FORTHE:FEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY v N. „ na +, 7% u 7 anne 1 Ordentliche Veröffentlichung des Kosmos (5 pro Jahr) 1912 Band III. Dr. K. Floericke Kriechliere u. Lurche fremoͤer Länder Kosmos. Gesellschaft der Naturfreunde Franckhsche Verlagshanolung Stuttgart URARE aden . an ur NR h Dehne Kriechtiere und Lurche fremder Länder Kosmos, Geſellſchaft der Naturfreunde, Stuttgart Die Geſellſchaft Kosmos will die Kenntnis der Natur— wiſſenſchaften und damit die Freude an der Natur und das Verſtändnis ihrer Erſcheinungen in den weiteſten Kreiſen unſeres Volkes verbreiten. — Dieſes Ziel glaubt die Geſell— ſchaft durch Verbreitung guter naturwiſſenſchaftlicher Literatur zu erreichen mittels des Kosmos, Handweiſer für Naturfreunde Jährlich 12 Hefte. Preis M 2.80; ferner durch Herausgabe never, von erſten Autoren verfaßter, im guten Sinne gemein verständlicher Werke naturwiſſenſchaft⸗ lichen Inhalts. Es erſcheinen im Vereinsjahr 1912 (Anderungen vorbehalten): Gibſon-Günther, Was iſt Elektrizität? Reich illuftriert. Geheftet M 1.— = K 1.20 0 5. W. Dannemann, Wie unſer Weltbild entſtand. Reich illuſtriert. Geheftet M 1. — = K 1.20 h ö. W. Floericke, Kriechtiere u. Lurche fremder Länder. Reich illuſtriert. Geheftet M 1. — = K 1.20 h ö. W. Weule, Arformen der Wirtſchaft u. Geſellſchaft. Reich illuſtriert. Geheftet M 1.— = K 1.20 h ö. W. Koelſch, Die Erſchaffung der Seele. Reich illuſtriert. Geheftet M1. — = K 1.20 h ö. W. Dieſe Veröffentlichungen find durch alle Buchhand— lungen zu beziehen; daſelbſt werden Beitrittserklärungen (Sahresbeitrag nur M 4.80) zum Kosmos, Geſellſchaft der Naturfreunde (auch nachträglich noch für die Jahre 1904/11 unter den gleichen günſtigen Bedingungen), entgegengenommen. (Satzung, Beſtellkarte, Verzeichnis der erſchienenen Werke uſw. ſiehe am Schluſſe dieſes Werkes.) Geſchäftaſtelle des gosmes: Franckh'ſche Verlagshandlung, Stuttgart. Kriechtiere und Lurche fremder Länder Dr. Kurt Floericke Mit einem farbigen Titelblatt und zahlreichen Zeichnungen (nach Tieren des Frankfurter zoolo— giſchen Gartens) von J. Kuttner Stuttgart Kosmos, Geſellſchaft der Naturfreunde Geſchäftsſtelle: Franckh'ſche Verlagshandlung Copyright 1912 by g 3 Franckh’sche Verlags handlung. Stuttgart en £ nA 401 Oper 0 12 Er 2. FRE er s# Stuttgarter Setzmaſchinen-Druckerel Holzinger & Co., Stuttgart. 4 a ö TG — = en, D. gegenwärtig zu ungeahnter Blüte entwickelte Tierlieb- haberei iſt eine Tochter der zoologiſchen Wiſſenſchaft. Freilich eine uneheliche, denn die Sunftgelehrten wollen ſie noch nicht recht für vollgültig anerkennen. Das ſchadet aber nichts, denn es iſt eine alte Erfahrungstatſache, daß illegitime Kinder oft die kräftigſten und nach dem Austreten der Kinderſchuhe die leiſtungsfähigſten find, weil fie eben in leidenſchaftlicher Liebe und rückhaltloſer hingabe gezeugt wurden. So entwickeln ſie ſich wegen ihrer gefunden UMörperſäfte gewöhnlich trotz mangelhafter Pflege beſſer und vielverſprechender als ihre legitimen Stief- geſchwiſter. Sind fie dann groß geworden, jo vermögen ſie ihren Eltern eine ganz weſentliche Stütze zu ſein. Genau ſo iſt's mit der anfangs viel verſpotteten Ciebhaberei für Fiſche oder gar für Uriechtiere und Lurche und dergleichen „häßliches und cRel- haftes Viehzeug“ gegangen. Liebe zur Natur hat ſie geboren, aber ein erſt ſpielender und unbeholfen taſtender, dann immer ernſter und gewiſſenhafter werdender Forſchungsdrang hat ſie großgezogen. In ganz ungeahnter Weiſe hat ſich mit dem Anwachſen und der weiteren Ausbreitung der Liebhaberei namentlich für aus— ländiſche Kriechtiere und Lurche während der letzten, beiden Jahrzehnte unſere Kenntnis von der Lebensweiſe, der Fort— pflanzungsart, den körperlichen und geiſtigen Fähigkeiten dieſer ſeltſamen und oft ſo vorſintflutlich anmutenden Lebeweſen ver— tieft und erweitert. Manches merkwürdige Geſchöpf, das wir bisher nur aus kümmerlichen Muſeumsexemplaren kannten, hat ſeitdem erſt Leben und Farbe in unſerer Dorjtellung gewonnen. Man darf wohl ſagen, daß die Terrarienliebhaberei, wo ſie ver— ſtändnisvoll und zielbewußt betrieben wurde, der Wiſſenſchaft außerordentlich wertvolle Dienſte geleiſtet, ihr ſo manches ſchöne und hochwillkommene Geſchenk gemacht und ſie dadurch zu auf— A richtigem Danke verpflichtet hat. Heute geht es nicht mehr an, dieſe Ciebhaberei als eine bloße Spielerei zu bezeichnen und vom erhabenen Standpunkte des Muſeumsgelehrten aus verächtlich auf ſie herabzuſchauen. Denn ohne ſie wäre die zoologiſche Wiſſenſchaft ſicherlich bei weitem nicht auf dem Standpunkte, den ſie heute einnimmt. Auch ich habe mich dem eigenartigen Reiz, den die Terrarien— liebhaberei auf jeden Naturfreund ausübt, nicht entziehen können. Die wenigen einheimiſchen Dertreter aus der bunten Welt der Kriech— tiere und Turche hatte ich mir ſchon in jungen Jahren wiederholt gehalten, ſpäter auch die ſchon ſehr viel mannigfaltigeren Mittel: meerformen. Aber zur Haltung von Tropentieren, unter denen wir doch die vollendetſten, ſchönſten und intereſſanteſten Er— ſcheinungen aus dieſen wärmeliebenden Tierklaſſen zu ſuchen haben, konnte ich mich früher nie recht entſchließen, weil ich die mit ihrer Pflege verbundenen Schwierigkeiten ſtark überſchätzte. Nun, jetzt habe ich endlich den Derjud) gemacht und damit einen alten Traum aus meiner Kindheit verwirklicht, und wahrlich — ich habe es nicht zu bereuen gehabt. Wie viel Neues, ungeahnt Köſtliches gab es doch da zu beobachten, und wie gering erſchien im Vergleich dazu die aufgewendete Mühe! su beſonderen Lieblingen aber ſind mir dabei die in den wärmeren Strichen der Neuen Welt heimiſchen und dort in ſchier zahlloſen Arten allenthalben häufigen Anolis geworden, deren haltung ich jedem Tierfreund ſchon wegen ihrer Anſpruchsloſigkeit ſehr empfehlen kann, ſobald er nur überhaupt in der Lage it, über ein heizbares Terrarium zu ver— fügen. Es ſind gar muntere, ulkige und poſſierliche Dinger, dieſe Anolis: ſchlanke, langſchwänzige, ſpannengroße Baumeidechſen, die aber vermöge ihrer Haftzehen im Gezweig herumſpringen und an den ſenkrechten, glatten Glaswänden ſitzen wie die Caubfröſche. Dabei bewegen ſie die mit viel zu großen Lidern verſehenen, recht ſcharfſichtigen Augen unabhängig voneinander wie ein Chamäleon, mit dem ſie auch ein ganz großartiges, durch die Schnelligkeit des Vorgangs oft geradezu verblüffendes Farbwechſelvermögen ge— meinſam haben. Ihr ganzes Gebahren hat etwas unverkennbar Dogelartiges, aber der flache, breite, langgeſtreckhte Kopf mit den jo bauernſchlau blinzelnden Auglein ſcheint einem winzigen Krokodil anzugehören. Jedenfalls ſind die Anolis trotz ihrer az alt Kleinheit und Wehrlojigkeit vortrefflich zum Kampfe ums Daſein ausgerüſtet. Mit dem einen Auge beobachten fie die am Boden kriechende Raupe, mit dem anderen die an der