikeike, worunter ſich auch wol Toͤne, wie kikiki klingend, einmiſchen. Alle dieſe Toͤne in vielerlei Modulationen und aus vielen tauſend Kehlen, wie an den großen Bruͤteplaͤtzen, geben einen gewaltigen, faſt betaͤubenden Laͤrm. Aber auch ander— waͤrts und auf ihren Streifereien ſchreien ſie gar viel, die Einzelne weniger als wenn zwei oder mehrere miteinander fliegen, welche im— mer etwas zu ſchwatzen haben. Schon von Weitem unterſcheidet ſich ihre gellende Stimme von denen anderer bekannten Meerſchwal— ben und Meven, und wer ſie ein Mal gehoͤrt hat, wird ſie allezeit wieder erkennen. Uiberraſchend war es mir, als ich auf einem Jagdausfluge in Mittel-Ungarn, jene meinem Gedaͤchtniſſe tief oder unausloͤſchlich eingepraͤgte Meerſchwalbenſtimme zu hoͤren glaubte, nicht einmal eine Meerſchwalbe, ſondern die Glareola torquata als den Urheber derſelben kennen lernte. 107 Theil. 5 66 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 250. Brand: Meerihwalbe, N a her u ng. Dieſe beſteht einzig in kleinen Seefiſchen, die ſie jedoch lebendig haben und ſich ſelbſt fangen muͤſſen, naͤmlich in jungen Heringen bis zu 6 Zoll Laͤnge, in Sardellen, Seeſtichlingen u. dergl. Wenn dieſe Meerſchwalbe Nahrung ſuchend einher fliegt, haͤlt ſie den Schnabel ſenkrecht herab, waͤhrend der Rumpf in wagerech— ter Lage bleibt, ſo daß, wenn man ſich vom Ruͤcken uͤber den Hals bis ins Genick eine gerade Linie und eine andere ſolche von der Schnabelſpitze bis ins Genick denkt, ſo wuͤrden beide auf die— ſem Punkte in einen rechten Winkel zuſammentreffen. Dies thun zwar andere Meerſchwalbenarten auch, doch iſt es an der Brandmeerſchwalbe, wegen des ſehr langen Schnabels, ungleich auf— fallender. Sie fliegt bei ihren Fiſchereien nicht hoch, flattert oft an einer Stelle in der Luft (ruͤttelt) wo ſie einen Fiſch gewahrt, bis er ihr zum Stoße recht ſteht und ſtuͤrzt ſich dann ploͤtzlich auf ihn herab. Oft fährt fie, wo es hohe Wellen giebt, nur durch die ſchaͤumen— den Spitzen derſelben, dies namentlich bei Brandungen, in denen ſie ſehr gern fiſcht und die durch das Schlagen der aufbrauſenden Wogen ermatteten und oben ſchwimmenden Fiſchchen wegfaͤngt. Hier ſind aber nicht Brandungen am Ufer, ſondern weit von dem— ſelben, uͤber unterſeeiſchen Riffen ſich aufthuͤrmende zu verſtehen, deren z. B. 1 Seemeile weſtlich von Amrom eine lange, von Nor— den nach Suͤden ſtreichende Reihe, deren ſuͤdliches Ende der uͤber— ſeeiſche Felſen Helgoland iſt, bei Sturm, mit fuͤrchterlichem Ge— bruͤll, ſich thurmhoch erheben und vielen Schiffen den Untergang bringen; bei dieſen ſahe ich nie andere Voͤgel, ſie aber ſtets von ſehr vielen Brandmeerſchwalben umſchwaͤrmt, die in dieſem Aufruhr der Elemente, wie ich ein Mal ganz in der Naͤhe ſehen konnte, ihre Fiſchereien mit vielem Gluͤck betreiben. — Viele fiſchen aber auch bei Sturm an ſolchen Kuͤſten, wo die Wogen nicht ſo hoch gehen, als auf offenem Meer. Iſt die See ruhig, ſo ſtuͤrzen ſie ſich, bei Erblickung eines Fiſchchens, auch haͤufig wie ein fallender Stein aus der Luft aufs Waſſer, daß dieſes hoch aufſpritzt; doch ſahe ich fie nie ganz unter das Waſſer tauchen, wenigſtens blieben Fluͤgel und Schwanz immer ſichtbar oder meiſtens uͤber der Oberfläche. | XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand-⸗Meerſchwalbe. 67 Erſt wenn ſie ſich aus dem Waſſer und ein Stuͤck uͤber daſſelbe erhoben, verſchlingt fie den gefangenen Fiſch, den fie vorher todt kneipt und ſo im Schnabel wendet, daß ſein Kopf voran geht, was das Werk weniger Augenblicke iſt. Trotz ihrer großen Gewandtheit ſtoͤßt ſie doch auch manchmal fehl. Oft traͤgt ſie ſich auch lange mit einem gefangenen Fiſche herum, den ſie quer im Schnabel haͤlt und ſo feſt gepackt hat, daß ich einige Mal ſolche herabſchoß, die ihr Leben aushauchten, ohne den Fiſch fallen zu laſſen. Manchmal tragen ſich Einzelne ſo lange mit einem Fiſche herum, daß es aus— ſieht, als erwarteten ſie nur die Ankunft einer Raubmeve, um ihn an dieſe abgeben zu koͤnnen. So ſcheinen ſie oft mehr zum Vergnuͤgen als aus Hunger Fiſche zu fangen, wie unſere Wuͤrger, ſelbſt die Sperlinge, ſehr haͤufig Maikaͤfer u. a. bloß zum Vergnuͤgen und um ſich zu beſchaͤftigen, todt machen. Es iſt begreiflich, daß in den naͤchſten Umgebungen eines ſtark— beſetzten Wohnorts die vielen Conſumenten einander die Nahrung ſchmaͤlern muͤſſen und dieſe bald knapp werden muß. Sie ſehen ſich daher gezwungen, ihre Nahrungsmittel von weit her zuſammen zu holen. Der große Verein auf Norderoog verbreitete ſich des— halb auf 15 Meilen in die Runde und hatte aus dem Mittelpunkte nach den entfernteſten Fiſchplaͤtzen ordentliche Straßen durch die Luft (wie Ameiſen ihre Bahnen), auf denen dieſe Voͤgel hin- und zuruͤck flogen, auf denen ein fröhlicher Verkehr herrſchte und des Ab: und Zufliegens, vom frühen Morgen bis am ſpaͤten Abend, kein Ende war. In den Mittagsſtunden fand ich den Verkehr et— was weniger lebhaft, was auch leicht zu erklaͤren iſt; auch ſind ihre Straßen keineswegs ſchnurgerade, ſondern mit mehreren, oft nicht unbedeutenden Kruͤmmungen verſehen, wie die Bahnen der Amei— ſen, und nebenher wird auch das beilaͤufig ihrem Schnabel ſich dar— bietende Fiſchchen ebenfalls mitgenommen, ohne ſich jedoch dadurch weit von der Bahn ableiten zu laſſen. Das Beobachten des mun— tern Treibens auf einer ſolchen iſt ungemein unterhaltend. Es giebt dergleichen, welche 5 Seemeilen vom Niſtplatze bis zum Ziele lang find und zu Stellen führen, welche ſeichtes und vorzüglich klares, ſehr fiſchreiches Waſſer haben; ſo war es dort zwiſchen der Hever— Stroͤmung und dem Strande des Eiderſtedt bis zur Eider— muͤndung, ja bis zur Halbinſel Deichſand ſtreiften zuweilen Einzelne. = 7 5 * 68 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 250. Brand⸗Meerſchwalbe. Fortpflanzung. In allen oben genannten Nordſeelaͤndern niſtet die Brandmeer— ſchwalbe in Schaaren, auf einzelne Stellen dicht zuſammengedraͤngt, und ich glaube, daß man von dieſer ſo ungemein geſelligen Art gaͤnzlich einſam niſtende Paͤaͤrchen ſchwerlich irgendwo antrifft. Ich habe ſie wenigſtens nie ſo gefunden. Daß ſie, wenn nur wenige Paar beiſammen, ſich auch zwiſchen andere Arten eindraͤngen, iſt ſchon erwaͤhnt, koͤmmt aber nur hoͤchſt ſelten vor. Es iſt ſogar ein nicht haͤufiges Vorkommen eine Kolonie von nur hundert Paaren zu ſehen; immer ſind es Tauſende, ja zuweilen Hunderttauſende, welche ſich auf einen verhaͤltnißmaͤßig kleinen Platz zuſammendraͤn— gen und nur einen einzigen Verein bilden. Nicht mehrere Inſeln zugleich, nicht eine einzige ganz und gar, uͤberzieht ein ſolcher Schwarm, ſondern auf einer bloß einen beſondern Raum, von nicht ſehr großem Umfange. So hat z. B. das Eiland Norderoog ohngefaͤhr eine halbe Stunde im Umfange; es wird nur von einem Manne (wenn ich mich recht erinnere, bloß im Sommer) bewohnt, welcher das wenige darauf weidende Vieh beaufſichtigt und die Eier der Brandmeerſchwalben einſammelt; von dieſer Inſel hält die un— ermeßliche Schaar nur ein kleines Stuͤck beſetzt, den Nord- und „Oſtſtrand in einem langen, aber meiſtens nicht ſehr breiten Strei— fen, auf welchem ſich das ganze Gewimmel zuſammendraͤngt, und Vogel an Vogel, Neſt an Neſt gereihet iſt. Tritt man unter ſie, ſo umſchwirrt die Maſſe ganz niedrig den Ruheſtoͤrer und die zahl— loſen flatternden Geſtalten verfinſtern die Luft, ihre durcheinander wirbelnden, kreiſchenden Stimmen verwirren die Sinne; waͤhrend man nun ganz langſam und mit aller Vorſicht fortſchreitet, um nicht Eier zu zertreten, weil oft die Neſter ſo nahe beiſammen ſind, daß kaum der fortgeſetzte Fuß Raum dazwiſchen findet, deshalb man die Augen nur auf den Boden gerichtet haben muß, ſo werden die Voͤgel ſo keck und umflattern den Sucher ſo nahe, daß ſie mit ihren Fluͤgelſpitzen nicht ſelten an deſſen Kopf oder Hut ſtoßen, uͤbrigens aber noch obendrein ihren Unrath mehrfach auf ihn fallen laſſen und ihn die Kleider fo beklexen, daß fie nachher aus: ſehen, als waͤren ſie mit Kalk beſpritzt. Die Voͤgel ſelbſt fliegen dabei ſo dicht neben- und uͤbereinander, daß ſie haͤufig mit ihren Fluͤgeln zuſammen ſchlagen, was oft ein hoͤrbares Klappen verur— ſacht. Ein ſolches Wirren und Wimmeln, Schwirren und Toben XII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfhwalbe. 69 vermag auch die lebendigſte Schilderung nicht genügend zu verfinn: lichen; Niemand, wer ſich nicht ſelbſt dazwiſchen befand, kann ſich einen richtigen Begriff machen, von dieſem Leben und Weben, von dieſem Draͤngen und Treiben ſo ungeheurer Voͤgelmaſſen. So wie auf jener Inſel, iſt es auf allen ihren Bruͤteplaͤtzen, nur daß die mindere Anzahl einer kleinern Kolonie natuͤrlich auch weniger Aufſehen macht. Jene auf Norderoog bewohnte fruͤher (da— mals noch vor wenigen Jahren), das eine Meile ſuͤdlicher liegende Eiland Suͤderoog, verlegte aber, aus unbekannten Urſachen und ganz unerwartet, ihren Wohnſitz nach erſtgenannter Inſel. Der noch auf Suͤderoog wohnende Strandvoigt, mit feiner Familie die einzigen Bewohner dieſer ebenfalls ganz gruͤnen und baumloſen Inſel, verſicherte, daß es allgemeine Erfahrung ſei, wenn am Brit: teorte viel unter dieſe Voͤgel geſchoſſen und ſonſtiger Laͤrm gemacht wuͤrde, ſo blieben ſie zwar in dieſem Jahre noch da, kehrten aber im naͤchſten und fuͤr viele Jahre nicht wieder dahin zuruͤck. Man wollte mehr ſolcher Erfahrungen gemacht haben, und die Sache ſcheint, wenn man fie der großen Furchtſamkeit und Vorſicht dieſer aͤngſtlichen Voͤgel gegenuͤberſtellt, gar nicht unwahrſcheinlich. Viel— leicht vertrieben ehedem ähnliche Urſachen fie auch von der vormali— gen Inſel Stuͤbber und zugleich aus der ganzen Umgegend. Ihre Niſtplaͤtze ſind entweder weite Raſenflaͤchen, die aber nur ganz kurzen Graswuchs haben duͤrfen und ganz nahe am Meere liegen muͤſſen, oder trockne Sandwatten und vom Meere umgebene Sandbaͤnke, oder Felſen mit von Natur abgeplatteten Stellen, eben— falls dicht am oder uͤber dem Meere, alles kahle Orte, ohne Baͤume, Geſtraͤuch und andern hohen Pflanzen. Auf den Seen im obern Juͤtland, ſollen ſie ebenfalls auf mit kurzem Graswuchs bedeck— ten, ſandigen Inſeln niſten, dieſe aber zum Theil mit Rohr und Schilf umgeben ſein, was als Ausnahme von der Regel zu betrach— ten waͤre. Einen Neſtbau machen ſie nicht; auf dem Sande ſchar— ren ſie eine kleine napffoͤrmige Vertiefung, um ihre Eier hinein zu legen; auf dem Raſen verſuchen ſie daſſelbe, aber, wegen des haͤr— tern Bodens, ohne ihren Zweck vollſtaͤndig zu erreichen, und haͤu— fig bemerkt man kaum, wo ſie ſich bemuͤheten eine kleine Stelle zu vertiefen; auf Felſen legen ſie die Eier auf das platte Geſtein. Hoͤchſt merkwuͤrdig iſt ihr enges Zuſammendraͤngen der Neſter, das wirklich ſo arg iſt, ſogar in kleinern Vereinen und wo es nicht an Platz fehlt, daß ſich ſtellenweiſe die darauf ſitzenden Voͤgel beruͤh— 70 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 250. Brand: Meerfhmwalbe. ren und einander behindern müßten, wenn ſie nicht die Gewohnheit haͤtten, alleſammt und ſtets ſo zu ſitzen, daß ſie das Geſicht dem Waſſer zukehren und auf dieſe Weiſe hoͤchſtens beim Aufſetzen oder Abfliegen aneinander gerathen. Es iſt factiſch, daß der zwiſchen den Neſtern herumgehende Sammler, bei groͤßter Behutſamkeit, es dennoch oͤfters verſieht und Eier zertritt, weil die Neſter ſtellenweiſe haͤufigſt noch keinen vollen Fuß breit von einander entfernt ſind. Es iſt ein reitzender Anblick ſo viele Neſter mit Eiern auf einem ſo kleinen Raume mit einem Male zu uͤberſchauen; die Eier nehmen ſich auf dem grünen (freilich da herum etwas weiß beflerten) Ra— ſen ſehr huͤbſch aus, nicht ſo, wo ſie auf dem mehr gleichfarbigen Sande liegen. Auf Sandbaͤnken legen fie oͤfters fo nahe an das Waſſer, daß die Eier bei hoher See weggeſpuͤlt werden. Man findet im Juni in jedem Neſte nie mehr als 3, viel ge— woͤhnlicher nur 2 Eier. Sie haben eben nichts Beſonderes in der Geſtalt; die haͤufigſte iſt eine Acht eifoͤrmige, bald etwas laͤnglichter, bald kuͤrzer, bald ſchlanker, bald bauchichter; ſeltner kommen kuͤrzere und dickere, an einem Ende ziemlich ſpitze, am entgegengeſetzten ſehr abgerundete, vor, eben ſo ſolche, an welchen die hoͤchſte Bauchwoͤl— bung dem ſtumpfen Ende naͤher als der Mitte liegt. In der Groͤße halten ſie das Mittel zwiſchen zahmen Tauben- und Huͤhnereiern, fie find naͤmlich (im Durchſchnitt gemeſſen) 2 Zoll bis 2 Zoll 2½ Linien lang, und 1 Zoll 5 bis 6 Linien breit. Sie haben eine matte Oberflaͤche mit ſichtbaren Poren und ein eben nicht feines Korn. Ihre Grundfarbe iſt bei der Mehrzahl roſtgelblichweiß, wechſelt aber einerſeits zum Thonweiß und reinen Weiß, andrerſeits in ein blaſſes Roͤthlichgelb und in ein wirkliches Roſtgelb ab. Die Schalenflecke ſind aſchgrau, bald nur Punkte und Tuͤpfel, bald große und breite Flecke, dieſe dann oft ſehr einzeln; die aͤußern Zeichnungen ſchwarz⸗ braun, zuweilen ins Rothbraune ziehend, auch dunkel braunſchwarz und beſtehen an manchen nur aus Punkten und kleinen, runden, ſehr dichten Flecken, zumal am ſtumpfen Ende; an manchen ſchei— nen dieſe ſaͤmmtlichen Zeichnungen nach einer Seite hin verwiſcht; bei andern beſtehen ſie aus groͤßern, unregelmaͤßigen, aber einzelnern Flecken und wenigen Punkten; bei noch andern ſind meiſt runde und große Flecke am ſtumpfen Ende ſehr haͤufig, ſonſt aber wenig Zeich— nung vorhanden; bei ſolchen fließen ſie am ſtumpfen Ende zuweilen auch in einem ſchoͤnen, einem ſchwarzen Guͤrtel aͤhnlichen Flecken— kranz zuſammen und dieſe ſehen ſehr ſchoͤn aus; bei noch andern beſtehen ſie bloß aus wenigen zarten Punkten; endlich ſind man— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfhwalbe 71 che nur mit Braunſchwarz fein bekritzelt und zum Theil beſpritzt. Am ſtumpfen Ende haben die meiſten mehr und groͤbere Zeichnun— gen als am ſpitzen. So ſind denn manche ſehr grob, manche fein, manche faſt gar nicht gezeichnet, und es herrſcht eine unendliche Verſchiedenheit unter ihnen. Etwas Gruͤnliches haben ſie nie und daran unterſcheiden ſie ſich noch am leichteſten von denen ihnen ſonſt in Allem ſehr aͤhnlichen der Lach meerſchwalbe. In der Farbe, zum Theil auch in der Zeichnung, ſehen viele denen der Rau b— meerſchwalbe aͤhnlich; allein dieſe ſind um ſo Vieles groͤßer, daß ſie niemand mit ihnen verwechſeln kann. Sie bruͤten die Naͤchte hindurch anhaltend, am Tage aber we— nig, wenn die Sonne die Eier erwaͤrmt gar nicht. Zu dieſen ver— ſchiedenen Zeiten ſind die Niſtplaͤtze auch ſehr verſchieden beſetzt, am leerſten bei heiterm Wetter; es dauert jedoch, wenn ein Menſch ſich denſelben naͤhert, nicht lange, um wenigſtens die kleinere Haͤlfte, durch das Schreien und Rufen der Zuruͤckgebliebenen aus allen Richtungen herbeiſtroͤmen zu ſehen; je laͤnger er bei ihnen verweilt, deſto mehr wird er ſtaunen muͤſſen über das Wachſen der Menge, doch aber eigentlich nur am ſpaͤten Abend oder des Morgens, bald nach Anbruch des Tages, oder kurz vor Sonnenaufgang, alle bei— ſammen ſehen, welche zu dieſem Verein gehoͤren und hier erſt den richtigen Begriff von der dazu gehoͤrigen Anzahl bekommen. Daß ſie haͤufig ihre Neſter verwechſeln, iſt nicht unwahrſcheinlich, daß es aber von Einzeln, ſowol beim Legen und Bruͤten, oͤfter geſchieht, iſt gewiß; man hat es an Voͤgeln, die der Zufall an den Schwanz— oder Schwingfedern gezeichnet hatte, mehrfach wahrgenommen; und daher kommt es auch, daß manchmal 4 oder gar 5 Eier in einem Neſte gefunden wurden. Die Ueberzaͤhligen waren gewiß von Weib— chen, die, als das reife Ei ſie zum Legen draͤngte, ihr Neſt ſchon von einem andern beſetzt fanden und dann in das erſte beſte, in dem Augenblicke unbeſetzte, ſich ihrer Buͤrde entledigten. Das Be— bruͤten der Eier ſoll 3 Wochen dauern; nur an den Orten, wo die Eier planmaͤßig eingeſammelt werden, iſt dies, bei hinlaͤnglicher Aufmerkſamkeit des Sammlers, zu beobachten. Die ausgeſchluͤpften Jungen bleiben nur wenige Tage auf dem Neſtplatze, vereinzeln ſich bald in den Umgebungen, verſtecken ſich hinter Steine, Gras— buͤſchel, in Vertiefungen des Sandes u. dgl. und werden mit aͤngſt⸗ licher Sorgfalt von den Alten mit kleinen Fiſchchen aufgefuͤttert, was auch, wenn ſie ihnen ſchon fliegend folgen koͤnnen, wie bei den Schwalben, im Fluge geſchiehet, wobei die Empfaͤngerin viel 72 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfhwatbe. ſchreiet, um welche Zeit aber die früher piependen Toͤne ſchon in denen der Alten aͤhnliche ſich umgewandelt haben. Die Letztern haben dann volle Beſchaͤftigung und entfernen ſich mit jenen nach und nach immer weiter vom Niſtplatze, kehren jedoch Abends jederzeit, wenigſtens in deſſen Naͤhe zuruͤck; das enge Band, was den Ver— ein fruͤher zuſammenhielt, wird wol etwas ausgedehnt, aber nicht ganz aufgeloͤſet, bis ſich einzelne Abtheilungen auf die Wegreiſe be— geben, denen endlich der Haupttrupp folgt, u. ſ. w. Ihre Liebe zur Brut iſt ſehr groß, was ſchon zum Theil aus dem oben Geſagten und daraus hervorgeht, daß ſie die ihnen weg— genommenen Eier gegen 2 Wochen lang taͤglich durch friſchgelegte (in daſſelbe Neſt) erſetzen, wenn man ihnen auch nur hie und da ein ſogenanntes Neſtei liegen ließ, damit eine gaͤnzliche Entleerung des Platzes, nach dem Abſuchen, nicht einen zu ſehr ſchreckenden Eindruck auf ſie machen moͤge. Dieſe ſonſt ſo mißtrauiſchen, ſcheuen und vorſichtigen Voͤgel fuͤrchten die augenſcheinlichſte Gefahr nicht, wo ſich ihren Eiern oder Jungen ein fremdes Geſchoͤpf naͤhert; ſie gehen dem annahenden Feinde mit vereinigter Macht entgegen, grei— fen ihn mit allen ihnen zu Gebote ſtehenden Mitteln und mit Ber: achtung jeder Gefahr tollkuͤhn an, um ihn zu vertreiben, was ih— nen auch, ſelbſt bei groͤßerm Widerſtande ſtaͤrkerer Raͤuber, faſt im— mer gelingt. Niſtorte, wo ſie der Menſch ſchont, ſie ihrer Eier nicht zur Ungebuͤhr beraubt, ſie nicht mit unnoͤthigen Laͤrm oder gar mit vielem Schießen wiederholt beunruhigt, beziehen ſie alle Jahr wieder, in manchem augenſcheinlich in ſehr verſtaͤrkter, in an— dern auch wol in geringerer Anzahl, ohne daß man die Urſachen dieſes Wechſels kennt; aber ſolche Kolonien beſtehen auch ein Men— ſchenalter und länger bei dieſem Wechſel und dem der jaͤhrlichen Zu⸗ und Abreiſen. Den fluͤchtigſten Edelfalken muß die Vereinzelte zuweilen zur Beute dienen; find viele beiſammen, fo vereiteln fie fein Vor— haben durch heftiges Schreien und Umſchwirren, auch wol durch Schnabelſtoͤße, und ſogar der Seeadler weicht ihren vereinten tollkuͤhnen Anfaͤllen. Großen Meven und den Raubmeer— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand-Meerſchwalbe. 73 ſchwalben geht es nicht beſſer, wenn ſie ihnen Eier oder ein Junges wegkapern wollen und viele Alte dabei antreffen; zu Erſte— ren gelangen jene daher ſelten, von Letztern wird ihnen aber dennoch manches weggeſtohlen. Kraͤhen, Raben u. dergl. duͤrfen ſich ih— nen vollends nicht naͤhern. Das Abhalten der Feinde, was die Einzelne nicht vermoͤchte, wird der Menge leicht, und klar wird es uns dadurch, warum dieſe und ſehr viele andere Seevoͤgel in gro: ßen und ſo engen Vereinen beiſammen leben. Vor Pluͤnderung ihrer Neſter durch naͤchtliche Raubthiere ſchuͤtzt ſie gewoͤhnlich ſchon die Lage der Niſtplaͤtze. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten von eigner Art; in den Eingeweiden mehrere Wuͤrmer, nach dem Wiener Verzeichniß: Distomum denticulatum (auch in andern Arten der Gattung vorkommend), von Echinorrhynchus und Amphistomum aber ein paar neue, noch unbenannte Arten. Zu ihren groͤßten Feinden gehoͤrt der Menſch, weil er ihre Eier wohlſchmeckend und nahrhaft findet, fie ihnen deshalb raubt und wo er dies ohne Plan thut, ihnen gewaltigen Schaden zufuͤgt, indem die Voͤgel durch wiederholtes Legen endlich ganz erſchoͤpft und un— faͤhig werden in dieſem Jahre Junge zu erziehen u. ſ. w. Das Waſſer, ihnen ſonſt unentbehrlich und zur Erhaltung durch— aus nothwendig, zeigt ſich ihnen auf einer andern Seite auch oft als maͤchtiger Feind; ungewoͤhnlich hohe Springfluthen waͤlzen bei Sturm ihre Wogen zuweilen uͤber die niedrigen Inſeln und ſogenannten Hallige, häufig die Bruͤteplaͤtze auch vieler anderer Seevoͤgel, hin: weg, reißen Alles mit ſich fort und Tauſende von Eiern oder Jun— gen finden in den Fluthen ihren Untergang. Niſten dieſe Meer— ſchwalben auf einer bloßen und wie oft nur flachen Sandbank, ſo ſind ſie jenem Ungluͤck noch oͤfter ausgeſetzt, da bei jedem ho— hen Wogengange die auf das Land rollenden Wellen etwas Aehn— liches, doch nicht in ſo großen Umfange, anrichten. Der großen Kolonie auf dem Nordende von Sylt“) war, Tags vorher, als ich ſie ſahe, das naͤmliche Ungluͤck wiederfahren und alle Eier weg— geſchwemmt worden. ) Eine treu nach der Natur entworfene Abbildung dieſer Kolonie, nebſt der be— nachbarten von St. caspia, gab ich in meiner Schrift: Uiber den Haushalt der nordiſchen Seevögel Europa's; Leipzig; Ernſt Fleiſcher, 1824. 9 74 VIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand: Meerfchwalbe. Jan Da ſie außerordentlich mißtrauiſch und vorſichtig ſind, ſo gluͤckt es, da wo fie nicht heimiſch find, ſelten, einen dieſer flüchtigen Wo: gel zu ſchießen, wenn ſich der Schuͤtze nicht in einem Hinterhalte befindet. Plattes Niederlegen auf die Erde iſt ſchon beſſer als auf— rechtes Sitzen oder freies Stehen. Selten gluͤckt es, durch ein hin— geworfenes weißes Tuch oder Stuͤck Papier ihre Neugier zu wecken und ſie in die Schußnaͤhe zu ziehen, was bei allen kleinern Arten der Gattung mit vielem Gluͤck anzuwenden iſt. Auch haben ſie die Gewohnheit mit andern Meer- und Seeſchwalben gemein, daß ſie über einen gefangenen und geſchoſſenen Kameraden herumflattern, ihn zu beklagen ſcheinen, aber auch, weil ſich gewoͤhnlich mehrere um ihn verfammeln, jenen tuͤchtig mit ihrem Unrath befleren. Bei ſolcher Gelegenheit kann man oft mehrere nach einander herabſchie— ßen. — Am ſicherſten erlegt man ſie aus einem, wenn auch nur duͤrftigen Hinterhalt, z. B. in einer nur maͤßigen Vertiefung des Bodens liegend, auf einer ihrer Heerſtraßen vom gemeinſchaftlichen Niſtorte nach entfernten Fiſchplaͤtzen, weil jene den Tag uͤber von hin und her fliegenden Voͤgeln nicht leer werden, und ſie auf ſol— chen, wenigſtens ſtellenweiſe, nicht ſehr hoch ſtreichen. Eine ſolche Luftbahn führte einſt von Norderoog*) nach der Kuͤſte des Eider— ſtedt uͤber das Eiland Suͤderoog hinweg, wo ich mich gerade befand, und am richtigen Plaͤtzchen angeſtellt, am 31ſten Mai 1819, in einer Stunde ein Dutzend dieſer Meerſchwalben erlegte und wenn ein nuͤtzlicher Zweck damit zu verbinden geweſen waͤre, ein wahres Blutbad unter ihnen haͤtte anrichten koͤnnen. An ihren gemeinſchaftlichen Bruͤteplaͤtzen iſt freilich Alles ganz anders. Wollte man da ſchießen, ſo wuͤrde ein einziger gut ange— brachter Schuß leicht mehrere zugleich aus der Luft herabſchmettern. Wo aber ſtreng auf Ordnung gehalten wird, iſt das Schießen da— ſelbſt nicht erlaubt, auch nicht in der Naͤhe, und das mit Recht, zumal es andere, mit keinem Laͤrm verknuͤpfte Mittel giebt, ihrer dort habhaft zu werden. Wie alle andern Voͤgel fuͤrchten auch ſie ») Gerade heute vor 20 Jahren und zur nämlichen Stunde, als ich dies aus meinen Notizen hier eintrage. Sonderbarer Zufall!! — — VIII. Gatt. LXXVII. Ord n. 280. Brand-Meerſchwalbe. 75 hauptſaͤchlich den Menſchen, welcher feinen Blick ſcharf und unver: wandt auf ſie richtet, ohne Vergleich, weit mehr als den, welcher ſich ſtellt, als bemerke er ſie gar nicht. Geht man daher, wie der Eierſammler, langſam, bedaͤchtig, mit unverwandt auf den Erdboden gerichteten Blick zwiſchen den Neſtern herum, ſo umflattern einem dieſe weißen Geſtalten bald in ſo dichten Maſſen und in ſolcher Naͤhe, daß das ploͤtzliche und kraͤftige Umſichwerfen eines etwas langen und gewichtigen Stockes mehr als eins dieſer kecken Geſchoͤpfe wo nicht todt doch, und gewoͤhnlicher, mit zerſchmettertem Fluͤgel herabreißt. In der kuͤrzeſten Zeit und ohne beſchwerliche Vorrichtungen, iſt der Sammelnde auf dieſe Weiſe im Stande, ſich mit fo vielen herrli— chen Brandmeerſchwalben zu verſehen als er zu haben wuͤnſcht ). Fangen kann man ſie ſehr leicht in Schlingen, die man um das Neſt legt, aber man muß bald bei der Hand ſein, weil, wenn die Gefangene zappelt und ſchreiet, ſich eine Menge anderer ver: ſammelt, dicht über fie herumflattert und fie zu beklagen ſcheint, aber dabei ſo viel Unrath auf ſie herabfallen laͤßt und damit ſo ſehr beſchmutzt, daß ſie zum Abbaͤlgen untauglich werden, indem der gruͤnlich gemiſchte Koth wie eine Beige in das zarte Gefieder eindringt und ſich nicht wieder herauswaſchen laͤßt. Rau Bu en. Ihr Fleiſch wird, gleich dem andrer Meerſchwalben, nicht für eßbar gehalten, obgleich das der Jungen nicht übel ſchmecken mag. Deſto mehr ſchaͤtzt man die Eier, welche wirklich ſehr wohlſchmek— kend ſind, ein zartes Eiweiß, — gekocht viel zarter als Huͤhnereier, aber auch wieder nicht ſo gallertartig zart als Kibitzeier, — und ei— nen hoch orangegelben Dotter haben. Ich habe fie auch ſehr de— licat, und Nichts von dem meerſalzigen Beigeſchmack an ihnen ge— funden, welcher die Eier der großen Meven vielen Perſonen — e) Mein Freund und Reiſegefährte, der ältere von Wöldicke, war ein Jahr frü⸗ her ſchon ein Mal auf Norderoog, durfte auch nicht ſchießen, hatte auch keinen an dern Stock als den Ladeſtock feiner etwas langen Flinte, mit dem er, wenn ihn die Vögel zu oft mit den Flügeln berührten, kräftig um ſich hieb, und auf dieſe einfache Weiſe ebenfalls bald ſo viel erhielt, als er bedurfte. 76 VIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 280. Brand⸗Meerſchwalbe. widerlich macht. Sie haben einen reinen Eiergeſchmack, uͤbertreffen die der Raubmeerſchwalbe um Vieles, und ſind die beſten aller von mir verſuchten Seevoͤgeleier. Man weiß dieß auch in jenen Gegenden, ſucht und kauft ſie gern, weil ſie gewoͤhnlich nicht ſo theuer als Huͤhnereier ſind. Auf den von mir geſehenen Inſeln wird beim Aufſuchen der Eier nicht nach Willkuͤhr verfahren, denn nur einer Perſon, gewoͤhn— lich dem Strandvoigt (einer Art niederer Beamten), iſt das Eigen- thumsrecht auf eine ſolche Voͤgelkolonie zugeſtanden, und eine ſo große, wie die auf Norderoog, giebt ein nicht unbedeutendes Ein— kommen. Der Inhaber, mit ſeiner Familie, ſchwelgt alle Jahr eine Zeit lang im Genuſſe von Speiſen, wozu dieſe Eier, die zu jedem Gebrauche der Kuͤche taugen, den Grundſtoff geben; aber die große Mehrzahl wird zu vielen Tauſenden in Koͤrbe verpackt, zu Schiffe in große und volkreiche Staͤdte verſendet, dort gern gekauft und gut bezahlt. Er haͤlt aber auch ſtreng auf Ordnung, damit ſeine Voͤgel nicht geſtoͤrt werden, laͤßt durch ſeine Leute taͤglich die Eier aufſuchen, oder verrichtet dieſes ſelbſt, wobei ebenfalls alles unnoͤ— thige Laͤrmen vermieden, auch ſonſt darauf gehalten wird, daß Nie— mand zu andern Tagszeiten die Voͤgel beunruhige. Da wol die meiſten uͤber Nacht legen, ſo wird das Einſammeln der Eier meiſtens Vormittags verrichtet, nicht gleich in der erſten Zeit, wenn die Voͤ— gel mit Legen beginnen, damit angefangen, ſondern erſt dann, wenn wenigſtens die Helfte der Neſter Eier enthält; dann werden nicht alle hinweggenommen, ſondern hie und da ein Einzelnes liegen ge— laſſen, und ungefaͤhr 2 Wochen (auch nach Umſtaͤnden etwas laͤn— ger) fo fortgefahren, doch in den letzten Tagen dieſes Zeitlaufs in jedem Neſte ein Ei gelaſſen, bis man merkt, daß viele Weibchen das Legen uͤberdruͤſſig werden; jetzt hoͤrt das Einſammeln der Eier ganz auf, die Voͤgel koͤnnen nun ihre zuletzt gelegten ruhig ausbruͤ— ten, erziehn ungeſtoͤrt ihre Jungen und man darf verſichert ſein, daß ſo ſchonend behandelte Meerſchwalbenvereine im naͤchſten und alle Jahr wiederkehren. Eine gleiche Anordnung zur Benutzung der Eier dieſer Voͤgel ſoll auch auf ſaͤmmtlichen Inſeln der deutſchen und hollaͤndi— ſchen Nordſeekuͤſte Statt finden, wo von letztern Eierland wol eine der eintraͤglichſten ſein mag. ' Es giebt Voͤgelkolonien, die alle Jahr, eins in das andere ge: rechnet, weit uͤber 100 Thlr. Gewinn abwerfen. XIII. Dron. LXXVII. Gatt. 250. Brand⸗Meerſch walbe. 77 Sich Keinen Strandbewohner, ſelbſt keinen Fiſcher hoͤrte ich, welcher ihnen die kleinen Fiſche beneidet haͤtte, obgleich ſolche in großer Menge von ihnen vertilgt werden, weil das Meer, namentlich an den Aufenthaltsorten dieſer Meerſchwalben, buchſtaͤblich von Fiſch— brut wimmelt, und kleine Fiſche dort gar nicht beachtet werden, zumal folche, welche niemals groß werden, wie Stichlinge u. a. u. 281. Die Dougalls-Meerſchwalbe. Sterna Dougalli. Montagu. Fig. 1. Altes Maͤnnchen im Sommerkleide. ö 2 Taf. 251. Fig. 2. Jugendkleid. Die Dougallſche Meer- oder Seeſchwalbe; Paradiesmeerſchwalbe. Stern Dougalli (Roseate Tern). Montagu, Ornith. Dietionary, Suppl. — Selby, Verzeichn. d. V. auf den Farninſeln sc. ſ. Isis. 1830. Heft X. — Jenyns, Man. of brit. Vertebr. — Sterna paradisea. Brünnich, Ornich. bor p. 46. — Hiron- delle de mer Dougall. Temm. Man. 2 edit, II. p. 738. — Rondine di mare Zampe-gialle Savi, Oru. tosc. III. p. 93. —= Meyer, Zuſ. z. Taſchenb. (III.) S. 187. —= Brehm, Beitr. III. S. 673. —= Deſſen Lehrb. II. S. 656. — Deſſen Naturg. a. V. Deutſchtl. S. 779. — Hornſchuch u. Schilling, Verzeich. Pommerſcher Vög. S. 23. u. 203. Kennzeichen d ert. Der ſehr ſchlanke Schnabel ſchwarz; die ſtarken Fuͤße gelbroth; der Lauf ſo lang als die Mittelzeh ohne Nagel; der gegabelte Schwanz mit ſo langen ſchmalſpitzen Spießen, daß dieſe einige Zoll uͤber die Spitzen der ruhenden Fluͤgel hinaus ragen. Der junge Vogel mit ſehr breit ſchwarz gefaͤrbten Nacken und ungefleckten Schwanzfedern. \ XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. 79 Be ſ ch rei b ung Dieſe Meerſchwalbe iſt wol eine der ſchlankeſten ihrer Gattung. Ihres ſehr geſtreckten Schnabels wegen, welcher an alten Voͤgeln auch ganz ſchwarz iſt, ſchließt ſie ſich an die kentiſche oder Brand⸗Meerſchwalbe, ihrer gelbrothen Füße und ihres tiefge— gabelten Schwanzes wegen an die rothfuͤßigen Meerſchwalben an. Sie hat die laͤngſten Schwanzſpieße von allen und ihre ganze Figur erhaͤlt dadurch ein noch ſchlankeres Ausſehen als ſie ohnedem haben wuͤrde. Wer ſo weit gehen wollte, wie manche neuere Syſtemmacher gethan haben, die kentiſche oder Brand-Meerſchwalbe zu einer eignen Gattung zu erheben, muͤßte auch fuͤr gegenwaͤrtige Art eine ſolche aufſtellen, denn ſie bildet zwiſchen jener und den rothfuͤßigen einen fo intereſſanten Uibergang, oder ſteht fo im Mittel zwiſchen beiden, daß ſie, ſo ſtreng genommen, keiner andern angereihet werden duͤrfte. Aber gerade ſolche Uibergangsformen wei— ſen darauf hin, daß man Gattungen nicht zerſplittern ſollte, worin ſolche Arten gerade fuͤr ein Beiſammenbleiben ſo deutlich ſprechen, wie auch noch andere in der Meerſchwalbengattung. Es wuͤrde zu weit fuͤhren, den Begriff von Gattung dahin auszudehnen; die Zahl derſelben wuͤrde dann faſt der der Arten gleichkommen und dies das Studium der Ornithologie gewiß nicht erleichtern. Unſere Dougalls-Meerſchwalbe ift im Prachtkleide mit einer andern nicht zu verwechſeln; ſchon die verſchiedene Faͤrbung des Schnabels und der Fuͤße findet ſich bei keiner ſo. Schwerer unter— ſcheidet fie fih im Jugendkleide von den Jungen der naͤchſtfol— genden Arten, wo ſie bloß die ſchwaͤchere Wellenzeichnung des Mantels, das einen viel groͤßern und breitern Raum einneh— mende Schwarz des Nackens, endlich auch der ſchwaͤchere oder ſchlankere, duͤnner zugeſpitzte Schnabel unterſcheiden, wenn man jene mit ihr nebeneinander ſtellen kann. Sie iſt bedeutend kleiner als Sterna hirundo oder St. macroura, obgleich in den Ausmeſſungen ihnen gleich; dies wegen der langen Extremitaͤten bei einem viel ſchlankern Körperbau und deſſen weit geringern Volumens. Eine St. hirundo, fuͤr ſich allein geſehen ein ſchoͤn geſtalteter und unbedingt ſchlank zu nennender Vogel, ſieht daher neben der ungemein zierlichen St. Dougalli wahrhaft noch plump aus; auch der Schnabel der letztgenannten iſt viel ſchlanker. Dagegen bietet ſich dem Auge ein anderes Verhaͤltniß in den Fuͤßen; 80 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. denn dieſe find nach allen Theilen größer als bei St. hirundo. —. Schnabel und Kopf ſind im verjuͤngten Maaßſtabe ganz die der St. cantiaca, aber von St. hirundo wie von St. macroura ſehr verſchieden. Der alte Vogel mißt von der Stirn bis an das Ende der Schwanzſpieße 15 Zoll, wovon aber der Schwanz allein die Hälfte wegnimmt; feine Flugbreite iſt 30 Zoll; die Länge des Flügels vom Bug bis zur Spitze 10 Zoll; der Schwanz auſſen 75 Zoll an den Mittelfedern nur 3 Zoll lang, wobei in ruhender Stellung die Fluͤ— gel ſich uͤber dieſen tiefen Ausſchnitt kreutzen, mit den Spitzen aber noch 2: Zoll vom Ende eines der Schwanzſpieße entfernt bleiben. Der erwachſene junge Vogel iſt wegen der noch kurzen Schwanz gabel nur 103 Zoll lang und ungefähr 26 Zoll breit; der Schwanz iſt an ſolchen nur 11 Zoll tief ausgeſchnitten, einer der Schwanz: ſpieße alſo noch gegen 4 Zoll kuͤrzer als bei den Alten. Das Gefieder iſt wie bei den andern Arten der aͤchten Meer— ſchwalben, dichter und zarter als bei St. hirundo und hierin wie uͤber— haupt dem der St. cantiaca am aͤhnlichſten, auch die Schwingfedern, mit ihren ſtarken, etwas ſaͤbelfoͤrmig gebogenen Schaͤften und ihrem ſehr ſtarken, dem ſchuppenartigen Staube auf Schmetterlingsfluͤgeln (beſonders Nachtfaltern) aͤhnlichen Uiberzug auf den Bartſtrahlen der Auſſenfahnen und Enden. Die vorderſte Primarſchwingfeder iſt die laͤngſte von allen und 4 Zoll länger als die zweite. Der Schwanz iſt tiefer ausgeſchnitten als bei irgend einer Art der Gattung, die Mittelfedern zugerundet, die naͤchſten ſchief zugeſpitzt, ihre Spitze nach auſſen immer ſchmaͤler und laͤnger, die aͤußerſte Feder endlich ſchon vom erſten Drittheil an allmaͤhlich ſchmaͤler und zuletzt in eine faſt nadelfoͤrmige Spitze auslaufend, die oft durch das Abreiben der Baͤrte an der nun nackten Spitze ihres haarduͤnnen Schaftes voͤllig wie die zarteſte Nadel endet; bei keiner verwandten Art ſind ſie ſo ſchlank und duͤnn zugeſpitzt als hier. Der ſehr geſtreckte Schnabel hat faſt ganz die Geſtalt des der kentiſchen Meerſchwalbe; von der Seite geſehen beſchreibt die Firſte einen ſanften, aͤußerſt ſchwachen Bogen, der Kiel hat in der Mitte der Schnabellaͤnge, wo die ſehr ſchmale Kielſpalte aufhoͤrt, ein ganz ſtumpfes Eck und ſteigt von dieſem in gerader Linie allmaͤhlig zur nadelfoͤrmigen Spitze des Unterſchnabels auf, die nur ein Wenig kuͤrzer als die bis vorn ausgehoͤhlte, daher ſtumpfer ausſehende, des Oberſchnabels iſt. Er iſt ſehr ſchmal und außerordentlich zuſammen— gedruͤckt, ſeine Seitenflaͤchen nicht eben; denn am Oberſchnabel laͤuft oben nahe der Firſte und mit ihr parallel ein ganz ſeichtes Niefchen XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 31. Dougall3:Meerfhw. 81 bis in die Naͤhe der Spitze, desgleichen von der Naſenhoͤhle eine Vertiefung ſchraͤg nach vorn gegen die Schneide, am Unterſchnabel eine andere von der untern Kante, weit hinten anfangend, ſchraͤg nach vorn; die ſcharfen Schneiden beider Theile ſind auf eine be— ſondere Weiſe ſo eingezogen, daß die eingebogene Flaͤche, der Laͤnge nach, vom Uibrigen in einer, freilich aͤußerſt ſchwachen Kante ſich ſondert, etwa wie die Facette am Rande eines geſchliffenen Spiegel: glaſes; die des Oberſchnabels greift etwas uͤber die des untern, wes— halb der Unterſchnabel inwendig außerordentlich ſchmal iſt; der Ra— chen tief geſpalten und die Mundraͤnder vor dem Winkel etwas ge— ſchweift, nach vorn, als Schnabelſchneiden, durchgehends faſt gerade oder kaum ein Wenig gebogen. Der Hornuͤberzug des Schnabels ſieht aus wie Fiſchbein. Das Naſenloch iſt laͤnglich, weiter als bei vielen andern, an den Enden gerundet, durchſichtig, 27 Linien lang und von den Stirnfedern 12 Linien entfernt. Er iſt von der Spitze bis an die Stirnfedern 1 Zoll 6 bis 62 8 Linien lang, an der Wurzel im Durchſchnitt 3 Linien hoch und hier nur gute 2 Linien, unfern der Spitze aber noch nicht 1 Linie breit; bei erwachſenen Jungen iſt er nur 1 Zoll lang. An den Alten iſt der Schnabel ganz ſchwarz, fiſchbeinartig glaͤnzend, die Mundwinkel gelbroth. An manchen Exemplaren zieht die ſchwarze Farbe an der Wurzel der Unterkinnlade ins Lichte und ein Wenig ins Roͤthliche; bei den erwachſenen Jungen iſt er braun: ſchwarz, an der Unterkinnlade wurzelwaͤrts fleiſchroͤthlich, hier im getrockneten Zuſtande licht hornfarbig. Das mittelgroße Auge hat eine tief braune Iris und befie— derte Lider. g Die Fuͤße ſind klein, als Meerſchwalbenfuͤße aber mittelmaͤßig zu nennen, ſtaͤrker, an den Laͤufen hoͤher, an den Zehen laͤnger als die von St. hirundo, was Alles der geringern Koͤrpergroͤße und ſchlankern Leibesgeſtalt wegen nur bei den Alten auffaͤllt, wenn man beide Arten gegen einander haͤlt. Die Nacktheit uͤber der ſehr ſtar— ken Ferſe iſt nicht ſehr groß, der robuſte Lauf von der Laͤnge der Mittelzeh (ohne Kralle), auch die Zehen nicht ſchwaͤchlich, die hin— tere ſehr kurz und nur etwas hoͤher geſtellt; die Schwimmhaͤute zwiſchen der aͤußern und mittlern Vorderzeh gar nicht, zwiſchen die— ſer und der innern kaum bemerklich ausgeſchnitten; der Uiberzug der Beine zart, vorn auf dem Spann mit einer Reihe ziemlich großer, im Uibrigen mit ganz kleinen, auf den Zehenruͤcken mit ſchmalen Schildern belegt, die Schwimmhaͤute aͤußerſt fein gegittert, die Zehen⸗ 10r Theil. 6 82 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. ſohlen ſehr fein und flach warzig. Die Krallen find klein, die mit: telſte die anſehnlichſte, mit einer vorſtehenden Schneide auf der Seite nach innen, uͤbrigens alle mittelmaͤßig gekruͤmmt und ſehr ſpitz. Der Unterſchenkel iſt 3 bis 4 Linien hoch nackt; der Lauf 10 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 3% Linien langen Kralle, 11 bis 12 Linien, die Hinterzeh, mit der ſehr kleinen Kralle nur etwas uͤber 2 Linien lang. — An einer voͤllig flugbaren Jungen waren die Maaße folgende: Die Nacktheit der Tibia nicht volle 3 Linien, die Tarſe noch nicht 9 Linien, die Mittelzeh, mit der kaum 3 Linien langen Kralle, gegen 10 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt bei den Alten im Leben ein ungemein ſchoͤnes Gelbroth oder Rothgelb, das im Tode zwar ſehr veraͤndert erſcheint, ſich jedoch auch ausgetrocknet noch errathen laͤßt, die der Krallen ſchwarz; bei Jungen ſehr gelbliche Fleiſchfarbe, dieſe braun⸗ ſchwarz, erſtere im getrockneten Zuſtande duͤſter grauröthlich. Von den allererſten Staͤnden dieſer Art iſt nichts bekannt. Der völlig flugbare junge Vogel“) ſieht, wie ſchon bemerkt, denen der beiden folgenden Arten ſehr aͤhnlich. Die Stirn iſt weiß, etwas truͤbe, und dies Weiß ziehet ſich bis auf die Mitte des Schei— tels, wo es noch mehr braͤunlich uͤberlaufen und uͤbrigens grau— ſchwarz gefleckt iſt, auf dem Hinterſcheitel aber allmaͤhlig ganz vom Schwarz verdraͤngt wird; an den Zuͤgeln ſtehen ſchwarze Stippchen, vor und unter dem Auge ein großer ſchwarzer Fleck; das ganze Hin: terhaupt, nebſt Genick und Nacken, unter den Schlaͤfen bis beinahe uͤber die ganzen Wangen (oder mehr als die ganze Ohrdecke) und uͤber einen Theil der Halsſeiten ausgedehnt, iſt Alles ſchwarz, die ſchwarze Nackenkappe hat daher eine Breite, wie bei keiner der nahe ſtehenden Arten, und endet hinten auf der untern Halswurzel in einem großen Halbkreiſe. — Der ganze Mantel iſt licht blaͤulich— aſchgrau, mit undeutlichen gelblichweißen Kanten an den Enden der Federn und vor dieſen, an denen des Oberruͤckens und der Schultern, mit einem ſchmutzigbraunen, gebogenen Querſtreif, welcher undeutlich, wie drauf geſpritzt und wieder verwiſcht, ausſieht, wodurch eine ſehr ſchwach gewellte Zeichnung entſteht, von welcher aber auf dem Oberfluͤgel, wie auf dem Unterruͤcken, nichts bleibt als die weißlichen Endkanten; längs dem Unterarm, der obern weißen Fluͤgelkante ) Nach einem Exemplar in der ſonſt Ploſſiſchen, jetzt dem academiſchen Mu⸗ ſeum zu Leipzig einverleibten Sammlung, geſchoſſen am 10. Ditober 1819 an der Küſte von Norfolk in England. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. 83 parallel, zieht ſich ein dunkelgrauer Schatten quer uͤber den Ober⸗ fluͤgel; von den letzten Schwingfedern, welche ſehr große weiße Endkanten haben, ſind einige ſtaͤrker mit Braun gezeichnet als die naͤchſten Schulterfedern; die Sekundarſchwingfedern faſt ganz weiß und viel weniger grau als bei den Jungen der beiden folgenden Arten; die Fittichdeckfedern dunkelaſchgrau, mit hellern Endkanten; die großen Schwingen aſchgrau, nach innen und an den Spitzen dunkler, an den laͤngſten in ſchwarzgraue Spitzen uͤbergehend, die der kuͤrzern aber aber breit weiß gekantet, die Auſſenfahne der vor— derſten Schwingfeder ſchwarz, die Schaͤfte aller weiß, die Innen⸗ fahnen aller, ſo weit ſie verdeckt ſind, weiß, bloß laͤngs dem Schaft ein ſchmaler Streif ſchwarzgrau, das an den kuͤrzern in Aſch— grau uͤbergeht; die Unterſeite der Fluͤgel weiß, an den Spitzen ſil⸗ bergrau. Der Schwanz iſt weiß, ſeine Federn nach auſſen laͤngs der Kante graulich angeflogen, das an den drei aͤußerſten immer ſtaͤrker, an der vorletzten zu einer dunkelgrauen, an den alleraͤußer⸗ ſten zu einer voͤllig grauſchwarzen Auſſenfahne wird, waͤhrend ſaͤmmt⸗ liche Innenfahnen und Schaͤfte allein rein weiß ſind; von unten iſt der Schwanz weiß mit grauem Auſſenſaum. Alle untern Theile, vom Kinn bis zum Schwanz, auch der Buͤrzel und die obere Schwanzdecke, find rein weiß. — Zu den ſchon oben angegebenen Unterſcheidungszeichen der Jungen dieſer Art, von denen der beiden folgenden, kann man die noch faſt ganz weißen Schwingfedern zweiter Ordnung, vorzuͤglich aber den Mangel brauner oder dunkler Mondflecke vor den Spitzen der Schwanzfedern zaͤhlen. Das Winterkleid iſt noch nirgends beſchrieben und auch mir nie zu Geſicht gekommen. Duͤrfte man analogiſch folgern, ſo moͤchte es nur dem der kentiſchen Meerſchwalbe gleichen, alſo einen wei— ßen Vorderkopf, einen fein ſchwarz gefleckten Hinterſcheitel und Ge— nick haben, im Uibrigen aber dem Sommerkleide aͤhneln. Das Sommerkleid des alten Vogels dieſer ſchlanken, zier— lichen Art iſt eben ſo einfach gezeichnet als das anderer Arten dieſer Familie, aber darum nicht minder angenehm in die Augen fallend. Stirn, Oberkopf, Genick und Nacken ſind tief atlaßſchwarz, und die Grenze dieſer, hinten bis faſt auf die untere Halswurzel hinabreichenden, am Nacken ſehr lange ſchmale Federn tragenden, ſchwarzen Kopfplatte, ſchneidet den Zuͤgel vom Schnabel zum Auge in der Mitte ſcharf durch, faͤrbt auch noch das untere Augenlid, zieht zwiſchen Schlaͤfen und Ohr, dann auf dem Hinterhals hinab, wo ſie wenig ſchmaͤler wird, und ſchließt endlich u abgerundet 84 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 231. Dougalls-Meerſchw. als ſpitzig. Unter ihr iſt noch ein Stuͤck vom Hinterhals, die gan— zen Seiten deſſelben und des Kopfes, die Kehle, der Vorderhals, die Bruſt und alle untern Theile, nebſt dem Buͤrzel und der obern Schwanzdecke blendend weiß, an der Untergurgel, dem Kropf und der ganzen Bruſt mit einem ungemein lieblichen roſenfarbenen Schein, welcher am friſchen Gefieder noch ſtaͤrker ſein mag. Der Mantel, d. i. Ober- und Unterruͤcken Schultern, Fluͤgeldeckfedern und die zweite Ordnung Schwingfedern, ſehr blaß und ungemein zart hell blaͤulichaſchgrau, kaum ſtaͤrker aufgetragen als bei St. can- tiaca, die letztern und die laͤngſten Schulterfedern mit in Weiß über: gehenden Endkanten; die Schwingen erſter Ordnung aſchgrau, die kuͤrzeſten am lichteſten, die laͤngern aber dunkler, nach und nach grauſchwarz, hellaſchgrau bepudert, nur die Auſſenfahne der erſten nicht, ſondern voͤllig ſchwarz, nur ſpitzewaͤrts grauer; die Schaͤfte, ſo wie eine Endkante, die auf der breiten Fahne hinter— waͤrts ſehr breit wird, an allen weiß; die Innenfahnen der drei vorderſten weiß, längs den Schaͤften mit einem ſchwarzgrauen, wur: zelwaͤrts ſchwarzen, aber auch ſchmaͤlern und ſpitz anfangenden Streif, welcher auf den folgenden grauer und breiter wird und an den kuͤrze— ſten erſter Ordnung in eine hellaſchgraue Fahne mit weißer Innen— kante uͤbergeht. Der Fluͤgelrand und ganze Unterfluͤgel ſind weiß, an den großen Schwingfedern mit den, als glaͤnzendes Grau, von oben durchſchimmernden Laͤngeſtreifen der Innenfahnen. Der Schwanz iſt weiß, aber nicht rein, dies find nur die mittelſten und alle En: den der Federn, die Auſſenfahnen der uͤbrigen Federn haben einen ganz ſchwachen blaͤulichgrauen Anflug; *) auf der untern Seite iſt er rein weiß. Ob die Mauſer, wie zu vermuthen ſteht, auf dieſelbe Weiſe und in der naͤmlichen Zeit Statt finde, wie bei andern Meerſchwal— ben, iſt nicht beobachtet. Bei den Jungen mag die erſte Herbſt— mauſer auch wol etwas ſpaͤt vor ſich gehen, weil an einem am J0ten Oktober erlegten ſich noch keine Spur davon zeigt. fe ue Dieſe Meerſchwalbe iſt erſt in neuern Zeiten aufgefunden wor— den, an den Kuͤſten Englands und Schottlands, an denen der \ 9 Dhne Zweifel iſt dieſer Anflug an friſchem Gefieder des Winterkleides, fo wie auch die Farbe des Mantels, ſtärker aufgetragen, wie man es bei andern ähnlich gefärbten Arten ebenfalls findet. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. 85 Picardie und an einigen von Norwegen ?). Sie ſoll an meh: reren Kuͤſten des Weltmeers vorkommen, ohne daß die Namen der Laͤnder angegeben ſind. Auf der Schleimuͤndung vor Schleswig wurde ſie ein Mal (1820) geſehen, und ich traf ein Jahr zuvor zwei Paͤaͤrchen auf Amrom, einer der Inſeln unfern der Weſtkuͤſte des Herzogthums Schleswig an und war, obgleich keine erlegt wurde, feſt uͤberzeugt, daß ich nur dieſe und keine andere Art vor mir hatte. An der deutſchen Kuͤſte der Oſtſee ſcheint ſie hoͤchſt ſelten, an der der Nordſee aber zuweilen vorzukommen. Am Strande des Mittelmeeres mag ſie auch ſehr ſelten ſein, doch wurde bei Genua eine geſchoſſen. Nur an einigen Orten der engliſchen und ſchotti— ſchen Kuͤſte iſt ſie in zahlreichen Vereinen beobachtet, weniger zahl— reich an der franzoͤſiſchen, an allen übrigen nur paarweiſe und einzeln. Auf den Farninſeln, einer Gruppe ganz kleiner Inſeln, an der Nordkuͤſte von Northumberland, ohnweit Bamborough, traf ſie Selby (a. a. O.) haͤufig an, ſagt aber, daß ſie es dort fruͤ— her nicht geweſen und ſich erſt ſeit 14 Jahren fo anſehnlich ver: mehrt habe. Sie wandert zu derſelben Zeit und oft auch mit andern Meer: ſchwalben, iſt ganz Seevogel und im Innern der Laͤnder, an ſuͤßen Gewaͤſſern, bis jetzt nicht vorgekommen. Es wird geſagt, daß ſie ihren Aufenthalt gewoͤhnlich auch da habe, wo andere Meerſchwal— ben wohnen; ich habe es, doch vielleicht bloß zufaͤllig, nicht ſo ge— funden. Auf der Inſel Amrom bewohnten die von mir geſehenen beiden Paare eine duͤrre, ſandige, mit Haidekraut, Rauſchbeern (Empetrum) und halbduͤrren Sandhafer (Carex arenaria) ſtellen⸗ weiſe mehr oder weniger dicht beſetzte, etwas erhoͤhete Flaͤche, gleich hinter den hohen Dünen der Inſel; die Kuͤſtenmeerſch walbe ſahe ich dagegen nicht da, uͤberhaupt dort nur ſehr einzeln, auf einer friſchen Raſenflaͤche in der Nähe des Waſſers; jene weit von dieſem. Eigenſchaften. Die Dougalls⸗Meerſchwalbe iſt ein ungemein zarter, ſchlanker, ſehr lieblicher Vogel und wol die ſchoͤnſte unter den europaͤiſchen Arten dieſer Gattung. Ihre ſchlankere Geſtalt, die ſchmaͤlern Fluͤ— ) Von Norwegen fol es ſich in neuern Zeiten nicht beſtätigt Haben. 86 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. gel und der längere Gabelſchwanz, mit feinen außerordentlich langen Spießen, machen ſie ſogleich kenntlich und unterſcheiden ſie von allen mir bekannten Arten, ſchon in bedeutender Ferne. Sie ähnelt im Fluge einem Tropikvogel (Phaeton), bewegt ſich luftig und leicht und ſoll darin viel Eigenthuͤmliches entwickeln. Ich ſahe ſie bloß im hohen Fluge ſchweben, kreiſen und mit lang— ſamen Fluͤgelſchwingungen hin und her ſtreichen, worin ſie der Kuͤ— ſten meerſchwalbe nicht unaͤhnlich war, wobei aber der auffallend laͤngere Schwanz wie ein angehaͤngtes duͤnnes Band ihr folgte. Daß ſie ſo geſellig wie faſt alle Meer- und Seeſchwalben ſei, wird von mehrern Seiten her verſichert. Die von mir Geſehenen ſchienen es im minderen Grade und machten ſich, wenigſtens am Bruͤteplatze, nichts mit St. macrura zu ſchaffen; andere waren nicht dort. Mit letzterer ſcheint ſie im Betragen die meiſte Aehnlichkeit zu haben, jedoch viel ſcheuer zu ſein, ſogar beim Neſte. Als ich mich dieſem naͤherte, erhoben ſie ſich kreiſend bald zu einer Hoͤhe, wo ſie vor dem Schuſſe ſicher waren. Die Stimme, welche ich von jenen hoͤrte, war ein ſchleppendes Krijaͤh oder Kreeäh, dem der Flußmeerſchwalbe am ähnliche ſten, von dem der aͤhnlichern Kuͤſtenmeerſchwalbe aber ſehr verſchie— den. Nach Selby ſoll ſie an der Stimme ſich ſehr von allen Arten unterſcheiden, hauptſaͤchlich durch ein rauhes Kraͤke (engl. crake), was ich nicht hoͤrte. Nahrung. Sie nährt ſich von kleinen Seefiſchen, die ſie, auf Art der an⸗ dern Meerſchwalben, ſich ſelbſt faͤngt. Fortpflan i Sie ſoll in ziemlich zahlreich beſetzten Vereinen fuͤr ſich allein oder auch in einzelnen Paaren zwiſchen andern Meerſchwalben ni— ſten, auf Felſen oder auf Sandboden, hier in kleinen ſelbſt bereite— ten Vertiefungen. Der Ort, wo ich jene beiden Paͤaͤrchen auf Amrom niſtend antraf, iſt oben ſchon beſchrieben. Ich fand nur das Neſt des ei— nen Paares und zwar an einem Plaͤtzchen, wo ich nie eins der SR meerſchwalbe geſucht haben würde, weil ich deren ſchon . XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Dougalls-Meerſchw. 87 Hunderte an Orten von hoͤchſt verſchiedener, aber doch ganz anderer Beſchaffenheit gefunden hatte. Der halbverdorrte Sandhafer ſtand auf dem Platze etwas dichter, in 8 bis 12 Zoll hohen Buͤſcheln, mit niedrigem Haidekraut und dergl. vermiſcht, und einer jener Buͤ— ſchel enthielt das Neſt; jener war in der Mitte tief eingedruͤckt, dieſe Vertiefung ziemlich gerundet und ſo ein Neſt gebildet, das kuͤnſtli— cher ausſahe, als die gewoͤhnlichen Meerſchwalbenneſter. Die Eier lagen alſo nicht unmittelbar auf dem Erdboden, ſondern die einge— druͤckten Haͤlmchen und Grasblaͤtter gaben ihnen eine, wenn auch nur duͤrftige, Unterlage. Die zwei Eier waren an Groͤße, Geſtalt und Farbe denen der Kuͤſten- und der Fluß meerſchwalbe zwar ſehr aͤhnlich, beſonders einigen Varietaͤten der Erſteren, hatten aber dabei auch wieder ſo viel Eigenthuͤmliches, daß ich ſie augenblicklich fuͤr einer andern Art angehoͤrig halten mußte. Das Unterſcheidende war freilich nicht ſo in die Augen ſpringend, daß es durch bloßes Beſchreiben einem Jeden ſo deutlich gemacht werden koͤnnte, daß er es eben ſo auffallend faͤnde, wie ich damals; aber fuͤr mich, der ich in jenen Tagen fo ſehr viele Meerſchwalbeneier ſahe, war es voͤllig hinreichend und uͤberzeugend. Beide Eier glichen einander ſehr genau; fie waren 1 Zoll lang und 1½ Zoll breit, etwas kurz eifoͤrmig, das ſpitze Ende etwas duͤnn zugeſpitzt, ſonſt aber im Ganzen ziemlich bauchicht, die ſtaͤrkſte Woͤlbung der Mitte naͤ— her als dem ſtumpfen Ende; die ziemlich ſchwache Schale von zar— tem Korn und matter Oberflaͤche. Ihre Grundfarbe iſt ein mattes gelbliches Olivengruͤn oder bleiche Olivenfarbe, eine Färbung, wel« che bei denen der St. macrura ſelten ſo geſaͤttigt, bei den ſtets gelblichern der St. Hirundo mir aber nie vorgekommen iſt. Die Zeichnung beſteht in großen rundlichen Flecken, von denen oft meh: rere in einem zuſammengefloſſen ſind, in wenigen Tuͤpfeln und faſt gar keinen Punkten, wobei die Minderzahl derer unter der Ober— flaͤche braungrau oder violettgrau, dunkler oder heller, die auf der Oberflache (die Mehrzahl) aber ſchwarzbraun, manche völlig ſchwarz ausſehen; zwiſchen dieſen groben Zeichnungen bleiben viele leere Raͤume, welche die Grundfarbe rein zeigen und ſie ſind auf dieſe Weiſe auch uͤber die ganze Flaͤche vertheilt. Die Grundfarbe ver— liert, wenn ſie laͤnger in der Sammlung ſind, das Gruͤnliche ganz und wird zu einem braͤunlichen Dlivengelb *). „) Das eine von den beiden auf Amro m gefundenen Eiern theilte ich meinem Freunde Dr. H. R. Schinz mit, welcher es in feinem Eierwerk, Taf. XIII., Fig. 7. abbilden ließ, ſämmtliche Figuren dieſer Tafel ſind aber mißlungen und unkenntlich. 88 XIII. Okdn, LXXVII. Gatt. 281. Dougalls⸗Meerſchw. Fe ien dee Dieſe hat ſie wahrſcheinlich mit andern Meerſchwalben von aͤhnlicher Groͤße gemein. a g d. Die beiden Paare, welche ich auf jener Inſel, noch dazu an ihrem Niſtorte antraf, waren ſo ſcheu, daß ich ſie nicht ſchießen konnte. Daß ſie uͤberall ſo ſcheu waͤre, laͤßt ſich jedoch kaum ver— muthen, wenn man ſie mit der Kuͤſtenmeerſchwalbe vergleicht, die an einigen Orten auch, ſogar in der Naͤhe der Niſtplaͤtze, eben ſo ſcheu ſein kann, waͤhrend ſie an allen uͤbrigen die groͤßte Zutrau— lichkeit an den Tag legt. Alle Vögel zeigen, wo fie nicht recht hei⸗ miſch ſind, ein ſcheueres Betragen als an ſolchen, die ſie alle Jahr bewohnten, da gluͤcklich bruͤteten u. |. w. Jene zwei Paar Dou— galls-Meerſchwalben ſchienen mir auch Fremdlinge auf der Inſel Amrom und wollten vielleicht zum erſten Male auf derſelben bruͤten. Haͤtte ich ſie fruͤher und nicht erſt dann entdeckt, als unſere Abreiſe ſchon ganz nahe war, ſo haͤtte ich die Eier nicht weggenommen, mich aber in der Naͤhe in einen Hinterhalt gelegt und die Voͤgel dabei erlauert. 8 Nutz; e en Wo man ihre Eier in Menge haben kann, geben ſie ebenfalls eine wohlſchmeckende Speife. Sch a d e n. Die vielen kleinen Fiſchchen, welche ihr zur Nahrung dienen, rechnet ihnen am Meere Niemand an, weil, das Meerwaſſer zum Uiberfluß voll davon iſt. 282. Die Fluß - Meerfchwalbe. Sterna hirundo. Linn. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 252.) Fig. 2. Jugendkleid. Fig. 3. Neſtkleid. Gemeine —, große —, rothfuͤßige —, aſchgraue —, ſchwarzkoͤ⸗ pfige —, ſchwarzplattige —, europaͤiſche Meer- oder Seeſchwalbe; große Seeſchwalbe mit geſpaltenem Schwanze; ſchwarzplattige —, gemeine Schwalbenmeve. Kleinere Meve; kleine Fiſchmeve; Fiſch⸗ meive; grauer Fiſcher; Rohrmeve; Rohrſchwalm; Schwarzkopf; Spirer; Schnirring; Taͤnner. Sterna Hirundo. Linn. Syst. I. p. 227. = Ibid. Faun. suec. p. 158. = Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 606. n. 2. == Lath. Ind. II. p. 807. n. 15. == Nilsson Orn. suec. II. p. 156. n. 210. — Hirondelle de mer Pierre- Garin. Buff, Ois, VIII. p. 331. t. 27. — Edit de Deuxp. XVI. p. 61. t. 2. f. 1. Id. Planch. enlum. 987. == Gerard. Tabl. élem. II. p. 322. == Temm. Man. 2. Edit. II. p. 740. = Greater and common Tern. Lath. Syn, VI. p. 361. — Uiberſ. v. Bechſtein. III. 2. S. 317. n. 14. = Penn, arct. Zool. II. p. 524. — Uiberſ. v. Zimmermann. II. S. 485. n. 365. = Bewick, brit. Birds. II. p. 199. = Wilson, Amer. Orn. VII. p. 76. t. 60. f. 1. = Rondine di mare. Savi, Orn, tosc. III. p. 85. = Zee-swaluw. Sepp, Nederl. Vog- II. t. p. 105. Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 682. - Deſſen, orn. Taſchenb. II. S. 380. n. 4. — Wolf u. Meyer Taſchenb. II. S. 459. — Meyer, Vög. Liv: u. Eſth⸗ lands. S. 229, = Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 261. u. 236. Koch, Baix. Zool. I. S. 366. n. 228, = Brehm, Beitr. III. S. 678. — Defs fen Lehrb. II. S. 688. - Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 779 — 781. Gloger, ſchleſ. Faun. S. 52. n. 231. - Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 71. n. 251, = Hornſchuch u. Schilling, Ders, pommerſch. Vög. S. 17. n. 224. v. Homeyer. Vög. Pommern's, S. 66. n. 215. = Friſch, Vög. II. Taf, 219. Naum ann's, Vög. alte Ausg. III. S. 189. Taf. XXXVII. Fig, 52. Männchen im Frühlinge, u. Nachtr. S. 173. 90 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. Anmerk. Von den verſtehenden Citaten find die aus ältern Werken alle unſicher, weil in vielen auch die folgende Art gemeint ſein kann, die man in frühern Zeiten noch nicht von der hier gemeinten zu unterſcheiden wußte. Selbſt von Linnée weiß man es nicht ganz gewiß, welche Art er unter St. Hirundo verſtand. — Wenn bei frühern Schriftſtellern von Varietäten die Rede war, wie z. B. im Latham (a. a. DO.) die mit ſchwarzen Füßen, von der Hudſonsbay, fo find es andere Arten, fo wie Gras ba's (ſ. deſſen Reiſe nach Faro. S. 218.) St. brachytarsa gewiß weder zu dieſer noch zur folgenden gehört, ſondern eigene Art iſt. Kern zei chen diere Nr t⸗ Die Fuͤße und der Schnabel ſcharlach- oder mennigroth, dieſer von der ſchlanken Spitze weit herauf ſchwarz; der dunkele Streif auf der Innenfahne der erſten Schwingfeder, 3 Zoll vor der Spitze, 2 bis 2½ Linien breit; die Fußwurzel 9 bis 10½ Linien hoch; — das Jugendkleid auf dem Mantel mit ſehr bleichen Wels len und Mondflecken. Beſchreibung. Unſere gemeine Flußmeerſchwalbe wurde früher mit der naͤchſt— folgenden Kuͤſtenmeerſchwalbe fuͤr eine Art gehalten. Erſt um das Jahr 1819 entdeckten mehrere Forſcher zugleich die Artverſchie— denheit beider, worauf ich ſchon 2 Jahr früher durch Nitzſch, wel: cher damals mehrere in Spiritus von der Nordſee und zugleich von unſrer Mulde und Elbe durch mich erhalten hatte, aufmerkſam ge: macht worden war. Sie unterſcheidet ſich von der etwas kleinern oder nur ſchwaͤchlichern St. macrura, auſſer Obigem, an den etwas robuſter Koͤrperbau, den laͤngern, dem Ruͤcken nach gebognern und ſchlanker zugeſpitzten Schnabel, an den groͤßern Fuͤßen, den etwas kuͤrzern und breitern Schwanzfedern, kuͤrzern Spießen und an den ſtets weißern Unterkoͤrper. Hat man zum Vergleichen beide neben— einander, oder kann man beide im Freien beobachten, ſo haͤlt es gar nicht ſchwer, der wichtigen Unterſchiede, welche ſie als Arten trennen, ſo viele zu finden, daß alle Zweifel dagegen ſchwinden muͤſſen. In der Größe, bloß dem Rumpfe nach, koͤmmt fie einer Mi: ſteldroſſel nahe, allein ihre ungemein langen Fluͤgel und der lange Gabelſchwanz geben ihr ein ungleich groͤßeres Ausſehen. Sie mißt in der Laͤnge 13 bis 14, ſelten 15 Zoll, die Flugbreite 31 bis 33 Zoll; der Flügel vom Handgelenk bis zu Spitze 11¼ bis 11½ 2 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 91 Zoll; der Schwanz auſſen 6¼ bis 6 / Zoll, wegen feines oft gegen 4 Zoll tiefen Ausſchnittes aber die Mittelfedern nur 3 Zoll. Wer gen der etwas kuͤrzern Schwanzſpieße meſſen die Weibchen in der Laͤnge gewoͤhnlich etwas weniger. Das Gefieder iſt wie bei den andern Arten, das am Genick und auf dem Nacken nicht auffallend verlaͤngert; die ſchwach ſaͤbelartig gebo⸗ genen Primarſchwingfedern haben ſehr ſtarke Schaͤfte und ebenfalls jenen hell aſchgrauen ſammetartigen Uiberzug, welcher ſich durch den Gebrauch ſtark abreibt, wovon aber die ſchmale Auffenfahne der vorderſten frei iſt. Der Schwanz hat ſchmale, doch noch etwas breitere Federn als der der folgenden Art, von welchen die mittel— ſten kurz, die folgenden ſchmal zugerundet ſind, die vierte ſchon etwas mehr ſchraͤg nach auſſen, die fünfte eben fo noch ſtaͤrker ver⸗ ſchmaͤlert, die ſechſte oder aͤußerſte endlich ganz ſchmal und ſpitz auslaͤuft und 1½ bis 1 Zoll länger als die vorige iſt. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel ragen immer etwas, oft 1½ bis 2 Zoll uͤber die Schwanzſpitze hinaus. Der mittelgroße Schnabel iſt der Firſte nach ſehr ſchwach aber gleichmaͤßig bis zur Spitze gebogen, am Kiel, ſo weit die Spalte reicht, d. i. bis in die Mitte, gerade, wo ein ſchwaches Eck vortritt, von welchem er ſchraͤg und ſanft in die Spitze aufſteigt, wodurch im Ganzen eine ſehr ſchlanke, duͤnne und ſcharfe Spitze entſteht, die bei dem der folgenden Art viel kuͤrzer iſt. Auch die Schneiden ſind etwas, aber nur ſehr ſchwach bogenfoͤrmig, merklich eingezogen, ſehr ſcharf und ſcheerenartig etwas in einander greifend, der ganze Schnabel ſehr zuſammengedruͤckt, an Firſte und Kiel bedeutend ſchmal; der weite Rachen bis unter das Auge geſpalten. Das Na⸗ ſenloch liegt in einer ſchmalen Hoͤhle nahe neben den Stirnfedern und iſt ein 2½ Linien langer, gleichweiter, durchſichtiger Ritz. Der Schnabel iſt bis an die Stirn beinahe 1½ Zoll (es fehlt meiſtens nur ½ Linie daran), bis in den Mundwinkel 2 Zoll 1 Linie lang, an der Stirn 4 Linien hoch und 3 Linien breit. Ra⸗ chen und Zunge ſind lebhaft orangeroth, daß Aeußere des Schnabels roͤther, praͤchtig mennig⸗ oder ſcharlarchroth, die Schnabelſpitze % bis ½ Zoll lang ſchwarz, ja dieſes zieht ſich, beſonders am Oberſchnabel, oft bis in die Mitte herauf, wo es im Rothen ver- laͤuft. Die juͤngern Voͤgel haben mehr Schwarz am Schnabel als die alten, aber auch dieſe ſtets viel mehr davon als jemals ein Individuum der folgenden Art. An einem einjährigen Weib: chen (am 19ten Juni erlegt) war der orangerothe Schnabel auf 92 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß-Meerfchwalbe. der Firſte von der Stirn bis faſt zur Mitte ſtark ſchwarz angelaufen, das Schwarz der Spitze reichte auch ¼ Zoll herauf und ſchloß ſich oben ſogar an erſteres an. — In fruͤher Jugend iſt der Schnabel fleiſch— farbig, ſpaͤter gelbroͤthlich, die Firſte und Spitze braunſchwarz. Die Iris der etwas kleinen Augen iſt lebhaft roͤthlichſchwarz— braun oder tief nußbraun, die Augenlider bei den Alten gewoͤhn— lich ſchwarz, bei einzelnen auch an einer kleinen Stelle nach unten weiß befiedert. Junge Voͤgel haben fruͤher eine mattbraune, ſpaͤ— ter eine rothbraune Iris und weiß befiederte Lider. Die Füße find ſtark und ſtaͤmmig, für die Größe des Vogels zwar klein, doch verhaͤltnißmaͤßig viel groͤßer als die der folgenden Art. Sie haben wenig zuſammengedruͤckte Laͤufe, ſtarke Gelenke, ſind uͤber der Ferſe wenig nackt; die Vorderzehen kuͤrzer als der Lauf, die etwas hoͤher ſtehende Hinterzeh ſehr klein; die Schwimm— haͤute wenig ausgeſchnitten, dies bloß bei einzelnen Stuͤcken an der innern Schwimmhaut etwas bemerklicher; die hintere Kralle ſehr klein, die vordern groͤßer, am groͤßeſten die der Mittelzeh, alle ſehr ſchmal, ſanft gebogen, nadelſpitz, unten gerieft, die mittelſte auf der Seite nach innen mit ſcharfer Schneide. Der Uiberzug der Fuͤße iſt nur auf dem Spann grob, auf den Zehenruͤcken feiner, uͤbrigens ſehr fein geſchildert, die Schwimmhaut außerordentlich zart genarbt. Der Unterſchenkel iſt 3 Linien von der Ferſe hinauf nackt, aber dies wird gewoͤhnlich von den Schenkelfedern verdeckt; der Lauf 9 bis 10, ſelten 10½ Linien lang; die Mittelzeh, mit der über 3 Linien langen Kralle, 11 bis 11½ Linien, die Hinterzeh, mit der I Li— nien langen Kralle, gegen 3 Linien lang. Die Fuͤße, ſammt Schwimmhaͤuten und Sohlen, haben eine ſehr lebhafte Farbe, beſonders im Fruͤhjahr; fie find hell ſcharlach— roth, dem Orangenroth ſich naͤhernd, oder hoch mennigroth, ſo leb— haft wie die Blumen des Papaver orientale; im Herbſte hell oran— genroth; die Krallen ſtets glaͤnzend ſchwarz. Bei den Jungen ſind fie anfänglich fleifchfarben, ſpaͤter blaß rothgelb. Die rothe Farbe der Fuͤße wie des Schnabels der alten Voͤ— gel iſt eine ſehr dauerhafte; ſie wird nach dem Ableben etwas dunk— ler, wenn aber jene Theile voͤllig ausgetrocknet ſind, gelbroth und dies haͤlt ſich lange Jahre, bis es nach und nach endlich bleich wird, jedoch ſeine ehemalige Schoͤnheit ahnen laͤßt. Die der Jungen wer— den, wenn fie ausgetrocknet, hell und dunkel hornfarbig. Wenn die junge Meerſchwalbe dieſer Art dem Ei entſchluͤpft iſt, traͤgt ſie ein aus aͤußerſt weichen, dichten, ziemlich langen, auf XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 93 dem Kopfe haarartigen Flaum beſtehendes Dunenkleid, von fol: gender Faͤrbung: Kopf, Hinterhals, ſo wie der Rumpf oben und an den Seiten, ſind blaß gelbbraͤunlichgrau, auf dem Hinterkopfe und Nacken, auch an den Schlaͤfen mit zerſtreueten ſchwaͤrzlichen Flecken, auf und neben dem Ruͤcken mit groͤßern ſchwarzgrauen Flecken, welche vier etwas undeutliche Laͤngereihen bilden, auch auf dem Fluͤgel und an den Seiten noch mit einzeln ſolchen Flecken; ein Fleckchen vor dem Auge und die ganze Kehle matt roſtbraun; von hier an aber alle untern Theile rein weiß. Hinſichtlich der Grundfarbe und Flecke an den obern Theilen ſind ſich nicht alle Jungen ganz gleich, bald heller oder dunkler, bald mehr oder weni— ger gefleckt. Das Schnaͤbelchen iſt gewöhnlich fleifchfarbig, vor der Spitze ſchwaͤrzlich, dieſe weiß; die Fuͤße gelblich fleiſchfarben; die Iris graubraun. Das Jugendkleid, wenn der Vogel voͤllig flugbar, iſt viel heller gefärbt, als das der Kuͤſtenmeerſchwalbe in dieſem Al: ter. Der Schnabel iſt oben braun, an der Spitze ſchwaͤrzlich, nach hinten ſchmutzig roͤthlich, am Mundwinkel und Unterkiefer mit einem gelbrothen Anſtrich; die Iris roͤthlichbraun; die Fuͤße roͤthlichgelb. Vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Mondfleckchen; die Stirn und der Vorderſcheitel ſind weiß, beide mit ſchwaͤchern oder ſtaͤrkern braunlichem Anfluge und letzterer mit mattſchwarzen Schaftfleckchen oder Schaftſtrichen, der Hinterkopf bis auf dem Nacken hinab matt— ſchwarz oder braunſchwarz, an den Seiten der Federn etwas grau— lich geraͤndert; der Ruͤcken, die Schultern, mittlern Fluͤgeldeck- und hintern Schwingfedern ſanft und ſehr licht blaͤulichaſchgrau, jede Feder mit gelbweißen (fruͤher duͤſter roſtgelben, jetzt ſchon verbleichten) Ende, vor welchem ein halbverloſchener dunkelbrauner Mondfleck, wel— cher an den groͤßern Federn hinten uͤber dem Fluͤgel meiſtens noch eine zickzack⸗ oder wellenfoͤrmige ſchwarzbraune Begrenzung zwiſchen dem gelbweißen Ende zeigt. Das Fluͤgelraͤndchen iſt weiß, die kleinen Deckfedern auf dem Unterarm, in einem Streif, ſchwarzgrau, aſch— grau gekantet; die Secundarſchwing- und ihre Deckfedern licht aſch— grau, mit weißen Enden; die Primarſchwingfedern hell aſchgrau, an den weiß (früher roſtgelblich) gekanteten Enden und die vor: derſte auf der ganzen Auſſenfahne dunkel ſchiefergrau, mit weißen Schaͤften und auf dem Rande der Innenfahne mit einem, an den vorderſten nicht bis zur Spitze reichenden, weißen Laͤngebande; die Schwanzfedern weiß, auf den Auſſenfahnen ſehr licht aſchgrau, was am Rande der aͤußerſten in Schiefergrau übergeht, alle mit roftgelb- 94 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. lichen Spitzen; alle untern Theile, vom Kinn bis zum Schwanz⸗ ende rein weiß; an den Seiten des Kropfs zeigt ſich bei manchen ein aus roſtgrauen Federſpitzen gebildeter dunkler Fleck; der Unter: fluͤgel weiß, mit grauer Spitze. Der Schwanz iſt nicht tief ge— ſpalten und hat noch keine eigentlichen Spießfedern. Die dunkeln Zeichnungen auf dem Mantel dieſer jungen Meer⸗ ſchwalbe ſind nie ſtark aufgetragen, oft ſogar, zumal wenn das Individuum ſchon lange geflogen hat, ſehr bleich und undeutlich, bei manchen nur noch an den groͤßern Schulter-, den letzten Schwing— und einigen groͤßern Deckfedern des Hinterfluͤgels deutlich. Von der jungen Dougallsmeerſchwalbe unterſcheiden ſie ſich ſchon hierdurch, auch ſind bei dieſer die braunen Zeichnungen mehr wel— lenartig und zuſammenhaͤngender und der Nacken hat viel mehr und ſeitwaͤrts verbreiteteres Schwarz. Noch viel auffallender unterſcheiden ſich beide von den Jungen der Kuͤſtenmeerſchwalbe, welche einen viel dunkler gefaͤrbten und gezeichneten Mantel haben, uͤberhaupt ſtets ſtaͤrker gefleckt ſind. Die jungen Vögel verlaffen unſere Gegenden noch unvermau— ſert und legen ihr erſtes Winterkleid im fernen Suͤden an. Es iſt mir nicht bekannt, wahrſcheinlich aber von dem der Alten nicht bedeutend verſchieden. Das Winterkleid alter Voͤgel iſt eben ſo wenig vollſtaͤndig bekannt, weil ſie es fern von uns anlegen und ſelten bei ihrem Wegzuge, noch ſeltner bei ihrer Ruͤckkehr, einige Federn desſelben bemerkbar ſind; dieß namentlich am Kopfe, wo ſich an den Zuͤgeln und der Stirn mehr oder weniger weiße Federchen zwiſchen den ſchwarzen zeigen, welche darauf hindeuten, daß auch bei dieſer Art im Winterkleide Stirn und Zuͤgel (dieſe bis auf ein kleines Fleckchen vor dem Auge) weiß; der Mittelſcheitel weiß, fein ſchwarz gefleckt oder geſtrichelt; Hinterkopf und Nacken aber meiſtens ſchwarz ſind. Ein am Igten Juni erlegtes einjaͤhriges Weibchen berechtigt mich am meiſten zu dieſer Annahme; es hatte naͤmlich noch ſo viel weiße Federn, — hier naͤmlich alte, vom nicht ganz abgelegten Winterkleide, — an jenen Theilen, daß jene Zeichnung ſich heraus finden ließ und keinen Zweifel geſtattete. So lange man die Win⸗ teraufenthaltsorte dieſer Art noch nicht kennt, wird es ſchwer hal— ten, ſich einen rein vermauſerten Wintervogel zu verſchaffen. Das Sommer: oder Hochzeitskleid zeichnet ſich ebenfalls durch große Einfachheit und zarte Faͤrbung aus, zu welchen das Scharlachroth des Schnabels und der Fuͤße ſich vortrefflich ausnimmt. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß: Meerfhwalbe 95 Eine tief ſchwarze Kopfplatte nimmt die ſchmale Stirn, die obere Haͤlfte der Zuͤgel, die Schlaͤfe, den ganzen Oberkopf, das Genick und den Nacken, tief hinab, ein und ſchneidet ſcharf ab von dem Weiß der untern Zuͤgelhaͤlfte, der Wangen und Halsſeiten; das Auge ſteht noch im Schwarzen, aber hart an der Grenze und das untere Augenlid iſt gewoͤhnlich ſchon ein Stuͤckchen weiß befiedert; Ruͤcken, Schultern und Oberflügel ſanft hell blaͤulichaſchgrau, je- doch dieſe in der Meerſchwalben- und Meven- Gattung allgemeine und praͤdominirende liebliche Farbe, wenigſtens im friſchen Zuſtande, hier etwas geſaͤttigter, als in den naͤchſtvorhergehenden Arten; die Daumenfedern und die Fittichdeckfedern etwas dunkler; die Primar⸗ ſchwingfedern von Auſſen mit jenem ſammetartigen, weißlichaſchgrauen Uiberzuge auf einem dunkel ſchieferfarbigen Grunde, welcher an den Enden der vorderſten am erſten hervortritt; die Auſſenfahne der al: lererſten frei von jenem, ſchieferſchwarz, wurzelwaͤrts faſt ganz ſchwarz; die ſtarren Schaͤfte aller weiß, an der Seite nach innen mit einer ſchwarzen Linie begrenzt; naͤchſt dieſer auf der Innenfahne mit einem ſchieferfarbigen Streif, welcher an der erſten am dunkel⸗ ſten und zugleich am ſchaͤrfſten begrenzt iſt, an der Wurzel ſchmal anfaͤngt, in gerader Linie an Breite zunimmt und endlich in die ganz ſo gefaͤrbte Spitze auslaͤuft, wo das reine Weiß des uͤbrigen Theils der Innenfahne, das wurzelwaͤrts ſehr breit iſt, an der In— nenkante 1 Zoll vor dem Ende ſehr ſpitz endet. Nach dieſem Mus ſter ſind auch die folgenden, aber je kuͤrzer, deſto bleicher und brei— ter gezeichnet, doch mit dem Unterſchiede, daß vom Hinterrande der Spitze, ruͤckwaͤrts, ein ſchwarzgrauer Streif, mit weißen Auſſenſaͤum⸗ chen, die innere weiße Hälfte der breiten Fahne ein Stuͤck hinauf begrenzt; die Secundarſchwingfedern licht aſchgrau, laͤngs den ſchwaͤrzlichen Schaͤften etwas dunkler, mit weißen Endkanten und vielem Weiß auf den Innenfahnen, die letzten wie die Schultern, an den Enden in Weiß verwaſchen. Auf der untern Seite find die Schwingfedern atlasweiß, die dunkeln Zeichnungen von oben, nebſt den Spitzen, dunkel ſilbergrau, die untern Fluͤgeldeckfedern und das Fluͤgelraͤndchen weiß. An allen untern Theilen, vom Kinn und den Wangen ab bis zum Schwanz herrſcht die weiße Farbe, an der Bruſt aber bis auf den Kropf herauf nicht rein, ſondern mit einem lichten ſilbergrauen Anfluge, welcher bei ältern und bei maͤnnlichen Voͤgeln ſtaͤrker iſt als bei den Weibchen und bei juͤngern Voͤgeln. Bei recht alten Maͤnnchen zieht er an den Seiten der Unterbruſt, wo er ſtets am ſtaͤrkſten iſt, ziemlich ſtark 96 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 232, Fluß⸗Meerſchwalbe. ins Hellblaugraue und hat bei ſolchen in der Fortpflanzungszeit, be ſonders wenn fie recht wohlbeleibt find, einen angenehm purpur— roͤthlichen Schein. Der Buͤrzel, nebſt den obern und untern Deck— federn des Schwanzes, und dieſer ſelbſt, ſind weiß, die Auſſenfahne der aͤußerſten (laͤngſten) Schwanzfeder ſchieferfarbig oder doch dun— kelaſchgrau; die der beiden folgenden aſchgrau; die der vierten ſehr licht aſchgrau und die fünfte nur grau angeflogen, bloß die Mittel federn rein weiß; bei vielen iſt jedoch dies Aſchgrau, mit Ausnahme der aͤußerſten Feder, ſehr licht, bei manchen ſind nur zwei bis drei Federn grau und alle uͤbrigen rein weiß, ſo wie auch durch Abblei— chen viel davon verloren geht, fo daß es im Frühjahr viel deutli— cher daſteht als in den Sommermonaten. Das Weibchen iſt ſchwer vom Maͤnnchen zu unterſcheiden, die ſchwarze Kopfplatte reicht gewoͤhnlich nicht ſo tief auf den Hin— terhals hinab; die Schwanzſpieße find etwas kuͤrzer; die aͤußere Fahne der laͤngſten Schwanzfeder iſt nicht fo dunkel, die der andern auch blaſſer, oft nur noch eine oder zwei derſelben grau, alle uͤbri— gen weiß; auch die Auſſenfahne der erſten Schwingfeder iſt heller ſchieferfarbig. In der Bruͤtezeit iſt der Unterkoͤrper vermuthlich von dem Liegen auf gelbem Boden, braͤunlichgelb überlaufen, beim Weibchen mehr als beim Männchen. Alle dieſe geringen Ab— weichungen koͤnnen jedoch nur dann mit Sicherheit zum Unterſchei— den der Geſchlechter dienen, wenn man beide nebeneinander hat; einzeln bleiben fie immer unzuverlaͤſſig, weil die juͤngern Maͤnn⸗ chen den aͤltern Weibchen darin ganz gleich kommen. Im Laufe des Sommers bleicht das zarte Aſchblau des Man— tels ſehr auffallend ab und das ſaͤmmtliche Gefieder verliert durch Abreiben ſehr viel von ſeiner fruͤhern Anmuth; auch das Weiße wird truͤbe, der blaugrauliche Anflug der Bruſt verſchwindet und wird gelblicher, einem beſchmutzten Weiß aͤhnlich; an den nicht von den andern bedeckten Theilen der Schwingfedern, reibt ſich je— ner ſammetartige Uiberzug ſo ſehr ab, daß die dunkelgefaͤrbten Fah— nen theilweis mehr und mehr ganz frei davon werden und daher dunkelſchieferfarbig erſcheinen; auch ſind von den Schwanzſpießen oft einer oder gar beide an den Enden ſtark verletzt oder abgebro— chen. Haͤlt man einen im Anfang des Mai erlegten Vogel dieſer Art gegen einen im Auguſt getoͤdteten, fo wird man keine geringen Unterſchiede zwiſchen beiden finden. ö Die Hauptmauſer tritt zu Ende des Juli oder erſt im Auguſt ein, gerade wenn ſie die Bruͤtegegend und uͤberhaupt unſer Land XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 97 verlaſſen, um unter einem waͤrmern Himmelſtrich zu uͤberwintern, wo ſie erſt die Mauſer ſpaͤt im Herbſt beendigen, auch die Fruͤhlings— mauſer vollbringen. Sowohl beim Abgange als bei der Ankunft zeigen ſich nur einzelne Spuren eines beginnenden oder eben vollen— deten Federwechſels, aber nur bei wenigen Individuen. Am mei— ſten bemerkt man noch vom Federwechſel an Jungen, welche ſich, aus unbekannten Urſachen, zuweilen einzeln bis im September ver— ſpaͤtigen. Aufenthalt. Fruͤher, als man die Flußmeerſchwalbe von der folgenden noch nicht als Art unterſchied, hielt man ſie faſt uͤber alle Theile der Erde verbreitet, indem man beider Aufenthaltsorte zuſammen nahm. Dies hat ſich nun nach neuern Beobachtungen dahin berichtigen laſ— fen, daß St Hirundo nie fo hoch nach Norden hinaufgeht, als St. macrura, daß dieſe nur am Meer und in der Nähe deſſelben wohnt und Salzwaſſer nie ganz entbehren mag, und wenn ſie ſich auch auf Inſeln und an in tiefe Meeresbuchten muͤndenden Fluͤſſen eine Zeit lang etwas davon entfernt, ſo wird ſie doch an den Suͤß— waſſern tief im Feſtlande nie angetroffen; — wogegen jene an allen ſuͤßen Gewaͤſſern, Fluͤſſen und Seen im Innern der Laͤnder vor— koͤmmt und wo ſie am Meer wohnt, meiſtens Flußmuͤndungen dazu waͤhlt und das Flußwaſſer dem andern wenigſtens vorzieht. Sie fol an allen Kuͤſten Europa's vorkommen, bis ein gu— tes Stuͤck an die norwegiſche hinauf, dort abwechſelnd mit der Folgenden, im obern Norwegen aber nur dieſe allein. In den von mir bereiſeten Gegenden der Nordſee habe ich fie nicht ange: troffen, doch aber auch von Helgoland ein daſelbſt erlegtes Exem— plar erhalten. — An denen der Oſtſee iſt fie nicht häufig, mehr an denen von Großbritannien, Frankreich u. ſ. w. Am mittel⸗ laͤndiſchen Meer iſt ſie auch, wie es ſcheint aber an den Kuͤſten Italiens uͤberhaupt nicht haͤufig. Ob dieſe oder die folgende Art an den großen Binnenſeen des aſiatiſchen Rußlands und am ſchwarzen Meer wohne, iſt ungewiß, weniger von Nordamerika. — Sonſt bewohnt ſie alle Seen der Schweiz, uͤberhaupt ſehr viele Landſeen des europaͤiſchen Feſtlandes, bis nach Rußland hin, jedoch mit Auswahl und wo ſie Fluͤſſe mit weiten Betten hat, viel lieber dieſe. In Holland iſt ſie gemein, beſonders an ſandi⸗ 107 Theil. 7% 98 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. gen Flußmuͤndungen und am ſeichten Seeſtrande. In Deutſchland iſt ſie in vielen Gegenden ſehr bekannt, in manchen nicht; hier wohnt fie vorzugsweiſe an Fluͤſſen, aber bei weiten nicht an allen Land— ſeen. Der Bodenſee, Zuͤricher- und Bieler-See, der Rhein, Main, die Iller, Donau und viele andere Gewaͤſſer des ſuͤdlichen Deutſch— lands beſucht ſie alljaͤhrlich oder bewohnt ſie im Sommer. Laͤngs der ganzen Donau, von Linz bis an die ſerbiſche Grenze, traf ich ſie an vielen Stellen, wegen vorgeruͤckter Jahreszeit, aber nur noch einzeln an. Auch in Norddeutſchland iſt ſie in vielen Gegenden gemein, an Fluͤſſen und Landſeen, in andern Strichen ſelten. Im Mecklen burgſchen ſind mehrere Seen ſehr zahlreich von dieſer Art bewohnt, dagegen unſer ſchoͤner Salz- und Suͤßſee im Manns ,feldiſchen nie; ſelbſt auf dem Zuge berührt ihn ſelten eine Einzelne. Dagegen lebt ſie in bedeutender Anzahl an allen in die Oſt- und Nordſee muͤndenden Fluͤſſen und Stroͤmen, worunter die Elbe ſie wol am haͤufigſten Aufenthalt giebt, an welcher ſie auch bis oberhalb Dresden hinauf noch einzeln vorkoͤmmt, eben ſo an den in dieſen Strom muͤndenden Fluͤſſen, ſo weit ſie breit und flachufrig genug ſind. In unſerm Anhalt, wo die durchſtroͤmende Elbe ebenfalls ihr Hauptwohnſitz iſt, wo aber auch die Mulde, meh— rere Meilen von der Muͤndung hinauf, weniger die Saale, weil de— ren Ufer bald zu hoch und bergig werden, vielfach von ihr bewohnt werden, iſt ſie an den Ufern jener ein allgemein bekannter, haͤufig „Seekraͤhe“ genannter Vogel, aber auch im Lande, an groͤßern Tei— chen, die ſie von dortaus zuweilen beſucht, nicht unbekannt. Die ſteigende Kultur hat jedoch an vielen Orten unſres Landes, ſeit ei— nem Menſchenalter, die Zahl dieſer angenehmen Voͤgel bedeutend vermindert. Sie iſt, wie andere der Gattung, Zug- und Sommervo— gel, d. h. ſie koͤmmt ſpaͤt im Fruͤhjahr, in den letzten Tagen des April oder erſt im Anfange des Mai, je nachdem die Witterung fruͤher oder ſpaͤter guͤnſtig wurde, zu uns und verlaͤßt unſere Ge— genden in der letzten Haͤlfte des Juli und der erſten des Auguſt ſchon wieder. In welchen Laͤndern ſie uͤberwintert, iſt zur Zeit voͤl— lig unbekannt. — An der Elbe erſcheint ſie oft mehrere Tage fruͤ— her als an den Nebenfluͤſſen; umgekehrt iſt dies beim Wegzuge; doch ſahe ich auch dort im Jahr 1820 am Iſten Auguſt ſchon ei— nen Flug von 25 bis 30 Stuͤck auf dem Zuge. Sie ziehen oft am Tage, fliegen dabei ſo hoch, daß man ſie kaum ſieht, aber langſam, und da ſie ſich faſt auf jeden an ihrer Straße liegenden Teich her— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 99 ablaffen, was beilaͤufig mit großer Anmuth geſchiehet, einige Zeit uͤber demſelben ſich aufhalten und fiſchen, ſo moͤgen ſie keine große Strecke in einem Tage zuruͤcklegen. Wir ſahen ſie oft im Sommer einen ſuͤdweſtlichen, ſeltner einen ganz weſtlichen Strich nehmen. Uibrigens ziehen fie noch oͤfterer des Nachts, wo fie dann aber nir— gends anhalten, daher gewiß ſchneller reifen. An den Brüteplägen kommen ſie im Fruͤhjahr gewoͤhnlich in der Nacht oder am fruhen Morgen an. Sie machen ihre Reiſen ſelten vereinzelt, ſondern paarweiſe oder in kleinen Schaaren von 20 bis 40 Stuͤck. Wird unterwegs von einer reiſenden Geſellſchaft eine oder die andere ge— toͤdtet, ſo eilen die uͤbrigen bald weiter; waren aber nur zwei In— dividuen beiſammen, wovon eins erlegt wurde, fo zaudert das an: dere lange, ehe es ſich entſchließt, die Reiſe allein fortzuſetzen. Von den Einzelnen, welche man zuweilen an ungewöhnlichen Orten an: trifft, find die Meiſten bloße Herumſtreifer und nicht auf der Wan⸗ derung. Bei außerordentlichen Vorfaͤllen, wie bei plößlicher Uiber⸗ ſchwemmung der Bruͤteplaͤtze, oder auch, wenn man ihnen daſelbſt zu hart mit Schießgewehr zuſetzte, durchſtreifen ſie paar- und trupp⸗ weiſe, oft mehrere Tage nach einander die Umgegend, meilenweit von jenen, und beſuchen alle freiliegenden Teiche und große Waffer: flaͤchen in den Bruͤchern. Erſcheinen dieſe Voͤgel in ihrer Bruͤtezeit auf den Teichen bei meinem Wohnorte, ſo iſt dies ein ſicheres Zei: chen, daß ihnen, 2 Meilen von hier, an der Elbe oder Mulde, ihre Brut durch Ueberſchwemmung vernichtet worden iſt. 5 Daß die Flußmeerſchwalbe mehr den ſuͤßen Gewaͤſſern angehoͤrt als dem Meer, iſt ſchon erwähnt, eben fo daß fie ſich dadurch von der folgenden ſehr auffallend unterſcheidet. Nur ſolche Stellen am Meer, welche einen flachen, ſandigen Strand, auch weit hinein ſeichtes und klares Waſſer haben, dienen ihr zu einem laͤngern Auf— enthalt. Sie liebt die Flußmuͤndungen ganz vorzuͤglich, ſo daß ſelbſt an von ihr bewohnten Landſeen ſolche Stellen ihr die liebſten find, wo größere oder kleinere Fluͤſſe hineinſtroͤmen, wovon z. B. der Bodenſee ohnweit Bregenz und anderwaͤrts Zeugniß giebt Sind die Landſeen auch von bedeutendem Umfange, fehlt es ihnen aber an ſandigen, niedern und ganz nackten Ufern und ſolchen In⸗ ſeln, desgleichen an ſeichten Stellen und klarem Waſſer, oder wenn alle dieſe da ſind, an Ruhe und Abgeſchiedenheit, ſo waͤhlt ſie keine zu einem anhaltenden Wohn- und Niſtort. Uiberall zeigt ſie dage⸗ gen einen entſchiedenen Hang zu fließendem Waſſer und wohnt da⸗ her im Innern der Länder vorzuͤglich haufig an Bun und Fluͤſſen. 100 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 232. Fluß⸗Meerſchwalbe. Nur ſolche Fluͤſſe, welche ſehr weite Betten haben, die bei ge: woͤhnlichem Waſſerſtande vom eigentlichen Ufer in weiten Sandla— gen flach ins Waſſer verlaufen, wo ſich flache und nackte Sand— oder Kiesbaͤnke und Inſelchen nur einige Fuß uͤber die Waſſerflaͤche erheben, wo an recht vielen Stellen das ſeichte Waſſer klar uͤber den Sand hinrieſelt, ſolche Stroͤme liebt ſie vor allen, mag auch das eigentliche Ufer ſich bedeutend erheben, in kahlen Boden oder Viehweide beſtehen, mit Buſchweiden oder gar mit Hochwald beſetzt ſein, wie dies an der Elbe oder Mulde haͤufig der Fall iſt. Da⸗ gegen hat denen aͤhnliche Stellen unſere Saale nur bis in die Ge— gend von Bernburg, weiter aufwaͤrts aber ein zu enges Bett und zu ſteile hohe Ufer, auch Felſen, alles Dinge, welche ihr nicht zuſa— gen, weshalb die obere Saale nur einzelne Herumſtreicher und auch dieſe nur ſelten ſieht. Ein Haupterforderniß bei Aufenthaltsorten, wo ſie laͤnger verweilen und niſten ſoll, iſt Stille und Abgeſchieden— heit von menſchlichem Verkehr, obgleich ſie uͤber einem ſolchen Fluſſe den ganzen Tag hin und herſtreicht, neben arbeitenden Menſchen vorbei, uͤber oder unter Bruͤcken hinweg, an Muͤhlen, Haͤuſern und Staͤdten voruͤber, ſo verweilt ſie doch am ordentlichen Niſtplatze, welcher oft fern genug liegt, ſtets am laͤngſten. Sie ſucht diefen auch, wenn in ihrer Abweſenheit nicht weſentliche Veraͤnderungen dort vorfielen, alle Jahr wieder auf; wir kennen mehrere ſolcher, welche ihr ſeit langen Jahren wiederholt zum Niſten dienten und wahrſcheinlich noch laͤnger dienen werden. Ihre Nachtruhe haͤlt ſie ſtets nahe am Waſſer, auf die Bruſt niedergelegt und das Geſicht jenem zugekehrt. Sind mehrere bei— ſammen, ſo liegen ſie nicht weit von einander. Sie gehen mit Anbruch der Daͤmmerung zur Ruhe, halten dann gewoͤhnlich noch ein lautes Geſchwaͤtz, bis es voͤllig Nacht geworden, worauf ſie ruhig bleiben bis in die Morgendaͤmmerung, nun wieder zum Fiſch— fang ausfliegen, wenn ſie aber das Fruͤhſtuͤck eingenommen, ſich ge— woͤhnlich wieder an demſelben Platze, welcher ihnen zum Nachtlager diente und gewöhnlich auch der Niſtplatz iſt, verſammeln und ein Stuͤndchen in der Morgenſonne mit Putzen und Soͤnnen ihres Ge— fieders ſitzend hinbringen. Ei genſchaf ten. Die Flußmeerſchwalbe iſt ein ſehr ſchoͤnes Geſchoͤpf, beſonders wenn man ſie fliegen ſieht, wo ſie ſich vor der Kuͤſtenmeer— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß: Meerfhwalbe 101 ſchwalbe ſogleich durch den kuͤrzern und breitern Schwanz aus— zeichnet. Stehend iſt ſie nicht ſo ſchoͤn; der wagerecht gehaltene Rumpf haͤngt gewoͤhnlich vorn noch etwas tiefer, der Nacken iſt ſehr eingezogen, ſo daß Schnabelruͤcken, Scheitel und Ruͤcken faſt in einer Flucht liegen, wozu die ſaͤbelfoͤrmigen Fluͤgel ſich uͤber dem hochgehaltenen Schwanze kreuzen. Obgleich ein unruhiger Vogel, ſitzt ſie doch oͤfter und manch— mal anhaltender als viel andere Meerſchwalben, beſonders bei ſtuͤr— miſcher und unfreundlicher Witterung. Sitzend wie fliegend kehrt ſie dem Winde gern die Bruſt zu. Ihre Ruheorte ſind entweder der platte Boden nahe am Waſſer, auf welchem ſie auch zuweilen in kleinen Schrittchen herumtrippelt und ein Stuͤckchen recht behende aber etwas wackelnd fortlaͤuft, oder aus dem Waſſer emporragende Steine, Pfaͤhle, auch wol ein ſchwimmendes Stuͤck Holz. Sie laͤßt ſich mit ungemeiner Leichtigkeit nieder und erhebt ſich auch eben ſo wieder. Wenn ſie fort will und große Eil nicht Noth thut, dehnt ſie ſich oft behaglich und ſtreckt erſt den Fluͤgel und Fuß der einen, dann der andern Seite weit von ſich, oder ſie reckt beide Fluͤgel ſenkrecht in die Hoͤhe und erhebt ſich nun. Auch beim Nie— derſetzen haͤlt ſie oft die Fluͤgel auf ein paar Augenblicke ſo in die Hoͤhe gerichtet. Seltner laͤßt ſie ſich auf das Waſſer nieder um zu ſchwimmen, wobei ſie die Bruſt ſehr wenig eintaucht und dazu Fluͤgel und Schwanz ſehr hoch haͤlt, aber noch ſeltner ein Stuͤckchen fortrudert. Sie hat einen ungemein leichten und ſanften Flug, welcher aber, trotz aller Gewandtheit in ſeinen zahlloſen und kuͤhnen Schwenkungen, etwas langſam oder matt erſcheint, doch iſt er dies weniger als bei der folgenden Art. Streicht ſie gerade aus, ſo ſchwingt ſie die großen Fluͤgel in nicht ſchnellen, weit ausholenden Schlägen, worin die niedergehenden Flügel den leichten Körper et— was heben, dieſer aber wieder ein Wenig ſinkt wenn jene aufgeho— ben werden, wodurch eine ſchlaͤngelnde Linie entſteht, die dieſem Flug ein mattes und unſtaͤtes Ausſehen giebt. Im eilenden Fluge wird dies weniger bemerklich. Streicht ſie niedrig uͤber dem Waſ— fer hin, fo wird er oft ploͤtzlich durch eine kuͤhne Schwenkung auf: gehalten, weil ſie Etwas im Waſſer erblickte, das ihre Aufmerkſam— keit erregte; iſt es ihrem Scharfblick entſchwunden, fo ſegelt fie wei: ter, aber immer hat ſie dabei den Schnabel gerade herab gerichtet; bald entdeckt fie etwas Neues, flattert (ruͤttelt) über demſelben und ſtuͤrzt ſich, nach feſtgenommenen Ziel, pfeilſchnell darauf, daß das 102 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. Waſſer hoch aufſpritzt. Haͤufig beſchreibt ſie groͤßere oder kleinere Bogen in den verſchiedenſten Richtungen, ſchwebt aber nicht oft. Sie fliegt zuweilen ſehr hoch, zumal auf ihren Reiſen oder Aus— flüchten. Unvergleichlich ſchoͤn iſt dann ihr Flug, wenn fie über ei— nem Waſſer anlangt und ſich zu ihm herablaͤßt; es geſchieht ſehr allmaͤhlig, doch meiſtens ohne Schweben und ohne Drehen, fondern mit einem Wiegen bald auf die eine bald auf die andere Seite, mit leichtem Schwenken ab- und ſeitwaͤrts, mit großen, langſamen, außerſt ſanften Fluͤgelſchlaͤgen und dieſe herrlichen Bewegungen brin— gen ſie, wenn ſie gleich langſam ſcheinen, ſehr ſchnell herab. Noch mehr muß man uͤber ihre Geſchicklichkeit im Fliegen ſtaunen, wenn man fie von dem ſo ſehr fluͤchtigen Lerchenfalken verfolgt ſieht, wo fie den kraͤftigen Stoͤßen deſſelben durch die ſchnellſten Wendun- gen geſchickt auszuweichen weiß, ihn immer zu uͤberſteigen ſucht, bis er endlich entkraͤftet, den Wolken nahe, fein Vorhaben aufge: ben muß. Wo ſie nicht heimiſch iſt, weicht ſie den Menſchen, zumal wenn diefer fie zu ſcharf ins Auge faßt, weit über Schußnaͤhe aus und darf da wol zu den ſehr ſcheuen Voͤgeln gezaͤhlt werden. Am Niſtorte iſt das freilich ganz anders, doch wo fie bereits Nachſtel— lungen erfahren hat, wird ſie dadurch auch ſchon mißtrauiſcher und vorſichtiger. In jedem Falle iſt ſie weit ſcheuer als die viel ge— muͤthlichere Kuͤſtenmeerſchwalbe. Sie lernt ihren Feind bald kennen und entwickelt viel Klugheit, ſeinen Nachſtellungen zu ent— gehen. Gegen ihres Gleichen iſt ſie geſellig und wo mehrere bei— ſammen wohnen, ſind ſie ſich immer nahe, zumal wenn es zum Vertheidigen ihrer Brut koͤmmt. Hinſichtlich ihrer Geſelligkeit ſteht ſie jedoch allen andern Arten auffallend nach. — Aber dieſe Voͤgel ſind auch jaͤhzornig und zu ſcherzhaften Neckereien unter ſich weni— ger geneigt als die Zwergmeerſchwalben u. a., koͤnnen auch, wenn es zum wirklichen Raufen koͤmmt, oder wenn ſie ſich gegen einen ſtaͤrkern Feind vertheidigen muͤſſen, tuͤchtig um ſich beiſſen. Mit St. minuta und mit Charadrius minor theilen fie an unſern Fluͤſſen ſehr oft den Niſtplatz, ohne ſich jedoch um dieſe zu kuͤmmern und erſtere ſcheint vielmehr ihre Geſellſchaft zu ſuchen als ſie die jener. Ihre groͤßern Vereine mit ihres Gleichen ſind auch nie ſo enge als bei vielen andern Meerſchwalben. Ihre Stimme enthaͤlt, wenn man ſo ſagen darf, die Normal— toͤne der Meerſchwalbengattung, die bei allen Arten, nur mehr oder weniger modulirt, vorkommen; dies iſt hauptſaͤchlich ein heller Erä- XII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 103 henartiger Ton, wie Kriaͤh klingend und ein ſchleppendes oder ſehr gedehntes Kriiaͤh oder Klitäh und Kriaͤaͤh! Dies ſcheinen ihre Locktoͤne und zugleich die, womit ſie einander warnen, zu ſein; da— gegen ſchreien ſie aus Beſorgniß um ihre Brut: Keck, oder Kick, auch Kreck, welche fie bei wachſender Noth ſehr oft, bald ſchneller, bald langſamer nacheinander, wiederholen. Wenn ſich die Gefahr zu vermindern ſcheint, rufen ſie einzeln Kraik. Im Zanke, wenn z. B. ein paar Maͤnnchen an einander gerathen, ſtoßen ſie die Sylbe keck oder kreck fo oft und haſtig nacheinander aus, daß daraus ein Schaͤckern wird, welches dem eines Wuͤrgers (Lanius) ähnelt, Sie ſchreien im Ganzen nicht oft, zumal wo nur ein einzelnes Paar wohnt und es daher keine Gelegenheit zu Zaͤnkereien giebt. Die zarten Jungen piepen, was ſich, wenn ſie etwas heranwachſen, in einen klaͤglichen Ton umwandelt, bald aber in jenes Keck und Kreck uͤbergeht; beim Wegzuge laſſen fie endlich auch ihr Kriaͤh ertoͤnen. SE e e e Lebendige kleine Fiſche, welche ſie ſich ſelbſt faͤngt, ſind die Lieblings⸗ und Hauptnahrung dieſer Meerſchwalbe, vorzuͤglich iſt es der Ukelei (Cypr. Alburnus), ein in unſern Fluͤſſen und klaren Seen ungemein haͤufiges Fiſchchen, welches ſie am gewoͤhnlichſten faͤngt, weil es meiſtens ſeicht ſchwimmt und ſeine Nahrung an der Oberflache ſucht. Ich glaube, daß die häufige Anweſenheit dieſer Fiſchart, die Hauptſache bei der Wahl der Wohnorte dieſer No: el iſt. 5 Langſam und in geringer Hoͤhe uͤber dem Waſſer hinſtreichend, Schnabel und Geſicht ſenkrecht gegen dieſes gehalten, zum Erſpaͤ— hen einer Beute bald das eine, bald das andere Auge gebrauchend, daher den Kopf bald etwas auf die eine, bald auf die andere Seite gebogen, ſtreicht ſie ſuchend und den Blick unverwandt auf's Waſ— fer gerichtet, meiſtens den Fluß entlang, haͤlt durch ploͤtzliches Schwenken an von Fiſchen belebten Stellen an, fliegt entweder kreiſend, oder haͤlt ſich ſogleich durch geſchwindes Flattern (Ruͤtteln) an ei— ner Stelle, um ihre Beute recht ſicher aufs Korn zu nehmen, faͤllt dann wie ein Stein aufs Waſſer, daß dieſes hoch aufſpritzt, und fliegt im Augenblick, mit dem gefangenen Fiſchchen im Schnabel, davon, verſchluckt es alsbald oder traͤgt es den Ihrigen zu. Auf 104 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. dieſe Weiſe ſuchen ſie den Fluß, Stunden weit hinauf und wieder herab, raſtlos ab, zumal dann in ſo weiten Strecken, wenn, wie an manchen Tagen und bei ſchlechtem Wetter, die Fiſche nicht. hoch gehen oder ſich ihrem Stoße nur wenige darbieten. Wo Altwaſſer, Teiche und Waſſerlachen in der Naͤhe des Fluſſes liegen, werden auch dieſe fleißig mit abgeſucht. Dann kann es ſich ereig— nen, daß man zu ihrem Wohnplatze koͤmmt, ohne eine einzige da— ſelbſt anzutreffen und man manchmal wol eine Stunde lang auf ihre Zuruͤckkunft warten muß, beſonders wenn fie überhaupt nur in einem oder wenigen Paaren daſelbſt wohnen. Bei ſchoͤnem Wetter bedarf es ſo weit ausgedehnter Ausfluͤge nicht; ſie finden dann ſchon in der Naͤhe genug fuͤr ihren Schnabel, ſind auch viel lebhafter und beſſer gelaunt, weil da der Fiſchfang gut geht. Sie fliegen faſt den ganzen Tag ununterbrochen nach Nahrung umher und ſetzen ſich nur bei ſtarkem Winde oͤfter, ſonſt ſelten und auf kurze Zeit, auf einen Stein, Pfahl oder Sandbank nieder, um et— was auszuruhen. Beim Herabſtuͤrzen auf eine Beute, tauchen nur Schnabel, Kopf, Hals und Bruſt unter, Fluͤgel, Schwanz und Ruͤcken bleiben dagegen meiſtens uͤber der Oberflaͤche des Waſſers. Nicht von Fiſchen allein, ſondern nur vorzugsweiſe, naͤhrt ſich dieſe Meerſchwalbe; ſie faͤngt auch groͤßere Waſſerinſekten und die Larven derſelben, beſonders die von Schwimmkaͤfern und Libel— len. Beim Beſuchen kleinerer Teiche muß ſie oft bloß mit dieſen fuͤrlieb nehmen, ja hier faͤngt ſie auch kleine Waſſerfroͤſchchen und ſogenannte Kaulpadden oder Froſchlarven. Wir haben ſie oft beim Fangen dieſer und mit den eben verſchluckten, ihre Speiſeroͤhre anfuͤllenden Geſchoͤpfen dieſer Art auf unſern Teichen erlegt, wo ſie uͤbrigens auch zuweilen ein junges Weißfiſchchen (Cypr. erythro- phthalmos & rutilus) erwiſcht. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, was Bechſtein (a. a. O.) ſagt, daß fie bei anhaltendem Regen und ſtuaͤrmiſchen, ſchlackkalten Wet— ter auch auf naheliegende, friſchgepfluͤgte Aecker fliege, um die aus— geackerten Regenwuͤrmer und Engerlinge (Maikaͤferlarven) aufzu— leſen. Ich habe daſſelbe bei der ihr ſo aͤhnlichen folgenden Art, aber noch nicht bei dieſer beobachtet, muß aber der Analogie nach daran glauben. Man denke ſich Meerſchwalben hier nicht etwa wie Kraͤhen oder Meven, in den Furchen dem Pfluge nachlaufend; ſie flattern und ſchwenken hier, ſuchend und ſpaͤhend, auf gleiche Weiſe niedrig uͤber dem Erdboden hin und her, wie ſonſt uͤber dem Waſ— ſer, ſetzen ſich bei einer entdeckten Beute ſchnell daneben, ergreifen XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 232. Fluß⸗Meerſchwalbe. 105 ſie in demſelben Augenblick, fliegen eben ſo ſchnell damit auf und verſchlucken ſie erſt fliegend. Fortpflanzung. Wie es ſcheint, bewohnt die Flußmeerſchwalbe, zur Fortpflan⸗ zungszeit, die noͤrdliche Haͤlfte von Europa haͤufiger als die ſuͤdli— che; es iſt jedoch nicht genau angegeben, bis zu welchem Breitegrade ſie noch niſtend vorkoͤmmt, weil ſie immer noch zu haͤufig mit der folgenden Art verwechſelt iſt. Daß ſie an den ſtehenden Gewaͤſſern, hauptſaͤchlich aber an den groͤßern Fluͤſſen Deutſchlands, in vie len Gegenden in Menge, ſich fortpflanze, jene hier aber niemals vorgekommen iſt (außer ganz in der Naͤhe des Meeres) iſt bekannt genug. Die Elbe ſcheint einer zur Niſtzeit am haͤufigſten von ihr bewohnten Stroͤme; man ſieht ſie, vom Mai bis Auguſt, uͤberall wenigſtens einzeln uͤber deren Bette hin und her fliegen, trifft an vielen Stellen Niſtorte von mehrern und bis zu zehn bis zwoͤlf Paaren beſetzt, aber faſt nie einſam niſtende Paͤaͤrchen; dieſe kom— men, nach meinen Beobachtungen, nur an den kleinern Nebenflüf- ſen, z. B. unſrer Mulde, aber auch nicht oft vor, weil auch klei— nere Bruͤteplaͤtze meiſtens von einigen Paaren beſetzt gehalten wer— den. Ihr ſtetes Hin- und Herfliegen uͤber dem Waſſer entlang und ihre weiten Ausfluͤge machen, daß man ſie an der Elbe allent— halben bemerkt. Sie kehrt alljaͤhrlich auf den fruͤhern Niſtplatz zu⸗ ruͤck, wenn er nicht in ihrer Abweſenheit vom Waſſer gaͤnzlich ruinirt oder durch Menſchenhaͤnde voͤllig umgewandelt iſt. Ihre Niſtplaͤtze ſind große niedrige Inſeln und Baͤnke, oder weite, flach in das Waſſer verlaufende Ufer im eigentlichen Fluß: bette, ganz von allem Pflanzenwuchs entbloͤßte, ſandige oder kieſige Stellen ). Kies ziehen fie dem Sande ſtets vor, und je ausge: dehnter ſolche Flaͤchen ſind, deſto lieber oder von deſto mehrern Paaren werden ſie bewohnt. Sie kommen am gewoͤhnlichſten da ) Sand, beſteht aus lauter feinen, dem unbewaffnetem Auge von gleicher Größe erſcheinenden Körnern; Kies, aus lauter kleinen Steinchen, von welchen die der mitt⸗ lern Größe der von Haſelnüſſen gleichen, aber die, welche ſcheinbar die Mehrzahl bilden, viel größer ſind. Ich bitte, dieſen in meinen Beſchreibungen ſtets genau geuommenen Unterſchied wol zu brachten; er iſt von ornithologiſcher Wichtigkeit. 106 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. vor, wo das Flußbett einen etwas kurzen Bogen bildet, an deſſen hohler Seite. An kleinern Fluͤſſen muß ein ſolcher (hier ſogenannter) Heger oder Haͤger eine abgelegene, ſelten von Menſchen beſuchte Lage haben; an groͤßern Stroͤmen, deren Bett mehrere hundert Schritt auch wol noch breiter, niſten ſie dagegen auch oft im An— geſicht der Städte und eines lebhaften Verkehrs. Die Zwerg— meerſchwalbe, die ſo oft mit ihr an demſelben Orte bruͤtet, iſt indeſſen darin noch weniger bedenklich. Nahe bei der Stadt Aken und dicht neben der ſehr frequenten Faͤhrſtelle erhebt ſich, bei nie— derm Waſſerſtande, ein zuweilen mehrere hundert Schritt langer, auch bedeutend breiter Kieshaͤger aus der Mitte des Elbſtroms, zu niedrig und zu veraͤnderlich, als daß die mehrmals darauf verſuch— ten Weidenpflanzungen haͤtten Wurzel faſſen koͤnnen; er iſt aber, trotz der Naͤhe eines außerordentlich lebhaften Verkehrs, alle Jahr mit dieſer und noch mehrern der ebengenannten Art beſetzt, denen ſich immer auch Flußregenpfeifer (Char. minor), in der Zug— zeit auch noch mancherlei andere Wad- und Schwimmvoͤgel anſchlie— ßen, deren munteres Treiben den Leuten, welche dort überfahren, vorbei ſchiffen oder am Ufer hinwandeln, viel Vergnuͤgen gewaͤhrt. Dieſer Haͤger liegt freilich von beiden Ufern ſehr entfernt und wird auch nie von Menſchen oder doch nur ſelten von Fiſchern oder Schiffern betreten. Solcher Kiesbaͤnke hat die Elbe gar viele; aber alle von dieſen Meerſchwalben bewohnten erheben ſich zu wenig uͤber einen mittlern Waſſerſtand, als daß ſie nicht bei ungewoͤhnlichem Anſchwellen des Fluſſes uͤberſtroͤmt wuͤrden, eine Gefahr, welche dieſen Voͤgeln alle Jahr drohet und ihnen nur zu oft alle Hoffnung zur Vermehrung vernichtet. Ihr Inſtinkt leitet ſie wol bei Anlage der Wahl des Plaͤtzchens, ihre Eier nicht zu nahe ans Waſſer, auch nicht an eine zu niedrige Stelle zu legen, ſo daß ſie zuweilen wol 40 Schritt vom Waſſerrande und auf ſtets mehr als 1 Fuß uͤber dem dermaligen Waſſerſtand erhabenen Plaͤtzen liegen; allein er ſagt ihnen nicht daß das Waſſer waͤhrend der Lege- und Bruͤtezeit anſchwellen, noch weniger wie hoch es ſteigen koͤnnne. N Auf hohen Inſeln und auf hohen Ufern, wenn ſie ſich 8 Fuß uͤber den Waſſerſpiegel erheben, fand ich ihre Eier niemals und eben ſo wenig auf noch hoͤhern. Es iſt mir daher nicht wahrſchein— lich, daß ſie in andern Gegenden an felſigen Geſtaden ihre Eier auch auf hohe Felſen legen ſoll. Sie legen ihre Eier ungleich lieber auf Kies als auf Sand. Unzaͤhlige Mal habe ich ſie in meinem Leben gefunden, aber nur XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 107 ein einziges Mal auf Sande. Ebenfalls Inſtinct mag ihnen ſa— gen, daß fie auf Kiesboden, wegen der fie umgebenden buntfarbi— gen Kieſelſteinchen, viel ſchwerer zu entdecken ſind als auf dem fei— nen Sande, unter welchem Steine, ſelbſt einzelne, ſelten vorkom— men, und wo man auf der viel glattern, gleichfarbigen Flaͤche die Eier ſchon von Weitem liegen ſieht. Auf gruͤnem Boden habe ich fie nie gefunden, nicht einmal auf ſolchem, dem nur hin und wie: der ein duͤrftiges Pflaͤnzchen entſproßt, ſondern ſtets auf ganz kah— len Plaͤtzen. Die Begattung geſchieht nach vorhergegangenem Herumtrippeln unter vielem Flattern, auf dem Boden nahe am Waſſerrande. Die Gatten ſind einander immer nahe, und trifft man auch zuweilen nur einen, ſo koͤmmt auf das mehrmalige Schreien dieſes, der an— dere doch ſogleich oder ſo ſchnell herbei, daß man oft nicht weiß wie und woher. Wo ſie in Geſellſchaft von mehrern oder vielen Paaren einen gemeinſchaftlichen Niſtplatz haben, machen ſie doch ihre Neſter nie ſo nahe neben einander, als manche andere Meer— ſchwalben, und von drei bis vier Paaren iſt oft eins nicht unter 20 Schritt von dem andern entfernt. Das Neſt beſteht bloß aus einer kleinen, großentheils ſelbſt bereiteten Vertiefung und auf dem Kieſe, welcher manchmal ſehr dicht liegt, erleichtern ſie ſich dieſe Arbeit, in— dem ſie eine ſchon vorgefundene zufaͤllige Vertiefung dazu einrichten. Man ſieht es deutlich, daß ſie ohne dies keine dazu nehmen. Im lockern Boden iſt ſie gewoͤhnlich etwas tiefer als im feſtern. Ob ihre gewoͤhnlichen Geſellſchafter an unſern Fluͤſſen, die Zwerg— meerſchwalben und die Flußregenpfeifer, ihre Neſter nahe oder entfernter bei dem ihrigen anlegen, ſcheint ihnen wie dieſen ganz gleichguͤltig; meiſtens findet man die aller drei Arten bunt durcheinander, viel ſeltner jede fuͤr ſich allein, auf beſondern Plaͤtzen und weit von einander; dies letztere geſchieht faſt immer nur von vereinzelten Paaren. Selten fruͤher als gegen Ende des Mai legt das Weibchen in den kleinen, flachen, meiſt huͤbſch gerundeten Napf ſeine 2 bis 3 Eier; — 4 habe ich niemals darin gefunden und muß es fuͤr einen Irrthum halten, wenn dies andere behaupten wollen. Sie haben ohngefaͤhr die Groͤße wie Kraͤheneier und ſind 1 Zoll 7 bis 9 Li— nien lang und 1 Zoll 2 bis 3½ Linien breit. Ihre Geſtalt iſt meiſtens eine ſchoͤn eifoͤrmige, doch ſind viele am ſpitzen Ende ſchlanker zugeſpitzt, andere daſelbſt wieder ſtumpfer zugerundet, es kommen ſogar ſehr bauchichte, an denen die ſtaͤrkſte Woͤlbung bei⸗ 108 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. nahe in der Mitte liegt, vor. Ihre glatte Schale iſt von ſehr fei— nem Korn, aber ohne Glanz; die Grundfarbe meiſtens ein ſehr truͤbes, roſtgelbliches Weiß, das bis zu einem matten ſchmutzigen Roſtgelb oder auch in ſehr bleiches Gelbbraun abwechſelt, ſo die Grundfarbe an verſchiedenen Eiern zwar ziemlich verſchieden, aber ſtets ſehr bleich iſt “?). Die Zeichnung beſteht in violettgrauen, groͤßern und dann einzelnern, oder kleinern und zahlreichern Flecken und in mehrern oder wenigern Punkten, unter der Oberflaͤche; auf derſelben in roͤthlich- oder auch tiefſchwarzbraunen, runden oder laͤnglichen, oft ſchraͤgen und zuweilen mehrere in einen zuſammen— gefloſſenen Flecken, in Tuͤpfeln und Punkten, die, wenn ſie, wie an manchen Eiern, klein ſind, dichter, wenn ſie, wie an andern, groß find, einzelner ſtehen, wobei aber alle am ſpitzen Ende weni: ger Zeichnung haben als am ſtumpfen, wo ſich auch an manchem die meiſten Flecke zu einem lockern Fleckenkranz zuſammendraͤngen. So herrſcht allerdings eine große Verſchiedenheit unter dieſen Eiern, aber lange nicht eine ſo große als bei denen der folgenden Art. Friſch, noch nicht ihres Inhalts beraubt, ſcheinen ſie ſehr ſchwach und kaum bemerklich ins Gruͤnliche; dieſer Schein verſchwindet aber in der Sammlung ganz und bei manchen derſelben wird die Grund— farbe mit der Zeit duͤſterer und braͤunlicher. Sie ſind denen der Kuͤſtenmeerſchwalbe ſo außerordentlich aͤhnlich, daß manche Spielarten in Sammlungen ſich nicht unterſcheiden laſſen. Im fri— ſchen Zuſtande ſind dieſe indeſſen an der bei allen Spielarten viel mehr ins Gruͤne ziehenden Grundfarbe leicht zu unterſcheiden; lei— der verſchwindet aber in Sammlungen das Gruͤn an den meiſten ganz und bei vielen wird es nach und nach in lichtes Olivenbraun verwandelt, das gewoͤhnlich mit der Zeit duͤſterer wird. Die der Flußmeerſchwalbe giebt man gewoͤhnlich fuͤr etwas groͤßer aus; dies iſt aber auch ſo wenig und beide Arten laufen hierin ſo ineinander, daß keine Grenze feſtgeſtellt werden kann. Ferner ſollen die der Flußmeerſchwalbe (nach Thienemann, Eierwerk, Hft. V. S. 12. u. 13.) ſich durch lebhafter gefärbte, größere und ſparſamere Scha: lenflecke unterſcheiden; wogegen ich aber noch viele ſelbſt eingeſam— ) An dem Taf. XIX. Fig. 8. des Thienemann' ſchen Eierwerks abgebildeten Ei dünkt mich die Grundfarbe viel zu dunkel; ich habe wenigſtens unter Hunderten kein ſo dunkeles geſehen. Vielleicht liegt die Schuld in meinem Exemplar dieſes Werks bloß am faiſchen Ausmalen; doch will es mir auch ſcheinen, als wären die Zahlen 8 und 9 verwechſelt. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß: Meerfhwalbe 109 melte der folgenden Art aufzuweiſen habe, welche gerade das Ge— gentheil bezeugen. Maͤnnchen und Weibchen bruͤten zwar abwechſelnd, doch erſte— res ſeltner, und in der Nacht bloß letzteres. Sie ſitzen oder liegen aber am Tage nicht oft und nie lange, bei ſchoͤnem, heitern Wetter faſt gar nicht uͤber den Eiern, uͤberlaſſen dann den Sonnenſtrahlen das Erwaͤrmen derſelben und ihre Unterlage, die erwaͤrmten Stein— chen, moͤgen dies ebenfalls befoͤrdern. Sie lieben ſie ſehr und kom— men dem, welcher ſich dem Plaͤtzchen naͤhert, mit Schreien entgegen und ziemlich nahe, machen aber einen Unterſchied und trauen nicht jedem, am wenigſtens den Schuͤtzen; iſt ſchon oͤfter, wenn auch in vergangenen Jahren, dort auf ſie geſchoſſen worden, ſo weichen ſie ſchon von Weitem aus. Oefters koͤmmt man an einen ſolchen Ort, ohne nur eine bei den Eiern anzutreffen, ſelbſt auf einer langen Strecke des Fluſſes eine zu ſehen; allein man braucht nicht lange auf ſie zu warten, und hat erſt eine Laͤrm gemacht, ſo ſieht man ſich bald von der ganzen Geſellſchaft umkreiſet. Das Betaſten der Eier moͤgen ſie nicht gern leiden, zumal wenn ſie noch nicht lange bebruͤtet ſind; ſie verlaſſen ſie dann oft; auch iſt mir dies vorge— kommen, wenn ihnen nur ein einziges gelaſſen wuͤrde. Haben ſie aber ſchon laͤnger gebruͤtet, ſo ſind ſie in dieſem Punkte weniger empfindlich. In 16 bis 17 Tagen entſchluͤpfen die Jungen den Eiern, laufen bald aus dem Neſte und verbergen ſich hinter den groͤßern Steinen des Kiesbodens, hinter duͤrftigen Pflanzen u. dgl. durch Niederdruͤcken. Durch ihr klaͤgliches Piepen verrathen ſie ſich nur dann, wenn die alten weggeſchoſſen oder ſonſt auf lange verhindert wurden, ihnen Futter zu bringen; auch ſind ſie vorſichtig genug ſich nicht zu melden, wenn ein Menſch oder groͤßeres Thier in ihrer Naͤhe iſt. Einige Tage nach dem Ausſchluͤpfen keimen ſchon ordent— liche Federn, zuerſt an den Schultern, auf dem Ruͤcken und an den Bruſtſeiten, bald auch an den Flügeln und dem Schwanze, aber zu allerletzt am Kopfe hervor; ſie koͤnnen zwei Wochen alt ſchon ziemlich weit flattern. In der dritten Woche folgen ſie ſchon den Alten fliegend, freilich noch matt und wankend, auch oͤfters, ſpaͤter an beſtimmten Plaͤtzen, ausruhend, aber unter fortwaͤhrenden ver— langenden Toͤnen, und empfangen nun das ihnen dargereichte Fut— ter nicht mehr ſitzend, ſondern, wie junge Schwalben, im Fluge, wobei ſie am meiſten ſchreien. Jetzt werden dieſe klagenden Toͤne denen der Alten immer aͤhnlicher, aber es dauert lange, eh ſie ſich ihre Nahrung ſelbſt fangen lernen. Gewoͤhnlich trifft man ſie, na— 110 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. mentlich die von verſpaͤteten Bruten, noch allein am Geburtsorte, wenn die Alten ſchon laͤngſt fortgezogen ſind, zuweilen noch gegen Ende des Auguſt. Wenn dieſen Voͤgeln, wie ſehr oft geſchieht, das erſte Gelege, namentlich durch Uiberſchwemmungen, zu Grunde ging, ſo machen ſie, wenn der Waſſerſtand wieder normal geworden, wol ein zwei— tes Gelege; geht aber auch dieſes verloren, ſo bleiben ſie in ſolchem Jahr ohne Nachkommenſchaft, weil die wieder vom Waſſer frei ge— wordenen Niſtorte nicht ſo bald wieder abtrocknen und ihnen dadurch zu viel Zeit verloren geht. Iſt der Juni bald zu Ende, ſo legen ſie in dieſem Jahr keine Eier wieder. Buͤßen ſie gar ihre Jungen durch die uͤberſtroͤmende Flut ein, fo hören ihre diesjährigen Fort- pflanzungsgeſchaͤfte ſogleich auf. Ihre Vermehrung iſt uͤberhaupt, wenigſtens ſo weit ich ſie an unſern Fluͤſſen beobachten konnte, ſehr ſchwach; haͤufigſt ſieht man nur ein Junges einem Paar Alten fol— gen, zweie ſchon nicht fo oft und drei Junge ſehr ſelten bei einem Paar. Die vielen Ungluͤcksfaͤlle, welche ihre Brut treffen koͤnnen, ſind auch Urſach, daß nach einem Jahr, in welchem namentlich Ui— berſchwemmungen Statt fanden, im naͤchſten Fruͤhjahr wenigere Paͤaͤrchen zuruͤckkehren, als in einem fruͤhern an demſelben Orte wohnten; dagegen ſind Jahre, worin der umgekehrte Fall eintritt, ſehr ſelten. Fei un d ee⸗ Nur den fluͤchtigſten Edelfalken wird dieſe Meerſchwalbe zuwei— len zur Beute; wir ſahen es einige Mal nur vom Lerchenfalken (Falco subbuteo) und der Kampf zweier ſo ausgezeichneter Flie— ger gewaͤhrt ein unvergleichlich reizendes Schauſpiel. Das gewoͤhn— liche Rettungsmittel der Schwimmvoͤgel und mancher andern, ſich ſogleich ins Waſſer zu ſtuͤrzen, ſahen wir die Verfolgte hier nicht ergreifen; dagegen aber die Meerſchwalbe den gewaltigen Stoͤßen des Falken mit einer bewundernswuͤrdigen Gewandtheit ausweichen, ſie nach jedem Stoße hoͤher ſteigen, bei manchem auch ſenkrecht ein Stuͤck herabfallen, oder eine kuͤhne Seitenwendung machen, dabei aber doch ſich immer mehr und mehr den Wolken naͤhern, bis end— lich des Falken Kraͤfte erſchoͤpft wurden und er unverrichteter Sache abziehen mußte. Junge faͤngt er indeſſen mit groͤßerer Leichtigkeit; doch kann ihn eine voͤllig Erwachſene, wie ſie es auf ihrem Weg— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 111 zuge ſind, auch ſchon ſehr viel zu ſchaffen machen. Er ſcheint ein Hauptfeind der Meerſchwalben zu ſein und mag ihnen die eben flugbaren Jungen nicht ſelten wegkapern; denn ich ſahe ihn mehr— mals, beſonders gegen Abend, an den Bruͤteplaͤtzen derſelben vorbei ſtreichen und dieſe Vögel in Schrecken ſetzen. — Raben, Kraͤhen und Elſtern ſtehlen ihnen nicht ſelten die Eier, wenn die Alten nicht zugegen ſind, muͤſſen aber ihren Schnabelſtoͤßen weichen, wenn ſie ſie heran nahen ſehen. Ertappen ſie den Raͤuber mit der Beute im Schnabel, ſo ſetzen ſie ihm wol ſo zu, daß er ſie fallen laſſen muß, aber Ei oder Junges iſt dann auch verloren. Die letztern laſſen ſie indeſſen ſelten ſo lange allein, daß ſie ihnen von jenen geraubt werden koͤnnten. — Wahrſcheinlich ſchleppen ihnen naͤchtli— che Raubthiere auch manches Junge weg. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten, oft ziemlich haͤufig Philopterus melanocephalus. Nitsch; in ihren Eingeweiden Ligula simplicissima, Distomum denticulatum, eine unbeſtimmte Art Taenia und einige andere. Das ihnen zu ihrer Unterhaltung unentbehrliche Element, das Waſſer, wird ihnen gar haͤufig auch ſehr verderblich, namentlich ihrer Brut, denn Uiberſchwemmungen vernichten ihnen oftmals fuͤr daſſelbe Jahr alle Hoffnung zum Erzielen von Nachkommenſchaft, wie mit einem Schlage. Die ſogenannten Johanniswaſſer, wovon un— ſere Fluͤſſe fo oft plotzlich anſchwellen, thun ihnen daher, wie ans dern in den Flußbetten niſtenden Voͤgeln, gar haͤufig großen Scha— den. Auch von Menſchen wird ihnen, wenn auch oft nicht vor— ſaͤtzlich, wie bei den Beſchaͤftigungen der Fiſcher, viel Leids zuge⸗ fuͤgt; ja ich ſahe oͤfters gefuͤhlloſe Leute dieſer Klaſſe ihnen, aus Nahrungsneid, die Eier ſogar abſichtlich zertreten. a e d. Wo ſich dieſe Meerſchwalbe nicht heimiſch findet, iſt ſie ziemlich ſcheu, wo ſie ſich aber noch dazu verfolgt ſieht, iſt ſie es noch mehr, doch ſteht ſie hierin vielen andern nach. Im Sitzen haͤlt ſie nie ſchußrecht aus, dies iſt aber auch nicht noͤthig; denn wenn ſie auf einem kleinern Gewaͤſſer, z. B. einem Teiche von nicht zu großen Umfange angetroffen wird, ſo darf der Schuͤtze nur Ruhe genug behalten und keinen weiten Schuß auf ſie wagen; ſie wird ſich dann an ſeinen Anblick gewoͤhnen, immer naͤher an ihm voruͤber 112 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. ſtreichen, und endlich auf einem ihrer naͤhern Kreisfluͤge herabge— ſchoſſen werden koͤnnen. Bei allen Meer- und Seeſchwalben wird, wenn fie fliegen, das Auge des Schuͤtzen getaͤuſcht, wegen der maͤch⸗ tigen Fluͤgel und ſelbſt wegen den in die Ferne leuchtenden hellen Farben; ſie ſehen groͤßer aus und ſcheinen naͤher als ſie ſind und werden deshalb leicht gefehlt. Hat man die Flußmeerſchwalbe nahe genug und die Flinte mit etwas grobem Vogeldunſt (Bekaſſinen— ſchrot) geladen, ſo iſt ſie ſehr leicht zu ſchießen, am leichteſten beim Neſte und wo mehrere Paare nebeneinander niſten. Die einzeln ni— ſtenden Paͤaͤrchen ſind jederzeit ſcheuer. Kann ſich der Schuͤtze da, wo er fie oͤfters hin und her ſtreichen fahe, in einen Hinterhalt ſtel— len, ſo koͤmmt er am ſicherſten zum Schuß. Zu fangen iſt ſie nicht ſo leicht, weil ihre Ruheplaͤtzchen, wel— che man mit Schlingen oder Leimruthen belegen koͤnnte, nicht im— mer die naͤmlichen ſind. Auf dem Neſte ging dies eher mit den letztern, weil erſtere ſich an dem Kießboden ſchwer befeſtigen laſſen, was mit kleinen Pfaͤhlchen geſchehen muͤßte, welche man aber ge— woͤhnlich nicht ganz verbergen kann. Findet ſie an den Umgebun— gen des Neſtes zu Vieles veraͤndert, ſo erregt es bei ihr Verdacht und ſie kehrt nie wieder auf die Eier zuruͤck. Ich fand einſtmals nicht weit von einem ſolchen Neſte eine zerbrochene Flaſche, nahm dieſe dort weg, legte ſie naͤher an das Neſt, befeſtigte daran ein Stuͤck Bindfaden, von etwa zwei Fuß Laͤnge, und an dieſes die Schlingen, welche die Eier umgaben; ein anders Mal hatte ich ei— nen Pflock eingetrieben, woran die Schlingen durch ein Schnur befeſtigt waren, aber ſonſt am Boden um das Neſt herum wohlbe— daͤchtig Nichts verändert, und doch verließ in beiden Fallen das Paͤaͤrchen ſeine Eier. Ein anderes Mal ſahe ich von Weitem zu, wie der Vogel, ehe er ſich auf die Eier legte, die Schlingen mit dem Schnabel entfernte und wegzupfte, ſich aber dabei nicht fing. Dieſe Beiſpiele moͤgen beweiſen, daß das Fangen auf dem Neſte bei vielen Voͤgeln eben ſo leicht nicht geht. N uw tz een. Wo dieſe Art in Menge beiſammen wohnt, moͤchten ihre Eier als wohlſchmeckende Speiſe ebenſo zu benutzen ſein, wie die vieler anderer verwandten Voͤgel. Ihr Fleiſch zu genießen iſt nicht uͤblich, obgleich es nicht ganz XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 282. Fluß⸗Meerſchwalbe. 113 ſchlecht ſchmeckt und oft auch ziemlich fett iſt. Haut und Fett der Alten, beſonders im Fruͤhjahr, ſind ſchoͤn orangenfarben, bei den flugbaren Jungen hochgelb. Sie beleben die Gewaͤſſer auf eine ſehr angenehme Weiſe und ergoͤtzen durch ihr munteres Betragen. Schaden. Bei den Fiſchern ſtehen ſie in dem uͤblen Rufe des Fiſchrau⸗ bes, zwar nicht ganz mit Unrecht, weil ſie ſich meiſtens von kleinen Fiſchchen naͤhren, und ſie werden deshalb von jenen, wie ſchon be— ruͤhrt, oft unbarmherzig verfolgt, ihnen die Eier weggenommen oder dieſe nutzlos zertreten, auch die Jungen oft erſchlagen u. ſ. w. Es werden indeſſen hierbei Eigenduͤnkel und Selbſtſucht des Menſchen wol ein Wenig zu weit getrieben. 10r Theil, ad 283, Die Küſten⸗Meerſchwalbe. Sterna macrura W. Fig. 1. Altes Männchen im Sommerkleide. Taf. 253. J Fig. 2. Juͤngeres Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Jugendkleid. Arctiſche —, nordiſche —, langſchwaͤnzige —, ſilberfarbene —, ſilbergraue Meer- oder Seeſchwalbe; Boͤßpicker. Sterna macrura. Naumann, Isis, Jahrg. 1819. Hft. XII. S. 1847. Sterna arctica (Hirondelle de mer aretique). Temminck Man. 2. Edit II. p. 742. (Jahr. 1820). = Sterna argentata. Brehm, Beiträge z. V. III. S. 692. (Jahr. 1822). - Deſſen Lehrbuch, II. S. 689. — Deſſen Naturg. aller Vög. Deutſchlds. S. 782 bis 785. — Ariic Tern. Eyton, Hist. rar, brit. Birds. p, 68. — Rondine di mare coda-lunga. Savi, rnit. toseaua, III. p. 86. — Meyer, Zu⸗ ſätze zu Taſchenb. (III.) S. 157. — Hornſchuch u. Schilling, Verz. pomm. Vög. S. 17. n. 225. = v. Homeyer, Vög. Pommerns, S. 66. u. 216. Wahrſcheinlich gehört hierher Sterna Hirundo, Brünn. Oru. bor., und gewiß die p. 45. beſchriebene angebliche Varietät mit weißer Stirn (als Winterkleid). — Ob Linnée unter St. Hirundo dieſe oder die vorhergehende Art gemeint hat, bleibt un— gewiß. Kenn ze iche der e Die Füße und der Schnabel hochkarmin- oder zinnoberroth, dieſer an der weniger ſchlanken Spitze gar nicht oder ſehr wenig ſchwarz; der dunkele Streif auf der Innenfahne der erſten Schwing- feder, drei Zoll vor der Spitze, nur 1½ bis 1½ Linien breit; die Fußwurzel 7 bis 8 Linien hoch; — das Jugendkleid auf dem Mantel mit ſehr dunkeln Wellen und Mondflecken. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 115 Beſchreibung. Erſt ſeit ein paar Dezennien iſt dieſe Meerſchwalbe fuͤr das gehalten, was ſie unbeſtreitbar ſein muß, fuͤr eine von unſrer Fluß— meerſchwalbe durchaus verſchiedene Art. Damals gelang es meh— rern Forſchern, Nitzſch, Temminck, Schilling, Brehm u. a., wozu ich auch mich zaͤhlen darf, faſt zu gleicher Zeit, ſie dafuͤr zu erkennen; es bleibt indeſſen ſehr gleichguͤltig, wer von uns ein paar Monat fruͤher oder ſpaͤter hinter das bisherige Geheimniß kam. Schon ein paar Jahr zuvor von Nitzſch, nach in Spiritus erhaltenen Voͤ— geln, aufmerkſam auf die zu vermuthende Artverſchiedenheit dieſer Meerſchwalben gemacht, ſahe ich die Kuͤſtenmeerſchwalbe zuerſt im Jahr 1819 an der Nordſee in ihrem freien Leben und Wirken, wo mir augenblicklich jene Vermuthung zur unumſtoͤßlichen Gewißheit wurde, weil fie ſich durch ein anderes Betragen, andern Flug, an: dere Stimme u. ſ. w. fliegend durch ihre ganz andere Figur und ganz beſonders durch den ſchmaͤler gehaltenen und viel laͤngern Schwanz ſogleich unterſchied. Ich gab ihr damals, auf Nitzſch's Veranlaſſung, den Beinamen macrura, langſchwaͤnzige, weil ihr langer Schwanz das zu allererſt in die Augen fallende Unter⸗ ſcheidungszeichen iſt, wodurch die fliegende Kuͤſtenmeerſchwalbe ſchon in der Ferne auffaͤllt und die Flußmeerſchwalbe dagegen wahr— haft kurzſchwaͤnzig ausſieht. Wer gewohnt war, wie ich bis zu je— ner Zeit, immer nur die letztere geſehen, beobachtet und erlegt zu haben, dem mußte ſich, wenn er nun auf ein Mal bloß jene ſahe u. ſ. w., der Name „langſchwaͤnzige M.“ gewiſſermaßen aufdraͤn⸗ gen. Er iſt jedoch ohne Noth von Mehrern verworfen, aber nicht durch einen bezeichnendern erſetzt worden; denn arctica und argen- tata koͤnnte als Beiname noch viel mehrern Arten beigelegt werden als der obige. Auſſer obigen Artkennzeichen unterſcheidet ſie ſich von der vor— hergehenden Art, auch im todten Zuſtande, durch den kuͤrzern und nach Verhaͤltniß ſtaͤrker oder höher ausſehenden Schnabel und durch die nicht allein niedrigern, ſondern auch viel kleinern Füße Der mehr oder weniger tiefer Ausſchnitt der Schwimmhaͤute, beſon— ders der innern, bei dieſer Art uͤberhaupt nie ſtark, verdient, als etwas Zufaͤlliges, ſo wenig Beachtung als bei der vorherigen Art. Sn der Körpergröße ſteht ſie der Flußmeerſchwalbe merklich nach, — man moͤchte ſie mit einer Wachholderdroſſel verglei⸗ 8 * 116 XIII. Ordn. LXXVII. Gatti. 283. Küſten⸗Meerſchw. chen, — ihr Rumpf iſt ſchwaͤcher und ſchlanker, wodurch der Schwanz ein noch laͤngeres Ausſehen bekoͤmmt, und die Fluͤgel ſind etwas ſchmaͤler. Die alten Voͤgel mit vollſtaͤndigen Schwanzſpießen mel; fen von 15% bis zu 16 ½ Zoll, jüngere und weibliche ſtets um 1 bis 1¼ Zoll weniger, in der Lange, in der Flugbreite 31 bis 33 Zoll; die Laͤnge des Fluͤgels von der Handwurzel bis zur Spitze II bis 11½ Zoll; die Länge des Schwanzes iſt an den Mittelfedern nur 3 Zoll bis 3½ Zoll, wegen des ſehr tiefen Aus: ſchnittes an der aͤußerſten Seitenfeder aber 7¼ bis 8 Zoll, auch wol noch etwas daruͤber; dieſe laufen naͤmlich in ſehr lange, ſchmale Spieße aus, die bei dem Weibchen ſtets etwas kuͤr— zer ſind. Das Gefieder iſt noch viel zarter und weicher als das der Vor— hergehenden, auch das im Nacken, bei altern Vögeln, ein Wenig merklicher verlaͤngert, ſonſt die Geſtalt der Schwingfedern, welche ebenfalls ſehr ſtarke und ſtraffe, gegen das Ende ſanft aufwaͤrts ge— bogene Schaͤfte haben, eben fo; allein die Schwanzfedern unterſchei— den ſich auffallender von denen der Flußmeerſchwalbe. Sie ſind ſaͤmmtlich viel ſchmaͤler, naͤmlich von der Wurzel bis zur Mitte, dann ſchneller zugeſpitzt; der Gabelausſchnitt an ſeinem Ende bis zu 5 Zoll oder mindeſtens 3½ Zoll tief; die Mittelfedern an den Enden zugerundet, die folgenden von innen nach auſſen ſchraͤg zugeſpitzt, das Ende jedoch noch ſtumpf, ſtufenweiſe aber immer ſchmaͤler und ſpitzer, an der dritten von auſſen ſchon etwas, an der zweiten noch weit mehr, an der aͤußerſten ſehr lang ſpießfoͤrmig, ſo daß Exemplare vorkommen, bei denen, trotz der ſehr langen Spieße, die aͤußerſte Feder nur 2½ Zoll länger als ihre Nachbarinn iſt. — Die Spitzen der letztern reichen wenigſtens ſehr nahe an die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel, oder ſind mit ihnen von gleicher Laͤnge, oder ragen, wie bei recht alten Voͤgeln immer, uͤber ſie, oft 2 Zoll weit, hinaus; ein Verhaͤltniß, was dem der Flußmeer⸗ ſchwalbe zwar aͤhnlich iſt, bei dieſer aber wegen groͤßerer Breite und weniger tiefen Ausſchnitt des Schwanzes, bei einem groͤßern und ſtaͤrkern Rumpf, ohne Meſſung, oder vielmehr nach dem Au— genmaaß, noch weit mehr auffällt. Bei dieſer iſt auch nur die aͤußerſte Schwanzfeder eigentlich ſpießfoͤrmig, bei der gegenwaͤrtigen ſind es aber zwei bis drei, und dieſe gehen auch ſchneller in die, deshalb viel längere, Spießgeſtalt über. Der Schnabel iſt etwas kleiner als bei St. Hirundo, zugleich aber etwas hoͤher, weswegen er kuͤrzer ausſieht, obgleich er dies nur XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Küſten⸗Meerſchw. 117 ſehr wenig iſt. Der Oberkiefer iſt der Firſte nach in einem ſanften Bogen abwärts gegen die Spitze geneigt, welcher jedoch noch ſchwaͤ— cher als bei jener iſt; der Kiel bis zur Mitte gerade, dann ein ſtumpfes Eck bildend und von hier ſchraͤg in die Spitze auslaufend, welche, an beiden Schnabelhaͤlften zuſammen genommen, weniger ſchlank iſt als bei voriger Art. Er iſt von den Seiten ſehr zuſam— mengedruͤckt, daher viel hoͤher als breit, an den ſcharfen Schneiden etwas eingezogen, dies ſchwaͤcher als bei jener; der Rachen auch nicht ſo tief geſpalten, kleiner und ſchmaͤler. Das ſchmale, laͤngli— che, durchſichtige Naſenloch iſt 1 Linie von den Stirnfedern entfernt, etwas uͤber 2 Linien lang, liegt in einer ſchwachen Vertiefung und aus ſeinem vorderſten Winkel laͤuft ein erhabner Streif vorwaͤrts, welcher gegen die Schnabelſpitze hin ſich auf der Schneide verliert. Die Länge des Schnabels beträgt gewoͤhnlich 1 Zoll 3 bis I Zoll 3½ Linien, ſelten daruͤber; nur bei einem Exemplar fand ich ihn 1 Zoll 5 Linien lang; von der Spitze bis in den Mundwinkel mißt er faſt 2 Zoll; feine Höhe an der Wurzel iſt gewöhnlich 4, felten 4¼ Linien, die Breite daſelbſt 3 Linien. Die Farbe des Schnabels iſt ein prachtvolles Karminroth, wie wenn man feinen Karmin mit dem feinſten Zinnober vermiſcht, eine herrliche Farbe, wie man fie ganz aͤhnlich an den Blumen des Papa- ver bracteatum wieder findet. Im Tode wird es etwas dunkler, ſpaͤter und wenn die Theile, welche es tragen, voͤllig ausgetrocknet ſind und dies allmaͤhlig geſchahe, wird es ein mattes Zinnoberroth und bleibt es, wenig ausbleichend, viele Jahre, auch ſtets roͤther als das der Flußmeerſchwalbe. — Er iſt bei alten Voͤgeln und bei der Mehrzahl einfarbig; nur ſelten, vielleicht bloß bei juͤngern Individuen, zeigt ſich am Oberſchnabel, dicht vor deſſen Spitze, ein kleiner ſchwarzer Laͤngeſtrich. Der innere Schnabel, Zunge und Rachen find hochroth, bei juͤngern Voͤgeln orangeroͤthlich, auch der Schnabel an der hintern Haͤlfte, zumal nach unten, eben ſo, ſpitzewaͤrts ſchwaͤrzlich braun und die Spitze ſelbſt horngelblich; in fruͤheſter Jugend hat er eine aͤhnliche aber noch blaſſere Faͤrbung. Das Auge hat ſtets einen ſehr dunkel braunen Stern, nur in der Jugend iſt das Braun deſſelben lichter, und befiederte Lider. Die Fuͤße ſind fuͤr einen Vogel von dieſer Groͤße auffallend klein, dabei aber von ſtarken oder ſtaͤmmigen Bau, niedriger und kleiner als die der Flußmeerſchwalbe im Verhaͤltniß zu ihrer Körpergröße find. Sonſt haben fie eine ganz ähnliche Geſtalt, auch hinſichtlich der Einſchnitte ihrer Bedeckung, ebenfalls ſehr wenig 118 VIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 253. Kuͤſten⸗Meerſchw. ausgeſchnittene Schwimmhaͤute; bloß an den innern wird der Aus— ſchnitt bemerklicher und fie variiren darin auch individuell etwas. Die Krallen ſind mittelgroß, aber ſchwach, ſehr gebogen, ſpitz, un— ten ausgerinnt, die der Mittelzeh die groͤßeſte, mit einer ſtark vor— tretenden Schneide auf der innern Seite, die der hintern Zeh ſehr klein. — Die Federn des Unterſchenkels decken dieſen bis beinahe an die Ferſe, ſelten ſieht man uͤber derſelben eine 1 bis 2 Linien lange nackte Stelle; die Fußwurzel iſt 7, ſeltner bis gegen 8 Linien lang; die Mittelzeh mißt ohne Kralle S Linien und dieſe fuͤr ſich noch 3 bis 4 Linien; die Hinterzeh iſt ſehr klein, nur 2 Linien lang, ihre Kralle oft ſo kurz, daß ſie ganz zu fehlen ſcheint. Die Fuͤße nebſt den Schwimmhaͤuten haben eben ein ſo pracht— volles Roth wie der Schnabel; es iſt auch eben ſo dauerhaft und lange Jahren noch an Ausgeſtopften zu erkennen, aber auch hier ſtets dunkler als das bei St. Hirundo. Die Krallen ſind an den Wurzeln braun oder roͤthlich, übrigens ſchwarz. — Die Füße jun: ger Voͤgel ſind gelbroͤthlich, die Krallen hornbraun. Das Dunenkleid iſt von dem der vorigen Art bedeutend verſchieden, aber ſehr variabel. Schnabel und Fuͤße ſind ungemein klein, erſterer, wenn das weiße Knoͤpfchen auf der obern Spitze, das zum Aufbrechen der Eierſchalen diente, noch vorhanden iſt, zunaͤchſt dieſem mattſchwarz, im Uibrigen gelblichfleiſchfaͤrben, die Fuͤßchen, mit ihren vollen Schwimmhaͤuten, auch von letzterer Farbe, die Augenſterne blaugrau. Die Bekleidung der uͤbrigen Theile beſteht in einem langen, dichten und ſehr weichen Flaum, welcher an der Stirn, in einem Fleckchen vor dem Auge und in einem von großem Umfange an der Kehle ſchwarzgrau iſt; der Kopf von oben und an den Seiten, Hinterhals, alle obern und ſeitlichen Theile des Rumpfs ſehr hell braͤunlichgrau, verſchiedenartig ſchwarz gefleckt; die Flecke bald groͤßer, bald nur ganz klein, bald dunkler, bald ganz undeutlich, eben fo verſchieden jene grauliche Grundfarbe, bis zum ungefleckten Grauweiß; alle untern Theile vom grauen Kehl— fleck an rein weiß. H. Dr. Schilling (ſ. Brehm a. a. O.) ver⸗ muthet wol nicht mit Ungrund, daß das gewaltige Variiren des Aeußern der Eier mit dem der daraus hervorgehenden Jungen ſich in Verbindung bringen laſſe. Die Farbe des Kehlflecks, hier ſtets bloß ſchwaͤrzlich, ohne roſtbraune Beimiſchung, auch daß dieſer noch etwas weiter auf der Gurgel herabreicht, ſind Kennzeichen, wodurch ſich dieſe Jungen leicht von denen der Flußmeerſchwalbe unter: ſcheiden laſſen. XIII. Ordn. LXXVII. Satt. 233, Küſten⸗Meerſchw. 119 Sie bekommen bald Federn und dann unterſcheiden ſich dieſe jungen Voͤgel weit auffallender von denen der Flußmeer— ſchwalbe, als die Alten beider, ſchon durch den kuͤrzern Schnabel, bauptfächlich aber durch die dunklern Farben des Mantels, deſſen Flecke uͤberhaupt eine ganz andere Farbe haben. — Bei ihrem Fort— zuge, alſo im ganz vollendeten Jugendkleide, wo aber der Schnabel nur erſt 1 Zoll 1 Linie mißt, bis auf die lichte Spitze braunſchwarz oder ſchwaͤrzlich ausſieht und meiſtens bloß auf der Schneide der Unterkinnlade, gegen den Mundwinkel zu, einen zie— gelrothen oder orangefarbenen Streifen zeigt, wie auch Rachen und Zunge gefärbt find, wo die Füße nur an den Sohlen orange: farben, uͤbrigens braunroͤthlich ausſehen, iſt der Schwanz noch viel kuͤrzer und die aͤußerſte feiner Federn, nur 4¾ bis 5 Zoll lang, hat, weil ſie, wie alle, noch viel breiter iſt, noch nicht die ſpießfoͤr— mige Geſtalt. Die Farben des Gefieders ſind folgende: Die Stirn iſt weiß, auf der Mitte des Scheitels durch laͤnglichte Flecke in die ſchwarze Platte uͤbergehend, die hier dicht vor dem Auge anfaͤngt, ſich an den Schlaͤfen und Ohren hinzieht und auf dem Nacken en— det; die Zuͤgel weiß, ſehr fein ſchwarz geſtrichelt; Kehle, Wangen, Vorderhals und der übrige Unterkörper, Buͤrzel und Schwanzdeckfe— dern, ſo wie die unter den Fluͤgeln, nebſt dem Fluͤgelraͤndchen rein weiß. Auf dem Mantel herrſcht im Ganzen ein ſehr lichtes ſanftes Blaugrau (etwas dunkler als an der jungen Flußmeerſchwal— be) mit weißgelblichen und weißen Kanten an den Enden der Fe— dern, welche meiſtens ein mattſchwarzbrauner Streif oder halbmond— foͤrmiger Fleck von der Grundfarbe ſcheidet, dies am ſchaͤrfſten an den Schulter- und hinterſten Schwingfedern, — und welche auf dem Oberfluͤgel laͤngs der weißen Kante der Unterarmgegend in ei— nen faſt ſchieferfarbigen breiten Streif zuſammen fließen. Die afch: blauen großen Schwingfedern gehen an den Enden in Schieferfarbe, mit weißen Endkaͤntchen uͤber, haben auf der Innenfahne einen weißen Laͤngeſtreif, weißen Schaft und die vorderſte eine ſchiefer— ſchwarze Auſſenfahne, dergleichen auch an den aͤußern Federn des aſchblauen, auf den Innenfahnen und ſeinen Federſchaͤften weißen Schwanzes ſich finden, deſſen Federn uͤbrigens auch noch vor der weißen Endkante mit einem dunkelbraunen Halbmond bezeich— net ſind. Wenn ſie eine Zeit lang geflogen haben, wo dann Schnabel und Füße ſchon etwas roͤther geworden, werden die dunkeln Flecke des Mantels etwas lichter, doch nie fo bleich als bei den Jung en 120 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Küſten⸗Meerſchw. der vorigen Art; fo haben auch die etwas abgeſtoßenen und in rei: nes Weiß abgebleichten Federſpitzen eine kleine Veraͤnderung der Zeichnung bewirkt. Ihre erſte Herbſtmauſer beginnt zwar ſchon auf dem Wegzuge, wird aber erſt in den Winterquartieren beendet. Sie giebt ihnen ein dem der Alten aͤhnliches Winterkleid, welches ſich aber leicht unterſcheiden läßt an den vom Jugendkleide verblei⸗ benden Schwing- und Schwanzfedern, von welchen die letztern auch die dunkeln Flecke hinter der Spitze durch Abbleichen nach und nach verlieren. Auch ihr erſtes Fruͤhlingskleid iſt noch an den blei— benden Schwingen vom Jugendkleide leicht zu erkennen. Das Winterkleid unterſcheidet ſich, wie bei andern Meer: ſchwalben, hauptſaͤchlich an der Faͤrbung der Kopffedern von dem hochzeitlichen. Stirn und Vorderſcheitel find weiß, der Mittel: ſcheitel weiß, mit ſchmalen, hinterwaͤrts breiter werdenden, ſchwar— zen Schaftflecken; ein Fleck vor dem Auge, die Gegend hinter dem— ſelben und das Genick bis auf den Nacken hinab tief ſchwarz; die Augenlider weiß; das friſche Gefieder des Mantels von einer etwas dunklern, aber immer noch ſehr lichten und ſanften blaugrauen Faͤr⸗ bung, der Unterkoͤrper aber viel weniger von dieſer Farbe angeflo— gen als im Sommerkleide, bei vielen nur graulichweiß; das herrliche Roth des Schnabels und der Fuͤße etwas lichter; ſonſt Al— les wie in dieſem. Das hochzeitliche oder friſche Sommerkleid dieſer Art, mit den ſanft in einander uͤbergehenden Farben des ungemein zarten Gefieders und ſeiner ſammetſchwarzen Kopfplatte, wird auſſerordent— lich gehoben durch das gluͤhende Roth des Schnabels und der klei— nen Fuͤße. Den Oberkopf von der Stirn an, die obern Haͤlfte der Zuͤgel, die Augengegend und das Genick mit inbegriffen, bedeckt eine ſammetſchwarze Platte, welche meiſtens bis auf den etwas buſchich— ten Nacken hinab reicht, wobei das Auge noch im Schwarzen aber hart an“ der Grenze ſteht und ſchwarze Lider hat; dieſe ſchwarze Platte begrenzt vom Schnabel an, uͤber die Wan— gen hin, bis an das Genick, ein ſchneeweißer Streif, wel— cher beſonders bei recht alten Voͤgeln am ſtaͤrkſten hervortritt, weil unter ihm gleich eine andere Faͤrbung beginnt; auch das Kinn iſt noch rein weiß; Kehle und Vorderhals aber ſehr licht blaͤulichweiß, welches abwaͤrts immer dunkler wird und an der Bruſt, am Bauch und in den Seiten in ein ſanftes, ſehr lichtes Blaugrau uͤbergeht. Von eben dieſer zarten Faͤrbung, nur ein wenig dunkler (auch im Bezug auf das des Mantels der vorigen Art), ſind der Ober- und | | | | XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 121 Unterruͤcken, die Schultern, die Fluͤgeldeckfedern und hintern Schwing— federn, die letztern und die laͤngſten Schulterfedern mit weißen Spi— tzen; die Primarſchwingfedern dunkelſchiefergrau, auf der Auſſenflaͤ— che hell aſchgrau uͤberpudert; alle mit ſtarken weißen Schaͤften, die vorderſte auf der Auſſenfahne ohne jenen puderartigen Uiberzug, ſchwarz, welches ſpitzewaͤrts in Aſchgrau uͤbergeht; die Innenfahnen laͤngs dem weißen Schaft mit einem ſchmalen dunkelſchieferfarbenen, gegen die Spitze breiter werdenden Laͤngebande, von dem ſich das Weiß des uͤbrigen Theils dieſer Fahne ſcharf und in gerader Linie abſchneidet; an den etwas lichter grauen Secundarſchwingfedern nimmt das Weiß die Innenfahne faſt ganz ein, bildet eine weiße Endkante und laͤuft von dieſer als ein ſchmales Auſſenraͤndchen noch auf der aͤußern Fahne herauf, iſt auch nach innen nicht ſcharf vom Grauen abgeſchnitten. Das Fluͤgelraͤndchen und die ganze Unter— ſeite des Fluͤgels ſind weiß, nur die Spitze ſilbergrau, mit der durchſcheinenden dunkeln Zeichnung von oben; der After, Buͤrzel, die obern und untern Schwanzdedfedern, fo wie der Schwanz, rein weiß, die aͤußerſte Spießfeder deſſelben mit ſchieferfarbiger Auſſen— fahne, die naͤchſte mit aſchgrauer, die dritte bloß mit grau angeflo— gener aͤußern Fahne, doch iſt dies variabel, auſſer der aͤußerſten oft nur noch die zweite, ſtets aber etwas blaſſer, grau, alle andern weiß (dies gewoͤhnlich an den aͤlteſten Voͤgeln), bei andern verbrei— tet ſich dagegen der graue Anflug in ſtufenweiſer Abnahme uͤber mehrere und verliert ſich erſt auf den Mittelfedern; bei den meiſten iſt auch die Innenfahne der aͤußerſten Feder ſilbergrau angeflogen. Die untere Seite des Schwanzes iſt glaͤnzend weiß mit ſilbergrauen Auſſenraͤndchen. Zwiſchen beiden Geſchlechtern habe ich keinen ſehr auffallenden und conſtanten aͤußern Unterſchied finden koͤnnen. Zwar ſind die Weibchen ein Wenig kleiner, ihre Schwanzſpieße kuͤrzer und der Unterkoͤrper weniger ſchoͤn und nicht ſo dunkel blaͤulichgrau als an den gleichalten Maͤnnchen; allein hierin aͤhneln jene wieder und bis zum Taͤuſchen den juͤngern Maͤnnchen. Alle juͤngern Voͤgel unterſcheiden ſich leicht von den alten an der blaſſern Faͤrbung der untern Theile, die oft nur grauweiß oder ſilberweiß, oder bloß grau angeflogenes Weiß, aber von der Kehle bis weit auf die Gur— gel herab rein weiß ſind; gewoͤhnlich reicht bei ihnen auch die ſchwarze Kopfplatte nicht ſo weit auf den Nacken hinab und die aͤußere Einfaſſung der Seitenfedern des Schwanzes iſt blaſſer grau, aber über mehrere Federn verbreitet. — Stets find die aͤlteſten 122 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 23. Kuͤſten⸗Meerſchw. Voͤgel an den laͤngſten Schwanzſpießen und an der viel dunklern Faͤrbung der untern Theile, beſonders der Bruſt, leicht zu erkennen und ihre erhoͤhete Schoͤnheit des Gefieders wird noch durch eine praͤchtigere Faͤrbung der nackten Theile vermehrt. Im Laufe des Sommers leiden die auſſerordentlich ſanften Farben ihres zarten Gefieders, durch atmoſphaͤriſche Einwirkung und Reibungen, ſehr bemerklich, am meiſten das dem friſchen Gefieder nur wie aufgehaucht ſcheinende lichte Blaugrau des Unterkoͤrpers, was in Silbergrau, bei manchen, beſonders den Weibchen, ſogar ins Lehmgelbliche abſchießt, und von den laͤngſten Schwanzſpießen iſt nicht ſelten einer, oder gar beide, abgebrochen; auch die Fluͤgel— ſpitze iſt durch das Abreiben ihres aͤuſſern ſammet- oder puderarti— gen Uiberzugs viel dunkler geworden. Das Gefieder ſammt ſeinen Farben hat gegen die Herbſtmauſer hin an Reinheit und Zartheit auf dieſe Weiſe unendlich verloren. Auch bei dieſer Meerſchwalbe faͤngt die Herbſtmauſer ſchon im Auguſt, bei ihrem Wegzuge an und wird erſt in fernen Laͤndern vollendet, weil fie gleichfalls ſehr langſam von Statten geht. Nur von dorther wuͤrde ein friſch und fertig vermauſerter Vogel in ſei— nem Winterkleide zu erhalten fein, deſſen aͤußere Umwandlung wir nur durch theilweiſe erneuertes Gefieder noch waͤhrend ihres Hier— ſeins errathen koͤnnen. Gegen das Fruͤhjahr mauſern ſie zum zwei— ten Mal in ihrer Abweſenheit, behalten aber Fluͤgel- und Schwanz: federn vom Herbſt her. Wenn ſie dann im Fruͤhlinge zu uns zu— ruͤckkehren, fo haben die allermeiſten, namentlich alle aͤltern Vogel, bereits ihr vollſtaͤndiges Hochzeitskleid; nur wenige machen eine Ausnahme hiervon, indem ſie noch Spuren des abgelegten Winter— kleides, beſonders am Kopfe, durch untermiſchte alte, weiße Federn, zeigen und zu Ende des Mai den Federwechſel noch nicht beendet haben. Zu den Seltenheiten gehoͤrt wol, daß ich ſelbſt einmal auf Deichſand, an der holſteinſchen Kuͤſte, noch am 21ſten Juni eine Meerſchwalbe dieſer Art antraf, welche noch in vollem Winter— kleide war. Au f ee let. Die Kuͤſtenmeerſchwalbe iſt uͤber viele Theile der Erde und über noch weit mehrere als die Vorhergehende verbreitet. Wahr: ſcheinlich lebt fie am noͤrdlichſten von allen, denn man traf fie in XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten-Meerſchw. 123 den Sommermonaten ſogar in der Baffinsbai, in der Da— visſtraße, in Groͤnland und Spitzbergen, oft zwiſchen und auf den Eisbergen. Auch die arctiſchen Kuͤſten Sibiriens und Kamſchatka's, nebſt den Inſeln in dieſen Meeren bewohnt ſie. Im noͤrdlichen Europa und Amerika iſt ſie an vielen Kuͤſten und Inſeln gemein, ſo an den Kuͤſten von Großbritannien und Irland, von Daͤnemark und zum Theil von Norwegen, auf den Hebriden, Orkaden, Shetlands, den Faͤroͤern und auf Island außerordentlich haͤufig, auch auf den beiderſeitigen Kuͤſten und vielen Inſeln der Oſtſee wird ſie hin und wieder in Menge angetroffen, nicht minder auf und an vielen der deutſchen Nordſee, namentlich an der frieſiſchen und holſteinſchen Kuͤſte, auf und an der Halbinſel Juͤtland und den an ihrer Weſtkuͤſte gelegenen Sn: ſeln der Nordſee *), auf welchen ich fie im Jahr 1819 in größter Anzahl beobachtet habe. Obgleich ſie auch an den Kuͤſten des ſuͤd— lichen Afrika angetroffen worden iſt, ſo iſt ſie dagegen an den eu— ropäiſchen Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres ſelten und an de: nen von Italien nur einzeln vorgekommen. Da ſie als aͤchter Seevogel nie in das Innere der Feſtlaͤnder koͤmmt, auch ihre Wan- derzuͤge nur am Meer entlang macht, ſo wird jenes klar, wenn man annimmt und, durch Beobachtungen unterſtuͤtzt, annehmen darf, daß alle, den Norden und Nordoſten von Europa bewohnende Schaaren laͤngſt unſern Kuͤſten der Oſt- und Nordſee und des at— lantiſchen Oceans, um die Spitze von Europa bis an die Weſt— und Suͤdweſtkuͤſte Afrika's hinab wandern, ſo koͤnnen ſie immer— während am Meer bleiben, brauchen nie über Land zu fliegen und kommen, außer Einzelnen durch Stuͤrme verſchlagenen, auch nicht auf das mittellaͤndiſche Meer. Weil ſie ferner Binnenwaſſer, nur wenn ſie ganz nahe am Meer liegen und Flußmuͤndungen auch ſel— ten mehrere Meilen tief ins Land hinein beſucht, fo iſt fie im In⸗ nern von Deutſchland auch noch niemals vorgekommen, wenig— ſten iſt kein Beiſpiel davon bekannt. An dem holſteinſchen Strande °) Dieſer Theil des Meeres gehört wol unbeſtreitbar zur Nordſee; Temminck nennt ihn aber (a. a. D., wo er meiner, in der Iſis, 1819. Hft. XII. beſchriebenen Reiſe dahin gedenkt) Baltique, und dies iſt, in „Oſtſee“ überſetzt, ihm mehrfach blindlings nachgeſchrieben worden. Ich ſammelte aber nie an der Oſtſee, — ſondern an den Mündungen der Elbe und Eider, die beide in die Nordſee fließen, und auf der intereſſanten Inſelgruppe, welche ſich an der jütländiſchen Weſt kü ſte hinauf zieht und gleichfalls in der Nordſee liegt. — Eine Namensverwechslung der Art, kann viele Mißverſtändniſſe erzeugen. 124 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 253. Kuͤſten⸗Meerſchw. zwiſchen den Muͤndungen der Eider und Elbe iſt fie ſehr gemein; allein an letzterer aufwaͤrts ſahe ich ſie nur ſehr einzeln noch bis in die Gegend von Gluͤckſtadt und Stade, dann keine mehr, bis auf eine Einzige oberhalb Lauenburg, im Zanke mit einer Fluß: meerſchwalbe, welche dort heimiſch war und den anderartigen Fremdling zu vertreiben ſuchte. Ich glaube daß ſie fuͤr dieſe Ge— gend ſchon eine hoͤchſt ſeltene Erſcheinung iſt und ſich ſchwerlich je— mals noch weiter ſtromaufwaͤrts verirrt. Als Zugvogel koͤmmt fie an den Kuͤſten und auf den Inſeln der daͤniſchen Weſtſee ſelten vor Ausgang des April, viel öfter erſt im Mai an, und verläßt fie wieder im Auguſt, fo, daß hoͤchſt ſelten Nachzuͤgler (gewoͤhnlich Junge) noch um die Mitte des Sep— tember dort geſehen werden. Eben ſo iſt es an der Oſtſee der daͤniſchen Staaten und nicht viel anders auf Island, wo ſie (nach Faber) um die Mitte des Mai ankoͤmmt und einzeln, bloß an der Suͤdkuͤſte dieſer Inſel, noch bis gegen Ende des September geſehen wird. An der pommerſchen Kuͤſte verliert ſie ſich all— maͤhlig vom Ende des Juli bis Mitte des Auguſt und ſpaͤter wird ſelten noch eine bemerkt. — Auf ihren Wanderungen fliegt ſie ſehr hoch, doch zieht ſie faſt immer bloß des Nachts und in großen Ge— ſellſchaften, oft zu vielen Hunderten vereint, von denen immer einige von Zeit zu Zeit ihre Stimmen hoͤren laſſen, woran man dann die Richtung, in welcher der Zug forteilt, welches im Herbſt ſtets eine ſuͤdweſtliche iſt, ſehr deutlich wahrnehmen kann. Mein Freund Fr. Boie zu Kiel hörte einſtmals in einer ziemlich finſtern Nacht, vom letzten Auguſt zum erſten September, einen ſehr großen Zug derſelben, von Nordoſt nach Suͤdweſt, durch die Luft ſtreichen, und dem Aehnliches iſt von mehrern meiner Bekannten an jenen Kuͤſten beobachtet. Im Fruͤhjahr iſt die Richtung des Zugs natuͤrlich eine umgekehrte; auch ſahe man fie dann oft am Tage am vorjährigen Wohnorte ankommen, in ſolcher Hoͤhe, daß man ſie eher hoͤrte als ſahe, wo ſie dann in groͤßter Hoͤhe unter freudigem Schreien ſich in Kreiſen uͤber dem Platze ſchwebend herum dreheten, ſo immer niedriger kamen, aber dazwiſchen auch mit den anmuthigſten Schwen— kungen abwechſelten. — Der Name: „Kuͤſtenmeerſchwalbe“ bezeichnet ihren Aufenthalt, der ihr im Aeußern fo aͤhnlichen Flußmeerſchwalbe gegenüber, wie mich duͤnkt, ſehr gut; denn wenn die Letztere auch hin und wieder am Meere vorkoͤmmt, ſo iſt es doch nicht ihr gewoͤhnlicher Wohnſitz und ſie ſchlaͤgt dieſen ſtets nur in der Nähe von ſuͤßen NM. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 125 Gewaͤſſern auf, ja die große Mehrzahl lebt einzig an Fluͤſſen, oft in ſehr großer Entfernung vom Meer und tief im Innern der Feſt— laͤnder. Unſere Kuͤſtenmeerſchwalbe gehoͤrt dagegen den ſalzigen Ge— waͤſſern des Meeres an, entfernt ſich nie weit von ihnen, koͤmmt niemals an den Fluͤſſen im Innern der Feſtlaͤnder vor, und wenn ſie auf groͤßern Inſeln und Halbinſeln auch an den tiefen Buchten und großen Landſeen, ſelbſt an ſolchen mit ſuͤßem Waſſer lebt, ſo ſtehen dieſe doch gewoͤhnlich auch mit dem Meer in Verbindung und wo ſie ihre Waſſer in dieſes ergießen, lebt ſie dann freilich auch am fließenden Waſſer, was jedoch den Namen eines Fluſſes nicht verdient, z. B. der Abfluß des großen, von Tauſenden der vielar⸗ tigſten Waſſervoͤgel belebten See's Myvatn auf Island. Wenn ſie die vielgeſtaltigen Gewaͤſſer des obern Juͤtlands, ſo gut wie viele Stellen der offnen Meereskuͤſte in enormer Anzahl bewohnt, ſo nimmt das kein Wunder, da dieſe mit dem Meere, wenn auch oft nur mittelbar, in Verbindung ſtehen, wie z. B. die Seen Sioͤr— ring und Sperring, welche dieſe Meerſchwalbe in Myriaden be: wohnt; von welchen dieſe Voͤgel, ſobald ſie ſich nur etwas hoͤher in die Luft erheben, das offene Meer im Auge behalten und ſich ſchnell dahin begeben koͤnnen, ſo oft ſie wollen. Das obere oder eigentliche Juͤtland (die Provinz) iſt auch vielleicht unter allen in dieſer Hinſicht bekannten Laͤndern der Erde dasjenige, was dieſe Art am zahlreichſten bewohnt und wo ſie ſich am weiteſten vom offenen Meeresſtrande entfernt. Auf kleinen Inſeln und Landzungen iſt ſie ſtets am Meer, aber nicht auf den wol hin und wieder vorkom— menden Binnenwaſſern, wenn ſie nicht unmittelbar mit jenem in Verbindung ſtehen und auch ſalziges Waſſer haben. Pelworm hatte ein recht anſehnliches ſuͤßes Binnenwaſſer, zahlreich von der ſchwarzen Seeſchwalbe, aber nicht von unſrer St. macrura bewohnt; ſogar bei ihrem beſtaͤndigen Umherſchweifen ließ ſich aͤußerſt ſelten eine ſolche dort ſehen, ſo ſelten wie jene jenſeits der Deiche am Meer. An den obengenannten beiden See'n Juͤtlands leben jedoch beide Arten (nach Fr. Boie) in vertraulicher Naͤhe, doch auf verſchiedenen Plaͤtzen, neben einander. Sie bewohnt zwar auch hohe und felſige Geſtade, doch viel oͤfterer ſolche, welche allmaͤhlig in die See verlaufen, ſo auch niedrige Inſeln mehr als hohe. Auch auf ſandigen In: ſeln und an ſandigem Strande koͤmmt ſie vor, wenn ihr ſonſt die Gegend zuſagt; doch liebt ſie vor allen einen niedrigen gruͤnen Strand, mit fettem Boden und ſchlammigen Watten, wel⸗ 126 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. che bei der Ebbe mit ſogenannten Schlick bedeckt ſind, und koͤmmt, wo ſie dieſe hat, nicht auf die, wenn auch nahe liegenden, Sand— watten und Sandbaͤnke. Auf den von mir beſuchten Theil der Nordſee faͤllt dieſe Auswahl ſo deutlich in die Augen, daß, wenn manche kleine Inſeln auf einer Seite Sand, auf der andern fetten Boden haben, ſie immer dieſe zum eigentlichen Wohnſitz waͤhlt und jene nur voruͤbergehend beſucht; ihre Bruͤteplaͤtze ſind daher dort nie auf nackten Sandboden, nie auf ganz ſandigen Inſeln. Na: mentlich wohnt ſie dort am liebſten, wo ſich weite, mit ganz kur— zem, gewoͤhnlich vom Vieh abgeweideten Graswuchs bedeckte Raſen— flaͤchen am Meer hin ausdehnen, oder wo viele hoͤhere Salzpflanzen den Boden ſo weit bedecken, daß ſolche Flaͤchen in einiger Entfer— nung ganz gruͤn ausſehen; auf ſandigen Boden nur dann, wenn er noch Kraft genug hat, einen ziemlich dichten und lebhaft gruͤnen Graswuchs in weiter Ausdehnung hervorzubringen. Dieſer Unter— ſchied zwiſchen todtien und nicht ganz unfruchtbaren Sandboden iſt vielen Voͤgelarten wichtig, obgleich von Schriftſtellern nicht immer gehoͤrig beachtet worden. Die Gegenden ihres Aufenthaltes haben meiſtens ein kahles, wenn auch nicht unfruchtbares Ausſehen, keinen Baum und keinen Strauch; oft iſt in weiter Ferne nichts hiervon zu ſehen. Auch vermeidet dieſe Art auf Gewaͤſſern im Lande hohes Schilf und Rohr; auch hier ſucht ſie die mit dem kuͤrzeſten Graſe bedeckten Stellen auf, laͤgen ſie auch nicht ganz nahe am Waſſer. Selten findet man dieſe Meerſchwalbe vereinzelt oder nur in einzelnen Paaren, denn ſie lebt meiſtens in groͤßern Vereinen, miſcht ſich dann noch gern unter andere Strandvoͤgel und theilt ihren Wohnſitz mit ihnen, doch nicht leicht mit andern Meerſchwalben; namentlich iſt dies von den Niſtorten zu verſtehen, wo im Verein mit jenen oft das bunteſte Gewimmel herrſcht. Sie ſchwaͤrmt den ganzen Tag umher, ruht ſich zwar oft, aber immer nur auf kurze Zeit, auf einem hohen oder flachen Ufer in der Naͤhe des Waſſers, ſelten auf dieſem ſchwimmend, aus, koͤmmt zwar ſchon in der Daͤm— merung an die erwaͤhlte Schlafſtelle, begiebt ſich aber erſt mit anz brechender Nacht zur Ruhe, ebenfalls nahe am Waſſer, oder auf dem Bruͤteplatze, ſelbſt wenn dieſer weit vom Waſſer laͤge. Mit Anbruch des Tages wird ſie wieder rege und mit Sonnenaufgange beginnt ihr gewoͤhnliches Herumſchweifen. XIII. Oron. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 127 Eigenſchaften. Dieſe Meerſchwalbe giebt an einfacher Schoͤnheit den uͤbrigen nichts nach, beſonders werden die unvergleichlich ſanften Farben des Gefieders durch das gluͤhende Roth des Schnabels und der Füße ſo vortrefflich gehoben, daß ihr manche andere Art darin nachſtehen muß. Ihr Gefieder iſt noch weicher und zarter als das der Fluß: meerſchwalbe, von welcher ſie ſich durch geringere Groͤße, ſchlan— kern Rumpf, ſchmaͤlern und laͤngern Schwanz, wie durch ſanftere Bewegungen, dem geuͤbten Blicke auch ſchon in bedeutender Ent: fernung unterſcheidet. Sieht man beide Arten im freien Leben ne— beneinander, ſo iſt der Unterſchied ſo auffallend, daß ihn auch der Bedenklichſte augenblicklich zugeben muß und die Sdentität beider anerkennen wird, waͤhrend dies an Baͤlgen und Ausgeſtopften nicht ſo ſehr in die Augen ſpringt oder ſtrenger abgewogen fein will. Ihre Stellung im Sitzen iſt wie bei andern Arten, den Hals ſehr eingezogen, die Bruſt etwas tiefer als den Hinterkoͤrper, die Fluͤgel hoch uͤber dem Buͤrzel gekreuzt, den langen Schwanz zwar etwas unter dieſen, aber doch ſo hoch gehalten, daß er den Fluͤgel— ſpitzen nahe bleibt, und entfernt genug vom Boden, damit ſeine langen Gabeln nicht beſchaͤdigt werden u. ſ. w.; auch hier ſieht die: ſer, ſelbſt in bedeutender Entfernung, viel laͤnger aus als der, bei einem ſitzenden Vogel der vorigen Art. — Ihr Gang iſt trippelnd, in kleinen Schrittchen und geht nie uͤber ein paar Fuß weit. Noch ſeltner ſchwimmt ſie, dann ſehr oberflaͤchlich, Fluͤgelſpitzen und Schwanz hoch gehalten; aber ſie rudert nicht von der Stelle und erhebt ſich von derſelben eben ſo leicht wieder in den Flug als ſie ſich aus demſelben herabgelaſſen hatte. Dieſes Schwimmen koͤmmt jedoch bei ihr ſo ſehr ſelten vor, daß ich, obgleich ich mehrere Wo— chen lang dieſe Voͤgel in Menge beobachten konnte, es nur ein ein— ziges Mal geſehen habe. Sie ſetzt ſich viel oͤfter als andere Arten, doch immer nur auf eine oder ein paar Minuten, ausgenommen bei ſtuͤrmiſchem Wetter, wo ſie oft lange an einer Stelle ausruhet und dazu, naͤher oder entfernter vom Meer, meiſtens ſolche aufſucht, welche ihr Schutz vor dem Winde gewaͤhren, z. B. hinter den Duͤnen oder hinter hohen Deichen (Daͤmmen), auf Aeckern oder Wieſen u. ſ. w. So ſahe ich einſt bei einem heftigen Sturme alle auf der Inſel Nord: ſtrand wohnende Meerſchwalben dieſer Art, nebſt andern Strand⸗ 128 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. voͤgeln, auf einem friſchgepfluͤgten Acker verſammelt, welcher dicht hinter dem ſehr hohen Deiche lag, woran ſich auf der andern Seite Wind und Wellen brachen und ihn oft uͤberſchaͤumten. Sie fliegt ungemein leicht und ſanft, anſcheinend langſamer als manche andere Art dieſer Gattung, weil ſie darin die Spitzen der großen, ſchmalen Fluͤgel nicht weit vom Koͤrper wegſtreckt und ſie in weit ausholenden Schlaͤgen bedaͤchtig auf und nieder bewegt, wobei der leichte Koͤrper ſich abwechſelnd ein wenig hebt und ſenkt, daher in einer ſchwachwellenfoͤrmigen oder doch nicht ganz graden Linie fortgeſchoben wird, hauptſaͤchlich wenn ſie in gerader Richtung fortſtreicht und keine Eile bezeigt. Oft beſchreibt ſie aber auch große ungeregelte Bogen, auf-, ab- oder ſeitwaͤrts und mit den ſeltſam— ſten Wendungen, ſchwenkt ſich ſchnell und leicht, ſchlaͤgt ploͤtzlich eine andere Richtung ein, u. ſ. w. Gewoͤhnlich fliegt ſie niedrig; allein ſie kann ſich auch ſehr hoch aufſchwingen, ohne Fluͤgelbewe⸗ gung ſchweben, ſich drehen oder ſanft fortgleiten, dies beſonders bei ruhiger Witterung und heiterm Himmel, wo ſie bisweilen ſo hoch aufſteigt, wie ſie es nur auf dem Zuge gewohnt iſt. Starker Wind iſt ihr ſehr unbehaglich; das leicht gebauete und jenem zu große Flaͤchen darbietende Geſchoͤpf wird oft ein Spiel deſſelben; ſie muß ſich in Acht nehmen, daß er ſie nicht von der Seite oder gar von hinten anſauſt, weil er ſie dann ganz aus der Richtung ſchleudern wuͤrde; ſie muß ihm vielmehr die Spitze bieten, ſich mit ſichtlicher Anſtrengung ihm entgegen ſtemmen, kann ſich dann aber auch nur langſam fortarbeiten, wobei jener auch das Gefieder knapp auf den Koͤrper andruͤckt, ſie noch ſchlanker macht und weil auch der Schwanz dann ſehr zuſammengedruͤckt wird, eine lange ſonderbare Figur aus ihr macht. ie Obgleich es bei dieſem gemüthlichen, gar nicht anſtrengend aus: ſehenden Fluge den Anſchein haben moͤchte, als ſei ſie eine der traͤgſten ihrer Gattung, ſo iſt ſie doch das Gegentheil; denn von einer raſtlo— ſen Unruhe beſeelt, geſtattet ihr dieſe nirgends ein langes Verweilen und treibt fie unablaͤſſig bald hier- bald dort hin; aber Alles wird mit einer wunderlichen Gemaͤchlichkeit und zugleich in ſo gemuͤthli— cher Stimmung ausgeführt, daß man ihrem Treiben mit Wohlge: fallen zu ſehen muß. In ihrem Betragen herrſchen Sanftmuth und Frohſinn, Maͤßigung und Vertrauen, und ſie ſcheint geiſtig viel vortheilhafter ausgeſtattet als die Fluß meerſchwalbe, bei welcher ſtets ein gleichguͤltiger Ernſt die Oberhand behauptet, welche uͤberall den Menſchen wie andern Geſchoͤpfen mißtrauet, ſehr ungeſellig ges XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 129 gen alle andere Voͤgelarten iſt, ſelbſt nie in ſehr großen Vereinen der eigenen Art lebt; wogegen die Kuͤſtenmeerſchwalbe ein viel groͤ⸗ ßeres Talent der Geſelligkeit entwickelt, ſich nicht genuͤgen laͤßt, bloß mit ſehr vielen von ihres Gleichen beiſammen zu ſein, ſondern an den Bruͤteorten ſich fo auch noch unter anderartige Strandvoͤgel miſcht und mit ihnen vertraͤglich und vertraut lebt. Sonderbar ge: nug, daß bei dieſem ſtarken Triebe zum geſelligen Beiſammenſein ihre Schaaren ſich doch nicht ſo enge verbinden wie viele der größern Arten, namentlich der Brandmeerſchwalbe, und zugleich auch ſich nie einer andern Meerſchwalbenart innig anſchließen, dies da— gegen aber gegen nicht verwandte Voͤgel thun; ich ſahe gemeinfchafts liche Bruͤteplaͤtze, welche auſſer ihnen mit Avoſetten, Rothſchen— keln, Alpenſtrandlaͤufern, Seeregenpfeifern, Auſterfi— ſchern, ſogar Silbermeven, Alles bunt durch einander, beſetzt waren, an andern Orten kommen oft noch viel mehrere, ſogar auch Entenarten, zu ſolchen Vereinen gehoͤrig, vor, und unſere Meer— ſchwalben ſind zwiſchen dieſen allen ſo vertheilt, daß zwiſchen zwei Neſtern derſelben ſich oft mehrere Neſter von andern verſchiedenarti— gen Voͤgeln befinden. Mit allen dieſen Voͤgeln leben ſie hoͤchſt ver: traͤglich und dieſe haben noch den Vortheil von ihnen, daß ſie ihre Eier bewachen helfen, weil die Meerſchwalben an ſo einem Platze, wenn ſich ein Feind nahet, immer zuerſt Laͤrm und jene aufmerkſam machen. Ganz abgeſondert und vereinzelt mag keine wohnen; allein an einſam und weit vom Wohnorte Herumſchwaͤrmenden fehlt es auch unter ihnen nicht, fo wie fie denn ihre Streifzuͤge immer ver: einzelt machen und nur bei gewiſſen Gelegenheiten ſich an Orten zuſammen rottiren, die ſie ſonſt nur als Streifer ſehen. Dem wer vorher St. Hirundo fleißig beobachtet hat, muß be⸗ ſonders auch die ſanftere Gemuͤthsart der St. macrura ſehr auffallend ſein. Obgleich auch auffahrend und nicht ohne Jaͤhzorn, fehlt es zwar nicht an wiederholenden Zaͤnkereien unter dieſen Stillvergnuͤg⸗ ten; aber jene find von fo kurzer Dauer und bloßem Muthwillen ſo aͤhnlich, daß man ſie mehr fuͤr voruͤbergehende Neckereien halten muß. Die Erſtgenannte iſt dagegen viel heftiger, man moͤchte auch ſagen, empfindlicher, gegen ihres Gleichen, auch ungeſellig gegen andere Voͤgel, und wer weiß, ob nicht dieſe verſchiedene Gemuͤths⸗ art beider ſich ſonſt ſo aͤhnlichen Arten Urſache iſt, daß ſie ſich nicht leiden moͤgen und ſich bekaͤmpfen und verfolgen wo ſie zuſam— mentreffen, wobei dann die zaͤrtlichere Kuͤſtenmeerſchwalbe natuͤr⸗ lich den Kuͤrzern ziehen muß. 107 Theil. 9 130 XIII. Ordn. LXXVIT. Gatt. 283. Küſten⸗Meerſchw. Ein ſonderbarer Zug in ihrem Betragen iſt eine gewiſſe Neu: gier. Wo etwas Neues paſſirt, koͤmmt bald ein ſolcher Vogel her— bei, beſchauet es ſich in der Naͤhe, laͤßt, daruͤber herumflatternd, ſeine Stimme erſchallen und in Kurzen iſt eine ganze Geſellſchaft verſammelt, die ſich nach geſtillter Neugierde nach und nach wieder zerſtreuet. Wirft man einen friſchen Erdhuͤgel auf, oder verliert man ein Taſchentuch, ein Stuͤck Papier, oder ſehen ſie einen eben geſchoſſenen Vogel liegen, oder einen Gefangenen zappeln, ſo ſind ſie gleich bei der Hand, flattern und ſchwenken ſich niedrig und ſchreiend eine Zeit lang uͤber dem Gegenſtande ihrer Bewunderung herum, und wenn fie ihn genug begafft und ſich mit Schreien er— muͤdet haben, zieht jede Einzelne wieder ihre Straße. — Bei den großen Meven iſt es jedoch mehr als Neugier, was dieſe Meer: ſchwalben antreibt die Angeſchoſſenen ſchreiend zu verfolgen oder wol gar Schnabelſtoͤße zu verſetzen, oder uͤber den Todtniedergeſtuͤrzten beſonders viel zu ſchreien oder zu laͤrmen, weil ſie ihnen als Raͤuber ihrer Eier und Jungen bekannt ſind, die Meerſchwalben ſich aber leider oft gefallen laſſen muͤſſen, daß jene, um den Zeitpunkt des Beſtehlens recht abpaſſen zu koͤnnen, ganz in ihrer Naͤhe niſten. Die Kuͤſtenmeerſchwalbe iſt harmlos und zutraulich im hoͤchſten Grade und wo ſie niſtet und keine Nachſtellungen kennt, erregt ihre Vertraulichkeit in der That oft freudiges Erſtaunen und ein eigenes wohlthuendes Gefuͤhl; man meint, dieſe liebe Einfalt muͤſſe geraden Weges aus dem Paradieſe ſtammen. Ohne alle Furcht fliegt nicht ſelten das ſchoͤne Geſchoͤpf ſo nahe an dem Menſchen voruͤber, daß er ihm ins Auge ſchauen kann, zumal wenn er ſich ſtellt, als be— merke er es nicht. Bei den Neſtern und in der Nähe des Bruͤteortes koͤmmt dies oft vor, auch noch an entferntern, auf mehr als eine Meile im Umkreiſe. Dort iſt dieſe Meerſchwalbe unter allen mit ihr in Geſellſchaft lebenden Voͤgeln der zahmſte. Bald ſcheint ſie Furchtloſigkeit allein, bald dieſe mit Neugier vermiſcht, in die Naͤhe des Menſchen zu ziehen, ſowol wenn er im Boote als wenn er auf dem Lande iſt. Bei den Neſtern koͤmmt natuͤrlich noch Beſorg— niß hinzu und ſie kann daſelbſt ſo boͤſe uͤber den Stoͤrenfried wer— den, ſogar in ſolche Wuth gerathen, daß fie nach Hunden und an— dern Thieren, ſelbſt nach Menſchen ſtoͤßt und ihnen nicht ſelten Schna— belſtiche verſetzt, weshalb ihr die Bewohner jener von mir bereiſeten Inſeln den Namen: Boͤspicker beigelegt haben, welchen fie aber nur in dieſer Bezugnahme verdient. So ungewoͤhnlich zahm iſt ſie jedoch nicht allenthalben, und es zeigt dies deutlich, daß jene zu XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuſten⸗Meerſchw. 131 große Furchtloſigkeit nicht aus Mangel an Klugheit entſpringt. Ich habe ſie an manchen Orten ſo vorſichtig gefunden wie die meiſten Strandvoͤgel und ſie wußten daſelbſt ſo gut wie Auſternfiſcher u. a. m. den Schuͤtzen vom Fiſcher oder Bauer zu unterſcheiden, ob wol ſie ſich immer noch weniger ſcheu zeigten als die meiſten mir bekannten Meerſchwalbenarten. Sonderbar genug haͤlt keine Kuͤſten— meerſchwalbe ſitzend die Annaͤherung des Menſchen aus; ſie erhebt ſich vielmehr bald und meiſtens uͤber Schußweite, koͤmmt dann aber nicht ſelten im Fluge nahe an ihm voruͤber. Ihre Stimme charakteriſirt dieſe Art auffallend genug. Sie laſſen ſich im Fluge ſehr fleißig hoͤren, zumal wenn mehrere beiſam— men find, weniger die einzeln Herumſchwaͤrmenden, in einem eigen: thuͤmlichen, ſanften oder etwas klagenden Kier oder Krier (meiſt zweiſylbig), einem Ton, welchen man nie von St. Hirundo hoͤrt. Begegnet eine die andere, ſo begruͤßen ſie ſich gewoͤhnlich mit einem ſanften Ki, ki ki kieh, krieh (das E nur ſchwach hoͤrbar), oder auch Gib gib, gib gib gib gie gieh, ebenfalls nie bei jener vor: kommend, ſo wie im Unmuth ein ſchnarchendes Rraͤ, oder beim Zanken und Necken ein heftigeres Raͤh raͤh tetaͤtetetterieh, rieh! Alle dieſe Toͤne mit ihren vielfaͤltigen Modulationen ſind ſo verſchie— den von denen der Flußmeerſchwalbe, daß ſie mir gleich bei der erſten, welche ich ſchreien hörte, als einer andern Art gehörig auffielen. Weniger iſt dies beim Lockton, der Normalſtimme der Meerſchwalbengattung, einem ſchleppenden, nicht angenehmen Kreeaͤh oder Krreaͤh der Fall, welches allein dem der St. Hirundo aͤhnlich aber doch weniger rauh klingt, ſich daher dem geuͤbten Ohr auch etwas unterſcheidet. Saͤmmtliche Toͤne haben, mit denen der eben genannten Art verglichen, wie das Betragen, etwas Sanfteres oder Gefaͤlligeres, und klingen weniger rauh. Graba (ſ. d. Faͤroͤeſche Reiſe, S. 218.) bezeichnet ſie nicht uͤbel mit folgenden Sylben: Bebereii, beberei, bebebiaͤh, und kriaͤh. — Die Jungen piepen anfaͤnglich und dies wird, waͤhrend ſie flugbar werden, nach und nach in Eier oder krier umgewandelt, mit dem fie un⸗ ablaͤſſig den Alten nachfliegen. ah er ung: Die Kuͤſtenmeerſchwalbe naͤhrt ſich hauptſaͤchlich von kleinen Fiſchen, namentlich Stichlingen (ſowol Gasterosteus pungitius 9 132 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſch w. als G. aculeatus), auch von Jungen größerer Arten, beſonders der Gattung: Clupea, von welchen fie, nach Faber, Clupea Sprattus, wenn ſie noch klein, vorzugsweiſe lieben ſoll. Kleine Krabben (Crangon vulgaris), auch kleine Garnelen (Palaemon Squilla) und den fogenannten Strandfloh (Gammarus Gammarellus) frißt ſie auch häufig. Ferner gehören auch Inſekten, Inſektenlarven und Regen: wuͤrmer nicht ungewoͤhnlich zu ihren Nahrungsmitteln, und wo ſie den Uferwurm (Arenicola lumbricoides) erwiſchen kann, auch dieſer. Fiſche ſcheinen vor allen ihre Lieblingsnahrung zu ſein; aber ſie frißt nur lebende, welche ſie ſich ſelbſt faͤngt. Immerfort mit guter Eßluſt verſehen, beſchaͤftigt fie das Auffuchen der Nahrungs— mittel faſt den ganzen Tag; ſie fliegt nicht nur beſtaͤndig, ſondern oft weit nach ihnen umher, auf Meilen weit entlegene Inſeln und Kuͤſten oder ganze Strecken in's Land hinein, an fangreiche Gewaͤſ— ſer, oder auf Wieſen und Aecker. Ueberall, wo ſie Hoffnung hegen darf, Etwas fuͤr ihrem Schnabel zu finden, fliegt ſie ganz niedrig, langſam und bedaͤchtig, das Genick fo gebogen, daß die Schnabel: ſpitze ſenkrecht herab gerichtet iſt, wobei ſie den Kopf bald auf die rechte, bald auf die linke Seite wendet, je nachdem ſie das eine oder das andere Auge zum Beſchauen eines Gegenſtandes ge— brauchen will. Nach den Fiſchen ſtreicht ſie niedrig uͤber dem Waſſer entlang, den Blick feſt auf dieſes geheftet und wenn ſie Etwas entdeckt, haͤlt ſie ſogleich an, ruͤttelt uͤber den Fiſchchen, bis ſich ihr eins von ſolchen, die der Oberflaͤche am naͤchſten ſtehen, bequem genug geſtellt hat; jetzt ſtuͤrzt ſie wie ein fallender Stein auf daſſelbe herab, daß das Waſſer hoch aufſpritzt und fliegt gleich darauf mit dem Gefangenen im Schnabel davon. Sie taucht indeſ— ſen dabei nie ſo tief unter, daß man nicht noch Etwas von ihr uͤber der Oberflaͤche ſaͤhe; ſchießt dagegen in ſchiefer Richtung oftmals nur mit Kopf und Schnabel durch die Wellen, fiſcht jedoch nicht gern wo viel Wellenſchlag iſt, ſondern viel lieber in wenig bewegtem Waſſer und kann bei Sturm und hohem Wellengang nichts ſchaffen, fo auch nicht in den Brandungen. Bei ſolchen Wind und Wetter, welche der Brandmeerſchwalbe gerade recht f ſind, kann ſie nicht in der See fiſchen; ſie ſucht dann die ſtillen Buchten, Binnenwaſſer oder gar Wieſen und Aecker, um, wenn der Fiſchfang nicht gehen will, Inſekten und Wuͤrmer aufzuſuchen. Es iſt ſchon oben erwaͤhnt, daß ſie zu leicht gebauet iſt und nicht Kraͤfte genug hat, den Stuͤrmen trotzen zu koͤnnen. Sie verſchlingt ihre Beute ſtets unzerſtuͤckelt, gewöhnlich bald XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 133 nach dem Erheben aus dem Waſſer, d. h. im Fluge. Ich habe ſie ihr nie im Sitzen verzehren ſehen, ſelbſt ſolche Geſchoͤpfe nicht, wel: che ſie von der Erde aufnahm, will jedoch nicht beſtreiten, daß ſie es vielleicht bei ſolchen Fiſchen thue, welche etwas zu groß ſind, um ohne beſondere Anſtrengung ſogleich verſchluckt werden zu koͤn— nen. Mit einem ſolchen im Schnabel fliegt ſie oft lange herum, gewoͤhnlich ſo lange, bis er ihr von einer andern, ihr begegnenden, abgejagt wird, welcher es abermals fo geht, bis ihn endlich doch eine recht Hungerige hinabwuͤrgt. Koͤmmt eine Raubmeve dazu, ſo iſt es dieſer gerade recht und die Meerſchwalbe mag ſich einen andern Fiſch fangen. Ein auf dem Waſſer ſchwimmendes Inſekt hebt fie gleich auf; es geſchahe oft vor meinen Augen; aber flie⸗ gende ſahe ich ſie nie fangen. Waͤhrend der Ebbe iſt ſie ſehr thaͤtig; ſie fiſcht dann aus den auf den Watten zuruͤckgebliebenen Pfuͤtzen die Brut von jenen Eleis nen Cruſtaceen aus den Gattungen: Crangon, Palaemon, Gamma- rus, u. a. m., von welchen jene kleinen Waſſerpfuͤtzen an manchen Orten wimmeln, auch blieb wol hie und da ein Fiſchchen fuͤr ſie darin zuruͤck, ſo wie ihr denn hier auch der Uferwurm zuweilen zu Theil wird. Bei ſchoͤnem heitern Wetter ſucht ſie ihre Nahrung ſelten anders als auf oder an dem Meere, bei ſtuͤrmiſchem und naß— kaltem dagegen oft im Lande, hinter Duͤnen oder hohen Deichen und wo ſonſt etwas Schutz vor dem Winde iſt. Sie ſchwaͤrmt dann uͤber den Wieſen und faͤngt die an den Grashalmen ſitzenden In— ſekten, oder lieſt auf Raſenplaͤtzen und friſchgepfluͤgten Aeckern Re⸗ genwuͤrmer auf. Ich ſahe ſie in Menge dem Pfluge folgen und auſſerdem dort auch allerlei Käferlarven aufnehmen. Sie ſucht dieſe nicht etwa zu Fuß, ſondern flattert hier uͤber dem Erdboden ganz ſo wie uͤber dem Waſſer, niedrig und immer dicht hinter dem Pflüger her, ergreift den ausgeackerten Wurm oder Made in dems ſelben Augenblicke als ſie ſich neben ihm niederlaͤßt, erhebt ſich eben ſo ſchnell wieder und verſchlingt ihn fliegend. Ich ſahe mehrmals ſtarke Geſellſchaften dieſer Voͤgel ſich auf ſolche Weiſe beſchaͤftigen. Zuweilen fliegen ſie weit vom Meere nach ſolchen Plaͤtzen, immer aber nur, wenn ſie wegen ſchlechten Wetters dort nicht fiſchen koͤnnen. Fortpflanzung. An den oben genannten Kuͤſten und auf vielen Inſeln des Eismeers, der Nord- und Oſtſee, entweder am Meere ſelbſt, oder 134 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. auf den Binnenwaſſern der Inſeln und Halbinſeln, oder auf nahen Landſeen, auch wol an den Ausfluͤſſen derſelben nach dem Meer, — aber nie an Stroͤmen und Fluͤſſen groͤßerer Laͤnder, — findet ſich dieſe Meerſchwalbe als haufenweiſe beiſammen lebender Vogel im Mai ein, um da bis in den Auguſt zu verweilen und waͤhrend dem ſich fortzupflanzen. Ein einzelnes, einſam niſtendes Paar findet man nirgends; immer niſten mehrere und oft Hunderte beiſammen, aber nie ſo dicht aneinander gedraͤngt, als dies von mancher andern, na— mentlich von St. cantiaca bekannt iſt. Sehr merkwuͤrdiger Weile miſchen ſie ſich hier nicht unter andere Meerſchwalben, wol aber un— ter andere Strand- und Seevoͤgel aus gar nicht verwandten Gat— tungen. Ihre Bruͤteplaͤtze koͤnnen nahe neben denen der genannten Art, auch wol von St. nigra u. a. liegen, ſelbſt an die verſchiede— ner Mevenarten grenzen, aber ihre Neſter miſchen ſich nicht unter dieſe; dagegen theilen ſie, buchſtaͤblich, die Bruͤteplaͤtze mit vielerlei ſchnepfenartigen Voͤgeln und im hohen Norden auch mit vielen Entenarten, ihre Neſter befinden ſich zerſtreut zwiſchen denen die— ſer und alle dulden die Meerſchwalben gern unter ſich, was auch begreiflich iſt; denn dieſe ſind von Natur wachſamer, ſehen, wegen beftändigen Herumfliegens, jede Gefahr früher nahen, und find zus gleich die kuͤhnſten Vertheidiger der Eier und Jungen ſaͤmmtlicher Bewohner eines ſolchen Bruͤteplatzes, welcher ſo viel des Hoͤchſtin— tereſſanten bietet, daß auch das kaͤlteſte Gemuͤth beim Zuſchauen ſolch bunten Treibens nicht theilnahmlos bleiben kann. Die Zu— traulichkeit der Voͤgel an ſolchen buntgemiſchten Bruͤteplaͤtzen erhoͤhet den Reiz, welchen ſie dem Beobachter gewaͤhren, ganz ungemein; denn an Orten, wo unſere Meerſchwalbe ungewoͤhnlich zahm iſt, ſind es meiſtens auch ihre Geſellſchafter, obwol ſie darin ſtets alle übertrifft. Faber (f. deſſen Prodromus ꝛc. S. SS.) fand fie am See Myvatn auf Island, wo ſie haͤufig bruͤtet, ſo zahm, daß ganze Haufen ruhig auf ihren Eiern liegen blieben, waͤhrend die Einwohner wenige Schritte von ihnen, bei einem großen Feuer und unter lautem Getuͤmmel, mit Waſchen beſchaͤftigt waren. Auch in Juͤtland giebt es Gegenden, wo man es ganz aͤhnlich findet; in den von mir bereiſeten waren ſie dagegen im Allgemeinen etwas furchtſamer, doch bewieſen einzelne Vorfaͤlle zur Gnuͤge, daß jener Forſcher im Obigen nicht zu viel geſagt hat. In den Gegenden, wo ich die Kuͤſtenmeerſchwalbe beobachtete, zieht fie die fruchtbaren Inſeln und Kuͤſten, deren Watten aus fet— tem ſchwarzen Schlamm (Schlick) beſtehen, den fandigen und we: XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 135 niger fruchtbaren unbedingt vor; nur auf jenen fand ich die am zahlreichſten beſetzten Bruͤteplaͤtze, auf ſandigen Inſeln, wo es we— nige Raſenplaͤtze gab, auch nur wenige dieſer Voͤgel niſtend, auf nackten Sandboden gar keine. Ich will zwar nicht beſtreiten, daß es anderswo noch anders ſein koͤnnte; allein, da gar zu oft bei ſolcher Gelegenheit in den Angaben anderer die genaue Angabe der Beſchaffenheit des Bodens vernachlaͤſſigt iſt, fo muß ich mich vor Allem bloß an das halten, was ich mit eigenen Augen ſahe. San— dige Inſeln oder Kuͤſten koͤnnen allerdings auch Raſenſtriche und auf dieſen unſre Kuͤſtenmeerſchwalbe ihre Bruͤteplaͤtze haben; aber auf nackten, todten Sande ſahe ich wenigſtens ſolche nie. Von de— nen an der Weſtkuͤſte Schleswigs gelegenen hatten die ſandigen Inſeln Amrom und Sylt nur wenige und ſehr ſchwach beſetzte, die fetten Inſeln Foͤhr, Pelworm, Suͤderoog, und mehrere an— dere dagegen ganz ungemein belebte Bruͤteplaͤtze, obgleich das letzt— genannte Eiland großentheils ſandige Watten hat. Friſcher Raſen— boden, die Graͤſer aber von weidendem Vieh kurz gehalten oder ein großentheils mit niedrig bleibenden Salzpflanzen bedecktes Marſch— land, wie es ſich in der Nordſee auf den ſogenannten Halligen und Auſſenteichen findet und mit wirklichen Raſen wechſelt, dieſe gruͤnen Vorlande, von Poa distans, Juncus bulbosus, Triglochin mariti- mum, Plantago maritima, Armeria maritima, Arenaria maritima, Statice Limonium, Salicornea, Salsola, Chenopodium u. dergl. be: deckt, welche auch manche kleine unbebauete Eilande ganz uͤberzie— hen, dienen ihnen am haͤufigſten zu Bruͤteplaͤtzen, da wo ich ſie naͤmlich ſelbſt beobachtete. — Waͤre dieſes allenthalben ſo, ſo wuͤrde ſich dieſe Art dadurch von der vorhergehenden, welche immer nur auf nackten Sand- und Kiesbaͤnken (oder Felſen) niſtet, hoͤchſt auf: fallend unterſcheiden. Dagegen wird jedoch verſichert, daß die Kuͤ— ſtenmeerſchwalbe an der Oſtkuͤſte Juͤtlands, ſo wie auf vielen daͤ— niſchen Inſeln der Oſtſee und auch an der pommerſchen Kuͤſte ſehr oft ihre zahlreich beſetzten Bruͤteplaͤtze auf nackten Sandbaͤnken habe, wie ſie denn an andern Orten hin und wieder auch auf nackten Felſen, auf Grimſey bei Island auf Baſaltgruppen, mehr als 30 Fuß uͤber der Meeresflaͤche, ihre Eier ausbruͤtet. Daß ſie auch an Suͤßwaſſerſeen, nicht ſehr weit vom Meer oder durch ihren Abfluß mit dieſem verbunden, haͤuſig niſte, iſt ebenfalls erwieſen. Ihre Bruͤteplaͤtze fand ich oft ſehr nahe am Meer, und auf ſo wenig erhabenen Boden, daß bei ungewoͤhnlichen Fluthen Eier und Junge mit fortgeriſſen werden; manchmal find die Neſter bei ge: 136 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. woͤhnlicher Fluth nur wenige Schritte vom Waſſerrande entfernt, an einem andern Orte liegt der Bruͤteplatz wol 100 Schritt, an noch andern mehr als 500 Schritt vom Meer entfernt. Das Plaͤtz⸗ chen ſelbſt findet man bald, wenn man auf das ununterbrochene Ab— und Zufliegen der Vögel Acht hat, nämlich nicht allein der unruhi⸗ gen Meerſchwalben, ſondern auch der mit ihnen in Geſellſchaft ni— ſtenden Rothſchenkel (Totanus calidris), Seeregenpfeifer (Charadrius cantianus), Avoſetten (Racurvirostra A vozetta), Auſternfiſcher (Haematopus Ostralegus), u. a. m. An den Bruͤteplatz haben alle dieſe Voͤgel eine beſondere Anhaͤnglichkeit, ſie nehmen ihn, wenn man ihnen denſelben nicht durch gar zu heftige Verfolgungen verleidete, alle Jahr wieder in Beſitz, ſogar ſuchen ſie ihn dann noch wieder, wenn er durch beſondere Ereigniſſe ganz und gar umgewan— delt wurde. Auf der Halbinſel Deichſand, zwiſchen den Elbe— und Eidermuͤndungen, fand ich z. B. in dem damals neu einge— deichten und in Ackerland verwandelten Theil der gruͤnen Halbinſel einen Niſtplatz von jenen Vögeln mit mehrern Paͤaͤrchen unſrer Kuͤ— ſtenmeerſchwalbe vermiſcht, wo vordem ein ſehr ausgedehnter gewe— fen, dieſer jetzt aber mit Hafer beſaͤet war, welcher zufaͤllig an vie: len Stellen ſehr duͤnn ſtand; auf einer ſolchen hatten ſaͤmmtliche Voͤgel ihre Neſter, zwiſchen handlangem Hafer. Auf der Inſel Nordſtrand hatte eine ziemliche Anzahl, mit jenen Arten vermengt, ihren Bruͤteplatz auf einem Brachfelde, das nicht lange vorher ge— pfluͤgt war. Der zahlreichfte von allen Vereinen dieſer Meerſchwalbenart, wel— che ich auf meinen Reiſen ſahe, bewohnte in Geſellſchaft von Tau— fenden andrer Strand- und Sesvoͤgel die kleine niedrige Inſel Suͤ— deroog, welche außer dem Strandvoigt mit ſeiner Familie keinen menſchlichen Bewohner hatte, und, weil ſie nicht eingedeicht war, bloß zur Viehweide benutzt wurde. Jener bunte Schwarm hatte zum Bruͤteplatze eine mit kleinen grünen Hügelchen ) bedeckte Na: ſenflaͤche fo beſetzt, daß man faſt mit jedem Schritte ein Neſt, bald von ihnen, bald von einem der erwaͤhnten Voͤgel fand, an welche ſich einerſeits bis nahe an den ſandigen Strand ſogar eine ziemliche Anzahl Neſter von Silberme ven anſchloß. Da die Neſter aller e) Diefe Hügelchen ſchlenen früher durch Ameiſen oder Maulwürfe entſtanden, obs gleich es ein Räthſel bieibt, wie auf einem ſolchen flachen Eilande, das bei allen hohen Sprinafluthen dem Uiberſchwemmen ausgeſetzt iſt und mehr als ein Mal im Jahr Übers flüutyet wird, ſich jene Geſchöpfe jo weit ſollten vermehrt haben können. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 137 dieſer Voͤgel ſich hoͤchſt aͤhnlich ſehen, nichts als eine kleine, ſehr wenig vertiefte Aushoͤhlung des Bodens ſind, die ſie meiſtens ſelbſt bereiten, ſo mag hin und wieder ein Vogel, wenn ihn das zum Legen reife Ei draͤngt, nicht ſo ſchnell ſein eignes Neſt wiederfinden, fi) deshalb nothgedrungen auf dem erſten beſten feiner Buͤrde ent⸗ ledigen, unbekuͤmmert, wem die ſchon darinnen liegenden Eier ge: hoͤren. So erklaͤrt es ſich wenigſtens mit Wahrſcheinlichkeit, daß ich unter dieſem Gewirr auch ein Mal in einem Neſte 4 Meer: ſchwalbeneier (da ſie doch ſonſt nie mehr als 3 legen) fand, oder wie es möglich war, ein Meerſchwalbenei mit zweien des Auſtern⸗ fiſchers in einem Neſte, oder ſogar auch eins von dieſem Vogel bei den Eiern einer Silbermeve zu finden, was ich dort alles ſelbſt ſahe und nach Andern an ſo ſtark beſetzten Bruͤteplaͤtzen oͤfter vorkommen ſoll. Ich erinnere nochmals, daß ich die Neſter dieſer Art ſtets nur auf hartem Boden, aber nicht auf todtem Sande, obgleich dieſer häufig ganz nahe war, gefunden habe; die allermeiſten waren ſtets auf Raſenboden. Nur ein einziges Mal hatte ein Paͤaͤrchen am Rande ſolchen Bruͤteplatzes ſeine Eier auf einen, vom Meer auf den Sand geworfenen, Streifen von Tang und Meergras, welche alt und trocken waren, gelegt. Wenn ſie ſich das Neſt ſelbſt bereiten, ſo ſieht man auf Raſenboden kaum mehr als das Gras etwas be— zupft oder niedergetreten, auf hartem, aber freien Boden oft noch weniger, aber haͤufig iſt eine vorgefundene kleine Vertiefung dazu eingerichtet. Die Eier liegen gewoͤhnlich auf dem bloßen Erdboden, ſehr ſelten auf einer ganz unbedeutenden Unterlage von einigen trock— nen Pflanzentheilen, Stuͤckchen von Graswurzeln, Blaͤttern oder Haͤlmchen; vielleicht haben ſie ſolche nicht einmal ſelbſt bereitet, ſon⸗ dern andere neben ihnen niſtende Voͤgel ſie ihnen uͤberlaſſen. Gegen Ende des Mai oder auch erſt im Anfange des Juni findet man ihre Eier, deren ein Weibchen nie mehr als 3 für ein Neſt, haͤufig auch nur 2 legt. Unter Hunderten von Neſtern ſahe ich nur ein einziges mit der oben erwaͤhnten Ausnahme, und darf behaupten, daß 3 die Normalzahl fuͤr dieſe Meerſchwalbenart iſt. Dieſe Eier gehoͤren nach Geſtalt und Faͤrbung zu den wandel— barſten in der Vogelwelt. Haͤufig iſt erſtere zwar eine ſchoͤn eifoͤr— mige, aber dieſe iſt bald bauchichter, bald ſchlanker, bald kolbiger, bald ſpitzer und artet auch zuweilen ins Ungewoͤhnliche aus; ich ſahe z. B. eine faſt walzenfoͤrmige, eine ſehr verkleinerte, rundliche (ſo— genannte Spureier) und beſitze ſelbſt noch ein ſolches Ei von der 138 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten-Meerſchw. Geſtalt einer ſehr langen, uͤber der Mitte ſtark eingedruͤckten Birne oder ganz ſo geformt wie die lange gruͤne Herbſtbirne. Eine etwas kurze, ziemlich bauchichte Eiform iſt indeſſen die gewoͤhnlichſte. Die Schale iſt von ſehr feinem Korn, ziemlich glatt, aber ohne Glanz. Von ihrer Grundfarbe laͤßt ſich im Allgemeinen bloß ſagen, daß ſie auf ein ſehr blaſſes Olivengruͤn baſirt ſei, allein ſie geht aus dieſer in allen Abftufungen, bei einigen in truͤbes gruͤnliches Weiß, bei andern in gruͤngelbliches oder gelbbraͤunliches Weiß, auch in gruͤnliches Thonweiß, bei noch andern in gruͤnliches Roſt— gelb und in blaffe Olivenfarbe über. Eben fo varliren die Zeichnun— gen, von welchen die in der Schale bald dunkel aſchgrau, bald vio— lett⸗ bald braungrau, die auf der Schale meiſtens ſchwarzbraun, einzeln ganz ſchwarz, bei andern ſehr dunkel olivenbraun ſind, waͤh— rend ſie bald als bloße Punkte und Tuͤpfel ſehr einzeln oder ſehr gedraͤngt, bald als Tuͤpfel und Klexe ſparſamer, bald als wenige Punkte, daneben aber noch als einzelne große und ſehr große Flecke ins Unendliche variiren. Bei feingefleckten und bloß punktirten ver— breiten ſich die Zeichnungen, dichter oder ſparſamer, meiſtens gleich— foͤrmig uͤber die ganze Flaͤche; bei den grobgefleckten hat dagegen gewoͤhnlich das ſpitze Ende nur wenig Zeichnung, aber oft haͤufen ſich die groͤßten Flecke gegen das ſtumpfe Ende zu einen loſen Kranz. Die weißgruͤnen, wenig oder faſt gar nicht punktirten ſind die ſel— tenſten; die olivengruͤnlichen, grob und einzeln, oder fein und dicht gefleckten die gemeinſten; auch die gruͤnlichroſtgelben, ſtark gefleckten ſind nicht ſelten. Ich habe aus mehreren Hunderten ſelbſt geſam— melter Eier dieſer Art ein Dutzend der abweichendſten in Farbe und Zeichnung vor mir, von denen jedes einer beſondern Beſchreibung werth wäre, muß mich jedoch auf das oben im Allgemeinen Ge ſagte, das natuͤrlich auch auf dieſe bezuͤglich iſt, beſchraͤnken. Dieſe Eier ſind denen der Flußmeerſchwalbe außekordentlich aͤhnlich, wenn man ſie im Kabinette ſieht, weniger wenn ſie friſch ſind. Sie ſcheinen im Allgemeinen allerdings ein Wenig kleiner zu fein, als jene, meſſen aber in der Länge 1 Zoll 7 bis 10 Linien, in der Breite 1 Zoll 2 bis 3 Linien, daher die Maaße keinen weſentlichen Unterſchied machen. Vergleicht man eine nicht geringe Anzahl beider Arten mitſammen, ſo wird man bald bemerken, daß es unter denen der Flußmeerſchwalbe viele giebt, welche nicht groͤßer ſind, als die Mehrzahl von denen der Kuͤſtenmeerſchwalbe, und daß es unter den Eiern dieſer ebenfalls wieder welche und zwar nicht wenig giebt, die jenen in der Groͤße gleichkommen. Ich * XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten-Meerſchw. 139 * kann alſo ein ſo ſehr ſchwankendes Kennzeichen nicht fuͤr gut halten. Ferner ſagt Hr. Dr. Thienemann in ſeinem Eierwerk: Die in— nern oder Schalen-Flecke ſeien bei St. macrura von einer andern, mehr braungrauen Farbe und viel kleiner als bei St. Hirundo; ich habe mich aber hiervon nicht nur nicht uͤberzeugen koͤnnen, ſondern moͤchte faſt das Gegentheil behaupten, weil ich an mehrern Eiern, alle von mir ſelbſt geſammelt, bei St. macrura ſo ſehr große und zum Theil fo ſchoͤn violettaſchgraue Schalenflecke finde, als ich bei keinem der St. Hirundo, ebenfalls ſelbſt aus den Neſtern genommen, habe fin— den koͤnnen. Meine Eierſammlung wuͤrde es Jedem deutlich vor Augen legen, daß auch dieſes Unterſcheidungszeichen nicht vorhanden iſt oder nicht Stich haͤlt. Endlich bleibt noch ein drittes Kennzei— chen und dies iſt das einzige, was ſich in den allermeiſten Faͤllen bewaͤhrt, am beſten freilich nur an friſchen, ihres Inhalts noch nicht entledigten Eiern, naͤmlich die Grundfarbe, die bei St. macrura ſtets eine viel ſtaͤrker ins Gruͤne uͤbergehende iſt, wovon auch die roſt— gelblichen Eier, denen der St. Hirundo am aͤhnlichſten, nicht aus— geſchloſſen ſind. Wenn auch die friſchen Eier der letztern gleichfalls ein Wenig ins Gruͤnliche ziehen, ſo iſt dies doch lange nicht ſo auffal— lend als ſelbſt bei den am wenigſten gruͤnlichen der St. macrura, waͤhrend die Mehrzahl dieſer vom Apfelgruͤnen bis zum ſchmutzigen Olivengruͤn u. ſ. w. wechſelt, und auch ſpaͤter immer einen ſtaͤrkern gruͤnen Schein behaͤlt. Liegen ſie eine Zeit lang, wenn auch noch ſo ſorgfaͤltig verwahrt, in der Sammlung, ſo geht, wie bei allen gruͤnen Eiern, ſehr viel von ihrer eigenthuͤmlichen Farbe verloren, das Gruͤn verſchwindet bis auf einen ſchwachen Schein, den auch nicht einmal Alle behalten, und dieſe letztern ſind dann durchaus nicht von denen der Flußmeerſchwalbe zu unterſcheiden. Eis nige, deren Grundfarbe im friſchen Zuſtande olivengruͤn, werden in den Sammlungen olivenbraun und dunkler als jemals welche von St. Hirundo. Beide Gatten bruͤten, unordentlich ſich abloͤſend, aber bei Son— nenſchein und warmer Witterung wenig oder mit ſehr vielen Unter— brechungen, doch liegen ſie viel oͤfter uͤber den Eiern als man dies von der Flußmeerſchwalbe ſieht. Bei ſchlechtem Wetter brüten ſie viel anhaltender und dann traͤgt der eine Gatte dem bruͤtenden oft Futter im Schnabel zu. Die Nacht hindurch ſitzt das Weib— chen ununterbrochen uͤber den Eiern und das Maͤnnchen haͤlt dicht neben ihm Nachtruhe. Es iſt ihnen ſelten vergoͤnnt die erſten Eier auszubruͤten, weil dieſe von den Menſchen aufgeſucht und gern ver: 140 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. ſpeiſt werden. Wiederholt ſich das Wegnehmen der Eier aber zu oft und bis uͤber die Mitte des Juni, ſo hoͤren die Voͤgel auf zu legen und bleiben für dieſes Jahr ohne Nachkommenſchaft. Wo in: deſſen ein ſolcher Brüteplaß regelrecht behandelt wird, ſucht man die Eier nur 2 Wochen lang aller 2 — 3 Tage ab und laͤßt nachher die Voͤgel ruhig ausbruͤten. Das Ausbruͤten der Eier dauert 15 bis 16 Tage. Sobald ſich die ausgeſchluͤpften Jungen etwas fuͤhlen, verlaſſen ſie das Neſt oder die Stelle, wo die Eier ausgebruͤtet wurden. An ruhigen Or⸗ ten bleiben ſie auch wol laͤnger als einen Tag in demſelben; jetzt laufen fie zwar fort, das eine hier-, das andere dorthin, doch nie ſehr weit weg. Gewoͤhnlich ſuchen ſie ſich ſolche Stellen, welche nicht ganz kahl, hin und wieder uneben, mit allerlei Pflanzen be⸗ ſetzt ſind, auf denen Steine oder Muſchelhaufen herumliegen, hinter welchen ſie ſich recht gut zu verbergen wiſſen, indem ſie ſich ſtill niederdruͤcken, oft auch, poſſierlich genug, bloß den Kopf zu verbergen ſuchen. Wo Sand genug und dieſer trocken iſt, wuͤhlen ſie ſich gern und oft ſo tief in denſelben ein, daß nur der Kopf herausragt; ſie bewirken dies mit den Fuͤßen und Hinterkoͤrper ruͤckwaͤrts, wie ſich Kroͤten in lockere Erde einzuwuͤhlen pflegen. Sie werden mit Inſekten, Wuͤrmern und kleinen Fiſchen aufgefuͤttert, welche ihnen die Alten fleißig zutragen. Mit Regenwuͤrmern, welche dieſe befon: ders fruͤhmorgens oder nach Regenwetter auf Raſenplaͤtzen, auch wol hinter dem Pfluge auf Aeckern aufnehmen, werden ſie ſehr haͤu— fig geaͤtzt. Die Alten find ſehr beſorgt um fie, kommen gleich herz bei, wenn ein Menſch oder groͤßeres Thier in die Naͤhe derſelben koͤmmt, ſchreien und gebehrden ſich ſehr aͤngſtlich, verſetzen Hunden haͤufig Schnabelſtiche, ſtoßen ſogar Menſchen zuweilen gegen die Kopfbedeckung und ſind in Vertheidigung ihrer Jungen tollkuͤhner als alle andere viel groͤßere Meerſchwalbenarten. — Die Jungen wachſen ſehr ſchnell, bekommen bald Federn, in der bei andern Ar— ten dieſer Gattung gewoͤhnlichen Folge, und koͤnnen nach zwei Wo— chen ſchon fliegen und den Alten folgen, was ſie unter immerwaͤh— rendem verlangenden Schreien thun, unter ſolchem auch, im Fluge, wie junge Schwalben, das Futter empfangen und ſich ſehr lange füttern laſſen. Es ſieht wirklich ſonderbar aus, wenn fo große, dem Anſchein nach völlig erwachſene Junge immer noch die aͤlterliche Pflege nicht entbehren koͤnnen, deshalb unausgeſetzt den Alten ihr Ver— langen nach Nahrung zu erkennen geben und ihnen in jeder Richtung nachfliegen, aber gar nicht darauf zu achten ſcheinen, wie dieſe zu XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 141 den Nahrungsmitteln gelangen und ihnen dies ſo oft zeigen, oder nicht den Muth haben, es ihnen nachzumachen. Feinde. Die kleinen fluͤchtigen Edelfalken, Falco subbuteo und F. aesalon, fangen nicht ſelten eine ſolche Meerſchwalbe. Ihre Brut hat noch viel mehr Feinde; Raben und Kraͤhen, auch wol Wei: hen, z. B. Falco rufus, ſtellen ihr nach, ſowol Jungen als Eiern; allein die gefaͤhrlichſten dieſer Art find ihnen die großen Meerſchwalben (St. caspia und St. anglica), die großen Meven (Larus argentatus, L. marinus, u. a. m.) und im hoͤhern Norden die Raubmeven (Lestris), weil fie zu oft in ihrer unmittelbaren Naͤhe wohnen und jeden guͤnſtigen Zeitpunkt abpaſſen koͤnnen, ihnen Eier oder Junge wegzuſtehlen. Dieſe Raͤuber hintergehen die große Wachſamkeit der Meerſchwalben und üben ihr Vorhaben aus, wenn dieſe nicht daheim, d. h. alleſammt weit nach Nahrung aus— geflogen ſind; denn ſobald nur eine zugegen iſt und ein ſolches Vorhaben ahnet, ſo ruft ſie durch aͤngſtliches Schreien ſogleich um Huͤlfe, ihre Kamraden kommen von allen Seiten herbeigeſtuͤrzt, der Raͤuber wird mit vereinten Kraͤften angegriffen und gewoͤhnlich in die Flucht geſchlagen; was der Einzelnen nicht gelingen wuͤrde, er— reicht hier die Menge. Dies geſchieht unter vielem Laͤrm, welcher deſto toller iſt, je mehr Voͤgel dieſer Art beiſammen wohnen und ſich um ſo oͤfter wiederholt, als jene Raͤuber in groͤßerer Anzahl in der Umgegend hauſen. Ihr Haß gegen die großen Meven geht ſo weit, daß ſie durch einen Schuß verwundete ſogleich und zahlreich mit frohlockendem Geſchrei verfolgen und ſo heftig nach ihnen bei— ßen, daß es ausſieht, als ſuchten ſie ſolchen den Gnadenſtoß zu ge— ben; ſtuͤrzt eine, ſo ſchwingen ſich die Meerſchwalben jubelnd noch eine lange Weile uͤber der Todten herum. Die Letris-Arten ſind auch zu jeder andern Zeit ihre heftigen Feinde, weil ſie ihnen die gefangene Beute abjagen; ſie uͤben ihr Schmarotzerhandwerk gar gern gegen die ſchwachen Meerſchwalben aus, weil ſich dieſe ohne Widerſtand in ihren Willen fuͤgen, ja oft den Fiſch fruͤher fallen laſſen, als es jenen moͤglich wird, ihn, ehe er wieder ins Waſſer faͤllt, aufzufangen. Ungewoͤhnliche Fluthen rauben ihnen oft die Eier oder Jungen, und der Menſch traͤgt, durch zu oft wiederholtes Wegnehmen der erſtern, auch viel zur Verminderung dieſer Voͤgel bei. 142 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. Die in ihrem Gefieder zuweilen ziemlich haͤufig wohnenden Schmarotzerinſekten, worunter auch Philopterus melanocephalus, Nitzsch, ſo wie einige Arten von Eingeweidewuͤrmern, deren Gattung und Art noch nicht beſtimmt worden, ſcheinen ihnen wenig Be— ſchwerde zu machen. Sa aD Unter allen Arten der Meerſchwalben unfrer erſten Abtheilung ift dieſe am leichteſten zu ſchießen, theils wegen ihres zutraulichen, oft einfaͤltigen Betragens, theils wegen ihres fanften und etwas lang: ſamen Fluges. Im Sitzen haͤlt freilich keine, oder doch nur hoͤchſt ſelten eine ſchußrecht aus; deſto naͤher koͤmmt ſie aber, beſonders wo ſie noch wenig Nachſtellungen erfahren hat, an den Schuͤtzen vor— uͤbergeflogen, entweder aus Neugier oder aus Furchtloſigkeit; im Aufſuchen ihrer Nahrung vertieft, ſcheint ſie den dabei ſtehenden Menſchen oft gar nicht zu bemerken. Wer Uibung im Flug— ſchießen erlangen will, findet an dieſen harmloſen Geſchoͤ— pfen die beſte Gelegenheit dazu, und wenn ich hierin Brehm's Angaben (ſ. deſſen Beiträge, III. S. 706.) gaͤnzlich widerſpreche, ſo berufe ich mich auf das Zeugniß meiner damaligen Reiſegefaͤhr— ten, des ältern Hrn. von Woͤldicke und des aͤltern Hrn. Boie, mit denen ich 1819 die Kuͤſten und Inſeln der daͤniſchen Weſtſee bereiſete, um dort zu ſammeln, wo wir verſuchsweiſe allerlei unge— woͤhnliche Manieren des Schießens auf dieſe dort unſaͤglich gemei— nen Voͤgel anwandten, weil fie den Schießluſtigen dazu aufforder— ten, die aber zum Theil ſo wunderlicher Natur waren, daß ich ſie nicht naͤher beſchreiben mag. Mit der Doppelflinte aus freier Hand (par pistolet) einen ſolchen, eben vorbeiſchaukelnden Vogel herunter zu ſchießen, war kein großes Kunſtſtuͤck; wir ließen die Todte liegen; die naͤchſte deſſelben Weges kommende Meerſchwalbe machte, jene zu betrachten, uͤber ihr Halt und hatte gleiches Schickſal; ſie blieb eben— falls liegen und der naͤchſtfolgenden ging es nicht beſſer; und fo la— gen in der kuͤrzeſten Zeit ein halbes Dutzend, oder ſo viel wir woll— ten, von dieſen ſchoͤnen Voͤgeln zur Auswahl vor unſern Fuͤßen, u. ſ. w. Es iſt dabei gar nicht noͤthig, ſich zu verſtecken; man darf nur, wenn auch voͤllig frei, ganz ruhig ſtehen oder ſitzen bleiben, am beſten natuͤrlich auf einer ihrer Flugbahnen, — die ſie jedoch ſo ſtrenge nicht halten als die Brandmeerſchwalbe, — um deſto ſichrer ein ſolches Blutbad anrichten zu koͤnnen; auch verſteht es XIII. Ordn, LXXVII. Gatt. 283. Kuͤſten⸗Meerſchw. 143 ſich, daß die Ladung des Gewehrs auf ſie feiner Hagel (Vogel— dunſt) ſein muß. — Ihre Neugier fuͤhrt ſie unſaͤglich oft in's Ver— derben. Bei heftigem Winde auf einem unbewohnten Inſelchen (Hallig), wo ſie beſonders niedrig fliegen, ſtreckte mein Schuß einſt einen voruͤberſtreichenden Auſternfiſcher herab, eine Meerſchwalbe kam deſſelben Wegs, ſtand uͤber dem Todten in der Luft ſtill, um ihn zu begaffen und der zweite Schuß des Doppelgewehrs ſtuͤrzte fie auf ihn herab; kaum mit dem Laden eines Rohrs fertig, ſtuͤrzte deſſen Schuß eine zweite, ſo eine dritte auf jene; endlich kam auch eine Silbermeve, beſchaute den Leichenhaufen und half ihn ver— groͤßern; jetzt war es mir im Ernſte genug, zum Scherze ſchon zu viel; ich nahm die ſchoͤnen Todten auf und ging meines Wegs. — Auch einen, auf nicht ganz kahlen Boden, auf den Rüden hingeftred- ten Menſchen werden alle einzeln voruͤberziehenden Meerſchwalben dieſer Art gleich begaffen wollen, deshalb uͤber ihm ſchweben, ſo daß er, ſo lange er in dieſer Lage bleibt, in groͤßter Ruhe ſo viele der— ſelben nacheinander herabſchießen kann, als er will. — Ihre Neu— gier zu reitzen, ſind, wie ſchon erwaͤhnt, ein hingeworfenes Taſchen— tuch oder Stuͤck Papier ein untruͤgliches Mittel, ſelbſt an Orten, wo ſie den Schuͤtzen ſonſt auszuweichen pflegen, zieht ſie dieſes in Schußnaͤhe herbei. — Durch vieles Fehlſchießen werden ſie, beſon— ders an Orten, wo ſie nicht ſo ſehr haͤufig ſind, natuͤrlich zuletzt auch vorſichtiger; ich habe ſie in ſolchen Faͤllen immer hoͤher und hoͤher ſteigen und zuletzt hoch uͤber der Schußhoͤhe ruhig und ſchoͤn fortſchweben ſehen. Auf ihren Wanderungen, an fremden Orten und bei kurzem Aufenthalt, ſind ſie wol viel vorſichtiger, doch auch weniger ſcheu als die meiſten Familienverwandten. Es giebt ſogar Gegenden, wo ſie niſten und doch ungleich mißtrauiſcher ſind, als ich ſie oben geſchildert habe; denn an den Niſtorten, wo ich ſie ſahe, war ihr Betragen wirklich einfaͤltig und dummdreuſt zu nennen. Auf dem Neſte kann man ſie auch ſehr leicht in Schlingen oder mit Leimruthen fangen; der Vogelleim verdirbt aber das zarte Gefieder. Die Gefangenen muß man bald ausloͤſen; ſonſt zieht ihr Zappeln und Schreien alle Voruͤberziehenden herbei, welche bei dem Flattern uͤber den— felben mit ihrem Unrath das Gefieder der Gefangenen unauslöfchlich bes ſchmutzen. Nn em. Die Voͤgel ißt man gewoͤhnlich nicht; allein die ſehr wohlſchmek— kenden Eier werden ſehr haͤufig aufgeſucht und verſpeiſt. Von den 144 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 283. Kuſten⸗Meerſchw. t groͤßern Bruͤteplaͤtzen ſucht man das weidende Vieh abzuhalten und betreibt das Einſammeln der Eier planmäßig, wie bei den größern Meerſchwalbenarten. Dies geſchieht indeſſen an ſehr vielen Orten nicht, an den meiſten dagegen nach Willkuͤhr, weil man dieſe zu kleinen Eier weniger achtet, zumal wo ſie nicht in ſehr großer An— zahl gefunden werden. Einen mittelbaren Nutzen moͤchten ſie dem Menſchen vielleicht durch Vertilgen vieler Regenwuͤrmer und anderer laͤſtigen Geſchoͤpfe gewaͤhren. In ihren Bruͤtegegenden nuͤtzen ſie dem Schuͤtzen dadurch, daß ſie ihm durch ihr Betragen anzeigen, ob ſein Schuß einen groͤßern Vogel, namentlich eine große Meve, verwundet habe oder nicht, oder ihm die Stelle anzeigen, wo ein todter herabgeſtuͤrzt iſt. Sollte dies eine große Meve ſein, ſo muß man bald hinzueilen, weil zu befuͤrchten ſteht, daß ſie auf obige Weiſe das zarte Gefieder deſſelben verunreinigen und ſie wenigſtens zum Ausſtopfen untauglich machen. S ch a d e n. Am Meere fallt es Niemanden ein, dieſen anmuthigen Voͤgeln die kleinen Fiſchchen, wovon ſie ſich meiſtens naͤhren, zu beneiden oder ſie deshalb fuͤr ſchaͤdlich zu halten, zumal ſie vorzugsweiſe Stich— linge fangen, welche ihrer Kleinheit wegen nirgends beachtet werden. Temm. Man. 2. Edit. II. 752. =- Lesser Tern. Lath. Syn. VI. p. 364. n. 18. 284. Die Zwerg - Meerfchwalbe, | Sterna minuta, Linn. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 254. ] Fig. 2. Weibchen in ebend. Fig. 3. Jugendkleid. Kleine See- oder Meerſchwalbe; kleine Schwalbenmeve; klein⸗ ſte Meve; kleinſte Fiſchmeve; kleinſte zweifarbige Meve. Spaltfü- ßige —, pommerſche —, daͤniſche Zwergſeeſchwalbe; kleiner Fiſcher; kleines Fiſcherlein. Sierna minuta. Gmel. Linn. Syst. I. 2 p. 608: n. 4. — Lath. Ind. II. p. 809. u. 19. — Nilsson Orn. suec. II. p. 162. u. 213. — Sterna metopoleucos. Gmel. Linn. I. e. n. 23. = S. G. Gmelin. Nov, comm. Petrop. XV. p. 475. t. 12. f. 1. Lath. Ind. II. p. 809. u. 22. La petite Hirondelle de mer. Buff. Ois. VIII. p. 337. Edit. de Deuxp. XVI. p. 68. Id. Planch. enl. 996- — Gerard. Tabl. lem. II. p. 325. 8 | ii Hooded Tern. p. 365: n. 21. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 320. n. 18. u. ©. 322. u. 21. Bewick, brit. Birds. II. p. 201. Sterna minore. Stor. deg. Uce, V. tav. 541. — Frauticello: Savi, Oru, tose. III. p. 94. = Bechſtein, Naturg. Deutſchl. IV. S. 699. = Deſſen, orn. Taſchenb. II. S. 383. u. 7. Wolf u. Meyer Taſchenb. II. S. 463. Meisner u. Schinz V. d. Schweiz. S. 265 u 239. Koch, Bair. Zool. I. S. 368. n. 230. Brehm, Beitr. III. S. 724. = Deſſen, Lehrb. II. S. 692. - Deſſen; Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 790 — 791. = Gloger, ſchleſ. Faun. S. 52. n. 232. — Landbeck, Big, Würtembergs. S. 71. u. 252. = Hornſchuch u. Schilling, Ber. pommerſch. Vög. S. 17. u. 223. = v. Homeyer, Vög. Pommern's, S. 66. u. 214. Naum ann's, Vög. alte Ausg. III. S. 198. Taf. XXX VIII. Fig. 55. Männchen im Frühlinge, F. 56. Jugendkl, u. Nachtr. S. 86, 10r Theil. 10 146 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 281. Zwerg⸗-Meerſchw. Kennzeichen der Art. Die Stirn iſt weiß, die zwei oder drei allererſten Schwingfe⸗ dern ſind dunkelſchieferfarbig, auf den innern Fahnen breit weiß ge⸗ kantet; der Schwanz ganz weiß; die Fußwurzeln wenig über 7 Li— nien hoch; Schnabel und Fuͤße bei den Alten orangegelb. Beſchreibung. Dies iſt unter den europaͤiſchen Meerſchwalben die kleinſte Art, vielleicht die kleinſte aller bekannten; denn die ihr ſehr aͤhnliche Sterna argentea, Pr. Max de Wied, in Braſilien, ſoll etwas groͤ⸗ ßer ſein. Mit einer andern iſt ſie nicht zu verwechſeln; denn ſelbſt die kleinen Arten der folgenden Familie ſind groͤßer und dunkler gefaͤrbt. Ihr von Federn entbloͤßter Körper hat ohngefähr die Größe der einer Feldlerche, die großen Fluͤgel, der lange Schnabel und Gabelſchwanz geben ihr aber eine ſcheinbare Größe, worin ihr jene nachſtehen muß. Sie iſt zwifchen 8 und 9 Zoll lang; 20 bis 20½ Zoll breit; die Flügel 7⅛ Zoll lang; der Schwanz auſſen 3½ bis 3½¼ Zoll, an den Mittelfedern 2 Zoll lang. Die weiblichen Voͤ⸗ gel ſind oft bedeutend kleiner und 1 Zoll kuͤrzer, nicht ſelten auch von gleicher Groͤße mit den Maͤnnchen. Das Gefieder iſt ganz wie an St Hirundo, an der Bruſt be⸗ ſonders dicht und pelzartig, im Nacken wenig verlaͤngert, im Uibri⸗ gen aͤußerſt zart; die Fluͤgel ſehr lang, ſchmal und ſpitz, die etwas ſaͤbelfoͤrmig gebogenen Primarſchwingfedern mit ſehr ſtarken, zurüds ſchnellenden Schaͤften; der Schwanz anders als an den beiden Vor: hergehenden, zwar tief gabelfoͤrmig geſpalten, die aͤußerſten Federn aber nicht ſo ſchmal ſpießartig, ſondern mehr nach und nach in die eben nicht ſehr ſchlanke Spitze auslaufend; die ſolgenden ſtufenweiſe kuͤrzer und von der Spitze herauf bald breiter, die mittelſten mit zugerundetem Ende. Die ſich uͤber ihn kreutzenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen über 1¼ Zoll über die der Schwanzgabel hinaus. Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig etwas groß und ſehr ſchlank, doch lange nicht ſo wie bei St. cantiaca und St. Dougallii, die Biegung der Firſte auch viel ſchwaͤcher, der Kiel bis zu Ende der ſehr ſchmalen Spalte gerade, hier ein ſchwaches Eck bildend und XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. 147 dann ſchlank in die ſcharfe Spitze auslaufend; er iſt ſehr zuſammen— gedruͤckt, nach vorn ſehr ſchmal und ſehr ſpitz, die aͤußerſte Spitze oft abgebrochen, die ſcharfen Mundkanten etwas eingezogen und die obere Schneide ein wenig uͤber die untere hinweggreifend; der Rachen ziemlich weit und tief bis unter das Auge geſpalten. Das Nas ſenloch iſt ein offner, kurzer, kaum 2 Linien langer Ritz, 1 Linie von den Stirnfedern anfangend. Der Schnabel iſt 1 Zoll 2 bis 4 Linien lang, an der Wurzel faſt 3 Linien hoch und ziemlich 2½ Linien breit. Seine Farbe iſt ein praͤchtiges Orangegelb, die Spitze hornſchwarz, doch das aͤußerſte Spitzchen oft licht hornbraun; der innere Schnabel, Zunge und Rachen ebenfalls orangegelb, etwas heller als von auſſen. Dieſe rothgelbe Farbe iſt ſehr dauerhaft, wird im Tode nur etwas roͤther, am ausgetrockneten blaßgelb. — An jungen Voͤgeln iſt er anfang: lich gelblichfleiſchfarben, ſpitzewaͤrts ſchwarzgrau. Das lebhafte Auge hat bei den Alten eine ſehr dunkel faſt ſchwarzbraune, in der Jugend etwas lichter braune Iris, hier weiße, dort weiß und ſchwarzbefiederte Lider. N Die Fuͤße ſind klein und ſchwaͤchlich; ſie haben ſchlankere Laͤufe und Zehen, als die der beiden vorhergehenden, und ſehr tief ausge: ſchnittene Schwimmhaͤute, beſonders die zwiſchen der Mittel- und Innenzeh, ſo daß erſtere oft bis beinahe ans erſte Gelenk davon frei iſt. Dieſe Ausſchnitte ſind bei manchen Individuen ſtaͤrker, bei andern ſchwaͤcher, aber immer ſehr auffallend. Die Hinterzeh iſt ſehr klein und ſchwaͤchlich; die Krallen ſind ſchlank, flach gebo— gen, ſchwach, ſehr ſpitzig, auf der untern Seite gefurcht, am in— nern Rande ſcharf und der der Mittelzeh etwas vorſtehend. Der haͤutige Uiberzug der Fuͤße iſt auf dem Spann und den Zehenruͤk— ken ſeicht geſchildert, uͤbrigens Alles ſehr zart genarbt. Die Nackt— heit uͤber der Ferſe iſt gering, nur 1 bis 2 Linien, der Lauf bis 7½ Linien lang, die Mittelzeh, mit der 2¼ Linien langen Kralle, 8 bis 9 Linien lang, die Hinterzeh mit der Kralle gegen 2 Linien lang, wovon die Haͤlfte auf letztere koͤmmt. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſehr lebhaftes Orangegelb, das im Tode eine etwas röthere Faͤrbung erhält, an Ausgeſtopften aber blaßgelb wird; die Krallen ſind ſchwarz. Bei jungen Voͤgeln ſind die Füße fleiſchfarbig, die Krallen braun mit ſchwaͤrzlichen Spitzen. Das Dunenkleid ſieht dem der Flußmeerſchwalbe ſehr ahnlich, aber die Kehle iſt rein weiß. Die Jungen find in dem: 10° 148 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerfchw. ſelben ſehr kleine, niedliche Geſchoͤpfchen und ihre Bekleidung unge: mein weich und zart. Das Jugendkleid, wo Schnabel und Fuͤße noch nicht gelb, ſondern wie ſchon beſchrieben ausſehen, wo bei manchen das Schwaͤrz— liche des erſtern von der Spitze ſich auf der ganzen Firſte ausdehnt, hat folgende Farben und Zeichnungen: Stirn und Oberkopf gelb— braͤunlichweiß, auf dem Scheitel etwas grau geſchuppt, an den Zur geln etwas ſchiefergrau, in ein ſchwarzes Fleckchen vor dem Auge uͤbergehend; die Schlaͤfe und hintere Theil der Ohrgegend grau— ſchwarz, der Hinterkopf und Nacken gelbbraͤunlich und ſtark ſchwarz— grau gewellt und geſchuppt; der Oberruͤcken und Anfang der Schul— ter blaß gelbbraͤunlich, mit ſchmalen ſchwarzgrauen Mondfleckchen vor dem gelblichen Endſaum der Federn; die groͤßern Schulterfedern blaß gelbbraͤunlich, mit durchſchimmerndem Lichtgrau, mit ſchwarz— grauen feinen Schaftſtrichen und einem eben ſo gefaͤrbten Bogen— ſtreif vor der braungelblichweißen Federkante; die hinterſten Schwing— und großen Deckfedern eben ſo gefaͤrbt, die ſchwarzgraue Zeichnung aber mehr gezackt, an den Federenden faſt pfeilfoͤrmig gezeichnet; die uͤbrigen großen und mittlern Fluͤgeldeckfedern licht blaͤulichgrau, an den Enden braungelblichweiß, die kleinen vor der Endkante, von letzterer Farbe, noch mit einem dunkeln Mondfleckchen, die obern laͤngs dem Unterarmknochen ſchiefergrau, etwas lichter geſaͤumt; die Secundarſchwingfedern hell blaͤulichgrau, mit weißen oder gelblichen Endkanten; die Primarſchwingen ſchieferfarbig, an den Enden und auf den Innenfahnen mit weißen Kanten; die Fittichdeck- und Daumenfedern noch dunkler ſchieferfarbig, mit roſtgelblichen Spitzen— kanten; Fluͤgelraͤndchen und Unterfluͤgel bis auf die ſilbergraue Spitze weiß; der Unterruͤcken gelblich und hellgrau geſchuppt, auf dem Bür. zel mit vielem ſich vordraͤngendem Weiß; der Schwanz weiß, gegen ſeine Mitte auſſen blaͤulichgrau angeflogen, an den Spitzen der Fe— dern ſchwach braungelblich und vor ihnen jede mit einem grauen Mondfleckchen, ſeine Unterſeite, wie alle untern Theile des Vogels bis zum Kinn herauf rein weiß. Das Winterkleid, welches dieſe jungen Voͤgel im erſten Herbſt ihres Lebens, wenn ſie nicht mehr in unſern Gegenden an— getroffen werden, anlegen, unterſcheidet ſich von dem der alten bloß an den Schwing- und Schwanzfedern des Jugendkleides, wel— che ſie ein volles Jahr behalten, die daher ſehr kenntlich ſind, ob— gleich an dem ebenfalls noch weniger tief gegabelten Schwanze nach und nach der blaugraue Anflug nebſt den gelblich und grau gezeich— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 254. Zwerg-Meerſchw. 149 neten Federenden verſchwindet und Alles in Weiß abbleicht, wie es auch bei andern jungen Meerſchwalben Statt hat und oͤfter erwaͤhnt iſt. — Das Winterkleid der Alten iſt nur wenig von ihrem hochzeitlichen oder Sommerkleide verſchieden. Iſt es ganz vollſtaͤndig, — in welcher Geſtalt wir ſie nur aus den Laͤndern ih— res Winteraufenthalts erhalten koͤnnen, — ſo hat der Kopf dieſelbe Zeichnung und Farbe, ſo wie auch alle untern Theile nur rein und blendend weiß ſind; allein das ſanfte lichte Blaͤulichgrau des Mantels iſt viel friſcher (um nicht zu ſagen: dunkler) und uͤberzieht, vom Unterruͤcken abwaͤrts, auch den Buͤrzel, die Oberſchwanzdecke und den Schwanz von obenher in einer kaum ſchwaͤchern Anlage, ver— laͤuft aber ſanft an den Auſſenſeiten des Schwanzes in Weiß. Dieſes Grau auf den oben genannten Theilen, die im Fruͤhlings- und Sommerkleide rein weiß ſind, giebt den einzigen nicht unwichtigen Unterſchied von dieſen; denn es iſt, wenigſtens auf dem Buͤrzel, den obern Schwanzdeckfedern und den beiden Mittelfedern des Schwanzes, kein bloßer Anflug, ſondern eine die Federn durchdringende Faͤrbung. Auſſerdem ſind auch die neuen Schwingfedern viel dunkler gefaͤrbt, die drei vorder— ſten wirklich ſchieferſchwarz, nur durch den bekannten ſammet— artigen lichten Uiberzug, — welcher jedoch bei dieſer Art ſehr ſchwach iſt, etwas bedeckt und wie beſtaͤubt. Die hochgelbe Farbe des Schnabels und der Fuͤße zieht etwas weniger ins Rothe als im Fruͤhjahr. Im hochzeitlichen oder Sommerkleide hat der Kopf fol— gende Zeichnung: Die Stirn bis zum Vorderſcheitel iſt weiß und dies zieht an den Seiten, wie breite Augenbrauen, bis uͤber das Auge, fo daß es, von oben geſehen, in einem halbmondfoͤrmigen Ausſchnitt die Farbe des Scheitels begrenzt; ein mehr oder weniger breiter Zuͤgel, von der Naſengegend bis an's Auge, die Schlaͤfe, der ganze Oberkopf, Genick und Nacken ſammetſchwarz, neben die— ſem die Kopfſeiten rein weiß. Auf dem untern Nacken, am Schwar— zen, faͤngt ein blaͤulich grauer Anflug des weißen Grundes an und wird auf dem Ruͤcken, den Schultern, den hintern Schwing- und allen Fluͤgeldeckfedern die herrſchende Faͤrbung, ein ſehr lichtes, un— gemein zartes Blaͤulichaſchgrau (eben fo licht als bei St. cantiaca und lichter als bei St. Hirundo); gegen den Buͤrzel, wie an den Endkanten der laͤngſten Schulter- und letzten Schwingfedern verlaͤuft dieſe liebliche ſchwache Faͤrbung in Weiß; die drei (ſelten zwei) vor— derſten Schwingfedern find ſchieferſchtdarz, die erſte mit ſehr feinem 150 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. weißen Auſſenſaͤumchen und weißen Schaft, die beiden folgenden mit mattſchwarzen Schaͤften, alle ſehr breit weiß auf der Kante der Innenfahne, das mit dem Schafte parallel läuft, aber weit von der Spitze der Federn ſpitz endet; der weißgraue puderartige Uiber- zug iſt an dieſen Federn ſchon zum Theil abgerieben; die folgenden Primarſchwingfedern ſind hellaſchgrau, mit weißer Kante an den Innenfahnen und braͤunlich weißen, wurzelwaͤrts braunen Schaͤften; die Secundarſchwingfedern licht blaͤulichgrau, an den Spitzen und einem großen Theil der Innenfahnen weiß, mit braͤunlichen Schaͤf— ten; die Fittichdeckfedern ſchiefergrau. Auf der untern Seite des Fluͤgels ſind alle Federſchaͤfte weiß, die laͤngſten Federn mit einem dunkelſilbergrauen Streifen laͤngs dem Schafte und mit ſolchen En— den; der uͤbrige Unterfluͤgel und das Fluͤgelraͤndchen, ſo wie der Buͤrzel, der Schwanz mit ſeinen obern und untern Deckfedern, und alle untern Theile des Vogels, bis zum Kinn herauf, find von ei: nem blendenden, an der Bruſt ſeidenartig glaͤnzenden, ungemein reinen Weiß. Das herrliche Orangegelb des Schnabels und der Fuͤße hebt dieſe einfachen, ſanft in einander verfließenden, nur am Kopfe abſtracten Farben des zarten Gefieders außerordentlich. Sehr alte Voͤgel ſind immer etwas groͤßer, beſonders ihr Schnabel etwas länger und ſtaͤrker, oft aber auch deſſen aͤußerſtes Spitzchen abgebrochen, daß er ausſieht, als waͤre dieſer kleine Theil, in meiſſelartiger Weiſe, abgeſchnitten. Die Koͤrpergroͤße iſt indeſſen auch unter alten Voͤgeln recht verſchieden und kann daher auch kein zuverlaͤſſiges Unterſcheidungszeichen zwiſchen Maͤnnchen und Weib— chen, die ſich auch in allem Uibrigen gleich ſehen, abgeben, obgleich wol durchſchnittlich die letztern etwas kleiner als die erſtern ſind. Bei einem von mir ſelbſt bei einem Neſte erlegten Paͤaͤrchen war das Weibchen ſo auffallend kleiner, daß es in der Laͤnge faſt ei: nen vollen Zoll weniger maß als ſein Maͤnnchen, woran die et⸗ was kuͤrzern Schwanzfpieße nur einen ſehr geringen Antheil hatten; dabei waren beide alte Voͤgel. Im Laufe der Zeit, waͤhrend der ſie bruͤten und ihre Jungen erziehen, leidet das ungemein zarte Gefieder dieſer Meerſchwalben bedeutend durch Reibungen und den Einfluß der Witterung, das Weiße wird truͤber, das blaͤuliche Grau noch bleicher, aber unſau— berer, die erſten Schwingfedern dunkler, weil jener Uiberzug verſchwin— det, das Schwarz des Kopfes matter, von den Schwanzſpießen ſind oft die eine oder beide Spitzen abgebrochen, und ſo ſehen wir an demſelben Individuum mit demſelben Gefieder das in ſeiner Art XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg-Meerſchw. 151 unvergleichlich ſchoͤne Ausſehen vom Mai her, zu Ende des Juli gewaltig verſchlechtert. Der Hauptfederwechſel beginnt zu Ende Juli, wenn uns dieſe Voͤgel verlaſſen, bei vielen auch wol erſt im Auguſt und wird in ihrer Abweſenheit unter einem mildern Himmel vollendet. Auch die zweite Mauſer geht dort, vermuthlich im Februar und März vor ſich. Bekanntlich erſtreckt ſich dieſe nicht uͤber die Schwing- und Schwanzfedern, von letztern ſcheint jedoch das mittelſte Paar auszu— ſchließen zu fein, weil es im Winterkleide ganz hellblaͤulichgrau aus— ſieht und ſchwerlich in reines Weiß, was es im Fruͤhlings— kleide hat, abbleichen kann, was vom bloßen Anfluge der fol: genden Schwanzfederpaare auf ihrer Auſſenfahne eher zu glau⸗ ben iſt. Aufenthalt. Die Zwergmeerſchwalbe iſt eine ziemlich weit verbreitete Art, geht aber nicht ſo hoch nach Norden hinauf wie mehrere andere, in Europa und Aſien wol ſchwerlich bis zum 58 Gr. n. Br. Sie iſt im ſuͤdlichſten Norwegen ſchon ſelten, weniger im füdlichweitlis chen Schweden, dann uͤber viele Theile des ſuͤdlichen europaͤiſchen und aſiatiſchen Rußlands, namentlich am ſchwarzen und caspi— ſchen Meer, am Irrtiſch und andern Fluͤſſen Sibiriens verbreitet, von der andern Seite auffer den daͤniſchen Inſeln und den deut: ſchen Kuͤſten der Oſt- und Nordſee, ſo wie der britiſchen In— ſeln, uͤber ſaͤmmtliche Kuͤſten von Europa; doch wie es ſcheint find ihre Sommerwohnſitze häufiger die noͤrdlichen und weſtlichen, als die ſuͤdlichen Kuͤſten, die ſie dagegen wieder im Winter haͤufi⸗ ger bewohnt, wo ſie in jenen gar nicht iſt. Sie koͤmmt auch in Nordamerika, von Neuyork bis zum merifanifchen Meerbufen, ſehr häufig vor. — An der Kuͤſte von Pommern und Medlen: burg iſt fie hin und wieder gemein, fo an der Weſtkuͤſte von Juͤt— land, an der von Holſtein, Friesland, Holland und Nord— frankreich, aber im Innern der Laͤnder iſt ſie es nur an man— chen Fluͤſſen und an einzelnen Landſeen, ſo in Deutſchland haͤu— fig an der Elbe bis hoch nach Sachſen hinauf und an mehreren Nebenfluͤſſen; an der Oder bis weit in Schleſien, auch an der Weſer, aber hauptſaͤchlich am Rhein und ſeinen Nebenfluͤſſen bis an den Bodenſee, uͤbrigens aber in der Schweiz ſehr ſelten. 152 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 234. Zwerg⸗Meerſchw. An der Donau mit ihren Nebenfluͤſſen iſt ſie in manchen Gegen⸗ den ebenfalls häufig und ich habe ſelbſt noch am Iſten September, einer Zeit, wo in Norddeutſchland keine mehr geſehen wird, Belgrad gegenüber, auf einer ſandigen Donauinſel einige Paͤaͤr— chen angetroffen, welche dort den Sommer uͤber gewohnt hatten. Solche Gegenden Deutſchlands, welche zu entfernt von jenen Fluͤſſen liegen, ſehen ſie ſelten und manche nie. Unſer Anhalt hat dieſe Art haͤufig aufzuweiſen; denn ſie bewohnt die Elbe bis uͤber Dresden hinauf, unſere Mulde ſtellenweiſe noch bis in die Gegend von Wurzen, die Saale aber nur bis ein paar Meilen von ihrem Ausfluſſe und wird auf dieſer meiſtens nur als Streifer geſehen, weil ihr dieſer Fluß weniger zuſagt als jene beiden. Auf dem Zuge, oder durch andere Veranlaſſungen dazu gebracht, zeigt ſie ſich, wegen der Naͤhe jener Wohnſitze, dann auch oft genug auf Teichen und andern ſtehenden Gewaͤſſern im Lande, beſucht aber entferntere, z. B. den Salz- und Suͤßſee im Mannsfeldiſchen aͤußerſt ſelten. Unſere Zwergmeerſchwalbe ſcheint eine der am wenigſten zahl— reichen Arten. Fuͤr Europa iſt dies wenigſtens ausgemacht. Wenn man ſie auch zu den gemeinen Voͤgeln zaͤhlen moͤchte, ſo wird man ſie doch nirgends in ſo ſtaunenerregender Anzahl beiſammen treffen, als viele andere Arten dieſer Gattung. An vielen deutſchen Fluͤſ— fen, namentlich an der Elbe und Mulde, iſt fie jedoch die gemeinſte oder viel haͤufiger als die Fluß meerſchwalbe. Daß fie Zugvogel iſt, geht fhon aus dem Geſagten hervor. Sie gehoͤrt bei uns unter die wahren Sommervoͤgel, koͤmmt im Mai, oft erſt gegen die Mitte deſſelben, zu uns und zieht im Juli und Anfangs Auguſt fchon wieder weg. Sehr ſelten wird noch in der letzten Haͤlfte dieſes eine ſpaͤt ausgekommene Junge bemerkt; noch ſpaͤter iſt hier nie eine vorgekommen, wogegen Suͤddeutſch— land ſchon einen Unterſchied macht, wenn wir von Landbeck (a. a. O.) vernehmen, daß ein Mal noch am 18ten September an ei— nen Landſee im Wuͤrtemberg'ſchen eine Geſellſchaft Durchzie— hender bemerkt und zwei davon geſchoſſen wurden, wie ich denn ſelbſt auch Anfangs dieſes Monats, wie ſchon erwähnt, auf der Donau an der ſerbiſchen Grenze noch einige antraf, welche dort noch ganz heimiſch waren. An der Oſt- und Nordſee verſchwinden ſie auch Anfangs Auguſt und dieſe ſcheinen die naͤmliche Straße zu wandern, wie andere dort im Sommer wohnende Meerſchwalben, naͤmlich laͤngſt der europaͤiſchen Kuͤſte, alſo ſuͤdweſtlich, bis an \ — — XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. 153 die des weſtlichen Afrika's, weil man fie in der Zugperiode vor: zuͤglich haͤufig auch auf den canariſchen Inſeln angetroffen hat. Diejenigen aber, welche die erſten Sommermonate an den Gewaͤſ— ſern des Feſtlandes zubringen, moͤgen dagegen gewiſſe Striche uͤber Land haben, oder großentheils dem Lauf der Fluͤſſe auf ihren Rei— ſen folgen und deswegen viele Gegenden nicht beruͤhren, wo dann die Donau vielleicht eine ihrer Hauptſtraßen iſt. Sie ziehen theils am Tage, theils des Nachts, oft einzeln oder paarweiſe, gewoͤhnli— cher aber in kleinen Geſellſchaften, am Meer auch wol in groͤßern, aber nie in ſolchen Schaaren wie viele andere dieſer Gattung. Sie fliegen dabei unermeßlich hoch und es gewaͤhrt einen herrlichen An— blick dieſe flugfertigen, kuͤhnen Luftſegler, die man vorher nicht ſahe, aus dieſer Hoͤhe in den ſchoͤnſten Schwenkungen auf einen ihnen gelegenen Teich herabkommen, ſich ſaͤttigen und dann wieder immer hoͤher und hoͤher ſteigen zu ſehen, bis ſie den Augen entſchwinden. Wenn ſie beſuchsweiſe zu einem, vielleicht 1 bis 2 Meilen vom Niſt— orte entfernten Gewaͤſſer kommen, fliegen ſie lange nicht ſo hoch und ihr ganzes Betragen zeigt auch nicht jene vom Wanderungstriebe angefachte Eil. Merkwuͤrdigerweiſe iſt unſere Zwergmeerſchwalbe eine Bewoh⸗ nerinn bald der ſalzigen Gewaͤſſer oder des Meeres, bald der ſuͤßen und fließenden Gewaͤſſer, und wenn ſie hierin auch der Flußmeer— ſchwalbe aͤhnelt, ſo zeigt ſie dabei doch noch eine beſondere Eigen— thuͤmlichkeit, naͤmlich die, daß ſie fuͤr einen laͤngern Aufenthalt durch— aus nur Sand- oder Kiesboden, mit ſeichtem und klarem Waſſer will. Sie wohnt daher nur an ſolchen Fluͤſſen oder an Stellen derſelben, deren Bett ſehr weit und deren Boden ſandig oder kieſig iſt, mit vielen ſeichten Waſſerſtellen, uͤber welche ſich Kies- oder Sandbaͤnke erheben; nie an ſolchen, deren Bette ſteinig iſt, deren Ufer aus hohen Felſen beſteht, welche das Waſſer einengen und die dann gewoͤhnlich auch tiefes Waſſer haben. Wo ein Strom mei— ſtens lehmigen Voden hat, wie im Allgemeinen die Donau von Wien abwärts, ſchlaͤgt keine dieſer Meerſchwalben ihren Wohnſitz anderswo auf, als an den einzelnen Stellen, wo auch Sand- oder Kiesbaͤnke vorkommen und dies ſind bis zur ſerbiſchen Grenze nicht viele. Ohne Vergleich mehr dergleichen hat die Elbe; aber es liegt auch in derem weiten Bette kein Kies- oder Sandhaͤger von nicht ganz unbedeutendem Umfange, welcher im Sommer nicht von dieſen Voͤgeln bewohnt wuͤrde, oft ſogar an recht lebhaften Orten. Ebenſo ſucht ſie am Meer nur ſolche Kuͤſten und Inſeln, wo es 154 VIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerfchw. ſtellenweiſe ſandige Ufer, ſandige Landzungen und Sandbaͤnke giebt. In der oft erwaͤhnten Gegend an der holſtein-ſchleswigſchen Kuͤſte, wo man ſie uͤbrigens uͤberall herumfliegen ſieht, traf ich ſie nur ſehr haͤufig auf der kleinen Inſel Suͤdfall, weil dieſe an der einen Seite ſandig iſt, und dann auf der einzigen Sandſtelle an der Suͤdſeite der fetten Inſel Pelworm. Daß ſie nicht Amrom, nicht Sylt bewohnte, wo es Sand genug gab, machte eine andere Eigenthuͤmlichkeit, naͤmlich der Hang zu einer Art von Einſamkeit, weil ſie nicht gern unter andern Voͤgeln, am wenigſten unter andern Meerſchwalbenarten wohnen mag. Dies ſcheint nun zwar bei denen an unſern Fluͤſſen wohnenden, wo ſehr gewoͤhnlich auch andere Bd: gel und die Flußmeerſchwalbe denſelben Kieshaͤger zum gemein: ſchaftlichen Wohnplatze haben, nicht ſo; allein der aufmerkſame Be— obachter wird auch hier finden, daß die Schuld mehr an jenen liegt, daß, wo es der Platz erlaubt, die Zwergmeerſchwalben ſich immer abſondern, am wenigſten ſich mit ihrer Gattungsverwandtinn gemein machen- Oft hat der Fluß auf lange Strecken ein zu enges Bett, daher zu tiefes Waſſer und die noͤthigen Sandbaͤnke nur an weni: gen Stellen, wo dann alles Gefluͤgel ſich auf dieſen zuſammen draͤn— gen muß. Wo das Flußbette ſehr weit iſt und jene ihr zuſagenden Ei— genſchaften hat, iſt es ihr gleich, ob das eigentliche Ufer nackt oder bewaldet ſei, oder ob neben den kahlen Kies- und Sandbaͤnken auch mit dichtem und hohem Weidengebuͤſch beſetzte vorkommen. Sie be: ſtreicht den Fluß unaufhoͤrlich, oft Stunden weit, auf und ab, un— terläßt es nicht, die nahen Altwaſſer, Teiche und Waſſerlachen mit abzuſtreichen, entfernt ſich aber nur bei Uiberſchwemmungen weiter ins Land hinein, um einſtweilen frei liegende klare Teiche zu beſu— chen. In Bruͤchen oder Moraͤſten trafen wir ſie nie an. Auf den Teichen bei meinem Wohnorte, die dicht am Dorfe liegen, erſcheint ſie auf ihrem eigentlichen Zuge ſehr ſelten, aber in der Niſtezeit öfter und immer ganz unerwartet, um ihren Hunger zu ſtillen und dann weiter zu ſtreichen; ihr Erſcheinen iſt aber dann ein untruͤg— liches Zeichen, daß die 3 bis 4 Stunden entfernte Elbe oder Mulde plotzlich angeſchwollen ſei, ihre Wohnſitze uͤberſchwemmt und ihre Brut vernichtet habe. Ihren Aufenthalt nimmt fie am liebſten an einſamen Drten und dies wird am Meere am auffallendſten. An unſern Fluͤſſen ſcheint es oft nicht ſo; ungeſcheuet ſieht man ſie hier ſtromauf— ſtromabwaͤrts an Haͤuſern, Mühlen, Bruͤcken und bei Städten vor: XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerfhw. 155 uͤberſtreichen, ſogar ihren Wohnſitz zuweilen im Angeſicht derſelben aufſchlagen, z. B. auf einen ſehr großen Kieshaͤger im dort meh— rere Hundert Schritt breiten Bette des Elbſtroms neben der ſeht lebhaften Uiberfahrtsſtelle bei A ken. Gegen Abend verſammeln ſich alle zu einer Geſellſchaft gchb⸗ renden auf dem gemeinſchaftlichen Wohnplatze und machen, ehe ſie ſich zur Ruhe begeben, vielen Laͤrm; erſt mit Ende der Daͤmmerung nimmt jede ihr Plaͤtzchen auf trocknem Boden und oft mitten auf der Kiesbank ein, wobei ihr Geſchwaͤtz bis in die Nacht hinein dauert; dann ruhen ſie, nicht ſehr entfernt von einander, auf dem Bauche liegend, bis in die Morgendaͤmmerung, laſſen ſich jetzt wie— der fleißig hoͤren, verweilen aber gewoͤhnlich bis nach Sonnenauf— gang in der Naͤhe ihrer Schlafſtellen und beginnen jetzt erſt ihre fernen Streifzuͤge. Eigenſchaften. Die Zwergmeerſchwalbe giebt an Schoͤnheit keiner andern ihrer Gattung etwas nach, und daß man hier Alles im verjuͤngten Maas— ſtabe ſieht, erhoͤhet den Reitz fuͤr den Beſchauer. Die ſchlanke Geſtalt, praͤchtige Farbe des Schnabels und der niedlichen Fuͤßchen, die Zartheit des Gefieders, ſeine Reinheit, ſeine ſanften Farben, ſind unvergleichlich beim eben getoͤdteten Vogel, aber noch ungleich ſchoͤ— ner und von unbeſchreiblicher Lieblichkeit am lebenden, wovon auch der noch ſo ſauber und gut erhaltene ausgeſtopfte keinen Begriff geben kann. Man zaudert das zarte Geſchoͤpf zu betaſten, um nicht ſein unvergleichlich ſauberes Ausſehen zu verletzen, und es that mir immer leid, einen fluͤgellahm geſchoſſenen oder ſonſt nicht gleich toͤdt— lich getroffenen von dieſen herrlichen Voͤgeln tödten zu muͤſſen. Nie und durch keine Kunſtwaͤſche iſt dem einmal mit Blut oder ſonſt beſudelten Gefieder jene urſpruͤngliche Reinheit und Anmuth wie— derzugeben. Sie unterſcheidet ſich ſchon in der Ferne durch ihre geringe Groͤße und ihre ungemeine Beweglichkeit ſehr leicht von allen an⸗ dern Arten. In letzterer aͤhnelt ſie der Brandmeerſchwalbe, unterſcheidet ſich aber ſehr von den gemaͤchlichern kleinen Arten der folgenden Familie. Ihr Stehn und Gehen iſt dem aller Uibrigen aͤhnlich; ſie uͤbt es nicht oft, ſitzt auch nie lange an einer Stelle, auf einer Sandbank oder an andern wenig erhabenen Orten und trippelt daſelbſt auch wol ein Wenig herum, ohne jemals anhaltend 156 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerfchw. und weit wegzulaufen. Bei ſtuͤrmiſcher Witterung ruht ſie oͤfter, aber auch nie lange an einem Orte aus. Noch ſeltner ruht ſie auf dem Waſſer, ſchwimmt dabei nicht weiter und thut dies hier, wie jenes auf feſtem Boden, mit demſelben Anſtande wie die andern. Viel vortheilhafter iſt ihr Ausſehen im Fluge, worin das nied— liche, ſchlanke Geſchoͤpf die groͤßte und anmuthigſte Behendigkeit ent— wickelt. Nur wenn ſie gemaͤchlich gerade fortſtreicht, wird etwas Wankendes oder Unſtaͤtes darin ſichtbar, weil ſich bei jedem Flügel: ſchlage der leichte Koͤrper etwas hebt, bei jedem Ausholen aber wie— der etwas ſenkt, und dadurch in einer ſchlaͤngelnden Linie fortge— ſchoben wird; dann ſind dazu die langen Fluͤgel nicht ganz, nur bis an die Handwurzel, gerade ausgeſtreckt, vom Handgelenk bis zur Spitze aber in einer mehr parallelen Lage mit Rumpfe und Schwanze gehalten; im andern Fluge machen fie dagegen am Hand— gelenk einen mehr oder weniger ſtumpfen Winkel. Langſam ſieht man ſie ſelten fliegen; ſie ſcheint beſtaͤndig Eile zu haben, ſchwingt dann die Fluͤgel haſtig in weiten Schlaͤgen auf und nieder, dies zu— weilen ſehr unregelmaͤßig, erhaͤlt ſich flatternd an einer Stelle, ſchießt in Bogen auf und ab, macht blitzſchnelle Wendungen nach jeder Richtung, und man wird nicht muͤde den zahlloſen Schwenkungen, welche von großer Kraft und außerordentlicher Gewandtheit zeugen, mit den Augen zu folgen. Schweben, ohne ſichtliche Fluͤgelbewe— gung, und ſich in Kreiſen drehen kann ſie auch, dies oft beim Her— ablaſſen aus der Hoͤhe, aber ihr Aufſteigen geſchieht unter einigem Flattern, wie ſie denn beim Aufſetzen auf die Erde die Fluͤgel mei— ſtens noch einige Augenblicke ausgeſtreckt ſenkrecht empor haͤlt und dann ſie erſt an den Leib und uͤber dem Schwanze ins Kreuz legt. Sie iſt eine der lebhafteſten und die flinkeſte ihrer Gattung, immer unruhig und heitern Sinnes, zumal bei heiterm und war— mem Wetter; denn Regen und Sturm machen ſie ſehr mißlaunig. Begegnen ſich zwei dieſer muntern Voͤgel, ſo druͤcken ſie ihre Freude durch lautes Schreien aus; bald koͤmmt eine Dritte, eine Vierte hinzu, das Geſchrei vervielfacht ſich, die Toͤne folgen haſtiger und es beginnt ein gegenſeitiges Necken, wobei ſie die herrlichſten Schwen— kungen machen; ſolche Scenen des Frohſinns und Uibermuthes wie— derholen ſich an gut beſetzten Wohnplaͤtzen taͤglich viele Male. Sie machen ſich dadurch ſehr bemerklich, ſelbſt Leuten angenehm, welche ſonſt auf dergleichen nicht zu achten pflegen. Selten ſcheinen ihre Neckereien und Spiele in wirklichen Zank auszuarten, wenigſtens iſt es dann nur ein kurzes Aufbrauſen und bald voruͤber. Bei allen XIII. Or dn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerfhw. 157 ihren Handlungen verliert die liſtige Zwergmeerſchwalbe den nahen— den Menſchen nicht aus den Augen und ihr Mißtrauen verliert ſich nur da etwas, wo ſie oft und viel Menſchen zu ſehen bekommt, aber von keinem verfolgt wird. An ſolchen Orten wuͤrde ſie leicht oder oft geſchoſſen werden koͤnnen; an einſamen Plaͤtzen iſt ſie da— gegen viel vorſichtiger und wird es ſelbſt am Niſtplatze um ſo mehr, als ſie daſelbſt wiederholt Nachſtellungen erfuhr; ſie hat ſolche ſogar im naͤchſten Jahr noch nicht vergeſſen und darf deshalb auch wol unter die klugen Voͤgel gezaͤhlt werden. Geſellig iſt ſie eigentlich nur gegen ihres Gleichen, dies auch nicht in dem Grade, wie manche andere dieſer Gattung; denn nur am Meer und in der Zugzeit ſieht man bisweilen wol Hunderte beiſammen, aber nie ſo viele an einem Bruͤteorte, am wenigſten an unſern Fluͤſſen, wo ſie vielmehr vertheilt, in kleinen Vereinen von weniger als 10 Paaren und noch viel oͤfterer nur in einzelnen oder einigen Paaren beiſammen leben. Es iſt ſchon beruͤhrt, daß ſie ſich nicht zur Geſellſchaft der Fluß meerſchwalbe drängt und unter welchen Umſtaͤnden ſie dennoch oft mit ihr denſelben Bruͤteort theilt. Beide Arten kommen auch oft genug fuͤt ſich allein vor und auf weiten Kiesbaͤnken bruͤten ſie auch nie nahe beiſammen. Viel auf— fallender iſt die Zuneigung der Zwergmeerſchwalbe zu den kleinen Regenpfeiferarten; vielleicht iſt es auch umgekehrt. Doch hat an unſern Fluͤſſen der Flußregenpfeifer (Charadrius minor) hin und wieder Bruͤteplaͤtze fuͤr ſich allein; dagegen ſahe ich nicht einen der Zwergmeerſchwalben, an welchem jene muntern Voͤgel gefehlt haͤtten, immer waren daſelbſt beide gar nicht verwandte Arten ver— traulich unter einander gemiſcht. Ebenſo koͤmmt es am Meer, wo bekanntlich jener nicht niſtet, mit dem Seeregenpfeifer (Char. cantianus) zuweilen vor, doch nicht oft, weil beide dort eine beſon— dere Beſchaffenheit des Niſtplatzes verlangen und dieſe Verſchieden— heit ſich ſelten in einem vereinigt. An die lebhaften bunten Ver: eine von vielerlei Strandvoͤgeln ſchließt ſie ſich ſo wenig an, wie an die in großen Haufen beiſammen lebenden andrer Meerſchwalben— arten. Ihr Hang zur Abgeſchiedenheit wird auf von ſehr vielerlei und zahlreichem Gefluͤgel bewohnten Inſeln ſehr auffallend. Ihre Stimme laͤßt ſie haͤufig hoͤren und iſt daran ſehr kennt⸗ lich. Obgleich die Toͤne denen der uͤbrigen Arten nicht unaͤhnlich ſind, ſo haben ſie doch bei mehrerer Hoͤhe nicht das unangenehme Kreiſchende, dabei aber doch mehr Haͤrte als die der folgenden Fa— milie. Am Niſtorte ſchreiet fie viel, wo ſie nicht heimiſch iſt, ſeltner. 158 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. Am häufigften hört man ein ſcharfes Chrek oder Kreck, ſeltner ein längeres Kräif, dies nur wenn ſich ihnen etwas Auffallendes oder eine Gefahr zeigt. Häufig oder oft, doch nicht ſchnell nach ein- ander, ſtoßen ſie jenes Kreck und Keck aus wenn ihrer Brut Ge— fahr drohet, auch wenn ſich mehrere begegnen und bei ihren Necke⸗ reien, wo dann die Sylben aber ſo haſtig folgen, daß es ſich in keckärrek, kickerek u. ſ. w. umwandelt, auch wol wie kaͤcked de— rekek klingt, ſo daß aus mehrern Kehlen zugleich ein eigenthuͤm— liches Schaͤckern daraus entſteht, das man in weiter Ferne noch ver— nimmt. Wenn ſich dieſe froͤhlichen Geſchoͤpfe gegen Abend am Wohn- und Schlaforte verſammeln, machen fie den meiſten Lärm und das dazwiſchen ertoͤnende floͤtenartige Trillern der neben ihnen wohnenden Flußreg enpfeifer belebt unſere Fluͤſſe dann auf eine angenehme Weiſe. Der allen Meerſchwalben eigne kraͤhenartige Ton iſt auch ihr Hauptlockton; er laßt ſich mit den Sylben Kriaͤh und Kliiäh verſinnlichen, wenn man fie langſam und vorn fchnar: chend ausſpricht, und iſt weit hoͤrbar. Die Jungen piepen klaͤglich, bis fie ſelbſtſtaͤndig werden und das Piepen nach und nach in die Toͤne der Alten uͤbergeht. Nahrung. Auch bei dieſer Art ſind Fiſche, und zwar ganz junge oder ſehr kleine, bis zu 2½ Zoll lang, die Lieblingsnahrung; ein 3 Zoll langer Ukelei (Cypr. alburnus) macht ihr, weil fie keinen Fiſch zerſtuͤckeln kann, ſchon viel zu ſchaffen, wenn ſie ihn ganz hinunterwuͤrgen will. Das Waſſer unſrer Fluͤſſe iſt ſo ſehr von dieſer Fiſchart, die ſich vor allen andern meiſtens an der Oberflaͤche aufhaͤlt, bevoͤlkert, daß man annehmen darf, fie ſei es vorzüglich, welche ihr den Aufent— halt an jenen ſo angenehm macht. Auch Gruͤndlinge (Cypr. gobio) und Stichlinge (Gasterosteus aculeatus) fängt fie, ſonſt auch junge Brut groͤßerer, aber nicht der breitern Arten. Außerdem faͤngt ſie auch Inſekten und deren Larven, welche im Waſſer leben, z. B. von Schwimm- oder Waſſerkaͤfern, Libellen, Haften u. a., doch nur wo ſie nicht Fiſche genug hat oder wenn dieſe, wie an manchen Tagen, ſich der Oberflaͤche des Waſſers zu wenig naͤhern. Am Meere iſt die junge Brut der Garnelen und Krabben (Crangon vulgaris) eins ihrer haͤufigſten Nahrungsmittel. Alle muß ſie lebend haben und ſich ſelbſt fangen koͤnnen. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. 159 Den ganzen Tag fliegt fie über dem Waſſer auf weite Strecken hin und her, um jene Nahrungsmittel aufzuſuchen, wobei ſie den Blick unverwandt auf das Waſſer richtet, jo daß der Schnabel loth— recht herabhaͤngt und der Kopf bald auf dieſe, bald auf jene Seite gewendet wird, je nachdem ſie mit dem einen oder andern Auge ſchaͤrfer ſehen will. Nur im eilenden Fluge und wo es nichts zu fangen giebt, iſt der Schnabel ziemlich wagerecht vorgeſtreckt. Ihre Sehekraft muß ſehr groß ſein; denn ſie fliegt beim Aufſuchen jener nicht immer niedrig, nicht oft unter 10 Fuß, häufig aber viel, zus weilen wol drei Mal hoͤher, haͤlt augenblicklich an, wo ihr ſcharfer Blick etwas Taugliches im Waſſer bemerkt, flattert oder ruͤttelt, an der Stelle bleibend, bis ſich ein Geſchoͤpfchen ihrem Stoße darbietet und ſtuͤrzt jetzt, mit angelegten Fluͤgeln blitzſchnell, wie ein fallender Stein aufs Waſſer, ohne jedoch gänzlich unter die Oberfläche einzu— tauchen, ſtoͤßt ſelten fehl und verſchluckt die Beute, wenn ſie nicht zu groß oder fuͤr die Ihrigen beſtimmt iſt, ſobald ſie ſich aus dem Waſſer und einige Fuß hoch wieder in die Luft erhoben hat. Mit einem zu großen Fiſchchen trägt fie ſich oft lange im Schnabel herum, weil ſie vor dem Verſchlucken es erſt durch fortgeſetztes Kneipen biegſamer machen muß; es ereignet ſich daher haͤufig, daß ihr eine Andere ihrer Art waͤhrend dem begegnet, es ihr abtreibt, eine Dritte es dieſer ebenſo macht und ſo das Fiſchchen von Schnabel zu Schna— bel geht, ehe es eine verſchlingen kann, zuletzt auch wol auf die Erde herab fallt und allen verloren geht. Bei allen dieſen Befchäf: tigungen entwickelt ſie eine Flugfertigkeit und eine Anmuth in den Bewegungen, welche in Erſtaunen ſetzen. Hierin iſt ſie nur der Brandmeerſchwalbe gleich zu ſtellen; alle andern werden darin von ihr übertroffen, und an Beweglichkeit bleibt auch jene noch hinter ſie zuruͤck. Fortpflanzung. An den im Vorhergehenden näher bezeichneten Sommeraufents haltsorten, hat die Zwergmeerſchwalbe ihre Bruͤteplaͤtze ſowol an den Stroͤmen und Fluͤſſen tief im Innern der Laͤnder als am Meeres⸗ ſtrande und auf Inſeln im Meer, hier wo die Kuͤſte niedrig und ſandig iſt, dort wo jene ein ſehr weites Bett und in dieſem bei ge: woͤhnlichem Waſſerſtande trocken liegende, ausgedehnte Sand- und Kieslagen, Baͤnke und flache Inſelchen haben. Bei ihrer Ankunft im Mai merkt man es ihnen ſehr bald an, welchen Platz ſie fuͤr 160 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg⸗Meerſchw. die Fortpflanzungsgeſchaͤfte ausgewaͤhlt haben; ſie ſind die meiſte Zeit in deſſen Naͤhe, treiben da herum ihre froͤhlichen und laͤrmen— den Spiele, laſſen ſich am Tage viel oͤfterer als ſonſt und anderswo auf ihm nieder und uͤbernachten auch daſelbſt. Theilen ihn mehrere Paͤaͤrchen, ſo wird ihr munteres Treiben um deſto auffallender; überhaupt kommen einſam niſtende Paare ſelten vor. Eine Haupt: ſache bei ſolchem Platze iſt, daß er eine einſame oder doch eine ſolche Lage habe, wo ihn ſelten Menſchen betreten. An Fluͤſſen ſind es immer die abgelegenſten Orte, haͤufig ſolche, wo ihr Lauf eine ſchnelle Wendung macht und daher an einer Seite Sand und Kies in gro— ßen Maſſen angeſchwemmt wurden; an großen Stroͤmen nicht allein Ufer, ſondern auch oft die aus dem Waſſer ſich erhebenden großen Kies- und Sandbaͤnke, entfernt genug vom Lande und ohne Fahr: zeug nicht ſo leicht zu betreten, von Menſchen daher ſehr ſelten be— ſucht, obwol oft im Angeſicht oder wenige hundert Schritte von ſehr lebhaften Uibergangsſtellen gelegen. An der See niſten ſie auf be— wohnten Inſeln auch nur an den abgelegenſten Orten, auf einſa men Landzungen, oder auf kleinen unbewohnten Inſeln. Es iſt ſchon vorlaͤufig bemerkt, daß ſie ſich an andere Meer— a ſchwalbenarten nie anſchließen, daß nur die Flußmeerſchwalbe oft in ihrer Naͤhe niſtet, daß aber ein geſelliger Verband mit ihr nicht bemerkt wird. An unſern Fluͤſſen, wo die Zwergmeerſchwalbe un— gleich haͤufiger als jene iſt, findet man gar viele Bruͤteplaͤtze, wo keine von jenen in ihrer Naͤhe niſtet, und wo beide Arten einen großen Kieshaͤger bewohnen, hat ebenfalls jede ihre beſondern Stel— len inne. Am Meere niſtet fie fern von allen Gattungsverwandten, in Vereinen von oft vielen Paaren, aber bloß von ihrer Art. Son— derbar genug ſteht dieſer Hang zur Abgeſchiedenheit im Widerſpruche zu ihrer Neigung fuͤr ein geſelliges Beiſammenſein mit einer gar nicht verwandten Vogelart, dem Flußregenpfeifer, mit welchem ſie, wenigſtens an der Mulde und Elbe, ſtets ihren Bruͤteplatz theilt. Nicht einen ihrer Bruͤteplaͤtze an dieſen Fluͤſſen ſahe ich, wo nicht auch Paͤaͤrchen des Charadrius minor ihre Neſter zwiſchen den ihri— gen, auf mehrere oder nur einige Schritte entfernt, angebracht ge— habt haͤtten. Am Meere tritt, wo es ſein kann, der Seeregen— pfeifer (Ch. cantianus) an die Stelle jenes, d. h. wo feine ausge— dehnten Raſenflaͤchen ſich einem ſandigen Strande unmittelbar an— ſchließen, auf welchen die Zwergmeerſchwalbe ihre Eier, gleich ihm, zwiſchen verwitterte Conchylien legt. Auf Pelworm ſahe ich an deſſen Suͤdkuͤſte eine ſolche Stelle, wo die Neſter beider Arten ſich — XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg: Meerihw. 161 untereinander miſchten, die große Mehrzahl aber unfrer Zwergmeer⸗ ſchwalbe angehoͤrten; der Ort lag ebenfalls fern von menſchlichem Verkehr und fern von allen andern reich beſetzten Bruͤteplaͤtzen dort gewöhnlicher Strand- und Seevoͤgel. Das Neſt iſt bloß eine zum Theil vorgefundene oder ganz ſelbſt bereitete kleine Vertiefung des Bodens. Im reinen Sande habe ich es nie gefunden, ungeachtet ich Hunderte dieſer Neſter ſahe und ſchon in meinen Kinderjahren dieſen lieblichen Voͤgeln, nebſt ihren Niſtkameraden, nachgeſchlichen bin. Zwar habe ich am Meere gar viel auf ſandigem Boden gefunden, weil Kies dort ſelten vor— kommen mag, — allein niemals auf dem reinen Sande, ſondern allemal an ſolchen Stellen, wo von den Wellen angetriebene, wenn auch nicht von Weitem ſchon in die Augen fallende, kleine Baͤnke oder Streifen verwitterter Muſcheln u. dergl. lagen, allemal zwiſchen dieſen; eine Eigenheit, welche der Seeregenpfeifer mit ihnen theilt. Warum dieſer wie jene ihre Eier nie auf den nackten Sand legen, iſt nicht ſchwer zu errathen; denn auf dieſen liegend wuͤrden ſie jedem Feinde ſchon von Weitem in die Augen fallen, waͤhrend ſie zwiſchen den Fragmenten von Schnecken, Muſcheln, Krebsſcha— len, Tangſtuͤckchen u. dergl. viel ſchwerer zu entdecken und ſelbſt vom darnach ſuchenden Menſchen nicht ſo ganz leicht aufzufinden ſind. Ebenſo iſt es bei den an unſern Fluͤſſen niſtenden Meerſchwalben dieſer Art; ſie legen, vom Inſtinct geleitet und ganz gewiß aus demſelben Grunde, ihre Neſter, gleich dem mit ihnen vergeſellſchafte— ten Flußregenpfeifer, niemals auf dem nackten Sande, ſondern allein auf Kiesboden an, und die Eier find hier von den gleichfar— bigen und häufig gleichgroßen Kieſelſteinchen der naͤchſten Umgebun⸗ gen wirklich ſo ſchwer zu unterſcheiden, daß ſelbſt das geuͤbte Auge Mühe hat fie herauszufinden. — ) Uibrigens find dieſe Neſter, auch wenn ſie mit denen jener Regenpfeifer abwechſeln, nie dicht neben— einander angelegt, ſondern es bleibt zwiſchen einem von dieſen und jenen durcheinander immer oder mit wenigen Ausnahmen ein Raum von einigen, oft mehreren Schritten, und eine eben nicht ſehr zahl— reiche Geſellſchaft braucht daher oft einen Platz von ziemlichem Um— fange dazu. Wo indeſſen der Raum beengter und die Geſellſchaft zahlreicher iſt, ſollen ſie die Neſter auch etwas dichter nebeneinander e) An Orten wo es ziemlich klares Steingeröll am Meere giebt, ſollen fie ihre Nes ſter zwiſchen ſolchen anlegen und fie davon den, bei den Bewohnern der Inſeln auf der Weſtküſte Jütlands bekannten Namen: Steenpicker erbalten haben. Lor Theil. 11 162 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg-Meerſchw. anlegen. — An der Elbe und Mulde ſieht man oft auch den Fluß— uferläufer (Actitis hypoleucos) die Geſellſchaft der Meerſchwalben und Regenpfeifer vermehren, weil ſein Niſtort, aber von ganz an— derer Art, gewoͤhnlich nicht ganz fern von denen jener liegt. Gegen Ende des Mai ſieht man am Niſtplatze oft, wie nach laͤngern oder kuͤrzern Herumtreiben die Gatten ſich auf den Boden niederſetzen und unter vielem Herumtrippeln und Flattern die Be— gattung vollziehen; dies geſchieht faſt immer in der Naͤhe des Waſ— ſers und der Neſtſtelle, die gewoͤhnlich auf den ſich mehr erhebenden Theil der Bank, naͤher oder entfernter, zuweilen wol 30 bis 40 Schritte vom Waſſerrande, ſtets auf trocknem Boden ſich befindet, fo daß in Fluͤſſen das Waſſer 1 bis 3 Fuß über den gewoͤhnlichen Stand anſchwellen kann, ehe es manche Neſter erreicht, was jedoch gar haͤufig vorfaͤllt und dann Alles zerſtoͤrt. Die Eier liegen auf dem bloßen Boden; ich habe wenigſtens nie ein Neſt geſehen, welches etwas mehr als einige unbedeutende Haͤlmchen, die ich fuͤr zufaͤllig vom Winde zuſammen getrieben hielt, enthalten haͤtte. Von denen des Flußregenpfeifers unterſcheiden ſie ſich leicht an der noch groͤßern Kunſtloſigkeit, und nie findet man eins, aus welchen die groͤßern Steinchen fo ſorgfaͤltig entfernt wären, daß die übrigen, wie bei jenem, einem gleichfoͤrmigen Pflaſter aͤhnlich wuͤrden; es iſt auch weder ſo tief noch ſo nett gerundet. Manchmal noch im Mai, oft auch erſt mit Anfang des Juni, faͤngt das Weibchen an zu legen. Die Zahl fuͤr ein Neſt iſt 3, oder auch nur 2, dieſe aber wol nur, wenn es die Eier ſchon mehr— mals verloren hat und die Legekraft ſchwaͤcher wird; niemals habe ich deren 4 in einem Neſte gefunden und an der Zahl 3 lehrten mich ſchon in früher Jugend meine Mitſchuͤler, fie von den Neſtern der Flußregenpfeifer (die bekanntlich 4 legen) unterſcheiden. Dieſe Eier haben die Größe und Geſtalt der Elſtereier (Corvus Pica. L.), dabei aber eine ganz andere Faͤrbung. Sie find 15½ bis 17 Linien lang und 11 bis 12 Linien breit, meiſtens ſchoͤn eifoͤrmig, doch am ſchwaͤchern Ende etwas ſchnell zugeſpitzt, zuweilen auch etwas bau— chicht, die hoͤchſte Woͤlbung naͤmlich der Mitte nahe, auch ſehen manche etwas dick aus, weil das ſtumpfe Ende ziemlich kurz zuge— rundet iſt. Ihre Schale iſt von ſehr zartem Ausſehen, aber glanz⸗ los; ihre Grundfarbe von einem truͤben Roſtgelb durch alle Abſtu— fungen von blaſſem Ochergelb in Roſtgelblichweiß und in Thonweiß. Die Zeichnung beſteht bei den hellgrundigen in ſchoͤn hellaſchgrauen, bei den dunklern in violettgrauen, größern und kleinern Schalen» XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg »Meerfhw. 163 flecken und Punkten, auf der Oberflaͤche in tiefbraunen, auch braun— ſchwarzen Flecken und Punkten, auch wol einzelnen Schnoͤrkeln. Bei der Mehrzahl ſind die Flecke groß und wenig Punkte dazwiſchen, dann aber die ganze Zeichnung ſparſam; wogegen diejenigen, an welchen die Zeichenfarbe faſt lauter feine Punkte mit wenigen ſtaͤr— kern Tuͤpfeln vermiſcht bildet, ſehr viel Zeichnung haben, die bei vie— len ziemlich gleichfoͤrmig uͤber die ganze Flaͤche vertheilt iſt, bei andern gegen das ſpitze Ende viel ſparſamer als am entgegengeſetz— ten ſtehet, bei noch anderen gegen das ſtumpfe Ende einen unzu⸗ ſammenhaͤngenden Fleckenkranz bildet, endlich giebt es auch welche, an denen hin und wieder ein paar Punkte oder Tuͤpfel durch eine krumme Linie aneinander gehaͤngt oder ſonſt mit einigen kurzen Schnoͤrkeln beſetzt ſind. Alle dieſe Verſchiedenheiten ſind indeſſen nicht ſo erheblich, a dieſe Eier nicht ſtets kenntlich blieben, lange nicht ſo groß, als bei vielen andern Arten der Gattung. Mit denen der St. Hirundo haben ſie viel Aehnlichkeit, ſind aber um Vieles kleiner, auch heller und reiner gefaͤrbt. Die groͤßte Aehnlichkeit ha— ben ſie, ſonderbar genug, in Geſtalt, Zeichnung und Abſtufung der Farben, kurz in Allem, mit denen der St. caspia, dieſe ſind aber gerade noch ein Mal ſo groß. — Die kreiſelfoͤrmigen, gelblichen, viel feiner gezeichneten, auch kleinern Eier des Charadrius minor ſind leicht zu unterſcheiden; etwas ſchwerer die gleichgroßen, doch anders, obgleich nicht ſehr kreiſelfoͤrmig geſtalteten, aber anders ge— zeichneten Eier des Charadrius cantianus, was einer Erwaͤhnung verdient, weil dieſe oder jene oft in der Nähe unſrer Zwergmeer— ſchwalbeneier gefunden werden und der Unkundige ſich da leicht taͤu⸗ ſchen und nachher auch Andere taͤuſchen kann. Maͤnnchen und Weibchen loͤſen ſich im Bruͤten, das 14 bis 15 Tage dauert, zwar ab, allein Erſteres bruͤtet viel weniger als Letzteres und dieſes oder beide bei warmer Witterung und Sonnen— ſchein am Tage faſt gar nicht. Stunden lang liegen die Eier wie verlaſſen da, und wenn dann ja einmal einer der Gatten koͤmmt und ſich darauf legt, ſo verlaͤßt er ſie doch oft in weniger als einem Viertelſtuͤndchen ſchon wieder fuͤr mehrere Stunden u. ſ. w. Nur anhaltendes Regenwetter haͤlt ſie laͤnger uͤber den Eiern feſt. Sie lieben ſie ſehr und gebehrden ſich ungemein aͤngſtlich, wenn ſich ein Menſch oder groͤßeres Thier denſelben naͤhert, kommen aber dabei den Menſchen nicht an allen Orten ſo nahe, als viele andere ihrer Gattung. Wenn man an nicht ſtark beſetzte Bruͤteorte bei ſchoͤnem Wetter um die Mittagszeit koͤmmt, findet man 112 nicht einen 164 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 254 Zwerg⸗Meerſchw. der Voͤgel gegenwaͤrtig; es dauert aber nicht lange und alle kom— men, einer nach dem andern, mit vielem Geſchrei herbeigeflogen. An groͤßern Bruͤteplaͤtzen am Meer iſt es etwas anders; dieſe find nie ganz verwaiſet, immer einzeln Voͤgel in der Nähe, deren Schreien bald mehrere und in Kurzem den ganzen Schwarm herbeilockt, weil ſie dort eine freiere Ausſicht uͤber die ganze Umgegend haben und jeder Feind ſchon von Weitem, wenigſtens von Einzelnen, be— merkt wird, durch deren Geſchrei bald mehrere zuſammen zu rufen ſind, dies Alles in viel kuͤrzerer Zeit als es ihnen an den Fluͤſſen, wegen des oft krummen Laufs dieſer, durch Waldungen und ſonſt verdeckte Gegenden, moͤglich wird. Die zarten Jungen bleiben nicht lange im Neſte; ſie verkrie— chen ſich in den Umgebungen, hinter kleinen Steinen, in kleinen Vertiefungen niedergedruͤckt und ſtillliegend, wo die Farben ihres Dunenkleides ſie ſehr ſchwer von denen der bunten Kieſel unterſchei— den laſſen; auch zwiſchen Muſcheln, Tang oder hinter duͤrren Pflan— zenbuͤſcheln. Auch durch ihr Piepen verrathen fie ſich nicht, ſobald ſie Menſchen in der Naͤhe wittern. Nach weniger als zwei Wochen lernen ſie ſchon flattern und bald den Alten mit verlangendem Schreien folgen, und dieſe reichen ihnen dann die Inſekten und Fiſchchen nicht mehr im Sitzen dar, ſondern fliegend, wie Schwal— ben, und es dauert, wie bei dieſen, ſehr lange, ehe die Jungen die Fertigkeit erlangen, ſich ſelbſt zu ernaͤhren. F e i n d e: Auch ſie muß dem Lerchenfalken zuweilen zur Beute die. nen, wenn er ſie uͤberraſchen oder muͤde machen kann; er beſucht daher, wenn er in der Naͤhe wohnt, ihren Bruͤteort oͤfters und greift fie auch auf der Wanderung an. Bei einem Wettſtreit zweier fo ausgezeichneter Flieger bleibt der Ausgang gewoͤhnlich lange zweifel— haft, doch muß der Falke öfters an Kräften erſchoͤpft abziehen, wenn ſein Angriff auf einen alten Vogel gerichtet iſt, waͤhrend er bei Jungen leichter zum Zweck koͤmmt. — Ihre Brut wird ihnen am Meere ſehr oft von großen Meven und Meerſchwalben, an den Fluͤſſen von Raben, Kraͤhen und Elſtern geraubt. Hier werden ihnen die Eier auch zuweilen von Menſchen zufällig oder auch abſichtlich zu Grunde gerichtet. In ihrem Gefieder wohnt ein mehreren verwandten Vögeln eig⸗ nes Schmarotzerinſect, Philopterus melanocephalus, Nitzsch. * XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Iwerg-Meerfhw. 165 Durch das bei uns oft vorkommende Anſchwellen und Austre— ten der Fluͤſſe, gerade zu der Zeit, wenn ſie Eier oder Junge ha— ben, wird ihnen die Brut vertilgt und nur zu oft das Fortpflan— zungsgeſchaͤft für daſſelbe Jahr hoffnungslos unterſagt; auch am Meere kann bei ungewoͤhnlich hohen, mit Sturm vergeſellſchafteten Springfluthen, ein ſolcher Fall vorkommen. Sn 0.00 e Ihr vorfichtiges Betragen, ihr kleiner Körper, welchem die gro— ßen Fluͤgel eine ſcheinbare Groͤße geben, die er nicht hat, wozu auch das weiße Gefieder beitraͤgt, ihr unſtaͤter, an ſchnellen, unerwarteten Abwechſelungen und ploͤtzlichen Wendungen reicher Flug, erſchweren den Schuß auf dieſe flinken Voͤgel, die ſelbſt beim Neſte nicht al— lenthalben den Schuͤtzen nahe genug kommen. Im Sitzen haͤlt keine ſchußrecht aus. An Fluͤſſen iſt ihnen indeſſen da leicht beizukom— men, wo der Lauf des Waſſers eine Kruͤmmung macht, wenn ſich da Buſchweiden oder ſonſt ein Hinterhalt befindet, aus welchem ſie der Schuͤtze bei ihrem Hin- und Herſtreichen ungeſehen erlauern kann, zumal in der Naͤhe des Bruͤteplatzes. Wenn ſie, wie oft, paarweiſe fliegen, fo wird ein guter Schuͤtze mit einem mit Vogel— dunſt geladenen Doppelgewehr, am richtigen Platze angeſtellt, ge— woͤhnlich beide Gatten erhalten; denn fo wie der eine flürzt, ſchreiet der andere jaͤmmerlich und bleibt ſchwebend und flatternd über den Ungluͤcklichen hinreichend lange genug, um den tödtlihen Schuß vom zweiten Rohre zu empfangen. Wird, wo ſie es nicht ahnete, nach ihr geſchoſſen ohne fie zu verletzen, fo uͤberſchlaͤgt fie fi im Fluge und macht Burzelbaͤume bis faſt auf das Waſſer oder die Erde herab, erhebt ſich dann und fliegt gemuͤthlich weiter. Der Schuͤtze, welcher dieſe Eigenheit, die man uͤbrigens noch bei mehrern Meerſchwalben- und Meven- beſonders bei den Raubmevenarten wiederfindet, nicht kennt, waͤhnt in den erſten Augenblicken, er habe ſie getroffen und erſtaunt nicht wenig, wenn er ſie gleich darauf ganz geſund wegfliegen ſieht. Der Raubvogel mit einer Beute in den Klauen, läßt dieſe nach einem Schreckſchuſſe ſogleich fallen, nicht ſo die Meerſchwalbe; dieſe giebt ihr im Schnabel habendes Fiſchchen auch waͤhrend der auf ſolchen Schreckſchuß folgenden Burzelbaͤume nicht verloren, ja wenn ſie wirklich toͤdtlich getrof— fen iſt, behaͤlt ſie es noch feſt im Schnabel und giebt ſo ihren Geiſt auf. 166 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 284. Zwerg-Meerſchw. Fangen koͤnnte man ſie auf dem Neſte in Schlingen oder mit Leimruthen. Neue een. Dieſer kann nur ganz gering ſein, weil der kleine Koͤrper, ob— wol ſein Fleiſch etwas beſſer ſchmeckt als das der groͤßern Arten, fuͤr die Kuͤche keine Beachtung verdient, eben ſo wenig die ebenfalls zu kleinen, obgleich wohlſchmeckenden Eier, die auch, meines Wiſſens, nirgends zum Verſpeiſen aufgeſucht werden. Die muntern, regſamen Zwergmeerſchwalben beleben die Ge— waͤſſer auf eine ſehr angenehme Weiſe; ihr weißes Gefieder, ihr raſt— loſes Treiben, ihr ſchneller und gewandter Flug mit den herrlichſten Abwechslungen, ihre Gewohnheit, uͤberall auch durch ihre laute Stimme ſich bemerklich zu machen u. dergl. m. gefallen ſelbſt Leu⸗ ten, von denen man es oft nicht erwartet haͤtte. Schaden. Auch dieſer kann nur hoͤchſt unbedeutend ſein; wenigſtens nimmt es ihnen am Meere kein Menſch uͤbel, daß ſie vorzugsweiſe von klei— nen Fiſchchen lebt, obwol unverſtaͤndige Fiſcher an unſern Stroͤmen und Fluͤſſen dies thun, den armen Zwergmeerſchwalben um der ganz kleinen Ukelei u. a. Willen, von welchen fie ihnen freilich manchem wegfiſchen, von Herzen gram ſind, ihre Eier zertreten und die Jun— gen todtſchlagen, wenn ſie ſelbige bei ihren Fiſchereien zufaͤllig auf— finden; ja auf dem Fluſſe fahrend bloß darum an einem Bruͤteplatze landen, die Eier ſorgfaͤltig aufſuchen und ſie dann zertreten, ſahe ich mehrmals von ergrimmten Fiſchern, wo das Ungluͤck dann na— tuͤrlich nicht bloß die Meerſchwalben, ſondern auch die noch unſchul— digern kleinen Regenpfeifer zugleich mit traf. Zweite Familie.“ Graue Meerſchwalben oder Seeſchwalben. Sternae einereae. (Hydrochelidon. Boie.) Ihr Gefieder iſt meiſtens grau. Sommer- und Winterkleid find nicht allein am Kopfe, ſondern auch an allen untern Theilen verſchieden. Der Schwanz iſt flach gegabelt. Die Schwimmhaͤute, zumal die innern, ſind ſehr tief aufgeſchnitten. Ihr Aufenthalt ſind ſtehende oder langſam fließende Gewaͤſſer und große Suͤmpfe, mit Schilf und Graͤſern abwechſelnde Waſſer— flaͤchen, ſchlammiges Waſſer enthaltend; nicht das Meer. — Sie leben hauptſaͤchlich von Inſekten, die ſie ohne ganz einzutauchen, nahe an der Oberflaͤche des Waſſers oder uͤber derſelben fangen, freſſen auch kleine Froͤſchchen, Froſchlarven und kleine Fiſchchen, dieſe jedoch ſeltner. — Sie niſten ſelten einſam, gewoͤhnlich in kleinen Geſellſchaften von gleicher Art, nie in ſo unermeßlichen Schwaͤrmen beiſammen als viele der aͤchten Meerſchwalben. Ihre 3 bis 4, ſehr kurz eifoͤrmige, etwas kreiſelfoͤrmige Eier legen ſie auf feuchten Bo— den und geben ihnen eine Unterlage von einigen trocknen Kraͤutern, oder bauen davon ein kunſtloſes Neſt auf Schilfbuͤſche, ſogar zuwei⸗ len auf hoͤhere, ſich oben kreutzende Rohrſtengel und Gebuͤſche. Die Jungen bleiben meiſtens im Neſte bis ſie fliegen koͤnnen. Wir haben in Deutſchland 285. Die weißbärtige Seeſchwalbe. Sterna leucopareia. Natierer. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. 2 Fig. 2. Maͤnnchen im Winterkleide. Taf. 255. J Fig. 3. Aelteres Jugendkleid. Fig. 4. Juͤngeres Jugendkleid. Schnurrbaͤrtige Meer- oder Seeſchwalbe; ſchnurrbaͤrtige Waffer: ſchwalbe; bleigraue Seeſchwalbe. Sterna leucopareia. Joh. Natterer, in Litt. — Sterna de la Motte. Eueyelop. methodique. 1820. — Hirondelle de mer moustac (Sterna leucopareia). Temminck, Mau, d'Oru, nouv. Edit. II. p. 746. — Viellot, Ornith. france. planch. 355. = Rou- dine di mare piombata. Savi, Oru. tosc. III. p. 92. = Meyer, Zuſätze 3. Taſchenb. (III.) S. 189. —= Brehm, Beitr. MI. S. 674. — Deſſen Lehrb. II. S. 694. Deſſen, Naturg, a. V. Deutihids, S. 797. Kenne i cher err Luk Der ſtarke Schnabel iſt blutroth, in der Jugend ſchmutzig gelb— roͤthlich mit ſchwaͤrzlicher Spitze; der ſtark gegabelte Schwanz hell aſchgrau, weißlichgekantet; im Sommer bei den Alten bloß die Kopfplatte tief ſchwarz; der Lauf der zinnoberrothen Fuͤße gegen 11 Linien hoch. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 169 Beſchreibung. Dieſe Seeſchwalbe iſt die groͤßeſte in dieſer Abtheilung; fie uͤber⸗ trifft darin die ſchwarze um ein Bedeutendes und iſt auch viel robuſter gebauet. Ihr Schnabel und ihre Fuͤße ſind viel ſtaͤrker und ſtaͤmmiger als bei den folgenden Arten. Dieſes und die kraͤf— tigere Geſtalt unterſcheiden ſie in allen Kleidern auf dem erſten Blick von Sterna nigra und St. leucoptera, von denen ſie noch durch eine lichtere Faͤrbung ihres Gefieders, wodurch ſie ſich der vorigen Familie zunaͤchſt anſchließt, auch in der Ferne leicht kennt— lich macht. Ihre weit geringere Groͤße und kuͤrzere Geſtalt, nament— lich der kuͤrzere und weniger tief ausgeſchnittene Schwanz, unter— ſcheiden ſie jedoch noch auffallend genug von Sterna hirundo oder St. macrura, in allen Kleidern, wenn auch das reine Winterkleid denen dieſer ſehr aͤhnlich iſt. Der Schnabel iſt ebenſo ſtark, ebenſo geſtaltet, nur um Vieles kuͤrzer, die Fuͤße ſind aber bedeutend groͤ— ßer, ſtaͤrker, hoͤher, die Zehen und Krallen viel laͤnger, aber auch die Schwimmhaͤute weit tiefer ausgeſchnitten, als an den beiden letztgenannten. — Alles dieſes genau erwogen macht, daß man un— ſere weißbaͤrtige Seeſchwalbe, welche Hr. Johann Natte— rer zuerſt entdeckte und ihr den Beinamen: leucopareia beilegte, ſo⸗ wol fuͤr ſich allein, als zwiſchen den uͤbrigen Arten dieſer Voͤgelgat— tung, nicht leicht mit einer andern verwechſeln kann. Daß in der Gattung Sterna fuͤr die einzeln Arten unterſchei⸗ dende Benennungen ſich aͤußerſt ſchwer aufſuchen und feſtſtellen laſ— ſen, finden wir bei dieſer Art ebenfalls wieder. Nur ſehr alte In— dividuen im reinen Hochzeitskleide rechtfertigen die Benennung: „weißbaͤrtig“, waͤhrend ſchon bei jungen in dieſem Kleide und noch weit weniger in allen andern, weder im Jugend- noch im Winterkleide, an einen weißen Schnurrbart zu denken ſein kann. Wer alſo bloß junge und Herbſtvoͤgel vor ſich hatte, aber niemals den alten Vogel im Prachtkleide ſahe, wird gar nicht ahnen, daß man einen Vogel weißbaͤrtig nennen kann, welcher um die Bart— gegend gar nicht anders ausſieht als alle andern Meerſchwalben. Wer dagegen die Idee des weißen Schnurrbarts ſo verſtand, wie ſie genommen ſein will, nun aber einen alten Vogel der St. macrura fruͤher zu Geſicht bekam als einen der leucopareia, wird vielleicht die erſtere des Beinamens: „Weißbaͤrtig“ wuͤrdiger halten als die letztere. 170 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 255. Weißbärt. Seeſchw. In der Körpergröße ſteht fie im Mittel zwiſchen St. macrura und St. nigra. Nach den genauen Meſſungen ſehr vieler friſchen Exemplare, weichen alte Voͤgel unter ſich wenig in der Groͤße von— einander ab, ſo daß nur die Weibchen in der Laͤnge um ½ Zoll und in der Breite 1 Zoll weniger meſſen als gewöhnlich ihre Maͤnn— chen, deren Länge ich ſelten etwas über 10½ Zoll, fo wie deren Breite 28 Zoll gefunden habe. Bei den Jungen, wenn fie zum Fortziehen tuͤchtig, iſt die Länge ſelten mehr als 9), Zoll, die Breite nicht über 26 ½ Zoll. Der Fluͤgel vom Handwurzelgelenk bis zur Spitze mißt 10 bis 10% Zoll; der gabelfoͤrmige Schwanz an der aͤußerſten Feder 3¾ Zoll, an eine der mittelſten 3 Zoll; die ruhenden Flügel kreu— zen fi) über demſelben und ragen mit ihren Spitzen 2½¼ bis 23/, Zoll weit über ihn hinaus. Das Gefieder iſt wie bei andern Meerſchwalben an der Bruſt am dichteſten, auch die Geſtalt der Fluͤgel und ihrer Schwingfedern nicht abweichend, von den letztern die erſte nicht viel laͤnger als die zweite. An dem graugefaͤrbtem Gefieder, beſonders an den letztern, bemerkt man ſehr deutlich jenen puderartigen lichtern Uiberzug, wel: cher ſich durch den laͤngern Gebrauch abreibt und die dunkler graue, an den Schwingenſpitzen ſchwaͤrzliche Grundfarbe zu Tage bringt. Der Schwanz iſt von mittler Laͤnge, am Ende nur ¾ Zoll tief ausgeſchnitten und ſeine Gabelſpitzen bloß an den aͤußerſten Federn weniger ſtumpf zugeſpitzt, die mittelſten gleichfoͤrmig, die uͤbrigen ſchief zugerundet; ſeine 12 Federn haben ziemlich breite, weiche Fahnen. Der Schnabel iſt ſtark, ziemlich hoch und dabei nicht lang, der Firſte nach, vom Naſenloch an, ſehr ſanft gebogen, am Kiele von einem ſchwachen Eck gerade in die aͤußerſt ſcharfe Spitze auslaufend, an der Wurzel etwas breit, allmaͤhlich gegen die Spitze hin ſehr ſtark zuſammengedruͤckt, die Schneiden wenig eingezogen und ſcharf— ſchneidend, die Firſte und der vordere Theil des Kiels ſcharfkantig, der hintere Theil dieſes ſchmal bis an das Eck geſpalten. Vor dem tiefgeſpaltenen Mundwinkel tritt die Kante des Oberkiefers etwas wulſtig uͤber die des untern vor. Vergleicht man dieſen Schnabel mit dem der Sterna macrura, fo findet ſich, auſſer daß ſich die Spitze des der letztern um 3 Linien mehr in die Laͤnge ſtreckt, im Uibrigen viel Uibereinſtimmung. Das Naſenloch, ein erweiterter, durchſichtiger, 2 Linien langer Ritz liegt unfern der Stirn, ſeitlich, wo die Federn der Stirnſeiten als eine Spitze in den Schnabel XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 171 gehen und dieſe eben aufhoͤrt. Vorn gehen aus dem Naſenloch einige vertiefte, mit der Schnabelfirſte parallele Striche, die aber ſehr bald aufhören. f 5 In ſeiner voͤlligen Ausbildung, bei wenigſtens dreijaͤhrigen Vögeln iſt der Schnabel 15 Linien lang, im Durchſchnitt an der Baſis 3½ Linien hoch und faſt etwas breiter; bei juͤn gern iſt er dagegen oft etwas weniger hoch und breit, bei denen im erſten Jahre noch ſchwaͤcher und wenig uͤber 12 Linien lang, wie er denn bei eben flugbaren Jungen nur 10 Linien lang, kaum 3 Linien hoch und etwas über 2½ Linien breit vorkoͤmmt. Die Farbe des Schnabels iſt bei alten Voͤgeln im Fruͤhjahr lebhaft blutroth, das im Herbſte beſonders ſpitzewaͤrts ſchwaͤrzlich uͤberlaufen iſt, an den Mundwinkeln aber ſtets in ein brennendes Hochroth uͤbergeht, der Rachen, die Zunge und der innere Schnabel blaß gelblich roth; bei jungen ausgeflogenen blaß rothbraͤunlich, an den Mundwinkeln und im Rachen gelbroth. Die Schnabelfarbe iſt wenig dauernd, wird im Tode bald dunkler und an ausgeſtopf— ten alten Voͤgeln in Rothbraun, an manchen in ſchwaͤrzlich ge— miſchtes Rothbraun verwandelt, und geht bei jungen, bis auf die lichte und etwas roͤthlicher bleibende Wurzel und Mundwinkel, faſt ganz in Braunſchwarz uͤber. Das Augenlidraͤndchen iſt oben ſchwarz, unten weiß, bei Jun— gen ganz weiß befiedert. Das etwas kleine Auge hat bei dieſen eine mattbraune, bei den Alten eine tief nußbraune oder dunkel— braune Iris. Die Fuͤße ſind, wenn man ſie mit denen andrer Meer- und Seeſchwalben vergleicht, ziemlich groß, hoch und ſtark, letzteres be— ſonders an dem Ferſengelenk. Uiber dieſem iſt der Unterſchenkel eben nicht hoch hinauf nackt; der Lauf nicht ſehr ſtark zuſammengedruͤckt; die Vorderzehen ſchlank, mit nur halben Schwimmhaͤuten, weil dieſe ſo tief in einem Bogen ausgeſchnitten, daß der tiefſte Ausſchnitt deſſelben zwiſchen der aͤußern und mittelſten Zeh bis in die Mitte der Zehenlaͤnge, zwiſchen der mittlern und der viel kuͤrzern Innen— zeh aber ebenfalls bis zur Mitte dieſer eindringt, ſo daß dieſe faſt zu einer ſogenannten Spannhaut wird, doch laufen die Raͤnder an den Seiten der Zehen weiter vorwaͤrts ſanft aus. Die Hinterzeh iſt klein, kurz und etwas uͤber dem Zehenballen eingelenkt. Der Uiberzug der Füße iſt nur vorn an den Laͤufen und auf den Zehen: ruͤcken grob, uͤbrigens ganz fein geſchildert, die Schwimmhaͤute und Zehenſohlen aͤußerſt fein gegittert. Die Krallen ſind ziemlich lang, 172 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 235. Weißbärt. Seefhw. ſehr ſchlank, wenig gebogen, duͤnn zugefpist, unten etwas ausge— hoͤhlt, die der Mittelzeh, zugleich die groͤßeſte, auf der Seite nach innen mit einer anſehnlichen, ſehr duͤnnen, vorſtehenden Randſchneide; die der Hinterzeh eben nicht klein und faſt ganz gerade. Die lan— gen Krallen geben den Zehen den Anſchein einer groͤßern Laͤnge. Die Maaße der Fuͤße ſind folgende: Der nackte Theil uͤber der Ferſe 4 Linien; der Lauf faſt 11 Linien; die aͤußere Zeh mit den über 3 Linien langen Krallen, 11 ½ Linien; die Mittelzeh, mit der 4½ Linien langen Kralle, 13½ Linien; die innere Zeh, mit der 3½ Linien langen Kralle, 9 Linien und die Hinterzeh, mit der faſt 2 Linien langen Kralle, 4 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt ein ſchoͤnes Blutroth, heller als das des Schnabels und im Frühjahr am lebhafteſten; bei den Jun— gen anfaͤnglich ſchmutzige Fleiſchfarbe, wenn ſie erwachſen, d. h. ſchon einige Zeit geflogen, blaß rothbraͤunlich; die Krallen bei allen ſchwarz. — Auch die Fuͤße veraͤndern im Tode ihre Farbe bald in Braunroth, völlig ausgetrocknet in hornfarbiges Rothbraun, bei den Jungen in eine unanſehnliche gelblichbraune Hornfarbe. Das Dunenkleid iſt mir nicht bekannt geworden; nach den Individuen, welche noch Reſte davon trugen, muß es von obenher eine ſtarke Miſchung von Roſtbraun, an den untern Theilen aber meiſtens Weiß haben. Das Jugendkleid zeigt an Individuen, welche bereits recht gut fliegen koͤnnen, namentlich am Kopfe, vorzuͤglich an der Stirn und uͤberhaupt im Geſicht, noch Spuren graulich roſtfarbiger Dunen, welche die weiße Stirn verdecken, indem das ordentliche Gefieder an dieſen Theilen am ſpaͤteſten hervorkeimt und jene verdraͤngt. An ſo jungen Voͤgeln ſind die zarten Farben des jungen Gefieders noch in völliger Friſche zu ſchauen, weshalb fie etwas anders ausſehen, als die, welche ſchon einige Wochen geflogen haben; wir haben da— her nicht fuͤr uͤberfluͤſſig gehalten, eine Abbildung eines ſolchen zu geben und fuͤgen ebenſo hier eine Beſchreibung deſſelben bei. — Wie ſchon erwaͤhnt, iſt die weiße Stirn mit dem ſchwaͤrzlich gefleck— ten Vorderkopf noch mit roſtgrauen oder graulich roſtfarbigen Du— nen verdeckt; vor dem Auge ſteht ein kleines, aus ſchwarzen Haͤaͤr— chen gebildetes Fleckchen; uͤber dem Auge ein weißlicher Strich; die Schlaͤfe mit einem Theil der Ohrbedeckung ſchwarz mit zarten weiß— lichen Raͤndern an den Spitzen dieſer Federn; der Hinterſcheitel und das Genick ſchwarz mit roſtbraͤunlichen Spitzenraͤndern; der Nacken graulich; der Urſprung des Halſes und der Oberruͤcken ſchwarz, mit XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbärt. Seeſchw. 173 dunkelroſtgelben Federkanten; auf den Schultern und den dem Ruͤcken am naͤchſten großen Fluͤgeldeck- und Schwingfedern iſt die letzte Farbe herrſchend mit breiten, meiſtens gezackten ſchwarzen Querbaͤn— dern durchzogen, eine ſchoͤn gefärbte und eigenthuͤmliche Zeich- nung. Der Unterruͤcken und Buͤrzel ſind licht aſchgrau mit weiß— lichen Federſpitzen; die Oberſchwanzdeckfedern wie der Schwanz eben— falls licht aſchgrau, erſtere an den lichtern Spitzen blaß roſtgelb, letztere vor der breiten, dunkelroſtgelben Endkante mit einem matt: ſchwarzen Mondfleck; der ganze Oberfluͤgel hell aſchgrau, an den Federkanten lichter, an den Spitzen der kleinen und mittlern Deck— federn roſtgelbbraun angeflogen, an denen der großen weißlich; die Schwingfedern von auſſen hellaſchgrau mit noch lichtern Saͤumchen, die vorderſte auf der Auſſenfahne, ſo wie alle auf den innern, ſchwarzgrau, die großen hier mit einem großen weißen Laͤngeſtreif, welcher jedoch lange nicht bis zur Spitze reicht, und mit weißen Schaͤften, die ſich ebenfalls ſpitzewaͤrts ſchwaͤrzlich faͤrben; der Fluͤ— gelrand weiß, aſchgrau geſchuppt, der ganze Unterfluͤgel weiß, die Schwingen laͤngs den weißen Schaͤften und an den Enden ſilber— grau; die untern Theile des Vogels, vom Kinn bis zum Schwanze, ſind rein weiß, bloß an den Seiten der Bruſt die Federſpitzen leicht roſtgrau angeflogen. — Der Schnabel iſt bei ſolchen Jungen noch klein, dem der Alten wenig aͤhnlich, die Fuͤße am Ferſengelenk und gleich unter demſelben ſehr dick, uͤbrigens ſchon ziemlich groß. Wie wenig im Allgemeinen bei Voͤgeln dieſer Groͤße auf Ver— ſchiedenheiten von einer oder einigen Linien in den Maaßen des Schnabels und der Fußtheile ankoͤmmt, zeigte ſich mir oft an dieſen i Seeſchwalben, von welchen ich eine bedeutende Anzahl ſelbſt erlegt und friſch unterſucht habe. An einem, dem eben beſchriebenen, jun— gen, kaum flugbaren Vogel ſind die Laͤufe um 1 Linie, die Mittel⸗ zehe um 1½ Linie länger, die Schwimmhaͤute bei weitem voller und nicht ſo tief ausgeſchnitten, als bei einem wenigſtens um 2 Wochen aͤltern Vogel, deſſen Beine daher auffallend klein er— ſcheinen, da ſie doch eher groͤßer ſein muͤßten als bei jenem. Beide Individuen ſind indeſſen an einem und dem naͤmlichen Orte, nebſt ihren ganz gleich gefaͤrbten und ſich ganz gleich betragenden Alten erlegt, und muͤſſen unbedingt nur einer Art angehoͤren. Es wuͤrde mir nicht einfallen, über dieſe bekannten kleinen individuellen Ab: weichungen auch nur ein Wort zu verlieren, wenn ſie nicht in man⸗ chen Köpfen ſpukten und zu Traͤumereien von Arten verleitet haͤt— ten, die nicht in der Natur, ſondern bloß in manchen Buͤchern 174 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. exiſtiren. Der aͤngſtliche Muſealornithologe, ohne practiſche Kennt— niß vom Leben ſeines Objects, kann freilich durch ſolche Variatio— nen, wie ſie unter den Meer- und Seeſchwalben und noch mehr unter den Meven vorkommen, wie ſolche denn uͤberhaupt bei von Natur groͤßern Geſchoͤpfen noch mehr in die Augen fallen, leicht in Verlegenheit gerathen; oder von Gattungsverſchiedenheiten (im Sinne des Hrn. Brehm) traͤumen, welche die Naturgeſchichte dieſer an ſich ſchon ſchwierigen Gattungen flatt aufzuhellen, nur noch mehr verwirren. Ein zuverlaͤßiger aͤußerer Geſchlechtsunterſchied, laͤßt ſich bei Die: ſen jungen Seeſchwalben nicht erkennen. Iſt das Jugendkleid ſchon einige Zeit getragen, ſo zeigen ſich einige Abweichungen, weil das nun ganz vollſtaͤndige Gefieder, wie bei andern jungen Voͤgeln, wegen zarterer Beſchaffenheit, in kurzer Zeit bedeutend abbleicht. Solche zum Wegzuge ſich anſchickende junge Seeſchwalben dieſer Art, an denen nun der Schnabel viel mehr ausgebildet und die Ferſengelenke weniger dick erſcheinen, ſehen im Ganzen weniger ſchoͤn aus und das jugendliche, eigenthuͤmliche, dunkele Roſtgelb an den obern Theilen iſt in ein bleiches Iſabell oder ganz ſchwaches Roſtgelb verwandelt, alles Schwarz, mattes und braͤunliches, uͤberhaupt die ganze Faͤrbung bleicher geworden; nur das ſchwarze Genick iſt reiner gezeichnet, weil die lichtern Fe— derraͤnder ſich meiſtens abgerieben haben. Die Stirn iſt nun rein weiß; der Vorder- und Mittelſcheitel weiß mit ſchwarzen Laͤngeflek— ken; die Zuͤgel weiß, vor dem Auge fein ſchwarzgeſtrichelt und an dieſem mit einem ſchwarzen Fleckchen; die Schlaͤfe und der angren— zende Theil der Ohrbedeckung, nebſt dem Genick ſchwarz, abwaͤrts noch mit feinen weißlichen Spitzenſaͤumchen; der Nacken dunkelgrau mit lichtern Saͤumen; die untere Halswurzel und der Oberruͤcken matt braunſchwarz, mit ſchmalen licht roſtgelben Federkanten; die Schultern, hintern großen Flügeldedfedern und Schwingen dritter Ordnung ebenfalls matt ſchwarzbraun, an den Wurzeln in Grau uͤbergehend, mit breiten blaß roſtgelben Kanten und einzelnen Quer— binden; auf dem Oberfluͤgel, welcher uͤbrigens wie oben beſchrieben, werden die ſehr bleich roſtgelblichen Spitzenkanten an manchen Exemplaren dadurch deutlicher, daß vor ihnen eine mondfoͤrmige oder auch nur getuͤpfelte braunſchwaͤrzliche Zeichnung ſteht; am Schwanze geht die Spitze nur noch in Schwarzgrau uͤber und die breiten Endkanten ſind roſtgelblichweiß; das Grau des Nackens zieht ſich an den Seiten des Kropfes etwas deutlicher vor, aber der roſt— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 175 graue Anflug an den Federſpitzen der Bruſtſeiten iſt faſt verſchwun— den, alle untern Theile des Vogels uͤbrigens vom reinſten Weiß. Je laͤnger ſie das Jugendkleid tragen, jemehr zeigt ſich zwi— ſchen der bunten Ruͤckenzeichnung von einem lichten Grau, bis jene endlich durch wirklich neue, lichtaſchgraue Federn des folgenden Winterkleides nach und nach ganz verdraͤngt wird. Uibrigens herrſchen in dieſem Jugendkleide ſehr auffallende Verſchiedenheiten. Waͤhrend die obern Theile bei der Mehrzahl ſehr bunt ausſehen, iſt die Faͤrbung wie die Zeichnung bald kraͤfti— ger, bald matter, ja ich beſitze ein (ſehr junges) Exemplar, an dem die Zeichnung und Farben des Oberruͤckens und der Schultern in einem ſolchen Grade in einander fließen, daß dadurch eine gewoͤlkte, mehr roſtgraue als roſtgelbe Zeichnung entſteht, in welcher ſich nur einzelne nierenfoͤrmige Flecke, vor den roſtgelben Endſaͤumen, durch ein dunkleres Braun auszeichnen, an dem die Schwanzfedern gar keine bunte Endzeichnung haben, ſondern ſpitzewaͤrts bloß in ein wenig dunkleres Grau uͤbergehen, das ein ſchlichtes, weißes End— faͤumchen hat. Dies Stüd iſt fo abweichend, daß es, wenn es der Raum auf unſerer Kupfertafel erlaubte, eine Abbildung verdient haͤt— te, und ich habe mehrere ſo gezeichnete in den Haͤnden gehabt. Das Winterkleid dieſer Art zeigt ſich bei jungen Voͤgeln vor ihrer Abreiſe im Herbſte nur erſt in einzelnen neuen Federn auf dem Ruͤcken und den Schultern und wird in ihrer Abweſenheit in ſuͤdlichen Laͤndern vollendet, das der alten Voͤgel iſt dagegen noch bei ihrem Hierſein ſchon viel weiter vorgeruͤckt, bei einem Indivi— duum mehr, bei dem andern weniger, bei vielen jedoch ſo weit aus— gebildet, daß an manchen Theilen vom vorigen Kleide nur noch ein— zelne alte Federn zwiſchen den neuen vorkommen. Es iſt viel lich— ter als das Fruͤhlingskleid, an der Stirn und dem Vorderſcheitel weiß, auf der Mitte des Oberkopfs weiß, mit ſchwarzen Schaftfleden; die Zuͤgel weiß, vor dem Auge ein ſchwarzes Fleckchen; von den Schlaͤfen an, der ganze Hinterkopf bis auf den Nacken hinab tief ſchwarz; Wangen, Kinn, Kehle, Vorderhals und alle untern Theile bis an den Schwanz rein weiß; vom hellaſchgrauen Nacken zieht ſich etwas von dieſer Farbe nach den Seiten des Kropfs; Ober— ruͤcken, Schultern und Oberfluͤgel licht blaͤulich aſchfarbig; der Unter— ruͤcken etwas dunkler, auf dem Buͤrzel, beſonders aber den Enden der Oberſchwanzdecke wieder lichter; der Schwanz von eben der Farbe, an den Auſſenraͤndern der aͤußern Federn weißlich und an der alleraͤußerſten meiſtens die ganze Auſſenfahne, wie die Schaͤfte 176 XII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbärt. Seeſchw. aller Schwanzfedern und die untere Seite des Schwanzes, weiß. Die friſch vermauſerten Schwingfedern ſind an den Auſſenfah— nen ebenfalls hell bläulichafchfarben, an den Enden etwas dunk— ler, nur die vorderſte Schwingfeder mit ſchwarzgrauer Auffenfahne, alle Schwingen erſter Ordnung mit eben ſo gefaͤrbten innern Fah— nen, am ſchwaͤrzeſten in einem ſchmalen Strich laͤngs dem weißen Schafte und am innern Rande ſpitzewaͤrts, dazu koͤmmt von der Wurzel herab ein weißer breiter, bis an den Innenrand reichen— der, nach und nach ſich verjuͤngender und ſich vom Rande abziehen: der, und ſo im Schwarzgrau nicht weit vom Ende der Federn ſpitz verlaufender Streif, welcher an den kuͤrzern Schwingen in hellgrau uͤbergeht, an denen der zweiten Ordnung aber fehlt, wo die Innenfah— nen nur am dunkelgrauen Schafte grau, gegen den Rand zu weiß ſind, und dieſe Farben ſanft in einander uͤbergehen. Der Fluͤgelrand und der ganze Unterfluͤgel ſind ſchneeweiß, an den Schwingfedern mit der in ſilbergrauen Streifen durchſchimmernden dunkeln Faͤrbung der Innenfahne und Spitze der obern Seite. Maͤnnchen und Weibchen ſind gleichgefaͤrbt, der Schnabel des letztern oft etwas ſchwaͤchlicher, die Koͤrpergroͤße ſtandhaft nicht verſchieden. Vom folgenden Kleide darf ziemlich daſſelbe gelten, wenigſtens ſind die vorkommenden geringen Verſchiedenheiten nur bei gleich alten Voͤgeln als aͤußere Geſchlechtsunterſchiede geltend. Das hochzeitliche oder Fruͤhlingskleid iſt das dunkelſte und hat folgende Farben: Eine atlasſchwarze Kopfplatte nimmt die Stirn, die Zuͤgel, den ganzen Oberkopf, das Genick ein und endet erſt auf der Mitte des dunkelaſchgrauen Nackens; das Auge oͤffnet ſich halb im Schwarzen, halb im Weißen, denn unter ihm und der ſchwarzen Kopfplatte ſind die Kopfſeiten, Wangen, Kinn und An— fang der Kehle rein weiß; am untern Theil der Wangen und Kehle geht das Weiß ſanft in lichtes Schieferblaugrau und allmaͤhlich immer dunkler werdend, von der Oberbruſt abwaͤrts, an der Unter— bruſt und den hintern Tragfedern, in wirkliches Schieferſchwarz uͤber; der Bauch iſt licht aſchfarbig; die Schenkel und untern Schwarzdeckfedern rein weiß. Von oben her iſt der ganze Vogel, Fluͤgel und Schwanz nicht ausgenommen, hell blaͤulich aſchgrau, etwas dunkler als im Herbſtkleide, Schwing- und Schwanzfedern mit denſelben Abzeichen wie in dieſem, die Auſſenfahne der erſten Schwingfeder aber voͤllig ſchwarz, uͤberhaupt die ſchwaͤrzliche Faͤr— bung an den uͤbrigen Schwingen etwas kraͤftiger gezeichnet, die Un— terfluͤgel ebenfalls weiß, an den Spitzen ſilbergrau. Die ſanfte Faͤr— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbärt. Seeſchw. 177 bung wird durch das gluͤhende Roth des Schnabels und der Beine, nebſt der ſchwarzen und weißen Kopfzeichnung ſehr gehoben; und dieſe Art giebt in dieſem Kleide den naͤchſten Verwandten an Schoͤn— heit wenig oder nichts nach. Das helle Weiß, vom Schwarz der Kopfplatte begrenzt und vom Kinn bis an den Nacken reichend, faͤllt ſehr auf wenn man dieſe Art unter andern aͤhnlichen ſieht und, wegen dunklerer Faͤrbung des Unterkoͤrpers, auch weit mehr als bei St. macrura; fie hat den Beinamen: „Weißbaͤrtig“ davon be kommen, weil dieſer hellweiße Streif einem Schnurrbarte nicht ganz unaͤhnlich iſt. Maͤnnchen und Weibchen ſind in dieſem Kleide etwas leich— ter zu unterſcheiden als in den übrigen, weil die erſtern ſtets eine viel dunkler gefaͤrbte Bruſt haben, an welcher die Schieferfarbe in wirkliches Schieferſchwarz übergeht, was bei den Weibchen nie fo dunkel vorkoͤmmt. Doch findet ſich auch zwlſchen aͤltern und jüns gern Voͤgeln ein bedeutender Unterſchied; die einjaͤhrigen Maͤnn— chen ſind daher leicht mit den mehrere Jahr alten Weibchen zu verwechſeln. Se älter der Vogel, deſto ſchwaͤrzer wird im Hoch— zeitskleide die Bruſt, doch erlangt ſie nie ein ſo reines Schwarz als der Scheitel. } Die aſchgraue Hauptfarbe verliert im Laufe des Sommers durch das Abreiben jenes puderartigen Uiberzugs ſehr an ihrem ſanf— ten Ausſehen und wird dunkler, weil die Grundfarbe der grauen Federbaͤrte dunkler iſt als jener. Dies wird an den größten und ſtaͤrkſten, den Schwingfedern, am auffallendſten, zumal wenn ſchon Federwechſel eingetreten iſt und neue Federn zwiſchen den alten ſte— hen. Ehe dies noch der Fall iſt, hat ſich jener puder- oder ſchup⸗ penartige Uiberzug an den von ihrer naͤchſten Nachbarinn unbedeck— ten Theilen, der Spitze und Auſſenfahne, ſo abgerieben, daß dieſe ſchwarzgrau oder faſt grauſchwarz erſcheinen; hebt man jedoch eine ſolche Feder an der Spitze auf, ſo ſieht man an der unter ihr lie— genden noch den urfprünglichen lichtgrauen Uiberzug in der Form und genau ſo weit, als ſie von der aufgehobenen bedeckt war, und ſo bei allen. Wie es koͤmmt, daß dieſe merkwuͤrdige, bei allen Ar— ten dieſer Gattung vorkommende Erſcheinung an manchen Indivi— duen auffallender wird als an andern, habe ich nicht erforſchen koͤnnen. Es giebt naͤmlich welche, in derſelben Zeit, deren Schwing⸗ federn mehr und viel gleichfoͤrmiger abgerieben find und wo ſich auch an den verdeckten Theilen der Federn wenig oder nichts von jenem Uiberzuge mehr zeigt, welche daher nicht bloß an den Spitzen zor Theil. 12 | 178 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. und Auſſenfahnen, ſondern faſt bis gegen die Wurzel, auch auf den bedeckten Innenfahnen, entbloͤßt und daher durchaus viel dunkler geworden ſind. — Vom Abreiben der Raͤnder des Gefieders bemerkt man weniger, am meiſten noch an den Fluͤgel- und Schwanzſpitzen und, ſonderbarerweiſe, an den Enden der groͤßten Reihe Deck— federn quer uͤber dem Fluͤgel. Das Uibergangskleid, vom hochzeitlichen zum herbſtlichen, iſt oft, auch bei alten Voͤgeln, ſehr bunt, weil das kommende Win— terkleid ein viel lichteres Grau an den obern Theilen, reines Weiß an den untern, fo wie an der Stirn und dem Vorderſcheitel hat. Solche im Uibergange begriffene haben dann oft einen von duͤſterer Aſchfarbe mit hellem Blaͤulichaſchgrau gemiſchten und gefleckten Mantel, eine weiß und ſchwarz gefleckte Stirn und Scheitel, eine weiße, von mehr oder weniger alten, ſchiefergrauen Federn noch ver— ſchiedenartig gefleckte Bruſt, hellgraue neue und ſchwarzgraue alte Schwingfedern machen auch die Fluͤgelſpitze bunt, und wo ſchon neue Schwanzfedern vorhanden, ſtechen auch dieſe von den alten durch reineres und lichteres Grau bedeutend ab. Je nachdem nun die Mauſer bloß angefangen hat oder ſchon ſehr weit vorgeruͤckt iſt, zeigen ſich auch zahlloſe Verſchiedenheiten unter den mauſernden Voͤgeln, die, ſo wie die alten Federn von neuen verdraͤngt werden, ſich taͤglich veraͤndern, bis das neue Kleid ganz vollſtaͤndig da ſteht. Die Mauſer der alten Voͤgel dieſer Art beginnt in der zweiten Haͤlfte des Auguſt und iſt in der Mitte des September ſchon ſo bedeutend vorgeruͤckt, daß man behaupten darf, ſie ſei im October, wenigſtens bei ſehr vielen Individuen, ganz beendet. Die Jungen mauſern ſpaͤter, doch zeigen ſich bei den erwachſenern auch Anfangs September ſchon einzelne neue Federn an den obern Theilen, deren Farbe zeigt, daß ihr nachheriges Winterkleid von dem ihrer Aeltern weſentlich nicht verſchieden ſein mag. Der Federwechſel beginnt auf dem Mantel, dann an den untern Theilen bis an den Hals, zu— gleich an Schwing- und Schwanzfedern und endet am Kopfe; ſo koͤnnen alle Theile uͤber die Haͤlfte oder zu zwei Drittheilen mit neuen Federn beſetzt fein, während ſich auf dem Vorderkopfe noch fo viele alte befinden, daß die wenigen neuen kaum erſt die beginnende Farbenveraͤnderung deſſelben andeuten. Daß zuweilen viele Federn dicht nebeneinander und auf ein Mal durch neue erſetzt werden, mag zufällig fein. Ich erlegte z. B. am 1. September in Syrmien ein altes Maͤnnchen, das außer zwei neuen Schwingen, die zwei neuen Mittelſchwanzfedern und einigen wenigen auf dem Mantel, | XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 179 am Kropfe, in dem alten Schiefergrau, ſchon ein großes ſchnee— weißes Feld neuer Federn, im Uibrigen aber noch ſein volles Som— merkleid hatte; vielleicht waren ihm die alten Federn an der letzten Stelle, die nach der Regel ſich fpäter erneuert haben würde, gewalt- ſam verloren gegangen. A un fe n t h a tt. Dieſe Seeſchwalbe ſcheint ein ſuͤdoͤſtlicher Vogel; wie weit ſie ſich aber nach Aſien verbreite, iſt nicht bekannt; in Afrika geht ſie bis Nubien und wol noch weiter hinab. Sie iſt ein Mal in der Picardie in einigen Exemplaren beobachtet; koͤmmt an der ſuͤdfranzoͤſiſchen Kuͤſte ſehr ſelten, nicht viel oͤfter an der Weſt⸗ kuͤſte Italiens unter Flügen der ſchwarzen Seeſchwalbe vor, ebenſo bei Capo d’Istria, häufiger erſt in Dalmatien. In den ebenen Theilen Ungarns iſt ſie von der Mitte dieſes großen Lan⸗ des an nicht mehr felten, weiter ſuͤdlich haufig, in Syrmien und dem Banat, namentlich dem banatiſchen und flavonifchen Mili— taͤrgrenzlande in ſehr großer Anzahl anzutreffen. In allen gro» ßen Suͤmpfen in der Naͤhe der Donau und Save wimmelt es dort von dieſer Seeſchwalbenart. In Deutſchland iſt ſie ſehr einzeln nur erſt an wenigen Orten beobachtet; vom ſuͤdlichen iſt mir kein Beiſpiel bekannt; vom noͤrdlichen bloß, daß im Sommer 1824 meh⸗ rere dieſer Voͤgel bei Brunsbuͤttel in Suͤderdittmarſchen be— merkt und erlegt wurden; in unſerm Anhalt iſt noch keiner dieſer Art vorgekommen. Als große Merkwuͤrdigkeit iſt, wegen ſo ſpaͤter Jahreszeit, am 16. Dezember 1822, bei 5 Gr. R. unter 0, ein jun⸗ ger Vogel, in ſehr abgemagertem Zuſtande, auf der Schlei bei Schleswig geſchoſſen. Sie iſt auch in Ungarn Sommervogel, koͤmmt gegen Aus⸗ gang des April, in den mehr noͤrdlichen Theilen auch wol erſt im Mai an, und zieht im Auguſt, doch erſt gegen Ende deſſelben, ſuͤd— licher, aus den ſuͤdlichſten Theilen aber erſt im September weg, wo viele, deren Junge ſich noch nicht ſtark genug zur Reiſe nach fer⸗ nen Laͤndern fuͤhlen mochten, mit dieſen, noch bis in die Mitte die⸗ ſes Monats in allen Suͤmpfen anzutreffen waren, als ich 1835 in jenem merkwuͤrdigen Lande ſammelte. Jene Jungen waren indeſſen aus verſpaͤteten Bruten, die Alten fuͤtterten ſie noch und manche waren noch ſo jung, daß auf dem ganzen Kopfe, auch an manchen andern Theilen, der Flaum vom Dunenkleide noch auf den Feder⸗ 12 * 180 XIII. Ord n. LXXVII. Gatt. 255. Weißbaͤrt. Seeſchw. ſvitzen ſaß. An manchen Orten flogen fie mit Sterna nigra und zwiſchen dieſen, an andern fuͤr ſich abgeſondert, aber in großer An— zahl herum; überall wo man hinblickte ſahe man dieſe beiden Ar: ten, bald dieſe, bald jene haͤufiger, die weißfluͤglige aber nur einzeln noch. Ihre Aufenthaltsorte findet ſie nie unmittelbar am Meere, auch nur nothgedrungen, naͤmlich auf dem Zuge und wenn es der Ge— gend an ſtehenden Gewaͤſſern fehlt, auch an Fluͤſſen; allein ihre wahren Wohnorte hat ſie nur in ausgedehnten Suͤmpfen mit vielen freien Waſſerflaͤchen, auch bei Landſeen und großen Teichen an Stellen, wo dieſe in Sumpf verlaufen. Ob ſie am Neuſiedler— und Plattenſee vorkomme, weiß ich nicht, weil ich nicht dort war; vom letztern vernahm ich es, ſahe ſie ſelbſt aber nur von den Suͤmpfen der untern Theiß an, bis zur ſerbiſchen Grenze und je ſuͤdlicher deſto haͤufiger. Damals waren viele Suͤmpfe Ungarns ausgetrocknet; manche dieſer Voͤgel, welche nahe bei der Donau ausgebruͤtet haben mochten, hatten ſich mit ihren Jungen hin und wieder auch an den Strom in ſtille Winkel deſſelben begeben, bei Inſeln oder Halbinſeln, verließen dieſe aber, als ſie da beunruhigt wurden, und zogen ſich in fernere Moraͤſte zuruck. Die beiden un— geheuern, mehrere Geviertmeilen bedeckenden Suͤmpfe des Banats, der weiße und der ſchwarze Sumpf genannt, wimmelten von die: ſen Voͤgeln. Sie liebt nicht klares, ſondern ſchlammiges Waſſer, das als Moraſt in Viehweide oder Wieſen verlaͤuft, wo theils Binſen und niedrige Seggenarten in abgeſonderten Buͤſcheln wachſen, oder auch, wo viel ſchwimmende Pflanzen z. B. Nymphaͤen, Waſſernuͤſſe und die niedliche Salvinia natans die Oberflaͤche theilweiſe bedecken, aber auch noch Stellen derſelben frei laſſen, wo das Waſſer nicht tief iſt, deſto tiefer man aber daſelbſt in den Schlamm einſinkt, wenn man ſich hinein wagen wollte, Moraͤſte, in welchen die ſlavo— niſchen Schweineheerden, nur Naſe, Augen und Ohren uͤber der Oberfläche gehalten, die heißen Mittagsſtunden fo gern in ſtiller ge— muͤthlicher Ruhe zubringen. Ihre Nachtruhe halten dieſe Seeſchwalben geſellig auf kleinen aus dem Waſſer emporragenden Schlammhuͤgelchen, ſchwimmenden Wuſte, und begeben ſich am Abend, wenn es bereits dunkelt, an dieſe Plaͤtze, über welchen fie vor dem Niederlaſſen eine Zeit lang herum ſchwarmen, aber ganz ſtill dabei find. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbärt. Seeſchw. 181 Eigenſchaften. Die größte in dieſer Familie iſt die weißbaͤrtige Seeſchwalbe, leicht hieran von den beiden andern Arten, auch in der Ferne ſchon, zu unterſcheiden, wenn fie ſich zwiſchen dieſe gemiſcht hat; nicht fo leicht iſt dies, wenn ſie allein fliegt, oder nicht nahe genug iſt, um die Zeichnung des Gefieders erkennen zu laſſen. An der nur in mas ßiger Entfernung vorüber ſtreichenden fallt dagegen eine Zweideutig⸗ keit auf, welche den, welcher dieſe Art zum erſten Male im Freien ſieht, ſehr uͤberraſcht, in welcher fie nach Größe, Geſtalt, Farbe, Zeichnung und zum Theil ſogar nach ihren Manieren gerade im Mittel ſteht, zwiſchen Sterna Hirundo und St. nigra. Im Sitzen aͤhnelt ſie ganz den uͤbrigen Arten, doch fallen die huͤbſchen Kopffarben, der rothe Schnabel, die ſchwarze Kopfplatte und der helle weiße Wangenſtreif ſchon von Weitem auf und laſſen ſie leicht erkennen. Sie laͤßt ſich oͤfter auf kleinen Erhoͤhungen, naͤher oder entfernter vom Waſſer, zum Sitzen nieder als manche andere Art, hat aber auch an einer Stelle nicht lange Ruhe. Aber ſie laͤuft auch beſſer wie die Meiſten, zwar in kleinen Schrittchen und auch nur auf kurze Strecken, doch ſehr behende und öfter als eine ihrer nächften Verwandten. Schwimmen ſieht man fie faſt nie, und wenn es ja geſchieht, ſo iſt es nur ein ganz kurzes Ausruhen auf der Waſſerflaͤche ohne fort zu rudern, mit demſelben Anſtande der andern Arten. Raſtlos fliegt ſie den ganzen Tag uͤber den Suͤmpfen hin und her oder von einem offnen Platze zum andern, aber nicht, wie es ſcheint, mit ſolchem Kraftaufwande wie viele der vorigen Familie, ſondern langfamer, ſanfter, darum aber mit nicht minderer Leichtig— keit und Gewandtheit. In großen, weit ausholenden Schlägen ſchwingt ſie die langen Fluͤgel auf und nieder, wenn ſie gerade fort ſtreicht und man bemerkt dabei wenig von dem abwechſelnden He— ben und Senken des Koͤrpers, oder es iſt hier wenigſtens nicht ſo auffallend als bei vielen andern Arten. Eilt ſie, ſo ſchlaͤgt ſie die Fluͤgel, deren Spitzen immer weit vom Koͤrper abgehalten werden, viel haſtiger, ohne daß dadurch alles Sanfte der Bewegungen verlo— ren ginge. Ploͤtzlich weiß fie ſich aufzuhalten, auf der Stelle um oder feitwärts zu drehen, eine andere Richtung einzuſchlagen, kurze oder längere Bogen nach oben, nach unten oder ſeitwaͤrts zu ma⸗ chen, oder an der Stelle, wo ſie etwas bemerkt, durch Ruͤtteln ſich aufzuhalten. Letzteres koͤmmt jedoch nicht ſehr oft vor, ihr langſa⸗ 182 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbärt. Seeſchw. mes, ſanftes Fortbewegen macht es meiſtens uͤberfluͤſſig. Sie fliegt über dem Waſſer nur wenige Fuß hoch, auch nicht viel höher von einem Sumpfe zum andern, nur wenn ſie weit weg will, ſteigt ſie hoͤher, anfaͤnglich in großen Bogen, nachher ſchwebend in einer Schraubenlinie bis zu groͤßter Hoͤhe hinauf. Vergleicht man ihren Flug mit dem der ſchwarzen Seeſchwalbe, ſo iſt er dieſem ſehr ähnlich, aber ein Wenig langſamer oder vielmehr gemaͤchlicher, und dies faͤllt auch nur dann auf, wenn beide Arten gemiſcht durch ein— ander fliegen. Starke Gemuͤthsbewegungen ſcheint ſie ſelten zu haben, dage— gen ein gewiſſer Gleichmuth mit den ſanften Bewegungen des Koͤr— pers uͤberein zu ſtimmen. Still und gemuͤthlich treibt ſie ihr We— fen für ſich allein oder unter die ſchwarzen Seeſchwalben ge miſcht, ohne mit einer von dieſen oder ihres Gleichen zu hadern oder zu zanken, und wenn nicht an den Bruͤteplaͤtzen zuweilen Auf— segungen von Eiferſucht oder ſonſt dergleichen zwiſchen ihnen vor— kaͤmen, ſo wuͤrde man ſie fuͤr die friedfertigſten und harmloſeſten Voͤgel halten muͤſſen. Wo man ihnen nie etwas zu Leide that, ſind ſie auch hier ſehr zutraulich, ja einfaͤltig, doch werden ſie miß— trauiſcher, wo ſie ſich verfolgt ſehen, und an Orten, wo ſie nicht heimiſch ſind, weichen ſie dem Schuͤtzen, den ſie recht gut vom Bauer oder Hirten zu unterſcheiden wiſſen, weit genug aus, um nicht ſo leicht in ſeine Gewalt zu fallen. Hoͤchſt vertraulich ſahe ich ſie ge— gen Weiber oder Kinder, ſo daß ſie muthwillige Knaben oft aufzu— fordern ſchienen, nach ihnen zu werfen. Dies war freilich an Or— ten, wo ſich Niemand um ſie kuͤmmert. Aber waͤhrend ſie an an- dern Orten Maͤnnern und Weibern, welche Hanf ins Waſſer legten, dicht um die Köpfe flogen oder dicht neben dem Schweinehirten Nahrungsmittel aufnahmen, fo erregte doch meine oder meiner Be: gleiter Annaͤherung ſogleich ihren Argwohn, als wenn ſie die Flin— ten gekannt oder unſere Abſicht errathen haͤtten, wenn wir uns auch nicht ohne alle Vorſicht naͤherten. Am haͤufigſten kamen ſie jedoch bei ſolcher Gelegenheit immer in unſere Gewalt, zumal bei den Viehheerden. Sie iſt geſellig in hohem Grade, weshalb ſelten eine See— ſchwalbe dieſer Art einſam herumſchweifend geſehen wird; denn die Vereinzelten miſchen ſich gewoͤhnlich unter die Fluͤge der ſch warzen, mit welcher ſie am vertrauteſten zu ſein ſcheint. An der untern Donau, wo auch St. Hirundo und St. minuta damals noch vorka— men, ſahe ich ſie nie bei dieſen, obgleich Einzelne oft an den Auf— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 183 enthaltsort dieſer vorbei ſtrichen, wol aber unter den Schaaren von St. nigra gemiſcht. Fuͤr ſich allein iſt ſie gewoͤhnlich in Paaren oder Familien, in kleinen und groͤßern Geſellſchaften beiſammen. An den Bruͤteorten bildet ſie oft große, abgeſchloſſene Vereine. Mit allen andern, oft in groͤßter Menge in ihrer Naͤhe wohnenden Sumpf: und Waſſervoͤgeln hält fie keine Gemeinſchaft. Ihre Stimme, welche der der ſchwarzen Seeſchwalbe nicht ſehr ahnlich iſt, laͤßt die Vereinzelte ſelten, die mit den Ihrigen flie— gende öfter hören, doch ſchreien auch zu manchen Zeiten dieſe weni— ger oder mehr, überhaupt aber alle nicht ſehr viel. Angenehm find die Toͤne, welche ſie hervorbringt, uͤbrigens keineswegs; ſie haben etwas Rauhes, ſchallen auch nicht weit und klingen wunderlich wenn recht viele zuſammen ſchreien. Der gewoͤhnliche Ton, den man am oͤfterſten hört und womit fie ſich zu unterhalten ſcheinen, oder den Jungen ihre Anweſenheit anzeigen, iſt ein unangenehmes, knarren— des, eben nicht ſehr lautes Schraͤhb, das nur einzeln ausgeſtoßen, oder nie ſchnell nacheinander wiederholt wird. Koͤmmt man ihrer Brut näher, fo wird es heftiger; ſteigt ihre Angſt und Beſorgniß aber noch hoͤher, dann ſchreien ſie Skihrerrerk, und wiederholen dies oft, jedoch in bedeutenden Intervallen; auch fluͤgellahm Ge: ſchoſſene ſtoßen es zuweilen im Herabſtuͤrzen aus. Sonſt ſchreien ſie oft auch Skrieh (ein- oder zweilylbig)! Sie rufen damit ein: ander zu, aber der wahre Lockton, den man in ihrem gewoͤhnlichen Treiben weniger als auf weitern Ausfluͤchten hoͤrt, hat ebenfalls, wie bei allen Arten der Gattung Sterna, etwas Kraͤhenartiges und klingt wie Schriä oder zuweilen auch wie Skriaͤ, wird aber nicht ſo lang gedehnt als bei vielen andern. Die Jungen piepen an— faͤnglich klaͤglich, aber ſpaͤter, wenn ſie den Alten nachfliegen, ſchreien ſie Krie (bald ein- bald zweiſylbig) und wiederholen dieſen Ton in maͤßigen Zwiſchenraͤumen immerfort, noch oͤfterer und haſtig folgend, wenn ſie eben Futter von jenen empfangen. N. a hir un g. Waſſerinſekten und deren Larven mögen wol ihre Hauptnah— rung ausmachen; allein ſie fangen auch ganz kleine Fiſchchen, Froſch— larven und ganz kleine Waſſerfroͤſchchen, wovon ich mich durch Oeff— nung vieler, wie durch Beobachten der Lebenden, hinlaͤnglich uͤber— zeugt habe; auch daß ſie oft Landinſekten und hin und wieder Re— genwuͤrmer mit aufnehmen. 184 XIII, Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weiß bart. Seeſchw. Die weißbaͤrtige Seeſchwalbe findet ihre Nahrungsmittel viel haͤufiger in ſtehenden als in fließenden Gewaͤſſern, weshalb ſie auch in jenen Gegenden auf der Donau nur an ſolchen Stellen, welche weniger Stroͤmung haben, bei weitem haͤufiger aber auf ſtehenden Gewaͤſſern und freien Stellen der Suͤmpfe ſucht. Hier fliegt ſie ſuchend, den Schnabel herabhaͤngend und bald mit dem einen, bald mit dem andern Auge ſpaͤhend, wenige Fuß uͤber dem Waſſerſpiegel unabläffig hin und her, fallt ſchnell auf das Waſſer nieder, ſobald fie einen Fang zu machen gedenkt, welcher entweder oben oder ganz nahe oben ſchwimmen muß, weil ſie nie mehr als Schnabel und Kopf dabei untertaucht. Das Ergreifen, Verſchlucken und Wieder— erheben, ſind Werke des Augenblicks, und das Suchen geht von Neuem los. So treibt ſie es bis zum Ermuͤden des Zuſchauers, Stunden lang, oft in einem nicht großen Bezirke. Nur uͤber tie— fern Waſſer ſahe ich von ihr auch das ſogenannte Ruͤtteln, aber nicht oft; ſie ſcheint ohne dieſem ihres Fanges die meiſten Male gewiß zu ſein. Sie mag ſchnell verdauen und ſcheint beſtändig Hunger zu haben, faͤngt freilich von Inſekten und deren Larven Groß und Klein, iſt aber dennoch faſt den ganzen Tag emſig mit Aufſuchen derſelben beſchaͤftigt. Die Larven der Libellen, in jenen Sewäffern in unſaͤglicher Menge vorhanden, gehören zu ihren hau: figern Nahrungsmitteln. Die Schweineheerden, welche in den tiefern Suͤmpfen Slavo: niens den Schlamm aufwuͤhlen und damit das wenige Waſſer über demſelben hin und wieder in ganz kleine Pfuͤtzchen vertheilen, aus welchen die Inſekten oder kleinen Fiſchchen nicht entweichen koͤnnen, verhelfen dieſen Seeſchwalben zu einem bequemen und reich— lichen Fang, weswegen dieſe auch jene oft beſuchen. Hier habe ich ſie namentlich auch kleine Fiſche fangen ſehen. Uiber Raſenplaͤtze hinfliegend ſieht man fie ebenfalls oft niederſtuͤrzen, ein Landinſekt oder einen Regenwurm aufnehmen und damit davon eilen. Feuch— ter, nicht weit vom Waſſer entlegener, haͤufig vom Vieh theilweis zertretener Raſen, der Aufenthalt ganz kleiner Waſſerfroͤſche und in jenem Lande beſonders damit angefuͤllt, giebt ihr zum Fange dieſer die beſte Gelegenheit. Wie alle andern Arten der Meerſchwalben— gattung ſtoͤßt auch fie niemals aus der Luft ohne Weiteres auf ein Geſchoͤpf herab, das auf feſtem Boden ſitzt, ſondern ſie ſtuͤrzt ſich auf die Erde und ſetzt ſich neben daſſelbe, ergreift es und fliegt da— mit davon, dies Alles in ſchnellſter Folge aufeinander. Oft huͤpft das Froͤſchchen ſchneller fort als ſie es ergreifen kann; dann folgt — — XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weigbärt. Seeſchw. 185 ſie ihm halb laufend, halb fliegend und erwiſcht es dennoch bald. Ich habe fie beſonders häufig dieſe kleinen Froͤſchchen (Rana escu- lenta) fangen ſehen, wo ihr die faſt erwachſenen Jungen immer: waͤhrend Futter abverlangten, um dieſen das Maul damit zu ſtopfen, in welchen Betracht genommen es mir immer poſſierlich vorkam. Sie muͤſſen oft lange daran wuͤrgen, ehe ein ſolches den Schlund hinab will; doch geſchieht es, wie das Futtern, auch im Fluge. Fortpflanzung. Die weißbaͤrtige Meerſchwalbe niſtet in kleinen oder auch in ſehr großen Geſellſchaften, in den unermeßlichen Suͤmpfen des ſuͤd— lichen Ungarns. Im Banat und im Militaͤrgrenzlande von Syrmien gehoͤrt fie zur Bruͤtezeit zu den gemeinſten Vögeln und alle Moraͤſte ſind voll von ihnen. Selten am Rande derſelben, ſondern gewoͤhnlich tiefer in denſelben, an etwas lichten Stellen, wo Schilf und Rohr nur buͤſchelweiſe wachſen, haben ſie ihre Bruͤte— plaͤtze und die Neſter eines ſolchen Vereins ſtehen alle auf einem Platze von geringem Umfange, die einzelnen wenige Fuß von einan⸗ der entfernt. Es herrſcht dann ein reges Leben an ſolchen Plaͤtzen und die Vögel machen dabei ungleich mehr Lärm als zu allen an: dern Zeiten. Die Neſter ſtehen entweder auf kleinen, niedrigen, wenig be: graſeten Schlammhuͤgelchen, oder auf vom Winde zuſammengetrie— benen alten Stengeln und Wurzeln von Schilf und Rohr oder an— derem Wuſte, oder auf niedergedruͤckten Schilfbuͤſcheln, oder, wenn das Waſſer in den Suͤmpfen zu hoch angeſchwollen, auf den ſich dicht durchkreuzenden Zweigen der uͤber das Waſſer emporragenden Weidenbuͤſche und niedrigen Baͤume. Nicht allein dieſe Seeſchwal— ben, ſondern auch viele andere dort niſtende Sumpfvoͤgel, welche ihre Neſter ſonſt ins Schilf oder auf die Erde bauen, ſehen ſich in ſolchen Zeiten gezwungen, es wie jene zu machen z. B. Ibis Falci- nellus, Ardea comata u. a, m. Das Neſt iſt nachlaͤſſig aus trocknen Theilen von Schilf, Rohr und kleinern Graͤſern gebauet und enthaͤlt meiſtens 3, und wie man jagt, oͤfters auch 4 Eier. Dieſe find denen der ſchwarzen See ſchwalbe aͤhnlich, aber bedeutend groͤßer und von einer viel lichtern Grundfarbe. Sie ſind bedeutend groͤßer als Wachteleier, mit wel⸗ 186 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. chen ſie an Geſtalt und Farbe einige Aehnlichkeit haben. Sie ſind beinahe 17 Linien lang und 13 Linien breit, daher von einer kur— zen, ſehr bauchichten Eigeſtalt, wie niemals eins von denen aus der vorigen Meerſchwalbenfamilie; die ſtaͤrkſte Bauchwoͤlbung liegt in der Mitte und von da an wird die Woͤlbung abnehmend ſchwaͤcher gegen die zugerundete Spitze, waͤhrend ſie gegen das ſtumpfe Ende abgerundet ſind, wodurch dieſe Eier etwas, doch nur ſchwach, krei— ſelfoͤrmig werden, eine Form welche auch die der beiden folgenden Arten haben. Ihre Schale iſt von ſehr feinem Korn, doch ohne Glanz, blaß, aber nicht ſchoͤn, olivengruͤn gefaͤrbt, ins Olivengelb— liche ſpielend, mit vielen Flecken und Punkten, welche in der Schale braͤunlich aſchgrau, aber nicht zahlreich, auf der Oberflaͤche ſchwarz— braun und ſchwarz ſind; von dieſen ſehr abſtechenden Zeichnungen, welche an beiden Enden einzelner ſtehen und viel von der Grund— farbe frei laſſen, waͤhrend ſie hinter der ſtaͤrkſten Woͤlbung oft zu— ſammen fließen und einen dicken mehr oder weniger zuſammenhaͤn— genden Fleckenkranz bilden, haben die wenigſten gerundete Umriſſe, vielmehr haͤngen oft mehrere auf die regelloſeſte Weiſe zuſammen und ſind auch wol mit kurzen Schnoͤrkeln und Wiſchflecken ver— mengt. Sie variiren in den Zeichnungen auf das Mannigfaltigſte, weniger in der Grundfarbe, ſind aber ſtets gruͤnlicher und viel heller gefaͤrbt, weniger, aber viel dunkler oder abſtechender gefleckt als die der St. nigra. In der Sammlung verſchwindet nach und nach das Gruͤnliche ganz und die Grundfarbe wird ein bleiches Olivengelb. In Farbe und Zeichnung werden ſie dann wol manchen der St. Hirundo aͤhnlich, allein ihre viel geringere Groͤße und die auffallend kurze, dicke Geſtalt unterſcheiden ſie auf den erſten Blick. Uiber die Art zu bruͤten und die Zeit in welcher die Jungen ausgebruͤtet werden, habe ich keine Beobachtungen anſtellen können. Die Jungen ſitzen, wie die der folgenden Art, ſo lange im Neſte, bis ſie fliegen koͤnnen und werden nicht nur bis dahin, ſondern auch noch lange nachher und bis ſie voͤllig erwachſen ſind, von den Alten reichlich mit Futter verſehen, und dieſe ſind um ihre Brut unge— mein beſorgt, umſchwirren den, welcher ſich ihr naͤhert, in groͤßter Naͤhe und fuͤrchten dabei die augenſcheinlichſte Lebensgefahr nicht. Wenn die Jungen ausgeflogen ſind, werden ſie von den Alten nur im Anfange noch ſitzend, ſpaͤter aber bloß im Fluge geaͤtzt; fie fol— gen ihnen deshalb uͤberall mit verlangendem Schreien und ſchreien noch mehr wenn ſie ſo eben Futter empfangen. Sie ſetzen ſich oft, um auszuruhen, nahe ans Waſſer oder auf emporragende Huͤgel— XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißbaͤrt. Seeſchw. 187 chen uͤber demſelben, wobei ihnen die liebevollen Alten dann und wann Geſellſchaft leiſten, ab- und zufliegen, ſie jedoch nie ganz aus den Augen laſſen, bei jeder anruͤckenden Gefahr ſchnell herbei kom— men, ſie aufmerkſam machen, wo moͤglich zum Entfliehen an— regen und mit ſich fortnehmen. Dies will den Alten bei noch zu jungen, matten und keine Gefahr kennenden oft nicht ſo bald ge— lingen, als ſie es wuͤnſchen moͤgen und ihre Angſt wird dann aufs hoͤchſte geſteigert, oft mit Hintanſetzen aller Gefahr für das eigene Leben. Iſt in der Gegend noch nicht auf ſie geſchoſſen worden, ſo verlaſſen die Alten nicht ſogleich die eben erſchoſſenen Jungen; in andern ergreifen ſie aber nach ſolchem Vorfall, unter klagendem Geſchrei, ſogleich die Flucht. F e i en Die Die Rohr- und Wieſen-Weihen (Falco rufus und Falco cineraceus) find ihrer Brut ſehr gefährlich, wo fie nicht in hin— laͤnglicher Menge beiſammen niſten; denn wo ihrer genug beiſam— men ſind, greifen ſie den Raͤuber mit vereinten Kraͤften an und ſchlagen ihn auch gewoͤhnlich in die Flucht, was einzelne Paare nicht vermoͤgen. In ihren Eingeweiden hat man eine beſondere Art aus der Gattung Filaria und einige andere Wuͤrmerarten gefunden. Jag d. Es iſt ſchon oben geſagt, daß ihre ſonſtige Zutraulichkeit ſich da gewaltig vermindert, wo man oͤfter nach dieſen Voͤgeln ſchießt. Im Allgemeinen iſt ſie zwar etwas ſcheuer als gewoͤhnlich die folgende Art, doch iſt es noch leicht genug, ſich ihr ſchußrecht zu nähern, wenn man weiß, daß man bei nicht ganz einfaͤltigen Voͤ— geln nie gerade auf ſie zugehen und ſie nicht ſtarr anſehen darf. Sitzend hält jedoch auch dieſe Art ſehr ſelten ſchußrecht aus. Wo ſie kein Neſt oder keine Jungen hat, mag ſie wol vorſichtiger ſein als manche andere, denn ich habe ſie auch in Ungarn hin und wieder ſcheuer als z. B. St. macrura gefunden. Im Fluge iſt ſie leichter zu ſchießen als die ſchwarze Seeſchwalbe, wegen ihres ſtaͤrkern Koͤrpers und weniger wankenden oder verlaͤſſigern Fluges. 188 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 255. Weiß bart. Seeſchw. e eee Ihr Fleiſch ſchmeckt nicht beſonders, und ihre Eier werden auch nicht geſammelt und genoſſen, weil ſie zu klein ſind. Ob ſie den Menſchen durch Vertilgen mancherlei laͤſtigen Ge— ſchoͤpfe nuͤtzlich werde, iſt ſchwer zu behaupten. Sie hilft die un: wirthbaren Suͤmpfe auf eine angenehme Weiſe beleben. Sch, a d e Die wenige Fiſchbrut, welche fie mitunter verzehren, mißgonnt ihnen kein Menſch, und ſonſt thun dieſe huͤbſchen Voͤgel auch nichts was den Menſchen Nachtheil braͤchte. Zu ſatz. Bechſtein beſchreibt in ſeiner gemeinnuͤtzigen Naturgeſch. Deutſchlands, IV. S. 695. ſehr deutlich einen Vogel dieſer Art als das Weibchen der ſchwarzen Meerſchwalbe, ſeiner St. fissipes oder unſrer St. nigra. Er ſagt ausdruͤcklich, daß er welche geſehen habe, die ſo ausſahen, wie er ſie beſchreibt, aber nicht wo ſie ge— ſchoſſen wurden. 286. Die ſchwarze Seeſchwalbe. Sterna nigra. Briss. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. Fig. 2. Altes Weibchen in ebend. Fig. 3. Maͤnnchen im Winterkleide. Fig. 4. Jugendkleid. Kleine ſchwarze Seeſchwalbe; ſchwarze —, ſchwarzkehlige —, ſpaltfuͤßige Meerſchwalbe; ſchwarze —, ſchwaͤrzliche —, dunkle Wafs ſerſchwalbe; ſchwarze Schwalbenmeve; Amſelmeve; ſchwarze Meves Kleinmevchen; kleinſte Meve; klein Muͤbeßlin. Spaltfuß. Brand: vogel; Maivogel; Maivoͤgelchen. Sierna nigra. Brisson, Av. VI. p. 211. n. 11. t. 20. f. 1. — Linn: Faun. Süee. n. 159. 50 — Retzius, Faun, suec. p. 164. n. 125. == Nilson, Orn, süee, II. p. 160- n. 212. = Sterna fissipes. Linn. syst. Edit. XII. I. p. 228. u. 7. Gmel, Linn. I, 2. p. 610. n. 7. — Lath, Ind. II. p. 810. n. 23. = Sterna ob- scura. (9 Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 608. n. 20. == Lath- Ind. II. p. 810. a 25. — Hirondelle de mer a tete noire ou Cachet. Buff. Ois. VIII. p. 342. — Edit, de Deuxp: XVI. p. 75. == La Guifette noire ou L’Epowventail. Buff. Ois. VIII. p. 341. — Edit, de Deuxp. XVI. p. 73. — Id. Pl. enl. 333- = Gerard, Tabl. elem. II. p. 329. = Temminek, Man; 2. Edit. II. p. 749. = Black Tern, — Lesser Sea-Swalow, — and brown Tern. Lath. syn. VI. p. 366. u. 22. and Var, A. and. n. 23. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 323° u. 324. n. 22. 23,24 — Black Tern. Penn. aret. Zool. n. 450. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 486. ». 367. == Bewick, brit. Birds. II. p. 203. (ohne Abbildg.) = Colombino, Mi- gnaitone, Pannelbugio. Stor. deg. Uee. V. tav. 542. et 543. = Mignatiino. Savi. Hrn. tose, III p. 79. = Awarte Metern. Sepp. Nederl, Vog. II. t. p. 131. = 190 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 693 und 697. — Deſſen, Taſchenb. II. S. 381 u. 383. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 461. Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 262. u. 237. — Koch, Baier. Zool. I. S. 367. n. 229. = Brehm, Beitr. III. S. 708. = Deſſen Lehrb. II. S. 695. — Deſſen Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 793 — 795. = Gloger, ſchleſ. Faun. S. 52. u. 230. = Landbeck, Vög. Würtembergs, S. 71. n. 253. = Hornſchuch und Schilling, Verz. pommerſcher Vög. S. 17. n. 222. = v. Homeyer, Vög. Pom⸗ merns. S. 66. n. 213. = Friſch, Vögel. II. Taf. 220. = Naumann's Vögel, alte Ausg. III. S. 194. Taf. XXXVII. Fig. 53. Altes Männchen im Frühling. Fig. 54. Junger Vogel im erſten Winterkleide Jünger Vos. Bunte —, gefleckte Meer: oder Seeſchwalbe; Kirrmeve; Girr— meve; Halbmeve; Scheerke; mevenartige Ralle; graue Ralle. Sterna naevia. Gmel. Linn. syst. I. 2. p. 609. n. 5. = Sterna Boysii, var. A. Lath. Ind, II. p. 806. n. 10. A. = Rallus lariformis. Liun. syst. edit. X. I. p. 153. — Scopoli Ann. I. n. 156. — Uiberſ. v. Günther, 1. S. 125. n. 156, == La Guifette. Buff. Ois. VIII. p. 339. = Edit. de Deuxp. XVI. p. 70. — Id. Pl. enl. 924, — Gerard. Tab, &lem, II. p. 327. = Sandwich-Tern. var A. Lath, syn. VI. p. 358. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. ©. 315. n. 9. var, A. Lesser sea Swalow. Albin Birds. II. t. 90. = Sierna Petto bianco. Stor, deg. Uce, V. tav. 546. — Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 688. — Deſſen Taſchenb. II. S. 379. n. 3. mit einer guten Abbildung. Anmerk. Gewöhnlich zieht man auch Gmelin's Sterna nigra. (Linn. syst. nat, edit. XIII. T. I. P. 2. p. 608. sp. 3.) zu den Synonymen dieſer Art; allein die Worte: pedibus rubris, u. collum et pectus superius nigrum, inferius eum ab domine erisso, alis et cauda album, paſſen nicht auf dieſen, wol aber auf das Sommerkleid des alten Vogels der folgenden Art. Die von Gm. beigefügten Allegate gehören ins deſſen, nur eins vielleicht ausgenommen, zu unſrer St. nigra. Klein n zie iichen der Art Der ſehr ſchlanke Schnabel ſchwarz; der ſchwach gegabelte Schwanz aſchgrauz im Sommer bei den Alten Kopf und Hals ſchieferſchwarz; der Lauf der roͤthlichſchwarzen Füße S bis 9 Linien hoch. Beſchreibung. Die ſchwarze Seeſchwalbe iſt in Deutſchland, d. h. auf dem Feſtlande, die gemeinſte Art der ganzen Gattung. Sie gehoͤrt unter die kleinern Arten, uͤbertrifft an Groͤße die folgende nicht viel, weit auffallender aber die Zwergmeerſchwalbe, beſonders hat ſie viel laͤngere Fluͤgel. Ihr laͤngerer und ſchwaͤcherer, daher ſehr ſchlanker Schnabel macht ſie vor den naͤchſten Verwandten in jedem Kleide XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 191 kenntlich. Im Gefieder des alten Vogels im Sommerkleide iſt die aſchgraue Farbe die herrſchende, der ganze Vogel damit wie uͤber— goſſen, nur am Kopfe in Schwarz, unter den Fluͤgeln in Weiß uͤbergehend, rein weiß nur allein der After und die untern Schwanz: deckfedern, — waͤhrend bei der weißfluͤgligen Seeſchwalbe der ganze Schwanz, auch der Buͤrzel nebſt den obern Deckfedern weiß und die Oberfluͤgel ſo hell gefaͤrbt (weißgrau) ſind, wie bei der ſchwarzen die Unterfluͤgel. Sie moͤchte viel bezeichnender die Aſch— graue heißen, weil ſie nie ſo viel und ſo tiefes Schwarz hat als die Folgende. — Im Winter- wie im Jugendkleide, wo ſie gleich den Familienverwandten an allen untern Theilen, vom Kinn bis zum Schwanze, weiß ausſieht, unterſcheidet fie vorzüglich der ſchwaͤ⸗ chere und viel geſtrecktere Schnabel. Ihr Koͤrper hat ohngefaͤhr die Groͤße des der Haubenlerche (Alauda cristata) oder hoͤchſtens der Rothdroſſelz der große Schnabel, eine viel groͤßere Befiederung, der laͤngere Schwanz und die ſehr langen Fluͤgel geben ihr aber ein ganz anderes Ausſehen und hauptſaͤchlich fliegend eine Größe, in welcher fie jene weit über: trifft, wegen des ungemein leichten Baues aber kaum 4½ Loth wiegt. Sie iſt (ohne Schnabel) 8 bis 9¼ Zoll lang; 26 bis 27 Zoll breit; der Flügel, vom Handgelenk bis zur Spitze, 9¾8 Zoll lang; der Schwanz auſſen 3½ Zoll, in der Mitte 2 Zoll lang. Maͤnnchen und Weibchen ſind in der Groͤße kaum verſchieden. Das Gefieder iſt ungemein zart und ſieht aus, oder fuͤhlt ſich an wie Seide; es iſt am Genick und Nacken nicht verlaͤngert. Die Fluͤgel ſind ſehr groß, aber ſchmal und ſpitzig in hohem Grade, die Schwingfedern, im Vergleich zum uͤbrigen Gefieder, haͤrter, die ſehr langen erſter Ordnung ſaͤbelfoͤrmig gebogen, ſtumpf zugeſpitzt, mit ſehr ſtarken Schaͤften; die ſehr kurzen zweiter Ordnung faſt gleich— breit, mit ſchraͤg nach vorne und etwas bogig abgeſchnittenen En— den, die hinterſten (dritter Ordnung) zugerundet. Der Schwanz iſt nicht lang, beſteht aus 12 weichen, etwas breiten Federn, deren Enden zugerundet, nur das der aͤußerſten ſchraͤg nach auſſen ver— ſchmaͤlert und ſtumpf zugeſpitzt, deren abnehmende Laͤnge nach der Schwanzmitte einen nur 9 bis 10 Linien tiefen Ausſchnitt bilden, weshalb das Schwanzende nur ſeicht gegabelt genannt werden kann. Die untern Schwanzdeckfedern ſind ſo lang, daß das Ende der größten bis an das der mittelſten Schwanzfedern reicht. Die in 192 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. Ruhe liegenden Flügel kreuzen ſich über dem Schwanzende und reichen mit ihren Spitzen gegen 2 bis 23/, Zoll über daſſelbe hinaus. Der Schnabel iſt geſtreckter und ſchlanker als bei allen einhei— miſchen Arten, lang, niedrig, ſehr ſchmal; von der Seite geſehen, der Firſte nach ſehr ſanft und wenig bogenfoͤrmig, dem Kiel nach faft gerade, nur in der Mitte, wo die Kielſpalte aufhört, als ein ſehr ſchwaches Eck uͤber die gerade Linie vorſtehend; von oben ge— ſehen keilfoͤrmig und gegen die Spitze aͤußerſt ſchmal; die Enden beider Theile ſehr ſchlank zugeſpitzt, die Schneiden etwas eingezo— gen; von dem vorderen Ende der großen Naſenhoͤhle laufen ein oder zwei feine Riefchen vorwaͤrts gegen die Schneide; die Mund— winkel bis unter das Auge geſpalten; der Rachen nicht ſehr weit. Das einen kurzen durchſichtigen Ritz vorſtellende Naſenloch oͤffnet ſich wo die Stirnfedern aufhoͤren. Er iſt bei alten Voͤgeln von der Stirn an 13 bis 14½ Linien, vom Mundwinkel 20% Linien lang, an der Wurzel 3 Linien hoch und eben ſo breit. Von Farbe iſt er glaͤnzend ſchwarz, die Mundwinkel mehr oder weniger roth, der Rachen blaßroth, nach vorn und gegen die Zungenſpitze ins Schwaͤrz— liche uͤbergehend; bei den Jungen mattſchwarz, wurzelwaͤrts noch lichter, an den Mundwinkeln und inwendig fleiſchfarbig. Das Auge hat einen tiefbraunen, faſt ſchwarzbraunen Stern, iſt aber bei den Jungen von einem blaſſern Braun. Die Füße find zwar auch klein, doch höher und mit längern Zehen als bei den zuletzt beſchriebenen Arten der vorigen Familie, aber verhaͤltnißmaͤßig ſchwaͤcher als bei der weißbaͤrtigen Sees ſchwalbe. Die Ferſengelenke ſind ſtark, der Unterſchenkel uͤber ihnen nicht hoch hinauf nackt; die Laufe ſchlank; die duͤnnen Zehen ſehr geſtreckt; die Schwimmhaͤute ſehr tief, bis faſt zur Haͤlfte ausge— ſchnitten, was an den innern am auffallendſten wird; die Hinterzeh ſehr klein, etwas über den gemeinſchaftlichen Ballen der Vorder: zehen eingelenkt; ihr weicher Uiberzug auf dem Spann und den Zehenruͤcken grob, uͤbrigens ſehr fein geſchildert, die Schwimmhaͤute ſehr zart genarbt, alle Einſchnitte ganz ſeicht. Die Krallen ſind ſchwach, an den Vorderzehen ſehr geſtreckt, an der mittelſten beſon— ders lang, ſehr duͤnn zugeſpitzt, unten doppelt gerinnt, die innere Schneide, zumal der Mittelzeh, etwas vorſtehend. Sie ſind uͤber der Ferſe noch 2 bis 3 Linien nackt; der Lauf 8 bis 9 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der gute 3 Linien langen Kralle, über 11 Linien die Hinterzeh 3 Linien lang, wovon bei dieſer die Haͤlfte auf die Kralle kommt, XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 193 Die Fuͤße haben eine ſehr dunkele, aber ſonderbare Farbe, ein mattes Schwarz mit ſchwach durchſcheinendem Blutroth, wie fhwarze . Kirſchen, aber matter; die Krallen find ſchwarz. Bei jungen Voͤ— geln ſind die Fuͤße duͤſter rothbraun, bei ſehr jungen roͤthlich grau— braun und viel blaͤſſer; die Krallen braunſchwarz.“ Das Neſtkleid iſt eine dichte Bedeckung von aͤußerſt zarten, ſehr weichen und etwas langen Dunen, an den obern Theilen licht roſtbraͤunlich, braun und ſchwarz gefleckt, an den untern weiß. Eine genaue Beſchreibung kann ich nicht geben, weil ich es nicht vor mir habe; aus der Erinnerung iſt mir noch ſo viel gegenwaͤrtig, daß es dem der jungen Wachteln ziemlich aͤhnlich ſahe. Das eigentliche Jugendkleid, ihr erſtes ordentliches Gefieder, ſieht dem Winterkleide der Alten, wenigſtens an den untern Theilen, ſehr aͤhnlich und hat folgende Farben: Stirne und Zuͤgel find weiß, auf dem Vorderſcheitel graulich, weiterhin ſchwarz ges ſchuppt, auf dem Hinterſcheitel in gleichfoͤrmiges Schwarz uͤberge— hend, das ſich uͤber das Genick hinab erſtreckt und ſchmal auf dem obern Nacken endet, waͤhrend ſich ein faſt dreieckiger, großer, eben— falls ſchwarzer Fleck der Ohrbedeckung ſeitwaͤrts anſchließt und ſpitz an den Halsſeiten verlaͤuft; ein ſtarker ſchwarzer Mondfleck ſteht dicht vor dem Auge, deſſen untere Spitze ſich oft noch unter das Auge hinzieht; Kinn, Kehle, Hals, Bruſt, Bauch und die untern Schwanzdeckfedern find rein weiß; an den Seiten des Kropfes ſteht ein dunkel ſchieferfarbiger oder ſchieferſchwarzer Fleck, welcher ſich an die Farbe des Oberruͤckens und der Schultern anſchließt, welche nebſe den mittlern und großen Fluͤgeldeckfedern, desgleichen den hinterſten Schwingfedern, blaͤulich aſchgrau (ziemlich dunkel) ausſehen, braͤun— lich weiße Endkaͤntchen haben und dieſe vom Grauen durch einen roͤthlich dunkelbraunen Halbmond geſchieden werden, wozu ſich at den längften Federn ſpitzewaͤrts noch feine ſchwarze Schaftſtriche ge— ſellen; das Fluͤgelraͤndchen iſt weiß, aber die kleinen Fluͤgeldeckfedern, längs den Unterarmknochen in einem breiten Streife dunkel ſchiefer⸗ farben, faſt ſchwaͤrzlich. Die Schwingfedern ſind aſchgrau, an den weißlich gekanteten Spitzen und die vorderſte auf der ganzen Auf: ſenfahne ſchieferſchwarz, alle mit weißen, ſpitzewaͤrts ins Schwaͤrz— liche uͤbergehenden Schäften und die der erſten Ordnung mit weißer, innwaͤrts verwaſchener Kante längs der Innenfahne; der Unterflügel weiß, an der Spitze dunkelgrau. Unterrücken, Buͤrzel und der Schwanz mit feinen obern Deckfedern find heller blaͤulich aſchgran als der Mantel, die groͤßern Federn, namentlich die des Schwanzes 10r Theil, 13 194 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. mit braͤunlich- oder roſtgelblichweißen Spitzenkanten und die aͤußerſte Feder des letztern mit weißlichem Auſſenſaum. Unter den jungen Voͤgeln dieſer Familie ſind ſie auf dem Mantel am dunkelſten gefaͤrbt. In der Zeichnung giebt es man— cherlei kleine Abweichungen, namentlich iſt die geſchuppte des Man: tels bald dunkler, bald lichter, deutlicher oder undeutlicher, letzteres vorzuͤglich wenn ſie ſchon laͤnger geflogen haben; auch kommen In— dividuen vor, wo ſie mit dem Aſchgrau zuſammenfließt. Das Schwarze am Auge, dem Ohr und den Schlaͤfen, ſo wie der Fleck neben dem Kropfe, zeigen auch manche Verſchiedenheiten, ohne daß dieſe oder jene ein ſtandhaftes Kennzeichen zum Unterſchiede der ver— ſchiedenen Geſchlechter abgaͤben; Maͤnnchen oder Weibchen ſind naͤmlich im Jugendkleide ohne Huͤlfe der Zergliederung nicht zu erkennen. Dem Herbſt- oder Winterkleide, welches im Allgemeinen dem Jugendkleide ſehr aͤhnlich iſt, fehlen hauptſaͤchlich jene braunen Doppelkanten an den Federenden der Mantelpartie; es unterſcheidet ſich aber auch noch am Kopfe und anderwaͤrts, wenn gleich weniger in die Augen fallend. — Der Schnabel iſt ganz ſchwarz, die Fuͤße ſind matt roͤthlich ſchwarz; vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Mond— fleckchen, kleiner als bei jenen; die Stirn bis zum Scheitel hinauf, Zuͤgel und Augenbrauen, Schlaͤfe, Ohrgegend, Kinn, Kehle, Gurgel, Halsſeiten und alle untern Theile bis zum Schwanz ſind rein weiß; den Scheitel, das Genick und den obern Nacken, auf dieſem ſpitz auslaufend, deckt eine tiefſchwarze Platte; an der Seite des Kropfes ſteht ein blaͤulichaſchgrauer Fleck, welcher ſich dem ebenſo gefaͤrbten Oberruͤcken und den Schultern anſchließt, auch der ganze Oberfluͤgel, bis auf ein ſchmales weißes Fluͤgelraͤndchen, iſt von dieſer angeneh— men Farbe; die erſte große Schwingfeder auf der Auſſenfahne ſchie— ferſchwarz, die andern alle ſchiefergrau, hell aſchgrau uͤberpudert; die Innenfahnen laͤngs den weißen, ſpitzewaͤrts braͤunlichen und endlich ſchwaͤrzlichen Schaͤften in einem breiten Streifen dunkler ſchiefergrau und von dieſen allmaͤhlich in die weiße Innenkante uͤbergehend, die Schwingfedern zweiter Ordnung, desgleichen die Fittichdeckfedern rein aſchgrau, von erſteren die mittlern mit einem feinen weißen Endſaͤumchen; der Unterfluͤgel nur am vordern Rande weiß, uͤbri— gens weißgrau, gegen die Spitze ſilbergrau, laͤngs den ganz weißen Schaͤften der groͤßten Schwingfedern mit dem durchſcheinenden dun— keln Streif von oben. Unterruͤcken, Buͤrzel, die obern Deckfedern des Schwanzes und dieſer ſelbſt ſind hell blaͤulichaſchgrau, lichter XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 256. Schwarze Seeſchw. 195 als der Mantel, die aͤußerſte Schwanzfeder mit weißlichem Auſſen— ſaum, dieſe und noch einige mit ganz weißen, die uͤbrigen mit bloß unten weißen, oben grauen Schaͤften; der Schwanz von unten weiß— grau. — Auch in dieſem Kleide find aͤußere und zugleich ſtandhafte Kennzeichen fuͤr die beiden Geſchlechter nicht aufzufinden. Sehr verſchieden von den eben beſchriebenen beiden iſt das Sommer: oder Hochzeitskleid dieſer Art. Es iſt zugleich das Einfachſte von Allen. Rothe Mundwinkel zieren den glaͤnzend ſchwar— zen Schnabel und die Füße haben die Farbe rothſchwarzer Kir ſchen; das tiefſte Schwarz bedeckt von der Stirn an den ganzen Oberkopf, wird an den Kopfſeiten etwas matter, geht allmaͤhlig am Halſe in Schieferſchwarz, das bis an den Anfang des Ruͤckens reicht, am Kropfe aber in dunkle Schieferfarbe uͤber, welche die Bruſt in ihrer ganzen Laͤnge und Breite (bis unter die Fluͤgel und zum An— fang des Bauches) bedeckt; “) die Bekleidung des Unterſchenkels iſt aſchgrau; der eigentliche Bauch bis an die Seiten des Buͤrzels hin— auf, und die untern Schwanzdeckfedern ſchneeweiß; der Oberruͤcken, die Schultern, Fluͤgeldeckfedern und hinterſten Schwingfedern ein— foͤrmig und ſehr ſanft blaͤulichaſchgrau, das Uibrige des Flügels wie im Winterkleide, die großen Schwingen von außen nur etwas dunk— ler, weil der puderartige Uiberzug ſich ſchon ſehr ſtark abgerieben hat; Unterruͤcken, Buͤrzel, Oberſchwanzdecke und der Schwanz hell blaͤulichaſchgrau, lichter als der Mantel, die aͤußerſte Schwanzfeder mit weißlichem Auſſenkaͤntchen. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich in dieſem Kleide beſſer, als in allen andern, denn letzteres hat uͤberall eine lichtere Faͤrbung, ſein Kopf iſt oft nur dunkelſchiefergrau, Hals und Bruſt bloß ſchieferfarbig oder etwas dunkler grau als der Mantel, was, wenn man beide nebeneinander ſtellt, oft ſehr auffallend iſt. So bei den alten, wenigſtens zweijaͤhrigen Voͤgeln. Doch bei juͤn— gern und einjährigen gilt dies nur zum Theil; denn dieſe zeich— nen ſich noch beſonders aus: Sie haben naͤmlich eine mehr oder weniger weißgefleckte Kehle, welche dadurch entſteht, daß die Federn hier im Grunde weiß ſind, und bloß an den Spitzen ſchieferſchwarz oder ſchiefergrau ausſehen. Dieſe weißgefleckte Kehle haben aber — 0-0... „) Nicht anders als „Schieſer farbe (beiler ober dunkler bis zum Schieſer⸗ ſchwarz)“ darf dieſe Farbe genannt werden. Dagegen giebt „Rußſchwarz, Ruß⸗ oder gar Rauchfarvig,“ wie ſie mehr als ein Schriftſteller bezeichnete, einen ganz unrichtigen Begriff von ihr; fie müßte dann ins Braune fallen, was aber uie der Fall iſt. 13 * 196 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. nicht bloß die Weibchen, oder eben ſo wenig bloß die Maͤnnchen, wie man das eine oder das andere ſonſt wol behauptet hat, ſon— dern alle juͤngern Voͤgel beiderlei Geſchlechts; weshalb denn auch die, an welchen keine weißen Flecke an der Kehle durch die dunkele Farbe hervorleuchten, weit ſeltner als ſolche mit ihnen ſind. Im Sommer wird das Gefieder wenig ſchlechter und die Farben wenig bleicher, bloß an den großen Schwingfedern bemerkt man, daß jener zarte hellaſchgraue Uiberzug nicht mehr vollkommen da, beſonders an den aͤußern Kanten faſt ganz abgerieben iſt, wes— halb die Fluͤgelſpitze dunkler erſcheint. Die Mauſer beginnt bei manchen der Alten ſchon mit Anfang des Juli, geht waͤhrend ihres Fortzuges von uns nur langſam von Statten, faͤngt am Kopfe zuerſt an, ruͤckt dann an den untern Thei— len, dann auf dem Ruͤcken vor, die Schwing- und Schwanzfedern ſind aber nicht die letzten, ſie fallen in Zwiſchenzeiten nur einzeln und ſo langſam nacheinander aus, daß ein junges Federpaar bei— nahe ſchon feine gehörige Länge erreicht hat, ehe ein anderes aus: faͤllt u. ſ. w. Wenn ſie die letztern wechſeln, haben ſie gewöhnlich unſer Land ſchon verlaſſen, weshalb wir hier eine rein vermauſerte Seeſchwalbe dieſer Art nicht erhalten. Nur ſolche koͤnnen bei uns vorkommen, an welchen die Mauſer im kleinen Gefieder bereits ſo— weit vorgeruͤckt iſt, daß die meiſten Federn durch neue erſetzt ſind und das anders gefaͤrbte Winterkleid deutlich zu erkennen iſt. In Ungarn, namentlich gegen die ſuͤdlichen Grenzen Slavoniens, ſahe ich ſie in der letzten Woche des Auguſt und in der erſten des Sep— tember allenthalben noch in ſo unſaͤglicher Menge, daß ich vermu— then durfte, dies ſeien meiſtens Durchwandernde aus noͤrdlichen Ge— genden; ſie ſtanden alle in voller Mauſer und viele zeigten Luͤcken zwiſchen Flügel: und Schwanzfedern; ihr Federwechſel war um Vie— les weiter vorgeruͤckt als wir dies in Norddeutſchland je bei ei— nem Individuum ſehen, und es war ein Leichtes ſich ſo viele zu ver— ſchaffen, bei denen die Mauſer bis auf wenige Schwing- oder Schwanzfedern vollendet war, als man nur wollte. Dagegen wa— ren an den meiſten diesjährigen Jungen um jene Zeit nur erſt ges ringe Spuren des beginnenden Wechſels ihres kleinen Gefieders zu bemerken; ſie mauſern alſo viel ſpaͤter und erhalten ihr vollſtaͤndi— ges a Winterkleid in den fernen Gegenden ihres Winter— aufenthalts, worin ihnen die Schwing- und Schwanzfedern bleiben, die ſie uͤberhaupt erſt nach einem Jahr wechſeln. — Von der Fruͤh⸗ XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 197 lingsmauſer, die auch noch in ihrer Abweſenheit vor ſich geht, ſe— hen wir bei ihrer Zuruͤckkunft in unſer Land ſelten noch bei Einzel— nen einige Spuren. Mentha. Die ſchwarze Seeſchwalbe iſt ein uͤber viele Theile der Erde verbreiteter Vogel. Auſſer Europa, wo fie aber nirgends bis zum arktiſchen Kreiſe, ſondern bloß bis ins mittlere Schweden hinauf geht, iſt fie faft über ganz Aſien, am haͤufigſten über das gemaͤ— ßigte Sibirien und die Tatarei, bis Perſien und Oſtindien, desgleichen in Amerika, von der Hudſonsbai ab durch alle Theile der noͤrdlichen Haͤlfte und in der andern vom Suͤdpol herauf bis Braſilien verbreitet. Im noͤrdlichen Afrika iſt ſie ebenfalls. In unſerm Erdtheile wird ſie etwa vom 60 Gr. n. Br. ab in allen Laͤndern, weniger an den Meereskuͤſten als vielmehr im Innern je— ner, uͤberall angetroffen, doch mehr in ebenen als in gebirgigen Strichen. Sie iſt hauptſaͤchlich in ſumpfigen Gegenden, nahe oder fern vom Meer, gemein, koͤmmt ſo an den Kuͤſten von ganz Eu— ropa, von der Oſtſee an bis zum ſchwarzen Meere, uͤberall und im Innern der gemaͤßigten Theile ebenfalls in allen waſſerreichen Stri— chen haͤufig vor, und bewohnt manche, wie z. B. Holland und Un— garn, in unſaͤglicher Menge. Auch in England und Daͤne— mark iſt ſie gemein. Deutſchland hat ſie, die waſſerarmen Ge— birgs- und Waldſtrecken ausgenommen, in allen Gegenden, in der Zugzeit ſelbſt an den wenigen Gewaͤſſern der trocknern, in allen nie— drigen und naſſen aber die ganze Zeit ihres Hierſeins, hin und wie— der, in ſehr großer Anzahl. Auch in unſerm Anhalt koͤmmt ſie alljaͤhrlich und an geeigneten Orten ebenfalls in Menge vor- Sie iſt in enormer Anzahl uͤber ſo viele Striche der Erde ver— breitet, daß man ſie unter den uͤbrigen Arten der Meerſchwalben⸗ gattung fuͤr eine der zahlreichſten halten muß. Als Sommervogel koͤmmt auch ſie zu Ende des April oder erſt im Anfange des Mai in unſern Gegenden an und verläßt fie wie: der mit Ende des Juli und im Anfange des Auguſt; einzelne Nach— zuͤgler werden wol noch nach der Mitte dieſes Monats geſehen. Die noch fpäter, aber ſehr ſelten bis Anfangs October vorgekommenen, waren ſtets vereinzelte Jungen einer verſpaͤteten Brut, wie denn überhaupt die Alten wol einen Monat früher als die Jungen weg: 198 VIII. Ordn. LXVII. Gatt, 2386. Schwarze Seeſchw. ziehen. — In den Dftfeeländern kommen fie einen halben Mo⸗ nat ſpaͤter an und ziehen einen halben Monat fruͤher weg; dagegen geſchieht Erſteres in Slavonien einen Monat fruͤher und Letzteres anderthalb Monat ſpaͤter als bei uns. Sehr ſelten macht ſie dieſe Wanderungen vereinzelt, — dies moͤgen zufaͤllig Verſchlagene ſein, — ſondern in kleinern oder groͤßern Geſellſchaften. Bei uns ſieht man ſie in beiden Wanderperioden zu 2, 10 bis 30 Stuͤcken, an andern Orten aber in noch viel groͤßern Fluͤgen, in Ungarn oft zu vielen Hunderten beiſammen auf der Reiſe. Ich ſahe auf der untern Donau Schwaͤrme von ihnen, welche den majeſtaͤtiſchen Strom in ſeiner ganzen Breite und ſo weit das Auge reichte beſtrichen, weil ſie emſig Nahrung ſuchten, zwar nicht dicht flogen, jedoch auf meh— rere Tauſende zu ſchaͤtzen waren, und dies war nicht bloß an einer Stelle, ſondern an unzaͤhligen ſo. Weil ich gerade in der Zugzeit dieſer Voͤgel auf der Donau, von Presburg bis Belgrad, rei— ſete, vom 20. Auguſt bis zum 9. September (mit Unterbrechung) dieſe Schaaren beobachten konnte, ſie von einem Ende jenes großen Landes bis zum andern antraf, auch des Zufliegens und des Fort— ſtroͤmens dieſer Voͤgel nach Suͤden kein Ende ſahe, der Myriaden von andern Sumpf- und Waſſervoͤgeln nicht zu gedenken, ſo wurde meine laͤngſt gehegte Vermuthung, daß die Donau, wegen ihres ſuͤdlichen Laufes, eine der Hauptſtraßen unſerer Zugvoͤgel fein muͤſſe, mir zur völligen Gewißheit. x Sie ziehen theils des Nachts, theils am Tage; hier, wenn fie weit uͤber Land muͤſſen oder eilen, in ſo großer Hoͤhe, daß man ſie kaum noch fieht, in dichten Flügen gerade fort; wenn fie aber über ein Waſſer kommen, das ihnen Nahrungsmittel verſpricht, drehen ſie ſich ſchreiend in Kreiſen und kommen in den herrlichſten Schwen— kungen auf daſſelbe herab, halten ſich Stunden lang daſelbſt auf, ſteigen dann kreiſend wieder zu einer unermeßlichen Hoͤhe und ver— ſchwinden bald den ihnen folgenden Augen des Beobachters, ohne daß dieſer die Richtung ihres Zuges recht wahrnehmen kann. Uiber einer Waſſerſtraße, wie ſie ihnen die Donau bietet, folgen ſie meiſt dem Laufe derſelben und fliegen dort viel niedriger. Ihr Strich iſt unregelmaͤßig, wenn ſie keine Eil haben, und ſie beſuchen dann alle ihnen vorkommende Gewaͤſſer auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit, bleiben ſogar, ſelbſt in der Zugzeit, auf ſolchen, welche ihnen beſonders zu— ſagen, zuweilen einige Tage, kehren auch, ſelbſt einzelne, nachdem ſie geſtoͤrt worden und wegflogen, manchmal des andern Tages wie— der dahin zuruͤck. Etwas ſehr Unregelmaͤßiges zeigen ſie auch darin, XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 199 daß ſie in manchen Jahren Gegenden beſuchen, wo man ſeit vielen Jahren keine geſehen hatte, oder daß ſie aus ſolchen Jahre lang verſchwunden ſchienen, in welchen ſie ſonſt ſehr haͤufig waren. An den Niſtorten zeigt ſich dies noch weit auffallender. Unmittelbar an oder auf dem Meere iſt dieſe Seeſchwalbe nur eine voruͤbergehende und ſeltne Erſcheinung; ſogar wo ſie die Bin— nengewaͤſſer vom Meer umflutheter Inſeln und Halbinſeln bewohnt, vermeidet ſie es ſo viel wie moͤglich, eine bedeutende Strecke uͤber das Meer zu fliegen, gleichſam als fuͤrchtete ſie ſich vor einer ſo großen freien Waſſermaſſe. Auf Pelworm, in der Nordſee, wohnte eine beträchtliche Anzahl ſchwarzer Seeſchwalben auf einem großen, ſumpfigen Binnenwaſſer der Inſel, dicht hinter den Deichen, und dennoch wagte nur hoͤchſt ſelten eine ſolche eine kleine Ausflucht jen— ſeits des Deiches uͤber eine ganz kleine Meeresbucht hinweg, und eilte bald wieder dem Lande und jenem Suͤßwaſſer zu. In Ungarn, wo die Salzwaſſer nicht ſelten, aber anderer Art als das Meerwaſſer ſind, iſt ſie wol auch an ſolchen, doch nicht an denen, welche eine zu aͤrmliche Vegetation und gar zu wenig animaliſches Leben zeigen. Bei uns beſucht dieſe Seeſchwalbe wol in der Zugzeit die Fluͤſſe, wohnt aber nie unmittelbar an denſelben. Ein Anderes iſt es freilich mit ſolchen, welche ſich durch weitlaͤufige Suͤmpfe ziehen, wie z. B. auf großen Strecken die Theiß in Ungarn. Uiberall find Suͤmpfe oder Bruͤcher und Moraͤſte ihre liebſten Aufenthalts: orte und in denſelben, namentlich die groͤßern, vom Pflanzenwuchs freien, tiefmoraſtigen Stellen An Landſeen und großen Teichen, deren Ufer, wenigſtens theilweis, weithin in Sumpf und Moraſt verlaufen, wohnt ſie ebenfalls haͤufig; allein an denen, welchen Stel— len der Art und von bedeutendem Umfange fehlen, iſt fie nur eine voruͤbergehende Erſcheinung. Auf dem Durchzuge beſucht ſie nicht nur alle füßen Gewaͤſſer, ſondern verweilt oft ſelbſt an kleinern Teichen Stunden lang, zumal wenn ſie in einer einſamen Gegend liegen; doch ſcheuet ſie ſich keineswegs, voruͤbergehend, auch zuwei— len an ſolchen einzuſprechen, welche dicht an Doͤrfern und an fre— quenten Wegen liegen, oder an ſolchen, welche zum Theil von Ge— hoͤften umgeben ſind. Solche Beſuche ſind indeſſen etwas ſehr Zu— faͤlliges, ſelbſt in der Zugzeit nicht alle Jahr an demſelben Gewaͤſſer zu erwarten, und zwar darum, weil ihre wirklichen Wohnorte nicht alle Jahr dieſelben ſein koͤnnen, indem in trocknen Jahren viele Bruͤcher ohne Waſſer, in naſſen wieder zu ſehr damit uͤberfuͤllt ſind, und dieſe Seeſchwalben in jenen nicht niſten koͤnnen und in andern 200 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. paſſenden Gegenden ſich Bruͤteplaͤtze ſuchen muͤſſen, in dieſen durch ſtarke Gußregen oft ploͤtzlich um ihre Brut kommen. Nach dieſem letzten Falle ſieht man ſie im weiten Umkreiſe an allerlei Gewaͤſſern heimathslos umherſchwaͤrmen und in Gegenden, wo fie ſonſt zu den ſeltenſten Erſcheinungen gehoͤren. Unſere Bruͤcher ohnweit der Ver— einigung der Saale mit der Elbe geben den Beleg hierzu; dieſe Voͤgel erſcheinen naͤmlich hier alle Fruͤhjahr; finden ſie aber zu we— nig Waſſer vor, ſo verſchwinden ſie fuͤr dies Jahr nach einiger Zeit, ohne zu niſten, gaͤnzlich wieder; iſt mehr Waſſer vorhanden, ſo blei— ben fie da und niſten, bei wenig veraͤnderlichem Waſſerſtande gluͤck— lich, bei ſehr abnehmendem oder plotzlich ſehr anſchwellendem un— gluͤcklich, und hiervon haͤngt dann ihr Erſcheinen oder Nichterſchei— nen an den Gewaͤſſern einer weiten Umgegend ab.) Ganz im Gegenſatz von den Arten der vorigen Meerſchwalben— Familie liebt fie nicht klares, ſondern ſchlammiges Waſſer, nicht Sand- ſondern Schlammboden, ja ſie zieht ſtinkenden Moraſt rei— nem Teichwaſſer vor, und wo ſie an Fluͤſſen weilen muß, geſchieht es nur an den am langſamſten fließenden Stellen, nie an ſolchen, uͤber welche das Waſſer ſchnell dahin rauſcht. Sie wohnt gern in der Nähe von Rohr, Schilf und andern hohen Sumpfpflanzen, wo dieſe zwar in Menge, aber in abgeſonderten Buͤſchen wachſen, das Waſſer nicht ganz bedecken, wo ſtellenweiſe auch niedrigere Arten, von Sparganium, Scirpus, Juncus, Butomus, Carex, Sagittaria, Alisma u. dergl. in kleinern und einzelnern Buͤſcheln ſich uber das Waſſer erheben, wo in groͤßern und kleinern Zwiſchenraͤumen, welche dieſe frei laſſen, die Waſſerflaͤche zum Theil wieder ſchwimmende Pflanzen, aus den Gattungen: Nymphaea, Trapa, Potamogeton, Menyanthes, Hydrocharis, Ranunculus, Polygonum u. dergl. be— decken, in unfern Brüchern auch wo die hohe Sumpfeuphorbie buͤ— ſchelweis in Menge beiſammen waͤchſt und es dazwiſchen nicht an etwas freiern Stellen fehlt. Ihre Lieblingsplaͤtze ſind uͤberhaupt nicht die ganz mit hoͤherm Pflanzenwuchs bedeckten, ſondern die freieſten Stellen und der tiefſte Moraſt, oft begruͤnter ſchwimmender Moor, fuͤr Menſchen daher haͤufigſt unzugaͤnglich. Die ſchwarze Seeſchwalbe liebt die naͤmliche Beſchaffenheit des Waſſers und Sumpfes, welche die Lachmeve (Larus ridibundus) ° Plötzliches Anſchwellen der Flüſſe kann dieſer Art nur dann ſchaden, wenn die von ihr bewohnten ſtehenden Gewäſſer mit jenen in ganz naher Verbindung ſtetzen. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 256. Schwarze Seeſchw. 201 bei einem laͤngern Aufenthalt verlangt und theilt daher haͤufig ihren Wohnſitz mit dieſer. Sie uͤbernachtet mitten im Sumpfe oder auf Teichen ſehr weit von den Ufern, oft in der Naͤhe von Rohr und Schilf, auf kleinen uͤber das Waſſer emporragenden Schlammhuͤgelchen, oder auf altem, vom Winde zuſammengetriebenen Wuſt, oder auf umherſchwimmen— den Schilf- oder Rohrſtengeln. Die verſchiedenen Glieder einer Ge: ſellſchaft bleiben auch hier nahe beiſammen, umſchwaͤrmen nach Son— nenuntergang das Ruheplaͤtzchen, laſſen ſich erſt darauf nieder, wenn es ſchon bedeutend dunkelt, ſind dann die Nacht hindurch ganz ru— hig, und erheben ſich zu den Tagesgeſchaͤften noch vor Sonnenauf— gang wieder. Wo ſie ſich länger aufhalten und nicht heftig geftört werden, bleibt das Plaͤtzchen fuͤr lange Zeit ihre Schlafſtelle. Eigenſchaften. Die ſchwarzgraue Seeſchwalbe tritt, hinſichtlich ihrer Farben, ge: gen andere Arten der Gattung bedeutend zuruͤck, nicht ſo in der Ge— ſtalt, welche eben jene ſchlanken Verhaͤltniſſe zeigt, wobei ihre Fluͤ— gel ſogar noch laͤnger und ſchmaͤler ſcheinen; es genuͤgt dem Geuͤb— ten voͤllig, ſie daran in weiter Ferne von allen Arten der vorigen Familie zu unterſcheiden. Schwieriger iſt es, ſie bloß an der etwas kleinern und ſchlankern Geſtalt, von der vorigen Art, und an der groͤßern und ſchmalfluͤgligern von der folgenden zu unterſcheiden, wenn nicht etwa (wie ich in Ungarn ſahe) alle drei Arten auf dem— ſelben Platze ſich herumtreiben und das Vergleichen dadurch nahe legen, wo dann auch bei alten Sommervoͤgeln die Verſchiedenheit der Faͤrbung der untern Theile ſehr in die Augen faͤllt. Im Sitzen zieht ſie den Nacken ſehr ein, traͤgt den Rumpf wagerecht, die Bruſt noch etwas tiefer und die langen Fluͤgel kreu— zen ſich hoch über dem Schwanze. An den Bruͤteorten ſetzt fie ſich oͤfter, an andern ſeltner, an kleinen Teichen, zumal wo ſie ſich be— merkt glaubt, niemals. Auſſer bei der Nachtruhe, ſitzt ſie nie lange an einer Stelle, bei ſtuͤrmiſcher Witterung gern an ſolchen, wo ſie vor dem Winde etwas geſchuͤtzt iſt, hinter Rohr u. dergl. Ihre Ruheplaͤtzchen ſind ſchwimmende Pflanzenſtengel, alte, vom Winde zuſammengetriebene, oder auch losgeriſſenes gruͤnes Rohr oder Schilf, Stuͤckchen Holz u. dergl., zuweilen die ſchwimmenden grünen Blaͤt— ter der Nymphaͤen u. a., kleine aus dem Waſſer ragende Schlamm— huͤgelchen, oder auch Pfaͤhle und Steine, ſelten das platte Ufer; nur 202 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 256. Schwarze Seeſchw. die Jungen laſſen ſich hier oͤfters nieder. — Sie geht in kleinen Schrittchen, trippelnd und nie uͤber ein paar Fuß weit, auch dies nicht oft, oder nur da, wo ſie mit dem Neſtbau beſchaͤftigt iſt und Materialien dazu aufſucht, wobei ihr Benehmen ganz dem der Schwalben gleicht. — Die Alten ſchwimmen aͤußerſt ſelten und dann nie von der Stelle; die Jungen auch nur im hoͤchſten Noth— fall, z. B. wenn fie im Fluge, noch ungeuͤbt und ermattet, ein fe ſteres Ruheplaͤtzchen nicht erreichen konnten. Die meiſte Zeit ihres Lebens bringt ſie, wie die Schwalben, flie— gend zu und des unablaͤſſigen Herumtreibens ſieht man kein Ende. Ihr Flug iſt ſanfter als der vieler andern Arten, die langen, ſehr ſchmalen Fluͤgel werden gemaͤchlicher geſchwungen, dies aber mit einer ſo zierlichen Leichtigkeit, daß man uͤber die vielſeitigen Wen— dungen, die eben ſo unerwartet als ſchnell ausgefuͤhrt werden, er— ſtaunen muß. Die in weit ausholenden Schlägen geſchwungenen Fluͤgel ſind darin ziemlich ausgeſtreckt, aber der Koͤrper wird von den Fluͤgelſchlaͤgen nur ſehr wenig aus der geraden Linie auf- und niedergedruͤckt; auch iſt in dieſem gemaͤchlichen Fluge, beſonders beim Erſpaͤhen von Nahrungsmitteln, gewoͤhnlich der Schnabel ſenkrecht herabgerichtet, hier jedoch weniger oft und ſelten ſo im rechten Win— kel als bei andern Arten. Uiber dem Waſſer oder Moraſt fliegt ſie gewoͤhnlich ſehr niedrig und in den mannichfaltigſten Abwechslun— gen, ſchneller, langſamer, bogenfoͤrmig aufſteigend, ſenkend, ſich uͤber— ſchlagend, bald ungemein ſchwankend, bald ſtaͤtiger u. |. w. Sich ruͤttelnd an einer Stelle in der Luft erhalten, haͤlt ſie laͤnger aus als irgend eine andere Art. Sie ſchwebt auch ſchoͤn, ſteigt in Krei— ſen himmelan, wenn ſie den Ort verlaſſen will, oder ſchwebt in Schraubenlinien aus den Wolken herab, wo ſie an ein Gewaͤſſer herab will. Nur wenn ſie ſehr eilt wird der vordere Theil der Flügel faft parallel mit Rumpfe und Schwanze gehalten, die Fluͤ— gel haſtiger und gleichmaͤßiger geſchwungen; dann wird ihr Flug auch reißend ſchnell, geht aber gewoͤhnlich ſo hoch in den Luͤften fort, daß nur ein ſcharfes Auge ihr noch eine kurze Strecke zu fol— gen vermag. Starker Wind macht dem leichtgebaueten Geſchoͤpf viel zu ſchaffen und ſie bekaͤmpft ihn mit ſichtlicher Anſtrengung. Rauhe Witterung und Regenwetter ſind ihr zuwider und machen ſie ſehr niedergeſchlagen; dagegen iſt ſie bei ſchoͤnem heitern Him— mel deſto munterer, und es zeigt wol ein beſonderes Wohlbehagen an, wenn dann eine beim Niederlaſſen auf ein Ruheplaͤtzchen ihre XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 203 Fluͤgel noch ein paar Augenblicke ſenkrecht in die Hohe haͤlt, ehe ſie ſie zuſammenfaltet und an den Leib ſchmiegt. Unruhig und lebensthaͤtig iſt unſere ſchwarzgraue Seeſchwalbe im hoͤchſten Grade; immerwaͤhrend fliegt ſie hin und her, auf und ab; ſelbſt bei ſcheinbarem Uiberfluß an Lebensmitteln goͤnnt ſie ſich am Tage ſelten und nur auf Augenblicke Ruhe. Sie iſt dabei, wo ſie noch keine Nachſtellungen erfuhr, hoͤchſt zutraulich, harmlos und treibt ihren Verkehr ohne alle Furcht oft ganz in der Naͤhe der Menſchen. Wo ſie ſo haͤufig iſt und man ſich ſo wenig um ſie kuͤmmert, wie in Ungarn, grenzt ihre Zutraulichkeit wirklich an Ein— falt; wenige Schritte von am oder im Waſſer beſchaͤftigten Men— ſchen holt ſie ſich die Nahrungsmittel aus jenem. Durch ſcharfes Beobachten wird ſie freilich ſchon aufmerkſam, durch wirkliche Ver— folgung mißtrauiſcher, und dies ſind uͤberhaupt alle an ungewoͤhn— lichen Orten zufaͤllig vorkommende, ſcheu koͤnnen jedoch auch dieſe nicht genannt werden. Groß iſt ihr Hang zur Geſelligkeit, doch nicht gegen andere Vogelarten, ſondern bloß gegen die eigene. Nur widrige Zufälle moͤgen ſie hin und wieder vereinzeln; ſonſt koͤmmt ein einzelnes Paar ſchon nicht oft vor, weil fie gewöhnlich in mehreren, ja oft bei Hunderten zuſammen leben und auf dem Zuge nach und nach ſich Tauſende zu einer Schaar vereinigen. Voruͤbergehende Necke— reien abgerechnet, leben ſolche in beſter Eintracht und bezeigen ihren Schmerz, wenn einem Gliede der Geſellſchaft ein Ungluͤck trifft, durch aͤngſtliches Schreien und Flattern dicht uͤber demſelben. Ein aus der Luft herabgeſchoſſener Gefaͤhrte wird auf dieſe Weiſe beklagt und erſt nachdem dies geſchehen, entfernen ſich die Uibrigen, wenn ſie weit weg wollen, in Kreiſen hoch in die Luͤfte ſteigend und dann fostftreichend, Wenn ein weitlaͤufiger Moraſt von einer größern oder kleinern Geſellſchaft dieſer Voͤgel bewohnt wird, ſo draͤngt dieſe ſich doch nur auf einen kleinen Raum zuſammen um da zu niſten, und wenn ſie von dieſem Mittelpunkte ihres regſten Lebens Aus— fluͤchte in andere Theile des Sumpfes oder nach benachbarten Ge— waͤſſern macht, ſo unternehmen ſolche nie Einzelne, ſondern Viele beiſammen, doch ſelten der ganze Schwarm zugleich. Mit andern Meerſchwalben machen ſie nie gemeinſchaftliche Sache, ausgenom— men mit den naͤchſtverwandten, der vorhergehenden und folgenden Art, und es kommen aus allen dreien gemiſchte Fluͤge vor. Mit den Lachmeven halten ſie, obgleich dieſe oft in ihrer Naͤhe woh— nen, keine Gemeinſchaft. Noch gleichguͤltiger find fie gegen fie um: 204 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 256. Schwarze Seeſchw. gebende Sumpf- und Waſſervoͤgel aus andern Gattungen. Sie ſind friedliebend und feige. Ich habe nie geſehen, daß ſie ſich ge— gen einen anderartigen Vogel feindſelig benommen haͤtten, wol aber daß muthwillige Kibitze im Fluge, wie zur Beluſtigung, nach ih— nen fließen, was ſogar von Haus- und Uferſchwalben, denen ſie ſich jedoch gewoͤhnlich widerſetzen, recht oft geſchieht, wobei ſie dann ungewoͤhnlich viel ſchreien. Laͤßt ſich ein Raubvogel blicken, welchen ſie mehr ihrer Brut als des eigenen Lebens wegen zu fuͤrch— ten haben, z. B. aus der Familie der Weihen, oder auch der Kraͤhen, ſo verfolgt ihn der ganze Schwarm, ſchreiend und nach ihm ſtechend, bis weit uͤber ihren Niſtbezirk hinaus; iſt er aber aus der der Edelfalken oder Habichte, ſo ergreifen ſie ſtillſchweigend und ſchleunigſt die Flucht, d. h. ſie beeilen ſich, jenem die Hoͤhe ab— zugewinnen und ſteigen in Kreiſen ungemein ſchnell bis zu einer ſolchen hinauf, daß ſie dem menſchlichen Auge entſchwinden. Ihre Stimme gehoͤrt unter die weniger unangenehm klingen— den, iſt auch, wie die Gemuͤthart des Vogels, ſanfter als bei den meiſten Arten der Gattung, kann jedoch, wo man ſie haͤufig in der Naͤhe hoͤren muß, darum laͤſtig werden, weil ſie wie ein ſanftes Klagen und Wimmern klingt, woher der Name: Wimmer- oder Girr-Meve. Die Geſellſchaften unterhalten ſich haͤufig mit einem weichen, kurzen, von Einzelnen jedoch nur ſparſam oder in langen Intervallen ausgeſtoßenen Gick oder Gik, und einem girrenden Kier oder Kirr. Letzteres hat mit einem der St. macrura nicht geringe Aehnlichkeit, klingt jedoch noch zarter. Dieſes Girren hoͤrt man am meiſten von jungen Voͤgeln, zumal ſo lange ſie noch ihr Futter von den Alten erhalten und deshalb dieſen beſtaͤndig folgen. Vereinzelte Alte, beſonders wo fie nicht heimiſch find, werden felten laut, auſſer bei Ankunft oder Abgange von einem ihrer Beſuchsorte, wo dann gewoͤhnlich auch ihr eigentlicher Lockruf ertoͤnt, welcher meerſchwalbenartig und langgedehnt, doch nicht fo kreiſchend als bei andern, wie Kliiaͤh klingt und um ſo laͤnger gedehnt wird, je mehr er Eindruck auf die Kameraden machen fol. Wenn man die- ſen Ruf in einem mit dem Aufſuchen ſeiner Nahrung beſchaͤftigten Fluge vernimmt, fo iſt er gewoͤhnlich das Zeichen zum Aufbruche deſſelben. Auch in Angſt und Noth, fo von Fluͤgellahmgeſchoſſenen, wird er gewoͤhnlich ausgerufen. Die Jungen piepen anfaͤnglich; dies geht aber bald in einen wimmernden Ton und zuletzt in je- nes Girren uͤber. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 205 Mach un g Die ſchwarzgraue Seeſchwalbe naͤhrt ſich hauptſaͤchlich von Waſſerinſekten und den Larven derſelben, zum Theil auch von Land— inſekten, ſeltner von kleinen Fiſchen, kleinen Froͤſchchen, jungen Froſch— larven und Regenwuͤrmern. Wo es Waſſerinſekten genug giebt, gnuͤgen ihr dieſe allein; daher findet man dieſe auch am gewoͤhnlichſten bei der Oeffnung des Magens oder Schlundes Getoͤdteter. Daß ſie aber auch alle übrigen der ebengenannten Geſchoͤpfe zu manchen Zeiten nicht ver— ſchmaͤhet, haben uns langjaͤhrige genaue Beobachtungen und die Sectionen vieler dieſer Voͤgel ebenfalls zuverlaͤſſig dargethan. Unaufhoͤrlich ſchwingt fie ſich, gewöhnlich nur wenige Fuß hoch, uͤber dem Waſſer oder Moraſte hin und her, den ſpaͤhenden Blick auf das fluͤſſige Element herab gerichtet, um ſich, bei Entdeckung eines oben oder doch ganz flach ſchwimmenden Inſektes blitzſchnell darauf zu ſtuͤrzen, es zu ergreifen und zu verſchlucken. Gewahrt ſie, wie bei truͤber Witterung haͤufig, ein zu tief im Waſſer gehen— des, fo hält fie in einem kleinen aufſteigenden Bogen ploͤtzlich an, ruͤttelt einſtweilen über demſelben, bis es ſich der Oberflaͤche genaͤ— hert hat und ſtuͤrzt ſich jetzt auf daſſelbe, oder giebt es auf und fliegt weiter, weil es vermuthlich tiefer ging. Da ſich alle dieſe Ge— ſchoͤpfe langſamer bewegen als Fiſche, ſo wird das oͤftere oder meiſt ungleich laͤnger anhaltende Ruͤtteln bei dieſen Seeſchwalben begreif— lich, wenn man ſie hierin mit den ſich von Fiſchen naͤhrenden Ar— ten der Gattung vergleicht. Bei den im Waſſer lebenden groͤßern Inſektenlarven, koͤmmt den Seeſchwalben das oͤftere Athemholen je: ner an der Oberflaͤche des Waſſers ſehr zu Statten; die Larven der Schwimm- und Waſſerkaͤfer, der Libellen, Hafte und vieler andern, auch die rattenſchwaͤnzigen Larven mancher Fliegen (Helophila) ſind daher namentlich eine Hauptnahrung dieſer Voͤgel. Auſſerdem neh— men fie auch auf der Oberflaͤche ſchwimmende, z. B. Drehkaͤfer, Waſſerſpinnen (Hydrachna), Schwimmwanzen (Hydrometra), und alle Arten von Inſekten, welche zufaͤllig ins Waſſer fielen, ſogar Maikaͤfer heben ſie begierig auf, wobei ſie in einem kurzen Bogen auf das Waſſer ſchießen und beim Ergreifen jener nicht viel mehr als den Schnabel benetzen, bei den untertauchenden dagegen ſich platt aufs Waſſer werfen, aber auch nicht viel weiter als bis 206 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. an die Fluͤgel eintauchen. Die an Sumpfpflanzen, Graͤſern und Ge— treidehalmen ſitzenden Libellen, Waſſerjungfern, Hafte, Phryganeen und, auf Wieſen und nahen Aeckern auch Heuſchrecken, Schnaken, Flie— gen, Spinnen und viele andere nehmen ſie im Fluge hinweg, koͤnnen aber kein fliegendes Inſekt fangen. Ganz kleine Fiſche, ſelbſt kleine Froſchlarven, koͤnnen ſie nur da zuweilen fangen, wo ſolche auf den Schlamm in ganz kleine Pfuͤtz— chen gerathen find, nie in tieferm Waſſer. Ganz junge Waſſer— froͤſchchen erwiſchen fie dagegen meiſt auf dem Lande, nahe am Waſſer, wo ihnen dieſe oft durch Forthuͤpfen zu entkommen ſuchen, ſie ihnen aber, poſſierlich genug, manchmal halb fliegend, halb lau— fend nachſetzen. So oft koͤmmt dies jedoch hier nicht vor als bei der vorigen Art, aber daß es, beſonders an Tagen, wo der Inſek— tenfang ſchlecht geht, vorkoͤmmt, ſahe ich bei dieſer wie bei jener; auch H. Juſt (ſ. d. Beobachtungen S. 72.) fand im Schlunde einer geſchoſſenen Seeſchwalbe dieſer Art einen kleinen Froſch. Das Hinabwuͤrgen eines ſolchen, wenn auch ſehr kleinen, geht bei ihnen nicht ohne einige Anſtrengung vor ſich. Am fruͤhen Morgen, beſonders wenn ſie Junge haben, ſuchen ſie die nahen Raſenplaͤtze und Viehtriften, bei naßkalter Witterung auch nahe Brachaͤcker nach Regenwuͤrmern ab. Es iſt ſchon in ei— nigen der vorigen Beſchreibungen erwähnt, daß man ſehr irrt, wenn man meint, daß Meer- oder Seeſchwalben nichts Lebendes vom fe— ſten Boden aufnehmen koͤnnten, oder wenn man meint, ſie muͤßten es dabei eben ſo machen, wie wenn ſie Etwas vom oder aus dem Waſſer holten. Sie flattern dort ſuchend und niedrig uͤber dem Erdboden hin und her, wie zu andern Zeiten uͤber dem Waſſer, fegen ſich, ſobald fie einen Wurm (oder auch Käfer u. dergl.) er— blicken, ſchnell neben ihn nieder, ergreifen ihn in demſelben Augen— N blicke und find eben fo ſchnell wieder im Fluge. Sie machen es alſo ohngefaͤhr ebenſo wie Wuͤrger, Kuckuke, Fliegenfaͤnger u. a. m., welche die Inſekten auf dem Erdboden auch nicht laufend oder huͤ— | pfend aufſuchen u. ſ. w. Bechſtein hatte alſo Recht, Brehm (ſ. d. Beitraͤge, III. S. 721.) Unrecht. Da man dieſe Seeſchwalben faſt den ganzen Tag, vom fruͤhen Morgen bis zum ſpaͤten Abend, in immer gleicher Emſigkeit, mit dem Aufſuchen ihrer Nahrungsmittel beſchaͤftigt und beſtaͤndig Et— was fangen ſieht, ſo muͤſſen ſie arge Freſſer ſein und ſchnell ver— dauen, ſelbſt wenn ſie von lauter kleinen Inſekten lebten. Sie ſind XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 207 daher auch meiſtens wohlbeleibt, im Spaͤtſommer oft fett, koͤnnen aber auch, wie man an Gefangenen ſahe, Hunger nicht lange ertragen. Fortpflanzung. Unſere ſchwarzgraue Seeſchwalbe bewohnt auch in Deutſch— land zur Fortpflanzungszeit eine Menge großer Teiche und Land— ſeen, vornehmlich aber großer Brüder, und in dieſen die Platze, welche das meiſte freie Waſſer und den tiefſten Moraſt haben, dort die Ufer, an welche tiefer Sumpf grenzt. Sumpf und Moraſt ver— langt ſie durchaus. Wo daher dieſer fehlt, wo Seen oder Teiche trockene und kahle Ufer haben, wie dies auch an Fluͤſſen gewoͤhn— lich iſt, da weilt, um zu niſten, nie eine. Sehr oft theilt ſie den Bruͤteort mit den Lachmeven, doch nicht buchſtaͤblich genommen, weil beide Arten zwar eine gleiche Beſchaffenheit des Sumpfes lie— ben, ihre Schwaͤrme auch nahe bei einander niſten, jedoch jede ihren beſondern Bruͤteplatz hat und nicht zwiſchen der andern niſtet. — Fuͤr Menſchen ſchwer zugaͤngliche, auch vom Vieh vermiedene Stel— len ſind ihnen die liebſten, denn ſie beziehen, unter guͤnſtigen Um— ſtaͤnden, ſolche alle Jahr wieder, und die Zahl der daſelbſt niſtenden Paͤaͤrchen richtet ſich gewoͤhnlich nach dem Umfange der uͤbrigen naſſen Umgebungen. So trifft man an Teichen mit wenigem Sumpf nie ſehr viele beiſammen, in groͤßern Bruͤchern oft Stellen mit 20 bis 40, oder noch viel mehrern Paaren beſetzt und, wo es die Weite des Sumpfes geſtattet, auch mehrere ſolcher Bruͤteplaͤtze in nicht ſehr großer Entfernung von einander. Immer niſtet ſie in Geſellſchaft ſehr vieler oder doch mehrerer Paͤaͤrchen ihrer Art, und ſo viele ich dieſer Bruͤteplaͤtze geſehen, war der kleinſte (an einem Teiche dicht neben dem Eisleber-Salzſee) nur mit 5, in einem Jahr auch nur mit 3 Paaren beſetzt. Ein einſam niſtendes einzelnes Paar habe ich nirgends angetroffen, doch erwähnt Brehm (f. d. | Beitr. III. S. 722) eines ſolchen; dieſer Fall muß deshalb zu den ſeltenſten Ausnahmen gezaͤhlt werden. Der Platz, welcher die Neſter eines Vereines enthaͤlt, hat nie einen großen Umfang und die einzelnen Neſter ſtehen nur wenige Fuß von einander entfernt. Ihr Standort iſt hoͤchſt verſchiedenartig, | in einem ſolchen Vereine aber gewöhnlich bei jedem Neſte ein ähne licher. Er richtet ſich nach der Oertlichkeit und iſt am gewöhnlich: 208 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286, Schwarze Seeſchw. ſten der naſſe Boden, entweder in Gruppen aus dem Waſſer auf— tauchender, kleiner, gruͤner Schlammhuͤgelchen, oder ganz niedriger, kleiner, nahe bei einander ſtehender Gras- oder Seggenkufen, oder die ſchwimmenden Inſelchen aus vom Winde zuſammengetriebenen alten Wuſtes von vorjaͤhrigem Schilf und Rohr, oder ſolche Plaͤtze, wo die Ranken und Blaͤtter der Waſſernuͤſſe (Trapa natans) das Waſſer ſo dick bedecken, daß ſie ſtellenweiſe ſchwimmende Inſeln dar— ſtellen, oder auch wo die Blaͤtter der Nymphaͤen die Flaͤche hierzu dicht genug bedecken, um die Neſter u. ſ. w. dieſes leichtgebaueten Gefluͤgels tragen zu koͤnnen. Solche Plaͤtze waͤhlen ſie nie in der Naͤhe feſter Ufer, in Bruͤchern liegen ſie dagegen faſt immer ſehr entfernt von dieſen, und die naͤchſten Umgebungen der Neſtſtellen be— ſtehen gewoͤhnlich in dem tiefſten, oft unzugaͤnglichen Moraſt, in bo— denloſem Sumpfe, meiſt in der Naͤhe von groͤßern Buͤſchen der Waſſerbinſen (Scirpus lacustris und Butomus umbellatus) von man: cherlei Schilfarten, von Rohr und anderem hohen Geſtruͤpp, oder auf freien Stellen zwiſchen zuſammenhaͤngendern Buͤſchen von die— fen und andern hohen Sumpfpflanzen. Den Platz, welchen ſich ein Schwarm einmal fuͤr dieſen Som— mer zum Niſten auserwaͤhlt hat, verlaͤßt er auch bei bedeutenden Umwandlungen nicht leicht und richtet ſich dabei mit dem Neſtbau nach den obwaltenden Umſtaͤnden, wenigſtens vertreibt ihn nicht leicht zu vieles Waſſer, eher eine zu große Abnahme deſſelben in Folge zu anhaltend trockner Witterung. Die Neſter ſchwimmen oft oder ſind doch ſo wenig uͤber dem Waſſerſpiegel erhaben, daß ſie bei jedem ſtarken Gußregen und ploͤtzlichem Steigen des Waſſers in Gefahr kommen, vernichtet zu werden. Geſchiehet dieſes und bleibt der Waſſerſtand fortwaͤhrend hoͤher als fruͤher, ſo bauen ſie ſich, wenn die Jahreszeit noch nicht zu weit vorgeruͤckt iſt, an hoͤhern Orten, aber immer nahe bei den erſten Stellen an, naͤmlich ſie druͤcken dann die Blätter dieſer Schilfbuͤſchel oben nieder und gewinnen fo, wo ſich die Blaͤtterſpitzen durchkreuzen, Staͤnde fuͤr die Neſter, ſogar die doldenartigen Buͤſchel der großen Sumpfwolfsmilch (Euphorbia palustris) wiſſen fie fo einzuknicken, daß fie die Neſter tragen, welche dann, hier wie dort, zwiſchen 1 und 2 Fuß uͤber der Waſſerflaͤche ſchweben; aber auch hier ſtehen alle eines Vereines ſtets nahe bei einander. Noch wunderlicher bauen ſie manchmal ihre Neſter auf dicht ſtehendes hohes Rohr (Arundo phragmitis), wo ſie durch Nie— derbiegen und Einknicken der Spitzen deſſelben ebenfalls Stellen fuͤr XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 209 ihre Neſter anzufertigen wiſſen, die dann zuweilen 4 bis 5 Fuß uͤber dem Waſſer ſchweben, von keiner Uiberſchwemmung erreicht, dage— gen aber nicht ſelten von Stuͤrmen herabgeworfen werden. Zuwei— len kommen in einem Verein auch beide Bauarten vor; wenn naͤm— lich die niedrigen Stellen nicht fuͤr alle Paͤaͤrchen ausreichen, nehmen die uͤbrigen, um ſich nicht von der Geſellſchaft trennen zu muͤſſen, dicht daneben, lieber zu dem muͤhſameren hohen Bau ihre Zuflucht. — Auch in Ungarn hoͤrte ich davon ſprechen, daß ſie bei zu hohem Waſſerſtande in den Suͤmpfen ihre Neſter auf dichtes Weidenge— buͤſch und anderes hohes Geſtruͤpp machten. Hierdurch ſchließen ſie ſich an die Noddis in Auſtralien an, die ſogar 1 5 auf Palmen und andern hohen Baͤumen niſten En Beim Bauen ihrer Nefter find fie ungemein gefchäftig, mit den niedrigen auch bald fertig, wogegen ihnen aber die Einrichtung der Stellen fuͤr die hoͤhern deſto mehr zu ſchaffen macht, weil das ge— ringe Gewicht ihres Koͤrpers nicht Druck genug giebt und zum Ein— knicken der Pflanzenſtengel oft auch der Schnabel zu Huͤlfe genom— men werden muß. Dann iſt zu dieſen auch immer mehr und dabei groͤberes Material verwendet als zu jenen, manchmal faſt zwei Haͤnde voll, zuerſt trockene Rohrblaͤtter und Stuͤckchen Schilf, dann duͤrre Grashaͤlmchen, Theile von Rohrrispen und allerlei kleinere trockene Pflanzentheile, wogegen bei den niedrig ſtehenden Neſtern viele vor— kommen, welche nur aus wenigen trocknen Grashalmen, Wurzelchen u. dergl. beſtehen. Obgleich bei den beſſer gebaueten die Materia— lien etwas ſorgfaͤltiger in die Runde gelegt ſind, ſo ſieht man doch keins, was ein Geflecht von einigem Zuſammenhange bildete, und die Vertiefung, worin die Eier liegen, iſt nur ganz flach, auch kei— neswegs kuͤnſtlich gerundet. Beim Zuſammentragen der Materialien, welche ſie in moͤglichſter Naͤhe zuſammenleſen, benehmen ſie ſich ganz wie Schwalben, heben manche vom Waſſer auf wie wenn ſie ein Inſekt fingen, die meiſten indeſſen vom Lande, waͤhrend ſie ſich einen Augenblick daneben niederlaſſen, ſeltner auch ein Wenig her— umtrippeln und zu Fuß darnach ſuchen oder unter einer Menge auswaͤhlen. Ihr erſtes Gelege machen ſie nie vor Anfang des Juni; geht es ihnen zu Grunde, ſo machen ſie wol noch ein zweites, den Um— ſtaͤnden nach an demſelben oder an einem andern, oft weit entlege— nen Orte, ſo daß manche Vereine auch Anfangs Juli noch beim Eierlegen und Bruͤten angetroffen werden. Dies darf jedoch nicht 108 Theil. 14 210 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. der Vermuthung von einer regelmaͤßig zweimaligen Brut in einer Fortpflanzungsperiode Raum geben, weil zu erwaͤgen iſt, daß die Jungen dieſer und anderer Meer- oder Seeſchwalben der aͤlter— lichen Pflege ſehr lange Zeit bedürfen, daher die Alten, ſelbſt bei durchaus gluͤcklicher Brut, auch mit einem Gehecke bis zu ihrem Weg: zuge beſchaͤftigt ſind. Die Eier, deren man gewoͤhnlich 3, ſeltner nur 2, aber noch ſeltner 4, in einem Neſte antrifft, haben ſtets eine etwas kurze und häufig eine ſtarkbauchichte Eiform, die meiſten find am dicken Ende kurz abgerundet, am entgegengeſetzten gewoͤlbt und ſtumpf zugeſpitzt, wobei die groͤßte Bauchwoͤlbung der Mitte nahe liegt; ſchlankere, von aͤchter Eigeſtalt, kommen ſelten vor, ebenſo ſolche von etwas kreiſelfoͤrmiger Geſtalt. Sie find 15 bis 17 Linien lang und II bis 13 Linien breit, haben eine zarte Schale von ſehr feinem Korn, aber keinen Glanz. Ihre Farbe iſt eine etwas duͤſtere, der Grund ein ſehr blaſſes Olivenbraun, bald ins Olivengelbe, bald ins Oli— vengruͤne uͤbergehend, an ſich immer nur bleich, aber durch viele braungraue und graubraune Schalenflecke, die bald groͤßer, bald kleiner, zum Theil ſehr verduͤſtert und auf der Oberflaͤche mit zahl— reichen, vielgeſtaltigen Flecken, Tuͤpfeln und Punkten beſtreuet, von einer theils roͤthlichdunkelbraunen, theils braunſchwarzen Farbe, und dieſe Zeichnungen, bald und zum Theil recht klar, bald verwiſchter dargeſtellt, ſind oft uͤber die ganze Flaͤche ziemlich gleichmaͤßig ver— theilt, doch am gewoͤhnlichſten an beiden Enden nur ſparſam, aber auf der ſtaͤrkſten Bauchwoͤlbung, oder dem ſtumpfen Ende noch naͤ— her, in einen großen, dicken Fleckenkranz zuſammengefloſſen. Dieſen Fleckenkranz haben, mehr oder weniger auffallend, die meiſten dieſer Eier und die, welche ihn am ſtaͤrkſten zeigen, haben gewoͤhnlich auf der uͤbrigen Flaͤche nur wenig und kleine Zeichnungen, wodurch er noch beſonders kraͤftig in die Augen faͤllt. Form, Farbe und Zeich— nung, obgleich fie darin, doch in gewiſſen Grenzen, gewaltig vari— ren, — machen ſie vor allen mir bekannten der vorigen Familie leicht kenntlich; nicht ſo leicht ſind ſie dagegen von denen der naͤchſt— verwandten Arten, der vorhergehenden und nachfolgenden, zu unter— ſcheiden. Von denen der erſteren (St. leucopareia) unterſcheiden ſie ſich noch am leichteſten durch ihre viel geringere Groͤße und eine ganz andere, viel braunere Grundfarbe; von denen der St. leucoptera aber faſt allein durch die anſehnlichere Größe und groͤbere Zeichnung⸗ Sie aͤhneln Wachteleiern, ſind aber bedeutend groͤßer und weniger birnfoͤrmig. XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 211 Beide Gatten bruͤten abwechſelnd die Eier, nachdem die Wit— terung guͤnſtig oder unguͤnſtig iſt, binnen 14 bis 16 Tagen aus, wobei jedoch das Weibchen oͤfterer und auch die Naͤchte hindurch allein bruͤtet. Auch dieſe Seeſchwalben liegen bei ſchoͤnem warmen Wetter ungleich ſeltner und immer kuͤrzere Zeit uͤber den Eiern, als bei ſchlechtem und wenn es regnet. Im Ganzen brüten fie jedoch mehr als jene Arten, welche ihre Eier auf trocknen Sand oder Kies legen. Eins der Eier wird nicht ſelten faul gebruͤtet und die Zahl der Jungen in einem Neſte uͤberſteigt ſelten 2 oder iſt oft nur 1. Sie lieben die Eier ſehr, ſtechen nach Hunden und Menſchen, welche ſich denſelben naͤhern, noch mehr aber bei den Jungen, wo ſie im Vertheidigen derſelben tollkuͤhn die eigene Sicherheit auf's Spiel ſetzen. Die Jungen bleiben ſo lange im Neſte, bis ſie, etwa nach 2 Wochen, fliegen lernen, und werden waͤhrend dem von den Alten fleißig mit Inſekten gefuttert. Wenn ſie ausgeflogen ſind folgen ſie den Alten uͤberall hin, anfaͤnglich noch im matten Fluge, ſich oͤfters ſetzend und laͤnger ausruhend, ſpaͤter unablaͤſſig, unter immerwaͤh— rendem Wimmern Futter verlangend, wohin ſich dieſe auch wenden moͤgen, deren Jagdbezirk ſich aber taͤglich weiter ausdehnt. Anfaͤng— lich erhalten ſie es noch oft ſitzend, ſpaͤter aber ſtets im Fluge. Es dauert ſehr lange, ehe ſie ſich ſelbſt ernaͤhren lernen, und oft ſind Alte und Junge bereits auf dem Wegzuge begriffen, wenn mitunter noch ſolche zaͤrtliche Futterungsſcenen zwiſchen ihnen vorfallen. eien de Sie iſt wie die andern kleinern Arten den Anfaͤllen der fluͤchti— gen Edelfalken und Habichte ausgeſetzt, vor deren Stoͤßen ſie ſich, wenn ſie nicht uͤberraſcht wird, durch Uiberſteigen derſelben, bis zu unermeßlicher Hoͤhe in die Luft, zu retten ſucht. Ihre Bruͤte— pläße plündern Rohr-, Korn- und Wieſenweihen, auch Ra: ben und Krähen, doch richten manche, wenigſtens von den letztern, bei groͤßern Vereinen gewoͤhnlich nichts aus, weil der geaͤngſtigte Schwarm, ſobald ſich ein ſolcher Raͤuber dem Bruͤteplatze naͤhert, kuͤhn uͤber ihn herfaͤllt, unter heftigem Schreien ihm mit Schnabel— ſtichen zuſetzt und fo fat immer abhaͤlt und vertreibt. Sehr oft wirken die Elemente zerſtoͤrend auf ihre Fortpflanzung, ihre Brut geht naͤmlich bei großer Duͤrre, noch haͤufiger aber bei ia“ 212 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. plötzlichem Anſchwellen der Gewaͤſſer nicht ſelten wie mit einem Schlage zu Grunde. Eine Art Schmarotzerinſekt, Philopterus melanocephalus Nitzsch, wohnt haͤufig in ihrem Gefieder, in den Eingeweiden mehrere Wuͤr— mer, Distomum denticulatum, Ligula simplicissima, Taenia n. sp. u. a., in der Bauchhaut auch eine Acuaria. Jia. 3. Auch dieſe Seeſchwalbe, obgleich eigentlich nicht ſcheu, haͤlt im Sitzen nie ſchußmaͤßig aus. Deſto oͤfter koͤmmt ſie nahe genug an den Schuͤtzen heran geflogen, zumal wo man noch nicht nach ihr geſchoſſen hat; allein fie iſt ihres zwar nicht ſchnellen, aber aus vie: lerlei Bogen und ploͤtzlichen Schwenkungen zuſammengeſetzten und unſichern Fluges wegen, nicht leicht zu ſchießen. Der Schuͤtze muß, wie beim Schwalbenſchießen, kaltes Blut behalten, einen geraden Strich abwarten und dann ſchnell ſchießen. Iſt man nahe genug, wenn eine ruͤttelt, ſo iſt ſie da am wenigſten zu fehlen; aber auch hier muß man raſch fein. Stuͤrzt eine Geſchoſſene, zumal fluͤgel— lahm, wo ſie zappeln und ſchreien kann, aufs Waſſer, ſo kommen die Uibrigen ſogleich herbei, flattern unter vielem Schreien dicht uͤber ihr und es koͤnnen dann leicht noch einige derſelben erlegt werden. Bei einem Fehlſchuß macht ſie gewoͤhnlich eine herabſtuͤrzende Schwen— kung und taͤuſcht damit den Schuͤtzen. Mehrere Fehlſchuͤſſe machen ſie oft vorſichtig genug, die Schußnaͤhe zu meiden; uͤber dieſe hin— aus aber ohne Furcht ihre Nahrung ſuchen, einen maͤßig großen Teich darum nicht verlaffen, den Tag Über da bleiben, auch wol am naͤchſten wieder dahin kommen und unter gleicher Vorſicht ſich auf ihm herumtreiben, iſt uns bei Einzelnen mehrmals vorgekommen. Sehr leicht ſind ſie am Niſtplatze zu erlegen, weil ſie da den Stoͤ— rer ganz nahe umſchwaͤrmen. Die Angeſchoſſene kann tuͤchtig um ſich beißen. N In Italien, wo man alle unſere Zugvoͤgel häufig zu fangen verſteht, wird auch die ſchwarzgraue Seeſchwalbe in groͤßter Menge gefangen. Man bedient ſich dazu ſolcher leichten Schlagwaͤnde, wie ſie in dieſem Werk, Bd. VI. S. 70. und 71. beſchrieben wurden, nur bedarf es hier nicht, wie dort zum Schwalbenfang, fo enger Maſchen. Dieſe Netze ſtellt man an Teichen oder Suͤmpfen im ſeichten Waſſer nahe am Uſer auf, wo einige Binſen oder auch ſchwimmende Pflan— XII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. 213 zen wachſen, die das zu tiefe Einſinken der Netze verhindern muͤſſen. Die Zugleine geht in eine kleine Schilf- oder Rohrhuͤtte, nicht weit vom Heerde, in welche ſich der Vogelſteller verbirgt. Der Balg einer ſolchen Seeſchwalbe, oder auch nur ein wie ein fliegender Vo— gel ausgeſchnittener Lappen, die mittelſt eines Schnuͤrchens bewegt werden koͤnnen, locken bald einige herbei, die niedrig genug uͤber jene flattern, um im Fluge unter die raſch zugezogenen Garne zu gerathen. Dieſe werden nun lebend ſo auf dem Heerdplatze oder den Netzen angebunden, daß ſie etwas flattern koͤnnen, wozu man ſie auch wiederholt anregt, ihr Angſtgeſchrei ruft bald mehrere her— bei, die dann auf gleiche Weiſe gefangen werden und ſo faͤngt man in den beiden Zugperioden eine enorme Anzahl dieſer Vogel weg. Die vorhergehende und folgende Art, beide (nach Savi) in Italien, oder wenigſtens in Toskana, nicht haͤufig, kom— men einzeln unter den ſchwarzgrauen vor und werden dann mit ihnen ebenfalls auf dieſen Heerden gefangen, aber ſehr ſelten und nur in der Naͤhe des Meeres zuweilen auch eine einzelne Zwerg— meerſchwalbe. N u be n. Das Fleiſch der Alten iſt zaͤhe und unſchmackhaft, das der Jungen beſſer, dies beim Wegzuge auch meiſtens recht fett; es wird jedoch bei uns gewoͤhnlich nicht gegeſſen, deſto haͤufiger dage— gen in Italien. In Toskana werden fie, nach Savi (a. a. O.) zu vielen Tauſenden zum Verkauf auf den Markt gebracht, und zwar ohne Fluͤgel, die man ihnen vorher abhackt, theils um eine Art kleiner Kehrbeſen daraus zu machen, theils um ihr Gewicht zu vermin— dern, weil nach dieſem der Eingangszoll entrichtet wird. Viele werden auch lebend verkauft, an muthwillige Buben, welche ſich auf oͤffentlichen Plaͤtzen damit beluſtigen, indem ſie ihnen einen langen Faden an die Fuͤße binden, deſſen anderes Ende in der Hand halten, ſie nun fliegen laſſen, ſo lang dieſer reicht, u. ſ. w., ohngefaͤhr wie bei uns wol noch hier und da mit Maikaͤfern ge— ſchiehet, und ſo dieſe Ungluͤcklichen langſam und ſchmaͤhlich zu Tode martern; ein Nationalvergnuͤgen der italieniſchen Jugend. Die Eier ſind ſchmackhaft, aber zu klein, um einen bedeuten— den Gewinn fuͤr die Kuͤche abzugeben. 214 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 286. Schwarze Seeſchw. Mittelbar moͤgen uns dieſe Voͤgel nuͤtzlich werden durch das Vertilgen unſaͤglich vieler laͤſtigen Inſekten und Gewuͤrme. Da— neben beleben ſie auch die moraſtigen Gegenden, fuͤr den Natur— freund auf eine angenehme Weiſe. Schaden. Wie die uͤbrigen zur Familie der Seeſchwalben gehoͤrenden Ar— ten, gehoͤrt auch dieſe unter die voͤllig unſchaͤdlichen Geſchoͤpfe. 287. Die weißflügelige Seeſchwalbe. Sterna leucoptera. Schinz. Fig. 1. Männchen im Sommerfleide. Fig. 2. Männchen im Uibergangskleide. Taf. 257. Fig. 3. Weibchen im Winterkleide. Fig. 4. Jugendkleid. Weißſchwingige —, weißfluͤgelichte —, ſchwarzruͤckige —, ſchwarze See: oder Meerſchwalbe; weißſchwingige Waſſerſchwalbe. Sterna leucoptera. Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 264. n. 238, nebſt Abbildung als Titelkupfer. — Hirondelle de mer leucopilére. Temminck, Man, 2. Edit. II. p. 747. = Sterna nera, Storia deg. Uec. Tav. 544 u. 545. Mignallino zampe-rosse. Savi, Orn. tosc. III. p. 83. = Meyer, Zuſätze z. Taſchenb. (III.) S. 190. = Brehm, Beiträge, III. S. 676. — Deſſen Lehrb. II. S. 697. = Deſſen Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 796. — v. Homeyer, Vög. Pommern's. S. 65. n. 212. Ganz gewiß gehört hierher auch Sterna nigra. Gmel. Linn, syst. I. 2. p. 608. n. 3. doch nicht die ihr beigefügten Citate. Ebenſo: Larus fissipes alius. Aldrov. Oruith. III. Tab. 83. 5 Ken n z e ichen der Art. Der Schnabel roͤthlichſchwarz; der ſehr ſchwach gegabelte Schwanz mit ſeinen Deckfedern nebſt dem Buͤrzel weiß; — im Sommer bei den Alten Kopf, Hals, Ruͤcken, Schultern, Bruſt und untern Fluͤ— geldeckfedern tief ſchwarz; — der Lauf der ſcharlachrothen Fuͤße 9 bis 10 Linien hoch. 216 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. Beſchrei bung. Die Aehnlichkeit in Geſtalt, Zeichnung und Faͤrbung unter den zahlreichen Arten dieſer Gattung und ihrer Familien iſt ſo groß und die Uibergaͤnge von einer zur andern ſind oft ſo ſanft, daß es bei vielen der Sprache an Worten gebricht, dies kurz und deutlich genug bezeichnen zu koͤnnen. Auch gegenwaͤrtige Art hat eigentlich nie weiße Fluͤgel, nur im Sommerkleide von obenher weiß— lichere oder lichter graue als die ihr zunaͤchſtſtehenden Arten, ja nicht einmal ganz weiße, ſondern dann ſogar tief ſchwarze Unter— fluͤgeldeckfedern, worin ſie von allen einheimiſchen Arten der ganzen Gattung ganz abſtract abweicht. — Auch weißgeſchwaͤnzt würde ſie, ſtreng genommen, nur im Sommerkleide heißen koͤnnen, wie ebenfalls die ſchwarze Seeſchwalbe nur im Sommerkleide dunkler, doch eigentlich nicht ſchwaͤrzer ausſieht als andere; dazu hat fogar in dieſem St. leucoptera viel mehr und tieferes Schwarz als St. nigra. Sie die ſchwarzbruͤſtige nennen zu wollen, weil fie unter den naͤchſtverwandten Arten, im Sommer nicht allein die ſchwaͤrzeſte Bruſt, ſondern uͤberhaupt das meiſte Schwarz hat, wuͤrde wieder nicht paſſen, weil St. leucopareia in dieſer Jahreszeit eben— falls eine ſchwarze, wenn auch nicht fo dunkelſchwarze Bruſt hat.) Unſere weißfluͤgelige Seeſchwalbe hat eine fo große Aehnlichkeit mit der ſchwarzgrauen, daß ſie fruͤher oft mit ihr verwechſelt worden iſt. Sie iſt jedoch merklich kleiner als dieſe, die Flügel, be? ſonders aber der Schwanz (faſt / Zoll) kuͤrzer, die Beine länger und uͤberhaupt groͤßer, der Schnabel im Verhaͤltniß zu ſeiner Laͤnge viel ſtaͤrker; dies Alles faͤllt genug in die Augen, zumal wenn man beide Arten neben einander ſtellt. Weiter entfernt ſteht ſie der weiß— baͤrtigen Seeſchwalbe, welche nicht allein ihre weit betraͤchtlichere Groͤße, ſondern auch in allen Kleidern eine andere Faͤrbung ſehr unterſcheidet. Sie iſt eine der Kleinſten in der Gattung und uͤber— trifft an Groͤße die Zwergmeerſchwalbe nur um ein Weniges. Ihre Länge beträgt 8½ bis 9 Zoll, auch wol etwas darüber; die Flugbreite 21 bis 24 Zoll; die Fluͤgellaͤnge, von der Hand: e) Wäre das Umtaufen nicht verpönt, fo würde ich vorſchlagen: die weißbär— tige S. (um vom Sommerkleide, als dem ausgezeichnetſten, auszugehen) St. ardesiaca und die weißflügelige ©. St. aterrima zu neunen, der ſchwarzgrauen aber den Namen St. nigra belaſſen, weil ich jene Namen für bezeichnender halte als die jetzt üblichen. 2 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. 217 wurzel bis zur Spitze, 8 / Zoll; die Schwanzlaͤnge an den Außer: ſten Federn etwas uͤber 3 Zoll. An flugbaren jungen Voͤgeln ſind alle dieſe Maaße bedeutend geringer. Das kleine Gefieder hat vor dem der naͤchſtverwandten Arten nichts Ausgezeichnetes, die Schwingfedern ſcheinen jedoch etwas brei— ter, haben ebenfalls ſehr ſtarke und harte Schaͤfte und die vorderſte iſt nur um 1 Linie laͤnger als die zweite, welches zuſammen einen etwas breitern Vorderfluͤgel giebt, aber nur im Vergleich mit Sterna nigra auffaͤllt. Das Schwanzende iſt ſehr wenig gegabelt, nur ½ Zoll tief, bei Jungen faſt gar nicht ausgeſchnitten und die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen bei alten Voͤgeln uͤber 3 Zoll, bei jungen nur etwas uͤber 2 Zoll uͤber die Schwanzſpitze hinaus. Der Schnabel unterſcheidet ſich ſehr von dem der Sterna nigra; er iſt lange nicht ſo ſchlank, ſondern kuͤrzer, ſtaͤrker, an der Wurzel breiter und hoͤher, das Eck am Ende der Kielſpalte auch viel deut— licher; die Spitze ſcharf wie eine Nadel, doch weniger am untern Theil als vorzuͤglich am obern; im Uibrigen iſt er allerdings jenem und auch dem der St. leucopareia aͤhnlich und bildet nach allen Verhaͤltniſſen eine Mittelgeſtalt zwiſchen dieſen beiden. Das Naſen— loch, ein kurzer, durchſichtiger Ritz nahe an den Halfterfedern, liegt in einer vorn zugeſpitzten Hoͤhle. Der Schnabel iſt von der Stirn an bei den mehrſten 1 vollen | Zoll, bei manchen Alten auch 1 Zoll 1½ Linien, bei erwachfenen jungen Vögeln gewoͤhnlich nur 10 bis II Linien lang, völlig ausgebildet an der Baſis 3½ Linien hoch und beinahe 3 Linien breit. Von Farbe iſt er durchaus ſchwarz, friſch, beſonders in der Fortpflanzungszeit roͤthlich durchſchimmernd, bei den Jungen grauſchwarz. Das Auge hat einen tiefbraunen Stern, nur bei jungen Voͤ— | geln eine weniger dunkele Färbung. Die im Ganzen wol klein zu nennenden Fuͤße ſind dennoch, im Verhaͤltniß zur Koͤrpergroͤße und mit denen der St. nigra verglichen, viel groͤßer als bei dieſer, beſonders hoͤher und langzehiger, auch die Tibia etwas hoͤher hinauf nackt und uͤberhaupt etwas laͤnger, die Ferſengelenke noch ſtaͤrker, die Schwimmhaͤute aber (vorzuͤglich die inwendigen) eben ſo tief ausgeſchnitten und der Uiberzug der Beine auf aͤhnliche Weiſe eingekerbt; die Krallen lang, ſchlank, flach gebo— gen und duͤnnſpitzig, die der Mittelzeh mit einer ſtark vortretenden, ſcharfen Randſchneide nach innen, wodurch ſie ſchief zu ſein ſcheint, wobei fie noch, wie alle übrigen, unten ausgerinnt iſt. Die nicht 218 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißflüg. Seeſchw. ſehr erhoͤhet ſtehende Hinterzeh iſt nicht ſo klein und kurz als bei vielen andern Arten dieſer Gattung. Der Unterſchenkel iſt faſt 5 Linien hinauf nackt, der Lauf 9 bis 10 Linien lang; die Mittel— zeh, mit der 3½ bis 5 Linien langen Kralle, 1 Zoll, auch etwas druͤber, die Hinterzeh, mit der 1½ Linien langen Kralle, faſt 4 Linien lang. Die Schwimmhaut zwiſchen der aͤußern und mittlern Zeh reicht in der Mitte faſt 4 Linien, die zwiſchen der mittlern und in— nern nur etwas uͤber 2 Linien vor; dieſer mondfoͤrmige, ſehr tiefe Ausſchnitt macht jedoch, daß die Schwimmhaͤute an beiden Seiten als ein kleines Raͤndchen an den Zehen herauf laufen und weit nach vorn erſt ganz verſchwinden. f Die Farbe der Fuͤße iſt im Fruͤhjahr ein gluͤhendes Gelbroth, faſt Scharlachroth; im Herbſte mehr Rothgelb; bei jungen Bo: geln ſchmutzige Fleiſchfarbe; in zarter Jugend ein roͤthliches Weiß. Getrocknet werden ſie bei den Erſten ſchmutzig rothgelb; bei den Andern gelbbraun; bei der Letzten hellbraͤunlich. Die Krallen ſind ſtets ſchwarz. Das Dunenkleid iſt mir nicht vollſtaͤndig bekannt geworden, doch ſieht man an kaum flugbaren Jungen am Kopfe und Halſe oft noch ſo vielen Flaum, daß man bemerken kann, ſeine Farbe ſei von obenher ein lichtes Roſtbraun mit ſchwarzen Flecken, von unten meiſtens reines Weiß und dieſe Voͤgelchen darin denen der vorigen beiden Arten ſehr aͤhnlich. Die erſte Federbedeckung, wenn ſie vollſtaͤndig, oder das Ju— gendkleid, iſt zwar dem der St. nigra ſehr aͤhnlich, jedoch an allen Theilen viel lichter gefaͤrbt. Vom grauſchwarzen Schnabel an, iſt die Stirn bis auf den Scheitel hinauf, auch Zuͤgel und Vordertheil der Wangen weiß; dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Fleck— chen; Hinterſcheitel und Genick bis auf den halben Hinterhals ſchmal hinab hellbraͤunlich, mit großen braunſchwarzen Schaftflecken; Schlaͤfe und Ohrgegend ſchwarz; alles Uibrige des Kopfes und Halſes, des— gleichen der ganze Unterkoͤrper, nebſt dem Buͤrzel rein weiß, ebenſo die Fluͤgelkante und der ganze Unterfluͤgel, dieſer nur laͤngs den weißen Schaͤften der großen Schwingfedern und an deren Enden dunkel und glaͤnzend aſchgrau; der Oberruͤcken matt braunſchwarz, mit licht roſtbraͤunlichen Federkanten, zwiſchen welchen etwas ab— waͤrts Aſchgrau durchſchimmert, oben am weißen Nacken aber dun— kelroſtgelb verlaͤuft; die Schultern und Tertiarſchwingfedern hellaſch— grau, jede Feder vor der weißbraͤunlichen Endkante mit einem halb— i 1 b 0 f A N I I | | | | l mondförmigen roſtbraunen Fleck, dieſe ganze Zeichnung jedoch wie XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißflüg. Seeſchw. 219 verwiſcht und ohne ſcharfe Grenzen; die kleinen Deckfedern laͤngs der weißen Kante des Oberfluͤgels, als ein dunkler Querſtreif, ſchwarz— grau, mit weißlichen Federſaͤumen; die uͤbrigen Fluͤgeldeckfedern hell— aſchgrau, jede mit gelblichweißem Endſaum und vor dieſem mit einem blaſſen, roſtbraunen Halbmond; die Secundarſchwingfedern aſchgrau, ſchwaͤrzlich geſaͤumt, an den Enden mit weißen Saͤumchen; die Primarſchwingen aſchgrau, an den Spitzen ſchwaͤrzlich mit weißen Endſaͤumchen, die vorderſte an der ganzen Auſſenfahne ſchwarz, an der innern nur in einem breiten Streif laͤngs dem Schafte und an der Spitze braunſchwarz, uͤbrigens weiß, und dieſes Weiß haben auch die uͤbrigen, doch wird es, je kuͤrzer die Federn folgen, deſto grauer; die Schaͤfte auf der obern Seite braͤunlichweiß. Der Unter— ruͤcken hat etwas mehr Hellaſchgrau, aber weniger Braun als der Oberruͤcken; vom weißen Buͤrzel abwaͤrts geht die Oberſchwanzdecke in lichtes Grau über; an dem kaum merklich ausgeſchnittenen Schwanze find die Mittelfedern hellaſchgrau, die folgenden immer bleicher, die aͤußerſten endlich weiß, alle haben vor den braͤunlich— weißen Endſaͤumen roſtbraune Schatten. Das Winterkleid dieſer Art zeichnet ſich ſchon in der Ferne ſehr von dem der St. nigra aus, hauptſaͤchlich durch ſeine ſehr lichte Faͤrbung, die ſogar noch lichter als die der St. leucopareia oder die lichteſte oder weißlichſte in gegenwaͤrtiger Familie der Meerſchwalben iſt. — Der Schnabel iſt darin ganz ſchwarz, die Fuͤße ſind oran— gefarbig; dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Mondfleckchen; Schlaͤfe und Ohrgegend find ſchwarzgrau, weiß gemiſcht; Oberkopf, Genick und Nacken, die letztern in einem ſchmalen Streife, ebenfalls ſchwarzgrau mit verwiſchten weißen Federkanten, daher weißlich ge— ſchuppt; vom Schnabel an der ganze Vorderkopf, oben bis zwiſchen die Augen, ferner die Seiten des Genicks hinter den Ohren, Kinn und Kehle, desgleichen der ganze Unterkoͤrper bis an den Schwanz ſchneeweiß. Nahe bei der Endſpitze des dunkeln Nackenſtreifs entſteht abermals ein ſchwarzgraues Feld, das aber noch auf dem Oberruͤcken und dem Anfang der Schultern in reines Hellaſchgrau uͤbergeht, das auf dem Unterruͤcken noch lichter wird, beſonders auf dem Buͤrzel, und auch den Oberſchwanz bedeckt. Auch ſaͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern, nebſt den hintern Schwingfedern haben dies weißliche, ins Mevenblaͤuliche ſpielende Aſchgrau, aber an der weißen Oberkante des Fluͤgels trennt dieſe und jenes ein ſchwarzgrauer Streif, welcher am erſten Herbſt— kleide dunkler, daher auffallender gezeichnet iſt, als an den nachheri- gen; die Secundarſchwingfedern tief aſchgrau, mit weißlichen Spitzen⸗ 220 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißflüg. Seeſchw. ſaͤumchen; die Primarſchwingfedern aſchgrau, an den Enden zunaͤchſt den Kanten ſchwarzgrau, an den Spitzen mit weißlichen Saͤumen, welche ſich aber an den laͤngern verlieren; die 3 vorderſten tief aſch— grau, wenn ihr grauer Sammetuͤberzug etwas abgetragen, ſchwarz— grau, an den Enden braunſchwarz; dieſe 3 haben truͤbweiße, alle uͤbrigen grauſchwarze Schaͤfte, deren Unterſeite aber, ſo wie aller Schwingfedern ohne Ausnahme, rein weiß iſt. Die innern Fahnen der großen Schwingfedern ſind matt braunſchwarz, mit einem gro— ßen weißen Laͤngeſtreif an der Innenkante, welcher von der Wurzel aus ſehr breit, weit vom Ende aber ſpitz und verwaſchen verlaͤuft, ſchon auf der zweiten matter erſcheint und auf der vierten oder fünf: ten ganz verſchwindet. Der Unterfluͤgel iſt weiß, nur an den En— den einiger großen Deckfedern mehr oder weniger ſchwarzgrau, bei aͤltern Voͤgeln dies viel ſtaͤrker als bei ſolchen, welche dies Kleid, zum erſten Male tragen; die Schwingfedern ſilberweiß, auf der innern Fahne laͤngs dem weißen Schafte, doch nur an den 2 vor— derſten, mit dunkelgrauem Streif und alle an den Enden glaͤnzend dunkelgrau. Der wenig ausgeſchnittene Schwanz iſt an den Mit— telfedern licht blaͤulichaſchgrau, nach auſſen faſt weiß, die Enden aller weißgeſaͤumt; auf der untern Seite des Schwanzes iſt Alles, auch die Federſchaͤfte, wie feine untern Deckfedern, rein weiß. Maͤnn— chen und Weibchen laſſen ſich im Aeußern nicht unterſcheiden. Je aͤlter der Vogel, deſto lichter iſt die Faͤrbung ſeines Win— terkleides, namentlich iſt das Grau auf den mittelſten und einigen dieſen am naͤchſten liegenden Schwanzfedern auch viel ſchwaͤcher als bei Voͤgeln im erſten Jahr; bei dieſen iſt daher im nachherigen Fruͤhlingskleide, in welches ſie die Schwing- und Schwanzfe— dern vom Herbſte mit hinuͤbernehmen, — mit Ausnahme hoͤchſtens des mittelſten Schwanzfederpaares, — der Schwanz nicht fo blen— dend weiß, als bei den Alten, wo jener ſchwaͤchere graue Anflug ſpurlos verſchwunden iſt. Die einjaͤhrigen Voͤgel in ihrem erſten Hochzeitskleide unterſcheiden ſich daher leicht, nicht allein an den weit mehr abgenutzten Schwingfedern vom Jugendkleide, ſondern haͤufig auch noch an einem graulichen Anfluge der mittlern Schwanzfedern, von aͤltern und ganz alten Voͤgeln. Sehr ſchoͤn iſt das Hochzeits- oder Fruͤhlingskleid, ge— woͤhnlich das Sommerkleid genannt, zumal von einige Jahr alten Voͤgeln; es hat das meiſte und tiefſte Schwarz unter allen einheimiſchen Arten dieſer Meerſchwalbenfamilie. Der ganze Kopf, der Hals, die Bruſt, der Anfang des Bauches, die Tragefedern XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. 221 laͤngs den Seiten der Bruſt und die untern Fluͤgeldeckfedern, mit Ausnahme des weißen Fluͤgelrandes, ſind ſchwarz, Kopf und Hals am tiefſten und mit gruͤnlichem Seidenglanze; auch der ganze Ober— ruͤcken und die Schultern ſind ſchwarz, doch etwas matter und an den Enden der letztern in Schieferſchwarz, bei juͤngern in Schie— fergrau, uͤbergehend. Der Fluͤgelrand iſt weiß, die naͤchſten kleinen Fluͤgeldeckfedern nicht ganz rein, die folgenden immer merklicher blaͤulichgrau angeflogen und ſtufenweiſe allmaͤhlich an den großen Deckfedern in lichtes Aſchblau, an den hintern Schwingfedern in noch dunkleres Blaͤulichaſchgrau uͤbergehend; rein weiß iſt alſo am Ober— fluͤgel nichts als ein ſchmaler oberer und vorderer Rand bis an die Daumenfedern, die nebſt den Fittichdeckfedern grauweiß ſind; die Primarſchwingfedern aſchgrau, am dunkelſten an den Enden und an der Auſſenfahne der allererſten, auch fehlt dieſer der weißgraue pu— derartige Uiberzug, welcher an allen uͤbrigen die Grundfarbe verdeckt und ihnen ein weißſchimmlichtes Ausſehen giebt; die Secundar— ſchwingfedern etwas lichter hellaſchblau als, wie ſchon erwaͤhnt, die allerletzten, auf den Innenfahnen aber meiſtens weiß; alles Uibrige der Schwingen, auch von unten, wie im Herbſtkleide. Der Buͤrzel, die obern und untern Schwanzdeckfedern und der ganze Schwanz ſind rein weiß. Maͤnnchen und Weibchen ſind im hochzeitlichen Kleide aͤu— ßerlich kaum zu unterſcheiden, denn Erſteres iſt kaum etwas ſchoͤner, das Schwarz dunkler und glaͤnzender, das blaͤuliche Grau des Ober— fluͤgels matter oder am Fluͤgelbuge breiter weiß, auch ſelten merklich größer als Letzteres. Manche von dieſen Vögeln haben im Hoch: zeitskleide auf dem Oberfluͤgel auch noch eine Andeutung des dunkeln Querſtreifz vom Winterkleide her, aber nicht etwa aus noch vorhandenen Federn von dieſem, ſondern aus friſchen mit grauen Enden gebildet. Die Fortpflanzungszeit hindurch verſchlechtert ſich das Ausſehen des Gefieders eben nicht auffallend, aber die bald erfolgende Som— mermauſer macht dieſe Seeſchwalben gewoͤhnlich ſehr bunt; je nach— dem ſie mehr oder weniger weit vorgeruͤckt iſt, ſehen ſie dann auch mehr oder weniger weiß- und ſchwarzſcheckig aus. Die Mauſer beginnt im Juli und im Anfange des Auguſt, wo ſie die Bruͤtegegenden verlaſſen, geht langſam vorwaͤrts und wird erſt in ihren Winteraufenthaltsorten vollendet. Rein vermau— ſerte, in ihrem Winterkleide befindliche, koͤnnen daher nur von dort— her erhalten werden. Noch weniger ſehen wir hier von der zweiten 222 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. Mauſer, die in den letzten Wintermonaten vor ſich gehen mag; denn im Fruͤhlinge kehren alle bereits voͤllig vermauſert an die Bruͤteorte zuruͤck und Ausnahmen hiervon kommen ſehr ſelten vor. Aufenthalt. Die weißfluͤglige Seeſchwalbe iſt eine ſuͤdliche oder ſuͤdoͤſtliche Art, ihre Verbreitung aber zur Zeit noch wenig bekannt. Auſſer einigen ſuͤdlichen und ſuͤdoͤſtlichen Theilen von Europa, als: das ſuͤdliche Spanien, Italien, bis an die Seen Como, Lugano, Guarda u. a. einzeln auch bis an den Genfer-See herauf, ebenſo Dalmatien, am häufigften vielleicht Ungarn, — iſt fie auch in Nubien angetroffen worden und bewohnt gewiß auch noch mehrere Theile Afrika's, wie ſich ſolches wol von Aſien ebenfalls, wenig— ſtens von Syrien vermuthen läßt. — In Ungarn koͤmmt fie nicht allenthalben, doch in vielen Gegenden vor, namentlich in den ſumpfigen Gegenden des Neuſiedler- und des Velenzer-See's, und ich traf ſie auch am Tapjo, an der untern Theiß und in einigen Gegenden der untern Donau, hin und wieder, unter den ſchwarzgrauen Seeſchwalben an, doch aber nirgends in ſolcher Menge als die weißbaͤrtige. Vielleicht war aber hieran die vor— geruͤckte Jahreszeit Schuld und, als ich dort war, mochten die meiſten ſchon fortgezogen ſein. Von Ungarn heruͤber verfliegt fie ſich auch oͤfter nach Deutſchland, beſonders nach Oeſterreich, ſeltner nach Schleſien, doch auch zuweilen bis in die Lauſitz; ſogar nach Pommern. In unſrer Naͤhe, bei Ahlsdorf, ohnweit Herzberg in Sachſen, iſt fie vom Hrn. B. von Seyffertitz in naſſen Jah— ren mehrmals einzeln und bis zu 5 Stucken (namentlich im Jahr 1832) unter den ſchwarzen Seeſchwalben beobachtet und erlegt, aber in Anhalt von uns noch nicht bemerkt worden, weshalb wir jedoch nicht bezweifeln wollen, daß dies nicht ſchon, doch unerkannt, geſchehen ſei oder noch geſchehen koͤnne. Sie koͤmmt, als Zugvogel, mit den ſchwarzen Seeſchwalben im Mai an und zieht mit Ende des Juli ſchon wieder weg. Ich ſahe gegen Ende des Auguſt in Ungarn überall nur noch Einzelne, waͤhrend St. leucopareia noch in großer Menge und St. nigra in unermeßlichen Schaaren ſich dort herumtrieben, darf alſo wol ver— muthen, daß ſie jenes Land, wo ſie nach allen Ausſagen hin und wieder haͤufig vorkoͤmmt, fruͤher verlaͤßt als die ebengenannten Ar- ten. Daß fie ihre Winteraufenthaltsorte wahrſcheinlich mit der 1 | XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. 223 ſchwarzen Seeſchwalbe theilt, wird wol dadurch erwieſen, daß ſie ſo oft in Geſellſchaft dieſer wandert, namentlich im Fruͤhjahr wol vorzuͤglich durch dieſe verleitet wird, einzeln bis in unſere Gegenden zu kommen. Von Seyffertitz ſahe ſie auf dieſelbe Weiſe mit jener, am Tage, ſich in eine hoͤhere Luftregion aufſchwingen und öftlich weiter ziehen. Sie zieht jedoch auch des Nachts, aber jeder: zeit in Geſellſchaft, wenn auch nur der ſchwarzen Seeſchwalbe, weniger, wie es mir geſchienen, mit der weiß baͤrtigen. Ihre Aufenthaltsorte ſind die naͤmlichen der ebengenannten bei— den Arten, ſtehende Gewaͤſſer, Suͤmpfe und Moraͤſte, aber, fuͤr ein laͤngeres Bleiben, nicht Fluͤſſe, noch weniger das Meer. Ich traf fie zwiſchen den ſchwarzen Seeſchwalben an großen, flachen, zum Theil moraſtigen Teichen, in tiefen, weitſchichtigen Sumpfgegenden an ganz gleichen Stellen und mit jenen, unter den wandernden Schaaren dieſer zwar auch auf der untern Donau, aber nur an ſolchen Stellen, wo die Stroͤmung des Waſſers ſchwach war. Sie liebt ſo ganz die naͤmliche Beſchaffenheit des Sumpfes und der Ge— waͤſſer, daß ſie uͤberall haͤufig zwiſchen und neben ihr wohnt, wes— halb nicht wiederholt zu werden braucht, was in vorhergehender Beſchreibung ausfuͤhrlicher uͤber den Aufenthalt der ſchwarzen Seeſchwalbe angegeben wurde. Eigen chf! Sie iſt die ſchoͤnſte unter den Arten dieſer Familie, namentlich im Hochzeitskleide, wo das viele und tiefe Schwarz der obern und vordern Theile gegen das ſanfte Weißgrau eines großen Theils des Fluͤgels und das blendende Weiß der hintern Extremitaͤten, ge— hoben durch das gluͤhende Roth der Fuͤße, herrlich abſticht und alle zuſammen ein liebliches Bild gewaͤhren. Schon in weiter Ferne unterſcheidet ſich das ſchoͤne Geſchoͤpf durch die großen ſcharf geſon— derten Partieen dieſer Farben, namentlich durch den weißen Ober— und ſchwarzen Unterfluͤgel, ſo auffallend von der ſchwarzen wie | | | von der weißbärtigen Seeſchwalbe, daß man ſie augenblicklich erkennt. In andern Kleidern iſt dies freilich ſchwerer und bei Jun— gen wird dem geuͤbten Auge nur die geringere Koͤrpergroͤße und die hellere Faͤrbung auffallend, um ſie bald von denen der ſchwarzen Seeſchwalbe zu unterſcheiden, wenn ſie ſich zwiſchen dieſen aufhaͤlt. Ihre Stellung im Sitzen und Gehen iſt dieſelbe wie die ihrer | naͤchſten Verwandten; beides, wie auch das Schwimmen, fieht man 2 224 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 285. Weißfluͤg. Seeſchw. ebenſo ſelten von ihr; dagegen iſt ſie deſto unermuͤdeter und beweg— licher im Fluge. Sie fliegt viel ſchneller und noch gewandter als die ſchwarze Seeſchwalbe, ſchwenkt ſich zum Erſtaunen ſchnell in jedweder Richtung und gehoͤrt zu den Flinkeſten der ganzen Gat— tung. Der ſchwarzen Seeſchwalbe gegenuͤber erſcheint dieſe lang— ſam und ſchwerfaͤllig, woran niemand denken wird, wenn er jene allein beobachtet, und fo zeichnet ſich die einzelne weißfluͤgelige See: ſchwalbe in einem Schwarme von ſchwarzen durch groͤßere Be— weglichkeit und raſchere Wendungen ſchon in weiter Ferne aus, ob— gleich die Art und Weiſe des Flugs eine ganz aͤhnliche iſt. Sie ſcheint jene ebenſo gern zu dulden als von ihr geduldet zu werden, denn eine aus beiden Arten gemiſchte Geſellſchaft beſeelt nur ein Geiſt, der des gegenſeitigen Wohlwollens. Mit andern Voͤgeln macht ſie ſich dagegen nicht gemein; auch ſahe ich ſie allein nie in Geſellſchaft der weißbaͤrtigen Seeſchwalbe, was ich jedoch fuͤr Zufall halte, oͤfter aber alle drei Arten in einem Fluge beiſam— men, fuͤr den Beobachter ein ſehr intereſſantes Zuſammentreffen. — Sind ihrer viele beiſammen, ſo bilden ſie eigene Vereine; doch mag dies ſelten ſein, weil ſich ſolchen immer wieder vereinzelte ſchwarze Seeſchwalben anſchließen. Sie iſt kluͤger und gewoͤhnlich mißtraui— ſcher als beide Verwandte, weicht den Menſchen aus, ſobald ſie ſich ſcharf beobachtet glaubt, wird immer vorſichtiger und endlich ſehr ſcheu; doch ſticht ſie zuweilen nach dem Hunde und beim Neſte auch nach den Menſchen herab. Ihre Stimme hat mehr Aehnlichkeit mit der der weißbaͤrti— gen als mit der ſchwarzen Seeſchwalbe, und unterſcheidet ſich von dieſer ſo, daß ſie dem Kennerohr ſogleich auffaͤllt. Sie iſt ziemlich lauttoͤnend, aber weniger angenehm, ſchnarrend oder ſchnarchend, mit der Sylbe Cherrr oder Kerrr zu vergleichen. Dieſe knarrende Stimme hat Aehnlichkeit mit der junger Droſſelrohrſaͤnger, entfernter mit einer der Uferſchwalbe, toͤnt aber viel lauter. Ob ſie der einzige Ton dieſer Art ſei, bezweifle ich, habe jedoch keinen andern von ihr gehoͤrt, ſie aber immer, ehe = fie ſahe, ſchon daran erkannt. N a che e Reg: Dieſe beſteht hauptſaͤchlich in Inſekten und Inſektenlarven, welche ſie ſich meiſtens aus dem Waſſer holt. Hoͤchſt wahrſcheinlich naͤhrt ſie ſich von denſelben Geſchoͤpfen und genau ſo wie die XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weißfluͤg. Seeſchw. 225 ſchwarzen Seeſchwalbe, weil ſie ſo haͤufig in deren Geſellſchaft und mit ihr an denſelben Orten lebt, auf gleiche Weiſe den ihr zur Nahrung angewieſenen Geſchoͤpfen nachſtellt, mit ihr nicht allein uͤber dem Waſſer, uͤber Wieſen, ſondern zuweilen auch uͤber, vom Waſſer nicht ſehr entfernten, Getraidefeldern herumfliegt und die an den Aehren und Halmen ſitzenden Fliegen, Spinnen, Heu— ſchrecken u. a. mehr wegfaͤngt, ebenſo manchmal auch ein kleines Fiſchchen oder Froͤſchchen erwiſcht, oder einen Wurm von der Erde aufnimmt. Bei allem dieſen benimmt ſie ſich ganz wie die beiden naͤchſten Familienverwandten, iſt aber viel behender, fliegt in den mannig— faltigſten Abwechslungen, immer Nahrung ſuchend und findend, raſt— los und unaufhoͤrlich hin und her, auf und ab, ruͤttelt oft lange uͤber einem zu fangenden Gegenſtande, ſtuͤrzt dann pfeilſchnell herab und ergreift ihn, aus dem Waſſer aber ſtets nur flach gehende und ohne ganz in daſſelbe einzutauchen. Sie ſcheint unerſaͤttlich, ob— gleich ſie immerwaͤhrend Etwas faͤngt, und wenn dies oft auch nur kleine Geſchoͤpfchen ſind, ſo muß man doch, bei genauerem Beobachten, uͤber die Menge erſtaunen, welche man einem ſol— chen Vogel in kurzer Zeit nacheinander fangen und verzehren ſieht, weshalb er ſich denn aber auch faſt immer in wohlbeleibtem Zu⸗ ſtande befindet. Fortpflanzung. Die weißfluͤgelige Seeſchwalbe pflanzt ſich in ſuͤdoͤſtlichen Län» dern, namentlich in Ungarn in vielen Gegenden alljaͤhrlich fort. Sie niſtet in kleinen oder groͤßern Vereinen an ganz aͤhnlichen Or— ten wie die beiden vorhergehenden Arten, oft dicht neben, wo nur einzelne Paͤaͤrchen, auch wol zwiſchen ihnen, am öfterften zwiſchen den ſchwarzen Seeſchwalben. Dies Letztere ſoll ſehr wahrſcheinlich auch ſchon bei Ahlsdorf in Sachſen der Fall geweſen ſein. Ihre Bruͤteplaͤtze ſind tief in den Suͤmpfen oft an unzu⸗ gaͤnglichen Orten und das froͤhliche und unablaͤſſige Umſchwaͤr⸗ men der Voͤgel bezeichnet ſolche Stelle ſchon von Weitem. Die Neſter ſind an ganz aͤhnlichen Orten, von gleichem Material und auf dieſelbe Weiſe angefertigt wie bei der ſchwarzen See⸗ ſchwalbe beſchrieben iſt. \ 108 Theil. 15 226 XIII. Ord n. LXXVII. Gatt. 287. Weigflüg. Seeſchw. Jedes Neſt enthaͤlt gewoͤhnlich 3, ſehr ſelten 4 Eier, welche denen der ebengenannten Art ſehr aͤhnlich, doch merklich kleiner, meiſtens auch lichter gefärbt und klarer gefleckt, oder nur getuͤpfelt find. Ihre Laͤnge iſt 14 bis 15 Linien, ihre Breite 11 bis 12 Linien; ihre Geſtalt kurz eifoͤrmig und etwas kreiſelfoͤrmig. Sie haben eine zarte, aͤußerlich glatte Schale, ohne Glanz. Ihre Grundfarbe iſt ein duͤſteres Olivengelb oder bleiche Olivenfarbe; die nicht tief ſitzen⸗ den Schalenflecke ſind graubraun, meiſtens nur als Tuͤpfel und Punkte in großer Menge uͤber die ganze Flaͤche vertheilt; die außere Zeichnung roͤthlichſchwarzbraun oder ſchwarz, meiſtens in Tuͤpfeln, Punkten und Gekritzel beſtehend, am ſtumpfen Ende häufiger, un⸗ fern von ihm auch oft in einen wenig dichten Kranz vereinigt, doch habe ich nie ſolche unter ihnen gefunden, welche dieſes ſo auf— fallend und überhaupt fo große Flecken gehabt hätten, als gewoͤhn⸗ lich die der ſchwarzen Seeſchwalbe. N Sie lieben die Eier und Jungen ſehr, kommen dem, wer ſich dieſen nahet, mit aͤngſtlichem Schreien ſehr nahe, ſelbſt bei augenſcheinlicher Gefahr fuͤr das eigene Leben. Im Bruͤten und Erziehen ihrer Jungen verhalten ſie ſich ganz wie die beiden Fami⸗ lien verwandten. F e i n de Auch dieſe ſind, ſo weit ſie mir bekannt geworden, die bei der vorigen Art ſchon erwaͤhnten. e d Sie iſt viel ſcheuer als die ſchwarze Seeſchwalbe, auch, wegen noch viel groͤßerer Beweglichkeit, ſchwerer zu ſchießen. Es gehoͤrt eine ungewoͤhnliche Gewandtheit dazu, den raſchen und unerwarteten Abwechslungen des Fluges zielend zu folgen und im richtigen Zeitpunkte das Gewehr auf den fluͤchtigen Vogel abzu— druͤcken. Stuͤrzt der Schuß einen auf's Waſſer nieder, ſo um— flattern ihn die Uibrigen, heftig ſchreiend, und hierbei iſt mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte leichter noch einer zu erlegen. Selbſt wenn ſie unter ſchwarzen Seeſchwalben ſind und eine von dieſen herabgeſchoſſen wird, kommen auch die weißfluͤgeligen herbei und umflattern jene; auf dieſe Weiſe gelangt man gewoͤhn— lich eher zu der Einzelnen, als wenn man ihr zuerſt und aus— | | XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 287. Weiß flug. Seeſchw. 227 ſchließlich nachſchleichen wollte, weil ſie zu bald merken wuͤrde, daß es auf ſie abgeſehen ſei und dann ſich vor dem Schuͤtzen zu ſehr in Acht nehmen moͤchte. Nutz en. Dieſe Seeſchwalben helfen die Suͤmpfe und unwirthbar en e⸗ genden beleben und vertilgen eine unſaͤgliche Menge von Inſekten. Sch ̃ a d en. Schwerlich moͤchten uns dieſe lieblichen Voͤgel auf irgend eine Art nachtheilig werden. 15* Acht und ſiebzigſte Gattung. Me ve. Larus. Schnabel: Hart; nicht kurz, nicht lang; meiſtens ſtark, ſelten ſchwaͤcher; bis gegen das Ende der großen Naſenhoͤhle gerade, dann die Firſte mehr oder weniger bogenfoͤrmig in die etwas uͤberragende Spitze ausgehend; der Kiel bis an das Ende der langen Spalte gerade, dann ein deutliches, ſtumpfwinkeliges Eck bildend und von da mehr oder weniger ſchraͤg in die Spitze aufſteigend; im Ganzen hoch und ſchmal, uͤber den Naſenloͤchern ſchmaͤler als unter denſelben; die Schneiden gerade, ſpitzewaͤrts etwas bogenfoͤrmig, etwas eingezogen und ſcheerenartig uͤbereinandergreifend, ſehr ſcharf; der weite Rachen bis an das Auge geſpalten, die haͤutigen Mundwinkel dehnbar; die Zunge fleiſchig, ſchmal, unten rund oder gekielt, oben mit einer Laͤn— gefurche, die harte Spitze oft getheilt. Naſenloͤcher: Seitlich, in einer großen laͤnglichen Hoͤhle, ganz vorn und nach unten geoͤffnet, alſo faſt in der Schnabelmitte; ritz— artig, aber vorn erweitert; durchſichtig. Fuͤße: Mittelgroß, nicht ſchwach; meiſt mit ſchlankem, ſeitlich zuſammengedruͤcktem Lauf; vierzehig; die drei mittellangen Vorder— zehen durch volle Schwimmhaͤute verbunden und mit zum Theil aufliegenden, kurzen, ſtarken, unten ausgehoͤhlten, ſcharfrandigen und zugeſpitzten Krallen; die freie Hinterzeh etwas uͤber dem Zehenbal— len eingelenkt, kurz und ſchwaͤchlich, bei Manchen nur rudimentaͤr. Der haͤutige Uiberzug iſt auf dem Spann herab in eine Reihe gro— ßer, hinten in eine Reihe kleinerer, mitten auf den Zehenruͤcken in ſchmale Schilder, uͤbrigens in ganz kleine Schildchen getheilt; ſo auch uͤber der Ferſe der nackte Theil des Unterſchenkels; die Schwimm— haͤute zart gegittert; die Zehenſohlen noch feiner genarbt. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 229 Fluͤgel: Groß, lang, breit, mit ſchmaler Spitze, manchen Raubvogelfluͤgeln aͤhnlich; mit langen Armknochen und Schwing— federn, von welchen die Erſte die Laͤngſte; alle mit ſtarken, faſt ge— raden, nur die mittelſten der zweiten Ordnung mit ſaͤbelfoͤrmig gebogenen Schaͤften. Schwanz: Mittellang, breit, meiſt mit gradem Ende, aus 12 ſtarken, breiten, am Ende abgerundeten oder faſt gerade abge— ſchnittenen Federn beſtehend; niemals mit Gabelſpießen. Das kleine Gefieder iſt ſehr dicht, am Unterkoͤrper dick und pelzartig, ſehr weich, meiſt zerſchliſſen und ohne deutliche Umriſſe, von eben fo zartem Aeußern, aber eine weit reichere Bedeckung bils dend als bei den Meerſchwalben. Die Meven oder Moͤven bilden eine gut geſonderte, an Arten ſehr zahlreiche Gattung, welche an Geſtalt, Farbe, Lebensart und Aufenthalt zwar viele Aehnlichkeit mit der Gattung Sterna hat, je: doch in vielen Stuͤcken auch wieder ſehr abweicht, obgleich eine Ab— theilung ſich letzterer in der Schnabelbildung zu naͤhern ſcheint. Der Gattung Procellaria aͤhneln die Meven noch entfernter. Mit der Gattung Lestris, obgleich die Arten dieſer der Gattung Larus ſonſt beigezaͤhlt wurden, haben ſie noch weniger gemein. Ihr ſtaͤrkerer, ſpitzewaͤrts von oben mehr hakenfoͤrmiger, von unten mit einem viel groͤßern Eck verſehener Schnabel, — ihre groͤ— ßern und hoͤhern Fuͤße, mit den vollen Schwimmhaͤuten, — ihre viel breitere, vorn weniger ſichelfoͤrmigen Fluͤgel, — ihr faſt gerade abgeſchnittener Schwanz, — endlich ihr mehr erhoͤheter Scheitel, etwas laͤngerer und ſtaͤrkerer Hals und robuſterer Koͤrperbau unter— ſcheiden die Meven auffallend genug von den Meerſchwalben, ſo wie dieſe Verſchiedenheiten auch eine andere Lebensweiſe bedin— gen; denn ſie fliegen zwar auch ſehr leicht, viel und mit Ausdauer, gehen und ſchwimmen aber auch ſo, was jene nicht koͤnnen, naͤhren ſich daher auch auf eine ganz andere Weiſe, Die Groͤße der Mevenarten iſt ſehr verſchieden; wenn die klein— ſten die einer Dohle nicht uͤbertreffen, ſo ſind unter den groͤßten manche, welche die eines Adlers, mittler Groͤße, erreichen. Die meiſten Arten wechſeln auch individuell ſehr in der Groͤße, was bei den groͤßern oft ſehr auffallend iſt und in Sammlungen leicht eine 230 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. Vermehrung der Arten herbeifuͤhren kann, welche in der Natur nicht exiſtiren. In dieſer Gattung iſt die weiße Farbe durchaus die vorherr⸗ ſchende, vorzüglich haben fie alte Voͤgel aller Arten in der blen⸗ dendſten Reinheit. Eine zweite allgemeine und eigenthuͤmliche Farbe iſt ein — auch bei den Meerſchwalben aͤhnlich vorkommendes — ſanftes blaͤuliches Aſchgrau (Mevenblau), durch alle Abſtufungen, einerſeits in Weiß, andrerſeits bis in Schiefergrau und Schwarz uͤbergehend und die verſchiedenen Arten characteriſirend; es bedeckt gewoͤhnlich nur den Mantel des Vogels. Schwarz haben bei den meiſten Arten die Fluͤgelſpitzen. An dieſer allgemeinen und nach einerlei Muſter zuſammengeſtellten Faͤrbung des Mevengefieders ſcheint die ſchaffende Natur beſonderes Wohlgefallen gehabt zu haben, indem ſie in den verſchiedenen Arten dieſelben Zeichnungen ſo oft wiederholte; man vergleiche z. B. L. minutus mit melanocephalus, glaucus mit leucopterus, canus mit argentatus, fuscus mit marinus u. a. — Der Kopf iſt bei der großen Mehrzahl von Arten im Sommerkleide weiß, bei manchen braun, bei noch andern Schwarz, und zwar nicht bloß der Scheitel, ſondern der ganze Kopf; im Winterkleide anders, bei jenen bis auf den Hinterhals hinab braun gefleckt, bei dieſen weiß; denn alle Mevenarten mauſern jaͤhrlich zwei Mal, aber ſie ſind im Winter gewoͤhnlich nur am Kopfe und Halſe anders gefaͤrbt als im Sommer. — Ehe ſie jedoch dieſe beiden beſtaͤndigen, jährlich zwei Mal wechſelnden Kleider er— halten, vergehen 2 bis 4 Jahre; denn das Jugendkleid iſt ganz anders, bei allen braun gefleckt, entweder in großen Partieen, oder an faſt allen Theilen; das vom zweiten Jahr iſt dem wieder aͤhn— lich, das des dritten dieſem theilweiſe auch noch, und die braun ge— fleckte Zeichnung verliert fich von Jahr zu Jahr, bis ſie in die der Alten uͤbergeht, wobei der Schwanz von allen Theilen am letzten ſeine ſchwarz gefleckte Zeichnung verliert und bei allen europaͤiſchen Arten rein weiß wird. Faſt alle Arten haben im Jugend- wie im Winterkleide vor dem Auge ein aus borſtigen Federchen oder bloßen Federſchaͤften beſtehendes, ſchwarzes Fleckchen. — Mit dem Gefieder veraͤndert ſich auch die Schnabelfarbe. Sie iſt im erſten Jahr meiſt ſchwarz; dies nimmt in dem folgenden ab, und ſo wie das Gefieder dieſer Voͤgel zur einen Haͤlfte noch die Farben der Jungen, zur andern aber ſchon die der Alten hat, iſt er nur noch gegen die Spitze hin ſchwaͤrzlich, endlich dies nur noch in kleinen Flecken, bis er ſich in einem gewiſſen Alter bei vielen Arten ganz XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 231 gelb oder roth faͤrbt. Das praͤchtige reine Gelb des Schnabels der großen Arten, mit einem hochrothen Fleck am Eck der Unterfinn> lade geziert, die lebhaft, meiſtens gelb, gefaͤrbte Iris der mittelgroßen Augen mit den orangefarbenen Lidern und Mundwinkeln, das blen— dende reinſte Weiß des Gefieders, mit dem blaͤulichen oder ſchwarzen Mantel u. ſ. w. gewähren den alten Voͤgeln, trotz aller Einfach: heit, eine Schoͤnheit ohne Gleichen, auf welcher das Auge mit Wohlgefallen ruhet, wozu bei mehrern kleinern Arten, zur Fortpflan⸗ zungszeit noch ein zarter Anflug des weißen Gefieders der untern Theile vom lieblichſten Roſenroth oder von Aurorafarbe koͤmmt und das hinlaͤnglich erſetzt, was ihnen gegen die großen ſonſt an Schön: heit abgehen möchte; leider iſt jedoch dieſer bloße Hauch jener lieb: lichen Farben ſehr vergaͤnglich und verſchwindet nach dem Tode bald und ſpurlos aus dem Gefieder, vermuthlich, weil der zarte Faͤrbe— ſtoff vom Fette des Vogels gebildet wurde, indem er nur bei fetten Individuen vorkoͤmmt, zu ſeinem Entſtehen aber auch wol die Be— gattung ꝛc. beitragen mag. Uibrigens iſt in der ganzen großen Gat— tung nicht eine Art, von welcher man, in ihrem hochzeitlichen Kleide, ſagen moͤchte, ſie ſtaͤnde den andern an Schoͤnheit nach; jede hat ihre anziehenden Eigenthuͤmlichkeiten; aber nur der lebende Vo— gel ſpricht unſere Bewunderung in ſo hohem Grade an; ſehr viel f verſchwindet bald nach dem Ableben, noch viel mehr nach dem Aus— trocknen der Haut, und iſt das zarte, unvergleichlich ſaubere Meven— gefieder einmal beſchmutzt, von fremdartigen Stoffen durchdrungen, ſo waͤſcht es keine menſchliche Kunſt wieder rein und ſeine Schoͤnheit iſt fuͤr immer dahin. Die herrſchende Gleichfoͤrmigkeit in der Faͤrbung des Gefieders bei den zahlreichen Arten dieſer Gattung, machen das Unterſcheiden derſelben ſehr ſchwierig, zumal bei Voͤgeln in den jugendlichen und mittlern d. i. braun und grau gefleckten Kleidern, und weil die Me: ven nicht allein langſam zu einer bleibenden Groͤße heranwachſen und die Juͤngern oft viel kleiner als die Aeltern ſind, ſondern weil auch, aus unbekannten Urſachen, gewaltige Verſchiedenheiten in der Groͤße unter alten Voͤgeln einerlei Art, ja oft auch an Schnabel und Füßen vorkommen, wie man unter der Menge an den Brüte- platzen einer Art zur Gnuͤge ſehen kann. Darum muß das Unter: ſcheiden der Arten für den, welcher fie nie im freien Leben beobach— ten konnte, große Schwierigkeiten haben und ihn oftmals in Zwei⸗ fel laſſen, weil nur ein ſehr geuͤbter Blick im Stande iſt, ſich zwi⸗— ſchen dieſen ſchwankenden Kennzeichen zurecht zu finden, die zudem 232 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. oft zu ſubtil find, als daß fie verſtaͤndlich genug beſchrieben mer: den koͤnnten. Das Neſtkleid der jungen Meven iſt eine dichte Bedeckung von weichen Dunen, gewoͤhnlich graulich, braun oder ſchwaͤrzlich verſchiedentlich, aber nicht ſtark gefleckt, unten weiß. Der Schna⸗ bel iſt bei ſolchen ſehr klein, kurz und die ſpaͤtere Geſtaltung, welche ſich erſt nach Jahren voͤllig entwickelt, noch nicht zu erkennen. An den kleinen Füßen find die Käufe oben, gegen das Ferſengelenk, un— foͤrmlich dick, wie angeſchwollen, mit einer Laͤngefurche mitten auf dem Spanne und ſehr weich. Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich bloß in der Groͤße etwas; das Männchen iſt zuweilen bedeutend, gewöhnlich nicht viel, groͤ— ßer als das Weibchen, oͤfters auch beide von gleicher Groͤße. Daß verſchiedene Individuen von einerlei Art, ohne Bezug auf das Ge— ſchlecht, haͤufig auffallend in der Groͤße variiren, nimmt kein Wun⸗ der, wenn man weiß, daß ihre Eier ſo gern zur Speiſe aufgeſucht und ihnen mehrere Gelege genommen werden, daß die Legekraft nach und nach erſchoͤpft wird, darum ſchwaͤchlichere, zuletzt oft ganz kleine Eier gelegt werden, was an groͤßern Niſtplaͤtzen ſich alle Jahr be— ftätigt, und daß aus ſchwaͤchlichen Eiern auch ſchwaͤchliche Jungen ſchluͤpfen. Es iſt daher nichts Ungewoͤhnliches auch Maͤnnchen zu ſehen, welche viel kleiner als die allermeiſten Weibchen ſind. Manchmal iſt bei Erſterem auch der Schnabel groͤßer oder ſtaͤrker und die Fußwurzel hoͤher. Die Farben der nackten Theile ſind faſt immer praͤchtiger bei alten maͤnnlichen Voͤgeln als bei weibli— chen, aber in den Farben des Gefieders finden ſich keine Verſchie— denheiten. Die Mauſer der Meven hat viel Merkwuͤrdiges. Das Du— nenkleid der Jungen wird ſehr bald von ordentlichem Gefieder verdraͤngt, zuerſt am Ruͤcken und an der Bruſt, dann an den Schul— tern, den Fluͤgeln und dem Schwanze, dem Halſe und zuletzt am Kopfe. Dieſes Jugendkleid wird bei den kleinen Arten zum Theil, bei den großen ganz mit in den Winter genommen, bis zur Fruͤhlingsmauſer, im Maͤrz und April, die bei ihnen zur Haupt— mauſer wird oder in ſie uͤbergeht, weil ſie aͤußerſt langſam fortſchrei— tet und erſt im naͤchſten (ihrem zweiten) Herbſt beendet iſt, alſo ein halbes Jahr dauert. Dieſer Federwechſel bringt den großen Arten abermals ein dem Jugendkleide aͤhnliches, aber feiner gefleck— tes Kleid, das ſie wieder mit in den Winter nehmen, im naͤchſten Fruͤhjahr (ihrem dritten) erſt abzulegen anfangen, den ganzen Som⸗ XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 233 mer hindurch dieſe Mauſer fortſetzen und ſie erſt im Herbſt vollen⸗ den. Dieſe giebt ihnen dann ein Winterkleid, das denen der Alten, bis auf den noch braun oder ſchwarz geſprenkelten Schwanz, ganz ahnlich ſieht, bis fie im naͤchſten Frühjahr (ihrem vierten) endlich ein dem der Alten aͤhnliches Fruͤhlingskleid anlegen, was nun ſchon binnen ein paar Monaten fertig wird. Von jetzt an mauſern ſie bis an ihr Lebensende jaͤhrlich zwei Mal, im Herbſt ganz vollſtaͤndig, im Fruͤhjahr nur das kleine Gefieder beſonders am Kopfe und Halſe, und dieſer Zeitpunkt tritt bei den groͤßten Arten wol noch 1 Jahr ſpaͤter, bei den kleinen dagegen wol bis 2 Jahr fruͤher als oben geſagt ein. Die Mannichfaltigkeit und Buntheit der jungen und juͤngern Meven muß begreiflicherweiſe, nach dem Geſagten, ins Unendliche gehen, wenn man bedenkt, daß faſt jeder Tag Federn von anderer Farbe und Zeichnung hervorbringt und nach— dem ſie in der Mauſer und im Alter mehr oder weniger vorgeruͤckt, auch mehr oder weniger mit andern Farben gefleckt ſind. Nur dann erſt, wenn die jungen Meven das hochzeitliche Kleid der Alten angelegt haben, in ihrem dritten, vierten oder fuͤnften Lebensjahr (die kleinen fruͤher, die großen ſpaͤter) ſind ſie zur Fortpflanzung ihrer Art reif oder zeugungsfaͤhig, und wahrſchein— lich darum nicht fruͤher, weil bis zu dieſem Zeitpunkte, jeden Som— mer, ein halbes Jahr, hindurch der ununterbrochene Federwechſel ihre phyſiſchen Kraͤfte ſo ſehr in Anſpruch nahm, daß das Fortpflan— zungsvermoͤgen nicht auch zugleich mit ausgebildet werden konnte. Sie unterſcheiden ſich dadurch gar ſehr von den Meerſchwalben, die ſchon in ihrem zweiten Lebensjahre zur Fortpflanzung ihrer Art tüchtig find. Die Meven find über alle Theile unfrer Erde verbreitet, doch haͤufiger in der kalten und gemäßigten als der heißen Zone. Die meiſten Arten ſind ungeheuer zahlreich an Individuen und haͤufig in Schaaren beiſammen, welche große Flaͤchen bedecken und deren Groͤße Staunen erregt. Alle groͤßern und großen Arten bewohnen das Meer, an ſeinen Kuͤſten, Inſeln, Klippen und Felſengeſtaden; von den kleinen kommen dagegen manche auch an ſtehenden ſuͤßen Gewaͤſſern und in Suͤmpfen vor, wo dieſe auch niſten, was jene nur am Meere thun. Dieſe find Zug voͤgel und durchwandern auch das Feſtland, die großen, theils Strich- theils Zug voͤgel, machen ihre Reiſen nur uͤber und an dem Meere entlang, entfernen ſich aber ſeeeinwaͤrts gewoͤhnlich nicht uͤber 20 Meilen von den Kuͤſten, weshalb fie den Schifffahrern ein Zeichen des nahen Landes 234 IIII. Ordn. LXWVIII. Gatt. Meve. find, kommen dagegen aber an die Gewaͤſſer im Innern der Länder niemals oder nur als einzelne Verirrte und bloß in den Jugendkleidern. Ihre Geſtalt iſt nicht die überaus ſchlanke der Meerſchwal⸗ ben, doch keineswegs eine plumpe, vielmehr eine ſehr gefaͤllige; ihre Stellung auf feſtem Boden auch eine weit edlere, worin der ſtarke Rumpf wagerecht auf den ſenkrechten, in der Ferſe nicht gebogenen Beinen im Gleichgewicht ruhet, der kaum oder nicht eingezogene, ſanft gebogene, hoch aufgerichtete Hals den wagerecht gehaltenen Kopf und Schnabel traͤgt, die Enden der großen Fluͤgel, von ſtarken Trag⸗ federn unterſtuͤtzt, ſich uͤber dem Schwanzende kreutzen und dieſes nie ſehr weit uͤberragen. In uͤbler Laune ſinkt wol auch die Bruſt etwas unter die Horizontallinie herab und der Hals wird dazu ſtaͤr⸗ ker eingezogen, kann dies aber, vermoͤge ſeiner Laͤnge, ſo ſtark nie werden als bei jenen. — Sie ſind nicht, wie die Meerſchwalben, ausſchließlich zum Fliegen geſchaffen, ſondern auch zum Gehen und Schwimmen eingerichtet. Sie gehen viel und leicht, nicht ohne An⸗ ſtand, die großen Arten in langſamen Schritten, die kleinen behen⸗ der und dieſe koͤnnen auch ziemlich ſchnell laufen. Um ſich auszu⸗ ruhen ſtehen oder ſitzen ſie bald auf ſteifen Fuͤßen und ſtets auf der Spur (den Zehenſohlen, Pelma), bald auf die Bruſt niedergelegt, oft lange an einer Stelle, auf dem Lande oder auf Felſen, aber nie auf Baͤumen; ruhen auch oft auf dem Waſſer ſchwimmend, waͤh⸗ rend ſie bei dieſem die Bruſt nie tief eintauchen, den Hals ziemlich einziehen, die Enden der Fluͤgel aber ſehr hoch tragen. Sie rudern auch recht gut, halten dies lange aus, ſelbſt bei hohem Wellengange, und ſchwimmen nicht allein vorwaͤrts, ſondern wiſſen ſich auch durch geſchicktes Rudern und, ohne vom Winde getrieben zu werden, an einer Stelle zu halten, zumal wenn ſie ſchlafen, was ſie bald auf dem Waſſer, bald auf dem Lande thun. Sie find Tag vogel. — Tauchen koͤnnen viele, aber nur wenn ſie ſich aus der Luft aufs Waſſer ſtuͤrzen, wobei fie jedoch nie ſehr tief unter die Oberfläche eindringen; aus dem Schwimmen vermag es keine. — Sie fliegen mit langſamen Fluͤgelſchlaͤgen und oft ſchwebend, viel und anhal⸗ tend, leicht und ſchoͤn, doch lange nicht ſo ſchnell und mit ſo vieler Abwechslung als die Meerſchwalben, die großen Arten Buſſar⸗ den, die kleinen Kraͤhen oder Dohlen ähnlich; fie koͤnnen, ohne ſichtliche Bewegung ihrer ganz ausgebreiteten Fluͤgel und des Schwan⸗ zes, in der Luft an einer Stelle ſtill ſtehen und lange darin behars ren, zumal bei etwas ſtarkem Winde, welchen ſie uͤberhaupt nicht ſcheuen und jeden Sturm maͤchtig zu bekaͤmpfen verſtehen, ſich ſehr XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 235 ſanft auf die Erde oder das Waſſer niederlaſſen und ſich ebenſo und | | | | | | mit größter Leichtigkeit wieder aufſchwingen. Die kleinen Arten find lebhafter, weniger langſam und gemäch- lich, die großen träger, ernſter geſtimmt, neidiſch, raufſuͤchtig, ob: gleich eben fo geſellig und fo gern in Vereinen der eigenen Art bei⸗— | | ſammen, als fie auch ſchwaͤchere um und neben ſich dulden. Miß— trauen und Vorſicht zeigen ſie uͤberall in reichem Maaße; ſie ſcheuen den Menſchen allenthalben, außer an den Bruͤteplaͤtzen und da wo ihnen Erfahrung lehrt, daß ſie nichts von ihm zu fuͤrchten haben und einen guten Fang machen koͤnnen. Eine zugefuͤgte Unbill ver⸗ geſſen ſie ſobald nicht wieder, und ſcheuen den Ort, ja ſelbſt die Perſon, welche ſich feindſelig gegen ſie benommen hatte. — Ihre Stimmen ſind bald ſtark, bald ſchwaͤcher ſchallende, kreiſchende, un— angenehme und widerliche, verſchiedenartige, zum Theil kraͤhenartige Toͤne, wovon ſie hin und wieder „Seekraͤhen“ heißen. In Ge⸗ ſellſchaft ſchreien ſie ungewoͤhnlich viel, zumal an großen Bruͤte⸗ plaͤtzen, und werden damit gar ſehr laͤſtig. Sie naͤhren ſich von ſo vielerlei, doch meiſtens animaliſchen Stoffen, daß man ſie faſt unter die Allesfreſſenden zaͤhlen moͤchte, und die kleinen Arten fuͤglich die Kraͤhen oder Raben, die großen die Geier und Aas voͤgel der Gewaͤſſer vorſtellen. Fiſche find freilich ihre Hauptnahrung und zwar nicht allein lebende, ſondern auch todte und bereits in Faͤulniß uͤbergehende, ſelbſt die bloßen, von Menſchen weggeworfenen Eingeweide derſelben und Abgaͤnge, ſo wie Fiſchrogen; außerdem aber auch Kruſtenthiere, Schalthiere, Weich: thiere, Würmer, Inſekten und deren Larven, fo wie kleine Saͤuge— thiere, kranke und todte Voͤgel, ſelbſt von eigener Art, junge Voͤgel und Vogeleier, endlich Aas aller Art, im Nothfall manche auch ve— getabiliſche Stoffe Die großen Arten ſind raͤuberiſcher Natur, die kleinen weniger, aber alle ſind heißhungerige Vielfreſſer, vollgeſtopft ſehr traͤge, aber auch faͤhig, lange Hunger zu ertragen. — Sie fliegen beſtaͤn dig niedrig und langſam, gewoͤhnlich dem Ufer entlang, oder uͤber dem Waſſer, auf langen Strecken ſuchend hin und her, erlan— gen ihre Nahrungsmittel meiſtens durch Stoßtauchen, dadurch aber nur oben oder ſehr flach ſchwimmende Geſchoͤpfe, ſind beſonders bei den Zuͤgen der Fiſche und wo dieſe durch Phoken oder Raub— fiſche vom Grunde gegen die Oberfläche aufgeſcheucht werden, auch bei der Ebbe ſehr thaͤtig, leſen vieles Gewuͤrm auch ſchwimmend von der Oberflaͤche, anderes gehend am Ufer, ſogar oft von Wieſen und Aeckern auf, zanken ſich haͤufig um die aufgefundene Beute 236 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. und reißen ſie einander vor dem Schnabel weg. Gierig verſchlin— gen fie Alles in großen Portionen, zu deren Zerſtuͤckelung der ſtarke, hakenartige Schnabel vortrefflich eingerichtet iſt, was moͤglich iſt in— deſſen ganz, ſo kleine Voͤgel ſammt allen Federn, kleine Saͤugethiere mit Haaren und Knochen, kleine Kruſtaceen mit den Schalen, und ihr ſcharfer Magenſaft laͤßt nur Weniges unverdauet abgehen. Im weiten Schlunde werden die verſchluckten Nahrungsmittel bald mit ſcharfem Schleim uͤberzogen, doch geben ſie ſolche im Schreck und bei andern Veranlaſſungen durch Erbrechen leicht wieder von ſich. Ihre Exkremente ſind weiß, duͤnnfluͤſſig, aber oft mit unverdaulichen Reſten des Genoſſenen vermiſcht. Sie ſind nicht ſelten recht fett, baden ſich oft im Waſſer und erhalten, ſo lange ſie geſund ſind, ihr zartes Gefieder ungemein reinlich und ſauber. Die Meven niſten faſt nie in vereinzelten Paaren, vielmehr ſtets in kleinen oder groͤßern Vereinen, oft zu Hunderten, ja zu Tauſenden beiſammen, am Meer, auf Felſenabſaͤtzen, Klippen und Scheeren, auf hoͤhern oder niedrigen Inſeln und flachem Strande, manche auch in Suͤmpfen und auf ſtehenden Gewaͤſſern im kurzen Schilfe und Binſen. Durch unaufhoͤrliches Schreien und Umſchwaͤr— men ſind ihre Bruͤteplaͤtze ſehr belebt, und es giebt im Norden gar viele, wo die ruhenden Voͤgel die Felſen wie in einen weißen Schleier huͤllen, die fliegenden eines ſolchen Vereins die Sonne faſt verfin— ſtern und mit ihrem Geſchrei die Sinne betaͤuben. Ihre Neſter ſind ſtets nahe nebeneinander, bald ziemlich groß, bald kleiner, aber immer kunſtlos oder ſehr locker und nachlaͤſſig, aus trocknen Waſſer— und Strandpflanzen, geflochten oder dieſe bloß aufeinander ge— haͤuft. — Ihre Eier ſind groß, eigeſtaltig, die Schale ſtark, von grobem Korn, daher mit etwas rauher Auſſenflaͤche; ſchmutzig und blaßgruͤnlich, braungruͤnlich, gruͤnbraͤunlich oder gelbbraͤunlich, aber nie weiß, immer aſchgrau und ſchwarzbraun mehr oder weniger ge— fleckt, ſehr ſelten ohne Flecke. Die Normalzahl der Eier iſt 3, bei den großen Arten oft nur 2, bei den kleinen ſehr ſelten auch 4. — Sie werden von Maͤnnchen und Weibchen, welche am Bauche einen oder einige Bruͤteflecke haben, wechſelsweiſe 3 Wochen lang, bei ſchoͤnem Wetter nicht ſo anhaltend als bei ſchlechtem, bebruͤtet und von ihnen ſehr geliebt, noch mehr aber die Jungen, welche ſie oft mit eigener Lebensgefahr vertheidigen. Dieſe tragen ein dichtes, meiſt geflecktes Dunenkleid, laufen, wo es ſein kann, ſehr bald aus dem Neſte, und verbergen ſich im Sande, hinter Erdſchollen, Stei— nen, in Hoͤhlen oder unter Pflanzen, ſchwimmen im Nothfall auch, | | f | ! | XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 237 oder bleiben im Neſte bis ſie den Alten fliegend folgen koͤnnen, wachſen ſehr ſchnell und werden von dieſen aus dem Schlunde ge— aͤtzt, indem fie ihnen die Nahrungsmittel aufwuͤrgen und, fo lange jene noch klein, in den Schnabel geben, wenn ſie ausgeflogen, ſich aber wenig mehr um ſie bekuͤmmern. Wenn die Jungen erzogen find, verlaffen alle die Bruͤteplaͤtze, zerſtreuen ſich oder ſtreichen ſchaa— renweiſe, jedoch die Jungen von den Alten abgeſondert, nach andern Gegenden und endlich weiter weg. Ihren Feinden, den großen Raubvoͤgeln, Raubmeven, Raben und Kraͤhen widerſtehen die Schaaren gewoͤhnlich mit vereinten Kraͤften, und dieſe fallen überhaupt über alle groͤßern Voͤgel her, welche ſich ihren Bruͤteplaͤtzen naͤhern, und ſuchen ſie mit Schnabel— ſtoͤßen und Biſſen zu vertreiben, waͤhrend Einzelne und unwachſame kleinere Vereine oͤfter von jenem Raubgeſindel uͤberliſtet werden. Die Raubmeven zwingen die ſchwaͤchern Arten die eben gemachte Beute fallen zu laſſen oder die bereits verſchluckte wieder auszu— ſpeien, um ſie fuͤr ſich aufzufangen. — Die Meven ſind argwoͤh— niſch und vorſichtig, liſtig und ſcheu, daher nur an den Bruͤteorten leichter, fonft überall ſchwer zu ſchießen. Durch eine Art von Neu: gier laſſen ſich einzelne herumſtreifende Meven nicht ſelten in die Naͤhe des Schuͤtzen locken, wenn dieſer z. B., ſobald er eine in der Ferne gewahr wird, ſich in dem Striche, den ſolche vermuthlich ma— chen wird, platt auf die Erde niederlegt und ganz ſtill liegt, bis fie über ihn anhält oder doch nahe genug vorbei koͤmmt. Wenn er nach einer Vorbeiſtreichenden ein Rohr, wenn auch zu weit um fie zu treffen, abfeuert, koͤmmt ſie, wunderlich genug, gewoͤhnlich ſtracks auf ihn los geflogen und nahe genug, um mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte erlegt werden zu koͤnnen. Ein geſchoſſener todter Vogel, bei dem er in einiger Entfernung ſtill ſtehen bleibt, nicht ſelten auch ein hingeworfenes Taſchentuch oder Stuͤck Papier reitzen auch oft ihre Neugier und ziehen ſie in Schußnaͤhe. Fangen kann man ſie an Angelhaken, an welchen ein kleiner, verſchlingbarer Fiſch zum Koͤder dient. — Fuͤr naturgeſchichtliche Zwecke verlangen die geſchoſſenen Meven eine ſehr ſorgfaͤltige Behandlung, weil das ein— mal mit Blut, Schlamm und ſonſt beſudelte zarte Gefieder, wenn es nicht auf der Stelle mit aller Sorgfalt wieder gereinigt wird, ſeine urſpruͤngliche Reinheit und Nettigkeit nie wieder erhaͤlt; weil ferner, wenn der Schlund angefuͤllt iſt, Fiſche, oder was er ſonſt enthaͤlt, leicht in Gaͤhrung uͤbergehen, zumal bei warmer Witterung, und die Haut angreifen, ſo daß ſich die Epidermis, ſammt den Fe⸗ 238 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. dern, an der Kehle u. ſ. w. abloͤſet; oder weil auch der Magenſaft für fi) allein, wenn auch der Oeſophagus leer, leicht aus dem Ras chen und der Naſe auslaͤuft und wenn er in die befiederten Theile des Kopfes dringt, wie eine Beitze wirkt, ſo daß die Federn am Kinn, den Zuͤgeln u. ſ. w. ausfallen oder das nachherige Abſtreifen und Umwenden der Haut, ohne auszugehen, nicht aushalten. Das Fleiſch der Meven iſt hart und unſchmackhaft, wird deshalb gewoͤhnlich nicht gegeſſen; deſto lieber ißt man aber die Eier, ſammelt ſie deswegen in Menge und bezieht daraus, an großen und zahlreich beſetzten Bruͤteplaͤtzen, einen bedeutenden Ge⸗ winn, zumal aus denen der großen Arten, welche die Groͤße derer von zahmen Gaͤnſen ziemlich erreichen, zwar etwas nach Meerſalz, aber ſonſt ſehr gut ſchmecken, einen ſchoͤn orangefarbenen Dotter und zartes Eiweiß haben, und in der Küche zu jedem Gebrauch tau⸗ gen. Mehrere der, unfern der deutſchen und frieſiſchen Nordſeekuͤſte und uns am naͤchſten liegenden Niſtplaͤtze großer Mevenarten, ob⸗ gleich hinſichtlich der Menge der Voͤgel noch lange nicht mit einem (der dreizehigen M.) im obern Norwegen oder bei Island zu vergleichen, geben dennoch jaͤhrlich einen Gewinn von mehrern Hundert Thalern; denn man fuͤhrt dieſe Eier nach entfernte Orte und große Staͤdte aus, wo ſie ſehr gern gekauft und gut bezahlt werden. Wo ſolche Plaͤtze im Beſitze vernuͤnftiger Privatleute ſind, oder als Eigenthum der Regierung jaͤhrlich verpachtet werden, wird das Aufſuchen der Eier planmaͤßig, jedes Fruͤhjahr nur etwa 2 Wo⸗ chen hindurch, getrieben, dann die zuletzt gelegten Eier den Voͤgeln zum Ausbruͤten uͤberlaſſen, damit ihnen der Ort nicht verleidet werde und ſie im naͤchſten Jahr wiederkommen moͤgen, was ſie denn auch gewoͤhnlich thun; man hat daher ſolche Bruͤteplaͤtze, die ſchon ein Jahrhundert und laͤnger ſo fortbeſtanden und, wenn nicht zu große Umwandlungen damit vorgehen, auch ferner fortbeſtehen werden. Die Federn der Meven find für den Gebrauch, namentlich zum Aus- ſtopfen der Betten, ebenſo vortrefflich als Gaͤnſefedern. Die kleinen Mevenarten nuͤtzen auch noch durch Vertilgen vieler uns nachtheiligen Inſekten und anderer laͤſtigen Geſchoͤpfe. — Der Schaden, welchen uns die Meven zufuͤgen, iſt ſehr unbedeutend, weil ſelbſt die kleinern Arten, an den mehrfach genutzten Gewaͤſſern des Feſtlandes, weniger von Fiſchbrut, die großen aber nur am Meere leben, wo auf ſolche Fiſche kein beſonderer Werth gelegt wird, auſſer wenn ſie ſie den Fiſchern aus den Netzen oder von den Trockenplaͤtzen hinwegſtehlen. XIII. Or dn. LXXVIII. Gatt. Meve. 239 Anatomiſche Charakteriſtik der Gattung Larus. |) von Rudolph Wagner. | „Was uͤber die Oſteologie der Gattung Sterna gefagt worden iſt, gilt faſt alles auch für Larus; auch die Zahlenverhaͤltniſſe der Wirbel ſind dieſelben.“ Hi „Die größeren Moͤven-Arten zeichnen ſich in manchen Stüden von den kleineren aus und unterfcheiden fich dadurch auch von den Seeſchwalben.) So finde ich die Naſenſcheidewand nicht fo ſtark durchbrochen als bei Sterna, dagegen die Gruben fuͤr die Naſendruͤſe viel groͤßer, aber mit ſpezifiſchen Nuͤancirungen; ſo ſtoßen z. B. bei Larus canus, argentatus, marinus die Gruben bei: der Seiten in der Mittellinie zuſammen, ſind breit und tief und haben hinten Loͤcherchen für die Gefäße. Bei Larus ridibundus ſind die Gruben viel kleiner. Am Thraͤnenbein vermiſſe ich den Anhang der Nerven oder es iſt ſehr verkuͤmmert. Das Bruſtbein N iſt dem der Seeſchwalben ſehr aͤhnlich, nur ſind die Abdominalbuch— ten ein klein wenig groͤßer, aber verſchieden; bei Larus ridibundus iſt die aͤußere Bucht etwas größer und tiefer, bei L. canus die in⸗ nere. Der aͤußere Hoͤcker des Oberarmbein's iſt ſehr ſtark und | hakenfoͤrmig nach innen gebogen und, wie bei Sterna, durch eine Sehnen⸗ Furche von dem anderen Theil des Kopfes abgeſetzt. Eben ſo findet ſich hier ein beſonderer, faſt hakenfoͤrmiger, ſpitzer Fort⸗ ſatz oberhalb des Cordylus externus am unteren Ende des Ober⸗ armbeins.“ | „In den Eingeweiden herrſcht die größte Uebereinſtimmung mit Sterna; die Blinddaͤrmchen ſcheinen etwas größer zu fein (3. B bei Larus argentatus 5 Linien lang) und ebenfalls ſtark abſprin⸗ Leider habe ich bisher die kleinſten Mövenarten z. B. Larus minutus und die größeren Seeſchwalben, wie St. caspia nicht unterſuchen können; es müßte dies zu einer elftärdigen anatomiſchen Vergleichung beider Gattungen von Intereſſe ſein. 240 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. gend; die Milz iſt ſehr lang und mehr platt. Vom Divertikel fand ich ebenfalls keine Spur.“ „Die Athem- und Stimmwerkzeuge ſind uͤbereinſtimmend mit Sterna; am oberen Kehlkopf iſt vor der Stimmritze ein kleiner wallartiger Vorſprung als Rudiment der Epiglottis; am hinteren Rand findet man die gewoͤhnlichen, ſpitzen, weichen War— zen. Die Luftroͤhre iſt rund; der untere Kehlkopf iſt nicht ſehr groß, der oberſte Bronchialring durch das einfache Muskelpaar ſtark emporgezogen, ſo daß eine laͤngliche membrana tympaniformis externa gebildet iſt; keine Pelotte; die Bronchialringe anfangs nur halb; der Buͤgel mittelmaͤßig breit; die FF ſind ſchwach.“ „Am Auge beſteht der Knochenring der Sklerotikin aus 15 ziemlich anſehnlichen Knochenſtuͤcken, von denen zwei einander ent— gegengeſetzte bloß deckend ſind; die Linſe iſt flach, hinten etwas mehr gerollt; der Faͤcher iſt ziemlich groß, beſteht aus 18 Falten, von denen die letzten ſchnell an Groͤße abnehmen und in einen kurzen Endlappen endigen.“ „Die Harderſche Druͤſe iſt ziemlich anſehnlich; die Naſen— druͤſe, den Eindruͤcken auf dem Stirnbein entſprechend, ſehr groß und platt.“ „Man ſieht aus den angegebenen Beſchreibungen, daß die Gattungen Larus und Sterna nichts beſonders anatomiſch Merks wuͤrdiges haben und nur das zeigen, was man überhaupt gewoͤhn— lich als der Mehrzahl der Voͤgel zukommend beſchreibt. Die ſehr | langen und ſchlanken Formen in den Knochen der oberen Extremi- täten hängen mit dem ſehr entwickelten Flugvermoͤgen zufammen und dieſer Bau findet in noch ausgedehnterem Maaßſtab bei den Tubinaren, mit denen dieſe beiden Gattungen uͤberhaupt viele Aehnlichkeit haben, ſo daß ſie fruͤher von Nitſch in eine Familie (Longipennes) vereinigt, ſpaͤter dagegen von ihm, nach dem Vor⸗ gange von Illiger wieder getrennt wurden.“ „Die Angaben uͤber die anatomiſchen Verhaͤltniſſe der Gattung Larus beziehen ſich auf die von mir unterſuchten Arten: L. mari- nus, argentatus, canus und ridibundus.“ 1 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Meve. 241 Die zahlreichen Arten dieſer Gattung ſind eines Theils einan— der ungewoͤhnlich aͤhnlich, andern Theils wieder ſehr von einander verſchieden, nicht allein in der Größe, ſondern auch in Geſtalt, Be: tragen und Lebensart, dies indeſſen durchgaͤngig ſo, daß der Gat— tungs⸗Typus dennoch und ſtets unverkennbar hervortritt; wer Eine Mevenart kennt, wird, trotz allen Abweichungen, die ihn zunaͤchſt aufſtoßende, bisher ihm unbekannt geweſene, ſogleich auch fuͤr dieſer Gattung angehoͤrig erkennen muͤſſen. So gewiß dies nun auch N durchgängig feſt ſteht, fo hat es doch nicht an Verſuchen gefehlt, — zu einer leichtern Uiberſicht der Menge von Arten, dieſe in mehrere Unterabtheilungen zu ſtellen. Da jedoch die Uibergangsformen, von einer Abtheilung zur andern, die Grenze zwiſchen dieſen ſchwankend machen, ſo kann eine ſolche nie voͤllig genuͤgen. Wollte man z. B. die Arten, welche ſich den Meerſchwalben zunaͤchſt anſchließen (eine ſogar auch wegen des etwas gegabelten Schwanzes), ihres ſchwa— chen Schnabels, ihrer ganz andern Kopffarbe und ihrer etwas ab: weichenden Lebensart wegen, abſondern, ſo wuͤrde den kleinſten und kleinen, dem Anſchein ihres Aeußerlichen nach, auch eine der groͤße— ſten Arten, L. ichtyaetos, beigeſellt werden muͤſſen, deren Lebensart aber zu wenig bekannt iſt, um dieſe Stellung zu rechtfertigen; — L. canus würde ſich, der Lebensart und Größe wegen jenen kleinern Arten anſchließen, waͤhrend ſie in allem Uibrigen L. argentatus ebenſo nahe ſteht; — L. tridactylus ſtaͤnde ganz allein, — ebenſo L. eburneus, u. ſ. f. Ein ſolches Verfahren wuͤrde demnach eine Menge Abtheilungen geben, welche die Uiberſicht des Ganzen ſchwer— lich erleichtern moͤchten, ebenſo wenn man gar dieſe alle, wie in neuern Zeiten bereits mit mehrern geſchehen, zu befondae Gattun— gen erheben wollte. Ein ſolches Unternehmen ſcheint aber viel zu gewagt, ſo lange ſaͤmmtliche, auf unſrer Erde lebende Arten der Mevengattung (nach gegenwaͤrtiger Feſtſtellung) nicht auch nach ihrer verſchiedenen Lebensweiſe hinlaͤnglich beobachtet ſind. Wir begnuͤgen uns deswegen vor der Hand, ſaͤmmtliche Arten in Einer Gattung, ohne beſondere Unterabtheilungen, zu belaſſen und in der Reihefolge nach ihren natürlichen Verwandtſchaften aufzuführen, und beſchrei— ben im Folgenden, als einheimiſch, einſtweilen Elf Arten. 10r Theil. 16 288. a Die Zwerg-Meve. Larus minutus Pallus. | | Fig. J. Männchen im Sommerkleide. Taf. 258. Fig. 2. Weibchen im zweiten Winterkleide. g | Fig. 3. Weibliches Jugendkleid. Zwergſchwalbenmoͤve; kleine Meve oder Möpe. Larus minutus. Pallas, kter, III. p. 702. n. 35. — Oedmaun, nov. act. Stockh. 1783. II. p. 120. n. 1. = Gmel. Liun. Syst. I. 2. p. 595. n. 12. = Lath. Ind. II. p. 813. n. 5. - Nilsson, Orn. suec. II. p. 179. u. 221. — Larus atricilloides. Falk, Iter, III. p. 355. tab. 24. - Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 601. u. 19. Lath. Ind. II. p. 813. u. 3. — La plus petite des Mouettes. Sonuini, nouv, edit, de Buffon. Bis XXIV. p. 288. == Mouetie rieuse de Siberie. Id. ibid. p. 287. Mouetie pygmee. Temm. Man. sec, edit II. p- 787. Little Gull. Lath. Syn, VI. p. 391. — Uiberſ. von Bechſtein. III. 2. S. 343. n. 17. u. S. 346. n. 20. —- Eyton, rar. brit. Birds, p. 61. — Gabbianello. Savi, Oru. tose. III. p. 68. Wolf u. Meyer, Taſchenb. III. S. 488. und III. S. 205. — Meisner und Schinz, Big. d. Schweiz. S. 277. n. 246. — Meyer, Vög. Liv- u. Eſthlands S. 237. - Beniden, Wetteraueſche Ann. III. S. 141. = Brehm, Lehrb. II. S. 727. = Deſſen Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 763. — Hornſchuch u. Schil⸗ ling, Verz. pomm. Vög. S. 18. - Naumann's Vög. Nachtr. S. 258. Taf, XXXVI. Fig. 72. Altes Männchen im July. Kennzeichen der Art. Alter Vogel. Die großen Schwingfedern hellgrau, mit wei— ßen, etwas ſchwarz gezeichneten Enden und ſchwarzer Auſſenfahne der aͤußerſten. Junger Vogel. Der Hinterkopf, ein großes Feld auf der untern Halswurzel und die kleinen Fluͤgeldeckfedern dunkel chocolatbraun. Der ſehr ſchwache Schnabel, wie auch der Lauf, 1 Zoll lang. Droſſelgroͤße. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 258. Zwerg: Meve. 243 Beſchreibun g. Dieſe Art iſt die kleinſte der Gattung und ſchon darum nicht leicht mit einer andern zu verwechſeln, ſelbſt nicht mit der ihr im Uibrigen ſehr aͤhnlichen ſchwarzkoͤpfigen Meve, welche an Groͤße eine Feldtaube uͤbertrifft, waͤhrend die Zwergmeve darin nur einer der groͤßeſten Droſſelarten gleicht. Unter allen Meven aͤhnelt ſie den Meerſchwalben noch am meiſten, beſonders am Schnabel und in der ſchlanken Geſtalt, jedoch des Baues der Füße und des nicht gegabelten Schwanzes wegen doch mehr noch den Meven, weil uͤberhaupt das Mevenartige durchgaͤngig doch ſo vorherrſchend iſt, daß, wer ſie nicht bloß fliegend ſahe, gewiß nie in Zweifel gerathen wird, welcher von beiden Gattungen er ſie zuzaͤhlen ſoll. Ihre Länge beträgt 11 bis 12½ Zoll; ihre Flugbreite 28 ½½, 28 bis 29½ Zoll; die Laͤnge des Flügels, vom Handgelenk bis zur Spitze, 8 bis 9 Zoll; die des Schwanzes 3 bis 3½ Zoll. Die kleinſten dieſer Maaße kommen ausgewachſenen jungen Voͤ— geln zu, unter welchen wol noch etwas kleinere vorkommen. Da— gegen ſind beide Geſchlechter, von einem Alter, wenig verſchieden, die Weibchen wenig kleiner als die Maͤnnchen. Die Beſchaffenheit des Gefieders iſt dieſelbe wie bei andern Me— venarten, ſehr weich, dicht, am Unterkoͤrper pelzartig, die Schwing— federn nicht ſo ſchmal, auch weniger hart und die Schaͤfte gerader als bei Meerſchwalben, der Schwanz am Ende faſt ganz gerade, wie mit der Scheere abgeſchnitten, nur bei Jungen ganz ſeicht, da— her nicht ſehr auffallend, ausgeſchnitten, und die ruhenden Fluͤgel reichen mit ihren Enden immer nur etwas, bei Jungen ½, bei Alten 1½ Zoll über das Ende deſſelben hinaus. Der Schnabel iſt ſehr ſchwach, ſchlank, der Firſte nach von der Mitte an ſanft im ſeichten Bogen nach unten in die ſcharfe Spitze uͤbergehend; am Kiel, ſo weit deſſen Spalte reicht, gerade, dann ſchraͤg in die Spitze aufſteigend, ohne dort ein auffallendes Eck zu bilden; er iſt von den Seiten ſtark zuſammengedruͤckt, am meiſten ſpitzewaͤrts; die ein Wenig uͤbereinander greifenden und etwas ein— gezogenen Schneiden ſehr ſcharf; der Rachen ziemlich tief geſpalten, aber nicht ſehr weit. Die ſchmalen, kurz ritzartigen, aber durchſich⸗ tigen Naſenloͤcher liegen unfern der Stirn, ſeitlich in einer ſchmalen nach vorn ſpitz auslaufenden Hoͤhle. Der Schnabel iſt bei Alten von der Stirn bis zur Spitze gewoͤhnlich 1 Zoll, von dieſer bis in 16* 244 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 258. Zwerg: Meve. den Mundwinkel 1½ Zoll lang, an der Wurzel im Durchſchnitt faft 3½ Linien hoch und 2½ Linien breit; bei erwachſenen juns gen Voͤgeln aber oft nur 9 Linien lang, nicht uͤber 2½ Linien hoch und nur 1½ Linien breit. — Bei den Letztern iſt er horn: ſchwarz, an der Wurzel der Unterkinnlade etwas lichter, zuweilen ins Gelbliche oder Fleiſchfarbige ziehend; bei alten Voͤgeln ſchwarz, mit durchſchimmerndem dunkeln Roth, wie ſchwarze Kirſchen, oder auch ſchwaͤrzlich rothbraun, aber ſtets ſehr dunkel, im getrockneten Zuſtande braͤunlich ſchwarz; der Rachen bei lebenden Alten dunkel— roth, bei Jungen fleiſchfarbig. Das Auge hat eine tiefbraune Iris, bei Alten roͤthlich ſchwarze nackte, bei Jungen weißbefiederte Lider. Die Fuͤße ſind im Verhaͤltniß zum Koͤrper nicht groß, nicht hoch, überhaupt etwas ſchwaͤchlich; die drei vordern Zehen mit vol: len Schwimmhaͤuten; die Hinterzeh ſehr klein mit einer winzigen geraden Kralle, waͤhrend die der Vorderzehen viel groͤßer, ziemlich gebogen und ſpitz, unten rinnenartig, daher ſcharfkantig ſind und dieſer ſcharfe Rand an der innern Seite der Mittelzeh ſtark vortritt. Ihr weicher Uiberzug iſt zart gekerbt, auf dem Spann in groͤßere, auf den Zehenruͤcken in ſchmale, uͤbrigens in ſehr kleine Schilder, dazu die Schwimmhaͤute und Sohlen ſehr fein genarbt; dies Alles wie bei andern Meven aber viel zarter, die Fuͤße daher weicher und glatter anzufuͤhlen. Der Unterſchenkel iſt uͤber der Ferſe 3 bis 4 Linien nackt, das aber meiſtens von den etwas langen Schenkel— federn verdeckt wird; der Lauf mißt 1 Zoll bis 1 Zoll 2½ Linien; die Mittelzeh, mit der 2 bis 3 Linien langen Kralle, 1 bis 1½ Zoll; die Hinterzeh mit der kaum ½ Linie langen Kralle 1½ bis 2 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt bei jungen Voͤgeln fleiſchfarbig, bei en Alten im Herbſte ſcharlachroth, im Fruͤhjahr und Sommer ein glaͤnzendes Hochroth, wie aus Karmin und Zinnober zuſammenge— ſetzt; die der Krallen ſchwarz. Das praͤchtige Roth wird zwar nach dem Austrocknen an Ausgeſtopften viel bleicher und ſchlechter, bleibt aber lange noch ziemlich kenntlich. Das Neſt- oder Dunenkleid kennt man noch nicht. Das Jugendekleid des völlig flugbaren Vogels zeichnet ſich vor andern jungen Meven durch ſeine eigenthuͤmliche Zeichnung ſehr aus; man darf es zu den huͤbſcheſten in dieſer Gattung zaͤhlen. — Stirn, Zuͤgel, die ſehr breiten Augenbrauen, uͤberhaupt das ganze Geſicht, bei vielen bis uͤber die Mitte des Scheitels hinauf, der 1 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 284. Zwerg-Meve. 245 ganze Hals, der ganze Unterkoͤrper, die untere und obere Schwanz— decke, nebſt Buͤrzel ſind rein weiß; der Scheitel und das Genick, jener bald uͤber der Stirn, bald erſt uͤber der Mitte anfangend, roͤthlich ſchwarzbraun (chocolatbraun), hinten am dunkelſten, bald mit, bald ohne etwas lichtere Federkanten; vor dem Auge ſteht ein mehr oder weniger deutlich gezeichnetes, aus borſtigen Federchen ge— bildetes, ſchwarzes Fleckchen, ein rundlicher chocolatbrauner Fleck auf dem Ohr; ein großes dreieckiges oder dreilappiges Feld von dieſer Farbe, aber ſehr dunkel und einfarbig, nimmt den ganzen Ober— ruͤcken und die Halswurzel ein, wo ſeine obern Lappen jederſeits mondfoͤrmig ſich nach den Kropfſeiten herum biegen, jedoch vorn lange nicht zuſammen reichen; die Schulterpartie dunkel chocolat— braun mit weißen Querbaͤndern, die am Anfange ſehr breit, nach hinten viel ſchmaͤler und aus den breiten weißen Endkanten der Fe’ dern gebildet werden, wozu an den gleichgefaͤrbten der hinterſten Schwingfedern noch weiße Seitenkanten kommen. Das Fluͤgelraͤnd— chen iſt weiß, uͤbrigens ſaͤmmtliche kleine Fluͤgeldeckfedern dunkel und einfarbig chocolatbraun; die mittlern Fluͤgeldeckfedern, in ſcharfer Be: grenzung von jenen, grauweiß, die großen nebſt den Secundar— ſchwingfedern weißgrau, letztere mit in Weiß auslaufenden Enden; der Fittich ſchwarz, die Deckfedern wurzelwaͤrts mehr oder weniger weiß; die vorderſten großen Schwingfedern, 3 bis 4 an der Zahl, an der Auſſenfahne und Spitze tief ſchwarz, mit weißlichen Spitzen— ſaͤumchen, auf der Innenfahne bis gegen die Spitze weiß, am ſchwar— zen Schaft graulich; die 3 bis 4 folgenden von auſſen matt ſchwarz, bei Manchen wurzelwaͤrts aſchgrau uͤberlaufen, alle mit weißen Spitzen und zunehmendem Weiß ruͤckwaͤrts, die naͤchſtfolgenden noch mehr weiß, mit ſchwaͤrzlichem Strich laͤngs dem Schafte und ſchwar— zem Fleck vor der weißen Spitze, bis an den letzten erſter Ordnung alles Schwarz aufhoͤrt. Der Unterfluͤgel iſt vornher und am Rande weiß, an den groͤßern Deckfedern grau, an den groͤßeſten ſchwarz— grau mit weißen Endkanten, die Schwingfedern von unten mit viel mehr Weiß als von oben. Die laͤngſten der weißen Oberſchwanz— deckfedern ſind entweder an den Enden graulich angeflogen, oder ha— ben ein mondfoͤrmiges ſchwarzes Fleckchen am Spitzenrande. Der Schwanz iſt weiß, vor der weißen Endkante mit einem tief ſchwar— zen, mehr oder weniger breiten Querbande geziert, das nach auſſen ſtets ſchmaͤler als in der Mitte und an der aͤußerſten Feder meiſtens nur noch als ein kleiner rundlicher Fleck auf der Innenfahne an: gedeutet iſt. 246 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 258. Zwerg: Meve. Es herrſchen mancherlei Verſchiedenheiten in den Zeichnungen dieſer jungen Meven; bei manchen iſt z. B. das Weiß nur uͤber den Anfang der Stirn, bei andern bis weit uͤber die Mitte des Scheitels verbreitet, bei dieſen daher nur das Genick, bei jenen der ganze Oberkopf chocolatbraun; das ſchwarze Fleckchen vor dem Auge beſteht bei manchen nur aus einigen wenigen ſchwarzen Schaͤften, bei andern faͤllt es ſchon von Weitem auf; bei manchen vereinigt ſich der dunkle Ohrfleck mit dem des Genicks, bei andern iſt er durch breiteres Weiß von ihm getrennt; die baͤnderartige Zeichnung der Schultern iſt bei manchen ſehr groß und ſehr geregelt, bei andern verworren, enger und mit einem hellern Braun vermiſcht; das Mit— telfeld des Fluͤgels (die mittlern und großen Deckfedern nebſt den Secundarſchwingen) iſt gewoͤhnlich lichtgrau, ringsum weißlich, bei vielen aber auch ganz weißz noch viel wandelbarer iſt die Farbe und Zeichnung der kuͤrzern Primarſchwingen von der dritten oder vierten von vorn an, wie auch die des Schwanzes und ſeiner obern Deckfedern. Diejenigen welche das tiefſte Chocolatbraun und dies in den größten Maſſen und am reinſten zeigen, zugleich die größe: ſten, ſind gewoͤhnlich Maͤnnchen, die kleinern, lichter gefaͤrbten und auf den Schultern verworrener gezeichneten dagegen Weib— chen und ſo beide Geſchlechter in vielen Faͤllen ziemlich leicht zu unterfcheiden. Das erſte Winterkleid diefer jungen Voͤgel, wie man es zu Ende des Novembers findet, hat einen licht aſchblauen Ruͤcken, Schultern und Mittelfluͤgel, ſonſt noch Alles wie oben beſchrieben, und wird ſo mit dem Jugendkleide vermiſcht mit in den naͤchſten Fruͤhling hinuͤber genommen, die Mauſer aber dann noch, jedoch ſehr langſam, fortgeſetzt, wobei endlich die ſchwarzen und chocolat— braunen Partieen ſehr verſchießen, nach und nach von neuen und anders gefaͤrbten Federn verdraͤngt werden und erſt in naͤchſter Herbſt— mauſer ſich ganz verlieren. Wenn dieſe endlich vollendet iſt, ſind ſie in einem dem der Alien ſehr aͤhnlichen Winterkleide, worauf im kommenden Fruͤhjahr ein dem der Alten aͤhnliches Hochzeitskleid folgt, das fie nun, im dritten Fruͤhling ihres Lebens, fortpflan— zungsfaͤhig macht. Im zweiten Sommer ihres Daſeins haben ſie daher gewoͤhnlich ein ſehr buntſcheckiges Ausſehen, aber das hierauf folgende vollſtaͤndige, ihr zweites, Winterkleid unterſcheidet ſich von dem der ſpaͤtern Jahre nur noch in wenigen Stuͤcken, naͤmlich an den großen Schwingfedern, von denen, auſſer den ſchwarzen Auſſen— rand der vorderſten, mehrere vor der großen weißen Spitze noch einen XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 288. Zwerg: Meve. 247 ſchwarzen Fleck zu beiden Seiten oder auch nur an einer des Schaf— tes haben, desgleichen an der viel dunklern und ausgebreitetern ſchwaͤrzlich grauen Farbe des Genicks und Ohrflecks, auch an der lichtern Farbe der Fuͤße. Das ausgefaͤrbte Winterkleid, ihr drittes, iſt an der Stirn, uͤber den Augen, an den Schlaͤfen, auf den Wangen, an Kinn und Kehle, Halſe, Bruſt, Bauch, Schenkeln, dem Schwanze, feinen Dedfedern und am Buͤrzel rein und blendend weiß; an den weißen Zuͤgeln dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwarzborſtiges Fleck— chen; auf dem Ohr ein dunkelaſchgrauer Fleck und dieſelbe Farbe bedeckt den Hinterkopf und zieht ſich, aber bleicher werdend, noch ein gutes Stuͤck auf dem Nacken hinab; Ruͤcken, Schultern, Fluͤgeldeck— federn und die Schwingfedern zweiter Ordnung ſanft und ſehr licht aſchblau, letztere an den Enden und der Innenfahne, wie auch das Fluͤgelraͤndchen weiß; die Fittichdeckfedern und Schwingfedern erſter Ordnung ebenfalls licht aſchblau, wenig dunkler als der Oberfluͤgel, letztere mit ſehr großen weißen Enden, auf der Kante der breiten Fahne, ſpitzewaͤrts doch nicht nahe an der Spitze, mit einem ſchwar— zen Strich und die vorderſte mit ſchwarzer Auſſenfahne, das Schwarze jedoch nicht bis zur Spitze und auch nicht bis an die Wurzel rei— chend. Der Schnabel iſt ſchwaͤrzlich rothbraun, die Fuͤße find ſchar- lachroth. — Maͤnnchen und Weibchen haben eine gleiche Faͤr— bung, aber etwas verſchiedene Groͤße, und das Erſte ift immer ein wenig groͤßer als das Letzte. Im nun folgenden Hochzeitskleide, auch Sommerkleid genannt, iſt auch dieſe Meve erſt ganz ausgefaͤrbt. Der Schnabel hat die Farbe ſogenannter ſchwarzer Kirſchen, die Fuͤße ein gluͤhen— des hohes Roth, dem des feinſten Karmins (als trocknes Pulver) aͤnnlich. Der ganze Kopf mit allen befiederten Theilen iſt tief ſchwarz, bei recht alten mit gruͤnlichem Seidenglanze, bis auf die halbe Laͤnge des Halſes herab und hier ringsum gerade abgeſchnit— ten, von dem nun folgenden reinen Weiß der untern Halshaͤlfte, waͤhrend auch der Kropf, die Bruſt, der Bauch, der Schwanz mit ſeinen untern und obern Deckfedern, der Buͤrzel und das Fluͤgel— raͤndchen blendend weiß find; in dem Schwarz des Kopfes ſteht ein ganz kleiner weißer Halbmond dicht hinter dem Auge, ſonſt iſt es voͤllig einfarbig; Ruͤcken, Schultern, ſaͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern und Secundarſchwingfedern ſind ſehr licht aſchblaͤulich, die letztern mit weißen Enden und vielem Weiß auf den Innenfahnen; die Schwing— federn erſter Ordnung von der naͤmlichen ſanften und zarten aſch⸗ 248 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 258. Zwerg: Meve. blaͤulichen Farbe, mit ſehr großen, meiſtens 1 Zoll langen, weißen Enden und von der zweiten oder dritten an mit einem ſchwaͤrzlichen Anſtrich hinten auf der Kante der breiten Fahne ohnfern der Spitze, die vorderſte aber auf der ganzen Auſſenfahne ſchwarz, das an bei— den Enden ſpitz auslaͤuft und weder ganz zur Spitze noch zur Wur— zel reicht. Auf der untern Seite hat der Fluͤgel folgende Farben: der obere und vordere Rand ſind weiß, an den mittlern Deckfedern in Weißgrau und aus dieſem an den großen in Aſchgrau uͤberge— hend; alle Schwingfedern unten grauſchwarz, mit großen weißen Enden, beide Farben quer durch ſcharf getrennt, die Schaͤfte weiß. — Maͤnnchen und Weibchen ſind ganz gleich gefaͤrbt, Erſteres aber ſtets etwas groͤßer als Letzteres. Im Fruͤhjahr, beſonders die Fortpflanzungszeit hindurch, iſt bei alten Voͤgeln, vorzuͤglich den Maͤnnchen, das weiße Ge— fieder der Bruſt und des Bauches mit einer herrlichen Aurorafarbe angeflogen, die ſich an den Enden der Federn ganz ſchwach, wur— zelwaͤrts, wenn man ſie aufhebt, aber viel ſtaͤrker zeigt. Dieſe un— gemein liebliche Faͤrbung, womit das Gefieder dieſer Theile gleichſam angehaucht iſt, kann man eine bloß zufaͤllige nennen, indem ſie vom rothgelben Fette des Vogels herruͤhrt, aus der Haut in die Federn dringt und ſich, nachdem jenes häufiger oder ſparſamer vorhanden, auch ſtaͤrker oder ſchwaͤcher zeigt, bei magern Individuen dagegen gar nicht vorkoͤmmt, nach dem Ableben des Vogels bald verbleicht und nach dem Austrocknen der Haut, an Ausgeſtopften, gaͤnzlich ver— ſchwindet. — Dem Aehnliches findet ſich im zarten weißen Gefieder vieler Schwimmvoͤgel und entſteht immer aus der naͤmlichen Urſache, wie man deutlich an ſolchen Individuen ſieht, welche damit begabt in Gefangenſchaft geriethen, im Verlauf derſelben aber nach und nach abmagerten und endlich ſo an jenen Theilen auch wieder rein weiß wurden. Wenn dieſe Meve (wie alle andern) rein ausgefaͤrbt iſt, wech- ſelt ſie ihr Gefieder jaͤhrlich zwei Mal, regelmaͤßig und zu beſtimm— ten Zeiten, im Herbſt das ganze, im Fruͤhjahr nur das kleine Gefieder, und der Wechſel zwiſchen dem eben beſchriebenen Som— mer: und dem Winterkleide dauert dann ihre ganze übrige Le— benszeit hindurch fort. Wie bei andern Meven iſt auch hier die Mau— ſerzeit individuell verſchieden, oft um Monate, die Art ſelbſt aber zu ſelten und zu wenig beobachtet, um den Grund ſolcher Abweichungen angeben zu koͤnnen. Im Spaͤtſommer erlegte alte Voͤgel, zeigten ſchon die Miſchung des Sommer- und Winterkleides befonders am XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 258, Zwerg⸗Meve. 249 Kopfe, an den vielen neuen weißen Federn zwiſchen den ſchwarzen, und im Maͤrz geſchoſſene hatten zwiſchen den alten weißen Federn des Kopfes (vom Winterkleide) nur erſt ſo viele neue ſchwarze, daß das Sommerkleid zu erkennen war, waͤhrend mit ihnen flie— gende es bereits vollſtaͤndig angelegt hatten. Zu Ende des Juli erlegte man Alte noch im vollſtaͤndigen Sommerkleide, ohne Spur eines Anfangs der Mauſer; Junge, deren Jugendkleid An— fangs October noch unveraͤndert war, andere zu Ende des Novem— ber, welche ihr erſtes Winterkleid ſchon deutlich zeigten. Au fen t hal k. Die Zwergmeve iſt fuͤr Europa ein oͤſtlicher Vogel, haupt— ſaͤchlich aber im mittlern Aſien zu Hauſe, uͤber viele Theile der Tatarei und das ganze gemaͤßigte Sibirien verbreitet. Dort an Seen und Fluͤſſen, namentlich am caſpiſchen Meer und der Wolga haͤufig, weniger am ſchwarzen Meer, geht ſie im Som— mer auch ziemlich hoch nach Norden hinauf. Im noͤrdlichen A me— rika koͤmmt ſie auch vor, aber ſelten. In Europa bewohnt ſie vorzuͤglich die ſuͤdlichen Provinzen Rußland's, einen Theil der Tuͤrkei, die Moldau, weniger Ungarn und Italien, wurde aber auch an verſchiedenen Stellen der Oſt- und Nordſee ange— troffen, von Liv- und Eſthland an bis Holland, ſelten bis nach England hinuͤber. Auf dieſem ganzen Kuͤſtenſtriche iſt ſie hin und wieder an manchen Stellen, z. B. in der Schlei-, Eider- und Elbmuͤndung, eben nicht ſelten, oft in Geſellſchaften von mehrern und vielen Stuͤcken, am Ausfluß der Elbe ſogar ſchon zu Hunderten vorgekommen, und zwar zu verſchiedenen Zeiten und in verſchiede— nen Kleidern, fo daß ihre Bruͤteplaͤtze muthmaßlich nicht ſehr fern liegen moͤgen. Wenn es wahr iſt, daß ſie in den Suͤmpfen auf den Inſeln Gottland und Oeland bruͤte, ſo waͤre dies erklaͤrlich; an der übrigen ſchwediſchen Suͤdkuͤſte ſoll fie jedoch ſelten geſe— hen werden. Sehr ſelten koͤmmt ſie bis auf die Seen der Schweiz, dagegen iſt ſie, obwol auch als ſeltner Vogel, doch viel oͤfterer, in vielen Gegenden Deutſchlands, beſonders der groͤßern Flußge— biete, vorgekommen. Obgleich ſie in Anhalt, unſres Wiſſens, noch nicht erlegt wurde, ſo geſchahe dies doch in unſrer Naͤhe, im Mans— feldiſchen, auf jenem oft erwaͤhnten Salzſee und deſſen naͤchſten Gewaͤſſern, in einem Zeitraum von 30 Jahren, mehrmals; fie ers 250 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 288. Zwerg: Meve. ſchien dort nicht immer einzeln, ſondern oft auch paarweiſe und in kleinen Geſellſchaften zu fuͤnf bis ſieben Stuͤcken. Daß die Zwergmeve aus ihren noͤrdlichen Bruͤtegegenden im Winter, oder vielmehr gleich nach vollbrachten Fortpflanzungsge— ſchaͤften wegwandert, iſt beſtimmt; auch mag dies in den Deutſch— land zunaͤchſt liegenden wol auch um die Zeit geſchehen, wie bei den Lachmeven, fie aber wahrfcheinlich von jetzt an eben fo un— regelmaͤßig umherſchweifen und ſpaͤter erſt das Land wirklich ver— laffen, wie dieſe, weil man fie bei uns ebenfalls zu allen Zeiten an— traf, ausgenommen im Winter und wenn die Gewaͤſſer mit Eis bedeckt waren nicht. Es ſind naͤmlich Alte und Junge in ver— ſchiedenen Kleidern, im Fruͤhjahr, Sommer und Herbſt in Deutſch— land erlegt worden, ohne daß ſich daraus eine beſtimmte Zugpe— riode genau ermitteln ließ. Sie kamen gewoͤhnlich aus groͤßter Hoͤhe an die Gewaͤſſer herab, ſuchten an dieſen eine Zeit lang ihre Nahrung und begaben ſich nachher, auf aͤhnliche Weiſe wie ſie ge— kommen waren, wieder weg, ohne daß man die Richtung ihres We— ges wahrnehmen konnte. Manchmal hielten ſie einen oder einige Tage an einem ſolchen Orte aus, und verſchwanden erſt, wenn ſie ſich verfolgt ſahen. Seevogel iſt ſie nicht, und wo ſie auf ihren Streif- oder Wan— derzuͤgen am Meere vorkam, war es immer nahe am Strande, bei Inſeln, in ſtillen Buchten, an Flußmuͤndungen, oder auf ſtehenden Gewaͤſſern in der Nähe der Seekuͤſte, im Lande aber mehr an Land— ſeen und großen Teichen als an Fluͤſſen. Ihre Sommeraufenthalts— orte mögen ähnliche fein wie die der Lachmeve und der [hwarz . grauen Seeſchwalbe, und ſie geſellt ſich auch auf dem Zuge ſehr gern zu dieſen. : Eigenſchaften. Die Zwergmeve iſt ein ungemein niedliches, allerliebſtes Ge— ſchoͤpf und giebt an Schönheit keiner ihrer groͤßern Gattungsver— wandten etwas nach. Dieſe ſchoͤne Mevengeſtalt im verjuͤngten Maaßſtabe, mit dem herrlichen, außerordentlich zarten Gefieder, def: ſen unvergleichlich ſanfter Faͤrbung und blendenden Weiße, bei alten Voͤgeln durch das tiefe Schwarz des Kopfes und das gluͤhende Roth der Fuͤße gehoben, auch bei jungen Voͤgeln das ſo eigenthuͤmlich buntſcheckige Gewand, machen ſie zu einem ungemein lieblichen Vo— gel, deſſen Schönheit bei alten fetten Individuen durch die den un: 0 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 288. Zwerg⸗Meve. 251 tern Koͤrpertheilen aufgehauchte herrliche Aurorafarbe noch ſehr erhoͤhet wird. In ihrem Betragen hat fie einige Aehnlichkeit mit den Meer: ſchwalben. Sie ſitzt und ſchwimmt weniger oft als andere Meven, fliegt aber deſto mehr und hat den leichteſten und gewandteſten, zu— gleich auch ſchnellſten Flug von allen. Mit raſchen Schwingungen der Fluͤgel ſtreicht ſie, wie Dohlen, gerade aus und hoch durch die Luft wenn ſie ſort will, ſchwebt aber auch praͤchtig und ſchraubt ſich in großen Kreiſen zur groͤßten Hoͤhe auf oder herab, macht im niedrigen Fluge die unerwartetſten Schwenkungen und Bogen in jedweder Richtung, widerſteht auch dem ſtaͤrkſten Sturme, ſchwebt oft, ohne ſichtliche Fluͤgelbewegung, dem Winde entgegen, meiſtens dicht uͤber den Wellen hin, Berg und Thal derſelben in gleicher Hoͤhe folgend. Sie iſt ſehr unruhig und die Beweglichſte unter den G verwandten. Ziemlich mißtrauiſch und vorſichtig, auch klug genug, weiß ſie den Schuͤtzen von andern Leuten gut zu unterſcheiden; denn waͤhrend ſie oft ganz dicht an dieſen voruͤberfliegt und ſich ih— nen bei ihren Handthierungen mit vielem Vertrauen naͤhert, weicht ſie jenem faſt immer uͤber Schußweite aus. Es ſcheint Neugier, alles Ungewoͤhnliche in der Naͤhe zu beſchauen, z. B. ein friſch aufge— worfener Erdhuͤgel, ein hingeworfenes Taſchentuch oder Stuͤck Pa— pier, nicht ſelten ſogar ein platt auf die Erde hingeſtreckter Menſch, erregen gewoͤhnlich ihre Aufmerkſamkeit und ziehen ſie in die Naͤhe, zumal die einzeln Herumſchweifenden. Ihr Hang zum geſelligen Beiſammenſein vereint ſie oft mit mehrern und vielen, zuweilen ſo— gar bis zu hunderten, nicht allein von ihrer Art, ſondern auch von andern, den Sturm- und Lachmeven, ſelbſt den groͤßern Me: venarten, oder auch den ſchwarzgrauen Seeſchwalben, und die Einzelnen, wie ganze Schaaren, miſchen ſich gern unter die jener und leben auch an guten Futterplaͤtzen in beſter Einigkeit mit ihnen. Ihre Stimme iſt ein kurzer kreiſchender Ton, im Ausdruck von allen mir bekannten Meven- und Meerſchwalbenſtimmen ver— ſchieden, dabei jedoch einen Vogel aus dieſen Gattungen verra— thend. — Die Einſame ſchreiet ſelten, deſto mehr hoͤrt man aber dieſe Toͤne, wenn viele beiſammen ſind und ſo eben an einem Ge— waͤſſer anlangen, oder wenn ſich ein Glied ſolcher Geſellſchaft au vereinzeln fürchtet, 252 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 288, Zwerg: Meve, N a her a: In ihrer Speiſeroͤhre und Magen fand man gewoͤhnlich Waſ— ſerinſekten, Larven von Libellen, Haften, Waſſerkaͤfern u. dergl., auch Weichthierchen; nicht ſelten auch kleine Fiſchchen. H. Juſt (ſ. deſſen Beobachtungen uͤber d. am Eisleber Salzſee vorkommen— den Voͤg. S. 114.) fand im Magen und Schlunde einer am IIten September 1831 Erlegten 6 kleine Weißfiſchchen. Sie faͤngt dieſe Geſchoͤpfe meiſtens nach Art und Weiſe der Seeſchwalben, ſtuͤrzt ſich jedoch nie ſo ungeſtuͤm aufs Waſſer als dieſe, ſondern nimmt, im Bogen herabſchießend und viel ſanfter, theils die an der Oberflaͤche, theils die dicht unter dieſer oder nur ganz flach ſchwimmenden hinweg, wobei ſie ſelten mehr als Schna— bel, Kopf und Hals eintaucht. Unablaͤſſig fliegt ſie deshalb und ſuchend nahe uber dem Waſſer auf und ab, flatternd, ſchwebend, ſich hin» und herwiegend und beſtaͤndig Etwas fangend. An guten Fangplaͤtzen weilt ſie oft lange, beſucht manche mehrere Tage nach— einander, kehrt auch, wenn ſie verſcheucht wurde, gewoͤhnlich bald wieder dahin zuruͤck, ein Umſtand, welcher fuͤr den Sammler und Schuͤtzen von Wichtigkeit iſt. Bortyilanzundg. Von dieſer ift ſehr wenig bekannt. Sie fol in großen Süm: pfen, auf moraſtigen Teichen und Landſeen, an aͤhnlichen Orten wie die Lachmeve niſten, ihr Neſt in kurzes Schilf oder auf Binſen— huͤgel bauen, und 3 bis 4 (?) gruͤnliche, dunkel gefleckte, denen der Lachmeve ſehr aͤhnliche, aber um Vieles kleinere Eier legen. „ Es iſt weiter nichts bekannt, als daß ein eigenthuͤmliches Schma— rotzerinſekt in ihrem Gefieder wohnt, von Nitſch entdeckt und Phi— lopterus eugrammicus benannt wurde. J a d Als ſcheuer Vogel muß fie im Sitzen hinterſchlichen oder an ihren Fangeplaͤtzen aus einem Hinterhalt erlauert werden. Ihre oben erwaͤhnte Neugier bringt Einzelne oft ganz unerwartet zum XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 288. Zwerg: Meve. 253 Schuß. Nicht ſelten koͤmmt ſolche, wenn ſich ihr der Schuͤtze zum erſten Male zeigt, gerade auf ihn zu geflogen, vorzuͤglich wenn er den Schein annimmt, als ſaͤhe er ſie gar nicht. Fliegt ſie zu weit an ihm voruͤber, ſo darf er nur, wenn auch hoffnungslos, einen Schuß nach ihr thun; ſie koͤmmt dann, ſonderbarerweiſe, augenblick— lich und ſtracks auf den Schuͤtzen zugeflogen und kann nun ſicher mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte herabgeſchoſſen werden. Zuweilen ſticht ſie, bei ſolchem Vorfalle, auch nach dem aufs Waſ— ſer gefallenen Pfropfen des erſtgethanen Schuſſes. Da ein ſo eben hingeworfenes Stuͤck Papier u. dergl. ihre Neugier reizt, ſo kann ſie leicht dabei erlegt werden; mehrere Fehlſchuͤſſe machen ſie jedoch zuletzt ſo vorſichtig, daß ſolche Mittel nichts mehr fruchten und ſie wol gar die Gegend, wo nicht fuͤr immer, doch fuͤr einige Zeit verlaͤßt. | Nutzen und Schaden. Hieruͤber iſt gar nichts bekannt. Es mag wol keiner von bei⸗ den erheblich ſein. 289, Die Schwarzkopf-Meve. Larus melanocephalus. Naierer. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Taf. 259. 4 Fig. 2. Weibchen im zweiten Winterkleide. Fig. 3. Jugendkleid im Herbſt. Die ſchwarzkoͤpfige Meve oder Moͤve. Larus melanocephalus. Natterer in litt. = Mouette a capuchon noir, Tem- minck, Man. d’Orn. Edit. 2. II. p. 777. = Gabbiano corallino, cinerino. Stor. degli Uccelli. Tav. 526. (Winterkleid). Moreita, o maschera corallina. Tav. 527. (Sommerkleid). Gabbiano corallino. Savi. Ornit. toscana. III. p. 65. = Meyer, Zuſätze (oder III. Thl.) zum Taſchenb. S. 201. = Brehm, Lehrb. II. S. 721. Deſſen Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 757. — Landbeck, Vög. Würtembergs. S. 70. n. 247. Kennzeichen de? Alter Vogel: Schwingfedern faſt ganz weiß, nur die vor— derſte auf der Auſſenfahne mit einem langen ſchwarzen Laͤngeſtreif. Junger Vogel: Kopf und Hals weiß, nur ein Streif durch das Auge und die Schlaͤfe grauſchwarz. Der ſehr ſtarke Schnabel 1½ Zoll, der Lauf 2 Zoll lang, die Nacktheit der Tibia halb ſo lang als dieſer. Taubengroͤße. Be ſ che hun g: Dieſe Meve ſcheint ein Larus minutus im vergrößerten Maaß— ſtabe und ſieht auf den erſten Blick dieſer viel aͤhnlicher als irgend XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.-Meve. 255 einer andern europaͤiſchen Art, iſt indeſſen um ſo Vieles groͤßer, hat einen ſo ganz anders geſtalteten, im Verhaͤltniß zur Koͤrpergroͤße kuͤrzern und ſtaͤrkern Schnabel und ſo viel laͤngere Beine, daß ſie niemand mit jener verwechſeln kann. — Vergleicht man ſie mit Larus ridibundus, fo iſt der Unterſchied, trotz der faft gleichen Größe, doch noch auffallender; ſie iſt etwas ſtaͤrker oder gedrungener am Rumpfe, viel hochbeiniger, dies weniger durch die größere Laͤnge der Tarſe als vielmehr der Nacktheit des Unterſchenkels, und ihr Schna— bel kuͤrzer ausſehend, weil er viel hoͤher, breiter und ſtaͤrker iſt als bei der Lachmeve. Auch an den Farben des Gefieders und an der Zeichnung der Fluͤgelſpitze iſt ſie dieſer weit weniger aͤhnlich als der Zwergmeve. — Viel aͤhnlicher ſind unſrer ſchwarzkoͤpfigen Meve zwei auslaͤndiſche Arten, am meiſten Larus cucullatus, des Berliner Muſeums, aus Mexico, aber dieſe hat, ausgefaͤrbt, einen viel dunkler aſchblauen Mantel, viel Schwarz an der Fluͤgelſpitze und ganz ſchwarze Fuͤße; an der andern, L. albipennis aus Chili, geht die Kappe des Kopfs hinten nicht ſo tief herab und iſt auch nur ſchwarzbraun, die Fluͤgelſpitze hat noch mehr Schwarz, beſon— ders nach hinten zu; dieſe Meve ſteht daher im Mittel zwiſchen L. melanocephalus und L. ridibundus. Ihre Länge iſt 14% bis 15½½ Zoll; die Flugbreite: 34 bis 35 Zoll; die Laͤnge des Fluͤgels von der Handwurzel bis zur Spitze: 121/, bis 12 Zoll; die Schwanzlänge: 2½ bis 4°), Zoll; die kleinern Maaße den Weibchen und juͤngern Voͤgeln zukommend. Das Gefieder iſt wie bei andern Meven, das kleine ungemein zart, weich, dicht, faſt uͤberall ohne geſchloſſene Umriſſe, an der Bruſt und dem Bauche pelzartig dick; die großen Schwingfedern mit we— nig ſaͤbelartig gebogenen, aber ſtarken Schaͤften, uͤbrigens an der Wurzel breit, nach vorn allmaͤhlig ſchmal, endlich ſpitz, die Erſte die längfte, welche, wenn der Flügel an den Leib gelegt, 1¾ Zoll uͤber das gerade oder ſehr wenig abgerundete Ende des zwoͤlffederi— gen Schwanzes hinausragt. Der Schnabel iſt ſtark und hoch, ſieht wegen ſeiner Hoͤhe kurz aus, je aͤlter der Vogel deſto auffallender, iſt nach vorn bedeutend zuſammengedruͤckt und beide Theile find nur ſchwach gewoͤlbt; die Firſte iſt abgerundet (breiter als bei L. ridibundus), von der Stirn an gerade, von der Mitte aus im ſanften Bogen zur Spitze hinab— gehend; der Kiel, ſo weit er geſpalten, gerade, hier (zwei Drittheile ſeiner Laͤnge) mit ſtark vorſpringendem Eck, von dieſem ſchnell und in gerader Linie zur Spitze aufſteigend, hier beſonders ſchmal, dieſe 256 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. Schwarzkopf: Meve. Spitze aber in die etwas uͤberragende des Oberſchnabels eingreifend; die ſcharfen Schneiden einen ſchwachen Bogen beſchreibend und etwas eingezogen. — Das Naſenloch liegt vor der Mitte des Schna— bels in einer laͤnglichen Vertiefung, ſo daß unter dieſer, uͤber der Schneide, ein ſchwacher Wulſt vortritt, und iſt ein enger, etwas ge— bogener, 3 Linien langer Ritz, deſſen Anfang 3 Linien von den Halfterfedern entfernt liegt. Der Schnabel iſt von der Stirn bis zur Spitze 1 Zoll 3 bis 4 Linien, von dieſer bis in den Mundwinkel 1 Zoll 9 bis 10 Linien lang, an der Wurzel im graden Durchſchnitt 5 bis 5½ Linien hoch und 3 bis 4 Linien breit. Bei juͤngern Individuen ſieht er immer ſchlanker aus und dem von L. ridibundus ähnlicher, ich habe fogar ein zweijaͤhri— ges vor mir, an dem er ſich von dem des daneben ſtehenden ſehr alten Vogels ſo gewaltig unterſcheidet, daß er fuͤr den Liebhaber eine neue Subſpecies hervorrufen koͤnnte, zumal er auch ſchmaͤler erſcheint als gewoͤhnlich an aͤltern Voͤgeln. Solche Abweichungen unter den Schnaͤbeln Einer Mevenart ſind jedoch ein ſo haͤufiges Vorkommen, daß man dabei an Artverſchiedenheit gar nicht denken darf. Dieſer Schnabel iſt uͤbrigens auch bei jungen Voͤgeln be— deutend dicker und der Oberkiefer an der Spitze hakichter als bei L. ridibundus. Die Farbe des Schnabels iſt bei Alten im Fruͤhjahr ein praͤchtiges, geſaͤttigtes Zinnober- oder faſt Karminroth, dieſes ganz gleichfoͤrmig, auch der Rachen roth; im ausgetrockneten Zuſtande Alles horngelb, das jene gluͤhende Faͤrbung nicht ahnen laͤßt; — im Herbſt orangeroth oder nur rothgelb, nach vorn roͤther und an der Spitze hochgelb, der Rachen gelbroth; ausgetrocknet der Schna— bel dann bloß horngelb, nahe der weißlichen Spitze etwas roͤthlich ſchimmernd, bei juͤngern Individuen an den Seiten beider Haͤlf— ten, vom Eck gerade aufwaͤrts, mit einem ſchwarzen, nach hinten verlaufenden Fleck bezeichnet. — Bei jungen Voͤgeln iſt er an den Mundwinkeln und der Wurzelhaͤlfte des Unterſchnabels braͤun— lich fleifchfarben, alles Uibrige ſchwarz, und an Ausgeſtopften wird er hornbraun und ſchwarz. Die Iris iſt dunkelbraun, bei jungen Voͤgeln weniger dunkel als bei Alten, das nackte Augenlidraͤndchen bei dieſen im getrock— neten Zuſtande braun.“) * Im Leben bei alten Vögeln im Frühlinge hochroth? — Michahelles, Iſis, Jahrg. 1833. St. IX. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.-Meve. 257 Die Fuͤße ſind ziemlich ſtark und hoch ausſehend, beides wenig— ſtens im Vergleich mit L. ridibundus, an welcher nicht allein der Tarſus, ſondern auch die Tibia und ihre Nuditaͤt bedeutend laͤnger ſind; auch die Zehen ſind, obwol nicht laͤnger, doch ſtaͤrker; die Schwimmhaͤute der drei vordern voll, doch bei einigen Individuen ſcheinen ſie auch ein wenig ausgeſchnitten; die freie Hinterzeh ſehr kurz, aber etwas hoch geſtellt. Der Uiberzug des nackten Unter— ſchenkels und des Laufes ſind vorn herab ſeicht in eine Reihe gro— ßer Schilder, das Uibrige in ganz kleine, meiſt ſechseckige, die Zehen— ruͤcken in ſchmale Schilder gekerbt, die Schwimmhaͤute ſehr fein genarbt, unten wie die Zehenſohlen, dies etwas deutlicher; die Kral— len mittelmaͤßig, ſtark gebogen, unten ausgerinnt, die innere Schneide der mittelſten ſtark vorſtehend, dieſe Kralle uͤberhaupt die groͤßte, die Spitzen aller abgerundet, aber ſcharfrandig. — Die Nacktheit des Unterſchenkels mißt 9 bis 10 Linien; der Lauf 2 Zoll 2 Linien; die Mittelzeh, nebſt der 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 7½ Linien; die Hinterzeh kaum 4 Linien, wovon die Haͤlfte auf die Kralle koͤmmt. Die Farbe der Füße iſt die des Schnabels, bei Alten im Fruͤh— jahr ein geſaͤttigtes praͤchtiges Zinnoberroth oder Krallenroth, im Herbſte oder bei Juͤngern etwas lichter, ins Gelbrothe ſpielend, bei Jungen im erſten Lebensjahr braͤunlich fleiſchfarbig; im ge— trockneten Zuſtande dort horngelb, duͤſterer als der Schnabel, am Herbſtvogel lichter, an den Jungen ſehr bleich. Die Krallen ſind ſchwarz, an den Spitzen braun. Von den allererſten Staͤnden, dem Dunen- und Neſtkleide u. ſ. w. iſt nichts bekannt. Das Jugendekleid des völlig flugbaren Vogels, wie er noch zu Ende des September vorkoͤmmt, mit blaßroͤthlich braunen Fuͤßen und wie oben beſchriebenen Schnabel, ſieht am Kopfe, Halſe und an allen untern Theilen, nebſt Schwanzdeckfedern und Buͤrzel rein weiß aus; auf den Zuͤgeln faͤngt etwas matt, dann ſtaͤrker, ein ſchwaͤrzlicher Streif an, geht durch das Auge und vereinigt ſich mit einem breitern und dunklern an den Schlaͤfen, welcher neben dem Genick endet; die Schultern ſind chocolatbraun (dunkler als bei gleich⸗ alten Lachmeven) mit weißlichen Federkaͤntchen; Rüden. und Fluͤ⸗ geldeckfedern hell aſchblau; die zweite und dritte Ordnung Schwing: federn ebenſo mit weißen Endkanten; die der erſten Ordnung ſchwarz, mit ſchmalen weißlichen Endſaͤumen und einem weißen Streif, wel⸗ 10r Theil. 17 258 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.⸗Meve. cher auf der vorderſten ſchmal, auf den folgenden nach und nach brei— ter wird, bei den ſechs erſten nur auf den Innenfahnen erſcheint, bei der ſiebenten aber auch auf die aͤußere heraustritt, u. ſ. w., bei zuſammengelegten Fluͤgeln ſind jedoch dieſe Streifen nicht ſicht— bar; der Schwanz im Ganzen weiß mit ſchwarzer Endbinde und zuletzt weiß geſaͤumt, im Einzelnen die aͤußerſte Feder ganz weiß, an der zweiten vor dem Ende eine nur 5 Linien breite Binde, welche an den folgenden ſtufenweiſe an Breite zunimmt bis zur fuͤnften, wo ſie 1 Zoll breit, auf dem mittelſten Paar aber nur 4 Linien breit und wie ein Hufeiſen geſtaltet iſt. Am erſten Winterkleide, d. i. nach vollendeter Herbſtmau— ſer, bleiben Schwing- und Schwanzfedern dieſelben, allein die Schul— tern ſind hell aſchblau wie der Ruͤcken, am weißen Kopfe zeigt ſich vor dem Auge ein ſchwaͤrzliches Fleckchen, auf dem Ohr ein etwas groͤßeres dunkelgraues und uͤber dieſen ſteigt auch ein grauer Schein nach dem Scheitel aufwaͤrts; der Schnabel am Mundwinkel und der Spitze gelb; die Fuͤße ſchmutzig gelbroth. Im zweiten Winterkleide hat der weiße Kopf vor dem Auge noch ein ſchwaͤrzliches Fleckchen, auf dem Ohr einen blaßgrauen, am Genick einen ſchwach graulichen Fleck, uͤbrigens iſt die Faͤrbung des uͤbrigen Gefieders dem naͤchſten Fruͤhlingskleide ganz aͤhn— lich, nur die großen Schwingfedern haben weniger Schwarz als im jugendlichen und mehr als im naͤchſtfolgenden ausgefaͤrbten; — der Schnabel an der Wurzel rothgelb, dann oben und unten auf etwas roͤthlicherm Grunde mit ſchwaͤrzlichem Fleck und mit hoch— gelber Spitze; die Füße orangeroth. Das dritte Winterkleid iſt endlich das ausgefaͤrbte, was nun alle Jahr im Herbſte ſo wiederkehrt. In ihm ſind Kopf, Hals, alle untern Theile, auch die ganzen Unterfluͤgel, der Schwanz und ſeine Deckfedern, nebſt dem Buͤrzel, rein weiß, an der Bruſt ſelten mit einem leiſen Hauch einer lieblichen Roſenfarbe; — Ober- und Unterruͤcken, Schultern, Flügeldedfedern und hintern Schwingen un— gemein zart und ſehr blaß aſchblau (mevenblau), die Secundar— ſchwingfedern ebenfo, aber mit weißen Enden, auch ein ſchmales Raͤndchen des Oberfluͤgels weiß; die Primarſchwingen ebenfalls ſehr blaß mevenblau, an ihren Enden allmaͤhlich in Weiß uͤbergehend, mit weißen Schaͤften, die vorderſte Schwingfeder, und nur dieſe allein, auf ihrer ſchmalen oder aͤußern Fahne, von der Wurzel an, ſammetſchwarz, welches 2 Zoll von der Spitze ſchmal und ſanft XIII. Ordn. LXXVM. Gatt. 289. Schwarzf.-Meve. 259 in das Weiß dieſer verlaͤuft. Der Schnabel iſt gelbroth, mit hoch— gelber Spitze, ohne ſchwarze Flecke; die Füße ſcharlachroth. Im dritten Fruͤhlinge ihres Lebens erhaͤlt dieſe Art ihr ausgefaͤrbtes Sommerkleid zum erſten Male, das ſie in naͤchſter Herbſtmauſer mit dem vollkommenen Winterkleide, dieſes im folgen— den Frühjahr wieder mit dem Sommerkleide vertauſcht und in die— ſen zweimaligen Wechſeln der Tracht in jedem Jahr bis an ihr Le— bensende fortfaͤhrt. — Dieſes hochzeitliche oder Sommerkleid iſt ſehr ſchoͤn. Auſſer der viel praͤchtigern gluͤhend rothen und unge— fleckten Faͤrbung des Schnabels und der Fuͤße iſt der ganze Mantel noch blaſſer mevenblau, daher von noch viel zarterem Ausſehen, als im Winterkleide, und die Verſchmelzung dieſer ſanften Farbe mit dem Weiß am Anfange des Ruͤckens, noch mehr aber an der Fluͤ— gelſpitze, iſt ſo unmerklich, daß, namentlich an Letzterer, ein noch allmaͤhlicherer Uibergang zweier ſo zarten Farben kaum denkbar iſt; der ſchwarze Streif auf der vorderſten Primarſchwinge wie im Win— terkleide (weil Schwing- und Schwanzfedern in der Fruͤhlingsmau— ſer nicht gewechſelt werden), die untere Halshaͤlfte hinten und vorn, alle untern Theile, wie Schwanz und Buͤrzel, blendend weiß, in der Begattungszeit vom Kropfe bis zum Bauch aber oft, leiſer oder bemerklicher, mit einer lieblichen Roſenfarbe angehaucht, die weniger nach auſſen als gegen die Wurzeln des Gefieders ihren Sitz hat, und nach dem Tode ſo vergaͤnglich iſt, daß ſie ſehr bald blaſſer wird und wenn Haut und Gefieder ausgetrocknet ſind, in kurzer Zeit ſpurlos verſchwindet. Vor allem unterſcheidet ſich indeſſen das Hoch— zeits- und Sommerkleid vom Winterkleide an dem ſchwarzen Kopf; denn dieſer iſt nebſt einem Theile oder faſt der halben Länge des Halſes rein und tief ſammetſchwarz, und dies ſchneidet ſcharf und ringsum ohne Abſatz vom Weiß des uͤbrigen Halſes ab; in dieſem aͤchten Schwarz, das kaum, wenn es laͤnger in den Som— mer hinein getragen iſt, ein Wenig ins Braͤunliche ſpielt, nehmen ſich zwei ſchneeweiße Fleckchen, eins uͤber, das andere unter dem Auge, dicht am Augenlide und ſcharf begrenzt, ſehr ſchoͤn aus. In der Faͤrbung des Gefieders herrſcht in den verſchiedenen Kleidern zwiſchen beiden Geſchlechtern kein erheblicher Unterſchied; die Weibchen unterſcheiden ſich uͤbrigens auch kaum durch etwas geringere Groͤße von den gleichalten Maͤnnchen. Uber die Veraͤnderung der Farbe an den nackten Theilen Die: ſer Mevenart, nach dem Alter, wird noch bemerkt, daß der Schna⸗ 175 260 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 259. Schwarzk.⸗Meve. bel am lebenden Vogel im erſten Hochzeitskleide orange, nach vorn hornbraun, nach der Spitze zu korallenroth, endlich weißlich, die Füße braunroth, — im folgenden Winterkleide jener koral— lenroth, am Eck und uͤber ihm dunkelbraun ausſaͤhe, — daß im zweiten Fruͤhlingskleide Letzteres bis auf ein paar Fleckchen ver: ſchwaͤnde, er aber uͤbrigens, bis auf die orangegelbe Spitze, ſchon ganz korallenroth ſei, die Füße hier, wie im vorigen Kleide, hoch— korallenroth. Das nackte Augenlid ſoll bei ausgefaͤrbten jungen Voͤ— geln orangefarbig, bei alten hochroth ſein. Das ausgefaͤrbte Sommerkleid dieſer ſchoͤnen Art hat mehr Aehn— lichkeit mit dem der Zwergmeve, als mit dem irgend einer an— dern Mevenart, namentlich des ſchwarzen Kopfs, der faſt weißen, ſo wenig ſchwarz gezeichneten Fluͤgelſpitze und der gleichfalls ſehr lichten aſchblaͤulichen Faͤrbung des Mantels wegen. Man hat dieſe ungemein zarte Farbe, welche der Meerſchwalben- und Mevengat— tung eigenthuͤmlich iſt, mit verſchiedenen Benennungen bezeich— net, aber ohne weitlaͤufige Umſchreibung nicht gnuͤgend verſinnlichen koͤnnen, weil der Maler, um ſie herzuſtellen, wenigſtens vier Far— ben, Weiß, Schwarz, Blau und etwas Roth, in gehoͤrigem Verhaͤlt— niß, zuſammenmiſchen muß. „Perlblau,“ „Silbergrau“ und andere Benennungen ſind nicht entſprechend, „Blaugrau“ oder „Aſchblau“ ſcheinen zu hart u. ſ. w.; man wird daher entſchuldigen, daß ich dafuͤr ein neues Wort einfuͤhre und ſie „Mevenblau“ nenne, hat man doch auch ſchon Zeiſiggruͤn, Entengruͤn u. a. m. Von mitt: lerem Gehalt iſt dieſes Mevenblau auf dem Mantel von L. ridi- bundus und L. canus; am ſchwaͤchſten, dem Weißen am naͤchſten, bei L. melanocephalus und L. minutus; am dunkelſten oder geſaͤt— tigſten bei L. tridactylus; noch dunkler wie hier wird es zu Schie— ferfarbe oder Schieferblau, welches dann wieder in Schieferſchwarz und endlich in wirkliches Schwarz uͤbergeht. Das ſanfte Ausſehen bei dieſem Mevenblau wird vorzuͤglich dadurch bewirkt, daß das Gefieder aͤußerſt zart und die Strahlen der einzelnen Federn großen— theils, vorzuͤglich am Rande herum, getrennt ſind oder doch nur ganz loſe zuſammenhaͤngen, und nur an den groͤßern Fluͤgelfedern beſtimmte, doch keine harte Umriſſe zeigen. A u fe nt et. Der beruͤhmte Reiſende Hr. Johann Natterer entdeckte dieſe Mevenart vor einigen Dezennien im öſterreichiſchen Littorale XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.⸗Meve. 261 und ſtellte ſie unter den obigen, ihr beigelegten Namen, in der K. K. Naturalienſammlung zu Wien auf. Spaͤter wurde ſie von Micha— helles, Feldegg, Savi u. a ebenfalls beobachtet. Sie iſt zu: verlaͤſſig ein ſuͤdlicher Vogel. Ihr Aufenthalt ſcheint indeſſen ſehr beſchraͤnkt, wenigſtens weiß man bis jetzt nichts weiter davon, als daß ſie an den Kuͤſten des adriatiſchen Meeres und an wenigen andern des Mittelmeeres vorkoͤmmt. An der Kuͤſte von Dalma— tien ſoll ſie nach Einigen haͤufig, nach Andern ſelten ſein; am haͤu— figſten mag ſie jedoch, nach Aller Anzeigen, in den Lagunen Ve— nedigs vorkommen, wo ſie vom Maͤrz bis zu Ende des Auguſt bleibt und ſich daſelbſt fortpflanzt. Bei ſtuͤrmiſchem Wetter ſieht man ſie oft auch in der Naͤhe von Trieſt, im Winter an der Kuͤſte von Genua und auch von Toskana, hier auch zu andern Zeiten, aber ſtets ſelten. Noch ſeltner verirrt ſich eine ſolche Meve ins Innere von Deutſchland, naͤmlich bis auf den Bodenſee und den Mittelrhein, wovon nur ein paar Beiſpiele, namentlich von einem jungen Vogel in der Gegend von Mainz, am 30. Sep⸗ tember 1822 vorgekommen ſind. Sie bewohnt im Sommer Suͤmpfe und ſtehende moraſtige Ge— waͤſſer, nicht eigentlich die Meereskuͤſte, aber gern in der Naͤhe der— ſelben, haͤlt ſich aber zu andern Zeiten meiſt am Meere auf und ſcheint hierin viel mehr der vorigen als der folgenden Art zu gleichen. Eigenſchaften. Die ſchwarzkoͤpfige Meve in ihrem vollkommenen hochzeit— lichen Schmuck, mit der tief ſchwarzen Kappe, dem herrſchenden blendenden Weiß, dem ungemein zarten, in Weiß verſchmolzenen, ſehr blaſſen Mevenblau des Mantels u. ſ. w., gehoben durch das prachtvolle Roth des Schnabels und der Fuͤße, zugleich auch durch die angenehmſte Koͤrpergeſtalt und hoͤchſte Sauberkeit des bei fetten alten Individuen von unten her mit der lieblichſten Roſenfarbe an: gehauchten Gefieders, iſt ein unvergleichlich ſchoͤnes Geſchoͤpf. Sie ſoll in ihrem Betragen, gehend und fliegend, am meiſten der Lachmeve aͤhneln, ſehr anhaltend, leicht und zierlich fliegen, dabei ſehr geſellig fein, gewöhnlich in größern oder kleinern Ver: einen beiſammen leben, und bei allen ihren Verrichtungen viel ſchreien. Ihre Stimme iſt indeſſen noch von niemand beſchrieben worden. 262 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.⸗Meve. Nahrung. Sie naͤhrt ſich weniger von Waſſerinſekten und deren Larven, als von kleinen Fiſchen, auch abgeſtandenen und von kleinen Weich— thieren, ſucht dieſe Nahrungsmittel, unaufhoͤrlich herumſchwaͤrmend, bald in der Naͤhe des Ufers, bald ſehr entfernt von dieſem, und erlangt die meiſten durch Stoßtauchen, wobei ſie jedoch nicht viel mehr als den Kopf benetzt, ſeltner im Schwimmen. Bei ſtillem Wetter fiſcht ſie gewoͤhnlich auf hoher See, ſehr weit vom Lande, bei Stuͤrmen aber nahe am Strande oder auf abgelegenen, kleinern und ſtillen Gewaͤſſern, wobei ſie ſich zuweilen tief ins Land hinein verfliegt. For fpflanzung. Die ſchwarzkoͤpfige Meve niſtet gewoͤhnlich auf ſtehenden Ge— waͤſſern und in Suͤmpfen nicht fern vom Meer, in groͤßern oder kleinern Geſellſchaften beiſammen. In den weitſchichtigen ſumpfi— gen Niederungen hinter den Lagunen von Venedig ſoll ſie ſich alljaͤhrlich in ziemlicher Menge fortpflanzen; es iſt dies aber auch der einzige bis jetzt bekannte Bruͤteort dieſer feltnen Art. In Eur: zes, duͤnnſtehendes Schilf und Binſen macht ſie dort ihr kunſtloſes Neſt auf kleine Buͤſchel von jenen Pflanzen, oder auch auf Grasbo— den, von Seegras und Stroh, und dieſes nebſt den drei oliven— gruͤnlichen, braun und ſchwarz gefleckten Eiern, ſoll denen der Lach— meve ſehr aͤhnlich ſehen. Leider iſt Ausfuͤhrlicheres daruͤber nicht bekannt. Feinde. Wahrſcheinlich ſind die meiſten anderer Mevenarten von unter— geordneter Groͤße auch die ihrigen. Ja Sie ſoll ziemlich ſcheu ſein, den Schuͤtzen vorſichtig auswei— chen, daher am ſicherſten aus einem Verſteck erlegt werden, jedoch an den Bruͤteplaͤtzen auch ohne dieſe Vorſicht auf ſich zum Schuß kommen laſſen. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 289. Schwarzk.⸗Meve. 263 Nutz en und Schaden. Wenn man ihre Lebensweiſe mit der von L. ridibundus ver: gleichen kann, ſo iſt es mehr als wahrſcheinlich, daß ſie weder nuͤtzt noch ſchadet. Anmerkung. Mit Bedauern muß ich bemerken, daß ich nie Gelegenheit hatte, dieſen herrlichen Vogel ſelbſt im Freien zu beob— achten, waͤhrend ich jedoch mit innigem Dankgefuͤhl erkennen muß, daß mir die Benutzung der reichen Sammlungen zu Berlin und Wien geſtatteten, viele ausgeſtopfte Exemplare zu ſehen, zu beſchrei— ben und mit einander zu vergleichen, wodurch ich denn in den Stand geſetzt wurde, wenigſtens dieſen einen Theil ſeiner Naturgeſchichte zu vervollſtaͤndigen. 290, Die Lach-Meve. Larus ridibundus Liam. Fig. 1. Maͤnnchen im ausgefärbten Sommerkleide. Fig. 2. Männchen im ausgefaͤrbten Winterkleide. Taf. 260. J Fig. 3. Erſtes Sommerkleid. Fig. 4. Erſtes Winterkleid. Fig. 5. Reines Jugendkleid. Große —, gemeine —, rothfuͤßige —, braunkoͤpfige —, ſchwarz— koͤpfige Lachmeve; graue Meve mit dem Mohrenkopf; (ſchwarzkoͤ— pfige Meve); Braunkopf; Mohrenkopf; Rothſchnabel mit ſchwarzem (oder braunen) Kopf; Rothbein; Pfaff; Lachſchwalbenmeve; Hut- ſchwalbenmeve; Hutmeve; Kapuzinermeve; — Große —, rothkopfige Seeſchwalbe oder Seeſchwalm; Seemeve, Fiſchmeve, aſchgraue Fiſch— meve, Speckmeve; Seekraͤhe, große Seekraͤhe; — Graue —, gemeine graue —, weißgraue —, große graue —, kleinere graue —, kleine aſchgraue —, kleine graue —, kleine bunte —, kleine —, kleinere Meve; Holbrod; Gyritz; in hieſiger Gegend gewoͤhnlich: Seekraͤhe. Larus vidibundus. Gmel. Linn, syst, I. 2. p. 601. n. 9. = Lath. Ind, II. p- S811. n. 2, Retz. Faun. suec. p. 159, n. 120. — Nilsson, Oru, sue. II. p. 176. u. 220. = Larus einerarius. Gmel. Liun, I. o. p. 597. n. 4. —= Larus pro- eellosus. Bechſtein, Naturg, Deutſchlds. IV. S. 648. 3. 10—15. S Deſſen Taſchenb. II. S. 373. n. 6. b. — Larus capistratus. Temm. Man. sec, Edit, II. p. 785. Tem ridibundum, X. pileatum & X. capistratum. Brehm, Na⸗ turg. a. Vög. Deutſchlds. S. 760—762. — Mouette rieuse a pates rouge. Briss. Av. VI. p. 196. n. 14. — La Mouetie rieuse, Buff. Ois. VIII. p. 433. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 186. t. V. f. 1. — Id. Pl. enl. 970. — Gerard, Tab. elem, II. p. 323. — Moueite rieuse ou a capuchon brun, & Mouette a masque brun, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 265 Temminck, Man. sec. Edit. II. p. 780. & p. 785. — La petite Mouette cendree, Briss. I. c. p. 178. u. 9. t. 17. F. 1. — Buff. I. c. p. 430. — Edit. d. Deuxp. p. 182. — Id. pl. enl. 969. — Gerard. Tab. elem. I. e. p. 322. Black headed Gull, aud Red-legged Gull. Lath. Syn. VI. p. 380. n. 9. aud p. 381. u. 10. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 334. n. 9. u. S. 335. n. 10. — Penn. aret. Zool. II. p. 529. n. 455. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 490. u. 372. Bewick, brit. Birds, II. p. 222. Gabbiano o Corallina cenerina spruzzata, Stor. deg. Uce, V. tav. 528. Gabbiano comune. Savi, Orn. tosc. III. p. 62- — Bruinkop Meceuw. Sepp. Nederl. Vog. II. p. t. 153. — Kleine Zee-Meeuib. Ibid. III. p. t. 281. = Bechſtein, Naturg. Deutihids. IV. S. 635. u. 649. — Def: fen Taſchenb. II. S. 366. u. 1. — Leisler's Nachträge zu Bechſt's. Naturg. I. S. 6. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 482. u. 6. u. III. (Zuſätze) S. 204. — Meyer, Vög. Liv: u. Eſthlands. S. 234. n. 4. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 272. n. 243. = Koch, Baier. Zool. 1. S. 377. u. 237. Brehm, Beitr. III. S. 825. u. S. 839. — Deſſen Lehrb., II. S. 723. u. S. 725. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 52. u. 233. — Landbeck, Vög. Wür⸗ tembergs, S. 70. n. 248. u. 249. — Horuſchuch u. Schilling, Verz. pomm. Vög. S. 18. n. 231. u. 232. = V. Homeyer, Vög. Pommerns, S. 67. u. 219. u. 220. = Naumann's Vögel, alte Ausg. III. S. 163. Taf. XXXII. F. 44. M. im Sommerkleide, F. 45. Jugendkleid. u. Nachtr. S. 263. Taf. XXXVI. F. 70. Winterkleid. Juͤngerer und junger Vogel. Larus erylhropus. Gmel. Linn, Syst. I. 2. p. 597. n. 15. = Larus cane- scens. Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 649. = Lu petite Mouette grise. Briss. Av. VI. p. 173. n. 7. = Red-legged Gull. Penn. Arct. Zool. II. p. 533. — uUiberſ. v. Zimmermann, II. S. 495. E. — Brown-headed Gull, Lath. Syu. VI. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 336. n. 11. Red-Iegged Gull. Variety. Lath. I. e. n. 10. Var. A. — Uiberſ. v. Bechſt. ebendaf. S. 336. n. 10. Var. A, — Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 173. Taf. XXXIII. F. 46. junges Männ⸗ chen, im beginnenden zweiten Frühling ſeines Lebens. Anmerk. Daß Larus capistratus (Moueite a masque brun), von Temminek zuerſt als beſondere Art beſchrieben, dies ſo wenig iſt, als die kleine bunte Meve meines Vaters zu ihr, ſondern, dieſe wie jene, zu Larus ridibundus gehört, leidet wol keinen Zweifel mehr, wenigſtens kömmt eine ſolche Art, die jener Name bezeichnen ſoll, in Deutſchland beſtimmt nicht vor. Man ſieht ſich genöthigt zu glauben, daß Hr. Temminck feine Entdeckung neuerdings ſelbſt aufgegeben habe, weil er, auf Anfor— derungen von verſchiedenen Seiten her, an Niemand einen ſolchen zu der von ihm entdeck— ten Art zu zählenden Vogel hat abgeben können. Ich habe mich im Suchen nach die— ſem ſogenannten L. eapistratus, unter zahlloſen Individuen von L. ridibundus, Jahre lang ums ſonſt abgemühet, ſowol in freier Natur wie in Sammlungen, habe aber nicht ein einzi— ges Exemplar darunter gefunden, das für eine andere, beſondere Art zu halten ge— weſen wäre. Unſerm hochverehrten Lichtenſtein ging es nicht beſſer wie mir, und erſt ganz neuerlich (1838) machte auch Hr. Johann Natterer eine Rundreiſe durch alle bedeutendere Sammlungen des mittlern und nördlichen Deutſchlands, Düne: marks, Schwedens bis Petersburg und über Berlin, Dresden und Prag zurück, um ſich mit den neuern Entdeckungen in der nordeuropäiſchen Ornithologie eben jo vertraut zu machen, wie er es auf feinen 17 Jahr langen Reifen in Braſilien mit der ſüdamerikaniſchen wurde, namentlich aber um jene in jüngſter Zeit neu aufgeſtellten, bin und wieder bezweifelten Arten kennen zu lernen, fand aber gleichwol, bei der umſichtigſten Muſterung der in größter Anzahl vorgefundenen verſchiedenen Me— vengeſtalten, ebenfalls nicht ein einziges Exemplar, das Temmineks Beſchreibung feines Larus eapistratus ganz entſprochen, oder fo weſentliche Verſchiedenheiten von L. ridibun- dus gezeigt und ihn aufgefordert hätte, es für eine beſondere Art zu halten. Temminck's Larus capistratus ſoll höher nach Norden hinauf gehen als unſer L. ridibundus. auf den Orkaden, Hebriden, in Grönland und andern Nordpolländern ſehr häufig vor— kommen; allein ich habe unter vielen von dorther gekommenen zwar manche recht kleine, aber auch eben ſo recht große Exemplare geſehen und alle auf das Genaueſte mit unſern 266 X Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. deutſchen Lachmeven verglichen, aber nichts gefunden, was auf etwas Anderes gedeu— tet hätte, als daß es unter Individuen dieſer Mevenart eben ſolche zufälligen und auffal— lenden Abweichungen in der Größe gäbe, als faſt bei allen Arten dieſer Gattungen, — Daß kleinere Individuen auch ſchwächlichere Schnäbel und Füße haben, kömmt ja nicht allein unter Meven, ſondern auch unter andern Vögeln häufig genug vor. — Daß bei manchen Lachmeven die mittlern Schwanzfedern ein paar Linien kürzer als die übri— gen, das Schwanzende daher bei ſolchen nicht gerade, ſondern ein wenig ausgeſchnitten iſt, kömmt namentlich bei friſch vermauſertem Gefieder, oft genug vor, darf alſo keines- wegs dem ſogenannten L. capistratus allein zugeſchrieben werden, wie wol geſchehen ift. — Ebenfalls nichtig iſt die Betzauptung, daß im Hochzeitskleide die braune Kappe des Kopfs bei L. capistratus hinten nicht fo weit über das Genick reichen ſoll als bei L. ridibundns, ein vermeintlicher Unterſchied, worauf Hr. Brehm fo viel Werth legt, daß er ſich in feinen Beiträgen, III. S. 844. zu der fonderbaren Bemerkung 3. 12 22. veranlaßt fand; jenes wird aber fpäter von ihm (f. Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 761.) durch eine beſchriebene Uibergangsform, feine Subſpezies: Xema pileatum, ſtellſchweigends aufgehoben. Uibrigens irrt er in jener Bemerkung gewaltig, wenn er meint, ich habe damals jene Abbildung (alte Ausg. III. Taf. XXXIII. Fig. 46) von einem falſch aus⸗ geſtopften Exemplar entnommen; wogegen ich aber verſichern muß, daß mir ein am Eis— leber Salzſee dazumal ſelbſt erlegtes, ganz friſches Exemplar dazu diente, wie über— haupt mein ſel. Vater mir in jener Zeit nur im höchſten Nothfall erlaubte, eine Abbil- dung für unſer Werk nach einem ausgeſtopften Exemplare zu entwerfen; ſo lange nur irgend Hoffnung blieb, die gewünſchte Vogelart friſch zu erhalten, gab er jenes nicht zu, weil um das Jahr 1800 die Ausſtopfekunſt noch, fo zu ſagen, in ihrer Kindbeit lag. — Ich kann übrigens verſichern, daß es mit dem Auffinden einer Artverſchiedenheit zwiſchen Larus ridibundus und L. capistratus, auſſer meinen oben genannten beiden hochverehrten Freunden und mir, auch noch mehrern achtbaren Forſchern ebenſo gegangen iſt. Wie wenig Gehalt Hrn. Brehm’ s Methode hat, die bekannten Vogelarten in meh— rere Unterarten (Subspecies) zu theilen, zeigt fi auch bei der Theilung unſeres Larus ridibundus, in feiner Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 760. u. 761., bei den erſten bei⸗ den, feiner Tema ridibundum und feiner Tema pileatum, wo er zur Erſteren, aus der alten Ausgabe d. Ws. III. Taf. XXXII. die Fig. 44., zur Letztern die Fig. 45. dieſer Tafel citirt, — wobei ich aber verſichern darf, daß damals, als dieſe Vögel ges malt werden ſollten, beide, ſowol der junge als der alte Vogel, zu dieſem Zweck, von meinem Vater an einem Brüteorte und aus demſelben Heckeverein geſchoſſen wurden, vielleicht ſogar Blutsverwandte fein konnten. Kennzeichen der Art. Die Schaͤfte der beiden vorderſten Schwingfedern ſind bis auf die ſchwarze Spitze weiß. Taubengroͤße. Beſchreibung. Die Lachmeve, in Deutſchland die gemeinſte, gehoͤrt zu den kleinern Arten, uͤbertrifft hierin aber die Zwergmeve um Vieles. Wenn ſie der Schwarzkopfmeve auch an Groͤße faſt gleich koͤmmt, ſo unterſcheidet ſie ſich doch leicht an dem ſchwaͤchern, ſchlankern, da— her laͤnger ſcheinenden, und weniger hakenfoͤrmigen Schnabel, wie an den ſcheinbar niedrigern Fuͤßen in allen Kleidern ſehr leicht, und auch dieſe zeigen in allen Abſtufungen nach Alter und Jahreszeiten unterſcheidende Abweichungen genug. Auf der andern Seite ſteht ihr die Sturmmeve ſehr nahe; allein dieſe iſt merklich größer, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 267 robuſter gebauet, auch viel ſtaͤrker an Schnabel und Füßen, im voll: kommenen Hochzeitskleide ohne Kappe auf dem Kopf, in andern viel mehr, dichter und klarer gefleckt und uͤberhaupt in Vertheilung der dunkeln Zeichnungen des Gefieders ſehr abweichend. Wollte man die Meven, als Gattung, in beſondere Unterab- theilungen bringen, fo würde L. ridibundus der Repraͤſentant einer ſolchen und zwar die der braunkoͤpfigen Meven vorſtellen, und ihr naͤchſter Verwandter Larus maculipennis, des Berliner Muſeums, aus Montevideo, fein, welche Art, bei ſonſt ſehr großer Aehnlich— keit, durch das etwas anders vertheilte Schwarz der Flügelſpitze, vorzuͤglich an den weißen Spitzenflecken der großen Schwingfedern, die auch der junge Vogel ſchon hat, — obgleich denen des L. canus aͤhnlich, doch auch von dieſem abweichend genug, — ſich von un— ſerm L. ridibundus gut unterſcheidet. Es wuͤrde hierher, auſſer den Arten mit bleigrauer Kappe, auch noch L. Sabini, mit dem ſeicht gegabelten Schwanze, wozu mehrere oder faſt alle Arten dieſer Ab— theilung ſich hinneigen, — wie auch L. albipennis aus Chili zu zäh: len ſein. Letzterer ſtaͤnde indeſſen ſchon auf der Grenze zu den ſchwarzkoͤpfigen Meven, eine andere Abtheilung, in welcher als Repraͤſentant L. melanocephalus, mit ſeinem naͤchſten Verwandten, L. cucullatus aus Mexico, mit L. minutus, aber auch mit dem praͤchtigen L. ichtyaétus (alſo die größte und kleinſte Art der Gat— tung beiſammen) ſtehen muͤßte. — Haͤtte man alle Mevenarten der Welt beiſammen, ſo wuͤrden ſich demnach in dieſer Gattung, ſo leicht als zweckmaͤßig, noch viele ſolcher naturgemaͤßen Abtheilungen ma: chen laſſen, zumal mit dem Character der Farbenvertheilung immer auch die Lebensweiſe im Einklaͤnge ſteht. Freilich ſtaͤnden, nach jetzigem Stande unſeres Wiſſens, doch auch manche Arten, ſo Larus tridactylus, ſo L. eburneus, allein und ohne Familienverwandte da. Unſere Lachmeve hat ohngefaͤhr die Groͤße einer Feldtaube, aber viel laͤngere Fluͤgel und einen viel ſchlankern Koͤrperbau, ſo daß ſie, zumal fliegend, viel groͤßer ausſieht. Wie unter allen Meven— arten, findet man auch in dieſer, und zwar an einerlei Orten und in derſelben Schaar, ſehr abweichende Groͤßenunterſchiede; Ver— ſchiedenheiten, die nicht das Klima, nicht Mangel an Nahrung her— vorbringt, die noch weniger Artverſchiedenheit bezeichnen, ſondern vom Ei an ſich bilden, ſo daß man ſchon im Neſte ſehr große und ſehr kleine Individuen beiſammen findet. Die Extreme in den Maaßen alter Voͤgel, wenigſtens zwei Jahr alt, ſind folgende: Laͤnge, von der Schnabelwurzel bis zum 268 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach: Meve. Schwanzende, 14 bis 16°/, Zoll; Flugbreite 36 bis 42 ¾ Zoll; Fluͤ⸗ gellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, 12 bis 14 Zoll; Schwanz⸗ länge 4½½ bis 5 Zoll, und die Spitzen der ruhenden Flügel reichen 2¼ bis 2%/, Zoll über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Extreme in den Maaßen junger, eben flugbarer Voͤ— gel ſind von zwei Individuen entnommen, welche Geſchwiſter und beide aus einem Neſte waren; ſie ſtellen ſich ſo heraus: Laͤnge 13 bis 15 Zoll; Flugbreite 35 bis 39 Zoll; Fluͤgellaͤnge 10½ bis 12 Zoll; Schwanzlaͤnge 4 bis 4½ Zoll, und die Spitzen der an den Leib geſchmiegten Flügel reichen 1 bis 1½ Zoll über deſſen Ende hinaus. Zwiſchen dieſen ſeltnern kleinern und den groͤßern Maaßen, die an friſchen Exemplaren genommen, liegen nun die gewoͤhnli— cher vorkommenden in der Mitte. Wenn nun bei einer Mevenart von dieſer Groͤße ein Unterſchied im Laͤngenmaaße von 2 bis 3 Zoll vorkommen kann, ſo darf man fi) nicht wundern, wenn es bei den größten, gerade noch ein Mal ſo großen Arten um 5 bis 6 Zoll differirt. — In dieſem Stuͤcke gleichen ſich die Mevenarten alle, und jede Mevenkolonie kann den Becbachter davon Überzeugen, wenn er es nicht ſchon in Sammlun— gen Ausgeſtopfter gefunden oder dieſen mißtrauet haͤtte. Das Gefieder iſt bei der Lachmeve von derſelben Beſchaffenheit wie bei andern, von den großen Schwingfedern die vorderſte wenig, meiſtens nur um 1 oder 1½ Linien laͤnger als die zweite, die fol genden dann in großen Stufen in der Laͤnge abnehmend, u. ſ. w. Die Schwanzfedern ſind ziemlich und gleich breit, am Ende ſehr wenig, die beiden mittelſten ſtaͤrker abgerundet, dieſe ſehr oft, zumal bei jungen Voͤgeln ein Wenig kuͤrzer und wenn ſie dieſes ſind, das Schwanzende ſehr unbedeutend ausgeſchnitten, bei den allermeiſten Alten jedoch, ſo wie bei vielen Jungen ganz gerade, wie mit der Scheere verſchnitten. Der Schnabel iſt, mit andern Mevenſchnaͤbeln (von L. minutus ausgenommen) verglichen, etwas ſchwaͤchlich, der abgerundeten Firſte nach von der Mitte an im ſanften, ſehr ſchwachen Bogen in die Spitze ausgehend, unten am Ende der Kielfpalte mit einem ganz ſchwachen Eck und dann in die etwas ſchlanke Spitze endend, dieſe gewoͤhnlich kaum kuͤrzer als die obere, die ſich jedoch bei Manchen auch, doch ſelten, wie ein kleines Haͤkchen uͤber die untere herab biegt; die geraden eingezogenen, ſehr ſcharfen Schneiden bei Manchen ſpitze— waͤrts ganz fein gezaͤhnelt, bei Vielen auch ganz glatt; uͤbrigens iſt XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 269 er von den Seiten ſtark zuſammengedruͤckt, doch an der Wurzel— haͤlfte uͤber der Schneide etwas aufgetrieben; die Naſenhoͤhle lang und ſchmal; in ihr öffnet ſich das ritzfoͤrmige, vorn erweiterte, durch: ſichtige, 3 Linien lange Naſenloch nicht weit von der Stirn. Der Rachen iſt tief geſpalten und ziemlich weit. Der Schnabel iſt auch in der Groͤße verſchieden, obwol meiſtens, doch nicht immer, nach der Groͤße des Vogels. Man findet ihn bei Alten von etwas über 15 bis 17½ Linien Lange, von der Stirn an, hier von 4 bis beinahe 5 Linien Hoͤhe und von 3 bis 4 Linien Breite; bei flugbaren Jungen von 13 bis 14½ Linien Laͤnge (vom Mundwinkel zur Spitze von 13/, bis 2¼ Zoll), von 3½ bis 4½ Linien Hoͤhe und 3 bis 3½ Linien Breite. — Von Farbe iſt er ſehr verſchieden, in fruͤheſter Jugend ganz fleiſchfarbig, bei Flug— baren blaß fleiſchfarbig, an der Spitze ſchwarz und dieſes zieht auf den Schneiden oft ein ganzes Stuͤck ruͤckwaͤrts; ſpaͤter braͤunlich fleiſchfarbig, nachher rothgelb, dann orange: oder ziegelroth, dann braunroth, endlich im ausgefaͤrbten Fruͤhlingskleide dunkel karmin- oder hell blutroth. Der Rachen und innere Schnabel hat die Farbe wie auſſen, aber ſtets etwas lichter. Dieſe Farben wer— den im Tode alle duͤſterer und im getrockneten Zuſtande ganz un— ſcheinlich, heller oder dunkler hornfarbig. Das eben nicht große Auge hat einen ſehr dunkelbraunen, faſt ſchwarzbraunen Stern, in der Jugend dick und weiß befiederte, im Alter nackte ziegel- oder karminrothe Lider. Die Fuͤße ſind weder auffallend hoch, noch ſtark; die Zehen etwas kurz; die Schwimmhaͤute zwiſchen den vordern voll, auch manchmal ein wenig ausgeſchnitten; die Hinterzeh kurz und nicht ſehr hoch geſtellt; die Krallen kurz, wenig gebogen, ſtark, ſcharfran— dig aber nicht ſpitz, die mittelſte mit vorſtehender Schneide nach in— nen, wie bei den meiſten Arten; der Unterſchenkel uͤber der Ferſe ziemlich weit nackt; der Uiberzug der Fuͤße wie an andern Arten ſeicht eingekerbt, vorn herab getaͤfelt, hinten geſchildert, auf den Ze— henruͤcken ſchmal geſchildert, Schwimmhaͤute und Zehenſohlen fein gegittert. Die nackte Tibia mißt 6 bis 9 Linien; der Lauf 1 / bis 2 Zoll; die Mittelzeh mit der 3 bis 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 5 bis 7½ Linien; die Hinterzeh mit der 1½ bis 2 Linien langen Kralle, 4 bis 5 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt meiſtens die des Schnabels, in der Jugend blaß fleiſchfarbig, ſpaͤter braunroͤthlich, dann hellroth, end— lich bei ausgefaͤrbten Alten karmin-oder hell blutroth. Sie wird 270 XIII. Drdn. LXXVIII. Gatt. 290, Lab: Meve. ebenfalls nach dem Ableben bald duͤſterer, bei jenen blaß roͤthlich— grau, ausgetrocknet hell hornfarbig, bei Letztern zuletzt roͤthlich horn— braun. Gewoͤhnlich wird ſie an Ausgeſtopften ſo haͤßlich, daß ſie nicht mehr zu erkennen iſt, am erſten noch das hellere Roth der alten Herbſtvoͤgel. Die Krallen ſind ſchwarz, bei juͤngern braunſchwarz, oft an den Spitzen lichter. Das Neſt- oder Dunenkleid iſt ein eben nicht langer, aber dichter und ſehr weicher Flaum, von oben her blaß gelblichbraun, ſchwarzbraun verſchiedentlich, mehr oder weniger, gefleckt; Zuͤgel, Kehle und Wangen ſehr dunkel, faſt ſchwarzbraun; der ganze uͤbrige Unterkoͤrper rein weiß; das kleine Schnaͤbelchen roͤthlich weiß; die Fuͤßchen bleifarbig, dicht unter der Ferſe ſehr dick. — Dies kleine Geſchoͤpf hat in den erſten Tagen ſeines Daſeins viel Aehnlichkeit mit dem Jungen von Sterna Hirundo, die Kehle iſt aber meiſtens dunkler, der Schnabel kuͤrzer und die Fuͤße etwas groͤßer. Das nach einigen Tagen hervorkeimende ordentliche Gefieder koͤmmt zuerſt an den Fluͤgeln und dem Schwanze, zuletzt am Halſe und Kopfe hervor; noch ſitzen die Dunen auf den Spitzen vieler Federn der letztern Theile, wenn dieſe jungen Meven bereits flie— gen und ſich ſelbſt naͤhren koͤnnen. Jetzt ſind ſie in ihrem voll— ſtaͤndigen Jugendkleide und ſehen folgendergeſtalt aus: Der Schnabel ſieht an dieſen jungen Voͤgeln nie gelb (wie man ihn oft beſchrieben findet), ſondern im Leben blaß und etwas ſchmutzig fleifchfarbig oder weißroͤthlich, bald nach dem Ableben roͤth— lichgrau aus, mit braunſchwarzer Spitze; ebenſo haben die Füße jene blaſſe, im Tode mehr roͤthlichgraue Farbe; das Auge eine ſchwarz— braune Iris und dickbefiederte ſchneeweiße Lider. Das Geſicht iſt weiß, an den Zuͤgeln zuweilen braͤunlich oder graulich, auf der Stirn oft roſtgelb angelaufen; vor dem Auge ſteht ein halbmondfoͤrmiger tief ſchwarzer Fleck, ein ſchwaͤrzlich braungrauer viel groͤßerer, faſt dreieckiger auf der Ohrgegend, welcher ſich gewoͤhnlich mit der hin— tern Spitze bis auf das weiße Genick zieht; der Scheitel von vorn nach hinten aus dem Weißen in roͤthliches Braungrau oder Grau— braun uͤbergehend, ſeitwaͤrts uͤber den Schlaͤfen mit einer mehr oder weniger deutlichen weißen Stelle, die ſich meiſtens nur am lebenden Vogel als ein ovaler Fleck darſtellt; Kinn, Kehle, der halbe Hals ringsum, mit dem obern Nacken weiß, dieſer unterhalb, auf der Halswurzel, mit einem ſehr großen, dreieckigen, braunen, mit hell— braunen, in roſtgelb uͤbergehenden Endkanten der Federn bezeichne— ten Fleck, deſſen ſeitliche Spitzen, in Roſtgelb verlaufend, ſich ge— XIII. Ordn. LXX VIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 271 woͤhnlich bis auf die Gurgel herum ziehen oder hier eine Art von Halsband bilden; die Kropfgegend gelblichweiß, an den Seiten in dunkles Roſtgelb uͤbergehend, von hier an bis an den Schwanz alle untern Theile weiß, an den Bruſtſeiten oder den Tragefedern mit einem mehr oder weniger ſtarken duͤſter roſtgelben Anſtrich. Das Gefieder am Oberruͤcken und an den Schultern iſt braun, mit hels lern in Roſtgelb uͤbergehenden Endkanten; der Unterruͤcken meven— blau, auf dem Buͤrzel in Weiß uͤbergehend; die obern Schwanzdeck— federn weiß, meiſtens mit roſtgelb angeflogenen Federraͤndern; das Fluͤgelraͤndchen ſchneeweiß; die kleinen Fluͤgeldeckfedern blaß meven— blau, mit braͤunlichen Endchen; die mittlern braun mit hellern, roſt— gelblichen Endkanten und mit durchſcheinendem mevenblauen Grunde der Federwurzeln; die großen mevenblau mit hellbraunen Spitzchen, die hintern wie die hintern Schwingfedern, ziemlich dunkel braun mit hellen ins Roſtgelbe uͤbergehenden Endkanten; die mittlern Schwin— gen auf der Auſſenſeite bald ſchieferſchwarz, bald bloß ſchiefergrau, mit weißen Saͤumen, uͤbrigens mevenblau; von den Primarſchwin— gen die hinterſten noch mevenblau, nach vorn allmaͤhlich blaſſer wer— dend, die vordern rein weiß, alle mit ſchwarzen Enden, und das Schwarze geht auf der Auſſenkante nach und nach immer weiter herauf, ſo daß es an den beiden vorderſten faſt die ganze Auſſen— fahne, bis gegen die Wurzel herauf, einnimmt, ihre Schaͤfte, die ſchwarze Spitze ausgenommen, rein weiß; oft ſind noch ſchwaͤrzliche Flecke im Weißen der Fluͤgelſpitze und die Spitzen der Federn ha— ben weiße Saͤumchen; die Fittichdeckfedern weiß, hinterwaͤrts meven— blau, nach vorn mattſchwarz; die Daumenfedern weiß, an den En— den ſchwarz mit blaͤulichweißen Spitzchen. Von unten iſt der Fluͤ— gel an den kleinen Deckfedern rein weiß, an den großen ſilberweiß, an den Schwingfedern das Schwarz von oben bloß glaͤnzendes Schwarzgrau. Der Schwanz iſt weiß, mit einem bis 1¼ Zoll brei— ten braunſchwarzen Ende und braͤunlichweißen Spitzenſaͤumchen; das Schwarz nimmt jedoch, wenn man die Federn einzeln betrachtet, nach Auſſen ſtufenweiſe ſo ab, daß der aͤußerſten nur ein kleines Fleckchen bleibt, das aber ſelten ganz fehlt; von unten iſt er wie oben, das Schwarze nur blaſſer. Kaum ſind zwei dieſer jungen Meven einander vollkommen gleich gefaͤrbt und gezeichnet, ſondern bald heller, bald dunkler, am Kopfe mehr oder weniger weiß, am Kropfe und den Trag— federn mehr oder weniger braͤunlichgelb, ſo das Mevenblau des Oberfluͤgels mit ſeinen braunen Flecken, ſelbſt die ſchwarze Zeich— 272 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. g nung der Primarſchwingen und die Schwanzbinde; aber ein ſtand— hafter Unterſchied, welcher das verſchiedene Geſchlecht bezeichnete, iſt darin nicht aufzufinden. Ungemein bald wird dieſes Jugendkleid ſchon mit einem Uibergange zum naͤchſtfolgenden Herbſtkleide bezeichnet; man erhaͤlt dieſe Jungen nicht ſelten ſogar noch mit Spuren der fruͤhern Du— nen auf den Spitzen der Federn des Kopfes und Oberhalſes, waͤh— rend ſich an andern Theilen ſchon der Anfang der Mauſer in ein— zelnen mevenblauen, die braunen des Ruͤckens und der Schultern verdraͤngenden, Federn zeigt; zuvor bleicht aber auch ſchon das Roſt— gelb an den Seiten des Kropfes und der Bruſt, wie an den Kan— ten der Federn in ſchmutziges Weiß ab und das Braune wird auch fahler. Rein und vollkommen, in ſeiner jugendlichen Friſche, iſt es daher nur in der Naͤhe des Geburtsortes und kurz nach dem Aus— fliegen des Vogels zu erhalten. Dagegen tragen alle junge Meven dieſer Art im Spaͤtſommer oder wenn ſie bereits auf dem Zuge begriffen ſind (mit Ausnahme Einzelner von ſehr verſpaͤtetem Ge— hecke), ein mit dem folgenden vermiſchtes Kleid, das ſich durch das mehrere Weiß des Kopfes und das Mevenblau des Ruͤckens und der Schultern, dies aber meiſtens noch mit braunen Federn des ju— gendlichen Kleides gemiſcht, kenntlich macht. Erſt im Spaͤtherbſt iſt dies Letztere dann als erſtes Winter— kleid ſo weit vermauſert, daß es folgendergeſtalt ausſieht: Schna— bel und Fuͤße ziehen jetzt ſchon ſtark ins Roͤthliche, mehr oder we— niger mit braͤunlicher oder gelblicher Beimiſchung, und die Spitze des erſtern zeigt weniger ſchwarz; dicht vor dem Auge (mit ſeinen weißbefiederten Lidern) ſteht ein ſchwaͤrzliches Fleckchen, von welchem ſich ein graulicher Schein quer uͤber den Scheitel nach dem der an— dern Seite zieht; auf dem Ohr ein groͤßerer dunkelgrauer Fleck, von dem ebenfalls ein ſtaͤrkerer grauer Schein quer uͤber den Hinterkopf zieht; auſſer dieſen iſt der ganze Kopf und Hals, ſo wie die ganze untere Seite des Vogels rein weiß, ebenſo der Buͤrzel und die obere Schwanzdecke; Ruͤcken und Schultern rein mevenblau; der Ober— fluͤgel zwar ebenfalls mevenblau, doch nicht rein, ſondern noch mit ſehr vielen von den kleinen, mittlern und den hinterſten der großen Deckfedern vom Jugendkleide vermiſcht, an welchen das Braun aber ſehr abgeſchoſſen iſt, die Federkanten ſich ſehr abgerieben haben und ins Braungelblichweiße uͤbergehen; das Uibrige des Fluͤgels und der Schwanz ſind vollſtaͤndig noch die des Jugendkleides, das XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 272 Schwarze an ihnen aber ſchon ſehr abgeſchoſſen und die weißen End— kaͤntchen der großen Schwingfedern großentheils abgerieben. Dieſes unvollkommene Winterkleid nehmen nun die jun— gen Lachmeven in den naͤchſten, ihren zweiten, Fruͤhling mit hinüber und die Mauſer ſchreitet dabei, zwar aͤußerſt langſam, im— mer vorwaͤrts; im Mai ſieht man ſchon einzelne erdbraune Feder— chen zwiſchen den weißen am Kopfe hervorſtreben, der Schnabel und die Fuͤße haben ſich lebhafter roth gefaͤrbt und die ſchwarze Spitze an jenem verloren (ſ. unſere Abbildg. Fig. 4.) Immer langſam fortmauſernd erſcheint endlich bei den nun ein— jaͤhrigen Lachmeven zu Ende des Juni, oder erſt im Juli, kurz vor Beginn einer neuen Mauſer, am Kopfe die mehr oder weniger vollſtaͤndige braune Kappe der Alten, hier bloß erdbraun, am Rande herum am dunkelſten, an der Stirn oder um den Schnabel oft nur maͤuſegrau oder weißlich gemiſcht, übrigens auch mit dem halbmond— foͤrmigen weißen Fleckchen hinter dem Auge; dabei haben ſich nicht allein Schnabel und Fuͤße braunroth gefaͤrbt, ſondern auch das Au— genlid iſt nackt und braunroth geworden; uͤbrigens aber Fluͤgel und Schwanz wie oben beſchrieben geblieben, oder durch ſtarkes Ver ſtoſſen, Abreiben und Verbleichen der Federn bloß dahin veraͤndert worden, daß das Schwarze in ein fahles Schwarzbraun oder Rauch— fahl verwandelt iſt und die vielen ebenfalls vom Jugendkleide verbliebenen Fluͤgeldeckfedern noch unſcheinlicher geworden ſind, als ſie im Winter oder zu Anfang des Fruͤhlings waren. — Bei vielen bleibt der Kopf auch bloß braungefleckt oder nicht rein vermauſert, bis zum folgenden Federwechſel. In dieſem nun, im zweiten Herbſt ihres Lebens, wird end— lich das ganze Gefieder, auch die jetzt 1J¼ Jahr alten braunen Fluͤ— geldeckfedern, ſammt allen Schwing- und Schwanzfedern, mit neuen vertauſcht, und dieſe erſte Hauptmauſer wiederholt ſich um dieſe Zeit, von jetzt an alle Jahr bis ans Lebensende des Vogels. Dieſe erſte ganz vollſtaͤndige Mauſer giebt unſrer Lachmeve ihr erſtes ausgefaͤrbtes Winterkleid. In dieſem hat ſie einen aus— wendig praͤchtig mennig- oder orangerothen, inwendig gelbrothen Schnabel, auch das nackte Augenlidraͤndchen und die Fuͤße haben jene lebhafte Faͤrbung; dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwaͤrzliches Fleckchen, auf dem Ohr ein groͤßeres graues, zuweilen iſt auch noch quer uͤber dem Hinterkopf ein graulicher Strich angedeutet, aber meiſtens ſehr ſchwach; uͤbrigens ſind der Kopf, der Hals bis an den Ruͤcken, alle untern Theile des Vogels, auch der Unterfluͤgel und Lor Theil. 18 274 AIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. das Fluͤgelraͤndchen, desgleichen der Schwanz mit ſeinen untern und obern Deckfedern nebſt dem Buͤrzel rein und blendend weiß; der Mantel, d. i. Ruͤcken, Schultern, Fluͤgeldeckfedern und hinterſten Schwingfedern ſehr zart und rein mevenblau, geſaͤttigter als bei bei— den vorhergehenden Arten und lichter als bei Larus tridactylus. — Von den Schwingfedern erſter Ordnung ſind die vier erſten nebſt den Schaͤften, von auſſen weiß, die Spitzen tief ſchwarz, an der erſten kurz, an den folgenden zunehmend laͤnger und ſo weit auch die Schaͤfte ſchwarz, die allererſte von der Wurzel her auf der Auſ— ſenfahne auch ſchwarz, aber dies nach der aͤußern Kante immer ſchmaͤler und endlich 2¼ Zoll vor dem Ende ganz ſpitz auslaufend, auch die zweite hat noch auf der Auſſenkante, 2½ Zoll vor der Spitze, einen feinen ſchwarzen, aber nur bis ¼ Zoll langen Strich; die Innenfahnen der erſten drei Federn find, an der Spitze ausge— nommen, weiß, die erſte mit einer ſchmalen ſchwarzgrauen Kante die ſchon 1½ Zoll vor der Spitze ganz ſchmal auslaͤuft; an der zwei— ten iſt dieſe Kante ſchwaͤrzer, viel breiter, wurzelwaͤrts nach innen aſchgrau begrenzt, ſpitzewaͤrts ſchmaͤler und in das Schwarz der Spitze auslaufend; die dritte mit noch breiterm ſchwarzen Innen— rande, welcher wurzelwaͤrts mit noch mehr Aſchgrau nach innen be— grenzt iſt; die vierte Feder hat eine faſt ganz aſchgraue, am Rande in mattes Schwarz verlaufende Innenfahne; von der fuͤnften an ſind alle uͤbrigen auf beiden Fahnen blaͤulich aſchgrau, mit licht— grauen Schaͤften, die zwei laͤngſten mit ſchwarzer Spitze und ſchwaͤrz— lichem Rande der Innenfahne; die folgende mit ſchwaͤrzlichem Dop— pelfleck vor der Spitze und am Rande der Innenfahne ſchwarzgrau; die übrigen ganz ohne Schwarz; die der zweiten Ordnung meven- blau, die allerletzten weiß an den Enden und auf den Innenfahnen nach dem Rande zu; von den Fittichdeckfedern ſind die vier erſten weiß, zuweilen an den Spitzen grau angeflogen, die fuͤnfte blaß, die uͤbrigen wenig dunkler mevenblau. Von der untern Seite ſind die Schaͤfte aller Schwingfedern weiß, die Spitze dieſer mattſchwarz, der Rand der Innenfahne glaͤnzend ſchwarzgrau, das Uibrige weiß; die der zweiten Ordnung ſilberweiß. Maͤnnchen und Weibchen ſind im Aeußern einander ſo gleich, daß ſie ſich nicht unterſcheiden laſſen. Dieſes Winterkleid verändert ſich nun im Frühjahr durch eine theilweiſe Mauſer in das hochzeitliche und erſt in dieſem, wenn ſie faſt zwei Jahr alt geworden, iſt die Lachmeve ausgefaͤrbt und zugleich zeugungsfaͤhig. Dieſes Hochzeits- oder Sommer XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 275 kleid, in welchem fie im Frühjahr an ihren Bruͤteplaͤtzen erſcheint, iſt das praͤchtigſte. In ihm ſind Schnabel, Fuͤße und das nackte Augenlidraͤndchen lebhaft blutroth, faſt karminroth, der innere Schna: bel und Rachen hochroth; den Kopf ziert eine kaffebraune Kappe, die hinten nicht weit uͤber das Genick, vorn aber viel tiefer und ein gutes Stuͤck auf die Gurgel herabreicht, waͤhrend ſie ſich an den Seiten in einem Bogen nach unten und rundum ſcharf von dem angrenzenden Weiß des Halſes abſchneidet; ſie iſt tief braun, heller oder dunkler, am untern Rande am dunkelſten, und im Braunen ſteht dicht hinter dem Auge ein halbmondfoͤrmiges weißes Fleckchen, der uͤbrige Hals, Bruſt, Bauch, Schwanz, deſſen Deckfedern unten wie oben und der Buͤrzel rein und blendend weiß, an Bruſt und Bauch oft, zumal bei fetten Individuen, mit einer lieblichen Roſen— farbe ſanft angehaucht, die mit dem Ableben des Vogels verbleicht und bei Ausgeſtopften nach und nach ganz verſchwindet. Der Man— tel iſt hell mevenblau, wenig lichter als im Winterkleide, die Fluͤgel ganz wie in dieſem, weil ſie die naͤmlichen blieben und erſt in der naͤchſten Herbſtmauſer und, nebſt den Schwanzfedern, nur in dieſer mit neuen vertaufcht werden. Im folgenden Herbſt, dem dritten ihres Lebens, legt ſie aber— mals, wie in jedem nachfolgenden Jahr, ein dem oben beſchriebenen aͤhnliches Winterkleid an, das ſich von jenem bloß dadurch unter— ſcheidet, daß der rein weiße Kopf nur ein ſchwaͤrzliches Fleckchen vor dem Auge und ein groͤßeres graues auf dem Ohre hat, und daß die nackten Theile ein noch hoͤheres Roth ziert. — Aus dieſem Kleide geht dann durch die Fruͤhlingsmauſer abermals das hochzeitliche, ihr zweites vollſtaͤndiges, hervor, das dem erſten gleicht, kaum praͤch— tiger an den nackten Theilen gefaͤrbt iſt und eine etwas dunklere Kappe hat. Dieſe iſt an ſolchen und noch aͤltern aͤcht kaffebraun, zuweilen faſt chokolatbraun, am untern Rande herum in Schwarz— braun uͤbergehend, letzteres aber oft auch kaum bemerkbar, waͤhrend viele juͤngere Voͤgel vorkommen, bei denen dies auffallender wird, weil hier das Braun der Kappe uͤberhaupt lichter iſt und bei manchen am Vorderkopfe, zumal im Sommer, faſt in Maͤuſegrau uͤbergeht. Wenn übrigens dieſe braune Kappe bei recht alten Vögeln manch—⸗ mal ſehr dunkel vorkommen kann, ſo darf fie doch nie ſchwarz ge: nannt werden und der Beiname: „ſchwarzkoͤpfig,“ paßt deshalb durchaus nicht fuͤr die Lachmeve. Im Laufe des Sommers wird das Braun der Kappe etwas lichter, der mevenblaue Mantel auch blaſſer und das ſaͤmmtliche Ge: 18 * 276 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290, Lach⸗Meve. fieder hat beſonders durch das Abreiben der Spitzen u. ſ. w., ſehr an ſeiner urſprunglichen Zartheit und Sauberkeit verloren, wenn ſie ſich einer neuen Mauſer naͤhern. Das Wechſeln des Sommer- und Winterkleides durch zweimalige Mauſer koͤmmt nun alljaͤhrlich bis zum Tode des Vo— gels. Die Zeit dieſer Federwechſel iſt bei ältern Voͤgeln beſtimm— ter als bei juͤngern, weil nach einigen Jahren auch die Spaͤt— linge einer Bruͤtezeit nach und nach in die Reihe mit den andern kommen. Die Hauptmauſer der Alten faͤngt zwar ſchon im Aus guſt an, ruͤckt aber, wie bei allen Meven, ſo auch hier, ſehr lang— ſam vorwaͤrts und wird erſt ſpaͤt im Herbſte, wenn alle bereits das mittlere Deutſchland verlaſſen haben, vollendet; den Vogel im reinen Winterkleide kann man daher nur von den Orten her erhalten, wo dieſe Art uͤberwintert. So mag es in der Regel ſein. Wir wiſſen jedoch, daß auch gegen Ende des Auguſt Geſellſchaften von 10 bis 12 Stuͤcken vorkamen und einige davon erlegt wur— den, welche ſchon im vollſtaͤndigen Winterkleide waren. Dies ſind naͤmlich die Jungen vom vorigen Jahr, die dies Kleid zum erſten Male rein bekommen haben. — Die Fruͤhlingsmauſer hat ebenfalls dort Statt, geht aber viel ſchneller und geregelter, fängt gegen Ende des Februar an und dauert den März hindurch. Nach Beendigung derſelben begeben ſie ſich auf die Reiſe nach den Bruͤteorten, wo ſie dann im vollſtaͤndigen hochzeitlichen Kleide erſcheinen bis auf einzelne Ausnahmen, wahrſcheinlich juͤn— gere oder vielleicht durch Unwohlſein verhinderte Individuen, welche noch einzelne weiße Federn zwiſchen den braunen des Kopfes, ſehr ſelten einen noch faſt ganz weißen Kopf, als Uiberbleibſel vom Winterkleide mitbringen, jedoch auch bald mit braunen vollends vertauſchen. — Mit den Jungen iſt es, wie ſchon geſagt, anders; ſte tragen ihr reines Jugendkleid nach dem Ausfliegen nicht mehr volle zwei Wochen, um welche Zeit, ohngefaͤhr, ſich bereits der Anfang ihres kuͤnftigen Winterkleides in einzelnen neuen Federn zeigt; dies kann bei zu gewoͤhnlicher Zeit ausgekommenen Indivi— duen ſchon mit Ende des Juni, bei denen von ſehr verſpaͤteter Brut wol erſt zu Ende des Auguſt vorkommen. Sie ſtehen von dieſen erſten Zeichen an, ihr ganzes erſtes Lebensjahr hindurch im lange ſamen und fortwaͤhrenden Federwechſel, durchlaufen in dieſer Zeit noch zwei verſchiedene Mauſerperioden, ohne daß eins dieſer Kleider vollſtaͤndig wuͤrde, und behalten durch alle noch anſehnliche Partieen des Gefieders vom Jugendkleide, bis zum zweiten Herbſte ihres XI. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 277 Lebens, wo nun die obige regelmaͤßige Folge des zweimaligen jaͤhr— lichen Mauſerns, zum erſten Mal, mehr als einen Monat früher als bei den Alten eintritt. Jenes fortwaͤhrende Mauſern und phy— ſiſche Ausbilden, bis uͤber das erſte Lebensjahr hinaus, iſt auch wahr— ſcheinlich Urſache, daß die Periode des erlangten Mannbarwerdens dieſer jungen Meven erſt im dritten Fruͤhling ihres Lebens, oder wenn ſie zwei Jahr alt ſind, eintritt. Dies iſt bei allen kleinern Mevenarten fo; bei den großen ſtellt ſich dieſe Periode noch J bis 2 Jahr weiter hinaus. An den Bruͤteorten ſieht man daher, ehe die Jungen auskom— men, nur Alte im hochzeitlichen Kleide und dieſe dulden die Einjaͤhrigen, in der aus dem Jugend-, Winter- und Som: merkleide gemiſchten unregelmaͤßigen Tracht, nicht unter ſich und dieſe treiben ſich, meiſt geſellig, an andern entfernten Orten herum. An den Winteraufenthaltsorten ſind dagegen Alle beiſam— men, jung und alt, bunt durcheinander. Rau et hahe Die Lachmeve iſt uͤber viele Theile unſrer Erde, namentlich de— ren noͤrdlichen Haͤlfte, verbreitet. Von Europa bewohnt ſie nicht die hochnordiſchen Laͤnder, nicht Island, auch nicht die obern Theile von Norwegen, Schweden und Rußland. Dagegen ſoll ſie an den vielen Gewaͤſſern des obern Nordamerika ſehr gemein ſein, bis Groͤnland und durch die Davisſtraße bis in die Baf— finsbai hinein. In Aſien bewohnt ſie wenigſtens einen Theil von Sibirien, koͤmmt haͤufig am Ural, aber auch in Syrien und Arabien vor; ebenſo in den meiſten Laͤndern von Nord— afrika, namentlich in Aegypten. In Europa geht ſie im Sommer, nur in manchen Lagen, hoͤchſtens bis zum 60 Graden. Br., aber von da ab durch alle Theile bis zu den weſtlichſten und ſuͤdlichſten Grenzen, im Oſten jedoch nicht ſo hoch noͤrdlich als im Weſten. Sie iſt ſehr gemein in den Laͤndern vom ſchwarzen Meer herauf, im ſuͤdlichen Rußland, der Moldau, Ungarn, Sta: lien, hier in vielen Gegenden, z. B. um Nom, in überaus gro— ßer Anzahl, ſo in Frankreich, Großbritannien, Holland, der Schweiz, in Daͤnemark, dem ſuͤdlichen Schweden und an— dern Dftfeeländern, in Preußen und Polen, und endlich in ganz Deutſchland. Sie iſt in Mitten des Feſtlandes die ge: meinſte und zahlreichſte Mevenart. Auch unſerm Anhalt iſt ſie 278 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. nicht fremd, zur Bruͤtezeit an manchen Orten im Lande und in der Nachbarſchaft ſehr gemein, auch in der Zugzeit allenthalben vor— gekommen. In allen noͤrdlichen Laͤndern iſt ſie Zugvogel, in gemaͤßigten und ſuͤdlichern Strichvogel. Sie uͤberwintert ſchon unter einem gemaͤßigten Himmelsſtriche, z. B. im ſuͤdlichen Frankreich, in Italien u. ſ. w., viele ſogar ſchon auf dem Zuͤricher und andern Seen der Schweiz, in gelinden Wintern bleiben ſogar viele in Holland zuruͤck, welches wol ihre noͤrdlichſten Winterquartiere ſein moͤgen. Die in ſolchen gelinden Wintern an großen offenen Ge— waͤſſern in Deutſchland, namentlich an großen Flußmuͤndungen zuweilen Zuruͤckbleibenden, muͤſſen wir zu den Ausnahmen zaͤhlen. Sobald im Fruͤhjahr nach einigen freundlichen Tagen das Eis zu ſchmelzen anfaͤngt, hoͤrt man hoch oben in den Luͤften die be— kannten Toͤne der Lachmeven, oft ſchon im Maͤrz, gewoͤhnlicher aber mit Anfang des April, je nachdem jenes fruͤher oder ſpaͤter eintritt. Sie ſcheinen den groͤßern Gewaͤſſern zu folgen und auch, wie zu andern Zeiten, gewiſſe Luftſtraßen zu haben, bleiben aber auf der Fruͤhlingswanderung ſelten länger an einem Orte, als eben noͤthig iſt, ihren Hunger und Durſt zu ſtillen und Nachtruhe zu halten, denn ſie ziehen gewoͤhnlich am Tage und fliegen dabei ſehr hoch. Die Schaaren beeilen ſich dann ſobald als moͤglich an den Bruͤte— orten anzulangen und ſich ſogleich daſelbſt einzurichten. Die alten bruͤtefaͤhigen Voͤgel ſind unter den Ankoͤmmlingen immer die erſten, obgleich man oft noch im Mai eben ſolche in kleinen Geſellſchaften auf Gewaͤſſern und durchwandernd, ſo Einzelne ſelbſt Anfangs Juni noch antrifft. Dieſe ſcheinen nicht Luſt zu haben in dieſem Jahr noch zu bruͤten; denn in den letzten Tagen des Juni und den erſten des Juli erſcheinen die Jungen jener ſchon wieder, bald in großen, bald in kleinen Geſellſchaften, in denen man aber ſelten eine Alte bemerkt, auf dem Wegzuge begriffen. Haͤufig ſind jene Verſpaͤteten, bei genauerer Beachtung, aber auch bloß vorjaͤhrige Junge, welche in dieſem Jahr noch nicht bruͤtefaͤhig ſind, in der Ferne aber leicht fuͤr Alte gehalten werden koͤnnen. Weil dieſe noch nicht vom Fort— pflanzungstriebe zu einem beſtimmten Ziele hingetrieben werden, ſo haben ſie auch keine Eil, duͤrfen ſich aber auch nicht unter niſtende Schaaren miſchen. Im Sommer ziehen die Alten viel fruͤher wieder von uns weg als ihre Jungen; ſie verlaſſen den Niſtort ſchon im Juli oder ſpaͤ— teſtens zu Anfang des Auguſt, ebenfalls in groͤßern Vereinen, waͤh— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 279 rend die Jungen beinahe einen Monat fpäter aus unſern Gegenden wegwandern, meiſtens in Schaaren, oft zu Hunderten, ja Tauſen— den beiſammen, wobei ſie vielen Laͤrm machen und wenig eilen, oͤfters in der Luft anhalten und ſich halbe Stunden lang in großen Kreiſen herumdrehen, wo es ihnen gefällt auch Raſttage halten und ſich auf den Gewaͤſſern einer Gegend wol mehrere Tage lang her— umtreiben. Wo eine ſolche Schaar auf einem Teiche oder See Halt machte, viel Nahrung fand und keine Nachſtellungen erfuhr, wird es ihr oft ſchwer, ihn wieder zu verlaſſen; die Erſten, welchen jetzt das Reiſen in den Kopf koͤmmt, erheben ſich, ſchweben und kreiſen uͤber den noch ſitzenden und mahnen ſie durch ihr Schreien zum Aufbruch, haben aber oft viele Muͤhe, ehe ſie alle in Bewe— gung ſetzen; endlich erheben ſich nach und nach alle in Kreiſen zu groͤßerer Hoͤhe und eilen zuletzt im ſchnellen Fluge gerade nach Weſt oder Suͤdweſt fort. Haben ſie viel Eil, ſo fliegen ſie noch hoͤher und bilden dann eine einzige, regelmäßige, ſchraͤge Linie, oder manch: mal auch zwei ſolche, vorn im ſpitzen Winkel vereinigte, wie Kra— niche und wilde Gaͤnſe, zerreißen dieſe Ordnung aber alle Au— genblicke, ſtellen ſie auch ebenſo ſchnell wieder her, und verſchwinden unter ſolchen Wechſeln bald den ihnen folgenden Blicken. — Sehr ſelten ſieht man eine einzelne Lachmeve auf der Wanderung; dies ſind gewoͤhnlich aus verſpaͤteter Brut hervorgegangene, noch zu we— nig erſtarkte Junge, welche auch ſehr gemaͤchlich reiſen, wo es ihnen gefaͤllt Wochen lang verweilen, Tags uͤber mehrere kleine Gewaͤſſer in der Runde wiederholt beſuchen und ſo zuweilen bis zu Ende des October ſich bei uns herumtreiben. Die Lachmeve iſt eine Bewohnerinn der ſuͤßen Gewäſer; nicht Seevogel; zu manchen Zeiten zwar gern in der Naͤhe des Meeres und voruͤbergehend auch am Strande deſſelben, niemals aber auf hoher See, oder hoͤchſtens nur dann, wenn ſie auf der Wanderung daruͤber hin muß. Nahe Binnenwaſſer, ſolche Seen und Flußmuͤn— dungen, ebenſo aber auch weit davon und tief im Feſtlande gelegene Landſeen, große Teiche, weite waſſerreiche Suͤmpfe und in Sumpf verlaufende Flußufer, ſobald ſie ſtellenweiſe nicht ſowol mit Rohr als mit Schilf, hohen Graͤſern, Binſen und andern Sumpfpflanzen beſetzt, oder auch mit gruͤnen Inſeln, Halbinſeln und Landzungen verſehen ſind, welche viel freie, aber auch viel gruͤn bewachſene Flaͤ— chen und uͤberhaupt ſchlammiges Waſſer haben, geben ihnen uͤberall, ſowol in ebenen wie in bergigen Gegenden, einen Sommeraufent— halt von gewuͤnſchter Beſchaffenheit; dagegen werden die klaren, von 280 XIII. Orb n. LXXVIII. Gatt. 290. Lach- Meve. Pflanzenwuchs entblößten Gewaͤſſer, mit nackten, zumal ſandigen Ufern und die ſchnell ſtroͤmenden Fluͤſſe nur auf dem Durchzuge beſucht, oder dienen, in mildern Klimaten, dieſer Art zu Winter aufenthaltsorten, weil ſie dort faſt immer vom Eiſe befreit bleiben. Unſere herrlichen Geſchwiſterſeen im Mansfeldiſchen, der ſalzige und füße (wegen verſchiedener Beſchaffenheit des Waſſers fo ge— nannt und beide angeblich uͤber 200 Hufen Flaͤche bedeckend), ſind viel zu weite freie Waſſerflaͤchen, ihre nur ſtellenweis gruͤnen Ufer enthalten zu hohes und dichtes Rohr in viel zu großen Maſſen, als daß ſie dieſen Voͤgeln weiter etwas ſein ſollten, als angenehme Er— holungsorte auf ihrer Durchreiſe; dagegen waren ehedem, als die ſteigende Kultur ſie noch nicht verdraͤngt hatte, die nahe bei dieſen Seen gelegenen Teiche, mit ihren ſumpfigen Umgebungen, die wah— ren Aufenthaltsorte der Lachmeven fuͤr laͤngere Zeit, und jene große Waſſerſpiegel nur ſichere Zufluchtsorte fuͤr die dort ausgeflogenen Jungen. Allenthalben, wo einzelne Gewaͤſſer von Lachmeven bewohnt find, durchſtreifen dieſe, gemeiniglich auf beſondern Luftſtraßen, in unſichern Gegenden jedoch hoch fliegend, auch die uͤbrigen, in einem Meilen weiten Umkreiſe, taͤglich und oft wiederholt, aber nicht bloß Bruͤcher, Teiche, Seen u. dergl., ſondern auch die umliegenden Wieſen und Felder. Hier trifft man ſie bald auf friſch gepfluͤgten, bald auf brach liegenden Aeckern, ſeltner auf Stoppel- oder Saatfel— dern, und bei dieſer Gelegenheit beſuchen ſie auch die kleinſten Feld— teiche und Pfuͤtzen abwechſelnd, weil ſie das Waſſer nicht lange ent— behren koͤnnen. Auch bei ihrer oft zu voreiligen Ankunft im Fruͤh— jahr, wenn fie Teiche und ſtehende Gewaͤſſer noch mit Eis belegt finden, laſſen ſie ſich haͤufig auf den vom geſchmolzenen Schnee in den Vertiefungen der Felder zuſammengelaufenen Waſſerflaͤchen nie— der und folgen in ſolcher Zeit vorzuͤglich dem Lauf der vom Eis freien Fluͤſſe. Sie ſcheuen ſich nicht vor Baͤumen, moͤgen jedoch nicht an Ge— waͤſſern wohnen, wo Wald ringsum ihnen die Ausficht in die Ferne verſperrt, obgleich ſie oft auch in waldreichen Gegenden an ſolchen wohnen, welche ſich theilweiſe durch Wald ziehen, andern Theils aber ganz frei liegen und bloß von Wieſen und Feldern umgeben ind, Auf Baͤume ſetzen fie ſich nie. Sie lieben die niedrigen gruͤ— nen Inſeln der ſtehenden Gewaͤſſer wie der Fluͤſſe, um ſo mehr, wenn dieſe ſelbſt oder ihre ſeichten Umgebungen mit kurzem Schilf und Gras bewachſen ſind. Haͤufig wohnen ſie an belebten Orten, nahe XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 281 an Wegen und Straßen, kommen jedoch menſchlichen Wohnungen nicht zu nahe, ausgenommen wo ſie ihre Winterquartiere aufſchla— gen, bei ſtarkem Froſte, wo, nach Schinz, z. B. die des Zuͤricher Sees, wenn dieſer ſich meiſt mit Eis bedeckt hat, auf der Limmat mitten in die Stadt kommen und dicht bei den Haͤuſern ihre Nah— rung ſuchen. Ihre Nachtruhe halten ſie ſchwimmend, mitten auf der freien Waſſerflaͤche eines Sees, Teiches u. dergl. Sie begeben ſich ſpaͤt erſt zur Ruhe und ſind mit dem grauenden Morgen ſchon wieder wach. Bei Sturm ſuchen ſie in ſtillen Buchten Schutz, waͤhrend ſie bei ſchwachem Luftzuge, ehe ſie feſt einſchlafen, durch geſchicktes Rudern dennoch auf derſelben Stelle zu bleiben verſtehen, in der Nacht aber nicht ſelten in die Naͤhe des Ufers getrieben werden. Wo mehrere dieſer Meven beiſammen ſind, haben ſie auch eine ge— meinſchaftliche Schlafſtelle, auf welcher alle Einzelnen nahe neben⸗ einander ſchwimmen und der Ruhe pflegen. Eigenſchaften. Die alte Lachmeve in ihrem hochzeitlichen Schmuck iſt un: beſtreitbar eine der ſchoͤnſten Meven; das ungemein zarte, lichte Mevenblau, die ſammetſchwarze Fluͤgelſpitze, die kaffebraune Kaputze, auf dem allerreinſten und allerweißeſten Weiß, welches das Auge blendet, oft von unten her mit der lieblichſten Roſenfarbe angehaucht, dazu das praͤchtige Blutroth der nackten Theile, vereinigen ſich zu einem herrlichen und unvergleichlichen Ganzen, wobei nur zu be dauern iſt, daß es bloß am lebenden Vogel von ſo hoher und hoͤch— ſter Schoͤnheit, von dieſer unbeſchreiblichen Reinheit und Sauberkeit iſt, aber im Tode ſehr bald ſo unglaublich an ſeiner Pracht verliert, daß es mit jenem gar keinen Vergleich mehr aushaͤlt, zumal das liebliche Roſa an dem weißen Gefieder der untern Theile auch bald ſpurlos verſchwindet. — Die Alte im reinen Winterkleide, ohne braune Kappe, mit heller rothem Schnabel und Fuͤßen, iſt kaum minder ſchoͤn; aber ſelten findet ſich bei ihr ein leiſer Hauch von jener Roſenfarbe, die zwar, wie bei andern, vom eigenen Fett des Vogels herruͤhrt, aber nicht bei allen, gewoͤhnlich nur bei ſehr al— ten in der Begattungszeit, auch bei den Weibchen ſelten ſo bemerkbar als bei Maͤnnchen vorkoͤmmt. Gewoͤhnlich ſteht dieſe Meve auch mit ziemlich eingezogenem Halſe, den ſie nur etwas mehr in die Hoͤhe reckt, wenn ſie auf Et— 282 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. was aufmerkſam wird oder fort will; den Rumpf mit dem Schwanz traͤgt ſie dabei ganz waagerecht, die Fluͤgel vorn unter den Tragfe— dern, an der Spitze uͤber dem breiten Schwanze kaum gekreutzt, die Fuͤße im Gleichgewicht des Koͤrpers, vom eigentlichen Knie ganz ſenkrecht geſtellt und in der Ferſe nicht gebogen. Iſt ſie in truͤber Stimmung, ſo iſt der Hals ganz eingezogen, die Bruſt nach vorn noch unter die Horizontallinie herabgeſenkt und das Gefieder etwas aufgeblaͤhet. Sie beharrt zuweilen laͤngere Zeit in ſolcher Stellung, obgleich ſie ſonſt vom Stillſitzen wenig haͤlt. Zuweilen ſteht ſie nur auf einem Beine und ſteckt den Schnabel unter die Ruͤckenfedern; dies letztere thut ſie immer wenn ſie ſchlaͤft, auch ſchwimmend. Un— mittelbar nach dem Niederſetzen aus dem Fluge, auf feſten Boden, macht ſie eine ſchuͤttelnde Bewegung mit dem Schwanze von einer Seite zur andern. Sie iſt ſehr gut zu Fuß, ſchreitet ſehr behende, unter Kopf— nicken bei jedem Schritt, vorwaͤrts, faſt wie eine Dohle, und iſt auch im Stande ſich fo in Lauf zu ſetzen, daß man, z. B. eine Fluͤ⸗ gellahme, nicht ohne Muͤhe einholen kann. An den Ufern (wo ſich eine Alte uͤberhaupt ſelten niederlaͤßt) oder auf kleinen Inſeln, geht ſie noch ſeltner umher; deſto oͤfter und emſiger ſieht man ſie aber auf Brachaͤckern oder in friſchgepfluͤgten Ackerfurchen herumlaufen, dabei jedoch auch haͤufig mit kurzem Fliegen abwechſeln. Wenn ſie ausruhen will, laͤßt ſie ſich gewoͤhnlich auf den Waſſerſpiegel, waͤre er auch nicht groß, ſehr fanft nieder, ſtreckt im Niederſetzen die Füße vor, wodurch ſie dem Fortgleiten vorbeugt, kreutzt dann die langen Flügel hoch über den auch ſchon etwas erhobenem Schwanze und Hinterleibe, und ruhet ſo nur vorn bis an die Fuͤße, aber nur ſehr wenig ins Waſſer getaucht, anf deſſen Flaͤche. Gewoͤhnlich fliegt ſie bald wieder auf, doch verſteht ſie auch, wenn ſie nach Nahrung herumſucht, oder auch vor dem Schlafengehen, weiter zu rudern und anhaltend, obwol langſam herum zu ſchwimmen. Tauchen ſcheint ſie nicht zu koͤnnen, ausgenommen die Jungen und eine ihrer Flug— kraft beraubte Alte, wenn ſie der Jagdhund packen will, wo ſie es aber auch weder tief noch lange vermag, ſo wie es uͤberhaupt auch ſelten vorkoͤmmt. Aeußerſt leicht und ſanft erhebt ſich dieſe Meve vom Boden oder Waſſerſpiegel; ihr Flug iſt überhaupt geraͤuſchlos, ihre Bewe- gungen darin ſanft, leicht, gewandt, nicht anſtrengend; es leuchtet vielmehr etwas Gemaͤchliches daraus hervor, ohne daß man ihn — =» träge oder nur langſam nennen darf, vielmehr fehlt es ihm nicht an XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 283 ſchnellen und kuͤhnen Schwenkuugen und mancherlei Abwechslungen. Die Spitzen weit vom Koͤrper weggeſtreckt, werden die Fluͤgel darin meiſtens in langſamen, oft weit ausholenden Schlaͤgen auf und nie— der bewegt, ſchneller geſchwungen wenn ſie eilt, ganz ſchwebend und große Kreiſe beſchreibend, wo ſie herab- oder aufſteigen will. Mit dieſen Kreiſen naͤhert ſie ſich zuweilen den Wolken, aber bei ihrem gewoͤhnlichen Herumtreiben, zumal uͤber dem Waſſer, fliegt ſie nie— drig. Hat ſie Eil, namentlich auf dem Zuge, ſo ſchwingt ſie die Fluͤgel haſtig, faſt wie eine Dohle und ſtreicht dann in großer Hoͤhe geradeaus, wenn, wie gewoͤhnlich, mehrere beiſammen, in ſchon oben bemerkter Ordnung fort. Die Luft iſt mehr ihr Element, als Erde und Waſſer, denn von ihrer Lebenszeit bringt ſie mindeſtens zwei Drittheile fliegend hin. Die Lachmeve iſt ein ſehr unruhiges Geſchoͤpf, bald hier, bald da, und in einem bedeutenden Umkreiſe ihres Wohnorts, faſt unauf— hoͤrlich beſchaͤftigt; uͤberall ſucht ſie Etwas, allenthalben bemerkt und findet ſie Etwas, das ihr Nutzen oder Nachtheil bringen koͤnnte, und ſo geht dies ununterbrochen vom fruͤhen Morgen bis zum ſpaͤten Abend fort, zumal in der Fortpflanzungsperiode. Es iſt ſchon er— waͤhnt, daß ſie vom Wohnorte nach entferntern Futterplaͤtzen ordent— liche Luftſtraßen hat, wo den Tag uͤber des Ab- und Zufliegens kein Ende iſt, aber die Hinfliegenden ſich nicht um die Herkommenden bekuͤmmern. Ihre Geſelligkeit iſt groß; denn wenn auch auf der Reiſe ſich hin und wieder eine vereinzelt, ſo iſt dies doch bloß Sache des Zufalls und ſie ergreift gewiß die erſte beſte Gelegenheit, ſich mehrern von ihres Gleichen baldigſt wieder anzuſchließen; dieſer Trieb macht, daß ſie, wo nur moͤglich, immer in Geſellſchaften, oft zu Tauſenden beiſammen lebt und ihre Schaaren oft Bienenſchwaͤrmen gleichen, welche bei den Neſtern, in einer dichten Schicht fliegend, die Sonne verdunkeln und mit ihren tauſendfachen Stimmen die Sinne betaͤuben. Sie dehnt indeſſen dieſen Geſelligkeitstrieb nicht auch auf andere Arten aus, miſcht ſich nie unter ſie, duldet aber auch keine in ihren Vereinen; obgleich einige, als Sterna nigra und, namentlich im obern Juͤtland, ſogar St. macrura und St. can- tiaca, ganz in ihrer Nähe wohnen oder ſich ihnen unmittelbar an— ſchließen, ſo bleibt doch jede Art abgeſondert, ſelbſt wenn ihre Schwaͤrme ſich in die Luft erheben, fliegt jede Art in einer beſon— dern Schicht, wovon die Lachmeven die unterſte bilden. Auch auf ihren Wanderungen im Herbſt dulden ſie ſelten einzelne Sturm— meven, noch ſeltner eine Heringsmeve unter ſich, im Frühjahr 284 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach: Meve. noch weniger, und an den Bruͤteorten duͤrfen es ſogar die vor— jährigen Jungen nicht wagen, ſich ihnen beizugeſellen. Waͤhrend nun kleine Voͤgel ſich ſchon von ſelbſt huͤten unter dieſe haͤmiſchen Geſchoͤpfe zu gerathen, ſo fallen im Gegentheil dieſe Meven uͤber alle groͤßern ſogleich feindſelig her, beſonders uͤber ſolche, denen ſie nichts Gutes zutrauen, und ſuchen ſie durch Stoßen und Zwicken mit vereinter Macht ſofort zu vertreiben, ſo daß ihnen, wie wir mehrmals ſahen, ſogar der Schwan weichen muß. Sie iſt mißtrauiſch und vorſichtig, beſonders waͤhrend der Zug— periode, weicht daher dem Menſchen, welcher ihr verdaͤchtig vor— koͤmmt, weit genug aus, um nicht in Gefahr zu kommen, weiß aber klugerweiſe einen Unterſchied zu machen zwiſchen dieſem und dem Fiſcher, Bauer oder Hirten, gegen welche ſie mehr Vertrauen zeigt. An den Niſtorten macht ſie indeſſen die Liebe zur Brut kecker und tollkuͤhner; ſie koͤmmt dort jedem anderweitigen Geſchoͤpf ſchon mit aͤngſtlichem oder wuͤthendem Geſchrei entgegen, ſelbſt den Schuͤtzen und nach wiederholtem Schießen. An den Winteraufenthaltsorten ſoll ſie ebenfalls wenig ſcheu ſein, zumal wenn ſteigende Kaͤlte ihr die Nahrung ſchmaͤlert oft alle Vorſicht bei Seite ſetzen, dann, wie Dr. Schinz erzaͤhlt, z. B. vom Zuͤricher See auf der Limmat zuweilen bis in die Mitte der Stadt vordringen, nahe bei Bruͤcken und Haͤuſern ſich aufhalten, ohne auf die, wenige Schritte von ihr verkehrenden Menſchen zu achten. Sie verſchwanden aber einſtens auf mehrere Tage, als man dort einige von ihnen weggefangen hatte. So werden ſie auch an andern Orten durch fortgeſetzte Nach— ſtellungen zuletzt auſſerordentlich ſcheu. Die Lachmeve hat eine keineswegs angenehme, heiſere, doch durchdringende Stimme. Ihr Hauptlockton iſt ein kreiſchendes Kriäh, — kraͤhenartig und dem vieler Meerſchwalben aͤhnlich, doch elten ſo langgedehnt, — wovon ſie auch wol, ihr kraͤhenartiges Be— tragen dazu genommen, vom Landmann den Namen „Seekraͤhe— erhalten hat. Man hoͤrt es beſonders wenn Voruͤberziehende etwas Auffallendes erblicken, wenn eine von der Schaar zuruͤckbleiben will, wenn Entferntere andern zurufen, aber ſonſt nicht haͤufig. Uiber— haupt ſchreien ſie auf dem Zuge wenig, an andern Orten dagegen zum Uiberdruſſe viel. Mehrere beiſammen unterhalten ſich mit einem kurzen, in langen Zwiſchenraͤumen wiederholten, einzelnen Kaͤck oder Chraͤck auch Schaͤrb. Dieſes aus verſchiedenen Kehlen und durch beſondere Anlaͤſſe verſchiedentlich modulirt, bei Betrachtung etwas Ver— daͤchtigem auch wol in Kaͤckaͤckaͤk verwandelt, hat von mehrern durch— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 285 einander Aehnlichkeit mit einem heiſern Gelaͤchter und ſie zu dem Namen „Lachmeve“ verholfen. In der Wuth, wenn ſie einen Feind an— fallen, ſchreien fie heftig Krrr kraͤck ack aͤck oft wiederholt; auch hoͤrt man unter den mannichfaltigſten Abwechslungen aller dieſer Toͤne, die aber alle nichts Angenehmes haben, aͤfters auch ein hei— ſeres Kirrr und andere noch wunderlicher Art. — Auf der Wan— derung ſchreiet die Einzelne ſelten Kriaͤh; je mehr aber beiſammen ſind, deſto oͤfter laſſen ſie es hoͤren, doch iſt dies noch lange nicht zu vergleichen mit ihrem unaufhoͤrlichen Toben und Laͤrmen an den Bruͤteorten. Hier iſt es bei Tage nie ganz ſtill, ſogar in der Nacht laͤßt ſich dann und wann eine hoͤren, und das Schreien iſt um ſo aͤrger, je groͤßer die Anzahl der zu ſolchem Verein gehoͤrigen Voͤge iſt, und an denen, wo Tauſende beiſammen wohnen, wird es wahr: haft unertraͤglich und ſo betaͤubend, daß man ſich die Ohren ver— ſtopfen moͤchte. Es macht einen ſo widrigen und dauernden Ein— druck auf das Gehoͤr, daß man es immer noch zu hoͤren waͤhnt, wenn man ſich ſchon ſo weit entfernt hat, daß dies gar nicht mehr moͤglich iſt. In der Naͤhe einer recht großen Kolonie dieſer einfoͤr— migen, jaͤmmerlichen Schreier Stunden lang aushalten zu wollen, wuͤrde eine Qual ſein, da ſie ihre Anſtrengungen verdoppeln, ſo lange ein Menſch daſelbſt verweilt. Begiebt ſich dieſer in ein dich— tes Verſteck, in eine dazu eingerichtete Huͤtte, um ſie beſſer beobach— ten zu koͤnnen, ſo dauert es ſehr lange, ehe der Laͤrm ſich etwas legt; ſobald er ſich aber wieder blicken laͤßt, geht das graͤßliche To— ben von Neuem loß, wie denn außerdem auch jeder voruͤberfliegende groͤßere Vogel die ganze Schaar in den heftigſten Allarm ſetzt, wo— bei fie ihm aus vollem Halſe ſchreiend nachzieht und fortjagt, was nicht allein Kraͤhen, Raben und Raubvoͤgeln, ſondern auch Reihern, Stoͤrchen, Enten und andern ſchuldloſen Waſſervoͤ— geln widerfaͤhrt. Ihr Kriaͤh bildet in dieſer haͤßlichen Muſik ſtets den Grundton, aber auf verſchiedene Weiſe und individuell zwiſchen halben und viertel Toͤnen ſchwankend, in Mißtoͤnen uͤberſchlagend; dann mit den oben bezeichnenden Toͤnen, endlich mit dem klaͤglichen Piepen und ſpaͤtern Kreiſchen der Jungen vermiſcht, uͤberbietet Eins das Andere an Heftigkeit. Die Lachmeve laͤßt ſich auch im gefangenen Zuſtande am Le— ben erhalten, aber nicht eigentlich als Stubenvogel, beſonders weil ſie viel Waſſer verlangt, ſich oft badet u. ſ. w. Am beſten iſt es, ihr einen geraͤumigen, uͤbergitterten Behaͤlter an einem Waſſer im Freien anzuweiſen. Eines Jahres am 1. Auguſt wurde mir eine voͤllig 286 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. erwachſene Junge uͤberbracht, welche man bei Sturm und heftigem Regen ganz durchnaͤßt, im hohen, dichten Roggen mit den Haͤnden gefangen hatte. Ich brachte ſie in die Stube und ergoͤtzte mich ſehr am Betragen dieſes netten Geſchoͤpfs. Sie gewoͤhnte ſich ſehr bald, ſtand immer, wie oben beſchrieben, ſteif auf den Fuͤßen, dieſe weit vorgezogen, ließ aber die Fluͤgel, ohne ſie zu kreutzen, auf dem ſehr breit gemachten Schwanze ruhen, haͤufig auch ohne ſie vorn unter die Tragfedern zu ſtecken, flog ohne Ungeſtuͤm, vielmehr ganz ge— maͤchlich in der Stube herum, ſaß am liebſten hoch auf Schraͤnken und flog von da gewandt, leicht und ſehr ſanft zu ihrem Waſſer— behaͤlter herab, oder auch in der Hoͤhe herum, wobei ſie faſt nie ge— gen die Fenſter, deſto öfter aber gegen die weiße Decke flog, aber weder dort noch hier hart anſtieß. Jedes Mal, wenn ſie ſich wie— der ſetzte, wedelte ſie mit dem Schwanze ſchnell hinuͤber und her— über. Nur einen leiſen Ton, kack, — kack, ließ ſie manchmal ho: ren, welcher ſtaͤrker, aber auch nur einzeln ausgerufen wurde, wenn ein Hund in die Stube kam. Sie hatte ſchon angefangen zu mau— ſern und trug bereits einzelne Zeichen des erſten Winterkleides. Als ich ihr nach fuͤnf Tagen die Freiheit wieder ſchenkte und ſie an einem Teiche laufen ließ, uͤberſchwamm ſie denſelben ſogleich, badete ſich am gegenſeitigen Ufer recht ſorgfaͤltig und lange, machte darauf kleine Verſuche zum Fliegen, fing Waſſerinſekten, badete ſich abermals tuͤchtig, erhob ſich endlich in die Luft und flog davon. e Die Lachmeve naͤhrt ſich meiſtens von Inſekten, ſowol Waſſer⸗ als Landinſekten, deren Larven und von Würmern, feltner von klei- nen Fiſchen, auch todten und andern Aeſern, gelegentlich auch von Maͤuſen. Sie fiſcht zwar Vieles, was oben oder ſehr flach ſchwimmt, aus dem Waſſer auf, weshalb ſie denn auch immerwaͤhrend ſpaͤhend uͤber demſelben, bald niedrig, bald hoͤher, in allerlei anmuthigen Schwenkungen herumſchweift und nach einiger Zeit gewoͤhnlich auf demſelben Striche, den ſie anfaͤnglich nahm, wieder zuruͤck koͤmmt, oder kleinere Gewaͤſſer umkreiſet; jedoch taucht fie dabei, für den Au— genblick, wenn ſie aus der Luft im Bogen herab faͤhrt, nie tiefer als mit dem Kopfe ins Waſſer. Bei ſolchem Herabſchießen macht ſie keinen großen Bogen, und wenn ſie dazu zu hoch fliegt, dreht ſie ſich ſchwebend erſt in ein paar Spiralwindungen ſo weit herab, — — — | | XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 287 daß ſie das Waſſer nun in einem kurzen Bogen erreicht. — Oft fiſcht ſie auch auf ſeichtem, moraſtigen Waſſer ſchwimmend, zu— weilen anhaltend und lange an einer Stelle, im emſigen Picken oder Aufleſen begriffen, ohne weiter etwas als den Schnabel dabei ein— zutauchen. Welches Nahrungsmittel ſich ihr an ſolchen Stellen in ſolcher Menge darbietet, iſt indeſſen noch nicht beſtimmt ermittelt; doch ſind es hoͤchſt wahrſcheinlich ſehr kleine Weichthierchen oder Larven von Muͤcken und andern kleinen Inſekten; denn im Magen bei ſolcher Beſchaͤftigung Erlegter fand man bloß eine breiartige gruͤngraue Maſſe, darin jene nicht deutlich zu erkennen waren, weil man gewoͤhnlich unterließ, ſolche Voͤgel zur Stelle zu oͤffnen, bald nach dem Tode aber ſchon Faͤulniß eintritt, die jene zarten Ge— ſchoͤpfe ſogleich unkenntlich macht. Auch kleine Fiſchchen faͤngt ſie auf ſeichtem, ſchlammigen Waſ— ſer ſchwimmend, beſonders wo jene in Pfuͤtzen geriethen und das ſie bildende Waſſer ſchon großentheils verdunſtet war; hier faͤhrt ſie auch, ſo oft es noͤthig wird, mit dem ganzen Kopfe unter das Waſ— ſer. Bei ſolcher Beſchaͤftigung haben wir eine erlegt, welche Schlund und Magen ganz mit kleinen Fiſchen angefuͤllt hatte. Eine Gele— genheit, wo kleine Fiſche in flache Waſſerpfuͤtzen gerathen oder ge— wiſſermaßen ſtranden, laßt fie nie unbenutzt, ſelbſt einer Hand lange ermattete oder todte nimmt fie gierig auf und verſchlingt fie ganz oder zerſtuͤckelt, hauptſaͤchlich in kalter Jahreszeit, wo fie ſelbſt noch groͤßere, aufgefundene Fiſche zerhackt und in verſchlingbaren Biſſen aufzehrt. Ihre Sommernahrung beſteht indeſſen meiſtens in Inſekten und fie find auch die Hauptnahrung der Jungen. Auffer allerlei Waſ— ſerkaͤfern, Waſſerwanzen, Libellen u. a. nebſt den Larven derſelben, nimmt ſie alle im Waſſer verungluͤckte Landinſekten ebenſo begierig auf; aber ſie ſucht die letztern auch auf trocknem Lande und weit vom Waſſer ſelbſt auf. Maikaͤfer frißt fie ſehr gern und wo fie fie habhaft werden kann, in Menge; wir waren mehrmals Augenzeu— gen, wie ganze Geſellſchaften deshalb die Baͤume umflatterten, an denen ſie welche haͤngen ſahen, und ſie eine der andern vor dem Schnabel wegſchnappten. Haben ſie ſich damit vollgeſtopft, ſo flie— gen ſie zum Waſſer, trinken ſich ſatt und kehren nach kurzem Ver— weilen bald wieder zum Kaͤferfange zuruͤck. Gierig und futternei— diſch wird hier in der Haſt oft der Kaͤfer ſammt dem Blaͤttchen, woran er nagte, oder wenn er herab fiel, mit zufaͤllig gepackten Grasſpitzchen verſchlungen, was oft auch beim Aufnehmen andrer 288 XII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290, Lach⸗Meve. Nahrungsmittel vorkoͤmmt, obgleich fie ſonſt abſichtlich aus dem Pflanzenreiche nichts genießen. — So ſehr ſie jene Kaͤfer lieben, ebenſo begierig ſind ſie nach den Larven derſelben, den ſogenannten Engerlingen. Sie begeben ſich deshalb geſellſchaftlich aufs Feld, be— ſonders wo eben gepfluͤgt wird, flattern und laufen dort dicht hin— ter dem Pfluͤger her und holen aus den friſchen Furchen die aus— geackerten Kaͤferlarven, Kaͤfer, Spinnen und Regenwuͤrmer, fan— gen hier ſogar auch manche, auf gleiche Weiſe zu Tage gefoͤrderte Feldmaus weg. Ihre Begierde nach allen dieſen Geſchoͤpfen zeigt ſich hier in ihrer ganzen Groͤße, indem ſie ſich oft, wenn eine der andern zuvorkommen will oder im Zanke um eine von zweien oder dreien zugleich entdeckte Beute, ſo in dieſen Beſchaͤftigungen vertie— fen, daß ſie vor dem Ackersmann und ſeinem Zugvieh alle Furcht aus den Augen ſetzen. Da ſie das Waſſer nie lange entbehren koͤn— nen, ſo giebt ihnen ein Ackerſtuͤck, welches eben gepfluͤgt wird, einen ſehr lebhaften Verkehr und das Hin- und Herfliegen zwiſchen ihm und dem naͤchſten Waſſer hat kein Ende, fo lange dort gepflügt wird. Waſſerlachen und kleine Teiche in ſolchen Feldern ſind ihnen dazu ſehr gelegen; fie trinken ſich ſatt, ſchwimmen und ſchnattern eine Weile im Waſſer oder nehmen wol gar ein Bad, fliegen dann wieder auf den Acker und wechſeln ſo den ganzen Tag uͤber, am lebhafteſten wenn ſie Junge und dieſen Futter zuzuſchleppen haben. Auf andern Aeckern, beſonders Brachfeldern, ſuchen ſie Lauf— kaͤfer u. a., des Morgens beſonders Regenwuͤrmer, dieſe auch auf feuchten Raſenplaͤtzen und Wieſen, wo fie auch Heuſchrecken, Libel: len und andere Inſekten fangen, doch fliegende nicht zu erhaſchen verſtehen. Am Meeresftrande ſtellen fie, auf den bei der Ebbe frei gewordenen Sandwatten, dem Uferwurm (Arenicola lumbricoides) ſehr nach. Auf den Feldern, beſonders auf Stoppelaͤckern ſchwaͤr— men ſie der Maͤuſe wegen ganz niedrig hin und erwiſchen manche, die ſie ſogleich todt hacken und auf der Stelle verſchlingen. Ein— zelne Mäufe fanden wir gar nicht ſelten, ſogar einige Male zwei zugleich im Magen oder Schlunde beim Zuruͤckkehren vom Felde er: legter Lachmeven. Im Winter, wo Inſektennahrung freilich nicht zureichend vor— handen iſt, ſollen ſie meiſtens von Fiſchen, lebenden und todten, und andern thieriſchen Uiberreſten leben. Die auf dem Zuͤricher See uͤberwinternden kommen dann bei ſtrenger Kaͤlte, nach Schinz (ſ. d. Naturg. d. Voͤgel, S. 410.), auf dem Fluſſe bis in die Stadt und greifen dort bei den Schlachthäufern gierig nach allen —— — | h | | 4 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 289 weggeworfenen Fleiſchabgaͤngen, Gedaͤrmen u. dergl., mit Hintan— fegen aller Furcht, daß fie ſich den Leuten, welche ſich nicht um fie bekuͤmmern, bis auf wenige Schritte naͤhern und ſelbſt hingeworfene Brocken Brodt verſchlingen. Als man einſtmals ſolche Biſſen, in Kraͤhenaugenabſud eingeweicht, ihnen vorwarf und einige davon betaͤubte fing, kamen die andern lange nicht mehr dahin und wur— den in dieſem Jahr nicht wieder ſo zutraulich. Sie iſt, wie faft alle Meven, gierig und futterneidiſch in hohem Grade, verdauet ſehr ſchnell und hat daher immer Hunger. Alles Verſchluckte wird in der Speiſeroͤhre bald mit Schleim uͤberzogen, ehe es in den Magen ruͤckt, daher auch leicht wieder ausgeſpieen, was nicht allein beim Futtern ihrer Jungen alle Mal geſchiehet, ſondern auch oft wenn ſie, bei angefuͤlltem Schlunde, heftig erſchreckt, z. B. unerwartet nach ihr geſchoſſen wird. Ihr Neid giebt oft be— luſtigende Auftritte, wenn eine der andern Etwas wegzuſchnappen ſucht, noch mehr, wenn ein Schwarm bei ſeinem Herumſchweifen einen Fund entdeckt, z. B. einen todten Fiſch. Alle gleich luͤſtern darnach, umkreiſen ſie ſchreiend den Gegenſtand, aber keiner Einzel— nen geſtatten die Uibrigen ihn aufzunehmen; der Schwarm zieht ſchreiend ab, eine Einzelne kehrt um, die Andern ſehen dies, kehren fammtlih um und verhindern jene daran; dies wiederholt ſich ges woͤhnlich mehrere Male und ſo lange, bis es zuletzt doch einer ge— lingt, verſtohlens umzukehren und den Biſſen wegzukapern. Daß ſie oft und viel trinken, iſt ſchon erwaͤhnt; ſie nehmen dabei den Mund voll, halten den Schnabel in die Hoͤhe und laſſen ſo das Waſſer in den Schlund hinabrinnen. So baden ſie ſich auch ſehr oft, nicht ſelten des Tags zwei Mal, ſtellen ſich dazu bis an die Ferſen ins Waſſer, wo es recht klar iſt, ſchlagen daſſelbe mit den Fluͤgeln, ohne dieſe ganz zu oͤffnen, ſchuͤtteln ſich, tauchen mit dem Kopfe ein und ſchnell wieder auf, damit das Waſſer ihnen ſo uͤber den Ruͤcken herablaufe, doch ſo daß nach tuͤchtigem Schuͤtteln kein Tropfen am Gefieder haͤngen bleibt, das ſie nun bald aus der Schwanzdruͤſe friſch einfetten und nachher gereinigt weiter fliegen. Dieſes ſorgfaͤltige und oft wiederholte Baden iſt allen Mevenarten eigen und erhaͤlt eben ihr zartes Gefieder ſo unvergleichlich ſauber und nett. Will man eine gefangene Lachmeve fuͤr laͤngere Zeit im Wohl⸗ fein und beim Leben erhalten, fo darf man ebenfalls nicht verſaͤu— men, ſie hinlaͤnglich und oft mit friſchem Waſſer zu verſehen. Die oben erwaͤhnte, welche ich mehrere Tage in der Stube hielt, ſchnurrte 107 Theil. 19 290 XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 290. Lach: Meve. oft mit dem Schnabel im Waſſer wie eine Ente, nahm am liebſten aus dieſem kleine Fiſche, auch groͤßere, aber zerſtuͤckelt, dann Waſſer— inſekten, namentlich Ruͤckenſchwim mer (Notonecta) und Shwimm: fäfer (Dytiscus), ziemlich gern auch Regenwuͤrmer, aber un— gern Blutegel. Sie fing ſehr geſchickt Fliegen, ſonderbarerweiſe nicht allein ſitzende, durch Beſchleichen, ſondern auch ſolche, die, wenn ſie ſtill ſtand, ihr um den Kopf herum ſummten, ſchnappte ſie ſehr geſchickt im Fluge weg. Im klaren Waſſer einer großen, flachen Schuͤſſel, welche, um das Einſteigen zu erleichtern und Schmutz zu verhindern, auſſen bis an den Rand mit Sand umſchuͤttet war, ba— dete fie ſich faft alle Tage zwei Mal, und doch, als ich ihr, wie oben erzaͤhlt, die Freiheik ſchenkte, badete ſie auch erſt, ehe ſie ſich gaͤnzlich auf und davon machte. — Man ſoll ſolche auch mit Brodt, in kleinen Biſſen ins Waſſer gethan, und mit klein geſchnitte— nem Fleiſch erhalten koͤnnen, wenn man ſie nach und nach daran gewoͤhnte. Fort pfl an zung. Auch in Deutſchland hat die Lachmeve viele Gegenden, in welchen ſie gegen Anfang des April ſich haͤuslich niederlaͤßt, ihren Fortpflanzungsgeſchaͤften obliegt und ſie bald nach Beendigung der— ſelben fuͤr dieſes Jahr verlaͤßt, ſie aber im naͤchſten und alle Jahr und ſo lange immer wieder bezieht, als Kunſtfleiß und Anbau, oder auch Zerſtoͤrungsſucht der Menſchen den Ort nicht untauglich fuͤr ſie machen, oder ſie mit Gewalt vertreiben. Nicht allein in der Naͤhe der Meereskuͤſten, ſondern auch mitten im Feſtlande, giebt es der Orte gar viele, wo dieſe Art in Menge, oft zu vielen Tauſenden beiſammen niſtet. Landſeen, umfangsreiche Teiche und ſtehende Gewaͤſſer, mit großen freien Waſſerflaͤchen, aber auch mit vielem Rohr und Schilf abwechſelnd, namentlich mit nie— drigen Schilf-, Seggen- und Binſenbuͤſcheln oder ſogenannten Ku— fen auf großen tiefmoraſtigen Flaͤchen, mit kleinen naſſen begruͤn— ten Inſeln, mit weit in Sumpf verlaufenden, uͤbrigens wenig nack— ten Ufern, wie auch die tiefſten und waſſerreichſten Stellen in gro— ßen Bruͤchern, ſind ihre Niſtorte; in der Naͤhe des Meeres auch die ſuͤßen Binnenwaſſer; ſeltner ſchilfreiche, moraſtige Ufer und Inſeln langſam ſtroͤmender Fluͤſſe. Nur an ſolchen Gewaͤſſern, — aber nie unmittelbar am Meere, — pflanzen ſich dieſe Meven in groͤßter An— zahl fort, von den Suͤßwaſſern mehrerer Inſeln des Kattegats XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 291 und vielen andern der Oſtſee an, namentlich den ſehr ausgedehn— ten des obern Juͤtlands, wo vorzuͤglich die Seen Sperring und Sioͤrring mit ihren ſandigen, groͤßtentheils beraſeten, mit Schilf umgebenen Holmen oder kleinen Inſeln dadurch beruͤhmt ſind, — bis zu unzaͤhligen andern in Preußen, Pommern, Mecklen— burg, Holſtein, Oldenburg u. ſ. w., in der Mark, der Lau— ſitz, Schleſien und auch in Anhalt, hier wenigſtens in fruͤhern Zeiten, ebenfalls in großer Anzahl. Ja, in fruͤhern Zeiten war es freilich fuͤr die Voͤgel unſeres Landes im Allgemeinen viel beſſer; uͤberall weniger Menſchen, we— niger Nahrungsſorgen, weniger Anbau, konnten ſich die Voͤgelarten an ihrer Lebensweiſe angemeſſenen Plaͤtzen, die ſie in Menge fan— den, ungehindert fortpflanzen und dies ein Jahr wie das andere. Wir brauchen in dieſen Betrachtungen nicht auf Jahrhunderte zu— ruͤck zu gehen; die Beweiſe davon liegen zum Theil noch im Be— reiche unſrer Erfahrungen. So waren vor einem halben Jahrhun— dert zwiſchen den Dörfern Langenbogen und Coͤlme, unfern des i. d. W. oft erwaͤhnten, ſogenannten Eisleber Salzſees, noch umfangsreiche, in tiefen Sumpf verwilderte Teiche, von denen uns alte Leute Wunder erzaͤhlten, von den ungeheuern Maſſen ehedem, als das ganze Thal noch ein einziger freier Sumpf war, dort ni— ſtender Meven und anderer Waſſervoͤgel; jetzt ſind dieſe Flaͤchen, durch menſchliche Kunſt und Fleiß entwaͤſſert, die trefflichſten Aecker und Wieſen. — Nicht weit von dieſem Elyſium der Lachmeven, dem großen See noch naͤher, lag ein zweites, ein ſehr großer, langer, meiſtens nicht ſehr tiefer, flachufriger, einerſeits ſumpfiger Teich, die Wietſchke genannt, an und auf welchem wir vor 40 und einigen Jahren noch, oft wiederholt, die intereſſanteſten Jagden und Beob— achtungen machten, von welchem damals eine bienenſchwarmaͤhnliche Lachmevenſchaar alljaͤhrlich einen großen Theil zu ihrem Niſtplatze inne hatte und ſich zu Tauſenden vermehrte. Die Entdeckung eines maͤchtigen Braunkohlenlagers dicht an einem Ende des Teiches, er— heiſchte die Anlage eines Bergwerks (jetzt eins der ergiebigſten in der preußiſchen Monarchie) und machte das Abzapfen des Teiches nothwendig, worauf die Flaͤche in Ackerland verwandelt und ſomit den Voͤgeln ein ſehr vorzuͤglicher Aufenthalts- und Bruͤteort für im: mer geraubt wurde. Aus alter Anhaͤnglichkeit für die Gegend fie. delten ſich die Lachmeven zwar anfaͤnglich auf ein paar andern na— hen, minder großen Teichen (den Doͤmicken), aber aus Mangel an Platz in viel geringerer Anzahl an; doch auch dieſe vertrieb bald 19° 292 XIII. Ordn. LXAFEI Gatt. 390. Lach⸗Meve. auch die bis ins Waſſer hinab vordringende Kultur. Heut zu Tage beſuchen die Lachmeven jene ſtattlichen Seen, den ſalzigen wie den füßen, nur noch auf dem Zuge durch jene, ſonſt fo auſſerordentlich von ihnen belebte Gegenden, weil ihnen keiner der Seen geeignete Bruͤteplaͤtze bietet. — Sogar menſchliche Selbſtſucht, Neid, falſche Anſichten haben die Lachmeven hin und wieder vertrieben, wovon Brehm (f. d. Beitr. III. S. 834.) ein Beiſpiel erzaͤhlt, während folgendes uns noch naͤher liegt. Auf dem ſehr großen Fiſchteiche bei Badétz im Anhalt-Zerbſtiſchen pflanzte ſich ehedem alle Jahr eine unermeßliche Schaar von Lachmeven fort. Als man endlich darauf kam, der Laͤrmen dieſer koͤnnte wol die vielen damals dort niſtenden wilden Gaͤnſe und Enten ſtoͤren, die Meven auch wol obendrein der Fiſcherei nachtheilig ſein (beides ſpaͤter als unwahr erkannt), ſo gab man ſie Jedem preis, die Landleute holten Eier und Junge, Tragkoͤrbe voll, aus den Neſtern und futterten ſie den Schweinen, wodurch, nebſt andern Verſcheuchungsmitteln, bald er— zielt wurde, daß ſich die Meven nach ein paar Jahren ganz weg— gewoͤhnten. — Aus den meiſten unſrer Bruͤcher vertrieb ſie ſchon laͤngſt die durch menſchliche Einſicht und beharrlichen Fleiß errungene Umwandlung in Ackerland und fruchtbare Wieſen; nur an wenigen Stellen finden kleine Geſellſchaften in naſſen Jahren noch Bruͤte— plaͤtze, waͤhrend bei ſo trocknen, wie ſie im letzten Dezennium faſt durchgaͤngig waren, wegen Zugänglichkeit der moraſtigen Stellen, von ihrer Brut ſelten etwas aufkoͤmmt, weshalb ſich auch die Zahl der im Frühjahr wiederkehrenden Alten von Jahr zu Jahr vermin— dert. Da nun in einem Menſchenalter die Zahl der Lachmeven ſich bei uns ſo auſſerordentlich vermindert hat, ſo ſteht zu erwarten, daß ein halbes Jahrhundert ſpaͤter eine Lachmeve fuͤr unſere Gegend eine ſeltne Erſcheinung ſein wird. Der Trieb zum geſelligen Beiſammenleben wird, wie bei den Saatkraͤhen, an den Bruͤteorten am auffallendſten. Ein einſam brütendes Paar koͤmmt nirgends, — ein Verein von 6 bis 10 Paa— ren ſchon ſelten vor; viel öfter find es Hunderte und Tauſende, welche eine einzige Geſellſchaft bilden und auf einem kleinen Raume nahe beiſammen niſten. Es giebt Schaaren, die an Zahl und Be— weglichkeit Bienenſchwaͤrmen, im Aufſteigen einem Rauche zu ver— gleichen find, der die Luft erfüllt. Unbeſchreiblich iſt ein ſolches Ge- wimmel, deſſen tauſendfache Stimmen die Sinne betaͤuben, wenn ein Menſch ſich ſolchem Platze nähert, wo ſchon ohnedies des Schrei— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach-Meve. 293 ens kein Ende iſt. Es iſt ſchon erwaͤhnt, daß ſie jedes feindliche, jedes verdaͤchtige, auch jedes ihnen bloß auffallende, ſonſt ganz un— ſchuldige Geſchoͤpf unfern vom Niſtplatze mit Schreien empfangen, ſchreiend begleiten und ſchreiend aus der Grenze ihres Bezirks ver— treiben; noch viel weniger geſtatten ſie einem andern Vogel, daß er zwiſchen ihnen niſte, hoͤchſtens ſolchen in ihrer Naͤhe zu wohnen, die in eigenen großen Vereinen beiſammen niſten und ſich ihnen ge— meinſchaftlich zur Wehre ſtellen koͤnnen, wie manche Meerſchwalben— arten. Uibrigens fordern ſo enorm beſetzte Bruͤteplaͤtze noch zu man— chen andern Betrachtungen auf, namentlich ein ſolcher wie der auf den oben genannten Seeen im Nord-Weſten der Halbinſel Juͤt— land, von Fr. Boie, in der Iſis, 1822. VIII. Stuͤck ſehr ans ziehend beſchrieben. Die Neſter einer Schaar ſtehen alle in einem kleinen Umkreiſe nahe bei einander, am oͤfterſten auf kleinen, von flachem Waſſer und Moraſte umgebenen, abgeſonderten Buͤſcheln kurzen Schilfes oder Binſen, wo auf jedem nur ein Neſt Platz hat, oder auf ſogenann— ten Kufen. Auch auf alten Rohrſtoppeln und Haufen vom Winde zuſammengetriebenen alten Geroͤhrichts kommen dieſe Neſter vor. Auf ſumpfigen Boden, nahe am Waſſer oder auf kleinen Inſeln ſtehen ſie im Graſe, eins ſo nahe wie moͤglich neben dem andern. Zuweilen ſollen fie, beſonders bei zufaͤllig verfpäteter Brut, ihre Neſter auch ins nahe Getraide machen, oder gar (nach Pallas) auf Baͤume, vermuthlich in verlaſſene Reiher- oder Saatkraͤhenneſter; beide Niſtarten find uns indeſſen noch nicht vorgekommen. — Zu dem Platze, worauf die Neſter ſtehen, iſt gewoͤhnlich nicht leicht zu gelangen. Sie waͤhlen ihn in den erſten Tagen ihrer Ankunft im Fruͤhjahr und verrathen ihr Vorhaben durch laͤngeres Verweilen, wiederholtes Umſchwaͤrmen, vieles Schreien und haͤufiges Nieder— ſetzen auf denſelben. Bald nachher, im April, nach Umſtaͤnden fruͤ— her oder ſpaͤter, fangen fie den Neſtbau, unter vielem Zanken um die einzelnen Neſtplaͤtzchen, damit an, daß fie einzelne Schilf- und Gras: buͤſchel in der Mitte niederdruͤcken. Einige Tage ſpaͤter holen fie trocknes Schilf und Rohr, Stroh, duͤrre Grasſtoͤckchen u. dergl. her— bei, haͤufen es kunſtlos, manchmal ziemlich hoch und locker auf ein— ander, und laſſen oben nur eine geringe Vertiefung. Beide Gat— ten, welche ſich ſchon gepaart zu haben ſcheinen, wenn ſie am Bruͤ— teorte anlangen, bauen am Neſte, auf welchem ſie auch die Begat— tung am gewoͤhnlichſten vollziehen. Manchmal noch im April, doch 294 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. öfter erſt mit Anfang des Mai legt das Weibchen ſeine 2, ſelten 3 Eier und nach unſren Erfahrungen nie mehr. Wenn geſagt wird, daß zuweilen 4 Eier in einem ſolchen Neſte vorkommen ſollen, ſo find dieſe hoͤchſt wahrſcheinlich nicht von einem Weibchen, ſondern ein anderes hat die Uiberzahl dazu gelegt, ein Vorkommen, das auch bei andern in ſolcher Menge und ſo dicht neben einander niſtenden Voͤgelarten nichts Seltnes iſt. Dieſe Eier ſind, wie alle Meveneier, im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels, ſehr groß, um Vieles größer als die des Kolkraben, obgleich die Lachmeve beinahe nur halb ſo groß iſt. Sie ſind 1 Zoll 10 Linien bis 2 Zoll 3 Linien lang, und 1 Zoll 5 bis 7 Linien breit, alſo wie die der andern Arten in der Groͤße ſehr verſchieden. Dies ſind ſie noch mehr in der Geſtalt, die eben ſo oft ſehr geſtreckt oder ſchlank, als kurz und bauchicht vorkoͤmmt, an dem einem Ende bald kuͤrzer, bald ſchlanker zugerundet, an dem entgegengeſetzten mehr oder weniger abgerundet iſt. Auch ihre Farbe und Zeichnung iſt ebenſo variabel. Ihre ſtarke, grobkoͤrnichte, etwas rauhe, daher faſt glanzloſe Schale hat eine, bei verſchiedenen Stuͤcken, ſehr verſchiedene Grundfarbe, bald ein ſehr bleiches, ſchmutziges Meergruͤn, bald ein blaſſes Olivengelb, bald ein ganz mattes Olivengruͤn, bald ein ſchwaches Olivenbraun, mit allen moͤglichen Uibergaͤngen von einer dieſer Hauptverſchiedenheiten zur andern. Die Zeichnungen ſind Flecke, Tuͤpfel und Punkte, an den hellfarbigen in der Schale roͤth— lichaſchgrau oder rein aſchgrau, bei den dunkeln braungrau; die aͤußern Flecke dunkel olivenbraun bis zum Schwarzbraun, am dun- kelſten auf hellem Grunde; manche haben uͤber die ganze Flaͤche zerſtreuete groͤßere Flecke und wenig Punkte; andere große, oft blei— chere, zerriſſene Flecke, haͤufiger am dicken Ende als am entgegenge— ſetzten; wieder andere haben mehr gerundete, aber keine großen Flecke und deſto mehr Tuͤpfel, uͤber die ganze Flaͤche zerſtreuet; noch an— dere haben viel mehr Punkte, wenig Tuͤpfel, die gegen das ſtumpfe Ende kranzartig dichter ſtehen, ſonſt aber wenig Zeichnung und gar keine groͤßern Flecke; endlich giebt es auch blaßmeergruͤne, faſt ohne alle Zeichnung. Man ſieht hieraus, welche große Abweichungen un— ter dieſen Eiern vorkommen muͤſſen. In den Sammlungen werden ſie, auch bei ſorgfaͤltigſtem Verſchluß, bald blaͤſſer und ſehr blaß, be— ſonders geht vom Gruͤn ſo viel verloren, daß ſie nach einigen Jah— ren den friſchen wenig mehr aͤhneln. Die olivengruͤne Farbe geht, wie bei vielen andern Sumpf- und Waſſervoͤgeleiern, hier gewoͤhn— — — um XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 280. Lach⸗Meve. 295 lich auch in Olivenbraun uͤber und ſie kommen drauſſen ſo braun nie vor als in Sammlungen.“) Maͤnnchen und Weibchen brüten abwechſelnd, aber keins lange anhaltend, auſſer Letzteres die Naͤchte hindurch. Am Tage, beſonders bei ſchoͤnem Wetter, brüten fie wenig; oft haben ſie ſich nur ſo eben auf die Eier gelegt, manchmal auf ſteifen Beinen bloß uͤber ſie hingeſtellt, — ſo fliegen ſie ſchon wieder weg, weil der Laͤrm der Andern ſo eben waͤchſt, vielleicht wegen einer ungewoͤhn— lichen Erſcheinung oder bloß, weil ſich in dem Augenblicke zwiſchen Zweien ein Zank entſpann (unter dieſen regſamen Geſchoͤpfen eben nicht Seltnes), woran jede gern Antheil nehmen moͤchte u. ſ. w., kurz der Abhaltungen vom Bruͤten und der Gelegenheiten zum Schreien kommen taͤglich, ja ſtuͤndlich ſo viele, daß nur dann ein Weilchen einige Stille eintritt, wenn die eine Haͤlfte dieſer Voͤgel auf den Neſtern liegt, die meiſten der zweiten aber nicht zu Hauſe und anderswo beſchaͤftigt ſind; denn keine ſchreiet, ſo lange ſie auf dem Neſte legt oder bruͤtet. Nach 16 bis 18 Tagen ſchluͤpfen die Jungen aus den Eiern. Wenn ihnen das erſte Gelege genommen wird, ſo legen ſie noch ein Mal; geht auch dies zweite verloren, ſo legen ſie zum dritten, zuweilen wol gar vier Mal Eier in einem Jahr, aber nur wenn man ihnen nicht Zeit ließ ein Gelege lange zu bebruͤten. Wenn dies der Fall iſt, hoͤren ſie meiſtens nach der zweiten Beraubung auf zu legen. Wenn ihnen die Eier friſch weggenommen werden, legen fie ſchon nach einigen Tagen wieder; haben ſie aber ſchon lange gebruͤtet, ſo dauert es auch viel laͤnger ehe ſie wieder legen. In einem zeitig warmen Fruͤhling und wenn ſie die Eier des erſten Geleges gluͤcklich ausbringen, koͤnnen um die Mitte des Juni ſchon Junge ausfliegen; wenn dagegen über einen Monat fpäter derglei— chen unbehuͤlfliche noch vorkommen, ſo gehoͤren ſolche Aeltern an, die einige Male ihre Eier eingebuͤßt hatten. Zwei Mal in einem Fruͤh— ling zieht kein Paͤaͤrchen Junge auf. Dieſe Jungen ſitzen, wo ſie nicht geſtoͤrt werden, zumal wo die Neſter mit Waſſer umgeben ſind, ſo lange in ihrem Neſte bis ſie — ) Ju meinem x. Eierwerk, Heft 4. Taf. VIII. Fig. 4, a, b, e, hat der Maler das Grün an dieſen Eiern allerdings ein Wenig zu ſtark aufgetragen; dagegen iſt in Thienemann's Eierwerk Taf XXI. Fig. 2. (F. 3. gehört wahrſcheinlich auch dazu) die Grundfarbe viel zu weiß, wie fie ſelbſt bei ganz ausgebleichten nicht vorkommt, die Flecke viel zu ſchwarz, dieſe Abbildung daher, wenigſtens nach dem mir vorliegenden Exemplare, ganz unkenntlich. 0 295 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290, Lach⸗Meve. nothduͤrftig fliegen koͤnnen. Die Alten bringen ihnen das Futter im Schlunde und wuͤrgen es vor ihnen aus; es beſteht anfaͤnglich in kleinen Inſekten, Inſektenlarven und Gewuͤrm. Durch oftes Be— treten und Beſchmutzen wird das Neſt zuletzt zu einem elenden, dich— ten, flachen Klumpen, von dem die Jungen oft herabpurzeln und manches umkoͤmmt; denn anfaͤnglich koͤnnen ſie nicht ſchwimmen, und wenn fie dann in den naͤchſten Umgebungen kein trocknes Plaͤtz— chen finden, ſterben fie an Erkältung. An großen Bruͤteplaͤtzen fine det man daher viele dem Tode und der Verweſung uͤberlaſſene herum liegen. Eine Woche alt haben ſie jedoch am Unterkoͤrper ſchon ſo dichte Federn unter dem Flaum, daß ſie das Schwimmen gut aus— halten und ſich trockne Ruheplaͤtzchen aufſuchen koͤnnen; in der zwei— ten Woche lernen fie ſchon flattern und bald ein Stüd fliegen. Jetzt ſchwimmen ſie viel auf freiem Waſſer und lernen bereits ſelbſt Nahrungsmittel aufſuchen. Ununterbrochene Wachſamkeit fuͤr das Wohl der Jungen beſchaͤftigt die Alten ſo, daß anfaͤnglich Eins von dieſen ſtets in der Naͤhe jener bleibt, und das laͤrmende Getuͤmmel wird an ſolchen Orten um dieſe Zeit noch durch das kreiſchende Piepen der lungernden Jungen vermehrt. Mehr noch als bei den Eiern fallen die Alten dann mit Wuth und Ausdauer uͤber jeden ſich nahenden Feind her, ſchon wenn er ſich ihnen nur erſt in der Ferne zeigt; ſie ſtechen auf Hunde bis zum Beruͤhren und fliegen den Menſchen ganz nahe um den Kopf herum. Erſt wenn die Jun— gen ſelbſtſtaͤndig werden, uͤberlaſſen die Alten ſie ihrem Schickſal, verlaſſen die Bruͤteplaͤtze und wandern ſogleich weg. Jene ſchlagen ſich dann in eigene Trupps zuſammen, ſuchen ſich anfangs meiſtens auf dem Waſſer zu naͤhren, gehen aber ſpaͤter auch auf die Felder, verlaſſen den Geburtsort und zuletzt das Land, dies mehr als einen Monat ſpaͤter als die Alten. An einem reichbeſetzten Bruͤteplatze, wo vom April bis in den Juni ein ſo laͤrmendes Treiben und Draͤngen Statt fand, wo Ausgelaſſenheit und uͤberſchwengliche Wonne herrſchte, wo Freude im Uibermaaß ſich uͤberlaut erhob, ob— wol zuweilen auch mit Angſt und Beſorgniß wechſelte, hier iſt im Juli eine Oede und Stille eingetreten, die jene fruͤhern Herrlichkei— ten nicht ahnen laſſen; faulende Neſter, verweſende Uiberreſte verun— gluͤckter Jungen, auch hin und wieder einer lebensmuͤden Alten, zer: ſtreuete Federn und ſchmutzige Abgaͤnge aller Art bekunden den Wechſel alles Irdiſchen. — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 297 „„ die Die Lachmeve wird oͤfters dem Taubenfalken (wahrſchein— lich auch andern groͤßern Edelfalken), ſeltner dem Huͤhnerhabicht zur Beute. Wenn ſie ſie uͤberrumpeln, was indeſſen nur der Ver— einzelten, namentlich jungen Voͤgeln, begegnet, ſo helfen ihr alle kuͤhnen Schwenkungen, womit fie den Stößen des Falken auszu— weichen ſucht, nichts; ſieht ſie ihn aber fruͤh genug, ſo beeilt ſie ſich, ihm die Hoͤhe abzugewinnen, ſteigt in Kreiſen zu Wolkenhoͤhe auf und iſt gerettet. — Die Bruten kleiner Vereine werden oft von Rohr-, Korn- und Wieſen-Weihen, von Raben, Kraͤhen, auch wol Stoͤrchen und Reihern, geplündert und ihnen hin und wieder Eier oder kleine Junge geſtohlen, weil ihrer zu Wenige ſind, um ſich einem oder dem andern jener Raͤuber mit Nachdruck entgegen— ſtellen und von ſeinem boͤſen Vorhaben wirklich abhalten zu koͤnnen; dagegen an zahlreich beſetzten Niſtvereinen, wo gleich Hunderte uͤber einen ſolchen Stoͤrenfried herfallen, ſobald er ſich nur blicken laͤßt, erreicht ſchwerlich jemals ein ſolcher ſeine Abſicht. Die Erſte der Meven, welche einen ſolchen erblickt, ſchreiet ſogleich aus allen Kraͤf— ten Laͤrm; im Augenblick erhebt ſich der ganze Schwarm, ſtuͤrzt dem Feinde entgegen, umkreiſet ihn mit graͤßlichem Geſchrei, ſtoͤßt grim— mig und unaufhoͤrlich nach ihm, ſo daß er an nichts mehr denken kann, als nur ſo geſchwind wie moͤglich ſich den Anfaͤllen dieſer Ra— ſenden zu entziehen und ſchleunigſt ſich zu entfernen, wobei ſie ihm dennoch weit hinaus das Geleit geben. Die Rohrweihe, den Storch, den Fiſchreiher ſahen wir bei ſolchen Vorfaͤllen in der laͤcherlichſten Angſt, Letztere zuweilen alles Genoſſene von ſich geben und heftig ſchreien. Ein ganz eigner Vorfall mit einem ſolchen iſt fruͤher, in dieſem Werk, IX. S. 54., erzählt und dort nachzuſchla— gen. — Auch Hunde und den Fuchs verfolgen ſie aͤußerſt heftig; Letzterer ſoll ſich jedoch zuweilen des Nachts auf den Bruͤteplatz ſchleichen und dort Alles in fuͤrchterliche Verwirrung ſetzen. a Im Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten, namentlich Philopte- rus punctatus und der, bei mehrern Meven- und Meerſchwalbenar— ten vorkommende, Phil. melanocephalus. Nitzsch. In den Einge⸗ weiden hauſen, nach dem Wiener Verzeichniß, mehrere Wuͤrmer, Taenia macrorhyncha, Ligula simplicissima, Amphistomum n. sp. und noch einige. 298 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290, Lach⸗Meve. Jag e Wo dieſe Meven nur auf dem Durchzuge vorkommen, ſind ſie ſcheu und der Schuͤtze muß ſie ungeſehen zu hinterſchleichen ſuchen. Die alten Voͤgel ſind, wie immer, noch viel ſcheuer als die jungen. Dieſe laſſen ſich oft am Rande der Gewaͤſſer oder auf dem Ufer ſelbſt, jene meiſtens nur auf der Mitte des Waſſerſpiegels nieder; dadurch ſichern ſich dieſe noch mehr. Einen Kahn fliehen ſie ſehr. Wenn man aus einer Geſellſchaft eine aus dem Fluge herabſchießt, umſchwaͤrmen ſie die Uibrigen mit vielem Schreien und es iſt dann ein Leichtes, einen zweiten Schuß mit Gluͤck auf dieſe anzubringen; bei jungen Voͤgeln bewirkt ſogar oft ein Fehlſchuß, daß ſie nun dem Schuͤtzen naͤher kommen und ſich fuͤr das zweite Rohr der Doppel— flinte beſſer darbieten. Eine zu weit voruͤberſtreichende Junge wird bisweilen ſogar durch einen abſichtlich nach ihr gethanen Schreck ſchuß näher herbeigelockt. — Auf dem Felde, wo eben gepflügt wird, muß man ſich dicht neben dem Pfluͤger halten und ſich das Anſe— hen geben, als achte man gar nicht auf ſie und ihr Treiben; ohne dieſe Vorſicht würden fie, wenn man auch kurz zuvor ihre Vertrau- lichkeit gegen den Pfluͤger zu bewundern Urſache gehabt haͤtte, des Schuͤtzen Abſicht bald errathen, ihm gehoͤrig ausweichen oder ſich ganz entfernen; wie denn auch nach ein bis zwei Schuͤſſen eine ſolche Jagd uͤberhaupt am Ende iſt. — Zu erlauern ſind ſie, wenn man fich in einem Erdloche gut verbirgt, an Feldteichen, wohin man ſie von den Aeckern ab- und zufliegen ſieht. Daß ſie bei den Ne— ſtern aͤußerſt leicht zu ſchießen ſind, geht aus ihrer Fortpflanzungs— geſchichte hervor; wer Luſt hat, mag ſich dort im Flugſchießen an ihnen uͤben. Auch im Winter, durch Hunger und Kaͤlte zahm ge— macht, wie jene bei Zuͤrich, moͤgen ſie leicht genug zu ſchießen ſein. Fangen ſoll man ſie auch koͤnnen, an Angelhaken, woran als Lockſpeiſe ein Fiſchchen, Wurm oder großer Kaͤfer ſteckt; wir haben es jedoch nicht ſelbſt verſucht. Daß ſie bei großem Hunger in Kraͤ— henaugenabſud (Decoct. Nucis vomicae) eingeweichte Biſſen ver: ſchluckten, davon betaͤubt und dann gefangen wurden, iſt ſchon oben erzaͤhlt. N auen. Ihr Fleiſch iſt zaͤhe und unſchmackhaft, wird daher gewoͤhnlich nicht gegeſſen, obgleich ſie oft, zumal junge Voͤgel, ſehr fett ſind. — — 1 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290. Lach⸗Meve. 299 Dagegen ſucht man die wohlſchmeckenden Eier, welche einen ſehr großen, dunkel orangefarbenen Dotter haben, ſehr gern auf und verſpeiſt ſie in Menge, obgleich ſie nicht jedem Gaumen behagen wollen, weshalb man, an Orten, wo man dieſe Meven nicht leiden will, die Schweine damit futtert, wozu natuͤrlich auch bebruͤtete Eier, ſelbſt die noch nicht flugbaren Jungen taugen. Planmaͤßig. und mit Bedacht auf Erhaltung der Art ſcheint man ſie leider nir— gends einzuſammeln. Manche Sammler haben eine beſondere Fer— tigkeit, die friſchen von den bebruͤteten Eiern am Gewicht in der Hand, ohne Huͤlfe des Schwaͤmmens im Waſſer, zu unterſcheiden. — Ihre Federn ſind, zum Ausſtopfen der Betten, Entenfedern gleich. Mittelbar nuͤtzen uns die Lachmeven, wo ſie ſich in Menge aufhalten, ganz auſſerordentlich und vielfaͤltig durch das Wegfangen der Maikaͤfer und deren Larven, der Maulwurfsgrillen und zahllo— ſer anderer, ſchaͤdlicher oder beſchwerlicher Inſekten, durch Vermin— derung der Regenwuͤrmer und vieler andern, durch das Wegfangen vieler Feldmaͤuſe, endlich durch Aufzehren der abgeſtandenen Fiſche und mancherlei Aaſes. Daß ſie viel Nahrung beduͤrfen und faſt unerſaͤttlich ſind, vermehrt ihre Nuͤtzlichkeit. Unter den Waſſervoͤ— geln gehoͤren die Lachmeven zuverlaͤſſig zu den allernuͤtzlichſten; ſie verdienen daher eher Duldung und Schutz als Verfolgung, wenig— ſtens ſollte man ſie nicht gaͤnzlich vertilgen wollen. Fuͤr die Gewaͤſſer ſind dieſe herrlichen Voͤgel eine wahre Zierde. Sch ade n. Obſchon ſie lebende kleine Fiſche gern freſſen, ſo ſind ſie doch viel zu langſam und zu wenig Taucher, um ſich ſolcher in tiefem Waſſer bemaͤchtigen zu koͤnnen; ſelten erwiſchen ſie hier eins die— ſer flinken Geſchoͤpfe, nur wenn es zufaͤllig an die Oberflaͤche koͤmmt; dagegen aber freilich eine Menge, wo ſolche in flaches Waſſer ge— rathen oder in kleinen Pfuͤtzen auf dem Schlamm ſtehen und ſchon ermattet ſind. Man rechnet ihnen aber auch dieſe noch viel zu hoch an und verfolgt ſie als Fiſchraͤuber, ungerechter Weiſe, an manchen Orten viel zu hart, wenn man ſie zu gewiſſen Zeiten Je— dem preis giebt, wie z. B. bei Schleswig, wo im Juni Alles 300 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 290, Lach: Meve. zu ihrer Vernichtung ausziehen darf und ſie bei Tauſenden metzelt, ebenſo wie fruͤher, in unſrer Nachbarſchaft, das Vernichten der Eier und Jungen erlaubt wurde. — Man beſchuldigt ſie ferner, daß ſie die nuͤtzlichern Enten von ihren Bruͤteplaͤtzen vertrieben oder doch verdraͤngten, was zwar theilweis wahr, doch auch ſo arg nicht iſt, wie die Entenjagden auf ſolchen Gewaͤſſern oft genug bewieſen ha— ben. — Daß ſie dem, welcher in der Naͤhe einer ihrer Kolonieen wohnt, durch ihr immerwaͤhrendes Schreien ſehr beſchwerlich fallen, iſt freilich auch wahr, jedoch nur eine bald genug voruͤbergehende Unannehmlichkeit. — — — — 291. Die Sturm - Meve. Larus canus Linn. Fig. 1. Altes Männchen im Sommerkleide. Fig. 2. Altes Weibchen im Winterkleide. Taf. 261. J Fig. 3. Erſtes Winterkleid. Fig. 4. Jugendkleid. Aſchgraue —, graue —, große graue —, nordiſche Meve; Wintermeve, blaufuͤßige Wintermeve; Sturmvogel; Stromvogel. Larus canus. Linn. Faun. suec. p. 54. n. 153. = Gmel, Linn. Syst. I. 2. p. 596. n. 3. — Retz. Faun. suec. p. 158. n. 119. = Nilss., Orn, suec. II. p. 172, n. 218. = Luarus canus & L. eyanorhynchus. W. & Meyer. Taschenb. II. S. 475. u. 480. — Briss. Oru. VII. p. 182. n. 10. t. 16. f. 2. Mouette a pieds bleus, ou grande Mouette cendree. Buff. Ois. VIII. p. 428. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 179. t. 4. f. 3. = Id. Plauch, eul. n. 977. (plumage d'hiver) Mouelte & pieds bleus. Temm. Man. sec. Edit. II. p. 771. = Comon Gull. Lath. Syn. VI. p. 378. — Uiberſ. von Bechſtein. III. 2. ©. 333. u. 8. = Penn. Arct. Zool. II. p. 530. u. 358. — Uiberſ. v. Zimmermann. II. S. 491. n. 375. = Bewick. Brit. Birds. II. p. 218. — Zufferano, o Gavina, o Gubbiano cenerino. Stor. deg. Uce. V. tav. 530. G. mezza mosca. tav. 531. (abito d’inverno). = Galina. Savi, Oru, Tose. III. p. 59. = Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 645. Deſſen Taſchenb. III. S. 582 n. 3. = Leisler, Nachtr. z. Bechſt. Naturg. I. S. 15. — Meyer, Vög. Live u. Eſthlands S. 232. — Germann, in d. Wette: raueſchen Ann I. 2. S. 240. — Meisner und Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 269. n. 242. — Koch, Baier. Zool. I. S. 374. u. 375. n. 234. u. n. 235, Brehm, Lehrb. II. S. 707. — Deſſen Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 750. bis 753. Gloger, Schleſ. Faun. S 53. n. 235. — Landbeck Vög. Würtembergs. S. 69. n. 245 — Hornſchuch u. Schilling, pommerſche Vög. S. 18. n. 234, = F. v. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 68. u. 222, - Juſt, Beobachtgn. d. V. am Eisleber Salzſee. ©, 115. 302 XIII. Ordn. LXXVIH. Gatt. 291. Sturm: Meve. Jugend- und erſtes Herbſtkleid. Larus hybernus. Gmel. Linn, Syst. I. 2. p. 596. n. 13. — Larus procel- losus. Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 648. nur die Beſchreibung des rei— nen Jugendkleides, von 3, 16 bis 3. 24, = La Mouette d'hiver. Buffon. Gis. VIII. p. 437. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 191. — Briss. Oru. VI. p. 189. n. 12. — La grande Mouette. Gerard. Tabl. elem. II. p. 321. — Winter - Gull. Lath. Syn. IV. p. 384. — liberf. v. Bechſtein, III. 2. ©. 338. nu. 13. - Nau⸗ mann' s Big. alte Ausg. III. S. 178. Taf. XXXIV. Fig. 48. nz; ihn e Alert Die Schaͤfte der beiden vorderſten Schwingfedern ſind ſchwarz. Beinahe Kraͤhengroͤße. Beidgereibung Die Sturmmeve unterscheidet ſich von der Lachmeve, auffer den angegebenen Artkennzeichen, in allen Kleidern, durch ihre groͤ— ßere und kraͤftigere Geſtalt, an dem viel ſtaͤrkern und robuſtern Schna- bel, und an den hoͤhern und ſtaͤrkern Beinen ſehr leicht; dann iſt die Farbenvertheilung eine ganz andere, das Jugendkleid nicht jener, ſondern mehr dem der Silbermeve aͤhnlich; das erſte Winter— kleid durch ſeine vielen braunen Fleckchen auf dem Kopfe, Nacken und Bruſtſeite ganz verſchieden, das der Alten ebenfalls durch die zahlreichen braunen Tuͤpfel und Fleckchen des Hinterkopfs und Hin— terhalſes ausgezeichnet; im Sommerkleide der Alten iſt endlich der ganz weiße Kopf und Hals auffallend genug, um an eine Ver— wechſelung mit der braunbekappten Lachmeve zu denken. — Noch in die Augen fallender unterſcheidet ſie ſich von der folgenden Art, welche uͤbrigens der Mangel der Hinterzeh genugſam vor Allen der ganzen Gattung auszeichnet. — Von der Silbermeve, welcher ſie nach allen Theilen hoͤchſt aͤhnlich iſt, auch in allen Kleidern faſt dieſelben Farben und Zeichnungen traͤgt, unterſcheidet ſie ſich durch etwas hoͤhere Fuͤße und durch eine etwas laͤngere Fluͤgelſpitze, ganz vorzuͤglich aber durch ihre auffallend geringere Groͤße; ſie ſtellt die Silbermeve im verjuͤngten Maaßſtabe oder um ein Drittheil ver— kleinert vor; die Fluͤgelbreite differirt zwiſchen beiden Arten gerade um ein Drittheil, die Groͤße des Rumpfs kaum weniger, wenn er bei der Sturmmeve die einer Saatkraͤhe erreicht und bei der Sil- bermeve die des ſtaͤrkſten Kolkraben noch uͤbertrifft. Eine auslaͤndiſche Art, Larus lacrymosus, des Berliner Mu— ſeums, aus Bengalen, ſteht unſrer Sturmmeve am naͤchſten von XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm-Meve. 303 Allen; fie iſt nur wenig größer und hat auch einen groͤßern Schna: bel, ſonſt ihr in Allem gleich. Die Sturmmeve mißt in der Länge 16½ bis 173/, Zoll; in der Flugbreite 46 bis 50½ Zoll; der Flügel vom Bug bis zur Spitze 15 bis 16 ¼ Zoll; der Schwanz 5¼ bis 6 Zoll. Gewoͤhn— lich ſind die Maͤnnchen groͤßer als die Weibchen, jedoch kom— men auch unter dieſen Meven fo viele Abweichungen in der Größe — unter Voͤgeln von einerlei Geſchlecht oder einerlei Alter — vor, wie unter andern Arten dieſer Gattung. Es giebt unter ihnen ſo kleine und unter den Lachmeven ſo große, daß jene und dieſe an Koͤrperlaͤnge und Fluͤgelbreite ſich voͤllig gleichen, ich beſitze ſelbſt ein ſogar ſehr altes Maͤnnchen, in ſeinem vollkommenſten Pracht— kleide, das die groͤßern Exemplare der Lachmeven in der Groͤße um Nichts uͤbertrifft. Unter jungen Herbſtvoͤgeln findet man ſchon frappante Abweichungen und zuweilen groͤßere und kleinere beiſammen. Am Gefieder iſt etwas Beſonderes nicht zu bemerken, als daß die Primarſchwingen bedeutend lang und ſtark ſind, und mit ihren Enden, wenn die Fluͤgel an den Leib geſchmiegt find, 2 ¼ bis 3 Zoll über das gerade oder ſehr wenig abgerundete Ende des ziemlich brei— ten Schwanzes hinausreichen. Der Schnabel iſt ſtark, viel hoͤher und breiter, die Spitze we— niger geſtreckt und hakenfoͤrmiger, das Eck am Unterſchnabel viel ſtaͤrker und ſchaͤrfer bezeichnet, als an dem viel ſchwaͤchern, ſchlan— kern und ſpitzern der Lachmeve; er hat in den Umriſſen weniger Aehnlichkeit mit dem der folgenden Art als mit dem (freilich viel ſtaͤrkern und groͤßern) der Silbermeve; bei Manchen iſt er auch vor den Naſenloͤchern ein Wenig aufgeſchwungen. Er koͤmmt uͤber— haupt von ſehr verſchiedener Groͤße und Staͤrke vor, ohne daß da— mit ſogenannte Subſpecies angedeutet waͤren. Die Schneiden ſind vorn ſanft gebogen, hinten gerade, ſehr ſcharf, der Rachen weit und tief geſpalten; die Naſenloͤcher ein kurzer, vorn erweiterter, durchſich— tiger Ritz, faſt in der Schnabelmitte. Er iſt von der Stirn an 1 Zoll 3½ Linien bis 1½ Zoll, vom Mundwinkel aus 2 Zoll bis 2¼ Zoll lang; an der Wurzel 5 bis 6 Linien hoch und 3½ bis 4 Linien breit. Von Farbe iſt er ſehr verſchieden, in der Jugend gelblichfleiſchfarbig, oberwaͤrts und an der Spitze braunſchwarz; der Rachen roͤthlichweiß; ſpaͤter wird er etwas dunkler fleiſchfarbig, die vordere Haͤlfte ſchwarz, der Rachen fleiſchfarbig; noch fpäter färbt er ſich rothgelblich, die aͤußerſte 304 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. Spitze hell hornfarbig, und das Schwarz find nur noch zwei Flecke an der Seite, die ſich nach und nach verlieren; dann wird er (im zweiten Herbſte) hell graublau mit hellgelber Spitze, der Rachen rothgelb; endlich ausgefaͤrbt iſt er an der Wurzelhaͤlfte gruͤnlich— gelb, an der Spitze zitronengelb, der Rachen orangeroth und die aͤußern Mundwinkel von derſelben Farbe, aber noch praͤchtiger. Im getrockneten Zuſtande bekoͤmmt der Schnabel juͤngerer Voͤgel eine lichte gelbliche Hornfarbe mit ſchwarzer Spitze, an den Alten wird er mehr oder weniger gruͤngrau mit gelber Spitze. Das Auge hat in der Jugend eine graubraune, ſpaͤter eine dunkelbraune Iris, die ſich im hohen Alter in Silbergrau verwan— deln ſoll. Ich habe ſie aber ſtets nur ſehr dunkel braun gefunden. Die Augenlider ſind bei jungen Voͤgeln weiß befiedert, bekommen ſpaͤter ein nacktes ſchwarzes Raͤndchen, das ſich nach und nach braunroth, im hochzeitlichen Kleide der Alten endlich Hoch: orangeroth faͤrbt. Die Fuͤße ſind etwas hoch und ſtark, naͤmlich im Vergleich mit Meven von aͤhnlicher Groͤße, ſonſt wie bei der vorigen Art, ſo Uiber— zug, Schwimmhaͤute und Krallen. Sie ſind uͤber der Ferſe 7 bis 8 Linien hoch nackt; der Lauf 2 Zoll bis 2½ Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 8½ bis 140½ Linien lang, die Hinterzeh, mit der 2 Linien langen Kralle, 4 Li— nien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt nach Alter und Jahreszeit ebenfalls verſchieden; in zarter Jugend bleigrau; dann fleiſchfarbig; ſpaͤter ſchmutzig fleiſchfarbig, an den Gelenken blaͤulich; endlich bei den Alten im Herbſt hell graublau, im Fruͤhjahr roͤthlich blaßgelb, an den Gelenken gruͤnlich, zuweilen faſt ganz ſchwefelgelb. Das Gelbe erſcheint zuerſt in Flecken, die ſich mehr und mehr ausbreiten und endlich das Graublau ganz verdraͤngen. Die Krallen ſind braunſchwarz, heller oder dunkler. Im Tode veraͤndert ſich die Farbe der Fuͤße und wird, wenn ſie voͤllig ausgetrocknet ſind, ganz unkenntlich, meiſtens licht hornfarbig. Das Neſtkleid ſind ſehr weiche, dichtſtehende Dunen, welche hell braͤunlichgrau, am Bauche weißlich ausſehen, und auf dem Kopfe, dem Oberhalſe und dem ganzen Oberkoͤrper ſchwarzgrau ge— fleckt ſind; die weichen, unter der Ferſe ſehr dicken Fuͤßchen, und das kleine Schnaͤbelchen an der Wurzelhaͤlfte, ſind bleifarbig, die vordere Schnabelhaͤlfte fleifchfarbig mit ſchneeweißer Spitze. Zahl, Größe und Stellung der dunkeln Fleckchen ſind individuell ſehr verſchieden. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. 305 Im Jugendkleide, d. i. ihrem erſten Federkleide, iſt der Schnabel vorn und oben braunſchwarz, uͤbrigens, wie die ganzen Füße, fleiſchfarbig; Kinn und Kehle weiß; die Zügel und ein Streif uͤber dem Auge ſchmutzigweiß; vor dem Auge ſteht ein aus haar— aͤhnlichen Federn beſtehendes ſchwarzes Fleckchen; die Federn auf dem Scheitel ſind braungrau, an den Kanten in ſchmutziges Weiß ver— waſchen; Genick und Nacken ebenſo, aber lichter und undeutlicher gefleckt; die Wangen weißlich, hinterwaͤrts braungrau gemiſcht; die Kropfgegend und die Seiten der Bruſt ſchmutzig gelblichweiß, licht braungrau gefleckt; die Mitte der Bruſt weiß, grau uͤberflogen und beſpritzt; Ruͤcken, Schultern, die kleinen und mittlern Fluͤgeldeckfe— dern im Grunde hell aſchgrau, wovon bei geſchloſſenem Gefieder nur wenig bemerkt wird, uͤbrigens graubraun, dunkler gegen die ſcharf begrenzte mondfoͤrmige, braͤunlichweiße Endkante; dies giebt dieſen Theilen ein weißbraͤunlich und graubraun, eigenthuͤmlich geſchupp— tes Ausſehen und zwiſchen den kleinen Fluͤgeldeckfedern ſchimmert mehr Grau durch als anderwaͤrts. Die großen Deckfedern find aſch— grau mit weißlicher Endkante; die zweite Ordnung Schwingfedern ebenſo, nur gegen die weiße Endkante dunkler aſchgrau, die hinter— ſten in der Mitte braun, an der Seite wurzelwaͤrts grau, uͤbrigens breit weißbraͤunlich gekantet und dieſe Kanten vom Braunen durch dunkelbraune zackichte Striche und Flecke ſcharf getrennt, auch mit einem ſolchen Pfeilfleck am Schafte dicht vor der weißlichen End— kante; die Fittichdeckfedern und großen Schwingfedern braunſchwarz, an den Enden mit lichtern Saͤumen, ſchwarzen Schaͤften und auf den Innenfahnen wurzelwaͤrts grau, was an den kuͤrzern zunimmt, an welchen auch die Endſaͤume breiter und weißer werden. Auf der Unterſeite iſt der Fluͤgel weiß, ſchwach braun gefleckt, oder auch ganz weiß, wie das Fluͤgelraͤndchen immer, die Spitze glänzend ſchwarz— grau, die Schaͤfte hier weiß. Der Buͤrzel iſt weiß, die Oberſchwanz⸗ deckfedern ebenſo, doch oft mit braungrauen Halbmonden vor der weißen Endkante; Schenkel, Bauch und untere Schwanzdecke rein weiß. Der Schwanz iſt weiß, mit einer breiten braunſchwarzen Querbinde vor dem braͤunlich weißen Endkaͤntchen, welche jedoch auf der aͤußerſten Feder nur durch ein kleines rundes ſchwarzes Fleck— chen angedeutet iſt; uͤbrigens das Weiß der Wurzelhaͤlfte des Schwan— zes auf den beiden mittelſten Federn, die Kante ausgenommen, mit hell aſchgrauem Anſtrich, welcher ſich auch noch, aber ſchwaͤcher und abnehmend, auf einen oder zweien der naͤchſten Federpaare findet; 10r Theil. 20 306 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. von unten iſt der Schwanz weiß mit ſchwarzgrau durchſcheinender Binde von oben. Sie verlieren dies Kleid, theilweiſe, eben ſo bald wie die jun— gen Lachmeven und erſcheinen zu Ende des Sommers ſchon in einem mit dem Naͤchſtfolgenden gemiſchten, worin ſie von der Sil— bermeve und andern großen Arten abweichen, alſo nicht erſt im vierten, ſondern, wie die kleinen Arten alle, im dritten Fruͤhling ihres Lebens (den worin ſie geboren allemal mitgezaͤhlt) ausgefaͤrbt und mannbar werden. Dieſes erſte Herbſt- oder Winterkleid iſt dasjenige, in welchem im Innern von Deutſchland die meiſten dieſer Meven vorkommen. Der Schnabel und die Füße find etwas duͤſterer fleiſch— farbig als in jenem, die Schnabelſpitze allein ſchwarz, die Gelenke an den Fuͤßen meiſt blaͤulich uͤberlaufen. Die Stirn, die Zuͤgel und ein Streif uͤber dem Auge ſind weiß, braun ſehr fein geſtrichelt; vor dem Auge ein ſchwarzborſtiges Fleckchen; der Oberkopf auf wei— ßem Grunde mit kleinen ovalen oder laͤnglichten braunen Fleckchen; Genick und Hinterhals ebenſo, aber mit groͤßern und bleichern brau— nen Flecken, die ſich an den Seiten nach dem Kropfe herumziehen; Kinn, Kehle und Obergurgel rein weiß, die Wangen hinterwaͤrts blaß braun geſtrichelt; die ganze Bruſt auf truͤbeweißem Grunde matt braun gefleckt, am ſtaͤrkſten an den Tragfedern; Ruͤcken und Schultern mevenblau, nicht ſo ſchoͤn als bei alten Voͤgeln, aber noch mit mehrern zum Theil nebeneinander ſtehenden, alten brau— nen, an den abgetragenen Kanten weißbraͤunlich verlaufenden Fe— dern, deren Schaͤfte ſchwarzbraun, vermiſcht; der Unterruͤcken braͤun— lich, der Buͤrzel, die obern und untern Schwanzdeckfedern rein weiß, zuweilen auch mit zerſtreuten braunen Fleckchen; der weiße Bauch braun beſpritzt. Das ganze Gefieder des Fluͤgels iſt zwar noch vom Jugendkleide, aber durch Abſcheuern der Raͤnder unkenntlich gewor— den, weil dadurch alle Federn eine zugeſpitzte Geſtalt erhalten ha— ben, auch die braune Farbe ſehr verſchoſſen iſt, zumal gegen die Kanten zu, dadurch aber der braunfchwarze Schaft mehr in die Aus gen faͤllt; auch iſt durch Verminderung des Umfangs der Federn die aſchgraue Grundfarbe mehr hervorgetreten; das dunkele Aſchgrau oder Schwarzgrau gegen die weißliche Endkante der Secundar— ſchwingfedern iſt unſcheinlich und erdbraun geworden, die Primar— ſchwingfedern an den Enden oder wenigſtens an deren Kanten, viel brauner oder lichter; am Schwanze iſt die ſchwarze Binde auch XIII. Ordn. LXXVII. Gatt. 291. Sturm: Meve. 307 fahler geworden und der aſchgraue Anflug an der Wurzelhaͤlfte der mittleren Federn beinahe ganz verſchwunden, naͤmlich ausgebleicht. Ein paar Monate fpäter iſt dies erſte Winterkleid ſchon mehr ausgebildet und man findet dann bei im Dezember erlegten jungen Sturmmeven ſchon den Ruͤcken und die Schultern ganz mevenblau und alle alte braune Federn hier verſchwunden; Kopf und Hals weißer, die Mitte der Bruſt faſt ungefleckt; das Schwarz am Schna— bel noch mehr vermindert, die aͤußerſte Spitze horngelb; das Uibrige wie oben beſchrieben. Im naͤchſten Fruͤhjahr, dem zweiten ihres Lebens, haben ſie ſich noch wenig veraͤndert, weil Fluͤgel und Schwanz immer noch die vom Jugendkleide ſind, jedoch durch langſam fortgeſetztes Mau— ſern auf den Fluͤgeldeckfedern die alten braunen Federn immer mehr von neuen mevenblauen verdraͤngt werden, was ſich ſo bis in den zweiten Herbſt fortſetzt, wobei aber der Schnabel, bis auf zwei kleine ſchwarze Fleckchen, nicht weit von der hellgelblichen Spitze, ſich blaß rothgelblich und dem aͤhnlich auch die Fuͤße, gefaͤrbt haben. Das Schwarz der Schwing- und Schwanzfedern, vom Jugendkleide, welche ihnen uͤber ein Jahr verbleiben, ſieht in der letzten Zeit, im zweiten Lebensſommer, faſt nur noch rauchfahl aus und die Kanten, namentlich an den Spitzen, haben ſich ſehr abgerieben. Im zweiten Herbſt ihres Lebens mauſern ſie zum erſten Male das ganze Gefieder vollſtaͤndig und legen ſomit ihr erſtes aus— gefärbtes Winterkleid an, das dem der Alten, bis auf unbe— deutende Abweichungen, gleich koͤmmt, es zeigen ſich darin, doch auch nicht an allen Individuen, noch ein paar ſchwaͤrzliche Fleckchen am Schnabel, und die zweite Primarſchwingfeder hat zunaͤchſt der ſchwar— zen Spitze entweder gar keinen oder (öfterer) einen kleinen weißen Fleck, auch iſt die Stelle auf den Schwanzfedern, wo auf den vor— hergehenden das ſchwarze Band ſaß, bei Manchen noch ſchwarz be— ſpritzt, doch gewoͤhnlich nur an den Mittelfedern; ſonſt iſt Alles wie an den Alten. In dieſem ausgefaͤrbten Winterkleide hat die alte Sturmmeve, einen hellg raublauen, an der Spitze blaßgelben Schna— bel, ein braunrothes Augenlidraͤndchen und hellblaugraue Fuͤße. Das Geſicht iſt weiß; vor dem Auge ſteht ein ſchwarzborſtiges Mond- fleckchen; Scheitel, Genick, Ohrgegend, Seiten- und Hinterhals find auf weißem Grunde mit mehr ovalen als laͤnglichten braunen Fleck— chen beſetzt, die an den Erſtern kleiner und dunkler, an den Letztern s 20° 308 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. groͤßer und blaſſer ſind; vom Kinn bis zum Schwanze, nebſt die— ſem und dem Buͤrzel, iſt Alles rein und blendend weiß, auch der Unterfluͤgel und das Fluͤgelraͤndchen; Ruͤcken, Schultern und Fluͤ— geldeckfedern (der Mantel) ſchoͤn mevenblau, ein Wenig geſaͤttigter als bei Larus ridibundus, aber nicht ſo dunkel als bei L. tridacty- lus, die laͤngſten Schulterfedern und die hinterſten Schwingfedern mit in Weiß uͤbergehenden Spitzen; die eigentlichen Secundarſchwin— gen gegen die weiße Endkante etwas dunkler blaugrau und auf den Innenfahnen großentheils weiß, die Fittichdeckfedern blaͤulich aſch— grau; ebenſo die kuͤrzeſten Primarſchwingfedern bis an die große weiße Spitze, die, ſo wie ſie an Laͤnge zunehmen, durch Schwarz ſcharf vom Grau getrennt wird; dieſes Schwarz nimmt an den Folgenden zu, ſo wie das Graue ſtufenweis ab, ſo daß die zweite von vorn nur wenig, die vorderſte beinahe gar nichts Graues oder bloß eine von den Deckfedern verdeckte geringe Spur davon hat; ſo ſind denn die beiden vorderſten Schwingfedern, mit Ausnahme einer uͤber 2 Zoll langen weißen Stelle, auf beiden Fahnen, vor der ſchwarzen, zuletzt weiß geſaͤumten Spitze, tief ſchwarz, die weiße Stelle jedoch an der zweiten nur einen Zoll lang und die ſchwarze, weiß endende Spitze viel länger; die folgenden zu /, ½, ½, end: lich nur noch als ein maͤßiger, bloß auf der Auſſenfahne weiter her— aufſteigender Fleck ſchwarz, alle mit weißem Spitzefleck, dieſer an Groͤße zunehmend je kuͤrzer die Federn werden; Schwarz, Weiß und Grau find ſcharf begrenzt; auf den Innenfahnen find die mittlern am Schafte entlang weißgrau, die hintern meiſtens weiß; auf der untern Seite die großen Schwingen glaͤnzend grauſchwarz, die vor— derſten mit der weißen Stelle vor der Spitze wie oben. Die Zeich— nung der Fluͤgelſpitze iſt der der Silbermeve faſt gleich, die Ab— weichungen, nur ſehr gering, beruhen faſt allein auf dem wenigern Weiß der zweiten Schwingfeder bei den Alten dieſer Art, worin ihnen aber die Sturmmeven, welche das hochzeitliche Kleid zum erſten Male tragen, voͤllig gleichen. Das hochzeitliche oder Sommerkleid, im vierten Fruͤh— linge ihres Lebens, nämlich im nun vollkommenen Zuftande, iſt vom ausgefaͤrbten Winterkleide bloß an dem Mangel aller Flecken im Weiß des Kopfes und Halſes, und durch andere Faͤrbung der nack— ten Theile verſchieden. Der Schnabel iſt an der Wurzelhaͤlfte gruͤn— lichgelb, an der andern ſchoͤn ſchwefelgelb, am lichteſten an der Spitze; Rachen und Mundwinkel, ſo auch das nackte Augenlidraͤndchen, hoch orangeroth; die Füße blaß roͤthlichgelb, an den Gelenken ſchwach, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291, Sturm: Meve. 309 gruͤnlich uͤberlaufen, zuweilen auch beinahe rein ſchwefelgelb. Son— derbar ſehen ſie aus im Uibergange vom Winter- zum Som— merkleide, wo die blaugraue Farbe des Erſtern der gelblichen des Letztern in abgeſonderten großen Flecken weicht. — Kopf, Hals, Bruſt, Unterflügeldedfedern, Bauch, der Schwanz mit feiner untern und obern Decke, nebſt dem Buͤrzel, ſind rein und blendend weiß; der Mantel und Flügel wie im vollkommenen Winterkleide. In allen Kleidern iſt zwiſchen beiden Geſchlechtern in der Farbe und Zeichnung kein Unterſchied; nur die Fuͤße ſind am Maͤnnchen meiſtens ſchoͤner Gelb, der Mundwinkel und das Augenlid von ei— nem noch gluͤhendern Orangeroth; uͤbrigens iſt es ſtets auch etwas groͤßer als das Weibchen. Bei recht alten Maͤnnchen, wenn ſie recht wohlbeleibt ſind, haben Bruſt und Bauch in der Begattungszeit einen leiſen Anflug von einer lieblichen Aurorafarbe, welche tief im Grunde des Gefie— ders am ſtaͤrkſten iſt, aber, wie dieſe Fettfarbe immer, bald nach dem Tode verbleicht und am ausgetrockneten Balge ganz verſchwin— det, auch bei magern Individuen uͤberhaupt nicht vorkoͤmmt. Bei den Weibchen und bei Herbſtvoͤgeln findet man ſie auch nicht. Im Laufe des Sommers verliert das Aeußere des Gefieders ſehr an ſeiner urſpruͤnglichen Zartheit und Sauberkeit, die meven— blaue Mantelfarbe wird durch Verbleichen etwas heller und das Schwarz der Fluͤgelſpitze verliert an Tiefe. Im Juli beginnt ſchon die Mauſer, auch bei alten Voͤgeln, dauert aber meiſtens bis in den October und November. Die nicht auf Schwing- und Schwanz— federn ſich erſtreckende Fruͤhlingsmauſer geht im März vor ſich und im Mai an den Bruͤteorten ſind alle im reinſten Prachtkleide. Bruͤ— tefaͤhig ſind dieſe Meven im dritten Fruͤhlinge ihres Daſeins. Wu e he ee Die Sturmmeve iſt eine Bewohnerinn des Nordens, geht im Sommer in manchen Gegenden bis in den Polarkreis hinauf, iſt aber, merkwuͤrdiger Weiſe, nicht auf Island, auch nicht auf den Fürdern und Shetlands-Inſeln, koͤmmt aber in Nordamerika vor und iſt im Winter in den mittlern vereinigten Staaten haͤufig. Wie weit ſie das noͤrdliche Aſien bewohnt, iſt nicht bekannt. Von Europa bewohnt ſie in Rußland und Schweden alle groͤßern Landſeen und tiefen Meeresbuchten, in Norwegen bis in den arc— tiſchen Kreis hinein; in Livland namentlich den Peipus und an— 310 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. dere große Seen in groͤßter Anzahl; auch in Preußen mehrere Seen haͤufig; ferner: die Inſeln, Kuͤſten und nahen Binnenwaſſer der Oſtſee, in ihrer ganzen Ausdehnung, die Daͤniſchen Laͤnder mit inbegriffen; auch die Kuͤſten und nahen Inſeln der Nordſee, bis Holland, England und Frankreich, wo die meiſten uͤber— wintern; weniger an den Kuͤſten des mittellaͤndiſchen Meeres, obgleich ſie an der Weſtkuͤſte von Italien im Winter auch haͤufig genug vorkoͤmmt. Schon an den deutſchen Kuͤſten der Oſt- und Nordſee, beſonders in weiten Flußmuͤndungen, ſo wie der Elbe, Weſer u. a., uͤberwintern ſie in großer Menge. An den nord— deutſchen Kuͤſten iſt fie überhaupt ſehr gemein, und an manchen Orten in jeder Jahreszeit in großer Anzahl vorhanden. Im In— nern Deutſchlands iſt ſie dagegen ſelten; nur in der Zugzeit, be— ſonders im Spaͤtherbſt, find Einzelne oder ganz kleine Geſellſchaf— ten, in vielen Gegenden, bis in die Schweiz hinein, vorgekommen, jedoch waren dies faſt immer nur junge Vögel im erſten Herbſt— kleide. Auch an den beiden oft erwaͤhnten Seen im Mansfeldi— ſchen haben wir ſolche einzeln, ſelten zu 3 bis 4 Stuͤcken, faſt alle Jahr, vom September bis in den Winter hinein und bis das Eis zu ſehr uͤberhand nahm, angetroffen, und in Anhalt iſt ſie auch ſchon geſchoſſen worden. Sie iſt Strichvogel; nur die im Sommer hoch noͤrdlich woh— nenden moͤgen wol dort zu den Zugvoͤgeln gehoͤren. Stand voͤ— gel kann man fie darum wol nirgends heißen, weil alle ihre Bruͤ - teplaͤtze verlaſſen, ſobald ſie die Fortpflanzungsgeſchaͤfte fuͤr dies Jahr beendigt haben, dann zwar nicht aus dem Lande wandern, jedoch in ganz andern Gegenden unregelmaͤßig herumſchwaͤrmen und ſich da in Schaaren verſammeln, wo ſie die meiſte Nahrung finden. Dabei ſtreicht jedoch die große Mehrzahl laͤngs der Nordkuͤſte des europaͤiſchen Feſtlandes im Spaͤtherbſt ſuͤdweſtlich fort bis zum weſtlichſten Ende unſres Erdtheils, und im Fruͤhjahr umgekehrt wie— N der zuruͤck, ohne dabei gewiſſe Monate zu halten, vielmehr fih nach der Witterung zu richten. So treibt ſie fruͤh eintretende und hef— tige Kälte früher und in Maſſen ſuͤdlicher, während fie in gelinden Wintern kaum zu wandern ſcheinen. Dieſe groͤßern Reiſen machen ſie in Schaaren, oft zu vielen Tauſenden vereint, weshalb ſie an manchen Orten der Kuͤſte zwei Mal im Jahr, im Herbft und Früh: » jahr, viel haͤufiger erſcheinen als zu andern Zeiten. Die Sturmmeve muß zu den Sesvoͤgeln gezählt werden, weil ſie das Meerwaſſer mehr liebt als alles Andere, die laͤngſte Zeit im XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve 311 Jahr am Meere lebt und nur zu gewiſſen Zeiten an die entlegnern großen Gewaͤſſer im Lande koͤmmt. Hier zieht ſie die ſtehenden den. fließenden bei Weitem vor, ſucht aber an allen ſolche Stellen auf, welche ſandigen oder ſteinigen Boden haben, auf welchem gewoͤhn— lich das Waſſer am durchſichtigſten iſt und verweilt hier laͤnger als anderswo. Die Fluͤſſe verlaͤßt ſie, ſobald ſich beim Anſchwellen das Waſſer truͤbt, fo wie fie ihr überhaupt auch nur ein bloßer Noth— behelf ſind, wenn der Gegend große ſtehende Gewaͤſſer ſehlen. An ſuͤßen Gewaͤſſern verweilt ſie nur dann laͤnger, wenn ſie von großem Umfange und ſehr fiſchreich ſind. Sie will große, ganz freie Waſſerflaͤchen mit kahlen Ufern und dieſe mit vielen ſeichten Stellen und klarem Waſſer. Letzteres liebt ſie ſo, daß ſie ſich auch an der See bald aus ſolcher Gegend entfernt, wo, wie an Muͤn— dungen ſo eben ſehr angeſchwollener Fluͤſſe, das Waſſer ploͤtzlich und ein Stück in die See hinein truͤbe geworden iſt. Rohr und Schilf ſind ihr zuwider, naͤmlich wo es ſehr hoch und dicht waͤchſt und große Waͤlder bildet; doch liebt ſie auch in der Fortpflanzungszeit ſolche große Binnenſeen, deren Ufer theilweis, weit und breit, in gruͤnen Sumpf und naſſe Wieſen verlaufen. Am Meer ift fie ſowol am ſeichten Strande und auf niedrigen Inſeln, als auf Klippen und felſigem Geſtade; aber auf dem hohen Meer, fern von allem Lande, wird ſie ſehr ſelten geſehen. Sie be— wohnt am Meer vorzuͤglich ſolche Gegenden, wo es in der Naͤhe kultivirte Felder giebt, weil ſie ſich gern auf gepfluͤgten Aeckern auf— halt und manchmal weite Ausfluͤchte darnach unternimmt. Sie ſcheuet Baͤume und groͤßere Baumgruppen nicht, ohne ſie zu ſuchen, ſetzt ſich ſogar zuweilen auf die duͤrren Zacken und Wipfel derſelben, ſo wie ſie dies auch auf hingeſtellten Stangen und hohen Pfaͤhlen verſucht, gewoͤhnlicher aber auf aus dem Waſſer ragenden Steinen und Klippen, auf felſigem oder ſeichtem Strande, auf Sand— baͤnken oder Erdzungen ausruhet. Beim Herannahen eines Stur— mes verlaͤßt ſie das Meer und ſtreicht einſtweilen tief und mehrere Meilen weit ins Land hinein, auf den groͤßern Gewaͤſſern und ab— wechſelnd auf den Aeckern herum, bis der Sturm ſich wieder ge: legt hat. Daher koͤmmt es, daß ſie manchmal ganz unerwartet in großer Anzahl an Orten erſcheint, wo ſie uͤbrigens ſehr ſelten oder nur einzeln geſehen wird, daß ſie daſelbſt bisweilen einige Tage verweilt, und dann ploͤtzlich wieder verſchwindet. Dies ereignet ſich am oͤfterſten bei Herbſtſtuͤrmen. 312 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm-Meve. Ihre Nachtruhe haͤlt ſie, wie andere Meven, an unruhigen Or— ten, auf der Mitte eines ſtillen Waſſerſpiegels ſchwimmend, wo es ruhiger iſt auch auf Sandbaͤnken, und in der Bruͤtezeit bei den Neſtern auf dem Lande ſitzend. In dieſer Zeit halten ſie auch in der Nacht wenig Ruhe, wozu ſie freilich durch die auſſerordentliche Helle der nordiſchen Sommernaͤchte veranlaßt werden. Eigenſchaften. Die Sturmmeve im ausgefaͤrbten Hochzeitskleide, giebt den an— dern ihrer naͤchſten Verwandten an Schoͤnheit wenig oder nichts nach; die wahrhaft blendende Reinheit des Gefieders mit ſeinen ſanf— ten Farben, am lebenden Vogel, erweckt Bewunderung und das Auge verweilt mit Wohlgefallen auf dem einfach praͤchtigen Ge— ſchoͤpf. — So aͤhnlich ſie in mehrern Kleidern auch der Silber— meve iſt, ſo leicht unterſcheidet ſie ſchon in weiter Ferne, nicht allein die viel geringere Groͤße, ſondern vorzuͤglich noch ihre ſchlankere Ge— ſtalt, mit den laͤngern und ſchmaͤlern Fluͤgelſpitzen, und ihre groͤßere Beweglichkeit im Fluge. Ebenſo leicht laͤßt ſie ſich fliegend im Ge— gentheil an ihrer groͤßern und viel ſtaͤrkern Figur, und an den ern— ſtern (um nicht zu ſagen ſchwerfaͤlligern) Bewegungen von der Lach— meve unterſcheiden. Ihr Betragen ſteht im Mittel zwiſchen beiden, oder ſcheint aus dem beider Arten zuſammengeſetzt oder gemiſcht. Ihre Stellung beim Stehen und Gehen iſt der der Lachmeve aͤhnlich, aber hochbeiniger, der ſtaͤrkere Rumpf auch in der Ferne bemerklich. Die Orte, wo ſie gern ausruhet, ſind oben ſchon naͤher bezeichnet; zuweilen laͤßt ſie ſich auch auf Fiſcherhuͤtten und andere niedrige Bauten am Waſſer nieder oder ruht auf Heuſchobern und Getraidehaufen aus. Sie geht auch ſehr gut, oft anhaltend, doch nicht ſo behende als die Lachmeve, wie ſie denn in allen ihren Bewegungen etwas langfamer oder gemaͤchlicher iſt, ausgenommen beim Stoßen nach einer Beute, wobei ſie Kraft und Schnelligkeit genug entwickelt, und ſich hier im Gegentheil gewandter zeigt als jene. Letzteres iſt ſie auch gegen die viel ſchwerfaͤlligere Silber— meve in allen Verhaͤltniſſen. — Sie ſchwimmt oft auf ruhigem Waſſerſpiegel, doch iſt ihr Schwimmen mehr ein Ausruhen auf dem Waſſer, als daß es ein weiteres Fortrudern bezweckte, wie ſie denn auch ſelten lange darin verweilt, ihre Nahrung gewoͤhnlich nicht auf dieſe Art, ſondern fliegend ſucht, ſich auch ungern auf eine vom Winde ſtark bewegte Flaͤche niederlaͤßt. Schon Junge, ehe ſie XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve 313 fliegen lernen, ſchwimmen vortrefflich und koͤnnen fo ſchnell und ge: wandt fortrudern, daß fie aus einem Boote kaum zu erhafchen find. Ihr Flug iſt ſanft, leicht, ſchoͤn, bald mit weit ausholenden, bald mit kurzen Fluͤgelſchlaͤgen, oft auch ganz ohne dieſe oder ſchwe— bend, ganze Strecken ſo fortgleitend oder an einer Stelle in der Luft faſt unbeweglich ſtillhaltend. Bei ſtarkem Winde, den Kopf ſtets gegen dieſen gerichtet, koͤmmt dies Letztere oft vor; ſie ſpaͤhet dabei nach unten und ſtuͤrzt, ſobald ſie Etwas gewahrt, im Bogen oder in einer andern Schwenkung ſchnell auf daſſelbe herab, wenn es etwas Genießbares iſt. Ihr Flug hat ſehr viele Abwechslungen, aber auch, wie bei andern Meven, etwas Wankendes und Unbe— ſtimmtes. Sehr gemaͤchlich und langſam ſieht man die Einzelne oft eine lange Strecke einher fliegen, dieſe anſcheinende Ruhe und Gleichfoͤrmigkeit jedoch, ehe man es ſich verſieht, durch eine ſchnelle Schwenkung, einen Schuß im Bogen nach der Waſſerflaͤche ab und auf, oder auf andere Weiſe unterbrochen, dann gemaͤßigt wieder weiter ſteuern und ſo Stunden lang nicht ermuͤden in dieſer Art von Behaglichkeit. Viel regſamer und aufgeheiterter zeigen ſich dagegen dieſe ſonſt, dem Anſchein nach, ſo ernſt geſtimmten Voͤgel an ihren Bruͤteplaͤtzen, wo dann auch ihr Flug mehr Lebensthaͤtigkeit andeutet. Wenn ſie ſich zu großer Hoͤhe in die Luft erheben oder aus ſolcher herablaſſen wollen, geſchiehet es immer nur ſchwebend in einer gro— ßen Schraubenlinie. Ihr Niederlaſſen oder Erheben, auf dem Waſ— ſer oder Lande, iſt gleich ſanft und wie der Flug uͤberhaupt ganz geraͤuſchlos. Stuͤrmiſches Wetter iſt ihr ſo zuwider, daß ſie, wie ſchon be— merkt, bei hohem Wellengange die See eine Zeit lang verläßt und weit davon an ungewoͤhnlichen Orten im Lande Schutz ſucht. Man ſagt, ſie habe eine gewiſſe Vorempfindung vom Sturme, oder fliehe ihn ſchon in feinem erſten Beginnen, woher ihr Name „Sturm— meve“. Im Lande nennt man ſie nicht mit Unrecht, wenigſtens der Lachmeve gegenüber, „Wintermeve“, weil fie gegen die Kaͤlte ohne Vergleich weniger empfindlich iſt als jene. Wir trafen ſie am Eisleber Salzſee oft in der gemuͤthlichſten Stimmung, wenn dieſer nur noch wenig offene Stellen zeigte und tiefer Schnee das Land bedeckte. Deshalb uͤberwintern viele auch bei heftiger Kaͤlte an den deutſchen Kuͤſten, waͤhrend von den Lachmeven ſelten eine Einzelne dort zuruͤck bleibt. Sie iſt in manchen Gegenden ſehr zahm in andern und den meiſt ſuͤdlicher gelegenen vorſichtig und mißtrauiſch, ſelbſt an den 314 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. Bruͤteplaͤtzen ſcheuer als die Silbermeve, daher auch hier nicht leicht zu ſchießen, und klug genug den Schuͤtzen vom Fiſcher, Hir— ten oder Bauer zu unterſcheiden. Sind mehrere beiſammen, ſo ſind ſie gewoͤhnlich ſcheuer als die Einzelnen, die zuweilen an den Ge— waͤſſern tief im Lande erſcheinen, welches freilich faſt immer nur junge Voͤgel im erſten Herbſtkleide ſind. — In ihrem Betragen zei— gen ſich uͤbrigens mancherlei Eigenthuͤmlichkeiten, durch welche ſie recht eigentlich in die Mitte geſtellt iſt, zwiſchen Larus ridibundus und L. argentatus, indem ſie auch von dieſen beiden Manches auf— zuweiſen hat. Die Sturmmeve iſt ebenfalls ein ſehr geſelliger Vogel, nicht nur in kleinern und groͤßern Vereinen, ſondern oft zu Tauſenden beiſammen, hauptſaͤchlich an den Orten wo ſie uͤberwintert. Wenige ſchwaͤrmen einzeln herum und dieſe miſchen ſich auch zwiſchen Lach— meven u. a. Mit den großen Arten der Gattung iſt ſie, einzeln wie in Schaaren, im Winter und an guten Futterplaͤtzen völlig ver⸗ eint, ſo hin und wieder mit der Silbermeve an einem gemein— ſchaftlichen Bruͤteorte. Sie wird von den Staͤrkern geduldet und duldet wieder die Schwaͤchern, ohne daß auf der einen oder andern Seite eine beſondere Zuneigung bemerklich wuͤrde. Auch mit Meer— ſchwalbenvereinen verſchiedener Arten wohnt ſie oft an denſelben Or— ten, jedoch ohne ſich zwiſchen dieſe zu miſchen; jede haͤlt da ihr ei— genes Plaͤtzchen beſetzt; wol aber drängen ſich an manchen Orten Eidervoͤgel u. a. einzeln niſtende Arten mit ihren Neſtern zwi: ſchen die ihrigen. f Ihre Stimme iſt ein lautes Skiah, ſtaͤrker und tiefer als die der Lachmeve. Dies iſt der eigentliche Lockton; einen andern, rau— hen, wie Skack klingend, laͤßt ſie, wenn ſie aͤngſtlich iſt, ſich mit andern um Etwas ſtreitet, und bei vielen andern Gelegenheiten, am Niſtorte, wie es ſcheint, zur bloßen Unterhaltung, hoͤren, wozu denn noch in hoͤchſter Beſorgniß, z. B. bei den Jungen, ein kreiſchendes Kiri koͤmmt. Alle dieſe Toͤne, mannigfaltigſt modulirt, laſſen die Schaaren an den Bruͤteorten ſo unablaͤſſig, vom fruͤhen Morgen bis ſpaͤt in die Nacht hinein, ja in dieſer ſogar oft genug noch hoͤren, daß ſie dem, welcher ſich einige Zeit dort aufhaͤlt, bald uͤberaus unangenehm und laͤſtig werden. Die einſam herumirrenden Einzel— nen ſchreien dagegen ſehr ſelten, nur manchmal Skack, heiſer und wenig laut, und auch in nicht ſehr großen Vereinen hoͤrt man, auſ— ſer der Fortpflanzungszeit, ſelten eine andere Stimme, als dieſen Ton, hin und wieder von einer Einzelnen. Nur wo ſich ihrer recht XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. 315 ſehr viele auf einem guten Futterplatze verſammelt haben, wo öfters eine der andern die Beute vor dem Schnabel wegzufiſchen trachtet, giebt es mehr Gelegenheit zum Lautwerden. ara rang. Fiſche, ſowol lebende als todte, allerlei Seegewuͤrm, kleine Cru— ſtaceen und Conchylien, Regen- und Uferwuͤrmer, auch Inſektenlar— ven und Maͤuſe find die Nahrungsmittel der Sturmmeve. Im langſamen und niedrigen Fluge uͤber dem Waſſer, gewoͤhn— lich dem Ufer entlang oder doch nicht ſehr weit davon entfernt, bald mit traͤgen Schwingungen der Fluͤgel, bald ſchwebend, ſpaͤhet ſie nach den der Oberflaͤche nahe kommenden kleinen Fiſchen und ſtuͤrzt ploͤtz— lich, in einer ſchnellen Wendung oder Bogen, auf ihr Ziel herab, das ſie ſelten verfehlt, obgleich ſie in dem Augenblick nicht tiefer als mit Kopf und Halſe durch das Waſſer fuhr. Waͤhrend die Meer— ſchwalben ſich mit Ungeſtuͤm auf's Waſſer ſtuͤrzen, ſchießen die Me— ven in einem Bogen gegen die Flaͤche herab und wieder hinauf, nur jene Theile allein durch das Waſſer, und gelangen eben ſo ſicher zum Ziel wie jene. In dieſer Fertigkeit, wie an Freßgier wird die Sturmmeve von wenig andern uͤbertroffen. Sie kneipt den gefan— genen Fiſch gleich todt und verſchlingt ihn entweder ſogleich, oder traͤgt ihn, wenn er dazu zu groß iſt, ans Ufer und verzehrt ihn ſtuͤckweis; dies koͤmmt jedoch viel ſeltner bei lebenden Fiſchen als bei todten vor. Bei Wellengange oder nur mäßig bewegter See ſahe ich ſie nie fiſchen; ſie ſucht dann die ſtillen Winkel oder Buch— ten, oder verlaͤßt die See und ſtreicht landeinwaͤrts. Wo die Raub— fiſche Schaaren kleiner Fiſche aus der Tiefe des Meeres an die Ober— fläche heraufſcheuchen, haben die Meven den leichteſten und ergiebig— ſten Fang. Bei den Zuͤgen der Fiſcher finden ſie ſich ebenfalls und oft in großer Anzahl ein, theils der kleinen, von jenen nicht beach— teten Fiſche, theils des mancherlei Seegewuͤrms wegen, was dabei in Menge vorkoͤmmt; ſie ſind an ſolchen Orten in groͤßter Thaͤtig— keit, kommen zudringlich und dummdreiſt ganz in die Naͤhe der Menſchen, und die Gier, mit welcher oft mehrere zugleich uͤber eine Beute herfallen und eine der andern den Biſſen vor dem Schnabel wegzuſchnappen ſucht, beluſtigt den Beobachter ungemein. Wo es ihr an Gelegenheit mangelt, lebende Fiſche in erforder— licher Menge zu erwiſchen, nimmt die Sturmmeve gern auch mit todten und halbfaulen, mit allerlei Abgaͤngen von Fiſchen und an⸗ 316 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve, dern Thieren, mit todten Voͤgeln, kleinen Saͤugethieren und allerlei Aas fuͤrlieb. Am Strande, namentlich auf den bei der Ebbe vom Waſſer freigewordenen Watten, ſucht ſie kleine Conchylien, kleine Krebſe u. dergl., fiſcht die zuruͤckgebliebenen kleinen Pfuͤtzen aus, ſtellt hier namentlich auch dem Uferwurm (Arenicola lumbricoides s. lit- toralis) ſehr nach, kann aber zu dem tief in feinem Loche ſteckenden Wurm freilich nur dann gelangen, wenn er ſich beim Kopfe er— wiſchen laͤßt. Oefters fanden wir Vogelfedern in ihrem Magen. Als einſt— mals mein ſel. Vater auf einem See ein Waſſerhuhn (Fulica atra) geſchoſſen und ſich am Ufer niedergeſetzt hatte, um abzuwar— ten, bis der Luftzug ihm jenes zufuͤhren wuͤrde, kam eine Sturm— meve — dort ſehr ſelten — auf daſſelbe zugeflogen, ließ ſich dicht neben dem todten Vogel auf's Waſſer nieder und rupfte ſogleich auf ihn loß, daß die Federn weit umherflogen, wobei ſie denn er— legt wurde. Auf den Feldern fängt fie allerlei Inſekten, Inſekten— larven, Regenwuͤrmer und, wie man behauptet, auch Ackerſchnecken (Limax agrestis), hauptſaͤchlich aber Maͤuſe. Sie ſchwaͤrmt nach Letztern auf den Feldern, nahe uͤber den Boden hin, und ſtuͤrzt ſich ſogleich auf ſolche, welche auſſerhalb ihren Loͤchern herumlaufen. Sie folgt ſehr haͤufig dem Landmann, wenn er ſeinen Acker pfluͤgt, lieſt hier, ohne alle Furcht, die ausgeackerten Würmer und Inſektenlar— ven aus den friſchen Furchen auf und erhaſcht die ausgepfluͤgten Feldmaͤuſe. Dies Geſchaͤft treibt ſie zu allen Zeiten ſo gern und oft, daß man ſie, mit noch mehrerm Recht als die Lachmeve, die „Ackermeve“ nennen koͤnnte. Dem Pfluge folgend trifft fie nicht nur oft mit jener, ſondern auch mit der Kuͤſtenmeerſchwalbe und der ſchwarzen Seeſchwalbe in einerlei Abſicht zuſammen; ſolche frohe Geſellſchaften werden hoͤher im Norden gar oft auch von Raubmeven geſtoͤrt, die jenen die ebengemachte Beute wieder ab— jagen. Wenn es auf der See zu ſtuͤrmen anfaͤngt, koͤmmt ſie am haͤufigſten und in Schaaren auf die Aecker; ſie geht dann noch viel tiefer in's Land hinein als ſonſt gewoͤhnlich. Auf ſolchen Feldern beſucht ſie dann auch die kleinen Teiche und Waſſerlachen abwech— ſelnd, um da zu trinken oder ein Bad zu nehmen, ein Beduͤrfniß, was ſie nicht lange entbehren mag. Fortpflanzung. Im noͤrdlichen Europa bruͤtet die Sturmmeve in vielen Ge— genden der beim Aufenthalt angegebenen Laͤnder, entweder unmit— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 91. Sturm: Meve. 317 telbar am Meer, oder an großen Gewaͤſſern in deſſen Naͤhe, auch auf ſehr großen Landfeen wie z. B. den Peipus u. a. An den oͤſtlichen Kuͤſten und vielen Buchten des obern Juͤtlands, auf vielen Oſtſeeinſeln bis ins Kattegat hinauf, pflanzen ſich zahlloſe Schaaren fort. Ihre Bruͤteplaͤtze ſind bald der See nahegelegene Suͤmpfe, bald nackter niedriger Boden auf Inſeln und Halbinſeln, bald hoͤhere nackte, vom Meer umgebene Felſen oder felſiges Ge— ſtade, endlich auch mit wenigen kuͤmmerlichen Pflanzenwuchs nur theilweis bedeckte Sandduͤnen. In denen der noͤrdlichſten Spitze der Inſel Sylt, an der Weſtkuͤſte Juͤtlands, wohnte im Jahr 1819, als ich dort war, eine aus zwei- bis dreihundert Paͤaͤrchen beſtehende Schaar dieſer Meven, welche ſich auf einer Seite an eine mehr als zehn Mal zahlreichere Kolonie der Silbermeve anſchloß, ſich aber, einzelne Voͤgel und ſehr voruͤbergehend ausgenommen, nicht unter dieſe miſchte, ſo wie ſie auch den Kolonieen der Raub- und Brand— Meerſchwalben auswich. Dies iſt überhaupt meiſtens fo, wo mehrere Vogelarten in großen Vereinen beiſammen niſten, daß jede Art ihr eigenes Plaͤtzchen behauptet; bloß Lummen und Alken ſcheinen theilweis eine Ausnahme hiervon zu machen. Unſere Sturmmeve niſtet gewoͤhnlich in großen Vereinen, oft zu Tauſenden beiſammen, ſeltner in kleinern, wie der obenerwaͤhnte; aber nie findet ſich ein einſam niſtendes Paar, und wenn nur we— nige beiſammen, miſchen ſich ſolche zwiſchen Meerſchwalben- oder Mevenvereine von andern Arten ein. Man fand Brütepläge, wo dieſe und Lachmeven, nebſt Sterna macrura und St. nigra, einen einzigen Schwarm bildeten. Der Trieb, in Menge beiſammen zu bruͤten, gruͤndet ſich wol hauptſaͤchlich auf gemeinſame Vertheidigung der Brut gegen ihre Feinde. Zu Anfang des Mai erſcheinen dieſe Meven an ihren Bruͤte— plaͤtzen und kuͤndigen ihr Vorhaben durch ungewoͤhnliche Beweglich— keit und vieles Schreien an; um die Mitte dieſes Monats beginnen die Fortpflanzungsgeſchaͤfte mit dem Neſtbau. Ihre Neſter ſtehen an ſumpfigen Orten auf Gras- oder Binſenbuͤſcheln, anderswo auf trocknem, ganz freien Boden, in manchen Gegenden ſogar im Ge— traide. — In den Duͤnen von Lyſt auf Sylt ſtanden ſie meiſtens auf einzelnen halbduͤrren Buͤſcheln des ſogenannten Duͤnenhafers (Carex arenaria), des Rauſch (Empetrum nigrum), der gemeinen Haide (Erica vulgaris) oder auch zwiſchen ſolchen auf plattem oder nur bemooſetem Boden. In wenigen Tagen ſind ſaͤmmtliche Neſter fertig, die an manchen Orten nahe nebeneinander, an andern, wie 318 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. in jenen Dünen, mehrere Schritt eins vom andern entfernt ftehen, hier wol einige Hundert Schritt vom Waſſer, anderwaͤrts auch nahe neben demſelben. Dieſe Neſter ſind nachlaͤſſig, bald aus wenigem Material, bald aus vielem aufgehaͤuft; duͤrres Haidekraut, Salicornien, Grasſtoͤck— chen ſammt den Wurzeln, trockner Tang und Meergras, auch Stroh und Miſt, an manchen Orten auch abgeſtorbene Blätter vom See kohl (Crambe maritima), Alles mit Erde vermiſcht, unordentlich durcheinander und aufeinander gepackt, doch meiſtens gut in die Runde gelegt und in der Mitte weit und tief ausgehoͤhlt. An man— chen Orten ſoll ſie ihre Eier auch in eine bloße Vertiefung des San— des, mit weniger oder gar keiner Unterlage von Strand- und Meer: pflanzen, legen. In dieſem wie in jenem Falle hat es ſtets eine große Aehnlichkeit mit dem der Silbermeve, iſt aber nauͤrlich im: mer um Vieles kleiner. Die Eier, wovon man nie mehr als 2 bis 3 in einem Neſte findet, ſind ſo groß als gewoͤhnliche (nicht kleine) Huͤhnereier, alſo bedeutend groͤßer als die der Lachmeve, aber auch um Vieles klei— ner als die der Silbermeve. So wie die Voͤgel aͤhneln ſich auch die Eier der Sturmmeve mit denen der letzten Art mehr als mit denen der erſten; ſie ſind in Allem im verjuͤngten Maaßſtabe, was jene im Großen darſtellen, auch ebenſo variabel. Ihre Laͤnge wech— ſelt zwiſchen 2¼ Zoll bis 2½ Zoll, ihre Breite zwiſchen 1 Zoll 8 Linien bis zu 1 Zoll 10 Linien; wo ſie ihnen oft weggenommen werden, kommen zuletzt manchmal ſehr kleine vor, die aber unter die Ausnahmen gehoͤren. Ihre Geſtalt iſt meiſtens eine regelmaͤßig eifoͤrmige, gedrungener oder geſtreckter, öfter mehr ſchlank als bau. chicht; ihre ſtarke Schale von etwas grobem Korn und deutlichen Poren, daher mit wenig oder keinem Glanz, hat eine ſehr verfchier denartige Grundfarbe, bei den meiſten und als Normalfaͤrbung, ein blaſſes Olivengruͤn, das bei verſchiedenen einerſeits in ein ſehr blei— ches, ſchmutziges Meergruͤn, andrerſeits in gruͤnliches Roſtgelb ab— weicht, was bei einigen ſogar ein Wenig in roͤthliche Tonfarbe ſpielt. Die innern Schalenzeichnungen ſind braͤunlichaſchgrau, vielgeſtaltige Flecke oder Tuͤpfel und Punkte, mehr oder weniger zahlreich; die aͤußern Zeichnungen roͤthlichſchwarzbraune, mehr gerundete als zak— kichte, große oder kleine Flecke, Tuͤpfel und Punkte, letztere auch wol hin und wieder (aber nicht oft) in einzelne Striche oder Schnoͤrkel zuſammengefloſſen. An ſolchen Eiern, welche ſehr grobe Zeichnun⸗ gen haben, ſtehen dieſe ſparſam und ſind nicht ſelten gegen das XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. 319 ſtumpfe Ende zuſammengefloſſen und kranzartig geſtellt; was auch bei den fein gezeichneten vorkoͤmmt, die bloße Tuͤpfel und Punkte haben, deren Flaͤche aber uͤberhaupt weit dichter bezeichnet iſt als bei jenen; an noch andern ſind die Zeichnungen uͤber die ganze Flaͤche faſt gleichfoͤrmig verbreitet; bei allen bleibt jedoch die Grundfarbe ſtets in mehrern groͤßern oder vielen kleinern Flaͤchen ganz unbedeckt. Es iſt als waͤre urſpruͤnglich dem einen wie dem andern Ei die Zei— chenfarbe in gleichem Maaße zugetheilt, dieſe haben ſich aber bei dem einen in große Flecke vereint, bei andern in Punkte u. dergl. zerſtreuet. Es giebt welche, an denen die aͤußere Zeichenfarbe nur einen einzigen großen Fleck bildet. Dann giebt es auch blaß ge— zeichnete, deren aͤußere Tuͤpfel und Punkte nicht ſchwarzbraun, ſon— dern groͤßtentheils bloß olivenbraun ſind. Nimmt man die Extreme, die dunkelſten zu den hellſten, die ſparſam, aber ſehr grob gefleckten zu den dicht und fein getuͤpfelten, u. a. m. im Vergleich, ſo ſehen ſie oft einander ſo unaͤhnlich, daß man ſie fuͤr artverſchieden halten möchte, wenn man nicht wüßte, daß fie ſogar in einem Neſte neben: einander ſo vorkommen. — Ausgeblaſen verlieren dieſe Eier durch das Verſchwinden der gruͤnlichen Beimiſchung, wodurch die Grundfarbe mehr olivenbraͤunlich und duͤſterer wird, und wenn ſie erſt mehrere Jahre in der Sammlung aufbewahrt ſind, werden ſie in der Grund— farbe einander viel aͤhnlicher und gleichfoͤrmiger. Im Bruͤten und Erziehen der Jungen verhalten ſich dieſe Me— ven wie die Lachmeven und Silbermeven. Wo die Jungen nicht geſtoͤrt werden, bleiben fie lange im Neſte oder in deſſen näch: ſten Umgebungen, verkriechen ſich hier hinter Pflanzenbuͤſcheln, Stei— nen, in kleinen Vertiefungen u. dergl. In den erſten Tagen ſcheuen ſie ſich vor dem Waſſer, ſobald aber nur die Federn zwiſchen den Dunen am Unterkoͤrper hervorkeimen, ſchwimmen ſie ſehr behende, und ſuchen ſich oft dadurch zu retten. An den Bruͤteplaͤtzen nimmt das laͤrmende Schreien der Alten kein Ende, zumal wenn ſich ein Menſch dort ſehen laͤßt; am hoͤchſten geſteigert wird es jedoch, wenn ein Hund dabei iſt, auf welchen ſie wie wuͤthend herabſtoßen und ihm nicht ſelten Schnabelſtoͤße verſetzen, Alles unter dem heftigſten Schreien. Wenn die Jungen nach und nach erwachſen, fliegen und ſich ſelbſt naͤhren lernen, wird es an ſolchen Orten ruhiger, denn auch die Alten begeben ſich dann weg und in der Regel werden die eigentlichen Bruͤteplaͤtze im Spaͤtjahr nur ſehr wenig oder gar nicht von ihnen beſucht; allein im naͤchſten Fruͤhjahr kehrt die Schaar, um zu bruͤten, wieder dahin zuruͤck, und wenn ihr nicht gar zu 320 XIII. Or dn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm: Meve. große Hinderniſſe in den Weg gelegt werden, fuͤr lange Zeitraͤume immer wieder ſo. ende. Man weiß daß ſie den großen Edelfalken, auch wol dem Seeadler, zuweilen zur Beute dient, und daß Fuͤchſe an man: chen Orten des Nachts zu den Neſtern zu gelangen und ihnen Eier oder Junge wegzuſtehlen wiſſen. In ihrem Gefieder wohnt die ſogenannte Mevenlaus, Phi- lopterus melanocephalus, Nitzsch. Ianng d Es iſt ſchon erwaͤhnt, daß ſie bei uns viel ſcheuer iſt als die Lachmeve, ja ich habe ſie auch am gemeinſamen Bruͤteplatze ſogar vorſichtiger gefunden als die Silbermeve, und zwar an einem Orte, wo man niemals, weder nach dieſer noch nach jener, zu ſchie⸗ ßen pflegt. Uebrigens iſt die Einzelne, wie andere Meven, leicht zu erlauern, weil ſie ebenſo auf dem Striche, welchen ſie uͤber dem Waſſer, nicht weit vom Ufer und dieſem entlang, abfucht, auch ge: wöhnlich bald wieder zuruͤck koͤmmt. Die jungen Herbſtvoͤgel halten bei uns zuweilen die Annaͤherung eines Kahnes aus. In rauher Jahreszeit an frequenten Fiſchplaͤtzen oder gar wo Fiſcher ihre Netze aufzogen, ſind dieſe Meven, wenn der Schuͤtze nur ruhig den rechten Zeitpunkt abwartet, leicht zu ſchießen, naͤmlich im Fluge; wogegen die ſitzende oder ſchwimmende den frei ſich annaͤhernden nie zum Schuß kommen laͤßt. Wo freilich, wie in einſamen Gegenden des obern Norwegens, niemals nach ihnen geſchoſſen wird, wo man ihnen nur eine kurze Zeit die Eier nimmt, aber ſonſt kein Leid zu— fuͤgt und ſie nicht ſtoͤrt, wo ſie ſo zahm ſind, daß fie die ihnen hin— geworfenen Fleiſch- und Fiſchabgaͤnge auf wenige Schritte vom Menſchen in Empfang nehmen, ſind bei dem Schießen derſelben be— ſondere Vorſichtsmaaßregeln uͤberfluͤſſig. Die fluͤgellahm Geſchoſſene vertheidigt ſich heftig mit dem Schnabel und verſetzt dem auf ſie ge— hetzten Hund oft ſo derbe Hiebe ins Geſicht, daß er feige abzieht; es iſt deshalb uͤberhaupt nicht rathſam einen jungen Huͤhnerhund, bei allen Meven ohne Unterſchied, in ſolchen Fällen zuzulaſſen, weil er leicht feige gemacht wird oder gar Schaden an den Augen leiden koͤnnte. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 291. Sturm-Meve 321 eee eee Das unſchmackhafte, obgleich oft ſehr fette Fleiſch dieſer wie an— derer Meven findet wenig Liebhaber, deſtomehr dagegen ihre Eier. Dieſe haben einen großen, ſchoͤn orangefarbenen Dotter und ſchmek— ken zwar, gleich andern, auch etwas nach Meerwaſſer oder Meer: ſalz, doch weniger als die der groͤßern Arten, und ſind auch zarter. Man ſucht ſie deshalb allenthalben gern und in Menge auf. Um— ſichtige Beſitzer einzelner Vogelgehege ſammeln ſie planmaͤßig nur etwa 2 Wochen lang, laſſen den Voͤgeln die ſpaͤter gelegten unge— ſtoͤrt ausbruͤten, beunruhigen ſie weiter nicht, am wenigſten durch Schießen, und ſind dann ſicher, daß ein ſolcher Bruͤteverein im naͤch— ſten und alle Fruͤhjahr wieder an den Ort und auf daſſelbe Plaͤtz— chen zuruͤckkehrt und ihnen ein nicht unbedeutendes Einkommen ſichert; denn was ſie von den Eiern nicht in der eigenen Kuͤche ver— brauchen, wird ihnen von entferntern Liebhabern gern und theuer genug abgekauft. Die Federn ſind zum Ausſtopfen de r Betten zu benutzen, woran man jedoch oft nicht denkt. Sehr wohlthaͤtig werden ſie dem Ackerbeſitzer, vorzuͤglich in Marſchlaͤndern, die ſie am haͤufigſten durchſtreifen, durch Wegfangen der Feldmaͤuſe und vieler ſchaͤdlicher Inſektenlarven, welche ſie, wie auch Regenwuͤrmer und nackte Schnecken, in groͤßter Menge vertilgen. Die ſtehenden Gewaͤſſer und den Meeresſtrand reinigen ſie von Aeſern aller Art. Sonſt beleben dieſe herrlichen weißen Geſtalten die oft ſehr einfoͤrmigen Gegenden ihres Aufenthaltes auf eine, we— nigſtens fuͤr den Naturfreund, ſehr angenehme Weiſe. Sch deen. Sie verzehren allerdings eine große Menge kleiner Fiſche; da jedoch nur wilde Fiſchereien, namentlich das Meer, ihnen den mei: ſten Unterhalt gewaͤhren, wo jene im großen Uiberfluſſe vorhanden ſind, ſo kann man ihnen die Schaͤdlichkeit nicht hoch anrechnen, zu— mal wenn man ſie mit dem Nutzen zuſammenſtellt, den ſie dem Menſchen anderweit durch ihre Nahrung leiſten. Freilich gerathen ſie manchmal wol auch uͤber Brutteiche, wo ſie bei Abnahme des Waſſers durch Verdunſten zuweilen tuͤchtig unter den kleinen Fiſchen aufraͤumen. Durch ihr vieles Schreien an den Bruͤteorten werden ſie laͤſtig, doch minder fuͤr diejenigen, welche ſich daran gewoͤhnt haben. Lor Theil. 21 — —— — 292, Die Dreizehen-Meve. Larus tridactylus. ZLai. Fig. J. Männchen im Sommerkleide. Taf. 262. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Herbſtliches Jugendkleid. Die dreizehige Meve, weiße dreifingerige Meve; Wintermeve, Eismeve, Hafmeve, Fiſchermeve, graue Fiſchermeve, Fiſchaarmeve, ſchwediſche —, islaͤndiſche Meve; Seefaͤcher, Seeſchwalbe, Seekraͤhe; Kittiwaka, Tarrok, Kutgegeaf, Kutgegehef, Kutgejef, Kautkegef. Larus tridaciylus. Lath, Ind. II. p. 817. n. 11. = Retz. Faun. suec. p. 154. u. 115. = Nilss. Orn, suec, II. p. 174. u. 219. — Lasus Risse. Gmel, Linn, Syst. I. 2. p. 594. n. 1. = Brüun. Orn. n. 140. == Moxette cendree. Briss. Oru. VI. p. 175. n. S. t. 16. f. 1. — Moxelte tridactyle. Temm, nov. Edit. II. p. 774. = Kittiwake-Gull. Lath. Syn. VI. p. 392. n. 19. — uUiberſ. v. Bech- ſtein, III. 2. S. 345. u. 19. = Pen, aret. Zool. über, v. Zimmermann, II. S. 490. n. 373. — Bewick, brit. Birds. II. p. 229. — Gabbiano terragnola. Savi, Orn. tose. III. p. 70. = Faber, Prodrom. d. isl. Orn. S. 90. — Bech ſte in, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 628. == Deſſen orn. Taſchenb. II. S. 372. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 486. — Meyer, Vög. Liv⸗ u. Eſthlands. S. 236. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schwetz. S. 275, n. 244. — Koch, Baier, Zool. J. S. 376. n. 256. Brehm, Lehrb. II. S. 705. — Deſſen Nature. a. V. Deutſchlds. S. 754 bis 756. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 52. u. 234. — Leon) beck, Vög. Würtembergs, S. 69. n. 246. — Horuſchuch u. Schilling, Ver. pommerſcher V. S. 18. u. 233. —= V. Homeyer, Vög. Pommerns, S. 67. n. 221. — Naumann's Vögel, alte Ausg. III. S. 175. Taf. XXXIII. F. 47. M. im erſten Herbſt, (in der 8v Ausg. d. Kupfer, Fig. 47, a. Winterkl. b. Jugendkl.) u. Nachtr. S. 85. u. S. 264. Taf. XXXVI. Fig. 71. M. im vollſt. Sommerfteide, Im Jugend- oder erſten Herbſtkleide. Larus toidactylus. Gmel. Liun. Syst. I. 2. p. 595. u. 2. = Mouette cen- Arte ſacheide ou Ruigeghef. Briss. Orn. VI. p. 185. u. 11. t. 17. f. 2. Huff. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. 323 Ois. VIII. p. 424. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 174. = Id. Pl. enl. 387. — Tar- vok- Gull. Lath. Syn. VI. p. 392. u. 18. aud Var. A. — Uiberſ. v. Bech ſtein, III. 2. S. 344. n. 18. - Penn, arct. Zool. II. p. 533. — Uiberſ. v. Zimmer⸗ mann, II. S. 494, u. D. — Gabbiano terragnola, e Galetra. Stor. des, Üce. | V. Tav. 529. Anmerk. Die in der erfien Ausgabe d. Wks. Nachtr. S. 264. u. 265. ber ſchrlebene und Taf. XXXVI. Fig. 71. im hochzeitlichen Prachtkleide abgebildete Dreizehenme ve iſt von Hn. p. Brehm (f. Naturgeſch. a. V. Deutſchlds. S. 750. 3. 31.) fälſchlich zur Sturmmeve gezogen worden. Kennzeichen der Art. Die fehlende Hinterzeh iſt nur angedeutet, durch eine warzen⸗ artige Erhabenheit mit ſehr kleinem Nagel. Beſchreibung. Mit einer andern bekannten Mevenart iſt dieſe durchaus nicht zu verwechſeln, da es keine giebt, welcher, wie ihr, die Hinterzeh fehlte, wenn nicht vielleicht eine ſolche Art noch entdeckt wird, was jedoch nicht wahrſcheinlich iſt. Der Größe nach ſteht fie im Mittel zwiſchen der Lachmeve und der Sturmmevez ſie iſt auch ſtaͤrker von Koͤrperbau als Erſtere, hat aber vorzüglich einen ſtaͤrkern Schna— bel und kuͤrzere Fuͤße; worin fie ſich noch auffallender von der Letz⸗ tern unterſcheidet. Die dreizehige Meve varlirt ebenfalls individuell bedeutend in der Größe. Sie mißt in der Laͤnge 15¼ bis 17¼ Zoll; in der Breite 40¼ bis 43 Zoll; die Fluͤgellaͤnge 13¼ bis 14 Zoll; die Schwanzlaͤnge 43/, bis 5⅛ Zoll. Dies find die Extreme wie fie in beiden Geſchlechtern vorkommen, obgleich auch bei dieſer Art die Maͤnnchen gewöhnlich etwas größer als die Weibchen, find. Vom Gefieder iſt zu bemerken, daß es an der Bruſt und dem Bauche ungewoͤhnlich dick und pelzartig iſt, daß die Fluͤgelſpitze we niger ſchmal und ſchlank, das Ende des Schwanzes zwar bei Alten gerade iſt, bei Jungen aber oft etwas ausgeſchnitten erſcheint, weil die mittelſten Federn ein Wenig kuͤrzer als die aͤußerſten ſind. Die Spitzen der in Ruhe liegenden Flügel kreutzen ſich über dem Schwanz: ende und uͤberragen dies 1½ bis 2 Zoll. Der Schnabel ſieht etwas ſtark oder vielmehr hoch aus; er bil— det der Firſte nach einen ſchoͤnen flachen Bogen, mit etwas (1 Linie) verlaͤngerter Spitze des Oberkiefers; die Unterkinnlade iſt von der Wurzel bis zum Ende der Kielſpalte ziemlich gerade, hier mit unbe: 21° 324 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. deutendem Eck; beide Theile, hinten weniger, nach vorn ſehr zuſam— mengedruͤckt; die Schneiden ſanft gebogen, etwas eingezogen und ſehr ſcharf. Er iſt viel hoͤher und breiter als der der Lachmeve und uͤbertrifft in Beidem auch noch den der Sturmmeve. Der Rachen iſt weit und ſehr tief geſpalten; das Naſenloch, ein 3½ Linien langer Ritz, vorn etwas erweitert und wenig durchſichtig. Die Laͤnge des Schnabels von der Spitze bis zur Stirn iſt bei ver— ſchiedenen Individuen 1 Zoll 4 bis 6 Linien, bis in den Mund: winkel 2 bis 2½ Zoll, feine Höhe an der Stirn 6 bis 7 Linien, die Breite hier 4 bis 5 Linien. Die Farbe des Schnabels iſt nach Alter und Jahreszeit ver— ſchieden, in der Jugend ganz ſchwarzgruͤnlich, inwendig und der Rachen blaß roͤthlich; ſpaͤter gelbgruͤnlich, gegen die Spitze ſeit⸗ waͤrts mit mehr oder weniger Schwarzgrau, Rachen und Zunge blaß pfirfichroth; noch Alter verlieren ſich die ſchwaͤrzlichen Flecke, die gruͤngelbe Farbe wird rein, der Rachen rothgelb; endlich ausge— faͤrbt im Fruͤhjahr iſt er zitronengelb, wurzelwaͤrts kaum etwas ins Gruͤnliche ſpielend, inwendig, nebſt Zunge, Rachen und aͤußern Mundwinkel gluͤhend orangeroth. Im ausgetrockneten Zuſtande wird er bei Erſteren hornſchwarz, bei Letztern hell horngelb. Die Iris der eben nicht großen Augen iſt ſchwarzbraun oder doch ſehr dunkel braun; das Augenlidraͤndchen in der Jugend weiß befiedert, dann nackt une ſchwaͤrzlich, bald gelblich, gelb, endlich, bei Alten im Fruͤhjahr, hoch orangeroth gefaͤrbt. Die Fuͤße ſind, als Mevenfuͤße, klein, ſchwaͤchlich, niedrig; denn die Mittelzeh iſt immer etwas laͤnger als die Fußwurzel; die drei Vorderzehen haben volle Schwimmhaͤute; an der Stelle der Hin— terzeh ſteht eine kleine Warze mit winziger Kralle. Ui⸗ brigens iſt der ſehr weich anzufuͤhlende Uiberzug aͤhnlich wie bei an— Meven geſchildert und genarbt, nur auf dem Spann und den Zehen— ruͤcken etwas groͤber geſchildert; die Krallen ſchmal, flach gebogen, ziemlch ſpitz, mit ſcharfen Raͤndern, der innere an der Mittelzeh be— ſonders vorſtehend. Der nackte Theil des Unterſchenkels uͤber der Ferſe mißt 4 bis 6 Linien; die Fußwurzel oder der Lauf 1¼ bis kaum 1½ Zoll; die Mittelzeh mit der 4 bis 5 Linien langen Kralle, 1 Zoll 10 Linien bis volle 2 Zoll. Die Farbe der Fuͤße iſt in der Jugend matt und truͤbe fleiſch— farbig, an den Gelenken graulich oder ſchwach gruͤnlich; ſpaͤter gelbbraͤunlich, bei alten Fruͤhlings voͤgeln rothbraun, auf der innern Seite etwas gruͤnlich uͤberlaufen. So an friſchen oder leben— bekannt. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.-Meve. 325 den Voͤgeln; an Ausgeſtopften werden ſie ganz unſcheinlich, heller oder dunkler hornfarbig. Die Krallen ſind ſtets ſchwarz. Das Dunenkleid iſt nirgends beſchrieben und auch mir nicht Das Jugendkleid unterſcheidet ſich merklich von allen andern Arten der Mevengattung und hat nur mit dem der Zwergmeve einige Aehnlichkeit. Schnabel und Fuͤße ſind wie oben bemerkt; der Kopf iſt weiß, dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Borſtenfleck— chen, ein braunſchwarzer Fleck auf dem Ohr, von welchem ſich ein dunkler Schatten zu dem der andern Seite uͤber das Genick zieht, wie denn uͤberhaupt am Hinterkopfe von einem tiefer ſitzenden Grau hin und wieder Fleckchen zum Vorſchein kommen; der ganze Hals iſt weiß, auf dem untern Nacken haben die Federn breite braun: ſchwarze Endkanten, welche hier zuſammen einen großen mondfoͤr⸗ migen Fleck bilden; Nuͤcken und Schultern dunkel mevenblau, ſchwarz— braun geſchuppt, weil die Federn ſchwarzbraune Raͤnder an den Spitzen haben; das obere Fluͤgelraͤndchen weiß; laͤngs demſelben in einem breiten Bande vom Handgelenk bis an den Ellenbogen, ſaͤmmtliche kleine Fluͤgeldeckfedern braunſchwarz; einige der naͤchſten mittlern noch mit einigen ſolchen Flecken zunaͤchſt der Spitze, dieſe uͤbrigens wie die großen Deckfedern dunkel mevenblau, bis auf die | hinterſten, welche nebſt den hinterſten Schwingfedern an der Spitze und Innenkaͤnte weiß und auf der Auſſenfahne längs dem Schafte mit einem großen braunſchwarzen Fleck bezeichnet ſind; von den Schwingfedern erſter Ordnung ſind die vier vorderſten von auſſen und an den Enden ſchwarz, am Schafte wurzelwaͤrts und auf der Innenfahne weiß; die folgenden zwei oder drei mit immer kleiner werdenden ſchwarzen Spitzen und ſchwarzen Auſſenkanten, die uͤbri— gen weiß; die der zweiten Ordnung weiß, nach Auſſen mevenblau; der vordere Fluͤgelrand braunſchwarz gefleckt; der Schwanz weiß, die Adußerſte Feder und oft noch die zweite ohne Abzeichen, die übrigen aber mit einem ¼ Zoll langen fchwarzen Ende, eine breite Endbinde bildend; Bruſt, Bauch, Buͤrzel, obere und untere Schwanzdecke rein weiß. Das erſte Herbſtkleid iſt vom vorigen wenig verſchieden; der Schnabel etwas lichter und gruͤnlicher; der Ruͤcken und die Schultern rein mevenblau (etwas dunkel), ohne braunſchwarze Mond— fleckchen an den Federenden; der dunkle Fleck auf dem Ohr, mit ſei⸗ nem undeutlichen Bande auf dem Genick, mehr grau als braun: ſchwarz; alles Uibrige wie im Jugendkleide, weil Fluͤgel- und 326 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. Schwanzfedern bis ins naͤchſte Jahr verbleiben. Im zweiten Fruͤhlinge und Sommer ihres Lebens ſind dieſe Meven, wie andere Arten, immer im langſamen Federwechſel begriffen, ohne daß dadurch bedeutende Veränderungen entſtaͤnden; bloß durch das Ab— bleichen und Verſtoßen der Flügel: und Schwanzfedern wird ihr Ausſehen mehr oder weniger veraͤndert. Im zweiten Herbſt ih— res Lebens iſt die Mauſer vollſtaͤndig; ſie erhalten dann ihr ausge— faͤrbtes Winterkleid und im naͤchſten Fruͤhjahr, dem dritten ihres Lebens, ihr vollkommenes Sommerkleid und ſind dann zeu— gungsfähig.*) In dieſem Winterkleide (nach einem friſch getoͤdteten Vogel) iſt der Schnabel an der vordern Haͤlfte und den Schneiden ſchoͤn ſchwefelgelb, uͤbrigens gelbgruͤn, Rachen, Zunge und Mundwinkel hochroth; die Iris dunkelbraun; das Augenlidraͤndchen ſchwaͤrzlich, ſchon in Roth uͤbergehend; die Fuͤße roͤthlich dunkelbraun, am lichte— ſten vorn am ſogenannten Knie, den Schwimmhaͤuten und der In— nenſeite der innern Zeh, die Spur (Pelma) noch bleicher, nur wenig mit Roth uͤberlaufen; die Krallen ſchwarz. Kopf, Hals, Bruſt, Bauch, Buͤrzel und der Schwanz mit ſeinen Deckfedern ſind blen— dend weiß, auch das Fluͤgelraͤndchen und die Unterfluͤgeldeckfedern; dicht vor dem Auge ſteht ein kleines Fleckchen ſchwarzer Haͤaͤrchen (Federſchaͤfte ohne Baͤrte), auf dem Ohr ein runder dunkelſchiefer— farbiger Fleck; Genick und Nacken ſind ſchwach blaͤulichaſchgrau uͤber— flogen; Ruͤcken, Schultern, Fluͤgeldeckfedern, hintern und mittlern Schwingfedern ſchoͤn mevenblau, etwas dunkler als bei andern Ar— ten; die Schwingen erſter Ordnung ſind hellgrau, nach den Enden zu in Weiß uͤbergehend, die vorderſte mit einem ſchmalen Streife auf dem Rande der ganzen aͤußern Fahne und langer Spitze auf beiden Fahnen von tief ſchwarzer Farbe, die drei folgenden bloß mit ſchwarzer Spitze, die ſtufenweis an Laͤnge abnimmt, die fuͤnfte am ſchwarzen Endfleck noch mit einem weißen Spitzchen, die ſechſte vor dem weißen Ende nur noch mit einem kleinen, ovalen, ſchwarzen Fleck, welcher auch oft fehlt, alle uͤbrigen ſpitzewaͤrts rein weiß, die Schaͤfte weiß, im Schwarzen ſchwarz, im Grauen dunkler grau; 8) Man hat dieſe Periode auch wol noch ein Jahr weiter hinaus geſchoben, auch ein Zwiſchenkleid dazu beſchrieben, das mir aber vorgekommen iſt, als gehöre es noch dem erſten Lebensjahre an. Bei ſo großer individueller Verſchiedenheit des Mauſerns der Meven na Zeit und andern veränderlichen umſtänden, läßt ſich mit apo— dictiſcher Gewißheit aber weder Dieſes noch Jenes behaupten und die Entſcheidung wird künftigen, mit Eifer und in freier Natur fortgeſetzten Forſchungen anheim geſtellt bleiben. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. 327 die Schwingen zweiter Ordnung, beſonders die hinterſten, wie auch die laͤngſten Schulterfedern haben weiße Enden; die Fittichdeckfedern und die Daumenfedern licht blaͤulichaſchgrau, von den Letztern eine oder zwei zuweilen mit einem dreieckigen ſchwarzen Spitzenfleckchen, haufig auch ohne dieſe; der Flügel auf der untern Seite iſt, ſammt allen Schaͤften, ſchneeweiß, nur die aͤußerſte Spitze ſchwarz. Das hochzeitliche oder ausgefaͤrbte Sommerkleid iſt am Schnabel faſt rein zitronengelb, die Spitze ſchwefelgelb, Rachen, Mundwinkel und Augenlidraͤndchen gluͤhend orange- oder hochroth, die Fuͤße dunkelbraunroth, Kopf und Hals ohne alle Flecke; dieſe Theile bis an den Anfang des Rückens, die Bruſt und ganze Unter— ſeite des Vogels, der Buͤrzel, ſaͤmmtliche Schwanzdeckfedern nebſt dem Schwanze ſind weiß, von blendender Reinheit; der Mantel un— gemein zart und ſchoͤn mevenblau; die Fluͤgel wie im Winterkleide. Maͤnnchen und Weibchen ſind in allen Kleidern gleich ge— faͤrbt, nur im Letztern die nackten Theile von einer noch praͤchtigern Faͤrbung bei dem meiſtens etwas groͤßern Maͤnnchen. Das Mevenblau des Mantels iſt bei dieſer Art dunkler oder geſaͤttigter als bei der Sturm- oder Silbermeve, mithin unter den Europaͤiſchen das dunkelſte, zumal am ganz friſchen Gefieder; denn im Laufe des Sommers bleicht es etwas ab und das Gefie— der verliert durch Reibungen etwas von ſeinem ungemein zarten Ausſehen, was ebenſo von dem anderer Arten geſagt werden kann, und nicht allein am Mantel und an den Fluͤgeln, ſondern auch am Weißen bemerklich wird. Die urſpruͤngliche Zartheit des Mevenge— fieders wird auch bald nach dem Tode ſehr auffallend vermindert. Die Mauſer geht ganz in der Ordnung wie bei andern Meven, namentlich der Sturmmeve, vor ſich, und es kommen hinſichtlich der Zeit hier eben ſolche oft kaum zu erklaͤrende Abweichungen vor. In Deutſchland wird keine im eigentlichen Jugendkleide, ſon— dern die meiſten im Uibergange zum erſten Winterkleide (man ſehe Fig. 3. unſrer Kupfertafel), oder auch im vollendeten Win: terkleide, ſelten eine im ausgefaͤrbten Sommerkleide erlegt. eee e e Die Dreizehenmeve gehoͤrt dem hohen Norden beider Welten an, geht im Sommer in Norwegen vom 60. Grad, im obern Schottland vom 56 Grad n. Br. an, bis in die Eisregion des arctiſchen Kreiſes hinauf, bewohnt die Kuͤſten und Inſeln des Eis: * 328 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Oreizeh.⸗Meve. meeres von Europa, Aſien und Amerika in groͤßter Anzahl, ſtreicht im Winter ſuͤdlicher, iſt dann haͤufig an mehrern noͤrdlichen Kuͤſtenſtrichen des europaͤiſchen Feſtlandes und ſtreift im atlantiſchen Ocean ſelbſt bis an die Weſtkuͤſte Afrika's, wo man ſie nament⸗ lich vom Senegal erhielt, iſt aber, ſonderbarer Weiſe, auf unſrer Oſtſee eine ſeltene Erſcheinung und koͤmmt da meiſtens nur einzeln vor. Dagegen iſt ſie im Winter oder zu Anfang des Fruͤhjahrs in den Muͤndungen der Elbe, Weſer und anderer Fluͤſſe einzeln und in großen Schaaren anzutreffen. Auf den Faͤroͤern, auf Island, den Loffoden iſt ſie auch unſaͤglich haͤufig; ſo am weißen Meer und auf Spitzbergen; fo von Kamtſchatka und den Fuchs— inſeln bis uͤber die Behringsſtraße hinaus, ſo in der Baf— fins- und Hudſonsbai, und hier geht fie im Winter ebenfalls ſuͤblich bis auf die großen Seen und in die Mitte der vereinig⸗ ten Staaten von Nordamerika herab, wo fie in manchen Jah— ren noch in Menge geſehen wird. Von den noͤrdlichen Kuͤſten unſeres Erdtheils kommen dieſe Meven, durch widriges Geſchick verſchlagen, oft auch in das Innere der Laͤnder, einzeln ſelbſt bis in die Schweiz und das füdliche Frankreich, jedoch aͤußerſt ſelten bis an die Kuͤſten des mittel: laͤndiſchen Meeres. Heftige und anhaltende Stuͤrme aus Weſten und Norden ſind die wahrſcheinliche Urſache, durch welche ſie von den Kuͤſten und namentlich den Flußmuͤndungen auch ins Innere von Deutſchland kommen, wo ſie dann an den Fluͤſſen entlang immer tiefer ins Land hinein gerathen und beilaͤufig auch an Seen, Teichen und andern Gewaͤſſern herumirren. Weil ſolches nur von Zufaͤlligkeiten abhaͤngt, ſo koͤmmt es natuͤrlich auch nicht regelmaͤßig, nicht jeden Winter vor, und waͤhrend in einer Gegend ein Mal viele geſehen wurden, zeigten ſich in allen andern gar keine; ein anderes Mal zeigten ſich wieder nur einzelne, aber in vielen Gegen— den. Von großen Schaaren in verſchiedenen Jahren und ganz ver— ſchiedenen Gegenden Deutſchlands erzaͤhlen Bechſtein und Meyer (a. a. O.), und ich fuͤge hinzu, daß wir ſie hier in An— halt, zwar nicht in ſolcher großen Anzahl, doch in kleinen Geſell— ſchaften und noch viel oͤfterer einzeln beobachtet und mehrmals er— halten haben. Als ungewoͤhnliche Erſcheinung muͤſſen ſie jedoch hier in Mitten des Feſtlandes immer zu den ſeltnern Voͤgeln ge— zaͤhlt werden. Mehr Strich- als Zugvogel verläßt fie die kaͤltern Regi⸗ onen, ſobald das Eis uͤberhand zu nehmen anfaͤngt und ſucht ihren — — * en en Aa XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. 329 Aufenthalt in mildern oder auf offnem Meer, weit von allem Lande. Aus Island verſchwindet ſie, bis auf Einzelne dort uͤberwinternde, ſchon zu Ende des September und kehrt Anfangs März wieder da— hin zuruͤck. Höher nach dem Pol hinauf geſchieht dieſes einen Mo— nat ſpaͤter, jenes ſo viel fruͤher; tiefer nach Suͤden wandern ſie erſt im October und November aus. In tiefen Buchten und großen Flußmuͤndungen an der deutſchen Nordſee erſchienen ſie gewoͤhn— lich erſt gegen Weihnachten oder im Januar und Februar, mit den Heringen, deren Zuͤgen ſie folgten, und hier geſchieht es am oͤfter— ſten, daß ganze Schaaren durch Stuͤrme tiefer ins Land verſchlagen werden, ſich zerſtreuen und planlos herumirren. Solche tragen faſt alle das Winterkleid oder ein jugendliches Gewand, doch koͤmmt unter vielen zuweilen auch ein Individuum im hochzeit: lichen Prachtkleide vor, in dieſer Zeit eine Abweichung von der Regel, welche jedoch unter Meven nichts Seltnes iſt; ebenſo haben wir am öten März noch eins im reinen Winterkleide (ohne Spur einer angefangenen Fruͤhlingsmauſer) erhalten. Sehr ſelten verweilen ſolche Verirrte ſo lange im mittlern Deutſchland, wie einſt ein alter Vogel dieſer Art, im ausgefaͤrbten Pracht— kleide, welchen wir im Anfange des April am ſalzigen See im Mansfeldiſchen erhielten. Auch haben wir an dieſem See zu: weilen ſchon Anfangs November einzelne junge Voͤgel bemerkt. Eine merkwuͤrdige Erſcheinung iſt, daß viele dieſer Meven, welche ſich bis zu uns verirrten, ermattet oder todt aufgefunden wurden. Sie waren ſaͤmmtlich, auch die noch lebenden, in einem abgemagerten Zuſtande, in welchen ſie nur durch Mangel an Nah— rung, aber nicht durch die Kaͤlte — wie man fruͤher wol waͤhnte — verſetzt wurden; denn wir fanden oft in gelinden Wintern, nament— lich im Februar und Maͤrz des Jahres 1835, todte Meven dieſer Art auf den Feldern, ſelbſt in der Naͤhe großer Fluͤſſe, wo damals das Reaum. Thermometer bei uns Wochen lang nicht unter den Gefrierpunkt ſank und jene ganz und ſelbſt ſtehende Gewaͤſſer theil— weis frei vom Eiſe waren. Magen und Schlund ſolcher Aufgefun— denen waren ſtets ganz leer, auch bei denen welche man noch lebend antraf und durch den Schuß erlegte. Die Dreizehenmeve iſt ganz Seevogel; nur das ſalzige Meer: waſſer ſagt ihr zu. Nicht allein an der Kuͤſte oder bei Inſeln und Klippen trifft man ſie an, ſondern zu manchen Zeiten auch viele Meilen vom Lande, mitten auf offnem Meere. Obgleich ſie auch hin und wieder in tief in das Land einſchneidenden Meeresbuchten 330 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292, Dreizeh.⸗Meve. wohnt, ſo lebt doch die Mehrzahl an brauſender offner See; nicht an ſtillem niedrigen Strande, ſondern an hohem felſigen Geſtade, in der Naͤhe ſchroffer Klippen, hoher Felſeninſeln und vom Meer umſpuͤlter Scheeren, an denen die See in tobenden Brandungen aufſteigt oder doch immer in wilder Bewegung iſt. Sie lebt am liebſten an ſchauerlich barocken, von Menſchen wenig beſuchten, zum Theil unzugaͤnglichen Orten. Ihre Streifzuͤge von dieſen wuͤſten Wohnſitzen gehen alle ſeeeinwaͤrts oder laͤngs der Kuͤſte hin, nie landeinwaͤrts; weil ſie in geſundem Zuſtande allen menſchlichen An— bau flieht, auf dem Trocknen nichts zu ſuchen hat und ſich auf Feldern, Aeckern oder Wieſen freiwillig nie niederlaͤßt. Sie ermat— tet wo ſie gezwungen iſt weit uͤber Land zu reiſen. Wie ſehr ſie ſich hierin von der Sturm- und Lach-Meve unterſcheidet, wird ein vergleichender Ruͤckblick auf die im Vorhergehenden gegebenen Beſchreibungen der Geſchichte dieſer deutlich genug darlegen. Suͤße ſtehende Gewaͤſſer ſagen ihr ſo wenig zu, daß ſie nur hoͤchſt ſelten und voruͤbergehend an ihnen erſcheint, wenn ſie auch in naͤchſter Nachbarſchaft des Meeres liegen. Auf vielen groͤßern Fel— ſeninſeln vorkommende ſuͤße Teiche beſucht ſie, vom nahen Wohn— orte aus, wol oͤfter, doch nur des Badens wegen, weil gewoͤhnlich die Brandung es im Meerwaſſer dort verbietet. So gern ſie ſich zu manchen Zeiten vor weiten Flußmuͤndungen aufhaͤlt, ſo wenig liebt ſie das eigentliche Flußwaſſer, wie denn uͤberhaupt von allen Gewaͤſſern die mit Baͤumen, Buſchwerk oder Rohr beſetzten ihr am meiſten zuwider ſind. Die zu uns Verirrten ſtreichen freilich durch aller— Gegenden, uͤber Wieſen und Feldern herum, laſſen ſich auf allerlei Gewaͤſſern, auf Feldteichen und vom weggethaueten Schnee entſtan— denen Feldlachen nieder, finden aber dabei, wie ſchon erwaͤhnt, ihre Rechnung ſo wenig, daß ſie endlich umkommen muͤſſen. Man ſieht dieſe Meven, um auszuruhen, kaum jemals ſich auf flachen Strand, ſondern wo dieſer iſt, lieber auf das Waſſer nieder— laſſen; dagegen in dieſer Abſicht ſich oft in Schaaren auf nackten Klippen oder auf den Abſaͤtzen hoher, jaͤher Felswaͤnde lagern, ſo am Tage zuweilen ausruhen und an ſolchen Orten gewoͤhnlich auch uͤbernachten. Beides thun ſie auch, wenn ſie zu weit vom Lande entfernt ſind, auf offnem Meer auf Eisſchollen oder ganz ſchwim— mend, wie zu uns Verſchlagene auf dem ſtillen Waſſerſpiegel in der Mitte der Gewaͤſſer, ebenfalls ſchwimmend, zu ſchlafen pflegen. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Oreizeh.-Meve. 331 Eigenſchaften. Auch die Dreizehenmeve iſt im ausgefaͤrbten Prachtkleide, zumal lebend, ein gar herrliches Geſchoͤpf, unvergleichlich die Nein: heit des blendendſten Weiß ihres zarten Gefieders, worauf das un— gewöhnlich ſtaͤrkere Mevenblau des Mantels, dann wieder das tiefe Schwarz der Fluͤgelſpitze vortrefflich abſtechen, waͤhrend das hohe Gelb des Schnabels, das gluͤhende Roth der Mundwinkel und des Augenlidraͤndchens, als Umgebung des ſehr dunkeln Auges, das Ganze praͤchtig heben; Alles zwar einfach, aber in hoͤchſter Sauber— keit gehalten, erregt Staunen und Bewunderung im Beſchauer. Leider geht von dieſer hohen Schoͤnheit im Tode ebenfalls unend— lich viel verloren. Fremder Schmutz verdirbt dies ungemein zarte Gefieder ſo ſehr, daß es keine menſchliche Kunſt wieder in den fruͤ— hern Zuſtand, in dem es beim lebenden Vogel war, zuruͤckzubrin— gen vermag. Ihre Stellung im Stehen iſt, wie bei andern Meven, wage— recht, den Hals mehr eingezogen als gedehnt, die Fuͤße weit vorge— zogen und in den Ferſen nicht gebogen, die Fluͤgel vorn unter den Tragfedern, hinten erſt uͤber dem Schwanzende gekreuzt u. ſ. w., aber ihre niedrigern Fuͤße und das dickere Ausſehen des Kopfes und Halſes unterſcheiden ſie ſchon in weiter Ferne von denen aͤhnlicher Groͤße. Daß ſie nicht gern auf niedrigen, flachen Boden ſitzt, iſt ſchon erwähnt; auf offnem Meer im Norden ſttzt fie jedoch häufig, nicht ſelten ganze Schaaren, auf großen treibenden Eisſchollen. Sie geht ſchlecht und ſehr ſelten, trippelt dann nur wenige Schritte fort, ſchwimmt aber deſto beſſer, ziemlich oft und auch an— haltend, verſteht es, ſich auf einer Stelle zu erhalten oder auch nach Belieben weit fortzurudern, ſelbſt bei ziemlichem Wellengange. Ihr Flug iſt leicht, ſanft, voll zierlicher und raſch ausgefuͤhrter Wendungen, ſehr anhaltend, bald in langſamern, bald in ſchnellern Fluͤgelſchwingungen, bald auch ganz ſchwebend oder ſchwimmend und kreiſend, gewoͤhnlich etwas langſam, zumal wenn ſie niedrig uͤber dem Waſſer hinſtreicht, aber auch in raſchen Bewegungen und ſchneller (faſt wie Tauben- oder Dohlenflug) hoch durch die Luft und gerade aus, wenn fie ein Stuͤck Land uͤberfliegt, oder über: haupt ihren Aufenthalt in eine andere Gegend und weit weg verle: gen will. Sie iſt von viel ſanfterer Gemuͤthsart, ſtiller und gemuͤthlicher als viele andere Mevenarten, auſſerordentlich geſellig gegen ihres 332 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.-Meve. Gleichen, daher ſelten einſam, faſt immer in kleinern oder groͤßern Geſellſchaften, ja oft zu vielen Tauſenden beiſammen, lebt auch, einzelne Falle abgerechnet, vertraͤglich mit ihnen und auch mit an⸗ derartigen ihr nahe wohnenden Seevoͤgeln. Entſpinnt ſich ja ein⸗ mal ein Zank zwiſchen Zweien, ſo iſt er doch weiter nichts als ein augenblickliches Aufbrauſen und ſehr bald voruͤber. Nur an den Niſtplaͤtzen giebt es oͤfter laͤnger dauernde und heftigere Zaͤnkereien. — In ihrer Heimath fuͤrchtet ſie den Menſchen wenig; in fremden Gegenden, wenn ſie z. B. zu uns koͤmmt und nicht etwa ſchon krank iſt, zeigt ſie ſich dagegen mißtrauiſcher und vorſichtiger, doch lange nicht ſo ſcheu als viele andere Arten und bleibt immer eine der zutraulichſten. Von der Vereinzelten hoͤrt man ſelten eine Stimme, allenfalls bisweilen ein einzelnes, heiſeres Dack, doch auch dieſes kaum anders als wenn mehrere beiſammen find. Auſſer der Fortpflanzungszeit gehoͤren dieſe Meven zu den ſtillſten und ſelbſt Verirrte geben aͤu— ßerſt ſelten einen Laut von ſich. Etwas hoͤrbaͤrer werden ſie aber ſchon bei ihren Fiſchereien, hauptſaͤchlich wenn ihrer ſehr viele bei— ſammen ſind. Dies haͤlt jedoch nicht den entfernteſten Vergleich aus, gegen das ununterbrochene, entſetzliche Schreien an den Bruͤ— teorten, wo tauſend und aber tauſend Kehlen fortwaͤhrend wetteifern, einander zu uͤberſchreien. Zum Ekel haͤufig wird, neben jenem oft wiederholten Dack dack, ihr klaͤgliches Kaͤkedaͤi vernommen; ſelbſt wenn ſie zum Neſtbau Erde im Schnabel haben, unterlaſſen ſie das Schreien nicht, wo es denn natuͤrlich dumpfer und oft ganz anders klingt, uͤberhaupt auch ſonſt in den mannichfaltigſten Modulationen vorkoͤmmt. Auſſerdem haben ſie noch, doch bloß am Bruͤteorte, eine Stimme, welche bald mit dem Schreien eines weinenden kleinen Kindes, bald mit den Toͤnen einer Kindertrompete verglichen wird und quaͤkend wie Haͤh, had, hiaͤh und huͤiaͤh (allo doch auch entfernt kraͤhenartig) klingt und den Laͤrm auf die unangenehmſte Weiſe vermehren hilft. Boie, Faber, Graba, alles hoͤchſtacht— bare und glaubwuͤrdige Beobachter, der erſte in den Vogelbergen des obern Norwegens, der andere bei und auf Island, der dritte auf den Faͤroͤern, geben einſtimmig die Verſicherung, daß der unbeſchreibliche Laͤrm an mit Myriaden dieſer Meven beſetzten Bruͤteorten wahrhaft betaͤubend zu nennen ſei, und des Nachts faſt eben ſo wie am Tage fortdauere. Sie ſoll ſich leicht an die Gefangenſchaft gewoͤhnen laſſen und als ſtiller, ruhiger Vogel bald zahm werden. — En XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. 333 Nahrung. Die dreizehige Meve ſcheint faſt allein von Fiſchen zu leben und zwar vorzuͤglich von kleinen, die ſie ganz verſchlingen kann. In ihrer Art und Weiſe ſich zu naͤhren hat ſie viel Aehnlich— keit mit den Meerſchwalben. Langſam, bedaͤchtig und ſpaͤhend fliegt ſie in geringer Hoͤhe uͤber dem Waſſer und ſtuͤrzt ſich, wie dieſe, 1 nach den der Oberflaͤche ſich naͤhernden kleinen Fiſchen, auf und zum Theil unter dieſelbe, oder faͤhrt in einem unterwaͤrts gerichteten Bogen durch die Wellenſpitzen, fiſcht jedoch viel lieber im ſeichten Waſſer an ſtillen Plaͤtzen, als in zu hoch wogendem, und ſtreift oft Meilen weit vom eigentlichen Wohnorte weg, nach ſolchen und laͤngs der Kuͤſte hin. Doch halten ſich auch viele und große Schaaren, beſonders junger, noch nicht bruͤtefaͤhiger Voͤgel, gegen die Gewohn— heit vieler andern Meven, auf offnem Meer in großer Entfernung von allem Lande auf und naͤhren ſich dort vom Fange kleiner Fiſche welche Seehunde und große Raubfiſche in Menge aus der Tiefe des Meeres gegen die Oberflaͤche aufſcheuchen und folgen ſo den Wanderzuͤgen jener. Dadurch zeigen die Meven den Fiſchern und Robbenſchlaͤgern gewoͤhnlich die Ankunft jener beim Lande an, ehe ſie noch ſolche vermutheten. Sie folgt vorzuͤglich den großen Zuͤgen der zur Gattung Hering (Clupea) gehoͤrigen Fiſche und koͤmmt mit den Zuͤgen der gewoͤhnlichen Heringe, im Januar und Februar an die norddeutſche Kuͤſte, namentlich in groͤßter Anzahl vor die Muͤndung der Elbe, wo ſie faſt von nichts anderm als jungen He— ringen lebt und ſie bis zu einer Hand Laͤnge verſchlingt. Sie geht nie ins Land oder aufs Trockne um Wuͤrmer oder Inſekten aufzuſuchen, ſcheint uͤberhaupt auch Abgaͤnge von warm— bluͤtigen Thieren ganz zu verſchmaͤhen, daher, wo ihr die Fiſchnah— rung fehlt, in Noth zu gerathen. Obgleich ſie an Freßgier den an— dern Mevenarten wenig nachgiebt, oft und viel auf einmal frißt, ſo mag ſie ihnen doch im Ertragen des Mangels nachſtehen und Hunger nicht lange aushalten koͤnnen. Naͤhm ſie, wie die meiſten uͤbrigen Mevenarten, im Nothfall mit Abfaͤllen aus andern Thier— klaſſen fuͤrlieb, fo würden die im Winter in das Innere der Laͤnder, namentlich bis zu uns, Verſchlagenen nicht ſtets mit leerem Magen gefunden werden und nicht, wie gewoͤhnlich die Mehrzahl ſolcher, den Hungertod ſterben muͤſſen. Vergleicht man ihre Lebensart mit der der kein animaliſches Lebensmittel verſchmaͤhenden Sturm— meve, die nicht ſo hohen Breitengraden angehoͤrt, die Kaͤlte unſrer 334 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. Winter aber ſehr gut vertraͤgt, weil ſie ſich dabei auch nothduͤrftig zu naͤhren verſteht, ſo bleibt kein Zweifel, daß die im Winter bei uns vorkommenden dreizehigen Meven allein Nahrungsmangel, aber nicht die Kaͤlte aufreibt, weil dann bei uns die Fiſche, ihre einzige Nahrung, wenn gleich die Gewaͤſſer nicht mit Eis bedeckt ſind, ſich verſteckt und viel zu ſehr in der Tiefe aufhalten. In der Gefangenſchaft ſoll ſie ſich jedoch, wenn man ſie nicht hinlaͤnglich mit Fiſchen verſorgen kann, an kleingeſchnittene Ge— daͤrme und kleine Fleiſchbiſſen, ſogar an Stuͤckchen Brodt gewoͤhnen laſſen. Ein nothwendiges Beduͤrfniß iſt ſolchen recht viel und oͤfter friſches Waſſer, weil fie ſich, gleich andern Meven, ſehr oft zu ba— den pflegen. 5 Fortpflanzung. Die Farninſeln (55 und 56° n. Br.) an der Kuͤſte von Northumberland ſind vielleicht einer der ſuͤdlichſten Bruͤteplaͤtze der Dreizehenmeve; denn an der von Norwegen lebt ſie, waͤhrend der Bruͤtezeit, nicht tiefer als 60 Grad. Ihre haͤufigern und weit zahlreicher beſetzten Bruͤteorte liegen dem Nordpol viel naͤher, man ſagt auf Spitzbergen fogar bis gegen den 80. Grad. In unge, heuern Maſſen, Bienenſchwaͤrmen aͤhnlich, pflanzt ſie ſich an den Vogelbergen auf den Faͤroͤern, an denen von Island, beſonders nach Norden zu und namentlich auf der kleinen Inſel Grimsoͤe, in allergroͤßter Anzahl fort, ebenſo und in Myriaden in vielen Ge— genden des obern Norwegens, auf den Loffoden und vielen andern Kuͤſten und Inſeln des Eismeeres. Sie niſtet nie einſam oder in einzelnen Paaren, ſondern ſtets in Geſellſchaften vereint, und zwar ſelten in kleinen Vereinen; ge— woͤhnlich ſind es Tauſende, ja Hunderttauſende, welche an den Niſt— orten eine einzige Schaar bilden, ja hier meiſtens noch mit Myria— den anderer Seevoͤgel den gemeinſchaftlichen Bruͤteplatz theilen. Ihre Bruͤteplaͤtze ſind ſenkrecht aus dem Meere aufſteigende Felswaͤnde, von mehrere 100 ja bis 1000 Fuß Hoͤhe uͤber dem Spiegel der See, deren Flaͤche gegen das Meer und gegen die in der Gegend herrſchenden Winde gerichtet iſt. Auf den Fäardern, wo Weſtwinde die herrſchenden find, ſtehen z. B. nach Graba (. d. Reiſe nach Faͤroͤ, S. 101.) alle Vogelberge, deren es wol 25 dort giebt, nur nach Weſten und Nordweſten gegen das Meer, nicht einer nach Oſten u. ſ. w. Auf den Vorſpruͤngen oder Hammern XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292, Dreizeh.⸗Meve. 335 dieſer gigantiſchen Felsmauern bauet die zahlloſe Menge ihre Neſter. Die Felſen erſcheinen von der Menge der an ihnen gelagerten Me— ven dieſer Art in der Ferne ganz weiß und werden es in der Folge, ſammt den in den Spalten wachſenden Loͤffelkraut, bald wirklich vom Kothe der Voͤgel, die, wenn fie auffliegen, die Sonne verduns keln und mit ihrem Geſchrei die Sinne betaͤuben. Boie erzaͤhlt ( d. Reife in Norwegen, S. 197.), daß er an ſolchen hohen und 1 zugleich ſehr breiten Felswaͤnden von der Höhe, wo er aus dem Boote die unterſten Neſter mit der Hand erreichen konnte, in enor: mer Ausdehnung in der Breite, Neſt bei Neſt, Vogel bei Vogel ſahe, bis zu einer Hoͤhe hinauf, wo das Auge kaum noch die ein— zeln Vögel unterſcheiden konnte. Alle Vorſpruͤnge und jedes Ab» ſaͤtzchen ſolcher Felſenmauer iſt mit Neſtern und Voͤgeln beſetzt, mit mehrern, groͤßern oder kleinern Gruppen oder einzelnen, je nachdem es das Plaͤtzchen erlaubt, da kaum 4 Geviert-Fuß fuͤr ein Neſt er⸗ forderlich ſind. — Gewöhnlich ſchließen ſich auch Lummen, Alken und andere Seevoͤgel, auf beſondern Plaͤtzen vereint, dieſen Meven an; manche Berge zeigen dann ein Leben und Treiben, das den Menſchen mit Staunen und Bewunderung erfüllt. Ganz oben, wo der Felſen mit Erde bedeckt und mit Gras bewachſen iſt, haben an manchen Orten Mantelmeven, dann Silbermeven, an andern Puffins oder Larventaucher ihre Niſtplaͤtze; dann koͤmmt die Region der Lummen und Alken; dann die unſrer dreizehigen Meven, die bis tief herab reicht, wo ſich die der Teiſten und Schar: ben anſchließt; zu allerunterſt, faſt im Bereich der Brandung ſitzen die nicht bruͤtefaͤhigen Lummen, Alken u. a. Die ein: und zweijährigen nicht bruͤtefaͤhigen Vögel dieſer Me: venart ſind, waͤhrend die alten Voͤgel an den Bruͤteplaͤtzen den Fortpflanzungsgeſchaͤften obliegen, gewoͤhnlich an ganz andern Orten auf Felſen gelagert, in ſolchen Schaaren, daß jene wie mit Schnee bedeckt ausſehen, oder ſie treiben ſich in großen Schwaͤrmen auf offnem Meere herum, wo ſie von Seefahrenden oͤfters bei 30 bis 70 Meilen von allem Lande entfernt angetroffen wurden. Nur alte Voͤgel im reinſten Hochzeitskleide, darunter ſehr ſelten Einzelne mit noch vorhandenen Reſten des Winterkleides, verſammeln ſich gegen Anfang des Mai an den Bruͤteorten und gegen Ende dieſes Monats fangen ſie an ihre vorjaͤhrigen Neſter auszubeſſern oder neue zu bauen. Gepaart haben ſich die Paͤaͤrchen ſchon fruͤher und die Gatten ſitzen jetzt in den lieblichſten Stellun⸗ gen, ſich liebkoſend und oft wie Tauben ſchnaͤbelnd und zaͤrtlich 336 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. dazu girrend, neben oder auf den Neſtern. Unbeſchreiblich iſt das Gewimmel, Gewirr und Geſchrei der ab- und zufliegenden Vogel zwiſchen dem Niſtplatz und ſolchen, wo fie viele Baumaterialien bei: ſammen finden; wie ſchwaͤrmende Bienen erfuͤllen ſie auf ſolchen Strichen die Luft, und in froͤhlichſter Regſamkeit ſind beide Gatten gleich thaͤtig, daher bald mit dem Neſtbau fertig. Das große Neſt hat faſt gleichen Umfang mit dem der Silbermeve und iſt zu— weilen auch gegen 1 Fuß hoch, von Tang (Fucus) und Meergras (Zostera marina), welche die Wellen auswarfen oder noch auf dem Waſſer ſchwammen, mit Erde vermiſcht, die ſie von gewiſſen Plaͤtzen ebenfalls im Schnabel herbeitragen, kunſtlos aufgebauet, im Innern oft noch mit duͤrren oder halbabgeſtorbenen Grasſtoͤckchen ausgelegt; ſpaͤter wird es aber vom Koth der Jungen u. dergl., ein dichter ſchmutziger Klumpen und oben ganz flach gedruͤckt. Die Zeit des Eierlegens iſt gewoͤhnlich das Ende des Maies und die erſten beiden Wochen des Juni, wenn ihnen an zugaͤng⸗ lichen Orten nicht etwa die Eier ein oder mehrere Male genommen wurden, wo ſie dann wiederholt neue Gelege machen, bis uͤber die Mitte des Juni hinaus. Ein Neſt enthaͤlt in der Regel 3 Eier, auch wol nur 2, viel ſeltner 4. Da an ihren Bruͤteplaͤtzen ein gro: ßer Wirrwarr herrſcht, worin gewiß öfter die Neſter von den Vo: geln verwechſelt werden, fo iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß 4 in einem Neſte gefundene Eier von zwei Weibchen hineingelegt wur— den. — Sie gleichen in der Groͤße vollkommen Haushuͤhnereiern und zwar nicht den kleinern unter dieſen, find überhaupt die größe ſten unter denen der im Vorhergehenden beſchriebenen Mevenarten, wenigſtens dicker als die der Sturmmeve, und an dieſer kurzen Geftalt leicht von allen andern Meveneiern zu unterſcheiden, auch von denen der Sterna caspia, welchen ſie an Farbe ſehr aͤhnlich, uͤbrigens aber kleiner ſind. Ihre Laͤnge wechſelt zwiſchen 2 Zoll 3 Linien bis 2 Zoll 5 Linien, die Breite zwiſchen 1 Zoll 7 Linien bis 1 Zoll 9 Linien), und die ſtaͤrkſte Bauchwoͤlbung liegt gewoͤhn⸗ lich der Mitte ſehr nahe, wobei das dicke Ende ſehr abgerundet, das entgegengeſetzte meiſtens ziemlich ſpitz zugerundet iſt. Ihre ſtarke, doch nicht ſehr haltbare Schale iſt von grobem Korn, voll ſichtbarer Poren und ohne Glanz. Ihre Grundfarbe (an ausgeblaſenen) ſpielt ) In Thienemann's Eierwerk, V. S. 20,, iſt das Längenmaaß von I Zoll 94 Lin, (gegen die Breite von 1 Z. 5—6 Lin.) wol zu gering angegeben? XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.-Meve. 337 faſt gar nicht ins Gruͤnliche; ſie iſt ein ſchmutziges Roſtgelblichweiß, bei manchen etwas ins Roſtröthliche oder Roſtbraͤunliche (doch ganz ſchwach) ziehend, die Mehrzahl blaß graugelblih. Ihre Zeichnung ſind zerſtreuete, nicht ſehr zahlreiche Flecke, Tuͤpfel und Punkte, welche tief in der Schale hellaſchgrau, weniger tief violettgrau, oben auf dunkelbraun ausſehen. Dieſe aͤußern Flecke ziehen bei manchen ins roͤthliche Dunkelbraun, bei andern ins Schwarzbraune, find mei— ſtens rundlich, nicht ſehr groß, nicht haͤufig, uͤber die ganze Flaͤche geſtreuet, oder auch am ſtumpfen Ende haͤufiger, groͤßer, auch wol mehrere zuſammengefloſſen, aber ohne einen wirklichen Fleckenkranz zu bilden, was jedoch die aſchgrauen Schalenflecke zuweilen thun. Es giebt daher eine große Verſchiedenheit, doch lange nicht ſo arg, als bei vielen andern Meven, und kenntlich bleiben dieſe Eier immer. Wahrſcheinlich ſpielen dieſe Eier nur im friſchen Zuſtande und mit ihrem Inhalt verſehen ins Gruͤnliche; denn ſo nennen ſie Thie— nemann, Faber und Boie, von welchen ich ſie, natuͤrlich bloß ausgeblaſene, mehrfach erhielt und viele in andern Sammlungen ſahe, ohne bei einem einzigen auch die ſchwaͤchſte Spur eines gruͤn— lichen Scheines entdeckt zu haben. — Boie (ſ. Wiedemann's zool. Magaz. I. 3. S. 130.) nennt ihre Grundfarbe ſchmutzig gruͤn— lich; Faber (ſ. d. Prodrom. S. 90.) ſagt, daß ſie vom Gelbgrau mit braunen Flecken bis zum ganz ungefleckten Blaßgruͤn variiren; Thienemann (a. a. O.) nennt ſie ebenfalls gruͤnlich u. ſ. w. Die gruͤnliche Faͤrbung muß alſo von ſehr ſchlechter Dauer ſein. Gerade daß allen denen, die ich beſitze und zu ſehen Gelegenheit hatte (eine ſehr bedeutende Anzahl), alles Gruͤnliche fehlte, macht ſie denen der großen Meerſchwalben aͤhnlich und in den Sammlungen ſehr kenntlich. Die Eier der Schmarotzer-Raubmeve, denen ſie in der Groͤße und den Flecken aͤhneln, ſind viel zu gruͤn und haben auch ein viel zu feines Korn, als daß ſie mit ihnen zu verwechſeln waͤren. Maͤnnchen und Weibchen bruͤten abwechſelnd, etwa 3 Wochen, und haben drei bis vier Bruͤteflecke, einen quer über den Bauch. An jedem großen Niſtplatze giebt es viele uͤberzaͤhlige Alte, welche keine eigene Neſter und Eier haben, ohne daß man die Urſache die— ſes Mangels zu erklaͤren weiß, wenigſtens ſcheint die Meinung nicht haltbar, daß ſie bloß als Reſerve da waͤren, die verungluͤckten Alten zu erſetzen und deren hinterlaſſene Eier auszubruͤten, obgleich erwie— ſen iſt, daß fie dies wirklich thun, und daß dies nicht bloß bei die- 10r Theil. 22 338 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. ſen Meven, ſondern bei allen in ſo unermeßlichen Schaaren beiſam⸗ men niſtenden Seevögeln auch der Fall und bekannt genug iſt. Faber fing auf demſelben Neſte Männchen und Weibchen nacheins ander von den Eiern weg, und dennoch wurden dieſelben Eier von einem andern Mevenpaͤaͤrchen ebenſo richtig ausgebruͤtet und die Jungen aufgefuͤttert, als wenn fie leiblich die ſeinigen geweſen waͤ⸗— ren. Bei Mormon, Mergulus, Uria u. a. fand er wiederholt daſſelbe. Im Anfange des Juli hoͤrt man an den Vogelbergen und den Niſtvereinen dieſer Meven die kleinen Jungen in den Neftrrn pie— pen; die Alten tragen ihnen fleißig Futter in der Speiſeroͤhre zu und wuͤrgen es vor ihnen aus, wobei ebenfalls von beiden Seiten viel geſchrieen wird, zumal wenn die Jungen groͤßer werden. Von jetzt an iſt der Laͤrm in einer ſolchen Kolonie am ſtaͤrkſten, weil ihn ein fortwaͤhrendes kreiſchendes Pfeifen der beſtaͤndig Futter verlan— genden Jungen und dieſes noch mehr beim Futtern ſelbſt, verdop— pelt, waͤhrend auch die Alten um dieſe Zeit noch viel mehr zu ſchreien haben, beſonders aus zaͤrtlicher Beſorgniß fuͤr jene und wenn ihnen eine Gefahr nahet. Dies dauert bis um die Mitte des Au— guſt, wo dieſe nach und nach fluͤgge werden, mit den Alten die Bruͤteplaͤtze verlaſſen und ſich auf offnem Meer auch bald von die— ſen trennen und in eigene Schaaren zuſammenſchlagen. Jene, drei Monate hindurch, ſo aͤußerſt lebhafte Tummelplaͤtze ſind nun, wenn auch die zufaͤllig verſpaͤteten Bruten abgeflogen, wieder voͤllig ver— oͤdet, bis zum naͤchſten Fruͤhjahr, wo die Alten ihre Niſtplaͤtze wie— der fo beziehen, wie in jedem Frühjahr und wie es ſich ſchon ſeit Jahrhunderten an denſelben Plaͤtzen alljaͤhrlich wiederholte. F e i n d es Dem Seeadler und dem Jagdfalken muͤſſen ſie oft zur Beute dienen. Es giebt Felſen, deren Waͤnde von Myriaden dieſer und andrer Seevoͤgel beſetzt ſind, auf deſſen Gipfel, zu alleroberſt, auch der Seeadler in ſeinem Horſte thront, damit er ſeine Beute recht in der Naͤhe habe, die, trotz dieſer gefaͤhrlichen Nachbarſchaft, doch alle Jahr wieder von den Tauſenden jener bezogen werden. — Die große Raudbmeve (Lestris cataractes) ſtiehlt ihnen zuweilen wol auch Eier oder Junge, uͤberfaͤllt aber noch oͤfter die ausgeflo— genen auf dem Meer, fogar alte, verſetzt ihnen Schnabelhiebe auf den Kopf, toͤdtet und verzehrt ſie. Die kleinern Raubmeven — —— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292. Dreizeh.⸗Meve. 339 jagen ihnen die gefangenen Fiſche ab und ſind ihnen daher eine nicht geringe Plage. In ihrem Gefieder beherbergen fie viele ſogenannte Vogellaͤuſe, namentlich Philopterus melanocephalus. Nitzsch. ann Die dreizehige Meve gehoͤrt unter die weniger ſcheuen ihrer Gattung und iſt daher auch leichter zu ſchießen. An den großen Bruͤteplaͤtzen iſt fie fo furchtlos, daß fie dort zum Theil mit Stoͤk— ken erſchlagen werden kann, wo es keine beſondere Geſchicklichkeit erfordert, mit einem Schuß unter die Sitzenden mehr als ein Du— tzend niederzuſtrecken. Der erſte Schuß an ſo einem Vogelberge ſchreckt die nicht getroffenen Voͤgel faſt alle auf; ſie beruhigen ſich aber bald wieder und ein zweiter wirkt ſchon weit weniger ſchreckhaft; nach mehreren Schuͤſſen fliegen kaum noch die naͤchſten auf. Auch die noch nicht bruͤtefaͤhigen Dreizehenmeven, welche oft in großen Schaaren, dicht aneinander gedraͤngt, ſich auf einzelnen Felſen gelagert haben und dieſe faſt ganz bedecken, laſſen ſich nicht ſchwer zum Schuß ankommen, ſo daß man 20 und noch mehr ſol— cher Voͤgel auf einen Schuß erlegt hat. An Orten, wo ſie ſelten geſehen werden oder ſich fremd fuͤhlen, ſind ſie viel vorſichtiger, zu— mal Einzelne. Auf dem Neſte ſind die Alten leicht in Schlingen zu fangen. Auch ſoll man ſie hin und wieder an Angelhaken, mit einem klei— nen Fiſche bekoͤdert, fangen. e ee Ihr Fleiſch wird nur von einigen hochnordiſchen Voͤlkern gegeſ— ſen, ſonſt wenig geachtet, obgleich es zu manchen Zeiten recht fett iſt. Die Eier werden dagegen allgemein ſehr ſchmackhaft gefunden, in großer Menge verſpeiſt und deshalb, um zu ihnen zu gelangen, die Felſen ſo weit wie moͤglich und mit groͤßter Lebensgefahr er— klettert, theils von unten auf, theils und oͤfter an einem, oben von einigen Perſonen gehaltenen Seile, aus der Hoͤhe herab, nach der in den Vogelbergen des hohen Nordens bekannten, oft und neuerlich von Graba in deſſen Reife nach Faͤroͤ, S. III. u. f. ſehr anzie⸗ hend beſchriebene uWeiſe. Aus den haltbaren Haͤuten mit den Federn werden im hohen 22 * 340 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 292, Dreizeh.⸗Meve. Norden warme Kleidungsſtuͤcke verfertigt, ſo wie die Federn hin und wieder zum Ausſtopfen der Betten oder weicher Polſter benutzt. Den Voͤlkern der arctiſchen Zone, welche faſt ausſchließlich nur von dem leben, was ihnen die See giebt, werden dieſe und andere Meven noch dadurch nuͤtzlich, daß fie ihnen, auf fihon erwähnte Weiſe, Anzeige von der Ankunft großer Zuͤge von Robben oder großen Raubfiſchen beim Lande oder den Fiſchereiplaͤtzen machen. Schaden. Obgleich die Myriaden dieſer Meven in den nordiſchen Meeren eine ungeheuere Menge kleiner Fiſche vertilgen moͤgen, ſo denkt dort doch Niemand daran, daß ſie dadurch den Menſchen Nachtheil braͤchten. 293. Die Elfenbein : Meve, Larus ebur neus. mel. Linn. N Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. Taf. 263. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Erſtes Herbſtkleid oder Uibergang dazu. Weiße —, kleine weiße —, ſchneeweiße nordiſche Meve; Schnee⸗ meve; der Rathsherr. Larus eburneus. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 596. n. 14. - Lath. Iad. II. p. 816. n. 10. = Nilsson, Orn. suec. II. p. 171. n. 217. = Larus niveus. Martens, Reiſe n. Spitzbergen, S. 77. tab. L. fig. A. = Phipps, Reiſe nach dem Nordpol. S. 187. - Olaffens, Reife S. 709. = Hammer's, Faun. Norweg. n. 163. = Lurus candidus. Fabr. Faun. Groen. p. 103. u. 67. La Moueile blanche. Buff. Ois. VIII. p. 422. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 172. ld. pl. enl. 994, = Mouette blanche ou Senaleur, Temm, Man. 2de Edit. II. p. 769. — Ivory-Gull, Lath. Syn. VI. p. 377. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 332. u. 7. — Penn. Aret. Zool. II. n. 457. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 491. n. 374. = Meyer, Zuſätze z. Taſchenb. (III.) S. 200. - Brebm, Lebrb. d. europ. Orn. II. S. 703. == Deſſen, Naturgeſch, aller Vög. Deutſchlds. S. 765 — 766. enz eiche cut cut 7 Die vierzehigen, kurzen, ſtarken Fuͤße haben etwas ausgeſchnit⸗ tene Schwimmhaͤute und ſind uͤber der Ferſe kaum etwas nackt. Das Gefieder der Alten ſchneeweiß, das der Jungen auf den Fü: geln und dem Schwanze mit einem ſchwarzen Fleck vor jedem Fe⸗ derende. Kaum Kraͤhengroͤße. 342 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. Bech xp eie een g. Dieſe Meve iſt an den Artkennzeichen leicht von jeder andern Art zu unterſcheiden. Sie iſt an Groͤße und Geſtalt der Sturm— meve am aͤhnlichſten, hat jedoch einen robuſtern Koͤrperbau, kuͤrzere Fluͤgel, viel niedrigere, ſtaͤmmigere Fuͤße, die gegen die der Drei— zehenmeve, ſtark, plump und grob ausſehen. Schon dieſe Ge— ſtalt und das durchaus herrſchende Weiß des Gefieders unterſcheiden ſie leicht von allen uͤbrigen Meven der mittlern Groͤße, in welcher fie ebenfalls ſehr variirt und die groͤßeſten Individuen ohngefaͤhr der Saatkraͤhe (Corvus frugilegus) gleichen. Ihre Fuͤße haben eine auffallende Aehnlichkeit mit denen der groͤßern Meerſchwalbenarten. Dies iſt aber auch die einzige welche ſie mit dieſer Gattung hat; denn ihre uͤbrige Koͤrpergeſtalt iſt, nach allen Theilen, nur die einer aͤchten Meve. Sie mißt in der Laͤnge, von der Stirn bis zum Schwanzende, 17 bis 19 Zoll; in der Flugbreite 40 bis 46 Zoll; die Laͤnge des Fluͤgels, von dem Handgelenk bis zur Spitze, 13 bis 14½ Zoll; die des Schwanzes 5¾ bis 5 Zoll. Maͤnnchen und Weib— chen ſind in der Größe wenig verſchieden und jene kleinern Maaße gehoͤren meiſtens jüngern Vögeln an. Das Gefieder iſt wie bei andern Meven, dicht, an den untern Theilen ſehr pelzartig, uͤberall ſehr zart, ohne ſcharfe Umriſſe, dieſe, auſſer den Schwing- und Schwanzfedern, nur an den groͤßern Fe— dern auf den Fluͤgeln und dem Schwanze etwas deutlicher; die gro— ßen Schwingen mit ſehr ſtarken, elaftifchen, faſt gar nicht gebogenen Schaͤften, die vorderſte, als die laͤngſte, 5 Linien laͤnger wie die fol— gende; die 12 Schwanzfedern breit, am Ende ſehr flach abgerundet, die aͤußern kaum etwas kuͤrzer als die uͤbrigen, daher das Schwanz— ende faſt gerade, wie mit der Scheere verſchnitten. Die in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen mit ihren Spitzen nur wenig, hoͤchſtens bis zu 1½ Zoll über das Schwanzende hinaus. Der Schnabel iſt, als Mevenſchnabel, nicht lang, aber ziemlich ſtark, die Spitze nicht ſehr ſtark gekruͤmmt und das Eck am Unter— ſchnabel auch ſtumpf, doch bemerklich genug. Er iſt an der Wur— zel breit und hoch und behaͤlt bis zu zwei Drittheile vorwaͤrts gleiche Hoͤhe, dann ſenkt ſich die Firſte in flachem Bogen zur Spitze und der Kiel ſteigt vom Eck ſchraͤg gegen dieſe auf. Die Schneiden ſind nur nahe an der Spitze herabgebogen, uͤbrigens gerade, wurzelwaͤris ſtark eingezogen und durchgehends ſehr ſcharf. Die Firſte iſt breit — — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. 343 abgerundet, der Kiel bis uͤber die Mitte geſpalten, der Rachen weit und breit. Das kurz ritzfoͤrmige, vorn erweiterte Naſenloch endet 5 bis 6 Linien von der ſeitlichen Stirnfederſpitze, und es laͤuft von dort eine ſeichte Vertiefung vorwaͤrts gegen die Schneide, doch ohne ſie zu erreichen. Die Laͤnge des Schnabels iſt bei verſchiedenen Individuen, oben von der Stirn bis zur Spitze, in gerader Linie, 16 bis 18 Linien, vom Mundwinkel 24 bis 26 Linien; ſeine Hoͤhe an der Wurzel 5½ bis 6½ Linien, die Breite hier etwas, ½ bis 1 Linie, weniger. Seine Farbe iſt nach dem Alter verſchieden, zuerſt ſchwaͤrz— lich, dann graublau mit gelblicher, dann hochgelber, endlich orange— rother Spitze, ſo auch der Rachen und die Mundwinkel. Im aus— getrockneten Zuſtande wird dieſe Faͤrbung ſehr unſcheinlich, nur die letzte nicht ganz unkenntlich. Die Iris iſt in der Jugend braun, ſpaͤter braungelb, endlich ſchwefelgelb; das nackte Augenlidraͤndchen fruͤher gelbgrau, bei Alten und im Fruͤhlinge hoch orangeroth. Die Fuͤße ſind im Verhaͤltniß zum Koͤrper etwas klein, aber ſtaͤmmig und ſtark; die Zehen nicht lang, auch nicht ſchwach; auf— fallend ſtark beſonders der Lauf und das Ferſengelenk; auch die Hinterzeh, obgleich dieſe kurz zu nennen iſt. Die Schwimmhaͤute zwiſchen den drei Vorderzehen ſind nicht voll wie bei andern Me— ven, ſondern etwas ausgeſchnitten, ohngefaͤhr wie bei Sterna hirundo. Der Uiberzug der Fuͤße iſt ſtaͤrker, haͤrter und rauher (faſt wie bei Lestris) als an andern Meven, weil die Raͤnder der Schilder und Schildchen erhaben vortreten, vorn am Laufe herab oder dem Spann und auf den Zehenruͤcken in einer Reihe mit ſchmalen, aber großen Schildern, uͤbrigens klein geſchildert, an den Schwimmhaͤuten und Sohlen chagrinartig, Alles ſehr eigenthuͤmlich. Uiber der Fußbeuge wird die geringe Nacktheit von den Schenkelfedern bis ans Gelenk bedeckt; ebenfalls eine Eigenthuͤmlichkeit dieſer Art. Die Krallen ſind ſtark, aber nicht lang, nicht ſehr krumm, mit ſcharfen Rand— ſchneiden, von welchen die innere an der Mittelzeh ſtark vortritt. Wenn man, wie immer, das halbe Ferſengelenk oder gerade von der Beuge dieſes hinauf mißt bis zu den Wurzeln der unterſten Federn der Tibia, fo beträgt dieſe Nacktheit nicht viel über / Zoll, bei einem Individuum mehr, beim andern weniger; der Lauf iſt 1 Zoll 6 bis 8 Linien lang; die Länge der Mittelzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, 1 Zoll 6 bis 7 Linien; die der Hinterzeh 4 Linien, wovon die Hälfte auf die Kralle kommt. 344 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. Die Farbe der Fuͤße iſt matt ſchwarz, in der Jugend ſchwarz— grau oder nur roͤthlichdunkelgrau; die der Krallen ſchwarz. Das Dunenkleid kennt man noch nicht und vom eigentli— chen Jugendkleide weiß man auch nur, daß in ihm der Schna— bel ſchwarzgrau, an der Spitze horngelblih, der Augenſtern braun, und die Farbe der Fuͤße die erwaͤhnte hellere ſei; daß es auf dem Kopfe und an der Kehle dunkel aſchgrau mit etwas Weiß vermiſcht, an allen uͤbrigen Theilen aber weiß ſei, am Halſe und auf dem Ruͤcken viele kleine ſchwarzgraue Flecke, auf den Schultern, nebſt vielen ſchwarzen Federſchaͤften, gegen das Ende der Federn kleine braunſchwarze, und nahe der Spitze an den Schwingfedern erſter Ordnung und an den Schwanzfedern groͤßere braunſchwarze Flecke habe, von denen die letztern eine ſchmale ſchwarze Endbinde mit weißem Saum bilden. Im erſten Herbſt- oder Winterkleide iſt der Schnabel ſchon ſchmutzig gelb, an der Wurzel ſchwarzgruͤnlich, welches ſich in dunkeln Flecken oder e nach der Spitze zieht, die allein rein blaßgelb iſt; die Iris gelbbraun; die Fuͤße dunkel roͤthlichgrau. Die Gegend um die Schnabelwurzel iſt grau bis zu den Augen hin und unten bis auf die Kehle herab; das ganze uͤbrige Gefieder weiß, mit kleinen ſchwarzgrauen Fleckchen am Halſe oder auch ohne dieſe; auf den Fluͤgeldeckfedern und zum Theil auch den groͤßern Schul— terfedern und den laͤngſten der obern Schwanzdecke zeigen ſich hin und wieder noch ſchwarze Federſchaͤfte und zerſtreuete kleine, meiſt rhomboidale, ſchwarzbraune Flecke; die großen Schwingen und Fit— tigdeckfedern haben an ihrer Spitze und die Schwanzfedern dicht vor dem Ende jede einen rundlichen oder auch herzfoͤrmigen Fleck, wie im Jugendkleide, weil ſie naͤmlich noch dieſelben ſind, und erſt in der zweiten Herbſtmauſer mit neuen, rein weißen, wie das ſaͤmmtliche Gefieder mit gaͤnzlich ungefleckten vertauſcht werden, wo: bei ſie jedoch am kleinen Gefieder ſchon im zweiten Fruͤhjahr zu mauſern anfangen, wo man dann ſchon viele unter dieſen jungen Voͤgeln antrifft, welche, auſſer an dem Fittige und Schwanze, die fie erſt im Spaͤtſommer wechſeln, wenig oder gar keine braun: ſchwarze Fleckchen mehr haben.“) 5 Sonderbarerweiſe ähneln ſich die Elfenbeinmeve und der weiße Löffler in der Färbung oder vieimehr Farbenloſigkeit des Gefieders, indem die Jungen beider ſonſt ſo ganz verſchiedenen Vögel, auf gleiche Weiſe ſchwarz gefleckt, die Alten rein weiß find. . XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. 345 Nach der zweiten Herbſtmauſer ſind ſie in ihrem erſten voll— ſtaͤndigen Winterkleide, im rein und blendend weißen, gaͤnz— lich fledenlofem Gefieder, wie das der Alten. Ich habe ſehr viele dieſer Meven zu unterſuchen Gelegenheit gehabt und zum Theil ſelbſt beſeſſen, aber einen andern Uibergang zu dem rein weißen Kleide, als den eben beſchriebenen, nicht gefunden. Der Schnabel wird an ſeinem vorderſten Drittheil immer mehr und reiner hellgelb und dieſe Farbe zieht fich in einem ſchmalen Streif auf den Schnei⸗ den bis in die ſchoͤner gelben Mundwinkel, waͤhrend das Uibrige des Ober- und Unterſchnabels ſich immer reiner blaugrau faͤrbt; das Augenlidraͤndchen iſt gelb, der Augenſtern ſchmutzig gelb; die Fuͤße ſchwarzgrau. 5 | Das erſte ausgefaͤrbte Sommer- oder Hochzeitskleid, im dritten Sommer ihres Lebens, iſt dem vorigen ganz gleich, Schnabel und Augenlidraͤndchen nur noch ſchoͤner, die Fuͤße dunkler gefaͤrbt. Sie ſcheinen in demſelben zeugungsfaͤhig zu ſein. Bei ſehr alten Voͤgeln in ihrem Prachtkleide, nament— lich in der Begattungszeit, iſt das unvergleichliche Weiß ihres hoͤchſt ſaubern Gefieders, ſonderbar genug, an den Fluͤgeln, hauptſaͤchlich an den großen Schwingen und den Fittichdeckfedern, mit der lieb— lichſten Roſenfarbe ſanft angehaucht, was deſſen Schönheit ungemein erhoͤhet. Bei ſolchen iſt der Augenſtern ſchoͤn ſchwefelgelb; das Au— genlidraͤndchen und die Mundwinkel, desgleichen die aͤußerſte Spitze am Ober- und Unterſchnabel, hoch orangeroth, das Uibrige der vor— dern Schnabelhaͤlfte ſchoͤn gelb und dies bald an den Schneiden als ſchmales Streifchen, bald unten am Kiel ebenſo wurzelwaͤrts ausgedehnt, die Wurzelhaͤlfte beider Schnabeltheile bleiblau; die Fuͤße matt ſchwarz. — Ich beſitze ein Exemplar, deſſen Schnabel oben auf der Firſte über den Nafenlöchern früher eine Beſchaͤdigung erhalten hat, die jetzt ein kleines Abſaͤtzchen bildet, das im Blauen nach vorn auch ein gelbes Fleckchen hat. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich aͤußerlich durch nichts, als daß Letzteres meiſt merklich kleiner als Erſteres iſt. Obgleich dieſe Meven, fowol im Winter- als im Sommer: kleide, ein gleich einfaches, weißes, fleckenloſes Gefieder tragen,“ ſo iſt es doch mehr als wahrſcheinlich, daß ſie das fuͤr den Sommer, gleich andern Arten der en auch erſt durch eine Fruͤhjahr⸗ mauſer erhalten. 346 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.:Meve n en hs lt. Die Elfenbeinmeve gehoͤrt zu den Bewohnern des hoͤchſten Nordens. Vielleicht geht kein anderer Vogel ſo nahe gegen den Nordpol hinauf als dieſe Meve, noch hoͤher, als bis jetzt der Menſch dahin hat vordringen koͤnnen. Sie wohnt im Sommer nur auf den Inſeln und an den Kuͤſten des Eismeeres, weit uͤber den Po— larkreis hinaus, in Spitzbergen noch unter dem 80 Gr. n. B., überall nur an jenen eiſigen Kuͤſten von Europa, bis zum oͤſtlich— ſten Nordaſien, hier bis uͤber die Behringsſtraße hinaus, in Nordamerika hoch in die Baffinsbai hinauf, an der Kuͤſte von Nordgroͤnland, der gegenuͤberliegenden von Labrador und den Inſeln zwiſchen dem 70 und 80 Gr. n. Br. — Island liegt ihr viel zu ſuͤdlich; ſie beſucht es, ſonderbarerweiſe, nicht einmal im Winter, obgleich ſie dann in gleicher Breite mitten im Meer manch— mal angetroffen wird. Dagegen koͤmmt ſie dann nicht nur in die Hudſons- und Jamesbai, ſondern an der aͤußern Kuͤſte einzeln ſelbſt bis an die der noͤrdlichſten vereinten Staaten; im Meer zwiſchen Amerika und Aſien bis zur Inſel Unalaſchka; in Europa bis zum weißen Meer und an die noͤrdliche und nord— weſtliche Kuͤſte von Norwegen. Sehr wenige Individuen, wahr— ſcheinlich nur durch Stuͤrme verſchlagen, kommen weiter herab an dieſer Kuͤſte vor, einzelne erſcheinen noch weit ſeltner an der von Halland in Schweden oder gar, als Begleiter der Heringszuͤge im Januar oder Februar vor der Muͤndung der Elbe. Nur ein Exemplar wurde, bis jetzt, in Holland, ein anderes am 10. Maͤrz 1817, im jugendlichen Winterkleide, ſogar am Genfer-See ers legt. Im Innern von Deutſchland iſt ſie nie vorgekommen; auch auf der deutſchen Oſtſee hat man ſie niemals bemerkt. Nur gegen den Winter verlaͤßt ſie jene ſtarre Natur der hoch— borealen Zone, wo ſelbſt im Sommer faſt alle Vegetation aufhoͤrt oder auf weniges Andere als bloß niedere Cryptogamen beſchraͤnkt iſt. Sie ſtreicht dann auf weiter See in etwas milderen Regionen umher, zufrieden mit einer Temperatur, die derjenigen unſrer mei— ſten Winter noch lange nicht gleichkommt, und zieht im Fruͤhjahr wieder zu ihren eiſigen Sommerwohnſitzen hinauf, um dort oben ihre Brutgeſchaͤfte zu verrichten. Sie iſt Meervogel im ſtrengſten Sinne des Wortes, entfernt ſich landeinwaͤrts nie von der Kuͤſte, lebt ſogar bloß in der Fort: XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. 