x IC ib ah wu ” ah 4 aauaıah) u KASSE N h DErTTErH FR fo D) x Ian .)arhan RI ENL® area a.ua NE Ihn rn RT N 0) A au Wr UMLEN) . 4 yanını ; soate) ” na h y o Mn ut \ ‘ ran RN « \ 1 } gt ur ER NR tel 2 va ARSU VENREN, h N URN RN KORKERERE SO NORSA IN REEL NEIN LI RT RATEN a HESAMEN, ER URRNPE NR IN a‘ $ | OR) \ RC A.) ar A Nö ah RN Re EN 07 BERLIN Ay ’ KL u » » nr SR N " A Er [ f VE E ENWAR AuN® % N, N) Ri M BR b ar at i Ds EHRE EN aan y ? aan ’ % " VA R In na ANA 1% + ya rw \ EAN) N UA : ae rt KERN T are REAUK, # 4 N R rs EN RUN DR N NR r ) pi > nn f R ’ She Me My AN unos } ı DR ' une h NL DR, RY IR h ur ö an N ER I ' Di % KOLIEI ER FR Y DO ER 5 De . au 114 AN \ N) E IR N un) RO OR R at BAU LDERN an " y ar HN HYSch REIT x $ \ be x N N N une Nr " % Nyahion N BORN DRORARN A SRH iR vr) N y »ı ya > DE Pi REN DRURR N) a N Ar Ran are AN I LERNEN Kr 7 RE) 4 \axaddaad r\ A") we 2 u ER Nr ne RT an au EELER Url PACHT p ERERENTR . ES hupae ER arten r De DIE \ „ua Ann N fi p RE ILTT 2 5 2 KEINER “+ 2m mid wr mt Der Bar wc Saar en er) an hin RD N / % “ Zu BEN Ban Bao JOURNAL für ORNITHOLOGIE GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft mit Beiträgen von M. Bartels, F. Braun, H. Ehmcke, Fıhr. C. v. Erlanger, L. Gough, B. Hantzsch, Dr. O. Heinroth, Ed. Hellmayr, Dr. F. Helm, Pf. O0. Kleinschmidt, P. Kollibay, E. Rössier, O0. le Roi, W. Schuster, J. Streich, J. Thienemann herausgegeben von Prof. Dr. Ant. Reichenow, Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kel. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Ornitnologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, der British Ornithologists’ Union, der Ungarischen Ornithologischen Centrale, der Ornitholog. Vereine in Leipzig und München u. a. LI. Jahrgang. Mit 7 Tafeln. Leipzig 1903. Verlag von L. A. Kittler. London, Paris, New-York, Williams & Norgate, 14 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co. Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway. ; Inhalt des LI. Jahrganges (1903). Seite M. Bartels, Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel . . 270 F. Braun, Gedanken zur Entstehung der Species der Passerinen 41 — Gefangenschaft und Instinkt. Eine Studie über das geistige Leben gefangener Sperlingsvögel. . » 2» 2 2 2.2.20. 407 H. Ehmcke, [Über neue Lerchenarten]. . 149 c. v. Erlang er, Kurze nen über die Gruppe der Kdel- N . 289 L. Gough, Tierleben i in einem Taubenschlag in ı Basel ans 257 B. Hantzsch, Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz) 52 0. Heinroth, Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee- Expedition von Br. Mencke.“ (Fortsetzung u. Schluss) . . 65 — [Über Entwicklung der Feder und über die-Mauser der Pinguine] 143 Ed. Hellmayr, Erläuterungen zur 18. Lieferung des „Tierreich“ 394 — Bemerkungen über neotropische Vögel . . 927 F. Helm, Über den Zug des Stares mit besonderer Berücksichtigung der Gätkeschen Ansicht über Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht . . 259 0. Kleinschmidt, Einige Bemerkungen zu dem Artikel von se. Brusina im vorigen Hefte dieser Zeitschrift . . . . 126 — [Über die zoogeographische Berechtigung der Annahme eines Mittelmeergebietes] . . te — [Über die Entwicklung der Vogelfeder in _ der Mauser] 2 BER ELAD, — Ornis von Marburg an der Lahn . . . ... .. 313, 440 — Vierzehn Tage am Rhein . 421 C. B. Klunzinger, Über des Hohenstaufenkaisers Friedrich 11. Werk über die Vögel und die Jagd mit Falken . . . . . 939 P. Kollibay, [Über die Vogelfauna Bosniens] . . . . 138 A. Reichenow, [Über neue Vogelarten] . - SE: 149, 544 E. Rössler, Noch einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusina im IV. Heft des L. Jahrganges dieser Zeitschrift . 405 0. le Roi, Ormnithologischer Bericht über die Monate März bis Oktober 1902 vom südlichen Teile der Kurischen Nehrung . 231 W. Schuster, Vogel und Mensch: Die freundlichen und feindlichen Beziehungen zwischen beiden und daraus sich ergebende Besonder- heiten in der Entwickelung und Verbreitung der Arten . . 1 J. Streich, Die Avifauna eines Gartens in Swatau, Süd-China . 515 J. Thienemann, II. Jahresbericht (1902) der NE sah Rossitten der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft . . Br 161 IV Bericht Bericht Bericht Bericht Bericht Bericht Bericht Bericht über über über über über über über über die die die die die die die die Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Jahresversammlung 1902 (von P. a Novembersitzung 1902 . ee: Dezembersitzung 1902 . Januarsitzung 1903 . Februarsitzung 1903 Märzsitzung 1903 Jahresversammlung 1903 (v. Matschie u. _Schalow). Septembersitzung 1903 Mitgliederverzeichnis 1903 Dem Herausgeber zugesandte Schriften . Dar. I. Taf. II. Taf. II. Taf. IV. Mataıv. Taf. VI. Taf. VII. Abbildungen. Erithacus. Lirithacus und Pratincola. Acrocephalus Calamoherpe. Schwanzmeisen. Parus Salicarius rhenanus. Baumläufer. Eimberiza. 157, 309, 417, 136 301 304 305 306 307 907 942 129 945 JOURNAL ORNITHOLOGIE Einundfünfzigster Jahrgang. No. 1. Januar 1905. Vogel und Mensch: Die freundlichen und feindlichen Beziehungen zwischen beiden und daraus sich ergebende Besonderheiten in der Entwickelung und Verbreitung der Arten. Von Wilh. Schuster. Wo der Mensch hinkommt auf dem weiten Erdenrund, er- greift er Partei; für oder wider ist er allüberall; er nimmt eine sanz bestimmte, oft zum Extrem sich ausweitende Stellung den einzelnen Arten des Tierreiches gegenüber ein. Die entsprechend gegenteilige — korrelative — Erscheinung bleibt nach den ewigen Gesetzen von dem allseitigen (als Reaktion wirkenden) Austausch und Ausgleich aller Kraftagenzien — Hinneigung erzeugt Zutrauen, Hass gebiert Feindschaft — nicht aus: Die höher organisierten Tiere treten ihrerseits in ein bestimmtes Verhältnis zum Menschen, das, je nachdem, ob freundschaftlich oder feindselig, bis zur Unterwerfung und dienstwilligen Folgsamkeit in Haus und Hof oder bis zur ewigen Todfeindschaft und zum völligen Untergang führen kann. Löwe und Luchs sind aus Europa zurückgedrängt, Pferd und Esel zu Haussklaven geworden; wo der Biber sich in Deutschland nicht halten konnte, gedieh freudig die Wasserratte; das Ziesel ist aus dem westlichen Deutschland verschwunden, während die „Hausmaus“ und das Kaninchen durch die Kultur des Menschen erst die rechten Daseinsbedingungen fanden; von dem wilden Damhirsch finden wir in unserem Erdboden — so in Pommern, in Südbayern, in der Schweiz — nur noch fossile Knochen,. wohingegen der noch stattlichere Rothirsch wie auch das zierliche Reh in annoch erfreulich starker Zahl in unseren Journ. £. Orn. LI. Jahrg. Januar 1903. 1 p} Wilh. Schuster: Wäldern hausen; die Biene ist fast zum „Haustier“ herange- züchtet worden, während die gleichfalls Honig eintragende, land- wirtschaftlich sehr nützliche Hummel, die dazu noch in ge- zähmtem Zustande zu einer grösseren Arbeitsleistung befähigt wäre, wegen ihrer bedeutenderen Körpergrösse, nicht nur nicht gezüchtet wird, sondern oft genug — freilich ungerechterweise — Nachstellungen erfährt. Alle Vögel haben bestimmt ausgeprägte Beziehungen zu der Gesamtheit der Menschen. Ihr Verhalten ist diesem gegen- über dreierlei Art: Entweder freundschaftlich oder aber geradezu feindliich — oder es ist fast gänzlich indifferent. Nicht jedoch sind in allen Ländern die gegenseitigen Beziehungen die gleichen; denn nicht allein nach Völkerrassen — wie Germanen und Romanen —, sondern auch nach Völkerschaften und Volks- stämmen ist das Verhalten gegen die Tiere verschieden: Wie der Italiener die Katze liebt und zärtlich mit ihr umgeht, den Hund dagegen verabscheut, wie umgekehrt der Norddeutsche den Hund freundlich und die Katze notorisch schlecht behandelt, so baut der Mailänder und Römer dem Steinkäuzchen heimeliche Wohn- lucken an seinem Hause, während der Flamländer wie der Steier- märker die Eule am Scheunentor annagelt. Selbst nach kleinen Länderstrichen ist das Verhalten den Vögeln gegenüber ver- schieden: Der Vogelsberger Bauer sieht es gern, wenn sein Junge das Nest des gemeinen Raben aushebt, während die Bewohner des Fuldathales oder die Rhönbauern den dortigen Raben ent- schieden Schutz angedeihen lassen, womöglich ängstlich darüber wachen, dass innerhalb ihrer Gemarkungsgrenzen — so weit also ihre Machtbefugnisse reichen — Rabengelege nicht weggenommen werden.t!) Dementsprechend modifizieren sich die Beziehungen zwischen Mensch und Vogel in stärkeren und schwächeren Ab- stufungen korrelativ. 1) Immerhin spielt auch hier der Eigennutz des Menschen in etwas mit; die taubenzüchtenden Anwohner der rechten Fuldaseite halten nämlich so grosse Stücke auf den schwarzen Raben, weil er ihnen den ‚‚Stösser‘“ vom Taubenschlage vertreibe und fernhalte.e Auf Grund solcher Argu- mentation bedräute mich vor Jahren einmal der Besitzer vom Lannes- hof bei Fulda mit einem derben Stock, als ich in seinem Wäldchen von einem Rabenhorste niederstieg; ein anderes Mal hielt an der Horaser Schlucht ein Bauernweib ihr Kuhgespann an und begann heftig zu schelten, als sie mich zu einem Rabennest klettern sah. Vogel und Mensch. 3 Die menschenscheuesten aller Vögel sind wohl die Raub- vögel. Sie sind in Allem, zumal in ihrer Nahrung, ganz und gar von dem Menschen unabhängig; und wenn sie sich schon einmal bei den Menschenwohnungen zu schaffen machen, so ver- greifen sie sich an menschlichem Eigentum. Darum trat ihnen der Mensch von jeher mit bewaffneter Hand entgegen; er ver- jagte sie aus der Ortschaft, bekämpfte sie auf dem freien Felde und trieb sie in die Wälder zurück. Nur hier und an den un- wirtbaren Küsten des Meeres, an den stillsten, abgelegensten Stellen, konnten und können sie mit Erfolg nisten. Die einen (Jagdfalke, Würgfalke, Wanderfalke, Steinfälkchen) bauen auf un- zugänglichen Felsklippen, die anderen (Fischadler, Hühnerhabicht, Milan, Lerchenfälkchen) nisten auf den höchsten glattstämmigen, astlosen und darum unbesteiglichen Waldbäumen; der Sperber versteckt sein Nest in Tannen und Fichten oder im Stangenge- hölz, wo es recht dicht steht, die Weihen im Rohr, Schilf, Korn und hohen Grase. Alle genannten — sie sind die schnellsten Flieger und eben darum auch die gefährlichsten und gewandtesten Räuber — fliehen die Menschen am ehesten und schon von weitem. Junge tun es wie Alte: Die feindlichen Neigungen sind zum „Gattungsbewusstsein‘ geworden, sie werden den Jungen angeboren oder, wenn man lieber will, durch die stets sich gleich bleibenden Verhältnisse anerzogen. Indes treibt das Sperber- weibchen ja öfters und den Hühnerhabicht zuweilen die Raubgier in Dörfer und Weiler, aber von hier entfernen sie sich beide ebenso schnell wieder als sie gekommen. DBezeichnend ist es dagegen, dass trägere und weniger räuberische Gesellen wenig menschenscheu sind; der Mäusebussard hält oft genug auf einem Pfahl in der Wiese aus, indes der Wanderer auf einem nahen Pfädchen vorbeigeht oder das ländliche Gefährt über die Strasse rollt. Michaelis z. B. näherte sich (im Winter) einem sich sonnenden Bussardmännchen bis auf 10 Schritt. Oft lauert unser Mauser ganz in der Nähe der Mühlen und Dorfgehöfte auf Mäuse — mit dem ihm eigenen Gleichmut. Der Hirte wie der Bauer haben immer seine nutzbringende Tätigkeit anerkannt und ihn in Arbeit und Geschäfte nicht gestört. Rauhfussbussard und Wespenbussard, die schon wieder schärfere Krallen, eine kühnere Gestalt, eine räuberischere Natur und grössere Gelüste haben, zeigen durch ihr weniger vertrauensvolles Verhalten, dass sie nicht immer so gut Freund mit dem Dörfler gewesen sind 1* 4 Wilh. Schuster: wie Duteo vulgaris. Der Turmfalke, der, im Allgemeinen eine ziemlich harmlose Erscheinung, immer und allewege rüttelnd — und somit für Jedermann ersichtlich — nur auf die kleineren, langsameren Tiere des Feldes spähte und jagte, erfreute sich im Vergleich wenigstens zu den anderen Raptatores — insbesondere auch vonseiten der Jäger in den letzten Jahrhunderten — ge- ringerer oder gar keiner Verfolgung; dahin wirkte auch, dass der Mensch ihn nie die gezähmten Vögel vom Hofe wegstehlen sah noch auch in seinem Horste, wenn einmal ein geübter Kletterer zu diesem stieg, etwas anderes fand, denn eine hübsche Aus- kleidung von Mäusewolle — — ganz im Gegensatz zu den Speiseüberresten an den Horsten und auf den Schlachtbänken der eigentlichen Raubritter.) So hat denn auch der Turmfalke sein Verhältnis zum Menschen dementsprechend zutunlicher, vertrauensvoller gestaltet als die gleich guten Flieger. Er nistet in der Regel den menschlichen Wohnungen von allen Raubvögeln am nächsten, in Mitteldeutschland oft in kleinen isolierten Kiefern- wäldchen, die als sog. „Feldwäldchen‘‘ meist dicht vor den Dörfern und Städtchen stehen. Aus den Felsspalten hat er seinen Wohn- sitz schon in früher Zeit auf Burgen und Burgruinen, Kirchtürme und Schlösser verlegt; in Deutschland geschah dies nicht vor dem 1) Ein naturwissenschaftliches Problem ist es, wie es kommt, dass der Turmfalke sowohl Offen- wie Höhlenbrüter ist, was kaum noch von einem anderen Vogel mit vollem Recht gesagt werden kann. Wenn der Turmfalke ursprünglich Höhlenbrüter war, so ist die Erklärung zulässig, dass er aus Mangel an Niststätten (wie vielleicht etwa im „Mainzer Tertiärbecken,‘“ wo sehr viele Turmfalken sind) zum Bewohnen eines offenen Nestes getrieben wurde. Man könnte auch geltend machen, dass, selbst wenn kein Mangel an Nistgelegenheit gewesen wäre in Anbetracht der zahlreichen Stadttürme, doch eine excentrische Verteilung der Jagdreviere notwendig gewesen wäre. Doch ist eben die Annahme, dass der Falke ursprünglich nur Höhlenbewohner war, wenig wahrscheinlich, da er einschönes Nest zu bauen versteht, dessen Rand er im Übrigen gewöhnlich noch mit zwei, drei Birken- oder, wie ich im Fuldaer Land erfahren habe, mit frischen grünen Lärchenzweigen schmückt. Im „Mainzer Tertiärbecken,“ also in der Gegend von Mainz bis Bingen — wo ich übrigens schon am 10. April 1902 das erste Rüttelfalkenei fand, während die meisten ornitb. Werke eine spätere Legezeit angeben (im „neuen Naumann“ fehlt die genaue Zeitangabe ganz) — sah ich meistenteils weder Lärchenzweiglein noch auch die Mäusewollauskleidung in den Nestern. Die Eier haben einfach eine schwach rotgelbliche Unterlage von Sanderde, wie sie sich in dieser Gegend findet, während in den Ecken da und dort ein wenig Maus- wolle verstaut ist. Vogel und Mensch. 5 2. Jahrhundert, indem erst in dieser Zeit durch Verwandlung der niedrigen römischen Erd- bezw. Steinschanze in einen „burgus“ (Burg) eine relativ hohe Baulichkeit in deutschen Gauen erstand!); im romanischen Süden und im Orient hat der Falke Steinbauten von Menschenhand gewiss früher bezogen. Heute ist der Turm- falke ständiger Turmbewohner: Ich fand ihn gleicherweis heimisch auf Notre-Dame in Paris wie auf der Peterskirche in Rom, auf dem von gotischen Zacken starrenden Stephansdom in Wien wie in den Ruinen des ausgebrannten Königspalastes in Dänemarks Hauptstadt; stark von Turmfalken bewohnt sind (neben den Burgruinen der Vogesenwarten) das Münster in Strassburg, die Dome in Metz und Reims, während ich auf dem 98türmigen Mailänder Dom verhältnismässig wenig Turmfalken sah. Nach W. Ludwig bezieht er im Orient, wo alle Vögel zutraulicher sind, in Dörfern alte ausgehängte Bienen-, Weiden- und Harzkörbe zum Horsten gern. Der Turmfalke — der Waldvogel — ist so zum Turm- und Stadtvogel worden. — Wo freilich der Wander- falke bei seinen hitzigen Jagdmanövern auf Haustauben, die vom Ackerfeld flüchtig dem städtischen Schlage zustreben, diesen Hals über Kopf nachsetzt und herausfühlt, dass das alles neutralisierende „Stadtleben“ sich völlig gleichgültig verhalte gegenüber den Räubereien der Ritter aus der Vogelwelt, da hat auch er, der scheue Taubenfalke, mitten im lärmenden Stadtgetriebe sich angesiedelt, so z. B. auf der Paulskirche in London. Ein anderes Moment kommt hinzu, das, wenn auch nur in zweiter Linie, das scheue Wesen der Kuptatores erklärlich macht. Die Ausrottung der Wälder — zu Philipps des Grossmütigen Zeit, auch noch im dreissigjährigen Kriege, stand z. B. halb Hessen bewaldet — und die Urbarmachung aller Wüsteneien hat den Raubvögeln die Nistgelegenheit genommen und ihre Zahl vermindert. Je seltener nun eine Vogelart wird — ganz abgesehen von den direkten Rückwirkungen einer intensiven Verfolgung auf die Vogelwelt —, um so scheuer wird sie auch; die einzelnen Tiere verlieren das Gemeinschafts- und dadurch auch das Sicherheitsgefühl. Auch aus diesem Grunde sind unsere seltenen Räuber, die sich sonst ja durchaus keiner nahmhaften Feindschaft zu gewärtigen haben ausser der des Menschen, menschenscheuer. Der schmutzige Aasgeier, einer der gemeinsten und dreistesten 1) Der erste Steinturm am Main wurde laut Inschrift a. 178 errichtet, 6 Wilh. Schuster: Vögel Ägyptens, ist, wo er nördlicher einzeln vorkommt wie als Brutvogel am Mont Saleve bei Genf in der Schweiz und als Irrling in Deutschland, scheu und vorsichtig. Die Steppen- bussardeund Eleonorenfalken, die einenAbstecherins deutsche Gebiet machen, sind hier mehr auf ihre Sicherheit bedacht als in der heimatlichen Steppe. Ganz anders geartet als die wenigen scheuen Rötelfalken, die sich bei uns angesiedelt haben, sind die der südöstlichen Länder. „Da sie als nützliche Heuschrecken- vertilger von den Orientalen streng geschont werden, so sind sie teilweise Genossen des Menschen geworden und brüten nicht nur in den Minarets und unter den höheren Dächern grösserer Städte, wie dies z. B. in Athen, Philippopel, Tiflis u. a. der Fall ist, sondern selbst in den niedrigsten Lehmhütten der kleinsten Dörfer‘ (Naum., V. S. 124). Oder wenn einmal einzelne Korn- weihpaare auf dem Herbstzug in bergigere Gegenden kommen (wie etwa aus Norddeutschland nach dem Vogelsberg), sind sie lange nicht so sorglos, wie es wohl die ornithologischen Werke als Norm für die heimatlichen Gefilde anzuzeigen pflegen. Ebenso scheu wie die Mehrzahl der Raubvögel sind die meisten Wat- und Schwimmvögel. Ganz natürlich! Immer ist der Mensch, solange er Hirt und Nomade war, auch Fischer gewesen; und darum war er von jeher den fischenden Vögeln, seinen oft erfolgreichen Konkurrenten am klaren Wasserbecken, gram — — soweit es wenigstens die Binnengewässer angeht. Die Meervögel — bei dem „unendlichen“ Meer kommt die Kokurrenzfrage nicht mehr in Betracht — sahen sich grössten- teils vom Menschen verfolgt, weil sie ihm zur Nahrung, ihre Federn ihm zum Lagerpolster dienten. Auch das Fleisch der Binnen- Wasservögel stand für die Küche des Höhlenmenschen schon wie des nomadenhaft umherziehenden Fischers in höherem Wert als wie für die moderne Küche. Beide nun, die Wat- wie die Schwimmvögel, sind grosse, zum Teil sehr grosse Tiere; dazu gehen die einen — die Reiher, Störche, Kraniche, Löffler, Flamingos — auf hohen Stelzen, die anderen — die Schwäne, Gänse, Enten, Säger, Taucher, Sturmvögel, Möven — halten sich auf der glatten, ebenen, allerseits blickfreien Wasserfläche auf: So werden sie nicht allein leicht und von weitem gesehen, sondern bieten und boten auch — was zumal für den primitiven Wurf- speer-Schützen in der Stein- und Bronzezeit von grossem Vorteil war — eine grosse Zielfläche dar. Die Zeit witzigte sie alle — Vogel und Mensch. 7 — ebenso wie die Regenpfeifer, Strand-, Ufer-, und Wasserläufer, die auf dem kahlen, deckungsarmen Sand eben- falls von der See- wie der Landseite aus grosser Entfernung ge- sehen werden; sie zwar haben weniger von den Menschen als von den Räubern der Lüfte zu fürchten. Die geringe Schutz- färbung, die ihnen teilweise gegeben ward, konnte ihnen nicht viel nützen, da sie fast immer durch ihr lebhaftes Umherrennen die Aufmerksamkeit zur Genüge auf sich ziehen. Einer der scheuen Watvögel ist ganz mit dem Menschen vertraut geworden, der schwarz-weiss-rote Freund Adebar. Wie es gekommen, steht dahin; wahrscheinlich hat ihm die Religion, der Volksglaube, die altdeutsche Göttermythe, die ihn mit einem der höchsten Wesen in Verbindung brachte, Schutz und Sicher- heit erwirkt. Dafür spricht die unserem deutschen Volke fast angeborene Verehrung, die Jung und Alt dem Hausstorch ent- gegenbringt, dafür die vielen Sagen und Märchen, die von Freund Langbein im Volke umgehen, dafür auch seine vielen altdeutschen, klangvollen Namen — Adebar, Heilebar, Ebinger, Honneter —, und das Interesse, das selbst die Druckerschwärze der Tages- zeitungen an der Abreise und Ankunft unseres Lieblings nımmt.*) Was eventuell wieder für den heidnischen Kult der praktisch primär veranlassende Grund zur Übernahme eines Protektorats über den Watvogel war, ob seine schönen Farben, sein ostentatives, den Lenz verkündendes Ankommen im jungen Jahre (vergl. den Ostara-Kult!), ob sein still-sanftes Verhalten oder gar ein einzelner historischer Vorfall, ist nicht zu ermitteln. Die an- sprechendste Hypothese (die ich finden kann) ist ohne Zweifel 1) Dies alles, trotzdem es jedem Vogelkenner, jedem Forstwirt und oft auch dem Landmann ein offenes Geheimnis ist, dass der wirt- schaftliche Schaden des Storches seinen Nutzen bedeutend überwiegt, denn er nährt sich hauptsächlich von Nutztieren (jungen Hasen und Reb- hühnern, zuweilen Fischen) und nützlichen Geschöpfen (Fröschen, Ei- dechsen, Maulwürfen, Spitzmäusen, grossen Laufkäfern, Blindschleichen, jungen Vögeln), weniger von schädlichen (Mäusen, Feldgrillen, Maikäfern, Heuschrecken, Würmern); nach den Untersuchungen des Herrn von Olfers stehen hierbei die nützlichen Vierfüssler zu den schädlichen im Verhältnis von 140 zu 10, die nützlichen Insekten zu den schädlichen im Verhältnis von 900 zu 300. Und doch schützt das Langbein die Popularität und sie muss es schützen. — Wie nützlich sich übrigens bei der grossen Mäuseplage im „Mainzer Tertiärbecken“ im Sommer 1902 die aus dem hessischen Ried (Starkenburg) scharenweise herübergeflogenen Störche erwiesen haben, habe ich in „Natur und Haus‘ mitgeteilt, 8 Wilh. Schuster: die, dass der Storch nach den Anschauungen unserer Altvorderen, wie sie im Mittelalter gang und gäbe waren (und im Volke viel- fach heute noch sind), „giftige Tiere‘ — und zwar recht reichlich! — verzehrte, wobei weniger an Giftschlangen (Kreuzotter, Viper) zu denken ist, die er ja auch gelegentlich, aber höchst selten mitnimmt, als an Kröten, Molche und Salamander, die das Mittel- alter entschieden für giftig hielt. Sie bilden seine Hauptnahrung im Sumpfgelände. Schwer zu ermitteln ist auch, wann und wo der Mensch zuerst mit dem „Storch, Storch, Steine“ gut Freund geworden ist. Soviel steht fest, das noch im 5. u. 6. Jahrhundert n. Chr., als ganz Germanien noch mit Wäldern und Sümpfen bedeckt war und nur hie und da die kleinen, niederen Hütten der Germanen aufragten, der deutsche Storch, sofern er über- haupt in den einzelnen Gauen vorhanden war, mit Weiden- und Pappelbäumen zur Anlage seines Nestes vorlieb nehmen musste.t) Von den Schwimmvögeln hat der Mensch die wilde Eidergans, die er zur Erlangung ihrer Nestdunen seit Jahrhunderten schonte, strichweise ganz an sich d. h. an Haus und Hof gewöhnt. In dem Bereiche der jütischen Halbinsel und auf Island baut unsere Tauchente den Küstenbewohnern direkt vor die Türen der Häuser. „Rund um das Wohnhaus, an der Gartenmauer, an den Dächern, selbst im Innern der Häuser und in der Kapelle sassen Gänse auf ihren Nestern; die schon ein par Eier gelegt hatten, blieben ruhig sitzen, liessen sich sogar berühren und brauchten spielend höchstens den Schnabel, um die nahe Hand zu entfernen. Die Gänseriche schrieen, ähnlich den Tauben, „huhu“ oder „ao“ und waren weniger scheu, als unsere zahmen es sind‘ (Mackenzie, „Reise nach Island“). Dieser Umstand sowie die auch von Naumann und Liebe beobachtete Tatsache, dass wilde Erpel und Enten sich dem Hausgeflügel anschliessen und mit ihm in den Haushof watscheln, um sich beim Erscheinen des Geflügelherrn eiligst wieder auf und davon zu machen, oder dass Saat- und Ackergänse mit den Hausgänsen gemeinschaftliche Sache machen, lässt es erklärlich finden, dass die Zähmung des watschelnden Hausgeflügels dem Menschen nicht allzu grosse 1) Eines gleichen Schutzes wie der Storch erfreut sich der heilige Ibis in Ägypteu, weil er die Menschheit durch Verzehren der Krokodil- Eier von der schrecklichen Schuppenechsenplage befreit, was einst von grösster Bedeutung war, als die Eingeborenen ohne Schusswaffen den Schuppenechsen noch ohnmächtig gegenüberstanden. Vogel und Mensch. 9 Mühe gemacht hat. Es geschah dies zweifellos des Nutzens halber, nicht aus purer Freude, wie ein Dr. Hahn annimmt; es geschah zuerst im Orient. Die Gans ist das älteste Haustier; Babylon soll ihr Stammland sein. Die Ägypter betrieben die Gänsezucht sehr stark und opferten Gänse der Isis namentlich (Her. 2,45). Die Hausen tte scheint kurz vor dem Anfang unserer Zeitrechnung zuerst gezüchtet worden zu sein. Gänse und Enten kennt das Alte Testament nicht, sie fehlen auch heute noch dem wasser- armen Land Palästin.. Von beiden benutzte man von jeher Eier, Federn und Fleisch; der Gebrauch des so wichtigen Gänse- kieles zum Schreiben kam erst im frühen Mittelalter auf. Auch frühe schon ward von den findigen Chinesen der Kormoran zum Fischfang gezähmt.!) Man hat neuerdings von „Nistkästen für Säger‘‘ gesprochen (siehe Christoleit’s interessante Arbeit: „Gegensätze in der Vogel- schutzfrage,“ Nr. 1/2 der „Orn. Mon.“ 1900!); es wäre freilich nichts freudiger zu begrüssen als wenn der hochinteressante und hübsche Gänsesäger, teilweise ein Binnenländer, unseren Ge- wässern erhalten bliebe, zumal seit nunmehr tausend Jahren — in dem letzten Jahrhundert ganz bedeutend — die deutschen binnen- ländischen Wasservögel durch Trockenlegen der grossen Sümpfe, Trainieren der feuchten Wiesen, Ablassen der natürlichen Seen und zumal — seit etwa 10 Dezennien — durch das Eingehen der vielen Karpfen- und Forellenteiche erfahrungsgemäss zurück- gedrängt und vertrieben werden. In der Tat ist es allgemein „bei den Karelen, welche die finnische Küste des bottnischen Meerbusens bewohnen, Gebrauch, für sie Nistkästen an den dem Wasser nahestehenden Bäumen aufzuhängen, um ihnen einen Teil der gelegten Eier abnehmen zu können. Diese Kästen haben eine Öffnung zum Aus- und Einschlüpfen des Vogels, auch eine besondere Klappe zum Wegnehmen der Eier und werden nicht nur vom grossen und mittleren Säger, sondern auch von manchen dort vorkommenden Entenarten sehr gern zum Nisten benutzt. Ein Gelege besteht aus 8, 10 bis 15 Eiern, und kann it) Auch die wilden Brandenten sind auf der Insel Sylt gewisser- massen Hausvögel.e. Man baut ihnen’ eigene Erdburgen, die sehr gern bezogen werden; jeder Sylter hatte früher solche Entenbaue, aus denen er eine bestimmte Anzahl Eier nahm (10—15 Stück), um die zuletzt gelegten der Ente zum Brüten zu lassen. Viele der rentabeln Baue sind eingegangen. 10 Wilh. Schuster: durch planmässiges Wegnehmen auf 30 bis 40 Stück gesteigert werden“ (Friderich, Naturg. ete.). Was der menschliche Eigen- nutz bei dem ungemein scheuen und vorsichtigen Vogel in den Finnmarken vermochte, sollte bei uns Deutschen ein ideales Moment, die Liebe zur Vogelwelt, bewirken können — — und wir möchten uns den schönen Säger vielleicht an Nistkästen ge- wöhnen wie die Blaurake, den Spyr oder Wiedehopf. Wo freilich das Wasser- und Felsengeflügel den Menschen — für manche Tiere allerdings der „schrecklichste der Schrecken,“ wenn er in seinem Eigennutz handelt! — nicht kennt, da nimmt es ihn, wenn er einmal in die unbekannten Jagdgründe kommt, wie jeden der übrigen Zwei- oder Vierfüssler: So die Alken und Lummen auf dem nordischen Steingeklipp, die es für ge- nügend erachten, dem homo sapiens, der seinen Kopf vor ihre Felslucke steckt, eine Ladung des übelriechenden Mageninhalts ins Gesicht zu strudeln, so die Riesensturmvögel im südlichen Meer, die man mit dem Fusse vom Nest schieben kann, ohne dass sie etwas anderes täten als unwillig grunzen, so auch die Vögel auf den Galapagos-Inseln, die nach Darwin’s Bericht keinen Unterschied machen zwischen Mensch und Schildkröte. Ganz anders als Schwimm- und Watvögel verhalten sich die eigentlichen Sumpfvögel. Sie kennen zwar auch ihren Erzfeind, den Menschen; aber sie fliehen ihn nicht von weiten: Sie ver- stecken sich im Schilf, im Röhricht und Binsenwald, im hohen Gras und Sumpfgesträuch (Wasserhühner, Rallen, Rohrdommeln u. S. w.) oder drücken sich, schutzgefärbt, an den Boden (Schnepfen u. s. w.). Ein hartes helles ‚‚trix‘‘ — oder wenigstens ein ähnliches Klangbild, zusammengesetzt aus dem hellen Vokal i und einem r- oder x-Laut — und ein unbestimmbares Rascheln ist oft das einzige, was man aus einem Schilffeld auflauten hört, wenn man längere Zeit ruhig dabei steht. Wo die Wasserhühner geschont werden, bringen auch sie es bis zu einem gewissen Grad der Vertraulichkeit gegenüber dem Menschen; das grünfüssige Teichhuhn liess sich auf einem Wässerchen bei Friedberg in der Wetterau von mir ziemlich nahe beobachten, das schwarze Wasserhuhn bei der Insel Mainau im Bodensee auf nur 10 Schritt Entfernung. — Die Bekassinen, viel mehr aber noch die Waldschnepfen, sind in ganz Deutschland in ihrem Verbreit- ungsgebiet nicht allein zurückgedrängt, sondern auch an Zahl er- heblich vermindert worden; in vielen Gegenden sind die Wald- Vogel und Mensch. 11 schnepfen wegen der leidenschaftlich auf sie ausgeführten Jagd ganz selten geworden. Mit der Eindämmung der sumpfigen Landstrecken und auf Grund des Massen-Eierraubs im Frühling geht auch der Kiebitz bedauerlicher Weise immer mehr ein; auch darum, weil er auf den Samen gewisser Sumpfgräser angewiesen ist. Der Fischreiher hatte einst die ganz gleiche Existenzbe- rechtigung wie alle übrigen Wat-, wie die Schwimm- und Sumpf- vögel; heute ist in jedem naturwissenschaftlichen Werk seine Verfolgung aufs Entschiedenste angeraten, was in praxi oft leider allzu nachdrücklich befolgt wird. Gerade in unserer Zeit rottet man unbedenklich ganze Reiherbestände aus (vergl. die Geschichte der Reiherkolonie Julianka bei Hamburg, „Orn. Mon.“ 1901!), ob- wohl der Vogel schon in vielen deutschen Landstrichen — so am Untermain, im Vogelsberg, am Oberrhein, im Mainzer Tertiär- becken — durchaus eine rara avis geworden ist. Der Reiher war einst sehr viel häufiger als heute, da ihn die Waldherrn, die Fürsten, weil er zum „Federspiel‘‘ gehörte, nicht verfolgen liessen. Das herrliche Baizvergnügen und die kostbaren Genickfedern waren sein Empfehlungspatent — — — sie sind vergangen, die schönen Tage von Aranjuez! Die Vögel der Nacht verhalten sich dem Menschen gegen- über, den sie zumeist nicht kennen, völlig indifferent. Sei es Leichenvogel oder Waldkauz: Die Eule, durch einen Rutenschlag an den Nistbaum aufgeschreckt, eilt von den Eiern zu dem Aus- schlupf der Höhle, steckt den Kopf und den halben Körper her- aus, um Umschau zu halten, und sieht sich das unter ihr stehende Menschenkind mit dem deutlichen Ausdruck des Ungewissen, der Unentschiedenheit, des Mangels an Abschätzungsurteil an; interessant und sehr charakteristich ist, was in dieser Hinsicht Dr. Helm vom Rauhfusskauz mitteilt: Der Kauz ‚sah zu uns herab und folgte allen unseren Bewegungen mit der grössten Aufmerksamkeit, indem er den Kopf nach Notwendigkeit drehte, wendete, hervorstreckte, und als die Eule gegriffen werden sollte, knappte sie mit dem Schnabel, biss wohl auch knappend ein- oder einigemal in die sich ihr nähernde Hand, zog sich aber, falls ich ihr energischer auf den Leib rückte, in die Höhle zu- rück.“ — Die ländliche Kultur bedingte im Allgemeinen sicherlich eine Zunahme der Eulen, da das Anlegen von Feldern mit Saat- und Ackerfrucht die Zu- und Überhandnahme der Mäuse, 12 Wilh. Schuster: der Nahrung der Eulen, bedingte, wodurch — unter anderen Begünstigungen für die einzelne Eulenfamilie: wie dem schnellen und sicheren Aufziehen der Jungen und dergl. — das je von dem Einzelindividuum oder Pärchen beanspruchte Beuterevier kleiner und dadurch die Zahl eben dieser Reviere grösser wurde, wie es sich ja bei jeder, auch nur lokalen Nahrungs- steigerung beobachten lässt;!) andererseits hat die Agrikultur mit dem Verdrängen des Waldes und der einzel stehenden Feld- bäume eine starke Verminderung der an und für sich schon nicht grossen Zahl von geeigneten Nistbäumen für die meisten Eulen (Waldkauz, Steinkauz, Rauhfusskauz, Sperlingseule, Wald- ohreule, Uhu) allmählich zu Wege gebracht — wofür das An- legen von Obstplantagen ja einigen Ersatz geschaffen hat — und die forstliche Kultur hat mit dem Ausroden der hohlen Bäume vollends den Waldeulen die Nistgelegenheit genommen: Dies be- wirkte also seinerseits wieder eine Abnahme der Nachtraubvögel. Ähnliches gilt von der Sumpfohreule, die im sumpfigen Marsch- land nistet. Eine Eule, die Schleiereule, hat förmlich einen Pakt mit dem Menschen geschlossen, indem sie nur noch in Menschenwohnungen nistet —— — ohne freilich je die Sachlage (bei der dem Nachtvogel mangelnden „Einsicht‘) näher kennen zu lernen. Sie, die einst auf die Felsspalten unserer wenigen Steinwände häuslich angewiesen war, hat sich durch die menschliche Kultur entschieden gemehrt; und eben mit jenem längst rechts- gültigen „Pakt‘ hat die Schleiereule auch wieder, gewissermassen zum Ersatz, das spezifisch mit einem solchen Pakt verbundene Nachteilige übernommen, indem ihre Art wie alle „hausgezähmten“ Tiere (z. B. Mäuse, Ratten, Frettchen, Tauben, Hunde etc.) fast von allen Vogelarten die meisten Albinos aufweist;?) in den 1) Die Einwirkung der Fülle oder des Mangels der Nahrung auf die Verbreitung, Zu- oder Abnahme einer Veaay wird oft nicht ge- nügend beachtet. 2) „Tiere in der Domestikation variieren mehr als solche im Naturzustande, und dies ist augenscheinlich von der mannigfaltigen und wechselnden Beschaffenheit der Lebensbedingungen, denen sie unterworfen, abhängig“ (Darwin). Insbesondere können in der Domestikation Regen und Kälte, rauhe Luft und Sonnenbrand nicht mehr recht wirken ; Leueismus oder schlechthin das Vortreten einerhhelleren Farbe an Stelle einer dunkleren erscheint also als eine Art Verzärtelung, wie ganz analog beim Menschen, der es jedoch von seinem Standpunkt aus — also für sich — als das charak- teristische Stück einer höheren Kulturstufe bezeichnen muss. Vogel und Mensch. 13 Dörfern des Vogelsbergs wenigstens kann man relativ sehr häufig ganz weisse Schleiereulen sehen. In den Giebelspitzen der Scheuern Hessens befindet sich ebenso wie in denen Holsteins (Lenz) eine Öffnung, nach alter Gewohnheit für die Schleiereulen freigelassen. Lenz empfiehlt — und er hat es auch mit Erfolg praktisch durchgeführt — deu Eulen eigene Nisteinrichtungen in den Giebeln der Land- und Stadtgebäude herzustellen. Auch der Steinkauz nistet teilweise in Häuser, Kirchen und Türmen; in Rom, wo er sehr häufig ist, sah ich an Augustabenden im Sommer 1902 oft noch vor Eintritt der Dämmerung von der via sacra aus, der alten Strasse, die über das Forum Romanum, den einstigen Markt- und Versammlungsplatz Alt-Roms, führt, wie aus zwei nahe bei einander stehenden Löchern an der von Bau- trümmern umsäeten Wand des Palatin (welche einst die Rück- seite der angebauten Häuser bildete und zum Zwecke des Ein- schiebens der Hausbalkenenden mit Löchern versehen worden, welche letztere schliesslich mit Blei ganz ausgefüllt worden waren) je ein Steinkauz herauskam und, nachdem er sich da und dort auf eine Rebenstange am Rande des Palatinhügels gesetzt hatte, wieder mit Futter für die Jungen zuflog. Um immer Steinkäuzchen zum Vogelfang „mit dem Wichtel“ zur Hand zu haben, sorgen die Italiener für „gute, dunkle Brutplätze unter den Dächern und für bequeme Eingänge dazu;“ aus den Nestern werden so- viel Junge, als man braucht, herausgenommen und aufgezogen. Die Sperbereule, horstet auf Bäumen wie am blossen Boden,undesist wahrscheinlich, dassalle Eulen ursprünglich auf einer festen Erdunterlage genistet haben; von Fels- spalten zu Baumhöhlen ist kein weiter Schritt; die Waldohr- eule — einige Waldohreulen beziehen mitunter auch freilich noch Baumhöhlen — fand schliesslich Gefallen an alten vor- jährigen Raben-, und Raubvogel-, Willtauben- und Eichhörnchen- nestern, und sie musste dies bei der starken Vermehrung ihrer Art (wegen Mangel an Nistgelegenheit) sowie bei dem Aus- schwärmen nach ebenen Gegenden (wo Felsspalten und Mauer- lucken fehlen): Noch aber versteht keine Eule, soviel man weiss, sich ein eigenes Nest zu bauen. Es spricht gleichfalls für die Annahme, alle Eulenarten möchten durchgängig in füheren Zeit- perioden in Steinhöhlen, Felsenlucken etc. gebrütet haben, die Tatsache, dass alle Eulen, auch die Freinister unter ihnen (wo- zu ausser Sperber- und Waldohreule die Sumpfohreule, die 14 Wilh. Schuster: Schneeeule, manchmal auch Uhu und Lapplandskauz zählen), noch ganz die charakteristisch weissen Eier der Höhlenbrüter haben.t) Auch die Nachtschwalbe steht dem Menschen völlig indifferent gegenüber. Sie bekundet wie die Eulen — iu Freiheit und Gefangenschaft — ihre geistige Beschränkung. Die Nachtvögel sind Wesen, denen z. B. die in Staunen setzende Pfiffigkeit der Sperlinge, die Vorsicht der Krähen oder das Überschauen der Sachlage, wie es den geflügelten Tagräubern und meisten anderen Vögeln eigen ist, abgeht — — und möglicher- bezw. wahrschein- licherweise gerade deswegen, weil den Nachträubern der unmittel- bare Umgang mit dem Menschen, dem Herrn der Erde, darn allerdings auch mit den mehr oder weniger feindlichen Lebewesen des Tages, nicht beschieden ist. Gerade der Umgang mit dem Menschen witzigt; das zeigen uns am deutlichsten die nordischen Seidenschwänze und Tannenhäher, wenn sie im Winter zu uns kommen: Anfangs dem Menschen gegenüber fast täppisch unvor- sichtig, werden sie bald, wenn sie einige Zeit bei uns sind, auf- merksamer, bedächtiger, vorsichtiger, überhaupt „schlauer.“ — Wenn die Griechen der Göttin Athene eine Eule als Symbol gaben, so geschah es gewiss nicht, um Athene damit als die Göttin der Weisheit zu bezeichnen, wie es die Philologen mitunter auslegen und zum Exempel auch die Oarsted’schen Verse besagen: „So kommt’s, dass die Eule gilt Heut noch als der Weisheit Bild.“ Denn wenn auch die Alten im Allgemeinen schlechte Beobachter waren — N.B. immer noch bessere als unsere mittelalterlichen Gelehrten —, so konnte ihnen doch der Mangel aan Geistesfähigkeiten bei den Eulen nicht entgangen sein. Hingegen wollte der Grieche mit dem Sinnbild der Eule, wie es auch das für Athene von Homer geprägte Beiwort yAovxwmıs — eulenäugig — besagt, die Identität der Augen der Athene mit denen der Eule ans Licht treten lassen. Grosse, reine, glänzende Augen galten von jeher bei den Indo-Germanen als etwas Schönes und zugleich Tief- sinniges; solche grosse, glänzende Augen hat die Eule (und selbst der Federkranz um die Augen kann bei manchen Eulenarten schön 1) Die gleiche Beobachtung lässt sich bei den Tauben bezüglich ihrer gemeinsamen Abstammung von der Felsen- oder einer anderen höhlerbrütenden Taube machen: Alle Tauben haben einerseits nur sehr oberflächliche, durchsichtige und schlecht haltbare Nester zu bauen gelernt und zum Andern legen sie alle nur weisse Eier, die Eier der Höhlenbrüter. Vogel und Mensch. 15 gefunden werden); dies — das Schöne, Sinnige, Tiefernste — und dazu noch der helle, leuchtende, durchdringende Blick Pallas Athenens, der „ernsten und lebenserfahrenen Göttin,“ sollte durch das begleitende Bild oder Beiwort zum Ausdruck gebracht werden. Die Raben spielen dem Menschen gegenüber allezeit, ausser wenn sie die Not des Winters zu anderem Verhalten veranlasst, die Rolle des Vorsichtigen. Sie lassen den Menschen nicht in ihre Nähe kommen — — sie haben auch freilich schon zu oft nicht nur selbst am eigenenFleische Nachstellungen erfahren müssen, sondern auch das listige Tun des Menschen überhaupt mit ver- ständigen Augen beobachtet und verfolgt. Am wenigsten miss- trauisch sind in der Regel die Nebelraben, wie wir, trotz der anders lautenden Angabe Naumanns, oft genug in Mitteldeutschland ausgeprobt haben. Wie sehr indes dem Einzelindividuum die logische Berechnung mangelt, wo nicht der Instinkt — hier gewissermassen als „Fühlen der Art,“ als „Gattungsgedächtnis,“ ‚als ein Resultat der langjährigen Erfahrung vieler Generationen zu nehmen! — für es denkt, zeigt der Umstand, dass immer wieder die „klugen Raben“ — ob ganz dieselben oder andere, ist nicht auszumachen — auf dieselben niedrigen Bäume in derselben Feld- gemarkung, wenn diese nur ein wenig abgelegen und für gewöhnlich menschenleer ist, bauen, wo doch die Nester immer und immer wieder von der eierräuberischen Dorfjugend ausgehoben werden. Und wo die Raben in einemHochwald(Kiefernwald) auf die stärksten, ' unersteiglichsten Kiefern bauen, da ist der Beweggrund m. E. das natürliche Gefühl einer grösseren Sicherheit, welches ebenso selbst- verständlich ist wie die — von mir oft genug erprobte — Tatsache, ı dass der nicht an den Baum und seine Höhe gewöhnte Mensch, ' wenn er hinaufklettert, um so ängstlicher wird, je höher er kommt. Die weite Entfernung der Dinge da drunten, die Höhe über dem “Boden, die ganz ungewohnte Lage und Ordnung aller körperlichen ' Gegenstände, das gänzlich anders geformte Bild aller Erdräumlich- keiten, welche der Blick mit dem Sehen zugleich auch abmisst, ‘sind Grund und Erklärung der grösseren Ängstlichkeit bezw. Sicherheit, nicht aber ein klüglich berechnender Gedankenvorgang.!) -— Der Kolkrabe ist der menschenscheueste Krähenvogel; warum, 1) Für den Mangel einer gewissen Nachrechnungsfähigkeit auch bei den „klugen‘“ Meisen spricht die Tatsache, dass man eine Meise mehr- ' mals hintereinander an einem Morgen in demselben Meisenkasten fangen kann; Friderich hat es zur Genüge erprobt. 16 Wilh. Schuster: würde am ehesten einleuchten, wenn man eine Tabelle anfertigen wollte, auf welcher die wenigen Orte in Deutschland, wo er noch nicht ausgerottet ist, verzeichnet wären. Und doch war er einst so häufig und so bekannt, dass ihn der Germane dem Allvater Wuotan zum Symbol gab. Aus diesem Grunde mag er einst auch einen gewissen Schutz genossen haben, den ihm freilich die jüngste Kultur leider nicht mehr in ausgiebigem Masse geben kann: Sein Appetit ist zu gross. Der grosse Würger — weniger die kleineren — galt dem Menschen, wie schon sein Name besagt, als rechtes Abbild eines Würgengels. Es wirkte, um diesen Eindruck hervorzurufen: Das heimliche Lauern auf Busch- und Baumspitzen, der Räuberblick, das schnelle Abschwenken auf die andere Strauchseite beim Nahen des Menschen und ganz besonders die Gewohnheit, auf spitzigen Gegenständen die Beute aufzuspiessen, bei deren Vorfinden sich das anschauende menschliche Subjekt der Gedanken an Grausam- keit, zumal wenn die angespiesste Beute vielleicht noch lange zappeln und leben sollte, nicht erwehren kann!) Da aber 1) An und für sich kann man natürlich von den Würgern de facto nicht sagen, dass sie grausam wären in des Wortes wahrer Bedeutung — ebensowenig, wie man die mit der verwundeten Maus spielende Katze grausam, die lauernde Schlange hinterlistig, den Adler stolz, den Milan feige, den Baumfalken edel, die Taube gutherzig nennen kann. Auch Liebe spricht unverständiger Weise von „niederträchtigen“ Habichten. Der Bussard ist z. B. in seiner Art ebenso edel bezw. unedel wie der Wanderfalk (in Wirklichkeit sind sie beide weder edel noch unedel); auch die angebliche Grossmut des Löwen ist, wenn nicht überhaupt Dichtung und Fabel (falsa fietio!), doch keine rechte Grossmut. Denn die Tiere haben keinen Charakter; was sie tun, tun sie aus ange- borener Neigung, aus natürlichem Trieb und es fehlt ihnen jede geistige Fähigkeit, ihr Handeln bewusst zu überschauen, zu werten, es moralisch zu beurteilen, ethisch abzuschätzen, es willenskräftig zu bestimmen und zu regeln. Dies aber erst — das Vermögen, mit Bewusstsein gut oder schlecht, zu Recht oder zu Unrecht, schön oder hässlich, tapfer und weise oder feig, dumm, roh zu handeln — macht einen Charakter; eine nicht bewusst ausgeführte Tat ist, nach der moralischen Seite abgeschätzt, keine Tat. — Bei vielen rein verstandesmässigen Vorgängen ist es ganz ebenso: Der tölpisch zutrauliche Seidenschwanz aus dem hohen Norden ist weder „dumm“ noch der an den Eiersammler sich heran- drängende Pinguin im Südpolarlande „dreist.“ Sie sind beide unerfahren. — Die sog. Grausamkeit der Würger erklärt sich übrigens wohl rein mechanisch aus der Gewöllbildung. Es wird kein neuer Bissen aufgenommen, bevor ein fälliges Gewöll ausgespieen ist; darum wird die Beuteeinstweilen aufgespiesst. Vogel und Mensch. 17 die Würger dem Menschen direkt keinen Schaden zufügen und sie im Allgemeinen ihr Nest versteckt — und überdies noch für Mensch und Tier meist schwer zugänglich — anbringen, sind sie kaum einer besonderen Verfolgung ausgesetzt. Ja vielfach können sich Würger in vogelreichen Gartenanlagen ansiedeln. Und freilich ist der kleine Grauwürger, der nützliche Heuschreckenvertilger, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gewertet, ein keineswegs anders gearteter Vogel als etwa eine insektenvernichtende Gras- _ mücke oder Nachtigall. Auch das Misstrauensvotum, das Naumann — er zuerst und nach ihm mehr denn ein anderer — dem rot- rückigen Würger gegeben hat, scheint mir zu einseitig. Die Tauben haben sich wie alle Waldvögel je und je wenig _ um den Menschen gekümmert. Aus freien Stücken haben sie sich $ jedenfalls nie in seiner Nähe angesiedelt. Allen unsern heutigen _ deutschen Wildtauben ist das Prinzip des Fliehens gleicherweise angeboren, dem Turtelchen wie der Holz- und Hohltaube. Die Feldtauben, die auf unseren Kirchtürmen so vielfach wild "hausen, sind nur Abkömmlinge unserer Haustauben; auch bei ihnen ist also durchaus wieder eine reversio, ein rückfälliges Ent- fremden aus dem Altgewohnten, zu konstatieren, wo man doch ein Bleiben und Verharren erwartet hätte. Ausnahmen bestätigen freilich die Regel: Die Turteltaube, die charakteristische „Rhein- taube“, ist im Mainzer Tertiärbecken viel weniger scheu und lässt dort z. B., auf einem Obstbaum am Strassenweg baumend, den Wandersmann ruhig vorübergehen: wer im Sommer in Paris auf einer Bank im weiten äusseren Louvrehof, am Konkordienplatz oder in den Champs Elysees sitzt, kann die Ringeltaube um seine Füsse spielen oder über sich in den Zweigen der niedrigen Bäume bauen sehen. Diese Zutunlichkeit, die sich in den - Dörfern des ganzen nordwestlichen Frankreich (Stromgebiet Nord- Est) und ebenso auch im deutschen Friesland (Nordseebad Emden) sehr bemerklich macht — wie sie auch besonders einnehmend von den freilebenden Kirchentauben Norditaliens, die sich jedem Futter streuenden Fremden auf Kopf und Schultern setzen, an ‚den Tag gelegt wird —, berechtigt zu dem Schluss, dass das "mehr oder minder gewaltsame Zähmen der südlichen Felsen- taube (Columba livia) dem primitiven Menschen nicht allzu schwer fiel; denn trotz aller — nicht ursprünglichen, sondern unzweifelhaft im Gange der Naturentwickelung später erst ange- lernten — Scheuheit haben die Tauben ein sehr biegsames Journ. f. Or. LI. Jahrg. Januar 1%03, 2 i8 Wilh. Schuster: Naturell, wie es auch die scheue Hohltaube, die gleich ihren Familiengenossinnen vom Menschen leider in ihrer Zahl stark beschränkt worden ist, bewiesen hat, indem sie sich allerjüngst in ganz kurzer Zeit an die für sie ausgehängten Nistkästen ge- wöhnte. Die da und dort gezähmt gehaltenen Lach- und Turteltauben können eigentlich nicht als Haustiere gelten; denn das Typische eines „Haustieres“ und die allererste Erfordernis ist, dass es sich ohne jegliches Zutun der Menschen durch Generationen hin wie in der Freiheit fortpflanzt und zwar so, dass jeweils der Artbestand gesichert ist. Die Haustaubenzucht reicht bis in die graueste Vorzeit zurück, wurde auch, wie sich aus assyrischen Wandgemälden, aus der Bibel, aus griechischen und römischen Schriftstellern ergiebt, gleich der Hühnerzucht schon im frühen Altertum unter den verschiedensten Himmelsstrichen getrieben. Die sinnigen Volksmythen der Juden und Orientalen verlegen andeutungsweise die „Hauszähmung‘“ der Tauben in die Zeit Noahs (1. Mos. 8, 8—12), also in die Anfangszeit des heutigen Menschengeschlechts. Jesaja, der Prophet, nennt (C. 60, 8) ver- gitterte Taubenschläge und Herodes der Grosse hatte in seinen Gartenanlagen in Jerusalem eigene Taubentürme; es waren dies runde Unterbaue mit kegelförmigen Aufsätzen von dickwandigen Töpfen, die in Lehm gebettet und mit der Öffnung nach innen gekehrt waren, sodass also zunächst die Tauben von oben in den Innenraum der Türme und alsdann in die Töpfe zu ihren Nestern gelangten. Als die Syrer Samaria belagerten, stieg die Hungersnot in der Stadt so hoch, dass „ein Vierteil Kap Tauben- mist fünf Silberlinge galt“ (2 Kön. 6, 25); der Taubenmist wurde nämlich als Würze für die Nahrungsmittel an Stelle des mangelnden Salzes gebraucht und darum so teuer verkauft. Die in Paiästina so häufige Turteltaube wurde (wie die Haustaube) von den ärmeren Juden Jehovah geopfert, während die Nacht- barvölker, Assyrer und Syrer, die Tauben wegen ihres rel. sanften Wesens!) und ihrer äusserlich zarten Erscheinung als heilige, 1) In der Freiheit macht die Taube in der Tat ganz den Eindruck eines überaus sanften Wesens (wobei man, wenn man dies schlechthin so sagt, dem allgemeinen Sprachgebrauch folgt, dem man natürlich weitaus in den meisten Fällen folgen muss, doch aber dabei weiss, was man in Wahrheit von der Sache an sich zu halten hat) und Christi Worte von der Sanftmut der Tauben sind darum ganz berechtigt. Im Schlag natürlich, wo viele Pärchen beisammen sind, geht es nicht immer so geschwisterlich zart und fein her; aber das ist kein Grund, die Taube als nicht „sanftmütig‘“ hinzustellen. Vogel und Mensch. 19 der Göttin Astarte geweihte Vögel ansahen und darum weder schlachteten noch opferten. In der nachchristlichen Zeit war es für die Verbreitung der Haustauben wichtig, dass es in Klöstern Sitte wurde, Tauben als Sinnbilder des heiligen Geistes zu halten (San Marko in Venedig ete.). Auch die Waldhühner, denen der Mensch wegen ihres köstlichen Fleisches noch mehr nachstellte als den Tauben, da das jeweilige Beutestück um so viel grösser und stärker war, haben sich dauernd von den menschlichen Wohnstätten abgewandt. Das Blei aus der Jägerbüchse und in früherer Zeit der Pfeil von der Bogensehne haben sie vergrämt; auch hier liess wieder die bedeutendere Grösse der Vögel den Fang leichter und die Tiere vorsichtiger werden. Auer- und Birkwild und das fast noch seltenere Haselhuhn halten sich im dichtesten Wald, Schnee-, Stein-, Rot- und Felsenhuhn auf den unwirtlichsten Gebirgs- klippen, das Moorhuhn in unzugänglichen Moorgründen, Sand- flug- und Steppenhuhn in den ödesten Sandsteppen auf. Dass weniger die Angriffe der Raubvögel und der raubenden Vierfüssler die Tiere scheu und ängstlich machten als die Nachstellungen der Menschen, beweist das von Raubtieren noch viel mehr — unzweifelhaft am meisten — verfolgte, trotzdem wenigscheue und dem Menschen gegenüber eher zutunliche Rephuhn; vor dem Menschen schützt diesesja (den grössten Teil des Jahres über) des Jägers starke Hand. Ohne diesen Schutz würde es sicher ebenso selten sein wie die Waldhühner, denn der Bauer muss alles haben, „was da kreucht und fleucht,* aus welchem Grunde es z. B. auch eine Unmöglichkeit wäre, Fasanen in einer nicht bewachten Gegend ein- zuführen.!) Bei dem Rephun darf freilich auch, wenn es gilt, 1) Man kann die Frage stellen: Passt der Fasan zu unserer Natur? Ja und nein! Der Ruf der Fasanen macht sich äusserst hässlich im geschlossenen, harmonischen All unserer Natur bemerkbar, und man hat immer, wenn man ihn —- beim forschenden Gang durch den jungen, grünen Laubschlag oder das grausilberne Weidengehege am langsam gehenden Flusse — erschallen hört, sofort den Eindruck, als gehöre dieses rauhe, fremd-groteske Klangbild nimmer hinein in den deutschen Wald und die deutschen Weiden, nimmer zur rauhen Ackerscholle und zum sanft farbenen Blumenanger; andererseits verschönt die herrliche Farbenzier des Fasan- hahns das farbige Bild unserer Naturwelt, belebt auch die zierliche Erscheinung des Huhns, wenn es mit gehobenem Kopfe und schief herausstehendem Schwanze trippelnd durch das volle Kleefeld zieht oder geduckt am Waldrand steht und auslugt, sine dubio das Gesamtbild unserer Natur 2% 20 Wilh. Schuster: seine spezifischen Neigungen ins wahre Licht zu stellen, nicht ausser Acht gelassen werden, dass es zufolge seiner Arteigen- tümlichkeiten auf die offenen Felder und somit indirekt in etwas auf den Menschen angewiesen ist. Unzweifelhaft waren einst im waldigen Deutschland die Waldhühner häufiger, die Feldhühner seltener; jene haben seitdem beständig ab, diese beständig zuge- nommen). Dass die Waldhühner an vielen Orten noch nicht ausgestorben sind, verdanken wir den adeligen Grundherrn, wie z. B. im Vogelsberg den Freiherrn Riedesel, den Grafen von Schlitz u. s. w.; wären diese nicht gewesen, so wären auch jetzt nicht mehr (wie in Frankreich) die Auer-, (Birk-) und Haselhähne; und es war nicht nur in den vergangenen Zeiten, sondern ist auch jetzt noch eine schöne und hohe Pflicht der konser- vativen Adelsherren,den(auchausutilitaristischen Rücksichten) arg Bedrängten und Verfolgten der (Wasser- und) Wald- tiere — auch z. B. den Falken, dem Kolkraben, dem Reiher, der Wasseramsel und dem Wasserspechtt — Deckung und Schonung in ihren ausgedehnten Forsten zu geben; ein grosser Herr kann ja im Kleinen ein Nachsehen haben. Unbestritten ist, dass das wilde Bankivahuhn das Stammtier unserer jetzigen Haushühner ist, dass schon 2000 Jahre v. Chr. das Huhn als gezähmt in Indien und Babylonien vorkommt, gar sehr. Wenn aber in sozial-biologischer Hinsicht der Fasan garnicht zu unserer Naturwelt passte, würde sieihn, woes auch seiin deutschen Landen, auf die Dauer unter keinen Umständen dulden (was eigentlich nur von dem weissen, ganz auffallend hell gefärbten Männchen des Silberfasans — das Weibchen ist ja schutzgefärbt — gesagt werden kann). Und wenn man es recht überlegt: Der Girlitz, der Zaunammer, der Ortolan, die Steinmerle sind ja auch eingewanderte, allerdings a priori besser an- gepasste Formen. Wenn freilich die versuchte Einbürgerungen von chinesischen Nachtigallen nicht gelingt, so ist dies eher ein Segen denn ein Unglück! 1) Ich übernehme (nach dem Vorgang Anderer) die Schreibweise „Rephuhn,“ leite aber das Wort nicht wie Altum von dem Ruf (der Hahn ruft ja garnicht „rep!“), sondern von dem Reps, der Feldfrucht, ab. Unsere Vorfahren, allesamt Bauern, haben nicht allein das Huhn nach ihrem Reps oder Raps (den es besonders gern frisst, sich darum auch in ihm zur Zeit der Ernte und auch vorher schon von dem Zeit- punkte an, wo der Raps gross wird und die beste Deckung gewährt, aufhält) genannt, sondern selbst Dörfer und Weiler (Rebgeshain im Vogelsberg, Repsholt in Friesland, Reps im deutschen Siebenbürgen). Die liebe alte Lesart „Rebhuhn“ ist nicht gut haltbar. Vergleiche auch „Hasel“-huhn, „Birk“-huhn! Vogel und Mensch. 21 dass es dann durch die Phönizier, Perser, den Macedonier Alexander und die Römer nach Westen und zu uns gebracht wurde; ebenso zweifellos dürfte es nach den Untersuchungen der Archäologen sein, dass lange vor dieser Zeit ein eingebornes europäisches Haushuhn, gezüchtet von einer der europäischen Gallus-Arten, von dem Menschen der Mammut-Periode der Quarternär-Zeit in Belgien und Frankreich in zwei Varietäten gehalten wurde, dass diese aber, wie vielleicht auch das einheimische wilde Tier, von dem sie abstammten, schon wieder ausgestorben waren, als das östliche Huhn eingeführt wurde. Der Hahn, der Verkünder des morgenhellen Sonnenlichtes, stand im Orient in dem guten Ruf, böse Geister und Dämonen zu vertreiben. Obwohl das Gesetz den Juden verbot, Hühner in Jerusalem zu halten, damit diese nichts Unreines ausscharrten, tritt doch der Hahn bei Christi Verleugnung durch Petrus auf, was beweist, dass die Juden schon damals das Gesetz ad libidinem zu übertreten verstanden, wenn nicht etwa die in Jerusalem ansässigen Fremden an der Hühnerzucht Freude fanden. Die Römer weissagten aus dem Gebaren, das die heiligen Hühner beim Fressen zeigten. — Fasan und Perlhuhn wurden einst von den Asiaten bezw. Afrikanern ihres Fleisches wegen zu halben Haustieren gemacht, der Pfau dagegen wegen seiner herrlichen Farbe; Grund der Hauszähmung war also hier, was wohl zu merken ist, ein ästhetisches Moment.!) Das Perlhuhn ward aus Afrika, der Pfau von dem grossen Alexander aus Indien nach Europa gebracht. Während leueistische Fasanen als ungewöhnlich gelten, sind die gezähmten Truthühner — wie teilweise unsere Hühner, Tauben, Enten, Gänse — sehr in den Farben ausgeartet (d. h. weit weniger schön und farbenbunt als die wilden), indem vor allem der Albinismus zu seinem Rechte kommt. Auch die Eier unserer Truthühner zeigen wie die unseres Hofgeflügels !) Freilich waren die Inder ein rel. hochstehendes Kulturvolk. Auch die Römer assen nur Hirn und Zunge vom Pfau. Gar lieblich sind übrigens die alten griechischen Sagen vom Pfau wie vom Perlhuhn (dem Symbol der Jagdgöttin Artemis). Die Schwestern des Königs Meleager, der auf dem Argonautenzuge von Apollo getötet worden, be- weinten den Tod ihres Bruders Jahr um Jahr; darum wurden sie von den mitleidigen Göttern in perltropfige Hühner verwandelt. Der stolze Pfau aber, neben dem Frühlingsverkünder Kuckuck das Wahrzeichen der Himmeskönigin Hera, entstand durch Verwandlung aus dem (zu Tode ge- troffenen) vieläugigen Argus; die Augen kamen als bunte Farbenspiegel auf dem Schwanze des Vogels wieder zum Vorschein. 22 Wilh. Schuster: (vergl. die rotgefleckten Waldhühner-Eier, die olivengrünen Stock- enteneier mit den einfarbig weissen der Haushühner, der Haus- enten!) deutlich die Degeneration; die Eier der zahmen Truthühner sind auf weissem Grunde ganz schwach rötlich gefleckt, die der wilden auf chokoladebraunem Grunde sehr stark rostfarbig, und wenn die Einfarbigkeit der ersteren noch nicht ganz durchgeführt ist, so ist dies, was andere Erscheinungen hinsichtlich der Vogel- art (wie das Weglegen der Eier, das selbstständige Auftreten unter dem anderen Hofgeflügel, das Baumen auf hohen Mauern, das Entfernen vom Hofe etc.) nur bestätigen, ein Beweis, dass die Truthühner noch nicht so sehr zu Haustieren geworden, also noch nicht so lange gezähmt sind wie Enten und Hühner. Die Wachtel galt und gilt dem Ackerbauer durchaus mehr als Singvogel denn als Huhn; man freute sich über ihren takt- gerechten Ruf wie man andererseits ihren Braten im Einzelnen zu klein geachtet haben mag, um ihm nachzustreben. Und doch ist Wesen und Verhalten der scheuen Wachtel nicht eigentlich so, wie man entsprechend der grossen Zuneigungen des Landvolkes zu ihr erwarten sollte. Zu beachten ist jedoch auch, dass die Wachtel immer als Käfigvogel gesucht war und darum oft — — ins Garn gelockt wurde.) Vertraulich stehen dem Menschen gegenüber in der Regel die meisten oder sehr viele Singvögel; viele haben sogar mit gewissen Schichten unserer Landbevölkerung ein richtiges Freund- schaftsverhältnis. Die einen suchen Schutz in der Nähe mensch- licher Siedelungen,dieanderen sind direktaufdieseangewiesen,indem 1) Prof. Marshall’s Ansicht, dass die Wachtel ursprünglich ein Steppentier xu«7’ &&oynv gewesen und aus dem Osten bei uns eingewandert sei („Wanderungen der Tiere,“ ein Hochschulvortrag), teile ich garnicht. Die Wachtel gehört der Talaue wie dem Bergrücken als ursprünglich eingeboren ebensogut an wie der Flachlandwiese und dem ebenen Acker- gelände. An sich könnte man sie mit demselben Recht eine Bergform nennen (gleich dem Rephuhn) wie eine Steppenform; man trifft sie auch im höheren Berggebiet noch ganz frisch und munter an. Auch die Lerchen und Ammern halte ich für keine östlichen Steppenformen. Wenn diese Vögel (gleich Wachtel und Rephuhn) in dem der Kultur ganz auf- geschlossenen Ebengelände, wo ihnen die — ausserdem noch raubvogel- freien — üppigen Wiesen und dichten Fruchtfelder die beste Deckung und darum die grösste Existenzmöglichkeit gewähren, am freudigsten ge- deihen, so ist das kein Beweis, dass sie a priori diesem Gelände aus- schliesslich angehört haben. Vogel und Mensch. 23 sie nur an und in denselben eine Nachkommenschaft grossziehen können. Der Mensch schützte uranfänglich die Singvögel wohl weniger, weil er ihren wirtschaftlichen Nutzen erkannt und wert- gehalten hätte — noch besass ja auch der einfache Mensch nicht diese hochentwickelte, einseitig utilitaristisch gerichtete Agrikultur, wo der Singvogel durch sein Eingreifen solchen Nutzen hätte stiften können wie heute —, als weil er sich über ihre hübschen Farben, ihren lieblichen Gesang, ihre schöne Gestalt freute) und an dem munteren Wesen, mit denen sie seine Heimstätte belebten, Gefallen fand. Abgesehen von dem fast instinktiven Gefühl der Zusammengehörigkeit, das den sesshaften, zu sozialer Gemein- schaft hinneigenden Ackerbauer von jeher beherrschte, sind es also ästhetische Gesichtspunkte, die ganz bedeutend in die Wagschale fielen; und diese verdienten wahrlich auch heute noch viel mehr hervorgehoben und viel höher angeschlagen zu werden als die materiell-utilitaristischen — — um so mehr, als korrekte Erwägungen dieser letzteren Art für manchen Singvogel bei näherer, eingehender Prüfung seiner Insekten- oder auch Vegetabiliennahrung eher ein Minus als ein Plus hinsichtlich seines Nutzens ergeben dürften. Aber nur der Egoist unserer Zeit denkt an den allernächsten pekuniären Vorteil und übersieht da- bei, wie jeder Materialist, — unbedächtig genug! — die weiter zurückliegenden ästhetischen, ethischen und moralischen Werte: anders der Kluge, ganz anders der Naturfreund ! — Am hausvertrau- testen, am meisten an das Haus gefesselt und gebunden sind unstreitig die Schwalben. „Man rechnet die Schwalben gewissermassen zum Hausgeflügel; ihr Nisten an und in den menschlichen Wohnungen, ihr stetes Umherjagen in den Strassen der Städte und Dörfer oder in deren nächsten Umgebungen, ihre fröhlichen Gesänge und ihr zutrauliches Wesen machen sie jedermann zu willkommenen Geschöpfen, zumal im Frühling, wo sie die lieblichen Verkündiger der warmen Jahreszeit sind“ (Friderich). Der treffliche Staats von Warquant-Geozelles konnte ganz mit Recht von „unserer heiligen Schwalbe“ sprechen. Wie sehr der Bauer seine Stall- und Hausschwälblein liebt, weiss eigentlich nur der, welcher lange Zeit in einem Dorfe gewohnt hat; und wie gern sie geduldet und wie sehr sie geschützt sind, fühlen vor allem die herrlichen Rauchschwalben in den niedrigen, menschenbe- lebten Bauernställen, wo sie sich zwitschernd auf den Rücken der schackigen Kuh niederlassen, während die Stallmagd unter 34 Wilh. Schuster; dem geduldigen Wiederkäuer sitzt und ihn melkt. Die Mehl- schwalbe nistet bei uns nur noch an Hauswänden, die Rauch- schwalbe innerhalb irgendwelcher Baulichkeiten, wozu auch Brücken und Tore zählen — abgesehen von ganz wenigen Fällen, wo Rauch- (wie Mehl-)schwalbe an und unter Felsen (jene auch in gewaltigen Storchnestern) ihr Nest anbringen. Gar interessant wäre es, zu erfahren, in welcher Zeit ungefähr die beiden Schwalben sich zu der jetzigen Bauweise unfreiwillig bequemen mussten oder aber, was wohl richtiger gesagt ist, zu den heutigen Niststätten freiwillig ein Vertrauen fassten. Vor anderthalb tausend Jahren noch dürfte es ihnen in Deutschland unmöglich gewesen sein; im Morgenland haben sie immer, wie sie auch heute noch tun, an den vielen warmen schützenden Felswänden genistet, und es ist gewiss, dass sie sich mehr und mehr, als in den germanischen Ländern feste Wohnhäuser mit den probaten Dachvorsprüngen entstanden, nach Westen und Nordwesten herüberzogen !). Die Haus- und Stallschwalben sind der beste Beweis, dass sich die Vögel mit der Zeit der Kultur anpassen können, dass sie vor dieser nicht untergehen müssen; diese Schwalben sind direkt durch die Kultur beschützt und begünstigt worden(auch z.B. durch die Anhäufungihrer Nahrung, der Insekten, bei den Gebäuden), und wenn sie jetzt ganz rapid ab- nehmen, so liegt es es hier einmal nicht an der vielge- scholtenen Kultur — an dieser nur höchstens insofern, als beim Bauen der neuen Häuser teilweise die Holzverschläge unter den Traufdächern wegfallen und dagegen die Backsteinwände !) Die deutsche Fauna ist stetig im Werden und Wandel. Der allbekannte Zug der Lebewesen (vom Menschen bis zum niedersten Spalt- pilz) von Osten nach Westen, der sich nach 1000 Jahren noch eben- so bemerklich machen wird wie schon vor einem Dezennium von Jahr- hunderten, ist an sich durchaus nicht rätselhaft. Er hat seinen Grund in der Uppigkeit und dem Reichtum des Westens, in der grösseren Zahl und Art der hervorgebrachten Tiere und Pflanzen, was wieder auf dem wärmeren Klima (Meeresnähe und Golfstrom) beruht. Die Isotherme läuft von dem Südfuss des Altai-Stocks schief hinüber nach Schweden. Die Menschen haben jeweilen nach dem wärmeren Klima und dem üppigeren Reichtuman organischen, grösstenteils zurNahrung dienenden Wesen hingedrängt ; die Polen, die Slaven drängen noch heuteso wieeinstKelten, Germanen und Türken. Ebenso tun sehr viele Tiere; andere (sowie Pflanzen) folgen dem Menschen als stete Begleiter. Während aber die vom Meer aufgehaltenen, zur Ruhe gekommenen Völker im Laufe der Säkula wieder aussterben, bleiben Fauna und Flora im Wesentlichen bestehen. Vogel und Mensch. 25 nicht so ganz tauglich zum Anbringen der Nester sind —, sondern an Witterungseinflüssen (die freilich früher in der Hauptsache auch nicht anders waren), an dem Massenfang der Italiener etc. Felsen- und Uferschwalbe stehen, gemäss ihrer Vorliebe für Gebirg und Wasser, dem Menschen ferner. Viel mehr als der Alpensegler ist — bei uns einzig und allein — der zahlreiche Mauersegler auf Dachlucken und Mauerlöcher angewiesen, er benutzt öfters sogar Starenkästen zum Nisten, besonders solche, die etwas älter und ohne Sprenkelholz sind, in die er dann rasend schnell hineinstürzt!), während der Alpensegler lediglich die höchsten Gebäude zu besiedeln sich einfallen lässt. Und viel- leicht ist dies der Grund seiner so beschränkten Verbreitung. Wie die Schwalben gehören zu Haus und Hof auch die Stare. Es ist füglich anzunehmen, dass ein sicher einst scheuer, nunmehr so zutraulicher Höhlenbrüter wie der Star nur den Nistkasten zuliebe in die Dörfer gezogen ist, den Menschen nach; freilich hat er sich immer so frei und unabhängig von diesen zu halten gewusst, dass noch heute ganze Scharen in alten, mit hohlen Bäumen untermischten Wäldern grossgezogen werden. Aber die Nistkästen, von Menschenhand gefertigt, haben immer eine sehr grosse Anziehungskraft auf ihn ausgeübt — seien es auch nur sechs Brettchen, die einigermassen regen- dicht zusammen genagelt sind. Ich hing z. B. einen Nistkasten in einem etwa 80jährigen hochstämmigen Buchwald auf, in dem sich sonst kaum einmal Stare aufhielten: Schon im nächsten Frühjahr sang ein Starmatz, allein im Walde, von dem Sprenkel- holz herab sein abwechselungsreiches Lied. Wenn nun auch eine höhlenbrütende Vogelart wie der mit Allem zufriedene Star sich mit leichter Mühe und in relativ kurzer Zeit, schon in wenigen Dezennien, an Nistkästen gewöhnt, so ist dennoch der Brauch, Starenkästen auszuhängen, ein sehr alter. Ich schliesse das aus zwei Gründen: Einmal ist dieser Brauch unserer Land- bevölkerung zur festen Sitte, zur kategorisch verpflichtenden Gewohnheit geworden und der Bauer kennt es seit Menschenge- denken, seit Ururgrossvaters Zeiten, garnicht anders, als dass er an seinem Hause einen Starenkasten, der von vornherein (eo 1) Ich beobachtete einen ganzen Sommer lang allabendlich einen Spyr, wie er Hals über Kopf, aber still und leise, in einen Starkasten sich zurückzog, wenn schon der ferne Osthimmel im letzten Abendrot glühte. 26 Wilh. Schuster: ipso) zu den nötigen Hausmobilien gerechnet wird, hängen haben müsse, wie sich denn auch oft an diesem und jenem Gebäude ein ganz alter, verwitterter, oben und unten durchbrochener Starenkasten findet!). Andererseits ist der Brauch über viele Länder, zum mindesten über ganz Mitteleuropa — und zwar eben als altgewohnte Volkssitte — ausgedehnt; selbst bei der Annahme, dass der Brauch ursprünglich nicht in einer Gegend allein aufkam und sich von da aus verbreitete, würden "doch etliche Jahrhunderte erforderlich sein, um ihm die heutige grosse Ausdehnung zu sichern. Starkästen sieht man ebensowohl in niederösterreichischen Dörfen wie am Bodensee und im östlichen Frankreich, in Böhmen wie in Schleswig. Die meisten Starkästen fand ich in den fruchtbaren Gefilden des südlichsten Schweden, in der Provinz Schonen. In den Weinbergländern hat man dem Sprien wohlweislich keine Nistkästen ausgehangen wie in dem grössten Teile des Elsass, der Pfalz, des Rheingaus u. Ss. w.; dagegen finden sich in früheren Wingertgebieten, wie in der ganzen Wetterau und an den Weichselufern, jetzt überall Nist- kästen. Grosses Interesse verdient eine Frage wie die, ob einst- mals vielleicht auch etwa ein einzelner einflussreicher Mann, ein starker kräftiger Charakter — wie unser Liebe einer war — mit gutem, allgemeinem Erfolg auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, den Staren wegen mangelnder Nistgelegenheit Wohnungen herzurichten. Das Gegenteil ist zehnmal wahrscheinlicher, nämlich dies: Dass die Liebe des Volkes zum Vogel die treibende Ursache zum Aushängen der Nistkästen war, dass der gemein- samen Initiative der misera plebs contribuens die ersten Nist- kästen und die heutige Volkssitte ihre Entstehung verdanken. Doch hat es auch in früheren Zeiten — in Zeiten kräftigerer, freudigerer Vogelschutzbestrebungen — grosse Tierfreunde ge- geben. Am bekanntesten ist, dass Herr Walther von der Vogel- weide ein echter, rechter Tierschützer war; nicht minder bekannt ist, dass, gemäss Testamentsverfügung, auf seiner Grabplatte in Würzburg noch lange die Vögel gefüttert wurden, welcher t) Manchmal geschieht freilich auch des Guten zu viel, indem die Kästen, fein sauber gehobelt und gezimmert, mit prangend gelber, grüner oder roter Farbe bestrichen werden, was zunächst .die}Stare fürjlein Jahr (selten für längere Zeit) fernhält. Belehrung ist auch hier der beste Vogelschutz. Vogel und Mensch. 27 sinnige Brauch leider in jüngerer Zeit eingeschlafen ist.!) Die Geschichte der volkstümlichen Starenkästen, deren Millionenzahl wir die stets sich mehrenden Legionen nützlicher Stärlein zum guten Teil verdanken, ist ein redendes Beispiel, dass die Mensch- heit die Vögel vor den drohenden Gefahren der Kultur behüten kann, wenn sie nur will (was z. B. von Liebe in der kurzen Ausführung: „Lernet erst das Leben der Vögel genau kennen, wenn Ihr sie mit rechtem Erfolge schützen wollt‘ nicht genug hervorgehoben worden ist); das Wollen aber der Volks- masse quasi aufzuzwingen, das müssen sich immer wieder die Vogelfreunde, nachdem sie an der Hand redender Beispiele erkannt, dass es möglich sei, zur Aufgabe machen. Ganz und gar zum Hofe gehört ein anderer Höhlenbrüter, eine Sperlingsart, unser „Haussperling.“ Wer nicht an das Dogma einer allmählichen Entwickelung glauben wollte, der müsste schlechterdings annehmen, dass der domestizierte Sperling so erschaffen worden wäre, wie er jetzt ist. Dies aber ist ein Ding der Unmöglichkeit, da.im Uranfange keineswegs die heutigen Domestikations-Verhältnisse, zu denen der Spatz passt wie die Nuss zu ihrer Schale, ja nicht einmal nur entfernt ähnliche ge- geben waren. Entweder existierte und vegetierte einstmals der passer domesticus so frölich und heiter wie heute, ohne bei dem Menschen dauernd gemietet zu haben, ohne überhaupt das Zwei- bein zu kennen und noch viel weniger dessen erst spät erfundene Wohnungen, ohne die er heute nicht leben kann, oder er hat sich als selbständige Abart aus den übrigen Spatzenarten — der Felsenspatz dürfte von Anfang an bestehen — mit der Zeit herausgebildet. Dies ist das Wahrscheinlichste. Auch bei dem Hausspatz tritt die Neigung zu Farbenvarietät und Albinismus im Ganzen häufig auf; im Museum zu Mainz stehen nicht weniger als 6 totale Spatzenalbinos nebeneinander. Im Übrigen wurde 1) Ich kann mir nicht versagen, an dieser Stelle einen Appell an die massgebenden Persönlichkeiten (Domverwaltung?) zu richten, jene alte, so sinnige Reminiszens praktisch wieder ins;Leben treten zu lassen, in der Weise etwa, dass vor der Grabplatte ein umzäunter ständiger Futterplatz hergerichtet werde, auf dem die Vögel, besonders zur Winterszeit, mit einem guten Mischfutter versorgt würden. Es wäre dies ein stolzes, deutungsvolles Zeichen eines warmen Gedenkens des grossen Dichterhelden in seiner Eigenschaft als Vogelfreund. Auch möchte das gute Beispiel, das da coram et publice gegeben wird, grosse Nachahmung bei Privaten finden. 238 Wilh. Schuster: dem Spatz schon lange vom Menschen — wenigstens lokaliter und periodisch — seines Fleisches wegen nachgestellt. Aus den Worten der hl. Schrift: „Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig?‘ (wobei übrigens das griechische doragıov, als Mindestmass genommen, 5 Pfennige bezeichnet, die aber bei dem damaligen Wert des Geldes um das 3 oder 4fache erhöht werden müssen) ergiebt sich, dass auf dem Markt in Jerusalem Sperlinge um eine geringe Summe zu haben waren. Dass sich auch der philisterhaft gescholtene Hausspatz von den hergebrachten Gewon- heiten recht gut wiederum emanzipieren kann — wie gleichfalls die Hausschwalben, die nach den verschiedensten Berichten (,„O. Mon.“ 1894, S. 179 u. 144;!) „Hess.Tierschutzz.“, No. 6, J. 1902) ihre Nester der neuen Bauart der Häuser etc. anpassen sollen —, beweist er in manchen Gegenden Deutschlands, wo er sich un- förmige Nester in den Zweigen der Bäume herrichtet und mit Erfolg zum Brüten benutzt; Hofrat Liebe berichtete dies aus Ostthüringen, ich selbst beobachtete es beispielsweise im Sommer 1900 in Metz.2) — Weniger unselbständig, vom Menschen unab- hängiger als der Hausspatz ist der Feldsperling und gar noch im Vollbesitze der Freiheit der Steinsperling. Die Ringelspatzen sind freie, bewegliche, scheue Gesellen, wetterharte und sturmes- feste; nur im Winter kommen sie in die Dörfer herab. Der Rotschwanz ist eigentlich ein Bewohner der Felsen- sesteine und wer z. B. vom Faulhorn im Berner Oberland über die Alp Iselten, unter dem schroffen Oberberghorn, unter dem Abhang des Laucherhorns, durch das Felsgeröll des Bütschi, über die Sägisjoche oder an der Nordseite des Sägisgrats und 1) „Die Umgestaltung der Brückenverhältnisse erforderte auch die sänzliche Umgestaltung der Schwalbennester, und während die früheren kugelförmig am Steine klebten, wurden die neuen Nester hinter, auf und neben dem Balken erbaut. Oft war der zur Verfügung stehende Raum klein und flach und mit wenigen Schnäbeln voll Mörtel zum Neste umgeändert, — oft war der Hohlraum gross und erforderte nach allen Seiten hin ein riesiges Bauwerk“ (St. von Wacquant-Geozelles). ‚Die Ausflugöffnung“ der Nistkästen für Rotschwänzchen, in welche die herab- gefallenen jungen Schwalben gesetzt worden waren, „hatten die Alten im halbmondförmigen Kreise mit Erde beklebt“ (A. Heise). ?2) Der Sperling ist keine Steppenform; auch dürfte er nicht, wie Prof. Marshall annimmt, aus dem Osten zu uns gekommen sein, sondern aus dem Südwesten und Süden, angelockt durch die festen Gebäude, welche die Römer das Germanenvolk bauen lehrten. Vogel und Mensch. 29 der Nordflanke der Winteregg zu der Schynigen Platte hinunter- steigt, kann zur Sommerszeit genug dort an den Felsenwänden einheimische Hausrotschwänzchen antreffen. Bei dem recht haus- vertrauten domestizierten Rotschwanz drückt sich die Herkunft des Geschlechts aus der Felseinsamkeit noch dadurch aus, dass er sich am wohlsten hoch droben auf den Dächern, auf dem Hausgiebel und der knarrenden Wetterfahne, fühlt. Im Gegen- satz zum Hausrotschwanz als Hausvogel ist der nach seinem Lockruf passend benannte „Saulocker“ ein Gartenvogel; das wesentlich Unterschiedliche zwischen beiden Höhlenbrüterarten wird in etwas auch durch die Farbe der Eier ausgedrückt, indem das Hausrötelgelege das neutrale Weiss aller Hausvogeleier zeigt, das Feldrötelgelege aber die frische Naturfarbe Blaugrün, im Norden oft noch durch eine interessante und hübsche rote Fleckung verstärkt, aufweist.!) Auch der Gesang — es ist wieder ein Seitenstück zu dem gebundeneren oder freieren Wesen eines Vogels — unterscheidet beide Arten insofern, als die freieren, ungebundeneren Vögel hier (die Gartenrötel) im Allgemeinen über umfangreichere und reinere Sangmittel verfügen. Entweder er- zeugt die stille, ungestörte Natureinsamkeit einen schöneren Ge- sang oder die hausgewohnten Vögel verlernen mehr und mehr den der Art eigentümlichen; beides ist nebeneinander möglich. Sehr vertraut mit dem Menschen sind gleichfalls die grauen Fliegenschnäpper, weniger die Trauer- und Halsband- fliegenfängerundnoch weniger das „spanischeRotkehlchen‘“, ein ausgesprochener Waldvogel. Der graue Fliegenschnäpper findet bei Stall und Scheuer ausser dem Schutze vor Raubvögeln nicht nur die passendsten Niststellen — vorspringende Knäufe und Hausbalken, breite Stammgabel alter Birnbäume u. s. w. —, 1) Was die Eier der Schwalben betrifft, so zeigen die der konser- vativen Uferschwalben ganz die Färbung der Höhlenbrütereier, die der Rauchschwalben einen Typus, wie sie mehr oder minder die Offenbrüter haben. Die Mehlschwalbeneier befinden sich unzweifelhaft in einem Über- gang. Die meisten, wenn nicht alle naturwissenschaftlichen Werke (Bechstein, Lenz, Brehm, auch der ‚neue Naumann‘) geben als Farbe der Mehlschwalbeneier an: Rein weiss. Dies ist ganz falsch. In meinem Heimatsdorfe Frischborn (Vogelsberg) sind die meisten Haus- schwalbeneier mit deutlichen schwarzen oder braunschwarzen Punkten ge- tüpfelt. Jetzt ersehe ich aus einem Verzeichnis der „Vogelwelt der Insel Sylt“ von M. B. Hagendefeldt, dass auch die Sylter Schwalben teil- weise die rotbraun punktierten Eier legen („Orn. Mon.“ 1902, S. 260). 30 Wilh. Schuster: sondern auch die reichhaltigste Nahrung, da sich Fliegen und Mücken am liebsten bei den Wohnungen der Menschen und Haustiere aufhalten. Mauscicapa atricapilla und albicollis bauen in der Regel in Baumlöcher und sie können sich daher auch in Anlagen, Obstbaumgehägen und lichten Feldhölzern ebenso gut ansiedeln und heimisch fühlen wie in unmittelbarer Nähe des ländlichen Gehöftes. Der kleine Fliegenfänger stellt sein Nest in eine Zweiggabel oder den leicht ausgefaulten Aststummel eines Baumes. Bezüglich des unterschiedlichen Wesens und Gesanges der vier Arten gilt das beim Rotschwänzchen Gesagte. Neuer- dings hat der Mensch auch Schnäppern und Röteln eigene Nist- kästen hergerichtet. Ganz ähnlich wie mit Schnäppern und Röteln verhält es sich mit den Bachstelzen: Die gemeine grauweisse!) Bach- stelze, ein echter Hausvogel, baut seltener einmal in Steinhaufen oder Feldmauern als die graugelbe und goldgelbe, bei denen es sogar Regel ist, im „Freien“ zu nisten.?) 1) Ich schlage vor, Motacilla alba ‚„grauweisse Bachstelze,“ Motacilla sulphurea „graugelbe Bachstelze“ zu nennen, während Motacilla flava wie bisher „goldgelbe Bachstelze‘“ heissen kann. Die Bezeichnung „weisse B.“ ist, selbst bei flüchtiger Betrachtung des corpus, das sich so benamsen lassen musste, augenscheinlich falsch, irreführend und dem unbefangen urteilenden Laien, sicherlich zuerst, wenn er diese Bezeichnung hört, höchst verwunderlich — dem grossen gemeinen Volk ist es auch noch nie eingefallen, den betr. Vogel „weisse“ B. zu nennen —, da das Graue an dem Vogel viel mehr hervorsticht als das Weiss; es ist eben eine grauweisse Bachstelze und keine weisse. Die Bezeichnung ‚‚graugelbe B.“ giebt gleichfalls den Gesamteindruck des Farbengefieders des so bezeichneten Vogels unstreitig besser wieder als das teilweise übliche „schwefelgelbe B.;“ Mot. flava kann dann ruhig „goldgelbe B.“ heissen. Dass die durchaus angebrachte und richtige Veränderung von „weisse“ in „grauweisse“ und „gelbe‘“ in „goldgelbe“ die betr. Namen etwas verlängert, ist kaum von Bedeutung, da wir — leider! — fachmännig (und oft auch zopfig) gekünstelte, ganz unvolks- tümlicbe Worte von 3 und mehr Silben wie „schmalschnäbliger Wasser- treter,““ ‚‚schlankschnäbliger Tannenhäher“ in unserer ornithologischen Litteratur haben. 2) Eine gewisse, ganz nebensächliche, fast humoristiche Beziehung zwischen Motacilla a. und Homo s. ist es z. B. auch, wenn die Bach- stelzen in manchen Gegenden haufenweis in den Kugelakazien zu über- nachten pflegen; die Akazie wurde im Jahre 1601 zum ersten Mal in’ Europa angepflanzt, und zwar im Jardin des Plantes in Paris, wo ich den Mutterbaum sah; von dort aus verbreitete sich die Akazie über Europa; jetzt freilich sieht man z. B. in der Lombardei schon ganze Akazienwäldchen. Vogel und Mensch. 31 Die Finken nisten überall, in den Hausgärten der Menschen wie im freien, fröhlichen Wald. Insbesondere der Buchfink findet sich überall, im Obstgarten, im kleinen Fichtenschlag und im weiten Dom des hochstämmigen Laubwaldes; er ist — neben dem Girlitz, der allüberall, wo er sich einfindet, mit der Zeit alle Scheu ablegt — der zutraulichste Fink. Ich wusste vor Jahren ein Buchfinkennest mit Eiern bezw. Jungen dicht am Wege in einem niedrigen Gartenzaun; andere standen ebenso nah an Wegen in Hecken. In dem Park des „Konstanzer Hofes“ in Kostnitz kam im Nachsommer 1900 öfters des Morgens ein Buchfinkenmännchen auf die unter einem Vorbau stehende Früh- stückstafel und pickte vor meinen Augen ohne Scheu an den Butterstückchen, die im Eiswasser lagen. Gerade die Finken der städtischen Anlagen beweisen, dass die Vögel da, wo sie ge- schützt werden, grosses Zutrauen zum Menschen fassen; in der Strassburger Orangerie sah ich Buchfinken in dem Zweige eines mittelstarken Oleanderbäumchens nisten, das in einem Kobel an einem der belebtesten Wege stand!). Im Vogelsberg hat gewöhnlich jeder Garten seinen Standfink?). Wenn übrigens je und je der Bauer im Allgemeinen die Finken nur aus Nützlichkeitsrück- sichten geschützt hätte, so hätte er — was nicht der Fall ist — dem „Schwunch“ (Fringilla chloris) immer gram sein müssen, da dessen Schaden für die Landwirtschaft im Ganzen grösser ist als der Nutzen; ob dies freilich der Bauer erkannt hat und weiss, ist eine andere Frage. Als Zucht- und Stubenvogel ist bei Germanen und Romanen, soweit die Kanarienzucht gepflegt wird, von den Finken der Distelzeisig am beliebtesten. In der Regel fliegt er frei in den Kanarienhecken. Er eignet sich am besten zur Erzeugung von schönen Bastardrassen, die trotzdem gute Sänger ins Feld stellen. In einer mittelfranzösischen Stadt sah ich einen sehr hübschen Bastard, der neben dem mattgelben 1) Dieses Nest wurde später entweder nicht mit Eiern belegt oder diese wurden frühzeitig geraubt — es war immer leer, so oft ich (vor- sichtig) hineingriff. 2) So gern auch der Thüringer Bauer, der Wiener Arbeiter, der schwäbische Schneider oder Schuster seinen „Fink“ im Zimmer oder im Garten hat, so lernte ich im Vogelsberg doch einen Bauer kennen, der einem, benachbarten Fink nicht das bischen Futter gönnte, das sich dieser zu gewissen Tageszeiten fast regelmässig auf dem Hofe holte, wenn die Hühner gefüttert wurden; jener Bauer stellte ihm nach mit Pulver und Blei. 32 Wilh. Schuster: Kleid des Kanarienvogels einen sanften orangeroten Ring in ziemlicher Breite um den Schnabel trug. In manchen romanischen Ländern wird der Distelfink als Muttergottes-Vogel mit einer besonderen Zuneigung bedacht; darum findet sich auch seine Gestalt auf Marienbildern selbst klassischer Meister. Mit der bis ins Kleinste von der Sage behandelten Weltschöpfung durch Gott verbindet die volkstümliche Tradition der leichtgläubigen Söhne des Südens auch die Entstehung der bunten Farben des Distelfinks; der Grund zum Aufkommen der bekannten hübschen Legende liegt in der hart in die Augen fallenden — weil schnell und ohne Übergang abwechselnden — Mannigfaltigkeit der Farben, die überall sozusagen nur flüchtig aufgetuscht sind. Die Schwarzamsel ist aus einem scheuen, schüchternen Waldvogel — wie es ihre sämtlichen Artgenossinnen noch sind — an vielen Orten ein dreister Gartenvogel geworden, zumal in dem ganzen Ländergebiet der tierfreundlichen Germanen; viel- fach hat sie mit dem Umtausch der Wohnstätten die Fülle ihres Gesanges teilweise verloren, wie z. B. in Wien.!) Sie hat ofien- bar, wo dies Letzte gilt — es ist freilich nicht die Regel! —, inmitten der störenden Menschen nicht mehr soviel gesungen wie im Walde und das Singen daher auch ein wenig verlernt. Die Meisen lieben es als halbe Waldvögel gar nicht so sehr, sich in Hausgärten in der Nähe der Menschen ansiedeln zu müssen; aber Nistkästen, auch solche primitiverer Art, be- ziehen sie mit Vorliebe. Dem Menschen gegenüber verhalten sie sich bis zu einem gewissen Grad ziemlich vertrauensselig. Allerdings zeigt die Kohlmeise, welche als die ausgebildetste Form des ganzen Geschlechts über die meisten geistigen Gaben verfügt, überdies auch in der Regel am ehesten mit dem Menschen in Berührung kommt, oft genug, dass sie sich nicht allerorten von diesem das Beste versieht. — Der menschliche Aberglaube schadet, wie das Käuzchen oft genug praktisch an sich erfahren muss, sehr viel; er nützt auch: Ebenso, wie der Vogelsberger Bauer glaubt, dass sein Haus vor Feuersbrunst geschützt sei, wenn ein Schwälblein unter dem Dach oder auch ein Star im Kasten sein Nest habe, so vermeinen die sarmatischen Sumpf- bewohner, dass das auffällige Nest der Beutelmeise, über die 1) Vergl. meine Arbeit „Unsere Drosseln“ in No. 8, 9, 10 der „Orn. Mon.“ 1902! Vogel und Mensch. 33 Haustüre gehängt, das Einschlagen des Blitzes verhindere. Dieses halb kultisch gefärbte Interesse an der Vogelwelt ver- bürgt den in Mitleidenschaft gezogenen Arten einen gewissen Schutz. Oft genug mögen freilich die Sarmaten auch die noch frischen, belegten Nester kurzer Hand für sich in Beschlag nehmen. Die Haubenlerche gehört, wenigstens im Herbst, Winter und Vorfrühling, zu den Strassen der Dörfer und Städte wie etwa die Sippe der Rosenkäfer zum Rosenstrauch; sie lässt wenn sie in der schlechten Jahreszeit auf dem Wege bei haferge- spickten Pferdeexkrementen sitzt, ergeben hingeduckt, doch achtend auf die Bewegungen der kommenden und gehenden Störenfriede, den Strassenbummler wie den dahinhastenden Geschäftsmann näher an sich herantreten als sonst irgendeiner der gefiederten Dorfbewohner. Und doch ist sie viel scheuer als fast alle anderen Dorf- und Hausvögel; wenn sich z. B. eine bauende Haubenlerche beobachtet sieht, lässt sie meist den Halm fallen und fliegt nicht zum Nest, während Star und Schwalbe sich im Bauen nicht stören lassen. Als einer der nützlichsten Vögel muss, auch auf Grund einer exakten wissenschaftlichen Untersuchung und nicht bloss einer obenhin gehenden Abschätzung, neben der Haidelerche die Feldlerche bezeichnet werden); sie frisst fast nur schädliche Insekten wie Heuschrecken, Motten, kleine Tag- und Nachtfalter, Räupchen, Schnellkäfer, (Larven, Maden und Insekteneier) und Unkrautsamen; von Nutzfrüchten verzehrt sie nur die ausgefallenen und zerstreuten Hafer-, Hirse- und Weizenkörner. Aus diesem Grunde schon allein, ganz ab- gesehen von allen anderen, an sich noch gewichtigeren Gründen ästhetischer und ethischer Natur, muss es ganz gewiss als eine „Unverständigkeit“ geschulten werden, wenn man die Lerchen vom Felde weg für die Küche reicher Leckermäuler fängt, — — trotz der beschönigenden Worte im „neuen Naumann.“ Der leicht hingeworfenen, ursprünglich einmal geistreichen Redens- art von der nun wahrlich sattsam bekannten „Gefühlsduselei“ und der zum mindesten — auch wenn es mit Naumanns eigenen 1) Wie oberflächlich das Verzeichnis der Pariser Vogelschutz- konvention (vom Jahre 1895) aufgestellt worden ist (nach der Aussage des deutschen Staatsministers v. Posadowsky von „Gelehrten“ (!) sämtlicher Staaten), ist daraus ersichtlich, dass unter den zu schützenden, nützlichen Vögeln neben Kuckuck, Nachtigall, Pirol ete. die Lerche fehlt. Journ. f, Orn, L). Jahrg. Januar 1%03. 3 54 Wilh. Schuster: Worten gesagt ist — materialistischen Denkweise, dass Lerchen gar „gesund und leicht verdaulich“ sind und ganz wohl mal zuı einem Pudding verarbeitet werden dürfen, muss mit aller Ent-: schiedenheit das ernste, würdige Diktum eines Gloger entgegen-- gehalten werden: „Dass noch jetzt allherbstlich in manchen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes, z. B. bei Leipzig und. Halle, Tausende dieser herrlichen nützlichen Sänger gefangen werden, um nur den Gaumen verweichlichter Feinschmecker zu kitzeln, ist geradezu eine Versündigung an der Natur, welche hoffentlich bald ihr Ende erreichen wird“ wie aüch die aus. jedem naturwissenschaftlichen Buche (Lenz, Friderich u. s. w.) herauszulesende Tatsache, dass die Zahl der Lerchen durch die: vielfachen Nachstellungen fast überall in einer ganz betrübenden Weise abgenommen hat. — Die Lulllerche kann um deswillen nicht viel mit dem Menschen gemein haben als sich Brach- oder Heideland — ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort — und Kulturge- biet in der Regel gegenseitig ausschliessen. Das schüchterne Goldämmerchen steht mit den Land- leuten jederzeit auf gutem Fusse. Im Winter kommt ihm das bäuerliche Mitleid zugute, wenn das Hausfedervieh gefüttert wird, wenn eine Tenne ofiensteht, wo es hineinfliegen und den Heu- samen aufpicken kann, oder vielleicht ein Junge ein Futter- plätzchen herrichtet. Im Sommer singt es vergnüglich sein „Hawer, Hawer, Gärscht“; noch auf mannigfalt andere Weise legt das Bauernvolk den Ammersang aus. Dass der Goldammer nun einmal zum Acker gehört, fühlt der Bauer eben recht; und oft fühlt er unwillkürlich auch, wenngleich nicht in demselben Masse wie der feiner empfindende, geistig immer regsame Ge- bildete, dass eine gewisse drückende Schwermut in dem gleich- tönenden Ammerschlag liegt, wenn er am stillen, sonnenhellen Herbstnachmittag über die letzte Garbe des Feldes hinwegklingt. Von den Laubvögeln hat sich einer ausschliesslich den Wald zum Aufenthaltsort auserkoren, der Waldlaubvogel; er steht dem Menschen total indifferent gegenüber. Auch die übrigen Laubvögel halten sich gewissermassen neutral, wenn schon der Gartenlaubvogel bei Haus und Hof wohnt und somit zu einer gewissen Annäherung an seinen Wohnungsvermieter gezwungen ist. Nach dem gleichen Ausweis ähnlicher Schlüsse dürfte der Waldlaubvogel in dem alten waldreichen Germanien häufiger, der Gartenlaubvogel seltener gewesen sein als im Vogel und Mensch: 35 heutigen Deutschland. Wegen der Zartheit und Hinfälligkeit dieser Tiere möchte man sich versucht fühlen, sie als ursprünglich aus dem Süden zu uns gekommen anzusprechen, wogegen jedoch ihr schwaches, farbenarmes Kolorit Einspruch erhebt. Dasselbe gilt bezüglich der Herkunft von den Grasmücken, die auch insofern den Laubvögeln nahe stehen, als sie an sich dieselben und mit denselben Aufzaben betrauten Erscheinungsformen der gefiederten Welt sind, nur dass die Grasmücken in ihrer Art als geborene Heckenvögel, die Laubsänger als geborene Baum- vögel leben; beide, in ihren Grundzügen sich gleich oder doch ungemein ähnlich, sind nach verschiedener Richtung — und beide gleich vorzüglich — ihrer Lebensweise angepasst. Auffallend ist, dass gerade die Gartenrepräsentanten dieser beiden Arten wie auch der Gartenvogel von der Sippschaft der eigentlichen Erdsänger — als welcher mit bestem Recht die Nachtigalj (bezw. die Sprossernachtigall) angesehen werden kann —, das grösste Sangestalent unter den Sippgenossen aufweisen. Auch dies dürfte seine Erklärung finden: Im freien Gelände brachte ihnen, den ursprünglich überall im Felde (wo nur immer Baum und Busch zusammenstanden) heimischen Sängern, den besten der ganzen Familie, eben ihr Sangestalent, bei dessen Entfaltung sie noch dazu einen freieren Sitz zu wählen pflegen, zu viel Verfolgungen ein, sodass sie mit der Zeit mehr und mehr ihren Wohnkreis auf die buschreichen und doch auch wieder stillen Gärten und Heckenhage um Häuser und Dörfer (nicht eigentlich aber die volksbelebten Stadtanlagen, die Tummelplätze der Schwarzamseln) zu verengern sich gewöhnten; zugleich wurden — es ist dies ein weiterer Gesichtspunkt, der auf der gleichen Bahn vorwärtsweist — nicht mehr, wie „draussen,“ die besseren Sänger der Art selbst jeweilen in dem Masse, in welchem ‚sie reichlicher auffielen, weggefangen und es war somit die Her- auszüchtung eines immer besseren Gesangestalents ermöglicht.) 1) Die Frage, wie die schöneren Vogelgesänge entstanden sind, muss von verschiedenen Gesichtspunkten aus beantwortet werden. Auf- fallend ist, dass gewöhnlich mit einem besseren Gesang ein schlichteres Farbenkleid Hand in Hand geht, und es ist jedenfalls in dieser Richtung eine Erklärung zu suchen. Dass die Bergvögel im Allgemeinen besser singen als die Talvögel, erkläre ich mir als das rein physische Ergebnis einer grösseren Kraftfülle und Lebensfrische, indem die Gebirgsvögel an und für sich schon in der Regel stärker und kräftiger sind als die Talvögel 3% 36 Wilh. Schuster: — Nachtigall und Sprosser haben bei den alten und neuen Völkern eine sehr grosse Beachtung gefunden. Es hat sich diese bei den Alten fast noch stärker geltend gemacht als bei den Modernen; denn die berühmtesten Dichterfürsten der Griechen und Römer — Homer, Horaz, Vergil etc. — haben die Sängerin xar’ 2&oynv mit den lieblichsten Worten besungen. Die Zutraulich- keit der unscheinbaren Tierchen zum Menschen ist bekannt. Ich bin in der grossen Strassburger Orangerie, wo die Nachti- gallenpärchen sehr nahe bei einander wohnen, dicht vor singende Männchen hingetreten, ohne dass sie den Gesang unterbrochen und den Platz verlassen hätten. Diese Zutunlichkeit hat den Luscinien von jeher mehr Schaden gebracht als Nutzen; zeit- weise waren die Nachstellungen, die dem leicht zu erlangenden Sängertalent bereitet wurden, so gross, dass sich grosse politische Staatsgebilde für den bescheidenen Braunrock eigene Gesetze zu fixieren bewogen fühlten — — de minimis curat lex! Trotz- dem haben die Nachtigallen und Sprosser in vielen Ländern merklich abgenommen; die Wiener Nachtigall vielleicht am meisten an dem Ort, nach dem sie genannt ist (bei welcher Ge- legenheit sich auch zeigt, dass es ganz verkehrt ist, einen Vogel nach einer so kleinen Lokalität wie Wien zu benennen): Im ganzen Sommer 1901 hörte ich nur einen Sprosser in Gärten am Bisamberge bei Korneuburg (vor Wien), während noch vor einem Dezennium mehrere Sprosser in dem Hausgarten des Herrn Universitätsprofessors Dr. D. Feine in Wien selbst (wie mir der Hausherr in eigener Person erzählte) schlugen. Die starke Abnahme der Wiener Sprosser erklärt sich daraus, dass in Österreich der Fang dieser — merkwürdiger Weise! — nicht besonders bestraft wird wie doch der Fang der Nachtigallen. Noch weniger wie im Allgemeinen die Grasmücken kommen die Rohrsänger mit dem Menschen in Berührung. Unzweifel- haft haben auch ihre Zahl die menschlichen Eingriffe in die Konstellationen der Natur verringert; denn im alten sumpf- und rohrreichen Germanien, Polen, Ungarn etc. mögen sie recht häufig und andererseits der Artbestand der Gebirgsvögel durch die Eingriffe der in den gleichen Revieren ansässigen Raubvögel — durch Wegfangen der kranken und schwachen Individuen — reiner, frischer, kräftiger er- halten wird und somit auch zur Ausbildung und Vererbung zunächst besserer Singmuskeln und fernerhin eines vorzüglichen Sangestalents durchaus befähigt ist. Es ist die Zuchtwahl einer unverfälschten Natur. Vogel und Mensch. 37 gewesen sein. Doch auch hier erfolggekrönte Anpassungsver- suche! Im „blauen Ländchen“ zwischen Wiesbaden und Höchst, in der Umgebung Kassels, bei Giessen und anderswo in deutschen Gefilden hausen die Sumpfsänger in den Kornfeldern: Sie bauen und wohnen, selbst halbe Stunden weit vom Wasser entfernt, in dem wogenden Halmenmeer. Nach Ad. Müller’s Angaben sind die Teich- und Sumpfrohrsänger hie und da auch (zZ. B. in der Wetterau) zu regelrechten Gartenvögeln geworden; tendenzgetreue Schematiker haben daraus flugs „Cal. hortensis“ gemacht. An die besonderen Erörterungen mögen sich noch einige allgemeine schliessen. Es ist natürlich, dass die Kultur in den tieferen Lagen Deutschlands, in den grossen Flusstälern und Ebenen, am ehesten eingesetzt, am meisten sich geltend gemacht und am auffälligsten Veränderungen in der Vogelwelt bewirkt hat. Baumvögel wie Finken und Pieper und Heckenvögel wie Grasmücken und Brau- nellen sind in den baum- und heckenarmen Kornebenen weniger häufig; Vögel, die zur Ackerscholle gehören, wie Lerchen und Ammern sind am zahlreichsten im flachen Lande; auf die stein- und kräuterreichen Hügel und Bergkuppen sehen sich die Stein- schmätzer, die Heidelerchen u. a. zurückgedrängt. Eine Unter- suchung über die Verteilung, das stärkere oder geringere Auf- treten unserer Vögel nach Höhen- und Tiefenlagen des Landes, sofern insbesondere auch die Agrikultur der Gradmesser ist für die Verbreitung der Arten, ist dermalen von unseren Forschern noch nicht gemacht worden und bleibt der Zukunft überlassen. — . Seit Anfang der Römerherrschaft sind allmählich folgende Gewächse nach Deutschland gelangt und hier — entweder wild- wachsend oder als Kulturpflanzen — in grossen Mengen heimisch geworden: Kastanie, Platane, Blutbuche, verschiedene Pappel- und Weidenarten, Cypresse, Pinie (Südost-Asien), Weymuts- kiefer (Amer.); Apfel-, Birn-, Kirsch-, Zwetschen-, Pflaumenbaum etc, Maulbeerbaum, Quitten-, Pfirsich- und Aprikosenbaum, _Walnuss- und Lambertsnussbaum, Stachel- und Johannisbeere, Syringe, Oleander, Buchsbaum (Südost-Asien); Weinstock, Flachs, Hanf, Lauch, Zwiebeln, Rettig, Kümmel, Senf, Raps, Linsen, Erbsen, Weizen, Gerste, Hafer, Rüben, Dick- | wurz, Kohlrabi etc, Kohl, Kraut, Salat (Asien) ete. etc.; 38 Wilh. Schuster: Gurken, Kürbis, Melonen (Ostindien) ete.,;, Magnolien (Amer.), Gartenrose, Tulpe, Lilie, Stiefmütterchen, Narzisse, Hyazinthe (Persien) ete. ete.; Spargel, Luzern, Esparsette u. a. Klee- arten, Mais, Buchweizen; Boretsch (Syr.), Sonnenblume (Mex.), Kornblume (Sizil.), Frühlingskreuzkraut (Asien), gem. Stech- apfel (Ind.), Wasserpest (N. Am.) u. s. w. Es ist klar, dass sich infolge der Ansiedelung dieser Pflanzen viele Verschiedenheiten und Abänderung in der Vogelwelt hinsichtlich der Verbreitung, Vermehrung, Lebensgewohnheit, Nahrung, Färbung des Gefieders und selbst der Eier notgedrungen einstellen mussten. Es er- möglichten z. B. oder erforderten andere Baum- und Strauch- formen — wie Cypresse, Akazie, Kastanie, Platane -- andere Nist- und Bauweisen; der Anbau des Weines vertrieb, wie schon betont wurde, die Stare aus den Winzergegenden, während das Anpflanzen der Kastanie, eines Baumes, der bald „Löcher‘‘ be- kommt, zur Verbreitung und Vermehrung aller Höhlenbrüter viel beitrug; die Kultur des Kirschbaums mag die Zahl der Kernbeisser, denen eine neue Fülle von Nahrung zugeführt wurde, ganz beträchtlich vermehrt haben, zumal der Darwin’sche Satz noch immer zu Recht besteht, dass eine — insbesondere eine reichhaltige und umfassende — Vermehrung je der einzelnen Tierart (durch Fortpflanzung) als Verkörperlichung oder Resul- tat einer überschüssigen Kraftmenge, ermöglicht nur und erzielt durch Verarbeitung einer grossen Nahrungsmenge, anzusehen ist.!) Die Ausbreitung der Hanf- und Flachs- und Rübsamenfelder wird das Verbreitungsgebiet der Finken, Ammern, Feldhühner u. Ss. w. erweitert oder doch wenigstens eine Vermehrung der . einzelnen Arten bewirkt haben. Dergleichen lässt sich noch viel Wichtiges und Interessantes statuieren. Weniger wichtig und bedeutungsvoll als interessant sind die eventuellen Einwirkungen der Kultur auf die Farberscheinungen 1) Die Kernbeisser mögen im Übrigen in ihrer Zahl wieder redu- ziert worden sein, da die wilden Kirschbäume leider immer mehr aus den Wäldern und Feldern verschwinden, ausserdem die hübschen Tiere gemäss dem deutschen Reichsvogelschutzgesetz dem freien Vogelfang unterliegen. — Newton stellte den Satz auf, dass alle die Vögel ohne Ausnahme zu schützen seien, welche selten oder in starker Abnahme begriffen seien. Ich freue mich übrigens, konstatieren zu können, dass in Deutschland fast auf der ganzen Linie bei dem Kampf um den Schutz für unsere Vögel — auch für die schädlichen, aber seltenen — die idealen Gesichts- punkte in den Vordergrund gerückt werden. Vogel und Mensch. 39 im Vogelreiche. Es kamen nämlich sowohl mit den Pflanzen und durch selbstständige Einwanderung wie auch durch Einführung vonseiten des Menschen oder auf noch irgend andere Weise allmählich seit der Urväter Zeit neben grösseren Tieren (wie Pferd, Esel, Rind, Ziege, Schaf, Hund, Katze, Wanderratte etc.) auch unzählig viele kleine, den Vögeln zur Nahrung dienende Tiere wie z. B. viele Blatt- und Rosenkäfer, viele Bork-, Rüssel- und andere Käfer (Rosskastanienmaikäfer, Spargelhähnchen, Kolorado- käfer, span. Fliege etc.), fast alle Schwärmer, viele Spinner, Spanner und andere Schmetterlinge, Läuse wie Reblaus, Blutlaus, San-Jos6e-Schildlaus ete., Schafzecken etc., neue Heuschrecken wie Klapper- und bläuliche Heuschrecke, viele neue Netzflügler (z. B. Raubfliegen, Holzbienen (stahlblauflügelige!), Ameisenlöwen etc.t)), neue Eidechsen wie Mauer- und grüne Eidechse, Schlangen wie Würfelnatter und Äskulapschlange u. s. w. Da es nun feststeht, dass „die Farbe, Form und relative Anzahl der kleinsten Farben- stoffteilchen abhängig sind von der Beschaffenheit des Blutes des betrefienden Vogels‘ und da ferner sowohl die neue Sommernahrung (Sonnenblumenkerne, Weinbeeren, Cypressensamen etc.) wie die grosse Summe der den Vögeln neu zur Nahrung gebotenen Tiere teilweise ganz andere chemische Bestandteile führen als die alte Nahrungsmasse, so ist ersichtlich, dass nicht allein Veränderungen in dem Farbgefieder der Vögel, sondern selbst Verschiedenheiten in der Färbung der Eier eingetreten sein müssen?). Diese Ab- änderungen sind natürlich immer nur unbeträchtlicher Natur gegenüber denen, die Klima und Himmelsstrich, Licht und Luft, Kälte und Wärme zu wirken vermögen. Auf eins — es ist nur ein unterhaltender Seitenblick — will ich schliesslich noch aufmerksam machen. Fast alle Singvögel verwenden beim Nestbau Pferdehaare; diese sind das biegsamste, geschmeidigste, längste und haltbarste Material, während dagegen z. B. die Haare des einheimischen Rotwildes und fast aller anderen Tiere rauher, härter und spröder sind. Besonders, in manchen Gebieten fast ausschliesslich, kleidet der Goldammer sein Nest mit Rosshaaren aus. Ehe nun das Pferd, das flüchtige Steppen- 1) Vergl. m. Arb. „Eingebürgerte Fremdlinge im Mainzer Tertiär- becken“, „Zool. Gart.“ 1902! 2) Vielleicht variierte die Färbung vieler Vogeleier früher noch nicht so (wie heute), als noch die Nahrung eine mehr einheitliche war. 40 Wilh. Schuster: Vogel und Mensch. tier, aus seinen ebenen Tummelplätzen in Centralasien, aus Turän und Irän, herübergekommen war in das Waldgebiet Mitteleuropas, ehe es sich fand in den Ländern, die wir heute Deutschland, Frankreich, Spanien, England nennen, konnten unsere Vögel natürlich noch nicht den passendsten Nestbaustoff verwenden. Die Verwendung desselben haben sie sich jedenfalls erst allmählich nach dem Eintreffen des Pferdes angeeignet, bis dieses Nist- material nunmehr bei vielen Vogelarten das beliebteste, bei einigen das — durch Fortpflanzung der Artgewohnheit — fast ausschliess- lich verwandte ist. Auch heute dürfte es noch Gebiete geben (z. B. Inselbezirke), wo das Pferd nicht vorhanden ist, und es wäre nicht ohne Interesse, dort die Nester der Singvögel auf die Zusammensetzung ihrer Baustoffe hin zu untersuchen. Dass es andererseits einem Goldämmerchen in Ostpreussen, wo 15—20 mal mehr Pferde gehalten werden als in Oberfranken (das Ver- hältnis der Pferde ist: 250-350 zu 6—25) vielmals leichter wird, seinen Bedarf an rosshärenem Nistmaterial herbeizuschaffen als in dem letztgenannten Landgebiet, bezw. dass es dort viel mehr Pferdehaare zum Bau verwendet als hier, liegt klar auf der Hand; vielleicht liessen sich auf solche Weise proportional fortschreitende Unterschiede feststellen für — beispielsweise — die gebirgigen Teile Hessens (Pferdebestand: 25—50 auf 1000 Einwohner), Lippe (Pferdebestand: 50—75 auf 1000 Einwohner), Regierungsbezirke Münster und Münden (Pferdebestand: 100—125 und 125—175 auf 1000 Einwohner), Nordschleswig (Pferdebestand: 175—200 und 200—250 auf 1000 Einwohner), Ostpreussen (Pferdebestand: 250—300 auf 1000 Einwohner). Mainz, im September 1902. 41 Gedanken zur Entstehung der Speeies der Passerinen. Von Fritz Braun-Constantinopel. Als Darwin sein gewaltiges Werk „of the origin of species by means of natural selection“ herausgab, trat die Frage sogleich in den Mittelpunkt des Interesses. Eine gewaltige Literatur für und wider brach einer plötzlichen Flutwelle gleich über das Zeit- alter herein; doch als sie sich verlief, zeigte sich, dass sie nur wenig für die Wissenschaft nutzbares Material am sicheren Strande zurückgelassen hatte. Trotzdem sich die Vorkämpfer der grossen Idee zum Teil gebärdeten, als sei es ihnen bei dem Bekanntwerden jenes erhellenden Gedankens wie Schuppen von den Augen gefallen, konnten sie für ihren Teil nur wenig beitragen, das gläubig auf- genommene Dogma intellektuell zu stützen. Noch schlechter er- ging es den Gegnern, die den Standpunkt ihrer Väter, den Stand- punkt einer, wir dürfen wohl sagen — überwundenen Weltan- schauung nach Kräften zu verteidigen strebten. Die grosse Flut verlief rasch und ihr scheint eine Zeit der Ebbe folgen zu wollen. Es erweckt den Anschein, als ob die Wissenschaft in anderer Tätigkeit Kraft und mehr interesselose Klarheit gewinnen wolle zu erneutem Sturmlauf. Ob er ans Ziel führen wird, ob in Zeitläufen, mit denen menschliche Voraussicht zu rechnen pflegt, das Geahnte, Geglaubte zu deutlichster, objek- tivster Durchsichtigkeit gebracht werden wird und kann, — das vermag niemand zu ahnen. Trotzdem sollte man die Bemühung nicht erkalten, das Sinnen und Grübeln nicht einschlafen lassen. „Nur dem Fleiss, den keine Mühe bleichet‘‘ rauscht nach dem Worte des Dichters der erquickende Born der Erkenntnis, und vermögen wir ihn vorläufig an dem steinigen Pfad unseres Strebens noch nicht auf- zufinden, so dürfen wir uns trösten, dass „in magnis voluise sat est.“ Nur im Sinne dieses Strebens sollen die Gedanken aufgefasst werden, die ich hier ausspinnen will. Es sind keine Dogmen, keine Glaubenssätze, und ich verarge es keinem, wenn er sie nicht annimmt, wenn er sie lächelnd zurückweist. Trotzdem glaube ich, dass man sie getrost zur Diskussion stellen kann, wird eine solche ‘der Weiterentwickelung dieser Ideen doch kaum schädlich sein. | Wohl finde auch ich an rein empirischer Beschäftigung Freude ‚und Befriedigung, doch wenn der Abend dämmert und meine 42 Fritz Braun: Pfleglinge, deren lautes Treiben, artliche Eigentümlichkeiten und individuelle Abweichungen ich wieder einen Tag beobachten durfte, den müden Kopf unter dem schützenden Flügel bergen, dann können wohl einmal die Gedanken irrlichtern in der Begriffswelt, deren Klärung vielleicht noch auf viele Generationen hinaus die geistige Arbeit naturwissenschaftlichen Denkens bilden wird. Mit dem zielsicheren Flug des Falken auf dieses Ziel zu eilen, scheint menschlichem Denken versagt. So müssen wir uns dabei beruhigen, dass auch der irre, flatternde Flug der Fledermaus zum Ziele führt und unseren Unwillen herabstimmen, wenn uns eine besonders ungeschickte Wendung des Flatterers befremdend erscheint. In einer ähnlichen Arbeit!) gelangte ich zu dem Schluss, „dass uns in rebus Darwinianis fast ausschliesslich die geschlecht- lich stark differenzierten Arten interessieren müssen.“ Es ist nun ganz lehrreich, auf diese These hin die einzelnen Gruppen der Passerinen zu durchmustern. Jedem Unbefangenen, der beispielsweise an eine Sammlung ausgestopfter Fringilliden herantritt, werden sicher am meisten die besonders eigenartig entwickelten Arten auffallen. Er wird bei sich vielleicht denken, diese Arten seien die Herren der Zu- kunft, Arten, die sich so weit von dem durchschnittlichen Familien- charakter entfernt hätten, könnten wegen ihrer Weiterentwickelung ganz ohne Sorgen sein. Gehen wir aber der nahe-, sehr naheliegenden Auffassung auf den Grund, so werden wir bald sehen, dass die Stützen die- ser Meinung gar schwach und hinfällig sind. Zuerst wird es uns auffallen (wenn wir von unserer obigen These ausgehen) dass die Geschlechter bei diesen species recht wenig verschieden sind. Die auffälligen, körperlichen Eigenschaf- ten der betr. Arten haben sich herausgebildet, damit diese Tiere der immer schwieriger werdenden, mechanischen Aufgabe des Nahrungserwerbes genügen können. Das müsste bei Männchen und Weibchen in gleicher Form geschehen, da sie beide an die Nahrung gleiche Anforderungen stellten. So finden wir denn tat- sächlich, dass z. B. bei den Curvirostren und Loxia coccothraustes die beiden Geschlechter in allen wesentlichen Stücken einander recht gleich sind. Ja, viele Eigenschaften, die wir sonst als Allein- gut des Männchen zu betrachten pflegen [cfr. den Gesang der ", J. f£ O0. 1899. p. 442. Gedanken zur Entstehung der Species der Passerinen. 43 weiblichen Kreuzschnäbel] sind bei ihnen mehr oder minder Ge- meingut beider Geschlechter geworden. Bei den Siffinae deren ganze Körperbildung sich vom Familiencharakter der Meisen weit entfernt hat, finden wir ähnliche Verhältnisse: eine grosse Über- einstimmung in Körperform, Stimmmittel, ja selbst in der Färbung. Alle diese Arten sind in der glücklichen Lage, zur Not auch in Verhältnissen leben zu können, die ihrer spezifischen Körper- bildung nicht entsprechen. Wie Loxia coccothraustes in der Ge- fangenschaft eine ziemlich normale Lebensdauer bei Sämereien zubringt, für deren Enthülsung sein eigentümlich gebildeterSchnabel nicht geformt ist, könnte diese Art bei einer Veränderung der natürlichen Umgebung, auf die ihr Körper eingestellt ist, verhältnis- mässig leicht zu der Lebensweise der verwandten Arten zurück- kehren. Ja, bei den meisten dieser sonderbar entwickelten species Scheint uns (was ja allerdings nur sehr subjektive Bedeutung hat) eine Rückbildung zum Gruppencharakter weit mehr im Bereiche der Möglichkeit zu liegen als eine noch ungeheuerlichere Weiter- bildung ihrer auffälligen Artcharaktere. Um mit Nietzsche zu reden, erscheint der Überfink wahr- scheinlicher als der Überkreuzschnabel oder Überkernbeisser, Wortbildungen allerdings, die der Absonderlichkeit dieser Zukunfts- tiere gleichen. Wie für die Systematik, sind für die Weiterbildung, Weiter- führung der Formen wahrscheinlich die Arten am wichtigsten, die den Familiencharakter in der reinsten Form besitzen, die nicht besonderen, mechanischen Zwecken zu Liebe ganz spezifisch entwickelt sind. Dazu stimmt vortrefflich, dass wir bei diesen species auch die grösste Kluft der Geschlechter zu finden pflegen. Der Weg zu dem weiterentwickelten, normalen Finkentypus ist weit länger, wenn wir ihn von einer besonders spezifischen Art aus antreten wollen, als wenn wir dabei von den typischen Vertretern der Gruppe ausgehen. Trotzdem scheint die Fähigkeit, sich in stark verschiedene Arten zu teilen, bei weiter entwickelten Gruppen grösser zu sein als bei den anderen. Die Kluft zwischen Loxia coccothraustes und Fringilla serinus ist weit grösser als die artlichen Unterschiede im Bereich der Ammern, und von Sitta europaea bis Parus maior gähnt eine so weite Kluft, wie wir sie im Umkreise der Gras- mückenartigen kaum finden. 44 Fritz Brauu: Zu allem Unglück sind wir nun sehr wenig in der Lage, die historische Entwickelung der Sperlingsvögel zu verfolgen. Ich glaube nicht, dass die species gar oft erobernd in Gebiete eingedrungen sind, die von dem bisherigen Aufenthalt der Art wesentlich verschieden waren, denn wie Altum!) in seinen Schriften sehr richtig hervorhebt, ist die spezies ganz genau ein- gestellt auf gewisse Verhältnisse, die ganze Natur ein grosses lebendiges, „Mosaik,“ wie Altum sich treffend ausdrückt. Jede Art ist nur denkbar in ihrer spez. Umgebung, wirkt unorganisch, ja lächerlich, sobald wir ihr einen völlig anders gearteten Aufenthaltsort anweisen. Wieder einmal hat Altum aus der Fülle seiner Beob- achtungen einen richtigen Schluss gezogen, aber wieder einmal vermeidet er es, die letzten Konsequenzen aus diesem Schlusse zu ziehen, um nicht mit seiner Weltanschauung in Widerstreit zu geraten. Jener Schluss Altums stimmt nicht nur für die Gegenwart, er stimmte ebenso gut für die Vergangenheit und wird gültig bleiben, solange die Erde Tummelplatz organischen Lebens bleibt; in allem Wandel der Dinge behält dieser Verhältniswert seine gegebenen Grössen. Allmählich, unmerklich für die Lebenden, veränderte sich die Pflanzendecke der Erde und ebenso allmählich veränderte sich auch die Tierwelt. Es hört sich sehr schön an, wenn man in manchen Büchern liest, wie eine species „von einem neuen Aufenthaltsort Besitz ergreift,“ aber man sollte sich doch hüten, diese Worte zu pressen. Zumeist wird man erkennen, dass die Tiere in einer fremdartigen Umgebung Dinge wiederfinden, auf die ihr ganzer Körperbau eingestellt ist, dass das wirklich Fremdartige ihnen auch dort völlig Hekuba bleibt. Was geht es Oypselus apus an, dass unter seinem Nistplatz auf dem ragenden Kirchturm der bodenständige Mensch dem Erwerbe nachhastet; er befindet sich dort für seine Verhältnisse in genau derselben Umgebung, als wenn er auf einer schroffien Felszacke des Gebirges nistet. Gerät er wirklich einmal hinab in das Gewirr des menschlichen Lebens, in den Ameisenhaufen, über dem er lebt und webt, so schliesst er seine Augen zumeist bald für immer. 1) Altum: Der Vogel und sein Leben. Münster 6. Aufl. 1898. Gedanken zur Entstehung der Spezies der Passerinen. 45 Überzeugender hört sich die Sache bei Turdus merula an. Ich habe hier in Konstantinopel Gelegenheit gehabt, die schwarze Drossel in der Stadt zu beobachten. Was tat sie dort? Sie trieb hier wie draussen auf dem Erdboden ihr Wesen, durch- suchte das abgefallene Laub unter alten Gartenbäumen, durch- stöberte vertrocknete Grasbüschel und wandte sorgfältig die halbverfaulten Blätter des Vorjahres um, Nacktschnecken und anderes Getier zu suchen. Ciconia alba ist in ganzen Ländern charakteristischer Bewohner der menschlichen Siedelungen ge- worden. Finden wir darum etwa einen Unterschied in seiner Lebensweise? Da erscheint es uns doch sehr gewagt zu be- haupten, man hätte vielfach gefunden, dass die species ihre Lebensweise geändert hätten, denn das setzt eine Aktivität vor- aus, von der in Wirklichkeit wenig zu verspüren ist. Im allgemeinen wird sicher die Entwickelung derart ge- wesen sein, dass die Umgebung sich langsam veränderte und das Tier mit ihr. Die geschlechtliche Zuchtwahl trug dazu wohl nur in der Beziehung das Ihre bei, als sie es ermöglichte, dass die stärksten Männchen zur Fortpflanzung gelangten. Dass diese danach streben, sich mit einem Weibchen zu vereinigen, zu dem sie ein starkes instinktives Gefühl hinzieht, liegt nahe. Es ist nicht abzusehen, weshalb der Mensch soweit von der übrigen animalischen Schöpfung entfernt sein sollte, dass bei ihm ein Gefühl scharf ausgeprägt wäre, ein Gefühl zuweilen die ganze Existenz des menschlichen Männchens in Frage stellen sollte, das seinen Mitgeschöpfen völlig fehlt. Altum möchte das aller- dings am liebsten wahr haben, aber schon an gefangenen Vögeln kann man leicht beobachten, dass in solchen Fällen, wo die Männchen die Wahl unter mehrerer Weibchen haben, Zuneigung und Abneigung sich werklich regen. Zu glauben, dass diese Ge- fühle ohne jede regulative, praktische Bedeutung wären, steht jedem frei, erscheint aber nicht recht logisch. Ich glaube z. B. nicht, dass die mehr baumständigen Em- berizidae, Arten, wie Emberiza pusilla und Emberiza rustica, sich ihre Arteigentümlichkeiten in der Weise aneigneten, dass sie von einer ihnen noch immer zugänglichen Steppe oder einem anderen offenen Gelände in die Waldregion vordrangen. Es erscheint mir glaublicher, dass ihr Aufenthaltsort, den sie in einer weit zurückliegenden Zeit inne hatten, sich allmählich ver- änderte, ohne jede Katastrophe, sodass sie mit der Veränderung 46 Fritz Braun: der Aussenwelt mitkommen konnten und schliesslich mit ihr anders wurden. Bei jeder sonstigen Meinung kommt man leicht zu der Auf- fassung, dass in der Geschichte solcher Arten wie im Leben des einzelnen, strebenden Menschen mitunter Augenblicke eintreten, wo ein scharfer Kontrast zwischen den Eigentümlichkeiten des Geschöpfs und den Anforderungen der Aussenwelt eintritt, wo es heisst biegen oder brechen. Da muss dann, so geht jener Gedankengang weiter, die geschlechtliche Zuchtwahl arbeiten wie ein Kaufmann kurz vor Weihnachten, bis der Konflikt mit ihrer Hülfe überwunden ist, die Art sich in der neuen Umgebung behaglich niederlassen kann und sagen darf: „Jetzt sind wir über den Berg.“ Sehen wir in der freien Natur, wie ganz allmählich, wohl in vielen Jahrtausenden, einzelne Baumarten, z. B. Taxus baccata, aussterben und andere an Verbreitung zunehmen, Waldländer immer lichter und lichter werden und schliesslich nur noch eigentliche oder Kultursteppe aufweisen, so brauchen wir keiner- lei Katastrophentheorie mehr, um den Entwickelungsgang der Geschöpfe zu verstehen. Es ist wohl kein Zufall, dass das Verbreitungsgebiet mancher Osteuropäer nur bis an die Buchengrenze reicht. Bis dahin etwa geht das Brutrevier von Carpodacus erythrinus, bis dahin dehnen sich die winterlichen Züge von Pinicola enucleator. Keines dieser Tiere pflegt in das mitteleuropäische Waldgebiet einzudringen, trotzdem dieses mit mannigfachen Abstufungen in die osteuropäischen Wälder übergeht. Selbst Lokalrassen sind zumeist wohl nicht in der Weise entstanden, dass Geschöpfe in ein neues Gebiet einwanderten und sich dort anpassten, sondern wahrscheinlich dadurch, dass die Lebensbedingungen in den einzelnen Teilen eines vorher gleich- artigen Gebietes sich allmählich änderten, dass sie bei dieser Änderung auch die Eigentümlichkeiten ihrer Insassen allmählich veränderten. Mancher könnte uns nun entgegenhalten, dass sich damit ein historischer Vorgang nicht vereinigen liesse, den wir [wie andere mit und vor uns. cfr. Marshall] doch immer ener- gsisch verteidigten. Wir meinen die allmähliche Nordwan- | derung der Arten seit dem Höhepunkte der letzten europäischen | Eiszeit. Gedanken zur Entstehung der Species der Passerinen. 47 Dieser Einwurf ist unserer Meinung nach nur zum kleinen Teile berechtigt, denn die Arten drangen ja nicht in ein wesentlich verschiedenes Gebiet ein, sondern stiessen nur so weit nach Norden vor, als das Land inzwischen ihrem früheren Verbreitungsgebiet, wo nicht wesensgleich, so doch überaus ähnlich wurde. Da wahr- scheinlich die Pioniere stets von den Bewohnern des Grenzgebietes der Art abgegeben wurden und nicht aus dem Innern ihres bisherigen Verbeitungsgebietes vorprallten, darf man den Unter- schied des alten und neuen Aufenthaltsortes sicher nicht überschätzen. Für die Richtigkeit dieser Meinung spricht auch die Tatsache, dass die nordischen Artgenossen einer und derselben Species lange nicht soweit südwärts eilen als ihre südlichen Gesellen, dass für manche Arten der winterliche Zug in einer allgemeinen, südlichen Verschiebung der Reviere besteht. Ginge man diesen Dingen nach, so würde man wohl bald finden, dass sie auch für jene Arten stimmen, für die es bisher noch nicht festgestellt wurde. Ich glaube nicht, dass eine nor- wegische Schwalbe beim Zuge über ihre böhmischen Artgenossen hinweg, weiter nach Süden eilt, dass ein Steinschmätzer aus Schweden südlicher überwintert als ein solcher aus Steiermark. Auf den Inseln südlich der Peloponnes kommen und gehen Schwalben während des ganzen Winters, während ihre Artgenossen südwärts weit in das afrikanische Festland vordringen. Jene Tierchen, die sich scheinbar so schwer von Europa trennen können, sind wahrscheinlich die nördlichsten Vertreter ihrer Species. Also auch beim Vordringen der Art in nördlichere Gegenden bleiben die Vögel in einem Gebiete, das ihrem früheren Auf- enthaltsorte in allen wesentlichen Stücken entspricht. Bei Fringilla serinus, einem nordischen Pionier, habe ich immer wieder hervor- gehoben, dass ich seine Nordwanderung in erster Linie auf die Veränderung der norddeutschen Pflanzendecke, auf die Zunahme der gartenreichen Siedlungen zurückführe, den Vogel in diesem Sinne also für einen Kulturfolger halte. _ In meiner Heimatstadt Danzig, in deren Umgebung der Girlitz in jüngster Zeit in Mengen eingerückt ist, konnte man in den letzten Jahren diese Veränderung in der Pflanzendecke ganz gut beobachten. Die eug gebaute, mittelalterliche Stadt, in deren grabestiefen Höfen die wohlmeinende Frühlingssonne kaum einem kümmerlichen Fliederbusch zur Blüte verhelfen kann, hörte auf, alleiniger, vornehmster Wohnplatz zu sein. Gartenreiche Vorstädte 48 Fritz Braun: entstanden. Wo früher ärmliche Fischerdörfer lagen, in deren Gärten nur Sauerkirschen grünten, erheben sich weitläufige Bade- orte mit grossen Garten- und Parkanlagen, schattigen Alleen und malerischen Baumgruppen. Da ist es wohl kein Zufall, dass der Girlitz in dieses Gebiet einrückte, sobald die Veränderung der Pflanzendecke bis zu einem bestimmten Punkte gediehen war. Er brauchte sich nun nicht mehr in ein fremdes Gebiet einzuleben, sondern blieb auch in der Fremde in einer Gegend, an die er schon von Urväterzeiten her gewöhnt war. Noch deutlicher als bei dem Girlitz ist der Zusammenhang bei jenen Arten, welche, wie die Alaudinae und Emberizinae, der Kultursteppe folgen. Sie bleiben eben in einem bekannten, art- eigentümlichen Gebiet, und hat eine Gegend keine sandigen, vegetationsarmen Halden, keine staubigen Heerstrassen, so fällt es keiner einzigen Alauda cristata ein, sich dort „einzuleben“. Erfüllt eine Gegend, wenn auch nur vorübergehend, die Bedingungen für den Aufenthalt einer Species, so lässt diese selten auf sich warten. Als vor einigen Jahren der innere Mauer- und Wallring meiner Vaterstadt Danzig niedergelegt wurde und auf dem ehemaligen Wallgelände überall die Stein- und Ziegel- brocken umherlagen, erschien alsobald Saxicola oenanthe. Kaum aber waren die für den Menschen garstigen, für den Steinschmätzer aber so erfreulichen Bautrümmer entfernt, kaum grünte der Rasen auf den weiten Plätzen, so waren auch die Steinschmätzer ver- schwunden. An eine Anpassung hatte keiner gedacht. Als eine Art Beleg dafür, wie schwer es den Vögeln fällt, sich in fremdartiger Umgebung einzuleben, könnte man auch die Leinfinkenrassen der Gebirge anführen, z. B. Linaria rufescens der Alpen, die gar keine Anstalten machen, sich im umliegenden Tieflande einzuleben, trotzdem sie doch in den langen Jahrhunderten ihrer vereinsamten Existenz Zeit genug dazu gehabt hätten. Manche, wie der Morinellregenpfeifer, sind sogar in ihren An- sprüchen so unbescheiden, dass ihnen im ganzen, weiten Umkreise der deutschen Mittelgebirge nur wenige Örtlichkeiten im Riesen- gebirge zusagen. Ich weiss wohl, dass bei manchen Arten der Sperlingsvögel von einem Herabsteigen gesprochen wird, es scheinen mir aber doch gar zu vereinzelte Ausnahmen zu sein, um meine Auffassung der Sachlage zu widerlegen. Manche Sumpfvögel verlassen sogar ihre Brutstätten, wenn man im Winter das Rohr auf den betreffenden Sümpfen und Gedanken zur Entstehung der Species der Passerinen. 49 Teichen völlig entfernt. Sie fühlen, dass sie nur ins Röricht gehören und denken nicht daran, das Wachstum des Rohres, das doch gar schnell vor sich geht, abzuwarten. Es kommt wohl kaum jemals vor, dass eine von dem Ver- breitungsgebiet einer Art ferngelegene Gegend ganz unvermittelt von dieser aufgesucht und dauernd in Besitz genommen wird. Als die Komorane sich plötzlich am frischen Haff ansiedelten, als Syrrhaptus paradoxus plötzlich scharenweise in Deutschland einfiel, schien es allerdings so. Doch ist es in beiden Fällen nicht zu einer ständigen Ansiedelung der vorschnellen Entdeckungs- reisenden gekommen. Das beständige Streben der Vögel, in dem Gebiet zu ver- bleiben, zu dessen Pflanzendecke, zu dessen Eigentümlichkeiten sie ihrer ganzen, artlichen Entwickelung nach gehören, wird auch in der Geschichte des winterlichen, südwärts gerichteten Zuges mancherlei Wandlungen herbeigeführt haben. Wie Knochenfunde in den Wadis der Sahara beweisen, wie wir zum Teil sogar aus der Geschichte des frühen Altertums wissen, reichte die Vegetationsdecke des nördlichen Afrika in früherer Zeit weit tiefer in die Sahara hinein, waren viele Gebiete in jenen Tagen wohlbewässert und fruchtbar, in denen heute die sengende Sonne nur gelben Sand bescheint. Sehr wahrscheinlich bildeten damals die Gebirge Tibestis und Borkus, welche die eilenden Regenwolken (die damals dort noch reichlicher vorhanden waren) zur Abgabe ihres kostbaren Wassers zwangen, eine mit reicherem Pflanzenwuchs bedeckte Brücke quer über die ganze Wüste. Da begann die Wüste nach Norden vorzudringen; der Wasserspiegel der Flüsse sank tiefer und tiefer, bis schliesslich ihre trockenen Betten als öde Male verrauschten Lebens dalagen. Die nordischen Zugvögel, die in diese Gebiete einrückten, machten von Generation zu Generation ein wenig nördlicher Halt, bis sie schliesslich in die Gegend des Atlasgebirges zurückgedrängt waren. Nur von jenen Arten, deren ursprüngliche Verbreitungszentren entschieden südlich des Wüstengürtels lagen, entschloss sich noch ein grösserer oder kleinerer Prozentsatz zum Überfliegen jener Wüstenei. Wenn wir auch befürchten müssen, deshalb der Neigung zu wahrhaft bodenloser Theorie beschuldigt zu werden, möchten wir die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf ein anderes Gebiet lenken, bei dem höchstwahrscheinlich der Fall einer Besiedelung Journ, £, Orn, LI, Jahrg. Januar 1903. 4 50 Fritz Braun: von der Peripherie aus vorliegt. Wir meinen dabei die grossen Flächen Westsibiriens, die ehedem von einem rauschenden Meer bedeckt waren, dessen Überreste heutzutage zu dem Kaspischen Meer und dem Aralsee zusammengeschrumpft sind. Als das gewaltige Wasserbecken kleiner und kleiner wurde und sich auf dem trockengelegten Boden eine gleiche oder wenigstens sehr ähnliche Pflanzendecke entwickelte wie an den Randgebieten, haben sich die Vogelformen jener Randländer dieses neu er- schlossenen, ihrem Artcharakter ganz gut entsprechenden Geländes bemächtigt. Es wäre nun ganz interessant, zu erfahren, wie sich der heutige Vogelbestand Westsibiriens zu dem Gange der histo- rischen Entwickelung verhält, ob die in der Mitte des früheren Seengebietes hausenden Arten durch lokale Abweichungen Belege _ für die These einer zentripetalen Besiedelung zu bieten vermöchten. Der westwärts gerichtete Winterzug mancher sibirischen Arten möchte dafür sprechen, sollte man nicht annehmen, dass die Richtung des Zuges von dem Verlauf der winterlichen Iso- thermen abhängig wäre, deren Streichungsrichtung gerade in den östlichen Gebieten Europas, in den westlichsten Teilen Asiens einen westwärts gerichteten Zug zu erheischen scheint. Ganz interessant ist es, dass die Angaben, die Palmen!) auf der seinem Werke beigegebenen Karte macht, unseren Voraus- setzungen entsprechen. Das grosse Stromgebiet des Ob, das etwa dem früheren westsibirischen Meere entspricht, entsendet allherbstlich seine Zugvögel westwärts, südwärts und ostwärts, also vom Mittelpunkt aus in vielfacher radialer Richtung. Sei dem, wie ihm sei, jedenfalls wird das grosse west- sibirische Mittel- oder Binnenmeer auf die Ornis der Randgebiete einen eigentümlichen Einfluss ausgeübt haben, die wir mit jenem des west-östlich streichenden, europäischen Mittelmeeres kaum vergleichen können. Hier hätten wir dann eine Ausnahme von dem nordwärts gerichteten Vordringen der Arten vor uns, die aber sonst an dem Geltungsanspruch der These kaum etwas ändern dürfte. Jenen Forschern, die diese These bekämpfen, muss es doch auffallen, dass auch heute noch so viele Arten nach Norden zu an Boden gewinnen, nur so wenige nach Süden vorrücken. Unter den Singvögeln liesse sich höchstens Zurdus pilaris anführen. Bei I) Die Zugstrassen der Vögel. Leipzig 1876. Gedanken zur Entstehung der Species der Passerinen. 51 Turdus iliacus, von der man dasselbe behauptet, liegt der Nach- weis noch immer sehr im Argen. Dafür, dass die Arten der jetzigen paläarktischen Region sich allmählich nach Norden zu ausgebreitet haben, spricht wohl auch der Umstand, dass wir bei vielen Gruppen und Familien die am weitesten entwickelten Arten, welche z. B. die schönsten Kontrastfarben besitzen, in nördlichen resp. nordöstlichen Ge- bieten finden. Aus der Familie der Paridae lassen sich viele Belege dafür anführen; ich brauche nur an Parus ceristatus zu erinnern, die im Nordosten eine weit schönere Kopffärbung zeigt als in südwestlichen Gebieten. Dass die Sumpf- und Blaumeisen nach Norden zu an Kraft und Schönheit zunehmen, gehört in dieselbe Rubrik. Selbst unser gewöhnlicher Stieglitz ist, wie Prof. A. König richtig betont hat, im Süden kleiner und un- scheinbarer. Bei den Ammern finden wir Ähnliches. Die mit prächtigen Kontrastfarben versehenen, fast finkenartig ebenmässig gebauten Emb. pusilla und rustica sind nordische Arten. Unser gewöhnliche Gimpel hat eine grössere, stärkere nordische Lokal- rasse. Diese Beispiele liessen sich beliebig vermehren, unserer Meinung nach sprechen sie alle für ein nordwärts gerichtetes Vordringen der betrefienden Familien. Jedenfalls zeigen unsere Ausführungen, dass man recht vorsichtig darin sein muss zu behaupten, eine Art habe sich selbsttätig neuen Verhältnissen angepasst. In den meisten Fällen werden wir bei näherem Zusehen finden, dass hinter durch- sichtigem Schleier das Alte verborgen liegt, dass dieses und nicht das scheinbar neue das Vordringen der Art bedingt. Hüten wir uns vor allem, den grossen Zusammenhang des Natur- ganzen zu vergessen. Nur wenn wir diesen beständig im Auge behalten, wenn wir stets das Tier als etwas Beeinflusstes, etwas durch die Aussenwelt Bestimmtes auffassen, wird es uns vielleicht jemals möglich sein, den Faden in diesen Fragen zu finden, der scheinbar in unendlicher Verwirrung daliegt und allen Be- mühungen des Menschen trotzt, sich aus dem Labyrinth von Ideen herauszufinden, in den Darwins frohe Botschaft den glaubensstarken Menschengeist lockte. 4* 52 Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). Von Bernhard Hantzsch. Da wenig bevölkerte Gebiete, sobald sie nur landschaftliche Abwechselung zeigen, meist erheblich vogelreicher sind als solche, wo durch rationelle Kultur des Bodens einer grossen Menge von Arten die Lebensbedingungen entzogen werden, so auch im Königreiche Sachsen, wo insbesondere der Nordosten ein ornitho- logisch äussert interessantes Gebiet darstellt, in dem eine ganze Reihe von Vögeln ständig wohnen, die in andern Gegenden des Landes gar nicht oder nur ausnahmsweise angetroffen werden. Weil dieser nördliche Streifen der sächsischen Oberlausitz aber, der Flach- und Hügelland darstellt, keine einzige bedeutendere Ortschaft aufweist, ist es nicht allzusehr zu verwundern, dass er noch lange nicht genügend ornithologisch durchforscht ist, be- ziehentlich nur wenig darüber veröffentlich wurde. Wenn man auch von Bautzen aus nicht unschwer dahin gelangen kann, be- sitzt das Gebiet zur Zeit scheinbar keinen gründlichen ornitho- logischen Beobachter. Ausser den ziemlich allgemein gehaltenen Mitteilungen über ähnliche benachtbarte Gebiete in den Be- richten der sächsischen Beobachtungsstationen (herausgegeben von Meyer und Helm, auch im Journ. f. Ornith. 35. Jahrg. p. 377—616 und 36. Jahrg. p. 313—571) ist mir nur der Anhang der auf reichen Erfahrungen fussenden Ornis der preussischen Oberlausitz von William Baer, betitelt „Zur Ornis der sächsischen Oberlausitz“ bekannt, der eine ganze Reihe trefflicher Beob- achtungen K. R. Krezschmars über die Gegend von Königswartha enthält. Soviel ich weiss, sind aber diese Beobachtungen in den letzten Jahren nicht fortgesetzt worden. Ich glaube deshalb, dass es nicht ganz ohne Wert, besonders für die sächsische Örnithologie ist, die von mir während der drei letzten Jahre (1900—1902) daselbst beobachteten Brutvögel aufzuzählen. Da ich mich nur vorübergehend in dem Gebiete aufhalten konnte, bin ich freilich überzeugt, dass diese Reihe keine vollständige sein wird. Immerhin bietet das Verzeichnis einen Anhalt für den Artenreichtum der Gegend, die jeder Beobachter der heimischen Vogelwelt mit Befriedigung aufsuchen wird. Das im folgenden geschilderte Gebiet breitet sich in einem Umkreise von etwa 10 km um den Ort Königswartha aus und Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). PR} beschränkt sich zum Hauptteile auf das Königreich Sachsen. Das Charakteristikum der Landschaft sind zahlreiche Teiche von der verschiedenartigsten Beschaffenheit und Grösse. Bäche hingegen mit klarem Wasser finden sich nur in sehr geringer Zahl, während Gräben vielfach die Wiesen durchziehen. Die Dämme der Teiche sind meist mit Gebüsch und Laubholz be- standen, worunter stattliche Eichen den Vögeln willkommene Ruhe- und Nistplätze darbieten. Obwohl auch grössere Strecken Land für den Feldbau gewonnen sind, ist doch der Boden nicht allzu fruchtbar, geht vielmehr dann und wann sogar in Brach- land über, das an einigen Stellen nur mit äussert dürftigem, heideartigem Kiefernwalde bedeckt ist. An andern Orten, be- sonders in der Nähe der sächsich-preussischen Grenze, finden sich allerdings auch weit besser entwickelte Kiefern-, Laub- und gemischte Wälder. Die grösseren Strassen sind häufig mit Obst- bäumen bepflanzt. Der Untergrund des Bodens ist zumeist Kies und Sand, wo nicht das Wasser Moorablagerungen entstehen liess, die Landschaft fast überall flach oder etwas hüglig, aber keineswegs eigenartiger Reize entbehrend. Eine Anzahl kleiner Ortschaften, meist altertümlicher wendischer Dörfer, in denen man die deutsche Zunge wenig hört, liegt inmitten des Gebietes. Sie werden von einer ganzen Reihe von Vögeln eher aufgesucht als gemieden, da die alten Holzbauten und Strohdächer ihnen zahlreiche Nistplätze gewähren. Vogelfang ist meines Wissens nach so gut wie unbekannt; Eierdiebstahl wird streng verfolgt, da die Jagd der ganzen Gegend in einheitlicher, weidgerechter Hand liegt. Kein Wunder also, wenn die Vogelwelt noch manche Vertreter aufweist, die man sonst vergeblich in dem überall so bevölkerten und kultivierten Sachsen sucht. Der Übersichtlichkeit und Kürze halber führe ich die Arten in systematischer Reihenfolge auf und vermeide dabei eingehendere biologische Schilderungen. Die betreffenden Arten sind nur die Sommervögel, das heisst sicher festgestellte Brutvögel des Ge- bietes oder wenigstens solche, deren Brüten mir aus ihrem ganzen Verhalten, sowie aus Mitteilungen dortiger Forstleute höchst wahrscheinlich ist. Sämtliche Arten sind von mir zur Brutzeit daselbst beobachtet worden, alle, die ich zwar im Gebiete ver- misste oder bei der Beobachtung nicht sicher genug feststellen konnte, dagegen weggelassen. Zu solchen gehören Nyroca rufina, Ortygometra parva, Pernis apivorus, Asio otus, Syrnium 54 Bernhard Hantzsch: alueo, Strix flammea, Upupa epops, Sylvia nisoria, Acrocephalus aquaticus, Erithacus cyaneculus. 1. COolymbus cristatus L.!), nur auf grossen Teichen mit freien Wasserflächen. Ist aber nicht sehr zahlreich, da früher ausserordentlich verfolgt. Das Nest steht manchmal nur einige Meter vom Ufer entfernt, doch immer über ziemlich tiefem Wasser, und ist oft sehr leicht zu finden. 2. Colymbus grisegena Bodd. ist die hier gemeinste Taucher- art und selbst auf kleinen Teichen zu treffen, von denen aus sich die Männchen im Frühjahre nicht selten freiwillig und gut fliegend zu den Weibchen begeben. Überall vernimmt man zu dieser Zeit in der Nähe der Teiche das laute, an das Grunzen der Schweine erinnernde Geschrei der Vögel. 3. Colymbus nigricollis (Brehm), auch nicht selten, aber nur auf grossen Wasserflächen mit Schilfrändern, besonders zwischen Königswartha und Komerau. Die Pärchen, die ge- wöhnlich dicht bei einander schwimmen, erinnern in ihrer Körper- haltung an kleine Enten, sind verhältnismässig zutraulich und tauchen fast nur bei der Nahrungssuche. 4. Oolymbus nigricans Scop. findet sich auf allen dicht be- wachsenen Teichen. Man vernimmt freilich ungleich häufiger den trillernden Paarungsruf, als einen der verborgen lebenden Vögel selbst zu Gesicht zu bekommen. 5. Larus ridibundus L.. Eine Brutkolonie befindet sich im Koblenzer Teiche, eine andere, erst 1902 begründete, auf der Insel im flachen, fast überall bewachsenen Mühlteiche bei Komerau. Diese zählt etwa 200 Paare und wird nicht gestört. Die Vögel entfernen sich auch hier sehr weit von ihrem Brutorte und suchen oft ihre Nahrung — nicht nur Quarzkörner — auf frisch- bestellten Feldern. 6. Sterna hirundo L. kommt unbeständig und selten im Gebiete vor, brütet dann auch nur in einzelnen Paaren, be- sonders bei Kaminau. 7. Hydrochelidon nigra (L.), häufiger als St. hirundo. Brütet in kleinen Kolonien, z. B. am Koblenzer Teiche, ferner bei Holscha und am Grenzteiche bei Königswartha. 8. Nyroca fuligula (L.) wurde von mir am 12. und 13. Mai 1901 bei Holscha in einem Paare beobachtet. Herausgetrieben 1) Reihenfolge der Arten und Namen nach Reichenows „Kennzeichen der Vögel Deutschlands.“ 1902, Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). 55 aus dem mit Sumpfschachtelhalm bewachsenen Teiche fielen sie ein Stück weiter sofort von neuem ein. Den andern Tag auf demselben Platze schwimmend. Dem Benehmen nach glaube ich sicher, dass sie dort gebrütet haben. Auch Krezschmar beob- achtete am 5. 8. 1892 zwölf Stück zu Königswartha, worunter 4 dd ad., „also weit vor dem Beginn des Herbstzuges.“ 9. Nyroca ferina (L.), nächst A. boschas die gemeinste Entenart auf allen Teichen. 10. Nyroca nyroca (Güld.), nicht gerade häufiger Brutvogel, besonders auf den Teichen zwischen den Entenschenkhäusern und Komerau. 11. Nyroca elangula (L.), vereinzelter, aber ständiger Brut- vogel des Gebietes. Nisten z. B. in dem alten Kiefernbestande hinter Truppen in verlassenen Schwarzspechthöhlen. Fliegen sehr schnell und direkt vom und zum Neste, sind sehr scheu und zeigen sich schwimmend nur in der Mitte von grossen Teichen mit freier Wasserfläche. 12. Spatula clypeata (L.), nicht selten, besonders auf den Teichen zwischen Königswartha und Komerau. In Ketten bis zu 8 und 10 Exemplaren beobachtet (Ende Mai, Anfang Juni). 13. Anas boschas L., die häufigste aller im Gebiete vor- kommenden Entenarten. Den Erpel erkennt man beim Abfliegen selbst aus grosser Entfernung leicht an den weissen Längsstreifen im Schwanze. Auch lässt A. boschas beim Davonfliegen fast stetsihre Stimme hören, während die andern grossen Entenarten, viel- leicht mit Ausnahme von N,‚ferina, sich gewöhnlich stumm entfernen. 14. Anas strepera L., nicht gerade häufig, aber auch nicht selten, sondern vielfach bloss übersehen, weil unauffällig gefärbt. . Das $ kennzeichnet sich, auch beim Fliegen, durch seinen schwärzlichen Schwanz und weissen Spiegel. Ständig beobachtet in grossen und kleinen Teichen mit freien Wasserflächen zwischen Königswartha und Kaminau. 15. Anas querquedula L., ziemlich häufig im ganzen Gebiete. 16. Anas crecca L., nicht viel seltener als A. querquedula, ‚2. B. dicht hinter Königswartha nach Komerau zu, lebt aber ver- steckter und wird deshalb leichter übersehen. 17. Vanellus vanellus (L.), häufig im ganzen Gebiete und zwar nicht nur auf feuchten Wiesen, sondern auch weit ab vom Wasser auf Feldern und selbst in trockenen, sandigen Heide- strichen, wie zwischen Königswärtha und Neudorf, 56 Bernhard Hantzsch: 18. Oedicnemus oedienemus (L.), nur vereinzelt vorkommender Brutvogel, z. B. in der öden, brachlandartigen Kiefernheide zwischen Königswartha und Neudorf. 19. Totanus totanus (L.), an einigen Stellen des Gebietes, z. B. bei Holscha, sowie bei Komerau, wo ich ihn am 23. Mai 1902 durch Auffinden eines Geleges zum ersten Male mit Sicher- heit als Brutvogel für Sachsen feststellen konnte. 20. Gallinago gallinago (L.), ziemlich selten, doch an ver- schiedenen Orten beobachtet, z. B. zwischen Königswartha und Kaminau, sowie am Altteiche hinter Kaminau (1902 abgelassen). 21. Rallus aquaticus L., vereinzelter Brutvogel in schilfbe- wachsenen Teichen, z. B. dem Grenzteiche bei den Entenschenk- häusern, wo ich 1900 ein Gelege fand. Häufiger als man den Vogel sieht, hört man besonders des Abends sein auffälliges, fast Schrecken erregendes Geschrei. 22. Crex crex (L.), nicht so häufig als in manchen ähnlichen Gebieten Sachsens, doch an verschiedenen Orten, z. B. dicht bei Königswartha. 23. Oriygometra porzana (L.), nur einige Male beobachtet, besonders in uen Teichen bei den Entenschenkhäusern. Da aber auch die Stimme des Vogels, ähnlich wie bei O. parva, wenig auffällig und nicht weit hörbar ist, vielleicht oft genug übersehen. 24. Gallinula chloropus (L.), nicht selten, besonders in Tei- chen mit hohem Schilfe. 25. Fulica atra L., der gemeinste Wasservogel des Gebietes. 26. Ciconia ciconia (L.), nicht häufig, doch in den meisten Dörfern wenigstens ein besetzter Horst. 27. Nyeticorax nyeticorax (L.) hat nach Mitteilung des Försters Haberecht in Königswartha 1901 auf einem Teiche hinter den Entenschenkhäusern gebrütet. Einen davon erlegten jungen Vogel sah ich bei dem Genannten in präpariertem Zustande. Es ist meines Wissens das erste Mal, dass man von einem Brüten dieser Art im Königreiche Sachsen gehört hat. 28. Botaurus stellaris (L.), als Brutvogel nur in wenigen Paaren im Gebiete, z. B. auf dem Grenzteiche bei Königswartha, bei Neschwitz und bei Wartha. Wird besonders zur Zugzeit ver- folgt und dann zahlreich geschossen. 29. Ardetta minuta (L.), auf verschiedenen grösseren Teichen mit viel Rohr und Schilf Brutvogel, besonders zwischen Königs- wartha und Komerau. Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). 57 30. Ardea cinerea L. Wenn ich diese Art mit zu den Brut- vögeln des Gebietes zähle, ohne daselbst einen Horst oder gar eine Kolonie gefunden zu haben, so tue ich dies in der Überzeugung, dass die in der Gegend auch während der Brutzeit regelmässig anwesenden Vögel doch dann und wann, wenn auch nur ausnahms- weise daselbst sich fortpflanzen. Obwohl ich aus den Donaurieden Ungarns und Slavoniens ganz genau weiss, welche grosse Strecken Fischreiher vom Horste bis zum Orte der Nahrungssuche selbst regelmässig zurücklegen, so weiss ich doch zugleich auch, dass die individuell so verschiedenartigen Vögel gar nicht selten ganz einzeln, sogar weit abseits von einer Kolonie zur Brut schreiten, besonders in Gegenden, wo man sie verfolgt, und sich dann so still und scheu verhalten, dass der einzelne Horst in wenig von Menschen besuchten Gegenden sehr wohl übersehen werden kann, beziehentlich keine Mitteilung davon zu Öhren eines Ornithologen gelangt. Indem ich zugebe, dass die Annahme Robert Berge’s (Ornithol. Monatsschrift des D, V. z. Sch. d. V. Band 26 p. 20) im allgemeinen richtig ist, „der Fischreiher brüte kaum mehr innerhalb der Grenzen Sachsens,‘ so möchte ich doch auf alle Fälle das Wort „regelmässig“ eingefügt wissen. Ohne mich weiter über diesen Punkt aussprechen zu wollen, zeigt das Beispiel von Nyetie. nyeticorax doch recht deutlich, wie es kaum auf Richtig- keit beruht, das Brüten einer Art in Gebieten, wo die Lebensbe- dingungen durchaus genügende sind, überhaupt leugnen zu wollen. Wie gesagt, bin ich fest überzeugt, dass man A. cinerea zu den „gelegentlichen“ Brutvögeln unsers Gebietes zählen muss. Ganz ähnliches gilt auch von Pandion haliaetus. 31. Columba palumbus L., häufiger Brutvogel in allen be- waldeten Gegenden. 32. Columba oenas L., ziemlich selten, doch auch an mehreren Orten beobachtet, z. B. bei Kaminau und im alten Kiefernbestande bei Truppen. 33. Turtur turtur (L.), ziemlich verbreitet, sowohl im Laub- als im Nadelwalde. 34. Phasianus colchieus L.. Weil weniger gepflegt als früher, hat der Bestand an Phasanen etwas abgenommen. Doch findet man sie noch immer vereinzelt, manchmal auch inmitten von Schilfpartien, besonders in abgelassenen Teichen, wo sie sich oft nicht scheuen, mit dem Wasser in Berührung zu kommen. 58 Bernhard Hantzsch: 35. Perdix perdix (L,), ziemlich häufig in den bebauten Landstrichen. 36. Coturnix coturnixz (L.). Nur ein einziges Mal i. J. 1900 zur Brutzeit von mir bei Komerau beobachtet. Ob die Wachtel seitdem aus dem Gebiete verschwunden ist, will ich dahingestellt sein lassen. 37, Tetrao tetrix L., ziemlich zahlreich in den bewaldeten Gegenden, besonders in der Nähe von Eutrich. 38. Circus aeruginosus (L.), vereinzelter Brutvogel, der aber gegen früher seltener geworden zu sein scheint; brütete z. B. bei Kaminau. 39. Astur palumbarius (L.), seltener Brutvogel, z. B. im Walde zwischen Königswartha und Kaslau. 40. Accipiter nisus (L.). Wenn auch nicht häufig, doch an verschiedenen Stellen im bewaldeten Teile des Gebietes, wo dieses an Felder und Wiesen stösst, beobachtet, z. B. bei Eutrich und Truppen. 41. Duteo buteo (L.). Vereinzelt in den grossen Waldungen, z. B. zwischen Königswartha und Neschwitz. 42. Pandion haliaetus (L.). Obwohl sich öfters zeigend, brütet der Fischadler doch nur ausnahmsweise im sächsischen Teile des Gebietes, z. B. in den Waldungen von Kaslau und Eutrich. 43. Falco subbuteo L., vereinzelter Brutvogel im bewaldeten Teile, z. B. 1901 zwischen Eutrich und Komerau. 44. Üerchneis vespertina (L.), vielleicht ausnahmsweise Brut- vogel des Gebietes. Wenigstens beobachtete ich ihn am 22. Mai 1902 zwischen Rachlau und Gross-Särchen, wo sich das Paar nach Angabe der dortigen Landleute bereits seit Wochen aufhielt. Rüttelt sehr oft und lange. 45. Üerchneis tinnuncula (L.), hier wie überall im Tieflande Sachsens der häufigste Raubvogel. 46. Athene noctua (Retz.), findet sich vereinzelt in der Nähe der Dörfer, besonders in grossen Obstgärten. — Leider konnte ich von andern Eulenarten keine nachweisen. 47. Ouculus canorus (L.), recht häufig, besonders im wasser- reichen Teile des Gebietes, doch scheint die Zahl der Exemplare gegen früher etwas abzunehmen. 48. Iynx torquilla (L.), nur vereinzelt beobachtet, z. B. bei Eutrich und bei Königswartha. Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). 59 49. Dryocopus martius (L.), ziemlich verbreitet in Hoch- waldungen, z. B. bei Truppen und bei Neudorf; hat häufig seine Lieblingsbäume, an denen er sich täglich sehen lässt. 50. Dendrocopus maior (L.), verbreitet, besonders in lichteren Laubwäldern, sowie in der Nähe der Dörfer. 51. Dendrocopus medius (L.), nur zweimal beobachtet, näm- lich bei Truppen, sowie im Eichenbestande am Kaslauer Teiche, woselbst 1900 brütend. 52. Dendrocopus minor (L.), scheint selten im Gebiete vor- zukommen. Ich habe ihn nur im Parke des Rittergutes Königs- wartha gefunden. 53. Picus viridis (L.), häufig an Waldrändern, Landstrassen und in der Nähe der Dörfer. 54. Alcedo ispida L., kommt als Brutvogel nur selten in der Gegend vor, z. B. hinter Kaminau, da es ihm an geeigneten Erdwänden zur Anlage der Niströhre fehlt. Ausserdem wird er auch in anderen benachbarten Gebieten so verfolgt, dass seine Abnahme kein Wunder ist. Ich kenne ein Teichgebiet nördlich von Königsbrück, wo der Fischer im Winter vor 2 Jahren über 80 Eisvögel mit kleinen Tellereisen fing und für jedes Exemplar vom Besitzer des Teiches 3 M. erhielt. 