Wand ſpazierende Fliege, und eines von beiden erhaſchen ſie ſicher, denn kein Sprung iſt ihnen zu weit, keine Fläche zu glatt. Wenigſtens bei einigen Arten ſcheint beim Inſektenfang auch die Sunge als Leimrute, an der das Opfertier kleben bleibt, eine Rolle zu ſpielen, obwohl fie nur wenige Millimeter weit aus dem roſenroten, breitmäuligen Rachen hervorgeſchleudert werden kann. Alſo auch in dieſer Be- Abb 1. Anolis, eine für Amerika charakterijtiihe Echſengattung mit verblüffendem Farb— wechjelvermögen, Haftzehen und aufſpreizbarem Kehljac. ziehung wieder eine auffallende Übereinſtimmung der zierlichen Anolis mit den grotesken Chamäleons. Unter ſich geſellig, ſind die Anolis doch gleichzeitig arge Raufbolde, und namentlich die Männchen jagen ſich fortwährend gegenſeitig herum. Nach zahl— loſen erbitterten Sweikämpfen bilden ſich dann ſchließlich ähnliche Derhältnifje heraus wie im Affenſtaate: das ſtärkſte Männchen führt eine geſtrenge Tyrannis, betrachtet die fetteſten Biſſen und die ſchönſten Weiber als ſein ſelbſtverſtändliches Eigentum und züchtigt mit brutaler Gewalt jeden Geſchlechtsgenoſſen, der wider den Stachel zu lecken wagt. Namentlich zur Paarungszeit, wo die Weibchen lediglich ruhige Suſchauer abgeben, iſt's oft grimmiger u SEE: Ernſt mit dieſen Kämpfen, und die eiferſüchtigen Männchen laufen dann mit blutig gebiſſenen Schnauzen auseinander oder ſie ſtürzen, zu einem wirren Knäuel geballt, vom Gezweig auf den Boden. Den Schwanz, der nur unvollkommen wieder nachwächſt, brechen ſie ſich aber dabei nicht ſo leicht ab wie unſere Eidechſen. Außerhalb der Paarungszeit tun ſie ſich trotz aller ſcheinbaren Wut gegen— ſeitig nicht gar viel zuleide, und dieſe Duelle wirken deshalb auf den Suſchauer mehr komiſch, jo tapfer ſich auch die wackeren Kämpen gebärden und jo gut fie die heldenpoſitur anzunehmen wiſſen. Mit einem drohenden Abplatten des Leibes, grimmigem Kopfnicken und dem Aufblaſen der Kehlwamme wird das Duell eingeleitet. Um ein eigentliches Aufblajen des Kehlſackes, wie es bei ſo vielen anderen Reptilien vorkommt, handelt es ſich dabei allerdings nicht; er wird vielmehr durch das aufſpreizbare Sungen— bein fächerartig in ganz erſtaunlichem Maße flach ausgedehnt und nimmt dabei zugleich eine wundervolle Färbung an — blutrot oder himmelblau, oder moosgrün, je nach der Artzugehörigkeit des kampfluſtigen Tieres. Aber auch am übrigen Körper iſt deſſen Farbe außerordentlichen Veränderungen unterworfen. In den kühlen Morgen- oder Abendjtunden drücken ſich meine Anolis, die über— haupt nur bei freundlichem Sonnenſchein die ganze Munterkeit ihres anziehenden Weſens entfalten, dicht an einen ſchräglaufenden Aſt an und erſcheinen dann rotbraun, ja bisweilen (beſonders wenn ſie ſich nicht wohl fühlen) mißfarbig graubraun. Wird es aber heller und wärmer im Terrarium, ſo hellt ſich ihre Farbe auf, erſcheint bisweilen wie mit bläulichem Reif überhaucht und wird ſchließlich herrlich blattgrün oder gar leuchtend gelbgrün, faſt durchſichtig, jo daß man das kleine Herz arbeiten zu ſehen glaubt. Dazu die blutrote Kehlwamme des Männchens! Bei manchen Arten geſellt ſich zu der Grundfarbe noch mannigfaltige Bänderung und Tüpfelung, bei anderen tritt wenigſtens ein türkisblauer Fleck in der Achſelgegend auf, und noch andere ſind an der Schwanz— wurzel mit einem aufrichtbaren, allerdings nicht ſonderlich hohen Hautkamm geſchmückt. Wenigſtens zum Teil iſt all dieſer Farben— wechſel ſicherlich ein unwillkürlicher, alſo nicht dem Belieben des Tieres anheimgegeben. Es geht dies ſchon daraus hervor, daß die beim Schlafen auf Blättern nachts grünen Anolis unweigerlich braun werden, ſobald man mit der Lampe hinzutritt, auch dann, TEEN wenn fie den Beobachter gar nicht bemerken, alſo nicht aufwachen, ſondern ruhig weiter ſchlummern. Sie ſuchen übrigens zum Schlafen ſtets den gleichen Platz auf und huſchen dieſem möglichſt unvermerkt mit der gleichen Cautloſigkeit zu, die alle ihre behenden Bewegungen auch am Tage auszeichnet. Während 3. B. der im Süden der Vereinigten Staaten und auf Kuba ungemein häufige und nicht ſelten ſelbſt innerhalb der häuſer anzutreffende Rotkehl- anolis (Anölis carolinénsis) zwei Eier legt, die er ohne alle Vorkehrungen faſt an jedem beliebigen Orte abſetzt, haben Terrarienbeobachtungen gezeigt, daß andere Anolisarten lebende Junge gebären. So wurde Schmidt durch ſeine Anölis crista- t&llus mit ganz entzückenden Kinderchen erfreut, die glänzend hellbraun waren mit weißem Rücdkenjtreif und nadeldünnem Schwanzſpitzchen. All ihre Schönheit konnte freilich die Eltern doch nicht von kannibaliſchen Gelüſten abhalten. Blattläuſe und Fliegen winzigſter Art bildeten die Nahrung der niedlichen Kleinen. Die auffallende Tatſache, daß die drei Jungen in Swiſchenräumen von 14 Tagen geboren wurden, iſt wohl damit zu erklären, daß die bei der Begattung eindringenden Samenlbörper nicht gleich— zeitig zu den Eiern gelangen, ſondern die hinten liegenden erſt ſpäter befruchten. Bekannter als bei den Anolis iſt der Farbenwechſel bei den Chamäleons, dieſen vielleicht abenteuerlichſten aller Reptilien, die ja eben wegen dieſer Eigenſchaft geradezu ſprichwörtliche Bedeutung erlangt haben. Die „Krone der Reptilien” haben begeiſterte Kriechtierfreunde ſie genannt, und in der Tat haben wir in dieſer etwa 90 Arten umfaſſenden Familie wohl die ſeltſamſten und intereſſanteſten, aber auch die unbeholfenſten und nervöſeſten Kriechtiere vor uns. Die „Faultiere des Reptilien- reiches“ könnte man ſie mit gleichem Rechte nennen, denn wie bei jenen übel beleumundeten Säugern iſt auch ihr ganzer Organismus in der einſeitigſten Weiſe dem beſchaulichen Leben im grünen Blättermeer angepaßt. Nur daß ihnen die Nahrung nicht ins Maul hineinwächſt, ſondern aus einiger Entfernung erjagt werden muß, wozu ihnen die Natur die beweglichen Augen und den treff— ſicheren Zungenlaſſo verliehen hat. Aber mit Derteidigungsmitteln gegen ihre zahlreichen Feinde hat ſie dieſe bizarren Geſchöpfe nur recht ſtiefmütterlich bedacht. Obenan ſteht dabei das erſtaunliche 1 Farbwechſelvermögen, denn ſicherlich iſt dieſes zum großen Ceile als Schutzfärbung aufzufaſſen, womit keineswegs gejagt werden ſoll, daß es ausſchließlich vom Willen des Tieres abhängig ſei. „Ein geſehenes Chamäleon iſt ein verlorenes Chamäleon“, ſagt ganz richtig ein altes ſpaniſches Sprichwort. Es gehört in der Tat ein ſehr ſcharfes Auge dazu, um die regungslos im grünen Caubwerk ſitzenden und gleichfalls mehr oder minder grün ge— färbten Tiere zu entdechen. Und eine gewiſſe Fähigkeit, ſich einigermaßen bewußt der Färbung der Unterlage und Umgebung anzupaſſen, ſcheinen ſie doch, ebenſo wie die Anolis, zu beſitzen. Daneben ſpielen aber auch Wärme und Sonnenbeitrahlung eine große Rolle, und die Umfärbung iſt deshalb teilweiſe auch als Wärmeregulator