347 pflanzungszeit an dieſer, ſonſt immer auf offenem Meer. Die Wal— fiſchfaͤnger und Robbenſchlaͤger fanden ſie, als Begleiterin der Schiffe, ſtets nur unter den hoͤhern Breitegraden und auf offnem Meer, oft zwiſchen dem Treibeis oder an den Eisfeldern, wo ſie allem Wind und Wetter trotzt und nur Eisſchollen ihre Ruheplaͤtze ſind. — Es iſt daher als ein halbes Wunder zu betrachten, daß, wie oben er— waͤhnt, ein ſolcher Vogel bis in die ſuͤdliche en verſchlagen werden konnte. Eigenſchaften. Auch die Elfenbeinmeve, von ihrem weißen Gefieder ſo genannt, iſt ein ſehr ſchoͤnes Geſchoͤpf. Durch die etwas gedrungnere Geſtalt, und den gemaͤchlichern Flug, auch durch das einfoͤrmige, mit keiner dunkeln Zeichnung abwechſelnde, blendende Weiß ihres ſaͤmmtlichen Gefieders ausgezeichnet, naͤhert ſie ſich ebenſo in Geſtalt und Be— tragen dem Eisſturmvogel oder Fulmar. Sie ſetzt ſich oͤfters, geht aber ſchlecht und wenig, ſieht auch hier etwas plump aus; ſchwimmt auch oft, aber ſelten lange an— haltend. Sie hat einen ſehr ſanften, haͤufig ſchwebenden Flug, ver— ſteht aber doch den Stuͤrmen Trotz zu bieten, indem ſie ihnen ge— rade entgegen ſteuert und dicht uͤber den Wogen hinſtreicht. Sie ſoll meiſtens nicht ſcheu gefunden werden, beim Zerlegen gefangener Walfiſche, Robben u. dergl. den Leuten ſo nahe kom— men, daß ſie mit einem langen Stecken erſchlagen werden kann, hier jedoch an Dreiſtigkeit von den Meven-Sturmvoͤgeln noch weit uͤbertroffen werden. Man haͤlt ſie uͤberhaupt fuͤr einen einfaͤltigen Vogel. Sie iſt geſellig gegen ihres Gleichen, wie gegen andere Meven und Sturmvoͤgel; dieſe find ſogar ihre gewöhnlichen Geſellſchafter, obwol ſie zur eignen Art mehr Zuneigung verraͤth und ſich mehr zu ihr haͤlt, was bei ſolchen gemiſchten Geſellſchaften deutlich in die Augen faͤllt. Sie koͤmmt ſelten vereinzelt, gewoͤhnlicher in kleinen Vereinen von 20 bis 50, auch wol noch mehr Individuen, doch wie es ſcheint, nirgends in ſo gewaltig großen Schaaren vor, wie viele andere Meven. Man kann ſie in dieſer Hinſicht wol mit Larus glaucus vergleichen. Ihre Stimme bezeichnet man als ein tiefklingendes Kar! 348 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. N e hir u n g Sie lebt von Fiſchen, die ſie ſich, nach Art und Weiſe anderer Meven, ſelbſt fängt, auch von todten Fiſchen und den aufgefunde⸗ nen Aeſern und andern Abgaͤngen von Walfiſchen, Walroſſen, See— hunden und großen Fiſchen. Bei den Fiſchereiplaͤtzen und da, wo große Raubfiſche und Rob: ben die kleinen Fiſche an die Oberflaͤche des Waſſers emporſcheuchen, iſt ſie ſehr thaͤtig und verſammelt ſich hier mit andern Meven, bei aufgefundenen Aeſern auch mit den Mevenſturmvoͤgeln in gro— ßer Menge, nicht ſelten in Geſellſchaft der weißen Baͤren. Wo ein Walfiſch getoͤdtet iſt und die Leute im Zerlegen deſſelben begriffen ſind, verſammeln ſich jene Voͤgel in großen Schaaren, auch die El— fenbeinmeven bleiben dabei nicht zuruͤck und ſtehlen, wie jene, hie und da ein Stuͤck Speck den Leuten unter den Haͤnden weg, ſind aber dann erſt recht in ihrem Wohlſein, wenn ſich jene entfernt und ihnen den Reſt uͤberlaſſen haben. Ob fie, wie nicht unwahrſcheinlich, zuweilen auch von Molluss ken und andern kleinen Seethieren lebe, iſt nicht bekannt. Fortpflanzung. Hoch oben in der Eiszone, in den unwirthbarſten Gegenden, wo ſelten Menſchen hinkommen oder noch nie hinkamen, hat die Elfenbeinmeve ihre Bruͤteplaͤtze, wo ſie, waͤhrend die Sonne dort 5 Monate lang nicht untergeht, in groͤßern Geſellſchaften beiſammen niſtet. Die Koͤnigsbai auf Spitzbergen, 79 Gr. n. Br., iſt neu— erdings als ein ſolcher bezeichnet. Dort bauet dieſe Art ihre Neſter auf nackten Felſenboden, von Tang und Flechten, nahe nebeneinander. In jedem Neſte werden 2 bis 3 olivengruͤnliche, dunkelbraun gefleckte Eier gefunden. Dies iſt aber auch Alles was man von A Fortpflanzungs⸗ geſchichte weiß. Feinde. Der Schneefuchs (Canis lagopus, L.) fol öfters ihre Bruͤte— plaͤtze pluͤndern. Ob fie ſonſt noch Feinde habe, iſt nicht bekannt. XIII. Ordn. LXXVIN. Gatt. 293. Elfenb.⸗Meve. 349 Jagd. Sie iſt nicht ſchwer zu ſchießen, beſonders wenn ſie auf Eisſchol— len ſitzt, oder gar auf einem Walfiſch- oder Robbenaaſe, wo dieſe Meven, wie ſchon erwaͤhnt, mit ihren Geſellſchaftern, den Mevenſturm— vögeln, an Gier mit dieſen wetteifern und mit ihnen auch dabei ihre Sicherheit ganz vergeſſen. Mehrmaliges Schießen ſoll fie je doch vorſichtiger machen. Man fängt fie auch an Angelhaken, woran man einen ver: ſchlingbaren Biſſen Fleiſch als Lockſpeiſe macht. N ute n Ob ihre Eier an manchen Orten auch von Menſchen aufgeſucht und zur Speiſe gebraucht werden, iſt fo wenig bekannt als eine an» derweitige Benutzung des Vogels oder ſeiner Federn. Schaden. Auch hiervon iſt nichts bekannt, auch nicht wahrſcheinlich, daß fie auf irgend eine Weiſe nachtheilig würden. 294, Die Eis⸗Meve. Larus glaucus. Brunn. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. Taf. 264. | Fig. 2. Männchen im Winterkleide. Fig. 3. Weibchen im zweiten Jahr. Große nordiſche —, große weißgraue —, große weiße Meve; Grauruͤckige —, grauliche —, weißſchwingige —, große oder mitt: lere weißſchwingige Meve; weißgraue Sturmmeve, große Seemeve, Tauchermeve; Buͤrgermeiſter-Meve; der Buͤrgermeiſter. Larus glaucus. Brünnich. Oru. bor. p. 44. n. 148 = Gmel. Linn, Syst. I. 2. p. 600. n. 17. — Lath. Ind. II. p. 814. n. 7. (sine synonym.) — Faber, Prodromus. S. 98. = Larus Consul. Boie, in Wiedemann's zool. Magaz. I. 3. S. 126. n. 2, — Goeland Burgermeister. Temm. Man. d'Orn. 2de Edit. II. p. 757. == Glaucous- Gull. Penn. Aret. Zool. II. p. 532. — Uiberſ. v. Zimmers mann. II. S. 494. B. = Lath. Syn. VI. p. 374. n. 4. — Uiberſ. von Bech⸗ ſtein. III. 2. ©. 329. n. 4. (Nur die Diagnofe) = Martens, Reiſe nach Spitz⸗ bergen. S. 60, tab. L. fig. D. - Bechſtein, Naturg Deutſchids. IV. S. 662 — Deſſen Taſchenb. II. S. 374. n. 7. - Meyer, Zuſätze z. Taſchenb. (III.) S. 191. == Brehm, Beitr. III. S. 800. u. S. 810. - Deſſen, Lehrb. II. S. 729. u. 731. = Deifen, Naturg, a. V. Deutſchlds. S. 732. — 736. = Gloger, Faun. Schleſ. S. 53. n. 236. — Hornſchuch u. Schilling, Verz. pommerſcher Vög. ©. 18. n. 237. u. 238. = V. Homeyer, Vög. Pommerns. S. 68. u. 224. Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 184. Taf. XXXV. Fig. 50. Alt im Some merkleide. Anmerk. Die naturhiſtoriſchen Schriften einer mittleren Periode können gros ßentheils hier nicht citirt werden, weil ſie L. glaucus mit L. argentatus vermengen oder für Eine Art halten. Nur in neuern Zeiten wurden beide wieder richtig unterſchieden. Brehm nahm früher drei wirkliche Species an, die er ſpäter zu Subſpecies here abſetzte und noch mit einer ſolchen vermehrte, von welchen ſein L. glaucus, L. Cousul und L. minor (früher medius) gewiß, L. glacialis, Benieken, wahrſcheinlich auch, keine Artverſchiedenbeiten ſind, weil ſie als individuelle Abweichungen mit allen Uibergängen von einer in die andere bei unſerm L. glaucus vorkommen. f XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. 351 Kiennzeichen der Merk. Die großen Schwingfedern bei Alten ſehr hell blaͤulichgrau, bei Jungen licht braͤunlichgrau, bei beiden an den Enden allmaͤh⸗ lich in Weiß uͤbergehend. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen nicht oder aͤußerſt wenig uͤber das Schwanzende hinaus. Groͤße faſt einer mittlern Gaͤnſe⸗Art. Bere dünn Die Eismeve iſt ſchon an den Artkennzeichen und, außer der weit bedeutendern Groͤße, auch an der plumpern Geſtalt leicht von Larus leucopterus zu unterſcheiden. — Eine viel naͤhere Verwandte, mit weit groͤßerer Aehnlichkeit, hat ſie an dem gleich großen L. glaucescens des Berliner Muſeums, aus Nord-Amerika, wo dieſe die unſrige zu vertreten ſcheint. Obgleich nun Groͤße und Ge— ſtalt, auch des Schnabels und der Fuͤße, beider einander ſehr aͤhneln, ſo unterſcheidet ſich doch L. glaucescens im ausgefaͤrbten Kleide leicht an den anders gefaͤrbten und gezeichneten Schwingfedern erſter Ordnung, welche gleichfoͤrmig blaͤulichaſchgrau ausſehen und große ſchneeweiße Spitzen haben, die ſich von erſterer Farbe, in gerader Linie quer uͤber, ſcharf abſchneiden, daher dieſe wei— ßen Spitzen weit auffallender werden, als die ſanft in Grau ver— laufenden des L. glaucus, oder eine Zeichnung haben, die ganz der des L. marinus gleicht, nur daß an den Schwingen dieſer tief ſchwarz iſt, was bei L. glaucesceus bloß blaͤulichaſchgrau ausſieht. — Zudem bedeckt auch den Mantel des alten L. glaucescens ein etwas geſaͤttigteres Mevenblau, dem des L. argentatus aͤhnlich, das bei L. glaucus viel heller oder weißlicher if. — Der junge L. glaucescens unterſcheidet ſich ebenfalls durch dunkleres Braun— grau der großen Schwingen, deren weiße Spitzen jedoch weniger ſcharf an dieſes grenzen, doch viel auffallender als bei den Jun— gen von L. glaucus, und auf dem Mantel ſind die Flecken groͤßer, etwas dunkler, doch mehr in die lichten Federraͤnder verfloſſen, die ganze Partie alſo groͤber, aber verwaſchener und undeutlicher gefleckt.“) e) Eine ausführliche Beſchreibung und Abbildung dieſer ſchönen großen Art, welche binſichtlich ihrer Färbung im Mittel ſtett zwiſchen L. marinus und L. glauens, iſt mir nicht bekannt. Sie gehört zu den neuern Entdeckungen. 352 XIII. Ordn. LXVVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. Hinſichtlich der Größe unſres L. glaucus ſtoͤßt man auf fo be: deutende Abweichungen, wie bei andern großen Mevenarten; aber alle Individuen welche obige Artkennzeichen tragen und in Europa vorkommen, moͤgen ſie auch 4 bis 5 Zoll in den Laͤngenmaaßen differiren; mag auch, wie gewoͤhnlich bei den kleinern, der Schnabel ſchwaͤcher oder ſchmaͤchtiger ſein, waͤhrend er in der Laͤnge ſich faſt immer gleich bleibt; moͤgen die Fußwurzeln des einen die des an— dern an Fänge auch zwiſchen 3 und 4 Linien übertreffen, fo gehören ſie doch alle unbedingt Einer Art an und ſind nur als individuelle Variationen unſrer Eismeve (L. glaucus) zu betrachten. Ein Larus medius, Brehm, kann, im Begriff einer wirklich verſchiedenen Art, nicht exiſtiren, wegen der vorkommenden ſtufenweiſen Uibergaͤnge und Zwiſchenformen und daher ganz unbeſtimmbaren Grenze zwiſchen L. medius und L. glaucus. Wenn ich nun dieſes, vermoͤge umfaſſender Vergleichungen einer großen Menge von Baͤlgen und Ausgeſtopften, drieſt behaupten darf, ſo wage ich es jedoch nicht, auch L. glacialis, Benicken, mit Beſtimmtheit hierher zu ziehen, weil ich dazu bis jetzt zu wenige Exemplare von dieſer ſogenannten Art (von Brehm ſpaͤter jedoch zur Subſpecies herabgeſetzt) mit den vielen von L. glaucus vergleichend zu unterſuchen in Haͤnden hatte; verſichere aber, daß dieſe wenigen, wegen Artverſchiedenheit, mich. ſehr in Zweifel ließen. Unſere Eismeve gehoͤrt zu den groͤßeſten Arten ihrer Gattung, und wenn ſie darin die Mantelmeve auch nicht oft uͤbertrifft, ſo iſt ſie ihr doch an Groͤße voͤllig gleich. Der Rumpf ohne Federn hat die Groͤße einer großen Hausente oder wol faſt der tuͤrki— ſchen oder Biſam-Ente, wobei ſie aber, der groͤßern und laͤngern Extremitaͤten wegen, den Anſchein einer viel anfehnlichern Größe bekoͤmmt. Das gewoͤhnliche Laͤngenmaaß wechſelt zwiſchen 25 bis 27½ Zoll, es giebt indeſſen noch um 1 Zoll kleinere und auch ſo viel groͤßere; die Fluͤgellaͤnge, vom Bug bis zur Spitze, iſt gewoͤhn— lich zwiſchen 18½ und 19½, auch bis 20¼ Zoll; die Flugbreite von 60 bis zu 68, ſeltener 70 Zoll; die Schwanzlänge 7¼ bis 3 Zoll. Die Weibchen find gewöhnlich etwas kleiner als die Männchen. Das Gefieder iſt ſehr reich, am untern Theile des Halſes und des Rumpfes beſonders ſehr dick und pelzartig, dies jedoch etwas weniger als bei L. leucopterus, ungemein zart und uͤberall, bloß die groͤßern Flügel: und die Schwanzfedern ausgenommen, ohne be ſtimmte Umriſſe oder zerſchliſſen. Zunaͤchſt auf der Haut ſitzen auſ⸗ XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. 353 ſerordentlich weiche, zarte, elaſtiſche, ſchneeweiße Dunen. Die Schwing⸗ federn ſind bedeutend breit, die der zweiten Ordnung am Ende in ſchraͤger Richtung nach hinten faſt gerade abgeſchnitten, die der erſten auf dem letzten Drittheil allmaͤhlich ſchmaͤler in die abgerundete Spitze ausgehend, mit wenig gebogenen ſehr ſtarken Schaͤftenz dabei die erſte entweder von gleicher Laͤnge mit der zweiten oder auch etwas kuͤrzer, bis zu / Zoll; — die zwölf gleich breiten, am Ende wenig abgerundeten Federn des breiten Schwanzes ſind faſt von gleicher Laͤnge, daher deſſen Ende beinahe gerade, wie mit der Scheere verſchnitten. Die Spitzen der an den Leib geſchmiegten Fluͤgel reichen gewoͤhnlich nur bis an das Schwanzende, in ſeltnern Faͤllen nur ein Wenig, kaum bis gegen 1 Zoll uͤber daſſelbe hinaus. Der Schnabel hat an Groͤße und Geſtalt viel Aehnlichkeit mit dem des Larus marinus, in mancher Hinſicht auch mit L. argentatus. Er iſt als Mevenſchnabel ſtark und groß, manchmal, beſonders bei feht alten Voͤgeln, ſehr ſtark; der Firſte nach von der Stirn aus gerade, nach vorn ſelten etwas aufgeſchwungen, ſondern ſanft oder im Viertel eines Zirkelſchlags hakenfoͤrmig herabgebogen, die Spitze 1 bis 2 Linien über die untere hinwegragend; der Kiel anfänglich auch gerade, doch gegen das Ende der langen Kielſpalte ſanft herab: geſenkt, hier das große ſtumpfwinkelige Eck bildend und nun ſchraͤg in die Spitze aufſteigend; die Mundkante anfaͤnglich und bis zu zwei Drittheil faſt gerade, dann ſpitzewaͤrts ſanft herabgebogen. Er iſt an der Firſte platt abgerundet, nach vorn mehr zuſammengedruͤckt, der Oberſchnabel von der Wurzel an bis unter das Ende des Na— ſenlochs, dicht über der Schneide und längs dieſer, bedeutend auf- getrieben und dieſer Wulſt in ſchraͤger Richtung nach vorn flach gerieft; die Schneiden ſehr ſcharf, die obere ein Wenig uͤber die untere greifend; der Rachen ſehr tief geſpalten, breit und daher ſehr groß. Das Naſenloch, in einer laͤnglichen Vertiefung liegend, iſt ein 5 Linien langer, vorn bedeutend und rundlich erweiterter, durchſichtiger Ritz, welcher 5 Linien von den ſeitlichen Stirnfedern anfaͤngt. 8 Der Schnabel mißt von der Stirn und uͤber den Bogen zur Spitze des Hakens 23/, bis 8 Zoll; in gerader Linie 2°/, bis 2¾ Zoll; aus dem Mundwinkel in gerader Linie zur Spitze 3½ bis 3¾ Zoll; feine Höhe an der Baſis 10 Linien bis 1 Zoll; ſeine Breite hier 6 bis 9 Linien. Seine Faͤrbung iſt verſchieden, nach dem Alter zuerſt meiſtens ſchwarz, dann ſchmutzig gelb mit etwas Schwarz gegen die Spitze, endlich ganz gelb mit hochrothem Fleck 10r Theil. f 23 354 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis-⸗Meve. am Unterſchnabel über dem Eck. Alle dieſe find, wenn ſie allmaͤh⸗ lich austrocknen konnten, auch noch an Baͤlgen und Ausgeſtopften kenntlich, aber freilich lange nicht ſo praͤchtig wie am lebenden oder friſchgetoͤdteten Vogel. Das etwas kleine Auge hat in der Jugend weiß befiederte, fpäter nackte, gelb und zuletzt mennigroth gefärbte Lider, und eben ſo fruͤh einen dunkelbraunen, dann braungelben und im Alter rein ſchwefelgelben Stern. Die Fuͤße ſind im Verhaͤltniß zur Koͤrpergroͤße nicht ſehr groß, auch eher etwas niedrig als hoch, dabei aber ſtark, beſonders an den Laͤufen und Ferſengelenken; die Vorderzehen mittellang, mit vollen Schwimmhaͤuten, die freie, etwas hoͤher geſtellte Hinterzeh klein und kurz, aber eben nicht ſchwach; die Krallen ſtark, wenig gebogen, ſtumpf, unten hohl, die mittelſte mit ſtark vorſtehender Innenſchneide. Ihr ſtarker Uiberzug iſt vorn am Lauf, in einer Reihe, groͤßer als an den Seiten getaͤfelt, hinten geſchildert, dies länger und ſchmaͤ— ler auf den Zehen, unter ihnen grobwarzig, die Schwimmhaͤute un— deutlich gegittert. Der Unterſchenkel iſt von der Ferſe 9 bis 10 Li⸗ nien nackt; der Lauf 2 Zoll 11 bis 3 Zoll 2 Linien oder 35 bis 38 Linien hoch; die Mittelzeh, mit der 6 Linien langen Kralle, 34 bis 36 Linien, die Hinterzeh, mit der 3¼ Linien langen Kralle, 6 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt in der Jugend blaß fleiſchfarbig, ſpaͤter gelblich, endlich faſt bleichgelb; ſie verwandeln ſich im getrockneten Zuſtande in eine licht gelbbraͤunliche Hornfarbe. Die Krallen ſind ſchwarzbraun, an den Spitzen, beſonders der aͤußern Zeh, weißlich braun. Das Neſtkleid mit ſeiner Dunenbedeckung iſt nicht bekannt. Das Jugendkleid unterſcheidet ſich von andern großen jun: gen Meven der einheimiſchen Arten vorzuͤglich durch eine bleichere Faͤrbung und lichtere Fluͤgelſpitze. Der Schnabel iſt matt ſchwarz, mit lichterer Spitze und mehr oder weniger von einer lichten Fleiſch— farbe an der Wurzel der Unterkinnlade; der Augenſtern braun; das befiederte Augenlidraͤndchen weiß; die Fuͤße blaß fleiſchfarbig. Vor dem Auge ſteht ein borſtiges ſchwarzes Fleckchen; Kopf und Hals ſind auf truͤbe weißem Grunde maͤuſegrau gefleckt, Erſterer meiſtens in laͤnglichten Flecken, die Kehle am wenigſten; Bruſt, Bauch und Schenkel weiß und grau gemiſcht, mit Graubraun beſpritzt und ge— fleckt, in den Seiten wie gewoͤlkt; die untere Schwanzdecke weiß, braungrau gebaͤndert; Ruͤcken, Schultern und Fluͤgeldeckfedern, nebſt XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. 355 den letzten Schwingfedern, maͤuſegrau (mehr grau als braun), mit braͤunlichweißen Federkanten und Flecken an dieſen entlang; die Schwingfedern braungrau, ſpitzewaͤrts lichter mit ſchmutzigweißen Endkanten und braͤunlichweißen Schaͤften; der Unterfluͤgel an den Deckfedern weiß, braungrau gefleckt, gegen die Spitze aus dem Glän- zendgrauen in Silberweiß uͤbergehend; der Buͤrzel und die Ober— ſchwanzdecke weiß mit braungrauen Querflecken, die Letzteren faſt gebaͤndert; der Schwanz auf truͤbeweißem Grunde graubraun ges fleckt und beſpritzt, nach innen faſt einfoͤrmig braungrau, die Ends kante weiß. a In dieſem Kleide bleiben die jungen Meven dieſer Art den erſten Herbſt und Winter hindurch faſt unveraͤndert; aber im naͤchſten Fruͤhjahr, dem zweiten ihres Lebens zeigen ſich Spuren eines Federwechſels, welcher jedoch aͤußerſt langſam fortſchreitet, ſo daß er erſt im kuͤnftigen September und October beendet iſt und ſie ſich zum erſten Male vollſtaͤndig vermauſert haben. Dieſes zweite Herbſt- oder Winterkleid ähnelt zwar dem erſten oder Jugendkleide ſehr, unterſcheidet ſich aber im Allgemeinen durch mehr Weiß zwiſchen dem Grau und durch ein klareres Ge— flecktſein. Der Schnabel iſt ſchmutzig gelblichfleiſchfarben, am Haken und Eck braunſchwarz, an der Spitze hornweißlich; der Augenſtern gelbbraun; die Fuͤße fleiſchfarbig; das Gefieder am Kopfe und Halſe truͤbeweiß, mit matt braungrauen Schaftflrichen und Flecken, auf den Wangen, an der Kehle und Gurgel am zarteſten oder bleichſten gefleckt; in der Kropfgegend werden die Laͤnge- zu Querflecken; von hier an bis an den After alle untern Theile ſchwach roͤthlichgrau, mit vielen braungrauen, zerriſſenen Querflecken und wenig durch— ſchimmerndem Weiß; die untere Schwanzdecke weiß, mit großen braungrauen Querbinden; Oberruͤcken und Schultern weiß, gelblich und ſilbergrau gemiſcht, mit wellen- und zickzackfoͤrmigen braun- grauen Flecken und Baͤndern zahlreich beſetzt; der Oberfluͤgel faſt ebenſo, graulichweiß, mit zahlloſen braungrauen, abgebrochenen Wel— len: und Zickzacklinien, bunt und zugleich fein geſcheckt, das Braun⸗ grau am dunkelſten an den hintern und mittlern Schwingfedern, gegen die weißliche Spitze aber wieder matter, der Fluͤgelſaum auch mehr weiß und nur ganz fein gefleckt; die großen Schwingen und ihre Deckfedern von auſſen ſchmutzig gelblich- oder braͤunlichweiß, innen grauweiß, gegen die Spitze am lichteſten, nach auſſen und ſpitzewaͤrts fein und ganz ſchwach braungrau beſpritzt und befrigelt, die Schaͤfte braͤunlichweiß. Auf der untern Seite des Fluͤgels ſind 235 256 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. die Deckfedern weiß, dicht braungrau gefleckt und gewellt; die Schwingen unten ſchmutzig weiß, die Schaͤfte hell weiß. Der Un⸗ terruͤcken, Buͤrzel und die obern Schwanzdeckfedern find weiß, braun— grau gefleckt, gröber und weniger dicht als der Oberruͤcken; die Schwanzfedern auf weißem Grunde mit dunkelbraungrauen wellen— baͤnder- und zickzackartigen Flecken, welche auf den Innenfahnen zu: ſammenfließen, und mit weißem Endſaume. Unten ſind die Letztern weiß, mit der Zeichnung von oben, dieſe aber blaß glaͤnzend grau. Dieſes Zwiſchenkleid bleibt bis in den dritten Fruͤhling des Vogels unveraͤndert; dann zeigt ſich zuerſt ein ſtaͤrkeres Gelb des Schnabels und das Schwarze hat bis auf ein paar Flecke an den Seiten des Vorderſchnabels abgenommen; ſpaͤter zeigen ſich auch Spuren der Mauſer in neuen blaßmevenblauen Federn auf dem Mantel, die gegen den Sommer immer haͤufiger werden, bis end— lich im September und October das dem der mehrere Jahre alten Voͤgel aͤhnliche Winterkleid vollſtaͤndig hervortritt, in welchem der nun etwas uͤber 2 Jahr alte Vogel einen hochgelben, dicht uͤber dem Eck hochrothen, hier aber noch mit einem oder einigen kleinen ſchwarzen Fleckchen bezeichneten Schnabel, nackte gelbe Augenlider, braungelbe Augenſterne und auf den ganz weißen Schwanzfedern meiſt noch einige braungraue Spritzfleckchen hat. Dieſe Letztern unterſcheiden ſie, wenn ſie zum erſten Male ihr ausgefaͤrbtes Hochzeitskleid, im vierten Fruͤhling ihres er bens oder beinahe 3 Jahr alt, anlegen, von den aͤltern Voͤgeln; denn auch am Schnabel ſind die letzten Reſte des Schwarzen bei den Meiſten verſchwunden, der hochrothe Fleck iſt mehr ausgebildet, Augenlid und Mundwinkel haben ſich roͤther, die Iris reiner blaß— gelb gefaͤrbt und die Fuͤße haben einen gelblichen Aae be⸗ kommen. Im naͤchſten Herbſt, den vierten ihres Lebens, bringt ihnen nun die Mauſer das ausgefaͤrbte Winterkleid. Das Auge hat jetzt eine hell ſchwefelgelbe Iris bekommen, Schnabel und Fuͤße die Farben wie im naͤchſten Hochzeitskleide, nur, wie in jedem Herbſte, etwas weniger lebhaft; es unterſcheidet ſich aber von dieſem hauptſaͤchlich an dem gefleckten Kopfe und Halſe. Dieſe Theile ha: ben naͤmlich oben, hinten und zum Theil noch ſeitwaͤrts auf rein weißem Grunde braungraue ſchmale Schaftflecke, aber dieſe lange nicht ſo zahlreich oder kleiner als in jenem Zwiſchenkleide; vor dem Auge ſteht ein aus borſtenartigen nackten ſchwarzen Federſchaͤften XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294, Eis⸗Meve. 357 gebildetes Fleckchen; uͤbrigens iſt Alles, den blaß mevenblauen Man— tel und die bis gegen die Spitzen blaßgrauen Schwingen ausge— nommen, rein und blendend weiß. | Das ausgefärbte Sommer- oder Hochzeitskleid in das jenes endlich, durch eine theilweiſe Maufer,*) uͤbergeht, zeigt auch dieſe Art in hoͤchſter Pracht. Der Schnabel iſt zitronengelb, auf dem Haken hochgelb, ſo zuweilen auch uͤber den Naſenloͤchern ange— flogen, die Spitze weißlich, an Unterſchnabel dicht uͤber dem Eck mit einem gluͤhend rothen, in feiner Mitte in Karminroth uͤbergehenden, runden oder ovalen Fleck; Mundwinkel und Augenlidraͤndchen praͤch— tig orangeroth; der innere Schnabel und Rachen ſchoͤn rothgelb; der Augenſtern rein blaß ſchwefelgelb; die Fuͤße an den Schwimmhaͤu— ten faſt ganz bleichgelb, im Uibrigen mit durchſcheinender Fleiſchfarbe, die ganze Faͤrbung aber ſehr bleich. Der Mantel, d. i. Ober- und Unterruͤcken, Schultern, ſaͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern, hintere und mitt— lere Schwingfedern, iſt ungemein zart, fanft und ſehr blaß meven— blau, hier naͤchſt der folgenden Art am bleichſten unter allen großen Meven; die Enden der groͤßten Schulterfedern und der hinterſten und mittelſten Schwingfedern, ſo wie auch das Fluͤgelraͤndchen, rein weiß; die großen Schwingen blaß mevenblau, nicht ſo rein als der Oberfluͤgel, mit in Weiß ſanft uͤbergehenden Enden, dieſes Weiß aber auch etwas truͤbe und mit weißen Schaͤften, welche von der Mitte gegen die Wurzel oft einen gelbbraͤunlichen leichten Anflug zeigen. Auf der untern Seite ſind die Schwingfedern glaͤnzend ſil— berweiß, ihre Schaͤfte hell weiß; das Uibrige des Unterfluͤgels, wie der Kopf, Hals, ganze Unterkoͤrper, Buͤrzel und Schwanz mit allen ſeinen Deckfedern, rein und wahrhaft blendend weiß. Im hohen Alter wird das Mevenblau des Mantels noch ſchwaͤcher, einem aſchblaͤulichen Weiß aͤhnlicher, wo es dann noch weniger von dem wirklichen Weiß des uͤbrigen Gefieders abſticht und namentlich auf dem Urſprung des Halſes ſo ſanft in dieſes verſchmilzt, daß die Grenze zwiſchen beiden gar nicht zu erkennen iſt. Mir ſind ein paar Mal ſolche Voͤgel, die alle Kennzeichen ei— nes hohen Alters trugen, vorgekommen, welche wegen dieſer unge— mein bleichen Faͤrbung des Mantels in einiger Entfernung ganz weiß auszuſehen ſchienen. 6) Ele erſtreckt ſich hier, wie bei andern großen Meven, allem Anſchein nach, bloß über das Gefieder des Kopfes und Halſes; über das des Mantels ſchwerlich; das friſchere Mevenblau deſſelben im Herbſt mit dein weit mattern im Frühling vergiä⸗ chen, ebenſo die verſchiedene Beſchaffenheit des Gefieders, laſſen dies kaum bezweifeln. 358 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. Gewoͤhnlich iſt das Mevenblau im Fruͤhjahr auch etwas blaſſer als am friſchen Herbſtgefieder. Im Laufe des Sommers wird es durch atmoſphaͤriſche Einwirkung noch bleicher, verliert aber mit der Farbe auch an Reinheit, durch das Abreiben der Federſpitzen, das dieſem zarten Gefieder im Laufe der Zeit widerfaͤhrt, obgleich es nicht ſehr ſtark und nur dann auffallender iſt, wenn man einen ſolchen Sommervogel einem friſchvermauſerten Herbſtvogel gegenuͤberſtel— len kann. f Maͤnnchen und Weibchen find in allen Kleidern gleichge⸗ färbt; wenigſtens laſſen ſich erhebliche und zugleich ſtandhafte Unter: ſchiede darin nicht auffinden. Wie bei allen Meven ſind auch hier, in der Regel, die Letztern etwas, mitunter viel kleiner als die gleich— alten Maͤnnchen; doch beziehen ſich ſolche Groͤßenunterſchiede nicht immer auf Verſchiedenheit des Geſchlechts, oder auch des Alters, ſondern auf andere unbekannte Zufaͤlligkeiten. Die Zeit der Mauſer iſt hier ſo wenig wie bei andern Meven nach Monaten und Wochen zu beſtimmen, da ſie individuell ebenſo viele Verſchiedenheiten zeigt, ſo daß ſchon im Winter alte Voͤgel im reinſten Hochzeitskleide zwiſchen andern im Winterkleide vorkamen, an den Bruͤteorten dagegen hin und wieder welche er— legt wurden, die zum Theil noch im Letztern waren, und unter den in den fruͤhern bunten Kleidern Abnormitaͤten noch weit haͤufiger vorkommen. 5 Wr rent hee Die Eismeve gehört, wie die Elfenbeinmeve, dem hoͤchſten Norden an und iſt hier meiſtens die Gefährtinn dieſer. Obgleich ſie bis zu denſelben hohen Breitegraden aufſteigt, hoͤher als bis jetzt Menſchen gegen den Pol vordringen konnten, ſo koͤmmt ſie doch auch wieder in Laͤnderſtrichen vor, wo jene ſelten oder nie geſehen wird. Wir meinen hier hauptſaͤchlich Island, wo ſie als Stand— vogel lebt und im Sommer haͤufig ihre Bruͤteplaͤtze hat, beſonders auf dem Suͤd- und Weſtlande, wogegen die Elfenbeinmeve dieſe Inſel nicht einmal im Winter beſucht. Auf Spitzbergen ſind dagegen beide Arten im Sommer ſehr gemein bis zum 80 Gr. n. Br., von wo man ſie immer noch hoͤher gegen den Pol hinaufſtrei— chen ſahe. Groͤnland wird ebenfalls als ihr Sommeraufenthalt bezeichnet, beſonders die Oſtkuͤſte; dann die Kuͤſte des obern Nor⸗ wegens, aber erſt vom 70 Gr. an, mit der von Lappmark; wie XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. 359 weit ſie ſich aber an den Kuͤſten des Eismeeres nach Oſten hin ver— breite, iſt nicht mit Gewißheit bekannt. Gewoͤhnlich wird auch das obere Nordamerika zu den Aufenthaltslaͤndern dieſer Art gezaͤhlt; wir wiſſen jedoch nicht wie weit dies wahr ſei; wenigſtens gehoͤrt die an den Kuͤſten von Labrador lebende große Meve nicht zu dieſer Art, ſondern bildet eine eigene, ſelbſtſtaͤndige, den Larus glau- cescens des Berliner Muſeums. — Von ihren hohen Sommer— wohnſitzen ſtreicht die Eismeve im Winter theils laͤngs den Kuͤſten, theils auf offnem Meer in etwas ſuͤdlichern Breiten bis in die Naͤhe der Faͤroͤer und Shetlands, von Norwegen herab bis an die Kuͤſten der Halbinſel Juͤtland, ſelten noch tiefer herab. An der Oſtſee, die erwaͤhnte Kuͤſte und ein Fall bei Helſingoͤr im Sunde ausgenommen, iſt ſie allenthalben eine ſehr große Seltenheit und nur einzeln im Jugendkleide vorgekommen. Etwas weniger ſelten koͤmmt ſie an der deutſchen Nordſeekuͤſte vor, namentlich als Be— gleiterinn der Heringszuͤge bis vor die Muͤndung der Elbe. Faſt alle Winter, beſonders nach herrſchenden Nordweſtſtuͤrmen, erſcheinen Einzelne, doch meiſtens auch bloß junge Voͤgel, in der Naͤhe von Cuxhaven; im Februar 1824 wurden dort ſogar ſehr viele, unter Tauſenden von andern Mevenarten, Gannets u. dergl. gemiſcht, ge— ſehen und viele erlegt, auch einige alte Voͤgel. — Im Innern von Deutſchland iſt niemals eine Meve dieſer Art angetroffen worden. Sie gehört zu den Arten, welche nicht ſehr zahlreich an Indi— viduen ſind, in nicht vielen Weltgegenden und nirgends in ſo gro— ßen Schaaren angetroffen werden als viele andere Arten dieſer Gattung. Weniger Standvogel als vielmehr Strich vogel, verläßt dieſe große Meve nach vollendeten Fortpflanzungsgeſchaͤften die borealen Bruͤtegegenden und treibt ſich zerſtreuet in andern, meiſt ſuͤdlichern herum, doch nur ausnahmsweiſe in ſehr entfernten, wenn man nicht die offene Meeresflaͤche zwiſchen dem untern Norwegen und den Färdern dazu zählen will. Bei Island bringt fie den Winter an der ſuͤdlichen Kuͤſte, in weiten Buchten oder auf offenem Meere zu, an der von Norwegen geht ſie, wie ſchon geſagt, noch viel weiter herab, einzeln ſogar bis an die deutſche Kuͤſte. Im Maͤrz verſchwinden ſie wieder von hier und im April erſcheinen ſie ſchon wieder an den hochnordiſchen Bruͤteplaͤtzen. Sie iſt ganz Meervogel, will immer ſalziges Waſſer und ver- achtet das ſuͤße, ſelbſt wo ſie es ganz nahe haben kann. Sie wohnt 360 XIII. Or dn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. und bruͤtet nie anders als am Meer, verliert dieſes nie aus dem Geſicht, und man hat faſt kein Beiſpiel, daß ſie ſich tief in das Land hinein verirrt haͤtte. Heftige Stuͤrme koͤnnen ſie wol auf dem Meer in ungewöhnliche Regionen verſchlagen, aber daß dies land- einwaͤrts geſchehen waͤre, ſoll bis jetzt nur ein Mal vorgekommen ſein, nach Gloger (a. a. O.) bei Neiſſe in Schleſien, wo ein halbverhungertes Individuum auf einem todten Schafe ergriffen wurde. Sie liebt rauhes Felſengeſtade, hohe Felſeninſeln und überfeeifche Klippen, mag aber zu manchen Zeiten an ſeichten Stellen, wo Fiſche ihren Laich abſetzen und andere Nahrungsmittel fuͤr ſie in Menge vorkommen, auch gern verweilen. Auf hoher See koͤmmt ſie haͤufig zwiſchen Treibeis vor und laͤßt ſich hier gern, um auszuruhen, auf Eisſchollen nieder. Wo ſie dieſe nicht hat, ruhet ſie ſchwimmend. Eigenſchaften. Die Eismeve im ausgefaͤrbten Kleide iſt ein praͤchtiges Ge— ſchoͤpf, noch imponirender als andere durch ihre anſehnliche Groͤße, in der ſie fliegend einem Adler mittler Groͤße aͤhnlich wird, wie denn in dem Fluge der großen Mevenarten uͤberhaupt etwas Raubvogel— artiges in die Augen faͤllt. Von andern großen Arten unterſcheidet ſie ſchon in weiter Ferne das viele Weiß, beſonders die weiße, oder (bei Jungen) weißliche Fluͤgelſpitze. Es ſcheint ihr ſehr zu behagen, bis an die Ferſe in ſeichtem Waſſer zu ſtehen, weil ſie oft laͤnger darin verweilt, als auf dem Trocknen. In ihrer Stellung ſtehend, ſitzend oder gehend gleicht ſie den andern großen Arten, wie auch ſchwimmend, wobei dieſe alle die Fluͤgel hinten nicht ſo hoch tragen, wie es die kleinen Arten thun, ſich ohne Furcht auf die Wogen niederlaſſen, auf ihnen ſchau— keln und mit eben ſolcher Leichtigkeit auch wieder vom Wuſſer in die Luft erheben. Ihre Bewegungen im Fluge ſind langſam, aber leicht und un— gemein ſanft, nicht ſchwerfaͤllig und nur dann etwas traͤge, wo es keine Aufregung fuͤr ſie giebt. Die weit ausgeſpannten Fluͤgel ſchlaͤgt ſie gewoͤhnlich langſam und nicht tief, raſcher und weiter ausholend, wenn ſie eilt, ſehr haͤufig aber gar nicht, d. h. ſie ſchwebt oder ſchwimmt ganze Strecken durch die Luft ohne die Flügel merk lich zu bewegen, drehet ſich auf dieſe Weiſe in horizontalen Kreiſen XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. 361 wie in einer Spirallinie, und kann ſich in dieſer bis zu groͤßter Hoͤhe aufſchwingen und wieder herablaſſen. Sie widerſteht den aͤrg— ſten Stuͤrmen auf offnem Meer, ſchwebt dann niedrig uͤber den Wellen, dem Winde entgegen, und ruhet nach ſolcher Anſtrengung nur etwas oͤfter auf dem Waſſer aus, oder begiebt ſich unter den Schutz des naͤchſten Landes. Ihr Flug hat viele Aehnlichkeit mit dem eines Buſſards (Falco Buteo s. Lagopus). Sie ſcheint fuͤr gewoͤhnlich von einem traͤgen Gleichmuth be— herrſcht, giebt dieſen aber ſogleich auf, ſobald ſie ſich, zumal an gu— ten Futterplaͤtzen, von Andern beeintraͤchtigt ſieht, wo fie mit ihres Gleichen gar oft in Zwiſt geraͤth, mit der Mantelmeve harte Kaͤmpfe beſteht, wobei ſie jedoch gewoͤhnlich den Kuͤrzern zieht, waͤh— rend alle kleinern Arten nicht mit ihr anzubinden wagen und ihren gefaͤhrlichen Schnabelhieben moͤglichſt ausweichen. Sie iſt unver— traͤglich und viel weniger geſellig als andere Meven, auch an den Bruͤteorten nur in kleinen Geſellſchaften vereint, ſonſt auch ander: waͤrts ſtets in geringer Zahl beiſammen, waͤhrend viele bloß einſam ihren Geſchaͤften nachgehen und nur bei einer zu hoffenden guten Mahlzeit ſich wieder mit Mehreren auch anderartigen Voͤgeln, ver— ſammeln. Sie iſt traͤge, gefraͤßig, futterneidiſch, haͤmiſch, kraftvoll und ungeſtuͤm wenn es gilt, dabei klug und vorſichtig, und aͤhnelt in ihrem Betragen der Mantelmeve faſt ganz; mit welcher man ſie daher auch haͤufig an denſelben Orten ſieht, wo eine die andere dul— det, ohne eine ſonſtige gegenſeitige Anhaͤnglichkeit. Hoch in der Luft fliegend ſtoͤßt ſie zuweilen einen harten Laut aus, welcher bald mit dem Geſchrei eines Raben, bald mit dem des Fiſchreihers verglichen wird. Nach Faber hat ihre Stimme viele Aehnlichkeit mit der der Mantelmeve, und ſie ſchreiet ebenſo, doch in nicht ſo tiefem Tone, Ahgaga oder Agag, welches man auch von denen bis zu unſrer Nordſeekuͤſte gelangenden haͤufig hoͤrt und den gewoͤhnlichen Toͤnen der Silbermeve nicht unaͤhnlich iſt. Beim Neſte laͤßt ſie, nach jenem Beobachter, ein klagendes Kniii— kniii hoͤren, oder ſie klagt Giuhm! das oft in ein heulendes Guͤo— wuͤuͤuͤ übergeht und am meiſten Abends, wenn es ſchon finſter, gehoͤrt wird. Wenn man die kleinen flaumigen Jungen ergreift, ſtoßen fie einen lauten und hellen Schrei aus, befiedert und erwach— ſen haben ſie eine zitternd pfeifende Stimme. 362 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Ei5:Meve. N a Die Eismeve lebt von Fiſchen, kleinen und groͤßern, lebenden, todten und faulenden; von kleinen Krebſen, Conchylien und den Thieren aus groͤßern Muſcheln; von Aeſern aller Art, todten Wal: fiſchen, Robben u. dergl., ſelbſt von den Exkrementen dieſer, der Walroſſe u. a. Man hat auch Stuͤcke von Tang, Conferven und andere vegetabiliſche Stoffe in ihrem Magen gefunden. Auch wird geſagt: Sie freſſe die Beeren des Rauſch (Empetrum nigrum) gern. Sie ſucht und ſpaͤhet oft am Ufer entlang, in niedrigem Fluge, nach den Fiſchen im ſeichten Waſſer, ſtuͤrzt ſich, doch als ſchlechte Stoßtaucherinn, ſchwerfaͤllig und ungeſchickt, aber mit Kraft auf einen der flachgehenden herab und faͤngt ſo im Norden haͤufig den ſogenannten Seehaaſen (Cyclopterus Lumpus) oder Lump, einen ſehr langſamen Fiſch, aber auch zur Heringsgattung gehoͤrige, wenn ſie in Zuͤgen ſehr hoch gehen, denen ſie deshalb unablaͤſſig folgt und auf dieſe Weiſe bis an die deutſche Kuͤſte herabkoͤmmt, hier die ſchon von den Netzen der Fiſcher umſchloſſenen wegfaͤngt oder gierig verſchlingt, was von jenen an Eingeweiden und andern Fiſchabgaͤn- gen weggeworfen wird. Am Strande laͤßt ſie ſich oft nieder und wandelt dort ernſt in langſamen Schritten herum, um allerlei kleine Cruſtaceen, namentlich Cancer araneus, C. pulex oder Junge von groͤßern Arten, auch Conchylien, namentlich Venus islandica, Pecten islandicus, Nerita u. a. aufzuſuchen, um aus den groͤßern bloß die Thiere, die kleinern ſammt den Schalen zu verſchlucken. Fiſche von mittler Heringsgroͤße verſchlingt ſie ganz, groͤßere zerſtuͤckelt ſie. Beim Zerlegen eines gefangenen Walfiſches, Wal— roſſes u. dergl. findet ſie ſich bald in Geſellſchaft der Elfenbein— meven, der Mevenſturmvoͤgel und anderer ſehr haͤufig ein und findet dann an dem, was die Menſchen unbenutzt liegen laſſen und keine Knochen ſind, ein reichliches Mahl. Sie folgt auch dem Zuge jener großen Seethiere, theils weil ſie kleinere Fiſche und andere Geſchoͤpfe gegen die Oberflaͤche aufſcheuchen, welche ihr ſo zu Theil werden, theils auch ihres Unrath wegen, welchen ſie gierig verſchlingt. Alle thieriſchen Ueberreſte, ſchwimmende oder am Strande liegende, dienen zur Befriedigung ihres ſteten Heißhungers, mit dem ſie auch uͤber die Aeſer groͤßerer Landthiere herfaͤllt, welche in der Naͤhe des Strandes liegen. Aufgefundenen todten Voͤgeln rupft ſie nur ſo viele Federn aus, als hinreichen zum Fleiſche zu gelangen, um ſie XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis-Meve. 363 nun in Stüden zu zerreiſſen und dieſe ſammt den Knochen und den meiſten Federn zu verſchlingen; kleinere wuͤrgt ſie ſammt allen Federn hinab. Wenn, man die kleinern Mevenarten mit Kraͤhen und Raben vergleichen kann, ſo darf man die großen fuͤr die Buſſarde des Meeres halten. Sie find ebenſo gefraͤßig als raubgierig. Die Eis: meve faͤllt uͤber jeden angeſchoſſenen oder kranken Vogel her, toͤdtet und verzehrt ihn auf der Stelle. Sie pluͤndert die Neſter aller an: dern Seevoͤgel, die zu ſchwach ſind, ſich ihr kraͤftig zu widerſetzen, oder der ſtaͤrkern, wenn dieſe abweſend ſind, ſaͤuft ihnen die Eier aus oder ſchleppt ihnen die Jungen weg, welche ſie toͤdtet und ent— weder ſelbſt verſchlingt oder die eigenen Jungen damit futtert. Es iſt nicht ausgemacht, ob ſie Vegetabilien aus dem Meer, wie Tang (Fucus) und Conferva rupestris, abſichtlich oder bloß zu⸗ faͤllig, mit zwiſchen denſelben befindlichen animaliſchen Nahrungs— mitteln, verſchlinge. Wenn man auch eine ſolche Meve erlegt hat, welche nur jene Pflanzenfloffe im Magen hatte, fo koͤnnte man im— mer noch daran denken, daß die zugleich mit verſchluckten Anima— lien bereits verdauet geweſen waͤren. Indeſſen iſt verſichert worden, daß dieſer gefraͤßige Vogel zuweilen auch Rauſchbeeren (Empetrum nigrum) zur Nahrung auffuche. Fortpflanzung. Die hochnordiſchen Bruͤteplaͤtze der Eismeve liegen alle weit über den Polarkreis hinaus, nur auf IJsland ſteigen fie bis zum 65. Gr. im obern Norwegen kaum bis zum 70 Gr. n. Br. herab, auf Spitzbergen aber ſo hoch als Menſchen kamen und wahrſcheinlich noch hoͤher gegen den Pol hinauf. Sie liegen nie an ſuͤßen Gewaͤſſern, wenn dieſe auch nahe waͤren, ſondern ſtets am Meer oder von dieſem ganz umgeben, hoch oben auf den Vorſpruͤn— gen ſchroffer Felſenwaͤnde oder auf iſolirten Klippen im Meere. Ei⸗ ner ihrer ſuͤdlichſten und zugleich am ſtaͤrkſten beſetzten Bruͤteplaͤtze ſcheint das Vorgebirge zwiſchen der Faxebugt und Bredebugt an der Weſtſeite von Island zu ſein, wo nach Faber Hunderte dieſer Meven in kleinern oder größern Vereinen alljaͤhrlich den Fort— pflanzungsgeſchaͤften obliegen. Sie erſcheinen dort in den tiefern und engern Buchten im Anfange des April, wo ſie eben die gefleck— ten Federn am Kopfe und Halſe mit ganz weißen vertauſcht haben und alle im reinſten Sommerkleide ſind, waͤhrend juͤngere Voͤgel, 364 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. in den buntgefleckten, jugendlichen Kleidern ſich zwar auch dem Lande naͤhern, aber an andern Plaͤtzen, und nicht bruͤten, auch von den Bruͤtefaͤhigen an ihren Niſtplaͤtzen nicht geduldet werden. Sie niſtet meiſtens in Geſellſchaft, auf einem nicht großen Raume, zu 6, 10 bis 20 Paaren, ſeltner in noch mehrern bei ein— ander, zuweilen auch in einzelnen Paaren zwiſchen oder doch in der Naͤhe anderer Seevoͤgel, aber immer in der oberſten Region des Felſens. | Auf der Oberfläche der Scheeren und Felſenabſaͤtze bauet fie ihr großes Neſt, das oft uͤber 2 Fuß Durchmeſſer und 4 bis 6 Zoll Höhe hat, nachlaͤſſig, aber ziemlich feſt, aus Tang, Meergras, duͤr— ren Landpflanzen, Loͤffelkraut, mit Erde vermengt und inwendig gewoͤhnlich mit trocknem Gras ſammt den Wurzeln unordentlich ausgelegt. Oefters wird das vorjaͤhrige zur Anlage des neuen benutzt. Das Weibchen legt im Mai in ein ſolches Neſt nie mehr als 3, oft auch nur 2 Eier, wenn ſie ihm genommen werden abermals 2, und ſoll dies einige Mal wiederholen koͤnnen. Dieſe Eier ſind denen der Mantelmeve, nach Faber, an Größe, Geſtalt und Farbe ſo ſehr aͤhnlich, daß man ſie nicht unterſcheiden kann. Nach Thienemann (f. d. Eierwerk V. S. 16. und 17.) ſollen die der Eismeve eine gelblichere, die der Mantelmeve ſtets eine gruͤnli— chere Grundfarbe haben; ein Unterſcheidungszeichen, was wol ſehr ſchwankend ſein moͤchte, da diejenigen, welche ich durch Faber von beiden Arten in mehrern Exemplaren erhielt, und mehrere, welche ich in andern Sammlungen ſahe, in dieſer Hinſicht nicht nur voͤllig in einander uͤbergingen, ſondern darunter auch umgekehrte Faͤlle vorka— men. An Geſtalt, Farbe und Zeichnung find fie denen der Sil— bermeve ebenfalls ſehr aͤhnlich, aber in der Regel bedeutend groͤ— ßer, obwol auch einzelne Ausnahmen vorkommen, wo die groͤßten unter denen der ebengenannten Art, den kleinſten (wahrſcheinlich nachgelegten) der Eismeve in der Groͤße ſehr nahe kommen. Ich beſitze ein ſolches, das nur 2 Zoll 10½ Linien lang und wenig uͤber 2 Zoll breit iſt, waͤhrend die Mehrzahl eine Laͤnge von 3 Zoll 1 bis 2 Linien und eine Breite von 2 Zoll 3 bis 3½ Linien hat. Ihre Geſtalt iſt eine regelmaͤßig eifoͤrmige, die Bauchwoͤlbung aber oft ziemlich ſtark. Die ſtarke Schale iſt grobkoͤrnig, voller ſichtbarer Poren, daher kaum etwas glaͤnzend; ihre Grundfarbe ein ſehr lich— tes gruͤnliches Gelbbraun oder ein blaſſes gelbliches Olivengruͤn, mit allen Uibergaͤngen zwiſchen dieſen beiden; die Zeichnung mehr Flecke und Tuͤpfel als Punkte, die tiefern in der Schale aſchgrau, die hoͤ— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294, Eis⸗Meve. 365 hern ſehr dunkel braͤunlichaſchgrau, die aͤußern, auf der Schale, ſchwarzbraun. Die Flecke ſind ſelten ſehr groß, die meiſten gerun— det, dazwiſchen Tuͤpfel und Punkte eingeſtreuet, hin und wieder auch einige der Laͤnge nach zuſammengefloſſen, alle ziemlich ſparſam und gleichmaͤßig verbreitet, an manchen Eiern zwar alle Zeichnungen dich: ter, aber dann auch kleiner. Sie variiren in den Zeichnungen und der Grundfarbe nicht mehr und nicht weniger als andere Meven— eier. Nach Jahren in den Sammlungen verſchwindet das Gruͤn— liche ebenſo wie bei andern und wird braͤunlicher. Beide Gatten haben unten, mitten auf dem Bauche einen ein— zigen Bruͤtefleck und bebruͤten die Eier 4 Wochen lang. Sie lieben ihre Brut ſehr, ſind gleich dabei, ſobald ſich ein Menſch derſelben naͤhert, empfangen ihn unter heftigem Schreien, umſchweben und be— gleiten ihn bis er ſich wieder entfernt hat, ohne jedoch nach ihm zu ſtoßen. Mitten im Juni fand man die Jungen im Dunenkleide, gegen Ende des Juli befiedert und zum Ausfliegen bereit. Daß ſie den Jungen, auſſer Fiſchen und andern Seethieren, haͤufig Junge und Eier von andern Seevoͤgeln zuſchleppen, iſt ſchon erwaͤhnt. F e i n d e. Dies koͤnnen, unter den Voͤgeln, nur Seeadler und islaͤn— diſche Edelfalken ſein; man hat jedoch daruͤber keine ſichern Nachrichten. Saga. Sie iſt ſehr ſcheu ſelbſt beim Neſte nicht ganz unvorſichtig, kann daher nur ungeſehen beſchlichen oder aus einem Verſteck im Vorbeiſtreichen erlegt werden. Oefter vergißt ſie aus Freßgier an den Plaͤtzen, wo ſie eine uͤberreich beſetzte Tafel findet und mit vie— len andern nicht weniger heißhungerigen Tiſchgenoſſen gemeinſchaft— liche Sache macht, ihre ſonſt gewohnte Vorſicht und iſt hierbei am leichteſten zu erlegen. Sie verlangt einen tuͤchtigen Schuß und die fluͤgellahm Geſchoſſene beißt fuͤrchterlich um ſich; ſie kann ſehr ſchmerz⸗ haft verletzen und der ſcharfſchneidige Haken ihres ſtarken Schna— bels kneipt, wo er hinfaͤhrt, Stuͤcke Fleiſch heraus, wie wenn ſie mit einer Scheere herausgeſchnitten waͤren. Man hat daher alle Urſache, ſich vor deſſen Hiebe in Acht zu nehmen. Zum Schuß auf dieſe wie auf andere große Mevenarten ſoll man ſich ſtets nur gro— 366 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 294. Eis⸗Meve. ben Hagels bedienen, weil ihr dichter Federpelz viel abhaͤlt und fei⸗ nes Schrot zu ſehr am tiefern Eindringen verhindert. e ee Man ißt fuͤr gewoͤhnlich ihr Fleiſch nicht, wol aber die, nur einem hochnordiſchen Gaumen wohlſchmeckenden, großen Eier, die deshalb, in der Naͤhe bewohnter Gegenden, gleich andern, fuͤr die Kuͤche eingeſammelt werden, wodurch die Paͤaͤrchen ſich genoͤthigt ſehen, mehrere Gelege zu machen, deren Eier zuletzt kleiner ausfal— len und wenn man ihnen, wie gewoͤhnlich, dieſe zum Ausbruͤten uͤberlaͤßt, eine ſchwaͤchlichere Nachkommenſchaft geben. Die Federn ſind gleich Gaͤnſefedern zum Ausſtopfen der Betten u. dergl. zu benutzen. Sie huͤlft das Waſſer und den Strand von faulenden Aeſern reinigen und die unwirthbaren Regionen des Eismeeres beleben. S i e ın Dem Menſchen wuͤrde ſie, trotz ihrer raͤuberiſchen Natur, wenig oder keinen Nachtheil bringen, wenn ſie ihm nicht hin und wieder einen gefangenen Fiſch wegkaperte; aber andern Seevoͤgeln iſt fie ein gefaͤhrlicher Nachbar, beſonders in der Bruͤtezeit, wo ſie die Vo— gelberge fleißig pluͤndert, dadurch aber dem Menſchen bloß mittelbar und ſehr entfernt ſchadet. 295. Die Polar-Meve. Larus leucopterus. Faber. Fig. 1. Maͤnnchen im Sommerkleide. Taf. 265. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Fig. 3. Weibchen im zweiten Jahr. Kleine weißſchwingige Meve; kleine weißſchwingige Stoßmeve. Larus leucopterus. Faber, Prodromus d. isländ. Ornith. S. 91. = Lurus glaucoides. Temminck, in Meyer's Zuſätzen zum Taſchenb. (III.) S. 197. Brehm, Beitr. III. S. 817. = Deſſen, Lehrb. II. S. 715. = Deſſen, Naturg. aller Vög. Deutſchlds. S. 744—746. Anmerk. Brehm nimmt 3 Subſpecies an, die aber durchaus nicht als wirk— liche Arten (Species) betrachtet werden dürfen, ſondern alle als individuelle Abweichun⸗ gen zu Fabers und unſerm L. leucopterus gehören. Kennzeichen Der Ar k. Die großen Schwingfedern bei Alten rein weiß, bei Jungen blaß braͤunlichgrauweiß, mit durch ein dunkles Mondfleckchen ges ſchiedener, weißer Endkante. Die Spitzen der ruhenden Flügel rei⸗ chen ſtets etwas, oft gegen 2 Zoll, uͤber das Schwanzende hinaus. Groͤße zwiſchen Rabenkraͤhe und Kolkrabe. Beſchrei bung. An den gegebenen Artkennzeichen unterſcheidet ſich die, der Eis— meve im Uebrigen ſehr aͤhnliche, Polarmeve ſehr leicht, noch leichter 368 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve, von dem Larus glaucescens des Berliner Muſeums; von beiden iſt ſie nicht allein in der weit geringern Groͤße, ſondern auch in der viel ſchlankern Geſtalt ſo ſehr verſchieden, daß es kaum mehr als eines oberflaͤchlichen Blicks bedarf, um ſie ſogleich zu erkennen. Auch die Jugendkleider aller drei aͤhnlichen Arten unterſcheidet die weiß— liche Fluͤgelſpitze, wenn man auch ſonſt den viel lichter gefleckten Mantel nicht auffallend genug finden wollte, von denen anderer Meven gleicher Groͤße, an welchen jene ſchwarz iſt, zur Gnuͤge. — Das durch ſaͤmmtliches Gefieder in jedem Alter auffallend vorherr— ſchende Weiß und die viel geringere Groͤße, kuͤrzern und kleinern Fuͤße u. ſ. w. der Elfenbeinmeve, laſſen an eine Verwechslung mit dieſer vollends nicht denken. — Von der Silbermeve, wel— cher die Polarmeve an Groͤße auch nicht ganz gleichkoͤmmt, unter— ſcheidet dieſe auch ihr ſchlankerer Koͤrperbau, ihr kleinerer Schnabel und die ganz andere Faͤrbung der Fluͤgelſpitze leicht genug. Sie iſt etwas groͤßer als die groͤßeſte Rabenkraͤhe und etwas kleiner als der Kolkrabe, aber von ſchlankerer Geſtalt, mit laͤngern Fluͤgeln u. ſ. w. Man kann auch ſagen: Sie ſtehe an Groͤße ge— rade in der Mitte zwiſchen L. argentatus und L. canus, oder waͤre L. fuscus zu vergleichen, wenn dieſe nicht viel längere Flügel hätte. — Ihre Laͤnge von der Schnabelwurzel bis zur Schwanzſpitze wech— ſelt zwiſchen 20½ bis 26 Zoll; die Flugbreite zwiſchen 53 bis zu 56 Zoll; die Fluͤgellaͤnge, von der Handwurzel zur Spitze, 17 bis 17‘ Zoll; die Schwanzlaͤnge 6 bis 7¼ Zoll. So verſchieden ſind die Maaße zwiſchen jungen, aͤltern und ganz alten Voͤgeln, ſelbſt unter den Letztern, im voͤllig aus— gefaͤrbten Kleide, kommen Unterſchiede in der Laͤnge von 23 bis zu 26 Zoll vor. Eine bedeutende Menge von Baͤlgen ſetzte mich in den Stand, dies beobachten und behaupten zu koͤnnen. Das kleine Gefieder iſt außerordentlich zart, ohne deutliche Um— riſſe, dichter und nach unten zu pelzartiger als bei irgend einer an— dern Art; von den ſtarken und langen, mit faſt geraden und ſehr ſtarken Schaͤften verſehenen großen Schwingfedern iſt die Erſte am laͤngſten von Allen, das Fluͤgelende alſo ſehr zugeſpitzt; der Schwanz mittellang, breit, am Ende abgerundet; die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel haben nur bei Jungen zuweilen einerlei Laͤnge mit ihm, bei Alten reichen ſie aber immer etwas, ſelten unter 1 Zoll, gewoͤhnlich aber bis gegen 2 Zoll uͤber ſein Ende hinaus. Der Schnabel iſt, im Verhaͤltniß zur Koͤrpergroͤße, kleiner als der von L. argentatus, vorn ſtumpfer oder mit kuͤrzern Haken und — —̃ä ſQ—b XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar-Meve. 369 Spitze, auch niedrigern, ſtumpfern Eck; ſein Profil iſt daher ein ganz anderes und viel aͤhnlicher dem des Schnabels von L. fuscus. — Mit der Faͤrbung des Gefieders erhaͤlt er ebenfalls erſt ſeine voͤllige Ausbildung und iſt in der Jugend merklich ſchwaͤcher, kuͤrzer und ſtumpfer als nach drei Jahren, wo er an Hoͤhe, Staͤrke und den Umriſſen ſeines vordern Theiles ſich merklich veraͤndert zeigt. In der Seitenanſicht iſt er an der anfaͤnglich etwas platt abgerundeten Firſte bis gegen die Mitte ſeiner Laͤnge ziemlich gerade, dann am alten Vogel ein Wenig, kaum bemerkbar, am jungen faſt gar nicht aufgeſchwungen, vorn im flachen Bogen in den Haken herab— gekruͤmmt, deſſen Spitze nur 1 bis 1½ Linien über die des Unter: ſchnabels hinwegragt; dieſer zwar gerade, aber bei Alten gegen das Ende der Kielſpalte, wo er das (hier nur mäßig große) ſtumpfwin⸗ kelige Eck bildet, bedeutender anwachſend als bei Juͤn gern, und nun ſchraͤg aufwaͤrts in gerader Linie in die Spitze endend; von oben geſehen iſt er an der Wurzel ſehr breit und verjuͤngt ſich all— maͤhlich gegen die viel ſchwaͤchere Spitze; ſeine Seitenflaͤchen ziemlich eben, nur bei alten Voͤgeln erhebt ſich ein ziemlich vortretender Wulſt unter der Naſengegend laͤngs der Mundſpalte; die Mund— kante faſt gerade, an der Spitze ſanft abwaͤrts gebogen, die Schnei— den ſehr ſcharf, die obere ein Wenig uͤber die untere greifend; der Rachen tief, bis unter den Anfang des Auges, geſpalten und ſehr weit. Die weite, laͤngliche Nafenhöhle reicht an den Seiten bis faſt zwei Drittheile von der Wurzel aus vor und hier iſt, nach un— ten zu, die Naſenoͤffnung, ein horizontaler, 3 bis 4 Linien langer, vorn erweiterter, durchſichtiger Ritz, kaum ein paar Linien von der weit vorgehenden ſeitlichen Spitze der Stirnfedern. Die Maaße dieſes Schnabels ſind in der Laͤnge von der Stirn aan, bei ein- bis zweijährigen Voͤgeln 1 Zoll, vom Mund: winkel aus 2 / Zoll, die Breite an der Wurzel / Zoll, die Höhe hier 7 Linien; bei den Alten die Laͤnge von der Stirn in gerader Linie 1⅜ Zoll, über dem Bogen 1 Zoll, aus dem Mundwinkel zur Spitze 3 Zoll, die Breite, wie immer gleich dem obern An: fange der Stirnbefiederung, 6 Linien und die Höhe hier 8 Linien. — Seine Faͤrbung iſt nach dem Alter verſchieden, in der Jugend faſt ſchwarz, mit lichterer Spitze und fleiſchfarbiger Wurzel, dies am meiſten am Unterſchnabel; ſpaͤter wird er gelbroͤthlich mit immer wenigerm Schwarz vor der Spitze; endlich, bei den Alten, ſchoͤn gruͤnlichhellgelb, vor der Spitze hochgelb, uͤber dem Eck des Unter⸗ ſchnabels mit einem Weihen Fleck. Alle dieſe Farben werden 10x Theil. 24 370 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar-Meve. nach dem Austrocknen viel blaͤſſer, an den Jungen der ganze Schnabel licht hornbraͤunlich, vor der Spitze mehr oder weniger ſchwarzbraun; an den Alten bleichgelb, an der Spitze und Wurzel faſt weißlich, und der rothe Fleck bleibt nur durch einen ſafrangelben ſchwach angedeutet. Das etwas kleine Auge hat in der Jugend eine braune, ſpaͤter eine braungelbe, zuletzt eine ſchwefelgelbe Iris; bei erſtern weißbe⸗ ſiederte, dann nackte braun: oder roͤthlichgraue, endlich fleiſchfarbige oder gelbroͤthliche Lider. Die Fuͤße haben als Mevenfuͤße, weder in der Geſtalt, noch in Staͤrke und Hoͤhe, etwas Auffallendes; ebenſo iſt ihre Bedeckung am Lauf vorn groͤber, hinten feiner, die Zehen oben ſchmal geſchildert, an den Sohlen warzig, die Schwimmhaͤute fein und undeutlich ge— gittert, Alles wie bei ähnlichen Arten; auch die nicht großen, ziem⸗ lich krummen, unten etwas hohlen, nach innen ſcharfrandigen, an der Spitze abgerundeten aber ſcharfen Krallen, die bei den Alten viel laͤnger, viel kruͤmmer und mit groͤßern Schneiden, zumal an der Innenſeite der Mittelzeh, verſehen ſind als bei den Juͤngern. Der Unterſchenkel iſt bis 7/5 Zoll nackt; der Lauf 23/, bis 23/, Zoll lang; die Mittelzeh, mit der 5 Linien langen Kralle, ſo lang wie der Lauf; die nicht ſehr erhoͤhet ſtehende Hinterzeh, mit der faſt 3 Linien langen Kralle, nur 5 Linien lang. Die Faͤrbung der Fuͤße iſt meiſtens hell fleiſchfarbig, bei Alten an den Schwimmhaͤuten und Gelenken blaßgelb uͤberlaufen. Aus: getrocknet werden fie hell hornbraͤunlich oder horngelblich, auch die Krallen lichter, die friſch braunſchwarz ausſehen und an den Spitzen in Braͤunlichweiß uͤbergehen. i Das Dunenkleid kennt man noch nicht. Im Jugendekleide herrſcht viel braͤunliches Grau. In ihm iſt der Schnabel matt ſchwarz, die Spitze ganz vorn licht hornbraun, die Unterkinnlade wurzelwaͤrts ſchmutzig fleiſchfarbig, Rachen und Zunge blauroͤthlichweiß; die Iris braun; die Fuͤße blaß fleiſchfarbig an den Laͤufen ſchwach bleifarbig angelaufen, die Krallen braun mit hellerer Spitze. Kopf und Hals ſind auf truͤbeweißem Grunde grob und dicht maͤuſegrau gefleckt; die untern Theile des Vogels ebenſo, aber etwas bleicher und undeutlicher gefleckt; alle oberen Theile maͤuſegrau, mit ſchmutzigweißen Fleckenkanten, die kleinen Fluͤgel— deckfedern ohne dieſe und auch die Wurzelhaͤlfte der Sekundarſchwing— federn einfarbig maͤuſegrau; die Primarſchwingen blaß fahlgrau, an den Spitzenkanten weißlich, auf der untern Seite ſilbergrau, ihre XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar⸗Meve. 371 Schaͤfte gelbbraͤunlichweiß; die Deckfedern auf der Unterſeite des Fluͤgels einfarbig maͤuſegrau. Der Schwanz iſt fahlgrau, wurzel— waͤrts weißgefleckt, am meiſten nach auſſen. Sie tragen dies Kleid durch den naͤchſten Herbſt und Winter bis zum folgenden Fruͤhjahr unveraͤndert, auſſer daß der Schnabel nach und nach eine lichtere Faͤrbung annimmt; jetzt beginnt aber ihre erſte Mauſer, die immer bemerklicher bis durch den Sommer fortdauert, und wenn ſie gegen Ende des September vollendet iſt, im zweiten Herbſte ihres Lebens, ſie in folgendes Zwiſchen— kleid verſetzt. In dieſem, oder im Laufe ihres zweiten Lebensjahres, iſt der Schnabel gelblichfleiſchfarbig, in der Nähe der braͤunlichwei— ßen Spitze braunſchwarz; Rachen und Zunge blaß fleiſchfarbig; das nackte Augenlidraͤndchen roͤthlichgrau, der Augenſtern hellbraun, ſpaͤ— ter ins Gelbliche ziehend; die Fuͤße blaß oder ſchmutzig fleiſchfarbig. Der Grund am Kopfe und Halſe iſt weiß; vor dem Auge ſteht ein aus ſchwaͤrzlichen Haͤaͤrchen gebildetes, aſchgraues Fleckchen; die Zuͤ— gel, Stirn, der Oberkopf und das Genick haben kleine braungraue Schaftfleckchen, Nacken und Halswurzel etwas größere aber mattere Flecken; die Wangen ſind graulich geſtrichelt, die Kehle faſt rein weiß, die Gurgel bloß graulich gemiſcht oder ſchwach geſtrichelt, die Kropfgegend aber wieder ſtaͤrker grau gefleckt. Die Bruſt, nebſt den Tragefedern und der Bauch ſind ſehr bleich aſchgrau, ein Wenig ins Röthliche ſpielend, mit braungrauen Federſpitzen, wodurch eine undeutlich gewellte oder gewoͤlkte Zeichnung entſteht; die Unter— ſchwanzdecke weiß, mit baͤnderartigen graubraunen Querflecken. Ruͤk— ken und Schultern haben auf weißgrauem Grunde matt graubraune Querflecke, die am Erſtern dichter ſtehen, an den Letztern groͤßer, wellenfoͤrmiger oder baͤnderartiger und mit ſolchen Spritzflecken ver— miſcht find; der Fluͤgelrand weiß, ſchwach und fein braungrau ge: fleckt; die uͤbrigen Fluͤgeldeckfedern und hintern Schwingen blaß blaͤu— lichgrau, mit matt graubraunen Flecken und Punkten baͤnder- und wellenartig durchzogen und mit weißen Endkanten und Spitzen; die mittlern und großen Schwingfedern, auch die Deckfedern dieſer, braͤun— lichgrauweiß oder weißgrau, mit weißer Endkante oder Spitze und matt graubraunem Mondfleck vor derſelben, auch ſonſt ſpitzewaͤrts noch blaßgrau beſpritzt, die Schaͤfte aller weiß; der Unterfluͤgel an den Deckfedern weiß, graulich gefleckt, an den Schwingen truͤbe weiß mit hellweißen Schaͤften. Der Buͤrzel und die Oberſchwanzdecke ſind wie der Oberruͤcken, aber mit etwas weißerm Grunde; der 24° 372 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve. Schwanz weiß, dicht baͤnderartig, auch ſtrichfoͤrmig, oft in fchräger Richtung mit Braungrau bezeichnet und gefleckt, ſo, daß am Ende ein braungraues und dann ein weißes Querband beſonders ausge: zeichnet und dieſem zuletzt meiſtens noch ein grauliches Saͤumchen angehaͤngt iſt. Dieſe Schwanzzeichnung iſt in der Darſtellung indi⸗ viduell ziemlich verſchieden. Auf der untern Seite der Federn ſcheint ſie ſchwach durch das Weiße. Dieſes Kleid verbleibt ihnen, auſſer daß ſich der Schnabel {hir ner faͤrbt und das Schwarze immer mehr verliert, den Herbſt und Winter hindurch bis zum naͤchſten Frühjahr, dem dritten ihres Le- bens, unveraͤndert; im Mai zeigen ſich aber ſchon merkliche Spuren der Mauſer, die von da an langſam fortruͤckt bis in den Septem— ber, wo ſie mit Ende deſſelben vollendet iſt und dieſer Meve ihr erſtes vollſtaͤndiges Winterkleid bringt. Dieſes iſt nun dem Winterkleide aͤlterer Voͤgel gleich, bis auf eine etwas weniger lebhafte Faͤrbung des Schnabels, wobei Die: ſer auch gewoͤhnlich noch ein kleines ſchwarzes Fleckchen neben der rothen Stelle am Unterſchnabel hat, und bis auf ein unreineres Gelb des Augenſterns. Die Alten haben in dieſem Kleide einen hell gruͤnlichgelben, an der aͤußerſten Spitze in gelbliches Weiß über: gehenden Schnabel, welcher vorn uͤber dem Eck mit einem orange— farbenen Fleck geziert iſt, fleiſchfarbige Mundwinkel und Rachen, eine weiße ins Roͤthliche und Blaͤuliche ſpielende Zunge, fleifchfar: bene Augenlidraͤnder und einen hellgelben Augenſtern; die Fuͤße ſind roͤthlichweiß, bleichgelb uͤberlaufen. Kopf und Hals ſind weiß, eine kleine Stelle dicht vor dem Auge graulich, Oberkopf und Hinterhals mit ſchmalen, bleichen, braungrauen Schaftſtrichen und Laͤngeflecken beſetzt, welche nur in der Naͤhe bemerkbar werden; der Mantel iſt ſehr ſanft mevenblau von der hellſten Faͤrbung, die Enden der groͤß— ten Schulter- und der hinterſten Schwingfedern rein weiß; die gro— ßen Schwingen, nebſt ihren Schaͤften, weiß, von der Mitte an ge— gen die Wurzel zu ſehr ſchwach blaͤulichgrau angehaucht; Fluͤgel— rand, Unterfluͤgel, Schwanz und alle uͤbrige Theile vom reinſten, blendendſten Weiß. Sie tragen dies Winterkleid vom September und October bis zum April des naͤchſten Fruͤhjahrs, vertauſchen dann die graugefleck— ten Kopf- und Halsfedern mit ungefleckten, rein weißen, und be— ſtehen nun eine theilweiſe Fruͤhlingsmauſer und eine uͤber das ganze Gefieder ſich erſtreckende Herbſtmau ſer alle Jahr bis zu ihrem Le— bensende. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve. 373 Dieſes hochzeitliche oder Sommerkleid iſt zwar das praͤch— tigſte aber auch zugleich das einfachſte von Allen. Der Schnabel iſt rein ſchwefelgelb, nach vorn hochgelb, die Spitze weißlich, der rundliche oder ovale Fleck uͤber dem Eck des Unterſchnabels gluͤhend gelbroth; Mundwinkel, Rachen und Augenlidraͤndchen blaß gelbroth; die Iris rein ſchwefelgelb; die Fuͤße ſind ſehr blaß roͤthlichgelb, die Schwimmhaͤute und das Ferſengelenk faſt ganz bleichgelb; der Man— tel ſehr ſchwach mevenblau, noch etwas lichter als im vorigen Herbſte, die laͤngſten Schulter- und hinterſten Schwingfedern mit weißen En: den, die großen Schwingfedern (weil jener graublaͤuliche Anflug ganz verbleicht iſt) rein weiß; der Unterfluͤgel, das Fluͤgelraͤndchen, Buͤrzel, der Schwanz mit ſeiner untern und obern Decke und alle uͤbrige Theile des Vogels, Kopf und Hals nicht ausgenommen, vom ungetruͤbteſten reinſten Weiß. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich nur in der Groͤße, denn Letzteres iſt immer etwas kleiner als Erſteres; auch der Schnabel iſt bei jenem meiſtens etwas ſchwaͤcher. Dieſe Meve kann vor allen „die weißſchwingige“ heißen, da ſie, die Elfenbeinmeve ausgenommen, die einzige bekannte Art iſt, bei welcher im Alter die Schwingfedern erſter Ordnung rein weiß ſind. Af f e nt halt. Dieſe Mevenart wurde erſt in den Jahren 1820 und 21 von Faber, wenn auch nicht entdeckt, doch zuerſt auf Island beob— achtet und als Art von andern unterſchieden. Sie erſcheint dort bloß im Winter, waͤhrend ihre Bruͤteplaͤtze viel hoͤher nach dem Pol hinauf liegen. Man hat keine Nachrichten, daß ſie auch auf Spitz— bergen, wie an der Eiskuͤſte der ſcandinaviſchen Halbinſel und weiter nach Oſten vorgekommen ſei; fie ſcheint überhaupt bloß nord— weſtlich von Island, die Kuͤſte von Weſt-Groͤnland und die gegenuͤberliegende von Baffinsland zu bewohnen. Man weiß, namentlich durch die Nordpolexpeditionen eines Roß, Sabine u. a., daß fie an den beiden Kuͤſten der Baffinsbai recht eigentlich zu Hauſe gehoͤrt und im Winter ſogar bis an die der noͤrdlichſten vereinten Staaten hinab ſtreift. Im Verfolgen der Fiſchzuͤge, namentlich der Heringe, wahrſcheinlich auch durch heftige und an— haltende Stuͤrme getrieben, zeigt ſie ſich einzeln zuweilen auch an der daͤniſchen und deutſchen Kuͤſte der Nordſee, iſt alſo auch 374 XIH. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve. deutſcher Vogel, als ſolcher zwar eine feitene Erſcheinung, doch wur: den in manchem Winter, beſonders in dem auſſerordentlich ſtuͤrmi— ſchen Februar des Jahres 1824, nicht wenige dieſer Meven, mit unzähligen andern hochborealen Seevoͤgeln, bis vor die Mündung der Elbe verſchlagen und mehrere hier erlegt. Im Innern von Deutſchland ſahe man ſie niemals. Als Zugvogel kommt die Polarmeve regelmaͤßig alle Winter, meiſtens in großen Schaaren, mit Ablauf des September, nach Is— land, aber gewoͤhnlich nur an deſſen noͤrdliche Kuͤſte, um da im Hintergrunde ſchmaler Buchten zu uͤberwintern. Gegen Ende des April wird ihre Anzahl geringer und gegen Ende des Mai ſind alle wieder von dort nach Norden abgezogen. Auf dem Suͤdlande der Inſel erſcheinen ſie ſeltner und wenn es geſchiehet, oͤfters erſt im Maͤrz. Sie kommen gewoͤhnlich des Nachts an, verweilen dort bis mitten im Mai und verſchwinden dann wieder. Die Urſache ihres zufälligen Erſcheinens auf der Suͤdkuͤſte Islands wird dem groͤn⸗ laͤndiſchen Treibeis, das in manchen Jahren die Buchten des Nord— landes verſtopft, zugeſchrieben; es iſt aber auch moͤglich, daß die zu— weilen verſpaͤtete Ankunft der Zuͤge großer Raubfiſche, welchen die Meven zu folgen pflegen, dazu beitraͤgt. Sie iſt ebenfalls Seevogel, verlaͤßt das Meer nie, und wurde deshalb auch nirgends an einem ſuͤßen Gewaͤſſer im Lande ange- troffen. Sie liebt die hohen, ſteilen Felſengeſtade und haͤlt ſich in der Naͤhe dieſer, bei Felſeninſeln und aus dem Meer hoch emporſtre— benden Klippen auf, fuͤrchtet aber auch das offne Meer nicht und wird, beſonders auf ihren Wanderzuͤgen, oft in großen Schaaren auf demſelben, von allem Lande weit entfernt, angetroffen, auch zwi— ſchen den Eisbergen und oft auf Eisſchollen ausruhend. eryeni harten. Die Polarmeve übertrifft bei ihrer ſonſtigen Aehnlichkeit in der Farbe, durch ihre weit gefaͤlligere, ſchlankere Geſtalt, die Eismeve noch an einfacher Schoͤnheit. In ihrem Betragen weicht ſie ſehr von dieſer ab und aͤhnelt darin mehr den beiden naͤchſtfolgenden, der Silber- und der Heringsmeve. Ihre ſchlankere Geſtalt macht ſie ſitzend oder gehend ſchon von Weitem kenntlich. Oft ſitzen Hunderte auf einer Eisſcholle und treiben ſo Meilen weit auf dem Meer, weil ihnen dieſe Art des Ausruhens vermuthlich bequemer iſt, als das auf dem Waſſer ſelbſt, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar-Meve. 385 wo man ſie jedoch auch haͤufig ſchwimmen und ſich auf den Wellen wiegen ſieht. Im Vorgefuͤhl ſchlechter Witterung naͤhert ſie ſich dem Geſtade, und wenn man ſie da ſtill und traurig, mit aufgeblaͤhetem Gefieder ſchwimmen ſieht, ſo iſt den folgenden Tag Sturm und Schneegeſtoͤber zu befuͤrchten. Wenn dagegen das Wetter gut wird, iſt ſie heiter und vergnuͤgt ſich durch ſchoͤne Schwingungen hoch in der Luft. Sie wird durch dieſes verſchiedene Benehmen dem 5 achter zur Werterverfündigerinn. Ihr Flug iſt, obgleich auch oft ſchwebend, viel leichter und be— weglicher als der der Eismevez ſie ſchlaͤgt die Schwingen ſchneller, ſchwenkt ſich raſcher und zierlicher, und was ihm gegen den dieſer an Kraft abgeht, wird hier durch größere Gewandtheit erſetzt, wes⸗ halb fie ſich auch nicht fürchtet, mit dieſer viel größern und ſtaͤrkern Art anzübinden und zu kaͤmpfen, was bei ihren gemeinſamen Fi: ſchereien und gleichgroßen Freßgier oft genug vorkoͤmmt. Sie iſt viel unruhiger und viel lebendiger als jene und hat in ihrem ganzen Weſen viel Abweichendes, dagegen im ganzen Betragen große Aehn— lichkeit mit der Heringsmeve. Die Einzelne, zumal an fremden Orten, iſt von Natur miß— trauiſch und vorſichtig; weniger bemerklich wird dieſes wenn Meh— rere beiſammen oder mit andern Arten vermiſcht bei ihren Fiſchplaͤ— ben beſchaͤftigt find. Sie legt aber, wo ſie ſich nicht verfolgt ſieht, viel von ihrer ſonſtigen Furchtſamkeit ab, gewoͤhnt ſich an die Naͤhe der Menſchen, wird nach und nach zutraulicher und endlich kuͤhner als irgend eine andere Art. — Sie iſt ſehr geſellig, daher meiſtens in kleinern oder groͤßern Vereinen, zuweilen in Schwaͤrmen von Tauſenden beiſammen. Vereinzelte halten ſich zu andern Arten, ob: gleich ſie oft in Streit mit ihnen gerathen, namentlich um eine und dieſelbe Beute, wo ſie gelegentlich auf dem Strande ſelbſt mit dem Kolkraben zuweilen anbinden. Ihre Stimme iſt von der der Eismeve ſehr verſchieden. Nach Faber laͤßt ſie gewoͤhnlich, ſowol im Winter als gegen das Fruͤh— jahr, ein knirſchendes Ik⸗knirrrr hoͤren; dann ſchreiet fie zuweilen wie ein hungriger Seeadler, manchmal auch Giouv, wie die Mantelmeve, aber in einem tiefern (?) Ton. Erſchreckt ſoll fie ein tiefes Hooo ausſtoßen. Die flüchtigen Jungen haben, wie die mehrerer großen Mevenarten, ein zitterndes Geſchrei. 376 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve. Na her eu en g Die Hauptnahrung der Polarmeve ſind lebende Fiſche, von der Groͤße, daß ſie ſie ganz verſchlingen kann, auch groͤßere, die ſie dann zerſtuͤckelt, und todte, überhaupt Eingeweide und allerlei Abgänge, welche ſie gelegentlich findet, von Fiſchen und andern Seethieren, mitunter auch ganz kleine Conchylien oder Cruſtaceen und Mol— lusken. Sie iſt eine gewandte Stoßtaucherinn. Die hochgehenden klei— nen Fiſche, z. B. Salmo articus, Clupea Sprattus, junge Heringe u. dergl., entdeckt fie, im ſanften, niedrigen Fluge über dem Waſſer hinſtreichend, oft auch ſchwebend und ſtill haltend; ſie macht dann beim Erblicken eines ſolchen ploͤtzlich eine geſchickte Schwenkung, ſtuͤrzt ſich ſogleich auf ihn nieder, daß das Waſſer hoch aufſpritzt, oder ſie faͤhrt nur im Bogen durch die ſpitze Kante einer Welle, und ver— fehlt auf dieſe oder jene Weiſe ſelten ihr Ziel, faſt mit der Gewandt— heit einer Meerſchwalbe, oder doch eben fo geſchickt wie die Drei: zehenmeve. Ganze Schaaren folgen unter beſtaͤndigem Schreien den Zuͤgen der Walfiſche und Robben, oder der großen Raubfiſche, z. B. aus der Gattung Gadus, welche ihnen die kleinen Fiſche in Menge aus der Tiefe des Meeres gegen die Oberflaͤche aufſcheuchen und zum Fange bieten, weshalb die Meven hier in groͤßter Thaͤtig— keit ſind. Sie bezeichnen auf dieſe Weiſe die Richtung des Ganges jener großen Seethiere in der Meerestiefe, naͤhern ſich mit ihnen dem Lande und zeigen den auf die Meven merkenden Fiſchern die An— kunft jener bei der Kuͤſte an, zugleich auch um nachher die von die— ſen weggeworfenen Eingeweide und andere Abgaͤnge der gefangenen großen Fiſche u. dergl. wegzuſchnappen, oder jenen auch wol hin und wieder ein brauchbares Stuͤck wegzukapern. Dieſe Meven wer— den hierbei ſehr zutraulich und keck, daß, wie Faber erzaͤhlt, eine derſelben ſogar ſo zahm wurde, daß ſie alle Morgen zur beſtimmten Stunde vor deſſen Wohnung kam, ſich durch ihr Geſchrei anmel— dete, und vor deſſen Thuͤr ſo lange herumging, bis er ihr einige Nahrung zuwarf, die ſie ſogleich annahm und dann erſt wieder wegflog. Auf todten Walfiſchen verſammelt fie ſich mit andern hochnor— diſchen Arten und geht auch auf am Strande liegende Aeſer von geoͤßern oder kleinern Thieren, doch ſcheinen ihr friſche Fiſche das liebſte Nahrungsmittel zu ſein. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar⸗Meve. 377 Fortpflanzung. Die Polarmeve pflanzt ſich nur im hoͤchſten Norden fort, vom arctiſchen Kreiſe gegen den Pol hinauf, fo weit als Menſchen vor: drangen. Auf Island bruͤtet fie nicht, obgleich fie dies unter glei— cher Breite in Groͤnland thut. Sabine fand ſie an der Weſt— kuͤſte Groͤnlands unter 70 Gr. n. Br. in Schaaren beiſammen bruͤtend, und ſpaͤter Lieutenant Holboͤl bei der Kolonie Gothaab, an derſelben Kuͤſte aber noch unter 65 Gr. gelegen, welches denn aber auch wol der ſuͤdlichſte ihrer bis jetzt entdeckten Bruͤteplaͤtze ſein mag. — Wenn man auf die Karte blickt und weiß, daß ſie viel öfter auf der nördlichen als auf der ſuͤdlichen Kuͤſte von Js— land uͤberwintert, oder auf jener alle Mal fruͤher geſehen wird als auf dieſer, ſo moͤchte man glauben, daß ſie auch auf der, bis jetzt noch von keinem Ornithologen unterſuchten, uͤberhaupt uns noch gar zu unbekannten Oſtkuͤſte Groͤnlands bruͤten muͤſſe. Ihre Bruͤteplaͤtze find Abſaͤtze und kleine Vorſpruͤnge meiſt un: erſteiglicher, ſehr hoher, ſchroffer oder gar uͤberhangender Felswaͤnde dicht am Meer oder von dieſem umſpuͤhlt, wo ſie in kleinern oder auch ſehr großen Schaaren beiſammen, oft in Geſellſchaft der Drei— zehenmeve, in dieſem Falle aber an den hoͤchſten Stellen, uͤber dieſen und etwas abgeſondert, ihre Neſter bauet, welche denen dieſer oder der Silbermeve gleichen. Sie legt, gleich andern Meven, in ein Neſt 2 bis 3 Eier, welche ebenfalls denen der letztgenannten Art, bis auf ihre geringere Größe, ganz ähnlich fein ſollen. Eins zeln bruͤtende Paare hat man nicht gefunden. Ne ı.n,D e. Dieſe find wahrſcheinlich die naͤmlichen, wie bei den beiden vor: letztbeſchriebenen Arten. n An den Bruͤteplaͤtzen ſollen dieſe lebhaften Vögel mit Schieß— gewehr leicht zu erlegen ſein; ſonſt iſt die Einzelne, in fremden Ge— genden, gewoͤhnlich ziemlich vorſichtig. Am wenigſten ſind ſie dieſes an den Plaͤtzen, wo die Fiſcher ihre Netze aufziehen oder mit ihren mit Fiſchen beladenen Booten landen, welche dieſe Meven ſchaaren— weiſe umſchwaͤrmen, um Theil an der Beute zu nehmen, und mit 378 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 295. Polar: Meve, Gier die Fiſcheingeweide und andere Abgaͤnge aufſchnappen, welche jene als unnuͤtz wegwerfen. g Man ſoll ſie auch leicht an einem Angelhaken, an welchem ein kleiner Fiſch ſteckt, fangen koͤnnen. N u tz Ob man ihr Fleiſch oder ihre Eier zur Speiſe benutzt, iſt nir⸗ gends bemerkt. Daß fie den großentheils vom Fiſchfange lebenden hochnordi— ſchen Voͤlkern die Ankunft der Zuͤge großer Fiſche, z. B. des Ka⸗ beljaus (Gadus Morhua) und andrer großer Seethiere anzeigen und ihnen dadurch nuͤtzlich werden, iſt ſchon erwähnt worden. Such aden. Daß ſie, wo Fiſche gefangen oder wo die gefangenen am Lande getrocknet werden, zuweilen auch ein brauchbares Stuͤck wegſtehlen, iſt zu unbedeutend und koͤmmt zu einzeln vor, um es ihr hoch an— rechnen zu koͤnnen. Um die kleinen Fiſche, welche fie ſich ſelbſt fan- gen, beneidet ſie niemand. Anmerk. Die mannigfachen Luͤcken in Beſchreibung des Bes tragens, der Fortpflanzung u. a. m. dieſer und der beiden vorgehenden Mevenarten habe ich leider aus eigner Erfahrung nicht ausfuͤllen oder ergaͤnzen koͤnnen, weil es mir nicht vergoͤnnt war, ſie irgendwo in ihrem Leben und Wirken zu beobachten. Ich konnte daher auch nur bereits Bekanntes hieruͤber geben, waͤhrend meine Freunde im Norden mich mit einer ſo großen Anzahl von Baͤlgen aller drei Arten verſahen, daß ich wenigſtens die Beſchrei— bungen der koͤrperlichen Verhaͤltniſſe, ſo weit dies an Baͤlgen moͤg— lich, und des Gefieders genau und hinreichend vollſtaͤndig zu geben, im Stande war. Ich danke ihnen hiermit im Namen der Wiſſen— ſchaft, vornehmlich meinem lieben P. von Woͤldicke! 296. Die Silber⸗Meve. Larus argentatus. Brünn. Fig. 1. Männchen im Sommerkleide. Fig. 2. Weibchen im Winterkleide. Taf. 266. J Fig. 3. Weibchen im zweiten Winterkleide. Fig. 4. Jugendkleid. Fig. 5. Neſtkleid. Große Silbermeve, ſilbergraue —, ſilberblaugraue —, weiß⸗ graue Meve; Blaumantel; große grauruͤckige Meve, große Sturm: meve, (jung) große gefleckte —, große bunte Meve; Raukallenbeck. Larus argentatus. Brünnich, Oru. bor. p. 44. n. 149. — Gmel. Linn, Syst. I. 2. p. 600. n. 18. — Meyer, Zuſätze u Berichtgn. z. Taſchenb. (III.) S. 195. Larus argentatus, argenteus & argentatoides. Brehm, Beitr. III. S. 770—800. — Deifen, Lehrb. II. S. 710 — 715. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 738743. — Landbeck, Vög. Würtemberas, S. 69. n. 243. = Hornſchuch u. Schilling, Verz. pommerſcher Vög. S. 18. n. 235. u. n. 236, - V. Ho⸗ meyer, Vög. Pommerns. S. 68. u. 223. Le Godlund cendre. Briss.Orn. VI. p. 160. n. 2. t. 14. = Gotland a man- deau gris ou cendré. Buff. Ois. VIII. p. 406. t. 32. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 152. t. 4. f. 2. — Id. Pl. eul. 253. — Gotland a manteau gris & blanc. Buff. I. e. p. 421. — Edit. de Deuxp. I. c. p. 170. == Gerard. Tabl, lem. II. p. 333, Goeland u manteau bleu. Temm. Mau. d’Orn. II. p. 764. = Silvery- Gull. Penn, arct. Zool. II. p. 533. C. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 494. C. — Lath, Syn. VI. p. 375. n. 5. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 330. n. 3. = Gabbiano reale o Marino pescalore. Stor. deg. Uec. V. t- 582. Marino pe- scalore. Savi, Orn, tos. III. p. 55. = Groote Zee-Meeuw. Sepp; Nederl. Vog, III. p. t. 195. 7 b Larus glaucus. Retz. Faun. suec. p. 156. n. 116. — Temm. Man, d'orn. Ire Edit. p. 493. — Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 471. n. 3. - Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 268, u. 241. = Benicken, in d. Wetteraueſchen 380 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. Ann. III. S. 138. — Meyer, ebendaſelbſt, S. 162. - Koch, Baier. Zool. 1. S. 372. n. 232. = Nilss,. Orn, suec. II. p. 671. n. 215. Larus marinus, var. B. Latlı. Ind. II. p. 814. n. 6. — Uiberſ. v. Bechſtein, II. S. 493. n. 11 = Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 658. in der Anmerkg,. — Deffen Taſchenb. II. S. 370. b. Zweifelhaft, ob dieſer oder der folgenden Art angehörend, bleiben: Herring Gull. Penn. aret. Zool. II. p. 527. n. 452. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 488, n. 369. — Lath. Syn. VI. p. 372. n. 3. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 328. n. 3. Anmerk. Wer Mevenarten in wandernden Schaaren, noch beſſer aber an wohl— beſetzten und verſchiedenen Brüteorten in ſolcher großen Menge beiſammen ſahe, be— obachtete und fo viel derſelben erlegen durfte als er wünſchte, ein Glück, was mir bei mehrern Arten und auch der gegenwärtigen zu Theil geworden, wird wie ich finden, daß es bei einer und derſelben Art Abweichungen von der allgemeinen Größe oder huinſichtlich des Schnabels und der Füße Verſchiedenheiten giebt, welche, wenn man ſie weit von je— nen Haufen, einzeln, in bloßen Bälgen vor ſich hat, wol den Wahn erzeugen können, daß fie einer andern Art angehören möchten, wie es H P. Brehm erging, welcher un— ter unſerer Silbermeve drei verſchiedene Arten (Species, fpäter nur Subspecies) zu finden glaubte. Ich kann jedoch in vollſter Uiberzeugung behaupten, daß fein Larus ar- genteus, wie ſein L. argentatoides keine beſondere Arten, ſondern bloß individuelle Abz weichungen ſind, die ich unter ſeinen L. argentatus gemiſcht an allen von mir beſuchten großen Brüteplätzen angetroffen habe, und zwar auſſer ihnen auch die zarteften Abſtufun⸗ gen von einer zur andern. Sie unterſcheiden ſich ebenſo wenig im Betragen, der Stimme, den Eiern, Jungen u. ſ. w., wie in den Aufenthaltsorten und Niſtplätzen. Ich habe 3. B. L. argentatoides, Br. auf den Inſein an der däniſchen Weſtküſte ſelbſt erlegt und noch öfter zwiſchen den andern in ganz gleichen Verhältniſſen lebend, dem Anſchein nach mit den größern verpaart geſehen, und habe dieſelbe nebſt ſeinen andern beiden ſo— genannten Arten auch aus Holland erhalten. Auch vom ſchwarzen Meer erhielt ich unſern IL. argentatus in ſolchen unbedeutenden individuellen Abweichungen wie dort von der Nordſee. Eine ſolche Verſchiedenheit wie fie H. B. in der Geſtalt des Schng— bels ſuchte und fand, iſt unter Individuen Einer Art gar nichts Seltnes, wobei im Allge— meinen noch zu bemerken iſt, daß der Schnabel junger Meven am Vordertheile des Oberkiefers ſtets weniger hakenförmig oder der Bogen des Hakens immer etwas flacher, bei alten und ſehr alten höher gewölbt iſt und bei dieſen die Firſte, von der Seite geſehen, aufgetriebner ausſieht. Es wechſelt aber auch individuell, ſo wie Länge und Stärke deſſelben, verſteht ſich, in gewiſſen Grenzen, wie bei allen andern Vögeln, und mit wenigen Ausnahmen haben die meiſten ungewöhnlich kleinen Individuen auch ungewöhnlich kleine Schnäbel und meiſtens eben ſolche Füße. Daß aber unter Meven Einer Art in der Körpergröße gewaltige Unterſchiede und ſehr kleine Individuen vorkom— men, ſieht man unter den Schaaren derſelben gar zu oft und die Urſache dieſer Art von Verkümmerung des Wuchſes liegt auch klar vor Augen, wenn man ſieht wie die Men— ſchen durch wiederholtes Berauben der wohlſchmeckenden Eier die Meven u. a. V. zwin⸗ gen, in einer Legezeit wiederholte Gelege zu machen, die Vögel dann aber, wegen ges ſchwächter Legekraft, nach und nach kleinere und immer kleinere Eier legen; wenn man weiß, daß aus kleinern Eiern auch kleinere Küchelchen ſchlüpfen, und daß endlich dieſes verſpätete Erſcheinen der Jungen in eine Jahreszeit fällt, in welcher der Fortpflanzungs⸗ trieb der Alten ſchon in merklicher Abnahme iſt, dieſe ſolche Jungen auch mit ſchon ges ſchwächter Luſt und Liebe, daher ſchlechter pflegen und ſie je eher je lieber ſich ſelbſt überlaſſen, wodurch auch nur ein kümmerliches Fortwachſen erfolgen muß wodurch dem Ges ſchöpf für feine ganze Lebenszeit eine zwerghafte Geftatt verbleibt. Daß in der Jugend verbuttete Geſchöpfe ſpäter nie zu ſolcher Größe und Stärke heranwachſen als ſolche, welche von ihrem Entſtehen an eine ſorgſame Pflege erhielten, weiß jeder Landwirth. Wenn man daher vom Hausgeflügel auf das wilde ſchließen darf, bleibt gar kein Raum zum Zweifel über dieſe Thatſachen. Man ſehe noch Sfis. Jahrg. 1824. Heft. VIII. Benicken, Beitr. 3. nord. Zool. u. Schleep, ebendaf, Ferner: Jahrg. 1826. Hft. III. Faber, Bemerk. über Brehm's neue Arten ꝛc. Nebſt andern in dieſer Zeitſchrift niedergelegten Beziehungen. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve, 381 Kennzeichen der Art. Die Schaͤfte der beiden vorderſten, faſt ganz ſchwarzen Schwings federn find ſchwarz oder ſchwaͤrzlichbraun, ebenſo die Enden der fol: genden Federn bis zur Iten oder 10ten. Größe des Kolkraben und daruͤber. Beſchrei bung. Von der Eismeve unterſcheidet ſich die Silbermeve, naͤm— lich beide im ausgefaͤrbten Kleide, allein ſchon durch das reine tiefe Schwarz der Fluͤgelſpitze (hierdurch auch von der Polarmeve) ſehr leicht, von jener uͤbrigens auch durch die etwas ſchlankere Geſtalt und geringere Groͤſte, ſo wie dies umgekehrt iſt, wenn man ſie mit der ihr ganz gleichgefaͤrbten Sturmmeve vergleicht, welche dage— gen um ein volles Drittheil kleiner iſt. — Wie unſere lie⸗ ben Altvordern fie mit der Herings- und Mantelmeve, — un: ſern Blaumantel mit dieſen Schwarzmaͤnteln, — verwechſeln konn— ten, iſt ſchwer zu begreifen. Freilich ſind alle großen Meven (die Goelands der Franzoſen) in ihren erſten Ständen einander auf: ſerordentlich aͤhnlich, weil alle auf aͤhnliche Weiſe braun gefleckt ſind; doch unterſcheidet ſich unſer Larus argentatus in ſeinen jugendli— chen Kleidern dem Geuͤbten noch leicht genug von L. fuscus, durch ſeine viel kuͤrzern Fluͤgel und gedrungenere Geſtalt, von L. marinus durch geringere Groͤße, den ſchwaͤchern Schnabel und durch die ſchwaͤchlichern und niedrigern Fuͤße, aber darum viel ſchwerer, weil die Geſtalt eine viel aͤhnlichere, namentlich das Verhaͤltniß der Flü: gel zum Schwanze bei dieſer faſt daſſelbe iſt. Hierzu wird jedoch auch die Faͤrbung und Zeichnung behuͤlflich, die bei gegenwaͤrtiger Art im Allgemeinen eine etwas bleichere iſt, auf dem Mantel ein blaſſeres Erdbraun zeigt, deſſen breitere Federkanten, von einer eigenthuͤmlichen ſehr bleichen Lehmfarbe, haͤufiger zackigt in die Grundfarbe eingreifen als bei jenen beiden, wo das Braun im Al- gemeinen dunkler oder ſchwaͤrzlicher iſt, beſonders auf dem Manz tel, deſſen Federkanten ſchmaͤler, wenig gezackt und von einer hellern Färbung find. — Von den im Ganzen viel bleicher ge: färbten Jungen des L. leucopterus und L. glaucus unterſcheidet fie, auch im Jugendkleide, die ſchwarze Fluͤgelſpitze. Uibrigens iſt nicht zu leugnen, daß ein recht geuͤbter Blick dazu gehoͤrt, um die 382 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. ſchwarzfluͤgeligen jungen Meven ſogleich und beſtimmt von ein- ander zu unterſcheiden. Eine ſehr nahe mit unſrer Silbermeve verwandte, aber gewiß als Art verſchiedene Meve iſt L. leucophaeus des Berliner Muſeums aus Arabien. Sie hat gleiche Groͤße, im Alter gleiche Faͤrbung, allein die ſchwarze Fluͤgelſpitze endet mit wenigerm und anders ge— ſtelltem Weiß. — Eine andere (vielleicht die naͤmliche) Art lebt, nach Feldegg (ſ. Iſis. Jahrg. 1832. X. S. 1107.) am adriati⸗ ſchen Meer, namentlich an der Kuͤſte von Dalmatien; er nennt fie L. Michahellis. Sie iſt nach ihm etwas kleiner als unſere Sil⸗ bermeve, die Laͤufe und die äußere (?) Zeh nur 2 Zoll lang oder 2 Linien kuͤrzer als bei dieſer, hat ſchoͤn gelbe Fuͤße, der hochgelbe Schnabel iſt nicht allein am Eck, ſondern auch oben hinter der Spitze hochroth, die Augenlider roth, der Mantel dunkler meven— blau (hell ſchieferblau) als bei der Silbermeve, iſt aber im Jugend— kleide nicht zu unterſcheiden. Kittlitz will dieſelbe Art auch auf dem rothen Meer angetroffen haben. Ich ſahe ſie nur fluͤchtig im K. K. Naturalienkabinette zu Wien, habe fie auch jener des Ber: liner Muſeums gegenüber nicht vergleichen koͤnnen, um mit Be: ſtimmtheit zu ſagen, ob beide identiſch ſind. Soviel iſt indeſſen wol nicht zu bezweifeln, daß die eine oder die andere der beiden beſtimmt nicht zu unſerm L. argentatus gehoͤren. Hinſichtlich der Groͤße gleicht die Silbermeve vollkommen einem Kolkraben (Corvus corax), aber es kommen Stuͤcke vor, welche die groͤßeſten Exemplare von dieſer Vogelart noch um ein Bedeu— tendes uͤbertreffen. Im Fluge ſieht ſie aber, der laͤngern und brei— tern Fluͤgel wegen, viel groͤßer aus, wie ein großer Raubvogel, Buſ— ſard oder faſt wie der Flußadler (F. Haliaetos). Nach dem Ausmeſſen einer Menge von friſchen Exemplaren ſtellen ſich folgende Maaße heraus: In den allermeiſten Faͤllen iſt die Laͤnge (von der Stirn bis zur Schwanzſpitze) 23 bis 24 Zoll, bei Alten zwiſchen 24 und 25 Zoll, bei Einzelnen auch auf 26 bis 26 Zoll, aber ſehr ſelten noch einen halben oder ganzen Zoll dar— uͤber; dagegen giebt es auch wieder ſo kleine Exemplare, namentlich unter den halbjaͤhrigen Jungen, daß ſolche von 21 bis 21½ Zoll, Einzelne ſelbſt nur von 20½ Zoll vorkommen. — Die Länge des Fluͤgels wechſelt von den kleinern zu den groͤßern Exemplaren von 17½ bis zu volle 19 Zoll, ſo daß die Flugbreite bei erſtern oft nicht uͤber 54 Zoll kommt, mit allen vorkommenden Zwiſchen— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 383 ſtufen, aber bei letztern bis auf 64 Zoll oder 5 Fuß 4 Zoll ſteigt. — Der Schwanz iſt 6½ bis 7½ Zoll lang. — Das Gewicht be: trägt zuweilen nur 1¾, meiſtens 2, felten bis 2 Pfund. Maͤnnchen und Weibchen ſind in der Groͤße merklich, ſehr haufig um 2 Zoll in der Länge und 5 Zoll in der Breite verſchie⸗ den, erſteres ſtets etwas groͤßer als letzteres, wenn nicht etwa beide zu den ſeltnen heterogenen Ausnahmen gehoͤren. Man bemerkt dies, auch ohne Meſſung und Abwaͤgen, an den lebenden Voͤgeln bei den großen Bruͤteplaͤtzen, in der Legezeit, wo ſich gewoͤhnlich beide Gatten der verſchiedenen einzelnen Paͤaͤrchen, dicht neben einander geſtellt, vom ſich naͤhernden Menſchen, zumal von einem Wagen herab, oft bis unter einer Entfernung von 20 Schritten, furchtlos betrachten laſſen, wo ſich dann das Maͤnnchen immer durch ſeine ſtolzere Haltung und durch ſein fruͤheres triumphirendes Lautwerden vor dem beſcheidnern und ſtillern Weibchen ſehr zu erkennen giebt. Das Gefieder iſt wie bei andern großen oder allen Mevenarten; der zwoͤlffedrige Schwanz breit, mittellang, mit faſt gerade abge— ſchnittenem Ende; von den breiten, vom letzten Drittheil allmaͤhlich ſchmaͤler werdenden, zuletzt ſchmal zugerundeten Schwingfedern erſter Ordnung iſt die Erſte die Laͤngſte. Die Spitze reicht bei zuſam— mengelegtem Fluͤgel, am lebenden Vogel ſtets ein Wenig, bei Jungen 1 bis 2 Zoll, bei Alten gegen 2½ Zoll über das Ende des Schwanzes hinaus. Wie bei andern Voͤgeln kann dies Ver— haͤltniß im Tode von einem unvorſichtigen Ausſtopfer leicht entſtellt werden, durch Unrichtigkeiten in Beſchreibungen und bildliche wo Dar— ſtellungen kommen. Der Schnabel iſt ſtark, jedoch kleiner und ſchwaͤchlicher als an der Eis- und Mantelmeve, dagegen aber ſtaͤrker als der der He— rings- und Polarmeve, die hakige Spitze etwas geſtreckt und das Eck am Unterſchnabel ſtark hervorragend. Die abgerundete Firſte iſt anfaͤnglich gerade, ſchwingt ſich von der Mitte an ein Wenig, bei vielen kaum merklich, auf und geht dann im flachen Bogen ab— waͤrts in die ſanft hakenfoͤrmig gebogene, etwas über die des Unter: ſchnabels hinwegragende Spitze uͤber. Das große Eck am Letztern entſteht dadurch, daß die Kiellinie ſich gegen das Ende der Spalte ſanft abwärts ſenkt und von dieſer ſogleich ſchraͤg in die Spitze auf: ſteigt. Die Mundſpalte iſt anfaͤnglich gerade, ſenkt ſich aber nach vorn ſanft abwaͤrts, am meiſten gegen die Spitze, doch nicht ſehr ſtark; ihre Schneiden ſind merklich eingezogen, die obere ein Wenig 384 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. über die untere greifend, beide fehr ſcharf, oft fein, aber kaum be⸗ merklich gezaͤhnelt; uͤber der obern, unter der Naſenhoͤhle oder zwi— ſchen dieſer und der Schneide tritt ein langer Wulſt vor, doch bei vielen jungen Voͤgeln und auch bei manchen alten Individuen kaum merklich. Der Rachen iſt, wie bei andern, tief geſpalten und ſehr weit. In der großen laͤnglichten Naſenhoͤhle oͤffnet ſich vorn das ritzartige, vorwaͤrts erweiterte und hier etwas aufſteigende, durch, ſichtige Naſenloch, faſt in der Mitte des Schnabels. Die Laͤnge des Schnabels, uͤber den Haken gemeſſen, alſo von der Stirn bis an die Spitze dieſes, iſt 2¼ bis 2¾ Zoll, bei recht alten Maͤnnchen oft auch noch ein paar Linien daruͤber; ſeine Hoͤhe an der Wurzel durchſchnittlich 8 bis 10 Linien, ſeine Breite hier 6 bis 8 Linien. Die Farbe deſſelben aͤndert mit dem Alter des Vo— gels ſehr ab; bei den Jungen iſt er naͤmlich ſchwarz, mehr oder weniger blaßroͤthlich an der Baſis, beſonders der Unterkinnlade; ſpaͤ— ter wird er braͤunlichgelb und bleibt nur an der Spitze ſchwarz, am untern Eck zuweilen mit durchſchimmerndem Roth; noch ſpaͤter wird das Letztere bemerklicher und das Schwarze bleibt nur noch als Flecke zur Seite der Spitze; im Alter, beſonders in der Begat— tungszeit, wird er endlich ſchoͤn gelb, mit rothem Fleck dicht uͤber dem Eck des Unterſchnabels. Im getrockneten Zuſtande wird er bei jungen Voͤgeln braunſchwarz, an der Baſis hornbraun, unten horn— gelblich; im mittlern Alter horngelb, an der Spitze hornbraun; bei fortpflanzungsfaͤhigen Alten hell ochergelb, an der Spitze weißlich, der Fleck am Unterſchnabel gelbroth. Das Auge iſt verhaͤltnißmaͤßig etwas klein und hat in fruͤheſter Jugend einen grauen, bei flugbaren Jungen einen dunkelbraunen Stern, deſſen Farbe ſich mit zunehmendem Alter durch Gelbbraun und Braungelb endlich, bei alten Voͤgeln, in ein reines blaſſes Gelb (die ſchoͤne Farbe reinen Schwefels) uͤbergeht. Das Augen— lidraͤndchen iſt eben ſolchen Veraͤnderungen unterworfen, anfaͤng— lich roͤthlichweiß, dann gelblich und zuletzt orangegelb oder faſt mennigroth. Die Fuͤße ſind im Verhaͤltniß zu den uͤbrigen Koͤrpertheilen weder groß noch ſtark zu nennen, wenigſtens ſchwaͤchlicher und nie— driger als die der Mantelmeve, aber ſtaͤmmiger als die der He— ringsmeve. In der Geſtalt find fie dieſen aͤhnlich, haben aber etwas laͤngere Zehen, die hier mit dem Lauf gleiche Laͤnge haben, dort aber kuͤrzer als dieſer ſind. Da die Schwimmhaͤute bis vor XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve: 385 gehen, fo machen dieſe den Fuß (eigentlich die Spur) auch größer im Umfange. Die Hinterzeh iſt ſehr klein und hoch genug einge lenkt, um ſtehenden Fußes den Boden nicht zu erreichen. Der ziem— lich weiche Uiberzug der Fuͤße iſt wie bei andern Arten der Gattung vorn am Laufe groß, ſeitwaͤrts klein geſchildert, hinten mit groben Netzmaſchen, auf den Zehen ſchmal geſchildert, unten fein gegittert u. ſ. w. Die Krallen ſind eben nicht groß, doch ſtark, kurz und ziemlich gekruͤmmt, unten etwas ausgehoͤhlt, die Raͤnder, beſonders die nach innen, zumal der Mittelzeh, als Schneiden hervortretend. Der Unterſchenkel iſt 8 bis 10 Linien nackt; der Lauf 2½ bis 2°), Zoll lang; die Mittelzeh, mit der uͤber 5 Linien langen Kralle, ebenſo lang oder auch 2 Linien kuͤrzer; die Hinterzeh mit der faft 3 Linien langen Kralle, gute 5 Linien lang. Die Füße ſehen in zarter Jugend bleifarbig aus; ſpaͤter erſchei⸗ nen ſie ſehr blaß fleiſchfarbig oder ſchmutzig roͤthlichweiß, im vorge— ruͤckten Alter gelblichfleifchfarbig, zum Theil faſt ſchwefelgelb. Im Tode wird dieſe Faͤrbung bald duͤſterer, nach dem Austrocknen bei Letztern in gelbliche, bei Erſtern in gelbgrauliche Hornfarbe verwan— delt. Die Krallen find im friſchen Zuſtande matt ſchwarz, ausge— trocknet dunkel hornbraun. Am erſten Tage ihres Daſeins hat die junge Silbermeve noch ein ſehr kleines Schnaͤbelchen und kleine ſehr weiche Fuͤßchen, an denen die Laͤufe, gleich unter dem Ferſengelenk, eine bedeutende An— ſchwellung mit vertieftem Laͤngeſtrich auf der Mitte herab haben, wodurch ſie ſehr unfoͤrmlich werden. An jenem verliert ſich aber das ſchneeweiße Knoͤpfchen (womit die Eiſchale durchbrochen wurde), noch fruͤher als die Protuberanz an den Laͤufen, die jedoch nach wenigen Tagen, mit dem ſichtlich Groͤßerwerden der Fuͤße, auch ſehr abnimmt und nach und nach verſchwindet. Der Schnabel iſt von der Wur— zel aus an der groͤßern Haͤlfte dunkel ſchieferfarbig, vorn und von dieſem ſcharf abgeſchnitten roͤthlichweiß; der Augenſtern braungrau; die Fuͤße dunkel bleifarbig. Der ganze Vogel iſt uͤbrigens mit eben nicht langen, aber ſehr dichten Dunen weich und warm bekleidet und dieſes Dunenkleid hat eine graugelbliche Staubfarbe, die an den untern Theilen ungefleckt iſt und am Kropfe etwas gelblicher aus— ſieht, von oben her aber mit ſchwarzgrauen und matt ſchwarzen Flecken unordentlich beſtreuet iſt. Am Kopfe ſind dieſe Flecke am dunkelſten, auf dem Ruͤcken und in den Seiten am matteſten; ge: woͤhnlich ſteht ein kleines Fleckchen oder ein paar am Zuͤgel, auf der Stirn, auch auf dem Ohr; an den Seiten des Scheitels bildet eine lor Theil. 25 386 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. Fleckenreihe eine Art von Augenbraue; unter den Wangen an den Halsſeiten, querüber, ſtehet eine Reihe groͤßerer Flecke, mehre kleinere auf dem Genick und Hinterhalſe, vor und auf den Fluͤgeln u. ſ. w. Auf dem Rüden bilden die Flecke keine Reihen. Die Zeichnung die- ſes Dunenkleides variirt Übrigens ſehr in Anzahl, Stellung und mehr oder weniger dunkeln Faͤrbung der Flecke. — Innerhalb acht Tagen draͤngen ſich zuerſt an den Seiten der Bruſt die ordentlichen Federn hervor; dann an den Schultern, den Fluͤgeln, dem Schwanze und zuletzt am Kopfe und Halſe. In der vierten Woche koͤnnen ſie fliegen. Der voͤllig flugbare Vogel hat nun ſein vollſtaͤndiges Jugend— kleid, in dieſem einen vorn hornſchwarzen, hinten roͤthlichbraun— ſchwarzen, an der Wurzel der Unterkinnlade, den Mundwinkeln und einer Einfaſſung der Naſenloͤcher roͤthlichweißen Schnabel, einen blaß fleifchfarbigen Rachen und Zunge, dieſe mit grauer Spitze; ein nack— tes roͤthlichweißes Augenlidraͤndchen; einen dunkelbraunen Augenſtern und ſchmutzig roͤthlichweiße oder blaßfleifchfarbige, auf dem Spann oft noch etwas bleifarbig uͤbergelaufene, Fuͤße. Die Kehle iſt weiß; vor dem Auge ſteht ein mehr oder weniger bemerkbares Fleckchen, aus bartloſen ſchwarzen Federſchaͤften gebildet; Kopf und Hals ſind auf ebenfalls weißem Grunde licht graubraun geſtrichelt, der Hin— terhals mit groͤbern Schaftflecken; alle untern Theile ebenfalls weiß, aber unrein, an der Bruſt mehr oder weniger getruͤbt durch einge— ſprengtes Grau, uͤbrigens mit vielen hellbraungrauen oder graubrau— nen, verſchieden geſtalteten Flecken die noch weniger als die am Kopfe und Halſe ſcharf begrenzt, ſondern von unbeſtimmten Umriſ— ſen, meiſt mit der Grundfarbe verwaſchen ſind und an den Bruſt— ſeiten am dichteſten ſtehen. Der ganze Mantel iſt graubraun lerd— braungrau), roſtroͤthlich- oder roſtgelblichweiß (lehmfarbigweiß oder wie Kaffee mit recht viel Milch) gefleckt, d. h. die Federn ſind hier graubraun, am dunkelſten an der meiſtens ſcharf begrenzten, mond— foͤrmigen, roſtgelblichweißen Endkante, mit einzelnen ſolchen Seiten— flecken und dunkeln Schaͤften, am meiſten braun auf den kleinen Fluͤgeldeckfedern, am meiſten hell gefleckt auf der Mitte des Oberfluͤ— gels, weil hier die Federn auch lichte Querbinden haben; die hintern Schwingen mit mehr Weiß an der Spitze; die mittlern braungrau, an der Endhaͤlfte der Auſſenfahne dunkelbraun mit kleinen hellgrauen Spitzenkanten. An den Schwingfedern erſter Ordnung ſind die kuͤr— zern grau, dunkler gefleckt, mit braunſchwarzen Enden und weißen Spitzenkanten; die folgenden immer mehr braunſchwarz; die vorder— e — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 387 ſten und laͤngſten, nebſt den Fittigdeckfedern ganz braunſchwarz, nur auf der Innenfahne gegen die Wurzel graulich, mit grauweißem Spitzenſaum, alle mit braunſchwarzen, wurzelwaͤrts hornweißlichen Schaͤften. Auf der untern Seite ſind die Fluͤgel dunkelgrau, an den Deckfedern weißgefleckt, an den Schwingen ſehr glaͤnzend und ihre Schaͤfte weiß. Der Buͤrzel, nebſt der obern und untern Schwanzdecke, iſt weiß, erſterer mit einzelnen braungrauen Flecken, die auf letzterer baͤnderartig ſind, aber auch nur einzeln ſtehen; die Schwanzfedern weiß, mit breitem braunſchwarzen Bande hinter der gelblichweißen Spitzenkante und vielen ſolchen ſchmalen Zickzacks, Spritzflecken und auf den Innenfahnen marmorirten Zeichnungen, das aͤußerſte Paar mit dem meiſten, das mittelſte mit dem wenig— ſten Weiß; auf der untern Seite iſt der Schwanz weiß, mit der bloß dunkelgrau durchſcheinenden Zeichnung von oben. Obgleich dieſe Jungen im Allgemeinen untereinander wenig verſchieden zu ſein ſcheinen, ſo findet ſich doch bei genauerm Ver— gleichen vieler Exemplare, mancherlei individuell Abweichendes, be— ſonders an der Zeichnung der großen Schulterfedern und der Enden der Federn des Mittelfluͤgels, desgleichen in der Zeichnung der Schwanzfedern, in dem Gefleckten und Gebaͤnderten dieſer Partieen, wie auch an der haͤufiger oder ſparſamer, groͤber oder klarer gefleck— ten, mehr oder weniger oder gar nicht grau angeflogenen Bruſt, u. ſ. w. Sie geben indeſſen kein Kennzeichen fuͤr den Geſchlechts— unterſchied und ſind rein zufaͤllig. Wenn auch die graubraune Farbe die weiße bei manchen mehr, bei andern weniger verdeckt, bei eini— gen dunkler als bei vielen andern iſt, ſo bleibt ſie doch ſtets eine viel hellere als ſie die Jungen der beiden folgenden Arten jemals haben. ö Sie verbleiben in dieſem Kleide durch den erſten Herbſt und Winter ihres Lebens, und erſt im zweiten Fruͤhlinge (den der Geburt ſtets mitgerechnet) beginnt ganz langſam waͤhrenddem die Färbung des Jugendgefieders, zumal an den Federkanten, bedeutend abbleicht, ihre erſte Mauſer, die erſt im September am ganzen Ge— fieder, auch den Schwing- und Schwanzfedern beendet iſt und ſie nun in einem Zwiſchenkleide darſtellt, welches ſich ſchon weſent— lich vom Jugendkleide unterſcheidet. — In ihm haben ſie einen ſchmutziggelben, hinter der weißlichen Spitze auf beiden Kiefern ſtark mit Schwarz bezeichneten Schnabel, welcher inwendig und im Ra— chen hellgelb ausſieht; einen braͤunlichgelben Augenſtern; graugelb- liche Augenlider, und ſchmutzig fleiſchfarbene Füße. Kopf und Hals 25 388 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. ſind auf gleiche Weiſe, aber weniger gefleckt als im Jugendkleide, daher weißer; an den Seiten der Bruſt, an den obern und untern Schwanzdeckfedern bilden die braungrauen Flecke mehr Wellen und Zickzacks; der Mantel iſt licht braͤunlichgrau, gelblichweiß gemiſcht, mit vielen graubraunen, ſchwaͤrzlich gemiſchten, zackigten, unordent— lichen Querſtreifen und Flecken uͤberſaͤet; die großen Fluͤgeldeckfedern und die Schwingen zweiter und dritter Ordnung ſind hell aſchgrau, an den Enden gelblichweiß, mit dunkelm Braungrau gefleckt, mar: morirt und punktirt; die großen Schwingen dunkler als im erſten Jahr, faſt ſchwarz, die vorderſte unfern der Spitze mit einem graulichweißen Fleck, als Andeutung des weißen, den ſie im ausgefaͤrbten Kleide an dieſer Stelle bekoͤmmt; — der Schwanz zwar auch weiß und ſchwarz gezeichnet, doch iſt das Schwarz nicht als Binde dargeſtellt, auch der weiße Endſaum undeutlich, die aͤu— ßerſte Feder dagegen faſt ganz weiß, nur am Ende etwas ſchwarz bekritzelt; auf den Mittelfedern bilden dagegen beide Farben beſon— ders ſchoͤne Wellen und Zickzacks, die nach der Wurzel zu feiner wer— den und in Punkte uͤbergehen. — Unter verſchiedenen Individuen finden ſich mancherlei kleine Abweichungen in der Zeichnung des Gefieders, auch die Andeutung des weißen Flecks zunaͤchſt der ſchwar— zen Spitze der erſten Schwingfeder fehlt vielen; doch iſt dies Kleid ſeiner lichtern Faͤrbung und feinern Zeichnungen wegen, leicht vom vorigen zu unterſcheiden. In ihm befindet ſich der Vogel noch im naͤchſten Fruͤhjahr, wo ſich aber ſchon der Schnabel ſchoͤn ochergelb faͤrbt, das Schwarze zunaͤchſt deſſen Spitze matter wird und am Umfang verliert, wol auch ſchon etwas Roth uͤber dem Eck durchſchimmert; waͤhrend nun auch ihre zweite Mauſer beginnt, namentlich auf dem Mantel ſich durch neu hervorkeimende mevenblaue Federn am erſten bemerkbar macht, langſam fortſchreitend aber durch den ganzen dritten Som— mer ihres Lebens dauert und erſt im naͤchſten Herbſt (naͤmlich ih— rem dritten) vollendet wird. Solche Voͤgel erſcheinen dann im Juni und Juli in dem bunt gemiſchten Uibergangskleide, wie es Fig. 3. unſrer Kupfertafel naturgetreu darſtellt. Im dritten Herbſt, nach ganz vollendeter Mauſer, ein Seit: punkt, welcher individuell um ein bis zwei Monate fruͤher oder ſpaͤ— ter eintreten kann, ſind ſie, mit wenigen Ausnahmen, in ihrem aus— gefaͤrbten Herbſt- oder Winterkleide, doch unterſcheiden ſie ſich von den noch aͤltern an der Faͤrbung des Schnabels, welcher noch nicht ſo ſchoͤn gelb, an den Mundwinkeln noch nicht rothgelb — — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 389 iſt und an der Spitze zur Seite immer noch etwas Schwarz, wenn auch nur in kleinen Flecken, hat, an den graugelben Augenſternen, und an der mehr fleiſchfarbenen als gelblichen Fußfarbe. Zudem ſind auch oͤfters einige der mittleren Schwanzfedern noch, mehr oder weniger bemerklich, ſchwarz beſpritzt. — Stirn und Kehle find rein weiß; vor dem Auge ſteht ein kleines ſchwarzborſtiges Fleckchen; das Uibrige des Kopfes und der Hals haben auf rein weißem Grunde kleine laͤnglichte Schaftflecke von einem matten Graubraun, die auf der Gurgel herab ſehr zart ſind, am Kropfe ſich aber ganz verlie— ren; alle untern Theile, nebſt Schwanz und Buͤrzel, wie auch die untern Fluͤgeldeckfedern und ein ſchmales Fluͤgelraͤndchen blendend weiß; der Mantel ſchoͤn mevenblau, dunkler als bei L. glaucus, heller als bei L. tridactylus, oder ganz wie bei L. canus; — die groͤßten Schulter- und hinterſten Schwingfedern mit weißen Spitzen, die an den mittlern in weiße Endkanten übergehen, bei denen aber auch die Innenfahne viel Weiß hat; die Schwingfedern erſter Ord— nung hell blaͤulichaſchgrau oder hell aſchgrau (weniger blaͤulich als der Mantel), bis auf die Vorderſte, welche von der Wurzel an ganz ſammetſchwarz iſt und eine 2 Zoll lange weiße Spitze hat, in wel— cher ſich meiſtens zur Seite noch ein kleines ſchwarzes Fleckchen oder Querband befindet, welches zuweilen auch nur ſchwach angedeutet iſt; an der zweiten erreicht das Schwarze die Wurzel nicht ganz, und auſſer der kleinen weißen Spitze ſteht noch ein runder weißer Fleck vor derſelben im Schwarzen; die Dritte iſt nur an der End— haͤlfte ſchwarz und auf ihrer Innenfahne geht das Graue noch wei— ter herab, ihre Spitze iſt ebenfalls weiß; die Vierte hat dieſelbe Zeichnung, aber noch weniger Schwarz und die graue Farbe auf der Innenfahne endet in einem weißen Bogen; die Fuͤnfte iſt ebenſo, das Weiße aber größer, das Schwarze weniger, kaum noch 1 Zoll lang; die Sechſte iſt ganz grau, nur vor der großen weißen Spitze noch mit einem kleinen ſchwarzen Fleck; die Folgenden haben große weiße Enden, aber nichts Schwarzes mehr. Auf der untern Seite der Schwingen ſieht man die Zeichnung der obern, aber alle dunk— lern Farben nur matt durchſcheinen; hier ſind ihre Schaͤfte weiß, hingegen von oben ſchwarz oder ſchwaͤrzlich. Im Anfange des Fruͤhjahres erhalten dieſe Meven, nun im dritten Lebensjahr befindlich, ihr ausgefaͤrbtes Sommerkleid oder ihr hochzeitliches Gewand, weil ſie jetzt zeugungsfaͤhig find. Es unterſcheidet ſich von dem der Alten nur an der weniger leb— haften Faͤrbung der nackten Theile, doch iſt am Schnabel das 390 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. Schwarze ganz verſchwunden, und bei manchen Individuen (nicht bei allen) an den fein ſchwarz beſpritzten Schwanzfedern, wenn nicht etwa von der Herbſtmauſer her noch einige alte, ſo gezeichnete Fe— dern zwiſchen den neuen verblieben ſind, wie bei ſolchen auch wol vorkoͤmmt, die fie aber dann noch im Laufe der Fortpflanzungsge⸗ ſchaͤfte verlieren. Der alte Vogel in feinem hochzeitlichen Prachtkleide, worin er im Fruͤhlinge an den Bruͤteplaͤtzen erſcheint, hat einen prächtig gelben?) Schnabel, das Gelb auf dem Haken und der Spitze etwas heller, und dicht uͤber dem Eck des Unterſchnabels mit einem gluͤhend hochrothen Fleck geziert; es zeigt ſich auch bei ſehr alten, doch ſehr ſelten, ein ſchwacher Anſtrich von Roth am Ober: ſchnabel vor den Naſenloͤchern. Die Mundwinkel und der innere Schnabel und Rachen, nebſt den Augenlidraͤndchen ſind hoch oran— gegelb, faſt orangeroth; die Iris ſchoͤn ſchwefelgelb oder weißlichgelb; die Fuͤße blaß fleiſchfarbig, hellgelb uͤberlaufen, beſonders an den Schwimmhaͤuten und Gelenken. Kopf, Hals, Bruſt, Bauch, Bür: zel, der Schwanz mit ſeiner obern und untern Decke, die Deckfedern unter den Fluͤgeln und das Fluͤgelraͤndchen ſind blendend weiß, rein und fleckenlos; der Mantel herrlich mevenblau, ein Wenig lichter als im Herbſt, mit weißen Enden an der Schulter- und hinterſten Fluͤgelſpitze; das Uibrige des Fluͤgels ganz wie im Herbſt, weil es noch daſſelbe Gefieder iſt und ſich die Fruͤhlingsmauſer nicht uͤber die Schwing- und Schwanzfedern erſtreckt. Im Laufe des Sommers bleibt das unvergleichlich zarte Ge— fieder nicht ohne ſichtliche Spuren einer Verſchlechterung, das Weiß wird getruͤbter, das Mevenblau des Mantels lichter, das Sammet— ſchwarz der Fluͤgelſpitze matter, die von dieſem queruͤber ſcharf ge— trennten weißen Spitzen der Federn kleiner, weil ſie durch Reibun— gen an den Raͤndern am Umfang verlieren und ſo geht vom rei— zenden Ausſehen des Vogels Manches verloren, was nur das friſche Gefieder hat. Maͤnnchen und Weibchen ſehen ſich im Aeußern ganz gleich; ich habe wenigſtens nie einen erheblichen Unterſchied in Farbe und Zeichnung auffinden koͤnnen, ungeachtet ich Gelegenheit hatte, ſo viel friſchgetoͤdtete und lebende von beiden Geſchlechtern mit einander zu vergleichen, als ich nur Luſt hatte. Dagegen iſt eine Verſchiedenheit ») Im Leben ein prächtiges Hochgelb, nicht Wachsgelb, dies wird er erſt im Tode. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 391 der Groͤße zwiſchen beiden ſtets bemerkbar, oft ſehr auffallend und das Maͤnnchen ſtets groͤßer, ſehr haͤufig um 2 Zoll laͤnger als das Weibchen. An den Bruͤteorten, wo dieſe Meven oft ſo zahm ſind und ſich in ſolcher Naͤhe betrachten laſſen, daß man ſogar die Farbe des Augenſterns deutlich unterſcheiden kann, wird jenes um ſo auf— fallender, weil beide Gatten der einzelnen Paͤaͤrchen ſich gewoͤhnlich dicht nebeneinander ſtellen, und das kecke Maͤnnchen ſich leicht vor dem beſcheidnern Weibchen zu erkennen giebt. — Die ſo ſehr ver— ſchiedene individuelle Groͤße, ſelbſt des Schnabels und der Fuͤße, unter Meven Einer Art, ohne Bezug auf das Geſchlecht, iſt ſchon mehrmals erwaͤhnt. Es kann daher zuweilen, obſchon nur ausnahms— weiſe, auch ein umgekehrtes Verhaͤltniß eintreten, wie z. B. Graba (ſ. d. Reiſe nach Faͤroͤ, S. 65.) erzaͤhlt, welcher ein gepaartes Paͤaͤrchen von L. argentatus erlegte, wo beim Weibchen der Schnabel 5 Linien, der Lauf 4 Linien länger war als bei deſſen Maͤnnchen. i Die ſchwarze und weiße Zeichnung der Primarſchwingfedern iſt bei den Allermeiſten ſo, wie ſie oben angegeben wurde. Manchen Exemplaren fehlt indeſſen der kleine ſchwarze Fleck auf der ſechſten Feder, ſehr wenigen der in der weißen Spitze der vorderſten. An— dere Abweichungen habe ich nicht gefunden, noch weniger eine mit ganz weißen Schwingen, wie ſie nach den Angaben mancher Schriftſteller zuweilen vorkommen ſoll, ungeachtet ich Gelegenheit hatte, ſie bei Tauſenden zu muſtern. Wahrſcheinlich beruht dieſe Behauptung auf einer Verwechslung mit der Eismeve. Im Monat Auguſt iſt bei alten Voͤgeln oder ſolchen, welche mehr als ein Mal ſich fortgepflanzt haben, die Hauptmauſer, wo alle Federn gewechſelt werden, wo das abgetragene Hochzeitskleid von einem neuen Winterkleide verdraͤngt wird und auch Schwing— und Schwanzfedern ausfallen und durch neue erſetzt werden. In den erſten Fruͤhlingsmonaten tritt die zweite Mauſer ein, in welcher aber nicht das ſaͤmmtliche Gefieder, ſondern nur ein kleiner Theil deſſelben, wie es ſcheint, bloß das am Kopfe und Halſe gewechſelt wird, wo die mit braunen Schaftſtrichen bezeichneten Federn aus— fallen und an ihrer Stelle rein weiße hervorkommen; wenigſtens ſieht man, wenn die alten Meven am Bruͤteplatze, wie immer, im hochzeitlichen Gewande ankommen, am Mantel deutlich, daß ſeine Federn ſchon etwas von ihrer jugendlichen Friſche verloren haben und ihre Farbe etwas lichter geworden iſt, was ſie nicht fein koͤnn— ten, wenn ſie erſt einen Monat alt waͤren. — Sind dieſe beiden 392 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. Mauſerperioden ein Mal eingetreten, ſo kehren ſie alljaͤhrlich zu ihrer Zeit wieder bis zum Tode des Vogels. Woher es aber kommen mag, daß manche Individuen fruͤher, andere ſpaͤter als die große Mehrzahl in die eine oder die andere dieſer beiden jährlichen Mau— ſerperioden treten oder den Federwechſel uͤberſtehen, iſt ſchwer zu be— obachten. Bei Jungen koͤnnte ihre fruͤhere oder ſpaͤtere Geburt ſolche Abweichungen herbeifuͤhren, was ſich aber nach Jahren bei den Alten auszugleichen ſcheint. Und dennoch ſind Ausnahmen von dieſer angenommenen Regel gar keine Seltenheit; es kommen naͤmlich zu allen Jahreszeiten einzelne Individuen im Winter- wie auch im Sommerkleide vor. Dies iſt indeſſen bei allen Meven— arten ſo und wird hier nur in Erinnerung gebracht, weil es bei den großen Arten noch auffallender iſt als bei den kleinen und, ehe man jene Regel der jährlichen Doppelmauſer entdeckte, zu vielen Verwir⸗ rungen bei den fruͤhern Schriftſtellern Anlaß gab. Aufenthalt. Die Silbermeve waͤre ſehr weit verbreitet, wenn man allen Angaben Glauben ſchenken duͤrfte und nicht befuͤrchten muͤßte, daß hin und wieder eine ihr ſehr aͤhnliche, aber wirklich als Art verſchie— dene mit ihr verwechſelt worden ſei. Die ſchaffende Natur hat ſich in der Geſtalt wie in der Faͤrbung des Gefieders bei den Meven— und Meerfchwalbenarten fo oft und in fo kleinen Abweichungen wiederholt, daß wir mit Sichtung der bekannten Arten zur Zeit noch lange nicht ſo weit ſind, daß man mit apodictiſcher Gewißheit ſa— gen koͤnnte: es ſei ſo und nicht anders. In Folge dieſes moͤchten wir unſere Silbermeve faſt nur als europaͤiſchen Vogel betrachten. Es iſt entſchieden, daß ſie an den Kuͤſten von Schweden und Norwegen lebt, bis uͤber den 66. Grad n. Br. hinauf; dagegen aber, ſonderbarerweiſe, nicht auf Is— land. — Von den Faͤroͤern, die fie häufig bewohnt, abwärts auf den ſchottiſchen Inſeln und an ſaͤmmtlichen Kuͤſten von Groß— britannien und Irland iſt ſie ſehr gemein. Sie lebt in großer Anzahl auf allen Inſeln und Kuͤſten Daͤnemarks; an der Oſtſee jedoch, wie an der deutſchen Kuͤſte dieſer, in nicht ſo uͤbermaͤßig großer Menge als an denen der Nordſee und auf den dieſer Kuͤſte nahen Inſeln, wie auf den Inſeln und kleinen Eilanden der daͤni— ſchen Weſtſee, Sylt, Amrom, Suͤderoog u. a., bis zur Kuͤſte von Holſtein und zur Elbmuͤndung herab; dann laͤngs der von XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 393 Hannover, Oldenburg und Holland, wo viele nahe Inſeln einer enormen Anzahl zum Aufenthalt dienen, namentlich Norder— ney, noch mehr Eierland beim Texel, u. a. m. Von da an iſt ſie noch an der ganzen Nordweſtkuͤſte des europaͤiſchen Feſtlandes ver— breitet, und auch an der gegenuͤberliegenden des mittellaͤndiſchen Meeres nicht ſelten, an der von Toskana zu manchen Zeiten ſo— gar gemein, wie hin und wieder im uͤbrigen Italien, doch (nach Temminck) meiſtens nur in den jugendlichen Gewaͤndern. Auch das ſchwarze Meer bewohnt dieſe Art, wie mir von dort her er— haltene Exemplare bewieſen haben. Wenn, wie ich glaube, Larus argentatoides, Br., keine eigene Art iſt (die in Holland, England, Irland leben, ſogar bei uns vorgekommen ſein ſoll), ſo iſt ſie mit dieſer auch im obern Nordamerika, nach Ch. Bonaparte, um New: york wie um Philadelphia im Winter ſehr gemein. Von Ae— gypten ſoll ſie ebenfalls zu uns gekommen ſein, wenn hierbei nicht eine Verwechslung mit dem ihr ſehr aͤhnlichen L. leucophaeus des rothen Meeres zu befuͤrchten ſtaͤnde. Da fie von den Seekanten, wenn auch nicht in großen Schaa— ren, doch oft in kleinen Geſellſchaften und noch oͤfter einzeln im Verfolg der ſuͤßen Gewaͤſſer tief in das Land eindringt, ſo iſt ſie auch auf dem Feſtlande von Europa, ſelbſt bis in deſſen Mitte, eben keine große Seltenheit und mit der folgenden Art unter den großen Meven eine derjenigen, welche die Binnengewaͤſſer Deutſch— lands noch am oͤfterſten beſucht, doch gewoͤhnlich bloß einzeln und faſt immer nur im Jugendkleide. So iſt ſie nicht nur an allen nach Norden ausmuͤndenden deutſchen Stroͤmen und Fluͤſſen tief landein— waͤrts und an groͤßern ſtehenden Gewaͤſſern zwiſchen diefen in allen Gegenden unſres Vaterlandes vorgekommen, ebenſo am Rhein auf— waͤrts auch in der Schweiz. Auch vom ſchwarzen Meer koͤmmt ſie die Donau entlang bis hoch in Ungarn herauf, wo ſie mehr— mals erlegt wurde und ich ſelbſt eine bei Belgrad herumfliegen ſahe. — An den beiden, uns fo nahen und ſchoͤnen Landſeen im Mansfeldiſchen hat fie ſich öfter gezeigt, ein Mal ſogar eine Alte im hochzeitlichen Gewande, und in unſerm Anhalt ha— ben wir ſie, — freilich in einem langen Zeitraume, — auch immer nur junge Voͤgel, manchmal geſehen, mehrmals erhalten und ein Mal ſelbſt erlegt; ſie iſt jedoch bei uns jedenfalls eine allerdings ſeltne Erſcheinung und viel ſeltner noch als L. fuscus, doch weni— ger als L. marinus. 394 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. Sie iſt mehr Strich- als Zug vogel, ſucht jedoch in großen Maſſen gegen den Winter eine mildere Temperatur auf, ohne eine regelmaͤßige Wanderzeit zu halten, erſcheint dann an Orten, wo ſie zu andern Zeiten nur einzeln geſehen wurde, in Schwaͤrmen, theils fuͤr ſich, theils zwiſchen andern Arten der Gattung. Ihre Haupt— zuͤge moͤgen wol auch ſuͤdweſtlich und bei der Ruͤckreiſe umgekehrt nordoͤſtlich dem Lauf der Kuͤſte folgen; denn die Einzelnen, welche im Innern der Laͤnder erſcheinen, ſind ein zu kleiner Theil, als daß man ſie fuͤr etwas Anderes als zufaͤllig Verirrte zu halten haͤtte, zumal auch meiſtens nur unerfahrne Junge auf ſolche Abwege ge— rathen. Ein großer Theil dieſer Meven überwintert ſchon an der Nordkuͤſte Deutſchlands, beſonders vor den Muͤndungen großer Fluͤſſe und iſt ein treuer Begleiter der Heringsfiſcher; weiter nach Weſten uͤberwintern noch groͤßere Schaaren und die meiſten wol an den Kuͤſten der pyrenaͤiſchen Halbinſel; ſehr viele auch auf dem Mittelmeer. Die einzeln Jungen von demſelben Jahr, welche zu— weilen bis zu uns kommen, erſcheinen oͤfters ſchon im September, gewoͤhnlicher aber erſt im Spaͤtherbſt, und verlieren ſich, ſobald ſtarke Froͤſte eintreten und die ſtehenden Gewaͤſſer ſich mit Eis bedecken. Sie ſind bei uns nur eine voruͤbergehende Erſcheinung und verwei— len an einem Orte ſelten uͤber einen Tag, kehren jedoch zuweilen nach einigen Tagen wieder, ſcheinen ſich ſo in einem weiten Um— kreiſe planlos herumzutreiben und nur da laͤnger aufzuhalten, wo ſie Nahrung finden und nicht beachtet werden. Im Fruͤhjahr ſieht man bei uns viel ſeltner eine ſolche Meve, und es gehoͤrt daher zu den unerhoͤrten Ereigniſſen, daß einſt an einem heitern Apriltage, bei ſtarkem Wind, ein praͤchtiger alter Vogel im hochzeitlichen Gewande uͤber dem Suͤßſee, nahe beim Schloſſe Seeburg im Mansfeldi— ſchen, lange genug herumſchwebte, um mittelſt eines Fernrohres deutlich und aufs Sicherſte erkannt zu werden. Die Silbermeve gehoͤrt zu den an Individuen ſehr zahlreichen Arten und iſt auf den europaͤiſchen Meeren eine der gemeinſten. Sie ſcheint in noch groͤßerer Anzahl vorhanden als die Folgende, wenigſtens hinſichtlich unſeres Erdtheils; von der Mantel- und Eismeve unterſcheidet ſie ſich hierin ſehr auffallend. Zwar auch Meervogel und das Salzwaſſer allem vorziehend, ſchweift ſie doch, oͤfter als viele andere große Arten, auſſer der Bruͤ— tezeit, manchmal weit davon ab, vom Meeresſtrande an Fluͤſſen große Strecken aufwärts, oder an benachbarten großen Suͤßwaſſern, Land— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 395 ſeen und Teichen umher, zumal wenn das Meer durch anhaltende heftige Stürme in zu gewaltiger Bewegung iſt; kehrt jedoch in Kurs zem immer wieder dahin zuruͤck. Auf groͤßern Inſeln oder in der Naͤhe tief in das Land einſchneidender Buchten wird dieſer Wechſel am bemerklichſten; doch erſtrecken ſich ihre Ausfluͤchte ſelten weiter, als daß ſie das Meer im Auge behalten kann, bei ruhigem Wetter nur laͤngs und uͤber daſſelbe hin, dann jedoch oft viele Meilen weit vom eigentlichen Wohnſitze weg. Vielleicht bewohnt ſie die Nordſee darum haͤufiger als andere Meere, weil ihr der Strand derſelben, um der ſtaͤrkſten Flut und Ebbe willen, nach ihrer Art und Weiſe die meiſten Nahrungsmittel darbietet. Darum haͤlt ſie ſich an ſolchem Strande, wo bei der Ebbe große weite Flaͤchen, ſogenannte Watten, vom Waſſer frei werden, am liebſten auf, obgleich ſie fuͤr die Fortpflanzungsgeſchaͤfte mehr erhabnere Orte, erhoͤhete Ufer, Duͤnen, ſelbſt hohes Geſtade und ſehr hohe Felſen bezieht, wenn ſich in deren Naͤhe abwechſelnd auch jene finden. Sie liebt mehr den ſandigen und ſteinigen Strand als den ſchlammigen. Allenthalben hat ſie es ſehr gern, wenn ſich jenen landwaͤrts gruͤne Flaͤchen anſchließen und giebt ſelbſt auf Fel— ſen den mit etwas Erde und Gras oder anderem Gruͤn bedeckten Stellen den Vorzug vor den kahlen. Wenn ſie zu uns ins mittlere Deutſchland koͤmmt, ſieht man ſie nur an freien Gewaͤſſern, auf freiliegenden Feldteichen, auf den groͤßten, von allem Schilf oder Rohr entbloͤßten, freieſten Flaͤchen der Landſeen oder Fluͤſſe. Gruͤn beſetzte Ufer, Gebuͤſch und Baͤume ſind ihr zuwider. Sie ſtreicht von einem Gewaͤſſer zum andern uͤber ſolche Gegenden in groͤßter Hoͤhe, uͤber freies Feld dagegen ganz niedrig hin, laͤßt ſich hier auch manchmal nieder. Am Meer thut ſie dies gewoͤhnlich auf flachem Strande, auf Landzungen und Sandbaͤnken, oder auf dem hohen Geſtade, immer auf ſo freien Plaͤtzen, daß ſie wo moͤglich ringsum freie Ausſicht behaͤlt, ſelten in der Naͤhe hoher Ufer und von dieſen an letzterer behindert. Am haͤufigſten ſieht man fie bei der Ebbe auf den feuchten Watten ber: umwandeln. Ihre Ruheplaͤtze fuͤr die Nacht findet ſie am Meer an ruhigen Orten gewoͤhnlich dicht am Waſſerrande, oder auch auf hohen Ufern, an den Bruͤteorten ſtets in der Naͤhe ihres Neſtes; auf kleinen Ge— waͤſſern meiſtens mitten auf dem Waſſerſpiegel und ſchwimmend, wobei ſie den Schnabel in den Schulterfedern verſteckt. Die noch 396 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. nicht bruͤtefaͤhigen ein- und zweijaͤhrigen Voͤgel halten ſich zwar an ganz aͤhnlichen Orten auf, aber abgeſondert von den Alten, die ſie nicht in ihrer Naͤhe leiden, und oft in eigenen Vereinen zuſammen. Sie werden beilaͤufig von dieſen verfolgt als gehoͤrten ſie einer ganz andern Art an. Eigenſchaften. Die Silbermeve iſt unſtreitig eine der ſchoͤnſten Arten ihrer Gattung. Ihre impoſante Groͤße, ihre als Meve weder zu plumpe noch zu ſchlanke Geſtalt, das wahrhaft blendende Weiß ihres unge— mein zarten Gefieders, mit dem ſanften Mevenblau des Mantels, dem tiefen Sammetſchwarz der Fluͤgelſpitze (gleich kraͤftigen Schlag ſchatten in der blendenden allgemeinen Faͤrbung) mit feinen ſchnee— weißen Federſpitzen, Alles gehoben durch den praͤchtig gelben Schna— bel mit ſeinem korallenrothen Fleck, das lebhafte ſchwefelgelbe Auge u. a. m., geben dem lebenden Vogel unvergleichliche Reize, welche das Auge bezaubern. Lebenslang unvergeßlich bleibt mir einer der heiterſten Maimorgen (am 31. Mai 1819), an welchem ich mit zwei gleichgeſinnten und gleichgeſtimmten Freunden, P. v. Woͤld icke und Fr. Boie, von der Inſel Pelworm hinüber nach dem Eilande Suͤderoog ſchiffte, unſer Schiff aber, wegen eingetretener Ebbe, wol 1000 Schritt vom eigentlichen Strande, auf den Sandwatten liegen blieb und uns ein zweiſpaͤnniger Wagen von hier abholte; wo wir durch Schaaren dieſer Meven fuhren, die auf den weiten Watten zerſtreuet, meiſtens Paar bei Paar, in den lieblichſten Stel— lungen gemuͤthlich herum gingen oder ſtanden, uns neugierig angaff— ten und die Gatten einzelner Paͤaͤrchen, dicht neben einander geſtellt, uns furchtlos vorbeipaſſiren ließen, kaum auf 20 Schritt oder ſo nahe beim Wagen, daß wir im Glanz der freundlichen Morgenſonne in ihrem ſchoͤnen Auge Stern und Seher deutlich unterſcheiden konn— ten; hier, wo der Forſcher, der Zeichner, der Plaſtiker Stellungen, Mienen und Gebehrden nach dem Leben ſtudiren konnte, konnte es nicht fehlen, daß mich, dem weither vom Feſtlande kommenden, fo Herrliches zum erſten Male ſchauenden Naturfreund, eine ſolche Au— genweide in Staunen und Entzuͤcken verſetzte. Unglaublich viel geht von jener hohen obgleich einfachen Schoͤn— heit verloren, ſobald dem Vogel kein Leben mehr innwohnt, noch mehr dem Ausgeſtopften oder wenn ſein Balg voͤllig ausgetrocknet iſt. Mit dem Leben verſchwindet zugleich die urſpruͤngliche Eleganz die— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. 397 ſes zarten Gefieders. So giebt ihm jeder fremde Schmutz, trotz aller angewandten Reinigungsmittel, unvertilgbare Flecke, ſeine hohe Reinheit iſt fuͤr immer dahin, und das Gefieder des todten Vogels haͤlt dann keinen Vergleich mehr aus mit dem des lebenden. Un— ausloͤſchlich dringt namentlich jener tintenfarbige Schlick (Seeſchlamm) in dies weiche und ſaubere Gefieder ein, wenn die Geſchoſſene mit ihm in Berührung koͤmmt, und hier bleibt ſelbſt das ſorgfaͤltigſte Auswaſchen fruchtlos, wenn es auch augenblicklich zur Stelle ge— ſchaͤhe. Ihr Anſtand, wenn die Silbermeve ſteht oder geht, iſt dem an— drer großen Arten gleich, naͤmlich die Ferſe der in's Gleichgewicht vorgezogenen Fuͤße nicht gebogen, der Rumpf mit dem Schwanze wagerecht, die von den Tragfedern unterſtuͤtzten Fluͤgel mit den Spitzen auf deſſen Ende kaum gekreutzt, der Hals ſenkrecht, wenig ausgeſtreckt und wenig gebogen, Kopf und Schnabel wagerecht. Der Hals dehnt ſich nur dann und vorgeneigt in ganzer Laͤnge aus, wenn ſie ſtehend mit weit geoͤffnetem Schnabel ihre Stimme ertoͤ— nen laͤßt; in truͤber Stimmung wird er ſehr eingezogen und der Kropf tritt ſtark vor. Ihr Gang iſt ein gemaͤßigtes Vorwaͤrtsſchrei— ten, nicht ohne Anſtand, ſelten ein ſchnelleres Laufen; er hat etwas Kraͤhenartiges, auch das Buͤcken um Etwas aufzunehmen. Sie geht, beſonders auf den feuchten Watten, oft viel und lange herum, ſteht auch unthaͤtig oͤfters lange an einer Stelle, zumal auf Land— zungen und flachen Sandbaͤnken, wo es ihr beſonders zu behagen ſcheint, wenn ihr leichte Wellen die Fuͤße benetzen und abwechſelnd bis an die Ferſe herauf ſteigen. Wo ſich eine niedergelaſſen hat, kommen gewoͤhnlich bald mehrere herbei, und ſo ſammeln ſich nach und nach zuweilen ganze Schaaren an einer ſolchen Stelle, wo ſie Ruhe haben und verweilen, bei fortwaͤhrendem Ab- und Zufliegen, manchmal Stunden lang daſelbſt. Sagt ihnen ein ſolcher Platz be— ſonders zu, ſo ſieht man ihn, wenn es der Wellengang erlaubt, alle Tage mehr oder weniger beſetzt. Sie ſchwimmt nicht oft; nur wo ſie kein ſicheres Ruheplaͤtzchen am Lande hat, ruht fie zuweilen auf dem Waſſer aus, ſchwimmt eine Zeit lang und rudert auch wol ein Stuͤckchen weiter, doch alles dieſes gewoͤhnlich nur auf ruhigem Waſſerſpiegel; bei einigem Wel⸗ lengange ſahe ich ſie ſehr ſelten und, wenn es geſchahe, auf noch kuͤrzere Zeit ſich auf das Waſſer niederlaſſen, das, wie auch das Aufſchwingen, ſehr ſanft und mit großer Leichtigkeit vollzogen wird. Das Niederſetzen geſchieht zuweilen unter einigem Flattern und die 398 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. in die Hoͤhe gereckten Fluͤgel werden nun erſt, wenn der Rumpf be⸗ reits ſchwimmt, gemaͤchlich an dieſen angeſchloſſen und beim Fort— ſchwimmen ihre Spitzen etwas hoch gehalten, doch nicht ſo ſehr als bei den kleinen Arten. Im Fluge aͤhnelt ſie ebenfalls andern großen Arten. Sie fliegt naͤmlich, allem Anſchein nach, nicht ſchnell, eher matt als kraftvoll, ſchwingt die großen, weit ausgeſtreckten Fluͤgel in langſamen, bald mehr bald weniger ausholenden Schlaͤgen, ruͤckt aber doch bei aller anſcheinenden Langſamkeit mit großer Leichtigkeit ſchnell genug vor— waͤrts. Sehr haͤufig ſchwebt ſie bloß, ohne ſichtliche Bewegung der Fluͤgel, und gleitet ſo ſehr ſanft weite Strecken durch die Luft fort, drehet ſich auf gleiche Weiſe in groͤßern oder kleinern Kreiſen oder in einer Spirallinie herab oder zur groͤßten Hoͤhe aufwaͤrts. Ihr ſanftes Dahingleiten wird jedoch oft ganz unerwartet durch eine kuͤhne Schwenkung unterbrochen, eine andere Richtung eingeſchlagen oder ein großer Bogen gegen den Waſſerſpiegel oder die Erde herab ſchnell genug und mit vieler Energie ausgefuͤhrt u. ſ. w. Sehr häufig ſchwebt fie in großer Höhe mit ausgebreiteten Flugwerkzeu-⸗ gen, faſt Minuten lang, unverruͤckt und unbeweglich an einer Stelle, dies oͤfters auch niedrig uͤber einem Gegenſtande, den fie beſonders ins Auge gefaßt hat, zumal bei Sturm und dieſem, wie immer, entgegen. Verſieht ſie dieſes und der Sturm faßt ſie von der Seite, ſo wirft er den großen leichten Vogel oft ganz aus ſeiner Richtung und ſchleudert ihn hin und her, wobei er ſehr angeſtrengt zu wer— den ſcheint und darum zu ſolchen Zeiten an Orten Schutz ſucht, wo das Wehen (wie es die Schiffer nennen) weniger heftig iſt. — Sie hat in ihren Bewegungen, die aber etwas leichter und gewandter ſind, viel Aehnlichkeit mit einem Buſſard oder andern großen Raubvogel, zeigt aber ſchon von Weitem ſpitzigere Fluͤgel und in geringerer Entfernung unterſcheidet ſie bald ihr hellfarbiges Gefieder. Sie ſtreckt auch den Hals mehr aus, den Schnabel gerade vor; nur wenn ſie unten Etwas bemerkt, biegt ſie dieſen ſenkrecht abwaͤrts und bald auf dieſe, bald auf jene Seite, um den Gegenſtand ab— wechſelnd immer nur mit einem Auge ſchaͤrfer anzuſchauen, Sie iſt ziemlich phlegmatiſch, mehr als die vorhergehende, und folgende Art, doch aber weniger als die Mantel- und Eismeve. Wenn ſie auch mehr fliegt als ſitzt, ſo zeigt ſie doch in ihrem gan— zen Weſen eine große Gemaͤchlichkeit, wo nicht Schlaffheit, ſelbſt am Bruͤteorte. Hier mag ſie nicht gern allein wohnen und lebt auch — — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 399 mit anderartigen Voͤgeln in ziemlich gutem Vernehmen, zeigt jedoch noch mehr Anhaͤnglichkeit zu ihres Gleichen und niſtet daher mei— ſtens in Geſellſchaften oder in Schaaren beiſammen. Auch zu an— dern Zeiten iſt ſie nicht gern allein und es verſammeln ſich zu an— dern Zwecken, namentlich an guten Futterplaͤtzen, oͤfters viele Hun— derte, oder ſchließen ſich in geringerer Anzahl auch andern Meven an. In ſolchen Schwaͤrmen zeigt ſie ſich aufgeregter und bewegli— cher als ſonſt und es fehlt hier nicht an Raufereien, namentlich un— ter den Mitbewerbern um einen guten Biſſen; denn ſie iſt ſo freß— gierig als irgend eine. Vorſichtig und klug iſt ſie genug, um nicht jedem Menſchen zu trauen, ſelbſt am Bruͤteorte wird ſie nach eini— gen Schuͤſſen ſo mißtrauiſch, daß ſie jeder Annaͤherung des Schuͤtzen ausweicht. Wenn ſie eine gute Beute ins Auge gefaßt hat iſt ſie dagegen oft wirklich dummdreiſt. Ebenſo bringt ſie eine Art von Neugier ſehr haͤufig ins Verderben; ſie theilt dieſe in etwas gerin— germ Grade mit Sterna macrura, welche ihr aber uͤbrigens, aus an— deren Gruͤnden (ſ. S. 130. d. Bds.), von Herzen abgeneigt iſt, ob— gleich ſie nicht ſelten ganz in ihrer Naͤhe bruͤtet. Es iſt hoͤchſt merk— wuͤrdig, wie ſie an manchen Plaͤtzen dieſen und andern am Strande niſtenden Voͤgeln ſich gewiſſermaßen aufzudringen ſcheint und ge— fliſſentlich dicht neben oder zwiſchen ihnen ihren Wohnſitz aufſchlaͤgt, was jene freilich nicht verhindern koͤnnen, wenn es auch fuͤr ſie immer eine gefaͤhrliche Nachbarſchaft bleibt. Wenn daher einer ſol— chen Meve dort ein Ungluͤck begegnet, wenn ſie z. B. durch einen Schuß verwundet oder gar getoͤdtet wird, ſo entſteht ein wahrer Ju— bel unter den kleinern Voͤgeln, am meiſten unter den reizbaren und aͤußerſt lebhaften Meerſchwalben, und dieſe zeigen dem Schuͤtzen alle Mal ganz ſicher an, ob ſein Schuß auf eine Silbermeve fehl ging oder ſie verwundete, weil ſie im erſtern Falle gleichguͤltig bleiben, im andern die Angeſchoſſene aber mit Wuth verfolgen und mit ver— einten Kraͤften nach ihr ſtoßen, als beabſichtigten ſie, ihr vollends den Garaus zu machen, endlich aber uͤber die todt Niedergeſtuͤrzte von allen Seiten herbeiſtroͤmen, niedrig uͤber ſie herumflattern und frohlockend einige Zeit dabei verweilen. Die Silbermeve gehoͤrt lange nicht unter die 1 11 Schreier, ja die Einzelne und einſam Umherſchweifende laͤßt aͤußerſt ſelten eine Stimme hoͤren. Oefter ſchreiet hin und wieder eine, wenn viele bei— ſammen ſind, am oͤfterſten an den Niſtorten; doch geht auch hier Alles viel ſtiller zu als an denen vieler andern Meven. Uiber dem an ſolchem Platze umher wandelnden Menſchen, oder uͤber dem, 400 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. welcher ſich auf die Erde hingeſtreckt hat, zumal wenn er auf dem Bauche liegt, ſchweben in geringer Hoͤhe bald eine oder einige und abwechſelnd wieder andere, bis ihn der Reihe nach alle ſich ordent— lich beſchauet haben, und hierbei ſtoßen ſie ein tiefes, heiſeres Haha, — Hahahaha (ſehr ſchnell geſprochen) in ziemlichen Intervallen oder gar nicht ſchnell nacheinander, auch niemals anders als im Fluge aus. Es gleicht dem Lachen mancher Menſchen nicht wenig und iſt die noch am haͤufigſten gehoͤrte Stimme dieſer Meven. Ganz anders klingt ihr Hauptruf, zwar etwas mauend, doch viel ſtaͤrker und weiter hoͤrbar als jenes gedaͤmpfte Hahaha, naͤmlich wie Kjau, oder Kiau, oder auch Kjauh (alles einſylbig und die Buchſtaben ineinander gezogen, ohne einen beſonders zu betonen). Es aͤhnelt uͤbrigens dem anderer großen Arten nicht wenig, was ſchon Meyer (ſ. d. Taſchenb. II. S. 474.) bemerkt, auch das der Silbermeve richtig angiebt, wenn auch mit andern Buchſtaben ſchreibt. Sie rufen einander damit in der Ferne zu, doch hoͤrt man auch dieſes nur am Brüteplage häufiger, In der Nähe iſt es ſtark und volltoͤnend, am Nitzplatze und oͤfterer nacheinander ausgeſtoßen auch von einer andern Bedeutung; denn wenn man ſich da dieſen herrlichen Voͤgeln allmaͤhlig auf kaum 15 Schritt genaͤhert hat, wo die Paͤaͤrchen, Maͤnnchen und Weibchen von jedem, dicht nebenein— ander geſtellt und den Ankommenden entgegen ſehend, eins nach dem andern ſich erheben wollen, das naͤchſte zuerſt u. ſ. w. ſtreckt kurz zuvor oder während des Aufſchwingens, gewöhnlich allein das groͤ⸗ ßere Maͤnnchen, den vorgeneigten Hals aus und ruft mit weit ge— oͤffnetem Schnabel Kjaukjaukjaukjau, und dann klingt es eher wie ein Siegesruf, wenigſtens nicht wie ein Angſtgeſchrei. Wenn ſie dieſes, das ich uͤbrigens immer am oͤfterſten vom Maͤnnchen hoͤrte, auch im Fluge hören laſſen, was ſeltner vorkoͤmmt, fo wird dazu auch hier der Hals lang gedehnt und der Rachen weit aufgeſperrt, bei jenem lachenaͤhnlichen aber immer der Hals nicht gedehnt und der Schnabel faſt gar nicht geoͤffnet. Die Jungen haben anfaͤng— lich eine zitternd piepende, ſpaͤter eine kreiſchende Stimme, die ſich, wenn ſie fliegen lernen, nach und nach verliert. Von voͤllig erwachfenen und einjährigen Meven dieſer Art habe ich nie einen Laut vernommen. Man kann dieſe, wie andere große Meven, auch in Gefangen— ſchaft erhalten, wenn man ſie in einem umſchloſſenen Hofe oder Garten haben kann; es darf ihnen hier aber durchaus nicht an ei— nem großen, reinlichen und ſtets mit friſchem Waſſer verſehenen Be— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 401 haͤlter mangeln, wenn fie nicht bald im Schmutz umkommen ſollen. Es ſind harte Voͤgel, bei denen eine Fluͤgelwunde, wenn ſie nicht gar zu weit oben und mit zu vielem Blutverluſt verbunden war, bald heilt und ihrem uͤbrigen Befinden nichts ſchadet. Nahrung. Die Silbermeve naͤhrt ſich theils von Fiſchen, theils von an: dern Geſchoͤpfen des Meeres; denn ſie frißt außer kleinen und gro— ßen, lebenden und todten Fiſchen, auch Aeſer großer See- und Landthiere, wie todte und junge Voͤgel und Vogeleier, auch kleine Cruſtaceen und Conchylien, mancherlei Mollusken, Meerwuͤrmer und Inſekten. Im Fangen der lebenden Fiſche beſitzt ſie eben keine beſondere Geſchicklichkeit; denn ſie iſt langſam, wenig energiſch und eine ſchlechte Stoßtaucherin. Zwar leichten, aber ſehr langſamen Fluges, oft ſchwebend, koͤmmt ſie nahe dem Ufer entlang oder von einer nahen Kuͤſte zur andern, meiſtens wo das Waſſer ſeicht und ruhig iſt, in 10 bis 20 Fuß Hoͤhe uͤber demſelben, den ſpaͤhenden Blick auf daſſelbe gerichtet, macht beim Erblicken einer Beute augenblick— lich eine ſchnelle Wendung, beſchreibt einen kurzen Halbkreis unter— waͤrts, um ſich mehr zu naͤhern, und ſchießt nun in einem Bogen gegen den Waſſerſpiegel, daß ſie nur mit dem Schnabel und Kopfe durch das Waſſer faͤhrt, oder, wenn es ſein kann, den Gegenſtand lieber noch ohne dieſes von der Flaͤche aufnimmt, mit ihm davon fliegt, oder wenn er klein iſt, ſogleich verſchluckt. Auf andere Weiſe ſahe ich ſie nie fiſchen und dieſes ſogar nicht einmal oft, weil es nur vom Wellenſchlage ermattete, halb und halb geſtrandete, oder wirklich abgeftandene Fiſche fein koͤnnen, welche fie auf dieſe Weiſe erhaͤlt. Wenn nicht, wie bei den Heringszuͤgen, die obere Schicht oͤfters ganz oben auf ſchwimmt, ſo koͤnnen jene Fiſchereien nie hin— laͤnglich zur Befriedigung ihres ſteten Hungers ausreichen; denn man ſieht ſie gewoͤhnlich lange Strecken vergeblich abſuchen, ohne auch nur einen Fang zu machen. Viel beſſer und gewoͤhnlicher naͤhrt ſie ſich dagegen zu Fuß. Sie geht am Strande, auf flachen Baͤnken, am haͤufigſten jedoch bei der Ebbe auf den weiten Sandwatten (ungleich feltner auf ſchlammigen) herum, fiſcht die zuruͤckgebliebenen kleinen Pfuͤtzen aus, worin kleine Fiſche, Krebſe, Krabben und allerlei Gewuͤrm 10r Theil. 26 402 XIII. Or dn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. nicht fehlen, hackt aus den groͤßern Conchylien die Thiere, auch den Pagurus Bernhardus ei Eremita, verſchluckt die kleinen ſammt den Schaalen, und ſcheint die Jungen von Cancer moenas, bis zu 1 Zoll Durchmeſſer, ganz beſonders zu lieben. Bei Suͤderoog ſchienen dieſe jungen Taſchenkrebſe ihre Hauptnahrung zu ſein; die Stuͤcken der nicht ganz verdaueten Schalen dieſer, woraus dort ihre Ercremente beſtanden, machten, daß dieſe broͤcklich wie Kalkmoͤrtel und weiß mit Roſenroth tingirt ausſahen. — Von verſchiedenen Muſcheln habe ich z. B. Cardium edule, Tellina cornea u. a. ein: zelne bis faſt zu 1 Zoll Durchmeſſer ſammt den Schalen und klei— nere oft in Menge in dem Magen von mir erlegter Silbermeven gefunden. Auch dieſe ſammelt ſie am Strande und namentlich bei der Ebbe, auf den eben vom Waſſer frei gewordenen Flaͤchen, wadet aber deshalb nicht ins Waſſer hinein. Waͤhrend der Flut macht ſie weite Ausfluͤchte, zumal bei Stuͤrmen, auch uͤber Land, Wieſen, Triften und Aecker und nach wenig entfernten Suͤßwaſſern; man ſieht ſie aber hier ſelten ſich niederlaſſen und etwas Genießbares finden. Ebenſo ſelten findet man daher bei ſolchen einen verzehrten großen Waſſer- oder Landkaͤfer, einen Regenwurm oder einen klei- nern Vogel. Einen ſolchen, wenn ſie ihn todt findet, von Sper— lings- oder Droſſelgroͤße, wuͤrgt fie mit allen Federn hinunter, groͤßere zerreißt ſie und bewirkt dies ſtuͤckweis; allein ſie ſind nur Nothbehelf. Vegetabilien habe ich nie in ihrem Magen gefunden. Aas von groͤßern Thieren, ſchwimmend oder am Strande lie— gend, verſchmaͤhet ſie im Sommer nicht leicht, im Herbſt und Winter nie. Ihr ſcharfſchneidiger Hakenſchnabel verfehlt hierbei ſeinen Zweck nicht, das Fleiſch von den Knochen abzubeißen und abzunagen. Bei den Heringsfiſchereien ſtiehlt ſie die Fiſche aus den Netzen und greift gierig nach den von den Fiſchern weggeworfenen Fiſcheingeweiden und andern Abgaͤngen. Das Fleiſch von Kalt— bluͤtern ſcheint ſie allenthalben dem von Warmbluͤtern vorzuziehen oder dieſes nur bei Mangel an jenem zu genießen. Sie ſtiehlt auch ſeltner andern Strandvoͤgeln die Jungen als die Eier. Beides koͤmmt indeſſen vor und Letzteres auch haͤufig genug, was auch der Haß jener genugſam andeutet. Darum bleibt es um ſo raͤthſelhaf— ter, wenn im Wirwar und bunten Gedraͤnge ſehr zahlreich und mit vielartigem Gefluͤgel beſetzter Bruͤteplaͤtze, wo die Voͤgel oft ihre Neſter verwechſeln, auch der Fall vorkoͤmmt, daß ein anderer in der Haſt ſein Ei zu denen der Silbermeve legt, wie ich damals auf Süderoog mit eignen Augen geſehen, daß unter andern auch ein XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 403 Auſternfiſcher ſein Ei in das Neſt und zu den zwei Eiern einer Silbermeve gelegt hatte. Gleich andern großen Meven iſt ſie ein ſtets bereitwilliger Vielfreſſer, kann aber auch lange hungern. Recht vollgeſtopft iſt ſie beſonders traͤge und wartet dann die Verdauung ſitzend oder ſchwimmend ruhig ab. Auch fie vomirt ſehr leicht, ſobald fie will, und es war bei einer Gezaͤhmten, welche man dazu gebracht hatte, daß ſie auch gekochte Kartoffeln fraß, ſehr ſpaßhaft, wie ſie dieſe ſchnell wieder auswuͤrgte, ſobald man ihr Fleiſch vorwarf, dieſes anſtatt jener verſchlang und jene unnatuͤrliche Speiſe bis auf Wei— teres liegen ließ. Auch in Waſſer geweichtes Brod nahmen in Ge— fangenſchaft gehaltene in Ermangelung von Fleiſch, Fiſchen und thieriſchen rohen Abfaͤllen der Kuͤche an. Fortpflanzung. Die Silbermeve hat ihre Bruͤteplaͤtze an vielen Orten der Oſtſee, auf Inſeln, Halbinſeln und andern Stellen der Kuͤſten, namentlich den gegenuͤber liegenden, weniger den diesſeitigen; doch hat die Nordſee deren ungleich mehrere oder bei Weitem zahlreicher beſetzte. An der von Norwegen reichen dieſe bis in den Polarkreis hinauf, weſtwaͤrts ſcheinen aber die Faͤroͤer ſchon ihr noͤrdlichſter Sommer: aufenthalt zu ſein; denn auf Island bruͤtet keine. — An den Kuͤſten unſerer Nordſee, von Juͤtland abwaͤrts, an der von Schleswig und Holſtein, von Oſt- und Weſtfriesland bis Nordholland iſt ſie zur Bruͤtezeit die gemeinſte Meve und an einzeln Stellen in groͤßter Anzahl beiſammen. Der ausgedehnteſte und ſtaͤrkſte Bruͤteplatz, an welchem ich mich am 7ten Juni 1819 befand, den ſelbſt Fr. Boie (damals in meiner Begleitung), wel⸗ cher deren ſo viele in Norwegen ſahe, fuͤr einen der bedeutenſten von Allen hielt, der gewiß auch den laͤngſt durch Meyer (ſ. d. Taſchenb. II. S. 474 u. f.) beruͤhmten, auf Eierland, beim Texel an der hollaͤndiſchen Kuͤſte, wenigſtens gleich zu ſtellen iſt oder noch übertrifft, und welcher bis heute noch fo florirt wie da— mals, — iſt die etwas nach Oſten ſich wendende Nordſpitze der Inſel Sylt, unfern der Weſtkuͤſte Juͤtlands, beim Orte Lyſt. Einige Meilen ſuͤdlicher, auf Amrom, desgleichen noch mehrere Meilen herab auf dem kleinen Eilande Suͤderoog befanden ſich kleinere, ebenfalls von mir beſuchte Niſtvereine, und die ganze Inſelgruppe dieſes Theils der Nord ſee war von Tauſenden herum⸗ 26 404 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. ſchwaͤrmender Meven dieſer Art ganz außerordentlich belebt, bis zwiſchen die Muͤndungen der Eider und Elbe herab, wo auf der Inſel Helmſand und der Halbinſel Deichſand auch noch eine kleine Anzahl bruͤtete. So ſoll es auch auf Norderney und den Inſeln längs der ganzen Kuͤſte, bis Holland, desgleichen an des nen von Großbritannien und Irland ſein. Ihre Niſtplaͤtze ſind bald ein flacher oder nur wenig erhabener, ſandiger Strand, landwaͤrts in gruͤnem Raſen verlaufend; bald erhoͤhetes Geſtade oder dürftig begruͤnte Duͤnenhuͤgel; bald Platt: formen oder breite, mit Raſen bedeckte Vorſpruͤnge ſchroffer Fels— waͤnde; ſehr ſelten und bloß ausnahmsweiſe auch ganz nackter Sand oder nacktes Geſtein. Alle ſolche Orte muͤſſen unmittelbar am Meer liegen oder von ihm umgeben ſein. Zuweilen ſind die Neſter ſo dicht am Waſſer, daß ſie bei etwas hoher Flut von den Wellen erreicht, auch wol weggeſchwemmt werden; an andern erhabnern Orten manche oͤfters einige 100 Schritt davon, zumal wo ſolche Kolonie zahlreich iſt und eines weiten Raumes bedarf, und an den nordiſchen Vogelbergen nehmen die Silbermeven von oben herab die zweite Stelle ein, waͤhrend die Mantelmeven, nebſt den Larventauchern, die oberſte beſetzt halten. Wo ſie zwiſchen den Duͤnen niſten, ſtellen ſie die Neſter ſowol auf die Gipfel, als an die Lehnen der Hügel und in die weiten Thaͤler; überall wiſſen fie ein freies Plaͤtzchen dazu zu finden, denn niemals bauen ſie eins an einen verſteckten Ort, ſo daß man die Neſter, wenn ſie nicht gar zu nachlaͤſſig angefertigt find, meiſtens ſchon aus einiger Ent— fernung bemerkt. Hieraus ergiebt es ſich ſchon, daß ſie ſtets in Geſellſchaft von Mehrern ihrer Art bruͤtet und, wo man ſie hegt, zu vielen Tauſen— den beiſammen alljaͤhrlich an demſelben Orte den Fortpflanzungs— geſchaͤften obliegt. An weniger ſichern Plaͤtzen lebt ſie in kleinern Geſellſchaften oder auch nur in wenigen Paaren beiſammen, welche ihr Brutgeſchaͤft dann gern da aufſchlagen, wo viele andere ver— ſchiedenartige Strand- und Seevoͤgel ihren Bruͤteplatz haben, wo ſie ſich zwar nicht unter dieſe miſchen, doch ihnen nahe anſchließen. Ein einſam niſtendes Paͤaͤrchen habe ich nirgends angetroffen; es moͤchte ein ſolches wol ſchwerlich irgendwo zu finden ſein. Gegen Ende des April erſcheinen ſie an den Plaͤtzen, wo ſie niſten wollen, und geben ihre Abſicht durch unruhiges Herumſchwaͤr— men und ungewoͤhnlich vieles Schreien zu erkennen. Gewoͤhnlich ſind dies dieſelben Orte, wo fie im vorigen und vielen vorhergehen: — — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 405 den Jahren Junge ausbrachten. Sie ertragen es, wenn man ihnen die Eier mehrmals nimmt, wenn man von den zuletzt gelegten ih— nen nur einige auszubruͤten geſtattet, und kommen dann im naͤch— ſten Jahr, um da abermals zu bruͤten, gewiß wieder. Wiederholtes Schießen am Bruͤteplatze iſt ihnen dagegen ſehr zuwider, und man behauptet, gewiß nicht ohne Grund, daß ſie zu ſolchen, wo es, naͤmlich in der Fortpflanzungszeit, öfters geſchahe, im folgenden Jahr nicht wiederkehrten. Wo man ſie dagegen ſorgfaͤltig hegt, alle Stoͤrungen in den naͤchſten Umgebungen und am Bruͤteplatze ſelbſt vermeidet, ſtreng darauf haͤlt, daß waͤhrend der Fortpflanzungs— periode daſelbſt nie geſchoſſen wird, wenigſtens nicht nach ihnen, wenn man mit dem Einſammeln ihrer Eier zur rechten Zeit auf— hört und ihnen nachher ein Gelege ruhig ausbruͤten und ungeſtoͤrt ihre Jungen erziehen laͤßt, da kehren ſie alle Fruͤhjahr und zwar in manchem in merklich verſtaͤrkter, in andern wenig verminderter Anzahl auf denſelben Platz zuruͤck, ſo daß dieſer fuͤr lange Zeiten, ein Jahr in das andere gerechnet, in ziemlich gleichbleibender Menge beſetzt iſt. Man kennt ſolche Bruͤteplaͤtze, welche laͤnger als ein Jahrhundert beſtehen und, im Beſitz mancher Familien, ſchon von deren Urvaͤtern eben ſo gepflegt und genutzt wurden wie noch heu— tigen Tages. Einer der praͤchtigſten Bruͤteplaͤtze dieſer Art, von dem ich als Augenzeuge berichten kann, mag unſtreitig der bereits erwaͤhnte auf dem Nordende der Inſel Sylt ſein. Er iſt Beſitzthum einer ſehr ehrenwerthen Familie im Oertchen Lyſt, uͤber welches er noͤrdlich, etwa ½ Meile weit, den ohngefaͤhr 50 bis 60 Fuß hohen Hügel: zug der weſtlichen Duͤnen der Inſel einnimmt, von da an, wo er ſich ploͤtzlich vom weſtlichen Geſtade nach dem noͤrdlichen, wie ein Haken, herumzieht oder von Weſten ſtark nach Oſten wendet und in dieſer Richtung bald endet. Dieſer Platz mag ohngefaͤhr / Mei: len im Umkreiſe halten und iſt von einer ſo großen Anzahl dieſer Meven beſetzt, daß, bis auf eine ſich bloß anſchließende Kolonie des Larus canus, einer der Sterna caspia und einer der St. cantiaca, der ganze uͤbrige, bei Weitem groͤßte, Flaͤchenraum, nur von Silber— meven bedeckt iſt, zwiſchen welche bloß etwa hundert Paͤaͤrchen Eiderenten (Anas mollissima) ſich mit ihren Neſtern eingezwaͤngt haben. Man darf dreiſt behaupten, daß ſich jährlih mehr als 5000 Päärchen_ der Silbermeven auf dieſem Platze fortpflanzen. Schon in der Ferne erſcheinen zu dieſer Zeit jene Duͤnen, weil der Flugſand, aus welchem ſie beſtehen, ſich hier duͤrftig mit magern 406 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. und halbduͤrren Graͤſern, vorzuͤglich mit Carex arenaria, vermiſcht mit Moos und grauen Flechten, etwas Haidekraut (Erica) und Rauſch (Empetrum nigrum) bedeckt hat, in duͤſteres Gruͤngrau ge— huͤllt und mit zahlloſen weißen Punkten uͤberſaͤet, deren Beweglich⸗ keit dieſe bald als Tauſende lebenden weißen Gefluͤgels bezeichnet, die nach und nach, bei mehrerem Annaͤhern, ſich als Silbermeven zu erkennen geben, in einer Anzahl, welche wahrhaft in Staunen verſetzt. Betritt man endlich dieſe Freiſtadt der Voͤgel, ſo entzuͤckt die harmloſe Zutraulichkeit dieſer herrlichen Geſchoͤpfe, die meiſt Paar bei Paar, auf der Flaͤche vertheilt, ſich aufgeſtellt haben oder auf und neben den Neſtern ſitzen, einer der Gatten auf, der andere neben den Eiern; denn überall, wo man hinblickt, laſſen dieſe Unvergleich: lichen in hoͤchſter Ruhe, nicht einmal Neugier verrathend, die frem— den Stoͤrer bis kaum auf 15, hoͤchſtens 20 Schritt herannahen, ehe ſie auffliegen, ſchweben dann dicht uͤber ihnen und die Zahl der jene Umkreiſenden waͤchſt mit jedem Schritte; die Luft iſt mit einer gewaltigen Schaar ſchreiender Voͤgel erfuͤllt, waͤhrend der ſchweifende Blick vorwaͤrts noch Hunderte von Sitzenden auf und bei den Ne— ſtern trifft, welche es eben mit ſolcher Ruhe abwarten, bis an ſie die Reihe des Auffliegens koͤmmt, wie die erſten, die ſich, in um— gekehrter Folge als ſie aufflogen, nun ſchon wieder gemaͤchlich nie— derlaffen, u. ſ. w. Allenthalben, hoch und niedrig, gut und ſchlecht gebauet, ſtehen die Neſter auf dem Platze zerſtreuet, bald nur 2, bald 12, bald noch mehr Schritt von einander, aber ringsum, wo man nur hinblickt, Neſter und wieder Neſter. Hier ſtellen ſich dieſe unvergleichlich ſchoͤnen Geſchoͤpfe in ihrer regſten Lebensperiode, in den lieblichſten und abwechſelnſten Stellungen und Bewegungen vor dem entzuͤckten Blicke des Forſchers auf, in ſolcher Naͤhe, daß er kaum weiß, ob er ſie mehr der Anſpruchsloſigkeit, Einfachheit und höchften Reinheit ihres Gefieders, oder der ſchoͤnen Verhaͤltniſſe in den Umriſſen ihrer Geſtalt, im Stehen, Gehen oder Fliegen, oder ihres ungemein zahmen Betragens wegen bewundern und anftaunen fol. Unwillkuͤhrlich drängte ſich mir damals, in der Begeiſterung, der Gedanke auf, hier fuͤr diejenigen, denen verſagt iſt der Natur ſo ins Antlitz zu ſchauen, ein Bild nach dem Leben aufzunehmen, um ihnen eine ſchwache Vorſtellung von den geſehenen Herrlichkeiten, freilich nur eine ſchwache, zu verſchaffen; denn welcher Kuͤnſtler vermag ſolches Leben mit allen ſeinen, an Reitzen ſich uͤberbietenden Abwechslungen auf dem Papier darzuſtellen?!! Mein ſchwacher Verſuch ſind zwei ausgemalte Kupfer, das eine mit dem Niſtplatze XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296, Silber: Meve. 407 der großen Meven, das andere mit denen der großen Meer— ſchwalben der Duͤnen bei Lyſt, nebſt erklaͤrender Beſchreibung, unter dem. Titel: Uiber den Haushalt der nordiſchen See: voͤgel Europa's ꝛc. Querfolio. Leipzig. Ernſt Fleiſcher. 1824. Unter andern von mir geſehenen Bruͤteplaͤtzen verdient noch der auf der Inſel Amrom einer Erwaͤhnung, nicht der Anzahl der hier niſtenden Paare wegen, die darum mit den vielen Tauſenden auf Sylt gar nicht in Vergleich kamen, ſondern wegen eines andern Umſtandes. Sie hatten hier nämlich auch einen Niftplas in den Duͤnen; aber auch ſehr weit von dieſen, auf dem nach Suͤdweſt in ein auſſerordentlich großes nacktes Sandfeld auslaufenden, ſehr flachen Strande ſtanden an einer beſondern Stelle eine Menge friſchgebaueter Neſter, in welchen aber noch keine Eier lagen. Die alten Voͤgel in den entfernten Duͤnen ſchienen ſich um dieſe Neſter gar nicht zu kuͤmmern, woraus ich ſchloß, daß fie nicht ihrer Kolo— nie angehoͤren moͤchten. Wohl aber trieb ſich in der Naͤhe jener Neſter eine kleine Schaar junger, vorjaͤhriger Voͤgel dieſer Art herum, mit dem Anſchein, als waͤren ſie die Erbauer und Innhaber derſel— ben. Dieſe damals in der Iſis, Jahrg. 1819. Stck. XII. auf⸗ geſtellte Vermuthung hat ſich aber ſeitdem nirgends beſtaͤtigt. Auch die Silbermeve wird, gleich andern Arten, erſt bruͤtefaͤhig, wenn fie nach dem dritten Lebensjahre ihr ausgefaͤrbtes Kleid angelegt hat. Die Einjaͤhrigen, wie die Zweijaͤhrigen, leben in ab— geſonderten Geſellſchaften, meiſtens fern von den Alten oder Bruͤte— fähigen, die fie auch nicht in ihren Niſtvereinen leiden und eine dahin Verirrte ſo lange heftig verfolgen, bis ſie ſich wieder weit genug entfernt hat, zumal Einjaͤhrige. Eher ſieht man manch— mal eine Zweijährige unter den Alten, welche dieſe aber auch nur ungern dulden, die ſich aber ſchon kraͤftiger zu vertheidigen verſteht. In der Mitte des Mai beginnt der Bau ihrer Neſter. Sie ſind von ſehr verſchiedener Bauart, bald aus einer ziemlichen Menge Materialien, doch kunſtlos, bald aus wenigen und hoͤchſt nachlaͤſſig angefertigt, bald iſt das Neſt nur eine bloße Vertiefung im Sande, mit ſehr wenigen belegt oder auch ganz ohne jene. Manchmal ſcheint ihnen bloß der Zufall einige Haͤlmchen zugefuͤhrt zu haben, wenn ſie dagegen an andern Orten oft einen ziemlichen Haufen trocknen Tang (Fucus vesiculosus und F. serratus), Meergras (Zostera marina), abgeſtorbene Stauden von Salicornia herbacea, vertrocknete Blaͤtter von Crampe maritima, Stengel von Atriplex 408 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. martima , Statice Limonium und andern Salz- oder Meerſtrands— Pflanzen zuſammentragen und einen, wenigſtens anfaͤnglich, ziem— lich tiefen Napf fuͤr Aufnahme der Eier herſtellen. Zuweilen legen ſie dieſen wol noch mit etwas weicherm Material, duͤrren Grasſtuͤck— chen, Strohhalmen u. dergl. aus, doch bleibt das Ganze auch in ſolchen einzelnen Faͤllen nur ein loſes, nachlaͤſſiges Geflecht. Es giebt ſolche Neſter, die uͤber einen Fuß Durchmeſſer und, ehe ſie von den Voͤgeln niedergetreten, einen halben Fuß Hoͤhe haben. Zuwei— len, aber nicht oft, bringen ſie auch etwas Erde zwiſchen jenen an. Aber merkwuͤrdig bleibt es, daß ſie auf manchen Bruͤteplaͤtzen alle— ſammt beſſere Neſter bauen, waͤhrend ſie auf einem andern ſich dieſe Arbeit beinahe ganz erſparen. Die Urſache hiervon iſt jedoch leicht zu finden; ſie holen naͤmlich die Baumaterialien nie weit herbei; finden ſich nun in der Naͤhe nicht viel vor, ſo behelfen ſie ſich mit wenigen, beſtehlen beim Bauen auch einander oft, wie die Saat— kraͤhen. Auch da, wo ſie gezwungen werden, nach Verluſt der Eier, ein neues Neſt einzurichten, zumal wenn ſich dies oͤfter wie— derholt, werden die Eier zuletzt nur noch in eine bloße Vertiefung des Bodens gelegt und ohne Neſt ausgebruͤtet. Der Standort des Neftes richtet ſich ebenfalls nach der Beſchaf— fenheit des Platzes und wo etwas Pflanzenwuchs iſt, wie in den Duͤnen von Lyſt, ſtellen es viele Paͤaͤrchen in die groͤßern Pflan— buͤſchel, andere dagegen auf die platte Flaͤche. An manchen Orten ſteht es auf kurzem Raſen, aber viel oͤfterer noch auf nacktem Sand— boden; doch habe ich die kleinerer Vereine oft, namentlich an ſol— chen Stellen beiſammen geſunden, wo bei hohem Wellengange kleine Baͤnke von Conchylien, Tang, Meergras und allerlei Wuſt zuſam— mengeſchoben waren, zwiſchen diefen. Sonderbar genug iſt dies oft ſo nahe am Bereich einer gewoͤhnlichen Flut, daß eine hoͤhere, zu⸗ mal bei ſtarkem Wellengange, ihnen unfehlbar die Eier wegſchwem— men muß. Wo die Eier ohne Neſtbau auf dem bloßen Sande lie— gen, ſieht man ſie erſt, wenn man ihnen ganz nahe koͤmmt, die groͤßern Neſter werden dagegen ſchon in bedeutender Entfernung be— merklich. Wo eine ſchwache Geſellſchaft nur ein kleines Plaͤtzchen mit ihren Neſtern beſetzt hat, erkennt man jenes ſchon von Weitem am haͤufigen Verkehr dieſer Meven daſelbſt, ſo daß man nur da nach den Eiern zu ſuchen braucht. In der letzten Haͤlfte des Mai legen ſie ihre Eier, je 2 bis 3, aber nie mehr in ein Neſt. Dieſe Eier ſind ſo auſſerordentlich va— riabel, ſowol in Groͤße und Geſtalt als in Farbe und Zeichnung, — — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296, Silber-Meve. 409 daß es ſchwer wird, das eigentliche Normale herauszufinden, um im Allgemeinen ſagen zu koͤnnen: Ihre Groͤße und Geſtalt erreiche ziemlich die der Eier von zahmen Gaͤnſen und ihre Faͤrbung ſei eine olivengruͤnliche, ſchwarzbraun und grau gefleckte. Die Groͤßten un— ter dieſen Eiern kommen den kleinern von Larus glaucus voͤllig gleich, ſelbſt in Farbe und Zeichnung. Allein, daß dieſen Meven an allen zugaͤnglichen Bruͤteplaͤtzen die erſten Gelege immer, ja an man— chen zur Ungebuͤhr viele genommen werden, weshalb ſie in derſelben Bruͤtezeit immer wieder neue machen muͤſſen, ehe ihnen eins zum Ausbruͤten uͤberlaſſen wird, ſchwaͤcht ihre Legekraft, und ſo legen ſie nach und nach immer kleinere Eier und zuletzt mitunter ſogar ſo— genannte Windeier. Ich beſitze ſelbſt ein ſolches, das nur die Groͤße eines Elſtereies, — dabei aber eine ſo ſtarke Schale und die naͤm— liche Faͤrbung hat, wie andere ihrer Art von gewoͤhnlicher Groͤße. — An manchen Orten hört man mit dem Einſammeln dieſer Meven— eier erſt auf, wenn die Abnahme der Groͤße gar zu auffallend wird und manche Weibchen ſchon ganz aufhoͤren zu legen. An ſolchen Orten iſt es dann gar kein Wunder, wenn große und ſtarke Ael— tern, aus ihren letztgelegten kleinern Eiern nur ſchwaͤchliche und ihnen an Groͤße weit nachſtehende Jungen bruͤten, wenn Larus ar— gentatus, Brehmii, einen L. argenteus, Br., oder gar einen L. ar- gentatoides, Br., ausbruͤtet und aufziehet. Dieſe Eier wechſeln gewoͤhnlich in der Groͤße von 3 Zoll 2½ Linien Laͤnge und 2 Zoll 1½ñ Linien Breite, bis zu 2 Zoll 2 Linien Länge und 1½ Zoll Breite herab; es kommen aber noch kleinere vor und das erwaͤhnte Spur- oder Windei iſt nur 1 Zoll 6½ Linien lang und kaum 13 Linien breit. Sie haben meiſtens eine ſchoͤne, mehr ſchlanke als kurze, Eigeſtalt; kuͤrzere, am ſtumpfen Ende ſchnel— ler abgerundete, etwas bauchichte oder auch uͤbermaͤßig ſchlanke kom— men viel ſeltner vor. Ihre ſtarke Schale iſt von grobem Korn, von auſſen rauh, mit vielen ſichtbaren Poren, daher ohne Glanz. Ihre Grundfarbe iſt ebenſo verſchieden wie ihre Zeichnung. Von vielen Hunderten dieſer Eier habe ich etwa 15 Stuͤck ausgeleſen, welche in beiden ſo verſchieden ſind und meiſtens ſo ſehr von einander ab— weichen, daß, wenn ich nicht an Ort und Stelle ſie unſern Silber— meven ſelbſt weggenommen und mit eigenen Augen nirgends eine andere Art dabei im weiten Umkreiſe bemerkt haͤtte, ich ſelbſt an der Aechtheit derſelben zweifeln wuͤrde. Dies ſind aber nur die hetero— genſten Abweichungen und der Abſtufungen von einer zur andern giebt es begreiflicherweiſe noch viel mehrere. Gewoͤhnlich iſt die 410 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. Grundfarbe der Eier unſrer Silbermeve ein bleiches Olivengruͤn, ſchmutziger, blaſſer, braͤunlicher, gruͤnlicher in allen Nuͤangen, manche auch etwas ins Roſtfarbige, andere ins Roſtgelbliche ſpielend oder gruͤnlichlehmfarben. Ihre Zeichnungen ſind vielgeſtaltige groͤßere und kleinere Flecke, Tuͤpfel und Punkte, welche tief in der Schale aſch— grau, mehr nach auſſen braungrau, ganz auswendig ſchwarz und ſchwarzbraun oder auch nur dunkelbraun ausſehen, in Zahl, Form und Vertheilung ganz erſtaunend verſchieden und, wenn auch nicht genau genommen, bei jedem Ei anders ſind. Manche haben mehr graue, andere mehr ſchwarzbraune Flecke; dieſe find bei man: chen groß, mehrere aneinander haͤngend und wenige Punkte dazwi— ſchen, — bei andern weniger groß, und mehr gerundet, — bei noch an— dern als einzelne große Flecke und Klexe, dazwiſchen aber viele Punkte, — bei noch andern als lauter Tuͤpfel und Punkte, ohne alle groͤßere Flecke, — bei einzelnen alle ſchwarzbraunen Zeichnungen bloß Striche, geſchlaͤngelte Zeichen, Schnoͤrkel, Haken, wie arabiſche oder chineſiſche Buchſtaben,“) — bei andern iſt die Zeichenfarbe ſehr fein eingeſprengt zwiſchen 2 bis 3 oder doch ſehr wenigen, aber auch ſehr umfangsreichen, aſchgrauen und ſchwarzbraunen Flecken, — bei noch andern iſt auſſer einigen aſchgrauen nur ein einziger großer brauner Fleck vorhanden, noch andere haben uͤberhaupt bloß einige aſchgraue Flecke, — und endlich giebt es auch gaͤnzlich ungefleckte. Stellt man ſaͤmmtliche Verſchiedenheiten gegen einander, ſo macht es ſich ſehr bemerklich, daß mit Abnahme des Geflecktſeins auch die Grundfarbe lichter und gruͤnlicher wird, daß endlich die am wenigſten gefleckten Eier in Apfelgruͤn, in Meergruͤn und bei voͤllig ungefleck— ten in Seladongruͤn (Gruͤnſpahnfarbe) übergehen; ein ſolches rein ſeladongruͤnes Ei dieſer Meve, ſaͤhe, wenn es nicht um Vieles groͤ— ßer waͤre und ein viel groͤberes Korn zeigte, einem Reiherei nicht unaͤhnlich. Zu bemerken iſt noch, daß die Farbe dieſer Eier, bald nachher als man ſie ihres Inhaltes entleert hat, ſich ſehr bedeutend veraͤn— dert, wo vorzuͤglich das Gruͤne nach und nach ſchwaͤcher wird und endlich in den Sammlungen, wuͤrden ſie auch noch ſo ſorgfaͤltig vor Luft und Licht bewahrt, nach einigen Jahren beinahe gaͤnzlich ver— ſchwindet. Das gewoͤhnliche Olivengruͤn wird bei vielen entweder ein ſchmutziges Olivengelb oder bleich olivenbraͤunlich, bei andern 8) Solche erinnern an die Zeichnung der Eier in der Gattung: Uria, ſind aber ziemlich ſelten. ; XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. 411 lehmfarbig, bei manchen faſt thonweißlich, und bei ſehr wenigen ſpielt dieſes oder jenes noch entfernt ins Gruͤnliche; die wenig ge— fleckten werden thonweiß, die faſt und ganz ungefleckten ſchmutzig oder auch rein blaͤulichweiß, ganz anders als ſie friſch ausſahen und ſind dann von den ſtark gefleckten noch um Vieles mehr verſchieden wie damals, als ſie noch im Neſte neben jenen lagen; denn ſie kom— men in einem Neſte mit gefleckten vor und daſſelbe Weibchen, von welchem jene bunten kamen hat auch dieſe ungefleckten gelegt. Mu: ſtert man eine Anzahl Neſter, fo faͤllt die große Verſchiedenheit dies ſer Eier ſchon von Weitem auf. Die Gatten zeigen viel Liebe und Anhaͤnglichkeit zu einander, halten ſich immer zuſammen, ſtehen gewoͤhnlich dicht neben einander beim Neſte, oder, wenn der eine darauf ſitzt, ſteht der andere da— neben, ſo auch des Nachts. Beide Gatten bruͤten abwechſelnd, doch das Weibchen anhaltender als das Maͤnnchen, welches viel haͤufiger den Waͤchter macht, bei herannahenden Gefahren zuerſt ſeine Stimme erhebt und die andern warnt. Beide haben an der Unterbruſt an jeder Seite einen Bruͤtefleck, welche oft mit einem dritten auf der Mitte des Bauches zuſammenfließen. Sie bruͤten ziemlich anhal— tend, beinahe 4 Wochen lang, und lieben die Eier ſehr, noch mehr aber nachher die Jungen, kommen gleich herbei, ſobald ſich ein Menſch demſelben naͤhert, umſchweben ihn ganz nahe unter aͤngſt— lichem Ausrufen ihres heiſern Haha, hahaha, ſtoßen auch oͤfters im Bogen ganz nahe an ihm vorbei, ſind aber da, wo oft nach ih— nen geſchoſſen wurde, viel vorſichtiger, obwol auch nicht ſo ſehr, daß ſie nicht noch leicht genug erlegt werden koͤnnten. Es iſt ſchon ge— ſagt, daß ſie nach wiederholtem Wegnehmen der Eier immer wieder neue Gelege machen. Sie verlaſſen darum den Platz nicht, legen ſogar immer wieder in daſſelbe Neſt, wenn dies aber eben von ei— nem andern legenden Weibchen beſetzt iſt, in das naͤchſte, beſte, leere. Es iſt beobachtet worden, daß nach wiederholtem Wegnehmen der Eier ſolche Unordnung in einem Niſtvereine manchmal ſo weit ein— reißt, daß viele Paͤaͤrchen die Neſter wechſeln, daß manches zuletzt nicht einmal uͤber den ſelbſtgelegten Eiern bruͤtet, oder auch, daß zwei Weibchen nacheinander in daſſelbe Neſt legen. Zu oft beun: ruhigte kleine Vereine geben indeſſen, nach mehrmaligem Wegneh— men der Eier, nicht allein die Stelle wo dieſe lagen, die man oft ein Neſt nicht nennen kann, ſondern auch das Niſtplaͤtzchen ſelbſt auf und ſuchen ein anderes, doch gewoͤhnlich nicht weit vom erſten, 412 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. wo ſie nun neue Neſtſtellen einrichten, gewoͤhnlich aber dabei allen Neſtbau unterlaſſen. Die aus den Eiern geſchluͤpften und abgetrockneten Jungen, gewoͤhnlich zwei, auch nur eins in einem Neſte (weil viel Eier faul gebruͤtet werden),) in ihrem grauweißen, von oben her ſchwaͤrzlich gefleckten, wolligen Dunenkleide, ſehen jungen Eulen nicht unaͤhnlich, ſind anfaͤnglich ziemlich unbeholfen, lernen aber bald recht behende laufen. Wo ſie Ruhe haben, bleiben ſie ein paar Tage im Neſte, auch wol noch laͤnger; gewoͤhnlich verlaſſen ſie es aber, ſobald ſie nur gehen koͤnnen, bleiben jedoch in den naͤchſten Umgebungen und verkriechen ſich hier zwiſchen Unebenheiten des Bodens, hinter Stei— nen, Pflanzen u. dergl. Die Alten zeigen große Liebe zu ihnen und bringen fleißig Futter in der Speiſeroͤhre herbei, aus welcher ſie es ihnen vorwuͤrgen. So lange das hervorkeimende ordentliche Gefie— der an den untern Theilen des Rumpfs noch keine dichte Decke bil— det, meiden ſie das Waſſer, weil es zu bald durch den Flaum bis auf die Haut eindringen und ihnen Erkaͤltung und Tod zuziehen wuͤrde; bis dahin ſuchen ſie ſich in vorkommenden Faͤllen bloß durch Entlaufen und Verkriechen zu retten, waͤhrend ſie nachher auch auf dem Waſſer durch Schwimmen zu entkommen ſuchen. Es dauert uͤber 4 Wochen ehe ſie fliegen und die Alten begleiten lernen, die ſie dann aber bald anhalten ſich ſelbſt ihr Futter zu ſuchen und ganz verlaſſen. Da man oft gegen die Mitte des Juli noch Eier findet, ſo iſt es eben nichts Seltnes, zu Ende des Auguſt hin und wieder eine einzelne Junge noch bei den Alten zu ſehen, die ſolche Spaͤtlinge aber gewoͤhnlich, wegen eintretender Mauſer, fruͤher ihrer Pflege entziehen, als ſie ſonſt bei den zur rechten oder naturgemaͤ— ßen Zeit ausgebruͤteten thun. Im Auguſt verliert ſich auch nach und nach jenes frohe Getuͤmmel an den Bruͤteplaͤtzen; in den letz⸗ ten Tagen ſieht man nur noch hin und wieder ein paar Alte, de— nen eine Junge mit klaͤglich zitternder Stimme nachfliegt und Fut— ter abverlangt, bis endlich auch dieſe verſchwinden. Jetzt iſt an dieſen, vor 3 bis 4 Monaten fo unvergleichlich belebten Plaͤtzen, eine traurige Stille eingetreten und die Oede iſt der wieder gleich geworden, wie man ſie gewoͤhnlich in andern Duͤnen immer findet. Die Alten haben ſich nun nach allen Richtungen zerſtreuet oder ver— ) Merkwürdigerweiſe ſoll dies in einem Jahr mehr, in andern weniger der Fall ſein. Vielleicht iſt hierbei die Witterung mit im Spiele. Drei Junge kommen ſehr ſelten aus einem Neſte. n — XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. 413 ſammeln ſich in andern Gegenden an guten Futterplaͤtzen und kuͤm— mern ſich nicht mehr um die Jungen, die theils einſam umher ſtrei— chen, theils in Geſellſchaften vereint ſich von jenen entfernt halten und ſo den Anſchein geben, als gehoͤrten ſie einer ganz andern Art an. F e i n de. Wo der Seeadler, wie oft, in der Nähe ihrer Bruͤteplaͤtze wohnt, ſoll er nicht allein junge, ſondern auch alte Silbermeven oͤfters fangen. Ich ſahe zufaͤllig ſelbſt, welche Schrecken das Er— ſcheinen eines ſolchen Adlers in einer großen Kolonie dieſer Meven verbreitete, jedoch auch, wie nach ſeinem Entfernen ſich bald Alles wieder beruhigte. — Man ſagt auch, daß der Fuchs, wo er zu einem Bruͤteplatze gelangen kann, ihnen zur Nachtzeit die Neſter pluͤndert und die Voͤgel in fuͤrchterlichen Aufruhr bringt. Am Tage moͤchte er ſich ſchwerlich nahen duͤrfen, da ſie einen maͤßig großen Hund mit vereinter Macht zu vertreiben wiſſen. In ihrem Gefieder wohnt, der auch andern Mevenarten eigene Philopterus melanocephalus, Nitzsch, und in den Eingeweiden Li- gula simplicissima, Taenia macrorhyncha und eine noch unbenannte Art der Gattung Amphistomum. IE ge ed An ihr ungewohnten Orten iſt die Silbermeve ſo ſcheu als irgend eine andere große Art, zumal alte Voͤgel, und die Sitzende kann nur ungeſehen hinterſchlichen werden. Fern vom Bruͤteplatze und auſſer der Fortpflanzungszeit überhaupt iſt fie auch am Meer ſcheu und vorſichtig genug, bei ihren Streifzuͤgen am Strande ent— lang nur aus einem Verſteck zu erlauern und zu ſchießen. Eine Art Neugier, womit ſie alles Ungewoͤhnliche gern in naͤhern Augen— ſchein nimmt, bringt ſie noch am oͤfterſten zum Schuß; wenn ſich naͤmlich der Schuͤtze auf einem Striche befindet, auf welchem er oͤfter ſolche Meven niedrig hin- und herfliegen ſahe, und gerade eine ſolche in der Ferne gewahr wird; wenn er ſich dann ſogleich platt auf die Erde hinſtreckt und ſtill liegen bleibt, ſo darf er verſichert ſein, daß jene, um ihn naͤher zu betrachten, dazu gewiß ſchußrecht heran— koͤmmt; bleibt er dagegen frei ſtehen, ſo weicht ſie ihm ſtets weit 414 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. genug aus. In der Fortpflanzungszeit und nicht weit vom Niſt⸗ platze, wo ſie freilich auch mehr Lebensthaͤtigkeit und eine gewiſſe Keckheit zeigt, laͤßt ſie bei ſolchem Beſchauen auch ihr tiefes Hahaha hoͤren und ſteht oft mit ſtillgehaltenen Fluͤgeln, in geringer Hoͤhe, an einer Stelle uͤber dem hingeſtreckten Schuͤtzen, bis gegen eine Minute lang faſt unbeweglich in der Luft, der, wenn er auf dem Bauche liegend ihre Stimme uͤber ſich vernimmt, ſich nur ſchnell herumzuwaͤlzen braucht, um alsbald feinen Schuß mit Gluͤck anzu: bringen. Aergerlich war mir dieſe Neugier, oder was es ſonſt ſein mag, immer, wenn ich auf jenen Eilanden der daͤniſchen Weſtſee mich irgend einem ſehr ſcheuen Vogel auf dem Bauche fortrutſchend ſchußmaͤßig naͤhern wollte, weil dies Manoͤver gewoͤhnlich eine vor— beiſtreichende Silbermeve nach der andern herbeizog, die dann uͤber mir ſchwebend meinen Bewegungen folgten und ihr Hahaha um die Wette ausſtießen, wodurch jene zu beſchleichenden Voͤgel, z. B. Limosa rufa, Charadrius Squatarola und andere ſehr ſcheue Arten, aufmerkſam gemacht wurden und gewöhnlich, ohne daß fie mich fa: hen, die Flucht ergriffen ehe ich mich hinlaͤnglich hatte naͤhern koͤn— nen. — Auch einen todt da liegenden Vogel betrachten ſich dieſe Meven gern in der Naͤhe (wie ſchon oben, S. 143. dieſes Bandes erzaͤhlt iſt), ohne ihn jedoch anzupacken; ich habe wenigſtens damals, in einer Zeit wo ſie Uiberfluß an Nahrung hatten, dies niemals geſehen, wie mich duͤnkt, ein Beweis, daß ſie das Fleiſch der Warm— bluͤter ſo lange verachten, als ſie nicht Mangel an Kaltbluͤtern lei— den, es uͤberhaupt auch erſt dann gern genießen, wenn es gaͤnzlich erkaltet oder halb und halb in Verderbniß uͤbergegangen iſt. — Bei Sturm, welcher ihnen viel zu ſchaffen macht, ſcheinen ſie oͤfters theil— weiſe die Faſſung zu verlieren und naͤhern ſich dann, manchmal gleichſam unwillkuͤhrlich, dem Schuͤtzen viel oͤfterer als dies bei hei— term ſtillen Wetter jemals geſchiehet. An den Niſtplaͤtzen, zumal wenn ſie Eier oder Junge haben, ſind ſie ſehr leicht zu ſchießen. Hier iſt es rathſam, wenn man die zu erlegenden zum Ausſtopfen beſtimmte, die Flinte mit ſchwachem Hagel zu laden, weil er klei— nere und weniger blutende Wunden macht; an allen andern Orten iſt dagegen ſtarkes Schrot zu empfehlen, weil der Schuͤtze, wegen ihrer imponirenden Groͤße und ihres leuchtenden weißen Gefieders, leicht getaͤuſcht wird, die große weiße Geſtalt fuͤr naͤher haͤlt und zu fruͤh ſchießt, wobei dann ihr dichter Federpelz die Kraft des Schuſſes ſchwaͤcht. Sie vertraͤgt gleich andern großen Meven, wie man zu ſagen pflegt, einen tuͤchtigen Schuß, oder ſie hat ein zaͤhes XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber⸗Meve. 415 Leben. Die Angeſchoſſene entflieht gewoͤhnlich ſeeeinwaͤrts, wie dies auch bei andern See- und Strandvoͤgeln faſt immer der Fall iſt, und ſolche gehen dem Schuͤtzen faſt immer verloren. Eine fluͤgel— lahm Geſchoſſene vertheidigt ſich wuͤthend mit ihrem Schnabel und kann mit dieſem an entbloͤßten Theilen, nach welchen ſeine Hiebe gewöhnlich gerichtet find, Stückchen Fleiſch ausbeißen, wie wenn fie mit einer Scheere herausgeſchnitten würden. An Angelhaken, mit einem kleinen lebenden oder todten Fiſch, oder auch einem Stuͤckchen Fleiſch bekoͤdert, ſind ſie ziemlich leicht zu fangen. Mit einem ſolchen Köder find fie auch in einem klei— nen Tellereiſen zu fangen. Am allerleichteſten faͤngt man ſie in Schlingen uͤber den Eiern. Die Jungen, ehe ſie Federn bekommen, wiſſen ſich oft ſo gut zu verſtecken, daß ſie ohne Hund ſchwer aufzufinden ſein wuͤrden. Sie verkriechen ſich manchmal weit vom Strande in Kaninchenhoͤh— len, wo es dieſe wie in manchen Duͤnen giebt, und tief genug, um ganz ſicher zu ſitzen. Nutz en. Das Fleiſch auch dieſer Meve, zumal alter Voͤgel, wird we— nig geachtet und ſelten von Jemand ſchmackhaft gefunden; das der Jungen findet man genießbarer, doch wird es auch nicht allent— halben gegeſſen; deſto hoͤher achtet man aber uͤberall die ſchoͤnen, voluminoͤſen Eier, welche einen großen orangerothen Dotter und gekocht ein ziemlich zartes Eiweiß haben. Sie ſchmecken indeſſen, wie die vieler anderer Seevoͤgel, ſtark nach Meerſalz lein ſalzig⸗ bitter⸗molſtriger Geſchmack), was fie einem verwoͤhnten Gaumen eben nicht angenehm macht, worüber man aber von den Kuͤſten⸗ und Inſelbewohnern Niemand klagen hoͤrt; ſelbſt in Seeſtaͤdten findet ſich mancher Schmecker, welcher dieſen (mir immer etwas widerlichen) Beigeſchmack liebt und ſie gerade deshalb fuͤr recht wohl— ſchmeckend haͤlt. Er ſcheint ſich durch das Kochen mehr zu ent— wickeln, und iſt mir beim Genuß roher Eier dieſer Art immer viel ſchwaͤcher und leidlicher vorgekommen. Man ſucht die Eier an allen Niſtorten dieſer Meven begierig auf, und da fie überall ein willkommenes Nahrungsmittel gewaͤh— ren, fo haben die Regierungen ſich die Benutzung großer Bruͤte— plaͤtze dieſer Art entweder ſelbſt bewahrt, um ſie alle Jahr zu ver⸗ 416 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. pachten, — oder ſie als Emolument der Beſoldung eines niedern Beamteten (gewoͤhnlich des Strandaufſehers oder Strandvoigts) zu— gelegt, — oder ſie ſind altherkoͤmmlich als Monopol einer Familie zugeſtanden, auch gewiſſermaßen mit dem Grundbeſitz des Platzes vereint. Im entgegengeſetzten Falle, wo ſie nehmen kann wer will, kommen dieſe Meven nie zu feſten Bruͤteplaͤtzen, weil man gewoͤhn— lich nicht eher mit Einſammeln der Eier aufhoͤrt, bis die Voͤgel keine mehr legen, ſie alſo keine zum Ausbruͤten behalten; nach ſol— cher Behandlung ſuchen ſich die Silbermeven im naͤchſten Jahr faft immer einen andern Niſtplatz. An jenen aber, wo man dieſe Me— ven ſorgfaͤltig hegt, durch Schießen nie beunruhigt, von den Eiern ihnen nur die erſten Gelege nimmt (das allererſte wenn 2 bis 3 Stuͤck in einem Neſte liegen), alltäglich zwar die friſch gelegten im⸗ mer wieder wegnimmt, dies jedoch nur ſo lange fortſetzt, bis am ſparſamern Nachlegen bemerklich wird, daß die Legekraft der Weib— chen zu erſchlaffen anfaͤngt oder bis man aus vielen Neſtern ſchon 2 bis 3 Gelege genommen hat. Je nachdem nun die Voͤgel lang: ſamer oder ſchneller legen, worauf ebenfalls genau geachtet wird, weil es nicht in einem Jahr wie im andern iſt, kann dies Einſam— meln der Eier etwa 10 bis 15 Tage dauern.?) Von jetzt an läßt man ihnen die nun gelegten Eier ungeſtoͤrt ausbruͤten, wobei der Platz, unberufener Stoͤrer wegen, noch einige Zeit unter Aufſicht bleibt, bis ſie Junge haben u. ſ. w. Auf dieſe Weiſe behandelt geben ſie einen bedeutenden, alle Jahr wiederkehrenden Gewinn, welcher, wo es der Platz geſtattet, auch wol zunimmt, und ſo lange fortdauert als dieſe Behandlungsweiſe ſich nicht aͤndert, oder ſo lange die Oertlichkeit nicht zufaͤllig oder durch Anbau der Menſchen untauglich dazu gemacht wird. Es giebt Niſtplaͤtze und Niſtvereine dieſer Meven, deren Ent: ſtehen, der Tradition nach, in vergangene Jahrhunderte zuruͤck reicht, die damals eben ſo benutzt wurden, wie noch heutigen Tages, von denen manche jaͤhrlich gegen 200 Thlr. und mehr noch eintra— gen, wie z. B. der bei Lyſt auf der Inſel Sylt, welcher wol zu einem der eintraͤglichſten gehören mag, indem mir der brave In— 6) An einem fo planmäßig und richtig behandelten Brüteorte hört das Eiereinſam— meln gewöhnlich in der zweiten Woche des Juni auf, einige Tage früher oder ſpäter, je nachdem die Meven in dem Jahre früher oder ſpäter zu legen begannen. An man— chen Orten, die ich aber nicht ſelbſt ſahe, ſoll man erſt um Johannis (den 24. Juni! damit aufhören, wo dann aber auch viele Päärchen ohne Nachkommenſchaft bleiben müſſen. N XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber-Meve. 417 haber ſelbſt verſicherte, daß ihm die Silbermeven, von welchen dort mehr als 5000 Paͤaͤrchen niſten moͤgen, durchſchnittlich, alle Jahr an 30,000 Stuͤck Eier legten, die er, auſſer denen welche im eige— nen Haushalt verbraucht wurden, zwiſchen Moos in Koͤrbe packen ließ und zu Schiffe nach Hamburg, Kopenhagen und andere große Seeſtaͤdte zum Verkauf ſendete, wo ſie nicht unter 5 Schil— ling (etwa 3 gr. 4 pf.) die Stiege, d. i. 20 Stuͤck, oft auch theurer und ſehr gern gekauft werden. Er hielt zum taͤglichen Einſammeln dieſer Eier einige Leute, die in einer bretternen Huͤtte mitten unter den Voͤgeln wohnten und ſo den Platz zugleich vor unbefugten Ein— ſammlern bewachten, das Legen der einzelnen Paͤaͤrchen, ſo weit als thunlich, beobachteten, um nicht manchem zu viel, andern zu wenig Eier zu nehmen u. ſ. w. Fuͤr dieſes Geſchaͤft erhielten ſie zum Lohn alle kleinern Eier, als von Larus canus, von Sterna caspia und St. cantiaca, deren Zahl ſich, nach ihrer beſtimmten Verſiche— rung, in manchem Jahr auch wol gegen 20,000 Stüd belief, die ſie, was ſie davon nicht zum eigenen Genuß verbrauchten, ebenſo verkauften, die noch geſuchter waren, weil ſie, zumal die der Meer— ſchwalben, viel beſſer ſchmecken als Meveneier. Eine angenehme Zugabe waren an dieſem Platze noch etwa 100 Paͤaͤrchen Eideren— ten (Anas mollissima) welche zwiſchen denen der großen Meven zer— ſtreuet ihre Neſter hatten, denen man hier aber, nach dem Landes: geſetz, zwar keine Eier rauben durfte, aber nachher die koͤſtlichen Dunen den Neſtern entnahm, ein ebenfalls nicht zu verachtender Gewinn. Sehr gern benutzt man auch die Federn der Silbermeve und andrer großen Arten, wie Gaͤnſefedern, zum Ausſtopfen der Betten und weicher Kiſſen; ſie eignen ſich vortrefflich dazu, und ein Vogel giebt deren eine bedeutende Menge. Sie beleben die Gegenden ihres Aufenthaltes, zumal in der Be— gattungszeit, auf eine ſehr angenehme Weiſe, und find dem Seefah— rer ein erfreuliches Zeichen von der Naͤhe des Landes, indem ſich be— ſonders dieſe Art nur ausnahmsweiſe uͤber 20 Meilen von dieſem entfernt. Sie reinigen den Strand von anſchwimmenden Aeſern. Schaden. Ich habe von Niemand gehoͤrt, daß man ſie auf irgend eine Weiſe fuͤr ſchaͤdlich hielt. Die kleinen Fiſche, Krebſe u. dergl. be⸗ lor Theil. 