55. Coracias garrulus L., an verschiedenen Orten als Brut- vogel beobachtet, z. B. am Teiche bei Kaslau, im alten Kiefern- bestande bei Truppen, am Waldrande bei Neudorf, mitten in dem Orte Eutrich. Nesthöhle mit Ausnahme der letzteren in Eichen. 56. Caprimulgus europaeus L., in ausgedehnten jungen Kiefernbeständen und im Kiefernstangenholze Brutvogel, der sich im Frühjahre durch sein merkwürdiges Schnurren verrät. “ Beobachtet z. B. im Walde zwischen Königswartha und Kaslau, sowie bei Eutrich. 57. Apus apus (L.), hat an Zahl gegen früher sichtbar zu- genommen, besonders in Königswartha häufig. 58. Hirundo rustica L., zahlreicher Brutvogel in den Dörfern. 59. Delichon urbiea (L.), in einigen Dörfern, z. B. in Königs- wartha und Entrich recht zahlreich, obwohl die Nester vielfach von den Bewohnern aus sogenannter Reinlichkeit in rücksichts- loser Weise heruntergestossen wurden. 60. Muscicapa grisola L., überall in den Dörfern. 61. Muscicapa atricapilla L., ziemlich seltner Brutvogel, z. B. in alten Eichen bei Truppen, wo er mit Nyroca clangula 60 Bernhard Hantzsch: Dryocopus martius, Coracias garrulus, Oolumba oenus u. Ss. W. denselben Bestand bewohnt. 62. Lanius collurio L., häufiger Brutvogel im ganzen Gebiete mit Ausnahme der düstern Kiefernwälder. Seine Zahl scheint aber der mannigfachen, vielleicht auch oologischen Verfolgungen wegen, abzunehmen. 63. Corvus cornix L., häufiger Brutvogel an den Teichdämmen und im Walde, der sich als Eierräuber sehr unangenehm bemerkbar macht. Corvus corone L. habe ich mit Sicherheit niemals beobachtet, obwohl „schwarze“ Krähen auch dann und wann geschossen werden sollen. Doch konnte ich mehrfach einzelne, sehr dunkle Bastarde zwischen CO. cornix und corone bemerken, wie sich solche in der Nähe der Elbe ja ausserordentlich zahlreich finden. Wenn man C. corone nicht in der Hand hat, ist es meiner Meinung nach völlig unsicher, ihn mit Gewissheit zu bestimmen, da man beim Rückwärtsstreichen des Gefieders oft genug helle, an 0. cornixz erinnernde Federn bemerkt. Ich möchte deshalb die Behauptung Krezschmars (Baer, Ornis der preuss. Oberlausitz p. 108), ©. corone finde sich regelmässig bei Kleinwelka und Königswartha, sofern sich dies, was nicht deutlich genug ersicht- lich ist, auf Brutvögel bezieht, vorläufig noch bezweifeln. 64. Oolaeus monedula (L.), mehrfach im Gebiete zur Brut- zeit in Scharen fliegend beobachtet. Da ich aber Niststätten selbst nicht fand, ist es vielleicht möglich, dass die Vögel doch nur aus Bautzen stammten, wo sie im alten Wasserturme in grosser Anzahl nisten. 65. Prica pica (L.), ziemlich häufig, besonders in gemischten Wäldern, doch auch in unmittelbarer Nähe der Ortschaften. 66. Garrulus glandarius (L.), im waldigen Teile des Gebietes verbreitet, aber nicht gerade häufige. 67. Oriolus oriolus (L.), häufiger Brutvogel in allen Gebieten ınit Bäumen, nur den düstersten Nadelwald ausgeschlossen. Bloss ein einziges Mal hörte ich den Pirol seine flötenartigen Rufe zu einer Art Gesang verbinden, was ich in Slavonien sehr oft hören konnte. Den halb grasmücken-, halb rohrsängerartig zwitschernden Gesang, der mehr an das eichelhäherartige Schnarren des Vogels errinnert, vernahm ich dagegen hierzulande, trotz eifriger Bemühung, niemals. Überhaupt erscheinen der Stimme nach unsere sächsischen Pirole ungleich weniger begabt oder auch nur viel weniger aufgelegt, ihre Stimmmittel zu entfalten, Brutvögel der Gegend von Königswartba (Lausitz). 61 als z. B. die slavonischen, die bis in den August hinein unermüd- lich sind. 68. Sturnus vulgaris L., überall gemeiner Brutvogel in den Ortschaften und an Waldrändern. Mehrfach beobachtete ich auch während der Brutzeit (Ende Mai) grössere Scharen von alten Tieren — meiner Meinung nach sämtlich männliche Stare, die keine Weibchen gefunden haben —, die auf hohen Eichen am Rande der Teiche oder im Schilfe gemeinsam übernachteten. 69. Passer domesticus (L.), in allen Dörfern der Gegend zu finden, aber nicht besonders zahlreich. 70. Passer montanus (L.), au Landstrassen und in Dorf- gärten häufiger Brutvogel. 71. Coccothraustes coccothraustes (L.), vereinzelter Brutvogel in Laubwäldern und grossen Gärten, z. B. im Parke des Ritter- sutes Königswartha. 72. Fringilla coelebs L., an allen Orten, wo nur etwas Baum- wuchs sich findet, gemein; einer der häufigsten Vogelarten des Gebietes. 73. Chloris chloris (L.), zahlreich in der Nähe der Ortschaften. 74. Acanthis cannabina (L.). Ich beobachtete ihn nur ver- einzelt, besonders in der Nähe der Ortschaften, z. B. auf dem Königswarthaer Kirchhofe. 75. Carduelis carduelis (L.), ziemlich selten, nur in Frucht- landschaften mit Obstbäumen, z. B. bei Neschwitz. 76. Serinus hortulanus Koch, in den Gärten der Ortschaften häufig, in Königswartha geradezu gemein. — Trotzdem der Girlitz in Sachsen seit kaum länger als 50 Jahren beobachtet wird, überwintert er doch schon daselbst, sogar in Paaren. 77. Pyrrhula pyrrhula europaea Vieill., selten, z.B. im Kiefern- walde bei Truppen brütend. 78. Emberiza calandra L., häufig auf den Landstrassen. 79. Emberiza citrinella L., gemein. Vielfach hört man in der Gegend die Anschlagsnoten zu einem sehr wohlklingenden Triller verbunden, während sie in der Umgebung von Dresden fast immer getrennt vorgetragen werden. 80. Emberiza hortulana L., an verschiedenen Landstrassen, die mit Obstbäumen bepflanzt sind, beobachtet z. B. zwischen Neschwitz-Königswartha-Kaminau-Wartha, auch bei Gross-Särchen. 81. Emberiza schoeniclus (L.), nicht gerade sehr häufig, jedoch in allen grösseren Teichgebieten Brutvogel. 623 Bernhard Hantzsch: 82. Anthus pratensis (L.), ziemlich vereinzelt, z. B. bei Kaslau. 83. Anthus trivialis (L.), häufig in allen waldigen Gegenden. 84. Anthus campestris (L.), nicht selten auf trocknem, sandigem Boden und Brachländereien, z. B. zwischen Königswartha und Neudorf, sowie bei Truppen. 85. Motacilla alba L., häufig in der Nähe der Dörfer, der Teiche und auf Wiesen. 86. Budytes flavus (L.), gemein in allen nicht bewaldeten Gegenden, besonders in der Nähe der Teiche und auf Wiesen. 87. Alauda arvensis L., gemein. 88. Lullula arborea (L.), wird scheinbar auch hier immer seltner, nur vereinzelt beobachtet, z. B. zwischen Königswartha und Eutrich. 89. Galerida cristata (L.), ziemlich selten, nur in der Nähe grösserer Dörfer, z. B. am Bahnhofe von Königswartha und- in Komerau. 90. Certhia familiaris L., verbreiteter Brutvogel in allen srösseren Wäldern und Gartenanlagen mit alten Eichen. Welche Abart vorkommt, konnte ich nicht feststellen. 91. Sitta caesia Wolf, ziemlich selten, besonders an grossen Eichen, z. B. im Parke des Rittergutes Königswartha. 92. Parus maior L., überall, wo Bäume stehen, gemein. 93. Parus caeruleus L., weit weniger häufig. 94. Parus ater L., häufig in den Nadelwäldern. 95. Parus palustris L., häufig in der Nähe der Dörfer, am Rande der Laubwälder und an den Teichdämmen. Mit welcher Abart man es hier zu thun hat, vermochte ich nicht zu entscheiden, da ich nur die lebenden Vögel beobachtete. 96. Parus cristatus mitratus Brehm, nicht selten in den Nadelwäldern des ganzen Gebietes. 97. Aegithalus caudatus (L.), ziemlich verbreitet an den Teichdämmen, in Laub- und gemischten Wäldern, besonders in der Nähe des Wassers. Mehrfach fand ich das Nest in Wach- holderbüschen. 98. Regulus regulus (L.), nicht allzuhäufiger Brutvogel in allen Kiefernwäldern. 99. Regulus ignicapillus (Tem.), nur einmal bei Eutrich beobachtet; scheint wie überall in Sachsen hier ebenfalls weit Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). 63 seltener vorzukommen als R. regulus, doch nimmt man sich gewöhnlich nicht genügend Zeit, eine grössere Anzahl der versteckt lebenden Vögel auf ihre Art hin zu beachten, um ein eingehen- deres Urteil abgeben zu können. 100. Troglodytes troglodytes (L.), ziemlich vereinzelt, z. B. am Schwarzwasser. 101. Accentor modularis (L.), stellenweise Brutvogel, be- sonders in abwechslungsreichen Nadelwäldern, z. B. bei Kaminau. 102. Sylvia simplex (Lath.), gemein an allen Teichdlämmen und in den Laubwäldern. Auch dort, wo inmitten von Nadel- wäldern nur einige wenige Laubbäume und Büsche stehen, kann man fast mit Sicherheit darauf rechnen, die Gartengrasmücke zu finden. 103. Sylvia sylvia (L.), häufig, besonders an den Teichdämmen, in der Nähe der Dörfer und an den Waldrändern. 104. Sylvia curruca (L.), ziemlich selten beobachtet, haupt- sächlich in den Dorfgärten; einmal auch inmitten einer einsamen Kiefernschonung brütend gefunden. 105. Sylvia atricapilla (L.), weit verbreitet, doch nicht häufig. 106. Acrocephalus arundinaceus (L.), die häufigste Rohr- sängerart, die fast auf keinem Schilfteiche fehlt und die Stimmung in der einsamen Landschaft, besonders auch während der Nacht- zeit, ganz eigenartig macht. 107. Acrocephalus streperus (Vieill.), weniger häufig, aber auch nicht selten im Schilfe. 108. Acrocephalus schoenobaenus (L.), beinah ebenso häufig als A. arundinaceus und häufiger als A. streperus. Hält sich aber fast stets im Gebüsch am Rande des Wassers auf und hängt sich nur ausnahmsweise an Schilfstengel. Einmal beobachtete ich Pfingsten 1902 ein Paar auf dem Blindenkirchhof bei Königswartha, der weit abseits vom Wasser liegt. Der eine Vogel, der sich besonders zeigte, sass gern auf dem Ausflussrohre der Wasser- plumpe daselbst, hüpfte aber auch grasmückenartig im benach- barten Gesträuch umher. Scheinbar brütete das Paar an der Stelle. Während ich Acroc. palustris und selbst streperus häufig abseits vom Wasser fand, ist dies für schoenobaenus das einzige Mal gewesen. Krezschmar erwähnt einen ähnlichen Fall. 109. Hippolais hippolais (L.), verbreiteter Brutvogel in den Dorfgärten und Gebüschen in der Nähe der Dörfer. 8 64 Bernhard Hantzsch: Brutvögel der Gegend von Königswartha (Lausitz). 110. Phylloscopus sibilator (Bechst.), nur vereinzelt beobachtet, z. B. im Laubwalde bei Eutrich und bei Wartha. 111. Phylloscopus trochilus (L.), gemein in allen Waldgebie- ten; selbst die ödesten, einförmigsten Kiefernheiden belebt dieser Vogel durch seinen weichen, frischen Gesang. 112. Phylloscopus rufus (Bechst.), nicht sehr häufig, doch in verschiedenen waldigen Gebieten beobachtet. 113. Turdus musicus L., ziemlich vereinzelt und nur im Walde, nicht in Gärten, wie z. B. in Dresden. 114. Turdus viscivorus L., in allen grossen Kiefernbeständen regelmässig zu finden, ohne jedoch häufig zu sein. 115. Turdus pilaris L., ebenfalls in allen waldigen Gebieten, die mit Wasser und Wiesen abwechseln, Brutvogel, doch immer nur einzeln oder in wenigen Paaren, nicht, wie in andern Gegen- den Sachsens in grösseren Kolonien. Auch auf Eichen an den Teichdlämmen fand sich sein Nest, das sich durch den herabhän- genden, liederlichen Unterbau nicht unschwer von denen ähnlicher Arten unterscheidet. 116. Turdus merula L., nicht häufiger Waldvogel. 117. Sazwicola oenanthe (L.), nur vereinzelt in der Nähe der Dörfer und an Strassen, z. B. bei Königswartha und Gross-Särchen. 118. Pratincola rubetra (L.), im bebauten Teile des Gebietes, besonders in der Nähe von Strassen, doch ziemlich selten, z. B. bei Neschwitz. 119. Erithacus titys (L.), häufig in allen Ortschaften. 120. Erithacus phoenicurus (L.), etwas seltner, aber doch überall in Obstgärten und Laubwäldern. 121. Erithacus rubeculus (L.), ziemlich selten in Laub- und gemischten Wäldern, besonders bei Kaminau und Holscha. Der Gesang besteht hier aus merkwürdig schnarrenden und nur wenigen gezogenen Tönen und unterscheidet sich auffällig von dem in anderen Gebieten Sachsens. 65 Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition von Br. Mencke.“ Von Dr. ©. Heinroth, Berlin. (Fortsetzung von Jahrgang 1902 S. 457.) Campephagidae. Graucalus sclateri [Finsch] Salvad. Die Mauserzeit dieses Vogels fällt nach etwa zwei Dutzend von mir untersuchten Stücken in die Monate Dezember bis Juni. Die Dezembervögel tragen teils recht abgenutztes Gefieder, teils beginnen sie den Federwechsel, fast alle von mir im Juni ge- sammelten Stücke mausern und zwei von Dahl im August erlegte Vögel prangen im frischen Gefieder und zeigen reife Genitalien. Vom Juni bis Dezember fehlt mir sonstiges Vergleichsmaterial, ich möchte mir ein abschliessendes Urteil also nicht erlauben. Die Winter- und Frühjahrsvögel haben im allgemeinen schwach entwickelte Keimdrüsen, ein mauserndes Weibchen vom Februar macht hiervon eine Ausnahme. Junge erhielt Finsch im September, ich selbst ein halbwüchsiges Stück im März, ich möchte demnach vorläufig als Brutzeit des Vogels unsern Herbst und Winter bezeichnen. Auffallend ist es mir, dass man bei der Häufigkeit von Gr. sclateri so selten Tiere im Jugendkleid erhält, pflegt man doch Jungvögel sonst wegen ihrer Unvorsichtigkeit bei anderen Arten oft in der Mehrzahl zu erhalten, auch das Nest dieser Art ist nicht bekannt. Mir ist es wahrscheinlich, dass der Nistplatz sehr hoch, in den höchsten Baumkronen gelegen ist, und die Jungen sich zunächst ebendaselbst und mehr versteckt als die Alten aufhalten. Der Mageninhalt besteht aus Käfern, namentlich Rüssel- käfern, Raupen, Heuschrecken und Beeren, auch Spinnen werden nicht verschmäht. Das Gewicht der Männchen beträgt 94; 97; 99; 100; 101 g, das der Weibchen 83; 87; 87; 88; 93; 94; 98; 103; 105 g. Die Angabe Reichenows, dass das fem. kleiner als das mas. sei, bestätigt sich nach meinen Erfahrungen nicht. Ein zusammen erlegtes Paar verhält sich, frisch gemessen, folgender- massen: mas.: Lg. 303; Fl. 161; Schw. 129; Breite 495 mm, Gewicht 99 g. Fem.: Lg. 297; Fl. 161; Schw. 126; Breite 490 mm, Gewicht 105 8. Bei dem erwähnten Paare ist das Männchen in der Tat etwas länger als sein Weibchen, aber an Körpergewicht leichter, Journ, f, Orn. LI, Jahrg. Januar 1%3, 5 66 O. Heinroth: ein anderer Vogel männlichen Geschlechts bleibt jedoch auch in den Masszahlen hinter dem Weibchen zurück, er misst: Lg. 293; Fl. 160; Schw. 129; Breite gegen 490 mm und wiegt 97 @. Bereits bei den Tauben (Ptilopus superbus) habe ich einige Betrachtungen über die Gefiedereigentümlichkeiten der „Stachel- bürzel“ angestellt und verweise also auf diese Stelle. Graucalus sclateri weicht in seiner Lebensweise wesentlich von unseren europäischen Vogeltypen ab und erinnert den Be- obachter bald an einen Häher, bald an einen Würger und bald an einen kleinerer Falken. Ruhig und unbeweglich sitzt er bis- weilen auf hoher Warte über dem Gras oder Busch und ist dann leicht zu erlegen, und die schon beim Anstreifen des herab- fallenden Vogels am Grase regelmässig ausgehenden Federn er- leichtern sein Auffinden. Ein anderes Mal durchschlüpft er gewandt fliegend und springend den niederen Wald, offenbar mit der Raupenjagd beschäftigt, und garnicht selten glaubt man, ein Paar kleinere Raubvögel vor sich zu haben, wenn man zwei unserer Vögel von einer hohen, einzeln stehenden Baumgruppe aus mit elegantem Fluge, aufgeschreckt durch unser Nahen, in weitem Bogen die Luft sperberartig durcheilen sieht. Immer trifft man die Tiere paarweise, die Gegenwart eines Dritten hat stets ein wütendes Verfolgen zur Folge. Fliegend schlägt der Vogel meist rasch mit den Schwingen, um dann mit angelegten Flügeln eine Strecke fortzuschiessen. Der lange Schwanz verleiht dem Flug- bilde etwas besonders Charakteristisches. Graucalus sublineatus Sel. Auch ich habe nur zwei weibliche Stücke dieses seltenen Vogels erhalten, dessen ausgefärbtes Männchen vielleicht noch unbekannt ist. Die Tiere stimmen ganz genau mit Reichenows Beschreibung überein, das Gewicht beträgt 74 g. Beide Vögel sind an der Blanche-Bucht erlegt, der eine, in dessen Magen sich Insektenreste befanden, am 16. IV., der andere an 29. V., dieser hatte Ficusfrüchte verzehrt. Beide mausern und haben nur schwach entwickeltes Ovarium. Die Tiere sind am Rande mittelhohen Busches geschossen, ob sie, wie Dahl meint, als Irrgäste für die Gazelle-Halbinsel anzusprechen sind, will ich dahingestellt sein lassen. Meine Matupi-Leute bezeichneten den Vogel mit dem Namen ‚Ateleworon.“ Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 67 Edoliisoma remotum Sharpe. Im März erhielt ich bei Nusa ein altes Männchen mit schwach entwickelten Hoden, es scheint frisch vermausert, im Magen waren Heuschrecken und Kerne; Gewicht 67 g, Schnabel und Füsse sind schwarz, Auge dunkelbraun. Ein zweites Stück hat sein Jugendkleid fast fertig ins Alterskleid vermausert, es wiegt 62 g. Ein junges, am 17. V. an der Blanche-Bucht erlegtes Weibchen mausert ebenfalls ins Alterskleid, wiegt 70 g und hat Heuschrecken im Magen. Ein Vogel im vollen Jugendkleid stammt von Anfang Juni und ist an der Blanchebucht gesammelt. Dahl erhielt im August ein Männchen im Übergangskleid, es scheint demnach, dass unser Vogel etwa von Ende November bis zum Juni dem Brutgeschäft obliegt, doch ist es auch möglich, dass sich das ganze Jahr hindurch Mauser- und Jungvögel antreffen lassen. Bei Kaevieng (Nusa) ist E. remotum in der Höhe des Busch- waldes nicht selten, er macht sich nur weniger bemerklich als sein grösserer Vetter Gr. sclateri. Auch auf der Gazelle-Halbinsel brütet er sicher, wie der im Juni erlegte Jungvogel beweist. Lalage karu (Less.). Dieser weit verbreitete Vogel hat seine australische Brut- zeit auch in dem fast „jahreszeitenlosen‘“ Bismarckarchipel bei- behalten: ganz junge Vögel erhielten Finsch und Dahl im Oktober und November, ich selbst im Dezember. Vom November an setzt die Mauser alter und junger Vögel ein und endet anscheinend im Mai und Juni: immerhin ein viel ausgedehnterer Zeitraum als wir es bei unseren deutschen Vögeln gewohnt sind. Männchen und Weibchen wiegen gleichviel: 27 bis 32 g. Das Durchschnitts- gewicht von 30 g entspricht dem unseres Haussperlings, diese Tatsache allein genügt, um das mächtige Federkleid der anscheinend viel grösseren Zalage karu zur Anschauung zu bringen. Dieser Vogel sitzt gewöhnlich auf freien Astenden oder Baumspitzen über der Graslandschaft oder am Buschrande, hat einen ziemlich einförmigen, pfeifenden Ruf und sieht viel grösser aus als er ist. Selbst wenn man ihn schon lange kennt, schiesst man ihn noch häufig von seinem Sitze herab, in der Meinung, es mit einem anderen Vogel zu tun zu haben. Im Anfang war ich über den Mageninhalt immer verwundert, er passt so garnicht zu dem Aufenthalt des Vogels. Gewöhnlich findet man Beeren und nackte Raupen, und ich weiss heute noch nicht, weshalb 5* 68 | Denon: Lalage zum Erwerb dieser fast unbeweglichen Beute nach Fliegen- schnäpperart auf hohen Warten umhersitzt. Mir hat er stets einen recht langweiligen Eindruck gemacht. Die Matupi-Leute nennen den Vogel nicht „Ateoro‘“ sondern „Anenero.“ Laniidae. Pachycephala melanura ). Gd. Die von mir gesammelten Stücke stammen von der Vulkan- insel, den Crednerinseln, aus Nordneumecklenburg (Kaevieng), einer kleinen Insel bei Nakung (Neuhannover) und zwei aus der Umgebung der Blauchebucht. Auch ich habe also entsprechend den Dahl’schen Beobachtungen den Vogel fast nur auf kleinen Inseln oder doch wenigstens in der Nähe des Meeres angetroffen. Zwölf Vögel vom Januar, Februar und März sind am Ende der Mauser oder prangen in frischem Federkleide, darunter sind vier Männchen mit reifen Hoden und ein Weibchen mit mässig vergrössertem Eierstock, die übrigen haben kleine Keimdrüsen, 2 Mauservögel sind ferner aus dem Mai, Dahl und ich erhielten ausserdem je einen jungen Vogel am Ende dieses Monats. Nach diesem Material nehme ich an, dass Pach. melanura im Anfang des Jahres durch die Mauser eine Unterbrechung des Fortpflanzungs- geschäftes erleidet, welches sich wohl sonst über das ganze übrige Jahr erstreckt. Natürlich werden einzelne Stücke auch hier Aus- nahmen von der Regel machen. Die Männchen wiegen 27; 30; 30; 32; 33 g, die Weibchen 25; 26,5; 27; 32; 32 g. Stücke von 23 u. 23,5 g sind wohl junge Vögel. Kleine Schneckenhäuser, Hymenopteren, kleine Käfer, nackte Raupen finden sich im Magen dieses Würgers. Den Angaben Dahls über die versteckte Lebens- weise dieses Gebüschvogels, seine Stimme u. s. w. habe ich nichts beizufügen, ich hörte ausser dem kurzen Gesange des Männchens ein wohl als Warnungston aufzufassendes, gartenrotschwänzchen- ähnliches „Uit“ von ihm. Pachycephala finschi Rchw. Ich habe nur ein Stück dieses, dem vorigen so ähnlichen Würgers erhalten und zwar am 6. III. bei Kaevieng (Nusa), wo auch P. melanura vorkommt. Der Magen dieses reifen Männchens enthielt kleine Insekten, anscheinend Zikaden. Leider vermag ich nichts Näheres über seine Lebensweise bezüglich den Unter- schied in derselben von seinem Verwandten anzugeben. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 69 Ich besitze eine junge Pachycephala von St. Matthias aus dem März. Der Vogel trägt das volle Jugendkleid und entspricht in seinen Massen vollkommen der Pachycephala melanura. Die Farbe des Jugendgefieders geht vielmehr ins Gelbrote, nament- lich auf der Brust, als bei den mir sonst bekannten jungen P. melanura, entweder ist der Vogel also ein sehr junges Stück, das noch sehr unabgenutzte, also mehr rötliche Federn hat, oder eine neue Art. Corvidae. Corvus insularis n. Sp. Beim Vergleiche eines von mir bei Friedrich-Wilhelmshafen (Neu-Guinea) gesammelten Raben mit den auf der Gazelle-Halb- insel Erlegten fielen mir sofort beträchtliche Unterschiede zwischen diesen Vögeln auf. Genauere Untersuchungen im Berliner Zoo- logischen Museum ergaben dann folgendes Resultat. Der Name Corvus orru ist von Bonaparte dem Neu-Guinea- Vogel gegeben, und die Beschreibungen z. B. Salvadoris passen genau auf diesen. Der Rabe von der Gazelle-Halbinsel, den Reichenow als mit dem von Neu-Guinea identisch ansieht, und von dem Salvadori angiebt, dass er nur einen etwas kleineren Schnabel habe als die Stücke aus Neu-Guinea, unterscheidet sich bei genauerem Vergleiche doch ganz beträchtlich von ©. orru Bp. Zunächst hatte mein Vogel aus Friedrich-Wilhelmshafen braune Augen, Salvadori giebt als Augenfarbe der Weibchen ebenfalls braun an, während die Männchen eine hellblaue Iris haben. Der Rabe von der Gazelle-Halbinsel hat in beiden Ge- schlechtern, und zwar bereits als Nestvogel hellblaue Augen, ausserdem ist er stets beträchtlich kleiner als der Neu-Guinea- Vogel. Zwei Stücke des Berliner Museums aus Meinado (Celebes) und Waigiu haben dieselbe Grösse wie die Raben von der Gazelle- Halbinsel. Die vergleichenden Masse in Millimetern sind: C. orru Bp. ©. insularis Hnrth. mas. fem. Länge 530 460 460 Flügel 330 340 290 294 Schwanz 195 190 165 165 Schnabel 72 70 62 60 Lauf 58 57 50 48 70 O0. Heinroth: Ich halte mich demnach für berechtigt, da sich etwa ein Dutzend Stücke von der Gazelle-Halbinsel in ihren Massen fast ganz gleich verhalten, diesen Vogel von dem für Neu-Guinea beschriebenen ©. orrw Bp. abzutrennen. Die Diagnose für C. insularis Hnrth. lautet: Dem C. orru Bp. ähnlich, aber kleiner, Flügel stets unter 310 mm, Schnabel unter 65 mm lang. Auge auch beim Weibchen stets hellblau. Heimath: Gazelle-Halbinsel (und vielleicht der ganze Bis- marck-Archipel, Waigiu, Nord-Oelebes). Dahl und ich erhielten Eier und junge Vögel im Februar und März, die Mauser scheint im Dezember zu beginnen und etwa im Juli beendet zu sein, wenigstens stehen fast alle in dieser Zeit erlegten Stücke im Federwechsel. Vom Juli bis Dezember fehlt mir Vergleichsmaterial. Bei eingehender Be- trachtung der Mauservögel ergiebt sich folgendes: 2 Stück im Anfang des Federwechsels aus dem Dezember, d. h. die Tiere haben bereits gebrütet oder sind etwa dreimonatige Jungvögel, in beiden Fällen also ergiebt das eine Brutzeit etwa im Oktober. Januar: ein Stück im Anfang der Mauser; Februar: ein sehr reifes mas., Eier, fast flügge Junge und ein Vogel im Mauser- anfang; März: eben flügge Nestvögel; April: ein Übergang von Jugend- ins Alterskleid; Mai: 7 Mauservögel und ein Jugendkleid; Juli: ein Stück am Ende der Mauser. Man sieht hieraus, dass sich die Brutzeit wohl fast durch ein halbes Jahr erstreckt, vor- ausgesetzt, dass das Studium der hier fehlenden Monate nicht eine noch grössere Ausdehnung der Fortpflanzungsperiode ergiebt. Das Gewicht beträgt 452—520 g, die niedrigen Zahlen gelten wohl für junge Vögel, um 500 g dürfte der alte Vogel durchschnittlich wiegen. Ich möchte hier ausdrücklich bemerken, dass schon der nackte Nestvogel blaue Augen besitzt, nicht braune, wie Salvadori geneigt ist zu glauben. Früchte und Insekten, Heuschrecken, Käfer, nackte Raupen u.s. w. fand auch ich im Magen der Erlegten, namentlich bilden blaue Beeren oft den ganzen Mageninhalt. Der gewöhnliche Ruf dieser Krähe klingt mehr wie ihr Name „Kottkott‘ als wie das „Krah‘“ der unsrigen, ausserdem hat sie einen sehr drolligen „Gesang“: „Krah, krah, kroaaaa“ mit urkomischer Betonung der verlängerten Endsilbe, dazu kommt noch ein allerliebstes Geschwätz. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 71 Im Februar erhielt ich in Matupi einen Nestvogel, den ich aufzuziehen beschloss. Von Anfang an zog er Fleisch aller übrigen Nahrung vor und verhielt sich ganz wie unsere jungen Krähen. Im März genoss er mit mir die Gastfreundschaft der Familie Boluminski bei Nusa (Kaevieng), und dort hatte er un- umschränkte Freiheit. Mitte März war „Krah“ vollkommen flügge und wurde ein allerliebster Gesellschafter. Er flog voll- kommen frei im und um das Haus herum und bewahrte eine fabelhafte Zahmheit, wenigstens gegen Weisse und Chinesen, während er den Eingeborenen mehr aus dem Wege ging, da sie mit Tieren nicht umzugehen wissen. Da er bei Tisch im Ess- zimmer meist nicht geduldet wurde, so konnte er es doch nicht lassen, mit einer eleganten Schwenkung wenigstens durchs Zimmer zu streichen. Öhne alle Umstände liess er sich greifen, und wurde er irgendwo zum Fenster hinausgeworfen, so erschien er meist nach einem Rundfluge um das Haus wieder durch die offene Tür. Fand er auf einem Gerüst einen Zimmermanns- kasten, so vergnügte er sich damit, alle Nägel einzeln herauszu- werfen. Am liebsten war er in europäischer Gesellschaft. Kaum hatte sich einer von uns auf einem Rohrstuhl auf der Veranda niedergelassen, so erschien die blauäugige Krähe auf seiner Schulter und fing eine längere Unterhaltung an. Viertelstunden- lang redete sie in tiefen und hohen, leisen und lauten Tönen und mit der wichtigsten Miene in so urdrolliger Weise auf uns ein, dass wir durch ihre Ausdauer nur dann belästigt wurden, wenn wir schlafen wollten. Um nun ihre Zuneigung ganz be- sonders auszudrücken, liebte sie es, ihren Schnabel zwischen meine Lippen zu stecken, stets war sie dabei sehr zart, und man konnte ihr das Gesicht unbedenklich zu ihren Studien über- lassen. Auch dieser Vogel wusste von Anfang an wie die Wald- ohreule Walters, dass bei uns Menschen der Mund und nicht die Nase die Stelle des Vogelschnabels vertritt. Um andere Krähen, welche häufig über das Haus hinflogen, bekümmerte sie sich gar nicht, entfernte sich überhaupt niemals weit, obwohl sie einige Male den benachbarten Busch besuchte, namentlich, wenn sie mich daselbst erblickte. Sie badete mit Leidenschaft in einer Waschschüssel und hatte die Gewohnheit aller Rabenvögel, übrige Nahrung zu verstecken. Das Fleisch von (©. insularis ist recht schmackhaft und besser als das der grösseren Papageien, 72 O0. Heinroth: Dieruridae. Dierurus laemostictus Sel. Finsch und Dahl erhielten Junge im Januar, ich selbst 2 Bruten im Mai. Im Februar bekam ich ein reifes, frisch ver- mausertes mas. und ein Weibchen mit sehr abgenutztem Gefieder, im Januar, April, Mai und Juni Mauservögel, leider fehlt mir Vergleichsmaterial aus der II. Hälfte des Jahres. Vom Dezember bis Mai brütet dieser Drongo demnach sicher, ob auch in den übrigen Monaten, weiss ich nicht. Das Gewicht der Männchen ist 79 und 83 g, das der Weibchen 74; 78 und 84 g, 2 knapp flügge Vögel wogen je 46 g. In der Beschreibung des Vogels vermisse ich bei Reichenow die Erwähnung der weissen Spitzen der Unterflügeldecken. Es ist bekannt, dass alle Drongos schneidige, lebhafte Vögel sind, welche Krähen und Raubvögel verfolgen und durch ihre Stimme recht auffallen. Dahl findet letztere stets unange- nehm, ich persönlich habe mehr Gefallen an ihr gefunden und auch pfeifend-flötende Töne gehört. Einen sehr ansprechenden Ruf hat der unselbständige Jungvogel. Ich besass deren 2 einige Tage lebend, welche mir über Nacht auf unerklärliche Weise plötzlich eingingen. Die schwarzen Gesellen sassen ruhig auf ihrer Stange und liessen alle paar Minuten meist unmittelbar hintereinander oder gleichzeitig einen pfeifenden Dreiklang ver- nehmen, der so eigentümlich war, dass selbst das Schiffspersonal sofort aufmerksam wurde. Man denke sich das Wort „Pipekop“ langsam flötend mit Betonung der ersten Silbe gepfiffen, und man hat die richtige Vorstellung dieses sonderbaren Konzertes, was sich leicht nachahmen lässt. Mir drängte sich die Vermutung auf, dass in der Matupi-Sprache bei der Namengebung von Monarcha chalybeocephala eine Verwechslung mit diesem Drongo untergelaufen ist. In der Tat kann man wohl als Laie den jungen Dicrurus mit dem schwarzen Männchen des erwähnten Fliegenfängers verwechseln, und letzterer hat den Namen „Poku- pak,‘“ das Klangbild eben jenes Locktons, erhalten, statt des Drongos, welcher „Korreki“ hiess. Meine Matupi-Jungens hörten dem jungen Dierurus sofort das „Pokupak“ ab, und, selbst verwundert, erklärten sie mir dabei, dass dieser Vogel doch garnicht so hiesse! Im Magen der Erlegten finden sich grosse Mantis, oft fast vollkommen unverletzt mitsamt Flügeln und Beinen vor, die Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 78 von der Weite des Schlundes ihres Verzehrers sprechenden Be- weis liefern. Neben Käfern, Termiten und Ziecaden werden kleinere Körner (wenn nicht vielleicht Eier von Stabheuschrecken?) auch nicht verschmäht. Die Härte des Gefieders, die Dieke der Haut und auch der Geruch des Vogels erinnern sehr an die Krähen. Dieranostreptus megarhynehus (Qu. Gaim.) Dieser Vogel vertritt die vorige Art auf Neu-Mecklenburg, woselbst ich 3 Stück bei Nusa und einen bei Bo sammeln konnte. Seine Gesamtlänge einschliesslich der beiden sehr langen äussersten Schwanzfedern beträgt 600 mm, das Auge ist hellrot. Das Männchen wiegt 128 g, das Weibchen 118 und 135 g. Im Magen fand ich Käfer und Heuschrecken. Einer der Märzvögel trägt ein frisches Kleid, bei einem zusammengehörigen Paare mit noch stark entwickelten Keimdrüsen hat das Weibchen ein namentlich am Schwanz sehr abgenutztes, aber noch volles Ge- fieder, während das Männchen eben zu mausern beginnt, jeden- falls hatten sie eben das Brutgeschäft beendet und noch unselb- ständige Junge. Ein Maivogel mausert gleichfalls. Aus diesen wenigen Daten einen Schluss auf die Länge der Brutperiode ziehen zu wollen, halte ich für verfrüht. Sturnidae. Mino krefjti (Scl.) Dahl erhielt ein Ei dieser Atzel im Januar, ich selbst zwei Junge, anscheinend Geschwister, im Januar und Februar. Ein jüngeres Stück geht im März ins Alterskleid, ebenso eins im Juni, und von 14 Maivögeln mausern 9. Ein alter Vogel vom Dezember beginnt den Federwechsel. Aus diesem lückenhaften - Material lässt sich nur der Schluss ziehen, dass die Brutzeit wenigstens zum Teil in den Anfang unseres Winters fällt. Ein eben selbständiger junger Vogel wog 180 g, das Gewicht der Alten schwankt zwischen 200 und 243 g, beträgt also fast das Doppelte als bei den Ptilopusarten. Im Magen fand auch ich immer Ficusfrüchte oder Beeren. Ich fand den A-Gikian, wie er nach seiner Stimme heisst, welche Dahl sehr richtig beschreibt, nicht nur im Walde, sondern häufig auch auf mehr einzelnen Bäumen oder kleineren Busch- complexen im Grasland. Dieser schrecklich verfressene Vogel 74 O. Heinroth:: hält sich eben überall da auf, wo es Früchte giebt. Ich hielt einige Zeit lang einige schwach verwundete Atzeln lebend und konnte ihre Fressgier studieren. Bald nach dem Einsetzen in den Käfig verschlingen sie massenhaft Bananenstücke und gehen auch bald an ein Weichfutter. Schon nach zwei Tagen begannen sie zu singen, was äusserst komisch anzuhören ist. Merkwürdiger- weise waren sie gegen Hitze sehr empfindlich, wenn auf ihren Kistenkäfig die Sonne schien, sie also gar keiner direkten Be- strahlung ausgesetzt waren, sperrten sie sofort die Schnäbel auf, während andere Vögel noch keine Zeichen des Unbehagens gaben, im Freien jedoch sah ich die Atzeln oft während der heissen Tageszeit in der prallen Sonne sich aufhalten. Ich schreibe es der Hitze zu, dass die Tiere nach etwa einer Woche an Krämpfen eingingen. Immerhin kann man sich dabei sehr irren, es handelte sich eben um angeschossene Stücke, es wäre also nicht auszuschliessen, ob nicht z. B. durch eine Teta- nusinfektion der sehr unreinlichen Atzeln der Tod herbeigeführt wurde. l Die jungen Vögel sind an ihrem mattschwarzen Gefieder und den kleineren nackten Gesichtsstellen gut zu unterscheiden. Schon das bedeutende Gewicht von M. kreffti lässt darauf schliessen, dass wir es in ihm mit einem sehr kräftigen Vogel zu tun haben, und diese Vermutung straft die Erfahrung nicht ‚Lügen. Man hat allen Grund beim Aufnehmen verwundeter Atzeln vorsichtig zu sein, der Vogel krallt sich sofort an der Hand fest, und die äusserst scharfen, beim Umklammern nach Raub- vogelart rechtwinklig nach innen gebogenen Krallen tun, von der mächtig entwickelten Beinmuskulatur in Tätigkeit gesetzt, in für den Fänger sehr schmerzhafter Weise ihre Schuldigkeit. Auch den Schnabel sucht der Vogel nach Kräften als Waffe zu brauchen. Entsprechend diesen scharfen Waffen verfügt der Vogel auch über den nötigen Schutz gegen dieselben, nämlich über eine sehr feste, derbe Haut und festsitzendes Gefieder, was das Bälgemachen sehr erleichtert. Aplonis cantoroides (G. R. Gr.). Diese und die folgende Art sind in der Freiheit schwer aus- einanderzuhalten, die jungen Vögel, namentlich wenn ihnen in der Mauser die mittleren Schwanzfedern fehlen, oft auch in der Hand schwierig zu unterscheiden. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 75 Im Mai erhielt ich nackte Nestvögel von A. cantoroides zu- sammen mit reifen alten Vögeln, erste Jugendkleider ferner im Dezember, Februar und März, der Vogel scheint also das ganze Jahr hindurch zu brüten und, soviel ich glaube, auch in ähnlichen Nestern wie Ü. metallica. Im Gewicht bleibt er hinter seinem Verwandten etwas zurück und wiegt jung etwa 49, alt gegen 55 g, im Magen finden sich Früchte und Beeren. Von ©. metallica hält sich A. cantoroides wohl meist ge- trennt, einmal fand ich eine Anzahl der ersteren, lauter ausge- färbte und wie die Erlegten ergaben, brutreife Tiere auf einem dürren Baum an der teilweise abgelösten Stammrinde beschäftigt, konnte aber nicht feststellen, was sie da trieben. Die vielen Dutzende von nackten Jungvögeln, die ich teilweise in den ÖOriginalnestern erhielt, welche aus einer grossen Starkolonie stammten, hielt ich stets für ©. metallica, da dieser Vogel der weitaus häufigere ist, und ich auch diesen an den Brutbäumen gesehen hatte. Ich versuchte viele aufzuziehen, immer vergeblich, nur bei zweien gelang es, einer davon flog später davon, und den andern brachte ich mit nach Berlin, wo er heute noch lebt. Dieser Vogel ist ein A. cantoroides, ob nun all’ die vielen, mir von Eingeborenen unter den Brutbäumen gesammelten Jungstare auch dieser Art angehörten, vermag ich nicht zu sagen, glaube es aber nicht. Neu dürften meine Beobachtungen über daszweite Jugendkleid der beiden Stararten sein. Das erste Kleid ist oben grauschwarz, unten weisslich mit mattschwarzen Schaftstrichen. Das Auge ist zu dieser Zeit grau. Wie alle andern Singvögel wird dieses Kleid etwa nach 2—3 Monaten vermausert und zwar in ein dem ersten nicht unähnliches, das aber an allen dunklen Stellen die Farbe der alten Vögel aufweist, d. h. bei ©. metallica mit leb- haftem Glanz versehen ist, das Weiss der Unterseite ist dabei ebenfalls reiner und schöner. Die Augen sind nun gelb bis orange, und der Vogel ist in diesem gefleckten Gefieder bereits brutfähig, Eierstöcke und Hoden weisen häufig ihre volle Reife auf. Nunmehr folgt, wahrscheinlich nach Jahresfrist, das schwarze Alterskleid mit den roten Augen. Beide Geschlechter verhalten sich hierin vollkommen gleich. Vielleicht ist es am Platze, die Geschichte des lebend mit- gebrachten A. cantoroides zu erzählen, sie enthält manchen Fingerzeig und manches Merkwürdige. 76 O0. Heinroth: Bei der Aufzucht junger Beerenfresser wird man vor eine, dem deutschen Vogelfreunde neue Aufgabe gestellt: wie soll man sie ernähren? Die Früchte, welche man im Magen der alten Vögel findet, sind meist nicht in nötiger Menge zu beschaffen, also hat man an ein Ersatzfutter zu denken. Ein Weichfutter aus Spratts-Patent Vogel- oder Kükenfutter gemischt mit Bananen- stückchen, Karottengries und Rosinen, alles sehr gut gequellt und wässerig verabreicht, vermag der Jungvogel nicht recht zu be- wältigen. Anfänglich rutscht es zwar in den gierig aufgesperrten Rachen, dann aber vermag es der Nestling nicht in die Speise- röhre hinein zu bekommen, wenigstens in vielen Fällen nicht. Oft passiert es dann, dass, nachdem das Gemisch verschluckt ist, dasselbe um einen Teil seines Wassers vermindert beim Einziehen des Halses in Wurstform wieder durch den Schnabel kommt. Ein kleiner Teil des Futters wird allerdings wirklich aufgenommen, aber nur mangelhaft verdaut, was wieder ungeheuere Kotmassen zur Folge hat. Ich glaube, dass von den Alten nur der Saft der sefressenen Früchte verfüttert wird, der dann allerdings leicht durch den Schlund der Jungen hineinläuft, die dann erst nach dem Verlassen des Nestes selbst zu schlucken anfangen. Man kann sich denken, welche Mengen des eiweissarmen Fruchtsaftes dazu gehören müssen, um einen so. rasch aufwachsenden jungen Star aufzuziehen, und einmal deshalb ist die geringe Zahl des Geleges (meist 2 Eier) verständlich, andererseits wäre auch das Fortschaffen so grosser Kotmassen, wie sie eine nach unsern Begriffen vollzählige Starbrut liefern würde, für die beiden Alten wohl unausführbar. Dafür brütet der Vogel fast das ganze Jahr hindurch und sichert sich dadurch die genügende Zahl der Nachkommenschaft. Die beiden letzten Jungstare nun, die mit fast dünnflüssigem Weichfutter genährt wurden, blieben leben. Eines Morgens lagen sie fast leblos auf der Seite: das Futter war anscheinend sauer seworden und hatte diesen schweren Kollaps herbeigeführt. Allmählich erholten sich die Tiere wieder, wobei ihnen gereichtes Wasser gute Dienste leistete, wurden flugfähig und bezogen einen Käfig. Lange dauerte es, bis sie selbst frassen, nun nahmen sie aber auch gröberes Weichfutter, sehr gern Fleisch und Mehlwürmer und fingen Küchenschaben, die in ihren Käfig liefen. Im Mageninhalt erlegter Vögel habe ich nie Insekten gefunden, sie werden dieselben wohl recht gern fressen, sind aber mE. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 77 auf ihren Fang nicht eingerichtet, und Beeren giebt es in Hülle und Fülle. Das „Zirkelu“ der eigentlichen Stare, Stärlinge und Tannenhäher habe ich von meinen Vögelu nie bemerkt, sie brauchen es ja auch nicht, da sie nichts aus Verstecken hervor- holen. Gegen den September hin trat die Mauser in das zweite gefleckte Kleid ein, und die Augen wurden gelb, schon lange übten sich beide in ihrem unbedeutenden, ziemlich leisen Gesang. Durch die Unvorsichtigkeit meines Chinesen flog der eine Vogel über Bord und war verloren. Auch diese Stare baden leiden- schaftlich. Eines Morgens, es war auf der Fahrt durch das Mittel- ländische Meer, war mein Star plötzlich wie von Sinnen, er hing am Dratgitter und machte unsichere, taumelnde Bewegungen mit dem Kopfe. Er liess sich ruhig greifen und war jedesmal über die ihn berührende Hand sehr verwundert. Die Pupillen waren dabei meist eng, der Vogel fand sich in seinem Käfig jedoch leidlich zurecht, frass, badete und sang. Dies sonderbare Benehmen besteht noch heute, das Tier ist im fertigen, schwarzen Kleide, hat aber gelbe Augen behalten und ist körperlich völlig gesund. Er scheint vollkommen blind zu sein, trotzdem an den Augen nichts Krankhaftes zu bemerken ist, und wird deshalb in einem ganz kleinen Käfig, wo er den Platz für Futter und Wasser genau kennt, gehalten. Er singt dabei ununterbrochen und ist munter und lebhaft. Mir scheint die Erblindung eine zentrale, vielleicht durch eine Gehirnerschütterung beim Anfliegen ans Gitter hervorgerufen, zu sein. Ich möchte noch bemerken, dass diese beiden Stararten des Bismarckarchipels beim Singen nicht mit den Flügeln schlagen, wie unser Sfurnus es tut. Calornis metallica (Tem.). Brütende Vögel sind bis jetzt aus dem Februar, März, April, Mai, Juli, August und Oktober beobachtet, aus den übrigen Monaten fehlt Material. Erlegt man Vögel im Bezirk eines Brut- baumes, so findet man meist geschlechtsreife, alte, nicht mausernde Stücke, an anderen, entfernten Stellen treiben sich bisweilen in grossen Scharen von mehreren Hunderten mausernde, alte und junge, sowie selbständige Jungvögel umher. Es scheint demnach, als wenn man zu jeder Jahreszeit alle Altersstufen finden kanı, man muss sie jedoch nicht alle an einem Orte suchen. Auf der 78 OÖ. Heinroth: Vulkaninsel und an der Küste der Blanchebucht sind Bäume, auf denen ©. metallicus in ungeheueren Mengen vorkommt und übernachtet, und hier liefert ein Schuss all’ die Tiere, welche ausserhalb des Fortpflanzungsgeschäftes sich befinden, während das Jagdergebnis in der Umgebung des Baumes, welcher die Brutkolonie trägt, das umgekehrte Resultat liefert. Die Mauserverhältnisse dieses Stares sind bei der vorigen Art bereits berücksichtigt, namentlich verweise ich auf den Um- stand, dass nach dem unscheinbaren Jugendkleide ein zweites unten geflecktes Gefieder aber mit dem Glanz der schwarzen, alten Tiere angelegt wird, und dass in dieser Zeit die Vögel bereits fortpflanzungsfähig sind. Auch der Wechsel der Augen- farbe entspricht ganz dem von A. cantoroides. Merkwürdiger- weise erlegt man häufig Stare, welche ihr frisches, zweites Kleid tragen, aber dabei alte Schwingen besitzen, nur die innersten Armschwingen sind neu und glänzend, es verhält sich dann bei diesen Tieren die Anlegung des „Jugendprachtkleides“ genau wie bei den Anatiden, d. h. also ohne Schwingenwechsel. Dass dies Verhalten konstant ist, glaube ich nicht. Dieser Glanzstar wird häufig massenhaft erlegt und als „Krammetsvogel“ verspeist, ein besonderes Aroma hat sein Fleisch nicht. Da es sich bei der Massenerbeutung dieser Speisevögel fast stets um nicht mit der Fortpflanzung beschäftigte Starflüge aufdemAbendeinfall handelt,so wird der Bestand nur wenig gefährdet. Das Gewicht von ©. melallica beträgt 52 bis 67 g, der Gesang ist unbedeutend und wird nur durch die Menge der ihn vortragenden Vögel besonders bemerklich, all’ die schnarrenden und schnalzenden Geräusche unseres heimischen Stares fehlen ihm. Ploceidae. Munia hunsteini (Finsch). Vier von mir gesammelte Stücke sind bei Kaevieng (Nusa) im März erlegt, es sind drei alte Vögel, von denen einer mausert, und einer ganz frisch vermausert ist, und ein junger in der Übergangsmauser. Im Magen fanden sich ausser Grassamen, auch andere kleine Körnchen. Das Gewicht der Tiere ist 9,5 bis 10,5 g. M. hunsteini ist demnach die kleinste ihrer Gattung im Bismarckarchipel, ihre Länge beträgt im Fleisch gemessen 105 mm. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 79 Munia forbesi Scl. Fundort und Zeit wie bei der vorigen Art. Gesamtlänge gegen 120 mm, Gewicht 12,5 bis 14,5 g. Drei Stücke zeigen sehr entwickelte Keimdrüsen, ein viertes mausert und hat ein kleineres Ovarium. Grassamen, kleine Körnchen und Muschel- schalen bilden den Mageninhalt. Munia spectabilis Sel. Nester mit Eiern und Jungen erhielt Dahl vom Juni bis Februar, hauptsächlich im Oktober, ich selbst im April, Mai und Juni, im März war ich in Neupommern nicht anwesend. Dem- nach brütet dieser Vogel während des ganzen Jahres, mausernde Stücke erhält man gleichzeitig mit Vögeln im fertigen Federkleide. Das Gewicht eines Männchens beträgt 14, das eines Weibchens 15 g, auch Stücke von 12 g kommen vor. Die Nahrung besteht vorwiegend aus Grasblüten. In ihren Gewohnheiten ähneln sich die verschiedenen „Nonnen“ so, dass es genügt, eine Art zu schildern. Uns Europäern sind ja diese „Prachtfinken“ von allen Vogelhändlern her viel bekannter als unsere eigenen, einheimischen Vögel, zudem sind sie meist auch billiger, als letztere und deshalb bei unseren Liebhabern namentlich in den Vogelstuben sehr verbreitet. Es mutete mich daher eigentümlich an, diese kleinen Finken auch in der Freiheit zu beobachten, offen gesagt, ich hatte erst immer das Gefühl, als ob die kleinen Dinger irgendwo entflogen seien. Meist trifft man kleine Flüge von einem halben bis zu mehreren Dutzenden ziem- lich dicht beisammen. Sie machen nicht viel Wesen aus sich, und ein einziger, wenn auch noch kleinerer Cistieola exilis, der meist am selben Ort zu Hause ist, macht mehr Leben als 20 Munien. Mit etwas plumper Emsigkeit fliegen sie schnurrend an den mannshohen, dichtstehenden Grashalmen umher, um dann gemeinsam einem kleinen Busche zuzustreben, denn sie ruhen lieber auf einem wagerechten Ästchen als am stehenden Halme. Man trifft diese Vögel nur in der eigentlichen Graslandschaft mit ihrem hohen, harten Alang-Alang, und an diesem Schneide- gras nutzen die Tiere wohl auch ihre Krallen ab, die in unseren Käfigen dann zu so ungeheuerer Länge auswachsen. Staubbeutel, bei manchen Arten wohl ausschliesslich diese, und kleine Körnchen bilden ihre Nahrung, kleine Muschelschalen werden des Kalk- bedürfnisses wegen verzehrt. Sehr scheu ist so ein „Nonnen- 80 OÖ. Heinroth: schwarm“ nicht gerade, aber immerhin vorsichtig und besitzt lange nicht die Vertrautheit der Vögel unserer Garten- und Park- anlagen. Ein Schuss mit Kal. 32 Schrot Nr. 13 liefert meist einige aus der Gesellschaft, aber es ist schwer, die Toten in dem dichten Grase aufzufinden. Sehr oft erhielt ich die grossen, kugeligen Nester mit seitlichem Eingang, welche meist 4 Junge enthalten. Leider ist es mir nie geglückt, die allerdings noch sehr jugendlichen, ganz nackten Dinger aufzuziehen. Sie sperren sofort ihre ungeheueren, hellgeränderten Schnäbel auf, und, reicht man ihnen mit der Pinzette ein Weichfutter, so saugen sie sich gleichsam an dieser hinauf und haben beim Zurücksinken den Inhalt derselben im Kropf. Ich hatte damals zu wenig Zeit, um mich ausschliesslich mit diesen jungen Munien zu befassen, bei Beschaffung eines geeigneten Ersatzfutters für die Grasblüten, was vielleicht nicht ganz leicht sein dürfte, und geeigneter Er- wärmung der Jungen, müsste die Aufzucht wohl gelingen. Meliphagidae. Philemon cockerelli Sel. Dahl giebt die Brutzeit dieses Vogels für die Zeit vom Dezember bis März an, und meine Erfahrungen von meinem Aufenthalt auf der Gazelle- Halbinsel bestätigen dies. Leider fehlen mir Beobachtungen aus der zweiten Hälfte des Jahres, es wäre also recht gut möglich, dass der Vogel auch in dieser Zeit brütet, wenigstens habe ich auch aus dem Dezember Mauser- vögel und frisch vermauserte Stücke erhalten, ebenso wie aus dem Juni. Das Gewicht alter Männchen betrug 154; 162; 167g; fem.: 157; 163; 165; 175 und 190 g. 150 bis 160 g kann man etwa als das Normalgewicht bezeichnen. Der „Lederkopf,“ wie ihn die im Archipel ansässigen Deut- schen nennen, ist ein Charaktervogel von Neu-Pommern und, da seine Gattung eine bei uns in der Heimat unbekannte, will ich auf sein Tun und Treiben näher eingehen, zumal ich ihn auch in der Gefangenschaft beobachten konnte. Wenn man sich unter einem „Honigsauger“ ein zierliches, zartes Vögelchen denkt, wie die Nectarinien es sind, so hat man sich bei Ph. cockerelli gründ- lich geirrt, denn er ist gerade das Gegenteil eines solchen. Von unscheinbarer, graubrauner Farbe, derbem, aber sehr knappem, meist etwas abgenutztem Gefieder, das fest in der äusserst zähen, Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 81 dicken Haut steckt, mit seinen eher kurzen als mittellangen Schwingen, dem langen Schwanz, dem fabelhaft beweglichen Kopf, der stets tastenden Zunge und den sehr kräftigen, langen, scharf bekrallten Füssen ist er so recht ein Allerweltsvogel, der sich in jedem Gelände zurechtzufinden weiss und überall etwas zu fressen findet. Sein eigentlicher Wohnort ist der Waldrand und der höhere Busch, doch trifit man den Lederkopf auch im Walde selbst und in kleinen Büschen im Grasland. Wo nur ein paar Laubhölzer etwas Abwechslung in das ewige Einerlei der Kokos- plantagen bringen, hat er einen Anhaltspunkt, um auch die Palmen zu besuchen. Gewiss hört man unsern Vogel beim ersten weiteren Spaziergang in der Umgebung von Herbertshöhe; in den im Walde gelegen Bananen- und Kokospflanzungen der Eingeborenen bei Malagunan z. B. ist er wohl der gemeinste Vogel. Von einigen einzelnen, überstehenden alten, hoch über ihre jugendlichen Geschwister ragenden Kokospalmen hören wir einen lauten wie „kau‘ oder „kiu“* klingenden Pfiff, dem rasch mehrere andere folgen, wir erkennen einige Turteltauben, grosse Vögel, die sich an den Wedelansätzen zu tun machen, da kracht der Schuss, und die Tiere fallen fast senkrecht mit halb angelegten Flügeln herab, um blitzschnell in einem Bambusgestrüpp zu ver- schwinden. Wir suchen und suchen, — vergeblich. Die Höhe von über 30 Metern, in welcher der Vogel sass, bewirkt bereits eine solche Streuung der Schroten und schwächt deren Durch- schlagskraft in einer Weise, dass der Erfolg des Schusses meist ein negativer ist. Nun tönt ein eigentümliches Schnarren, der Ruf, welcher Ärger ausdrückt, aus den Büschen, und wir lassen die Vogelflinte mit feinstem Schrot sprechen, um das Ziel unserer Wünsche nicht zu stark zu beschädigen. Doch — der Erfolg ist nur ein flügellahmer Vogel, der sich, wenn uns nicht ein zweiter Schuss glückt, sicher in der Dickung birgt. Bei der Unter- suchung der Beute bemerken wir dann, dass eine Menge Schrot- körner in der Haut derselben stecken geblieben sind, und wir merken uns, dass ein starker Schuss dazu gehört, den Vogel rasch zu Strecke zu bringen. Wir gehen weiter und dringen in den eigentlichen Urwald ein. In halber Baumhöhe treibt ein kleiner Trupp grauer, grösserer Vögel sein Weser, geräuschlos mit etwa amselartigem Fluge von Ast zu Ast streichend. Hier sucht einer die Rinde des Stammes ab, dort sitzt einer einige Augen- blicke ruhig in eigentümlicher Haltung, die stark an die Nas- Journ, f, Orn. LI, Jahrg. Januar 1903, 6 82 O. Heinroth: hornvögel erinnert. Den Kopf stark zwischen die Schultern ein- zogen, sodass die Schnabelspitze auf dem Kropfe ruht, und den Schwanz fast gerade nach unten gestreckt, gewährt das Tier ein uns fremdes Bild. Ein Schuss liefert wieder den Ph. cockerelli, an den wir nach seinem ersten Zusammentreffen mit ihm hier nicht gedacht hätten. An den Berglehnen der Blanchebucht ziehen sich eingesprengt im Urwald und Busch die Bananen- pflanzungen der Eingeborenen hin, abwechselnd mit Grasflächen aus hohem Alang-Alang, in denen kleinere Kokospalmen und Laubbäume stehen. Hier ist die Vogelwelt verhältnismässig ver- traut, denn ausser den Tauben wird ihr wenig oder nicht nach- gestellt. Da, dicht vor uns in einem kleinen Busch erschallt ein lautes, aber recht anmutendes „Kau?, kiu, kau!“ in klangvoll pfeifenden Tönen, andere Genossen fallen in ähnlicher Weise ein, ein Heidenspektakel entsteht, wütendes Schnarren, zwei, drei Vögel verkrallen sich in einander und hängen, sich mit Schnabel und Krallen bearbeitend, an einem niederen Zweige, ein Schuss liefert sie gemeinsam in unseren Besitz: wieder waren es Lederköpfe. Vom Boden der Bananenpflanzungen geht ein Trupp dieser Vögel vor uns auf und strebt dem Busche zu, und wenn wir sonst wollen, können wir eine grössere Anzahl dieser munteren Ge- sellen mit nach Hause bringen. Hier besichtigen wir sie näher, die Bezeichnung „Lederkopf“ will uns nicht recht einleuchten. Der Kopf ist, wenn auch mit kurzen, so doch stets mit Federn be- deckt und ich glaube, der Name ist wohl von verwandten Honig- schmeckern, die allerdings nackte, mit Lappen versehene Kopf- partieen besitzen (z. B. Tropidorhynchus corniculatus), übernommen. Beim Abziehen freuen wir uns über die dicke Haut, die kaum zu zerreissen ist, und verstehen nun auch, dass die Kämpfer, welche wir erlegten, nicht furchtbare Wunden aufweisen, hat uns doch ein durch den Schuss tötlich Verwundeter, den wir auf- nehmen wollten, durch Anklammern an die Finger dermassen schmerzlich berührt und schliesslich auch verwundet, dass eine gewisse Energie dazu gehörte, sich durch vorsichtiges Öffnen der eingeschlagenen Zehen von dem Vogel zu befreien. Einen weiteren Beleg ihrer Muskelkraft liefert uns die Beute in gebratenem Zu- stande, denn nun ist sie unglaublich zäh, und dieser Umstand sichert dem Vogel sein Leben mehr als alles andere. Der Mageninhalt entspricht der Vielseitigkeit des Vogels: Insekten, wie Käfer, Raupen, Mantis- und Locusta-Arten und Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.‘‘ 83 Spinnen, verschiedene Früchte, als Beeren mit Kernen, Samen- körner, Bananen und vielfach auch die männlichen Blüten der Kokospalme bilden die Hauptbestandteile. Vielleicht trägt der Vogel bei Erwerbung des letzt erwähnten Nahrungsmittels mit zur Befruchtung der Kokospalmen bei. Am 3. VI. bekam ich von einem Eingeborenen zwei Nest- vögel, welche bereits dicht befiedert waren, in einem jämmerlichen Zustande. Die Beine waren ihnen zusammengebunden, und die Vögel anscheinend so am Kanoe hängend transportiert worden. Trotzdem beschloss ich, die Tiere aufzuziehen. In den ersten Tagen versagten den sonst ganz munteren Dingern die Füsse voll- ständig, und der eine behielt monatelang eine Schwäche in den- selben zurück. Fleischstückchen, Insekten, Spratts-Patent, harte Eier, gekochter Reis, Bananen u. s. w. bildeten das Futter, und es gelang mir, beide in den Berliner zoologischen Garten zu bringen, wo sie heute noch leben und sehr lebhaft sind. Ich habe kaum anhänglichere, beweglichere, neugierigere und zahmere Vögel gesehen als diese beiden Lederköpfe. In einem Käfig des Vogelhauses untergebracht, übertönen sie durch ihre schallenden Pfiffe häufig selbst das Gekreisch der Papageien und den Lärm der Häher- und Stararten, dadurch dem Kenner ihrer Heimat stets bekannte Bilder vor die Seele zaubernd. Wenn Dahl ihre Stimme so beschreibt, dass er angiebt, das erste „Kau“ sei eine Frage, das zweite ein höherer Ton und das Dritte die Antwort auf den ersten Pfiff, so ist das recht charakteristisch, doch rufen meist beide Vögel und in der Freiheit gewöhnlich der ganze Schwarm unisono, sodass das ganze Getön ein anderes Bild dar- stell. Überaus hastig und herausfordernd vorgetragen, erinnert es etwa an den Überschlag des Mönches, nur ist es viel tiefer, und sind die einzelnen Töne anders. Wie Finsch dabei an den Pirol denken kann, verstehe ich nicht recht, gerade das Ruhige, flötend Abgerundete fehlt dem Vortrage der Lederköpfe. Tritt man an den Käfig, so begrüsst uns ein sanftes „Kiiu,“ wohl der eigentliche Lockton, den auch die Jungen bei der Entgegennahme von Nahrung hören lassen. Trotz ihres Alters von anderthalb Jahren, sperren die Vögel immer noch, sie haben auch überaus schwer und spät selbständig fressen gelernt. Ans Gitter ange- klammert, stecken sie die Köpfe weit durch die Stäbe und unter- suchen, genau wie Reptilien züngelnd, Nase, Mund und Hände des Beschauers, sind aber dabei stets rücksichtsvoll und zart. 6* 84 OÖ. Heinroth : Dabei dreht sich der spitze Kopf auf dem langen, dünnbefiederten Halse rasch und geschickt nach allen Seiten und vermehrt da- durch das Schlangenartige des Eindruckes. Zum Ergreifen von fester Nahrung ist die Zunge dieser Honigschmecker nicht ge- eignet, sie dient zum Tasten, auch das Auflecken von Frucht- säften spielt wohl keine Rolle, denn der Vogel verzehrt die Früchte ja in ganzem Zustande. Das Futter wird meist erst be- züngelt, ehe es ans Verschlingen desselben geht, auch das Käfig- gitter u. Ss. w. öfters mit derselben untersucht. Unter sich recht verträglich, necken und balgen sie sich doch bisweilen und wissen andere Vögel sehr in Respekt zu erhalten. So hatte das Ge- schwisterpaar zwei Ardeola speciosa vollkommen unter seiner Gewalt, und der ihrem Käfig benachbarte Flötenvogel, von dem wir erst fürchteten, er könne den Lederköpfen gefährlich werden, hat alle Achtung vor den letzteren. Sehr drollig sieht es aus, wenn sie beim Ordnen ihrer Schwingen mit dem Schnabel unter der Sitzstange durchgreifen, auch Fliegen werden von den ge- wandten Tieren geschickt aus der Luft gegriffen. Die erste Mauser, also der Übergang ins Alterskleid, fand im Herbst ihres ersten Jahres, die zweite im darauf folgenden Juli statt. Myzomela pammelaena Sel. Dieser Vogel ist auf den Inseln bei Neu-Hannover und Nord-Neumecklenburg (Nusa, Nusalik, Nuungan, Kapoteron u. Ss. w.) recht häufig und gleicht in seinem Aussehen einer Cinnyris corinna, nur ist er einfarbig schwarz ohne jeden Glanz. In seiner Lebensweise ist er von der Nectarinie jedoch recht ver- schieden, er bindet sich nicht an die Höhe der Bäume, sondern durchkriecht auch Gebüsch und hält sich frei auf dürren Ästen, Pfählen u. s. w. auf, macht überhaupt einen vielseitigeren und unternehmenderen Eindruck, auch die Stimme ist schärfer und herausfordernder. Im Magen fand ich Käferreste, das Gewicht des Vogels ist 12 bis 14 g. Ende Februar und im März mauserten die untersuchten Stücke, ein Männchen hatte den Federwechsel beendet und zeigte reife Hoden. Wenn ich hier die auf den erwähnten Inseln erlegten Stücke als M. pammelaena Scl. anführe und nicht als M. ramsayi Finsch, so gebe ich damit der Ansicht Ausdruck, dass die letztere Art gestrichen werden muss, denn sie ist von dieser Gegend be- schrieben, während für M. pammelaena die Admiralitätsinseln Ornithologische Ergebnisse der „I Deutschen Südsee-Expedition.“ 85 als Heimat angegeben werden. In der Tat ist der von mir mit- gebrachte Vogel (leider ist es nur einer, die übrigen mir durch die Hände gegangene Stücke waren jedoch dem in Rede stehenden absolut gleich) eine typische M. pammelaena, die M. ramsayi Finsch, welche auf Kapeteron gesammelt ist, stellt wohl einen jungen Vogel ersterer Art vor, die mattere Färbung und die kleineren Masse entsprechen dieser Annahme, gerade auf Kapo- teron ist nach meinen Beobachtungen M. pammelaena recht häufig. M. ramsayi Finsch ist demnach einzuziehen, und das Ver- breitungsgebiet von M. pammelaena erstreckt sich ausser auf die Admiralitätsinseln auch auf den Archipel bei Neu-Hannover und Nord-Neumecklenburg. Myzomela cineracea Ski. Dahl giebt die zweite Hälfte der trockenen Jahreszeit und die Regenzeit als Brutzeit dieses Vogels an, mir will es scheinen, als wenn der letztere wohl das ganze Jahr hindurch brütend an- zutrefien ist. Eier sind aus dem Januar, Februar, Juli und Oktober bekannt, Stücke am Ende der Mauser mit bereits ver- grösserten Keimdrüsen erhielt ich im Februar, einen alten und einen jungen Vogel im vollen Federwechsel im Mai, ein reifes Männchen im Juni. Das Gewicht beträgt 15 bis 17,5 g, der Mageninhalt besteht aus sehr kleinen Insekten. Über die Lebensweise dieses unscheinbaren Vogels verweise ich auf das von Dahl darüber Erwähnte. Myzomela erythromelas Salvad. Ich konnte 2 Stücke, ein altes Männchen und einen Vogel im Jugendkleid auf Matupi im Dezember sammeln, Dahl erhielt ein reifes Männchen und ein Jugendkleid im August, weiter ist mir über das Verhalten dieses reizenden Vögelchens in den ver- schiedenen Jahreszeiten nichts bekannt. Nectariniidae. Cinnyris frenata flava subsp. nov. Alle Stücke von Neupommern sind auf der Oberseite mehr gelb als die Neuguinea-Vögel, sodass die Diagnose dieser geo- graphischen Form von (©. frenata (S. Müll.) heissen muss: Ähnlich ©. frenata, Oberseite jedoch mehr gelbgrün, also nicht so grau als bei dieser. 86 O. Heinroth: Nester mit Eiern oder Jungen sind wohl aus allen Monaten des Jahres bekannt, sehr viele Mauservögel habe ich aus dem Dezember, das Gewicht beträgt etwa 9 8. Es ist mir bei dieser und der folgenden Art nicht gelungen, Nestvögel aufzuziehen, bei einem Futter aus Schaben, Fliegen, kleinen Mehlwürmern und Spratts Patent lebten sie zwar bis zu acht Tagen, gingen dann aber ein. Über die Lebensweise der beiden Nectarinienarten des Bismarckarchipels habe ich den Dahl’schen Angaben nicht viel hinzuzufügen. Im Gegensatz zu vielen anderen tropischen Vögeln sind die Honigsauger auch in den heissesten Mittagsstunden tätig, die Männchen verfolgen sich häufig unter zwitscherndem Gesange und bei diesem raschen Durchfliegen der Äste kommt bei den plötzlichen Wendungen der Kämpfer deren Farbenpracht am meisten zur Geltung. Cinnyris corinna (Salvad.). Frisch vermauserte Vögel erhielt ich vorwiegend im Beginn des Jahres, der Vogel scheint jedoch das ganze Jahr hindurch zu brüten, die Mauserzeit der einzelnen Stücke schwankt eben in so weiten Grenzen, dass, da der Vogel die ganze übrige Zeit des Jahres seiner Fortpflanzung obliegen dürfte, stets brutfähige Paare vorhanden sind. Das Gewicht beider Geschlechter schwankt zwischen 9 und 10,5 8. Dicaeidae. Dicaeum eximium Sel. Die am frischen Vogel genommenen Masse sind: Länge Flügel Schwanz Distanz Breite Gewicht mas. 90 5l 24 —12 160 mm 7758 fem. 82 49 24 in Im Magen fand ich Spinnen, schwarze Ameisen und Käferreste. Die Dicaeumarten haben eine an die Zaunkönige erinnernde Lebensweise, nur halten sie sich häufiger in höherem Geäst auf und schlüpfen nicht in Löcher und Spalten. Von D. eximium vernahm ich öfters das zaunkönigähnliche ‚„Zeck zeck,‘‘ wodurch sich der Vogel mir häufig erst bemerkbar machte. Hier sei er- wähnt, dass ich im Magen und Darm eines bei Singapore erlegten Blütenpickers verhältnismässig riesige Fruchtknoten fand. Der Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 87 Verdauungstraktus der Dieaeumarten ist sehr weit und erinnert dadurch an den der Carpophagidae. Besagte Fruchtknoten von fast Erbsengrösse waren von dem Vogel auch nicht verdaut, sondern gingen unversehrt durch den sehr dehnbaren After ab, während eine schleimige, weisse, honigähnliche Masse, welche den Fruchtknoten umgab, offenbar die Nahrung des Vogels darstellte. Im März erlegte Stücke von .D. eximium waren frisch ver- mausert und geschlechtsreif, im Mai erhielt ich zwei junge Vögel, das Gewicht beträgt 7 bis 9 g. Dicaeum layardorum Salvad. Ein frisch vermausertes, junges Weibchen erhielt ich im März, Dahl in demselben Monat Nestjunge, mein Vogel wog 8 8. Die beiden Dicaeumarten sind mit ihrem Gewicht von 7 bis 9 g neben Cisticola exilis die kleinsten Vögel des Bismarckarchipels. Timeliidae. Megalurus macrurus (Salvad.). Ich erhielt am 13. IV. ein reifes Männchen mit frischem Gefieder, sodass sich, da Finsch Eier dieses Vogels im Dezember bekam, die Brutzeit wohl über den grössten Teil des Jahres er- streckt, d. h. also wohl sicher vom April bis Dezember, wenn er nicht auch im Anfang des Jahres noch brütet. Das Gewicht betrug 33 g, der Magen enthielt Käfer und Heuschrecken. Das Tier stammt aus der Graslandschaft in — Nähe des Kraters an der Blanchebucht. Cisticola esxilis (Vig. Horsf.). Eier erhielt Dahl vom Oktober bis zum Februar, aus den übrigen Monaten ist nichts über den Vogel bekannt, Vögel aus dem Dezember und Januar mauserten nicht und hatten ver- srösserte Keimdrüsen. Das Gewicht dieses Vögelchens beträgt 8 bis 9 g, ausser kleineren Insekten fand ich auch kleine Schneckengehäuse im Mageninhalt. Die auffallend langen Beine messen vom Körper bis zum Zehenansatz 43 mm. Die Cisticola ist trotz ihrer Kleinheit ein Vogel, der sich wohl bemerkbar zu machen versteht und nicht ein so langweiliges Heerdentier wie die, denselben Aufenthalt mit ihm teilenden Prachtfinkenarten. In der Graslandschaft, die meist mit einigen Büschen und Bäumen versehen ist, trifft man ihn stets, vor der 88 O0. Heinroth: 2 glühenden Mittagssonne verkriecht er sich auf den Boden ins dichteste Halmgewirr und erscheint nur, wenn der Mensch sein Gebiet betritt. Dann sieht man ihn von einem, einige Meter hohen Halme aus mit vor Hitze weit geöffnetem Schnabel den Jäger betrachten, um bald wieder im Graswald zu verschwinden. Gegen Abend oder bei bedecktem Himmel ist unser Vögelchen viel sichtbarer, von halbhohen Bäumen, einem Busche oder einem anderen freien Punkte aus lässt er sein einfaches, dreitöniges Lied erschallen. Fliegend erhebt er sich ungeachtet seiner runden Schwingen oft recht hoch in die Luft und lässt sich von Zeit zu Zeit grössere Strecken senkrecht herabfallen, um dann weiterzu- streichen oder ganz herabzukommen und im Gebüsch zu ver- schwinden. Dieses Herabfallen, was er auch häufig nach einem Fehlschusse auf ihn ausführt, giebt anfänglich zu dem Glauben Veranlassung, man habe den Vogel getroffen, und später überzeugt man sich, dass auch ohne Schuss dieselbe Flugweise statthat. Allerliebst sieht es aus, wenn ein Paar dieser Tiere in einem Gebüsch sein Wesen treibt, äusserst geschickt durchschlüpfen sie das Gestrüpp, sind aber von unserem Zaunkönige durch ihre Hochbeinigkeit verschieden. Im Schwanze findet man häufig verschieden lange Steuer- federn, ohne dass die kürzeren derselben Jungfedern sind. Acrocephalus? Ich habe einen Rohrsänger nicht erhalten können, möchte aber unter dieser Überschrift darauf hinweisen, dass hinter Kaevieng (Nusa) während meines dortigen Aufenthaltes im März in einem Rohrbestande sich dauernd ein typischer Rohrsängergesang hören liess, ausgehend von einem Vogel, der in der Färbung dem Drosselrohrsänger zu ähneln schien. Ungeachtet vieler Bemühungen ist es uns nicht gelungen, den Vogel zu erlegen, und ich möchte also spätere Sammler hiermit nur auf das Vorkommen desselben aufmerksam machen. Podiceps novaehollandiae Steph. Diesen Taucher erhielt ich durch die Liebenswürdigkeit eines Herrn auf Matupi, welcher den Vogel von der Elisabeth- insel (Admiralitätsinseln) hatte, wo er im März erlegt war. Der Vogel ist hiermit zum ersten Male für diese Inselgruppe, die er auf dem Zuge besucht, nachgewiesen. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 89 Verzeichnis der auf Neuguinea gesammelten Vögel. +Sula sula (L.). Eine Anzahl dieser Vögel erlegten wir im November in der Nähe der Lessoninsel, wo sie dem Fischfange oblagen. Es waren zum Teil junge Tiere im noch frischen Jugendkleide, zum Teil mausernde Vögel, welche ins Alterskleid gingen oder dieses wechselten. Da die Steganopoden, soviel mir bekannt, ihr Jugend- kleid erst nach über Jahresfrist ablegen, zur selben Jahreszeit, in welcher auch ihre Erzeuger die Federn wechseln, so handelt es sich also hier um eben fünfvierteljährige und alte Vögel nach beendetem Brutgeschäft, das demnach in unseren Sommer ge- fallen wäre. Die Tölpel sind im Fluge nicht zu verkennende Vögel, der bei vielen Arten weisse, weit in die Stirn einspringende, gerade, starke Schnabel und die weit gebreiteten, schmalen, spitzen Flügel, welche im Handgelenk im Gegensatz zu vielen andern Seevögeln stark gestreckt werden, verleihen dem Vogel etwas sehr Bezeich- nendes. Schwebeflieger sind sie nicht, wenigstens nicht während sie ihre Jagd betreiben, wie dies doch bei Möven und Fregattvögeln der Fall ist. Mit raschen Schwingenschlägen eilen sie dahin, ab und zu ein Stück schwebend, oder sie tauchen fischend in die Wogen ein. Häufig sitzen sie, meist zu mehreren vereinigt, auf Treibholzstämmen, sind dann aber ziemlich vorsichtig und lassen sich kaum auf Schrotschussentfernung ankommen, während sie fliegend ein Ruderboot unbesorgt in wenigen Metern Höhe über- streichen. Nach eingetretener Dunkelheit passiert es bisweilen, dass abgekommene Stücke sich auf Schiffe, namentlich den Bug- spriet derselben setzen, und hier lassen sie sich gewöhnlich mit der Hand ergreifen. Nach meinen Erfahrungen waren dies stets verflogene, in schlechtem Ernährungszustande befindliche Vögel, und es ist deshalb nicht angebracht, aus dem deutschem Namen der Sula Schlüsse auf die Intelligenz derselben zu ziehen. Fliegende Fische bilden den Hauptteil ihrer Nahrung. Bisweilen jagen unsere Vögel ähnlich wie es auch die Seeschwalben häufig tun, in sehr grossen, aus vielen Hunderten von Stücken bestehenden Schwärmen gemeinschaftlich in einer langen Linie neben einander fortschreitend.. Man kann dann sicher sein, dass unter dem Wasserspiegel in ganz derselben Weise Raubfische vorrücken, welche die geängstigten Flugfische oder andere kleine, geschuppte 90 O0. Heinroth: Bewohner der oberflächlichen Wasserschichten vor sich her und in die Luft treiben. An der Küste von Neuguinea kann man dies interessante Schauspiel von Bord aus häufig beobachten. Am Horizont erscheint eine schwarze Linie, die sich bald als eine Wolke dunkler Vögel entpuppt, vor dieser im Wasser spritzt und schäumt es auf, Seeschwalben eilen emsig hin und her: ein rechter Massenmord in dem scheinbaren, stillen Meeresfrieden. Fregata ariel (). Gd.). Im Januar erlegten wir ein Stück an der Herkulesbai, es mausert das Kleingefieder, ein von Dahl im August gesammelter Vogel wechselt auch die Schwingen. Als sehr weit verbreiteter Tropenbewohner hält sich dieser Vogel wohl kaum an eine eng begrenzte Mauser- und Brutzeit. Die Fregattvögel beleben häufig die sonst so tierarmen Küsten der Sundainseln und Neuguineas. Meist sieht man ein halbes oder ganzes Dutzend in sehr wechselnder Höhe, oft dicht über dem Wasser, oft kaum noch erkennbar hoch in der Luft, seine rubigen Kreise ziehen. Die Handgelenke sind dabei etwas gebeugt, jedoch nicht so stark als bei den Seeschwalben, und der Flügel erscheint durchaus nicht so auffallend schmal, wie es nach ausgestopften Stücken oft den Anschein hat. Stetig und ruhig schweben sie, nur selten mit einem Flügelschlage nachhelfend, durcheinander, ohnedassman denZweckihresTreibensrechteinsieht. Phalaropus hyperboreus (L.). In der Nähe der Lessoninsel trieben sich einige kleinere Flüge umher, ein Stück wurde am 27. XI. erlegt. Der Vogel wiegt 25,5 g und mausert das Kleingefieder anscheinend ins Winterkleid, das ja etwas heller ist. Dass die hellere Winter- farbe also bei diesem hochnordischen Brutvogel nicht als Schutz- färbung aufgefasst werden kann, geht aus Ort und Datum dieses Belegstückes ohne Weiteres hervor. In der Rede von Amboina sah ich kurze Zeit vorher grosse Schwärme dieser anmutigen Vögel, die meilenweit entfernt von der Küste auf dem Wasser herumschwammen. Carpophaga zoeae (Less.), ©. westermanni Ross. und Megaloprepia poliura Salv. wurden bei Simbang am Bubuifluss in der Nähe von Finsch- Hafen im Januar erlegt, die ersterwähnte Taube wechselt das Ornithologische Ergebnisse der ‚I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 91 Kleingefieder, M. poliura ist am Ende der Schwingenmauser, beide mausern in der für Tauben charakteristischen, langsamen Art. C. westermanni trägt das volle Federkleid. M. poliura hält sich nicht in den Wipfeln, sondern in halber Höhe der Bäume auf. Aceipiter brachywrus Rams. Dicht bei der Missionsstation Simbang wurden zwei Vögel im wenig abgenutzten Jugendkleid erlegt, wo sie in der bebuschten, offenen Landschaft niedrig über der Erde sitzend ihrer Jagd auf kleine Eidechsen (Lygosoma) nachgingen. Da diese Art noch wenig bekannt und das Jugendkleid wohl überhaupt noch unbe- schrieben ist, so will ich genauere Angaben anführen. Länge Flügel Schwanz Schnabel Lauf mas. juv. 315 190 160 18 55 mm. fem. juv. 420 254 195 26 77 en Mas. juv.: Federn des Oberkopfes dunkelbraun mit weisser Basis, um Stirn und Schläfe weisslich mit dunklen Schaftstrichen. Oberseite dunkelbraun mit rotbraunen Federrändern, Unterseite weisslich mit auf Kehle und Kropf dunkelbraunen, auf Brust und Seiten rotbraunen Schaftflecken und -Strichen. Hosen breit rost- rot längsgestreift. Handschwingen schwärzlich, Spitzen mit feinen rostfarbenen Rändern, Innenfahne nach der Wurzel zu bräunlich- gelb mit dunklen Querbinden, Armschwingen ebenso, namentlich bei den innersten ist die helle Färbung mehr hervortretend. Unterflügeldecken rostgelb. Schwanzfedern graubraun, die Innen- fahne gelbbraun mit dunklen Querbinden, Aussenfahne fein rost- braun gerandet. Fem. juv.: Oberseite ebenso, die Bänderung in Schwingen und Schwanz weniger hervortretend, Brust und Seiten tragen statt der Längsstreifen zahlreiche rostbraune, beiderseits schmal dunkler gesäumte Querbänderung auf weisslichem Grunde. Hosen eben- falls fein rostgelb quergebändert. Miüvus affinis J. Gd. Auf einer frisch abgeholzten und durch Niederbrennen ge- gereinigte Lichtung bei Simbang hielten sich zahlreiche Vögel dieser Art auf, welche anscheinend auf das nun schutzlos gewor- dene Kleingetier Jagd machten, was sie in der krähenartigen Weise unserer Milane bewerkstelligten.. Der am 13. I. erlegte 92 O0. Heinroth: Vogel ist im Federwechsel begriffen, sodass man als Brutzeit für dieses Stück wohl unsern Herbst annehmen muss. Hieracidea novaeguineae A. B. N. In einer von hohem Grase überwucherten alten Pflanzung hinter Friedrich -Wilhelmshafen sahen wir am 11. I. auf einem Pfahle einen grossen Falken in der gewöhnlichen aufrechten Stellung sitzen, der bei unserer Annährerung eine kurze Strecke weiterstrich, um wieder in derselben Weise aufzuhaken. Durch eine Hütte gedeckt gelang mir das Anbirschen, und ich erlegte ihn. Das Tier trug ein aufs äusserste abgenutztes Gefieder, stand also wohl unmittelbar vor der Mauser. Der Mageninhalt bestand ausschliesslich aus einer Menge grosser Heuschrecken (Acridier), und es ist mir noch wunderbar, wie dieser stattliche, unserem Wanderfalken in Form und Farbe doch recht ähnliche Vogel derartige Beute erlangt, d. h. ob er sie im Grase aufsucht oder die Springenden aus der Luft greift. An Federwild war dabei kein Mangel, denn zahlreiche Tauben strichen über die offene Fläche von einem Walde zum andern hinweg. Gerade dies Bei- spiel lehrt deutlich, wie die verschiedensten, von animalischer Kostlebenden Vögeleben deram leichtesten zu erlangenden Nahrung nachgehen und, wenn diese stets reichlich vorhanden ist, die ihrer Klasse ursprünglich eigentümliche Ernährungsweise schliesslich ganz aufheben. Heuschrecken kann fast jeder fleischfressende Vogel bewältigen, es geht mit dem Ibisschnabel und mit dem Falkenfange, Eisvogel und Eule machen sich hier Konkurrenz. Cacatua triton (Tem.). Ein mauserndes Stück wurde am 13. I. am Bubui erlegt. Die Vögel sind an manchen Orten z. B. am Adolfshafen recht häufig und nie zu übersehen, da sie als Spiel- und Ruheplätze dürre, hohe Baumäste am Waldrande lieben und namentlich gegen Abend sich durch ihre Stimme sehr bemerkbar machen. Unter sich äusserst selbstgefällig, gehen sie mit gesträubter Haube auf einander zu, Öffnen die Flügel, verbeugen sich, schreien, kurz, treiben es ebenso, wie wir es bei lebhaften, kräftigen Vögeln dieser Art in der Gefangenschaft zu sehen gewohnt sind. Mir fiel es auf, wie selten man die Papageien in der Freiheit ausser beim Nahrungserwerbe klettern sieht, diese Art der Fortbewegung ist nur ein Notbehelf in den engen Räumen gefangener Tiere. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 93 Der freie Kakadu fliegt von Ast zu Ast und weiss dies immer mit einem koketten Sträuben der Haube, einer Verneigung u. S. w. beim Auffussen zu verbinden. Im Fluge werden die Schwingen nach Weihenart häufig stark nach oben gehalten, was bei spielenden Paaren herrlich aussieht. Die Vögel sind stets sehr scheu, auch an Punkten, an denen sie vermutlich kaum Gelegenheit hatten, den Europäer und seine Feuerwaffen kennen zu lernen. Offenbar haben die Kakadus, deren Haubenfedern bei den Eingeborenen als Schmuck sehr geschätzt werden, mit letzteren häufig schlimme Erfahrungen gemacht und sind dadurch gewitzigt. Microglossus aterrimus (Gm.). Am Adolfshafen konnte ich am 16. I. einige Ararakakadus beobachten, von denen einer erlegt wurde, der sein volles Feder- kleid trug. Wenn diese Vögel als still, langweilig und schweigsam geschildert werden, so möchte ich diesem Urteile nach meinen allerdings nur recht flüchtigen Beobachtungen nicht beipflichten. So verschieden wie ihre Farbe ist ihre Lebensweise von der der weissen Kakadus. Im dichten Walde, demselben, von dessen Wipfeln Cacatua triton uns entgegen leuchtet, nicht hoch über dem Boden, treiben sie ihr Wesen, und ihr tiefes Schwarz verdeckt sie in dem dunkeln Gelaube. Ein wohllautender, langer, trillern- der Pfiff belehrt uns über die Anwesenheit der Vögel, und da sehen wir auch schon einen mit majestätischem, aber gewandtem Fluge zwischen den Stämmen dahinfliegen. Das Flugbild hat zunächst etwas Rätselhaftes, der gewaltige Vogel hat scheinbar keinen Kopf, an seiner Stelle scheint sich eine grosse, rote Frucht zu befinden: wir haben gegen das dunkle Laub den schwarzen Schnabel übersehen und konnten uns das rote, nackte Wangen- feld nicht erklären. Geschäftig und leise fliegen sie hierhin und dahin: ihr geheimnisvolles, fast eulenhaftes Wesen macht sie zu äusserst interessanten Papageien. Eos fuscata A. B. M. Bei Friedrich-Wilhelmshafen wurden im Januar sieben dieser Loris aus einem Schwarme erlegt, der sich in den Baumblüten sütlich tat. Es sind darunter gelbe und rote Stücke, ausserdem alle Übergänge in Orangerot und Orangegelb, Geschlecht und Alter schienen mir keinen Einfluss auf die Färbung zu haben, 94 O0. Heinroth: doch will ich die Altersfrage offen lassen, da alle erlegten Vögel unentwickelte Keimdrüsen hatten, also junge und alte Tiere dann sehr schwer zu unterscheiden sind. Alle Stücke mausern und zwar recht langsam, man findet neue Schwingen neben alten, zum Teil ohne Jungfedern nachweisen zu können. Dieser eigentümlich gefärbte Lori mit dem weissen Unter- rücken treibt es ganz nach Art seiner Gattungsverwandten. Mit reissendem Fluge fällt der Schwarm auf einem Baume, der grosse, meist rote Blüten trägt, ein, und mit Geschrei und fort- währendem Balgen werden die letzteren ausgepinselt. Dabei hängen die Vögel in derselben Weise kopfunterst und nehmen die merkwürdigen Stellungen ein, wie wir sie von spielenden Loris in unsern Käfigen zu sehen gewohnt sind. Das bunte Gefieder verschwimmt so mit den Blüten, Blättern und Ästen, dass die Tiere garnicht so leicht aufs Korn zu nehmen sind, zumal sich der Jäger natürlich gedeckt und für die aufmerk- samen Papageien unsichtbar halten muss. Man vermeide es, die geschossenen Stücke, ehe man den Schlund sehr gründlich mit Watte verstopft hat, an den Beinen aufzuheben, da man sich und die Tiere selbst sonst stets mit dem dünnflüssigen Mageninhalt beschmutzt. Collocalia fueiphaga (Thunb.). Von zwei bei Friedrich-Wilhelmshafen im Januar erlegten Stücken ist das eine im Beginn der Mauser, während das andere ein frisches Gefieder trägt. Diese Salangane ist über dem Alang-Alang ungemein häufig, wo sie ganz nach Art unserer Schwalben bald niedrig über dem Grase hinstreicht, bald Büsche und Bäume umschwärmt. Hirundo javanica Sparrm. Ein am 13. I. an der Bubui-Mündung erlegtes Stück mausert nicht und ist anscheinend ein junger Vogel. Ganz nach Art unserer Rauchschwalbe jagen sie dicht über dem Wasserspiegel und ruhen gern auf freien Pfählen im Flusse. Arses telescophthalma (Garn.). Am Ufer des Bubui wurde ein Männchen aus einer Baum- krone herabgeschossen. Die am Balge rasch verschwindenden, prächtig himmelblauen Lappen um das Auge dieses anmutigen, Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 95 weiss und schwarzen Fliegenfängers verleihen dem Vogel etwas ebenso Charakteristischesals Reizvolles. Das Gefiederist vollständig. Rhipidura tricolor (Vieill.). Am 11. I. beobachteten wir im Friedrich - Wilhelmshafen ein Paar dieses Fächerschwanzes mit zwei erwachsenen Jungen im ersten Kleide, die von den Mangroven aus ihre Rundflüge nach über dem Wasser fliegenden Kerbtieren ausführten. Ich habe diesen Vogel an allen von mir besuchten Punkten Neu-Guineas gefunden. in Betreff seiner Lebensweise verweise ich auf das über ihn unter den Vögeln des Bismarckarchipels Erwähnte. Rhipidura setosa (Qu. Gaim.). Das am 11. I. im vollen Federkleide bei Simbang erlegte Stück unterscheidet sich in nichts von den Vögeln des Bismarck- Archipels. Cracticus cassicus (Bodd.). Ein Stück dieses bei Friedrich-Wilhelmshafen in bebuschten Gegenden recht häufigen stattlichen Vogels wurde daselbst am 1. XII. erlegt, als es über eine Lichtung streichend sich auf einen einzelnen Baum setzte, es mausert nicht. Die klangvollen Flötentöne dieses Vogels erregen bald die Aufmerksamkeit des Sammlers. Collurieincla sp.? Dieser Vogel ist von Herrn Gouverneur v. Bennigsen auf dem Sattelberg im Juni 1901 gesammelt. Er ähnelt der C. affinis (G. R. Gr.), ist aber doch von dieser Art und C. mega- rhyncha (Q. und G.) wesentlich verschieden. Ich lasse seine Be- schreibung folgen, wage aber nicht, auf dies eine Stück hin eine neue Art zu gründen. Oberseite graubraun, Oberkopf mehr grau. Schwingen braunschwarz, innen und aussen heller gerandet, Armschwingen mit breiten rotbraunen Aussensäumen. Schwanz olivenbraun, Kehle weisslich, Unterseite rostbraun. Schnabel dunkelbraun, Basis des Unterschnabels heller, Füsse braun, „Auge gelb.“ Flügel 90, Schwanz 73, Schnabel 15, Lauf 20 mm. Der Vogel ist ein Männchen im vollen Gefieder. Rhectes dichrous Bp. Das Stück stammt aus der Gegend von Simbang und ist am 13. I. im vollen Gefieder erlegt. 96 O. Heinroth: Corvus orru Bp. Dieser typische Corvus orru ist am 1. VII. bei Friedrich- Wilhelmshafen erlegt und ist im Beginn der Mauser, was auch dem gleichen Verhalten der Raben der Gazelle-Halbinsel ent- spricht. Wegen der Unterschiede dieser nahe verwandten Vögel verweise ich auf das bei O. insularis Gesagte. Gymnocorax senex (Less.). Am 13. I. trafen wir im hohen Urwalde, welcher die Mündung des Bubui-Flusses auf seiner rechten Seite umsäumt, auf einen Flug dieser grossen Vögel, welche zunächst durch ein miauend-klagendes Geschrei, welches durchaus nichts Raben- artiges hat, unsere Aufmerksamkeit erregten. Es gelang, zwei Stück zu erlegen, dem ziemlich hellen Kleide nach zu urteilen, wohl junge Tiere, von denen das eine zu mausern begonnen hatte. Der Vogel ist für einen Raben auffallend dünn befiedert, die Haut dagegen ist dick, wie bei den Verwandten. Im Magen fanden sich Früchte. Manucodia chalybeata Penn.? Der Vogel, ein Männchen im Beginn der Mauser, ist am 13. I. bei Simbang erlegt und unterscheidet sich von einer An- zahl mir vorliegender Stücke von WM. chalybeata durch den grünen statt blauen Glanz, der am deutlichsten auf den Arm- schwingen sichtbar ist, sodass ich nicht wage, mein Exemplar den sich untereinander vollkommen gleichendenStücken von M.chalybeata einzureihen. Weitere Belegstücke aus der Gegend des Bubui, die vorläufig noch fehlen, müssen darüber Aufschluss geben, ob hier nur eine individuelle Abweichung oder eine besondere Lokal- form vorliegt. Dieruropsis carbonarius (S. Müll.). Bei der Besprechung von Dierurus laemostictus Scl. habe ich darauf hingewiesen, dass letzterer Drongo mit weissen Spitzenflecken versehene Unterflügeldecken hat, was bisher über- sehen ist. Einige der im Berliner Museum vorhandenen Stücke von D. carbonarius haben ebenfalls, wenn auch kleinere, so doch deutliche weisse Flecken an derselben Stelle, während mein am 16. I. an der Herkules- Bai erlegter Vogel, sowie ein anderes Stück des Museums diese nicht besitzen: es scheint sich hier um individuelle Variation zu handeln. Die meisten Drongo-Arten Ornithol ogische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 97 besitzen diese weissen Flecken an den Unterflügeldecken, irgend- welche Bedeutung für das Tier haben sie wohl nicht. Mein Exemplar trägt ein recht abgenutztes Gefieder. Mimeta striata (Qu. und Gaim.) Ein am 13. I. bei Simbang erlegter Vogel dieser Art trägt das volle Federkleid. Mino dumonti Less. Drei mausernde Stücke wurden ebenfalls am 13. I. bei Simbang gesammelt, die Vögel hielten sich nach Atzelart paar- weise auf hohen Bäumen über dem Niederwalde oder der Gras- landschaft auf und ähneln ihrem Verwandten aus dem Bismarck- archipel (M. kreffti) ungemein, sind aber an den weissen, unter das Schwarz des Halses eingesprengten Haaren leicht zu unter- scheiden. Donacicola sharpii Mad. Ein nicht mauserndes Stück erlegten wir am 1. XII. bei Friedrich-Wilhelmshafen, wo der Vogel den gewöhnlichen, das hohe Gras belebenden Prachtfinken darstellt. In seinem Wesen habe ich Unterschiede von den Munien des Bismarckarchipels nicht wahrgenommen. Xanthotis chrysotis (Less.)? Ein bei Simbang am 13. I. erlegtes Stück unterscheidet sich von dem typischen X. chrysotis durch die viel braunere Färbung, die Brust ist rotbraun, der graue Ton fehlt ganz. Ich glaube, dass sich der Vogel im ersten Jugendkleid befindet, denn seine Masse stehen hinter denen von X. chrysotis etwas zurück (Flügel um 5, Schnabel um 1 mm kürzer). Eine Jungfeder am Halse, welche den ersten Anfang der Mauser darstellt, hat die grünlichere Farbe der typischen Stücke. Cinnyris aspasia Less. Ein am 2. I. bei Friedrich-Wilhelmshafen geschossenes Weibchen mausert nicht. Der Vogel scheint sich ganz wie C. corinna (Salvad.) zu verhalten. Cinnyris frenata ($S. Müll.) Ein Männchen vom 1. XI. stammt von Friedrich -Wilhelms- hafen, es mausert nicht. Über die Unterschiede der von mir Journ. f. Orn. LI. Jahrg. Januar 1908. 7 ög Ö. Heinroth: abgetrennten Lokalform des Bismarckarchipels s. unter Oinnyris frenata flava. Malurus albiscapulatus A. B. M. Ein Vogel dieser Art wurde bei Friedrich -Wilhelmshafen am 11. I. erlegt, er ist am Ende der Mauser. Er lebt im hohen Grase und in Büschen, welche in letzteres eingesprengt sind. Am Herkules-Fluss beobachtete ich ihn im hohen Schilf, wo eine Familie mit den bräunlichen Jungen ganz nach Zaunkönigart am 16. I. ihr Wesen trieb. Cisticola escilis (Vig. Horsf.) Ein frisch vermausertes Weibchen sammelten wir am 1. XI. bei Friedrich-Wilhelmshafen, der Vogel ist dort im Graslande ebenso häufig wie auf Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg. Es ist vielleicht auch von Interesse, einige Angaben über Vögel zu machen, die zwar nicht erlegt, aber deren Vorkommen mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Kasuarspuren, die vom Buschwalde in grosser Menge nach dem Süsswasser führten, fanden sich in dem sandigen Ufer des Herkulesflusses, woselbst auch ein Paar Zadorna radjah (Garn.) vor mir aufging. Letztere Ente beobachteten wir auch am Bubui-Fluss. In ihrem Fluge gleicht sie ihrer nordischen Ver- wandten, der Tadorna tadorna (L.) sehr, schlägt aber als kleinerer Vogel etwas rascher mit den Schwingen. KRhytiidoceros plicatus (Forst.) ist am Bubui, dem Adolphshafen und Herkulesfluss recht häufig. Grosse Scharen einer Myristicivora-Art zogen Nach- mittags zwischen 4 und 5 Uhr am 19. XI. von NW. nach SO. über die Kofian Insel nach der Nordostspite von Neu-Guinea. Die einzelnen Flüge bestanden aus einem oder einigen Dutzenden dieser auf weithin erkennbaren, schwarz und weissen Tauben, die in gerader Reihe nebeneinander oder in sehr stumpfwinkliger Keilordnung dahinzogen. Ich schätzte ihre Flughöhe auf etwa 100 m. Ein Paar Myristiciwora sah ich am Herkules-Fluss auf einem hohen, dürren Baume, die Vögel waren sehr scheu. Durch Herrn Gouverneur v. Bennigsen erhielt ich von den Palau-Inseln zwei Exemplare von Cinnyris ruberater Less.: Örnithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 99 ein nicht mauserndes Männchen vom Februar und ein mauserndes, auffallend grosses Stück mit Nest und zwei Eiern aus dem März von Pulo-Anna. Von demselben Herrn wurde im März auf Pulo-Anna ein junges Männchen von Carpophaga oceanica (Less.) gesammelt, dasselbe hat „gelbe Augen‘ und mausert. Es sei mir gestattet, an der Hand meines Sammlungs- materials und meiner Beobachtungen hier meine Ansichten über die Art der geographischen Verbreitung der Vögel im Bis- marckarchipel darzulegen. Vergleichen wir die beiden Haupt- inseln Neu-Pommern und Neu-Mecklenburg, so ergeben sich eine ganze Reihe Arten, welche nur auf einer der beiden Inseln vorkommen, trotzdem die Entfernung zwischen denselben, namentlich wenn man berücksichtigt, dass die Neu-Lauenburg-Gruppe ge- wissermassen noch eine gute Verbindung darstellt, an der schmalsten Stelle nur 33 km beträgt, man kann also die Küste Neu-Mecklenburgs noch recht gut von Neu-Pommern aus er- kennen. Ich sehe hier von den Vogelarten ab, die nur in so ver- einzelten Vertretern bekannt sind, dass ihr bisher noch nicht nachgewiesene Vorkommen an einem Orte noch lange nicht ihr Nichtvorhandensein beweist, sondern berücksichtige nur die Formen, von denen man bestimmt behaupten kann, dass sie wirklich in einer Gegend fehlen. Auf Neu-Mecklenburg, dagegen nicht auf Neu-Pommern, leben folgende Arten: Piilopus rivolü (auch Neu-Lauenburg), Pt. johannis (auch Neu-Hannover und Admiralitätsinseln), HZaleyon nusae, Pitta novae hibernicae, Mo- narcha chrysomela, Dierurus megarhynchus, Munia hunsteini, M. forbesi, Myzomela pammelaena (auch Admiralitäts-Inseln und bei Neu-Hannover), M. coceinea (auch Neu-Lauenburg), M. pulchella, Dicaeum eximium. Auf Neu-Pommern, und zwar dem Neu-Mecklenburg zugekehrten Teile der Gazelle-Halbinsel, kommen vor ohne ihre Verbreitung nach Neu-Mecklenburg aus- zudehnen: Casuarius benetti, Tanysiptera nigriceps (auch Neu- Lauenburg), Haleyon tristrami?, Pitta mackloti (auch Neu-Guinea), Poecilodryas aethiops, Monarcha verticalis (auch Neu-Lauenburg), Dierurus laemostietus, Munia melaena, M. spectabilis, Philemon ceockerelli (auch Neu-Lauenburg), Myzomela erythromelas, M. cineracea, Dieaeum layardorum. Die durch liegende Schrift her- vorgehobenen Arten sind diejenigen, welche mir besonders 7* 100 Ö. Heinroth: typisch erscheinen, da ihr Nichtvorkommen anderortes als er- wiesen zu betrachten ist, und sie zum Teil auf Neu-Pommern, bezüglich Neu-Mecklenburg Vertreter haben. Leider ist der Teil Neu-Pommerns, welcher der Küste Neu- Guineas zugekehrt ist, vollkommen unerforscht, ja man kann sagen, dass wir eigentlich nur die Vogelfauna eines Teiles der Gazelle-Halbinsel kennen, und ich glaube mit Bestimmtheit, dass gerade die westliche Hälfte der Insel uns noch sehr viele Über- raschungen bringen wird, jedenfalls aber Vogelformen, welche den Arten Neu-Guineas recht nahe stehen, sich aber doch von ihnen unterscheiden. Die Gazelle-Halbinsel und der anschliessende Teil Neu-Pommerns ist vulkanisch, und ich kann mich der Em- pfindung nicht erwehren, als wenn dieses Gebiet, oder besser ge- sagt dessen Oberfläche durch vulkanische Eruptionen heimgesucht, geologisch recht neu, d. h. seit noch nicht sehr langer Zeit erst wieder von Pflanzen und Tieren besiedelt ist. Der übrige Teil Neu-Pommerns macht viel mehr den alten, massigen Eindruck von Neu-Guinea, als dessen Fortsetzung wir ihn ja nach einem Blick auf die Karte sofort auffassen. Die Gazelle-Halbinsel wäre nach dieser Ansicht, sei es, dass sie erst spät durch Hebungen entstanden ist, und dafür sprechen die Inseln der Blanche-Bucht, sei es, dass ihre jetzige Oberfläche erst seit neuerer Zeit für Lebewesen bewohnbar wurde, noch nicht lange von Tieren und Pflanzen besiedelt, die dann wohl hauptsächlich von dem alten Teile der Insel her eingewandert sein würden. Wir wissen nicht, wie viele Vogelarten in West-Neu-Pommern leben, ich glaube mit Bestimmtheit, dass die Avifauna der Gazelle- Halbinsel nur einen Bruchteil von diesen bildet. Weil die Ein- wanderung nach der Gazelle-Halbinsel erst jüngeren Datums ist, haben sich die Vögel auf Neu-Mecklenburg weiter verbreitet, so nah und ähnlich dessen Küste der Neu-Pommerns ist, während Neu-Lauenburg bereits die Spuren dieser Einwanderung aufweist (Tanysiptera, M. verticalis, Philemon, Myzomela cineracea). Unter Zugrundelegung dieser Ansicht erkläre ich mir das Zu- standekommen der Avifauna Neu-Mecklenburgs so, dass in der Zeit, als die Gazelle-Halbinsel biologisch noch nicht in Betracht kam, einzelne Neu-Pommern-Vögel einwanderten und sich hier nun in der langen Zeit durch irgend welche äussere oder innere Einflüsse veränderten: Halcyon nusae aus H. trisirami, Pitta novae-hibernicae aus P. mackloti, Monarcha chrysomela aus M. ithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 101 TOYPSIFOrUDAL DEN 102 O0. Heinroth: kordensis, Dier. megarhynchus, Munia hunsteini und forbesi, Dicaeum eximium aus D. layardorum, wobei sich die angegebenen Stammformen Neu-Pommerns natürlich auch im Laufe der Zeit verändert haben werden. Andere Vögel wanderten aus den nördlichen Inselgruppen (Neu-Hannover, Admiralitäts-Inseln) nach Neu-Mecklenburg, z. B. Piilopus johannis und Myzomel«a pammelaena. Wie grösste Menge der Vogelarten hat durch ihre herumstreifende Lebensweise, z. B. Sturnidae, Carpophagidae, alle Strandvögel, eine so weite Verbreitung, dass sie rasch auf jedem ihnen zusagenden Gelände einwandern. Ich weiss, dass diese Hinweise eben nur Vermutungen sind, aber sie entbehren doch wohl nicht jeder reellen Grundlage. Vor allen Dingen möchte ich das Augenmerk künftiger Forscher auf das Studium des westlichen Teils von Neu-Pommern lenken, in dem sicherlich eine Fülle neuer Formen und für diese Insel noch unbekannte Gattungen sich finden wird. Auch der südliche Teil Neu-Mecklenburgs bedarf noch dringend der Erforschung und wird manches Interessante ergeben. Dass St. Matthias und andere entlegene kleine Inselgruppen noch vieles Neue bringen werden, ist wohl ohne weiteres einleuchtend. Eine grosse Menge Zugvögel berührt zu allen Monaten des Jahres den Bismarckarchipel. Nordische Strandvögel trifft man etwa vom Oktober bis zum April, einzelne scheinen auch den auf ihr Geburtsjahr folgenden Sommer, in dem sie noch nicht fortpflanzungsfähig sind, in den Tropen zu verleben. Halcyon sanctus und Merops ornatus sind die Haupt-Sommergäste aus dem Süden. Wenn man so vielfach die Ansicht aussprechen hört, dass Klima, Boden und Nahrung gestalt- und farbenbildend auf Tiere, speciell auch Vögel einwirken sollen, so mag dies für Wüsten- und Polartiere eine gewisse Richtigkeit haben, wenngleich sich unter den hochnordischen Brutvögeln schwarze, weisse und bunte durcheinander vorfinden (Oidemia,Corvus, Hierofalco, Rissa u. a.m.). Im Allgemeinen bin ich, nachdem ich Gelegenheit hatte, Vogeltypen Europas, Südasiens und Papuasiens vergleichend kennen zu lernen, von dieser Auffassung mehr und mehr abgekommen. Viel näher liegt mir die Anschauung, dass gewisse Vogelgruppen eine ganz bestimmte Art der Form, Färbung und Zeichnungsweise besitzen und diese unter allen Umständen nur mit geringen Modificationen beibehalten. Unser Alcedo ispida, der aus dem vereisten Gebirgs- Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 103 bach die Forellenbrut fischt, ist für den Laien fast identisch mit dem tropischen A. ispidoides, der in mittäglicher Sonnenglut am Rande des stillen Oceans bei heisser Salzquelle die Korallenfische erbeutet. Corvus orru trägt auf dem Palmwedel dasselbe schwarze Gewand wie alle Verwandten der Rabenkrähe, auch wenn sie ihre kärgliche Winternahrung unter schneeiger Decke hervorsuchen müssen. Auch die tropischen Seeschwalben sind meist weiss oder hellgrau wie ihre nordischen Vettern, das Kleid der letzteren verbirgt sie dem Auge im Schnee, jene hebt es leuchtend gegen das Grün der Mangroven ab. Die meisten Raub- und Strandvögel gleichen sich trotz des verschiedensten Klimas ungemein, und wenn Hieracidea novaeguineae auch nur Heuschrecken und Aceipiter brachyurus nur diese und Eidechsen frisst, so tragen sie doch Farbe und Zeichnungsweise sowie die Grössendifferenz der Ge- schlechter des Wanderfalken und Sperbers. Pachycephala melanura und Monarcha inornata gehen auf kleinen Inseln ein und derselben Insektennahrung in derselben Baumhöhe nach, und hat die gemein- same Lebensweise, der Boden, das Klima u. s. w. ihnen einen gemeinsamen Charakter aufgedrückt? Keineswegs. Bekanntlich lassen sich diese Beispiele bei den Vögeln anderer Länder ins Ungemessene fortsetzen. Gewiss kommen namentlich bei Tieren, welche in deckungslosem Gelände leben (Wüste, Schnee), Anpas- sungen an die Farbe der Umgebung vor, und diese lassen sich aus der natürlichen Zuchtwahl, durch Übrigbleiben der bestge- schützten Exemplare leicht erklären, hier tritt also die unbe- lebte Aussenwelt nicht selbständig in Action, um Veränder- ungen des Tierkörpers zu erzeugen. Ich muss gestehen, dass ich keinen Fall kenne, in dem man zu der Annahme berechtigt wäre, dass Boden und Klima an sich beim Hervorrufen einer Färbung oder Form tätig waren, bei der Nahrung sind ja einige wenige Fälle bekannt, die aber für die Zeichnungsweise und Form nicht in Betracht kommen. Ich habe in meinen oben angeführten Bei- spielen absichtlich nur solche Vögel erwähnt, bei denen sexuelle Schmuckfarben nicht vorkommen, deren Entstehung man ja ge- wöhnlich als vom Geschmack der Weibchen u. s. w. gezüchtet annimmt. Aber auch dabei bedenke man, dass wohl über die Hälfte aller Individuen Männchen sind, also Boden, Klima und Nahrung auf diese auch einwirken müssten, und überlege sich, wie viele verschieden geformte und gefärbte, doch immerhin nahe verwandte Paradiesvogelgattungen in derselben Gegend Neu-Guineas 104 O. Heinroth: vorkommen. Gerade bei Inselformen, die doch wohl sicher durch Einwanderung nur weniger Individuen entstanden sind, liegt die Annahme weitervererbter, und dadurch gesteigerter zufälliger individueller Abweichung unter den letzteren sehr nahe. Da die daraus entstehende neue Form sich nicht mehr mit der Stamm- form mischen konnte, so drückte der zufällige, später gesteigerte, individuelle Charakter eines verflogenen Vogelpaares der aus dieser hervorgegangenen Inselform seinen Stempel auf. Bekannt- lich züchtet niemand weisse Hühner und Enten aus farbigen Formen, indem er sie im Sommer auf weissen Sand und im Winter in den Schnee setzt, sondern indem er zufällige, wenn auch pur teilweise Albinismen absondert und paart. Was den Nutzen einer Farbe für den betreffenden Träger angeht, so lässt sich auch hierüber durchaus nichts so Bestimmtes sagen, wie dies von den Zweckmässigkeitslehrern so gern getan wird. Wie schon oft erwähnt, kommt Schutzfärbung gegen Raub- zeug wegen Fehlens desselben im Bismarckarchipel kaum in Betracht, diese könnte also nur als von den anderenorts lebenden Stammformen ererbt aufgefasst werden, dies gilt vielleicht vor- wiegend für grüne Vögel (Pfilopus, Charmosyna, Cinnyris corinna fem.). Wir wissen, dass die Farbe einen wesentlichen Einfluss auf die Wärmeaufnahme und- Abgabe des Körpers hat, und hier müssten nun Unterschiede krassester Art zwischen tropischen und nordischen Vögeln auftreten. Wie schon erwähnt, entspricht die Färbung der tropischen Sterna melanaunchen z. B. vollkommen der der nordischen Lariden, und, wenn das Weiss aus irgend- welchen anderen Gründen für Lariden besonders zweckmässig ist, so stellt der schwarze Anous oder Sterna fuliginosa, die man sehr häufig mit ihren weissen Verwandten zusammen sieht, ein ungelöstes Rätsel dar. Viele Vögel der Tropen scheuen die Mittagssonne (s. Cisticola exilis) und sind vorwiegend in den Morgen- und Abendstunden tätig, andere sieht man zu allen Tageszeiten und in der prallsten Sonne. Uns würde die weisse oder doch eine helle Farbe für diese Tiere zur Milderung der Sonnenwirkung am zweckmässigsten erscheinen, aber in Wirklich- keit ist sie durchaus nicht besonders häufig. Das Kleid von Rhipidura tricolor habe ich bei diesem Vogel schon besprochen, Dendrochelidon mystacea ist ebenfalls oben schwarz und sitzt stets in der heissesten Mittagssonne. Lalage und Graucalus sclateri, ausserdem Halcyon und Merops trotzen ebenfalls an Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 105 exponierten Punkten dem Sonnenbrande: sie sind sehr verschieden gefärbt, und auf die auffallend dicke Befiederung der Campe- phagiden habe ich bei Besprechung dieser Vogelgruppe bereits hingewiesen. Irgendwelche „Anpassungen“ an die gleichmässige Hitze des Bismarckarchipels hinsichtlich der Farbe der Vögel kenne ich nicht, wie schon bei dem Einfluss des Klimas erwähnt, tragen die bei uns in Deutschland vorkommenden Vertreter der auch in Neu-Pommern beheimateten Vogelgruppen hier wie dort auch im Wesentlichen dasselbe Kleid (Stare, Fliegenschnäpper, Raben, Seeschwalben, Eisvögel, Raubvögel, eigentliche Kuckucke, Segler, Schwalben, Raken u. a., allerdings sei dabei erwähnt, dass auch viele dieser europäischenFormen einen grossen Teil ihres Lebens in den Tropen zubringen. Bedenkt man, dass bei ARhipidura tricolor über Nest- und Brutverhältnisse Erwähnte unter Berück- sichtigung der Eierfarbe dieses Vogels, welche von der des Geleges unserer meisten heimischen Sänger nicht wesentlich abweicht, so sehen wir, dass auch hier keinerlei Veränderung durch Klima u. Ss. w. stattgefunden hat. Der Einfluss der Jahreszeiten auf die Brutzeit der Vögel des Bismarckarchipels ist ein sehr geringer, sehr viele Arten brüten in allen Monaten, einige vorwiegend in unserem Sommer, andere in unserem Winter. Wenn man in diesem tropischen Inselklima von Trocken- und Regenzeit spricht, so findet den Unterschied zwischen beiden wohl der erfahrene Meteoro- loge, für das praktische Leben kommt er wenig in Betracht. Sowohl der vom April bis November wehende S.0.-Monsun, als der vom Dezember bis in den April herrschende N.W.-Wind bringen schöne, klare Tage und Regen; auch in der „Regenzeit,“ die dem N.W.-Monsun entspricht, kann für die auf Regenwasser angewiesenen Matupi-Einwohner Wassermangel eintreten. Wenn man bedenkt, dass unsere heimischen Vögel nach vollendeter Sommermauser zum grossen Teil wieder zu singen anfangen und Nistgedanken sich in ihnen regen, ich erinnere z. B. an den Star, der sich im Herbst wieder an dem Nistkasten einfindet und sich dann genau so benimmt wie im Frühjahr, so liegt die Annahme nahe, dass unsere Tierwelt nur durch den Eintritt des Winters von der weiteren Fortpflanzung abgehalten wird. Da bei uns eben nur die zu Beginn der guten Jahreszeit erzeugten Nach- 106 O0. Heinroth: kommen Zeit genug haben, sich gut zu entwickeln, so ergiebt sich ja auch die Brunstzeit unserer grösseren Säugetiere durch Abzug der Trächtigkeitsdauer von den Frühlingsmonaten, obgleich dann also die recht aufreibende Paarungszeit bisweilen in sehr entbehrungsreiche Perioden fällt. Bekanntlich neigen Haustiere, welche unabhängig von den schädigenden Einflüssen unseres Winters in gleichmässig günstigen Bedingungen gehalten werden, rasch dazu, sich in jeder Jahreszeit fortzupflanzen. Für die meisten Vögel gilt die Regel, dass der Federwechsel nach be- endetem Brutgeschäft eintritt, letzteres wird von vielen Arten in Gestalt mehrerer, aufeinander folgender Bruten erledigt. Dieser Satz gilt wol auch von den Vögeln des Bismarckarchipels, aber während in Europa dann der Winter eine Unterbrechung mit sich bringt, scheint der frisch vermauserte Vogel des tropischen Inselklimas in den meisten Fällen sofort wieder an die Fort- pflanzung zu gehen. Diese Unterbrechung des Brutgeschäftes durch die Mauser geht bei manchen Arten bei den meisten Indi- viduen gleichzeitig vor sich (z. B. Caprimulgus macrurus) oder die einzelnen Paare verhalten sich dabei ganz verschieden (z. B. Calornis metallica). Auch im ersteren Falle ist die Brut- und also auch die Mauserperiode der ganzen Art eine viel längere als in unseren Breiten. Geschlechtsreife Caprimulgus macrurus mit fast legereifen Eiern findet man bereits im Mai, kaum flug- fähige Junge sammelte ich im Dezember, mausernde Stücke giebt’s vom Januar bis zum Mai, also hat diese Nachtschwalbe sechs Monate Brut- und fünf Monate Mauserzeit! Diejenigen Vögel, welche man das ganze Jahr hindurch nistend antrifft, liefern natürlich auch in allen Monaten Junge und, da diese alle im gleichen Alter fort- pflanzungsfähig werden, so steigert sich dadurch noch die zeitliche Unregelmässigkeit. Bei vielen Tauben, bei welchen die Mauser durch die Langsamkeit ihres Verlaufes den Körper des Vogels nicht stark in Anspruch nimmt, scheint durch sie auch keine Unterbrechung des Brutgeschäftes bedingt zu sein. Das Fehlen einer durch Jahreszeiten hervorgerufenen längeren Unterbrechung der Brutperiode bringt es mit sich, dass sogenannte Winterkleider, wie sie bei unseren Vögeln häufig vorkommen und entweder durch Mauser oder Abstossen der Federspitzen in das Prachtkleid verändert werden, bei den in Rede stehenden tropischen Inselformen überhaupt nicht vorkommen: hier bringt jede Mauser sofort das Brutkleid hervor. TE Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 107 Ich bin ausser Stande, anzugeben, wieviel Bruten bei den einzelnen Vogelarten aufeinander folgen, so interessant die Kenntnis dieses Umstandes für die Feststellung der jährlich erzeugten Menge von Nachkommenschaft wäre. Bekanntlich legen die meisten Vögel des Bismarckarchipels nur ein bis drei Eier in einem Gelege, während ihre nordischen Verwandten 4—6 Eier erzeugen. Ob diese Differenz durch die Anzahl der Gelege aus- geglichen wird, oder ob die Vermehrung dieser tropischen Vögel tatsächlich eine viel geringere ist, weiss ich nicht. An sich wäre es wohl denkbar, dass bei diesen auch eine viel weniger zahlreiche Nachkommenschaft bereits die Erhaltung der Art gewährleistete, denn viele Gefahren, welche unsere deutschen Vögel bedrohen, fallen für jene weg. Das fast gänzliche Fehlen von Raubzeug, die gleichmässig gute Jahreszeit, welche auch die Gefahren des Vogelzuges, indem sie diesen unnötig macht, ausschliesst, werden die Vogelsterblichkeit wohl in hohem Grade herabsetzen. Der eingeborene Mensch nimmt zwar Eier und Vögel zu Nahrungs- zwecken, wenn er sie finden und erlangen kann und stellt manchen Arten ihrer schönen Federn halber nach, aber diese Nachstellungen fallen bei der geringen Einwohnerzahl wenig ins Gewicht, zumal der Papua keine ausgiebigeren Fangmethoden anwendet. Das Thema Nutzen und Schaden lässt sich für die Vögel des Bismarckarchipels sehr kurz fassen. Die meisten Arten sind für den Menschen völlig indifferent. Die Beeren- und Frucht- fresser suchen ihre Nahrung im Walde oder im Busch und leben von Pflanzenprodukten, die von keinem Menschen verzehrt werden. Nutzen stiften diese Vögel durch ihr Fleisch und eventuell dadurch, dass sie zur Anpflanzung ihrer Nahrungsbäume beitragen. In den Bananenpflanzungen treibt der Philemon cockerelli sein Wesen, ob er jedoch durch Verzehren von Bananen Schaden anrichtet, weiss ich nicht, jedenfalls kommt dies nicht wesentlich in Betracht. Wie schwer es ist, sich über den Nutzen insektenfressender Vögel ein Urteil zu bilden, ist bekannt, und in unserem Falle wächst die Schwierigkeit, da wir die wirtschaftliche Bedeutung der dortigen Insekten kaum kennen. Der grosse Aeridier, welcher das trost- lose Alang-Alang bevölkert und vielleicht auch Teile davon ver- zehrt, schadet niemandem und ob die Mantis, welche der Halcyon, Dierurus, Centropus u. s. w. nicht weit von ihm erbeuteten, von nützlichen oder schädlichen Kerfen lebt, weiss wohl niemand. Die Raupenfresser (Graucalus, echte Kuckucke u. s. w.) holen sich ihre 1083 O. Heinroth: Beute an Orten, wo die Raupen keinem Menschen schaden. Der Hauptertragsbaum ist die Kokospalme, ihretwegen werden die Urwälder niedergelegt und die Büsche ausgerodet, und mit ihrer Anpflanzung verschwinden deshalb die meisten Vögel, nur die Nectarinien, Trichoglossus subplacens, einige Philemon cockerelli und Ahipidura tricolor bleiben zurück. Bis auf die letztere machen sie sich alle an den Kokosblüten zu schaffen und tragen vielleicht zur Befruchtung derselben bei. Ninox odiosa lebt zum grossen Teil von kokosschädlichen Nashornkäfern, sie bringt also der Pflanzung Nutzen, doch schwinden mit der Anlage der letzteren auch die Nistplätze für die Eule. Die Tagraubvögel sind wohl aus der Nähe des Geflügelzucht treibenden Menschen zu ver- bannen, denn ein unbeaufsichtigtes Küken fällt auch den sonst sich mit Eidechsen und Heuschrecken Begnügenden zum Opfer. Natürlich sehe ich dabei von Pandion leucocephalus, dem aus- schliesslichen Fischfresser ab, ihm gönne man ruhig die Fische, welche er dem Meere entnimmt. Einige Bemerkungen über die auf der Aus- und Rückreise gesammelten und beobachteten Vögel. Hydrobates pelagica {L.) Ein an der Küste Frankreichs aufs Schiff geflogenes Stück wurde abgebalgt, es war sehr abgemagert und mausert nicht (Ende Juli). Überall wo die Sturmschwalben geschildert werden, finde ich die Angabe, dass die Tiere über das Wasser gleichsam hinlaufen, d. h. unter Zuhilfenahme der Füsse über den Meeres- spiegel dahineilen und sich niemals auf denselben schwimmend niederlassen. Obgleich ich im Mittelmeere täglich Gelegenheit hatte, die anmutigen Vögel zu beobachten, konnte ich mich hier- von nie überzeugen. Halbe Stunden lang sahen nicht nur ich, sondern auch Herr Kothe und häufig auch die gerade dienstfreien Herren der Schiffsbesatzung oft aus nächster Nähe und mit guten Ferngläsern bewaffnet den Tieren zu, und niemals konnten wir eine Fussbewegung der Fliegenden feststellen. Aydrobates fliegt mit meist nach unten gebogenen Flügelspitzen, wie es z. B. auch die Strandläufer tun, ganz niedrig über dem Wasser dahin, immer denselben Abstand von der Oberfläche einhaltend, aber stets bleiben die Beine ruhig nach hinten ausgestreckt. Sehr Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 109 häufig sahen wir die Sturmschwalben sich auf dem Wasser niederlassen und oft recht lange Zeit auf demselben schwimmen, genau wie man es bei den Möven so häufig beobachten kann. Hydrobates fliegt also ohne Zuhilfenahme der Füsse dicht über dem Wasserspiegel und ruht häufig auf letzterem aus. Wahrscheinlich bezieht sich also die Angabe des Wassertretens auf die langbeinige Gattung Oceanites. Falco eleonorae Gene. Der Eleonorenfalke erschien recht häufig und bisweilen paarweise auf der Takelage des Schiffes während der Durchfahrt durch das Rote Meer im August 1900. Ich hatte den Eindruck, dass dieser Vogel die Schiffe systematisch nach auf diesen ausruhenden kleineren Vögeln absucht, denn er kommt geraden Weges von der Küste angeflogen und ver- schwindet, wenn er nichts für sich findet, rasch wieder. Einmal hatte sich ein Wiedehopf vor einem Paare dieser Vögel in eine Segelfalte versteckt, kam aber schliesslich doch hervor und strich ab. Merkwürdigerweise gelang es den ihn nun verfolgenden Räubern nicht, ihn zu schlagen, wenigstens soweit ich der Jagd mit den Augen folgen konnte. Ceylon. Plotus melanogaster (Gm.) Nach den bisher bekannten Schilderungen lebt der Schlangen- halsvogel etwa nach Kormoran-Art, indem er meist einzeln schwimmend und tauchend seine Nahrung erwirbt. Ganz andere Beobachtungen machte ich am Katale-See. Gleich bei meinem Eintreffen dort sah ich in der Ferne eine sehr langgestreckte Wolke schwarzer Vögel niedrig über den Wasserspiegel sich hin- wälzen, die jedoch auffallend langsam vorwärts kam und in gleichmässiger langer Front vorrückte. Es dauerte eine geraume Zeit, bis ich dieses Schauspiel enträtseln konnte, zumal ich diese Lösung eben nicht erwartet hatte. Um zu fischen gesellen sich hier Tausende, ja vielleicht Zehntausende von Schlangenhalsvögeln zusammen, bilden einen Schwarm von einem oder mehreren Hundert Metern Länge und einigen Metern Tiefe und rücken in der Weise über und unter dem Wasser vor, dass die Vordersten untertauchen, nun von den Fliegenden überholt werden und 110 O. Heinroth: nach dem Auftauchen wieder fliegend nacheilen, der ganze Zug bewegt sich also gewissermassen walzenartig vorwärts. Die Vögel fliegen so dicht, dass einmal mit einer Kugel vier Stück durchschossen werden konnten. Dabei sieht man fortwährend Trupps von anscheinend gesättigten Vögeln dem Strande zufliegen, während andere sich dem Gros neu anschliessen. Ausruhend sitzen diese Schwärme am flachen Strande, indem sie die aus- gebreiteten Schwingen an der Sonne trocknen lassen, ganz wie wir dies ja auch an Gefangenen sehen können. Bisweilen trifft man übrigens auch einzelne Schlangenhalsvögel, welche schwimmend und tauchend dem Fischfang obliegen. Da dieser See von Kro- kodilen wimmelt, so wäre es interessant festzustellen, ob diese dem Plotus unter Wasser nachstellen. Auf dem Lande liegen die riesigen Panzerechsen sich sonnend ganz unbeachtet mitten unter den ruhenden Vögeln. Da das Krokodil wohl meist des Nachts fischt, so ist dies vielleicht der Grund, dass es die Schlangenhalsvögel ungestört lässt. Beim Auffliegen schlägt Plotus stark mit den Schwingen, ist er einmal im Zuge, so gleitet er bisweilen kleinere Strecken schwebend dahin, und in sehr hohen Luftschichten, aber auch nur da, habe ich ihn schwebend kreisen sehen. Abends streichen die Vögel vom See aus dem Walde zu. Da nach meinen Beobachtungen im Berliner Zoo- logischen Garten Plotus anhinga (L.) alle Schwingenfedern nach Entenart gleichzeitig wechselt, also für einige Wochen flug- unfähig wird, so wäre es interessant, die Lebensweise dieses Vogels während dieser Zeit in Freileben beobachten zu können. Phalacrocorax pygmaeus (Gm.) Ich erlegte ein Stück zufällig in einem nur einen Meter breiten Wassergraben, ohne es vor dem Schusse, der einem Eis- vogel galt, bemerkt zu haben, und ich war höchlichst erstaunt, einen derartigen Vogel in einem so kleinen Wässerchen zu finden, er hatte sich offenbar tauchend vor mir gedrückt. Im Magen fand ich kleine Fische. Das Tier mausert etwas. Anastomus oscitans (Bodd.) Auch ich habe diesen Storch als Muschelfresser kennen ge- lernt und beobachtete einmal eine Familie derselben bei der Mahlzeit am Strande eines Seees. Im Fluge gleicht er unserer Ciconia cicomia ausserordentlich, nur ist er bedeutend kleiner. Ein erlegtes Stück mausert. Örnithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 111 Hydrophasianus chirurgus (Scop.) Dieser Vogel ist am Katale-See ausserordentlich häufig, hält sich aber innerhalb der Wasserlinie vorwiegend an unzugänglichen Sumpfstellen im eigentlichen Modder auf, wobei ihn seine, durch die riesigen Nägel noch verlängerten langen Zehen vor dem Ein- sinken schützen werden. Das Tier führt in der Luft ganz merk- würdige Kunststücke auf, indem es sich fast überschlagend mit den Schwingen fuchtelt. Da die Spitzen der äussersten Handschwingen in sehr eigentümlicher Weise verlängert sind, so wird bei diesem Flugspiele jedenfalls ein auf weitere Entfernung allerdings nicht vernehmbares Geräusch erzeugt. 3 Stück, nicht mausernd. Gallus lafayetti Less. Dieses Huhn ist im trockenen Dschungel recht häufig, man hört das Krähen der Hähne namentlich in den Morgenstunden längs der Wege fortwährend, es ähnelt der Stimme des Sonne- rathahns, der längere Zeit im Berliner Zoologischen Garten be- obachtet werden konnte, und klingt also, wie der stark verkürzte Ruf eines jungen Haushahnes. Die Tiere sind sehr vorsichtig und leben so gedeckt von dichtem Gebüsch, dass man sie nur sehr schwer und mehr zufällig zu Gesicht und Schuss bekommt, denn das trockene Laub und dürre Geäst verraten dem Vogel den nahenden Menschen schon auf weite Entfernung. Gesammelt: 1 mausernde Henne, 1 junger, mausernder Hahn. Ferner wurden auf Ceylon gesammelt: Podieipes albipennis Sharpe nicht mausernd. Himantopus candidus Bonn. Jugendkleid, nicht mau- sernd. Haliastur indus (L.) juv., beginnt das Kleingefieder zu mausern. Thereicery& zeylonicus (Gm.), mausert nicht. Ceryle varia Strickland. Mausert nur einige Steuerfedern. Pelargopsis gwrial Pearson. 2 Stück, beide mausern. Halten sich auf abgestorbenen Baumästen an Seen auf. Alcedo bengalensis Gm. Mausert nicht. 2 Oriolus melanocephalus L. Beide Vögel mausern. Centropus bengalensis (Gm.) Mausert. Ausserdem sammelte ich von einer Anzahl hier nicht weiter erwähnter Arten Flügel und Schwanz zum Studium der Mauser- verhältnisse. 112 OÖ. Heinroth:; Singapore. In der Zeit vom 1. X. bis 28. X. sammelte ich einige Male mit Herrn Kothe in Bukit-Timah und Changi. Der häufigste und auffallendste Vogel ist wohl Copsychus musicus (Raffl.), der in seinem Leben und Treiben sehr an die Amsel erinnert, genau wie diese hält er sich mit Vorliebe in Gärten auf, ist sehr zu- traulich und hat dieselben Schwanzbewegungen. Der Gesang ist recht ansprechend, abends erwählt sich die Dayaldrossel einen dichten Busch zum Schlafen, und hier hört man häufig ein lautes Rätschen von ihr. Ihre Nahrung erwirbt sie mehr fliegend als unsere Drosseln, und häufig findet man Ameisen in ihrem Magen. Diese sehr unverträglichen Vögel liegen fortwährend im Streit, mit den Nachbarpärchen. Im übrigen begnüge ich mich mit einer Aufzählung der ge- sammelten Arten mit kurzer Angabe der Mauser- u. s. w. verhältnisse. Sterna anaestheta Scop., in der Strasse von Malacca an Bord gefangen, steht am Ende der Mauser. fem. 29. XI.; Ge- wicht 83 g. Ninox scutulata Raffl. 17. X. Insel Singapore Nicht mausernd, im Magen grosse Insekten (Blattiden?). Palaeornis longicauda (Bodd.) erlegt aus einem kleinen Fluge am 18. X., Gewicht 125 g, fast fertig vermausert. Der Vogel, ein Männchen, trug einen Fussring, war also der Gefangen- schaft entflohen und hatte sich seinen Genossen wieder zugesellt. Micropternus brachyurus (Vieill.), Weibchen, 18. X. steht am Ende der Mauser, Gewicht 58 g. Das Tier wurde von einem Durianbaume geschossen, dessen Geruch ihm auch anhaftete. Im Magen fanden sich Reste sehr kleiner, harter Insekten. Haleyon armstrongi Sharpe, 10. X., fem., mausert. Er- beutet in den Mangroven, Mageninhalt: himmelblaue Krabben. Merops philippinus L. 17. X. 2 Stück gegen Ende der Mauser, Mageninhalt: Hummeln. Caprimulgus macrurus Horst. Stark entwickeltes Männchen, nicht mausernd, 16. X. Eurystomus orientalis (L) 2 Stücke, 18. X. nicht mausernd. Mas. 143 g. Im Magen Käfer und Heuschreckenbeine. Alseonas latirostris (Raffl.), nicht mausernd, 17. X. Rhipidura javanica (Sparrm.) 2 mas., je 14 und 15 g, nicht mausernd, im Magen Käfer- und Fliegenreste. Ornithologische Ergebnisse der ‚I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 113 Copsychus musieus (Raffl.). 3 fem., davon eins mausernd, im Magen meist Ameisen. X., Gewicht 43 g. Mixornis gularis (Raffl.) 17.X., 2 Stück, nicht mausernd. Orthotomus atrigularis Tem. fem., 17. X., nicht mausernd. Pyenonotus simplex Les. 3 mas. je 22,5 g; nicht mausernd, im Magen Blüten-, Blatt- und Fruchtreste. Auge gelblichweiss. 5. X. P. analis (Horst) 16. X. fem., mausernd, mas. nicht mausernd. Budytes borealis (Sund.) kam im September und später in den ostindischen Gewässern sehr häufig an Bord. 1 mas,., 29. IX. Strasse von Malacca, Gewicht 14,5 g, nicht mausernd, graubraunes Kleid, Magen leer, Vogel ziemlich fett. Limonidromus indieus (Gm.) 16. X., mas. nicht mausernd. Anthus rufulus Vieill. mas., Ende der Mauser, 24,5 g, im Magen Pflanzen- und Käferreste. 18. X. Dicrurus platurus Vieill. 17. X. 3 Stücke, nicht mausernd. Pachycephala brunneicauda (Salvad.) mas., 5. X. nicht mausernd. Wiegt 17 g, im Magen Kerfreste. Ich weiss nicht, ob das Vorkommen dieser Art, die von Sumatra, Java und N.W. Borneo bekannt ist, bereits für Singapore festgestellt war. Aethopyga siparaja (Raftl.) 12. X., mas., nicht mausernd, im Magen Insekten und Staubgefässteile. Cinnyris pectoralis (Horsf.) mas., nicht mausernd, 16. X. Anthothreptes malaccensis (Scop.) 5 mas., 2 fem. vom November, alle nicht mausernd, 2 mas. wiegen je 13 g. Dicaeum ceruentatum (L.) ein fem., nicht mausernd, vom 18. X., über Mageninbalt s. S. 86— 87. Am 12. XI. wurde nördlich von Celebes auf 119% 4° ö. L. und 6° 8° s. Br. ein Sula piscator (L.) erlegt, er hatte sehr ab- genutztes Gefieder und stand im Beginn der Mauser. Bei Batavia (Tandion Priok) waren auf dem Hafendamm Eisvögel und Reiher recht häufig, Haliastur intermedius Gurney belebte den Hafen. Es wurden am 7. XI. gesammelt: Haliastur intermedius Gurney, mas, 510 g, mausernd. Mageninhalt: Haare, anscheinend von Ratten. Ein zweites, im Joum, f, Om, L). Jahrg. Januar 1903. 8 114 Ö. Heinroth: Eisen gefangenes Männchen nahm drei Tage keine Nahrung, wurde dann getötet und wog 422 g, es mausert ebenfalls stark. 3 Alcedo beryllinus L., mausernd und am Ende des Federwechsels, Gewicht eines fem. 17 g. 1 Demiegretta sacra (Gm.) weiss, mas. mit sehr kleinen Keimdrüsen. 353g, Kleingefieder mausert, Schwingen sehr abgenutzt. Tringoides hypoleucus (L.) mas., 40 g. Mageninhalt: Krabbenreste. Kleingefieder beginnt zu mausern, Schwingen und Schwanz sind sehr abgenutzt. In Buitenzorg sammelte ich noch einen Pyenonotus aurigaster (Vieill.), derselbe steht in voller Mauser. Auf Amboina am 17. XI. erlegten wir: Tringoides hypoleucus (L.) 3 fem.: 47 g, mausernd, 43 g, nicht mausernd. Geofjroyus rhodops 6. R. Gr. Nicht mauserndes Weibchen. Hirundo javanica Sparrm. jung, nicht mausernd. Ge- wicht 15 g. Myiagra galeata 6. R. Gr. nicht mausernd. Wiegt 13 g. Dicerurus amboinensis G. R. Gr. nicht mausernd, Ge- wicht 78 g. Cinnyris zenobia Less. 1 mas., Gewicht 11 g, mausert, 1 mas., nicht mausernd, 8 g, 1 mauserndes fem., eins in abge- nutztem Gefieder. Cinnyris aspasioides (G. R. Gr.) fem. mausernd wiegt 9 g, mas. juv. im Übergang 11 g. Dicaeum vulneratum Wall. 2 mas. und 1 fem., beide nicht mausernd, je knapp 8 @. Acrocephalus orientalis Tem. und Schleg. nicht mausernd, Gewicht 25 g. Budytes borealis (Sund.) 4 Stück von je 18; 14; 18 (fem.); 15 g, nicht mausernd.. Kommen von Malacca östlich häufig an Bord und sind auf allen Wiesen überaus zahlreich. Calornis metallica (Tem.) mas. nicht mausernd 60 8; mas. nicht mausernd 61 g; mas. nicht mausernd 57 g. Ptilopus viridis (L.) nicht mausernd, mas., 132 g. Auf Borneo (Sarawak) erlegteich am 17. VII. 1901 noch eine Macropteryx comata (Tem.) fem., mausernd. Diese Art lebt ganz wie M. mystacea, sitzt also auch gern frei auf dürren Ästen über dem Grasland. Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 115 Es erübrigt nun noch, auch diejenigen Vögel zu besprechen, welche ich lebend von der Reise mit nach Europa brachte, ich gebe sie in der üblichen systematischen Reihenfolge wieder und werde bei den einzelnen Gruppen auch die Erfahrungen, welche ich über ihre Haltung in Gefangenschaft gemacht habe, mitteilen. Die betreffenden Arten aus dem Bismarckarchipel sind unter diesen im ersten Teil schon eingehender beschrieben, und ich werde sie hier daher nur kurz namentlich aufzählen. 1 Casuarius benetti ]J. 6d. 2 ” casuarius (L.) 1 „ uniappendiculatus Blyth. In ihren Lebensgewohnheiten waren diese jungen Kasuare so übereinstimmend, dass ich auf das über ©. benetti auf Seite 395—396 (1902) Gesagte verweise. 2 Porphyrio smaragdinus Tem. aus Makassar (Celebes). Diese und die beiden folgenden Rallenarten wurden mit ge- kochtem Reis, Spratts Patent und Schiffszwieback unter Zugabe von Fleisch ernährt und hielten sich vortrefflich. 1 Gallinula chloropus (L.) juv. aus Makassar. Der Vogel unterscheidet sich in nichts von unserem Wasserhühnchen. 2 Hypotaenidia philippinensis (L.) aus 'Makassar. Ich erhielt daselbst im Juni mehrere Stücke, welche die Schwingen mauserten, wobei ja alle Rallen flugunfähig werden. Die Tiere waren namentlich in der Dämmerung sehr lebhaft. 3 Demiegretta sacra (Gm.) s. S. 405 (1902). 2 Ardeola speciosa (Horsf.) aus Singapore, diese Vögel gleichen in ihrem Verhalten ganz unserer A. ralloides (Scop.) und nehmen Fleischstückchen gern als Nahrung an. 12 Excalfactoria chinensis (L.) aus Celebes (Makassar). Man erhält diese Zwergwachteln massenhaft in kleinen, ganz niedrigen Käfigen, wo sie mit Reis gefüttert werden. Die Kinder der Chinesen spannen diese Hühnchen, nachdem sie ihnen alle Schwingen ausgerissen haben, häufig vor kleine Wagen und lassen sie auf der Strasse umherlaufen. Die Zwergwachteln waren bei mir Abends bis tief in die Nacht munter und versuchten dann aufzufliegen, wobei sie sich die Köpfe bisweilen beschädigten. Über solche etwas verletzte Stücke fielen dann sämmtliche andere her, töteten sie und frassen sie bis auf Beine, Flügel und die grössten Knochen auf. In dieser Weise schmolz mein an- fänglicher Bestand bis auf die Hälfte zusammen. Sonst halten 8* 116 O0. Heinroth: sich diese reizenden Vögel bei Hirse, Glanz, etwas Grünzeug und Fleischnahrung vorzüglich, ich erhielt sogar Eier von ihnen. Die Hähne lassen gegen Abend, während sie einen Augenblick auf- schwirren, einen leisen, aber recht ansprechenden Ruf hören.. 2 Acomus erythrophthalmus (Raffl.) stammen von Malacca, sie waren dauernd sehr scheue und einfältige Vögel. 1 Gallus varius (Shaw. und Nodd.), den ich in Singapore kaufte, gackerte abends und morgens in der Art, wie es die Haus- henne tut, wenn sie auf Futter wartet, nur klingt dies bei den G. varius-Hahn höher und abgebrochener. Ich war verwundert, diese Stimme, welche wir ja nur von den Hennen des Haushuhnes kennen, hier vom Hahn zu hören, mir schien es, als wenn das Krähen, das ich bis jetzt noch von keinem @G. varıus hörte, durch diese Töne ersetzt würde. Ein halbwüchsiges Küken vom Malayischen Kämpfer, das ich ihm zur Gesellschaft beigeben wollte, bearbeitete den Furchtsamen so, dass ich es schleunigst entfernen musste, während er in der Folge einem andern, sehr schwachen ihm beigesellten Haushuhne den Garaus zu machen bestrebt war. 5 Gallus domesticus v. „Borneo-Nacktkämpfer.“ Ich er- warb diese Hühner in Sarawak auf malayischen Höfen. Es sind grosse „Malayen‘“, aber mit nackten Hälsen und überhaupt so schwacher Befiederung, dass die Brustmitte und der Kropf, sowie der Körper unter den Flügeln ganz nackt erscheinen. In der Farbe sind sie schwarz oder „blau,“ bisweilen mit etwas rot im Sattel und Halsbehang. Die Küken tragen zunächst ein nor- males Dunenkleid etwa wie junge Minorka’s, das eigentliche Jugendkleid fehlt aber bis auf Flügel und Schwanz fast vollständig, sodass die Tiere dann in ihrer Nacktheit einen karricatur- ähnlichen Eindruck machen. Erst wenn sie etwa halbwüchsig sind, decken Federn wenigstens zum Teil die Blösse. In unserem europäischen Klima erhalten auch alte Tiere mit der nächsten Mauser ein viel dichteres Federkleid.. Da man im tropischen Inselklima zu jeder Zeit Junghühner findet, so fällt auch die Mauser der Alten in sehr verschiedene Zeiten. Der eine von mir mitgebrachte Hahn mauserte etwa im Oktober, der andere im Frühjahr. Ich will hier ausdrücklich betonen, dass, entgegen der alten Schiffermeinung Hühner, an Bord auch bei Seegang ebenso gut legen und die Hähne anhaltend krähen wie an Land, wenn die Tiere nur richtig behandelt werden. In Massen zu- Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 117 sammengepfercht und nur mit Reis gefüttert, geht das Haushuhn rasch ein, während es bei guter Fleisch-, Körner-, Grünzeug- und Kalknahrung sich prächtig entwickelt und wohl kaum (wie über- haupt keins meiner Tiere) seekrank wird. 1 Gallus domesticus var. „Schwarzes -Seidennegerhuhn.“ Ich kaufte dieses Huhn, eine vollkommen schwarze Seidenhenne, in Singapore, ein ebensolcher Hahn, der gleich beim Einkauf schwer krank war, erholte sich leider nicht wieder. Bei unsern Geflügel- züchtern dürfte diese Varietät unbekannt sein. 2 Pavo muticus L. zwei junge Hähne erhielt ich in Singapore. Der eine, ein etwa anderthalbjähriges Stück, wurde bei seinem früheren Besitzer vollkommen frei nach Art unserer Hauspfauen im Garten gehalten und missbrauchte diese Freiheit niemals. Ich glaube, dass sich der Ährenträgerpfau besser als irgend ein anderes Huhn zum Einbürgern als Jagdwild in Neu- Guinea und dem Bismarckarchipel eignen würde, da dort etwa dieselben Existenzbedingungen für ihn gegeben sind wie beispiels- weise auf Java. Dieser Vogel ist noch nicht durch lange Domestikation degeneriert und jederzeit aus dem wilden Zustande zu beschaffen, die Pute dagegen und das Perlhuhn, an dessen Aussetzung die Herren in Neu-Guinea gedacht haben, sind wenig geeignet, erstere ist kein Tropenvogel und wohl auch zu dumm, letzteres ist ein Steppentier. 2 Calvenas nicobarica (L.) Über ihre Fortpflanzungs- versuche im Käfig u. s. w. habe ich schon auf Seite 409 (1902) berichtet. 4 Chaleophaps indica (L.) aus Singapore. 1 Turtur turtur (L.) umflog längere Zeit im Mittelmeer Ende September das Schiff und wurde nachts gegriffen. 2 Geopelia striata (L.).. Diese Täubchen werden zu Hunderten in Singapore zum Kaufe angeboten und von den Chinesen gern in Käfigen gehalten. Ihren pfeifender Ruf, der sich leicht nachahmen lässt, hört man deshalb auf allen Strassen, ich benutzte die Tiere als Futter für meine Raubvögel. 4 Osmotreron vernans (L.) aus Singapore. 4 „ bieincta (Jerd.) aus Ceylon. Diese Tauben sind, wenn man sie von den Eingeborenen zum Kaufe angeboten bekommt, bereits an gekochten Reis ge- wöhnt und, da sie ausser diesem Nahrungsmittel nichts Anderes erhielten, gewöhnlich sehr heruntergekommen. Giebt man ihnen 118 O0. Heinroth: gekochtes Ei, Bananen und geweichten Schiffszwieback unter ihr Reisfutter, so halten sie sich besser, und die sonst sehr lang- weiligen Vögel lassen dann auch ihren sonderbaren Ruf, ein wiederholtes, tiefes, flötendes Pfeifen, welches klingt, als ent- stamme es einer Musikdose, erschallen. Das Missliche bei ihrer Unterbringung ist ihre Unreinlichkeit, man müsste diese Tauben nur zu wenigen Stücken in sehr grossen Käfigen halten, und dies ist auf dem Transport nicht angängig, sie machen deshalb stets einen schmutzigen Eindruck. Ich glaube, dass die grosse Hin- fälligkeit dieser Vögel in unseren Tiergärten hauptsächlich in der niederen Temperatur unserer Breiten zu suchen ist. 1Carpophaga perspiecillata (Tem.). Diese grosse, dunkle Fruchttaube erstand ich auf Celebes, wohin sie per Schiff gebracht war. Gekochten Reis nahm sie nicht, und ich fütterte sie daher mit grossen Bananenstücken aus der Hand, überhaupt frass sie nicht gern aus einem Napfe. Da sie bei dieser Nahrung nicht gedieh, so verfiel ich auf eine glückliche Idee, ihr den Eiweiss- gehalt des Futter zu vermehren: ich bot ihr hartgekochte ganze Eidotter an, die ich, um sie besser verschlingbar zu machen, in Milchrahm getaucht hatte. Diese mächtigen Bissen verschlang sie gierig, und ich gab ihr oft täglich vier Eidotter nebst Bananen und späterhin auch Weintrauben und anderes Obst. Bei den Fruchttauben spielt bei der Auswahl der Nahrung offenbar die Form derselben eine wichtige Rolle, und es ist Sache des Pflegers, in diese Form Stoffe von für den Tierkörper geeigneter chemischer Zusammensetzung zu bringen. Ihr Verlangen nach Futter äusserte diese sehr zahme Taube dem sich nähernden Menschen gegen- über durch ein tiefes, kurzes „Ruh,“ nicht unähnlich dem Tone, welchen unsere Haustaube als Warnungslaut hervorbringt. = Carpophaga paulina (Bp. ex Tem.) erhielt ich in Makassar und Singapore. Da sie unverträglich wie alle Tauben waren, hatte ich Mühe, die Tiere aneinander zu gewöhnen, es war anscheinend ein Paar, aber trotzdem misshandelte die grössere Taube die kleinere oft ohne ersichtlichen Grund. Sie nahmen ge- kochten Reis und Schiffszwieback besser als die vorige Art. 1 Carpophaga aenea (L.) von Singapore. 2 Goura coronata (L) erwarb ich in Singapore, die herrlichen Vögel nahmen am liebsten Maiskörner an, waren sehr dummschen, der Tauber liess aber seine merkwürdige Stimme oft hören. Der Unterhaltungslaut, welcher mit grosser Ausdauer Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 119 hervorgebracht wird, ist ein tiefes Brummen, welches aus sehr grosser Entfernung zu kommen scheint und schwer zu lokali- sieren ist. Morgens und abends namentlich giebt das Männchen ein sehr eigentümliches Tonstück zum besten. Es ist sehr laut und klingt fast genau wie die Musik, welche die Papuas auf ihren grossen Holztrommeln hervorbringen, es wird im Spondeen- Takt hervorgestossen. Meine Krontauben blieben recht scheu, und ich hatte beim Überführen in den Eisenbahntransportkäfig viele Mühe mit ihnen. An einer harten Käfigdecke riss sich die eine bei ihrem unsinnigen Toben einseitig die Kopfhaut bis über das Auge herunter, die sofort vernähte und mit Lysol und Jodoform behandelte Wunde heilte jedoch rasch und vollständig. Die fortwährenden, von oben nach unten mit sehr geringer Amplitude ausgeführten Schwanzbewegungen der Krontauben sind wohl all- gemein bekannt. 1 Astur dampieri (Gurn.) von Neu-Mecklenburg. Über das Verhalten dieses Vogels s. S. 419 (1902). 1 A. cuculoides (Tem.) von Makassar. Als mir dieser Habicht mit arg verstümmelten Flügeln an Bord gebracht wurde, sass er mit dauernd geöfinetem Schnabel vollkommen ruhig, seine fast weissen Augen starrten dabei stier umher. Tagelang, änderte er dieses Benehmen nicht, und selbst nach Wochen schloss er den Schnabel nur dann, wenn er sich vollkommen unbeobachtet wähnte. Späterhin begann er dann beim Nahen eines Menschen unsinnig zu toben und hatte stets eine blutige Wachshaut und wunden Flügelbug. Er nahm ausser lebenden und toten Vögeln sofort rohes Fleisch an. Trotzdem er ein zu ihm gesetztes in- disches Sperbertäubchen sofort abwürgte, liess er ein krankes, blindes Blaukrönchen (Loriculus galgulus) ganz unberücksichtigt, und ich vermute daher, dass Papageien wohl wegen ihrer Wehr- haftigkeit eine bei Raubvögeln nicht beliebte Beute sind. Auch im Berliner Zoologischen Garten blieb der Vogel sehr ungebärdig. 3 Haliaetus leucogaster (Gm.) kaufte ich in Singapore. Diese Adler waren von Anfang an sehr umgängliche, verträgliche und zahme Vögel, die rasch ihren Pfleger kennen lernten. Namentlich einer, ein sehr jugendliches Tier betätigte eine grosse Spiellust und machte es sich zur Aufgabe, Wassergeschirre u. s. w. in kürzester Zeit loszureissen und herumzurollen. Mit einem ihm in den Käfig gelegten Holzklotz belustigte er sich stunden- lang. Alle drei Vögel leisteten Unglaubliches im Vertilgen von 120 O0. Heinroth: Fleisch, namentlich in der ersten Zeit, bis sie herausgefüttert waren. Über der Rhede von Singapore sieht man diesen Seeadler stets in einigen Stücken sich herumtreiben, die Flügelspitzen werden dabei nach Weihenart meist etwas höher als der Körper gehalten. 2 Cacatua ophthalmica Sel. aus Neu-Pommern. Über ihr Verhalten siehe S. 422 (1902). Die Brillenkakadus scheinen mir gegen kühlere Temperaturen empfindlicher zu sein als ihre meisten Verwandten. 4 Cacatua moluccensis (Gm.). Der Rothaubenkakadu kommt in Makassar und Singapore massenhaft in den Handel und wird dort etwa mit 15 M. bezahlt. Die Tiere sind häufig zu zweien vereinigt, mit einem doppelt gebohrten Kokosnussringe an Bügel gefesselt und meist recht zahm. Von der oft gerühmten Klugheit dieser Vögel habe ich mich nicht überzeugen können. Ohne Anstrengung würden sie in wenigen Augenblicken den Ring, welcher ihren Fuss festhält, durchbeissen können, um sofort dem heimischen Walde zuzufliegen, aber keiner von ihnen denkt daran. Wohl benagen sie nach Papageienart das ihnen bequem erreich- bare Holz u. s. w., aber dies geschieht vollkommen ziel- und zwecklos. Die Holzstange, auf der sie sitzen, durchnagen manche in einigen Tagen, sitzen dann aber oft stundenlang auf dem freien Ende, ohne zu bedenken, dass nun der um die Stange gehende Ring ihrer Fessel dadurch abstreifbar wird, sie haben also die Sitzstange durchaus nicht in der Absicht durchbissen, sich zu be- freien. Ich selbst hielt die vier Kakadus dann in einem grossen, vorn leicht durch Drahtgeflecht vergitterten Kistenkäfig, und nun zernagten sie ihre Sitzstangen, sodass die Vögel oft auf dem Boden herumhocken mussten. Auch vorspringende Leisten nahmen sie in Angriff, durch deren Zerstörung, die ausserdem in der plan- losesten Weise bald hier bald dort ausgeführt wurde, die Festig- keit des Käfigs in keiner Weise beeinträchtigt wurde Mit der Zeit durchbissen die Kakadus auch das Drahtgeflecht an der ihnen bequemsten Stelle, nämlich in Schnabelhöhe, aber auch dabei fiel es ihnen nicht ein, durch Erweiterung mehrerer auf einander folgender Maschen ein Loch zum Entweichen zu schaffen, sondern allmählich entstanden grosse Öffnungen im Gitter, nachdem dieses von verschiedenen Stellen aus angenagt war. Auch jetzt dachten die Vögel nicht daran, ihr Gefängnis zu verlassen, und nur mehr aus Zufall geriet einer beim Klettern aus dem Käfige. Nun be- Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 121 griff er allerdings die Sachlage, und man musste für Dichtung des Gitters Sorge tragen. 1 Cacatua haematuropygia (L.), von einem Händler in Singapore gekauft, 12 Loriculus galgulus (L.), aus Singapore, 6 „ indieus (Gm.), aus Colombo, 2 us stigmatus ($. Müll. u. Schl.), aus Makassar ernährte ich mit gekochtem Reis, geweichtem Schiffszwieback, Spratts-Patent, Eidotter und Bananen. Die grosse Sterblichkeit, welche bei dem Transporte der Fledermauspapageien nach Europa einzureissen pflegt, beruht wohl in erster Linie auf der fast aus- schliesslichen Reisnahrung, welche man den Gefangenen zu reichen pflegt, ausserdem aber in der Unsitte, zu viele Vögel in einem Käfig zusammenzusperren. Das Blaukrönchen kommt wohl jede Woche zu Dutzenden bei den chinesischen Vogelhändlern in Singapore frisch auf den Markt, entweder einzeln in kleinen kugligen Käfigen aufbewahrt oder zu Dutzenden in grösseren Gebauern aus Rotang, welche auch als Boden nur Stäbe aufweisen, vereinigt, als Futter dient gekochter Reis. Die Vögel sind in ihrem unbeschädigten, sauberen Gefieder das Entzücken des Vogelfreundes und lassen sich von Anfang an nicht im geringsten durch dicht herantretende schaulustige Personen im Fressen stören. Schon nach wenigen Tagen verendet ein Teil, ein anderer hat das „Wanderbündel aufgehuckt“ und sitzt nach Art der meisten kranken Vögel andauern fressend am Futternapf, ohne sich von diesem vertreiben zu lassen. Der letztere Umstand wird bekannt- lich selbst von manchen europäischen „Vogelliebhabern“ in voller Verkennung des wahren Tatbestandes oft noch als Zeichen von Gesundheit aufgefasst. Einige wenige Stücke bleiben längere Zeit gesund und munter, namentlich sind es die einzeln Gehal- tenen. Will man sich also kräftige Fledermauspapageien anschaffen, so ist es empfehlenswert, die Tierchen möglichst rasch nach dem Fange in eigene Verpflegung zu nehmen, ehe sie durch falsche Behandlung heruntergekommen sind. Ich möchte hier nochmals darauf hinweisen, dass der Haupt- grund der Hinfälligkeit so vieler indischer, chinesischer und malayischer Tiere in dem ausschliesslichen Reisfutter, das sie erhalten, zu suchen ist. Der Chinese und Malaye füttert so ziemlich jedes Tier mit gekochtem Reis oder mit Paddy, und dieser wird ausser von ausschliesslich Fleisch- und Insektenfressen- 122 OÖ. Heinroth: den Tieren auch meist gern genommen. Der Südasiat hat erstens kaum ein anderes Nahrungsmittel für gefangene Tiere, und zweitens bedenkt er nicht, dass auch der Mensch stets zu seinem Reis einen eiweisshaltigeren Körper, wie Fleisch oder Fisch, zu sich nimmt, ihm fehlt, wie auch den meisten Tiertransporte übernehmen- den Schiffsleuten, jede Kenntnis von Nahrungsmittelhygiene. Der Erfolg bleibt denn auch nicht aus: die Tiere sind nicht im Stande, aus dem proteinarmen Reis ihren Eiweissbedarf zu decken, nament- lich wenn jener nicht in beliebiger Menge zur Verfügung steht. Einige wenige Individuen mit wahrscheinlich besonders widerstands- fähigem Verdauungstraetus können dauernd soviel Reis aufnehmen, dass sie im Stoffwechselgleichgewicht bleiben, die meisten ver- mögen es nicht. Tatsächlich setzen z. B. nur mit Reis gefütterte Hühner etwas Fett aus dem aufgenommenen Kohlehydratüberschuss an, dabei schwindet aber die Muskulatur von Tag zu Tage, und die Tiere gehen schliesslich an allgemeiner Schwäche und Blut- armut zu Grunde. Die fortwährend fressenden und wegen ihres nicht zu stillenden Hungergefühles alle Scheu vergessenden frisch- gefangenen Blaukrönchen der Chinesen glaube ich als besten Beweis dieser meiner Anschauung anführen zu können. Man lasse sich daher bei allen Tieren möglichst frischgefangene bringen, und man wird wenig Verluste zu beklagen haben. Ein Zusatz von Spratts-Patent oder auch nur gestossenem Schiffszwieback in srösserer Menge unter den gekochten Reis giebt schon ein recht gutes Futter ab, das zur Deckung des Eiweissbedarfes genügt. Da die Fledermauspapageien als Fruchtfresser viel verbrau- chen, so beschmutzen sie ihren Käfig stark, schon deshalb darf man nicht zu viele zusammenpferchen und muss die Sitzstangen neben-, nicht untereinander anbringen. Einige dürre Reiser, wenige Millimeter unter der Käfigdecke befestigt, ermöglichen ihnen eine bequeme Aufhängung zur Nachtruhe. 4 Lorius domicella (L.), aus Makassar. Diesen Breit- schwanzlori bekommt man am häufigsten unter seinen Verwandten auch in Singapore zum Kaufe angeboten, auf Bügel einzeln oder zu zweien befestigt. Man geht durchaus nicht sonderlich zart mit ihnen um, und trotzdem halten sie sich recht gut. Ausser mit gekochtem Reis füttert sie der Eingeborene mit Bananen, wodurch wohl ihre Haltbarkeit bedingt wird. Viele sind sehr zahm, manche recht, bissig, alle baden leidenschaftlich. Solange man sie warm, d.h. über 20°R hält, sind alle Loris sehr beweg- Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 123 liche Vögel, wohl die regsamsten aller Papageien überhaupt, sinkt die Temperatur auf unsere normale Stubenwärme, so werden die meisten traurig und still, wenn sich auch einzelne an die Kühle gewöhnen. Direkter Bestrahlung durch die Sonne suchen sie in ihrer Heimat nach Kräften auszuweichen. Die Gruppe der Loris, die ausser in Australien nur rein inseltropische Vertreter aufweist, hat bei dem ewig gleichmässigen Klima der von ihnen bewohnten Gegenden die sonst auch vielen tropischen Vögeln zukommende Schmiegsamkeit im Ertragen von Temperaturschwan- kungen verloren. 2 Lorius garrulus (L.) in Singapore gekauft, ähneln der vorerwähnten Art in ihrer Lebensweise. 1 Chalcopsittacus bernsteini Rosenb. Diese in unsern Käfigen äusserst seltene Art kaufte ich in Makassar. Der Vogel war im Jugendkleid und recht ruppig, war aber bei meiner An- kunft in Europa frisch vermausert und sehr schön. Das Tier war etwas ruhiger als die vorigen Arten, schrie wenig, hatte da- gegen Neigung, etwas Pfeifen zu lernen. Auch er badete gern und war ein zahmer, zutraulicher Vogel. Leider ging er nach kurzem Aufenthalt in Berlin, da er beim Eintreten kühlerer Tem- peratur zu kränkeln anfing, zu Grunde. 1 Eos eyanogenys Bp. leistete dem Vorigen von Makassar an Gesellschaft, und beide vertrugen sich ausgezeichnet. Der Vogel lebt heute noch im Berliner Zoologischen Garten und zählt zu dessen zahmsten und unterhaltendsten Pfleglingen. 4 Eos rubra (Gm.), 2 „ retieulata (S. Müll.), 2 Trichoglossus ceyanogrammus Wagl., die ich in Makassar und Singapore, wo sie viel in den Handel kommen, erwarb, hielten sich auf der Reise vortrefflich bei einem recht flüssigen Futter aus Reis, Spratts-Patent, Schiffszwieback, Karottengries und Ei nebst Beigabe von Bananen. Einige E. rubra, welche mir entkamen, aber wieder eingefangen wurden, bewiesen mir ihre geradezu herrliche Flugfertigkeit, mit der sie sich bald hoch in der Takelage, bald niedrig über dem Wasser herumtrieben. Viele Loris sind äusserst unverträglich, und man muss durch Anbringen mehrerer Futtergeschirre, Zusammensperren geeigneter Stücke u. s. w. dafür Sorge tragen, dass alle Vögel zu ihrem Rechte kommen. 124 O0. Heinroth; 1 Trichoglossus massena Bp. über diesen Lori aus Neu- Pommern s. S. 424 (1902). 2 Palaeornis longicauda (Bodd.). Die Langschwanz- sittiche werden in Singapore stets in grösserer Anzahl zum Kaufe angeboten und bestechen durch ihre schöne Färbung und den langen Schwanz. Im übrigen sind sie ungemein langweilige, stille Vögel, die sich eigentlich nur bewegen, um zu fressen oder nach Hand des Pflegers zu beissen. Aus einem kleinen Schwarme dieser Tiere schoss ich auf der Insel Singapore ein Stück, welches einen Fussring trug. 2 Tanygnathus muelleri (Tem.) aus Makassar. Unge- mein langweilige Vögel. 4 Halcyon sanetus Vig. Horsf. Über diese s. S. 439 (1902). 1 Pelargopsis malaccensis Sharpe. Ich erstand diesen riesigen Eisvogel als junges Tier mit noch kurzen Schwingen und Steuerfedern in Singapore. Er frass gierig Fleisch und Fische und benahm sich in der Folge genau so scheu und ungeberdig wie die vorerwähnte Art. 1 Pitta novaehibernicae Rams. Über ihr Gefangenleben s. $. 449 (1902). | 1 HirundorusticaL. Aufdem Roten und Mittelmeer hielten sich im September öfters Schwalbenflüge halbe und ganze Tage lang an Bord auf, welche die aus den geöffneten Luken des Frachtdampfers zahlreich herausfliegenden Kleinschmetterlinge erjagten. Ein gefangenes Stück ging ohne Umstände an vorge- haltene und vorgelegte Küchenschaben und Fliegen. Wegen dieses Verhaltens erwähne ich den Vogel hier, trotzdem er auf der Reise von Bremerhaven nach Berlin einging. 2 Mainatus javanensis (Horsf.) aus Singapore. Die schreckliche Verfressenheit der Atzeln ist zu bekannt, um sie noch besonders zu schildern. Abgekommene Stücke, welche man vom Händler häufig erhält, füttert man zweckmässig mit reich- licher Fleischzugabe. Die Vögel verbrauchen sehr viel Wasser und sind zum Teil unter sich sehr unverträglich.. Um ihnen rein- liche Füsse zu erhalten, ist es gut, in einiger Höhe über dem Käfigboden ein weitmaschiges Drahtgeflecht anzubringen. 1 Aplonis cantoroides (6. R. Gr.) s. S. 74. 2 Eophona melanura Gm. wurden in Singapore, 1 Emberiza caesia Cretzschm. in Port-Said, Ornithologische Ergebnisse der „I. Deutschen Südsee-Expedition.“ 125 4 Aidemosyne malabarica (L.) in Singapore gekauft. 2 Philemon cockerelli Sel. s. S. 80. 1 Pycenonotus analis (Horsf.).. Ich zog diesen Vogel als Nestling aus dem botanischen Garten im August in Singapore auf und reichte ihm Bananen, Fleisch und Weichfutter. 1 Acrocephalus celebensis sp. n. In Makassar wurden mir Mitte Juni zwei Vögelchen an Bord gebracht, welche eben das Nest verlassen haben mochten und nach Futter schrieen, der Schwanz war erst wenig bemerkbar, die kurzen Schwingen er- möglichten noch kaum das Fliegen. Am folgenden Tage sperrten sie bereits recht gut und erhielten Schaben, Mehlwürmer, Spratts Patent und Fleisch, wobei sie rasch heranwuchsen. Noch wusste ich nicht, was für Vögel ich eigentlich vor mir hatte, allmählig trat das Rohrsängerartige mehr und mehr hervor, und ich machte sozusagen einen biologischen Versuch. Ich baute einen Kisten- käfig mit zwei horizontalen und einer vertikal und lose aufge- hängten Sitzstange darin. Kaum liess ich die Vögel hinein, so schwenkten sie sich sofort sicher und gewandt um das hängende Rohr: das konnte nur ein Acrocephalus sein, als welcher er sich späterauch durch dieSchwingenverhältnisselegitimierte.Leider verlor ich den einen Vogel, er war während meiner Abwesenheit an- scheinend über Nacht im Schlafe von einem an Bord ausgekom- menen Prevost’s-Eichhörnchen durch das Käfiggitter hindurch getötet worden. Der andere stand bei seiner Ankunft in Berlin am Ende seiner ersten Mauser und ging im dortigen Zoologischen Garten leider am 15.1. 01 ein. Da aus Celebes kein Rohrsänger bekannt ist, der Vogel ausserdem mit keiner der beschriebenen Acrocephalus-Arten über- einstimmt, stelle ich ihn hiermit zum Vertreter einer neuen Art (A. celebensis Hnrth.) auf, welche ich folgendermassen beschreibe. Diagnose: Im allgemeinen A. orientalis (Tem. u. Schl.) ähn- lich, jedoch Oberseite statt gelbbraun dunkelbraun und auf der Unterseite ist der gelbe Ton durch einen rostfarbenen ersetzt. Masse: A. orientalis: Lg. 200; Fl.88; Dist. —4,8; Schn. 7,6; Schw. 19; Lauf 25 mm. Masse: A. celebensis: Lg. 170; Fl. 72; Dist. —4,0; Schn. 6,8; Schw. 17; Lauf 23 mm. Fundort: 2 Nestjunge im Juni aus Makassar. 