aufzufaſſen. So werden einige Seit hindurch größerer Hitze ausgeſetzte Chamäleons unweigerlich hellgelb, wie ja überhaupt viele Echſen in der Wärme lichter werden, indem Grundfarbe und Seichnung gleichzeitig ſich aufhellen, jo bei Euméces, Tar6ntola, Uromästix, Phrynosöma u. a. Auffallend wird der Farbwechſel jedoch erſt dann, wenn ſich Grundfärbung und Seichnung dabei verſchieden verhalten, wie es 3. B. bei Anölis und Calötes der Fall iſt. Su dieſer letzteren Gruppe zählen auch die Chamäleons. Dieſe bilden jedoch in ihr gewiſſermaßen eine Klaſſe für ſich wegen der außerordentlich großen Sahl und Mannigfaltigkeit der möglichen Umfärbungen, wenn dieſe auch eine gewiſſe Regelmäßigkeit erkennen laſſen, da ſie nach den ſorgfältigen Beobachtungen de Grijs in einer beſtimmten Reihenfolge immer wiederkehren. Auch die Örtlihkeit an ſich legt dem Farbwechſel— vermögen eine gewiſſe Beſchränkung auf. So können aus vegetationsarmen Gegenden ſtammende Chamäleons niemals ſchön blaugrün werden. Merkwürdig iſt es auch, daß bei kühler Temperatur von der Sonne getroffene Stellen faſt völlig ſchwarz werden. Als dritter Faktor kommt nun noch die gerade bei den ſcheinbar ſo phlegmatiſchen Chamäleons höchſt leidenſchaftliche ge— ſchlechtliche Erregung hinzu, die zur Bildung der brillanteſten Schmuckfarben bei den brünftigen Männchen führt. Dieſe ſind an ſich ſchon durch lebhaftere Färbung, geringere Größe und verdickte Schwanzwurzel von den Weibchen verſchieden, wie ja überhaupt die Echſen durchſchnittlich auf einer höheren Stufe geſchlechtlicher Differenzierung ſtehen, als etwa die Schlangen. Allerdings be— 1 ſchränkt ſich die ſchmückende Umfärbung der meiſten auf Kehle und Bauch, weil eine zu lebhafte Färbung der Oberſeite in un— liebſamer Weiſe die Aufmerkjamkeit der in der Luft ſchwebenden Raubvögel erregen müßte. Im engſten Suſammenhange damit ſteht es dann wiederum, daß die oben ſchlichten, unten aber in den lebhafteſten Farben erſtrahlenden Männchen durch eigenartig nickende oder wippende Bewegungen die Aufmerkjamkeit der Weibchen auf ihre halb verborgenen Reize zu lenken ſuchen. Abb. 2. Chamäleon, faul und bequem, wechſelt die Farben in allen Tönen von weiß bis ſchwarz und fängt mit weit hervorſchnellender Zunge die Beute. Wir brauchen auch in dieſer Beziehung nur wieder an die Anolis zu denken oder etwa an Agäma inérmis mit ihrer pracht— voll blauen Kehle. Bei dem den ſüdlichen Mittelmeerländern angehörigen Chamäéleon vulgäris vertiefen ſich bei ge- ſchlechtlicher Erregung zunächſt alle Farben, wobei förmliche Teppich— muſter hervortreten, oder ſie verdunkeln ſich und werden ſchließlich faſt ſchwarz. Die befruchteten Weibchen aber nehmen eine ein— tönig ſchwarzgrüne Färbung an und behalten dieſe bis zur Ei— ablage faſt unverändert bei. Durch viel leuchtendere Kontraſte i und einen in der Erregung geradezu rapiden Farbenwechſel zeichnet ſich das prachtvolle und ſtattliche Pantherhamäleon (Oh. pardälis) Madagaskars aus, auf welcher zoologiſch fo merkwürdigen Inſel dieſe eigenartige Echſenfamilie überhaupt zur üppigſten Entfaltung gediehen iſt. Das äußerſt nervöſe und leicht erregbare Tier erſcheint bald einfarbig grasgrün, bald ebenſo mit gelben Punkten oder braunen Flecken oder ſchwarzen Querſtreifen, bald ſchwarz mit leuchtend hellgelben oder weißen oder himmel— blauen Binden, bald wieder zitronengelb. Ein ebenſo wundervolles Farbenſpiel hat das große (etwa 60 cm lange) Ch. mölleri auf— zuweiſen. Schlafend erſcheint es reſedagrün mit dunkelgrünen Tuberkeln und nur ſchwach angedeuteten gelben Binden. Im Wachen werden dieſe nach den Aufzeichnungen Bergs heller und ausgedehnter, die Grundfärbung dunkler, und gleichzeitig treten helle Netzflecke und ſchwarze Tupfen auf. In der Erregung durch— läuft die Grundfarbe alle Abtönungen bis zu faſt völligem Schwarz, die Tupfen und Netzflecke verſchwinden, aber die Tuberhkelflecke bleiben und werden weiß, die Binden treten ſchärfer hervor und leuchten in grellem Gelb. Dieſe Färbung iſt bei Angjt und Ärger vorherrſchend, während das liebestolle Männchen faſt weiß aus— ſieht mit großen ſchwarzen Tupfen und ſcharf abgeſetzten gelben Binden. So gefärbt, gewährt es einen geradezu ſagenhaften An— blick, wenn es ſich nun zu einer rieſigen ovalen Scheibe aufbläht, die Hinterhauptslappen wie ein wütender Elefant ſenkrecht zum Kopfe ſtellt, ſich mit weit aufgeſperrtem Kachen fauchend und ziſchend auf den ſtrammen hinterbeinen erhebt, die Vorderbeine aber wie bittende hände dem Beobachter entgegenſtreckt. Auch das ſonſtige Phlegma der Chamäleons erſcheint während der Paarungszeit völlig verſchwunden. Faſt wieſelartig flink rennen die aufgeregten Männchen durchs Gezweig und ſchwingen ſich ſchließ— lich mit erſtaunlicher Gewandtheit auf den Rücken der auserkorenen, anfangs heftig widerſtrebenden Weibchen, an denen ſie ſich nur mit ihren kräftigen Greiffüßen feſthalten, nicht aber nach Art anderer Echſen mit dem Maule im Nacken feſtbeißen. Natürlich gibt es unter den Männchen auch Eiferſuchtskämpfe, und ſie zeigen dabei ebenfalls eine ganz ungewohnte Hurtigkeit. Es wird dann tüchtig geknurrt, gefaucht, gekratzt und gebiſſen, hauptſächlich aber gebort, indem ſich die Gegner mit wuchtigen Kopfitößen traktieren, deren 1 Empfindlichkeit durch die harten Leiſten und die ſägeförmig ge— ſtellten Schuppen auf dem Kopfe geſteigert wird. Sie blähen ſich bei dieſem Fauſtkampf nach der höhe zu ſtark auf und flachen ſich dafür in den Körperſeiten ab, um dem borenden Nebenbuhler eine möglichſt geringe Angriffsfläche zu bieten. So gleichen ſie großen, flachen Scheiben, und ein jeder iſt ſichtlich bemüht, ſo ſchrechlich und furchtbar wie möglich zu erſcheinen, indem er ſich hoch auf allen Dieren aufrichtet. Nicht nur ziſchende Töne bei aufgeſperrtem Maule vernimmt man dabei von ihnen, ſondern auch knurrende, die bei geſchloſſenem Munde aus dem von der Zunge aus aufgeblähten Kehljake kommen. So ſtark iſt der Paarungstrieb der brünftigen Männchen, daß ſie häufig zugrunde gehen, wenn ſie keine Befriedigung finden; mit ihren Liebes- anträgen verfolgen ſie daher auch die Weibchen anderer Cha— mäleonarten, ja ſchließlich überhaupt faſt jede weibliche Echſe. Sie knurren dann derart, daß ihr ganzer farbenſtrahlender Körper erzittert. Zur Eiablage ſind die Weibchen genötigt, Baumwipfel und Strauchwerk zu verlaſſen und auf den Erd— boden herabzukommen. So ungern dies die Chamäleons auch tun, bewegen ſie ſich doch auf der Erde gar nicht ſo ungeſchickt, indem ſie eine Art Trab anſchlagen und ſich dabei auf den muskulöſen Schwanz ſtützen. Die Weibchen graben nun mit ihren Dorder- füßen recht mühſam ein Coch, ſetzen darin die länglichen, gelblich— weißen Pergamenteier ab und decken ſie mit Erde und dürrem Laub wieder zu. Die ausſchlüpfenden Jungen (es gibt übrigens auch vivipare