27 418 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 296. Silber: Meve. neidet man ihnen nicht, und daß fie, wenn fie Junge haben, an- dern Strandvoͤgeln die Eier wegſchleppen, ausleeren und den Inhalt ihren Jungen futtern, zu dieſem Behuf auch die zarten Jungen je— ner rauben ſollen, wird ihnen noch weniger angerechnet. Es ſcheint übrigens, daß fie beides nur dann thun, wenn fie ſelbſt Junge ha— ben, da (wie ich ſehr haͤufig geſehen) fruͤher jene ihre Eier oft dicht neben die ihrigen legen, ruhig neben ihnen ſitzen u. ſ. w., ſo daß man ſolche Unthaten von ihnen in Zweifel ziehen moͤchte, wenn nicht der ſich überall ausſprechende Haß aller jener gegen dieſe Me: ven deutlich genug darauf hinwieſe. 297. Die Herings-Meve. Larus fuscus Lan. Fig. 1: Männchen im Sommerkleide. Taf. 267.) Fig. 2. Männchen im Winterkleide. Fig. 3. Jugendkleid im September. Die gelbfuͤßige Meve, kleine Mantelmeve, kleine Heringsmeve, große Heringsmeve, große Hafmeve; Buͤrgermeiſter; Rathsherr; kleiner Schwarzmantel; (jung) braune —, große braune —, große graue —, gefleckte Meve. Larus Juscus. Linn. Faun. sue. p. 154. — Gmel. Linn; Syst. I. 2. p. 599. n. 7. - Latli. Iud. II. p. 815. u. 8. = Retz. Faun. suec. p. 157. u. 118. = Nilss. Orn. suee. II. p. 169. n. 216. —= Benicken, Wetteraueſche Ann. III. S. 139. —= Larus Griseus. Briss. Av. VI. p. 162. n. 3. — Larus flavipes. Wolf und Meyer, Vög. Deutſchlds. II. Hft. 18. (gute Abbildg.) = Goẽland a pieds jaunes. Temm, Mat. @oru 2de Edit. II. p. 767. = Gubbiuno o Zafferuno mexxo- moro. Stor. deg. Uec. V. t. 532. — Savi, Orn, tosc. III. p. 57. — Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 658. - Deſſen, Taſchenb. II. S. 368. u. 2. — Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 469. — Meisner und Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 276, u. 245. — Meyer, Vög. Liv- und Eſthlands. S. 231. — Koch, Baier. Zoelogie. I. S. 373, u. 233. - Brehm, Lehrb. II. S. 717. — Deſſen, Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 747-749. = Gloger, Schlefſ. Faun. S. 53. u. 237. —= Laud⸗ beck, Vög. Würtemberas, S. 69. n. 244. — Hornſchuch u. Schilling, Ber. pommerſcher Vög. S. 18. n. 239. = Bon Homeyer, Vög. Pommerus. S. 68. u. 225. — Friſch, Vög. Taf. 218. - Naumann's Vög. alte Ausg. III. Taf. XXXVI. Fig. 51. (Folio⸗ Ausg.) junges Männchen im erſten Herbſte, (Sv⸗Ausg.) a. Jugendkleid; b. Alt im Hochzeitskleide. Junger Vogel. La Miüetie grise, Briss. Oru. III. p. 171. u. 6. Gabbiano gudiro. Stor. deg. Uce, V. tav. 535. ’ The Herring - Gull, Peun. aret. Zool. II. p. 527. n. 452. — Uiberſetzg. II. ©. 488. u. 369. — Lath, Syn. VI. p. 372, u. 3. — Uißberſetzg. III. 2. S. 328. 27 420 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings:Meve. n. 3. gehört ganz gewiß nicht zu Larus fuseus, ſondern zu L. argentatus, wie in der Diagnoſe die Farbe der großen Schwingfedern und die des Mantels (aichfarbig) , ſo wie die Verbreitung des fraglichen Vogels u. a. m. deutlich genug beweiſen. Ken z ichen der Ae Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel ſind 2 bis 4 Zoll laͤnger als der Schwanz. Nur wegen der großen Fluͤgel anſcheinend groͤßer als eine Nebelkraͤhe. Länge des ſchlanken Laufs wenig über 2 Zoll. a Alt: Mantel ſchieferſchwarz; Fuͤße hellgelb. Die Schwing— federn ſtets ſchwarz. Beſchre i bung. Die Heringsmeve gehoͤrt zu der Abtheilung der Schwarzmaͤn— tel, weshalb ſie ſich leicht genug von denen mit blauem Mantel unterſcheidet, aber wieder der Mantelmeve ähnlich wird, von die: ſer aber an der viel geringern Groͤße, an der, im Ganzen wie nach den einzelnen Theilen, viel ſchlankern Geſtalt und beſonders an den laͤngern Fluͤgeln leicht zu unterſcheiden iſt; der Unterſchied iſt ohngefaͤhr wie zwiſchen Falco palumbarius und F. Nisus, oder zwiſchen Ardea Egretta und A. Garzetta. Wenn ſich nun die jungen Voͤgel der Heringsmeve von de— nen der Mantelmeve, nach dieſen verſchiedenen Verhaͤltniſſen, auch noch leicht genug unterſcheiden laſſen, ſo wird dies dagegen viel ſchwerer, wenn man ſie mit den Jungen der etwas groͤßern und zugleich ſtaͤrkern Silbermeve vergleicht, obwol ſie auch hier noch ihr ſchwaͤcherer, weniger hakenartiger Schnabel, ihre ſchlankern, uͤberhaupt kleinern Fuͤße und ihre laͤngern Fluͤgelſpitzen characteriſi— ren. Auch iſt zu merken, daß, wenn gleich das erſte Jugendkleid dem jener auſſerordentlich aͤhnelt, dies bei Larus fuscus doch am Kopfe und Halſe ſtets einen rein weißern Grund und auf dem Mantel, auſſer den ſchaͤrfer gezeichneten und hellfarbigen, reinern Federraͤndern, eine dunklere Grundfarbe zeigt. Beides wird an dem, dem Jugendkleide folgenden Zwiſchenkleide, noch um Vieles auf⸗ fallender und, genau betrachtet, dem erſten Jugendkleide von L. marinus ſo aͤhnlich als es dem von L. argentatus unaͤhnlich ges worden. Stellt man ſolche, im zweiten Lebensjahre ſtehende Voͤ— gel von L. fuscus und L. argentatus nebeneinander, fo unterſchei— XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings:Meve. 421 den ſie ſich ſehr leicht, da der Mantel bei Erſterer bereits viel dunk— ler iſt, dunkelbraun, mit ziemlich ſchmalen, nicht gezackten, beinahe weißen Kanten der etwas zugeſpitzten Federn. Unter den Auslaͤndern iſt unſrer Heringsmeve der Larus do— minicanus des Berliner Muſeums, aus Braſilien und vom Vor— gebirge der guten Hoffnung ſehr nahe verwandt; dieſe gute Art hat, bei gleicher Groͤße, jedoch einen weit ſtaͤrkern Schnabel, viel kuͤrzere Fluͤgel und einen voͤllig oder tief ſchwarzen Mantel; im Jugendkleide ſind ſich beide zwar noch aͤhnlicher, L. dominicanus aber ſogleich an dem ſtaͤrkern und durchaus glaͤnzendſchwarzen Schna— bel zu erkennen. — Eine andere ſehr aͤhnliche Art iſt L. cachinnans, Pallas, aus Sibirien und Arabien; der Mantel des alten Vo— gels dieſer iſt aber nicht ſchwarz, ſondern hell ſchieferfarbig, eine Farbe welche zwiſchen der Mantelfarbe des L. fuscus und des L. argentatus gerade in der Mitte ſteht. Ob beilaͤufig dieſer L. cachinnans mit L. Michahellis indentiſch ſei, habe ich nicht beſtim— men koͤnnen, weil der Letztere dem Berliner Muſeum, in wel— chem mir, wie ich mit Dank bekennen muß, verftattet war, die Ver— gleiche mit allen uͤbrigen Arten anzuſtellen, bis jetzt noch fehlt. Die Heringsmeve hat die Groͤße einer Nebelkraͤhe (Corvus cornix), aber weit groͤßere und laͤngere Fluͤgel, weshalb ſie, zumal fliegend, viel groͤßer ausſieht. Sie iſt etwas groͤßer als die Polar— meve. Der Silbermeve ſteht ſie in der Groͤße bedeutend nach und ihr Bau iſt ein weit ſchlankerer. Sie mißt in der Laͤnge (ohne Schnabel) 20¼ bis 22½ Zoll; in der Flugbreite 53½ bis 60 Zoll, oder bis gegen 5 Fuß; der Fluͤgel von der Handwurzel bis zur Spitze 17¼ bis 19 Zoll; der Schwanz 5½ bis 6 Zoll. Ihr Ge— wicht variirt zwiſchen 2 und 4 Pfund. In den Ausmeſſungen fin⸗ den ſich ebenfalls auffallende individuelle Abweichungen, wie bei an: dern Arten; wenn auch im Allgemeinen die Kleinern weiblichen Geſchlechts ſind und die Maͤnnchen durch anſehnlichere Groͤße ſich auszeichnen, ſo kommen doch auch Faͤlle vor, wo bei gepaarten Paͤaͤrchen die Länge nur um ½ Zoll, die Breite um 1½ Zoll differirt. Ihr Gefieder iſt dem andrer Arten gleich, ihre Flügel aber laͤn— ger als bei den ihr zunaͤchſt anverwandten; wenn fie in Ruhe lie: gen reichen die Spitzen derſelben 2½, bei den Alten bis 4½ Zoll über das gerade Ende des Schwanzes hinaus. Die erſte Schwing— feder iſt die laͤngſte; die zweite beinahe noch von derſelben Länge; die dritte erſt bedeutend kuͤrzer u. ſ. w. 422 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297, Herings⸗Meve. Der Schnabel iſt bedeutend ſchwaͤcher als bei Larus argenta- tus und ſieht ſchlanker aus, weil der Haken weniger lang und krumm, das Eck weniger vorſtehend iſt; er aͤhnelt daher mehr dem von L. leucopterus. Er iſt von der Wurzel an bis über feine Mitte hinaus gerade, oben dann in den maͤßig gebogenen, an der Spitze die untere nur wenig uͤberragenden Haken, am Kiel, wo deſ— ſen Spalte aufhoͤrt, in die ſchraͤg aufſteigende Spitze ausgehend, und das Eck nicht ſo ſtark vortretend als bei vielen andern großen Arten. Er iſt weder ſehr lang, noch auffallend ſtark, auch die uͤbri⸗ gens ſehr ſcharfen Schneiden nicht ſehr eingezogen und am Ober— ſchnabel unter der Naſenhoͤhle wenig wulſtig. Die Naſenloͤcher öff: nen ſich vorn in der Naſenhoͤhle als ein ſeitlicher, 5 Linien langer, vorn erweiterter, durchſichtiger Ritz. Die Laͤnge des Schnabels iſt in gerader Linie, von der Stirn an 1 Zoll 10 Linien bis 2¼ Zoll, über dem Bogen gemeſſen kaum etwas mehr, vom Mundwinkel aus 2 bis 3 Zoll; feine Höhe an der Wurzel 7 bis 9 Linien; ſeine Breite hier 6 bis 7 Linien, auch wol etwas daruͤber. Seine Faͤrbung iſt nach dem Alter verſchieden; er iſt nie ganz ſchwarz, in der Jugend an der Wurzelhaͤlfte der Un⸗ terkinnlade, auch etwas an der obern, an den Mundwinkeln, an Zunge und Rachen fleiſchfarbig, die vordere Schnabelhaͤlfte matt: ſchwarz oder ſchwarzgrau. Spaͤter zieht ſich das Schwarze mehr nach der Spitze und der hintere Theil wird roͤthlichgelb, ſo auch, aber blaſſer, der innere Schnabel; — dann wird er wachsgelb, am Eck zeigt ſich Rothes, hier oder auf dem Haken nur noch ein klei⸗ ner ſchwarzer Strich oder Fleck, und inwendig iſt alles gelb; — endlich nachdem alles Schwarze verſchwunden, iſt er hochgelb (eö⸗ nigsgelb) uͤber dem Eck ein rundlicher Fleck hochroth (zinnober), die Mundwinkel orangeroth, der ganze innere Schnabel, Zunge und Ka: chen etwas blaſſer oder auch bloß hochgelb, fo bei alten Voͤgeln na: mentlich im Herbſt und orangegelb beſonders im Fruͤhjahr. Im todten und ausgetrockneten Zuſtande werden jene Farben alle blaſſer und ſchmutziger, an juͤngern Vögeln hinten hellhorn⸗ farbig, vorn matt ſchwarzbraun, und an den Alten wird das Gelb eine blaſſe gelbe Wachsfarbe, der rothe Fleck matt orangeroth u. ſ. w. Das Auge hat nackte in der Jugend fleiſchfarbige, dann gelb: liche, im Alter orangefarbige oder gelbrothe Augenlider, und die Iris iſt anfänglich dunkelbraun, wird dann gelbbraun, licht braun: gelb und endlich nach mehreren Jahren, rein ſchwefelgelb. | XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297, Herings⸗Meve. 423 Die Fuͤße find ſchlank, ſchoͤn geſtaltet, die Läufe verhältnigmä: ßig hoͤher als bei L. argentatus, die Zehen aber auch kuͤrzer, die Hinterzeh klein und ziemlich hochſtehend, im Uebrigen dieſen aͤhnlich; ihr Uiberzug vorn am Laufe groß, hinten klein geſchildert, die Ze— henruͤcken mit ſchmalen Schildern, die vollen Schwimmhaͤute ſchwach netzartig, die Zehenſohlen flachwarzig; die Krallen nicht groß, ſchwach gebogen, oben rund, unten etwas ausgehoͤhlt, die mittelſte mit vor: ſtehender Innenſchneide. Die Nacktheit des Unterſchenkels iſt 10 Ki: nien bis faſt 1 Zoll lang, der Lauf 2 Zoll 4 bis S Linien, die Mit: telzeh, mit der 4 bis 5 Linien langen Kralle, 2 Zoll 2 bis 4½ Li: nien und die Hinterzeh, mit der 2 bis 3 Linien langen Kralle, 4 bis 5 Linien lang. Die Farbe der Fuͤße iſt in der Jugend ein roͤthliches Weiß, das ſich ſpaͤter gelblich faͤrbt, bei den Alten ein ſchoͤnes Hochgelb, nur etwas lichter als am Schnabel, wird. Die Krallen ſind hornſchwarz, bei Juͤngern mit hellhornfarbigen Spitzen. Die Faͤrbung der Fuͤße wird, wie bei allen ähnlichen, im ausgetrockneten Zuſtande ein blei— ches Hornbraun oder Horngrau, an denen alter Voͤgel Horngelb oder ein ſchmutziges Hellgelb. f Das Dunenkleid iſt nirgends beſchrieben und auch mir nicht bekannt. Das erſte Jugendkleid hat gleich im Anfange mehr Aehn— lichkeit mit dem der Silbermeve als ſpaͤter, wo es ſich durch die viel dunklere Faͤrbung des Mantels und uͤberhaupt durch eine dunk— lere Fleckenfarbe andrer Theile weit auffallender unterſcheidet. Im September, wenn ſie als voͤllig erwachſen zu betrachten iſt, hat dieſe junge Meve einen vorn grauſchwarzen, hinten, beſonders unterwaͤrts, blaßfleiſchfarbigen Schnabel mit licht hornfarbiger Spitze, einen tief braunen Augenſtern, fleiſchgraue Augenlider, und ſchmutzig roͤthlich— weiße Fuͤße. Vor dem Auge ſteht ein aus nackten ſchwarzen Feder— ſchaͤften gebildetes mondförmiges Fleckchen; die Kehle iſt rein weiß; Kopf und Hals truͤbe weiß, mit ſchmalen, dunkelbraungrauen Schaft— flecken oder mit dieſer Farbe geſtrichelt, auf der Gurgel am wenig— ſten; alle untern Koͤrpertheile weiß, braungrau gefleckt, weniger dicht als bei aͤhnlichen Arten, an der untern Schwanzdecke baͤnderartig; Ruͤcken, Schultern, Fluͤgeldeckfedern und hintere Schwingfedern ſchwaͤrzlichgraubraun, mit gelbgraulichweißen Federkanten, die an den kleinen Fluͤgeldeckfedern ganz ſchmal, an den groͤßten und den Schwing— federn dritter Ordnung aber an den Seiten gezackt ſind und mehr 424 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. ins Roſtgrauliche ziehen, an deren Enden aber breiter und weißer ſind; die großen Schwingfedern, überhaupt der ganze Fittig, ſchwarz, an den Federwurzeln etwas grau, von jenen die kuͤrzern mit wei— ßen Endſaͤumen, die am breiteſten werden, wo ſie ſich den mehr braunen Sekundarſchwingen anſchließen. Die untern Fluͤgeldeckfe— dern find weiß, braungrau gefleckt, die Schwingen unten glänzend ſchwarzgrau. Buͤrzel und obere Schwanzdecke ſind weiß, mit wenig dichtſtehenden, am Erſtern kleinern, an der Letztern etwas baͤnder— artigen, ſchwarzbraunen Flecken; der Schwanz weiß, an der Wur— zelhaͤlfte mehr oder weniger ſchwarz gefleckt und ſchraͤg gebaͤndert, an der Endhaͤlfte meiſt ganz ſchwarz, nur die aͤußern Federn von der Kante aus weiß gefleckt, alle aber mit einer weißen Endkante. Wenn ſie dies Kleid ein paar Monate getragen haben, wird es durch Reibungen und Einfluß der Witterung etwas veraͤndert, die Federkanten des Mantels reiben ſich naͤmlich an den Seiten der Federn mehr ab als an der Spitze, weil der Schaft hier mehr Wi— derſtand leiſtet, werden daher zugeſpitzter, und ihre ſchwache Faͤrbung wird bleicher oder weißlicher. Den Jungen der Silbermeve ge— genuͤber ſehen ſie dieſen nun weit unaͤhnlicher als fruͤher, ihr Colorit iſt aber dadurch denen der Mantelmeve um ſo aͤhnlicher gewor— den. Sie tragen dies Kleid, das auch am Kopfe, Halſe und an den untern Theilen weißer geworden, bis in den naͤchſten Fruͤhling oder bis fie faft ein Jahr alt geworden, wo die erſte Mauſer beginnt, den Sommer hindurch dauert und erſt gegen Ende des Septembers oder im zweiten Herbſt ihres Lebens vollendet wird. Dieſe giebt ihnen ein dem erſten ähnlich gefaͤrbtes Zwiſchenkleid, das ſich nur in einzelnen Theilen unterſcheidet. In dieſem, worin der Vogel ſeinen zweiten Herbſt und Winter verlebt und das er in ſeinem dritten Fruͤhling mit einem andern zu vertauſchen anfaͤngt, iſt der Schnabel nach vorn weniger aber dunkler ſchwarz, nach hinten gelblichfleiſchfarben, der Augenſtern gelbbraun, das Augenlid und die Fuͤße gelblichfleiſchfarbig; Kopf, Hals und alle untern Theile des Vogels ſind viel weißer; auf rein weißem Grunde ſtehen auf dem Scheitel, an den Kopf- und Hals— ſeiten viel weniger und viel ſchmaͤlere graubraune Schaftſtriche, die nur am Genick und Nacken ſtaͤrkere Laͤngefleckchen bilden; an der Bruſt, beſonders an deren Seiten blicken uͤberall dunkelbraungraue, verſchieden geſtaltete, meiſt zugeſpitzte Flecke aus dem Weiß hervor, aber auch weniger zahlreich als am Jugendkleide; die weißen Un⸗ XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings:Meve. 425 terſchwanzdeckfedern haben einzelne, meiſt unterbrochene, ſchwarzbraune Baͤnder. Der Mantel iſt dagegen dunkler als an jenem, matt ſchwarzbraun, mit ungezackten, eben nicht breiten, ſchmutzig roſtgelb— lichweißen Federkanten, die auf dem Fluͤgel laͤngs dem Armknochen faſt ganz fehlen, an den Seiten der groͤßten Deckfedern und den Tertiarſchwingen aber gezackt und braͤunlicher ſind. Das Uibrige des Fluͤgels, Buͤrzel und Schwanz ſind wie in jenem, aber die weiße und ſchwarze Zeichnung des Letztern iſt überhaupt in beiden Klei⸗ dern individuell ungemein verſchieden, bald mit mehrerem bald mit wenigerm Schwarz und dieſes mit jenem auf ſehr verſchiedene Weiſe zuſammengeſtellt, doch ſind dieſe Zeichnungen meiſtens ziemlich grobe. Alle individuelle kleine Verſchiedenheiten in Farbe und Zeich— nung beziehen ſich nicht auf das Geſchlecht; Maͤnnchen und Weib— chen unterſcheiden ſich bloß in der Groͤße, worin naͤmlich dieſes je— nem ſtets etwas nachſteht, gewoͤhnlich auch einen ſchwaͤchern Schna— bel hat, überhaupt ſchwaͤchlicher ausſieht. Im Laufe der Zeit rei- ben ſich die Kanten der, bei dieſer Art uͤberhaupt ſpitzern Ruͤcken— und Schulterfedern bedeutend ab und dieſe ſchmaͤlern Saͤume ma— chen, daß bei vielen Individuen dann der Mantel viel dunkler erſcheint. Ihre zweite Mauſer im dritten Herbſt ihres Lebens bringt ihnen endlich ein Kleid, das ſich nur wenig vom voͤllig ausgefaͤrb— ten unterſcheidet; da aber dieſe Mauſer bei manchen ſehr langſam fortſchreitet und mit einer Fruͤhlingsmauſer verſchmolzen, ſogar bis durch den naͤchſten Sommer dauern kann, mithin ihnen in der Fort: pflanzungszeit ein ſehr gemiſchtes Kleid giebt, ſo iſt es mehr als wahrſcheinlich, daß ſie ſich in dieſem Alter noch nicht fortpflanzen. Von ſolchen wurden, unter drei Stuͤcken dieſer Art zweie, Maͤnn⸗ chen und Weibchen, am 21. Juni 1826 hier erlegt, welche ich friſch erhielt. Sie trugen beide, das Weibchen mehr als das Maͤnn— chen, noch viele Uiberbleibſel jenes Zwiſchenkleides, beſonders am Unterkoͤrper und unter den Fluͤgeln braungraugefleckte Federn zwi— ſchen den neuen weißen, auf dem Mantel ſehr abgeſchoſſene und ab— geriebene, braune, hellgeſaͤumte, zwiſchen den neuen ſchieferſchwarzen Federn, das Weibchen auch an den Seiten der Bruſt noch einige alte braun befpritzte und theilweis gefleckte zwiſchen den neuen. Auſſerdem waren bei beiden manche Schwanzfedern, beſonders auf den Innenfahnen, ſchwarz beſpritzt, die übrigen rein weiß, und dieſe wie jene ſchienen aus derſelben Mauſer vom Herbſt her zu fein; denn daß die Mauſer dieſer Individuen zur Herbſtzeit begonnen 426 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings⸗Meve. und weit vorgeruͤckt ſein mußte, zeigten die ſchieferſchwarzen neuen Federn (bei Weitem die Mehrzahl) des Mantels, an welchen ſchon, durch das laͤngere Tragen, jener ſchieferfarbige Duft, den ſie gleich nach der Mauſer haben, verloren gegangen war, und die jetzt des— halb ſchon mehr braunſchwarz ausſahen. Demnach hatte doch wol die Hauptmauſer im Herbſt Statt gehabt, waͤre aber durch den Winter und das Fruͤhjahr im Gange geblieben bis gegen das Ende des Juni, und da ſie hier noch nicht beendet war, waͤre dieſes viel— leicht erſt im September geſchehen, wo bereits wieder eine neue be— ginnen ſollte. Dieſe beiden Individuen moͤchten allerdings wol zu den Ausnahmen zu zaͤhlen ſein, beweiſen aber, wie wenig ſich bei dem Mauſern der jugendlichen Meven die Zeit des eigentlichen Fe— derwechſelns nach Regeln beſtimmen laͤßt. Eigentlich ſoll die Mauſer, in welcher ſie das graubunte ju— gendliche Gewand ablegen und mit dem einfachern, dem der Alten ähnlichen vertauſchen, im dritten Herbſte ihres Lebens Statt fin— den und ihnen zum erſten Male ein Winterkleid geben, das vom nächſtfolgenden Sommerkleide ſich nur durch die braungrauen, ſchmalen Schaftſtriche an den Federn des Scheitels, der Wangen, des Hinterhalſes und der Halsſeiten unterſcheidet, waͤhrend, auſſer dem ſchieferſchwarzen Mantel, den ſchwarzen Fittig- und einigen ſchwarz beſpritzten Schwanzfedern, alles uͤbrige Gefieder weiß iſt, Schnabel und Fuͤße ſich ſchoͤn gelb, der Augenſtern braungelb ge— färbt haben, am Schnabeleck ſich der hochrothe Fleck zeigt, die Ge: gend der Schnabelſpitze aber noch nicht alles Schwarz abgelegt hat. Iſt Alles in der Regel, ſo tritt bei dieſen jungen Meven im Maͤrz ihres nun ziemlich vollendeten dritten Lebensjahres die Fruͤh— lingsmauſer ein, in welcher ſie die braungrau geſtreiften Federn am Kopfe und Halſe verlieren und rein weiße dafuͤr bekommen. Ihr Schnabel iſt dann hochgelb mit hochrothem Eckfleck, neben oder in dieſem, oder auch nur auf dem obern Haken, mit einem kleinen ſchwarzen Fleckchen; die Mundwinkel und Augenlidraͤnder hoch orangefarbig; der Augenſtern hell braͤunlichgelb; der Rachen und die Fuͤße hochgelb. Der Mantel iſt dann ſchieferſchwarz; die Primar— ſchwingen aͤcht ſchwarz, die vorderſte mit einer weißen Stelle vor der Spitze, ) alle mit weißem Endſaum, welcher an den kuͤrzern ») Bei dem obenerwähnten Paaren fehlte dieſer weiße Fleck dem Weibchen. Ob dies bei allen Weibchen dieſes Alters immer ſo ſei, habe ich nicht erforſchen konnen. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. 427 immer breiter, nach und nach zur weißen Spitze wird, und dieſe immer größer ſich an die großen weißen Enden der Secundarſchwin— gen anſchließt, wobei dieſe ein weißes Band quer durch den ruhen— den Fluͤgel bilden. Kopf und Hals, das Fluͤgelraͤndchen und alles übrige Gefieder iſt rein weiß, nur einige Schwanzfedern find, beſon⸗ ders auf den innern Fahnen, ſchwarz beſpritzt und punktirt. Solche, bei denen dieſe beiden letzten Mauſern zur rechten Zeit vollſtändig Statt fanden, die ſich alſo im Maͤrz oder April ihres dritten Lebensjahres in dem eben beſchriebenen Kleide befin— den, paaren ſich und niſten in dieſem ihren dritten Lebensfruͤh— linge. Iſt der Federwechſel aber unvollſtaͤndig und bis in dieſe Pe— riode unvollendet, wie es bei Vielen vorkoͤmmt, ſo werden ſie erſt im folgenden Jahr zeugungsfaͤhig. Das Winterkleid der Alten, das ſie vom vierten Herbſt an, in einer uͤber ſaͤmmtliches Gefieder ausgedehnten Mauſer (der Hauptmauſer) erhalten und das nun alle Jahr in derſelben fo wie— derkehrt bis an ihr Lebensende, ſieht folgendergeſtalt aus: Der Schnabel hat vorn nun alle ſchwarzen Fleckchen verloren, iſt nebſt den Fuͤßen ſchoͤner gelb, und auch der Augenſtern rein ſchwefelgelb geworden; vor dem Auge ſteht ein kleines ſchwaͤrzliches Fleckchen; auf dem Kopfe, den Wangen, Halsſeiten und dem Hinterhalſe braun— graue Schaftſtriche, uͤbrigens iſt Alles rein und blendend weiß, bis auf den Mantel und Fittig; jener ſchoͤn ſchieferſchwarz oder ſchwarz, mit ſchieferfarbigem Duft bedeckt, die groͤßten Schulterfedern, die laͤngſten Tertiar- und die Secundarſchwingen mit weißen Spitzen; dieſer aͤcht ſchwarz, die vorderſte Primarſchwinge nahe an der ſchwar— zen, fein weiß geſaͤumten Spitze, mit einem quer durchgehenden 1 Zoll langen weißen Fleck, die zweite an derſelben Stelle mit eben einem ſolchen, doch nicht von einer Kante zur andern reichenden und auch viel kleinern weißen Fleck, welcher oft auch nur ganz ſchwach angedeutet oder ſehr klein iſt, aber ſelten ganz fehlt; die folgenden bloß mit weißem Endſaum, welcher an den kuͤrzern im: mer breiter und an den letzten dieſer Ordnung zur großen weißen Spitze wird, die ſich noch breiter und reiner an den Enden der Se— cundarſchwingen fortſetzt, und als weißes Band auf dem zuſammen— gelegten Flügel vorn und hinten am meiſten ſichtbar find; die Fit: tigdeckfedern und die des Daumens ſchwarz; das Fluͤgelraͤndchen und ſaͤmmtliche Deckfedern der Unterſeite des Fluͤgels ſchneeweiß; die Schwingen unten glaͤnzend dunkelgrau, ſpitzewaͤrts grauſchwarz, mit der weißen Zeichnung von oben; der Schwanz rein weiß. 428 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. Im darauf folgenden Fruͤhjahr, meiſtens im Maͤrz und April, | legen fie ihr vollkommenes Sommerkleid an, wobei fie die braungrau geſtrichelten Federn am Kopfe und Halſe mit rein wei— ßen vertauſchen, waͤhrend ſich am uͤbrigen Gefieder keine Spur eines Federwechſels zeigt, vom ſchwarzen Mantel aber der ſchieferfarbene Duft bereits merklich abgerieben iſt, doch lange nicht ſo ſehr als es noch im Laufe der folgenden Monate geſchieht. Fluͤgel und Schwanz ſind unveraͤndert, weil die Federn dieſelben bleiben, nur an den laͤngſten Schwingfedern find durch Abreiben die weißen Spitzen- ſaͤume etwas ſchmaͤler geworden. In dieſem Prachtkleide iſt nun der Schnabel lebhaft hochgelb oder koͤnigsgelb, ohne alles Schwarz an der Spitze, aber mit rein korallenrothem Fleck am Eck des Un— terſchnabels und gluͤhend orangerothen Mundwinkeln, der innere Schnabel, Zunge und Rachen orangegelb; das nackte Augenlid wie der Mundwinkel; die Iris ſchoͤn ſchwefelgelb; die Fuͤße rein hoch— gelb; Kopf, Hals, Bruſt, Bauch, Buͤrzel, der Schwanz mit ſeiner obern und untern Decke, das Fluͤgelraͤndchen und die Unterflügel- deckfedern fleckenlos und blendend weiß; der Mantel ſchieferſchwarz, wenig dunkler als im Herbſt und der Vorderfluͤgel ſchwarz, und mit den weißen Abzeichen wie im obenbeſchriebenen Winterkleide. Durch die Fortpflanzungszeit und den Sommer bis gegen eine neue Herbſtmauſer, verändert ſich das Schieferſchwarz in Braun— ſchwarz von matter Anlage, ſo daß es im Auguſt wol Aſchgrau— braun (fuscus) genannt werden kann; das Schwarz der Schwingen wird auch fahler und von den laͤngſten der erſten Ordnung reiben ſich die weißen Endſaͤume faſt ganz ab, wobei auch das weiße Ge— fieder viel von ſeiner urſpruͤnglichen Reinheit verliert. Dieſe Ver— aͤnderungen am Gefieder, durch Abreiben und den Einfluß der Wit— terung, ſind kaum bei einer andern Mevenart ſo auffallend als bei dieſer. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen gleich alter Voͤgel die— ſer Art iſt kein Unterſchied am Gefieder, bloß in der Groͤße ein oft ſehr geringer. Das ſtets etwas kleinere Weibchen hat gewoͤhnlich auch einen ſchwaͤchlichern Schnabel und ſchwaͤchlichere Fuͤße; oft iſt aber auch dieſes nur individuell. Die Zeit der Mauſer iſt oben ſchon angegeben. Erſtere iſt eben ſo unregelmaͤßig als bei andern Meven, und macht daß man faft zu allen Jahreszeiten mauſernde Individuen antrifft. Großen Antheil mag hieran auch wol der Umſtand haben, daß viele Alte, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings⸗Meve. 429 durch Wegnehmen der erſten Eier, oft zu ſehr verſpaͤteten Bruten gezwungen werden. Aufenthalt. Die Heringsmeve gehoͤrt dem Norden von Europa und Amerika an, iſt aber nicht ſo weit verbreitet als man fruͤher, wo ſie mit andern ſchwarzbemantelten Arten gar haͤufig verwechſelt wurde, wol glaubte. Die Kuͤſte von Norwegen, bis in den Po— larkreis hinauf, ſcheint einer ihrer haͤufigſten Wohnſitze, und ſie koͤmmt dort allenthalben in großen Schaaren vor. An der Kuͤſte von Schweden und Finnland iſt ſie weit weniger haͤufig, noch we— niger am noͤrdlichen Geſtade Daͤnemarks, und an den deutſchen Kuͤſten der Oſtſee, wo ſie im Herbſt und Winter eigentlich wol nicht ſelten iſt, hat man ſie nirgends niſtend angetroffen. Ob es wahr ſei, daß fie auf dem kaspiſchen und ſchwarzen Meer vor: komme, laſſen wir dahin geſtellt. Auf Island und in Groͤnland koͤmmt fie nicht vor, obgleich ſie die norwegiſche Kuͤſte unter glei: cher Breite und hoͤher hinauf ſehr haͤufig bewohnt. Erſt von den Faͤroͤern an, welche jedoch nicht viele bewohnen, iſt ſie auf den Shetlands, den Orcaden, Hebriden und vielen kleinen In— ſeln an den Kuͤſten von Schottland, des noͤrdlichen England und Irland in vielen Strichen ziemlich gemein. Welche Gegen— den ſie im obern Nordamerika zu Sommerwohnſitzen erwaͤhlt, iſt nicht bekannt; aber ſie iſt in den Wintermonaten ſehr gemein um Newyork und Philadelphia und koͤmmt auch auf den gro— ßen Seen im Innern des Landes einzeln vor. So wie dort ſtreicht ſie auch in unſerm Erdtheil, wenn die Fortpflanzungsgeſchaͤfte be— endet ſind, ſuͤdlicher und koͤmmt dann, beſonders im Verfolgen gro— ßer Fiſchzuͤge, an die Kuͤſten Deutſchlands, Hollands, Frank— reichs u. ſ. w., auch bis ins mittellaͤn diſche Meer, iſt aber doch ohne Vergleich ſeltner an denen des ſuͤdlichen Frankreichs und Italiens als ſtellenweiſe an denen der Nordſee und des atlan— tiſchen Meeres. In groͤßter Anzahl folgt ſie gewoͤhnlich den He— ringszuͤgen bis in die Buchten und Flußmuͤndungen, und erſcheint dann namentlich vor der Elbe, auch vor der Weſer nicht ſelten in großen Schwaͤrmen. Oft verfliegen ſich, ſowol zu dieſer als andern Zeiten, einzelne, ſeltner kleine Geſellſchaften, auch landeinwaͤrts in das Innere von Deutſchland bis in die Schweiz, wo man ſie auf dem Bodenſee und andern, auf dem Rhein, Main, der 430 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings: Meve. Fulda, Weſer, Elbe, Oder, oder auf Landſeen und andern Gewaͤſſern antraf und fo Einzelne in allen Gegenden Deutſch⸗ lands erlegte. Auch am ſalzigen See im Mansfeldiſchen war dies einige Mal der Fall, und das eine Mal wurden dort (am 13. October 1831) ſogar 11 Stuͤck beiſammen geſehen. Eine Einzelne wurde auch von uns an einem Feldteiche erlegt; drei andere ſind ſchon oben erwaͤhnt. Unter den großen Mevenarten verfliegt ſich dieſe noch am oͤf⸗ terſten bis ins mittlere und ſuͤdliche Deutſchland, obwol ſie nicht zu den an Individuen ſehr reichen gehoͤrt, darin wenigſtens von man⸗ chen andern als von Larus argentatus, L. canus, L. tridactylus, und L. ridibundus übertroffen wird, weil fie, wenn gleich an man⸗ chen Orten faſt eben in ſolcher Zahl beiſammen, doch lange nicht in ſo vielen Erdgegenden angetroffen wird. Sie verirrt ſich auch im ausgefaͤrbten Kleide und als alter Vogel viel oͤfterer bis zu uns, als eine der uͤbrigen großen Arten, von welchen in der Mitte des Feſtlandes ſich faſt nie andere als einzelne junge Voͤgel zeigen. Auſſer den oben erwaͤhnten 3 Individuen, im faſt rein ausgefaͤrbten Kleide, welche in hieſiger Gegend am 21. Juni vorkamen, ſo wie hin und wieder eines Einzelnen, erzaͤhlt Meyer (im Taſchenb. II. 470.), daß ſich einſt am 28. Mai ein großer Trupp, lauter alte Vogel, bei Hanau auf einer Maininſel niederließ. Sie iſt mehr Strich- als Zugvsgel, begiebt ſich nach voll⸗ brachten Fortpflanzungsgeſchaͤften aus den hochnordiſchen Gegenden in mildere, theils in Schaaren, theils einzeln, und folgt auf ihren Wanderungen beſonders den Zuͤgen der Robben und großen Raub⸗ fiſche, welche die Schaaren kleiner Fiſche aus der Tiefe gegen die Oberflaͤche des Meeres aufſcheuchen und vor ſich hertreiben, zum be⸗ quemen Fange der Meven. Namentlich ſind es die von Norden nach Suͤden ſtreichenden unermeßlichen Zuͤge der Heringe, denen ſie bis an die deutſchen Kuͤſten folgt. Die jungen und juͤngern Meven dieſer Art treiben ſich jedoch zu allen Zeiten einzeln an dem Geſtade der Oſt- und Nordſee herum und ſtreifen von da auch tie fer landeinwaͤrts, bis zu uns und weiter, wo fie zu allen Jahres zeiten vorkommen. Dieſe halten demnach noch vielweniger eine be⸗ ſtimmte Zeit oder einen beſtimmten Strich bei dieſen Ausfluͤchten, als die Alten, die doch faſt ohne Ausnahme ihre Sommerwohnſitze verlaſſen und erſt mit dem naͤchſten Fruͤhjahr dahin zuruͤckkehren. Sie iſt ebenfalls Seevogel und lebt zu allen Zeiten vorzugs— weiſe am Meer, wo ſie es haben kann, ſogar am liebſten auf den 9 u — mn nn ae ze Ft XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. 431 am weiteſten vom Strande entfernten Inſeln und Klippen. Ihre Bruͤteplaͤtze liegen daher ſtets dicht am Meer oder von ihm umſpuͤlt. Seltner wohnt ſie im Hintergrunde weiter und tief in das Land eingreifender Buchten, wo ſie den kuͤrzeſten Weg von dieſen zur See oft uͤber Land ſteichen muß. Dies thut ſie uͤberhaupt mehr als manche Andere, fliegt nicht bloß bei ſtuͤrmiſcher Witterung, ſon⸗ dern auch bei gutem Wetter, Meilen weit vom Wohnſitze im Lande an kleinern Gewaͤſſern oder auf Feldern und Wieſen umher, und gleicht hierin der Sturmmeve mehr als andern großen Arten. Dies iſt auch Urſache, daß ſie ſich viel oͤfter als eine von dieſen weit auf das feſte Land verfliegt. Sie ſcheuet hierbei auch die Naͤhe von Baͤumen und Gebuͤſch wenig; nur zuſammenhaͤngenden Wald uͤberfliegt ſie in großer Hoͤhe. Ein flacher ſandiger Strand ſcheint ihr weniger zuzuſagen als ein hohes Geſtade, und ſie bewohnt in der Bruͤtezeit vorzuͤglich hohe Inſeln und Klippen. Gi gen cha feen. Auch die Heringsmeve, in ihrem friſchen Prachtgefieder, mit den praͤchtig gefaͤrbten nackten Theilen, giebt an einfacher Schoͤnheit einer andern Art dieſer Gattung nichts nach. Der ſchwarze Man— tel unterſcheidet ſie ſchon in der Ferne von den Blaumaͤnteln, ihre viel ſchlankere und kleinere Geſtalt, die laͤngern Fluͤgel und in der Naͤhe die gelben Fuͤße, von der folgenden Art. Die noch im Ju— gendkleide befindlichen unterſcheiden ſich auch ſchon in ziemlicher Ent⸗ fernung durch ihre ſchlankere Geſtalt und den dunklern Mantel von denen der Silbermeve. In großer Ferne hat die Fliegende, der langen, ſchmalen Fluͤgel wegen, viele Aehnlichkeit mit der Sturmmeve, zumal ihre leichten Bewegungen ganz denen dieſer gleichen. In ihrer Stellung, ſtehend und gehend, iſt ſie den andern Ar— ten gleich; dem Kennerblick fallen aber auch hier die ſchlankere Ge: ſtalt und die laͤngern Flügel auf. Sie ſteht oft am Strande, be— ſonders auf ſchmalen Landzungen, um ſich auszuruhen, ſtellt ſich nicht ſelten bis an die Ferſen in's Waſſer, wandelt aber auch oft auf dem Trocknen einher, auf Wieſen, Viehweiden und Aeckern. Zuweilen ruhet fie auch ſchwimmend auf dem Waſſer, ſelbſt bei ziemlichem Wellengange, auf kleinen Gewaͤſſern aber meiſtens weit vom Ufer. 432 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. Ihr Flug iſt ſehr ſchoͤn, leicht, reich an zierlichen Wendungen, ſehr abwechſelnd und einer der anmuthigſten unter denen der grö= ı ßern Mevenarten. Die Fluͤgelſchlaͤge folgen einander zwar auch nicht ſehr ſchnell, doch mit ungemeiner Leichtigkeit, und alle Veraͤn⸗ derungen werden behender ausgefuͤhrt. Sie ſchwebt auch oft, be— ſchreibt ſchoͤne Kreiſe, wenn ſie hoch aufſteigen oder aus der Hoͤhe ſich herablaſſen will, ſchießt auch in einem Bogen ab und auf, und wechſelt dazwiſchen mit mancherlei unerwarteten Schwenkungen. Auf dem Meere fliegt fie oft fo dicht über den Wogen, daß fie ſich im: merwaͤhrend in auf- und abſteigenden Bogen heben und ſenken muß, weil ſie ſonſt von den Spitzen der Wellen erreicht werden wuͤrde. Auch uͤber Land fliegt ſie gewoͤhnlich nicht hoch, ſelten uͤber Schuß— hoͤhe, nur wo ſie uͤber Waͤlder und Gebirge muß, zieht ſie ſehr hoch durch die Luͤfte. Sie iſt zwar vorſichtig und klug genug nicht jedem Menſchen zu trauen, doch viel weniger ſcheu als andere große Arten. Wenn auch die Sitzende oder Schwimmende nicht ſchußmaͤßig aushaͤlt, ſo koͤmmt doch die Fliegende gar oft in die Naͤhe des Menſchen, ja an ihren gewoͤhnlichen und ſolchen Aufenthaltsorten, wo ſelten feind— ſelig gegen ſie verfahren wurde, kann ſie ſo zutraulich werden wie die Sturmmeve. Selbſt da, wo ſie fremd iſt, koͤmmt ſie, wie aus einer Art Neugier, nicht ſelten ganz nahe an den frei daſtehen— den Menſchen voruͤber geflogen. Faſt alle, welche, ſo lange ich den— ken kann, in hieſiger Gegend erlegt wurden, ſowol auf dem Felde als am Waſſer, kamen auf dieſe Weiſe in die Gewalt des Schuͤtzen, zumal wenn er, ſobald er ſie von fernher auf ſich zukommen ſahe, zwar frei, aber unbeweglich ſtehen blieb. Ein Fehlſchuß reitzte ſie nicht ſelten noch naͤher zu kommen. Sie iſt viel lebhafter als die vorige und folgende Art, aber ebenſo geſellig als Erſtere, haͤlt ſich daher, wenn ſie das Jugend— kleid abgelegt hat, in groͤßern oder kleinern Geſellſchaften zuſammen; denn die einzelnen Herumſchwaͤrmenden ſind meiſtens junge Voͤgel. Im obern Norwegen giebt es eben ſo zahlreiche Vereine wie von der Silbermeve. Solche dulden zwar andere Arten in der naͤch— ſten Nachbarſchaft, aber nicht unter ſich gemiſcht, wenigſtens am Bruͤteorte nicht, wogegen Einzelne anderwaͤrts zwiſchen andern, be— ſonders Sturm- oder Lachmeven, oft angetroffen werden und ſich gut mit ihnen vertragen. An reichen Fiſchplaͤtzen ſind oft mehrere Arten, groß und klein, untereinander gemiſcht und die Heringsmeven, da wo eben die Netze aufgezogen oder gefangene Fiſche zum Trocknen XIII. Ord n. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. 433 oder Einſalzen zubereitet und die Abgänge weggeworfen werden, nicht die letzten Theilnehmer, und hierbei ſo dummdreiſt, daß nicht ſelten einige der Zudringlichſten von den Fiſchern mit dem Ruder oder einer Stange erreicht und erſchlagen werden. Ihre Stimme ähnelt der der Mantel meve ſehr, nur ſtoͤßt fie ihr heiſeres Agag, agagag, in einem hoͤhern Tone aus; ſo auch bei der aͤhnlichen, aber doch leicht zu unterſcheidenden Hauptſtimme. Die Vereinzelten, namentlich junge Voͤgel, laſſen ſelten einen Laut hoͤren. An den Niſtorten ſollen die Alten zwar viel haͤufiger als ſonſt ſchreien, jedoch auch dort lange nicht ſoviel Laͤrm machen als die kleinern Mevenarten. N Dieſe beſteht hauptſaͤchlich in Fiſchen, in lebenden und todten, auch in Wuͤrmern, beſonders Regenwuͤrmern, Inſektenlarven, Kaͤfern und andern Inſekten. Fiſche moͤgen wol ihre Hauptnahrung ſein. Sie faͤngt ſie, wo ſie nahe an die Oberflaͤche des Waſſers kommen, durch Stoßtauchen, worin ſie große Gewandtheit beſitzt, dabei aber nie ganz untertaucht. Hoch oder niedrig uͤber dem Waſſer fliegend oder ſchwebend, erſpaͤ— het ihr ſcharfes Auge den hochgehenden Fiſch, auf den ſie meiſtens in einem Bogen herab und mit Kopf und Hals durch das Waſſer faͤhrt, ihn mit dem Schnabel ergreift und alsbald verſchlingt. Sie fiſcht vorzuͤglich da am gluͤcklichſten, wo große Raubfiſche oder See— hunde die kleinen Fiſche gegen die Oberflaͤche aufſcheuchen oder wo die dichten Zuͤge dieſer, wie bei den Heringen, bis an die Oberflaͤche des Waſſers heraufreichen. Sie folgt daher den Zuͤgen der letztern unaufhoͤrlich, weil es hier beſtaͤndig Etwas fuͤr ſie zu fangen giebt und kann handlange Heringe verſchlingen, liebt aber vorzüglich die kleinern Arten dieſer Gattung, weil ihr große, die ſie nur ſtuͤckweiſe verſchlingen koͤnnte, zu viele Muͤhe machen. Entdeckt eine Einzelne einen ſolchen Fiſchſchwarm an der kribelnden Bewegung der Waſ— ſerflaͤche, fo ruft ihr Freudengeſchrei bald Mehrere herbei. Auf die dichten Heringsſchaaren laͤßt ſie ſich manchmal eine Minute lang nieder, zumal wo ſie ſchon von einem umſtellten Garn aufgehalten werden, ſchnappt da fortwaͤhrend um ſich, bis ſie Magen und Schlund völlig angefuͤllt hat, fo daß Manche in kuͤrzeſter Zeit 6 bis 8 ſpannenlange Heringe verſchlingt, ehe ihre Freßgier vor der Hand geſtillt ſcheint, was aber, da ſie ſehr ſchnell verdauet, gar nicht lange 10r Theil. 28 > 434 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. vorhält. Sie gehört überhaupt unter die Gierigſten und Heißhun⸗ gerigſten ihrer Gattung, die Eine ſucht der Andern immer den Biſ— ſen vor dem Schnabel wegzuſchnappen und das Getuͤmmel und Durcheinander in einer ſolchen Schaar über einem Fiſchzuge iſt un: beſchreiblich. Wenn die Fiſcher das mit Heringen angefuͤllte Netz aufziehen, werden dieſe Meven ſo unverſchaͤmt, ſo verwegen, daß ſie die Fiſche ganz in der Nähe jener wegſtehlen, und kein Verſcheu— chungsmittel kann ſie davon vertreiben. Wo Fiſche zum Trocknen oder Einſalzen zubereitet und die Abgaͤnge weggeworfen werden, ſchnappen ſie dieſe oft dicht vor den Fuͤßen der Leute weg. Wo ſie einzeln umherſchwaͤrmen, haben ſie gewoͤhnlich ihren Strich, nicht weit vom Strande, auf welchem ſie immer dieſem ent— lang fliegen und nach einiger Zeit auf demſelben zuruͤckkehren, im langſamen Fluge, den ſpaͤhenden Blick auf das Waſſer geſenkt, das ihnen immer twas, wenn auch nur ein Inſekt, ein todtes Fiſchchen oder ſonſt ein ſchwimmendes Aas bietet. Todte Voͤgel, welche auf dem Waſſer ſchwimmen, packt ſie auch an und verſchlingt kleine ſammt allen Federn. Wo fie auf Landſee'n oder Teiche koͤmmt, ums kreiſet ſie dieſe in der Naͤhe des Ufers gewoͤhnlich auch ſo lange, bis ſie ſich voͤllig geſaͤttigt hat. Von ihren Niſtplaͤtzen ſchwaͤrmen von Zeit zu Zeit große oder kleinere Haufen, unter vielem Laͤrm, weit uͤber Land nach Wieſen und Aeckern, beſonders ſolchen, wo eben gepflügt wird, laufen hier herum wie Kraͤhen, fangen Maͤuſe, Heuſchrecken, Kaͤfer oder leſen Regenwuͤrmer und Engerlinge aus den friſchen Furchen auf. Hier ſind ſie oft mit den Sturmmeven in gleicher Abſicht vereint. Auch die, welche ſich bis in die Mitte von Deutſchland verflogen und hier erlegt wurden, hatten oft Uiberbleibſel von Feldmaͤuſen oder Landkaͤfern im Magen; bei den zwei oben erwaͤhnten, in hie— ſiger Gegend Geſchoſſenen, enthielt er viele Reſte von Scarabaeus stercorarius und Sc. vernalis, bei einer Andern bloß Vogelfedern, wie von einer Lerche. Ob ſie in der Naͤhe ihrer Bruͤteplaͤtze die Neſter anderer kleiner Strandvoͤgel pluͤndere, iſt nicht bekannt, wohl aber, daß ſie oft die gemachte Beute an die mit vereinten Kraͤften ſie verfolgenden Raub— meven abgeben muß. Fortpflanzung. Die Heringsmeve hat ihre Bruͤteplaͤtze in den oben beim Som⸗ XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. 435 meraufenthalt angegebenen Gegenden, namentlich ſehr haͤufig an der Kuͤſte von Norwegen bis unter den Polarkreis hinauf. An den Kuͤſten der britiſchen Inſeln ſcheinen die Farninſeln, naͤchſt der Kuͤſte von Northumberland, einer ihrer ſuͤdlichſten Bruͤteplaͤtze zu ſein. Wenige und nur ſchwach beſetzte Niſtplaͤtze ſollen auch an der Suͤdkuͤſte von Schweden oder der entgegengeſetzten von Daͤne— mark vorkommen. Es ſind dies meiſtens hoch uͤber das Meer er— habene Geſtade, haͤufig breite Abſaͤtze auf ſchroffen Felſen, aber auch zuweilen die gruͤne Plattform hoher Inſeln und dann nicht in un— mittelbarer Naͤhe des Meeres, zuweilen ſelbſt nahe bei ſuͤßen Waſ— ſern. In der Wahl ihrer Bruͤteplaͤtze wie im Neſtbau ſcheint ſie Vieles mit der Silbermeve gemein zu haben. Sie niſtet ebenfalls geſellig, oft in großen Schwaͤrmen beiſam— men, iſt gegen Ende des Maies am Niſtplatze vereint und die Paͤaͤr— chen mit dem Bau ihrer Neſter beſchaͤftigt, die ſie aus Tang, Meer— gras, Salicornien u. dergl., wie jene bauen, manchmal auch von derſelben Groͤße. Das Gewimmel iſt an ſolchen Orten eben ſo arg, wie es bei jener beſchrieben wurde, oder, weil dieſe Art von noch lebhafterm Naturell iſt, noch geraͤuſchvoller. Im Anfange des Juni legt ſie in ein Neſt 2 bis 3 Eier, die bedeutend kleiner, als die der Silbermeve und groͤßer als die der Sturmmeve ſind und ſo das Mittel zwiſchen beiden halten, ihnen übrigens an Geftalt, an Beſchaffenheit der Schale, fo wie an Farbe und Zeichnung ſehr aͤhneln. Ihre Laͤnge wechſelt in verſchiedenen Stuͤcken von 2 Zoll 7 bis 10 Linien, in der Breite von 1 Zoll 10 Linien bis 2 Zoll 2 Linien. Ihre Grundfarbe iſt ein ſehr blaſſes Olivengruͤn, bald braͤunlicher, bald gruͤnlicher, ſeltner ins Roſtgelb— liche ziehend, den dunklern Varietaͤten von L. canus aͤhnlicher als den lichtern. In der Schale ſind die Flecke und Punkte braungrau, auf ihr roͤthlichſchwarzbraun oder braunſchwarz; dieſe ſind bald zahl— reicher, bald ſparſamer, bald groͤßer, bald kleiner, in groͤßter Ver— ſchiedenheit, wenn man eine bedeutende Anzahl dieſer Eier beiſam— men ſieht; aber der Habitus in Form, Farbe und allem Uibrigen bleibt ſtets ſo ſehr mevenartig, daß man fie nur für Meveneier er: kennen kann. Ihr viel groͤberes Korn und der Mangel an Glanz unterſcheidet fie von denen der größern Raubmeven, welchen die dunkelgefaͤrbten und grobgefleckten ſehr ähneln. Uibrigens ſehen auch dieſe Eier im friſchen Zuſtande und unausgeblaſen viel gruͤnlicher aus, als man ſie ſpaͤter in Sammlungen ſieht, wo das Gruͤnliche groͤßtentheils verſchwunden und Alles brauner geworden iſt. 25° 436 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. Im Bruͤten und Erziehen der Jungen, was die Gatten in treuer Gemeinſchaft beſorgen, verhalten ſich dieſe Meven ganz wie die Silbermeven. Uiber das Betragen der Jungen fehlen ſichere Beobachtungen. Fe i n de Der Seeadler und die großen Edelfalken fangen nicht ſelten eine Alte, und die Raubmeven jagen der Heringsmeve oft die gemachte Beute ab. Die Schmarotzer im Gefieder und in den Eingeweiden ſcheinen dieſelben wie bei der vorigen Art. an m. Unter den großen Arten iſt ſie die am wenigſten ſcheue und daher am leichteſten zu ſchießen. An guten Futterplaͤtzen, wie z. B. bei der Heringsfiſcherei vor der Elbmuͤndung, wobei ſie ſich oft zu Tauſenden verſammeln, beſeelt ſie eine unerſaͤttliche Freßgier ſo ſehr, daß ſie hier dem Schuͤtzen Gelegenheit geben, ohne Umſtaͤnde, ſo viele ſchießen zu koͤnnen als er wuͤnſcht, wo ſie ſich, wie ſchon er— waͤhnt, oft ſo weit vergeſſen, daß die Fiſcher viele mit den Rudern erreichen und todtſchlagen koͤnnen. Die einzeln Herumſchwaͤrmende koͤmmt oft, wie es ſcheint aus einer Art von Neugier, in die Naͤhe des Schuͤtzen und man hat ſelbſt Beiſpiele, daß die uͤber freies Feld Hinſtreichende nach einem in die Weite auf ſie abgedruͤckten Schreck— ſchuß, von ihrem Striche umkehrte und nun ſo nahe an den frei— ſtehenden Schuͤtzen herankam, daß er ſie mit dem zweiten Rohr der Doppelflinte gemaͤchlich herabſchießen konnte. An kleinen Gewaͤſſern, wo ſie, Nahrung ſuchend, gewoͤhnlich die Ronde ohnfern dem Ufer mehrmals macht, ehe ſie ein ſolches verlaͤßt, darf man ſich nur nach ihr anſtellen, dann, bei zu weitem Vorbeiſtreichen, ein Rohr nach ihr abfeuern, um faſt immer verſichert zu ſein, daß ſie hierauf ſo— gleich naͤher koͤmmt, und dem toͤdtlichen Schuſſe mit dem zweiten Rohr entgegen eilt. Die Sitzende oder Schwimmende kann dage— gen nur ungeſehen hinterſchlichen werden. Zu fangen iſt ſie ſehr leicht an Angelhaken, an welchen ein klei— ner Fiſch ſteckt, nicht groͤßer und nicht kleiner als daß ſie ihn, ohne den Haken zu fuͤhlen, noch ſo eben verſchlucken kann. Freilich iſt ein ſolcher Fang nur da von baldigem Erfolg, wo viele dieſer Me— ven verſammelt ſind oder wo viele hin- und herfliegen. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 297. Herings-Meve. 437 N Bi ein Ihr Fleiſch wird ebenfalls nicht geachtet, deſtomehr aber die Eier, die man deshalb, wie die andrer großen Meven, in groͤßter Anzahl zum Gebrauch fuͤr die Kuͤche einſammelt. Sie ſind eine be— deutende Einnahme fuͤr den, welcher das Recht hat, einen Niſtplatz als ſein Eigenthum zu betrachten. Wo dies, wie meiſtens, der Fall iſt, betreibt man das Einſammeln der Eier planmaͤßig, ſtellt es zur rechten Zeit ein, damit den Voͤgeln die letzten Gelege zum Ausbruͤ— ten überlaffen bleiben, und darf fo verfichert fein, daß feine ihm Eier legende Schaar im folgenden Jahr wie in dieſem auf den naͤmli— chen Platz zuruͤckkehrt. Wie bei andern Arten, werden auch von dieſer, nach oͤfterm Wegnehmen der erſten Gelege, zuletzt mitunter weit kleinere Eier gelegt, aus denen dann auch ſchwaͤchlichere Jun— gen kommen; ein Umſtand, welcher die oft auffallend verſchiedene Groͤße auch unter dieſen Meven, auch noch wenn ſie voͤllig erwach— ſen ſind, hinlaͤnglich erklaͤrt. Ihre Federn ſind, wie Gaͤnſefedern, zum Ausſtopfen der Bet— ten zu benutzen. In angebaueten Gegenden nutzen ſie mittelbar dem Ackerbau durch Aufzehren vieler ihm ſchaͤdlichen Geſchoͤpfe. — Den Fiſchern zeigen ſie die Ankunft der Fiſchzuͤge beim Lande an. S e, eee . Nur den Fiſchern thun ſie Schaden, wo ſie uͤber die bereits umgarnten Fiſche herfallen und davon, wenn ſie zahlreich zugegen, dann wol in Kurzem Tauſende verſchlingen, wie namentlich bei der Sprotten- und Heringsfiſcherei. Sonſt wird ihnen anderwaͤrts, wo ſie nicht mit dem Menſchen in gleicher Abſicht zuſammentreffen, der Uiberfluß dieſer Meerwaſſerbewohner gern gegoͤnnt, zumal ſie, wo es nur ſein kann, bloß kleine Fiſche wegfangen. rr 298. Die Mantel⸗Meve. Larus marinus. Taf. 268 Fig. 1. Altes Maͤnnchen im Sommerkleide. I Fig. 2. Dreijaͤhriges Weibchen im Winterkleide. Fig. 1. Maͤnnchen im zweiten Jahr. 2 . Fig. 2. Jugendkleid. Die Seemeve, große Seemeve, große Heringsmeve, große Fiſch— meve; Rieſenmeve; Schwarzmantel; großer Schwarzmantel; — (jung) größte bunte Meve, große graubraune Meve, gefleckte große Falkenmeve, graue Fiſchmeve, bunte Sturmmeve; Wagel. Larus marinus. Linn. Faun. suec. n. 155 —- Brünn. Orn. ber, n. 145. — Gmel, Linn. Syst. I. 2. p. 598. u. 6 == Lath. Iud. II. p. 813. n. 6. — Retz. Faun. suec. p. 156. n. 117. — Nilsson, Orn. suec. II. p. 164. n. 214. — Le Goẽland a manteau noir. Buff. Ois, VIII. p. 405. t. 31. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 150. — Id. Pl. cul. 990. Noir-manteuu. — Temm. Man. d’orn 2de Edit. II. p. 760. = Black-backet Gull. Penn. aret. Zool. II. p. 527. n. 451. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 488. n. 368. — Lath. Syn. VI. p. 371. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 327. n. 2. — Bewick, brit. Birds. II. p. 212..— Mugna- jaccio. Savi, Orn. tosc. III. p. 53. — Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 653. — Deſſen, Taſchenb. II. S. 369. nu. 3. — Wolf und Meyer, Naturgeſch. Deutſchids. II. Hft. 20 (gute Abbildg) — Deren, Taſchenb. II. S. 465. — Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 266. n. 240. = Koch, Baier. Zool. I. S. 370. n. 231, = Meyer, Vög. Liv- u. Eſthlands. S. 230. — Faber, Prodromus der isl. Ornith. S. 99. - Brehm, Beitr. III. S. 741 (L. maximus) u. S. 756. (L. marinus). — Deſſen, Lebrb. II. S. 733. u. S. 735. — Def: fen, Naturgeſch aller Vög. Deutſchlds. S. 728 bis 731. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 53. — Landbeck, Vög. Würtembergs, S. 68. — Hornſchuch und Schil⸗ ling, Verz. pommerſcher Vög. S. 18. u. 240. u. u. 241. — Von Homeyer, Pom⸗ merſche Vög. S. 69. v. 226. i 5 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 439 Ein- und zweijährige Voͤgel. . Larus naevius. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 598. u. 5. — Larus marinus, junior. Lath. Ind. II. p. 814. u. 6 var. / — Le Godland varie ou le Grisurd. Buff. Ois. VIII. p. 413. t. 33. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 160. = Id. Pl. enl, 266. — Gerard. Tob. elem, II. p. 334. — Wagel-Guli. Lath. Syn. VI. p. 375. — Liderf. von Bechſtein. III. 2. S. 331. n. 6. — Penn. aret. Zool. II. n. 453. — Uiberſ. v. Zimmermann. II. S. 489. u. 370. —= Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 186. (Nicht die Abbildgen.) Kennzeichen der rt. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen wenig oder nicht uͤber das Schwanzende hinaus. Groͤße einer mittlern Gaͤnſeart. Laͤnge des ſtarken Laufs 3 Zoll. Alt: Mantel ſchieferſchwarz; Füße roͤthlichweiß. Die Schwing: federn ſtets ſchwarz. Beſchreibung. Die Mantelmeve gehoͤrt zu den groͤßeſten Arten der Gattung, aͤhnelt darin, wie auch in der etwas kurzen, gedrungenen Geſtalt der Eismeve, unterſcheidet ſich aber in jedem Kleide von dieſer an der ſchwarzen Fluͤgelſpitze und dem anders gefaͤrbten und anders gezeichneten Mantel. Sie koͤmmt wie jene, von ſehr verſchiedener Groͤße vor, ſo daß zwiſchen manchen Individuen ein Unterſchied im Laͤngenmaaße von 5 bis 6 Zoll Statt findet, wobei gewoͤhnlich die kleinern Exemplare auch einen kleinern Schnabel haben, waͤhrend dieſer bei recht alten und großen eine Stärfe erreicht, in welcher er noch den der Eis meve uͤbertrifft. Solche allerdings ſehr auf: fallenden Verſchiedenheiten bewogen Hrn. P. Brehm, die Mantel— meve ſich als zwei verſchiedene Arcen, ſpaͤter als vier Subſpecies, zu denken, die aber nichts ſind als individuelle Abweichungen, zwi— ſchen welchen ſich in allen Abſtufungen Uibergaͤnge finden. Wie bei andern großen Mevenarten iſt es auch bei dieſer. Daß die Diffe— renz in den Maaßen bei großen Thieren immer mehr in die Au— gen faͤllt als bei kleinen, iſt eine bekannte Sache. Sehr verſchieden koͤmmt bei unſrer Mantelmeve auch der Schnabel, hinſichtlich ſeiner Laͤnge, Hoͤhe, Breite, oder der Groͤße und Staͤrke im Allgemeinen vor; nicht immer haben die kleinſten Individuen die ſchwaͤchſten, die groͤßeſten die ſtaͤrkſten oder hoͤchſten Schnaͤbel; ſo habe ich ein ſehr großes zweijaͤhriges Individuum vor mir, deſſen Schnabel weit klei— 440 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. ner iſt, als der eines daneben ſtehenden einjaͤhrigen, und in einer Suite von dieſen Meven, wie man ſie in groͤßern Sammlungen ſieht, zeigen ſich ähnliche Abweichungen in Menge. Solche koͤnnen aber nicht auf Artverſchiedenheit hindeuten, ſonſt muͤßten ſie im Verhaͤltniß zu allen uͤbrigen Theilen immer ſo vorkommen. Die Mantelmeve ſteht uͤbrigens, wenigſtens in den groͤßeſten Exemplaren, als die groͤßeſte Mevenart, an der Spitze dieſer Gat— tung. Sie iſt groͤßer, ſtaͤrker, gedrungener als andere mit ſchwar— zem Mantel; die am Vorgebirge der guten Hoffnung lebende und eine andere auf mehrern Inſeln der Suͤdſee vorkommende ſind viel kleiner und anders geſtaltet, darin eher der Heringsmeve aͤhnlich. Dieſe iſt ſtets bedeutend kleiner, ſchwaͤchlicher, ſchlanker ge— bauet und mit laͤngern Fluͤgeln verſehen, und unterſcheidet ſich da— her in jedem Kleide leicht von der Mantelmeve, wozu auch die hoͤ— hern und ſtaͤrkern Beine dieſer beitragen, welche ſie auch vor allen andern europaͤiſchen Arten auszeichnen. In der Groͤße des Rumpfs kann man ſie mit einer recht ſtar— ken Hausente, einer Biſamente oder einer mittlern Gaͤnſe— art vergleichen, der ſtarke Hals, Kopf und Schnabel, die großen Fluͤgel, der laͤngere Schwanz, die hoͤhern Beine und das dicke Ge— fieder geben ihr aber ſcheinbar eine noch anſehnlichere Groͤße. Ihr Gewicht, wobei freilich nicht allein auf die zufaͤllige Groͤße, ſondern auch auf die Koͤrperbeſchaffenheit des Individuums, ob abgemagert oder ſehr fett, viel ankoͤmmt, kann demnach von 3 bis uͤber 5 Pfund vorkommen. Ebenſo koͤnnen die Maaße verſchieden ſein, wovon ich mich an vielen Exemplaren, worunter nicht wenig friſche, uͤberzeugt habe. Demnach habe ich folgende Extreme gefunden, zwiſchen wel— chen die am haͤufigſten vorkommenden Maaße in der Mitte liegen. Laͤnge, von der Stirn bis zur Schwanzſpitze: 23½ bis 31 Zoll; Laͤnge des Fluͤgels, vom Handgelenk zur Spitze: 19½ bis 21 Zoll; Flugbreite, von einer Fluͤgelſpitze zur andern: 63 bis 74 Zoll, oder 5 Fuß 3 Zoll bis 6 Fuß 2 Zoll; Schwanzlaͤnge: 7 Zoll bis 8½ Zoll. 7 Die Weibchen find ſtets etwas kleiner als die Männchen. Das Gefieder iſt ſehr dick, groß, an der Bruſt und dem Bauche beſonders pelzartig; die Schwingfedern haben ſehr ſtarke Schaͤfte und wurzelwaͤrts ſehr breite Fahnen, die erſte und zweite ſind ziem— lich von gleicher Laͤnge; der zwoͤlffederige Schwanz iſt am Ende ges rade, die breiten Fluͤgel nur ſo lang daß ſie, in Ruhe liegend, mit — —— | || XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve. 441 den Spitzen meiſtens gar nicht oder doch hoͤchſtens 1 bis 1½ Zoll uͤber das Ende des Schwanzes hinausragen. Der ſehr ſtarke Schnabel iſt gewoͤhnlich fuͤr feine Länge zu hoch, als daß man ihn geſtreckt nennen koͤnnte; viel oͤfterer möchte man feine Geſtalt im Ganzen wenn auch gerade nicht immer eine kurze, doch eine ſehr gedrungene oder robuſte nennen. Er iſt haͤufig viel ſtaͤrker als der von Larus glaucus. Seine breitgerundete Firſte laͤuft von der Stirn bis in die Mitte ſeiner Laͤnge gerade, dann ſchwingt ſie ſich mehr oder weniger, doch nie ſehr ſtark auf, um in den großen Haken uͤberzugehen, deſſen Bogen beinahe den vierten Theil eines Zirkelſchlages beſchreibt. Der Kiel iſt nur anfaͤnglich gerade, ſenkt ſich bald allmaͤhlich etwas abwaͤrts, wodurch das Eck am Ende der Kielſpalte ſtaͤrker hervortritt, und die von hier nach der Spitze ſchraͤg aufſteigende Linie iſt auch ein Wenig ausgeſchweift, was ebenfalls dazu beitraͤgt, das Eck vorſpringender zu machen. Er iſt am Urfprunge ſehr breit, nach vorn aber in der Breite be— deutend verjuͤngt, ſeine Seitenflaͤchen ziemlich eben, nur zwiſchen der Naſenhoͤhle und Schneide am Oberſchnabel mehr oder weniger wulſt— artig. Die Spitze des Hakens ragt 1 bis 2 Linien über die des Unterſchnabels hinweg. Die Schneiden bilden vorn einen die Firſte des Hakens entſprechenden, nur etwas flachern Bogen, laufen dann aber, nur wurzelwaͤrts mit einer ſchwachen Senkung, ziemlich ge— rade in die tief geſpaltenen Mundwinkel aus; ſie ſind ſehr ſcharf, gewoͤhnlich glatt, ſelten ganz fein gezaͤhnelt, und die obere greift ein wenig uͤber die untere; der Rachen iſt ſehr breit. In der großen laͤnglichen Naſenhoͤhle oͤffnet ſich das Naſenloch vorn und unterwaͤrts 4 bis 5 Linien von der ſeitlichen Stirnfederſpitze, als ein durchſich— tiger, vorn erweiterter, uͤber 4 Linien langer Ritz. Die Laͤnge des Schnabels von der Stirn uͤber den Bogen wechſelt zwiſchen 2½ bis 3 Zoll, oft noch daruͤber, vom Mundwinkel zur Spitze, in ge— rader Linie, zwiſchen 3J¼ und 3⅛ Zoll; feine Höhe an der Stirn zwiſchen 10 und 11½ Linien; die Breite hier zwiſchen 8 und 9½ Linien. Die geringern Maaße kommen in der Regel juͤngern, die groͤßten ſehr alten Voͤgeln zu, doch mit mancherlei Ausnahmen. So erlegte Graba auf Färoe (ſ. deſſen Reiſe, S. 80.) ein Stuͤck mit einem 5 Linien laͤngern Schnabel als er ihn bei allen Uibrigen gefunden. Die Farbe des Schnabels iſt verſchieden, in der Jugend grau— ſchwarz, an der aͤußerſten Spitze lichter, an der Wurzel des Unter: ſchnabels ſchmutzig fleiſchfarbig; ſpaͤter wird des Schwarzen weni— 442 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. ger, des Fleiſchfarbigen mehr, dieſes nach und nach gelblicher; bei noch altern, bis auf weniges Schwarz unfern der Spitze, wachs— gelb, und dann zeigt ſich auch ſchon Roth uͤber dem Eck; endlich wird er ganz hochgelb, die Spitze etwas lichter und der groͤßere Fleck am Eck des Unterſchnabels gluͤhend hochroth, alle Spur des Schwarzen iſt verſchwunden, Mundwinkel und Rachen Orangeroth; dieſe waren früher gelb und anfänglich bloß fleiſchfarbig. Im aus: getrockneten Zuſtande wird er bei den Jungen dunkelhornfarbig, das Fleiſchfarbige horngelblich, bei Aeltern licht horngelb, bei den Al— ten wachsgelb, ſo daß ſich an dieſen ſeine eigentliche friſche Faͤrbung leichter errathen laͤßt als bei jenen. Das Augenlid iſt in fruͤher Jugend weiß und faſt ganz befie— dert, ſpaͤter nackt, gelblich fleifchfarben, gelb, bei den Alten orange— roth. Die Farbe der Iris verwandelt ſich, nach 3 bis 4 Jahren, aus dem Dunkelbraunen durch Gelbbraun, Braungelb, endlich in Zitronengelb. Die Fuͤße ſind verhaͤltnißmaͤßig, gegen die der uͤbrigen großen europaͤiſchen Mevenarten, groß, ſtaͤrker und hoͤher als bei einer dieſer, haben aber im Uibrigen dieſelbe Geſtalt, volle Schwimmhaͤute, kurze, ſtarke, nicht ſehr gekruͤmmte Krallen, deren Raͤnder ſcharf ſind, zu— mal auf der Seite nach Innen und am meiſten die der Mittelzeh, unten etwas hohl, an der Spitze abgeſtumpft, der Rand dieſer aber ſcharf. Die Hinterzeh iſt ebenfalls klein und ſehr kurz; der Uiber— zug der Beine wie an den andern, vorn am Laufe und auf den Zehenruͤcken grob, an den Seiten ſehr fein geſchildert, die Schwimm— haͤute noch feiner gegittert u. ſ. w. Der nackte Theil der Schiene mißt 1 bis 1ſ½ Zoll; der Lauf 2¾ bis 3 Zoll; die Mittelzeh, mit der 5 Linien langen Kralle, 3 bis 3¼ Zoll und die Hinterzeh, mit der 3 Linien langen Kralle, 5 bis 6 Linien. f Die Faͤrbung der Fuͤße iſt faſt in jedem Alter eine bleiche Fleiſchfarbe, in der Jugend ſchmutzig, im Alter ſehr ins Weißliche, eigentlich nur roͤthlichweiß. Gelb ſind ſie niemals. Im Tode ver— liert ſich das wenige Roͤthliche, beſonders bei Alten, faſt ganz, ſo daß ſie dann beinahe nur matt weiß ausſehen; aber wenn ſie ganz ausgetrocknet ſind, werden ſie graugelblich. Die Krallen ſind braun— ſchwarz, bald an der Spitze, bald an der Wurzel, zuweilen an bei— den hell hornfarbig. N Das Dunenkleid dieſer Art ſahe ich noch nicht und findet ſich auch nirgends beſchrieben. XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 443 Das erſte Jugendkleid ähnelt dem der vorigen Art am mei: ſten. Der Schnabel iſt beinahe ganz mattſchwarz, nur an der Wur— zel der untern Haͤlfte etwas ſchmutzig fleiſchfarbig; der Rachen blaß fleifchfarbig; der Augenſtern dunkelbraun; die Füße blaß fleiſchfar— ben. Der Anfang der Stirn und die Kehle ſind rein weiß; vor dem Auge ſteht ein Fleckchen aus ſchwarzen Federſchaͤften beſtehend; Kopf, Hals, Bruſt, Bauch, untere und obere Schwanzdecke, nebſt Buͤrzel, ſind weiß, auf dem Scheitel, den Wangen und Halsſeiten mit braungrauen Schaftſtrichen, auf dem Nacken mit etwas dunk— lern und groͤßern Schaftflecken, die am Kropfe und weiter abwaͤrts beſonders viel breiter werden und an den Tragefedern, wo ſie am groͤßeſten, eine Art gewellter Zeichnung bilden; die untern und obern Schwanzdeckfedern haben einzelne, oft unterbrochene, dunkelbraune Querbaͤnder, der Buͤrzel fahlbraune Querflecke. Ruͤcken, Schultern und Fluͤgeldeckfedern ſind fahlbraun oder duͤſter erdbraun, viele Fe— dern am Schafte und ſpitzewaͤrts am dunkelſten, alle mit gelbbraͤun— lichweißen Kanten, die meiſtens nach innen keine Zacken bilden, auſ— fer an den großen Flügeldedfedern, an den Schwingen dritter und denen ſich anſchließenden zweiter Ordnung, wo ſie ſtark gezackt find und auch eine mehr ins Roſtbraͤunliche ziehende Faͤrbung haben, dazu an den Enden breit und ganz weiß ſind; die uͤbrigen Schwin— gen nebſt den Fittigdeckfedern braunſchwarz, die großen an den En— den mit einem weißen oder auch nur lichtbraͤunlichen Saum, wel— cher bald abgerieben wird. Unten ſind die Fluͤgel faſt wie oben, aber viel bleicher, nur ein ſchmales Fluͤgelraͤndchen weiß; der Schwanz weiß, wurzelwaͤrts ſchwarz gefleckt und abgebrochen gebaͤn— dert; an der Endhaͤlfte, auſſer dem weißen Spitzenſaum, in der Mitte ganz ſchwarz, an den aͤußern Federn mehr in Baͤndern und an der aͤußerſten nur in einigen Flecken ſchwarz. Bald iſt des Schwarzen am Schwanze mehr, bald weniger, und die Zeichnung deſſelben faſt bei jedem Individuum anders. Wenn ſie dies Kleid den Herbſt und Winter hindurch getragen haben, iſt es auf dem Mantel viel fahler geworden, die Federkan— ten haben ſich ſtark verſtoßen, aber es ſind neben dieſen an den Wurzeln der Federn verſchiedenartig lichtere Flecke hervorgetreten. Im naͤchſten Fruͤhjahr, dem zweiten ihres Lebens (das der Geburt immer mitgezaͤhlt) zeigen ſich ſchon hin und wieder neue Federn des folgenden Kleides, aber dieſer Federwechſel dauert, langſam fort⸗ ſchreitend, ein halbes Jahr und in der Regel iſt dieſes Zwiſchen— kleid nicht vor dem September oder Oktober ihres zweiten Lebens⸗ 444 XIII. Ord n. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. jahres vollendet. Hierin hat der ſchwarze Schnabel an der Wurzel ſchon mehr Fleiſchfarbe und ein hornweißliches Spitzchen, das Auge einen gelbbraunen Stern und roͤthlichgraue Lider, die Fuͤße eine reine roͤthlichweiße Faͤrbung. Stirn und Kehle ſind faſt rein weiß; dicht vor dem Auge ſteht ein ſchwaͤrzliches Mondfleckchen; das Uibrige des Kopfes und der Hals haben auf weißem Grunde ſchmale braun— graue Schaftſtriche, die ſchmutzigweiße Bruſt iſt braungrau unor⸗ dentlich gefleckt, beſpritzt, auch fein gewellt; der Bauch, die untere und obere Schwanzdecke und der Buͤrzel rein weiß, mit einzelnen blaßbraungrauen Querflecken; der ganze Ruͤcken und die Schultern braͤunlichweißgrau, vor dem mondfoͤrmigen, faſt ganz weißem Ende jeder Feder mit einem wellen- oder zickzackfoͤrmigen, braunſchwaͤrz— lichen Querſtreifen, der am ſchwarzen Schaft oft pfeilfoͤrmig aus— ſieht und auf ſeiner der Wurzel zugekehrten Seite mit einer ganz ſchwachen Roſtfarbe verwaſchen iſt. Die Fluͤgeldeckfedern ſind im Grunde ebenfalls braͤunlichweißgrau, an den Enden weißlich gekan— tet oder nur geſaͤumt, uͤbrigens mit vielen baͤnderartigen braungrauen und dunkler graubraunen Querflecken baͤnderartig durchzogen, nur die kleinſten einfach graubraun, mit hellern Kaͤntchen; die hinterſten Schwingfedern den großen Deckfedern aͤhnlich, nur viel dunkler ges zeichnet, mit großen lichtbraͤunlichen, weiß gekanteten Enden; die zweite Ordnung graulich dunkelbraun, mit weißen Endkanten; die großen Schwingen braunſchwarz, an den Spitzen lichtbraͤunlich ge— kantet oder auch weißlich geſaͤumt, ihre Schaͤfte ſchwarz, dieſe auf der ſchwarzgrauen Unterſeite jener weißlich; die Unterfluͤgeldeckfedern weiß, matt braungrau gefleckt. Der Schwanz iſt weiß, braunſchwarz beſpritzt, gefleckt und abgebrochen gebaͤndert, am meiſten an der End— haͤlfte, wo ſich vor dem weißen Endſaum oft eine ſchwarze Quer— binde bildet, die zuweilen auch wol doppelt erſcheint, wie denn uͤber— haupt dieſe ſchwarze Zeichnung des Schwanzes auſſerordentlich und faft bei jedem Individuum verſchieden iſt. Dieſes Zwiſchenkleid ſieht bedeutend lichter aus als das fruͤ— here, noch mehr wenn es ſchon durch den Winter getragen iſt, wo die erdbraunen und braungrauen Flecke, uͤberhaupt alle dunkeln Zeich— nungen jehr abgebleicht, auch die Federraͤnder merklich abgerieben erſcheinen. Der Regel nach wird dieſes zweite Gewand vom naͤchſten Fruͤh— jahr bis in den Herbſt, durch langſames Mauſern, mit einem drit— ten vertauſcht, das nun ſchon dem ausgefaͤrbten ziemlich ähnlich ſieht. Jetzt iſt der Schnabel bereits faſt ganz gelb geworden, nur XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel Meve. 445 in der Nähe der Spitze hat ſich noch mehr oder weniger Schwarz in einigen Flecken erhalten, bald am obern, bald am untern Theil, bald an beiden zugleich, auch iſt der rothe Fleck am Eck bemerklich geworden, obwol jetzt noch, wie das Gelb, nicht beſonders ſchoͤn. Iſt die Mauſer zur gehoͤrigen Zeit und vollſtaͤndig geweſen, ſo bringt ihnen dieſer Herbſt das dritte Winterkleid, das ſich von dem ſpaͤtern ausgefaͤrbten nur an der eben erwaͤhnten ſchlechtern Faͤrbung des Schnabels mit den ſchwarzen Flecken und an den an— ders gefaͤrbten Schwing- und Schwanzfedern unterſcheidet. Die großen Schwingen ſehen naͤmlich folgendermaßen aus: Die Erſte iſt ſchwarz bis 2½ Zoll von der Spitze, dann beinahe 2 Zoll lang weiß, dann folgt ein ſchwarzes Querbaͤndchen oder nur ein ſolcher Fleck und hierauf ein weißes Spitzchen; die Zweite iſt auch ſchwarz, doch gegen die Wurzel etwas fahler, hat ebenfalls ein weißes Spitz⸗ chen und von dieſem 1 Zoll entfernt ein auf der aͤußern Fahne ſchmales, auf der innern breiteres, weißes Band oder nur ſolche Flecke; die Dritte iſt ſchwarz, mit einer weißen Spitze und gegen die Wurzel etwas ſchieferfarbig, die Vierte hat eine etwas groͤßere weiße Spitze, iſt von da an ſchwarz, auf der aͤußern Fahne bis uͤber die Mitte, auf der innern nur ein paar Zoll weit herauf, uͤbrigens ſchieferfarbig und dies ſcheidet ſich auf Letzterer in einem Bogen mit weißlichem Schein vom Schwarzen; die Fuͤnfte hat eine noch groͤßere weiße Spitze, iſt von hier an aber nur 1½ Zoll herauf ſchwarz, uͤbrigens ſchieferfarbig, dieſe beide Farben aber in einem Doppelbogen mit weißem Schein ſcharf von einander geſchie— den; die Sechſte iſt faſt ganz ſchieferfarbig, vor der großen weißen Spitze nur mit ſchwarzem Querbande, das ſich von jenem in einem Doppelbogen durch Weiß ſcheidet; die Siebente iſt bloß dunkel— ſchieferfarbig mit ſehr großer weißer Spitze, wie alle uͤbrigen der zweiten Ordnung; die ſchieferfarbigen, an der Endhaͤlfte ſchwarzen Fittigdeckfedern haben weiße Spitzen. Der Schwanz iſt weiß, die drei aͤußern Federpaare rein, die folgenden auf der innern Fahne heller und dunkler braungrau beſpritzt und bekritzelt, das mittelſte am meiſten und auch auf der Auffenfahne grau beſpritzt. Der Man— tel iſt einfarbig, wie bei den Alten, aber nicht ſchieferſchwarz, ſon— dern nur ſchiefergrau oder hoͤchſtens ſchieferfarbig, alſo von einer lichtern Färbung. Wenn nun dieſe dreijährigen Mantelmeven, gleich den aͤl— tern, im Herbſt und durch den Winter am Kopfe und Halſe braun— graue Schaftſtriche haben, ſo verlieren ſie dieſe ebenſo im Fruͤhjahr 446 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. und jene Theile werden dann ſo rein weiß, wie bei den Alten. Allein nur wenige von dieſem Alter ſind in Vervollkommnung des Gefieders ſchon ſo weit vorgeruͤckt, daß ſie in dieſem, den vierten Fruͤhling ihres Lebens, ſich ſchon fortpflanzen koͤnnten, denn die Meiſten macht dann noch ein fortwaͤhrender Federwechſel dazu un— faͤhig. Man findet ſolche, die im Februar noch im bunteſten Ge— miſch zweier Kleider ſtehen, ja ein am ten Juni auf der Nordſee bei Sylt erlegtes verdient deshalb eine naͤhere Beſchreibung: Der Schnabel iſt ſchoͤn gelb, an der Spitze blaſſer, uͤber dem großen hochrothen Fleck am Eck nur noch ein kleiner ſchwarzer, der Rachen und Augenlidrand gelb; der Augenſtern braungelb; die Fuͤße blaß fleiſchfarbig; Kopf und Hals weiß, hinterwaͤrts nur noch mit ſehr wenigen grauen Schaftſtrichen (alten Federn); alle untern Theile des Vogels, das Fluͤgelraͤndchen, die Enden der größten Schulter: federn und der Buͤrzel weiß; alles Uibrige an ſaͤmmtlichen Schul— terfedern, nebſt Ober- und Unterruͤcken ſchieferfarbig; der Schwanz und der Fittig nebſt allen Schwingfedern erſter und zweiter Ord— nung wie beim dreijaͤhrigen Vogel und oben zuletzt beſchrieben, da— bei aber der ganze Oberfluͤgel, mit Ausnahme weniger Federn, auch die Schwingen dritter Ordnung, ſo wie die untern Fluͤgeldeckfedern noch vom vorigen Kleide, ſehr abgeſcheuert und abgebleicht, die er— ſtern, naͤmlich auf dem Oberfluͤgel, meiſtens duͤſter erdbraun, dunk— ler gefleckt, gebaͤndert und gemiſcht, mit abgeſchabten ſchmutzig wei— f ßen Raͤndern, auf dem Unterfluͤgel weiß, braungrau gefleckt. Ein um dieſe Zeit noch ſo ſehr in der Mauſer begriffenes Individuum, deren ich damals mehrere beiſammen ſahe, konnte jener wegen in dieſem Fruͤhlinge noch nicht fortpflanzungsfaͤhig ſein, wie auch die bei der Oeffnung unterſuchten, gar nicht angeſchwollenen Geſchlechts— theile beweiſen halfen. Der Federwechſel wuͤrde bei ihm gewiß noch durch den ganzen Sommer gedauert und erſt im naͤchſten Herbſt beendet worden ſein. Zu bemerken iſt noch, daß die Zeichnung der vordern Fluͤgel⸗ ſpitze bei ſolchen durch drei Hauptverwandlungen des Gefieders ge— gangenen Mantelmeven nicht bei Allen genau die oben beſchriebene iſt, ja daß fie fogar bei Einem Individuum an jedem Flügel ver: ſchieden vorkommen kann. Ein in meinem Beſitze befindliches Maͤnn⸗ chen hat fie an dem linken Flügel ganz wie oben beſchrieben, wäh: rend am rechten die erſte Schwingfeder bis 2½ Zoll von der Spitze ſchwarz und dann bis zu dieſer ganz weiß iſt, bis auf ein ſchwar— zes Fleckchen am innern Rande, das die Stelle anzuzeigen ſcheint, XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 447 wo an jener ein ſchwarzes Band durch beide Fahnen geht; an der zweiten iſt das weiße Band unfern der Spitze nur durch die In— nenfahne gezogen, auf der Auſſenfahne aber nur in einem kleinen rundlichen Fleckchen angedeutet. 0 Im vierten Herbſt erhaͤlt die Mehrzahl dieſer Meven erſt ihr vollſtaͤndiges Winterkleid, das in allen nun folgenden Herbſtmau— ſern jaͤhrlich ſo, ohne ſich ſehr bedeutend zu verſchoͤnern, wieder er— neuet, wobei aber jedes Frühjahr eine theilweiſe nur über die Kopf: und Halsfedern ſich erſtreckende, Zwiſchenmauſer Statt findet. In dieſem vollendeten oder ausgefaͤrbten Winterkleide iſt Alles wie im naͤchſten Sommerkleide, mit Ausnahme des Kopfes und Halſes; ſie ſind weiß, vor dem Auge mit einem ſchwaͤrzlichen Fleck— chen, die Federn auf dem Scheitel, den Wangen, Halsſeiten und dem Hinterhalfe mit braungrauen Schaftſtrichen. Die nackten Theile haben eine etwas weniger lebhafte Faͤrbung als im Fruͤhlinge. Das ausgefaͤrbte Sommer: oder Hochzeitskleid iſt nun bei Manchen im vierten bei Andern erſt im fuͤnften Lebensjahr in voller Pracht ausgebildet. Jetzt iſt am Schnabel alles Schwarz verſchwunden, er ſieht rein und praͤchtig hochgelb, die Spitze etwas lichter aus, ein großer gluͤhend rother Fleck am Eck des Unterſchna— bels vermehrt ſeine Schoͤnheit; inwendig iſt er nebſt dem Rachen hoch orangegelb, faſt orangeroth; die Augenlider ebenfalls praͤchtig orangeroth; der Augenſtern rein zitronengelb; die Fuͤße roͤthlichweiß. Kopf und Hals bis zum Anfang des Ruͤckens, Buͤrzel und Schwanz mit ſeinen Deckfedern, Bruſt, Bauch, Schenkel, Fluͤgelraͤndchen und Unterfluͤgeldeckfedern ſind weiß, von hoͤchſter Reinheit und wahrhaft blendend; der Mantel, d. i. Ober- und Unterruͤcken, Schultern, Fluͤ— geldeckfedern, die Tertiar- und Secundarſchwingfedern, ſchieferſchwarz oder dunkel ſchieferfarbig, die Enden der Letztern und der laͤngſten Schulterfedern weiß; die Primarſchwingen tief ſchwarz, die kuͤrzern von der Wurzel herab, je kuͤrzer ſie werden, deſto mehr, bloß ſchie— ferſchwarz, dieſes und jenes im Doppelbogen durch eine weiße Zeich- nung getrennt, am auffallendſten auf den Innenfahnen, alle mit großen weißen Spitzen, das Weiß quer faſt in gerader Linie vom Schwarzen getrennt, an den beiden vorderſten aber gegen 2½ Zoll vom Ende heraufreichend, dabei an der zweiten vor der Spitze ge— woͤhnlich noch mit einem ſchwarzen Fleckchen im Weißen, die Schaͤfte im Schwarzen ſchwarz, im Weißen weiß; die Fittigdeckfedern ſchwarz, ebenfalls mit weißen Spitzen; die Schwingen auf der Unterſeite glaͤn⸗ zend ſchwarzgrau, die Spitzen weiß, die Schaͤfte weißlich. 448 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve. Das Schieferſchwarz des Mantels iſt kaum etwas lichter als bei der alten Heringsmeve; aber es iſt dies gleich nach der Mauſer im Anfange des Winters, wo der blaͤulichſchieferfarbige Duft, welcher das friſche Gefieder bedeckt, noch vorhanden iſt; dieſer reibt ſich aber ſchon in den Winter- und erſten Fruͤhlingsmonaten bedeutend ab, wodurch die ſchwarze Grundfaͤrbung am Hochzeits— kleide mehr hervortritt, und dieſes wird noch weit auffallender, wenn ſich der Sommer nahet; durch den Einfluß der Witterung wird es kurz vor einer neuen Mauſer faſt in ein mattes Braun- ſchwarz verwandelt, weshalb denn, da auch das weiße Gefieder an Reinheit verloren, dieſe Meven im Sommer viel ſchlechter ausſehen als im Winter. Maͤnnchen und Weibchen find in allen Kleidern gleichge— faͤrbt und im Aeußern nicht mit Sicherheit zu unterſcheiden. Sind beide beiſammen, ſo zeichnet ſich das Letztere nur durch die etwas geringere Groͤße und ſchwaͤchlichere Geſtalt, auch wol durch weniger lebhafte Faͤrbung der nackten Theile vor Erſtern aus; dieſe Kenn— zeichen ſchwinden jedoch, ſobald man ſie vereinzelt ſieht. Was vom Wechſel der verſchieden gefaͤrbten Kleider bereits ge— ſagt iſt, beweiſt, daß die Zeit der Mauſer, bis deren wenigſtens drei Statt gefunden haben, bei dieſer Art kaum anzugeben iſt, wenig— ſtens nicht nach Monaten. Ehe ſie nicht das ausgefaͤrbte Kleid angelegt haben, findet man zu allen Jahreszeiten mauſernde Indi— viduen. Auch unter den Alten iſt es nichts Seltenes, mitten im Winter ſchon manche im völligen, reinen Hochzeitskleide, andere da— gegen im Mai noch mit vielen Federn vom Winterkleide anzutreffen. fee Die Mantelmeve iſt ebenfalls ein hochnordiſcher Vogel, oder ſchließt ſich doch an den Aufenthalt der am noͤrdlichſten wohnenden Mevenarten an, und trifft fo nördlich mit der Eismeve, ſuͤdlicher mit der Silbermeve zuſammen. Sie wohnt in Europa an der Kuͤſte von Norwegen bis hoch in die arctiſche Zone hinauf, auch noch an andern Kuͤſten des nördlichen Eismeeres; dann auf Is— land, den Faͤroͤern, Shetlands, den Orcaden, Hebriden und der noͤrdlichen Kuͤſte von Schottland und Ireland. In allen dieſen Laͤndern iſt ſie an vielen Stellen gemein, aber nirgends in ſehr großen Haufen beiſammen. In der Oſtſee bewohnt ſie im Sommer nur die noͤrdlichſten Kuͤſten von Dänemark, Born: XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve. 449 holm, die ſchwediſchen und finnlaͤndiſchen Kuͤſten und In— ſeln, iſt aber auch an der eſth- und livlaͤndiſchen nicht ſelten, dagegen an denen der deutſchen Oſtſee nur als einzeln herumſtrei⸗ fend bekannt und meiſtens nur als junger Vogel. Nicht viel haͤu— figer koͤmmt fie auch an die Weſtkuͤſte Juͤtlands, noch ſeltner bis in die Muͤndung der Elbe. An dem von hier aus nach Weſten ſich ausdehnenden Nordſtrande des europaͤiſchen Feſtlandes koͤmmt fie allenthalben nur einzeln vor, noch ſeltner auf dem mittellaͤndiſchen Meer. Sie lebt auch in Groͤnland und im noͤrdlichen Ame— rika, und geht im Winter an der Meereskuͤſte ſelbſt bis an die der mittlern vereinigten Staaten, einzeln ſogar bis nach Caro— lina hinab. Auch auf der andern Seite von Amerika ſoll fie, z. B. in Norfolkſund, vorkommen. Die ſuͤdliche Hemiſphaͤre ſcheint ſie nirgends zu bewohnen. — Von jenen, die deutſche Oſt— und Nordſeekuͤſte beſtreichenden, verfliegt ſich hin und wieder eine Einzelne, an Fluͤſſen und Landſee'n entlang bis in die Mitte von Deutſchland, auf dem Rhein auch wol bis auf die See'n der Schweizz dies geſchieht indeſſen von dieſer Art bei Weitem ſeltner als von der Herings- und der Silbermeve. In Anhalt ha: ben wir ſie in einem ſehr langen Zeitraume nur einige Mal be— merkt, und zwei Stuͤck erhalten, eins im erſten Jugendkleide auf eis nem Feldteiche, das andere im zweiten Jugendkleide an der Elbe. Alt, im ausgefaͤrbten Gewande verirrt ſich ſchwerlich jemals eine bis zu uns; es iſt kein Beiſpiel davon bekannt. Als Strichvogel verlaſſen die Alten nach beendigten Fort— pflanzungsgeſchaͤften ihren Sommeraufenthaltsort und treiben ſich in andern Gegenden zerſtreuet umher, gegen den Winter die groͤßere Kaͤlte ausweichend und ſuͤdlicher ſtreichend, ohne dabei eine beſtimmte Zeit und Strich zu halten. Herrſchende Stuͤrme aus einerlei Rich— tung, auch die Zuͤge mancher Fiſcharten, denen ſie folgen, haben daran vielen Antheil; jene bringen ſie oft in Gegenden wo ſie ſonſt nicht oft geſehen werden. Auch im Winter ſieht man ſie allenthal⸗ ben am Meer. Die juͤngern, noch nicht bruͤtefaͤhigen Voͤgel, duͤrfen ſich jedoch nicht unter die Alten miſchen; ſie irren meiſt einſam oder zu zweien bis dreien in andern Gegenden umher und zeigen ſich in allen Jahreszeiten überall am Meeresſtrande und oft viel ſuͤdlicher als ihre Geburtsorte liegen, beſtreichen dabei aber, wo ſie nicht reich⸗ liche Nahrung feſſelt, meiſtens ſehr weite Strecken. Sie koͤmmt oft einzeln und paarweiſe, oder zu 6 bis 10 Stuͤk⸗ ken beiſammen vor, ſeltner in groͤßern Haufen, nie in ſolchen Schaa⸗ 10r Theil. 29 450 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel-Meve. ren wie manche andere, z. B. die Silbermeve; denn die Art ſcheint eine der am wenigſten volkreichen und uͤberhaupt nicht viel zahlreicher an Individuen als die noch nördlicher lebende Eis meve Sie iſt ganz Seevogel und verlaͤßt das Meer nie freiwillig, wenigſtens nie weiter als daß fie es immer noch im Auge behält. Sie will bloß Salzwaſſer, und wenn ſie auch, unfern von dieſem, zuweilen ihren Bruͤteplatz an einem ſuͤßen Gewaͤſſer hat, ſo ſtreicht ſie doch von dieſem ſo oft wie moͤglich zur See, weil nur dieſe ihr den gewohnten Unterhalt gewaͤhrt. Sie lebt bald am flachen oder wenig erhabenem Strande, bald an hohem und felſigem Geſtade, oder auf der Plattform ſehr hoher Felſeninſeln. Auſſer der Bruͤte— zeit haͤlt ſie ſich oft ſehr weit von allem Lande auf offnem Meer auf, naͤhert ſich aber bei anhaltenden Stuͤrmen jenem wieder und koͤmmt in die ſtillen Buchten. Von den tief in das Land einſchnei— denden Meeresarmen beſucht ſie nicht ſelten auch nahe gelegene Bin— nenſee'n, verweilt aber nie lange an dieſen. Sie ähnelt in ihrem Aufenthalt wie in vielen andern Lebens⸗ momenten am meiſten der Eismeve. Eigenſchaften. Die Mantelmeve iſt lebend, in ihrem hochzeitlichen Gewande, ein prachtvolles Geſchoͤpf, und ihre Schoͤnheit wird durch die rieſige Große, unbeſchadet ihrer etwas zu gedrungenen Geſtalt, um fo im: ponirender; herrlich ſticht der ſchieferſchwarze Mantel auf dem bien: denden Weiß ab, und die Farbenpracht des Schnabels und des Au— ges heben das Ganze vortrefflich. Ihre Haltung ſtehend und gehend iſt ganz die der andern großen Arten; die Fuͤße in der Ferſe nicht gebogen und weit vorgezogen, den Rumpf wagerecht, die Fluͤgel un— ter den Tragfedern und ihre Spitzen auf dem breiten Schwanze ruhend ohne ſich merklich zu kreutzen, den Hals ziemlich eingezogen, der Kropf dann ſtark vortretend, Schnabel und Kopf wagerecht, ſteht ſie wie die andern, iſt aber meiſtens ſchon in der Ferne an der groͤßern und plumpern Geſtalt und, wenn ſie alt, an dem ſchwar— zen Mantel kenntlich. So ſteht ſie, vom raſtloſen Umherfliegen ſich ausruhend, am Strande, doch am liebſten auf ſolchen Stellen, wo ſie von mehre— ren Seiten Waſſer neben ſich hat, wie auf ſchmalen Landzungen und Landſpitzen, Sandbaͤnken, auf niedern oder hoͤhern Felſen, welche das Waſſer beſpuͤlt. Sehr oft ſteht fie auch neben Sandbaͤnken en ee ee — — —— — u XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve 451 bis an die Ferſen im ſeichten Waſſer, wo dieſes ruhig iſt, und ſcheint dies ſehr behaglich zu finden, was ich daraus ſchließe, daß eine ſolche nach mehrmaligem Ausweichen laͤngs dem Strande, im— mer wieder eine ſolche Stellung nahm. Aufmerkſam oder Etwas fuͤrchtend reckt ſich ihr Hals hoͤher und ihre Figur bekoͤmmt dadurch ein edleres Ausſehen. Auch ihr Gang hat etwas Anſtaͤndiges; ſie wandelt oft am Strande oder auf bei der Ebbe vom Waſſer freige— wordenen Flaͤchen viel und lange herum, ohne dabei eine beſondere Regſamkeit zu verrathen; wie denn alle ihre Bewegungen einen Anſtrich von Gemaͤchlichkeit oder faſt Traͤgheit verrathen. Sie ruhet auch oft ſchwimmend. Wo ſie lange auf offnem Meer verweilt, kann ſie natuͤrlich nicht anders, fuͤrchtet hierbei aber auch den hoͤchſten Wogengang nicht, und wenn der Sturm ihre Kräfte zum Fliegen erſchoͤpft hat, laͤßt fie ſich aufs Waſſer nieder, verſchwindet hier abwechſelnd zwiſchen den Waſſerbergen und er— ſcheint eben ſo oft wieder uͤber deren Gipfel hingleitend, iſt ſo buch— ſtaͤblich ein großartiges Spiel der Wogen, ohne daß ſie dabei irgend eine Unbehaglichkeit verraͤth. Wo fie nicht beim Lande oder dem Niſtplatze ſich aufhaͤlt, ſchlaͤft ſie auch ſchwimmend; wenigſtens thun dies die bis zu uns Verirrten und dieſe gewoͤhnlich mitten auf dem Waſſerſpiegel der großen Teiche oder Landſee'n. Ihr Flug iſt leicht und ausdauernd, aber langſam oder faſt traͤge, doch keineswegs ſchwerfaͤllig. Sie ſieht darin einem großen Raubvogel, z. B. dem Natternadler, ſehr aͤhnlich. Ihre Groͤße und die breitern Fluͤgel unterſcheiden ſie von andern Mevenarten, geben ihr aber große Aehnlichkeit mit der Eismeve, wenn ſie zu entfernt iſt, um ihren dunklern Mantel und die dunklere Fluͤgel— ſpitze zu erkennen. Die weit ausgeſtreckten Fluͤgel ſchwingt ſie in langſamen, kuͤrzern oder laͤngern Schlaͤgen, beſchleunigt dieſe nur, wenn fie Gefahr merkt oder heißhungerig hochgehenden Fiſchen folgt; wenn ſie aber am Strande entlang nach Nahrung ſpaͤhend hinfliegt, ſo veraͤndert ſie ihren gemuͤthlichen Flug, ſo weit ihm das Auge fol— gen kann, faſt gar nicht, ſtreicht auch ſo weite Strecken in Einem fort, daß ihre Ruͤckkunft gewoͤhnlich nicht erwartet werden kann. Wenn es eine Beute zu fangen giebt, kommen auch ploͤtzliche Wen— dungen, kurze Bogen und andere ſo gewandte als ſchoͤne Veraͤn— derungen in dieſem Fluge vor. Was ihm gegen den vieler andern Meven auch an Gewandtheit abgehen mag, wird hier wieder durch Kraft erſetzt. Sie trotzt den aͤrgſten Stuͤrmen ſo lange es ihr ge— lingt dem Winde die Spitze bieten zu koͤnnen, ſucht aber nach lan⸗ 29° 452 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. ger Anſtrengung, wo ſie nicht in der Naͤhe des Landes iſt, ſelbſt hinter den Wogen Schutz, indem ſie ganz dicht uͤber dem Waſſer fliegend den beweglichen Thaͤlern und Bergen der Wogen folgt, ſo in einer auf- und abſteigenden ungeheuern Schlangenlinie fortſtreicht, aber ſich doch, trotz der großen Naͤhe zwiſchen und uͤber dem Waſ— ſer, von keiner Wellenſpitze erreichen laͤßt. Wie von allen andern Seevoͤgeln mag es dennoch hin und wieder auch einer von dieſen Meven begegnen, bei mehrere Tage ununterbrochen raſenden Stuͤr— men und Unwettern auf offnem Meer, bereits abgemattet, es zu ver⸗ ſehen und ſich vom Sturm in die Seite oder von hinten faſſen zu laſſen und fo gegen das Waſſer geſchleudert zu werden, wo fie end: lich im Kampfe mit dieſem unterliegt; denn es iſt nichts Ungewoͤhn— liches nach großen Stuͤrmen hin und wieder todte Seevoͤgel ans Land treiben zu ſehen. — Wenn der Wind nicht zu ſtark wehet, ſteht die Mantelmeve, den Kopf ihm entgegen gerichtet, oft mit ausgeſpannten unbeweglichen Fluͤgeln einige Augenblicke ſtill in der Luft, beſonders wo ſie unten Etwas genauer betrachten will. Sonſt ſchwebt ſie gewoͤhnlich nur wenn ſie ſich in weiten Kreiſen erheben oder aus großer Hoͤhe herablaſſen will, oder wenn ſie aus der Hoͤhe nach einem entferntern Punkte ſich in ſchraͤger Linie allmaͤhlich im— mer tiefer und tiefer ſenkt. Sie iſt unter den Gattungsverwandten die groͤßte, ſtaͤrkſte und muthigſte Art, ziemlich phlegmatiſch, gierig und gefraͤßig, dabei nei= diſch, haͤmiſch und ſtreitſuͤchtig. Alle andern Meven, ſelbſt die Eis⸗ meve, muͤſſen ihr weichen, wenn ſie von ihr angefeindet werden, wie es ſich an guten Futterplaͤtzen oft zutraͤgt, obgleich ſie oft mit mehreren Arten in Geſellſchaft lebt. Im Ganzen iſt ihre Geſellig— keit jedoch nicht ſehr groß und man trifft ſie viel oͤfter einzeln und einſam als andere große Arten. Nur eine reich beſetzte Tafel zieht ſie zuweilen in die Geſellſchaft der andern, die ſie aber, weil ſie oft Zank erhebt und mit Gewalt durchgreift, nicht gern in ihrer Naͤhe ſehen mögen. Die juͤngern, noch nicht zeugungsfähigen Mantel- meven werden von den Alten weder am Bruͤteplatze noch ſonſt in der Naͤhe dieſer gelitten, und ſelbſt die ein-, zwei⸗ und dreijaͤhrigen ſieht man ſelten untereinander gemiſcht, ſondern gewoͤhnlich nach den verſchiedenen Jahrgaͤngen in eigene, aber ſtets nur kleine Geſellſchaf— ten getrennt und an verſchiedenen Orten. Sie iſt ſehr mißtrauiſch und vorſichtig, weicht den Menſchen überall über Schußweite aus, und wenn fie auf ihrem Striche laͤngs dem Strande einen begegnet, fo biegt fie ſtets ſeeeinwaͤrts von ihm > — | > — „ XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 453 ab, weit genug, um mit einem Schuſſe nicht erreicht zu werden. Sie gehoͤrt zu den Scheueſten ihrer Gattung und verliert auch an gu— ten Futterplaͤtzen, wo andere aus Freßgier ihre Sicherheit ſo oft vernachlaͤſſigen, die Beſinnung nicht. Dem Stoͤrer am Niſtplatze begegnet ſie dagegen mit vieler Tollkuͤhnheit, mehr noch als die ihr ſonſt im Betragen fo ſehr ähnliche Eismeve. Auch ihre Stimme iſt der dieſer aͤhnlich, aber tiefer, wie denn überhaupt dieſe beiden, nebſt Larus fuscus und L. argentatus, eins ander darin ſehr aͤhneln, ſich nur in der Hoͤhe und Tiefe, aber we— niger in der Modulirung der Töne unterſcheiden. Ein tiefes, heiſe— res Ag ag, oder Ag ag ag ift ihre gewöhnliche Stimme beim Neſte, beim Erblicken etwas Fremdartigen, ſeltner im Schreck, und ihr Hauptruf ein nicht angenehm klingendes Kjauvihs! Nur an den Niſtorten und in Geſellſchaft anderer Arten hoͤrt man ſie oͤfter ſchreien, aber eine Vereinzelte wird ſehr ſelten laut. Die unerwach— ſenen Jungen ſchreien auf aͤhnliche Art wie die anderer großen Mes venarten. Gleich dieſen iſt ſie ein ſehr harter Vogel und ſtirbt nicht leicht an einer Fluͤgelwunde. Wenn man dieſe zu heilen ſucht, laͤßt ſich eine ſolche Meve eingeſperrt noch Jahre lang beim Leben erhalten, beſonders wenn man nicht verabſaͤumt, neben guter Fuͤtterung, auch beſonders fuͤr Reinlichhalten ihres Aufenthaltsortes Sorge traͤgt. e Die Mantelmeve ift ein ſehr gefräßiges, zum Theil raͤuberiſches Geſchoͤpf. Sie naͤhrt ſich von lebenden und todten Fiſchen, von allerlei Aas, ſowol von ſchwimmendem als am Strande liegendem und von Waſſer⸗ wie von Landthieren, von kleinen Cruſtaceen, Con— chylien und nackten Wuͤrmern, von aufgefundenen todten oder kran— ken Voͤgeln, wie von jungen und Vogeleiern. Im Fiſchfangen iſt fie nicht beſonders geſchickt, zu langſam und etwas ſchwerfaͤllig; ſie faͤhrt zwar mit Kraft auf die hochgehenden herab und mit Schnabel, Kopf und Hals durch das Waſſer, ſtoͤßt aber oft fehl oder der Fiſch entkommt ihr, weil er zu groß war; denn ſie ſtoͤßt nicht allein auf kleine, ſondern oft auch auf ſolche, die ſie nicht uͤberwältigen kann. Wo die kriebelnde Bewegung des Waſſers viele hochgehende Fiſche anzeigt, koͤmmt ſie, gleich andern, bald herbei um hier zu fiſchen, oder wenn fie dies ſelbſt nicht ver: 454 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. mag, den Schwaͤchern aber Geſchicktern die Beute zu entreißen. Uiber geſtrandete Fiſche oder ſolche, welche bei dem Eintritt der Ebbe zuruͤckbleiben, faͤllt ſie gierig her, verſchlingt ſie, oder verſetzt ihnen, wenn fie dazu zu groß find, fo kraͤftige Hiebe mit ihrem ſcharfſchnei⸗ digen Hiakenſchnabel, daß fie in verſchlingbare Stuͤcke zerreißen. Die dichten, ſehr hochgehenden Heringszuͤge gewaͤhren ihr einen leichten und ergiebigen Fang, und ſie folgt ihnen viele Meilen weit. Wo Fiſche in ſeichtem Waſſer ihren Laich abſetzen iſt ſie ebenfalls ſehr thaͤtig. Bei Island faͤngt ſie haͤufig den Lump (Cyclopterus Lumpus). Todte Fiſche und ſelbſt ſchon in Verweſung uͤbergehende ſind ihr faſt eben ſo lieb und kein ſolcher iſt ihr zu groß, weil ſie mit Leichtigkeit Stuͤcken davon herausbeißen und das Fleiſch von Knochen und Graͤten abklauben kann. Hat ſie Magen und Schlund recht tuͤchtig vollgepfropft, ſo ſucht ſie nicht fern davon ein ſtilles Plaͤtzchen und wartet hier in traͤger Ruhe die Verdauung ab, bis fie wieder von Neuem Eßluſt bekoͤmmt, die eben nicht lange aus: bleibt; denn dieſer Vielfraß verdauet auch ſehr ſchnell. Die großen Meven, namentlich dieſe Art, ſtellen in dieſer wie in mancher andern Hinſicht, unter den Waſſervoͤgeln das vor, was die Geier unter den Landvoͤgeln ſind. Auch auf den Aeſern von Walfiſchen, Robben und andern gro— ßen Seethieren, ſchwimmend oder geſtrandet, verſammelt ſie ſich in Geſellſchaft anderer Arten in großen Haufen, um mit ihnen die allen willkommene Beute zu theilen. Eben ſo wenig verſchmaͤhet ſie die am oder im Meer liegenden Aeſer von Landthieren und die kleinern, wie Maͤuſe oder Ratten verſchlingt ſie mit Haut und Haar, kleine Voͤgel ſammt allen Federn. Am Strande, beſonders bei der Ebbe, ſucht ſie noch mancher— lei andere Seegeſchoͤpfe, kleine krebsartige oder Kruſtenthiere, Weich— thiere und Wuͤrmer, auch Schnecken und Muſcheln, von denen ſie die kleinſten mit den Schalen verſchluckt, aus großen aber, wie aus Venus islandica, Pecten islandicus u. a., bloß die Thiere aus den Gehaͤuſen hackt. Da die großen Meven keineswegs Koſtveraͤchter find, zu ihrem Unterhalt auch Viel bedürfen, aber nicht immer fo voluminoͤſe Dinge auffinden, um ſich mit leichter Muͤhe in kurzer Zeit ſatt freſſen zu koͤnnen, fie dagegen viel öfter recht lange ſuchen muͤſſen, ehe ſich ihnen Etwas darbietet und, wie man am Aufneh— men und ſchnellen Verſchlucken deſſelben aus der Ferne ſehen kann, oft mit ganz kleinen Dingen fuͤrlieb nehmen muͤſſen, ſo iſt ſehr XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 455 wahrſcheinlich, daß ſie Meduſen, Quallen und manche andere aͤhn— liche im Meerwaſſer lebende Geſchoͤpfe auch nicht verſchmaͤhen. In der Fortpflanzungszeit und vom Niſtorte aus wird fie al— len in einem Umkreiſe von einigen Meilen niſtenden Seevoͤgeln eine gefuͤrchtete Raͤuberinn. Wenn ſie nicht ſtark und muthig genug ſind, ſich ihr widerſetzen zu koͤnnen, was nur wenige vermoͤgen, ſo holt fie ihnen die Eier oder ſpaͤter die Jungen, oft wenn dieſe ſchon eis nige Tage alt ſind, fuͤr ſich oder ihre Jungen hinweg. Die Eier, beſonders die der Alken und Lummen, packt fie mit dem Schna: bel, trägt fie fo zu ihrem Neſte und fäuft fie da aus. Alle ſchne— pfenartigen Voͤgel, Meerſchwalben, Sturmvoͤgel haben, nebſt jenen und allen ſchwaͤchern Mevenarten, ſehr oft dies Schickſal, wo Man— telmeven in ihrer Naͤhe bruͤten. Die Eismeve, ihr auch hierin ähnlich, weiß fie zu zwingen, ihr die ebengemachte Beute zu über: laſſen, wenn ſie dieſelbe uͤber einen ſolchen Raub ertappt, ſo wie dieſe auch bei andern Gelegenheiten, wenn beide beim Freſſen in Streit gerathen, gegen die Mantelmeve ſtets den Kuͤrzern zieht, ob— gleich ſie faſt dieſelbe Groͤße und Staͤrke beſitzt. Die meiſten Graͤten, kleinen Muſchelſchalen und einzelnen Stud: chen von Krebsſchalen verdauet ſie nicht; ſie ballen ſich, nachdem die Verdauung des Fleiſches vollendet, im Magen zuſammen, doch nicht ſo feſt wie etwa bei Raubvoͤgeln, und werden durch den Schnabel ausgeworfen. Wo große Meven einige Zeit ſitzend und gehend ver— weilten, findet man überall dieſe Zeichen, die ſich von dem kalkwei— ßen meiſt duͤnnfluͤſſigen, doch auch etwas broͤcklichen Unrath ſehr unterſcheiden. Bei andern großen Arten findet ſich das Naͤmliche. Die eingeſperrt gehaltene Mantelmeve muß mit Fiſchen und Fleiſchabgaͤngen gefuͤttert werden, und kann bei guter Abwartung mehrere Jahre aushalten. F o bit pf bahn z ung. In der Naͤhe der deutſchen Oſt- und Nordſeekuͤſte niſtet die Mantelmeve nicht, wol aber an einigen der noͤrdlichſten von Daͤne— mark, an mehrern von Schweden, Finn- und Livland, am haͤufigſten aber an der von Norwegen und deren vielen In— ſeln bis zu den Loffoden hinauf, auf Island, Faͤro, den Shetlands und andern der nördlichen Kuͤſte von Schott: und Ireland. - 456 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. Gewoͤhnlich ſchließt ſie ſich den Niſtorten andrer Mevenarten oder auch der Alken, Lummen und anderer Seevoͤgel an und nimmt in den ſogenannten Vogelbergen den oberſten Platz ein. Ihre Niſtplaͤtze befinden ſich an ſolchen Orten dicht neben denen an- derer Arten, aber die einzeln Neſter immer auf einem beſondern Plaͤtzchen, nicht zwiſchen die jener gemiſcht. Uiberall thront ſie uͤber den andern, auf der meiſtens mit Gras bewachſenen oberſten Flaͤche der Felſen und oftmals nahe an deren Abſturze, auf kleinern Klip— pen auf deren abgeplatteten Gipfel. Auf groͤßern und ſehr hohen Felſeninſeln liegen ihre Bruͤteplaͤtze auch oft entfernter vom Meer, auf der großen grünen Fläche, dem ſogenannten Field, an moori: gen, quelligen Stellen oder Suͤßwaſſerteichen und auf den kleinen Inſelchen dieſer. Gewoͤhnlich ſind an einem Niſtorte mehrere, oft viele Paͤaͤrchen vereint; doch nirgends giebt es ſolche Schaaren wie von Larus fuscus und L. argentatus beiſammen. Zuweilen findet ſich auch ein einſam niſtendes Paar, oder auch nur zwei bis drei beiſammen, aber ſolche doch nur an von andern Voͤgeln belebten Orten und in der Naͤhe deren Niſtplaͤtze. An ihren noͤrdlichſten Bruͤteplaͤtzen wohnt ſie oft neben der Eismeve. Ihr großes Neſt iſt dem dieſer aͤhnlich, hoch und weit, aus duͤrren Stengeln, Tang, Meergras und Loͤffelkraut, mit Erde ver— mengt, nachlaͤſſig gebauet, im Innern mit trocknen Grasſtoͤckchen ausgelegt, und ſie bauet es, wenn auch wenig mehr vom alten vor— handen iſt, im naͤchſten Jahr gern wieder an dieſelbe Stelle. In der letzten Hälfte des Mai fängt fie an zu legen und ge: gen Ende dieſes Monats findet man in ihrem Neſte gewoͤhnlich 3, ſeltner nur 2 Eier; man ſagt auch 4, was mir jedoch nicht recht wahrſcheinlich vorkoͤmmt, weil bei allen andern großen Mevenarten die Zahl 3 die hoͤchſte iſt. Dieſe Eier ſind denen der Eismeve an Groͤße, Geſtalt, Farbe und allen uͤbrigen Beſchaffenheiten ſo aͤhnlich, daß ſie fern von den Niſtplaͤtzen nicht zu unterſcheiden ſind. Ich habe beide Arten von Faber ſelbſt und in mehrern Erempla: ren erhalten, um dies behaupten zu koͤnnen. Vielleicht unterſcheiden ſie ſich im friſchen Zuſtande, unausgeblaſen, etwas mehr, und auf ſolche mag ſich wol Thienemann's Behauptung (f. deſſen Eier: werk, V. S. 16 — 17.) beziehen, wenn er ſagt, daß ſich die von L. marinus durch eine mehr gruͤnliche Grundfarbe von den mehr braungelblichen des L. glaucus unterſcheiden ließen. — In der Groͤße gleichen ſie den kleinern Eiern zahmer Gaͤnſe, oder uͤbertreffen darin XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 457 doch die der Silbermeve, denen fie übrigens in Farbe und Zeich⸗ nung ſehr aͤhneln, aber gewoͤhnlich eine kuͤrzere, bauchichtere Geſtalt haben. Sie find 3 Zoll bis 3 Zoll 1½ Linien lang, und 2 Zoll 2 bis 3½ Linien breit; aber es giebt auch merklich kleinere, nament— lich unter denen, welche die Weibchen, weil man ihnen die erſten Gelege genommen hatte, nachlegen mußten. Ihre Geſtalt iſt eine kurzeifoͤrmige, etwas bauchichte, ihre ſtarke Schale von grobem Korn, daher auſſen etwas rauh und ohne Glanz. Sie variiren ſehr und ihre Grundfarbe wechſelt vom Graugruͤnlichen, durch ſchwaches Oli— vengruͤn, bis zum blaſſen ſchmutzigen Braungelblichen mit wenig gruͤnlichem Schein. Eben ſo verſchieden iſt die Zeichnung, in der Menge oder Groͤße der groͤßern Flecke, Tuͤpfel und Punkte, die in der Schale bei dunkelgrundigen braungrau, bei hellgrundigen aſch— grau, auf der Schale dunkelolivenbraun oder ſchwarzbraun ſind. Die dunkeln Zeichnungen ſind nie ſo ſehr gehaͤuft, daß ſie nicht ſtets ſehr viel vom reinen Grunde zwiſchen ſich ſehen ließen, mei— ſtens uͤber die ganze Flaͤche zerſtreuet, ſeltner am ſtumpfen Ende haͤufiger als ſonſt. Auch an dieſen Eiern verliert ſich in Samm— lungen nach und nach das Gruͤnliche und wird viel mehr Oliven— braun, dunkler als ſie fruͤher waren. Beide Gatten haben einen großen Bruͤtefleck mitten auf dem Bauche, bruͤten abwechſelnd 4 Wochen lang und fuͤttern gemein— ſchaftlich ihre Jungen mit Vogeleiern, jungen Voͤgeln, Fiſchen und andern Geſchoͤpfen des Meeres. Dieſe ſind gegen Ende des Juni noch im Dunenkleide, aber faſt halb erwachſen, und erſt in der er— ſten Haͤlfte des Auguſt fluͤgge. Wo ſie Ruhe haben ſitzen ſie im Neſte bis ſie Federn bekommen, wenn ſie es aber verlaſſen, ſo ver— kriechen ſie ſich, bei Gefahren, hinter Huͤgelchen, Steinen und dergl. bleiben jedoch, bis ſie fliegen lernen, in den naͤchſten Umgebungen des Neſtes. Die Alten lieben ihre Brut auſſerordentlich, kommen gleich herbei, ſobald ſich ein Menſch dem Neſte oder den Jungen naͤhert, umflattern ihn ſchreiend und ſtoßen nach ihm, ſind aber doch nicht verwegen genug ihn zu beruͤhren, was ſie aber einem Hunde thun, den ſie nicht ſelten mit Schnabelſtoͤßen in die Flucht jagen. Die Mantelmeve iſt demnach im Vertrauen ihrer Staͤrke, nicht nur eine der raubgierigſten, ſondern auch der beherzteſten, oder uͤbertrifft vielmehr hierin alle andere europaͤiſche Arten. S „ Rue. Wahrſcheinlich dient fie oder ihre Jungen dem Seeadler zu- 458 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel:M eve, weilen zur Beute, da fie bei feinem Erſcheinen eine eben fo große Furcht verräth als andere große Arten. Selten wagt ſich die große Raubmeve an ſie, um ſie zu zwingen, den eben verſchlungenen Raub wieder auszuwuͤrgen, damit ſie ihn auffangen koͤnne. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten und im Innern Eingeweidewuͤrmer, von den naͤmlichen Gattungen und Arten wie bei andern großen Meven. Inratgend Weil ſie eine der ſcheueſten Meven iſt, ſo muͤſſen, um ſie zum Schuß zu bringen, alle jene Vorſichtsmaaßregeln dabei genommen werden, welche bei andern großen Arten, in den vorhergehenden Be— ſchreibungen, empfohlen wurden. Aus einem Hinterhalt, welcher an einem flachen Strande freilich ſelten iſt, wo man ſich daher platt auf die Erde niederlegen muß, iſt fie am ſicherſten zu erlauern. Ein Fall iſt mir indeſſen doch vorgekommen, daß eine, bis an die Ferſe im ſeichten Waſſer ſtehend, ganz auf dem Freien, zu einem gewag— ten Schuß aushielt, welcher auch gelang. Sie hat ein zaͤhes Leben, verlangt einen tuͤchtigen Schuß von grobem Hagel, weil ihr Gefie— der viel abhält. Die Angeſchoſſene entflieht immer ſeeeinwaͤrts und geht dann gewoͤhnlich dem Schuͤtzen verloren. Die flügelahm Ge: ſchoſſene beißt wuͤthend um ſich und man hat alle Urſache ſich vor ihren kraͤftigen Schnabelhieben, die gewoͤhnlich ein Stuͤckchen Fleiſch mitnehmen oder doch blutende Wunden machen, in Acht zu nehmen. An den Bruͤteorten iſt ſie leicht zu ſchießen, und in deren Naͤhe, oder wo ſie ſonſt haͤufig hinkoͤmmt, auch zu fangen, wenn man ei— nen Angelhaken, mit einem Fiſchchen oder Stuͤckchen Fleiſch bekoͤdert, an einer Schnur befeſtigt, ſo, daß der Koͤder ſchwimmt. An Stel— len, wo man dieſe oder andere große Meven oͤfters ſtehen und her— umwandeln ſieht, kann man ſie auch in Laufſchlingen fangen. N etz een. Ihr Fleiſch wird wenig geachtet; aber ihre Eier ſucht man eben ſo gern zum Verſpeiſen auf als die der Silbermeve u. a. Sie taugen zu allem Gebrauch der Kuͤche, haben aber jenen meerſalzigen, dumpfen Beigeſchmack in nicht geringerm Grade wie dieſe. Ihre Federn find ebenſo zu nutzen wie Gaͤnſefedern; fie glei: XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel⸗Meve. 459 chen dieſen an Qualität und beinahe auch an Quantitaͤt; eine ſolche Meve giebt naͤmlich faſt eben ſo viel Federn als eine nicht ganz große Hausgans. In manchen Kuͤſtenlaͤndern, wo es an Gaͤnſen fehlt, beruͤckſichtigt man die Mevenfedern ſehr; man toͤdtet deshalb ſo viel Meven als man nur bekommen kann und treibt hin und wieder mit den gewonnenen Federn ſogar Handel. Die von den großen Arten werden von Manchem noch fuͤr beſſer gehalten als Gaͤnſefedern. Sie reinigen den Strand von Aeſern und beleben die rauhen Gegenden wo ſie bruͤten. See Das Fiſchfangen wird ihnen am Meer felten von Jemand ge: mißgoͤnnt; ſie ſchaden aber mittelbar durch ihre Raͤubereien in den Vogelbergen, die den nordiſchen Voͤlkern einen großen Theil ihres jährlichen Unterhalts gewähren, indem dieſe Meven vielen Vögeln dort ihre Eier oder Jungen rauben; doch iſt auch Dieſes nicht von großem Belang. S eee e e Von den bis jetzt als europaͤiſch bekannten Mevenarten habe ich in dieſem Werk, wie vorliegt, 11 Arten aufgefuͤhrt, aber 3 aus— geſchloſſen, weil es bei dieſen ungewiß war, ob ſie jemals in Deutſch— land im Freien vorkamen, ſelbſt wenn wir dieſen Kreis uͤber ſaͤmmtliche preußiſche Laͤnder, Daͤnemark, die Niederlande, die Schweiz, Illyrien, bis zur Mitte von Ungarn ausdehnen wollten. Eine von dieſen iſt Larus plumbiceps, aus dem mittlern Nordamerika, auch in Spanien und Sicilien vorgekommen. Sie ſteht Larus ridibundus nahe, wie dies auch eine Zweite, Larus (Tema) Sabini, eine von den neuern Nordpolexpeditionen in jenen hohen Breiten entdeckte Art, von welcher zwar ein Exemplar im Jugendkleide auf Helgoland erlegt worden und im Beſitze des Herrn ꝛc. Boie zu Kiel ſein ſoll, woruͤber ich jedoch keine voͤllige Gewißheit erhalten konnte. Die Dritte uns fehlende Meve iſt eine ſehr große, hierin der Mantelmeve aͤhnliche, ſonſt aber, zu den ſchwarzkoͤpfigen gehörige Art, die prächtige Adlermeve Larus ichtyaëtus, vom caspiſchen und ſchwarzen Meer. Ein Jagdliebhaber will zwar dieſen herrlichen Vogel einige Mal auf Helmſand, an der hol: 460 XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve. ſteiniſchen Kuͤſte, angetroffen und ein Mal ſogar geſchoſſen ha: ben; allein auch hieruͤber konnte eine authentiſche Gewißheit nicht erlangt werden; ſie mußte daher, bis auf Weiteres, von der Liſte deutſcher Voͤgel ausgeſchloſſen bleiben. 2 Ich kann nicht unterlaffen, hier noch folgende Bemerkungen einzuſchalten. a Betrachtet man alle Arten der Gattung Larus zugleich oder ge: geneinander uͤber, ſo zeigt ſich durchgaͤngig zuerſt ein blendendes Weiß, als herrſchende Farbe des Gefieders, dann eine andere Faͤr— bung des ſogenannten Mantels; es zeigt ſich ferner, wie bei den verſchiedenen Arten dieſe Mantelfarbe auf die anziehendſte Weiſe vom reinen Weiß (wie bei Larus eburneus) durch alle Abſtufungen oder den zarteſten Uibergaͤngen durch Blaͤulichweiß, ſanftes Aſchblau und Schieferfarbe in voͤlliges Schwarz uͤbergeht, ſo daß die Arten, nach dieſen zarten Abſtufungen, in folgende intereſſante Reihefolge paſſen: Larus eburneus, — minutus, — melanscephalus, — glaucus, — leu- copterus, — ridibundus, — canus, — argentatus, — tridactylus, — Michahellis, — cachinnans, — marinus, — fuscus, — domi- nicanus. Setzt man eine ſolche Muſterung fort, fo findet ſich, daß faſt alle große Arten (aber wenige kleinere) im Sommerkleide am Kopfe und Halſe rein weiß, im Winterkleide braungrau geſtrichelt ſind, und daß die kleinen Arten faſt ohne Ausnahme im Winter— kleide einen weißen, im Sommerkleide einen ſchwarzen Kopf und Oberhals (hinten wie vorn), oder nur eine ſchwarze, braune oder aſchgraue Kappe auf dem Kopfe haben, die an der Kehle tie— fer, hinten aber nicht auf den Nacken herabreicht. Mit tief ſchwarzem Kopf und Oberhals ſtehen dann zuſammen: Larus minutus, — melanocephalus, — cucullatus, — ichtyaetus u. a.; — mit der ſtufenweis aus dem Schwarzen, durch Braun, in Dunkelaſchgrau uͤbergehenden Kappe: Larus albipennis, — ma- culipennis, — ridibundus, — Sabini, — plumbiceps, u. a. in beſter Reihefolge. Betrachten wir ferner die Jugendkleider aller Arten, ſo zertheilt ſich die Gattung nach Farbe und Zeichnung dieſer ebenfalls wieder in verſchiedene Gruppen. Bei allen Jungen der großen Arten (mit weißem Kopf und Hals, denen ſich L. canus anſchließt) iſt naͤmlich der Mantel in der erſten Lebensperiode erdbraun und ſtaubfarbig geſchuppt, Kopf und Hals geſtrichelt; ſo bei L. fuscus, — marinus, — argentatus, — glaucus, — leucopterus, — canus u. a. — Im XIII. Ordn. LXXVIII. Gatt. 298. Mantel: Meve. 461 Jugendkleide derer mit ſchwarzem Kopf und Oberhals hat der Mantel (zwiſchen Weiß) einige große Felder, Kopf und Hinterhals meiſtens ein paar große Flecke von einem eigenthuͤmlichen tiefen Braun; ſo bei L. minutus und den uͤbrigen oben bei dieſer genann— ten. — Bei den im Alter bloß dunkel bekappten Arten hat da— gegen der Mantel ein lichteres und mehr zerfloſſenes Braun zwiſchen lichtem Grau, Kopf und Hinterhals ein paar lichtbraune Flecke, ſo bei L. ridibundus und andern oben mit ihr genannten, deren Ju— gendkleider jedoch noch nicht alle hinlaͤnglich bekannt find. — Sehr abweichend und daher in keiner dieſer Gruppen unterzubringen ſind die Jugendkleider von Larus tridactylus und von L. eburneus. Keine von dieſen natuͤrlichen Gruppirungen, nach Farbe und Zeichnung des Gefieders, haͤlt jedoch in ſo weit Stich, daß ſie zu Gattungscharacteren zu erheben waͤren, weil es nicht an vielfaͤltigen Uibergaͤngen zwiſchen ihnen fehlt, die ſelbſt das Abtheilen der großen Gattung Larus in Familien erſchweren. Die Gattung ſelbſt iſt im Allgemeinen ſo ausgezeichnet als leicht zu erkennen, und wenn auch die Arten in der Lebensweiſe bedeutend abweichen, ſo iſt dies doch nicht ſo leicht im Aeußern einer Art zu erkennen; eine Zerſplit— terung der Gattung in mehrere bleibt daher ganz unnuͤtz. Wollte man indeſſen die zahlreichen Arten, zu einer leichtern Uiberſicht, in Familien gruppiren, bei denen auch die verſchiedene Lebensweiſe nicht unberuͤckſichtigt bliebe, ſo wuͤrden derer vor der Hand folgende 5 ausreichen: J) Große Meven, mit im Sommer weißem, im Winter grauge⸗ ſtricheltem Kopfe und Halſe, und mit in der Jugend braun ge— ſchupptem Mantel (hierher auch L. canus und L. lacrymosus.) 2) Mit ſchwarzem Kopf und Oberhals u. ſ. w. (wozu auch ichtyaetus.) 3) Mit einer dunkeln Kappe auf dem Kopfe u. f. w. 4) Dreizehige Meven (hierher allein L. tridactylus). 5) Ganz weiße Meven (nur L. eburneus allein). —ͤꝗ—ũ—ñ . — — Neun und ſiebzigſte Gattung. Raubmeve. Lestris. Vg. Schnabel: Nicht lang, nicht groß aber ſtark, dick, nur, vorn mehr zuſammengedruͤckt; bis auf zwei Drittheile ſeiner Laͤnge gerade, von oben gegen die Spitze in einem großen ſtarken Haken uͤberge— kruͤmmt, unten mit einem ziemlich vortretenden Eck; mit ſehr ſchar— fen Schneiden und weitem Rachen. Eine etwas harte Wachshaut am Oberſchnabel bedeckt von der Baſis bis uͤber ſeine Mitte die ganze Naſenhoͤhle, aber nicht den Rand der Schneide. Naſenloͤcher: Vorn am Ende der Wachshaut und dem un— tern Rande dieſer, ritzartig, aber vorn erweitert und etwas auf— waͤrts gebogen, durchſichtig. Fuͤße: Nicht groß, weder ſehr hoch, noch ſtark, uͤber der Ferſe etwas nackt; die drei mittellangen Vorderzehen durch volle, in der Mitte ſogar noch etwas vorſtehende Schwimmhaͤute verbunden; die Hinterzeh ſehr kurz, klein oder ſchwaͤchlich, etwas uͤber dem Zehen— ballen eingelenkt. Der Uiberzug der Fuͤße vorn und auf den Zehen grob, uͤbrigens feiner geſchildert, die Schilderraͤndchen aber abſte— hend, deshalb der ganze Uiberzug ſehr rauh anzufuͤhlen. Die Kral— — ET XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve. 463 len nicht groß, aber ſtark gekruͤmmt, ſehr ſpitz und auch an den Raͤndern ſcharf. Fluͤgel: Groß, lang, etwas ſchmal und ſpitzig; mit langen Armknochen und langen vordern Schwingfedern; von den ſtarken Schwingfedern erſter Ordnung die Erſte bedeutend laͤnger als die Zweite und zugleich die Laͤngſte von allen. Schwanz: Aus 12 Federn beſtehend, mittellang, mit abge⸗ rundetem Ende, dabei aber die beiden Mittelfedern laͤnger als alle Uibrigen, zuweilen ſehr lang. Das kleine Gefieder iſt wie bei Meven und Meerſchwal— ben, ſehr dicht, weich, meiſtens mit zerſchliſſenen Raͤndern, daher ſeidenartig anzufuͤhlen, am Unterkoͤrper dick und pelzartig. Die Voͤgel dieſer Gattung ſind von mittler Groͤße und aͤhneln in ihrer Geſtalt den Meven und Meerſchwalben, unterſcheiden ſich jedoch in ſo vielen weſentlichen Dingen, daß ſie eine genugſam abgeſonderte Gattung bilden und es ſehr zu loben war, daß man ſie in neuern Zeiten von der Gattung Larus, welcher ſie ſeit Lin— nee einverleibt waren, wieder trennte, wie ſchon vor jenem geſche— hen war. Sie unterſcheiden ſich von Larus wie von Sterna durch den ganz anders gebildeten Schnabel, durch die anders geſtalteten Fuͤße, durch eine ganz andere allgemeine Faͤrbung des Gefieders und durch eine durchaus andere Lebensweiſe. Nicht wie in jenen beiden Gattungen iſt hier Weiß die herr— ſchende Farbe, es koͤmmt hier ſogar nur in ſehr kleinen Abzeichen rein vor; ſondern ein duͤſteres Braun breitet ſich uͤber das ganze Gefieder der Raubmeven aus, bei den Alten faſt einfoͤrmig, bei den Jungen an manchen Theilen mit hellfarbigen Federkanten, beſon— ders an denen des Mantels, an andern Stellen mit truͤbem Weiß gebaͤndert und gemiſcht. Eine generelle Eigenthuͤmlichkeit der Zeich— nung juͤngerer Voͤgel, von faſt allen Arten, ſind mondfoͤrmige, roſtgelbliche Endkanten an den Federn des dunkelchokolatbraunen Mantels, beſonders an den Schulterfedern, wo ſie, faſt wie bei den Gaͤnſen, Querreihen bilden. Nur die groͤßte Art der Gattung macht, wie in einigen andern Stuͤcken, hiervon eine Ausnahme. Ihr duͤſteres Gewand empfiehlt ſie im Allgemeinen nicht als ſchoͤne 464 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve. Voͤgel; allein fuͤr den Naturfreund haben ſie hinſichtlich ihrer Le⸗ bensart hohes Intereſſe. Alle Arten gleichen ſich in der Farbe der Fuͤße. An den Jun⸗ gen ſind dieſe hell bleiblau, an der Einlenkung der Zehen und dieſe nebſt den Schwimmhaͤuten bis auf ein Drittheil vor weiß, die an- dern zwei Drittheile ſchwarz; das Weiße verliert ſich zuerſt und ſie erſcheinen ſpaͤter mit bleiblauen Laͤufen und ſchwarzen Zehen und Schwimmhaͤuten; im hoͤhern Alter werden ſie ganz ſchwarz. Das Schwarze an den Laͤufen zeigt ſich auf eine ganz eigenthuͤmliche Weiſe zuerſt in einzelnen faſt viereckigen oder laͤnglich viereckigen, nicht ſelten rechtwinkligen Flecken. So wie in der Mevengattung das ſtufenweiſe Uibergehen der Schnabelfaͤrbung in eine ganz andere das vorruͤckende Alter darſtellt, fo hier die der Fuͤße; alle jungen Raub: meven haben im erſten Lebensjahr Weiß an den Zehenwurzeln, — alle alten, mehr oder weniger bald, ganz ſchwarze Fuͤße und Läufe, — während die mit Blau, ohne Weiß (der Uibergang von jenen zu dieſen), eine zwiſchen beiden liegende Lebensperiode an— zeigen. Da ſie auf den Meeren des hohen Nordens leben, ſind ſie erſt in neuern Zeiten beſſer, allein noch lange nicht genug beobachtet. Eine Doppelmauſer haben fie fchwerlich;*) hierdurch unterſcheiden ſie ſich abermals ſehr wichtig von Meven und Meerſchwalben. Dabei ſind aber dennoch die Veraͤnderungen der Farben und Zeich— nungen ihres Gefieders groß; die Jungen ſehen meiſtens ganz an⸗ ders aus als die Alten, und manche Arten moͤgen erſt nach meh— rern Jahren ein beſtaͤndiges Kleid erhalten. So ſind in der Ju— gend auch die beiden mittlern Schwanzfedern kaum etwas laͤnger als die uͤbrigen, ragen aber, wenn das Individuum mehrere Jahr alt geworden, bei vielen, ſehr weit uͤber die andern hinaus, bei manchen ſogar als lange ſchmale Spieße. Darin daß die einzelnen Arten individuell ebenfalls ſehr in der Größe variiren, find fie den oben⸗ genannten Gattungen wieder ſehr aͤhnlich. Sie gehören alle den hoͤhern Polargegenden an, wo ſie meiſtens auf offnem Meere leben, im Sommer die Naͤhe von Inſeln und Kuͤſten ſuchen, um auf ihnen beſonders an ſolchen Orten ihre Fort⸗ 9 Doch iſt in neueſten Zeiten dieſe abermals behauptet worden, aber noch lange nicht genügend weder erwieſen noch beſchrieben. Man ſehe Iſis. 1835. III. S. 254. u. f. Nach unſrer Anſicht enthalten dieſe Angaben manche Widerſprüche. | | 71 N. XIII. Ordn. LAXIX. Gatt, Raubmeve. 465 pflanzungsgeſchaͤfte zu vollziehen, wo im Umkreiſe auch recht viele andere Seevoͤgel niſten. Sie ſind Strichvoͤgel, machen in der Regel nie große Wanderungen, am wenigſten nach Suͤden; nur Einzelne und meiſtens junge Voͤgel verirren ſich zuweilen in mil⸗ 7 dee Gegenden und bis aufs Feſtland des mittlern Europa, be— ſonders nach vorhergegangenen anhaltenden Nord- und Nordweſt— ſtuͤrmen. Auch fuͤr Deutſchland ſind ſie ſeltne Erſcheinungen. In ihrem Betragen zeigen ſie viel Wunderbares. Sie ſtehen und gehen auf der Spur, mit wagerecht getragenem Rumpf und Schwanz, die Spitzen der langen, vorn von den Tragfedern unter— ſtuͤtzten Flügel über dem Schwanzende gekreutzt. Sie gehen ge: ſchickt, die kleinern Arten faſt ſo behende wie Kibitze, zuweilen auch anhaltend; ſchwimmen recht gut und oͤfters; fliegen aber mehr als ſie ſchwimmen, gehen und ſtehen. Ihr leichter und ſehr ge— wandter Flug iſt voll ſo wunderlicher als zahlreicher Abwechslungen und kuͤhnen Schwenkungen, oft in einer Schlangenlinie, aus ſehr großen auf- und abſteigenden Bogen zuſammengeſetzt, zuweilen hü- pfend, ſelten eine Strecke in gerader Linie, bald ſchnell, bald lang— ſam, fortſtreichend noch ſeltner ſchwebend. Sie zeichnen ſich in die— ſem unſtaͤten Fluge vor allen andern europaͤiſchen Voͤgeln ſchon in großer Entfernung aus. — Auſſer der Bruͤtezeit leben ſie unter ſich meiſtens ungeſellig, doch gern wo ſich viele andere Seevoͤgel, nament— lich Meven und Meerſchwalben aufhalten, und ihre Stimmen, x die fie nur bei beſondern Veranlaſſungen hören laſſen, find wenige, meiſt rauhe Toͤne. Ihre Nahrung beſteht meiſtens, doch nicht ausſchließend, in Fiſchen, die fie ſich nicht ſelbſt fangen, ſondern von Meerſchwal— ben, Meven, Gannets, Enten u. a. fangen laſſen, indem ſie dieſe im Fluge verfolgen und ſo lange zwicken, bis ſie die eben gemachte Beute fallen laſſen, oder aus der Speiſeroͤhre aufwuͤrgen und ausſpeien, die ſie hierauf mit großer Schnelligkeit und faſt im⸗ mer unfehlbar in der Luft auffangen, noch ehe ſie im Fallen den Waſſerſpiegel erreicht. Da es dem ungenauen Beobachter leicht ſcheinen kann, als ſei dies der Unrath, den die Geaͤngſtigten von ſich gaͤben und die Verfolger aufſchnappten, ſo nannten dieſe die Holländer Strontjaggers, zu deutſch Kothjaͤger, die Franzoſen Stercoraires. — Sie werden deshalb von allen dieſen Vögeln ge⸗ fuͤrchtet, zumal die großen Arten der Raubmeven die ſchwaͤchern von jenen oft ſo hart mit e ' daß fie todt aus Lor Theil. 30 - 466 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve⸗ der Luft ſtuͤrzen, zu andern Zeiten ihnen auch Eier und Junge rau⸗ ben, und dieſe wie jene ihren Jungen zuſchleppen oder ſelbſt verzeh⸗ ren. Sie ſind daher halbe Raubvoͤgel und die Buſſarde unter den Schwimmvoͤgeln. — Trotz ihres anhaltenden, kraͤftigen und gewandten Fluges, zu ungeſchickt und im Stoßtauchen zu wenig geuͤbt, um einen flüchtigen hochgehenden Fiſch ſelbſt fangen zu koͤnnen, ſcheint es, als wenn ihnen jene Kraft und Gewandtheit nur verliehen ſei, um ihren Nachbarn zu ſchaden. Nur langſame, ab— gemattete, obenſchwimmende oder in wenigem Waſſer befindliche Fiſche, wobei ſie nur wenig eintauchen duͤrfen, fangen ſie zuweilen ſelbſt und hierzu ſind ihnen auch abgeſtorbene oder bloß ſchwim— mende Abgaͤnge von Fiſchen und andern Seethieren gut genug. Auſſerdem ſuchen ſie am Strande und wo Flut und Ebbe wechſeln, gehend, allerlei Seegewuͤrm, kleine Kruſten- und im Nothfall auch kleine Schalenthiere, an andern Orten, auch auf trocknen Feldern, Regenwuͤrmer, Kaͤfer und andere Inſekten und deren Larven auf, wiſſen ſich alſo auch weit vom Meer und ohne ihr Schmarotzerhand— werk zu handhaben, dem Anſchein nach, recht gut zu naͤhren. Nach einer ſehr irrigen Meinung aus fruͤhern Zeiten ſollten ſich die Raubmeven bloß als Schmarotzer, aber ſonſt auf keine andere Weiſe, zu naͤhren verſtehen. Dem iſt jedoch nicht alſo. Man weiß naͤmlich, nach den neueſten und ſicherſten Beobachtungen, jetzt viel beſſer, daß ſie ſo gut wie alle andere Voͤgel und ganz unabhaͤngig von dieſen, ihr Futter ſelbſt und auf ganz gewoͤhnlichem Wege ſu- chen, dies auch niemals aus bloßer Nachlaͤßigkeit oder Bequemlich⸗ ö keit unterlaſſen, daß ſie aber manche Geſchoͤpfe, z. B. Fiſche, — die vielleicht gerade Leckerbiſſen für fie fein mögen, — aus Mangel an Geſchick, in genuͤgender Anzahl, ſelbſt nicht fangen koͤnnen, ſie daher andern, darin gewandtern Voͤgelarten mit Gewalt abzunehmen trach— ten und jede Gelegenheit dazu nutzen, obgleich ſie, wo ſich dieſe bietet, dadurch nicht immer bloß zu Fiſchen gelangen. Ihre haͤmi— ſchen, neidiſchen und ſtreitſuͤchtigen Geſinnungen und ihr Muth un- terſtuͤtzen ſie auf der einen, die Furcht und eine beſondere Geneigt— heit zum Erbrechen bei den Verfolgten auf der andern Seite, in dieſen Kaͤmpfen. Unbegreiflich bleibt jedoch dieſe Furcht und Nach— giebigkeit der Geplagten, meiſtens viel groͤßer und ſtaͤrker als ihre Peiniger, gegen welche dieſe nichts ausrichten wuͤrden, ſobald ſich jene ihren Anmaßungen nur ernſtlich widerſetzen wollten, was man jedoch nur ſelten ſieht. Geſchieht es ja, fo entfaͤllt dem Geaͤngſte⸗ ten doch gewoͤhnlich der Zankapfel waͤhrend des Kampfes und der NN 1 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve. 467 Straßenraͤuber erreicht demnach feine. Abſicht, weil alle ſolche An⸗ griffe im Fluge Statt finden und dieſer im Auffangen aus der Hoͤhe herabfallender Gegenſtaͤnde die bewundernswuͤrdigſte Fertigkeit beſitzt. Dieſe merkwuͤrdigen Voͤgel pflanzen ſich wol auch in einzelne Paare abgeſondert fort, doch gewoͤhnlicher in mehrere, oft bis zu hun— dert Paͤaͤrchen vereint. Obgleich aͤchte Seevoͤgel, ſuchen ſie ihre Bruͤteplaͤtze doch nicht unmittelbar am Meer und nicht auf Felſen, ſondern oft ziemlich entfernt von dieſen, auf groͤßern Inſeln und an den ſuͤßen Gewaͤſſern dieſer, auf ebenen, gruͤnen oder ſandigen Flaͤ— chen. Die Eier legen ſie hier, ohne allen Neſtbau, in eine kleine Vertiefung des Sandes oder ins Gras, worin fie durch Niederdrüf: ken der Halme und Drehen ihres Körpers eine Stelle für fie berei- ten. Erſt nach dem zweiten Jahr werden ſie zeugungsfaͤhig und die juͤngern Voͤgel halten ſich, waͤhrend die Alten bruͤten, in andern Ge— genden in beſondere Geſellſchaften vereint oder vereinzelt auf, ſuchen aber in dieſer Zeit auch haͤufig das Land. — Sie legen jedes Mal nur 2 Eier, die den Meveneiern aͤhneln, aber kuͤrzer und bauchich— ter von Geſtalt ſind, eine feinkoͤrnigere, glattere Schale und auf einem blaß olivengruͤnen Grunde, graue und ſchwarzbraune Flecke haben, aber in Farbe und Zeichnung ſehr variiren. Beide Gatten haben zwei Bruͤteflecke am Bauche nebeneinander, bruͤten abwech— ſelnd die Eier aus und erziehen ſo auch die Jungen, denen ſie das Futter anfaͤnglich aus der Speiſeroͤhre in den Schnabel wuͤrgen, wie Tauben, ſpaͤter vorſpeien und ſie mit dem was ſie andern Voͤgeln abjagten, mit Würmern, mit Vogeleiern und jungen Bo: geln auffuͤttern. Die Jungen ſind anfaͤnglich mit einfarbigen braungrauen Dunen bekleidet. Sie vertheidigen ſie heftiger als irgend ein Vogel die ſeinen, auch gegen den Menſchen, den ſie hierbei oft ſogar auf den Kopf ſtoßen. Die flugbaren Jungen halten ſich Anfangs mehr auf und am Lande auf, und wagen ſich erſt ſpaͤter aufs offne Meer. Sie ſind nicht ſehr ſcheu, zumal junge Voͤgel, daher meiſtens nicht ſchwer zu ſchießen, laſſen ſich durch das nachgeahmte Geſchrei geaͤngſteter Voͤgel herbeilocken, gehen auch leicht an für fie aufge: ſtellte Angelhaken. Ihre Eier ißt man gern. 5 30 468 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve. Ueber den anatomiſchen Bau dier Gatte unn g e e von Rudolph Wagner. „Nach der Unterſuchung von Lestris cataractes zeigt das Skelet der Raubmeven viele Aehnlichkeit mit dem von Larus.“ „Der Schaͤdel iſt breiter und kraͤftiger, die Schlaͤfefortſaͤtze ſind ſtaͤrker als bei Larus. Die Naſendruͤſengruben oben auf dem Schaͤdel ſind kuͤrzer, gehen nicht ſo weit nach hinten, ſind aber viel tiefer und breiter als bei Larus; ſie gehen nicht bis an den Orbitalrand, ſtoßen aber in der Mittellinie zuſammen, wodurch die Stirngegend viel breiter wird; fuͤr den Ausfuͤhrungsgang der Na⸗ ſendruͤſe iſt vorne in jeder Grube ein großes Loch; hinten findet ſich, wie bei Larus, ein kleines Loch fuͤr die Gefaͤße der Druͤſe.“ „Alle uͤbrigen Verhaͤltniſſe des Skelets ſind wie bei den Me— ven und Meerſchwalben: 13 Hals-, 8 Ruͤckenwirbel. Das Bruſtbein iſt in der Mitte und hinten etwas ſchmaler, als bei Larus; es findet ſich jederſeits nur ein Abdominalfortſatz und eine, etwas tiefere Bucht, welche ungefaͤhr den fuͤnften Theil der Laͤnge des Bruſtbeins ausmacht.“ „Das Oberarmbein iſt faſt ſo lang als die Vorderarmkno— chen, und hat einen ſtarken, hakenfoͤrmig umgebogenen Hoͤcker; das Schulterblatt iſt etwas mehr ſaͤbelfoͤrmig gebogen, als bei Larus.“ „Die Zunge iſt ſchmal, vorne lanzettfoͤrmig. Der Schlund iſt mittelmaͤßig weit und faltig; der davon aͤußerlich nicht abgeſetzte Druͤſenmagen bildet, wie bei Larus, nur einen etwa einen hal— ben Zoll breiten Streif; die Drüfenbälge find ſehr klein und ein: fach. Der Muskelmagen iſt wie bei Larus, faſt noch weniger fleiſchig, aber mit derberem, ſehr harten Epithelium uͤberzogen. Es findet ſich keine Spur eines dritten Magens.“ „Der Duͤnndarm iſt wie bei den Meven, aber die Blind— daͤrme find beträchtlich mehr entwickelt und gegen zwei Zoll lang.“ „Von der Leber iſt der rechte Lappen nur unbedeutend groͤßer als der linke. Ein Divertikel fand ich nicht.“ — — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. Raubmeve. 469 „Das Herz iſt ſehr laͤnglich und drehrund.“ „Die Nieren beſtehen jederſeits aus drei Hauptlappen und ſind unverſchwolzen. Der unterſte Lappen iſt etwas groͤßer, als der oberſte, der mittlere der kleinſte.“ i „Am oberen Kehlkopf findet ſich keine Spur einer Epiglot⸗ tis; hinter der Stimmritze zeigen ſich einige wenige kleine und ſpitze, weiche Warzen. Die Luftroͤhre beſteht aus duͤnnen und weichen Ringen. Der untere Kehlkopf hat ein einfaches ſchwaches Mus⸗ kelpaar und verhaͤlt ſich ſonſt wie bei Larus.“ „Der Sklerotikalring beſteht aus 15 Knochenſchuppen, von denen zwei, der obere und untere bedeckend, die uͤbrigen bedeckt ſind.“ „Der Faͤcher hat 12 Falten.“ „So nach der Unterſuchung des inneren Baues bei Lestris pomarina.“ Alle bis jetzt entdeckte Arten dieſer ſehr abgeſonderten Gattung wohnen in Europa. Es ſind ihrer nicht viele, und die, welche auf den nordeuropaͤiſchen Meeren vorkommen, verirren ſich alle auch zuweilen nach Deutſchland. Wir beſchreiben daher folgende Vier Arten. 299, Die große Raubmeve. Lestris eataractes. Temm, Taf. 270. Männchen im Sommer, im mittlern Alter. Die Skua; Skua-Raubmeve; Skua-Meve; größte Raub: meve. Port-Egmonts-Henne. Lestris catarractes. (Stercoraire cataracte) Temm. Man. d’Orn. 2de Edit. I. p. 792. — Larus cutarrhactes. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 603. n. 11. — Lath. Ind. II. p. 818. n. 12, —= Larus fuscus. Briss. Av. VI. p. 165. n. 4. — Ca- tharacta Scud. Brünnich. Orn, bor. p. 33. n. 125. —= Retz. Faun. sue, p. 161. n. 123. — Le Go@land brun. Buff, Ois. VIII. p. 408. — Edit, de Deuxp. XVI. p. 155. = Scua Gull. Lath. Syn. VI. p. 385. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 338. n. 14. = Penn. Brit. Zool. p. 140. t. L. 6. — Arct. Zool. II. p. 531. n. 460. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 493. n. A. - Bewick, brit. Birds. II. p. 233. — Faber, Prodrom. d. isländ. Ornith. S. 102. — Meyer, Zuſätze 3. Taſchenb. (III.) S. 207. — Brehm, Lehrb., II. S. 739. — Deſſen Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 715 — 716. — Gloger, Schleſ. Faun. S. 53. n. 239. Hornſchuch u. Schilling, pommerſche Vög. S. 18, n. 242. = (V. Homeyer, Verz. d. V. Pommerns, S. 69. enn z eiiie Are An der Wurzel der großen Schwingfedern des in Ruhe liegen— den Fluͤgels ein großer viereckiger weißer Fleck; die beiden mittlern Schwanzfedern kaum laͤnger als die uͤbrigen. Groͤßer als ein Kolkrabe, Bech ee ung. Die große Raubmeve iſt mit einem andern Schwimmvogel kaum zu verwechſeln, ſobald man nur die Gattungscharaktere ins XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 471 Auge gefaßt hat, die deutlich genug ausgepraͤgt ſind. Von den andern Arten ihrer eigenen Gattung unterſcheidet ſie auf den erſten Blick die Groͤße, worin ſie alle weit uͤbertrifft, und eine kuͤrzere, ge— drungnere Geſtalt, worin ſie den großen Arten von Larus aͤhnelt. Zwar iſt auch bei ihr ein duͤſteres Braun uͤber das ſaͤmmtliche Ge— fieder ausgebreitet, aber auf eigenthuͤmliche Weiſe mit heller gefaͤrb— ten Schaftflecken beſetzt, dergleichen an keinem der kleinern Arten vorkommen. Dieſes eigenthuͤmliche Geflecktſein iſt im Jugendkleide undeutlicher als im ausgefaͤrbten. Es koͤnnte, wenn es noͤthig 8 ſchien, dazu dienen, dieſe Art von den folgenden dreien in ſo weit zu trennen, daß die Gattung in zwei Familien zerfiele, wo dann freilich in der erſten die große Raubmeve nur allein ſtaͤnde, die zweite aber die uͤbrigen umfaßte. Ein großer mevenartiger Vogel, von robuſtem Ausſehen und in der Groͤße den ſtaͤrkſten Kolkraben oft uͤbertreffend, oder hierin der Silbermeve gleichend, betraͤgt die Laͤnge der großen Raub— meve, von der Stirn bis zum Schwanzende, 22 bis 24 Zoll; die Flugbreite 56 bis 60½ Zoll; die Laͤnge des Flügels, vom Hand: gelenk bis zur Spitze, 17 ¼ bis 19¼ Zoll; die des Schwanzes 6 bis 6½ Zoll, ſelten bis 7 Zoll. Die Groͤße variirt in der Laͤnge zwiſchen erwachſenen Jungen und Alten nur um einige Zoll; zwiſchen Maͤnnchen und Weib: chen iſt fie oft O, dagegen giebt es unter Individuen von einerlei Alter und Geſchlecht oft bedeutende Verſchiedenheiten in den Maaßen. Das Gefieder iſt dicht und weich, im Ganzen von etwas groͤ— berer Textur und derber als Mevengefieder, auch an mehrern Par: tieen nicht ſo weitſtrahlig, deshalb auf Ruͤcken, Schultern und Ober— fluͤgel mit deutlichen Conturen; die Schwingfedern groß, breit, die erſte Ordnung ſtark, lang, gegen das Ende ſchmaͤler und dieſes zu— gerundet ſpitz, ihre Schaͤfte ſtark und hart. Die großen Fluͤgel rei— chen mit ihren Spitzen bis an das Ende des Schwanzes oder etwas, doch ſelten mehr als 2 Zoll daruͤber hinaus. Der Schwanz beſteht aus 12 ſtarken, gleichbreiten, flach abgerundeten Federn, welche von gleicher Laͤnge, bis auf das ½ Zoll kuͤrzere aͤußerſte Paar und das bei Alten ½ bis 1½¼ Zoll laͤngere mittelſte Paar. Länger über die andern vorſtehend habe ich die Letztern bei keinem Exemplar ge— funden, wol aber hatte nach Graba eins, doch unter 40 Erlegten nur eins, ſie laͤnger, naͤmlich 1 Zoll 8½ Linien Pariſ. M. uͤber die andern vorſtehend. Sie ſind bei manchen Alten oft ſo abge— ſtoßen, daß ſie nur gleiche Laͤnge mit den uͤbrigen halten. Bei 472 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. Jungen, bis über 1 Jahr alten, find fie ebenfalls nicht länger | als die naͤchſten Paare. Der eben nicht lange, aber bedeutend ſtarke Schnabel ift von der Wurzel bis uͤber ſeine Mitte hinaus gerade, dick, faſt walzen⸗ foͤrmig, die Firſte breit abgerundet; ſein vorderſtes Drittheil bildet oben einen großen, meiſtens etwas aufgeſchwungenen, ſehr krum⸗ men Haken, deſſen Spitze ein paar Linien uͤber die untere hinweg⸗ ragt; unten, am Ende der breiten Kielſpalte ein ziemlich ſtarkes Eck, von wo die Kiellinie ſchraͤg in die Spitze aufſteigt. Der obere Haken ſieht wie ein beſonders angeſetztes Stuͤck aus, doch nicht ſo arg als bei den Sturmvoͤgeln, und beide Schnabeltheile ſind ſpitzewaͤrts etwas zuſammengedruͤckt. Von der Stirn bis zum An⸗ fange des Hakens, hier auf der Firſte rund ausgeſchnitten, an den Seiten den Rand des Oberſchnabels freilaſſend, erſtreckt ſich eine Art von Wachshaut, die aber nicht viel weicher als die übrige Ober- flaͤche des Schnabels, mit Ausnahme ſeines hornartig haͤrtern letzten Drittheils, iſt, in dieſer Hinſicht wenigſtens mit der eines Raubvo—⸗ gels nicht verglichen werden kann. Die Mundkanten ſind gerade, nur vorn, der Hakenkruͤmmung entſprechend, etwas herabgebogen, hinterwaͤrts ſtark eingezogen, ſehr ſcharf; der Mund tief geſpalten und ſehr weit. Die lange Naſenhoͤhle iſt laͤngs dem untern Rande der Wachs— haut durch eine ſchwache Vertiefung angedeutet; unten und am vor- dern Ende derſelben, an der abgerundeten Ecke der Wachshaut oͤff— net ſich jederſeits das ritzfoͤrmige, vorn erweiterte und durchſichtige Naſenloch. Der Schnabel iſt von der Stirn bis zur Spitze, in gerader Linie, 1 Zoll 11 Linien bis 2 Zoll 2 Linien lang, über dem Bo: gen gemeſſen einige Linien laͤnger, vom Mundwinkel gerade bis zur Spitze faſt 3 Zoll oder noch etwas daruͤber lang; an der Wurzel 9 bis 10 Linien hoch und 8 bis 10 Linien breit; wobei die kleinern Maaße ausgewachſenen jungen Voͤgeln zukommen. Seine Farbe iſt von der Wurzel bis zum Haken und dem untern Eck gegenuͤber, nebſt der Wachshaut im erſten Jahre dunkel bleiblau, ſpaͤter blaugruͤnlichſchwarz, das Uibrige ſtets ganz ſchwarz, bei Erſteren an der Spitze horngrau. Der innere Schnabel und Rachen roͤthlich— weiß, mit blaͤulicher Miſchung. Im ausgetrockneten Zuſtande wird die äußere Schnabelfarbe hornſchwarz, an der Wurzel und Wachs⸗ haut hornbraͤunlich. XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 473 Das weißlich befiederte Augenlid hat ein ſehr ſchmales nacktes, in der Jugend roͤthlichgraues, ſpaͤter grauſchwarzes Raͤndchen. Der Augenſtern iſt fruͤher graubraun, im Alter ſehr tief braun. Die Fuͤße ſehen groͤßer und ſtaͤrker aus, als ſie es bei genauern Vergleichen mit der Koͤrpergroͤße ſind; ſchwaͤchlich ſind ſie jedoch keineswegs zu nennen. Die Schiene iſt uͤber der etwas dicken Ferſe ein Stuͤckchen hinauf nackt; der ſtarke Lauf mittelmaͤßig lang, wenig zuſammengedruͤckt; die mittellangen Vorderzehen mit vollen Schwimm— haͤuten; die ſehr verkuͤmmerte, kurze Hinterzeh wenig über der Spur: ebene eingelenkt. Ihr Uiberzug, vorn herab eine Reihe großer brei— ter, auf den Zehenruͤcken ſchmaͤlerer Schilder, uͤbrigens eckige kleine und ganz kleine Schildchen, ſieht ſehr grob aus und fuͤhlt ſich un— eben oder rauh an, weil die Raͤnder der ſtarken Schilder nicht glatt anſchließen, und die hintere Seite des Laufs (die eigentliche Fuß— ſohle) dadurch faſt gezaͤhnelt erſcheint, bei den Alten mehr als bei den Jungen; die Schwimmhaͤute grob gegittert, unten nebſt den Zehenſohlen feiner genarbt. Die Krallen ſind mittelgroß, ſtark, ſehr gekruͤmmt, unten ausgehoͤhlt, mit ſcharfen Raͤndern, beſonders auf der innern Seite an der Mittelzeh, und ſehr ſpitz; ſie aͤhneln darin, zumal bei alten Voͤgeln, den Krallen der Raubvoͤgel, wozu auch noch koͤmmt, daß die der aͤußern Zeh die kleinſte, die der innern die groͤßte iſt, dieſe auch ihrer faſt halbzirkeligen Kruͤmmung we— gen (beinahe auch in der Groͤße) ganz die eines Buſſards (Buteo) gleicht. Bei juͤngern Voͤgeln haben ſie alles Dieſes in geringerm Maaße, ſo auch die kleinliche Kralle der Hinterzeh, die bei dieſen wenig abwaͤrts gebogen, bei recht alten aber aufwaͤrts gebogen iſt und wie ein kleiner aufwaͤrts gekruͤmmter Sporn ausſieht. Dieſe ſteigernd verſtaͤrkte Bewaffnung der Zehen mit dem Alter iſt ſehr merkwuͤrdig. — Die Nacktheit uͤber der Ferſe mißt 10 Linien bis etwas uͤber 1 Zoll; der Lauf 2 Zoll 10 Linien bis gegen volle 3 Zoll; die Mittelzeh, mit der 7 bis 8 ½ Linien langen Kralle, 2 Zoll 10 Linien bis 3 Zoll 3 Linien; die Hinterzeh ohne Kralle kaum 2 Linien und dieſe etwas mehr, bei Alten zuweilen bis zu 3½ Linien. Die Fuͤße, nebſt Krallen und Schwimmhaͤuten, ſind bei alten Voͤgeln durchaus ſchwarz, die Fugen zwiſchen den groͤßern Schup— pen grauweißlich; jung ſind ſie an den Laͤufen duͤſter bleigrau und in fruͤheſter Jugend an dem untern Fußwurzelgelenk, nebſt dem Anfang der Zehen: und Schwimmhaͤute weiß. An den ausgetrod: 474 Nil. Ordn. LXXIX. Gatt 299. Gr. Raubmeve. neten Beinen ſind dieſe Farben nur als dunkele und hellere Horn— farbe wenig vom Schwarzen verſchieden. Im Dunenkleide ſind jene Fußfarben am lichteſten, der Schnabel ſchwarzgrau und der Augenſtern braungrau. Die ganze Bekleidung des Vogels beſteht dann in dichten, weichen und ziem— lich langen, einfarbig braungrauen Flaum, welcher auf dem Ober— kopfe und Ruͤcken kaum etwas dunkler iſt als an den untern Koͤr— pertheilen. Das nachherige Jugendkleid iſt ſehr einfoͤrmig; der Schna— bel nur vorn mattſchwarz, hinten bis uͤber die Haͤlfte ſeiner Laͤnge bleifarbig, der Augenſtern braun, die ſchwarzen Fuͤße an den Laͤufen bleifarbig. Das Gefieder iſt an den obern Theilen ſchwarzbraun, an den untern dunkelbraun, am matteſten am Bauche; die Federn am Halſe und der Bruſt haben lichtere Schaftſtriche oder ſpitzige Tropfenflecke, kleiner und ſchwaͤcher angedeutet als im nachherigen Kleide, noch ſchwaͤcher an den kleinen und mittlern Fluͤgeldeckfedern; die großen, die hintern Schwingfedern und die groͤßten auf den Schultern bloß mit etwas lichtern verwachſenen Kanten; die großen Schwingfedern braunſchwarz, an der Wurzel ein großes Stuͤck weiß, wodurch auch auf zuſammengelegtem Fluͤgel ein weißer Spiegel ſichtbar bleibt; der Unterfluͤgel graubraun, die Spitze der Primar— federn grauſchwarz, ihre Wurzelhaͤlfte, nebſt allen Schaͤften weiß. Die Schwanzfedern ſind von gleicher Laͤnge, bloß die aͤußerſte ein Wenig kuͤrzer, aber die mittelſten nicht laͤnger, daher das Ende nur wenig abgerundet oder faſt gerade, zumal das der einzelnen Federn, welche alle ziemlich breite Fahnen haben; ſie ſind braunſchwarz, gegen die Wurzel zu graubraun gekantet, die Wurzel ſelbſt etwas weiß; dieſes jedoch durch die Deckfedern nicht ſichtbar; unten iſt der Schwanz nk wurzelwaͤrts mit weißem Schein und weißen Schaͤften. Im zweiten Jahr hat dieſe Art ein deutlicher geflecktes Ge— ſieder. Der Schnabel iſt ſchwarz, wurzelwaͤrts und an der Wachs— haut bloß lichter, blaͤulicher oder auch gruͤnlicher; der Augenſtern dunkelbraun; das Augenlidraͤndchen grauſchwarz; die Fuͤße ſchwarz, an den Laͤufen mehr oder weniger ins Bleifarbige ziehend. Den ganzen Vogel uͤberzieht ein duͤſteres Erdbraun, am lichteſten an der Stirn, der Kehle und auf den Wangen, auch unten gegen den Bauch zu; am dunkelſten auf dem Scheitel, den Seiten des Kro⸗ pfes, den Schultern und dem Ruͤcken; dazu haben die Federn am XIII. Orbn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 475 = Halſe gegen den Nacken zu ſchmale hellochergelbe Schaftſtriche; die am Kropfe, an den Seiten der Bruſt, an den Schultern und dem Oberruͤcken eben ſolche Schaͤfte, in dunkelroſtgelben, wurzelwaͤrts faſt roſtfarbigen Schaftflecken, die am erſtern bald eine tropfenartige, bald eine keilfoͤrmige, an den übrigen aber eine breitlanzettfoͤrmige Ge⸗ ſtalt haben. Bürzel und Oberſchwanzdeckfedern find etwas ſchmaͤ⸗ ler und weniger deutlich, aber auf dieſelbe Weiſe gefleckt, noch blei⸗ cher die untere Schwanzdecke. Die kleinen Fluͤgeldeckfedern haben kleine hellroſtgelbe Schaftſtriche, die an den groͤßern am Ende abge⸗ ſtutzt ſind; die mittlern Deckfedern auch noch roſtgelbliche Seitenkan⸗ ten, dieſe noch ſtaͤrker die großen Ded- und hinterſten Schwing federn, dieſe auch noch einen ſchwaͤrzlichen Anſtrich auf den Auſſenfahnen, doch nicht dicht am Schafte; die Schwingen zweiter Ordnung ſchwarzbraun auf den aͤußern, graubraun auf den innern Fahnen; die Primarſchwingen an der Wurzel bis auf ein Drittheil ihrer Laͤnge rein weiß, uͤbrigens braunſchwarz, auf der Kante der Innen⸗ fahnen fahl, die Schäfte ſchwarz, auſſer im Weißen und die drei vorderſten bis faſt zur Spitze weiß; die Fittig deckfedern braun⸗ ſchwarz. Auf der untern Seite hat der Fluͤgel graubraune Deckfe⸗ dern, grauſchwarze Schwingenſpitzen, das Weiß ihrer obern Seite und ganz weiße Schaͤfte. Der Schwanz iſt dunkel erdbraun, in der Mitte der Federn dunkler, mit etwas verſtecktem Weiß an der Wurzel; auf der untern Seite bloß heller wie oben und gegen die Wurzel weißlich, hier auch mit weißen Schaͤften. Seine Mittelfe⸗ dern find wenig über ½ Zoll langer als die übrigen. Männchen und Weibchen unterſcheiden ſich im Aeußern nicht, aber ein ziemlicher Unterſchied iſt im Aus ſehen des Vogels nach nicht lange vorhergegangener Mauſer im noch friſchen, und ſpaͤter im abgetragenen Gefieder. Im Erſtern iſt die Grundfarbe viel dunkler, die hellen Schaftflecke in ihren Umriſſen weit deutlicher, an manchen Theilen wird auch hin und wieder ein lichter Anſtrich der Federkanten ſeitwaͤrts der Spitzen ſichtbar. Dieſer iſt aber am abgetragenen Gefieder faſt verſchwunden, die verſtoßenen Federkan⸗ ten haben hin und wieder weißliche Saͤumchen bekommen, und weil die braune Grundfarbe bedeutend bleicher geworden iſt, ſind auch die hellen Schaftflecke weniger abſtechend; auch an dem nicht ge⸗ fleckten Gefieder der Wangen und Kehle zeigen ſich weißliche Sei⸗ tenraͤndchen. Dabei find die beiden mittelſten Schwanzfedern fo ſehr verſtoßen, daß ſie uͤber die andern gar nicht vorſtehen. Mehrere Jahr alte Vögel unterſcheiden ſich etwas von den 476 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. juͤngern. Sie zeigen unter der Kehle, an den Schenkeln und am Bauche eine ſtarke Beimiſchung von Roſtfarbe; die ſchwarzgrauen Unterſchwanzdeckfedern haben alle einen roſtfarbigen Fleck vor der zerſchliſſenen, roſtgelblichen Endkante und die laͤngſten auch noch ein roſtfarbiges Querband in der Mitte. Der Oberfluͤgel iſt ſehr dun— kel, faſt einfarbig ſchwarzbraun; die blaßgelben Schaftſtriche am Hinterhalſe ſind ſehr ſchmal und doch ſehr klar gezeichnet, die uͤbri— gen Tropfen: oder Keilflecke am Kropfe, den Bruſtſeiten und Schul— tern dagegen ſehr undeutlich. Am meiſten zeichnen ſolchen alten Vogel feine vollkommen denen eines Buſſards aͤhnliche Krallen, zumal an der Innenzeh, und die hakenartig aufgekruͤmmte der Hin⸗ terzeh aus. Von einer Doppelmauſer habe ich an keinem Exemplar, ob— gleich ich deren viele aufs Genaueſte unterſucht, eine Spur gefun⸗ den. Die gewoͤhnliche Mauſerzeit beginnt nach vollendeten Fort— pflanzungsgeſchaͤften im Auguſt und dauert durch den September. Dieſe Voͤgel ſehen daher im Spaͤtherbſt, im friſchen Gefieder, am ſchoͤnſten, im abgetragenen, kurz vor der Mauſer, am ſchlechteſten aus. Wenn auch nicht behauptet werden kann, daß die Mauſer derſelben vollſtaͤndig beobachtet iſt, ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß dieſe in der Faͤrbung des Gefieders wenig oder doch keine ſehr in die Augen fallende Verſchiedenheiten hervorbringt. An fene he t. Dieſe Art gehoͤrt den hohen Breiten unſrer Erde an und koͤmmt unter dieſen an beiden Polen vor. So wie ſie am Nordpol in der Naͤhe des arctiſchen Kreiſes und unter demſelben bis zu 60 bis 70 Grad hinaufgeht, ſo iſt ſie auch am Suͤdpol, ſo weit dort unſere Entdeckungen hinaufreichen, häufig auf den Malouinen oder Falk: landsinſeln, Feuerland, Neu-Suͤdgeorgien, Kerguelens— land und auf allen Meeren dieſer Gegenden, von hier bis zum Kap der guten Hoffnung heraufſtreifend. Am Nordpol ſteigt fie im Sommer zu hoͤhern Graden hinauf als am Suͤdpol, geht aber zu andern Zeiten auch nicht ſo tief herab als dort, wo ſie ſich dem Wendekreiſe ſo bedeutend naͤhert. Zwiſchen dem nordoͤſtlichen Aſien und dem nordweſtlichen Amerika koͤmmt ſie auch vor. In Europa bewohnt ſie im Sommer das obere Norwegen bis zu den Lof— foden nur ſehr einzeln oder voruͤbergehend, aber Island, Faͤroͤ, die Shetlands, Orcaden und Hebriden ſehr haͤufig, beſucht 3 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 477 von dort im Winter die ſchottiſchen, iriſchen und engliſchen Kuͤſten, viel ſeltner und ſehr einzeln die noͤrdlichen Geſtade von Frankreich, Holland und die deutſche Nordſeekuͤſte, noch weit ſeltner die unſrer Oſtſee. — Im obern Nordamerika iſt fie eben— falls häufig, in Grönland, auf Labrador, in der Hudſons—f bai, auf Neufundland, und ſtreift einzeln bis an die Kuͤſten der mittlern vereinigten Staaten. Sie geht im Winter dort alſo auch ſuͤdlicher hinab, als ſie dies in Europa thut, wo ſie au dem Mittelmeer kaum jemals vorgekommen iſt. Auch ins Innere von Deutſchland und anderer europaͤiſchen Laͤnder, verirrt ſich ſehr ſelten eine; nur zwei Beiſpiele ſind davon bekannt, wo eine ſolche Raubmeve nicht weit von Mainz auf dem Rheine und eine andere bei Breslau auf einer Wieſe erlegt wurde. In hieſigem Umkreiſe iſt noch keine vorgekommen. 5 Die große Raubmeve iſt, gleich ihren Gattungsverwandten, mehr Strich- als Zugvogel. Von den Brüteorten, wo fie oft in Menge beiſammen lebt, vereinzelt ſie ſich nach erledigten Fort⸗ pflanzungsgeſchaͤften, durchſtreift andere Gegenden und kehrt in der Mehrzahl erſt im naͤchſten Fruͤhling zu jenen zuruͤck. Die Meiſten bleiben jedoch auch durch den Winter in der Naͤhe jener, aber meh— rentheils auf offnem Meer, und anhaltende, heftige Stuͤrme bringen ſie dann nur zuweilen dem Lande naͤher. Viele moͤgen auch ſuͤd— licher ſtreichen und einer mildern Temperatur entgegen gehen, wenn es ihnen in den hoͤhern Breiten zu arg wird, und dann in unge— woͤhnliche Gegenden verſchlagen werden. Dies geſchieht jedoch nicht immer im Spaͤtherbſt und Winter oder nach herrſchenden Nordweſt— ſtuͤrmen, ſondern auch zu andern Zeiten, wie die beiden bei Bres— lau am 17. Juli und bei Mainz am 17. April erhaltenen Erem- plare beweiſen. Ihre meiſte Lebenszeit bringt ſie auf offnem Meere zu, oft in Geſellſchaft der Meven und andrer Seevoͤgel. Man hat ſie da viele Meilen von allem Lande entfernt angetroffen, z. B. auf den unge⸗ heuern Strecken von Kap Horn zu dem der guten Hoffnung, von dieſem auf den Schiffswegen nach den Moluden oder Neu: holland. Das Meer gewaͤhrt ihr ausſchließlich, mit Ausnahme weniger Monate, den noͤthigen Unterhalt; fie verläßt es daher nur in der Fortpflanzungszeit in ſo weit, als ihre Niſtplaͤtze naͤher oder entfernter vom Strande oder an ſuͤßen Gewaͤſſern liegen, die ſie zu einer andern Zeit nie beſucht, auch in jener Zeit beſtaͤndig hin und her wechſelt, und das Meer deshalb nie ganz aufgiebt. Sie iſt dem⸗ * 478 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. nach ein aͤchter Meervogel. Hohes, felſiges Geſtade, uͤberhaupt hohe Inſeln, liebt ſie mehr als niedrige, und die hoch uͤber dem Meer erhabenen gruͤnen Flaͤchen derſelben, mit moorigen Stellen, Quell⸗ waͤſſern, Baͤchen, Teichen oder See'n mit ſuͤßem Waſſer, abwech— ſelnd auch die ſandigen Strecken an ſolchen, waͤhlt ſie dort zu Bruͤte— orten. Am flachen Meeresſtrande, wenn er ununterbrochen Meilen weit ſich ausdehnt, wird ſie ſeltner gefehen, als an den mit hohen Klippen und Inſeln abwechſelnden. Eigen chef een. Die große Raubmeve ſieht in den Umriſſen im Allgemeinen einer großen Meve aͤhnlich, aber ihr durchaus duͤſteres Gewand un— terſcheidet ſie von jenen ſchon in weiter Ferne, wo es faſt ſchwarz zu ſein ſcheint, ſowol ſitzend als fliegend. Ihr Anſtand im Stehen und Gehen iſt ganz wie bei Meven, im Letztern iſt ſie aber noch behender, in allen ihren Bewegungen jedoch ſchwerfaͤlliger als die kleinern Arten ihrer Gattung. Sie ſteht oft bis uͤber der Ferſe im ſeichten Waſſer, ſchwimmt auch gut, ruhet oft lange ſchwimmend aus, und ſcheuet dabei das Schaukeln nicht, welches die Wogen verurſachen. Sie ſchwimmt eigenthuͤmlich, die Bruſt vorn tiefer eingeſenkt, den Hinterleib hoͤher gehalten, wodurch Fluͤgel⸗ und Schwanzſpitzen entfernter von der Waſſerflaͤche bleiben als bei vielen andern ſchwimmenden Voͤgeln, ziemlich ſo wie bei den kleinern Mevenarten. Das Niederlaſſen und Aufſteigen geſchieht mit leichtern und ſchnellern Fluͤgelſchwingungen als bei Meven. Sie rudert zuweilen auch ganze Strecken fort. Auf ſtillen Gewaͤſ— ſern ruht ſie oft mit aufgeblaͤhetem Gefieder und ganz flach ſchwim— mend, beſonders wenn ſie ſich recht vollgefreſſen hat, und wartet ſo die Verdauung in langer Unthaͤtigkeit ab. Im Fluge ſieht ſie einem großen Raubvogel nicht unaͤhnlich, wozu das dunkle Colorit des Gefieders nicht wenig beitraͤgt. Die Bewegungen ihrer Fluͤgel haben ſehr haͤufig mit denen der großen Mevenarten taͤuſchende Aehnlichkeit; aber ſie ſind viel unbeſtaͤndiger, mit ſo vielen unerwarteten als aͤußerſt kuͤhnen Wendungen abwech— ſelnd, worin der Vogel in der Luft und wenn es ſein muß, eine Gewandtheit, Kraft und Ausdauer entwickelt, die jenen abgeht, ſie dagegen den Raubvoͤgeln naͤher bringt. In dem raſchen, aber gerade fortſtreichenden Fluge zeigt ſie nicht das Unſtaͤte und Huͤpfende der a XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 479 77 ndern Lestris-Arten. Zuweilen ſchwebt ſie auch eine ganze Strecke l ohne Fluͤgelſchlag fort, beſonders wo ſie in ſchraͤger Richtung herab will; dann gewinnt dies Schweben aber zuletzt oft eine reißende Wi; Schnelligkeit, wenn es nicht etwa plößlich durch eine ſchnelle Schwen— kung unterbrochen wird und darauf wieder eine ganz andere Art des Fliegens folgt. Manchmal drehet ſie ſich auch mit ſtillgehalte— nen Fluͤgeln in Kreiſen, oder ſchwebt und kreiſet, vorzüglich wenn fie ſehr hoch fliegt, zuweilen lange anhaltend, wie ein Adler. Mit einem der Letztern hat ſie auch in ihrem Betragen große Aehnlichkeit. Ein neidiſches, haͤmiſches, heimtuͤckiſches, boßhaftes und freßgieriges Geſchoͤpf, uͤbertrifft ſie an Raubſucht die groͤßten Meven bei Weitem, worauf auch die Bildung des Schnabels und der Krallen, ſelbſt ihr Flug hindeuten, deſſen Kraft, Ausdauer und Ge— wandtheit, mit jenen vereint, in ihr den Raubvogel nicht verkennen laſſen, den auch Mißtrauen, aͤngſtliches Ausweichen und wirkliche Furcht von Seiten andrer ihr nahe wohnenden Voͤgel noch mehr bezeichnen. Mit keiner Art lebt ſie in freundlichen Verhaͤltniſſen; alle, ſelbſt die kleinern Arten ihrer Gattung, vermeiden ſo viel wie 8 moͤglich ihre Naͤhe; ſie blicken ſcheu auf ſie hinuͤber, wenn ſie laͤngs der Kuͤſte hinſtreicht oder ſonſt ihrem Aufenthalte zu nahe koͤmmt, oder ergreifen wehklagend die Flucht; nur der kecke Auſternfiſcher erkuͤhnt ſich, wenn ſie ſich ſeinem Wohnſitze naͤhert, mit Huͤlfe ſei— nes ſchnellen Fluges und kraͤftiger Schnabelſtoͤße, auf ſie einzudrin— gen und ſie von ſeiner Brut abzuhalten. Er ſcheint der einzige Strandvogel, welcher es wagen darf, ſich ihr ungeſtraft zu wider— ſetzen, wenn er naͤmlich wachſam genug iſt und den richtigen Zeit— punkt dazu nicht verſaͤumt. Uiber alle andern praͤdominirt ſie, ſelbſt die groͤßten Meven, Gannets, großen Sturmvoͤgel und Albatroße muͤſſen ihr weichen, wenn ſie mit Wuth uͤber ſie her— faͤllt; man hat geſehen, wie ſie ſelbſt dem Groͤßten unter dieſen ſo hart zuſetzte, daß er ſich aufs Waſſer ſtuͤrzte und im Untertauchen ſein Heil ſuchte. Sie iſt ſo tollkuͤhn, daß ſie am Niſtplatze nicht allein auf die ſich naͤhernden groͤßern Thiere und Hunde herabſtoͤßt und ihnen Schnabelſtoͤße verſetzt, ſondern ſelbſt dem Menſchen dies thut, wovon man in der geſammten uͤbrigen Vogelwelt nur wenige ſolcher Beiſpiele kennt. Weil ſie die Geſellſchaft andrer Voͤgel nur in feindlichen Ab— ſichten ſucht, fo haſſen fie dieſe ſehr und keine andere Art wagt es, ihren Niſtplatz dicht neben dem ihrigen zu waͤhlen. Sie ſelbſt wohnt aber in dieſer Zeit gern mit mehrern, oft ſogar mit vielen ihres 480 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. Gleichen beiſammen, gnuͤgt dagegen zu andern Zeiten mehr ſich ſelbſt; deshalb trifft man ſie auf ihren weitern Streifzuͤgen viel oͤfter einzeln an, als zu zweien oder dreien, nie in groͤßern Heerden. Obgleich die Vereinzelten an fremden Orten ziemlich vorſichtig ſind und auch, wo ſie Nachſtellungen merken, bald wirklich ſcheu werden, fo werden fie darin von den großen Meven doch um Vieles über: troffen. Ihre Stimme im Fluge, beſonders wenn ſie hoch in der Luft ſchwebt, iſt ein tiefes Ag ag, dem der Mantelmeve nicht un: ähnlich; im Sitzen ein rauhes Jia, und beim Herabſchießen auf den Feind beim Neſte ſtoͤßt fie ein tiefes Hoo aus. Auſſer der Fortpflanzungszeit vernimmt man ſehr ſelten eine dieſer Stimmen, ſogar bei den Kaͤmpfen mit andren Voͤgeln ſchreiet ſie nicht ſo oft als die kleinern Gattungsverwandten. Sie hat ein zaͤhes Leben, ſtirbt nicht ſobald an einer Fluͤgel— wunde und eine ſolche kann daher laͤngere Zeit am Leben erhalten werden. Die Fluͤgellahmgeſchoſſene wirft ſich auf den Rüden, ver⸗ theidigt ſich wuͤthend mit dem Schnabel und den Krallen, ganz wie es ein Buſſard in dieſem Zuſtande macht. Sie kann mit beiden Waffen ſehr ſchmerzhaft verletzen. In den erſten Tagen der Ge— fangenſchaft ſcheint ihr Gang ſchwerfaͤllig, weil ſie dabei die Naͤgel einbiegt, und ihr Betragen iſt ein ſehr ungeſtuͤmes und unbaͤndiges. N a h x u n Die große Raubmeve verſchlingt alles was Fleiſch heißt, von lebenden wie von todten Geſchoͤpfen, am meiſten Fiſche, die ſie theils andern Seevoͤgeln abjagt, theils ſelbſt faͤngt, beſonders matte oder todte, allerlei Abgaͤnge von Fiſchen, welche die Fiſcher ins Meer warfen, das Aas von kleinern und groͤßern Seethieren, Mollusken und auf dem Trocknen zuweilen ſogar Landinſekten und Regenwuͤr— mer. Ihre raͤuberiſche Natur, vermoͤge welcher ſie der aͤrgſte Raub— vogel unter den Schwimmvoͤgeln iſt, zeigt ſie nicht allein in der Bruͤtezeit, wo ſie ſich meiſtens von den Eiern und Jungen andrer Voͤgel naͤhrt, oder ihre Jungen damit fuͤttert, ſondern auch uͤberall, wo ſie einen ſchwaͤchern oder kranken Vogel uͤberwaͤltigen kann. Sie verfolgt im Fluge nicht allein Meven von mittler Groͤße, ſondern zuweilen auch die größten Arten, Gannets, Enten, Al⸗ ken, Lummen und aͤhnliche Fiſchfaͤnger, zwickt und aͤngſtigt ſie, bis ſie die ebengemachte Beute wieder von ſich geben, aus dem XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 481 Schnabel fallen laſſen oder ausſpeien, um dieſe im Herabfallen für ſich aufzufangen, ehe ſie noch das Waſſer erreicht. Auf den Mee— ren der antarctiſchen Zone fol fie ſogar die größten Sturm voͤ— gelarten, Albatroſſe und andere, fie in der Größe weit über: treffende Seevoͤgel dazu zu zwingen wiſſen, welche in ſolcher Noth und um den Verfolger los zu werden, ſich nicht ſelten ins Meer ſtuͤrzen. Nicht genug an dieſem gewaltthaͤtigen Schmarotzen, das fie überhaupt zu manchen Zeiten nicht fo häufig treibt als die klei— nern Raubmevenarten, greift ſie, wie ein Raubvogel, die ſchwaͤchern Voͤgel ſogar ſelbſt an, ſtoͤßt mit Gewandtheit und Kraft im Fluge nach ihnen, und mit einem einzigen gut angebrachten Schnabelhieb ſahe man ſie eine Dreizehenmeve, Lumme, Alk u. dergl. den Schaͤdel einſchlagen, die todt herabſtuͤrzende zerreißen und ſtuͤckweiſe verſchlingen. Angeſchoſſene Voͤgel, oder todte, welche auf dem Meer treiben oder am Strande liegen dienen ihr bald zur Beute; dage— gen laͤßt ſie geſunde, auf dem Waſſer ſchwimmende in Frieden, weil ſie ſich bei einem Uiberfall ſtets durch Untertauchen retten; ebenſo ſuchen ihr auch die im Fluge verfolgten durch ſchnelles Herabſtuͤr— zen ins Waſſer zu entkommen. Ihre Raubſucht iſt in der Zeit am aͤrgſten, wenn ſie ſelbſt Junge hat. Sie pluͤndert dann die Neſter der in den ſogenannten Vogelbergen niſtenden Voͤgel, holt die Eier oder Jungen aus dem— ſelben und ſchleppt ſie den Ihrigen zu. Ein allgemeines Angſtge— ſchrei ertönt aus tauſend Kehlen zugleich, wenn ſich dieſer kuͤhne Raͤuber einem ſolchen Niſtplatze naͤhert, jedoch wagt es keiner der Geaͤngſteten, ſich ſeinem boͤſen Vorhaben ernſtlich zu widerſetzen; er packt das erſte beſte Junge und dieſes windet ſich im Schnabel des Forteilenden, waͤhrend die ungluͤckliche Mutter ſchreiend, aber ohne weitern Erfolg, ihm ein Stuͤck nachfliegt; ſobald er ſich ungeſtoͤrt glaubt, läßt er ſich auf's Waſſer herab, toͤdtet die Beute und vers ſchlingt ſie, fliegt dann ſeinen Jungen zu und wuͤrgt ſie dieſen vor. Es hindert ihn nicht, täglich mehrmals in ſolchem Vogelberge ein> zuſprechen, ſelbſt wenn dieſer 2 Meilen von ſeinem Neſte entfernt läge. — Auf dem Lande fällt fie auch kleine oder junge, noch un⸗ behuͤlfliche Saͤugethiere an, ſchnappt beim Gebaͤren vereinzelter Schafe die haͤutigen Abgänge weg und iſt nicht ſelten unverſchaͤmt genug, dem neugebornen Laͤmmchen die Augen auszuhacken. Die große Raubmeve ſtoͤßt oder hauet zwar den lebendigen Raub ſtets nur mit dem Schnabel nieder, gebraucht ihre ſtarken 107 Theil. 31 5 482 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. Raubvogelkrallen aber gewiß ſehr gut beim Zerſtuͤckeln einer groͤßern Beute und zum Anklammern auf großen, ſchwimmenden, oft ſehr ſchluͤpfrigen Aeſern. Auf dem hohen Meer folgt ſie gern den Fahrzeugen der Fiſcher und faͤllt gierig uͤber das her, was dieſe, nach gemachtem Fange großer Fiſche, als unnuͤtze Abgaͤnge davon uͤber Bord werfen. Sich ſelbſt Fiſche zu fangen, gelingt ihr nur bei ſehr hochgehenden, von den Schlaͤgen brandender Wogen ermatteten, oder nur in wenigem Waſſer befindlichen, weil ſie ein ſchlechter Stoßtaucher iſt und dabei nie mit dem ganzen Koͤrper unter das Waſſer zu dringen vermag. Wo die Ebbe waſſerfreie, mit kleinen Pfuͤtzen abwechſelnde Flaͤchen hinterlaͤßt, ſieht man fie ebenfalls oft in Thaͤtigkeit, um zuruͤckge— bliebene Fiſche zu erwiſchen oder andere kleine Seethiere aufzuleſen, darunter auch den Uferwurm. Im Allgemeinen ziemlich phlegmatiſch, verlaͤßt ſie ſich bei ihren Raͤubereien mehr auf ihre Stärke als auf Liſt und Gewandtheit, obwol ſie im Verfolgen andrer Voͤgel und beim Wegſchnappen deſ— ſen, was dieſe fuͤr ſie gefangen haben, genug des Letztern zeigt. Sie iſt ein zudringliches, gieriges, gefraͤßiges Geſchoͤpf, das keine Gelegenheit entfchlüpfen läßt, wo Etwas für den Magen zu erwi— ſchen iſt, vom Hunger geplagt ein verwegner Raͤuber, und wo es viel zu freſſen giebt, faſt unerfättlih. Schlund und Magen vollge— pfropft wird ſie ſchwerfaͤllig und traͤge, und eine groͤßere Regſam— keit kehrt erſt wieder, nachdem ſie eine Zeit lang in gemuͤthlicher Ruhe die Verdauung abgewartet hat, wobei ſie gewoͤhnlich mit auf— geblaͤhetem Gefieder auf der glatten Flaͤche eines ruhigen Waſſer— ſpiegels ganz oberflaͤchlich ſchwimmt, ohne die Stelle zu veraͤndern. F or t pf ela n z eu nn z Die große Raubmeve pflanzt ſich in den beim Aufenthalt be— zeichneten Laͤndern jener hohen Breiten des Nord- und Suͤdpols fort. In Europa hat ſie ihre Bruͤteplaͤtze auf der ſuͤdlichen Haͤlfte . von Island, auf den Faͤroͤern, den Shetlands, Orcaden und Hebriden. Nicht die hohen, ſteilen Felſengeſtade und Klip— pen, die vielen Tauſenden andrer Seevoͤgel zu Niſtplaͤtzen dienen, ſondern weiter vom Meere entfernte, gruͤne, moorige Hochebnen und flache Bergabhaͤnge, die naͤchſten Umgebungen ſuͤßer Gewaͤſſer, oder kleine Inſelchen auf dieſen, wie ſie ſich haͤufig auf den Plattformen hoher Felſeninſeln finden, oder ſandige Striche an Baͤchen oder Land— XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 483 ſee'n, waͤhlt ſie zu ihren Bruͤteplaͤtzen. Solche liegen oͤfters eine Viertelmeile vom Meer entfernt und manchmal gegen 1000 Fuß uͤber deſſen Spiegel. i Sie niſtet gewoͤhnlich in Kolonien bis zu 100 und mehr Paa— ren beiſammen, ein einzelnes Paar faſt nirgends allein. In un— mittelbarer Naͤhe dieſer Bruͤteplaͤtze niſtet kein anderer Vogel; ſelbſt die Schmarotzerraubmeve, obgleich oft in der naͤmlichen Ge— gend bruͤtend, haͤlt ſich von jenen entfernt und hat ihre eigenen Plaͤtze. Im Anfange des April kommen die Voͤgel einzeln vom off— nen Meer an das Land zuruͤck und zeigen ſich in der Naͤhe der Bruͤteplaͤtze, nach und nach immer mehrere, bis ſich im Mai alle Paͤaͤrchen eingefunden und gepaart haben. Sie fangen jetzt an ihre Neſter einzurichten, die auf ſandigen Boden bloß in einer kleinen ſelbſt geſcharrten Vertiefung beſtehen, auf gruͤnem Boden auch nicht viel beſſer ſind und dadurch entſtehen, daß das Weibchen an dem erwaͤhlten Plaͤtzchen das Gras oder Moos niedertritt und durch fort: geſetztes Herumdrehen des Koͤrpers eine kleine napffoͤrmige Vertie— fung bildet. Eine weitere Unterlage bekommen die Eier nicht. Die einzelnen Neſter ſtehen nie nahe beiſammen, zuweilen 10 Schritte und noch weiter von einander; ein maͤßig zahlreicher Niſtverein nimmt daher ſchon einen ziemlichen Bezirk ein. In der Mitte des Mai findet man ihre Eier, von verſchiede— nen Paaren zu etwas verſchiedener Zeit, ſo, daß man an einem Niſtplatze von einigem Umfange zu derſelben Zeit in vielen Neſtern die richtige Zahl und manche bereits bebruͤtet, in andern nur erſt eins, in vielen noch gar keins angetroffen hat. Nie legt ein Weib— chen mehr als 2 Eier in ein Neſt. Dieſe Eier haben viele Aehnlichkeit mit denen der großen Me— venarten, ſind aber anders geformt, bauchichter und am ſpitzen Ende kuͤrzer, aber ſpitzer zugerundet, unterſcheiden ſich aber am meiſten durch das feinere Korn ihrer feſten Schale, an welcher zwar eben— falls zahlloſe, aber viel feinere Poren ſichtbar ſind, die jedoch nicht verhindern, daß dieſe Eier einigen Glanz und ein viel glatteres Aus— ſehen haben. Sie gleichen in Allem denen der uͤbrigen Lestris-Ar— ten, die ſie allein in der Groͤße um Vieles uͤbertreffen, worin ſie denen der Silbermeve oder manchen kleinern von der Mantel: meve nahe kommen. Sie meſſen in der Laͤnge 2 Zoll 10 Linien bis 3 Zoll, in der Breite 2 Zoll bis 2 Zoll 1½ Linien,) und ) Nach genauer Meſſung mit dem Bogenzirkel oder Taſter, an einem kleinern und 31 * 484 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. variiren in der Größe gleich andern verwandten Arten. Ihre Grund- farbe iſt ein blaſſes Olivengruͤn, bei manchen braͤunlicher, bei andern gruͤnlicher oder blaͤulicher; die Zeichnungen ſind Punkte, Tuͤpfel und groͤßere Flecke von mancherlei Geſtalt, doch meiſtens gerundet, die tief in der Schale liegenden aſchgrau, die hoͤhern braungrau, die aus wendigen dunkelolivenbraun bis zum Schwarzbraunen. Dieſe Zeich⸗ nungen ſind gewoͤhnlich am ſtumpfen Ende des Eies dichter geſtellt, faſt kranzartig gehaͤuft, dagegen auf der uͤbrigen Flaͤche, beſonders um die Spitze, ſehr ſparſam und auch gewoͤhnlich kleiner als dort. Allein, wenn auch dies die am haͤufigſten vorkommende Zeichnung iſt, ſo kommen doch auch eine Menge von Abweichungen vor, die (nach Faber und Thienemann) bis ins ungefleckte Hellblaugruͤn⸗ liche uͤbergehen ſollen. Auch dieſe Eier entfaͤrben ſich nach laͤngerer Zeit in den Sammlungen, naͤmlich hinſichtlich des Gruͤnen, und werden brauner. Maͤnnchen und Weibchen bruͤten abwechſelnd 4 Wochen lang, und haben deshalb, jedes, zwei Bruͤteflecken, naͤmlich an jeder Seite des Bauches einen. Im Anfang des Juli ſitzen in den meiſten Neſtern kleine, in braungrauen Flaum gekleidete Junge, die aber, ſobald ſie ſich etwas fuͤhlen, das Neſt verlaſſen und in den Umge— bungen unter Pflanzen, hinter kleinen Huͤgelchen u. dergl. ſich zu verſtecken ſuchen. Sie werden anfaͤnglich von den Alten mit Mol- lusken, Wuͤrmern, Vogeleiern und andern weichen Dingen aus dem Kropfe gefuͤttert, wie junge Tauben; ſpaͤter ſpeien ſie das groͤbere Futter, Fleiſch, Fiſche, junge Voͤgel u. dergl. vor ihnen aus, worauf die Jungen es verſchlingen. Die jungen Voͤgel zum Futter fuͤr ihre Jungen holen die Alten zuweilen 2 Meilen weit aus den großen Niſtvereinen der Sturmvoͤgel, Alken, Lummen und andrer Bewohner jener ſogenannten Vogelberge, wenn ſie ſolche nicht naͤher haben koͤnnen. Die hin und wieder an den Niſtorten wachſenden Blaubeerenbuͤſchel (Vaccinium uliginosum) dienen den Jungen nicht allein oft zum Verſteck, ſondern die Beeren derſelben auch oͤfters zur Nahrung; Thienemann fand mehrmals den Magen halb und mehr als halb erwachſener Jungen ganz mit dieſen Beeren ange: fuͤllt. Sie wachſen langſam, bekommen im Auguſt Federn, werden erſt gegen Ende dieſes Monats voͤllig flugbar, und jetzt erſt der einem größern Exemplare, und nach Leipziger Maaß, das durchgängig in dieſem Werk gebraucht iſt. Abermals ſtimmen jedoch dieſe Maaße nicht mit denen in Thiene— maun's Eierwerk, V. S. 23. die aber auch mit der dazu gehörenden, ſehr gu⸗ ten Abbildung, Taf. XXI. Fig. 4, nicht ſtimmen. X. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. 485 Pflege ihrer Aeltern entlaſſen. Wenige andere Voͤgel zeigen eine ſolche Liebe zu ihrer Brut und im Vertheidigen derſelben einen ſol— chen Muth als dieſe Alten. Nicht beim bloßen Schreien und na— hen Umflattern des Stoͤrers, welcher ſich dem Bruͤteplatze nähert, laſſen fie es bewenden, ſondern fie greifen ihn auch wirklich an, ſchlagen ſo mit kraͤftigen Schnabelhieben den beherzteſten Hund in die Flucht, ſtoßen den Menſchen ſogar den Hut vom Kopfe und verwunden mit ihrem ſtarken Hakenſchnabel den Kopf, wenn er ſich nicht vorſieht und ihren Stoͤßen ausweicht. Augenzeugen verſichern, daß man ſich faſt unwillkuͤhrlich buͤcke, ſo oft ſie gegen den Kopf herabfuͤhren, und daß die Faͤringer (Einwohner der Faͤroͤerinſeln) dann zuweilen ein langes ſcharfſpitziges Meſſer uͤber der Muͤtze in die Hoͤhe hielten, auf welches ſich dann der Vogel nicht ſelten ſpießte. — Mit Anfang des September wird es ſtill und oͤde an dieſen Bruͤteplaͤtzen, Alte und Junge zerſtreuen ſich nach allen Richtungen auf dem Meere und werden von jetzt an bis zum naͤchſten Fruͤh— jahr nur ſelten einzeln am Lande geſehen. F e i n de. Muth und Kraft Allen entgegenſetzend, wagt es wol ſchwerlich ein Raubvogel, die große Raubmeve oder ihre Brut anzufallen, wenigſtens iſt ſolches, ſo viel mir bekannt, noch von keinem Natur— forſcher beobachtet worden. Von Schmarotzern im Gefieder und in den Eingeweiden iſt ſie nicht frei, die Arten dieſer jedoch nicht genau unterſucht und noch unbenannt. I Wo dieſer große Vogel einſam herumſtreicht, weicht er dem Schuͤtzen wol aus, zeigt ſich jedoch weniger ſcheu als die meiſten Meven. Auf dem Meer und bei den Fiſcherbarken, wo Abgaͤnge fuͤr ihn hinausgeworfen werden, iſt er ſehr dummdreiſt und leicht zu ſchießen, nicht weniger in der Nähe feiner Bruͤteplaͤtze. Er naͤ⸗ hert ſich dem Schuͤtzen aber viel oͤfterer fliegend, als daß er im Sitzen an ſich kommen ließe, ſelbſt dann nicht, wenn er auf einem ſtillen Waſſerſpiegel, die Verdauung in Unthaͤtigkeit abwartend, ſchwimmt oder gar ſchlaͤft; auch am Strande ſitzend nicht. Daß, wo er Eier oder Junge hat, ſo viele zu erlegen ſind als man wuͤnſcht, wird man aus dem oben Geſagten ſchließen koͤnnen; ſelbſt anhaltendes 486 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 299. Gr. Raubmeve. Schießen und Morden macht dort auf die Uibrigen nur einen ſchwa— chen Eindruck. Es iſt auch kaum noͤthig, da man die auf den Kopf herab Stoßende, bei einiger Gewandtheit, ſogar mit dem tuͤchtigen Hiebe eines gewichtigen Stockes leicht aus der Luft herabſchlagen kann. Daß ſie ſich zuweilen auf ein uͤber den Kopf gehaltenes Meſſer ſpießen, iſt oben ſchon erwaͤhnt. An Angelhaken, woran ein Stuͤckchen Fiſch oder anderes Fleiſch ſteckt, desgleichen in Schlingen beim Neſte, iſt dieſe Art ebenfalls auch leicht zu fangen. Nen Das Fleiſch der großen Raubmeve wird gern gegeſſen. Es ſoll, nach Verſicherung eines zuverlaͤßigen Beobachters, nicht nur das aller uͤbrigen Raubmeven und aller andern mevenartigen Voͤgel uͤbertreffen, ſondern ſehr zart und wirklich ſo wohlſchmeckend wie Schnepfenwildpret ſein; was nicht zu verwundern waͤre, wenn dies bloß ein Nordlaͤnder behauptete. Dieſe finden auch die Eier, welche einen ſehr großen orangerothen Dotter haben, ſehr wohlſchmeckend und ſuchen ſie deshalb fleißig auf. Daß ſie faulende Fiſchabgaͤnge und Aeſer aufzehrt, macht ſie mittelbar nüßlich. - Siehe dee en Sie hackt zuweilen neugebornen Laͤmmern die Augen aus und ſoll fie manchmal ſogar tödten und auffreſſen. Durch ihre häufigen Raͤubereien an den Voͤgeln der ſogenannten Vogelberge beeintraͤch— tigt ſie den, fuͤr viele nordiſche Voͤlker hoͤchſt wichtigen Vogelfang ſehr; denn zu jener Zeit, wenn ſie Junge hat, lebt ſie nebſt dieſen faſt nur von Vogeleiern und jungen Voͤgeln. 5 — 300. Die mittlere Raubmeve. Lestris pomarina. Temm. Fig. 1. Altes Männchen im Sommer. Taf. 271. Fig. 2. Junges Maͤnnchen im erſten Herbſt. Breitſchwaͤnzige —, kugelſchwaͤnzige —, pommerſche Raub— meve; mittlere Struntmeve; großer Struntjäger. Lestris pomarinus. (Stereoraire pomarin.) Temm, Man. 2de Edit. II. p. 793. — Larus parasiticus. Wolf und Meyer, Taſchenb. II. S. 490. = Deren, Vög. Deutſchlds. Heft 21. Schöne Abbildg. des alten Vs. = Lestris pomarina. Meyer, Zuſätze u. Berichtgn. oder III. z. Taſchenb. S. 210. n. 2. = Brehm, Lehrb. II. S. 741. — Deſſen, Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 718. = Gab- biano nero. Savi, Orn, tosc. III. p. 48. — Stircorario di coda lunga. Stor. deg. Uce, V. tav. 539. = Pomarine Skua. Eyton, rar, brit. Birds. p. 53. Gloger, Schleſ. Faun. S. 53. u. 240, — Hornſchuch u. Schilling, Ver. pommerſcher Vög. S. 19. n. 243. — Von Homeyer, Vög. Pommerns. S. 69. u. 227. = Iſis, 1835. S. 254. von F. Boie. Anmerk. Alle andern Synonyme alter und neuerer Schriftſteller ſind unſicher, weil ſie oft mit Lestris parasitica vermengt ſind. Kennzeichen der Art. Die beiden mittelſten Schwanzfedern verlaͤngert, faſt gleich breit, an ihrem abgerundeten Ende kaum etwas ſchmaͤler als an der Wurzelhaͤlfte; bei Jungen wenig laͤnger als die uͤbrigen. Groͤße der Saatkraͤhe. 488 XIII. Ordn. LXXI. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. Beſchreibung. Die mittlere Raubmeve unterſcheidet ſich von der großen ſehr leicht daran, daß ſie um ein Drittheil kleiner iſt und viel laͤngere Mittelfedern im Schwanze hat; von der viel kleinern Schmarotzer raubmeve in erſterer Hinſicht umgekehrt, in der andern aber we- gen ganz anders gebildeter Enden jener beiden Federn, die bei der gegenwaͤrtigen Art ſtumpf zu- oder abgerundet, bei der folgenden ſtets zugeſpitzt ſind, was auch an jungen Voͤgeln ſchon bemerklich wird, obwol nicht ſo auffallend als an Alten. Unſere beiden hier gemeinten Arten, Lestris pomarina und L. parasitica, unterſcheiden ſich demnach ſehr leicht; allein man entdeckte vor einiger Zeit in Nordamerika eine dritte Art, welche die Groͤße der Letztern und die Geſtalt der Schwanzfedern von der Erſtern, dazu einen ſehr kur— zen Schnabel hat, Lestris Richardsonii, Swains., die auch in Eng— land und zwar hier haͤufiger als L. parasitica vorkommen ſoll. Ich habe dieſe Art ſelbſt nie geſehen, auch der junge Vogel ſcheint in Deutſchland noch nicht vorgekommen zu ſein, den Beſchrei— bungen nach mag ſie aber wol eine eigene Art bilden. Sie ſoll mit L. parasitica von einerlei Groͤße, alſo bedeutend kleiner als L. pomarina ſein. Obgleich ihre Geſtalt eine viel ſchlankere als die der Lestris ca- taractes iſt, ſo ſteht ſie doch auf der andern Seite den folgenden Arten darin noch bedeutend nach. Sie gleicht der Saatkraͤhe an Geſtalt und an Größe, nur die Flügel find etwas größer und laͤn— ger, die ganze Geſtalt auch zierlicher. Sie mißt in der Laͤnge, von der Schnabelwurzel bis an das Schwanzende, die beiden laͤngern Mittelfedern dieſes nicht beruͤckſichtigt, 17 bis 18½ Zoll; die Flugbreite 46 ½ bis 48 Zoll; die Länge des Flügels, vom Bug zur Spitze, 14½ bis 15 Zoll; die des Schwanzes, ohne die ½ bis über 3 Zoll laͤngern Mittelfedern, 5⅜ Zoll. Die kleinern Maaße gehoͤren jungen Voͤgeln im erſten Jahr, die großen ausgefaͤrbten alten an, und unter den Letztern kom— men auch einzelne vor, welche gegen 20 Zoll lang ſind. Die Weib— chen ſind wenig kleiner als die Maͤnnchen. Das kleine Gefieder iſt ſehr dicht, weich, doch etwas derb, an der Bruſt pelzartig, bei den Alten auf dem Mantel mit wenig be— merklichen Umriſſen, an den Halsſeiten neben dem Nacken ganz zer— ſchliſſen, an den Spitzen ſeidenartig und glaͤnzend; ſonſt iſt es durch— XIII. Ordn. LXXIX. Satt. 300. Mittl. Raubmeve. 489 gaͤngig glanzlos und von ſanftem Ausſehen. Die großen Schwing⸗ federn, von denen die Vorderſte die Laͤngſte, haben ſtarke elaſtiſche Schaͤfte, breite, gegen das Ende allmaͤhlich ſchmaͤler werdende, end— lich in die ſchmal zugerundete Spitze auslaufende Fahnen; die der zweiten Ordnung haben ſehr nach hinten gebogene Schaͤfte und ſchraͤg abgerundete Enden; die der dritten Ordnung ſind ziemlich breit, lanzettfoͤrmig, mit geraden Schaͤften; die hintere Spitze reicht am zuſammengefalteten Fluͤgel auf der vordern bis uͤber das Ende der ſechſten Schwingfeder. Der Schwanz iſt kaum mittellang, ſeine 12 Federn ziemlich und gleich breit, weich, mit ſchwachen Schaͤften und kurz abgerundeten, faſt geraden Enden, daher das geſammte Schwanzende, auſſer den in der Jugend ½ Zoll, im hohen Al— ter bis faſt 4 Zoll laͤngern und uͤber die andern hinausragenden beiden Mittelfedern, faſt gerade, wie verſchnitten, das Ende dieſer auch nur wenig ſchmaͤler zugerundet als das der Uibrigen. Die Spitzen der ruhenden Flügel ragen über das Schwanzende hinweg, bei jungen Voͤgeln 13, Zoll, bei alten 2 Zoll über die mittlern Schwanzfedern, oder bei jenen faſt 2 Zoll, bei dieſen 3½ bis 4½ Zoll uͤber das Ende der uͤbrigen hinaus; bei ſehr alten Voͤgeln, wo dieſe mittlern Schwanzfedern im Ganzen eine Länge von 9½ Zoll erlangen, reichen die Fluͤgelſpitzen ſelten uͤber ihr Ende hinaus. Dieſe beiden verlaͤngerten Schwanzfedern haben eine ganz ſon— derbare Eigenthuͤmlichkeit, naͤmlich die, daß ſich nach einiger Zeit ihr Schaft, etwa 1 Zoll weit von der abgerundeten Spitze, in ſich ſelbſt herumdrehet, ſo daß an der umgedreheten Stelle des Schaftes die Fahnen beider Seiten eine ſenkrechte Stellung erhal— ten, waͤhrend ſie bis zur Wurzel hin und ebenſo an der Spitze in der gewoͤhnlichen wagerechten Lage bleiben. Beim fliegenden Vogel, von unten geſehen, ſoll es ſcheinen, wie wenn die gedrehete Stelle des Schaftes ganz nackt waͤre und von da die Spitze eine rundliche Scheibe darſtellte. An ausgeſtopften Exemplaren ſoll ſich dieſes ſon— derbare Vorkommen nicht gut erhalten laſſen, und dies giebt der Vermuthung Raum, daß dieſes Verdrehen des Schaftes durch ge— waltſame Einwirkung eines aͤußern Umſtandes entſtehe, vielleicht durch eine ungewoͤhnliche, oͤfter wiederholte Bewegung des Vogels. Dieſe muß auch ziemlich heftig fein; denn der Schaft bricht zuletzt an der verdreheten Stelle und bei vielen alten Voͤgeln ſind bald nach der Bruͤtezeit beide Mittelfedern daſelbſt abgebrochen, ſo daß der Schwanz dann im Fluge ausſieht wie ein Mevenſchwanz. An vie— len Alten ſieht man gar keine Spur dieſer Verdrehung, auch noch 490 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. kurz vor oder im Anfange der Bruͤtezeit, ſelbſt noch im Anfange des Juni keine. Der Schnabel iſt ſtark, kurz, an der Wurzelhaͤlfte walzig, dann nach vorn etwas mehr, aber doch nicht ſtark, zuſammengedruͤckt, Ha— ken, Eck und uͤbrige Geſtalt wie bei andern Arten. Seine Groͤße ſteht in demſelben Verhaͤltniß zu der des Koͤrpers wie bei Lestris cataractes und L. parasitica, er iſt alſo, für ſich allein betrachtet, viel ſchwaͤcher als der von jener und viel ſtaͤrker als der von dieſer. Uibrigens koͤmmt er bei verſchiedenen Individuen kleiner oder groͤßer vor und dieſer Unterſchied findet ſich oft auffallend zwiſchen jungen und alten Voͤgeln. Uiber der Schneide des Oberſchnabels nach dem Mundwinkel zu iſt er mehr oder weniger aufgeworfen, und uͤber dieſem Wulſt liegt nach vorn unter dem untern Eck der ziem— lich harten Wachshaut, 8 Linien von den Stirnfedern, jederſeits, das ritzfoͤrmige, 3 Linien lange, vorn erweiterte und etwas auf— waͤrts gebogene, durchſichtige Naſenloch. Der Rachen iſt bis unter das Auge geſpalten, groß und weit; die Zunge lang, flach, nach vorn ausgehoͤhlt, hier an den Raͤndern und an der Spitze perga— mentartig, dieſe ausgerandet oder geſchlitzt. Der Schnabel mißt bei jungen Herbſtvoͤgeln in der Laͤnge, von der Stirn in gerader Linie zur Spitze, 1½ Zoll, von dieſer bis in den Mundwinkel 2¼ Zoll, die Höhe an feiner Wurzel 7 Linien, ſeine Breite hier 6 Linien; bei ausgefaͤrbten Alten in der Laͤnge 1 Zoll 7 Linien, wovon 9 Linien auf die Wachshaut kommen, vom Mundwinkel zur Spitze faſt 2½ Zoll, die Hoͤhe vor der Stirn 8 Linien, ſeine Breite hier 7 Linien. Seine Faͤrbung iſt in der Ju— gend am Haken und der Spitze beider Theile braunſchwarz, uͤbri— gens hell bleifarbig, die Wachshaut mit ſchwachem gruͤnlichen An— ſtrich; im Tode wird das Bleiblau roſenroͤthlich, ſpaͤter roͤthlichgrau, ausgetrocknet endlich gelbgruͤnlichgrau. Im Alter hat er, bis auf etwas dunklere Farben, die naͤmliche Faͤrbung und die Spitze iſt ganz ſchwarz. Der weite Rachen, Zunge und innere Schnabel ſind fleiſchfarbig, nach vorn ins Blaͤuliche und Braune uͤbergehend. Das etwas kleine Auge hat einen tiefbraunen Stern; die von auſſen grau befiederten Augenlider haben nach innen ein nacktes ſchwarzes Raͤndchen. Die Farbe des Augenſterns iſt bei Alten nicht gelb, wie oft angegeben, ſondern dunkel nußbraun. Die Fuͤße ſind nicht groß, niedrig, aber ſtark und ſtaͤmmicht, uͤber der Ferſe nicht hoch hinauf nackt, das Gelenk dieſer ſtark; die I XIII. Ordn LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 491 drei maͤßig langen Vorderzehen durch volle Schwimmhaͤute verbun— den; die ſehr kleine Hinterzeh etwas uͤber dem Zehenballen einge— lenkt. Ihr Uiberzug iſt vorn am Lauf (auf dem Spann) in große Schilder, hinten in kleinere, bei Jungen nur etwas, bei Alten ſehr rauhe, mit ihren Raͤndchen abſtehende und haͤrtere Schuppen getheilt, die Gelenke des Laufs grob, die Schwimmhaͤute fein gegit— tert, die Zehen oben ſchmal geſchildert, unten ſtumpfwarzig. Die Krallen ſind nicht groß, aber ſtark gekruͤmmt, ſehr ſpitz, unten mit einer Rinne, die der Mittelzeh mit vorſtehender Randſchneide auf der Seite nach innen, die der Hinterzeh ziemlich lang, wenig gebo— gen und ſehr ſpitz. Von der Mitte des Ferſengelenks aufwärts find am Unterſchenkel 7 bis S Linien nackt; der Lauf 2 Zoll 2 bis 5 Li— nien lang; die Mittelzeh, nebſt ihrer 4 bis 5 Linien langen Kralle, 2 Zoll 1 bis 4 Linien lang, dagegen die äußere Zeh 3 bis 4 Li⸗ nien, die innere 7 bis 9 Linien kuͤrzer als jene; die auſſeror— dentlich kurze Hinterzeh iſt ohne Kralle nur 1 bis 1½ Linien, die Kralle aber 3 bis 3½ Linien, beides alſo zuſammen 4 bis 5 Linien lang. Die Krallen find ſtets hornſchwarz, unten in der Rinne grau, die Farben der uͤbrigen Fußtheile nach dem Alter verſchieden. Wie bei allen Lestris-Arten, namentlich den folgenden, ſind naͤmlich auch hier an ganz jungen Voͤgeln der gemeinſchaftliche Zehenballen, die Zehenwurzeln bis faſt ein Drittheil vor und fo weit wie dieſe auch die Schwimmhaͤute, dann gewoͤhnlich auch die ganze Hinterzeh weiß, die vordern zwei Drittheile der Zehen und Schwimmhaͤute ſchwarz, der Lauf bis uͤber die Ferſe hinauf ſchoͤn lichtblau. — Spaͤter wird das Blau etwas dunkler und verdraͤngt von oben herab das Weiße, ſo wie das Schwarz ebenfalls bis an die Zehenwurzeln zu— ruͤckdraͤngt und ſomit alles Weiß verſchwindet. — Noch ſpaͤter, wo die Laͤufe ſchmutzig bleiblau geworden, wird auch dieſes von unten herauf vom Schwarz verdraͤngt, das ſich im Blauen zuerſt oft als Flecke, nicht ſelten von einer laͤnglichviereckigen Geſtalt zeigt, nach und nach uͤberhand nimmt, ſo daß zuletzt bei ganz alten Voͤgeln (etwa im oder erſt nachdem zweiten Jahr) die ganzen Füße voͤllig einfarbig ſchwarz ausſehen. — Jenes lichte Hellblau verſchießt nach dem Ableben des Vogels, zuerſt hinterwaͤrts, ins Fleiſchroͤth— liche, wird dann nach und nach immer unſcheinlicher und endlich ausgetrocknet ſchmutzig hellgrau, das Weiße ſchmutzig hellgelblich; das Schwarze bleibt natuͤrlich am wenigſten veraͤndert und kenntlich, wenn auch jene hellen Farben ganz unkenntlich geworden. 492 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. Das Dunenkleid ſoll, wie bei den andern Arten, in einem dichten, etwas langen, ſehr weichen, einfarbig braungrauen Flaum beſtehen. Das Jugendekleid iſt dem der folgenden Art ſehr aͤhnlich, doch am Halſe und am Unterrumpfe meiſtens dunkler, grauer, mit Weiß faſt gar nicht gefleckt. Nach einem friſch erhaltenen Maͤnn— chen, — es wurde auf einer benachbarten Feldflur bemerkt und am J3ten November 1837 todt gefunden, — war das Weiß an den Zehenwurzeln ſchon vom lichten Hellblau der Laͤufe und dem Schwarz der Zehen und Schwimmhäute verdrängt, auch die eine Hinterzeh und ein Fleckchen über fie ſchon ſchwarz; Schnabel und Augen wie oben beſchrieben. Das friſche Gefieder hat an den obern Theilen einen ſchwachen Seidenglanz, im Allgemeinen eine duͤſtere, rußig ſchwarzbraune Hauptfarbe, am dunkelſten auf dem Mantel und hier mit roſtgelblichen Federkanten, am Kopfe, Halſe und Unterrumpfe durch roſtgraue Federkanten und Wellen jene faſt verdeckt. Genauer betrachtet ſind die Augenkreiſe weißgrau und vor dem Auge ſteht ein halbmondfoͤrmiges ſchwarzes Fleckchen; die Federn am Kopfe rußfarbig, mit braͤunlichweißgrauen Kanten, die auf dem Hinter: haupt und an der Kehle ſehr breit, nicht ſcharf begrenzt ſind und dieſen Theilen ein lichteres Ausſehen geben; der Hals rußfarbig, mit ſchmalen graulichen und braungelblichen Federkanten; die obere Halswurzel und der Oberruͤcken dunkel rußbraun, mit ſcharfbegrenz— ten, mondfoͤrmigen, roſtgelbbraͤunlichen Kanten an den Enden der Federn; die Schultern noch dunkler rußbraun, faſt ſchwarzbraun, ebenfalls mit ſcharfbegrenzten, mondfoͤrmigen, roſtbraͤunlichweißen Kanten an den Federenden; der Unterruͤcken dunkel rußfarbig, mit dichten Mondfleckchen von einem ſehr lichten Roſtbraun; Buͤrzel und Oberſchwanzdeckfedern ebenſo, doch die Letztern noch auſſerdem mit Querbaͤndern von jener lichten Farbe durchzogen. Die Kropfgegend und die ganze Bruſt ſind graulich rußfarbig, weißgrau und roſt— gelblich, aber undeutlich, gewellt, weil die einzelnen Federn dieſer Theile auf grauweißem Grunde braungraue Querbaͤnder und feine roſtgelbliche Raͤnder haben, dieſe wie jene aber nicht ſcharf begrenzt ſind, was ſie erſt an den laͤngern Tragefedern werden, die daher in die Faͤrbung des Bauchs und der ſehr langen untern Schwanzdeck— federn uͤbergehen, welche auf ganz weißem Grunde ſchwarzbraune Querbaͤnder haben, dieſe aber noch auſſerdem mit einem braͤunlich— roſtgelben Anflug, welcher an den Enden der Federn am ſtaͤrkſten iſt. Saͤmmtliche Fluͤgeldeckfedern ſind ſchwarzbraun, die groͤßten die XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 493 dunkelſten; die kleinen Deckfedern bloß zunaͤchſt des Ellbogens mit braͤunlichroſtgelben Mondfleckchen an den Enden, nach vorn nur mit lichtern Saͤumchen; die mittlern und die großen Deckfedern kaum lichter geſaͤumt, nur die hinterſten, zunaͤchſt dem Ruͤcken, an den Enden mit einem duͤſter roſtgelben, meiſt getheilten Mondfleckchen; die hintern Schwingfedern matt braunſchwarz, an den Enden mit einigen roſtgelblichen Randfleckchen; die mittlern Schwingen braun: ſchwarz; die großen tief braunſchwarz, mit weißen Schaͤften, die an den kuͤrzern ſpitzewaͤrts ſich braͤunlich faͤrben; die Fittigdeck- und Daumenfedern braunſchwarz. Auf der untern Seite hat der Flügel ſchwarzbraune, weiß gebaͤnderte und gefleckte Deckfedern, und an den groͤßern, unter der Achſel, ſind die mond- oder nierenfoͤrmigen Flecke an den Spitzen braͤunlichroſtgelb uͤberlaufen; die großen Schwingen auf der untern Seite gehen von den braunfchwarzen Enden nach und nach durch Grau, dieſes auf der Innenfahne dunkler beſpritzt, in das Weiß ihrer Wurzeln uͤber, das aber durch die Deckfedern ganz verſteckt ſein wuͤrde, wenn es nicht auf allen (die Vorderſte ausgenommen) als ein glaͤnzend ſilberweißer Schein zu beiden Sei— ten des weißen Schaftes bis in die Naͤhe der Spitze herab liefe; die der zweiten Ordnung an den Enden matt rußbraun, gegen die Mitte in Grau uͤbergehend, an den Wurzeln weiß, dies aber ver— deckt, ihre Schaͤfte weiß. Die Schwanzfedern, von denen das mit— telſte Paar nur ½ Zoll länger als die übrigen iſt, find einfarbig braunſchwarz, mit kaum bemerklichen lichtbraͤunlichen Endſaͤumchen, und am aͤußerſten Paar mit ganz weißen, am zweiten und dritten bloß wurzelwaͤrts weißen Schaͤften; die untere Seite des Schwan— zes am Ende matt braunſchwarz, wurzelwaͤrts allmaͤhlich in Grau und zuletzt in Weiß uͤbergehend, dieſes aber nur ſichtbar, wenn man die Deckfedern wegbiegt, die Schaͤfte weiß. Dieſes Kleid traͤgt der Vogel ein volles Jahr und bruͤtet darin nicht. Im zweiten Herbſt vertauſcht er es mit einem andern, welches jenem aber noch ſehr aͤhnlich ſieht, aber am Vorderhalſe und am Unterkoͤrper ſtark mit Weiß gefleckt iſt; auch zeigen ſich am Hin⸗ terhalſe nun die roſtgelblichen, zerſchliſſenen, ſeidenartig glaͤnzenden Federſpitzen. Wahrſcheinlich vertauſcht er dieſes Zwiſchenkleid erſt im folgenden, ſeinem dritten Herbſt, mit dem ausgefaͤrbten in welchem er erſt fortpflanzungsfaͤhig wird. Dies mit voller Gewiß⸗ heit behaupten zu koͤnnen, fehlt es aber noch zu ſehr an genuͤgenden Beobachtungen. Der alte Vogel in feinem erſten hochzeitlichen Gewande 494 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. zeigt nicht ſelten an einzeln noch vorhandenen Federn des vorigen deutlich genug den Uibergang zu dieſen, beſonders auch an der Faͤr— bung der Fuͤße, die bei ſolchen zum erſten Male das hochzeitliche Kleid tragenden Individuen, nämlich an den Laͤufen oft noch blei— blau ſind, welche Faͤrbung ſich aber in Schwarz verwandelt, ehe noch ihre diesmaligen Fortpflanzungsgeſchaͤfte ganz vollendet ſind. Dieſe bleiblauen Laͤufe zu dem Kleide, wie es ſo eben beſchrieben | werden fol, bezeugen zuverläflig, daß es das Erſte ift, was aus dem Jugend- oder Zwiſchenkleide hervorging, und dem weiter unten zu beſchreibenden, am Unterkoͤrper viel dunklern, vorher geht. Auf unſerer Kupfertafel 271. ſtellt Fig. 1. einen ſolchen Vogel dar. Schnabel und Auge ſind wie weiter oben beſchrieben; den Oberkopf deckt eine dunkelchokolatbraune Platte, die hinten uͤber das Genick hinab reicht, deren Grenze ſeitwaͤrts laͤngs den Schlaͤfen, dann vom Auge herab um den Mundwinkel ſich neben der weißen Kehle hin— zieht und dieſe ſchmal weiß laͤßt; die Wangen und Anfang der Gurgel find ebenfalls weiß, bald aber in lichtes Roſt- oder Ocher⸗ gelb uͤbergehend, das ſich auf den uͤbrigen Hals bis gegen ſeinen Urſprung und auf den Kropf verbreitet, hier aber ſchon mit ſtaͤrkern braunen Schaftfleckchen, oberwaͤrts aber bloß mit ſchwarzbraunen Schaͤften gemiſcht iſt, wobei die zerſchliſſenen Spitzen der Federn oben an den Halsſeiten, nach hinten zu, einen ſeidenartigen Glanz zeigen; von der Halswurzel nach dem Kropfe herum zieht ſich eine mehr oder weniger ausgebildete Binde von dunkelbraunen Mond— flecken oder abgebrochenen Baͤndern auf gelbweißem Grunde, an welche ſich eine noch dichter chokolatbraun gebaͤnderte Zeichnung der Bruſtſeiten und Tragfedern anſchließt, waͤhrend die Mitte der Bruſt gelblichweiß und meiſt ungefleckt bleibt; Bauch und untere Schwanz: decke auf weißem Grunde grob und unordentlich ſchwarzbraun ge— baͤndert. Der ganze Ruͤcken nebſt dem Buͤrzel, die Schultern und Fluͤgeldeckfedern find einfarbig roͤthlichdunkelbraun oder dunkel chokolat— braun; die obere Schwanzdecke etwas lichter, einige Federn mit undeut: lichen weißen Randflecken, die laͤngſten mit breiten weißen Querbin— den; die Fittigdeckfedern braunſchwarz; die großen Schwingfedern an den Auſſenfahnen und Spitzen, fo wie an den Innenfahnen bis zu zwei Drittheilen herauf ebenfalls braunſchwarz, das letzte Drit— theil dieſer bis zur Wurzel weiß, ihre Schaͤfte bis zu der dunkel— braunen Spitze auch weiß, doch alles Weiß auf zuſammengelegtem Fluͤgel nicht ſichtbar, ſo auch das wenige an den Wurzeln der braun— ſchwarzen Secundarſchwingen. Der Unterfluͤgel iſt an den Deckfe— XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 495 dern weiß, ſtark und dicht chofolatbraun gefleckt; die Secundar— ſchwingen unten glaͤnzend rauchfahl, wurzelwaͤrts faſt ſilbergrau; die Primarſchwingen ein Drittheil an der Wurzel, nebſt den ganzen Schaͤften, weiß, die uͤbrigen zwei Drittheile glaͤnzend rauchfahl, ſpitze— waͤrts faſt braunſchwarz. Die ſehr breiten, am Ende faſt geraden Schwanzfedern, nebſt den wenig ſchmaͤlern, aber gleich breiten, am Ende etwas mehr abgerundeten, 2 Zoll laͤngern, beiden Mittelfedern, roͤthlichſchwarzbraun, nur auf den innern Fahnen nahe an der Wur— zel etwas Weiß (das aber die Deckfedern verbergen), ihre Schaͤfte hier hellbraun, uͤbrigens braunſchwarz; auf der untern Seite der Schwanz fahlbraun, wurzelwaͤrts graulich, die Schaͤfte weiß. Maͤnnchen und Weibchen haben gleiche Faͤrbung, doch die Erſtern oft eine etwas dunklere. Der dunkel gefleckte und gebaͤn— derte Halskragen iſt bei manchen Individuen (wie in unſrer Abbil- dung) nicht ſehr deutlich, bei andern viel breiter und dunkler; bei einigen reicht er mit den Spitzen auf dem Kropfe nicht zuſammen, waͤhrend er bei andern vorn noch ein geſchloſſenes Querband bildet, das manchmal bis faſt zu 3 Finger breit vorkoͤmmt; eine Geſchlechts— verſchiedenheit bezeichnen jedoch dieſe Abweichungen nicht. Es ſcheint, daß zwiſchen dieſem eben beſchriebenen weiß baͤu— chigen Kleide, mit welchem dieſe Art brütefähig geworden, und dem ſpaͤtern braunbaͤuchigen es noch ein Zwiſchenkleid gebe, mit den Hauptcharacteren des Erſtern, dieſe nur noch reiner ausgepraͤgt. — Wir muͤſſen dieſes aus F. Boie's Beſchreibung (S. 232. d. Reiſe in Norwegen) ſchließen, wenn wir ſie mit der unſrigen genauer vergleichen. Sie iſt an friſchen Voͤgeln, am 21. Juli erlegt, gemacht und lautet ſo: „Schnabel, ſo weit die Wachs— haut reicht, blaͤulich, ſonſt roͤthlichhornfarben mit dunkler Spitze; Iris dunkelbraun; Tarſen, Zehen, Schwimmhaͤute und Naͤgel ganz ſchwarz; der Kopf bis unter die Augen, Nacken (Genick?), Ruͤcken, Fluͤgel, obere und untere Deckfedern derſelben, Steiß (Buͤrzel?) und Schwanz dunkel olivenbraun; Halsſeiten und Hinterhals gelb— lichweiß, die Federn zum Theil mit dunklern Schaftſtrichen und mit zerſchliſſenen Spitzen; Vorderhals (Kropf?), Genick (Nacken?), Ober— bruſt und Seiten auf weißem Grunde ſchwarzbraun in die Quere gebaͤndert, wodurch dicht uͤber der Bruſt ein vollſtaͤndiges Halsband gebildet wird; Kehle und Bauch (Unterbruſt?), bis zu den Schen: keln rein weiß; Schenkelbefiederung, Aftergegend und untere Decken des Schwanzes ſchwarzbraun, heller als auf dem Mantel; die in— 496 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. nere Seite der Schwingfedern erſter Ordnung zur Haͤlfte weiß. Die beiden mittelſten Schwanzfedern ragen 3 Zoll uͤber die andern hin— aus. Die Weibchen ſind etwas kleiner als die Maͤnnchen.“ Das endlich voͤllig ausgebildete Hochzeitskleid alter Voͤgel iſt eben das erwähnte braunbaͤuchige. Es hat große Aehn⸗— lichkeit mit dem der alten Schmarotzer-Raubmeve, aber auf dem Mantel eine noch dunklere Faͤrbung. Der Kopf, Ruͤcken, Schultern, Fluͤgeldeckfedern, hintere Schwingen, Buͤrzel und Schwanz ſind dunkel rußbraun; Hals, Bruſt und alle untern Theile ebenſo einfoͤrmig, aber viel heller rußfarbig, nur an den Seiten des Ober— halſes, nach hinten, mit dunkelroſtgelben, zerſchliſſenen und ſeiden— artig glaͤnzenden Federenden; der Fittig wie im vorigen Kleide, ſo auch Schnabel, Augen und Füße; die mittlern Schwanzfedern 3 / Zoll laͤnger als die uͤbrigen. Zwei wol zu beachtende Umſtaͤnde ſprechen dafuͤr, daß das ein— farbig braune Kleid das der aͤlteſten Individuen iſt, worauf auch unſer treffliche Gewaͤhrsmann, Fr. Boie in ſeiner norwegiſchen Reiſe, S. 230. und 231. aufmerkſam macht; naͤmlich J) daß ſich unter einigen zwanzig in der Niſtgegend von ihm erlegten Exempla— ren nur ein einziges braunbaͤuchiges befand; 2) daß ſich dieſes auch durch die beſondere, die aller Uibrigen uͤbertreffende Laͤnge der mittlern Schwanzfedern als aͤlterer Vogel auszeichnete. Herr Fr. Boie beſtaͤtigt ferner, S. 233., daß bei mauſernden (am 21. Juli erlegten) Individuen die neu hervorkeimenden Federn in der Farbe von den alten nicht verſchieden waren, daß alſo an ein anders gefaͤrbtes Winterkleid bei dieſen Voͤgeln nicht zu den— ken ſei. Deſſenungeachtet theilt er ſpaͤter in der Iſis, Jahrg. 1835 Stck. III. S. 254. Beobachtungen von einigen Forſchern an der franzoͤſiſchen Nordkuͤſte mit, welche das Vorhandenſein eines dem Jugendkleide aͤhnlichen Winterkleides dieſer Art beweiſen ſollen, aber nicht gründlich genug find und lange nicht hinreichen dies dar— auf behaupten zu koͤnnen, wenigſtens kommen uns alle unter 1. bis 5. dort aufgeſtellten Saͤtze theils zu gewagt, theils zu oberflaͤchlich, zum Theil gar einander widerſprechend vor, als daß ſie uns geneigt machen ſollten, unſere im Obigen ausgeſprochene und doch auch auf Beobachtungen geſtuͤtzte Anſicht, uͤber die ſtufenweiſen Uibergaͤnge von einer Altersverſchiedenheit zur andern, aufzugeben. XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 497 Kufen t h a Die mittlere Raubmeve iſt, wie ihre Gattungsverwandten, eine Bewohnerin des hohen Nordens und der Polarmeere, in Europa weniger häufig als die vorhergehende und folgende Art, häufiger im noͤrdlichen Amerika. Sie bewohnt im Sommer die obere Kuͤſte von Norwegen unter dem Polarkreiſe in nicht geringer Anzahl, viel einzelner Island, aber verſchiedene Kuͤſten und Inſeln von Nordamerika, beſonders Neufoundland, in ſehr bedeutender Anzahl, und ſtreift zu andern Zeiten an den Kuͤſten der vereinig— ten Staaten ſehr weit nach Suͤden hinab. Ebenſo ſtreift ſie aus den hohen Breiten der europaͤiſchen Meere auſſer der Fortpflan— zungszeit auch in ſuͤdlichere, koͤmmt dann auf den Orkaden und den- Hebriden, an der iriſchen und ſchottiſchen Kuͤſte nicht ſelten, an andern, wie der daͤniſchen, der deutſchen Oſt- und Nordſeekuͤſte und Holland noch viel ſeltner vor, ſo auch an der des nördlichen Frankreichs, wo jedoch, als auſſerordentliche Aus: nahme, in der letzten Haͤlfte des October 1834 ganze Schwaͤrme ſich unter den vielen Tauſenden verſchiedenartiger Seevoͤgel befanden, welche damals durch anhaltende heftige Stuͤrme an dieſe Kuͤſte, na— mentlich in die Muͤndung der Somme verſchlagen waren. Auf dem mittellaͤndiſchen Meer iſt fie eine hoͤchſt feltne Erſcheinung; es ſind nur ein paar Beiſpiele bekannt, wo ſie auf dem adriatiſchen Meer bei Bologna und Venedig vorkam. Sie ſcheint dagegen oͤfter ins Innere des europaͤiſchen Feſtlandes von Norden her ver— ſchlagen zu werden, iſt einzeln in der Schweiz und in mehrern Gegenden Deutſchlands angetroffen worden, ſo auf dem Rhein, Main, der Elbe, Oder und andern nach Norden ſtroͤmenden Fluͤſſen und deren Gebiete, fo daß Exemplare in Schleſien, Sachſen, Thüringen, der Mark und andern erlegt wurden, auch ward eins in Anhalt, eine halbe Meile von meinem Wohnorte, am 13ten November 1837, todt gefunden. Allein, trotz mancher wol auch nicht bekannt gewordner Vorfaͤlle dieſer Art, koͤmmt ſie doch ungleich ſeltner als Lestris parasitica bei uns vor und gehoͤrt durchaus zu den ungewoͤhnlichſten Erſcheinungen. Immer fand man nur Vereinzelte und faft immer bloß junge Voͤgel bei uns, bis auf ein paar Alte, die auf dem Main oder Rhein er— legt wurden. Eigentlicher Zug vogel iſt fie wol weniger als Strichvogel; 10r Theil. 32 498 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. es ſcheint jedoch, daß ſie gegen den Winter regelmaͤßiger und auch tiefer nach Suͤden herab gehe als die andern, namentlich die vor— hergehende Art. Die meiſten in Deutſchland vorgekommenen Ins dividuen wurden im Spaͤtherbſt bemerkt, auch war die Zeit jenes haͤufigen Erſcheinens dieſer Art an der Nordkuͤſte Frankreichs die letzte Haͤlfte des October. Die jungen Voͤgel, welche ſich zuweilen bis tief in das Feſtland verirrten, erſchienen hie und da auch im September, October oder November, das oben erwaͤhnte Exemplar am 13. des letztern Monats in hieſiger Gegend. Viel ſeltner iſt ein Vogel dieſer Art im Fruͤhjahr, auf ſeinem Ruͤckzuge, bei uns be— merkt worden, was nicht zu verwundern iſt, weil von fo weit Ver— irrten wol die Meiſten uͤber Winter zu Grunde gehen. Dagegen ſind einige wenige Beiſpiele vorhanden von alten Voͤgeln, die auf deutſchen Binnenwaſſern im Juni und Juli erlegt wurden. Sehr wahrſcheinlich zerſtreuet ſich die große Mehrzahl dieſer Voͤgel auſſer der Niſtzeit auf allen Meeren unter einem Himmelsſtriche, welcher milder iſt als jener, wo ſie ihr Bruͤten verrichteten oder im Sommer uͤberhaupt ſich aufhielten. Auch ſie iſt eine Bewohnerin des Meeres, im ſtrengſten Sinne des Ausdrucks, naͤhert ſich nur in der Fortpflanzungszeit dem Lande, bruͤtet auf Inſeln und hohen Kuͤſten in der Naͤhe des Meeres oder im Angeſicht deſſelben, doch nicht unmittelbar an ihm, vielmehr an ſuͤßen Waſſern auf jenen, an moorigen oder quelligen Stellen hoher Plattformen u. dergl. und entfernt ſich wieder vom Lande, ſobald ihre Fortpflanzungsgeſchaͤfte vollendet ſind. Zu allen uͤbrigen Zeiten ſchwaͤrmt ſie auf dem Meer umher. Die ſuͤßen Gewaͤſſer haben ſo wenig Anziehendes fuͤr dieſe Voͤgel, daß ſehr weit vom Meer abge— kommene viel oͤfterer auf Wieſen und Feldern angetroffen werden, als auf Fluͤſſen, Landſee'n und Teichen, und an dieſen voruͤberge— hend nur ſehr kurz verweilen, während fie auf jenen ſich niederlaffen, herumlaufen und laͤngere Zeit in einem kleinen Bezirke bleiben. Dieſe Gleichguͤltigkeit eines wirklichen Seevogels gegen das Waſſer iſt hoͤchſt auffallend, beſonders wie ſie die bis zu uns verirrten jun— gen Voͤgel zeigen, die oft den Anſchein geben, als gehoͤrten ſie gar nicht zu den Schwimmvoͤgeln. eigen‘ h en Ein ſchoͤner Vogel, hinſichtlich ihres Gefieders, iſt die mittlere XIII Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 499 Raubmeve eben nicht, doch ihre Geſtalt eine nicht unangenehme, weil die verſchiedenen Koͤrpertheile in guten Verhaͤltniſſen zu einan— der ſtehen. Wegen Gedrungenheit und kraͤftigem Ausfehen ſteht ſie im Mittel zwiſchen der großen und der Schmarotzer-Raub— meve, d. h. ſie iſt ſchlanker als jene, aber gedrungener gebauet als dieſe, oder eine ſchlankere Mevengeſtalt, wenn die Letztere darin ſich ſchon mehr den Meerſchwalben naͤhert. Sie ſteht, die Füße im Gleichgewicht, mit ſteifen Ferſen, wage: rechtem Koͤrper und Schwanz, die Fluͤgel vorn unter den Tragfe— dern, hinten uͤber dem Schwanze etwas gekreutzt, den Hals aufrecht, wenig gedehnt, oft in ſchoͤner Biegung ziemlich eingezogen, Kopf und Schnabel horizontal, wie eine Meve; geht auch wie dieſe ſchritt— weiſe, aber noch viel behender und oͤfters ſehr anhaltend. Zuweilen ſchwimmt ſie auch, mit dem Anſtande kleiner Mevenarten, und ruht ſchwimmend beſonders gern auf einem ſtillen Waſſerſpiegel ohne fort: zurudern, wo ihr nichts Anderes uͤbrig bleibt, wie auf offnem Meer, auch auf hochwogendem. Niederlaſſen und Aufſchwingen geſchieht ſehr ſanft. Auch ihr Flug haͤlt das Mittel zwiſchen dem der vorigen und folgenden Art; er aͤhnelt, wenn ſie keine Eil hat, dem der Sturm— meve, wobei die ſanften Fluͤgelſchlaͤge nur langſam aufeinander fol— gen. Mitunter ſchwebt ſie auch ganze Strecken und drehet ſich ſo zuweilen in großer Hoͤhe in weiten Kreiſen. Ganz anders geſtaltet ſich dagegen der Flug, wenn ſie im Verfolgen eines andern Vogels begriffen iſt; dann werden die Fluͤgel hoch und ſehr ſchnell geſchwun— gen, die kuͤhnſten Schwenkungen ausgefuͤhrt, bogenfoͤrmig hinauf— und herabgeſchoſſen und in allen Bewegungen große Gewandtheit gezeigt. So unſtaͤt und gaukelhaft wunderlich, wie der der folgen— den Arten, iſt er indeſſen noch lange nicht, und dieſer ſolidere Flug, bei etwas groͤßerm und gedrungenerm Koͤrperbau, unterſcheidet ſie ſchon in der Ferne von Lestris parasitica. Sie widerſteht darin dem heftigſten Sturm, ſo lange ſie ihm die Spitze bieten kann, und treibt waͤhrend deſſelben ihre raͤuberiſchen Geſchaͤfte gerade mit recht gutem Erfolg. ; Sie ift eine Räuberin gleich den Uibrigen dieſer Gattung, haͤ— miſch, ungeſellig, gegen andere Voͤgel hinterliſtig, von denen ſie jeder mit Grund als Feind betrachtet, ſcheu auf fie hinblickt und ihr aus: weicht, wo dies möglich iſt. Nur an den Bruͤteplaͤtzen find zuwei— len viele beiſammen, aber auch ſtets von andern Voͤgeln abgeſon⸗ 32* 500 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. dert; zu andern Zeiten zeigt fie noch viel weniger Hang zur Gefel- ligkeit, treibt ſich dann einzeln, hoͤchſtens zu Zweien oder Dreien unſtaͤt herum, und nur an guten Fangplaͤtzen ſammeln ſich manch— mal mehrere, ohne daß ein gewiſſes Zuſammenhalten unter ihnen bemerklich wuͤrde. In ihrem, freilich auch groͤßern und bedeutend ſtaͤrkern Schnabel hat fie viel mehr Gewalt als die folgende Art; die fluͤgellahm Geſchoſſene kann daher viel ſchmerzhafter damit ver— wunden, was dieſe kaum oder nie in dem Grade vermag. Ihre Stimme, welche ſie beim Verfolgen andrer Voͤgel aus— ſtoͤßt, klingt etwas anders als bei Lestris parasitica, obwol aͤhnlich, doch noch leicht zu unterſcheiden. Sie klingt J ah, — it äh! (zweiſilbig)! Beim Neſte, wenn ſich ihm ein Menſch naͤhert, laͤßt ſie eine ganz andere hoͤren, ein dem Klaͤffen eines kleinen Hundes aͤhnliches Wew wew! Bei allen andern Gelegenheiten ſcheint ſie ſtumm; auch von denen auf dem Feſtlande angetroffenen, meiſt jungen Voͤgeln, hat man nie— mals eine Stimme vernommen. Bei den meiſten ihrer Beſchaͤfti— gungen iſt jedes Individuum ſich ſelbſt genug; es bedarf daher auch keines lauten Zurufs um mehrere herbeizuziehen, zumal ſolche ihm nur die Nahrung ſchmaͤlern wuͤrden. Verſuche mit Eingefangenen haben bewieſen, daß ſich dieſe, wie andere Raubmeven, ſo leicht oder noch leichter als Meven am Le— ben erhalten laſſen und bei richtiger Behandlung mehrere Jahre in der Gefangenſchaft ausdauern. Nh nen Auch in dieſer haͤlt die mittlere Raubmeve gewiſſermaßen das Mittel zwiſchen der großen und den beiden kleinen Arten. Sie wuͤrde ebenſo mordſuͤchtig zu nennen ſein als jene, wenn ſie die Staͤrke und Groͤße derſelben beſaͤße, uͤberragt aber nach demſelben Maaßſtabe wieder in Allem die folgende Art. Sie verfolgt im Fluge die Meven, von den kleinen bis zu mehr als mittler Groͤße, Meer— ſchwalben, Sturmvoͤgel, Taucher, Enten u. a., um ihnen die eben— gemachte Beute abzujagen, welche dieſe, durch das Schreien und Zwicken des Raͤubers geaͤngſtigt, fallen laſſen oder auswuͤrgen, dieſer dann mit groͤßter Geſchicklichkeit auffaͤngt, ehe ſie im Fallen das Waſſer erreicht, oder, wenn dies ja einmal vorkoͤmmt, ſie geſchwind von der Oberflaͤche deſſelben wegnimmt. Gewoͤhnlich verfolgen die Raubmeven nur ſolche Meven, welche fie eben einen Fang machen XIII. Ordn. LAXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 501 ſahen, die dieſen dann um ſo williger wieder auswuͤrgen, als Me— ven uͤberhaupt ſehr leicht vomiren; ſie kommen aber, wo viel Con— currenz herrſcht, zuweilen auch an eine Unrechte, welche Nichts ge— fangen hat, die ſie dann ohne Erfolg einige Zeit martern, bis ſie ſehen, daß ſich hier Nichts erpreſſen laͤßt. Bei ſolchen Voͤgeln, welche die gefangenen Fiſche im Schnabel wegtragen, wie Meer— ſchwalben, Lummen, Alken u. a. iſt dagegen der Erfolg viel ſicherer. Die mittlere Raubmeve iſt kuͤhn genug, zuweilen der Silber— oder Heringsmeve ihre Beute abzuquaͤlen; manchmal greifen ſolche auch mehrere zugleich mit vereinten Kraͤften an. Wo viele Meven bei hochgehenden Fiſchzuͤgen verſammelt ſind und guten Fang haben, ſtellen ſich bald auch dieſe Schmarotzer ein, um auf beque— mere Weiſe zu ihrem Antheil an der Beute zu gelangen. Selbſt fangen kann fie, gleich den Gattungsverwandten, nur ganz oben ſchwimmende, meiſt bloß abgemattete oder todte Fiſche, oder ſolche, die ſich bei der Ebbe in ſehr wenigem Waſſer befinden, wo ſie auch mitunter kleine Kruſten- und Schaalthiere, Weich- und Ringelwuͤr— mer auflieſet. Sie verſchmaͤhet kein ſchwimmendes Aas und fättigt ſich oft auf denen von groͤßern Seethieren; laͤßt ſich auch, gleich vielen Mevenarten, nicht ſelten auf den Ruͤcken der Wallfiſche nie— der, um die auf ihnen lebenden kleinen Schmarotzerthiere abzu— leſen, wie im Lande die Staaren auf den Ruͤcken des weidenden Viehes zu thun pflegen. Sie iſt ſehr raͤuberiſcher Natur, ſaͤuft in der Bruͤtezeit andern Voͤgeln die Eier aus und ſchleppt ihnen die Jungen weg, um die ihrigen damit zu fuͤttern oder ſich ſelbſt davon zu naͤhren. Zu an— dern Zeiten zeigt ſie ebenfalls ihre Mordgier an kranken oder abge— matteten Voͤgeln und allen ſolchen, welche fie zu uͤberwaͤltigen ge— denkt. Als die fuͤrchterlichen Herbſtſtuͤrme im Jahr 1834 dieſe nebſt vielen andern Seevoͤgeln in großer Anzahl an die Nordkuͤſte Frank: reichs brachten, machte unſere Lestris pomarina haͤufig Jagd auf die vom Sturm abgematteten Schwalbenſturmvoͤgel (Thalassi- droma pelagica), die ſie geſchickt im Fluge fing, ſo daß viele die— ſer Raubmeven geſchoſſen wurden, denen ein ſolcher kleiner Vogel, ſammt allem Gefieder, im Schlunde ſteckte. Zum Verſchlingen zu große Voͤgel ſchleppt ſie fort und zerſtuͤckelt ſie zuvor. Die juͤngern Raubmeven dieſer Art, welche ſich abgeſondert von den bruͤtefaͤhigen und meiſtens an ganz andern Orten aufhalten, fliegen zur Abwechslung oft von der See eine Strecke landeinwaͤrts, 502 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. laſſen ſich auf Wieſen und Brachfeldern nieder, ſuchen, hier herum: laufend, Regenwuͤrmer, allerlei Inſektenlarven, auch Raupen, Kaͤfer, Heuſchrecken, Spinnen und andere Inſekten auf, und da ſie das viel oͤfterer thun als die Alten, vielleicht Zufall ſie mehr und mehr von der Kuͤſte entfernt, ſo iſt leicht einzuſehen, daß ſie ſich auch viel öfter als dieſe zu weit vom Meer abwärts auf's feſte Land verflie— gen. Bei uns erlegte junge Voͤgel hatten ſtets Uiberbleibſel von Kaͤfern und Inſektenlarven, ſelbſt von Maͤuſen im Magen. Der Letzte welchen in erhielt, war ziemlich mager, daher ſehr leicht, und hatte im Magen ebenfalls einige Kaͤferbeine und Larvenkoͤpfe, deren Arten nicht mehr zu erkennen waren. f Fortpflanzung. Die mittlere Raubmeve hat ihre Bruͤteplaͤtze auf einigen Sn: ſeln des obern Norwegens, innerhalb des Polarkreiſes, eine ge— ringe Anzahl auch auf Island. Sehr haͤufig ſoll ſie ſich auf Neu— foundland fortpflanzen, hier in großen Niſtvereinen beiſammen leben, waͤhrend in jenen europaͤiſchen Laͤndern nur wenige Paare bremen niftend oder bloß einzelne Paͤaͤrchen vorkommen. Ihre Bruͤteplaͤtze, Wieſen, moorige oder ſumpfige Stellen, bei Quellen und ſuͤßen Gewaͤſſern, etwas vom Meer entfernt, bald gruͤne Plattformen und ſanfte Abhaͤnge, bald ſandige Plaͤtze, liegen ſtets in der Nachbarſchaft der ſogenannten Vogelberge oder wo ſehr viele See- und Strandvoͤgel beiſammen niſten, doch immer, wenn ſie auch nur aus einzelnen Paͤaͤrchen beſtaͤnden, ganz von jenen abgeſondert; denn keine jener Arten wagt es, dem Niſtplatz dieſer heimtuͤckiſchen Voͤ—⸗ gel ſich unmittelbar anzuſchließen. Die verſchiedenen Neſter eines Vereins ſind nie nahe bei einander und eine etwas zahlreiche Ko— lonie nimmt daher einen bedeutenden Raum ein. Wo Gras oder Moos waͤchſt bereitet das Weibchen durch Nie— dertreten deſſelben und durch häufiges Drehen des Körpers auf die— ſer Stelle eine napffoͤrmige Vertiefung, im Sande ſcharrt es ein kleines Gruͤbchen, und eins wie das andere iſt fuͤr Aufnahme der Eier hinlaͤnglich. Ein weiterer Neſtbau findet nicht Statt. Zu Ende des Mai oder Anfangs Juni findet man Eier in den Neſtern, deren keines mehr als 2 Eier enthaͤlt. Wie die Voͤgel ſo ſehen auch die Eier der Raubmevenarten einander ſehr aͤhnlich, nach XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 560. Mittl. Raubmeve. 593 Geſtalt, Farbe und uͤbrigen Beſchaffenheiten. Die der gegenwaͤrti— gen Art haben eine mittlere Groͤße und ſtehen in dieſem Betracht im Mittel zwiſchen denen der großen und der folgenden Art. Sie find 2 Zoll 4 bis 6 Linien lang und 1 Zoll 8 bis 9 Linien breit, aͤhneln hierin alſo ohngefaͤhr denen der Maͤrzente, aber dieſen ſonſt in Nichts; denn fie haben eine ganz andere Geftalt, ein ſehr abgerundetes und ein ſehr ſpitzes Ende und der ſtarke Bauch liegt erſterem viel näher, fo daß fie ſich der kreiſelfoͤrmigen Geſtalt der Schnepfeneier naͤhern. Ihre Schale iſt ſtark und feſt, aber von ei— nem viel feinern Korn als bei Meveneiern, die vielen Poren des— halb weniger ſichtbar, die Flaͤche zarter, glatter und glaͤnzender, doch ohne blinkenden Glanz. In der Faͤrbung aͤhneln ſie denen der uͤbri— gen Lestris-Arten; die Grundfarbe iſt ein blaſſes Olivengruͤn, mit Punkten, Tuͤpfeln und Flecken beſtreuet, von denen die in der Schale ſitzenden braungrau, die oberflaͤchlichen tief ſchwarzbraun oder choko— latbraun, faſt braunſchwarz ausſehen, entweder auf der ganzen Flaͤche verbreitet oder, und zwar am oͤfterſten, die zwiſchen der groͤßten Breite und dem ſtumpfen Ende einen Fleckenkranz bilden, aber übrigens ſehr einzeln ſtehen. Manche haben dieſe Zeichnung ſehr ſchoͤn, indem alle groͤßern Flecke und Tuͤpfel, wol noch mit Haarzuͤgen vermiſcht, einen ſchoͤnen Kranz bilden, auf der ganzen uͤbrigen Flaͤche aber nur Tuͤpfel und Punkte ſehr einzeln zerſtreuet ſind. In den Samm— lungen wird ihre Grundfarbe braͤunlicher. Sie aͤhneln an Groͤße, Geſtalt und Faͤrbung manchen kuͤrzern Formen unter den Eiern der Sturmmeve ſehr, jedoch ihre weit zartere und etwas glänzende Oberflaͤche unterſcheidet ſie leicht. Andrerſeits ſind ſie wieder denen des Regenbrachvogels (Numenius Phaeopus) ſehr aͤhnlich, ihre Geſtalt aber nie ſo ſehr kreiſelfoͤrmig und ihre Schale von weniger zartem Ausſehen, auch ihre aͤußern Flecke meiſtens von einer viel dunklern Farbe, die Umriffe dieſer viel ſchaͤrfer gezeichnet und dabei mehr gerundet; endlich ſind ſie auch ſtets etwas groͤßer und darum nicht mit ihnen zu verwechſeln. Maͤnnchen und Weibchen haben auf jeder Seite des Bau— ches einen Bruͤtefleck und bruͤten abwechſelnd 4 Wochen lang. Die Jungen bleiben kaum einige Tage im Neſte, doch in den naͤchſten Umgebungen und verkriechen ſich ſpaͤter unter Pflanzen und hinter kleinen Huͤgelchen in einem weitern Kreiſe. Die Alten betragen ſich bei den Eiern oder Jungen wie die der folgenden Art, ſtoßen keck genug, doch nicht ſo verwegen wie die vorige, auf den Ruhe— ſtoͤrer, welcher ſich jenen naͤhert, und laſſen dazu ihr Wew wew 504 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. häufig hören. Die Jungen werden mit allerlei Seegewuͤrm, Vo⸗ geleiern, jungen Strandvoͤgeln und kleinen Fiſchen aufgefuͤttert, und es vergehen faſt zwei Monate, ehe ſie flugbar und ſich ſelbſt zu naͤhren im Stande ſind, wobei ſie das Letztere nach und nach an Landinſekten, Larven und Regenwuͤrmern in den Umgebungen ler— nen, und dort auch, wenn ihnen die Alten kein Futter mehr brin— gen, noch oft wie Dohlen auf dem Trocknen herumwandeln und jene aufſuchen. Auch dieſe Jungen ſollen ſich zuweilen von den Beeren des Vaccinium uliginosum und V. Oxycoccus nähren. Die Kunſt, andern Voͤgeln die Beute abzujagen, ſcheint ihnen viel ſpaͤ⸗ ter erſt beizukommen. Fe i n d e Vor dem Seeadler und Jagdfalken zeigen ſie viel Furcht; es iſt alſo wenigſtens ſehr wahrſcheinlich, daß ſie zuweilen von die— ſen gefangen werden. Fuͤchſe pluͤndern zuweilen des Nachts ihre Neſter oder rauben ihnen die Jungen. J a g d. Auch die mittlere Raubmeve iſt eben nicht ſehr ſcheu; wenn . alte Voͤgel ſich mißtrauiſcher und vorſichtiger zeigen, ſo ſind es die Jungen doch keineswegs, daher leicht genug zu ſchießen. Beim Verfolgen anderer Voͤgel, um dieſen eine Beute abzujagen, vergeſſen jene oft die eigene Sicherheit; ſie laſſen ſich ſogar durch das nach⸗ geahmte Geſchrei von ihnen geaͤngſteter Meven in Schußnaͤhe her beilocken. Vor allem leicht ſind ſie am Niſtplatze, wenn ſie Eier oder Junge haben, zu erlegen. Die bis in unſere Gegenden verirr— ten Jungen halten auch im Sitzen ſchußmaͤßig aus. Auf dieſelbe Art, wie man andere nahverwandte Voͤgel faͤngt, kann man auch dieſe Raubmeven an Angelhaken fangen. Mit Schlingen bei ihrem Neſte mag dies auch leicht angehen; auch wiſ— ſen ſie die Nordlaͤnder bei den Neſtern der Eiderenten, wenn ſie dieſen die Eier wegſtehlen wollen, in Schlingen zu fangen. N u tz e n. Dieſer iſt gering; denn ihr Fleiſch iſt von ſchlechtem Geſchmack und wird ſelbſt von den nordiſchen Voͤlkern nicht geachtet; dagegen XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 300. Mittl. Raubmeve. 505 findet man ihre Eier ſehr ſchmackhaft und ſucht ſie deshalb zum Gebrauch fuͤr die Kuͤche auf. e, e Dd.e.m Als Pluͤnderer der Vogelberge bringen ſie mittelbar auch den Menſchen Nachtheil; doch kann ein ſolcher ihnen nicht hoch ange— ſchlagen werden. 301, Die Schmarotzer-Raubmeve. Lestris parasitica. Boie. Fig. 1. Maͤnnchen im fünften Sommer. Fig. 2. Weibchen im vierten Sommer. Fig. 1. Maͤnnchen im dritten Sommer. Taf. 273. Fig. 2. Weibchen im zweiten Sommer. Fig. 3. Maͤnnchen im erſten Jugendkleide. Taf. 272. Schmarotzermeve, Struntmeve, Polarmeve, Polmeve, arktiſche Meve. Struntjaͤger; Strandjaͤger; Mevenbuͤttel; Scheißfalke. Spitz— ſchwaͤnziger —, langſchwaͤnziger Strandjaͤger. Nordvogel. Labbe. Jodieb. Johann. Lestris parasitica. Boie, Reiſe in Norwegen, S. 129, u. f. — Lestris parasiticus. (Stercoraire parasite ou Labbe.) Temm. Man. 2de Edit. II. p. 796. Lestris parasiticus. Nilsson, Orn. suec. II. p. 181. n. 222. — Larus para- siticus. Gmel, Liun. Syst. I. 2. p. 601. u. 10. = Lath. Iud. II. p. 819. n. 15. — Catharacta parasitica et C. coprotheres. Brünn. Orn. bor. p. 37—38. n. 127. & 128. — Calaracta parasilica. Retz. Faun. suee. p. 160. n. 122. — Sterco- rarius longicaudus. (?) Briss. Orn. VI. p. 150. u. 1. Le Labbe ou le Ster- coraires. Buff. Ois. VIII. p. 441. t. 34. — Edit. de Deuxp. XVI. p. 195. = Id. planch. enl. 991. = Artic-Gull. Penn. aret. Zool. überf. v. Zimmermann, II. S. 492, n. 376, — Lath. Syn. VI. p. 389. n. 16. t. 99. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 342. n. 16. t. 106. (Abbildg. ohne Werth) = Labbo. Savi, Orn. tose. III. p. 46. = Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 665. - Deſſen, Taſchenb. II. S. 375. n. 8. - Meyer, Zuſätze und Berichtgn. z. (III.) Taſchenb. v. Wolf u. Meyer, S. 214. n. 4. - Brehm, Beitr. III. S. 853. = Deſſen, Lebrb. II. S. 744. - Deſſen, Naturgeih. aller Vög. Deutſchlds. S. 719—723. — Meis- ner, Muſeum d. N G. Helvetiens. S. 18—19. A, — Gloger, Schleſ. Faun. ©. 54. n. 242. — Hornſchuch und Schilliug, Verz. pommerſcher Vög. S. 1% n. 245. — Don Homeyer, Pommerſche Vög. S. 69. u. 229. XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 507 Unſere Lestris parasitica exiſtirt dem Namen uach noch in viel mehrern ornitholo— giſchen Schriften und Verzeichniſſen, aber theils unkenntlich, theils mit der vorigen und folgenden Art vermengt, wie z. B. in Meisner und Schinz, Vög. der Schweiz. S. 278. — Koch, Baier. Zool. I. S. 381. — Wolf u Meyer, Taſchenb. II. S. 490, — Temm. Man. Ire Edit. p. 512—515. und in mehrern andern fo. Jünger Vo ge. Larus crepidatus. Gmel. Linn, Syst. I. 2. p. 602. n. 20. = Latlı, Ind. II. p. 819. n. 14. — Wolf u. Meyers Taſchenb. II. S. 463. — Catharacta cep- phus. Brünn. Orn. bor. p. 36. u. 126. Le Labbe ou Stercoraire. Gerard. Tab. élém. II. p. 327. Blacktoed-Gull. Lath. Syn. VI. p. 387. n. 15. —lliberf. von Bechſtein. III. 2. S 340. u. 15. — Penn. arct. Zool. II. p. 531. n. 460. — Uiberſ. v. Zimmermann. II. S. 492. n. 377. —= Wolf u. Meyer, Vög. Deutſchlds. Hft. 20. Ein jüngeres u ein älteres Individuum. — Naumann's Vög. alte Ausg. III. S. 181. Taf. XXXIV. Fig. 49. Mebrere Synonymen laſſen ſich mit Sicherheit nicht citiren, weil auch unter den jungen Raubmeven ſo große Verwirrung herrſcht, daß ſelbſt Meyer, im III. Theil, S. 212. des Taſchenbuchs, ungeachtet er hier unſere 4 Lestris- Arten zu allererft und ſehr gut unterſchied, — bei den Jungen von L. pomariua, aus feinem eignen Pracht— werk: Vögel Deutſchlds. Heft 20. die beiden ſchönen Abbildungen junger Raubmeven e tirte, die doch unverkennbar zu L. parasitica gehören. Später ging dieſer Irrthum auch in andere Werke über. eee e Die beiden mittelſten Schwanzfedern ſehr verlaͤngert, erſt vom letzten Drittheil an allmaͤhlich in die ſchmale Spitze auslaufend; bei Jungen wenig verlaͤngert, ſchmal zugerundet; bei etwas aͤltern ſpitzer. Hauptfarbe am alten Vogel rußbraun. Groͤße zwiſchen Saatkraͤhe und Dohle. Beſchreibung. Dieſe Art unterſcheidet ſich ſchon durch die geringere Groͤße und die viel ſchlankere Geſtalt von L. pomarina. Schnabel, Kopf, Rumpf und Fuͤße ſind kleiner und viel ſchwaͤcher, dagegen Fluͤgel und Schwanz verhaͤltnißmaͤßig laͤnger, weshalb die Maaße einen geringern Unterſchied zeigen, als ein vergleichender Blick auf beider Geſtalten findet. Dazu kommt nun noch bei alten Voͤgeln ein ganz anderer Bau der beiden mittelſten Schwanzfedern, die bei L. para- sitica nicht nur länger, ſondern auch lanzettartig und ſehr ſchlank zugeſpitzt ſind, waͤhrend die jener dagegen am zugerundeten Ende kaum etwas ſchmaͤler als an ihrer Wurzelhaͤlfte ſind. Selbſt bei jungen Voͤgeln beider Arten zeigt ſich ſchon ein ganz verſchiedener Zuſchnitt der Enden dieſer Federn. Schwerer iſt fie von unſrer L. crepidata zu unterſcheiden. Ob: gleich ſie wol ſtets dieſe in der Groͤße bedeutend uͤbertrifft, ſo iſt 508 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. dies doch nicht bei allen Individuen fo viel, daß nicht zuweilen, na— mentlich durch ungeſchicktes Ausſtopfen, zweifelhafte Faͤlle vorkom— men koͤnnten, zumal unter Jungen beider Arten, weil auch unter denen von L. parasitica fo kleine Individuen vorkommen, daß fie den Alten von L. crepidata, wenn die mittelſten Schwanzfedern unberuͤckſichtigt bleiben, in der Groͤße kaum gleichkommen. Die Ge— ſtalt des Schnabels, wenn ſie gleich individuell auch etwas verſchie— den vorkoͤmmt, bleibt wol das ſicherſte Unterſcheidungsmerkmal; er iſt bei L. parasitica ſtets größer, namentlich länger und breiter, Wenn man vom Auge, uͤber das Naſenloch hinweg, zur Schnabel— ſpitze in Gedanken eine Linie zieht, ſo iſt dies hier ſtets eine ganz gerade; dagegen kann man bei L. crepidata eine ſolche nicht anneh: men, weil das Schnabelende ſich etwas erhebt, indem die zwar ge— rade Linie der Schnabelfirſte gleich von der Stirn an etwas auf— ſteigt, oder, mit andern Worten, weil die Stirn hier ſteiler aufſteigt als bei L. parasitica, wodurch, wegen des etwas hoͤher ſtehenden Auges, eine ganz andere Geſichtsform entſteht. Dann hat der Schna— bel bei unſrer L. parasitica keinen Ausſchnitt oder Zahn, welcher den viel kuͤrzern, dickern, walzigern der L. crepidata ebenfalls ſehr gut characteriſirt. Die Fuͤße ſind in jedem Alter bei L. parasitica groͤßer, hoͤher und ſtaͤrker, und dies alles recht auffallend. So ſchwer zu unterſcheiden nun auch die Jungen beider Arten fuͤr den Ungeuͤbten ſein moͤgen, ſo wenig ſind es die alten Voͤgel. Wenn bei L. parasitica die mittelſten Schwanzfedern, welche im Ganzen ſchon viel breiter find, bis über die Mitte gleichbreite Fah— nen haben, von da an ſehr allmaͤhlich an Breite abnehmen und ſpitz auslaufen, aber 2 Zoll von der Spitze noch über 6 Linien breit ſind, — ſo ſind ſie bei L. crepidata vom Anfange an ſchon viel ſchmaͤler, fangen ſchon vom erſten Drittheil an allmaͤhlich an Breite abzunehmen, und weil ſie an Laͤnge jene ſtets um Vieles uͤbertref— fen, ſo werden am Ende die Fahnen ſo ſchmal, daß die Breite einer ſolchen Feder, 2 Zoll von der Spitze, nur 2 Linien betraͤgt, ſo daß ſie den Spießen gleichen, wie wir ſie bei mehrern Meerſchwal— ben und Schwalben antreffen. Eben fo auffallend verfchieden iſt die Farbe des Mantels, bei L. parasitica ſtets viel dunkler, ein duͤ— ſteres Braun oder Rauchfahl, — bei L. crepidata ſtets viel heller, ein bald mehr bald weniger ins Braͤunliche ſpielendes Aſchgrau. Von L. Richardsonii, Swains., deren mittlere Schwanzfedern wie bei L. pomarina geſtaltet find, die aber nur die Größe von un: — os XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 509 ſrer L. parasitica hat, unterſcheidet ſich dieſe auch durch das ganz anders geformte Ende dieſer Federn, ob — wie vermuthlich — auch noch in andern weſentlichen Dingen, weiß ich nicht, weil mir zum Vergleichen die noͤthigen Exemplare fehlen. Daß dieſe in neuerer Zeit aufgeſtellte Art, unter andern, wenigſtens im Jugendkleide, auch zuweilen in Deutſchland vorkommen möge, iſt mir nicht unwahr— ſcheinlich, doch fehlt hierüber die völlige Gewißheit. Unſere Schmarotzer-Raubmeve iſt, wenn auch die viel laͤngern Flügel: und Schwanzfedern nicht in Betracht kommen, weit größer als eine Dohle (Corvus monedula) doch lange nicht fo groß als eine Saatkraͤhe (Corvus frugilegus); die einjährigen Jungen uͤbertreffen jedoch jene nicht viel an Groͤße. Man kann ſie in dieſer Hinſicht auch mit der Lachmeve (Larus ridibundus) vergleichen, aber ihre Geſtalt iſt viel mehr meerſchwalben-, als mevenartig. Die Maaße wechſeln zwiſchen jungen und alten Voͤgeln folgenderge— ſtalt: die Laͤnge, — die beiden Mittelfedern des Schwanzes, ſo weit fie über das naͤchſte Paar hinausreichen, nicht mit gemeſſen, — 15 ¼, 16½ bis 17 Zoll, die Flugbreite 38, 39 bis 45 Zoll; die Flügel: lange, vom Carpus zur Spitze, 12½, 12½ bis 14½ Zoll; die Länge des Schwanzes 5, 5 bis faſt 5½ Zoll, wovon die erſtern den Jungen im erſten Herbſt, die folgenden zweijaͤhrigen, die letzten alten Voͤgeln zu kommen, worunter es aber noch mancherlei kleine Abweichungen giebt. Die Weibchen ſollen meiſtens etwas groͤßer ſein als die Maͤnnchen, was ich jedoch auch nicht bei allen habe finden koͤnnen. Der Kopf iſt mevenartig, mit flacher Stirn und klein; der Hals nicht lang, auch eben nicht ſtark; die Bruſt ſtark und gerun⸗— det, dieſe ſehr dick und pelzartig befiedert, dies Gefieder beſonders groß; das uͤbrige kleine Gefieder weich und zart, faſt uͤberall ohne deutliche Umriſſe, wie bei Meven, an den Halsſeiten gegen den Nacken die zerſchliſſenen Federſpitzen ſeidenartig glaͤnzend, dies jedoch nicht am Jugendkleide; die Schwing- und Schwanzfedern ziem— lich hart; die großen Schwingen, von welchen die vorderſte die laͤngſte und ½ Zoll laͤnger als die folgende iſt, uͤberhaupt ſehr lang, mit ſehr ſtarken, ſtraffen Schaͤften und breiten Fahnen, die aber, allmaͤh— lich ſchmaͤler werdend, in eine ſchmale zugerundete Spitze verlaufen; die der zweiten Ordnung nicht lang, ſehr breit, am Ende ſchraͤg zu— gerundet und ihre Schaͤfte ſtark nach hinten gebogen; die dritter Ordnung ziemlich lang, ſehr breit, lanzettfoͤrmig, mit geraden Schaͤf— ten. Der Schwanz beſteht aus 12 ſtarken, gleichbreiten Federn, 510 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt, 301. Schmarotz.⸗Raubm. mit mehr zu⸗ als abgerundeten Enden; die des aͤußerſten Paares find die ſchmaͤlſten und / Zoll kuͤrzer als die des naͤchſten, dieſe wieder ein wenig kuͤrzer als die folgenden, ſo daß das erſte gegen das fünfte Paar faſt ¾ Zoll kuͤrzer iſt, wodurch das Schwanzende einen flachen Bogen bildet, ſeltner auch faſt ganz gerade erſcheint, waͤhrend das mittelſte oder ſechſte Paar ſtets laͤnger als das fuͤnfte ift, bei jungen Voͤgeln gegen 1 Zoll, bei ältern mehr, bei ganz alten 3 bis faſt 4 Zoll über letzteres hinausragt, wobei dieſe beiden Federn bis uͤber die Mitte ihrer Laͤnge eine anſehnliche und gleichfoͤrmige Breite haben, von hier an aber nach und nach immer ſchmaͤler werdend in eine ſcharfe Spitze auslaufen. Die ruhenden Fluͤgel ragen mit ihren Spitzen nach dem verſchiedenen Alter der Individuen von 1¼ bis 2½ Zoll über das Ende des Schwanzes (ohne Beruͤckſichtigung der beiden laͤngern Mittelfedern) hinaus. Der Schnabel hat in ſeinen Umriſſen große Aehnlichkeit mit dem der L. pomarina, aber einen kleinern Haken, iſt auch im Gan— zen viel ſchmaͤchtiger gebaut; gegen den der L. crepidata iſt fein Profil ſchlanker, von oben geſehen wurzelwaͤrts aber viel breiter; denn er iſt hier meiſtens nicht ſo hoch als breit, jener dagegen cylin— driſcher oder Hoͤhe und Breite gleich. — Die groͤßere Breite macht hier hauptſaͤchlich der meiſtens ſehr ſtark aufgeworfene Rand des Oberſchnabels unterhalb der Wachshaut, den dieſe begrenzt, die vorne wie bei andern, wo die Firſte des Hakens ſich einfuͤgt, rund ausgeſchnitten iſt, auch mit zwei Laͤngefurchen bezeichnet iſt, welche die platt abgerundete Firſte beiderſeits parallel begrenzen. Bis zu Ende dieſer ziemlich harten Wachshaut iſt die Firſte ganz gerade, dann folgt der Haken, welcher ſich ein wenig aufſchwingt, nach vorn ſanft herabkruͤmmt und mit der Spitze ein Wenig uͤber die untere ragt; der Kiel gerade bis an's Ende der langen Spalte, hier das Eck wenig vortretend, dann etwas ſchraͤg in die Spitze aufſteigend, dieſer Theil, die ſogenannte Dillenkante (Gonys), hier bedeutend kuͤrzer und flacher als bei L. crepidata. Die Schneiden ſind ge— rade, nur vorn dem Haken gemaͤß herabgebogen, ſehr ſcharf, ganz eben, wurzelwaͤrts ſtark einwaͤrts gezogen. Der Rachen iſt tief ges ſpalten und ſehr breit. Das ritzfoͤrmige, vorn etwas erweiterte, durchſichtige Naſenloch liegt am Ende des untern Randes der Wachshaut. Die Zunge iſt etwas fleiſchig, beſonders hinterwaͤrts, dann ſchmal, oben mit etwas vertiefter Mittelrinne, unten kantig, an der dünnen ſtumpfen Spitze etwas hornartig, dieſe in zwei Theile ge: — — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 511 ſpalten, am Rande etwas zaſericht, doch nicht tief eingeſchnitten, die hintern Ecken mit kleinen dornartigen Eckzaͤhnen, von welchen jeder: ſeits einer merklich groͤßer als die uͤbrigen iſt. Die Länge des Schnabels von der Stirn zur Spitze iſt 1 Zoll 1½ bis 4 Linien, aus dem Mundwinkel 1½ bis faſt 2 Zoll; die der Wachshaut 6 bis 8 Linien; die Höhe des Schnabels, wo die Stirnfedern anfangen (im Durchmeſſer) 5 Linien, die Breite hier 5, 6 bis 6½ Linien. — Seine Farbe iſt eine mattſchwarze, an der Wachshaut, und manchmal auch noch an der obern und untern Mundkante zunaͤchſt der Schnabelwurzel, eine ſchmutzig olivengruͤn— liche; bei jungen Voͤgeln iſt er nur vorn ſchwarz, uͤbrigens, ſoweit die Naſendecke reicht, unten und oben, bleiblau, die Wachshaut am lichteſten, die obere Mundkante hinterwaͤrts weißlich; Rachen und Zunge blaß fleiſchfarbig, bei jenen meiſtens in der Tiefe ins Weiß— blaͤuliche uͤbergehend. Im ausgetrockneten Zuſtande wird die Schna— belwurzel und Wachshaut haͤßlich, horngrau, ohne Spur vom Gruͤn— lichen oder Bleiblauen, die Spitze hornſchwarz. Das etwas kleine Auge hat einen mehr oder weniger dunkeln tiefbraunen Stern und die befiederten Augenlider nach innen ein nacktes ſchwaͤrzliches Raͤndchen. Die Fuͤße ſind etwas klein und ſchwaͤchlich, uͤber der Ferſe we— nig nackt, die Laͤufe etwas ſtaͤrker als bei der folgenden Art, die Vorderzehen mittelmäßig, durch ganz volle Schwimmhaͤute verbun— den; die Hinterzeh gleich uͤber dem Zehenballen eingelenkt, ſehr klein und kurz, ihre Kralle von gleicher Laͤnge, die der uͤbrigen Zehen auch nicht groß, ſchmal, ſchwach gekruͤmmt, ſpitz, unten zweiſchneidig, die innere Schneide der Mittelzeh vorſtehend und in die Spitze auslau— fend, wodurch dieſe breiter wird als an den andern. Die Bedek— kung, eine etwas harte Haut, hat nur vorn am Lauf eine Reihe grober Schilder, hinten feine, rundliche, faſt maſchenartige, wenig rauhe Schildchen, die Zehenruͤcken find ſchmal geſchildert, die Schwimm- haͤute fein gegittert, zumal unten und an den Zehenſohlen, faſt cha— grinartig. Bei alten Voͤgeln iſt dieſer Uiberzug haͤrter und rauher, beſonders hinten am Lauf und an den Seiten der Zehen. Die Nacktheit von der Fußbeuge an den Unterſchenkel hinauf mißt 4 bis 7 Linien; der Lauf 1 Zoll 9 bis 11 Linien; die Mittelzeh, mit der 3 bis 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 5 bis 8 Linien; die Hinterzeh, nebſt der Kralle, welche die Hälfte davon einnimmt, 3 bis 4 Linien. Die Farbe der Fuͤße iſt nach dem Alter ſehr verſchieden, in fruͤheſter Jugend ſehr licht, bleifarbig und weiß; bei Flugbaren 512 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. von den Spitzen bis uͤber die Mitte der Zehen herauf, nebſt den Schwimmhaͤuten bis dahin, bleiſchwarz, dann bis zum gemeinſamen Zehenballen, nebſt der Hinterzeh und oft auch deren Nagel, weiß, Lauf und Ferſe licht bleiblau. Das Weiße an den Zehenwurzeln bezeichnet ſtets den jungen, noch unter ein Jahr alten Vogel. Im zweiten Jahr iſt dieſes Weiß (nicht gelblich, ſondern rein weiß) nach und nach vom Schwarz, von den Enden der Zehen und Schwimmhaͤute heraufruͤckend, verdrängt und ſpurlos verſchwunden, alſo der ganze Fuß ſchwarz, nur die Laͤufe und Ferſen noch Blei— blau, doch viel duͤſterer als dort. Dieſe bleiblauen und ſchwarzen Fuͤße, ohne Weiß, ſind ſtets das richtige Kennzeichen fuͤr den Vogel im zweiten Jahr. Nach dieſem faͤngt das Schwarze von unten herauf an auch das Bleiblau zu verdraͤngen, es zeigt ſich zuerſt, aber auf eine ſonderbare Weiſe, in meiſtens viereckigen und laͤnglich— viereckigen Flecken, die von unten herauf, an Umfang und Zahl zu— nehmend, immer mehr und mehr am Laufe hinaufruͤcken, wozu ſpaͤ— ter von der Schiene herab auch Schwarz koͤmmt und ſo endlich alles Bleiblau verdraͤngt. Der Vogel hat, wenn die Laͤufe bleiblau und ſchwarz gefleckt erſcheinen, bereits auch ſein erſtes Hochzeitskleid, in welchem er ſich zum erſten Male fortpflanzt, angelegt; wenn er dieſes aber mit dem naͤchſten, ſeinen zweiten vertauſcht, ſind ſeine ganzen Fuͤße von oben bis unten voͤllig ſchwarz und bleiben es nun fuͤr immer. Manche Individuen haben dieſe Verwandlungen der Fußfarbe auch ſchon mit der gleichfoͤrmig ſchwarzen vertauſcht, ehe ſie das zweite Hochzeitskleid, das nun fuͤr die ganze Lebenszeit alle Jahr ſo wiederkehrende, angelegt haben. Da nun unwiderleglich feſt ſteht, daß die mit Weiß an den Zehenwurzeln und mit licht bleiblauen Laͤufen die juͤngſten, — die ohne Weiß, mit duͤſter bleiblauen Laͤufen im mittlern Alter, — die mit ganz ſchwarzen Beinen die aͤlteſten Voͤgel dieſer Art ſind, ſo giebt dies die ſicherſte Zurechtweiſung unter ihren nach dem Alter ſo ſehr verſchiedenen Farbenkleidern. Die Krallen ſind braunſchwarz, nur die der Hinterzeh in fruͤ— her Jugend weiß, aber auch ſie wird bald ſchwarz. Nach voͤlligem Austrocknen werden die Beine bei den Alten braunſchwarz; bei den Mittlern an den Laͤufen horngrau; bei den Jungen an den Laͤufen hell horngrau, das Weiße an den Zehenwurzeln graugelblich, das Schwarz der Zehen und Schwimmhäute hier wie bei den Mittlern grauſchwarz; ihre in der Jugend beſonders recht angenehme Faͤrbung an Ausgeſtopften daher ſehr unkenntlich. — — — ne XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 513 Das Dunenkleid beſteht in einem dichten, ſehr weichen ein= foͤrmig braungrauen Flaum, dabei iſt das Schnaͤbelchen roͤthlichweiß, an der Wachshaut blaͤulich; die Iris grau; die Fuͤße mit ihren dicken Ferſengelenken lichtblaͤulich, an den Zehen weiß, nur an den Spitzen dieſer dunkel bleifarbig. Das Jugendkleid, worin fie einen hellbleiblauen, nur vorn ſchwarzen Schnabel, dunkelbraune Augenſterne, licht bleiblaue, an den Wurzeln der Zehen, Schwimmhaͤute und der Hinterzeh rein weiße, an den vordern Theilen der Zehen und ihrer Haͤute, bis uͤber die Mitte herauf, bleiſchwarze Fuͤße haben, iſt am Kopfe braͤunlich dunkelgrau, mit feinen gelbbraͤunlichen Endſaͤumen der Federn, vor dem Auge mit einem ſchwarzen Fleckchen; der Nacken graugelblich und dunkelgrau geſtreift, ſo auch die Halsſeiten, aber mehr braun— grau; die Kropfgegend graubraun, vorn am lichteſten, mit zarten gelbbraͤunlichen Federſaͤumen; Bruſt, Bauch und Schenkel auf wei— ßem Grunde braungrau gefleckt und gebaͤndert, an den Tragfedern und der untern Schwanzdecke dieſe Bänder auf noch reinerm Grunde am groͤßten und deutlichſten gezeichnet; der Ruͤcken dunkel erdbraun mit hellbraungelben mondfoͤrmigen Endkanten der Federn; die Schul— tern ebenſo, die Endkanten aber heller gefärbt, an den groͤßern Fe: dern auch breiter und (wie bei wilden Gaͤnſen) in Querreihen ge— ſtellt; die Fluͤgeldeckfedern dunkel erdbraun, mit gelbbraͤunlichweißen Mondfleckchen an den Spitzen und die großen auſſerdem noch mit ſolchen Randflecken, die eine Querreihe bilden; die hintern Schwin— gen dieſen aͤhnlich, die mittlern braunſchwarz, mit ſehr feinen lichten Spitzenſaͤumchen; die großen Schwingfedern auch braunſchwarz, aber an der Wurzel etwas weiß, was jedoch in gewoͤhnlicher Lage nicht geſehen wird, und mit weißen Schaͤften, die nur an den Spitzen braun, wo auch die kuͤrzern Federn dieſer Ordnung lichtbraune End— kaͤntchen haben; die Fittigdeckfedern braunſchwarz. Von unten iſt der Fluͤgel an ſeinen Deckfedern weiß und dunkelbraungrau gebaͤn— dert, die Schwingen an den Enden ſchwarzgrau, die großen an der Wurzel weiß, alle mit weißen Schaͤften. Der Buͤrzel und die obere Schwanzdecke ſind dunkelerdbraun, weiß gebaͤndert, dieſe Federn auch noch mit braungelblichen Endkanten; die Schwanzfedern erdbraun, ſpitzewaͤrts viel dunkler, am Ende mit einem gelbbraͤunlichen Saum; die beiden Mittelfedern kaum 1 Zoll verlängert und am Ende ſchmal zugerundet. Auf der Unterfeite iſt der Schwanz ſchwarzgrau, nr der Wurzel zu weißlich und hier auch die Schäfte weiß. Unter zu gleicher Zeit erhaltenen jungen Voͤgeln finden ſich 10° Theil. 33 514 XIII. Ordn. LXXIX. Ga tt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. weniger in der Zeichnung als in der hellern oder dunklern Anlage der Hauptfarben mancherlei Abweichungen. Ich erhielt einft ein Paar: chen, vielleicht Geſchwiſter, das an Einem Tage (den 6. September) in hieſiger Gegend erlegt wurde, zwar an verſchiedenen Orten, aber nur ein paar Meilen von einander. Von dieſen war das etwas kleinere Weibchen viel dunkler, das Maͤnnchen heller gefaͤrbt und die Geſammtfaͤrbung von dieſem naͤherte ſich mehr der des jungen Vogels der folgenden Art. Es iſt jedoch nicht zu behaupten, daß dies immer fo ſei. — Das zartere Gefieder des Jugendkleides lei— det mehr als das der ſpaͤtern Kleider, durch Abbleichen feiner Far: ben, und wird hauptſaͤchlich an der braungelben oder dunkelroſtgel⸗ ben der mondfoͤrmigen Endkanten an den Mantelfedern auffallend, die nach und nach in ein ſchmutziges Gelbweiß verbleichen, aber durch Abſtoßen auch merklich ſchmaͤler werden. Wie lange fie dies Jugendkleid tragen, ob nur bis in den er- ſten Herbſt ihres Lebens oder bis gegen den zweiten, nur ein paar Monate oder ein volles Jahr, hat man noch nicht mit Ge— wißheit beſtimmen koͤnnen. Es koͤmmt jedoch ein Kleid vor, das ihm aͤhnlich ſieht, aber dunkler gefaͤrbt iſt und an welchem ſich noch auſſerdem Zeichen finden, die keinen Zweifel geſtatten, es für ein an— deres als ihr zweites, auf jenes unmittelbar folgende Kleid zu halten; denn an ihm haben J) die Fuͤße noch die Farben der Ju— gend, mit Ausnahme des Weißen, welches verſchwunden; 2) haben die Hinterhalsfedern die dem Jugendkleide fehlenden, zerſchliſſenen, ſeidenartig glaͤnzenden, gelblichen Spitzen, obwol noch nicht ſo deut⸗ lich als in den ſpaͤtern Kleidern; 3) ſind in ihm die beiden mittel⸗ ſten Schwanzfedern, zwar nicht viel laͤnger, doch ihr Ende nicht mehr zugerundet, ſondern wirklich ſchon lanzettfoͤrmig, doch nicht ſtark zugeſpitzt. In dieſem zweiten jugendlichen Gewande ſind Schnabel und Auge etwas dunkler gefaͤrbt als im vorigen, die etwas ſtaͤrkern Fuͤße an den Laͤufen bleiblau, an Zehen und Schwimmhaͤuten ſchwarz; vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Fleckchen; der Oberkopf iſt graulichſchwarzbraun, mit ſehr feinen licht gelbbraͤunlichen End— ſaͤumchen; Wangen und Kehle erdbraun mit hellern Saͤumen; der Hals an den Seiten und hinten ſtreifenartig dunkelgrau, mit glän- zend roſtgelblichen zerſchliſſenen Federſpitzen; der Vorderhals braͤun— lich dunkelgrau und gelbbraͤunlichgrauweiß gemiſcht; die Kropfge— gend dunkler, afchgräuer, mit deutlichern gelbbraͤunlichen Federſaͤum— chen, Erſteres und Letzteres beſonders gegen die obere Halswurzel; XIII Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 515 Bruſt und Bauch ſchmutzig weiß, grau gemiſcht und dunkelbraun gebaͤndert, am ſtaͤrkſten und dunkelſten an den Tragefedern; die un⸗ tere Schwanzdecke weiß und ſchwarzbraun gebaͤndert; der ganze Mantel matt ſchwarzbraun, etwas ins Chokolatbraune ziehend, mit dunkelroſtgelben mondfoͤrmigen Endkanten der Federn, beſonders auf den Schultern bindenartig beſetzt; alles Uibrige, nebſt Fluͤgel und Schwanz wie im vorigen Kleide, doch Alles dunkler. Die ganze Faͤrbung iſt durchaus viel dunkler als die des erſten Jugendkleides und dies ſchon von Weitem auffallend. Auch auf dieſes folgt noch ein Zwiſchenkleid, ehe der Vo⸗ gel ſein erſtes hochzeitliches anlegt. Ich erhielt ein friſches, in der Mauſer ſtehendes Exemplar in dieſem Zwiſchenkleide, das an ſeinen Beinen noch die jugendliche Faͤrbung im Uibergange zur ausgebil⸗ deten trug, was ſeine Jugend erwies, die uͤbrigens auch noch die zwar ſehr zugeſpitzten, aber nicht viel laͤngern Schwanzmittelfedern ebenſo unverkennbar anzeigten, um hier nicht etwa an ein Winter- kleid zu denken, weil die neuen Federn zwiſchen den alten ſchon dem erſten Hochzeitskleide angehoͤrten. In dieſem Zwiſchenkleide, das man das dritte jugendliche nennen moͤchte, iſt der Schnabel faſt ſo dunkel gefaͤrbt als bei alten Voͤgeln; der Augenſtern dunkelbraun; die Fuͤße erſt an den Zehen und Schwimmhaͤuten ſchwarz, an der Wurzel dieſer noch ein wenig, wie uͤbrigens am ganzen Lauf bis uͤber die Ferſe hinauf bleiblau, etwas dunkler als bei jenen, und die beginnende Verwandlung aller blaugefaͤrbten Theile in Schwarz ſchon angedeutet durch einen laͤng⸗ licht⸗viereckigen Fleck uͤber der Hinterzeh. — Vor dem Auge ſteht ein ſchwarzes Fleckchen; Zuͤgel, Stirn und Scheitel ſind dunkelbraun, mit braͤunlichweißen verwaſchenen Federkanten, daher dunkelbraun und braͤunlichweiß gewoͤlkt; das Genick lichter, mit ſchwarzen Feder: ſchaͤften; Kehle und Wangen ſchmutzig weiß, verloren braun geſtri⸗ chelt; der Theil des Halſes zunaͤchſt am Kopf rundum weiß, hin: terwaͤrts mit zerſchliſſenen, ſeidenartig glaͤnzenden, roſtgelblichen Fe⸗ derſpitzen; dann folgt ein breites dunkelbraunes Halsband, das nach vorn durch lichter gefaͤrbte Federkanten heller gewoͤlkt erſcheint; der ganze Mantel einfarbig dunkelbraun, nur einzelne Federn am Ober⸗ ruͤcken haben einige weißliche Seitenfleckchen, die obern Schwanz— deckfedern aber mondfoͤrmige weiße Endſaͤume und ein bis zwei weiße Querbaͤnder; der Oberfluͤgel wie das Uibrige des Mantels, einfarbig dunkelbraun; die Schwingfedern braunſchwarz, mit wenis gem, von auſſen nicht bemerkbarem Weiß an der Wurzel, die vor⸗ 33 * 516 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. derſten mit weißen, die andern mit hellbraunen Schaͤften; der Un: terfluͤgel an den Deckfedern dunkelbraun und weiß grob gebaͤndert, die Schwingen unten dunkel braungrau mit weißen Wurzeln und Schaͤften. Der ganze Unterkoͤrper vom Kropfe an iſt weiß, an den Federenden braun beſchmutzt, dies an den Tragefedern in dunkel— braune Querbinden uͤbergehend; die langen Unterſchwanzdeckfedern ſehr dunkel braun, mit breiten, geraden, weißen Querbinden oder ſehr grob braun und weiß gebaͤndert; der Schwanz von auſſen ganz braunſchwarz, die Federwurzeln an den Innenfahnen etwas weiß, welches ſich an denen nach außen vergroͤßert und an der aͤußerſten faft die ganze innere Wurzelhaͤlfte einnimmt und ſich auch über den Schaft erſtreckt; die uͤber 1 Zoll verlaͤngerten, ſehr zugeſpitzten, aber an den Spitzen auch ſehr abgeriebenen, — beiden Mittelfedern etwas lichter als die Uibrigen, auch an der Wurzel mit etwas Weiß, doch alles Weiß am Schwanze von den Deckfedern verſteckt; die untere Seite des Schwanzes etwas bleicher als die obere. Ob Maͤnnchen und Weibchen in dieſem Kleide von auſſen zu unterſcheiden ſind, weiß ich nicht; das Beſchriebene war ein Weibchen, deſſen Eierſtock bei der Oeffnung unverkennbar zeigte, daß es noch nicht gelegt und gebruͤtet hatte. Ich erhielt es am 27. Juli, im Beginn ſeines Federwechſels, mit uͤberall ſich zeigenden neuen Federn des folgenden Kleides, aus denen unumſtoͤßlich hervor— ging, daß dieſes ein weißbaͤuchiges ſein muß. Auf dem Schei— tel ſind die neuen Federn ſchwarzbraun, ohne die weißlichen Raͤn— der der alten; auf dem Mantel dunkel aſchgraubraunz; in den Weichen und am Bauche heller aſchgraubraun; eben ſolche zei: gen ſich ſeitwaͤrts am; obern Theil der Kropfgegend; an dem untern Theil des Halsbandes, zwiſchen den alten braunen, wie zwiſchen den ſchmutzigweißen der Bruſtmitte dagegen bereits viele neue Fe— dern welche rein weiß find. — Nimmt man nun dieſe unzwei— deutigen Zeichen zu der jugendlichen Faͤrbung der Fuͤße, ſo haben wir hier den deutlichſten Uibergang zum naͤchſtfolgenden Kleide, das ausgebildet nur ein weißbaͤuchiges ſein kann, aus dem nachher erſt, nach abermaliger Mauſer, ein braunbaͤuchiges hervorgeht, welches dann den aͤltern Voͤgeln fuͤr ihre uͤbrige Lesenszeit verbleibt und durch jede folgende Mauſer wieder ſo, d. h. braunbaͤuchig, herge— ſtellt wird. Je älter dieſe Art, deſto einfoͤrmiger wird ihr Gewand, deſto laͤn— ger die Schwanzſpieße, verſteht ſich, beides innerhalb gewiſſer Grenzen. — — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 517 In dem erſten hochzeitlichen Gewande, in welchem ſich dieſe Art zum erſten Male begattet und fortpflanzt, von dem man aber nicht gewiß iſt, ob es im dritten oder erſt im vierten Herbſte ihres Lebens angelegt wird — fruͤher wol in keinem Falle —, iſt der Schnabel ſchwarz, an der Wurzel noch etwas und an der gan— zen Wachshaut olivengruͤnlich; der Augenſtern tiefbraun; die Fuͤße ganz ſchwarz; der ganze Scheitel mit dem Genick, vorn bis auf die Mundſpalte, hinterm Auge bis an die Schlaͤfelinie, iſt ſchwarzbraun, an der Stirn blaſſer und an der Schnabelwurzel in's Grauweißliche ziehend; der untere Theil des Kopfs und der Hals weiß, dieſer an den Seiten, hinter den Ohren und auf dem etwas graulichen Nacken mit zerſchliſſenen, ſeidenglaͤnzenden, hellroſtgelben Federſpitzen; die Seiten des Kropfes braͤunlich aſchgrau oder aſchgraubraun, vorn ſchmaͤler und blaſſer, bald ein geſchloſſenes Halsband bildend, bald hier offen bleibend und einer braͤunlichweißen Miſchung Raum ge— bend; die ganze Bruſt und der Bauch rein weiß; die Tragefedern ſchwach braͤunlichaſchgrau, dieſe Farbe aber hinterwaͤrts, dann an den Schenkeln, dem After und der langen untern Schwanzdecke dunkler, aber dennoch lichter als die Faͤrbung der obern Theile, dieſe, naͤmlich von der obern Halswurzel bis auf den Schwanz, nebſt Schultern und Oberfluͤgel einfarbig aſchgraubraun; die Unterfluͤgeldeckfedern ebenſo nur etwas heller; die Schwingfedern braunſchwarz, ſpitzewaͤrts am dunkelſten, die großen mit weißen, an den Enden braunen Schaͤf— ten, und weißer Wurzel, die ſich auf den Innenfahnen weiter hin— abzieht und in Braͤunlichgrau verlaͤuft, aber alles Weiß von auſſen nicht ſichtbar, auf der untern Seite ausgebreiteter und nur die Spi— tzen der Schwingen hier in Grauſchwarz uͤbergehend; die Fittigdecke braunſchwarz; der Schwanz aſchgraubraun, feine Federn gegen ihr Ende in Braunſchwarz uͤbergehend, an der Wurzel, wie hier an den Schaͤften, ſehr wenig und von auſſen nicht bemerkbar, weiß; die Un— terſeite des Schwanzes am Ende ſchwarzgrau, ſonſt braungrau, an der verdeckten Wurzel weiß, welches ſich als ein weißlicher Schein neben dem weißen, bloß an der Spitze hellbraunen Schaft herab— zieht. Die dunklere Farbe am Ende des Schwanzes bildet bei man— chen Exemplaren, unten wie oben, eine zwei Finger breite Endbinde, deren obere Grenze ſich aber nicht ſcharf von der Grundfarbe trennt. Die beiden mittlern Schwanzfedern, bis uͤber die Mitte gleichbreit, dann allmaͤhlich ſchmaͤler werdend und endlich zugeſpitzt, ſind 2 bis 3 Zoll länger als das fünfte Schwanzfedernpaar. Die Laͤnge der mittelſten Schwanzfedern koͤmmt ziemlich ver 518 XI Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. ſchieden vor und zwar ohne Bezug auf das Geſchlecht; doch ſind die mit den laͤngſten meiſtens Maͤnnchen. Auſſerdem iſt auch, wie ſchon beruͤhrt, die Darſtellung des grauen Halsbandes individuell verſchieden, bei Manchen ſogar die Kehle, Gurgel und Mitte des Kropfes nicht rein weiß, ſondern roͤthlichgrau und nur die Seiten des Letztern gehen in die Farbe des Mantels uͤber. Das zweite hochzeitliche oder ausgefaͤrbte Kleid iſt das am einfachſten gefaͤrbte. Schnabel, Auge und Fuͤße ſind wenig dunkler als im vorigen; der ganze Vogel iſt wie in ein rußiges Braun getaucht, dies auf dem Hinterſcheitel und dem Genick am dunkelſten, am wenigſten dunkel an der Bruſt, dem Bauche und den untern Fluͤgeldeckfedern, am hellſten gleich am Schnabel, an der Kehle, Gurgel und den Halsſeiten, die Federn dieſer gegen den Nacken zu mit zerſchliſſenen, glaͤnzenden, ochergelben Federſpitzen; die Fittigdeckfedern, die Schwingen von auſſen und an den Enden, ſo auch das Ende des Schwanzes braunſchwarz, im Uibrigen dieſe Theile wie im vorigen Kleide; die mittlern Schwanzfedern 3 bis 5 Zoll laͤnger als ihre naͤchſten Nachbarn, und am Ende ſehr ſpitz. Das allgemeine Rußbraun dieſes Kleides iſt bei manchen In— dividuen dunkler, bei andern heller, bei einigen gleichfoͤrmiger, bei andern obige Verſchiedenheiten deutlicher, doch iſt es immer verſchie— den von der Hauptfarbe des vorigen Kleides, das ſtets mehr ins Grauliche, zuweilen ein wenig ins Olivengrauliche ſpielt, waͤhrend dies ein wahres Biſter-Braun bleibt, nur in ſtaͤrkerer oder ſchwaͤche— rer Anlage vorkoͤmmt. Man hat geſagt, die Weibchen wären et: was groͤßer als die Maͤnnchen, was ich jedoch nicht beſtaͤtigen kann, wol aber daß ich die Schwanzſpieße bei Letztern immer etwas laͤnger als bei Erſtern gefunden habe. Es kommen unter den kleinern Raubmeven auch eigentliche Spielarten vor, naͤmlich weißgefleckte, wo an verſchiedenen Koͤrpertheilen ganz weiße Federn und Federpartieen zwiſchen den braunen oder gewoͤhnlich gefaͤrbten ſtehen. Ich habe einige ſol— cher geſehen; unter andern befindet ſich im Berliner Muſeum eine ſolche L. parasitica varia, an welcher die Fittigdeckfedern theils ganz, theils laͤngs dem Schafte und an der Spitze ſchneeweiß ſind. Ei— ner aͤhnlich ausgezeichneten, und einer andern mit faſt durchaus wei— ßen Unterfluͤgeln, iſt in Boie's Reife in Norwegen, S. 194. Erwaͤhnung geſchehen. Anzeigen einer Doppelmauſer habe ich bei keinem Vogel dieſer nr Be XIII. Ordn. LXXIX. Saft. 30I. Schmarotz.⸗Raubm. 519 Art bemerkt, obgleich ich eine große Anzahl friſch Getoͤdteter und trockner Baͤlge zu unterſuchen Gelegenheit hatte. Sie iſt jedoch in neuern Zeiten wieder behauptet und das Winterkleid der Alten ſoll dem oben beſchriebenen zweiten Jugendkleide ganz ähnlich ſein. Daß jedoch eben jenes oben beſchriebene Exemplar kein alter Wintervogel iſt, zeigen ſeine blauen Laͤufe und daß er im Septem⸗ ber in hieſiger Gegend erlegt wurde, wo ein Winterkleid noch nicht ſo weit ausgebildet ſein koͤnnte, ohne daß nicht viele alte Federn vom vorigen Kleide vorhanden fein müßten. Die vielen geſpren⸗ kelten Federn welche Brehm (ſ. d. Lehrb. II. S. 990.) am Un⸗ terkoͤrper einfach brauner (alter) Voͤgel fand, welche er wol irrig fuͤr Uiberbleibſel des Jugendkleides hielt, ſcheinen mir viel wahrſchein— licher auf ein anders gefärbtes Winterkleid hinzudeuten. Dieſe Sache iſt demnach noch naͤher zu unterſuchen und keineswegs als erledigt zu betrachten. — Daß an einem zweijaͤhrigen Individuum, wie oben erwaͤhnt, der Federwechſel zu Ende des Juli ſchon bedeu— tend im Gange war, zeigt genügend, daß die Zeit der Hauptmau— fer älterer Voͤgel in den Auguſt faͤllt, eben wenn bei Alten die Fort: pflanzungsgeſchaͤfte beendet ſind; von diesjaͤhrigen Jungen aber ſteht dagegen zu vermuthen, daß ſie das Jugendkleid entweder ein volles Jahr tragen oder es ſchon im Spaͤtherbſt ihres erſten Jahres mit einem andern vertauſchen, weil ſich an ſpaͤt im September erhaltes nen noch keine Spur eines Federwechſels fand. Aufenthalt. Die Schmarotzer⸗Raubmeve iſt unter den europäiſchen Arten ihrer Gattung fuͤr Deutſchland die gemeinſte. Auch ſie gehoͤrt dem hohen Norden beider Welten an, lebt in der Naͤhe und inner— halb des Polarkreiſes, wenn ſie nicht mit der Folgenden verwechſelt iſt, bis Groͤnland und Spitzbergen hinauf. Sie wohnt im Sommer an der Kuͤſte des obern Norwegens, auf den Loffoden, auf Island, Faͤroͤe, den Shetlands, Orcaden, Hebriden und mehrern Inſeln der noͤrdlichen Kuͤſten von Schott- und Ireland; in Amerika an denen von Labrador, der Hudſonsbai, von Neufundland, und iſt zu andern Zeiten an ſaͤmmtlichen Kuͤſten der Vereinsſtaaten angetroffen worden. Ebenſo ſoll fie die Meere zwiſchen Amerika und Aſien in jenen hohen Breiten und auch das Eismeer laͤngs der Kuͤſte des Letztern, beſonders die Muͤndun— gen der großen Fluͤſſe Sibiriens bewohnen. Wenn ſie auch oft 520 KIM. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. mit andern Arten verwechſelt ſein mag, ſo hat man ſie doch in neuern Zeiten auch oft mit den nahen Verwandten in einerlei Ge— genden gefunden; ſie ſcheint jedoch ſuͤdlicher zu ſtreichen als alle. Nach Beendigung ihrer Fortpflanzungsgeſchaͤfte zerſtreuen ſich dieſe Voͤgel in allen Richtungen auf dem Meere, die meiſten in einer ſuͤdlichern, und find dann nicht allein auf den Canariſchen Sn: ſeln, ſondern auf dem atlantiſchen Ocean ſogar bis unter nur 8 Gr. n. Br. noch einzeln angetroffen worden. Sie kommen dann alle Jahr an ſaͤmmtliche Kuͤſten der ſcandina viſchen Halbinſel, auch an die ſuͤdlichen, an die von Rußland, Preußen und Da nemark, auch an die deutſche Oſt- und Nordſeekuͤſte, an die von Holland, England, Frankreich, ſelbſt im mittellaͤndiſchen Meer einzeln bis an die Kuͤſte und in die Flußmuͤndungen des noͤrdlichen Italiens. Viele verirren ſich auch in's Innere der Feſtlaͤnder, dies am oͤfterſten nur jüngere Individuen, alte viel ſeltner. Sie find dann mitten in England, Holland, der Schweiz und auch in Deutſchland vorgekommen, viel oͤfterer jedoch in der noͤrdlichen Haͤlfte unſres Vaterlandes als in der ſuͤdoͤſtlichen. So hat man ſie auſſer Oldenburg, Hannover, Holſtein, Mecklenburg und Pommern, auch in Schleſien, der Lauſitz, im Brandenbur— giſchen, in Sachſen, wie in den Rheinlaͤndern, an vielen Orten erlegt, und auch hier in Anhalt war dies oͤfterer der Fall. Sie gehört indeſſen auch für das mittlere Deutſchland ſchon uns ter die ſeltnen Erſcheinungen, doch kam fie bei uns unter allen Ar: ten dieſer Gattung noch am oͤfterſten vor. Wir haben ſie in einem Zeitraum von 40 Jahren ſechs Mal erhalten und von ohngefaͤhr eben ſo vielen, von Andern in der Umgegend Erlegten oder Geſehe— nen gehoͤrt. Manchmal kam ſie in einem Jahr mehrmals, dann wieder in vielen gar nicht vor. Obgleich die gemeinſte Art ihrer Gattung, zwar zerſtreuet le— bend, jedoch uͤber weite Meeresſtrecken verbreitet, gehoͤrt ſie doch auch unter diejenigen, welche nirgends in großer Anzahl beiſammen ge— ſehen werden, und aͤrmer an Individuen ſind als viele andere See— voͤgelarten. Wie die andern iſt auch dieſe Raubmeve mehr Strich- als Zugvogel. Sie naͤhert ſich im April ihren Bruͤteplaͤtzen und ver— laͤßt dieſe mit Ablauf des Auguſt, die Jungen ein paar Wochen ſpaͤ— ter. Von dieſer Zeit an werden Alte dort nicht, uͤberhaupt auch anderswo ſelten am Lande geſehen, Juͤngere ſtreichen dagegen an ſernen Kuͤſten entlang bis in fremde Gegenden und Laͤnder. Tief XIII. Ordn. LXXIX. Gatt.301. Schmarotz.⸗Raubm. 521 ins Land einſchneidende Meerbuſen und Flußmuͤndungen moͤgen dieſe oft verleiten, ſich weiter ins Land hinein zu begeben, ſo daß ſie end— lich das Meer ganz aus dem Geſichte verlieren. Dies geſchiehet meiſtens im September und October, auch noch zuweilen im No— vember. Ganz im Anfange des September habe ich ſchon einige diesjaͤhrige Junge in hieſiger Gegend erhalten. Ihre Ruͤckkehr im Frühjahr iſt ganz unbeſtimmt, dagegen haben wir fpäter ſolche Her: umirrende, naͤmlich zu Ende des Juni, oder gar erſt des Juli, wie z. B. einen am 29ſten d. M., erhalten. Nur zwei Mal haben wir hier auch alte Voͤgel geſehen, einen im Auguſt, einen andern zu Ende des September. Allen ſcheint jedoch der Trieb innen zu woh— nen, ſich im Winter unter einen mildern Himmelsſtrich zu begeben, ſo daß man wol annehmen darf, daß viele am Suͤdweſtende unſres Erdtheils und an der nordafrikaniſchen Weſtkuͤſte uͤberwintern, wäh— rend die Mehrzahl ſo weit nicht koͤmmt und theils freiwillig, theils durch anhaltende Stuͤrme aufgehalten oder verſchlagen, ſich mit ei— nem rauhern Winteraufenthalt begnuͤgt. Auch dieſe Art iſt ganz Seevogel und haͤlt ſich viel laͤngere Zeit auf offnem Meer als am Lande auf. Wegen der Art ſich zu naͤhren lebt ſie gern an Kuͤſten und Inſeln, an welchen ſich viele andere Seevoͤgel, beſonders Meven und Meerſchwalben aufhalten, ja ihr Aufenthalt ſcheint ſich ganz beſonders an den einer Art, unſrer Sterna macrura, zu knuͤpfen, weil gerade dieſe eine von denjenigen iſt, welcher ſie am leichteſten die gemachte Beute abjagen kann und daher am oͤfterſten abnimmt. Wo im obern Norwegen Kolonien dieſer Meerſchwalben ihren Sommerwohnſitz aufgeſchlagen haben, da ſind dieſe Schmarotzer gewiß auch nicht fern zu ſuchen. Bald halten ſie ſich an hohen felſigem Geſtade, bald an flachem Strande auf, bald ſieht man ſie auf offnem Meer ſehr weit von allem Lande. Nur in der Fortpflanzungszeit verlaſſen ſie das Meer, doch nicht ganz, ſind aber dann mehr an ihren Bruͤteplaͤtzen beſchaͤftigt und ſehen jenes nur abwechſelnd; denn dieſe liegen meiſtens nicht nahe, oft ſogar eine Stunde weit im Innern der Inſeln, an feuchten oder moorigen Stellen, an Quellen, Baͤchen oder ſtehenden Suͤßwaſſern, auf feuchten, grünen Plattformen hoher Inſeln oder auf moorigen Haideflaͤchen. Auch die juͤngern, noch nicht bruͤtefaͤhigen Voͤgel thun faſt daſſelbe, und werden um dieſe Zeit, doch an andern, uͤbrigens ganz aͤhnlichen Orten und nicht neben den Niſtenden, gewoͤhnlich in eigenen Geſellſchaften, oft weit vom Strande, in der Mitte der Sn: ſeln angetroffen, wo fie auf ebenen Plaͤtzen nicht ſelten lange her: 522 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Shmarog.:Raubm. umlaufen wie die Dohlen, dies auch am Strande, beſonders bei der Ebbe thun und ſich hier weniger um andere Voͤgeln bekuͤmmern als jene. ö Wie wenig ihr Suͤßwaſſer zuſagen, zeigen auch die bis in die Mitte von Deutſchland verſchlagenen. Fluͤſſe, See'n, Teiche und andere Gewaͤſſer werden von dieſen nur beilaͤufig, ohne daß ſie da— bei einiges Intereſſe verriethen, beſucht, nie lange daran verweilt; ſie ſind hier Feldvoͤgel geworden und laufen, wie Kibitze, auf Wieſen und Feldern, namentlich auf Brachaͤckern herum, und ſuchen hier, ganz wie dieſe, ihre Nahrung. Faſt alle, welche wir in hiefi- ger Gegend beobachteten, waren weit von allem Waſſer entfernt und kamen ſelbſt auf ganz trocknen Feldern vor. Nur einer wurde an einem Bache, mitten in einem Walde, bald dicht am Waſſer, bald auf feuchtem Boden neben ihm herumlaufend, angetroffen. Merkwuͤrdig genug ſcheinen aber alte Voͤgel — jenes waren immer junge und jüngere — am Waſſer nicht fo gleichgültig vorüber zu eilen oder ſich mehr darnach umzuſehen als dieſe; wir ſahen wenig: ſtens einen Alten zwar uͤber ſehr waſſerarme Felder ſtreichen, dabei aber doch ſeinen Zug immer von einer kleinen Feldlache oder Waſ— ſerpfuͤtze zur andern fortſetzen, jedoch ohne ſich am Waſſer niederzu— laſſen oder nur laͤnger daran zu verweilen. Nur ein Mal ſahe man einen ſolchen Vogel auf der Mitte eines Teiches ſchwimmend aus— ruhen. Alle juͤngern Voͤgel, welche hier bemerkt wurden, zogen, ei— nem kleinern Raubvogel aͤhnlich, über die Felder hin, ohne den vor: kommenden kleinern oder auch groͤßern Gewaͤſſern die geringſte Auf— merkſamkeit zu ſchenken; man wuͤrde ſie daher bei uns, wenn ſie öfter vorkaͤmen, viel ſicherer auf freiem Felde als am Waſſer aufzu— ſuchen haben. Sie kamen auch in ziemlich bewaldeten Gegenden, einer ſogar im Walde ſelbſt vor; freilich wol ein unerhoͤrter Fall, da ihre wahren Aufenthaltsorte im Norden ganz baumloſe Gegen— den ſind, wo hoͤchſtens einiges niedrige Geſtruͤpp von Zwerg— birken und Zwergweiden, von Gagel, Blaubeeren und Haidekraut vorkoͤmmt. Eigenſchaften. Auch die Schmarotzer-Raubmeve hat in der Faͤrbung ihres Ge fieders nichts Empfehlendes fuͤr das Auge; aber ihre Geſtalt, die zwiſchen denen der Meven und Meerſchwalben das Mittel haͤlt, macht ſie etwas anziehender; die langen Fluͤgel und Schwanzſpieße | XIII. Drön. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 523 geben ihr ein ſchlankeres Ausſehen und die wohlproportionirten Fuͤße heben dieſes beim ſtehenden Vogel mehr als die zu kurzen bei den meiſten Meerſchwalbenarten. Ihr Anſtand im Stehen und Gehen iſt wie bei der Vorherbe⸗ ſchriebenen, ſie ſieht aber viel ſchlanker aus als dieſe und iſt daran ſchon in der Ferne ſehr kenntlich. Sie ſchreitet ſehr behende einher und laͤuft oft ſo hurtig wie ein Kibitz, oft auch lange anhaltend. Sie ſchwimmt nicht oft, dann die Bruſt nur flach eingetaucht, die Fluͤgelſpitzen und den Schwanz nebſt dem Hinterkoͤrper hoch gehal— ten, ruht aber zuweilen, nach abgehaltener guter Mahlzeit, mit auf— geblaͤhetem Gefieder, auf den Waſſerſpiegel treibend, im Lande aber noch oͤfter auf einem Huͤgelchen, auf einem Heuſchober oder Getrei— dehaufen, fliegt aber ſtets viel mehr als ſie ſitzt. Hoͤchſt merkwuͤrdig iſt ihr Flug, ja einer der merkwuͤrdigſten und veraͤnderlichſten in der ganzen Vogelwelt. Bald koͤmmt ſie, mit matten, nur kurzbewegten Schwingungen der ganz ausgeſtreckten Fluͤgel, abwechſelnd ganz ſchwebend, traͤge einhergeflogen und aͤhnelt dann, in der Ferne und von vorn geſehen, einer Wieſenweihe (Falco cineraceus) nicht wenig, kann auch, wie dieſe, ohne Flügel: bewegung in Kreiſen ſchweben, wenn ſie hoͤher fliegt. Im Profil iſt ihre Figur freilich mehr verſchieden, vorn und hinten viel ſpitzer, einer Meerſchwalbe, in den Verhaͤltniſſen der Umriſſe beſonders Sterna macrura, hoͤchſt aͤhnlich. — Hat ſie Eil, ſo rafft ſie ploͤtzlich alle Kraͤfte zuſammen, ſchlaͤgt die Fluͤgel, deren Spitzen ſie mehr an ſich zieht, daß der eigentliche Fittig in parallele Lage mit der Linie des Rumpfes und Schwanzes koͤmmt, ſehr haſtig, der Koͤrper wird beim Niederdruͤcken und Aufheben der Flügel auf- und niedergeruͤckt und ſo in einer ſchlaͤngelnden Linie, aber ſchnell durch die Luft geſcho— ben; es folgen ſchußweiſe groͤßere oder kleinere Bogen in den ver— ſchiedenſten Richtungen, um zum Ziele zu gelangen, das in dieſem Fall gewöhnlich die einem andern Vogel abzujagende Beute iſt. Noch ſonderbarer ſieht eine Art zu fliegen aus, wozu uns die Ver— anlaſſung verborgen blieb; der ganz ruhig unter gemaͤchlichen Fluͤ— gelſchlaͤgen daher kommende Vogel wird auf einmal wie vom boͤſen Geiſt beſeſſen, faͤngt ploͤtzlich an ſeine Schwingen ſchnell zu ſchlagen, ſehr große ab- und aufſteigende Bogen zu beſchreiben und in einer ungeheuern Schlangenlinie ſich zu entfernen und bald dem Geſichts— kreiſe des ihm mit Erſtaunen Nachſchauenden entſchwinden. So ſchlaff dieſer Flug auch manchmal ſcheint, ſo energiſch zeigt er ſich oft in den naͤchſten Augenblicken; er iſt ſo voller Wechſel als man 524 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 30l. Schmarotz.⸗Raubm. ihn kraftvoll nennen darf, denn der Vogel widerſteht darin den a ſten Stuͤrmen ohne beſondere Anſtrengungen. Mein ſel. Vater befand ſich einſt auf einem freien ebenen Felde, wo er eben nach kleinen Brachvoͤgeln (Charadrius Morinellus) ſein Gewehr abgeſchoſſen hatte und wieder im Laden deſſelben begriffen war, als er einen ziemlich großen Vogel gegen ſich heranfliegen ſahe, in einem nie geſehenen, hoͤchſt ſonderbaren Fluge, in welchem der Vogel eine ungeheuere Schlangenlinie beſchrieb, deren niederſteigende Bogen faſt die Erde beruͤhrten, waͤhrend er ſich in den aufſteigen— den wol über 30 Fuß erhob, u. fo fort. Das Gewehr war noch nicht fertig geladen, als der Vogel ganz nahe an meinem Vater vorbei ſchob, welcher daher ganz deutlich einen alten, langge— ſchwaͤnzten, weiß baͤuchigen Vogel unſrer L. parasitica in die⸗ ſem wunderlichen Flieger erkannte. In dieſem Fluge beharrend ſchien ſein Ziel ein kleiner Feldteich zu ſein, an welchem mein mittler Bru— der ſich damals gerade in einem Schießloche verborgen auf der Lauer befand. Uiber dem Teiche angekommen ſchwebte der Vogel ohne Fluͤgelbewegung und faſt ſtillſtehend, jedoch in zu bedeutender Hoͤhe, als daß der etwas zu raſch abgefeuerte Schuß meines Bruders wei— ter etwas bewirkt haͤtte, als ein allmaͤhliches Herabſenken aus der Luft und ein Niederlaſſen des Vogels in ſchraͤger Richtung auf eine etwas erhabene Erdſcholle, einige Hundert Schritte vom Teiche. Mein Bruder naͤherte ſich ihm auf dem Bauche kriechend hier aber— mals auf Schußnaͤhe, der Schuß ſtreckte den Vogel nieder, doch ohne ihn zu toͤdten, und ehe mein Bruder hinſpringen und zugrei— fen konnte, wurde das Zappeln und Flattern des ſonderbaren Fremd— lings zum wirklichen Fliegen, und zum Erſtaunen des ungluͤcklichen Schuͤtzen fing der Vogel nun auch jenen wunderbaren Flug von Neuem an und ruͤckte in dieſer rieſenartigen Schlangenlinie ihn bald gaͤnzlich aus den Augen. Wenn der Vogel auch vom erſten Schuſſe nichts davon getragen hatte, ſo war dies doch ganz gewiß beim zweiten geſchehen, darum war es um ſo mehr zu verwundern, daß er trotz ſeiner Verwundungen doch ſeinen Gaukelflug nicht unterließ. Die folgende Geſchichte wird jedoch etwas ganz Aehnliches darthun. Einer meiner Freunde in einem benachbarten Dorfe erhielt einſt (am 29ſten Juli 1822) Kunde: Da ſei ein ſonderbarer Vogel auf einem Stoppelacker, den man, weil er ſich ſo wenig ſcheu zeige, mit Steinen habe todt werfen wollen; allein er ſei, zur großen Beluſti— gung der Werfer, immer hinter die an ihm vorbeirollenden Steine — — u - XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 525 hergelaufen und habe ſie — wie oft Hunde zu thun pflegen — zu erhaſchen geſucht. Mein Freund griff eiligſt zum Gewehr, verfuͤgte ſich an den bezeichneten Ort und fand den Vogel auf einem Brach— acker, wo er herumlaufend und Futter ſuchend oder aufnehmend voͤl— lig einem Kibitze glich. Er hielt ohne Scheu ſehr nahe aus und bekam im Auffliegen einen Schuß, der ihn aber nur ſtreifte und einen Lauf zerbrach; zum größten Befremden des Schuͤtzen kam jes doch im naͤchſten Augenblick der Vogel wie toll auf ihn zu und umſchnurrte in einem engen Kreiſe im ſo nahen als reißend ſchnel— len Fluge ſeinen Kopf, daß er ihn eher, wenn er einen Stock ge— habt haͤtte, wuͤrde erſchlagen haben, als auf ihn ſchießen koͤnnen. Ungeachtet dieſes frappanten Betragens von Seiten des beleidigten Vogels blieb der Schuͤtze doch kalt genug, eine andere Wendung abzuwarten; nach etwa zehnmaligen Umkreiſen bekam es der Vogel endlich ſatt, und als er ſich jetzt entfernen wollte, ereilte ihn noch zur rechten Zeit der zweite Schuß des Doppelgewehres. — Auch hier benahm ſich der bereits verwundete Vogel noch uͤbermuͤthig und keck, ſogar tollkuͤhn. Es war ein wenigſtens zweijaͤhriges Weibchen. Ein dritter Vogel wurde mitten in einem, doch etwas lichten, Walde, an einem Bache, von Kindern bemerkt, die den furchtloſen Fremdling zu erhaſchen verſuchten, auch mit kleinen Holzbrocken nach ihn warfen, wobei er ſich ebenfalls wie jener benahm, naͤmlich nach den Holzſtuͤckchen lief, bis zufaͤllig ein mit dem Vogelfang vertrau— ter Mann dazu kam; dieſer verſchaffte ſich ſogleich ein Wurfgeſchoß, einen kurzen, gewichtigen Stecken, und warf damit den Vogel gluͤck— lich darnieder, worauf er mir todt uͤberbracht wurde. Ein paar andere Individuen wurden zufaͤllig von nach Haſen und Rebhuͤhnern das Feld abſuchenden Schuͤtzen auf hieſigen Aeckern herumlaufend bemerkt und ohne Umſtaͤnde erlegt, und auch bei noch andern hin und wieder Geſehenen bemerkte man ſo wenig Furcht vor den Menſchen, daß man ſie wirklich einfaͤltig nennen konnte. Es iſt freilich allgemeine Erfahrungsſache, daß Voͤgel an ihnen uns gewoͤhnlichen Orten und in fuͤr ſie ganz fremden Gegenden ſich ganz anders betragen als in den heimathlichen, zumal auf flaches, kulti— virtes, waſſerarmes Land verſchlagene Seevoͤgel oder ſonſt an große Waſſerflaͤchen gewoͤhnte; dort wo ſie Raum genug zum Ausweichen haben, mit allen örtlichen Beſchaffenheiten und Verhaͤltniſſen ver- traut ſind, weichen ſie auch den Menſchen mehr aus. So ſind denn auch nach allen Berichten beobachtender Reiſenden, unſere Schma⸗ 526 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. rotzer⸗Raubmeven in ihrer eigentlichen Heimath, auf und an dem Meer, viel vorſichtiger, wenn auch nicht ſehr ſcheu zu nennen, ſehr dummdreiſt aber wieder am Bruͤteorte. Sie iſt gegen ihres Gleichen neidiſch und zankſuͤchtig, und wenn zwei aneinander gerathen, bekaͤmpfen ſie ſich unter den kuͤnſtlichſten Wendungen zuweilen ſo heftig, daß ſie einander gepackt beinahe bis auf den Boden herabburzeln, ehe eine wieder los läßt. Sehr ge ſellig kann ſie ſchon wegen ihrer Lebensweiſe nicht ſein, doch trifft man wol auch einige und mehrere beiſammen, juͤngere Voͤgel auch wol in kleinen Geſellſchaften bis zu 20 und mehreren Stuͤcken, be⸗ ſonders in der Zeit wenn die Alten den Fortpflanzungsgeſchaͤften obliegen. Dieſe find dann auch ſelten als Paare vereinſamt, fon: dern viel gewoͤhnlicher in mehrere, ja oft in viele vereint an einem Bruͤteorte; dann verbreiten ſie ſich aber uͤber einen großen Raum und das Band welches eine ſolche Kolonie zuſammenhaͤlt bleibt ſtets ein ſehr loſes. Gegen andere Voͤgel ſind ſie noch ungeſelliger und dieſe weichen ihnen uͤberall aus, weil alle ſie fuͤrchten und haſſen. Dennoch kommen merkwuͤrdigerweiſe an den Bruͤteorten einzelne An⸗ naͤherungen vor; Bekaſſinen, Regenbrachvoͤgel und Auftern: fiſcher haben hin und wieder ihre Neſter zwiſchen denen dieſer Raͤuber, obgleich nur der wachſame und verwegene Auſternfiſcher von Allen allein Muth genug hat, ſich ihren raͤuberiſchen Abſichten auf ſein Neſt kraͤftig und mit Erfolg zu widerſetzen. Ihre keineswegs angenehme Stimme, ein Schrecken fuͤr alle Voͤgel, die ſie ſchmarotzend zu verfolgen und damit gleich beim Be⸗ ginnen des Angriffs einzuſchuͤchtern pflegt, iſt ein weit ſchallendes Jah, oder ia, oder io, auch wol ein gezogenes Jeaͤu (alle zwei: ſylbig auszufprechen)! — Am Niſtplatze hört man dieſe Toͤne nicht; hier ſtoͤßt ſie andere, trauriger klingende aus, beſonders wenn ſie Eier oder Junge hat; dieſer aͤngſtliche Ruf klingt wie: Kia uw oder ki auw! Den Vereinzelten, welche ſich weit von der Heimath und bis zu uns verirrten, hat man nie einen lauten Ton ausſtoßen hoͤren. a ih e un .0. Die Schmarotzer⸗Raubmeve naͤhrt ſich wie die andern von Fi⸗ ſchen, lebenden und todten, von allerlei Aas, kleinen Kruſten- und Schalthierchen, Weich- und Ringelwuͤrmern, Meer- und Landin⸗ ſekten, auch von Vogeleiern und ganz jungen kleinen Vögeln. XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 527 Nur hoch an der Oberflaͤche ſchwimmende, namentlich die klei⸗ nern aus der Heringsgattung, oder in wenigem Waſſer befindliche, langſame oder ermattete Fiſche, iſt fie im Stande ſich ſelbſt zu fan— gen; zum Fangen anderer, beſonders ſchneller, fehlt es ihr an Ge: ſchicklichkeit, denn ſie wird im Stoßtauchen ſogar von manchen Me⸗ ven uͤbertroffen. Sie weiß aber dieſen Mangel zu erſetzen durch Aufmerkſamkeit wenn andere Voͤgel etwas fangen und durch Muth es ihnen abzujagen. Ihren Verfolgungen in dieſer Abſicht ſind vorzuͤglich die Meerſchwalben ausgeſetzt, am meiſten Sterna macrura, nacht dieſen die Dreizehenmeven, die Sturmmeven, die Lachmeven, wenn ſie in ihren Bereich kommen, ſeltner ein Mal eine Heringsmeve, weil ſie ſich nicht oft an ſo große wagt, da⸗ gegen viel öfter Enten, Lummen u. a. Wo Meven und Meer: ſchwalben eine gute Fiſcherei halten, fehlen in den Polargegenden dieſe Schmarotzer nie. Sobald ſich ein ſolcher nur von Ferne zeigt, gerathen jene in aͤngſtliche Unruhe, ihre Stimmen laſſen ſich klaͤgli⸗ cher vernehmen als ſonſt; er beeilt ſich mit Kraft zwiſchen ſie zu fahren und eine beſonders aufs Korn zu nehmen, wobei fein Jubel— ruf ſchon vor dem Gelingen feines Vorhabens ſich in die Angft: und Klagetoͤne der Verfolgten miſcht; er jagt und kneipt die Aus⸗ gewaͤhlte ſo lange auf und ab, nach allen Seiten, bis ſie ſich deſſen durch den Schnabel wieder entledigt, was fie vor wenigen Augen: blicken für den eigenen Unterhalt erworben zu haben glaubte. Zus weilen kommt der Peiniger an eine Ungluͤckliche, welche lange nichts gefangen hat, ſich daher eine Zeit lang nutzlos abmartern laſſen muß, weil jener ſich nicht ſo bald abweiſen laͤßt. Oft greifen auch mehrere Schmarotzer zugleich dieſelbe Meve oder Meerſchwalbe an, weil ſie ſie ſo eben einen Fiſch fangen und verſchlingen ſahen; dann dauert das Jagen noch weniger lange, und der wieder aufgewuͤrgte und ausgeſpieene Fiſch wird im Herabfallen, ehe er den Waſſer⸗ ſpiegel erreicht, vom naͤchſten Raͤuber mit bewundernswuͤrdiger Ge⸗ wandtheit und ſtets ſicher, ohne fehl zu ſchnappen, aufgefangen und verzehrt. Die Meerſchwalben brauchen in den meiſten Faͤllen den Fiſch nicht erſt aufzuwuͤrgen, weil ſie etwas große nicht ſo leicht verſchlingen koͤnnen und fuͤr ihre Jungen beſtimmte dieſen ſtets im Schnabel zutragen, auch haben ſie, wie oben S. 133. erwaͤhnt, die Gewohnheit, vermuthlich wenn ſie gerade keinen Hunger haben, laͤngere Zeit mit einem gefangenen Fiſch im Schnabel herum zu fliegen, gleichſam als hätten fie ihn aus beſonderem Uebermuthe ge: fangen und erwarteten nur, daß ein Schmarotzer kommen moͤchte, 528 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt.301. Schmarotz.⸗Raubm. um ihn an dieſen abgeben zu koͤnnen. Hat eine Raubmeve einen zum augenblicklichen Verſchlingen zu großen Fiſch erbeutet, dann trägt fie ihn an einen ſichern Ort, um ihn da zuvor zu zerſtuͤckeln, was, wenn das Land zu entfernt iſt, auch auf dem Waſſer ſchwim— mend geſchieht. In den heimathlichen Laͤndern verſammeln ſich oft juͤngere Voͤgel an einerlei Orten, auf Wieſen oder Feldern, ſelbſt zu groͤße— ren Geſellſchaften, laufen da herum wie Dohlen und leſen Kaͤfer, Heuſchrecken, allerlei Inſektenlarven und Regenwuͤrmer auf, unter: laſſen dabei aber nicht, auf jeden voruͤberfliegenden Vogel Jagd zu machen, um zu verſuchen, ob ſich nicht beilaͤufig von ihm Etwas erpreſſen laͤßt. Dies thun aber immer nur Einzelne aus dem Hau— fen, die dann nachher, befriedigt oder nicht befriedigt, wieder zur Ge— ſellſchaft zuruͤckkehren. Von vereinzelten und bis zu uns verirrten Voͤgeln ſahen wir dies nie; ſie ſcheinen ſich dazu nicht behaglich genug zu fuͤhlen, vielleicht wegen zu großer Entfernung vom Meer, obgleich wir mehrere erhielten, deren koͤrperlichem Wohl nichts abzu— gehen ſchien, die zwar nicht fett, aber auch keineswegs abgemagert, alſo bei vollen Kraͤften waren. | Am Strande, beſonders bei der Ebbe, öfters herumwandelnd, ſucht ſie allerlei kleines Seegewuͤrm, mit und ohne Schalen, beſon— ders kleine Krebsarten, von deren Schalenſtuͤckchen ſich ihr Koth nicht ſelten roſenroth faͤrbt. Auf dem auftauchenden Ruͤcken der Walfiſche und anderer Seeungeheuer laͤßt ſie ſich, gleich vielen Me— venarten, gelegentlich auch zuweilen nieder, um die darauf lebenden kleinen Schmarotzerthiere abzuleſen; aber auch von den ſchwimmen— den Aeſern hilft ſie Meven und Mevenſturmvoͤgeln zehren, oder zwingt dieſe, das Genoſſene fuͤr ſie wieder auszuſpeien. Auf Raſenplaͤtzen oder gepfluͤgtem Boden geht ſie nach Regenwuͤrmern, Inſektenlar— ven, Kaͤfern und andern Inſekten. Sie pluͤndert die Neſter anderer Voͤgel, die ſie davon aus Mangel an Kraͤften oder aus Feigheit nicht abzuhalten vermoͤgen, ſaͤuft ihnen zur Stelle die Eier aus, am oͤfterſten die der Entenarten, oder verſchlingt die zarten Jungen kleinerer Strandvoͤgel, theils zur eigenen Saͤttigung, theils zum Fut— ter fuͤr ihre Jungen. Dieſe ſollen halberwachſen oͤfters auch Beeren von Vaccinium uliginosum, V. Oxycoccus und von Empetrum ni- grum freſſen. Bei lange und weit vom Meere entfernten, gewoͤhnlich jungen Voͤgeln findet man deren Magen meiſtens bloß mit Inſekten und — — XIII. Ordn LXXIX. Gatt. 301. Schmarstz.-Raubm. 329 Inſektenlarven angefuͤllt; ſo hatte ein, auf einem Brachfelde Erleg— ter ihn ganz allein mit Ohrwuͤrmern (Forficula auricularia und F. minor) vollgeſtopft; bei einem Andern enthielt er Reſte von kleinen Kaͤfern und Larvenkoͤpfe, im Vormagen viele gruͤnliche und grau— liche Erdmaden oder Larven, vermuthlich einer Tipula-Art; ein Drit⸗ ter hatte ihn faſt vollgepfropft mit den grauen Erdraupen der Saat— eule (Noctua segetum, L.), dazwiſchen viele Bruchſtuͤcke von Erd— und Laufkaͤfern, kenntlich bloß Harpalus aeneus, ſogar auch die Knochen und Zähne einer Maus. Sie mögen alſo auch Feld: maͤuſe zu fangen wiſſen oder doch todt gefundene verſchlingen. Daß ſich die Raubmeven recht gut ohne Huͤlfe andrer Voͤgel zu naͤhren und zu erhalten im Stande ſind, beweiſen auch Einge— fangene, die ſich mit kleinen oder groͤßern Fiſchen, dieſe zerſtuͤckelt, mit in verſchlingbare Biſſen zerſchnittenem Fleiſch und Gedaͤrmen, mit Regenwuͤrmern, Maikaͤfern und andern Inſekten und Inſekten— larven recht gut futtern und bei ſorglicher Pflege Jahre lang am Leben erhalten laſſen. ort pf lan z un g. Schon oben beim Aufenthalt ſind bereits die Sommerwohnſitze der Schmarotzer-Raubmeve genannt worden; dort hat ſie auch in einzelnen Gegenden ihre Niſtplaͤtze. In unſerm Erdtheil iſt ſie ni— ſtend auf mehrern Inſeln an den Kuͤſten des obern Norwegens, haͤufig namentlich auf den Loffoden angetroffen worden, nicht we— niger auf Island, den Faͤroͤern, den Shetlands und den Orcaden, ſehr haͤufig auf den Hebriden, beſonders den nord— weſtlichſten. Alle ihre Niſtorte haben ein hohes Geſtade, überhaupt eine hohe Lage; aber ſie niſtet nirgends nahe am Meer, ſondern mehr im Innern der Inſeln, auf kleinern oft in deren Mitte, oder bis gegen eine halbe Meile vom Meer, in Thaͤlern oder auf niedern Bergebenen, auf ganz geebneten oder auch etwas abhaͤngigen, gruͤnen, moorigen oder ſumpfigen Flaͤchen, in der Naͤhe von Quellen, kleinen Baͤchen oder groͤßern ſtillſtehenden Suͤßwaſſerbehaͤltern. Solche Niſtplaͤtze ſind zuweilen von 30 bis 50 oder noch meh— rern Paͤaͤrchen beſetzt, die aber weniger zuſammenhalten als andere geſellig brütende Vogel, auch ihre Neſter nicht nahe bei einander ha= ben, weshalb deren Niſtplatz oft einen ſehr bedeutenden Raum um— faßt, ſo daß man, wo ihrer nur wenige beiſammen leben, auch ſa— 107 Theil. 3 530 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 391. Schmarotz.⸗Raubm. gen kann, ſie brüten in einzeln zerſtreueten Paaren. In ſolchen Fällen niſten auch hin und wieder andere Voͤgel in ihrer Nachbar⸗ Schaft, Bekaſſinen, Regenbrachvoͤgel, Auſternfiſcher u. a., die alle mit Furcht und Mißtrauen gegen jene erfüllt find, von de nen der Letztgenannte den Wachhalter für die Uibrigen macht und gelegentlich auch wol ihre Brut gegen räuberiſche Anfaͤlle verthei⸗ digen hilft. Gegen Ende des April zeigen ſie ſich an den zum Bruͤten aus⸗ erwaͤhlten Orten, wo ſich nach und nach mehrere verſammeln, laͤn— ger an den Plaͤtzen verweilen, ſich mit einander necken oder im Ernſt befämpfen, bis ſich alle gepaart haben und nun in Paaren auf der Flaͤche vertheilt ſich aufſtellen oder auch ſo mitſammen fliegen. Ge⸗ gen Ende des Mai ſind alle gepaart, mit Aufſuchen der Neſtſtellen und Bereitung derſelben fuͤr Aufnahme der Eier beſchaͤftigt. Auf kleinen Erhoͤhungen, oft von Sumpf umgeben, ſuchen ſie ein klei— nes Grasſtaͤudchen oder ein noch weniger ausgezeichnetes Plaͤtzchen zwiſchen Moos und Gras, treten dies nieder und geben dieſer Ver— tiefung durch kreisfoͤrmiges Drehen des Koͤrpers eine napffoͤrmige Rundung. Dieſes Geſchaͤft verrichtet das Weibchen, waͤhrend das Maͤnnchen unthaͤtig daneben ſteht. Ein anderes Neſt bauen ſie nicht und die Unterlage fuͤr die Eier beſteht bloß in den niedergetretenen Pflanzenſpitzen des Plaͤtzchens. Manche Weibchen legen noch vor Ausgang des Mai, andere ſpaͤter, die letzten oft erſt in der zweiten Woche des Juni, in jedes Neſt nie mehr als 2 Eier. Dieſe haben in Farbe und Zeichnung viele Aehnlichkeit mit denen der Sturmmeve, aber eine andere Geſtalt, eine feinkoͤrnichtere, glaͤnzendere Schale und kommen auch in der Groͤße nur den kleinern Eiern dieſer bei. Ihre Geſtalt iſt dadurch von allen Meveneiern verſchieden, daß ſie viel bauchichter und am ſpitzen Ende viel ſchmaler zugerundet iſt, wobei fie, doch nur an dieſem, den Eiern der ſchnepfenartigen Voͤgel aͤhnelt, aber nicht am entgegengeſetzten, wo ſie ſtets mehr zu- als abgerundet oder weniger ſtumpf iſt, als bei jenen. Dieſe ganz andere Geſtalt unterſcheidet fie auch leicht von denen der Limosa melanura, denen ſie im Uibrigen, bis auf ihr groͤßeres Volumen, ſehr aͤhnlich ſehen. Sie ähneln an Geſtalt, wie in allem Andern denen der übrigen Ar: ten ihrer Gattung und unterſcheiden ſich hauptſaͤchlich nur in der Groͤße, in welcher ſie mit denen der vorigen und folgenden Art ge— rade das Mittel halten und dies recht ſehr auffallend. Sie find — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 531 2 Zoll 2 bis 3½ Linien lang und 1 Zoll 7 bis 7½ Linien breit. Die Schale hat ſehr viele aber gleichfoͤrmige und ſehr feine Poren, oder ein feines Korn, und etwas Glanz. Ihre Grundfarbe iſt ein truͤbes Olivengruͤn oder Braungruͤn in nicht ſehr blaſſer Anlage, die Zeichnungen weniger Punkte als Flecke von verſchiedener Groͤße und Geſtalt, manchmal mehrere zuſammenhaͤngend, verſchoben oder verwiſcht, in der Schale von einem duͤſtern Grau, auf derſelben ſehr dunkel olivenbraun, auch roͤthlich ſchwarzbraun, am ſtumpfen Ende gehaͤuft, aber nicht kranzartig, hier aber oft noch mit einigen kleinen Klexen, Schlingen oder feinen Haarzuͤgen von faſt ſchwarzer Farbe vermiſcht. Manche ſind mehr, andere weniger, einige groͤber, andere feiner gefleckt, die allermeiſten dieſer Eier aber ſehr dunkel gefaͤrbt, ſo dunkel wie unter Meveneiern nicht viele vorkommen; hellgefaͤrbte find dagegen ſehr ſelten. Sehr dicht gefleckt kommen fie auch nie: mals, dagegen aber manchmal faſt ungefleckt vor; an ſolchen iſt dann die Grundfarbe beinahe Apfelgruͤn. Sie gehoͤren demnach zu den ſehr wandelbaren. Die Grundfarbe geht in Sammlungen mit den Jahren aus dem Braungruͤnen ſehr in's Grünbraune. Die Eier werden von beiden Gatten abwechſelnd bebruͤtet und beide haben Bruͤteflecke, zwei am Anfange des Bauches, naͤmlich auf jeder Seite einen. Die Zeit des Bruͤtens dauert faſt 4 Wochen. Die ausgeſchluͤpften, weichflaumigen Jungen bleiben auch ungeſtoͤrt nur noch einige Tage im Neſte, verkriechen ſich dann in den Umge— bungen hinter Pflanzenbuͤſcheln und Grasſtauden. Sie werden von den Alten anfaͤnglich ganz nach Art der Tauben, mit Vogeleiern, Meduſen und andern weichen Geſchoͤpfen, ſpaͤter durch Vorſpeien groͤberer Nahrungsmittel, junger Voͤgel, kleiner Fiſche u. dergl., von beiden Aeltern fleißig geaͤtzt, wachſen aber langſam und beduͤrfen der aͤlterlichen Pflege lange; denn man trifft ſie mitten im Auguſt, voͤllig befiedert und flugbar noch am Niſtplatze unter Aufſicht der Alten. Dieſe lieben ihre Brut ganz ungemein und vertheidigen ſie herzhaft gegen ihre Feinde. Bei den Eiern ſtoßen ſie ſehr haͤufig ſo nahe und ſo verwegen nach den Menſchen, daß ſie nicht ſelten mit dem Schnabel oder den Fluͤgeln deſſen Kopf beruͤhren; bei den Jun⸗ gen nehmen ſie dagegen mehr zur Liſt ihre Zuflucht. Sie ſtellen ſich hier, wie die meiſten Entenarten und viele kleine Inſektenvoͤgel in aͤhnlichen Faͤllen, als waͤren ſie krank oder lahm, werfen ſich krampfhaft auf den Boden, ſchleppen ſich mit aufgeſchwelltem Gefieder und hängenden Bauchfedern, halb flatternd, halb ſtrampelnd, dazu auch wol klaͤglich und ganz leiſe pfeifend, auf ihm fort, und ſuchen 34 * 532 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. durch ſolche Verſtellung die Aufmerkſamkeit des Verfolgers von den verſteckten Jungen ab und auf ſich zu lenken; fie wollen jenen da— mit glauben machen, daß er ſie erhaſchen koͤnne, bis ſie ihn weit genug von den Jungen hinweg geleitet zu haben vermeinen, werfen jetzt erſt ploͤtzlich die Maske ab und fliegen frohen Muthes davon, gleichſam als freueten ſie ſich des Gelingens ihrer Liſt. Erſt Anfangs September verſchwinden die Alten, gegen die Mitte dieſes Monats auch die Jungen vom Bruͤteplatze. Sie ver: laſſen überhaupt jetzt die ganze Bruͤtegegend, und zerſtreuen ſich ge: trennt und vereinzelt nach allen Richtungen auf dem Meere und zum Theil an fernen Kuͤſten. F e i n de. Der Seeadler und Jagdfalke wird ihnen zuweilen gefaͤhr— lich, obgleich ſie Muth genug haben, wenigſtens den Erſtern, mit groͤßter Keckheit zu verfolgen, wenn er ſich ihren Bruͤteplaͤtzen naͤ— hert, wo er ihnen dann auch gewoͤhnlich ohne Weiteres das Feld raͤumt. Daß er fie gelegentlich fo wenig verſchont wie andere See: voͤgel, bewieß ein folcher, welcher eine von Fr. Boie (ſ. d. Reiſe, S. 179.) aus der Luft herabgeſchoſſene und auf das Waſſer ge— ſtuͤrzte Raubmeve ſogleich ergriff und damit feinem Horſte zueilte. Gegen große Meven und Raben weiß fie ihre Brut ſehr gut zu ver⸗ theidigen, aber der arctiſche Fuchs erſchleicht fie zur Nachtzeit öfters. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten von mehrern Arten, doch ſind dieſe nicht genau beſtimmt; in den Eingeweiden Wuͤrmer, worunter auch die in faſt allen Meven vorkommende Ligula simplicissima. J a g d Scheu ſind dieſe Voͤgel nicht, nur die Alten an Orten wo ſie nicht bruͤten etwas vorſichtiger, ſie werden dieſes auch noch mehr, je oͤfter in der Gegend ihres Aufenthaltes geſchoſſen wurde; doch ſind ſie auch hier leicht genug mit Schießgewehr im Fluge zu er— legen. Oefters zieht ſie eine Art von Neugier in die Naͤhe des Schuͤtzen und es iſt ſchon oben ein Beiſpiel erzaͤhlt, wo nach dem erſten Schuſſe, als dieſer fie nicht toͤdtete oder zum Fliegen unfähig machte, fogar eine Verwundete noch viel näher kam und den Schü: tzen attaquiren zu wollen ſchien. Beim heftigen Vertheidigen ihrer XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 301. Schmarotz.⸗Raubm. 533 Eier kann man ſie bei einiger Gewandtheit mit einem Stocke aus der Luft herabſchlagen, ſo bei den Jungen, wenn ſie ganz nahe vor dem Verfolger hintaumeln, todtwerfen. Daß man auf dieſe Weiſe, wenn junge Voͤgel bis zu uns kamen, ſich ebenfalls in Beſitz der— ſelben ſetzen kann, iſt oben auch ſchon erwaͤhnt. Solchen ſich ſchuß— recht zu naͤhern, wenn ſie auf einem Acker herumlaufen, bedarf gar keiner weitern Vorſicht. Sonſt laſſen ſich die Alten auf dem Meere auch leicht durch das nachgeahmte Angſtgeſchrei der Meven oder Meerſchwalben herbeilocken. Man kann ſie auch fangen, an Angelhaken, in Laufſchlingen oder in Schlingen uͤber den Eiern. Na ee n. Ihr Fleiſch iſt fuͤr einen auch nicht ſehr verwoͤhnten Gaumen ungenießbar, weil es wie das von Eulen riecht und ſchmeckt. Ihre Eier findet man dagegen genießbarer. Durch Aufzehren der Enger— linge, Raupen und mancher Inſekten, auch wol hin und wieder durch Wegfangen einer Feldmaus, nuͤtzen ſie bloß mittelbar und auch nicht erheblich, weil dieſe gerade ihre Hauptnahrung nicht ausmachen. Sch a dee n. Daß fie ſich, gleich andern Raubmeven, gegen viele Voͤgel feind— ſelig zeigt und darauf angewieſen iſt ſie zu berauben, ſchadet bloß dieſen und ſteht in zu geringem Bezug zum Menſchen, als daß ſie dieſer darum fuͤr ſchaͤdliche Voͤgel halten ſollte. 302. Die kleine Raubmeve. Lestris erepidata. Brehm. Fig. 1. Altes Maͤnnchen im Sommer. Taf. 274. Fig. 2. Maͤnnchen im Jugendkleide. Kurzſchnaͤblige —, langſchwaͤnzige —, Buͤffonſche Raubmeve; Felſenraubmeve; Falkenmeve; ſchwarzzehige Meve; kleine Polarmeve; kleiner langſchwaͤnziger —, kleiner ſpitzſchwaͤnziger —, kleiner Strunt⸗ oder Strandjaͤger. Nordvogel. Labbe; Live. 8 Lestris crepidata. Brehm, Beitr. III. S. 861. —= Deſſen, Lehrb. II. S. 747. — Deſſen, Naturg. a. Vög. Deutſchlds. S. 724 — 725. — Lestris Buf- Foniü (nach H. Boie). Meyer, Zuſätze u. Berichtgn. z. (III.) Taſchenb. S. 212. n. 3. — Stercorarius Tongieuudatus. Briss. Orn. VI. p. 155. n. 3. — Le Labbe 2 Longe queue. Buff. Ois. VIII. p. 445. — Edit, de Deuxp. XVI. p. 200. t. V. f. 2. (kenntlich). — Id. Pl. enl. 762. — Arctic- Bird. Edw. Glan, t. 148. = See⸗ ligmann's Via, V. t. 43. = Arctic- Jager. Eyton, rar, brit. Birds. p. 55. mit ſehr guter Abbildung. — Meisner Muſeum d. N. G. Helvetiens. S. 18—20. B. mit einer guten Abbildg des alten Vogels, jo wie in der Note °*) mit Beſchrog. des Jungen. (Die erfire als L. parasitica, in Meisner u. Schinz, Vög- der Schweiz, S. 278. n. 247) = Lestris crepidata. Gloger, Schleſ. Faun. S. 53. u. 241. — Von Homeyer, Lig. Pommerns. S. 69. n. 228. = Lestris Buffoni. Horn⸗ ſchuch u. Schilling, Verz. pommerſcher Vögel. S. 19. u. 244, - Iſis, 1822. S. 874. u. 1835. S. 253. von F. Boie. Anmerk. Alle Synonyme der Lestris-Arten in allen bis hierher erſchienenen Werken gufzuſuchen und zu ſichten, war in meiner beſchränkten und iſolirten Lage, wo mie eine gauz vollſtändige Bücherſammlung nicht zu Gebote ſtand, eine ſehr ſchwierige und nur theilweiſe zu löſende Aufgabe, zumal ich an dies ſo zeitraubende als undankbare Geſchäft nicht noch größern Zeitaufwand knüpfen mochte. Mir fehlten unter andern die XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 535 vielen Schriften ausländiſcher Geſellſchaften, die neueſten Prachtwerke fremder Zungen, wie auch ſehr Vieles aus der ganz alten Literatur. Ich bin überzeugt, daß beim ge— nauen Durchſuchen und Vergleichen, ſowol für L. crepidatus als für L. pomarina fich noch manches Citat aufgefunden haben würde; denn ein jetzt neuentdeckter Vogel iſt wer der die Eine noch die Andere. 5 Unſere kleine Raubmeve wurde faſt zu gleicher Zeit (1822.) von Meyer (Ta⸗ ſchenb. III.) und von Brehm (Beitr. III.) von der L. parasitiea als ſelbſiſtändige Art getrennt und unterſcheidend beſchrieben. Erkannt hatte ich fie dafür auch ſchon, als ich 1820 den erſten alten Vogel dieſer kleinen Art erhielt und mit vielen andern der grö— fern verglichen hatte. Ich habe Brehm's Trivialnamen (erepidatus) beibehalten und ihn dem ihr zuerſt von H. Boie beigelegten (Buffonii) vorgezogen, nicht allein weil in neueſter Zeit mit Huldigungsnamen wirklich zu viel Unfug getrieben wird (beſonders von Engländern u. g.), ſondern auch weil jener der geläufigere war, obgleich nicht zu läug— nen iſt, daß in vielen Werken, worin dieſer Name vorkömmt, unter ihm nicht bloß Junge von L. parasitiea, fondern unter dieſen auch viele von der ächten L. erepidata beſchrieben und abgebildet find. Wenn dieſer Name von „Frepida, Pantoffeln,“ abge— leitet iſt, wird er freilich auf die Jungen von mehrern Arten der Gattung anwendbar, weil die weißen, vorn ſchwarzen Zehen und Schwimmhänte unſrer kleinen Art nicht aus— ſchließlich zukommen. Es iſt indeſſen nicht gut, auch nur in den dringendſten Fällen gut zu heißen, einen einmal geläufigen Namen zu verwerfen und einen neuen dafür einführen zu wollen; wir erlebten gar oft, daß bei ſolchem Wechſel nichts gewonnen wurde, in: dem nicht ſelten die neue Benamung weit weniger bezeichnend ausfiel, als es die alte war. Der Trivialname der Art (Species) einer Gattung (Genus) fol Etwas bezeich— nen, das entweder an dem Aeußern des Vogels ſichtbar, oder auf feinen Aufenthalt, ſei— ne Lebensweiſe, Sitten u. dergl. bezüglich iſt, auch die Art, wo möglich, vor einer an— dern auszeichnet; darum imprimiren ſich ſolche um ſo leichter und dauernder dem Ge— dächtniß; was ſpricht dagegen für die oft corrumpirten und viel ſchwerer im Gedächtniß feſtzuhaltenden Huldigungsnamen, zumal aus andern Sprachen in die lateiniſche überge— tragene, von denen man oft nicht weiß, wie man ſie ausſprechen ſoll? Nichts, als daß ſie Mode geworden. Doch ſollte in der Wiſſenſchaft Nichts Mode werden als Verbeſſe— rungen alter Irrthümer und Erweiterungen, auf eifriges Erforſchen der Natur geſtützt; aber nicht nutzloſe Ziererei. e ee e ee ee e Die Schneide des Oberſchnabels dicht neben dem Haken hat einen kleinen Ausſchnitt. Die beiden mittelſten Schwanzfedern ſind auſſerordentlich verlängert, ſchon vom erſten Drittheil an ſchmaͤler, nach und nach in ſehr lange und aͤußerſt ſchmale Schwanzſpieße auslaufend; bei Jungen nur etwas laͤnger als die uͤbrigen, aber auch ſchon etwas ſpitz. Hauptfarbe am alten Vogel aſchgrau. Dohlengroͤße. in Beſchreibung. Die ſtets kleinere, ſchwaͤchlichere und noch ſchlanker gebauete Ge— ſtalt, der kuͤrzere Schnabel und die laͤngern oder viel ſchmaͤlern Schwanzſpieße unterſcheiden dieſe Art leicht genug von der vorigen, namentlich bei alten Vögeln. Ein vorzuͤglich gutes Kennzeichen für L. erepidata iſt ein manchmal freilich nicht ſehr deutlicher zahnarti⸗ ger Ausſchnitt der Schneide des Oberſchnabels dicht neben dem Ha: 536 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. ken, waͤhrend an dieſer Stelle die Schnabelſchneide bei L. parasitica ganz eben iſt, und dann noch eine etwas längere Dillenkante (Gonys) am Unterſchnabel. — In den Jugendkleidern ſind beide Arten ſchwe— rer zu unterſcheiden, die der kleinen jedoch am Kopfe, Halſe und der Bruſt auffallend lichter und viel weißlicher, auch die mittelſten Schwanzfedern ſchon laͤnger und ſpitziger als bei der vorhergehenden. Obgleich beide Arten ſehr in der Groͤße variiren und es unter den Jungen von der vorigen ſehr kleine Individuen giebt, ſo iſt mir doch kein einziges von jenen vorgekommen, das in dieſer Hinſicht nicht noch alle von L. crepidata übertroffen hätte. In der Koͤrpergroͤße koͤmmt ſie einer Dohle (Corvus monedula) ziemlich gleich, ihre Fluͤgel ſind aber viel groͤßer und laͤnger, ſo auch der Schwanz, beſonders aͤlterer Vögel. Sie uͤbertrifft die Lach meer— ſchwalbe (Sterna anglica) kaum an Größe. Die Maaße, wovon die kuͤrzern jungen, die langen alten Voͤgeln angehoͤren, wo aber zur Laͤnge die mittlern Schwanzfedern nicht mit gemeſſen, ſondern dieſe von der Stirn bis auf das Ende des naͤchſten (fuͤnften) Schwanz— federpaares genommen wurde, betragen in der Länge: 14½ bis 16 Zoll; in der Flugbreite: 38 bis 40 Zoll; die Fluͤgellaͤnge: 13 bis 13 Zoll; die Schwanzlaͤnge am fünften Federpaar 5 bis 6 Zoll. Maͤnnchen und Weibchen find in der Größe faſt gar nicht verſchieden, wenigſtens nicht ſtandhaft. Das kleine Gefieder iſt noch zarter als das der vorigen Art, die vordere Fluͤgelſpitze im Vergleich mit der hintern, auch ſchlanker und laͤnger als bei dieſer und ihre Federn etwas ſchmaͤler, ſonſt aber von aͤhnlicher Geſtalt und ebenſo mit ſehr ſtarken ſtraffen Schaͤften; die vorderſte Primarſchwinge die laͤngſte. Der Schwanz hat dage— gen am Ende mehr zugerundete, ſehr breite Federn, von denen die von der Mitte nach auſſen ſtufenweis ſehr an Laͤnge abnehmen und ſo das aͤußerſte 1 Zoll kuͤrzer als das fuͤnfte Paar iſt; ſie ſind von der Wurzel bis an die Rundung der Spitze von gleicher Breite, das mittelſte (ſechſte), aber ſchon an der Wurzel ſchmaͤlere, wird vom zweiten Drittheil an allmaͤhlich immer ſchmaͤler und ſchmaͤler und läuft am Ende in nur 2 Linien breite dünne Spieße aus. Bei Einjaͤhrigen ſind bloß die Spitzen dieſer beiden Federn lang und ſchmal zugerundet, aber viel ſchmaͤler und ſpitzer als bei der Vori— gen. Bei dieſen ragen fie nur J Zoll, bei Alten 6, 7 bis 8 Zoll uͤber das naͤchſte Schwanzfederpaar hinaus, ſind alſo viel laͤnger und viel ſchmaͤler als jemals bei L. parasitica. Sie aͤhneln denen des — — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 537 alten Maͤnnchens der Eisente (Anas glacialis) ſehr. Die Unter: ſchwanzdeckfedern ſind ſo lang, daß die laͤngſten ziemlich bis an das Ende des fuͤnften Schwanzfederpaares reichen. Die Spitzen der in Ruhe liegenden Fluͤgel reichen bei jungen Voͤgeln wenig, hoͤchſtens bis 1½ Zoll über das Schwanzende hinaus, bei Alten find fie 3 Zoll laͤnger als das fuͤnfte Paar. Der Schnabel iſt kuͤrzer als bei L. parasitica, aber faſt eben ſo ſtark, weshalb er dicker ausſieht; cylindriſch, die obere Mund— kante weniger aufgetrieben; der Haken etwas kruͤmmer, die Schneide da, wo dieſer dem uͤbrigen Theil angefuͤgt iſt, mit einem kleinen Ausſchnitt; das untere Eck etwas mehr vorſtehend und der Theil von da bis zur Spitze, die Dillenkante (Gonys), länger als bei je— ner, wodurch natuͤrlich der übrige Theil des Kiels, gegen die Wur— zel zu, um ſo kuͤrzer wird. Da er einmal im Ganzen kuͤrzer iſt, ſo muß es auch die Wachshaut ſein, weil ſeine Geſammtgeſtalt eine ſehr aͤhnliche iſt. Dies ſind die Hauptverſchiedenheiten, die ihn hin— laͤnglich characteriſiren. In allem Uibrigen gleicht er dem der vori— gen Art, auch hinſichtlich der Beſchaffenheit der Wachshaut, der Naſenloͤcher, des Rachens und der Zunge. — Seine Laͤnge von der Stirn zur Spitze iſt bei jungen Voͤgeln 11 Linien, bei alten 1 Zoll 1½ bis 2 Linien, aus dem Mundwinkel dort 1 Zoll 8 Li— nien, hier 1 Zoll 9 Linien; ſeine Hoͤhe an der Stirn bei jungen kaum 5 Linien, bei alten etwas uͤber 5 Linien; ſeine Breite hier bei jenen 4, bei dieſen faſt 5 Linien; die Wachshaut beim Erſtern kaum 6, beim Letztern uͤber 7 Linien. Die Farbe des Schnabels iſt wie bei Lestris parasitica und auch bei L. pomarina, in der Jugend bis an das vordere ſchwarze Drittheil, nebſt der Wachshaut hell bleiblau, der Rachen roͤthlich— und blaͤulichweiß; bei den Alten jener ſchwarz, Wachshaut und Mundwinkel olivengruͤnlich der innere Schnabel und Rachen weiß— bläulich. — Wie bei andern Arten wird das Bleifarbige im Tode dunkler, ausgetrocknet ganz unkenntlich, heller hornfarbig als die braunſchwarze Spitze, und auch bei den Alten zeichnet ſich die gruͤnlich geweſene Partie bloß durch eine lichtere Hornfarbe aus. Das Auge hat in der Jugend weißbefiederte Lider, deren Raͤnd— chen ſpaͤter nach innen nackt und ſchwaͤrzlich, und einen dunkel: braunen Stern, deſſen Farbe im Alter nur etwas friſcher, faſt dun⸗ kel nußbraun wird. Die Fuͤße ſind viel kleiner und ſchwaͤchlicher als bei L. parasitica, auch im Verhaͤltniß zu den uͤbrigen Koͤrpertheilen; haben aber ſonſt 538 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. die naͤmliche Geſtalt und Bekleidung, doch weniger rauhe Schup— pen und etwas längere oder ſchlankere Krallen; auch iſt verhaͤltniß— mäßig die Hinterzeh, wenn man ihre Kralle nicht beruͤckſichtigt, noch winziger. Die Schiene iſt uͤber der Ferſe 6 Linien nackt; der Lauf 1 Zoll 8 Linien bis 1 Zoll 9 Linien lang; die Mittelzeh nur 2 Li— nien kuͤrzer, mit der 3 bis 4 Linien langen Kralle, 1 Zoll 6 bis 7 Linien lang; die Hinterzeh, mit der 2 bis 2½ Linien langen Kralle, 3½ bis 4 Linien, dieſe alſo länger als die Zeh. Die Farbe der Füße iſt der bei L. parasitica ſehr aͤhnlich, bald nach dem Flugbarwerden an den Laͤufen hell bleiblau, an den Zehenwurzeln und Schwimmhaͤuten weiß, die vordern zwei Drit— theile dieſer und der Zehen ſchieferſchwarz; ſpaͤter ohne Weiß, die ganzen Schwimmhaͤute und Zehen ſchwarz; endlich wird das Blei: blau der Laͤufe duͤſterer und das dunklere Schwarz des untern Fu— ßes ruͤckt an ihnen herauf, aber nicht allmaͤhlich, ſondern es zeigt ſich hin und wieder im Blauen gleich als meiſtens viereckige Flecke, die anfaͤnglich klein, ſich dann nach allen Seiten ausdehnen, endlich jenes ganz verdraͤngen und den Fuß, ſo weit er nackt, gleichfoͤrmig mit Schwarz uͤberziehen. Dieſe Periode der ganz ſchwarzen Fuͤße ſcheint bei ihnen viel ſpaͤter einzutreten als bei L. parasitica, da ganz alte oder wenigſtens in ihrem vierten Lebensjahr ſtehende Individuen noch mit blauen, jetzt erſt ſchwarzgefleckten Laͤufen vor: kommen, abermals ein wichtiger Unterſchied fuͤr beide Arten. — An ausgeſtopften Exemplaren, wenn die Füße ganz ausgetrocknet, find jene lichten Farben nicht mehr zu erkennen, denn die blaue iſt in ein duͤſteres Hornbraun, die weiße in ſchmutziges Horngelb verwan— delt und bei den Alten find die Fuͤße faſt einfarbig hornſchwarz, oder wo fie blau waren etwas mehr hornbraun. — Die Krallen ſind ſtets ſchwarz, nur bei Jungen die der Hinterzeh nebſt dieſer weiß. Im Dunenkleide ſoll ſie der vorigen Art ſehr aͤhneln. Das erſte Jugendkleid iſt lichter als das der vorigen Ar: ten, beſonders am Kopfe, Halſe und dem Unterkoͤrper. Schnabel und Fuͤße ſind wie oben beſchrieben, naͤmlich am vorn ſchwarzen Schnabel ſo weit die Wachshaut reicht hell bleiblau, ſo auch die Laͤufe, an den Zehenwurzeln weiß, Zehen und Schwimmhaͤute von den Naͤgeln bis uͤber die Haͤlfte herauf ſchwarz und beide Farben ſcharf von einander geſchieden; der Augenſtern dunkelbraun. Ge: ſicht, Oberkopf und Genick ſind ſehr licht braͤunlichgrau, mit mat— ten ſchwarzbraunen kleinen ovalen oder laͤnglichten Schaftflecken; Wangen und Kopfſeiten von gleicher Farbe und Zeichnung, aber mehr — — XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 539 geſtrichelt, an Kehle und Obergurgel mehr weißlich; Untergurgel und Kropf graugelblichweiß, ſchwach und verloren ſchwarzgrau gefleckt; Halsſeiten und Nacken braungelblichweiß, mit feinen ſchwaͤrzlichen Schaftſtrichen; die Kropfſeiten dunkel braungrau gewoͤlkt; Bruſt und Bauch rein weiß, an den Seiten aber roſtgelblich oder braͤunlich— gelb angeflogen und dunkel braungrau gebaͤndert; die untere Schwanz— decke, welche faſt bis an's Ende der Schwanzfedern reicht, weiß, roſt— gelb uͤberflogen und weitlaͤufig ſchwarzbraun gebaͤndert. Der Man— tel iſt chokolatbraun, in's Graue ſpielend, mit mondfoͤrmigen, truͤbe gelblichweißen Endkanten der Federn, die an den Schultern groß ſind und einigermaßen Querreihen bilden; die Tertiarſchwingen ha— ben dieſelbe Zeichnung; die Secundarſchwingen braunſchwarz, wur— zelwaͤrts fahl; die Primarſchwingen braunſchwarz, mit ſehr unbe— deutendem und verdeckten Weiß an der Wurzel, die laͤngern mit weißen, die kuͤrzern mit hellbraunen Schaͤften und dieſe auch noch mit braͤunlichweißen Endkanten; der Unterfluͤgel an den Deckfedern weiß, ſchwarzgrau und ſchwarzbraun gefleckt, die Schwingfedern wurzelwaͤrts weißlich, gegen die Spitze grauſchwarz, mit weißen Schaͤften; Buͤrzel und Oberſchwanzdecke dunkel chokolatbraun, roſt— gelblichweiß gebaͤndert; der Schwanz ſchwarzbraun, wurzelwaͤrts graulich, jede Feder mit einem gelblichweißen Endkaͤntchen, ſeine un— tere Seite viel heller, mit weißlichem Schein an der Wurzel und mit weißen Schaͤften. Die allgemeine Faͤrbung iſt bei dieſen Jungen bald heller, bald dunkler, aber immer nach obigem Muſter gezeichnet, allein ein ſtand— hafter Unterſchied im Aeußern, welcher das verſchiedene Geſchlecht bezeichnete, laͤßt ſich nicht finden. Wenn ſie dies Jugendkleid, wie ich vermuthe nach einem Jahre, abgelegt haben, erſcheinen ſie in einem von jenem etwas verſchiede— nen Zwiſchenkleide. Schnabel und Fuͤße haben eine etwas dunk— lere Farbe als im Jugendkleide, und das Weiße an den Zehenwur— zeln iſt faſt ganz vom Schwarzen verdraͤngt. Der Scheitel iſt dun— kel roͤthlichbraungrau etwas lichtgrau geſtreift; das Gefieder an der Stirn, den Kopfſeiten, dem Halſe und an der Bruſt im Grunde bleich chokolatbraungrau, an den Halsſeiten gelblichweißgrau geſtri— chelt, an der Kehle und am Kropfe mit noch ſtaͤrkern weißgrauen Federſaͤumchen, die an der Bruſt in getuͤpfelte und zerriſſene Wellen uͤbergehen; die Tragfedern, der Bauch und die untere Schwanzdecke dunkel chokolatbraun und weiß gebaͤndert; Schwingfedern und Un— terfluͤgel denen im vorigen Kleide aͤhnlich; das Uibrige des Vogels 540 XII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. von obenher dunkel chokolatbraun, am dunkelſten gegen das Schwanz⸗ ende, mit truͤbe roſtgelblichweißen Mondkaͤntchen an den Enden der Federn. Die beiden Mittelfedern des Schwanzes über 1 Zoll län: ger als die naͤchſten, auch ſpitzer oder noch ſchmaͤler zugerundet als im vorigen Kleide. Dieſes Kleid unterſcheidet ſich durch feine ſehr dunkele Far: bung auffallend genug vom vorigen, iſt auch dunkler als das der = % L. parasitica, und hierin dem der L.pomarina ſehr aͤhnlich. Man hat es auch fuͤr das Winterkleid alter Voͤgel halten wollen, wogegen aber die jugendliche Faͤrbung der Fuͤße und des Schnabels ſtreiten, wenigſtens an dem oben beſchriebenen Exemplar, das dazu auch im September erlegt wurde, einer Zeit, wo eine ſo reine Aus— bildung eines Winterkleides noch nicht moͤglich iſt. Auf dieſes Zwiſchenkleid folgt das erſte Hochzeitskleid, wo— rin ſich dieſe Voͤgel zum erſten Male fortpflanzen. Der Schna— bel iſt dann, bis auf fein hornſchwarzes Ende, bleiblau, ziemlich dunkel; die Fuͤße von derſelben Farbe, an Zehen und Schwimmhaͤu— ten ſchwarz; eine abgeſonderte Kopfplatte, deren Grenze ſich von der Wurzel des Unterſchnabels unter dem Auge und den Schlaͤfen ent: lang bis auf das Genick zieht, ſchwarzbraun, an der Stirn am lich— teſten, auf dem Genick in Braunſchwarz uͤbergehend; die an dieſe angrenzenden Theile der Kopfſeiten, nebſt der Kehle und Gurgel und Mitte der Bruſt weiß, die Halsſeiten hinterwaͤrts graulich und mit glaͤnzenden, zerſchliſſenen, ochergelben Federſpitzchen untermiſcht; der untere Hinterhals, nach den Kropfſeiten herabziehend, die Tra— gefedern, Bauch, Schenkel und untere Schwanzdeckfedern ſanft aſch— grau; Ruͤcken, Schultern, Buͤrzel, Oberſchwanzdecke, Fluͤgeldeckfedern und hintere Schwingfedern braungrau, an braͤunliches Aſchgrau gren⸗ zend, eine viel lichtere Farbe als bei den weißbaͤuchigen Alten der vorigen Art; der Fittig von auſſen braunſchwarz; der Schwanz braungrau, gegen das Ende dunkler und zuletzt faſt braunſchwarz, ſeine beiden Mittelfedern ſchon 6 bis 7 Zoll laͤnger als ihre naͤchſten Nachbarn, ſehr ſchmal und am Ende ſpießfoͤrmig. Das Maͤnnchen hat laͤngere Schwanzſpieße; ſonſt iſt es vom Weibchen nicht zu unterſcheiden. In Meisner's Muſeum Hel⸗ vetiens, I. S. 17—19. B. iſt ein ſolcher Vogel in dieſem Kleide beſchrieben und eine ſehr kenntliche Abbildung beigefügt, nur Schna= bel und Fuͤße nach dem ausgetrockneten Exemplar ausgemalt, daher ohne Blau. Zwei andere ausgeſtopfte Exemplare in demſelben Kleide — — - XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 541 ſtehen zwiſchen mehrern von dieſer Lestris-Art im Berliner Muſeum, das Eine aus Unalaſchka, das Andere aus Groͤnland. Das ausgefaͤrbte oder zweite hochzeitliche Gewand, das auf das naͤchſtvorhergehende folgt, iſt fo verſchieden von allen der L. parasitica, daß, wer es damit vergleichen will, gar nicht daran denken kann, es mit jener fuͤr identiſch zu halten. Der Schnabel iſt ſchwarz, an der Wachshaut und den Mundwinkeln ſchmutzie blaugruͤnlich; die Iris lebhaft dunkelbraun; die Fuͤße gewoͤhnlich ganz ſchwarz, am vorliegenden und auf Taf. 274. Fig. 1. abgebil⸗ deten Exemplar an den Laͤufen noch duͤſter bleiblau, doch bereits mit mehrern großen ſchwarzen Flecken, unſymmetriſch, nicht an einem Fuße wie an dem andern. Eine ſehr dunkele Kopfplatte, aͤhnlich wie bei Meerfchwalben, dagegen bei L. parusitica nie fo dunkel, nie ſoo ſcharf abgegrenzt vorkommend, bedeckt den ganzen Oberkopf bis auf das Genick und wird an den Seiten, vom untern Schnabel: winkel, unter dem Auge und den Schlaͤfen hindurch vom klaren Weiß der Kopffeiten ſcharf geſchieden; fie iſt an der Stirn ein We: nig braungrau, aufwärt3 allmaͤhlich dunkler, dann ſchwarzbraun, gegen das Genick braunſchwarz und endlich dieſes ſelbſt voͤllig ſchwarz. Kehle, Gurgel und Kropf ſind rein weiß; Wangen, Halsſeiten und ein Band unter dem Genick hindurch im Grunde auch weiß, doch dieſes zwiſchen den zerſchliſſenen, ſeidenglaͤnzenden, angenehm ocher— gelben Federenden nur wenig durchſchimmernd; die Mittelbruſt grau— weiß; die Seiten der Bruſt, weniger die Kropfſeiten, vom Weißen in ein lichtes Aſchgrau ſanft uͤbergehend, dieſes die Tragfedern, den Bauch, die Schenkel, die untere Schwanzdecke und auch die Deck— federn auf der Unterſeite des Fluͤgels einnehmend; der untere Nacken, der ganze Mantel, Buͤrzel und obere Schwanzdecke ſanft aſchgrau, wenig dunkler als die genannten untern Theile, aber in verſchiede— nem Lichte bald rein aſchgrau ausſehend, bald ins Braͤunliche ſpie— lend, eine ganz eigenthuͤmliche Faͤrbung; ſaͤmmtliche Schwingfedern und Fittigdeckfedern braunſchwarz, wurzelwaͤrts lichter oder fahler, die Schaͤfte der großen an den Spitzen braunſchwarz, uͤbrigens weiß, die der kuͤrzern hellbraun; nur die vorderſten Primarſchwingen ha— ben an der Wurzel ſehr wenig Weiß, das auch verdeckt iſt; auf der untern Seite, wo ſich dieſes in einem weißlichen Schein auf den Innenkanten etwas tiefer herabzieht, ſind die Schwingen glaͤnzend braungrau, an den Spitzen am dunkelſten, alle mit ganz weißen Schaͤften. Die Schwanzfedern ſind matt braunſchwarz, an den Spitzen am dunkelſten, an den Seitenkanten, noch mehr aber gegen 542 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. die Wurzel zu aus Braungrau in Aſchgrau uͤbergehend; auf der untern Seite viel lichter als von oben mit weißlichem Schein an der Wurzel und hier weißen Schaͤften, beides nur beim Aufheben der Deckfedern bemerklich. Das mittelſte Schwanzfederpaar iſt hier 8 Zoll laͤnger als das ihm zunaͤchſtſtehende; ſeine Federn fangen ſchon 2 Zoll von der Wurzel an allmählich ſchmaͤler zu werden und laufen endlich in ſo ſchmale Spieße aus, daß ihre Fahnen nicht weit von der Spitze nur noch eine Linie oder ſolche Feder nur 2 Linien breit iſt. Sie aͤhneln denen der maͤnnlichen Eisente vollkommen, nicht wenig auch denen der Tro pikvoͤgel (Phaeton). Beide Geſchlechter unterſcheiden ſich in der Groͤße kaum, — dies ließe ſich nur beim Vergleichen vieler Stuͤcke im friſchen Zu— ſtande ermitteln, — ſind ſich auch im Gefieder ganz aͤhnlich, die Weibchen ſcheinen bloß etwas kuͤrzere Schwanzſpieße, eine weniger unkele Kopfplatte und weniger gelbe Halsſeiten zu haben; es koͤn— nen jedoch auch hinſichtlich dieſer individuelle, auf Verſchiedenheit des Geſchlechts nicht bezuͤgliche Verſchiedenheiten vorkommen. Auch Spielarten kommen bei dieſer Art vor. Das Ber— liner Muſeum beſitzt einen weißgeſchaͤckten juͤngern Vogel, deſ— ſen Gefieder etwas dunklere Farben und Zeichnungen als Fig. 2. auf unſrer Kupfertafel hat, an welchem uͤbrigens einige Flecken an der Kehle, aus mehrern Federn zuſammengeſetzt, mitunter auch bloß einzelne Federn, die kleinen Fluͤgeldeckfedern an dem einen Fluͤgel alle, an dem andern nur zum Theil, der Fluͤgel— rand, einige der Fittigdeckfedern, viele Secundarfhwin gen, ein Theil des Bauches und einer Seite der Bruſt, dicht uͤber den Schenkeln, in einem großen Felde blendend weiß ſind. A u f e nt he ee Die kleine Raubmeve ſcheint am hoͤchſten von allen gegen den Pol hinauf zu gehen. Man hat ſie auf Spitzbergen und laͤngs der ganzen Kuͤſte des Eismeeres von Europa und Aſien, in den Muͤndungen der in jenes ſtroͤmenden großen Fluͤſſe Sibiriens, auf Kamſchatka und Unalaſchka, und andern Inſeln in dieſen Meeren bis zur Breite der Aleuten herab, — auf der andern Seite von Nordamerika in der Hudſonsbai, auf Labrador und beſonders haͤufig auf Neufundland, weniger in Groͤnland und ſelten auf Island oder an der Kuͤſte von Norwegen, un— —̃ é H„œ — * XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 543 ter gleicher Breite, angetroffen. Dort hat fie ihre Sommerwohn⸗ ſitze, die ſie im Herbſt verlaͤßt, ſich auf den Meeren zerſtreuet und eine mildere Temperatur aufſucht, dann einzeln bis an die daͤni— ſchen und deutſchen Kuͤſten der Oſtſee koͤmmt, aber viel ſeltner als L. parasitica. Ebenſo wird auf allen über Schottland hin— aus gelegenen Inſeln und an den engliſchen und iriſchen Kuͤ— ſten unſere Art weit ſeltner geſehen als jene, und auch nur einzelne Voͤgel kommen auf der Nordſee bis an die Kuͤſte von Deutſch— land, Holland und des noͤrdlichen Frankreichs. Im nördlis chen Amerika geht ſie tiefer nach Suͤden und iſt zu manchen Zei— ten an der Kuͤſte der mittlern Vereinsſtaaten nicht ſelten. An der ſibiriſchen Kuͤſte geht ſie in tiefen Meerbuſen an den in ſie ausmuͤndenden Stroͤmen aufwaͤrts und an ihnen zuweilen 100 Mei— len vom Meer landeinwaͤrts. An der preußiſchen, mecklenbur— giſchen, holſteiniſchen und ganzen frieſiſchen Kuͤſte entlang iſt dies ungleich ſeltner der Fall als bei den Vorhergehenden, doch iſt ſie einzeln in Schleſien, der Mark, Sachſen, bis uͤber die Mitte von Deutſchland, fo vom weſtfrieſiſchen Strande nach den Rheinlaͤndern, bis in die Schweiz hinauf, hin und wieder vorgekommen, bei Brienz ein Mal ſogar ein alter Vogel, da ſonſt fern vom Meer gewoͤhnlich nur junge Voͤgel vorkommen, was eben— falls hier in Anhalt der Fall war, wo uns auch nur ein paar Beiſpiele der Art bekannt geworden ſind. Wie die andern Arten haͤlt ſie keinen beſtimmten Strich auf ihren Streifzuͤgen, und ſobald ſie das Meer aus dem Geſicht ver— loren hat, irrt ſie nach allen Richtungen umher. Sie mag zwar anfaͤnglich dem Lauf der Gewaͤſſer folgen oder von einem groͤßern Gewaͤſſer den naͤchſten Weg zu einem andern nehmen, ſpaͤter aber auch, ohne durch jene geleitet, ihren Strich durch waſſerarme, ſelbſt waldige Gegenden fortſetzen. Zu der Zeit, da gewöhnlich junge Voͤ— gel der vorigen Art im Innern von Deutſchland bemerkt wur— den, ließ ſich hin und wieder auch einer von dieſer kleinen Art ſehen, naͤmlich im September und October; viel ſeltner erſchienen ſolche oder auch zweijährige im Frühjahr, noch ſeltner alte Voͤgel, dieſe dann im Juli oder Anfangs September. Ganz Meerbewohner verlaͤßt ſie die See ſehr ſelten und gewiß bloß zufällig, meiſtens durch anhaltende Stürme verſchlagen, und ſcheint an ſuͤßen Gewaͤſſern ihre Rechnung keineswegs zu finden. Sie weilt daher auch an groͤßern Landſee'n nie lange, hält ſich da— gegen, ſobald ſie das eigentliche Meer entbehren muß, viel lieber auf 544 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. freiem Felde auf. Sie aͤhnelt hierin der vorherbeſchriebenen Art ganz und wurde bei uns, wenigſtens junge Individuen, auch nur auf Aeckern und freien, ohne oder doch nur mit aͤußerſt unbedeutenden Waſſerbehaͤltern verſehenen Flaͤchen angetroffen. Wenn auch vom Meer aus manche, beſonders juͤngere Voͤgel, oft kleine Ausfluͤchte landeinwaͤrts auf Aecker und Wieſen machen, ſo kehren ſie doch in der Regel immer und bald wieder zu jenem zuruͤck; nur auſſeror— dentliche Ereigniſſe moͤgen ſie hieran verhindern und in der Folge zu planlofem Umherirren verleiten, worauf fie dann bei uns in allen Gegenden, ſogar, wie ein Beiſpiel bewieß, im Walde vorkom— men koͤnnen. Eigen chf ten Die kleine Raubmeve iſt die Schoͤnſte ihrer Gattung; die un— gemein ſchlanke Geſtalt des alten Vogels, der einer Meerſchwalbe viel aͤhnlicher als irgend eine, dazu die angenehmen Farben ihres zartern Gefieders, unterſcheiden ſie ſehr vortheilhaft. Stehend und gehend iſt ſie jedoch einer kleinen Meve aͤhnlicher als einer Meerſchwalbe, denn ſie ſchreitet noch behender und zierli— cher einher als jene. Die laͤngern Fluͤgel und die viel laͤngern Schwanzſpieße, mit dem uͤberhaupt ſchmaͤchtigern Koͤrperbau und der geringern Groͤße unterſcheiden den alten Vogel ſchon in der Ferne von der alten Schmarotzer-Raubmeve, ſowol ſitzend als flie— gend. Sie ſieht im Fluge einem Tropikvogel (Phaeton) ſehr ähnlich, und iſt wahrſcheinlich ſchon einige Mal für einen ſolchen gehalten worden; es hat naͤmlich ein Sammler auf Helgoland behauptet, er habe ein paar Mal einen aͤhnlich geſtalteten Vogel in der Naͤhe dieſer Inſel bemerkt, ihn aber nicht gekannt; als ihm aber ein Hamburger Naturalienhaͤndler einen Tropikvogel vorgezeigt, habe er gleich den bei jener Inſel geſehenen unbekannten Vogel darin erkannt. Nach meiner Meinung waͤre es aber viel wahrſchein— licher, daß er dort bei Helgoland einen alten Vogel unſrer kleinen Raubmeve geſehen haben moͤchte. In ihrem Fluge aͤhnelt ſie der vorigen Art ſehr, ſie bewegt ſich darin aber noch leichter, haͤufig ſogar mit noch mehrern ſonderbaren Abwechslungen, in Bogen, Schlangenlinien, huͤpfend und ſchwebend, auf die verſchiedenſte Weiſe. Sie fliegt ſehr anhaltend und auf die Dauer, ruht zuweilen auf dem Waſſer ſchwimmend, aber nie lange, laͤuft dagegen, wo ſie ſich auf dem Lande niedergelaſſen hat, zuwei— XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 545 len ziemlich lange herum, die jungen Vögel mit dem Anſtande ei: nes Kibitzes. Sie ſcheint von etwas ſanfterem Naturell als die Uibrigen der Gattung, iſt gar nicht ſcheu, ſo daß einſt ein in unſere Gegend ver— irrter junger Vogel von Knaben todt geworfen wurde. Nach einem ſolchen Vogel ſahe man einen verwegenen Kibitz einige Mal ſtoßen und jenen fliehen, was eben nicht von vielem Muthe zeugt; doch mag es bei Alten und in ihnen heimiſchen Gegenden wol anders ſein. Geſellig unter ſich ſind ſie dem Anſchein nach auch wol nur an ihren frequentern Niſtorten, ſonſt nicht, und von andern Voͤgeln werden ſie gemieden. Ihre Stimme iſt von keinem Beobachter be— ſchrieben, wird auch nur in den heimathlichen Gegenden öfter ver: nommen, waͤhrend bis zu uns Verſchlagene nie einen Laut von ſich gaben. V Sie naͤhrt ſich ganz auf aͤhnliche Weiſe wie L. parasitica, von Fiſchen, lebenden wie todten, von allerlei kleinen Seegeſchoͤpfen mit und ohne Schalen, ſeltner auch von Landinſekten und Larven. Viel— mals ſucht ſie ihre Nahrungsmittel ohne fremde Huͤlfe, wo ſie es haben kann jagt ſie aber die gefangene Beute auch andern Voͤgeln, den Meerſchwalben und kleinern Mevenarten ab. Bei Gelegenheit des Auftauchens der Walfiſche laͤßt ſie ſich auf deren Ruͤcken nieder um ihnen die plagenden Schmarotzergeſchoͤpfchen abzuleſen, wie dies auch von Meven oft zu geſchehen pflegt. — Die mitten auf dem Feſtlande vorgekommenen jungen Voͤgel ſuchten, wie Brach voͤgel, ihre Nahrung auf Aeckern und Brachfeldern, und hatten allerlei kleine Kaͤfer, Ohrwuͤrmer, Spinnen und Inſektenlarven im Magen, einer auch einige Knochen, wie von einem kleinen Vogel. Wegen großer Aehnlichkeit mit der gemeinern Art hat man wahrſcheinlich mancherlei Abweichungen in der Lebensart für zu un: bedeutend gehalten, ſie als unterſcheidend aufzuzeichnen; dies bleibt daher ſpaͤtern genauen Beobachtern vorbehalten. Fortpflanzung. Sie ſoll hin und wieder an den Kuͤſten der obern Theile der Scandinaviſchen Halbinſel bruͤten; gewiſſer weiß man dies vom noͤrdlichen Island, vom weſtlichen Groͤnland und neuerdings von Neufundland. Auf dieſer Inſel niſtet fie in Schaaren bei: 10r Theil. 35 546 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. ſammen und ſoll dort uͤberhaupt ungewoͤhnlich haͤufig ſein. Ebenſo ſoll ſie auf ſumpfigen Ebenen der Ufer großer Flußmuͤndungen im noͤrdlichen Sibirien vorkommen. Ihre Bruͤteplaͤtze ſind ebenſo gelegene 955 ihre Neſter auch nicht beſſer gebauet als die der Schmarotzer-Raubmevez auch legt das Weibchen ebenfalls nur 2 Eier. Die Eier, welche ich aus Groͤnland erhielt, aͤhneln in Allem denen der Vorhergehenden, ſind aber um ſo Vieles kleiner, daß man fie gar nicht verwechſeln kann. Sie find die kleinſten in dieſer Gat⸗ tung, 2 Zoll 1 bis 2 Linien lang und 1 Zoll 6 ½ bis 7 Linien breit; an Geſtalt, Beſchaffenheit der Schale, an Farbe und Zeich⸗ nung denen der andern Arten vollkommen aͤhnlich, wie denn über: haupt die intereſſante Bemerkung hier am Platze iſt, daß ſelten eine Vogelgattung in dieſem Punkte eine ſo merkwuͤrdige Uibereinſtim— mung zeigt, wie gerade die der Raubmeven. Die Groͤßenverhaͤlt— niſſe der Eier, im Einklang mit denen der Voͤgel unſerer 4 Arten, bilden dabei zwiſchen einer zur andern Art einen ſo ſtarken Zwi— ſchenraum, daß, wenn man erſt die eine beſitzt, es leicht wird auch die uͤbrigen zu beſtimmen, wenn man ſie auch durch Leute erhalten haͤtte, welche die Voͤgel nicht kannten oder nach den Arten nicht zu bezeichnen verſtanden. Die unſrer L. crepidata ſind um Vieles klei⸗ ner als die der L. parasitica, fie find nicht größer als die der Lach: meve oder die kleinern Exemplare der Brandmeerſchwalbez ihre Geſtalt aber eher der Mehrzahl dieſer als der vorletzten aͤhnlich, weil ſie bei dieſen ſelten ſo ſtarkbauchig und am ſchwachen Ende ſo ſpitz vorkoͤmmt. Zu der geringern Groͤße ſteht auch noch die Feinheit des Korns im Verhaͤltniß, und ſie haben ebenſo etwas Glanz. Ihre Grundfarbe iſt ein ſchwaches Olivengruͤn, die der Zeichnungen in der Schale, je nachdem ſie tiefer oder flacher ſitzen, blaſſer oder dunk— ler braͤunlichaſchgrau, die aͤußern dunkelbraun und ſchwarzbraun bis zum Braunſchwarzen; es ſind Punkte, Tuͤpfel und groͤßere Flecke, manchmal einige zuſammengehaͤngt, andere verwiſcht, alle aber nur ſparſam vorhanden, ſo daß ſie den Grund in groͤßern Maſſen frei— laſſen, nur zwiſchen der hoͤchſten Bauchwoͤlbung und dem ſtumpfen Ende ſtehen die größern, Flecke einander näher, bilden jedoch nur einen loſen Fleckenkranz, in welchem ſich oft noch einzelne ſtaͤrker gefaͤrbte Tuͤpfel oder Schnoͤrkel befinden. Manche dieſer Eier ſind faſt ungefleckt; ſie ſcheinen uͤberhaupt in gleicher Weiſe wie die der L. parasitica und ebenſo haͤufig zu variiren; ihre Grundfarbe wird in Sammlungen ebenfalls dunkler und brauner. XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve. 547 Da beide Gatten Bruͤteflecken haben, bruͤten auch beide; ſie ſind wie bei L. parasitica. Ihr Betragen beim Neſte, dem Bruͤ— ten, Futtern und Vertheidigen der Jungen iſt ebenſo wie bei jener; wenigſtens hat man etwas auffallend Verſchiedenes darin nicht ge— funden, was nach unſrer Uiberzeugung aber wol der Fall ſein moͤchte, ſobald man fie erſt häufiger und genauer an den Brütepläßen beob— achtet haben wird, was bis jetzt aber leider noch nicht geſchehen iſt, wie denn uͤberhaupt ihre ganze Naturgeſchichte noch vieler Ergaͤn— zungen bedarf. F e i n de € Etwas Genaueres iſt hieruͤber noch unerforſcht geblieben. Ver⸗ g muthlich ſind es aͤhnliche oder dieſelben der vorigen Art. g d Sie iſt eben fo leicht zu ſchießen als die Schmarotzer-Rau b— meve, zumal junge Voͤgel, welche ſich tief ins Feſtland verirrt ha— ben, von deren einfaͤltigen Zutraulichkeit ſchon oben ein Beifpiel an: gefuͤhrt wurde. Nu tz e n. Ihr Fleiſch riecht und ſchmeckt wie Eulenfleiſch und nur We— nige moͤchten es deshalb fuͤr genießbar halten; ihre Eier ſollen da— gegen recht gut ſchmecken. Wie die vorige Art wird ſie zu manchen Zeiten auch fuͤr die Felder, durch Aufzehren vieler Inſektenlarven und andrer ſchaͤdlichen Inſekten, einigermaßen nuͤtzlich. e e e e tn. Vom Schoͤpfer angewieſen, andere Voͤgel zu plagen und zu berauben, wird ſie bloß dieſen, aber nicht dem Menſchen nachtheilig. Schlußbemerkung. Man wird aus Vorliegendem erſehen, daß die Arten dieſer in⸗ tereſſanten Gattung lange noch nicht genug beobachtet ſind und ein fortgeſetztes Forſchen ſehr noͤthig und wuͤnſchenswerth machen. Daß Lestris crepidata s. Buffonii, H. Boie, von L. parasitica, wie wir beide hier aufgeſtellt haben, ſich als zwei wirkliche Arten (Species) 35 548 XIII. Ordn. LXXIX. Gatt. 302. Kl. Raubmeve unterſcheiden, leidet keinen Zweifel; ob aber unter den vielen ſoge⸗ nannten Subſpecies, deren Brehm von beiden Arten mehrere bil- dete, noch eine wirkliche Art ſtecken möge, wollen wir nicht beſtrei— ten; jedenfalls gehoͤren aber die meiſten jener Subſpecies unter die unbedeutenden individuellen Abweichungen, wie fie bei andern Bo: gelarten auch vorkommen, die, ſo lange nicht eine ſtandhafte Ver⸗ ſchiedenheit in der Lebensweiſe, dem Betragen, der Stimme u. ſ. w. erwieſen werden kann, unberuͤckſichtigt bleiben muͤſſen. Wenn H. Gloger (a. a. O.) für unſere 4 Lestris-Arten andere deutſche Benennungen giebt, ſo konnten wir dieſe nicht annehmen, weil wir ſie nicht bezeichnender als die unſrigen fanden. — Die Beinamen Richardsonii und parasitica ſcheinen von engliſchen Ornithologen neuerdings auch wieder verwechſelt; uns fehlt indeſſen Gould's Prachtwerk (europäifche Vögel) um nachſchlagen und gewiſſere Aus: kunft daruͤber geben zu koͤnnen. Te - Achtzigſte Gattung. Schwalbenſturmvogel. Thalassidroma. Schnabel: Klein, ſchwaͤchlich, gerade, an der Spitze beider Theile etwas herabgebogen, die obere aber weit mehr hakenfoͤrmig und etwas laͤnger; der Unterſchnabel am Ende der langen Kielſpalte mit einem mehr oder weniger ſcharf vorſtehenden, doch nur kleinen Eck. Er hat keine Querriefen, iſt an der Wurzel rundlich, an der Spitze ſehr zuſammengedruͤckt, daher hier ungewoͤhnlich ſchmal. Naſenloͤcher: Auf der Schnabelfirſte liegend, als eine mit dem Schnabel verwachſene, hohle, durch eine duͤnne Scheidewand der Laͤnge nach zweitheilige Roͤhre, die an der Stirn etwas niedri— ger als vorn, bis auf die Mitte der Schnabellaͤnge reichend, hier ſenkrecht oder etwas ſchraͤg abgeſtutzt iſt, fo, daß die beiden rundli⸗ chen Oeffnungen gerade nach vorn ſehen. Fuͤße: Klein und ſehr ſchwaͤchlich; die Laͤufe aber nicht kurz, dabei ſchlank oder duͤnn; die 3 Vorderzehen nicht lang, ſehr ſchwach, durch volle Schwimmhaͤute verbunden; die Hinterzeh hoͤher geſtellt, aͤußerſt klein und kurz, faſt nur eine winzige bewegliche Warze; der Uiberzug weich und ſehr zart, nur vorn herab und auf den Zehen— ruͤcken ſeicht geſchildert, uͤbrigens kaum ſichtbar genarbt; die Krallen ſchwach, unten etwas ausgehoͤhlt, ſehr ſpitz. 550 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. Fluͤgel: Schwalbenartig, mit kurzen Armknochen und ſehr langen Primarſchwingfedern, von denen unter den 3 vorderſten die Zweite die laͤngſte von allen, die Erſte aber noch ein wenig kuͤrzer als die Dritte iſt. ’ Schwanz: Mittellang, aus 12 Federn zuſammengeſetzt, fein Ende entweder gerade abgeſtutzt, oder gabelfoͤrmig mehr oder weni— ger ausgeſchnitten. Das kleine Gefieder iſt ſehr dicht, pelzartig, weich, meiſtens ohne deutliche Conturen. Dieſe Gattung, welche lauter kleine Voͤgel, ja die kleinſten aller Schwimmvoͤgel enthält, — war ſonſt, nebſt Puffinus, Pachyptila und Haladroma mit Procellaria in einer Gattung vereinigt, naͤm— lich unter den letzten dieſer Namen. Sie unterſcheidet ſich jedoch ſo weſentlich, in ſo vielen Stuͤcken, und die Arten, woraus ſie zuſam— mengeſetzt, ſind einander ſo aͤhnlich und weichen alleſammt ſo ſehr von jenen ab, daß ſie eine auffallend abgeſonderte, ſehr natuͤrliche Gattung bilden und nicht einmal als beſondere Gruppe oder Fa— milie unter Porcellaria ſtehen bleiben durften. Ihre Geſtalt iſt eine den Meven oder viel mehr noch den Raub— meven aͤhnliche in einem ſehr verkleinerten Maaßſtabe. — In der Groͤße kommen manche Arten hoͤchſtens einer Droſſel nahe, die mei— ſten haben aber nur die Groͤße einer gemeinen Mauerſchwalbe (Cypselus Apus), im Fluge alle die Geſtalt von dieſer und auch ihre Farbe, ſelbſt in der Art des Fliegens ſo große Aehnlichkeit, daß ſie im Fluge leicht mit ihnen zu verwechſeln ſind. Man hat von den 6 bis 7 Arten, aus welchen zur Zeit die Gattung zuſammengeſetzt iſt, die fruͤher bekannten, wegen großer Aehnlichkeit untereinander, oft miteinander verwechſelt, ſie erſt in neu— ern Zeiten beſſer unterſcheiden gelernt, beſonders nach der Laͤnge und Groͤße der Fuͤße und der Form des Schwanzendes, das bei manchen Arten gerade, oder gar nicht, bei andern nur ſchwach, bei noch an— dern tief ausgeſchnitten vorkoͤmmt. Die herrſchende Faͤrbung iſt bei allen faſt die naͤmliche und eine ſehr duͤſtere; ein mattes Braunſchwarz, wie gepulverter Ofenruß, iſt ziemlich gleichfoͤrmig uͤber den ganzen Vogel verbreitet, mit einem weißen Abzeichen am Bauch, oder an der obern und untern Schwanzdecke, oder am Buͤrzel; dann haben faſt alle ſchmutzigweiße oder nur weiß: XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. 551 liche Endkaͤntchen an den Secundarſchwingfedern, die ein mehr oder weniger deutliches, doch nie rein weißes Baͤndchen quer uͤber dem ruhenden Fluͤgel bilden. So weit die jetzigen Beobachtungen reichen, ſind Maͤnnchen und Weibchen nach dem Aeußern nicht zu unterſcheiden. Auch das Jugendkleid iſt dem ausgefaͤrbten, außer daß einige Ar— ten in demſelben lichtere oder roſtbraͤunliche Federkanten haben, ganz aͤhnlich. Auſſer daß das abgetragene Gefieder im Sommer eine mattere Faͤrbung zeigt, als das friſche in den Wintermonaten, giebt es kein verſchiedenes Sommer- oder Winterkleidz; denn fie ſchei— nen jaͤhrlich nur ein Mal zu mauſern. Dieſe wunderbaren kleinen Voͤgel gehoͤren ganz dem Meere an und verbreiten ſich auf den weiteſten Flaͤchen des ungeheuren Oceans nach allen Weltgegenden. Auf ſo endloſen Raͤumen verbreitet ſchei— nen die Arten nicht zahlreich an Individuen zu ſein, obgleich Schif— fende ſie uͤberall, doch meiſtens nur in kleinen Geſellſchaften ſahen; allein beſondere Veranlaſſungen haben uns, wenigſtens von einigen Arten, eines Andern belehrt. Obgleich den Sturm liebend und waͤh— rend er tobt am lebhafteſten und unruhigſten, kann er doch, wenn er mehrere Tage lang, fortwaͤhrend und aus einerlei Richtung wuͤ— thet, dieſe vortreffliche Flieger mehr und mehr mit ſich fortreißen, ſie in die Region der Brandungen und dem Lande naͤher bringen, wo ſie dann zuweilen zu Tauſenden beiſammen vorkommen. Nur der weite Ocean iſt ihr Reich; nicht Binnenmeere, wohin ſie ſich nur ſelten verirren, noch weniger das Land, auf welches ſie nur durch Unfaͤlle verſchlagen werden koͤnnen und dann, wo dies geſchahe, alle Faſſung fo durchaus verloren, an kein Entfliehen, an kein Erhalten dachten, endlich ſich, gaͤnzlich abgeſtumpft an allen Sinnen, dem Tode preis gaben. Nur einen kurzen Zeitraum, in welchem ſie Eier legen, bruͤten und ihre Jungen aufziehen, kommen ſie ein Mal im Jahr freiwillig an das Geſtade meiſtens hoher und nicht großer Inſeln, begeben ſich aber nach vollbrachten Fortpflan— zungsgeſchaͤften ſogleich wieder auf das offene Meer hinaus. So wie jede Art das kleine Fleckchen Land, auf dem fie brütet, alljaͤhr— lich wieder bezieht, ſo hat ſie auch ihre eigenen Regionen auf dem Meer zum Aufenthalt fuͤr die uͤbrigen Zeiten des Jahres, eigene Striche, die ſie ſelten mit einer andern theilt, obgleich die Grenzen zweier Arten oft in einander greifen. Vermuthlich ſtreichen ſie aus kaͤltern Himmelsſtrichen in waͤrmere und zuruͤck; denn man fand fie von der Eiszone an unter allen gemaͤßigten und heißen. 552 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. Stehend ſtellen ſie eine Raubmeve im Kleinen dar; der Hals ziemlich eingezogen und gekroͤpft, der Rumpf, Fluͤgel und Schwanz wagerecht, die Fluͤgel uͤber dem Schwanze gekreuzt, ſtehen ſie, die Fuͤße in's Gleichgewicht gezogen, die Ferſen nicht gebogen, auf der Spur, gerade wie jene; ihr Gehen iſt aber ſchlecht und ein bloßes Trippeln. Schwimmen ſahe man fie auf dem Meere nie; doch moͤ— gen ſie es im Nothfall auch koͤnnen, weil man es von einem Ver— flogenen auf einem ſtehenden Waſſer ſahe. Ob ſie tauchen iſt un— gewiß; denn waͤhrend aͤltere Nachrichten es ihnen in hohem Grade zuſchreiben, laͤugnen es neuere. Gute Stoßtaucher ſind ſie gewiß nicht. Ihre meiſte Lebenszeit bringen ſie dagegen fliegend zu und gleichen hierin vollkommen den Schwalben. Ihr Flug iſt bald dem dieſer, bald dem der Segler gleich, ungemein leicht, ſchnell, bald ſchwebend, bald flatternd, voll der kuͤhnſten Wendungen, aber ſtets nahe uͤber der Waſſerflaͤche hin, und zwar uͤber einer bewegten, ja heftig bewegten und in hohen Wogen aufbrauſenden, theils den Wellenthaͤlern folgend, theils quer uͤber den Wellengang hinweg und in gleicher Hoͤhe bleibend uͤber der Oberflaͤche der ſteigenden wie der fallenden Woge, dem Waſſerberge wie dem Waſſerthal. Zum Er— ſtaunen iſt die Ausdauer, mit welcher ſie Tag und Nacht beharren, fliegend mit dem Sturm zu kaͤmpfen ohne zu erliegen, was zwar auch, aber nur ſehr ſelten und dann wol meiſtens bloß in der Naͤhe des Landes vorkoͤmmt. Daß ſie den Sturm lieben ſollten, mag ſich wol nicht behaupten laſſen; daß ſie ihm aber die Spitze bieten und Tage lang nacheinander widerſtehen koͤnnen, iſt gewiß, aber auch daß ſie dann in die Naͤhe der Schiffe kommen, dieſe viele Meilen weit und ungeheure Strecken begleiten (wie die Rauchſchwalben die Landfuhrwerke), auf der Leeſeite der Schiffe Schutz gegen das Met: ter, hinter dem Spiegel derſelben, in der rieſenartigen Furche, welche das ſchnell durch die Wogen ſegelnde Schiff hinter ſich oͤffnet, ihre Nahrung ſuchen. Zuverlaͤßige Sturmverkuͤndiger, fuͤr die man ſie oft gehalten haben will, koͤnnen ſie darum nicht ſein, weil ſie zu jeder Zeit und im Sturme ſelbſt erſt am meiſten an die Schiffe kommen, am allerwenigſten dagegen bei Windſtille und heiterm Wetter. Bei dieſem und bei ruhiger See hat man ſie am hellen Tage nirgends bemerkt; fie mögen dann irgendwo ausruhen. Erſt' in der Daͤmmerung laſſen ſie ſich an ſolchen Tagen wieder ſehen und ſind dann auch die Nacht hindurch, wenn ſie hell genug iſt, bis durch die Morgendaͤmmerung in voller Thaͤtigkeit. Sie ſind demnach halbe Nachtvoͤgel, und unterſcheiden ſich dadurch ſehr von XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. 553 Procellaria. — Es find harmloſe Vögel, ohne Scheu, ihre Stimme ſchwalbenartig, zuweilen zwitſchernd. Zu ihrer Nahrung gelangen ſie auf die ſonderbarſte Weiſe; ſie flattern, ſchweben und wiegen ſich mit ausgebreiteten, bald hori— zontal, bald hoch gehaltenen Fluͤgeln ſo dicht uͤber der Waſſerflaͤche, daß ſie dieſe mit den Fuͤßen laufend beruͤhren, oder mit Huͤlfe der Fluͤgel auf ihr laufen und ſo mit dem Schnabel aufpicken was be— reits oben ſchwimmt oder in dem Augenblicke an die Oberflaͤche auf: taucht. Dies koͤnnen nur kleine Weichthierchen, Quallen, Meduſen, Salpen und andere dahin gehoͤrige kleine Geſchoͤpfe ſein; denn man weiß es noch nicht, und ſo oft man den Magen friſch getoͤdteter unterſuchte, fand man nichts darin als Thran, deſſen ſich dieſe Voͤgel auch bedienen gegen ihre Angreifer, indem ſie ihn ſchnell aufwuͤr— gen und in einem Strahl durch den Schnabel gegen jenen ſpritzen. Dieſen ſogenannten Thran hat man leider noch nicht genau unter— ſucht; ſchwerlich moͤchte er mit Fiſchfett einerlei ſein; denn wo ſollte dieſes in den Magen dieſer Voͤgel kommen, da es zum Abſchoͤpfen wol nicht auf dem Meere herumſchwimmt? Ich vermuthe vielmehr, daß dieſe fettige Fluͤſſigkeit aus den zuvor verſchluckten und im Magen ſchnell aufgeloͤſten Schleimthierchen beſteht. Zerfließt doch z. B. eine Medusa aurita auſſer dem Waſſer in der Sonnenwaͤrme ſo gaͤnzlich und ſo erſtaunend ſchnell, daß nach einer einzigen Mi— nute ſie voͤllig aufgeloͤſt nur noch ein naſſes Fleckchen hinterlaͤßt, das bald nachher ebenfalls auftrocknet und ſo das Thierchen in der kuͤrzeſten Zeit ſpurlos verſchwinden laͤßt. Ihre Bruͤteorte finden ſie auf hoch uͤber dem Meer emporra— genden Inſeln und Klippen, oder auf weit in die See vorſpringen— den hohem felſigem Geſtade auch groͤßerer Maſſen Landes, immer im Angeſicht des Meeres. Sie niſten einigermaßen geſellig, doch ſind die Neſter der verſchiedenen Paare nicht nahe bei einander, der gemeinſchaftliche Niſtplatz daher von ziemlichem Umfang. Auch ein— ſame Paͤaͤrchen kommen niſtend vor. Sie ſuchen ſich dazu zwiſchen brocklichen Felſen oder grobem Steingeroͤlle, Steinhaufen oder aus— gewittertem Mauerwerk eine ziemlich tiefgehende, meiſtens wagerechte Hoͤhle; fuͤhren dieſe auch wol ein paar Fuß weit, wenn ſie in Erde gerathen, machen im Hintergrund derſelben eine ganz unbedeutende Unterlage von einzelnen abgerupften Grashaͤlmchen fuͤr das einzige Ei, das faſt kugelrund und rein weiß iſt. Da beide Gatten, ehe noch das Ei gelegt wird, im Juni oder Juli, ſich am Bauche einen Bruͤtefleck rupfen, ſo bruͤten ſie auch abwechſelnd, doch mit vielen 554 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. Unterbrechungen auf dem Ei, und erziehen ebenſo gemeinſchaftlich das Junge. Auch in ihrer Fortpflanzungsgeſchichte iſt noch Man— ches zu ergaͤnzen und muß ſpaͤtern Forſchungen aufgehoben bleiben. Weil ſie ſich uͤberall dem Menſchen vertrauensvoll nahen, wo er auf ihrem Elemente erſcheint, oder ihn nirgends aͤngſtlich fliehen, fo find fie leicht zu ſchießen; man muß jedoch geübt im Flugſchie⸗ ßen oder vielmehr Schwalbenſchuͤtze ſein. Einen beſondern Nutzen kennt man nicht, außer daß hin und wieder, weil ſie meiſtens ganz auſſerordentlich fett ſind, den nordiſchen Voͤlkern als Thranlampe dienen, indem ſie dem gerupften Vogel einen Docht durch den Rumpf ziehen u. ſ. w. Diefe Voͤgel haben eine thranartige, widerliche Ausduͤnſtung, welche auch der ausgeſtopfte Balg nie ganz verliert; ſie widerſteht ſelbſt den nordiſchen Voͤlkern, die ſonſt keine Koſtveraͤchter ſind, welche daher die Schwalbenſturmvoͤgel fuͤr nicht eßbar halten. XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. 555 Bemerkungen uͤber den anatomiſchen Bau der Gattung Thalassidro ma, von Rudolph Wagner. „Obwohl die kleinen Sturmvoͤgel in ihrem Skelete und inneren Bau den allgemeinen Charakter der Procellarien zeigen, ſo rechtfer— tigen doch manche Einzelheiten, wie ich wenigſtens bei Thalassi- droma pelagica fand, auch in anatomiſcher Hinſicht die generiſche Trennung voͤllig.“ „Der Schaͤdel iſt rundlicher, gewoͤlbter, ohne beſondere Mus— kelgraͤten, mit ſtark entwickeltem und bauchig nach hinten tretendem Hinterhauptsbein. Das Hinterhauptsloch iſt weiter nach unten ge: kehrt und liegt mehr horizontal; der Stirntheil ſo wie der Raum zwiſchen den Augenhoͤhlenraͤndern iſt breiter; die bogenfoͤrmige, ziem— lich anſehnliche Grube fuͤr die Naſendruͤſe iſt etwas flacher und liegt nicht horizontal auf dem Scheitel, ſondern iſt mehr ſchief abgedacht.“ „Man findet 13 Halswirbel, 8 Ruͤckenwirbel, und die Schwanzwirbelſaͤule iſt ebenſo entwickelt wie bei Procellaria und Puffinus.“ „Von den uͤbrigen Skelettheilen zeigt nur das Bruſtbein auffallende Abweichungen von den verwandten Gattungen; es iſt nämlich unten noch breiter und endigt in einem ſanften, bogigen Rand ohne alle Fortſaͤtze und Abdominalbuchten; es iſt nicht ſo dachfoͤrmig und der Kiel iſt betraͤchtlich hoͤher.“ „Der Tibialfortſatz iſt beſonders nach vorne anſehnlich.“ „Die Eingeweide weichen in mancherlei Hinſicht von denen von Puffinus und Procellaria ab.“ „Die Zunge iſt etwas laͤnglicher und ſpitzer als bei Puffinus, hinten gerade abgeſtutzt und mit einer Reihe ſchwacher Waͤrzchen beſetzt. Der mittelmaͤßig weite Schlund geht in einen ſehr an— ſehnlichen Vormagen über, welcher 5 bis 6 Mal größer iſt, als der kleine, rundliche, ziemlich ſtarke, abgeſetzte Muskelmagen; 556 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. Schwalbenſturmvogel. dieſer iſt nur mit einem dünnen, weichen Epithaliumuͤberzug aus: gekleidet, ganz verſchieden vom Bau der uͤbrigen Sturmvoͤgel.“ „Am Dünndarm fand ich Fein Divertikel; er geht ohne deut: liche Abſchnuͤrung in den Dickdarm uͤber; die Blinddaͤrmchen ſind fo winzig und dem Darme ſo enge angeheftet, daß fie leicht uͤber— ſehen werden.“ „An der Leber iſt der rechte Lappen unbedeutend groͤßer, als der linke.“ „Das Herz ift ſehr verſchieden von Puffinus, länger als breit und laͤuft in eine koniſche Spitze aus; die Trennung der rechten und linken Kammer iſt durch keine Einſchnuͤrung angedeutet.“ „Der obere Kehlkopf iſt mit wenig Warzen beſetzt; die in— nere Leiſte ſpringt ſchwach vor; die Luftroͤhrenringe ſind weich und die Anfaͤnge der Bronchien ſind bei weitem nicht ſo bauchig, als bei Puffinus; das einfache Muskelpaar am unteren Kehlkopf iſt ſchwach.“ „Die Nieren ſind ganz getrennt, zerfallen in drei Hauptlap— pen, welche wieder, beſonders nach hinten, in kleinere Laͤppchen ge— theilt ſind. Die oberen Lappen ſind die groͤßten.“ „Die Hoden ſind gleich groß und laͤnglich rund.“ Nach Deutſchland verfliegen ſich zuweilen bloß folgende Zwei Arten. — — 303. Der kleine Schwalbenſturmvogel. Thalassidroma pelagica. Vigors. Taf. 275. Fig. 1. Altes Männchen. Sturmſchwalbe, kleine Sturmſchwalbe; Sturmfink; Sturm: meve; Orkanmevchen; kleinſte Meve mit roͤhrenfoͤrmigen Naſenloͤ— chern; Sturmvogel, Zwergſturmvogel, kleiner —, gemeiner —, ge— ſchaͤckter —, ſchwarzer —, kleiner ſchwarzer Sturmvogel, Seeſturm— vogel; Sturmverkuͤndiger; Ungewittervogel; St. Petersvogel; Meer— petersvogel; Petrell; kleiner Petrell. Procellaria pelagica. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 561. n. 1. = Linn. Faun. suec, n. 143. — Lath. Ind. II. p. 826. n. 19. — Retz. Faun. suec. p. 143. n. 101. == Nilss. Orn. suec. II. p. 186. n. 223. = Procellaria. Briss. Orn. VI. p. 140. n. 1. t. 13. f. 1. L’Oiseau de tempete. Buff. Ois. IX. p. 327, — Edit. de Deuxp. XVII. p. 374. (aber weder die Taf. 23. erſter Ausg. noch die Taf. X. Fig. 2. der letztern, noch die n. 993. d. Pl. enl, ſtellen unſere Art, ſondern die Procellaria (Thalassidroma) oceanica — Petrel echasse Temm. vor). == Petrel témpete. Temminck Man. 2de Edit. II. p. 810. == Stormy-Petrel. Lath. Syn. Suppl. I. p. 269. (aber nicht Syn. VI. p. 411.) — Uiderf. v. Bechſtein, III. 2. S. 361. bloß der Satz aus dem Suppl. d. Origls., das Uibrige der Nr. 18. gehört Thal. oce- ancia an. - Penn. Brit. Zool. p. 146. t. L. 5. — Edw, Glan, t. 90. =: Peun. Arct. Zool. II. n. 464. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 497. n. 381. — Bewick, brit. Birds. II. p. 249. — Ueccello delle tempeste. Savi, Orn. tosc. III. p. 43. = Storm Zwalnw. Sepp. Nederl. Vog. III. p. t. 245. = Seeligmann's Vög. IV. Taf. 75. — Teutſche Ornithol. v. Borkhauſeu, Becker u. a. Heft III. Taf. 3. — Bechſtein, Naturg. Deutſchlds. IV. S. 704. = Deſſen, Taſchenb. II. S. 385. n. 1, = Wolf u. Meyer, Taſchenb. II. S. 495. u. III. S. 223. Meisner u. Schinz, Vög. d. Schweiz. S. 281. n. 249. —= Koch, Baier. Zool. 1. S. 383. n. 240. — Brehm, Lebrb. II. S. 755, - Deſſen, Naturgeſch. a. Vög. Deutſchlds. S. 803-804. — Graba, Reiſe nach Färö, S. 175. = F. Boie, Iſis, Jahrg. 