126 Einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusina im vorigen Hefte dieser Zeitschrift. Von ©. Kleinschmidt. Im letzten Jahrgang des Journals giebt Prof. Brusina eine ausführliche Besprechung der neuen Ornis Europas von Graf Arrigoni Degli Oddi und knüpft daran eine Reihe von Bemerkungen, von denen einige mich zu einer Entgegnuug ver- anlassen, nicht nur gegen meinen werten Freund Arrigoni, sondern auch gegen den geehrten Herrn Verfasser des Artikels. I. Auf Seite 471 bemerkt Brusina, er sei nach reiflicher Über- legung zu der Ansicht gekommen (und Arrigoni bestätige diese Auffassung), dass Aldrovandus’ „Phalacrocorax ex Illyrio missus“ nicht COomatıbis eremita (L.), sondern Phalacrocorax graculus desmaresti sei. In unserm Artikel über den Waldrapp (Nov. Zool. 1897 p. 371) haben Rothschild, Hartert und ich diesen Pseudo- Kormoran bereits so genau besprochen und abgebildet, dass ich mich über die Meinung von Brusina und Arrigoni sehr ver- wundern musste. Ich habe aber daraufhin nochmals die Quellen nachgesehen und setze einfach die Beschreibung im vollständigen Wortlaut hierher, damit jedermann selbst urteilen kann. „Forma. Descriptio. Phalacrocorax, ut ex pictura ad me ex Jllyrio missa con- jeci, capi est magnitudine, rostro longo & acuto, & rubescente. Capite toto fere plumis nudo, & cute tecto, quae carnem sub- stantia et colore aemulatur. Ex collo velut jubae dependent, quales in Capis cernuntur. Pedes ejusdem sunt cum admixtis plumulis nonnullis aureis. Eandem ferme iconem exhibet Ballonius, nisi quod in ea jubae nullae in collo dependeant, & nostrum fissipedem, non palmipedem pietura repraesentet, quod pictoris incuria factum esse non dubito. Bellonii figura secundo loco ponitur.“ (Aldrovandi Ornithol. Franef. 1610. lib. XIX p. 109.) Also langer, spitzer, roter Schnabel, nackter Kopf mit fleisch- farbiger Lederhaut, eine Halsmähne wie bei einem Kapaun, von dem Aldrovandus (Lib. XIV p. 161) weiss, dass er längere Hals- federn hat als ein nicht kastrierter Hahn (,„Capis tamen juba est major quam gallis“), Füsse ohne Schwimmhaut, das alles Einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusina. 127 beweist, dass die Abbildung, die ihm ein Verwandter aus Illyrien geschickt hatte, ein recht deutliches Bild des Waldrapp und nicht des Ph. desmaresti gewesen sein muss. Auf Tafel IX Fig. 10 ist es im Holzschnitt reproduziert, die Mähne deutlicher als bei dem in den Novitates wiedergegebenen Bild, in Fig. 7 als Corvus aquaticus ein Kormoran, Schnabel und Füsse prachtvoll genau gezeichnet und Fig. 11 der rätselhafte Kahlkopfrabe (Phalacro- corax) des Bellonius mit Schwimmhäuten daneben, sodass nicht der geringste Zweifel über den illyrischen Vogel bleibt und es keiner langen „Überlegung“ bedarf. Das Originalbild kann noch besser gewesen sein, denn vielleicht hat sich der Holzschneider bemüht, die Füsse etwas zu kürzen, um den Vogel kormoran- artiger zu machen. In meiner Sammlung habe ich schon lange neben 2 Wald- rappbälgen mehrere Ph. graculus liegen und habe schon manchem Freunde daran demonstriert, wie die alten Autoren sich über die Zusammengehörigkeit beider, so verschiedener Tiere den Kopf zerbrochen haben, auch Arrigoni; vielleicht hat er mich damals missverstanden. I: Seite 466 schreibt Brusina: „Kleinschmidt hat für lichte Exemplare aus Sardinien eine neue S. ernesti gegründet; Arrigoni beweist, dass diese neue Spezies ganz unhaltbar ist. Freund Tschusi und ich haben Gelegenheit gehabt, die grosse Serie der Perleulen aus Italien und der Insel Sardinien zu sehen und seine Beweise haben uns vollkommen überzeugt.“ Ein prächtiger Beweis für das, was ich in Berlin in einem Vortrag vor der D. O. G. nachzuweisen suchte, kurz, ehe mir die obigen Worte Brusinas zu Gesicht kamen, dass nämlich bei der vielfach herrschenden, verkehrten Vergleichsmethode (Vermengung von individueller und geographischer Variation) Leute dazu kommen könnten, eine so ausgezeichnet charakterisierte, geo- graphische Form wie Sirix ernesti anzuzweifeln und ein so wichtiges Faktum zu ignorieren. (Vergl. den nachstehenden Bericht über die Jahresversammlung). Der Ausdruck „sogenannte neue Spezies“ entstellt meiner Ansicht geradezu, denn dass Strix ernesti und Strix flammea so verschieden seien, wie Sirix aluco und Strix otus, ist mir nie eingefallen zu behaupten. Wenn ich in der Beschreibung Striz ernesti und nicht Strix flammea ernesti sagte, so heisst das nur, 128 OÖ. Kleinschmidt: Bermerkungen. dass nach meiner Ansicht jeder korrekte Name binär reduzierbar sein muss. Die vermeintlichen Beweise gegen Strix ernesti, d.h. Variationsserien von flammea und ernesti, dürften in meiner Sammlung zur Zeit vollständiger vorhanden sein, wie in irgend einer andern. Ich werde noch wiederholt darauf zurückkommen. Nach der Methode des Herrn Brusina könnte ich beweisen, dass es überhaupt keinen Falco barbarus giebt. Übrigens hege ich Zweifel, ob die von Brusina und Arrigoni als F. barbarus bezeichneten Vögel richtig bestimmt sind und habe dies mündlich und brieflich Arrigoni wiederholt ausgesprochen. Ahnlich liegt es bei den Sumpfmeisen. Unterscheiden kann man jedenfalls mehr als 3 Formen. Aber gerade ich, der ich so viele unterschieden habe, betone auch immer wieder: scharf- getrennte „Arten“ giebt es nur 2 und die Dreiteilung ist ganz unrichtig, wie ich bald zwingend dartun werde. Ill. Auf Seite 462 spricht sich Brusina „offen aus“ (um einen mehrfach von ihm gebrauchten Ausdruck anzuwenden) über die Epigonen des alten Brehm und den Ballast neuer Namen, mit dem sie die Wissenschaft bereichern. Dann sollte aber Brusina nicht gegen seine eigenen Worte sündigend eine Galerida cristata balcanica beschreiben, die schon von Brehm benannt, also über- flüssiger Ballast ist. Die Beschreibung steht in der geschmähten Naumannia, einer Zeitschrift, die ich nicht „mit Unbehagen“ lese. Wenn wir heute noch unsre Zeitschriften mit Grabreden auf schlechte Arten und dergleichen anfüllen wollten, wäre das albern. In der Naumannia aber lässt uns gerade das, was Brusina mit Unbehagen erfüllt, die damalige Zeit und ihre Kinder ver- stehn. Es gab eine Zeit, wo den Ornithologen die alten Autoren oder gar ihre Fabeln wichtiger waren und wertvoller dünkten, als das eigne Wissen, so, wenn Aldrovandus über den Phala- crocoraz des Plinius grübelt. — Man fragte nach Namen. — Dann kam die Zeit, wo man erkannte, dass klare Darstellung der eignen Artbegriffe, Beschreibung und Unterscheidung der einzelnen Spezies eine dankbare Arbeit ist. — Aber man stritt um seine Arten. Und jetzt ist die Zeit (und gewiss keine Epigonenzeit) gekommen, wo man anfängt, einzusehen, dass nicht alte Fabeln, auch nicht der Vogel im Naturgeschichtsbuch der Gegenstand unsrer Studien und unsres Interesses ist, sondern dass das leben- dige Vogelleben in der Natur, der konkrete Vogel selbst für uns wichtiger ist, als alle Lehrweisheit und alle Abstraktionen. Und darum jeder Zeit ihr Recht, aber auch keine Anachronismen! Mitgliederverzeichnis der Demischen Ormiholoeischen Gesellschaft 1903. Vorstand: R. Blasius, Präsident. H. Schalow, Vize-Präsident. A. Reichenow, Generalsekretär. P. Matschie, Stellvertr. Sekretär. K. Deditius, Kassenführer. Ausschuss: J. Cabanis. M. Kuschel, A. v. Homeyer. A. Nehrkorn sen. W. Blasius. Graf v. Berlepsch. Freih. R. König-Warthausen, | J. Talsky. P. Kollibay. A. Koenig. Ehrenmitglieder: 1870. Herr Möbius, Carl, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat, Direktor des Königl. Museums für Naturkunde in Berlin. Ehrenpräsident der Gesellschaft. 1868. - Bolle, Carl, Dr., Gutsbesitzer, Scharfenberg bei Tegel. 1870. - Collett, Robert, Professor, Christiania, Oscarsgade 19. 1900. - Herman, 0, Chef der Ungarischen Ornithologischen Zentrale, Budapest VIII. Jözsef.-Körüt 65 le. 1862. - Krüper, Theobald, Dr., Konservator am Universitäts- museum in Athen. 1862. - Newton, Alfred, Dr., Professor, Cambridge, Magdalene College. Journ, f. Orn. LI, Jahrg. Januar 1%08. 9 130 Mitglieder-Verzeichnis. 1900. Herr Radde, Gustav, Dr., Kaiserl. russ. Geh. Staatsrat, Exzellenz, Direktor des Kaukasischen Museums in 1900. 1900. 1900. 1874 1897 1879 1894 1898. 1884. 1903. 1891. 1901. 1870. 1893. 1897. 1862. 1872. 1890. Tiflis, Transkaukasien. Graf Salvadori, T., Professor, Vizedirektor des zoologischen Museums in Turin. Sclater, P. L., Dr., Sekretär der Zoologischen Gesellschaft in London, W., 3 Hanover Square. Sharpe, R.B., Dr., Assistant Keeper, British Museum, London SW., Cromwell Road. Mitglieder: . Seine Königliche Hoheit Ferdinand Fürst von Bulga- rien, Prinz von Sachsen-Koburg-Gotha, in Sofia. 1887. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Therese von Bayern in München. . Seine Durchlaucht Fürst von Salm-Salm in Anholt. . Direktion des Zoologischen National-Museums in Agram in Kroatien, (vertreten durch den Direktor Hrn. Prof. . Herr Dr. Langhoffer). Arends, Dr. med., prakt. Arzt, Nordseebad Juist. Graf Arrigoni Degli Oddi, Ettore, Professor, Dozent der Zoologie an der Universität Padua (Italien.) von Bardeleben, Friedrich, Generalmajor z. D., Frankfurt a. M., Beethovenstr. 49. Bartels, Max, PasirDatär, HalteTjisaat, Preanger, Java. Freih. von Berg, Kais. Landforstmstr., Strassburg i. E. Berge, Robert, Zwickau, i. S., Moritzstr. 26. Graf von Berlepsch ‚„ Hans, Erbkämmerer in Kur- hessen, Schloss Berlepsch bei Gertenbach. Freiherr von Berlepsch-Seebach, Hans, Cassel, Landaustrasse 2. Biedermann, Rich., Dr., Eutin, Waldstrasse. Blasius, Rud., Dr. med., Professor, Stabsarzt a. D., Braunschweig, Insel-Promenade 13. Blasius, Wilhelm, Dr. med., Prof., Geh. Hofrat, Direktor des Herzogl. Naturhist. Museums u. Botan. Gartens, Braunschweig, Gauss-Strasse 17. Bolau, H., Dr., Director des Zoolog. Gartens in Ham- burg, Tiergartenstr. in Hamburg). (Für die Zoolog. Gesellschaft 1902. 1895. 1886. 1851. 1894. 1884. 1902. 1884. 1868. 1880. 1902. 1868. 1890. 1900. 1882. 1894. 1893. 1890. 1873. 1868. 1888. 1894. 1892. 1896. Mitglieder-Verzeichnis. 131 Herr Braun, F., Lehrer an der Deutschen Realschule in Konstantinopel-Pera. - Brehm, Horst, Dr. med., prakt. Arzt, Berlin N. 58, Wörther-Strasse 48. - Bünger, H., Bankvorsteher, Potsdam, Vietoriastr. 72. - Cabanis, Jean, Dr., Professor, Friedrichshagen, Friedrichstrasse 101. - Chernel von Chernelhäza, Stef., Köszeg (Com. Güns), Ungarn. - von Dallwitz, Wolfgang, Dr. jur., Rittergutsbesitzer, Tornow bei Wusterhausen a. d. Dosse. Danziger Naturforschende Gesellschaft (vertreten durch Hrn. Öberlehrer Dr. Lakowitz, Danzig, Brabank 8. Herr Deditius, Karl, Rechnungsrat, Schöneberg b. Berlin, Merseburgerstr. 6. II. - Dohrn, H., Dr., Stettin, Lindenstr. 22. - Graf von Douglas, W., Karlsruhe (Baden). Dresdener Ornithologischer Verein (vertreten durch Hrn. Dr. phil. Bräss in Dresden, Äuss. Radebergerstr. 4). Herr Dresser, H. E., 110 Cannon Street, London E. C. - Dreyer, Otto, Buchdruckereibesitzer, Berlin W. 8., Mauerstr. 53. Gräflich Dzieduszyckisches Museum (vertreten durch Herrn Dr. P. J. Mazurek), Lemberg. Herr Ehmcke, H., Landgerichtsrat, Rittergut Rehfelde (Ostbahn). - Freiherr von Erlanger, Carl, Nieder-Ingelheim. - Evans, A. H., Cambridge in England, 9 Harvey Road. - Freese, Richard, Polizeisekretär, Berlin N O. 18, Bardelebenstr. 1. - Frick, C., Dr., Geh. Sanitätsrat, Burg, Bz. Magdeburg. - Fritsch, Anton, Dr., Professor, Kustos d. National- Museums in Prag, Wenzelsplatz 66. - Fürbringer, M., Dr., Geh. Hofrat, ord. Professor der Anatomie a. d. Universität Heidelberg. - Gaal de Gyula, Gaston, Gutsbesitzer, Boglär (Com. Somogy), Ungarn. - Gengler, J., Dr. med., Stabsarzt im bayer. 19. Infant. Regiment, Erlangen, Sieglitzhoferstr. 6 I. - Gottschlag,H., Kaufm., BerlinW.57, Potsdamerstr.86. 9* 132 Mitglieder-Verzeichnis. 1872. Herr Grunack, Albert, Kaiserl. Kanzleirat, Berlin SW.61, 1898. 1871. Blücherstr. 7. Haase, O., Adr. F. Sala & Co., Berlin NW. 7, Mittel- strasse 51. Hagenbeck, Carl, Handelsmenageriebesitzer, Ham- burg, St. Pauli. 1902. Hamburger ÖOrnithologisch-Oologischer Verein (vertreten 1902. 1885. Herr durch Hrn. Geometer H. Cordes, Hamburg, Bleichen- brücke 17). Hantzsch, B., Lehrer an der höheren Volksschule, Dresden-Plauen. Hartert, Ernst, Direktor des Zoologischen Museums in Tring in England. Heck, L., Dr., Direktor des Zoolog. Gartens in Berlin W.62, Kurfürstendamm 9. (Für den zoologischen Garten). Heine, F., Oberamtmann auf Kloster Hadmersleben, bei Hadmersleben. Heine, F., Dr., Referendar, Hadmersleben. Heinroth, O., Dr. med., Berlin W. 62, Kurfürsten- damm 9. (Zoolog. Garten). Hellmayr, Eduard, Zoolog. Museum in München, Alte Akademie. Helm, F., Dr., Lehrer an der Landwirtsch. Schule in Chemnitz, Schillerplatz 21, I. Hennicke, C. R., Dr. med., Specialarzt f. Augen- und Ohrenleiden, Gera (Reuss j. L.), Adelheidstr. 12. Henrici, F., Dr. jur., Assessor, Schadwalde b. Marien- burg (Westpr.) Henrici, Regierungs- und Forstrat, Marienwerder (Westpr.). von Heyden, Lucas, Major z. D., Dr. phil. h. c., Professor, Frankfurt a. M.-Bockenheim. Hilgert, C., Präparator, Nieder-Ingelheim. Hintz, Robert, Königl. Ober-Forstmeister, Cassel, Annastr. 6. Holtz, Ludw., Greifswald, Wilhelmstr. 6. von Homeyer, Alexander, Major a. D., Greifswald. Hülsmann, H. Fabrikbesitz., Altenbach b. Wurzen. Hundrich, Amtsgerichtsrat, Hermsdorf am Kynast. F Mitglieder-Verzeichnis. 133 1901. Herr Hundrich, R., Kaufmann, Breslau, Museumsstr. 7. 1892. 1890. 1901 1901 1897. 1851. 1887. 1888. 1899. 1885. 1898. 1902. 1898. 1896 1886 1900. 1881. 1891. 1895. 1884. 1872. Jacobi, A., Dr., Berlin NW. 23, Klopstockstr. 19/20. Junghans, K., Professor an der Ober-Realschule Cassel, Grüner Weg 26. . Kaukasisches Museum in Tiflis, Transkaukasien (vertreten durch Hrn. Dr. G. Radde, Kaiserl. Russ. Geh. Staatsrat, Exzellenz, in Tiflis). . Herr Klein, Eduard, Dr. med., prakt. Arzt in Sofia, Bulgarien. Kleinschmidt, O., Pfarrer, Volkmaritz bei Deder- stedt, Prov. Sachsen. Richard Freiherr König von und zu Warthausen, Dr., Königl. Kammerherr, Schloss Warthausen bei Warthausen. Koenig, A., Dr., Professor, Bonn, Koblenzerstr. 164. Kollibay, Rechtsanwalt u. Notar, Neisse, Ring 121. Kräpelin, Dr., Prof., Direktor des naturhistorischen Museums, Hamburg, Steintorwall. Kuschel, Max, Polizeirat, Guhrau, Rgbz. Breslau. Lampert, Dr., Professor, Ober-Studienrat, Vorstand des Kgl. Naturalien-Kabinets, Stuttgart. Lamprecht, H., Fabrikbesitzer, Jauer. Lauterbach, Dr., Stabelwitz b. Deutsch-Lissa. . Leipziger Ornithologischer Verein (vertreten durch Herrn Dr. R. Schulze, Leipzig, Sidonienstr. 21). . Herr Leverkühn, Paul, Dr. med., Hofrat, Direktor der wissenschaftlichen Institute und Bibliothek Sr. Kgl. Hoheit des Fürsten von Bulgarien, Sofia, Bulgarien. von Lucanus, F., Oberleutnant im 2. Garde-Ulanen- Regiment, Berlin NW. 52, Werftstr. 14. von Madaräsz, Julius, Dr. phil, Kustos am Un- garischen National-Museum in Budapest. Mannkopf, Oscar, Königl. Hof- und dGarnison- Apotheker, Cöslin. Martin, Dr., Direktor des Grossherzoglichen Natur- histor. Museums in Oldenburg (Grhzgt.). Matschie, P., Professor, Kustos am Kg]. Zoologischen Museum in Berlin, N. 4, Invalidenstr. 43. Meyer, A. B., Dr., Geh. Hofrat, Direktor d. Zoo- logisch., Anthropol. und Ethnograph. Museums in Dresden. 134 Mitglieder-Verzeichnisg. 1894. Herr v. Middendorff, E., Majoratsherr auf Hellenorm 1892. 1880. b. Elwa in Livland. Graf von Mirbach-Geldern-Egmont, Alphons, auf Schloss Rogenburg in Schwaben, Kgl. Bayr. Kammer- herr, Kaiserl. Legationssekretär an der Deutschen Botschaft in Wien. Müller, August, Dr. phil., Inhaber des naturhistor. Instituts „Linnea“, Berlin N. 4., Invalidenstr. 105. 1897. Münchener Ornithologischer Verein. (Vertr. durch den 1880. 1868. 1893. 1901. 1896. 1895. 1890. 1897. 1875. 1886. 1885. 1903. 1895. 1897. Vorsitzenden Hrn. Dr. Parrot, München). Königliche Forst-Akademie in Hann. Münden. Herr Nehrkorn, A., Amtsrat in Braunschweig, Adolf- strasse 1. Nehrkorn, Alex., Dr. med., Privatdozent, Akadem. Krankenhaus, Heidelberg. de Neufville, Robert, Sektionär der ornith. Samm!. d. Senckenbergischen Naturh. Mus. i. Frankfurt a. M., Taunusplatz 11. Neumann, O. Berlin W. 9, Potsdamerstr. 10. Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes, (vertreten Herr durch Herrn Lehrer Schilling) Altenburg S. A., Schmölln’sche Chaussee. Pabst, Wilhelm, Dr., Kustos der naturhistorischen Samml. d. Herzogl. Museums in Gotha. (Für das Museum). Paeske, Ernst, Berlin SW., Besselstr. 12 I. Palmen, J. A., Dr., Professor, Helsingfors, Finland. Parrot, Carl, Dr. med., prakt. Arzt, München, Thierschstr. 37 LI. Pasch, Max, Königl. Hof-Lithograph und Hof-Buch- und Steindrucker, Verlagsbuchhändler, Berlin SW, 68, Ritterstr. 50. Ponebsek, Johann, Dr., K. K. Steuer-Oberinspector, kudolfswerth (Krain). Prazäk, J. P., Dr. phil. et iur., Doctor of Science, Getreidehändler, Prag, Kgl. Weinberge, Slesische- strasse 38. v. Quistorp-Crenzow, W., Dr. jur., Rittergutsbes., Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Orenzow. er 1868. 1885. 1865. 1894. 1876. 1893. 1888. 1872. 1902. 1898. 1901. 1870. 1898. 1896. 1891. 1879. 1892. 1901. 1879. 1878. 1893. 1872. 1874. Mitglieder-Verzeichnis. 135 ' 1892. Herr von Rabenau, H., Dr., Direktor des Museums der Naturforschenden Gesellschaft in Görlitz. (Für die Naturf. Gesellschaft). Reichenow, Anton, Dr., Professor, Kustos des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, N. 4, Invaliden- strasse 43. Reiser, Othmar, Kustos d. Naturwissenschaftlichen Abteilung des Bosnisch-Herzegowinischen Landes- museums in Sarajewo, Bosnien. Rey, E., Dr., Leipzig, Elisenstr. 43. Rörig. G., Dr., Prof, Regierungsrat im Beichs- Gesundheitsamt, Gross-Lichterfelde, W. Auguststr. 22. Rohweder, J., Gymnasial-OÖberlehrer, Husum. Baron von Rothschild, W. Dr. phil, Tring in England. Schäff, Ernst,Dr.,DirektordesZool.GartensinHannover. Schalow, Herm., Kaufm., Berlin NW. 23, Schleswiger Ufer 15 II. Schenkling, C., Reallehrer, Berlin SW. 11, König- grätzerstr. 35. Schillings, C. G., Gutsbesitzer, Gürzenich. Schlegel, R., Leipzig, Täubchenweg 43,b. Schlüter, Wilhelm, Naturalienhändler, Halle a. S. Schöpf, Direktor des zoologischen Gartens in Dresden. Schulz, A., München, Thalkirchnerstr. 1 IIL von Schutzbar gen. Milchling, Rittmeister a. D., Hann.-Münden. Schwerdt, C.F.G. Richard, Millcourt Alton (Hants), England. Shelley, G. E., Captain, 39 Egerton Gardens, Lon- don SW. Sokolowsky, A. Dr. phil, Charlottenburg, Her- derstr. 14. Stettiner Ornithologischer Verein (vertreten durch Herrn Oberlehrer Dr. Plathe, Stettin, König Albertstr. 10). Herr Talsky, Josef, Professor, Olmütz, Cöhmengasse 18. Kgl. Forstakademie Tharand. Herr Thiele, H., Baumeister, Cöpenick. Tbiele, Hch., Forstmeister, Braunschweig. Ausser- ordentliches Mitglied. 136 Mitglieder-Verzeichnis. 1901. Herr Thieme, Alfred, Lehrer, Leipzig, Johannisallee 7 II. 1899. - Thienemann, J., Rossitten a. d. Kurischen Nehrung. 1890. - von Treskow, Major a. D., Westend, Spandauerberg 5. 1868. - Victor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen, Villa Tännenhof bei Hallein. 1886. - Urban, L., Architekt u. Maurermeister, Berlin SW. 61, Blücherstr. 19. 1890. Frau Vieweg, H., geb. Brockhaus, Braunschweig. 1901. Herr Voigt, Alwin, Dr. phil., Leipzig, Färberstr. 15 1. 1890. - Wendlandt, P., Kgl. Forstmeister, St. Goarshausen. 1896. - Wickmann, H., Dr., Münster i. W., Kathagen 11. 1873. - Graf von Wilamowitz-Möllendorf, Wirklicher Geheimer Rat., Exzellenz, Majoratsherr auf Schloss Gadow bei Lanz, Reg.-Bez. Potsdam. 1884. - Ziemer, E., Klein-Reichow b. Standemin, Pommern. 1892. - Zimmermann, Th., Apotheker, Danzig, Kaninchen- berg 11. Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Bericht über die Jahresversammlung. 6.—7. Oktober 1902 in Berlin. Anwesend die Herren: Schalow, Reichenow, Ehmcke, Grunack, Freese, Haase, Thiele, von Treskow ‚Detitius, Matschie, Heinroth, Gottschlag, von Lucanus, Heck, Möbius, Henrici. Vonauswärtigen Mitgliedern dieHerren:Hantzsch (Dresden), Freiherr von Erlanger (Niederingelheim), Junghans (Kassel), Kleinschmidt (Volkmaritz, Bünger (Potsdam), Kollibay (Neisse), Schöpf (Dresden). I. Sitzung. Verhandelt, Berlin, Montag, den 6. Oktober 1902. Abends 71); Uhr im Architekten-Vereinshause. Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. Herr Schalow eröffnet die Jahresversammlung und begrüsst die anwesenden Mitglieder, insbesondere diejenigen, welche aus weiter Ferne zu den Sitzungen herbeigeeilt sind; er teilt mit, Bericht über die Jahresversammlung. 137 dass ursprünglich für dieses Jahr die Hauptversammlung nach Stuttgart berufen werden sollte, dass aber aus verschiedenen Gründen eine Verschiebung des Zeitpunktes für diese Tagung bis zu Pfingsten nächsten Jahres nötig geworden sei. Erst im nächsten Frühjahr solle wiederum eine Versammlung ausserhalb Berlins stattfinden und für diese dann in Stuttgart vorzubereitenden Sitzungen erhoffe er eine recht zahlreiche Beteiligung. Herr Deditius verliest hierauf den Jahresbericht. Der Vorsitzende dankt dem Herren Kassenführer für die sorgfältige Darstellung der geschäftlichen Verhältnisse unserer Gesellschaft und schlägt die Herren Kleinschmidt, Kollibay und Heinroth zu Revisoren des Kassenberichtes vor. Die An- wesenden bestätigen durch Zuruf die Wahl dieser drei Herren. Herr Reichenow ergreift nunmehr das Wort zu einem Berichte über einige in der letzten Zeit neu erschienene orni- thologische Schriften. Er legt alsdann einige von Herrn Ehmcke der Gesellschaft übergebene Tafeln vor, auf denen Varietäten der Lerche, der Singdrossel, des Zeisigs und der Rohrammer darge- stellt sind, welche sich durch Missbildungen des Federkleides auszeichnen. Diese Bilder sind nach Vögeln gemalt worden, die im Besitz des Herrn Ehmcke waren. Herr Kleinschmidt macht einige Bemerkungen zu dem Referate des Herrn Reichenow über den Jahrgang 1902 von „Aquila“: Bei dem Sammeln von Brustbeinen, das er seit einigen Jahren mit Eifer betreibe, müsse man die grosse Variation be- rücksichtigen, der dieser Teil des Vogelskelettes und besonders sein Hinterrand nicht nur nach Alter und Geschlecht, sondern auch rein individuell unterworfen sei. Andrerseits finde man bei grundverschiedenen Arten die Unterschiede bisweilen sehr gering oder versteckt. Oft mache das Sternum die Wachstums- verhältnisse eines Individuums verständlich. Man sollte zu jedem Vogelbalg das Sternum des betreffenden Stücks präparieren. Dass Anser fabalis und neglectus geographisch sich einander vertretende Formen sein könnten, habe viel für sich. Von Inter- esse sei hierbei ein Gänseschnabel, den Naumann in der „Naumannia‘ abbilde. Die Übereinstimmung der Zugkarten vom Schwalbenzug 1898 und 1899 sei ein prächtiger Erfolg sorgfältiger wissen- schaftlicher Arbeit. Das Kartenbildl mache den Eindruck, als 138 Bericht über die Jahresversammlung. bewege sich der Zug gegen die Richtung der Flussläufe. Redner habe sich der Mühe unterzogen, alle die Daten, die als abnorm ausgeschaltet seien, zu prüfen, und dabei gefunden, dass viele unter diesem Gesichtspunkt erklärlich werden. Die Vogel- zugbeobachtungen in Siebenbürgen, das Vorkommen östlicher Stare, eines norddeutschen Storchs an ganz bestimmten Punkten daselbst, während ein Thüringer Storch in Spanien geschossen sei und in Mecklenburg die Störche von Nordosten her ankämen, das alles und viele andre Rätsel des Vogelzugs finden bei dieser Auffassung eine einfache Erklärung. Herr Schalow legt die photographische Darstellung eines auf dem Erdboden erbauten Horstes von Pandion aus der Sinai- Wüste vor. Herr Heck ladet hierauf die Jahresversammlung zum Be- suche des Zoologischen Gartens ein und bittet, die Tagesordnung so festzulegen, dass für die Besichtigung der reichhaltigen Sammlung lebender Vögel ein genügender Zeitraum frei bleibe. Herr Reichenow empfiehlt, die für morgen geplante wissenschaftliche Sitzung um 12 Uhr zu schliessen, alsdann im Restaurant Roland, Potsdamerstrasse, gemeinsam zu speisen und um 2 Uhr der Einladung des Herrn Heck zu folgen. Die Versammlung erklärt sich mit diesen Vorschlägen ein- verstanden. Herr Kollibay erhält nunmehr das Wort zu einem Vortrage, über einen im April und Mai d. J. nach Bosnien, der Herzegowina, Dalmatien und Montenegro unternom- menen Ausflug und über einen mehrwöchigen Aufent- halt in Cattaro und auf der Insel Curzola. Der Redner gab in grossen Zügen ein Bild der Ornis beider Örtlichkeiten unter Hervorhebung ihrer hauptsächlichsten Charaktervögel. Die in Süddalmatien erbeuteten Arten legte er, soweit sie allgemeineres Interesse erwecken konnten, vor. Über einige besonders be- merkenswerte Ergebnisse der Reise machte Herr Kollibay folgende Mitteilungen: Bei Cattaro wurde der sehr helle Phylloscopus sibilator flavescens Erl. erlegt. Die daselbst vorkommenden Alpenflüvögel gehören zu der graurückigen Form, Accentor collarıs reiseri Tsch. Eine grössere Reihe weisser Steinschmätzer bedarf noch einer genaueren Untersuchung; die beiden Arten scheinen den Über- gang von der westlichen S. aurita Tem. zu der östlichen $. am- Bericht über die Jahresversammlung. 139 phileuca H. u. E., bezw. von $. stapazina L. zu $. melanoleuca Güld. zu bilden. Von Emberiza melanocephala Scop. erlegte ich auf Curzola ein melanistisches $ mit schwarzer Kehlzeichnung. Die Mauersegler, die auf Curzola erbeutet wurden, unterscheiden sich selbst ohne Vergleichsmaterial durch tiefdunkle Färbung, weissliche Federsäume auf der Unterseite auch im Alterskleide und vor allem durch eine breite, reinweisse Kehle. Sie werden von Herrn von Tschusi subspeeifisch abgesondert und nach mir benannt werden. Falco vespertinus erschien bei Cattaro vom 28.4. bis 1. 3. bei heftigem Scirocco und Regenwetter in Menge. Er wurde von Eingeborenen viel erlegt und, soweit sie die Vögel nicht an mich loswerden konnten, — zu Küchenzwecken ver- wendet. Aus einer grossen Reihe wählte ich 5 instruktive Stücke, darunter ein $ im Übergangskleide: Im Allgemeinen ausgefärbt, zeigt es an der Brust rote Wölkung, meines Erachtens ein Beweis der Umfärbung ohne Mauser. In der Bocche di Cattaro und auf Curzola wurden einige Exemplare von Pratincola rubetra L. erlegt. Dieselben unterscheiden sich von mitteleuropäischen durch viel hellere, sandfarbene Oberseite und dadurch, dass beim g das Rostrot auf der Unterseite erheblich fahler ist und sich nicht auf die Brust erstreckt. Ich bin geneigt, die Form sub- specifisch zu sondern.!) Eine ausführlichere Bearbeitung der Excursion wird im Ornith. Jahrbuche von Tschusi erscheinen. An diesen Vortrag schliesst sich eine Besprechung. Herr Kleinschmidt fragt, ob der Apus kollibayı in Dalmatien als Brutvogel nachgewiesen sei. Herr Kollibay verneint dies. Herr Schalow spricht dem Vortragenden den Dank der Anwesenden für seine interessanten Mitteilungen aus und weist darauf hin, dass in späteren Sommermonaten die Zusammensetzung der dalmatinischen Orvis sich wesentlich anders als im Frühjahr darstelle. Emberiza melanocephala habe er z. B. im Hochsommer dort sehr häufig gefunden. Herr Grunack macht darauf aufmerksam, dass die Gegend an der Orla-Mündung ein reichhaltiges Vogelleben aufweise. !) Durch Vergleichung der Curzola-Exemplare mit solchen aus Tunis (Pr. rubetra spatzi von Erl.), welche mir Herr Baron von Er- langen freundlichst zur Verfügung stellte, ergab sich, dass beide nicht zu derselben Subspecies gehören. Kollibay. 140 Bericht über die Jahresversammlung. Herr Kleinsehmidt spricht hieraufüber die zoogeographische Berechtigung der Annahme eines Mittelmeergebietes: Er habe selbst auf einer Reise durch Bosnien, die Herze- govina und Dalmatien den grossen Wechsel des Naturcharakters beim Eintritt in die mediterrane Welt aus eigener Anschauung kennen gelernt und empfunden, aber dieses sogenannte mediterrane Gebiet sei kein exakter zoogeographischer Begriff. Die angeblich ihm eigentümlichen Formen seien entweder nicht auf das Mittel- meerbecken beschränkt, oder ihre Verbreitung erstrecke sich nur auf einen Teil der mediterranen Länder. Eines von vielen Bei- spielen seien die Formen der Kohlmeise, die man mit Unrecht immer als einen Vogel angesehen habe, der nicht geographisch abändere. Gerade das Mittelmeer vereinige in seinen Ufergebieten und Inseln eine Reihe von Kohlmeisenformen, die die grössten Gegensätze in ihrer Färbung zeigten. Die marokkanische Form sei wahrscheinlich von dem tunesischen excelsus verschieden. Sicher sei das der Fall mit dem Vogel von Corsika (und Sar- dinien), den Redner demnächst beschreiben wolle und dessen Unterschiede er an vorgelegten Stücken erläutert. Zwei gleich- falls vorgezeigte Stücke aus Griechenland sehen fast aus wie Parus minor und müssen der von Madaräsz als „aphrodite“ beschriebenen Form von Cypern ganz oder doch sehr ähnlich sein. Die vorliegende Reihe von Parus maior-Formen, P. bochariensis und P. minor zeige, dass dies alles nur Ausgaben desselben Vogels seien. Jetzt, beikünstlicher Beleuchtung, sei die gelbe Farbe fast unsichtbar und daher die Übereinstimmung der Zeichnung besonders deutlich. Morgen bei Tageslicht werde man die Verschiedenheit der einzelnen Formen sehen können, die in der Hauptsache durch die Abstufungen von Gelb bewirkt werde.. Herr Kollibay bemerkt hierzu, dass er im Museum in Budapest den neuen Parus aphrodite von Cypern, der zwischen P. maior und minor steht, gesehen habe, neben dem aber auch der typische P. maior auf Cypern vorkomme. Herr Kleinschmidt erwähnt, dass er von Rom einen ganz lichten und einen tiefgelben Vogel besitze. Letzterer stamme freilich vom Markt. Aber auch in Deutschland würden zuweilen ganz helle Vögel gefunden, z. B. der irrtümlich als P. bochariensis bestimmte Vogel Brehms. Man müsse hierbei alte und junge Vögel, normale Stücke und gelegentliche Abweichungen und schliess- lich Fundorte und -Zeiten mit grösster Sorgfalt unterscheiden. Bericht über die Jahresversammlung. 141 Mehr gelbe und mehr blasse Vögel seien als verschiedene Phasen in jeder Form vorhanden. Parus aphrodite habe vielleicht auch eine gelbe Phase. Redner hielt hierauf einen ausführlicheren Vortrag über seine Sammelerfolge während des letztenSommers. Von Sardinien habe er u. a. Lanius badius Hartl. in allen Alters- stufen und Kleidern und Falco brookei Sharpe in mehreren Ex- emplaren, darunter in einem prächtigen am Horst erlegten 9 mit zugehörigem Ei erhalten. Da der Vogel nichts anderes als eine kleine, oft sehr intensiv gefärbte Form des Wanderfalken sei, sehe auch das Ei wie ein sehr kleines Ei von F\ peregrinus aus. Herr Kleinschmidt berichtet ferner, dass es ihm auf einer Urlaubsreise am Rhein endlich gelungen sei, ein Nest von Parus salicarius zu finden. Der Gesang des Männchens, der specht- artige Nestbau und die schwierige Auffindung werden eingehend geschildert. Die Eier sind wie alle Meiseneier wenig von denen der gewöhnlichen Art verschieden. Eine ausführliche Beschreibung soll in einem späteren Journalheft folgen. Vom Mauersegler wurde ein gleichmässig bebrütetes Gelege von 3 Eiern gefunden, von Acrocephalus streperus ein weit vom Wasser entferntes Nest. Das zurückgebliebene Wachstum des Schilfes hatte alle Rohr- sänger genötigt, sich in „horticola“ zu verwandeln. In später Abendstunde wird die Sitzung geschlossen. Im Keller des Architekten-Vereinshauses fanden sich die Mitglieder bei einem Glase Bier wieder zusammen und besprachen noch längere Zeit die in der heutigen Sitzung aufgerollten Fragen. I. Sitzung. Verhandelt, Berlin, Dienstag, den 7. Oktober 1902, Vor- mittags 9!/, Uhr im Königlichen Zoologischen Museum, Vorsitzender: Herr Reichenow. Schriftf.: Herr Matschie. Herr Reichenow kommt zunächst zurück auf die Bemer- kungen des Herrn Kleinschmidt über die Berechtigung der Annahme eines Mittelmeergebietes für zoogeographische Forschungen und tritt entschieden für die Beibehaltung eines solchen ein. Herr Kleinschmidt verteidigt seinen Standtpunkt. Das Mittelmeer sei auch geologisch kein einheitlicher Begriff. Er halte es für durchaus verkehrt, von erdgeschichtlichen Tatsachen aus- gehend unbewiesene zoologische Hypothesen aufzubauen, aber 142 Bericht über die Jahresversammlung. wenn die Geologie und die Zoologie in ihren Schlussresultaten beide übereinstimmten, so sei das eine gegenseitige Bestätigung. Behalte man den Ausdruck bei, so müsse man seinen Begriff er- weitern oder beschränken. Herr Matschie hält es für empfehlenswert, grössere Ge- biete, trotzdem sie in den einzelnen Teilen keine gleichmässige Tierwelt aufweisen, vorläufig beizubehalten. Die zum Mittelmeer abwässernden Länder unterscheiden sich in ihrer Fauna offenbar sowohl von den zum schwarzen Meere abwässernden als auch von denjenigen des mittleren und nördlichen Europas und den zentralasiatischen Hochländern sehr erheblich. Es gebe eine ganze Reihe von Tierformen, die durch das ganze bisher an- genommene Mittelmeergebiet verbreitet und für dieses bestimmend seien. Darüber dürfe man aber nicht vergessen, dass die Mittel- meerländer zoogeographisch nicht gleichwertig seien, dass viel- mehr eine Anzahl von kleineren Gebieten unterschieden werden müsse, in derem jeden viele eigentümliche Formen sich finden. Auch das aethiopische Gebiet zerfalle in eine grosse Menge von Untergebieten, von denen einige, wie z. B. das Senegalgebiet, das nubische Gebiet, das südarabische Gebiet eine erhebliche Mischung von aethiopischen mit nicht aethiopischen Arten aufweisen. Trotz- dem rechne man sie aus rein praktischen Gründen zur aethio- pischen Region. Verlasse man die allgemein angenommenen grossen Gebiete, so bleibe nur übrig, eine Anzahl von grossen Verbreitungsheerden anzunehmen und da, wo die Einflussgebiete mehrerer Verbreitungsheerde sich mischen, besondere Misch- gebiete anzuerkennen. Herr Kleinschmidt hält nunmehr einen Vortrag über die Entwickelung der Vogelfeder in der Mauser. Er legt ein von Dr. Kreyenberg gesammeltes und ihm vom Magdeburger Mu- seum überlassenes Exemplar der chinesischen Elster vor, bei dem sich der Schwanz in der Mauser befindet. An der Spitze einer neuen Steuerfeder hängt noch ein Stück der ausgeschobenen früheren Feder und zwar geht die etwas eingeschnürte und ver- jüngte Federspule der alten unmittelbar in den Schaft der neuen Feder über. Auch einige Spitzen der Fahne sind mit der Spule der alten Feder verwachsen. Der Vortragende erinnert an ein früher von ihm an die D. OÖ. G. eingesandtes Präparat (vergl. Journ. f. Orn. 1899, p. 115) und zeigt noch einige von verschie- denen Mauserzeiten stammende Federn eines Vasapapageis, die 4 Bericht über die Jahresversammlung. 143 in der wunderlichsten Weise mit einander verwachsene Doppel- bildungen des Schaftes darstellen. Die einzelne Feder hat sich im Verlauf des Wachstums zeitweilig in 2 oder 3 mit den Fahnen verwachsene Federn getrennt. Herr Heinroth bemerkt hierzu folgendes: Da beim Feder- wechsel stets die neue Feder aus derselben Papille hervorgeht wie die alte, so erfolgt das Ausfallen der letzteren durch mecha- nisches Herausdrängen seitens der neuen Feder. In krankhaften Fällen kann nun eine Verschmelzung der Basis der alten Feder mit der Spitze der Jungfeder eintreten, und mit einem solchen Falle haben wir es hier zu tun, auch hier handelt es sich wieder um einen gefangenen Vogel, denn gerade bei diesen sind Feder- missbildungen häufig. Bei Schwächezuständen der Vögel erfolgt überhaupt das Federwachstum unvollkommen. Wohl wird meist die normale Länge der Feder erreicht, aber die Fahne ist häufig stellenweise ganz fehlend oder nur kümmerlich entwickelt, sodass man bei dem später eingegangenen Tiere die Schwankungen der Krankheit aus den während dieser Zeit neugebildeten Federn ab- lesen kann. Hierbei und namentlich bei Verletzungen der Feder- papille kommt es sehr oft zum Fehlen des Pigmentes, d. h. die Feder wird ganz oder teilweise weiss, z. B. an den Amputations- stellen der Wasservögel (vergl. auch Druckstellen der Pferde). Dass die neue Feder aus derselben Papille wie die alte angelegt wird, sieht man am einfachsten, wenn man dem lebenden Vogel eine Feder kurz vor dem physiologischen Ausfallen derselben auszieht, an ihrer Wurzel hängt dann der Keim der folgenden Jungfeder. Merkwürdig bleibt dabei, dass dieselbe Papille zu verschiedenen Zeiten ganz verschiedene Federn bilden kann, so z. B. erscheint in regelmässigem Wechsel beim Mandarinenerpel die innerste Armschwinge bald als einfach braune Feder und dann wieder als höchst wunderbar gestaltete und gefärbte „Fächerfeder“. Eigentümlich verhält sich der Pinguin. Ein Exemplar von Sphe- niscus demersus, der im Berliner Zoologischen Garten lebt, mausert gerade. Ich habe einige der abgefallenen Federn bei mir und lege sie vor. DieserVogel verliertalle Federn gleichzeitig, geht etwa 14 Tage lang nicht ins Wasser und hungert also auch in diesem Zeitraum. Die neuen Federn wachsen vollkommen in die Spulen der alten hinein, knicken diese spitzwinklig um, und die ungefie- derte Federspule der ausgestossenen Feder erscheint dann als dünne lange Röhre. 144 Bericht über die Jahresversammlung. Herr Kollibay erinnert an die von ihm in der gestrigen Sitzung vorgelegten Bälge des Rotfussfalken und fragt, ob die in dem Übergangskleide wahrgenommenen Reste der Jugendbefiede- rung durch Mauser oder Umfärbung zum ausgefärbten Kleide umgebildet würden. Herr Kleinschmidt antwortet hierauf, dass gewiss keine Umfärbung vorliege. Denke man sich die Federn der drei ersten Kleider hintereinander gelegt und nach Art der vorhin bespro- chenen Elsterfeder verwachsen, so beginne das Alterskleid mitten im Wachstum der zweiten, mittelsten Feder. Er habe deshalb für solche Federn schon früher die Bezeichnung Mittelfedern vorgeschlagen. Ein sehr schönes Beispiel dieser Erscheinung sei der Star, der im zweiten Gefieder oft sehr breite bräunliche Federsäume trage, die im Frühjahr abfallen. Die im Frühjahr verschwindenden Federspitzen seien gewissermassen noch ein Stück Jugendkleid. Herr Kollibay ist der Ansicht, dass von einer solchen Mauser keine Rede sein könne. Einmal hat sich dafür bei der Zubereitung des Balges nicht das mindeste Anzeichen ergeben, sodann aber wird die rote Wölkung nicht durch zurückgebliebene. gänzlich rote Federn des Jugendkleides gebildet, sondern jede jede einzelne der in Betracht kommenden Federn ist aschgrau mit mehr oder minder roter Zeichnung auf der Spitzenhälfte. Ganz deutlich ist erkennbar, dass das Grau von der Basalhälfte längs des Schaftes in der Feder nach der Spitze zu sich aus- breitet, dergestalt, dass bei den meisten Brustfedern deren Mitte bis an die Spitze bereits grau ist und nur rechts und links davon eine rote Fläche übrig bleibt, während nach dem ganz grauen Bauche hin das Rot auf den Federn immer ehr verschwindet und zuletzt nur noch als feines Endsäumchen erkennbar ist, Solche Federn sind dem Jugendkleide fremd. Herr Reichenow weist darauf hin, dass überall da, wo einem jungen Vogel Federn ausgezogen werden, die dem nächsten Kleide angehörenden Federn nachwachsen. Herr Heinroth ergänzt diese Bemerkung durch die Mit- teilung, dass die Feder, je später sie nachwachse, desto näher dem Alterskleide stehe. Der Goldfasanenhahn zum Beispiel, der ja erst im zweiten Jahre sein Prachtkleid anlegt, trägt vor diesem ein der Henne ähnliches II. Jugendkleid. Entnimmt man diesem einige Federn, so wachsen sie, je später man sie ausgezogen hat, Bericht über die Jahresversammlung. 145 also je älter und mannbarer der Vogel ist, desto ähnlicher dem Prachtkleide nach. Bei sehr langsam mausernden grossen Raub- vögeln sind die zuerst gewechselten Federn einer Mauser oft noch Jugendkleidsfedern, während die letzten fast ausgefärbt sind. Herr Kleinschmidt legt sodann eine Reihe von Bälgen der Emberiza leucocephala und der E. eitrinella vor, zum Teil aus der Sammlung des Herrn Johannsen in Tomsk. Die Vögel zeigen mit der Zunahme der gelben Färbung eine Abnahme der rostroten Kopfzeichnung und so eine allmähliche Stufenfolge zwischen zwei Arten, die man vielfach in verschiedene Genera gestellt hat und die in Wirklichkeit nach des Vortragenden Ansicht nichts weiter sind als verschiedene geographische Ausgaben desselben Tieres. (Genauere Beschreibung und Abbildung der interessanten Stücke folgt in einem der nächsten Hefte des Journ. f. Orn.) Herr Kollibay bemerkt dazu: „Der von mir im Ornith. Jahrbuche (Jahrg. 1894 S. 166— 167) besprochene, im Isergebirge sefangene Fichtenammer hielt sich nach meinen Informationen zu einem Schwarm Goldammern. — Ich verweise ferner auf die bereits im Ibis, 1901, S. 453 und 454 von Mr. H. L. Popham erfolgte Besprechung der Beziehungen von Emb. citri- nella zu Emb. leucocephala und die dort, Tafel X, gegebenen Abbildungen von Emb. eitrinella brehmi Hom. mit kastanien- braunen Bartstreifen und Emb. citrinella molessoni Zard. mit eben so gefärbter Kehle. Herr Kleinschmidt hält seine Ansicht aufrecht, dass zwischen den einzelnen geographischen Formen Übergänge vor- kommen, das heisst nicht nur Bastarde oder, wie man richtiger sagen sollte, fruchtbare Mischlinge, sondern auch ohne Ver- mischung, fern von den Verbreitungsgrenzen. Wo die Mischung stattfindet, d. h. wo die Brutgebiete sich berühren, treten sie natürlich häufiger auf. Vielfach wird allerdings der Ausdruck „Übergänge“ gemiss- braucht oder doch falsch verstanden. Ein deutliches Beispiel hiervon sind die europäischen Formen von Strix flammea, die man früher (neuerdings hat Hartert einen vorsichtigen Anfang gemacht) nie recht zu unterscheiden gewagt hat, weil alle möglichen Übergänge vorkommen. Der Vortragende zeigt nun die deutsche, englische und sardinische Form der Schleiereule und wählt aus den mitgebrachten Stücken zuerst eine Reihe aus, die schein- bar regel- und schrankenloses Ineinanderübergehen der Farben Journ, f. Orn. LI. Jahre. Januar 1%3. 10 146 Bericht über die Jahresversammlung. von der dunkelsten flammea zur hellsten ernesti zeigt. In Wirklich- keit beweist das nur, dass alle diese Vögel einen Lebensring bilden. Es ist aber durchaus nicht so, dass nun etwa allmählich mit dem geographischen Breitengrad die Vögel heller würden in der Weise wie die vorliegende Reihe geordnet ist. Man muss sich hüten, das geographische Abändern mit dem individuellen zu verwechseln. Letzteres. ist zufällig, ersteres gesetzmässig. Beim Vergleichen der geographischen Formen muss man die ver- schiedenen correspondierenden Phasen einander gegenüberstellen, d.h. die dunkelste Schleiereule von Deutschland mit der dunkelsten von England, die hellste deutsche mit der hellsten englischen vergleichen u.s. w. Um dies deutlich zu machen, gruppiert nun der Vortragende auf dem Tisch die mitgebrachten Eulenbälge in anderer Weise, so dass drei Reihen entstehen, die .die deutsche, die englische und die sardinische Form und jede in ihrer Varia- tion vom hellen zum dunklen Extıem zeigen. Die Tatsache leuchtet dann jedem ein, dass die englische Form heller als die deutsche, die sardinische heller als die englische ist. Wie daneben gelegte Reihen von Meisen und Sperbern (darunter eine Suite von Accipiter wolterstorffi). zeigen, werden die meisten anderen Vögel in England und Sardinien dunkler. Aber da die Reihen- folge der drei Länder im Gradunterschied dieselbe ist, so spielt hier offenbar kein Zufall, sondern es handelt sich um regel- mässige Erscheinungen. Die Ursachen, die in England wirken, wirken in Sardinien (und Nachbargegend) noch intensiver. Vergleicht man nicht die korrespondierenden Phasen, unter- scheidet man nicht zwischen individueller Phase oder. Varietät und geographischer Form, so werden gerade die wichtigsten und in- teressantesten Tatsachen durch die Systematik ausser acht gelassen. Den Ausdruck Variationsbreite sollte man nur in Bezug auf ein bestimmtes Merkmal gebrauchen und stets von der Variations- weite einer Form reden, denn ein Tier variiert nach vielen Richtungen. Jede Farbe, die es trägt (bei der Schleiereule Grau und Gelb), hat ihre besondere Variationsbreite. Herr Reichenow zweifelt daran, dass es in der Natur Gesetze gebe und weist auf die Notwendigkeit hin, die Weite der individuellen und geographischen Abänderung bei den ein- zelnen geographischen Rasser sehr genau zu untersuchen. Herr: Matschie hält es ebenfalls für dringend nötig, die Variationsweite solcher Formen, welche ein weites Verbreitungs- Bericht über die Jahresversammlung. 147 gebiet haben, sorgfältig festzulegen. Überall da, wo eine grosse Menge von Einzeltieren einer Form aus vielen, klimatisch ver- schiedenen Gebieten dem prüfendem Auge eines Tierkenners unterworfen werde, habe es sich herausgestellt, dass diese Tierform in jedem klimatisch und floristisch verschiedenen Ge- biete durch eine besondere Art vertreten sei. Jede dieser Arten besitze ein grosse Menge von Merkmalen, die nur ihr eigen- tümlich seien, die aber bald mehr, bald weniger deutlich dem ungeschulten Auge sich zu erkennen geben. Jedes dieser Merk- male ändere in gewisser Beziehung und nach einer gewissen Richtung hin ab; man dürfe also nicht nach einigen wenigen Kennzeichen auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art mit Sicherheit schliessen wollen, sondern müsse damit rechnen, dass einmal das eine oder andere versagt und auf eine zweite verwandte Art hindeutet. In solchem Falle müsse man eben auf die grosse Zahl der übrigen für die Art bestimmenden Merkmale sein Urteil sründen. In allen Fällen, wo es unmöglich sei, sicher festzustellen, zu welcher von zwei nahe verwandten und geograpisch benach- barten Arten ein Einzeltier gerechnet werden müsse, habe man es seiner Ansicht nach mit einem Mischling zu tun, dessen Vater der einen, dessen Mutter der anderen Art angehöre. Es könne oft nachgewiesen werden, dass irgend ein Tier in wenigen Merkmalen von der grossen Menge seiner Artgenossen abweiche und hierin mit den Angehörigen einer ganz anderen Art über- einstimme. Man werde aber trotzdem bei sorgfältiger Unter- suchung nicht darüber im Zweifel sein, dass man es nur mit den zufälligen oder vielmehr den durch bisher nicht genügend aufge- klärte Ursachen bedingten Abänderungen des Einzelwesens einer bestimmten Art zu tun habe. Sobald ein Tier die Merkmale zweier Arten in solcher Mischung aufweise, dass man in ihm einen Übergang zwischen beiden sehen müsse, so werde immer dieses Tier aus einer Gegend stammen, in der beide Arten neben- einander leben, wo also Angehörige beider miteinander in ge- schlechtlichen Verkehr treten können. Wer an Übergänge ohne Bastardierung glaube, habe den Beweis dafür zu erbringen, dass es Gegenden gebe, in denen alle Einzeltiere als solche Über- gänge angesprochen werden müssen. Es habe allerdings niemals an Zoologen gefehlt, welche die Ansicht vertreten, dass alle zu einer geographischen Form gehörigen Tiere um so ähnlicher den 10* 148 Bericht über die Jahresversammlung. zu einer verwandten und benachbarten Form gehörigen er- scheinen, je näher sie der Grenze des Verbreitungsgebietes der- selben leben. Solange aber der Nachweis fehlt, dass neben diesen Übergängen typische Vertreter beider Arten an demselben Orte nicht gefunden werden, so lange habe diese Behauptung keinerlei beweisende Kraft. Von grosser Wichtigkeit sei die Untersuchung des Einflusses verschiedener Nahrung, verschiedener Lebensweise und ver- schiedener Temperaturverhältnisse auf Angehörige derselben geo- graphischen Art. Es frage sich, ob Wald- und Steppenformen, Nadelwald- und Laubwaldformen, Gebirgs- und Flachlandsformen auch unter den Vögeln nachgewiesen werden können in ähnlicher Weise, wie es von Säugetieren bekannt sei, ob also Standortsvarie- täten innerhalb der geographischen Arten vorkommen. Herr Kleinschmidt ist der Ansicht, dass Standortsvarie- täten bei Vögeln nicht nachweisbar sind, weil der Vogel von allen Lebewesen am wenigsten an den einzelnen Standort ge- bunden sei und mindestens die Nachkommen den Nistplatz der Eltern verlassen. Er habe dieser Frage stets eifrig nachgespürt und versucht, Eichelheher des Nadelholzes und des Laubwaldes, Sumpfmeisen der Berge und des Tales zu unterscheiden, aber mit durchaus negativem Ergebnis. Bei Pflanzen könne man auf demselben Acker, ja auf dem- selben Quadratmeter Boden, wo die Erde verschieden ist (z. B. bei Brennnesseln) Standortsvarietäten beobachten. Ebenso möge es bei den Tieren sein, die an die Scholle gebunden sind, weniger deutlich bei Säugetieren, kaum wahrnembar bei Vögeln, die umherfliegen und sich innerhalb der geographischen Gebiete fortwährend mischen. Auch ihre Variation werde wohl nur scheinbar zufällig sein und ihre Ursachen haben. Aber nach- weisen können wir es nicht, weil sie nicht an ihren Standorten bleiben. Variieren doch viele Zugvögel nicht einmal geographisch, weil sie sich auf der Wanderung immer wieder mischen, während in denselben Gebieten Standvögel besondere Formen bilden. So bildet wiederum der fliegende Standvogel da keine Verschieden- heit aus, wo die festwurzelnde Pflanze und das an die Erde ge- bundene Säugetier Standortsfärbungen erkennen lassen. Doch soll damit die Frage nicht als ad acta gelegt erscheinen. Herr Reichenow spricht über einige afrikanische Weber- vögel und stellt folgende neuen Gattungen und Untergattungen auf: Fe Pseudonigrita für Nigrita arnaudi B., Phormoplectes als subgenus der Gattung Ploceus für P. insignis (Sharpe), Hypermegethes ebenso für P. grandis (G. R. Gr.). Herr Reichenow legt eine Anzahl Bälge von Alcyone azurea vom Kaiser-Wilhelmsland vor und weist auf die viel blassere, nicht rotbraune, sondern ockergelbe Unterseite dieserVögel hin. Nur die Körperseiten sind dunkler rostbräunlich. Der Vor- tragende schlägt für diese Form den Namen A. ochrogaster vor. Von Herrn Ehmcke sind die Beschreibungen einiger neuen Lerchenarten zur Vorlage eingesandt: Bericht über die Jahresversammlung. 149 I. Alauda cinerea Ehmcke. Im allgemeinen der .4. arvensis ähnlich. Körper schlank mit runden Formen. A. Gesamtlänge 165 mm. B. Schnabel dunkelhornfarbig; an den Seiten gelblich ; schlank und spitz; an den Seiten ein wenig eingedrückt wie bei den Ammern. a. Oberschnabel an der Spitze leicht gebogen «a überragt den Unterschnabel nur etwa 0,50 mm. 8 Länge der First 12 mm. Y „ von dem Mundwinkel aus gemessen 18 mm. Dan „ den Nasenlöchern „, eR 9,5 mm. b. Unterschnabel von der Gabelung an gemessen 10 mm. c. Nasenlöcher gross und nach der Stirn zu stark erweitert, durch kleine Federn und etwa 10—12 dünne schwarze Borsten verdeckt; letztere reichen bis zum Mundwinkel und überragen den Unterschnabel erheblich. C. Kopf klein und rundlich, mit kleinen schwarzen Federn, die gelblichweiss gesäumt sind, bedeckt. Länge von dem Hinter- hauptsloch bis zur Schnabelspitze 36 mm. Über den Augen ein kleiner gelblichgrauer Streifen. D. Ohrlöcher gross, durch straffere gelblichgraue Federn verdeckt, deren Enden dunkler sind und sich dadurch von dem übrigen Gefieder abheben. E. Unterseite grauweiss mit mehr oder weniger dunklen Längs- flecken der Oberbrust je nach dem Lebensalter. F. Schwanz 60 mm, in der Mitte ausgeschnitten, nach aussen hin leicht abgerundet. Aussenfahnen der Federn sehr schmal und die beiden äusseren weiss. Oberseite dunkel havannabraun mit gelblichem Schein, der durch die hellen Federkanten hervorgerufen wird. Unterseite tief dunkelsilbergrau. Die äusseren Federn heller. G. Oberseite: Grundfarbe wie der Oberschwanz, nur erscheinen Kopf, Nacken und Schultern durch die breiteren graugelblichen Federränder heller. 150 Bericht über die Jahresversammlung. E® . Flügel 110 mm. Schwungfedern wie die Oberseite der Schwanz- federn; 1. und 2. gleichlang; 3. um 7 mm kürzer. . Füsse gelblich mit rötlichem Schein, an der Zehenwurzel dunkel, ebenso Krallen und Sporen. Zehen und Sporen schlank und spitz; letztere bis zur Mitte an der Unterseite ausgehölt und stark gebogen; Krallen ebenfalls stark gebogen. Mittelzehe 15 mm, Hinterzehe ohne Sporn 11 mm, Hinterzehe mit Sporn 24 mm, Sporn im Bogen gemessen 16 mm. Barnaul in Sibirien. II. Alauda subalpina Ehmcke. Im allgemeinen A. arvensis ähnlich. Körper schlank mit festanliegendem weichen Gefieder. . Gesamtlänge 155 mm. . Schnabel hellhornfarben, auf der First dunkel. Länge der First 13 mm. »„ von der Mundspalte an 16 mm. % » „ Gabelung des Unterschnabels 7 mm. % „ den Nasenlöchern 9 mm. Nasenlöcher klein, länglich eiförmig, in einer Vertiefung liegend und von dunkeln Borsten bedeckt, die durchschnittlich eine Länge von 5 mm haben. Kopf klein und rundlich, mit kleinen schwarzen Federn bedeckt, die leicht gelblichbraun gerändert sind. Länge von dem Hinterhauptsloch bis zur Schnabelspitze 35 mm. Von den Nasenlöchern geht ein gelblicher Streifen über die Augen bis zum Ohr. Von den Mundwinkeln läuft ein gleich- farbiger Streifen unter den Augen herum und stösst mit dem oberen kurz hinter den Augen zusammen. . Öbrlöcher gross, länglich eiförmig, schräg von oben nach unten zum Schnabel stehend. Bedeckt werden sie von dunkleren bräunlichgelblichen Federn, die von dem Unterschnabel be- ginnend bis nahezu zum Hinterhauptsloch reichen. Unterseite grauweiss mit wenigen kleinen dunklen Längsflecken auf Kehle und Oberbrust. . Schwanz 68 mm, in der Mitte ausgeschnitten, nach aussen hin leicht abgerundet. Die erste äussere Schwanzfeder fast ganz weiss, die zweite nur an der Aussenfahne weiss, die übrigen schwarz mit leichtem Anfluge von braun. Unterseite dunkel silbergrau. . Oberseite, einschliesslich der Schwauzdeckfedern, dunkelschwarz- braun mit gelblich grauen Flecken, die durch die hellen F’ederränder entstehen. Flügel 105 mm. Füsse mit rötlichem Schein, an der Zehen- wurzel dunkel, ebenso Sporen und Krallen. Zehen und Sporen kurz, spitz und schwach gebogen. Sporn von der Mitte ab leicht ausgehöhlt. Mittelzehen mit Kralle 20, Hinterzehe mit ä Bericht über die Jahresversammlung. 151 Sporn 22, Hinterzehe ohne Sporn 11 mm. A. B. ea ur p Savoyer Alpen. III. Alauda flavescens Ehmcke. Körper kräftig und gedrungen. Gesamtlänge 166 mm. Schnabel bläulichhornfarben, nur First und Spitze des Unter- schnabels dunkel, leicht gebogen, mehr hoch wie breit; kräftig. . Oberschnabel. Spitze leicht gebogen, überragt den Unterschnabel um 0,5 mm. Länge der First 13 mm. Länge von dem Mundwinkel aus gemessen 17 mm. Länge von den Nasenlöchern aus gemessen 11 mm. ‚ Unterschnabel von der Gabelung aus gemessen 10 mm. o o Nasenlöcher mässig gross, muschelförmig, nach der Stirn zu geschlossen, durch kleine Federn und schwache mattbräunliche Borsten verdeckt, die den Unterschnabel nur wenig überragen und nicht den Mundwinkel erreichen. . Iris tief dunkelbraun. . Kopf am Schnabel schmal; Hinterkopf breit, so dass derselbe den Eindruck macht, als sei er dreieckig; Befiederung des Oberkopfes hebt sich merklich von dem übrigen Gefieder ab und zeigt deutlich, dass die Federn schopfartig aufgerichtet werden können. Federn nur unmittelbar an der Stirn klein, sonst erheblich gross; leicht schwarzbraun mit geblichgrauen Rändern, sodass der Kopf von der Stirn aus streifig gezeichnet aussieht. Länge von dem Hinterhauptsloch bis zur Schnabelspitze 38 mm. Vom Schnabel bis zum Ohr ein mattgelber Streifen. D. Ohrlöcher nur mässig gross, durch kleine dunklere Federn [ep! H. verdeckt, die sich bis zu den Mundwinkeln erstrecken. . Unterseite weiss mit leichtem gelblichem Anflug, der je nach Alter und Geschlecht mehr oder weniger auf der Oberbrust leicht dunkel gefleckt ist. . Schwanz 80 mm, von der Mitte mit leichter Abrundung tief ausgeschnitten, jede der äussersten Schwanzfedern über die Hälfte weiss; bei jeder der zweiten Aussenfedern nur Aussenfahne weiss; jede der dritten Aussenfedern mit einem leichten weissen Saum. Unterschwanzdecken weiss, sodass die dunkelsilbergraue Farbe der Unterseite der Schwanzfedern fast garnicht hervortritt. . Oberseite, wie der Kopf, nur im Nacken heller, weil die gelblichen Federränder breiter sind; je weiter nach unten desto mehr tritt die dunkle Färbung hervor. Flügel 114 mm. Erste bis dritte Schwanzfeder gleichlang. Vierte um 10 mm kürzer. K. M. A. Se re ae 2 Bericht über die Jahresversammlung. Füsse leicht fleischfarben, an der Zehenwurzel dunkel; eben- so Sporen und Krallen, beide nur schwach gebogen, fast dreieckig und mit einer leichten Rinne auf der Unterseite. Mittelzehe 19, Hinterzehe ohne Sporn 9, Hinterzehe mit Sporn 25, Sporn im Bogen gemessen 16 mm. Gefieder weich und locker. . Bewegung meist in halb geduckter Stellung. Locktöne weich und melodisch. Gesang sehr weich und an- genehm. . In der Freiheit sehen die Lerchen so aus, als ob sie mit einem hellockerfarbenen Puder bestreut wären. Dies verliert sich in kurzer Zeit, 1—2 Wochen in der Gefangenschaft. . Lebensweise und Betragen erinnert sehr an die Heidelerchen. Von diesen aus derselben Gegend unterscheiden sie sich nur durch die Grösse, in der allgemeinen Färbung sehen sie sich sehr ähnlich. Ploesci in Rumänien. IV. Lullula flavescens Ehmcke. Körper kurz und gedrungen. Gesamtlänge 143 mm. Schnabel lang und spitz, dunkelhornfarbig, an den Seiten gelblich. . Oberschnabel. Länge der First 14 mm. Länge von dem Mundwinkel aus gemessen 18 mm. Länge von den Nasenlöchern aus gemessen 10 mm. . Unterschnabel von der Gabelung an gemessen 9 mm. . Nasenlöcher seitlich, oben überwölbt, und von feinen schwarzen Borsten leicht bedeckt, die über den Unterschnabel hinausragen . Kopf leicht gewölbt, oval, über den Augen ein hellgelber Streifen bis zum Ohr; Kopffedern an der Stirn klein, sonst lang und verhältnismässig breit, so dass sich die Befiederung deutlich abhebt; die längeren Kopffedern können schopf- artig aufgerichtet werden. Länge vom Hinterhauptsloch bis zur Schnabelspitze 36 mm. . Ohrlöcher rundlich, nur wenig länger wie breit, durch hell- bräunliche, nach oben zu dunklere lose Federn verdeckt, die sich deutlich abheben und durch einen hellgelblichen Halb- ring, der mit dem hellen Augenstreifen zusammenstösst, von dem sonstigen Gefieder getrennt. ‚. Flügel 93 mm. Erste Schwungfeder kürzer und schmäler wie die drei nächsten, welche gleichlang sind. . Schwanz 50 mm, in der Mitte ausgeschnitten, nach aussen hin leicht abgerundet, die drei äusseren Schwanzfedern an der Spitze weiss, und Bericht über die Jahresversammlung. 153 zwar die äusserste in einer Länge von 20, die zweite in einer Länge von 11, die dritte in einer Länge von 5 mm. . Füsse gelblich mit rötlichem Schein. Ebenso Zehen und Krallen, mit Ausnahme der Krallenspitze, welche dunkel ist, Lauflänge 26, Hinterzehe mit Sporn 26, Sporen nach der Spitze zu dunkel, an der Zehe kräftig, spitz verlaufend, ziemlich gebogen, Sporn in gerader Linie gemessen 16, Sporn im Bogen gemessen 18 mm. H. Gefieder weich und locker anliegend. Unterseite gelblich- weiss, mit Ausnahme der Kehle und Oberbrust, welche nach Alter und Geschlecht mehr oder weniger dunkle Längsflecken hat. Die Oberseite sieht in Folge der sehr grossen und breiten, fast schwarzen Längsflecken sehr dunkel aus, da die gelblichen bis bräunlichen Federränder nur schmal sind. Bürzel, Schwanzdeckfedern und Oberseite der Schwanzfedern ungefleckt. In der Freiheit sehen diese Vögel, wie mit einem gelblichen Staub bedeckt aus, in der Gefangenschaft verliert sich dies nach einigen Wochen. Rumänien. ep Herr Baron von Erlanger hat die Erfahrung gemacht, dass die Eier von Nachtigallen aus Sumpfgebieten anders gefärbt sind als solche aus trockeneren Wäldern. Herr von Treskow glaubt nicht daran, dass die verschie- denen Abänderungen der Eier von Luscinia an bestimmte Stand- orte gebunden sind. Während dieser Besprechung waren zwei von Herrn Kol- libay in Dalmatien gesammelte Kleiber von den Anwesenden untersucht worden, welche durch geringe Grösse und kurze Schnäbel sich von der dort vorkommenden Sitta homeyeri unter- scheiden. Das Urteil geht dahin, dass man es möglicherweise mit jungen Vögeln derselben Art zu tun habe, dass man aber alte Herbstvögel untersuchen müsse, ehe ein endgiltiges Urteil gefällt werden könne. Herr Kleinschmidt hält hierauf folgenden Vortrag: Mit der Annahme des internationalen Vogelschutzgesetzes durch den deutschen Reichstag ist für Deutschland praktisch fast nichts gewonnen. Der Beitritt Italiens, der von vielen so schmerzlich vermisst wird, ist vielleicht gar nicht einmal so wichtig, denn es hat fast den Anschein, als ob die deutschen Zugvögel ihren Weg gar nicht über Italien nähmen. Bis jetzt: wenigstens ist im Gegenteil erwiesen, dass viele östliche Arten, z. B. Falken, Lerchen u. s. w. dort durchziehen. Der deutsche Vogelzug geht vermut- 154 Bericht über die Jahresversammlung. lich in der Hauptsache mehr nach Westen über Frankreich, im Osten vielleicht z. T. anders und auch von dort nicht über Italien. Wirkliche Vorteile sind nur von eingreifenden Ausführungs- bestimmungen für die einzelnen Länder zu erwarten. Dabei müssen mehr als bisher Fachornithologen zu Rate gezogen werden, die nicht nur die Vögel, sondern auch die Verhältnisse des Landes senau kennen. Die letzte Reichstagsverhandlung zeigt durch die vielen höchst naiv vorgebrachten ornithologischen Irrtümer, wie nötig hier sachkundiger Rat ist. Die augenblicklich in der Fachpresse mit grösster Lebhaf- tigkeit geführten Streitfragen über die Grundlagen des Vogel- schutzes lassen es rätlich erscheinen, mit neuen Gesetzen und Ausführungsbestimmungen nicht zu eilig zu sein. Es wäre ratsam, einen grossen Kongress einzuberufen, auf dem nicht Vogelschutzfanatiker , sondern wissenschaftliche Kenner der Vogel- und Insektenwelt und ihrer Biologie, Vertreter des vernünftigen Vogelschutzes, des Forstfachs und der Land- wirtschaft zu verhandeln hätten. Schlechte Vogelschutzgesetze täuschen uns nur über den Ernst der Aufgabe hinweg; denn während Gesetze gemacht werden zum Schutz von Vögeln, die z. B. des Schutzes gar nicht bedürfen, lässt man Arten aussterben, denen mit leichter Mühe die Existenz gesichert werden könnte. Ein Beispiel ist Parus salicarius. Hier wuss der Vogelschutz beginnen und hier ist die Hülfe eilig. Gleichsam die Lebensadern der Vogelwelt sind die Fluss- läufe Man muss einen Auwald z. B. am Rhein im Mai besucht haben. Da kann selbst das Ohr des Kenners kaum noch die einzelnen Stimmen unterscheiden, so vielstimmig erklingt von allen Seiten der Gesang. Man wandelt betäubt wie in einem Märchenwald. Es wäre wichtig, dass auf Staatskosten alle grösseren Flüsse von Ornithologen untersucht würden, um auf Inseln und an sonst geeigneten Stellen die Anlage von Vogelasylen vorzu- schlagen oder die Erhaltung der vorhandenen Auwälder zu sichern. Ein Vogelschutzgehölz am Fluss liefert dem Lande mehr Vögel als zehn andere auf kahlem trocknen Feld. Diese Asyle müssen gleichmässig verteilt sein und Stationen für Wanderung und Blutaustausch bilden. Ein Nationalpark ist ein Unsinn, denn ohne blutauffrischenden Austausch zwischen verschiedenen Gegenden, sterben die concentrierten Tierstämme um so eher aus oder degenerieren doch. Fr | Bericht über die Jahresversammlung. 155 Wissenschaftliche Studien darf ein Gesetz in keiner Weise hemmen. Das erfordert nicht nur das Interesse der Gelehrten, sondern das der Sache selbst. Herr Reichenow berichtet über Schritte, die vom Vorstande der D. O. G. in dieser Frage getan sind. Herr Kollibay bemerkt: Meines Erachtens sind die Klagen über eine rapide Abnahme der Vogelwelt jedenfalls in solcher Allgemeinheit unbegründet. In Schlesien bergen die Teichreviere bei Militsch, Trachenberg, Pless, Falkenberg, die Auwaldungen an der Oder und deren grösseren Nebenflüssen noch ein Vogel- leben von unendlicher Fülle und Reichhaltigkeit. So kann man beispielsweise den am Neisseflusse unterhalb der Stadt Neisse gelegenen, etwa 700 Morgen grossen Bürgerwald wohl auf einen Bestand von 80 bis 100 schlagende Nachtigallen einschätzen. — Ich möchte hierbei anfragen, welche Erfahrungen die Anwesenden über die Gefährlichkeit elektrischer Eisenbahn-Beleuchtungsanlagen semacht haben. Mir wurden am 30. September 1902 18 kleine Singvögel gebracht, die tot auf dem Bahnsteige in Neisse auf- gelesen waren. Nach Mitteilung von Bahnbeamten sind die Vögel während der vorangegangenen nebligen Nacht, durch die Bogenlampen des Bahnhofs angezogen, in die Leitungdrähte geflogen. Es waren 13 Erithacus rubeculus und je 1 Rutieilla phoenicurus, Musci- capa grisola, Acrocephalus streperus und palustris und Locustella naevia.!) Herr von Treskow hat gesehen, dass Rephühner an Telegraphendrähte bei hellen Wetter anflogen und dadurch getötet worden sind. Herr Kollibay und Herr Kleinschmidt bestätigen diese Beobachtung für Apus apus. Herr Henrici glaubt, dass durch Remisen die grösseren Vögel nicht geschützt werden können. Sehr bedauerlich sei die Vernichtung aller Reiherkolonien. Er halte es für dringend nötig, dass den Vereinen die Aussetzung von Prämien für getötete Vögel untersagt werde; man dürfe nicht einzelne Arten ausrotten, 1) Die Vögel flogen auch in die hohen Warteräume und flatterten unaufhörlich so dicht an der Decke hin, dass, wenn sie endlich ermattet herabstürzten, die Kopffedern abgerieben und zum Teil die Kopfhaut durch- gerieben war. Als ich dies bezweifelte, zeigte man mir an der weissen Decke die Blutspuren in Gestalt dunkler Striche. 156 Bericht über die Jahresversammlung. weil sie einigen wenigen Leuten Schaden zufügen. Auch die seltensten Vögel, wie Larus minutus, geniessen keinen Schutz und fallen der Ausbeutung solcher Leute zum Opfer, denen die Erhaltung der Naturdenkmäler nicht am Herzen liegt. Herr Heinroth’ bezeichnet es als Unfug, dass jeder Irrgast unnachsichtlich abgeschossen werde und dass die Nachrichten über jede Erlegung eines seltenen oder der Fauna fremden Vogels in den Zeitschriften rühmlich erwähnt werden. Die Ein- bürgerung solcher verflogenen Tiere sei vielleicht hier und da möglich, wenn man sie nur schone. Herr Kollibay erwähnt, dass die von ihm auf der Jahres- versammlung von 1899 besprochene Brutkolonie von Nycticorax nycticora& (J. f. ©. i900 S. 152) im nächsten Sommer nicht wieder bezogen worden sei, was zweifellos auf das sinnlose Ab- schiessen zurückgeführt werden müsse. Es sei dies um so mehr zu bedauern, als die Ansiedelung bei Breslau wohl das einzige sicher festgestellte Horsten des Nachtreihers in Deutschland wenigstens in ornithologisch-historischer Zeit gewesen ist. Herr Henrici teilt mit, dass 1899 bei Danzig in einem Erlenbruch drei ganz junge Nyeticorax erlegt worden sind. Herr Kleinschmidt bemerkt, dass nach Ansicht von Wangelins die auf Reiher ausgesetzten Prämien das Jagdpersonal zum Schutze dieser Arten anregen; diese Leute hegen die Be- stände und schiessen nur eine geringe Zahl ab, um auf lange Jahre den Nutzen zu geniessen, welche ihnen die Schussgelder gewähren. Herr Henrici bestätigt die vorhergehende Angabe, glaubt aber, dass durch die häufigen Versetzungen der Forstbeamten dieser Nutzen in der Wirklichkeit oft versagt. Herr Kleinschmidt hofft, durch gemeinverständliche Mit- teilungen in den Jagdzeitschriften für den Vogelschutz wirken zu können. Herr Reichenow betont die Notwendigkeit, dass für Cinclus und Alcedo die Aufhebung des Prämienunfugs durch- gesetzt werden muss. Herr Kleinschmidt empfiehlt gemeinsame Beratungen von Kennern der Vögel und Insekten behufs genauer Festsetzung des Nutzens und Schadens der einzelnen Arten. Herr Baron von Erlanger erwähnt einen Fall, in dem die auf Vertilgung von Raubvogelgelegen ausgesetzten Prämien Bericht über die Jahresversammlung. 157 die Vernichtung zahlreicher Turmfalken zur Folge gehabt haben. Hiermit wird die Besprechung dieser Frage geschlossen. Herr Heck legt nunmehr die Abbildung eines Perlhuhn- bastardes vor, der dem Zoologischen Garten in Dresden aus Haiti zugesandt worden ist. Herr Schöpf giebt einige Erläuterung zu diesem Vogel. Herr Kleinschmidt weist darauf hin, dass dieser Bastard ebenso wie die drei im Berliner Museum aufbewahrten Misch- linge von Gallus und Numida grösser sind als die zu den Stammarten gehörigen Vögel. Er habe einen Raben aus Griechen- land, der Merkmale von C. umbrinus und CO. corax zeigt und auch durch besondere Grösse auffällt. Hiermit ist die Tagesordnung erschöpft. Die Rechnungs- prüfung ist von den damit betrauten Mitgliedern, den Herren Kollibay, Heinroth und Kleinschmidt, vorgenommen worden. Die Entlastung wird von der Versammlung erteilt. Hiernach erfolgt der Schluss der Jahresversammlung. Nach einem gemeinsamen Mahle im Restaurant „Roland“ begaben sich die Teilnehmer zum Zoologischen Garten, wo unter der Führung des Herrn Heck eine Besichtigung der ausser- ordentlich reichhaltigen Vogelsammlung vorgenommen wurde. Sie gab die erwünschte Gelegenheit zur Besprechung zahlreicher interessanter Fragen und bildete einen würdigen Schluss für die anregenden Verhandlungen. Matschie, ‚Dem Herausgeber zugesandte Schriften. The Annals of Scottish Natural History. A Quarterly Magazine. Edinburgh. No. 44 u. 45. 1903. The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XVII. No. 4. 1902. Erster Bericht des Ornithologisch-oologischen Vereins zu Ham- burg. 1897—1901. Bulletin de la Societe Philomathique de Paris. 9.ser. Tome IV No. 2. 1902. Bulletin of the British Ornithologists’ Club. No. XCI-—XCIL. 1902. Die Gefiederte Welt. Wochenschrift für Vogelliebhaber. Herausg. Karl Neunzig. Magdeburg (Creutz’sche Verlagshandlung). Jahrg. XXXIL Hit. 37—50. 158 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. The Ir A Quarterly Journal of Ornithology. (8.) 1. 1902. Heft 4. | Der Ornithologische Beobachter. Herausg. v. C. Daut in Bern. 1. Jahrg. "No. 49. Bern 1902. Ornithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- gebiet. Herausgegeben von Victor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen. XII. Jahrg. No. 5—6. 1902. Ornithologische Monatsschrift des deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. XXVIL. No. 10-12. 1902. Records of the Australian Museum Vol. IV. No. 7. Sydney 1902. H. v. Berlepsch, Systematisches Verzeichnis der von Herrn Prof. W. Kükenthal während seiner Reisen im Malayischen Archipel im Jahre 1894 auf den nördlichen Molucken-Inseln gesammelten Vogelbälge (Abdruck aus: Abh. Senckenb. naturf. Ges. XXV. Bd. Heft II. Frankfurt a. M. 1900). H. v. Berlepsch, Verzeichnis der von Dr. Völtzkow in West- Madagaskar gesammelten Vogelarten — System. Verzeichnis der von Dr. Völtzkow in Ostafrika und auf Aldabra ge- sammelten Vogelbälgee (Abdruck aus: Abh. Senckenb. naturf. XXV. Bd. Heft Ill. Fraukfurt a. M. 1898). H. v. Berlepsch, Mitteilungen über neue und seltene südame- rikanische Vögel. (Abdruck aus: Verh. V. Internat. Zool. Congress. Berlin 1902). H. v. Berlepsch, Descriptions d’oiseaux nouveaux du Pe£rou Central, recueillis par le voyageur polonais Jean Kalinowski. (Abdruck aus: Ornis XI. 1901). H. v. Berlepsch, Sur quelques especes nouvelles ou peu connues recueillies dans le departement de Cuzco (Perou Uentral). (Abdruck aus: Ornis XI. 1901). H. v. Berlepsch and E. Hartert, On the Birds of the Orinoco Region. (Abdruck aus: Novit. Zool. IX. April 1902). H. v. Berlepsch and J. Stolzmann, On the Ornithological Researches of M. Jean Kalinowski in Central Peru. Pt. I. (Abdruck aus: Proc. Z. S. London 1902). W. Brewster, Birds of the Cape Region of Lower California. (Bull. Mus. Comp. Zool. at Harvard College Vol. XLI No. 1). R. v. Dombrowski, Preis-Courant über Naturalien des Dermo- plastisch-Museologischen Instituts „Dobrudscha“. Bukarest. Goullon, Über die internationale Übereinkunft zum Schutze der nützlichen Vögel vom 19. März 1902. (Abdruck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVII. No. 9. 1902). 4 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 159 Gabriel, Ein Beitrag zu der Frage: Mauserung junger Hühner- vögel. (Abdruck aus: Zeitschr. f. Forst- u. Jagdwesen XXXIV.) E. Hartert, Aus den Wanderjahren eines Naturforschers. Reisen und Forschungen in Afrika, Asien und Amerika, nebst daran anknüpfenden, meist ornithologischen Studien. Berlin, R. Friedländer & Sohn. 1901— 1902. E. Hartert, On the Birds colleetted by W. Doherty in the Kikuyu Mountains, near Escarpment Station, in British East Africa. (Abdruck aus: Novit. Zool. IX. Dez. 1902). , E. Hartert, On Birds from Pahang, Eastern Malay Peninsula. (Abdruck aus: Novit. Zool. 1X. Dez. 1902). E. Hartert, Some further Notes on the Birds of North-West Ecuador. (Abdruck aus: Novit. Zool. IX. Dez. 1902). F. Henricj, Über die Bedeutung der Vogelwelt Westpreussens. (Abdruck aus: Bericht über die 24. Wanderversamml. d. Westpr. Botanisch. Zoologischen Vereins in Graulenz. Verh. Naturf. Ges. Danzig X. 4. Hit. 1902). F. Henrici, Beiträge zur Ornis Westpreussens. 1. Zarnowitzer See und Umgebung. (Abdruck aus: Bericht über d. 24. Wander- vers. d. Westpr. Bot. Zool. Vereins zu Graudenz. Verh. Naturf. Ges. Danzig. X. 4. Hft. 1902). H. S. Oberholser, Some new South American Birds. (Abdruck aus: Proc. U. St. Nat. Mus. XXV. S. 59—68). T.S. Palmer, Legislation for the Protection of Birds other than Game Birds. (U. St. Dep. of Agrieult, Bull. No. 12. Washington 1902.) T. S. Palmer and H. W. Olds, Game Laws for 1902. (U. St. Dep. of Agriculture. Farmers’ Bulletin No. 160. Washington 1902.) Parrot, Die Schneegans in Bayern. (Abdruck aus: Mntsschr. d. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVII. Jahrg. 1902). E. A. Preble, A Biological Investigation of the Hudson Bay Region. (North American Fauna No. 22. Washington 1902). E. Rey, Die Eier der Vögel Mitteleuropas. 12. — 14. Lief. Gera-Untermhaus 1900. Ch. W. Richmond, Birds collected by Dr. W. L. Abbott and Mr. C. B. Kloss in the Andaman and Nicobar Islands. (Abdruck aus: Proc. U. St. Nat. Mus. XXV. S. 287—314). Ch. W. Richmond, Note on Pinaroloxias inornata (J. Gd.). (Abdruck aus: Proc. Biol. Soc. Washington XV. 1902). Hon. W. Rothschild and E. Hartert, List of a Collection of Birds made on Ysabel Island in the Solomon Group by Mr. A. S. Meek. (Abdruck aus: Novit. Zool. IX. Dez. 1902). 160 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. Hon. W. Rothschild and E. Hartert, List of a small Collec- tion of Birds made by Mr. A. S. Meek on Treasury Island, Solomon Islands. T. Salvadori, Nuvoa specie del genere Ammomanes. (Abdruck aus: Boll. Mus. Zool. Anat. Torino No. 425). J. Thienemann, Genauere Beobachtungen über das Brutgeschäft einiger Vogelarten. (Abdruck aus: Monatsschr. d. Ver. z. Schutze d. Vogelw. 1902.) J. Thienemann, Zeitgemässe Aufforderungen ‘zum Aufhängen von Nistkästen. (Abdruck aus: Königsb. land- u. forstwirtsch. Zeitung No. 49. 1902). J. Thienemann, Einiges über unsere Krähen. (Abdruck aus: Königsb. Land- und Forstwirtsch. Zeit. 39. Jahrg. 1902). V. v. Tschusi-Schmidhoffen, Über paläarktische Formen. (Abdruck aus: Ornith. Jahrb. XII. 1902. Heft 5, 6). Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. JOURNAL ORNITHOLOGIE. Einundfünfzigster Jahrgang. No. 2. April 1908. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten der Deutschen Ornithologischen 6esellschaft. Mit einem Beitrage von Otto le Roi. Von J. Thienemann. I. Allgemeiner Teil. Auf das zweite Jahr des Bestehens der Vogelwarte können wir mit Befriedigung zurückblicken. Die Anstalt suchte den ihr zufallenden, im ersten Jahresberichte ausführlich genannten, mannigfachen Aufgaben so weit wie möglich gerecht zu werden. Wenn sich irgendwie gezeigt hat, dass die Gründung der Vogelwarte manchen gefühlten Bedürfnissen Rechnung getragen hat, und dass ihre Bestrebungen in immer weiteren Kreisen An- klang gefunden haben, so ist es durch den vermehrten Besuch des Museums geschehen. Derselbe hat sich gegen das Vorjahr fast verzebnfacht. Auch Schulen und landwirtschaftliche Vereine waren unter den Besuchern zu verzeichnen, von denen sich wieder viele in das ausliegende Fremdenbuch einschrieben. Gar oft konnte man aus den Kreisen der das Museum verlassenden Be- sucher die Äusserung vernehmen, dass sie durch Besichtigung der bis jetzt doch immer noch bescheidenen Sammlung mehr ge- lernt hätten, wie in einem grossen Museum. Es mag das einer- seits seinen Grund darin haben, dass der Unterzeichnete stets bereit war, alle gewünschten Erläuterungen zu geben, und dass anderseits jeder Nehrungsreisende eine ganz besondere Empfäng- lichkeit mitbringt. Er will sich, angeregt durch die eigenartige Natur, über allesinformieren, er willlernen, und dann geschieht’sauch. Journ, f, Orn. LI. Jahrg. April 1908, 1 162 J. Thienemann: Eine besondere Ehre widerfuhr der Station dadurch, dass auch der Herr Öberpräsident, Exzellenz Freiherr von Richthofen, bei seiner Anwesenheit in Rossitten die Sammlung in Begleitung des Herrn Oberforstmeister Boy besichtigte und sich anerkennend über das Dargebotene aussprach. Eine Auswahl aus der Besucherliste findet sich im Anhange als Anlage 1. Die Sammlungen erfuhren im verflossenen Jahre einen grossen Zuwachs an Vögeln, unter denen diejenigen, die ein rein wissen- schaftliches Interesse beanspruchen, in Bälgen konserviert wurden. Das Verzeichnis findet sich in der Anlage 2. ‘Auch die Kollektion der abnorm gefärbten Eier der Lach- möve (Larus ridibundus L.) wurde wieder bedeutend vermehrt, sodass dieselbe weit über hundert Exemplare umfasst. Es zeigt sich dabei die auffallende Tatsache, dass gewisse Abnormitäten, die sich sowohl auf die Struktur, als auch Färbung der Eischale beziehen, jährlich wiederkehren, woraus man vielleicht schliessen darf, dass diese Eier immer von demselben Weibchen herstammen. Ferner ist begonnen worden, die Vögel des Bruches in biolo- gischen Gruppen mit Nest, Eiern und Dunenjungen den Beschauern darzubieten, Darstellungen, die stets das grösste Interesse für sich in Anspruch nehmen. Ein fühlbarer Mangel zeigt sich immer noch darin, dass kein Präparator in Rossitten ansässig ist, der das Material nach den Angaben des Unterzeichneten aufstellen kann. An lebend gehaltenen Vögeln mögen vor allem eine Anzahl Tauch- und Trauerenten erwähnt sein, deren eigentümliche Lebensweise und Mauser genau beobachtet werden konnte, wo- rüber sich Näheres in dem wissenschaftlichen Teile dieses Be- richtes findet. Zu erwähnen ist hierbei, dass in diesem Jahre der dem Unterzeichneten zur Verfügung stehende Teich mit einer festen Einzäunung umgeben werden konnte, ein Umstand, der es ermöglichen wird, die interessanten Sumpf-, Wasser- und Strandvögel in grösserer Anzahl zwecks eingehender Beobachtung in Gefangenschaft zu halten. Da auch breitere Uferpartien mit in die Umzäunung hineingezogen worden sind, so konnte schon in diesem Jahre eine Anzahl Strandvögel, so Alpen-, Zwerg- und bogenschnäblige Strandläufer, ferner isländische Strandläufer (Tringa canutus L.) und Sanderlinge (Cakidris arenaria (L.) an den Teich gesetzt werden, wo diese zierlichen Vögel den Beschauern II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 163 das anziehende Bild eines Strandvogellebens im Kleinen darboten. Möglich wurde die Ausführung der ziemlich kostspieligen Ein- friedigung nur dadurch, dass Herr Regierungsrat Prof. Dr. G. Rörig Geldbeiträge einschickte, die er in interessierten Kreisen gesammelt und für diesen Zweck bestimmt hatte. Es sei ihm an dieser Stelle der gebührende Dank abgestattet. Von Fachornithologen wurde auch in diesem Jahre die Vogelwarte, namentlich während der Zugzeiten, mehrfach auf- gesucht. Hatte der Unterzeichnete schon im vorigen Berichte seiner ganz besonderen Freude darüber Ausdruck gegeben, dass namentlich aus landwirtschaftlichen Kreisen den Bestrebungen der Vogelwarte grosses Interesse entgegen gebracht wurde, so kann er jetzt mitteilen, dass dieses letztere immer mehr zugenommen hat. Mit dem ÖOstpreussischen landwirtschaftlichen Centralvereine in Königsberg ist das junge Institut in ganz enge Verbindung getreten, und der Vorstand des genannten Vereins hat in richtiger Würdigung der Interessen, welche die Vogelwarte vertritt, stets das grösste Entgegenkommen gezeigt. Die ausgesetzte Geldunterstützung ist in dankenswertester Weise weiter gewährt worden, und der Unterzeichnete hatte auch in diesem Jahre oft Gelegenheit, in landwirtschaftlichen Kreisen durch Wort nnd Schrift zu wirken. Es sind von dem Vorstande des Centralvereins Vortragscyklen innerhalb der einzelnen Zweig- vereine eingerichtet worden, bei denen der Unterzeichnete praktische Vogelschutzfragen zu behandeln oder solche Vogel- gruppen zu besprechen und durch vorgelegtes Balgmaterial zu demonstrieren hatte, die für die Land- und Forstwirtschaft von besonderer Bedeutung sind. Das nötige Demonstrationsmaterial, wie Nistkästen mit ihren Durchschnitten und Betondeckeln, Füt- terungsapparate, Futtersteine etc. wurde von der Firma Her- mann Scheid, Büren i. Westf., stets bereitwilligst zur Ver- fügung gestellt. In folgenden ° landwirtschaftlichen Vereinen wurden im verflossenen Jahre vom Unterzeichneten Vorträge gehalten: Landsberg, Caymen (Kreis Labiau), Pr. Eylau I, Wehlau, Allenburg, Steinbeck (Kreis Königsberg), Heiligenbeil, Schugsten (Kreis Fischhausen) und Königsberg. Auch die Veröffentlichungen des Unterzeichneten in dem Vereinsorgane, der „Königsberger land- und forstwirtschaftlichen Zeitung,‘‘ fanden ihren Fortgang. gr 164 J. Thienemann: So steht zu hoffen, dass bei dem allerseits zu Tage tretenden Interesse durch diese Einrichtung viel zur Hebung der Vogel- kunde, die in landwirtschaftlichen Kreisen noch sehr im Argen liegt, beigetragen wird. Einer höchst dankenswerten vogelschützlerischen Massnahme des Vorstandes des Ostpreussischen landwirtschaftlichen Central- vereins muss hier Erwähnung getan werden. Durch Rundschreiben erging an die einzelnen Zweigvereine die Aufforderung zur An- schaffung einer grösseren Zahl von Berlepsch’scher Nisthöhlen, um zur Vermehrung der für die Landwirtschaft nützlichen Höhlenbrüter in der Provinz ÖOstpreussen beizutragen. Dem Unterzeichneten wurde die Aufgabe zu Teil, zu dem Rundschreiben nicht nur ein entsprechendes Flugblatt zu verfassen, das auf die Bedeutung der Nistkastenfrage hinwies, sondern auch in den Vereinen persönlich die nötigen Anregungen zu geben. Der Er- folg ist schon jetzt als sehr günstig zu bezeichnen. Bis zur Ab- fassung dieses Berichtes sind bereits 2000 Nisthöhlen, namentlich der Grösse A. angehörig, bestellt worden, während von vielen Vereinen die Antworten noch ausstehen. Die geschilderte Mass- nahme wird eine starke Vermehrung der Höhlenbrüter in unserer Provinz zur Folge haben. Auch mit dem „Landwirtschaftlichen Central-Vereine für Littauen und Masuren“ konnte die -Vogelwarte engere Verbindungen anknüpfen. Im November des verflossenen Jahres erging von dem Vorstande des genannten Vereins an den Unter- zeichneten die Bitte, in der am 16. Dezember stattfindenden Generalversammlung einen Vortrag zu halten. Der Unterzeich- nete kam dieser Aufforderung gern nach, da ihm damit Gelegen- heit geboten war, sich und die Vogelwarte auch vor diesem zwei- ten landwirtschaftlichen Centralvereine Ostpreussens zu legiti- mieren. Durch den Vortrag angeregt, will der Vorstand des Centralvereins Massnahmen treffen, die Tätigkeit des Leiters der Vogelwarte auch seinen Zweigvereinen zugänglich zu machen. Es sollen Vertragscyklen eingerichtet und entsprechende Artikel in dem Vereinsorgane, der „Georgine“, veröffentlicht werden. Letzteres hat übrigens schonin dem verflossenen Jahre stattgefunden. Auch von der Königlichen Regierung wurde die Tätig- keit der Vogelwarte in Anspruch genommen. Auf der frischen Nehrung ist nämlich eine grosse Kiefern- prozessionsspinner -Epidemie ausgebrochen, die nicht nur die E 2 dortigen Waldbestände arg schädigt, sondern auch durch die allenthalben verstreuten giftigen Raupenhaare den Bewohnern, namentlich den Badegästen höchst lästig wird. Auf Anre- gung vom Regierungsrat Prof, Dr. G. Rörig hatte sich die König- liche Regierung entschlossen, in den gefährdeten Revieren ein massenhaftes Aufhängen von Berlepsch’scher Nisthöhlen vorzu- nehmen, um daselbst zahlreiche Meisen, von denen die Eier des Schädlings nach Rörigs Untersuchungen als Nahrung sehr bevor- zugt werden, zur Ansiedelung zu bringen. So steht zu hoffen, dass durch die unausgesetzte Tätigkeit der Meisen, deren Häufiger- werden auf der Nehrung besonders leicht festgestellt werden "kann, nach und nach, vielleicht nach Jahren, ein Stillstand in der Epidemie hervorgerufen und einem Weitervordringen der Schädlinge vorgebeugt wird. Ist aber einmal die alte Epidemie geschwunden, dann verhindern zahlreich vorhandene Meisen den etwaigen Ausbruch einer neuen. Der Unterzeichnete hatte nun auf Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten eine Dienstreise nach der frischen Nehrung zu unternehmen, um für sachgemässe Ausführung der oben genannten vogelschützlerischen Massnahmen zu sorgen. Dieselbe Aufgabe fiel dem Unterzeichneten beim Anbringen der Nistkästen in den fiskalischen Waldungen der Kurischen Nehrung zu, worüber sich Näheres unten in dem Abschnitte „Vogelschutz“ findet. Auch von privater Seite wurde die Hilfe des Unterzeichneten teils schriftlich, teils durch persönliche Anwesenheit mehrfach in Anspruch genommen, wenn es sich um die Inangriffnahme grösserer vogelschützlerischer Massnahmen handelte. Der Verkehr unserer Anstalt mit auswärtigen Instituten und einzelnen Ornithologen gestaltete sich in diesem zweiten Jahre bereits viel lebhafter, als im ersten. Die mannigfachsten, nicht nur aus Deutschland, sondern auch dem Auslande stammenden Anfragen und Bestellungen waren zu erledigen. Mit verschiedenen Vereinen und Instituten, so mit dem Comite für ornithologische Beobachtungs-Stationen in Österreich, der Kroatischen ornitho- logischen Centrale, dem ornithol. Vereine in München u. a. trat die Vogelwarte in Schriftenaustausch. In Bezug auf Lieferung von wissenschaftlichem Materiale wurde die Hilfe unserer Anstalt unter anderen von folgenden Instituten in Anspruch genommen: Königliche zoologische Museen in Berlin, Königsberg und Leipzig, II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 165 166 J. Thienemann: Grossherzogliches Museum in Darmstadt, Tring-Museum (England), Hygienisches Institut in Königsberg, Kaiserliches Gesundheitsamt in Berlin, Zoologischer Garten Berlin und Königsberg. Zu er- wähnen ist auch, dass vom Kaiserlichen Gesundheitsamte in mehreren Nehrungsdörfern grössere Versuche mit dem Rattenty- phus-Bacillus angestellt worden sind, mit deren Leitung der Unterzeichnete betraut wurde. Es handelte sich darum zu ver- suchen, ob es möglich ist, die Ratten in den isoliert liegenden, teilweise von Sandwüsten umgebenen Ortschaften, die keinen frischen Zuzug von aussen gestatten, mittelst des Bacillus voll- ständig auszurotten. Das Bibliotheks-Verzeichnis der Vogelwarte weist jetzt 307 Nummern, zum grössten Teile aus Sonderabdrücken bestehend, auf. Es ist also gegen das Vorjahr ein Zuwachs von 115 Nummern zu konstatieren. Folgende Autoren haben Schriften bezw. Werke eingeschickt, wobei zu bemerken ist, dass die Namen in Reihen- folge aufgeführt werden, wie sie im Verzeichnis, den Eingangs- daten nach, eingetragen sind: O0. Kleinschmidt — Volkmaritz. E. Hartert — Tring, England. C. Wüstnei — Schwerin. G. Clodius — Ei OÖ. Held — Rostock. Prof. Dr. Blasius — Braunschweig. Dr. Ludwig Ritter Lorenz von Liburnau — Wien, für das Comite für ornithol. Beobachtungsstationen in Österreich. F. Koske — Breslau. Dr. FE. Rössler — Zagreb, Kroatien; für die Kroatische or- nithol. Centrale. Dr. C. Parrot — München; für den Ornithol. Verein München. Prof. Dr. Reichenow — Berlin. Herluf Winge — Kopenhagen. H. Kunz — Leipzig. Prof. Dr. A. Nehring — Berlin. Regierungsrat Prof. Dr. G. Rörig — Berlin. Dr. Heinroth — Berlin. Dr. F. Helm — Chemnitz. Dr. Henrici — Berlin. Karl Knezourek — Starkoc b. Caslau. Dr. Arnold Jacobi — Berlin. IT. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 167 Wir danken den genannten Herren verbindlichst für die freundlichen Zusendungen und sprechen auch hier wieder die ergebene Bitte aus, zur Vergrösserung unserer Biblio- thek auch fernerhin beitragen zu wollen. Auch an Geldzuwendungen hat es der Vogelwarte in diesem Jahre nicht gefehlt. Herr Rittergutsbesitzer Bardenwerper auf Büschdorf bei Halle a./S. sandte einen grösseren Geld- betrag ein, und ebenso brachte Herr Regierungsrat Prof Dr. G. Rörig aus interessierten Kreisen eine nahmhafte Summe zusammen. Allen freundlichen Gebern sei im Namen der Anstalt der verbindlichste Dank ausgesprochen. Schliesslich verdienen noch einige Herren Erwähnung, die sich nach verschiedenen Richtungen hin um die Vogelwarte ver- dient gemacht haben. Auch in der diesjährigen Herbstzugzeit war Herr Apotheker Zimmermann aus Danzig in Rossitten an- wesend und hat seine bewährte Kraft nicht nur als zuverlässiger Beobachter, sondern vor allem als geschickter Präparator ganz in den Dienst der Vogelwarte gestellt, wofür ihm herzlicher Dank gebührt. Herr Otto le Roi, der in dem wissenschaftlichen Teile dieses Berichtes noch besonders ewähnt ist, hat für die Sammlung eine Anzahl Vogelbälge sowie Spirituspräparate ge- stiftet. Unter letzteren befanden sich auch solche von Säuge- tieren, z. B. von Zwerg- und Haselmaus, die meines Wissens auf der Nehrung noch nicht nachgewiesen waren, und ferner von Schlangen. Herr Referendar Tischler aus Schippenbeil sandte be- achtenswerte regelmässige Notizen ein. In uneigennütziger Weise bot Herr Desiderius Hegymeghy — Komärom, Ungarn, schon vor längerer Zeit der Vogelwarte seine Dienste an und schickte im Laufe des Jahres Hunderte von gesammelten Inglu- vialien der verschiedenartigsten Vögel, sowie eine Anzahl Vogel- bälge nebst aufgezeichneten Beobachtungen ein. Auch diesen Herren sprechen wir unsern verbindlichsten Dank aus. Über die von seiten des Königlichen meteorologischen In- stituts in Berlin mit der Vogelwarte verbundene meteorolo- gische Station ist zu berichten, dass bis jetzt ein Regenmesser, System Hellmann, und ein Sonnenscheinautograph Aufstellung gefunden haben. Ferner ist Rossitten unter die Zahl der sofort 168 J. Thienemann; berichtenden Gewitterstationen aufgenommen. In Vorbereitung begriffen ist die Anlage eines Windstärkemessers und ev. eines Thermometerhäuschens. Am 15. August wurde die Station durch einen Beamten des Meteorologischen Instituts, Herrn Dr. Arendt, besucht und revidiert. Anlage I. Auszug aus der Besucherliste des Museums der Vogelwarte. 1. Herr Arendt, Dr. — Berlin. 20. 23 von Below — München. Bergmann, Oberregierungsrat — Königsberg i/Pr. Freiherr von Berlepsch — Uassel. Berg, Wissenschaftlicher Hilfslehrer — Königsberg i/Pr. Bouele — Labiau. Boehme, Dr., Generalsekretär des ostpr. landw. Central- vereins — Königsberg i/Pr. Brass, Dr. — Berlin. Boy, Oberforstmeister — Königsberg i/Pr. Carl, Lehrerin — Memel. Caille, stud. chem. — Königsberg i/Pr. Claessens, Oberleutnant — Königsberg i/Pr. Dombois, Geh. Oberfinanzrat — Berlin. Donalis, Dr. med. — Leipzig. Diekmann, Wasserbauinspektor — Labiau. Doehring, Gutsbesitzer — Schlengen -—- Andres. Fabian, Prof. — Elbing. P. Fahr, Rentier — Memel. Franz, stud. phil. — Breslau. Friedberger, Dr. — Königsberg i/Pr. Frischmann, Lehrer — Nidden. Fischer, Lehrerin — Memel. Gerhard, Geh. Baurat — Berlin. Giere, Oberlehrer — Roessel. Gillet, Ober-Regierungsrat — Königsberg i/Pr. Glogau, Dr., Stabsarzt — Ortelsburg. Golding, Kaufmann — Insterburg. Gräfe, Maler — München. Grosskopf, Kaufmann — Königsberg i/Pr. Grosse, Primaner -—- Königsberg i/Pr. Gutzeit, Prof. Dr. — Königsberg i/Pr. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 169 32. Herr Hahn — Wentenburg. 53. „ Hecht, Geh. Regierungsrat — Berlin. 34. ,„ Henrici, stud. med. — Königsberg i/Pr. 35. „ Hilbert, Dr. — Sensburg. 36. ,„ Hoffmann, Geh. Regierungsrat — Berlin. 37. ,„ Jacoby, Garnisonsbauinspektor — Königsberg i/Pr. 38. ,„ Jaeger, Oberprimaner — Königsberg i/Pr. 39. „ Johne — Königsberg i/Pr. 40. ,„ Keppla, Oberstleutnant — Königsberg i/Pr. 41. „ Dr. Graf von Keyserlingk, Landrat — Fischhausen. 42. „ Kirsch, Rektor — Osterode. 43. „ Koch, Oberprimaner — Königsberg i/Pr. 44. ,„ Krohne, Geh. Oberregierungsrat — Berlin. 45. Landwirtschaftlicher Verein, Liska — Schaaken. 46. Herr Liedke, Rentier — Cranz. 47. ,„ Lengnick — Königsberg i/Pr. 48. ,„ Lerique — Königsberg i/Pr. 49. , Lerique, cand. phil. — Königsberg i/Pr. 50. „ Licht — Grenz. 5l. ,„ Lühe, Dr., Privatdocent — Königsberg i/Pr. 52. ,„ Lübbert, Major — Tilsit. 53. ,„ Mayer, Regierungsrat -- Königsberg i/Pr. 54. ,„ Mendthal, Dr. — Königsberg i/Pr. 55. ,„ Michaelis — Memel. 56. ,„ Mirisch, Dr., Direktor der Kgl. Oberrealschule auf der Burg — Königsberg i/Pr. 57. „ Mischpeter, Prof. der Kgl. Oberrealschule auf der Burg — Königsberg i/Pr. — mit 30 Primanern. 58. „ Misset, Baurat — Memel. 59. „ Müller, Kaufmann. 60. , Müller-Liebenwalde, Dr. — Berlin. 61. „ Nicolaus, Oberlehrer — Königsberg i/Pr. 62. ,„ Oehmgen, Oberprimaner — Königsberg i/Pr. 63. „ Pfeiffer, Prof., Dr. — Königsberg i/Pr. 64. „ Pitcairn — Königsberg i/Pr. 65. ,„ v. Plehwe, Oberlandsgerichts-Präsident — Königsberg. 66. „ Pulz — Königsberg i/Pr. 67. ,„ Radok, stud. jur. — Königsberg i/Pr. 68. ,„ v. Rautter — Rauttersfelde. 69. „ v. Riesenthal, Hauptmann — Bartenstein. 87. 99. 100 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107. 108. . Herr J. Thienemann: Freiherr v. Richthofen, Oberpräsident — Königsberg. Robitzsch — Waldhausen. Rohde, Bankbeamter — Prenzlau. Rörig, Prof., Dr., Regierungsrat — Berlin. le Roi, Pharmacent — Cranz. Rosenbaum — Memel. Ruths, Dr. — Königsberg i/Pr. v. Rümker, Prof., Dr. — Breslau. Sandmann, Rittergutspächter — Wosegau. Schede, Oberforstmeister — Berlin. Schmidt, Hauptlehrer — Memel. Schmidt, Amtsrichter — Prökuls. Schiwek, Bankdirektor — Königsberg i/Pr. Schulz, Revierförster — Schwarzort. Schütze, Landrichter — Allenstein. Schütze, Reg.-Assessor — Königsberg i/Pr. Schütz, Kaufmann — Memel Schmelz. 'l. Schwedersky, Oberlehrerin — Memel. Selle, Direktor — Breslau. Stahlke — Berlin. Späte, cand. rer. nat. — Königsberg i/Pr. Stellmacher — Schwarzort. Stellmacher, Reichsgerichtsrat — Leipzig. Stettiner, Dr., Oberlehrer mit 12 Primanern des Städt. Realgymnasiums — Königsberg i/Pr. Stinsky, Kaufmann — Königsberg i/Pr. Storp, Dr., Oberförster — Königsberg i/Pr. Stölzel, Dr., Landrichter — Neu-Ruppin. v. Stutterheim — Königsberg i/Pr. Szielasko, cand. med. — Königsberg i/Pr. Thiele — Amerika. Tischler, Referendar — Bartenstein. Treibe, Referendar — Königsberg i/Pr. F. Werner — Berlin. Wernien — Waldau. Wohlfromm -—- Königsberg i/Pr. Wonneberg — Palmniken. Widera, Hauptamts-Controleur — Königsberg i/Pr. Winkler, Kaufmann — Schaaksville. Wittig, Oberlehrer — Königsberg i/Pr. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 171 109. Herr Wittrin, Direktor des Städt. Realgymnasiums — Königs- berg i/Pr. 110. ,„ Zaaber, Geh. Kriegsrat, Hauptmann a. D. — Königs- berg i/Pr. 1ll. ,„ Zimmermann, Rentier — Danzig. 112. ,„ Zühlke, Forstreferendar — Greifenberg. Il. Wissenschaftlicher Teil. Von besonderem Vorteil war es, dass in diesem Jahre auch der südliche Teil der Kurischen Nehrung einer gründlicheren Durchforschung unterzogen werden konnte. Diese Partie zeigt in faunistischer Hinsicht manche Abweichungen von den mehr nördlich gelegenen Gegenden, da sich zwischen dem Cranzer bezw. Sarkauer Walde und der Rossittener Oase eine Sandwüste einfügt, die für manche Tiere keine sogen. „Zuleitung“ gestattet. So fehlen manche Säugetiere, Amphibien und Reptilien, die im Süden geradezu häufig sind, der Rossittener Gegend noch voll- ständig. Aber auch die Ornis der beiden verglichenen Gebiete weist viele auffallende Verschiedenheiten auf, was wiederum seinen Grund in der Verschiedenheit der beiden Gelände haben mag: bei Rossitten Wald, Sumpf, Bruch, Wiese, Feld, Buschwerk, grosse Sandflächen, dagegen in der Umgegend von Cranz fast nur Wald und zwar zum Teil Hochwald. Viele Zugvögel, die bei Rossitten eine ganz gewöhnliche Erscheinung sind, bekommt man im Süden überhaupt nicht zu sehen. Ferner ist es für einen im Süden postierten Beobachter von Wichtigkeit nachzuweisen, welche Richtung die Zugvögel, die auf der Nehrung meist eine geschlossene Kette bilden, einschlagen, wenn sie den schmalen Landstreifen verlassen haben. Von den Krähen habe ich beobachtet, dass sie an der Küste des Samlandes entlang und über die frische Nehrung hinweg ihren Zug fortsetzen. Ob das aber alle Vögel tun, steht noch nicht fest. Näheres darüber findet sich weiter unten. Herr Otto le Roi hat sich während des Sommerseniesters 1902 in Cranz aufgehalten und häufig Beobachtungen in der Umgegend angestellt. Sein zusammengetragenes und der Vogel- warte in dankenswerter Weise zur Verfügung gestelltes Material, das sich auch auf die Säugetiere, Amphibien und Reptilien er- streckt, findet sich in diesem Jahresberichte abgedruckt. 172 J. Thienemann: Ich wähle für meine Darstellungen wieder die Form, die ich im I. Jahresberichte angewendet hatte. Der ganze Januar 1902 zeichnete sich durch ausser- gewönliche Milde aus, wie sie um diese Jahreszeit wohl selten vorkommen mag. Zuweilen trat richtiges Frühlingswetter ein. Nur einige wenige Frosttage waren zu verzeichnen. Der 15. war der kälteste Tag mit — 5° R., zeigte aber schon am Abend einen schnellen Wechsel zum Tauwetter. Es herrschten fast aus- schliesslich südliche, südwestliche und westliche Winde, die zu- weilen eine ziemliche Heftigkeit erreichten. In ornithologischer Beziehung war sehr wenig zu verzeichnen. Manche nordische Wintergäste, wie z. B. die Bergfinken (Fringilla montifringilla L.), die sonst in grossen Scharen alljährlich hier zu beobachten sind, blieben nicht nur in diesem Monat, sondern auch den ganzen Winter über vollständig aus. Auch Schneeammern (Calcarius nivalis (L.)) waren nur sehr einzeln zu beobachten. Ebenso zeigte sich der Rauch- fussbussard, (Archibuteo lagopus (Brünn.)) nur in wenigen Exemplaren. Die üblichen Scharen von Fuligula hyemalis (L.) lagen dagegen auf der See. Bombyeilla garrula (L.) wurde, in diesem Monat, in dem man nordisches Vogelleben vermisste, nicht beobachtet. Die Meisen liessen bei der ausnehmend milden Witterung häufig, so schon am 8. Januar, den Frühlingsruf erschallen, und ebenso wurde an dem genannten Tage ein jedenfalls überwinternder Sturnus vulgaris L. beobachtet. Nebenbei will ich bemerken, dass trotz der milden Witte- rung in diesem Winter vier Wölfe und ein Luchs in Ostpreussen erlegt wurden, Ereignisse, die man sonst nur in strengen Wintern erwartet. Der Februar zeigte fast durchgängig Frost mit häufigen Östwinden. Das Haff war gleich in den ersten Tagen des Monats zugefroren. Das Thermometer fiel am 6., 15., 19. und 22. auf —10°%, am 21. auf —12° R. Grosse Scharen von Acanthis linaria (L.) wurden beobachtet. Am 14, Februar sang die erste Feldlerche auf dem Felde. Am 27. Februar wurden frische Federn von Scolopax rusticola L. unter den Telegraphendrähten gefunden, woraus er- sichtlich, dass schon an diesem Tage die ersten Waldschnepfen II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 173 durchgezogen waren. Näheres über den diesjährigen Frühjahrs- strich s. Orn. Monatsber. 1902 Nr. 4. Bemerken will ich hierbei, dass im vorigen Herbste (1901) in dem Preiler Reviere auf der Kurischen Nehrung ca. 150 Waldschnepfen geschossen worden sind. Der Anfang des März wies wenig Frost auf, während um die Mitte des Monats noch ein starker Kältesturz eintrat. So zeigte das Thermometer am 13. des Monats —15° R. Der Wind wechselte-ziemlich oft. Am 4. März erhielt ich ein Weibchen von Fuligula clangula (L.), das lebend am Seestrande gefangen worden war. Am 5. und 6. März waren bei hellem Wetter und südlichem Winde Schwärme von Colaeus monedula (L.) zu be- obachten, die unter häufigen Schwenkungen nach Süden zu flogen, ohne dass diese Erscheinung ein planmässiges, regelrechtes Ziehen genannt werden konnte. Am 7. März machten sich trotz Regen und Schnee die Kohl- und Blaumeisen an den im Garten aufgehängten künstlichen Nisthöhlen zu schaffen. 8. März: Ziemlich scharfer N.W. Schneeflocken. Kleine Flüge von Sturnus vulgaris L. und Alauda arvensis L. werden beobachtet. Die Lerchen zeigen sich ungemein scheu, so dass es nicht gelingt, ein Exemplar zu erlegen. Nebelkrähen kommen über’s Dorf geflogen, um auf den Feldern, wo Dünger gestreut ist, einzufallen. Ein Weiterziehen wird nicht beobachtet. 9.März: NW., Leichter Frost, halb bedeckt. An den Nebel- krähen dieselbe Beobachtung wie gestern. 10. März: Schwacher NW. Schneeflocken früh und nach- mittags, leichter Frost. Wenig Krähen ziehen. 11. März: W., Wenig Schnee, nachmittags leichter Frost. Frl. Epha-Rossitten findet am Fusse einer Fichte weisse Eier- schalen, jedenfalls von Syrnium aluco (L.), aus denen die Jungen schon ausgeschlüpft sind. 12. März: Heftiger N. früh. Ruhiges, klares Wetter nach- mittags, — 9° R. 13. März: Leichter S. Hell, Sonnenschein, — 15° R. 14. März: Leichter S. Hell, Sonnenschein, — 9° R. 15. März: Wetter ebenso wie gestern, nur — 6° R. Abends — 20° R. Zwei Scolopax rusticola L. beobachtet. Auf den Triften die ersten Vanellus capella J. C. Schäff., im Feldgarten 174 J. Thienemann: ein Flug Galerita arborea (L.) von 10 Stück, von denen ein Exem- plar gefangen wird. 16. März: Leichter SO. — 1° R. Sonnenschein, schöner Frühlingstag. Wenig Krähen (Corvus cornix L.) und Dohlen ziehen nach Norden. Starflüge auf den Triften. Lerchen singen. 17. März: Leichter SW. Bedeckt, — 1° R. Einige Va- nellus capella J. C. Schäff. beobachtet. 18. März: NW. Hell, Sonnenschein, schwacher Frost. Schöner Tag. Im Walde teilweise noch Schnee und Eis. Besuch der Krähenhütte. Ein grosser Schwarm Corvus cornix L. erscheint lärmend über dem Uhu. Drei werden geschossen. Es waren das allem Anschein nach die hier gerade ansässigen Krähen. Die eigentlichen Zugkrähen, von denen ziemlich viele namentlich über die Bruchberge und auch in ungefähr 30 m Höhe über die Krähenhütte dahin ziehen, kehren sich nicht an den Uhu. Im Walde wird beim Strich wie auf der Suche je eine Waldschnepfe beobachtet. 19. März: Fast windstill — 1° R. Nachmittags Regen. 20. März: SW. Früh halb bedeckt, nachmittags heller Sonnenschein + 4° R. Im Garten steht eine Waldschnepfe vor mir auf. (f. Orn. Monatsbr. 1902, No. 4.) Auf den Feldern viel Lerchen, Stare und Buchfinken (Fringilla coelebs L.). Von letzteren bemerke ich nur Männchen. Im Walde ein Erithacus rubeculus (L.) beobachtet, ebenso mehrere Wildtauben, wohl oenas. Turdus pilaris L. wandern nach Norden. Krähen ziehen hoch. 21. März: Fast windstill, halb bedeckt, warm, vormittags Regen. Grosse Schwärme von Fringilla coelebs L. im Walde. Erithacus rubeculus (L.) sehr einzeln. 22. März: S. fast windstill. Sonnenschein, warm, schöner Tag. Die Lachmöven kommen früh gegen elf Uhr zu Hunderten an den Bruch und begrüssen, laut schreiend, zum ersten Male ihre alte Brutstelle, ein Ereignis, das in jedem Frühjahre ein- tritt. Gestern schon sah ich die erste schreiend über den Garten fliegen. Singdrosseln und Rotkehlchen singen im Walde. Eine Loxia pityopsüttacus Bcehst. erlegt, die sich ganz einzeln am Waldrande umbhertreibt. 23. März: N. hell, etwas kühler wie gestern. Viel Buch- finken (Fr. coelebs L.), und zwar fast nur Männchen im Garten II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 175 und Walde sich umhertreibend. Ein Accentor modularis (L.) im Garten beobachtet. Dazu ist zu bemerken, dass die Braunelle in dem Lindner’schen Verzeichnisse der Nehrungsvögel von 1898 fehlt, obgleich der Vogel nicht selten auf der Nehrung zu beob- achten ist, indem in jedem Frühjahre Exemplare durchziehen. Meisen, namentlich Blaumeisen, haben schon verschiedene künstliche Nisthöhlen augenommen. 24. März: Schwacher O., gegen Abend NW., bedeckt kühl. Die Lachmöven sind wieder am Bruche angekommen und schreien laut. Krähen ziehen. Ein Fänger hat am Seestrande, wo die Vögel niedrig flogen, 21 Stück erbeutet, ein anderer hat an den Haffdünen nichts gefangen, da sie dort hoch zogen. 25. März: W. Nebel, regnerisch, kühl. Singdrosseln, Stare, Rotkehlchen, Buchfinken im Walde, auch mehrere Dompfaffen. 26. März: Schwacher O. vormittags, SW. nachmittags, trübe regnerisch. Wildgänse und Wiesenpieper, Anthus praten- sis (L.) ziehen. Über dem Bruch streichen mehrfach Anas acu- ta L. umher. Lachmöven sind daselbst heute nicht zu beob- achten. Auf der Trift finde ich zwei ausgedrehte Kiebitznester. Eine Motacilla alba erlegt, ebenso 1 Certhia familarıs L. Die Hechte im Bruche fangen an zu laichen; mehrere geschossen. 27. März: Leichter W. trübe, Regen, + 3° R. 28. März: NW., bedeckt kühl. 29. März: NW., vormittags bedeckt, nachmittags hell — OR. 30. März: Ziemlich heftiger O. mit Schneetreiben. 31. März: Fast windstill, bedeckt, leichter Schneefall vor- mittags. Die erste Ciconia alba J. C. Schäff. wird beobachtet. 1. April: Fast windstill, bedeckt, einige Schneeflocken. Drei weisse Störche werden bemerkt. 2. April: Früh liegt eine Schneedecke. SW. 3. April: Schnee und Regen. Die ersten Numenien ziehen. Auch Gänsezüge zu beobachten. 5. April: Wind springt oft um. NW., gegen Abend SSO. Schnee und Regenschauer. Ein Beobachter erzählt mir, dass er vor einigen Tagen, ehe die kalte Schnee- und Regenperiode ein- trat, also etwa am 29. März, Krähen von Norden nach Süden hat ziehen sehen, jedenfalls durch das ungünstige Wetter veranlasst. 6. April: Schöner, heller Tag. In der Nacht 0° R. Auf dem Bruche ist Fulica atra L., und zwar in grossen Mengen ein- 176 J. Thienemann: getroffen. Die Ankunft geschieht ganz plötzlich über Nacht. Man hört während der Zugzeit zuweilen den Ruf dieser Vögel bei Nacht aus der Luft herabtönen. 7.April: NW. kühl, aber Sonnenschein, in der Nacht leichter Frost. Am Bruchrande 15 bis 20 Regenpfeifer, wohl Oharadrius hiaticula L., umherlaufend, die schon gestern bemerkt worden sind. Es zeigen sich neben den Männchen-Schwärmen von Fringilla coelebs L. jetzt auch solche nur aus Weibchen be- stehende. Diese letzteren ziehen im Frühjahr also später, als die Männchen. Die Lachmöven schwärmen sehr hoch über dem Bruche. 8. April: Wetter ebenso wie gestern, kühl 0° R. 9. April: ONO. — 5° R., starker Schneefall. Die reine Winterlandschaft. 10. April: NNO. hell, Sonnenschein, in der Nacht Frost, abends 0’ R. 11. April: NO. kühl, sonst Wetter ebenso wie gestern; es liegt noch etwas Schnee. Ein graues Männchen von Saxicola oenanthe (L.) wird beobachtet. In dieser Färbung erscheint der Vogel sehr selten auf der Nehrung, sonst ausschliesslich braune Exemplare. 12. April: Wetter ebenso wie gestern. 13. April: NO. bedeckt. 15 weisse Störche gelangen zur Beobachtung. 14. April: N. hell, Sonnenschein, kühl. 15. April: NO., sonst ebenso. 16. April: NO. hell, Sonnenschein. 15 Schwäne ziehen über’s Dorf nach Norden. Ich bekomme von Krähenfängern ein lebendes Weibchen von Circus aeruginosus (L). 17. April: S. dann SO. Sonnenschein, gegen Abend halb bedeckt und kühl. Grossartiger Zugtag. Namentlich Raubvögel ziehen in solchen Mengen die Nehrung entlang, wie es wohl selten beobachtet sein mag. Auf einer Strecke von ungefähr einer Meile wurden südlich von Rossitten, gelegentlich einer Fahrt nach Cranz 150 kleinere Raub vögel gezählt. Dieselben zogen immer einzeln nach Norden zu, oft sehr niedrig über dem Erdboden, oder in etwa zehn Meter Höhe; nicht so eilig und direkt, wie die gleichzeitig mitziehenden Krähen, Corvus cornix und fru- gelegus, sondern ab und zu vom Wege abbiegend und umher- streifend. Ferner gelangten noch zwei Haliaetus albieilla (L.), Il. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 177 ein Circus spec.?, zwei Oiconia nigra (L) und ein Upupa epops L. zur Beobachtung. Ich machte die Fahrt nach Cranz nicht mit, konnte also die Arten der ziehenden Raubvögel nicht näher be- stimmen; dass dieselben aber sehr mannigfach gewesen sein mögen, geht daraus hervor, dass mir ausser dem gestrigen ein- gelieferten Circus aeruginosus (L.) heute noch 1 lebender Archi- buteo lagopus (Brünn.) und 1 Milvus migrans (Bodd.) von Krähen- fängern gebracht wurden. So hat also in diesen Tagen ein aussergewöhnlich starker Raubvogelzug stattgefunden. In un- mittelbarer Nähe von Rossitten trat derselbe, jedenfalls des um- liegenden Waldes wegen, wenig oder garnicht in die Erscheinung. Erst wenn man auf die öden und zugleich schmalen Teile der Nehrung hinauskommt, merkt man, welche Unmasse von Vögeln oft ziehen. Deshalb richten auch die Krähenfänger ihre Fang- stellen nicht in der Nähe des Dorfes ein, sondern ziehen erst oft meilenweit hinaus ins Freie, um einen bessern Fang zu erzielen. 18. April: SO. bedeckt. Gegen Abend Regen. Nachts gegen Y,11 Uhr höre ich ziehende Fulica atra L. in der Luft rufen. 19. April: W. Nebel, der nachmittags verschwindet. 20. April: NW. hell Sonnenschein. In den Dorfgärten sehr viel Erithacus rubeculus (L.) und Turdus musicus L. Diese beiden Vogelarten scheinen immer zusammen zu ziehen. Wenn man z.B. im Herbste während der Zeit des Dohnenstieges im Dorfe viele Rot- kehlchen beobachtet, so kann man sicher sein, im Walde einen guten Drosselfang zu machen. Im Garten ein einzelner Regulus eristatus Vieill. Krähen ziehen in einer Höhe von 25—30 m. Mein in Ge- fangenschaft gehaltener Haliaötus albicilla (L.) mausert jetzt stark das Kleingefieder, wechselt aber auch immer noch grosse Schwung- und Schwanzfedern. Der letztere Vorgang ist schon seit dem Herbste zu beobachten, geht also ganz allmählich vor sich. 21. April: NW. hell Sonnenschein. 22. April: Ebenso wie gestern. An der Pelk (dem Dorf- teiche) glaube ich den ersten Totanus glareola (L.) zu hören. Herr Präparator Sondermann — Paossen meldet, dass er von Nemonien am Kurischen Haff eine Limosa lapponica (L.) 2 er- halten hat. 23. April: Scharfer kalter NO. Sonnenschein. Auf den Feldern viel Turdus musicus L., Motacilla alba L. und einige Turdus pilaris L.; ferner in den Büschen zahlreiche Erithacus Journ, f,. Orn. LI. Jahrg. April 1903, 12 178 J. Thienemann: rubeculus (L.) und Weibchen von Fring:lla coelebs L. Alle diese Vögel ziehen nicht, sondern treiben sich zwecks Nahrungsauf- nahme umher, die Bachstelzen viel auf frisch geeggten Äckern. 24. April: W. kühl, Sonnenschein. Im Dorfe immer noch zahlreiche Rotkehlchen und Singdrosseln. 5 Grus com- munis Bcehst. ziehend. 25. April: W. kühl, halb bedeckt. Auf der Pallwe viel Sazxicola oenanthe (L.), fast ausschliesslich braune Kleider und solche, die auf dem Rücken schwach grau gefärbt sind. Zwei erlegte braune Exemplare erweisen sich als Weibchen. 26. April: heftiger kalter NO. Am Bruchrande 2 Totanus ochropus (L.) und 1 Totanus glareola (L.). Ferner auf dem Wasser zahlreiche Fuligula feri- na (L.), die Männchen mit schönen rotbraunen Köpfen, und auch schon einige Uolymbus nigricollis (Brehm). Ich finde öfter Nester von Vanellus capella J. C. Schäff., aber ohne Eier. Diese Vögel scheinen sich stets mehrere Nest- mulden auszudrehen, ehe sie eine belegen. 27. April: NNO. sehr kalt, hell. Es findet jetzt bei den scharfen NO-Winden eine sehr kalte Periode statt. Früh ist immer Eis gefroren. | 28. April: Dasselbe kalte Wetter, derselbe Wind wie gestern. 29. April: Der kalte Wind hat etwas nachgelassen und ist mehr nach Westen herum gegangen. Auf dem Bruche zahl- reiche Nester von Fulica atra L. gefunden, teils noch unbelegt, teils mit 1, 3 und 4 Eiern, teils auch schon mit vollen ziemlich stark bebrüteten Gelegen. Colymbus nigricollis (Brehm) und Anas crecca L. paarweise. Auch mehrere Colymbus cristatus L. sind zu beobachten, ferner Emberiza schoeniclus (L.) und im Walde Schwärme von Columba palumbus L. 30. April: Leichter W., früb einige Schneeflocken, abends Nebel, etwas wärmer. Auf dem Felde ein Fringilla montifringilla L. 1. Mai: SW. wärmer, die kalte Periode scheint vorüber. Nachmittags Donner. Im Garten 1 Muscicapa atricapilla L. 3, Phylloscopus rufus (Bchst.) singend. Immer noch Rotkehlchen überall. Man hört öfter Numenien rufen. 4. Mai: In Rossitten die erste Hirundo rustica L. beobachtet. 5. Mai: Im Garten vielLaubsänger, die namentlich über dem Teiche umher schwärmen und Insekten fangen, dieselben auch, wenn sie auf’s Wasser fallen, herausfischen. Ferner zahl- ll. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 179 reiche Trauerfliegenfänger, die mit Blaumeisen öfter um die Nistkästen kämpfen. Vom 5. Mai an bis etwa zum 13. findet wieder eine recht kalte Periode statt mit NW. und W. Im Garten treiben sich immer noch viel Laubvögel umher. 1 Phyll. trochilus höre ich schlagen. 6. Mai: 1 Sylvia eurruca (L.) im Garten. 7. Mai: Die erste Chelidonaria urbica (L.) beobachtet, ebenso ein Männchen von Pyrrhula rubicilla Pall., das sich auch noch an den folgenden Tagen in den Gärten aufhält. Auf den Feldern immer noch zahlreiche Fringilla coelebs L., worunter auch viel Weibchen. Auch Emberiza citrinella L., jedenfalls alles nordische Vögel, in grösseren Flügen. 8. Mai: Am Dorfteiche 1 Tringa alpina L. 11. Mai: NW. kalt. Die Vegetation rückt bei dem kalten Wetter nicht vorwärts. Auf dem Bruche sind noch nicht viel Sterna hirundo L. am Brutplatze eingetroffen, haben auch noch keine Nester gebaut. Die Nester von Colymbus nigricollis (Brehm) sind sehr verschieden belegt, nämlich mit 1, 2, 3 und 4 Eiern. In den zum Trocknen aufgehängten Fischreusen haben sich drei Rohrammern und ein Laubvogel gefangen (s. meine Be- merkungen im I. Jahresberichte S. 172.)., Die Rohrammern scheinen sehr kleine Körperdimensionen aufzuweisen, namentlich was die Schnäbel anbelangt. Dabei will ich bemerken, dass ge- nauere Aufzeichnungen und Zusammenstellungen von Grössen- und Farbenverschiedenheiten der hier auf der Nehrung ge- sammelten Vögel in späteren Berichten folgen werden, wenn erst ein grösseres Vergleichsmaterial zusammen gebracht sein wird. Im Garten beobachte ich ein Weibchen von Pyrrhula rubi- eilla Pall., Ob diese Vögel hier brüten wollen? Rotkehlchen und Laubvögel sind immer noch hier. Ich erhalte eine lebende Kegelrobbe im Säuglingskleide. 12. Mai: W. immer noch kühl. 13. Mai: Das erstemal O. seit langer Zeit. Etwas wärmer. Auf dem Bruch das erste Ei von Sterna hirundo L. gefunden. März- und Tafelenten sitzen auf Eiern. Acrocephalus arun- dinaceus (L.) singt. 14. Mai: SO. mittags W., dann O. Regen, trübe aber etwas wärmer. Viel Budytes borealis (Sund.) auf dem Zuge, 3 erlegt, ebenso 1 Acrocephalus schoenobaenus (L.) 12* 180 J. Thienemann: 15. Mai: NW. trübe, regnerisch. 16. Mai: NW. hell, Sonnenschein, etwas kühl. Ich bekomme einen lebenden Urinator septentrionalis (L.), den ich auf den Teich setze. Sylvia atricapilla (L.) und Muscicapa grisola L. zum erstenmale beobachtet. Mehrere Haematopus ostrilegus L.schwärmen pfeifend über dem Dorfe umher. 17. Mai: vormittags NW., der dann später nach Osten umspringt und abflaut. Sonnenschein, wärmer. Über dem Bruche ein kleiner Flug Totanus glareola (L.) beobachtet. 18. Mai: SW. Regen, wärmer. Die Vegetation rückt jetzt mehr vorwärts. 19. Mai: SW. trübe, regnerisch. 1 Fringilla montifringilla L. und 1 Serinus hortulanus Koch 5 beobachtet. In den Kunzen’er Büschen eine Coracias garrula L. gesehen, ferner ein Männchen von Budytes borealis (Sund.) erlegt. Cuculus canorus L. gehört. Sein Ruf wurde angeblich schon vor 3 Tagen vernommen, und ich glaube den Vogel schon vor ungefähr 8 Tagen gesehen zu haben. 20 Mergus merganser L. ziehen in einer Höhe von etwa 100 m nach Westen (nach der See) zu, eine Erscheinung, die ich jetzt öfter bemerkt habe. Schwärme von Fringilla coelebs L., Ohloris hortensis Brehm, Emberiza eitrinella L. und Turdus pi- laris L., jedenfalls alles nordische Vögel, sind immer noch zu beobachten. 20 Mai: NW. schöner, warmer Tag. Zwei Nester von Vannellus capella J. C. Schäff. mit je 4 zum Teil angepickten Eiern gefunden. Der Hund fängt 2 junge Kibitze im Dunenkleide, 1—2 bezw. 5—6 Tage alt. Das erste Mal Lanius collurio L. in diesem Jahre beobachtet, und zwar vorläufig nur 1 Pärchen. Herr le Roi hat den Vogel bereits am 16. Mai bei Grenz ge- sehen. 1 Budytes borealis (Sund.) erlegt. Länge des im Fleische gemessenen Vogels 17,5 cm. 21. Mai: Fast windstill, warm, regnerisch, nachmittags Ge- witter. Von dem in Gefangenschaft gehaltenen Urinator septen- trionalis (L.) ist zu berichten, dass er sich vom Wasser öfter auf das Ufer herauf schob. Dort lag er denn anf dem Bauche, richtete sich aber nie, auf den Füssen stehend, auf, was er da- gegen auf dem Wasser sehr gut fertig brachte. Wollte er sich auf dem Lande weiter bewegen, so schob er sich auf dem Leibe liegend vorwärts. Angebotene zerkleinerte Fische nahm er an. II. Jahresbericht (1902) dor Vogelwarte Rossitten. 181 Gestern und heute einen kleinen Flug Wildtauben in den Kunzen’er Büschen beobachtet. Es wurden mir in diesen Tagen mehrere Tauch- und Trauerenten eingeliefert, die längere Zeit in Gefangenschaft gehalten und genau beobachtet werden konnten. Die Vögel boten nicht nur, was ihr Gefieder, sondern auch ihr Leben an- belangt, manches Interessante. Sie waren auf der See an den mit Fischstückchen beköderten Flunderangeln gefangen. Der Haken hatte den Unterschnabel durchbohrt und so die Tiere, die durch die kaum sichtbare Wunde in ihrem Wohlbefinden gar- nicht beeinträchtigt waren, festgehalten. Am 21. Mai erhielt ich 3 auf diese Weise erbeutete Fuligula hyemalis (L.), am 22. Mai 1 Männchen und am 23. Mai 1 Weibchen von Oedemia nigra (L.). Über ihre Befiederungs- und Mauserverhältnisse, die noch manche unaufgeklärte Momente in sich bergen, lässt sich folgendes sagen: Die Eisenten waren junge Männchen in normalem, vieles Braun aufweisendem, fertigem Sommerkleide. Als ich sie bekam, zeigte dieses Braun an Brust und Hals keine Spuren von Weiss. Im Laufe des Juli erschienen an den genannten Körperteilen weisse Federchen, so dass namentlich die Brust ganz gescheckt aussah. Am 30. Juli untersuchte ich an einem eingegangenen Exemplare diese Federchen genau und möchte daraufhin behaupten, dass die weisse Farbe durch Umfärbung entstanden war. Sie hatte sich von unten, vom Kiele aus, ausgebreitet, sodass manche Federn in ihren oberen Partien noch Spuren von Braun aufwiesen. Auch waren die Ränder der weissen Federn sehr abgenutzt. Die Hoden 8—9 mm lang. Bei den geschilderten Verhältnissen fällt der zeitige Termin für Anlegung sowohl des braunen Sommerkleides, als auch des weissen Prachtkleides auf, denn es werden im Mai, ja sogar Anfangs Juni an deutschen Küsten Männchen massenweise angetroffen, die das weisse Prachtkleid noch tragen, und das darauf folgende braune Sommerkleid erst im Spätherbste oder auch schon im Oktober mit dem Pracht- kleide vertauschen. Noch auffallender lagen die Verhältnisse bei den beiden Exemplaren von Oedemia nigra (L.. Am 25. Mai untersuchte ich die Vögel: Sie mausern beide am ganzen Körper und tragen viele mit Blut gefüllte Federn. Graue, d. h. alte Federn sind beim Männchen an folgenden Körperteilen vorhanden: Ein ganzer Trupp auf dem Ober- und Unterrücken, worunter aber 182 J. Thienemann: auch schon schwarze, teils ganz, teils halb entwickelte neue Federn hervorschimmern. Die langen Schulterfedern sind neu, also schwarz, ebenso die Kopf-, Hals- und Brustfedern; aber auch darunter befinden sich viele noch unentwickelte, mit Blut gefüllte Federn, namentlich am Kopfe.. Der Schwanz ist schwarz und nicht abgenutzt, Flügel grau, auch nicht abgenutzt. Die Unter- seite bei beiden Exemplaren weiss (alte Federn) mit vielen schwarzen neuen Federn untermischt. Bauch braungrau, auch mit eingesprengten schwarzen neuen Federn, so dass die Unter- seiten ganz meliert aussehen. Der Schnabel des Männchens trägt keine eigentliche Knolle, sondern ist an der Wurzel nur aufgetrieben. Der gelbe Fleck, der den Nagel nicht ganz erreicht, ist 3,5 cm lang und an der breitesten Stelle 1,5 cm breit. Es ist ein junges Männchen im Übergansskleide. Auch bei dem graubraun gefärbten Weibchen kommen am ganzen Körper dunklere neue, oft erst halb entwickelte Blut- federn hervor. Der Schwanz besteht teils aus neuen schwarzen, nicht abgenutzten, teils aus hellbraunen verblichenen und abge- nutzten, der Spitze entbehrenden Federn. Schulterfedern sind neu, Schwungfedern nicht abgenutzt. Der gelbe Fleck auf dem Schnabel kaum sichtbar. Also junges Weibchen. Die Geschlechts- teile sind bei beiden Exemplaren sehr wenig entwickelt; die Hoden beim Männchen wie langgezogene, schmale Linsen, der Eierstock beim Weibchen wie Griess. Männchen ganze Länge 47 cm. Fittich 22 cm. Weibchen, Länge 45 cm. Fittich 21 cm. Zieht man die wenig entwickelten Geschlechtsteile und die starke Mauserung der vorliegenden Trauerenten in Betracht, _ so stösst einem die Frage auf, ob diese Vögel in diesem Jahre noch zur Fortpflanzung geschritten wären, um bereits in etwa vier Wochen das Brutgeschäft zu beginnen? Ich bin geneigt, diese Frage zu verneinen, sodass die Vermutung nahe liegt, dass Oe- demia nigra (L.) erst im 2. bezw. 3. Jahre fortpflanzungsfähig wird. Das mag auch der Grund sein, dass sich bei so vorge- rückter Jahreszeit noch so grosse Schwärme von Trauer- und Eisenten auf der Ostsee umher trieben, anstatt an die nördlichen Brutplätze zurück zu kehren. Über das Leben der in Gefangen- schaft gehaltenen Eis- und Trauerenten lässt sich folgendes sagen: Ich brachte die Vögel sofort nach dem Fange auf einen teilweise eingezäunten Teich, wo sie gezwungen waren, ihre anziehenden 4 Tauchkünste und sonstigen höchst auffallenden Bewegungen dicht vor den Augen des Beobachters vorzunehmen, während man sonst gewöhnt ist, das Tun und Treiben dieserscheuen Vögel im Freien nur von ferne zu studieren. Die von den Tauchenten in und auf dem Wasser entwickelte Geschicklichkeit war gradezu bewun- derungswürdig. Wir treten in den ersten Tagen, als die Tiere noch ziemlich scheu waren, dicht an den Teich heran, ein Ruck — - und sämtliche Vögel sind unter dem Wasserspiegel verschwunden und schwimmen nun, im klaren Wasser leicht erkennbar, dicht über dem Grunde hin und her. Dabei wird ein Anstossen an das bis auf den Boden reichende Drahtgitter, oder an sonstige im Wasser liegende Gegenstände leicht vermieden, woraus er- sichtlich ist, wie gut die Vögel unter dem Wasser sehen können. Kopf und Hals werden lang vorgestreckt und die hinten hervor- ragenden Füsse eifrig bewegt. Ein Rudern mit den Flügeln konnte ich nie beobachten. Die ganze Procedur sieht einem raschen Hinkriechen auf dem Teichgrunde nicht unähnlich. Plötzlich werden die Füsse ruhig gehalten, und sofort erscheint das Tauchentchen, wie ein Federball senkrecht empor steigend, auf der Oberfläche des Wassers. Steht man ganz in der Nähe, so vernimmt man im Moment des Auftauchens stets einen leisen glucksenden Ton, der durch die Nasenlöcher hervor gebracht wird, wenn das Atemanhalten sein Ende erreicht hat. Die Eis- enten blieben gewöhnlich !/, Minute, die Trauerenten ungefähr 65 Sekunden unter Wasser. An den unter Wasser schwimmenden Enten konnte ich ferner eine Beobachtung machen, die mir vollständig neu war, und die ich auch nirgends verzeichnet finde. Wenn die Vögel längere Zeit auf dem Grunde des Wassers bleiben wollten, liessen sie, um sich schwerer zu machen, Luftblasen emporsteigen, die am Schwanze austraten, so dass es den Eindruck machte als ob die- selben aus der Darmöffnung herauskämen. Die Erscheinung ist jedenfalls so zu erklären, dass das pelzartige Gefieder mehr und mehr zusammengepresst wird, wodurch die in demselben befind- liche Luft am hinteren Ende des Körpers entweichen muss. Man konnte bei trübem Wasser die Bewegungen der Enten an den aufsteigenden Luftblasen genau verfolgen. Höchst interessant war auch die Nahrungsaufnahme der Tauchenten, die am liebsten auf dem Grunde des Teiches vor- genommen wurde. Erst später lernten die Tiere auch vom Lande II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 183 184 J. Thienemann: Nahrung aufnehmen, sogar hingestreute Gerste. Für gewöhnlich fütterte ich klein geschnittene Fische, von denen die aus der See stammenden bei weitem bevorzugt wurden. Hatte man eine Hand voll Nahrung auf das Wasser geworfen, so tauchten die Enten sofort nach und schwammen mit vorgestrecktem Halse in der oben beschriebenen Weise auf dem Grunde umher. Kamen - sie an ein Stückchen Fisch heran, so war dasselbe im Nu im Schnabel und Schlunde verschwunden, so dass dieser Vorgang einem Hinuntersaugen nicht unähnlich war. Ein langes Schnattern, wie man’s bei den Schwimmenten beobachtet, fand nie statt. Nur selten erschien einmal eine Ente mit einem Nahrungsbrocken auf der Oberfläche des Wassers, um ihn erst dort zu verzehren. So lange meine Enten noch vollständig gesund waren, gingen sie fast garnicht auf's Land und nahmen auch alle die Geschäfte, die von den Schwimmenten gern auf dem Trockenen ausgeführt werden, wie z. B. das Putzen, auf dem Wasserspiegel vor. Sie richteten sich dabei gern auf und legten sich nach hinten über, um sich mit dem Schnabel die Unterseite des Gefieders in Ordnung zu bringen. Die Eisenten, und nur diese habe ich längere Zeit in Gefangenschaft gehalten, wurden nach und nach ganz zahm und lernten ihren Wärter genau kennen. Hatten sie Hunger, und man trat an den Teich heran, so kamen sie sofort entgegen ge- schwommen, um ihre gewöhnliche Futterstelle aufzusuchen. Hier. tauchten sie fortwährend unter, dadurch kund gebend, dass sie nach Futter verlangten; dabei liessen sie öfter ein leises, bittend klingendes „wak‘‘ hören. So geschickt sich die Eisenten auf dem Wasser benahmen, so unbeholfen waren sie auf dem Lande. Nach wenigen tölpelhaft und breitbeinig ausgeführten Schritten, ‘wobei der Körper in ziemlich senkrechter Stellung gehalten wurde, liessen sie sich, wie um auszuruhen, auf den Bauch nieder- fallen. Ich glaube nicht, dass eine Eisente vom Lande aus auf- fliegen kann. Auch die Trauerenten liefen sehr ungeschickt, wenn auch ihre Bewegungen etwas schneller zu sein schienen. Die eine Eisente war eines Tages spurlos vom Teiche ver- schwunden, während die beiden anderen Exemplare nach und nach eingingen, doch konnte ich das eine bis zum 31. Juli, also 10 Wochen lang am Leben erhalten. Ich schreibe das Hinsiechen der Vögel dem Umstande zu, dass ich ihnen nach Beendigung des Flunderfanges keine Seefische mehr bieten konnte. Die | I. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 185 ersten Anzeichen eines Unwohlseins äusserten sich darin, dass die Enten beim Tauchen, namentlich am hintern Ende des Körpers ein nasses Gefieder bekamen und dann öfter das Land aufsuchten. 22. Mai: NW. bedeckt, warm, früh etwas Regen. Der erste Pinicola erythrinus (Pall.) wird beobachtet. Sein Ruf war schon gestern gehört worden. Wie am 19. Mai, so ziehen auch heute wieder etwa 20 Mergus merganser L. in einer Höhe von ungefähr 100 Metern über das Dorf hinweg, eine Er- scheinung, die in diesen Tagen öfter wahrgenommen wird. Die ersten Jungen von Sturnus vulgaris L. sind ausgefallen, was die umber liegenden halbierten Eierschalen andeuten. 23. Mai: NW. Sonnenschein, kühler. Die ersten Micropus apus (L.) beobachtet. Es folgen jetzt Beobachtungen, die besonders die Brutver- hältnisse der Vögel auf der Nehrung betreffen. Über die Witterungs-Verhältnisse ist im Allgemeinen zu bemerken, dass auch auf der Nehrung, wie wohl in ganz Deutschland, ein ganz abnorm kühler und regnerischer Sommer zu verzeichnen war. Zunächst einige Bemerkungen im Zusammenhange über die Kolonie von Larus ridibundus L. auf dem Bruche. Wie schon oben bemerkt trafen die Lachmöven am 22. März zum erstenmal an ihrer alten Brutstelle ein, um dieselbe mit lautem Geschrei zu begrüssen. Sie blieben aber zunächst nicht dauernd da, sondern kehrten nur ab und zu wieder. In der zweiten Hälfte des April ging es schon sehr lebhaft in der Kolonie zu. Die Möven schwärmten über ihren Brut- plätzen umher und liessen sich auch schon öfter darauf nieder, um sich bald wieder mit grossem Geschrei zu erheben. Ein paarweises Zusammenhalten beobachtete man selten, und nur ab und zu sah man zwei Vögel in der Luft miteinander spielen. Am 29. April hatten die Möven noch keine Nester gebaut. Am 3. Mai lag das erste Ei. Am 5. Mai konnten 3 Eier aus ver- schiedenen Nestern gesammelt werden. Am 7. Mai gab es schon über ein halbes Schock. Die Möven trieben sich jetzt sehr viel auf den Feldern umher, um namentlich dem Pfluge zu folgen und Regenwürmer aufzulesen. Ich schätze die Kolonie auf ungefähr 2000 Paar. Durch tägliche Beobachtungen konnte festgestellt werden, dass die Möven an jedem Tage in den Morgenstunden ohne Unterbrechung ein 136 J. Thienemann: Ei ablegten und schon vom ersten Eie an das Brüten begannen, denn alle die Eier, die einzeln in den Nestern lagen, fühlten sich warm an, während die Exemplare, die, durch irgend einen Zufall veranlasst, neben dem Neste sich befanden, von eisiger Kälte waren. Arge Verwüstungen richteten die Möven unter den in ihrer Nachbarschaft kolonienweise stehenden Nestern des Schwarz- halstauchers, Colymbus nigricollis (Brehm), an, indem sie die- selben, auch wenn sie bereits mit Eiern belegt waren, als will- kommene Brutstätte benutzten, nachdem sie noch etwas Nist- material aufgebaut hatten. Die Tauchereier lagen meist auf dem Grunde des Bruches. Die folgende Tabelle mag zeigen wie sehr die Eier von Larus ridibundus L. in Bezug auf Gewichts- und Grössenverhält- nisse abändern. No. Gewicht des Länge. Breite. gefüllten Eies. 1. 30,7 8 45 mm 36 mm 2. 33.6, Da 38... 3. 52,4 „, H2s, 425 4. 27,4 „ 46 „ 35 „u 5. 29,2 „ AT: 35 u 6. 26,9, 46 „ 34 u T. 40,1 „ Dass. 40 ,„ 8. 29,20, 48 „ 36 „ 9. 31,6 „ 48 „ 36 ,„ 10. Dal, 46 „ 34 „ 11. 43,7 „ 64 „ al 12. 34,4 „, Day 36; Am 4. Juli die erste flugbare junge Lachmöve beobachtet. So sind seit dem 3. Mai, an dem das erste Ei lag, 62 Tage vergangen. Auch Larus minutus Pall. hat in diesem Jahre, wenn auch nur ganz einzeln, auf dem Bruche genistet. Am 4. Juli wurde ich von einem ängstlich warnenden Exemplare, dass sein Nest, oder seine ausgeschlüpften Jungen in der Nähe haben musste, umschwärmt. An Kleinvögeln brütet bei Rossitten am häufigsten Sylvia nisoria (Bchst.), und ihr folgt Lanius collurio L. Von ersterer Species sind folgende Nester zu verzeichnen: Am 9. Juni Nest mit 2 Eiern, 11. Juni ein solches mit 5 Eiern. 15. Juni: vier II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 187 Nester, nämlich zwei noch unbelegte, eins mit 2, und eins mit 5 Eiern. 17. Juni: 4 Eier. Am 27. Juni mehrere Nester mit Eiern und Jungen gefunden. Zahl der Gelege recht verschieden- artig (3 bis 6 Stück). Am 3. Juli ein Nest mit 3 Eiern und eins mit zwei flüggen Jungen nebst 3 faulen Eiern. Von Lanius collurio: am 9. Juni angefangenes Nest. 15. Juni: Nest mit 1 Ei. 27. Juni Nest: mit 6 Eiern. Am 3. Juli: vier Nester, nämlich eins mit 5, eins mit 6, eins mit 7 Eiern und eins mit 5 nackten Jungen. Auffallende Abweichungen in der Gelegezahl gegen mittel- deutsche Verhältnisse konnte ich bis jetzt nicht finden, nur waren die Gelege zum Teil sehr verschieden stark und auch zu ein und derselben Beobachtungsszeit sehr ungleich in Bezug auf den Grad der Bebrütung. Diese Umstände können aber durch die diesjährige abnorme Witterung verursacht sein. 11. Juni: W. gegen Abend SW. kühl, Sonnenschein. Vanellus capella J. C. Schäff. in Schwärmen bis zu 100 Stück beobachtet. Jedenfalls ausgeflogene Junge. Drei Wild- sänse ziehen nach Norden. In einem kleinen Wäldchen treiben sich 10 Corvus cornix L. und mehrere Colaeus monedula (L.) und Columba palumbus L. umher. Diese Vögel machen nicht den Ein- druck, als ob sie zur Brut schreiten wollten, sonst hätten sie sich mehr paarweise gehalten. Die ersten jungen Stare sind gestern und heute aus den Kästen ausgeflogen. 12. Juni: N. Die ersten ausgeflogenen Motacilla alba L. beobachtet. 14. Juni: NNW. bedeckt, vormittags Regen. Im Walde wird ein Schwarm von 30 Kreuzschnäbeln beobachtet. 15. Juni: W. Regen. In dem hohen lehmigen Haffufer befindet sich eine Kolonie von Clivicola riparia (L.) von ungefähr 60 Pärchen. Ein ver- lassenes Nest mit 2 Eiern von Sylvia rufa (Bodd). Falco subbu- teo L. beobachtet. Der Vogel wird jetzt öfter gesehen und brütet sicher im Rossitter Walde. 16. Juni: W. das kalte, regnerische Wetter hält an. Ich hatte ein vom Bruche stammendes verlassenes Enten- gelege einer Glucke zum Ausbrüten gegeben. Heute schlüpfen die Jungen aus und entpuppen sich als solche von Anas boscas 188 J. Thienemann: L. und Fuligula ferina (L). So haben diese beiden Species in ein Nest gelest. 17. Juni: NW. kalt, bedeckt. Ein Nest von Fringilla coelebs L. mit ziemlich befiederten Jungen, ferner ein solches von Sylvia hortensis Bcehst. mit 1 Ei (jedenfalls verlassen. Ein Pärchen Chrysomitris spinus (L.) be- obachtet. Diese Vögel sind während der ganzen Brutzeit paar- weise zu sehen, so dass man ein hiesiges Brüten annehmen darf. 21. Juni: Wind fortwährend umspringend, nachmittags Gewitterregen. Acrocephalus arundinaceus (L.) häufiger Brutvogel auf dem Bruche. Hat Junge. Maximalzahl 6 Stück, aber auch Nester mit 3 Stück gefunden. Zwei Dunenjunge von Fulica atra L. erbeutet. Nest von Fuligula ferina mit Eiern. 22. Juni: W. Das kalte, regnerische Wetter hält an. Ein Schwarn Kreuzschnäbel beobachtet. 25. Juni: N. warm. Es findet jetzt eine kurze Periode schöner, warmer Tage statt. Das Kleemähen beginnt, wobei wieder sehr viel Entengelege zerstört werden. Sie gehören namentlich den beiden Species Anas crecca L. und A. querque- dula L. an, die nicht mit Sicherheit auseinander gehalten werden können. Ein sicheres Gelege von Anas querquedula L. erhielt ich dadurch, dass das brütende Weibchen von der Mähmaschine getötet wurde. Dass unter den eingelieferten Eiern auch solche von Anas crecca L. waren, konnte ich dadurch konstatieren, dass aus den Gelegen, die ich den zu dem Zwecke gehaltenen Seiden- hühnern unterlegte, auch junge Krickenten auskamen, die ich bis zum Winter auf dem Teiche lebend gehalten habe. Am 25., 26. Juni und 1. Juli wurden mir die betreffenden Gelege gebracht. Die Durchschnittszahl betrug 9 Eier. Die Weibchen sassen teilweisse so fest, dass die Maschine über sie hinweg ging, ehe sie aufflogen. 26. Juni: NW. schönes, warmes, fast heisses Wetter. Alauda arvensis L. füttert ihre Jungen. Colymbus nigri- collis (Brehm) hat teils noch Eier, jedenfalls zweite Gelege, nach- dem die ersten durch die Lachmöven, wie oben bemerkt, zerstört waren, teils sieht man die Alten schon mit den Jungen auf dem Rücken umher schwimmen. 27. Juni: NW, warm, halbbedeckt. Ein Paar Perdix cine- rea Lath. mit ganz kleinen Dunenjungen lange beobachtet. E II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 189 Das Locken der alten Henne nach erfolgter Störung klingt wie gogogogogogo. Bewundert habe ich das ausgeprägte Orientierungs- vermögen, welches die kleinen eben ausgeschlüpften Hühnchen bereits zeigten. Ich hatte mir ein solches zartes Tierchen von meinem Hunde apportieren lassen, dasselbe in eine Schachtel ge- setzt und mich dann in einer Entfernung von ungefähr fünfzehn Schritt, in einem dichten Dorngestrüpp auf die Lauer gelegt. Es währte nicht lange, so ertönte der oben erwähnte Lockruf der Alten, um die versprengten Jungen zu versammeln. Sofort hob sich mein Schachteldeckel, und das Hühnchen eilte genau auf die Stelle hin, wo seine Mutter sich befand. Dabei war der Ruf so leise, dass es mir unmöglich war, die Richtung, aus der er kam genau zu bestimmen, was dem Hühnchen spielend leicht gelang, obgleich es nicht einmal die Alte sehen konnte, sondern zunächst ein undurchdringliches Pflanzengewirr, dann einen breiten Weg und hierauf hohes Gras passieren musste. Dieses Rebhühnervolk wuchs übrigens vollzählig auf und wurde zur Jagdzeit noch an derselben Stelle beobachtet. Zahlreiche Junge von Parus maior L. und P. caerulus L. gesehen, eine Folge des Aufhängens von Berlepsch’scher Nisthöhlen. Grosse, aus jungen Vögeln bestehende Flüge von Sturnus vulga- ris L., die zur Nachtruhe in’s Haffrohr einfallen, sind schon seit der ersten Hälfte des Monats zu beobachten. Auf der Vogelwiese zeigen sich die ersten Zugerscheinungen. Etwa 30 Brachvögel werden beobachtet. Ebenso wird eine Tringa alpina L. im Jugendkleide erlegt. 1.t.: 17,9 cm. r.: 3,1 cm. 2er: 3 cm. t.: 2,4 cm. 3. Juli: starker NW. hell, kühl. Auf einer Weide, etwa 12 m hoch, Nest von Lanius minor Gm. mit 3 flüggen Jungen gefunden. Das Nest enthält im Innern viel Federn. Auf der Vogelwiese ist in den letzten Tagen schon ein Schwarm von 30 —40 Strandvögeln beobachtet worden. Heute bemerken wir nichts davon, dafür aber am Haft sehr viele Larus minutus Pall., alle in noch nicht ausgefärbtem Gefieder, das am Kopfe viel weisse, auf den Flügeln braungraue Federn aufweisst. Voraussichtlich alles Vögel, die noch nicht fortpflanzungsfähig sind. Auch viel Enten sitzen am Haffstrande, namentlich Anas boscas L. Männchen und Weibchen. Mein Hund findet 3 Dunenjunge von Charadrius curonicus Gm., dieselben stammen jedenfalls von einem Gehecke, sind aber 190 J. Thienemann: nicht ganz gleich entwickelt. Die umherlaufenden und fliegenden Alten suchen uns durch allerhand Verstellungen, namentlich Zittern mit den Flügeln, wegzulocken. Es wäre unmöglich, die sand- farbenen Dunenjungen, die sich sehr geschickt zu drücken ver- stehen, ohne Hund zu finden. Das Laufen geschieht bei ganz wagerechter Haltung des Körpers. 15 bis 20 Numenius phaeopus (L.) auf der Vogelwiese. Ein Volk von jungen Perdix cinerea Lath., das ich an diesem Tage antreffe, zeigt dieselbe Entwicklung, wie das am 27. Juni beobachtete. Die Hühnchen beider Gehecke müssen genau um dieselbe Zeit ausgeschlüpft sein, was am 26. oder 27. Juni statt- gefunden hätte. So würde der Beginn der Brutzeit auf den 5. oder 6. Juni fallen, was gegen Mitteldeutschland als etwas später Termin zu bezeichnen wäre. 4. Juli: schönes, warmes Wetter. Zwei Fuligula ferina (L.) sitzen immer noch auf Eiern auf dem Bruche. Daselbst ein Schwarm Totanus pugnax (L.) und 2 Limosa lapponica (L.) be- obachtet. Es sind das die ersten Zugerscheinungen am Bruche. 5. Juli: S. trübe, kühl, Regen. Die Kolonie von Cliwvicola riparia (L.) im hohen Haffufer besucht. Zwei Nester ausgegraben. Die ungefähr 30 bis 35 cm langen Eingangsröhren zeigen, ehe sie in die ziemlich geräumige Nestmulde einmünden, eine geringe Neigung nach unten. Die Mulde selbst ist mit Federn und Hälm- chen ausgelegt. In jedem Neste befinden sich 6 ziemlich flügge Junge, von denen eins allemal in der Entwickelung ziemlich zu- rück ist. Was aber bei den Nestern der Uferschwalbe besonders hervorgehoben werden muss, das ist das massenhafte Vorhanden- sein von allen möglichen Schmarotzern. Die Nester wimmeln förmlich von Läusen, Flöhen und Holzböcken, und manche Jungen haben am Kopfe und auch an den übrigen Körperteilen 3 bis 4 erbsengrosse Schmarotzer sitzen, scheinen sich aber dabei ganz wohl zu befinden. Am Bruch zwei Fuligula cristata (Leach) beobachtet. 8. Juli: Halbbedeckt kühl. Drei zum Ausschlüpfen reife Eier von Charadrius curonicus Gm. werden gebracht. 9. Juli: Ein Hirt bringt von der Vogelwiese 5 See- schwalbeneier mit. Dieselben haben zu 2 und 3 Stück in Sandvertiefungen, nicht weit vom Haffstrande gelegen. Das erste Gelege war ganz frisch, das zweite stark bebrütet. Da man zweifel- haft sein kann, ob es sich in diesem Falle nicht um Eier von II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 191 Sterna macrura Naum. handelt, schickte ich die betreffenden Eier zur Bestimmung an Herrn Dr. Rey-Leipzig. Derselbe teilte mir unter dem 9. September 1902 freundlichst mit, dass eine sichere Unterscheidung der Eier von Sterna hirundo und macrura unmöglich sei. Das vorliegende Brutvorkommen mache es aber wahrscheinlicher, dass es sich hier um Sierna macrura Naum. handelte. Bemerkt sei hierbei, dass Sierna hirundo bei Rossitten nur auf dem Bruche, und zwar auf schlammigen Inseln brütend angetroffen ist. Der Fundort der fraglichen Eier liegt dagegen 3 Kilometer entfernt auf ganz anderem, nämlich ödem sandigen Gelände. Sterna macrura Naum. ist bisher noch nicht auf der Nehrung beobachtet worden. 10. Juli: S. dann SW. Regen. In den Kunzener Büschen ein Pärchen Chrysomitris spinus (L.) beobachtet. Ebendaselbst an einer sumpfigen Stelle Locustella fluviatilis (Wolf) gehört und längere Zeit beobachtet. Hielt sich immer an derselben Stelle auf, brütet also daselbst. Lindner giebt den Vogel noch als sehr seltenen Durchzügler an. Das Schwirren erinnert an die Ein- leitungstöne des Goldammergesanges. Am Dorfteiche 8 Limosen. 12. Juli: Eine junge ausgeflogene Alauda arvensis L. erlegt. 14. Juli: Auf dem Kirchhofe in Memel eben ausgeflogene Turdus pilaris L. beobachtet. 19. Juli: nachmittags Regen. Auf dem Bruche ein Anas crecca L. g ad. und ein Fuligula ferina (L.) 2 ad. erlegt. Ersteres zeigt keine Spuren von Mauser, letzteres trägt Stoppelfedern. Mehrere Schofe von Fuligula ferina (L.) tragen noch das Dunenkleid. 20. Juli: hell, Sonnenschein. Einen Schreiadler be- obachtet. 21. Juli: nachmittags Regen. Auf dem Bruche nur noch wenig Colymbus nigricollis (Brehm) zu beobachten. Colymbus eristatus L. führt seine Jungen. Im Dorfe eine Galerita ceristata (L.), die hier auf der Nehrung sehr selten ist, beobachtet. 26. Juli: einige warme Tage waren zu verzeichnen. Grosse Schwärme von Haffmücken traten auf, die starke Ansammlungen von Staren im Gefolge hatten. Auf dem Bruche sowohl, wie auf dem Haff giebt es zahlreiche junge Enten, sowohl Anas boscas L., als auch Fuligula ferina (L.), die noch das Dunen- kleid tragen. 27. Juli: SW. Regen und Gewitter nachmittags. 192 J. Thienemann: Gewaltige Mückenschwärme. In der zweiten Hälfte des Juni hat der Zug der Totaniden begonnen. T. glareola, ochropus und pugnax öfter zu beobachten. 31. Juli: W. Regen. Starker Zug von Laubsängern im Walde Darunter mehrere Exemplare mit brauner Fleckung auf der Brust. 2. August: W. warm, Sonnenschein. Unter den Lach- möven ist, wie fast alljährlich, eine epidemische Krankheit aus- gebrochen, von der namentlich die diesjährigen jungen Exemplare befallen werden. Die betreffenden kranken Vögel bemerkt man meist in der Nähe der Ortschaft auf den Triften umherlaufen, da sie ungern zu fliegen scheinen. Bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass die Federn um den After herum stets durch Kot beschmutzt sind. Ich schicke mehrere Exemplare zur ge- nauen Untersuchung an das hygienische Institut in Königsberg, da von Herrn Prof. Dr. Pfeiffer eine dementsprechende Auffor- derung an mich ergangen war. Es dürfte sich vielleicht heraus- stellen, dass die entsprechende Epidemie mit gewissen Geflügel- krankheiten zusammenhängt. Die Untersuchungen darüber sind noch nicht abgeschlossen und werden im nächsten Jahre, bei sich bietender Gelegenheit, fortgesetzt werden. 4. August: bedeckt, schwacher Regen. Man hört jetzt öfter Brachvögel ziehen. 5. August: S.W. Regen. Am Bruch die gewöhnlichen Totaniden zu beobachten. 7. August: O. Regen. Herr Rittergutsbesitzer Ballo-Klein- heide b. Königsberg i. Pr. erzählte mir, dass er Ende Mai 1902 auf seinem Gute 2 Micropus melba (L.) unter Turmschwalben beobachtet habe. Eine Täuschung sei ausgeschlossen. Am Bruch ein Totanus fuscus (L.) und zwei Tolanus hittoreus (L.) erlegt. Einer von den letzteren trägt am ganzen Körper Mauserfedern. Ich erhalte 3 lebende Oriygometra porzana (L.). Man beobachtet jetzt täglich kleine Flüge von Ohrysomitris spinus (L.), während sich diese Vögel den Sommer über nur paarweise zeigten. Vor- aussichtlich sind es die Alten mit ihren ausgeflogenen Jungen. 8. August: W. bis S.W,, bedeckt, vormittags Regen. Herr Zimmermann beobachtet gegen 100 Stück Mecropus apus (L.) über die Vogelwiese von Norden nach Südwesten ziehend. 9. August: S.0. kühl, vormittags Regen. Figentlicher Zug findet nicht statt, während gestern bei W. viel Brachvögel E ziehend beobachtet wurden. Auf der Vogelwiese einige kleine Flüge von Totaniden, die sich oft den Kiebitzen beigesellen, und von Tringa alpina L., welche letzteren noch sämtlich die schwarze Unterseite tragen. Auch einige kleine Trupps von Numenius arcuatus (L.) und Charadrius pluvialis 1. halten sich auf der Vogelwiese auf. Am Haffstrande ein grosser Schwarm Larus minutus Pall. mit einigen Hydrochelidon nigra (L.) unter- mischt. Erlegt: ein Totanus calidris (L.), ein Larus minutus Pall. und zwei Phalaropus hyperboreus (L.). Die Letzteren trippeln ganz einsam am Rande einer Lache umher. Sie tragen noch deutliche Spuren des Sommerkleides in Gestalt von zwei braunen Streifen an den Halsseiten. In diesem Kleide bekommt man die Vögel nicht häufig hier. 10. August: W, hell. ll. August: S. Gewitter und Regen vormittags, dann klart es auf, kühl. Herr Zimmermann erlegt am Landungsstege eine Sierna minuta L. ad. Nur zwei Exemplare waren zu beobachten, über- haupt zeigt sich die Zwergseeschwalbe nicht häufig auf der Nehrung. Zwei Micropus apus (L.) beobachte ich heute noch, die meisten scheinen schon fortgezogen zu sein. Seit einigen Tagen versammelt sich Chelidonaria urbica (L.) scharenweise zum Wegzuge auf den Dächern. 13. August: SW. Am Bruch Totanus fuscus (L.) und ZT. hittoreus (L.). 14. August: SW, halbbedeckt. Auf der Vogelwiese erlegt Herr Zimmmermann eine Limi- cola platyrhyncha (Tem.) und im Weidengebüsch am Haffstrande wird ein Erithacus suecicus (L.) g juv. geschossen. Letztere Vogelspecies war mehrere Jahre hindurch hier nicht zur Beob- achtung gelangt. Das erlegte Exemplar trug Insektenüberreste und eine kleine Schnecke im Magen. Einige Micropus apus (L.) werden noch beobachtet. 15. August: Heftiger SW, halbbedeckt. An Zugvögeln sind jetzt namentlich hier zu beobachten: zahlreiche Saxicola oenanthe (L.) in braunen Kleidern, die sich auf den Triften, und ferner Weibchen und Junge von Fringilla coelebs L. und schliesslich Phylloscopus-Arten, die sich im Walde und in den Gärten umhertreiben. 16. August: SW. Journ. f, Orn. LI. Jahrg. April 1908. 13 II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 193 194 J. Thienemann: Am Bruch eine Ardea cinerea L. juv. und ein Totanus lit- toreus (L.) erlegt. 17. August: SW, früh Regen, nachmittags hellt es auf. Sehr viel Kiebitze schwärmen jetzt umher. 18. August: Seit langer Zeit erster schöner warmer Tag. Sazicola oenanthe (L.) immer noch auf dem Zuge. 19. August: SW, bedeckt, früh etwas Regen. 20. August: S, dann NW. Gewitter und Regen nachmittags. Bei dem Gewitter am Nachmittage beobachte ich unter anderen Schwalben noch 3 Micropus apus (L.) umherschwärmend. 21. August: Herr Zimmermann beobachtet auf der Vogel- wiese sehr viel Tringen. Im Garten Finken und Laubvögel. 23. August: hell, Sonnenschein. Strandvögel nicht zu beobachten, dagegen viel Kleinvögel (Laubsänger und Trauerfliegenfänger) auf dem Zuge. 24. August: O, hell, warm. Auf der Vogelwiese ein Flug Zringa subarcuata (Güld.), wohl aus lauter jungen Vögeln bestehend. Ich bemerke noch mehrere Mecropus apus (L.) unter anderen Schwalben in der Luft umherschwärmend, vermute aber, dass alle die in der letzten Zeit beobachteten und oben verzeichneten Vögel dieser Art nordische Wanderer sind, da jetzt gerade grosse Ansammlungen aller drei Schwalbenarten hier stattfinden, unter denen man die Turmschwalben sieht. Ich glaube sicher, dass die Hauptmassen der heimischen Mauersegler in den oben angegebenen Tagen der ersten Hälfte dieses Monats weggezogen sind. 25. August: O, schön warm. Herr Zimmermann erlegt auf der Vogelwiese 1 Phalaropus hyperboreus (L.).. Im Walde ist jetzt oft Cuculus canorus L. zu beobachten. 26. August: W, bedeckt, früh etwas Regen. Den Tag über ziehen viel Brachvögel, und auch noch in der dunklen Nacht hört man ihren charakteristischen Ruf. 27. August: W, schönes, warmes Wetter. Rauch- Mehl- und Uferschwalben in grossen Scharen zu beobachten, Turmschwalben dagegen nicht mehr. Die jungen Stare sind halb vermausert. 28. August: W, warm, trocken. Man bemerkt jetzt viele Falco tinnunculus L. ziehend, und zwar, wie es scheint, nur Junge. Ein Exemplar erlegt. Saxicola II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 195 oenanthe (L.) in braunen Kleidern und Pratincola rubetra (L.) auf dem Zuge. 29. August: warm. Viele Fliegenfänger (grisola und atricapilla) im Garten. Auf den Feldern zahlreiche gelbe Bachstelzen. 30. August: NO, warm. Die gelben Bachstelzen sind noch da. Ich erlege ein Exemplar, das sich als Budytes borealis (Sund.) erweist. Diese befinden sich jetzt also wieder auf dem Zuge. 31. August: OÖ, bedeckt, nachmittags etwas Regen. Ich beobachte unter anderen Schwalben auch Micropus apus (L.). Jedenfalls sind das nur Nachzügler oder nordische Vögel. 