Arten) haben einen mehr rundlichen Kopf und eine gelblichweiße Farbe und ſteigen alsbald im Gezweig empor, denn nur auf ſolchem vermag ein Chamäleon dauernd zu leben. Mit ſeinen vier Klammerfüßen, zu denen als fünftes Halt- und Greif: organ noch der Wickelſchwanz hinzukommt, hält es ſich hier un» gemein feſt, und man muß ſchon ziemliche Gewalt anwenden, wenn man ein Chamäleon von dem umklammerten Sweige losreißen will. Dies geht ſelten ohne empfindliche Beſchädigungen ab, weshalb wir auch ſo wenig vollkommen unverletzte und geſunde Chamäleons für unſere Terrarien bekommen. Sicher klettert das Chamäleon gewiß, wobei ihm der Schwanz bald als Balancierſtange, bald als fünfter Fuß dient, aber auch mit einer ſchier unheimlichen Träg- heit und Cangſamkeit, ja mit einer unverkennbaren Angſtlichkeit. . Einige der großen und ſchweren Arten gehen in dieſer Beziehung jo weit, daß ſie den zu beſteigenden Ajt erſt ſorgfältig mit der Zunge abtaſten, um ſich zu vergewiſſern, daß er auch jtark genug ſei, ihr Gewicht zu tragen. Troß aller dieſer Vorſichts— maßregeln verſieht's aber bisweilen ſogar ein Chamäleon und ſauſt dann aus luftiger höhe zum Boden herab. Das ſchadet ihm freilich nicht viel, denn das ſonſt ziemlich empfindliche Tier kann in dieſer Beziehung ſchon einen guten Puff vertragen. Geiſen— heyner erlebte es, daß eines ſeiner auf offenem Balkon gehaltenen Chamäleons 5ſ½ m tief abſtürzte, aber nach acht Tagen wohl— genährt im angrenzenden Bohnengarten zum großen Schrecken der Nachbarin aufgefunden wurde. Sum Schlafe pflegen ſich die Chamäleons mit geſenktem Kopfe, ſeitlich zuſammengedrücktem Körper und hoch gewölbtem Katzenbuckel auf einem Uſte nieder: zukauern, wobei der breite Schwanz ſeitlich herabhängt, aber in ſeiner Endhälfte ſtramm zu der üblichen Spirale aufgerollt iſt. So erpicht die Tiere auch auf die Fliegenjagd ſind, ſo wenig ſind ſie doch auch hierbei Freunde überflüſſiger Uletterbewegungen. Lieber vollführen fie mit dem Körper die unglaublichſten Der- renkungen, ehe ſie ſich dazu entſchließen, einmal einen Fuß vorwärts zu ſetzen. Ihre Jagdmethode iſt der Anſtand, und ſie entwickeln dabei die ganze Geduld des geſchulten Jägers, der ſeines Schuſſes ſicher iſt. Nur bei argem Hunger entſchließen ſie ſich, auch mal ein wenig auf die Pirſch zu gehen. Ihre Flinte it die merkwürdige, weit hervorſchnellbare Sunge (Ch. m&lleri ſchießt Grillen und Heuſchrecken mit unbedingter Sicherheit auf 30 em Entfernung!) Dieſes Organ arbeitet in der Tat mit der Schnelligkeit und Zuverläſſigkeit eines Präziſionsgewehres. Die bisher unabhängig voneinander nach verſchiedenen Seiten blickenden Augen werden jetzt beide auf das erſpähte Beutetier eingeſtellt und rollen in freudiger Gier immer raſcher, bis die Entfernung genau abgeſchätzt iſt. Dann fliegt wie ein unvermutet ge— ſchleuderter Caſſo die Zunge heraus, und nur ſelten verfehlt ſie ihr Ziel. Das Futtertier wird an dem holbig verdickten und eigentümlich klebrigen Sungenende angeleimt und dann die Sunge ſo fabelhaft raſch wieder ins Maul zurückgezogen, daß man den ganzen blitzſchnellen Vorgang kaum mit dem Auge zu verfolgen vermag. Der Schuß erfolgt mit großer Gewalt, iſt mit einem — 15 — dumpf aufklatſchenden Geräuſch verbunden, und es ſcheint, als ob größere Beutetiere dabei ſtets mit unvergleichlicher Sicherheit am Kopf getroffen und ſofort betäubt würden. Da die Chamäleons auch in freier Natur ziemlich geſellig leben, kommt es nicht ſelten vor, daß zwei faſt gleichzeitig ihren Sungenlaſſo nach derſelben Fliege herausſchleudern, und die enttäuſchte, dumme Miene deſſen, dem ſein Nachbar den erſehnten Biſſen gerade vor der Naſe oder vielmehr vor dem Sungenende wegſchoß, wirkt dann wahrhaft tragikomiſch. Im allgemeinen bevorzugen die Chamäleons kleinere, geflügelte Kerfe, zeigen ſich jedoch in der Auswahl ihrer Nahrung ziemlich launenhaft und ſind jedenfalls Freunde einer gewiſſen Abwechſlung im täglichen Speiſezettel. So kam es den Chamäleons Geiſenheyners gar nicht darauf an, gelegentlich auch mal ſelbſt aus dem honigſchüſſelchen zu naſchen, das zur Anlockung von Fliegen in ihrem Behälter aufgeſtellt war. Die größeren Arten aber führen ſich auch derbere und wehrhaftere Biſſen zu Gemüte. Das ſchon erwähnte ungeſchlachte und bizarre Pantherchamäleon fängt ſich in der Freiheit gern Geckonen und kleine Eidechſen und nimmt in der Gefangenſchaft auch mit jungen Mäufen vorlieb. Im Kote tuneſiſcher Chamäleons hat man ſogar Reſte von Skorpionen ge— funden, denen alſo dem faſt unfehlbaren Sungenlafjo gegenüber ſelbſt ihr heimtückiſcher Giftſtachel nichts genutzt hat. Dor dem verſchlucken wird die Beute erſt zerkaut, etwa widerwärtig Schmeckendes aber mit allen Anzeichen des Abſcheus wieder aus» geſpien und ſo leicht nicht wieder aufs Korn genommen. Dies gilt beſonders von den Laufkäfern, wie überhaupt hartflügelige Kerfe wenig nach dem Geſchmack der Chamäleons zu ſein ſcheinen. Huch ins Waſſer gefallene Inſekten verſtehen fie, die im Gegenſatz zu ihrem gewöhnlichen Phlegma mit einem ſchier unerſättlichen Appetite geſegnet find, geſchickt herauszuſchießen. Waſſer, das ſie am liebſten in Tropfenform zu ſich nehmen, können ſie aber noch weniger entbehren als Futter. Namentlich von dem ſüd— afrikaniſchen Ch. basiliscus, deſſen Männchen der Beſitz von Ferſenſporen auszeichnet, iſt es bekannt, daß er durch förmliches Beſchießen der Waſſerfläche ſeinen Durſt zu ſtillen pflegt. Diele Chamäleons trinken aber unter pumpenden Sungenbewegungen in langen Sügen auch ſchluckend, wobei ſie nach Vogelart von Seit zu Zeit den Kopf in die Höhe heben. Da bei der Nahrungs⸗ BR ſuche nur Auge und Sunge in Tätigkeit treten, muß der Geſichts— ſinn gut entwickelt fein, und in der Tat hat v. Fiſcher durch Verſuche feſtgeſtellt, daß eine Fliege auf etwa 90 cm Ent— fernung wahrgenommen wird, freilich nur bei Sonnenſchein, da wegen der winzigen Cidſpalte nur hell beleuchtete Gegenſtände ſcharf fixiert werden können. Auch das Gehör iſt nicht ſchlecht, der Geruch dagegen gleich Null und die Intelligenz ſehr ſchwach. Alle Chamäleons ſind echte Sonnentiere, die wärmenden Sonnen- ſchein faſt ebenſo nötig haben wie die Luft zum Atmen und ohne ihn in kürzeſter Friſt elend verkümmern. Das für das Wohl— befinden der Reptilien ſo wichtige Geſchäft der häutung vollzieht ſich bei geſunden Chamäleons ebenſo wie bei den Anolis mit überraſchender Schnelligkeit. Die papierdünne alte Haut geht in großen Fetzen ab, wobei nötigenfalls noch mit dem Binterfuße nachgeholfen wird, und die friſchen Hautjtellen ſchimmern dann prachtvoll wie köſtlicher Samt. Die Chamäleons ſind nicht nur völlig harmloſe, ſondern ſogar recht nützliche Tiere. In manchen Ländern weiß man ſich ihre fliegenvertilgende Tätigkeit wohl zu— nutze zu machen. So ſah ich in den mit Bäumen und Sier— ſträuchern ausgeſtatteten