1835. III. S. 253. - Gloger, ſchleſ. Fauna, S. 54. n. 558 XII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 243. — Hornſchuch u. Schilling, Vers. pommerſcher Vög. S. 19. u. 246. — Von Homeyer, Vög. Pommerns. S. 70. u. 230. — Landbeck, Vög. Würtem⸗ bergs, S. 71. n. 254. Kenn z iich ct Das Ende des Schwanzes iſt gerade, wie mit einer Scheere verſchnitten, und die Spitzen der ruhenden Fluͤgel ragen etwas uͤber daſſelbe hinaus; der Lauf iſt kaum 1 Zoll hoch. Groͤße noch un— ter der des Mauerſeglers. Beſchreibung. Als die kleinſte bekannte Art der Gattung, unterſcheidet er ſich auch von der folgenden durch die geringere Groͤße, welches beſon— ders am Schnabel, den Flügeln und dem Schwanze am auffallend: ſten wird. Hoͤchſt ähnlich iſt er einer auf dem ſtillen Meere leben: den, der Procellaria (Thalassidroma) oceanica, deren Laͤufe aber viel laͤnger ſind, welche indeſſen fruͤher haͤufig mit unſrer kleinen verwech— ſelt worden iſt. Noch eine auſſerordentlich aͤhnliche Art, Procellaria (Thalassidroma), Wilsonii, lebt auf den Meeren beim nördlichen Amerika; ſie iſt aber nach allen Theilen bedeutend groͤßer und daher leicht zu unterſcheiden. Mit einem andern innlaͤndiſchen Vo— gel kann unſer kleiner Schwalbenſturmvogel nicht verwechſelt werden. Er erreicht die Groͤße unſres gemeinen Mauerſeglers nicht ganz, iſt nur 6 bis 6½ Zoll lang; die Fluͤgellaͤnge 55], Zoll; die Flugbreite 13 bis 14½ Zoll; die Länge des Schwanzes 2 Zoll 3 bis 6 Linien, und die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen ſelten uͤber / Zoll uͤber das Ende deſſelben hinaus. Das kleine Gefieder iſt ſehr zart und weich, zerſchliſſen und meiſtens ohne deutliche Umriſſe, ſehr dicht und an den untern Thei— len pelzartig, von aͤhnlicher Beſchaffenheit wie bei den Lestris-Ar⸗ ten; ebenſo ſind im Verhaͤltniß zu dem Uibrigen die Schwingfedern von einem bei jenen aͤhnlichen Bau. Die 12 Federn des Schwan: zes ſind gleichbreit, am Ende ſchwach abgerundet und von gleicher Laͤnge, nur bei einzelnen Exemplaren das aͤußerſte Paar ein paar Linien kuͤrzer, das Schwanzende daher meiſtens ganz gerade. Von den Schwingfedern iſt die erſte mindeſtens 4 Linien, zuweilen ſogar uͤber 1 Zoll kuͤrzer als die zweite und dritte, welches die laͤngſten ſind, wobei die zweite die dritte um 1 bis 2 Linien uͤberragt, die — — XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 559 vierte aber ſchon kuͤrzer als ihre Nachbarinn iſt und darauf die fol- genden in großen Stufen an Laͤnge abnehmen. Es iſt demnach nicht die erſte, ſondern die dritte Schwingfeder die laͤngſte. Der Schnabel iſt klein, ſchwaͤchlich und kurz, gerade, die Spitze beider Theile abwaͤrts gebogen, wobei die des Oberſchnabels viel größer, hakenartiger ift und ſich über die untere hinweg biegt. Der Kiel iſt ziemlich gerade bis an's Ende der langen Kielſpalte, wo er ein unbedeutendes Eck bildet. An der Wurzel iſt er ſo breit als hoch, er wird aber gegen die Spitze hin fo ſchmal, daß die dies⸗ ſeitige und jenſeitige Schneide einander faſt beruͤhren, dann aber wieder ploͤtzlich breiter, fo daß die Spitze, von unten geſehen, Löffel: artig erſcheint. Seine Schneiden ſind gerade, nur an der Spitze abwaͤrts gebogen, ſehr ſcharf und wurzelwaͤrts ziemlich eingezogen. Auf feiner Fläche, oben und unten, zeigen ſich mehrere ſchraͤg vor: waͤrts gegen die Schneide laufende, vertiefte Striche, welche ſie ziem— lich uneben machen. Oben auf der Firſte liegen die Naſenloͤcher in einer mit dem Schnabel verwachſenen Roͤhre, die inwendig der Laͤnge nach eine duͤnne Scheidewand theilt, von der Stirn bis auf die Mitte der Schnabellaͤnge reicht und hier quer, ſchraͤg nach unten, abgeſtutzt iſt, ſich hier etwas mehr erhebt als an der Schnabelwur— zel, weshalb man alſo die beiden rundlichen Naſenoͤffnungen nur von vorn ganz ſehen kann. Nach Graba (a. a. O.), welcher viele friſche Exemplare unterſuchen und vergleichen konnte, ſind die beiden Naſenloͤcher nicht immer von einerlei Rundung, nicht immer von einerlei Groͤße, eins niedriger, das andere hoͤher, eins breiter das andere ſchmaͤler, auch fehle bei manchen die Scheidewand ganz, bei andern ſchienen gar drei Naſenloͤcher vorhanden. Der Rachen iſt tief geſpalten und ziemlich breit. Der Schnabel iſt ganz ſchwarz, der Rachen pfirſichroth. Die Laͤnge des Schnabels von der Stirn zur Spitze iſt ſelten etwas mehr oder ſelten etwas weniger als 6 Linien, aus dem Mundwinkel 9 Linien; ſeine Hoͤhe an der Wurzel 2½ Linien und ſeine Breite hier ebenſo viel; die Naſenroͤhre iſt von den Stirnfedern bis zu ihrem faft ſenkrechten Abſturz, in dem fie endet, 2½ Linien entfernt. Das eben nicht kleine Auge hat einen tiefbraunen Stern und befiederte Lider. Die Fuͤße find klein und ſchwaͤchlich, die Läufe aber verhält: nißmaͤßig ſchlank, aber auch nach unten ziemlich duͤnn; die vordern Zehen nicht lang, ſehr ſchwaͤchlich, mit vollen Schwimmhaͤuten; ihr Uuibberzug weich und ſehr zart, nur auf dem Spann und den Zehen: 560 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. ruͤcken ſeicht geſchildert, uͤbrigens faſt ganz glatt, an der Sohle des Laufs mit einer Art weitlaͤufiger Nath; die Krallen klein, ſchmal, duͤnn, flach gebogen, nadelſpitz, wegen der ſeichten Rinne auf der Unterſeite an den Raͤndern ſchneidend, der innere der Mittelzeh etwas vortretend. Die hoͤher geſtellte Hinterzeh iſt ſehr winzig, eine kleine bewegliche Warze mit ſehr feiner Kralle. Die Nuditaͤt der Tibia mißt hoͤchſtens 3 Linien; der Lauf 11 bis 12 Linien; die Mittelzeh, mit der faſt 2 Linien langen Kralle, 10 Linien; die Hin⸗ terzeh kaum 1 Linie, wovon zwei Drittheile auf die Kralle kommen. Die Farbe der Fuͤße iſt matt ſchwarz, in der Mitte der Schwimm— haͤute am lichteſten, an den Sohlen derſelben oft ins Gelbbraͤun— liche ziehend. Ausgetrocknet werden Schnabel und Fuͤße hornartig braunſchwarz. Die Krallen ſind ſtets ſchwarz. Von den fruͤheſten Ständen iſt wenig bekannt. — Vom Su: gendkleide findet ſich nirgends eine ausfuͤhrliche Beſchreibung und ich habe es auch in keiner Sammlung gefunden, um dieſe Luͤcke ergaͤnzen zu koͤnnen. Nach oberflaͤchlichen Angaben ſoll das Gefie— der lichter gefaͤrbt als bei Alten und mit roſtbraunen Federraͤndern beſetzt ſein. — Die lichter gefaͤrbten Federn, welche Graba (ſ. d. Reiſe nach Faͤroͤ, S. 179.) bei mehrern, vom Neſte uͤber dem Bruͤ— ten genommenen, alten Voͤgeln, an der Stirn und dem Border: kopfe, weniger haͤufig an den uͤbrigen Theilen des Kopfes und am Halſe, fand, deren Farbe er hellrußfarben nennt, waren gewiß nicht Uiberbleibſel eines vorhergegangenen Jugendkleides, ſondern eines fruͤher gewoͤhnlich gefaͤrbten, wie es alle Alte haben, nur die Reſte eines durch langes Tragen abgenutzten und ausgebleichten Gefieders. Es iſt mehr als wahrſcheinlich, daß gleich nach dem Jugend— Heide das ausgefaͤrbte Kleid eintritt, daß fie alſo jenes nicht lange tragen und ein Zwiſchenkleid nicht vorkoͤmmt. — Die alten Voͤgel beiderlei Geſchlechts erſcheinen ſtets in folgendem Gewande: Faſt den ganzen Vogel uͤberzieht eine rußſchwarze oder braunſchwarze Farbe, die an den untern Theilen, beſonders an der Kehle und am Unterrumpfe viel matter oder bloß rußbraun iſt, auch die großen Fluͤgeldeckfedern ſind zuweilen (am abgetragenen Gefieder) ſo, haben aber noch, nebſt den hinterſten Schwingfedern weiße Endkaͤntchen und dieſe bilden einen weißen Querſtrich durch den Fluͤgel, welcher an manchen Individuen, beſonders am friſchen Gefieder, ſehr klar, bei andern undeutlicher gezeichnet iſt, bei noch andern, beſonders am XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 561 abgetragenen Gefieder auch ganz fehlt, wo dann die Enden der Fe— dern nur etwas lichter als das Uibrige derſelben erſcheinen. Die Fittigdeckfedern ſind braunſchwarz, die Schwingfedern auſſen und an den Enden faſt ganz ſchwarz, auf den Innenfahnen braungrau, die Schaͤfte braunſchwarz, und die der zweiten Ordnung haben gewoͤhn— lich ein ſehr feines weißliches Endſaͤumchen, das ſich bald abſtoͤßt; die untern Fluͤgeldeckfedern matt rußſchwarz, zuweilen weißlich ge— miſcht, doch am oͤfterſten einfarbig, die Schwingen unten dunkel braungrau, an den Spitzen rußſchwarz, auch hier die Schaͤfte kaum etwas heller als von oben. Der Buͤrzel iſt hell weiß; die obern Schwanzdeckfedern eben ſo, dieſe jedoch an ihren Enden ſchwarz; die untere Schwanzdecke ebenfalls weiß, oft in der Mitte entlang und immer an den Enden der laͤngſten Federn ſchwarzbraun; der Schwanz ſchwarz, die drei äußern Federpaare «mit weißer Wurzel und dies Weiße zieht ſich auf den Auffenfahnen des aͤußerſten Paares, ſich verjuͤngend und ſpitz auslaufend, bis faſt zur Mitte der Laͤnge herab; unten iſt er wie oben, nur das Schwarze viel bleicher. Am friſchen Gefieder hat das Rußſchwarz des Mantels einen nicht unangeneh— men braͤunlichen Seidenglanz. Zwiſchen Maͤnnchen und Weibchen ſcheint aͤußerlich kein ſtandhafter Unterſchied, weder in der Groͤße noch Farbe, Statt zu fin— den. Die kleinen Abweichungen in der Groͤße wie andere unbedeu— tende Verſchiedenheiten ſcheinen individuell und die ſchwaͤrzere oder braunere Faͤrbung des Gefieders iſt Folge der verſchiedenen Jahres— zeiten; denn bald nach der Mauſer iſt das Gefieder ſchwaͤrzer und auf ihm, beſonders an den obern Theilen, ein matter Seidenglanz bemerklich, welcher nach und nach verſchwindet, wie denn auch durch laͤngern Gebrauch die Hauptfarbe abbleicht und rußiger wird, nun hin und wieder Reibungen an den Federenden bemerklich werden, wodurch dann das Ganze das rußige, unſcheinliche Ausſehen erhaͤlt, in welchem man die meiſten Exemplare in den Sammlungen aufge: ſtellt ſiehet. Ein ſehr ſchoͤnes im reinſten, friſchen Gefieder, freilich auch gleich friſch ausgeſtopftes Stuͤck beſitzt das Berliner Muſeum. Eine Doppelmauſer, wenn fie auch in den Farben keine Ver— aͤnderung bewirkte, ſcheint hier nicht Statt zu finden, auch weiß man uͤber die Zeit der Mauſer uͤberhaupt nichts Gewiſſes. Graba (a. a. O.) erhielt noch zu Ende des Juni unter vielen rein ver— mauſerten Exemplaren auch mehrere, die noch Uiberreſte des vorigen Kleides in nicht wenigen Federn am Kopfe und Halſe trugen, welche 10r Theil. 36 562 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. ſich an ihrer ſehr abgebleichten Faͤrbung ſehr auffallend von den neuen, viel ſchwaͤrzern unterſchieden. An fein tha Der kleine Schwalbenſturmvogel iſt ein Bewohner des noͤrd— lichen Oceans zwiſchen Europa und Amerika, ohngefaͤhr vom 59. Grad n. B. bis zum Polarkreiſe, hin und wieder auch noch einige Grad hoͤher hinauf; in den europaͤiſchen Meeren ohne beſon— dere Veranlaſſungen aber nicht leicht, oder nur mit wenigen Aus: nahmen, dagegen bei Amerika mehr als 20 Breitengrade tiefer herab. Unter dieſen Breiten erſcheint er als Begleiter der nach den Shetlands, den Faͤroͤern und Island oder von den Nord- und Weſtkuͤſten Englands und Frankreichs nach Neufundland ſegelnden Schiffe uͤberall und in Menge. Auf der deutſchen Nordſee koͤmmt er ungleich ſeltner, vielleicht nur im Begleiten der Schiffe oder durch Stuͤrme dazu verleitet, vor und auf der Oſtſee gehoͤrt er unter die ſeltnen Erſcheinungen und wurde ſtets nur ein— zeln da angetroffen. Wie weit er auf dem atlantifchen Ocean nach Suͤden ſtreiche, iſt nicht mit Sicherheit anzugeben, weil er von Schif— fenden ſelten von aͤhnlichen Arten unterſchieden wurde; ſie ſahen freilich kleine Sturmvoͤgel auf allen Meeren der Erde, kannten aber die Arten nicht. Er koͤmmt wol auch auf das mittellaͤndiſche Meer, doch nur einzeln und ſelten bis an die Kuͤſte des ſuͤdlichen Frankreichs oder noch weiter oͤſtlich. Er lebt gewöhnlich auf ho: hem Meer und nur lange anhaltende heftige Stuͤrme bringen ihn unfreiwillig den Kuͤſten naͤher, beſonders an die nordweſtlichen des europaͤiſchen Feſtlandes, vom Ausfluß der Eider und Elbe an bis an die ſpaniſche Kuͤſte, die britiſchen Inſeln mit inbegriffen. Bei anhaltenden Nordweſtſtuͤrmen erſchien er in der Elbemuͤndung manchmal in ſehr bedeutender Anzahl, ſo z. B. im Februar 1824. Ein Mal erſchien dieſe Art im Herbſt an der franzoͤſiſchen Kuͤſte uns weit Boulogne in ſolcher Menge und ſo abgemattet, daß, weil ſehr viele todt an das Land trieben, eine Frau auf einer kurzen Strecke mehrere Hundert aufleſen konnte. Waͤhrend heftiger Stuͤrme in der letzten Haͤlfte des Oktober 1834, waren dieſe Voͤgel an der Kuͤſte zwiſchen Furnes und Duͤnkirchen ungemein haͤufig, kamen ſehr ermattet an's Ufer und verſuchten ſich da zu ſetzen, wobei viele nacheinander von einem Huͤhnerhund weggeſchnappt wurden, noch viel mehrere aber von Lestris pomarina (dort zugleich auch eine XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 563 ſeltne Erſcheinung) gefangen, dieſen Raͤubern zur Beute dienten. Solcher Beiſpiele möchten ſich noch mehrere auffinden laſſen; fie ge— hoͤren jedoch zu den ſeltnen Ausnahmen, denn die Schwalbenſturm— voͤgel kommen, auſſer wenn ſie ſich fortpflanzen wollen, nie frei— willig an das Land. Zur Fortpflanzungszeit halten ſie ſich nur in der Naͤhe der Bruͤteplaͤtze auf, zwar auch auf dem Meere, doch in mehrerer Beſchraͤnkung, und ſind dann beſonders haͤufig in der Naͤhe der Hebriden, der Orcaden, Shetlands und Faͤroͤer, und in neuern Zeiten fand man ſie ebenſo auch an der Kuͤſte der Bre— tagne, was wahrſcheinlich fuͤr Europa ihr ſuͤdlichſter Sommer— aufenthalt ſein moͤchte. An der deutſchen Oſtſeekuͤſte iſt dies Voͤgelchen ſehr ſelten, viel weniger an der der Nordſee. Nur auſſerordentliches Mißgeſchick kann hin und wieder einen Einzelnen vom Meer landeinwaͤrts ent— fernen, ſo weit, daß er dieſes aus dem Geſicht verliert, ſich nun tief ins Land hinein verfliegt und ſeiner eigenthuͤmlichen Ernaͤhrungs— weiſe entzogen endlich umkoͤmmt. Wie ſehr ſich ſeit 40 Jahren die Liebhaber der Naturwiſſenſchaften in Deutſchland gemehrt und welche Fortſchritte namentlich auch in der Ornithologie gemacht wur: den, bezeugt namentlich auch die Bekanntſchaft dieſes Vogels. Als Bechſtein die erſte Auflage ſeiner gemeinnuͤtzigen Naturgeſchichte Deutſchlands herausgab, ſtand unſer kleiner Schwalbenſturmvogel noch nicht auf der Liſte deutſcher Voͤgel; erſt ein im Jahr 1800 nahe bei Frankfurt am Main mit der Hand gefangenes Indivi— duum verhalf ihm dazu und jetzt 1840 waͤre mit leichter Muͤhe mehr als ein Dutzend ſolcher Beiſpiele aufzuzaͤhlen; wir begnuͤgen uns indeſſen bloß mit einigen, die bewieſen haben, daß Einzelne in faſt alle Theile Deutſchlands bis in die Schweiz verſchlagen wer— den koͤnnen. So wurde ein ſolcher Vogel (1821) mitten in der Stadt Breslau von einem Fuhrmann mit der Peitſche aus der Luft gehauen; in Holſtein und bei Hamburg kamen (1821 und 1824) mehrere vor; einer (1825) zu Wampen in Pommern auf einem Hofe; ein anderer (1823) bei Schmalkalden in Heſſen; dann einer in der Naͤhe von Berlin, einer bei Donaueſchin— gen, jener bei Frankfurt a. M. und endlich auch einer am Bo— denſee und ein anderer am Genferſee in der Schweiz. Wie viele moͤgen in dieſem Zeitraum nun noch in unrechte Haͤnde gerathen und ſo der Wiſſenſchaft verloren gegangen ſein! Allerdings ſind die bis zu uns gelangenden nur Verſchlagene; daß dies aber oͤfter 36 * 554 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. vorkommen mag als man ſich fruͤher gedacht hat, zeigen jene Bei⸗ ſpiele. Hier in Anhalt wurde noch keiner gefunden. Ob unſer Vogel eigentlich wandert oder bloß weit umher ſtreicht läßt ſich nicht leicht ermitteln. Manchmal fol er in einer Meeresgegend haͤufig geſehen, zu einer andern Zeit in der naͤmlichen wieder gar nicht bemerkt werden. Wenn man von feinem Erſchei— nen an den Kuͤſten des feſten Landes und der Einzelnen auf dieſem ſelbſt, das meiſtens im Herbſt, gegen Ende des Oktober, oder im November (in dieſem Monat am oͤfterſten) und im Dezember, auch wol im Januar und Februar geſchahe, ſo moͤchte man faſt an eine Zugzeit glauben; da jedoch dies ſich bei Weitem nicht alle Jahr er— eignet, vielmehr ſehr ſelten und nur dann vorkam, wenn zuvor Or— kane und heftige Stuͤrme aus den Gegenden ihres gewoͤhnlichen Aufenthaltes heruͤber und fortwaͤhrend wuͤtheten, ſo darf man wol bloß ſolchen ſchrecklichen Aufregungen eines raſenden Oceans es zu- ſchreiben, daß dieſe Schwalbenſturmvoͤgel einzeln ſelbſt in die Mitte großer Inſeln, wie der britiſchen, oder in die von Frankreich, Holland, Deutſchland und die Schweiz verſchlagen werden. In den Sommermonaten kam ſo etwas nicht vor. Gleich andern dieſer Gattung iſt auch dieſe Art bloß Meervo— gel; nur auf dem unabſehbaren Ocean, wo ſie nirgends Land ſieht, findet ſie ſich heimiſch und ſelbſt große Binnenmeere ſagen ihr ſo wenig zu, daß ſie ſolche aus freiem Willen nie beſucht, ſo unſere Oſtſee, ſo zum Theil auch das Mittelmeer. Nur das offne Meer ſorgt fuͤr ihren Unterhalt; bloß Meerwaſſer will ſie, und das ſuͤße iſt ihr ganz gleichguͤltig. Verliert ſie jenes aus dem Geſicht, ſo iſt fie ungluͤcklich; ſie irrt, ins Land verſchlagen, planlos umher fo lange ihre Kraͤfte ausreichen und verliert dabei den Kopf ſo, daß es ihr ganz gleichguͤltig iſt, wo ſie ſich niederlaͤßt, ob auf einem Ge— waͤſſer oder auf dem Trocknen, ob auf freiem Felde oder mitten in einer Stadt. Das Land raubt ihr alle Beſinnung; ſobald ſie, ſelbſt in geringer Entfernung vom Meer, auf daſſelbe geraͤth und ſich von ihm umgeben ſieht, laͤßt ſie ſich mit der Hand fangen, verſucht aus der offnen Hand nicht wegzufliegen bis man ſie ſo hoch in die Luft wirft, daß ſie das Meer erblicken kann, worauf ſie dieſem wieder ſtracks zueilt. Wenn fie, wie an den Bruͤteplaͤtzen, an das Land muß, ſo ſind dies nur die einzelnen Plaͤtzchen, wo ſich Hoͤhlen und Loͤcher befinden, in welchen ſie ſich ſogleich verkriecht; frei auf dem Lande ſtehend oder gehend wird aber auch hier niemals geſehen. XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 565 igen ch af ten Der kleinſte ſeiner Gattung und zugleich der kleinſte aller be— kannten Schwimmvoͤgel, iſt unſer kleiner Schwalbenſturmvogel im Sitzen einer Raubmeve in ſehr verjuͤngtem Maaßſtabe, im Fliegen einer Schwalbenart ganz aͤhnlich. Sein duͤſteres Gewand mit dem weißen Buͤrzel vergroͤßern die Aehnlichkeit mit einer der Letztern, zumal von oben geſehen mit der Mehlſchwalbe (Hirundo urbica), und gegen die dunkelgruͤnblauen Wellen, wenn er ganz dicht uͤber ſie hinfliegt, ſticht dann der weiße Buͤrzel mehr ab, als die dunkel gefaͤrbten Theile des uͤbrigen Vogels, beſonders im Zwielichte. Er ſteht mit waͤgerechtem Rumpf, die Fluͤgelſpitzen über dem Schwanze gekreuzt, den Hals aufrecht, aber ſtark gekroͤpft, den Schna— bel vorn ein Wenig geſenkt, mit ſteifen Ferſen und ſenkrechten Laͤu— fen, auf der Spur der in das Gleichgewicht vorgezogenen Beine, haͤlt aber nicht lange in dieſer Stellung aus, geht muͤhſam einige Schrittchen, wobei die Ferſen oft einknicken, beſonders wenn er ſich eben aus dem Sitzen zum Stehen erhoben hat; denn er läßt ſich lieber auf die Laͤufe nieder, doch ſo, daß die Ferſen immer noch vom Boden etwas entfernt gehalten werden. In dieſer Stellung ruhet er viel ſicherer und auch anhaltender. Auf dem Meere hat ihn nie— mand ſchwimmen ſehen; daß er es jedoch thue, iſt nicht zu bezwei— feln, weil er doch vom Fliegen auch mitunter ausruhen muß und dazu nicht das Land oder ſonſt feſten Boden ſucht, und jenes auch kann, wie man an jenem ſahe, welcher ſich in der Naͤhe von Frank— furt auf eine Waſſerpfuͤtze zwiſchen eine Heerde von zahmen Gaͤn— ſen niederließ, die uͤber dieſe nie geſehene Erſcheinung erſchreckt aus— einander ſtoben, wo er auf dem Waſſer ſchwamm und von einem Landmann mit dem Hute bedeckt und ergriffen wurde. Ob er im Schwimmen auch tauchen mag, iſt zweifelhaft, weil es von neuern Beobachtern nicht bemerkt wurde, obgleich ältere Nach— richten ſagen, daß er große Fertigkeit darin beſitze und oft quer durch die Wellen tauche. Aus dem Fluge, wie Meerſchwalben oder Me— ven, kann er es, wie glaubwuͤrdige Augenzeugen verſichern, ſicherlich nicht. Aber er hat eine andere Manier dies zu erſetzen; er laͤuft naͤmlich mit Huͤlfe der lang herabgeſtreckten Beine und zugleich der Fluͤgel kurze Strecken ſehr behende auf der Oberflaͤche des Waſſers, durch die Wellenthaͤler, ſelbſt uͤber die Spitzen der Wogen hin, oder ſteht auch, trippelnd mit den Füßen, mit ausgeſpannten Flügeln ei: nige Augenblicke auf ſchwimmenden Dingen, die zu leicht ſind, um 566 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. ihn feſtſtehend zu tragen. Die Schiffer nannten darum die Voͤgel dieſer Gattung „Peters voͤgel,“ weil St. Petrus auch einſt auf dem Meer gewandelt ſein ſoll, wovon nachher der Name Petrell gebildet worden iſt. Sein Flug iſt auſſerordentlich leicht und ſchnell, wie Schwal— benflug, bei ruhigem Wetter ganz dem der Rauchſchwalbe (Hi- rundo rustica) ähnlich, bei Stuͤrmen aber beſſer mit dem des Mau— erſeglers (Cypselus apus) zu vergleichen; wenn er dort die Fluͤ— gel raſcher bewegt, ſchnell weite Strecken fortſchießt, Bogen beſchreibt u. ſ. w., ſpannt er hier die Fluͤgel ganz aus, bewegt ſie nur wenig, oft gar nicht, ſchwenkt den Koͤrper ſchaukelnd hinuͤber und heruͤber, weiß ſo ſchnell fortzuſegeln oder nach Belieben augenblicklich ſtill zu ſtehen u. ſ. w. Er geht ſtets ſo nahe uͤber der bewegten Waſſer— flaͤche hin, dem veraͤnderlichen Auf- und Abſteigen der Wogen im— mer in derſelben Entfernung folgend, daß man oft meint, in dieſem Augenblicke muͤſſe ihn die heranwaͤlzende Welle uͤberſchuͤtten, waͤh— rend er jedoch jeder Bewegung derſelben mit bewundernswerther Ge— ſchicklichkeit auszuweichen verſteht. Jederzeit ſucht er dabei dem Winde entweder gerade die Spitze zu bieten oder ſchraͤg gegen ihn zu fliegen, oder, wie die Schiffer ſagen, gegen den halben Wind. Die Ausdauer dieſes kleinen fluͤchtigen Vogels iſt bewundernswerth; ſie erlahmt nur bei mehrere Tage nacheinander unausgeſetzt toben— den Stuͤrmen, wo dieſe Voͤgel dann in die Naͤhe der Schiffe kom— men, ſie Tage und Naͤchte hindurch begleiten und auf der dem Winde entgegengeſetzten Seite, der Leeſeite, des Schiffes Schutz ge: gen das Raſen der Elemente und in der tiefen Schiffsbahn Nah— rung ſuchen. Daß am Ende doch viele den zu langen und zu ge— waltigen Anſtrengungen zum Theil unterliegen moͤgen oder, wie oben erwaͤhnt, ganze Schaaren mit dem Strom des Windes fort— geriſſen, in ungewoͤhnliche Gegenden und an ihnen unbekannte Kuͤ— ſten geſchleudert, von hier aus einzeln ſelbſt noch landeinwaͤrts ver— ſchlagen werden, iſt jedoch oft genug vorgekommen. Mit Unrecht haſſen die Schiffenden dieſe Voͤgel als Ungluͤcks— propheten und Sturmverkuͤndiger; denn ſie kommen nicht bei gutem Wetter, nicht vor dem Sturm, ſondern erſt wenn er bereits eine Zeit lang getobt hat und wenn ſie bei den Schiffen Schutz gegen ihn fuchen muͤſſen, in die Naͤhe derſelben. Ihr Erſcheinen iſt zu ſolchen Zeiten um ſo auffallender, weil ſie bei Windſtille oder ſonſt gutem Wetter, beſonders an hellen Tagen und bei Sonnenſchein nirgends bemerkt werden, wahrſcheinlich weil ſie ſich dann von den — ͥ — — XIII Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 567 Schiffen weit entfernt halten. Man glaubt, daß ſie bei hellem Tage überhaupt unthätig find, weil man fie dann nirgends ſahe. Nur bei dick bewoͤlktem Himmel und Sturm zeigen ſie ſich zu allen Ta— geszeiten, ſonſt gewoͤhnlich erſt in der Daͤmmerung, Abends und Morgens, und ſind, wenn die Naͤchte nicht gar zu finſter, von einer Daͤmmerung zur andern in gleicher Thaͤtigkeit. Ihre groͤßere Be— weglichkeit, Munterkeit, das haͤufigere Vernehmen ihrer gegenſeitig ſich zurufenden Stimmen zeigen deutlich, daß ſie das Daͤmmerlicht mehr lieben als das des hellen Tages. Nur Luft und Meer angehoͤrend, ihre eigentliche Heimath der unermeßliche Ocean, zeigen ſich dieſe Voͤgel hier als muntere, ſehr bewegliche und hoͤchſt unruhige Geſchoͤpfe, deren Gewandtheit und Kraft, mit welcher ſie der hoͤchſten Aufregung beider Elemente wi— derſtreben, in Erſtaunen ſetzt. Im ſchroffſten Gegenſatz von dieſem Betragen ſteht hingegen das, wenn ſie einmal auf das Land gera— then, ſelbſt wo dies, wie an den Bruͤteorten, freiwillig geſchahe. Hier iſt ihr erſtes Trachten dahin gerichtet, den Augen andrer Ge— ſchoͤpfe ſich fo ſchnell wie möglich zu entziehen und ſich augenblick— lich zwiſchen Steinritzen oder in andere Loͤcher zu verkriechen. Hier— mit glauben ſie aber auch Alles abgethan zu haben; denn ſie den— ken an kein Entfliehen, wenn der Menſch ihren Schlupfwinkel ent— deckt und ſie ohne Umſtaͤnde daraus hervorzieht; er kann ſie frei auf der Hand tragen und ſie fliegen erſt weg, wenn er ſie in die Hoͤhe wirft. Auch an Vertheidigungsmittel, an Beißen oder Kratzen, oder nur an Zappeln, denkt der harmloſe Vogel nicht; das Einzige was ihm in ſolchen Faͤllen zu Gebote ſteht, iſt ein Strahl von gelbem Thran, welchen er aus dem Schnabel dem Feinde entgegen ſchießt, dies einige Mal wiederholt, aber jedes Mal ſchwaͤcher, bis der Ma— gen davon entleert iſt. Noch weit wunderbarer als alles dieſes iſt die durch Gra ba (a. a. O.) mitgetheilte Eigenthuͤmlichkeit, womit die Faͤringer ſich von ſeiner Anweſenheit zu uͤberzeugen und das Plaͤtzchen auszukund— ſchaften wiſſen, wo er ſitzt, wenn ſie ihn zwiſchen einem Haufen Steine oder in loſes Gemaͤuer, mit vielen Löchern, ſchluͤpfen ſahen. Ein Knabe fuͤhrte ihn einſt zu einem loſen Mauerwerk, legte den Mund an jede Ritze, worin er den Vogel vermuthete, und rief die Sylbe: Kluͤrr hinein; als er an die rechte kam antwortete der verſteckte Vogel augenblicklich Kekerek⸗i, und wiederholte dieſes jedes Mal und ſo oft jener Kluͤrr hinein rief. Jetzt wurde Spa— ten und Brecheiſen angewandt, die Steine bei Seite geſchafft, wor⸗ © 568 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. uͤber wol eine halbe Stunde verging, waͤhrend des Gepolters der Vogel ſich ſtill verhielt, bis man endlich auf das Neſt kam und den in einer Ritze etwas weiter verkrochenen Beſitzer hervorzog. Er ſpie ſogleich mit einer Seitenbewegung des Kopfes und Halſes drei Mal einen Strahl von gelbem Thran aus, von denen der erſte der ſtaͤrkſte, die folgenden duͤnner waren. Die nachherigen Verſuche zu ſpeien mißlangen, indeſſen floß ihm noch immer einiger Thran aus dem Halſe. | Wo er ſich unwillkuͤhrlich dem Lande nahen muß, ift fein Bes tragen ein ganz anderes als auf hoher See; er iſt trauriger, lang: ſamer, ſchlaffer, freilich dann immer auch ſchon in Noth und Ab— ſpannung, und dieſe zeigt ſich in dem matten, faſt huͤpfenden Fluge, in welchem er wiederholt verſucht, ſich am Lande niederzulaſſen, aber immer wieder davon abſteht. Wird er gar durch den Sturm dem Meere entführt, fo ſcheint er der Duͤmmſte aller Voͤgel, denkt an kein Entfliehen, an kein Verſtecken mehr und giebt ſich ganz verloren. — Daß er den Menſchen fo wenig fürchtet, auch in feinen heimath— lichen Gegenden, iſt kein Wunder, weil er ihn zu wenig kennt. Er koͤmmt daher ganz dicht an die im Segeln begriffenen Schiffe und treibt ohne Scheu und in der Naͤhe der Schiffenden ganz furchtlos ſein Weſen, laͤßt ſich auch, wenn einmal einer ſich zum Ausruhen auf das Schiff niederlaͤßt, was uͤbrigens aͤußerſt ſelten geſchieht, ohne alle Umſtaͤnde ergreifen. Er iſt uͤbrigens ein ſehr geſelliger Vogel, aber dies doch mei— ſtens nur gegen ſeines Gleichen. Selten ſieht man einen Einzelnen auf dem Meer, am oͤfterſten kleine Geſellſchaften von 10 bis 20 Sn: dividuen, zuweilen aber auch große Schwaͤrme, dieſe beſonders wo allgemeiner Nothſtand ſie vereinigte. Auch zu andern Arten ihrer Gattung geſellen ſich Einzelne gern; ob ſie ſich aber, auſſer in je— nem Falle, auch zu andern Seevögeln ſchlagen, iſt nicht wahrſchein— lich. Er wird in vielen Meergegenden ſehr haͤufig geſehen und die Art iſt ſehr zahlreich an Individuen, ob dies gleich vom Lande aus gar nicht ſo ſcheinen moͤchte; nur die jene oft durchſchiffenden Rei— ſenden konnten dies bezeugen. Graba traf ſie auf dem Meere bei Faro fo häufig an, daß er an einem Tage 9 Stuͤck erlegen konnte, indem ſie in großer Anzahl auf den noͤrdlichen Inſeln dieſer Gruppe niſteten; und doch waren ſie vielen Faͤringern kaum dem Namen nach bekannt; ſo ſelten werden ſie nahe am Lande oder auf demſel— ben geſehen, und ſo ſehr wiſſen ſie ſich, in dem Augenblick als ſie es betreten, den Augen ſelbſt dieſer Leute zu entziehen, denen der Vo— —— XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 569 gelfang eine hochwichtige Sache iſt und die deshalb auch Aufpaſſer und Kenner ſein muͤſſen. Am Tage hoͤrt man ſelten, an ungewoͤhnlichen Orten nie eine Stimme von dieſem Vogel, deſto haͤufiger aber, zumal wenn meh— rere beiſammen ſind, gegen Abend und die ganze Nacht hindurch. Nach Graba klingt fie dann Wihb, wihb, ua, ua, — bei ans dern Gelegenheiten, beſonders in der Begattungszeit und an den Bruͤteorten, ganz anders, wie Kekerek-i, wobei das i ſtark, das andere leiſe ausgeſtoßen wird. Die in den Loͤchern auf ihren Ne— ſtern ſitzenden werden beſonders des Nachts laut und verrathen ſich durch wiederholtes leiſes Knurren und Piepen den Leuten, welche nach ihren Neſtern ſuchen. Sehr einfaͤltig betraͤgt ſich, ebenfalls nach Graba (dem wir die meiſten und ſicherſten Nachrichten uͤber dieſen Vogel verdanken), der eingefangene, uͤbrigens geſunde Schwalbenſturmvogel. Als Hr. G. einen ſolchen in ſein Zimmer brachte, war er gleich ſo zahm, daß er ihn anfaſſen und herumtragen, ſtreicheln und forttreiben konnte, wie es ihm beliebte, wobei der Vogel nicht den geringſten Verſuch machte, ſeine Flugwerkzeuge zu gebrauchen. Die tiefſte Me— lancholie druͤckte ſich in ſeiner Stellung aus; er ſaß nämlich unbe: weglich auf dem Tarſus, ohne daß die Bauchfedern den Boden be— ruͤhrten, ließ den Kopf haͤngen, ging nur dann einige Schritte ſchwerfaͤllig vorwaͤrts, wobei ihm oft die Kniee einknickten, wenn er aufgejagt wurde, und verfiel gleich wieder in obige Stellung, fobald man ihm Ruhe ließ. Wenn er ſtand, was ihm ſchwer zu werden ſchien, glich er in Stellung und Haltung des Koͤrpers der Lestris cataractes. Er machte keinen Verſuch Nahrung zu finden oder zu ſich zu nehmen. Gleich den meiſten Seevoͤgeln, welche ſich fuͤr ver— loren halten, ſobald ihnen der Anblick des großen Waſſers entzogen iſt, trug er ihn auf der offenen Straße auf freier Hand, ſelbſt als er fo mit ihm an der See ſtand, ſaß er noch ebenſo unbeweglich; als er ihn aber in die Luft warf, flog er mit reißender Schnellig— keit erſt eine Strecke gegen den Wind auf und ſuchte dann mit hal— bem Winde die weite See. Nahr u rg. Uiber dieſe ift man noch ſehr im Dunkeln. Im Magen Geoff: neter fand man keine feſte Subſtanz und nichts als einen fluͤſſigen gelben Thran, wie ihn, nach Obigem, der Vogel gegen ſeine An— 570 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. greifer auszuſpeien pflegt und damit aufhoͤren muß, wenn der Ma⸗ gen davon entleert iſt. Auch Graba, welcher viele unterſuchte, fand nichts anderes als jenen Thran. Es iſt ſchon oben im Allgemeinen bemerkt, daß dieſer ſoge— nannte Thran kein wirkliches Fiſchfett ſein kann. Ich halte ihn fuͤr eine Aufloͤſung von Schleimthierchen, von welchen der Vogel hoͤchſt wahrſcheinlich ſich ganz allein naͤhrt, deren Aufloͤſung gewiß gleich nach dem Verſchlucken erfolgt, wenn man erwaͤgt, daß ſolche auſſer dem Waſſer auch in der Sonnenwaͤrme aͤußerſt ſchnell vor ſich geht. Das beobachtete ſchnelle Schlucken giebt zu erkennen, daß ſich unſer Voͤgelchen von ganz kleinen Arten und Individuen, etwa von der Groͤße einer Erbſe und nicht viel groͤßern als die einer Haſel— nuß naͤhren moͤge. — Wollte man ſolche Quallen, aus den Gat— tungen Medusa, Beroe und andere, in einem Glaſe zerfließen laſ— ſen und dieſe Fluͤſſigkeit mit der aus den Magen der Schwalben— ſturmvoͤgel chemiſch vergleichen, ſo wuͤrde ſich bald ein befriedigendes Ergebniß herausſtellen. Sie nehmen dieſe kleinen zarten Geſchoͤpfe von der Oberflaͤche des Waſſers oder wenn ſie eben zu dieſer aufſteigen auf und ver— ſchlingen das Gefangene augenblicklich, fliegen deshalb ſo dicht uͤber der Waſſerflaͤche hin, daß fie jene bequem aufnehmen koͤnnen, wenn ſie ſich mit den auf dem Waſſer trippelnden Fuͤßen dabei unter— ſtuͤtzen, weshalb fie nicht noͤthig haben aus der Höhe ſich darauf zu ſtuͤrzen und zu ſtoßtauchen, was fie auch nicht koͤnnen. Auf dieſe allen Schwalbenſturmvoͤgeln eigenthuͤmliche Weiſe gelangen ſie zu ihren Nahrungsmitteln durch eine Art Bewegung, in welcher ſich Laufen und Fliegen vereinigt, wobei jedoch durch den Gebrauch der Flugwerkzeuge mehr bewirkt wird als durch das Aufſtemmen der ſchnell bewegten Fuͤße. Bei ſtillem Wetter, wo jene durchſichtigen Geſchoͤpfe gewoͤhnlich obenauf ſchwimmen, mag ihnen das Fangen derſelben leichter werden als bei bewegter See, wo jene meiſtens etwas tiefer ſchwimmen; daher mag ihnen bei hohem Wellengange die große, weite Waſſerfurche, welche ein ſchnellſegelndes Schiff durch die Wellen pfluͤgt, mehr derſelben bieten als ſie auſſerhalb derſelben antreffen. Sie folgen deshalb bei Stuͤrmen ſolchen Schiffen Tage und Naͤchte hindurch, hinter denſelben unausgeſetzt mit dem Fangen ih— rer Nahrungsmittel beſchaͤftigt. Auf kleine Klumpen von ſchwim— menden Tang oder Meergras laſſen fie ſich oft mit ausgeſpannten Fluͤgeln ſchwebend und mit den Fuͤßen trippelnd auf Augenblicke nieder, um in der Geſchwindigkeit abzuleſen was ſich von Lebendem XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 571 und Genießbarem an die Pflanzen gehaͤngt hat, fliegen aber ſogleich wieder. Uiberall, wo ſie ſolche Dinge auf dem Meer treiben ſehen, unterlaſſen ſie nicht, ſie in dieſer Abſicht genauer zu unterſuchen. Daß ſie, nach fruͤhern Angaben, im Begleiten der Schiffe, ſich auf alle, aus dieſen in die See geworfene, thieriſche Abgaͤnge und ſonſtigen Unrath niederließen um ſie aufzuzehren, iſt ein Irrthum und beruht auf einer Verwechslung mit den Mevenſturmvoͤgeln; nur dieſe thun es, nicht die Schwalbenſturmvoͤgel. — Weil ſie ſich weder von Fiſchen oder uͤberhaupt von Fleiſch, noch von Inſekten oder Larven und anderem Gewuͤrm naͤhren, ſo fand man den Ma— gen ſehr weit vom Meer Gefangener ſtets leer; ſie konnten daher auch niemals Thran ſpeien. Solche gaben jedoch der Vermuthung Raum, daß dieſe Voͤgel ziemlich lange Hunger zu ertragen im Stande fein mögen, wozu vielleicht der Umſtand beiträgt, daß ſolche Verirrte das Meer in einem ſehr fetten Zuſtande verließen; denn alle in ihrer eigentlichen Heimath Erlegten fand man immer ſo, ja manchmal den ganzen Koͤrper dick in Fett eingehuͤllt. Dieſes Fett iſt ſehr leichtfluͤſſig und hat einen ekelhaften Geruch. Ein Umſtand welcher auch noch zu der Vermuthung, daß die Schwalbenſturmvoͤgel von Quallen leben, berechtigt, iſt ihre wider— liche Ausduͤnſtung, ein ſtinkender Thrangeruch, welcher ſelbſt dem todten Balge, obwol geſchwaͤchter, verbleibt, aber ganz dem gleicht, welchen der Schleim todter und zerfloſſener Quallen von ſich giebt. i et enen g Auf den weſtlichen Hebriden und den Faͤroͤern hat der kleine Schwalbenſturmvogel ſeine Bruͤteplaͤtze in großer Anzahl. Dies weiß man gewiß; daß er auch auf den Orcaden, vielleicht auch auf einigen Shetlandsinſeln niſte, wird mit Wahrſcheinlichkeit vermuthet. Endlich hat man ihn in neuern Zeiten in Menge auch an dem hohen Felſengeſtade der Bretagne niſtend angetroffen. Auf Faͤrd find es namentlich die Norderinſeln Naalſoe, Troll: hoved, Store- und Lille-Dimon, wo man die Neſter dieſer Voͤgel am haͤufigſten findet. Seine Bruͤteplaͤtze ſind unmittelbar aus dem Meere ſich erhe— bende oder von dieſem beſpuͤlte, hohe, felſige Geſtade von brocklich— tem Geſtein, oben mit Erde bedeckt. Hier niſtet er in einer natuͤr— lichen Spalte, oder in Hoͤhlen und Ritzen durch loſe Steine und Geroͤlle gebildet, auch in aͤhnlichen zwiſchen loſem Gemaͤuer, oder er 572 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. bezieht ſolche, die von Taucherſturmvoͤgeln oder Larventau— chern oder andern Thieren gegraben und verlaſſen waren, und in vie— len Fällen gräbt er auch weiter in die Erde hinein, bis zu J und 2 Fuß tief. Dieſe auserwaͤhlten Schlupfwinkel ſind ſehr ſchwer zu ent— decken, weil nie viele Paͤaͤrchen dicht neben einander wohnen und weil man die Vögel nie dabei bemerkt, entweder weil fie vermuth— lich das Loch oder Ritze des Nachts auswählen, oder ſchon von Ferne her, von der See aus, die Stelle ins Auge faſſen, ſchnell hinfliegen und ſich ſogleich verkriechen. Nie flattern oder laufen ſie am Lande darnach ſuchend herum. Man ſucht ſie, wenn man erſt ohngefaͤhr den Ort weiß, auf verſchiedene Weiſe auszuſpaͤhen, ent— weder zur Nachtzeit, wo ſich die darin ſteckenden Voͤgel durch haͤu— figes Knurren und Zwitſchern verrathen, oder man riecht hinein, wo der haͤßliche Geruch den darin verſteckten Vogel anzeigt, oder man vergewiſſert ſich hiervon auf die poſſierliche Weiſe, welche oben ſchon beſchrieben iſt. Zu dem Verſteckten zu gelangen, ſind die Hinder— niſſe meiſtens bald weggeraͤumt und der einfaͤltige Vogel iſt dann, ohne daß er den mindeſten Verſuch zum Entfliehen macht, leicht mit der Hand zu fangen. ’ Mehrere Wochen vor dem Legen ihrer Eier zeigen fie fich zahl: reicher auf dem Meer neben ihren Brüteorten, wählen jetzt auch ſchon die Hoͤhlen, richten ſie ſich ein und halten ſich zum Oeftern einige Zeit darin auf. Im Hintergründe einer ſolchen Höhle iſt das Neſt, das bloß aus einigen, loſe zuſammengelegten, welken Gras— halmen beſteht. Wie es ſcheint legen die verſchiedenen Paͤaͤrchen nicht in einerlei Zeit, die meiſten erſt zu Ende des Juni, manche früher, andere ſpaͤter. Was Hrn. v. Graba ein Naalſoͤer ver: ſicherte, daß er in demſelben Neſte ſchon um Johannis ein fluͤgges Junges und um Michaelis abermals ein ſolches geſehen habe, wo— nach dieſe Voͤgel zwei Mal in einem Sommer bruͤten muͤßten, ſcheint aller Analogie nach unwahr. Das Weibchen legt fuͤr eine Brut nur ein einziges Ei, welches etwas groͤßer als das der Turteltaube, aber ziemlich ſo geſtaltet iſt, naͤmlich ſehr kurz, faſt gleichfoͤrmig oval oder beinahe an einem Ende wie an dem andern. Dabei iſt es ebenfalls ganz weiß und fleckenlos. Schon vorher, wol eine Woche fruͤher, ehe das Ei gelegt wird, rupft ſich das Weibchen Federn am Bauche aus, wodurch ein Bruͤtefleck entſteht, der ſich bald auch am Maͤnnchen findet, weil beide ihr Ei abwechſelnd bebruͤten. Stets wird nur einer der Gat— 2 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. 573 ten in der Hoͤhle und auf dem Ei angetroffen, aber unregelmaͤßig, bald das Maͤnnchen, bald das Weibchen, und ſo zu allen Tages— zeiten. Die Zeit des Bruͤtens, deren Laͤnge man noch nicht mit Beſtimmtheit ausfindig machen konnte, dauert dem Anſchein nach einige Wochen; denn Graba erhielt noch um die Mitte des Juli Eier, ohne daß ſich auch nur in einem Neſte bereits ein Junges gefunden haͤtte. Uiber dieſe und ihre Erziehung ſchwebt noch tie— fes Dunkel. - F ie i ende. Man kennt keine andern als die Raubmeven, welche nament: lich, wenn dieſe kleinen Voͤgel vom langen Kampfe mit den Ele— menten ermattet ſind, ſie leicht im Fluge wegſchnappen und ſammt den Federn verſchlingen. Dies war auch im October 1834 an der Kuͤſte des noͤrdlichen Frankreichs haͤufig der Fall, wo man Le— stris pomarina viele dieſer Voͤgel fangen und verſchlingen ſahe. In ſolchen Zeiten gehen auch viele aus Ermattung unter und treiben dann todt auf den Strand. In ihrem Gefieder wohnen Schmarotzerinſekten, wie es ſcheint von mehr als einer Art; ſie ſind jedoch noch nicht ſyſtematiſch be: ſtimmt und benannt. ag d. Von den Schiffen herab ſind ſie nicht ſchwerer als Schwalben zu ſchießen, und wer hierin einige Uibung hat, wuͤrde, weil ſie kein Mißtrauen in den Menſchen ſetzen, fie leicht erlegen koͤnnen; allein man iſt hier, wenn man auch gut getroffen haͤtte, darum noch nicht im Beſitze des Gefallenen, weil von im Sturm ſegelnden Schiffen nicht ſchnell genug ein Boot hinabgelaſſen werden kann und dies auch, der vielſeitigen Gefahr wegen, nicht geſchieht. Der Schuͤtze muß ſich daher bei nicht zu hochgehender See, wo viele dieſer Voͤ— gel herumſchwaͤrmen, einem Boote anvertrauen und ſie aus dieſem ſchießen. Wo ſie Stuͤrme nahe an die Kuͤſte trieben und ſie laͤngs dieſer flogen, waren ſie auch vom Lande aus leicht zu ſchießen; dies koͤmmt aber ſehr ſelten vor. Wie leicht auf das trockne Land Verſchlagene, auch ohne Schießs gewehr, zu fangen ſind, und wie ſie ſich aus ihren Neſthoͤhlen ohne Umſtaͤnde mit der Hand hervorziehen laſſen, iſt ſchon oben geſagt. Die Geſchichte, wo ein Fuhrmann in der Stadt Breslau einen 574 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 303. Kl. Schwalbenſt. dahin verirrten Schwalbenſturmvogel (am 4. November 1821) für eine ungewöhnlich verſpaͤtete Thurmſchwalbe anfahe und ihn mit einem geſchickt gefuͤhrten Peitſchenhiebe aus der Luft herabſchleuderte, iſt bekannt genug. Ra) Br e n. Sein aͤußerſt widerlicher Thrangeruch ekelt ſogar den Voͤlkern des Nordens, ſonſt in dieſer Hinſicht keine Koſtveraͤchter, ſo an, daß ſie ſein Fleiſch und Fett fuͤr ungenießbar halten. Doch nutzt man hin und wieder den meiſtens dick in Fett eingehuͤllten Vogel, nach—⸗ dem man ihn von allen Federn gereinigt, Schnabel und Fuͤße ab— geſchnitten und von der Kehle, durch den ganzen Koͤrper, bis zum After einen Docht gezogen, als Thranlampe. Sich a d eo m. Aus Unkunde und Aberglauben haſſen Schiffende dieſe unſchul⸗ digen Voͤgel, weil ſie in dem Wahne ſtehen, ihr Erſcheinen bei den Schiffen verkuͤndige Sturm und Ungluͤck; daß dem jedoch nicht ſo ſei, iſt ſchon im Vorhergehenden bemerkt worden. Sie ſind dem Menſchen auf keine Weiſe nachtheilig. = —— — — A A N ET - 304. Der gabelſchwänzige Schwalbenſturmvogel. Thalassidroma Leachii. Vigors. Taf. 275. Fig. 2. Alter männlicher Vogel. Gabelſchwaͤnziger Petrell; gabelſchwaͤnzige Sturmſchwalbe Leachs-Petrell; Leachs-Sturmſchwalbe; der leachſche Sturmvogel. Procellaria Leachü. -(Peirel de Leach.) Temminck Man. nouv. Edit. II. p. 812. = Brehm, Lehrb. II. S. 754. = Thalassidroma Bullocki, (Fork-tai- led Petrel or Fork-tailed Storm Petrel.) Fleming, Selby et Eyton, Catal. of brit. Birds. P · 51. == Fr. Boie, Iſis, 1835. III. S. 253. ein e chen der rt Der Schwanz iſt tief gegabelt und die Spitzen der ruhenden Fluͤgel reichen ſehr wenig oder gar nicht uͤber ſein Ende hinaus. Beſchrei bung. Dieſer Schwalbenſturmvogel iſt, ſoviel bis jetzt bekannt, nur erſt zwei Mal auf deutſchen Grund und Boden erlegt, ſonſt aber ein europäifcher und zwar ziemlich ſeltner Vogel, der als folcher oft in der Naͤhe des kleinen, Th. pelagica, wohnt. Er iſt nach allen Theilen etwas groͤßer als der Letztere; dies wird beſonders am Schnabel, an den Fluͤgeln und am Schwanze ſehr auffallend, waͤhrend die Fuͤße, wenigſtens die Laͤufe, nach Ver⸗ 576 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. haͤltniß zu den uͤbrigen Maaßen, etwas kleiner zu ſein ſcheinen. Einen ſogleich in die Augen fallenden Hauptunterſchied giebt indeſ— ſen das in zwei, etwas breite und ſtumpfe Gabelzinken, aber tief geſpaltene Ende des auch viel laͤngern Schwanzes. Die groͤßte Aehnlichkeit beider Arten findet ſich indeſſen in Farbe und Zeichnung des Gefieders, die bei der einen ſo duͤſter und einfach wie bei der andern ſind. Seine Größe iſt reichlich die einer Thurmſchwalbe (Cypse- lus apus) und die gleiche, einfach duͤſtere Farbe des Gefieders, dazu der Gabelſchwanz, vermehren dieſe Aehnlichkeiten ſehr; genau ge— nommen iſt jedoch die Gabelform des Schwanzes von denen der ſchwalben- und meerſchwalbenartigen Vögel ſehr verſchieden. — Seine Laͤnge (von der Schnabelwurzel an der Stirn bis an's Ende des Schwanzes) iſt kaum 1 oder 2 Linien weniger als 8 Zoll; feine Flugbreite faſt 19 ¾ Zoll; die Fluͤgellaͤnge (vom Handgelenk bis zur Spitze) 6 bis 6 / Zoll; die Länge des Schwanzes 35/ Zoll. Die ruhenden Flügel reichen mit den Enden ein Wenig, bis 4 Li— nien, uͤber die Schwanzſpitze hinaus. Das kleine Gefieder iſt wie bei den uͤbrigen Arten, mevenartig, am Unterrumpfe beſonders groß, dicht und pelzartig, hier an den Raͤndern zerſchliſſen und die Umriſſe kaum ſichtbar, am Kopfe und Halſe eben ſo oder wenig deutlicher, am deutlichſten noch an den Schultern und auf den Flügeln; dieſe unbeſtimmten, an den mei: ſten Theilen nicht zu unterſcheidenden Conturen geben dem Gefieder im Ganzen ein ſehr ſanftes Ausſehen und machen daß es ſich ſehr weich anfuͤhlen laͤßt. Die langen ſchmalen Fluͤgel (laͤnger als bei der kleinen Art) haben kurze Armknochen, aber ſehr lange Schwing— federn erſter Ordnung, von denen die erſte faſt ½ Zoll kuͤrzer als die zweite und mit der vierten von gleicher Laͤnge, die zweite aber die laͤngſte, doch nur ſehr wenig länger als die dritte iſt; die fol— genden, von der vierten an, nehmen in großen Stufen nach und nach ſehr an Laͤnge ab und von den faſt gleich kurzen der zweiten Ordnung verlaͤngern ſich nur die letzten (die dritte Ordnung) in eine kurze, ſtumpfe, bei zuſammengelegtem Fluͤgel kaum auf die achte große Schwinge reichende, hintere Fluͤgelſpitze. Die Schwingen erſter Ordnung ſind ziemlich breit, gegen das Ende allmaͤhlich ſchmaͤ— ler und in eine zugerundete Spitze auslaufend, ihre Schaͤfte kaum etwas ſaͤbelfoͤrmig, oder beinahe gerade, dabei nicht ſtark; die bedeu— tend breiten und gleichbreiten Fahnen der zweiten Ordnung haben XIII. Ordn. LXXX, Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. 577 faſt gerade, ſchraͤg nach hinten abgeſtutzte Enden, die an den aller— letzten in eine zugerundete Spitze auslaufen. Der ziemlich lange, aus 12 faſt gleich breiten, ſchnell in ein zugerundetes Ende ausgehenden Federn beſtehende Schwanz iſt ga— belfoͤrmig ausgeſchnitten, indem die Seitenfedern 10 Linien laͤnger als die mittelſten ſind und die zwiſchen liegenden ſich zu ihnen ab— ſtufen; ſie bilden indeſſen, wegen gleich auslaufender Breite und Rundung der Spitze, zwei ſich nur wenig verjuͤngende, ſtumpfe Zin— ken. Die untern Deckfedern ſind ſo lang, daß ſie bis in den Ga— belausſchnitt reichen, die obern dagegen um 10 Linien kuͤrzer. Ei: genthuͤmlich iſt an dieſen Schwanzfedern, daß ihre Auſſenfahne viel brei— ter als ſie gewoͤhnlich an gegabelten Voͤgelſchwaͤnzen vorkommen und die Innenfahnen ſpitzewaͤrts nicht ausgeſchnitten ſind, ſo daß die Gabelform allein durch die, von den beiden Mittelfedern an, ſtufen— weis zunehmende Laͤnge der Schwanzfedern gebildet wird, woher der Ausſchnitt des Schwanzendes nur dann ſehr in die Augen faͤllt, wenn der Schwanz etwas ausgebreitet wird, weshalb jener am aus— geſtopften Vogel auch leicht uͤberſehen werden kann. Uibrigens ha— ben die Schwanzfedern ſchwache Schaͤfte und weiche Fahnen. Der Schnabel iſt verhaͤltnißmaͤßig viel groͤßer, laͤnger und ſtaͤr— ker, beſonders höher, auch feine Hakenſpitze länger als beim klei— nen Schwalbenſturmvogel. Er iſt bis in die Nähe der Spitze gerade, dieſe dann ſchnell an beiden Schnabelhaͤlften, doch an der obern viel mehr als an der untern, herabgebogen, die obere auch viel laͤnger und ihr Haken duͤnn zugeſpitzt. Auch die Schneiden find gerade, kurz vor der Spitze erſt der Krümmung der Firſte ent: ſprechend herabgebogen, ſcharf, die untere wenig, die obere, beſonders hinterwaͤrts, ziemlich ſtark eingezogen; mit der Mundkante parallel laͤuft am Oberſchnabel deutlicher als am untern, eine feine Furche bis an den Haken, dann an dem erſtern, oben vom Naſenloch aus eine tiefere Furche, die auf der Schneide des Hakens auslaͤuft. Bei faſt gleichbleibender Hoͤhe iſt dieſer Schnabel hinten bedeutend breit, nach vorn aber ſehr ſchmal zuſammengedruͤckt; die Kielſpalte iſt da— her hinten auch breit, nach vorn ſehr ſchmal, weit vorreichend, und wo ſie aufhoͤrt ſteht ein ſehr kleines Eck vor. Der Rachen iſt ſehr tief geſpalten und dabei ſehr weit. Oben auf der Schnabelfirſte liegt eine von der Stirn bis faſt zur Mitte der Schnabellaͤnge vor— gehende, inwendig in der Mitte, ihrer Laͤnge nach, durch eine Schei— dewand getheilte, mit dem Aeußern des Schnabels verwachſene Roͤhre, welche ſich gerade nach vorn in die zwei rundlichen Naſen— 107 Theil. 37 578 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. loͤcher oͤffnet oder hier gleichſam ſenkrecht abgeſchnitten iſt; den Schnabel von der Seite geſehen bekoͤmmt dadurch die Firſte hier eine deutliche und ploͤtzliche Abſtufung. Die Farbe des Schnabels iſt ein mattes, an der Spitze und dem Haken aber tiefes und glaͤnzendes Schwarz. Er iſt von der Stirn bis zur Spitze des Hakens, in gerader Linie, S Linien, über den Haken (im Bogen) gute 9 Linien, vom Mundwinkel bis zur Spitze 1 Zoll lang, die Naſenroͤhre 2½ Linien lang, alſo verhält: nißmaͤßig kuͤrzer als bei der vorhergehenden Art; der Schnabel uͤbri— gens an der Wurzel (ſammt der Naſenroͤhre) etwas uͤber 3 Linien hoch und 2½ Linien breit. Das etwas weit vom Schnabel entfernte, eben nicht große Auge hat einen ſehr dunkel braunen Stern und befiederte Lider. Die Stirn iſt laͤnger und niedriger als bei der vorigen Art. Die Fuͤße ſind klein und ſehr ſchwaͤchlich, ihre ſeitlich nicht zu— ſammengedruͤckten, auf dem Spann herab ſogar ein Wenig abgeplat— teten, daher ſtumpf dreikantigen Laͤufe ſchwach, aber mit ſtarken Ge— lenken; die drei Vorderzehen lang und ſehr duͤnn, durch volle Schwimmhaͤute verbunden, die etwas hoͤher ſtehende Hinterzeh faſt bis zu einem eingelenkten Nagel verkuͤmmert. Der nackte Theil uͤber der Ferſe iſt nicht unbedeutend, wird aber von der langen Schenkelbefiederung bis faſt an das Gelenk verdeckt. Der haͤutige Uiberzug der Fuͤße iſt ſehr zart; kaum ſind ſchwache Einſchnitte zu groͤßern Schildern auf dem Spann, zu ſchmaͤlern auf den Zehen— ruͤcken zu erkennen, alles Uibrige faſt glatt. Die Krallen ſind nicht ganz klein, flach gebogen, ſehr ſpitz und, weil ſie unten ausgehoͤhlt, ſchneidend, die nach innen gekehrte Schneide der Mittelzehkralle mehr hervortretend als die uͤbrigen; die Hinterzehkralle kurz und ſehr ſchwaͤchlich. Die Farbe der Fuͤße iſt ſchwarz, auf den Laͤufen und Zehenruͤcken in roͤthliches Braun ſpielend, die der Krallen glaͤnzen— des Schwarz. Die Nacktheit der Schiene uͤber der Ferſe mißt faſt 4 Linien, der Lauf 1 Zoll, die Mittelzeh, mit der 2½ Linien lan» gen Kralle, auch 1 Zoll, die Hinterzeh nebſt Kralle nur etwas uͤber 1 Linie. Von den fruͤhern Staͤnden dieſer Art iſt zur Zeit nichts bekannt. Das einfache, duͤſtere Gewand des alten Vogels traͤgt fol: gende Faͤrbung: Die obern Schwanzdeckfedern ſind rein weiß; von den untern nur die an den Seiten, zum Theil nur auf den aͤußern Fahnen weiß, die uͤbrigen, naͤmlich die Mitte der untern Schwanz— XIII. Ordn. LXXX, Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. 579 decke bis an's Ende, rauchfahl; alle Schwingfedern, nebſt den Fit— tigded- und Daumenfedern, fo wie die Schwanzfedern braunſchwarz, mit ſchwarzen Schaͤften, von den letztern die aͤußerſte Feder von der Wurzel an mit einem weißen Auſſenſaͤumchen, das ſich auf der Mitte ihrer Laͤnge verliert; alles uͤbrige Gefieder, auch die untere Seite der Flügel und des Schwanzes rauchfahl oder rußfarbig, oder rußigſchwarz, eine matt braunſchwarze Faͤrbung, die auf dem Ober: ruͤcken, den Schultern und am Fluͤgelrande am dunkelſten, auf dem Oberfluͤgel am lichteſten iſt und an den Enden der großen Deckfe— dern und letzten Schwingen in braͤunlichweiße Saͤume uͤbergeht, die jedoch mit der Hauptfarbe weit mehr verſchmelzen als bei der klei— nen Art, und der Hinterkopf und Hals ſind ſtark mit dunkler Schie— ferfarbe uͤberlaufen, alſo auch dunkler als Stirn, Kehle, Bruſt und Bauch. Wie unter allen Voͤgeln einer Art giebt es auch hier Exem— plare, die etwas groͤßer oder kleiner ſind, wenn man mehrere neben einander ſtellt; ob dieſe kleinen Verſchiedenheiten auf die des Ge— ſchlechts Bezug haben, iſt ungewiß. Bei juͤngern Voͤgeln ſind die Schwanzgabeln einige Linien kuͤrzer als bei den Alten, und von den großen Fluͤgeldeckfedern haben mehrere weiße Endkaͤntchen, wodurch ein weißer Querſtrich uͤber den Fluͤgel entſteht, faſt ſo deutlich wie oft bei der kleinen Art. Das alte abgetragene Gefieder ſieht im Allgemeinen brauner, das friſche ſchwaͤrzer aus, aber alle alte Voͤgel haben jenen ſchie— ferblauen Anflug auf dem Kopfe, ſelbſt bei abgetragenem Gefieder noch ſehr bemerklich, die einen mehr die andern weniger ſtark und ausgebreitet. e e e Der gabelſchwaͤnzige Schwalbenſturmvogel ſcheint mehr in der gemäßigten Zone zu leben und häufiger unter dem Wendekreiſe vor: zukommen als die vorige Art. Er iſt ein Bewohner des atlanti: ſchen Oceans im Nordweſten von Europa bis an die Kuͤſten von Nordamerika, wo er von Ca na da bis an die der vereinigten Staaten herabgeht, dort mit Thalassidroma pelagica und auch mit Th. Wilsonii (die auch ſchon an Spaniens Kuͤſte angetrof: fen wurde) oft zuſammen lebt, für Europa aber nur einigen He: briden und der Inſel St. Kilda angehört, d. h. feine Sommer: wohnſitze hat. Von da wurde er ſchon mehrmals an die Kuͤſten 37° 580 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. des noͤrdlichen Frankreichs verſchlagen und in den ſtuͤrmiſchen Tagen der letzten Octoberhaͤlfte 1834 erſchien er am Ausfluß der Somme in großer Menge, wovon ſehr viele erlegt wurden. Das— jenige Exemplar, welches dieſe Art zuerſt zu einer deutſchen machte, wurde zwiſchen Bergen und Vilbel, ohnweit Frankfurt a. M. angetroffen, merkwuͤrdiger Weiſe gerade in derſelben Gegend, wo vor 25 Jahren auch das fuͤr Deutſchland allererſte Exemplar der Thalassidroma pelagica gefangen wurde. Wie die ebengenannte und andere Arten dieſer Gattung, iſt auch dieſer gabelſchwaͤnzige Schwalbenſturmvogel ein Bewohner der weiten Meere und verloren wenn er auf das Land verſchlagen wird, welches er daher ebenſo meidet und freiwillig nur fuͤr die kurze Zeit ſeiner Fortpflanzung einzelne vom wilden Meer umbrauſte Stellen deſſelben aufſucht. Auch an dieſen weilt er nie laͤnger als zur ſchleu— nigſten Beſorgung ſeiner Geſchaͤfte daſelbſt unumgaͤnglich erforderlich iſt, zieht dann wieder auf den unabſehbaren Ocean hinaus, wo er nun nur noch in Begleitung der Schiffe, oder wenn ihn zu anhal— tender Aufruhr der Elemente ermattet an eine Kuͤſte ſchleudert, hin und wieder geſehen wird. Eigenſchaften. Dieſer Schwalbenſturmvogel hat, wegen ſeiner laͤngern Fluͤgel und des Gabelſchwanzes, fliegend eine noch groͤßere Aehnlichkeit mit dem Mauerſegler (Cypselns apus) als die vorige Art, waͤhrend er ſitzend eine Raubmeve im Kleinen vorſtellt. Stehen und Ge— hen ſcheinen wenig von dem jener verſchieden, aber ſein Flug von noch mehrerer Dauer zu ſein; denn wo beide Arten zuſammen aus Noth an die Kuͤſte kamen, bemerkt man deutlich, daß die gabel— ſchwaͤnzigen immer noch kraͤftiger und lebensluſtiger waren als die kleinen Schwalbenſturmvoͤgel, wie ſie denn auch damals, als ſie, gleich dieſen, auf der franzoͤſiſchen Seite des Canals ſo haͤufig wa— ren, bei ploͤtzlicher Veraͤnderung des Windes ſogleich und fruͤher als dieſe verſchwanden. Sie flatterten dort in den Tagen des Sturms haͤufig uͤber den Brandungen und am Ufer ſelbſt umher, wobei viele geſchoſſen wurden. Er folgt den durch den Ocean ſegelnden Schiffen in eben der Abſicht und auf gleiche Weiſe wie die kleine Art, koͤmmt zuweilen mit ihr zugleich, oͤfterer jedoch allein in kleinen Geſellſchaften dort vor, ſcheint aber als Art nicht ſo zahlreich an Individuen als jene XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. 581 wie denn aber uͤberhaupt ihr Aufenthalt mehr ein weſtlicher iſt, die kleine Art aber mehr noͤrdlich wohnt. Seine uͤbrigen Sitten, in— wiefern ſie von dem dieſer abweichen koͤnnten, ihre Stimme u. dergl. ſind noch von Kennern nicht beobachtet worden. Nhe g. Man fand ebenfalls nur ſogenannten Thran in den Magen Geoͤffneter; eine fettige Fluͤſſigkeit, die gewiß nichts Anderes iſt, als ein durch die Waͤrme und den Magenſaft ſchnell bewirkte Aufloͤſung jener zarten Geſchoͤpfe, welche man Quallen nennt, die in allen Meeren ſehr haͤufig ſind, von deren ſehr zahlreichen Gattungen und Arten dieſe Vogelarten wol nur manche und jede ihre beſondere aus— waͤhlen moͤgen; alles Dinge, uͤber welche bis hierher noch Dunkel ſchwebt. Fortpflanzung. Unſer gabelſchwaͤnziger Schwalbenſturmvogel hat ſeine Bruͤte— pläße auf einigen der Hebridiſchen Inſeln, namentlich auf der weſtlich von dieſen aus dem weiten Ocean auftauchenden, von allen andern abgeſonderten, Inſel St. Kilda, ein Wohnſitz zahllofen, vielartigen Seegefluͤgels. Im Fruͤhjahr iſt er in dieſen Meeresge— genden auſſerordentlich haͤufig, und Ausgangs Mai koͤmmt er dort an dem ſchroffen Felſengeſtade dieſer Inſeln an, wo er in Felſen— riſſen, zwiſchen Steinen oder in Erdlöchern niſtet, ganz auf dieſelbe Art wie der kleine Schwalbenſturmvogel, auch nur ein einziges, ganz weißes, aber etwas groͤßeres Ei legt, und ſich dabei ganz wie dieſer verhaͤlt. So heißt es im Allgemeinen von ihm. Doch darf man ſich wol berechtigt halten zu glauben, daß ein tuͤchtiger For— ſcher an Ort und Stelle noch Manches finden wuͤrde, was beide Arten auch in dieſem Punkte mehr unterſcheiden moͤchte, als man bisher dachte. F en de Daß die Raubmeven auch dieſen Vogel, beſonders wenn er bei heftigen Stuͤrmen matt geworden, zu erwiſchen ſuchen, iſt Alles was hieruͤber bisher bekannt wurde. e Wie der kleine Schwalbenſturmvogel iſt auch der gabelſchwaͤn— zige ohne Furcht vor dem Menſchen, daher, wo es die Oertlichkeit 582 XIII. Ordn. LXXX. Gatt. 304. Gab. Schwalbenſt. geſtattet, ebenſo leicht zu ſchießen. Der Schuͤtze muß freilich ſehr geuͤbt im Flugſchießen und die Flinte mit feinem Vogeldunſt gela— den fein. Auf das Land verſchlagen verliert er ebenſo alle Befin- nung und iſt da auf jede Art und mit der bloßen Hand zu fangen. Ni u tz e n. Auch dieſe Art hat eine ekelhafte Ausduͤnſtung, und dieſer wi— derliche Geruch macht auch ſein Fleiſch ungenießbar. Ob er auf andere Art genutzt werde, iſt unbekannt. Jedenfalls laͤßt eine be— deutende Benutzung ſich nicht erwarten. e ee, e e Auch hiervon iſt Nichts zu ſagen, als daß ihn die Schiffer, wie die andern Arten dieſer Gattung, mit welchen er von ihnen fuͤr einerlei gehalten wird, als einen Ungluͤckspropheten betrachten und ihn deswegen haſſen, wie wir aber bei voriger Art ſahen, mit Unrecht. Eigentlich ſcheinen alle Schwalbenſturmvoͤgel weder zu nutzen, noch zu ſchaden. — — — Ein und achtzigſte Gattung. Mevenſturmvogel. Procellaria. Lin. Schnabel: Kuͤrzer als der Kopf, uͤberhaupt kurz, ſtark und hart; ſeine letzten zwei Fuͤnftheile wie beſonders eingeſchoben, am Oberſchnabel einen großen, aufgeſchwungenen, ſehr gebogenen Ha— ken, am Unterſchnabel ein ſtark vortretendes Eck bildend, und dieſer Theil zuſammen hoͤher als der dicht vor den Naſenloͤchern; die ge— ſchwungenen Schneiden ſehr ſcharf und etwas uͤbereinander greifend; ſeine Seiten mit einigen Laͤnge- und Querfurchen; der Rachen tief geſpalten und ſehr weit. Die Zunge groß, breit, hinten fleifchig, nach vorn lanzettfoͤrmig, die duͤnne, ſtumpfe Spitze pergamentartig. Naſenloͤcher: In einer auf der Schnabelfirſte liegenden, mit dem Schnabel verwachſenen Roͤhre, die im Innern durch eine ſenkrechte duͤnne Scheidewand der Laͤnge nach in zwei Haͤlften ge— theilt iſt, ſo daß ſich vorn an ihrem ſenkrechten Querabſchnitt die zwei rundlichen Oeffnungen zeigen, in welche man nur von vorn hineinſchauen kann, weil die Scheidewand aber oft nicht ganz vor: reicht dann ausſehen, als waͤre nur ein einfaches Loch vorhanden. Fuͤße: Mittelgroß, ziemlich ſtark; die Laͤufe nicht hoch, von den Seiten auſſerordentlich zuſammengedruͤckt; die drei Vorderzehen lang, mit vollen Schwimmhaͤuten; anſtatt der Hinterzeh nur eine 584 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. Mevenſturmvogel. etwas hoͤher geſtellte, kleine, bewegliche Warze mit winziger, ſpitzer Kralle; die uͤbrigen Krallen mittelmaͤßig, ſchmal, ſpitz, ſchneidend. Der Uiberzug der Beine deutlich genarbt, auf, den Zehenruͤcken ſchmale, auf dem Spann grobe, uͤbrigens feine, meiſt ſechseckige Schilder; die Schwimmhaͤute zart gegittert. Sie ſind verhaͤltnißmaͤßig niedriger, viel ſtaͤrker, die Laͤufe viel ſchmaͤler und die Zehen laͤnger als bei Thalassidroma. Fluͤgel: Groß, lang, doch weniger als bei Larus, mit ſchma⸗ ler Spitze, an welcher die erſte der großen Schwingfedern die Laͤngſte. Schwanz: Mittellang, aus 12 bis 14 Federn beſtehend, ſtark ab- oder zugerundet, feine untern Deckfedern bis an deſſen Ende reichend. Das kleine Gefieder iſt ſehr reich, weich, in ſeiner Textur mehr gaͤnſe- als mevenartig, auf dem Mantel mit deutlichen Um— riſſen, uͤbrigens meiſtens zerſchliſſen, an den untern Theilen ſehr dick pelzartig. In ihrer Geſtalt aͤhneln ſie den Meven, haben aber eine hoͤ— here Stirn, einen rundern Kopf, kleinere Fluͤgel, und koͤnnen nicht gut auf der Spur, wenigſtens nicht mit lothrechtem Lauf und Schenkel auf ſteifen Ferſen ſtehen, noch weniger ſo gehen, wodurch ihre Figur eine viel unbehuͤlflichere wird. 5 Die Gattung iſt aus mehrern Arten zuſammengeſetzt, die ſich alle uͤber eine mittlere Groͤße erheben, von der einer Dohle bis zu der einer großen Gans. Zu ihr zählte man früher eine Menge zwar verwandter, aber doch ziemlich verſchiedener Voͤgel, deren Ab— ſondern daher ſehr lobenswerth war. Dieſe zerfallen wiederum in einzelne Gruppen und ſind von den Neuern ſehr zweckmaͤßig in die Gattungen: Thalassidroma (s. Hydrobates), Schwalbenſturm— vogel; Puffinus, Taucherſturmvogel; Haladroma, Lummen⸗ ſturmvogel, und Pachyptila, Saͤgerſturmvogel, abgetheilt worden, weil ſie ſich ſowol nach der Geſtalt aller Koͤrpertheile und ſelbſt der Beſchaffenheit wie den Farben des Gefieders, als nach der Lebensart ſo ſehr von den aͤchten Sturmvoͤgeln (Procellaria) unter⸗ ſcheiden, als die Arten, aus welchen jede dieſer einzelnen Gattungen zuſammengeſetzt iſt, ſich in Allem einander aͤhneln. Die Zertheilung | XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. Mevenſturmvogel. 585 der Linneiſchen Gattung Procellaria in 5 verfchiedene war alſo eine nothwendige Sache, welche von den bedeutenden Fortſchritten der Naturwiſſenſchaften in neuerer Zeit ein ruͤhmliches Zeugniß giebt. So ſehr ſie ſich in der Geſtalt, wie eines Theils in der Be— ſchaffenheit des Gefieders, den Meven aͤhneln, ſo wenig iſt dies im Allgemeinen mit der Faͤrbung dieſes der Fall. Zwar kommen haͤufig genug auch Weiß und Aſchgrau vor, aber auch ein rußiges Braun und Schwarz ſind nicht ſelten, und dann bemerken wir bei den Sturmvoͤgeln beſonders eine ganz andere Vertheilung derſelben, die bei Weitem nicht jene Regelmaͤßigkeit zeigt, wie wir ſie durch— greifend in der Mevengattung finden. Die Sturmvoͤgel veraͤndern die Farben und Zeichnungen des Gefieders mit den Jahren, ſo daß ſie meiſtens im Jugendkleide anders als im mittlern und in dieſem anders als im ausgefaͤrbten ausſehen; allein bei vielen Ar— ten, fehlen zur Zeit noch ſichere Beobachtungen über dieſe Umwand— lungen. Maͤnnchen und Weibchen unterſcheiden ſich im Aeuſ— ſern ſehr wenig; letzteres ſoll nicht immer etwas kleiner ſein. Ob ſie ſich jaͤhrlich nur ein Mal mauſern oder, wie Meven, einer Dop— pelmauſer unterworfen ſind, iſt ebenfalls nicht entſchieden. Wenn die Letztere eine Farbenveraͤnderung bewirkte, wuͤrde ſie gewiß von Faber u. a. entdeckt worden ſein; ſie ſcheint uns alſo nur in dem entgegengeſetzten Falle moͤglich, doch nicht wahrſcheinlich. Sie ſind aͤchte Meervoͤgel, bewohnen die weiten Meere aller Zonen, am meiſten die der kalten, und zwar an beiden Polen; kom— men hoͤchſt felten und nur zufällig an die Kuͤſten des Feſtlandes, nie auf daſſelbe, blos die kurze Zeit ausgenommen, wo ſie auf In— ſeln und Klippen, vom Meer umgeben, ihren Fortpflanzungsgeſchaͤf— ten obliegen. Sie ſtehen mehr auf der Laufſohle als auf den Ze— henſohlen oder der Spur, gehen auch ſo, ſchwerfaͤllig und halb krie— chend, daher ſelten und ungern; fliegen dagegen faſt beſtaͤndig und unausgeſetzt Tage lang, ohne zu ermuͤden, werden ſo in den groͤß— ten Entfernungen von allem Lande auf dem unabſehbaren Ocean, zu allen Zeiten, auch im hoͤchſten Aufruhr der Elemente und bei den wuͤthendſten Stuͤrmen, uͤber dem wogenden Meer angetroffen, immer fliegend und ohne ſonderliche Anſtrengung dem Winde die Spitze bietend. Kaum moͤchte man ihrem aͤußerſt leichten, ſanften, meiſt ſchwebenden Fluge dieſe Kraft, dieſe gewaltige Ausdauer zu: trauen; und doch widerſtehen dieſe gewandten Flieger nicht bloß den Stuͤrmen, ſondern ſcheinen ſie ſogar zu wuͤnſchen und zu lieben, zeigen ſich dann gerade am froͤhlichſten oder am thaͤtigſten, werden 586 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. Mevenſturmvogel. dagegen bei ſchoͤnem Wetter oder Windſtille nirgends geſehen, weil ſie dann wahrſcheinlich andere Gegenden, wo es weniger ruhig iſt, aufſuchen, ſobald es aber in der erſten wieder zu ſtuͤrmen anfaͤngt auch gleich wiederkehren. Nicht bei gutem Wetter und vor dem Sturm, ſondern erſt waͤhrend deſſelben kommen ſie in die Naͤhe der den Ocean durchſegelnden Schiffe, umſchweben und begleiten ſie weite Strecken und ſind den Schiffenden verhaßt, weil dieſe ſie fuͤr Un— gluͤckspropheten halten. Des Fliegens uͤberdruͤſſig ruhen fie ſchwim— mend auf der Waſſerflaͤche, ſchlafen gewiß auch ſo, und ſind uͤber— haupt keine ſchlechten Schwimmer; allein man hat es von vielen Arten nur aͤußerſt ſelten geſehen. Sie fliegen nie hoch, ſondern meiſtens ſo niedrig und dicht uͤber den Wogen, den Windungen, veraͤnderlichen Bergen und Thaͤlern dieſer folgend, daß man uͤber ihre Geſchicklichkeit, mit welcher ſie dem Uiberſchlagen der Wellen ausweichen, ohne jemals von einer uͤberſchuͤttet zu werden, erſtaunen muß. — Sie ſind Tagvoͤgel, doch öfters in der Dämmerung noch thaͤtig, und mögen auch wol die hellen nordiſchen Naͤchte nicht immer ganz in Unthaͤtigkeit verſchla— fen. — Sie fuͤrchten den Menſchen wenig, ſind daher leicht zu ſchie— ßen, laſſen ſich, wo fie volle Tafel haben, zuweilen ſogar mit Knit— teln erſchlagen und beim Bruͤten oder Futtern der Jungen mit der Hand fangen, wobei ſie dem Angreifer mit einer Seitenbewegung des Kopfes und Halſes einen Doppelſtrahl gelben Thrans aus den Seiten des Schnabels entgegen ſpritzen, eine fettige Fluͤſſigkeit, die nicht bloß Fiſchfett, ſondern meiſtens eine durch die Waͤrme und den Magenſaft ſchnell bewirkte Aufloͤſung von genoſſenen Weich- und Schleimthieren ſein mag. — Sie ſind ſehr geſellig, oft zu vielen Tauſenden beiſammen, ſowol der eigenen als andern Arten der Gat— tung, auch mit Meven, Albatroßen u. a., theilen auf gleiche Weiſe mit ihnen die Niſt- wie die Futterplaͤtze. Sie haben eine rauhe Stimme, ſchreien aber weniger als Meven. Es ſind ſehr gefraͤßige Vögel, gierig und faſt unerfättlich, daher ſtets ſehr fett, dies ſogar die Jungen im Neſte. Sie naͤhren ſich von ſchwimmenden Aeſern, beſonders der großen Seethiere, die oft von Tauſenden dieſer Voͤgel bedeckt werden, von todten und leben— den Fiſchen, von Mollusken, Quallen und anderem Seegewuͤrm. Als ſchlechte Stoßtaucher fangen ſie nur ſolche Geſchoͤpfe, welche oben oder nur ganz flach ſchwimmen, dies oft auch im Schwimmen, manche Arten meiſtens auf dieſe Weiſe. In Nothfaͤllen verſchlingen ſie auch Vegetabilien. — Sie niſten ſtets nahe am Meer, oft auf — — XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. Mevenſturmvogel. 587 einzelnen hohen Felſen und Klippen von Brandungen umrauſcht; bauen kein Neſt, legen das einzige, ſehr große, dickovale, rauhſcha— lige, ungefleckte, weiße Ei auf den bloßen Boden, auf Felſen, Erde oder Sand. Beide Gatten bruͤten abwechſend 5 bis 6 Wochen und haben deshalb einen Bruͤtefleck am Bauche, fuͤttern mitſammen das mit weichem grauem Flaum bedeckte Junge aus der Speiſeroͤhre und dieſes waͤchſt ſehr langſam, kann aber ſchon, wenn es halb er— wachſen, dem nahenden Feinde Thran entgegen ſpritzen. Die Alten lieben ihre Brut ſehr und laſſen ſich bei derſelben todtſchlagen oder mit der Hand fangen. Sobald die Jungen flugbar geworden, wer— den ſie von den Alten aufs Meer gefuͤhrt, wo ſie ſich nach allen Richtungen verbreiten und wie dieſe in andere Meeresgegenden be— geben. Eier und Junge, mitunter auch Alte, obgleich alle ſtark nach Thran riechen, werden zur Speiſe, die in großer Menge vor— handenen Federn zum Ausſtopfen der Betten benutzt. Anatomiſche Bemerkungen uͤber r oe e e i a, von Rudolph Wagner. „Procellaria glacialis, die einzige Art, von welcher ich mehrere Skelete im Meckelſchen Muſeum zu Halle, dann in Frankfurt un— terſuchte, zeigt große Uebereinſtimmung mit Puffinus, nur iſt der Schaͤdel mehr gewoͤlbt, zeigt weniger tiefe Muskelgraͤten, die ſich wahrſcheinlich mit dem Alter ſtaͤrker entwickeln; der Raum uͤber den Augenhoͤhlen iſt breiter, die Eindruͤcke fuͤr die Naſendruͤſen ſind an— ſehnlicher. Das Riechbein iſt ſtaͤrker, dicker und zelliger, die Au: genſcheidewand iſt etwas vollſtaͤndiger, das Bruſtbein iſt noch kuͤrzer und breiter und die Abdominalbuchten ſind noch kleiner; die Wirbelzahl iſt wie bei Puffinus, ebenſo find alle übrigen Skelet— verhaͤltniſſe dieſelben; der Tibialfortſatz iſt blattfoͤrmig, jedoch nicht ſo groß und nicht ſo ſtark nach oben vorſpringend als bei Puffinus.“ 588 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. Mevenſturmvogel. „Die Eingeweide habe ich nicht unterſuchen koͤnnen. Jedoch liegt von dem Darmkanal von Procellaria glacialis eine ſehr ſchoͤne Abbildung in den Erlaͤuterungstafeln von Carus und Otto vor.) Hiernach ſcheint es, daß die Gattung Procellaria mit Puffinus ſehr viele Aehnlichkeit hat und alle Eigenthuͤmlichkeiten der Sturmvoͤgel zeigt, nehmlich einen auſſerordentlich weiten Vormagen, einen ſehr kleinen, abgeſetzten Muskelmagen, ſehr kurzen Dickdarm und kleine Blinddaͤrme. Das daſelbſt abgebildete hoͤckerige Epithalium des Ma⸗ gens von Procellaria glacialis gleicht ganz dem von mir bei Puffinus gefundenen, und auch dort fanden ſich Sepienſchnaͤbel im Magen.“ Man kennt als europaͤiſch und ſehr ſelten an die deutſchen Kuͤſten kommend nur i DR t e) Ich habe, nach dem Vorgange von Nitzſch, vorgezogen, alle Beſchreibungen nach eigenen Beobachtungen zu entwerfen und werde auch dann nur auf fremde Angaben Rück— ſicht nehmen, wo mir jene mangeln und wo dieſe ſo klar und beſtimmt ſind oder, was am zuverläßigſten iſt, von Abbildungen begleitet werden. Leider ſind die Angaben über die Anatomie der Vögel in den größeren Handbüchern vorzüglich deshalb unſicher, und für Zoologie weniger brauchbar, weil nicht ſelten die ſyſtematiſche Beſtimmung der zer— gliederten Arten unzuverläßig oder ungenau iſt. R. W 305. Der Eis⸗Mevenſturmvogel. Procellaria glacialis. Lan. Fig. 1. Altes Männchen im Frühling. Taf. 276. Fig. 2. Weibchen im zweiten Sommer. Fig. 3. Junges im Dunenkleide. Eisſturmvogel; Winterſturmvogel; Fulmar; Fulmarſturmvogel. Mallemucke. Seepferd. Procellaria glacialis. Gmel, Linn. Syst. I. 2. p. 562. n. 3. — Linn. Faun. suec, p. 144. — Lath. Ind. II. p. 823. n. 9. — Retz. Faun. suec. p. 143. n. 102. = Nilss. Orn. suec. II. p. 187. u. 224. — Le Petrel cendre ou Fulmar. Buff, Ois. IX. p. 325, t. 22. — Edit. de Deuxp. XVII. p. 347. t. IX. F.2. — Le Pe- trel de Visle de St. Kilda. Buff. planch, eul, 59. = Petrel Fulmar. Temm, Man. d’Orn. 2de Edit. II. p. 802. = Fulmar-Petrel. Lath. Syn. VI. p. 403. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 353. u. 9. = Fulmar. Penn. brit. Zool. p. 145. t. M. 2. - Arct, Zool. II. p. 534. n. 461. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 495. = Bewick, brit. Birds. II. p. 243. — Martens, Spitzbergen, S. 68. t. N. F. C. — Faber, Prodrom, d. island. Ornith. S. 107. = Derſelbe, Siis, 1824. Hft. VII. S. 786. — Meyer, Zuſätze oder III. z. Wolf und Meyer, Taſchenb. S. 217. = Brehm, Lebrb. II. S. 751. - Deſſen, Naturgeſch. aller Vög. Deutſchlds. S. 799—800, Kenn zei chen der Urt Der vorn ſehr hakenfoͤrmige, ſtarke Schnabel kurz, kaum dop— pelt ſo lang als hoch; der vierzehnfederige Schwanz ſehr zugerun— det; das Gefieder weiß und hellaſchgrau, im Alter bloß der Mantel aſchgrau. Saatkraͤhengroͤße. 590 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. Bech e ih und. Der Fulmar, wie man dieſe Art am haͤufigſten nennt, iſt ein ſo ausgezeichneter Vogel, daß er mit einem andern ſchwerlich ver— wechſelt werden kann. Zwar aͤhnelt er bei einem fluͤchtigen Blick einer Meve nicht wenig; betrachtet man aber den viel kuͤrzern und verhaͤltnißmaͤßig dickern, vorn weit mehr hakenfoͤrmigern Schnabel, mit ſeiner langen Naſenroͤhre, deſſen Verhaͤltniſſe ſich ſelbſt bei an— dern Arten ſeiner Gattung nicht in dem Maaße wiederfinden, naͤher, fo findet ſich der große Unterſchied zwiſchen ihm und einem Meven- ſchnabel augenblicklich; auch hat keine Meve einen ſo ſtark (faſt dem Keilfoͤrmigen nahe) abgerundeten Schwanz. In der Größe iſt er mit einer Saatkraͤhe (Corvus frugile- gus) oder beſſer noch mit der Sturmmeve (Larus canus) zu ver: gleichen, mit welcher auch faſt alle Maaße, bis auf die bei dieſer geringern des Schnabels, ihrer kuͤrzern Zehen und ihres etwas laͤn— gern Fittigs, ziemlich uͤbereintreffen. Seine Laͤnge wechſelt zwiſchen 18 bis 19 Zoll; die Fluͤgellaͤnge zwiſchen 14 bis 14% Zoll; die Flugbreite zwiſchen 45 bis 48 Zoll, die Laͤnge des Schwanzes zwi— ſchen 5½ bis 6 Zoll. Die kleinern Maaße gehören juͤn gern Voͤgeln. Die Weib: chen ſind kaum etwas kleiner als die Maͤnnchen. Eine etwas gedrungene Mevengeftalt, aber die Stirn höher, der Kopf gerundeter. Die Fluͤgel ſind wie Mevenfluͤgel, ſehen aber klei— ner aus, wegen des kuͤrzern, auch ſpitzern Fittigs; was ihnen jedoch hieran an Laͤnge abgeht, erſetzen die laͤngern Armknochen; die erſte Primarſchwingfeder iſt die laͤngſte. Der Schwanz, weder kuͤrzer noch laͤnger als bei Meven, beſteht aus 14 breiten, zugerundeten Federn, von denen das aͤußerſte Paar 1 Zoll, das zweite / Zoll, das dritte ½ Zoll, das vierte ¼ Zoll, die folgenden auch noch etwas kuͤrzer als das mittelſte Paar ſind, wodurch er ein keilfoͤrmig zugerundetes Ende erhaͤlt. Seine obern Deckfedern laſſen nur bis 1½ Zoll davon un— bedeckt, aber die untern reichen bis an das Ende hinaus, weshalb der Schwanz kuͤrzer ausſieht als er wirklich iſt. Das kleine Gefie— der iſt auſſerordentlich dicht, weich und elaſtiſch, in der Textur mehr dem Gaͤnſe⸗ als dem Mevengefieder aͤhnlich, an den untern Theilen ungemein dicht und pelzartig, auf dem Mantel und dem Buͤrzel mit deutlichen Conturen, uͤbrigens faſt allenthalben zerfchliffen. Der Schnabel iſt ſehr merkwuͤrdig gebauet, kurz, ſtark, dick, der Firſte nach bis in die Mitte gerade, dann in einen ſehr aufgeſchwun⸗ —̃ — XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 591 genen, beinahe einen richtigen Halbzirkel beſchreibenden Haken endi: gend, deſſen Spitze die des Unterſchnabels etwas uͤberragt und ſehr ſcharf iſt, waͤhrend ihm an dieſen ein entſprechender rhomboidaler u Anſatz entgegenfteht, welcher an dem hintern Theil, mit einer win: keligen Furche geſchieden, wie beſonders eingeſchoben ausſieht und unten als ſtumpfwinkeliges Eck ziemlich vorſteht, bis wohin der Kiel von der Wurzel an ganz gerade iſt und auch deſſen Spalte reicht. Auch der Haken am Oberſchnabel ſieht wie beſonders angeſetzt aus, ſeine Grenze iſt aber nicht ſcharf gezogen, die ganze Flaͤche deſſelben aber glatt; dagegen hat der Unterſchnabel an der Seite gerade in der Mitte, eine tiefe Laͤngefurche von der Wurzel bis an jenen Rhombus. Er iſt an der Wurzel faſt walzig, an der hintern Haͤlfte uͤber der Schneide ſogar noch wulſtig aufgetrieben, was ihn noch breiter macht, erſt am Haken bedeutend ſchmaͤler und an der Spitze ſehr zuſammengedruͤckt. Am Haken ſind die harten und ſehr ſchar— fen Schneiden ſeiner Firſte entſprechend gebogen, am uͤbrigen Theil in einer ſehr flach herab- und wieder hinaufgeſchwungenen Linie und dann nach dem Mundwinkel wieder in einem ſehr ſtumpfen Winkel herabgezogen, ſo daß ſich der ſehr weite Rachen tief abwaͤrts ſpal— tet. — Die Zunge iſt groß, breit, lanzettfoͤrmig, mit abgeſtumpfter Spitze, nur hinten fleiſchig, vorn duͤnn, an der Spitze und an den Kanten pergamentartig. Je aͤlter der Vogel, deſto auffallender ſind alle jene ungewoͤhn— liche Schwingungen, Eindruͤcke und Fugen, und der Schnabel iſt um Vieles groͤßer und ſtaͤrker als bei juͤngern Individuen, was ſehr an die Schnaͤbel der Gattungen Alca und Mormon erinnert. Auf der ſehr breiten Schnabelfirſte liegt die Naſenroͤhre wie ein rundes Zeltdach der Laͤnge nach; von der Wurzel bis an den Anfang des Hakens reichend und mit dem Schnabel verwachſen; inwendig theilt ſie eine ſenkrechte Scheidewand laͤngs ihrer Mitte in zwei Haͤlften, ſo daß ihre Oeffnung vorn, wo die Roͤhre ſenk— recht abgeſchnitten, doppelt iſt und man in die zwei ovalen Naſen— loͤcher hineinſieht, doch reicht bei machen Exemplaren die Scheide— wand nicht ganz vor und die Oeffnung ſcheint bei einem fluͤchtigen Blick nur einfach, was ſie jedoch nie iſt. Die Laͤnge des Schnabels von der Stirn bis auf die Firſte der Hakenſpitze iſt 1 Zoll 6 bis 8 Linienz vom Mundwinkel bis vor 2 Zoll 2 bis 5 Linien; ſeine Hoͤhe an der Wurzel, die Na— ſenroͤhre mit eingeſchloſſen, 9 bis 11 Linien; feine Breite hier 8 bis 9½ Linien; die Laͤnge der Naſenroͤhre 6 bis 7 Linien. Die 592 XIII. Ordn. LXXXI Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. kleinern Maaße ſind von juͤngern, die groͤßten von ganz alten Voͤgeln, doch herrſcht auch unter dieſen ein oft ſehr auffallender in⸗ dividueller Unterſchied in der Größe, Länge und Staͤrke des Schna— bels.) — Die Farbe des Schnabels iſt meiſtens gelb, aber ver: ſchieden, an dem vorderſten, als zugleich dem haͤrteſten Theil am ſchoͤnſten, an dem hintern des Unterſchnabels, mit den grauen Fur— chen, am bleichſten; die Naſenroͤhre dunkler oder heller Schieferblau, dies an den Seiten ſchraͤg geſtrichelt in das Gelbe des Oberſchna— bels uͤbergehend; der innere Schnabel und Rachen blaßgelb. Bei juͤngern Voͤgeln iſt er weniger ſchoͤn, bei Alten praͤchtig gelb, ins Orangegelb uͤbergehend, beſonders am Haken. Wegen ſeiner Haͤrte iſt die Farbe ſehr dauerhaft, daher ſelbſt am ganz ausge— trockneten Balge der Schnabel noch ſchoͤn gelb und wenig ſchlechter geworden. Das Auge hat einen dunkelbraunen, im hohen Alter ſchwe⸗ felgelben Stern und ein ſchmales nacktes Augenlidraͤndchen von ſchwaͤrzlicher Faͤrbung. Die Fuͤße ſind mittelmaͤßig; die Laͤufe eben nicht hoch, ſehr zuſammengedruͤckt; die Vorderzehen lang, ſchlank, durch volle Schwimmhaͤute verbunden; die Hinterzeh eine kleine bewegliche Warze, mit ziemlich kegelfoͤrmiger ſpitzer Kralle. Der Uiberzug iſt auf dem Spann mit einer Reihe etwas großer, auf den Zehenruͤk— ken ſchmaler, uͤbrigens mit kleinen, zum Theil ſehr feinen, meiſt ſechseckigen Schildern beſetzt, an den Schwimmhaͤuten aͤußerſt zart gegittert. Die Krallen der Vorderzehen ſind laͤnglich, ſchwach ge— bogen, ſchmal, ſehr ſpitz, unten ausgehoͤhlt, daher ſcharfrandig, die Innenſchneide an der der Mittelzeh ſehr vorſtehend. Die Nackt— heit uͤber der Ferſe mißt nur ½ Zoll; der Lauf 2 Zoll 1 bis 2 Linien; die Mittelzeh ohne Kralle eben ſo lang, mit der 5 bis ge— gen 7 Linien langen Kralle aber 2 Zoll 8 bis 10 Linien, die Hin- terzeh mit der 2 Linien langen Kralle 3 bis 3½ Linien lang. Die Faͤrbung der Fuͤße iſt eine blaßfleiſchfarbige, bei Alten mit ſchwefelgelbem Anfluge, beſonders an den Gelenken und Schwimm— ©) Ich ſahe einft ein Paar alter Vögel von den Kurilen, deren Schnäbel auffal⸗ lend klein waren und mich geneigt machten, fie für einer andern Art angehörig zu Hals ten; allein ſpäter erhielt ich eine ſehr bedeutende Sendung, junger und alter Vögel uns ſrer Art, aus den grönländiſchen Meeren, und ſahe viele von ebendaher in andern Sammlungen; worunter ſich mehrere mit ſo kleinen Schnäbeln und überhaupt ſo viele Verſchiedenheiten in den Schnabelformen fanden, daß jene Vorſtellung von Artverſchieden⸗ heit bald ſchwinden mußte. — — 4 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 593 haͤuten, bei Juͤngern weniger gelblich und an den Seiten der Laͤufe oft etwas bleifarbig angelaufen; die der Krallen roͤthlich grau, an den Spitzen ſchwaͤrzlich. Beim Austrocknen wird jene blaß horn: gelblich. Das Dunenkleid beſteht in einem langen, ſehr dichten, wei— chen Flaum, wovon gewoͤhnlich nur die Kehle frei iſt, von Farbe hellbraͤunlichgrau, an der Bruſt am lichteſten, oft hier rein weiß, zuweilen auch der ganze Flaum weiß, bald rein, bald an den obern Theilen grau uͤberflogen. Die Itis iſt hellgrau; die ſehr weichen Fuͤße ſind anfaͤnglich bleifarbig, die Schwimmhaͤute weißlich, die Krallen roͤthlichweiß; der Schnabel blaß roͤthlichgrau, an der Spitze weiß, ſpaͤter dieſe gelblich, das Uibrige ſchwarzgrau, beſonders die Naſenroͤhre. — An den Fluͤgeln tritt das ordentliche Gefieder zuerſt hervor, dann am Schwanze u. ſ. w., endlich, nach Faber, zuletzt am Unterleibe. Im Jugendkleide hat dieſe Art einen ſchmutzigblaßgelben, nur am Haken etwas ſchoͤner gelben, an und unter der Naſenroͤhre dunkelblei— farbigen, noch merklich ſchwaͤchern Schnabel, meiſt roͤthlichweiße Fuͤße und dunkelbraune Augenſterne. Vor dem Auge ſteht ein dunkles Fleckchen, aus ſchwarzen Borſten gebildet; der Kopf oben und an den Seiten, der Hinterhals, die Kropfſeiten, und außer der weißen Kehle und Gurgel, der ganze Unterkoͤrper, wie auch der Buͤrzel licht aſch— grau, an den Bruſtſeiten etwas dunkler gewoͤlkt; der ganze Mantel afchfarbig, mit weißen Endkaͤntchen der Federn und an den groͤßern neben jenen mit einem braͤunlichen Mondfleck, doch undeutlich, auch mit ſchwaͤrzlichen Federſchaͤften; die großen Schwingfedern von außen ſchwarzgrau, nach innen aſchgrau, mit weißen Endkaͤntchen und hellbraunen Schaͤften, die auf der hellgrauen Unterſeite des Fluͤ— gels weiß ſind; der Schwanz hell aſchgrau, hinter dem weißen Endkaͤntchen dunkler aſchgrau, unten wie oben, aber viel lichter und weißlicher. Das dieſem folgende Zwiſchenkleid, in welchem der Vogel im zweiten Lebensjahre erſcheint, ſieht dem jugendlichen Ge— wande ſehr aͤhnlich, aber das Aſchgrau iſt reiner, lichter, uͤberhaupt, den Mantel ausgenommen, mehr Weiß eingemiſcht. Der etwas ſtaͤrkere Schnabel iſt ſchon ſchoͤner gelb gefärbt, die Fußfarbe fpielt ebenfalls ſchon etwas ins Gelbliche und das Auge hat eine braune Iris. Oberkopf, Nacken, Kopfſeiten, der ganze Mantel, bis auf den etwas lichtern Buͤrzel und Oberſchwanzdecke, hellaſchgrau; vor dem Auge ſteht ein ſchwarzborſtiges Mondfleckchen; die Wangen weiß 10r Tyeil. 38 594 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis: Mevenfturmi. und lichtaſchgrau gemiſcht, ſo auch der ganze Vorderhals und Un— terkoͤrper bis an den Schwanz, die Kehle und Aftergegend am wei— ßeſten, die Bruſtſeiten dagegen am meiſten grau, oder aſchfarbig ges woͤlkt. Am friſchen Gefieder ſind alle Mantelfedern (die uͤberhaupt etwas dunkler ſind) mit weißen Endſaͤumen eingefaßt, die am nach und nach abgetragenen verſchwinden. Die hinterſten Schwingfedern ind wie die großen Deckfedern, die übrigen zweiter Ordnung auf der äußern Fahne tief- auf der innern lichtafchgrau, mit weißen End— ſaͤumchen; die Primarſchwingfedern nach auſſen und an den Enden ſchwarzgrau, nach innen lichter, alle mit weißen Endkaͤntchen und lichtbraunen Schaͤften; dieſe Federn auf der untern Seite hellgrau, an der Wurzel und auf der innern Kante weiß, ſo auch auf der vorderſten Feder ein ſchmaler Streif laͤngs dem ebenfalls weißen Schafte; die Unterfluͤgeldeckfedern hell und dunkel aſchgrau. Der hellaſchgraue Schwanz iſt an der Spitze dunkler mit grauweißen Endſaͤumen, auf ſeiner untern Seite ebenſo, aber viel heller, faſt weiß. Das Gefieder in ſeiner ſanften Faͤrbung hat keinen Glanz, ſieht auch nicht ſo zart aus wie das von Meven, wie denn auch das Aſchgrau nur eine reine Aſchenfarbe und dem mehr ins Blauliche ziehenden jener nicht zu vergleichen iſt. Maͤnnchen und Weib— chen unterſcheiden ſich in der Farbe nicht, auch iſt letzteres wol oͤfters, doch nicht immer etwas kleiner; man kann jedoch, wo man viele mit einander zum Vergleichen hat, die Maͤnnchen auch ziem— lich ſicher an der friſchern oder reinern Faͤrbung erkennen. Das ausgefaͤrbte Gewand des Vogels, worin er in ſeinem dritten Lebensjahre erſcheint, iſt noch einfacher als jenes, der Schnabel aber nun viel ſtaͤrker, an ſeinem großen Haken und dem Spitzentheil des Unterſchnabels ſehr ſchoͤn hochgelb, ins Orangefar— bene ſpielend, der uͤbrige Theil, welchen die dunkele Laͤngenfurche an der Seite in zwei gleiche Haͤlften zu theilen ſcheint, blaßgelb, der hintere Theil des Oberſchnabels nur der Schneide entlang hochgelb, nach oben blaſſer, hier vom Schieferſchwarz der Naſenroͤhre in nach vorn ſchraͤge Zaͤckchen begrenzt, zwiſchen welchen ſich meiſtens etwas Hellblau zeigt; die Iris gelbbraun; die Fuͤße fleiſchfarbig, ins Gelb— liche ſpielend, Gelenk und Schwimmhaͤute faſt ſchwefelgelb. Vor dem Auge ſteht ein kleines dunkles Mondfleckchen, aus ſchwarzen, borſtenaͤhnlichen Federchen gebildet; Kopf, Hals, Bruſt, Bauch und Unterſchwanzdeckfedern rein weiß, bloß an den groͤßern Tragfedern, uͤber den weißen Schenkeln, etwas aſchgrau angeflogen; der ganze — - XII. Orb n. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 595 Mantel rein hellaſchgrau, am friſchen Gefieder mit klaren weißlichen Endkaͤntchen, am abgetragenen ohne dieſe; der Unterruͤcken aſchgrau, der Buͤrzel etwas lichter, die Oberſchwanzdeckfedern noch heller und dieſe mit weißen Endkanten; die erſte und zweite Ordnung Schwing— federn wie im vorigen Kleide, aber dunkler, jene von auſſen matt— ſchwarz; auf der untern Seite ganz wie dort, allein die Deckfedern hier weiß, nur an der vordern Fluͤgelkante dunkel aſchgrau gefleckt; der Schwanz ſehr blaß aſchgrau, am Ende und an den Auſſenkan— ten faſt ganz weiß. Im hohen Alter iſt der Schnabel ganz ausgebildet, ſehr ſtark, noch praͤchtiger gefärbt als eben beſchrieben, die Iris fch.vefelgelb, auch die Fuͤße mehr gelb als fleiſchfarbig, das weiße Gefieder noch reiner weiß, der Schwanz, bis auf einen ſchwachen Anflug von blaſſem Aſchgrau, auch faſt ganz weiß und das Aſchgrau des Man— tels ſehr zart ins Blauliche ziehend, doch auch noch kein aͤchtes Me: venblau. Das Maͤnnchen iſt meiſtens ein Wenig groͤßer, ſeine Faͤrbung aber kaun ſchoͤner und reiner als beim Weibchen, daher ohne Huͤlfe des Meſſers ſchwer zu unterſcheiden, zumal individuelle Ab— weichungen in der Groͤße bei beiden Geſchlechtern oft genug vor— kommen. Eine beſondere Wintertracht hat dieſe Art nicht, alſo auch keine Doppelmauſer. Faber erhielt mehrere, welche bei Sturm mit zerbrochenen Fluͤgeln todt an das Land trieben, mitten im Win: ter, fand aber an ihnen keine Spur eines Federwechſels. Daß ſich im Herbſt und Winter erhaltene Exemplare an den weißen End— kaͤntchen der Mantelfedern von denen im Spaͤtſommer erhaltenen, an welchen ſich dieſe abgerieben haben, wobei auch das uͤbrige Ge— fieder abgeſchabter und unreiner ausſieht, ziemlich unterſcheiden, wurde oben ſchon erwaͤhnt und zeugt ebenfalls ſehr fuͤr eine einfache Mauſer, indeſſen die Zeit wann ſie Statt findet auch noch unbe— kannt iſt. U e ee e Die Heimath des Eisſturmvogels oder Fulmars ſind die kalten Regionen beider Pole, ſo hoch hinauf als Menſchen gegen dieſe vor— drangen auf den Meeren von Europa vom Nordpol, d. h. von 50 Grad n. Br. bis zu den Hebriden oder, doch nur an einer Stelle, bis zwiſchen den 58. und 57. Gr. herab, übrigens bei S3: 38 596 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. land nur auf 63. Gr., an den Kuͤſten von Scandinavien nicht einmal ſo weit herab, oder doch nur zufaͤllig bis in die Meeresge— genden der Suͤdſpitze Norwegens gegenuͤber. In Amerika wird er einerſeits von den ewigen Eisfeldern im obern Baffinsmeere an bis in den atlantifchen Ocean und den Gegenden der mittlern Ver: einsſtaaten, andrerſeits vom noͤrdlichen Eismeer und der Beh— ringsſtraße bis zu den Aleuten und Kurilen herab, uͤberall an— getroffen. Von hier aus dehnt ſich ſein Aufenthalt auf dem Eis— meer weiter laͤngs der ganzen Nordkuͤſte von Aſien hin bis wieder nach Spitzbergen aus; mithin bewohnt er rundum alle den Nord— pol umgebende Meere, ſo weit ihn nicht feſte Eismaſſen eine Grenze ſtecken. Am Suͤdpol iſt es vermuthlich auch fo; man hat ihn dort überall, wo man bis zu den ewigen Eisfeldern vordrang, angetrof— fen und ſeine Streifzuͤge gehen von dort herauf bis in die Naͤhe der Suͤdſpitze von Afrika und ebenſo bis an die Suͤdkuͤſte der gro: fern Inſeln Auſtraliens. Jene Regionen des Suͤdpols theilt er mit vielen andern Arten feiner Gattung, auf dem eu ropaͤiſchen Eismeer iſt er dagegen die einzige. Es iſt nicht noͤthig, alle Kuͤſten und Inſeln zu nennen, an welchen ſich dieſe ſo ſehr weit verbreitete Art gelegentlich zeigt, zu— mal ihr wahrer Aufenthalt meiſtens bloß weite Meeresgegenden in jenen Breiten ſind und nur in der Fortpflanzungszeit einzelne Punkte am Lande von ihr aufgeſucht werden, um hier bloß dieſe kurze Zeit zu verweilen und in großen Schwaͤrmen beiſammen zu niſten, in welchem Betracht wir von uns aus als den ſuͤdlichſten ihrer euro— paͤiſchen Bruͤteplaͤtze die Inſel St. Kilda nennen koͤnnen, weiter hinauf die Inſelgruppe Weſtmannoͤe (füdlih) und Grimsoͤe (noͤrdlich) dicht bei Island, die Inſel Mayen und Spitzber— gen erwaͤhnen muͤſſen, von den amerikaniſchen aber Weſt— Groͤnland, die Inſel Disko und einige Kuͤſten der Hudſons— bai mit Labrador als ſolche bezeichnen. Aus dieſen hohen Brei— ten koͤmmt er nach jener Zeit wol haͤufig viel tiefer herab, doch nur zufaͤllig bis auf die Nordſee, auf welcher er wol dann und wann bei Schiffen geſehen wurde; allein nur außerordentliche Ereigniſſe, namentlich wenn fortwaͤhrend heftige Nord- und Nordweſt-Stuͤrme wuͤtheten, koͤnnen Vereinzelte bis auf die deutſche Nordſee ver— ſchlagen, ſo daß man hin und wieder einen bei Helgoland oder auch vor der Muͤndung der Elbe als eine ſeltne Erſcheinung be— merkt hat; nach ſolchen fuͤrchterlichen Empoͤrungen der Elemente trieb dann auch wol hin und wieder ein ſolcher Vogel todt an die XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 597 Kuͤſte von England, Holland und Deutſchland. Im In: nern von Deutſchland ſahe man ihn jedoch niemals. Auch dieſer Mevenſturmvogel ſcheint nicht regelmaͤßig zu wan— dern, ſondern als Strichvogel die Gegenden ſeines Aufenthalts nur zu wechſeln, weniger um der Kaͤlte, die er in hohem Grade zu ertragen vermag, zu entfliehen, als vielmehr einem gelegentlichen Nahrungsmangel auszuweichen. Man traf ihn zwar noch in Menge beim Treibeiſe und auf freiern Stellen ſelbſt zwiſchen demſelben an, doch weicht wol die Mehrzahl beim Amüden des Winters ſuͤdlicher aus, da man namentlich in den rauhen Jahreszeiten ihn viel zahl— reicher in ſuͤdlichern Gegenden des Oceans, zum Theil ſelbſt 20 bis 30 Grad dem Aequator näher als feine Sommerwohnſitze liegen, uͤberall zerſtreuet antrifft. Gleich den Schwalbenſturmvoͤgeln und mehr als Meven und Raubmeven, gehoͤren die Mevenſturmvoͤgel und ſo auch unſer ſoge— nannter Fulmar nur dem Meere an. Alles Land fliehend iſt allein der unabſehbare Ocean ſein Reich, weshalb er nur von Schiffenden daſelbſt bemerkt werden kann und dies auch oft genug wird, weil er gern den durch den Ocean ſegelnden Schiffen ſich naͤhert und ſie auch wol eine kurze Zeit begleitet. Bloß der Fortpflanzungstrieb bringt ihn fuͤr kurze Zeit an's Land, dem er waͤhrend der uͤbrigen Zeiten des Jahres fremd bleibt, und dieſen kurzen Aufenthalt am Lande gewaͤhren ihm auch bloß hohe Inſeln, Klippen und ſchroffe Vorſpruͤnge hoher Geſtade, immer dicht am Meer oder von ihm umflutet. Sobald ſeine Jungen erwachſen ſind, ſucht er mit ihnen wieder das weite Meer. Zu allen andern Zeiten ſieht man ihn nicht einmal in der Naͤhe des Landes, es ſei denn ein Einzelner, welcher nach Stuͤrmen, von zu langem Kampf mit den Elementen ermattet, dahin verſchlagen wurde. Selbſt der Entkraͤftete ſucht aus eignem Triebe nie Schutz auf dem Lande, weil er fuͤrchten muß, hier um ſo fruͤher zu Grunde zu gehen. Es iſt daher auch nie vorgekom— men, daß jemals einer ſich ſo weit landeinwaͤrts verflogen haͤtte, wie es mehrfach bei Schwalbenſturmvoͤgeln vorkam. Daß es bei dieſen freiwillig auch nicht geſchieht, iſt bekannt, aber dieſe koͤnnen auch auf bewegtem Meer weder ſchwimmend ausruhen, noch im Schwimmen ſich naͤhren, alſo auch, wenn ihre Kraͤfte erlahmen, neue nicht ſam— meln; alles dieſes vermag aber unſer Fulmar, weshalb er auch lie— ber auf dem Meere bleibt, das Aeußerſte abwartet und lieber auf demſelben endet als am Lande, welches vollkommen auch dadurch 598 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis-Mevenſturmv. erwieſen wird, daß man Ermattete oder Todte von gegenwaͤrtiger Art alle Mal nur auf dem Waſſer fand oder erſt wenn ſie todt an's Land getrieben waren. Gi gen ch a f teen Der Eis⸗Mevenſturmvogel iſt weniger im Sitzen als im Flie— gen einer Meve aͤhnlich, beſonders der Elfenbeinmeve. Da er ſich nicht lange auf ſteifen Ferſen und ſenkrechten Laͤufen zu halten vermag, fo kauert er gewöhnlich nur, die Laufſohle auf den Boden geſtuͤtzt, wenn er am Lande tft oder auf treibenden Eisſchollen ſitzt. Durch dieſes und die etwas dickere Geſtalt unterſcheidet er ſich ſchon in der Ferne von den Meven, die ſelbſt, wenn ſie ſich auf die Bruſt niedergelegt haben, ein gefaͤlligeres Ausſehen haben. Er geht ſehr ſchlecht, ſchwerfaͤllig und ungern, hauptſaͤchlich des— wegen, weil er den Fuß in der Ferſe ſtark oder in einen bedeuten: den Winkel biegt, ſo daß der Lauf nicht ſenkrecht, ſondern ſchraͤg nach vorn (in einem Winkel etwa von 45 Gr.) fortbewegt wird, wobei ſich alſo der gemeinſchaftliche Zehenballen wenig biegt, aber der ſpitze Nagel, welcher die Stelle der Hinterzeh vertritt, den Bo— den beruͤhrt und ſich gegen ihn ſtemmt. Nicht ſelten, wie gewoͤhn— lich wenn er nur einige Fuß weit will, geht er ganz auf der Lauf— ſohle und dann iſt der Gang einem Kriechen gleich. Er ſchwimmt dagegen ſehr gut, obgleich er eben nicht raſch fortrudern kann, ſchwimmt ſogar oft und anhaltend, weil er ſich auch ſo zu naͤhren verſteht, uͤbrigens auch, die meiſte Zeit des Jahres auf offnem Meere lebend, auf keine andere Weiſe ſich ausruhen kann. Man ſieht da— her zuweilen ganze Heerden nebeneinander ſchwimmen, wenn ſie, vom Sturm lange genug herumgepeitſcht, das Fliegen ſatt hatten. Er taucht auch, aber nicht leicht ohne Noth, am wenigſten mit zer— brochenen Fluͤgeln; woher es kommt, daß die meiſten bloß fluͤgel— lahm Geſchoſſenen es nicht, ſondern ihre Rettung bloß ſchwimmend und flatternd verſuchen, ſo ſchnell, daß ſie dann mit einem Boote kaum eingeholt werden koͤnnen. Sein Flug wird als einer der zierlichſten und leichteſten geſchil— dert, geht aber nie ſehr hoch, ſondern nur ganz niedrig uͤber der Waſſerflaͤche hin, dem veraͤnderlichen Fallen und Steigen der Wel— len folgend, ohne von einer erreicht zu werden. In dieſer Art zu fliegen aͤhnelt er, auſſer den Schwalben- und den Taucherſturmvoͤ⸗ XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 599 geln, die auf gleiche Weiſe fliegen, keiner andern Gattung und iſt daran namentlich von Meven ſogleich zu unterſcheiden. Er ſpannt im Fluge die Fluͤgel weit aus, bewegt ſie ſanft und in faſt unmerk— lichen Schlaͤgen, ſo daß er meiſtens ſchwebt und dabei doch auf— und abſteigt, ſich ſchnell wendet, in einem kurzen Bogen gegen die Waſſerflaͤche nieder und wieder in die Hoͤhe ſchießt, auch wol auf einem Flecke ſtill ſteht, oder horizontal einen Bogen beſchreibt, alles aber mehr durch Wanken des ganzen Koͤrpers und Drehen des Schwanzes, bei ſtillgehaltenen Flügeln, wie wir es von unſern Thurmſchwalben (Cypselus apus) fo oft ſehen, als durch Flat: tern u. ſ. w. bewirkt. Bewundrungswuͤrdig iſt die große Leichtig— keit, mit welcher er gegen den heftigſten Sturm ankaͤmpft, dem er ſtets die Spitze bietet, und dabei keineswegs andere oder kraͤftigere Bewegungen der Flugwerkzeuge zeigt, und dann ſeine außerordent— liche Ausdauer. Selbſt waͤhrend der heftigſten Orcane ſahe man dieſe Voͤgel noch wohlgemuth in gewoͤhnlicher Weiſe uͤber den Wo— gen dahinſchweben ohne ſich dabei beſonders anzuſtrengen. Daß je— doch, wenn ein ſolcher Aufruhr der Elemente zu lange anhielt und die Kraͤfte jener zu ſehr in Anſpruch nahm, es vorkommen kann, daß einer oder der andere es verſehen mag, einer Wogenſpitze zu nahe zu kommen, die ihn herabſchleudert, und wenn ſich dies mehr— mals an ihm wiederholt, daß ihm dabei wol gar ein Fluͤgel zerbro— chen werden kann, beweiſen die, welche nach ſolchem Wetter hin und wieder todt an's Ufer trieben. Man muß erſtaunen, nicht ſowol daß dies ſelten genug vorkoͤmmt, ſondern daß dieſe Sturmvoͤgel den Stuͤrmen auf hoher See überhaupt viel länger Widerſtand leiſten als alle andere Seevögel, die in ſolchen Zeiten Schutz in der Nähe des Landes ſuchen, was jene nie thun, fo daß ein dahin verfchlage: ner Einzelner zu den ſeltenſten Erſcheinungen gehoͤrt. Sagt doch Faber, daß ſie bei Island, wo ſie an mehrern Stellen in uner— meßlicher Anzahl bruͤten, dennoch an andern Stellen der Kuͤſte, in— nerhalb der Bruͤtezeit, ſogar ſehr ſelten geſehen werden; man muß ſehr weit aufs Meer hinaus, wenn man mehrere oder viele ſehen will, weil ſie vom Bruͤteplatze aus ihren Flug nur dorthin nehmen, aber nie an den Kuͤſten herumſchwaͤrmen. Er hat die Gewohnheit, in die Naͤhe der den Ocean durchſe— gelnden Schiffe zu kommen, ſie zu umſchweben und ein Stuͤck zu begleiten, doch nicht ſo anhaltend wie es Schwalbenſturmvoͤgel zu thun pflegen, auch nicht um auf ſolche Art zu Nahrungsmitteln zu gelangen oder Schutz hinter den Schiffen zu ſuchen. Dieſe Gewohn— 600 XIII. Orbn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. heit macht daß er von Seefahrenden öfter bemerkt wird als es ohne ſie geſchehen wuͤrde. Er iſt bei ihnen ebenfalls als Ungluͤcksprophet verrufen; zeigt er ſich jedoch bei Windſtille in der Naͤhe der Schiffe, ſo ſoll es baldiges Aendern des Wetters, wenn auch gerade nicht Sturm bedeuten. Der Aberglaube hat ihm auch noch manches Un— ſinnige angedichtet, weshalb manche Seeleute ihn mit Scheu be— trachten und ihn zu toͤdten nicht erlauben wollen. — Daß er ſich vor dem Menſchen wenig fuͤrchtet, iſt kein Wunder, weil er zu ſel— ten in ſeine Naͤhe koͤmmt und ihn zu wenig kennt. Man kann ihn ſogar einfaͤltig nennen, da er bei ſeiner Brut ſich mit der Hand fangen laͤßt und auf todten Walfiſchen mit einem Stocke ſo viele erſchlagen werden koͤnnen als man wuͤnſcht. Er iſt überhaupt, fo lange er nicht in der Luft ſchwebt, ein phlegmatiſcher Vogel, dage— gen fliegend ein ganz anderes Geſchoͤpf, obwol auch hier nicht ohne einen Anſtrich von Gemaͤchlichkeit und innerer Ruhe. Gefellig ift er in hohem Grade, jedoch meiſtens nur gegen ſei— nes Gleichen; immer ſind ihrer eine kleinere oder groͤßere Anzahl beiſammen, weshalb ein einzeln Geſehener für einen Verirrten ge- halten werden darf. Große Schwaͤrme halten oft ein gemeinſchaft— liches Mahl und auf den Bruͤteplaͤtzen find meiſtens viele Tauſende beiſammen. Bei beiden Gelegenheiten ſchließen ſie ſich auch anderm Seegefluͤgel an, doch gewoͤhnlich nur zufaͤllig und ohne eine beſon— dere Zuneigung gegen eine oder die andere Art zu zeigen. Er iſt friedliebend und fuͤgt ſich in Geduld in die Anmaßungen anderer. Aufgebracht oder gar zaͤnkiſch und raufſuͤchtig ſcheint er nie zu wer— den, obwol fein harter, fcharfer Hakenſchnabel eine tuͤchtige Waffe abgeben moͤchte; man hat merkwuͤrdigerweiſe auch nicht gehoͤrt, daß der vom Menſchen Ergriffene ſich derſelben gegen dieſen bedient haͤtte, obgleich ſie dazu ſehr geeignet ſcheint. Wunderlich genug zeigt er hier ein ganz anderes Vertheidigungsmittel von ſehr ſeltſamer Art; er ſchießt dem Angreifer namlich einen Doppelſtrahl duͤnnfluͤſſi— gen, gelben Thrans aus dem Schnabel bis über 2 Fuß weit ent: gegen. Durch eine Seitenbewegung des Kopfes und Halſes wuͤrgt er dieſen ſogenannten Thran aus dem Magen herauf und ſchießt ihn, ohne beſondere Anſtrengung, aus den Seiten des etwas geoͤffne— ten Schnabels (nicht aus den Naſenloͤchern, wie man fruͤher irrig meinte) mit Kraft hervor. Der erzuͤrnte Vogel kann dies oͤfter wie— derholen, wiewol der erſte Schuß der ſtaͤrkſte iſt, die folgenden im— mer ſchwaͤcher werden, und endlich, wenn der Vorrath erſchoͤpft, muß das Schießen aufhoͤren, wo dann zuletzt nur noch wenig davon XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 601 aus dem Schnabel hervorſickert. Es iſt zuverlaͤſſig Uibertreibung wenn Faber behauptet, der Vogel koͤnne laͤnger als eine halbe Stunde hintereinander mit dem Thranſpeien fortfahren; er kann moͤglicherweiſe nur ſo lange ſpeien als ſein Vorrath ausreicht, und angenommen, ſein Magen ſei ganz allein und voͤllig mit Thran angefuͤllt geweſen, was er nach demſelben Beobachter jedoch nie ganz iſt, — ſo wuͤrde, wenn er auch nur von Minute zu Minute einen Schuß mit einem halben Eßloͤffel voll Thrans machen wollte, dazu doch der Magen eine ſolche fuͤr eine halbe Stunde ausreichende Quantitaͤt dieſer Fluͤſſigkeit nicht faſſen. — Auch der junge Vogel, wenn er ein paar Wochen alt, aber noch im Dunenkleide, kann ſchon Thran ſpeien, aber nicht fo arg und mit mehrerer Anſtren— gung; ſpaͤter und wenn er fluͤgge iſt, hat er es ſchon beſſer gelernt. — Das Thranſpeien iſt uͤbrigens fuͤr den Sammler ſehr unangenehm, weil dem Vogel viel davon aus den Mundwinkeln herab, am Halſe entlang laͤuft und in das Gefieder dringt, dieſe Fettigkeit ſich aber ſchwer wieder herauswaſchen laͤßt. Seine Stimme ſind rauhe, unangenehme, nicht weit ſchallende Toͤne, die man nur in großen Vereinen, am meiſten an dem Bruͤte— orte, von Vereinzelten ſehr ſelten hoͤrt. Die gewoͤhnlichſte iſt ein gackerndes Gaͤgaͤgaͤgerr; eine andere, die er namentlich im Un— willen ausſtoͤßt, ein tieferes Karw und Karo. Am meiſten laſſen ſich dieſe Voͤgel noch in der Abend- oder Morgendaͤmmerung hoͤren. Sie ſind aber eigentlich Tagvoͤgel, und bringen wenigſtens die Nacht in Ruhe hin; wo aber der Tag, wie in den Polargegenden, zu kurz iſt, nehmen ſie die Daͤmmerung zu Huͤlfe. Unbedingt ſind ſie nicht Tagvoͤgel, aber Nachtvoͤgel auch nicht zu nennen. Nahezu ng Dieſe iſt ſehr vielartig und man moͤchte den Eisſturmvogel in dieſer Hinſicht beinahe den Kraͤhen vergleichen koͤnnen. Alles Aas was auf dem Meere ſchwimmt, groß oder klein, von kalt- oder warmbluͤtigen Thieren, Gedaͤrme und andere thieriſche Abgaͤnge, Fiſche, beſonders aber Weich- und Schleimthiere, kleine Kruſten— und Kerbthiere, uͤberhaupt Alles was von organiſchen Weſen oben ſchwimmt oder ſo eben der Oberflaͤche des Waſſers ſich naͤhert und ihm nicht zu groß oder zu flink iſt. Alle Geſchoͤpfe, die ſich ihm widerſetzen oder ſchnell entfliehen koͤnnen, ſind nicht fuͤr ihn. Sein ſteter Heißhunger laͤßt ihm auch waͤhrend des Bruͤtens keine Ruhe 602 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. und er fuͤllt dann den Magen mit in ſeiner Naͤhe den Steinritzen entſproſſendem Loͤffelkraute; er frißt alſo zwar auch vegetabiliſche Stoffe, doch aber meiſtens wol nur bei ſolcher Gelegenheit und auch nur aus Langerweile. Eine Hauptnahrung gewaͤhrt ihm das Fleiſch der todten Koͤr— per von Walfiſchen, Walroſſen, Robben und großen Fiſchen, welche auf dem Meere treiben, und Tauſende ſind oft in Geſellſchaft eben fo vieler Meven, Raubmeven u. a. bei einem ſolchen Mahle in froͤhlichſter Beſchaͤftigung und fo emſig in dieſer, daß unſere Sturm: voͤgel ein heranruderndes Boot nicht achten und ſich beim Schmau— ſen mit den Rudern erſchlagen laſſen. Ihr Schnabel ſcheint zum Abbeißen des Fleiſches von den Knochen ganz vorzüglich eingerich— tet, wie denn auch ihre Fuͤße und die Art zu kriechen oder zu ſitzen, indem dabei der an der Stelle der Hinterzeh befindliche ſpornartige Nagel, wegen geringerer Beweglichkeit beſſer als eine Zehe, das Ausgleiten verhindert. Beſonders zweckmaͤßig erſcheint dieſe Einrich— tung wenn ſich der Vogel auf dem ſchluͤpferigen Ruͤcken eines eben auftauchenden lebenden Walfiſches niederlaͤßt, eine Gelegenheit, die er ungenutzt nicht vorbeigehen laͤßt, um von demſelben allerlei jene Meerungeheuer plagende, kleine Schmarotzerthiere oder auch andere zufällig beim Auftauchen auf dem Ruͤcken geſtrandete Meergeſchoͤpfe abzuleſen. In dieſer Lieblingsbeſchaͤftigung rivaliſirt er ebenfalls oft mit Meven und andern Seevoͤgeln. Man ſagt, daß er ſich da— bei manchmal an jenen nicht genuͤgen laſſe, ſelbſt Loͤcher in den Speck des Walfiſches hacke, um ſich damit zu naͤhren, und daß er dieſes Nahrungsmittel ganz beſonders liebte. Auch vom Miſte der großen Walthiere ſoll er ſich haͤufig naͤhren. Auſſerdem ſieht man ihn faſt niemals auf feſtem Boden und zu Fuß nach Nahrungsmitteln haſchen, dies allenfalls nur, aber auch ſehr ſelten, am Strande in der Naͤhe des Bruͤteplatzes. Da— gegen thut er es allenthalben und ſehr haͤufig ſchwimmend. Wo Tang oder anderer Wuſt auf dem Meere treibt, laͤßt er ihn nicht ununterſucht, ſchwimmt zwiſchen oder neben denſelben her und faͤngt daran hangende Quallen, Salpen, Sepien u. dergl. Er folgt den Fiſcherbooten und umſchwebt vorzüglich ſolche, in welchen er gefan— gene Fiſche bemerkt, in der Erwartung, daß davon auch ihm Etwas geſpendet werde, und laͤßt ſich ſogleich bei den uͤber Bord geworfe— nen Eingeweiden und andern Abgaͤngen nieder, um ſie zu zerſtuͤckeln und zu verſchlingen. Aus keinem andern Grunde naͤhert er ſich auch großen Schiffen, beim Umkreiſen derſelben genau Acht gebend, XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis-⸗Mevenſturmv. 603 ob nicht Etwas fuͤr ihn uͤber Bord komme, und alle herausgewor— fenen Abgaͤnge der Kuͤche und ſonſtiger Unflat ſind ihm dann will— kommen, er nimmt ſie, wenn ſie klein ſind, im Fluge ſogleich von der Waſſerflaͤche auf, oder laͤßt ſich bei groͤßern auf ſie herab und verzehrt ſie. Die Mevenſturmvoͤgel nahen ſich demnach zwar zu demſelben Zweck den Schiffen als die Schwalbenſturmvoͤgel, beide naͤmlich um Nahrung daſelbſt zu ſuchen, dabei naͤhrt ſich jedoch jede Gattung nur auf ihre eigenthuͤmliche und ganz verſchiedene Weiſe. Dieſe große Verſchiedenheit war fruͤher nicht ſo genau ge— nommen als ſie es verdient; denn ſie iſt ein ſehr unterſcheidender Zug im Gattungscharacter zwiſchen Thalassidroma und Procellaria. Stoßtaucher iſt unſrer Fulmar nicht; er ſchwebt deshalb ganz dicht uͤber der Waſſerflaͤche, den veränderlichen Bergen und Thaͤlern der Wogen fortwaͤhrend in derſelben Entfernung folgend, alſo in großen, ungeregelten Schlangenlinien, um immer nahe genug zu ſein, ſobald eine Qualle, eine Tintenſchnecke u. dergl. kleines Ge— ſchoͤpf auf der Oberflaͤche erſcheint, um ſolches ſchnell in einem kur— zen Bogen aufzugreifen. Zu lebenden Fiſchen gelangt er natuͤrlich auf ſolche Weiſe aͤußerſt ſelten; ſie ſind ihm meiſtens zu flink, und tiefer als bis an die Augen taucht er den Kopf auch bei jener Me— thode ſelten ein. Seine Fuͤße bleiben immer an den Leib gezogen und unbewegt, wenn er auch noch ſo dicht uͤber den Wellen hin— ſchwebt, wogegen in dieſem Falle die Schwalbenſturmvoͤgel ſie in laufender Bewegung gegen die Waſſerflaͤche ſtemmen. Er iſt auſſerordentlich gefraͤßig, daher auch meiſtens ſehr fett oder doch wohl bei Kraͤften. Die Meere in den Polargegenden laſſen ihm nie an Nahrung Mangel leiden, da ſie von Geſchoͤpfen aus den niedern Klaſſen, welche ſeine Hauptnahrung ausmachen, wimmeln. Die Arten, welche er vorzuͤglich liebt, ſind jedoch von keinem Beobachter genau bezeichnet, was auch wol bei manchen nicht leicht möglich fein möchte, wie z. B. bei Quallen aus der großen Familie der Meduſen, die bald nach dem Verſchlingen im Magen zerfließen und namentlich jene thranaͤhnliche Fluͤſſigkeit ges ben, die der Vogel ſeinem Angreifer entgegenſpeiet, waͤhrend man von genoſſenen Tintenſchnecken doch noch die harten Schnaͤbel der— ſelben haͤufig darinnen vorfand. Daß jene Fluͤſſigkeit wol eine fet— tige ſei, beweißt, daß man ſie in Lampen brennen kann, daß ſie aber auch, wie bei Thalassidroma, nur eine Aufloͤſung jener zarten Geſchoͤpfe und ſelten mit wirklichem Fiſchfett vermiſcht ſei, darf man wol annehmen, wenn man bedenkt, daß unſerm Fulmar Quallen 604 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. und Sepien taͤglich und immer, Walfiſch- oder Robbenſpeck jedoch im Verhaͤltniß zu jenen nur ſelten vorkommen, er aber gleichwol zu jeder Zeit mit Thran im Magen verſehen iſt. Der Vogel hat eine uͤbelriechende Ausduͤnſtung, mehr aas- als thranartig, die auch der Balg lange nach dem Ausſtopfen noch, zum Theil fuͤr immer behaͤlt, ſo wie ſie ſelbſt dem Ei anhaͤngt. Er badet ſich haͤufig, oft in den reiſſendſten Stroͤmungen und in ganzen Geſellſchaften beiſammen, macht dabei dieſelben Bewe— gungen wie badende Enten und plaͤtſchert dazu auch mit den Fluͤ— geln, wie dieſe zu thun pflegen. Fort p ilany,undg In Europa hat der Eis-Mevenſturmvogel ſeine Bruͤteplaͤtze nur auf der Inſel St. Kilda (wahrſcheinlich auch noch auf eini— gen andern Hebriden) und auf den dicht bei Island ſuͤdweſtlich gelegenen Weſtmannoͤern und der nordoͤſtlich gelegenen Inſel Grimſoͤe; dann auf Spitzbergen und vermuthlich auch an einigen Stellen der obern Nordkuͤſte von Norwegen. Die am zahlreichſten von ihm beſetzten Niſtplaͤtze befinden ſich ſtets auf aus dem Meer aufſteigenden und von Brandungen umgebenen, kleinen, hohen Felſeninſeln und iſolirten Klippen oder Scheeren. Auf Is— land ſelbſt giebt es daher dergleichen nur auf einigen aͤußerſten Felſenvorſpruͤngen oder Landſpitzen, vom Meer faſt von drei Seiten umflutet, wie Lautrabjerg, Hafnarbjerg, der Vogelberg bei Kryſewik u. a., aber nie ſolche, welche im Hintergrunde tiefer Buchten liegen. Nur eine merkwuͤrdige Ausnahme hiervon macht nach Thienemann (ſ. deſſen Eierwerk, Hft. V. S. 26.) eine Kolonie dieſer Voͤgel auf der oͤſtlichen Seite von Island, wo ſie den ſchroffen, ½ Meile vom Meere entfernten Lavafelſen Hoͤfda— brecka zum Niſtplatz erwaͤhlt hat und jaͤhrlich wieder bezieht. Auf den Inſeln Faro und den Shetlands koͤmmt er niſtend nicht vor, wahrſcheinlich auch auf den Orkaden nicht. Ein ſolcher Bruͤteplatz liegt gewöhnlich in einer von menſchli— cher Betriebſamkeit entfernten Gegend, meiſtens eine und mehrere Meilen vom Lande oder von bewohnten Orten, entweder oben auf der Plattform kleiner hoher Felsinſeln, oder an einer ſehr hohen, ſchroffen Felswand, wo alle Abſaͤtze und Vorſpruͤnge, groß oder klein, den Voͤgeln zu Niſtſtellen dienen, die mehrentheils bloß von oben und auch nur theilweiſe zugaͤnglich ſind, zu denen an den XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 605 Seiten aber meiſtens nur mit Lebensgefahr, durch Herablaſſen mit— telſt eines Seils, gelangt werden kann, wovon viele auch gaͤnzlich unerreichbar bleiben, waͤhrend den Fuß des Felſens die See in wil— den Brandungen umbrauſ't. Meiſtens find ſolche Felſen nicht ganz kahl, ſondern oben hin und wieder mit etwas Dammerde und gruͤ— nen Raſen bedeckt und aus den Spalten und Riſſen der Abhaͤnge ſproßt ſehr häufig Loͤffelkraut (Cochlearia olficinalis) hervor. Nirgends hat man ein einſam bruͤtendes Paar angetroffen; es ſind vielmehr an den Niſtorten jederzeit viele beiſammen und es giebt Kolonien aus Hunderten, ja vielen Tauſenden beſtehend. In Myriaden ſind ſie oft an ſolchen Plaͤtzen beiſammen, und die Be— richte glaubwuͤrdiger Augenzeugen verſetzen uns ins hoͤchſte Erſtau— nen über die ungeheure Anzahl dieſer Voͤgel. Die Bewohner der Inſel Heim ey (die größte und einzig bewohnte der Weſtmannoͤer) verſicherten Hrn. Faber, daß ſie allein auf dieſer kleinen Inſel— gruppe in manchem Jahr 30,000 Junge, alſo, weil jedes Paar nur ein Junges hat, die Brut von 60,000 Alten, erhielten; daß aber, weil nicht alle Junge erreicht werden koͤnnten, faſt eben ſo viele mit den Alten davon floͤgen, weshalb die Schaar dieſer Voͤgel ſich auch alljährlich vermehrte, fo daß es an den gewöhnlichen Plaͤtzen an Raum zu mangeln anfange, in Folge deſſen kleinere Kolonien ſich abſonderten und an andern Orten, wo fruͤher keine waren, ſich an— ſiedelten. — Bald ſind dieſe Sturmvoͤgel allein im Beſitz eines ſol— chen Bruͤteplatzes, bald theilen ſie ihn mit vielartigen andern See— voͤgeln, mit Larventauchern, Alken, Lummen, Gannets und Meven, beſonders Larus tridactylus, mit dieſer bis zu Mannshoͤhe vom hoͤchſten Wogenſchlage herab, oben auf aber oft mit L. glaucus oder L. marinus. Unter den borealen Seevoͤgeln ſind dieſe Sturmvoͤgel im Fruͤh— jahr ſtets die Erſten, welche ſich den Bruͤteplaͤtzen naͤhern; denn ſie erſcheinen oft ſchon im Maͤrz daſelbſt, obgleich ſie erſt zu Ende des April oder im Mai zu legen und die Meiſten um die Mitte dieſes Monats zu bruͤten anfangen. Sie ſind allerdings auch hierin die Erſten unter ihren Nachbarn, weil ſie von allen jenen Voͤgeln am laͤngſten bruͤten muͤſſen. Ein Neſt bauen ſie nicht. Das Weibchen legt nie mehr als ein Ei, auf den bloßen Erdboden, auf ſandartig verwittertes Ge— ſtein oder in eine unbedeutende Vertiefung der harten Steinflaͤche des Felſens, damit es nur nicht hinabrollen moͤge. Es iſt im Ver— haͤltniß zur Größe des Vogels außerordentlich groß, fo daß es zwi: 606 XIII. DOrödn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. ſchen denen von zahmen Enten und Gaͤnſen in der Mitte ſteht und mit dem des weißen Storchs verglichen werden kann. Die Groͤße unter denen verſchiedener Weibchen iſt nicht ſehr abweichend, in der Laͤnge von 3 Zoll bis zu 3 Zoll 2 Linien, die Breite von 2 Zoll bis zu 2 Zoll 2 Linien; kleiner kommen fie ſelten vor. Ihre Ge: ſtalt iſt eine meiſtens etwas geſtreckt- eifoͤrmige; ihre ſtarke Schale von grobem Korn, mit vielen ſichtbaren Poren, daher ohne Glanz. Friſch gelegt ſind ſie rein weiß, ohne alle Flecke; beim Bebruͤten werden ſie aber ſchmutzig gelblichweiß, oft noch mit Schmutz gefleckt, was aber zufällig iſt und ſich abwaſchen läßt. Sie haben einen eigenthuͤmlichen Geruch, dem des Vogels gleich, und behalten die— ſen, wenig geſchwaͤcht, in Sammlungen fuͤr lange Jahre bei. Die einzelnen Eier liegen, wo es der Platz erlaubt, jedes ein paar Fuß vom andern, allein auf einer Flaͤche zerſtreuet, ſonſt aber auch zwiſchen denen anderer Voͤgel, bunt durcheinander, ſo daß oft auf jedes kaum ein Geviertfuß Raum koͤmmt. Maͤnnchen und Weibchen bruͤten abwechſelnd ohne Unterlaß und haben deshalb, eins wie das andere, einen großen Bruͤtefleck am Bauche. Zum Zeitvertreibe pfluͤcken die Bruͤtenden, wo ſie es nahe genug haben koͤnnen, Loͤffelkraut, um den Magen damit zu füllen, wenn ihnen hungert. Sie bruͤten auſſerordentlich lange, man ſagt 6 Wochen, auf ihrem Ei, weshalb nur erſt mit Anfang des Juli eben ausge— ſchluͤpfte Junge gefunden werden. Sie ſitzen ſo feſt auf ihrem Ei, gleichviel ob Maͤnnchen oder Weibchen, daß ſie erſt abfliegen, wenn man kaum noch ein paar Schritte von ihnen iſt. Dies bewog Hrn. Faber allerlei Scherz mit ihnen zu treiben; er ließ z. B. von oben herab Erde auf den Bruͤtenden fallen, jedoch lange ohne Erfolg, bis er dies endlich mit Steinen that; dann erſt kroch der getroffene Vogel etwas von ſeinem Ei weg, und watſchelte etwas bei Seite; als er aber weiter nichts kommen ſah, ſchlich er auch ſogleich wie— der auf daſſelbe und brachte es ſorgfaͤltig mit dem Schnabel wieder unter ſeinen Bruͤtefleck und ſaß ſo feſt darauf wie vorher. Das Junge wird von beiden Aeltern ſehr fleißig mit Futter verſehen, welches fie ihm aus der Speiferöhre in den Schnabel auf: wuͤrgen, wie Tauben, und iſt ein wahrer Fettklumpen, dabei ſehr unbehuͤlflich, ſo daß es die Stelle, auf welcher es dem Ei entſchluͤpfte, nicht eher verläßt, als bis es faſt ausgewachſen iſt. Es koͤmmt mit Flaum bekleidet aus dem Ei, waͤchſt ungemein langſam, iſt erſt nach 3 bis 4 Wochen halb erwachſen, dann in langem dichten Flaum gehuͤllt und kann jetzt ſchon Thran ſpeien, was es in fruͤheſter Ju— XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 607 gend nicht vermochte. Es giebt einen ſehr widerlichen, ekelhaften Geruch von ſich. Erſt gegen Ende des Auguſt, oder nach faſt zwei Monaten vom Ausſchluͤpfen an, iſt es voͤllig mit Federn bekleidet und bereit, die Aeltern auf das weite Meer zu begleiten. Alte und Junge verlaſſen nun den Bruͤteplatz, um erſt im kommenden Fruͤh— jahr dahin zuruͤckzukehren; alle verſchwinden aus der Gegend und zerſtreuen ſich in kleinern oder groͤßern Fluͤgen auf dem unermeß— lichen Ocean, bis ſie der Zeugungstrieb abermals dorthin ruft. Wie faſt alle Seevoͤgel der borealen Vogelzone werden auch dieſe Sturmvoͤgel zur Begattungszeit ungemein zahm, hauptſaͤchlich bei den Eiern oder Jungen, ja fie gehören hier zu den Einfältigften, geben ihre Angſt nicht einmal durch vieles Schreien zu erkennen und ſtoßen in ihrem dummen Zorn nur dann und wann jenes tiefe Karw oder Karo aus. Sie umflaitern nicht allein den Menſchen in groͤßter Naͤhe, ſondern laſſen ſich uͤber dem Ei liegend ſogar mit der Hand fangen, oder beim Jungen eine Schlinge uͤber den Kopf werfen oder mit einem Stecken erſchlagen. So gewiß ſie ſich dieſen Gefahren aus Liebe zu ihrer Brut ausſetzen, ſo ſehr muß man ſich wundern, daß ihnen gar kein anderes Vertheidigungsmittel zu Ge— bote ſteht als ihren Angreifer mit Thran zu beſpeien. Auch die halbwuͤchſigen Jungen verſuchen weder wegzulaufen noch ſich zu verbergen; ſie bleiben ruhig an ihrer Stelle, wuͤrgen Thran auf und ſpritzen ihn von ſich, ſo lange ſie koͤnnen und ehe noch die Hand ſich nach ihnen ausſtreckt. Sue n Der Seeadler und der Jagdfalke fangen zuweilen den Al— ten oder holen ſich die Jungen von den Felſen hinweg. Die Letz tern werden aber viel oͤfterer der großen Raubmeve (Lestris cataractes) zu Theil. Sie hat es, wo ſie an einem Platze unter mehrern Vogelarten waͤhlen kann, hauptſaͤchlich auf dieſe Jungen abgeſehen, weil ſie ihr ſo wenig wie die Aeltern Widerſtand entge— genſetzen. Sie naͤhrt ſich ſelbſt damit oder verſchlingt ſie, um ſie den eigenen Jungen vorzuwuͤrgen und futtert dieſe einige Zeit faſt mit nichts Anderem; ſie thut daher dieſen Sturmvoͤgeln vielen Ab— bruch, wo ſie in der Naͤhe wohnt und holt ſich dieſen Raub, ſelbſt wenn ſie ein paar Meilen darnach fliegen muß. Ja g d. Schon aus dem Obigen wird man zur Genuͤge erſehen, daß 608 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. dieſe einfaͤltigen Voͤgel an jedem ihrer Aufenthaltsorte ohne große Schwierigkeit zu erlegen ſind; wenn ſie ſich auch nicht allenthalben, wie beim Bruͤten, mit Haͤnden fangen oder, wie auf einem Wal— fiſchaaſe, mit Stecken erſchlagen laſſen, ſo kommen ſie doch auch an andern Orten den Menſchen nahe genug, um bequem mit der Flinte erlegt werden zu koͤnnen. Von den Schiffen, wenn ſie dieſe beglei— ten, geht dies ebenfalls leicht, wenn man nur Mittel in Bereitſchaft haͤlt, die Erſchoſſenen ſchnell genug vom Waſſer aufzufiſchen. Man bedient ſich dazu in dieſen und aͤhnlichen Faͤllen gewoͤhnlich eines Fiſchhamens oder ſonſt eines kleinen Netzes, deſſen Stiel aber na— tuͤrlich eine ſehr lange Stange ſein muß. Weil dieſe Sturmvoͤgel gierig nach allen hingeworfenen Fleiſch— ſtuͤckchen ſchnappen, ſo ſind ſie auch aͤußerſt leicht zu fangen, naͤm— lich an Angelhaken, an welche man ein Stuͤckchen Leber, Walfiſch— ſpeck oder ſonſt einen verſchlingbaren Fleiſchbiſſen ſteckt. N ü ee Das Fleiſch des Eisſturmvogels iſt, was man kaum vermuthen moͤchte, zart, weiß wie Huͤhnerfleiſch und ſehr wohlſchmeckend. Auch Faber fand es ſo, aß es, gekocht und oft wiederholt, mit Appetit und ſtellte es unter dem aller andern ſogenannten Bergvoͤgel des hohen Nordens oben an. Auch das Fett, das meiſtens in Menge vorhanden, ſoll es nicht uͤbelſchmeckend machen, obgleich es wol haupt— ſaͤchlich dem Vogel den ihm anhaͤngenden widerlichen Geruch giebt. Bei den Jungen iſt indeſſen dieſer ſo penetrant, daß ſich jener treff— liche Beobachter nicht zum Genuß derſelben entſchließen konnte; ſie ſind aber auch wahre Fettklumpen. Die Eier, welche einen ſehr großen, ſchoͤn rothgelben Dotter haben, gehoͤren ebenfalls, nach Thienemann's Verſicherung, zu den allerwohlſchmeckendſten. Die Voͤlker des hohen Nordens benutzen ſelten weder die Eier f noch die alten Voͤgel zur Speiſe, dagegen ſind ihnen aber die Jun— gen von groͤßter Wichtigkeit. Sie werden, ſobald ſie erwachſen, mit groͤßter Lebensgefahr durch Erklettern der Klippen und, wo dieſes unmoͤglich, von oben mittelſt eines Seiles, das ſich ein Mann an Gurten um den Leib befeſtigt, woran man ihn bis an die Bruͤte— plaͤtze an der ſenkrechten oder uͤberhaͤngenden Felswand hinablaͤßt, aufgeſammelt; waͤhrend er bloß mit einer Stange bewaffnet iſt, die an dem einen Ende eine Schlinge hat, welche er den zu fangenden Voͤgeln uͤber den Kopf wirft und ſie zu ſich zieht, und ein am an— XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 305. Eis⸗Mevenſturmv. 609 dern Ende angebrachter Loͤffel dazu dient, die Eier andrer Voͤgel zu erlangen. Zu vielen Tauſenden werden dieſe Jungen an den Bruͤte— plaͤtzen eingeſammelt und fuͤr den langen nordiſchen Winter einge— poͤkelt aufgeſpart. Die Anzahl der auf dieſe Weiſe benutzten Voͤgel grenzt an's Unglaubliche und iſt noch mit einer beſondern Neben— nutzung verbunden; der Vogelfaͤnger iſt naͤmlich auch mit einem kleinen Gefaͤß verſehen, in welchem er ſo viel wie moͤglich den Thran auffaͤngt, welchen ihm die Voͤgel entgegenſpeien, um ihn nachher, wie wirklichen Thran, in Lampen zu brennen, wozu er ſich, den verbreitenden haͤßlichen Geruch abgerechnet, recht gut eignen ſoll. Der Nutzen des Vogelfangs fuͤr jene arme Voͤlker, deren Exi— ſtenz zum großen Theil davon abhaͤngt oder ſie doch ſichern helfen muß, wird durch die Anweſenheit großer Sturmvoͤgel-Kolonieen weſentlich, oft auſſerordentlich erhoͤhet. Die Federn ſind, gleich Gaͤnſefedern, zum Ausſtopfen der Bet— ten und weicher Kiſſen vortrefflich. S ee e e nn Es iſt nichts bekannt, wodurch ſie auch nur auf die entfernteſte Weiſe dem Menſchen Nachtheil braͤchten. 10r Theil. 39 Zwei und achtzigſte Gattung. Taucherſturmvogel. Puffinus. Zriss. Schnabel: Mittelmaͤßig, wenig kuͤrzer als der Kopf oder eben ſo lang; ſchlank, ſchwaͤchlich, gerade oder nach vorn etwas auf— geſchwungen; hinten breit, vorn ſchmaͤler; Oberſchnabel in einen ziemlich aufgeſchwungenen, eingekeilten, ſchlanken, ſpitzen Haken uͤber— gehend, uͤber die ebenfalls eingekeilte, ihm entſprechend gebogene Spitze des Unterſchnabels hinwegragend; die ſchmale Kielſpalte ſehr weit vorgehend; an ihrem Ende tritt nur ein kleines Eck hervor; die Schneiden dick, doch mit ſcharfer Kante und ſehr eingezogen, gerade, hinten kaum etwas aufſteigend und die Rachenſpalte wieder ein Wenig geſenkt; der Rachen weit. Naſenloͤcher: Oben auf der Firſte an der Schnabelwurzel, in einer breiten, platten, in einander und mit dem Schnabel ver— wachſenen Doppelroͤhre, die nicht weit vorgeht, nicht ſenkrecht, ſon— dern ſchraͤg abgeſchnitten iſt, weshalb die zwei kleinen, ovalen Na— ſenloͤcher ſich zwar vorwaͤrts, aber etwas nach oben ſehend oͤffnen. Von ihnen laͤuft jederſeits eine Furche neben der Firſte nach den Haken; eine aͤhnliche auch an den Seiten des Unterſchnabels hin. Fuͤße: Taucherfuͤße. Mittelmaͤßig, Laͤufe und Zehen von gleicher Laͤnge; der Lauf lang, ſtark zuſammengedruͤckt und ungewoͤhnlich dünn, Spann und Sohle ſcharfkantig; die drei Vorderzehen ſehr ſchlank, die aͤußerſte und mittelſte von gleicher Laͤnge; die Schwimm— XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. 611 haͤute ganz bis vor reichend, aber ſehr ſchmal geſpannt (wie bei Eudytes), daher die Spur von der Wurzel bis zur Mitte ſehr ſchmal. An der Stelle der Hinterzeh, etwas uͤber dem Zehenballen, bloß eine bewegliche ſpitzige Kralle; die Krallen der vordern Zehen mittelmaͤßig, flach gebogen, ſehr weit auf der Zehenſpitze zuruͤckrei— chend, — ſpitz, unten ausgehoͤhlt, daher ſehr ſcharfrandig; der in— nere Rand an der der Mittelzeh bedeutend vortretend. Uiberzug der Laͤufe groß, aber flach, auf den Zehenruͤcken ſchmal geſchildert; die Schwimmhaͤute ſehr zart gegittert. Fluͤgel: Von mittler Groͤße und einer eigenthuͤmlichen Ge— ſtalt, mit ſehr langen Arm- und Handknochen, aber einer weniger langen, ſehr ſchmalen Spitze, von den Primarſchwingen gebildet, von denen die erſte die laͤngſte, die zweite wenig kuͤrzer als ſie, die folgenden aber in großen Stufen an Laͤnge abnehmen. Schwanz: Mittellang oder faſt kurz; aus 12 zugerundeten, ziemlich harten Federn beſtehend, und mit einem kurz abgerundeten oder auch lang zugerundeten, faſt keilfoͤrmigen Ende. Das kleine Gefieder iſt derb, ungemein dicht und pelzar— tig, beſonders an den untern Koͤrpertheilen, von oben mit deutlichen Conturen. Die Taucherſturmvoͤgel ſind Schwimmvoͤgel von kaum mittler Größe. Ihre eigenthuͤmliche Geſtalt iſt ein Gemiſch von Taucher, Scharben- und Mevenartigem, wobei erſtere vorherrſchen; der Kopf iſt ſchmal, die Stirn niedrig, der Hals nicht lang und etwas ſtark, der geſtreckte Rumpf doch auch ziemlich dick, der Schwanz nicht lang, die nicht ſehr großen Fluͤgel ſchmal, ſchlank, ſehr ſpitzig, dazu ein den Scharben aͤhnlicher Schnabel und wahre Taucherfuͤße. Sie bilden in der großen Familie der Sturmvoͤgel (wozu auch Diomedea zu zählen) eine gut characteriſirte Gattung mit eben nicht ſehr vielen Arten; muͤſſen aber, da ſie Stoß- und Schwimmtaucher zugleich find, von Thalassidroma und Procellaria, mit denen fie von Linnee in Eine Gattung vereint waren, — durchaus getrennt bleiben. Sie ſtehen als Bindeglied zwiſchen dieſen und der Gat— tung Halieus s. Carbo. Noch näher verwandt find fie der Gat: tung: Haladroma, Sturmlumme oder Lummenſturmvogel, 39 ⸗ 612 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. die ſich aber an den viel kuͤrzern oder ſehr kurzen, an ſeinem Vor⸗ dertheil mehr dem von Procellaria aͤhnelnden Schnabel und an den Fuͤßen unterſcheidet, welches wahre Lummenfuͤße, ohne Hinterzeh und Nagel, ſind, waͤhrend dieſe Voͤgel auch viel mehr ſchwimmen und tauchen als fliegen, und hierin ganz den Lummen (Uria) glei: chen. — Der Gattung Pachyptila ſtehen fie ebenfalls ſehr nahe, aber der Schnabel dieſer iſt von ganz anderer Geſtalt und inwendig gezaͤhnelt wie bei Enten. Das Gefieder der Taucherſturmvoͤgel traͤgt unanſehnliche Far— ben; es iſt entweder von unten weiß, von oben ſchwarz, braun oder grau, oder uͤber und uͤber dunkel gefaͤrbt, unten wenig lichter, aber ohne Weiß. Maͤnnchen und Weibchen ſind gleich groß, auch in der Faͤrbung des Gefieders nicht verſchieden. Ebenſo bringt auch das Alter keine auffallenden Verſchiedenheiten; allein die im friſchen Gefieder bei manchen Arten ſehr dunkele Faͤrbung bleicht im Laufe der Zeit bis zu einer neuen Mauſer auſſerordentlich ab und die Fe— derraͤnder erſcheinen dann ſehr abgeſcheuert und verſtoßen, wodurch dieſe Voͤgel im Auguſt ein ganz anderes Ausſehen erhalten, als ſie es im Dezember oder Januar hatten. Allem Anſchein nach mau— fern fie nur Ein Mal im Jahr. Die Jungen ſind im erſten Fe: derkleide blaffer oder unreiner gefärbt, und wo die Alten unten weiß, ſind dieſe ſchmutzig braun. 5 Sie gehoͤren mehr der gemaͤßigten als kalten Zone an, leben zwar meiſtens auf offnem Meer, naͤhern ſich jedoch oͤfter den Inſeln und Kuͤſten als die aͤchten Sturmvoͤgel. Sie werden oft von den Schiffern geſehen, aber faſt nie oder ſehr ſelten als Begleiter der Schiffe. Die Arten ſcheinen nicht ſo zahlreich an Individuen als die Mevenſturmvoͤgel, obgleich man fie als geſellige Vögel in Ver— einen von 8 bis 20 Stuͤcken, an manchen Orten auch wol von meh— rern Hunderten beiſammen ſieht. In der Daͤmmrung ſind ſie mun— trer als am Tage. — Als aͤchte Meerbewohner kommen ſie bloß wenn ſie bruͤten wollen aufs Land. Wenn es geſchieht, ſitzen ſie mit ſehr erhabener Bruſt, auf die Sohle des Tarſus geſtuͤtzt, und ſo gehen ſie auch, daher aͤußerſt ſchwerfaͤllig und watſchelnd, nur einige Schritte weit. Auf der Spur koͤnnen ſie weder ſtehen noch gehen. — Sie ſind dagegen fertige Schwimmer und Taucher, ſelbſt auf hochbewegter See, ſuchen ſich ſo zu naͤhren oder ihren Feinden zu entfliehen, und oͤffnen im Untertauchen die Fluͤgel, um unten da— mit rudern zu helfen. — Zugleich ſind ſie aber auch ausgezeichnete Flieger, als welche ſie ſchnell, gewandt und, trotz allen Stuͤrmen, XIII. Ordn. LXXXII. Saft. Taucherſturmvogel. 613 auf die Dauer aber auch ſehr eigenthuͤmlich fliegen. — Bei Annaͤ— herung an den Menſchen ſind ſie weniger dreiſt als die eigentlichen Sturmvoͤgel, laſſen ihre mevenartige Stimme auch oͤfter hoͤren als dieſe; allein auf dem Lande ſind ſie eben ſo einfaͤltig. — Sie naͤh— ren ſich von kleinen Fiſchen, am liebſten von ſolchen, die ſehr nahe an die Oberflaͤche des Waſſers kommen, welche fie aus niedrigem Fluge durch eine Art von leiſem Stoßtauchen, aber auch aus dem Schwimmen in die Tiefe tauchend fangen; ebenſo auch von Mol: lusken, namentlich Sepien. — Gegen die Bruͤtezeit naͤhern ſie ſich dem Lande, waͤhlen aber nur kleine, ſehr hohe, oben etwas mit Erde und Raſen bedeckte, vom Meer umbrauſete Klippen, oder weit ins Meer vorgeſchobene Landſpitzen groͤßerer Felſeninſeln zu Bruͤteplaͤtzen, wo nie ein Paar einſam, ſondern immer mehrere, oft viele ſich el— lenlange Roͤhren, wagerecht, dicht unter dem Raſen der Dammerde graben, im Hintergrunde derſelben, auf wenigen untergelegten Gras— halmen, ihr einziges, ſehr großes, rundliches, weißes Ei legen, das beide Gatten abwechſelnd bebruͤten, weshalb beide einen Bruͤtefleck am Bauche haben, und auch das Junge gemeinſchaftlich auffuͤttern, mit Schleim: und Weichthieren oder Fiſchen, die fie ihnen aus der Speiſeroͤhre vorwuͤrgen. Dieſe mit langem, weichen Flaum dicht be— kleidete Jungen wachſen ſehr langſam und ſind auſſerordentlich fett, koͤnnen aber, ſo wenig wie die Alten, jemals Thran ſpeien, und ſitzen ſo lange im Neſte bis ſie voͤllig fluͤgge ſind. Die Alten bruͤten ſo eifrig und lieben die Jungen ſo, daß ſie ſich dabei mit den Haͤnden ergreifen laſſen, wehren ſich jedoch mit dem Schnabel, obwol nur ſchwach, was aber Thalassidroma und Procellaria nie verſuchen. Die Bruͤteplaͤtze und ſelbſt ihre vorjährigen Höhlen beſuchen und benutzen ſie alle Jahr wieder. — Sie ſind nicht ſcheu, daher aus einem Boote leicht zu ſchießen; die nordiſchen Voͤlker eſſen aber we— der die Eier noch die Alten, ſchaͤtzen aber deſtomehr die ungemein fetten Jungen als ein gutes Gericht. Hierin beſteht ihr ganzer Nutzen fuͤr den Menſchen. Schaden thun ſie nicht. 614 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. Anatomiſche Charakteriſtik der Gattung Puffinus von Nudolph Wagner. „Die Gattung Pulfinus hat mit den Gattungen Procellaria und Thalassidroma, dann mit Diomedea viele anatomiſche Aehn— lichkeiten, welche uͤbrigens, ſo weit es den Bau des Skelets und den Muskulatur betrifft, auch in vielen Punkten mit den Meven, namentlich den Raubmeven (Lestris) uͤbereinſtimmen.“ „Die hier nachfolgende oſteologiſche Charakteriſtik paßt da— her auch auf die übrigen Gattungen der Familie mehr oder weniger.“) „Das Hinterhauptsloch iſt weit und rundlich, oben, wo ſonſt die Fontanellen vorkommen, befindet ſich jederſeits ein Gefaͤß— loch. Die Muskelgraͤten ſind ſehr anſehnlich; das Stirnbein zwi— ſchen den weiten Augenhoͤhlen iſt ziemlich ſchmal; die Orbitalraͤnder werden ganz eingefaßt von den ziemlich ſchmalen, aber tiefen, bogen: foͤrmigen Gruben fuͤr die Naſendruͤſen. Das Thraͤnenbein iſt an— ſehnlich, mit zwei ziemlich ſpitzen, frei nach hinten gerichteten Fort— ſaͤtzen und einem unteren verſehen, welcher durch Syndesmoſe mit dem Jochbeine verbunden iſt. Die Fluͤgelbeine ſind lang und ſchlank, ohne dritte Gelenkung. Die Gaumenbeine ſind dick und zellig, und die vorne daran ſtoßende untere Muſchel iſt anſehnlich; jedes Gaumenbein iſt rinnenfoͤrmig ausgehoͤhlt, nach hinten aber gegen die Verbindung mit den Fluͤgelbeinen, wird es ploͤtzlich viel ſchmaͤler und erſcheint wie abgeſetzt; das Gaumenbein hat auch ein ſtark nach oben vorſpringendes Blatt; der Vomer ebenfalls etwas dick und zellig und kielfoͤrmig. Die Augenſcheidewand ſtark durchbrochen. Der Unterkiefer jederſeits hinten breit und wie abgeſtutzt.“ „Man findet 13 Halswirbel, 8 Ruͤckenwirbel mit ge trennten, niederen, aber breiten Dornfortſaͤtzen und ſchwachen unte— ren Dornen, 12 — 13 verſchiedene Kreuzwirbel und 8 hohe an— *) Da ich von Pufinus mehrere Exemplare im Fleiſch unterſuchen konnte, habe ich es vorgezogen, die anatomiſche Charakteriſtik der Sturmoögel vorzüglich von dieſer Gat— tung zu geben. R. W. XIII Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. 615 ſehnliche Schwanzwirbel. Die Schwanzwirbelſaͤule in ihrer be— traͤchtlichen Laͤnge endigt mit einem wie gewoͤhnlich geformten, ſeit— lich ganz komprimirten Endſtuͤck.“ „Von den 8 Rippenpaaren iſt ein vorderes, ſehr anſehn— liches, und ein hinteres falſch; die zweite bis ſechste Rippe haben einen langen ſchmalen Aſt.“ „Das Bruſtbein iſt breit, aber kurz und dachfoͤrmig, daher hinten tief gefurcht; der Kiel iſt mittelmaͤßig ſtark und biegt ſich nach vorne und oben in einen an feiner Spitze durch Bandmaſſe mit der Gabel verbundenen Fortſatz um. Unten finden ſich jeder— ſeits zwei kurze Abdominalfortſaͤtze und zwei kleine, ſehr rundliche Buchten.“ „Die Aeſte der Gabel ſind ſchmal und maͤßig gebogen. Die hinteren Schluͤſſelbeine kurz, aber unten an ihrer Gelenkflaͤche mit dem Bruſtbein auffallend breit, jedoch nicht hoch und nach außen in einen faſt hakenfoͤrmigen Fortſatz umgebogen.“ „Die Schulterblaͤtter ſind ſchmal, maͤßig gebogen.“ „Auffallend lang geſtreckt und ſchlank in allen ihren Verhaͤlt— niſſen ſind die vorderen Extremitaͤten und zwar alle drei Abtheilun— gen von gleicher Laͤnge. Am Oberarmbein ſind die Muskel⸗ anſaͤtze, wie bei den Longipennen, ſehr entwickelt und in Kaͤmme und Dornen verlaͤngert. Beſonders ſtark iſt der ſpitze Dorn am aͤußeren Gelenkhoͤcker des Vorderarmendes; ein langer, beweglicher Knochen iſt durch Bandmaſſe mit dieſem Fortſatz verbunden; an dieſem Knochenſtuͤck breitet ſich die Sehne des kurzen Spanners der vorderen Flughaut aus. Der Ellenbogenhoͤcker der Ulna iſt wenig entwickelt, dagegen ſind alle Knochen der Hand, beſon— ders die Phalangen ganz ungemein lang und ſchlank.“ „Am Becken ſind die Seitenwandbeine ſchmal, die Scham— beine durchaus rippenfoͤrmig, nach vorne und unten knorpelig und wenig verbreitet; ſie haͤngen mit den Sitzbeinen durch einen laͤng— lichen, ſchmalen Fortſatz feſt zuſammen und es wird dadurch ein langes, vollkommen geſchloſſenes Loch gebildet; die Sitzbeine zeigen ſonſt nichts auffallendes. Die markigen Oberſchenkelbeine ſind kurz. Das Schienbein hat einen ſtarken in zwei Kaͤmme aus— laufenden Fortſatz nach oben, hinter welchem die ganz kleine, faſt ſcheibenfoͤrmige Knieſcheibe liegt. Das Wadenbein iſt maͤßig entwickelt; der Tarſalknochen iſt faſt viereckig und die Phalan— gen der Zehen ſind lang und ſchlank.“ 616 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. „Die Eingeweide der Sturmvoͤgel ſind gaͤnzlich verſchieden von denen der Meven und Seeſchwalben. Die einzelnen Gattun— gen ſcheinen jedoch namhafte Verſchiedenheiten zu zeigen.“ „Bei Puffinus iſt die Mundhöhle ungemein weit; die Zunge iſt kurz, dreieckig, hinten mit einigen wenigen Warzen beſetzt. Der Schlund iſt in feinem Anfangstheil beſonders weit und verhält ſich auch ſo in ſeinem weiteren Verlaufe; gegen den Vormagen wird er muskuloͤſer und ſchnuͤrt ſich etwas ab. Die Schlundfalten verlaͤngern ſich in den auſſerordentlich weiten und großen, aber duͤnn— wandigen Vormagen, der den kleinen Muskelmagen gewiß um S mal an Größe übertrifft und mit kleinen, einfachen, nicht fehr gedraͤngt ſtehenden Druͤſen beſetzt iſt. Gegen den Muskelmagen wird der Vormagen ſehr enge, ſo daß jener von dieſem ſtark abge— ſchnuͤrt iſt. Der Muskelmagen iſt in ſeinen Waͤnden maͤßig fleiſchig und jederſeits mit einer kleinen, centralen Sehnenplatte ver— ſehen. Merkwuͤrdig iſt das in lauter Hoͤcker und zwiſchenliegenden Furchen getheilte harte Epithelium, welches in dieſer Form an die Magenbewaffnung vieler wirbelloſen Thiere, z. B. der Aplyſien, erinnert.“ “) „Der Dünndarm, an welchem kein Divertikel wahrzuneh— men iſt, geht in einen ſehr kurzen, nicht weiteren Dickdarm uͤber. Die Blinddaͤrme ſind zwar klein, nur 6 Linien lang, aber an— ſehnlich breit und ſo abgeſetzt vom Darm und ſeitlich vorſpringend, daß ſie beide zuſammen eine herzfoͤrmige Figur bilden.“ „An der Leber fällt die breite Geſtalt auf; der rechte Lappen iſt noch einmal ſo groß als der linke. Die Milz iſt klein und rundlich.“ „Das Herz iſt, ganz entgegengeſetzt wie bei den mevenartigen Voͤgeln, uͤberaus breit und platt, an der Baſis faſt ebenſo breit, als lang. Beſonders iſt das rechte Herz ſtark entwickelt und der linke Ventrikel, welcher allein die Spitze bildet, iſt durch eine Furche vom rechten abgeſetzt. Die Karotiden ſind doppelt und verlau— fen auf die gewöhnliche Weiſe von den vorderen Halsmuskeln bedeckt.“ „Die Stimmritze und die hintere Seite des Kehlkopfs ſind mit kleinen und weichen, ſpitzen Warzen beſetzt. Vor der Stimmritze findet ſich eine ſchwache Hautfalte. Am Schildknorpel iſt die ſo haͤufig vorkommende, nach innen vorſpringende Theilungs— leiſte ziemlich ſtark. Die ſtarken Knochenringe der Luftroͤhre laſſen °) Ich fand in dem Magen kleine Sepienſchnäbel. R. W. - — — XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. Taucherſturmvogel. 617 dieſelbe nicht kollabiren, ſondern erhalten deren Lumen ſtets offen. Die Luftroͤhre wird gegen den unteren Kehlkopf enger; die Anfaͤnge der Bronchien find ſtark entwickelt, wie aufgetrieben; die Bronchial— halbringe vom Anfang an nach innen membranoͤs. Das einfache Stimmmuskelpaar iſt ziemlich ſtark.“ „Die Nieren bilden eine oben getrennte, im unteren Dritt— theil verſchmolzene Maſſe; ſie verſchmaͤlern ſich nach hinten und glei— chen dadurch einem Dreieck, deſſen Baſis nach oben gekehrt iſt. Die oberen Lappen ſind die groͤßten und ſtehen ziemlich weit aus— einander.“ „Der Eierſtock iſt einfach.“ „Die Buͤrzeldruͤſe iſt anſehnlich und zerfaͤllt durch einen tiefen Einſchnitt in zwei Seitenlappen.“ „Der Knochenring des Sklerotika beſteht aus 15 Stuͤcken.“ „Dieſe Beſchreibung iſt nach den Skeletten der europaͤiſchen Arten und mehrern in Branntwein konſervirten Exemplaren von Puffinus cinereus entworfen.“ In die Nähe der Küften Deutſchlands koͤmmt fehr felten bloß Eine Art. 306. Der nordiſche Taucherſturmvogel. Puffinus areticus. Faber. Fig. 1. Altes Männchen, im Fruͤhlinge. Taf. 277. Fig. 2. Weibchen, im Sommer, im Uibergange aus dem jugendlichen in das ausge— faͤrbte Kleid. Arctiſcher —, nordiſcher —, engliſcher —, gemeiner —, mitt— ler —, ſchwarzruͤckiger Sturmtaucher oder Sturmvogel. Puffin; mittler Puffin; Puffintaucher; Puffinmeve. Waſſerſcheerer. Puffinus areticus. Faber, Prodrom. der isländiſchen Ornith. S. 56. u. 1. Derſelbe, Iſis. 1824. Hft. VII. S. 782. — Puffinus anglorum. Raji Syn. av. p. 134. A. 4. — Fr. Boie, Iſis, 1822. Hft. VIII. S. 873. = Procellaria anglorum (Petrel Manks). Te Man. d’orn 2de Edit. II. p. 806. = Procellaria Puffinus. Brünn. Orn. bor. p. =. n. 119. — Briss. Orn, VI. p. 131. — Fabrie. Zool. dan, p. 17. n. 145. = Shearwaler Petrel. Peun. brit. Zool. p. 146. t. M. — Arct. Zool. II. p. 535. n. 462. — Uiberſ. v. Zimmermann, II. S. 496. u. 379. = Manis Puffin. Edwards Glan. t. 379. = Shearwaler. Bewiek brit. Birds. II. p. 246. = Berta minore, Stor. degl. ucc. tay 537. — Savi, Orn. tose, III. p. 39. = Seeligmann's Vög. IX. t. 49. = Meyer, Zuſätze oder III. z. Taſchenb. ©. 220. 2. 3. = Brehm, Lehrb. II. S. 898. — Deſſen, Naturg. a. V. Deutſchlds. S. 806— 807. Procellaria Puffinus. Gmel. Linn. Syst. I. 2. p. 566. u. 6. — Lath. Iud. II. p. 824. n. 11. — Uiberſ. S. 498. n. 11. — Lath. Syn. VI. p. 407. — Uiberſ. v. Bechſtein, III. 2. S. 356. n. 11. find unſichere Allegate, weil in jenen Beſchrei— bungen unſer Vogel mit andern Arten vermengt iſt; es gebt daraus hervor, daß jene Autoren die Art wol kannten, aber die ihr nahe verwandten nicht zu unterſcheiden wußten. Kenn ze i chen der Ar Der ſchlanke, gegen den Haken etwas aufſteigende Schnabel iſt gegen 2 Zoll, die Fußwurzel etwas laͤnger; die Spitzen der ru— — | — XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 619 henden Flügel reichen weit über das Schwanzende hinaus. Lach: meven: Größe. Bie ſech rei du nung Der arctiſche Taucherſturmvogel unterſcheidet fi) von den auf der ſuͤdlichen Meeren Europa's vorkommenden Arten, Puffinus major und P. cinereus, beſonders durch ſeine von oben viel dunk— lere Farbe und viel geringere Groͤße, die ohngefaͤhr ſo verſchieden iſt, wie zwiſchen Anas boschas und A. crecca. Bei Sicilien und Corſika koͤmmt eine oft mit ihm verwechſelte Art, Puffinus Kuhlii, vor, die aber einen viel kuͤrzern, in der Form denen der Mevenſturmvoͤgel aͤhnelnden Schnabel hat, welcher nebſt den Fuͤßen gelb gefärbt iſt. Noch eine Art, Pulfinus obscuxus, welche ſehr ſel— ten von Suͤden herauf bis in die Naͤhe der Kuͤſten von Portugal, Spanien und Frankreich koͤmmt, aͤhnelt der unſrigen mehr als alle andere, iſt aber viel kleiner und vielleicht die kleinſte Art diefer Gattung. f In der Groͤße iſt unſer arctiſcher Taucherſturmvogel ſo ziemlich mit einer Lachmeve (Larus ridibundus) zu vergleichen, dabei ift jedoch ſein Rumpf viel dicker, wodurch die Fluͤgel und beſonders der Schwanz viel kleiner erſcheinen. Seine Laͤnge, von der Stirn bis zur Schwanzſpitze, iſt 13 bis 13½ Zoll; die Fluͤgellaͤnge, vom Handgelenk bis zur Spitze, 10 bis 10½ Zoll; die Flugbreite 30 bis 32 Zoll; die Länge des Schwanzes 2¾ Zoll. Maͤnnchen und Weibchen ſind von gleicher Groͤße. Das kleine Gefieder iſt an den untern Theilen ungemein weich, an den Raͤndern zerſchliſſen, ſehr dicht, an der Bruſt und dem Bauche dick und pelzartig, von oben her dagegen derb und mit deutli— chen Conturen. Die Fluͤgel uͤberdecken zwar keine ſo große Flaͤche, als bei Meven, ſind deshalb aber doch von mehr als mittler Groͤße, aber ſchmal, und haben beſonders lange Ober- und Unterarmknochen, denen auch die Knochen der Hand lein ſeltnes Verhaͤltniß) an Laͤnge gleichkommen, wodurch der Fittig, obgleich die Primarſchwingen nicht ſehr lang, eine bedeutende Laͤnge erhaͤlt. Die letztern ſind ſchmal, am Ende allmaͤhlich ſchmaͤler zugerundet und ziemlich ſpitz, ihre eben nicht ſtarken, aber ſtraffen Schaͤfte ſaͤbelfoͤrmig, mehr nach innen als aufwaͤrts gebogen; die erſte von ihnen die laͤngſte von Allen. Die Secundarſchwingen ſind kurz, breit, am Ende zugerun— det, die letzten nur eine kurze, zugerundete, hintere Fluͤgelſpitze bil— 620 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. dend. Der kurze, aus 12 weichen, ziemlich breiten, am Ende zu— gerundeten Federn beſtehende Schwanz hat ein faſt gerades, ſelten an den Seiten etwas abgerundetes Ende, indem die aͤußerſte Feder nur 1 bis 2 Linien kuͤrzer iſt. Die Spitzen der ruhenden Fluͤgel kreutzen ſich über dem Schwanze und reichen 2 Zoll über fein Ende hinaus. Die größten Unterſchwanzdeckfedern find faſt fo lang als der Schwanz. Der Schnabel iſt im Ganzen mittelmäßig, ſchlank; im Profil ſeine Firſte von der Stirn etwas abſteigend, nach vorn ſich wieder erhebend; der Kiel gerader; beide Theile in eine herabgekruͤmmte Spitze uͤbergehend, die obere aber einen groͤßern, etwas aufgeſchwun— genen, im Drittheil eines Zirkels gebogenen und laͤnger zugeſpitzten Haken darſtellend, welchen eine Furche von den Seitentheilen des Schnabels ſondert, die jederſeits neben der ſchmalen, plattrunden Firſte bis an die Naſenloͤcher zuruͤcklaͤuft. Der Haken des Unter— ſchnabels, welcher kuͤrzer und hoͤher als jener, iſt von den Seiten— theilen des Unterſchnabels ebenfalls ziemlich deutlich geſondert und eine feine Laͤngefurche, naͤher und parallel der Schneide, theilt die Seitenflaͤchen der Länge nach in zwei ungleiche Theile. Die ſchmale Kielſpalte laͤuft ſehr weit vor und wo ſie (am untern Haken) endet iſt ein bald mehr bald weniger deutliches Eck. Hinten iſt er bedeu— tend breit oder ſo breit als hoch, nach vorn viel ſchmaͤler oder faſt zur Haͤlfte hoͤher als breit; der Haken oben gerundet und ſeine Spitze 1 Linie über die untere hinwegragend. Die Schneiden find ziemlich gerade, vor den Mundwinkeln nur ein Wenig aufgeſchwun— gen, ſehr ſtark eingezogen und ungemein ſcharf, am Unterfchnabel die Seitenwaͤnde auffallend dick; die faſt bis unter das Auge rei— chende Mundſpalte bildet einen tiefen, hinten beinahe 1 Zoll breiten Rachen. Die ſehr lange und ſchmale Kielſpalte iſt mit einer nack— ten Haut ausgeſpannt,“) das eigentliche Kinn jedoch befiedert. Die Naſenloͤcher liegen oben auf der breiten Schnabelwurzel in einer gemeinſchaftlichen, breiten, platten, durch eine Laͤngeſcheidewand getheilten Roͤhre, die 3 Linien von der Stirn ſchraͤg abgeſtutzt iſt, wo ſich die beiden kleinen, ovalen Oeffnungen mit 1½ Linien brei— ten Zwiſchenraum zeigen und ihre Muͤndung ſowol nach vorn als nach oben oͤffnen. °) Abermals eine Annäherung der Schnabelform an die der Gattung Halieus s, Carbo. XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 621 Ich habe dieſen Schnabel bei verſchiedenen Individuen in der Groͤße und Staͤrke ziemlich verſchieden gefunden, und es That den Anſchein, daß beide mit dem Alter des Vogels etwas zunehmen. Seine Maaße ſind daher folgende: Laͤnge, von der Stirn bis auf den aͤußerſten Ruͤcken des Hakens, in gerader Linie 1 Zoll 6 bis 7 Linien; über die Krümmung des Hakens bis zu deſſen Spitze 175 bis volle 2 Zoll; vom Mundwinkel in gerader Linie bis auf den Ruͤcken des Hakens 2¼ bis 2⅜ Zoll; feine Höhe vor der Stirn 6 bis 7 Linien, vorn in der Naͤhe des Hakens 4 bis 4½ Linien; die Breite dort der Hoͤhe gleich, hier nur gute 2 Linien. Die Faͤrbung des Schnabels iſt im Alter ein mattes Schwarz, die Spitze des Hakens am lichteſten; bei juͤn gern Individuen zieht er ſtark ins Bleifarbige und gegen die Wurzel der Unterkinnlade tritt dieſe Bleifarbe klar an's Licht. Im getrockneten Zuſtande wird er ſehr unſcheinlich, hornbraunſchwaͤrzlich, hin und wieder weißlich gefleckt oder angelaufen. Die kleine, ſpitzige Zunge iſt vorn ſchwaͤrz— lich, hinten wie der Rachen blaß bleifarbig. Das ziemlich kleine Auge hat einen tief braunen Stern und die Lider ein nacktes braunſchwarzes Raͤndchen. Die merkwuͤrdig geſtalteten Fuͤße ſind von mittler Groͤße, Laͤufe und Zehen faſt von gleicher Laͤnge und beide ſehr ſchlank; das ganze Ferſengelenk iſt nackt, aber der Unterſchenkel bis dahin befiedert; der Lauf ungemein ſtark zuſammengedruͤckt (bei einer Breite von 3½ Linien nur 1¼ Linien dick), vorn und hinten mit ſcharfer Kante; die Vorderzehen ſehr ſchlank, beſonders lang ihr erſter Phalanx; die aͤußere Zeh die laͤngſte, die mittlere eigentlich etwas kuͤrzer, aber die groͤßere Kralle giebt ihr ſcheinbar dieſelbe Laͤnge; die innere Zeh viel kuͤrzer. Sie ſind durch volle Schwimmhaͤute bis vor verbunden, dieſe aber von den Zehenwurzeln bis gegen die Mitte der Zehen— laͤnge ſehr ſchmal geſpannt, ſo daß die Spur ein Dreieck mit einer kurzen ſchiefen Baſis und zwei ſehr langen Seiten bildet, deſſen ſehr hohe Spitze der gemeinſchaftliche Zehenballen iſt. Die Hinterzeh fehlt; an ihrer Stelle, etwas hoͤher als der Zehenballen, auf der ſcharfen Kante der Laufſohle, ſteht jedoch eine kleine bewegliche, ſpitze Kralle. Der Uiberzug iſt ſeicht gekerbt, an den beiden Seitenflaͤchen des Laufs in eckige Schildtafeln, die auf den Zehenruͤcken ſchmaͤler find, die Schwimmhaͤute zart gegittert, Alles in einer fehr eigen⸗ thuͤmlichen Weiſe. Die Krallen ſind nicht groß, am groͤßten die der Mittelzeh; dann folgt die der innern, dann die der aͤußern Zeh; am allerkleinſten iſt die welche an der Stelle der Hinterzeh eingelenkt 622 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. iſt; ſie ſind nur flach gebogen, ſchmal, unten ausgehoͤhlt und ihre Raͤnder ſehr ſcharf, der innere an der Mittelzeh ſtark vortretend, die Spitzen zwar nicht nadelſpitz, aber ſehr ſcharf; ſie liegen ſo weit auf die Zehenſpitzen zuruͤck, daß an der Spitze kaum die Haͤlfte ihrer Laͤnge frei bleibt. | Die Maaße der Fuͤße find folgende: Die Länge des Laufs (wie immer aus der Biegung des Ferſengelenks bis in die Einlenkung der Zehen gemeſſen) iſt 2 bis 21/, Zoll; die der aͤußern Zeh, mit ihrer 3 Linien langen Kralle, 21/, bis 2‘ Zoll; die mittlere ebenſo lang, aber ihre Kralle mißt 4 bis 5 Linien; die innere Zeh, mit der gute 3 Linien langen Kralle, 1 Zoll 9 bis 10 Linien; die winzige Hinterkralle nur 1½ Linien. So wie ihre Geſtalt macht fie auch ihre Faͤrbung den Füßen der Seetaucher (Eudytes) ſehr aͤhnlich; ihre Auſſenſeite iſt nam: lich dunkel, die entgegengeſetzte hell gefaͤrbt, ſo hier die nach auſſen ge— kehrte Flaͤche der Ferſe und des Laufs, die ganze aͤußere Zeh, die mittlere aber bloß an den Gelenken nach auſſen und die innere Zeh, nur in einer kleinen Stelle am Nagel gruͤnlichſchwarz, bei juͤngern Voͤgeln bleiſchwarz; die nach innen gekehrte Fläche der Ferſe, des Laufs und das Uibrige der Zehen fleiſchfarbig, etwas ins Bleifarbige ſpielend; die Schwimmhaͤute licht olivengelb, nur gegen den Vor— derrand ins Schwaͤrzliche uͤbergehend, dies aber oft nur ſchwach, oder auch ſtreifenartig; die Sohlen der Zehen und Schwimmhaͤute ſchwarz; die Krallen braunſchwarz. Bei juͤngern Voͤgeln haben die lichtgefaͤrbten Fußtheile wenig, bei alten viel Gelb. — Ausge— trocknet werden die Farben der Fuͤße ſehr unſcheinlich, von auſſen her ungleichfoͤrmig ſchwaͤrzlich und ſchwarzbraun, nach innen hell, gelblichhornfarben, auch die Ruͤcken der Krallen hellhorn— farbig. N Der Neſtvogel iſt gleich anfaͤnglich mit Dunen bekleidet, die bald ſehr dicht, lang und weich werden, welche einfarbig braungrau, vom Kropfe bis zum After aber weiß ausſehen, waͤhrend Geſicht und Kehle nackt ſind und die Haut hier bleifarbig iſt, wie auch der Unterſchnabel gefaͤrbt, das Uibrige des Schnabels aber ſchwaͤrzlich iſt, wobei Rachen und Zunge, ſo wie die innere Seite der Fuͤße fleiſchfarbig ausſehen. Er waͤchſt ſehr langſam und bekommt erſt wenn er voͤllig erwachſen ſein ordentliches Gefieder. Das Jugendkleid ſahe ich ſelbſt nicht. Es weicht aber nach neuern zuverlaͤſſigen Beobachtungen ſehr von dem älterer Voͤgel ab weil ihm an den untern Theilen alles Weiß gaͤnzlich XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 623 fehlt. Es iſt bei unſrer Art einfarbig matt, ſchwarzbraun oder ruß— farbig, an der Kehle, der Gurgel und dem ganzen Unterkoͤrper dieſe allgemeine Faͤrbung bloß etwas lichter. Es iſt ſehr wahrſcheinlich daß ſie es ein volles Jahr tragen, wo es dann kurz vor der Mau— ſer auſſerordentlich abgebleicht und abgeſchabt ausſieht. i Nach abgelegtem Jugendkleide erſcheint unſer Vogel in folgen— dem Gewande: Ein rußiges Braunſchwarz herrſcht an allen obern Theilen, auf den Flügeln und dem Schwanze; an den Kopfſeiten, unter den Augen und auf den Wangen, desgleichen an den Hals— ſeiten, wo es in einem ſtumpfen Winkel gegen die Gurgel vortritt, geht es in eine aſchgraubraune lichtere Faͤrbung (an letzterm Theile meiſtens geſchuppt) uͤber; Kinn, Kehle, Gurgel, Kropf, die Bruſt von oben ganz, dann nur auf der Mitte bis gegen den Bauch hin rein weiß, nur an den Seiten des Kropfs und der Oberbruſt, hin - und wieder auch auf der Mitte der Unterbruſt mit ſchiefergrau be— ſpritzten Federkaͤntchen; die Tragefedern nach hinten zu, die Schen— kel, der Bauch, After und untere Schwanzdecke aſchgraubraun, letztere und erſtere am dunkelſten. Der Unterfluͤgel iſt in der Mitte rein weiß, am obern und vordern Rande grau gefleckt, am letztern nur wenig und ſchwach, vom erſtern nach dem Moͤhringſchen falſchen Fluͤgel zu und an dieſem ganz in Braungrau uͤbergehend; die Schwing— federn unten ſilbergrau, am hellſten die der erſten Ordnung; die Schaͤfte dieſer unten braun, mit einem weißlichen Laͤngeſtreif auf der Mitte entlang, von oben ganz dunkelbraun; der Schwanz auf der untern Seite bloß heller als auf der obern, auch an ſeinen Federſchaͤften. Die Faͤrbung der obern Theile hat am friſchen Gefieder einen Uiberflug von dunkler Schieferfarbe, welcher ſich aber bald verliert, worauf das Braunſchwarz immer rußiger wird und nach und nach ſich in eine duͤſtere Erdfarbe verwandelt, wobei die verſtoßenen Fe— derkanten noch lichter ausſehen und die Haͤßlichkeit des Ganzen ver— mehren helfen; dies iſt bei dieſen Voͤgeln ſo arg, daß der friſch— vermauſerte ein ganz anderer als der in demfelben, aber ab: getragenen Gewande zu ſein ſcheint. Der noch aͤltere Vogel hat folgende einfache Zeichnung, die denen der Alken (Alca) und Lummen (Uria) im Winterkleide gleicht und ihre nahe Verwandtſchaft bekundet. Der Oberkopf bis unter die Augen und Schlaͤfe, der ganze Hinterhals, Ruͤcken, Fuͤgel und Schwanz ſind braunſchwarz; die ganze Unterſeite des Vogels, vom Kinn bis an den Schwanz, auch die Unterfluͤgeldeckfedern rein 624 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. weiß, die Grenze des Weißen und Schwarzen an den Kopf- und Halsſeiten grau geſchuppt; die Auſſenſeite der Schenkelbefiederung matt braunſchwarz; die Tragefedern über dieſen theils an den Raͤn— dern, theils am Schafte mit einigen ungeregelten braunſchwarzen Laͤngeſtreifen; Schnabel, Auge und Fuͤße wie oben beſchrieben. Die mehr oder weniger dunkele Farbe der obern Theile und die groͤßere oder geringere Reinheit des Weißen an den untern ma— chen zwiſchen ſehr alten und juͤngern Voͤgeln einen, zuweilen recht auffallenden Unterſchied, wobei es aber ſehr darauf ankoͤmmt, daß ſie zu der naͤmlichen Zeit erlegt wurden; denn die Jahreszeiten bewirken an dieſem Gefieder und deſſen Farben einen gewaltigen Unterſchied. Ein Analogon von dieſer Faͤrbung finden wir am Mantel mancher Meven wieder, namentlich bei Larus fuscus, wo jener gleich nach der Mauſer auch ſchoͤn ſchwarz und mit ſchiefer— blauem Duft belegt, wenn ſich dieſer abgetragen, bloß Schwarz er— ſcheint, das endlich gegen eine neue Mauſer hin in ein mattes Braunſchwarz abſchießt; doch iſt dieſe allmaͤhliche Umwandlung deſſelben Gefieders bei Pulliuus ungleich auffallender, der Unterſchied zwiſchen dem friſchen und dem abgetragenen Gefieder um Vieles groͤßer, wozu das gewaltſame Abſcheuern deſſelben auch großen An— theil hat. Maͤnnchen und Weibchen zeigen im Aeußern keine be— merkbare Verſchiedenheit, weder in der Groͤße noch in der Faͤr— bung. 5 Der Unterſchied zwiſchen dem Gefieder eines ſolchen Vogels, welcher ſich eben mauſern will und dem welcher ſich eben ge— mauſert hat, oder zwiſchen dem abgetragenen und dem fri— ſchen Gefieder, iſt zu auffallend, als daß eine genauere Beſchrei— bung hier nicht ein Plaͤtzchen verdiente. Ein im Spaͤtſommer 1831 bei Helgoland (von woher ich ſeitdem mehrere erhielt) Erlegter*) befindet ſich in vollem Federwechſel, ſo daß ſelbſt mehrere der Pri— marſchwingfedern fehlen, an deren Stelle zwar neue hervorwachſen, welche aber bei weitem die gehoͤrige Laͤnge noch nicht haben. An allen uͤbrigen Theilen machen die hervorkeimenden neuen Federn, die eine ganz andere Farbe haben, ſein Gewand ſehr buntſchek— kig. Kinn, Kehle, Kropf und beinahe die ganze Bruſt ſind weiß, e) Er iſt auf unſerer Taf. 277. Fig. 2. abgebildet. Dieſes Individuum iſt übri⸗ gens wenigſtens ein zweijähriges. | XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 625 an den Erſtern mit grau beſpritzten Federraͤndern, an den Seiten der Letztern grau gewoͤlkt; der Bauch ebenſo; die Tragefedern und Weichen uͤber den Schenkeln und die untern Schwanzdeckfedern braungrau mit etwas hellern Saͤumen. Von der Stirn an bis auf den Schwanz, haben alle obern Theile, nebſt den Fluͤgeln, duͤſter graubraune oder erdgraue, hell maͤuſegrau oder lichtfahl gefantete Fe— dern, die an den Wangen mit weißlichen oder hellgrauen ſtark ge— miſcht ſind; der Unterfluͤgel hat groͤßtentheils rein weiße Deckfedern und die untere Seite der Schwingfedern iſt ſilbergrau. Nicht allein am meiſten abgebleicht, ſondern auch am aͤrgſten abgerieben und zer— ſcheuert ſind die Enden der Schwingfedern dritter Ordnung oder die der hintern Fluͤgelſpitze; an den Primarſchwingen geht beides genau nur ſo weit, als bei geſchloſſenem Fluͤgel die Spitze und Auſ— ſenfahne der einen Feder die andere nicht deckt; ſo weit ſie bedeckt iſt, ſieht ſie wenigſtens noch dunkelbraun aus, waͤhrend die feeilie— gende Auſſenkante und nie bedeckte Spitze bis faſt zum Weißlichen verſchoſſen und dabei ſo abgeſtoßen iſt, daß ſogar die aͤußerſten Spitzen der Schaͤfte abgebrochen ſind. Dieſe Theile ſcheinen bei den Beſchaͤftigungen des Vogels zwiſchen den Meereswogen ganz beſonders ſtarken Reibungen ausgeſetzt zu ſein. — Das zwiſchen dem alten hervorkeimende ganz junge Gefieder iſt an den Wangen hell— grau, an den Kropf- und Bruſtſeiten aſchgrau, am Bauche und den Unterſchwanzdeckfedern dunkelaſchgrau oder ſchieferfarbig, an allen obern Theilen nebſt den Fluͤgeln matt ſchwarz, wegen des dunkel— aſchblaulichen Uiberflugs ſchieferſchwarz zu nennen, am allerdun— kelſten die großen Fluͤgeldeckfedern. So einfach nett das Gefieder und Ausſehen dieſes Taucher— ſturmvogels auch im Herbſt und noch bis zum Anfang des Fruͤh— lings iſt, ſo ſchlecht und haͤßlich dagegen ſieht er im Sommer aus. Es giebt nicht viele Voͤgel, bei denen mit einem und demſel— ben Gefieder eine fo große Umwandlung vorginge. Es mag unter dieſen Voͤgeln wol auch weißbunte Spiel— arten geben. Ich ſelbſt beſitze ein Exemplar, vom Meer bei Hel— goland erſt kuͤrzlich erhalten, welches zwei ſchneeweiße Mittelfe— dern im Schwanze hat. Die Mauſer iſt bei dieſen Voͤgeln gewiß nur einfach; dies zeigt das Gefieder zu allen Jahreszeiten erhaltener Exemplare deut— lich. Der Federwechſel beginnt bei den Alten, wenn die Jungen erwachſen ſind, gegen Ende des Auguſt und dauert durch den Sep— tember, bis tief in den October. Sie geht, weil ſie ſich uͤber ſaͤmmt— 101 Theil. 40 625 XIII. Ordn. LXXXI. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. liches Gefieder erſtreckt, ſehr langſam; am langſamſten waͤhrt es mit den Schwingfedern, die paarweiſe und in langen Zwiſchenraͤumen ausfallen und durch neue erſetzt werden, welche erſt eine gewiſſe Laͤnge erreicht haben muͤſſen, ehe wieder ein anderes Paar entbehr— lich wird; die kuͤrzern Primar- und die Secundarſchwingfedern ma: chen jedoch eine Ausnahme und fallen nicht ſelten zu dreien neben- einander aus, wo ſich dann beim fliegenden Vogel Luͤcken in den Fluͤgeln zeigen. Auf e n t et Es iſt ſchwer zu ermitteln, wie weit der arctiſche Taucherſturm— vogel verbreitet ſei, weil er fruͤher haͤufig mit andern aͤhnlichen Ar— ten verwechſelt wurde. So viel iſt gewiß, daß er auf den euro— paͤiſchen Meeren nicht ſo hoch nach Norden hinauf geht als Pro— cellaria glacialis, daß er mehr mit Thalassidroma pelagica unter. gleicher Breite lebt, daß aber wieder andere Arten der Gattung Puf- linus noch ſuͤdlicher wohnen, weshalb er unter ihnen den Beinamen arcticus ſehr wohl verdient, wenn er auch die eigentliche boreale Vo— gelzone nur in Suͤdweſten beruͤhrt und weiter hinauf ſelten in ſie eindringt. — Er iſt auf dem Meer um Island eben nicht haͤufig, hier auch am meiſten im Suͤden dieſes Landes; auch bei den Faͤ— roͤern iſt er noch nicht ſehr haͤufig, weiter herab dies aber immer mehr, beſonders bei den Orcaden, den Hebriden, namentlich bei St. Kildaͤ, dann an den iriſchen, ſchottiſchen, ſelbſt den eng: liſchen Kuͤſten und auf der irelaͤndiſchen See bis zur Breite der großen Inſel Man herab, und ſtreift von hier noch ſuͤdlicher, zu— weilen bis an die Nordweſtkuͤſten des europaͤiſchen Feſtlandes. Auch auf dem mittellaͤndiſchen Meer wird er einzeln geſehen und, wie zwei Exemplare des Berliner Muſeums beweiſen, ſogar bei der Inſel Cypern. — Auf dem atlantiſchen Ocean, zwiſchen Eu- ropa und Nordamerika, hat man ihn allenthalben angetroffen, bei den Kuͤſten und Inſeln des Letztern, von Labrador an bis zu den ſuͤdlichſten Vereinsſtaaten herab, hier oft mit der kleinen Art (Puffinus obscurus) in einerlei Gegenden. Auf dem Meer bei Norwegen wird er ſehr ſelten bemerkt, weniger ſelten auf der deutſchen Nordſee; wenigſtens iſt dies bei Helgoland oͤfters der Fall. Auf dem Meer ein paar Meilen nord— und weſtwaͤrts von dieſer Inſel wird er ſogar faſt alle Jahr und meiſtens in kleinen Geſellſchaften bis zu 20 Stuͤcken beiſammen ge— XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 627 ſehen, beſonders nach anhaltenden und oft wiederholten Nordweſt— Stuͤrmen und waͤhrend derſelben, ſo daß es moͤglich wurde, daß dort zwei gute Schuͤtzen, aus einem Fiſcherfahrzeuge, an einem Herbſttage 11 Stuͤck erlegen konnten, und ein ſehr lieber Freund von mir deren alle Jahr einige erlegte, wenn er dieſe Voͤgel zur rechten Jahreszeit und bei Nordwind auf einem großen Boote ohn— gefaͤhr bei drei Meilen von der Inſel aufſuchte. Sehr ſelten er— ſcheint dagegen einer im Angeſicht der Inſel, und dies ſind dann auch ſtets bloß Vereinzelte, wie ſolche wol auch bisweilen an der Kuͤſte von Holland vorkommen, dieſe auch meiſtens in einem ab— gematteten Zuſtande. — Auf der eigentlichen Oſtſee hat man ihn nirgends bemerkt, ihn auch niemals in einer vom Meer entfernten Gegend Deutſchlands angetroffen, weil er ſich nie landeinwaͤrts verfliegt. Obgleich eigentlich nicht Zugvogel, ſcheint es doch, daß die Mehrzahl in der rauhen Jahreszeit ſtreicht und ſich auf dem Ocean ſelbſt dem Wendekreiſe naͤhert. Wie weit dies geſchehe, iſt jedoch unbeſtimmt und wegen oͤfterer Verwechslung mit andern Arten nicht zu behaupten. Gleich andern, der großen Gruppe der Sturmvoͤgel angehoͤri— gen, Arten iſt auch dieſe Meervogel im ſtrengſten Sinne des Aus— drucks. Nur die Begattungszeit bringt ſie dem Lande naͤher, zu andern Zeiten wol auch Stuͤrme, doch dann auch nur in einer ver— haͤltnißmaͤßig geringen Zahl und bloß ausnahmsweiſe. Sonſt lebt die Art, gleich den andern, auf dem unabſehbaren Ocean und wird nur von dieſen durchſchiffenden Beobachtern bemerkt, und zwar ge— woͤhnlich in kleinern oder groͤßern Geſellſchaften, ſelten vereinzelt. Vom Lande aus kann ſie nur in den Bruͤtegegenden und in der Fortpflanzungszeit bemerkt werden, doch auch nur auf dem Waſſer, und auf dem Lande darum viel ſeltner, weil ſie es hier auch bloß der Fortpflanzungsgeſchaͤfte wegen betritt, ſich dabei aber ſorgfaͤltig verbirgt. Unſer Taucherſturmvogel wohnt daſelbſt naͤmlich in vor— gefundenen oder ſelbſtgegrabenen Hoͤhlen, und wenn ihn da der Be— obachter nicht beim Zubereiten derſelben uͤberraſcht, fo iſt er ihm ſelbſt dann, wenn er ihn vom Meer ankommen und auf die Erde niederlaſſen ſahe, meiſtens augenblicklich verſchwunden. Solche Plaͤtze find hohe, ſchroffe, von Brandungen umbrauſete, ganz oder groͤßten— theils vom Meer umgebene Klippen und hohe Inſeln, deren Ober— fläche mit Erde und Raſen bedeckt iſt. Auf flachem Strande ſahe man ihn niemals; ebenſowenig iſt bemerkt worden, daß er, um ſich 40 * 628 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. auszuruhen, unten auf die Klippen klettere; es ſcheint vielmehr, daß er dies durch Schwimmen erreiche und auch ſchwimmend ſchlafe. ieee Der nordiſche Sturmtaucher gehoͤrt ſelbſt im friſchen ausgefaͤrb— ten Kleide nicht zu den ſchoͤnen Voͤgeln, hat dagegen im abgetrage— nen Gewande ſogar ein haͤßliches Ausſehen, das die Verhaͤltniſſe in ſeiner Geſtalt eben nicht zu mildern vermoͤgen; denn er kann auf der Spur (den Zehenſohlen) weder ſtehen noch gehen, weil ſeine Fuͤße zu ſehr auſſer dem Gleichgewicht, nach hinten, liegen, weshalb er die Bruſt ſehr aufrecht tragen muß, wobei er ſich dann auf die Sohle des Laufs ſtuͤtzt und ſich auch ſo fortbewegt, was daher nur muͤhſam, ſchwerfaͤllig und wankend geſchieht. Dafuͤr iſt er aber ein fertiger Schwimmer und Taucher. Nur bei hoͤchſter Aufregung der Elemente ausgenommen, ſieht man ihn zu andern Zeiten haͤufig in kleinen Trupps beiſammen behende auf den Wellen hingleiten, abwechſelnd Einen der Geſellſchaft nach dem Andern untertauchen und wieder oben erſcheinen, doch keinen ſehr lange unter Waſſer bleiben, woraus hervorgeht, daß ſie nicht ſehr tief tauchen moͤgen, zumal ſie auch faſt immer ziemlich an derſelben Stelle wieder zum Vorſchein kommen. Beim Tauchen aus dem Schwimmen oͤffnet er im Augenblick des Eintauchens die Fluͤgel und bedient ſich ihrer unter Waſſer, wie die Scharben, als ein zweites Paar Ruder. Bei ruhigem Wetter ſchwimmt er anhaltender und taucht auch fo; bei Sturm fliegt er mehr. Er iſt zugleich ein vortrefflicher Flieger und uͤbt im Ganzen das Fliegen noch weit mehr als das Schwimmen und Tauchen aus dieſem. Sein Flug iſt einer der leichteſten, behendeſten und aus— dauerndſten, zugleich aber auch der ſonderbarſten. Er geht dicht uͤber den Wogen hin, den Bergen und Thaͤlern dieſer folgend; der Vogel bewegt darin die gerade und ganz vom Koͤrper hinweg geſtreckten, ſpitzigen Fluͤgel haſtig, faſt zitternd, oder in ſehr ſchnellen, doch ganz kurzen Schlaͤgen, haͤufig ſogar ganz ohne dieſe, dann aber nicht ei— gentlich ſchwebend, ſondern den Koͤrper, welcher mit den ausgeſpann— ten Fluͤgeln ein Kreutz bildet, ganz wie Segler (Expselus), auf die eine und die andere Seite werfend, ſo daß in der Seitenanſicht bald die untere weiße, bald die obere ſchwarze Seite des Vogels, in ſchnellſter Abwechslung, ſich dem Blicke des Beobachters entgegen— ſtellt. Dies Alles geſchieht aͤußerſt hurtig und wird mit Staunen — — u — — — — p EEE EEE XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 629 erregender Gewandtheit ausgefuͤhrt; ſeltener iſt es aus der Hoͤhe herab ein wirkliches oder ruhiges Schweben. Beim Aufſteigen uͤber die Wellen machen dagegen die Fluͤgel nicht ſelten jene kurz und ſchnell ausgefuͤhrte, flatternde Bewegung, wie wir ſie bei einer im dichten Gehoͤlz vom Boden aufgeſcheuchten Waldſchnepfe zu ſehen gewohnt ſind. Das Aufſchwingen vom Waſſer geht auch leicht von Statten, geſchieht aber ſtets mit einem kleinen Anlauf, nicht urploͤtz— lich, hat alſo etwas Taucherartiges. Wie alle aͤchte Seevoͤgel, iſt auch dieſer dem Menſchen gegen— uͤber nicht ſcheu, bei deſſen Handthierungen ſogar zutraulich, ſo daß er von Fiſchern oft mit dem Ruder erreicht werden konnte und beim Neſte vollends jeden Anſtrich von Furcht bei Seite ſetzt. Vor ei— nem annaͤhernden Boote tauchen die Schwimmenden abwechſelnd, oft recht lange und kommen weit von der Stelle des Eintauchens wieder herauf, bis es ihnen ganz nahe koͤmmt; dann erft fliegen fie weg. Selbſt durch einen Schuß erſchreckt tauchen manche bloß, waͤhrend andere wegfliegen; jene folgen aber auch dieſen, wenn ſie wieder auf die Oberflaͤche kommen, um ſich in einiger Entfernung, wo ſich dieſe niederließen, wieder zu ihnen zu begeben. Sie gehoͤ— ren naͤmlich unter die geſelligen Voͤgel, und werden daher ſelten vereinzelt angetroffen, ſondern meiſtens zu 6 bis 20 Stüden oder in noch größern Vereinen. Zu andern Voͤgeln geſellen fie ſich je— doch ſelten. Sie ſind vom grauenden Morgen bis ſpaͤt am Abend in Thaͤtigkeit, am wenigſten bei heiterm Wetter in den Mittags— ſtunden, bei truͤber und ſtuͤrmiſcher Witterung aber zu allen Tags— zeiten. Die Schiffenden ſehen ſie zwar oft genug auf dem Meer in jenen Gegenden und im Voruͤberſegeln zuweilen zufaͤllig in geringer Entfernung; allein dieſe Voͤgel folgen den Schiffen nicht und unter— ſcheiden ſich dadurch abermals von den Mevenſturmvoͤgeln, wie von den Schwalbenſturmvoͤgeln. Seine Stimme, welche er auch ſchwimmend hoͤren laͤßt, ſoll mevenartig fein und, nach Faber, zwiſchen der von Larus tridacty- lus und Lestris parasitica in der Mitte ſtehen, aber leicht zu unter: ſcheiden ſein. g Dieſe mag hauptſaͤchlich aus Fiſchen, bis zu einer Hand Laͤnge, beſtehen. Auſſer dieſen naͤhrt er ſich aber auch haͤufig von Mollus— ken, namentlich Tintenſchnecken (Sepia, Loligo u. a.). Ob er auch 630 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. Quallen fange, iſt nicht wahrſcheinlich, weil er zu keiner Zeit im Stande iſt, ſogenannten Thran zu ſpeien. Die Fiſche faͤngt er meiſtens durch Tauchen aus dem Schwim— men, am liebſten die der Gattung Clupea, namentlich Cl. Sprattus, Spratten, und Engraulis Enerasicolus, Sardellen, und folgt gern ihren Zügen, fo daß die Fiſcher, wo fie unſern Vogel häufig fehen, mit Gewißheit guten Fiſchfang erwarten dürfen. Wenn fie hoch oben gehen faͤngt er ſie oft auch aus dem Fluge, ſtuͤrzt ſich aber nie wie Stoßtaucher auf ſie, ſondern greift dabei nur mit dem Schnabel ins Waſſer. Auf dieſe Weiſe faͤngt er auch die der Ober— fläche ſich naͤhernden Sepien, von welchen er ſich zu manchen Zei: ten vorzugsweiſe naͤhrt, wie dann der Magen Geöffneter beweiſt, in welchem ſich unter den unkenntlichen weichen Theilen die harten Schnaͤbel dieſer Mollusken in Menge vorfinden. Mein lieber Freund auf Helgoland ſahe, wenn er die Jagd auf dieſe Voͤgel aus ei— nem Fiſcherboote betrieb, wie fie dicht über dem Waſſer, den Schna— bel herabgerichtet, hinflatterten und waͤhrend der Eine beim Heraus— greifen und Verſchlingen eines jener Geſchoͤpfe ein paar Augenblicke beſchaͤftigt war, die Andern über dieſen wegflogen, fo daß die Hin— terſten ſich immer wieder an die Spitze des Fluges ſetzten, ohnge— faͤhr wie es die Feldtauben machen, wenn eine Schaar derſelben auf einem Acker die ausgeſaͤeten Saamen auflieſt. Die Taucher— ſturmvoͤgel ſind auf dieſe Weiſe ſo emſig beſchaͤftigt, daß ſie hierbei leicht ſchußmaͤßig aushalten, doch iſt Eil dazu noͤthig, weil ein ſol— cher Flug, trotz des Verweilens der Einzelnen beim Fangen und Freſſen, was freilich nur Augenblicke ſind, ungemein ſchnell auf ſei— nem gewählten Striche fortruͤckt. Jene gelbe, fettige Fluͤſſigkeit, gewoͤhnlich Thran genannt, welche man im Magen der Schwalbenſturmvoͤgel ausſchließlich, in denen der Mevenſturmvoͤgel aber mit andern feſtern Subſtanzen vermiſcht findet, wird bei den Taucherſturmvoͤgeln niemals gefun— den, ein Beweis, daß dieſe keine Schleimthiere oder Quallen freſſen. Sie haben aber mit jenen die auſſerordentliche Wohlbeleibtheit ge— mein und ihre Jungen ſind ebenfalls wahre Fettklumpen. Man hat ſie auch niemals auf ſchwimmenden Aeſern großer Seethiere an— getroffen, vermuthet daher, daß ſie kein Aas, wol auch ſchwerlich todte Fiſche freſſen. XIII. Ordn. LXXXM. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 631 Fortpflanzung. Der nordiſche Taucherſturmvogel bruͤtet in groͤßter Menge auf der Inſel Man, auf St. Kilda, dieſem Paradies zahlloſen Ge— fluͤgels, und auf einigen andern Hebriden, in geringerer Anzahl auf einigen Orkaden, noch weniger zahlreich auf den Faͤroͤern und auf den ſuͤdlichſten Weſtmannoͤern an der Suͤdkuͤſte von Island. Seine Bruͤteplaͤtze ſind die mit Erde und Graswuchs bedeckten Plattformen ſehr hoher, ſchroffer Felſengeſtade, dicht am Meer und oft da wo Tauſende anderer Seevoͤgel auf den Abſaͤtzen an den Felswaͤnden bruͤten, ſo daß er in ſolchen ſogenannten Vo— gelbergen den oberſten Platz einnimmt und nicht ſelten mit dem Lund (Mormon arctica) denſelben theilt, meiſtens aber ihn fuͤr ſich allein inne hat. Dort oben graͤbt er mit ſeinen ſcharfen Krallen in die Damm— erde, dicht unter der Raſendecke, eine horizontale, oft uͤber 2 Fuß lange Roͤhre, die dem Anfang eines Kaninchenbaues aͤhnlich ſieht, mag auch dieſe dazu benutzen, wenn er ſie am rechten Orte findet, wie dies oft bei denen von Mormon arctica der Fall fein fol. Im Hintergrunde dieſer Hoͤhlen, die weit genug ſind, um dem Vogel das Umwenden zu geſtatten, oder alt und jung, oder beide Alten zu— gleich aufzunehmen, iſt das Neſt. An ſolchen Orten, wo ſehr viele dieſer Voͤgel auf einem Platze nahe beiſammen niſten, wie an meh— rern Stellen auf Man oder St. Kilda, haben ſie den Raſen ſo unterwuͤhlt, daß der darauf wandelnde Fuß alle Augenblicke einſinkt. An andern Orten, wo ſie in geringerer Anzahl niſten, ſind die Hoͤh— len einander weniger nahe; ganz einſam niſtende Paͤaͤrchen findet man jedoch nirgends. Sie beziehen auch die vorjaͤhrigen Hoͤhlen wieder, ohne beſondere Muͤhe auf die Reinigung derſelben zu wen— den, ſo daß man ſogar einen alten Vogel mit ſeinem Jungen aus einer ſolchen zog, waͤhrend im Hintergrunde derſelben noch ein kaum vor Schmutz zu erkennendes, faules Ei vom vorigen Jahre lag. Im Mai kommen ſie zu den Bruͤteplaͤtzen, legen aber zu ſehr verſchiedenen Zeiten, ſo daß zwiſchen den erſten und letzten Gelegen ein Zeitraum von ein paar Wochen Statt finden kann. Die erſten Eier findet man gegen die Mitte des Juni. Das Graben und Einrichten der Hoͤhlen mag ihnen viel Muͤhe machen, denn man hat ſie ſchon Wochen lang hinein- und herausfliegen ſehen, ehe ſie zum Legen kommen. 632 XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. Das Weibchen legt alljaͤhrlich nur ein einziges Ei, im Hinter: grunde ſeiner Hoͤhle, auf eine ſehr duͤrftige Unterlage von wenigen abgezupften Grasblaͤttern und Halmen, die man ein Neſt nicht nen— nen kann. Dieſes Ei iſt im Verhaͤltniß zur Groͤße des Vogels ſehr groß, einem ſtarken und dabei etwas kurz geſtalteten Huͤhnerei hierin aͤhnlich, aber um ein Drittheil kleiner und viel kuͤrzer geformt als das der Procellaria glacialis. Es iſt gewoͤhnlich 2 Zoll 5 bis 6 Linien lang und 1 Zoll 10 bis II Linien breit; feine Geſtalt kurz und ſtark bauchicht; ſeine Schale ſtark, von etwas grobem Korn, doch mit wenigen Poren, daher ein wenig glaͤnzend; ſeine Farbe einfoͤrmig weiß ohne alle Flecke. Maͤnnchen und Weibchen bruͤten abwechſelnd mehrere Wochen lang mit großem Eifer auf dem Ei und haben deshalb beide einen großen Bruͤtefleck auf der Mitte des Bauches. Wie lange ſie bruͤ— ten iſt nicht genau beobachtet. Auch das Junge, das vom Anfang an in braungrauen, dichten und langen Flaum gekleidet iſt, aͤußerſt langſam waͤchſt und erſt Federn bekoͤmmt wenn es ziemlich erwach— ſen iſt, wird von beiden Aeltern abwechſelnd mit Futter verſehen, das ſie ihm in der Speiſeroͤhre zutragen und vorwuͤrgen. Sie haͤn— gen mit großer Liebe an ihm und eins ſteckt immer bei ihm in der Hoͤhle; Vater oder Mutter laͤßt ſich auch neben dem Jungen ohne Umſtaͤnde mit der Hand fangen und vertheidigt ſich dabei nur ganz ſchwach mit dem Schnabel. Ebenſo laͤßt ſich der bruͤtende Vogel auch uͤber dem Ei ergreifen, ohne einen Verſuch zum Entfliehen zu machen. Erſt in der letzten Haͤlfte des Auguſt und im Anfang des September, wenn das Junge voͤllig erwachſen und flugbar geworden, fuͤhren es die Alten aus der dunkeln Hoͤhle auf das Meer hinab und verlaſſen nun mit ihm die naͤchſten Umgebungen des Bruͤte— platzes, bis fie im kuͤnftigen Frühjahr der Begattungstrieb wieder dahin zuruͤckruft. ene Uiber dieſe iſt von keinem Beobachter Etwas berichtet. a g Dieſe Voͤgel ſind keineswegs ihrer Scheuheit, ſondern ihres wandelbaren und flinken Fluges wegen nicht leicht zu ſchießen, be— ſonders auch weil ihr dichter Federpelz den Schuß ſehr ſchwaͤcht; zudem iſt fuͤr manchen Schuͤtzen, welcher nicht daran gewoͤhnt iſt, XIII. Ordn. LXXXII. Gatt. 306. Nord. Taucherſt. 633 das Schießen aus dem ſchwankenden Boote ein ſehr unſicheres, nicht zu geſchweigen, daß eine ſolche Seejagd auch mit manchen Gefahren begleitet iſt. Der Angeſchoſſene, nicht gleich toͤdtlich verwundete ſucht ſich durch Tauchen und Fortflattern zu retten. Nutz en. Von den nordiſchen Voͤlkern werden die auſſerordentlich fetten Jungen beſonders fuͤr den Winter eingeſalzen und verſpeiſet, in we— nigen Gegenden auch die Eier gegeſſen. Von den alten Voͤgeln benutzt man hin und wieder die Federn, gleich Gaͤnſe- oder Meven— federn. Wo ſie haͤufig niſten, gewaͤhren ſie denſelben Nutzen wie Lummen, Alken u. a. Schaden. Es iſt nicht bekannt, daß ſie dem Menſchen auf irgend eine Weiſe Nachtheil braͤchten. Ende des zehnten Theils. Druck von J. B. Hirſchfeld. DR. on 500 n 9 10 19 anne — — — — . en nA