1. September: bedeckt. 2. September: NW, warm, schöner Tag. Es folgt jetzt überhaupt eine schöne warme trockene Periode. k Turmfalken und an Kleinvögeln: Fliegenfänger, Rotkehlchen, Steinschmätzer und Gartenrotschwänz- chen zu beobachten. Auch Zurdus ptlaris L. sieht man jetzt mehrfach, wenn auch nur in kleinen Flügen. 5. September: schöner, warmer, fast heisser Tag. Ein Fänger bringt mir 8 Tringa alpina L., 4 Tringa canutus L. und 1 Calidris arenaria (L.), lauter junge Exemplare, die nach dem Berliner Zoologischen Garten gelangen. 6. September: NW, schön warm. Falco tinnunculus L. noch mehrfach da, auch 1 Circus aeruginosus (L.) und noch 1 Circus spec.? über den Feldern. Abends beim Einfall eine Anas strepera L. 2 erlegt, das erste auf der Nehrung erbeutete Stück. Es befindet sich in der Mauser, Schwung- und Schwanzfedern intakt. Mageninhalt: nur feiner Sand und 2 schwarze Samenkörnchen. 7. September: O. und NO. Den ganzen Tag Regen. Viele Schwalben (urbica, rustica und riparia) in der Luft, fast lauter Junge. Die Vögel leiden bei dem Regen grosse Not und ermatten, so dass ich einige Uferschwalben mit Händen greifen kann. 8. September: NO, bedeckt, nachmittags hell. Auf dem Bruche eine Circus aeruginosus (L.) juv. erlegt. Raubvögel sieht man jetzt öfter umherstreifen. Sazicola oenan- the (L.) immer noch zu beobachten. Gestern wurde am Haff- 13: 196 J. Thienemann: strande ein altes Weibchen von Fuligula cristata (Leach) ge- schossen, das stark in der Mauser war und sämtliche Schwung- federn verloren hatte, so dass es flugunfähig war. 9. September: Leichter W, schöner Tag. 10. September: SW. Regenschauer den ganzen Tag über. Auf der Vogelwiese mehrere Zringen-Schwärme, bestehend aus alpina, minuta und einigen subarcuata, fast ausschliesslich Junge. Ferner 2 Flüge (zu 3 und 15 Stück) von Charadrius pluvialis L., ebenso Charadrius hiaticula L. 11, September: NO, schöner, warmer Tag. Im Garten grosses Gewimmel von Laubsängern und grauen Fliegenfängern. Auf dem Bruche eine Anas penelope L. erlegt, die jetzt öfter auf dem Abendzuge erscheint. Anas quer- quedula L. und crecca sieht man jetzt seltener. 12. September: SO, leichter Regen den ganzen Tag über. Die warme und trockene Periode ist wieder vorüber. 13. September: Südsturm und Regenschauer. Ein stark in der Mauser befindliches Männchen von Anas clypeata L. auf dem Zuge geschossen. Saxicola oenanthe (L.) immer noch zu beobachten. 14. September: Immer noch Südsturm mit Regenschauern den ganzen Tag über. In der Nacht auch Graupeln. Ein altes Männchen von Falco tinnunculus L. wird geschossen. Früher, im August, hatte ich nur junge Exemplare bemerkt. Ein junger, lebender Falco aesalon Tunst. wird mir gebracht, der sich den Flügel, jedenfalls am Telegraphendrahte, leicht verletzt hatte, ebenso wie ein Duteo vulgaris Leach, der mir vor einigen Tagen eingeliefert wurde. Allerdings sah man dem letzteren Vogel keinerlei Verletzungen an, er war nur durch den anhaltenden Regen ganz durchnässt. 15. September: der Südsturm mit den Regenschauern hält an. Viele graue Fliegenfänger immernoch auf dem Zuge zu beobachten, ebenso Fringilla coelebs L., und zwar jetzt haupt- sächlich Männchen. Die Hauptmassen der Schwalben (rustica, urbica und riparia), die sich immer zusammenhielten und in den letzten stürmischen Tagen viel zu leiden hatten, sind jetzt ver- schwunden. 16. September: der Sturm hat nachgelassen, S. In den folgenden Tagen findet kühles, regnerisches Wetter statt. 3 II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 197 Fortwährende Regenschauer, meist SW. Auf der Vogelwiese grosses Strandvogelleben, gegen Abend beobachtet man jetzt häufig Caprimulgus europaeus L. 19. September hatte ich Gelegenheit, die Angriffe zu be- obachten, die von Eulen auf Hasen gemacht wurden, und die in der Jagdlitteratur oft zu Ungunsten der ersteren ausgenutzt werden. Es war schon ziemlich dämmerich, als 3 Eulen, wohl Asio accipitrinus (Pall.), am Waldrande umherschwärmten. Gleichzeitig hoppelten 3 Hasen aus dem Holze heraus, darunter ein sehr schwacher, und sofort stiessen die Eulen auf dieses Wild herab, bis dicht über die Köpfe. Die Hasen zeigten aber sehr wenig oder fast gar keine Angst, so dass mir das ganze Manöver nur den Eindruck einer Spielerei machte. 20. September: NW, kühl. Ein verendeter Siercorarius parasiticus (L.) wird mir ge- bracht, der am Seestrande gelegen hat. Vorgestern ist die Weihe geschossen worden, die sich schon seit längerer Zeit hier umher trieb. Es ist eine junge Circus macrurus (Gm.) mit sehr blassem Oberkopfe. Ein ausgedehnter Steppenweihenzug, wie er im vorigen Jahre zu beobachten war, hat heuer nicht stattgefunden, ebenso war Asio aceipitrinus (Pall.) nur ganz vereinzelt zu be- merken, während sie im vorigem Herbste in Unmassen hier durchzog. 21. September: O, Regen, nachmittags hell. Die Zeit des Dohnenstieges beginnt. Darüber siehe unten in einem besonderen Anhange. 22. September: NW. 23. September: NW, schön. Rotkehlchen, graue Fliegenfänger und Gartenrot- schwänzchen bemerkt. 24. September: schöner Herbsttag. Im Felde ein einzelner Charadrius pluvialis L. 25. September: ganz schwacher O, schöner Herbsttag. Es sind jetzt immer sehr viele Enten auf dem Bruche zu beobachten, da die Strichzeit begonnen hat. 26. September: fast windstill, sehr schöner Herbsttag. Sehr viele Anthus pratensis (L.) jetzt auf dem Zuge zu be- merken. 27. September: W, nachmittags Regen. 28. September: W, teilweise bedeckt. 198 J. Thienemann: 29. September: NW, bedeckt, kühl. 1 Anas penelope L. und 1 Anas crecca L. geschossen. Der Vogelzug stockt jetzt. 30. September: bedeckt, nachmittags Regen. 1. Oktober: NO, sehr kalt. Wieder eine Anas penelope L. geschossen, die jetzt auf dem Abendeinfall sehr häufig zu bemerken ist. Lanius excubitor L. und Falco tinnunculus L. werden be- obachtet. 2. Oktober: ziemlich starker NO, hell, kalt. Abends schon Eis gefroren. Mehrere Circus cyaneus (L.) über den Feldern. Ein Weibchen geschossen. 3. Oktober: fast windstill, wärmer, sehr klare Luft. Im Garten Goldhähnchen. Die Weihen schwärmen noch über den Feldern umher. Am Bruch ist 1 Wildgans eingefallen. 4. Oktober: NW, auf dem Felde sind schon die Bohnen erfroren. Auf der Vogelwiese ein kleiner Flug Tringa alpina und 5—6 Charadrius squatarola (L... Von den letzteren werden 2 Stück erlegt. Archibuteo lagopus (Brünn.) ist bereits eingetroffen. Sazxicola oenanthe (L.) in braunen Kleidern immer noch zu be- obachten. 5. Oktober: hell und klar. Vom 6—8. Oktober führt das Tagebuch Herr O. le Roi. 6. Oktober: O, hell und klar. Auf den Feldern viele Emberiza citrinella L., Fringilla coelebs L. und Acanthis cannabina (L.). Alauda arvensis L. recht spärlich. Corvus cornıx mehrfach in Scharen, darunter auch ein frugilegus. Eine Anser steht auf einem Acker, streicht nach SW. ab. Auf der Vogelwiese ein Flug von 7 Charadrius squatarola L. Ein Archibuteo lagopus (Brünn). Vom Leuchtturm- wärter in Pillau erhalte ich die Nachricht, dass an diesem Tage der grösste Vogelzug während der ganzen Jahreszeit stattgefunden habe. Die Hauptsteigerung war 111/, Uhr nachts bei NO. und klarem Himmel. Die Richtung des Zuges verlief von Norden nach Süden. Mit meinen Beobachtungen übereinstimmend giebt auch der Leuchtturmwärter an, dass der diesjährige Herbst - Vogelzug II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 199 nicht stark gewesen sei und dem vorjährigen weit nachge- standen habe. 7. Oktober: OÖ, den ganzen Tag über feiner Regen. Im Garten viele Regulus. Auf freier Trift mehrere Embe- riza schoeniclus (L.), von denen ein Exemplar erlegt wird. Altes Männchen in voller Mauser. Häufig sind Anthus pratensis (L.), Sturnus vulgaris L., Acanthis cannabina (L.), Fringilla coelebs L., Alauda arvensis L. und Chloris hortensis Brehm. An ver- schiedenen Stellen 3 Lanius excubitor maior Pall. Ein iuv. ge- schossen. 8. Oktober: morgens Regen, Himmel den ganzen Tag über bewölkt. Krähen (ecornix) und Dohlen ziehen stark, mässig hoch, auf der Krähenhütte 2 Lanius excubitor maior Pall., beide iuv., geschossen. 11. Oktober: SW, regnerisch. Einige Krähen ziehen, sonst fast gar kein Vogelleben. 12. Oktober: fast windstill, warm, früh etwas Regen, abends Nebel. Auf dem Felde zahlreiche Emberiza schoeniclus (L.) © oder juv., 1 erlegt. 13. Oktober: NW. Regenschauer vormittags. Krähen ziehen. 14. Oktober: SW. Sprühregen den ganzen Tag über. 1 Nyectea ulula (L.) @ erlegt. Länge: 40 cm. Breite: 77 em. Fittich: 24 cm. Schwanz: 205 cm. Mageninhalt: Mausehaare und -Knochen zum Gewölle zusammengeballt. Näheres darüber s. Orn. Monatsber. No. 12. 1902. Ich lasse einen Mäusebussard fliegen mit einem Ring um den Fang, der die Inschrift „Vogelwarte Rossitten, Kurische Nehrung“ trägt. 15. Oktober: W, Sturm, zuweilen Regenschauer. Mehrere Archibuteo lagopus (Brünn.) und aller Wahrschein- lichkeit nach Pernis apivorus (L.) beobachtet. Überhaupt sind Raubvögel in letzter Zeit ziemlich häufig. Seit mehreren Tagen hört man Fringilla montifringilla L. Auf der Vogelwiese wird 1 Charadrius pluvialis L. geschossen. Die Krähenfänger klagen sehr über die diesjährigen schlechten Fangresultate, da im All- gemeinen wenig Zug stattfindet. Dafür wurden in diesem Jahre öfter Möven, und zwar meist Jugendkleider, in den Krähennetzen gefangen und mir lebend gebracht. So erhielt ich heute 5 junge 200 J. Thienemann: Larus fuscus L., am 19. Oktober 1 Larus marinus L., 1 L. fus- cus L. und 1 L. canus L. Am 21. Oktober 1 Larus fuscus L. ad. Am 22. Oktober 2 Larus marinus L. juv. Am 25. Oktober 3 Larus fuscus L., 1 Larus marinus L. und 1 Stercorarius pomatorhinus Tem. Am 31. Oktober 10 Larus fuscus L. juv. 16. Oktober: 0, halb bedeckt morgens. Der Sturm hat sich gelegt. Früh fliegt eine Waldschnepfe dicht über mein Haus hin. Krähen ziehen sehr viel und sehr niedrig, sowohl’an den Bruch- bergen als auch übers Dorf hin, überhaupt auf mehreren Strassen, während sie sonst an einem Tage nur immer eine Bahn innehalten. Viele Alauda arvensis auf den Kunzener Feldern. Die Schwärme dieser Vögel suchen in jedem Jahre zur Ansammlung dieselben Äcker auf, welche in weitem Umkreise von Buschwerk umstanden werden. Ich erhalte eine Oedemia nigra (L.), die an der See ge- funden ist. 17. Oktober: W, hell, Sonnenschein. Die Krähen ziehen genau so wie gestern, obgleich sich der Wind gerade nach der entgegengesetzten Seite gedreht hat. Sonst zeigt das Wetter gegen gestern keine auffallenden Abweichungen, es ist heute nur etwas heller und wärmer. Die üblichen Archi- buteo lagopus (Brünn.) und ein Astur palumbarius (L.) beobachtet. Kleine Flüge von Alauda arvensis L. treiben sich auf den Stoppel- feldern umher. Vier Exemplare erlegt. Masse und Beschreibung: Geschlecht u.Nr. Länge. Breite. Fittich. Schnabel. Tarsus. Nagel der Hinterzehe. Sl: 19.1 35) 0165 0 1630252985 1,5 cm. 2. ars 19,94 Ass 3 172. 30,8 10 1 2,2 0 4. 103..818 0.10.) 121% 919 35 No. 1, ein Männchen, zeichnet sich durch besondere Grösse aus, ist ausserdem auch heller, sowohl an der Unterseite, als auch am ganzen Mantel. No. 2, 3 und 4 sind dunkler und viel kleiner, bei ihnen lässt sich das Geschlecht nicht bestimmen. Jedenfalls Junge. 18. Oktober: Der Wind ist seit gestern etwas nach Süden herumgegangen und hat an Stärke zugenommen. WSW, fort- während Regenschauer mit Sonnenschein abwechselnd. Regenbogen, nicht kalt. Weitere Beobachtungen an den interessanten Feld- 5 II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 201 lerchen (Alauda arvensis L.) angestellt. Ich erlegte wieder 5 Stück. Masse und Beschreibung: Nummer. Länge. Breite. Fittich. Schnabel. Tarsus. Nagel der Hinterzehe. FE 16,8 30,5 9,9 11 22 1,4 cm. 2. 16,8 9,9 1 2.3 120%, 3 17,5 10,5 1,1 2,4 3, 4. 18 11,3 1,1 2,4 14 5 5. 17,2 10,2 1,3 2,4 az: Diese Exemplare sind in der Färbung auch ziemlich dunkel, und gegen die gestrige No. 1 sehr klein. Es macht den Eindruck, als ob jetzt 2 Sorten von Lerchen sich hier aufhielten, nämlich grosse, helle, im Benehmen vertrautere und kleinere, dunkle, scheue. Übrigens sind die Lerchen gestern und heute nicht in grossen Scharen zusammmen, sondern liegen mehr vereinzelt auf den Stoppelfeldern umher, so dass ich sie, vor dem Hunde aufstehend, aus der Luft herabschiessen muss. Sind sie einmal aufgescheucht, so setzen sie sich nicht sofort wieder, sondern ziehen nach Süden zu weiter, um ihren Genossen zu folgen, von denen bereits viele in der Luft umherschwärmen. Alle zeigen sich sehr unruhig. Diese Vorgänge spielen sich am späten Nachmittage ab. Ehe sich bestimmtere Angaben über die hier durchziehenden mannig- fachen Formen von Alauda arvensis L. machen lassen, muss erst noch ein grösseres Vergleichsmaterial aus den verschiedenen Jahres- zeiten, namentlich vom Frühjahr, zusammengebracht werden. Überhaupt ist heute ein guter Zugtag. Während ich mich auf dem Felde aufhalte, kommen Turdus pilar:s L., ferner mehrere Wildtauben von Norden angezogen, um in Haushöhe nach Süden weiter zu wandern. Auch Krähen ziehen über das Feld, (an den Bruchbergen sind keine zu beobachten wie gestern und vor- gestern) und zwar sehr niedrig über dem Erdboden hin. Also niedriger, wie gestern und vorgestern. Viele Archibuteo lagopus (Brünn) sind seit gestern angekommen. Es mögen ein Dutzend über der Feldflur umherschwärmen. Ich habe schon öfter beob- achtet, dass solche windigen Tage, an denen Regen mit Sonnen- schein abwechselt, für den Vogelzug günstig sind. 19. Oktober: W, Regenschauer. Krähen ziehen. Die ersten Pyrrhula rubieilla Pall. kommen an und zeigen sich von jetzt an in grossen Mengen. Es ist nicht zu beobachten, dass von diesen Vögeln Männchen und Weibchen der Zeit nach vollständig getrennt zögen, aber man bemerkt das 203 J. Thienemann: eine Mal mehr Exemplare von dem einen, ein anderes Mal mehr von dem andern Geschlecht. 20. Oktober: W, bedeckt. Krähenzug. Ein Scolopax rusticula L. hat sich am Tele- graphendrahte totgeflogen. 21. Oktober: SO, nachmittags Regen, kühl. Im Dohnenstiege fängt sich ein abnorm kleiner Turdus mu- sicus L. Mit einem normalen Exemplare verglichen ergeben sich folgende Masse und Gewichtsverhältnisse: Länge. Breite. Fittich. Tarsus. Schnabel. Gewicht. Turdus musicus L. normal. 22,4 53,5 11,5 31 1,5 cm. 85,8 Turdus musicus L. abnorm. 17,9 31 106 26 15 „ 345, Näheres hierüber siehe Orn. Monatsber. XI. Jahrg. No. 1. 1903. Wenige Krähen ziehen. Es zeigen sich jetzt öfter Flüge von Acredula caudata (L.), nur aus weissköpfigen Exemplaren bestehend. 22. Oktober: W, den ganzen Tag über Regen. Im Walde habe ich das Aufhängen der von Berlepsch’schen Nisthöhlen anzuordnen und zu überwachen. 500 Stück der Nummer A sind von der Königl. Regierung für den Rossittener Dünenbezirk angeschafft worden, um die Höhlenbrüter, denen es auf der Nehrung sehr an Nistgelegenheit mangelt, zu vermehren. Wenige Krähen ziehen. 23. Oktober: N und NO, haib bedeckt. Krähen ziehen sehr viel. Früh sehr hoch, dann niedriger. Ein Urinator septentrionalis (L.) wird mir gebracht, der stark in der Mauser ist. Sämtliche Schwungfedern ragen nur ganz wenig aus den Blutkielen hervor. Auch am ganzen Körper kommen neue Federn zum Vorschein. Eine grosse Schar Anser spec.? zieht in westlicher Richtung nach der See zu. 24. Oktober: SSW, halb bedeckt. Keine einzige Krähe zieht. Ein Beispiel dafür, dass die Vögel ungern starkem Winde entgegen ziehen, denn gestern bei N. und NO.-Wind fanden grosse Krähenzüge statt. 25. Oktober: W, trübe und Regen. Wiederum kein Krähenzug, obgleich diese Vögel sonst gern bei Westwind ziehen, aber heute ist es ihnen augenscheinlich zu trübe und regnerisch. 26. Oktober: Schwacher SO, hell, schön. Krähen ziehen, aber wenig, und zwar quer über die Nehrung hinweg nach Südosten zu, also gegen den Wind, der allerdings sehr schwach ist. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 2083 Wenige Alauda arvensis L. auf den Feldern. 27. Oktober: Schwacher OSO, sonst dasselbe Wetter wie gestern. Der Krähenzug hat seit gestern zugenommen und findet auf zwei Bahnen nach Süden zu in einer Höhe von ungefähr 25 Metern statt. Fringilla montifringilla L. jetzt oft zu beob- achten, ebenso mehrfach Erithacus rubeculus (L.). 28. Oktober: windstill, Sonnenschein, schön. Sehr wenige Krähen ziehen, circa 60 Meter hoch. Auf dem Bruche viele Enten. Auf den Feldern nur noch sehr wenige Alauda arvensis L. zu beobachten. 29. Oktober: fast windstill, bedeckt mit einigen Sonnen- blicken, nicht kalt. Auf dem Bruche eine Fuligula clangula (L.) g geschossen, von denen jetzt fortwährend kleine Gesellschaften anwesend sind. Das erlegte Exemplar ist 45 cm lang, 76 cm breit. Iris: matt- gelb. Schnabel: grauschwarz mit gelblichem Anfluge. Füsse: schwefelgelb, Gelenke dunkel, Schwimmhäute schwarz. Magen- inhalt: nur feiner Sand mit einigen kleinen Steinchen. Die Schellenten zeigen sich nicht so scheu wie die andern Arten. Ein COygnus unter lautem Rufen nach Süden ziehend. Ein Pyrrhula rubieilla Pall, der noch Spuren des Jugendkleids trägt und sich in der Mauser befindet, wird gefangen. Mein Hund greift ein Hermelin, das bei Rossitten, wenn auch nicht häufig, vorkonımt. Das kleine Wiesel habe ich noch nicht beobachtet. 30. Oktober: S. 31. Oktober: SW. l. November: starker SW. Kein Krähenzug, da jedenfalls zu windig. 2. November: starker NW. Ganz wenig Krähen ziehen. Schwärme von Acanthıs can- nabina (L.) sind beobachtet worden. 3. November: WNW, schwächer geworden, halb bedeckt. Krähen ziehen etwa 30—40 m hoch. 4. November: die ersten Calcarius nivalis (L.) am See- strande beobachtet. Einen geschossen. Bei meiner Anwesenheit in Neuhäuser, Pillau und Strauch- bucht auf der frischen Nehrung habe ich Gelegenheit, dieselben Krähenzüge zu beobachten, wie sie bei Rossitten in die Er- scheinung treten. So ist also anzunehmen, dass dieselben nach 204 J. Thienemann: dem Verlassen der Kurischen Nehrung an der Samlandküste ent- lang über die frische Nehrung weiter führen. Ob auch dann noch die Meeresküste als Zugstrasse weiter inne gehalten wird, vermag ich bis jetzt noch nicht zu sagen. Übrigens sah ich nicht blos Krähen, sondern auch Schwärme von Finkenvögeln die frische Nehrung entlang nach Süden wandern. 13. November: S. Nebel, nicht kalt. Auf dem Bruche halten sich jetzt ein Pärchen Oygnus ein paar Tage lang auf, ebenso ein Anser. Ein Circus und kleine Trupps Pyrrhula rubicilla Pall. beobachtet. 14. November: SW, trübe, etwas neblig, nicht kalt. Auf dem Bruche wieder die 2 Schwäne. 15. November: starker N, bedeckt, gegen Abend Regen. Die ersten Bombyecilla garrula (L.) beobachtet. 16. November: Frost — 3° R. 17. November: O0. — 7° R. es folgt jetzt eine lang an- haltende, starke, bis gegen Weihnachten dauernde Frostperiode. In den ersten Tagen des Dezember herrscht furchtbare Kälte bis — 230 R. Grosse Schwärme von Ohrysomitris spinus (L.) und Acanthis linaria (L.) beobachtet. 14. Dezember: Ich erhalte einen Corvus frugelegus L. mit stark verlängertem abnormen Oberschnabel. 17. Dezember: kurzer Wetterumschlag mit Regen. 21. Dezember: schon wieder starker Frost, bis — 100 RR. Über den Feldern Archibuteo lagopus (Brünn.) und auf den Triften zahlreiche Turdus pilaris L., welche letzteren vom Hunger viel zu leiden haben. Es wird mir ein ganz abgemattetes Stück gebracht. Ein Charadrius pluvialis L. wird geschossen. Der Vogel ist gut bei Leibe. 23. Dezember: mild, Schneeschauer den ganzen Tag. Auf einer Trift nicht weit vom Dorfe treiben sich 3 Otoco- rys alpestris (L.) umher. Eine erlegt. Mageninhalt: Sämereien von Melde und hauptsächlich eine schleimige, mehlige Masse, die von ganz zerkleinerten Samen herzustammen scheint. 25. Dezember: furchtbarer Südsturm, Regenschaner. 26. Dezember: orkanartiger NW.-Sturm mit Schnee- und Graupelschauern, der viel Schaden anrichtet. 29. Dezember: SW, mildes Wetter. 1I. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 205 Schwärme von Fringilla montifringilla L. und, was auf- fallend ist, auch von Fringilla coelebs L. Auch Seidenschwänze sind da. A. Untersuchungen und Beobachtungen über die Mauser von Anas boscas L., Anas ereccaL. Larus ridibundusL. und Larus minutus Pall. Es dürfte von Interesse sein, die Märzenten (Anas boscas L.), die ich im vorigen Jahre aus dem Ei gezogen und dann bei ihrem Federwechsel genau beobachtet habet), jetzt in ihrem zweiten Lebensjahre in Bezug auf ihre Mauserung weiter zu verfolgen. Die Enten waren, um noch einmal kurz zu rekapitulieren, am 22. Juni bezw. 6. Juli 1901 ausgeschlüpft und hatten im Laufe des August ihr erstes Jugendkleid fertig angelegt, um dasselbe im Oktober mit dem ersten ausgefärbten Kleide zu vertauschen, wobei der Erpel zum ersten Male sein Prachtgefieder angelegt hatte. Die letzte genaue Untersuchung der Enten fand am 6. November 1901 statt, wobei sich gezeigt, dass die Männ- chen mit dem Federwechsel noch nicht ganz fertig waren, während die Weibchen denselben bereits beendet hatten. Hier schloss unsere Beschreibung im vorigen Jahre ab. In dem neuen Federkleide traten die Märzenten in ihr zweites Lebensjahr (1902) ein und behielten dieses Gewand den ganzen Winter und das ganze Frühjahr hindurch bei. Sie ge- nossen auf dem Teiche grosse Freiheit und begaben sich öfter weit aufs Haff hinaus, um immer wieder an ihre alte Futterstelle, wo sie sich schon als Dunenjunge umhergetummelt hatten, zurück- zukehren. Sobald das Eis aufgegangen war, wurden die Enten nicht mehr künstlich gefüttert, sondern suchten sich ihre Nahrung selbst, so dass also ihre Lebensweise ganz und gar dem Frei- leben entsprach, und die Annahme gestattet ist, dass sich ihr Federwechsel genau so wie in der freien Natur abgespielt hat. Am 3. Juni 1902 fand wieder eine genaue Untersuchung der Enten statt, wobei sich herausstellte, dass noch nichts von einer neuen Mauser zu merken war. Am 13. Juni dagegen fingen die ersten Federn an auszufallen, und zwar beim Männ- 1) ef. I. Jahresbericht der Vogelwarte Rossitten (1901), wo sich die Vorgänge genau aufgezeichnet finden. 206 J. Thienemann: chen stärker wie beim Weibchen. Bei ersterem zunächst solche vom Bürzel, von den Weichen und vom Bauche. Am 23. Juni sieht der Erpel schon etwas ruppig aus; auch braune Brustfedern liegen schon umher. Am 25. Juni bemerkt man an den Weichen schon grosse braune Federn des neuen Sommerkleides. Auch der srüne Kopf fängt an sich zu verändern, indem um die Augen herum braungraue, von der neuen Befiederung gebildete Ringe und Flecke entstehen, die dem Gesichte einen hässlichen Ausdruck geben. Auf dem Rücken sind sehr viele alte Federn ausgefallen, aber noch keine neuen nachgewachsen, so dass die Befiederung dieses Körperteils sehr defekt aussieht. 27. Juni: Die braungraue Fleckung um die Augen des Erpels ist grösser geworden, auf dem Rücken zeigen sich die ersten neuen Federn. 29. Juni: Die Spiegelfedern der Flügel fangen beim Erpel an auszufallen. 5. Juli: Der Märzerpel sieht jetzt sehr ruppig aus. Am wenigsten vermausert ist noch die braune Brust und der schwarz- grüne Bürzel. Der Kopf ist mindestens schon zur Hälfte ver- mausert. Die Schwungfedern sind alle ausgefallen und die blauen Blutkiele sind sichtbar. Der Vogel ist jetzt flugunfähig. 12. Juli: Ich fange die Enten ein, um sie ganz genau zu untersuchen. Das Männchen trägt am Kopfe nur noch einige grüne Federn des alten Winterkleides, die sehr wenig fest sitzen, daneben viel fertige und halbfertige, noch mit Blut gefüllte, graue Federn des neuen Gewandes. Dasselbe Verhältnis findet am ganzen Körper statt, es zeigen sich überall teils fertige, teils unfertige Federn. Die Schwiugen sind noch nicht vollständig ausgebildet. Auch der Schwanz ist in Mauserung begriffen, aber die beiden gebogenen und gekräuselten Mittelfedern sind noch vorhanden. Auch das Weibchen befindet sich am ganzen Körper in der Mauser, wobei sich auch Schwanz- und Flügelfedern erneuern. Dabei will ich nochmals darauf hinweisen, dass das Weibchenzum ersten Malein seinem Leben dieSchwanzfedern verliert. Es ist also erwiesen, dass auch einjährige Märzenten ihr erstes Sommerkleid durch Mauser und nicht durch Verfärbung anlegen, wie von manchen Seiten, namentlich aus Jägerkreisen, behauptet wird. Etwa am 20. Juli hat der Erpel die Mauserung beendet, und man sieht vom vorigen Prachtkleide am Kleingefieder keine II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 207 Spur mehr, er trägt aber noch die zwei mittelsten, aufgerollten Schwanzfedern. Diese letzteren verliert er am 3. August, so dass also jetzt erst, streng genommen, das Sommerkleid fertig ist. Das Weibchen hat anfangs August, etwas später wie der Erpel, seine Mauser beendet, und offenbart das dadurch, dass es trotz des gestutzten Flügels aufs Haff hinausfliegt, um bald wieder zurückzukehren. Am 8. August fange ich den Erpel ein, um ihn wieder ganz genau zu untersuchen. Da zeigt sich die auffallende Er- scheinung, dass der Vogel schon wieder neue, in Blutkielen steckende Federn des folgenden Winter-Prachtkleides trägt, und zwar an der Brust rotbraune, am Bauche graumelierte und am Bürzel dunkelgrüne, an letzterer Stelle die meisten. Nur Kopf und Hals zeigen noch keine neuen Federn. Der Schnabel ist grünlich. So hat also der Erpel erst am 3. August den letzten Rest des vorigen Winterkleides in Gestalt der zwei mittelsten gerollten Schwanzfedern abgelegt, und heute, am 8. August, zeigt er schon wieder neue Federn des nächsten Winterkleides. Man darf also mit Recht behaupten, dass die Männchen von Anas boscas L. überhaupt nie ordentlich aus dem Mausern herauskommen. 24. August: Der Erpel trägt heute schon wieder die ge- krümmten Schwanzfedern des neuen Winterkleides etwa 1 cm. hervorragend, ebenso zeigen sich an den Seiten neue, graue Federn. Die Mauser schreitet nun in normaler Weise vorwärts und ist am 1. Oktober bis auf einige graue Federchen an Hals und Kopf fast ganz beendet. Dieselben verschwinden auch nach und nach, sodass das Winterkleid etwa am 12. Oktober fertig da- steht. Der Vogel ist demnach in seinem zweiten Lebensjahre mit Anlegung des Winterkleides beinahe 4 Wochen früher fertig geworden, als im ersten, denn am 6. November 1901 trug er, wie oben erwähnt, noch viele Mauserfedern. Zum Schluss will ich noch die Mauserverhältnisse einiger gleichzeitig im Freien erlegten Exemplare von Anas boscas L. beschreiben, da besonders über den Termin, wann die Märzerpel ihre Herbstmauser beginnen, noch manche Unklarheiten herrschen. Gewöhnlich wird der Oktober als der Monat bezeichnet, in dem die ersten Federn des Prachtkleides beim Männchen hervor- sprossen. Das stimmt für das erste Lebensjahr. In späteren Jahren zeigen sich aber die ersten Spuren des Prachtkleides 208 J. Thienemann: meist schon viel früher, bei meinem in Gefangenschaft gehaltenen Erpel z. B. bereits am 8. August. Es finden in dieser Hinsicht, wie auch die folgenden Aufzeichnungen dartun, manche individuelle Abweichungen statt, für die sich ein bestimmter Grund schwer wird angeben lassen. Einer wird der sein, dass nicht alle Erpel sich paaren, und dass diese ledigen Exemplare meinen Er- fahrungen nach schon sehr zeitig mit der Mauser zum Pracht- kleide beginnen. Ein am 26. August erlegter Märzerpel trug neue Federn des Winterkleides an Kopf, Seiten, Bauch und Bürzel. Am 28. August schoss ich ein Märzentenpärchen. Das Männchen hatte neue Mauserfedern des Winterkleides am Bauche, an den Seiten und namentlich an der Brust. Am Kopfe fanden sich einzelne grüne Federchen, die aber keine Blutkiele aufwiesen, also jedenfalls schon längere Zeit standen. Ob sie vielleicht vom vorigen Winterkleide zurückgeblieben waren? Der Schnabel einfarbig grüngelb. Auch das Weibchen befand sich in der Mauser. Beide waren also mindestens Vögel im zweiten Jahre, denn meine in Gefangenschaft gehaltenen Märzenten begannen vom Jugendkleide aus die Mauser erst Anfang Oktober. Ein am 12. September geschossener Märzerpel hatte das Winterkleid schon fast vollständig angelegt, war also meinem gleichzeitig beobachteten zahmen Erpel in der Mauser etwas vor, woraus ersichtlich, dass mannigfache Variationen in Bezug auf Mauserzeit vorkommen. Ausserdem zeigte der erlegte Vogel noch eine besondere Eigentümlichkeit. Ich fand nämlich an der einen Weiche eine Feder, die unten, an der Kielhälfte, die grau- melierte Färbung des Winterkleides, und an der Spitze den braunen Tropfenfleck des Sommerkleides trug, sodass man bei dieser einzelnen Feder wohl auf „Verfärbung‘“ schliessen könnte. Ich erwähne diesen Umstand, da mir auf meinen vorjährigen Ar- tikel über Entenmauser, worin ich einen etwaigen Verfärbungspro- zess bei Anas boscas L. kurz abgewiesen hatte,!) von dem be- kannten Jagdschriftsteller Oskar Horn in der deutschen Jäger- zeitung erwidert wurde, dass er meiner vorgetragenen Theorie vollen Glauben schenke, aber seinerseits denselben Glauben für einen von ihm früher in der deutschen Jägerzeitung veröffent- 1) Deutsche Jägerzeitung Bd. 38. No. 16 und 17. 11. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 209 lichten Befund beanspruchen dürfe, dahin gehend, dass ein von ihm geschossener und untersuchter Märzerpel ein ausgeprägtes Übergangskleid getragen habe, ohne dass sich auch nur eine Mauserfeder gezeigt hätte. Ich kann und darf diesen Umstand nicht ganz umgehen, muss aber nochmals betonen, dass ich ausser der einen, vorläufig noch nichts beweisenden, oben erwähnten Feder noch nie die geringste Spur von einer Verfärbung bei Anas boscas L. gefunden habe, obgleich ich eine sehr grosse Anzahl dieser Vögel in allen Altersstadien untersucht habe. Ein am 30. September erlegter Märzerpel stand mitten in der Mauser. Brust Hals und Bauch ziemlich fertig, dagegen Kopf, Riicken und Bürzel noch nicht fertig. Schwanzfedern in der Mauser. Die mittelsten aufgerollten noch nicht sichtbar. Das Kleingefieder der Flügel mauserte nicht. Schnabel gelb, Füsse sehr rot. Ein erlegtes Männchen vom 1. Oktober zeigte dieselben Mauserverhältnisse wie das vorige Exemplar. Am 3. Oktober wiederum ein Männchen von Anas boscas L. geschossen. Dieses hat das Winterkleid bis auf einige alte graue Federchen im Kopfe vollständig angelegt. DieSchwanz- federn befinden sich in der Mauser und tragen noch Blutkiele, die beiden mittelsten aufgerollten sind schon vorhanden, stecken aber auch noch in Blutkielen. Aus den angestellten Be- obachtungen ist ersichtlich, dass die Märzerpel auch im Herbste den Schwanz ganz erneuern und nicht nur die beiden mittelsten Federn wie man sonst immer liest. Es folgt Anas crecca L., Krickente. In diesem Jahre hatte ich wieder Gelegenheit, mehrere aus- gemähte Entengelege von Seidenhühnern ausbrüten zu lassen.!) Es befanden sich darunter auch solche von Anas crecca L., was mir besonders lieb war, da ich diese Entenart beim Aufwachsen und Federwechsel bisher noch nicht genauer beobachtet hatte. Am 11. Juli fielen die Jungen aus, und zwar zwei Gehecke fast zu gleicher Zeit, die ich mit ihren zugehörigen Müttern in das Teichgehege brachte. Da zeigte sich aber das eine Seidenhuhn so bissig, dass es aus lauter Besorgnis um seine eignen Pfleglinge, die Entchen des anderen Geheckes tot hackte. So blieben mir nur zwei Stück übrig, die ganz frei auf dem Teiche aufwuchsen 1) Näheres darüber s. oben $. 205. Journ, f. Orn. LI. Jahrg. April 1903, 14 210 J. Thienemann: und sich prächtig entwickelten, ohne dass ich ihnen jemals künstlich Nahrung gereicht hätte. Die Befiederung ging ebenso schnell von statten, wie ich sie im ersten Jahresberichte der Vogelwarte von Anas querquedula L. beschrieben habe. Auch sonst zeigte das Benehmen und Auf- wachsen keine auffallenden Abweichungen von der eben genannten Entenart. | Am 26. Oktober fing ich die beiden Krickenten ein, um sie genau zu untersuchen. Es war ein Pärchen. Das Männchen stand in der Mauser, allerdings noch nicht stark. An der Unter- seite und am Kopfe kamen neue Federn des Prachtkleides zum Vorschein, die aber alle noch von dem alten Gefieder verdeckt wurden. Die alten Kopffedern fielen sehr leicht aus, wenn man darüber hinwegstrich. Beim Weibchen zeigten sich noch keine Spuren von Federwechsel. | 13. November: die beiden Enten sind in der Mauser weiter fortgeschritten. Der Erpel trägt schon den braun und grün gefärbten Kopf des Prachtkleides vollständig ausgebildet. Im Laufe des November wird der Federwechsel beendet. In Be- zug auf die Zeit der Mauser ist also zu bemerken, dass Anas crecca L. sein Jugendkleid viel später ablegt, wie Anas boscas L., die bereits Anfang Oktober anfängt zu mausern. Über den Federwechsel von Larus ridibundus L., namentlich soweit er sich auf den braunen Kopf bezieht, liegt mir noch wenig Beobachtungsmaterial vor, da mir bei den bescheidenen Mitteln, die bisher der Vogelwarte zur Verfügung stehen, noch nicht Gelegenheit geboten war, grössere Mengen dieser Vögel in geeigneten Behältnissen gefangen zu halten. Die wenigen, aber sicheren Beobachtungen, die ich bisher über diesen Gegenstand anstellen konnte mögen hier folgen. Am 22. Juli bekam ich eine lebende Larus ridibundus L., die sich schon stark in der Mauser befand. In der braunen Kopf- befiederung zeigten sich bereits weisse, noch Blutkiele tragende Federchen, so dass der ganze Kopf gescheckt aussah. Auch am übrigen Körper mauserte der Vogel, namentlich auf den Schultern, und ebenso wiesen die Schwungfedern zweiter Ordnung Blutkiele auf. Ich hielt den Vogel längere Zeit in Gefangenschaft, um den Federwechsel weiter beobachten zu können. Am 8. August fange ich ihn zur näheren Untersuchung ein und konstatiere, dass er sich immer noch in der Mauser befindet. Il. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 211 Am Körper zeigen sich allerdings nur noch wenige Federn mit Blutkielen, und auch die Schultern sind fertig vermausert. Von den Schwungfedern sind die 6. und 7. noch in der Entwicklung begriffen, und zwar in beiden Flügeln genau übereinstimmend. Der Kopf ist immer noch in der Mauser, und zwar ist das Weiss durch Federwechsel von der Schnabelwurzel aus nach hinten zu vorgeschritten, sodass die vordere Hälfte des Kopfes sich schon fast ganz weiss zeigt. Dabei befinden sich im übrigen braunen Kopfgefieder recht wenig weisse in der Entwicklung begriffene weisse Federchen, woraus ersichtlich, dass die Mauser sehr lang- sam von statten geht. Auch Kehle und Unterhals erweisen sich durch dunkle Federchen noch geschuppt. Der Schwanz mausertnicht. Am 18. August trägt die Möve immer noch braune Feder- chen im Kopfgefieder, und zwar kranzartig am hintern Teile des- selben. Das Weiss ist also wieder mehr vom Schnabel aus nach hinten zu fortgeschritten. Auch am 3. Oktober sind noch Spuren von Braun vorhanden. Zur Vergleichung schoss ich am 7. August 1 Larus ridi- bundus L. ad. Das braune Kopfgefieder befand sich stark in der Mauser, und das Weiss war ganz wie bei meinem gefangenen Exemplare von der Schnabelwurzel aus nach hinten zu vor- geschritten. Viele weisse Federchen wiesen Blutkiele auf. In beiden Flügeln zeigten sich ganz übereinstimmend die 6., 7. und 8. Schwungfeder in halber Entwicklung. (Bei dem gefangenen Exemplare waren es am 8. August die 6. und 7.) Die übrigen Schwungfedern waren intakt. Auch am ganzen übrigen Körper trug das erlegte Exemplar Mauserfedern, nur im Schwanze nicht. Es stimmte also mit der gleichzeitig in Gefangenschaft gehaltenen Lachmöve vollständig überein. Aus den angestellten Beobach- tungen möchte ich als vorläufiges Ergebnis hervorheben, dass die Mauser der alten Lachmöven etwa in der zweiten Hälfte des Juli beginnt und sich dann über eine ziemlich lange Periode er- streckt, deren Ende ich noch nicht anzugeben vermag. Jeden- falls ist die von manchen Seiten geäusserte Ansicht, dass die Lachmöve ihren braunen Kopf fast plötzlich mit einem weissen vertausche, ganz hinfällig. Zum Schluss noch einige Bemerkungen über den Feder- wechsel von Larus minutus Pall.e. Zunächst möchte ich ein am 9. August erlegtes altes Exemplar beschreiben, das in Bezug auf Mauser eine verblüffende Übereinstimmung mit den gleichzeitig 14* 212 J. Thienemann: am 7. und 8. August untersuchten, oben beschriebenen alten Stücken von Larus ridibundus L. zeigte. Der Kopf dieser Zwergmöve war nur noch zur Hälfte schwarz, und auch hier hatte sich das Weiss vom Schnabel aus nach hinten zu durch Federwechsel ausgebreitet. Die Schultern befanden sich in der Mauser, waren aber fast fertig. Von den Schwungfedern zeigten sich in beiden Flügeln symmetrisch die 6., 7., 8. und 9. in der Entwicklung. Die 6. war noch am weitesten zurück, und so schreitet also die Mauser der Schwungfedern vom Körper aus nach den Flügelspitzen zu vorwärts. Am ganzen Körper wenig in der Entwicklung begriffene Federn. Der Schwanz mausert nicht, dagegen erneuern sich die Schwanzdeckfedern, namentlich die unteren. Alles also genau wie bei der Lachmöve. Anders dagegen lagen die Verhältnisse bei 2 jüngeren, noch nicht ausgefärbten Zwergmöven, die am 11. August erbeutet wurden. Die Beschreibung ist folgende: In den dunkeln, in der Mauser begriffenen Schultern zeigen sich einzelne neue weisse Federn, ebenso im dunkeln Kopfe, der also auch im Begriff ist, weiss zu werden. Da sich aber im Kopfgefieder auch noch neue, in der Entwicklung begriffene schwarze Federchen vorfinden, so werden nach beendeter Mauser an diesem Körperteile noch schwarze Teile zurückbleiben. Von den Schwungfedern sind alle, ausgenommen die ersten, in der Entwicklung begriffen, während bei den obigen alten Exemplaren sowohl von Larus minutus L., als auch L. ridibundus L. nur wenige Schwungfedern diesen Zustand zeigten. Auch am ganzen Körper befinden sich Mauserfedern. Der Schwanz ist in der Mauser begriffen und besteht aus einigen alten, die schwarze Binde tragenden, und neuen weissen Federn. Die Vögel sind also im Begriff, ihr Alterskleid anzu- legen, werden aber immer noch Federn des Jugendgewandes zurückbehalten. B. Der Karmingimpel (Carpodacus erythrinus (Pall.)) am Brutplatze. Nur wenigen deutschen Ornithologen mag es vergönnt sein, den Karmingimpel dauernd am Brutplatze zu beobachten, seinen lauten Ruf vom Arbeitstische aus zu hören und sein Gebaren bei jedem Gange durch den Garten zu studieren, wie es hier in Rossitten möglich ist. Ich will deshalb versuchen, das Leben II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 213 dieses interessanten Vogels, wie es sich hier im Laufe eines Sommers abspielt, etwas eingehend zu beschreiben und bemerke zunächst, dass dasselbe in zwei vollständig von einander ver- schiedene Perioden zerfällt. In der ersten, vor der Brutzeit gelegenen, führt der Karmingimpel ein nichts weniger als ver- stecktes Leben. Schon dem Unkundigen muss der prächtige, oft ganz frei sitzende Vogel durch seinen lauten Ruf auffallen, und es wäre für einen leidenschaftlichen Sammler ein Leichtes, binnen kurzer Zeit in einer Gegend sämtliche Karmingimpel, wenigstens die Männchen, auszurotten. Ganz anders nach beendeter Brutzeit. In dichtem Weiden- gestrüpp huschen die vorsichtigen Vögel nach Sylvien- oder Rohr- sängerart vor dem Beobachter dahin, oder ziehen sich mit ihrer Brut in die Getreidefelder zurück, um dort um einen abseits stehenden Dornbusch herum ein höchst verstecktes Leben zu führen. Einen Ruf hört man nicht mehr — kurz die Karmin- gimpel sind plötzlich wie vom Erdboden verschwunden, und man weiss doch ganz genau, dass sie sich noch in der Gegend auf- halten und nicht abgezogen sind. Die Mitte des Juli bildet ungefähr die Grenzscheide zwischen beiden Perioden, und die eben geschilderten Verhältnisse mögen daran schuld sein, dass der Karmingimpel in der Literatur von der einen Seite als sehr scheu, von der anderen als dreist bezeichnet wird. Die Rückkehr des Carpodacus aus seinen, jedenfalls im Südosten gelegenen Winterquartieren fällt in die zweite Hälfte des Mai. In diesem Jahre kam er hier auf der Nehrung am 21. an. Sobald sich die Pärchen am Brutplatze eingefunden haben, beginnt das Männchen seinen melodischen Gesang oder besser Ruf, der immer lauter, immer anhaltender wird, so dass ich nicht zuviel sage, wenn ich behaupte, dass er den Zuhörer schliesslich belästigen kann. Wo man geht und steht, aus allen Dorfgärten, aus den am Haffstrande gelegenen dichten und teil- weise ziemlich hohen Weiden- und Dornbüschen, aus dem um das Dorf Kunzen herum gelegenen hohen Buschwerke schallt einem die charakteristische Strophe, die man nie wieder vergisst, wenn man sie einmal gehört hat, entgegen. Über den Gesang des Karmingimpels ist schon manches geschrieben worden, wobei man meist darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Wiedergabe des Gesanges, wie sie von Taczanowski ausgeht, als die gelungenste bezeichnet werden kann. Dieser Forscher verdeutlicht die Strophe 2314 J. Thienemann: durch „tiu tiu fi tiu.‘“ Ich höre nach meinen zahlreichen Auf- zeichnungen allerdings einige Silben mehr, so dass der Ruf dann wie „tui tül tüi tuitüu* klingt. Nur zuweilen lässt der Vogel einige Silben weg, um die obige kürzere Strophe zu stande zu bringen. Das sind aber persönliche Abweichungen, wie sie bei der Wiedergabe jeder Vogelstimme durch menschliche Laute vor- kommen. Jedenfalls kann sich der Leser, der noch keinen Karmingimpelgesang gehört hat, ein Bild von demselben machen, wenn er die obigen Silben durch die Zähne zischend oder pfeifend spricht. Das Männchen sitzt beim Singen gewöhnlich ziemlich hoch, in der Spitze eines Baumes, oder wenigstens auf einem hohen Busche, zuweilen ganz frei, in den meisten Fällen aber durch Blätter und Äste verdeckt. Dabei möchte ich betonen, dass unsere Vögel eine ganz besondere Fertigkeit besitzen, sich dem Auge des Beobachters durch geschickte Auswahl ihres jedesmaligen Standpunktes auch bei nicht dichtem Blättergewirr zu entziehen. Der Carpodacus ist in seinem Benehmen und seinen Bewegungen kein plumper, dickschnäbliger Körnerfresser, etwa wie der Grün- ling, sondern er vereinigt in seinem Wesen verschiedene Eigen- schaften der geschickten und gewandten Sylvien. Einen zu- sammenhängenden eigentlichen Gesang neben dem oben ge- schilderten Rufe habe ich von Karmingimpel noch nie vernommen. Die Weibchen bekommt man, ausser am Neste, nur sehr selten zu sehen. Sie halten sich meist in dichten Büschen oder Baumkronen verborgen. In Bezug auf die Verbreitung in Ostpreussen ist seit den 80er Jahren eine Veränderung mit dem Carpodacus vor sich ge- gangen. E. Hartert schreibt, (Orn. Monatsschr. XVII. Jahrg. 1892 S. 13), dass unser Vogel augenscheinlich nur in den nord- östlichsten Teilen der Provinz und „wohl kaum viel südlicher als Pillau und Königsberg, jedenfalls aber nicht weiter nach Westen als Pillau“ als regelmässiger Brutvogel vorkomme. Auch auf der frischen Nehrung hat ihn der genannte Forscher von 1880—1884 nicht bemerken können. Das stimmt jetzt nicht mehr. Ich habe den ostpreussischen Teil der frischen Nehrung aus dienstlichen Gründen mehrfach bereist und den Karmingimpel mitten in der Brutzeit bis Polski hinab, wo Westpreussen beginnt, gar nicht selten angetroffen, auch am 1. Juni 1902 ein Pärchen bei der Försterei Strauchbucht südlich von Grossbruch erlegt und an II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 215 Hartert geschickt. Es ist also zu konstatieren, dass der Karmin- gimpel sein Verbreitungsgebiet in Ostpreussen nach Süden bezw. nach Südwesten zu weiter vorschiebt, meiner Meinung nach eine natürliche Folge von dem zweiten Punkte, den ich hervorheben möchte, nämlich von der Zunahme an Individuenzahl. In dem, allerdings noch sehr beschränkten Teile von ÖOstpreussen, der mir bis jetzt bekannt ist, kann ich den Carpodacus durchaus nicht als selten bezeichnen. In Rossitten und seiner nächsten Umgebung mögen in diesem Jahre gegen 10 Pärchen gebrütet haben, und wenn ich in ein anderes Nehrungsdorf zu passender Zeit kam, war das erste, dass mir der melodische Ruf des Karmin- gimpels entgegenschallte. Unser Vogel führt aber auch hier ein höchst ungestörtes Leben. Sowohl auf der Kurischen, wie auf der frischen Nehrung mag ausser mir kein Mensch existieren, der unsern interessanten Vogel auch nur kennt, viel weniger sich um ihn kümmert. Unberufene Schützen giebt es hier in Rossitten nicht mehr, da ausser mir nur noch das Königl. Düneninspekto- rat Jagdberechtigung hat, und so mögen wohl sämtliche Bruten ungestört hoch kommen. Ich bin überzeugt, dass auch im west- preussischen Teile der frischen Nehrung der Karmingimpel schon vorkommen wird. Polski liegt ja schon in Westpreussen, wenn auch dicht an der Grenze. Der Carpodacus bevorzugt auf der frischen, wie hier auf der Kurischen Nehrung zunächst die Umgebung menschlicher Niederlassungen, wenn’s auch nur einzeln gelegene Forsthäuser sind, da diese Örtlichkeiten immer einen mehr oder weniger garten- oder parkähnlichen Anstrich mit freier Aussicht besitzen. Ferner habe ich ihn auf der frischen Nehrung in dem eigen- artigen, hügeligen, sandigen Gelände zwischen Vordüne und Wald angetroffen, wo einzelne Kiefernhorste mit Erlen- und Weiden- gebüsch abwechseln. Den dichten Wald scheut unser Vogel. In Bezug auf die örtliche Lebensweise kann ich den öfter ausgesprochenen Ansichten nicht beipflichten, die dahin gehen, dass der Karmingimpel reiner Baumvogel sei und höchst selten, oder niemals den Erdboden besuche. Wie oft habe ich unsern Vogel in meinem Garten auf dem Rasen sitzen und den Samen des Löwenzahnes, den er sehr liebt, ausklauben sehen! und als ich z.B. am 25. Mai dieses Jahresin Nidden übernachten musste und früh an das geöffnete Fenster trat, fiel mein erster Blick auf ein prächtiges Karmingimpelmännchen, das unfern dicht am Hause 216 J. Thienemann: auf einem Grasplatze sass und Nahrung aufnahm. Ich ging hin, um zu sehen, was der Vogel gefressen hatte und konnte abge- bissene, grüne Blattspitzen konstatieren. Es ist übrigens eine bekannte Fangart für den Carpodacus, dass man Büschel des oben erwähnten Löwenzahnsamens recht auffällig auf dem Erdboden anbringt und ein Schlagnetz daneben stellt. Namentlich im Früh- jahre, bald nach seiner Ankunft, geht unser Vogel gern auf die Erde herab, weil die Nahrung auf den Bäumen vielleicht noch knapp ist. Die letztere, die Nahrung, ist nicht rein vegetabilisch, wie meist angegeben wird. Meinen Beobachtungen nach frisst der Karmingimpel viel mehr animalische Stoffe, als man gewöhnlich denkt. Ich habe aus schonender Rücksicht noch nicht viel Exem- plare unseres Vogels geschossen und infolgedessen noch wenig Magen und Kröpfe untersucht, aber fast immer fanden sich neben dem Hauptbestandteile an vegetabilischen Stoffen auch Überreste von Insekten vor. Von dem oben erwähnten, am 1. Juni 1902 bei Strauchbucht auf der frischen Nehrung erlegten Pärchen stimmte der Magen- und Kropfinhalt bei beiden Stücken ganz und gar überein. Schlund und Kropf zeigten sich mit kleinen weissen geschälten Samen, die den Eiern der Schmeissfliege nicht unähnlich waren, angefüll.e. Im Magen fanden sich dieselben Sämereien und daneben je 2 Räupchen und ferner Käferüberreste. Eir am 30. Mai dieses Jahres auch auf der frischen Nehrung erlegtes Männchen hatte neben grünen Samenteilchen 1 Räup- chen und ferner Steinchen im Magen, und ein am 10. Juni 1902 bei Rossitten beobachtetes Pärchen traf ich dabei an, wie es eifrig damit beschäftigt war, kleine grüne Raupen von einem Weidenbusche abzusuchen. Ich war von den Vögeln nur durch ein schmales Gesträuch getrennt und konnte den Vorgang aus nächster Nähe beobachten. Hätte man diese beiden Vögel erlegt, so würde man Kropf und Magen von animalischen Stoffen an- gefüllt gefunden haben. Die Hauptnahrung bilden aber sicher Sämereien, und zwar am liebsten solche in unreifem, milchigem Zustande und Baumknospen. Der fleissige Genuss der letzteren bringt zuweilen durch das sich ansetzende Baumharz ordentliche Deformationen des Schnabels hervor. Ich habe Exemplare in Händen gehabt, die eine so dicke Harzborke auf ihrem Schnabel trugen, dass derselbe eine ganz unförmlich dicke Gestalt aufwies. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 217 Kehren wir nun zur Fortsetzung des oben begonnenen Le- bensbildes unseres Vogels zurück. Sein lautes Treiben hat etwa um den 8. oder 9. Juni herum seinen Höhepunkt erreicht, während von jetzt ab eine Abnahme des Gesanges der Männchen zu be- obachten ist, denn nun naht das Brutgeschäft mit seinen mannig- fachen Arbeiten und Pflichten. Die Begattung wurde in diesem Jahre am 16. Juni beobachtet und ging folgendermassen von statten. Das Weibchen sass auf einem Baumaste und zitterte mit den Flügeln. Das Männchen kam eiligst herbeigeflogen, voll- zog den Akt der Begattung in der üblichen Weise und setzte sich dann neben das Weibchen, um ebenso wie dieses zitternde Bewegungen mit den Flügeln auszuführen. Beim Balzen lässt das Männchen die Flügel hängen, richtet den Schwanz empor und singt dazu. Diese gewandten Bewegungen erinnern nicht an die eines plumpen Körnerfressers, sondern etwa an die einer Nachtigall oder eines Rotkehlchens. Die Legeperiode hat nun begonnen, und die Männchen werden immer ruhiger. Unter dem 27. Juni finde ich in meinem Tagebuche die Notiz, dass von Carpodacus jetzt recht wenig zu hören sei. Das erste Nest fand ich in diesem Jahre am 2. Juli und lasse die näheren Umstände hierzu folgen. Ich hörte an dem genannten Tage in der Nähe des Dorfes Kunzen ein Männchen rufen, gehe darauf los und komme in die Nähe eines recht dichten Busches. Sofort ist auch das Weibchen da, zeigt sich sehr ängstlich und lässt fortwährend den Warnungsruf ertönen. Auch das Männchen benimmt sich sehr aufgeregt. Plötzlich ist noch ein dritter, und zwar grauer Karmingimpel da, der von dem Männ- chen eifrig verfolgt wird. Ich habe derartige Scenen schon öfter beobachtet, aber bisher aus schonender Rücksicht versäumt, die hinzukommenden grauen Exemplare zu erlegen, um ihr Geschlecht festzustellen, möchte aber annehmen, dass es jüngere, noch nicht das rote Prachtkleid tragende Männchen sind, die noch nicht brüten, wie ja auch bei den Störchen derartige „Junggesellen“ die Bruten ihrer Artgenossen zuweilen stören. Dabei will ich aber erwähnen, dass ich selbst schon derartige, unausgefärbte junge Männchen angetroffen habe, die zur Brut geschritten waren, so z. B. ein Pärchen am 22. Juli 1896, das seine ausgeflogenen Jungen führte. Immerhin wird der letztere Fall nicht häufig vorkommen. Auch eifrig singende graue Männchen habe ich ab und zu be- obachtet, 218 J. Thienemann: Doch kehren wir zum Neste zurück. Ich verstecke mich und sofort fliegt das Weibchen in den fraglichen Busch, so dass es mir sehr leicht wird, beim Hinzutreten das Nest mit 4 Eiern zu finden. Am nächsten Morgen bin ich wieder am Nistlatze, um weitere Beobachtungen anzustellen. Als ich an den Busch heran- trete, geht das Weibchen vom Neste ab, bleibt aber gar nicht weit von mir, noch in demselben Busche ruhig sitzen, dann erst fliegt es heraus und zeigt sich unter fortwährendem Ausstossen des Warnungsrufes sehr ängstlich, ja kommt zuweilen ganz dicht an mich heran, so dass ich es fast mit der Hand oder mit dem Stocke hätte erreichen können. Ich hebe das ganze Nest aus, da dasselbe dem Museum der Vogelwarte noch fehlt, ziehe mich in ein Versteck auf einen Beobachtungsposten zurück und habe nun Gelegenheit eine so deutlich sprechende Familienscene zu beob- achten, wie ich sie bei dem eigentlich wenig begabten Karmin- gimpel nie gesucht hätte. Das Weibchen eilt in den des Nestes beraubten Busch, sieht den angerichteten Schaden und fliegt so- fort davon, um kurz darauf in Begleitung des Männchens zurück- zukehren. Beide fallen, fortwährend warnend, auf einem in der Nähe stehendem kahlen Bäumchen ein, und das Männchen scheint noch nicht recht zu begreifen, worum es sich handelt. Das auf- geregte Weibchen will ihren Gatten durchaus nach der Niststelle hin dirigieren. Erst hüpft es vor ihm her, immer nach dem Nest- busche zu, dann sucht es durch Nachdrängen von der anderen Seite seinen Zweck zu erreichen. Schliesslich fliegen beide nach dem fraglichen Busche und verweilen lange Zeit darin. Nach dem Herauskommen lässt das Männchen einigemale seinen Ruf erschallen, während das Weibchen noch öfter den Busch aufsucht. Rechne ich noch hinzu, dass ich öfter Karmingimpelpärchen be- obachtet habe, wie sie sich zärtlich schnäbelten, so mag man mit Recht behaupten, dass das Ehe- und Familienleben dieser Vögel ein sehr inniges ist. Es mag nun die . genaue Beschreibuns des Nee ehe Standort und Eiern folgen. . Das Nest stand in einem sehr dichten, einzeln stehenden Eichenbusche, der mit Lindengesträuch, hohen Unkrautstengeln und Ranken durchwachsen war, 72 cm vom Erdboden entfernt. An den Zweigen war es sehr lose,. eigentlich fast gar. nicht be- festigt, so dass es sehr leicht schief gerückt werden konnte, ein II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 219 Charakteristikum für die Carpodacus-Nester. Gebaut ist es aus- wendig aus Pflanzenstengeln, namentlich von solchen der Scro- phularia, an denen die Samenknötchen noch sitzen. Nach innen zu werden die Stengel immer feiner. Inwendig sind dünne Hälm- chen und wenig Pferdehaare verwendet. Der ganze Bau erinnert sehr an ein Sylvien-Nest, etwa an das der S. nisoria (Bechst.), nur verwendet diese nach meinen Beobachtungen für den innern Napf stets rotbraune Wurzelfasern. So lose wie das Nest der S. hortensis (Bechst.) ist es nicht. Ganze Breite: 13 cm. Rand: 2, auch 3—4 cm. Napf (Breite): 6 cm. Napf (Tiefe): 4 cm. Masse der Eier: Nr. 1:20 X 14,5 mm. Nr. 2: 20 X 14,5 mm. NE3: 20% 71455 mm: Nr. 4: 20 X 15 mm. Die Eier waren ungefähr zur Hälfte bebrütet, wonach ich den Anfang der Legezeit ziemlich genau bestimmen kann, wenn ich Brut- und Legedauer wie beim Hänfling annehme, die ich durch , eingehende Beobachtungen genau festgestellt habe (cf. ÖOrnith. Monatsschr. 1903 XXVIII. Jahrgang, Nr. 1). Ich muss also erst 6 Brut-, dann 4 Legetage zurückrechnen und komme so für Beginn des Legens bei diesem Weibchen auf den 22., für Beginn des Brütens auf den 26. Juni. Am 7. Juli finde ich das zweite Karmingimpelnest. Soweit die näheren Umstände von dem ersten Falle abweichen, will ich sie auch hier wieder näher beschreiben. Ich höre und sehe wieder in der Nähe von Kunzen ein Männchen ganz flüchtig, durchsuche einen mir passend scheinenden dichten Busch und finde auch sofort ein Nest mit 2 kleinen Jungen, die eben Stoppeln bekommen haben. Der alte Karmingimpel ist aber wieder verschwunden, alles ist ruhig, und so weiss ich nicht, ob ich wirklich ein Car- podacus-Nest vor mir habe, wenn auch seine Bauart und die Schnabelform der Jungen darauf hindeutet. Am 9. Juli bin ich wieder zur Stelle und muss ®/, Stunde warten, ehe die alten Vögel erscheinen und ihr Nest legitimieren. Ihr ängstliches Benehmen ist ebenso wie oben bei Nest Nr. 1. 220 J. Thienemann: Die Entwickelung der beiden Jungen ist seit vorgestern sehr weit vorgeschritten, indem sich heute schon eme sehr starke Be- fiederung zeigt. Die Vögel mögen heute 8 Tage alt sein. Ihre Hauptfärbung ist braun. Auf den Flügeln befinden sich zwei hellbraune Binden, die durch die helle Färbung der Deckfedern gebildet werden. Aus den Flügelkielen ragen schon Federchen hervor, was bei den Schwanzkielen noch nicht der Fall ist. Die Jungen würden heute schon aus dem Neste springen, wenn man sie anrührte. Höchst eigenartig sieht das Nest aus. Es befindet sich in einem isoliert stehenden dichten Lindenbusche, der von der einen Seite von einem Roggenstücke, von der andern von einer Wiese begrenzt ist, 89 cm vom Erdboden entfernt. Infolge der schon oben erwähnten losen Befestigung hängt es ganz schief und ist eigentlich gar nicht mehr Nest zu nennen, sondern repräsentiert sich als ein auseinander gezogener und breit getretener Ballen von Pflanzenstengeln, auf dessen schiefer Ebene die zwei Jungen hocken. Man kann sicher annehmen, dass ein Teil der Eier oder zarten Jungen herausgefallen ist, was beim Karmingimpel öfter vorkommen und einer starken Vermehrung der Art hinderlich sein mag. Zum Nestbau sind auch Skrophularia-Stengel verwendet. Stelle ich auch bei diesen Jungen die obige Rechnung an, um den Beginn der Lege- bezw. Brütezeit für das vorliegende Pär- chen zu finden, so komme ich auf den 16. bezw. 20. Juni. Am 10. Juli bin ich wieder am Neste. Die beiden Jungen, die aufrecht auf dem „Neste‘“‘ sitzen, springen bei meiner An- näherung sofort herab und verkriechen sich sehr geschickt in dem unten befindlichen Gras- und Blättergewirr, so dass es mir unmöglich ist, sie zu finden. Ich lasse meinen Hund, der für ornithologische Zwecke firm abgerichtet ist, suchen und habe die beiden kleinen Vögel bald unverletzt in Händen. Da die Be- fiederung seit. gestern wieder weit vorgeschritten ist, so lasse ich auch heute genaue Beschreibung folgen: Kopf und Rücken braun mit hellen Federrändern. Auf dem Kopfe befinden sich noch viel blaue Stoppeln. Schwungfedern matt dunkelbraunschwarz. Die Deckfedern erster und zweiter Ordnung haben helle, gelb- liche Spitzen, so dass auf den Flügeln zwei helle Binden entstehen. Der Schwanz besteht noch aus blauen Kielen. Brust fahlbraun mit dunkler Fleckung, da jedes Federchen in der Mitte einen dunklen Fleck hat, während die Ränder heller erscheinen. Die- II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 221 selbe Färbung setzt sich an den Seiten (Flanken) fort. Unter- brust und Bauch weiss. Füsse fleischfarben. Der dicke Schnabel grüngelb, Augen dunkelbraun. Die Vögel sehen einem jungen Sperlinge nicht unähnlich.. Magen- und Schlundinhalt: kleine weisse, geschälte, unreife Sämereien, alle von einer Sorte, und einige Steinchen. Ein Versuch, den einen jungen Vogel in einem neben dem Neste aufgehängten kleinen Bauer von den Alten auffüttern zu lassen, missglückt, da sich die Eltern nicht um ihr Kind kümmern. Nun noch ein Wort über den Warnungsruf der Karmin- gimpel. Es ist richtig, dass derselbe an den des Grünlings er- innert. Wenn einem aber die Möglichkeit geboten ist, beide Rufe gleichzeitig zu hören, wozu ich hier Gelegenheit hatte, da sich nicht weit von dem Carpodacus-Neste auch ein solches von Chloris hortensis Brehm befand, so fallen einem doch deutliche Unterschiede auf. Der Warnungsruf des Karmingimpels Klingt wie „täit“, der des Grünlings wie „tüit‘, letzterer lang gezogen, das i deutlicher, bald wie „tüdelit‘“, melodischer, wie beim Carpodacus. Das Männchen des letzteren lockt schärfer, tiefer und lauter als das Weibchen, richtet beim Rufen öfter die Haube auf und breitet den Schwanz aus. Wenn sich die Vögel etwas mehr beruhigt haben, hört man zuweilen noch einen kurzen, ähnlich wie „huit“ klingenden Ton. Man kann den Warnungs- ruf des Karmingimpels auch mit dem des Kanarienvogels ver- gleichen. An demselben Tage (am 10. Juli) finde ich noch ein weiteres Nest des Karmingimpels, das noch unbelest ist. Es steht tiefer als die zwei vorhergehenden und zwar in einem Dornbusche. Als die beiden Alten bei meiner Annäherung den Warnungsruf ertönen lassen, erscheinen sofort noch zwei Karmingimpel, ein rotes und ein graues Exemplar, und das Letztere wird von dem Nestinnehabenden Männchen eifrig verfolgt, so dass wieder die Vermutung naheliegt, dass dasselbe kein Weibchen, sondern ein nicht brütendes, jüngeres Männchen ist. Das Nest wird nicht mit Eiern belegt. Die jungen Karmingimpel verlassen ihr Nest, das seines zerrütteten Zustandes wegen ihnen wenig Schutz gewährt, ge- wöhnlich schon, wenn sie noch nicht die volle Flugfähigkeit erlangt haben, und verbergen sich dann sehr geschickt in dichtem Gebüsch, so dass es ziemlich schwer hält, sie aufzufinden, und 222 J. Thienemann: ihre Anwesenheit wird nur durch die eifrig warnenden Alten verraten. Später begeben sich die Eltern mit ihrer jungen Brut sehr gern in die Getreidefelder, und nun, in der zweiten Hälfte des Juli, beginnt die Zeit, in der unsere Vögel ein sehr ver- stecktes Leben führen und fast nichts von sich hören lassen. Die Jungen werden ziemlich lange noch von den Alten gefüttert. Im ausgefärbten Jugendkleide unterscheiden sie sich von dem Weib- chen am auffallendsten durch den mehr bräunlichen Ton im Gefieder, ferner durch die 2 hellen Flügelbinden nebst hell- gesäumten grossen Flügeldeckfedern und durch die Arrueieelie Brust. Der Federwechsel tritt erst ein, wenn die Vögel ihre Winter- quartiere bezogen haben. Ein in Gefangenschaft gehaltenes Pärchen fing Mitte Oktober an zu mausern und stand sehr lange im Federwechsel. Am 18. November war derselbe beim Weibchen immer noch nicht beendet, während das Männchen Aenniel damit fertig war. Der Abzug der Karmingimpel findet ziemlich zeitig statt! Am 16. August dieses Jahres wurden hier noch fünf Stück be- obachtet, und ich besitze ein gebalgtes junges Exemplar noch vom 24. August 1899. Nach dieser Zeit dürfte es sehr schwer sein, hier noch Karmingimpel aufzufinden. Ich nehme an, dass dieselben schon Anfang September ihre ostpreussischen Brutplätze verlassen. Zum Schluss möchte ich noch einige kurze Bemerkungen über das Gefangenleben der Karmingimpel machen. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Vogelliebhaber an ihnen wenig Freude haben wird, da sie sich im Bauer höchst träge und fast stumpf- sinnig benehmen. Hohe geistige Eigenschaften gehen ihnen ent- schieden ab. Meine Exemplare bevorzugten von den gewöhnlichen Futtersämereien den Spitzsamen oder Glanz; am liebsten frassen sie aber die verschiedenartigsten unreifen Unkrautsämereien, die man ihnen, noch an den grünen Stengeln befindlich, reichte. Auch unreife Haferrispen klaubten sie gern aus und nahmen ausserdem sehr gern Grünfutter an. Mit Eingewöhnung und Ab- wartung hat man wenig Mühe. Schwieriger dürfte es sein, junge Vögel aufzuziehen. Ein junges, eben ausgeflogenes Exemplar, das einst von mir mit Händen gegriffen wurde und nicht mehr sperrte, aber auch noch nicht allein frass, ging trotz sorgfältigen Stopfens ein. Es wird sich mehr empfehlen, ein ganzes Nest II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 223 mit den Jungen, wenn sie eben die Kiele schieben, auszuheben und aufzuziehen. Der prächtige Karmingimpel ist neben Habichtseule, Uhu und anderen seltenen Vogelarten eine charakteristische Erscheinung in der Ornis Ostpreussens, und wir wollen seinem Bestande eine weitere ruhige Fortentwicklung wünschen. C. Fangergebnisse eines Dohnenstieges von 1800 Bügeln im Dünenbelauf Rossitten vom 21. September bis 15. Oktober 1902. Da die Frage des Drosselfanges in letzter Zeit viel behandelt worden ist und in massgebenden Kreisen mehr und mehr Inter- esse für sich in Anspruch genommen hat, so muss eine Veröffent- lichung von zuverlässig gesammeltem statistischen Materiale stets von Nutzen sein. Ich gebe in folgendem die Fangergebnisse eines im Belaufe Rossitten angelegten Dohnenstieges, über den genau Buch geführt worden ist, und werde zugleich die täglichen meteorologischen Erscheinungen beifügen, um dadurch allgemeinere Schlüsse für den Vogelzug zu gewinnen. Zu berücksichtigen ist, dass im ganzen Dünenbelauf Rossitten etwa die doppelte An- zahl der oben angegebenen Bügel aufgestellt war, die zu kotrol- lieren ich nicht Gelegenheit hatte, sodass man also berechtigt ist, auch die Fangresultate etwa zu verdoppeln. Im allgemeinen sei bemerkt, dass der Drosselzug, und also auch die erzielte Ausbeute in diesem Jahre verhältnismässig ge- ring war und dass nach übereinstimmender Ansicht der hiesigen beteiligten Kreise unbedingt Ostwind dazu gehört, um auf der Nehrung einen lohnenden Fang zu erzielen. Wie der Drossel- fang, so war auch der diesjährige Krähenfang sehr gering. Beides ist wohl der abnormen Witterung zuzuschreiben. Turdus| Turdus Turdus | Turdus | Turdus Nehanhai musicus) iliacus |viscivo-| pilaris | merula %=| Witterung L. L. rus L. N ‘ mitge- Bemerkungen m Sing- | Wein- | Mistel- | Wachol- | Amsel | fangene : | drossel | drossel | drossel \derdrossel 5° 1. [0. Regen, nach- | ne = 2 R 2 Platt I pt.| mittags hell. | 55 | R ee Ostwind! h El NW. on | 8 | - | - | - a Ki | ar: ‚W. ön. 2; je 2 AN 1 Buch- Be pt. N schön 44 FE 224 Turdus | Turdus| Turdus| Turdus | Turdus musicus| tliacus |viscivo-| pilaris J. Thienemann: merila Nebenbei De" Witterung L. . |rus L. ; > A u Sing- | Wein- | Mistel- | Wachol- | Amsel Von drossel | drossel | drossel |derdrossel 082 24. Schöner Sept. Babies 36 1 va m = Ganz schwacher O., schöner 9 — _ _ Be p Herbsttag. n ; Fast windsti Der D 26. | sehr schöner 15 _ = _ |16arten-| ar seial Sept. Herbsttag. rötel. sehr nachgı) 27. | W. nachmittag | 4 ki ” er 6, a. Sept. Regen. | 28. W. teilweise 9 Be g Wal Ei Die ersten M Sept. bedeckt. drosseln z(| 29. N.W. bedeckt, 96 x SR Er sich. Sept. kühl. se 72 30. | Bedeckt, nach- 19 1 9 _. 2 Rotkehl- Sept.| mittags Regen. chen. at. | NO. sehrkalt. | 40 | - = 2. - No 2. | Ziemlich starker E Okt. | N.O. hell, kalt. | 70 5 m jı 1 Benen | Ferrara g Fast windstill ; ganzen Zei Okt, | wärmer, sehr 34 1 1 Br = _ j klare Luft. GE N.W. 13 1 3 = = = | Hell, kühl. | 16 1 3 w = z 6. O. hell und 0 at Okt. klar. 13 1 4 = 5 besserer u O. den ganzen a Sem nn Tag über feiner | 23 3 4 Be Bu 5 Regen. . | Morgens Regen 2 ip Okt, ‚Himmel |“ er 7 h f 1 Rotkehl- Okt 3 L 2 — | chen. 10. 1 Berg- | Okt. 46 2 1 | ak | On S.W.regnerisch.| 27 10 1 1 _ a Fast windstill on warm etw. Regen, 17 5 d _ 1 Blın ° | abends Nebel. i Okt. | schauer vormitt. | = chen. S.W. Sprühregen 1 Rotkehl- or den ganzen Tag 6 15 _ _ aa _ | über. 4 Sperber, | 15 W. Sturm, zu- 4 Rotkehl- Ort, | weilen Regen- 8 5 — du. | jchemzı _ schauer. 4 Bergfink. | Summa | 667 | 61 | 30 2 | 21 | Stück 3 II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 225 III. Vogelschutz. Auch in diesem Jahre ist mancherlei über die von der Vogelwarte getroffenen vogelschützlerischen Massnahmen zu be- richten. Von den im Frühjahre 1901 aufgehängten v. Berlepsch’schen Nisthöhlen wurde im zweiten Jahre, wie zu erwarten stand, eiu noch grösserer Prozentsatz von Höhlenbrütern bezogen, wie im ersten. Eine starke Zunahme an Meisen, namentlich Kohl- und Blaumeisen, war zu konstatieren. Hatte sich damals, gleich nach dem Aufhängen der Kästen, der Trauerfliegenfänger (Mus- eicapa atricapilla L.) sofort in Rossitten angesiedelt, so ist heute abermals von einem neu zugezogenen Brutvogel zu berichten, nämlich vom Wendehals Jynz torguilla L.), der sich die künstlichen Nisthöhlen der Sorte B ausgewählt hatte, um seine zahlreiche Brut glücklich grosszuziehen. Schlagendere Beweise für die Tatsache, dass die oben erwähnten Nisthöhlen ein vorzügliches, ja das einzige Mittel sind, die nützlichen Höhlenbrüter im Inte- resse der Land- und Forstwirtschaft nach einer bisher von ihnen aus Wohnungsmangel gemiedenen Gegend hinzuziehen, kann es wohl kaum geben. Wie dicht aber die Ansiedlung namentlich von soichen, nicht zu einer Art gehörigen Höhlenbrütern unter Umständen sein kann, das mag ein kleines Beispiel zeigen. Das frei stehende Museumshäuschen, das mit künstlichen Nist- kästen, so weit es der Raum irgend gestattete, besetzt worden war, beherbergte in diesem Jahre neben einer zahlreichen Mehl- schwalben-Kolonie noch 3 Vogelspecies: Star, Blaumeise und Wendehals, obgleich manche Kästen nur 2-3 m von einander entfernt hingen. Hatten nun die Museumsbesucher im Innern die an den Wänden angebrachten Vogelschutzgruppen besichtigt, die ihnen die v. Berlepsch’schen Nisthöhlen mit ihren Durch- schnitten und künstlich aufgesetzten, zugehörigen gefiederten Be- wohnern zeigten, so war mir beim Heraustreten sofort Gelegen- heit geboten, den Interessenten die Kästen „im Gebrauche“ vor- zuführen, und ich kann versichern, dass das oft mehr wirkte, wie lange Vorträge und Abhandlungen. Viele Besucher nahmen so manche Anregungen mit in ihre Heimat und äusserten die feste Absicht durch Aufhängen von Nisthöhlen zur Vermehrung der Vögel beizutragen. Im vorigen Jahresberichte hatte ich auf Grund der günstigen Erfahrungen, die über die Anwendung der v. Berlepsch’schen Nistkästen auf der Kurischen Nehrung bisher vorlagen, den Journ, f. Orn. LI. Jahrg. April 1903, 15 226 J. Thienemann: Wunsch und die Hoffnung ausgesprochen, es möchten recht bald Versuche im Grossen folgen, hunderte von Kästen möchten in den hiesigen, verhältnismässig jungen und daher fast gar keine Höhlungen bietenden Waldungen aufgehängt werden. Damals hätte ich nicht gedacht, dass sich die geäusserten Wünsche so bald realisieren würden. Auf Anregung des Herrn Regierungs- rat Prof. Dr. G. Rörig wurden bereits im Spätherbste 1902 von der Königlichen Regierung 800 Nisthöhlen, Grösse A, für die Kurische Nehrung angeschafft. 500 davon fanden im Belaufe Rossitten, also in nächster Nähe der Vogelwarte ihren Platz und wurden auf Verfügung der Königi. Regierung unter Leitung und Kontrolle des Unterzeichneten aufgehängt. Da es sich als praktisch erwiesen hat, die Höhlungen zunächst noch einer jährlichen Revision zu unterwerfen, um einerseits wertvolles statistisches Material zu sammeln, andererseits immer noch genauere Aufschlüsse über manche, die Nistkästenfrage betreffende Punkte zu bekommen, so wurden solche Höhlungen mit leicht abnehm- barem Betondeckel gewählt, wie sie nach Vorschrift des Herrn Regierungsrat Rörig von der Firma Scheid jetzt gefertigt werden.t) Ferner wurden die Kästen der bessern Übersicht wegen mit fortlaufenden Nummern versehen. Auch die Kontrolle und Revision wurde dem Unterzeichneten übertragen, sodass dem- selben nunmehr ein ziemlich bedeutendes Beobachtungsmaterial zur Verfügung steht. Da zur Vervollständigung einer Massenansiedelung von Höhlenbrütern, namentlich Meisen, in einem Reviere unbedingt eine sachgemässe Winterfütterung hinzukommen muss, so wurde auch diesem Punkte von der Königl. Regierung Rechnung ge- tragen, und wiederum war es Regierungsrat Rörig, der die nötigen Anregungen gab und dann im Auftrage des Königlichen Ministeriums für Landwirtschaft Domänen und Forsten die Aus- führung persönlich in die Hand nahm. Dementsprechend wurden Ende Oktober und Anfang November im Walde zwei v. Berlepsch’sche Futterhäuser errichtet, die, kurz gesagt, auf dem Prinzipe beruhen, dass das schützende Pappdach mit den darunter 1) Um Missverständnissen in Laienkreisen vorzubeugen, will ich hier nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass eine Revision durchaus nicht notwendig ist, und in dem vorliegenden Falle nur aus den ange- führten Gründen geschehen soll. G II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 227 befindlichen, aus Glasscheiben bestehenden Seitenteilen etwas unter das Niveau des in der Mitte stehenden Futtertisches herunter- greift, so dass ein seitliches Einregnen oder Einschneien unmöglich ist. Das dargebotene Futter bleibt also innen trocken und steht, was die Hauptsache ist, den Vögeln jederzeit, auch bei dem ungünstigsten Witterungswechsel zur Verfügung. Mit Absicht waren zwei sehr verschiedene Stellen, nämlich eine im höheren Bestande ziemlich versteckte und eine in einer niedrigen Kiefernschonung gelegene oftene für die Aufstellung der Häuser gewählt worden. Am 13. November reichte ich zum ersten Male das nötige Futter und zwar wählte ich Hanf und Mohn und später auch Kuchen, die ich unter Hinzufügung von Rindstalg und ge- riebenem Weissbrot aus den beiden genannten Sämereien geformt hatte. Zum Anlocken der Vögel verwendete ich kleine Bündel von Sonnenrosen, die ich, da mir nur unreife, nicht zur Ent- wicklung gelangte Exemplare zur Verfügung standen, dadurch brauchbar machte, dass ich auf die verkümmerten Scheiben zer- lassene Futterstein-Masse aufgoss, wie sie sonst bei den Futter- bäumen zur Anwendung gelangt. Mit derselben Masse begoss ich auch Fichtenzweige und band beides an den Strebern und Tischen des Futterhäuschens an. Einen recht langen Zweig, der als be- sondere Zuleitung dienen sollte, liess ich vom Rande des oberen Futtertisches recht auffallend aus dem Häuschen herausragen. Schon nach wenigen Tagen, etwa am 20. November, waren beide Futterstellen angenommen und wurden von da an sehr zahlreich, namentlich von Meisen besucht, aber es zeigte sich eine ganz auffallende Bevorzugung des mehr frei und offen stehenden Hauses, ein beherzigenswerter Wink für spätere Aufstellungen. Obgleich wir noch mitten in der Futterzeit stehen, kann ich schon jetzt sagen, dass sich diese Futterhäuschen sehr gut bewährt haben. Gefreut und gewundert hat es mich, dass sie auch dem furchtbaren Orkan am 25. und 26. Dezember Stand gehalten haben. Auf gleichem Prinzip, wie die eben geschilderten Futter- häuschen beruht ein vom Freiherrn von Berlepsch ausschliesslich für Meisen konstruierter Fütterungapparat, an dem der entsprechend kleine und aus einer Flasche sich selbsttätig füllende Futtertisch oder Napf, von einer überhängenden Metallglocke geschützt wird. Von diesen Apparaten kamen 2 Stück zur Anwendung und be- währten sich vorzüglich. Um jeden derselben sind stets 8 bis 15* 228 J. Thienemann: 10 Meisen versammelt, die ich auch am Tage in den ringsum hängenden Nisthöhlen habe ein- und ausschlüpfen sehen. Von den altbewährten Futterbäumen wurden auch wieder mehrere Stück eingerichtet. Wenn nun noch hierselbst grössere Vogelschutzgehölze en standen sein werden, deren Anlegung allerdings mit einigen Geld- kosten verknüpft ist, die aber trotzdem hoffentlich recht bald in Angriff genommen werden können, so wird die Vogelwarte nach und nach in die glückliche Lage kommen, eine Vogelschutz-Muster- station zu bieten, und das ist ja doch das zu erstrebende Ziel. Da ich im vorigen Jahresberichte an dieser Stelle auch des Wildes kurz gedacht habe, so will ich es auch diesmal tun, zumal nur Günstiges zu berichten ist. Der Hasenbestand hat gegen das Vorjahr wieder in höchst erfreulicher Weise zugenommen, sodass die Treibjagden eine Strecke lieferten, wie sie seit Jahren nicht erreicht worden ist, nämlich 50 Stück, und der Bestand an Hühnern kann sich schon jetzt manchem guten Hühnerrevier in der Provinz Ostpreussen an die Seite stellen. Füchse sind aber auch nur noch in geringer Anzahl vorhanden, und konnte in diesem Winter bis jetzt noch keiner erbeutet werden. Für die Hasen hatte ich eine Kuhkohl-Remise angelegt, die allen Wildhegern nicht angelegentlichst genug empfohlen werden kann. Sie hat dem Wilde in der strengen Kälte vor Weihnachten, zumal bei dem schlechten Saatenstande, ausgezeichnete Dienste geleistet. Über die dem Vogelschutz dienende Tätigkeit des Unter- zeichneten, soweit sie sich auf Vorträge und Veröfientlichungen namentlich in landwirtschaftlichen Kreisen bezieht, ist schon oben im allgemeinen Teile berichtet worden. Veröffentlichungen des Leiters der Vogelwarte Rossitten während des Jahres 1902. 1. Eigentümlicher Fall von Legenot. (Orn. Monatsschr. 1902. 5. 156). Vogelwarte Rossitten. (Ostpr. Zeitung 1902 Nr. 38). . Vogelwarte Rossitten. (Zug von Scolopaz rusticula L.) (Orn. Monatsb. 1902 No. 4). 4. Vogelwarte Rossitten. (Zum Vogelschutz). (Königsberger land- und forstwirtschaftliche Zeitung 1902 Nr. 13). 5. Fuligula islandica Penn., Spatelente, bei Nemonien am Kur. Haft erlegt. (Orn. Monatsber. 1902 Nr. 5). m #3 6. Das häufige Vorkommen von Filarien in Lanius collurio L. (Orn. Monatsber. Juniheft 1902). 7. Einiges über Tier- im besonderen Vogelschutz. (Georgine (Insterburg) Nr. 21. 8. Vogelwarte Rossitten. (Königsberger land- und forstwirtschaft- liche Zeitung). 9. Genaue Beobachtungen über das Brutgeschäft einiger Vogel- arten. (Orn. Monatsschr. (Gera) XXVIII. Jahrg. Nr. 1). 10. Berichtigung (betr. Erlegung der Spatelente). (Orn. Monats- ber. Oktober-Heft 1902). 11. Vogelwarte Rossitten. (Vorkommen von Corvus cornix L. X Corvus corone L.). (Orn. Monatsber. Oktober Heft 1902). 12. Einiges über unsere Krähen. (Königsberger land- und forst- wirtschaftliche Zeitung Nr. 39 1902). 13. Ist die Krähe für die Landwirtschaft schädlich? (Naturwissen- schaftliche Wochenschrift Nr. 50 1902). 14. Auch ein Wort zur Krähenfrage. (Orn. Monatsschr. (Gera) XXVII. Jahrg. Nr. 11 1902.) 15. Vogelwarte Rossitten (Vorkommen von Nyctea ulula (L.)). (Orn. Monatsber. Nr. 12 1902). 16. Zeitgemässe Aufforderung zum Aufhängen von Nistkästen. (Königsb. land- und forstwirtschaftliche Zeitung Nr. 49 1902). 17. Vogelwarte Rossitten (abnormer Turdus musicus L.). (Orn. Monatsber. Nr. 1. XI. Jahrg. 1903). II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 229 Anlage 2. Verzeichnis der von der Vogelwarte für die Sammlung in Rossitten im Jahre 1902 präparierten Vögel. 1 Colymbus eristatus L. ad. Haubensteissfuss. 1 „ „ ” iuv. ” 1 grisegena Bodd. Rothalssteissfuss. 1 nigricollis (Brehm) iuv. Schwarzhalssteissfuss. 1 „ „ „ pull. ” 1 Larus argentatus Brünn. iuv. Silbermöve. 2 1 1 1 ” „ fuscus L. iuv. Heringsmöve. canus L. ,„ Sturmmöve., ridibundus L. Halbd. Lachmöve. „ıpull. r ” ” 230 J. Thienemann: “Henn a a a a ee DD DD I m DD fu fe eh De fh fc fh femme fe ph fe fe IND Larus minutus Pall. Zwergmöve. Sterna hirundo L. ad. Flussseeschwalbe. „ ” „ Halbd. „ „ „ „ iuv. „ „» minuta L. Zwergschwalbe. Oidemia fusca (L.) Samtente. m nigra (L.) 3 ad. Trauerente. $ Ya (bee, Übergangskld. Trauerente. „ (L) @ ad. Trauerente. „ „ (L.) 6) iuv. hs Nyroca marila (L.) ad. Bergente. »„ fuligula (L.) 2 ad. Reiherente. „ ferina (L.) pull. Tafelente. s „kK)zHalpdwEr, „ » (L.) iuv. » „ clangula (L.) & Schellente. 5 H (L.) © ad. Schellente. „ hyemalis (L.) Eisente. Spatula clypeata (L.) Löffelente. Anas boschas L. pull. Stockente. „ strepera L. @ Schnatterente. „ . penelope L. $ Pfeifente. „ querquedula L. ad. Knäkente. » L. pull. „ Craradens dubius Scop. Halbd. Flussregenpfeifer. ns » Scop. pull. 5 Vanellus vanellus (L.) iuv. Kiebitz. 3 (bs) mul, an lobatus (L.) ad. Schmalschnäbl. Wassertrete:. Limicola platyrincha Tem. Sumpfläufer. Tringa canutus L. Isländ. Strandläufer. „ alpena L. iuv. Alpenstrandläufer. Totanus fuscus (L.) Dunkler Wasserläufer. N littoreus (L.) Heller Wasserläufer. Ortygometra porzana (L.) pull. Tüpfelsumpfhuhn. Gallinula chloropus (L.) Grünfüssiges Teichhuhn. Fulica atra L. iuv. Blässhuhn. „ „ L. pull. » Circus aeruginosus (L.) Rohrweihe. Astur palumbarius (L.) iuv. Hühnerhabicht. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. 231 Milvus korschun (Gm.) ad. Schwarzer Milan. „ „ (Gm.) iuv. „ » Falco peregrinus Tunst. Nestkld. Wanderfalke. Cerchneis tinnuncula (L.) Turmfalk. Surnia ulula (L.) @ ad. Sperbereule. Cuculus canorus (L.) iuv. Kuckuck. Dendrocopus maior (L.) Grosser Buntspecht. Riparia riparia (L.) Nestkld. Uferschwalbe. Sturnus vulgaris L. Star. Carpodacus erythrinus (Pall.) Nestkld. Karmingimpel. Pyrrhula pyrrhula (L.) iuv. Grosser Gimpel. Loxia curvirostra pityopsittacus Bchst. Kiefernkreuzschnabel. Passerina nivalis (L.) Schneeammer. Emberiza hortulana L. $ Ortolan. Emberiza schoeniclus (L.) SQ2 Rohrammer. Motacilla alba L. Weisse Bachstelze. Budytes borealis (Sund.) Nordische Kuhstelze. Alauda arvensis L. ad. und iuv. Feldlerche. Eremophila alpestris (L.) Alpenlerche. Sitta europaea homeyeri |Seeb.] Hart. Östlicher Kleiber. Sylvia sylvia (L.) ad. und iuv. Drongrasmücke. Acrocephalus schoenobaenus (L.) Schilfrohrsänger. Turdus musicus L. Singdrossel. Zusammen 92 Vögel. a DD ee I I DD eh u u ed fe fe fe t> Ornithologischer Bericht über die Monate März bis October 1902 vom südlichen Teile der Kurischen Nehrung. Von Otto le Roi. 7. März: Himmel bedeckt. Viele Corvus cornix, weniger ©. frugilegus und Colaeus monedula ziehen die Nehrung hinauf. Buteo buteo über dem Walde. 9, März: Kleine Flüge von Alauda arvensis nach NO. Auf einer Lichtung bei Schwentlundein äusserstscheuer Lanius exeubitor. 11. März: Leichtes Schneetreiben. Krähen und Dohlen in mässiger Zahl. 1 Lanius excubitor bei „Klein-Thüringen.“ 14. März: Leichter SW, 8 Uhr Morgens —7,5° C, Sonnen- schein. Sehr spärlicher Krähenzug. Im Walde herrschte in der ersten Hälfte des März wenig Leben. Mitunter streiften ge- 232 Otto le Roi: mischte Scharen von Meisen durchs Gebüsch. Den Kern bilden meist Parus caeruleus, P. maior und P. cristatus L., häufig ge- sellen sich hinzu Parus palustris L., Aegithalus caudatus (L.) und Regulus regulus, seltener findet sich Certhia familiaris L. 15. März: 8 Uhr morgens —3,5° C., hell und trocken. Im kleinen Hausgarten mitten in Cranz 1 Turdus merula. Im Osten zeigen sich die Amseln bekanntlich noch sehr scheu, als Bewohner der tiefen Waldungen. 16. März: 8 Uhr: 44°, Wetter wie gestern, SW. Allent- halben in Cranz singen Stare. 20. März: Nach tagelangem Frost tritt Tauwetter ein. SW. Himmel klar. Schwacher Zug von Alauda arvensis, Acanthis cannabina, Fringilla coelebs, Columba palumbus, Accipiter nisus. Ziemlich viele Krähen und Dohlen einzeln und in losen Scharen nach NO ziehend. Im Cranzer Walde ein © von Dendrocopus minor. Die Art wurde bisher erst einmal auf der Nehrung — bei Rossitten — beobachtet, zeigt sich aber in den Waldungen des südlichen Teils öfter auf dem Striche. 23. März: Starker NO! 8 Uhr morgens +6° C., Himmel klar, mitunter Sonnenschein. Den ganzen Tag hindurch mit Aus- nahme der Zeit zwischen 12 und 1 Uhr war ein lebhafter Zug von Möven, Enten, Kiebitzen, Sturnus vulgaris, Alauda ar- vensis, Emberiza citrinella, Acanthis cannabina, F'ringilla coelebs, Chloris chloris, weniger von Columba palumbus, Accipiter nisus, Buteo buteo. Von der Plattform des Aussichtsturmes bei „Klein- Thüringen“ lässt sich der Zug sehr schön beobachten. Die Klein- vögel fliegen dicht über den Baumwipfeln dahin und vermeiden mit Ausnahme der Stare ängstlich den Flug über grössere Lichtungen, Enten und Kiebitze wandern in einer Höhe von 10—15 m den Strand entlang, aber alle folgen genau der Rich- tung der Nehrung. In der Zeit von 4 bis 5 Uhr nachmittags, während welcher ich auf dem Turm verweilte, verging keine Minute, ohne dass grössere und kleinere Wanderscharen vorüber- zogen. Ungeachtet des starken Gegenwindes an diesem Tage müssen gewaltige Mengen von Vögeln nach NO gezogen sein. Von Krähen war nichts zu bemerken, bis auf eine einzeine Corvus frugilegus, welche niedrig nach NO flog, aber nach kurzer Zeit umkehrte und in SW-licher Richtung verschwand. Einmal kreuzte eine Schar von etwa 200 Enten die Nehrung und zog in mässiger Höhe nach NW über die Ostsee. Im Walde herrschte Ei Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 233 reges Vogelleben. Ich beobachte die ersten Turdus musicus, Erithacus rubeculus und Motacilla alba. Folgende Beobachtung lehrte mich, dass Stare — wenigstens bei starkem Gegenwinde — den Flug über das offene Wasser tunlichst vermeiden. Ich stand am südlichen Rande der Brokist- Bucht bei Schwentlund, als ein grosser Flug Stare, anscheinend von SW herkommend, unmittelbar über den Baumwipfeln am Waldrande auftauchte. Beim Anblick des Wasserspiegels stutzte die Schar einen Augenblick, wandte sich dann nach links und setzte ihre Reise über das Festland fort. Bald darauf verfuhr ein zweiter Schwarm in gleicher Weise. 26. März: 8 Uhr: —+5° C. SSW, Sonnenschein. Einzelne Corvus cornix ziehen in weiten Abständen mässig hoch nach NO, ebenso Vanellus und Sturnus in kleinen Flügen. Nachmittags starker Regen. Wenig Zug. Im Walde ein Flug Turdus iiacus, wenig Turdus pilaris und T. merula. Es singen viele 7. musi- cus, die sich sehr vertraut zeigen, im Gegensatz zu unseren Brut- vögeln. Eine Drossei sitzt singend ganz niedrig auf einer Erle an der Tilsiter Landstrasse. Während ich dicht unter ihr hergehe, singt sie unbekümmert weiter. | Die Fringillen ziehen heute ziemlich hoch. Ich erhalte einen lebenden jungen Urinator lumme, der sich weit draussen auf der See an einer Lachsangel gefangen hat. Es ist auffallend, wie sehr er bei hellem Lichte oder in der Er- regung seine Pupillen zu verengern und erweitern vermag. Es wird mir berichtet, dass sich den ganzen Winter hin- durch bis zum Beginn des März ein Dryocopus martius im Grenzer Wald aufgehalten hat. Ich besichtige noch die tiefe Höhlung, die er sich in einer alten Espe als Nachtquartier ge- zimmert hatte. 31. März: 6!/, Uhr morgens: —+2!/,° C. NO. Bedeckt, mitunter Regen. Wanderung nach Rossitten. In Sarkau erwerbe ich einen am 30. mit dem Krähennetz gefangenen Milvus milvus. Sehr schwacher Krähenzug. 1 Ciconia ciconia zieht langsam die Nehrung hinab nach SW. 1. April: Auf der Vogelwiese in Rossitten Scharen von Anthus pratensis. Über dem Bruch zahllose Larus ridibundus, während am Tage vorher keine einzige dort zu sehen war. Im Grenzer Walde ein Flug Pyrrhula pyrrhula. 234 Otto le Roi: 6. April: Nachts Frost, Himmel klar. Bei Grenz wird 1 Scolopax rusticola erlegt. Der Schnepfenzug auf dem südlichen, bewaldeten Teil der Nehrung wird mir von den Förstern als sehr gering geschildert. Im Grenzer Walde wurden in diesem Früh- jahre Waldschnepfen geschossen. 8. April: N., nachts leichter Frost. Sonnenschein. Viele Erithacus rubeculus im Walde. Kleine Flüge Corvus cornix ziehen niedrig die Nehrung hinauf, auf Seeseite. Es heisst hier, dass die Krähen im Frühjahre vorzugsweise ihren Flug auf der Seeseite, im Herbste auf der Haffseite nehmen. Es scheint in der Tat etwas Wahres daran zu sein. 9. April: SW. Sonnenschein. Nebelkrähen in mässiger Zahl ziehen hoch, auf der Seeseite. 10. April: Nachts Frost, N., Sonnenschein. Krähen kommen einzeln und in kleinen Flügen niedrig — haushoch — aus dem Binnenlande von SW. her genau auf die Nehrung zu. Auf einer Wanderung an der Nordküste des Samlands entlang bis Rantau zeigen sich häufig einzelne Corvus cornix, sowie kleine lose Scharen, welche sämtlich niedrig parallel der Küste nach OÖ. wandern. 14. April: NO., sonnig. Krähen und Dohlen ziehen in grossen Abständen niedrig von SW. nach NO. Lebhafter Zug von Buchfinken, Hänflingen und Distelfinken. Im Walde Turdus visciworus und pilaris. Cicomnia ciconia, einzeln und in Scharen bis zu 5, fliegen langsam, grosse Kreise beschreibend, nach NO. 1 Milvus korschun zieht in gleicher Richtung. 16. April: 8 Uhr morgen +6°. O©O. Klarer Himmel. Krähen und Dohlen wandern in mässiger Höhe in losem Ver- bande zahlreich nach NO. Der Krähenzug ist seit dem 14. April wesentlich stärker geworden und werden von diesem Tage an von den Sarkauer Krähenfängern zahlreiche Krähen erbeutet. Fringilla coelebs und Carduelis carduelis in Mengen auf der Wandernng die Nehrung hinauf; der Zug geht etwa in Haus- höhe vor sich. 17. April: Die Witterung hält an und der Zug dauert fort. Nachmittags fahre ich nach Königsberg und gewahre von der Eisenbahn aus auf den überschwemmten Wiesen bei Bledau ein ungemein reiches Vogelleben. Auf den Wasserlachen lagerten zahllose Enten, während grosse Scharen von Möven die Luft mit ihrem Geschrei erfüllten. Ein halbe Stunde darauf begann E 4 ! Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 235 ein anhaltender Regen. Bei Sarkau wird ein junger Melvus korschun auf dem Krähenherd erbeutet und mir überbracht. 2 andere wurden gerupft und gebraten; 18. April: O., bedeckter Himml, mitunter Regen. 20. April: NW. Himmel fast wolkenlos. Herrlicher Früh- lingstag. Krähen ziehen in langen, lose zusammenhängenden Ketten niedrig in grosser Menge, auf der Seeseite entschieden mehr wie auf der Haffseite. Mittags lässt der Zug nach, wird später wieder lebhafter und hört gegen 6 Uhr völlig auf. Meist wandern Cor- vus cornix, weit spärlicher C. frugilegus und Colaeus monedula. Vom Herde weg erstehe ich einen gestern gefangenen Bastard ©. cornix X C. corone, über den Herr J. Thienemann sich be- reits ausführlich geäussert hat. (conf. Ornithol. Monatsberichte 1902 p. 152.). Der Fänger unterschied ihn sehr wohl von den gewöhnlichen cornix und berichtete, vor 2 Jahren sei ein ähnliches Exemplar gefangen worden. Im Walde zeigt sich häufig Garrulus glandarius; es wimmelt von Buch finken, meist Männchen — und Rotkehlchen. Am Haffufer viele Steinschmätzer, nur junge Vögel. Bei Grenz 1 Upupa epops, sowie ein Paar Dendrocopus maior. Vom 21. bis 30. April herrschte bei hellem Wetter N. bis NO. Vom Krähenzuge ist so gut wie nichts zu bemerken. Nur dann und wann wandert eine kleine Schar Ü. cornix in grosser Höhe nach NO. Am 26. April findet sich in Cranz ein Stwrnus vulgaris ein, der völlig getreu den Gesang von Emberiza calandra und daran anschliessend den von Emberiza citrinella bringt. 27. April: Bei Grenz zeigen sich 3 Upupa epops. 28. April. Im Grenzer Walde beobachte ich eine ganze Zeit hindurch ein Paar Phylloscopus rufus inmitten eines ge- mischten Meisenschwarms. 30. April: Auf dem Haff bei Sarkau wird ein altes $ Otr- demia nigra gefangen. 1. Mai: 8 Uhr morgens +8° C. S.-Wind. Bedeckt und regnerisch. Im Walde viele Erithacus rubeculus, Ruticilla phoenicurus (meist 39), Turdus musicus, Phylloscopus trochilus, Fringilla coe- lebs. Neu eingetroffen sind Pratincola rubetra, Muscicapa atri- capilla, Iynz torquilla. 1 @ Dendrocopus minor im Cranzer Walde. 236 Otto le Roi: Der Krähenzug scheint gänzlich beendet. Im Grenzer Walde brütet Corvus cornix auf 5 schwachbe- brütenten Eiern. 4. Mai: N. Morgens bedeckter Himmel, später schönes sonniges Wetter. Wanderung von Cranz nach Brüsterort. Emberiza calandra und Anthus pratensis allenthalben im Samlande häufige. Krähen ziehen nicht mehr, doch beobachte ich bei Eisseln eine grössere Schar Colaeus monedula von SW. her aus dem Binnenlande heraufziehend, welche ohne Zögern in NO.-Richtung ihren Weg über das offene Meer hin fortsetzt. Zwischen Eisseln und Rantau befindet sich eine bislang noch unbekannte Kolonie von Saatkrähen, die ca. S0— 100 teil- weise belegte Nester zählt. Derartige Kolonien sind in Ost- preussen nur in geringer Zahl anzutreffen. Unter den Krähen halten sich auch einige Dohlen auf. An der ganzen Samlandküste, vornehmlich bei Neukuhren und Brüsterort, scheuche ich aus den bewachsenen Böschungen und Schluchten zahlreiche Turdus musicus und 7. pilaris auf; auch landeinwärts treiben sich viele Wacholderdrosseln einzeln und paarweise auf den die Landstrassen einsäumenden Bäumen umher. Bei Garbseiden 1 Anthus campestris auf einem Brach- feld. AmStrande viele Tringoides hypoleueus,weniger Totanus glareola. Die beiden Leuchtturmwächter in Brüsterort bekunden über- einstimmend, dass auf Grund ihrer Wahrnehmungen der Vogel- zug von Jahr zu Jahr geringer werde. Auch die Zahl der durch Antliegen an das Leuchtfeuer getöteten Vögel verringere sich alljährlich. (Das Gleiche erzählten mir nebenbei bemerkt 1901 die Wärter der Leuchttürme zu Warnemünde und auf dem Darss). In diesem Frühjahre sei bisher erst eine Grasmücke verunglückt. Im vergangenen Herbste hätten einige Drosseln, eine Eule und eine Einte die Opfer gebildet. Die Ente flog am Abend des 22. November 1901 mit solcher Gewalt gegen eine Scheibe der Laterne, dass diese zertrümmert wurde Gleich hinterdrein kamen 3 grössere Eulen, von denen eine gleichfalls anflog, während der diensttuende Wärter die beiden andern erschlug. — Bei Grenz zeigt sich die erste Airundo rustica. Es wird ein altes @ von Erithacus phoenicurus erlegt, das die Farben- pracht eines g besitzt, nur sind die Farben ein wenig matter. 5. Mai: Im Grenzer Walde Falco subbuteo. Ein Urinator lumme iuv. wird auf der Ostsee gefangen. Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 237 6. Mai: Am Haffufer kleine Flüge Tringoides hypoleucus. Auf den sumpfigen Wiesen südlich von Grenz 1 Ciconia ciconia sowie grosse Scharen von Anthus pratensis, Fringilla coelebs, Emberiga eitrinella. Muscicapa utricapilla (meist junge Vögel), Pratincola ru- betra, Erithacus phoenicurus (fast ausschliesslich Jg) sehr häufig, Hirundo rustica in einem Exemplare beobachtet. Im Walde lockt Columba palumbus. Ein Milvus korschun hat seinen Horst bezogen. 7, Mai: Ein prächtiger, ausgefärbter Urinator arctieus von der Ostsee wird mir überbracht, ferner eine bereits am 6. auf der See gefangene Otidemia nigra. Es ist ein junges Z, das seine erste Mauser, bei welcher bekanntlich nur das Kleingefieder er- neuert wird, noch nicht ganz vollendet hat. Gewicht 630 g. 8. Mai: Bei Grenz Iyn& torquilla sowie 1 Sawicola oenanthe, ein altes $, welche man nur selten auf der Nehrung sieht, erlegt. Auch 1 Pica pica, gleichfalls eine Seltenheit auf der Nehrung, wird bei Grenz geschossen. 9. Mai: Auf den Haffwiesen bei Grenz mehrere Kiebitze, die oftenbar schon Gelege haben. Ein Ardea cinerea zieht an der Haffküste entlang. Im Cranzer Walde 1 Accentor modular:s, ein Vogel, welcher in Ostpreussen nur wenige Male aufgefunden wurde.t) 11. Mai: In einem kleinen Feldgehölz bei Cranz entdeckte ich einen belegten Horst von Cerchneis tinnuncula und zehn Schritte davon entfernt ein gleichfalls besetztes Nest von Corvus corniz. 15. Mai: Fischer erbeuten auf der Ostsee einen Colymbus grisegena, ein @ im Prachtkleide. 16. Mai: Nachts Frost. Im Cranzer Walde singen 2 Eri- thacus philomela. Auf den Haflwiesen zeigen sich noch immer Flüge von Anthus pratensis. Im Weidicht zwei Nester von Anas boscas mit 9 und 6 Eiern. Lanius collurio ist vereinzelt ange- langt, ebenso Coracias garrula, von denen mir 3 zu Gesicht kommen. Am Waldrande finde ich ein noch frisches totes @ von Pyrrhula pyrrhula. — Ein sehr scheuer Haematopus ostralegus treibt sich am Seestrande umher. 1) In Rossitten zieht diese Vogelart in jedem Jahre durch. J. Thienemann. 238 Otto le Roi: 17. Mai: Auf der See wird ein altes Z von Nyroca hiemalis gelangen. 19. Mai: Bei Rossitten Dudytes borealis gar nicht selten, Herr Thienemann erlegt in meinem Beisein ein herrliches altes gd, welches nun dank seiner Liebenswürdigkeit meine Sammlung ziert. Da das Exemplar recht geringe Dimensionen zeigt, bringe ich die am frischen Vogel genommenen Masse: long. tot, 16,1 cm ala 82 cm cauda 6,7 cm rostrum 1,2 cm tarsus 2,25 cm 22. Mai: Carduelis carduelis nistet auf einer Birke im Hausgarten. 23. Mai: Im Grenzer Belauf sind 4 Horste des Milvus kor- schun besetzt. In einem Neste schreien bereits die Jungen. Vom 23. bis 27. Mai herrschen starke Nordstürme, Am 24. Mai erhalte ich 2 am 23. auf der Ostsee gefangene Uria grylie, $ und 2. Näheres hierüber, sowie über die nach- folgend genannten nordischen Vögel berichtete ich bereits in den Ornithol. Monatsberichten 1902, p. 127. 25. Mai: Heute sowie am 26. treibt sich ein Erithacus titys, ein graues g, lebhaft singend allenthalben in Cranz umher. Die Art ist auf der Nehrung noch immer eine Seltenheit. 26. Mai: Am Strande findet sich ein angeschwemmter Uri- nator arcticus im Prachtkleide Zurdus musieus ist zahlreicher Brutvogel im Cranzer Walde. Ich entdeckte 4 Nester auf Fichten und Kiefern. Die Höhe der Standorte schwankte zwischen 80 cm und 2,50 m. 3 Nester enthalten 5, 1, 4 Bier, im letzten liegt noch 1 Ei neben 3 wenige Tage alten Jungen. Phylloscopus rufus hat 3 frische Bier. 28. Mai: 2 ausgefärbte Urinator arcticus werden mir gebracht. 29. Mai: Ich erhalte eine bereits am 26. auf der See ge- fangene Alca torda, ein altes d. Im Walde locken einige Columba palumbus. FJulica atra ist in voller Brut. Colymbus eristatus beginnt zu legen. Am Haffufer zeigt sich ein einzelner Charadrius dubius. Im Weiden- gebüsch an den Haflwiesen beobachte ich den ersten Oarpodacus erythrinus. Es ist ein junges g, nicht sonderlich scheu, aber in- folge seiner unscheinbaren Färbung im umgebenden Gezweig nur Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 239 bei genauem Hinblicken zu finden, Der Inhalt des Magens beweist mir, dass der Karmingimpel, entgegen allen sonstigen Angaben, auch animalische Nahrung zu sich nimmt. Er enthält nämlich neben vegetabilischen Resten und Sand 2 nackte, mittelgrosse Raupen. — Auf den Haffwiesen eine Schar von 34 Corvuns cornis, Ein Nest von Jringilla coelebs enthält heute 3 Bier, Das Nest war bereits am 23. völlig fertig gebaut, enthielt aber am 26. noch kein Ei. Durch den Gesang aufmerksam gemacht entdecke ich im Walde ein junges $ von Muscicapa parva. Der Aufenthalts- ort war mittelhoher Fichtenbestand, mit vereinzelten Birken durch- sprengt, auf trockenem Untergrunde, Hier trieb sich der ewig regsame Sänger hoch in dem Gezweig umher, doch nicht in den Wipfeln. Der Lockton, der besonders beim Platzwechsel häufig zu hören war, lautete tüe (der Ton liegt auf dem ü, das e klingt ganz kurz), Der Gesang wurde öfter von einem schnarrenden serrr serrr eingeleitet, doch konnte man diesen Ruf auch wohl abwechselnd mit dem tüe vernehmen. Das Liedehen liess der wenig scheue Vogel vielfach erklingen und ich notierte es folgen- dermassen: trrr trrr trrr tink tink tink wie wie wie wie, 2. Juni: Auf den Haffwiesen ruft Orex eres anhaltend bereits am frühen Nachmittag. Charadrius dubius am sandigen Haffufer, Auf einer Erle sitzt in einer IHlöhe von 4 m ein Miwus korschum schlafend, den Kopf im Gefieder versteckt, gegen 3 Uhr nach- mittags. Erst als ich dicht unter dem Baume stehe, erwacht er und streicht erschrocken von dannen. Im Weidicht bei Grenz ertönt der klangvolle Kuf vom Karmingimpel. Abends gegen 8 Uhr schwirren im sumpfigen Erlengebüsch bei Schwentlund mehrere Locustella fhwiatilis anhaltend. Kerr Pastor Dr, Lindner hat diese Art in früheren Jahren stets vergeblich hier gesucht, Gesang und Benehmen dieses interessanten Vogels ist wohl schon oft und ausführlich genug geschildert worden. Ich bemerke daher nur, dass die Flussrohrsänger, die ich später noch häufig beob- achten konnte, beim Wechseln des Platzes sowie meist zu Beginn des Schwirrens ein kurzes tiurrr (das i eben vernehmbar) hören liessen. 8. Juni: Heute wie in der Folgezeit bis zu Ende Juni rufen häufig Karmingimpel mitten in Oranz, Die Art muss gegen früher an Zahl und Verbreitung wesentlich zugenommen haben, Ein bei Grenz erlegtes altes $ von Lanius collurio hat in der Brusthöhle eine lange Filarie, 5 kleinere in der Ohrgegend, L 240 Otto le Roi: Mageninhalt: 1 grosser Käfer, eine grosse nackte Raupe. Im Walde Junge Certhia familiaris, gegen Abend viele Caprimulgus europaeus. An der „Domberwiese“ nördlich von Grenz und bei Schwentlund mehrere schwirrende Locustella fluviatilis. 10. Juni: Ein Upupa epops im Grenzer Walde. Auf einer dürren Kiefernzacke hat ein Lanius collurio eine Lacerta vivipara aufgespiesst. Ich finde in einer Fichte nahe den Dünen ein Nest von Emberiza citrinella mit 4 mittelmässig bebrüteten Fiern in einer Höhe von gut 2 m. Anas querquedula brütet auf den Haffwiesen unterhalb Grenz auf 6 Eiern. 12. Juni: Bei Grenz wird ein Dunenjunges von Asio otus gefunden. 15. Juni: Im Grenzer Walde wiederum ein singendes junges $ von Musicapa parva. Der Aufenthaltsort ist lichter Bestand von Birken und Espen mit wenigen Fichten untermengt, recht hohe Bäume auf trockenem Untergrund. Der Vogel flattert nur in den untersten Zweigen der Baumkronen umher. Sein Gesang lautet: tsöng — tseng — tseng — tseng - tsing - tsing - tsing widie. Hinter dem ersten tsöng eine längere Pause; die Pausen zwischen den folgenden Tönen werden stets kürzer und der Schluss folgt umittelbar auf das letzte tsing. Ein altes $ Lanius collurio — Gewicht 27,6 g — hat auf der linken Seite des Kopfes unter der Haut 3 Filarien. Im Magen finden sich die Reste eines Maikäfers und vieler kleiner Kerbtiere. In der Sarkauer „Plantage,“ welche zur Brutzeit meines Wissens noch nicht untersucht wurde, herrscht reges Leben. In den Weiden nördlich und südlich von Sarkau rufen mehrfach Carpodacus erythrinus. Zwischen den niederen Kiefern auf der Haffseite ein — wohl von Krähen — zerstörtes Gelege von Per- dix perdix mit 18 Eiern. Hier auch einige Anthus campestris. Die sich schliesslich nur noch in einem schmalen Streifen in die „Wüste“ hineinschiebenden Büsche bergen Lanius collurio, Oriolus oriolus häufig, Fringilla coelebs, Emberiza_ citrinella, Parus caeruleus, Sylvia atricapilla, 8. sylvia, 8. curruca, Phyllos- copus rufus, trochilus, sibilator und als zahlreichsten Bewohner Hippolais hippolais. Columba palumbus sehe ich in einem Exemplar, Dendrocopus maior mehrfach. In einer abgestorbenen, ganz freistehenden Espe etwa 3 m hoch ein Nest des grossen Buntspechts mit lebhaft schreienden Jungen. Die Alten sind ä äusserst besorgt um ihre Brut. Eine sumpfige Stelle in den äussersten Ausläufern der Plantage ist üppig mit Weiden und Brennnesseln bewachsen: Hier beobachte ich ein Paar sowie ein schreiendes $ von Locustella fluviatilis! Weit hinter „Mövenhaken“ haben sich auf der Haffseite am Fusse der jeder Vegetation baren gewaltigen Dünen hier und da kleine Gebüsche gebildet. Kein Vogel lässt hier, in der unendlich öden Umgebung, seine Stimme erschallen, nur Corvus corniz be- hauptet sich. Ein Nest birgt 2 wenige Tage alte Jungen. Auf dem Rückwege höre ich im Walde in der Nähe der Sarkauer Försterei Erithacus philomela singen. 17. Juni: Cerchneis tinnuncula nistet im Cranzer Walde. Die erste Brut Turdus musicus ist ausgeflogen, die Gelege der zweiten sind teilweise schon vollständig. Sylvia atricapilla brütet zahlreich in der Cranzer Plantage, die Brut hat eben begonnen. 20. Juni: Muscicapa grisola brütet auf 5 Eiern in einem Schuppen beim Grenzer Forsthause. Sylvia simplex sitzt auf 5 Eiern in einer dichten Fichtenschonung im Cranzer Walde. In der gleichen Schonung greife ich ein junges flugunfähiges © von Loxia curvirostra. Es trägt am rechten Flügel eine noch unvernarbte Schusswunde. 23. Juni: Im Cranzer Walde ein Paar Turdus viscivorus, das sich sehr aufgeregt gebärdet und gewiss sein Nest in der Nähe hat. Capodacus erythrinus an den verschiedensten Stellen. Parus caeruleus füttert flügge Junge. 26. Juni: Eine Birke im Grenzer Walde enthält eine Höhle mit jungen Dendrocopus maior. An der „Domberwiese“ schwirrt lebhaft Locustella fluviatilis, ebenso bei Schwentlund. Ein Vogel schwirrt ohne abzusetzen 1 Minute 50 Sekunden, ja einmal gar 3 Minuten 30 Sekunden lang. 27. Juni: Von der Ostsee erhalte ich einen jungen Uri- nator arcticus, ein ®. 29. Juni: Im Grenzer Walde befindet sich ein Horst von Falco peregrinus mit 3 Jungen etwa 10 m hoch auf einer Kiefer. Das Weibchen kreist unter lautem Schreien unablässig nahe über der Niststelle, während sich das Männchen stumm in weiter Ent- fernung hält. Erst nachdem Herr Revierförster Jacobi das ® herabgeschossen hat, kommt das $ schreiend angestrichen, um dann zu verschwinden. Die 3 jungen Falken, von denen später Journ, f. Orn. LI, Jahrg. April 1908, 16 Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 241 242 Ötto le Roi: 2 98 erlegt wurden, fütterte das Männchen allein weiter. Der erbeutete alte Vogel erwies sich als ein zweijähriges Exemplar, das bereits in der Mauser stand. Falco peregrinus ist neu als Brutvogel der Nehrung. 1. Juli: In der Nähe der Försterei Grenz zieht sich zur linken Seite des von Cranz heraufführenden Waldweges ein dichter Bestand hoher Fichten hin. Hier entdecke ich ein Paar Muscicapa parva, die gewiss Brutvögel. Das @ ist nur auf Augenblicke sicht- bar, indessen das d, ein prächtig rotes Exemplar, sich singend und Nahrung suchend in einer Höhe von 2—5 m auf den Enden dürrer Äste von starken Fichten an lichteren Stellen des Waldes umhertreibt. Es ist in beständiger Unruhe, singt lebhaft während des Hüpfens und lässt dazwischen sein energisches srrrt erschallen, wobei es häufig den Schwanz in die Höhe stelzt, so dass die weisse Schwanzwurzel weithin leuchtet. Sein Gebaren erinnert sehr an das der Laubsänger, doch tritt die Ähnlichkeit mit dem der anderen Museicapiden zumal beim Flug hervor. Der Gesang lautet: tink tink tink tuituituituit widid (2—4 X wiederholt) (von wechselnder Dauer). Ich erhalte ein junges $ von Limosa limosa aus der Nähe von Pillkoppen. 15. Juli: Am Seestrande mehrfach kleine Scharen Lurus fuscus, welche Art von jetzt an recht häufig auftritt. Auf den Haffwiesen ein Gelege von Crex crex mit 6 stark bebrüteten Eiern. 3 Ardea cinerea am Haffufer. 18. Juli: Fritz Marquardt erlegt am Horste im Grenzer Walde ein prächtiges altes @ von Falco subbuteo in beginnender Mauser. Das Nest steht auf einer unersteigbaren Kiefer, nahe am Ende eines schwachen Seitenastes, wohl 15 m hoch. Die Brut oder das Gelege wird vom Männchen in Stich gelassen. — Der sichere Beweis vom Brüten des Baumfalken auf der Nehrung, der bislang noch ausstand, ist hiermit erbracht. Das früher erwähnte Paar Muscicapa grisola beim Grenzer Forsthause ist bei der zweiten Brut, in dem alten Neste. Das Gelege zählt 5 Eier. 24. Juli: Im Walde erbeute ich ein junges Syrnium aluco 9, das noch Reste des Dunenkleides trägt. Dem Magen entnehme ich neben zahlreichen Käfern 3 mittelgrosse — ca. 18 cm lange — Anguis fragilis. Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 243 27. Juli: Am Haffufer zeigen sich viele Reiher, einzeln und in Scharen bis zu zehn Stück. 29. Juli: In der Nähe des „Fichtenhains“ treiben sich 3 junge Accipiter nisus im lichten Stangenholz umher. Wenige Schritte davon steht ein diesjähriger Raubvogelhorst, vielleicht die Brutstätte der Sperber. In einem Erlenbruch an der Beck, das für die Art wie geschaffen erscheint, beobachte ich eine schwirrende Locustella fluviatilis. Eine Aufzählung derjenigen Vögel, welche ich den ganzen Sommer hindurch in den ausgedehnten Waldungen auf dem süd- lichen Teile der Nehrung angetroffen habe und welche wohl durchweg als Brutvögel anzusehen sind, dürfte hier wohl am Platze sein und lasse ich sie daher folgen. Colymbus eristatus brütete in dem das Haffufer von Schwent- lund bis weit hinter Sarkau einsäumenden Schilf und Rohr sehr zahlreich, einzeln und in Kolonien. Anas boschas war häufiger Brutvogel am Haffufer. Anas querquedula nistete vereinzelt auf den Haffwiesen süd- lich von Grenz, vielleicht auch A. crecca, die ich wiederholt zur Brutzeit auf dem Haff bemerkte. Charadrius hiaticula zeigte sich den Sommer hindurch öfter am Seestrande, Ch. dubius am Haffe, doch bezweifele ich, dass sie hier Gelege gezeitigt haben. Vanellus vanellus fand sich in mehreren Paaren auf den Haffwiesen als Brutvogel. Crex crex war an den gleichen Orten verhältnismässig zahl- reich nistend anzutreffen. Fulica atra brütete vielfach auf dem Haft. Columba palumbus trat als Brutvogel nur sehr spärlich im Grenzer Walde auf. Perdix perdix nistete in wenigen Paaren hinter den Dünen sowie nördlich von Sarkau. Aceipiter nisus hat wahrscheinlich im Cranzer Walde ge- brütet. Milvus korschun war der am zahlreichsten brütende Raub- vogel auf der Nehrung und in dem ausgedehnten Waldcomplex zwischen Cranz und Sarkau allenthalben anzutreffen. Den schönen Pandion haliaetus kann ich leider nicht mehr unter den Brutvögeln anführen. Noch vor wenigen Jahren wurde im Grenzer Reviere ein Vogel beim Horste geschossen. Allem 16* 344 Ötto le Roi: Ancheine nach war dieses einer der 2 letzten auf der Nehrung nistenden Fischadler, denn die Art ist seitdem verschwunden. Falco peregrinus und F. subbuteo stellte ich in je einem Paare brütend fest, wogegen Üerchneis tinnuncula häufiger vor- handen war. Asio otus und Syrnium aluco sind beide sparsame Brutvögel im Grenzer Revier. Athene noctua rief wiederholt zur Brutzeit bei Grenz, ebenso Strix flammea bei Cranz, doch fehlt der sichere Nachweis des Brütens noch. Cuculus canorus hielt sich den ganzen Sommer hindurch im Cranzer, Grenzer und Sarkauer Walde auf. Das gleiche gilt von Iynx torquilla. Dendrocopus maior war recht häufig in den waldeneen Ich fand Nester der Art bis in die letzten Ausläufer der Sar- kauer Plantage hinauf. Upupa epops nistete in einem Paar im Sarkauer Walde, möglicherweise auch bei Grenz, wie sich noch Mitte Juni ein Vogel zeigte. Recht häufiger Brutvogel im Cranzer Walde, een im Grenzer Reviere war Caprimulgus europaeus. Apus apus nistete ziemlich häufig in Cranz. Hirundo rustica fand ich vielfach brütend in Cranz, Grenz und Sarkau, Delichon urbica in sehr geringer Zahl nur in Cranz. Muscicapa grisola zählte zu den häufigeren Brutvögeln bei Grenz und im Grenzer Walde. Muscicapa atricapilla habe ich zuletzt am 23. Mai beob- achtet, sodass ich über ein Brüten nichts zu berichten vermag. Muscicapa parva nistete meiner Überzeugung nach in mehreren Paaren im Grenzer Walde. Lanius collurio zeigte sich vielfach am Waldrande und auf jungen Kieferpflanzungen. In geringer Zahl horstete Corvus cornixz in allen Teilen des Waldes. Ein gleiches gilt von Garrulus glandarius und Oriolus orvolus. Sturnus vulgaris kam als Brutvogel zahlreich in Cranz, ver- einzelt in Grenz vor. Passer domesticus nistete sehr häufig in Cranz, ebenso 2. montanus, der auch in einigen wenigen Paaren bei Grenz auftrat. Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 245 Der überwiegend zahlreichste Brutvogel im Grenzer Walde war Fringilla coelebs. Chloris chloris sowie Acanthis cannabina habe ich zur eigent- lichen Brutzeit nur einige Male bei Cranz und Grenz gefunden, doch entdeckte ich keine Nester. Chrysomitris spinus glaube ich im Mai und Juni im Cranzer und Grenzer Walde vernommen zu haben. Nicht selten als Brutvogel in Cranz und Sarkau war Car- duelis carduelis. So lange die Gesangszeit währte, konnte man Carpodacus erythrinus an vielen Stellen in und um Cranz, bei Grenz und Sarkau sehen und vernehmen. Später hörte ich seinen grünlings- artigen Lockruf öfter bei Grenz im Weidengebüsch. Emberiza citrinella brütete an geeigneten Stellen allent- halben zahlreich. Wenn auch Anthus pratensis in Scharen bis Ende Mai sich auf den Haffwiesen umhertrieb, so ist ein Brüten kaum anzu- nehmen. Es ist überhaupt eine merkwürdige Erscheinung, dass sich eine ganze Reihe Arten bis spät in den Sommer hinein in ÖOstpreussen, speciell auf der Kurischen Nehrung scharenweise aufhalten, welche sicher nicht in dieser Zahl hier zur Fort- pflanzung schreiten, so neben Anthus pratensis, Fringilla coelebs, Turdus musicus und pilaris, Corvus cornix, Urinator lumme und arctieus u. a. m. Anthus trivialis nistete vereinzelt im Cranzer und Grenzer Walde, A. campestris jedenfalls nördlich von Sarkau. Recht häufig als Brutvogel war Motacilla alba bei und in Cranz, Grenz und Sarkau, sowie im Walde unter Brücken. Alauda arvensis fand sich vor bei Cranz, ferner hinter Sarkau auf den kurzrasigen Haffwiesen. Certhia familiaris brütete in geringer Anzahl im Grenzer Walde. Die Meisen traten als Brutvögel recht sparsam in den Wal- dungen auf, Am häufigsten war noch Parus maior und ceristatus L., seltener P. caeruleus, palustris, ater und Aegithalus caudatus (L.). In mässiger Anzahl traten auf Regulus regulus und Troglo- dytes troglodytes. An Orten im Walde mit vielem Unterholz brüteten verein- zelt Sylvia simplex und sylvia; Sylvia curruca und die häufigste 246 Otto le Roi: Art 8. atricapilla waren als Nistvögel auch in einem Fichten- bestand anzutreffen. Das Röhricht am Haffufer wurde von Acrocephalus arun- dinaceus und streperus ziemlich zahlreich bewohnt. Locustella fluviatilis habe ich während des ganzen Sommers an den verschiedensten Stellen auf der Nehrung bis weit hinter Sarkau angetroffen. Die Art ist entschieden durchaus nicht selten als Brutvogel, wenn es mir auch nicht gelang, ein Nest aufzufinden. Der weitaus häufigste Brutvogel in Cranz, sowie im Cranzer und Sarkauer Walde war Hippolais hippolais. Der Grenzer Belauf hat wenig lichte Laubholzbestände aufzuweisen, wodurch sich das fast völlige Fehlen des Gartenlaubvogels in diesem Reviere leicht erklärt. Bis zur Sarkauer Plantage herauf zählten Phylloscopus tro- chilus und rufus, weniger sibilator zu den zahlreichsten Sängern im Walde. Turdus musicus brütete vielfach im Cranzer, weit weniger im Grenzer Walde. Turdus viscivorus fand ich Ende Juni im Cranzer Reviere unter Umständen, die ein Brüten in der Nähe sehr wahrschein- lich machten. Turdus merula hörte ich bis zum Beginn des Juni wieder- holt; die Art dürfte also wohl Brutvogel sein. Sazxicola oenanthe und Pratincola rubetra beobachtete ich bis Mitte Mai auf den Wiesen am Haff, nachdem waren sie ver- schwunden. Das Gleiche hatte statt bei Erithacus phoenicurus, der bis dahin im Walde nicht selten war. Erithacus rubeculus nistete in geringer Zahl im Cranzer und Grenzer Walde. Erithacus philomela kam in mässiger Anzahl brütend in der Cranzer Plantage vor, doch fand ich ihn zur Brutzeit auch oberhalb Sarkau. — Ende Juli begann der Durchzug der Schnepfenvögel. Er trat auf dem südlichen Teile der Nehrung fast gar nicht in Er- scheinung. Die einzige Art, welche sich regelmässig und in grösserer Zahl zeigte, war Tringoides hypoleucus. Charadrius hiaticula, Totanus ochropus und glareola kamen nur sehr spär- lich zur Beobachtung, während alle Tringen, Limosen und ver- wandte Arten sich durch vollständiges Fehlen auszeichneten. Die Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 247 natürliche Erklärung hierfür liegt in der Beschaffenheit des Ge- ländes. Am Seestrande halten sich fast alle genannten Vögel nur ungern auf, das Ufer des Haffs aber bietet ihnen so gut wie keine zusagenden Rastplätze. In den Abend- und Nachtstunden verrieten allerdings die mannigfachen Stimmen der Wandervögel dem aufmerksamen Hörer, welche gewaltigen Scharen hoch in den Lüften über Cranz hinweg gen Südwesten eilten. 10. August: Am Waldrande nahe dem Sarkauer „Ausbau“ vernahm ich mehrfach ein kurzes Schwirren, welches ich nur der mir wohlbekannten Locustella naevia zuschreiben kann. Den Vogel bekam ich zwar nicht zu Gesicht. Dagegen sah ich gegen Abend im Cranzer Walde 2 Locu- stella fluviatilis, welche ziemlich lebhaft schwirrten. Es war das letzte Mal, dass ich ihren „Gesang“ hörte. 18. August: Der Rückzug von Pratincola rubetra und Sazieola oenanthe — nur junge Vögel — beginnt. Am Haffufer Alcedo ispida. Abends ziehen 7 Wildgänse niedrig nach SW. Am 19. u. 20. August stellen sich mehrere Coccothraustes coccothraustes auf den fruchtbeladenen Kirschbäumen bei der Försterei Grenz ein. 26. August: Cerchneis tinnuncula in mässiger Zahl auf dem Durchzuge. Im Walde zeigen sich alle Meisen sowie Frin- gilla coelebs in grosser Zahl, offenbar auf der Wanderung be- griffen. Ich erlege einen Lanius collurio $ ad., dessen Magen nur mit Käferresten angefüllt ist, wie bei allen bislang hier geschossenen. Filarien finden sich nicht vor. 29. August: Muscicapa atricapilla beginnt den Rückzug. An der See neben vielen Larus fuscus eine L. argentatus juv. Das Exemplar wird erlegt. 2. September: Fischer überbringen mir ein $ juv. von Orex crex. Sie gewahrten den Vogel gegen 7 Uhr morgens bei klarem Wetter etwa 7 Seemeilen nördlich von Brüsterort, wie er von NNO. über das Meer geflogen kam. Er versuchte es, sich auf das Boot niederzulassen, verfehlte jedoch sein Ziel und wurde aus dem Wasser herausgefischt. Der Zug des Wachtel- königs ist also bereits im Gange, während die jungen Vögel bei uns noch lange nicht erwachsen sind; denn vor wenigen Tagen erhielt ich in Grenz einen Orex, der etwa 5 Tage alt sein mochte. 248 Otto le Roi: 9. September: Im Hausgarten beobachte ich die erste Sitta caesia, welche ich auf der Nehrung zu sehen bekomme. Im Grenzer Walde zeigt sich Dryocopus martius. 12. September: Aus Sarkau erhalte ich Colymbus grise- gena, ein @ im Herbstkleide. 15. September: Turdus musicus eröffnet den Drosselzug. Motacilla alba in grösserer Zahl auf den Haffwiesen und den wenigen Äckern um Grenz, darunter auch einige junge Budytes flavus. Im Walde Dryocopus martius, wohl der gleiche Vogel wie am 9. Er kommt mir in der Folgezeit noch häufiger zu Gesicht. 17. September: Bei Grenz die ersten Turdus pilaris und Pyrrhula pyrrhula. Der Mageninhalt der Gimpel besteht nur aus Kronen von Sorbus aucuparia und einer Menge kleiner Steine. 18. September: Hippolais hippolais wandert in einem Meisenschwarm. Erithacus phoenicurus zahlreich im Walde. 21. September: Muscicapa grisola zeigt sich noch im Grenzer Walde. Ein erlegtes Exemplar ist von auffallend grauer Färbung im Gegensatze zu der der Brutvögel. Ich erhalte einen Siercorarius parasiticus im Jugendkleide, an der See ge- schossen. 22. September: Der erste Turdus iliacus wird gefangen. Bei Grenz beobachte ich ein Paar FPasser domesticus, welche Art ich sonst niemals an der Försterei bemerkt habe. Im Walde ein junges d Picus viridis. Alcedo ispida in 2 Exem- plaren am Haff. Eisvögel zeigen sich von jetzt an häufiger. 26. September: Im Grenzer Walde 2 Dryocopus martius. 1. Oktober: Auf den Feldern bei Rossitten erlege ich 1 Lanius excubitor maior, sowie ein @ ad. ÜCerchneis tinnuncula. Der Turmfalke hat im Magen eine Arvicola arvalis. 2. Oktober: Von Grenz wird mir ein @ Dryocopus martius zugesandt. 5. Oktober: Ich erhalte ein @ juv. Bernicla brenta von Grenz. Der Vogel war auf einem Acker beim Forsthause ein- gefallen und zeigte sich derartig vertraut, dass sich der Schütze ihm bis auf eine geringe Entfernung nähern konnte. Die Art ist höchst selten auf der Nehrung und wurde bisher erst einmal bei Rossitten beobachtet. 7. Oktober: Lanius excubitor maior ist heute bei Rossitten an verschiedenen Stellen zu sehen, ebenso am folgenden Tage. Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 249 Am Dohnenstiege wurden am 6. Buteo buteo und Aceipiter nisus erlegt, da beide im Verdacht standen, sich an den ge- fangenen Drosseln vergriffen zu haben. Der Sperber hat in der Tat eine Turdus im Magen; dagegen entnehme ich dem Kropf des Bussards zwei Rana arvalis, seinem Magen zwei Arvicola arvalis. Nach meiner Abreise von der Nehrung sind mir ver- schiedentlich kleine Sendungen und Nachrichten von Grenz zu- gegangen. Von Interesse dürfte ein $ Dendrocopus minor sowie eine typische Sitta europaeu homeyeri sein, welche am 9. Novbr. in meine Hände gelangten. Schliesslich kann ich sogar noch von der am 23. November erfolgten Erlegung eines bubo bubo durch Fritz Marquardt im Grenzer Walde nahe dem Sarkauer „Aus- bau‘ berichten. Es ist dies der erste Fall vom Vorkommen des Uhu’s auf der Nehrung selbst. Bisher wurde er in der Liste der Nehrungsvögel nur auf Grund eines Exemplars aufgeführt, welches vor langen Jahren bei Memel erbeutet worden ist. Anhang. L Zur Säugetier-Fauna der Kurischen Nehrung. Während meines Aufenthalts im Seebade Cranz widmete ich die mir zur Verfügung stehende Zeit vorzugsweise der Er- forschung der Vogelwelt des südlichen Teils der Kurischen Nehrung, doch vermochte ich nebenher auch eine Anzahl Notizen über das Vorkommen der dortigen Säugetiere, Amphibien und Reptilien zu sammeln. Da sich meines Wissens in der Littera- tur noch keine diesbezüglichen Angaben vorfinden, gebe ich auf Wunsch des Herrn Thienemann meine Aufzeichnungen an dieser Stelle wieder. 1. Vesperugo noctula K. et Blas. Die Beobachtung der Fledermäuse bietet so mancherlei Schwierigkeiten, dass es nicht leicht ist, in wenigen Monaten auch nur eine annähernde Kenntnis der Chiropteren-Fauna einer Gegend zu erlangen. Mehr oder weniger ist man stets auf den Zufall angewiesen. So kamen mir trotz zahlreicher abendlichen Wanderungen im Cranzer und Grenzer Walde nur dann und wann Fledermäuse zu Gesicht. Erst durch besondere Umstände erlangte ich die Gewissheit, dass eine recht grosse Anzahl dieser Tiere den Wald bewohnte. Wie schon früher erwähnt, befand 250 Otto le Roi: sich im Grenzer Reviere eine alte, hohe Espe, in welcher im Winter 1901/02 ein Schwarzspecht sich eine Schlafstelle ge- zimmert hatte. Da aus dieser Höhlung schon seit längerer Zeit am hellen Tage häufig ein feines Piepen und Quieksen ertönte, bestieg ich am 7. August mit Hülfe einer langen Leiter den Baum, um die Uhrheber der Töne zu ermitteln. Zu meiner Überraschung fanden sich in einer Spalte, welche am Ende der Höhle die Espe von unten nach oben durchzog, zahlreiche Fledermäuse vor. Papier und Feuer war bald zur Stelle und in kurzer Zeit taten Rauch und Hitze das Ihrige, um die Tiere aus ihrem Schlupf- winkel herauszutreiben. Etwa 15 entkamen, während 46 er- griffen wurden und in einen — Wurstbeutel der Frau Förster wandern mussten. Einen Beweis für das feine Witterungsver- mögen der Fledermäuse lieferte folgende Beobachtung. Ich hatte den Beutel mit seinem lebhaft piependen Inhalt auf einen Tisch am Forsthause vor mich hingelegt. Die Töne lockten den Hauskater herbei, der sich langsam näherte. Als er noch einige Schritte entfernt war, verstummte plötzlich das Konzert und wurde, trotz allen Reizens, nicht eher wieder aufgenommen, bis der Kater sich entfernt hatte. Eine mehrmalige Wiederholung des Versuchs hatte anfangs stets den gleichen Erfolg, sodass das unvermittelte Schweigen der Tiere entschieden mit der Anwesen- heit der Katze in Zusammenhang steht. Sämtliche Gefangene erwiesen sich als der Art Vesperugo noctula angehörig, zeigten aber erhebliche Unterschiede in Grösse und Färbung. Extreme besassen die Spannweite 36 cm und 27 cm. Die Farbe wechselte vom dunklen graubraun bis zum hellrost- farben. Zu zwei Dritteln waren es Tiere vom gleichen Jahre. Die Männchen überwogen die Weibchen sehr an Zahl. Einige Exemplare päparierte ich für die Vogelwarte und meine Kollection, den übrigen wurde mittags die Freiheit wiedergeschenkt. Sie flogen kurze Zeit mit grosser Sicherheit im hellen Sonnenschein umher, bevor sie verschwanden. Es bleibt mir nur unerklärlich, warum die Fledermäuse am Tage und ohne äusseren Anlass in ihrem Schlupfwinkel ihre Stimme ertönen liessen. — Wenige Tage später war der Baum wieder bewohnt und Ende August zählte ich beim Ausflug der Tiere aus der Schwarz- spechthöhlung über 40 Stück. Das Ausfliegen begann in der Regel kurz nach Sonnenuntergang, mitunter auch etwas früher Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 251 oder später, und die Fledermäuse verteilten sich dann auf die Waldungen und Schneisen über das ganze Revier. — In der Folgezeit fand ich noch mehrere bewohnte Bäume im Grenzer Walde — einer enthielt 20 Tiere —, ferner entnahm ich am 24. August aus einer Spechthöhle in einer Erle ganz am Ende des Sakauer Waldes 5 Vesperugo noctula, und schliesslich sah ich bei Herrn Thienemann auch ein Exemplar aus Rossitten, sodass diese Art auf der Nehrung sehr häufig und verbreitet zu sein scheint. 2. Vesperugo serotinus (K. et Blas). Ein $ wurde beim Erneuern des Daches der Apotheke in Cranz unter den Ziegeln gefunden und der „kuriose Vogel“ mir überbracht. Gewiss finden sich noch weitere Species, zumal um Rossitten, vor. Dort sah ich wiederholt abends kleine Fledermäuse (V. pi- pistrellus?) umherflattern. Bei dem bekannten Präparator Schuch- mann in Königsberg sah ich am 7. August mehrere Vespertilio dasyeneme Boie, welche in einer Kirche nahe dem Pregel ge- fangen waren. 3. Talpa europaea L. Allenthalben auf der Nehrung an geeigneten Orten recht zahlreich. 4. Orossopus fodiens Wagl. Im Mai und September bei Grenz gefunden. 5. Sorex vulgaris L. Einige Exemplare fand ich im April im Cranzer Wald. 6. Erinaceus europaeus L. Im Museum der Vogelwarte steht ein Igel aus der Rossitter Gegend. 7. Canis vulpes L. Recht häufig in den Wäldern der Nehrung. 8. Meles taxus (Pall.). Ein bewohnter Dachsbau befindet sich in den Kunzener Büschen. 9, Mustela martes Briss. 10. M. putorius L. 252 ve Otto le Roi: 11. M. erminea L. und 12. M. vulgaris Briss. sind nach Aussage der Forstbeamten in geringer Zahl vertreten. Mir ist nur M. vulgaris bei Cranz zu Gesicht gekommen. 13. Mustela lutreola L. Wie Herr Thienemann in der deutschen Jäger-Zeitung 1901, Band 37, p. 158 berichtet, wurde auf dem Bruche bei Rossitten von seinem Schwager ein Tier gesehen, welches nur ein Nörz gewesen sein kann. Die Möglichkeit eines Vorkommens auf der Nehrung liegt nahe, da schon wiederholt Nörze in Ostpreussen erbeutet wurden, so zuletzt im Januar 1902 im Ibenhorster Revier. 14. Lutra vulgaris Erxl. Die unverkennbaren Fährten vom Fischotter habe ich öfter im Sande des Haffufers südlich von Grenz wahrgenommen. 15. Phoca anellata Nills.!) Auf der Ostsee sind Seehunde keine besondere Seltenheit. Ein junges Tier dieser Art erhielt ich am 28. April. !) Die am häufigsten an der Nehrung. vorkommende Robbenart ist meinen Beobachtungen nach Halichoerus grypus, die Kegelrobbe. Ich erhielt folgende Exemplare: Im Oktober 1900 ein altes Stück mit abnorm verdickten Zahnwurzeln. Dasselbe war in’s Haff eingedrungen, hatte bei Cranzbeek, dicht an der Landungsstelle, einen Schuss bekommen und war dann bei Kunzen, etwa 5 Meilen nordwärts, von einem Hirten am Strande liegend totgeschlagen worden. f Am 12. Januar 1902 ein junges Exemplar im Übergangshaarkleide. Am 13. April 1902 ein junges Stück im Säuglingshaarkleide und ein ebensolches am 11. Mai 1902, dass ziemlich weit vom Strande entfernt an der Vordüne gelegen hatte und lebend gefangen worden war, mir auch lebend gebracht wurde. Als selten und sehr interessant für Ostpreussen ist ferner zu be- richten, dass ich am 8. März 1902 eine Phoca vitulina L. erhielt. Dieselbe war etwa 1 Meter lang. Die Identität ist nach eingesandten Kieferstücken von Herrn Prof. Dr. A. Nehring festgestellt worden. Am 30. November 1899 bekam ich von Pillkopper Fischern das frischabgezogene Fell einer Robbe, das der Zeichnung nach zu urteilen vielleicht einer Ringelrobbe angehört. Der Schädel war leider verloren gegangen. Die Behaarung ist viel rauher und borstiger wie die der Kegelrobben, die Färbung dunkel gelbbraun mit hellen, teilweise ring- förmigen Flecken. Die meisten der angeführten Robben wurden am Strande liegend erbeutet, einige auch im Netz gefangen. Im August 1902 hatte ich Gelegenheit, eine am Seestrande liegende Robbe aus nächster Nähe von Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 253 16. Seiurus vulgaris L. Im Cranzer und Grenzer Walde recht häufig. Ich sah nur die gewöhnliche Färbung. 17. Myoxus avellanarius L. Am 17. Juni befand ich mich auf der Nestersuche in einem sehr dichten Kieferngebüsch zwischen dem „Verlobungswege“ und den Dünen im Cranzer Walde. Da gewahrte ich ein eigen- tümliches Nest etwa 3 m hoch auf einem dünnen Stämmchen. Ein nicht gerade heftiges Schütteln der Kiefer hatte den Erfolg, dass das Nest auseinanderfiel und ein fuchsrotes Etwas auf dem weichen Nadelpolster vor meinen Füssen aufschlug. Es war Myozus avellanarius, vom Sturz betäubt oder noch schlafend, da er ruhig, ohne Fluchtversuch auf meiner Hand liegen blieb. Das Nest, eine halbkugelige Mulde, war sehr locker in den schwanken Zweigen angebracht. Es bestand ausschliesslich aus ganz lose verwebter Samenwolle und wenigen grünen Blättern einer in der Nähe wachsenden Salix-Art. Das Nest sollte jedenfalls noch überwölbt und mit einer äusseren Hülle umkleidet werden, und der Baumeister hielt ein Ruhestündchen im halbfertigen Bauwerk ab. Am 15. Juli entdeckte ich unweit dieses Fundortes, nur wenige Schritte seitlich von dem jetzt, in der Hochsaison viel- begangenen „Verlobungswege‘‘ wiederum ein Nest der Haselmaus mit 4 noch blinden und nackten Jungen. Dieses stand in einer Astgabel einer dürftigen Erle, 1,70 m hoch, war von spindel- förmiger Gestalt und hatte eine Höhe von 20 cm, einen Durch- messer von 12 cm. Am Neste waren zwei Schichten zu unter- scheiden. Die äussere wurde gebildet aus locker verwebten Gras- halmen und Erlenblättern, welche teilweise offenbar in frischem Zustande verwendet und nun getrocknet waren. Die innere Schicht erwies sich als eine mässig dicht verfilzte Kugel aus Samen- wolle und Blättchen von Weiden. Auf einer Seite befand sich eine kleine Öffnung. — Die Haselmäuse verfahren beim Bau der Vordüne aus lange Zeit zu beobachten, wie sie sich von der Schälung bespülen liess und dazu die wunderlichsten, scheinbar Wohlgefallen aus- drückende Bewegungen mit Schwanz und Vorderflossen ausführte. Ich habe beobachtet, dass manche der auf den Nehrungsstrand kommenden Robben irgend einen Schaden an sich trugen. In diesem Frühjahre (1902) war die Klage der Fischer über die Seehundsplage gross. Schockweise wurden die Dorsche von den Angeln abgefressen, sodass nur noch die Köpfe am Haken hingen. . .J. Thienemann. 254 Otto le Roi: ihres Nestes demnach in der Weise, dass sie zunächst von unten an die innere Kugel herstellen und diese schliesslich mit Blättern und Halmen umkleiden. 18. Mus decumanus Pall. Allenhalben auf der Nehrung zahlreich, sogar in der ein- samen Försterei Grenz, ebenso 19. M. musculus. 20. M. syWaticus L. Um Rossitten findet sich die Art recht häufig. 21. M. agrarius Pall. Mehrere Exemplare sah ich in Rossitten im September und Oktober. 23. Mus minutus Pall. Auf den Äckern um Grenz nicht selten. Im September zeigten sich die Zwergmäuse in den reifenden Roggenfeldern zahlreich. 233. Arvicola arvalıs Pall. Auf der Rossitter Feldflur häufig, bei Grenz sparsam. Die untersuchten Exemplare erwiesen sich als A. a. arenicola de Selys. 24. Lepus timidus L. In mässiger Anzahl vorhanden. 25. Alces palmatus Gr. Das Elchwild hat sich den Angaben der Förster zufolge um das Jahr 1880 auf der Nehrung eingefunden. Sein gegen- wärtiger Bestand beläuft sich auf etwa 50 Stück, von denen sich weitaus die Mehrzahl im Rossitter Walde aufhält. 26. Cervus capreolus L. Häufig in allen Waldungen. Vollkommene Albinos sind wiederholt bei Rossitten vorgekommen. 27. ? Delphinus sp. Während meines Aufenthalts in Cranz wurden mehrfach von Fischern Delphine auf der See gefangen. Von zwei am 15. April erbeuteten Tieren erhielt ich ein junges Exemplar. Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. 255 II. Reptilien und Amphibien der Kurischen Nehrung. Reptilia. 1. Lacerta vivipara Jacq. Häufig im Cranzer und Grenzer Walde. Am 6. April, bei Sonnenschein und kaltem N. beobachtete ich an geschützten Orten die ersten Eidechsen. Es hatte die Nacht vorher gefroren. Öfter fand ich sich sonnende Lacerten auf den Zweigen niedriger Fichten. 2. Anguis fragilis L. Bis Sarkau hinauf im Walde verbreitet. In der Sarkauer Plantage ist mir nie eine Blindschleiche begegnet. Die erste griff ich im lichten Gebüsch nahe dem Rettungshause am 6. April. 3. Tropidonotus natrix (L.). Im Cranzer und Grenzer Walde kommt die Art sehr zahlreich vor, nur vereinzelt tritt sie auf in der Sarkauer Plantage, fehlt dagegen völlig in der Umgebung von Rossitten. Zuerst sah ich mehrere Ringelnattern am 6. April an einem sonnigen, kurz- rasigen Abhange des Cranzer Waldes. Schon am 9. Mai fand ich sie in copula und zwar eine Reihe von Paaren, ein ziemlich früher Termin! 4. Vipera berus (L.). Die Kreuzotter bevölkert die Wälder zwischen Cranz und Sarkau ebenso häufig wie Tropidonotus natrix, kommt aber nur sparsam und selten im Sarkauer Walde vor. Die „Oase“ Rossitten ist vollständig schlangenfrei. Demnach vermögen die Ophidier die Sandwüste zwischen Sarkau und Rossitten nicht zu über- winden. Zwar sind sie — wenigstens die Ringelnatter, die ich häufig im Haff antraf — imstande, zu schwimmen, aber die in Frage kommende im Wasser zurückzulegende Strecke dürfte zu ausgedehnt sein für die Schwimmkunst einer Schlange. Die ersten Kreuzottern beobachtete ich an dem gleichen Tage, wie die ersten Waldeidechsen, Blindschleichen und Ringel- nattern, am 6. April am selben Orte wie letztgenarnte Art. Darunter befand sich ein Exemplar der Variation prester, welche Varietät so häufig vorkommt, dass ihr ein Drittel der sehr zahl- reichen von mir beobachteten Tiere angehört. Bei sämtlichen Exemplaren war die Unterseite der Schwanzspitze von gelblicher Färbung. Die Länge der grössten erbeuteten „Höllennatter“ be- trug 70 cm. Ottern gewöhnlicher Färbung von gleicher Stärke habe ich verhältnismässig viele gesehen. 256 Otto le Roi: Ornithologischer Bericht von der Kurischen Nehrung. Die letzte Vipera berus, ein @ von rotbrauner Farbe, tötete ich am 25. September im Grenzer Walde. Es ist auffallend, dass mir trotz der grossen Häufigkeit des gefährlichen Reptils kein Fall bekannt geworden ist, dass Menschen gebissen wurden, während ich wiederholt von gebissenen Hunden gehört habe. Amphibia. 1. Rana esculenta L. Der Wasserfrosch findet sich am Haffufer in mässiger Anzahl. In Rossitten sah ich auffallend grosse Exemplare, vielleicht die Variation R. ridibunda Pall. 2. Rana muta Laur. Diese Art ist an zusagenden Stellen allenthalben zahlreich, auch in der Umgebung von Rossitten. Bei Nord- und Nordwest- wind habe ich wiederholt auf der Nehrung sowie bei Rantau an der Nordküste des Samlandes beobachtet, dass die hochgehenden Wogen Grasfrösche mit sich führten und an den Strand warfen, die meistens noch Leben zeigten und auf dem Trockenen bald munter wurden. So sah ich am 9. Oktober, meinem letzten Tage auf der Nehrung, auf der Rückfahrt von Rossitten nach Cranz allenthalben auf dem Ufersande ausgeworfene Frösche. 3. Rana arvalis Nillsson. An Wassergräben und feuchten Stellen kommt der Moorfrosch häufig im Cranzer, Grenzer und Sarkauer Walde vor, ebenfalls bei Rossitten. 4. Bufo vulgaris Laur. Hat die gleiche Verbreitung wie die vorige Art und ist recht häufig. 5. Bufo calamita Laur. Am 19. Mai ertönte aus mehreren Löchern an einem Graben- rande bei der Rossitter Gemeindewiese am hellen Tage das Geschrei von Kröten. Ein ausgegrabenes Stück erwies sich als eine Kreuzkröte. 6. Pelobates fuscus (Laur.). Ein ausgewachsenes Exemplar der Knoblauchskröte fand ich am 20. Mai auf einem Rohrstubben im Rossitter Bruche. 7. Triton vulgaris (L.). Den Streifenmolch traf ich im Herbste in Cranz an. 257 Tierleben in einem Taubenschlag in Basel von Dr. phil. L. Gough, Assistent an den Sammlungen des Zoologischen Instituts der Universität Strassburg. Durch die Güte des Herrn Direktor Hagmann hatte ich kürzlich Gelegenheit im Taubenschlage des Zoologischen Gartens zu Basel eine reiche darin vorkommende Fauna zu beobachten. Trotz der späten Jahreszeit, es war am 1. November, glückte es mir, nicht weniger als 9 Arten von Tieren, abgesehen von den Tauben und deren ständigen Ectoparasiten, zu finden. Davon gehören 4 zu den Spinnentieren, die übrigen 5 zu den Insekten. Alle bis auf die Fliegen liessen sich an ganz bestimmten Stellen finden, nämlich zwischen den Nistkästen und den Brettern, auf welchen die Nistkästen stehen, meistens jedoch auf der Unter- seite der Kästen sitzend. Hier ist eben ihr Versteck am Tage. Nur eine Einzige von den 9 Arten (Argas reflexus Latr.) lebt parasitisch von den Tauben selbst, die Andern leben entweder vom Unrat und den Abfällen der Tauben, oder sie fressen als Räuber ihre Mitbewohner. Die Ausbeute bestand in: 1. Chelifer cancroides L. Hievon fand ich im Taubenstalle nur ein einziges Exemplar; die Art scheint demnach daselbst ziemlich selten zu sein. 2. Chelifer granulatus C. Koch, ist in grossen Mengen unter den Nistkästen zu finden; hier spinnt sie sich kleine Cocons, welche innen glatt sind und wie Seide glänzen, auf der Aussenseite aber mit kleinen Stückchen Holz, Schmutz und dergleichen beklebt sind. Vielleicht werden diese Gespinste als Winterquartier gebaut, denn oft sind sie ohne Ausgang angelegt. 3. Chelifer meridianus L. Koch hat die gleiche Lebensweise wie die vorige Art, und ist ungefähr gleich häufig in dem Tauben- schlage zu finden. Diese Art ist eine Form, die in den Mittelmeerländern zu Hause ist. Die Beutetiere von den Cheliferarten sind mir, jedenfalls wegen ihrer geringen Körpergrösse, entgangen, sie werden aber wie gewöhnlich kleine Milben, Troctes und andere kleine Insekten sein. 4. Argas reflexus Latr. fand ich sehr häufig in den verschiedensten Altersstufen, von circa 2 mm bis beinahe 1 cm Grösse vor. Journ, f. Orn. LI. Jahrg. April 1903, 17 abB L. Gough: Tierleben in einem Taubenschlag in Basel. Bei einem Kixemplare konnte ich die Häutung beobachten. Die Haut springt zuerst ringlörmig, der Kante des Körpers folgend, auf; darauf wird zuerst die Kkückenplatte, und dann die Haut auf der Bauchseite und auf den Beinen abgestreift, Der Unterschied zwischen solchen Tieren, welche ganz ge- sättigt sind, und solchen, die längere Zeit gelastet haben, ist 80 gross, dass man sie anfänglich für total verschiedene Arten halten könnte. Die Kirsteren sind nämlich stark gewölbt, während die Letzteren ganz Hach, scheibenlörmig aussehen. 5, Tenebreo molitor L. Davon fand ich ein erwachsenes Exemplar neben sehr vielen Larven (Mehlwürmer), »Bie ernähren sich hier von allerhand Abfallstoflen, vornehmlich Pedern und morschem Holz, 6. Dermestes bicolor W. Von diesem Käfer fand ich 5 Ausge- wachsene und 4 Larven. Ihre Nahrung besteht in Federn. 7. Coenosia mollicula Wallen. Auf den lenstern des Stalles fing ich 4 Stück dieser Pliege. Zu ihr gehört jedenfalls eine Dipteren-Larve, welche in grossen Mengen im Taubenschlage zwischen den Kxerementen der Tauben zu finden ist, 8. Bine Keduvius-Larve, wahrscheinlich mit Keduwvius personatus L. identisch; ihre Beute dürfte wesentlich aus Fliegen und Microlepidopteren bestehen. 9. Meerolepidopteren-Larven, welche zu den Zineiden (Gattung Tinea) gehören, fanden sich in grossen Mengen; sie leben in Gehäusen und ernähren sich von ledern. Bisher liessen sie sich nicht sicher bestimmen, doch wird der Zuchtversuch später darüber Aufschluss geben. 259 Über den Zug des Stares mit besonderer Berlieksichtigung der Gätkesechen Ansleht über Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. Von Dr. F. Helm. „Bilden demnach die alten Stare im Verein mit ganz wenig anderen Arten die Vorhut des Frühlingszuges — zu den ersten Verkündern des wieder erwachenden Frühlingszuges zählt ganz besonders der Star: die ersten kleinen Flüge erscheinen Anfang Februar —, so kann man von den Jungen derselben sagen, dass sie den Zug von den Niststätten in das Winterquartier buchstäb- lich eröffnen, denn schon während der letzten Wochen des Juni treflen die ersten Flüge derselben ein; im Jahre 1880 schon am 15. des Monats, gewöhnlich kommen sie aber erst am 20. an, sich von da ab während 3—4 Wochen von Tag zu Tag an Zahl steigernd und mit Ende Juli ihren Zug beschliessend, Bedin- gung für den Zug dieser jungen Vögel ist Südostwind und warmes, schönes Wetter, in welchen Massen sie unter Umständen aufzutreten vermögen, bewies der Sommer von 1878 — mein Tagebuch giebt an: Juni 20, und 21, grosse Scharen junger Btäre; 22, 23. und 24. ungeheuer viel junge Stare; bis Ende dieses Monats täglich viele Tausende — Wind Büdost, Wetter still, klar, heiss; Juli vom 1, bis 12, Tausende und Zehntausende junger Stare täglich; nie 80 massen- haft hier gesehen; bis 16. täglich Flüge von Hunderten; am 25. nochmals sehr viel junge Vögel und hiermit schloss der Zug der jungen grauen Vögel ab. Nach einer Pause von 2 Monaten, während welcher kein Star gesehen wird, beginnt der Zug der alten Vögel in vollständig vermausertem, schwarzem, sehr gefiecktem Kleide, Im Jahre 1878 trafen die ersten nach Hunderten zählenden Scharen am 22, Bept. ein; des weiteren finde ich aufgezeichnet: den 2, und 7. Okt, grosse Massen alter Vögel; am 8, Flüge von Tau- senden; am 13, Krähen und alte Stare zu Zehntausenden; am 14. Krähen, viele Tausende, alte Stare Hunderte von Tausen- den... ., Dezember: vom 9. bis 18, Flüge von 40-—60 Stück, Damit schloss der Herbstzug jenes Jahres, und in so gewaltiger, sich jeder Schätzung der wirklichen Individuenzahl entziehender Massenhaftigkeit vollzieht sich der Zug Jahr auf Jahr, sodass ich in meinem Tagebuche sehr oft zu der Bezeichnung „Wolkenzüge* 17% 260 F. Helm: für die ungeheuren, in dichtgedrängter Masse dahinstürmenden, fast endlosen Scharen gegriffen habe. Nach dem Mitgeteilten bedarf es kaum noch eines Hin- weises, dass keine Art in so schlagender Weise als es die Stare tun, den unabhängig und ohne Begleitung ihrer Eltern unternommenen Herbstzug junger Sommervögel veranschaulicht, einesteils, weil die Färbung der Alten und Jungen eine so ver- schiedene ist, dass man das Alter der Vögel eines überhin- ziehenden Fluges, selbst in mehreren hundert Fuss Höhe sofort und ohne Mühe erkennen kann, und anderenteils, weil ein so grosser, fest begrenzter Zeitraum zwischen der Wanderzeit beider liegt. Wol erscheinen hin und wieder während der ersten Tage des Juni ganz vereinzelt alte Vögel, nicht nur der Stare, sondern beliebiger anderer Arten, meist immer in sehr abgetragenem Hochzeitskleide, aber dies sind Stücke, die entweder garnicht gebrütet, denen die Brut zer- stört oder die den Gatten verloren und infolge solcher Umstände ihre Niststätten vorzeitig verlassen haben; solche Individuen stehen aber in keiner Beziehung zu den 1 bis 2 Wochen später eintreffenden Jungen, die stets selbständig für sich allein wandern und deren Eltern ihnen, wie obige Daten nachweisen, erst nach vollendeter Herbstmauser, 2 Monate später folgen.“ Soweit Gätke in seiner Vogelwarte! Gehen wir nun auf diese Ausführungen etwas näher ein: 1. Wir erfahren daraus, dass Gätke seine Behauptungen hinsichtlich des Zuges der Vögel nach Alter und Geschlecht in erster Linie auf das Erscheinen der Stare gründet, indem er annimmt, diejenigen Stare, welche Ende September, im Oktober und November noch ziehen, seien alles alte Vögel. 2. Gätke sagt selbst, dass schon in den ersten Tagen des Juni vereinzelt alte Vögel, nicht nur der Stare, sondern be- liebiger anderer Arten meist immer in sehr abgetrage- nem Hochzeitskleid erscheinen. Gätke betrachtet diese Individuen als solche, die entweder garnicht gebrütet, denen die Brut zerstört oder die den Gatten verloren und infolge solcher Umstände ihre Niststätten vorzeitig verlassen haben. Dass Ende Juni alte Vögel in der Regel nur in sehr ab- getragenem Hochzeitskleide vorkommen können, leuchtet ja ohne weiteres ein, dass aber alle diese alten Vögel, welche zu dieser Über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 261 Zeit Helgoland besuchen, durch die von Gätke angeführten Un- glücksfälle zu vorzeitigem Zuge veranlasst worden seien, kann man, meiner Meinung nach, gerade so wenig sicher annehmen, als die von G. behauptete Tatsache, alle rotsternigen Blaukehlchen, die Helgoland im Frühjahre besuchen, seien in einer Nacht von Afrika dorthin geflogen. Es sind dies einfach Annahmen. Es sei mir an dieser Stelle, ehe ich meine Erörterungen fortsetze, eine persönliche Bemerkung gestattet. Schon wiederholt habe ich mich in unserer Gesellschafts- schrift, in dem Journal für Ornithologie, mit den Gätkeschen Ansichten über den Vogelzug beschäftigt. Es geschah dies aus dem Grunde, weil ich seit reichlich 30 Jahren mich ganz be- sonders mit ornithologischen Beobachtungen abgebe und speziell dem Zuge unserer Vögel meine Aufmerksamkeit gewidmet. Wenn ich auch jede Gelegenheit benutzt habe, einen Einblick über diese gewiss sehr verwickelten Verhältnisse zu erlangen, so weiss ich doch sehr wohl, dass auch eine lange Reihe von Jahren angestrengter Arbeit nicht dazu berechtigt, von andern Forschern aufgestellte Behauptungen anzuzweifeln — wenn man nicht das Gegenteil beweisen kann. Freilich ist in vielen Fällen das Auf- stellen einer Behauptung viel leichter als das Beweisen, dieselbe sei falsch. Trägt man aber berechtigte Bedenken gegen eine derartige Behauptung, so meine ich, soll man dieselben nicht verschweigen, denn nur dadurch, dass auch andere Forscher einem bestimmten Gegenstand ihre Aufmerksamkeit zuwenden, wird endlich die Wahrheit an den Tag kommen — das Suchen nach Wahrheit ist es, was mich immer wieder veranlasst, mich mit den Gätke’schen Ansichten zu beschäftigen. Seitdem ich Gätkes Beschreibung von Helgoland gelesen und die Insel zum ersten Male besucht habe, komme ich aus einem gewissen Zwie- spalt nicht heraus. Gätke äussert sich über die Beschaffenheit der Insel folgendermassen: „Waren die südlichen Rastplätze der Wanderer von Oliven und Palmen umstanden, so treffen hier, heut wie in ferner Vorzeit die Wanderscharen nur wüste Dünen- hügel und ödes Felsgeklüft an; kahl und rauh ist die Insel, keiner der Wanderer findet auf Helgoland das Endziel seiner Reise, alle eilen in unermüdlicher Hast vorbei; hier bringt der Frühling keine vom frohem Gesange begleitete Heimkehr zur ersehnten Niststätte.... .. . still ziehen die Scharen an diesem unwirtlichen Felsen vorüber, denn nicht bietet hier der Wald, noch ein Ge- 262 F. Helm: büsch, noch das wogende Kornfeld ein heimliches Plätzchen, wo ungefährdet die junge Brut aufzuziehen wäre.“ Ganz abgesehen von der Tatsache, dass da, wo heute die Nordsee ihre Wogen rollen lässt, in der „fernen Vorzeit‘‘ das Mammut und Nashorn, Löwen und Bären, sowie der paläolithische Mensch sich herumtummelten — die Fischer bringen mit ihren Grundnetzen auf der Doggerbank nach Plattfischen jagend, nicht selten Überreste vom Mammut, vom Bison, vom wollhaarigen Rhinozeros, von Renntieren, Elchen, Hyänen, Wildpferden etc. herauf —, die Inseln, welche heute die äussere Umsäumung unserer Nordseeküste bilden, sind Überreste des alten Nordsee- festlandes (Haas, Nordseeküste, Friesische Inseln und Helgoland, S. 20 und 21), also ein ausgedehntes Festland war, ist auch die Beschreibung der Insel von Gätke nicht ganz wörtlich zu nehmen, denn es fehlt dort weder an Gebüsch noch an Feldern. Nach Haas S. 136 besitzt Helgoland in der Gegenwart verschiedene, recht schöne Bäume, so den alljährlich reife Früchte tragenden, im Jahre 1814 gepflanzten Maulbeerbaum im Garten des Pastors, die Ulmen mit 1!/, Fuss Stammesdurchmesser am Fusse der Treppe, die Ahornbäume der Siemensterrasse im Unterland und noch andere mehr. Auf dem Oberlande ist der grösste Blumengarten der Insel, eine Gärtnerei, in der neben vielen anderen Zierpflanzen jährlich 4000 Rosenstöcke zur Blüte ge- langen... Bekannt ist der „Kartoffelallee‘ benannte Spazier- weg auf dem Oberlande, so benannt nach den an seinen beiden Seiten befindlichen Kartoffelfeldern. Daneben wird noch etwas Klee, Gerste und Hafer gebaut. Den Rest des Oberlandes nehmen Wiesen ein. Bei Niedrigwasser zeigen sich rings um das Eiland weite, submarine Wiesen von grünen, roten und braunen Algen und Tangen.“ So beschaffen ist der „unwirtliche Felsen“, das öde Fels- geklüft, so zeigen sich die „wüsten Dünenhügel.“ Aus den am Eingang angeführten Gätkeschen Citaten ist zu ersehen, dass im Herbst zuweilen „Hunderte von Tausenden“ oder „Wolkenzüge, d. h. ungeheure in dicht gedrängter Masse dahinstürmende, fast endlose Scharen‘‘ von Staren bei Helgoland vorbeiziehen. Es sollen dies nach G. alles alte Vögel im voll- ständig vermauserten schwarzen, sehr geflecktem Kleide sein. Woher weiss aber Gätke, dass diese „Wolkenzüge“ oder Hunderte von Tausenden aus lauter alten Vögeln bestehen? Nun aus dem Über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 263 Umstande „dass die Färbung der Alten und Jungen eine so ver- schiedene ist, dass man das Alter der Vögel eines überhinziehenden Fluges selbst in mehreren Hundert Fuss Höhe sofort und ohne Mühe erkennen kann“ — wenn, wie ich hinzufügen will, derartige Beobachtungen im Juli und August angestellt werden. Wenn aber ein Beobachter im October annimmt, dass alle von ihm beobachteten fliegenden Stare, die am Körper gefleckt sind wie an alten Vögeln auch alte Individuen seien, so ist er, gelinde ausgedrückt, unvorsichtig und kommt sicherlich zu ganz verkehrten Resultaten, denn es gibt, wie ich gleich hier constatieren will, im September und Oktober bei uns noch junge Stare, nun aber natürlich im vermauserten Zustande, in welchem viel- fach nur am Kopfe in der Nähe des Schnabels noch Reste des Jugendkleides sich finden!! Ehe ich diese meine Behauptung bestätigenden Tatsachen anführe, mögen erst einige Litteraturangaben folgen. Freilich enthält die ornitho- logische Litteratur nicht viele daraufbezügliche Angaben. Dieser Umstand beweist wieder einmal, recht deutlich, dass die Er- forschung unserer einheimischeu Vogelwelt noch lange nicht als abgeschlossen zu betrachten ist! Über Dänemark liegt folgender Bericht vor (Ornis 1895, S. 97): „Mitte Juni sind meistens die Jungen flügge und verlassen alsdann gleich nach 2—3 Tagen die Geburtsgegend. Sie werden von den Eltern tiefer in das Land hineingeführt, wo sie ausge- dehnte Wiesen und mit Röhricht bewachsene Weiher finden, in denen sie übernachten — zum Glück für unsern Kirschen! Im Oktober kommen sie wieder zurück zu ihren Nestern, uns mit hellen Flötentönen begrüssend, ganz wie im Frühling, besuchen auch ihre Nester und fangen jetzt schon an, sie zu reinigen.