Innenhöfen der arabiſchen Häufer Süd— marokkos häufig Chamäleons, die dort als lebende Fliegenfänger gute Dienſte leiſteten. Solange das daneben aufgeſtellte Honig- ſchälchen nur Fliegen in genügender Sahl herbeilockte, fiel es ihnen gar nicht ein, den ihnen zum Aufenthalt angewieſenen Strauch zu verlaſſen, und mit der Seit werden ſolche Tiere ſogar bis zu einem gewiſſen Grade zahm. Verweilen wir gleich noch ein wenig länger bei den bizarrſten und merhwürdigſten Erſcheinungen aus der Echſengruppe, und wenden wir zu dieſem Swecke unſern Blick in Gedanken vom Schwarzen Erdteil weg und zum fünften, der ja überhaupt ſo reich iſt an abſonderlichen Tiergeſtalten! Oder kann es etwas Auffallenderes geben als eine große Eidechſe, die mit fabel— hafter Schnelligkeit aufrecht auf den hinterfüßen einherläuft, fo die uralte Verwandtſchaft zwiſchen Reptil und Dogel noch heute verkündigend und vielleicht gar ein ſicheres Licht werfend auf die der Wiſſenſchaft noch rätſelhafte Bewegungsart mancher aus— geſtorbenen Dinoſaurier, insbeſondere der zierlich gebauten Compsognäthus- und Stenopélix-Sormen? Saville-Hent hat dieſen von früheren Forſchern ſtark bezweifelten vogelartigen Gang bei der im auſtraliſchen Buſchwald heimiſchen und ſich hier mit Vorliebe zwiſchen dem Wurzelwerk großer Bäume herumtreiben- den Kragenechſe (Chlamydosäürus kingi) ſicher feſtgeſtellt und beobachtet, daß er auf reichlich 10 m ausgedehnt werden kann, und daß das Tier ſeinen langen Schwanz dabei nicht etwa als Stützorgan benützt, ſondern ihn im Gegenteil hochträgt, wie ein laufender Faſan. hauptſächlich bei heißer Witterung, bei zorniger Erregung oder eiliger Flucht macht es von dieſer ſehr fördernden Gangart Gebrauch. Ihren Namen hat die Uragenechſe davon, daß das Männchen einen gelb, ſcharlachrot und ſtahlblau gefärbten Stuartkragen beſitzt, der gewöhnlich in anmutigen Falten an Hals und Schultern anliegt, in der Kampfitellung aber wie ein durch Fiſchbeinſtäbe ausgeſpannter Regenſchirm ſenkrecht zur Körperachſe ausgeſpreizt wird. So dient er nicht nur als Schild, ſondern auch als Schreckmittel, indem aus ſeiner Mitte das drohend geöffnete Maul herausſchaut. Das kleine Scheuſal zeigt ſich denn auch in ſolchen Tagen als ein gar mutiges Geſchöpf, nimmt fo leicht nicht Reißaus, geht vielmehr einem furchtſamen Gegner ſofort angriffsweiſe zu Leibe. Ahnlich treibt's die Bartagame (Amphibolürus barbätus), bei der der Fluchtinſtinkt geradezu auffällig gering ausgeprägt iſt. Das etwa halbmeterlange, auf trockenes und ſteiniges Gelände beſchränkte Tier beſitzt einen enorm entwickelten, durch einen eigenartigen Mechanismus des Sungenbeins gewaltig aufblähbaren Kehlſack, mit dornenartig ausgezogenen Schuppen beſetzt. Aufgebläht erinnert er ſtark an einen recht ſtruppigen Dollbart und hat daher dem intereſſanten Tiere bei den auſtraliſchen Anſiedlern zu dem Namen „Judeneidechſe“ verholfen. Es ſieht wirklich recht ein- ſchüchternd aus, wenn aus dieſem dräuenden Stachelgewirr der fauchende Rachen herausziſcht, das Tier ſich gleichzeitig hoch auf alle vier Beine ſtellt und den Körper derart zu einer flachen Scheibe abflacht, daß man meint, er ſei überfahren oder platt gewalzt worden. Selbſt nicht furchtſame Menſchenkinder laſſen ſich durch dieſe Schreckſtellung nicht eben ſelten ins Bockshorn jagen, obwohl ſie eigentlich nichts als eine leere Drohung iſt, da das Tier ſich nur ſelten zum Beißen entſchließt und auch die ſo gefährlich ausſehenden, ſpitzen Bartſchuppen in Wirklichkeit u Sloericke, Kriechtiere und Curche fremder Länder, une hart, ſondern weich und elaſtiſch find. Gewöhnlich läuft die Bartagame, die Ulingelhöffer mir brieflich als eine der intelli— genteſten Echſen bezeichnet, hochbeinig und ziemlich langſam, indem ſie dazwiſchen mit haſtigem Lecken Nahrung aufnimmt. Sie kann aber auch kurze, froſchartige Sprünge vollführen, worauf ſie ſich dann auf die hinterbeine ſetzt, ja man ſagt ihr nach, daß ſie wie die Känguruhs ihrer Heimat nur auf den Hinterbeinen zu hüpfen verſtehe. Indes iſt das noch nicht genügend ſicher feſt— geſtellt. Faſt noch abenteuerlicher als die beiden geſchilderten Arten mutet der weſentlich kleinere, von dräuenden Stacheln ſtarrende Moloch (Möloch hörridus) an, der „Dornteufel“ der auſtraliſchen Anſiedler, wohl eine der bizarrſten Erſcheinungen aus der Tierwelt überhaupt. Über und über iſt der ockergelb und ſchwarzbraun gezeichnete, übrigens recht träge und langweilige Burſche mit zwar harten, aber nicht völlig ſteifen Stacheln bedeckt, ſogar an den Beinen. Aber ſchon ſeine unabhängig voneinander beweglichen, gutmütigen Kuglein ſtrafen dieſes furchterweckende Ausfehen Lügen, und in Wirklichkeit vermag er wegen ſeines kleinen Maules nicht einmal in den Finger zu beißen. Da iſt die ſtattliche, faſt meterlange, regſame Waſſer— agame (Physignäthus lesuéüri), das Urbild eines harmoniſchen Eidechſenkörpers, edel in Wuchs und haltung, zugleich ſchlank und kräftig, ein ganz anderer Kerl. Ihren wiſſenſchaftlichen Namen, der ſoviel als „Kraftkiefer“ bedeutet, führt ſie nicht umſonſt, denn ein Stück Radiergummi beißt fie ohne weiteres durch. Der hoch getragene kantige Kopf mit den mächtigen Kiefern und den klug, lebensfroh und kampfesmutig dreinblickenden Augen gibt ihr ein imponierendes Ausjehen. „Wenn ſie mit aufgerichteten Vorderbeinen“, fo ſchreibt mir Klingelhöffer, „auf einem Aſt ſaß, war ihr Anblick geradezu ein äſthetiſcher Genuß, ſo ſchön war der Schwung ihrer Rückenlinie mit dem gezackten hautkamm, jo harmoniſch die im lang herabhängenden Schweife endigende Geſtalt.“ Dabei iſt namentlich das Männchen, deſſen Bauchſeite mit einem prachtvollen Rot geſchmückt erſcheint, von einer Un— ruhe, Raſtloſigkeit und Lebhaftigkeit, die ſich nur mit der eines Vogels vergleichen läßt. Im Zorn blitzen feine Augen wie die eines Adlers, und das ganze Tier erinnert dann ſo ſehr an die Fabelgeſtalt der ſagenumwobenen Drachen und Lindwürmer, wie 8 1 vielleicht keine andere lebende Echſenart. Und ſie läßt ſich auch ſo leicht keine Unbill gefallen, ſondern ſetzt ſich tüchtig zur Wehre. Dermöge ihrer gelenkigen Kraft iſt dieſe majeſtätiſche Echſe ein ganz fürchterlicher Räuber, und der Umſtand, daß ſie im Terrarium gern Eier und Jungvögel verſpeiſt, läßt darauf ſchließen, daß ſie auch ein arger Neſtplünderer iſt. Körperlich iſt ſie vorzüglich zu ihrem Gewerbe ausgeſtattet. Die mächtig entwickelten Hinterbeine ermöglichen ihr gewaltige Sätze, wobei der lange, kräftige Schwanz als Stütze dient; da er aber ſeitlich Abb. 5. Waſſeragame, faſt meterlang, hat ein kräftiges Gebiß, lebt auf Bäumen und im Waſſer. zuſammengedrückt iſt, läßt er ſich andrerſeits auch wieder ſehr gut als Steuerruder im Waſſer verwenden. Ebenſo verſteht ſich die Waſſeragame gut aufs Klettern. Gewöhnlich läuft fie hoch— beinig und ziemlich