“ S. 98 heisst es dann: „Den 4. September 1879 schoss ich auf Amager einen jungen Star mit nach unten gekrümmten Oberschnabel.“ Jäger schreibt (Deutschlands Tierwelt, nach ihren Stand- orten eingeteilt, B. I, S. 322): „Sobald aber die Brütezeit ge- endet, schlagen sie sich in grosse oft nach Tausenden zählende Schwärme zusammen, welche sich nun ausschliesslich im offnen Kulturlande umhertreiben. Flüge aus Jungen der ersten Brut, gewöhnlich geführt von einigen Krähen, ziehen sich in die Kir- schengaue und richten unter dieser leckeren Baumfrucht beträcht- 264 F. Helm: liche Verheerungen an. Nach der Heuernte sind diese Scharen emsig mit dem Abfangen der Heuschrecken und dem Ausbohren der Engerlinge beschäftigt. Nach dem Einheimsen der Feld- früchte treiben sie sich auf den Stoppelfeldern umher und jetzt, wo auch die Jungen der 2. Brut zu ihnen stossen, ziehen sie sich nach den Weinbergen und hausen dort ebenfalls wieder in recht empfindlicher Weise.“ E. F. v. Homeyer äussert sich über diese Angelegenheit folgendermassen (Deutschlands Säugetiere und Vögel, ihr Nutzen und Schaden, S. 56): „Mit den Jungen begiebt er sich zuvörderst in Bäume, welche den noch schwachen und ungeübten Fliegern einen besseren Schutz gewähren als die freie Ebene. Aber auch für die Nahrung der Jungen ist um diese Zeit auf den Bäumen gesorgt, denn eben jetzt ist die Hauptflugzeit der Maikäfer. In 2—3 Tagen ist die Flugkraft der Jungen soweit gewachsen, dass sie sich zu grösseren Schwärmen vereinigen und solche Gegenden aufsuchen können, wo es reichlich Maikäfer giebt, später streichen sie — immer in Schwärmen — auf den Feldern umher, bis sie zum Herbste auch wieder mehr dem Pfluge folgen, dabei jedoch nie ihr geselliges Leben aufgeben etc.“ Ähnliches berichtet auch L. Brehm (Allgem. deutsche Natur- hist. Zeitung [im Auftrage der Gesellsch. Isis in Dresden heraus- gegeben von A. Drechler] 1856, S. 258/59). Er sagt unter anderem: „Sie zeigen eine bemerkenswerte Eigentümlichkeit. Sobald nämlich ihre Jungen der 2. Brut, wenn sie eine solche machen wollen, flugbar sind — nisten sie nur einmal im Jahre, dann geschieht es früher — verlassen sie in grossen Schwärmen die hiesige Gegend und halten sich in den. stundenweit von ihr entfernten Ebenen auf; die Nacht bringen sie in den Rohrwäldern der Teiche zu, in denen des Friessnitzer Sees schlafen Tausende — und warten dort ihre Mauser ab. Ist diese bei den Alten und Jungen ganz oder fast ganz vollendet, dann kehren sieanihreBrutorte zurück; dieJungen der 2. Brut findet man nicht selten noch stark im Federwechsel begriffen.“ In seinem Leben der Vögel S. 296 berichtet ferner Brehm folgendes: „Merkwürdig benimmt sich vor andern der Star. Dieser verschwindet regelmässig kurz nach seiner Brutzeit mit seinen Jungen vom Brutorte, um zu mausern, schlägt sich mit anderen Familien zu Banden zusammen, treibt sich in solchen Über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 265 unstät und flüchtig unter Tauben, noch lieber unter Krähen um- her, fliegt von einem Gau zum andern und fällt abends in Rohr- teiche ein. Wochenlang sieht man nicht einen einzigen vor seinem Brutkasten; aber anfangs September stellen sich sämtliche Paare wieder bei diesen ein, singen vor ihnen wie im Frühlinge, kriechen aus und ein, schlafen wohl auch in ihnen, während die in- zwischen vermauserten Jungen sich noch immer in Flügen zusammenhalten. Mitte Oktober treten die Alten wiederum diesen Haufen bei, und plötzlich sind sie abgezogen.“ In Brehms Tierleben III. Aufl. Vögel B. I, S. 384 endlich heisst es: „Unter Geleit der Eltern genügen den Jungen 3—4 Tage, um sich selbständig zu machen. Sie vereinigen sich dann mit anderen Nestlingen und bilden nunmehr schon ziemlich starke Flüge, die ziellos im Lande umherschweifen. Die Eltern schreiten während dem zur 2. Brut und suchen, wenn auch diese glücklich aus- gekommen, die ersten Jungen in Gesellschaft der 2. auf. Von nun an schlafen sie nicht mehr an den Brutstellen, sondern entweder in Wäldern oder später im Röhricht des Gewässer. Kommt das Ende des September heran, so treiben die Scharen ihr geselliges lustiges Leben weiter so fort; aber die alten Paare gehen jetzt an ihre Nester zurück, singen da morgens und abends, als wäre gar kein Winter vor der Türe, verschwinden aber aus Deutschland und ziehen samt der lieben Jugend nach Süden, sobald die ersten starken Fröste eintreten oder der erste Schnee die Fluren deckt.“ In einem Artikel über „Bekämpfung einer ausgedehnten Blattwespenkalamität durch Vögel“ (Orn. Monatsschr. 1898, S. 90 —91) sagt Altum: „Schwärme bilden bereits anfangs Sommer die flüggen Jungen der 1. Brut, denen gegen Ende Sommer die der 2. Brut folgen, und schliesslich vereinigen sich alt und jung im Herbst zu grossen, weiter umherschweifenden Schwärmen, wie man solche alljährlich namentlich auf grossen Wie- sen und Weideflächen antrifft. Diese entfernen sich erst dann gänzlich aus der Gegend, wenn ihre Nahrung zu dürftig oder durch eingetretenen Frost oder Schneefall und dergl. nicht mehr erreichbar geworden.“ In seiner Forstzoologie B. II, S. 338/39 findet sich von demselben Gewährsmann herrührend folgendes: „Sobald die Jungen erwachsen sind, zuweilen schon Ende Mai, scharen sie sich in Flüge zusammen, und man hört dann überall ihr Schreien, 266 F. Helm: was sich im Juli und August verliert. Sie bestehen dann ihre 1. Mauser, während deren sie wegen der ausserordentlich grossen Ungleichheit ihres 1. und späteren Kleides sehr auffällig aussehen. Sie scheinen sich kurz vor Eintritt dieses Prozesses weit fort zu begeben. Auch die Alten sind plötzlich, etwa Mitte August, verschwunden. Vorher wimmelte alles von Staren, dann sieht man keinen einzigen, und wenn sie über einige Wochen wieder erscheinen, tragen sie ihr neues, völlig ausgebildetes Winterkleid. Während die völlig flüggen Jungen sofort die Brutstellen verlassen, schicken sich die Alten gar bald zur 2. Brut an. Ist auch diese flügge, dann gehen auch sie. Fern von diesen Plätzen schweift dann draussen alles umher.“ Im Journal f. Ornith. 1889, S. 250/51 zählt Leverkühn fol- gende im Strassburger Museum befindlichen Stare auf, welche in mehr oder weniger normalem Jungenkleide sich befinden: 1 Männ- chen den 15. Juli 1854, 1 Weibchen am 28. August 1856 und 1 Exemplar den 25. August 1854 bei Strassburg erlegt. Nach- stehende auf die Mauser sich beziehende Angaben mögen gleich folgen. Lindner traf die Stare Mitte August in dem interes- santen Übergangskleide an (Ornith. Monatsschr. XXVI), v. Führer schoss in Montenegro im August 1899 2 junge noch nicht aus- gefärbte Vögel in der Umgebung von Plav (Orn. Jahrb. 1901, S. 48). Des weiteren liegen über das Erscheinen junger oder junger und alter Stare zusammen folgende Angaben vor. In Steiermark erschienen den 27. November 3 junge Vögel bei den neu aufge- richteten Bruthäuschen (Suppl. z. Ornis 1888, S. 109). Bei Spalato (in Dalmatien) zeigte sich am 15. August 1884 ein Zug von Alten und Jungen (Ornis 1887, S. 96). In der Rheinpfalz eröffnen nach den Gebrüder Heussler die Jungen Ende Juli den Zug, während die letzten, meist alte Vögel, Mitte November ab- ziehen (Ornis 1896, S. 498). In Bayern trieben sich 1899 bei Oberbeuern am 29. September grosse Flüge, Alte und Junge gemischt, auf den Feldern umher (II. Jahresb. d. Ornith. Ver. München S. 138). Nun zum tatsächlichen Beweis, dass im Herbst junge Stare im vermauserten Kleide vorkommen! Bei meinen im Laufe des Septembers v. J. an die Frohburger Teichen unternommenen Ex- kursionen traf ich fast regelmässig unter den Starenscharen im Federwechsel begriffene, daher sehr auffällige Junge an. Um aber Über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 267 Gewissheit zu erlangen, ob diese Erscheinung auch anderweitig vorkommt, wandte ich mich an einige in den verschiedenen Ge- genden Deutschlands wohnende Ornithologen und erhielt von denselben die nun anzuführenden Berichte, wofür ich auch an dieser Stelle den betreffenden Herren nochmals meinen verbind- lichsten Dank ausspreche. Herr Leege auf Juist schrieb am 8. November unter anderem: „Von den vor 4 Wochen geschossenen Staren zeigten noch viele den lichtgrauen, jugendlichen Kopf bezgl.das Übergangskleid zum Winter. Viele mausern augenblicklich stark.“ Herr Thienemann, Vogelwarte Rossitten, teilte mir am 17. Oktober mit: „Im allgemeinen ist zu sagen, dass jetzt nicht mehr viel Stare hier sind im Vergleich zu den unglaublichen Massen, die sich im Sommer (Juni, Juli, August) hier umher- trieben. Alle die jetzt erlegten Vögel waren diesjährige Junge, die teilweise sogar noch in der Mauser waren, namentlich am Kopfe, wo sich noch braune Partien des Jugend- kleides vorfanden, zwischen denen die neuen Federn als Blutkiele hervorkamen. Die Flüge, die sich sehr zerstreut hier umher- treiben, bestehen aus 5, 10, 20, zuweilen auch 30 Stück. Gegen Abend tun sich dann mehrere kleine Gesellschaften zusammen. Wahrscheinlich sind alle, die hier noch sich aufhaltenden Stare Nachzügler, die sich der nicht vollendeten Mauser wegen, ver- spätet haben.“ Durch das liebenswürdige Entgegenkommen eines auf der Insel Röm ansässigen Herren erhielt ich Anfangs Oktober 10 dort erlegte Stare. Die Hälfte derselben bestand aus alten, die andere Hälfte aber aus jungen Vögeln, welche in der Herbstmauser begriffen waren, denn am Kopfe trugen die- selben noch stellenweise Federn des Jugendkleides, so besonders am Unterschnabelwinkel, zu beiden Seiten der Kehle, in der Umgebung der Augen und der Ohren. Herrn Dr. Hornung, welchen ich um das Vorkommen junger Stare betreffende Mitteilungen gebeten, verdanke ich folgende interessante Angaben: „Alljährlich stösst man in den Tages- zeitungen vielfach auf die Ankündigung: „Die Stare sind wieder eingetroffen,“ da in den Kreisen der weniger Eingeweihten die Ansicht vorherrscht, dass die Stare allesamt im Herbst ihr süd- liches Winterquartier aufsuchen. Eingehende Beobachtungen haben aber längst ergeben, dass namentlich in milden Wintern eine 268 F. Helm: beträchtliche Anzahl dieser fröhlichen Gesellen der Heimat treu bleibt und auch in der trüben Zeit geduldig an der Geburtsstätte festhält. Der aufmerksame Beobachter wird nicht selten auf den Äckern kleinere Flüge unseres Starmatzes antreffen, die teils für sich allein, teils in Gesellschaft anderer Vögel weit und breit die Gefilde durchziehen. Im Winter 1901 beobachtete ich Stare, die am frühen Morgen jubelnd und schwatzend ihrer Herzensfreude Ausdruck gaben, obgleich der Junker Lenz einstweilen seine Herrschaft noch nicht antreten konnte, da das Thermometer in der Nacht vorher —11° gezeigt hatte. In demselben Jahre be- obachtete ich Stare am 7., 8., 23., 28., 29. Dezember und am 2. Januar, die die Winterlandschaft besangen und gelegentlich auch ihren Bruthäuschen einen Besuch abstatteten. Am 5. Januar d. J. bemerkte ich ebenfalls einen Flug Stare, und in der folgen- den Zeit unterhielten uns einige dieser lustigen Gesellen fast täglich mit ihrem lieben Gesange, selbst als das Thermometer zur Nachtzeit auf —16° sank, belebten sie am folgenden Morgen musizierend die Baumwipfel. Ich bin nun auf Grund mehrjähriger Beobachtungen zu der Überzeugung gelangt, dass der Star in unseren Breiten Anspruch darauf hat, wenn nicht als Standvogel, so aber doch mit Fug und Recht als Strichvogel bezeichnet zu werden. Die von mir beobachteten überwinternden Stare, die ich aus gemessener Entfernung bestimmen konnte, musste ich als alte Exemplare ansprechen, während ich junge Tiere in dem Bezirk (neu Bielefeld) nicht antraf. Die jungen Stare trieben sich nach dem Flüggewerden zu grossen Scharen vereint auf Äckern und Wiesen umber, waren aber im November verschwunden. Alte Vögel dieser Art traten dagegen während des ganzen Winters auf und hatten nicht selten unter den Un- bilden der Witterung sehr zu leiden. Junge Stare traten in südlicheren Gauen auch im Winter auf.“ Herr Berge in Zwickau, welchen ich in dieser Angelegenheit um Auskunft gebeten, hatte die Liebenswürdigkeit, mir nach- stehenden Bericht zu übermitteln: „Betreffs der Stare war ich immer der Meinung, dass sich auch unter den spät abziehenden Scharen Junge befänden, was mir auch der Augenschein zu be- stätigen schien. Diesmal habe ich mein Augenmerk auch auf erlegte Vögel gerichtet. Windisch, ein Präparator in Planitz (b. Zwickau) schoss im September wiederholt Junge neben den Alten, erstere lagen noch in der Mauser, und zeigten Über den Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 269 das Übergangskleid, sodass er sie nicht benutzen konnte und wegwarf. Dasselbe kam wiederholt bei Riedel, einem Präparator hier, vor und noch am 21. Oktober sah ich bei diesem ein eben eingeliefertes Junges, das noch nicht ganz aus- gemausert hatte und an dem vielen Grau der Oberseite mit nur stellenweise etwas Metallglanz, den verschwommenen, trübgrauen hellen Federspitzen deutlich als solches zu erkennen war.“ Zum Schluss noch eine Böhmen betreffende Tatsache. Auf meine Veranlassung hin schoss mein Freund Herr Forstmeister Loos in Liboch a. E., gegen Mitte Oktober 5 Stare, davon behielt er einen jungen und einen alten für sich und übermittelte mir die 3 übrigen, von denen er zwei als junge und einen als alten Vogel betrachtete; tatsächlich war dies auch der Fall, denn um ganz sicher zu gehen, schickte ich diese 3 Stare, sowie 4 Stück von Röm und 2 von Juist an Herrn Prof. Dr. Reichenow, welcher die grosse Liebenswürdigkeit hatte, die Altersbestimmung zu über- nehmen, wofür ich ihm auch an dieser Stelle nochmals verbind- lich danke. Also auch in Böhmen waren unter 5 gegen Mitte Oktober erlegten Staren 3 junge und 2 alte, darunter 1 Junger nach der ersten Mauser (Reichenow). Welche Folgerungen ergeben sich nun aus den vorstehenden Ausführungen ? 1) Nach Brehm (Vater und Sohn), Altum, Jäger, E. F. v. Ho- meyer etc. halten sich nicht nur alte, sondern auch junge Stare bis zum Herbst bei uns auf, was auch die von mir angeführten Tatsachen bestätigen. Aber die jungen Vögel verlassen einige Tage nach ihrem Ausflug vielfach ihre Geburtsstätten und streichen der Nahrung und Mauserung halber, sowie auch, um geeignete Massen- schlafplätze zu haben, weit umher. 3) Dieses Herumstreifen ist jedoch nicht als Zug zu betrachten, weil eben auch im Herbst junge Stare noch bei uns vor- kommen, wie ausser durch die Angaben älterer Ornithologen durch die von Juist, Röm, Rossitten, Sachsen, Böhmen etc. angeführten Berichte bestätigt wird. 4) Eine genaue Untersuchung der im Herbst Helgoland pas- sierenden Stare muss demnach jedenfalls zu dem Resultate führen, dass die dort vorbeiziehenden Scharen auch junge Individuen enthalten. 2 nz 270 F. Helm: Zug der Vögel nach Alter und Geschlecht. 5) Um über den Zug des Stares Klarheit zu erlangen, dürfte es sich empfehlen, in den Monaten August, September und Oktober in möglichst vielen Gegenden Deutschlands und Oesterreich-Ungarns Stare zu erlegen und einem Ornitho- logen, vielleicht mir einzusenden. Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. Von Max Bartels (in Pasir Datar auf Java). Mit Bemerkungen von Dr. O. Finsch. Vorbemerkung. In sehr anerkennenswerter Weise hat sich der Verfasser bereits in einer Erstlingsarbeit?!) eingeführt, die nicht weniger als 239 selbst beobachtete oder gesammelte Arten verzeichnet, also mehr als die Hälfte aller bis jetzt von Java bekannten Vogelarten. In diesem Aufsatze sind nur die Wohngebiete der betreffenden Arten im allgemeinen angegeben, also nur kurze Notizen, die den lebhaften Wunsch erwecken, aus den reichen Erfahrungen und Beobachtungen des Verfassers mehr und ein- gehendere Mitteilungen zu erhalten. Im Nachfolgenden wird damit ein Anfang gemacht und ich freue mich, diesen ersten Beitrag dem altbewährten „Journal für Ornithologie‘“‘ übergeben zu können, in welchem vor mehr als 40 Jahren Dr. Bernstein seine, für alle Zeiten mustergiltigen Beobachtungen über Java- Vögel publizierte. Den Lesern des Journals und allen Ornithologen wird es indes gewiss willkommen sein, einiges über den Verfasser und neuen Mitarbeiter zu erfahren, der übrigens dem Fache schon von Jugend an als eifriger Genosse und Jünger angehörte. Im Alter von 12 Jahren fing Max Bartels nämlich bereits an, jede freie Zeit in Wald und Flur der Beobachtung der Vogelwelt zu 1) M. E. G. Bartels „Zur Ornis Javas“ in: Natuurkundig Tijdschrift voor Ned.-Indiö (Batavia) Deel LXI afl. 3. 1901. pp. 129— 172. — Eine im ganzen wenig zugängliche Zeitschrift, in der die zahlreichen Publikationen Dr. Vorderman’s meist vergessen blieben. M. Bartels: Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 271 widmen, wozu ja die Umgebung seiner Vaterstadt Bielefeld!), so reichlich Gelegenheit bot, Liebhabereien, die väterlicherseits be- greiflicherweise nicht unterstützt wurden. So musste anfangs das Ausstopfen recht heimlich betrieben werden; denn Max begnügte sich bald nicht mehr mit Beobachten seiner gefiederten Freunde, sondern fing frischweg eine Sammlung an. Das machte freilich schon als Schüler viele Mühe, noch mehr als B. sich später dem Kaufmannsstande widmete, der für ornithologische Bestrebungen höchstens freie Sonntage übrig liess, die dann von Tagesgrauen bis zur Nacht umso gründlicher ausgenutzt wurden. Inzwischen hatte Bartels in seinem Freunde und Mitschüler J. ter Meulen einen ebenso enthusiasmierten als kenntnisreichen Mitarbeiter gefunden. Nach vollendeter Dienstzeit als Einjähriger wurde nun B. in das grosse, väterliche Geschäft seines Freundes nach Amsterdam gezogen und hier, in dem schönen Hause Heerengracht 248, der Grund zu dem „Museum Bartels-ter Meulen,“ gelegt. Gegenwärtig wol die einzige, derartige Privatsammlung in ganz Holland überhaupt. Anfänglich nur in europäischen Tieren, hauptsächlich Vögeln bestehend, die Bartels, z. T. in Gruppen, vortrefflich ausstopfte, kamen in den letzten Jahren reiche Sendungen?) aus Java hinzu. Denn Bartels hatte es auf dem „Kantoor“ nicht lange aus- gehalten. Er sehnte sich ins Freie, „hinaus in die Ferne,“ und so zog er über’s Meer nach Insulinde, um hier mit eigenen Augen die Wunder der Urwälder und ihrer Bewohner zu er- schauen. Dass lässt sich aber schlecht von der Schreibstube aus machen. Deshalb wandte sich B. bald dem Land-, dem Plantagen- bau zu, in welchem Berufe es ihm mit eisernem Fleisse gelang, in kurzer Zeit eine angesehene Stellung zu erringen. Und zwar als Leiter (Administrateur) der „Landbouw onderneming Pange- rango,* also einer Aktiengesellschaft („Maatschappy“), die aus- gedehnte Teeplantagen besitzt. Sie liegen in der Preanger Regentschaft (West-Java) in einer Höhe von 1000 bis 3000 Fuss, meist auf dem Berge Pangerango, der eigentlich nur einen Teil des hohen Goenong?) (Berg) Gedeh bildet. Benachbarte hohe Berge 1) Hier 1871 geboren, ein Sohn des geschätzten Architekten Karl Bartels. 2) Auf meinen Rat werden jetzt nur Bälge gesammelt, wozu ja schon der Platzmangel ganz von selbst drängte. 5) „oe“ — unserem u, „ou“ = au, „u = ü. 272 Max Bartels: sind der: Halimoen, Edoet, Perbaktie und Salak. Die Plantage Tjiboengoer liegt (ca. 1000 Fuss hoch) an der Poststrasse nach Wijnkoopsbai (an der Südküste) und gehört wie diese und Tjit- joeroeg zum Distrikte Pulaboehan. Die Zentrale dieser Plantagen ist nun Pasir Datar zugleich der Wohnsitz des Leiters derselben. In einer Höhe von ca. 3000 Fuss, unmittelbar an ausgedehnte Urwälder grenzend, nicht weit entfernt von den mächtigen Bergen Pangerango und Gedeh, hätte es Herr Bartels nicht besser treffen können, zumal da ihn schon sein Beruf täglich ins Freie führt. Da gibt es also reich- “lich Gelegenheit zu ornithologischen Beobachtungen, die freilich, soweit sie nicht alltägliche Erscheinungen betreffen, gerade in den Tropen ausserordentliche Schwierigkeiten bieten, wie jeder weiss, der tropische Urwälder kennen lernte. Bei allem Eifer kann daher der flüchtige Reisende wenig leisten, namentlich in Bezug auf die Fortpflanzungsgeschichte, die gerade für die Vögel Javas noch sehr im Argen liest. Gegenüber den zahlreichen Berichten und Beobachtungen die aus allen Teilen von Britisch Indien vorliegen und in einer Reihe vortrefflicher Werke zugänglich sind, ist es eine auffallende und beschämende Tatsache, wie wenig in dieser Richtung in Niederländisch Indien geleistet wurde, auch in dem schon so lange erschlossenen Java. War doch bislang Horsfield’s syste- matische Übersicht vom Jahre 1822!) das einzige Verzeichnis. Und doch fällt gerade in jene Zeit, das zweite Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts, bald nachdem Java von englischem wieder in holländischen Besitz übergegangen war, die glanzvollste Epoche der zoologischen Untersuchungen, an der u. A. van Hasselt, wie die Deutschen Kuhl, Boie und Salomon Müller so fruchtbringend wirkten. Leider sind von den Ergebnissen nur kleine Bruchteile zersplittert veröffentlicht worden, sonst würden wir allein an den Aufzeichnungen der ausgezeichneten OrnithologenKuhlundBoie eine Grundlage zur Ornithologie Javas?) besitzen, die bis jetzt noch fehlt. 1) „Systematic Arrangement and description of Birds from the Island of Java“ in: Transaction of the Linnean Society (London) vol. XIII; ver- zeichnet 219 Arten, Vorderman 410 („Systematisch Overzicht der vogels welke op Java inheemsch zijn. van aanteekeningen voorzien door Dr. O. Finsch“ in: Natuurkundig Tijdschrift voor Ned. Indiö Deel LX. 1900. 120 S.). 2) „De Vogels van Java en hunne oeconomische Betecknis door Dr. J. C. Koningsberger‘“ Deel I. „Mededeelingen uits’ Lands Plantentuin Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 273 Der leider zu früh verstorbene Dr. Vorderman hat in einer ganzen Reihe von Schriften hauptsächlich nur Beschreibungen hinterlassen, konnte aber schon wegen seines Wohnortes (Ba- tavia) und überladen mit Amtspflichten (Medizinal-Inspektor) sich wenig mit Beobachtungen der Vögel beschäftigen, denn diese erfordern vor allem Zeit. Alle Bemühungen in dieser Richtung sind daher mit besonderer Freude zu begrüssen, zumal wenn sie von einem so erfahrenen Ornithologen herrühren als Herrn Bartels, der ganz im Sinne unseres unvergesslichen Landsmannes Dr. Bernstein zu wirken sich bestrebt, jenem ausgezeichneten Beobachter, dem wir die bis jetzt gediegensten Beiträge!) zur Vogelkunde Javas verdanken. Wünschen wir also dem Nachfolger dieses Meisters von Herzen Glück, nicht nur ornithologisch, sondern auch in Beruf und Haus, in das ihm vor nicht allzulanger Zeit eine junge hübsche Frau in die Einsamkeit des Urwaldes folgte. Möge er uns bald wieder mit weiteren interessanten Beiträgen erfreuen. Dass auch die Artkenntnis der Vögel Javas noch nicht völlig abge- schlossen ist, hat Bartels Eifer bereits durch den Nachweis einer Anzahl Arten bewiesen, unter denen Collocalia gigas Hart. am interessantesten ist, ein Nachweis der aber durch Entdeckung zweier neuen Arten (Caprimulgus Bartelsi F. und Crithagra Estherae F.) noch bei Weitem übertroffen wird. Und wahrschein- lich liefern die Hochgebirge noch mehr neue Arten. Auch dafür „Allheil“ ! OÖ. Finsch. I. 1. Neopus malayensis (Tem.) Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. I pg. 257. Den malayischen Adler habe ich am häufigsten in dem mit Glagah und Alang-Alang bestandenen Hügellande des Distriktes Palaboehan angetroffen, in Höhen von 1000 bis 1600 Fuss, sel- tener an der Urwaldgrenze des Pangerango bis zu 3000 Fuss Höhe. (Batavia 1901)“ gibt nur eine allgemeine Übersicht, hauptsächlich im Hinblick auf Schaden und Nutzen, bildet aber immerhin einen dankens- werten Beitrag. Die beigegebenen 60 Tafeln, z. T. nur Köpfe, sind kaum für den Laien von Wert. 1) „Über Nester und Eier javanischer}Vögel“ in: J. f. Crn. 1859 p. 180, 261, 1860 p. 268, 417 u. 1861 p. 113, 117 behandelt ca. 70 Arten (Siehe auch: Finsch u. v. Martens: J. f. Orn. 1866 p. 130—143). Journ. f. Orn. LI. Jahrg. April 1908. 18 274 Max Bartels: Obwohl man diesen Adler auch am frühen Morgen sieht, so macht er sich doch in den warmen Mittagsstunden zwischen 11 und 2 Uhr am meisten bemerkbar, die seine hauptsächliche Jagd- zeit zu sein scheinen. Man sieht ihn dann sehr niedrig und langsam über den Glagah und Alang-Alangwildnissen schweben und diese nach Raub absuchen. Gegen Abend habe ich ihn nur äusserst selten gesehen. Zumeist trifft man ihn einzeln oder paarweise; nur einmal sah ich drei zusammen jagen. Im Fluge ist dieser Adler sehr leicht an seinen langen Flügeln und den ausgespreizten grossen Schwungfedern zu erkennen. Im Gegensatze zu den anderen hier vorkommenden grösseren Raub- vögeln, welche man oft, und dann meist auf trockenen Ästen freistehender Bäume sitzen sieht, bemerkt man dies bei Neopus fast nie. Ich glaube deshalb annehmen zu dürfen, dass diese Art meist im dichten Walde der Ruhe pflegt, wie ich dies auch selbst beobachten konnte. Nach meinen Untersuchungen besteht ein grosser Teil der Nahrung aus Eiern kleinerer Vögel, und zwar fand ich sowohl stark bebrütete, als auch noch ganz frische Eier im Magen, auf- fallenderweise bis jetzt nur weisse Eier. Diese Färbung dürfte auf Zersetzung durch den Magensaft zurückzuführen sein. Na- türlich muss der Vogel auch mit anderer Kost fürlieb nehmen. So erlegte ich ein Exemplar, als es beschäftigt war, eine grosse Fledermaus zu kröpfen. Es ist nicht gerade schwierig, diesen Adler zu erlegen, da er sich wenig um den Menschen kümmert und oft niedrig über denselben hinwegstreicht, sodass man den ziemlich grossen Vogel manchmal sogar mit feinem Schrot schiessen kann. Einen Horst dieses Adlers fand ich in einer unbewohnten Gegend in dem bereits oben genannten Distrikte Palaboehan. Es war ein grosser Bau, hauptsächlich aus fingerdicken Zweigen hergestellt, und stand auf einem hohen, ohne besondere Hilfs- mittel nicht zu ersteigenden Baume, welcher bis zur Höhe des Horstes einen vollständig glatten Stamm von ziemlichen Umfange hatte. Der Horst war in einer Gabel der vom Stamme aus- laufenden Äste gebaut, und stand in einer Höhe von etwa 18 Metern vom Erdboden. Kurz nachdem ich den Horst bemerkt hatte, strich der auf dem Rande sitzende Adler ab. Er hrütete also nicht; es mussten Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 275 sich vielmehr Junge im Horste befinden. Lange brauchte ich nicht auf die Rückkehr des Vogels zu warten; denn kaum hatte ich mich angestellt, so zeigte er sich wieder, umschwebte den Horst einigemale und strich dann ab. Ruhig auf meinem Posten verbleibend kehrte der Vogel bald zum zweiten Male zum Horste zurück und liess sich sogleich auf den Rand desselben nieder. Ein auf ihn abgegebener Schuss hatte den Erfolg, dass er tot auf dem Horste liegen blieb. Da der Baum, wie bereits erwähnt, nicht ohne weiteres ersteigbar war, kam ich mit dessen Besitzer überein, ihn zu fällen. Nachdem dies geschehen, wurde der alte Vogel bald gefunden und, nach kurzem Suchen, durch einen meiner Hunde auch ein Junges, welches zwar tot, aber völlig unbeschädigt war. Weitere Junge, wie Reste von Eiern fehlten. Das noch sehr kleine Junge trug ein dichtes hellgraues Dunenkleid. Der erlegte alte Vogel erwies sich als das Weibchen. Auffallend war es mir dass ich das Männchen nicht zu Gesicht bekam, obwohl ich mich einige Stunden in der Nähe des Horstes aufhielt. Der Magen des Weibchens (gegen 10 Uhr morgens ge- schossen) war noch vollständig leer, während der des Jungen eine Menge Säugetierhaare enthielt. [Die sonderbare Vorliebe dieses Adlers für Eier wird bereits von indischen Beobachtern erwähnt. Ein Vergleich der hübschen Beobachtungen Bartel’s mit denen Bocarme@’s,t) welche Schlegel bei „Spizaetus cirratus“ mitteilt (Museum des Pays Bas Astures 1862 p. 6 und Vogels van Nederl. Ind. Valkvogels 1864 p. 14). lassen keinen Zweifel, dass nicht Spizaetus sondern Neopus ge- meint ist. — O0. F.] 2. Spizaetus limnaetus (Horsf.) Sharpe Cat. Birds Brit. Mus. I. p. 272. Vom Seestrande der Südwestküste Javas bis auf Höhen von 3000 Fuss ist dieser Raubvogel, an geeigneten Orten, eine fast alltägliche Erscheinung, die sich auch durch die weithin vernehm- 1) Graf de Bocarme’s handschriftliche biologische Notizen über Java- Vögel wurden von ihm in den 30er Jahren des vorigen Jabrhunderts dem Leidener Museum geschenkt, blieben aber unpubliciert. Erst als Schlegel, dreissig Jahre später, mit der Herausgabe des Kataloges der Vögelsamm- lung einen Anfang machte, sind von ihm die betreffenden Notizen des Grafen verwertet worden, durch den übrigens keine Sammlungen an das: Museum gelangten. “ 18* 276 Max Bartels: baren Stimmlaute bemerkbar macht. In beträchtlicher Höhe kreisend, lässt dieser Adler seinen Ruf vorzugsweise an schönen sonnigen Morgen ertönen. Gegenden, in denen kleinere Wälder und Felder mit Dörfern der Eingeborenen abwechseln, werden von ihm besonders bevorzugt. Während der Mittagszeit pflegt er meistens der Ruhe und sitzt dann oft stundenlang auf einem trocknen Aste eines hohen Baumes. Hat er sich vollgekröpft, so kann man ihn auf Schussnähe beschleichen. Im allgemeinen aber weiss er einen Jäger ziemlich gut von einem Menschen, der ihn nicht behelligen will, zu unterscheiden. Einem Reiter vertraut er am meisten. Wiederholt liess mich ein solcher Adler auf nur wenige Meter Abstand vorbeireiten, ohne sich um mich zu kümmern. Dieser Adler gehört zu unseren gefährlichsten Raub- vögeln, indem seine Hauptnahrung aus jungen und halbwüchsigen Haushühnern besteht, die er oft ganz in der Nähe menschlicher Wohnungen schlägt. Trotz aller Dreistigkeit lässt er es an Vor- sicht nicht fehlen, wie folgender Fall zeigt. Einer dieser Räuber hatte unweit meines Hauses ein mittelgrosses Huhn geschlagen, und sich damit in nächster Nähe auf einem Wege niedergelassen, flog aber sogleich ab, als ich mich mit dem Gewehr anzuschlei- chen versuchte. Mit der Beute in den Fängen bäumte er nun auf, ohne mich aus den Augen zu verlieren. Als ich ihn aber noch zweimal gestört hatte, da liess er das Huhn im Stich. Es war tot, und, bis auf die tiefen Wunden der Fänge im Rücken, unverletzt. Einmal fand ich einen ganz jungen kleinen Nestvogel im Magen, häufiger dagegen Reste von Eidechsen und Mäusen, letztere aber so selten, dass dies nicht den Schaden seiner Hühner- diebstähle aufwiegt. In der Gefangenschaft nimmt der Vogel mit allem Fleischfutter vorlieb und gewöhnt sich recht bald an den Käfig. Einst wurde mir ein flügellahm geschossenes Exemplar gebracht, welches ich in einen grösseren Käfig setzte, worauf es sogleich das ihm dargereichte Futter annahm. Der zerschossene Flügel heilte sehr schnell, so dass ich schon nach wenigen Monaten den Vogel als Geschenk an den Zoologischen Garten nach Amsterdam senden konnte, wo er gesund ankam. Der einzige Horst, welcher mir bisher von diesem Raubvogel bekannt geworden ist, befand sich auf einem besonders hohen, unersteigbaren Rasamalabaume am Berge Pangerango. Der Baum stand, mit nur wenigen seiner Art vereint, zwischen Gebüsch und Gesträuch, sodass die Vögel eine sehr freie Aussicht vom Horste Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 277 hatten. Nachdem der Baum, dessen Holz gebraucht werden sollte, gefällt war, fand ich zwischen den Zweigen, an der Stelle, wo der Horst stand, ein nur wenige Tage altes Junges, in hellgrauem Dunenkleide. Durch den Fall des Baumes war es getötet, aber nicht beschädigt, sodass es präpariert werden konnte. In den 4 Stunden, welche ich ungefähr in der Nähe des Horstbaumes zubrachte, sah ich nur einmal einen der alten Vögel, in weiter Ferne kreisend, der aber bald dem nahen Walde zustrich. Ein Mitte Oktober 1898 geschossenes Weibchen befand sich in teilweiser Mauser. [Sehr schöne Beobachtungen über Lebensweise, Nestbau und Eier teilt Dr. Bernstein mit (J. f. Orn. 1860. p. 419: „Falco Iimnaetus“ und p. 423: „Falco niveus T.“ — O. F.]. 3. Haliastur intermedius Gurn. Sharpe Cat. Birds Brit. Mus. I. p. 314. Am häufigsten kommt dieser Raubvogel in der Umgebung der grösseren Städte an der Nordküste Javas vor, ist aber auch in wasserreichen Gegenden des Binnenlandes eine alltägliche Er- scheinung. An den sandreichen Küsten der Wijnkoops-Bai (im Süden) beobachtete ich nur wenige Exemplare, ebenso nur ver- einzelte am Saume des Urwaldes, der von diesem Vogel gemieden wird. Am Pangerango in Höhen von 3000 Fuss kommt er nur gelegentlich vor. In Batavia und Soerabaja sind diese Vögel dagegen häufig und meist nicht scheu. Sie halten sich hier mit Vorliebe in den Uferwaldungen auf, oft zu mehreren, selbst auf niedrigen Bäumen der Ruhe pflegend, und liessen mein Boot wiederholt bis auf wenige Meter herankommen. Unbekümmert um Menschen gehensiedann auch ihrer Nahrung nach, die fast ausschliesslich in Fischen besteht. Einmal fand ich bei einem nahe der Kaffeepflanzung Tjiboengoer geschossenem Männchen den Magen vollständig mit mittelgrossen Käfern, ver- schiedener Art, gefüllt und einmal als Mageninhalt eine Maus. Kleine Vögel werden von diesem Fischräuber wohl kaum behelligt; so sah ich ihn an der Flussmündung bei Soerabaya mit einem kleinen weissen Reiher friedlich auf demselben Baume sitzend. Plötzlich schoss der „Ulung“, wie Haliastur bei den Eingeborenen heisst, ins Wasser, um einen Fisch zu erbeuten, wobei er indes nicht taucht. Ein hübsches Schauspiel ist es, diese Vögel nach 278 Max Bartels; den kleinen Springfischen (eine Periophthalmus-Art) jagen zu sehen, die bei Ebbe auf dem feuchten Sande so häufig sind. Nicht selten wird dieser Raubvogel aber vom Schwalben- würger (Artamus leucogaster) belästigt, wie ich dies wiederholt beobachtete. Laut schreiend stiess ein solcher Vogel von oben herab auf den Ulung, schwang sich darauf wieder empor, um so- gleich den Angriff zu erneuern. Dies geschah meist solange, bis der Ulung eine ziemliche Strecke weit weg war, worauf der mutige kleine Vogel zu dem Baume zurückkehrte, von welchem er die Verfolgung begonnen. Als Brutvogel fand ich den Ulung im Distrikt Tjitjoeroeg, unweit des Salakgebirges in der Preanger und in Kediri (Ost-Java). Wenig scheu wird auch der Horst oftmals ganz in der Nähe menschlicher Wohnungen errichtet. In Kediri giebt es wohl nicht einen Kirchhof der Eingeborenen, auf welchem nicht ein oder mehrere Waringinbäume stehen (Ficus benjamini), und diese sind es, welche unser Vogel besonders gern zur Anlage seines Horstes erwählt. Derselbe wird meistens in der höchsten Spitze solch eines Baumes gebaut, zugleich ein sicherer Hort, denn dieser Baum gilt den Javanern als heilig, infolgedessen bleiben die Vögel ungestört. Der Horst ist nicht besonders gross; unter einem solchen stehend, sah ich einst Schwanz und Flügelspitzen des brütenden Vogels. Wie ich mehrfach Gelegenheit hatte zu beobachten, bekunden die Alten für ihr Heim eine besondere Liebe und verlassen den Horst nicht einmal nach mehreren auf sie erfolglos abgegebenen Schüssen, auch wenn sich noch keine Eier darin befinden. Der brütende Vogel sitzt, falls er noch nicht beunruhigt wurde, sehr fest, streicht aber, wenn aufgescheucht, meist so geschickt vom Horste ab, dass er dann nur schwierig zu erlegen ist. Ein am Horst geschossenes Exemplar war ein Weibchen. Während dasselbe brütete, sass das Männchen in der Nähe auf einem freistehenden Baume. Am 23. Juni 1895 liess ich einen Horst ausnehmen und erhielt ein noch sehr wenig bebrütetes Ei. Interessant war es, ein Nest von Munia nisoria zwischen den Zweigen dieses Horstes zu finden. [Schon von Wurmb beschrieb diesen Vogel 1784 als „de Kuikendief van het eiland Java“ (Hühnerdieb der Insel Java), und alle späteren Beobachter bestätigen diese schädliche Eigenschaft. Hübsche Notizen aus den Handschriften de Bocarmes teilt Schlegel Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 279 mit (Haliaetus indus Museum des Pays Bas. Aquilae 1862 p. 19 und Vogels van Ned. Ind. Valkvogels 1864. p. 10), die ausführlichste Mitteilung über Lebensweise, Nest und Eier verdanken wir aber Dr. Bernstein(Habliastur pondicerianusd. f.Orn. 1860. p. 417).— O.F.]. 4. Falco severus Horsf. Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. I. p. 397. Diese Art gehört zu den weniger häufigen Raubvögeln der Preanger-Regenschaft. In den niedriger gelegenen Gegenden habe ich sie nur hin und wieder während der Regenzeit beob- achtet, im Gebirge dagegen das ganze Jahr über. Beim Urbarmachen von Gebirgswäldern kommt es häufig vor, dass einige hohe alte Bäume stehen bleiben, und diese sind es, welche dieser Falk ganz besonders gern zu seinem Standorte erwählt. Selbst durch wiederholte Schüsse lässt er sich nicht gleich von einem solchen verscheuchen. Am 10. Juni 1897 schoss ein Bekannter von mir am Goenong Endoet verschiedene Male ohne Erfolg auf zwei dieser Vögel, welche auf einem, wie oben bezeichneten Baume sassen. Nach jedem Schusse strichen sie auf eine kurze Entfernung ab, umkreisten darauf einige Male den Baum, um sich darnach wieder auf denselben nieder- zulassen, allerdings in einer Höhe, in welcher sie vor einer nicht besonders weit tragenden Flinte sicher waren. Mit einer solchen schoss ich dann einen der Vögel flügellahm. Während er herabfiel flog der andere ihm bis ziemlich dicht zur Erde nach, darauf einige hundert Meter weit weg, um dann wieder zu demselben Baume zurückzukehren. Ein auf ihn abgegebener Schuss verletzte ihm zwar das Handgelenk, dennoch entkam er. Das erlegte Exemplar war ein Weibchen in gutem Gefieder. — Ein anderes Weibchen wurde am 12. December 1897 von meinem Jäger gegen Abend auf einem, dicht neben Häusern stehenden, trockenen Baume auf der Plantage Tjinboengoer ge- schossen, mit Kröpfen einer Schwalbe beschäftigt. Dies beweist die hervorragende Flugfertigkeit dieser Falkenart. Wegen der besonders langen, spitzen Flügel ähnelt dieser Falke im Fluge einer grossen Schwalbe, und ist dadurch leicht von allen übrigen kleinen Raubvögeln Javas zu unterscheiden. Die Nahrung besteht aus kleinen Vögeln und Insekten; die Magen von 2, der 3 bisher von mir untersuchten Exemplare ent- hielten Reste von Schwalben, Scheu vor Menschen habe ich bei 2830 Max Bartels: diesem Falken niemals beobachtet; auch ohne Deckung ist er leicht anzuschleichen, ganz gleich, ob er der Ruhe pflegt oder kröpft. Ein am 26. October 1901 am Pangerango erlegtes Weibchen befand sich in teilweiser Mauser. Die Iris des Weibchens ist tiefdlunkelbraun. Männchen erhielt ich bisher noch nicht. [Nach de Bocarme findet sich dieser Falke fast an allen Kratern der Insel und nährt sich vorzugsweis von Insekten. Die Überreste solcher (Heuschrecken, Mantis u. s. w.) finden sich in grosser Menge an seinen Standplätzen, meist ein bestimmter Fels, wo die Beute verzehrt wird (Schlegel, Museum des Pays- Bas. Falcones 1862. p. 23 und Vogels von Ned. Ind. Valkvogels p. 5). Nach Blanford sind Insekten nahezu die einzige Nahrung dieses Falken. — O. F.]. 5. Microhierax fringillarius (Drap.) Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. I. p. 367. Meine erste Bekanntschaft mit obiger Art machte ich am 23. Mai 1897 gelegentlich einer Reise nach der Wijnkoopsbaai, in deren Umgebung ich sie auch später noch mehrmals erhielt. — An einer kleinen Kaffeeanpflanzung vorbeireitend, bemerkte ich auf einem in derselben stehenden, trocknen Baume einige Vögel, welche mir besonders durch ihren schwirrenden Flug auf- fielen, in welchem sie auf kurze Strecken von besagtem Baume flogen, um darauf gleich wieder zu demselben zurückzukehren. Ohne Mühe erlegte ich kurz hintereinander 2 dieser Vögel: es waren Zwergfalken! Meinen Weg weiter fortsetzend, bemerkte ich nach einiger Zeit wiederum auf der Spitze eines trocknen Baumes zwei dieser Falken. Am folgenden Tage sah ich abermals auf der Spitze eines trocknen Baumes einen Zwergfalken, — der meinem Schuss aber entging und auf weite Entfernung abstrich. — Nach Verlauf einiger Stunden kam ich wieder an demselben Baume vorbei und sah zu meiner Verwunderung aus einer Höhlung desselben einen Zwergfalken schlüpfen. Das war jedenfalls höchst merkwürdig! Leider hatte ich keine Zeit, selbst nachzusehen, und beauftragte deshalb meinen eingeborenen Begleiter, die Baumhöhle zu unter- suchen. Bereits am folgenden Tage kam der Eingeborene und brachte mir ein Nest mit 2 sehr beschädigten Eiern, welche er Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 281 angab in der besagten Höhle gefunden zu haben. Der Baum hatte sich als unsteigbar erwiesen und gefällt werden müssen; deshalb die beschädigten Eier.!) Die Richtigkeit der Angabe liess sich nicht bezweifeln, denn das eine Ei enthielt ein voll- ständig entwickeltes Junges, das ohne Mühe als Microhierax be- stimmt werden konnte. Das Brüten dieses Falken in Baumhöhlen ist jedenfalls äusserst interessant, ebenso wie das Nest selbst, das nur aus ziemlich fest aufeinander gelegten Flügeln von Libellen bestand. Insekten bilden nämlich die fast einzige Nahrung des Zwerg- falken, der vor allem Libellen bevorzugt. Nur einmal fand ich als Mageninhalt eine kleine Fledermaus. Bei alten Vögeln ist der Schnabel schwarz, die Beine dunkel schieferfarben; Junge zeigen dagegen den Schnabel gelblich hornfarben mit dunkler Firste und Spitze und bleigraue Fuss- färbung. [Die erste Mitteilung über das Brutgeschäft dieser Art auf Java, die ganz mit den Berichten aus Indien übereinstimmt. (s. z. B. Blanford, Fauna Brit. Ind. III. 1895. p. 431). Unter allen Tagraubvögeln wohl der ausgesprochenste Höhlenbrüter. Nach Bocarm& würde sich dieses Fälkchen hauptsächlich von Honig- saugern (Nectarinien), nach Koningsberger (p. 14) von kleinen Finkenvögeln nähren, Angaben die durchaus noch der sicheren Bestätigung bedürfen (Falco coerulescens, Schleg. Mus. der Pays- Bas. Falcones 1862. p. 33 und Vog. Ned. Ind. Valkvogels 1864. p. 7.) — 0. F.]. 6. Ketupa javanensis Less. Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. Il. p. 8. Im Distrikt Palaboehan auf einer Höhe von 1000 bis 1700 Fuss kommt die javanische Fischeule als Brutvogel, stellenweise selbst ziemlich allgemein vor. Mehrmals habe ich sie auch in den wasserreichen Niederungen der Tjiletoemündung und hin und wieder auch am Pangerango auf einer Höhe von 3000 Fuss wahr- genommen. Zu ihrem Aufenthalte wählt sie gerne kleine, mit dichtem Unterholz bestandene Wälder in der Nähe von Ge- 1) Wohl in Folge des langen Liegens im Neste zeigten dieselben einen schmutzig-ockefarbenen Ton, waren aber frisch jedenfalls weiss gewesen. 2382 Max Bartels: wässern. Den einmal erwählten Standort verlässt sie nicht gern, selbst wenn sie durch Schüsse beunruhigt wurde. — Es war am 15. Mai 1896 als in einem, wie oben bezeichneten Walde eine Fischeule von mir aufflog, die ich aber wegen zu weiten Abstandes nicht erlegen konnte. Da sie nach kurzer Zeit zurückkehrte, wollte ich versuchen, sie zu beschleichen, stiess da- bei aber auf eine zweite Eule, welche unweit von mir auf einem dicken Aste sass, sodass ich sie ohne Mühe schiessen konnte. Obwohl sie gleich nach dem Schusse herabfiel, war sie noch nicht völlig getötet und schlug mir ihre Fänge in den Arm, als ich sie aufnehmen wollte. Die erstgesehene Eule hatte nach dem Schusse das Weite gesucht und kam nicht mehr vor Eintritt der Dunkelheit zurück. Nach Verlauf einiger Tage ging ich wiederum gegen Abend in jenen Wald. Kaum hatte ich denselben betreten, als auch schon eine Fischeule auf weitere Entfernung abstrich. Sie bäumte zwar sogleich in der Nähe des Waldes, indessen war es nicht möglich, ihr beizukommen, da der Baum völlig freistand. Einige Tage später streifte ich wieder in dem genannten Waide, und hörte nach einiger Zeit ein rauhes Geschrei, dessen Urheber die gesuchte Eule war, welche auf einem ausserhalb des Waldes stehenden dichtbelaubten Baume sass. Sie schien so in das mit lautem Schnabelknappen abgewechselte Geschrei vertieft, dass ich mich leicht auf Schussweite nähern und sie erlegen konnte. — Beim Schreien lüftete sie ein wenig die Flügel und beugte den Körper nach vorn, in wagerechter Haltung. Während das Federkleid der zuerst erlegten Eule, ein Weibchen, ziemlich stark zerschlissen war, befand sich ein Männchen im Prachtkleide; ein im September erlegtes Exemplar zeigte noch Spuren von Mauser. Am 5. September desselben Jahres ging ich nochmals in den erwähnten Wald. Bereits hatte ich ihn durchschritten und am Rande schon einige Zeit unter einem dicht belaubten Baume sestanden, als aus diesem plötzlich eine Fischeule flog, welche ich herabschoss. Die Magen der 3 obengenannten Exemplare, sämtlich abends geschossen, enthielten durchauskeine Nahrungsrestemehr. Dagegen fand ich bei einem, mitten in der Nacht, bei hellem Mondschein, erlegten Exemplare mehrere Fische und eine Maus als Mageninhalt. ‚Jung aufgezogen gewöhnt sich diese Eule ohne weiteres an (lie Gefangenschaft, in welcher sie bei passendem Futter (Fleisch- Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 283 nahrung) ziemlich lange aushält und dabei mit ihresgleichen in der grössten Eintracht lebt. Einst hatte ich ein nur wenige Tage altes Junge aufgefüttert, und erhielt, als es flügge geworden, ein zweites, welches ein wenig älter war, wie mein Pflegling, mit welchem es aber sofort innige Freundschaft schloss. Die Tiere lebten stets im grössten Einvernehmen. Ich schenkte sie später, nachdem sie erwachsen waren, dem Zoologischen Garten in Amsterdam, wo sie in gutem Zustande ankamen. Nach den bisher gemachten Erfahrungen ist diese Eulenart nicht gerade scheu, weiss sich aber, einmal aufgescheucht, Nach- stellungen ziemlich geschickt zu entziehen, indem sie bei jedem Versuch, sich ihr wieder zu nähern, ausser Schussweite von Baum zu Baum weiterfliegt. Ihr Flug ist geräuschlos, aber, wenigstens am Tage, ziem- lich schwerfällig. Die Brutzeit fällt in die ersten Monate des Jahres, doch ist mir bis jetzt Näheres über Nest und Eier nicht bekannt geworden. Die Sundanesen nennen sie „Hingkik“, gebrauchen aber den- selben Namen auch für den viel seltneren Bubo orientalis (Horsf.). [Über diese Eule waren bisher nur einige Notizen von Graf de Bocarm& bekannt (Bubo javanensis Schleg., Mus. des Pays Bas. Oti 1862. p. 18), sowie die ausführlichen Mitteilungen Dr. Bern- steins über Lebensweise, Nest und Ei (Ketupa javanensıs, J. f. Orn. 1860. p. 427), ausserdem teilt Dr. Koningsberger (p. 11) einiges mit. — O. F.] 7. Scops lempiji (Horsf.). Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. II. p. 91. Die Verbreitung dieser Eule dürfte sich in Westjava haupt- sächlich über die wärmeren Landstriche erstrecken, etwa bis auf eine Höhe von 2000 Fuss, wenigstens habe ich sie in höher ge- legenen Gegenden bisher nur einmal wahrgenommen, obwol auch hier überall geeignete Aufenthaltsorte vorhanden sind. In den niedrigeren Gegenden kommt sie ziemlich häufig vor. — Den reinen Wald nicht gerade meidend, findet man sie doch meistens in der Nähe von Häusern bei denen sich grössere Bäume und dichtes Strauchwerk befinden. Tagsüber hält sie sich sehr versteckt und verlässt erst ihren Schlupfwinkel, wenn man sich demselben bis auf wenige Schritte genähert hat. Auch dann streicht sie nicht weit ab, sondern bäumt in unmittelbarer Nähe 284 Max Bartels: wieder auf, lässt sich also sehr leicht erlegen. — Für ihren Auf- enthalt am Tage wählt sie gerne kleine dünne Bambusbestände, deren Laubdach sehr dicht ist, sodass sie sich darin ganz be- sonders gut verstecken kann. Erst wenn es bereits dunkel geworden ist, verlässt sie ihr Versteck. — Man hört ihren Ruf beinahe das ganze Jahr hindurch, am anhaltensten aber in der Brutzeit, welche in die ersten Monate des Jahres fällt. Einst näherte ich mich mit einer verdeckt gehaltenen Lampe einer rufenden Scops lempiji, die erst verstummte als ich ziemlich nahe herangekommen war. Nun drehte ich die Lampe nach der Richtung, aus welcher ich den Ruf vernommen hatte, und bemerkte nun auf einem trocknen Aste einen kleinen dunklen Klumpen. Er war so unbeweglich, dass ich weiter ging, wobei ich indess den dunklen Klumpen, noch mit der Lampe beleuchtend, im Auge behielt. Kaum hatte ich mich einige Schritte entfernt, als plötzlich Leben in den dunklen Klumpen kam. Es war wirklich die Eule, die mir nunmehr mit den Augen folgte, wobei sie den Kopf ganz zur Seite drehte. Als ich hierauf stehen blieb, um sie möglicherweise zu erlegen, suchte sie sofort das Weite. Da diese Eule jede Nacht gegen 2 Uhr an dieselbe Stelle unweit meines Hauses zurück- kam, habe ich noch verschiedentlich versucht, sie auf die oben angegebene Weise wieder zu Gesicht zu bekommen, indessen ist mir dieses nie mehr gelungen, da sie sofort abstrich, sobald sie den Schein der Lampe bemerkte. Wohl rief sie meistens bald darauf wieder in der Nähe, flog aber gleich weiter, sobald ich versuchte, mich ihr zu nähern. Nach diesem Betragen zu schliessen, ist unsere Eule in der Nacht viel scheuer, wie am Tage, wo man sich ihr, wie oben erwähnt, bis auf wenige Schritte nähern kann. Jung aus dem Neste genommen, gewöhnt sich diese Scops bald an die Gefangenschaft, welche sie, wenn man ihr Abfälle von rohem Fleisch, Eingeweide von Hühnern und dergleichen gibt, ziemlich lange aushält. Im Magen eines am Tage aus seinem Versteck aufgescheuchten, und darauf erlegten Exemplares fand ich Reste eines grossen Käfers. Ende Juli 1898 erhielt ich 2 Eier dieser Art aus einer Baumhöhle in der Umgegend der Plantage Tjiboengoer. Einer der alten Vögel wurde bei dieser Gelegenheit auf dem Neste gefangen. Die Eier sind rein weiss, ziemlich rundlich, 33:28 mm. Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 285 gross, wenig glänzend und mit vielen, kleinen, dicht nebenein- ander stehenden Poren versehen. Die Sundanesen nennen diese Eule nach ihrem Rufe „Buök,* wobei ich bemerken will, dass das „u“ sehr weich klingt. [Graf de Bocarm& hat einige Notizen über diese kleine Eule binterlassen (Scops noctula, Temm. Schleg. Mus. des Pays Bas Oti 1862 p. 24), am ausführlichsten aber Dr. Bernstein über dieselbe berichtet (Scops lempiji, J. f. Orn. 1859 p. 181: Lebens- weise, Nest, Eier). Neuerdings verdanken wir Dr. Koningsberger allerlei Mitteilungen. Die Angabe der Eierzahl bis fünf steht mit der Bernstein’schen im Widerspruch, der als Regel zwei, als seltene Ausnahme 3 Eier notiert. — 0. F.] 8. Pnnoepyga lepida, Salvad. Finsch, Notes Leyden Museum XXII (1901) p. 211. Pnoepyga rufa, Sharpe, Cat. Birds Brit. Mus. VI (1881) p. 304 (Java). Am Pangerango in Höhen von 3000 bis 6000 Fuss als Brut- vogel ziemlich allgemein vorkommend. Dichtes Strauchwerk an den Ufern der Gebirgsbäche, feuchte Stellen im Urwalde, an denen sich abgefallene Blätter angehäuft haben, sowie das Zweige- gewirr, welches sich durch die Kronen umgefallener Bäume im Unterholze des Urwaldes bildete, sind die Lieblingsaufenthalts- orte dieses Vögelchens, das schon wegen seiner Kleinheit leicht der Beobachtung entgeht. Dabei von rastlosem Wesen; nie lange an einer Stelle, zwischen den an der Erde liegenden Blättern, halbverfaulten Stückchen Holz u. s. w. umherschlüpfend, emsig seine Nahrung suchend, die aus allerlei kleinen Insekten und kleinen Schnecken besteht. Letztere werden mit der Schale ver- zehrt, die sich häufig noch ganz unbeschädigt im Magen findet. Meist vom Zweige irgend eines Strauches herab lässt der Vogel seinen Gesang ertönen; in aufrechter Haltung und so unbeweglich, dass man ihn, selbst nur wenige Schritte entfernt, doch nur selten zu Gesicht bekommt. Das Nest wird besonders gern in einer kleinen Erdhöhlung oder zwischen Steinen an Böschungen von Wegen, angelegt, falls dieselben genügend mit Gras, Moos und anderen Pflanzen be- wachsen sind. Solche Böschungen bietet z. B. ein Weg unweit meines Hauses, der zur Verbindung zweier Plantagen durch ein Stück Urwald führt; hier werden in jedem Jahre Nester gefunden. Die zum Bau des Nestes gewählten Stofie sind so meisterhaft 286 Max Bartels: der Umgebung desselben angepasst, dass man es gewiss nicht entdecken würde, wenn der Vogel es nicht selbst verriete. Erst wenn man ganz in die Nähe des Nestes gekommen ist, schlüpft der brütende Vogel aus demselben heraus, um im nahen Dickicht zu verschwinden. Morgens früh kann man ihn leicht mit einem Netze auf dem Neste fangen. Zwei auf diese Weise in meinen Besitz gekommene Exemplare waren beide Männchen. Selbst wenn man den Standort des Nestes kennt, ist es gut, in der Nähe ein Zeichen zu machen, denn sonst ist es schwer, die Stelle wiederzufinden. Das Nest ist ein überdeckter Bau, auf dessen Aussenseite, welche zum grössten Teil aus frischem, grünem Moose besteht, die meiste Sorgfalt verwendet wird. Das Schlupfioch befindet sich auf der Seite. Die Innenseite, sowie die eigentliche Nest- mulde sind nur sehr lose zusammengeflochten und bestehen hauptsächlich aus allerhand feinen Würzelchen, die für die Jungen eine ziemlich harte Unterlage bilden. — Das Gelege zählt meistens 2, manchmal aber auch 3 Eier, welche glattschalig, rein weiss, wenig glänzend und am oberen Ende ziemlich stark abgestumpft sind. Ihre Grösse beträgt: 19 : 15 mm. Die Brutzeit fällt in das Ende und den Anfang, die Mauser in die Mitte des Jahres. 9. Pseudoxenicus superciliaris (Bp. Finsch, Notes Leyden Museum XXI. (1901) p. 214. Oligura superciliaris (S. Mill.) Sharpe. Cat. Birds Brit. Mus. VII 1883 p. 605. Nicht selten am Pangerango in Höhen von 3000 bis 6000 Fuss; einmal am Goenoeng Endoet (3800 Fuss hoch) von. mir beobachtet. Auf höheren Bäumen habe ich diesen kleinen Vogel bisher nie gesehen, sondern stets nur im Unterholz des Urwaldes, und zwar meist paarweiss Hier werden feuchte Stellen, die mit grossen Blattpflanzen und dergleichen bestanden sind, vor allen bevorzugt. Häufig erkennt man die Anwesenheit der Vögel nur daran, dass sich die Blätter bewegen. Dadurch aufmerksam ge- macht, wird man leicht Gelegenheit zu Beobachtungen haben, da die Vögelchen ausserordentlich zutraulich sind und oft bis auf wenige Schritte aushalten. Zuweilen richten sie sich hoch auf, um dann mehrmals, schnell hintereinander duckende Be- Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. 287 wegungen zu machen, ähnlich denen unseres Zaunkönigs. Mit grosser Behendigkeit klettern sie an den Stengeln der Blattpflanzen, rutschen förmlich an denselben herab, oder schlüpfen mit der Schnelligkeit von Mäusen durch das Pflanzengewirr. Noch mehr macht sich Pseudoxentcus durch seinen Gesang bemerklich, der zwar nur in einer kurzen Strophe besteht, die aber unzählige mal hintereinander wiederholt wird. Auch beim Gesang ist der Vogel in steter Bewegung. Die Nahruug besteht in allerlei kleinen Käfern und anderen Insekten ; nur selten fand ich Reste von Schalen kleiner Schnecken im Magen. 10. Scolopax saturata Horst. Sharpe Cat. Birds Brit. Mus. XXIV. p. 678. Im ehemaligen, mit dichtem Urwalde bestandenen Krater des Pangerango auf einer Höhe von 6000 Fuss kommt die javanische Waldschnepfe als Brutvogel vor. Gelegentlich traf ich sie auch an besonders feuchten Stellen des genannten Berges etwa 3500 Fuss hoch. Schon ihres Standortes wegen gehört diese Waldschnepfe mit zu den seltensten Vögeln Javas und ist um so schwerer zu erlangen, als sie sich tagsüber im dichtesten Unterholz des Ur- waldes versteckt hält. Nur ein Glückszufall kann sie dann in die Hände liefern. Anders während der Brütezeit. Dann lässt das Männchen bei gutem Wetter, oder wenn es nicht allzustark regnet, in der Morgen- und Abenddämmerung seine Stimme erschallen. Sie besteht in einem quietschenden, schnell hintereinander wieder- holten „Do-do-do-do-do“ (das „D“ sehr weich, das „o‘ sehr hart), das sich allerdings nicht wiedergeben lässt. Wie ich bis- her beobachtete, balzt der Vogel stets von dem Aste eines Baumes herab und zwar unmittelbar nach dem Einfallen. Ausser der Brütezeit hört man diese Schnepfen nur selten. Während meines Aufenhaltes im Krater des Pangerango (1902), wo ich behufs ornithologischer Beobachtungen eine Jagd- hütte errichtet hatte, brachte mir (am 12. März) mein einge- borener Begleiter zwei Eier, in denen ich gleich die von Scolo- pax saturata vermutete. Ich liess mich natürlich sogleich nach dem Neste führen. Es war etwas über Meterhöhe in einer gross- und breitblättrigen Schmarotzerpflanze angelegt, die an 288 Max Bartels: Lebensweise javanıscher Vögel. ihrer Verbindung mit dem Baumstamme eine natürliche Mulde bildete. Die letztere war nur ganz lose mit einigen trockenen Blättern und Moos ausgepolstert, und hier hatten die Eier gelegen. Ich stellte mich nun auf die Alten an, hatte aber fast anderthalb Stunden zu lauern, ehe sich einer der Vögel in der Nähe des Nestes auf der Erde sehen liess. Verscheucht kehrte er bald wieder, bald darauf ein zweites Mal und nach einiger Zeit zum dritten Male. Obwol die Eier fehlten und das Nest durch Abschneiden der grossen Blätter in seinem Aussehen sehr verändert war, liess sich der Vogel diesmal direkt auf das Nest nieder. Unbeweglich, mit dicht eingezogenem Halse niederge- duckt, liess er sich ruhig beobachten und dann — schiessen! Es war das Weibchen, ein Opfer der Mutterliebe; denn Vater liess sich schlauerweise nicht blicken. In dem einen Ei fand sich ein bereits ziemlich stark ent- wickeltes Junge, während das andere faul war. Die Eier sind glattschalig und wenig glänzend. Ihre Grundfarbe ist ein gelb- liches Braun mit grauvioletten Unterflecken, welche bei dem stark bebrüteten Stücke am stumpfen Ende besonders gross sind, und ziemlich vielen rostbräunlichen, in der Grösse nicht so sehr verschiedenen, Oberflecken und Punkten. Die Grösse der Eier beträgt 43 : 34 mm. Bisher fand ich nur Tausendfüssler, Ohrwürmer, Spinnen, Insektenlarven, kleine Heuschrecken und Würmer im Magen dieser Waldschnepfe. [Die Verbreitung dieser Waldschnepfe ist überaus merk- würdig, denn sie wurde bisher ausser auf den Gebirgen Javas nur noch auf dem Arfakgebirge in Neu Guinea nachgewiesen (Scolopax Rosenbergi Schleg., von welcher unser Museum den Typus besitzt, der ganz mit javanischen Exemplaren übereinstimmt). Sehr auf- fallend ist das Fehlen dieser Schnepfe auf den hohen Bergen Borneos (Kina Balu). — O. F.] 289 Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. Von Carlo Freiherr von Erlanger. In der Zeitschrift „Aquila“ VIII. 1902 bespricht Kleinschmidt eingehend den Formenkreis von Falco Hierofalco oder Falco islandus. Ich verwende lieber letztere Bezeichnung, da ich vor- erst nicht den Grund einsehe, warum Verfasser den Genusnamen „Zlerofalco‘ in dieser trinären Zusammensetzung benutzt, wo- durch nur noch eine neue Veränderung in die Nomenklatur kommt, über welche sich die Ornithologen immer noch nicht einig sind. In letzter Zeit neigen ja schon mehr zur Ansicht, dass die trinäre Nomenklatur die zweckmässigste ist, um wirklich ver- wandte und sich vertretende Arten zu kennzeichnen, und hoffent- lich werden sich auch noch mehr Anhänger zu der. Auffassung der Formenkreise oder Ringe der einzelnen Arten bekennen, welche gewissermassen aus Unterabteilungen, denzoogeographischen Formen bestehen, welche dann trinär benannt werden müssen. Kleinschmidt spricht von zwei Formenkreisen, dem von Fal- co Hierofalco, zu welchem er — 11 geographische Formen rechnet: 1. Falco Hierofalco islandus (Brünn.) ß Verbr: Island, Grönland, Labrador, arctisches Amerika, Sibirien. 2. Falco Hierofalco gyrfalco (L.) Verbr: Skandinavien [? Nordrussland.] 3. Falco Hierofalco uralensis (Menzbier) Verbr: Ural. 4. Falco Hierofalco sacer (Gm.) Verbr: Donaugebiet, Wolgagebiet, Trans.-Kaspisches-Gebiet. 5. Falco Hierofalco mexicanus (Schlegel) Verbr: Mexiko und südliche Staaten von Nord-Amerika. 6. Falco Hierofalco feldeggi (Schleg. u. Susemihl) Verbr: Balkanhalbinsel, Italien. 7. Falco Hierofalco erlangeri Kleinschmidt. Verbr: Tunesien (Atlasländer). 8. Falco Hierofalco tanypterus (Schlegel) Verbr: Nilländer, Abyssinien, Nubien, Aegypten. 9. Falco Hierofalco biarmicus (Tem.) Verbr: Süd-Afrika. 10. Falco Hierofalco juggur (Gray) Verbr: Indien. 11. Falco Hierofalco lorenzi (Menzb.) Verbr: Central-Sibirien. Neben diesem Formenkreis erwähnt er den von Falco pere- grinus (Gm.), dessen Formen nichts mit denen des Islandsfalken zu tun haben, nach Kleinschmidt den Formen von Falco Hiero- falco. In den Formenkreis der blaunackigen, blauköpfigen Wander- falken rechnet er vorerst (siehe pag. 43) auch den rotnackigen Falco barbarus und faseiinucha. Sollten wir es mit diesen rot- Journ. f, Orn. LI. Jahrg. April 1908. 19 290 Carlo Freiherr von Erlanger: nackigen Falken nicht noch mit einem 3. Formenkreis zu tun haben, eine offene Frage? Das Verbreitungsgebiet (gerade in den Mittelmeerländern) der rotnackigen und blaunackigen Edelfalken wäre sonst ein zu beschränktes. Ausserdem finden sich doch zwischen den einzelnen Formen ein und desselben Formenkreises Übergänge; in zwei an einander gsrenzenden geographischen Gebieten sehen sich die sich vertre- tenden Formen ähnlich, z. B. „biarmicus“ — „tanypterus“ — „feldeggi‘" — „erlangeri“ im Gegensatz zu „biarmicus“ — „islan« dus“. Hat man die Zwischenformen dabei, so sieht man jedoch sofort die Verwandtschaft dieser beiden Extreme. Wie würde man sich aber dementsprechend folgende Tat- sache erklären, wenn man die zoogeographische Lage der Ver- breitungsgebiete berücksichtigt. In Südostafrika, Tanganyikagebiet der rotnackige Falco fas- ciinucha Rchn. Neum., daran angrenzend, im Kongo, Deutsch- und British-Öst-Afrika wiederum ein anderer Wanderfalke mit völlig blauer Oberseite und blauem Nacken, und letzterem sehr ähnlich eine dritte Art auf Madagascar. Sowohl aus Deutsch-Ost-Atrika, als auch aus Madagascar liegen mir während der Brutzeit ge- sammelte adulte Exemplare vor. Dann wieder in Nord-Ost-Afrika, Arabien, der dem Falco fasciinucha so nahe stehende Falco bar- barus arabicus Erl. Leider ist das bis jetzt vorliegende Material zumal an authentischen Brutvögelu zu gering, und darf die vor- liegende Arbeit nur als Stückwerk, als eine Pionier- Arbeit für spätere Forschungen angesehen werden. Meiner Ansicht nach haben diese beiden, in Ost-Afrika und auf Madagascar als Brut- vögel vorkommenden Wanderfalken gar nichts mit den andern Arten aus Süd-Ost und Nord-Ost-Afrika zu tun. Wir haben es, wie gesagt, mit Falken aus verschiedenen Formenkreisen zu tun, welche nebeneinander herlaufen. Ich kann mich daher nicht mit dem Gedanken befreunden, die blaunackigen und rotnackigen Edelfalken als zu je einem Formenkreis gehörig anzusehen. Es sollen sich vertretende Verwandte sein? Niemals!! Ebenso halte ich es für ausgeschlossen bei Raubvögeln, die von andern Vögeln leben, deren Verbreitungsgebiet naturgemäss ausgedehnter sein muss und infolge ihrer Flugfertigkeit auch ist, dass in Marokko ein rotnackiger und blaunackiger Edelfalke (es liegen mir Brutexemplare vor) als Verwandte anzusehen, geo- graphisch getrennt leben. Es sind zwei Falkenarten, welche nichts mit einander zu tun haben. { Meiner Ansicht nach haben wir also ausser dem von Klein- schmidt in „Aquila“ behandelten Formenkreis von Edelfalken noch , zwei andere, nämlich den von Falco barbarus L. und Falco ? pe- regrinus Gm. Aus dem Formenkreis von Falco barbarus L. ex. Barbaria sind mir folgende Formen bekannt: Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 29i Falco barbarus: barbarus L. Agypten, Nubien (Nilgebiet). Falco barbarus ex. Süd-Afrika (Süd-Afrika). Falco barbarus fasciinucha (Rehw. Neum.) Öst- und Süd-Afrika. Falco barbarus arabicus Erl. Arabien (? Nord-Ost-Afrika). Falco barbarus punicus Lev. Nord-Afrika (Atlasländer). Falco barbarus babylonicus (L. H. Irby) Kaukasusgebiet, Babylonien, Euphrat. Falco barbarus aus Deutschland (entweder eine Brehm’sche Form oder nov. subspecies germanzicus Erl.). Deutschland, Mitteleuropa. I. Falco barbarus barbarus L. Abbild.: Schlegel & Susem. Vögel-Europas Tafel 9 Fig. 1. (1839). — Linne S. N. I. pag. 125 (1766). — Falco barbarus. Schlegel & Susemihl, Vög. Eur. cum Tab. 9. 1839. — Falco pe- regrinoides Schlegel nec. Temm. Von diesem Edelfalken, dem echten rotnackigen Berberfalken, liegen mir fünf Exemplare vor und zwar: g ad. Nubien, Berl. Mus. No. 1005, leg. Hemprich & Ehren- berg. Flgl. 28,5, Schwanzl. 15,5, Schnabel 1,9 cm. © ad. Nubien, Berl. Mus. No. 1008, leg. Bauerhorst. Filgl. 31,6, Schwanzl. 17,5, Schnabel 2,2 cm. © ad. (Tring.-Museum) ex Brehm Collection. Januar 1851 Blauer Fluss, Sennar leg. Brehm. Filgl. 32,7, Schwanzl. 17,5, Schnabel 2,2 cm. g ad. (Tring-Museum) ex Brehm Collection. 9. März 1852 Luxor. leg. Alfr. Brehm. Figl. 27, Schwzl. 15,5, Schnabel 1,9 em. Expl. (augenscheinlich $ iuv.) Nubien, Berl. Mus. No. 17608 leg. Wilke. Flgl. 27,2, Schwzl. 15, Schnabel 1,8 cm. Falco barbarus barbarus hat bei weitem von allen seinen Verwandten das meiste Rot im Nacken, auch die Unterseite ist sehr hell und mit spärlicker Fleckenzeichnung markiert, welche sich an den Hosen und Flanken in eine Querbänderung verwandelt. Zumal die adulten $g haben eine fast einfarbige gelbbraune Unterseite, fast ohne dunkle Zeichnung. Auf der Oberseite, den Flügeln, Schwanz und zumal dem Bürzel ist das Blau sehr hell mit starkem grauem Anflug. Brutgebiet: Nilländer, Aegypten, Nubien, Sennar. II. Falco barbarus aus Süd-Afrika event. identisch mit „fasewinucha.“* Temminck Pl. Col. Tab. 479 — Faucon peregrenoide (adulte mäle) Text. Bd. IV. Falco peregrinoides Temm. Leider liegt mir kein Exemplar von Falco barbarus ex. Süd-Afrika vor, dagegen ein Exemplar von Falco fasctiinucha 19* 292 Carlo Freiherr von Erlanger: Rchw. Neum. Diagnose Orn. Monatsbr. 1895. pag. 114, ferner noch zwei weitere Exemplare des rotnackigen Wanderfalken aus Arabien, nov. spec., welche ebenfalls dem Fulco barbarus ex Süd- Afrika sehr nahe stehen. Reichenow stellt Falco fasciinucha unter die Taubenfalken, ‘ eine Ansicht, der ich mich nicht anschliessen kann, der viel stärkere Schnabel, die corpulenteren Läufe und Zehen, die ge- drungenern Flügel stempeln ihn sofort als echten Edelfalken. Temminck gibt in seinem Text, gehörig zur Tafel 479, als Heimat sowohl Nord-Ost-Afrika (Nubien) als auch Süd-Afrika (Meerbusen von Algva) an. Zu seiner Zeit achtete man nicht auf zoogeographische Formen, und so warf er den rotnackigen Falco barbarus mit dem rotnackigen Berberfalken Süd-Afrikas zusammen. Auf alle Fälle geht daraus hervor, dass auch in Süd-Afrika ein rotnackiger Falke existiert. Aus der Abbildung in Temminck Taf. 479 geht ferner hervor, dass ın die Abbildung Characteristica beider zoogeographischen Formen gelegt wurden. Der zu ausgebildete rötliche Nacken, die hellere Unterseite be- zieht sich auf nordost-afrikanische Vögel, die scharf ausgeprägte schmale schwarzweisse Bänderung der Unterseite des Schwanzes . sind Kennzeichen vom Berberfalken aus Südafrika und zeigen deutlich die nahe Verwandtschaft mit dem ost-afrikanischen Falco fasciinucha Rehw. Neum., der ebenfalls diese praegnante Bänderung auf der Unterseite der Schwanzfedern hat; nur auf der Oberseite, dem Rücken und den Flügeln sehr dunkel ist. Vielleicht fallen auch beide Arten, Falco barbarus fasciinucha Rchw. Neum. und Falco barbarus ex. Süd-Afrika, zusammen. Brutgebiet: Süd-Afrika. III. Falco barbarus fasciinucha Rchw. Neum. Orn. Monatsberichte 1895 pag. 114. Falco fascünucha Rchw. Neum. — Neumann, Journ. f. Orn. 1899. pag. 51. Falco fescüinucha Rchw. Neum. hierzu Taf. 1. Typus Exempl. (den Massen nach zu urteilen $ ad.) Febr. 95. leg. Neumann, Ndara (Teita) Berl. Mus. No. 31760. Flgl. 22 cm, Schwzl. 14 ? cm (an dem ausgestopften Exempl. fraglich), Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 1,6 cm. Schon Neumann spricht im Journ. f. Orn. 1899 pag. 52 von einem Edelfalken, sucht aber dann eine nahe Verwandtschaft bei dem ihm vorliegenden Exemplare mit Falco cuwvieri, der doch sar kein Edelfalke ist. Die Folge hiervon ist, dass er auch bei der grossen Suite von Falco cwvieri des brit. Mus. kein Exem- plar gefunden hat, welches seinem fascünucha ähnlich sieht; ein Durchsuchen der Edelfalken dagegen mit rotem Nacken des dortigen Museums, also mit Formen des Formenkreises „barbarus“ hätte sicher zu einem andern Resultat geführt. Dass wir es mit Falco fasciinucha mit einem echten Edel- falken zu tun haben, hat übrigens schon Kleinschmidt richtigerkannt. Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 293 Aquila VIII. 1901 pag. 42 (Anmerkung). Brutgebiet: Ost- u. Süd-Ost-Afrika. IV. Falco barbarus arabicus Erl. nov. subsp. Falco barbarus fasetinucha Rehw. Neum. am nächsten stehend. Auf der Oberseite, dem Oberkopf, Rücken und Oberflügeln heller, mehr grau. Die Bänderung auf der Unterseite der Schwanz- federn mehr verwaschen. _ Die weniger markierte Bänderung bildet einen wunderbaren Übergang zu Falco barbarus barbarus L. Auch die Unterseite mehr rötlich gelb und nicht rotbraun wie bei ost- resp. süd-afrikanischen Vögeln. Von dieser Art liegen mir drei Exemplare vor. Exempl. ad. Aden Arabien leg. Neumann (Berl. Mus.). Flgl. 27,5, Schwzl. 15,4, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 1,8 cm. g ad. 25. Aug. 99. Arabien (Lahadsch.) leg. Dodson. (Tring. Mus.). Figi. 27,1, Schwzl. 15,4, Schnabell.v. d.Wachsh. gem. 1,8 cm. Exempl. iuv. Lahadsch (Süd-Arabien) 6. Septbr. 1899 leg. Dodson (Tring. Mus.). Filgl. 26,7, Schwzl. 16, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 1,7 cm. Brutgebiet: Süd-Arabien (? Nord-Ost-Afrika) nähere Angaben vorerst unmöglich. V. Falco barbarus punicus (Lev. jun.) Levaillant jun. Expl. Algerie Ois. Pl. 1. (1850) Falco punicus Levaill. Loche. Expl. scient. de l’Algerie pag. 55 (1867). Gennaia barbarus. Dieser nord-afrikanische Barbarus-Falke bildet einen wunder- baren Übergang zu dem in Europa vorkommenden ‚„Barbarus“. Denn auch unsere deutschen Wälder bergen als Brutvogel einen Barbarusfalken und besitze ich in meiner Sammlung einen dieser deutschen am Horste erlegten Falken, auf den ich nachher zu sprechen komme. Falco barbarus punicus hat bei Weitem am wenigsten rot im Nacken. Es ist gewissermassen nur ein Anflug, der auch als Schatten, recht wenig zweckentsprechend und fehlerhaft, in der Abbildung Lev. jun. Pl. 1 angedeutet ist. Dieser rötliche Nacken- anflug setzt sich von hier fort, umrahmt die schwarzblauen Backen- flecken und gibt den hellen Wangenseiten rötlichen Anflug. Die Unterseite variiert sehr in ihrer rötlichen Färbung, teils auf Alter zurückzuführen, teils auch Übergänge bildend zu Felco barbarus barbarus L., Falco barbarus arabicus Erl, Falco bar- barus babylonicus (L. H. Irby) einerseits und dem in Deutschland als Brutvogel vorkommenden, in den Formenkreis „Barbarus“ gehörenden Edelfalken, andererseits. Falco barbarus punicus (Lev. jun.) liegt mir in drei Exemplaren vor. g ad. Marocco (Rabat) Mai 1898 gek. von Schlüter. Coll. Kleinschmidt. Filgl. 29, Schwanzl. 15, Schnabell. v. d. Wachsh, gem. 1,9 cm. 294 Carlo Freiherr von Erlanger: Exempl. ad. (anscheinend $) Käfigvogel (Tring-Mus.). Figl. 27, Schwanzl. 15,7, Schnabell v. d. Wachsh. gem. 2 cm. : " g med. Tanger Marocco (Tring. Mus.). Sehr abgeblasster, alter Balg, Vogel mit sehr zerschlissenem Gefieder. Flgl. 28,2, Schwanzl. 16, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. Q iuv. 10. Mai 1898 Aguilas Spanien, (Tring-Mus.) Flgl. 26,5, Schwanzl. 18, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 2 cm. Brutgebiet: Nord: Afrika, Atlasländer (Tunis, Algier, Marocco). (? Süd-Spanien.) VI Falco barbarus babylonicus (L. H. Irby). Capt. L. H. Irby On Birds observed in Oudh and Kumaon. Ibis 1861 pag. 218. — Falco babylonicus Irby, hierzu Tafel VII. Von diesem, dem Kaukasus, Terek-Gebiet,Babylonien, Euphrat- Gebiet als Brutvogel angehörenden Barbarusfalken liegt mir ein Exemplar aus der Collection Kleinschmidt vor. Der Vogel, der an Grösse dem Falco barbarus punicus aus Nord-Afrika gleich kommt, hat noch ausgeprägtere rötliche Nacken- färbung als dieser und bildet einen Übergang in dieser Beziehung zum nubischen Falco barbarus barbarus L., dagegen nähert ihn die mehr gefleckte und mit Wellenlinien versehene Unterseite mehr dem nord-afrikanischen Vogel. Der rötliche Schimmer auf den hellen Wangen, der sich vom rötlichen Nackenbande fortsetzt und die schwarzbraunen Backenstreifen umsäumt, erinnert eben- falls an Falco barbarus punicus, jedoch ist letzteres Merkmal zumal bei dem @© auch bei Falco barbarus barbarus L. der Fall. © ad. 17. Jan. 1900. Kaukasus (Terekgebiet) Prochladnaja. Coll. Kleinschmidt. Flgl. 32,5, Schwanzl. 19, Schnabell. von der Wachsh. gem. 2,8 cm. VI. Falco barbarus aus Deutschland, subsp. germanicus Erl. oder auf eine Brehm’sche Art zurückzuführen. ? (Brehm Nature. der Vögel Deutschlands 1831. pag. 62. Falco cornicum, Krähenfalke). Von dieser Art liegt mir nur ein Exemplar aus meiner. Sammlung vor. Der rötliche Anflug im Nacken ist nur ange- deutet. Das mir vorliegende $ unterscheidet sich von den übrigen ‘ durch die scharfe dunkel schiefergraue Bänderung auf der Ober- seite, zumal praegnant auf dem Bürzel, welcher sich deutlich von dem übrigen blaugrauen, helleren Gefieder abhebt. Auch die dunkle Bänderung am Schwanze ist schmal und ausgeprägt. Die unterste dunkle Binde ebenso schmal wie die übrigen und nicht so breit wie bei den anderen mir aus Deutschland vorliegenden Wanderfalken meiner Sammlung, welche ich zum Formenkreis „peregrinus“ gehörig erachte. Die Unterseite ist nicht völlig mit Schwarzen Längsstrichen geziert, welche sich bindenartig fortsetzen, sondern ist nur an den Seiten gebändert, während in der Mitte der Unterseite eine deutliche dunkle Fleckung vorhanden ist. Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 295 Der Schnabel ist auf der First breiter, überhaupt gedrungener und dicker. Die Flügel kürzer. Brehm spricht in seinen Werken immer von zwei Arten, dem Falco cornicum und Falco peregrinus. In seiner Natur- geschichte der deutschen Vögel, pag. 62, 63, verweist er auf Nau- mann’s Naturgeschichte der Vögel Deutschlands. Tafel 24, 1; 25, 2; 24,2; 25,1. Naumann ceitiert die Bilder als Geschlechts- Unterschiede. Die beiden alten Vögel zeigen deutlich den Unter- schied der Befiederung auf der Unterseite. Was die Grössenunterschiede anbelangt, von welchen Brehm in seiner Naturgeschichte der deutschen Vögel spricht, pag. 63, welche zwischen beiden Arten bestehen, ferner die osteologischen Unterschiede sind entschieden beachtenswert. Mir fehlt es an Material, um auf diese Fragen näher einzugehen. Auf alle Fälle hat mein Exemplar, welches ich zum Formen- kreis „Barbarus‘“ gehörig erachte, kürzere Flügel und dickeren Schnabel als die übrigen mir vorliegenden Wanderfalken aus Deutschland. Auch die Stirn ist bei diesem deutschen Barbarus- falken mehr graublau, die Federn heller umsäumt und nicht wie bei den Peregrinus-Falken tief dunkel schieferblau, welches sich im Nacken fortsetzt. g ad. 15. April 1899. Deutschland, Heldra bei Treffurt, leg. Förster Menzel Coll. v. Erlanger. Flügel 28.9, Schwanzl. 14,5, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 1,8, Oberschnabeldicke gem. v. Dornfortsatz zu Dornfortsatz 0,7 cm. Aus dem Formenkreis „Peregrinus“ Tunst., communis Gm., liegen mir auch mehrere zoogeographischen Formen vor; jedoch genügt mir mein Material nicht, ebenso wie es noch viele andere Formen der beiden anderen Formenkreise gibt, so auch von diesem. Ich will mich daher darauf beschränken, nur zoogeo- graphische Formen zu erwähnen, bespreche die Masse des mir vorliegenden Materials und überlasse andern Ornithologen an der Hand noch grösseren Materials darauf zurückzukommen. Wie überhaupt meine Arbeit nur eine Anregung bilden soll, ein Stückwerk ist, vielleicht eine falsche Auffassung! Folgende zoogeographische Formen des Formenkreises „.Pere- grinus“ sind mir bekannt und liegen mir vor. I. Falco peregrinus peregrinus Gm. aus Deutschland, Mittel-Europa. II. Falco peregrinus brittanicus Erl. England, Schottland. III. Falco peregrinus griseiventris (Brehm) aus Schweden, Nord- russland. IV. Falco peregrinus anatum (Bp.) aus Grönland. V. Falco peregrinus atriceps aus Süd-Russland, Persien, Nord- Indien. VI. Falco peregrinus leucogenys (Brehm) aus, Süd - Ost -Europa, Süd-West -Asien. VIL. Falco peregrinus brookii Sharpe aus der Mittelmeer-Subregion, 296 Carlo Freiherr von Erlanger: VIII. Falco peregrinus peregrinoides Smith, Süd-Afrika nördlich bis zum Congo und Nyassa-See. IX. Falco peregrinus radama (Hartl.) aus Madagascar. I. Falco peregrinus peregrinus (Gm.). Gmelin. S. N.I. pag. 272, (1788 Briss.) — Falco peregrinus Gm. 1788 ex Buff. Falco communis Gm. — DBrehm. Naturg. der deutschen Vögel 1831 pag. 62 Falco peregrinus L. (Falco abietinus Bechst.). Brutgebiet: Mittel-Europa, (Deutschland). Characteristica für diesen Wanderfalken sind die tief schwarze Stirn, Kopfplatte und Nacken, die gelbbraune Unter- seite, die von der Brust abwärts mit schwarzen Längsflecken, Wellenlinien bildend geziert ist, verändert sich auf den Flanken und Hosen in schmutzig Grauweiss. Oberseite, Rücken, Flügel, vom Nacken anfangend sich verhellend bis blaugrau mit un- deutlich dunkler Wellenzeichnung, welche nur auf den. oberen Schwanzdeckeln praegnant zum Vorschein tritt. Aus meiner Collection liegen mir von dieser zoogeogra- phischer Form 6 Exemplare vor, deren Masse folgende sind. g ad. Hannover 10. Okt. 98 erlegt von Förster Frühauf. Flg. 29,7, Schwzl. 16,2, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9, Ober- schnabel v. Dornfortsatz zu Dornfortsatz 0,6 cm. g ad. Hannover 7. April 99 erlegt von Förster Frühauf. Flgl. 29,9, Schwzl. 16,2, Schnab. v. d. Wachsh. gem. 1,8 cm. g Westpreussen Heldra bei Treffurt erlegt von Förster Menzel 12. April 99. Flgl. 29,8, Schwzl. 16, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,8, Oberschnabel von Dornfortsatz zu Dornfort- satz 0,6 cm. © ad. Hessen (Nieder-Ingelheim) 12. Februar 99 leg. Hilgert. Flgl. 35,3, Schwanzl. 20, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,3 cm. © ad. Ostpreussen, (Oszywilken bei Arys) erl. von Förster Vaternam) 1. Juli 99. Flgl. 34,7, Schwanzl. 19, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 23 cm. Q ad. Ostpreussen, (OÖszywilken) 3 Jahre in der Gefangen- schaft. 1. Februar 1902 verendet. Flgl. 35,9, Schwanzl. 20, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,5 cm. II. Falco peregrinus brittanicus Erl. nov. subspecies. (fragliche Form). Dieser englische Wanderfalke unterscheidet sich von mittel- europäischen (Form I) und nordischen (Form III), indem er in der Mitte zwischen beiden zoogeographischen Formen steht. Falco peregrinus brittanicus hat die Unterseite wie der deutsche Wanderfalke, vielleicht um ein Atom heller, zumal scheint die graue Grundfarbe auf Flanken und Hosen im allgemeinen reiner weiss zu sein. Die Oberseite dagegen ist heller als bei Falco peregrinus peregrinus und entspricht an Helle der von Falco peregrinus Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 297 griseiventris. Zumal tritt dieser Unterschied zwischen Form I und II deutlich auf Stirn, Kopfplatte und Backenstreifen zu Tage. Der brittanische Wanderfalke liegt mir in 7 Exemplaren vor. g Jolly Farm near Tring, England, Herts. (Tring Mus.). 4. ÖOktbr. 97. Filgl. 30,2, Schwzl. 17, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,1 cm. g ad. Isle of Man (Tring Mus.). Flgl. 30, Schwzl. 16,1, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9 em. © ad. England Isle of Man (Tring. Mus.) Flgl. 34,5, Schwzl. 20,3, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,5 cm. © ad. Lungwell, Gutherlund, England 6. VIII. 73 (Tring. Mus.). Flgl. 33,3, Schwzl. 19,5, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,5 cm. g ad. N. W. Schottland 25. Mai, Tring. Mus. Flgl. 30,6, Schwzi. 16,5, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2 cm. © ad. North Berwick, Schottland 18. Dezbr. 96 (Tring. Mus.). Flgl. 34,5, Schwzl. 21, Schnabel v. d. Wachsh. gem 2,5 cm. Letztere beiden schottischen Exemplare nähern sich mehr schwedischen Vögeln, während die englischen Falken sich mehr mitteleuropäischen Vögeln nähern. Entschieden bilden aber die Wanderfalken Brittaniens eine Zwischenform zwischen I und Ill. Dieselben kommen in ihren Massen schwedischen Vögeln gleich, zumal bei den $ 3 ist der Schnabel im allgemeinen stärker als bei mitteleuropäischen Vögeln, was aus obigen Massen hervorgeht. III. Falco peregrinus griseiventris (Brehm). Brehm Isis 1833 pag. 778 Falco griseiventris Brehm. Typus (Tring. Mus.) ex Brehm Collection. geerl. v. Baron v. Beust 24. Okt. 1826. Nimritz (Neustadt Orla). (Das Typus-Exemplar trägt ausser der Museumsetikette die Originaletikette von Brehm). Characteristica dieser zoogeographi- schen Form sind: Die hellgraue Unterseite, welche nach den Flanken, Bauche und Hosen zu schmutzig grauweiss ist. Die ganze Unterseite ist mit schmalen dunklen Längsflecken geziert, welche sich in Wellenlinien an einander reihen. Oberseite, Rücken, Bürzel, Oberschwanzdecken, Oberseite der Flügel sehr lichtgrau. Auch Stirn, Oberkopf, Nacken und Backenflecken haben auf dem Schwarz grauen Anflug, der zumal bei den $ g stark hervortritt. Q@ @ haben auf der hellen Unterseite gelblichen Anflug. Schnabel sehr stark, zumal bei den Jg. Brutgebiet: Schweden, (? Norwegen) Nordrussland. Es liegen mir ausser dem Typus 6 Exemplare des Tring. Mus. vor und 1 Exemplar aus meiner Collection. g ad. Göteborg, Schweden 25. IV. 1901, Tring. Mus. Flgl. 31,4, Schwzl. 16,1, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2 cm. g ad. Haburgen, Schweden 18. V. 1834 ex Brehm Collection (Tring. Mus.). Flgl. 30,2, Schwzl. 17, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2 cm. 298 Carlo Freiherr von Erlanger: g ad. Göteborg, Schweden 10. VII. 1900, Tring. Mus. Flegl. 31,7, Schwzl. 17, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2 cm. - g ad. Gouvernement St. Petersburg, Nordrussland 23. VI. 1900. Coll. v. Erlanger. Dieses Exemplar wurde auf einem freien Hochmoor am Horst, der zwei Junge enthielt, von Frei- herrn von Östen-Sacken im Eisen gefangen. Flgl. 30,8, Schwzl. 16,3, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,8 cm. ı 2 ad. Göteborg, Schweden 16. I. 01. (Tring. Mus.). Filgl. 34,8, Schwzl. 19,1, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 2,5 cm. Q Göteborg, Schweden 28. IX. 1901 (Tring. Mus.). Flgl. 34,6, Schwzl. 20, Schnabell. v. d. Wachsh. gem. 2,4 cm. Q ad. Göteborg, Schweden 3. V. 1901 (Tring. Mus.). Filgl. 34,6, Schwzl. 20, Schnabl. v. d. Wachsh. gem. 2,2 cm. Das 3 aus Nordrussland, Gouv. St. Petersburg, aus meiner Sammlung hat auffallend kleinen Schnabel, 1,8 em; während die übrigen $ ä dieser Art aus Schweden alle 2 cm haben. Es nähert sich daher seinem südrussischen Verwandten. IV. Falco peregrinus anatum (Bp.). Bonaparte Comp. List. B. Eur. N. Am. pag. 4. (1838 ex Adubon). Das Brutgebiet dieses er Wanderfalken ist Grönland. Oberseite sehr dunkel schwarzblau, auf der Unterseite isabell- farben mit schwarzer Wellenzeichnung. Falco peregrinus anatum liegt mir nur in einem Exemplar vor. g H. Herbst (einmal vermausert) Holstenborg, Grönland. 5. Okt. 1898 Coll. Kleinschmidt. Flgl. 31,2, Schwzl. 18, Schnabl. v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. V. Falco peregrinus atriceps (Hume). Hume Ibis 1869 pag. 356 Falco atriceps Hume. Dem Falco peregrinus griseiventris am nächsten, unterscheidet sich von diesem durch die dunklere Oberseite, welche zumal auf Oberkopf, Nacken und Backen stark hervortritt und den grauen Schimmer des schwedischen resp. nordrussischen Wanderfalken entbehrt. Ferner unterscheidet sich diese Art von Form II durch den meist kleinen Schnabel. (Zwar nicht constant). Die Unterseite ist reiner weiss wie bei den dd von Form III, die gelbliche Unterseite der 28 ebenfalls heller als bei Form III, zuweilen auch reinweiss. Auch ist die dunkle Wellenzeichnung viel spärlicher und öfter durch vereinzelte Flecken zumal nach der Mitte der Unterseite zu ersetzt. Diese Art liegt mir in 5 Exemplaren vor. Genau das Brutgebiet anzugeben ist mir vorerst unmöglich. Südrussland? Persien, Nordindien. Zugvogel 9. Januar A Flgl. 36, Schwzl. 21, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,2 Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 299 VI. Falco peregrinus leucogenys (Brehm). Brehm Naumannia 1855 pag. 268 Falco leucogenys. Brutgebiet: Süd-Ost-Europa, Süd-West-Asien. Unterscheidet sich von seinen Verwandten durch die be- deutende Grösse und blassere Färbung auf der Oberseite. © ad. Montenegro, albanisches Territorium 10. II. 1900 leg. v. Führer (Tring. Mus.). Flgl. 36,5, Schwzl. 20,5, Schnabl. v. d. Wachsh. gem. 2,4 cm. © iuv. Montenegro 16. II. 1900 leg. v. Führer (Tring. Mus.). Flgl. 36, Schwzl. 20,5, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,3 cm. © ad. Zeyla, Nordküste des Somalilandes. Collection von Erlanger. g ad. Petrowsk Süd-Russland 17. V. 95. Coll. v. Erlanger. Figl. 30, Schwzl. 17, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. g ad. Madras, Indien, Zugvogel, Tring. Mus. Flgl. 30,7 Schwzl. 18, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2 cm. g ad. Madras, Indien, Zugvogel, Tring. Mus. Flgl. 29, Schwzl. 18, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. © ad. Behemba, Nord-Persien Februar 95 (Tring. Mus.). Flgl. 34, Schwzl. 20, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,3 cm. Nach Kleinschmidt sind die Brutvögel des Himalaya und Süd-Indiens blutrot auf der Unterseite, was er an Brutexemplaren des britischen Museums zu constatieren Gelegenheit hatte; bilden also eine andere zoogeographische Form. VII. Falco peregrinus brookii (Sharpe). Sharpe Ann. N. H. (4) XI. pag. 20, 222. (1873). Falco brooku. Von dieser Wanderfalkenart, dessen Brutgebiet die Mittel- meer-Subregion ist, liegen mir 5 Exemplare vor. Es ist der kleinste palaearctische Wanderfalke mit dunkler Oberseite, zumal auf Kopf und Nacken. Die Unterseite scheint auch einer gewissen individuellen Variation zu unterliegen, wenigstens ist dies meine vorläufige Ansicht, da ich vorerst nicht annehme, dass der Wander- falke Sardiniens und Corsikas als insuläre Form betrachtet werden muss. Bei 2 Exemplaren aus Tanger und einem aus Süd-Spanien hat nämlich die Unterseite unter dunkler, häufig gewellter Zeichnung gelblichen Anflug, während die bei den 22% sehr dunkle und wellenreiche Zeichnung der Unterseite, sowie die des dazu ge- hörigen $ aus Sardinien auf grauweissem Grundton liegt. g ad. Aguilas, Süd-Spanien. 12. IV. 99 (Tring. Mus.). Filgl. 28, Schwzl. 14,7, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. © ad. Tanger, Marocco 7. V. 94 (Tring. Mus.). Flgl. 32,2, Schwzl. 18, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,2 cm. © ad. Tanger Marocco 14. V. 85 (Tring. Mus.). Filgl. 32, Schwzl. 17,6, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,2 cm. g ad. (Sassari, Nurra die Torres), Sardinien 7. VI. 1902. Coll. v. Erlanger. Flgl. 28,5, Schwzl. 15, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. 300 Carlo Freiherr von Erlanger. Q ad. Eliastra Bellavista, Sardinien 17. X. 1902. Coll. v. Erlanger. Flgl. 32,5, Schwzl. 18, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 2,3 cm. VIII. Falco peregrinus peregrinoides (Smith). Smith S. Afr. Q. Journ. 1. pag. 235, (1830) Falco peregri- noides Smith). Sharpe Cat. of Birds. Britt. Museum I pag. 383 cum. Tab. 12 Falco minor Bp. Diese Art liegt mir in drei Exem- plaren vor. g ad. Songea, Tanganyikagebiet leg. Stierling 10. IV. 1900. (Kgl. Mus. Berlin). Figl. 18,7, Schwzl. 15, Schnabel. v. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. Expl. ad. leg. Stanley-Pool, Congo. (Tring. Mus.). Flgl. 18, Schwzl. 15, Schnabel v. d. Wachsh. gem. 1,8 cm. g ad. Sansibar (Tring. Mus.). Flgl. 17,3, Schwanzl. 14,3 Schnabel v. d. d. Wachsh. gem. 1,9 cm. IX. Falco peregrinus radama (Hartl.). Hartlaub Faun. Madag. 1861 pag. 17 Falco radama Hartlaub. Francois P. L. Pollen und D. G. van Dam Fauna Madag. Ois. 1868 pag. 31 Falco communis. Hartlaub. Die Vögel Madagaskars 1877 pag. 10 Falco minor Bp. Falco radama Hartlaub, der Falco peregrinoides Smith sehr ähnlich sieht und ihm am nächsten von seinen übrigen Ver- wandten steht, unterscheidet sich von letzterem erstens durch die viel dunklere Oberseite, nämlich Oberkopf, Nacken und Rücken. Während sich bei Falco peregrinoides die hellgraue Färbung der unteren Hälfte des Rückens, Bürzels und der Oberschwanzdecken deutlich von der dunkleren, sammtschwarzen oberen Hälfte des Rückens, des Nackens und Kopfes abhebt, so bedeckt diese dunkle Färbung die ganze Oberseite der Madagaskar-Wander- falken. Dieses dunkle Aussehen wird noch dadurch verstärkt, dass die gebänderte dunkle Wellenzeichnung der Oberseite zu- mal auf dem Bürzel und den Oberschwanzdecken deutlich her- vortritt. Auch die Flügeldeckfedern sind sehr dunkelschwarz. Die schwarze Bänderung der Unterseite ist auf gelblichem Grundton viel breiter und intensiver, während sie bei den Wanderfalken des tropisch- afrikanischen Continents schmaler und zumal auf den Flanken und Hosen auf grauem Grundton verwaschener ist. Sowohl aus dem Formenkreis „Barborus“ wie „Peregrinus“ gibt es noch eine ganze Reihe anderer Formen, jedoch sind diese teils noch völlig unbekannt, teils genügt das mir vorliegende Material nicht, um richtig erkannt zu werden. Falco ernesti Sharpe aus Brit. New. Guinea, von dem mir ein Exemplar des Kurze Betrachtungen über die Gruppe der Edelfalken. 301 Tring Mus. vorliegt. Ferner Falco peregrinus aus Labrador und Mexiko, event. identisch mit Falco peregrinus anatum, aus Grön- land u. s. w., gehören ebenfalls zu diesem Formenkreis, doch würde es mich zu weit führen, meine Arbeit über Europa, Asien und Afrika hinaus auszudehnen. Ein dem Tring. Mus. gehöriger Edelfalke aus Fuerte-Ven- tura bildet event. auch eine zoogeographische Form des Formen- kreises „Barbarus,“ jedoch liegt mir von dort nur dieser eine Falke vor. Eine offene Frage! Zu welchem Formenkreis gehört der australische Falco melanogenys Gould und der Edelfalke aus Japan. Vor allem mein aufrichtigsten und ergebensten Dank Herrn Baron von Rothschild, der mir in liebenswürdigster und zuvor- kommendster Weise das bedeutende Material von Edelfalken aus dem Tring Museum zur Verfügung gestellt und zum Vergleich mit dem Material des Kgl. Mus. in Berlin hierher gesandt hat. Herrn Kleinschmidt verdanke ich einige prachtvolle Bälge seiner Collection, die mir ebenfalls zum Vergleich vorlagen. I) Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Bericht über die Novembersitzung. Verhandelt Berlin, Montag, den 3. November 1902, Abends 8 Uhr im Architekten-Vereinshause, Wilhelmstrasse 92. Il. Anwesend die Herren: Schalow, Reichenow, Deditius, Thiele, von Treskow, Paeske, OÖ. Neumann, Jacobi, Heinroth, Freiherr von Erlanger, Schillings, Matschie, Haase. Als Gast: Herr G. Haase. Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. Im Anschluss an die Vorlegung neuer ornithologischer Schriften durch die Herren Reichenow und Matschie erhebt sich über einige zur Erörterung gelangte Fragen eine lebhafte Besprechung. Über das Brutgeschäft von Struthio massaicus äussern sich die Herren Schillings, Neumann und Freiherr von Erlanger. Herr Reichenow empfiehlt, dass durch unsere Vogelwarte in Rossitten eine ähnliche Zusammenstellung der Brutplätze von Ciconia alba für Östpreussen gemacht werde, wie sie für Meck- lenburg jetzt durch Wüstnei vorliegt. Herr Schalow weist auf die zahlreichen, nicht zur Brut ge- langenden Störche hin und vermutet, dass diese abgeschlagene alte Männchen sind. 302 Bericht über die Novembersitzung. Herr Heinroth glaubt, dass auch die im zweiten Jahre befindlichen Vögel, die noch nicht zur Brut schreiten, in Schwärmen zusammenbleiben. Herr Reichenow hofit, dass durch planmässige Beob- achtungen vielleicht die Zugrichtung der Störche festgestellt werden könne. Die neuerdings veröffentlichte Nachricht, dass ein in Brandenburg erbrüteter Storch in Siebenbürgen gefangen ist, eröfinet ganz neue Gesichtspunkte für die Betrachtung des Zuges dieser Vögel. Herr Freiherr von Erlanger erwähnt, dass in Tunis die Störche Ende Februar und Anfang März mit ihrer Wande- rung beginnen. Herr Schillings teilt mit, dass in Arabien Störche zu Hunderten mit Stöcken erschlagen werden. Herr Schalow legt einige Photographien von Geiern und Störchen vor, welche Herr Schillings mit dem Fernapparat in Deutsch-Ost-Afrika aufgenommen hat. Herr Schillings sah im Juli und August am mittleren Rufu eine sehr grosse Kolonie von Mycteria und Tantalus auf einer schwer zugänglichen Insel. Die Bäume waren mit Nestern dicht bedeckt, und halbflügge Junge wurden zahlreich beobachtet, viele auf dem Boden am Fusse der Bäume. Die Tantalus, von denen er mehrere dem Berliner Zoologischen Garten überwiesen hat, gebrauchen die Schnäbel ähnlich wie die Ibisse, indem sie mit auseinander gesperrten Kiefern im Wasser tasten. Die jungen Vögel überfielen gemeinsam einen der ihrigen und töteten ihn. Herr Schillings bemerkt, dass Otdogyps auricularıs im Massaigebiet sehr selten ist im Verhältnis zu anderen Geierarten. Der Redner lenkt alsdann die Aufmerksamkeit der An- wesenden auf den Massenfang von Singvögeln an elektrischen Leuchtfeuern. Zu vielen Tausenden fallen Turdus musicus und Alauda arvensis den Helgoländern zum Opfer, sobald sie in die Nähe des Lichtes gelangen. Herr Reichenow spricht nunmehr über eine neue Art der Gattung Parus, welche Herr Grote auf dem Vogelmarkt in St. Petersburg lebend gekauft und als Parus coeruleus pallidus in den Monatsberichten 1902 p. 182 beschrieben hat. In der Besprechung wird die Artseibstständigkeit von Parus pleskei durch Herrn Jacobi angezweifelt. Gegen die Bemerkung des Herrn Reichenow, dass die bekannten Exemplare von P. pleskei alle gleiche Färbung zeigen, also nicht als Bastarde an- sesehen werden können, wendet Herr Jacobi ein, dass auch Tetrao urogallox tetrix eine konstante Färbung zeige. Herr Freiherr von Erlanger teilt mit, dass die von Herrn Kollibay beschriebenen Pratincola aus Dalmatien von den Tunesischen Exemplaren unterschieden werden können. Herr Heinroth erwähnt, dass im Berliner Zoologischen Garten Plotus wieder mit einem Male alle Schwingen abgeworfen Bericht über die Novembersitzung. 303 habe. Die neuen Federn brauchen 3—4 Wochen zur Entwicklung. Plotus ist der einzige Steganopode, der in dieser Weise mausert. Einzelne Grus-Arten werfen auch die Schwanzfedern mit einem Male ab, so die Männchen von @r. lilfordi, leucauchen und veri- dirostris, die in 5 Wochen wieder volle Flügel bekommen. Grus cinerea wird ebenfalls in dieser Weise mausern, Gr. virgo scheint es nicht zu tun, er ist ja Steppenvogel und würde während der fluglosen Zeit nicht die nötige Deckung finden. Nach Blaauw soll das Männchen von Gr. paradisea ebenfalls flugunfähig werden. Alle Rallen und die Enten werfen in ähnlicher Weise alle Schwingen gleichzeitig ab. Herr Reich enow zeigteine bei Rossitten erlegte Surnia ulula. Herr Schalow bemerkt, dass auf der Insel Scharfenberg im Tegeler See in früherer Zeit zwei dieser Eulen erlegt worden seien. Herr Schalow hält einen Vortrag über arktische Vögel; er hält es für wünschenswert, dass die in den verschiedenen Ge- bieten auf Jan Mayen, Island und Grönland brütenden Formen genau mit einander verglichen werden. Namentlich seien die Bestimmungen der von Jan Mayen erwähnten Arten nachzuprüfen; sehr interessant sei eine vergleichende Untersuchung der Brutvögel von Jan Mayen und Island, die Erforschung des Vogelzuges im hohen Norden und die Vergleichung der Ornis von West- und Ost-Grönland. Herr Matschie empfiehlt Untersuchungen über die orni- thologischen Beziehungen von West-Grönland zu Baffınsland und der Barren Grounds, Ostgrönland zu Island und Jan Mayen. Es sei wohl möglich, dass Island mit Jan Mayen und Östgrönland eine gleichartige Vogelwelt besitze. Herr Freiherr von Erlanger wirft nunmehr die Frage auf, ob Parus maior und Anorthura troglodytes auf Helgoland als Zugvögel auftreten und ob letztere Art auf den Meereswogen beim Zug ausruhe. An der Besprechung nehmen ausser dem Herrn Fragesteller die Herren Schalow, Reichenow, Jacobi, von Treskow, Heinroth, Schillings, Neumann und Matschie teil. Die allgemeine Ansicht geht dahin, dass wohl gelegentlich ziehende Vögel sich ermüdet auf das Wasser niederlassen. Ob Parus maior an manchen Stellen in so grossen Mengen erscheint, dass man von Zügen sprechen kann, gehört in den Bereich der Möglichkeit. Die Begriffe Zugvogel und Strichvogel können nicht scharf gegeneinander abgegrenzt werden. Die Herren Matschie und Jacobi empfehlen die ver- gleichende Untersuchung von Brutvögelu derselben Art in Ost- preussen und in der Mark. Erst dann werde man sich über Zugverhältnisse ein besseres Bild machen können, wenn man genau wisse, wieviele geographische Formen der in Frage kommenden palaearktischen Arten sich unterscheiden lassen und wie ihre Brutgebiete zu begrenzen sind. Erst dann wird es gelingen, die 304 Bericht über die Dezembersitzung. Heimat eines auf dem Zuge gefangenen Vogels festzustellen. Heute könne man nicht behaupten, dass die im Winter in der Mark Brandenburg lebenden Corvus cornix, Parus maior, coeru- leus, ater, Anorthura etc. wirklich dieselben Vögel sind, die dort im Sommer brüten. Herr Jacobi glaubt, dass die Vogelwarte in Rossitten auch in dieser Frage segensreich wirken könne. Herr Schillings teilt mit, dass im Lichte des Helgoländer Leuchtfeuers Eulen den Vogelfang betreiben. Herr Schalow bemerkt, dass Eagle Clarke diese Tatsache für schottische Leuchtfeuer ebenfalls erwähnt. Schluss der Sitzung. Matschie. Bericht über die Dezembersitzung,. Verhandelt Berlin, Montag, den 8. Dezember 1902, Abends 8 Uhr im Architekten-Vereinshause, Wilhelmstr. 92. II. Anwesend die Herren Reichenow, Matschie, Grunack, von Treskow, Deditius, Haase, Heinroth, von Lucanus, Jacobi, Neumann, Heck. Von auswärtigen Mitgliedern: Herr von Dallwitz (Tornow). Vorsitzender: Herr Reichenow. Schriftf.: Herr Matschie. Herr Reichen ow legt einige neu eingegangene ornitholo- gische Schriften und das vom Königl. Zoolog. Museum erworbene Susemihl’sche Werk vor. Herr Matschie bespricht: A Biological Investigation of the Hudson Bay Region by Edward A. Prebla und knüpft daran einige Bemerkungen über die zoogeographischen Beziehungen der Uferländer des Hudson-Golfes. Er macht namentlich darauf auf- merksam, dass die Gebiete zwischen dem Winnipeg See und der Hudson Bay von der James Bay bis zum Nelson River eine ein- heitliche Fauna aufweisen müssten und dass erst nördlich von der York Faktorei eine andere boreale Fauna sich bemerkbar mache. Zwischen den Herren Reichenow, Jacobi und Matschie entspinnt sich eine längere Diskussion über die Berechtigung eines borealen circumpolaren Gebietes. Herr Reichenow gibt einige Mitteilungen aus einer Arbeit des Herrn Forstmeisters Loos über Versuche, die Schnelligkeit des Vogelfluges festzustellen. Dieser Aufsatz wird in den Orn. Monatsberichten No. 5 1903 abgedruckt werden. Herr Heinroth erinnert daran, dass die Kraft des Windes und die Stellung des Vogels beim Fliegen nicht genügend bei der Aufstellung dieser Versuche berücksichtigt sei. Herr Matschie glaubt, dass auch die Beschaffenheit der Luft, je nachdem sie mehr oder weniger Feuchtigkeit enthalte, die Weite des Blickes erheblich beeinflusse. Schluss der Sitzung. Matschie. Bericht über die Januarsitzung 1903. 305 Bericht über die Januarsitzung 1903. Verhandelt Berlin, Montag, den 5. Januar 1903, Abends 8 Uhr im Architektenhause, Wilhelmstr. 92. II. Anwesend die Herren: Schalow, Reichenow, Matschie, Heinroth, Paeske, Jacobi, von Lucanus, Ehmcke, Deditius, Haase und OÖ. Neumann. Vorsitzender: Herr Schalow, Schriftf.: Herr Matschie. Herr Reichenow macht den Anwesenden die traurige Mit- teilung, dass uns unser Mitglied, Baurat Wüstnei, durch den Tod entrissen ist. Schon früher, als das Centralblatt noch erschien, war Wüstnei den Berliner Ornithologen näher getreten. Seit 5 Jahren hatte er sich der Ornithologischen Gesellschaft als Mit- glied angeschlossen. Einige nähere Nachrichten über den Lebens- gang und das Wirken dieses verdienstvollen Vogelkenners wird ein von Herrn Clodius verfasster Nekrolog bringen. Herr Reichenow legt nunmehr die neu erschienenen und an den Herausgeber des Journals eingeschickten Arbeiten vor und bespricht sie. Aus einem Vortrage Marshall’s über „gesellige Tiere“ verliest der Redner einige bemerkenswerte Stellen. Diese geben zu einer regen Besprechung Anlass, an der sich die Herren von Lucanus, Schalow, Matschie, Heinroth, Deditius, Jacobi und Ehmcke beteiligen. Herr von Lucanus erwähnte hierbei, dass 200—300 Stare an einer geheizten Wand des Kaiserlichen Civilcabinets im Epheu zu überwintern pflegten. Herr Matschie erinnert daran, dass in diesem Winter trotz der strengen Kälte des Novembers doch Stare im Garten des Zoologischen Instituts beständig beobachtet werden konnten. Herr Ehmcke hat auch @ von Fringilla coelebs gesehen. Herr Reichenow spricht alsdann über Levaillant’s Cen- tropus nigrorufus. Herr Neumann macht dazu einige Bemerkungen. Herr Heinroth legt im Auftrage des Herrn Dr. L. Heck einige Photogramme von Pinguinen vor, die Herr Herbst in Concepeion, Chile, eingesendet hat. Herr Reichenow hält alsdann einen Vortrag über die Gattung Serinus und teilt die Girlitze in zwei Gruppen, solche mit grünlichen oder gelblichen Gefieder (Serinus s. str.) und solche mit graubraunen Gefieder, das zuweilen gelbe Abzeichen trägt (Poliospiza). Herr Neumann stellt die Frage auf, ob die Sperlinge nicht besser zu den Ploceidae zu rechnen seien, sie bauen gewebte Nester und leben ähnlich wie manche Webervögel. Herr Reichenow hat schon wiederholt auf die nahen Beziehungen zwischen Passer und den FPloceidae hingewiesen, glaubt aber nicht, dass für eine Abtrennung der Gattung ge- nügender Anhalt sei, Jonrn, f. Orn. LI. Jahrg. April 1908, 20 306 Bericht über die Februarsitzung 1908. Herr Schalow spricht über die Brutplätze von Bubo bubo und zeigt Gewölle dieser Art vor. Er teilt mit, dass ein Uhu, der am Werbelin-See gebrütet hatte, nach Jahren bei Eberswalde erlegt worden ist. Die Herren Matschie und von Lucanus machen hierzu einige Bemerkungen über das Vorkommen dieser Art im Harz und bei Berlinchen. Herr Heinroth hält nunmehr einen Vortrag über Sinnes- wahrnehmungen bei Vögeln. Er weist unter anderem auf das gut entwickelte Tastver- mögen hin, welches für die fehlenden Geschmackssinneswerkzeuge eintrete. Der Geruchssinn sei nicht besonders gut ausgebildet, jedoch würden starke Gerüche wahrgenommen. Auge und Ohr sind für den Vogel die wichtigsten Sinne, Die Herren Ehmcke und von Lucanus bestätigen das mangelhafte Geruchsvermögen der Vögel. Herr Jacobi teilt mit, dass Krähen Petroleum durch den Geruch bemerkt haben. Herr Neumann ist der Ansicht, dass die Geier ein sehr gutes Gehör haben und nach einen gefallenen Schuss durch den Knall zu der Beute gelockt werden. Herr von Lucanus hat dieselbe Beobachtung an Corvus corax gemacht. Herr Neumann fragt, ob Pundion nur am Roten Meere auf der Erde niste oder noch sonstwo. Die Herren Reichenow, Schalow und Deditius erinnern an solche Fälle und glauben, dass die Anlage des Nestes nicht in allen Fällen einem Gesetze unterworfen sind. Herr Neumann bemerkt, dass Columba guinea in derselben Gegend auf Bäumen und in Höhlen brüte. Herr Schalow weist auf das Brüten von Syrnium aluco in den Feldspatgruben des Rhön hin. Schluss der Sitzung. Matschie. Bericht über die Februarsitzung. Verhandelt Berlin, Montag, den 2. Februar 1903, Abends 8 Uhr im Architektenhause Wilhelmstr. 92 IL Anwesend die Herren Haase, Heinroth, Jacobi, v. Lu- canus, Neumann, von Treskow, Grunack, Deditius, Schalow, Reichenow, Matschie und Paeske. Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. Nachdem der Bericht über die Januarsitzung verlesen und angenommen worden ist, legt Herr Reichenow einige in der Zwischenzeit ihm eingesandte Bücher und kleinere Arbeiten vor und macht über ihren Inhalt einige Mitteilungen. Namentlich das von Dr. Lauterborn herausgegebene Vogel-, Fisch- und Bericht über die Februarsitzung 1903. 807 Tierbuch von Bernhard Baldner wird ausführlich besprochen. Besonders die darin enthaltenen Bemerkungen über Zugvögel geben Anlass zu längeren Auseinandersetzungen zwischen den Herren Neumann, Paeske, Matschie, Reichenow, Hein- roth und Schalow. Herr Neumaun hebt besonders hervor, dass manche unserer Zugvögel, wie der Storch und die Hausschwalbe, in Afrika nur sehr selten nachgewiesen worden sind, andere dagegen, wie die Rauchschwalbe und der Fliegenfänger, zu den häufigst ge- sammelten Arten gehören. Es sei eine sehr wichtige Frage, den Winteraufenthalt aller Zugvögel festzustellen. Herr Schalow bespricht hierauf ebenfalls einige Neuer- scheinungen des die Vogelwelt behandelnden Büchermarktes. Alsdann hält Herr Neumann einen Vortrag über Oriolus monachus und meneliki. Der Vortragende weist nach, dass beide Formen artlich zu sondern sind. Bei O. monachus sind die äusseren Schwanzfedern rein gelb oder es ist ein verwaschener schwärzlicher Fleck vor dem gelben Ende vorhanden, bei O. mene- liki dagegen haben die äusseren Schwanzfedern im mittleren Teile eine breite, tiefschwarze Querbinde. Erstere Art gehört dem nordwestlichen Abessinien, dem Gebiet des Blauen Nil an, letztere dagegen dem südlichen Schoa. An der Besprechung des Vortrages nehmen die Herren Reichenow, Matschie und Neumann teil. Herr Reiche- now erwähnt, dass die von Frh. v. Erlanger im südlichen Schoa und im Gebiet des Abajasees gesammelten Vögel die von Herrn Neumann entwickelte Anschauung bestätigen. Herr Reichenow gibt eine Übersicht der afrikanischen Sperlinge. Herr Schalow macht zum Schluss einige Bemerkungen über eine kleine Arbeit des Herrn von Führer. Die Aus- führungen des Vortragenden beschäftigen sich namentlich mit der Raubvogelbeize, die in der Herzegowina noch an manchen Orten üblich ist. Der Redner hat selbst an Ort und Stelle sich mit dieser Frage beschäftigt. Es würden noch heute weibliche Sperber und Feldegg’s Falken dort zur Jagd abgerichtet. Herr von Führer benutzte auch Steinadler zu Fuchs- und Hasenjagden. Habichte und Wanderfalken, die früher als Beizvögel sehr viel verwendet wurden, sind jetzt nicht mehr dazu im Gebrauch. Schluss der Sitzung. Matschie. Bericht über die Märzsitzung 1903. Verhandelt Berlin, Montag, den 2. März 1903, Abends 8 Uhr, im Bibliothekzimmer des Architekten-Vereinshauses, Wilhelm- strasse 92 II. 20* 308 Bericht über die Märzsitzung 1903. Anwesend die Herren Paeske, von Treskow, Grunack, Deditius, Heinroth, Freiherr von Erlanger, von Lucanus, Jacobi, Haase, Matschie, Reichenow, Scha- low und Neumann. Vorsitzender: Herr Schalow. Schriftf.: Herr Matschie. Herr Reichenow gibt zunächst einen Überblick über die wichtigsten Erscheinungen des vogelkundlichen Büchermarktes. Bei Gelegenheit der Besprechung von Salvadoris neuester Übersicht über die Vögel der Insel Fernando Po fragt Herr Matschie, in welchem zoogeographischen Verhältnisse Fernando-Po zu Kamerun stehe; er nehme an, dass die auf dieser Insel vorkommenden Säugetiere zu denselben Arten gehören, wie die im mittleren und südlichen Kamerun zwischen Victoria und Batanga lebenden, dass sie aber von den Formen des Rio del Rey und Cross- Gebietes verschieden seien. Die von Fraser aus Fernando Po beschriebenen Arten bestätigen diese Auffassung. Herr Reichenow bemerkt, dass die Vogelfauna von Fer- nando Po sich am nächsten an die des Kamerungebirges anschliesse. Herr Reichenow lest einige Polyboroides vor und weist auf die unregelmässige Entwicklung der gebänderten Unterseite hin, die bald unmittelbar der braunen Jugendfärbung folgt, während in anderen Fällen eine einfarbig graue Zwischenfärbung vorkommt. Herr Freiherr von Erlanger hält alsdann einen Vortrag über einige Raubvögel, die er auf seinen Reisen gesammelt hat. Ausführlich wird der Gegenstand vom Vortragenden demnächst im Journal für Ornithologie behandelt werden. Herr von Lucanus spricht hierauf über neuere Ergebnisse der Vogelbeobachtungen auf Luftballonfahrten. Er habe bei Ge- legenheit des internationalen Luftschiffer-Kongresses den Antrag gestellt, dass nach Möglichkeit auf den wissenschaftlichen Luft- reisen Beobachtungen fliegender Vögel aufgezeichnet, und dass auch zur Zugzeit derartige Auffahrten gemacht werden sollen. Herr Professor Dr. Hergesell, der Vorsitzende der internatio- nalen Kommission sei sehr freundlich auf diese Anregung einge- gangen und habe deren Erfüllung in Aussicht gestellt. Heute liegt eine bemerkenswerte Beobachtung vor, die demnächst aus- führlich mitgeteilt werden wird. An diese Mitteilung, die zu den bisher gewonnenen Ergeb- nissen sehr gut passt, schliesst sich eine Besprechung, an der die Herrn Reichenow, Heinroth, Schalow, Matschie und von Lucanus sich beteiligen. Herr Neumann legt nunmehr das einzig bisher bekannte Exemplar von Corythaiz ruspolii vor und äussert sich über die verwandtschaftiichen Beziehungen und das engere Vaterland die- ser Art. Herr Reichenow legt alsdann einige seltene und neue Arten aus Kamerun vor und bespricht insbesondere Pisorkina balia und Smithornis zenkeri. Herr Schalow hält zum Schluss einen Vortrag über die Verbreitung von Fratereula arctica und glacialis. Schluss der Sitzung. Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 309 Matschie, Dem Herausgeber zugesandte Schriften. Aquila. Zeitschrift für Ornithologie. Red. O. Herman. IX. Jahrg. 1902 Suppl. The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XX No. 1 1903. Bird-Lore.. A Bi-Monthly Magazine. Devoted to the Study and Protection of Birds. Edited by F.M. Chapman. Harrisburg Pa. Vol. IV No. 6 1902. Bulletin de la Societe Philomathique de Paris. 9 ser. Tome IV No. 3. 4 1901—1902. Bulletin of the British Ornithologists’ Club. No. XCIV u. XCV. 1903. The Condor. A Magazine of Western Ornithology. Cooper Ornithological Club. Palo Alto, California. Vol. V No. 1 1903. Die Gefiederte Welt. Wochenschrift für Vogelliebhaber. Herausg. Karl Neunzig. Magdeburg (Creutz’sche Verlagshandlung). Jahrg. XXXII. Heft 1—11. The Ibis. A Quarterly Journal of Ornithology. (8.) Ill. Heft 1 1903. Der Ornithologische Beobachter. Herausg. v. C. Daut in Bern. II. Jahrg. Heft 2 1903. Ornithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- gebiet. Herausgegeben von Viktor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen. XIV. Jahrg. Heft 1—2 1903. Ornithologische Monatsschrift des deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. XXVIIIL Jahrg. No. 3. J. V. Barboza du Bocage, Aves da Ilha de S. Nicolau, Archi- pelago de Cabo Verde. (Abdruck aus: Jorn. Sc. Math. Phys. Nat. Lisboa (2.) VII No. XXV 1903.) M. E. G. Bartels, Zur Ornis Javas. (Abdruck aus: Natuurk. Tijdschr. voor Ned. Indie. LXI, afl. 3 1901). R. Berge, Ornithologische Beobachtungen aus dem westlichen Sachsen. (Flugblatt). H. v. Berlepsch, Der gesamte Vogelschutz, seine Begründung und Ausführung. 6. vermehrte und verbesserte Auflage. Gera-Untermhaus 1903. H. v. Berlepsch, Acclimatisationsversuche mit Leiothriz lutea (Scop.). (Abdruck aus: Monatsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. 1902 No. 5—6). 310 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. M. Bräss, Das heimische Tier- und Pflanzenleben im Kreislauf des Jahres. I. Das heimische Vogelleben. Lief. 1. 2. Dresden 1903. i S. A. Buturlin, Kennzeichen einiger Vögel Ostlivlands. (Ab- druck aus: Zeitschr. Ges. f. Ethnogr. Anthrop. Naturk. Moskau. Zool. Abt. I. III No. 3). [In russischer Sprache]. S. A. Buturlin, Die Schnepfen des russischen Reiches. Illus- triertes Handbuch für Jäger und Vogelliebhaber. (Beigabe zur Zeitschrift „Die Hetz- und Waffenjagd.“ 1. Lief. Tula 1902). [In russischer Sprache]. T. Csörgey, Zur Biologie des Falco subbuteo L. — Über- siedelung oder Verbreitung. (Abdruck aus: Aquila IX. Bd. 1902). A. Dubois, Synopsis Avium. Nouveau Manuel d’Ornithologie. Fasc. XI, XII. Bruxelles 1902. W. K. Fisher, A new Procelsterna from the Leeward Islands, Hawaiian Group. (Abdruck aus: Proc. Un. St. Nat. Mus. XXVI. No. 1322 1903). R. Friedländer u. Sohn, Naturae Novitates. Bibliographie neuer Erscheinungen aller Länder auf dem Gebiete der Naturgeschichte und der exakten Wissenschaften. XXV. Jahrg. No. 3 1902. Gaston Gaal de Gyula, Der Frühjahrszug der Rauchschwalbe im Jahre 1899. (Abdruck aus: Aquila IX. Bd. 1902). A. Girtanner, Eine zerstörte Kolonie des Alpenseglers (Apus melba). (Abdruck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVII. No. 9). J. Grinnell, Pacific Coast Avifauna. No. 3. Check-List of California Birds. (Cooper Ornith. Club of California, 1902). J. Hegyfoky, Das Erscheinen des Kukuks in Österreich und Ungarn im Jahre 1897 und 1898. (Abdruck ans: Aquila IX. Bd. 1902). J. Hegyfoky, Die Witterung zur Zeit der Ankunft der Rauch- schwalbe 1899. (Abdruck aus: Aquila IX. Bd. 1902). OÖ. Herman, Stefan von Necsey (1870 — 1902). Seine Tätigkeit an der Ungarischen Ornith. Zentrale. (Abdruck aus: Aquila IX. Ba. 1902). OÖ. Herman, Nestgeschichten. Charakterzüge zur Naturgeschichte der Rauchschwalbe. (Abdruck aus: Aquila IX. Bd. 1902). Ö.M.Kisch, Die Hauptregeln der Sprosser-Pflege. Magdeburg 1903. Kollibay, Beiträge zur Kenntnis der Vogelwelt Dalmatiens. (Abdruck aus: Ornith. Jahrb. XIV Heft 1, 2). Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 3ıl Ze P. Langley, The greatest Flying Creatures. (Abdruck aus: Smiths. Report for 1901. S. 649—659. Washington 1902). R. Lauterborn, Leonhard Baldner’s Vogel-, Fisch- und Tier- buch aus dem Jahre 1666. Ludwigshafen 1903. O0. Leege, Telegraphendrähte eine Gefahr für die Vogelwelt. (Abdruck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVIU Nr. 1). O0. Leege, Die Juister Vogelkolonie (Abdruck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVIII Nr. 1). OÖ. Leege, Ornithologisches von der ostfriesischen Nordseeküste. (Abdruck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVII Nr. 5—6). OÖ. Leege, Dezemberliches von den ostfriesischen Inseln. (Ab- druck aus: Mntsschr. D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. 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Äusserlich schliesst sich dieselbe an eine Reihe kleiner faunistischer Arbeiten an, die in derselben Zeitschrift erschienen sind, nämlich: 1892, pag. 196. Vögel des Grossherzogtums Hessen. 1894, pag. 117. Ein weiterer Beitrag zur Ornis des Gross- herzogtums Hessen. Beiträge zur Ornis des Grossherzogtums Hessen und der Provinz Hessen-Nassau: I. 1896, pag. 417. Bibliographia ornithologica Hassiae et Hasso-Nassoviae.t) II. 1896, pag. 437. Bemerkungen zur Ornis von Rheinhessen, Notizen insbesondere aus der Gegend v. Ingelheim a. Rh. I und II tragen infolge eines Missverständnisses am Kopf jedes Blattes die Inhaltsangabe „Deichler und Kleinschmidt etc.“ Beide sind von meinem Freund und Vetter Deichler allein ver- fasst. Von mir stammen nur die Abbildungen zu II, und gemein- sam ist nur das beiden vorangehende Vorwort. III. 1897, pag. 105. Verschiedenheiten in der Färbung der Hausrotschwänze. 1) Einige hier nicht angeführte kleinere Artikel aus andern Zeit- - schriften hat dort Deichler registriert. Auf „Ornithologische Beobach- tungen bei Marburg a. d. Lahn.“ I. u. II. Mtsschr. 1892 p. 417 u. 445 sei z. B. hingewiesen. (Alle nicht gezeichneten Fuss noten in dieser Arbeit rühren vom Autor her. Kl.) Joum. f, Orn, LI. Jahrg. Juli 1908, 21 314 Otto Kleinschmidt: IV. 1897, pag. 112. Parus salicarius C. L. Brehm und die ähnlichen Sumpfmeisenarten. V. 1897, pag. 137. Zur Ornis der Rheininsel Guntershausen. vl. 1898, pag. 1. Zur Ornis der Umgebung von Darmstadt. (Nach Mitteilungen von Karl Michaelis). Nachtrag zu V. 1898, pag. 6. (Notiz über ein Belegstück von Ardea purpurea). Als No. VII. folgen die nachstehenden Studien und Beob- achtungen. Dem Inhalt nach greifen sie freilich über den Rahmen einer Lokalfauna Marburgs hinaus. Ich sollte sie vielleicht bezeichnender „eine Ornis beider Hessen“ nennen, aber politische Begriffe bestimmen erst recht nicht ein zoologisches Gebiet und in diesem Fall kein einheitliches. Ich komme darauf am Schlusse der Arbeit bei der Besprechung ihrer Resultate zurück. Immerhin kann sie mit Fug und Recht eine Ornis Marburgs heissen, da die Umgebung der schöngelegenen Uni- versitätsstadt in erster Linie mein ornithologisches Arbeitsfeld war. Ich studierte dort vom Frühjahr 1891 bis 93 und vom Frühjahr 1894 bis zum Spätsommer 95. Vom August 95 an weilte ich sechs Wochen in Homberg an der Efze, von Oktober 95 bis Juni 97 auf Schloss Berlepsch bei Witzen- hausen an der Werra. Vom 1. Juni 1898 an wieder ein Jahr in Schönstadt, einem Dorf, das nicht weit von Marburg, nahe beim Zusammenfluss der Lahn und Ohm liegt. Wenn meine Untersuchungen vielfach den Umkreis der engen Täler und der Berge Marburgs, sehr oft auch Hessens und selbst Europas Grenzen überschreiten, so erinnere ich an ein Wort Severzows, der die europäische Fauna namentlich Ornis „einen ganz unwissenschaftlichen Gegensatz zur exotischen“ nennt. (J. f. O. 1873, p. 350). Wenn meiner Formenringlehre und dieser Arbeit weiter nichts gelingt, als diese Schranke zwischen einheimischer und ausländischer Ornithologie . zu durchbrechen, so kann ich schon zufrieden sein. Wenn wir hier den Vogel gründlich kennen, werden wir all die Maskeraden, in denen er uns in andern Ländern begegnet, durchschauen. Wenn wir alle Formen wissen, die die Natur dem nämlichen Stoff, das heisst, demselben Tier, dem in sich abgeschlossenen Lebensring verleiht, dann urteilen wir richtig über das Wandel- bare und Bleibende eines oft kosmopolitischen Tierdaseins, das Ornis von Marburg an der Lahn. 315 uns nur in einem winzigen Stückchens des grossen Ganzen im lieben Heimatlande entgegentritt. Gattung Erithacus Cuv. Erithacus Cuv. Legons d’Anat. comp. Tabl. II.) Ich folge nicht der neuerdings beliebten Aufzählung der Genera in umgekehrter Reihenfolge, sondern der alten Anordnung, an die man sich gewöhnt hat wie an das abc. Die Descendenz- lehre, der zu liebe Viele die „aufsteigende“ Folge wählen, ist zu sehr erschüttert, um noch länger als selbstverständlich er- scheinen und einen Ausdruck im System beanspruchen zu dürfen. — Meines Erachtens bringt gerade die Naturauffassung, die ich in dieser Arbeit durchzuführen versuche, den Nachweis, dass von einer Blutsgemeinschaft zwischen ähnlichen Formenringen nicht die Rede sein kann. — Nach dem Flug wäre etwa der Falke, nach dem Gesang die Nachtigall, nach der Schwimmkunst der Taucher, dem Gehirn nach vielleicht der Rabe der am höchsten stehende Vogel. Und doch ist deshalb nicht alle Gruppierung gleichgültig und eitel Willkür. Wie der ornithologische Anfänger es mit Verwunderung begreifen muss, dass verschiedenartig er- scheinende Vögel als Männchen und Weibchen (Nisus) oder als Jugend- und Alterskleid, ja als Sommer- und Wintertracht zu- sammengehören, so müssen wir jetzt einsehen, dass ächte geo- graphische Vertreter, die sich biologisch vollständig ersetzen, tatsächlich blutsverwandt sind. Daneben springt eine andere Erscheinung in die Augen: Grosse Ähnlichkeiten, welche den Anfänger und Laien nicht nur, sondern selbst Fachleute zu täuschen imstande sind, um so mehr, als wir gewohnt sind, in solchen Fällen von ‚den nächsten Verwandten“ zu reden und schliesslich einsehen müssen, dass sich die betreffenden Tiere sehr fern stehen. Ich rede in solchen Fällen von Affenformen, nicht Affenringen, weil diemerkwürdige Erscheinung oft an einzelnen Formen zweier Ringe ganz besonders verblüffend zu Auge tritt. Es wiederholt sich in all diesen Fällen das Problem: „Mensch und Menschenaffe“. Man hat einen Teil der Fälle seither als 1) Als Jahr der Veröffentlichung finde ich 1799, 1800 und 1801 angegeben. 21* 316 Otto Kleinschmidt: Nachäffung: Mimikry nicht übel bezeichnet, aber falsch erklärt; bei den andern Beispielen, wo man direkte Abstammung einer Form von der andern zu sehen meinte, hat die verkannte Mimi- kry zwar nicht scharfsehende Tieraugen, aber den Blick des grübelnden Menschen zu täuschen vermocht. „Aber wozu das alles in einer Lokalfauna?“ fragt man vielleicht. Weil die Lösung des erwähnten Problems an vielen Beispielen, nicht an einem versucht werden muss! Weil sie die interessanteste Aufgabe der geographischen Systematik ist, die sich ihrerseits aus Lokalstudien zusammensetzt! Weil man über diese Fragen, deren Beantwortung folgenschwer ist für die Weltanschauung vieler tausender von Menschen, nicht ins Blaue hinein phantasieren soll, sondern sie nur behandeln darf bei Betrachtung konkreten Tierlebens, das man aus eigener Anschauung kennt und mit wissenschaftlicher Akribie, um einen Kunstaus- druck der Philologen anzuwenden, untersucht hat. Und da ist gleich die Gattung Erilhacus von grossem In- teresse. Zwei Sänger mit unscheinbarem Gefieder, zwei mit bunter Kehle, zwei Rotschwänzchen. Die Zweiteilung kehrt so oft wieder, dass sie möglicherweise nicht ganz auf Zufall beruht und jedenfalls im Einzelnen kritisch geprüft werden muss. Es wird sich dann zeigen, dass mit Sicherheit nur im letzten Falle wirklich Affenformen oder parallele Formenkreise vorliegen. 1. Erithacus Poeta. Die Nachtigall konnte ich als bleibenden Sommervogel feststellen durch den am 29. Mai 1892 bei Marburg (oberes Lahngebiet) und am 8. Juni 1896 bei Witzenhausen (Werra- gebiet) gehörten Gesang. Vögel oder Eier habe ich nicht ge- sammelt. Selbst die jetzt öfters von mir geübte Methode, Vögel, die ich nicht töten mag, zu fangen und nach erfolgter Unter- suchung und Ausmessung wieder fliegen zu lassen, würde ich dort, wenn ich damals schon auf diesen Gedanken gekommen wäre, verschmäht haben, um die vereinzelten Brutpaare nicht zu vergrämen. Aus gleichem Grunde habe ich auch auf den ord- nungsmässigen faunistischen Brutnachweis, das Aufsuchen des Nestes verzichtet. Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 317 Der Brutplatz bei Marburg ist von ganz besonders poetischem Reiz. Wo einsam am Waldesrain ein bemooster Denkstein ragt und die Wipfel rauschen über dem Grabe von Wildungens, des hessischen Waidmannes, Walddichters und Ornithologen, da dichtet der Poet unter den Vögeln seine herrlichen Strophen, aber nur in der Nacht hörte ich ihn dort. Besonders unvergess- lich ist mir die Morgenfrühe des 6. Mai 92, wo eine Schneedecke auf den Blüten lag und die Nachtigall in einer Winterland- schaft sang. Am 29. April 97 überschlug ich in Marburg auf der Durchreise einen Zug, um in der Morgendämmerung ein paar Stunden im Wald zuzubringen. Und wieder sang die Nachtigall an derselven geweihten Stätte. Notiert habe ich noch den 11. Mai 96 (Witzenhausen) und den 26. April 99 (Oberrosphe, diese letztere Beobachtung nicht von mir selbst gemacht.) Wenn ich nun frage, wie sind die hessischen Vögel zu be- stimmen, dann kann ich nur sagen, sie singen wie Nachtigallen, und es ist wahrscheinlich, dass die in den Lehrbüchern für die Nachtigall angegebenen Kennzeichen bei ihnen zu finden sein würden. Aber ist das, was man Nachtigall nennt, überhaupt eine einheitliche Vogelart? Nicht das Vergnügen am Zersplittern oder Aufstellen neuer Formen drängt mich zu dieser Frage. Viel interessanter wäre es, wenn der Beweis gelänge, dass die Nach- tigall von Spanien und Marokko an bis nach Russland hinein zu den Gebieten des Sprossers und Hafissängers dieselbe bliebe. Absichtlich habe ich seither Nachtigallen nicht gesammelt. Ich besitze nur 2 Stücke, die ich versehentlich schoss. Ein altes g erlegte ich am 19. April 93 bei Bilek in der Hercegovina, weil ich den Vogel im Gebüsch für Cettia hielt; der Irrtum dürfte verzeihlich sein, um so mehr als Santarius, Reisers trefflicher Präparator, der neben mir stand, ihn teilte. Der andere Vogel ist ein junges Männchen aus der Mark, der wegen verstümmelter Federn einen ganz rätselhaften Eindruck auf mich machte und deshalb leider sein Leben einbüsste. Er beweist nur, dass selbst nach der Zugzeit erlegte Nachtigallen entflohene oder befreite Käfigvögel aus einer fernen Gegend sein können. Mit einigen wenigen andern Stücken und 2 Sprossern von Herrn Dr. Wolterstorf, dem Magdeburger Museum und dem Schlüterschen Institut, die ich gleichzeitig messen konnte, ver- glichen, zeigen sie folgende Masse (in cm): 318 Otto Kleinschmidt: Fahne d. Schwinge Differenz beider, Flügell. längsten ragt a. d. a) absolute b) Spitzen- Deckfeder Haut entfernung 1. Sprosser (Schweden?), 9,20 2,40 1,00 + 1,40 —+ 1,05 Dia 6; — 9,00 2,05 1,15 + 0,90 -+ 0,60 3. Nachtigall, Hercegovina g. 8,65 1,75 1,75 + 0,00 -- 0,35 4. Nachtigall, an 8,35[..1,907 2.000 010-2085 A junerg: 840 1,85 1,80 +0,05 — 0,3 »„ ‚Sardinien, 21.V1. 8,00 1,87 1,80 + 0,07 — 0,18 ns 10.928,10, 1,07, 2,0000 003,035 „ 3 „ 9 Jung 8,3 777 ver; Kt Ger 0,2 en Auffallend ist zunächst der Unterschied in der Flügellänge von 3 gegenüber 6, 7, 8. Hartert (Aus den Wanderjahren eines Naturforschers p. 307) sagt, dass ein von ihm selbst in Marokko erlegtes g kürzeren Flügel hat, als die Mehrzahl der europäischen Vögel. In Alfred Brehms handschriftlichen Messkatalogen, die sich dank der Liebenswürdigkeit seines Sohnes in meinem Besitz be- finden, sind die ausführlichen Masse folgender spanischen Stücke verinerkt: g 9. Mai Masnou Flügel 3 Zoll 1 L. 8,3 em). — 5.0.8 Albuferausı S2u7 Ir. 9. „ „ 12) 8,0 „ (Ein © vom 17. Sept. Murcia ist vermutlich nicht dazu zu rechnen, denn Brehm schreibt: „Schon am 16. September hatten wir (unsern Sänger) auf der Wanderschaft bemerkt“. Es hat 3 Zoll 1 L. (= 8,3 cm) Flügellänge und einen um 4, Linie kürzeren Schnabel als das $ vom 9. Mai? Beides spricht mehr für einen nördlichen Wandervogel). In Heften, die Kronprinz Rudolf anscheinend nach seinen Tagebüchern für Brehm hat zusammenstellen lassen, findet sich unter der Überschrift „Luscinia vera (—“ folgt ein meines Wissensnicht veröffentlichterFormennameinKlammer),,Ungarische Nachtigall“ die Flügellänge eines von Brehm selbst erlegten Stücks mit 85 mm verzeichnet. Auch Totallänge, Flugbreite und Schwanzlänge sind ent- sprechend gross angegeben. Reiser schreibt in seiner Ornis Balcanica-IV. Montenegro pag. 49: Ein am 1. April bei Vilina voda erlegtes $ zeichnet sich durch absonderliche Grösse aus, so dass man es bei oberflächlicher Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 319 Betrachtung leicht für einen Sprosser halten könnte. Masse desselben: Flügel 89, Schwanz 75, Tarsus 26 mm. Wenn nun auch einerseits das Vergleichen solcher Masse, die von verschiedenen Ornithologen herrühren, kein ganz sicheres Resultat ergiebt und wir andrerseits jeder Tierform eine gewisse Variationsweite zugestehn müssen, so gewinnt doch durch das Mitgeteilte die Annahme viel an Wahrscheinlichkeit, dass bei der Nachtigall ein Grössenunterschied zwischen westlichen und östlichen Vögeln besteht. Es handelt sich nicht darum, ob alle Nachti- gallen der Balkanhalbinsel etwa grösser sind als die Marokkos, sondern um die Frage, ob die Variation der Flügellänge in beiden Ländern zwischen verschiedenen Zahlen liegt. Wenn ich die Färbung der mir vorliegenden Stücke ver- gleiche, so finde ich bei dem einen sardinischen Vogel vom 21. Juni die Unterseite sehr licht, bei dem andern vom 10. Juli die ganze Oberseite mit einem Hauch von kupferrotbraun ange- flogen, als wäre etwas von der Schwanzfarbe mit dem Rückenge- fieder vermischt.) Der hercegovinische Vogel hat ein ausge- sprochenes dunkles Brustband und dunkle Flanken. Wie weit da Alter, Geschlecht und Jahreszeit von Einfluss sind, bedarf noch gründlicher Untersuchung. Das Auffallendste aber ist die Verschiedenheit der Schnabel- srösse. Beide sardinischen Vögel, obwohl der Flügellänge nach geringer, haben ganz auffallend langen und breiten Schnabel, während derselbe bei dem Vogel aus der Hercegovina viel kleiner und schmaler ist. Chr. L. Brehm hat schon seine Luscinia vera nach der Schnabelgrösse in L. megarhynchos, media, okenii und peregrina eingeteilt, aber selbst, wo er den Fundort angibt, weiss man nicht, ob er die Brutvögel der betreffenden Gegend oder etwa einen auffallend variierenden Durchzugsvogel meint. Ich habe die Typen in Renthendorf und Tring in der Hand gehabt, ent- sinne mich aber der Einzelheiten nicht genau. Nach Abschluss dieser Arbeit denke ich gemeinschaftlich mit Hartert die be- gonnene Bearbeitung der Brehmschen Sammlung eifrig fortzu- setzen und kann deshalb um so mehr hier über Brehms Namen kurz hinweggehn. t) Das namentlich an den Schwingen sehr abgeriebene Gefieder deutet vielleicht auf jugendlicheres Alter hin. 320 Otto Kleinschmidt: So lange für die lang- und kurzflügligen, dunkel- und hellbrüstigen,, klein- und grossschnäbligen Nachtigallen geo- graphische Constanz nicht nachgewiesen ist, würden sie alle unter dem Namen Erithacus luseinia (L.) vereint bleiben, wenn — nicht gerade diese geographische Begründung der Formen uns zwänge, bei Linne ebenso zu verfahren wie bei Brehm. Da zeigt sich denn sofort, dass der Name Erithacus luscinia (L.) auf den Sprosser zu beschränken ist, und den Vögeln, die wir Nachtigall nennen, nicht zukommt. Beweis: Linne begründet seine Motacilla Luscinia (Syst. Nat. ed. X. p. 184) auf Fn. suec. 221. Dort steht eine deutliche Beschreibung des Sprossers und zum Überfluss die Bemerkung: „Luscinia minor. Aldr. orn. 754 Jonst. orn. t. 45 inter Sueeicas aves a Rudbeckio delineatas reperitur, quam non dum observavi.“ Wallengreen schreibt Naumannia 1854 p. 131 in seiner prächtigen auf streng geographischen Grundlagen ausgeführten Arbeit vom Sprosser: „Es ist sehr merkwürdig, dass wir im südlichen Schweden nur diese besitzen und nicht auch Erithacus luscinia Lath., da beide in Dänemark, ja selbst in der Gegend von Kopenhagen, vorkommen. Letztere ist jedoch noch nie innerhalb Skandinaviens Grenzen getroffen worden u. s. w.“ Der letzte Satz mag zeigen, wie wenig Bedeutung es hat, wenn gelegentlich einmal eine Nachtigall oder ein nachtigallähnlicher Vogel in Schweden vorkommt. Dass Linne die südliche Nachti- gall für identisch mit seinem Vogel hält, liefert gleichfalls nur den bereits überflüssigen Beweis, dass er sie nicht kannte. Es dürfte kaum jemand mit gutem wissenschaftlichem Gewissen und ohne künstlich „gemachte“ Umgehung des Prioritätsgesetzes gegen diesen fatalen Namenwechsel etwas einwenden können. Ich werde nicht verfehlen, jeden derartigen Versuch zu entkräften und bitte die verehrten Fachgenossen geradezu, in einer von vornherein so klaren Sache nicht einen gänzlich unnötigen Streit zu beginnen. Der Name Erithacus luscinia (L.) mag uns fortan daran erinnern, dass die bisher so genannten Vögel, die Nachtigallen des Centrums, Westens und Südens von Europa noch nicht genügend erforscht sind. In Zukunft schwebt der Name nicht mehr als geographisches nomen nudum in der Luft, sondern hat eine feste Basis in ua in Schweden brütenden Nachtigall. Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 321 Ich sage „Nachtigall“ in der Annahme, dass der Sprosser weiter nichts ist als die nordöstliche Form unsrer Nachtigall. Was spricht dagegen? 1) Der Grössenunterschied? Er ist nicht bedeutender als bei den zwei Gimpeln und bei den Sumpfmeisen. Wie bei letzteren scheint sich auch hier die Schnabelgrösse umgekehrt zu verhalten, also der grosse Vogel des Nordostens den kleinsten Schnabel zu haben. 2) Der Farbenunterschied? Ich erinnere nur an die Paral- lele der Haubenmeisen. 3) Der grosse Unterschied der ersten Schwinge? Ja der ist bedeutend nach Länge und Form. Beim Sprosser wird die erste Schwinge ganz kurz, schmalspitzig, und damit korrespon- diert Verlängerung der Handdecken und Verlängerung der Flügel- spitze (ersten Schwinge), womit zugleich ein Hinausschieben der Einschnürungen an den Fahnen von Schwinge III. und IV. ver- bunden ist. Bei der 11l. Schwinge liegt diese Fingerung des Flügels näher der Spitze. Bei der IV. fällt sie ungefähr mit der Spitze zusammen, fällt also meist ganz weg, während bei der westlichen Nachtigall die Fingerung noch an der IV. Schwinge mehr oder minder deutlich erkennbar ist. Wir sind gewohnt im Hinblick auf die Kennzeichen der Cireus-Arten und andere Beispiele den Schwingenverhältnissen srosse Bedeutung beizumessen. a) Bei Haus- und Gartenrot- schwanz, Mönchs- und Gartengrasmücke, Raub- und Schwarz- stirnwürger trennen ganz ähnliche Unterschiede zwei Formen- kreise. b) Aber dem gegenüber finden wir, dass sie bei anderen Vögeln nur geographische Formen desselben Lebensringes trennen. Selbst Zauderer, die an meiner Formenrings- Auffassung noch zweifeln, werden zugeben, dass wenigstens die zwei rotsternigen Blaukehlchen (swecica und discessa) nur geographisch getrennte Ausgaben desselben Tieres sind, desgleichen die drei bis jetzt kaum recht unterschiedenen grauköpfigen Schafstelzen (borealis, ceinereocapilla und pygmaeus). Ich werde weiter unten zeigen, wie bei beiden Gruppen der Flügel der nordischen Formen sich sprosserartig zuspitzt, der der südlichen Formen sich nachtigallen- artig rundet. c) Bei Star und Haubenlerche finden wir die erste Schwinge in der Jugend lang, im Alter kurz, bei Phylloscopus 322 Otto Kleinschmidt:: sibilatrix und Sylvia subalpina bald nachtigallenartig lang, bald sprosserartig kurz. Ich werde bei vielen Arten darauf zurück- kommen. Beim Goldammer wechselt die Zahl der Einschnürungen an den Primärschwingen anscheinend ganz individuell. Nicht die Gestalt des Flügels, sondern die Wachstums- beziehungen seiner Teile zu einander gehören wirklich zum Wesen des Vogels und charakterisieren seinen Formenkreis. Wer sich die Flügelbildung der südlichen und nördlichen Nachtigall (d. h. des Sprossers) angesehen und sie verstanden hat, der sieht, dass hier ganz eigenartige übereinstimmende Beziehungen zwischen den einzelnen Federpartien bestehen; er wird sich nicht mehr wundern, dass die erste Schwinge dort eine richtige Feder, hier nur ein kurzer Stift ist. Die Differenz ist kleiner, als sie scheint, denn beim Sprosser sind die Handdecken länger (vergl. oben die Tabelle), und wenn zwei Eisenbahnzüge an einander vorbeifahren, vergrössert sich ihre Entfernung rascher, als wenn der eine still steht. Deshalb ist die Diagnose von Nachtigall und Sprosser so vorzüglich. Doch das alles betrifft das tote Tier, den Balg, die Mumie. Widersprechen die biologischen Unterschiede vielleicht dem Ver- such, Nachtigall und Sprosser zu blossen geographischen Formen zu Subspecies herabzuwürdigen? Da ist 4. der verschiedene Lockton und Gesang? — Auf Verschie- denheit des Locktons wäre Gewicht zu legen. Allgemein ver- breitet ist die Behauptung, die Nachtigall locke „Wiid-karr,“ der Sprosser „Glock-arr.“ Dass diese Angabe ungenau ist, mögen die folgenden Stellen aus der Schrift von Mathias Rausch, die gefiederten Sängerfürsten (Magdeburg 1900) dartun: pag. 48. „Die Lockzeichen des Sprossers sind vierfach verschieden. Der allgemeine Lockton ist ein ungemein scharfes, fast schrilltönendes „Witt“! oder „Witt-arr“! Es ist das Zeichen der Erregung und zugleich der Warnungsruf, Ein dumpfes „Tack-tack“ kennzeichnet die Befriedigung und das Wohlbehagen. Der Lockton „Gluck-arr“! des Männchens gilt im Frühjahr während der Brutzeit dem Weibchen gegen- über und ein kreischendes „Tscherr‘“! drückt Missbehagen und Ärger aus.“ pag. 71. „Ihre verschiedenen Empfindungen gibt sie (die Nachtigall) durch gewisse Lautzeichen zu erkennen. Der allgemeine Lockruf ist ein pfeifendes, recht hell gedehntes Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 323 „Wit,“ auf welches ein schnarrendes „Karr“ folgt. Ein öfter hintereinander wiederholtes „Wit“ allein ist das Zeichen der Angst und Furcht. Zorn und Ärger bekundet sie durch ein schnarrendes „Kräh“ und Befriedigung, sowie Wohlbe- hagen äussert sie durch ein dumpftönendes „Tack-tack“.“ Das zeigt doch deutlich, wie verwandt die entsprechenden Laute sind. Bei Beurteilung der Verschiedenheit des Gesanges muss auch ein gut Teil Übertreibung, das auf Reklame von Vogel- händlern und Renommisterei von Liebhabern beruht, ausgeschie- den werden!). 1) Wollte man sämtliche Angaben über gute und schlechte Sänger, Weiden-, Wald-, Ausprosser und wie die angeblichen Örtlichkeitsrassen alle heissen, zusammenstellen, so würde sich wohl ein Gemisch der tollsten Widersprüche ergeben. Dies eben zeigt, dass diese Örtlichkeitsrassen etwas recht Fragliches sind. A. Müller spricht von Dialekt und Einfluss der landschaftlichen Umgebung, andere denken sich offenbar einzelne alte Männchen als Lehrmeister, die „Schule machen,“ wieder andere reden von Stämmen, also Familienerblichkeit in einer bestimmten Begabung. Rausch betont, nicht das Land, sondern die engbegrenzten Brutgebiete seien von Bedeutung. Als constante Standortsvarietäten existieren offenbar diese Verschiedenheiten nicht. Die mannigfache Gesangsvariation macht vielmehr eine scharfe Trennung zwischen Sprosser- und Nachtigallenschlag, zwei im Grunde doch sehr verwandten Gesangesweisen, unmöglich. Dazu kommt noch das Auftreten ausgesprochener Zweischaller. Die grosse Verschiedenheit der Ansichten über die Örtlichkeitsrassen wird sich wohl dadurch erklären, dass man ungenau beobachtet, oder nach dem Gesang einzelner Vögel geurteilt hat. Man hat vielleicht an einer Stelle Brutvögel, an einer andern Stelle nordische Durchzugsvögel angetroffen und der Verschiedenheit zweier Örtlichkeiten zugeschrieben, was die Ver- schiedenheit zweier weit entfernter Länder hervorgebracht hatte. Dass mit grösseren Entfernungen der Gesang der Vögel ebenso variiert wie ihr Kleid, zeigt sich z. B. beim Schwarzplättchen und Weidenlaubvogel sehr deutlich, und wenn man auf den Gesang aller Vögel so genau achten wollte wie auf den der Edelsänger, würde man bald noch viele Beispiele finden. Hartert hat in seinen letzten Arbeiten schon manche hübsche Beobachtung in dieser Hinsicht mitgeteilt. Anderwärts liest man ja unendlich oft Bemerkungen wie; „Die Sänger dieser Gegend sind erbärm- liche Stümper,‘ aber oft entspringen solche Aussagen dem Bedürfnis des Schreibers, sich als Gesangskenner aufzuspielen und das Stümperhafte liegt in seiner Erfahrung. Er weiss nicht, dass junge Vögel zuweilen recht anders singen als alte, und dass es meist junge Vögel sind, die sich von Anfängern hören und — schiessen lassen. Vieljährige Vögel unbemerkt zu belauschen oder zu schiessen, ist eine Kunst, auf die jeder Ornithologe stolz sein darf, wenn er sie erreicht hat. — Doch hören wir Kenner! 324 Otto Kleinschmidt: Was dann übrig bleibt, sind recht lückenhafte und unklare Definitionsversuche. Jedenfalls sind die Gesänge der beiden Vögel ebenso verwandt wie ihre Lock- etc. -Rufe. Von diesen ausgehend liesse sich vielleicht eine klare Definition des Unter- schieds und der Ähnlichkeit finden, wenn man etwa bei schwe- dischen, westdeutschen, und spanischen Vögeln untersuchen wollte: a) die charakteristischsten Einzelsilben, vor allem solche, die gewissermassen Variationen derselben (Lock-)Silbe Witt — Wiht sind und ihre Höhe. (,„David‘“ beim Sprosser, „züht“ bei der Nachtigall etwa??) b) die Zahl der gleichlautenden Silben in einer Zeile, und ihr Verhältnis zu den meist kurzen Abschlusszeilen mit tack, tick oder itz und ähnlichen Lauten am Ende: die Zahl der überhaupt im Gesang vorkommenden nicht identischen Ketten oder Wortzeilen. d) die Art, wie der Vogel diese mehr oder minder einförmigen Zeilen anordnet, zu abgeschlossenen oder durch Pausen ge- trennten mehrzeiligen Strophen zusammensetzt, die Zahl der Strophen, die Wiederkehr einzelner Zeilen oder ganzer Zeilen- gruppen nach einiger Zeit, gebundene oder stets wechselnde Reihenfolge. Aber selbst bei aller Sorgfalt bleibt das Gesamtresultat C Be 4 In den Brehmschen Notizen über die spanische Nachtigall finde ich, vielleicht von Reinhold Brehm stammend die Bemerkung: Gesang viel weniger reichhaltig und gut als in Deutschland, besonders arm an ver- schiedenen Strophen. Einzelne Männchen scheinen davon nicht mehr als 5 bis 6 hören zu lassen. Rausch gibt als Durchschnitt bei vorzüg- lichsten Nachtigallen 20 —25, für einen zahmen Sprosser, den.er 6 Jahr im Käfig hatte, circa 80 Touren an. A. Brehm sagt dagegen im Tier- leben, dass die Mannigfaltigkeit der Strophen beim Sprosser geringer sei als bei der Nachtigall, eitiert aber gleich darauf Grässners Worte, wo- nach der Sprosser „statt der erwarteten Töne, Takte und Strophen fort- während ganz andere“ bringt, die Nachtigallen dagegen „in fest gegliederten Strophen“ schlagen. Rausch schreibt aber gerade dem Sprosser die „gebundene Rede,“ der Nachtigall „Unregelmässige Vortragsweise,‘‘ das „Ungebundene und Zügellose“ zu. Er denkt dabei wohl mehr an die ungleiche Länge der Verszeilen bei der Nachtigall. Die südliche Nachti- gall des Ostens (der Hafissänger) ist, wie Radde schreibt und mit seinem prächtigen Humor mir mündlich schilderte: von den Dichtern ihrer Hei- mat mehr gerühmt worden, als ihr Gesang verdient, der in Wirklichkeit ebenso wie der Duft der orientalischen Rose und die Poesie der orienta- lischen Liebe nicht weit her ist. Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 325 vielleicht Geschmackssache. Mein Marburger Vogel sang in der Nacht, um 2 Uhr, wo ich nicht schreiben konnte, und am Rhein wurde ich der vielen Nachtigallen so überdrüssig, dass ich ihren Gesang leider nicht mehr beobachtete und verglich. Ausserdem machten dort die Stechmücken das Stillsitzen und Schreiben an den besten Nachtigallbrutplätzen unmöglich. Ich kann also keine sicheren Gesangsbilder westdeutscher Nachtigallen mitteilen, ob- gleich mir noch heute mancher Ton im Ohre klingt und die Erinnerung davon die ganze Naturstimmung, die kalte Marburger Nacht und die schwüle Sonnenglut am Rhein zurückzaubert. Auch des Rippenstosses denke ich noch, den mir mein musika- lischer Freund Thielemann, als Ausdruck seines Entzückens bei den schönsten Partieen versetzte. Doch weiter in der Frage : Was trennt Nachtigall und Sprosser? 5) Etwas verschiedene Bewegungen — wippendes Schwanz- zucken bei der Nachtigall, seitlich fächerndes Schwanzspreizen beim Sprosser? Ich hatte noch nicht Gelegenheit, diesen Unter- schied selbst zu beobachten. Vielleicht steht er in Zusammenhang mit dem Flügelbau und der seitlichen Pigmentierung der Unter- schwanzdeckfedern des Sprossers. 6) Verschiedener Aufenthalt? Der Sprosser soll auf feuchte Flussniederungen beschränkt sein. Aber beide Vögel sind ein- fach „Laubvögel,“ nicht solche des grünen Laubes, sondern des dürren vorjährigen Laubes auf der Erde zwischen Büschen, wo es fest liegen bleibt. Auch die Nachtigall liebt feuchte Auwaldungen mit Gebüsch über alles. Auf der Knoblochsau, einem Uferwald des Rheins in meiner Heimat machte ich die Probe und notierte auf die Uhr sehend am 8. Mai 97 während 20 Minuten 9 dicht am Wege also in einer Reihe singende Nachtigallen. Gerade gegenüber in den Anlagen bei der hochgelegenen Ruine Landeskrone bei Oppenheim am anderen Rheinufer beobachtete ich im Sommer 95 ein einzelnes Pärchen. In den mehrfach erwähnten Brehm- schen Notizen heisst es „Gemein in ganz Spanien, im Gebirge wie in der Ebene. In der Sierra Nevada noch über der Höhe, in welcher Geieradler horsten“ (R? Brehm). In den Reisenotizen des jungen Alfred Brehm (1856/57) aus Spanien findet sich eine nur teilweise im Tierleben und an a. O. benutzte begeisterte Schilderung von den Hunderten singender Nachtigallen. Von Sardinien erzählt A. Hausmann (Naumannia 1857, p. 428) in 326 Otto Kleinschmidt: seiner unvergleichlichen Darstellungskunst, wie zahlreich er die Nachtigallen bei Iglesias fand. (Jedes Nistrevier kaum der sech- zehnte Teil eines deutschen, öfter alle 20 Schritte ein Männchen schlagend.) Es ist der Buschwald, der an all diesen Stellen den Vogel begünstigt. Ein Berghang mit Buschwald und einzelnen Überständern ist es, was bei Marburg den Vogel an Wildungens Grab fesselt. Ganz ähnlich lag der Platz bei Witzenhausen, und wiederum an einer landschaftlich ganz übereinstimmenden Stelle dicht bei Schloss Berlepsch hörte ich einmal (wann habe ich nicht notiert) tief in der Nacht den Gesang des Vogels, an all diesen Stellen ziemlich entfernt vom Flusse. Die Nachtigall des Nord- ostens, der Sprosser wird auf dem Zug an den günstigen Stellen, den Flussauen rasten und in der Heimat wiederum diese und nicht nadelholzbewachsene Höhen zur Brutstätte wählen. Im Südwestgebiet des Kaukasus hat ihn Radde auch an bedeutenden Steilungen (2600 “) getroffen, in Turkestan Severtzoff Sprosser oder doch dem Sprosser sehr nahestehende Formen in beträcht- lichen Höhen (Höhengebiet 3, zwischen 4500 —8000 Fuss hoch). Ich habe alles so ausführlich besprochen, weil nichts schwieriger ist, als einmal bestehende, von Lehrbuch zu Lehrbuch verschleppte Vorurteile auszurotten, und komme nun zu der entscheidenden Hauptfrage: 7) Wie steht es mit der geographischen Verbreitung von Sprosser und Nachtigall? Greifen ihre Gebiete nicht vielfach übereinander? Es liegt viel Material vor, welches dies zu be- stätigen scheint — aber auch nur scheint. Sprosser, Schwe- disches Blaukehlchen und nordische Schafstelze sind 3 Vögel mit langgespitzem Flügel, die erst spät nach Norden ziehen über die Brutgebiete ihrer kurzflügligen südlichen Verwandten hinaus, die längst vorausgeeilt waren oder gar schon beim Nestbau und Eierlegen sind.. Wenn von letzteren einzelne gleichsam ver- sehentlich in das noch unbesetzte leere und daher unbestrittene nördliche Revier inzwischen eingedrungen sind, ist das gar nicht wunderbar. Die Nordländer müssen warten. Ihr kälteres Herz taut erst später auf in Heimweh und Liebessehnsucht, die eine Art Winterschlaf in dem kleinen Körper hielten. Was sollten sie früher im Norden. Wenn es einer Marburger Nachtigall passieren kann, dass sie am 6. Mai noch im Schnee singen muss, wie würde es da erst den armen Sprossern in Schweden und Russ- land gehen, wenn sie schon Mitte April reisen wollten. Sie warten Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 327 im Süden, wie die Blütenknospen in der nordischen Heimat warten müssen, bis auch ihre Zeit gekommen ist. Dann aber kommt der Sprosserflügel zur Geltung, der nicht umsonst dem Schwingen- system schnell geradeaus fliegender Vögel sich nähert. Ein wenig Wahrheit ist vielleicht doch an Gätkes Blaukehlchen-Hypothese. In stürmischem Flug geht es hinweg über die feindlichen Bruder- völker, die klein am Flügel, aber stärker in der Waffe, dem Schnabel!), sind und ihr Gebiet besetzt halten. Wenn Müdigkeit die Kräfte lähmt, ein nahrungverheissender Platz dem leeren Magen winkt, eine hohe Bergwand den Himmel vor dem Vogel verfinstert, dann hemmt der grauende Morgen den nächtlichen Flug; der nordische Sprosser fällt ein. Ein Sprosser singt am vermeintlichen Brutplatz, im Gebiet der Nachtigall. Ein rot- sterniges Blaukehlchen, das sich ganz besonders verspätet hat, füttert ein Junges des weisssternigen, das es gerade anbettelt?) und wird von einem sorgfältigen und exakten Beobachter als sicherer Brutvogel registriert. Ich will es gar nicht bestreiten, dass auch wirklich mal ein Sprosserpaar den Ort seiner Bestimmung nicht erreicht und sich zu weit südlich niederlässt, dass vollends an den Verbreitungsgrenzen die Vögel sich mischen und mit einander paaren. Nicht unmöglich, wenn auch unwahrscheinlich ist es ferner, dass junge, nicht geschlechtsreife Individuen sich verspäten und unterwegs zurückbleiben, oder gar den ersten Sommer in der Winterherberge zubringen, wie anscheinend mehrere Strandvogelarten und Raubvögel. Aber auf die Frage: Wo hat man Sprosserweibchen mit Brutfleck zahlreich mitten im Nachtigallenrevier gefangen ? Welche Sammlung enthält die Beweisstücke? Auf diese Frage gibt es wohl keine Antwort und manche sehr bestimmt klingende Angabe dürfte vor dieser Frage haltlos werden. Ich habe in Westdeutschland bis jetzt überhaupt keinen Sprosser angetroffen. Reiser hat auf der Balkanhalbinsel, wie er mir schreibt, nach langem vergeblichen Suchen in letzter Zeit erst einen einzigen Herbstwanderer erhalten. Ob aber wirklich die kurze Zeit des Wanderflugs das Zusammennehmen aller Kräfte zu einer grossen 1) Damit will ich die Ursache der Schnabeldifferenz nicht erklären, denn Haubenlerchen und Meisen, nichtwandernde Vögel also, haben auch im Süden stärkere Schnäbel. 2) Dass junge Vögel fremde Eltern anbetteln, habe ich selbst gesehen. 328 Otto Kleinschmidt: Leistung den Sprosserflügel bedingt, oder ob das Leben im weniger erschlaffenden Norden den Vogel bewegungsfreudiger, kühner, unternehmender macht? Fast könnte man Letzteres vermuten, wenn man denkt an die alten Wikinger und an Namen der Neuzeit, an Nansen, an Sven Hedin. Und nun das Resultat: Sprosser und Nachtigall sind nicht parallele Formenkreise, sind nicht Affenformen,!) sondern ein ein- heitlicher Lebensring. Ich will damit gar nicht sagen, dass mit den geographischen Graden die Nachtigall allmählich in den Sprosser übergehe, dass das Kennzeichen der ersten Schwinge nur ein Prokrustesbett sei, denn das Zwischenglied zwischen Nachtigall und Sprosser wohnt anscheinend nicht in Deutschland, sondern in Asien oder dem europäischen Russland. Deshalb weil sie dort verbunden sind, sind Nachtigall und Sprosser bei uns so „sehr gute Arten,“ Extreme, die sich berühren. Deshalb ist selbst Brehms Luscinia hybrida der ersten Schwinge nach ein ächter Sprosser. Deshalb kann mir Herr Schlüter in Halle schreiben: „Was Ihre Anfrage bezüglich zweifelhafter Exemplare des Sprossers resp. der Nachtigall anlangt, kann ich Ihnen die Ver- sicherung geben, dass wir, weder mein Vater noch ich, niemals darüber im Unklaren gewesen sind, ob es sich um die eine oder die andere Art handelte. Hunderte von Bälgen und ausgestopfte Stücke beider Species sind durch unsere Hände gegangen, aber stets genügte nur ein Blick auf jedes Exemplar, um über die Artzugehörigkeit orientiert zu sein. In der Färbung zweifelhafte Stücke haben wir also nie in Händen gehabt.“ So sicher ich nun bin, dass die von mir in Hessen gehörten Vögel das waren, was man seither mit Erithacus luscinia (L.) bezeichnet hat, so wenig genügt das meinem wissenschaftlichen Gewissen. Ich weiss, wo sie in den Lehrbüchern verzeichnet stehen, aber ich will wissen wie sie in der lebendigen Natur stehen. Deshalb stelle ich sie mit all ihren Blutsverwandten zusammen als Formenkreis oder Lebensring Erithacus Foeta und gebe über diesen folgenden vorläufigen Überblick. Dass dabei alle Mängel unseres jetzigen Wissens, alle „Lücken im Kreise“ zu Tage treten, ist meines Erachtens nur ein Vorteil, denn es regt zu neuen Studien an. 1) Ihre Affenformen müsste man unter den Locustella oder Cettia suchen. } Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 329 1) ? Erithacus Poeta aus Marokko,t) nach Hartert und v. Erlanger No. 5 und 6 sehr ähnlich, an- scheinend kurzflüglig, ob immer? — 2) ? Erithacus Poeta aus Spanien (und Südfrankreich?), nach A. E. Brehm sprosserähnlich gefärbt, aber die Kehle nicht muschelfleckig, Flügel kurz. 3) ? Erithacus Poeta aus Tunesien, nach v. Erlanger heller auf der Oberseite als No. 5 und 6, auch auf dem Kopf und selbst dem Schwanz mehr gelblich als rotbraun. 4) ? Erithacus Poeta von Sardinien, zwei Stücke mit grossen breiten Schnäbeln, aber kurzen Flügeln. Die verschiedene Färbung beider mahnt zur Vor- sicht in der Beurteilung der ad 2 und 3 angegebenen Unter- schiede. (Man vergl. Orn. Jahrb. 1892, p. 128). Ob der Name Luscinia minor (Luscinia vera minor) C. L. Brehm, Naumannia 1855, p. 281 („in Italien“) auf No. 4, bez. auf 1—4 anwendbar oder als nomen nudum zu betrachten ist, bleibt fraglich. 5) ?.Erithacus Poeta vom Rhein, noch nicht untersucht; jeden- falls ist die Übereinstimmung mit dem mitteldeutschen Vogel nicht selbstverständlich. Der Marburger Vogel wird zu 6, nicht zu 5 gehören. 6) Luseinia megarhynchos C. L. Brm. Handb. der Naturgesch. aller Vögel Deutschl. 1831 p. 356. Mitteldeutschland. Syn. Luscinia media, vera etc. Brm. Erithacus luscinia (auct. nec L.) Die Variationsweite in Grösse, Schwingen- verhältnissen und Färbung ist jedenfalls noch ganz ungenügend bekannt. Brehm beschreibt seine L. megarhynchos als dem Sprosser an Grösse gleich, kaum lichter gefärbt, im Jugend- kleide zuweilen mit wenig bemerkbaren Muschelflecken auf der Brust. Bei den mir vorliegenden Nachtigallen, die aber wohl zu dieser Form gehören, haben die jungen! Vögel grössere breitere Schnäbel — ob nur zufällig? Luseinia media (ibid. p. 387) wird als „heller, eigentlich grauer“ auf dem Oberkörper beschrieben, Schnabel mittellang, Luscinia okenii (ibid. p. 387) als heller oder gleich media, aber kleiner mit kürzerem Schnabel. Im Vogelfang (1855) fasst Brehm 1) Natürlich kommen nur die Brutvögel in Betracht. Journ. f, Orn. LI. Jahrg. Juli 1%3, 22 330 Otto Kleinschmidt: all diese Subspezies, die offenbar nur individuelle Schwan- kungen sind, nebst der folgenden zusammen unter „Luscinia vera.“ Auf die Anwendbarkeit und Datierung der Brehm- schen Namen komme ich, wie gesagt, später bei Besprechung der Brehmschen Sammlung zurück. 7) ? (Luscinia peregrina Chr. L. Brehm aus Ungarn, Vollst. Vogelf. p. 145 (1855), ob aber identisch mit der L. peregrina von 1831, die (N. a. V. D. p. 358) als seltener Durchzugs- vogel aus Deutschland beschrieben wird ?); auch von Kron- prinz Rudolf i. MS. als geographische Form benannt, vielleicht nur in unbestimmter Erinnerung an eine Vermutung Brehms. — „Oben sehr hell mit sehr schlankem Schnabel“ (C. L. Brehm.) Der Name ist vielleicht nicht anwendbar, die Beschreibung (besonders die von 1831: II. Schwinge = der VI.) wohl unzutreffend. Aber es wäre sehr wünschens- wert, dass die Brut-Nachtigall der unteren Donau einmal gründlich untersucht würde. Falls mein Hercegovina-Vogel hierher gehört, ist ein ganz geringes Hinneigen zu L. golzi wahrscheinlich, denn der Vogel hat lange Schwingen, kurze Handdecken (vergl. die Tabelle am Anfang) und sehr stufigen Schwanz. Noch mehr kommt mir dieser Gedanke bei Nr. 8. Der Lage des Gebiets nach kommt für den Vogel der untern Donau aber wieder mehr Nr. 9 in Betracht. 8) ? Sylvia schuchi Schinz, Europ. Fauna I. p. 181. Griechen- land, fide Schlegel, Rev. crit. II. p. 62. „Der Nachtigall sehr ähnlich, Schnabel stärker und schwarz von Farbe, Vogel etwas grösser, Färbung etwas anders.“ 9) ? Luscinia occidentalis Severtzow, Transact. Imp. Soc. Nat. 10) Mosc. vol. VIII. p. 120 (1873) fide Dresser Ibis 1875, p. 339. Süd-Russland, Untere Wolga und Ural bis nach Turkestan hinein. Anscheinend unserer Nachtigall ähnlich aber I. Schwinge kürzer als die Handdecken. Wenn letzteres kein Druckfehler ist und ein solcher Vogel wirklich als geographische Form existiert, würde hier das Mittelglied zwischen Sprosser und Nachtigall zu suchen sein. Luseinia golzi Cab. J. f. Orn. 1873 p. 79, Turkestan! Beschreibung des Typus (im Mus. Berlin) nach eigner Unter- suchung: Die Schnabelform ist nicht leicht zu bestimmen, weil der Schnabel an mehreren Stellen verletzt und ein Unter- kieferast zerschmettert ist. Er ist lang, dünn und gestreckt Crnis von Marburg, Erithacus Poeta. 331 (gerade), etwa 1 mm länger als der viel plumpere Schnabel des sardinischen Vogels. Durch seine schlanke Gestalt erscheint er noch länger als er wirklich ist. Im Vergleich zu der Grösse des Vogels, der eine Riesennachtigall ist, wäre der Schnabel eher „zierlich und normal lang“ zu nennen. Die Färbung ist mehr nachtigall- als sprosserartig, nämlich auf dem Oberkopf viel mehr rot, als ich es bei irgend einer Nachtigall gesehen. Dies Rotbraun zieht sich noch über den Nacken auf den Rücken hinab. Von der rotbraunen Farbe des Schwanzes ist es durch eine mehr gelblichgrau über- hauchte sprosserfarbige Partie getrennt, die sich über den Rücken zieht. Die Sekundärschwingen sind aussen rotbraun, ähnlich wie bei unsrer Nachtigall, die Primärschwingen da- gegen ohne rostrot, mehr fahlgrau. Das Gefieder erscheint fettig und nicht ganz rein, daher lässt sich auch über die Farbennuancen der Unterseite nichts Sicheres sagen. Der Tarsus misst (nach Methode Reichenow) 271/, mm (relativ wenig) und ist ebenso wie der Schnabel von dunkler Farbe, die Mittelzehe ohne Nagel misst oben 16, unten 17 mm. Die Flügellänge beträgt 9,7 cm, wenn man die Schwingen- biegung gerade drückt, sonst nur 9,55. Trotz dieses riesigen Flügels ist die erste Schwinge nur so lang, wie die einer gewöhnlichen Nachtigall, nämlich 18 mm von der Haut an. Sie überragt die Handdecken um 2 mm. Auch diese sind also verhältnismässig sehr kurz (Fahne 19—20 mm). Die Flügelspitze überragt die Sekundarien um volle 3 cm und ist lang gefingert, die Aussenfahne der I. u. III. Schwinge verengt. Schwingenformel: III (längste) > IV I =\. Dem langgestreckten Flügel entspricht der lange Schwanz (9,2 bis 9,5 cm.) Die mittleren Schwanzfedern über- ragen die äusseren um 12 mm. Der Fundort ist Turkestan, April (Severtzow). Der Vogel ist vielleicht auf dem Zug, nicht im Brutgebiet erlegt. Suschkin bemerkt (J. f. O. 1900, p. 148), dass in der westlichen Kirgisensteppe die Nachtigall ausschliesslich durch den turkestanischen Hafıssänger ersetzt werde. 11) ? Lusciola luscinia, $ hafızi, Severtzow, Transact. Imp. Soc. Nat. Mosc. vol. VIII. p. 65 (1873) und Luscinia hafızi (ibid. pag. 120) fide Dresser, Turkestan! Oben hellbraun- grau, olivenfarbig überflogen, Schnabel violettschwarz, 1. 22” 332 12) Otto Kleinschmidt: Schwinge gleich den Handdecken. Vergl. Dresser Ibis 1875 p. 339, und Birds of Eur. Supplem. p. 49, Radde, Ornis cauc., Blanford. Ibis 1874 p. 80. Letzterer spricht vom persischen Vogel und hält diesen für kleiner als golzi. Dresser findet Vögel von Merw blasser und grauer als andre Vermutlich sind golzi und hafiziidentisch. Seebohm gibt dem Namen golzi, Dresser hafızi die Priorität. ? (Lusciola luscinia, y philomela Pall.!) bei Severzoff, nee Bechst. 1873, wie bei Nr. 11, pag. 65.) Etwas grauer als Nr. 11, nach Severtzow südliche Gebirgsform von Erith. Poeta hafızi, Süd-Ural, Ufa, in Turkestan Chatkal u. Chirchik 6000--8000 Fuss hoch. 13) Motacilla luscini« L. 1758 Schweden, Syst. nat. Ed. X. p. 184. Sprosser! Kennzeichen bekannt. Ob mit dem deutschen und russischen Sprosser identisch? Luscinia aedon Pall. bei Severzoff fide Dresser Ibis 1875 p. 340, Tur- kestan, ist auch nach Cabanis mit E. P. luscinva identisch, ob wirklich? — Oder ob die Turkestan-Sprosser Zugvögel sind und für den Sprosser sich z. T. ein östlicher Zug, wie für den Karmingimpel herausstellen wird ?? 14) ? Luscinia infuscata Severzow. 1873 fide Dresser Ibis 1875, p- 340. Turkestan. Wie Nr. 12, aber dunkler, Schwingen- säume brauner, am Ural lichter. Dass in Turkestan mehrere Formen sich finden, ist verständlich, da total ver- schiedene Blaukehlchen dort vorkommen, aber eben so klar ist es, dass Severzows Gebietseinteilung falsch ist und seine fünf Formen sehr der Kritik bedürfen. Wenigstens ihre Verbreitung ist sehr sonderbar. 15) Lusciola böhmi Reichenow J.f. O. 1886 p. 115. Ugunda. Herr Professor Reichenow schreibt mir, der Vogel sei ihm als Art wieder etwas zweifelhaft geworden. Neumanns Vogel (J. f. Orn. 1900, p. 313) halte er nicht für böhmi, da er 91 mm Flügellänge habe. Der Typus von E. böhmi sei also das einzige, bekannte Stück. Ich muss gestehen, dass mir diese Form sehr viel Kopf- zerbrechen gemacht hat. Doch zuerst will ich den Typus (Mus. 1) Motacilla philomela Pall. nec Bechst. (Ural-Altai) ist nach Zoogr. p. 484 grauschwänzig wie böhmi (cauda aequalis, sine rufescentis tinctura). Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 333 Berlin, als Z bezeichnet, Ugunda, 30. Dezember 1882) genau beschreiben: Es ist ein Sprosser und zwar einer vom aller- reinsten, echtesten, unverfälschtesten Sprossertypus, auf den ersten Blick als solcher zu erkennen, aber ein Zwerg, der Schwanz kurz, der Flügel so kurz wie bei der Nachtigall und doch ein ganz richtiger Sprosserflügel, die erste Schwinge 11 mm aus der Haut ragend, rechts 6, links 7 mm hinter den Hand- decken zurückbleibend, deren Fahne zirka 2 cm lang, nur die II. Schwinge aussen eingeschnürt, die III. die längste, 1I. um 1/, mm kürzer als III. Fittichlänge 82 mm, aber gerade gestreckt auf den Massstab gedrückt (wie ich zu messen pflege) 84 mm, Spitze die Sekundärschwingen um 24 mm überragend. Schwanz zirka 66, Tarsus 26 mm, Schnabel kurz, an der Basis hoch. Färbung ganz wie beim echten Sprosser, etwas düster, Rostrot des Schwanzes matt, nach der Spitze hin verschwindend, in Sprossergrau übergehend, das auch die Oberschwanzdecken zeigen (— also hier keine Farbensteigerung —), Unterschwanzdecken an den Aussenseiten stark gebändert, die längste auf beiden Fahnen mit Querbinden, einige der grossen Oberflügeldeckfedern an der Spitze mit kleinen, rostgelben Fleckchen, wie sie beim Rotkehlchen vorkommen, dort wohl nicht immer, aber hier wohl sicher ein Zeichen, dass der Vogel jung ist. Und nun neben diesem Sprosser in Afrika eine Nachtigall: 161) Lusciola africana Fischer u. Reichenow J. f. O. 1884 p- 182, am 10. März bei Klein Aruscha am Kilima-Ndscharo paarweise. Flügel 85 mm. Erste Schwinge etwas länger als die Handdecken; dunkler als unsre Nachtigall, besonders auch an Schwanz und Schwingen, welch letzteren die rost- farbenen Säume fehlen. Ob man wirklich das Brüten oder auch nur das „Dortbleiben‘“ in Afrika festgestellt hat, weiss ich nicht. Jedenfalls fehlen noch Belegbälge und Eier. Wenn der kurzflüglige Prithacus böhmi in Afrika brütet, dann sind Nachtigall und Sprosser zwei Formenkreise wie Krähe 1) Vielleicht gehört als Nr. 17 Larvivora sibilans Swinh. P. Z. S. 1863, p. 292 hierher, ein kleiner, nachtigallartig gefärbter Vogel. Ich kenne ihn vorläufig nur von der Abbildung Cat. Birds Brit. Mus. V. Pl. XVII und aus Beschreibungen, wage ihn daher noch nicht in den Formenkreis Erithacus Poeta aufzunehmen. Darüber kann erst genaueres Vergleichen und die Kenntnis seiner Lebensweise Aufschluss geben. 334 Otto Kleinschmidt: und Kolkrabe, von denen auch die eine in Afrika gross, der andere ein Zwerg wird, dann hat auch Severzow Recht mit seinen Angaben über Brüten von Hafisnachtigall und Sprosser, denn erstere ist trotz ihrer Grösse eine echte Nachtigall. Dann machen die von Radde, Naumann u. a. beobachteten Sprosser der Zoogeo- graphie keine Schwierigkeiten, dann sind nicht nur einzelne, sondern viele Angaben über schwedische und russische Nachtigallen richtig, dann haben die französischen Beobachter sich nicht geirrt, die angeblich den Sprosser im Westen beobachtet und sogar brütend gefunden haben wollen. Dann wird eines Tages eine Nachtigall, die an den Brut- plätzen von Parus salicarius am Rhein durch ihre tiefe, laute Stimme auffällt, sich als dort brütende, westliche Form des Sprossers entpuppen, Erithacus Poeta fällt, und an seine Stelle treten zwei biologisch, nicht geographisch verschiedene Nachti- gallen, zwei neue Formenkreise. — — — — ? Ich werde Ohren und Augen gewiss vorurteilsfrei offen halten, und es sollte mich nur freuen, wenn alles, was ich hier ge- schrieben habe, durch eine so grossartige Entdeckung hinfällig würde, aber Erithacus böhm? ist im Winter geschossen und ein junger Vogel, möglicherweise ein kleines Exemplar einer irgendwo im Ural oder einem fernen Winkel Asiens heimischen, näher nicht bekannten, der „enfuscata“ Severzows nahestehenden Form.!) Ich gehe noch weiter und sage, es ist vielleicht nur ein kleines Stück von Erithacus Poeta luscinia (L. nomen restit.) vom simplen schwedischen oder deutschen Sprosser. Wenn die europäische Nachtigall individuell oder geographisch von 8,0 bis 8,65 cm (nach vor mir liegenden Stücken, Reisers Vogel hat sogar 8,9 cm!) Flügellänge variiert, dann kann auch neben Sprossern von 9,2 und 9,0 cm Flügellänge einer mit 8,4 cm vorkommen. Die Zwerge und Weibchen der grossen, schwedischen Sumpfmeisen sind ja auch kleiner als die alten Männchen der westdeutschen Formen. Warum sollte nicht mal auch ein Sprosser klein ausfallen! Wir kennen ja die individuelle Variationsweite dieses Vogels noch gar nicht. Was wir bis jetzt sicher wissen ist etwa nur das: 1) Gibt es doch auch ein rotsterniges Blaukehlchen, dem nordischen ähnlich, aber mit kurzem Flügel. Ornis von Marburg, Erithacus Poeta. 335 1) Erithacus Poeta lusceinia (L.) hat die kürzeste erste Schwinge und die längsten Handdecken. 2) Erithacus Poeta megarhynchos (Brehm) oder seine westlichen Verwandten haben die längste erste Schwinge und kürzere Handdecken. 3) Erythacus Poeta golzi (Cab.) hat den längsten und stufigsten Schwanz und die relativ kürzesten Handdecken. Das normale Brutrevier von 1 liegt im Nordosten, von 2 im Westen, von 3 im Südosten, dazwischen liegt aber endlos viel terra incognita auf der Landkarte sowohl wie in ornithologischen Werken. Nicht einmal die Nomenklatur von 2 und 3 steht fest. Zwischen 1 und 2 wollen manche eine Art Grenzenverschiebung festgestellt haben. Ich glaube nicht recht daran. Die Nachrichten über erfolgreiche, künstliche Einbürgerung von Nachtigallen sind zu zahlreich, als dass man sie bezweifeln könnte. Ich kann mir aber garnicht denken, dass ein’ Vogel, der zu demselben Platz jedes Jahr zurückkehrt, also etwa eine ungarische Nachtigall, mit einemmal auf Wunsch des Menschen einem andern Platz in Westdeutschland diesen starken Heimats- sinn widmen sollte. In Marburg sollen Versuche in dieser Hinsicht gemacht, u. a. Nachtigallen in Volieren gezüchtet worden sein. Ich habe versäumt, mich darüber zu orientieren. Ich denke aber, es geht den Nachtigallen wie den Kindern beim Spielen und den Hühnern beim Fressen. Hat ein Kind ein Spielzeug, dann wollen die anderen auch meist gerade dies haben. Läuft ein Huhn mit einem Futterbrocken bei Seite, dann laufen ihm die anderen nach und lassen den Futternapf stehen. Singt die ausgesetzte Nachtigall, so machen ihr andere den Platz streitig, die durchziehen und den Gesang hören, und diese Urbewohner des geographischen Gebiets, nicht die ausgesetzten siedeln sich dauernd an. Es müsste also genügen, an verwaisten Nachtigall- brutplätzen einen singenden Vogel im katzensicheren Käfig auf- zustellen. Wenn die Sonnenvögel des Herrn von Berlepsch sich auf ihrer Irrwanderung bei gefangenen Artgenossen einfanden, warum sollte es nicht bei Nachtigallen auch so gehen. Wie dem auch sei, durch genaue Beobachtung liesse sich bei derartigen Versuchen manches feststellen, was zur Aufklärung dienen könnte in den dunklen Fragen der Biologieund Systematik der Nachtigallen. 336 Otto Kleinsehmidt: Auffallend finde ich noch eins. Gar nicht sehr weit von dem Nachtigallenbrutplatz bei Marburg hauste ein Waldkauz und ein Ohreulenpaar. Warum fingen die die Nachtigallen nicht weg? Ihr Gesang drang sicher zu ihnen hin. Flieht etwa der Vogel mit dem feinsten Gehör mit schmerzendem Ohr vor der lauten Stimme der Nachtigall? Vielleicht macht darüber einmal jemand Versuche an gefangenen Vögeln, ob Eulen unmusikalisch sind. Oder sollte aluco dafür gesorgt haben, dass die Nachtigallen auf ein Paar beschränkt blieben ? Sollte er seinem Magen geopfert haben, was mir nie eingefallen wäre, der Wissenschaft zu opfern — den Vogel, der heilig ist dem deutschen Volksgemüt, aber vielleicht nicht den Waldkäuzen ? 2%. Erithacus Astrologus. Blaukehlchen sind leicht zu bestimmen. Es sagt „ihr Stern“, wess Landes Kind sie sind, und wohin ihr Weg geht. Vier Formen stehen mindestens fest: 1) Erithacus Astrologus suecicus (L.), Stern rotbraun, annähernd im Sprossergebiet, aber weiter nördlich und östlich. 2) Erühacus Astrologus cyameculus (Wolf), Stern weiss oder schwindend, annähernd im Nachtigallgebiet. 3) Erithacus Astrologus discessus (Madaräsz), Stern blassrot, Kehle blassblau, Transkaspien. 4) Erithacus Astrologus abbotti (Richmond), Stern weiss, Kehle dunkelblau, Schnabel länger, Zentralasien. Aber die Astrologie ist auch hier eine trügende Wissenschaft, ein Aberglaube. Weil das Blaukehlchen bunt gefärbt ist wie ein Tropenvogel!), deshalb sind auch seine Formen „gute Arten“, wie das so oft die geographischen Vertreter eines tropischen Lebensrings sind. Sie sind nicht stärker differenziert, nicht schärfer getrennt, sie scheinen das nur zu sein für das Laienauge, das hier den Unterschied leichter wahrnehmen kann, weil nicht ein- 1) Die Annahme, dass unsere buntgefärbten Vögel aus den Tropen eingewandert seien, wäre geradezu naiv. Das Blaukehlchen hat die bunte Kehle, weil es balzt und balzt, weil es die bunte Kehle hat. Mit dem Gesang haben diese Farben also auch nichts zu tun. ‘Mein Freund de Maes besitzt interessante Skizzen von den Balzstellungen des Blaukehl- chens und sollte dieselben veröffentlichen, vielleicht auf einer Tafel in dieser Zeitschrift. Ornis von Marburg, Erithacus Astrologus. 337 gemischtes Grau, das sonst wie ein düstrer Nebel über den Farben unsrer einheimischen Vögel liegt, die bunten Töne verdeckt und dämpft. Sobald jedoch der durchsichtige Feder-Spitzenschleier des Herbstkleides die Pracht unseres Vogels verhüllt, gerät die Sterndeuterei in Schwierigkeiten und die guten „Arten“ sinken zu „Subspezies“ herab. Dass alle Blaukehlchen Formen eines Lebensrings sind, wird niemand bestreiten, denn sie stimmen in Bau und Biologie überein und schliessen sich geographisch aus. Welche Formen des Rings kommen nun in Hessen vor? Als Brutvogel habe ich das Blaukehlchen bei Marburg trotz mancher Lahnexkursion nicht gefunden. Einmal wollte ein Junge einen kleinen Vogel mit wunderschön blauer Kehle in einem Gebüsch beim Nest beobachtet haben. Ich bemerke es, um zu zeigen, wie wenig man auf dergl. Angaben bauen darf, denn, als er mich zu der Stelle hinführen sollte, erwies sich alles als kin- dische Lügenphantasie. In der Zugzeit der Blaukehlchen war ich meist abwesend. Bei einem Kürschner in Marburg sah ich ein normal weissster- niges Männchen frisch ausgestopft, das, wenn ich mich recht ent- sinne (meine Notiz darüber ist leider ungenau), in der Nähe tot unterm Telegraphendraht gefunden sein sollte. Über die Höhe des Wanderfluges etc. geben die Telegraphendrahtopfer schon deshalb keine sichere Auskunft, weil der Vogel bei Nacht durch einen heranbrausenden Zug erschreckt von der Erde sich erhebend angeflogen sein kann, wenn dies auch nicht ganz den Gewohnheiten der Blaukehlchen entspricht. In meiner Sammlung befindet sich aus dem Lahngebiet nur ein einziger Vogel, der am 29. März 1900 etwa 10 Kilometer nordöstlich von Marburg in einem Steinbruch fern von Gewässern!) erbeutet wurde. Der Fundort liegt so, als wäre der Vogel dem Lauf der Lahn aufwärts gefolgt und hätte an der Stelle, wo Lahn und Ohm in scharfem Winkel abbiegen, seinen Weg ver- loren, noch ein Stück über den Haken, den dort der Fluss schlägt, hinausschiessend. Aber so sehr wir auch gewohnt sind, am Tag die Blaukehlchen von einem Busch zum andern oder durch das Schilf am Flussufer entlang vor uns flüchten zu sehen, so müssen t) Nur eine Bachrinne, wie sie schliesslich überall vorkommt, fliesst dort vorbei. Das Zugdatum stimmt so ziemlich mit ersten Beobachtungen am Rhein (Kornsand bei Nierstein z. B. am 27. März 92, 29, März 94) überein. 338 Otto Kleinschmidt: wir uns doch den nächtlichen Wanderflug anders vorstellen, und da Radde ziemlich gleichzeitiges Eintreffen der Blaukehlchen auf beiden Seiten des Kaukasus festgestellt hat, so ist Hochflug, der sich nicht an Wasserläufe bindet, das Wahrscheinliche. Der erwähnte Vogel ist ein prächtiges weissgesterntes Männ- chen mit sehr dunklen Zügeln. Ganz deutlich meint man zu sehen, dass sie blau angeflogen sind, aber unter der Lupe er- weist sich das vermeintliche Blau als eine Mischung silbergrau und schwarzer Federchen. Die optische Täuschung wird durch das danebenstehende strahlende Blau der Kehle hervorgebracht, ähnlich wie die in der modernen Malerei vielfach so übertriebenen blauen Schatten beim Sonnenlicht vom strahlenden Blau des Himmels herrühren. Wirklich blaue Zügel besitzt Erithacus Astrologus abbotti. Graf Berlepsch zeigte mir schon vor ihrer Beschreibung durch Richmond (P. U. St. Nat. Mus. XVIII. 1896 p. 484) diese damals bereits von ihm als neu erkannte, aber nicht gleich veröffentlichte Form in einem Stück aus (Ost?)-Turkestan, das er besitzt. Seinem Museum wurde am 30. März 1896 ein vielleicht tags vorher erlegtes Blaukehlchen von der Werra im „Wolfi“-Kleid eingeliefert. Auf dem Herbstzug (Anfang September mag es gewesen sein) schoss Hartert in Graf Berlepschs und meinem Beisein in der Nähe von Schloss Berlepsch auf der Hühnerjagd ein Blau- kehlchen, das in seinem weissen Kehlfleck etwas rötlichen Anflug zeigte, und das wir für ein Verfärbungsstadium der rotsternigen oder doppelsternigen Form hielten, wahrscheinlich mit Unrecht. Bisher standen sich schroff zwei Auffassungen gegenüber: die einen bestimmten einfach nach dem Schlüssel die rotsternige oder die weisssternige Art und gestanden allenfalls noch jeder eine Subspezies zu. Die andern warfen mit Berufung auf Altums nicht alleinstehende Beobachtung (Naumannia 1855, p. 166 ff. und Tafel) alles in einen Topf, da ja sämtliche Sternfärbungen im Verlauf kurzer Zeit, wie es schien, bei demselben Individuum einander ablösten. Den Ausdruck „rotsternig‘‘ mag man beibehalten, weil er gebräuchlich ist. Es ist aber eigentlich ganz verkehrt, die Lücke im Kehlschild des nordischen Alpen- und Tundrenblaukehlchens Stern zu nennen, denn das glanzlose Rostrot ist die eigentliche Kehlfarbe, die Fortsetzung des braunroten Brustbandes, das durch die schwarze Binde und blaue Strukturfarbe unterbrochen wird. Ornis von Marburg, Erithacus Astrologus 339 Vortrefllich hat das Linne ausgedrückt mit seiner Diagnose „Mo- tacılla pectore ferruginea faseia coerulea.“ Die scheinbar lebhaf- tere Färbung des nordischen Vogels ist in Wirklichkeit matter als bei seinem südlichen Nachbar, denn dieser zeigt auf der Kehlmitte Glanzstruktur des Gefieders wie die Umgebung schillernd, sei es blau oder weiss. Die glanzlosen Federn und Federspitzen, die im Herbstkleid des weisssternigen Vogels den Atlasschimmer des Sternes verdecken, zeigen auch Spuren von dem Rostrot, der eigentlichen Kehlfarbe des Formen- rings! Als Beispiel nenne ich ein am 21. August 1894 von mir am Rhein erlegtes frischvermausertes g, das dem von Hartert bei Schloss Berlepsch geschossenen ähnlich ist und nicht nur gelblichen Anflug sondern rotbraune Fleckchen am Stern zeigt. Blaukehlchen mit doppeltgefärbtem Stern können also sein: 1) weisssternige Blaukehlchen im Herbstkleid, 2) junge rotsternige, bei denen das Rotbraun noch schwach entwickelt ist, auch im Frühling.t) 3) Mischlinge oder Übergänge von der skandinavischen und deutschen Form. Von 1 u. 2 besitze ich Beispiele vom Rhein und von Hel- soland, von 3 ist mir bis jetzt noch kein sicheres Beispiel vor- sekommen, und man tut jedenfalls unrecht, Vögel, die zu 1 oder 2 gehören, für 3 zu halten. Noch mehr ist es verfehlt, solche Vögel als ©. orientalis zu bezeichnen, denn C. orientalis Brehm 1831 ist offenbar nicht ohne weiteres mit C©. orientalis Brehm 1855 (Naumannia p. 58), ©. dichrosterna (Pall. fide Cab. Mus. Hein. I p. 1 1850) und C. orientalis bicolor J. H. Blasius (Naumannia 1856. p. 470) identisch. Der Typus von M. suecica L., vermutlich der von Rudbeck abgebildete Vogel, ist offenbar solch ein junges rotsterniges Stück (©. orientalis auctorum uec Brehm 1831!), oder ein Herbstkleid, denn Linne sagt „macula flavescente albedine cincta.“ Aber wie steht es nun mit der seltsamen Metamorphose von Altums Vogel, diesem irappantesten Beispiel von angeblicher „Umfärbung“. Altum hat ganz sorgfältig beobachtet, aber was er gesehn hat, erklärt sich als der reguläre Entwicklungsgang der weisssternigen Vögel, hervorgebracht durch das Zusam- i) Der weisse Rand hat bei diesen keinen echten Atlasschiller und besteht aus der im Leben des Vogels wohl meist verdeckten Gefiederbasis. 340 Otto Kleinschmidt: menwirken der normalen Mauser und der sogenannten „mue rup- tile“, also etwa folgendermassen: 1) Am Kinn und der oberen Kehle werden die weissen und schwarzen Federn durch neue blaue ersetzt. Gleichzeitig ver- lieren die blauen Federn über dem schwarzen Brustband wie dieses selbst die trübenden Säume. 2) Auch der nun von blauen Federn eingeschlossene „grau- weisse“ Fleck wird stark abgenutzt. Die verdeckte rote Grund- farbe kommt zur Geltung.!) Der Vogel ist scheinbar auf dem Wege, eine ©. orientalis auctorum zu werden. (Das oben von mir erwähnte $ vom Rhein, am 21. August geschossen, hat dies Rot schon. Es zieht in schmalen Querbinden durch die Stern- federn, und in dem Augenblick, wo der Stern bis zu dieser Stelle abgenutzt ist, muss er plötzlich das Rot an der Oberfläche zeigen. 3) Die abgeriebenen Sternfedern fallen aus und in zwei Tagen ist der Vogel C©. wolfi geworden, aber wieder nur scheinbar. 4) Binnen etwa 8 Tagen kommen die neuen, eigentlichen schimmernd weissen Sternfedern hervor, und der Stern vergrössert sich, jemehr sie wachsen. Von Verfärbung, von Verwandlung in andre Formen kann also gar keine Rede sein. An stehengebliebenen Federn am Halse eines rotsternigen Blaukehlchens von Helgoland sehe ich, dass bei dieser Form Stadium 1 und 2 ganz analog verläuft, nur bei Stadium 3 kommen statt weiss- glänzender rote glanzlose Federn heraus und bilden den roten Fleck. Alle Schlussfolgerungen, die Altum zieht (Naumannia 1855, 169—170) und an deren Ende er lediglich aus Ironie noch eine Cyanecula nigrocincta creiert, beweisen also nichts für die Iden- tität aller Blaukehlchen, sondern nur, dass man mit dem Be- stimmen derselben vorsichtig sein muss. Ich glaube nicht einmal, dass das Weiss-Sternchen und das Wolfi-Kleid Altersstadien sind und halte beides nur für die zu- fällige hellere oder dunklere Schattierung (Phase) derselben Form. Ein von mir am Rhein erlegtes Wolf’sches Blaukehlchen macht einen durchaus jugendlichen Eindruck?), und manche weissternigen, wie der sehr schöne Marburger Vogel z. B., sind offenbar älter. 1) Bei Altums Vogel wohl dadurch, dass ein paar obere Sternfedern ausfielen und die unteren rötlich gefleckten nun frei lagen. ?) Die Form der Flügelspitze steht allerdings damit im Widerspruch. Ornis von Marburg, Erithacus Astrologus. 341 Ob es zufällig ist, wie viel von dem Kehlgefieder im Herbst vorgebildet und im Frühjahr nur enthüllt oder neu hervorge- bracht wird, ist schwer zu sagen. Die Stücke mit schönen neuen blauen Federn auch unterhalb des Sterns scheinen recht alte Männchen zu sein, und doch sollte man denken, die müssten schon im Herbst in der Federentwicklung voran sein. Ob die gelben Flecken auf den Flügeldecken ein Zeichen von Jugend sind, kann ich nicht ermitteln. Sie sind es vermutlich oft, aber nicht immer ein untrügliches Merkmal. Über diese Fragen wird Herr Professor König uns wohl bald auf Grund der in Egypten von ihm gesammelten Vögel Auskunft geben, denn die interessante Frühlingsmauser findet in der Winterher- berge statt. Die Schwingenverhältnisse der Blaukehlchen sind schwer zu beurteilen, denn wenn die Vögel im Frühling ankommen, sind ihre Schwungfedern oft schon sehr abgenutzt (vermutlich vom Aufenthalt im Schilf und zwischen scharfen Gräsern), und im Herbst ist man oft zweifelhaft, ob die Schwingen schon völlig ausgewachsen sind. Immerhin lässt sich folgendes erkennen. 1) Erithacus Astrologus suecicus (L.) von Helgoland. Die Flügellänge erreicht infolge der verlängerten Flügel- spitze bis zu 8 cm. Aussenfahnen bis zur V. Schwinge verengt, bisweilen an der VI. noch eine sehr undeutliche, allmähliche Ver- schmälerung vor der Spitze. 2) Erithacus Astrologus cyaneculus (Wolf.) Flügelspitze kürzer, Maximum der Flügellänge 7,7 bis 7,8 em. Der Vogel von Schwarzenborn bei Marburg erreicht dies Mass und hat die Aussenfahnen bis zur V. Schwinge verengt. Mit der VI. Schwinge verhält es sich bei dieser Form ebenso wie bei sweeica; doch scheint ihre Aussenfahne häufiger und dann oft deutlicher verschmälert zu sein. Am deutlichsten ist es der Fall bei einem Herbstvogel ohne Daten aus der Brehmschen Sammlung, den ich vom Tring Museum erhielt. Noch viel ausgeprägter ist aber die Einschnürung bis zur VI. Schwinge bei 342 Otto Kleinschmidt: 3) Erithacus Astrologus discessus (Mad.). Flügelspitze!) äusserst kurz, nur 14 mm lang gegen 18 bei cyaneculus und 20—21 bei swecicus, Maximum der Flügellänge 7,1 em. Die Fingerung der Schwingen schneidet viel tiefer in den Flügel ein, d. h. die Einschnürungspunkte sind weiter von den Federspitzen entfernt. Der Flügel von discessus verhält sich also zu dem von swuecicus ähnlich wie der der Nachtigall zu dem des Sprossers, abgesehen jedoch vom Längenverhältnis der ersten Schwinge, das bei den Blaukehlchen ganz individuell zu variieren scheint. Ich messe: bei suecicus 17—20 mm „ eyaneculus 14—21 „, „ discessus 14 5 Ich besitze von E. A. discessus (Mad.) ein $ von Tedshen, Transkaspien, das mir Herr Härms bald nach der Rückkehr von seiner Reise sandte. Sofort fiel mir die nicht nur an der Kehle, sondern auch an den Flügeln und der ganzen Oberseite ausser- ordentlich lichte Gesamtfärbung des Vogels auf. Ich würde ihn beschrieben, oder vielmehr Herrn Härms zur Beschreibung ge- raten haben, hätte ich nicht vermutet, dass für diesen Vogel be- reits ein älterer Name da sei. Es ist nämlich sehr fraglich, ob all das, was man als Synonyme des rotsternigen Blaukehlchens zusammenstellt, wirklich zu einer Form gehört. Ich kann mich hier nur auf kurze Andeutungen für weitere Studien beschränken: Dresser findet (Birds of Eur. II. p. 319) bei 2 alten Jg von Lappland und Finland den roten Brustfleck sehr gross und sagt von russischen und sibirischen Vögeln, dass sie ebenso seien, ohne direkt einen Unterschied all dieser Stücke vom west- skandinavischen Vogel zu behaupten. Sollte aber ein solcher Unterschied bestehen, dann fragt es sich, ob die auf Helgoland auftretenden, in Norwegen und seltener in Schweden brütenden Blaukehlchen, die wir für Linnes Motacilla suecica ansehen, dies überhaupt sind, ob nicht Linnes Name dem Lappländer gehört. Mit diesem würde vielleicht Pallas Motacilla caerulecula (Zoogr. Rosso-As. I. p. 480, 1811—31) ganz oder nahezu zusammen- fallen. Brehms Oyaneculus orientalis (Handbuch der Naturg. a. Vögel Deutschl. 1831 p. 351), Asien, Egypten, Italien, Wien, 1) Ich meine damit hier den die kürzesten Armschwingen über- ragenden Teil der Handschwingen. Ornis von Marburg, Erithacus Astrologus. 343 zeichnet sich nach der Originalbeschreibung durch geringe Grösse und zimmetfarbigen, nicht rostroten Stern aus. Später hat Brehm offenbar etwas anderes aus seiner (. orien- talis gemacht. Eversmann (Addenda fasc. II p. 12) unterscheidet 1) Syl- via suecica L., 2) 8. caerulecula Pall. Gouv. Kasan und ÖOren- burg, mit rostrotem Querfleck durch die blaue Kehle, 3) $. cae- rulecula var. 8. Pall. = Sylvia cyane Eversm. (nec. M. c. Pall.) aus Ostsibirien mit rostroter, unten blaubegrenzter Kehle, also offenbar mit enorın grossem Stern (wohl Herbstkleid). Lord Walden erwähnt ein blassgefärbtes $ von Wardlaw Ramsay auf den Andamanen am 14. April gesammelt (Ibis 1874, p. 140.). Vielleicht Calliope suecoides Hodg. (1831)? Nach von Tschusi fällt discessus Mad. mit pallidogularis Za- rudny (Mat. Kenntn. Faun. u. Flora russ. Reichs Zool. 1 h. Bd. Ill. 1897) zusammen. Ich nenne meinen Vogel vorläufig E. A. discessus Madarasz, mit dessen Typen er sicher übereinstimmt (Vergl. Termesz. füzet. 1902 p. 489.), während pallidogularis möglicherweise auch nicht der älteste Name oder nicht genau dasselbe ist. Prazäk hat (J. f. O. 1897 p. 248) einen sehr sonderbaren Blaukehlchen-Stammbaum aufgestellt. Wie schon die nidologischen Phantasieen (vergl. Sperber, Bartmeise) dieses Autors zeigen, ver- dient er keine ernste Beachtung. Seine Stammbäume mögen aber jedem wirklichen Kenner auf den ersten Blick beweisen, wie töricht es ist, über die Verwandtschaft geographischer Formen etwas zu sagen, bevor der ganze Lebensring klar ausgearbeitet ist. Und davon sind wir noch weit, selbst bei den Blaukehlchen. Macht schon die Systematik von Erithacus Astrologus Schwierigkeiten, wie viel mehr die Biologie und die Beobachtung im Freien. Der weisse Stern leuchtet zwar auf grosse Entfernung hin, aber wenn ich ein rotsterniges und ein sternloses (Wolfsches) Blaukehlchen nebeneinander lege und ein paar Schritte zurück- trete, dann hört selbst bei Zuhilfenahme des schärfsten Glases alsbald jede Unterscheidung auf. Und ich glaube im Farben- sehen geübt zu sein. Es ist mir ein Rätsel, wie man es fertig bringt, den Vogel im März in Menge zu beobachten. Ich will ja nicht bestreiten, dass vereinzelt ein Vogel verfrüht zieht, oder zu weit flussaufwärts brütet im Norden Deutschlands, aber wenn es nur je geglückt wäre, in Westdeutschland ein rotsterniges 344 Otto Kleinschmidt: Blaukehlchen zu sehen, so würde ich sagen: „Ob trübe oder helle Beleuchtung, täuschen können sie beide,‘ und wenn ich den Vogel im Mai beim Nest deutlich erkannt hätte, auch dann würde ich sagen, es beweist nichts.!) Im letzten Sommer stand ich auf einer Kopfweide vor einem Nest. Über mir kreisten mit wütendem Geschrei einige Rabenkrähen. Dicht vor mir erschien Oriolus im Gezweige, und doch war es kein Krähen- und kein Pirolnest, das meine Hand berührte, sondern ein Elsternest mit flüggen Jungen. Die wahren Eltern, die ein früherer Besuch scheu gemacht hatte, konnte ich erst mit vieler Mühe im Wasser, das den Nistbaum umgab, knieend und hinter den Weidenstämmen mich anschleichend erlegen. Und wenn ich mich nicht vorher überzeugt hätte, dass es das einzige Elsternpaar im Umkreis war, wäre mirs zweifelhaft geblieben, ob die erbeutete Familie zu- sammen gehörte und zu Schlüssen über Vererbung und Nicht- Vererbung tauglich sei. Von Wanderfalken besitze ich 2 @@ und 2 $g, die jedesmal kurz nach einander im Mai in demselben Horst gefangen wurden. Welcher Vogel ist da der rechtmässige Besitzer des Horstes? Die rotsternigen Blaukehlchen sitzen gewiss nicht ihren Stern präsentierend auf dem Nest, bis ein Oologe kommt, ebensowenig wie die „brütend konstatierten‘“ Sprosser über den Eiern hockend singen. Dubito ergo. Und ich zweifle auch sehr an den Helm’schen Zitaten und Schlussfolgerungen (J. f. ©. p. 439—449), wonach es scheinen könnte, als wanderten die 2 Blaukehlehen miteinander gleichzeitig durch Deutschland. Gätkes Annahme ist natürlich etwas naiv formuliert, aber dass das nordische Blaukehlchen später wandert und rascher fliegt, sagt schon sein Flügel. Der alte Brehm, der gewiss auch ein eifriger Blaukehlchenjäger war, sagt: „Die Weibchen dieser Art ziehen oft, die alten Männchen höchst selten durch Deutschland.“ Die Fragen, die zu lösen sind, lauten so: Wird durch aufmerk- sames Absuchen geeigneter Plätze in der 2. Aprilhälfte und im Mai sich ein häufigeres Vorkommen rotsterniger Blaukehlchen in Deutschland feststellen lassen, als dies bisher gelungen ist? Fliegen die rotsternigen Blaukehlchen von Süd nach Nord über die weisssternigen hinweg, oder kommt die Hauptmasse mehr von 1) Ich würde dann den Vogel schiessen, seine Testes und seine Sternfedern untersuchen und fragen, ob das weisssternige Blaukehlchen etwa bisweilen ein rotsterniges Sommerkleid hat. Gänzlich unmöglich wäre etwas derartiges nicht. Ornis von Marburg, Erithacus Dandalus. 845 Osten herauf, und wandert sie, wie die von Wüstnei beobachteten Störche, gleichsam der Zugrichtung der weisssternigen entgegen? Das würde das Haltmachen auf dem für Blaukehlchen höchst ungemütlichen!) Helgoland erklären und zugleich die grosse Ver- schiedenheit zwischen Formen eines wandernden Lebensrings. Jedenfalls aber zeigen die von Helm zusammengestellten Citate, welche Missverständnisse entstehen können, wenn man den Lebens- ring mit dem Namen der zuerst beschriebenen Form be- zeichnet. Wenn aus jenen Citaten alle die ausgeschieden werden, die Erithacus Astrologus und nicht Erithacus Astrologus suecieus meinen, dann wird das Ergebnis etwas anders ausschauen.?) 8. Erithacus Dandalus. Dass der Formenring des Rotkehlchens im Gebiet, einem Waldlande durch zahlreiche Brutvögel vertreten ist, ist selbst- verständlich, aber in was für einer Form der Lebensring im Gebiet vorkommt und wie diese lebt, das ist von Interesse. Vier Formen des Rings sind bis jetzt sicher ermittelt: 1) Erithacus Dandalus rubecula (L.) 1758, Schweden. 2) R il melophilus (Hartert) 1901, Britische Inseln, Nov. Zool. VIII. (Sep. pag. 98) Kehle dunkler rostrot, Ober- seite, besonders Bürzel und Oberschwanzdecken mehr rost- braun, biologisch vollständiger Garten- und Hausvogel. 3) Erithacus Dandalus superbus (König) 1889, Teneriffa u. Gran Canaria, J. f. Orn. 1889, p. 183, 1890, p. 383, Taf. III. Kehle noch lebhafter rot, aber sonst keineswegs nur ein 1) Zu beachten ist freilich, dass das nordische Alpenblaukehlchen anscheinend etwas andere Gewohnheiten hat als unser Vogel. 2) Im Begriff, diesen Teil meiner Handschrift abzusenden, erhalte ich No. 3 des XI. Jahrgangs der Ornith. Monatsber. mit dem Artikel von O. Herman: „Heinrich Gaetke zur Ehre.“ Ich freue mich, darin eine Bestätigung meiner Ansicht zu finden, dass nämlich Gätkes lang- jährige Beobachtungen über späten Zug des nordischen Blau- kehlchens bestätigt durch den Flügelbau des Vogels viel schwerer in die Wagschale fallen als eine Reihe lückenhafter und zum Teil recht fraglicher Einzelangaben. Die Ansicht Gätkes, dass E. A. suecicus in einer Nacht von Egypten nach Helgoland fliege, kommt, so übertrieben sie ist, der Wahrheit doch viel näher als die Meinung Helms, dass der Vogel zu dieser Reise 1 bis 2 Monate Zeit habe. Gerade ich bin am wenigsten geneigt, einem Autoritätsglauben in der Wissenschaft das Wort zu reden. Es gibt keine Autoritäten, aber Meister gibt es, und die bleiben gross, selbst da, wo sie irren. Journ. f, Orn. LI. Jahrg. Juli 1908. 23 346 Ötto Kleinschmidt: Extrem der britischen Form, Eier blaugrünlich, grobfleckig, Gesang schlecht, über 2000 Fuss hoch auf den Bergen. 4) Erithacus Dandalus hyrcanus (Blanf.) 1874, Prov. Ghilan, Persien. Kehle tief rostrot. Oberschwanzdecken rostfarben, Schnabel etwas länger als bei den vorigen, Wälder am Süd- ufer des Caspi. Über die Verschiedenheit dieser Formen kann ebensowenig ein Zweifel bestehen wie über ihre Lebenseinheit. Aber sie sind nur die Extreme der geographischen Variation von Erithacus Dandalus. Die Abstufungen, die zwischen ihnen liegen, sind schwer zu ermitteln, a) weil Rotkehlchen Vögel sind, die man sehr ungern tötet, b) weil das Sammeln von Brutvögeln hier wenig hilft wegen des Verbleichens der Farben im Winter und Frühling. Wie es scheint, wird da bei allen der Rücken grau. c) Selbst eine Sammlung von Herbstvögeln zeigt von den Farben- unterschieden des frischen Gefieders nur soviel wie ein Her- barium von Blütenfarben. Die Rückenfarbe der Herbstbälge verschiesst nämlich umgekehrt aus dem natürlichen Oliven- grau in Braun. d) Aber auch, wenn man die erlegten Vögel sofort vergleicht, oder wenn man gleichzeitig erlegte vor sich hat, weiss man eben im Herbste nicht, ob es einheimische Tiere oder fremde Wanderer sind. e) Dazu bewirken noch Lebensalter und Individualität, und endlich auch das Geschlecht erhebliche Schwankungen in der Stärke der Pigmentierung. Ich sehe das so recht deutlich an 2 Stücken im frischen Nestgefieder am 28. und 29. Juni 1900 bei Rosenthal (etwa 18 km nordöstlich von Marburg) erlegt, zwar nicht von mir selbst aber vom Sammler beide durch Sektion als gg bestimmt, Flügel- länge genau gleich (7,0 cm). Der eine Vogel ist viel dunkler als der andere, auf dem Rücken, ganz besonders aber auf dem Bürzel viel mehr rostfarbig, nicht nur in den hellen Flecken, sondern auch in der Grundfarbe. Auch die Unterseite ist viel intensiver gefärbt. Auf der Brust ist schon ein leuchtend rost- roter Ton vorhanden, während der andere Vogel hier bleich rost- gelb aussieht. Auf Ausbleichen beruht diese riesige Verschiedenheit sicher nicht, der blasse Vogel ist nicht älter und hat seiner. ÖOrnis von Marburg, Erithaeus Dandalus. 347 geringen Schwanzlänge nach sogar später das Nest verlassen als der lebhaft gefärbte. Weit mehr rostrot als beide ist aber am ganzen Körper, auch an den Flügeln und dem Schwanz, ein Vogel im Nestkleid, der seiner Präparation nach offenbar von Renthendorf stammt. Neben diesen Balg gehalten haben die beiden hessischen Stücke einen deutlich olivengrünlichgrauen Ton im Gefieder, den das Präparat des alten Brehm im Laufe eines halben oder vielleicht nahezu ganzen Jahrhunderts völlig verloren hat. Nur einen alten Vogel habe ich am 16. April 1899 nicht weit von Schönstadt bei Marburg gesammelt. Es ist ein schönes g mit ziemlich lebhaft gefärbten Wangen und Halsseiten und ungefleckten Flügeldeckfedern, Flügel: Schwanz = 7,3 : 6,2 1), Länge der Testes 61/, und 6?/, mm. Leider ist das Datum nicht spät genug, um jeden Zweifel an der Heimatsberechtigung des Vogels auszuschliessen. Die Schwanzseiten sind an der Wurzelhälfte schwach mit Braun angeflogen, die Oberschwanzdecken dagegen grau wie die übrige Oberseite. Die Färbung stimmt also mit mitteldeutschen Stücken, von denen ich einige Brehmsche Präparate und 3 Vögel von Volkmaritz (Saalegebiet) im frischen Herbstkleid vergleichen kann. Die letzteren erlegte ich hier auf dem Durchzug in meinem Garten. Davon zeigt auch ein g (14. Okt.) ganz schwach bräun- lichen Anflug an der Schwanzwurzel. Nebenbei erwähnt hat dies Stück ganz dunkle Beine. Es ist also das kein ausschliessliches Merkmal von Erith. Dandalus superbus (Kg.) Die 2 andern (2 u. g vom 11. u. 22. Sept.) haben keine Spur von Braun an der Schwanzwurzel. Diese stimmt völlig mit der olivengrüngrauen Rückenfarbe überein. Schwedische Vögel besitze ich leider noch nicht zum Vergleich. Die Rotkehlchen vom Rhein sind ganz anders. Auch aus diesem Gebiet besitze ich keinen sichern Brutvogel. Noch im letzten Sommer schwankte ich lange, ob ich einen solchen, der 1) ! bedeutet hier immer: exakt gemessen, während der Präparation: Ich messe beide Schwanzhälften links und rechts (wie auch beide Flügel, die Masse sind oft etwas verschieden) von der Schwanzwurzel innerhalb der Haut an, also vom Spulenende bis zum Spitzenende. Das exakteste Schwanzmass würde die Länge einer bestimmten ausgerissenen Feder er- geben. Wo ich nur eine Zahl für den Schwanz oder Flügel angebe, ist der Vogel genau symmetrisch. 23* 348 ' Öttoe Kleinschmidt: vor mir auf einer Eiche sass, schiessen sollte, aber es ging: mir ebenso wie Professor König in der Luderhütte. Leider — denn wie ich jetzt an meiner Suite sehe, wäre die Untersuchung dieses schönen alten Männchens recht wichtig gewesen. Was ich zur Zeit habe, sind folgende Stücke: a) gd, 29. August 1893, Nierstein, kommt in der Lebhaftigkeit der Farben ganz dem Erithacus Dandalus ıelophilus (Hartert) gleich, von dem mir ein prächtiges altes $ zum Vergleiche vor- liegt, welches ich auf einem Spaziergang mit Hartert im Roth- schildschen Park bei Tring erlegte. Der englische Vogel ist etwas grösser (7,5 cm gegen 7,3 Flügellänge). Die Flanken sind bei dem Rhein-Vogel sogar lebhafter braun und seine Unterflügel schön rot angeflogen. Es wäre die grösste Torheit, daraus zu folgern, dass melophilus nicht anzuerkennen sei. Ebensowenig möchte ich in dem Vogel einen britischen Wanderer erblicken. Vielmehr scheint es sich bei den Rotkehlchen genau so zu ver- halten wie bei den Sumpf- und Schwanzmeisen, dass nämlich die rheinische Form mit einem Teil ihrer Variationsweite der briti- schen ziemlich gleichkommt. b) 9, 24. Sept. 1901, Nierstein, Kehle zwar matter, besonders am Kinn, aber die ganze Oberseite bräunlicher als bei den gleich- zeitig gesammelten Vögeln von Volkmaritz. Schwanzwurzel braun. c) 3 Frühlingsvögel von Nierstein sind zwar ungleich in der Kehlfärbung haben aber alle bräunliche Schwanzwurzel. Bei dem einen sticht eine neu hervorgesprosste Oberschwanzdeckfeder durch ihren rostbraunen Ton grell von dem umgebenden etwas u verblichenen Gefieder ab. d) 2 Bälge von Rolandseck von meinem Freunde Tiermalos de Maes, der eine ganz wie die britische Form, der andere etwas lichter. Der Vogel von der oberen Lahn scheint entschieden nicht in diese Reihe hineinzupassen. Seine Kehlfärbung übertrifft die- jenige der jüngeren Vögel vom Rhein, erreicht aber nicht entfernt die Lebhaftigkeit der alten Stücke von dort, und seine Schwanz- decken sind grauer als bei beiden. Während man am Rhein das Rotkehlchen oft mitten im Winter antrifft (— z. B. 6. Januar 95 auf dem Goldgrund bei Nierstein, einmal hatte ich einen Vogel den Winter hindurch abwechselnd als Futtergast im Garten oder als freiwilligen Zimmer- genossen —) finde ich in meinen Aufzeichnungen keinen Vermerk Ornis von Marburg, Erithacus Dandalus. 349 über eine Winterbeobachtung bei Marburg. Doch mag das nur Zufall sein, denn selbst der schwedische Vogel überwintert ja zuweilen. Notiert habe ich den 26. Oktober 92 für Marburg. Am 5. November 92 sah ich daselbst bei der Weidenhäuser Brücke, wie eine Amsel von einem kleinen Vogel angegriffen und in die Flucht getrieben wurde. Es schien ein Rotkehlchen zu sein, doch war die Entfernung zu gross, um den mutigen Streiter sicher zu erkennen. Für die Zugzeit in Westdeutschland mögen folgende Daten als charakteristisch gelten: 9. März 94, 14. März 93, 14. März 94, 21. März 94 Gesang, 22. März 92 Massenzug, dies alles am Rhein bei Darmstadt. 21. März 96 bei Schloss Berlepsch (Werra-Gebiet) herrlicher Gesang. Am 25. April 94 fand mein Freund Thielemann bei Marburg auf einer gemeinschaftlichen Excursion 6 unbebrütete Eier in einem Erdloch unter Grasbüscheln an der Böschung eines Wegs in der Nähe des Waldrandes. Ein Gelege zu 8 Eiern, im Mai 1896 im Habichtswald bei Cassel gesammelt, erhielt ich von Herrn Ochs und ebendaher ein abnorm grosses Riesenei, vielleicht Doppelei!). Letzteres misst 22,5%X15,2 mm, ist etwas birnförmig, von Farbe reinweiss mit wenigen braunen Tüpfeln, aber einem dichten Fleckenkranz am stumpfen Ende. Das Gelege zeigt so grossen Wechsel in Färbung, Grösse und Form, dass man die Eier nicht in eine gleichmässige Variationsreihe bringen kann: a) 19,1%X 14,0, auf bräunlichweissem Grunde dicht rötlichgelb verwaschen gefleckt. b) 18,8 X 14,4, Fleckung deutlicher, klarer, auch sehr dicht, zum Teil violettgrau, Neigung zur Kranzbildung. c) 17,5 X 13,6, Farbe wie b, aber blass und verwaschen, beinah gleichhälftig, ein dunkler Polfleck. d) 18,4 X 14,0, auf gelblich- oder rosaweissem Grunde matt- e) 19,6 X 14,9, | rostrote Fleckchen und feine dunklere Spritzer, f) 19,9 X 14,5, } deutliche Kranzbildung bei f und h, ein durch- g) 20,0 X 14,8, | schimmernder Kranz verdeckter Schalenflecken h) 19,8X 14,7, | beid,e, g. 1) Als Doppelei kann man ein Ei eigentlich nur bezeichnen, wenn man 2 Dotter festgestellt hat. Vergl. unter Buteo! Ebenso ist zwischen Spureiern (ohne Dotter) und Zwergeiern, aus denen sich normale Junge entwickeln, zu unterscheiden. 350 Otto Kleinschmidt ; Die englischen Vögel scheinen früher zu brüten als die mitteldeutschen, Dresser findet britische Eier grösser als die von Süd-Europa. Genaue oologische Angaben aus allen Gegenden dürften deshalb von Interesse sein. Ich rechne für Dressers Maximum circa 21,0 x 15,3 mm aus. Hinsichtlich des Gesanges finde ich, dass die deutschen Rot- kehlchen überall gelegentlich Wipfelsänger sind, wenn ein passender „Wipfel“ da ist. Man kann sehen, dass derselbe Vogel ‘bald auf tiefen, bald auf höheren Ästen singt. Vielleicht ist das Märchen von den Wipfelsängern dadurch entstanden, dass die alten Männchen, die etwas grösser und bessere Sänger sind, am Brutrevier einen bestimmten Platz beim Singen bevorzugen. Die Prazäk’sche Form ‚‚mazior“ ist wohl nur eine Benennung für das Phantasiegebilde des „Wipfelsängers“, das manchen Vogelhändlern zur Anpreisung guter Vögel ein geläufiger Ausdruck sein mag, aber für unsere Wissenschaft eines klaren Sinnes entbehrt. Vergleichen wir nun die beiden Ringe Erithacus Astrologus und Erithacus Dandalus, so finden sich mancherlei Analogieen, die rote Brustfarbe, das Hinneigen zu rötlicher Färbung der Schwanzbasis auch bei einigen Formen von E. Dandalus, die Flügelflecken und anderes. Auch die Rotkehlchen, wenigstens ihre lebhafteren Formen, scheinen nach Grants Beobachtung (Ibis 1902 p. 677.) zu balzen. Vielleicht hängt damit die Färbung der Kehle und Schwanzwurzel zusammen. Aber so interessant solche Beobachtungen sind, so vorsichtig muss man mit Verallgemeine- rungen sein. Den ekstatischen Liebesgesang des Blaukehlchens und Rotkehlchens könnte man allenfalls noch mit Fritz Braun als „Brunstgesang‘“ bezeichnen, aber dieser Ausdruck beleidigt das moderne Sprachgefühl und entstellt, auf den Gesang allge- mein angewandt, geradezu den wirklichen Sachverhalt. Unter Brunst verstand man früher Erregung, Begeisterung. Heute bezeichnet man damit die sexuelle Erregung. Die liegt aber dem Rotkehlchen sanz fern, wenn wie ein rieselnder Quell sein Lied über die schweigenden Wipfel schall. Und wenn dann der Ornithologe trotz alles Wissensdurstes das erhobene Feuerrohr sinken lässt, dann ist das nicht nur Sentimentalität, sondern ein Verständnis dafür, dass er hier etwas ganz anderes vor sich hat als eine liebes- tolle kleine Kreatur. Der Gesang des Vogels kann vielerlei be- deuten, denn so arm ist sein Leben nicht, dass es nur von 2 oder 3 Trieben beherrscht würde, In der Regel bedeutet, aber Ornis von Marburg, Erithacus Dandalus. 351 der Gesang gerade das Gegenteil von dem, was Fritz Braun ver- mutet. Ich würde einen missglückten Ausdruck durch einen noch mehr misslungenen ersetzen, wenn ich sagte, der Gesang ist nicht Brunstton, sondern Keuschheitston. Ich sage darum, er ist ein sekundärer Geschlechtscharakter und ein Gegengewicht gegen die Brunst. Der singende Vogel hat Freude an seinem Lied und vergisst darüber seine geschlechtliche Erregung, er ist wie ein Mensch, der seine überschüssige Jugendkraft nicht verbraucht, um sich auszuleben und auszutoben in brutalen Leidenschaften, sondern sich edleren Dingen zuwendet. Man vergleiche die fol- genden Testikelmasse von vier Rotkehlchen: rechts 6!/, links 6?/, mm., alt, 16. April Marburg h l a Inlo% 7 14. Oktober Volkmaritz „» A » a » wohl jünger, 22. September Hr Ba alla N, sehr alt, 8. September Tring Bei dem letzten Vogel habe ich auf der Etikette vermerkt „sang!“!) Bei 11/, mm. Testikellänge kann der Vogel unmöglich brünstig gewesen sein. Ob der halbe Millimeter, den er vor dem zweiten Stück voraus hat, durch Alter, Jahreszeit oder Klima bedingt sein mag, das bleibt sich hier gleich. Ich behaupte ja nicht, dass die Vögel aus Impotenz singen, sondern sie singen um so mehr, je wohler und kräftiger sie sich fühlen. Aber der Liebesgesang ist nicht die höchste Stufe des Gesangs, er ist überhaupt etwas ganz anderes als das ruhige Singen. Indessen muss auch hierbei noch erwiesen werden, ob dieses ekstatische Singen, bei dem der Vogel mehr seine Farben und Bewegungen zur Geltung bringt und wobei das am eigentlichen Gesang so sehr beteiligte Ohr untätig ist (vergl. Auerhahn), eine primäre oder sekundäre Geschlechtsäusserung ist, ob es durch geschlecht- liche Erregung hervorgerufen wird oder solche hervorruft, ob es damit verbunden oder davon ganz getrennt ist. Scheint doch das rasende Gebaren schilpender Liebesknäuel (ein fürchterliches Wort, aber von einem grossen Dichter erfunden) des Haus- sperlings nichts mit der Brunst des Vogels, dem direkten Liebes- verlangen zu tun zu haben. Die Sprache unterscheidet deshalb längst zwischen Brunft und Brunst und bezeichnet mit ersterem 1) Ich werde im Folgenden auf ähnliche Beispiele, deren ich viele besitze, noch öfter zurückkommen, denn ich habe für diese Fragen schon lange Material gesammelt, (lange, ehe Brauns Aufsätze erschienen.) 352 Otto Kleinschmidt: die in Kämpfen, Spielen, Tänzen u. s. w. sich äussernde Erregung, , die der Brunst vorhergeht. Was man beim Hirsch Brunft nennt, nennt man beim Vogel Balz. Die Beobachtung der geographischen. Formen des Rotkehlchens wird eines der dankbarsten Gebiete werden, um den Unterschied zwischen Kunstgesang und Balz- gesang aufzuklären. Es mag wohl sein, dass die Vogelliebhaber längst einen Unterschied zwischen südlichen Balzsängern und nordischen Kunstsängern ahnten und die letzteren mit ihren Wipfelpfeifern meinten. Die Unterscheidung der geographischen Formen ist ja nicht dazu da, dem Sammler Vergnügen an Balg- serien und den Ornithologen verdriesslichen Streit zu verursachen, sondern wir wollen auf diesem Wege den Geheimnissen des Vogellebens beikommen. Also nicht streiten, wenn etwa ein Beobachter von England oder Westeuropa und einer von Nord- deutschland nicht dasselbe ‚finden können“! Sie können nicht dasselbe finden, weil dasselbe Tierleben auch biologisch in verschiedenen Ländern verschiedene Formen zeigt. Das so ver- schrieene „etwas mehr rot, etwas dunkler, etwas brauner“ ist nur der Ausdruck von dem, was tief im Leben der Tiere begründet ist. Die sechsfache Schwingenfingerung von E. Dandalus gegenüber der meist fünffachen von E. Astrologus stimmt mit. der früheren Zugzeit der Rotkehlchen und ihrem Bleiben im Winter gut überein. Sie scheinen auf der Wanderung kleine Bummler zu sein und, wo es ihnen gefällt, ein paar Tage Rast zu machen. Bisher habe ich wenigstens immer diesen Eindruck gehabt. Biologisch stehen sich also E. Dandalus und E. Astrologus wie Affenformen gegenüber, eine Affenform des Rotkehlchens dürfte aber eher in dem alten Männchen des Zwergfliegenfängers zu erblicken sein als in dem Blaukehlchen. Erwähnen will ich noch eine briefliche Mitteilung aus Hessen von Herrn Forstassessor Euler, der mir schreibt: „Vielleicht interessiert es Sie für Ihre Schrift, dass ich des öfteren im Jahre 90 ein Rotkehlchen mit weisser Platte, genau wie die des Gartenrotschwanzes mit meinem Vater beobachtet habe. Ort: Vogeltriesch (Stiftswald bei Kaufungen).“ Es handelt sich also um einen sogenannten hübschen Fall von partiellem Albinismus, den sich der Vogel durch irgend eine Stirnverletzung zugezogen haben mag, etwa im Kampf oder durch Anfliegen an ein Hindernis. Omis von Marburg, Erithacus Arboreus. 353 4. Erithacus Arboreus, «Der Baumrotschwanz und der folgende Formenring liefern verblüffende Beispiele von Affenformen. Auf den ersten Blick scheinen da die grossartigsten Beweise für die Descendenz- theorie vorzuliegen. Aber die biologische Systematik zerstört all diese Täuschungen. Beide Lebensringe brüten bei Marburg ebenso wie am Rhein nebeneinander, wenige Schritte trennen unter Umständen nur ihre Nester. Und nicht an einer Verbreitungs- grenze kommt das vor als ein Übereinandergreifen von Formen, sondern in weiten Gebieten. Wo zwei Vögel so ungetrennt neben einander leben, sind sie entweder Männchen und Weibchen oder verschiedene Färbungsphasen oder Alterskleider derselben Form — oder aber ganz und gar verschiedene Lebensringe. Die beiden ersteren Fälle sind natürlich ausgeschlossen, denn man kann die Vögel bei geschlossenen Augen an der Stimme und als farblose Albinos an der Gestalt unterscheiden, und keinem Menschen wird es je einfallen sie für nicht verschieden zu erklären. Aber dass sie scharf getrennten Lebensringen angehören, wird bestritten. So schreiben L. v. Lorenz und Hellmayr (J. f. O0. 1901, p. 240.): „es sind Übergänge von R. phoenicurus zu R. rufiven- tris!) keineswegs selten (wie unser reiches Vergleichsmaterial beweist), weshalb man auch die beiden „Arten“ richtiger als Subspecies auffassen sollte.“ Auch andre bedeutende Ornithologen scheinen diese Ansicht zu teilen oder doch der Meinung zu sein, dass rufiventris ein Zwischenglied zwischen Garten- und Haus- rotschwanz sei. Kein Wunder, denn sogar die Oologie trägt hier dazu bei, die täuschende Ähnlichkeit zu vollenden. Dass in Wahrheit nur diese, nur Mimikry vorliegt, werde ich zeigen. Zwei Formen von Erithacus Arboreus sind bis jetzt festgestellt: 1) Erithacus Arboreus phoenicurus (L.), Schweden. Zur Synonymik: Motacilla phoenicurus L. 1758. Syst. Nat. Ed. X. p. 187, N. 21 = 3 adult. u. braunes © une; N... Te ;,; a onen — ‚Bahnen: fedriges Q „ titys L. „ „ „ PEHITITEN „ 233 = 9 mit ockergelben Flanken, 1) Ich nehme an, dass die Autoren hier das meinen, was man unter rufiventris allgemein versteht. Ohne Angabe des Formenkreises bleibt es bei Affenformen oft ungewiss, welcher Vogel dem betreffenden Autor vorlag. 354 Otto Kleinschmidt: 1766 hat Linne in der XII. Ausgabe M. titys weggelassen, aber seine frühere Beschreibung unter M. phoenicurus, mit der Bemerkung citiert „femina est.“ Dassich die drei Namen richtig deute, wird Jeder zugeben müssen, der aufmerksam die Stellen in Linnes Natursystem und in seiner Fauna Suecica vergleicht. Sollte aber jemand an meiner Deutung Zweifel hegen, so bin ich bereit, den genauesten Nachweis für dieselbe bis in alle Einzelheiten auszuführen. Auf den Namen Motacilla titys komme ich noch weiter unten beim folgenden Formenkreis zurück. 2) Erithacus Arboreus mesoleucus (Hempr. & Ehr.). Sylvia mesoleuca Hempr. & Ehr. Symb. Phys. Aves. fol ee 1829, Djidda. Südseite des Kaukasus, Kleinasien (Griechenland und Atlas- Länder ?), im Winter in Afrika. Im Nestkleid wie im Alterskleid ein echter Baumrotschwanz, alle Farben lebhafter und reiner, der Flügel des alten Männ- chens schwärzlich mit weissem Spiegel auf den Aussenfahnen der Sekundärschwingen und ebensolchen Aussensäumen an den Schwungfedern erster Ordnung. Schnabel bei den Stücken meiner Sammlung grösser als bei nordwestlichen E. Arboreus. 1 und 2 schliessen sich geographisch aus. Wenn Radde bei Borshom beide Formen unter einem Dache brütend fand, und sie auch östlich von dieser Stelle, (die Grenze des Ver- breitungsgebietes!) sein könnte), beide sammelte (vergl. „Die 1) Dafür scheint u. a. der Umstand zu sprechen, dass das kauka- sische Museum 2 $$ von Borshom besitzt, die nur eine Spur von Weiss auf den Flügeln zeigen (s. oben eitierten Catalog p. 257). Wenn es nicht Jüngere, abgeriebene Vögel sind, können dies Mischlinge sein. Radde sagt, im Jugendkleid sei das Weiss nicht immer angedeutet. Es kommt darauf an, welches Kleid und Geschlecht er damit meint. Ein Stück meiner Sammlung im Nestkleid, das recht wohl der Grösse nach ein J sein könnte und das der breiten schwarzen Brustsäume wegen gewiss zu me- soleucus zu rechnen ist, hat keine Spur von Weiss im Flügel. Neumann vermutet (J. f. O. 1892 p. 133), dass E. bonapartei Müll. von mesoleucus zu trennen sei. Sein Herbstvogel beweist aber m. E., so dankenswert die Anregung der Frage ist, zu derselben nichts. 2 alte JZ vom Südostkaukasus sind beide graurückig, das eine zeigt schwache Spuren von Schwarz in der Schultergegend.. Radde fand nur „bei einigen“ eine reinschwarze Zone im Nacken und am oberen Rücken. Das weisse Stirnband ist beim kaukasischen mesoleucus in der Regel schmal, auch im Sommer, variiert aber etwas. Kaukasier und Kleinasiaten sind noch zu vergleichen im Hinblick auf die Notiz Neumanns und eine Ornis von Marburg, Erithacus Arboreus. 855 Sammlungen des kaukasischen Museums“, Band I. 1899), so macht das nur meine Vermutung wahrscheinlicher, dass die Flügelfärbung variiert und dass einjährige Vögel ähnlich wie beim Hausrot- schwanz, so auch bei E. Arboreus meist die braunen Schwung- federn des Nestkleides beibehalten. Noch fehlen mir Mauservögel, um dies ganz sicher ermitteln zu können. Der weisse Spiegel und grauere Rücken bedeutet nicht eine Annäherung an den Hausrotschwanz, sondern nur schärfere Trennung und grössere Concentrierung des Pigments. Wenn man ein altes Baumrotschwänzchen auf die Palette malen würde, könnte man durch Verwischen und Mischen seiner Farben, die des weiblichen Kleides erzielen. Wie das männliche Kleid eine Farbensonderung des weiblichen ist, so ist dies Kleid der südöstlichen Form eine Steigerung und Sonderung der Farben des nordischen Vogels. Auch bei europäischen Stücken kommen, wie Hartert schon im Katalog des Senckenbergischen Museums bemerkt, solche mit weisslichen Flügelsäumen vor. Ich besitze ein solches aus Süd- frankreich. Gätkes Vogel von Helgoland (vom 12. Juni 1864) muss noch genau untersucht werden, ob er nicht eine Varietät der ersten Form ist. Was der Lebensring in Kleinasien immer hervorbringt, könnte er ausnahmsweise auch einmal in Schweden hervorbringen. Obschon Erithacus Arboreus bei Marburg sehr häufig war, habe ich keine Vögel dort gesammelt. Ich hielt sie für interesselos, weil Stücke von Norddeutschland, vom Rhein und von Russland übereinzustimmen schienen. Ich sehe aber jetzt an meiner Suite so grosse Verschiedenheiten, dass ich nicht ohne weiteres die Vögel, deren Nester ich in Hessen so oft fand, für Erithacus phoenicurus (L.) erklären kann, denn die Formen von E. Arboreus sind mitphoenicurus und mesoleucus keineswegserschöpft. Nachstehend gebe ich einige oologische Notizen jahreszeit- lich geordnet. 8. Mai1895, Marburg, 2 Eier (0)!), Nest ziemlich frei, niedrig in hohlem Baum, da die Eier verlassen schienen, genommen. Masse® 18,0, %,13,5.,,.19,0,.x..13,8- Bemerkung von Radde, dass der kleinasiatische Vogel stumpfere Flügel habe. Bei allen Stücken ist aber zuerst der Formenring, zu dem sie gehören, sorgfältig festzustellen, damit nicht eine Verwechslung mit E. ochrurus (Gm.) die Untersuchung verwirrt. 1) Die Zahl in Klammern bedeutet bei Eiern immer den Bebrütungs- grad: O0 — unbebrütet, 1 = erste Spur von Bebrütung, 2 = Rückgrat 356 2; ‘ Otto Kleinschmidt :' 9. Mai 1895, Marburg, 1 ähnliches Ei in demselben Nest!), 12.05 A De da kein weiteres zugelegt, dasselbe ge- nommen (0) 19,0 X 14,2. Dasselbe © scheint sich also noch seines 3. Eies ent- ledigt zu haben, um dann einen anderen Nistplatz zusuchen.In demFalle wäre das kleinste Ei vor dem grössten gelegt. 23. Mai 1895, Niederasphe, 2 Eier (3) von einem Gelege zu 6 an der Erde unter Wurzelwerk am Rande eines Steinbruches 19,0 X 15,0, 18,8 x .15,0 mit schwacher roter Fleckung um das stumpfe Ende. 29. Mai 1892, Marburg, 2 Eier (stark bebrütet) von einem Gelege zu 5, 18,4 X 14,4, 180 X 14,0 in hohlem Birnbaum 3—4 m hoch. 5. Juli 1895, Marburg, 1 Ei (taub) 19,0 X 13,9 Nest im Ge- mäuer an einem Wege, anscheinend: flügge Junge fütterndes © in der Nähe beobachtet. —_ Marburg, 1 Ei (wohl sicher E. Arboreus) be- schädigt unter einem Amselnest ge- funden! 18,0 X 13,5. Zum Vergleich füge ich einige Daten vom Rhein (bei Darm- stadt) bei: = 25. April 1894, Geinsheim a. Rhein, in hohlem Obstbaum von meinem Bruder genommen, 1 Ei von 3 (0) 18,0 X 13,9. 17. Mai 1894, Geinsheim a. Rhein, Obstbaumhöhle 2 (0), 18,5 X 13,7, 18,5 X 13,6, das letztereEimiteinemFlecken- kranz brauner Punkte ums stumpfe Ende. des Embryos erkennbar, 3 = Extremitäten deutlich, 4 = Embryo und Dottersack annähernd gleich gross, 5 == Dottersack fast aufgezehrt, 6 — Schale vom jungen Vogel durchbrochen. Diese Stadien mögen nicht gleichmässige Zeitabschnitte der Entwicklung bedeuten, sind aber selbst bei stückweise entferntem Eiinhalte leicht zu bestimmen. Die Eiermasse bedeuten natürlich immer mm. Mit Gelege meine ich die Zahl der Eier im Nest, ob sie wirklich ein volles Gelege ist, ergiebt der Bebrütungsgrad. !) Vergl. hierzu die Mitteilungen von Domeier über ähnliche Fälle bei Sylvia curruca und: cinerea in Zeitschrift 'f. Oologie 1903 p. 15. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 357 23. Mai 1888, Geinsheim a. Rhein, Kopfweide 18,9% 13,0, 18,0 x13,5, 180% 13,2. 29. Mai 1902, Knoblochsau a. Rhein, @ mit fast legereifem Ei und einer Wunde am Bauch tot im Wasser gefunden. Ei noch etwas blass, 17,8 14,0. 2. Juni 1902, Goldgrund a. Rhein, Nest mit) nicht genommen, Eiern beide in Kopf- 9. Juni 1902, R “ 6 Eier weiden. In der Lebhaftigkeit der Färbung variieren diese Eier fast gar nicht. Das zuerst angeführte Gelege ist um einen nur sehr geringen Grad heller als die andern. Am 11. Juni 92 fand ich am Rhein an zwei Stellen eben flügge Junge. Ganz scharf lässt sich wohl die Zeit zwischen der ersten und zweiten Brut nicht trennen. Die Nähe von Gebäuden scheut der Baumrotschwanz auch in Westdeutschland gar nicht. Seine Brutplätze sind recht mannigfacher Art. Ein Nest mit jungen Vögeln fand ich 1894 bei Marburg in einem Stückchen Ofenrohr, das an einem Ende geschlossen war und im Gezweige einer Gartenhecke hing. 5. Erithacus Domesticus, Der Lebensring der Hausrotschwänze unterscheidet sich von dem vorigen, wenn man auf Grund der hier ermittelten Formen schon urteilen will, durch die auf Tafel I abgebildete unten ausführlicher besprochene Flügelform, feinere Gefieder- struktur, mehr schwarz im männlichen Alterskleid und weniger scharf begrenztes, auch breiteres schwarzes Stirnband. Dass die europäischen Vögel mit grauem Bauch, welche man seither allgemein fälschlich mit dem Namen E. titys (L.) belegt hat und die asiatischen Vögel mit rotem Bauch, die man meist als E. rufiventris (Vieill.) bezeichnet, einen Lebensring bilden und dass letztere gar nichts mit Erithacus Arboreus, dessen Affenformen sie sind, zu thun haben, geht aus folgenden Gründen hervor: 1) Sie stimmen im Bau genau überein und unterscheiden sich dadurch in ganz gleicher Weise von E. Arboreus. 2) Sie schliessen sich geographisch aus, während E. Arboreus neben ihnen vorkommt, ohne sich mit ihnen zu vermischen. '3) An den Verbreitungsgrenzen vermischen sich beide Formen von E. Domesticus, aber auch mitten in Europa kommen 358 Otto Kleinschmidt: Vögel vor, welche durch bläuliche Eier oder durch rote Färbung der Unterbrust und des Bauches beweisen, dass jene Zwischenglieder nicht immer Mischlinge zu sein brauchen, sondern dass vielmehr die Neigung zu roter Bauchfärbung und bläulicher Eierfarbe dem ganzen Lebensring eigentümlich ist. Die Nomenklatur der einzelnen Formen, auf die ich nachher zurückkomme, ist sehr verwirrt. Ich verzichte vorerst darauf, den Namen für die hier zu behandelnde Form zu ermitteln und gebe zunächst meine Daten über ‚„Zrithacus Domesticus von Hessen.“ I. Eier. Mai 95. Niederasphe bei Marburg, Gelege zu 6 (0 bis Y,), & schwarz. Beim Abbruch eines Hauses für mich auf- gehoben und mir am 23. übergeben. Alle Eier kurz aber spitz gestaltet. 19,9 X 15,0.19,9 X 14,2.19,7 X 14,7.19,5 X 14,4. 19,4 X 14,9. 19,0 X 14,4. Hohe Gelegezahl: kleine Eier bei vermutlich alten Vögeln! 17. Mai 92 Marburg 2 Eier von einem Gelege zu 5 aus einer Hauswand in „Weidenhausen“ (in dieser Strasse be- obachtete ich in demselben Frühjahr noch 2 weitere Pärchen, die Junge ausbrachten), zugehöriges g ver- mutlich schwarz. 21,4 X 14,6. 20,5 X 14,6. 30. Mai 92 Marburg Gelege 5. — 21,1% 15,0.21,1 X 14,9. 20,9 X 15,1.20,9X 14,7.20,6X 14,9. Zum Vergleich gebe ich die Masse folgender Eier vom Rhein bei Darmstadt (Kornsand): 22.April94 Unter der Balkendecke eines Fabrikraums, den der Vogel nur durch ein verstecktes enges Mauerloch er- reichen konnte, 1 Ei von 5: 20,0 X 14,4. » » „In einem alten Rauchschwalbennest in einem Stallraum. © sass auf dem Nest, d vermutlich grau. Gelege zu 4 (1—2, also vollzählich) 18,7 X 14,5. 18,3 X 14,6..18,3 X 14,6.18,3 X 14,5. 21.Mai91 2 Eier, 21,3 X 15,0. 20,0 X 15,2. 2. Juni 92 von derselben Stelle wie das einzelne Ei vom 22. April 94. 1 Ei von einem Gelege zu 5: 19,0xX 15,0. Die andern 4 hatten alle ziemlich genau dieselbe Länge und Breite und wurden ausgebrütet, obschon ich sie Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 359 beim Messen teilweise eingedrückt hatte. Das g, das ich fing und wieder fliegen liess, war alt (schwarz) und hatte einen Stelzfuss. Bläuliche oder gar gefleckte Eier zu finden, hatte ich bis jetzt noch nicht das Glück; ich habe aber zu wenig bei Nestern, die ich sah, darauf geachtet. Man sollte jedes Hausrotschwanz- Ei, das man findet, mit der Lupe betrachten und ferner prüfen, ob am Luftblasenende, wo der Dotter weniger durchscheint, kein bläulicher Ton bemerklich ist. Vielleicht sind die rufventris-ähn- lichen Eier gar nicht so überaus selten, wie es scheint. I. Vögel. Da ich vom Rhein ein sehr reiches Balgmaterial besitze, habe ich bei Marburg, um nicht unnötig zu morden, keine Vögel gesammelt, zumal ich sie dort hätte von der Brut wegschiessen müssen, und doch bedaure ich es fast, denn ein alter mit Eiern gesammelter Brutvogel nützt wissenschaftlich mehr als zehn ausserhalb der Brutperiode getötete Vögel, deren Fundort möglicher- weise nur eine Wanderstation ist. Ich besitze von Hessen Nassau nur: 1) ein Männchen im Nestkleid. 29. Juli 1892, Landefeld (Fulda- Gebiet), Bauch sehr gelblich, dies Anklingen an rufiventris findet man öfter im Jugendkleid. 2) ein schwarzes Männchen im paradoxa-Kleid (schwarze Brust, graue Flügel), am 8. April 99 tot in der Kirche zu Schönstadt (oberes Lahngebiet) gefunden: 3) einen grauen Vogel, wohl © 15. Sept. 95, Dens bei Sontra (Werra-Gebiet). Doch habe ich noch einige Stücke, die ich im Frühjahr 97 bei Schloss Berlepsch (Werra-Gebiet) für das Museum H. von Berlepsch erlegte, genau im Fleische gemessen und stelle die Masse mit denen der drei obigen Stücke hier zusammen. Totallänge Flugbreite Flügelspitze Flügellänge Schwanzl. b. Schwzende. exact k 15,6 26,1 2,9 8,55 — 2. —_ En —_ 8,6 6,7 & 16,0 26,0 2,8 8,3 — Q 3. IV. 15,0 25,2 2.4 8,4 — Ber. ir, 27,0 2,8 8,9 — Bad 1652 26,0 2,8 8,9--9,0 = 360 ‘ Otto 'Kleinschmidt: Totallänge Flugbreite Flügelspitze Flügellänge Schwanzl. b. Schwzende. exact g ad. 12.IV. 16,3 27,2 2,6 8,95 6,85 g ad. 24. III. 16,0 27,0 2,5 9,0 = Zum Vergleich einige Masse von ausgefärbten alten Jg meiner Sammlung aus andern Gegenden: Rhein 22. III. prachtvoller alter Vogel 15,7 26,5 2,8 8,6 —_ Rhein 28. IX. 15,8 26,5 2,8 8,4 en 29ER 15,8 26,4 2,8 8,5 —_ 2,50.1X2 216,4 27,2 2,8 8,6 — I 2TEIX. u — — Be »„. 28.IX. 16,0 26,0 -- 8,6 — BOR2DE IX 2 — 8,4 6,8 18. 11, 0 — u —_ 8,6 _ O. Lausitz 26. V. — _ — 8,6 6,9 UIISOYLEDL a 2 8,7 22 a 29. X. — — — 8,7 = Attika 4. I. — — — 8,95 — Alpen? Herbst. Der weiter unten noch be- sprochene schöne Vogel aus C. L. Brehms Sammlung 9,1 — Schalow behauptet sehr bestimmt, dass sich in Norddeutsch- land graue Männchen noch nicht am Brutgeschäft beteiligen. Am Rhein tun sie das bestimmt sehr oft. Sollte das von Einfluss auf die Grösse der Nachkommenschaft sein und die Frühreife der Südländer die geringere Grösse so vieler südlicher Vogelformen bedingen? Ich bezweifle es, denn 1) ist das paradoxa-Kleid, nicht das cairei-Kleid ein Zeichen von Frühreife, 2) scheint die obige Tabelle zu zeigen, dass bei den Werra- Vögeln lediglich die Flügel länger sind, als bei den Vögeln vom Rhein. 3) ist es ausserordentlich: schwer, bei der völligen Ähnlichkeit grauer dd mit dem weiblichen Kleide, ihre Beteiligung am Brutgeschäft festzustellen, wenn man nicht dasselbe Nest ständig beobachtet. Hier in Volkmaritz, das-doch schon dem. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 861 Beobachtungsgebiet Schalows ziemlich nahe liegt, hatte ich gleich im ersten Jahr meines Hierseins ein graues Brutpaar in meinem Garten. So oft ich dicht an das Nest mit den Jungen herantrat, kamen beide alte Vögel, um ihre Brut be- sorgt, bis auf wenige Schritte herbei, manchmal sogar so nahe, dass ich hätte nach ihnen greifen können. Dies wiederholte sich so oft, dass jeder Irrtum ausgeschlossen ist. Eine konstante geographische Verschiedenheit in der Flügel- länge mag ich vorläufig noch nicht behaupten, da ich vom Rhein 2 junge 3 3 (freilich Herbstvögel) mit 8,8 cm Flügellänge besitze. III. Beobachtungen, nach den Monatsdaten geordnet. 13. März 1900 Zuverlässige briefliche Mitteilung von Lehrer Ockershausen aus Schönstadt bei Marburg. „Rot- schwänzchen bei Schneegestöber beobachtet.“ (13. März 1898 am Rhein erstes Exemplar, altes 3; zuweilen aber noch früher am Rhein, meine Schwester will ein überwinterndes Stück gesehen haben.) 17. März 1897 erste Beobachtung bei Schloss Berlepsch durch Herrn stud. phil. H. Kolbe. 18. März 1896 Daselbst von Karl von Berlepsch gehört. Doch sagt mir der Graf, er habe den Vogel schon seit einigen Tagen bemerkt. HP „ Daselbst zwei schwarze $g von mir gesehen, 21. März 1899 Erste Beobachtung von Lehrer O. in Schönstadt. 22. „ Daselbst von mir zuerst gesehen, anscheinend para- doxa-Kleid, Abends im Schnee mit eingezogenen Füssen Rotkehlchen-artig auf der Strasse hin- flatternd, ganz matt, in diesen Tagen bis 6° Kälte. DM „ Daselbst altes Männchen (mit weissen Spiegeln) gesehen. 30. „ Daselbst häufig. 13 hetil 1895 Marburg, bei herrlichem Wetter höre ich zum ersten- mal den Gesang. 25. April 1894 Marburg, Nest mit 4 Eiern in einem Erdloche an einem Hohlweg entfernt von Gebäuden, so niedrig, dass man hineinsehn kann. Lainim „ Marburg, $ am Nistplatz. Journ. f. Or. LI. Jahrg. Juli 1908, 24 362 8. Mai 1896 10. Mai 1895 15. Mai 1892 20. Mai 1892 29. Mai 1892 8. Juni 1898 Ötto Kleinschmidt: Schloss Berlepsch, Nest mit 5 Eiern in einer Fels- höhle im Wald. Marburg, ein Hausrotschwanz springt wie ein Mauerläufer an einem Schornstein empor, offenbar, um Insekten zu haschen, ein sehr sonderbarer Anblick. Cappel bei Marburg, Förster Scholz sagt mir, es sei ihm aufgefallen, dass bei seinem Hause ein Pärchen Rotschwänzchen sich aufhalte, von denen das 5 genau wie das © aussehe. Marburg, zwei flügge Junge bei der Weidenhäuser Brücke. Marburg, flügge Junge, mit einem derselben machte ich die schon J. f. O. 1897 p. 110 geschilderte reizende Beobachtung. Gerade den Fenstern meiner Wohnung gegenüber befand sich zwischen zwei Häusern in der einen Mauer das Nest. Lockton „Duisdeck“ und Zittern mit dem Schwanz bei den jungen Vögeln schon genau so wie bei den Alten. Das alte 2 kommt wiederholt in mein Zimmer, obschon ich es, da es das erste Mal den Ausgang nicht wieder fand, fing und hinaus liess. Es wird auf dem gegenüberliegenden Dach von dem g verfolgt.!) Schönstadt, Junge fütternd an der Kirche. 98 oder 99 stand dort ein Nest in einer Guirlande, die über der Kirchentür aussen angebracht war. In dem benachbarten Rauschenberg brachten einmal Rotschwänzchen eine Brut dank dem tierfreund- lichen Interesse des dortigen Geistlichen glücklich ander Kanzelaus. Er pflegte sie „Dachvögelchen“ zu nennen. Ob der Name in Hessen volkstümliche Bezeichnung ist, weiss ich nicht. Mir fällt dabei ein, dass irgendwo in der Naumannia (ich vermag augenblicklich die Stelle nicht zu finden) jemand den wohl nur scherzhaften Vorschlag macht, das Hausrotschwänzchen „Sylvia ecclesiastica“zunennen. !) Um Kampf zwischen einem schwarzen und grauen Männchen, den man oft beobachten kann, handelte es sich hier anscheinend nicht. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 865 26. Juni 1895 Marburg, (während meines Examens) sehe ich ein schwarzes Männchen vor dem Fenster sein Junges füttern. 19. Juli 1896 Schloss Berlepsch. $ mit Raupe im Schnabel (wohl für 2. Brut). 21. Juli 1896 Daselbst. Nach Karl von Berlepsch Junge ausge- flogen. 26. Juli 1896 Daselbst. Ausgeflogene Junge der II, Brut werden gefüttert. 13. Aug. 1895 Homberg a. d. Efze, vermausertes schön ausge- färbtes $ gesehen. Am Rhein fand ich um diese Zeit die Vögel noch in voller Mauser. Während derselben halten sie sich sehr versteckt, besonders die alten scheuen Jg. Nur Abends kamen sie zum Vorschein. 29. Aug. 1898 Schönstadt, 9 singt wieder. 16. Sept. 1895 Dens bei Sontra, Rotschwänze in grosser Menge, Durchzug? 23. Okt. 1896 Schloss Berlepsch, | 29. Okt. 1898 Schönstadt, Lehrer Ockershausen etzte Beob- 21. Nov.! 1893 Schwarzenborn b. Marburg, derselbe | ?htung. IV. Zur cairei-Frage. Dass die einfarbig braungrauen Hausrotschwanzmännchen lediglich junge Vögel sind und sich sämtlich (auch pathologische Ausnahmen dürften kaum vorkommen) im zweiten Herbst ihres Lebens in den sogenannten „tithys‘“ verwandeln, ist für mich längst keine „Frage“ mehr, aber leider spukt die überflüssige cairei-Frage immer noch in der Literatur als eine Art ornitho- gischer Seeschlange. Durch J. Lechthaler-Dimier (Jagdzeitung „Diana IX. 1891, p. 78—79 und 84—86, ferner Archives des Sciences phy- siques et naturelles 1891 p. 250—256) ist die Identität der grauen und schwarzen Männchen für die französische Schweiz bestimmt nachgewiesen. — Ich wies in mehreren Artikeln auf das vielfach unbeachtete, weil seltenere schwarze Jugendkleid hin und zeigte J. f. O, 1897. p. 105—111, auf Grund der am Rhein und bei Marburg gemachten Beobachtungen, dass der sogenannte E. cairei, para- doxus und tithys (auf Seite 108 daselbst abgebildet) nur Kleider 24* 364 Otto Kleinschmidt: desselben Vogels sind und zwar cairei und paradoxus alternative, titis gegenüber diesen beiden successive Kleider. Ich habe dort zwar schon die von mir aufgestellte Ent- wicklungsübersicht durch Angabe der beweisenden Mauserbälge belegt, gebe aber für die Herren, die noch immer an cairei glauben, nochmals eine Aufzählung meines Balgmaterials, dass sich in- zwischen etwas vermehrt hat: Auf einige abnorme Stücke komme ich weiter unten zurück. 7 Vögel im Nestkleid, darunter drei, die von Olphe- Gaillard an C. L. Brehm geschickt wurden. 24. Mai und 16. Aug. reine Nestkleider.. Zwei andere Männchen im Nestkleid in beginnender Mauser und zwar bei dem einen zum einfarbigen cairei-Kleid und bei dem andern zum paradoxa-Kleid (schwarze Kehle, aber fahlbraune Flügel).. Ausser diesem am 25. August erlegten Vogel noch weitere 8 Vögelim schwarzkehligen Jugendkleid (paradoxa) ; nämlich ein sicher von der ersten Brut stammendes Männchen am 16. August erlegt, eben frisch vermausert, während der vorer- wähnte Vogel ganz bestimmt von einer Spätbrut stammt, wie der Vergleich der Schwungfedern beweist, der vom 16. August hat vor dem Flügelbug noch 3—4 Federn vom Nestkleid. Ferner vier Stück vom Spätherbst und Winter, zwei vom Frühjahr im mehr abgeriebenen!) Gefieder und ein Vogel mitten in der zweiten Mauser vom 13. August. An den fürchterlich abgenutzten, weil vom Nestkleid stammenden fahlbraunen Schwung- federn, zwischen denen weissgesäumte hervorkommen, erkennt man sicher, dass es ein Vogel vom vorigen Jahre ist, besonders, da ich ein mehrjähriges Männchen vom 14. August im gleichen Mauserstadium daneben habe, welches an den alten Sekundär- schwingen, deutliche Spiegelreste zeigt, überhaupt die alten Schwingen nach Farbe und Umrissen nur wenig abgenutzt hat. Die meisten jungen Männchen tragen im ersten Jahre nicht dies schwarzkehlige, sondern das einfarbig braungraue, dem Weibchen ähnliche Kleid: 1) Kollibay tadelt diesen Ausdruck mit Unrecht. Die Abnutzung erfolgt allmählich, durch äussere Beschädigung, nicht plötzlich durch von innen wirkende Abstossung. Wenn Federn dabei ganzrandig bleiben, so liegt dies daran, dass die weisslichen Fahnenteilchen weniger widerstands- fähig sind als die schwarzen. Vergleiche darüber das weiter unten beim Wiedehopf Mitgeteilte. Ornis von Marburg, Erithaeus Domesticus. 365 18 Männchen in diesem cairei-Kleid (die Bezeichnung kann man ja beibehalten, wie man von einem wolfi-Kleid beim Blaukehlchen spricht) liegen vor mir, solche vom August mit Resten des Jugendkleides, frisch vermauserte vom Spätherbst und Winter, solche im mehr verblichenen Frühlingskleid und im ganz zerlumpten und zerfetzten Sommergewand, endlich zwei mausernde Augustvögel, die im zweiten Herbst ihres Lebens stehend schon zur Hälfte das Alterskleid angelegt haben. Die einzelnen alten Schwungfedern sind ebenso zerfetzt wie bei dem gleichalterigen mausernden paradoxa-Vogel. 15 alte Männchen schwarz mit vollständigen weissen Spiegeln, Herbst- Frühjahrs- und Sommerstücke und ein Vogel in der Mauser, den ich oben schon erwähnte. All diesen kann man es nicht mehr ansehen, ob sie auf dem Weg des cairei-Gefieders oder des selteneren paradoxa-Gefieders zu ihrem Alterskleid gelangt sind. 9 Weibchen, junge, alte und Mauservögel (zwei in der zweiten, eines in der dritten oder späteren Mauser, letzteres mit graueren Flügeldeckfedern. Da ich jeden erlegten Vogel präpa- riere, können die Zahlen einen, wenn auch nur annähernden Begriff von der Häufigkeit der grauen Männchen geben. Die Beobachter irren sehr, welche meinen, eine Seltenheit vor sich zu haben, wenn sie ein graues Rotschwänzchen singen hören. „Cairei“ ist das normale Jugendkleid und mit Recht fand es der alte Brehm „paradox,“ wenn ihm einzelne junge Vögel vorkamen, die das cairei-Kleid nicht trugen. Meine vollständige Reihe aller Kleider und Mauserstadien beweist, dass kein Männchen das cairei- oder das paradoxa- Kleid über die zweite Mauser hinaus beibehält. Zum Überfluss hat Freiherr von Berlepsch die Lech- thaler-Dimier’schen Experimente an gefangen gehaltenen hessischen Vögeln mit dem gleichen Erfolg wiederholt. Wer es für nötig hält, nach weiteren Beweisen zu suchen, für den gibt es überhaupt keinen Beweis. Er möge sämtliche Rotschwänze der Welt einfangen. Wenn Prazäk mehrjährige Cairei-Männchen gefunden haben will, so waren dies sicher falsch bestimmte Weibchen, Kollibay meint, man könne es einem Rotschwanz nicht ansehen, ob er eine oder mehrere Mausern hinter sich habe. Man kann aber nicht nur dies, man kann sogar oft ganz deutlich sehen, ob ein Jahresvogel der ersten oder zweiten Brut entstammt, 366 Otto Kleinschmidt: Man braucht nur die Beschaffenheit der Schwungfedern zu prüfen. Die des Nestkleides bleiben bei der ersten Mauser bei beiden, alternativen Jugendkleidern stehen, wie das ja überhaupt bei vielen Vögeln der Fall ist. Diese Jugendkleidschwungfedern sind viel weicher und vergänglicher und müssen dazu noch länger aushalten, bei Vögeln der ersten Brut etwa 1!/, Jahr, bei denen der zweiten Brut etwas über ein Jahr, während sie später alle 12 Monate gewechselt werden. Sie sind deshalb an den Rändern schon nach kurzer Zeit abgerieben und gewissermassen gezähnelt. Sie bleichen auch nebst den Schwanzfedern stärker aus als die Altersfedern. Nur bei Jungen der zweiten Brut, besonders, wenn es Spätlinge sind, zeigen sie sich nach der Mauser noch ziemlich intakt und ganzrandig. Besonders auffallend wird diese Ver- schiedenheit, wenn einzelne Schwungfedern infolge von Be- schädigung des Flügels vorzeitig gewechselt werden und man ganzrandig frische und ausgefranste alte Federn neben einander sieht. Die Schwingen dritter Ordnung werden sehr oft vor- zeitig gewechselt, da sie am meisten der Beschädigung ausge- setzt sind. Graf von Berlepsch wies auf der Jahresversammlung der D. O0. G. im Jahre 1899 auf verschiedene Schnabelform bei grauen und schwarzen Rotschwänzchen hin. Ich finde an meinen Bälgen nur individuelle Schwankungen der Schnabelform, und nicht einmal einen durchgreifenden Unterschied zwischen alten und jungen Vögeln kann ich nach dieser Seite hin ermitteln. An Rotkehlchen konnte ich mich kürzlich überzeugen, dass der Schnabel besonders bei jüngeren Vögeln (weil weicher) sehr stark zusammengetrocknet und im Leben anders gestaltet ist als am Balg. Dass im allgemeinen alte und junge Vögel oft verschiedene Schnäbel haben, weiss wohl niemand besser als Graf Berlepsch selbst, aber ich betonenochmals, dass beimeinen Hausrotschwänzchen nur zufälliges Variieren der Schnabelform erkennbar ist, während bei Erithacus Dandalus jüngere Vögel einen längeren Schnabel zu haben scheinen. Bau und Janda (Vergl. Orn. Mtsber. 1901, p. 161 und 1902, p. 35) versuchen auf Grund von Gesangesunterschieden cairei wieder zu Ehren zu bringen. Sie gehen aber von der falschen Voraussetzung aus, dass der Gesang unsres Hausrot- schwänzchens immer dieselbe alte Leier sei. Dass ist aber keineswegs der Fall. Nur ein Beispiel: Die zwei Männchen, die Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 367 an beiden Enden des hiesigen!) Pfarrgartens ihre Nester haben, singen mit ganz verschiedenem Auslaut. Sie beginnen überein- stimmend mit der zischenden Strophe, die so klingt, als wollte ihnen der Ton im Halse stecken bleiben, aber während der eine Vogel damit fast am Ende seiner Kunst angelangt ist, lässt der andre sein Lied oft in einen entzückend hübschen Gesang aus- tönen. Sogar dann, wenn die beiden prächtig ausgefärbten Vögel an der Grenze ihres Nistgebietes in Streit geraten und sich hastig hin und herjagen, kann ich deutlich beider Stimmen unterscheiden, weil die Laute des einen um so viel angenehmer sind. Bevor ein solcher Streit ausbricht, höre ich beide längere Zeit zugleich oder abwechselnd singen und kann sehr gut genaue Vergleiche anstellen. Die Hypothese von Rausch, dass Gebirgs -Schwarz- plättchen durch das Echo ihres Gesanges mehr lernen, ist ja recht hübsch, aber auch im Gebirge hat nicht jeder Vogel ein Echo, und ich bin der Meinung, dass die Vögel, wie sie nach Grösse und Färbung individuell variieren, so auch in ihrer Gesangs- begabung eine gewisse Variationsweite besitzen. Auch geographisch mag der Gesang der Rotschwänze wie der anderer Vögel variieren, aber wenn man nach ein paar Silben des Gesauges Formen oder Arten unterscheiden wollte, wieviel Arten von Buchfinken müssten da „gemacht“ werden! Auf Bäumen singen alle Rotschwänze gern, wenn Form, Standort und Höhe des Baumes ihnen bequem ist. Auch darin hat der einzelne Vogel seinen individuellen Ge- schmack. Die schönsten Nist- und Singplätze werden vielleicht von alten Männchen besetzt und die grauen Jährlinge von solchen Orten vertrieben. Doch auch darin lässt sich keine Regel aufstellen. Trotz alledem ist es möglich, dass der Name E. cairei Gerbe noch einmal zu Ehren kommt, aber dann für alle Vögel der terra typica, nicht nur für graue Jährlinge, sondern auch für ihre schwarzbrüstigen Väter und für die Tracht, die sie alle nach dem zweiten Herbst ihres Lebens anlegen. Das würde ge- scheben, wenn sich herausstellen sollte, dass die Vögel der Schweiz oder der französischen Schweiz eine besondere noch unbenannte Form bildeten. Schalow hat wiederholt?) darauf hingewiesen, dass in den nördlichen und mittleren deutschen Gebieten noch nicht beobachtet 1) Volkmaritz, Prov. Sachsen, bei Halle-Eisleben. 2) Vergl. J. f. Orn. 1891, p. 32-—-33 und 1902, p. 122—124. Dass „kein Ornitholog nach Brehm die Beobachtung wiederholt habe,‘ 368 Otto Kleinschmidt: worden sei, dass graue Männchen zur Paarung schritten. Aber gleich das erste Pärchen, das ich nach meiner Übersiedlung nach Mitteldeutschland hier beobachtete, bestand aus zwei ganz sleichgefärbten Vögeln. Das Nest stand in der Aussenwand des Raumes, in dem meine Sammlung untergebracht ist und ich bin überzeugt, dass ich mir jederzeit „casreö-Pärchen“ verschaffen könnte, wenn ich die alten Männchen abschösse. Wo kein Männchen gesehen wird, da wird man bei genauer Beobachtung finden, dass man das jugendliche Männchen für das Weibchen gehalten und daher nicht erkannt hat. Auch das von Freiherr Geyr von Schweppenburg (Cf. Orn. Mtsber. 1901, p. 169.) be- obachtete einsam brütende @ hatte sich wohl mit einem grauen Sg getröstet. Es ist kein Wunder, wenn zwei Individuen, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen, für identisch gehalten werden, denn wenn man es nicht darauf anlegt, beide Eltern vors Nest zu eitieren, sieht man sie nicht leicht gleichzeitig. Wie ich von Anfang an betonte, handelt es sich bei der ganzen Sache nicht um tilys- und cairei-Kleid, sondern um das cairei- und paradoxa-Kleid. Dass beides nur alternative Jugendkleider sind, darüber ist gar kein Zweifel mehr möglich. Interessant ist aber die Frage, 1. ob dem paradoxa-Kleid ein bestimmtes Nest- und Alterskleid entspricht, ob also paradoxa-Individuen vorher schon und nachher noch erkennbar sind und 2. ob es Zwischenstufen zwischen beiden Jugendkleidern gibt. Zur Lösung dieser Fragen kann ich neue Beiträge bringen und über eine Reihe höchst interessanter Kleider, um die sich meine Sammlung bereichert hat, berichten.®) Ad 1. Der oben schon erwähnte Vogel im Nestkleid mit einzelnen Federn des paradoxa-Kleides vom 25. August 94 hat dunkleres Gefieder als es sonst die Nestkleider meiner Sammlung zeigen. Brust und Rücken zeigen breitere schwarze Bänderung (durch die dunklen Federspitzen verursacht) als gewöhnlich. Es dass manche Männchen schon im ersten Herbst schwarz werden, ist wohl nur ein Druckfehler oder Missverständnis des Berichterstatters über den Schalow’schen Vortrag. t) Interessant sind dieselben nicht als Absonderlichkeiten, sondern weil die Kenntnis der individuellen Variations weite für die Unterscheidung in geosraphiaghen Formen höchst wichtig ist und vor Irrtümern hierbei ewahrt. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 369 gleicht ihm darin völlig ein offenbar von derselben Spätbrut stammendes ZJ vom 16. August desselben Jahres, genau an der- selben Stelle geschossen, das noch im reinen Nestkleid_ ist. Möglich, dass also schon die Jungen in Nestkleid zu kräftiger oder schwächerer Pigmentierung praedisponiert sind. Genau gleich sind beide nicht, aber sehr ähnlich. Ebenso besitze ich zwei cairei-Männchen, die ich für Ge- schwister halte, und die sich beide durch sehr schön hellgraues, nicht braungraues Gefieder und weisslich gestreifte grau punk- tierte Kehle auszeichnen. Beide sind Junge der ersten Brut und am gleichen Tag und Ort gesammelt. Also wieder Familieneigen- tümlichkeit. Auch diese beiden sind nur sehr ähnlich, nicht gleich. Sie sind in anderer Hinsicht noch beide abnorm und ich muss noch wiederholt auf sie zurückkommen. Die meisten cazrer- Männchen sind dunkler grau und manche sehr stark mit Braun angeflogen. Bei den alten Vögeln finden sich mancherlei Variationen, z. B. tiefschwarzer oder rein grauer Rücken, bei dem nicht die leiseste Andeutung eines schwarzen Schulterbandes vorhanden ist, und alle Federn der Oberseite bis in die tiefste Basis hinein rein blaugrau sind. Ich bilde zwei solche alte Männchen von Schlesien, die ich Herrn Baer verdanke, ab (Vergl. Tafel 11.) Vom Rhein besitze ich 2 Mauservögel, die noch zur Hälfte alte cairei-Federn tragen, während die neuen Federn bei dem einen tiefschwarze Rückenzone bei dem andern reingrauen Rücken zeigen. Diese Variation der Rückenfärbung hat also erstens nichts mit geographischen, zweitens nichts mit Alters-Unterschieden zu tun, drittens korrespondiert sie nicht mit den alternativen Jugendkleidern. Die Richtigkeit dieses Schlusses bestätigen ferner meine paradoxa- Stücke, welche teils grauen, teils versteckt schwarzfleckigen Rücken haben. Zwischen den Extremen der Rückenfärbung gibt es alle möglichen Übergänge. Wie es schon im Jugendkleid mehr reingraue und mehr braune Individuen gibt, so findet man auch im Alterskleid Vögel mit rein blaugrauen und solche mit (wenigstens im Herbst) bräunlichen Flanken. Wenn der Unterschied von cairei und paradoxa nach dem ersten Jugendkleid völlig verschwindet, dann gehört hier jeder Gedanke an eine beginnende Artentwicklung in den Bereich 370 Otto Kleinschmidt: haltloser Phantasie, oder die Artbildung müsste auf andere Weise stattfinden, als die Descendenzlehre annimmt. Ad. 2. Gibt es Zwischenstufen zwischen beiden Jugendkleidern? Ich besitze cairei- Männchen mit weissen Flügel-Spiegeln, und »aradoxa-Männchen mit weissen Spiegeln, ferner cairei-Männchen mit einzelnen unregelmässigen schwarzen Fleckchen. Solcher unregelmässig schwarzgefleckter Federn habe ich eine ganze Anzahl auf Tafel I, Fig. 1 bis 5 abgebildet. Auf Tafel Il ist die Kehlfärbung des Vogels dargestellt, dem diese Federn angehören. Er stammt aus C. L. Brehms Sammlung und der Präparation nach von Renthendorf. Herr Walter von Roth- schild hatte die Freundlichkeit, mir die ausrangierten defekten und unetikettierten Bälge der Brehmschen Sammlung zu schicken. Obschon ich selbst darum gebeten hatte, schienen mir die Sachen auf den ersten Blick ein Danaergeschenk zu sein, denn viele Monate kostete es, sie zu sichten und etwaige Typen herauszu- finden. Doch bin ich jetzt froh, dass ich nicht nach den ersten 3 Wochen schon das meiste in den Ofen gesteckt habe, sondern immer wieder Exkursionen in die Kammer mit den Brehmschen Trümmerhaufen machte. Zu den interessantesten Funden gehören 2 Hausrotschwänze, beide ohne Beine, der eine mit halbab- gebrochenem Schnabel, der abgebildete. Es sind kostbare Unica, vielleicht die Typen von Brehms Ruticilla titys (vergl. Vollst. Vogelf. Nachträge p. 415 „im ersten Herbst schon schwarz oder schwarzgefleckt“) der späteren paradoxa. Aber nicht deshalb sind sie wertvoll, denn „paradoxa“ ist erledigt, sondern weil sie die folgende Serie aufs Schönste vervollständigen. Wenn ein junger Vogel im Nestkleid, cwre- oder paradoxa-Kleid eine Schwinge verliert, so ähnelt die neuwachsende Ersatzschwinge mehr oder weniger dem Alterskleid; eine solche zweiter Ordnung hat also meist weissen Saum. Aber noch etwas andres zeigt sich dann, Ich gehe von den konkreten Beispielen aus: 1) im Nestkleid (Nr. 37). An der Kehle viele paradoxa- Federn, oben schon erwähnt. Rechts eine neue weiss- gesäumte Schwinge. Links auf der Brust unterm Flügel- bug eine voll ausgebildete schwarze Feder. 2) 3 cavrei-Kleid (Nr. 38) im ersten Herbst. Links eine neue Primärschwinge, rechts vor dem Flügelbug eine schwarz- gefleckte Feder ähnlich Fig. 4 auf Tafel I. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 371 3) d, eairei-Kleid (Nr. 8) im ersten Herbst. Links eine neue an der Wurzelhälfte schön weissgesäumte Sekundär- schwinge, rechts vor dem Flügelbug eine schwarze Feder. 4) 3, cairei-Kleid (Nr. 40) im Sommer. Links deutlicher weisser Spiegel an2 grösseren Sekundärschwingen, rechts grosser schwarzer Fleck (mehrere Federn) unter der Wange, rechts undeutlicher weisser Rand an einer grossen und einer kleinen (innern) Sekundärschwinge, links schwarzgefleckte Feder (ähnlich Fig. 2, Taf. I) vor dem Flügelbug. 5) Cairei-Kleid (Nr. 51) im ersten Herbst, der eine der beiden lichtgrauen oben erwähnten Vögel. Rechts und links die gleiche Feder neu mit weissem Saum, links und rechts schwarze Feder vor dem Flügelbug. Cairei-Kleid (Nr. 50), der erwähnte Vogel von Brehm, nach Gefieder im ersten Herbst, Kopf s. Tafel II. Brustfedern s. Tafel I. Auf beiden Seiten mehrere Sekundärschwingen ver- mausert (rechts 3, links 2 weissspiegelig); auf beiden Seiten, Wangen, Kehle und Brust mit einzelnen unregel- mässig schwarzgefleckten oder-gebänderten Federn gesprenkelt (links am Kinn mehr als rechts). 7) 8, cairei-Kleid (Nr. 33) im ersten Herbst, Innere Sekundär- schwingen neu, mit braunen, nicht weissen Säumen, links aber eine neue weissgesäumte Sekundärschwinge eben im Hervorwachsen. Federn vor dem Flügelbug noch vom Nestkleid, also noch keine neue schwarze Feder da. Beweis, dass die weisse Schwinge, nicht die schwarze Brustfeder das „Prius“ und die wirkende Ursache ist. 8) Eine Sazwicola oenanthe, wohl leucorhoa (Gwm.), $ 19. Mai 1899 Nolsö, Faröer; rechts eine neue Sekundärschwinge zwischen den alten abgeriebenen, links der Kopfseitenfleck vor und hinter dem Auge voll und tief schwarz, während er rechts kaum erst angedeutet ist und dem jugendlichen Gefieder des Vogels entspricht. Schlussfolgerung: Wenn ein junger Hausrotschwanz vorzeitig eine Schwinge verliert und durch dem Alters- kleid entsprechende ersetzt, so wächst korrespon- dierend mit dieser auf der andern Seite, meist vor dem Flügelbug eine schwarze Feder. Darin liegt ein Natur- 6 DZ 372 Otto Kleinschmidt: gesetz, das sich, wie Fall 8 zeigt, nicht auf den Hausrot- schwanz beschränkt, sondern allgemeinere Gültig- keit hat.!) Trotz reichen Materials ist also bis jetzt kein Übergang zwischen den alternativen Jugendkleidern gefunden, und der Schluss berechtigt, dass Zwischenglieder, wenn überhaupt, nur höchst selten vorkommen. Ein junger Rotschwanz wird entweder cairei oder paradoxa. Die cairei-Vögel mit wenigen schwarzen Flecken erhalten diese gewissermassen nur durch einen pathologischen Process, aus- nahmsweise, d.h. wenn ihnen eine Schwungfeder vorzeitig ver- loren geht. Dies Ergebnis ist wichtig für die weiter unten bei den Steinschmätzern aufgestellte Hypothese. Das paradoxa-Kleid ist nicht eine Folge von vorzeitigem Schwingenwechsel, denn zwei Vögel liegen vor mir, die noch alle Schwungfedern des Nestkleides bis zur letzten Tertiärschwinge tragen, und der eine ist sogar ein Frühjahrsvogel. Sehr oft aber kommt bei paradoxa die Beziehung zwischen schwarzer Brustfärbung und Flügelspiegel in umgekehrter Weise zur Geltung, indem der Vogel nach der fast oder ganz vollendeten (ersten) Mauser die eine oder andre der inneren Sekundärschwingen wechselt, doch mehr als Anpassung an die obere Hälfte der Flügeldecken, die auch neu und blaugrau sind. Ein ganz merkwürdiger Vogel ist nun aber das junge Männchen, das möglicherweise der Typus von Brehms para- doxa ist. (No. 49.) Nach Präparation stammt der Balg von Renthendorf oder doch von der Hand des alten Brehm, dem Gefieder nach ist es sicher ein frischvermauserter Vogel in seinem ersten Herbst. Gesicht und Kehle sind so schön schwarz wie 1) Von den vielen ähnlichen Erscheinungen gehören die zu den be- kanntesten, die man an Rehgehörnen beobachtet hat. Einen derartigen Fall konnte ich selbst untersuchen. Mein Hund überraschte in der Nähe von Marburg zwei kämpfende Rehböcke und zog den einen nieder, der von seinem Gegner (dem stärksten Bock der Oberförsterei) schauderhaft zugerichtet war. Nachdem ich ihn mit Hülfe des mich begleitenden Forstlehrlings abgefangen, zeigte die genauere Besichtigung, dass ein, Knochen des rechten Hinterlaufs wohl von einem alten Schuss zer-. schmettert, geheilt und, wie auch jetzt, immer wieder aufs neue gebrochen war. Offenbar in Folge dieser Verletzung war das Gehörn abnorm, aber nur auf der linken Seite. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus, 873 bei keinem meiner andern paradoxa-Stücke. Im Flügel ist links eine Tertiärschwinge neu. Alle andern Schwingen zeigen das jugendliche Braun und stark zerfaserte Ränder. Mehrere von diesen braunen Sekunpdärschwingen tragen am Grunde einen kleinen rechteckigen abgesetzten weissen Spiegel auf der Aussen- fahne, der in seiner Form und Beschränkung an die Spiegel- flecken von Erithacus aurorea und moussieri erinnert. Der Vogel stammt nach dem Abnutzungsgrad seiner Schwingen von der ersten Brut. Möglich, dass er ganz früh, als er eben flügge wurde, schon Schwingen verloren und ersetzt hat, und dass dadurch seine Kehle so tief schwarz wurde, eben so leicht möglich ist es aber, dass er schon im Nestkleid auf seinen allerersten Schwung- federn diese Spiegel hatte, dass also diese weissgefleckten Federn die ursprünglichen Nestkleid-Schwingen sind. Albinismus ist es picht. Die weisse Stelle beginnt etwa da, wo beim Ausfliegen des Vogels die Schwinge noch nicht fertig ist. Pallas beschreibt das Nestkeid von Ruticilla aurorea als bereits Spiegel tragend. Aurorea steht ja auch unserm Hausrotschwanz sehr nahe, wie ich noch zeigen werde. Ob die asiatischen Verwandten unseres Hausrötels E. ochrurus und rufiventris auch alternative Jugendkleider haben oder nur eins von beiden (paradoxa ist gewissermassen ein Überspringen des Jugendkleides), diese noch ungelöste Frage gehört bereits zum Geographischen Variieren des Formenrings. Das interessanteste Stück meiner Reihe ist No. 1, 28. Septemb. 1889, Kornsand am Rhein, der erste Hausrotschwanz, den ich schoss, und gleich eine kostbare Seltenheit. Nach dem Schlüssel bestimmt wäre der Vogel eine Ruticilla erythroprocta Gould, die sich aus dem fernen Asien an den Rhein verflogen hätte; daran ist nicht zu denken. Man vergleiche die Abbildnng auf Tafel 1. Die rote Färbung der Brust und der Unterflügeldecken ist etwas unsymmetrisch, nämlich auf der rechten Körperhälfte stärker ausgeprägt als auf der linken. Dadurch kennzeichnet sich der Vogel als Aberration oder Fremdkleid. Bei etwas gesträubtem Gefieder, das heisst wenn man die einzelnen Federn blosslegt, sieht man, dass die rostrote Farbe, die rechts ganze Federn ein- nimmt, links bei den entsprechenden Federn in ähnlich unregel- mässiger Weise verteilt ist, wie bei den Figur 1 bis 5 der Tafel I abgebildeten schwarzgefleckten Federn des oben besprochenen abnormen cairei-Männchens. 374 Otto Kleinschmidt: An eine Bastardierung zwischen Haus- und Gartenrotschwanz kann kein Gedanke sein (Vergl. die frühere Erwähnung des Vogels J. f. Orn. 1897. p. 111), denn die plastischen Kennzeichen wie auch die Färbungscharaktere von Erithacus Domesticus sind voll- ständig vorhanden, nämlich: 1) Einschnürung bis zur Aussenfahne der VI. Schwinge, (vergl. Fig. 8 gegenüber Fig. 7 auf Tafel I.) 2) Länge der Fingerung. Man vergieiche die V. Schwinge in Fig. 8 und 7. Beim Baumrotschwanz liegt die Einschnürung hinter, beim Hausrotschwanz vor dem Ende der Sekundär- schwingen. Noch deutlicher als auf der Abbildung wird dies Merkmal, wenn man die Flügel ganz zusammenlegt. 3) Die Länge der ersten Schwinge. Beim Gartenrotschwanz ist sie bei aller Variation kürzer als beim Hausrötel. 4) Die Stirnfärbung, die bei E. Domesticus breit und nicht ein hinten scharf abgeschnittenes schmales Band ist, wie bei E. Arboreus. Dazu kommt noch, dass ich zwei alte Männchen, das eine von Olphe-Gaillard (siehe unten), das andre von Griechenland be- sitze, die schwache Spuren derselben roten Färbung auf der Brust zeigen. Der auf Tafel I abgebildete Vogel ist also ein abnormes Kleid eines autochthonen deutschen Hausrotschwanzes und einer von vielen Beweisen, dass Übergänge zu andern Formen nicht nur an den Grenzen der Verbreitungsgebiete, wo sie gewisser- massen normal sind, vorkommen. Der Vogel steht nämlich ge- nau zwischen unserm Hausrotschwanz und Erithacus ochrurus oder rufiventris mitten inne. Abnorm ist eine solche Erscheinung in Wirklichkeit nicht, denn es ist nur eine Eigenschaft des Erithacus titis (auct. nec L.), ochrurus und rufiventris umfassenden Lebensrings, die hier mitten unter den graubäuchigen Vertretern des Formenkreises einmal sozusagen bei diesem Stück zum Durch- bruch kommt. Sonst ist die Entwicklung dieser lebhaften Charakterfarbe im Norden gehemmt und Affenformbildung des- halb nicht so auffallend bei uns wie im Kaukasus. Also nicht alle sogenannten Übergänge brauchen Bastarde zu sein. Sie sind ein Ausdruck der Wesenseinheit des Rings. Es ist in allem Wesentlichen dasselbe Tier, das äusserlich in verschiedenen Ländern verschieden ist. Es treten keine neuen Farben auf, sondern Farbenverschiebungen (das Grau auf der Brust nach hinten, das „kot‘‘ vom Schwanz nach vorn verschoben). Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 375 Es gehören also mindestens folgende Formen zum Lebensring Erithacus Domesticus: Erithacus Domesticus gibraltariensis (Gm.) „ n atratus (Gm.) R 4 ochrurus (S. G. Gmel.) „ ” rufiventris (Vieill.) a pleskei (Schalow.) Ich muss 8: Formen zum Teil noch genauer besprechen, namentlich nomenklatorisch. Wie schon erwähnt, ist Linnes Motaeilla titys (1758) nach der Fauna Suecica, auf die sie sich gründet, eine Phase des weiblichen Erithacus phoenicurus. Das hat Linne selbst gemerkt und seine Motacilla titys in der Ed. XII. 1766 unter M. phoe- nicurus gestellt mit der Bemerkung „femina est.“ Motacilla erithacus L. ist gleichfalls phoenicurus Q pera- dulta. (Faun. Suec: „Habitat in pratorum arboribus. ova 9 viridi caerulea.“) Sylvia tithys Scop. 1769 ist zwar anders geschrieben, aber doch durch Linn&e praeoccupiert, d. h. tiys und Zithys sind nomenklatorisch als gleichlautende?!) Namen zu betrachten. Der älteste mir bekannte Namen für eine europäische Form ist daher Motacilla gibraltariensis (Gm.), das aber ist offenbar nicht unser deutscher Rotschwanz. Ich gehe von dieser Form aus. ) Erithacus gibraltariensis, Motacilla g. Gm. 1788, p. 987, No. 160.) Der Name basiert samt allen übrigen Citaten (Bris- son, Buffon, Latham) auf Edwards tab. 29. Terra typica: Gibraltar. Der Vogel ist unserm Rotschwanz sehr ähnlich, hat aber die Stirn weiss, ähnlich wie beim Gartenrotschwanz. Ich rechne vorläufig mehrere Jugendkleider aus Sardinien vom Winter mit hierher, von denen ein paradoxa-g die Stirn fast weiss wie E. Arboreus hat. Nur schmale graue Spitzen ver- !) Verschiedenheiten müssen, wenn die Namen beide gelten sollen, für das Ohr deutlich hörbar sein wie Galerida und Galerita, Picus und Pica. Dass man aber Verschiedenheiten wie Zifys und fithys u. s. w. sogar beim Schreiben leicht verwechselt, beweist der Cat. o. Birds. Logik und Praxis stehn als höchste Instanz selbst über allen künftigen Zoologen-Kongressen und Nomenklatur-Beschlüssen. Beide erfordern, dass titys und Zithys als gleichlautend angesehen werden, denn die Aussprache ist gleich, und wir können nicht jedesmal bemerken Eri- thacus tithys (Scop.) („englisch ausgesprochen“). 376 Otto Kleinschmidt: 2) decken dieselbe, und im Frühjahr würde der Wintervogel rein weissstirnig geworden sein. Der Flügel ist etwas weniger spitz als bei unserm Vogel, bei dem übrigens versteckte weisse Basis der Stirnfedern nicht selten ist. Graue Männchen und Weibchen zeichnen sich durch sehr lichtgraues Gefieder und weisslichgraue Flügelspiegel aus. Es sind Wintervögel, aber selbst wenn ich in Betracht ziehe, dass der Präparator zum Reinhalten Gyps verwendet, (der immer etwas grauer macht) und dass das Gefieder im Winter mehr ausbleicht, scheinen mir diese Sardinier lichter zu sein als deutsche Vögel, selbst lichter als die 2 oben erwähnten ganz hellgrauen Cairei- Männchen vom Rhein. Hoffentlich erhalte ich in diesem Jahre endlich alte Brutvögel. Der alte Brehm sagt, dass R. gibral- lariensis stumpfen Flügel habe und kleiner sei. Erithacus atratus, Motacilla a. Gmelin (1788, p. 988, No. 162) basiert auf Latham, Syn. II, 2, p. 426, n. 16, Geographisches nomen nudum, da dem Typus der Fundort fehlt (‚from whence unknown‘). Solange es bei zwei Formen von europäischen Hausrotschwänzen bleibt, passt die Beschreibung auf die nordische, den bisher fälschlich E. titys genannten Vogel. Man wird vielleicht sagen, ein Vogel, der erst relativ spät bei uns eingewandert ist, könne noch nicht viel Formen ge- bildet haben. Aber Voraussetzung wie Folgerung müssen hier bezweifelt werden. Ob es wahr ist, dass der Vogel erst seit 100 Jahren am Rhein vorkommt, kann nur auf Grund sorg- fältiger Untersuchung der alten Literatur ermittelt werden, und dann ist noch in Betracht zu ziehen, ob er nicht lediglich durch Veränderungen in der Bauart der Häuser in einzelnen Landschaften häufiger wurde, wo man ihn früher mit dem Gartenrotschwanz verwechselte. Mir sind wenigstens sichere Beobachtungen, die jene Behauptung rechtfertigen, nicht be- kannt. Wenn nach weiteren hundert Jahren E. Domesticus in England gemein wird, dann ist ein Vordringen nach Norden anzunehmen. Es würde dann wiederum die Verwandtschaft von Rheingegend und England auffallen. Besonders wäre darauf zu achten, ob der Vogel gleich oder erst langsam eine neue Form in letzterem Lande bildet. England bietet für E. Do- mesticus etwas andere Bedingungen als die Rheingegend, und vorläufig sehe ich nur darin den Grund, dass der Vogel hier so häufig und dort so selten vorkommt. 3) Örnis von Marburg, Erithacus Domesticus. 377 Ruticilla cairei Gerbe, (terra typica: Barcelonette, Basses Alpes) kann Berechtigung als geographische Form erhalten, wenn an alten schwarzen Männchen aus Südfrankreich Unter- schiede zu erkennen sind. Ich besitze zwei alte Männchen, die deutlich Olphe-Gaillards Präparation tragen. Das eine vom Spätsommer unterscheidet sich nicht von rheinischen Vögeln. Das andre ist vielleicht das Stück, von dem Brehm in einem Brief an Olphe-Gaillard (Orn. Jahrb. 1892, p. 140) schreibt: „Das gütigst gesandte alte Männchen ist ein prächtiger Vogel, grösser und schöner als unsre alten Herbstvögel.“ Wahrscheinlich ist dies die „auf den Alpen spät erlegte Ruti- eilla“ (Ibid. p. 139). Der Vogel ist auch in meiner Sammlung das schönste Stück und übertrifft mit fast 9,1 cm Flügel- länge alle von mir gemessenen Rotschwänze an Grösse. Er hat Spuren von Rostrot im Gefieder der Unterseite, besonders die Flanken sind stark mit bräunlichem Rostgelb überhaucht. Die Stirnfedern haben verdeckte weissliche Basis. Nach dem erwähnten Brief stammt der Vogel vermutlich von Bulle, also nicht aus dem eigentlichen Cairei-Gebiet. Ein altes Männchen von Attika sieht dem eben besprochenen ganz ähnlich. Es hat ebenfalls verdecktes Weiss an der Stirn, Spuren von Rostgelb an der Unterseite und langen Flügel (knapp 9,0 cm). Weissliche Stirnfleckung kommt auch bei deutschen Vögeln vor. Das beweist, dass sie überhaupt eine Eigenschaft des Formenrings ist und nicht bei den zwei folgenden Formen ein Hinneigen zu Erithacus Arboreus be- deutet. Erithacus ochrurus,!) Motacilla ochruros S. G. Gmelin, Reise Russl. III. p. 101, pl. 19. Fig. 3. (1774), Ruticilla erythro- procta, Gould, Proc. Zool. Soc. 1855, p. 78 und Birds of Asia pt. VIII pl. 16. Klein-Asien, Kaukasus (bis West-Persien?), hat die rote Unterseite der folgenden Form, aber weisse 1) Ich lasse „Domesticus‘‘ nur weg, weil es selbstverständlich ist. Auf Etiketten und in Überschriften ist der Formenringname sehr wichtig zur Verständigung. In den meisten andern Fällen, ganz und gar aber in mündlichen Erörterungen sind ternäre Namen viel zu langatmig und schwerfällig. Man spreche: „Erithacus Domesticus“, Erithacus och- rurus“‘ und wo es selbstverständlich ist, wovon man redet, wird man mit verzeihlicher sprachlicher Nachlässigkeit nur „ochrurus“ „pleskei“ oder „Domesticus ochrurus“, „Domesticus pleskei‘ sagen. Journ. f. Orn. LI. Jahrg. Juli 1%3, 25 878 Otto Kleinschmidt: Spiegel wie unser Hausrotschwanz. Wie bei diesem einzelne rotbrüstige Stücke vorkommen, so kommen bei jenem einzelne mit mehr oder weniger graublauem Bauch vor. So wenig wie der auf Tafel I hier abgebildete Vogel Erithacus ochrurus ist, ebensowenig sind in Asien brütende E. Domesticus als titys (auct. nec. L.) zu bestimmen. Es sind graue Phasen oder Varietäten von Brithacus Domesticus ochrurus, und sie beweisen nur die Einheit des Lebensrings. 4) Erithacus rufiventris, Oenanthe r. Vieill. N. Dict. d’Hist. Nat. XXI p. 431 (1818). Central- und Süd-Asien. 5) Erithacus semirufus, Ruticilla semirufa Hempr. u. Ehrb. Symb. Phys. Aves fol. bb. (1833?) Palaestina, Syrien, in Aegypten wohl nur im Winter, 6) Erithacus pleskei, Ruticilla rufiwentris p. Schalow J. f. Orn. 1901, p. 454. Nan-schan. etc. etc. Ich kann hier nicht auf alle diese Formen von Eri- thacus Domesticus ausführlich eingehen. Die drei letzten sind unter den Flügeln und auf der Unterseite rein gelblichrot, wovon das mehr oder weniger ausgedehnte Schwarz des Vorderkörpers scharf abschneidet. Die Flügel sind blaugrau, nicht weiss ge- säumt. No. 6 ist auch auf dem Kopf schwarz, No. 5 unter- scheidet sich fast nur durch geringere Grösse von rufiventris. Der Mangel des Spiegels bedeutet ganz und gar kein Hinneigen zu #Prithacus phoenicurus, auch wäre es ganz falsch zu sagen, dass E. Domesticus im Osten die umgekehrte Entwicklung zeige wie E. Arboreus, der, wie wir gesehen haben, in Asien Spiegel hat (mesoleucus). Beide Lebensringe sind nach Osten hin kräftiger pigmentiert. (Die von Schalow neubenannte Form macht dies vollends deutlich.) Bei Z&. Arboreus wird der Flügel von vorn her so stark pigmentiert, dass gewissermassen die weissen Flügelsäume fortgeschoben oder ausgefüllt werden. Also, dass der pigmentarme Flügel von E. Arboreus weissspieglig wird, und dass der pigmentreiche Flügel von E. Domesticus spiegel- los wird, ist nicht eine entgegengesetzte, sondern eine völlig analoge Er- scheinung. Die bei ochrurus oft breit weissliche Stirn deutet gleichfalls nicht auf Verwandtschaft mit dem Gartenrotschwanz, sondern findet sich auch in Europa bei südlichen Hausrot- schwänzen, gehört also wiederum mit zu den Eigenschaften des ganzen Formenrings. Örnis von Marburg, Erithacus Domestieus. 879 Die Eier sind bei den asiatischen Formen grünlichblau, aber oft sehr blass oder nicht farbenbeständig, so dass sie stark ausbleichen. Sie haben also den Charakter blauer Eier unsres Hausrotschwanzes, und nur der Eicharakter hat systematischen Wert. Systematische Urteile nur nach der äusseren Schalenfarbe fällen zu wollen, ist eine der lächerlichsten Anmassungen von kurzsichtigem Specialisten-Dilettantismus. Wie manches blaue Gelege unsres Hausrotschwanzes mag nur deshalb unbeachtet bleiben, weil blaue Rotschwanzeier vor vornherein dem Garten- rötel zugeschrieben werden. Den Erithacus auroreus (Gm.) zum Formenring E. Domes- ticus zu rechnen, trage ich vorläufig noch Bedenken.!) Flügel- form und Lebensweise sind ähnlich, abweichend sind die durch- gehenden weissen Spiegel, das matte Grauschwarz der Kehle. Die Eier sind hellgrün mit braunem Fleckenkranz, aber auch bei unserm Hausrotschwanz kommen ja gefleckte Eier vor. Ganz auffallend ist die Ähnlichkeit von E. auroreus und Erithacus moussieri Olph.-Gaill. Auf alle Fälle ist die Übereinstimmung beider Vögel eine der wunderbarsten Er- scheinungen. Wenn sie nicht verwandt sind, ist sie noch wunder- barer. Eine Parallele zu den Blauelstern, die viel zu denken gibt! Wenn wirklich die Angaben von spanischen E. moussieri falsch sind?) und im Brutgebiet von E. moussieri kein Hausrot- schwanz brütet, dann wird ernstlich zu erwägen sein, ob E. moussieri nicht die afrikanische Form von E. Domesticus ist. Das scheint auf den ersten Blick ein ganz ungeheuerlicher Gedanke zu sein, aber sehen wir näher zu. Die Kehlfärbung ist wie bei Wiesen- und Steinschmätzern, aber bei einem sehr alten tunesischen Männchen meiner Sammlung mit schönen Doppelspiegeln fand ich am Kinn und den Wangen eigentümliche schwarze Flecken. Ich liess mir noch von Herrn Baron von Erlanger seine prächtige Suite senden, so dass mir im ganzen 14 alte Männchen und 6 Weibchen vorliegen. Daran sehe ich nun, dass diese Erscheinung keineswegs eine Abnormi- 1) Meine Formenringlehre öffnet nicht der Willkür Tor und Tür, wohl aber neuen Gedanken. Nur auf Grund sorgfältigster Arbeit dürfen Formenkreise zusammengestellt werden. Alles Unbewiesene muss vor- läufig wegbleiben. 2) Als fraglich zu registrieren: Naumannia 1852, III. p. 69. und Extraheft zum J. f. Orn. 1853, p. 7. 25* 380 Ötto Kleinschmidt: tät ist, sondern dass sie überaus häufig ist, ja dass kaum ein Stück zu finden ist, das nichtirgend einen Rest schwarzer Kehlfärbung trägt. Die Abbildungen auf Tafel IL. werden die Sache besser veranschaulichen als eine lange Beschreibung. Diese eigentümliche Kehlfärbung steht nicht allein. Die hellsten Stücke der westlichen Form vom Ring der Sazicola melanoleuca zeigen öfters weiss und schwarz gemischte Kehl- färbung, und Prionochilus melanoxanthus (Hodgs.) hat nach der Abbildung im Ibis 1874, Tafel L schwarze Fleckchen unter der weissen Kehle, die, wenn es nicht etwa aus ihrer natürlichen Lage verschobene Federn sind, ganz so aussehen, als machten die dunklen Kehlseiten einen schwachen Versuch, sich an dieser Stelle zu vereinigen. Bei Saxicola komme ich noch besonders auf diese Erscheinung zurück. Bemüht sich also E. moussieri, eine schwarze Kehle zu be- kommen? dann hätten wir hier die Artbildung mitten im Flusse vor uns, einen schlagenden Beweis für Darwins Lehre. Aber die Sache liegt anders und wird vielleicht für Darwins Naturauf- fassung geradezu vernichtend werden. Ich glaube nicht, dass E. moussieri ein längst vom Formenring.E. Domesticus losgerissenes Glied (= Pratincola, Pinarachroa, Diplootocus) ist, das isoliert in fortwährender Weiterentwicklung wäre, sondern sehe den Vogel trotz seiner Kinn- und Wangenflecken als fertig an. Wahrscheinlich ist es eine Form von E. Domesticus, die im Steinschmätzergelände lebend Kehlfärbung und Figur sprung- weise, ohne Übergänge zu hinterlassen, geändert hat, und bei der die Kehlfärbung, die ihrem eigentlichem Wesen nach ihr eigentümlich sein müsste, immer wieder in leisen Andeutungen zum Vorschein kommt. Graue Weibchen von E. moussieri sehen dem weiblichen Hausrotschwanz fast ganz und gar ähnlich, sie sind nur sozu- sagen unter Beibehaltung der gesamten Plastik!) etwas kürzer zusammengestaucht. Leider besitze ich kein Jugendkleid und kein junges Männchen in der ersten Mauser. Diese Kleider werden die Sache entscheiden. Die kurzgestauchte Figur haben auch andre afrikanische Formen z. B. Falco barbarus, Corvus !) Der Flügelbau ist ganz übereinstimmend, nur die Spitze stumpfer, wie bei so vielen südlichen Formen. Die erste Schwinge ist verhältnis- mässig lang wie bei E. Domesticus, nicht „kurz“, wie sich Olphe-Gaillard unzutreffend ausdrückt. Ornis von Marburg, Erithacus Domesticus. 381 tingitanus etc. Rotbäuchige Weibchen und die Männchen erinnern durch die Farbe der Unterseite sehr an Asiatische Rotschwanz- formen und zwar an rufiventris und aurorea. Die Flügelspiegel des Männchens, der schwarze Rücken, dass weisse Diadem, der schwarze Scheitel, all das sind Dinge, die in schwächerem Grade bei E. Domesticus vorkommen und in der Abbildung von E. D. gibraltariensis erinnert die weisse seitlich verlängerte Stirnbinde sogar sehr an E. moussieri. Die Eier sind bald weiss, bald blau, zeigen also die beiden Färbungstypen von E. Domesticus. Lebensweise und Nestbau haben uns Prof. König und andre eingehend geschildert. Wenn ich das lese, erinnert es mich Wort für Wort an den Hausrotschwanz, der auch in einem Dorfgarten oder in einem Steinbruch etwas anders lebt und nistet als in der Stadt. Bei Marburg fand ich sein Nest in einem Erdloch. Naumannia 1857. II. p. 67 findet sich folgende Mitteilung von W. Hintz I: „Das Nest von Rutieilla thytis wurde im vorigen Jahre bei Cöslin am 10. Juni im Garten in einem Jasminstrauch — Philadelphus coronarius — auf 4 Fuss Höhe, mit 2 Eiern gefunden; diese wurden weggenommen; den 11. lag wieder 1 Ei im Neste, auch dieses wurde fortgenommen, ebenso das am 12. und 13. gelegte Ei. Am 14. lag nun das Nest, ganz zerrissen, unter dem Strauche an der Erde. Das Nest war im Ganzen sehr schlecht gebaut, so dass man beinahe durch- sehen konnte; auch war die Form mehr viereckig als rund“. Das letztere zeigt ja, dass es sich um einen abnormen Notbau handelt, aber selbst die normalen Nistplätze sind so verschieden- artig, dass einem geographischen Vertreter unsres Vogels auch das Recht zu einigen Abweichungen in der Nistweise zugestanden werden darf. Die Federauspolsterung, wie sie König beschreibt, erinnert mich ausserordentlich an manche Hausrotschwanznester, die ich untersucht habe. Es sind ja überhaupt noch nicht so viele Nester von E. moussieri gefunden, und es bleibt abzuwarten, ob das Nest nicht auch in Mauerlöchern noch gefunden wird.!) Salvin sagt, dass die Ruinen der alten römischen Städte sein 1) Es ist manches Verkehrte über den Vogel geschrieben worden. Canon Tristam sagt z. B., so viel er wisse, sei der Vogel nicht in der Provinz Oran oder in Marocco beobachtet worden. — Aus der Provinz Oran erhielt Olphe-Gaillard die Typen, und in Marocco ist E. moussiert recht häufig, 382 Otto Kleinschmidt: Lieblingsaufenthalt seien. König hat ihn „von der Firste eines Daches“ herab singen hören, „inden Mauern desStädtchens(Schradou) dicht vor der Türe seines Quartiers im Hoflagerraume‘“ mehrfach beobachtet und geschossen. Andrerseits sehen wir Landbewohner den Hausrotschwanz viel mehr auf Bäumen, im Gebüsch und an der Erde als auf Häusern. In meinem Garten liess ich Jahre lang einen dürren Zweig an einem niedrigen jungen Obstbaum, weil es der Lieblingssitz meiner Hausrotschwänze war. Wenn ich Sonntags nach dem nahe gelegenen Filialdorf gehe, um dort zu predigen, sehe ich fast jedesmal ein Pärchen Hausrotschwänzchen sich im Akaziengebüsch umhertreiben, das den Weg einsäumt. Ich kann schlechterdings keinen grossen biologischen Unterschied zwischen „.Diplootocus“ oder „Pratincola“ moussieri und seinem nächsten deutschen Verwandten E. Domesticus alratus finden Den arabischen Namen, der den Lockton wiedergiebt, schreiben die einen Zinzuck, die andern Zinzueck. Erinnert das nicht sehr an den schlesischen Trivialnamen Swisdeck, der eine aus- gezeichnete Nachahmung der Stimme unsres Hausrotschwanzes ist? Der Gesang scheint nach den unbestimmten Mitteilungen, die darüber vorliegen, ein hübsches Liedchen zu sein. Aber ich habe mich schon oben über den Gesang des Hausrötels ausge- sprochen!), der mich gar oft in Marburg in früher Morgendäm- merung zur Exkursion weckte, und den ich von Kind auf alltäglich höre, solange die Gesangszeit des Vogels währt. Die Einreihung des Vogels in den Formenring E. Domesticus kann erst vollzogen werden, wenn jeder Zweifel über die biologische Einheit beseitigt ist, aber soviel ist wohl sicher: ein Vogel der im Verdachte steht, mit unserm Hausrotschwanz einen Lebensring zu bilden, kann nicht generisch von ihm gesondert werden.?) In Erithacus erythrogaster Güldenst. und grandis Gould die Verwandten von E. auroreus und Zwischenglieder zwischen diesem 1) Heute früh (15. Mai) hörte ich in meinem Garten wieder einen eigentümlichen Rotschwanzgesang und dachte schon: Hat denn der Vogel sein Lied geändert? Aber bald erkannte ich ein graues Männchen. Na- türlich waren bald alle drei Männchen in heftigem Kampf. Drei Vögel und 3 verschiedene Gesangsauslaute! Jeder Vogel von den dreien singt anders. Warum sollte der Gesang nicht auch geographisch variieren? ?) Erithacus cyane (Pall.) ist auch ein kurz gestalteter Vogel. Will man für solch kleine Abweichungen besondere Gattungen machen, so gibt es schliesslich mehr Gattungen als Formenkreise. Ornis von Marburg, Gattung Pratincola. 383 und E. moussieri zu erblicken, ist wohl schon aus biologischen Gründen unmöglich, da jene Riesen in ihrer Lebensweise an Chimarrhornis!) erinnern und da Flügelspiegel, wie die Formen von Lanius excubitor zeigen, kein wesentlicher Charakter sind. Der östliche dieser beiden grossen Fluss- und Gebirgsrotschwänze ist immerhin E. auroreus recht ähnlich in der Färbung. Genaue Erforschung der Biologie und Verbreitung muss zuletzt alle diese hier angeregten Fragen klar stellen, denn es ist nicht wahr, dass in der Zoologie „alles ineinander fliesst“.?) Gattung Pratincola Koch. Nach Cat. Birds Brit. Mus. vol. IV. sind die Gattungen Pratincola und Muscicapa durch Petroeca verbunden. Ein altes g von FPetroeca pusilla (Peale) (von meinem leider im besten Mannesalter von tückischer Mörderhand bei Ausübung seines Berufs gefallenen Onkel Theodor Kleinschmidt auf Viti Levu gesammelt) liegt vor mir. Der Vogel erinnert in der Tat an beide Gattungen, ist aber trotz seiner Pratincola-Figur wohl ein Fliegenschnäpper. Wir müssen jedoch bedenken, dass unsre Gattungen überhaupt nichts Natürliches, sondern lediglich mne- motechnische Begriffe sind. Die natürlichen Gattungen sind eben die Formenkreise und nach ihrer genauen Feststellung wird man nur sehr wenige Gattungen brauchen und diese natürlicher grup- pieren können. Hier kommen von Pratincola zwei Formenringe 1) Dessen Flügelformel ist zuweilen Ruticilla sehr ähnlich. 2) In der Gattung Erithacus können vielleicht noch die zwei Formen- ringe von Steindrosseln untergebracht werden. Auch Monticola saxatilis (L.) und cyanus (L.) fliessen keineswegs in dem östlichen solitarius zusammen, sondern dieser ist eine Form von cyanus, die mit sawatilis nichts zu tun hat. Ich habe keine Mühe darauf verwandt, die Steindrossel in Westdeutschland zu suchen, und bin ihr nie daselbst begegnet. Doch besass mein Freund de Maes ein © von der Mosel, das er lebend hielt, und in meiner Sammlung befindet sich ein von diesem Vogel in der Ge- fangenschaft gelegtes Ei, also wenigstens ein indirektes Belegstück vom deutschen Vogel. Ich habe beide Steindrosseln auf der Balkanhalbinsel am Brutplatz gesehen und glaube, dass sawatilis wohl in Nassau am Rhein, aber nicht in Hessen, d. h. im östlichen Teil der Provinz Hessen- Nassau ihm zusagende Brutstätten findet. Auch das rheinische Klima sagt natürlich dem südlichen Vogel mehr zu als das viel rauhere des oberen Lahngebietes. 384 Otto Kleinschmidt: in Betracht, welche soviel Ähnlichkeiten zeigen, dass man ihre Formen wohl als Affenformen ansehen kann. Wie bei den Rot- schwänzen hat der später ankommende Vogel schlankeren Flügelbau: Pratincola Atricapilla!), Schwarzkehlchen. Erste Schwinge länger, meist doppelt so lang wie die Hand- decken. Aussensäume der Schwingen bis zur VI. verengt. Flügelspitze kurz, Fingerung lang, daher Einschnürungen bei ganz zusammengelegtem Flügel Pratincola FPratensis, Braunkehlchen. Erste Schwinge kürzer, meist annähernd ebensolang wie die Handdecken, selten (bei jungen Vögeln) etwas länger. Aussensäume der Schwingen bis zur V. verengt. Flügelspitze lang, Fingerung kurz, daher Einschnürungen über von den Sekundarien verdeckt. Obere Schwanzdecken kürzer. die Sekundarien vorragend. Obere Schwanzdecken länger, 3/, des Schwanzes bedeckend. 6. Pratincola Atricapiüla. Von den endlos vielen Formen des schwarzkehligen Wiesen- schmätzers zähle ich nur diejenigen auf, die ich besitze. Nur für diese gelten obige Kennzeichen. Welche europäische Form die Motacilla rubicola L. 1766 ist, vermag ich z. Zt. noch nicht zu sagen. 1) Ein Vogel von Helgoland, Herbstkleid, männlich, alt. Oberschwanzdecken gefleckt. Der Schnabel sehr klein und dünn, auch wenn er vom Zusammenbinden umgestaltet ist, muss er doch schon im frischen unversehrten Zustand ganz dem Schnabel eines Gartenrotschwanzes gleich gewesen sein. Die Säume auf der Oberseite sind tief rotbraun, die Achselfedern reinschwarz, nur die äussersten Spitzen weiss. Der Vogel stimmt genau zu der Faun. Orn. Eur. oceid. Fasc. XXIX. p. 83 von Olphe-Gaillard gegebenen Beschreibung eines von Meezemaker bei Bergues (dies ist wohl der in der Nordostecke Frankreichs liegende Ort dieses Namens?) gesammelten Stückes. Leider habe ich versäumt, mir britisches Material zu verschaffen, um festzustellen, ob es ein britischer oder ein fern nordöstlicher Vogel ist. Auf Tafel II !) Pratincola ist durch den bisherigen ornithologischen Sprach- gebrauch wohl femininum geworden, Ornis von Marburg, Pratincola Atricapilla. 335 bilde ich den Schnabel dieses, eines Marburger und eines sar- dinischen Stückes ab. 2) Marburg g ad. u. © ad. Brutzeit. | Zugzeiwögel Tasse ich weg, Bliein 2.4.4 ad. 1..Mai,u. 1. Aug..." Sen onen 0 Rückensäume mehr fahlgelbgrau, Schnabel grösser und breiter, Achselfedern weiss, nur etwas mit Schwarz gefleckt. Alle Männ- chen haben Andeutungen von weissen Superciliarstreifen, das vom 1. Mai hat an der Innenfahne einer Schwanzfeder etwa 7 mm lange weisse Basis. Wiederum taucht also hier ein Merkmal einer andern (der transkaukasischen) Form mitten in einem ganz andern Gebiet des Lebensrings in schwacher Andeutung auf. Untereinander finde ich keine Abweichung zwischen Vögeln vom Rhein und von Marburg. Da die Schwarzkehlchen sehr in der Grösse variieren, würden Ausmessungen nur bei grossen Reihen Wert haben. Auch die sardinischen Vögel, von denen ich eine grosse Menge aus allen Jahreszeiten untersucht habe, besitzen bleiche Federsäume und haben keineswegs immer den Riesen- schnabel, wie ihn die Abbildung von einem dadurch ausgezeichneten Stück auf Tafel II zeigt. 3) Tunis. Ein © vom 9. März (östlicher Zugvogel oder Standvogel ?) ist sehr licht gefärbt. In zwei bis drei Formen werden die bisher als rubzcola L. bezeichneten Vögel also wohl zerfallen. 4) Pratincola Atricapilla variegata (S. G. Gmel.) Der Name Parus variegatus Samuel Gottlieb Gmelin, Reise durch Russland 1774, hat die Priorität vor dem bisher gebräuchlichen Pratincola hemprichi (Ehrenb.). Im Text II, p. 105 steht: die gesprengte Meise, Parus varietagus.“ Dass dies nur ein Druckfehler ist zeigt Tafel XX. 3, wo bei der Abbildung richtig steht: „Parus variegatus.“ Von der Zerra typica heisst es „von Schamachie (ist Schemacha) aus (sc. nach Persien hin) überall vorgekommen.“!) Der Autor entschuldigt sich, dass er den Vogel zu Parus stelle. Die sehr eingehende Beschreibung lässt nicht den mindesten Zweifel, und die Abbildung stimmt aufs Genaueste mit einem vor mir liegenden Männchen der sogenannten Pr. hemprichi überein (Herbstkleid, 25. Okt. 1902, Elisabethpol). Dieser Vogel hat den Schnabel klein wie Form Nr. 1, und das macht den Genus-Namen Parus verständlich. t) Da der abgebildete Vogel sich im Herbstkleid befindet, kann das Brutrevier dieser sehr hellen Form auch nördlicher liegen. 386 Otto Kleinschmidt: Die Form variegatus zeichnet sich aus durch breite lichtgelbe Säume der Oberseite, die im Herbst das Schwarz ganz verdecken, durch die grosse Ausdehnung des Weiss, das einen grossen Teil der Steuerfedern einnimmt, die Öberschwanzdecken sind ungefleckt. Radde hat gezeigt, dass im Kaukasus alle erdenklichen Zwischenstufen zwischen dieser Färbung und den europäischen Vögeln vorkommen. Selbst wenn wir diesteilweise der Verbreitungs- grenze als Fundort, Alters- oder Geschlechtsdifferenzen, Mischung von Brut- und Durchzugsvögeln zuschreiben, bleibt wohl doch die Tatsache bestehen, dass die Form ausserordentlich variiert. Sie kommt vom Süd-Ural bis zu den Nilländern vor, aber die genauen Grenzen des Brutgebiets sind noch nicht ermittelt. Noch besser wird es sein, nicht vom Vogel ausgehend das Gebiet zu bestimmen, sondern von geographischen Gebieten ausgehend, den Charakter von Brutvogelserien zu ermitteln. Wie bei so vielen Formenringen kommen im Osten wieder dunklere Formen vor: 5) P. A. maura (Pall.) mit wenig Rot auf der Brust hat ganz schwarzen Schwanz, aber auch ungefleckte Oberschwanzdecken. (Chines. Brutpaar des Römermuseums liegt mir vor, das @ weiss- kehlig, fast nur durch Schwingen und Öberschwanzdecken von P. Pratensis unterscheidbar.) 6) P. A. robusta Tristr. Ibis 1870, p. 497. Dasselbe ist der Fall bei der Riesenform vom Ost-Himalaya, die etwas leb- hafter gefärbt ist. g, Anam, Herbstzug, 7,7 cm Fittichlänge, 2 Sikkim 7,2 cm. Pratincola przewalskii (Pleske 1889) ist wohl nur Synonym von robusta. 7) Nun besitze ich aber einen noch lebhafter gefärbten kleinen Vogel von Sikkim g ad. 1876, Coll. Elwes, Flügel 6,5 cm), bei dem eine Oberschwanzdeckfeder neu und gross gefleckt ist. Was ist das? Pratincola indica Blyth? Oder ist dieser Name anders zu deuten. Wollte man den Formenring Pratincola Atricapilla erschöpfend behandeln, so könnte man einen ganzen Band schreiben. Hier kommt es mir nur darauf an zu zeigen, dass der Strauchwiesen- schmätzer weit nach Osten hin verbreitet ist. Ein Blick auf den Lebensring lehrt also, dass es keinen Sinn hat, unser Schwarz- kehlchen als einen westlichen Vogel anzusehen. Bei Marburg ist der Vogel auf Waldschonungen und an den mit Wacholderbüschen Ornis von Marburg, Pratincola Pratensis. 387 bewachsenen Berghängen häufig, und dies sind seine Lieblings- plätze. In meiner engeren Heimat am Rhein tritt er schon in geringerer Zahl auf, weil solche Plätze weniger vorkommen. Im ebenen Ostdeutschland ist es ganz natürlich, dass der Vogel selten dort brütet. Dass es aber vorkommt, hat Baer bewiesen, und ich verdanke der Liebenswürdigkeit des Hern Schalow eines der von Baer gefundenen Eier. Dass es Pratincola Atricapilla angehört, unterliegt nicht dem leisesten Zweifel. ÖOstpreussen gehört zoogeographisch zu Schweden (Vergl. Sprosser), und wie bei den zwei Rotschwänzchen geht auch hier bei Pratincola der stumpfflüglige Formenkreis weniger weit nach Norden. Ebenso geht er auch weniger weit nach Süden im Winter. Ich erhielt eine Menge Vögel im Dezember und Januar von Sar- dinien. Man vergleiche auch die in der letzten Zeit zahlreich gemachten Beobachtungen von überwinternden Stücken oder frühen Ankömmlingen in Westdeutschland. Das früheste Datum, das ich selbst geben kann, ist eine mir von Schönstadt bei Marburg mitgeteilte sichere Beobachtung vom 25. Februar 1900. Am 5. März 1899 verfolgte ich ‚selbst lange Zeit ein sehr scheues Stück in der Nähe von Schönstadt und beobachtete es genau durchs Glas. Übrigens lebt und brütet der Vogel bei Marburg auch auf Talwiesen und am Rhein in der Ebene, wenn Büsche da sind, aber lange nicht so gern wie der folgende Formenring. 7. Pratincola Pratensis. Dies ist der eigentliche Wiesenschmätzer, der seinem Namen Ehre macht und mit Budytes die Brutplätze teilt. Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich ihm auch nur ein einziges Mal auf den Marburger Höhen begegnet wäre. Aber gleich am ersten Tag, wo ich nach Schönstadt kam und die lang vor dem Dorf sich hindehnende Wiese entlang ging, sah ich den Vogel. Ich habe den 1. und 5. Juni 1898 notiert, an welch letzterem Tage Hartert mich von dem nahen Marburg aus besuchte und wir den „Wiesen- schmätzer‘ gemeinsam am Wege beobachteten. Auf den grossen ebenen Wiesenflächen am Rhein ist P. Pratensis ausserordentlich gemein. Um aber den ganz sichern Brutnachweis geben zu können, fing ich dort ein © auf dem Nest am 1. Juli 97 ganz dicht bei der Stelle, wo ich am 1. Mai 1893 ein Männchen von Pratincola Atricapilla schoss, 388 Otto Kleinschmidt: Hinsichtlich der geographischen Variation ist zu sagen, dass die Autoren immer nur deutsche Vögel zum Vergleich herange- zogen haben. Alle Formen müssen daher noch mit 1) Pratincola Pratensis rubetra (L.) von Schweden ver- glichen werden, mit der möglicherweise die deutschen Vögel gar nicht übereinstimmen. Linnes Motacilla rubetra von 1758 ist partim Muscicapa atricapilla, da auch dieses Vogels Beschreibung und Bilder miteitiert werden, der Name also unter Umständen als zweideutig zu verwerfen. Ich habe mir leider keine schwedischen Vögel besorgt und sah erst kürzlich, dass dies wichtig ist, denn 2) Pratincola Pratensis von England scheint nach 2 Stücken meiner Sammlung (einem ganz alten männlichen Frühlingsvogel und einem jungen Herbstvogel ohne Schulterspiegel) auf der Oberseite viel mehr rostrot und an den Flanken intensiver ge- färbt zu sein als deutsche Vögel. Doch will ich weiteres Material abwarten. Auch west-, mittel- und ostdeutsche Vögel müssen verglichen werden. 3) Pratincola Pratensis spatzi (Erl.) J. f. Orn. 1900 p. 101, Gafsa Tunesien, sehr licht gefärbt, oben mehr gelbbraun, als (west- ?) deutsche Vögel. 4) Pratincola Pratensis dalmatica (Kollibay), Orn. Jahrb. 1903, p. 43. Ähnlich No. 3, aber mehr zu 5 hinneigend, Ober- seite hellrostgelblich, leicht grau überflogen. ZRostrote Kehl- färbung bleich und wenig ausgedehnt. Terra typica Cattaro (und Curzola) Dalmatien. 5) Pratincola Pratensis noskae (Tschusi), Orn. Jahrb. 1902, p. 234. oben fahlgrau. Fleckung grob. Kehle blass rostgelblich. Terra typica Labathal, Nord-Kaukasus. Ein Vogel vom Südostabhang des Kaukasus in meiner Sammlung passt auch zu dieser Beschreibung. Auch hier sind die Formen des Rings damit nicht erschöpft: Herr Professor Reichenow war so freundlich, mir auf meinen Wunsch 6 afrikanische Wintervögel zur Ansicht zu senden. Die Aussage des alten Brehm, dass Pratincola Pratensis im Gegen- satz zu P. Atricapilla eine doppelte Mauser durchmache, scheint durch diese Stücke völlig bestätigt zu werden, denn ein Vogel vom 1. Februar beginnt das gänzlich abgenutzte Herbstkleid mit dem Frühlingskleide zu vertauschen. In Schnabelgrösse und Bürzelfärbung scheinen die ostafrikanischen und westafrikanischen Ornis von Marburg, Saxicola. 389 Wintergäste ein wenig verschieden zu sein, doch lässt sich darüber nichts Sicheres sagen, weil sie zu verschiedenen Jahreszeiten erlegt sind. Ich komme vielleicht später auf mein Untersuchungs- ergebnis zurück. Gattung Saxicola Behst. So einfach diese Gattung für die deutsche Ornis ist, so eompliziert wird sie, wenn man den Blick nach Süden lenkt. Wenn erst alles Zusammengehörige nach Lebensringen geordnet ist, dann wird die Gattung viel klarer sein. Deshalb stelle ich auch hier, wo kein Bedürfnis danach (aus nomenklatorischen oder Be- stimmungs- Schwierigkeiten) vorliegt, einen Formenkreis- Begriff und -Namen auf, und sofort wird der sonst so langweilige und überall sich gleichbleibende Vogel interessant. 8. Saxicola Borealis. In Hessen, wo der Buntsandstein überall zu Tage tritt und aus der oft sehr dürftigen Humusdecke ragt, ist der Steinschmätzer, der ja nirgends eine Seltenheit ist, selbstverständlich häufig. Ich beobachtete dicht vor Marburg (es war wohl im Sommer 91) unterhalb von Spiegeislust eine Familie mit den ausgeflogenen Jungen. Vom Frauenberg (Burgruine und Basaltsteinbruch) habe ich den 18. Mai 95 notiert. Von Schönstadt bei Marburg erhielt ich zwei Männchen vom 31. März und vom 12. April 1900. Das erstere hat einen kleinen schwarzen Kinnfleck. Ist das nur ein nichtiger Zufall? Bei keinem andern Stück finde ich es wieder ausser bei einem alten Männchen im Herbstkleid von Marokko. Bei diesem säumt eine schwarze Linie den Kinnzwickel. Sollte hier ein Anklingen an Sazicola seebohmi Dixon vorliegen und dieser Steinschmätzer eine südliche Gebirgsform von Sawicola Borealis sein? Ich kenne den seltenen Vogel nur aus Abbildungen, wenn der mir vor- liegende prächtige Marokkaner nicht etwa sein Herbstkleid ist. König sagt ja, dass er unsrer Sazicola oenanthe sehr nahe stehe. Sein schwarzkehliges Männchen ist, soviel aus der Abbildung zu sehen ist, den Schwingen nach kein ganz altes Stück. Die Schwingen des andern von ihm erbeuteten Stückes mit teilweise weisser Kehle müssen zeigen, ob dieser Vogel noch jünger ist oder ob die Kehlfärbung von 8. seebohmi ohne Rücksicht auf das Alter variiert. Der Rückenfärbung nach scheint ja allerdings der Vogel 390 Otto Kleinsehmidt: ganz jung zu sein, aber auch der ganz alte Marburger Vogel zeigt eine neue braune Feder auf dem blaugrauen Rücken. Sollte Saricola seebohmi in den Formenkreis 8. Borealis gehören, dann entsteht weiter die Frage: Sind die beiden weiss- lichen Steinschmätzer (Suxicola stapazina und aurita auct.) etwa die südliche Talform von S. oenanihe? Ich glaube das nicht, denn sie haben viel zierlichere Füsse. Die starke Abnutzung der Scheitelfedern kann zwar an der Farbe liegen, denn weisse Federn nützen sich immer stärker ab; doch deutet dieser Umstand wohl auf biologische Unterschiede hin, auf häufiges Schlüpfen unter Steinen. Der ganze Vogel ist ja auch viel schlanker und lang- schwänziger als unsere oenanthe. Obschon also (vergl. Reisers Mitteilungen) $. oenanthe die weissen Steinschmätzer auf den Berghöhen ersetzt, sehe ich darin nur eine biologische, keine geographische Vertretung und denke, dass beide verschiedene Lebensringe sind. Sollte es sich aber herausstellen, dass 8. oenanthe und $, seebohmi geographische Vertreter eines Rings sind, dann wird es wunderbar, dass die beiden weisslichen Steinschmätzer sich nur durch die schwarze oder weisse Kehle unterscheiden sollen. Sie gehen in völlig parallelen Formen nebeneinander her, sind in Spanien oben beide rein rotgelb angeflogen, im Osten werdensie beide grösser, reiner weiss mit ausgedehnteren schwarzen Partieen und mehr grauen Jugend- und Herbstkleidern. Ich kann mit bestem Willen bis jetzt keinen andern Unter- schied zwischen beiden Vögeln finden als die Kehlfärbung der Männchen. An sichere Unterschiede der Weibchen glaube ich nicht, ebenso nicht an den Fleckungsunterschied der Eier. Wieviel Gelege gibt es, auf denen das Männchen gefangen wurde ?? Nach Reiser ist das Männchen der stapazina auct. ein besserer Sänger und Spötter als der aurita auct. Ob das nicht indivi- duell ist? Nach Kollibay lebt der schwarzkehlige Vogel höher auf den Bergen. Ich fand beide gemischt, und schliesslich würde das nur eine Parallele zu Saxicola oenanthe und seebohmi sein. Wenn König sagt, dass aurita viel kleiner sei als stapa- zina auct., so will ich einem so sorgfältigen Beobachter gern glauben, dass er richtig gesehen hat, aber seine siapazina war die grössere auf dem Zuge befindliche östliche Form, seine aurita Ornis von Marburg, Saxicola. 391 ein jüngerer Vogel. Er sagt, dass er ein ganz altes Männchen nicht habe erlangen können. Vor mir liegen zwei ganz alte Männchen beider „Arten“, auf einer Tour, die ich mit Reiser durch die Hercegovina machte, erlegt, beide von mir im Fleische gemessen und präpariert. Hier die Masse: 23. April 93, Mosco, von Reiser geschossen, 17,2 29,0 2,0. schwarzkehlig. 24. April 93, Trebinje, von mir geschossen, 102 29,0 2,6 cm. weisskehlig. An den Bälgen messe ich 9,2 cm Flügellänge beim sch warz- kehligen und 9,3 cm beim weisskehligen Vogel, was aufs Schönste mit den Zahlen 2,5 und 2,6 der Flügel-Schwanz-Differenz stimmt. Die Brutvögel des gleichen Fundortes sind also gleich gross. Entweder müssen nun weitere Unterschiede gefunden werden können, sei es auch nur im Geruch des Fleisches, wie bei Gold- hähncher, Laubvögeln, Milanen, oder die sogenannte Sazxicola stapagina und aurita sind nicht parallele Formenkreise, sondern alternative Kleider desselben Vogels, wie die zwei Jugend- füärbungen von Erithacus Domesticus, die Kampfhahntypen, die grünen und braunen Sphingidenraupen. Da die geschlechtlichen Kleider in vielen Fällen alternativ für das ganze Leben sind und normale Übergänge zwischen ihnen in vielen Fällen nicht vor- kommen, warum sollte nicht irgend eine Ursache auch bei den Männchen alternative Färbungen hervorbringen. 2 Formenkreise, die sich nur durch ein bischen Kehlfarbe beim Männchen unter- scheiden und weiter rein gar nichts, sind unmöglich. Sollte sich meine Vermutung bestätigen — als solche, ja als blosse Frage stelle ich sie auf —, so würde sich eine bisher nicht geahnte Gesetzmässigkeit des Artbegriffs ergeben. So oder so muss der Vogel sein, schwarzkehlig oder weisskehlig, dazwischen ist kein normales Kleid möglich. Ob die Zwischengrade, die zwischen $. stapazina und aurita auct. vorkommen, — ich besitze selbst ein solches Stück —, Jugendstadien, oder seltene Ausnahme von der durch- sehenden Regel sind, vermag ich zur Zeit nicht zu sagen. Es müssen noch viele Mauservögel untersucht und ganze Bruten Totallänge, Flugbreite, Von Flügel- zu Schwanzspitze. 392 Ötto Kleinschmidt: aufgezogen werden, um die Sache ins Klare zu bringen, denn auch die Behauptung, dass beide Vögel doch „offenbar gute Arten“ seien, muss erst bewiesen werden. Man schiesse das Männchen eines brütenden Weibchens und achte darauf, ob sich wieder ein gleichgefärbtes ihm anpaart und sich nachher am Aufziehen der Jungen beteiligt, ob Nestlinge desselben Geheckes in der Gefangenschaft gleich oder verschieden vermausern, denn wenn es keinen Unterschied der Weibchen gibt, können auch die Männchen keinen finden: Wie dem Kuckuck bei der Eiablage die Nester seiner einstigen Pflegeeltern sympathischer sind, so könnte allerdings auch dem Steinschmätzer-Weibchen die Kehl- farbe, wie sie sein Vater hatte, bei der Gattenwahl sympathischer sein und so also der Vogel gewissermassen in zwei getrennten Kasten leben. Ich glaube dies nicht, denn es ist noch nicht bewiesen, dass kämpfende Männchen nach der Meinung des Weibchens fragen. Nicht nur mit Rücksicht auf abnorme Kehlzeichnung ver- dient unsre simple Sazxicola venanthe sorgfältige Beachtung, sondern auch wegen der Verschiedenheit der Flügellänge. Die zwei Formen, die vorläufig mit Sicherheit dem Lebens- ring angehören, sind: 1. Saxicola Dorealis oenanthe (L.), Schweden (und... ?). 2. Saxicola Borealis leucorhoa (Gm.), im Winter in West-Afrika, im Sommer in Grönland (und...?). Bei dieser Form ist der Flügel um fast einen ganzen cm länger. Für den Vogel- zug ist diese Form hochinteressant, aber um falsche Schlüsse zu vermeiden, muss erst festgestellt werden, ob im Norden von Europa nicht auch auf einzelnen Felsenklippen lang- flüglige Vögel brüten. Ich gebe einige Masse, welche zeigen, dass die Sache nicht so ganz einfach ist mit dem Prokustesbett der 100 mm (angeblich soll oenanthe unter 100, lewcorhoa über 100 mm Fittichlänge haben). 1 Typische 8. leucorhoa England 24. April misst 10,7 cm. Wäre die Flügelspitze nicht abgenutzt, würden 10,38 herauskommen. g, Faröer, 19. Mai (die Monatsdaten des Sammlers sind nicht ganz sicher) 10,3. Marocco, Herbst, 10,1. — Schweiz, Herbst, 10,3. — Rhein, 6. April, 10,3, (altes Männchen, von mir erlegt gegenüber Nier- stein). Ornis von Marburg, Saxicola. 