ſchnell, macht aber dazwiſchen immer wieder ruckweiſe halt, und auch von ihr heißt es, daß ſie gelegentlich aufrecht auf den Hinterbeinen gehen oder ſpringen könne. Ihr an und für ſich wildes und ungeſtümes Temperament wird durch eine gewiſſe Intelligenz gezügelt. Eigentlich ein Baumtier, flüchtet die Waſſeragame bei Gefahr doch mit Dorliebe in das feuchte Element und ſucht hier ſchwimmend und tauchend zu entkommen. Aber auch zum Abhalten ihrer Sieſta ſucht fie gern das Waſſer Bl auf und liegt hier ganze Stunden faſt regungslos mit unter- getauchtem Kopfe, ohne daß man bisher recht weiß, woher ſie eigentlich währenddem den zum Atmen nötigen Saueritoff bezieht. So ſtellt ſich die „Waterlizard“ gewiſſermaßen als das Amphibium in der großen Gruppe der Agamen dar. Eine weitere ſeltſame Echſe Aujtraliens iſt die / m lange, zu den Wühlechſen gehörige Stutzechſe (Trachysäürus rugösus), ein träges Tier von Tannenzapfengeſtalt mit äußerſt dickem und plumpem Leibe, der auf kleinen und ſchwächlichen Schilökröten- beinen ruht, mit auffallend großen Schuppen und einem wie abgehackt ausſehenden Schwanze, der namentlich bei den Weibchen ſehr dick und kurz iſt. Die Fortbewegung iſt nur ein ſchwer— fälliges Kriechen, wobei der feiſte Bauch faſt auf der Erde ſchleppt und die rauhſchuppigen Seiten ſowie der ſchwere hartſchuppige Schwanz überall geräuſchvoll anſtreichen. Die Stutzechſe iſt ein ausgeſprochener Allesfreſſer mit einer gewiſſen Vorliebe für ſüße Früchte, aber auffallend erſcheint es, daß ſie zu ihren täglichen Mahlzeiten auch erbſen- bis bohnengroße Steinchen in ſolcher menge verſchluckt, daß ihr Kot ganz damit durchſetzt erſcheint. Es kann dies unmöglich auf bloßem Sufall beruhen, ſondern geſchieht höchſtwahrſcheinlich zur Beförderung der Derdauung. In geringerem Maße finden wir ja die gleiche Erſcheinung bei zahl— reichen anderen Echſen ſowie bei vielen Dögeln, und auch hier haben wir wieder ein wertvolles Seitenſtück zu den ausgejtorbenen Rieſenechſen vor uns. Fand man doch bei einem Pleſioſaurus nicht weniger als 20 Liter apfelgroßer Steine! Selbſt beim Freſſen, das doch ſonſt die ſtumpfſinnigſten Tiere in Erregung bringt, läßt die Stutzechſe nicht von ihrem unerſchütterlichen Phlegma. Nur wie widerwillig öffnet und ſchließt ſie langſam das Maul, und es paſſiert ihr deshalb gar nicht ſelten, daß gewandtere Beutetiere ihr noch im letzten Augenblicke entkommen. Allerdings iſt zu berückſichtigen, daß ſie trotz ihrer bedeutenden Kieferkraft glatte Biſſen mit ihren ſtumpfen Kegelzähnen nur ſchwer feſthalten kann und deshalb tüchtig mit der Sunge nach— helfen muß. Die einzige Derteidigungswaffe des harmlojen Ge— ſchöpfes iſt ſein ſtinkender, bei unſanfter Berührung reichlich entleerter Unrat. Nach Schnee findet man häufig Stutzechſen, die bei den in ihrer Heimat üblichen Buſchbränden Derlegungen er— litten haben. Bricht ein ſolcher Buſchbrand aus, jo wühlt ſich das Tier nur ſo weit in die Erde ein, daß die kleinen Beine und das Geſicht geſchützt ſind, und läßt nun das Feuer ruhig über ſich hinwegraſen: die ungemein dicken Hornplatten der Oberſeite gewähren genügend Schutz. Wie die meiſten auſtraliſchen Kriech— tiere hält auch die Stutzechſe einen leiſen Winterſchlaf, gräbt ſich dazu aber nicht in die Erde ein, ſondern in den vermodernden Mulm abgeſtorbener Baumſtämme, da namentlich das weiche Eukalyptusholz leicht zerfällt und ſich gut Gänge darin wühlen laſſen. Ihre Epidermis ſtreift die Stutzechſe bei der Häutung nicht in Fetzen, ſondern in Geſtalt eines ganzen hemdes ab, wie die Schlangen. Sie iſt in höherem Grade vivipar als andere Echſen, da die zwei bis drei Jungen ohne Eizahn und ohne jekundäre Eihaut zur Welt kommen — Ein in ſeiner Art ebenſo inter— eſſantes Geſchöpf wie die Stutzechſe iſt der ſchlangenartig gebaute Floſſenfuß (Pygöpus lepidöpus), dem die Dorderbeine völlig fehlen, während die zu beiden Seiten der Afterjpalte befindlichen Hinterfüße zu 1 cm langen, flachen, floſſenartigen Gebilden ver— kümmert ſind. Sum Gehen können dieſe Floſſenfüße natürlich nicht verwendet werden und werden deshalb gewöhnlich glatt angelegt, ſpielen aber wahrſcheinlich bei der Copula eine Rolle. Sonſt vereinigt der auch in Neuguinea vorkommende Floſſenfuß in ſeinem Körperbau Charaktere der Geckonen, Warane und Schlangen. Mit feinem ſchlanken Leib, dem zierlichen, ſchwarz— äugigen Kopf und der glänzend hellgelben Kehle iſt er ein ſchönes Tier, das ſich auch durch fleißiges Dertilgen ſchädlicher Heuſchrecken um den Menſchen verdient macht. Iſt ſchon das auſtraliſche Feſtland reich an hochintereſſanten, vorſintflutlich anmutenden Tierformen, ſo finden wir doch noch merkwürdigeres Getier auf der großen Doppelinſel Neuſeeland, und hier wäre in erſter Linie unter den Reptilien ein merk— würdiges Relikt aus grauer Dorzeit, ein lebendes Foſſil gewiſſer— maßen zu nennen, die Brückenechſe (Hatteria punctäta oder Sphénodon punctätum), die ihren wenig bezeichnenden Namen nach der doppelten wagrechten knöchernen Überbrückung der Schläfen— gegend führt. Was uns dieſes Tier ſo intereſſant macht, iſt der Umſtand, daß es dem Uradel des Tierreiches angehört, und, wie Brehm ſich ausdrückt, „eine Ahnenreihe aufzuweiſen hat, wie 5 kein zweites Wirbeltier auf Erden“. Wir haben es hier mit einem „letzten Mohikaner“ aus längſt entſchwundenen Erdepochen zu tun, deſſen nächſte Verwandte die Palä6ohatteria des ſächſiſchen Rotliegenden iſt. Ihre unmittelbaren Dorfahren reichen zurück bis zur Trias- und Permzeit, ſie ſelbſt iſt der letzte Reſt der Schnabelköpfe oder Khynchokephalen und vermittelt als ſolcher den Übergang von den Kriechtieren zu den Lurchen. Ihre un— mittelbaren Vorfahren ſtanden der gemeinſamen Stammform der Schildkröten, Eidechſen und Pleſioſaurier nahe und beſaßen auch Abb. 4. Brüchkenechſe, der letzte Sproß der Schnabelköpfe oder Rhynchokephalen aus der Trias— und Permzeit, vereinigt Eigenſchaften von Echſen, Schlangen und Lurchen in ſich. Berührungspunkte mit den Krokodilen und der ausgeſtorbenen Amphibiengruppe der Stegokephalen. Das Tier iſt ein ſogen. „Sammeltyp“, der Eigenſchaften von Echſen, Schlangen und Lurchen in ſich vereinigt. In Europa find feine Dertreter ſchon in der Jurazeit ausgeſtorben, aber auf dem weltentlegenen Neuſeeland hat ſich das abſonderliche Geſchöpf noch bis heute erhalten. Freilich ſind auch dort ſeine Tage gezählt. Früher kam es allenthalben häufig vor, aber heute iſt es bereits auf einige einſame Landzungen der Nordinſel und auf die dieſer vorgelagerten kleinen Eilande beſchränkt. Menſchen (die Eingeborenen Neuſeelands verfolgen die „Tuatera“ teils ihrer angeblichen Giftigkeit, teils ihres als Cecker— A biſſen geſchätzten Fleiſches wegen), von dieſen eingeführte und wieder verwilderte Haustiere (Schweine, Hunde, Katzen) und Wald— brände haben zuſammengewirkt, um