393 Rheinhessische Brutvögel 3 9,2, © 9,2%, — 3 Herbstzug gegenüber Nierstein a. Rhein 9,8. England, März, April SS 9,7, 9,5. — Schönstadt bei Marburg, 93 31. März (schwarz. Kinn) 9,8, (normal) 9,6. Prov. Sachsen 3 ad., 30. März, 9,5. Rossitten, Herbst, 9,8, 9,3. Hercegovina $ ad. 7. Mai 9,4. — Kuban 2, 6. Apr. 9,1. — Kumbaschinsk Transkaukasien 9,65 und 10,0, Marocco 3 ad. Herbst (Kinn schwarz gesäumt) 9,5. g ad. etwas anders gefärbt 9,7. In der Farbenverteilung ähnelt Saxicola Borealis dem grossen Würger, der auch meist auf erhabenen Stellen im freiem Felde sitzt, auffallend. Bei beiden Vögeln scheint die nordische Form etwas trüber gefärbt zu sein. Wenigstens habe ich noch kein ganz rein gefärbtes g des grossen Steinschmätzers gesehen. Was von den oben genannten Vögeln noch ausser dem ersten leucorhoa ist und was oenanthe, ist schwer zu sagen. Ver- mutlich gibt es mehr als 2 Formen, und wahrscheinlich greift die Variationsweite der Flügellängen in einander, so dass grosse Männchen von $. oenanthe die kleinsten S. leucorhoa übertreffen. Die von Radde (Orn. Cauc. p. 259) abgebildete Verschieden- heit der Schwanzzeichnung scheint mir ganz zufällig zu sein, da die Breite und Gestalt der Schwanzbinde bei Steinschmätzern sehr variiert. Journ, f, Orn, LI. Jahrg. Juli 1908, 26 394 Erläuterungen zur 18. Lieferung des „Tierreich“. Von Hellmayr (München). Bereits im J. f. Orn. 1901 p. 169 ff. habe ich einige allge- meine und specielle Punkte besprochen, die mir für das Ver- ständnis meiner Arbeit von Wichtigkeit erschienen. Die Heraus- gabe derselben wurde durch verschiedene Umstände länger, als zu erwarten stand, verzögert, und dank dem Fortschreiten der ornithologischen Wissenschaft sind bereits heute einige Ver- besserungen und Ergänzungen nötig geworden. Auch hatte ich in den letzten zwei Jahren Gelegenheit, viel einschlägiges Material zu untersuchen und zu studieren, wenngleich ich gestehen muss, dass es für viele Arten, von denen mir ganz ansehnliche Serien vorlagen, zum Verständnis der geographischen und individuellen Variation noch lange nicht ausreichend war. Es ist selbstverständlich, dass ich soviele Formen unter- schieden habe, als ich in der Natur vorfand. Der Not- wendigkeit, die weniger differenzierten Tierformen — mögen wir sie nun subspecies, conspecies oder geographische Rassen nennen — zu beachten und zu studieren, verschliesst sich wohl kein ernst arbeitender Naturforscher mehr. Diejenigen, welche heute noch inWort oder Schrift gegen die „unnütze Belastung und Complication der Nomenclatur“ sich ereifern, sind sich — ich habe mich hier- von mehrmals überzeugt — über Wesen und Bedeutung der Subspecies ganz unklar, lassen sich meist auch bald eines Besseren belehren; glücklicherweise werden ihrer — in Deutschland wenigstens — immer weniger, in anderen Ländern freilich steht es damit schlimmer. Welche unseligen Früchte die alt einge- wurzelte, ganz unwissenschaftliche Methode, voreilig zu- sammenzuziehen und zu vereinigen, tragen kann, beweist am schlagendsten eine wahrhaft ergötzliche Abhandlung über ameri- kanische Galliden von O. Grant, dem übrigens eine treffliche Ab- fertigung durch E. W. Nelson zuteil wurde. Wenn Hr. Dr.Sclater bei Besprechung einiger meiner Arbeiten den Vorwurf erhebt, dass manche der von mir anerkannten Formen auf geringen Unterschieden beruhen, so muss ich gegen dieses Verkennen meiner Darstellungsweise Verwahrung einlegen. Für mich gibt es weder bedeutende, noch geringe, sondern bloss constante Unterschiede! und diese müssen berück- sichtigt werden. Es scheint mir für die Wissenschaft von viel Bemerkungen über Pariden. 395 grösserem Werte, die verwandtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Formen festzustellen, als eine Anzahl „neuer Species“ zu beschreiben. Diese Abschweifung diene als Erklärung meines Stand- punktes und ich wende mich nunmehr einigen speciellen Fragen zu. Dr. Stejneger hat in seiner bekannten, exacten Weise nach- zuweisen versucht, dass Regulus eristatus!) Vieillot, Ois. Amer. sept. v. 2. p. 50 t. 106 (1807) auf den nordamerikanischen R. satrapa Leht. zu deuten sei. Es tut mir leid, hierin mit dem genannten Forscher nicht übereinstimmen zu können, vielmehr scheint es mir wahrscheinlich, dass der gedachten Kennzeichnung Vieillot’s ein $ von Reg. ignicapillus Temm. zugrunde gelegen hatte. Dies geht aus folgenden Merkmalen hervor: 1) In Abbildung und Text ist die Oberseite als „jaune oli- vätre‘‘ bezeichnet, was niemals für R. satrapa gelten kann, der grünlichen Rücken und deutliches graues Nackenband besitzt. 2) Zeigt die Figur deutlich rostfarbige Stirn, die eben sehr bezeichnend für R. ignicapillus, bei R. satrapa dagegen weisslich ist. 3) Besonders beweisen die olivgelben Halsseiten, dass es sich nicht um R. satrapa, sondern nur um eine feuerköpfige Art handeln kann. Freilich gibt Vieillot als Heimat an (p. 51): „depuis la Louisiane jusqu’ a la baie d’Hudson“. Diese Bemerkung glaube ich, verbietet uns, den Namen AR. cristatus für das europäische Feuerköpfchen anzuwenden, was übrigens recht verwirrend wäre, da er solange für R. regulus gebraucht wurde. Bei der grossen Ähnlichkeit der Regulus-Arten wird ohne Untersuchung der Typen eine endgültige Entscheidung nicht zu erreichen sein. Es ist ja immerhin möglich, dass Vieillot bloss eine fehlerhafte Beschreibung der amerikanischen Art gab, und so scheint es mir am richtigsten, das obige Citat mit ? unter die Synonymie von R. ignicapillus Tem. zu stellen. Die Formen von R. regulus sind noch nicht ganz klar und müssen erst mit Hülfe umfangreichen Materials studiert werden. Jedenfalls kann man mehr als zwei Formen unterscheiden, ob- 1) In diesem Werke wurde der Species-Name cristatus zum ersten- male eingeführt; Koch’s R. eristatus Syst. Baier. Zool. p. 199 (1816) ist also auch für diejenigen, welche gleichlautende Namen wie R. regulus nieht annehmen, unter keinen Umständen als wissenschaftliche Benennung unseres Goldhähnchens brauchbar. 26* 396 Hellmayr: wohl Seebohm es nicht zugeben will (B. Jap. Emp. p. 80), und die japanischen Vögel dürfen auf keinen Fall mit denen aus Kleinasien, Sibirien und Himalaya zusammengeworfen werden. Stücke von letzterem Fundort sind entschieden lebhafter gefärbt als typische Europäer, dagegen haben die aus Westsibirien (und Kleinasien?) mehr Grau auf dem Nacken und nähern sich da- durch R. r. japonensis Blakist. Die Merkmale der letzteren Form wurden von Ridgway erschöpfend behandelt. (P. U.-S. Mus. v. 6. (1883) p. 369). Über Polioptila werden einige weitere Mitteilungen dem- nächst in den Verhandlungen der Zool. Bot. Ges. in Wien er- scheinen. Nun sind wir wieder bei den Graumeisen angelangt, diesem wunderbaren und noch lange nicht erschöpften Thema! Zunächst die Bemerkung, dass ich die von mir früher vorgenommene Dreiteilung der europäischen Sumpfmeisen heute für unrichtig und in der Natur nicht begründet ansehe. Es gibt nur zwei scharf getrennte Formengruppen: P. palustris!) L. (communis Baldenst.) und P. montanus Baldenst. Die P. borealis-Gruppe ist der letzteren subspecifisch anzugliedern, wahrscheinlich auch P. kamischatkensis (Bp.); denn manche Exemplare dieser Art, die ich in letzterer Zeit zu untersuchen Gelegenheit hatte, weichen von der typischen weissen Form nicht unbeträchtlich ab, unterscheiden sich aber noch sehr wohl von P. mont. restrictus aus S.-Japan. Dieser scheint tatsächlich in Nord-Japan zu fehlen, wurde wenigstens von den Sammlern Dr. Haberers hier nirgends gefunden, während vom Fudschijama und anderen Orten der Hauptinsel grosse Suiten vorliegen. Dahingegen gehört die grosse Anzahl von Graumeisen, die von der Kurileninsel Iturup einge- liefert wurde, ausnahmslos zu P. pal. seebohmi. Auch in Nord-Amerika kommen die beiden Graumeisen- typen nebeneinander vor: P. sclaterv und F. carolinensis gehören entschieden zur palustris-Gruppe, während R. atricapillus unseren P. montanus vertritt. Ich hoffe gelegentlich der Bearbeitung von Haberer’s Sammlungsausbeute nochmals auf die japanischen Graumeisen zurückzukommen. — 1) Nach den Regeln, die im ‚Tierreich“ zur Anwendung kommen, wurde durch die Eliminationsmethode der Name P. palustris auf die glanzköpfige Gruppe bezogen. Bemerkungen über Pariden. 397 Parus lathami Steph. in: Shaw, Gen. Zool. v. 10. I. p. 44 (1817), der auf „Siberian Titmouse var. A“ bei Latham, Gen. Syn. v. 2. II. p. 556 (1783) begründet ist, könnte sich vielleicht auf P. cinctus obtectus Cab. beziehen, allein die Worte: „Fore- head and underparts white“ widersprechen so sehr der Färbung dieser Teile bei obtectus, dass wir Stephen’s Name nicht an- nehmen können. Als ich vor drei Jahren auf dem Berliner Museum die Blau- meisen studierte, lagen mir nur zwei Stücke aus dem Thianschan vor und diese schienen sehr wenig von der typischen Form abzuweichen. Seither konnte ich mehr als zwei Dutzend Bälge aus dem Gebiete des Issyk-Kul untersuchen und fand die von Dr. Rothschild hervorgehobenen Unterschiede so constant, dass die Abtrennung der östlichen Form unerlässlich ist. P. ceyanus ttanschanicus wird immer Severtzoff zugeschrieben, allein dieser Örnithologe gab niemals eine Diagnose und mithin kann nur Menzbier als Autor gelten, der zuerst die Form definierte (Bull. Soc. Zool. France v. 9. (1884) p. 276). Die Stücke aus dem Amurlande scheinen mir mit denen aus dem Thian-Schan nicht völlig identisch zu sein, stimmen aber auch mit russischen und westsibirischen Exemplaren nicht ganz überein: mehr Material ist nötig, um die Verbreitung dieser Formen zu klären. Ein ganz rätselhaftes, aber hochinteressantes Problem bietet die Variation von P. maior. Ich hatte (J. f. O0. 1901 p. 143) von einer Spaltung in mehrere Formen abgesehen und kann auch heute, obwohl mir unterdessen mehrere Hunderte durch die Hände gegangen sind, keine befriedigend abgrenzen. Es tut mir leid, darin mit zwei so hervorragenden Kennern der palae- arctischen Ornis wie Kleinschmidt und Hartert im Gegensatz zu stehen. Ich zweifle nicht, dass sich einige Formen werden unterscheiden lassen (am ehesten noch P. excelsus aus Nord- Afrika), doch war ich — nach meinem Material — nicht im- stande für sie constante Merkmale zu finden. Kleinschmidt versprach uns (Orn. Monb. 1903 p. 6) eine eingehende Dar- stellung der Variation der Kohlmeise, und wir werden dadurch gewiss über manchen Punkt Aufklärung erhalten. Ganz merkwürdig und vorläufig unerklärlich sind für mich die Beziehungen zwischen P. maior und P. aphrodite Mad. aus Cypern. Der liebenswürdige Autor letzterer Art sandte mir s. Z. die Typen zur Ansicht und unlängst hatte ich — dank der 398 Hellmayr: Güte meines Freundes Reiser — Gelegenheit, eine stattliche Serie von Kohlmeisen aus Griechenland zu sehen. Mit Reisers Erlaubnis gehe ich auf dieselben ein wenig näher ein. Zwei Vögel ($ Aetolikon, II Leonis leg; 3 Pentelikon bei Athen, I) stimmen in der Färbung der Unterseite mit P. aphrodite völlig überein (d. h. die Unterseite ist rahmfarben mit nur einzelnen, gelben Federn an der Seite der Vorderbrust), sind nur etwas grösser: a. 75 c. 68 (aphrodite a. 67—69 c. 57—60 mm). Drei andere Stücke (a. @ Hymettos, II; b. 3 Corfu IV; c. d Pentelikon bei Athen II.) stimmen fast mit diesen beiden über- ein, haben aber mehr Gelb an der Körperseite und halten hierin etwa die Mitte zwischen P. maior und P. aphrodite, welch letzterem sie in der Grösse sehr nahe kommen. a. 70,64, b. 71,61, c. 701/,,65 mm. Sodann folgt eine Serie, die den Übergang zwischen den beiden Arten völlig vermittelt. Bei einem Exemplar ist die Unterseite nur an der Vorderbrust und den Weichen rahmfarben, im übrigen blassschwefelgelb, bei anderen dehnt sich das Gelb noch weiter aus, so dass von der Rahmfarbe zuweilen nichts mehr zu sehen ist. Immer unterscheiden sich diese Vögel aber durch viel matteren und blasseren Ton der gelben Färbung auf der Unterseite von solchen aus Mittel- und Nordeuropa. Solche Individuen lagen mir vor aus Hymettos $ X, Insel Kephalonia Q III, Insel Skyros J, Naxos @ VI, Pentelikon, Attika I, Skara- manga, Attika II, Daphni, Attika I, Aetolikon II, Cypern XIJ, Cattaro IX, Dalmatien und Teheran, Persien VI (Typen von P. maior blanfordi Praz.). Aus Cypern sah ich ferner eine grosse Anzahl ganz typischer maior und v. Madaräsz versichert mir, dass sich auch zuweilen intermediäre Stücke zu aphrodite vorfinden. Nun Jiegt aber aus Südost-Europa noch eine Anzahl von Stücken vor, die vom typischen P. maior aus Nord- und Mittel- europa durch wesentlich dunkleres, gesättigteres, mehr dotter- gelbes Colorit der Unterseite abweicht. Solche Vögel untersuchte ich von Angelocastro @ I, Athen X11 $; Charvation JQI, Attika; Euboea © XI; Rephalonia $ III und Konchi, N. Italien IX. Sie stimmen in der Färbung der Unterseite und dem lebhaften Blaugrau der Flügel mit excelsus aus Nordafrika fast überein. Vögel aus den österreichischen Gebirgsländern (Salzburg u. Tirol) ’ Bemerkungen über Pariden. 399 sind unterseits auch sehr lebhaft gefärbt und einzelne Stücke kommen dem aus Ronchi sehr nahe. Es ist sehr auffallend, dass in Südosteuropa neben einer ausserordentlich blassen (aphrodite) noch eine andere Form vor- kommt, die sich aber durch lebhaftere Färbung der Unterseite von typischen, nordischen Vögeln unterscheidet. Wären die ver- bindenden Glieder nicht, so würde ich kein Bedenken tragen, diese dunklen Vögel S.O-Europas mit den spanischen und nord- afrikanischen als eine lebhaft gefärbte Mittelmeerform P. m. excelsus zu sondern. In Persien scheinen nur blasse Stücke vorzukommen, die aber niemals so blass sind wie aphrodite aus Cypern. Vögel aus Lenkoran dagegen scheinen wieder völlig mit denen aus Mittel- und Nordeuropa übereinzustimmen. Auch in Spanien findet man bisweilen Exemplare, die wesentlich heller gefärbt sind als typische maior. Jedenfalls ist festzuhalten, dass die unterseits gelb gefärbten P. maior aus S.O-Europa durchschnittlich dunkler sind als typische Vögel, daneben aber hier noch eine sehr blasse Form sich findet (aphrodite), wie solche in Mittel-, Nord- und Westeuropa niemals vorkommen: beide sind durch alle möglichen Übergänge verbunden. Ob wir es hier mit 2 getrennten Arten zu tun haben und die intermediären Stücke als Bastarde zu betrachten oder ob P. aphrodite bloss als das Extrem einer individuellen Färbungs- variation innerhalb der Art P. maior anzusehen ist, die aus irgend- welchen, uns noch unbekannten Gründen nur in S.0-Europa zur Ausbildung gelangen konnte, muss vorläufig noch dahingestellt bleiben. So lange wir über diese Verhältnisse nicht klar sind, möchte ich auch von einer Sonderung in P. maior, blanfordi und excelsus, wie sie neuerdings Hartert vorgeschlagen hat, absehen. (Vergl. J. f. O. 1901 p. 173 ff.) Ich erachte es für nötig, nochmals zu betonen, dass über die Anwendbarkeit des Namens Aegithalos für die Schwanzmeisen nicht der leiseste Zweifel herrschen kann. Ich hatte Gelegenheit, die Originalstelle bei Hermann, Observ. Zool. p. 214 einzusehen und kann mich der Ansicht L. Stejnegers nur vollinhaltlich an- schliessen. Dagegen scheint es mir nicht richtig, die Beschreibung der „Pipra? europaea“ auf Aegithalos caudatus roseus (Blyth) zu deuten, wie es Stejneger getan hat, vielmehr glaube ich, passt dieselbe weit besser auf A. caudatus, da von dunklen Kopfstreifen nichts erwähnt ist u. Ss, w, 400 Hellmayr: Reiser’s Freundschaft danke ich ein Exemplar des A. caudatus macedonicus (Salvad. u. Dress.). Mir war die Form lange unbe- kannt geblieben und ich hatte starke — aber ganz überflüssige — Zweifel in ihre Haltbarkeit gesetzt. Das scharf abgesetzte schwarz- braune Querband auf der Vorderbrust und der grauschwarze Kehlfleck in Verbindung mit dem schwarzen Rücken kennzeichnen sie aber sofort allen Verwandten gegenüber. Der Name caucasicus (Lor.) muss dem um drei Jahre älteren maior (Radde) weichen. Dies ist sehr zu bedauern. Denn Lorenz’ Beschreibung ist weit besser und bezeichnender als die schlechte, widersprechende Darstellung in Wort und Bild in der „Ornis Caucasica,* aber trotzdem unterliegt es wohl keinem Zweifel, wie schon Freund Madaräsz (Termesz. Füzet. v. 23 1900 p. 201) nachgewiesen hat, dass beide Namen ein und dieselbe Form bezeichnen. Weiteres Material aus China überzeugte mich nun völlig, dass Mecistura swinhoei Pelz. in der Tat nichts anderes ist als juv. A. caud. glaucogularis (Moore). Ob Mecistura vinacea Verr. wirklich auch mit letztgenannter Form zusammenfällt, unter deren Synonymie ich sie gestellt habe, wage ich noch nicht sicher zu behaupten. Aegithalos (Acredula auct.), Aegithaliscus ‚und Psaliriparus kann ich unmöglich als getrennte Gattungen behandeln, eine solche Zerreissung der natürlichen Gruppe auf Grund eines gar nicht so bedeutenden Unterschiedes (Schwanzlänge) scheint mir weder wissenschaftlichen noch praktischen Wert zu besitzen. Die Stellung von Ohamaea ist noch völlig unklar, wahrschein- lich am richtigsten die einer besonderen Familie, welche ihr Ridgway in seinem wunderbaren, neuen Werke angewiesen hat. Ich liess sie bei den Parinae stehen, mit denen sie doch Manches gemein hat, und glaube, dass mir spätere Mitarbeiter am „Tier- reich‘ dafür vielleicht dankbar sein werden, da sie sich mit der schwierigen Unterbringung dieses Schmerzenkindes nicht zu plagen haben. Anthoscopus und Remiza könnten auf Grund der verschie- denen Entwicklung der 1. Handschwinge vielleicht generisch ge- trennt werden, ich sah aber davon ab, weil die Nistweise sich bei beiden so übereinstimmend verhält, was mir eine sehr nahe Verwandtschaft anzudeuten scheint. Unterlassen wir eine gene- rische Zweiteilung, dann muss Anthoscopus als Gattungsname Bemerkungen über Pariden. 401 eintreten. — Cephalopyrus flammiceps (Burt.), der in meiner Lieferung (p. 131) noch als 6. sp. des Genus Anthoscopus figuriert, ist, wie ich nun überzeugt bin, überhaupt keine Meise, am wenigsten aber eine Beutelmeise! (Vergl. Hume, Nests u. Eggs. v. 2 (1874) p. 401). Die Art muss also daraus gestrichen werden und findet ihren richtigen Platz vielleicht dort, wohin sie E. Oates (Fauna Brit. Ind. Birds I. p. 247) gestellt hat. Shelley hat die Kamerunvögel als Aegithalus (!) camaroo- nensis von Anthoscopus flavifrons (Cass.) gesondert. Das scheint mir durchaus überflüssig: die Vögel des Berliner Museums, die auch ich zu untersuchen Gelegenheit hatte, stimmen sehr gut mit Cassin’s Beschreibung, die sich auf Stücke aus Gabun (Du Chaillu) gründet, überein, und es ist wohl keine Veranlassung, hier eine Trennung vorzunehmen, wenn man die Unterschiede nicht feststellen kann! Die Exemplare aus Kakonda, Benguella (vergl. Bocage, Orn. Angola p. 555) dürften hingegen wohl ver- schieden sein. Warum A. /laviceps Sundev. in eine besondere Gattung ge- bracht werden soll, will mir nicht recht einleuchten, die Art schliesst sich eng den europäischen und afrikanischen Remizen an. Mohoua und Üerthiparus. Die drei neuseeländischen Meisenarten mussten gar mannig- fache Schicksale durchmachen, ehe ihre Stellung und Verwandt- schaft zu einander erkannt wurden. Das Verdienst dieser Aufklärunng gebürt O. Finsch, der (J. f. Orn. 1873 p. 393) ganz richtig die structurellen Verschiedenheiten der „Museicapa ochro- cephala“ Gm. den beiden verwandten Arten gegenüber betonte. Gadow war diese Arbeit Finsch’s wie so manche andere bei Ab- fassung des 8. Bandes des „Cat. of Birds“ unbekannt geblieben und so vereinigte er wieder alle drei in einer Gattung „Certhi- parus.“ Sir W. Buller (Birds New Zeal. ed. 2. v.i. p. 88 ff.) beging gar den unverständlichen Fehler, nur Parus novae-see- landiae Gm. im Genus Certhiparus zu belassen und Fringilla albicilla Less. mit M. ochrocephala im Genus Clionyxz zu ver- einigen!! Es bedarf wohl nicht des audrücklichen Hinweises, dass dies ganz falsch ist. Fringilla albieilla Less. und Parus novae-seelundiae Gm. stimmen mit einander in allen wesentlichen, structurellen und osteologischen Merkmalen überein und kennzeichnen sich besonders 402 Hellmayr: dadurch, dass die Mittelzehe bedeutend länger ist als die ungefähr gleichlange Innen- und Aussenzehe. M. ochro- cephala Gm. zeichnet sich ihnen gegenüber sofort durch viel stärkeren Schnabel, längeren und kräftigeren Tarsus und sehr starke Zehen und Krallen aus. Der auffallendste Unterschied aber liegt in der Fussbildung: Die Aussenzehe ist nämlich am längsten, die mittlere kaum oder nur wenig kürzer, die innere aber be- deutend kürzer als diese beiden (vergl. Finsch, I. c. p. 394). Desgleichen bieten die Skelette sehr auffallende Differenzen dar. P. novaesseelandiae und F. albicilla fallen sofort durch äusserst zarte und schwache Bein- und Flügelknochen auf, während M. ochrocephala viel kräftiger und massiver gebaut ist. Auf nähere osteologische Details will ich a. a. OÖ. demnächst eingehen. Ich bin, ganz in Übereinstimmung mit Finsch, daher der Ansicht, dass hier eine generische Trennung erforderlich ist. Die Nomen- clatur ist nicht zweifelhaft. 7. Genus Mohoua Less. 1837 Mohoua (Sp. un.: Üerthia heteroclites) Lesson, Complem. Buffon v. 9. p. 139. 1849 Olitony& Reichenbach, Av. Syst. t. 38. Einzige Art: Mohoua ochrocephala (Gm.) Genus Certhiparus Lafr. 1842 COerthiparus (Sp. typ.: ©. senilis) Lafresnaye, Rev. Zool. v. 5... 69 1873 Phyllodytes (non Wagler 1830, Amphibia!) Finsch. J. f. Orn. v. 21. p. 391. Arten: 1. ©. novae-seelandiae (Gmm.) 2. C. albicilla (Less.) Sitta. Hartert (Nov. Zool. v. 7. (1900) p. 526) hat die britische Vertreterin der gewöhnlichen Spechtmeise als besondere Form er- kannt und $. europaea britannica benannt. Bei der Nachprüfung einiger Literaturstellen fand ich aber, dass bereits ein Name für diese kenntliche Subspecies vorhanden ist. Im Journ. As. Soc. Bengal. v. 15. (1846) p. 289 hebt Blyth die Unterschiede hervor, welche zwischen nordischen und englischen Kleidern bestehen, und gibt seiner Verwunderung Ausdruck, dass man dieselben bisher nicht beachtet habe. Es ist freilich wahr, Blyth stellte nur die Differenzen zwischen der weissbäuchigen europaea aus Nord-Europa und der ockerbäuchigen Sitta aus England fest Bemerkungen über Pariden. 403 und benannte letztere wohl nur aus Unkenntnis der bereits be- stehenden Bezeichnung caesia (für die mitteleuropäische Form), allein da er ausdrücklich sagt „so schlage ich hiermit den Namen S. affinis für den englischen Vogel vor“t), kann es meines Er- achtens nicht zweifelhaft sein, dass dieser Blyth’s Namen zu tragen hat. Nach unserer gegenwärtigen Kenntnis haben wir von Sitta europaea folgende Formen zu unterscheiden. 1. $. europaea caesia Wolf. West-Mittel- und Südeuropa, Kleinasien. 2. 8. e. affinis Blyth. England, Schottland. 3. S. e. caucasica Rehw. Kakasus. (Sofort durch auffallend kurzen Schnabel und weniger Weiss am Kinn von 1. und 2. zu unter- scheiden). 4. 8. e. homeyeri Hart. Russische Ostseeprovinzen; Ost- preussen. 5. 8. e. europaea L. Nord-Europa. 6. S. e. uralensis Glog. Westsibirien vom Ural etwa bis Baikalsee. 7. 8. e. baicalensis Tacz. Irkutsk, Transbaikalien, Daurien. 8. S. e. amurensis Swinh. Ussuri, Mandschurei, Korea; Japan ? 9. S. e. albifrons Tacz. Kamtschatka und Kurilen. 10. 8. e. sinensis J. Verr. Hügelland von China und Ost-Tibet. 11. S. e. montium La Touche. Gebirge Chinas. 12. S. e. yunnanensis Grant. Südwestchina. Vielleicht sollten auch die mir unbekannten S. magna Rams. und S. nagaensis G. Aust. noch in den Formenkreis der 9. euro- paea gezogen werden. Die östlichen Formen 8. und 9. müssen erst genauer studiert werden, und ich gedenke auf sie in nächster Zeit zurückzukommen. Dendrophila kann unmöglich generisch von Sitta getrennt werden; es hiesse eine natürliche Gruppe zerreissen. Da Sittella von Rafinesque in anderem Sinne gebraucht worden ist, konnte der Name für die australische, durch den ansteigenden Culmen gut charakterisierte Artengruppe nicht be- stehen bleiben und musste durch einen neuen ersetzt werden, Wenn dies Mr. Sclater unnötig dünkt, weil Rafinesque’s Be- 1) In Übersetzung. 404 Hellmayr: Bemerkungen über Pariden. zeichnung ein nomen nudum wäre, so möchte ich ihm empfehlen, meine Bemerkung (J. f. Orn. 1901 p. 187) doch wenigstens zu Ende zu lesen, dann wird er daraus ersehen, dass Neositta des- halb vorgeschlagen wurde, weil Rafinesque’s Name eben kein nom. nud. ist! N. albifrons (P. Rams.) scheint nach der Beschreibung von N. papuensis (Schl.) kaum verschieden zu sein, allein wegen der weiten, geograpischen Entfernung (erstere stammt von 8. O0. Neu Guinea [Astrolabegebirge], letztere von dem Nordwesten [Aefart]) habe ich sie getrennt halten müssen. Über Certhüdae habe ich nichts weiter zu bemerken, als dass es unmöglich ist, Phabdornis von Olimacteris gegnerisch zu trennen. Die drei philippinischen Formen sind wohl besser nur subspecifisch zu sondern, haben mir jedoch in ungenügenden Serien vorgelegen. Ich schliesse diese Notizen mit dem Wunsche, dass meine Arbeit momentan einen Fortschritt bedeute und denen von Nutzen sei, welche ernst und genau unterscheiden wollen, wie es die heutige Wissenschaft fordert. Von diesen meiner Collegen hoffe ich manchen Wink und Hinweis zu erhalten, wo die Fehler und Schwächen meines Werkes liegen, und werde für solche Verbesserungen recht dankbar sein. Für ornithologische Pfuscher dagegen, die nur das gelten lassen wollen, was man auf drei Schritt Entfernung erkennen kann, ist meine Arbeit nicht ge- schrieben; für sie ist in der heutigen Wissenschaft kein Platz mehr, und da sie für dieselbe eine Gefahr bedeuten, indem sie uns in die alte, stumpfsinnige Artsystematik zurückzuführen suchen, der wissenschaftlicher Wert absolut abzusprechen ist, müssen sie ausgerottet werden, und je eher uns dies gelingt, desto besser wird es sein für unsere Sache! Nachtrag. In der Synonymie von P. (C.) caeruleus caeruleus L. (p. 86) ist einzufügen: 1776 Parus erectus P. L. S. Müller, Natursyst. Suppl. p. 178. In der Kennzeichnung von Certhia familiaris brittanica (p. 209) ist nach: „Schnabel wesentlich“ das Wort „kürzer“ einzufügen, wie sich bei einiger Über- legung von selbst ergibt. Im Schlüssel der Gattung Polioptila (p. 17) ist unter 1. statt „Kehle weiss‘ — „Kehle nicht dunkelgrau“ zu setzen. v. 209 unter 2b ist nach dem Citat O. costae Bailly zu setzen: „Description d’une nouvelle espece de Grimpereaux“ statt „Observ. Moeurs Ois. Savoie“. 405 Noch einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusina im IV. Heft des L. Jahrganges dieser Zeitschrift. Von Dr. E. Rössler, Zagreb. Wie Hr. OÖ. Kleinschmidt, so hat auch mich der Aufsatz des Hrn. Brusina veranlasst, die Feder zu ergreifen, um einige Worte zu dessen Bemerkungen hinzuzufügen. Diese meine Bemerkungen sollen sich hauptsächlich darauf beziehen, was Hr. Brusina über Kroatien und dessen zoologisches Nationalmuseum sagt, da ich glaube, dazu eine Berechtigung zu haben, weil es mir beschieden war, die Vogelsammlung desselben nach mehr als dreissigjährigem Bestande zu katalogisieren. Zur Vervollständigung der Bemerkung des Hrn. Brusina über Buteo ferox will ich hinzufügen, dass als Fundort Brdjani in Slavonien, als Datum IX. 1898 und als Spender des Exemplars F. Gröger angegeben sind. Was die Aussage des Hrn. Brusina betrifft, dass Flierofalco cherrug nicht selten in Slavonien, seltener in Kroatien vorkomme, so kann ich nichts Bestimmtes angeben, da es mir noch nicht gelang, seiner bei meinen Streifzügen habhaft zu werden. Dass die betreffende Angabe aber nicht auf eigener, im Freien ge- sammelter Erfahrung beruht, davon sind wir alle überzeugt, die wir wissen, dass er kein Jäger ist und auch seine Exkursionen ins Freie wohl sehr spärlich waren. Die wenigen Exemplare aber, welche sich in unserer Sammlung befinden, können uns keinen unumstösslichen Beweis für die Aussage des Hrn. Brusina liefern, seine Beweise aber ist er uns vorläufig noch schuldig geblieben. Warum die Angabe, dass eine Nyctea scandiaca am Velebit in Kroatien erlegt worden sei, viel weniger glaubwürdig wäre, als jene E. Schreibers für Görz, leuchtet mir nicht recht ein; stammt sie doch von unserem geschätzten praktischen Ornitho- logen, vorzüglichem Beobachter und tüchtigem Forstmann Ettinger! Das Hrn. Brusina wie auch seinem Freunde Arrigoni wenig glaubwürdige Verfliegen von Dendrocopus cissa nach Ungarn ist durch Belegstücke wohl ausser jeden Zweifel gesetzt. Das Buda- pester Museum besitzt zehn Exemplare und Csatö Jänos in Nagy- Enyed vier, die sämtlich in Ungarn erlegt worden sind. Auch Dr. J. v. Madaräsz erwähnt in seinem Werke: „Magyarorszäg madarai‘ (Ungarns Vögel), dass diese Form besonders in Mittel- ungarn und Siebenbürgen ziemlich häufiger Standvogel ist. 406 E. Rössler: Lanius meridionalis veranlasst mich, einen Irrtum meiner- seits zu berichtigen, denn der Beobachter, der falsch bestimmt hat, war ich. In einem Aufsatze im „Glasnik“ der „Societas historico-naturalis croatica‘ Zagreb, 1898, welcher den Vogelzug in der Umgebung von Osyek (Essek) im Jahre 1896 behandelt, habe ich diese Art angeführt. Später aber stellte es sich heraus, dass diese vermeintlichen L. meridionalis doch nur L. minor waren. Nach der Meinung des Dr. J. v. Madaräsz vertritt Pilo- corys senegalensis in unserm Küstenlande die gewöhnliche 2. cristata und ist hier gemeiner Standvogel. Dass sich Hr. Brusina davon nicht überzeugen konnte, ist für mich wieder kein Gegen- beweis gegen Dr. J. v. Madaräsz’s Behauptung. Wir besitzen aus Dalmatien zwei Bälge. Ausserdem finden sich in der Sammlung noch zwei junge Exemplare, die in ihren Grössenverhältnissen, auch in der Färbung, hauptsächlich jener der Schwanzfedern mit den Bälgen übereinstimmen. Einer dieser Vögel stammt aus Senj (Zengg), also aus unserem Küstenlande, der zweite aus der Um- sebung von Zagreb (Agram). Was Corone corone betrifft, so wäre es interessant zu er- fahren, worauf Hr. Brusina seine Annahme stützt, dass diese Art vielleicht nur selten im Winter gerade bei Varazdin vorkommt, während er sie doch, wie er selbst sagt, in ganz Dalmatien, Kroatien und Slavonien nirgends bekommen konnte. Hr. Brusina spricht sich über Phalacrocorax graculus croa- ticus nicht klar — oder sagen wir — „offen“ aus. Auf Hartert’s Worte: „Was ich wissen möchte, ist, wie sich croaticus vom echten desmaresti unterscheidet?!“ antwortet er nur, dass diese Frage nun ebenfalls erledigt sei. Er vergisst aber hinzuzufügen, dass nämlich sein croaticus mit desmaresti identisch sei, was auch Dr. J. v. Madaräsz bestätigt. Unter unseren Larus fuscus befindet sich wirklich ein ZL. affinis, den auch Dr. J. v. Madaräsz in seinem oben citierten Werke erwähnt. Hier kann ich die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, etwas über Gelastes gelastes zu erwähnen. Brusina stellte in unserer Samınlung fünf Exemplare dieser Art fest. Es hat sich aber herausgestellt, dass es sämtlich alte Larus ridibundus sind und zwar ein Vogel im Übergangskleide und die übrigen vier im Winterkleide. Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusnia. 407 Nicht für „unwichtig“ halte ich die Bemerkung, dass es zwar der Wahrheit entspricht, dass unsere sämtlichen Colymbus aretieus als solche und kein einziger als ©. glacialis bestimmt sind, dass dies aber erst seit einem Jahre der Fall ist, während vordem viele Exemplare als ©. glacialis bestimmt waren, wovon ınan sich noch heute durch die Originaletiketten überzeugen kann. Gefangenschaft und Instinkt. Eine Studie über das geistige Leben gefangener Sperlingsvögel. Von Fritz Braun-Constantinopel/Pera. Die Zeit, da das Wort „Instinkt“ ein leerer Schall war, ist noch nicht lange vorüber. Der Begriff Instinkt war so unbe- stimmt, eröffnete ganz willkürlichen Vorstellungen einen so weiten Spielraum, dass Männer wie A. Brehm guten Grund hatten, dem leichtsinnigen Gebrauche eines unklaren Wortes entgegen zu treten. Leider gingen sie in ihrem Widerstande zu weit. Sie wollten im Leben des Tieres am liebsten gar keine Tätigkeit, gar keine Bewegungsreihen anerkennen, deren Auslösung nicht nach mensch- lichen Analogien erklärt werden könnte, die nicht als ein er- lernter Besitz des Individuums gedeutet werden müssten. Triumphierend sagten sie zu den Vertretern des Instinktes, sie möchten ihnen doch eine klare Erklärung davon geben, was sie unter Instinkt denn eigentlich verstünden. Die gewünschte Aufklärung blieb man ihnen schuldig. Daher erklärten sie denn lächelnd, über diesen Begriff zur Tagesordnung übergehen zu müssen. Anscheinend hatten sie zu einem solchen Verfahren auch alle Veranlassung. Meiner Meinung nach waren sie aber trotz alledem im Unrecht. Sie handelten ganz ähnlich einem Manne, der von uns eine Belehrung über das eigentliche Wesen der Schwerkraft verlangte. Auch auf diese Frage müssten wir die Antwort schuldig bleiben. Gleichwohl bleiben die unzähligen Vorgänge bestehen, die wir auf jenen Begriff, sei es mit Recht, sei es mit Unrecht, zurückführen. Alles das wäre ziemlich gleichtgültig gewesen, wenn die Tadler uns ein neues Wissen vermittelt hätten, mit Hilfe dessen wir in der Lage wären, uns das Leben des Tieres zu erklären. Das ist aber nicht der Fall. Bei dem Streben, die Lebens- 408 Fritz Braun: äusserungen der Tiere nach menschlichen Analogien zu erklären, kommt sehr wenig heraus. Überschauen wir rückblickend jene scheinbar so arbeitsreiche Zeit, in der manch geistvoller Mann den singenden, kämpfenden, bauenden Vogel beobachtete, so müssen wir meiner Meinung nach wohl zugeben, dass sie uns eher zurück als vorwärts brachte. Wenn das im Brutkasten ausgebrütete Hühnchen sogleich dem Nahrungserwerbe nachgeht, wenn der gesondert erzogene Rothänfling den gesetzmässigen Gesang seiner Art zum Vortrag bringt, wenn Webervögel in der gleichen Lage die ihrer species eigentümlichen Nester herstellen, so dürfen wir eben nicht sagen, sie hätten diese Fähigkeit erlernt. Hiermit wird aber die Auf- fassung jener ganzen Schule hinfällig. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass wir eine bessere Erklärung für jene Vorgänge beibringen können. Immerhin ist es nötig, dem Leser eine genaue Vorstellung davon zu vermitteln, was wir unter dem Begriff „Instinkt‘ ver- stehen, um so mehr, als er an sich unklar genug ist. Instinktiv handeln die Vögel in den angeführten Lebenslagen. Instinktiv handelt die junge Taube, die ihre Mutter dadurch zur Fütterung zu bewegen sucht, dass sie mit dem Schnabel an dem Kopfe der Alten hin und her fährt. Instinktiv handelt sie, wenn sie bei dem Nahen eines unbekannten Körpers, z. B. einer Menschenhand, den ungelenken Leib plötzlich emporschnellt. Instinktiv handelt sie wiederum, wenn sie zum erstenmal das Nest verlässt und die Samen der Gräser ganz in derselben Weise abrupft wie ihre älteren Schwestern. Instinktiv verfährt auch das isoliert gehaltene Pärchen Zebrafinken, wenn es zu seiner Zeit zum Paarungsakte schreitet und alle Handlungen vornimmt, die zur Anlage des Nestes, zur Aufzucht der Jungen erforderlich sind. In all diesen Fällen sehen wir, dass ein Reiz eine Be- wegung auslöst. Bald ist es uns klar, dass der Reiz einen Wachstumsprozess ausgelöst hat, bald sind wir geneigt, einer Sinneswahrnehmung einen grösseren oder kleineren Anteil da- bei zu überweisen. Das Verhältnis zu bestimmen, in dem beide Kräfte bei den einzelnen Handlungen des Nahrungserwerbes und der Fortpflanzung mitwirken, ist zur Zeit unmöglich. Unsere persönliche Überzeugung ist daher in vieler Hinsicht noch ein dogmatischer Glaube. Immerhin glauben wir nicht nur durch theoretische Überlegung, sondern auch durch den stillen Einfluss Gefangenschaft und Instinkt. 409 jahrelanger Beobachtung zu jener Anschaung des tierischen Lebens gedrängt zu sein, die alle instinktiven Handlungen als notwendige Folgen von Wachstumsprozessen auffasst. Eine Stütze findet dieser noch recht dogmatische Glaube in der Tat- sache, dass Störungen des Wachstums auch Störungen der In- stinkte zur Folge haben. Dass man dem Wesen des Instinktes gar nicht näher kam, liegt wahrscheinlich daran, dass man immer fast ausschliesslich das Individuum betrachtete. Bleibt man hierbei stehen, so ist es allerdings schier unmöglich, über das Wesen des Instinktes auch nur das Geringste auszusagen. Wie sollen wir es uns erklären, dass eine zwei Monate alte Taube zu einen grossen Kreise von Handlungen befähigt ist, die ihr niemand zeigte? — Anders liegt die Sache, wenn wir bei allen diesen Fragen nur die Art, die sich entwickelnde, werdende Art berücksichtigen. Wir glauben, dass die Fragen, warum die junge Taube blaue Halsfedern bekommt, und jene, warum sie den Feind durch Emporschnellen des Körpers vertreibt, trotz aller anscheinenden, auf den ersten Blick geradezu einleuchtenden Verschiedenheit doch sehr viel Ähnlichkeit mit einander haben. Weissmanns Lehre von der Unsterblichkeit der Keimzellen hat viel Widerspruch, viel Hohn und Spott erfahren. Und doch lässt sie sich mit dem tierischen Instinkt recht gut in Einklang bringen. Seit vielen Tausend und Millionen Generationen haben die Tiere Erfahrungen gemacht. Die Einwirkungen, die das Tier von der Aussenwelt erfuhr, waren sehr verschiedener Art. Aber in der so unübersichtlichen Menge der Eindrücke wiederholten sich immerhin einzelne in regelmässiger Folge, so regelmässig, dass wir bei einer Disponierung der Eindrücke die anderen ge- radezu vernachlässigen können, dass sie das Schema bilden, in dem sich das tierische Leben abspielt. Solcher Art sind die regelmässigen Eindrücke, die bei dem Nahrungserwerbe und dem Fortpflanzungsgeschäfte eine Rolle spielen. Wir dürfen nun wohl mit Weissmann annehmen, dass alle Eindrücke der Aussenwelt auf die Keimzelle, von der der Auf- bau des Individuums ausgeht, einen bildenden und verändernden Einfluss ausüben. Da nun die sonstigen Einflüsse sich völlig gesetzlos durchkreuzen und aufheben, blieben als bildend und Journ. £. Orn. I.I, Jahrg. Juli 1°03. 27 410 Fritz Braun: formend nur die Eindrücke zurück, die das Tier durchaus regel- mässig bei dem Fortpflanzungsgeschäfte, der Sicherung gegen ge- wohnte Feinde und bei der Nahrungssuche empfängt. Durch diese Reize wird der Aufbau des tierischen Körpers bestimmt; durch die Anordnung der Zellen antwortet auf sie die Art, durch die Vornahme bestimmter Handlungen das Individuum. Jeder tierische Körper ist eine Proportion zu bestimmten Verhältnissen, jeder Reiz veranlasst bestimmte Zellengruppen zu bestimmter Tätigkeit. Darin, dass diese Zellengruppen durch die ausgeübten funktionellen Reize den bez. Teilen der Aussen- welt immer entsprechender werden, besteht aller Fortschritt. Sind die Zellen eines tierischen Auges in einer bestimmten Ordnung und empfangen sie von aussen entsprechende Reize, so sehen sie, ist der Geschlechtsapparat eines Tieres auf einer be- stimmten Stufe und empfängt er gewisse Reize, so schreitet das Tier zur Fortpflanzung. Einen Unterschied dazwischen kann man nur mit Gewalt konstruieren. Wenn das Tier die mit der Fortpflanzung verbundenen Handlungen erlernt, so gilt das sicher nicht im höheren Grade als beim Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen. Machen wir von dieser Anschauung ausgehend Nutzan- wendungen im einzelnen, so sind das vorläufig nur Träume. Doch leben wir der festen, subjektiven Überzeugung, dass sich in dieser Bahn aller Fortschritt der biologischen Erkenntnis be- wegen wird. Vorläufig mögen derartige Gedanken noch zu Hohn und Spott herausforden; diese ertragen sich jedoch leicht genug, wenn man weiss, dass die Spötter nicht mit gehaltvollerer Münze zahlen können, Fragen wir danach, warum die Vögel ziehen, so fragen wir ersichtlich nach zwei Dingen, erstens nach dem spezifischen Reiz und zweitens nach den Bewegungen, die auf diesen Reiz ant- worten. Der wichtigere Teil der Fragen ist sicherlich der erste Punkt. Bleiben wir bei dem letzten stehen, so können wir unter Umständen herrliche Zugkarten der ganzen Erde ent- werfen. Was wir damit aber zu Wege bringen, ist Gelehrsam- keit, ist Scholastik, aber keine Erkenntnis. Das Gegebene sind die Zugstrassen und der Vogel. Dass der Vogel sich bewegt, wird wohl in einem körperlichen Zustand seinen Grund haben, in einem Unbehagen, das durch die Bewegung paralysiert wird. Die Erfahrung lehrt uns ja auch, dass das Zugphänomen in innigerem Zusammenhange mit bleibenden Erscheinungen steht, Gefangenschaft und Instinkt. 411 da Fortpflanzung und Mauser sind, und nicht nur mit vorüber- gebenden Zuständen, wie den Nahrungsverhältnissen eines be- stimmten Jahres. Worin nun der Reiz besteht, ob in einem körper- lichen Unbehagen, welches das Fliegen durch entgegenströmende Luft zu einem Linderungsmittel macht, ob in diesem oder jenem, das wissen wir nicht, dass aber ein solcher Reiz vorhanden sein _ muss, ist doch wohl ganz klar. Die Tatsache, dass die Unter- schiede im Bereiche der einzelnen Arten Unterschiede der Alters- stufen und des Geschlechtes sind, legt den Gedanken nahe, dass - der Reiz zur Wanderung mit dem Geschlechtsleben der Vögel im engsten Zusammenhange steht. j Die lange Einleitung war nötig, um zu zeigen, was wir unter Instinkt verstehen. Wir bezeichnen mit Instinkt die artlich verschiedene Notwendigkeit, auf Reize mit spezifischen Bewegungen _ zu antworten. Deshalb ist der Instinkt vielleicht weniger ein - geistiger als ein körperlicher Besitz des Tieres. Wir haben uns daran gewöhnt, zwischen den Lebensvorgängen im tierischen - Körper und der Reaktion desselben gegen die Aussenwelt eine scharfe Grenze zu ziehen. Ob diese aber berechtigt ist? Kommen wir nicht zu Vorgängen, wo die Grenzlinie zitternd und unsicher - verläuft, so unsicher, dass wir fast in des Dichters Wort: „Ein - grosses lebendiges ist die Natur“ einstimmen möchten. | Mit den Instinkten des Vogels haben wir nun auch zu rechnen, wenn wir ihn zähmen wollen. In einer ständigen Be- einflussung derselben besteht ja grade die Zähmung. Wir müssen dazu entweder dem Tiere alle gewohnten Reize bieten oder aber ihn individuell für neue empfänglich machen. Das erste ist der Fall bei noch wilden Finkenvögeln, wenn dieselben im ganz geräumigen, mit Bäumen und Strauch- ' werke ausgestatteten Fluge zur Fortpflanzung schreiten, das - zweite bei dem zahmen Kanarienvogel, wenn er sich mit ganz absonderlichen Nistgelegenheiten begnügt, oder dem eingewöhnten Stieglitz, der sich zur Ehe mit dem anders gearteten Kanarien- weibchen entschliesst. Bei dem Anblick frisch gefangener Sperlingsvögel sehen wir sogleich, dass Reiz und Bewegung sich nicht mehr in der gesetz- mässigen Weise auslösen. Am meisten ist das noch bei den Arten der Fall, deren Aufenthaltsort dem mit Sitzsprossen ver- sehenen Käfige am ähnlichsten sieht, die nicht einfach in den Raum hineinfliegen, sondern ihren Flug schon nach dem zu erwartenden 27* “2 412 Fritz Braun: Baumast berechnen. Der frischgefangene Zeisig und Stieglitz benehmen sich darum in dem Käfig anscheinend weit vernünftiger als der Pieper oder die Lerche. Es fällt darum auch keinem Vogelfänger ein, dem Stieglitz, dem Zeisig die Schwingen zu verbinden, während er das bei Pieper und Lerchen wahrscheinlich nicht vergessen wird. Auch bei ganz frisch gefangenen Vögeln entspricht die Art der Bewegung trotz aller Beängstigung zumeist ganz genau der gewohnten. Zeisige sieht man wohl regelmässig kopfüber an den Drahtsprossen des Daches herumklettern, Stieglitze tun das nur sehr selten, Hänflinge nie. Feldsperlinge kriechen mit dem Kopf voran in .Wasser- und Trinkgefässe, in Futterschubladen und Ecken, Meisen ducken sich starr an den Boden, trotzdem sie dadurch vor dem Auge des Beobachters durchaus nicht gesichert sind. Wenn die Kreuzschnäbel in der Gefangenschaft ebenso wie manche Gimpel oft schon von der ersten Stunde an gezähmt erscheinen und alle hastigen Bewegungen meiden, so ist das sicherlich keine Folge irgend eines grösseren Intellekts, sondern hängt auf das engste damit zusammen, dass diese species auch im Freileben alle hastigen Bewegungen meiden. Manchen Ammerarten dagegen, die im Freien nicht von Ast zu Ast fliegen, nicht in einzelnen Baumkronen herumhüpfen, sondern fast immer von Baum zu Baum, von einem Telegraphen- draht zum andern, von diesem Erdhaufen zu jenem streichen, ist es im Käfig kaum abzugewöhnen, sich mit wuchtigem Schwunge gegen das Drahtgeflecht des Käfigs zu werfen. Es ist darum wohl oft falsch, zu behaupten, ein gleichzeitig gefangener Ammer sei wilder als ein Zeisig, weil seine Bewegungen so wenig den Wünschen des Brotherren entsprechen. Dass sie es nicht tun, ist nicht in dem Verhältnis der Tiere zum Menschen, ‘sondern in ihrer sonstigen Eigenart begründet. Wir müssen nun allerdings zugeben, dass die Bewegungen der meisten Frischfänge keine Antwort auf bestimmte, von den einzelnen Gegenständen der Umgegend ausgehende Reize sind, sondern dass sich das ganze Fremdartige der Lage zu einem einzigen, starken, allgemeinen Reize vereinigt, auf den das Tier mit Fluchtversuchen antwortet. In manchen Fällen empfangen wir allerdings den Eindruck, dass die Tiere auf die ganz ungewohnten Reize überhaupt nicht mit Bewegungen zu antworten vermöchten. Es ist mir das öfters Gefangenschaft und Instinkt. 413 vorgekommen, dass frischgefangene Stieglitze in dem Erstlings- käfıg einfach zur Bildsäule erstarrten und sich erst regten, wenn ein anderer Reiz, wenn das Nahrungsbedürfnis sie dazu bewog.!) Auch bei Händlern habe ich oft ganze Käfige voll solcher er- starrten Stieglitze gesehen. Dass Rotkehlchen, die man in einen grossen Flugkäfig wirft, tagsüber zumeist gar nicht toben, sondern still und bescheiden in einem Winkel sitzen, hat wohl darin seinen Grund, dass die mit Schutzfarbe versehenen Tierchen sich auch im Freien in erster Linie auf eine Schutzstellung verlassen, wenn es gilt, sich vor irgend einem Feinde zu sichern. Dass die Teile des Käfigs nicht den gewohnten Reiz auf die Tiere ausüben, können wir schon daran erkennen, dass sie auf diese Reizeimmer wenigermitden gewohnten Bewegungenantworten. Gefangene Erlenzeisige pflegen zumeist von dem meisenartigen Klettern an den Drahtsprossen der Decke bald abzulassen, Lerchen machen auch im geräumigen Käfig nach längerer Gefangenschaft mitunter gar keine Flugversuche mehr, gefangene Meisen benehmen sich nach Jahr und Tag fast wie Finkenvögel, indem sie das ihnen eigene Klettern und Turnen urterlassen und wie Buchfink oder Grünling von Sprosse zu Sprosse hüpfen. Diese Tatsache hat mir so manche Art verleidet, die bei Liebhabern sonst wegen ihres guten Gesanges in hohen Ehren steht. Man betrachte einmal die geringe Bewegungsmenge, mit der eine im Einzelkäfig seit Jahr und Tag gekäfigte, anscheinend ganz gesunde Grasmücke auskommt. Im Freileben würde diese Bewegungsmenge sicherlich nicht ausreichen, dem Vogel die zu seinem Leben notwendige Nahrung zu verschaffen. Am wenigsten tritt dieser Wandel noch bei Finkenvögeln hervor, denen man einen geräumigen Flugkäfig zum Aufenthalt auwies. Darin ist wahrscheinlich auch einer der Hauptgründe dafür zu suchen, dass sie sich in der Gefangenschaft verhältnis- mässig am besten und längsten halten, während wir bei anderen Arten, wie Stelzen, Meisen u. a. m., nur zu sehr warnehmen, wie wenig die Umgebung im stande ist, den Tierchen nach Art und Menge die gewohnten Reize zuzuführen. Trotzdem verlieren die Gegenstände, die sonst die Umge- bung dieser Arten ausmachen, nicht die Fähigkeit, durch die von 1) Auch bei gefangenen Felsentauben machte ich hier in Konstan- tinopel öfters diese Erfahrung. 414 Fritz Braun: ihnen ausgehenden Reize spezifische Bewegungen auszulösen. Ist ein einsamer, aufgepäppelter Stieglitz Jahre hindurch mit art- verschiedenen Finkenvögeln zusammengewesen und wird dann ein Stieglitzweibchen in seinen Behälter geworfen, so wird dieses sogleich von ihm erkannt und begrüsst, trotzdem er seinesgleichen Zeit Lebens nicht sah und auch im Spiegel sicher keine Studien über sein Aussehen anstellte Wirft man Stieglitzen, die seit ihrer Gefangennahme ausschliesslich mit enthülsten Sämereien gefüttert wurden, nach Jahr und Tag reife Disteln vor, so machen sie sich fast immer sogleich daran, durch ganz spezifische Be- wegungen den Samen aus den Blüten herauszuholen. Ebenso begrüsste eine Sumpfmeise, der ich nach einjähriger Gefangen- schaft im Käfige den freien Flug im Zimmer gestattete, vorüber- fliegende Krähen und andere grosse, raubvogelähnliche Vögel mit dem arteigentümlichen Schreckruf, den sie monatelang nicht hören gelassen hatte. Zugleich nahm sie ganz ordnungsgemäss die Schreckstellung der Art an. Ganz eigentümlich ist das Verhalten der Vögel gegen die Fensterscheiben. Im Laufe der Jahre habe ich manchen Vogel, der zufällig meinen Käfigen entkam, dadurch verloren, dass er an den blinkenden Scheiben zerschellte Ammern kamen dabei zumeist durch Blutsturz um, indem ihnen schaumiges Lungenblut aus dem Munde trat. Wunderbarerweise wurden manche, wie ein Zaunammer, den mein Kollege Dr. Seidenstücker noch heute besitzt, trotz der schweren Verletzung wieder gesund. Finken- vögel erlitten dagegen vornehmlich Verletzungen am Kopfe, wobei wasserhelle Flüssigkeit zwischen Schädel und Kopfhaut trat, die Kopfform bisweilen in einen ungestalteten Würfel verändernd. Die so verletzten sind mir regelmässig in wenigen Stunden ein- gegangen. Die Verschiedenartigkeit der Verletzung, die sich beide Familien in scheinbar so gleicher Lage zuziehen, ist wohl durch die Verschiedenheit ihres Fluges zu erklären. Am auffälligsten war es mir, dass manche Vögel, die ich nach hinreichender Zähmung ins Zimmer lies, niemals gegen die Scheiben flogen und in ihrem ganzen Tun und Treiben den Be- weis lieferten, dass sie mit der Natur des Glases wohlvertraut waren. Manche von diesen sind mir später bei geöffneten Fenstern entkommen; meine Hoffnung, sie würden den gemiedenen Raum unter allen Umständen vermeiden, wurde also kläglich zu schanden, Gefangenschaft und Instinkt. 415 Andere dagegen wurden auch durch Schaden nicht gewit- zigt. Eine Kalenderlerche entwischte mir aus dem Käfige. Sie flog wiederholt so stark gegen die Scheiben, dass sie für Augen- blicke besinnungslos am Boden lag. Ich dachte, sie sei gewitzigt. Doch es war ein Irrtum. So wie sie wieder bei Sinnen war, be- gann das grausame Spiel von neuem, und als sie mir nach Wochen wieder entkam, war die Lage ganz unverändert. Andere ihrer Art dagegen trieben sich ganz verständig auf dem Boden umher und machten nie den Versuch, durch die Fensterscheiben zu entfliehen. Einzelne Vögel sehen und erkennen also die Fensterscheiben als etwas körperliches, während andere derselben Art es nicht tun. Auf die Frage, worin dieser eigentümliche Unterschied be- gründet sein mag, kann ich leider mit keiner Antwort dienen. Auch die Zeit, in der die Vögel mit der Sinnestäuschung eines Spiegels vertraut werden, ist sehr verschieden. Manche lassen sich, wenn anders wir dem Augenschein glauben dürfen, niemals betrügen, andere begrüssen ihr Spiegelbild anfangs zwar mit Lockrufen, lassen aber bald davon ab. Wieder andere scheinen niemals klug zu werden. Ein Rotkehlchen, dem der freie Flug in der Wohnung meiner Eltern vergönnt war, vertrieb sich monatelang täglich eine ganze Weile die Zeit damit, dass es vor einem Toillettenspiegel dienerte und den vermeintlichen Partner mit drohenden, lauten Gesangs- strofen anliess. Allerdings scheint hier bis zu einem gewissen Grade mit- unter eine ganz bewusste Selbsttäuschung unterzulaufen. Ich berichtete schon davon, dass ein zahmer Hausspatz im Herbst und Winter von seinem immer zugänglichen Spiegelbild gar keine Kenntnis nahm, sobald aber der Frühling kam, dem Gegner so grimmig zu Leibe wollte, dass sein Schädel an der Scheibe dröhnte und ich den rauflustigen Ritter eilends käfigen musste. Der innere Wachstumsprozess ist hier eben so weit vorge- schritten, dass auch der schwächste Reiz die gewohnten Be- wegungen auslöst. Ähnlich wie mit dem Spiegel verhält es sich mit gemalten Gegenständen. Mein Vater, weiland Dekorationsmaler des Danziger Stadttheaters, hatte die Rückwand seines grössten Flugkäfigs mit einer in Ölfarben gemalten Wandlandschaft versehen, die nach Auffassung und Technik so ziemlich da Beste war, was der schlichte, strebende Mann geschaffen. 416 Fritz Braun: Die meisten Neulinge, die man in den Flug warf, nahmen von den grünen Tannen und Buchen gar keine Notiz. Aber dennoch kam es immer wieder vor, dass ein frischerworbener Hänfling oder Buchfink das perspektivisch gemalte Bild für freie Landschaft ansah und stets von innen gegen die Holzwand flog, um an ihr klirrend herabzurasseln. Eigentümliche Zustände nehmen wir auch beim Fort- pflanzungsgeschäft wahr. Fast alle gekäfigten, ohne artgleiche Weibchen belassenen Passerinen könnten wir in dieser Hinsicht für pathologisch halten. Und doch sind wir zu diesem Schlusse nicht ganz berechtigt. Die Männchen sind fortpflanzungsfähig; der Wachstumsprozess ist bis zu jenem Stande gediehen, auf dem der Körper auf den auch regelmässig eintretenden Reiz [Weibchen] zu warten pflegt. Dieser Reiz fehlt. Es scheint uns aber, dass von allen ähnlich gestalteten Gegenständen schwächere, vielleicht sehr schwache Reize ausgehen, deren Geringfügigkeit die Höhe des männlichen Erregungszustandes wett machen muss. Bei meinem schon zitierten Amtsgenossen Dr. Seidenstücker füttert zur Zeit ein Kernbeisser /Coccothraustes coccothraustes] einen männlichen Grauammer /Meliaria calandra] mit Mehlwürmern und Hanfkörnern. Allgemein bekannt sind die Liebesbezeugungen zwischen Fringilla canaria, spinus, carduelis und linaria. Der Reiz, den verschiedene Arten auf einander in geschlechtlicher Hinsicht auszuüben vermögen, hat also ofienbar eine sehr ver- schiedene Stärke. Dass nach anderen Gewährsmännern gefangene Wachtelmännchen piepsende Amseljunge zu treten suchten, gehört zwar nicht zu unserem Thema, ist jedoch in denselben Begriffskreis zu verweisen. Doch genug der Beispiele. Sie zeigen wohl, dass die tierischen Instinkte in der Gefangenschaft mancher Änderung, mancher Entartung ausgesetzt sind. Das Gebotene ist kaum mehr als ein wirrer Haufe von Material, aber es schadet wohl nichts, wenn ich ihn den Fachgenossen vortrage, um sie mit Gedankenkreisen bekannt zu machen, in denen ich mich seit Jahr und Tag wie ein Zirkuspferd in enger Arena herumtreibe. Ich will den ermüdenden Lauf auch in Zukunft fortsetzen und des günstigen Augenblicks harren, der es mir vielleicht gestattet, in den freien Raum der Erkenntnis hinauszuschiessen. Und kommt er nicht, so wird die Arbeit selbst ihres Lohnes nicht entraten. Sicherlich ist sie, wie alle Vogelliebhaberei, nur sehr bedingter- Gefangenschaft und Instinkt. 417 massen dazu zu verwenden, unsere Kenntnis von den Arten zu fördern, unsere Kenntnis von dem Tier vermehrt sie sicher. Und denkt einer gering von ihr, so mag er sich dessen getrösten, womit wir uns so oft im Leben abfinden müssen, dass es eben „auch solche Käuze‘‘ geben muss. Dem Herausgeber zugesandte Schriften. The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XX No. 2 1903. Bulletin de la Societe Philomathique de Paris. 9. ser. Tome V No. 1 1902— 1903. Bulletin of the British Ornithologists’ Club. No. KCVI—XCVIU 1903. Bulletins of the Philippine Museum. II. List of Bird Skins offered in exchange. Manila 1903. The Condor. A Magazine of Western Ornithology. Cooper Orni- thological Club. Palo Alto, California. Vol.V No. 2u.3 1903. Die Gefiederte Welt. Wochenschrift für Vogelliebhaber. Herausg. Karl Neunzig. Magdeburg (Creutz’sche Verlagshandlung). Jahrg. XXXU. Heft 12—18. The Ibis. A Quarterly Journal of Ornithology. (8.) III. Heft 2 1903. Naturae Novitates. Bibliographie neuer Erscheinungen aller Län- der auf dem Gebiete der Naturgeschichte und der exakten Wissenschaften (R. Friedländer u. Sohn, Berlin). XXV. Jahrg. No. 4—9 1903. Ornithologische Monatsschrift des deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. XXVIII Jahrg. No. 4—6. M. Braess, Das heimische Tier- und Pflanzenleben im Kreislauf des Jahres. I. Teil. Das heimische Vogelleben. Lief. 3. Dresden 1903. W.E. Clarke, The Migration of the Skylark (Alauda arvensis) and the Swallow (Hirundo rusticu). (Bird Migration in Great Britain and Ireland. Fourth Interim Report of the Committee, appointed to work out the details of the Obser- vations of Migration of Birds at Lighthouses and Lightships, 1880—87. Glasgow 1901.) W. E. Clarke, A Month on the Eddystone: a study in Bird- migration. (Abdruck aus: The Ibis April 1902.) W. E. Clarke, On the Occurrence of Phylloscopus viridanus Blyth and other interesting Birds at Scottish Lightstations. (Abdruck aus: Ann. Scott. Nat. Hist. Jan. 1903.) 418 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. H. E. Dresser, A Manual of Palaearctic Birds. Part 1. Lon- don 1902. O0. Finsch, Zur Catalogisirung der ornithologischen Abteilung. X. Indicatoridae. Mit einer Revision der Arten und deren Kennzeichen. (Abdruck aus: Not. Leyden Mus. Vol. XXIII S. 162—179.) Finsch, Über einen neuen Nashornvogel der Gattung Pene- lopides Rehb. (Abdruck aus: Not. Leyden Mus. Vol. XXIII. S. 190—194). R. Friedländer u. Sohn, Bericht über die Verlagstätigkeit. Juli—Dec. 1902 No. XLVII. M. Fürbringer, Beitrag zur Genealogie und Systematik der Vögel. (Abdruck aus: Jenaische Zeitschr. f. Naturw. XXXVI. Bd. 1902.) L. Greppin, Ornithologische Beobachtungen. (Abdruck aus: Der Ornithol. Beobachter. Bern 1903.) E. A. Goeldi, Against the Destruction of White Herons and Red Ibises on the lower Amazon especially on the Island of Maraj6. (Two memorials presented in 1895 and 1896 to His Excellency, the Governor of the State of Para and the Legislature. Translated from the Portuguese into English by Mr. Wm. H. Clifford. Para 1902.) A. Goeldi e G. Hagmann, Lista das Aves indicadas como provenientes da Amazonia nos 27 volumes do „Catalogue of Birds of British Museum“ de Londres (1874— 1898). (Abdruck aus: Boletim do Museu paraense de Hist. Nat. e Ethnogr.; Museu Goeldi No. 3/4 Vol. III 1902.) . Grinnell and F. S. Daggett, An ornithological Visit. to Los Coronados Islands, Lower California. (Abdruck aus: The Auk XX. No. 1 1903.) G. Hagmann, Ein ornithologischer Streifzug iin den Campo der Insel Mexiana (Amazonas). (Abdruck aus: Schweizer. Blätter f. Ornith. XXVI. No. 33 1902.) M. B. Hagendefeldt, Die Vogelwelt der Insel Sylt. (Abdruck aus: Orn. Monatsschrift D. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVII. 1902.) Kolthoff, Zur, Herbstwanderung der nordischen Sumpfvögel über die Insel Öland. (Festskrift för Lilljeborg) Upsala 1896. Kolthoff, Bidrag till kännedom om Norra Polartrakternas Däggdjur och Fäglar. (Abdruck aus: Kgl. Svenska Vetensk. Akad. Handl. Band 36 No. 9 1903.) . Lönnberg, On some fossil remains of a Condor from Bolivia. (Abdruck aus; Bull. Geol. Inst. Upsala No. 11 Vol. VI. Pt. 1 1902.) SO = — 2 So &3 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 419 E. Lönnberg, Remarks on the Type-specimens of certain Birds named by the late Carl Peter Thunberg. (Abdruck aus: The Ibis April 1903.) L. v. Lorenz-Liburnau, Zur Ornis Neuseelands. (Abdruck aus: Annalen K. K. Naturhist. Hofmus. Wien XVII. Bd. 1902.) L.v. Lorenz und C. E. Hellmayr, Ein Beitrag zur Ornis Süd- arabiens. (Abdruck aus: Denkschr. math.-naturw. Classe k. Akad. Wien 1902.) J. v. Madaräsz, Magyarorszäg Madarai. A Hazai Madärviläg Megismer&sönek Vezerfonala. Anhang: Die Vögel Ungarns. Budapest 1899— 1903. R. ©. MeGregor, On Birds from Luzon, Mindoro, Masbate, Ticao, Cuyo, Culion, Cagayan Sulu and Palawan. (Bulletins of the Philippine Museum No. 1, Manila 1903.) . Rössler, Hrvatska Ornitoloska Centrala. Agram 1903. Salvadori, Contribuzioni alla Ornitologia delle Isole del Golfo di Guinea. III. Uccelli di Anno-Bom e di Fernando Po. (Abdruck aus: Mem. Acc. Sc. Torino (2.) LIII. 1903.) Salvadori, Caratteri di due nuove specie di Uccelli di Fer- nando Po. (Abdruck aus: Boll. Mus. Zool. Anat. Torino No. 442 1903. W. Stone, A Collection of Birds from Sumatra, obtained by Alfred C. Harrison jr. and Dr. H.M. Hiller. (Abdruck aus: Proc. Ac. Nat. Sc. Philadelphia Oct. 1902.) H. Winge, Om jordfundne Fugle fra Danmark. (Abdruck aus: Meddel. naturh. Foren. Kjbhvn. 1903.) 4 8 = 420 Im Verlage von J. Neumann, Neudamm, ist erschienen: ® ‚08 Ü Die Vögel Afrikas von Ant. Reichenow. ——= Vierter Halbband. == Damit sind zwei Bände des Werkes vollständig. Sie enthalten die Schwimm- und Stelzvögel, Tauben, Hühner, Raubvögel, Papageien, Paar- zeher, Sitzfüssler und Schreivögel und von den Singvögeln die Gruppen der Hirundinidae, Muscicapidae, Campephagidae, Laniidae, Cor- vidae, Dieruridae, Oriolidae, Artamidae und Sturnidae — Der 2. Band ist mit 3 Karten und dazu gehörenden Erklärungen und mit 11 farbigen Tafeln ausgestattet. Auf den 6 Tafeln des zweiten Bandes sind abgebildet: Francolinus bottegi 8, Tricholaema flavibuccale und massaicum, Lybius rubrifacies, Malaconotus gladiator und oliva- ceus hypopyrrhus, Chlorophoneus preussi, reichenowi und nigrifrons, Ploceus reichenowi 39, stuhlmanni, aurantius, olivaceiceps und schillingsi. Im ganzen sind in den vorliegenden beiden Bänden 1500 Arten beschrieben. Der dritte Band wird im Laufe der nächsten beiden Jahre erscheinen und die Ploceidae, Fringillidae, Motacillidae, Alaudidae, Pycnono- tidae, Zosteropidae, Nectariniidae, Certhiidae, Paridae, Timelüidae und Sylviidae, noch etwa 1000 Arten behandeln. 15—20 farbige Vogel- tafeln werden diesem Bande beigegeben. Preis des Halbbandes 50 Mark. Alle für die Schriftleitung des Journal für Ornithologie so- wie für die Deutsche Ornithologische Gesellschaft bestimmten Zusendungen sind an den Generalsekretär der D. Orn. Ges, Prof. Dr. Reichenow Berlin N. 4, Invalidenstr. 43 erbeten, alle den Buchhandel betreffenden Angelegenheiten an die Verlagshandlung von L. A. Kittler in Leipzig zu richten. Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. JOURNAL ORNITHOLOGIE Einundfünfzigster Jahrgang. No. 4. Oktober 1903. Vierzehn Tage am Rhein. Von Otto Kleinschmidt. Einige Beobachtungen, die ich auf einer kurzen Erholungs- reise an den Rhein machte, schliessen sich so eng an den ersten Teil meiner Ornis Marburgs an, dass ich sie gleich hier gewissermassen als Nachtrag einschiebe, bevor ich jene Arbeit fortsetze. In Frankfurt, stattete ich dem Museum der Sencken- bergischen Naturforschenden Gesellschaft einen eiligen Besuch ab, um ein paar Stücke der Sammlung genauer zu unter- suchen. Ich traf dort Oskar Neumann, der in gleicher Absicht gekommen war. Besonders neugierig war ich, ein Blaukehlchen zu sehen, das Hartert im Catalog als zur nordischen Form gehörig bestimmt hat (pag. 1, No. 5b). Der Vogel ist ein altes Männchen im Herbstkleide und stammt von Marseille. Der Stern ist sehr lebhaft rot gefärbt, aber wenn man die roten Federn aufhebt, wird ein atlasschimmernder weisser Grund sichtbar. Dieser Silberglanz an den unteren weissen Sternfedern beweist aber, dass der Vogel höchstens ein Mittelglied zwischen schwedischem und deutschem Blaukehlchen sein kann, so sehr er äusserlich der rotsternigen nordischen Form ähnlich ist. Wenn ein so pein- lich gewissenhafter Ornithologe wie Hartert hier irren Konnte, so wird es nötig, zahlreiche Angaben über rotsternige Blau- kehlchen, selbst wenn sie aus bester Quelle stammen, in Zweifel zu ziehen. Journ, f, Orn. LI, Jahrg, Oktober 1908, 28 422 Otto Kleinschmidt: Am 22. April — also spät! — erlegte ich hier in Volk- maritz in meinem Garten auf dem Zug ein Blaukehlchen, das auf der Mitte seines weissen Sternes einige bräunliche Federspitzen zeigt. Ob das nur Reste des Herbstkleides sind, ob der Vogel einen Übergang zur nordischen Form bildet, oder ob Erithacus Astrologus in Nord- und Mitteldeutschland überhaupt öfter in einer (besonders im Herbst) stark rotgefleckten Färbung vor- kommt, das bleibt eine offene Frage. Im Frankfurter Zoologischen Garten sah ich mir die von Baron von Erlanger mitgebrachten Tiere an und machte in aller Eile manche Beobachtung über Vogel-Stimmen, -Stellungen und Federwechsel, worauf ich hier nicht weiter eingehn will. Schade dass in unsern Zoologischen Gärten — es ist vielleicht nicht durchführbar — nicht bei jedem, wenigstens jedem inte- ressanteren Tier eine Angabe vorhanden ist, etwa derartig auf besondrem Schild angebracht: Im Garten seit: März 1900 Erhalten: jung, aus Spanien (?) Die ungenaue Angabe des Wärters: „Der ist schon seit vielen Jahren hier“, gibt keinen festen Anhalt, und ohne Kennt- nis des Alters und Fundorts wird manche Sache interesselos, die ich sonst hier mitteilen könnte. Am Abend desselben Tags — es war der 10. Juni — kam ich auf dem Kornsand (in der Gegend von Darmstadt dicht am Rheinufer gegenüber Nierstein gelegen) an. Vor Eintritt der Dämmerung machte ich noch einen Rundgang durch den ziemlich umfangreichen Garten. Am Ende desselben steht ein kleines Gartenhaus. Dies hatte sich eine verwilderte Katze, der man seither vergebens mit allen Mitteln nachgestellt, zur nächt- lichen Zufluchtsstätte erkoren. Umherliegende Reste von Reb- hühnern und Hasen zeugten von ihren Schandtaten. Ich prüfte das Tellereisen, das ein mit dem Jagdschutz betrauter Damm- wärter mit Fleisch beködert und in die ganz wenig geöffnete Tür Vierzehn Tage am Rhein. 423 gestellt hatte. Eben damit beschäftigt, es etwas mehr zu ver- blenden, hörte ich drinnen ein Geräusch und schloss schnell die Tür in der Meinung, ich hätte den Räuber ertappt und gefangen. Aber nun sah ich, dass es zwei Rotschwänzchen waren, die an den Fenstern umherflatterten. Ich griff beide. Es war ein Männchen im grauen Cairei-Kleide und sein Weibchen, als solches kenntlich an dem grossen Brutfleck. Auf einem Eckbrett stand das Nest, wie schon oft in früheren Jahren. Ich liess die geängstigten Vögel rasch wieder frei und sah mir am nächsten Morgen das hoch aufgetürmte Nest näher an, das nach Aussage meiner Schwester schon einer ersten Brut gedient hatte. Dass ein Vogel ein gebrauchtes Nest zur zweiten Brut wieder herrichtet, oder richtiger gesagt, dass er das zweite Nest unmittelbar auf das eben gebrauchte setzt, habe ich ausser diesem Fall nur einmal bei einem hier in Volkmaritz dicht über meiner Haustür brütenden Hänfling beobachtet, sonst, soweit ich mich erinnere, nie. Das Rotschwanzweibchen sass auf seinem Nest und liess mich bis auf einen Schritt Entfernung herankommen. Im Nest lagen fünf reinweisse Eier, an denen mir nichts auffiel, als dass sie sehr klein waren. Draussen auf der Gartenumzäunung fütterte das graue Männchen die Jungen der ersten Brut. Weil ich dies Männchen von da ab täglich in der hinteren Hälfte des Gartens sah, wo sein Weibchen brütete und weil das Ende des Gartens weit genug von den nächsten Brutplätzen und Gebäuden entfernt ist, bin ich sicher, dass es nicht ein Weibchen eines andern Paares war. An den Gartenzaun herantretend sah ich flügge Dorngras- mücken eiligst aus dem Neste flüchten, während der alte Vogel die bekannten Verstellungskünste übte. Auch diese Gesellschaft sah ich von da an täglich. Ebenso einen futtertragenden Stein- kauz und eine im Gebälk ruhende Schleiereule. Nach beider Nestern suchte ich vergeblich und liess sie dann unbehelligt, um der im Garten in letzter Zeit häufiger auftretenden Schermäuse willen. Steinkäuze füttern am hellen Tag und lieben es auch bei uns, nicht nur im Süden, zeitweilig im grellen Sonnenschein zu sitzen. So oft der Kauz mit Beute erschien, gab es grossen Lärm, und ein Feldspatz, der sein Nest, ein Rotschwänzchen, das seine Jungen in der Nähe hatte, kamen den ganzen Tag nicht aus der Aufregung heraus. Diesem Rotschwanzweibchen schien deshalb die Lust zu einer zweiten Brut ganz vergangen zu sein. 28* 424 Otto Kleinschmidt: Sonst sah ich am 11. Juni noch einen sehr fest brütenden grauen Fliegenschnäpper in einem Weinrebengang und ein Nest des Teichrohrsängers in einem Busch etwa zwanzig Meter vom Wasser, ganz genau an derselben Stelle des Gebüsches, wo ich im vorigen Jahr ein Nest mit Eiern herausgeschnitten und die beiden alten Vögel erlegt hatte. Hätte ich dies nicht getan, so wäre ich überzeugt gewesen, dasselbe Pärchen vor mir zu haben, und dann wären wohl meine Zweifel an der Calamo- herpe horticola Naumanns sehr erschüttert worden. Ich fühlte im Nest kleine Junge und ein Ei, das ich mitnahm, während es mir zu sehr widerstrebte, auch wissenschaftlich nicht nötig er- schien, die ganze Familie zu opfern. Der lebende Embryo trug noch grossen Dottersack und hatte zwei schwarze Zungenflecken. Ich komme auf diesen und andre Fälle in meiner Ornis Mar- burgs zurück. Sonst schien der sonst so vogelreiche Garten recht öde. Hatte der Kauz alles ausgeraubt ? Es schien nur so. Wohl lag es nahe, nun die reichen ornithologischen Fundstellen der Um- gebung aufzusuchen, die Ufer der Rheinarme, wo Blaukehlchen und anderes in Aussicht stand. Aber es lohnt sich immer am meisten, einen ganz engen Bezirk erst gründlich vor- zunehmen, und da meine Zeit knapp war, beschränkte ich mich fast ganz auf den mir längst so gründlich bekannten Garten. Selbst da, wo man fast jede Ecke kennt, wo überhaupt ein Vogel nisten kann, spielen die Vögel immer wieder ihr grossartiges Ver- steckspiel. Ich gebe in Tagebuchform meine weiteren Notizen: 12. Juni. Die Schleiereule hat blassgelbe Unterseite, wie ich nun deutlich erkennen kann. Der Rohrsänger sitzt auf dem Nest, das einen durchsichtigen Rand hat. Auch am andern Ende des Gartens, weit von jedem Wasser, in einem Syringen- busch neben dem Hühnerstall singt ein Acrocephalus streperus. 13. Juni. An derselben Stelle trägt ein Bachstelzen- paar Futter, und eine zweite Muscicapa grisola brütet im Wein- spalier. Ich finde ein weiteres verlassenes Nest von Acrocephalus streperus über mannshoch in einem Schneebeerenstrauch des Gartens, ferner zwei Nester im Schilf des grossen Garten- teiches, eins leer, das andre mit 4 unbebrüteten Eiern, von denen ich zwei wegnehme. Der Wasserstand ist so niedrig, dass beide Nester auf dem Trockenen stehen. Beide sind bald darauf verlassen und die 2 liegen gebliebenen Eier geraubt. Nun ist Vierzehn Tage am Rhein. 425 es klar, aus welchem Grunde es die Rohrsänger auch in diesem Jahre wieder für vorteilhafter erachten, als „horticola“ zu brüten. 13. Juni. Um die Farbe des Schnabels und Augenlides auf Tafel I. dieses Jahrgangs zu prüfen, erlege ich ein altes Männchen von Erithacus Domesticus, von dem ich nach längerer Beobachtung annehmen kann, dass es keine Jungen mehr zu füttern hat. Der Vogel ist auffallend klein und kurzschwänzig, die Schwingen sind sehr abgenutzt, vielleicht von öfterem Durch- fliegen durch eine Lücke eines zerbrochenen Fensters. Auf dem Schnabelgrund hat der Vogel ein Geschwür, das aussieht wie eine gelbe Wachshaut. Er ist also für die Feststellung der Schnabel- färbung nicht massgebend. Ich erlege deshalb ein anderes altes Männchen und bin höchst überrascht, als ich es aufhebe: Der Vogel ist wiederum ganz klein und kurz gebaut, so dass seine Figur schon sehr an Erithacus moussierti erinnert. Quer über die Unterbrust zieht sich ein deutlicher Anflug von schönem Rostrot; an die schwarze Stirn schliesst sich eine sehr ausgeprägte weisse Querbinde; der Rücken ist schwarz, und die schwarze Brust grenzt sich schärfer als sonst nach hinten ab. Der Vogel bildet also nach Gestalt und Färbung eine Annäherung an Erithacus Domesticus gibraltariensis und E. moussieri, und es wird immer wahrscheinlicher, dass der Wüstenrotschwanz nur der geographische Vertreter des deutschen „Wüstlings“!) ist. Da der zuerst geschossene normal gefärbte Vogel nach 2 Stunden schon durch ein junges Männchen im grauen cairei- Kleide ersetzt wurde, das fortan die Lieblingsplätze des Getöteten behauptete, so gab ich mich nicht weiter sentimentalen Gedanken hin, sondern begann systematisch nach Rotschwanznestern zu suchen und die Lieblingssitze der alten Männchen auszukund- schaften. Die weitschweifigen alten Fabrik- und Ökonomie- Gebäude boten den Vögeln die denkbar günstigsten Brut- gelegenheiten. 13. Juni. Ich fange das Rotschwanzweibchen im Garten- haus, um es zu messen. Es hat nur 7,8 cm Flügellänge und die 1) Diesen Trivialnamen führt unser Hausrotschwanz wohl als Ruinenbewohner. 426 Otto Kleinschmidt: Schwingen sind sehr stark abgenutzt. Mag auch das Hindurch- fliegen durch die enge Türspalte dazu beigetragen haben, dass die jedesmal anstossenden Schwingen sich so sehr zerfaserten, so lässt der Gefiederzustand doch ziemlich sicher vermuten, dass auch das Weibchen wie das Männchen erst einjährig ist. Ich setze den Vogel aufs Nest, und er brütet ruhig weiter. 14. Juni. Meine Frau findet die Tür des Gartenhauses geschlossen und öffnet sie wieder. 15. Juni. Ich erfahre dies erst tags darauf und sehe nach. Die Falle am Eingang ist zugeschlagen. Durch Zerren an dem darauf gebundenen Köder hat die Katze offenbar die Tür zuge- zogen, um deren unteres Ende sich die Kette des Tellereisens schlang. Der Rotschwanz ist nicht da, und die Eier sind nicht warm. Ich betrachte sie nun genauer und sehe, dass ein Ei rote Punkte hat. Ich schreibe dieselben den Exkrementen von Ungeziefer zu, nehme das Ei mit, auch noch eines der anderen ungefleckten und bin überzeugt, dass die übrigen bald dieselbe Verzierung resp. Beschmutzung aufweisen werden. In einem Fabrikraum, der mir besonders geeignet erscheint, lasse ich einen Arbeiter suchen. Er findet ein leeres Nest (I. Brut) und eines mit 5 Eiern, die normal weiss aussehen und durch die der Dotter lebhaft rötlich durchscheint. Das Nest steht auf einem Balken dicht unter der Decke. Als ich die Eier am 16. Juni nochmals genau am Fenster betrachte, fällt mir der Kneifer herab und zerbricht ein Ei. Die leere Schale kommt mir etwas grünlich vor. Ich nehme daher ein Ei mit und 2 Tage später das ganze Gelege, weil der Vogel die vom Eiweiss wohl etwas klebrig gewordenen Eier verlassen hat. Dies Nest und Weibchen gehörte jedenfalls zu dem zuerst erlegten Männchen. Quer über den Hof finde ich in einem Rauchschwalbennest ein Rotschwanznest von der ersten Brut, leer und von den längst ausgeflogenen Jungen flachgetreten und beschmutzt. Vermutlich gehört hierzu das zweite der am 13. erlegten Männchen. Nach Untersuchung zahlreicher alter Nester finde ich ein weiteres frisches in demselben Gebäude, einige Türen weiter auch in einem Schwalbennest, in demselben, wo die Seite 358 dieses Jahr- gangs vom 22. April 94 erwähnten Rotschwanzeier gefunden wurden. Das Weibchen brütet auf 6 Eiern, wovon ich drei weg- nehme. Das zugehörige Männchen schiesse ich. Es ist wieder sehr klein und kurzschwänzig, sonst normal gefärbt. Auch hier Vierzehn Tage am Rhein, 427 scheint sich das Weibchen bald mit einem grauen Männchen ge- tröstet zu haben. Noch ein fünftes Nest wird in einer weiten Halle der Fabrik gefunden, das noch nicht fertig gebaut ist. Es ist mit Halmen und Wurzeln ausgelegt. Das weiche Innenpolster fehlt noch; es sieht daher gar nicht aus wie ein Rotschwanznest, doch der Standort und die stets anwesenden alten Vögel lassen keinen Zweifel. Das Männchen singt fortwährend im Innern des durch viele Dachfenster erhellten Raumes. Ich lasse diese Vögel vor- läufig ganz ungestört. Am 15. Juni wurde ein zweites sehr geschickt verstecktes Bachstelzennest mit ziemlich grossen Jungen gefunden. Eins springt heraus und fällt mehrere Meter tief auf harten Boden herab, ohne sich Schaden zu tun. Ich höre im Garten eine Elster. 16. Juni. Aus dem im Frühjahr gebauten und für unbe- wohnt. gehaltenen Elsternest auf einem nicht sehr hohen Birnbaum des Gartens streicht auf mein Anklopfen an den Stamm eine Elster heraus. Die beiden sonst zur Verfügung stehenden Jagd- gewehre sind schadhaft. Ich versuche es daher am Nachmittag mit Flobert Kal. 9 mm und einer besonders sorgfältig geladenen Schrotpatrone. Der vom Nest abstreichende Vogel fliegt nach meinem Schuss noch etwa 60 Schritte weit und stürzt dann tot aus der Luft herab. Ich komme auf das sehr interessante Stück später in der Ornis Marburgs zurück. Das Nest ist überwölbt und hat nur einen Eingang von Nordosten. Während ich die 5 Eier ausnehme und ein Eisen ins Nest lege (bei Elstern ein ziemlich aussichtsloser Versuch) erscheint das Männchen ausser Schussweite, entfernt sich aber gleich wieder. 17. Juni. Es werden in diesen Tagen mehrfach flügge Haussperlinge gefunden, die nicht fliegen können, darunter einer, dessen Haut an zahlreichen Stellen beulenartig aufgeschwollen ist. In dem Syringenbusch am Hühnerstall finde ich ein Nest von Acrocephalus streperus mit einem Ei. In das Nest ist von aussen u. a. eine weisse Hühnerfeder eingeflochten. Die in den Büschen nistenden Rohrsäuger singen nur dann und wann am Nistplatz und eilen dann offenbar wieder auf längere Zeit ins Schilf des Teiches oder ans Rheinufer. Der eine treibt sich viel in den Zweigen eines Wallnussbaumes umher, der seinen Nistplatz überragt. 428 Otto Kleinschmidt: Infolge von Regen und Wind kommt ein Flug von Chelidon urbica sehr niedrig herab. Ich schiesse einige für die Schau- sammlung des Senckenbergischen Museums in Frankfurt. Die Vögel brüten hier nicht, der Weg von ihrem vermutlichen Brut- platz auf dem andern Rheinufer beträgt etwa Y/, Stunde. Wahr- scheinlich sind es Pärchen, denen die Nester zerstört sind. Zwei von ihnen haben am Kinn dunklere Gefiederbasis, die nicht von Beschmutzung herrührt, wieich mich durch Waschen überzeuge. Am Abend mache ich eine Exkursion auf eine Rheininsel ins Brutgebiet von Parus salicarius rhenanus. Ich sehe und höre nichts von den seltenen Vögeln, obschon diesmal infolge des niedrigen Wasserstandes selbst die tiefsten Stellen des Kopf- weidenbestandes zugänglich sind. Vor mir hin flüchten die Charaktervögel dieser Plätze, Erithacus Arboreus, Certhia bra- chydactyla (mit demselben Rufe wie in meinem Garten in Volk- maritz: dit-deh-dilehi), Elstern, Turteltauben. Inmitten grossartiger Sumpfvegetation höre und sehe ich plötzlich dicht vor mir einen Sumpfrohrsänger. Der Vogel wechselt zwar manchmal den Platz, bleibt aber dann lange aufeinem Punkt sitzen, so lange, dass ich nach einem Versager wieder spannen und den Vogel erlegen kann. Zum Glück bleibt er in einem Doldenstengel hängen, sonst wäre er in dem Sumpfpflanzengewirr kaum zu finden gewesen. Ich bin froh, endlich ein Belegstück vom Rhein zu besitzen.!) Ich schiesse noch einen der überall in Menge vorhandenen Acrocephalus streperus dazu, nachdem ich mir ein Pärchen aus- gesucht das noch keine Eier oder Junge hat, um beide Rohrsänger genau im Fleische vergleichen zu können. In der Nähe glaube ich auch Locustella naevia zu hören. Doch wird es schon dunkel. Im Gezweige der höheren Kopfweiden übernachten grosse Scharen von Hänflingen. 18. Juni. Haubenlerche singt hoch in der Luft. Ich nehme den Rest des verlassenen Rotschwanzgeleges im Garten- hause, präpariere es und untersuche es genau mit der Lupe. Dabei ergibt sich das überraschende Resultat: Sämtliche Eier zeigen einen roten Fleckenkranz ums stumpfe Ende, der 1) Herr Präparator Hilgert in Ingelheim schrieb mir kürzlich, dass er am 5. Juni schon zwei Männchen für das Museum von Erlanger erlegt habe und schickte mir dieselben auf meinen Wunsch zur Ansicht. Es sind echte palustris. Vierzehn Tage am Rhein. 429 nicht, wie ich zuerst vermutet hatte, auf nachträglicher Be- schmutzung beruhen kann. Nur ein Ei ist fast ungefleckt. Die Grundfarbe dieser Eier ist rein weiss. Neben sie und die gleich- falls reinweissen Eier aus dem Schwalbennest gelegt erscheint das zweite Gelege deutlich bläulich- oder grünlich-weiss. Ich habe etwa acht einzelnen Personen die Eier in bunter Reihe vorgelegt, und alle bezeichneten die des zweiten Geleges als die bläulich-grünen. So fein der Farbenunterschied ist, ist er also doch recht deutlich. Der Formenring Erithacus Domesticus ist mithin nicht nur „diplootokos“, sondern sogar £Zriplootokos. Meine auf Seite 359 des vorigen Heftes ausgesprochene Vermutung scheint sich also überraschend schnell bestätigen zu wollen, aber es zeigt sich hier auch, wie leicht man solche „Kleinigkeiten“, die indessen wissenschaftlich höchst bedeutsam sind, übersieht. Walter hat auch bei Cassel bläuliche Eier von E. Domesticus gefunden. Tobias besass nach Baer ein geflecktes Gelege. Dass ich beides am Rhein, mit Absicht danach suchend, so rasch fand, ermuntert zu der Untersuchung, ob vielleicht unser Hausrotschwänzchen in Spanien, in der Nähe von E. moussieri noch mehr „diplootokos“ wird, d. h. noch öfter blaue Eier legt. Am Abend des 18. Juni mache ich eine Excursion rhein- aufwärts. Ich ergreife eine eben ausgeflogene Pratincola Pratensis mit der Hand und erbeute mühsam 2 Rohrammern. Meine Frau beobachtet eine einzelne Sierna hirundo oder nigra. Ich sehe den Vogel nur noch in grosser Ferne und kann ihn im Dämmerlicht nicht mehr bestimmen. 19. Juni. Ich schiesse eine Pratincola Pratensis, ein jüngeres Männchen, dessen blasse Brust und fahlgraue Ober- seite wohl nur auf stärkere Abnutzung und Ausbleichen des jugendlicheren Gefieders zurückzuführen ist. Von einer Locus- tella naevia, die einen Nebenbuhler verjagt und lustig schwirrt, finde ich nach dem Schuss nur zwei Schwanzfedern im verfilzten alten Grase unter einem Weidenbusch. 20. Juni. Ich mache eine Excursion nach dem rheinauf- wärts gelegenen Auwald, der Knoblochsau, fange unterwegs wieder eine junge Pratincola Pratensis, beobachte unter den zahllosen Paaren dieses Vogels, die die Wiesen bevölkern, deutlich den Unterschied zwischen jüngeren fahlen und alten lebhafter gefärbten Männchen. An einem mit Weiden bepflanzten Graben 430 Otto Kleinschmidt: inmitten des Knoblochsauwaldes sehe ich auf einen Augenblick ein Pärchen von Parus salicarius rhenanus. Ein zweites Paar mit ausgeflogenen Jungen treffe ich in den Uferweiden des Altrheins an und versuche vergebens ein Junges zu fangen. Der angrenzende alte Eichenwald mit seinem Unterholz ist so dicht, dass er die Bewegung, den freien Ausblick und die Beobachtung ausserordentlich hindert; in der Hauptsache ist man auf das Ohr angewiesen. Am Fuss der Schwedensäule, (die Gustav Adolf zur Erinnerung an seinen am 7. Dezember 1631 an dieser Stelle ausgeführten Rheinübergang hier setzen liess), umtliegt mich mit ängstlich schnarrendem „fitt-arrr“ ein Pärchen Nachti- gallen, das gewiss hier Junge hat. Die Vögel leuchten grell rotbraun, sooft ein Sonnenstrahl, durch die Gipfel der mächtigen Eichen und Linden sich stehlend, ihr Gefieder trifft. Auch hier ist wieder eiumal Erithacus Poeta unbewusster poetischer Denk- malswächter. Der Vogel ist überhaupt häufig, und mehrfach höre ich trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit noch seinen Gesang. — Ich trete den Heimweg an; feuchtwarme Tropenhitze herrscht in dem „hessischen Urwald“ dessen üppiges Pflanzenleben einen gewaltigen Gegensatz zu den sonnenverbraunten Wiesen draussen bildet. Allenthalben huschen junge Vögel vor mir durch das Dickicht. In fast doppelter Mannshöhe hat ein Zaunkönig am Stamme einer jungen Eiche sein Nest errichtet. Eine mit weissen und gelben Seerosen anmutig gezierte Wasserfläche schimmert durch die grünen Weiden, das Asyl des aussterbenden Parus salicarius rhenanus. Im Schilf sitzt ein Acrocephalus stre- perus auf nur 3 frischen Eiern. Eine Eischale von Anas boscas liegt von einer Rabenkrähe säuberlich präpariert auf dem Pfade. Junge Staare fliegen truppweise umher, Pernis kreist. 21. Juni. Ich schiesse einen jungen Staar im Garten von einem Kirschbaum. Vergebens suche ich einen alten Vogel zu bekommen. Einmal, freilich auf weite Entfernung glaube ich einen unter der jugendlichen schmausenden und schwatzenden Schar zur bemerken. 22. Juni. Ich schiesse ein altes Männchen von Eritha- cus Domesticus vom Dache meines früheren Museums. Es hat etwas weissliche Stirn, die Flügel kurz wie die andern, aber der Schwanz ist erheblich länger. Ich vermute, dass dieses fremd zugezogen, mindestens ein neuer Eindringling ist, wenn er nicht zu einem mir unbekannten Neste gehört. Vierzehn Tage am Rhein. 431 23. Juni. Das Rotschwanzpärchen in der grossen Fabrikballe hatte schon seit einigen Tagen sein unvollendetes Nest verlassen. Ob mein täglicher Besuch schuld war, oder der einer unten weissgefärbten Schleiereule, die ich am 21. Juli in demselben Raum traf? Ob der neue Eindringling das Ehe- glück des Pärchens gestört hatte? Ich hatte während der letzten Tage den Bau eines neuen Nestes, in einem benachbarten Raum der Fabrik beobachtet, wieder stand es an schwer zugänglicher Stelie wie das erste, wieder war es mit Halmen ausgelegt. Zu- letzt wurde es mit Federn ausgefüttert, auch einer ausgefallenen Rückenfeder von der am 16. geschossenen und im Hofe präpa- rierten Elster. Die Federn stehen etwas über den Rand hervor, genau wie es König von einem Nest des E. moussieri beschreibt. Am 23. liegt endlich das erste Ei im Nest; es ist sehr gross und sehr rein weiss. Ich schiesse nun noch rasch das Männchen des am Hühner- hause brütenden Rohrsängerpaares aus der Krone eines der alten Nussbäume, die diesen Teil des Hofes beschatten. Es war höchste Zeit, denn eine Katze hat das Nest des dicht daneben brütenden Fliegenschnäppers geplündert, und das Rohrsänger- weibchen hat das Nest verlassen. Es wird nach solchen Er- fahrungen wohl so bald nicht wieder Ualamoherpe horticola sein wollen und sein Nest lieber am Ufer des Gartenteiches oder des Rheines bauen. Ich lege eine Falle aufs Nest. Einen Mauersegler möchte ich noch haben. Als ich die Patrone in den Lauf schiebe, um einen zu schiessen, sehe ich einen schwarzen Lappen im Hof liegen, der sich bewegt, und er- kenne näher tretend einen kranken flugunfähigen Segler. So ist mein Wunsch kaum gedacht, erfüllt, und ich kann die Patrone, eine der letzten mit gutem Schrot sparen für das letzte alte Rotschwanzmännchen, das noch abzuschiessen ist. Dieses (oder das gestern erlegte) Männchen gehört zu dem am Morgen genommenen Ei. Nur nicht zuletzt noch einen ärgerlichen Fehl- schuss, oder ein noch viel ärgerlicheres Krankschiessen! Aber ich weiss durch tagelange Beobachtung genau, welche Lieblings- plätze der Vogel abwechselnd befliegt, komme sofort zu Schuss und der letzte ist in meiner Hand, ein Prachtkerl, wieder kurz und klein gebaut, das ganze Gefieder so wohl erhalten und wenig abgenutzt, wie man es sonst etwa Ende April findet. Woran das liegt? Der Vogel hatte einen sehr weiten freien Eingang 432 Otto Kleinschmidt: zum Nistraum, er suchte seine Nahrung viel nach Fliegenschnäpper- art und oft war mir seine kurze Steinschmätzer-artige Ge- stalt aufgefallen, wenn er auf einem Schornsteine sass und empor- fliegend und sich überpurzelnd Fliegen fing. Ich holte nun noch das interessante „horticola“-Nest mit den vier Eiern und konnte, nachdem alles präpariert war, zur Abreise einpacken, die am 24. früh erfolgte. Von den Dächern rings sangen cairei-V ögel, die ich rasch am Morgen noch ein- mal mit dem Fernglas betrachtete. Ihnen hatte ich zu Nistplatz und Weibchen verholfen. Drüben am linken Rheinufer sah ich auf dem Weg zum Bahnhofe noch ein altes Männchen unten am Wasser, und am Bahnhof selbst flog plötzlich ein Hausrotschwanz herbei und ver- schwand im Stamme einer Rosskastanie Auf dem fortwährend sehr belebten Bahnsteig vielleicht vier Schritte von dem Schienengeleise inmitten des aus- und einsteigenden Publikums stand in einem Spalt des Baumstammes das Nest in Augenhöhe, aus dem eine Schar von völlig flüggen Jungen hervorguckte. So gab mir Erithacus Domesticus bis zuletzt das Geleite. Ob das Männchen schwarz oder grau war, konnte ich in den wenigen Minuten nicht feststellen. Es ist auch wohl gleichgültig und die cairei-Frage wohl abgetan, zumal Herr Bau als tüchtiger Beobachter seine frühere Ansicht selbst korrigiert hat. Aber eine andere cairei-Frage tritt nun um so mehr hervor, nämlich die: Sind in der terra typica: Darcelonette, in Frankreich und stellenweise bis zum Rhein, die Hausrot- schwänze, die dort brüten, als einheitliche kleinere Form „eairei“ von den deutschen zu trennen und unterscheiden sie sich von dem spanischen Erithacus Domesticus gibraltariensis? Oder kommen in alldiesen Ländern auch grosse Vögelbrütend vor? Schon beim ersten Durchmessen meines Materials (vergl. J. f. Orn. 1897 p. 110 und 111) fiel mir die geringe Grösse von 29 Rhein-Vögeln im Gegensatz zu 5 grossen Vögeln auf, von denen einer aus dem Erzgebirge, einer von Ingelheim und 3 möglicherweise östliche Durchzugsvögel waren. Auf Seite 359 und 360 dieses Jahrgangs habe ich die Masse von 8 rheinischen alten Männchen, den durchweg grösseren Massen von 9 alten Männchen aus anderen Gegenden gegen- übergestellt. Insbesondere fällt die konstant grosse Flügel- länge von vier Werra-Vögeln in dieser Tabelle auf. Vierzehn Tage am Rhein. 433 Und nun wieder lauter kurzflüglige und bis auf ein Stück auch lauter kurzschwänzige Vögel bei Nierstein. Jetzt nach meiner Rückkehr fällt mir auf, dass die Rotschwänze hier in Volkmaritz, auch die Weibchen, viel grösser und schlanker, besonders iangschwänziger sind als am Rhein. Bilde ich mirs nicht vielleicht nur ein? Ich schiesse ein altes Männchen. Flügel und Schwanz sind fast um einen halben Centimeter länger als bei den mitgebrachten Stücken vom Rhein, die Stirn ist weisslich. Aber ich zweifle immer noch, ob der Unterschied konstant ist und bitte Herrn Präparator Hilgert in Nieder-Ingelheim am Rhein, mir rasch ein altes Männchen von dort zu senden. Prompt wird meine Bitte erfüllt. Ich erhalte zwei frische Bälge und ausserdem zur Ansicht ein altes schön schwarzrückiges Männchen aus dem Museum C. von Erlanger. Alle drei Vögel haben langen Flügel und Schwanz, der eine, der abgenutzte Kehlfedern und schmutzige Füsse hat (von häufiger Nahrungssuche auf der Erde zwischen Pflanzen), zeigt einen sehr schwachen rostgelben Anflug am Bauch und unter den Flügeln. Ich stelle die Masse der Eier und Vögel hier zusammen: I. Eier. - 1. Rot geflecktes Gelege zu 5, (Bebrütungsgrad 3), Männchen und Weibchen jung: 19,5%X14,0 — 18,3xX13,5 — 19,4xX13,8 — 19,3%X13,8 — 19,4%X14,0 mm. 2. Bläulichgrünes Gelege zu 5, (Bebr. 0—1), hierzu vermutlich Vogel No. 1: 21,0X14,5 — 21,0X14,1 — 20,6%X14,4 — 20,9% 14,3 — (Ein Ei zerbrochen). 3. Weisses Gelege zu 6, (Bebr. 4), aus dem Schwalbennest, hier- zu Vogel No. 3: 20,4%X14,9 — 20,3% 14,6 — circa 20,5X14,5. (Beschädigt, die andern Eier ausgebrütet). 4. Weisses Einzelei, unbebrütet, hierzu Vogel No. 5 (oder No. 4): 21,5X 15,0. II. Vögel. 1 bis 5 Kornsand, 6 Volkmaritz, 7 bis 9 Ingelheim (9 in Coll. v. Erlanger). 434 Otto Kleinschmidt: No. Testes. Datum. Totallänge. _ Flugbreite. Flügel- _ Flügellänge i. Schwzl.Schult. eptz.b. Fleisch, i. Balg, exact. b. End. Schwz.- d.Ster- ende. nums 1.71/,.8. 13.VI. 111.1)15,6 25,44x* — 8,3-1x(8,1-x)6,5 2,9 2. mit rotgefleckter Brust und weisser Stirn: 51/70. 13.1.0. 11121556 25,7 2,6 84 (83) 6,5 2,9 3.5.6. 16.VI.. I-IL15,1 26,3* 2,4 855 (8,50) 65 23,9 l 1. 16,3 65 2,9 8,55 4.6.5-4x. 22.1. ! IL 15,4 263 3,0 8,55 III. 16,3 26,9 2,9 8,55 (8,55) 6,85 3,05 5.61/,.71/,.28.Vl. 115,9 26,6 2,85 8,55 (8,50) 6,5 2,9 6.4.5. 8VIL I. 16,8 27,2° 2,75 8,9-1x (8,8) 6,9 3,05 u 10.VI. en ee — a nie 16,1 97 26%, (8,8) 690,0 2 ee ee ES Sollte das Ergebnis, dass die gegenüber von Nierstein gesammelten Vögel fast durchweg klein sind, auf Irrtum oder Zufall beruhen? Wenn auch die Rubriken „Totallänge, Flugbreite und Entfernung der Flügelspitze vom Schwanzendet)“ bekanntlich keine genauen Werte ergeben, weil sie durch Deh- nung der beweglichen Teile, innere, unsichtbare Verletzungen des Skelets und dergl. sehr beeinflusst werden, so sind doch die drei letzten ganz sicher, nämlich die Flügellänge auf 1 mm, die Schwanzlänge auf !/);, mm, die Skeletmessung auf !/, mm genau. Aber in diesem Fall habe ich so oft und genau vergleichend ge- messen, dass die Unterschiede eher grösser als kleiner sind. Im frischen Herbstkleid würden die Flügel wegen der noch nicht abgeriebenen Spitzen um 1, bei Nr. 6 um etwa 2 mm länger sein. Dies stimmt gut mit meinen früheren Messungen von Herbst- vögeln überein und das Ergebnis der Tabelle wird dadurch nicht 1) „L“ — blutwarm, „II“ in der Totenstarre, „III.“ nach der Totenstarre gemessen. Man achte besonders auf die drei letzten Rubriken. Unter „Flügellänge“ ist die fett gedruckte Zahl das vergleichend am Balg genommene „Mass.“ * bedeutet, dass das Mass infolge einer Ver- letzung ungenau ist, -{-x, dass noch ein abgeschossener Teil hinzuzu- rechnen ist. 2) Diese drei Masse sind bei Nr. 8 von Herrn Hilgert genommen. Vierzehn Tage am Rhein. 435 geändert, da alle Vögel hier aus derselben Jahreszeit sind. Berücksichtigt man die Abnutzung, so stehen erst recht die früh- eren Tabellen völlig mit dieser letzten im Einklang. Es zeigt sich, dass der Unterschied nicht nur in der Flügellänge liegt, sondern, dass die ganze Gestalt des Vogels verschieden ist. Ich habe auch daran gedacht, ob etwa Federn, die im Begriff stehn, bald auszufallen, im Juli vor der Mauser sich vorschieben und so Flügel und Schwanz verlängern. Aber der Unterschied ist ja auch am Skelet und zu allen Jahreszeiten deutlich. Dass die kleinen schwarzen Männchen von 8,3—-8,6 cm Flügellänge die jüngeren sein sollten, und die mit 8,7—9,1 cm die ganz alten, vieljährigen Stücke, ist ausgeschlossen. Mag auch mit einigen Ausnahmen die Flügel- und besonders die Schwanzlänge wie bei fast allen Vögeln etwas im Alter zunehmen, so besitze ich doch zwei junge Männchen im ersten Herbst, beide schon mit 8,8 cm Flügellänge. Da das eine davon ein paradoxa-Kleid, das andre ein eairei-Kleid ist, da ich ferner beide alternative Kleider in den verschiedensten Grössen bis zu 8,3 cm herab besitze, so hat die Grössenvariation nichts mit der Variation des Jugendkleides zu tun. Auch an einen konstanten Grössenunterschied zwischen Vögeln der ersten und zweiten Brut ist, wie mein Material zeigt, nicht zu denken; weder bei Vögeln, noch bei Eiern. Man muss demnach an andre Möglichkeiten denken und zwischen folgenden Fragen entscheiden: I. Ist die Variationsbreite (zufällige individuelle Schwan- kung) der Flügellänge bezw. Grösse des ganzen Vogels wirklich so auffallend gross? Liegt sie in allen Ländern, wo Hausrotschwänze vor- kommen zwischen 8,3 und 9,1 cm Fittichlänge beim Männ- chen? Gibt es in Mittel- und Norddeutschland eben so oft kleine Vögel wie im Westen? Gibt es in Frankreich eben so viel grosse Vögel wie in Deutschland, oder ist dort das eine, dort das andere die Ausnahme? Das Ergebnis meiner Tabellen lässt letzteres möglich erscheinen, doch es genügt nicht zum Nachweis. ll. Gibt es eine nordöstliche grosse und eine südwest- liche kleine Form von Erithacus Domesticus? Ähnliches findet sich bei Dompfaffen und Sumpfmeisen. Sollte sich auch nur herausstellen, dass die Variationsgrenzen 436 II. Otto Kleinschmidt: (Maximum und Minimum) im Westen um etwa 2—-3 mm niedriger liegen, also etwa in Frankreich: 8,3—8,8 cm Fittich- länge, in Mitteldeutschland: 8,5—9,0 cm beim alten Männ- chen, so würde man sagen können, dass bei einem Zugvogel die Mischung bei der jährlichen Rückkehr zum Brutplatz grösser ist als bei Standvögeln und darum eine grössere Verschiedenheit der Formen unmöglich macht. Gegen die Bejahung von Frage II spricht a. der Umstand, dass es in Mitteldeutschland kleinere Vögel gibt. — So hat der mutmassliche Typus von Brehms paradoxa (vergl. pag. 372 dieses Jahrganges), allerdings ein junger Vogel und abnorm (vergl. Tafel II, Fig. 3) nur 8,3 cm Flügellänge — b. das häufige Vorkommen von grossen Vögeln am Rhein bei Ingelheim. Allerdings liegen dort die rechtsrheini- schen Berge sehr nahe, die vielleicht auch die grosse Form beherbergen könnten. Es ist merkwürdig, dass unter meinen rheinischen Sumpfmeisen es gerade auch zwei Ingelheimer Stücke sind, die mit den mitteldeut- schen Formen Ähnlichkeit haben. Wenn man wie von Tschusi und Hellmayr den Rhein nur als ein Mischgebiet ansieht, würde die Erscheinung b vollends verständlich sein. Ich besitze von Ingelheim auch ganz kleine im Herbst erlegte Exemplare. Hat der alte Brehm wieder einmal Recht? Brehm unterschied seine Rutieilla tithys paradoxa als kleine, schon im ersten Herbst schwarz werdende Form, die im Nadelwald lebt. Vergleiche hierzu seine Bemerkungen: 1850, Orn. Briefe, pag. 76, 1855, Vollst. Vogelf. Nachträge, pag. 415, 1858, Orn. Briefe, pag. 88, 1863, Orn. Jahrbuch 1892, pag. 158. Der vermutliche Typus ($ im paradoxa-Kleid) ist klein, Flügel 8,3 cm. Ein kleines $ meiner Sammlung im paradoxa-Kleid, von Kollibay in Schlesien gesammelt, trägt auf der Etikette den Vermerk: „Kleine Kolonie mitten im grossen Nadelholzforst.“ Meine vielen kleinen Vögel vom Rhein sind alle auf einer ganz isoliert gelegenen Fabrikanlage, die von Garten, Wiesen und Feld umgeben ist, geschossen. Ist Brehms Ruticilla paradoxa eine soge- IV. Vierzehn Tage am Rhein. 437 nannte biologische Subspecies ähnlich der Calamoherpe horticola Naumanns, eine immer wieder einsame Orte auf- suchende kleinere Rasse, eine Standortsvarietät, die zwar nicht auf ein Jugendkleid, aber auf eine gewisse Flügellänge beschränkt ist? Ich glaube weder an Naumanns Calamoherpe horticola, noch an Brehms Ruticilla paradoxa in diesem Sinne und meine, dass hier wieder wie in so vielen ähnlichen Fällen alle Gedanken an eine beginnende Art- entwicklung ins Reich der Phantasie gehören. Noch eine vierte ähnliche Erklärung muss ich behandeln. Sind die kleinen Exemplare die Nachkommen junger Vögel? Tatsache ist, dass von Brehm, Kollibay und mir kleine Vögel an einsamen Orten gesammelt wurden. Sind diese Vögel verkümmerte Individuen? Die Nahrungsverhältnisse sind im Walde und in Gärten eher besser als anderswo. An Blutauffrischung fehlt es gewiss nicht. Aber Raubzeug erscheint an einsamen Orten häufiger. Die alten Vögel suchen sich sicherere Brutplätze, oder wenn sie hier brüten, müssen sie bald ihr Leben lassen. Sie werden durch junge Vögel ersetzt. Die jungen cairei-Männchen in ihrem ge- schützten weiblichen Kleide entgehen leichter ihren Feinden. Aus den kleinen Eiern junger Pärchen kriechen kleinere Junge. Ist das richtig? Nein, denn in Nierstein teilten die fünf schwarzen Männchen ganz vergnügt den Wohn- ort mit Steinkauz, Schleiereule, Steinmardern und wildernden Katzen. Zwar vier von ihnen waren klein, aber bei dem einsam mitten im Walde gelegenen Schloss Berlepsch erlegte ich lauter grosse Vögel. Dass der Schluss: Kleine Eier — kleine Vögel nicht so ohne Weiteres richtig ist, werde ich später an anderer Stelle nachweisen. Die Flügellänge der Männchen einer und derselben Brut ist nicht gleich. Wie leicht ist es denkbar, dass sie von Gene- ration zu Generation um 1 mm zu- oder abnimmt. Aber trotz all der grossen Schwankungen stehen die heutigen Hausrot- schwänze noch genau, auf den Millimeter genau, zwischen den gleichen Extremen wie die vor 50 und zum Teil vor fast 100 Jahren gesammelten Vögel des alten Brehm. Es gibt also feste Wachstumsgrenzen, sei es dass Variation und ausgleichende Blutmischung im Gleichgewicht Journ, f. Orn. LI. Jahrg. Oktober 1%3, 29 438 Otto Kleinschmidt: stehen, sei es dass im Vogel selbst ein physiologi- sches Gesetz liegt, ein Gesetz ähnlich dem Gesetz der symmetrischen Kongruenz, ähnlich dem Gesetz der Propor- tion der Körperteile unter sich, das Gesetz der Kongruenz jedes Körperteils und der Arbeit, welche er leisten muss, wie sie die Natur mit eiserner Strenge von ihm ver- langt. Dies Postulat der Natur, diese Arbeit wechselt mit dem Land, aber nicht mit der Zeit fortwährend von Tag zu Tag. Vor mir liegt der Balg eines „casrei“-Männchens von Nierstein vom 14. März 1893. Der Vogel hat links etwas zu langen Flügel und auffallend langen Schwanz. Aber vier neue ausgewachsene Schwanzfedern sind um 3 mm kürzer. Die vorstehenden Spitzen der alten Federn sind stark abge- nutzt und die vorstehende Schwinge des linken Flügels des- gleichen. Letztere ist sogar im Begriff, sich auf sehr einfachem mechanischem Wege wieder abzurunden, also um 2 mm kürzer zu werden. Der Organismus korrigiert also schleu- nigst und zwar noch vor der Mauser den Fehler, den das Gefieder in üppigem Jugendwachstum gemacht hat und die Flügelschwanzformel reduziert sich von Ban 8,5 6,9 6,6 Warum erhält oder vermehrt der Vogel nicht die er- langte Gefiedergrösse? Jeder Ingenieur, ja jeder Handwerker wendet das Gesetz der innern Kongruenz praktisch an. Warum sollten wir Naturforscher, wir Biologen nicht ver- suchen, seine Geheimnisse der Natur abzulauschen, und endlich erkennen, dass fertige Formen, abgeschlossene Ringe, nicht ziellose Entwicklungsreihen vor uns liegen. Die kleinen kurzgebauten Rotschwänze vom Rhein sind also die untere Wachstumsgrenze der mitteldeutschen oder einer etwas kleineren westlichen Form (cairei oder gibral- tariensis?). Aufalle Fälle zeigensie diegrosse Ähnlichkeit, die zwischen unserm Hausrotschwanz und Erithacus moussieri besteht, sehr deutlich. Als ich die Tafel II ent- warf, da dachte ich: Gewiss wird jeder, der diese Abbildungen betrachtet, sich sagen: Der Vogel hat aber doch ein richtiges Wiesenschmätzergesicht. Gerade dass er diese Maske tragen muss, ist das Interessante. Wer es für unmöglich hält, dass Erithacus moussieri ein verkappter Erithacus Domesticus Vierzehn Tage am Rhein. 439 ist, den bitte ich, es mir mitzuteilen. Ich habe noch einige überzählige Stücke der Tafel II hier, und es ist überraschend zu sehen, wie der Wüstenrotschwanz sofort den ächten un- verfälschten Gesichtsausdruck des Hausrotschwanzes bekommt, wenn man sein Porträt ein wenig mit Schwarz und Grau koloriert. Soweit mein Vorrat und meine Zeit reicht, bin ich gern bereit, zweifelnden Fachgenossen durch Übersendung der betreffenden Tafel die einfache Metamorphose zu zeigen. Aus einem Wiesenschmätzerbilde kann man nicht durch ein- faches Antuschen einen Rotschwanz machen, wohl aber aus einem Bild, das schon vorher ein Rotschwanzbild war. Es ist auch ein Stück von jenem Gesetz, das jeder Ingenieur kennt, dass es bei einer leistungsfähigen Maschine auf die Form ankommt und nicht auf den äusseren Anstrich. Dass jene Kongruenz zwischen Tierkörper und höchster Leistungs- fähigkeit aber selbst für die Farben und Zeichnungen gilt, werde ich vielleicht später einmal zeigen und zwar u.a. gerade an Erithacus Domesticus und dem vermutlich in den- selben Lebensring gehörigen E. moussieri. Es gibt auch in der vielschaffenden Natur nur bestimmte Formen, Grössen- verhältnisse, Zeichnungen und Farben, in denen Leben möglich ist. 440 Ornis von Marburg an der Lahn. Von Otto Kleinschmidt. (Fortsetzung von Seite 393 dieses Jahrgangs.) Namenkreis Turdus L. Auch wenn man die Drosseln mit Rücksicht auf den zu grossen Umfang der Gattung in mehrere Genera einteilen zu müssen glaubt (Merula, Turdus, Geocichla ete.), sollte man nomen- klatorisch an einer Hauptgattung, einem Namenkreis festhalten, um bei Neubeschreibungen und nomenklatorischen Regelungen gleichlautende Namen in sehr nahestehenden Gattungen zu ver- meiden. Dann bleibt die Nomenklatur trotz aller systematischen Geschmacksrichtungen einheitlich. Bei uns einheimisch sind nur sechs Formenkreise, nämlich zwei mit Amsel färbung, davon einer boreal-alpin, zwei grosse mit grober Drosselfleckung und reinweissem Unterflügel, davon der eine mehr boreal, und zwei kleine mit feiner Drosselfleckung und rostfarbenem Unterflügel, davon der eine fast ausschliesslich boreal. Mag dies Schema Zufall sein, gekünstelte Mnemotechnik für Anfänger, oder mag es auf eine von uns noch nicht begriffene Weise in der Natur begründet sein, soviel ist sichere wissenschaftliche Tat- sache, dass die äusserlich sich ähnlichen Formen dies eben nur für das Laienauge sind, nicht wirklich verwandt, nicht Glieder eines Lebensrings. 9. Turdus Vernus. Man könnte sie ebensogut Winterdrossel nennen, aber sie verdient einen poetischen Namen als erster Frühlingssänger: die Schwarzamsel. Fast hätte ich ihr den Namen des Haussperlings gegeben, denn von Hausdächern ja vom rauchenden Schornstein herab begrüsste mich ihr Lied, als ich am 21. April 1891 in Marburg meinen Einzug hielt. „Aber warum nicht Zurdus merula. L. oder Turdus merula merula® Warum Linne aufgeben % Ich entgegne allen, die mich so fragen: „Ihr seid es ja, die Linne ignorieren und umgehen. Ich schlage seine Werke auf und frage, was sein Turdus merula ist, ob er identisch ist mit unserer Schwarzamsel. „Da kann es sich doch nur um die minutiösesten Unterschiede handeln, die keine Artverschiedenheit begründen“, wird man mir erwidern. Ganz recht! Gerade weil es nur gering- fügige äusserliche Farben- und Grössenunterschiede sind, die von Ornis von Marburg, Turdus Vernus. 441 Land zu Laud die Amselformen trennen, darum kann unsere Amseljsystematisch, biologisch und faunistisch nur dann richtig beurteilt werden, wenn man sie als Glied des grossen Formen- ringes kennen lerut, von dem Turdus merula L. nur ein kleiner Teil ist. Der Lebensring Turdus Vernus unterscheidet sich von den andern Drosseln durch die kurz ab- gerundete Flügelspitze. Die Aussenfahnen der Schwungfedern sind bis zur VI. verengt (bei den andern bis zur V.) Formen: 1. Schweden. Turdus Vernus merula (L.) 1758. Grösste bis jetzt gemessene Flügellänge 13,6 cm (Hartert). Nach Linnes Angabe: „pullus primo anno, etiam masculus, rostro nigro,“ scheinen alte Weibchen mit gelblichem Schnabel vorzukommen. Nach der Fauna Suecica (p. 70) lebte der Vogel 1746 schon in Gärten („in hortis neglectis“). Wallengreen sagt (Naumannia 1854, pag. 128): „Im südlichen Schweden bleibt sie auch während des Winters in grösserer Menge.“ 2. Italien und Südfrankreich? Turdus Vernus montanus (Dresser) B. o. E. ll. p. 9, 1872 (nach Salvadori ein münd- lich gebrauchter Name von Savi.) Fragliche Form, deren Weibchen oft sehr rostrot sein sollen. Wahrscheinlich gehören hierher die Vögel, von denen C. L. Brehm in einem Brief an Olphe-Gaillard (Orn. Jahrb. 1892, p. 150) bemerkt: „die Merulae nigrae mit Rostfarbe scheinen mir eine Art von Ausartung zu sein, welche aber merkwürdig genug ist.‘ (Vergl. auch Orn. Jahrb. 1592 p. 149). Jedenfalls stammten also die Stücke vom Vogel- markt in Lyon. Ich besitze einen jungen Vogel in beginnender Mauser, sehr rostrot gefärbt, der wohl zweifellos zu den Stücken gehört, auf die sich diese Bemerkung Brehms bezieht. Es fragt sich, ob nicht all diese Vögel Marktware aus Norditalien sind. Nord- und Süditalien haben meist verschiedene Formen, ob auch hier die Apenninen zwei Formen trennen ? 3. Sardinien. Vermutlich eine besondere Form mitschwach- gefleckter Brust im weiblichem Kleide, die ich aber vor- läufig noch unbenannt lasse. Zwei pulli, der eine unten mehr grau, der andere mehr rostfarben, sind beide an der Brust nur klein und matt gefleckt. Ebenso sind bei zwei Weibchen die Flecken auf der Brust verschwindend klein und matt. Das eine ist rostrot, das andere auf der ganzen Unterseite reingrau. Die Schnäbel sind dunkel. Von 3 Männchen werde 442 Otto Kleinschmidt: ich eines weiter unten besprechen. Die Vögel messen: g ad. 13,1 cm Flügellänge, $ jun. 12,7 und 12,5, © 12,0 und 11,9. Aber diese erwachsenen Vögel sind alle im Januar und Februar | gesammelt. Zwei Männchen von Ende April, die durch meine | Hände gingen, waren leider nicht alt, daher nicht massgebend. | Es kommt darauf an, ob weibliche Sommervögel konstant oder wenigstens vorwiegend die schwachgefleckte Brust haben. | 4. Marokko. Turdus Vernus mauritanicus (Hartert). Nov. Zool. 1902, pag. 299 (Wanderjahre pag. 306). Terra typica ist das Mischgebiet von Nord- und Süd-Marokko bei Mazagan. Vor mir liegt ein Pärchen, angeblich im Herbst in Süd-Marokko gesammelt. Das © ist unten dunkelgrau, auch an der Kehle. Auf diesem dunklen Grund verschwimmt die matte Fleckung. Der Schnabel ist prachtvoll hochgelb, lebhafter als bei dem noch nicht ganz alten J. Masse: J 12,4 — 8 12,8 cm Flügel- länge. Zweiundzwanzig Eier von Nord-Marokko variieren in Grösse und Färbung ebenso sehr wie deutsche Eier. Ich messe 2. B. 35,0 X 22,3 und 28,2 X 20,5. Höchste Gelegezahl scheint 4 zu sein. Die (anscheinend 6) sehr nachlässig von Laien ge- sammelten Gelege weisen recht bunte Varietäten auf, die ich aber alle genau ebenso unter 30 deutschen Eiern aus 14 Gelegen vertreten finde. Dagegen fehlt bei den afrikanischen Eiern der Typus unserer deutschen Amsel, der normalen Eiern des Eichel- hähers ähnelt. Erst wenn sich in vielen Sammlungen dasselbe Resultat ergeben sollte, könnte man sagen, dass bei mauritanicus eine gröbere und weniger dichte Fleckung vorwiegt. 5. Canaren. Terra typica Teneriffa. Turdus Vernus cabrerae {Hartert). Novit. Zool. 1901, pag. 313. (Wanderjahre pag. 94 vergl. auch pag. 306). Diese Form hat nach Hartert kurze Flügel (nur 12,6 bis 12,8 cm) und kurzen Schwanz, wodurch sie sich auffallend von der langschwänzigen Form mauritanicus unter- scheidet. Die Weibchen haben bräunlichen Schnabel und sind an Kehle und Brust dunkler und weniger rotbräunlich als unsere Amseln. Wie beim Sperber und grossen Buntspecht scheint auch hier die sardinische Form der canarischen Ähnlich zu sein, denn an meinen Sardiniern fällt mir auch auf, dass sie sehr kurz- schwänzig sind, besonders neben den zwei langschwänzigen Marokkanern. Hartert hat an den citierten Stellen zweimal einen klaren Überblick über den Formenring gegeben und weist neben- her auch auf biologische Unterschiede hin, z. B. auf den Umstand, Ornis von Marburg, Turdus Vernus. 443 dass die Form cabrerae nur zwei bis drei Eier, oft sogar nur eins legen soll. Interessant wird die Frage sein, ob auf Madeira dieselbe Form vorkommt. Ich besitze von dort ein von Hartwig gesammeltes Ei, das Herr Schalow mir schenkte. Es ist sehr klein (nur 27,0 X 21,0 mm) und hat einen Kranz von zum Teil sehr grossen verwaschenen Schalenflecken mit ein paar schwärz- lichen Punkten dazwischen. 6. Syrien. Turdus Vernus syriacus (Hempr. u. Ehrb.) _Symb. phys. 1528. Noch fragliche Form. Schnabel lang und schlank, Weibchen unten grau. Hierher gehört als Synonym: Merula dactyloptera Bp. C. R XLIII. p. 412 (1855), nach einer merkwürdigen Abnormität im Pariser Museum beschrieben. Turdus intermedius (Richm.), Thian-Schan und Turdus maai- mus (Seebohm), Kaschmir bilden vielleicht nur eine grössere Form und gehören wohl mit in den Formenring Turdus Vernus. Desgleichen vermutlich auch der chinesische Turdus mandarinus Bp. (sinensis Less.). Doch muss die geographische Verbreitung dieser und anderer Formen noch genau ermittelt sein, ehe man den Formenring abschliessen kann. Hier kommt es vorerst nur darauf an, den genügend weiten Gesichtskreis für die Verwertung meiner Marburger Sammlungen und Beobachtungen zu gewinuen, die ich nun folgen lasse: L Eier. A. Marburg. 10. Mai 92. Fichte im Wald, Nest in Höhe von etwa 2!, m. 1 Ei bei 4 kleinen Jungen, faul und taub. Fleckung sehr fein, dicht verteilt, flockig auf lebhaft gefärbtem Grunde. 30,9 X 20,5. 10. Mai 95. Niedrig in einer Hecke, 2 Eier. Reste von mindestens noch zwei andern Eiern. Schnecke in dem verlas- senen Nest. Färbung abnorm, schön blaugrün mit grossen lebhaft roten Flecken, die bei einem Ei am stumpfen Ende gehäuft stehen. 27,1 X 21,1 — 28,1 x 21,3. Erhöhte Falten laufen über die ganze Ei- fläche vom stumpfen zum spitzen Ende herab schief nach rechts. DieFleckung zeigt dagegen keineDrehung. 26,3 X 21,0. Fleckung mittelfein flockig. Fichte im Wald. Gelege zu 4 (Bebrütung 2,5). 3 Eier dichtflockig gefleckt, eines davon mit schwarzen 11. Mai 92. 22. Mai 9. [5 [#11 444 14. 17. 28. 13. 25. 28. . Juni 94. Juni 94. Juni 94. Juni 92. Juli 92. Otto Kleinsebmidt: Haarlinien am stumpfen Ende, das vierte Ei auf lichtem Grunde grob gefleckt. 31,7 X 22,0 — 31,2 x 21,6 — 32,0 X 22,0 — 31,5 X 21,9. Dies Ei, das grobfleckige, hat eine rote Haarlinie. Zwei Eier; drei lagen in dem verlassenen Nest in einem Busch zwischen Gärten. Ein Ei ausgefressen, eins mit kleinem Loch von etwa 3/, mm Durchmesser nahe dem stumpfen Ende. Fleckung fein. 30,8 X 21.7.0317. gr orientalis (Seeb.) 1888, Caucasus — Persien. Der Ringdrossel bin ich bei Marburg nie selbst begegnet, ich sah aber mehrere in Hessen auf dem Zug erlegte Stücke der nordischen Form. Ein $ der Universitätssammlung stammt nach dem Katalog aus der Umgebung von Marburg (1888). In den Zugmonaten war ich meist abwesend, überwinternde Stücke scheinen in Westdeutschland nicht vorzukommen. Der nordische Vogel hat, wie ich finde, eine etwas längere Flügelspitze als die Schildamsel der Schweiz, und bei letzterer ist sie tiefer gefingert, 30* 456 Otto Kleinschmidt: was besonders an der V. Schwinge auffällt. Doch ist die Varia- tion nach Alter, Geschlecht oder Zufall so gross, dass dieser Unterschied noch an grösserem Material zu prüfen ist. Vielleicht ergibt sich daraus noch ein Unterschied zwischen deutschen und Schweizer Vögeln. 11. Turdus Arboreus. Formen: 1. Turdus Arboreus viscivorus (L.) 1758, Schweden. 2. Turdus Arboreus meridionalis (Brm.) 1855, Algerien. (Syn. Turdus viscivorus deichleri Erl. Orn. Mtsber. 1897 p. 192. Cf. v. Erlanger, Avif. Tunesiens J, f. Orn. 1899. p. 248.). 3. Turdus Arboreus bonapartei (Cab.) J. f. Orn. 1860 p. 183. Himalaya. Die Misteldrossel ist die wahre Baum- und Hochwalddrossel. Beim Suchen nach Raubvogelhorsten findet man ihr Nest, meist hoch auf ziemlich starken Buchen oder Fichen, so dass man die Steigeisen braucht, um es zu erreichen. Einmal fand ich es auf einem schwächeren Baum, einmal auch niedrig. I. Eier. 29. April 94. Bei Marburg zwei Eier bei 2 Jungen,. eins faul das andere Bebr. 5. 33,5x22,9 — 32,9X23,0. Die Hälfte eines ausgebrüteten Eies war über das bebrütete Ei gestülpt. Nest von Moos und Zweigen, innen weisse Fasern. 22. April 96. Schloss Berlepsch, Vier Eier aus einem Nest, das innen mit z. T. noch grünem Gras ausgelegt war. Bebr. 0. 28,3X21,3 — 28,0X21,1 — 27,9X21,1 — DANN. 24. Mai 99. Rosenthal bei Marburg, 29,5 22,0 bei zwei Jungen und einem defekten Ei. Die Eier sind auf blass bläulichweissem, bei einem Ei bräun- lichweissem Grunde mit einzelnen gleichmässig über die ganze Oberfläche verteilten Flecken und Schalenflecken gezeichnet, während ein schwedisches Ei vom 13. Juni 91 auf lebhafter grünlichweissem Grund die Flecken am stumpfen Ende zu dichten Kranze gehäuft zeigt. Ornis von Marburg, Turdus Arboreus. 457 I. Vögel. pullus 8. Mai 94 bei Marburg, aus dem Nest genommen. es 7 Juli 91 „ 2 Flügel 15,5--x cm. g ad. 10. Febr. 99 „, * ale: m Q ad. 16. Nov. 94 „, n nl $ Ein Weibchen aus Ostpreussen misst 14,7, ein junges $ aus dem Kaukasus 15,0, ein Vogel von Eisleben in der Sammlung des Herrn Apothekers Feige daselbst 15,8 (1. Nov. 84). In der Färbung der äusseren Schwanzfeder, die sehr variiert und oft unsymmetrisch ist, finde ich keinen Unterschied. Beim Himalaya-Vogel (Mus. Senckenberg) messe ich 16,6 cm, bei einem Rüppellschen Stück von Suez daselbst 15,5 cm Flügellänge. Die nordafrikanische Form ist zweifelhaft und von Erlanger wieder aufgegeben. Nach Erlanger sollte sie blasser sein, nach Brehm auf der inneren Fahne der Schwungfedern viel und scharf abgeschnittenes Weiss haben, nach Cabanis, der auch das abge- tragene Gefieder betont, kleiner sein. Es verlohnt sich vielleicht, auf Grund dieser drei Angaben nochmals ein reicheres Material zu prüfen, als es diesen drei Autoren vorlag. Turdus hodgsonv hat, wie Cabanis und neuerdings wiederholt Hartert nachweist, mit der Misteldrossel nichts zu tun. III. Beobachtungen. Das niedrig stehende Nest (bei Schönstadt) enthielt am 30. April 99 2 Eier, die nach einigen Tagen verschwunden waren. Die Abweichung des Vogels von seiner sonstigen Gewohnheit hatte sich also gerächt. Das Nest, aus dem ich am 8. Mai das Junge nahm, erinnerte durch seine Baustoffe (Moos und feine Hölzchen) sehr an die Farben eines nahestehenden Finkennestes. Ein Nest der zweiten Brut wurde am 10. Juni 94 mit frischen Eiern bei Marburg gefunden. Am 24. Januar 96 hörte und sah ich Misteldrossein bei Schloss Berlepsch und erlegte eine am 28. Januar. Die hessischen Brutpaare sind also vielleicht Standvögel. Einen am 24. Januar 96 daselbst gehörten (soviel ich mich entsinne, nur leise aus der Ferne vernommenen) Gesang kann ich nur dieser Drossel zuschreiben. 458 Otto Kleinschmidt: Der hessische Brutvogel hat an der VI. Schwinge noch eine schwache äussere Einschnürung, doch ist dies vielleicht nur Ab- reibung des weniger widerstandsfähigen weissen Saumes. Immer- hin ist das für die Untersuchung der nordafrikanischen Form ein weiterer Fingerzeig. 12. Turdus Socius. Formen: 1. Turdus Socius pilaris (L.) 1758. Schweden. 2. Turdus Socius fuscilateralis (Brm.) 1831. Deutschland? Die Wachholderdrossel kenne ich aus Hessen bis jetzt nur als Wintergast, nicht als blossen Durchzügler und nicht als Brut- vogel. Notiert habe ich von vielen Beobachtungen nur folgende Daten: 23. Nov. 95 (Schloss Berlepsch), 10. Dez. 92, 6. Jan. 93 (an Vogelbeeren) und 5. Febr. 93 (Marburg). Dasselbe gilt vom Rhein bei Darmstadt (Kornsand): 4. und 5. Jan. 95 (einzeln), 27. u. 31. März 94 (Flug), 9. April 95 einer von den Durchzugsvögeln singt. Nach Wallengreen überwintert die Wachholderdrossel in Schonen in grösseren Scharen. Sind das nur alte Vögel, und kommen die bei ungünstiger Witterung erst mitten im Winter zu uns herab? Findet ein Nachrücken statt, oder eilen auch hier die hochnordischen Züge zuerst über die südlicher wohnenden!) hinweg? Wo kommen die Vögel her, die den Winter bei uns verbringen und die, welche erst wegziehen, wenn die deutschen Krammetsvögel schon beinahe brüten? Hat dieser Vogel feste Heimatsitze und Winterquartiere, oder ist er ein Zigeuner im Winter und zum Teil im Sommer auch? Ist er wirklich erst in Deutschland Brutvogel geworden oder es längst gewesen? Wahrscheinlich ist es geradezu, dass damals, wo überall Vogelherde und Dohnenstiege drohten, die wenigen deutschen Vögel nur in sehr wenigen Paaren ihr Leben aus all diesen Gefahren retten konnten, da sie ihnen vor dem eigentlichen Herbstzug ausgesetzt waren. Begreiflich wäre ferner die Annahme, dass dieser fast ausgestorbene Bestand nur versteckt und dem 1) Vergl. die scheinbar widersprechenden Beobachtungen Naumanns (Naumannia 1854 p. 157). Das Verlassen der Nistplätze und Umher- streifen einzelner Vögel, wobei sie gefangen werden, braucht aber noch nicht den Zug zu bedeuten. Ornis von Marburg, Turdus Soecius. 459 Menschenauge verschwindend sein Dasein fristete, bis aus ver- schiedenen Ursachen günstigere Zeiten für ihn kamen. — Eine Beantwortung all dieser interessanten biologischen Fragen wird nur dann möglich werden, wenn es gelingen sollte, zwischen den bei uns und den im fernen Nordosten Europas brütenden Wach- holderdrosseln einen Unterschied zu finden. Nun hat Chr. L. Brehm schon 1828 in der Isis (p. 60—80) mehrere Formen getrennt und später noch den deutschen Brut- vogel wegen der stark braun gefleckten Seiten als Form: fuseci- lateralis oder fusco-lateralis (= juniperorum, partim), cf. Naumannia 18535 (p. 15 u. 16) beschrieben. A. Dehne zog im Jahre 1853 mehrere aus dem Nest genommene Vögel auf und fand an ihnen das Brehm’sche Merkmal bestätigt (cf. Naumannia 1854, pag. 37). Ich habe die Brehmschen Originalstücke in Renthendorf und in Tring in Händen gehabt. Damals schienen mir die braunen Seiten auf Abnutzung der lichten Gefiedersäume zu beruhen. Dasselbe könnte bei Dehnes Vögeln der Fall gewesen sein infolge der Abreibung der Federspitzen durch Umherflattern im Käfig, umsomehr, als Dehne selbst bemerkt, dass seine Vögel scheu waren und bei Annäherung eines Menschen ängstlich in der Voliere umherflogen. Brehm und Dehne scheinen ihre Vögel nicht mit Brutvögeln anderer Länder verglichen zu haben. Dies allein aber kann betrefis der von Brehm behaupteten oder anderer Unter- schiede, die sich finden könnten, hier den Ausschlag geben, wenn man Brutvögel nicht nur aus Deutschland und Schweden, sondern auch solche aus beiden Ländern einerseits und Nord- russland-Sibirien andererseits in genügenden Serien vergleicht. Das Material wird leicht zu beschaffen sein. Die Schwierigkeit besteht nur darin, alle auf Alter und individueller Variation beruhenden Unterschiede als solche zu erkennen. Vor mir liegen 7 Turdus Socius, die grosse Verschiedenheiten zeigen. Vorläufig will ich diese nur anführen, aber jeden Versuch einer Deutung derselben unterlassen: 1. g 31. III. 92 Trakehnen, Oberkopf fast schwarz, Nacken, Rücken, Brust und Seiten sehr grob schwarz gefleckt, Flügel 14,6 cm. 2. 85. U. 93 Marburg, No. 1 ähnlich, aber alle schwarzen Flecken etwas weniger breit, das Rostbraun der Vorderbrust dagegen lebhafter, sehr intensiv, Flügel 14,6 cm. 460 3. 4. Otto Kleinschmidt: g 6. I. 93 Marburg, in allen Teilen viel lichter gefärbt als die vorigen, Flügel 14,6 cm. Q 6. I. 93 Marburg, No. 3 sehr ähnlich, aber noch lichter. Das Geschlecht dieses blassen, aber grossen Vogels ist durch Sektion bestimmt, doch habe ich auf der Etikette die Grösse des Ovariums nicht angegeben. Unsicherheit der Geschlechts- bestimmung ist also nicht ausgeschlossen. Flügel 14,5 cm. . 2 25. IV. 97 Reinhardsbrunn, mit Brutfleck, im Oviduct Eigelb und Eiweiss, am Neste erlegt, (die frische Haut mit sorgfältigen Daten mir von Thielemann zugesandt). Oben licht, Zeichnung der Unterseite von allen abweichend, am ähnlichsten noch No. 4. Flügel 14,0 cm. . — 7. 1Il. 90 Rhein bei Darmstadt, oben licht, unten lebhaft gefärbt, No. 2 ähnlich, aber Zeichnung viel feiner, viele schwarze Hufeisen-Linien an den Brustseiten, Flügel 14,2 cm. . W. Ende Januar 02 Rhein bei Darmstadt, ausserordentlich licht, die Vorderbrust auf ganz blassem Grunde nur mit ganz wenigen schwarzen Pfeilflecken, an den Brustseiten gleich- falls schwarze Hufeisenlinien, Flügel rechts 13,6, links 13,7 cm. Bei 3, 4 und 7, den blassen Vögeln, ist die Il. Schwinge erheblich länger, bei 1 erheblich kürzer als die V., bei den übrigen sind sie gleich oder fast gleich. Alle diese Verschiedenheiten können noch innerhalb der normalen Variationsweite einer Form liegen. An den drei Stücken, die ich bei Marburg schoss, ganz besonders bei den beiden vom 6. Januar, fällt ihre grosse Übereinstimmung, gegenüber den gleichfalls einander ähnlich gezeichneten Vögeln vom Rhein auf. In anderer Hinsicht ähneln sich wieder die in gleicher Jahreszeit erbeuteten Stücke. Der Turdus fuscilateralss Brm. ist also eine noch unbe- wiesene Form, aber ebensowenig ist erwiesen, dass alle in Deutsch- land als Bürger oder Gäste weilenden Wacholderdrosseln der Turdus pilaris L. sind. 13. Turdus Bragi. Die Singdrossel ist in den Marburger Wäldern und in Hessen überhaupt ein häufiger Brutvogel. Das ist nichts Neues, aber ob unsere Singdrossel oder Zippe Linnes Turdus musicus Ornis von Marburg, Turdus Bragi. 461 ist, das ist mehr als fraglich. Linne hat seinen Turdus musicus so merkwürdig beschrieben, dass ihm entweder eine andere uns noch unbekannte Form der Zippe oder ein Individuum des folgenden Formenrings vorgelegen haben muss. Die Frage, was Linn‘ da gemeint hat, ist eine rein historische Frage und muss als solche nach schlicht historischer Methode angefasst werden. 1746 unterscheidet Linn& in der Fauna Suecica 6 Nummern unter der Gattung Zurdus, nämlich: Schwarzamsel, Schild- amsel 9, Schildamsel $, eine rotschwänzige Drossel, welche aber nicht Turdus naumanni Tem., sondern der Unglückshäher ist, Wacholderdrossel, und zuletzt folgt die Beschreibung eines Turdus, die ein Gemisch der Sing- und Wein- drossel ist, freilich vorwiegend die erstere meint, während die Diagnose mehr auf letztere zu passen scheint. 1758. Inder für uns hier massgebenden Ed.X. des Systema naturae hat Linne erkannt, das es zwei kleine Drosseln gibt. Nun unterscheidet er iliacus, alis subtus flavescentibus ...... (Linea nulla superciliorum alba) und musicus, alis subtus ferrugineis,linea superciliorumalbicante. 1766, in der XII. Ausgabe finden sich die Diagnosen um- getauscht und nun ganz klar: iliacus, alis subtus ferrugineis, superciliis albicantibus. musicus, remigibus basi interiore ferrugineis. (Von einem Superciliarstreifen wird nichts erwähnt.) Die Autoren folgen nun alle der XII. Ausgabe, für uns ist aber nicht die Benennung der meisten Autoren massgebend, son- dern die, welche die Priorität hat, also die der Ed. X. Die wissen- schaftlichen Namen der Sing- und Weindrossel wären also um- zutauschen. Doch so einfach ist die Sache nicht; Liune hat in der ÖOriginalbeschreibung seines Turdus musicus (1758), den letzten Turdus seiner Fauna Suecica von 1746 eitiert. Rajus eitiert er schon 1758 in demselben Sinne wie 1766. Vielleicht finde ich später einmal Zeit, die Angelegenheit, die doch einmal klargestellt werden muss, bis in alle Einzelheiten zu behandeln. 462 Otto Kleinschmidt: Es kommt dabei auf die Frage an: Ist die jetzt übliche Benennung von 1766 eine Vertauschung derjenigen von 1758, oder hat Linne nur Ungenauigkeiten berichtigt. Nicht die Meinung einzelner oder vieler, sondern klare Kritik hat hier zu entscheiden.!) So wenig naturwissenschaftlich diese rein historisch-philo- logischen Erörterungen sind, so haben sie doch das Gute, dass man nicht nur die alten Autoren, sondern auch die Vögel aufs Eingehendste studieren und von geographischem Gesichtspunkt aus vergleichen muss. Unter diesen Gesichtspunkt stelle ich auch hier wieder mein Material. Sibirien. Johansen gibt (Orn. Jahrb. p. 162) die Flügellänge einer am 27. April bei Tomsk erlegten Singdrossel mit 12,0 cm an. | (Sardinien). Zwölf sardinische Wintervögel, welche ich von Herrn Dr. Wolterstorff zur Ansicht erhielt, und die ich für nördliche Wanderer halte, messen 11,4 — 12,0.2) Marburg. g pull. 31. Mai 92. Weisslicher Superciliarstreif vorhanden! (Wichtig für die nomenclatorische Frage), da Linne einen jungen Vogel im Nestkleid vor sich gehabt haben könnte. g ad. 25. März 99. Schläfen lichtgrau, vom braunen Scheitel sich etwas abhebend, Gelb des Unterflügels lebhafter, tiefer rostfarben als bei manchen andern Stücken. Flügel 11,5 cm. Bei einem g, das ich am 22. April bei Schloss Berlepsch schoss, waren die Spitzen vieler Brustfedern ausgebrochen, so dass die Flecken eine umgekehrt V-förmige Gestalt hatten. Dasselbe finde ich bei einem Sardinier. Es 1) Übrigens scheint der Irrtum Linnes, die teilweise Verwechslung von Sing- und Weindrossel auch Alfred Brehm passiert zu sein, wie seine Beschreibung der Weindrosseleier im Tierleben zeigt. Die betreffenden dazu benutzten stenographischen Aufzeichnungen von seiner norwegischen Reise, die in meinem Besitz sind, habe ich noch nicht entziffert. Man kommt da wieder auf den Gedanken: Sollte es im Norden eine Singdrossel geben, die noch mehr als unsere eine Affenform der Weindrossel ist? Die Angaben über Brutkolonien der Singdrossel (A. Dresser, B. v. E. II. p. 21) beruhen wohl auf Verwechslung der Namen oder Missverständnis? 2) Wo ich nichts weiter sage, ist bei Grössenangaben immer die Flügelläinge vom Bug bis zur Spitze in cm gemeint. — -- Die Grösse des von Thienemann besprochenen ostpreussischen Zwergvogels (10,6! cf. Orn. Mtsber. 1903, p. 4) scheint in der Tat weit unter der normalen Variationsbreite zu liegen. Ornis von Marburg, Turdus Bragi. 463 zeigt, dass die Flecken nicht nur Zierrat, sondern auch Schutz der Feder an ihrer gefährdetsten Stelle bedeuten, denn dunkel pigmentierte Stellen sind immer fester als weisses Gefieder. Ob die Pigmentierung Ursache oder Begleit- erscheinung grösserer Festigkeit ist, weiss ich noch nicht. Rhein. Zugvögel. 2 14. Sept. 11,4 — 28 14. Okt. 11,8 — g 24. Okt. 11,9 — 9 sect. 12. Dez. 97. im Garten, sehr fett, 11,7 — 9 31. März 11,4. Bauch bald rein weiss, bald gefleckt. England. g sect. 4. Sept. Tring, 11,75 — Unten stark (aber ein gleichzeitig erlegtes @ weniger) gefleckt, überhaupt von intensiver Färbung, Flanken dunkel. II. Schwinge fast gleich der V. Bei den andern ist sie meist viel länger, doch wechselt das Verhältnis sehr. Bei Marburg habe ich nie eine Singdrossel im Winter ge- sehen. Wenn auch systematische Verschiedenheiten der Vögel noch nicht nachweisbar sind, so entspricht doch der biologische Befund der sonst in verschiedenen Formen ausgeprägten clima- tischen Klimax, nämlich, dass die Singdrossel in Mitteldeutschland nicht, am Rhein bisweilen, in England zahlreich überwintert. Am 31. März 96 sah ich in den Büschen der Anlagen in Cassel eine Zippe singen, was dort etwas ganz Gewöhnliches ist. Eier: 3. Juni 94 Gelege zu 5 (Bebr. 2!/,) Nest zwischen zwei kleinen Fichten, circa 3 Meter hoch im Walde bei Marburg. 28,7X 20,4 — 27,6X20,0 — 28,0X19,9 — 28,1%X19,7 28,0% 19,9. Letzteres Ei mit vielen sehr feinen Punkten am stumpfen Ende, die anderen normal. 8. Mai 96 3 verlassene Eier (Bebr. 0) Nest in kleinen Fichten am Waldrande bei Schloss Berlepsch, 27,5%20,9 — 26,7 xX20,7 — 27,8xX20,4. Letzteres Ei mit zwei feinen Haarlinien, die rings um das stumpfe Ende laufen. Dicht neben diesem Nest hatte gleichzeitig Emberiza eitrinella gebaut und gelegt. Dadurch fiel mir die Ähnlichkeit der Eier auf. Ich meine nicht, dass die Drossel sich bei Frau Goldammer das Muster abge- guckt hätte, sondern beide Vögel legen überhaupt Eier mit klecksigen Flecken, und bei klecksig gefleckten Eiern entstehen leicht Figuren und Linien. 464 Otto Kleinschmidt: Gegenüber 12 Eiern von Schlesien, der Mark, Hannover und vom Rhein fällt mir kein Unterschied auf, als dass die vom khein gewiss nur zufällig) kleiner sind (—26,4x19,9) und dass in der ganzen Suite die selbstverständlichen Varietäten vorkommen. (Grössere und kleinere Fleckung etc.). Die Tendenz der Flecken- häufung an einem Pol, (einmal am spitzen Ende) ist stets deutlich, bei den kleineren Eiern etwas weniger ausgeprägt. Am 20. Juni 95 wurde ein frischgebautes Nest, am 23. Juni 95 ein Nest mit 4 schwerbebrüteten Eiern bei Marburg gefunden. 14. Turdus Borealis. Formen: 1 Turdus Borealis musicus (L.) 1758 ? | Skandi- „» 5 iiacus ,„ 1766 navien. 2. Turdus Borealis coburni (Sharpe) 1901. Island. Bull. B. 0. C. XI. p. 28. Wahrscheinlich nur als einzelne abnorme Vögel kommen hier noch die folgenden fraglichen Benennungen und Beschreibungen in Betracht: (3.) Turdus illuminus Tobias („Löbenstein“) Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz. IV. Band, 1 Heft p. 32, — Naumann, Naumannia Bd. I. Heft 4 (1851) p. 3 und Band II, Heft 1(1852) p. 80—84 (genau vergleichende Beschreibung.). Der Vogel ist grösser als die Weindrossel, oben dunkler, unten stark rostgelb angeflogen.) (4.)Altums Drossel, „Eine neue Drossel“ Altum, Naumannia Band Il. 1852, Heft 3, pag. 67 mit Tafel, dunkler, die Unter- seite blaugrau. (5.) Meves Drossel (Bastard von Wachholder- und Wein- drossel?? — vergl. Oefvers. k. Vet. Ak. Förh. p. 202, 1860). 1) Man vergleiche dazu die Bemerkungen von W. Baer in seiner vortrefflichen Arbeit: ‚Zur Ornis der preussischen Oberlausitz“, Abhand- lungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Görlitz Bd. XXII. Sep. p. 20 und 21. Nach der Anmerkung auf letzterer Seite scheint der Typus noch vorhanden zu sein. Es sollte eine Abbildung in natürlicher Grösse nach dem Originalstück angefertigt und im neuen Naumann oder im J. f. Orn. veröffentlicht werden, ehe die Farben zu sehr verbleichen. Die Abbildung im XIlI. Naumannbande ist zu klein. Ornis von Marburg, Turdus Borealis. 465 Das Brüten der Weindrossel in den Allgäuer Alpen (cf. Reiser J. f. Orn. 1889. p. 180, am 8. Mai 1865 Eier) in Ost- preussen (Hartert, Ornis Preussens p. 28) ist für einen borealen Vogel weniger abnorm als das von Liebe konstatierte Brüten bei Ronneburg in Ostthüringen (Liebes ornithol. Schriften p. 224. u. 314.). Immerhin dienen diese Fälle mit zum Beweise, dass Sing- und Weindrossel sich nicht geographisch vertreten. Ein Männchen von Schönstadt bei Marburg vom 22. März 99, Flügel 12,0, zeigt kräftige Fleckung, während diese bei einem g vom Rhein viel zarter und blasser ist. Man hat oft betont, dass der Drosselfang viel seltene Vögel für die Wissenschaft liefere. Er mag allerdings die bequeme Unter- suchung grosser Serien ermöglichen, aber es wird dadurch nicht viel erreicht, weil wir die Herkunft dieser Vögel nicht kennen. Statt der Jagd nach Seltenheiten sollte man sich mehr und mehr auf die genaue Untersuchung gewöhnlicher Brutvögel beschränken. Es wird schliesslich mehr dabei herauskommen für unsere Natur- erkenntnis und unser Naturverständnis. Wenn die Sammlungen aber mit Vögeln ohne Daten überfüllt werden, (und das sind Zugvögel bis zu einem gewissen Grade auch), wird die Arbeit von ihrem Ziel abgelenkt. Sicherlich ist der Mensch berechtigt, Zugvögel aus nordischen Einöden zu fangen und zu verspeisen, und so Gegenden nutzbar zu machen, die sich sonst dem Bereich seines Wirkens entziehen. Mir hat es nur die Menge der Ein- geweidewürmer, die ich bei der Gattung Turdus fand, wenig verlockend gemacht, sie jemals auf ihren Geschmack zu unter- suchen, obschon das hier ein Stück wissenschaftlicher Arbeit wäre, denn Linne sagt von einer seiner zwei kleinen Drosseln: Caro ob amaritiam minus accepta. Vielleicht können mir andre Örnithologen darüber aus eigner Erfahrung Auskunft geben, oder sollte die Beantwortung dieser Geschmacksfrage lediglich Ge- schmackssache sein? Ich glaube es nicht, denn die äusserlich ähnlichen Formenkreise beweisen die wesentliche Verschieden- heit des Lebens, das sich unter ihrem ähnlichen Federkleid birgt, unter anderm auch dadurch, dass sie wesentlich verschiedenes Fleisch haben. So haben z. B. die beiden kleinen Laubvögel, die zwei Goldhähnchen, die beiden Milane einen ganz ver- schiedenen Fleischgeruch und vielleicht ist dies „Artkennzeichen“ für die Vögel selbst wichtiger als die Kennzeichen der Wissenschaft. 466 Otto Kleinschmidt: 15. Gattung Cinclus Bechst. Sämtliche altweltlichen Wasserschmätzer — von den neu- weltlichen sehe ich vorläufigab — bilden einen einzigen Formenkreis. Da dieser vermutlich ganz mit der Gattung Cinclus zusammen- fallen wird, brauche ich vorerst keinen neuen Namen dafür aufzustellen. Gäbe es keine Affenformen, so würde meine syste- matische Auffassung sich fast vollständig mit der neueren Syste- matik Sharpes decken, der sich jetzt bemüht, die natürlichen Gruppen als Gattungen zu unterscheiden. Lediglich um der Nomenklatur die Linnesche Einfachheit und Über- sichtlichkeit zu bewahren, habe ich gegenüber der Nomen- klatur mit unendlich vielen Gattungen, der die moderne Ent- wicklung zustrebt,?!) die Nomenklatur der Namenkreise und Formen- kreise entgegengestellt. Hier ist der Namenkreis bereits Formen- kreis, und es ist daher abzuwarten, ob es nicht noch gelingt, was vorläufig unmöglich scheint, den Cinclus irgendwo im System unterzubringen. Wenn ich ihn hier zwischen Turdus und Phylloscopus stelle so geschieht es nur, weil ich mich in der Reihenfolge der Gattungen den dankenswerten handlichen Übersichten von Reichenow anschliesse. Reichenow wird aber gewiss ebenso wie ich überzeugt sein, dass COinclus hier nur, weil er doch irgendwo stehn muss, in das System als ganz isoliertes Glied gleichsam hineingekeilt ist. Unsre Systematik ist ja nur ein Schema, das der Mensch der Natur aufzwängt — so sagt man. Gewiss ist ein grosser Teil des Systems unnatürliches Machwerk. Aber ich richte an alle die, welche sagen, es gebe in der Natur nur Individuen, die Frage: findet sich jemand, der zu behaupten wagt, die Gattung Cinclus sei ein Schema, keine natürliche, sondern eine künstliche Gruppe; dem Begriff Cinclus ent- spreche in der Natur nichts Wirkliches? In der Natur, die vor unsern Augen ist, ist der „Cinclus“, weil er Formenkreis ist, schärfer abgegrenzt als das „Individuum“ selbst, von dem es sich fragt: Wo fängt es zeitlich und räumlich an, im Ovarium 1) Man vergleiche die letzten Bände des Britischen Catalogs. Wenn die freie wissenschaftliche Forschung nicht in eine stumpfsinnige Disziplin verwandelt werden soll, müssen wir in dieser Entwicklung fortschreiten. Wenn es auf dem von mir vorgeschlagenen Wege geschieht, wird dabei die übersichtliche Einfachheit des Systemes gewahrt bleiben. Ornis von Marburg, Cinclus. 467 oder im Ei oder am Ende der Bebrütung? Man braucht mich nicht an die verschiedenen Färbungen, nicht an die Gattung Henicurus zu erinnern. Dass der altweltliche Cinclus ein nach aussen scharf begrenzter, in sich dagegen zusammenhängender Lebensring ist, kann niemand bestreiten. Die Entdeckung neuer Formen beweist letzteres fortwährend mehr. Ich will mich nicht in eine Beschreibung aller Cinclus- Formen verlieren, obschon ich zwei europäische und eine asi- atische neu beschreiben könnte, sondern wir kommen hier zur modernsten systematischen Frage: Sind die einzelnen Formen wirkliche Gruppen oder nur schematische Begriffe, nur Merksteine auf dem Wege fortlaufender geographischer Variation? Wir müssen da nicht nur die Individuen jedes Landes, sondern die jedes Flusses und jedes grösseren Neben- flussgebietes zu vergleichen trachten. Gerade die Skeptiker, die über solch weitgehende Untersuchungen lächeln, haben am meisten Ursache, sich an dieser kritischen Arbeit fleissig zu beteiligen. Kein Museum der Welt kann ein dazu ausreichendes Material sammeln. Aber jeder kann sein Scherflein dazu beitragen. Bei Marburg hatte ich wie auch meine Sammler bei der Jagd auf Cinclus stets ein unglaubliches Pech, aber ich war nicht ärgerlich darüber, wenn der fröhliche Wintersänger unsern Nach- stellungen entging. Nur ein Vogel im frischen Wintergefieder, dessen eben ab- gezogene Haut ich von dem Universitätspräparator erwarb, steht vor mir. Das Stück ist genau das, was man in Mitteldeutschland einen normalen Wasserstar nennt. Es ist um einen sehr geringen Grad dunkler als ein im Canton Glarus gesammelter albicollis, während ein am Wiedbach bei Neustadt (Rheinland) im April erlegtes g viel dunkler ist. Da mancher Cinclus durch meine Hände gegangen ist, kann ich sagen, dass ich diese Unterschiede nicht für zufällige Variation halte. Dass Flusssystem des Rheines würde alsdann mindestens drei Formen beherbergen: 1) im Quellengebiet eine helle mit weitherabgehendem lichtem Braun auf der Unterseite, hellem Kopf und Rücken, 2) im Gebiet des Unterlaufs eine viel dunklere mit weniger ausgedehntem und dunklerem Braun an der Unterseite und deutlich dunklerer Ober- seite, 3) im Gebiet des oberen Lahnlaufes eine Form, welche zwischen beiden in der Mitte steht. Das würde genau dem Befund bei den Sumpfmeisen entsprechen, denn ich sehe 468 Otto Kleinschmidt: in dem Vogel vom Wiedbach eine Annäherung an Cinclus britan-: nicus (Tschusi) und die andern dunklen!) Formen Westeuropas, , und vielleicht wird sich diese Auffassung bestätigen. Gewiss: sind wir hier bei dem Grade des Unterscheidens angekommen, vor welchem v. Tschusi (Orn. Jahrb. 1902 p. 69) glaubt warnen zu müssen. Aber ich sehe nicht ein, wieso es auf Abwege führen soll, wenn man so genau wie möglich vergleicht. Ein Fehler kann nur durch falsche Verailgemeinerung des Resultats entstehn, und wenn man sich vor solchem Leichtsinn hütet, kann höchstens der Wert der „guten Species und Subspecies“ geschädigt werden, die durch fortwährende Entdeckung neuer Zwischenglieder immer mehr zu blossen Formen eines und desselben Wesens herabsinken. Allerdings kommt es heutzutage nicht mehr darauf an, eine neue Form zu entdecken, sondern sie nachzuweisen, und letzteres kann ich betrefis einer westdeutschen Form noch nicht. Die Beschränkung auf die Unterscheidung einer schwarzbäuchigen und rotbäuchigen Form aber kann zu grossen Irrtümern führen, denn sie ist eine falsche Verallgemeinerung. An der Lahn bei Marburg habe ich den Vogel den ganzen Winter hindurch allenthalben singend beobachtet. (26. Okt. 17. Jan. 92, 5. Febr. 17. Febr. 22. Febr. 93). Oberhalb der Eisen- bahnbrücke bei Kölbe war der am Rauhreif-glitzernden Wald- ufer im Schnee und zwischen Eisschollen singende Öinclus in der schweigenden Winterlandschaft mein ganz besonderes Entzücken.?) Ob er dort brütet, oder dazu kleinere Wassergerinne aufsucht, habe ich versäumt festzustellen. Ich kann mich wenigstens nicht deut- lich erinnern, ihn im Sommer dort beobachtet zu haben. Bei Cassel tauchte er am 27. VIll. 89, während ich, einen Schwan malend, am Ufer sass, ganz in meiner Nähe aus der Flut. Von dort erhielt ich auch von Herrn Ochs ein Gelege von 4 schwer bebrüteten Mitte Mai gefundenen Eiern. Sie messen: 26,9 X 18,5 le a Be a DDR NED mn 1) Den Ornith. Jahrb. 1892 pag. 134 erwähnten dunklen, in Lyon gekauften Vogel Brehms, glaube ich in einem Stück, das sich jetzt in meiner Sammlung befindet, deutlich zu erkennen. Es scheint pyrenaicus oder minor zu sein. Er misst 9,1. 2) Die beste Schilderung des Vogels gibt m. E. im Anhang zu „Liebes gesammelten Schriften“ Staats von Wacquant-Geozelles. Ornis von Marburg, Phylloscopus Zilpzalp. 469 Gattung Phylloscopus Boie. 1826. Die Laubvögel bieten wieder ein ganz auffallendes Beispiel von Affenformen in dem Zilp-Zalp und Fitis. Ich habe so viele von beiden untersucht, dass ich zu behaupten wage: Es gibt keine Übergänge zwischen ihnen. Die Ornithologen, die solche gefunden haben wollen, haben entweder die Vögel, die sie nur hörten, nicht geschossen, oder beim Untersuchen der Schwingen- verhältnisse nicht beachtet, dass an einem Teil der Schwingen die Enden durch gleichmässig abrundende Abnutzung verkürzt werden. Man achte daher auf die hier angegebenen Kennzeichen. 16. Phylloscopus Zilpzalp. Der Formenring des Weidenlaubvogels kennzeichnet sich gegenüber dem folgenden durch den einförmigen Gesang und den kurz gerundeten Flügel, womit frühe Ankunft, später Wegzug, nahes Winterquartier (schon Südeuropa) in Verbindung stehen. Die Schwingen sind aussen bis zur VI. verengt. Dies Kenn- zeichen ist sicherer als die Schwingenlänge, die wie gesagt, in abgeriebenem Gefieder weniger deutlich wird. Dem Kenner wird freilich ein kurzer Blick auf die Länge der Flügelspitze schon sofort genügen. Die Farbe der Füsse ist wie ein unter dem folgenden Formenring mitgeteilter Fall beweist, nicht immer ein sicheres Kennzeichen. Auch der Gesang kann täuschen, aber die Plastik des Vogels nicht. Auf den eigentümlichen Geruch des Fleisches, durch den sich die zwei kleinen Laubvögel unterscheiden, habe ich schon oben hingewiesen. Formen: 1) Phylloscopus Zilpzalp canariensis (Hartwig), Canaren. Journ. f. Orn. 1886, p. 486. Syn. Phyllosc. fortunatus Tristr. Ibis 1889, p. 21. Klein, dunkel, Flügel kurz und stumpf (II< VIII). Länge des Flügels nach Hartert, der eine sorgfältige Beschreibung — auch des Unterschiedes im Gesang — gibt (cf. Wanderjahre p. 101 und 102) 5,5 — 4,9 cm. Journ. f. Orn. LI. Jahrg. Oktober 1908. 31 470 Ötto Kleinschmidt: 2) Phylloscopus Zilpzalp tristis (Blyth), West-Sibirien. Journ. As. Soc. Beng. XI. p. 966, 1843. Syn? Phyllose. tristis major R. Blasius (nec Ph. major Tristr., nee T. major Forst.) N. Naumann Il. p. 100. (anno 189 -?) Gross, licht, Flügel länger (nach meinen Stücken II < VII | | | | 62 — 65, beide wohl J d, 22 werden kleiner sein). Nicht alle asiatischen Ph. Zilpzalp scheinen gleich zu sein. Gesang dem unseres Zilpzalp immer noch so ähnlich, dass er damit verwechselt werden konnte, aber wie beim vorigen schöner als der Gesang deutscher Vögel, Lockton auch anders. Zwischen diesen beiden Formen stehen unsere deutschen Weidenlaubvögel, die man gewöhnlich als Zhylloscopus rufus (Bchst. 1802) bezeichnet. In Unkenntnis der geographischen Variation, der individuellen Variation des Gesanges, die im Formenkreise ganz verständlich ist, in Unkenntnis wie es scheint auch über die einfache Tatsache, dass $ und © sehr in der Grösse verschieden sind, hat man einen Geheimniskram von allerlei neuen „Arten“ in und um diesen Phylloscopus rufus er- dichtet, dass der Laie kaum noch wagt, einen Zilpzalp zu be- stimmen. Und die Sache wird doch höchst einfach, sobald man sie nach geographischer Methode angreift, denn ich will mich möglichst bemühen, anzuerkennen, was von all der Mühe eines Brehm, Naumann, Blasius bis zu Namen von wissenschaftlich Toten herab, dauernden Wert behalten könnte. Ich untersuche die Vögel der drei deutschen Hauptgebiete Rhein, Mitteldeutsch- land, Ostpreussen und beginne mit Marburg: Mitteldeutsche Form: 1. d sect. 2. Mai 92 Marburg Flügel: (6,1) Schwanz 5,6 2. 3) 5. Apr. 35 „ „ 6,3 „ 5,9 Bea it 3. Apr, 99 Rosenthal ” 6,2 s 5,5 Ra 24.März99 Schönstadt N 6,3 > 5 5. Oo 3. Apr. 99 Rosenthal I DL in 4,9 Die beiden ersten Vögel sind wahrscheinlich keine Durch- zügler. Die Schwanzmasse sind am Balg genommen, daher nicht völlig exakt. Die Flügellänge vom 1. ist wegen abgeriebener Federspitzen unvollständig und durch vergleichende Berechnung auf etwa 6,2 zu erhöhen. Ornis von Marburg, Phylloscopus Zilpzalp. 471 Nr. 2 halte ich wegen seines schönen Gefieders, insbesondere wegen der unverletzten Flügelspitzen für einen sehr alten Vogel. Die Schwingen III. IV. V. sind hier etwas mehr als sonst (um fast 3 mm) über die VI. vorgeschoben. Die II. ist gleich der VII., während sie bei den drei andern Männchen deutlich kürzer als die VII. ist und zwischen der VII. und VIII. steht. Dieser Unterschied ist wohl nur durch das Alter und die prächtige Gefiederentwicklung von Nr. 2 bedingt. In der Lebhaftigkeit der Färbung auf der Unterseite steht dieser alte Vogel etwas hinter den andern zurück, wie es denn bei den kleinen Laubvögeln die Regel zu sein scheint, dass junge Individuen unten lebhafter, mindestens gelber sind. Bei dem & ist der Flügel viel stumpfer. III. bis V. über- ragen VI. nur wenig. II. ist fast = VIlL, sogar um ein Un- merkliches kürzer. Rhein bei Darmstadt: 1.gsect. 5. April, 6,5 Schwanz 5,8! I. < VI. | Br 3,4. Okt... 6,5 58, T.- VM., sehr licht Bere: ..62 „0.5725 IL< vor. | 2 un 652 R 545 5» » besonders licht (rötlich) ad... 1, 6,1 e 545 4.99... etwas dunkler El: 1; 5,9 .g 5,35 1.=VII. "AT 5,9 ; 5,301. <:VII. ’ „ ’„ I ’ d kl kit Din Br ern a, R 9] 059 00V Be 12, ; ,„ 5,8 = 55 IL.) C. L. Brehm hat eine Unmenge von Schilfsänger-Arten und Unterarten, darunter mehrere aus dem Orient beschrieben. Severt- zoff hat in Asien z. T. Vögel mit kürzerer II. Schwinge gefunden, sogar einen Vogel von Bampür mit II. als IV. Nur bei einem Herbstvogel IV. fast gleich II. Bei dem grössten Brutvogel (Z ad. 10. Juni 92. Nierstein) erinnert das Schwanzende durch seine geringe Abstufung an Hypolais. Vergl. auf Tafel III. die Abbildung der Schwanz- form dieses Vogels und des zugehörigen normalen angepaarten Weibchens. Bei einem am 14. August am Rhein erlegten Vogel glaubte ich rechts Testis und links Ovarium zu finden. An dem zu- sammengeschrumpften Spirituspräparat ist nichts Sicheres mehr zu erkennen. Wahrscheinlich ist der vermutliche Tests ein zu- rückgebildetes etwas seitlich verschobenes Ei.t) Die starke Ent- wicklung zu so später Jahreszeit macht die folgende Übersicht erklärlich. II. Zwei Bruten? Von Tobias ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass das Weibchen zweimal brüte und sich zu diesem Zwecke mit einem neuen Männchen paare, während das erste Männchen die Jungen führe. Auch Baer nimmt zwei Bruten an. Es ist in- dessen denkbar, dass die spätbrütenden Paare Vögel sind, denen, die erste Brut verunglückte. Ich kann mich zu der Frage nur soweit äussern, dass ich das gesamte Material hier mitteile und zwar nach Jahrgängen getrennt, da diesem Vogel jedes Jahr andere Brutbedingungen bietet (Schilfwachstum, Wasserstand, Überschwemmungen !). 1891 Mitte August, Rhein bei Darmstadt, Nest mit Jungen. 1892 28. Juni, Lahn (Marburg), in einem Rosenbusch Nest mit zwei Jungen. 1) Bei vielen Vögeln kommt auf der rechten Seite ein vollständiges oder auch nur sehr kleines Ovarium vor, das bisweilen nur aus zwei bis drei als solche erkennbaren Eiern besteht. 496 Otto Kleinschmidt: 1892 27. Juli, In demselben Nest zwei faule stark bebrütete:' Eier.. Vermutlich (?) am 28. Juni von den: Jungen verdeckt. (Coll. Thielemann). 22. April, Rhein!), erster Gesang gehört. 2. Juni, " vollendetes Nest. In demselben 4. Juni, ı Ei, also wohl 12tägige, | TR 4 Eier, nicht 13tägige Be--' 200,0, 4 Jungeausgekrochen, Anrezeben! 4. Juni, iR 4 Nester mit 1, 4, 4, 5 Eiern. 23. Sept. = Vogel zuletzt beobachtet. 1893 17. Mai, Rhein, begonnener Nestbau. O7 „In dieses Nest viertes Ei gelegt. DU, „ Ingelheim, Nest mit eben ausgeschlüpften ı" Jungen (Deichler). MM. 0 »„ » Nest mit 3 frischen Eiern (alle Bruten früh,) (Deichler.) 27. „ » » » Nest mit 1 Ei, 3a % »„ „In demselben 3 Eier. | 1. Juni ,„, »„ „3 Eier frisch (Deichler J. f. Orn. | 96, p. 447.) 1894 Ende Mai, Rhein, 1 Ei, frisch. DIES „» , 2 frische Eier. 20. Juni, Lahn, Marburg, im Rosenbusch 4 Eier (Bebr. | 2—3, Coll. Thielemann). circa 26. ,„ Rhein, 3 Eier. 26. ,„ Lahn, I Nest mit 1 Ei bei verfaulten Jungen. | 1 Nest leer: ausgeflogene Junge. 30. Juli, Rhein, Ingelheim, 3 frische Eier. 1) Wo nichts besonderes gesagt ist, bedeutet Rhein stets Rheinufer bei Darmstadt gegenüber Nierstein. Die Nester standen teils am Fluss- ufer, zumeist aber am Ufer stiller Flussarme, an Teichen, Gräben etc. Die Daten entnehme ich Aufzeichnungen von Thielemann, Deichler meiner Schwester und mir. „Lahn“ bedeutet Lahnufer bei Marburg. Ra, : brütung, wie J. £..% Vogelnichtaufd. Nest, Orn. 1894, p. 121 Ornis von Marburg, Acrocephalus Calamoherpe. 497 1895 28. Mai, Lahn, 2 BU. ’„ im Rosenbusch, Nest mit 4 frischen Eiern. Nest mit 4 frischen Eiern. ; Thielemann. » „» 4 schwachbebrü- | teten Eiern. 1. Juni, Rhein, Gelege 4 (Bebr. 2). ZN „ „ un 6. u 5. Juli, EL.0},, 17. „ 18. „ I: PER AB.uh;, BU BB se al. ” Rhein, Rhein, Lahn, u Su Gere) a AL TA" »„ 4?( „ 4-5). Doppelnest. „0, fasteirısch® (055): Se ie (02). „ 232fBebr. 0): ’ 4 ( ” 4). ” 4 ( ” 1). 2 Eier (0). Ingelheim, mehrere Nester mit Jungen, (Deichler). Junger Vogel (d, test. ®/, mm), schon halb vermausert. Altes g, testes 6.8 mm; sang. 2 völlig vermauserte Junge. Nest mit3noch ziemlich unbefiederten Jungen. Zwei Nester, jedes mit 2 unbebrüteten Eiern von sehr ähnlichem Typus. Mehrere schlammgetränkte Rohrsänger- nester, zwei mit verfaulten Eiern unter der Schlammschicht (vorherige Über- schwemmung). Junge. Ingelheim, flügge Junge (Deichler). Eben ausgeflogene Junge. Altes Weibchen in der Mauser, trotzdem ovarium 5 mm. 8. Aug. Rhein, Ingelheim, Deichler: Altes $ mit testes = 1896 25. Mai, „ 1,5 mm. 2 Eier (Bebr. 0). 1) Nest in Brombeere, verlassen, Schnecke im Nest. (Vergl. unter Turdus Vernus!) Thielemann teilt mir mit, dass er auf Grund einer besonderen Beobachtung vermutet, dass die Schnecken es mehr auf den Schalenkalk als auf den Inhalt der Eier abgesehen haben. 498 Otto Kleinschmidt: ‚1897 29. Juni, Rhein, 3 Eier (Bebr. 3). 1899 29. „ 1. Juli, 95. Juli, 26. Juli 30. Juli 26. Juli, 30. Juli 26. Juli, 27. Juli 30. Juli 29. Juli, 99..),; ER] ” 4 Eier (Bebr. 0). 1 schwerbebr. Ei bei 4 eben ausgekrochenen Jungen. © 2. Juli gefangen, ovarium 51/, mm.. Männchen singt am 3. Juli. ı Ei faul, die Jungen ausgeflogen. 4 sehr grosse Eier (2 davon 2,4, die 2 andern) 0,5 bebrütet). Beide Vögel gefangen J test.. 51/,.6, @ ovar. 8 mm. Nest mit 3 brutwarmen Eiern, kein 4. Ei zugelegt, Nest an 2 Schilfstengeln, , 3 schwärzliche kleine Junge darin. Zweites Nest (B) mit 3 brutwarmen Eiern, , war schief gerutscht, an 2 Schilfstengeln. die 3 Eier noch im Nest. Drittes Nest (C.) an 3 Schilfstengeln mit! 3 Eiern. die 3 Eier noch im Nest. Viertes Nest (D.) an zwei Schilfhalmpaaren, , Mulde von schwärzlichen Schilfblüten, 4 schon ı ziemlich grosse, aber noch nackte, schwärz- liche Junge. | Fünftes Nest mit drei bebrüteten Eiern. . O, auf dem Nest gefangen, in voller Mauser! brütend, ovarium 5 mm, Brutfleck stark ı entwickelt, ziemlich fett, kleine Zungenflecken ı (also jüngerer Vogel??),. Vom 3 höre ichı zornige Stimme und Schnabelklappen. Die: Männchen dieses und der beiden folgenden ı Nester singen fast gar nicht (weil in der Mauser ?). | Sechstes Nest an 3 Schilfhalmen, 3 Eier, stark bebrütet. Gras, Schilf und Pflanzen- - wolle das Material. | Siebentes Nest an 3 Schilfhalmen, derangiert, 2 Eier, Eiweis verdickt, anscheinend verlassen. Zwei von den Nestern im Schilf des Garten« weihers noch mit 3 Eiern (das Wasser des Teiches steigt und fällt mit dem Rhein). Ornis von Marburg, Acrocephalus Calamoherpe. 499 1899 27. Aug. Rhein, © erlegt. hat noch ovarium = 6!/, mm! 1901 2. Oct.! 1902 3. Juni, 1903 11. 13. 13. 17. 20. 23. ” „ o, im Schilf des Gartens erlegt, hat ova- rium = 3 mm. Gepaartes Paar erlegt beim Neste mit 4 frischen Eiern in einem Syringenbusch in einem Gebäudewinkel, 20 m vom Garten- teich entfernt. g test. 61, .8. 9 ovar. 7 mm. (Vergl. oben 27. August.) Das Schilfwar dort 1902 im Wachs- tum ausserordentlich zurück. Genau an derselben Stelle wieder ein Nest. Ein stark bebrütetes Ei bei 4 eben ausge- krochenen Jungen. Nest mit vier unbebrüteten Eiern im Schilf, das in diesem Jahre zwar entwickelt ist, aber unter dem Nest ist kein Wasser mehr. Dieses ist fast bis hinter den Schilfgürtel zurückgewichen. Nach wenigen Tagen sind die zwei im Neste zurückgelassenen Eier geraubt, das leere Nest ist etwas zerzaust. in einem andern Busch jenseits des Teiches ein leeres verlassenes Nest. O ov. 10 am angefangenen Nest am Steilufer erlegt. Im Schilf am Steilufer! (wo Wasserstand ohne Einfluss!) sitzt ein Vogel auf 3 frischen Eiern. Nest in einem Syringenbusch weit vom Wasser, Nest mit Hühnerfedern verziert, am Hühnerstall, 4 frische Eier. d, test. 51), 61/, mm, erlegt. 2 verlässt das Nest. Folgerungen aus II: Vollständig offen bleiben die Fragen, ob die Vögel (oder ein Teil derselben) eine, zwei, oder gar drei Bruten machen, oder ob alle Spätbruten durch fortwährende Störungen verursacht sind. Das Rohrsängernest ist ausserordentlich vielen Gefahren ausgesetzt (Nistort, Gesang des g, sein häufiger Aufenthalt in der Nähe des Nestes). Der Nestbau ist abhängig von Vegetation und Wasserstand. Nicht unwahrscheinlich sind ja zwei Bruten (vergl. Ovarien-Messungen), aber den Nachweis dafür könnte nur 500 Otto Kleinschmidt: genaueste Beobachtung eines einzeln wohnenden Brutpaares während des ganzen Sommers liefern. Wo wir einzelne Brutpaare beobachteten, konnten wir keine zweimalige Brut feststellen. In demselben Rosenbusch an der Lahn wurden von Thiele-- mann bei Marburg gefunden: | 1892 28. Juni Junge, 1894 20. Juni 4 Eier (Bebr. 2—3), 1895 (Vogel älter? früher brütend?) 28. Mai 4 Eier (Bebr. 0). An ein und derselben Stelle im Schilf des Gartenteiches am Rhein wurden gefunden: 1892 7. Juni 4 Eier, 1893 27. Mai 4 Eier. Leider habe ich nicht genau bei jedem Jahre die Wasser- standsverhältnisse des ganzen Sommers notiert. Dieselben sind | aber leicht noch später festzustellen. Die Spätbruten stammen | von Flussufern und Schilfnestern, hauptsächlich gerade von solchen ı Stellen, die dem Sommerhochwasser am meisten ausgesetzt sind.. Gesehen habe ich einzelne späte Nestbauten auch an anderen| Stellen. Da ich jetzt ein Beobachtungsrevier mit fast ganz gleich ı bleibendem Wasserspiegel in der Nähe habe, hoffe ich die Beob-- achtungen unter günstigeren Verhältnissen fortsetzen zu können. Soviel kann ich bestimmt sagen: Spätbruten sind an der Lahnı und dem Rhein nicht selten. Ich habe nur einzelne Tage oder ' höchstens Wochen der Suche nach Rohrsängern gewidmet, bezw.. widmen können. Wo Spätbruten in vorstehender Übersicht nicht! angegeben sind, bedeutet das selbstverständlich nicht: „Es wurde’ festgestellt, dass keine vorhanden waren“, sondern: „Es liegen keine Beobachtungen vor“. III. Eier. Ein Ei von Marburg, welches Durchschnittstypus in Grösse: und Färbung darstellt, misst 18,5%X14,4 und ähnelt No. 25 auf! Tafel 26 des neuen Naumann, nur dass es nicht entfernt so leb-- haft grün ist. | Aus 95 Eiern aus 33 Nestern vom Rhein wähle ich nach) dem Augenmass das grösste und kleinste aus und finde deren) Grösse: 22,0%X14,5 mm und 17,8%12,8 mm. Beide Eier stimmen mit ihren Gelegen überein, sind also nicht Doppel- und Sparei.i Zu dem ersteren liegen $ und 9, zum zweiten liegt das 5 vor. Ein Ei ist noch kürzer, dafür aber etwas breiter: 16,9X13,2.\ Von den Gestalts- und Färbungstypen der rheinischen Eier hebe ich! einige Extreme hervor: | Ornis von Marburg, Acrocephalus Calamoherpe. 501 1. Gleichhälftig, fast weiss mit einzelnen sich sauber abhebenden Fleckchen und Punkten, hellen Rohrdrosseleiern ähnlich. 2. Gestreckt walzenförmig, mit grossem zusammenfliessendem Fleckenkranz auf schwachgrünlichem Grunde. 3. Kurz walzenförmig, sonst 2 ähnlich. 4. Kurz eiförmig, verschwommen gefleckt und schwarz bespritzt auf lebhaft grünem Grunde. Kein einziges Ei meiner Reihe ist aber so grün wie die im neuen Naumann abgebildeten. 5. Gestreckt und ziemlich spitz eiförmig, mit reicher Fleckung und Kranzbildung auf grünlichweissem Grunde. 6. Normal eiförmig, grauweiss mit grossen schwarzen, oliven- braunen und grauen Flecken, die das stumpfe Ende völlig bedecken, die übrige Fläche sehr wenig gefleckt. 7. Kurz eiförmig, dicht flockig auf mattgrünlichem oder auch mehr gelblichgrünem Grunde gefleckt. Nähert sich etwas den Eiern der rostflügligen Grasmücke. Für die Frage, ob grosse Vögel immer grosse Eier, kleinere Vögel kleinere Eier legen, stelle ich die Flügel- und Schwanz- länge der Vögel mit denen der zugehörigen Eier zusammen. Zeit: 8. Juli 29. Juli 2. Juli 3. Juni 23. Juni aß 6,5 6,45 6,3 NER Ewa HE o ai 6,7 6,7 "05,85! 5,9! 5,751 Gelegezahl 4 3 5 4 4 Grösst. Ei 22,0X14,5 18,9x 14,0 Kleinst. Ei 20,4X14,0 18,4% 13,4 Vogel in nurlEida, is Bemerkg. = voller linker Haan _ Mauser. Flügel 6,5. 18,7X14,0 18,4X13,2 x13 „ale = 18,1X13,9 17,8X 12,8 Keinerlei Zusammenhang zwischen der Färbung der Eier und dem Standorte des Nestes kann behauptet werden. Die in den beiden letzten Jahren von mir am Rhein über trockenem Boden entfernt vom Wasser gefundenen Nester enthielten Eier, wie ich sie ganz ähnlich aus Schilfbauten besitze. Unter sich verglichen zeigen die Eier aus diesen drei Nestern drei verschiedene Typen. Auch dieser Umstand dient mit zum Beweise, dass es sich nicht um die vererbte Neigung eines lokalen Rohrsängerstammes handelt, sondern dass Journ. f. Orn. LI. Jahrg. Oktober 1%3. 33 502 Otto Kleinschmidt: vielmehr drei Weibchen, die gar nicht verwandt sind, durch. gleiche Bedingungen gezwungen wurden, in gleich abnormer Weise zu nisten. IV. Nester. Von 25 aufbewahrten Nestern habe ich die bemerkens- wertesten Typen auf Tafel III. abgebildet und bespreche sie hier nach der Reihenfolge der Figuren. 1. Moostypus. DBesonders an Teichen (stillem Wasser) sefunden. Die aus Moos bestehende Grundlage des Nestes rutscht oft nach unten und gewinnt erst Halt, wenn das Moos hoch aufgetürmt ist und die Traghalme auf eine ganze Strecke damit umhüllt sind. Ein Moosnest in den Gabelzweigen eines Schneebeerenstrauches ist deshalb (weil es nicht rutschen konnte) ganz niedrig und fast gar nicht eingeflochten, während die Schilf- nester aus Moos oft aussehen, als wären zwei Nester übereinander sebaut. Bei einem solchen (dem auf Seite 424 dieses Heftes u. 13. Juni erwähnten) finde ich eine Feder eingewebt, jedoch nicht innen, sondern an der Aussenwand.!) Die Nestmulde besteht aus vorjährigen Schilfblüthen, bisweilen auch aus Grashalmen. 2. Normaltypus. Zwischen 3 bis 4 Schilfhalmen ist das mittelhohe Nest eingeflochten. Material aussen Gras, Weiden- wurzel, Bast, selbstbereitete Nesselfaden, Insektengespinste, (am Rhein auch angeschwemmte Woll- und Baumwollfäden), Bast- streifen. Innen vorjährige Schilfblüten oder Gras. 3. Halbkugeltypus. Meist nur an zwei oder drei Halmen hängt das sehr niedrige Nest. Material wie bei Typus 2. Bei Typus 2 und 3 ist die äussere Grundlage oft auf einer Seite herabgerutscht, so dass sie schief zu der hineinge- setzten wagrechten Nestmulde steht. Am tragenden Schilfhalm ist dann die hervorstehende Ecke besonders dick umflochten. Manchmal sieht es aus, als sei dieser schiefe Bau Absicht,?) 1) Wenn ich noch einmal die günstigen Beobachtungsgelegenheiten hätte wie am Rhein, würde ich den Rohrsängern allerlei künstliche Bau- stoffe ausstrenen, um Studien über ihre Webemechanik, ihren Farbensinn und besonders über individuelle Neigungen beim Nestbau zu machen. Vielleicht führt ein Anderer meine Untersuchungen durch derartige Ex- perimente weiter. — Das Quellen des Mooses bei Regen wird die Bauten des Typus 1 auch oft zum Sinken bringen. 2) Natürlich unbewusste Kunst des Vogels. Ein Blatt am Haupt- tragehalm, das das Rutschen hindert, gibt wohl die Veranlassung, aber keineswegs wird immer gleich die Basis eines Blattes als Träger gewählt. Ornis von Marburg, Acrocephalus Calamoherpe. 503 weil dadurch weiteres Herabsinken unmöglich wird. Besonders auffallend ist die schiefe Befestigung bei einem zwischen zwei Weidenzweigen hängenden Halbkugel-Neste von Marburg. An dem einen Zweig ist der obere Rand eingewebt, am andern Zweig ist die Befestigung tief unten am Boden des Nestes. Leider habe ich die Tafel bereits lithographiert und kann diesen interessanten Bau nicht mehr darauf anbringen. Typus 3 besitze ich 1) genau in der Mittellinie zweier Halme, und 2) nach einer Seite ausgebaucht und überhängend. Es gefährdet zwar manchmal die Brut, dass das Nest nicht im Gleichgewicht hängt, aber in den meisten Fällen verhindert ge- rade diese Verschiebung des Schwerpunktes ein Sinken des Nestes, weil es sich dabei mehr an die Halme anklemmt. Vergl. Fig. 1 auf Tafel III, die auch bei dem Moostypus die Ausbauchung nach vorn zeigt. 4. Weidentypus. Anscheinend bei Marburg der häu- figste, weil an der Lahn bequeme Schilfnistplätze seltener sind als am Rhein. Da die Vögel in den Lahnbüschen mehr Ge- spinste finden, verwenden sie solche häufiger, am Rheinufer dagegen auch bei Weidennestern mehr Schilfrispen. Das abge- bildete Nest von Marburg ist aussen fein mit Schafwolle über- sponnen; am unteren Ende sind die macerierten Nervennetze verfaulter Blätter eingewoben. Abnorme Nester. 5. Doppelnest. In einem Busch, (das Holz vermag ich nicht mehr mit Sicherheit zu bestimmen) berühren sich ein voll- ständiges und ein unvollständiges Nest. Beide Nester sind offenbar von demselben Vogel gebaut. Leider stiess ich beim Finden des Nestes so an den Zweig, dass ein Teil der Eier herausfiel und zerbrach. Meine (freilich nur vermutende) Erklärung ist die, dass dem Vogel der eine Bau unbequem war und er das Material teilweise zu dem neuen Neste benutzte und in dieses herüber- zerrte und verflocht. Deshalb sieht es aus, als wären von vorn- herein zwei Nester angelegt. Es kann auch sein, dass ein heftiger Wind die drei tragenden Zweige während des Bauens auseinander gerissen und anders gruppiert hat. 6. Mit Federn verziertes Nest. (Vergl. S. 427 dieses Jahrganges). Das Nest hing an zwei Zweigen eines dunklen, dichten Syringenbusches im Garten an der Mauer eines Hühner- 33° 504 Otto Kleinsehmidt: stalles. Dem Orte entsprechend sind die Niststoffe abnorm: Gras, Zwirn und Pferdehaare und ein Überzug von Spinnen- oder Raupenfäden. Drei Hühnerfedern sind in die Aussenwand mit eingewoben, darunter die Spitze einer grossen weissen Feder. So fremdartig das Nest aussieht (es ist durch Eier und den er- legten Vogel sicher bestimmt), so verrät sich doch der Künstler damit, dass er in die Mulde sein Lieblingsmaterial, zwei Schilf- blütenrispen, mit verflochten hat. Wahrscheinlich hat er diese von dem etwa 100 Meter entferntem Teiche geholt. 7. Aufsitzendes Nest. Wohl noch seltener als der vorige Typus, in niedrigem Brombeergestrüpp, auf einer starken Ranke fest aufsitzend, seitlich in deren feine Triebe verwoben. Material, aussen Wasserwurzeln (Luftwurzeln) wie sie sich oft an überschwemmten Weiden als gewaltige Bärte bilden und dicht neben dem Neste fanden, innen Schilfblütenrispen. Die äussere Gesamtfärbung der Nester in frischem Zustande ist je nach dem Material schön grün (Moos), braun (Halme), weisslich (Gespinste) oder ganz dunkel schwärzlich (Mooswurzeln und Schilfrispen). Wollte man Naumanns horticola auch nur als Nestbauvarietät aufrecht erhalten, so kann man gleich ein halbes Dutzend Va- rietäten daraus machen, zumal noch die mir unbekannten Nadel-- holztypen hinzukommen. Ich für mein Teil bin überzeugt, dass alle die Vögel, welche die Nester No. 4, 5, 6, 7 der Tafel III gebaut haben, in früheren oder späteren Jahren ebenso Nester nach Muster No. 1, 2, 3 bauten. Wenn man die Buschnester früher oder später als die Schilf- nester gefunden haben will, so beweist das nur, dass die Vögel im ersteren Falle nicht auf das Heranwachsen des Schilfes warten wollten, oder, dass sie vergeblich darauf gewartet haben, wie anno 1903. Genau wie mit dem Nestbau ist es mit dem Gesang: Der Vogel kann zuweilen (auch in reinem Schilf) sehr hübsch singen !!) Wer an Schilf und Wasser aufgewachsen ist, wird den Reiz seines Liedes verstehen, aber auch dessen reiche Abwechslung kennen. Der Durchschnittsgesang bleibt aber immer mehr Lärm als Lied. 1) Dieser Gesang „wenn der Teichrohrsänger seinen guten Tag hat“ ist es, den mein Freund Thielemann mit dem von COinclus vergleicht. | | | Ornis von Marburg, Acrocephalus Turdoides. 505 Die Nester stehen oft eng beisammen, und keineswegs ent- spricht das Nistrevier und Nahrungsrevier des Pärchens dem Kreise, den die Stimme des Vogels beherrscht. Acrocephalus Calamoherpe singt immerzu, wie das bewegliche Wasser und Schilf selten ganz stille ist. Er singt aus Lust und Angst, aus Hass und Liebe, um die Wette mit seinen Nachbarn. Er singt den ganzen Sommer hindurch, und — seine Testes fand ich immer gross. Meist will er nur lärmen. Wenn das Fritz Braun „Brunstton“ nennt, hat er möglicherweise recht, aber weder Brunst noch Wettbewerb bewirken das Specifische am Gesange: die mu- sikalische Schönheit. Brunst und Wettbewerb mögen das Quantum der Stimmtätigkeit erhöhen, ihre Qualität entwickeln sie nicht. Mag Acrocephalus Calamoherpe mehr und länger singen als Acro- cephalus Frumentarius, im Vergleich zu dem Liede dieses Meister- sängers ist sein Lärm überhaupt kein Gesang. 4crocephalus Turdoides. Der weitverbreitete Formenring des Drosselrohrsängers muss bei uns überall vorkommen, wo er die geeigneten Wasser- und Schilfverhältnisse vorfindet. In.den hessischen Gegenden, die ich kennen lernte, fehlen solche Plätze, und ich kann mich nicht entsinnen, den Vogel auf einer meiner vielen Lahnexcur- sionen gehört oder gesehen zu haben. Die Form „arundinaceus“ (1758 und 1766 von Linne sehr verschieden beschrieben und nicht ohne nomenklatorische Bedenken) hat als Terra typica „Nordeuropa.“ Ein von mir bei Berlin er- legtes $ misst 10,05, der grösste von 5 Rheinvögeln 9,85. Der Berliner Vogel hat breitere weisse Schwanzspitzen. Doch ist dies vielleicht nur Zufall oder Altersunterschied. Zweimal, einmal bei Berlin und einmal am Rhein (wo ich viele Nester und Eier des Vogels sammelte) fand ich das Nest in einem Busch am Rande des Wassers (immer noch am Schilf) und bewahre diese abnormen, in die Zweige verflochtenen Bauten in meiner Sammlung auf. Auch den grossen Schilfschlüpfer habe ich am 29. Mai 1902, wo das Schilf sehr zurück war, von der Spitze eines Obstbaumes herabgeschossen. Sollte die Calamoherpe media Malm (Vergl. Naumannia 1854, pag. 136) vielleicht ein verflogenes Stück von einer der östlichen 506 Otto Kleinschmidt: Formen gewesen sein? Auch hier fehlt es also nicht an der voreilig benannten mystischen Form, wie sie fast jedem Lebens- ring der Rohrsänger angehängt worden ist. Immerhin gibt auch hier die überflüssige Beschreibung um so mehr Anlass zur er- neuten Untersuchung der Frage, wie weit der ächte arundinaceus verbreitet ist. 23. Acrocephalus Phragmitis. Formen: 1. Calamoherpe Phragmitis schoenobaenus (L.) 1758, Schweden. Vergl. Wallengreens nomenklatorische Bemerkungen in Naumannia 1854, p- 136. 2. Calamoherpe Phragmitis von Nordafrika ? Ein Männchen dieses Rohrsängers (Testes 5°6 mm) erlegte ich am 8. Mai 92 bei Kirchhain in der Nähe von Marburg. Sonst habe ich diesen Vogel dort nicht angetroffen. Am Rhein fand ich am 6. Juni 1902 die vollen Gelege. Unterschiede in den Schwingenverhältnissen und in der Färbung, die ich an 11 Bälgen von Berlin, Westdeutschland, Nordafrika und England finde, sind vielleicht nur individuell. Zwei 229 von Tunesien vom 12. und 25. Mai haben etwas runderen Flügel, aber der Marburger Vogel ist ihnen darin ähnlich, und sie sind ausserdem der Jahreszeit nach nicht einmal ganz sichere Brutvögel. Dagegen scheinen die Afrikaner in beiden Varietäten, der roten und der grauen Phase etwas lichter zu sein, was indessen am Ausbleichen des Gefieders unter grösserer Sonnen- hitze liegen kann. Vielleicht sind es auch östliche Wanderer. Hiermit schliesse ich den ersten Teil meiner Ornis von Marburg. Die Tafeln IV bis VII werden im zweiten Teil der Arbeit genauer besprochen. Vorläufig sind sie durch die bei- gefügten Erklärungen für sich allein verständlich. Auch ist das, was sie darstellen, schon zum Teil im ersten Hefte dieses Jahr- ganges behandelt. Man vergleiche zu Tafel V. Seite 141, zu Tafel VII. Seite 145 dieses Jahrganges. Ornis von Marburg, Calamoherpe Phragmitis. 507 Tafel IV. stellt die Variationen der Kopfzeichnung west- deutscher Schwanzmeisen dar, die für die Beurteilung der Meisen- formen und geographischer Formen überhaupt, von grosser Wichtigkeit sind. Tafel VI. zeigt das beste Unterscheidungskennzeichen des langzehigen und kurzzehigen Baumläufers und einen charakteris- tischen Brutplatz des letzteren. Deutsche Ornithologische Gesellschaft. Bericht über die Jahresversammlung. Stuttgart, 30. Mai bis 2. Juni 1903. Von Mitgliedern waren anwesend die Herren: R. Blasius (Braunschweig), ©. Heinroth (Berlin), E. Hellmayr (München), J. Hoffmann (Stuttgart), A. Koenig (Bonn), Kollibay (Neisse), Lampert (Stuttgart), F. von Lucanus (Berlin), P. Matschie (Berlin), ©. Neumann (Berlin), C. Parrot (München), A. Rei- chenow (Berlin), H. Schalow (Berlin), G. Schiebel (Innsbruck), A. Schulz (München) und W. Schuster (Mainz). Als Gäste beteiligten sich an den Verhandlungen die Herren: Dr. M. Auerbach (Karlsruhe), G. Autenrieth, Hofbaudirektor Felix von Berner, C. Berner, Praeceptor C. Fick, Praepa- rator H. Fischer, Hauptmann Gansser, K. Gerstner, Prof. Dr. V. Haecker, Kommerzienrat Haehnle, Prof. Dr. Jäger, Inspek- tor F. Kerz, Praeparator J. Kerz, Prof. Dr. C. B. Klunzinger, Prof. Dr. K. Miller, sämtlich aus Stuttgart, Hofrat Professor Dr. Nüsslin (Karlsruhe), Oberjägermeister von Plato, ©. Ruoff, Hauptmann Schroter, E. Stellrecht, Hauptmann Ströhlin, sämtlich aus Stuttgart, Konsul Dr. J. Streich (Gmünd), Dr. Schütze (Stuttgart), G. Villforth (Stuttgart), — und die Damen Frau von Alberti, geb. König-Warthausen, Fräulein OÖ. von Adelung, Frau Lina Haehnle, Frau Koenig, Frau Klun- zinger, Frau Kollibay, Frau Lampert, Frau von Rümelin, Frau E. von Schweizerbarth. Vorsitzender: R. Blasius (Braunschweig). Schriftführer: P. Matschie (Berlin). 508 Bericht über die Jahresversammlung. Sonnabend, den 30. Mai 1903, Abends 7!/, Uhr. Herr Schalow eröffnet die Sitzung der Vorversammlung. Als Orts-Geschäftsführer begrüsst Herr Lampert die An- wesenden. Er betont, dass es ihm ein besonderes Vergnügen sei, die Ornithologen in Stuttgart willkommen zu heissen, in der Haupt- stadt eines Landes, das an der Entwickelung der Vogelkunde in Deutschland stets den lebhaftesten Anteil genommen. Die Namen eines Landbeck, König-Warthausen, Herzog Paul und v. Heuglin, die Begründung der vaterländischen Vogelsammlung im Kgl. Naturalien-Cabinet durch Krauss legen hierfür ein beredtes Zeugnis ab. Herr Lampert spricht die Hoffnung aus, dass die Tagung der ornithologischen Gesellschaft in Stuttgart, wenn auch etwas durch den Einfluss der Pfingstfeiertage beeinträchtigt, den- noch nutzbringend und angenehm für alle Teilnehmer verlaufen möge- Herr Schalow dankt dem Vorredner für seine Worte. Er weist darauf hin, dass die Deutsche Ornithologische Gesell- schaft in den dreiundfünfzig Jahren ihres Bestehens die Jahres- versammlungen regelmässig in Norddeutschland abgehalten hätte und nur einmal den Süden besucht habe. Er freue sich, dass wieder mit dem alten Herkommen gebrochen sei, und man unter solchen günstigen Auspicien sich in Stuttgart versammelt habe. Ein grosser Teil der anwesenden fremden Ornithologen habe heute Nachmittag bereits, in pietätvoller Erinnerung, auf dem hiesigen Centralfriedhof das Grab Theodor von Heuglin’s aufgesucht und damit den Manen des grossen württembergischen Ornithologen seine dankbare Verehrung dargebracht. Hr. Schalow dankt Herrn Lampert im Namen der Gesellschaft herzlichst für die begrüs- senden Worte und den Anwesenden für das zahlreiche Erscheinen. Namens des Landesverbandes der Geflügelzucht- und Vogel- schutzvereine Württembergs richtet Herr Notar Stellrecht Worte der Begrüssung an die Anwesenden, wobei er besonders auf die Bestrebungen des Vogelschutzes in neuester Zeit und auf die er- zielten Erfolge eingeht. Herr Schalow erwidert dem Redner und weist darauf hin, dass die ornithologische Gesellschaft zwar in der Hauptsache wissenschaftlichen Zielen diene und wissenschaftliche Untersuchun- sen zu fördern bestrebt sei, dass sie aber mit vielem Interesse die praktischen Ergebnisse verfolge, die durch Anbahnung eines verständigen und zielbewusten Vogelschutzes gewonnen werden. Im Laufe des Abends werden dann eingehend in lebhafter Besprechung, an denen sich die Herren Klunzinger, Reichenow, Bericht über die Jahresversammlung. 509 Neumann, Schalow, Haecker, Heinroth, König u. a. be- teiligen, die Fragen bezüglich eines Anschlusses der Jahresver- sammlungen unserer Gesellschaft an die Versammlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft erörtert. Allgemein gelangt die Ansicht zum Ausdruck, dass es sich bei der Eigenart der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft wie bei dem begrenzten Arbeitsfelde, auf dem sie tätig sei, und der Verschiedenartigkeit der Interessen empfehlen dürfte, von einer Vereinigung mit der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, so viele Gesichtspunkte auch dafür sprechen mögen, abzusehen. Nach Schluss der Vorversammlung blieben die Mitglieder und Gäste der Gesellschaft noch lange in anregendem Gedanken- austausch bei einander. Sonntag, den 31. Mai 1903. Vormittags 10 Uhr versammelten sich die Teilnehmer in den Räumen des Königlichen Naturalien-Cabinets. Herr Oberstudien- rat Professor Dr. Lampert begrüsste die Ornithologen mit herz- lichen Worten, wies auf die Bedeutung des Stuttgarter Museums hin und lud alsdann zu einer Besichtigung der reichhaltigen Sammlungen ein. Zunächst wurde ein Gang durch den palaeonto- logischen Teil des Museums angetreten. Herr Dr. Schütze übernahm hierbei in liebenswürdiger Weise die Führung und machte in kurzen Worten auf die sehenswertesten Gegenstände aufmerksam. Dann erläuterte Herr Oberstudienrat Professor Dr. Lampert die bei der Aufstellung der zoologischen Sammlungen befolgten Regeln und richtete die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf die zahlreichen Seltenheiten, die hier ausgestellt sind. Ein Teil der Mitglieder hatte schon öfter Gelegenheit gehabt, die Schätze des Stuttgarter Museums für ihre wissenschaftlichen Arbeiten zu benutzen, entweder, indem sie hier ihren Studien sich gewidmet hatten oder aber dadurch, dass ihnen in liebenswürdigster Weise seltene Stücke zur Vergleichung zugesendet worden waren. Ein jeder fand aber bei diesem Rundgang wieder neue Anregung, und die Reichhaltigkeit der prächtigen Sammlungen erfüllte alle Teil- nehmer mit lebhafter Befriedigung. Wir sahen manche Art, die uns neu war, und erfreuten uns an der Fülle der merkwürdigen und seltenen Formen. Überall trat das Bestreben hervor, eine belehrende Zusammenstellung der wichtigsten Vertreter aller 510 Bericht über die Jahresversammlung. Tiergruppen zur Ausstellung zu bringen, eine kleine Anzahl von Ordnungen aber in möglichster Vollständigkeit zu sammeln. Se sind die Paradiesvögel und Hühner in einer bewundernswürdigen Reichhaltigkeit vertreten. Nachdem die Besichtigung des Museums ihr Ende erreicht hatte, wurden die wissenschaftlichen Verhandlungen der Jahres- versammlung um 11!/, Uhr durch einen Vortrag des Herrn Konsul Ivo Streich (Gmünd): Über die Avifauna meines Gartens in Swatau eingeleitet. (s. Anhang zum Bericht). Der Redner hatte eine vollständige Sammlung aller von ihm beobachteten Arten in schönen Bälgen ausgestellt; sie gab Anlass zu Erörte- rungen über die verwandschaftlichen Beziehungen einiger süd- chinesischer Formen. Hierauf trat eine Frühstückspause ein. Um 1!/, Uhr waren die Mitglieder im unteren Vogelsaale wieder vollzählig versammelt. Herr Reichenow legte zunächst einige wichtige Erschei- nungen des ornithologischen Büchermarktes vor und besprach sie mit wenigen Worten. Dann erhielt Herr Parrot das Wort zu eineın Vortrage: Über Zugbeobachtungen und andere Wahrnehmungen auf einer Fahrt nach Aegypten, der durch Vorlegung einer Anzahl von Vogelbälgen erläutert wurde. Die Auseinandersetzungen des Redners werden an anderem Orte veröffentlicht werden. Über einige Arten erhebt sich eine lebhafte Meinungsver- schiedenheit zwischen den Herren Koenig, Schalow, Neumann, Reichenow und Parrot; namentlich die Verbreitung von Alauda cristata und A. deltae wird einer Besprechung unterzogen. Herr Heinroth erwähnt, dass er Thalassidroma schwimmend und über das Wasser laufend beobachtet habe. Den zweiten Vortrag dieser Sitzung hielt Herr Hellmayr: ÜbereinigeZaunschlüpfer vonSüdamerika.(s. Anhang). Über die zoogeographischen Verhältnisse des nördlichen Südamerikas macht Herr Matschie in der Besprechung der Ausführungen des Redners einige Bemerkungen. Er weist darauf hin, dass die Säugetiere ähnlichen Verbreitungsregeln zu unter- liegen scheinen wie die Vögel. Herr Schulz bestreitet die Wichtigkeit der Anden für die Abgrenzung von Verbreitungsgebieten, da sie erst verhältnismässig spät aufgerichtet worden wären. Bericht über die Jahresversammlung. 511 Um 3 Uhr wurde diese Sitzung geschlossen. Die Mitglieder begaben sich nunmehr in das Hötel Victoria zu einem gemein- samen Mittagsmahl, an dem sich auch die Damen beteiligten. Eine Anzahl von Trinksprüchen trug zur Erhöhung der festlichen Stimmung bei. Am Abend folgten die Teilnehmer der Jahresversammlung einer Einladung der Frau Kommerzienrat Haehnle, welche die Liebenswürdigkeit gehabt hatte, zu dem von ihr zu Ehren der anwesenden Ornithologen veranstalteten Gartenfest auch viele bekannte Persönlichkeiten der stuttgarter Gesellschaft zu laden. Wohl neunzig Personen mochten ihrem Rufe gefolgt sein. Wir sahen u. a. Herrn Graf zur Linden, den eifrigen Förderer aller geographischen und ethnologischen Forschungen, die Oberhof- meisterin der Königin, Frau Gräfin Uexküll, Frau Oberst von Schweizerbarth, die Herren Hofbaudirektor von Berner, Hauptmann Ströhlin, Hauptmann Schroter, Oberjägermeister Excellenz von Plato, Frau von Rümelin, Staatsrat von Gaupp. Teils in der Villa, teils im Garten wurde an kleinen Tischen ge- speist, und zwanglos fanden sich die einzelnen Gruppen. In vollen Zügen genoss man nach des Tages Arbeit in dem mit Lampions geschmückten Garten, in linder Sommernacht, die schwäbische Gastfreundschaft, bei deren liebenswürdiger Ausübung die jungen, anmutsvollen Damen der Familie in reizender schwä- bischer Tracht, und die Söhne des Hauses die Herrin und den Wirt unterstützten. Einer poetischen Begrüssung der Ornitholo- gen folgten Ansprachen, Gesang, Deklamationen und Aufführung eines ad hoc gedichteten kleinen reizenden Festspiels, in dem zwei liebliche Kohlmeisen der Vöglein Lust und Leid in formen- vollendeten Versen besangen. Aber nicht nur das Gefühl, an gastfreier Stätte zu weilen, hob die frohe Stimmung, viel mehr noch geschah dies in dem Empfinden, in einem Hause zu sein, dessen sämtliche Angehörigen durch die für den Schutz der Vögel begeisterte Herrin in den Dienst eines vernünftigen und praktisch durchführbaren Vogelschutzes gestellt sind. Frau Kommerzienrat Haehnle ist Vorsitzende des „Bundes für Vogel- schutz,‘ der in Württemberg viele hundert Mitglieder zählt und im Sinne der von Berlepsch’schen Ausführungen für die Erhaltung unserer heimischen Vögel durch Wort und Tat eifrig einzutreten bestrebt ist. Manch’ ein Wort der Anerkennung aus beredtem Munde galt der Tätigkeit der Gastgeberin auf diesem Gebiete 512 Bericht über Jie Jahresversammlung. der Vogelkunde, verbunden mit aufrichtigem Dank für die be- reiteten frohen Stunden. Lange blieb man in den gastlichen Räumen. Erst der dämmernde Morgen bereitete dem Tanz der Jugend ein Ende. Montag, den 1. Juni 1903. Vor den Beginn der Verhandlungen wurde dem Zoologischen Garten des Herrn Nill ein Besuch abgestattet. Leider reichte die Zeit nicht aus, um diese sehenswerte Sammlung eingehender zu besichtigen. Sie enthält eine ganze Reihe von Arten, die man nicht häufig zu sehen Gelegenheit hat. Um 10 Uhr eröffnete der Vorsitzende im Vortragssaal des Königlichen Landesgewerbemuseums die dritte Sitzung der Jahres- versammlung. Herr Blasius brachte zunächst einige Zuschriften zur Vorlesung. Die Herren W. Blasius und Nehrkorn (Riddags- hausen), von Bardeleben (Frankfurt a./M.), Kuschel (Breslau) und von Tschusi zu Schmidhoffen (Hallein) hatten ihr Be- dauern darüber ausgedrückt, dass sie nicht an der Versammlung teilnehmen konnten. Herr Freiherr von Berlepsch, der leider plötzlich verhindert worden ist, hierher zu kommen», sandte eben- falls seine herzlichsten Grüsse und bat, den Teilnehmern der Jahresversammlung bekannt zu geben, dass auf der vom 20. — 26. September d. J. in Kassel tagenden Naturforscher-V ersamm- lung auch Gelegenheit geboten sein wird, Fragen des Vogel- schutzes zu behandeln. Es werde reichliches, vollzähliges Material jeglicher Art (Spechthöhlen, Nisthöhlen, Apparate für Winter- fütterung u. s. w.) vorgeführt werden und die Casseler Aue, ein 630 Morgen grosser Park, sei gewissermassen schon als Ver- suchsstation für vogelschützlerische Bestrebungen zu betrachten. Ausserdem sei geplant, die Jahresversammlung des Deut- schen Vereins zum Schutze der Vogelwelt in den letzten Tagen der Naturforscherversammlung dort abzuhalten. Herr Hofrat Professor Dr. Nüsslin erhielt nunmehr das Wort. Er lud die Versammlung zum Besuch der Kolonialen Jagdausstellung ein, die vom 15. Mai bis 10. August in Karls- ruhe eröffnet ist. Herr Kollibay hielt alsdann seinen angemeldeten Vortrag: „Über eine Sammelreise nach Dalmatien.“ Derselbe wird später im Journal für Ornithologie abgedruckt werden. Bericht über die Jahresversammlung. 513 Hierauf sprach Herr von Lucanus über: „Die Höhe des Vogelzuges und seine Richtung zum Winde.“ Der Vortrag ist in den „Örnithologischen Monatsberichten‘“ veröffentlicht worden. In der an diese Mitteilung sich anschliessenden Besprechung wurde eine Einigung über diese wichtigen Fragen nicht erzielt; allgemein wurde der hohe Wert der vom Redner empfohlenen Beobachtungen anerkannt und der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass durch die Ballonfahrten eine recht wesentliche Förderung dieses Zweiges der Wissenschaft erzielt werden möge Die Herren Schuster, Parrot, König, Blasius, Reichenow, Neumann, Heinroth, Haecker und von Lucanus äusserten zu diesen Fragen ihre Ansichten. Herr Schalow hielt einen Vortrag über das Vogelleben der arktischen Meere, worin die mannigfachen und wichtigen Fragen berührt wurden, welche die Vogelfauna des arktischen Meeres in ausserordentlicher Menge darbietet, und die sich auf die zoogeographische Zusammensetzung der Fauna, auf das eigen- artige Vorkommen in den einzelnen Inselgebieten, auf die Mannig- faltigkeit der differenten biologischen Erscheinungen, auf den Einfluss der veränderten Nahrung auf den Organismus einzelner Arten, auf bestimmte physiologische Momente innerhalb der Polarmeere, auf die Wichtigkeit gewisser Meeresströmungen in Bezug auf das artliche Vorkommen u. Ss. w., u. Ss. w. beziehen. Leider mussten die Ausführungen wegen der vorgeschrittenen Zeit abgebrochen werden, und ebensowenig konnte in eine Be- sprechung, wozu die zahlreichen im Vortrage angeregten Pro- bleme Veranlassung gegeben hätten, eingetreten werden. Herr Blasius berichtete dann im längeren Vortrage über seine Reise nach den Fro-Inseln. An der Besprechung beteiligten sich die Herren Heinroth, König, Schalow und Blasius. Herr Klunzinger gab zum Schluss einen Bericht über des Hohenstaufenkaisers Friedrich Il. Werk über die Vögel und die Jagd mit Falken. (s. Anhang.) Nach einigen geschäftlichen Mitteilungen wurde die Sitzung geschlossen. Nach dem gemeinsamen Mittagsmahl unternahmen die Mit- glieder und Gäste mit ihren Damen einen Ausflug nach dem Königlichen Lustschloss Wilhelma und dem Königlichen Park Rosenstein. 514 Bericht über die Jahresversammlung. Abends um 81/, Uhr wurden die Verhandlungen im Vortrags- saal des Königlichen Landesgewerbemuseums wieder eröffnet. Der Vorsitzende verlas zunächst ein von Herrn Thiene- mann, dem Leiter der Station in Rossitten, eingegangenes Begrüssungstelegramm. Hierauf hielt Herr König einen Vortrag über seine Reise nach Dongola unter Vorlegung einer reichen Sammlung von Vogelbälgen und Photographien. Seine Mitteilungen werden später veröffentlicht werden. In der Besprechung äusserten sich die Herren Neumann, Heinroth und König namentlich über die Mauserverhältnisse und die Wirkung des Prachtkleides der Webervögel als Schutzmittel. Herr Heinroth hielt zum Schluss einen durch Lichtbilder erläuterten Vortragüber seineReisenach denBismarck-Inseln. Da die noch übrigen angeineldeten Vorträge der vorgeschrit- tenen Zeit wegen zurückgezogen wurden, so schloss der Vor- sitzende die Versammlung mit herzlichem Danke für die Redner, für die Stuttgarter Herren, die der Ornithologischen Gesellschaft einen so herzlichen Empfang bereitet haben, für Frau Kommer- zienrat Haehnle, deren schönes Fest allen Teilnehmern in leb- hafter Erinnerung bleiben wird, und für Herrn Staatsrat von Gaupp, der den vortrefflichen Versammlungssaal zur Verfügung gestellt hat. Am Dienstag den 2. Juni 1903 wurde ein Ausflug in die Schwäbische Alb unternommen. Bei herrlichem Wetter fuhr man zu Wagen von Gmünd, wohin die Eisenbahn die leider nur kleine Zahl von Teilnehmern geführt hatte, nach Lautern. Von hier aus wurde der Rosenstein bestiegen. In der Hausscheuer, wo das Frühstück eingenommen wurde, begrüsste Herr Bezirksarzt Dr. Keller dieVersammelten, gab in kurzen Zügen eine Darstellung der Geschichte des sagenreichen Rosensteins und übernahm sodann die Führung durch den an herrlichen Aussichtspunkten reichen Gebirgsstock. Bei der Klosterruine endete die Bergfahrt. In später Nachmittagstunde nach Heubach abgestiegen, fanden die Wanderer dort ein Mahl vorbereitet. Hier wurde die Jahres- versammlung geschlossen und hochbefriedigt kehrten die Teil- nehmer des Ausfluges spät Abends nach Stuttgart zurück. Matschie. Schalow. Bericht über die Jahresversammlung. 515 Die Avifauna eines Gartens in Swatau:; Süd-China. Von J. Streich. Ein Aufsatz, den ich vor einiger Zeit im „Ibis“ gelesen habe: “The birds of a Bankok Garden“ brachte mich auf den Gedanken und ermutigte mich, auch die gefiederten Besucher meines Gartens in Swatau etwaigen Interessenten vorzustellen. Man wird erstaunt sein über die Reichhaltigkeit der Avifauna dieses nur etwa 2,2 ha grossen Erdenwinkels. Zunächst einige Worte über Lage und Klima. Swatau liegt in der Nord-Ost Ecke der chinesischen Provinz Kwangtung (gewöhnlich, aber fälschlich Canton genannt) unter 116° 9° Östl. Länge und 23° 20° Nördl. Breite, also noch gerade südlich des Wendekreises des Krebses. Es ist am Meere gelegen, das heisst an einer durch vorgelagerte Inseln gebildeten Bucht, welche gerade bei Swatau auf etwa 1,5 km als geringste Breite zusammengeschnürt ist, sich aber nach Westen, also landeinwärts, noch ca 16 km weit ausdehnt. Dieser Teil ist etwa 8 km breit, sehr flach und von Deichen umschlossen, hinter welchen in weiter Ausdehnung die Reisfelder sich erstrecken: die besten Jagdgründe für Wasserjagd, welche ich kenne. In diese Bucht mündet von Norden kommend der Han-Fluss, von Westen her, mit bedeutend kürzerem Lauf, der Kityang-Fluss. Besonders der Erstere ist ein schöner von (relativ) hohen Bergen begleiteter, genau in nord- südlicher Richtung dahinfliessender Strom, dessen Ufer stark bebaut sind, während die Hänge der Berge vielfach mit Bambus- gebüsch und Obstgärten bepflanzt sind. Wälder gibt es aber nicht, denn die Chinesen sagen, diese beherbergen doch nur wilde und reissende Tiere und sind daher vom Übel. Nordwestlich, nördlich und östlich der Stadt erstreckt sich eine äusserst frucht- bare, von einem feinen Netzwerk von Flüssen und Kanälen durch- zogene, mit grossen und kleinen Ortschaften besähte Alluvial- Ebene, die von ziemlich hohen Bergzügen flankiert und durchzogen wird. Wälder gibt es also auch hier nicht, wohl aber in den Dörfern und deren unmittelbaren Nähe, sowie bei den vielen Tempeln und Tempelchen schöne Baumgruppen und Obstgärten: Banjen Bäume (Fiecus bengalensis) und Bambus, Mangifera indica, Talgbäume Stillingia sebifera, Bombax malabaricum und noch einige andere schöne Laubbäume, deren Namen ich aber nicht kenne. Von Obst- bäumen sind die hauptsächlichsten: Arbutus, Diospirus kaki, 516 Bericht über die Jahresversammlung. Nephelium litchi und longan, — vielleicht darf ich hier auch die: in grossen Anpflanzungen vorhandene Musa chinensis rechnen —,, und dann insbesondere die ausgedehnten Orangengärten. Die so-- genannte Mandarine wird strauchartig, die glattschalige „Kuli‘‘-. Orange dagegen meist baumartig gezogen. An den Bergen entlang; finden sich hier und da kleine Schonungen von Pinus sinensis und! die in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt befindlichen Lagunen ı sind von einem Kranz von niedrigen, aber sehr dichten Mangrove-- bäumchen eingefasst. Die Felder sind bepflanzt mit Reis (zwei Erndten), Zucker- rohr, Jams, Weizen, Boehmeria Nivea (einer Nesselart, welche zu den feinsten Gespinsten verarbeitet wird) von Indigo, Erd-- nüssen, Kohl und Rüben ete. — In dieser Umgebung liegt also unser Beobachtungsfeld, der Garten des Kais. Deutschen Konsulats in Swatau. Er ist, wie bereits erwähnt, etwas über 2 ha gross, liegt mit der Südseite unmittelbar an der See und ist an der Ost- und West- Seite von anderen Gärten, im Norden von einer feuchten Wiese umgeben. Eingefriedigt ist der Garten von einer etwa 2 m hohen Mauer, an dieser entlang rings um den Garten herum sind grosse, dichte Bambus-,‚Hecken“ gepflanzt, welche zusammen mit der nach Aussen abschliessenden Mauer ein herrliches Versteck für die Vögel bilden. Aber auch schöne, von Ficus bengalensis gebildete Baum- gruppen, einige auf einem an einem grösseren Teich befindlichen Hügel stehende Fichten, verschiedene Palmen, Thuja, Juniperus und Citrus Arten bieten ihnen Unterschlupf und Jagdgründe nach Belieben. In der Mitte des Gartens, von Bäumen und Gebüsch und dem von Seewasser gespeisten Teiche umsäumt, ist eine grosse Wiese und an diese sich anschliessend ein Gemüse- garten und ein Hühnerhof. Das Klima ist trotz der südlichen Lage nicht rein tropisch. Der durch kontinentale Einflüsse, für die (— im solaren Sinne —) „Heisse Zone“, zu kühle Winter — ich habe einmal an meinen Palmblattspitzen veritable Eiszapfen hängen sehen — nimmt dem Klima den Stempel des ächt Tropischen. Zur Zeit des N. OÖ. Monsuns herrscht die trockene Jahres- zeit, die mit dem Herbst und Winter zusammenfällt, während der S. OÖ. Monsun den ziemlich regnerischen Sommer bringt. Eine eigentliche Regenzeit gibt es aber nicht. Die Brütezeit der Vögel fällt in die regenreichste (nach Zeit, nicht nach Menge) Bericht über die Jahresversammlung. 517 Jahreszeit, denn in den Monaten April bis Juni fallen in etwa 234 Stunden, ca. 44 cm Wasser (Juli bis September in nur 146 Stunden 50 cm), dabei ist es verhältnismässig kühl, indem die Temperatur in den Monaten April-Mai der mittleren Jahrestemperatur von 22,50 C. etwa gleich kommt. Das Brutgeschäft vollzieht sich also zur Zeit der grössten Feuchtigkeit und bei mittlerer Wärme. Was nun endlich die Avifauna des Konsulatsgartens betrifft, welche natürlich mehr oder weniger ein getreues Abbild derjenigen der soeben beschriebenen Umgebung ist, so habe ich in den Jahren 1889—1902 ungefähr 145 Arten beobachtet und ge- sammelt. Hierunter sind etwa 15 Arten, welche ich nur vom Garten aus, d. h. über denselben hinwegfliegend, habe beobachten können. Es sind dies Möven, Gänse, Pelikane, Kraniche und Raubvögel. Sonst beherbergte der Garten stetig oder vorübergehend 77 Pas- seres, darunter besonders folgende 9 Familien und Arten: Drosseln 9, Sänger 15, Bachstelzen 8, Dicruridae 4, Würger 5, Fliegenschnäpper 10, Finken 7, Stare 5, Raben 5. Von der Ördnung Macrochires sind nur die beiden Familien Cypselidae und Caprimulgidae mit je zwei Arten vertreten, von den Spech- ten habe ich nur während der kalten Jahreszeit den Wendehals angetroffen. (Ich habe auch sonst in der näheren Umgegend nur zweimal einen Specht, wahrscheinlich Preus cabanisi, beobachtet). Alsdann beherbergte der Garten zeitweise vier Arten Alcedinidae und 6 verschiedene Kuckucke. Bubonidae wurden vier, Aceipitres 11 beobachte. Herodiones habe ich 11 Arten im Garten gesammelt. Anseres konnte ich vier Arten zählen und je eine Anser albifrons und Querquedula crecca über den Garten wegfliegend auch erlegen. Dann sind noch zu erwähnen 2 Taubenarten, wovon T. chinensis sehr zahlreich und ständig, T. humilis dagegen nur zeitweise, dann aber auch in grösseren Gesellschaften auftrat. Es bleiben nun nur noch 8 verschiedene Limnicolae zu registrieren, die sich aber meistens nur in den Garten verirrt hatten, was um so weniger auffallen dürfte, wenn ich noch hinzufüge, dass das Konsulatsgrundstück eben unmittel- bar an den sandig-lehmigen Strand des Hafens stösst. Wenn ich die gefiederten Bewohner des Gartens in Brüter und Nichtbrüter einteilen darf, erhalten wir folgende Übersicht: Journ. f, Orn, LI, Jahrg. Oktober 1903. 34 518 Bericht über die Jahresversammlung. 1. Brüter ' a. Standvögel 46 b. Zugvögel 14 60 2. Nichtbrüter IE a. Wintergäste 48 b. Durchzügler 33 81 Zusammen 141. Wir sehen also, dass etwa 60 der als Gartenbewohner oder | Besucher aufgezählten Vögel in der Umgegend brüten, im Garten selbst nisten mehr oder weniger regelmässig 27 Arten, von denen ich auch stets die Nester habe finden können. Es waren dies: Turdidae 3, Merula mandarina, Copsychus saularis und Dryo- nastes perspicillatus. Sylviidae 3, Sutoria sutoria, Prinia sonitans und Prinia inornata. Brachypodidae 1, Pycnonotus sinensis. Fringillidae 1, Passer montanus. Sturnidae 3, Graculipica nigricollis, Sturnus sinensis, Acri- dotheres cristatellus. Corvidae 3, Corvus macrorhynchus, Corvus torquatus, Pica pica. Cuculidae 3, Cacomantis lenuirostris, Eudynamis honorata Centropus sinensis. Lanvidae 1, Lanius schach. Zosteropidae 1, Zosterops palpebrosa. Herodiones 3, Ardetta sinensis, A. cinnamomea, A. eurythma. Columbidae 2, Turtur sinensis und Turtur humilis. Rallidae 1, Eryihra phoenicura. Diese Liste ist wahrscheinlich nicht ganz erschöpfend, so vermute ich, dass Athene whitelyi zu den regelmässigen Brütern gehörte, obwohl ich das Nest niemals finden konnte. Den im dichtesten Bambusgebüsch befindlichen Nestern war überhaupt sehr schwer auf die Spur zu kommen und eine Besichtigung derselben fast unmöglich. Kleine Vögel konnten da ungesehen und ungestört nisten, doch habe ich die Bemerkung gemacht, dass gerade diese die Laubbäume und Sträucher vorziehen, viel- leicht wegen der im Bambus sehr häufigen Schlangen. Bericht über die Jahresversammlung. 519 Süd China bildet die Winterherberge für eine grosse Anzahl nordost-asiatischer Vögel, aber auch solche aus den hochgelegenen Gegenden Südwest-Chinas, von den Yangtse Quellen bis zum Himalaya, nehmen bei Eintreten der kälteren Jahreszeit ihren Flug nicht südlich über das allzu unwirtliche himmelanstrebende Gebirge, sondern richten denselben nach Osten und talwärts. Sie folgen dem Oberlauf des Yangtse bis wo er in Yünnan nach -N.O. abbiegt, überfliegen dort die nicht allzuhohe Wasserscheide nach dem Kunni Tale, das sie in ziemlich gerader, östlicher Richtung nach den Provinzen Kuanghsi und Kuangtung bringt, in deren N.O.-Ecke, wie schon erwähnt, Swatau gelegen ist. Doch gelangen diese Besucher nur ausnahmsweise in die Swatauebene herunter, sie scheuen das Tiefland und wohl noch mehr die Nähe der See, während verschiedene derselben schon wenige Meilen landeinwärts in den Bergtälern angetroffen werden. Ein längerer Aufenthalt in den Bergen N.O.-Kwangtungs müsste daher auch von grossem Interesse sein; leider habe ich nie genügend Zeit und Musse gehabt, jene Gegend eingehender zu untersuchen; auf einer Dienstreise habe ich sie einmal flüchtig gestreift. Das Hauptkontingent unserer Wintergäste und der noch weiter südlich strebenden Durchzügler zieht von Norden heran, sowie von Nord-Westen. Das Tal des bereits erwähnten Han- Flusses führt leicht ansteigend etwa 300 km in genau S.N.-Richtung auf das Yangtsebecken zu. Bei Ting-chow ist eine etwa 1200 m hohe Wasserscheide zu queren, alsdann übernimmt der Kaufluss die weitere Führung bis zum Yangtsekiang, von dessen ungeheuerem Talbecken aus sich viele weitere Wege nach Westen, Norden und N.-Östen verzweigen. Ich habe absichtlich den Verlauf dieser Flugstrasse von Süd nach Nord geschildert, denn der Frühjahrs- zug durch das erstgenannte Tal übertrifft sowohl an Anzahl wie auch an Artenreichtum ganz entschieden den herbstlichen Zu- wanderer-Strom. Es hat diese Erscheinung wohl einzig und allein ihren Grund darin, dass viele Vögel mehr landeinwärts dem Süden zustreben, da der Nord-Ost Monsun im Oktober- November mit viel grösserer Gewalt wütet, als dies im Frühjahr der Fall ist, und auch die berüchtigten Wirbelstürme der ost- asiatischen Meere, die Taifune, gerade im September - Oktober die Seeküsste am schlimmsten heimsuchen. Die Wasservögel machen hiervon eine Ausnahme, sie kommen allerdings auch etwas später an und können ja auch mehr aushalten. Gänse habe ich 34* 520 Bericht über die Jahresversammlung. vor dem 8. November nie beobachtet, dann aber kommen sie und ihre Verwandten in solcher Anzahl, dass die Wasserjagd in Swatau wohl für die beste in ganz China gehalten wird. Dass manche der Besucher in einem Jahre zahlreicher, im andern wieder seltener auftreten, hat nichts Überraschendes; dass sie aber ab und zu ganz wegbleiben ist schon merkwürdiger. Da ist z. B. der prächtige Merops philippensis, der in den Jahren 1890—95 mit grösster Regelmässigkeit eintraf, seitdem aber ausgeblieben ist. Nicht nur dass ich ihn im Garten nicht mehr gesehen habe, nein auch in den Bergtälern der Nachbar- schaft, wo er nach anderen Beobachtern sonst während des ganzen Sommers häufig anzutreffen war, habe ich ihn nicht wieder finden können. Sodann ist der Acrocephalus bistrigiceps zu erwähnen, von dem De la Touche angegeben hatte, dass die Mangrove-Lagunen bei Swatau im Mai geradezu übervoll seien. Obwohl die bewusste Örtlichkeit sich in nächster Nähe unseres Gartens befindet, habe ich doch in den Jahren 1890—96 weder im letzteren noch in jenen Gebüschen auch nur einen einzigen solchen Vogel entdecken können, dagegen ist dieser liebliche Sänger in den letzten 2 Jahren an dem beschriebenen Platze in grosser Anzahl wieder zu be- obachten gewesen. In den Garten kam er selten. Ähnlich ver- hält es sich mit Hemichelidon ferruginea Hodgs., und fast dieselbe Erfahrung machte ich mit Locustella ochotensis Midd. Ferner bekamen wir in den letzten 3 Jahren regelmässige, wenn auch nicht häufige Besuche von Buchanga leucogenys und dem schönen Roller Eurystomus orientalis, auch von Munia punc- tulata, deren Vorkommen in China meines Wissens bis jetzt über- haupt noch nicht gemeldet worden ist. Die drei verschiedenen Munia, welche hier vorkommen, waren in den letzten Jahren während der Winterszeit häufiger im Garten zu beobachten, als das früher der Fall gewesen, doch ist diese Erscheinung auf das in dieser Zeit öfter eingetretene Blühen des Bambus zurückzu- führen, dessen Früchte sie gerne zu fressen scheinen. In der beigegebenen Liste sind die in dem Garten nur beobachteten Vögel mit einem (*) Sternchen bezeichnet, wobei ich bemerke, dass nur in den Fällen, wo ich durch wiederholte Beobachtung und spätere Vergleichung mit ausserhalb gesammelten Exemplaren meiner Sache sicher war, zu einer Eintragung in die Liste geschritten wurde. Die Reihe der Beobachtungen hätte Bericht über die Jahresversammlung. 521 sonst und zwar mit ziemlicher Genauigkeit um das Doppelte erweitert werden können. „N“ bedeutet häufiges Vorkommen w* „ weniger häufiges „, Bis, r seltenes FR Die Abkürzungen der Monatsnamen ergeben sich von selbst. Ivo Streich. Liste der in den Jahren 1839-1902 in dem Garten des Kaiserlichen Konsulats zu Swatau gesammelten und beobachteten Vögel. | Brüter Nichtbrüter Stand- Zug- Winter- | Durch- vögel | vögel gäste | reisende | | I. Passeres. Turdidae. | Merula mandarina BB. . . . | h » hortulorum Sclater . . m „ ehysolaus Temm. . . . sJan.-Fb. Er pallida Gm. . .,.: . sD.-Feb. Copsychus saularis L. h Dryonastes perspieillatus Gm. h Pratincola maura Pal. . . . hOkt.-Mz. Ruticilla aurorea Pal. . . . Des Oreicola ferrea Hodgs.. . . . s Jan. Erithacus calliope Pal. . . . m Jan.- Ende Mz. Sylviidae. Phylloscopus coronatus Temm. . | s Winter - borealis Blas. . . s Okt. u. Ap.-Mai > superciliosus Gm. . hOkt.-Mz. e, proregulus Pall. . IR,, Luseiniola fuscata Blyth . . . hNv.-Ap. Acrocephalus orientalis T. u. S.. h Ap.-Mai N bistrigiceps Swinh. | | sOkt.u.| 2 St. | 20. M. Locustella ochotensis Midd. . | s Mai Cettia sinensis La Touche | sDz.-Feb. 522 Bericht über die Jahresversammlung. Brüter Nichtbrüter Stand-l Zug- | Winter- | Durch- vögel | vögel gäste reisende 20 | Cettia minuta Swinh. . . . sDz.-Feb. 21 „ canturiens Swinh. . me; 22 | Cisticola cursitans Temm. m Dz.-Fb. 23 | Prinia inornata Sykes . h 24 „ sonitans Swinh. h 25 | Sutoria sutoria Forster h Paridae. 26 | Parus minor T. u. 8... s Motacillidae. 27 | Motacilla lugens Pall. . m Okt.-Mz 28 » leucopsis Gould. hSpt.-Ap 29 „ ocularis Swinh. . he, 30 a melanope Pall. . IM 31 4 flava Linn. s Mai 32 taivana Swinh. > 33 Anthus maculatus Hodgs. sOkt.-Ap 34 » richardi Vieill. In Brachypodidae. 35 | Pycnonotus sinensis Gm. . = sch 36 ” jocosus Ser Linn. ; R) Dicruridae. 37 | Buchanga atra Herm.. R m 38 Br leucogenys Walden. s Ap.-Mai 39 | Chibia hottentotta Linn. . 5 s April 40 | Pericrocotus cinereus Lafresn. . SarE,, Laniidae. 41 | Lanius schach Linn. h 42 » lueionensis Linn. . h Mz.-Mai 43 »„ bucephalus T. u. 8. . SO 44 „ eristatus L. : Ss» 50 uSıphlasespginen a es: s Okt. Musicapidae. h Frühj. 46 | Alseonax latirostris Raffl. : u. Herbst 47 | Hemichelidon ferruginea Hodgs. . m Mz.-Ap. Brüter Stand-| Zug- | vögel | vögel Bericht über die Jahresversamımlung. 523 Nichtbrüter Winter- | Durch- gäste | reisende Hemichelidon sibirica Gm. Musicapa griseisticta Swinh.. Poliomyias luteola Pall. Tarsiger cyanurus Pall. Xanthopygia cyanomelaena Temm. narcissina Temm. Terpsiphone incei Gould . a princeps Temm. . Hirundinidae. Hirundo gutturalis Scop. . e nipalensis Hodgs. Zosteropidae. Zosterops palpebrosa Temm.. Fringillidae. Passer montanus Linn. Munia acuticauda Hodgs. ‚„„ topela Swinh. „ Punetulata Hume Eophona melanura Gm. Emberiza spodocephala Pall.. Melophus melanicterus Gm. . Alaudidae. Alauda coelivox Swinh. Sturnidae. Graeupica nigricollis Payk. . Acridotheres cristatellus Linn. . Sturnia sinensis Gm. . Spodiopsar eineraceus Temm. s sericeus Gm. . Corvidae. Corvus macrorhynchus Wagl. Corvus torquatus Less. Pica caudata Linn. Dendroecitta sinensis Lath. Urocissa sinensis Linn. E (u -- 5 h Anf. Feb.-Nov. s Nov. s Mz.-Ap. s Dez. s Febr. s April s Mz.-Ap. Frühjahr u. Mm Apr. Sommer. u. Okt. br. n.1.6. do. s Feb. 24. h Winter u. Frübhj. h Okt.-Mi. br. n.1.G. br. n.1.6. h Okt.bis EndeFb. br.n.1.6. 524 Bericht über die Jahresversammlung. Brüter Nichtbrüter Stand- Zug- | Winter- | Durch- vögel | vögel gäste zügler II. Maerochires. Cypselidae. 77 Capalus subfurcatus an Re h br.n.i.( 78 „. opacihicus kath... . .. s | Caprimulgidae. 79 | Caprimulgus jotaka T.u.8.. . m Herbst u. Frühj. 80 » monticolus Franke . s Ill. Pici. Picidae. 81 | Iynx torquilla Linn h Nov.-Mz IV. Coceyges. Meropidae. 82 | Merops philippinus Linn... . . | h? br.n.i.€ Coraciidae. 83 | Eurystomus orientalis Linn. . . S ver- ß schlagen Alcedinidae. 84 | Alcedo bengalensis (ispida) Gm. h 85 | Ceryle rudis Linn... . . Sala 86 | Halcyon smyrnensis Linn. h br. n.i.G 87 n pileatus Bodd. h do. Cuculidae. 88 | Cuculus canorus Lion. . . . mMz.-Ap. 89 hs intermedius Vahl. . . Ss» 90 cn sparverioides Vig. . . sJan.-Fb. 91 | Eudynamis honorata Gm... . . h 92 | Cacomantis tenuirostris J.E.Gray | h 93 | Centropus sinensis Steph. h V. Psittidae. VI. Striges. Bubonidae. Bubo bengalensis Sharpe . Scops glabripes Swinh. Athene whithelyi Blyth. Ninox scutulata Raffl.. VII. Aceipitres. Pandion haliaötus Linn. Circus cyaneus Linn. . „» spilonotus Kaup. „ aeruginosus Linn. . Buteo plumipes Hodgs. Aquila clanga Pall. Aceipiter nisus Linn. . . nisoides Blyth Falco peregrinus Tunst. . „ subbuteo Lion. . . „»„ tinnunculus Linn. . VII. Steganopodes. Fregatidae. Fregata (Attagen) minor Gm. Phalacrocoracidae. Phalacrocorax carbo Linn. Pelecanidae. Pelecanus philippensis Gm. . IX. Herodiones. Ardea cinerea Linn. Herodias alba Linn. s? h? Brüter Stand- vögel Bericht über die Jahresversammlung. Nichtbrüter Zug- Winter- | Durch- vögel gäste zügler m Mai-Juli m h Nov.-Feb. hOkt.-Mz. h,. h Nv.-Mz. sDz.-Feb. S S h Nv.-Fb. hOkt.-Mz. s Juli u. Aug. h Okt.-Mai Sept.,Nov. u. März br.n. 1.6. br.n.1.G. br.n.1.G. fast nur QQO u. Junge d- 1 Mal im März. je 1Malim Feb.u. Mz. br. 2.1.6. Einige Exem- plare bleiben jedenfalls auchwährend des Winters. br. n. 1.6. 526 Bericht über die Jahresversammlung. 127 128 129 131 132 133 Herodias intermedia Wagl. Ss garzetta Linn. a eulophotes Swinh. Bubuleus coromandus Bodd. . Ardeola prasinosceles Swinh. Ardetta sinensis Gm. . = cinnamomea Gm. Fr eurythma Swinh. . Nycticorax griseus Linn. . X. Anseres. Anatidae. Anser serrirostris Seeb. „ albifrons Gm. Tadorna cornuta Gm. . Querquedula crecca Linn. XI. Columbae. Turtur sinensis Scop. . » humilis Temm. . XII. Geranomorphae. Rallidae. Erythra phoenicura Forst. Gruidae. Grus lilfordi Sharpe XIH. Limicolae. Charadriidae. Aegialitis fulvus Gm. . . „ geoffroyi Wagl. ss cantiana Lath. . Brüter Nichtbrüter Stand-|ı Zug- Winter- | Durch- vögel vögel gäste zügler Ss hOkt.-Mz. h Mai-Sept. "| do. do.. h do. „ h Mai-Okt.| do. do. h br.n.i., h Nov.-Feb. do. do. do. h m h h Nov.-Feb. hOkt.-Ap. h Apr.-Mai -Spt.-Okt. hOkt.-Mz. Bericht über die Jahresversammlung. 527 Brüter Nichtbrüter ‚Stand-- Zug- | Winter- | Durch- vögel | vögel gäste zügler Scolopacidae. | | 4| Gallinago scolopacina Bp. . . h Nv.-Mz. tel 5) Tringa einelus Linn. . . . . Nv.-Mz. 6, Tringoides hypoleucus Linn... . h br.n.1.G. 7| Totanus glottis Lion. . . . . Nv.-Mz. 8| Numenius lineatus Cuv. . . . Oct.-Mz. XIV. Gaviae. Laridae. 9| Larus crassirostris Viel . .* h br.n.1.G. 0| Hydrochelidon leucoptera Schinz. * h Mz.-Juli 1} Sterna anglica Mont. . . . .* h Ap.- Sept. Bemerkungen über neotropische Vögel. Von C. E. Hellmayr (München). Ich habe bereits mehrmals Gelegenheit gehabt, über Er- gebnisse meiner Studien an neotropischen Vögel zu berichten.?) Heute will ich mich vorwiegend mit Troglodytiden und Dendro- colaptiden beschäftigen und lege der Versammlung eine Anzahl interessanter und neuer Arten aus diesen beiden Familien vor. I. Seit einiger Zeit sammle ich Material für eine mono- graphische Behandlung der Gattung Henicorhina, welche ich bald veröffentlichen zu können hoffe. Allein, obwohl ich eine sehr bedeutende Anzahl von Exemplaren (nahe an 200), unter- sucht habe, bin ich mir in Anbetracht der grossen individuellen Variation der einzelnen Formen, über einige noch nicht ganz klar und bitte daher alle Fachgenossen, welchen Material aus der Gruppe zur Verfügung steht, mir dasselbe behufs Studium auf kurze Zeit zu überlassen. Nachstehend gebe ich nur die Diagnosen zweier neuer und einige kurze Bemerkungen über die bereits bekannten Formen. 1) Zuletzt in Verhandl. Zool. Bot. Ges. 1901 p. 767; 1902, p. 95, 169; 1903 p. 199—223, 223— 226. 528 Bericht über die Jahresversammlung. Henicorhina inornata n. sp. H. H. prostheleuca (Sel.) dictae affınis differt mandibula dimidio basali albida, pileo dorso concolore (nec olivaceo-brunneo sicut in H. prostheleuca), corpore supra et alis extus saturatioribus, fere castaneis, colore cinereo pectoris laterum obscuriore et magis extenso, lateribus epigastrii multo obscurioribus nec nen rostro crassiore. Lg. al. 53-60, c. 22—30, tars. 22—244/,, 161/,—19 mm. habitat in Aequatoria sept.-occidentali prope pagos Lita et Bulün dictos. ; 5 1903 : typus in Mus. Zoolog. Monacensi: no. 908° Q ad. Lita, 5. Oct. 1899, G. Flemming coll. no. 217. Diese scharf gekennzeichnete Henicorhina-Art steht der H. prostheleuca (Sel.) (typus aus Cordova, S. Mexico) am nächsten, unterscheidet sich aber von zwei Exemplaren dieser Art aus Chiapas und einer Anzahl aus Guatemala leicht durch wesentlich dunkler rotbraune, fast kastanienbraune Färbung der Oberseite und Aussenfahne der Schwingen und viel dunklere, schmutzigrot- braune (statt rotgelbbraune) Bauchseiten. Das Aschgrau der Brustseite ist merklich dunkler und weiter ausgedehnt, der Scheitel ebenso rotbraun wie der Rücken gefärbt, bei H. pros- theleuca dagegen stets merklich heller und mehr olivenbraun, der Schnabel wesentlich kräftiger und stärker. Das auffallendste Unterscheidungsmerkmal ist jedoch die weissliche Färbung der basalen Hälfte des Unterschnabels, der bei H. pros- iheleuca stets ganz schwarz erscheint. Von H. hilaris Berl. und Tacz. (ex Stolzm. Ms.: P. Z. 8. 1884 p. 284), welche gleichfalls von der Westseite der Anden in Ecuador beschrieben ist und von der mir durch die Güte (Graf Berlepsch’s drei typische Stücke vorlagen, unterscheidet sich H. inornata auf den ersten Blick durch die viel dunkler rotbraune Oberseite, reinweisse statt graulichweisse Brustmitte, bedeutend dunklere Färbung der Bauchseiten, stärkeren Schnabel u. Ss. w. Von der neuen Art untersuchte ich 20 Exemplare von folgenden Fundorten, alle in N. W. Ecuador gelegen und von Herrn Rosenbergs Sammlern erlegt: Lita, 3000 Fuss, Bulün, 160 Fuss und Ventanas 60 Fuss. Daraus geht hervor, dass sie sowohl in höheren als tieferen Lagen vorkommt. Bericht über die Jahresversammlung. 529 Von H. prostheleuca (Sel.) lagen mir vor: 2 Stück aus Chiapas, S. O. Mexico (Trujillo leg.), 4 aus Guatemala, 18 aus Costa Rica (Cherrie u. Undwrood eoll.), 1 von Boquete, Chiriqui und 1 von Natä, Veragua (Heyde coll.) Alle besitzen ganz schwarzen Schnabel. Die beiden letzgenannten Vögel, besonders das Stück von Natä sind im Durchschnitt oberseits lebhafter und dunkler rotbraun, fast so intensiv wie H. inornata und der Scheitel ist: nur etwas weniger rötlich als der Rücken: sie ver- mitteln also hierin den Übergang zu der Art von N. Ecuador, aber in der Färbung der Weichen und Schnabelstärke stimmen sie wieder mit der H. prostheleuca überein. H. pittieri Cherrie (Ann. Mus. Nac. Costa Rica v. 4. p. 134 (1894) fällt wohl mit ZZ. prostheleuca zusammen. Ich kann leider die Originalbeschreibung nicht einsehen, doch liegt mir dank dem Entgegenkommen meines verehrten Freundes E. Hartert ein Vogel von Boruca, W. Costa Rica vor, der von Cherrie ge- sammelt, in dessen Handschrift die Bezeichnung „A. pittieri“ trägt. Er weicht von der grossen Serie der H. prostheleuca nur durch die Färbung der Unterschwanzdecken ab: während sie bei letzterer Art einfarbig lebhaft rostgelbbraun sind oder bloss Spuren schwärzlicher Querbänderung zeigen, erscheinen sie bei diesem Stück wesentlicher heller rostgelb und tragen regel- mässige, breite, schwärzliche Querbinden (3—4 auf jeder Feder). Wenn ich auch zugeben muss, dass keines der untersuchten Exemplare von FH. prostheleuea diese Zeichnung so ausgeprägt aufweist, scheint mir dies Kennzeichen allein von sehr geringem Werte, da die Unterschwanzdecken bei verwandten Arten (z. B. H. leucosticta) gerade in dieser Hinsicht sehr stark variieren. Zum Schluss füge ich noch eine Beschreibung von ZH. inor- nata Hellm. bei. ad. Ganze Oberseite einschliesslich des Scheitels gleich- mässig tiefrotbraun, fast kastanienbraun. Flügeldecken wie der Rücken gefärbt, an der Basis der Innenfahne mehr dunkelbraun. Schwingen dunkelbraun, Aussenfahne lebhaft rotbraun mitschmaler, aber deutlicher, schwärzlicher Querbänderung. Schwanz düster rotbraun mit schwärzlicher Querbänderung. Von der Nasen- öffnung an verläuft über dem Auge ein schmaler, scharf abge- setzter, weisser Brauenstreifen, Zügel schwärzlich, übrige Kopf- seiten schwarz mit zahlreichen, weissen Längsflecken. Kehle und Mitte des übrigen Unterkörpers weiss, Brustseiten in grosser 530 Bericht über die Jahresversammlung. Ausdehnung schmutzigaschgrau, Bauchseiten und Steiss schmutzig- rötlichbraun. Achselfedern und Unterflügeldecken aschgrau. Unterschwanzdecken lebhaft rostgelbbraun, häufig mit Spuren schwärzlicher Querbänderung. „Schnabel schwarz, Basis der unteren Mandibel weisslich, Füsse dunkelgrau, Iris braun.“ " Henicorhina leucophrys venezuelensis n. subsp. H. H.leucophrys guttata (Hartl.) diectae (e regionibus circum Bogotä, Colombiae, et Merida, Venezuelae) simillima differt gula pure alba, pectore abdomineque medio albido nec cinereo, hoc indistincte cinerascente undulato et colore fulvescente-brunneo abdominis laterum multo magis restricto. habitat in montibus Venezuelae septentrionalis eircum Tucuyo et Caripe. typus in Mus. Tring no. 153 Mocquerys coll. ad. mons Bucarito, Tucuyo, Oct.-Nov. 893. Diese neue Form steht der H. leucophrys (Tsch.) aus Peru- Ecuador und H. I. gutiata (Hartl.) aus Colombia und Merida sehr nahe, unterscheidet sich aber von beiden durch viel hellere, weissliche (statt aschgraue) Färbung von Brust- und Bauchmitte, indem nur die Brustseiten aschgrau sind, und die wesentlich geringere Ausdehnung des Rostgelbbraun auf den Bauchseiten. Ich untersuchte 7 Exemplare und konnte zwischen denen von Bucarito und Caripe (bei Cumanä) keinen Unterschied nach- weisen. Für die Übersendung der Serie bin ich Herrn E. Hartert zu vielem Dank verpflichtet. Die typische A. leucophrys hat dunkler graue Brust als die Form, welche in den Anden von Columbien und Merida vorkommt und unterscheidet sich überdies meist durch rein- weisse Kehle, während A. I. guitata stets kleine, dunkle Spitz- flecken aufweist. Eine leichte Querwellung auf der Bauchmitte, wie sie A. Il. venezuelensis zeigt, kommt hie und da auch bei den anderen Formen vor. A. |, collina Bangs aus Costa Rica-Veragua unterscheidet sich auf den ersten Blick von allen anderen Formen durch regelmässige, breite, schwärzliche Kehlstreifung. Von allen diesen Formen, welche lebhaft rotbraunen Rücken, Flügel und Schwanz besitzen, weicht H. anachoreta Bangs (Proc. New Engl. Zool. Cl. I (1899) p. 84 typus e Santa Marta, 12,000 Kuss) sofort durch viel hellere, olivenbraune Färbung dieser Bericht über die Jahresversammlung. 531 Teile ab, stimmt aber im übrigen am besten mit H. leucophrys guttata (Hartl.) überein, hat namentlich auch dunkel geprenkelte Kehle und dieselbe blassaschgraue Brust. F. mezxicana Nels. (Ank 1897 p. 73 typus ex Jico, Vera Cruz, Mexico) gehört gleich- falls in die nähere Verwandschaft von H. leucophrys, ist aber leicht durch die viel hellere, rötlicholivenbraune Oberseite und den kurzen Schnabel zu unterscheiden. Sie zeigt kaum eine Spur dunkler Kehlstriche. H. hilaris unterscheidet sich von H. leucophrys venezuelensis sofort durch den völligen Mangel der aschgrauen Färbung auf der Unterseite u. s. w. Die von Bangs und Allen mit H, leu- eophrys identifizierten Vögeln von den tieferen Lagen der Sa. Nevada de Santa Marta gehören, wie ich mich durch Unter- suchung einer Serie überzeugen konnte, zu A. hilaris Berl. und Tacz. Herr Bangs in Boston war so freundlich, sie mir zum Studium zu senden, wofür ihm hier mein aufrichtiger Dank aus- gesprochen sei! Ich kann demnach folgende Henicorhina-Formen unter- scheiden: 1. H. leucostieta (Cab.): Brit. Guiana, Caura-Fluss in Vene- zuela, oberer Rio Negro and Sarayacu, O. Ecuador. 2. H. prostheleuca (Scl.): Centralamerika von OÖ. Mexico — Panama. 3. H. inornata Hellm.: N. W. Ecuador. 4. H. hilaris Berl. und Taecz.: W. Ecuador und Sa. Nevada de Sta. Marta, N. Colombia. 5. H. leucophrys leucophrys (Tsch.): N. Bolivia, Peru — Ecuador (auf beiden Seiten der Anden). 6. H. leucophrys guttata (Hartl): Colombia: Bogotä coll. — westliche Kordillere bei Buenaventura; M&rida in Venezuela. 7. H. leucophrys venezuelensis Hellm.: N.-Venezuela: Tucuyo und Caripe. 8. H. leucophrys collina ©. Bangs: Costa Rica — Veragua. 9. H. leucophrys capitalis Nels.!): Chiapas, S. O. Mexico und Guatemala. 10. H. anachoreta O. Bangs: Hohe Lagen der Sa. Nevada de Sta. Marta, N. Colombia. 1) Mir unbekannt. 532 Bericht über die Jahresversammlung. 11. H. mezxicana Nels: Mexico nördl. vom Isthmus von Tehuantepec. II. Für meine Arbeit über die Vögel Brasiliens lag mir daran, auch den Status der mit Thryothorus coraya verwandten Arten klarzulegen. Dank der freundlichen Unterstützung von Graf von Berlepsch und Dr. von Lorenz konnte ich eine hübsche Serie untersuchen und teile kurz die Resultate meiner Studien mit. Im Jahre 1881 trennte zuerst Sharpe die Vögel des peru- anischen Amazonenstromes als 7. amazonicus von Thr. coraya e Brit. Guiana ab (Cat. B. v. 6. p. 235). 1888 beschrieb Ridgway eine Art von Santarem am unteren Amazonas als Thr. herberti und benannte die von Cayenne auf Grund von Unterschieden, die sich beim Vergleich mit Stücken aus Brit. Guiana ergaben, Thr. oyapocensis. (P. U.S. Mus. v. 10. p. 516.) 1889 wies Berlepsch nach, dass Gmelin’s Turdus coraya auf dem Gayenne-Vogel be- ruhe, mithin Ridgway’s Name zum Synonym würde, dahingegen T. coraya Sharpe nee Gm. eine neue Bezeichnung erfordere. Als solche wurde Z. ridgwayi vorgeschlagen (Journ. f. Orn. p. 293). Thr. coraya, herberti und amazonicus stehen einander so nahe, dass sie wohl nur subspeecifisch getrennt werden können. Umso auffallender ist das Vorkommen einer so abweichend ge- färbten Art wie 7. ridgwayi Berl. in Brit. Guiana. Neben ama- zonicus kommt im Gebiet des oberen Amazonenstromes noch eine Art mit lebhaft aschgrauer Brust, Z. griseipectus Sharpe vor. Diese Formen können folgendermassen gekennzeichnet werden. 1. T. coraya coraya (Gm.). 1788 Turdus Coraya Gmelin, Syst. nat. ed. 13 v. 1 II p. 825 (beruht auf D’Aubenton „Le. Coraya de Cayenne“ Pl. enl. t. 701 £. 1.). 1888 Tihryothorus oyapocensis Ridgway, Proc. U. S. Mus. v. 10. p. 516 nota (Oyapoc, Cayenne). Rücken lebhaft rotbraun, Kehle weiss, übrige Unterseite blass trüb graulichgelbbraun, Bauchmitte am blassesten, Körper- seiten dunkler, mehr rötlichbraun. Schnabel schlank und schwach, 16—17 mm. Untersucht: 3 d, 1 ad. Marabitanas; 1 5 ad. R. Icanna; 1 @ ad. Rio Negro zwischen S. Isabel und Castanheiro: sämtlich von Natterer gesammelt; 1 ad. Cayenne: alle in Mus. Wien. Der topotypische Cayennevogel hat nur etwas dunkler bräunliche Unterseite als die Serie vom „Rio Negro, und be- Bericht über die Jahresversammlung. 533 weist, dass D’Aubenton’s Tafel des „Coraya“ nicht auf T. ridgwayt Berl. bezogen werden darf, dem sie im Colorit nicht unähnlich ist. Verbreitung: Cayenne und am Oberlauf des Rio Negro oberhalb von S. Isabel. 2. T. coraya herberti Ridgw. 1888 Thryothorus herberti „Riker Ms.“ Ridgway, Proc. U. S. Mus. v. 10. p. 516 [Santarem]. Von T. coraya coraya (Gm.) durch bedeutend kräftigeren und längeren Schnabel, sowie etwas heller rotbraunen Rücken verschieden. R. 19 mm. Untersucht wurden: 1 g ad. Barra do R. Negro u. 1 9 ad. Cara-raucu oberhalb Obidos, am unteren Amazonas, beide von Natterer gesammelt und im Wiener Museum befindlich. Der letztere Vogel kann wohl als topotypisch angesehen werden können und stimmt genau auf Ridgway’s Diagnose. Das Stück von Barra (Manaos) ist nahezu identisch mit dem @ und beide unterscheiden sich ausser in den oben erwähnten Punkten noch durch helleren, mehr olivenbräunlichen, nicht so rötlichen Scheitel, und wesentlich hellere Unterseite von meiner Serie des 7. coraya coraya. Verbreitung. Am unteren Amazonenstrom: Barra d. R. Negro und Cara-raucu (Natterer), Diamantina bei Santarem (Riker). 3. T. coraya amazonicus Sharpe. 1881 Tihryothorus amazonicus Sharpe, Cat. B. Brit. Mus. v. 6. p. 235 [Sarayacu, O. Peru]. Hat ebenso langen und starken Schnabel wie 7. c. herbert:, unterscheidet sich aber durch noch viel helleren, lichtrotbraunen Rücken. R. 19 mm. Untersucht wurde ein anscheinend jüngerer Vogel von Yurimaguas, N. O. Peru (G. Garlepp coll.) in Mus. H. v. Berlepsch. Verbreitung. Am oberen Amazonenstrom in O.-Peru: Sarayacu (Bartlett), Yurimaguas (Garlepp). NB. Da der einzige vorliegende Vogel nicht ganz ausge- färbt ist, bin ich nicht ganz sicher, ob sich herberti und amazo- nicus auseinander halten lassen werden. Die helle Rückenfarbe ist sehr auffallend. Eine grössere Serie muss untersucht werden, Die dunkle Bänderung der Oberschwanzdecken, auf welche Graf v. Berlepsch (a. a. O.) Gewicht legt, scheint nicht von Be- deutung. Sharpe erwähnt sie in der Beschreibung des T. ama- zonicus, mein Vogel von Yurimaguas zeigt jedoch davon keine Journ. f. Orn. LI. Jahrg. Oktober 1%03. 35 534 Bericht über die Jahresversammlung. Spur. Der Cayenne-Vogel und das Exemplar von herberti aus Barra weisen undeutliche Querbänderung auf, die von Rio Negro und das © von Cara-raucu besitzen ganz einfarbige Ober- schwanzdecken. 4. T. ridgwayi Berl. 1889 Thryothorus ridgwayi Berlepsch, J. f. Orn. p. 293 [typus e Bartica Grove, Brit. Guiana]. Sofort an der mit Ausnahme der weissen Kehle orange- ockergelben Unterseite kenntlich. Untersucht: $ (typus) e Bar- tica Grove, Q Camacusa, beide in Mus. H. v. Berlepsch (coll. Whitely). Verbreitung: British Guiana (Whitely). Ill. Ferner lege ich Ihnen ein Exemplar von Troglodytes browni. Bangs vor. Diese Art ist wohl die hervorragendste Ent- deckung des Herrn W. W. Brown auf dem Vulcan von Chiriqui, und wurde von Herrn ©. Bangs erst im Vorjahre (Proc. New Engl. Zool. Cl. v. 3. p. 53) beschrieben. Auch das g ad., das ich hier vorzeige, verdanke ich der Güte des liebenswürdigen Autors, es gehört dem Wiener Museum und ist wohl das einzige Exemplar in europäischen Sammlungen. T. browni stimmt in der Form der Nasenlöcher und in der Bildung des Schnabels mit 7. musculus Naum. und Verwandten überein, weicht aber sehr wesentlich durch viel stärkere Füsse und Krallen ab. Der Schwanz ist verhältnismässig viel kürzer und die Steuerfedern sind auffallend schmal und zart. Die äusseren Handschwingen zeigen sehr deutliche, weisse Aussen- säume, die leicht schwärzlich gezähnt sind: diese Zeichnung steht ganz isoliert und kein anderer Troglodytes zeigt etwas Ähnliches. Wahrscheinlich sollte die Art zum Typus eines be- sonderen Genus erhoben werden. Als Nachtrag zu meiner Arbeit über das Genus Tihryophilus (Verh. Zool. bot. Ges. 1901 p. 767, u. 1902 p. 169) möchte ich Folgendes bemerken. Als ich den Artikel veröffentlichte, war mir Thryophilus leucopogon Salvad. u. Festa (Boll. Mus. Torino vol. 15. no. 357 p. 6: typus e R. Peripa, W. Ecuador) unbekannt. In der Sammlung des Wiener Museums fand ich nun einen Vogel |: „g“ ad. S. Javier, N. Ecuador, 19. Juni 1900, Flemming leg. :|, der offenbar zu der genannten Art gehört, da er im Wesentlichen mit der Beschreibung übereinstimmt. Es ist eine ausgezeichnete Art und mit keiner anderen zu verwechseln. Salvadori u. Festa (l. c.) vermuteten, dass sie sich möglicher- Bericht über die Jahresversammlung. 535 weise auf das Jugendkleid von 7. thoracicus beziehen könnte, aber das ist einfach ausgeschlossen. Allerdings steht 7. leucopogon der ge- nannten Art am nächsten, hatinsbesondere fast dieselbe Färbung der Oberseite, Flügel und Schwanz sind auch ähnlich, bloss etwas mehr rostfarben, die Unterseite ist aber ganz verschieden: nur die vordere Partie der Kehle ist weiss und trägt an den Seitenrändern der Federn schmale, schwärzliche Säume [während bei 7. thoracieus die ganze Kehle und Brust mit grossen, weissen, breit schwarz eingefassten Flecken bedeckt sind], die übrige Unterseite leb- haft rostockerbraun tetwa wie bei Myrmotherula fulviventris vi- duata Hart. © nur etwas mehr braun. Überhaupt ähnelt auch die Färbung und Zeichnung der Kehle dem eben genannten Formicariiden). Für die Bahia-Form des Tihryophilus longvrostris (Vieill.) hatte ich (Verhdl. Zool. bot. Ges. Wien 1901 p. 776) die Be- zeichnung siriolatus Spix in Verwendung gebracht. Schon da- mals tat ich dies mit einigem Zögern, da die Abbildung bei Spix (Av. Bras. I. t. 79 f. 2) eher die südliche Form darzustellen schien, wogegen aber die ausdrückliche Angabe „Habitat in provincia Bahiae“ sprach. Nun liegt mir Spix’ Type vor und es zeigt sich, dass Campylorhynchus striolatus in der Tat mit Vögeln von Rio und S. Paulo identisch ist, mithin die Fundortsangabe falsch sein muss. Infolgedessen ist es erforderlich, für die blasse, nördliche Form einen neuen Namen einzuführen und nenne ich diese Thryophilus longirostris bahiae subsp. nov. u 1901 Thryophilus longirostris striolatus (nec Spix) Hellmayr, Verhandl. Zool. bot. Ges. Wien. p. 776. typus in Mus. H. v. Berlepsch. IV. Unter dem Material an Troglodytiden, das mir mein ge- schätzter Freund Dr. v. Lorenz im Frühling d. J. zum Studium übersandte, befanden sich auch die beiden Typen von Cyphorhinus (Microcerculus) einctus Pelz. [Zur Orn. Brasil. p. 47, 65.] Ich machte nun die überraschende Entdeckung, dass diese Art über- haupt nicht zu den Troglodytiden gehört, sondern der Vertreter eines sehr charakteristischen Genus der Formicariiden ist. Zwanzig Jahre später hat Prof. Ridgway dieselbe Art als Dich- rozona zononota beschrieben. Die Synonymie der Art ist somit: 35* 536 Bericht über die Jahresversammlung. Dichrozona cincta (Pelz.) 1868 Oyphorhinus (Microcerculus) cinetus Pelzeln, Zur Ornith. Brasil. p. 47, 65. 1888 Dichrozona zononota Ridgway, Proc. U. S. Nat. Mus. v. 10. p. 524. Verbreitung: Borba am unteren R. Madeira u. S. Joaquim, Mündung des R. Vaupe in den oberen R. Negro (Natterer); Diamantina b. Santarem am unteren Amazon. (Riker). Ridgway’s Beschreibung stimmt genau mit Pelzeln’s Typen überein. Das Genus ist schwer unterzubringen. Der Schnabel ist lang und gestreckt, gegen die Basis etwas verbreitert, Culmen fast gerade, nur die Spitze hakig gekrümmt. Gonys in der End- hälfte stark aufwärts steigend. Nasenöffnung eiförmig, offen und unbedeckt. Sehr ausgedehnter Gonydealwinkel. Schwanz sehr kurz, aus auffallend weichen, schmalen Federn bestehend. Füsse lang, schwach, Tarsus mit undeutlichen Tafeln bedeckt. Die 3.—5. Schwinge am längsten, die 6. kaum kürzer. Die Art zeigt Beziehungen zu mehreren Gattungen. Ridgway vergleicht sie mit Myrmotherula, doch unterscheidet sie sich davon durch verhältnismässig kürzeren, aus schmaleren und weicheren Federn bestehenden Schwanz. In der Schnabelform erinnert sie etwas an BRamphocaenus, im Färbungscharakter (vgl. die breiten, rostgelben Flügelbinden) kommt sie an einige Myrmeciza-Arten (M. pelzelni etc.) nahe heran und in die Nähe dieses Genus möchte ich sie auch stellen, obwohl bei Myrme- cigza der Schwanz entschieden länger und der Schnabel anders geformt (besonders an der Basis breiter) ist. g und © unterscheiden sich kaum, beim letzterem ist bloss das weisse Bürzelband leicht gelblich überlaufen, und die Grösse etwas geringer. Ich vermute, dass Hypocnemis stellata Sel. Salv. ent- weder den jungen Vogel oder höchstens eine nahe ver- wandte Art darstellt. Mit Sicherheit kann dies erst durch Vergleich der Typen im Mus. Brit. festgestellt werden. V. Ich studierte in letzter Zeit an der Hand sehr umfang- reichen Materials, wie es in annähernder Vollständigkeit wohl noch keinem Bearbeiter vorgelegen hat, die Arten der Dendro- colaptiden-Gattung Dendrornis. Die Behandlung der Gruppe im Catal. of B. v. 15 ist ganz unbrauchbar, da Mr. Sclater nur Bericht über die Jahresversammlung. 537 über sehr spärliches Material verfügte, und unter demselben Mangel litt Mr. D. G. Elliot, der im „Auk“ (1890) eine Mono- graphie versuchte. Leider konnten meine Untersuchungen noch nicht ganz abgeschlossen werden, da der Vergleich einiger im Pariser Museum befindlichen Typen unerlässlich ist. Bisher ge- lang es mir trotz mehrfacher Versuche nicht, von den Herren dieses Institutes eine Antwort zu bekommen. Zunächst lege ich Ihnen zwei Exemplare einer Dendrornis- Art aus Costa Rica (Volcan de Miravelles; Underwood coll.), dem Tring Museum gehörig, vor, welche, wie sie sich überzeugen können, gewisse Färbungscharaktere der D. eburneirostris und D. lachrymosa subsp. (also von zwei ganz verschiedenen Arten) in einer Weise verbinden, die nur durch Bastardierung erklärt werden kann. Von derselben Localität liegt auch je ein typisches Exemplar von D. eburneirostris und D. lachrymosa subsp. vor. Die Serie von Costa Rica, Chiriqui und Veragua der letzteren Art weicht nicht unerheblich von solchen aus Panama und N. W. Ecuador ab. Lawrence gründete die Art auf Vögel, die von Mc Leannan an der Panama Eisenbahn erlegt worden waren, und von derselben Quelle liegt mir ein Stück aus dem Wiener Museum vor, welches nicht mit der Form von Central- Amerika, sondern mit der Serie aus N. W. Ecuador überein- stimmt. Daher müssen jene abgesondert werden und ich gebe folgende Diagnose: + Dendrornis lachrymosa eximia n. subsp. D. D. lachrymosae Lawr. (e Panama — Aequatoria sept. occid.) similis, sed colore nigrescente supra subtusque multo magis extenso, alis rectriecibusque obscurius castaneis (fere cin- namomeis in forma typica) et maculis pallidis supra multo minoribus ac brevioribus facile distinguenda. habitat: in Veragua et Costa Rica. typus: in Mus. Vindob. no. 19216 © ad. Boruca, Costae Ricae occeidentalis [G. K. Cherrie legit no. 2262]. Die neue Form unterscheidet sich von D. lachrymosa lach- rymosa Lawr. durch die viel breiteren, schwärzlichen Ränder auf der Unterseite, die viel weitere Ausdehnung der schwarzen Färbung auf dem Rücken, wesentlich dunklere, kastanienbraune (statt zimtrotbraune) Flügel und Schwanz u. s. w. Ich unter- a 538 Bericht über die Jahresversammlung. suchte 8 Exemplare aus Costa Rica, 2 von Chiriqui und 1 von Bibalöz, Veragua, die völlig miteinander übereinstimmen. — Bereits Mr. Elliot gab der Vermutung Ausdruck, dass D. chunchotambo (Tsch.) und D. ocellata (Spix) zwei verschiedene Arten darstellten. Ich hatte durch die Güte von Prof. P. Godet in Neuchätel Gelegenheit, Tschudi’s Original mit dem Spix’schen Typus zu vergleichen, und fand nun, dass die beiden Arten in der Tat total verschieden sind. Ich gebe im Nachstehenden ihre Unterscheidungsmerkmale. D. chunchoiambo (Tsch.) Oberkopf mit breiten, tränen- förmigen, rostgelben Schaft- flecken besetzt. Rücken olivenbraun (mit leichtem, grünliichen Tone), im vorderen Teile mitregelmässigen, etwa 1 mm breiten, rostgelben Längsstreifen (die keine schwärzlichen Säume besitzen). Kehle und Vorderhals mit grossen, schuppenförmigen, von scharfen schwärzlichen Rändern eingefassten, ockergelblichweis- sen Flecken bedeckt. (Kinn u. Vorderkehle sind ungefleckt gelblichweiss.) Die Brust zeigt noch sehr deutliche, längliche helle Schaft- streifen (etwas über 1 mm breit). Culmen in der Endhälfte deutlich gebogen. Untersucht wurden: 1. typus der Art in Mus. Neuchätel. 2. und 3.9 © 1a Gloria: Chanchamayo, C. Peru, Mus. Branicki. 4. 2 Huambo, N. | $ 2 Marabitanas, D. ocellata (Spix.) Oberkopf zeigt nur kleine, schmale, am Ende kaum ver- breiterte, kelle Schaftlinien. Rücken warm rötlichbraun, ohne jede Zeichnung oder nur im vordersten Teile mit haar- förmigen Schaftlinien. Die Flecken, welche auf die hintere Partie der Kehle und den Vorderhals beschränkt sind, viel kleiner und die dunkel- braune FEinfassung weniger deutlich und schmäler. Nur die Vorderbrust trägt ganz undeutliche, haarförmige Linien. Culmen fast ganz gerade (und wie bei D. pardalotus und D. spixi gestaltet). Untersucht wurden: 1. typus der Art in Mus. München. 2.—10. $ 2 Borba, R. Madeira (Natterer) Mus. Vindob. 11.—14. R. Negro Bericht über die Jahresversammlung. 539 Peru, Mus. Branicki. 5. ® | (Natterer) Mus. Vindob. 15. g Huambo, N. Peru, Mus. H. v. B. | R. Xie (Natterer) Mus. Vindob. 6. Huayabamba, N. Peru (G. | 16., 17. 89 Borba und Mara- Garlepp) Mus. H.v.B. 7.—10. | bitanas (Natterer) Mus. H. v. B. d % Cuzco, Marcapata (0. Garlepp) Mus. H.v. B. 11.—26. 5 8 von diversen Arten Bolivias (G. u. O. Garlepp) Mus. H. v. B. Aus der untersuchten Serie von 43 Stück der beiden Arten scheint hervorzugehen, dass D. chunchotambo eine Form der höheren Lagen, D. ocellata dagegen dem Amazonastal eigentümnlich ist. Ob letztere, wie Spix angibt, auch in Piauhy vorkommt, erscheint höchst zweifelhaft. D. lineatocapilla Berl. und Lev. [Ornis v. 6. 1890. p. 24 t. 1, f.1, ex Angostura, Orinoco (typus in Mus. Berlin untersucht)] steht der D. ocellata (Spix) sehr nahe, stimmt insbesondere in der Zeich- nung des Oberkopfes und in dem Mangel der Streifen auf dem Rücken mit ihr überein, unterscheidet sich aber durch viel dunklere, schwärzlichbraune Grundfarbe des Scheitels, weniger rötlichen, mehr braunen Rücken (aber noch immer wesentlich bräunlicher als bei D. chunchotambo) und merklich stärkeren und kräftigeren, an der Basis breiteren Schnabel. Die untere Mandibel ist mit Ausnahme der Kieferäste und eines kleinen Flecks an der Basis hornbraun gefärbt, bei D. ocellata dagegen weisslich. Ich behalte mir vor, auf das Genus Dendrornis bei späterer Gelegenheit noch ausführlich zurückzukommen. Über des Hohenstaufenkaisers Friedrich HI. Werk über die Vögel und die Jagd mit Falken. Dieses Buch ist nicht blos interessant wegen der erlauchten Persönlichkeit des Verfassers, sondern auch wegen der darin niedergelegten Beobachtungen von bleibendem wissenschaftlichem Wert. Lange Zeit in den Bibliotheken vergraben und selbst dem Zeitgenossen Friedrichs, dem Bischof Albertus magnus, der über denselben Gegenstand schrieb, wie es scheint, unbekannt, kam es erst 1596 zurKenntnis weitererKreise, wo es teilweise gedruckt wurde unter dem Titel „Reliqua librorum Friederici II Imperatoris de arte venandi cum avibus,‘“ und noch mehr 1788 durch die von 540 Bericht über die Jahresversammlung. Gottlob Schneider besorgte, mit Eriäuterungen versehene Aus- gabe, ebenfalls lateinisch, wie der Urtext. Eine deutsche Übersetzung machte 1758 Joh. Erh. Pacius. Dem Urtext sind Ergänzungen von Friedrich II. Sohn Manfred, König von Sicilien, beigefügt. Das I. Buch handelt über die Vögel überhaupt und ist eine ein- gehende Naturgeschichte derselben, das II. über die Raubvögel. Die übrigen 6 Bücher, von denen nur das III. gedruckt ist, be- handeln die Falkenjagd, für die Jetztzeit von weniger Bedeutung, von dem Verfasser aber mit besonderer Liebe behandelt. Der Stiel ist sachlich, manchmal etwas weitschweifig, überall erkennt man die gute logische Schulung des Verfassers: stets wird begonnen mit einer Begriffisbestimmung des Gegenstandes, dann folgt die Beschreibung des äusseren und inneren Baues, der physiologische Nutzen (juvamentum), die Lebensweise (opera- tiones). Dann die Verschiedenheiten (Arten), endlich allgemeine Schlüsse (Syllogismen): kurz die Schreibweise des Aristoteles, aber mit Beschränkung auf die Vögel, die um so eingehender behandelt werden. Mehr von historischem Interesse ist die Beschreibung des Baues, welche fast überall richtig und genau ist, besonders auch des Gefieders, soweit dies ohne Lupe möglich war, und die des Skeletts. Die systematische Einteilung lässt, wie die des Aristoteles, zu wünschen übrig, erst Linne gab dem System die formelle Vollendung: so teilt der Verfasser die Vögel ein in Land-, Wasser- und Mittelvögel (letztere hauptsächlich den Stelzenvögeln ent- sprechend), ausserdem in Raub- und Nicht-Raubvögel. Die Körperteile (membra) werden eingeteilt in consimilia —= die nicht zusammengesetzten (Aristoteles) den heutigen ‚„Geweben“ ent- sprechend, und in officialla = zusammengesetzte Organe; diese wieder in äussere und innere. Von wissenschaftlichem Wert sind die Beobachtungen über die physiologische Verrichtung (juvamentum = Nutzen für das Tier), z. B. des Afterflügels, der beim Niederlassen schliesslich allein noch ausgestreckt den Vogel vor hartem Auf- fallen schützt, des beweglichen Oberschnabels, des wenig ent- wickelten Geruchsinns gegenüber dem Gesichtssinn, so dass ge- blendete Geier vorgeworfene Speise nicht finden. Es werden also auch Experimente zu Hilfe genommen. Ferner mancherlei Beobachtungen über die Lebensweise, insbesondere über Zeit Bericht über die Jahresversammlung. 541 und Ort des „Weidens“ (Nahrungsuchens), was der Verfasser als Jäger wohl in Erfahrung bringen konnte. Praktisch wichtig, z. B. für zoologische Gärten, sind die Erfahrungen über Halten und Pflegen der Raubvögel. Wie Aristoteles, geht auch der Verfasser, stets vergleichend zu Werke: er vergleicht Vorder- und Hinterfüsse, Flügel- und Fussskelett, Federn und Haare u. s. w. Von Wert erscheinen auch seine Folgerungen (Syllogismen) und die so gewonnenen allgemeinen Gesetze und Gesichtspunkte, wie die Gorrelation und Compensation, z. B. Vögel mit starken Füssen haben schwache Flügel, und umgekehrt, Vögel mit starker Brust haben starke Flügel, aber dünne Beine, z. B. Tauben. Wasservögel haben kurze Flügel und kurzen Schwanz, weil sie meist auf dem Boden oder im Wasser, nicht auf den Bäumen ihre Nahrung finden. Hoch in Horsten bauende Vögel bekommen ihre Federn spät, und werden lange von den Alten geäst. Auch wird schon eine Art Mimikry erwähnt: Erdvögel (Wachtel, Rebhuhn), welche die Farbe der Erde haben, verbergen sich auf derselben, dieser so fest vertrauend, dass sie von den Menschen mit der Hand er- griffen werden können. Seine Erklärungen stehen vielfach auf mathematisch-physi- kalischer Grundlage, z. B. die Zehen der Vögel haben eine Reihe von Gelenken: so wird eine mehrfach gebrochene kreisartige Linie hergestellt, welche den zu berührenden Gegenstand, wie einen Ast, mehrmals berühren, und so umfassen, nicht blos in einem Punkt, einer Tangente, wie eine gerade Linie — Ferner: unter einem langen Flügel sammelt sich mehr Luft an, einen Widerstand gegen das Sinken bildend, ähnlich einem breiten Stück Blei, das langsamer fällt, als ein schmales! Ferner: Schwimmvögel haben kurze Beine: wie ein Ruderer zur raschen Fortbewegung des Bootes seine Ruder nicht tief eintaucht. Das Stehen auf einem Fuss bei vielen Vögeln, besonders Wasser- und Stelzenvögeln wird erklärt 1) durch Ermüdung, daher das Abwechseln, 2) durch Wärmen des aufgehobenen Fusses zwischen den Federn, 3) durch grosse Empfindlichkeit eines im Wasser stehenden Fusses für schwache Wellen, daher Empfindung einer die Wasserfläche bewegenden, schon leichten Gefahr, z. B. durch Raubtiere. (?) Aus all diesem erhellt ein stetes Nachdenken über die Ursachen der Erscheinungen. Hierbei kommen, wie bei Aristoteles, 542 Bericht über die Jahresversammlung. auch zuweilen Irrungen und Spekulationen vor; so spielen die Feuchtigkeit und Trockenheit, Wärme und Kälte eine grosse Rolle, z. B. bezüglich des Wachstums der Federn: je weiter vom Körper entfernt, desto trockener, desto langsamer wachsend. Die Federn, eben gebildet, werden wieder durch ihren eigenen Saft, der ein Auswurfstoff ist, verdorben, daher die Mauser! Nie aber lässt er sich verleiten zum blinden Autoritätsglauben, selbst nicht an Aristoteles, dem er oft entgegentritt „quamvis Aristoteles dicat contrarium,“ z. B. bei der Bewegung des Ober- schnabels, der Einteilung der Vögel nach den Klauen. Er hebt den Wert eigener Beobachtungen und Erfahrungen hervor und geisselt „die, welche ohne selbst gesehen zu haben, aus unwahren oder ungenügenden Büchern, abschreiben! In diesem Buch aber wolle er kund tun das, was ist und wie es ist“. So haben wir in Friedrichs II. Buch eine mustergiltige und grundlegende Naturgeschichte der Vögel vor uns, die wohl wert wäre, mehr als bisher studiert und beachtet zu werden.!) C. B. Klunzinger (Stuttgart). Bericht über die September-Sitzung 1903. Verhandelt Berlin, am Montag, den 7. September 1903, Abends 8 Uhr im Architekten-Vereinshause, Wilhelmst. 92, II. Anwesend die Herren: Reichenow, Schalow, Grunack, Matschie, Roerig, Haase, Heinroth und Deditius. Vorsitzender: HerrSchalow. Schriftführer: Herr Matschie. Herr Schalow begrüsste als Vorsitzender die Mitglieder anlässlich der ersten Sitzung nach den Ferien und teilte alsdann mit, dass einer unserer hervorragendsten Vogelkenner, Alexander von Homeyer, aus dem Leben geschieden sei. Er war seit dem Jahre 1858 Mitglied der alten Gesellschaft, hatte 1874 bei der Vereinigung beider Gesellschaften eine rege Tätigkeit entfaltet und ist gerade in dem letzten Jahrzehnt wieder vielfach als Ornithologe hervorgetreten. Seine auf mehreren Reisen nach den Balearen, Algier und Westafrika gewonnenen Beobachtungen, seine 1) Neuerdings ist eine prächtig ausgestattete Übersetzung erschienen: H. Schöpffer, Friedrich II., Bilder von der Natur der Vögel und der Falknerei mit Zusätzen des Königs Manfred. Berlin 1896. — Kinzgr. Bericht über die September-Sitzung 1903. 543 ausgiebige Kenntnis der Lebensweise unserer deutschen Vögel und seine eingehenden Forschungen auf oologischem Gebiete hat er in vielen fleissigen Arbeiten für die Wissenschaft nutzbar gemacht. Die Anwesenden ehrten sein Andenken durch Erheben von den Plätzen. Der Vorsitzende erwähnt hierauf, dass unser Mitglied, Herr B. Hantzsch aus Island zurückgekehrt ist und in nächster Zeit über die erfolgreichen von ihm gemachten Sammlungen und Beobachtungen berichten wird. Herr Othmar Reiser hat eben- falls günstige Nachrichten über seine Forschungen in Brasilien hierher gesendet ; er wird im Dezember nach Europa zurückkehren. Herr Reichenow legte nunmehr einige in der Zwischenzeit erschienene Schriften vor und besprach kurz deren Inhalt. Herr Schalow tadelte, dass in Sharpe’s Handlist die un- zuverlässigen Arbeiten von Floericke und Präczak berücksichtet seien und machte dann über eine Anzahl von neu erschienenen Werken einige Mitteilungen. Herr Reichenow hielt nun einen Vortrag über neue Arten aus China (vergl. O. M. 1903 8. 81). Herr Deditius sprach über Vögel des Riesengebirges. Er legte einen jungen Charadrius morinellus im Dunenkleide vor, der am 18. Juli in der Nähe der Wiesenbaude gefangen worden ist. Dieser hatte grüne, aber nicht gelbe Füsse. Anthus aquaticus wurde bei Schreiberhau wiederholt beobachtet; in der Höhe von 800 m sah der Vortragende alte Vögel dieser Art mit Futter im Schnabel. Auch Teirao tetrix hält sich in grosser Höhe auf dem Kamme des Riesengebirges auf. Herr Reicheno w sprach über Nomenklatur der Vögel Deutschlands und widerlegte insbesondere einige von Herrn Pfarrer Kleinschmidt im Julihefte des Journal für Ornithologie vorgenommene Änderungen. Der Vortragende wird seine Aus- fürungen demnächst in den Ornith. Monatsberichten wiedergeben. Herr Reicheno w legte hierauf einige Vogelarten aus dem nördl. Kaukasus vor und machte insbesondere auf das dort heimische Rephuhn aufmerksam, das sich von P. perdix durch blassere, gsrauere Oberseite und helleres, mehr ins Isabellrötliche, bei P. perdix mehr ins Zimtbräunliche ziehende Gelbbraun des Gesichts und der Kehle unterscheidet und als P. perdix caucasica zu sondern ist. Dieselbe Form erhielt der Vortragende aus Rumänien. 544 Bericht über die September-Sitzung 1903. Derselbe sprach sodann über einige afrikanische Haarvögel und beschrieb zwei neue Conspecies: Phyllasirephus cabanisi sucosus Rehw. Dem Ph. cabanisi sehr ähnlich, aber die Olivenfarbe der Oberseite dunkler, Ober- kopf dunkler, auch das Rotbraun des Schwanzes dunkler. Ost- afrıka: Bukoba (Emin); Guasso Massai (Neum.). Andropadus insularis subalaris Rchw. Dem 4A. insularis sehr ährlich, aber die Unterflügeldecken und Innensäume der Schwingen hellockergelb; Unterschwanzdecken fahl wachsgelb. Malindi in Ostafrika (F'schr.) Zum Schluss sprach Herr Matschie über die Verbreitungs- gebiete der Säugetiere und Vögel auf der iberischen Halbinsel. Leider ist man immer noch geneigt, viele der dortigen Formen mit den in Mitteldeutschland lebenden Brutvögeln für gleichartig zu halten. Bei genaueren Untersuchungen wird es sich ergeben, dass nicht nur alle iberischen Brutvögel sich von den entsprechenden mitteldeutschen Formen unterscheiden, sondern auch, dass sie auf der Halbinsel selbst in mehreren geographischen Formen ver- treten sind. Das Rephuhn von Nordwestspanien, das bis Bra- ganza nach Süden verbreitet ist, unterscheidet sich von dem Rephuhn des nordwestlichen Spaniens erheblich, dessen Verbreitung anscheinend nach Norden das gesamte Rhonegebiet umfasst. Die Nachtigall, die in Portugal sehr zahlreich ist, singt wesentlich anders als der deutsche Vogel und scheint etwas kleiner und dunkler zu sein. Die andalusischen Formen sind meistens bis Valencia nach Norden verbreitet. Die Tierwelt der Meseta scheint derjenigen von Mittelportugal sehr ähnlich zu sein: nur einige südliche Vögel reichen bis Coimbra hinauf. Bei Evora kommen schon Gyps, Pterocles, Merops und andere nordafrikanische Arten vor. An geeigneten Stellen war überall ein grosser Reichtum an Singvögeln zu bemerken. Nach der Ansicht des Vortragenden sind folgende Gebiete abzu- grenzen. 1. Nordwestspanien, 2. Das Ebrobecken, 3. DieKüstenländer zwischen Port Bou und Barcelona, 4. die Meseta und die atlan- tische Küste zwischen dem Minho und Guadiana, 5. das Guadal- quivir-Gebiet als Übergangsgebiet, 6. das mediterrane Andalusien. Matschie. Dem Herausgeber zugesandte Schriften. The Annals of Scottish Natural History. A Quarterly Magazine. Edinburgh. No. 46 u. 47. The Atlantic Slope Naturalist. Narberth, Pa. Vol. INo. 2 u. 3 1903. The Auk. A Quarterly Journal of Ornithology. Vol. XX No. 3 1903. Bulletin de la Societ&e Philomathique de Paris. 9. ser. Tome V No. 2 1902 —1903. Bulletin of the British Ornithologists’ Club. No. XCIX 1903. The Condor. A Magazine of Western Ornithology. Cooper Orni- thological Club. Palo Alto, California. Vol. V No. 4 1903. Die Gefiederte Welt. Wochenschrift für Vogelliebhaber. Herausg. Karl Neunzig. Magdeburg (Creutz’sche Verlagshandlung). Jahrg. XXXIL Heft 19—33. The Ibis. A Quarterly Journal of Ornithology. (8.) III. Heft 3 1903. Naturae Novitates. Bibliographie neuer Erscheinungen aller Län- der auf dem Gebiete der Naturgeschichte und der exakten Wissenschaften (R. Friedländer u. Sohn, Berlin). XXV. Jahrg. No. 10—13 1903. Örnithologisches Jahrbuch. Organ für das palaearktische Faunen- gebiet. Herausgegeben von Viktor Ritter von Tschusi zu Schmidhoffen. XIV. Jahrg. Heft 3-4 1903. Örnithologische Monatsschrift des deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt. XXVIII Jahrg. No. 7--10. Records of the Australian Museum. Vol. V No. 1 1903. E. Arrigoni Degli Oddi, Deux Mots sur la Buse Feroce (Buteo ferox) tuce A Lyon en Octobre 1902. (Abdruck aus: Bull. Soc. Zool. Fr. XXVIlIL. 1903 S. 138— 140). E. Arrigoni Degli Oddi, Materiali per una Bibliografia Orni- tologica Italiana. (Abdruck aus: Atti R. Ist- Veneto Se. Lett. Arti LXII. 1902—3 S. 803—853). H. Aubel, Ein Wald- und Vogelheerd oder „Hängen“ und „Hauen“ (auch ein Sportbild), Zürich 1903. J. V. Barboza du Bocage, Contribution ä la faune des quatre iles du Golfe du Guinde. (Abdruck aus: Jorn. Sc. Math. Phys. Nat. Lisboa (2.) Tome VII No. XXV 1903) W. Blasius, Der Riesenalk (Alca impennis.). Sonderabdruck aus: Naumann Naturg. Vög. Mitteleuropas. Bd. XII. M. Braess, Das heimische Tier- und Pflanzenleben im Kreislauf des Jahres. I. Teil. Das heimische Vogelleben. Lief. 4—6. Dresden 1903. G. v. Burg, Vom Berglaubsänger (Phylloscopus bonellü). (Ab- druck aus: Ill. Jahresb. Orn. Ver. München 1901/2). 546 Dem Herausgeber zugesandte Schriften. G. v. Burg, Die Störche im Kanton Solothurn. (Abdruck aus: Orn. Mntsschr. d. Ver. z. Schutze d. Vogelw. XXVIIL 1903 No. 6). Burstert, Das gefleckte Rohrhuhn (Ortygometra porzana) auf der Wanderung. (Abdruck aus: Ill. Jahresber. Orn. Ver. München 1901/2). H. E. Dresser, A Manual of Palaearctie Birds. Part 2. London 1903. 0. Finsch, Über die Arten der Bucerotiden Gattung Ortholophus Grant. (Abdruck aus: Notes Leyden Mus. XXIII. 1905). O. Finsch, Über zwei bisher verkannte Arten: Pitta angolensis Vieill. und P. pulih Fras. (Abdruck aus: Notes Leyden Mus. XXIIl. 1903). . Gengler, Über den Wechsel des Drosselbestandes in Erlangen und Umgebung in den letzten 20 Jahren. (Abdruck aus: III. Jahresb. Orn. Ver. München 1901/2). E. A. Goeldi, Album de Aves Amazonicas. Supplemento illus- trativo a’ obra „Aves do Brazil.“ 2do Fasciculo (Estampas 13—24). Museu Goeldi de Historia Natural e ethnographia. Para 1902. . Grinnel and F. S. Daggett, An Ornithological Visit to Los Coronados Islands, Lower California. (Abdruck aus: The Auk XX No. 1 1903). . E. Hellmayr, Über neue und wenig bekannte Südamerika- nische Vögel. (Abdruck aus: Verhandl. zool. bot. Ges. Wien 1903). GC. E. Hellmayr, Einige weitere Bemerkungen über Poboptila. (Abdruck aus: Verhandl. zool. bot. Ges. Wien 1903). OÖ. Helms, Fortsatte ornithologiske Meddelelser (1903) fra Gronland. (Abdruck aus: Vidensk. Meddel. naturh. Foren. Kbhvn. 1904). GC. Lönnberg, On the names of the two species of Skua with pointed tail-feathers. (Abdruck aus: Zoologist 1903 8. 338— 342). J. v. Madaräsz, Vorläufiges über einen neuen Rohrsänger (Luseiniola mimica). (Flugblatt) Budapest 1903. H. C. Oberholser, Some Notes from Western Texas. (Abdruck aus: The Auk XIX 1902 No. 3). H. GC. Oberholser, A Synopsis of the Genus Psaltriparus. (Abdruck aus: The Auk XX No. 2 1905). H. C. Oberholser, A Review of the Genus Catherpes. (Abdruck aus: The Auk XX No. 2 1903). H. C. Oberholser, A Synopsis of the Genus commonly called Anorthura. (Abdruck aus: The Auk XX No. 2 1902). — — & Dem Herausgeber zugesandte Schriften. 547 H. C. Oberholser, A new Cliff Swallow from Texas. (Abdruck aus: Proc. Biol. Soc. Washington XVI. 1903 S. 15—16). H. ©. Oberholser, Description of a new Vireo. (Abdruck aus: Proc. Biol. Soc. Washington XVI. 1903 S. 17—18). H. C. Oberholser, Note on the generic name Hylophilus. (Abdruck aus: Proc. Biol. Soc. Washington XVI. 1903. S. 101—102). C. Parrot, Ornithologische Wahrnehmungen auf einer Fahrt. nach Agypten. (Abdruck aus: Ill. Jahresb. Orn. Verein München 1901/2). C. Parrot, Albinismus bei Vögeln. (Abdruck aus: III. Jahresb. Orr. Ver. München 1901/2). C. Parrot, Über den Gesang der Vögel. (Abdruck aus: II. Jahresb. Orn. Ver. München 1901/2). J. Ponebsek, Ein in Slavonien erlegter Adlerbussard. (Abdruck (aus: Orn. Jahrb. XIV. Hft. 3/4 1903). A. Ries, Die Verbreitung der Uferschwalbe, Okvicola riparia, im südlichen Bayern. (Abdruck aus: III. Jahresb. Orn. Ver. München 1901/2). G. Schiebel, In welchem Monat bekommt der schwarzstirnige Würger (Lanius minor Gm.) sein Alterskleid? Abdruck aus: (Orn. Jahrb. XIV. Hit. 3/4 1903). W. Schlüter, Preis-Verzeichnis verkäuflicher Vogelbälge der Europäisch-Sibirischen Fauna mit Einschluss der Mittelmeer- formen. No. 227. Halle a. S. 1903/4. Elise Melitta von Schweizerbarth, Vogellieder. Stuttgart 1903. J. Spies, Eine Reiherkolonie in Unterfranken. (Abdruck aus: III. Jahresb. Orn. Ver. München 1901/2). J. Thienemann, Sperlinge in Nistkästen. (Abdruck aus: Königsb. land- und forstwirtsch. Zeit. No. 22. 1903). V.v.. Tsehusi-Schmidhoffen, Ornithologische Literatur Österreich - Ungarns und des Okkupationsgebietes 1901. (Abdruck aus: Verhandl. zool. bot. Ges. Wien 1903). V.v. Tschusi-Schmidhoffen, Über paläarktische Formen. (Abdruck aus: Orn. Jahrb. XIV. 1903 Heft 3/4). .v. Tsehusi-Schmidhoffen, Zoologische Literatur der Steiermark. Ornithologische Literatur. (Abdruck aus: Mitt. Naturw. Ver. Steiermark 1902). H. Winge, Fluglene ved de danske Fyr i 1902. 20 de Aars- beretning om danske Fugle. (Abdruck aus: Vidensk. Medd. naturh. Foren. Kbhvn. 1903). C. Wüstnei, Die Adler Mecklenburgs. (Abdruck aus: Archiv Fr. d. Naturg. Mecklenb. 57. Jahrg. 1903). < Acanthis cannabina 61, 198, 199, 203, 232, 245. — linaria 172, 204. Accentor collaris reiseri 138. — modularis 63, 175, 237. Aceipiter brachyurus 91, 103 — nisus 58, 232, 243, 249, 525. — wolterstorffi 146. Acomus erythrophthalmus 116 Acredula 400. — caudata 202. Acridotheres cristatellus 518, 523. Acrocephalus 88, 483. — agricolus 492. — aquaticus 54. — arundinaceus 63, 179, 188, 246, 505, 506. -- bistrigiceps 520, 521. — calamoherpe 492, 493, 494, 505. — — orientalis 492. — — streperus 492. — celebensis 125. — dumetorum 489, 490, 491. — frumentarius 485, 489, 493, 494, 505. -- — palustris 489. fruticola 489. — horticola 141, 489. — hypolais 484, 485. — — philomela 484. — orientalis 114, 125, 521. un 63, "155, 485, 91 — phragmitis 506. — polyglottus 485. ne nobaenns 63,179, 1 Index. 1902. Acrocephalusstreperus63, 141, 155, 246, 424, 427, 428, 430. — turdoides 505. Aesialitis cantiana 526, — fulvus 526. — geoffroyi 526. Aegithaliscus 400. Aegithalus 399. — cameroonensis 401. — caucasicus 400. -— caudatus 62, 232, 245, 399. — — glaucogularis 400. — — macedonicus 400. — — roseus 399. — flaviceps 401. — maior 400. Aethopyga siparaja 113. Aidemosyne malabarica 125. Alauda arvensis 62, 149, 173, 188, 191, 198, 199, 200, 201, 203,231, 232, 245, 302, 417. — cinerea 149. — coelivox 523. — cristata 48, 510. — deltae 510. — flavescens 151. subalpina 150. los torda 238. Alcedo 156. — bengalensis 111, 524. — beryllinus 114. — ispida 59, 103, 247, 248. — ispidoides 103. Aleyone azurea 149. — ochrogaster 149. Alseonax latirostris 112, 522. Ammomanes 160. Anas acuta 175. Anas boschas 55, 187, 189, 191, 205, 207, 208, 209, 210, 230, 237, 243, 430. — clypeata 196. — crecca 55, 138, 188, 191, 196, 198, 205, 209, 210, 243. — penelope 136,138, 230. — querquedula 55, 188, 196, 200, 230, 240, 243. — strepera 55, 195, 230. Anastomus oscitans 110. Andropadus subalaris 544. Anorthuratroglodytes 303, 304. Anous 104. Anser 198, 202, 204. — albifrons 517, 526. — fabalis 137. — neglectus 137. — serrirostris 526. Anthoscopus 400, 401. — flavifrons 401. Anthotreptes malaccensis 113. Anthus campestris 62, 236, 240, 245. — maculatus 522. — pratensis 62, 175, 197, 199, 233, 236, 237, 245. - richardi 522. — rufulus 113. — trivialis 62, 245. Aplonis cantoroides 74, 75, 78, 124. Apus apus 59, 155, 244. — kollibayi 139. — melba 310. Aquila clanga 525. Archaeopteryx 451. Archibuteo lagopus 172, 177, 198, 199, 200, 204. Ardea cinerea 57, 194, 237, 242, 525. Ardea purpurea 314. Ardeola prasinosceles 526. — ralloides 115. — speciosa 84, 115. Ardetta cinnamomea 515, 526. — eurythma 518, 526. — minuta 56. — sinensis 518, 526. Arses telescophthalma 94. Artamus leucogaster 278. Asio aceipitrinus 197. — otus 53, 240, 244, Astur ceuculoides 119. — dampieri 119. — palumbarius 58, 200, 230. Athene noctua 5S, 244. — whitelyi 518, 525. Bernicla brenta 248, Bombyeilla garrula 172, 204 Botaurus stellaris 56. Bubo bengalensis 525. — bubo 249, 306. — javanensis 283. — orientalis 283. Bubulcuscomorandus 526, Buchanga atra 522. — leucogenys 520, 522. Budytes 387. — borealis 113, 114, 179, 180, 195, 231, 238, 321. — cinereocapilla 321. — flavus 62, 248. — pygmaeus 321. Buteo buteo 58, 231, 232, 249. — ferox 405. — plumipes 525. — vulgaris 4, 196. Cacatua haematuropygia 121. — moluccensis 120. — ophthalmica 120. — triton 92, 93. Cacomantis tenuirostris 518, 524. Calamoherpe brehmi 492. — fmticola 489, 490, 491. — hortensis 37. — horticola 424,431, 437, 490, 504. — media 505. — phragmitis 506. — — schoenobaenus 506. Index. Calcarius nivalis 172, 203. Calidris arenaria 162, 195. Calliope suecoides 343. Caloenas nicobarica 117. Calornis metallica 75, 77, 78, 106, 114. ‚Campylorhynchus striola- tus 535. Caprimulgus 483. — bartelsi 273. — europaeus 59, 197,240, 244 — jotaka 524. — macrurus 106, 112. — monticolus 524. Cardueliscarduelis 61,234, 238, 245. Carpodacus erythrinus 46, 212, 231, 238, 240, 241) 245. Carpophaga aenea 118. — oceanica 99. — paulina 118. — perspieillata 118. — westermanni 90, 91. — zoeae DM. Casuarius bennetti 99,115. — casuarius 115. — uniappendieulatus 115. Centropus 107. — bengalensis 111. — nigrorufus 305. — sinensis 518, 524. Cephalopyrus flammiceps 401. Cerchneis tinnuncula 58, 231, 237, 241, 244, 247, 248. ; — vespertina 58. Certhia brachydactyla428. — costae 404. — familiaris 62, 175, 232, 240, 245. — — britannica 404. — heteroclites 402. Certhiparus 401, 402. — albieilla 402, — novaeseelandiae 402. — senilis 402. Ceryle rudis 524. — varia 111. Cettia sinensis 521. — ceanturiens 522, — minuta 522, Chalcophaps indica 117. ende bernsteini 123. Chamaea 400. Journ. f. Orn. LI, Jahrg. Oktober 193, 549 Charadrius ceuronieus 189, 19. — dubius 230, 238, 239, 243. — hiaticola 176, 196, 243, 246. — pluvialis 193,196, 197 199, 204. — squatarola 198. Charmosyna 104. Chelidon urbica 428. Chelidonaria urbica 179, 193, 195, 196. Chibia hottentotta 522. Chimarrhornis 383. Chloris chloris61, 232, 245. — hortensis 180, 199, 221. Chrysomitris spinus 188, 191, 192, 204, 245. Ciconia alba 45, 175, 301. — ciconia 50, 110, 233, 234, 237. — nigra 177. Cinclus 156, 466, 467. — albicollig 467. — britannieus 468. — minor 468. — pyrenaicus 468. Cinnyris aspasia 97. — aspasioides 114. — corinna 84, 86, 97,104. — frenata 85, 97. — — flava 85, 97. — pectoralis 113. — ruberater 98. — zenobia 114. Circus 204. — aeruginosus 58, 176, 177, 195, 230, 525. — cyaneus 198, 525. — macrurus 197. — spilonotus 525. Cisticola eursitans 522. — exilis 79, 87, 98, 104. Climacteris 404. Clitonyx 401. Clivicola riparia 187, 190. Coceothraustes cocco- thraustes 61, 247, 416. Colaeus monedula 60, 173, 187, 231, 235, 236. Collocalia fuciphaga 94. - gigas 273. Colluriemela 9. — affınis 9. — megarhyncha 9. Columba guinea 306. — livia 17. 36 I 550 Columba oenas 57,60, 174. — palumbus 57, 178,187, 232, 237, 238, 240, 243. Colymbus arcticus 407. — cristatus 54, 178, 191, 229, 238, 243. — glacialis 407. — grisegena 54, 229, 237, 248. — nigricans 54. — nigricollis 54, 178,179, 186, 188, 191, 229. Comatibis eremita 126. Copsychus musicus 112, 113, 518, 521. Coracias garrulus 59, 60, 180, 237. Corone corone 406. Corvus 102. — aquaticus 127. — corax 157, 306. — cornix 60, 174, 176, 187, 198, 229, 231, 233, 234, 235, 236, 237, 239, 241, 244, 245, 304. — corone 60, 229, 235. — frugilegus 176, 198, 204, 231, 232, 235. — insularis 69, 71. — macrorhynchus 518, 523. — orru 69, 70, 96, 103. — tingitanus 380. — torquatus 518, 523. — umbrinus 157. Corythaix ruspolii 308. Coturnix coturnix 58. Uracticus cassicus 95. Crex crex 56, 239, 242, 243, 247. Crithagra estherae 273. Cuculus canorus 58, 180, 194, 231, 244, 524. — intermedius 524. — sparverioides 524. Cyaneculadichrosterna339 — discessa 321. nigrocincta 339. orientalis 339, 342, 343. — bicolor 339. suecica 321. — wolfi 339. Cygnus 203, 204. Cyphorhinus cinctus 535, 536. Cypselus apus 44. — pacificus 524. — subfurcatus 524. ARE Index. Belichon urbica 59, 244. Demiegretta sacral14,115. Dendrochelidon mystacea 104. Dendroecitta sinensis 523. Dendrocopus cissa 405. — maior 59,231,235,240, 244. — medius 59. — minor 59, 232, 249. Dendrophila 403. Dendrornis 536. — chunchotambo 538,539. — eburneirostris 537. — lachrymosa 537. — — eximia 537. — — lachrymosa 537. — lineatocapilla 539. — ocellata 538, 539. — pardalotus 538. — spixi 538. Dicaeum eruentatum 113. — eximium 86, 99, 101. — layardorum 87, 99,101. — vulneratum 114. Dichrozona ceincta 536. — zononota 535, 536. Dicranostreptus mega- rhynchus 73. Dieruropsis carbonarius96. Dicrurus 107. — amboinensis 114. — laemostictus 72, 96, 99. — megarhynchus 99, 101. — platurus 113. Diplootocus 380, 382. Donacicola sharpiü 97. Dryocopus martius 59, 60, 233, 248. Dryonastes perspicilllatus 518, 521. Edoliisoma remotum 64. Emberiza caesia 194. — calandra 61, 235, 236. — citrinella 61, 145, 179, 180, 198, 232, 235, 237, 240, 245, 463. — — brehmi 145. — molessoni 145. hortulana 61, 231. leucocephala 145. melanocephala 139. pusilla 45, 51. rustica 45, 51. schoeniclus 61, 199, 231. — spodocephala 523. SE 178, Eophona melanura 124, 523. Eos cyanogenys 123. — fuscata 9. — reticulata 123. — rubra 123. Eremophila alpestris 231. Erithacus arboreus 353, 354, 355, 356, 357, 374, 375, 377, 378, 428. — — mesoleucus 354, 355. — — phoenicurus 353, 355. — astrologus 336, 343, 345, 350, 352, 422. — — abbotti 336, 338. cyaneculus 336, 341, 342. — -— discessus 336, 342, 343 — — pallidogularis 343. — — suecicus 336, 341, 342, 345. — atratus 376. — aurorea 373, 379, 381, 382, 383. — böhmi 332, 333, 334. — bonapartei 354. — cairei 363, 367, 368,370. — calliope 521. — cyane 382. — cyaneculus 54. — dandalus 345, 350, 352, 366. — — hyreanus 346. -— — melophilus 345, 348. — — rubecula 345. — — superbus 345, 347. — domesticus 357, 358, 374, 375, 376, 378, 379, 380, 381, 382, 391, 425, 429, 430, 432, 435, 438, 447. — — atratus 375, 382. — — gibraltariensis 375, 381, 425, 438. — ochrurus 375, 378. — pleskei 375. — rufiventris 375. erythrogaster 382. gibraltariensis 375. grandis 382. luscinia 320, 329. mesoleucus 354. — moussieri 373, 379, 380, 381, 383, 425, 429, 431, 438. Erithacus ochrurus 373, 374, 377, 378. — paradoxus 363,368,370. — philomela237, 241,246. — phoenicurus 64, 236, 237, 246, 248, 355, 375, 378. — pleskei 378. — poeta 316, 329, 333, 334, 430. — — golzi 335. — — halfızi 332. — — luscinia 332,334,335. — — megarhynchus 335. — rubeculus 64, 155, 174, 177, 203, 233, 234, 235, 246. — rufiventris 357, 359,374, 378, 381. — semirufus 378. — suecicus 193, 321. — titys 64, 238, 357, 363, 368, 374, 376, 378. Erythra phoenicura 518, 526. Eudynamis honorata 518, Er 7 Eurystomus orientalis 112, 520, 524. Excalfactoria chinensis Kist Falco abietinus 296. — aesalon 196. — atriceps 298. — barbarus 128, 289,290, 291, 292, 380. — - arabicus 290, 291, — — babylonicus 291, 293, 294. — — barbarus 291, 293, 291, 294. fasciinucha 292, 293. —_ — germanicus291,294. — — punicus 291, 293, 294. brookei 141. brookii 299. coerulescens 281. communis 296. cornicum 294, 295. ceuvieri 292. eleonorae 109. ernesti 300. be 291, 23. fasciinucha 289, 290, Index. Falco griseiventris 297. — hierofalco 289. — islandus 289. leucogenys 299. limnaetus 277. melanogenys 301. minor 300. niveus 277. 295, 296, 301, 525. — — anatum 295, 298, 301. — — atriceps 295, 298. — — britannieus2J5, 296. — — brookiü 295, 299. — — griseiventris 295, 296, 297, 298. — — leucogenys295,299. — — peregrinoides 296, 300 _ — peregrinus295, 296. — — radama 296, 300. — punicus 293. — radama 300. — severus 279. — subbuteo 58, 187, 236, 242, 244, 310, 525. — tinnunculus 194, 195, 196, 198, 525. — vespertinus 139. Fratereula arctica 309. — glacialis 309. Fregata ariel 90. — minor 525. Fringilla albieilla 401,402. — canaria 416. — carduelis 416. — chloris 31. — coelebs 61, 174, 176, 178, 179, 180, 188, 193, 196, 198, 199, 205, 232, 234, 235, 237, 239, 240, 245, 247, 305. — linaria 416. — montifringilla 172, 178, 180, 199, 203, 205. — serinus 43, 47. — spinus 416. Fulica atra 56, 175, 177, 188, 230, 243. Fuligula clangula 173,203. 190, — cristata 190, 196. — ferina 178, 188, 191. — hyemalis 172, 181. — islandica 223. peregrinoides 291, 300. — peregrinus 141, 231, 241, 242, 244, 289, 290, 551 Galerida cristata 62, 128, 191. — — balcanica 128. Galerita arborea 174. Gallinago gallinago 56. — scolopacina 527. Gallinula chloropus 56, 115, 230. Gallus 157. — domesticus 116, 117. — lafayetti 111. — varius 117. Garrulus glandarius 60, 235, 244. Gelastes gelastes 406. Gennaia barbarus 293. Geocichla 440. Geoffroyus rhodops 114. Geopelia striata 117. Goura coronata 118. Graeulipicanigricollis 518, 523. Graucalus 107. — sclateri 65, 66, 67, 104. — sublineatus 66. Grus cinerea 303. — communis 178. — leucauchen 309. — lilfordi 303, 526. — paradisea 303. — virgo 303. — viridirostris 303. Gymnocorax senex 96. Elacmatopus ostrilegus 180, 237. Haleyon 104, 107. — armstrongi 112. nusae 99. pileatus 524. sanctus 124. smyrnensis 524. — tristrami 99, 100. Haliadtus albieilla 176,177. — indus 279. — leucogaster 118. Haliastur indus 111. — intermedius 113, 277. — pondicerianus 279. Hemichelidon ferruginea 520, 522. — sibirica 59. Henicorhina 527. — anachoreta 530, 531. — hilaris 528, 531. — inornata 528, 529, 531. — — leucophrys530,531. — — capitalis 531 36* 552 Henicorhina leucophrys collina 530, 531. — — guttata 530, 531. — — leucophrys 531. — — venezuelensis 530, 531. — leucostieta 529, 531. — mexicana 531, 532. — pittieri 529. — prostheleuca 528, 529, 531 Henicurus 467. Herodias alba 525. — eulophotes 526. — garzetta 526. — intermedia 526. Hieracidea novaeguineae 92, 103. Hierofalco 102. — biarmicus 289. cherrug 40h. erlangeri 289. feldeggi 289. gyrfalco 289. islandus 289. Juggur 289. lorenzi 289. mexicanus 289. sacer 289. tanypterus 289. — uralensis 289. Himantopus candidus 111. Hippolais 483, 495. — hippolais 63, 240, 246, 248 Hirundo gutturalis 523. — javanica 94, 114. — nipalensis 523. — riparia 195, 196. — rustica 59, 124, 178, 195, 196,7230.10237, 244, 417. Hydrobates 109. — pelagica 108. Hydrochelidon leucoptera 527. — nigra 54, 193. Hydrophasianus chirurgus 111 Hypermegethes 149. Hypocnemis stellata 536. Hypotaenidia philippinen- sis 115. Hynx torquilla 58, 225, 235, 237, 244, 524. Metupa javanensis 281, 283. Index. Halage 104. — karu 6%: Lanius badius 141. — bucephalus 522. — collurio 60, 180, 186, 187, 229, 237, 239, 240, 244, 247. — ceristatus 522. — excubitor198, 231,383. — maior 199, 248. lucionensis 522. — meridionalis 406. minor 189, 406. — schach 518, 522. Larus affınis 406. — argentatus 229, 247. — canus 200, 229. — crassirostris 527. — fuscus 200, 229, 242, 247, 406. — marinus 200. — minutus 156, 186, 189, 193, 205, 211, 212, 230. — ridibundus 54, 162, 185, 186, 205, 210, 211, 211, 229, 233, 406. Larvivora sibilans 333. Leiothrix lutea 309. Limicola platyrhyncha 193, 230 Limonidromusindieus 113. Limosa lapponica 177, 190. — limosa 242. Linaria rufescens 48. Locustella 474, 482. — fluviatilis 191, 239, 240, 241, 243, 246, 247, 483 — lanceolata 482. — Juseinioides 482. — naevia 155, 247, 428, 429, 482. — ochotensis 520, 521. — threnetria 483. — — naevia 483. — — straminea 483. Loriculus galgulus 119, 121. — indieus 121. — stigmatus 121. Lorius domicella 122. — garrulus 123. Loxia coceothraustes 42, 43. — curvirostra 241. — — pityopsittacus 231. — pityopsittacus 174. Lullula arborea 62. — flavescens 152. Luseinia 153. — aedon 332. africana 333. altera 484. böhmi 332. golzi 330, 332. hafizi 331. infuscata 332, 334. media 319, 329. — megarhynchos 319, 329 edel — minor 3. — occeidentalis 330. — okenii 319, 329. — peregrina 319, 330. — vera 318, 319, 329, 330. — — minor 329. Luseiniola fuscata 521. Lusciola africana 333. — böhmi 332. — lusecinia 331. ZZ Shafızi Jake — — philomela 332. Mlacropteryx comata 114. Mainatus javanensis 124. Malurus albiscapulatus 98. Manucodia chalybeata 96. Mecistura swinhoei 400. — vinacea 400. Megaloprepia poliura 90, 91. Megalurus macrurus 87. Melophus melanicterus 523. Mergus merganser 180, 185. Merops 104. — philippensis 520. — philippinus 112, 524. Merula 440. — chysolaus 521. — dactyloptera 443. hortulorum 521. mandarina 518, 521. nigra 441. pallida 521. torquata 447. Microcereulus cinctus 535, 536. Microglossus aterrimus 93. Microhierax fringillarius 280. Micropternus brachyurus 112. Micropus apus 185, 192, 193, 194, 195. — melba 192. Miliaria calandra 416. Milvus affınis 91. — korschun 231, 234, 235, 237, 238, 239, 243. — migrans 177. — milvus 233. Mimeta striata 97. Mino dumonti 97. — krefiti 73, 74, 97. Mixornis gularis 113. Mohoua 401, 402. — ochrocephala 402. Monarchachalybeocephala 72 — chrysomela 99, 100. — inornata 103. — kordensis 102. — verticalis 99, 100. Monticola eyanus 383. — saxatilis 383. — solitarius 383. Motacilla alba 30, 62, 175, 170, 18%, 231, 233, 245, 248. acredula 477. atrata 376. caerulecula 342. erithacus 353, 375. flava 30, 522. gibraltariensis 375. hippolais 484. leucopsis 522. lugens 522. luscinia 320, 332. melanope 522. ochruros 377. ocularis 522. philomela 332, 484. phoenicurus 353, 354. rubetra 388. rubicola 384. suecica 339, 342. sulphurea 30. taivana 522. titys 353, 354, 375. trochilus 474, 478. unia acuticauda 523. forbesi 79, 99, 101. hunsteini 78, 99, 101. melaena 99. nisoria 278. punctulata 520, 523. speetabilis 79, 99. topela 523. uscicapa 383. Pas le). Tale len E Index. Museicapa albicollis 30. — atricapilla 30, 59, 78, 195, 225, 235, 237, 244, 247, 388 — griseistieta 523. — grisola 59, 155, 180, 195, 241, 242, 244, 248, 424. — ochrocephala 401, 402. — parva239,240,242,244. Mycteria 302. Myiagra galeata 114. Myristicivora 98. Myrmeciza pelzelni 536. Myrmotherula fulviventris viduata 535, 536. Myzomela cineracea &5, 99, 100. — coceinea 99. — erythromelas 85, 99. — pammelaena 84, 85,99, 101. — pulchella 99. — ramsayi 84, 85. Neopus malayensis 273. Neositta 404. — albifrons 404. — papuensis 404. Nigrita arnaudi 149. Ninox odiosa 108. — scutulata 112, 525. Numenius 175. — arcuatus 193. — lineatus 527. — phaeopus 190. Numida 157. Nyctea scandiaca 405. — ulula 199, 229. Nycticorax griseus 526. — nycticorax 56, 57, 156. Nyroca clangula 55, 59, 230. — ferina 55, 230. — fuligula 54, 230. — hiemalis 230, 238. — marila 230. — nyroca 55. — rufina 53. ©ceanites 109. ÖOedemia nigra 181, 182, 200, 230, 235, 237. Oedienemus oedienemus 56. Oenanthe rufiventris 378. Oidemia 102. — fusca 230. 953 Oligura supereiliaris 286. Oreicola ferrea 521. Oriolus 344. — melanocephalus 111. — meneliki 307. — monachus 307. — oriolus 60, 240, 244. Orthotomus atrigularis 113. Ortygometra parva 53. — porzana 56, 192, 230. Osmotreron bicincta 117. - vernans 117. Otocorys alpestris 204. Otogyps auricularis 302. Pachycephala brunnei- cauda 113. — finschi 68. — melanura 68, 69, 103. Palaeornis longicauda 112, 124. Pandion 138, 306. — haliaötus57,58,243,525. — leucocephalus 108. Parus aphrodite 140, 141, 397, 398, 399. — ater 62, 245, 304. — atricapillus 396. — blanfordi 399. — bochariensis 140. — borealis 396. — caeruleus 62, 189, 232, 240, 241, 245, 304. — — caeruleus 404. — — pallidus 302. — carolinensis 396. — cinctus obteetus 397. — communis 396. — cristatus 5l, 232, 245. — mitratus 62. — cyanus tianschanicus 397. — erectus 404. — excelsus 140, 397, 398, 399. — kamtschatkensis 396. — lathami 397. — maior 43, 62, 140, 189, 232, %5, 303; 304, 397, 398, 399. — — blanfordi 398. — — excelsus 399. — minor 140, 522. — montanus 396. — — restrietus 396. — novaeseelandiae 4Ul, 402. 554 Parus palustris 62, 232, 245, 396. — — seebohmi 396. — pleskei 302. — salicarius 141, 154, 314, 334. — — rhenanus 428, 430, — sclateri 396. — variegatus 385. Passer 305. — domesticus 61,244,248. — montanus 61, 244, 518, 523. Passerina nivalis 231. Pavo muticus 117. Pelargopsis gurial 111. — malaccensis 124. Pelecanus philippensis525. Penelopides 418. Perdix cinerea 188, 190. — perdix 58, 240, 243. Pericrocotus cinereus 522. Pernis apivorus 53, 199. Petroeca 383. — pusilla 383. Phalacrocorax carbo 525. — desmaresti 127, 406. — graculus 127. — — ceroaticus 406. — — desmaresti 126. — pygmaeus 11(. Phalaropus hyperboreus 90, 193, 194. — lobatus 230. Phasianus colchicus 57. Philemon cockerelli 80, 99, 100, 107, 108, 125. Phormoplectes 149. Phyllastrephus sucosus 544. Phyllodytes 402. Phyllopneuste brehmi 474. — obscura 478. Phylloscopus 193,466,469. — borealis 478, 490, 521. — — obscurus 478. coronatus 521. fitis 469, 474, 477. — acredula 477. — gracilis 478. — septentrionalis 478. flavescens 481. fortunatus 469. gaetkei 478. hypolais 473. proregulus 521. rufus 64, 178, 235, 238, 240, 246, 470, 482. ea eett Index. Phylloscopus rufus oceci- dentalis 473. — — pleskei 473,474,482. — sibilator 64, 240, 246. — — flaveseens 138. — sibilatrix 321. — superciliosus 521. — sylvestris naumanni 473. — trochilus 64, 179, 235, 240, 246, 473, 478. — viridanus 417. — volitans 480, 481. — — flavescens 480. — — sibilator 480. — zilpzalp 469, 470, 472, 476, 477, 478, 479. — — canariensis 469,474. — — rufus 474. — — tristis 470,474, 478. Pica caudata 523. — pica 60, 237, 518. Picus cabanisi 517. — viridis 58, 248. Pinarochroa 380. inaroloxias inornata 159. Pinicola enucleator 46. — erythrinus 185. Pipra europaea 399. Pisorhina balia 308. Pitta mackloti 99, 100. — novae-hibernicae 99, 100, 124. Ploceus 149. — grandis 149. — insignis 149. Plotus 302, 303. — anhinga 110. — melanogaster 109. Pnoepyga lepida 285. — rufa 285. Podiceps novaehollandiae Podieipes albipennis 111. Poliomyias luteola 523. Polioptila 396. Poliospiza 305. Polyboroides 308. Porphyrio smaragdinus 5 115: Pratincola 302, 380, 383. — atricapilla 384, 386, 387, 388. — — maura 386. — — robusta 386. — — variegata 385. — hemprichi 385. — indica 386. Pratincola moussieri 382. — pratensis 384, 387, 388, 429. — — dalmatica 388. — — noskae 388. — - rubetra 388. — — spatzi 388. — przewalskii 386. — rubetra 64, 139, 195, 235, 297, 246, 2347. — — spatzi 139. — rubicola 385. Prinia inornata 518, 522. — sonitans 51S, 522. Prionochilus melanoxan- thus 380. Psaltriparus 400. Pseudonigrita 149. Pseudoxenicus supercilia- ris 286. Ptilocorys eristata 406. — senegalensis 06. Ptilopus 104. — johannis 99, 101. — rivalii 99. — superbus 66. — viridis 114. Pyenonotus analis 1135, 125. — aurigaster 114. — iocosus 522. — simplex 113. — sinensis 518, 522. Pyrrhula pyrrhula 231, 233, 237, 248. — — europaea 6l. — rubicilla 179, 201, 203, 204. @uerquedula crecca 517, 526. Hrallus aquaticus 56. Regulus 199. — cristatus 177, 395. — ignicapillus 62, 395. — regulus 62, 63, 232, 245, 395. — — japonensis 396. — satrapa 395. Remiza 400. Rhamphocaenus 536. Rhectes dichrourus 95. Rhipidura javanica 112. — setosa 95. — tricolor 95, 104, 105, 108. Rhytidoceros plicatus 98. Riparia riparia 23]. Rissa 102 Ruticilla aurorea 373, 521. — cairei 377. — erythroprocta 373,377. — gibraltariensis 376. — paradoxa 436, 437. me 155, 235, 53 rufiventris 353, 378. semirufa 378. titys 370, 381. — paradoxa 436. Saxicola 389. — amphileuca 138. borealis 389, 393. leucorhoa 371, 392. 389, 390, 392. — seebohmi 389, 390. — stapacina 139,390, 391. Scolopax rosenbergi 288. — rusticula 172, 173, 202, 228 — saturata 237. Scops glabripes 525. — lempiji 283. — noctula 285. Serinus 305. — hortulanus 61, 180. Siphia 522. Sitta 402. — affınis 403. caesia 62, 248, 403. europaea 43, 402. — affınis 403. — albifrons 403. — amurensis 403. — baicalensis 403. — britannica 402. — caesia 403. — caucasica 403. — europaea 403. — homeyeri 231, 249. | homeyeri 153. — homeyeri 403. — — montium 403. — — sinensis 403. — uralensis 403. — yunnanensis 403. magna 403. Beil) 1 ee aurita 138, 390, 391. — leucorhoa 392, 393. — oenanthe 392, 393. melanoleuca 139, 380. oenanthe 48, 64, 176, 178, 193. 194, 195, 196, 198, 237, 246, 247, 371, Index. Sitta nagaensis 403. Sittella 403. Smithornis zenkeri 388. Spatula clypeata 55, 230. Spheniscus demersus 143. Spizaötus ceirratus 275. — limnaötus 275. Spodiopsar cineraceus 523. — sericeus 523. Stercorarius parasiticus 197, 248. — pomatorhinus 200. Sterna anaestheta 112, — anglica 527. — fuliginosa 104. — hirundo 54, 230, 429. macrura 191. melanauchen 104. minuta 193, 230. nigra 429. — aluco 127. Binz ernesti127,128, 146. — flammea 54, 127. 128, 145, 146, 244. _ — ernesti 127. — otus 127. Struthio massaicus 301. Sturnus sinensis 518, 523. — vulgaris 61, 172, 173, 185, 189, 199, 231, 232) 233, 235, 244, 259. Sula piscator 113. — sula 89. Surnia ulula 231, 303. eeee Sutoria sutoria 518, 522, — atricapilla 63. Sylvia atricapilla180, 240, 241, 246. — brevirostris 474. — caerulecula 343. — cinerea 356. — curruca 63, 179, 245, 356. cyane 343. ecelesiastica 362. flaviventris 478. hortensis 188, 219. mesoleuca 354. nisoria 54, 186, 219. rufa 187. schuchi 330. subalpina 322. suecica 343. mE 245. — tithys 375. 179, 191, 240, simplex 63, 241, 245. sylvia 63, 231, 240, 555 Syrnium aluco 53, 173, 242, 244, 306. Syrrhaptes 'paradoxus 49. Tadorna cornuta 526. — radjah 98. — tadorna 98. Tantalus 302. Tanygnathus mülleri 124. Tanysiptera nigriceps 99, 100. Tarsiger cyanurus 523. Terpsiphone incei 523. — princeps 523. Tetrao tetrix 58. — urogallus tetrix 302. Thalassidroma 510. Thereiceryx zeylonicus 111. Thryophilus leucopogon 534, 535 — longirostris 535. — — bahiae 535. — — striolatus 535. — thoracicus 535. Thryothorus amazonieus 532, 533. — coraya 532. — — amazonicus 533. — — coraya 532, 533. — — herberti 533. — griseipectus 532. — herberti 532, 533, 534. — oyapocensis 532. — ridgwayi 532, 534. Totanus calidris 193. — fuscus 192, 193, 230. — glareola 177, 178, 180, 192, 246. _ glottis 527. — littoreus 192, 193, 194, 230 — öchropus178, 192, 246, — pugnax 190, 192. — totanus 56. Trichoglossus eyanogram- mus 123. — massena 124. — subplacens 108. Tringaalpina179, 189, 193, 195, 196, 198, 230. — canutus 162, 195, 230. — cinclus 527. — minuta 196. — subarceuata 194, 196. Tringoideshypoleucus 114, 236, 237, 246, 527. Troglodytes browni 534. 556 Index. Troglodytes musculus534. | Turdus maximus 443. — troglodytes 63, 245. Tropidorhynehus cornieu- latus 82. Turdus 440, 466. — arboreus 456. — — bonapartei 456. — — meridionalis 456. — viseivorus 456. borealis 464. — coburni 464. — iliacus 464. — musicus 464. bragi 460. collaris 455. — alpestris 455. — orientalis 455. — torquatus 45. coraya 532. dactylopterus 451. fuscolateralis 459, 460. hodgsoni 457. — iliacus51,223,233,248, 461. — illuminus 464. — intermedius 443. — juniperorum 459. — mandarinus 443, 450. | — merula 45, 64, 223, 232, 233, 246, 440, 441, 450, 492. — — merula 440. — musicus 64, 177, 202, 223, 229, 231, 233, 235, 236, 238, 241, 245, 246, 248, 202, 461. naumanni 461. - pilaris 50, 64, 174, 177. 180, 191, 195, 201, 204, 223, 233, 234, 236, 245, 248, 460. — sinensis 443, — socius 458. — — fuscilateralis 458, 459. — — pilaris 458. - vernus 440, 443, 497. — — cabrerae 442, 445. — — mauritanicus 442, 445, 450. — — merula 441. — — montanus 441. — — syriacus 443. — viscivorus64, 223, 234, 241, 246. Turdus viseivorus deich- leri 456. Turtur chinensis 517. — humilis 517, 518, 526. — sinensis 518, 526. — turtur 57, 117. Upupa epops 54, 177,235, 240, 244. I Unia grylle 238. Urinator aretieus 237, 238, 241, 245. — lumme 233, 236, 245. — septentrionalis180,202. Uroeissa sinensis 523. Wanellus 233. — capella 173, 174, 180, 187. — vanellus 55, 230, 243. Xanthopygia laena 523. — nareissina 523. Xanthotis ehrysotis 97. cyanome- Wosterops palpebrosa 518, 523. Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. 107 % Y iM 4 wi 4 4 Journ, f. Ornith. 1903. E. Arboreus E. Domesticus Erithacus Kleinschmidt del. et lith. Fr. Eugen Köhler imp. er / Fig. 1 bis 5. Fig. 6. Fig. 7 und 8. Erklärung zu Tafel I. Schwarzgefleckte Brustfedern von Erithacus Domestieus atra- tus (Gm.) 5 juv. durch vorzeitigen Schwingenwechsel veranlasst. (Coll. Kleinschm. Prith. Dom. No. 50, C. L. Brehm |legit, vermutlich Renthendorf, Herbst. Vergl. Taf. II. Fig. 1.) Altes Männchen von Erithacus Domesticus atratus (Gm.) mit teilweise rostrotem Unterkörper. (Coll. Kleinschm. E. D. No. 1. 28. Sept. 1839 Kornsand bei Nierstein am Rhein.) Schematische Darstellung des Flügels vom Baum- und Haus- rotschwanz. Man lege ein Lineal über die Enden der Sekundär- schwingen und beachte die Verschiedenheit der Fingerung! Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Erklärung zu Tafel I. Kopf und Hals des pathologisch abnormen cairei-Kleides, von dem auf Tafel I. Fig. 1-5 einzelne Federn abgebildet sind. Der Schnabel- defeet rührt, wenn nicht von einer späteren Beschädigung des Balges, von einer Schussverletzung her; auch der Gefiederzustand spricht gegen die Möglichkeit, dass es sich um einen Käfigvogel handelte. Dass der Vogel noch nicht einjährig und männlich ist, unterliegt keinem Zweifel. Individuelles Schwanken der Rückenfärbung bei KHrithacus Domesticus atratus (Gm.) a. Coll. Kl. E. Dom. No. 44. 5 ad. 29. X. 97. Niesky, Baer leg. IDEE TREE N RD na BI V-IT Bausitzu ee Der Unterschied ist nicht durch die Jahreszeit bedingt. Zwei Schwingen eines abnormen paradoxa-Kleides von EZ. Domesticus atratus (Gm.). Die obere neu = ganzrandig. Die untere alt = gefranster Aussensaum; der rechteckige Spiegel (schon im Nestkleid vorhanden gewesen ?) erinnert durch seine Form an Erithacus moussieri und auroreus. . Erithacus moussieri Olphe-Gaill. &, 6. XI. 96, Skirrha, Tunesien, Coll. v. Erlanger, No. 547. Dergl. $, 3. II. 97. Djebel el Meda, Tunesien, Coll. v. Erlang., No. 545. Fig. 4 und 5 zeigen de unsymmetrische und variable Wangen- und Kehlfärbung. . Sehnabelgrösse von Pratincola Atricapilla, Helgoland, &, Herbst. (Coll. Kl. P. A. No. 6.) Desgl. Marburg, 3, 28. April 1892. (C. Kl. P. A. No. 1.) Desgl. Sardinien, 4, 1. Jan. 1903, Trieoli. (C. Kl. P. A. No. 14.) Journ. f. Ornith. 1903. Taf. IE NET Erithacus und Pratincola Kleinschmidt del. et lith. Fr. Eugen Köhler imp. Journ. f. Ornith. 1903. £ = Ai N n zur i N i Mas 8. 9. 2 Acrocephalus et lith. Fr. Eugen Köhler imp. Kleinschmidt del. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. N Erklärung zu Tafel III. Acrocephalus Calamoherpe. I. Normale Nestbauten. Moostypus, 4. Juni 92, Kornsand. Normaler Schilftypus vom Rhein, 2. Juli 97, Kornsand. Halbkugeltypus, Herbst 92, Kornsand. Normaler Weidentypus von der Lahn, 26. Juni 94, Marburg (unten Blattnerven eingewebt). II. Abnorme Nestbauten. Doppelnest, in Gestrüpp von Brombeere etc. am Wasser, 2. Juni 95, Kornsand. Nest mit aussen eingewebten Federn, fern vom Wasser in Syringa, 23. Juni 03, Kornsand. Aufsitzendes Nest, in sehr niedrigem Brombeergestrüpp an (nicht über) dem Wasser, 4. Juni 92, Kornsand. Fast ganz aus Weiden- wurzeln gebaut. III. Form des Schwanzendes. Abnorm, Hypolais-artig, fast gerade, 5 ad. 10. Juni 9, Kornsand. Normal, © ad. 10. Juni 92, Kornsand, dem vorigen allem Anscheine nach angepaart. (Die abgeb. Stücke in meiner Sammlung.) Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. SEES SuED > Erklärung zu Tafel IV. Kopfzeichnung von Schwanzmeisen. Schwanzmeise von Ostpreussen (dickpelziges langes, reingefärbtes Gefieder), 5 14. Nov. 96, Brödlauken. Fig. 2—7. Schwanzmeisen von Marburg. Hellköpfigstes Stück von Marburg, $ 22. Nov. 92. Aus demselben Flug geschossenes dunkles Stück, @ 22. Nov. 92. Brutpaar, am 24. April 94 und an vielen andern Tagen dicht bei Marburg beobachtet (nicht geschossen, Zeichnung nach einer flüchtigen Skizze, daher nur annähernd genau). S\ eines von mir am 1. März 92 etwa 50 Schritte von derselben Stelle Qf (dem Brutplatz des vorigen) erlegten gepaarten Paares. Dunkelste Stücke von Marburg. Fig. 8-16. Schwanzmeisen vom Rhein. Sl eines am 3. Mai 94 bei Siefersheim in Rheinhessen samt Nest Q } und Eiern gesammelten Paares in sehr abgeriebenem Gefieder. (Vergl. hiermit d. Abbild. des dunklen Brutpaares aus Rheinhessen J. f. O. 1896, Taf. XV.) Hellköpfigstes Stück vom Rhein — 26. Dez. 92, Kornsand. Mit Fleckenreihen statt Augenstreifen, Winter 92, Ingelheim. Mit rosabräunlichen, schwarz gefleckien Augenstreifen — 26. Dez. 92, Kornsand. Die Kopfstreifen nähern sich in der Mitte, $ 29. August 93, Knob- lochsau. Desgleichen (dunkelstes Stück vom Rhein, $ 18. Dez. 92, Ingelheim. Mit Stirnflecken, 5 23. Sept. 92, Kornsand. Mit stark geflecktem Scheitel, Riese: grösstes Stück von Westdeutsch- land, aus demselben Flug wie Fig. 15 und ein Figur 11 ähnliches Stück, 23. Sept. 92. (Bälge in meiner Sammlung.) Journ. f. Ornith. 1903. Tal I as OR, ET Tn pen a a u Kleinschmidt del. et lith. Fr. Eugen Köhler imp. Journ. f. Ornith. 1903, Taf Ya Kleinschmidt del. et lith. Fr. Eugen Köhler imp. Erklärung zu Tafel V. Nestbau der Erlkönigs-Sumpfmeise vom Rhein, Parus Salicarius rhenamus (K.). Aussenansicht des Nestes, im oberen abgestorbenen Teil eines durch Pilze erweichten Weidenknüppels (jungen Kopfweidenstecklings) gefunden 10. Juni 02, Kornsand, gegenüber Nierstein. Blick von der Rückseite in die geöffnete Nisthöhle mit dem Neste aus Bastfasern und 6 Eiern. Die schwarze Stelle rechts ist vorjährige Nestwand. Durchschnitt der Nisthöhle und Weite derselben. Die punktierte Linie deutet die vermutliche Gestalt der vorjährigen Höhlenwand an, der schraffierte Teil unten das Nestpolster mit seinem gerade ab- schneidenden Rand. Weite der Einschlup föffnung. Ei. Querschnitt des Niststammes unterhalb der Höhle. Der weiss- liche Kern ist korkartig weich. Schnabel des im Neste gefangenen © (10. Juni). Z. Vergleich: Fig. 8: @ 26. Sept., — Fig. 9: Q 4. Febr. Fig. 10. Individuelle Variation der Schnabeldicke, 2 $$ vom Rhein, Okt. Fig. 11. Geographische Variation: Schnabel der englischen Form, & 22. Sept. Ebenso variiert der Schnabel der glanzköpf. Sumpfmeise: Kie,.- 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Fig. 16. Fig. 17. Fig. 18. Fig. 19. Fig. 20. Fig. 12. jahreszeitlich: a. $ 15. Aug, b. 3 12. Okt., beide vom Rhein. Fig. 13. geographisch: englische Form, 3 27. Nov. Ebenso der der Kohlmeise: Fig. 14. jahreszeitlich:a.3l. Aug., b. 27. Nov., beide Volkmaritz. Fig. 15. geographisch: englische Form, 11. Dez. a. Vergrösserung von No. 7, zeigt de Wachstumsrillen. b. Vergrösserung von No. 8, zeigt de Wachstumsrillen. Desgl. in vergrössertem Massstabe: die beiden dickschnäbligsten P. Salicarius: a. Rhein,b.England. Glanzkopfschnäbel: a. Rhein, b. England. Kohlmeise: a. Rhein, Dez.; b. England, Sept. Standort des oben abgebildeten Nestes in einem Rheinarm gegen- über Nierstein, nach einer Originalskizze. (Die Präparate in meiner Sammlung.) Skizze 1. DE III. Erklärung zu Tafel VI. Nistplatz des Hausbaumläufers in Schönstadt bei Marburg in der Dorfstrasse. Derselbe vergrössert: a. Eingang zum Neste, b. und c. Anflugstellen, von wo die fütternden Eltern zum Neste emporkletterten. Unterschiede der beiden Bäumläufer: 1. Hausbaumläufer (3 3. Dez. 92, Marburg): a. Stirn ungefleckt. b. Unterflügel mit dunklem Fleck vor der ersten Schwinge. c. Kralle der Hinterzehe stark gekrümmt. 2. Waldbaumläufer ($ 12. Nov. 91, Marburg): a. Stirn bis zum Schnabelgrunde gefleckt. b. Unterflügel ohne deutlich sichtbaren Fleck vor der ersten Schwinge. c. Kralle der Hinterzehe nur flach gebogen. Die Köpfe sind der Deutlichkeit wegen vergrössert. Betreffs des Flügelflecks beachte man die spätere aus- führlichere Besprechung. (Die abgebildeten Vögel in meiner Sammlung.) res Te Journ. f. Ornith, 1903, } sa St Su EN \ ORT Certhia Fr. Eugen Köhler imp. Kleinschmidt del. et lith. Journ. f. Ornith. 1903. BEE Kleinschmidt del. et lith. Emberiza Fr. Eugen Köhler imp. Erklärung zu Tafel VII. Deutschland: Fig. 1. Schwarzer Scheitelrand wie bei 5. &, 1. April 99, Schönstadt bei Marburg. Fig. 2. Schwarze Nackenflecken wie bei 6. & 4.5. 19. März 02, Volkmaritz. Fig. 3. Roter Kinnfleck und Augenrand. ö, 30. April 99, Schönstadt bei Marburg. Fig. 4. Normaler Goldammer. od, 9. März 92, Marburg. Emberiza. West-Sibirien: Fig. 5. Normaler Fichtenammer. 5, 16./29. April 00, Tomsk. Fig. 6. Mischling. &, 7./19. April 96, Tomsk. Fig. 7. Mischling. d, „mit grossen Hoden“, 3./16. April 00, Tomsk. Fig. 8. Roter Kinnfleck. &, 29. März a. S. 96, Kirgiska. (1—5 in meiner Sammlung, 6—8 in Coll. Johansen.) Ve Dee ee 27 2% Kurscusnuh H JOURNAL für ORNITHOLOGIE GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. Ant. Reichenow, Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Ormithologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, der British Ornithologısts’ Union, der Ungarischen Ornithologischen Centrale, der Ornithol. Vereine in Leipzig und München u. a. LI. Jahrgang. Heft I. Fünfte Folge, 10. Band. 1903. Leipzig 1903. Verlag von L. A. Kittler. London, Paris, New-York, Williams & Norgate, 4 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co, Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway. Preis des Jahrganges (4 en 20 Rmk. praen. ia YZ 7) EN N 1. 0, E% Inhalt des I. Heftes 1. Vogel und ‚Mensehx "Von Wilh, Schuster 2.2... 4 2. Gedanken zur Entstehung des Species der Passerinen. Von KritzeBraun Kane ee | a 3. Brutvögel der Gegend von onen Lansite). Von Bernhard Hantzsch ..ıv. ... OR 4. Ornithologische Ergebnisse der I. Deutschen Südsee Sapedikion von Br. Mencke. Von Dr. O0. Heinroth. (Schluss) . . . 65 5. Einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusina. Von O0. Kleinschmidt . a 2 Deutsche Ornithologische Gesellschaft. 6. Milchedemyerzsichnin 1905... 90 A Lee) 7. Bericht über die Jahresversammlung 1902 Se 2 lo, (Kollibay, über die Vogelfauna Bosniens; ee, über die zoogeographische Berechtigung der Annahme eines Mittelmeergebietes; Kleinschmidt, über Entwicklung der Vogel- feder in der Mauser; Heinroth, über Mauser des Pinguins; Kleinschmidt, über Beziehungen von Emberiza leucocephala zu E. eitrinella; Reichenow, über neue Vogelarten; Ehmcke, über neue Lerchenarten; Kleinschmidt, über das internatio- nale Vogelschutzgesetz). 8. Dem Herausgeber zugesandte Schriften . . . . 2. 2...157 Alle für die Schriftleitung des Journal für Ornithologie so- wie für die Deutsche Ornithologische Gesellschaft bestimmten Zusendungen sind an den Generalsekretär der D. Orn. Ges., Prof. Dr. BReichenow Berlin N. 4, Invalidenstr. 43 erbeten, alle den Buchhandel betreffenden Angelegenheiten an die Verlagshandlung von L. A. Kittler in Leipzig zu richten. Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. JOURNAL für ORNITHOLOGIE GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. Ant. Reichenow, Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, der British Ornithologısts’ Union, der Ungarischen Ornithologischen Centrale, der Ornithol. Vereine in Leipzig und München u. a. Heft I. LI. Jahrgang. 1903. Leipzig 1903. Verlag von L. A. Kittler. London, Paris, New-York, Williams & Norgate, 14 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co. Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway. Preis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 20 Rmk. praen. Way 22 1903 * e! = "% % R Er # PO 4a % k & Tr Inhalt des IL Heftes, 1. II. Jahresbericht (1902) der Vogelwarte Rossitten. Von J. Thienemann. (Mit einem Beitrag von Otto le Roi.) . . 161. 2. Tierleben in einem Taubenschlag in Basel. Von Dr. L. Gough 257% 3. Über den Zug des Stares mit besonderer Berücksichtigung der F Gätkeschen Ansieht über Zug der Vögel nach au und Ge- 9 schlecht. Von Dr. F. Helm. . . . 259% 4. Zur Lebens- und Nistweise javanischer Vögel. Von M. Bartels 270° 9. Kurze Betrachtungen über die Sn der Edelfalken. Von \ Carlo Frh. v. Erlanger . . 5 ee) Deutsche Ornithologische Gesellschaft. # 6. Bericht über die Novembersitzung 1902 . . . . . .... 801% 7. Bericht über die Dezembersitzung 1902 . . . . . ... 804% 8. Bericht über die Januarsitzung 1908 . . . . ..2.....8305% 9. Bericht über die Februarsitzung 1908. -. . . ». 2... 806% 10. ‚Bericht über die Märzsitzung 1908 02... 2.22.22. 200 11. Dem Herausgeber zugesandte Schriften. . . . ...2..2...8097 Im Verlage von N R. Friedländer & Sohn, Berlin, Carlstr. 11) erscheinen und sind durch alle Buchhandlungen zu be- ° ziehen Ornithologische Nonatsberichte herausgegeben von Prof. Dr. Ant. Reichenow. == Preis jährlich 6 Mark. —= Die Ornithologischen Monatsberichte bilden ein ergänzendes Beiblatt zum Journal für Ornithsiogie. In monatlichen Nummern bringen sie Aufsätze systema- tischen, faunistischen und biologischen Inhalts, Referate über die neu erscheinende Litteratur, Nachrichten über Reisen, Museen, zoologische Gärten und Privat- sammlungen sowie in einem Inseratenteil Tausch- und Kanfenzeigen für Sammler. Ein sachlich geordneter Hi Sch am ‚Schlusse des Jahrganges giebt eine bequeme Übersicht über die Jahreslitteratur. .-Beebenummern sind kostenfrei vom Herausgeber zu beziehen. 7 Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. ab a en a a en de 2 a a De net Be. JOURNAL für ÖORNITHOLOGIE. GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft herausgegeben Prof. Dr. Ant. Reichenow, > Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Omithologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, der British Ornithologısıs’ Union, der Ungarischen Ornithoiogischen Centrale, der Ornithol. Vereine in Leipzig und München u. a. i Heft III. LI. Jahrgang. 1903. Mit 2 Tafeln. London, Paris. New-York, Williams & Norgate, 14 _F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co. 812 Broadway. Henrietta Street, Coventgarden. Preis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 20 Rmk. praen. Inhalt des III. Heftes. 1. Ornis von Marburg an der Lahn. Von Otto Kleinschmidt 313% 2. Erläuterungen zur 18. Lieferung des „‚Tierreichs.“ Von Hellmayr 394% 3. Noch einige Bemerkungen zu dem Artikel von Sp. Brusin.. Von Dr.EsRössien. 2. a 4. Gefangenschaft und ei Von:E Braun 2... 20 5. Dem Herausgeber zugesandte ‚onen. BE Im Verlage von R. Friedlinder & Sohn, Berlin, Carlstr. 11 erscheinen und sind durch alle Buchhandlungen zu be- ziehen Ornithologische Nonatsberichte | herausgegeben von Prof. Dr. Ant. Reichenow. == Preis jährlich 6 Mark. == Die Ornithologischen Monatsberichte bilden ein ergänzendes Beiblatt zum Journal für Ornithsiogie. In monatlichen Nummern bringen sie Aufsätze systema- ! tischen, faunistischen und biologischen Inhalts, Referate ? über die neu erscheinende Litteratur, Nachrichten ° über Reisen, Museen, zoologische Gärten und Privat- sammlungen sowie in einem Inseratenteil Tausch- und Kaufanzeigen für Sammler. Ein sachlich geordneter Index am Schlusse des Jahrganges gibt eine bequeme Übersicht über die Jahreslitteratur. F u Probenummern sind kostenfrei vom Herausgeber zu beziehen. Druck von Otto Dornblüth in Bernburg. JOURNAL für ÖORNITHOLOGIE GEGRÜNDET VON J. CABANIS Im Auftrage der’ Deutschen Ornithologischen Gesellschaft herausgegeben Prof. Dr. Ant. Reichenow, Kustos der Ornithologischen Abteilung des Kgl. Zoologischen Museums in Berlin, Generalsekretär der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft, Ehrenmitglied der Natur- forschenden Gesellschaft des Osterlandes, der American Ornithologists’ Union, der British Ornithologıists’ Union, der Ungarischen Ornithoiogischen Centrale, der Ornithol. Vereine in Leipzig und München u. a. Heft IV. LI. Jahrgang. 1903. Leipzig 19 IR ı 199 B, Verlag von L Ki » . London, Paris, New-York, Williams & Norgate, 14 F. Vieweg, rue Richelieu 67. B. Westermann & Co. Henrietta Street, Coventgarden. 812 Broadway, Preis des Jahrganges (4 Hefte mit Abbildungen) 20 Rmk. praen. (ir, Wu: R * y. . u a s Shen N ANCEN {N h OMEHR| IR MN Vh N N \ PRUNEÄANZOT iv RONÜILRH ui » EB TUT RE Ch SU HN Kohn VPHuen Vpt NW NEN NNHUN NRW ai \ Ka \ N ‘ NEN Kan. \ OHNE N A { an ud RD N 3 HER ORNEBEIENRNTEORDEHDE DOREEN YRIOR 6 UMEDHLMLREHARA UN BR LNN) Mn, N NN, N {ht RR KA | Ka NN SHARE f v Yan. $ \ { \ \ | i | Url 7 N NEON h eh y 5 \r { Y KONAR| un IR ie ii (u) \ NEINEUEN N N Na) NUR IR R AN RENIH RN EN NEN RN \ REED } HN IRRE) AIR ) EL 2) Run ART, A x } EN ; IN 4 vr \ r I D Sr + } N a 3 9088 00997 0633 SARNIIDINN ’ ( N [r1 J Nr N UN) \ W £ EIERN I NO un U RLEINEH Ie BNRLIEH NEN {N Wh Han (V RN N kon ‘ NA aan OA KIN N IM NUR RR Äh NH RUN A ER IRN NT I RW AAN Hund y 9 Au N UEUENT NS | ERITREA “ j fr N KEN b d AR ENIN, ut N BASEL Aa HN; N HR Ki r Na ur ra. { Fu ua N N KARRAUINDG $ RL) LIFE IR ‘ BANDES ARRAETG, he ne AD ha Y a u Kerr Bann W h AN hy nd VIE, (erde UNI 1 FINE RR Ta) h N k h hu heu.\ RN I 4 y [M ach, \ h { ln ) KIT IU RN BERN i Y Y NENNE N NN sn RN IWW u N UNI REIN DEAN NN N IN ORT RORIRAN h j KM) ER 'h Mn Kant ah N WERDEN, hohl nit NER \ Li NR Ka) DIRT VAR URALTEN EV AH u. \ h nal \ N 6 RAN hmlk ir AL, Ni il " DENN) D } ! vr WU.H “nr vhs N ah KO rhehAalde RN Nu \ W.d7 IM} X i hieaph h LA NR IR a I an} AN eh ne ÄNDERT DERURRL HERNE ? bucht