die Ausrottung der Brücken— echſe in der nächſten Sukunft wahrſcheinlich zu machen, nachdem ſich das harmloſe Geſchöpf ſo viele Jahrmillionen hindurch glücklich im Kampf ums Daſein behauptet hatte. Swar hat neuerdings die neuſeeländiſche Regierung ſtrenge Jagd- und Fangverbote erlaſſen. Ob ſie aber noch etwas helfen werden? Bei flüchtiger Betrachtung ſieht die Brückenechſe eigentlich gar nicht jo übermäßig abenteuer— lich aus, ſcheint vielmehr in allem Weſentlichen mit dem uns wohlvertrauten Eidechſentyp übereinzuſtimmen, aber bei näherem Hinſchauen kommen wir doch bald dahinter, daß ſie mit dieſem höchſtentwickelten Reptilienſtamm bis auf eine rein äußerliche Ähnlichkeit herzlich wenig gemeinſam hat und jedenfalls auf einer weſentlich niedrigeren Stufe ſteht. So ſind die Unter— kieferäſte nicht wie bei den Echſen miteinander verſchmolzen, ſondern, wie bei den Schlangen, nur durch ein ſehniges Band verbunden, eine Erſcheinung, die übrigens für die Biologie des Tieres ohne merklichen Einfluß geblieben iſt. Der Körperbau iſt plump und gedrungen, der Kopf dick, krohodilſchnauzig und auffallend großäugig, die Beine ſind ſtramm und maſſiv, die Sehen kräftig und mit ſcharfen Krallen bewehrt. Ein Rückenkamm, deſſen Sähne beim Männchen tiefer gezackt find und in der Er— regung willkürlich aufgerichtet werden können, erinnert an die TCeguane. Die weiche, ſchwammige und voluminöſe Sunge vermag als Taſtorgan ſchon deshalb keine Kolle zu ſpielen, weil ſie bis faſt zur Spitze feſtgewachſen iſt. Trotzdem beſorgt ſie das Auf: leſen der Nahrung, da ſie mit großer Heftigkeit und weiter Wölbung vorgeſtülpt werden kann, ſo daß mit der vorgewölbten Fläche kleines Gewürm aufgenommen werden kann. Die von der Körperhaut überdeckten Ohren haben kein Trommelfell. Die haut ſelbſt iſt ſehr kleinſchuppig, lederartig, runzelig und von olivengrüner Farbe mit gelblicher Punktierung. Der platt gedrückte Schwanz des etwa 2 m langen Tieres ähnelt dem der Krokodile und dient im Waſſer als Steuerruder. Wie ſchon die kleinen Schwimmhäute zwiſchen den Sehen andeuten, ſucht die Brückenechſe nämlich zeit— weiſe recht gern das feuchte Element auf, wo ſie ſich als ge— ſchichte Schwimmerin zeigt, obwohl ſie nicht zu tauchen vermag. — 24 — Auch des Kletterns iſt fie nicht völlig unkundig. Auf dem Erd— boden bewegt ſie ſich ungeſtüm, haſtig und ruckweiſe mit jähen, eckigen und unbeholfenen Bewegungen. Es iſt ein tappſendes Gehen mit hoch geſtellten Beinen, ſo daß der Bauch nicht auf der Erde aufliegt, unterbrochen durch ziemlich ſchnelles, ſtoßweißes Dor- ſchießen in ſchlängelndem Lauf, wobei der Hopf hoch getragen wird. In ähnlicher Weiſe fährt die Tuatera mit großer Sielſicherheit auch mit aufgeſperrtem Rachen auf ihre Beute los, als welche Inſekten, Würmer, Schnecken, aber auch kleine Nager und Würmer anzuſehen ſind. Erwiſcht ſie das Opfertier gleich beim erſten Zuſchnappen am Kopfe, fo wird dieſer mit dem zwar ſtumpfen, aber kräftigen Gebiß in der Kegel ſofort zermalmt. Andernfalls aber beginnt eine entſetzliche Quälerei; denn die Tuatera zermalmt das arme Beutetier lebend und ganz allmählich zu Brei, wobei der Unterkiefer ſägende Bewegungen nach vorn vollführt. Muſcheln ſoll die Tuatera behandeln wie ein Eichhörnchen eine Nuß. Auch die Aufnahme von Waſſer geſchieht nicht leckend, ſondern unter ſchöpfenden und kauenden Bewegungen des Unterkiefers. Gegen Feinde verteidigt ſich die Brückenechſe wütend durch heftiges Kratzen und Beißen. Obwohl ſie nie nach Art der Eidechſen hinter ihren Jagdtieren dreinhaſtet, ſondern ruhig den zum Sufahren ge— eigneten Augenblick abwartet, oft auch ſtundenlang mit ihren großen Augen wie weltvergeſſen in die Ferne hinausträumt, kann man ſie doch nicht eigentlich träge nennen. Am lebhafteſten pflegt ſie in der Dämmerung zu ſein, denn ſie iſt ein ausgeſprochenes Nachttier und verbringt den größten Teil des Tages in auffallend feſtem Schlafe in Erdhöhlungen. Dieſe werden entweder von der Tuatera ſelbſt gegraben, oder ſie bittet ſich in den oft mehrere Meter langen Bruthöhlen der Sturmtaucher zu Gaſte: alſo eine hochintereſſante Symbioſe zwiſchen Schwimmvogel und Urreptil. Im allgemeinen herrſcht ſchönſter Friede und Eintracht zwiſchen den ſo verſchiedenartigen höhlenbewohnern, wenn auch die freß— gierige Echſe hier und da mal einen jungen Sturmtaucher weg— räubern mag. Unter ſich find dagegen die Brückenechſen recht zänkiſch und unverträglich und laſſen bei ihren häufigen Raufereien eigentümlich quakende Laute hören. Ihre eigenen Eier legen fie aber nicht in den Sturmtaucherhöhlen ab, ſondern ſuchen dazu mit einer gewiſſen Umſicht oft ziemlich weit entfernte Plätze auf, 5 die ſchwach mit Gras bewachſen find und ganz beſtimmten Voraus- ſetzungen hinſichtlich Sonnenbeſtrahlung und Feuchtigkeitsgehalt entſprechen. haben hier im November Regengüjje den Boden befeuchtet, ſo gräbt das Weibchen in mehrnächtlicher Arbeit eine Grube von 5—8 cm Durchmeſſer und 15— 18 em Tiefe aus und packt in dieſe mit dem Maule feine (meiſt 12) weißſchaligen, läng⸗ lichen Eier in mehreren Lagen dicht nebeneinander, jo daß der ganze Raum mit ihnen ausgefüllt iſt. Da die Eier während ihrer Entwicklung noch an Umfang zunehmen, hann nicht jedes ein Junges liefern. Die Grube ſelbſt wird mit Erde, Gras, Moos und Blättern verſchloſſen, nicht aber der etwa 40 em lange Gang, der häufig nach außen führt. Sum Vorſchein kommen die Jungen erſt nach 12—14 Monaten, weil die Embryonen nach Thilenius den neuſeeländiſchen Winter (unſeren Sommer) im Suſtande eines Winterſchlafes (einen ſolchen halten auch die alten Brückenechſen) verbringen, vor deſſen Beginn ihre Naſenlöcher durch ein zelliges Gewebe verſtopft werden. Obwohl die Brückenechſe nur ein ſchlechtes Unterſcheidungsvermögen für Entfernungen beſitzt, ſieht ſie doch ſonſt ganz gut und hört auch leidlich, während ihr der Taſtſinn völlig zu fehlen ſcheint. wei nicht nur durch ihr Ausfehen, ſondern auch durch andere Eigenſchaften höchſt ausgezeichnete Echjen finden wir in Zentralamerika. Die eine it die Krötenechſe (Phrynosöma cornütum), anzujehen wie ein kleines Teufelchen mit ihrem kurzen, dreieckigen, mit Dornen bewehrten und mit Hörnern geſchmückten Kopf, mit ihrem kreisrunden, abgeflachten, ſtacheltragenden Rumpf, der in ein kurzes Schwänzchen endigt. Aber ſchon die gutmütig dreinblickenden Auglein zeigen, daß wir hier kein bos- haftes Geſchöpf vor uns haben. Die kaum handlange Krötenechſe hat genug mit ſich ſelbſt zu tun, denn die Natur hat ſie zwar mit einem ſehr geſegneten Appetit begabt, und ihr auffallend breites Mäulchen vermag auch verhältnismäßig große Biſſen ſpielend zu bewältigen, aber ſie zum Fang dieſer Biſſen nicht gerade glänzend ausgeſtattet. Der tief zwiſchen den Schultern ſitzende, nur ſehr wenig bewegliche Kopf und der Mangel einer Schleuderzunge machen die Inſektenjagd für die Krötenechſe zu einem recht mühſeligen Geſchäft, und ſie mag deshalb oft von Nahrungsſorgen gequält werden. Allerdings iſt es nicht richtig, daß ſie ſich nur humpelnd oder in ſchwerfälligen krötenartigen Sprüngen fortzubewegen vermöge, denn in Wirklichkeit kann ſie wenigſtens ruckweiſe und auf kürzere Entfernungen auch recht ſchnell einherſchießen, aber von der flinken Gewandtheit der echten Eidechſen iſt bei ihr doch nichts zu bemerken. Sie iſt ein aus— geſprochenes Tag-, Sonnen- und Sandtier. Sowie die wärmende Sonne zur Küſte geht, gräbt ſich die Krötenechſe unter heftigen ſeitlichen Schüttelbewegungen flach in den Sand ein, wie eine Flun— der auf dem Meeresgrund. Das auf der ganzen Oberſeite wie ein Igel mit Hornſtacheln beſetzte Tier iſt ohnedies auf ſandigem Boden ſchon ſchwer genug zu ſehen, denn ſeine Färbung iſt eine genaue Wiedergabe dieſes Bodens mit all ſeinen Abtönungen, Unebenheiten, Steinchen und Schattenjtreifen. Ein höchſt eigenartiges Der- teidigungsmittel hat die Natur dem ſonſt wehrloſen Geſchöpf aber doch verliehen. In der Angſt ſpritzt es nämlich aus ſeinen Augen einen dünnen Strahl einer blutartigen Flüſſigkeit, die angeblich ſchwach giftige Wirkungen haben ſoll. Schon die älteſten Erforſcher Mexikos haben von dieſer einzig daſtehenden Tatſache berichtet, in wiſſenſchaftlichen Kreijen hat man ſie aber immer wieder in Sweifel gezogen oder gar friſchweg von vorn— herein als eine Unmöglichkeit erklärt. Etwas Wahres muß aber doch daran ſein. hier eine ſichere Beobachtung aus neueſter Zeit (1907): Als Ditmars im zoologiſchen Garten von Neuyork ein ſchönes und kräftiges Stück der Krötenechſe zum Photo— graphieren herausgriff, bemerkte er, daß die Augen aus ihren Höhlungen heraustraten und gleichzeitig ein leichtes Geräuſch vernehmbar wurde. hervorgebracht wurde es durch einen haar— dünnen Blutſtrahl, der eine vier Fuß entfernte Wand traf; auf dieſer konnten dann 103 kleine Blutströpfchen gezählt werden. Das Blut ſchien aus dem Augenlid zu kommen, das ſich als ſtark angeſchwollen erwies; auch blieb das Auge nach dem Spritzen eine Weile geſchloſſen. Da der Augapfel unverändert blieb, konnte der Blutſtrahl nicht gut aus ihm hergekommen ſein, aber ungewiß blieb es, ob er aus dem Lid ſelbſt herrührte oder der Tränendrüſe entſtammte. ähnlich wie mit dem Blut— ſpritzen der Krötenechſe iſt es auch mit der viel umſtrittenen Giftigkeit der Uruſtenechſe (Helodérma suspéctum) ergangen. Zwar die Mexikaner ſchworen von jeher Stein und Bein auf die BE Giftigkeit und Gefährlichkeit des ſtattlichen (60 cm Körperlänge), nach Geſtalt und Färbung an unſeren Feuerſalamander erinnernden Tieres. Aber man wußte ja, wie leicht ſelbſt den harmloſeſten Geſchöpfen durch Aberglauben und Unverſtand giftige Eigenſchaften angedichtet werden, und überdies — eine giftige Eidechſe, das gab's ja gar nicht. Und doch hat die Sache zweifellos ihre Richtigkeit. Sunächſt zeigten anatomiſche Unterſuchungen, daß in der Tat in beiden Kiefern des Tieres richtige Furchenzähne Abb. 5. Kruſtenechſe, hat den Giftzähnen der Schlangen vollkommen gleichartige, giftige Furchen— zähne, ihr Biß kann tödlich wirken. ſtehen, die den Giftzähnen der Schlangen vollkommen gleichartig ſind, und daß wenigſtens im Unterkiefer die enorm entwickelten Speicheldrüſen zu dieſen Sähnen ausmünden. Sodann wies Sumichraſt durch Derjuhe nach, daß Hühner nach dem Biſſe der Kruſtenechſe ſtarben, Katzen wenigſtens ſchwer erkrankten, und Senteſſon zeigte, daß das Verſuchstieren in die Blutbahn ein— geſpritzte Gift regelmäßig tödlich wirkte. Ja, neuerdings haben Naturforſcher, die es beim Umgang mit dem unheimlichen Reptil an der nötigen Dorfiht fehlen ließen, ſelbſt durch ſchweres Siechtum und in einem Falle ſogar mit dem Leben bezeugen 3 müjjen, *) daß die alte Überlieferung der Mexikaner doch nur allzuſehr auf Wahrheit beruhe. Das Gift ſelbſt beſitzt einen nicht unangenehmen, ſchwach aromatiſchen Geruch, reagiert nach Rein- hardt alkaliſch (Schlangengift meiſt ſauer) und wirkt als herzgift. Das gedrungene und dickſchwänzige, ſchwachbeinige und ſchwer— fällige, träge und nächtlich lebende, nur in öden Gegenden vor— kommende Tier ſcheint ſich ſeiner furchtbaren Waffe auch wohl bewußt zu ſein und tut keineswegs ängſtlich. Seine lebhafte und auffallende Färbung dürfte ähnlich wie bei unſerem Feuer— ſalamander als Warnfärbung aufzufaſſen ſein. nn 2 — - — —— F * r * l 2 FEB Z * Vz g a i * N Y "BB: * 2 2 ur eu * ee che Wes „ u © N 7 Abb. 6. Skink, ein ſeit altersher hochgeſchätztes Arzneimittel, lebt im Wüſtenſand und gilt als ſchmackhafter Ceckerbiſſen. Im Schwarzen Erdteil finden wir namentlich eine lange Reihe von Wüſtenreptilien, die in mehr oder minder intereſſanter und vollkommener Weiſe der kargen Natur ihrer Heimat angepaßt ſind. Ein gutes Beiſpiel dafür bildet der ſeit altersher als hoch— geſchätztes Arzneimittel bei den Quackſalbern aller Länder be— rühmte Skink (Seincus offieinälis), den v. Fiſcher jo treffend als den „Maulwurf unter den Eidechſen“ bezeichnet hat. Wie unſer Maulwurf iſt auch er auf eine größtenteils unterirdiſche TCebensweiſe angewieſen, aber jo meiſterhaft ſind ſeine Be— *) Oberſt Neanger wurde 1889 von einer gekäfigten Uruſtenechſe in den Daumen gebiſſen und war nach wenigen Stunden eine Leiche. Ganz ähnlich erging es 1890 auch einem Wärter im zoologiſchen Garten zu London. a wegungen im freien, loſen, leicht verſchiebbaren Wüſtenſande, daß man das nicht mehr ein „Wühlen“ nennen kann, ſondern in Der: ſuchung kommt, es als ein „schwimmen im Sande“ zu bezeichnen. Auch die Beduinen — durchgängig recht ſcharfe Naturbeobachter — haben ſich dieſes Eindrucks offenbar nicht erwehren können, denn der arabiſche Name des Tieres bedeutet nichts anderes als „Sand— fiſch“. Das abſonderliche Tier erfreut ſich auch heute noch bei ihnen großen Anſehens und wird eifrig gejagt, denn es gilt nicht nur als ein ſchmackhafter Ceckerbiſſen (auch europäiſche Forſchungs— reiſende haben ſich zu dieſer Anſicht bekehrt), ſondern auch als ein ganz untrügliches Stärkungsmittel im Dienſte der Aphrodite säharae. Mit ſeiner glatten, porzellanſchimmernden Oberfläche, der goldgelben Grundfarbe, der opaliſierend milchweißen Unter— ſeite und den 8 bis 10 breiten, violetten Querjtreifen iſt der alte Skink entſchieden ein ſchönes Tier, nur daß man von all der Herrlichkeit nicht oft etwas zu ſehen bekommt, da er ſein Daſein faſt völlig im rotgelben, ſonnendurchglühten Wüſtenſande verbringt. Und die braungelben Windhundköpfhen, die im blendenden Sonnenſchein hier und da mit kleinen, aber ſcharfen Auglein neugierig aus dem Wüſtenſande hervorlugen, find ſelbſt für einen geübten Blick nicht eben leicht zu erjpähen. Glückt es aber einmal, einen ſchwerfällig auf kurzen Beinchen und mit ſchleppendem Bauche an der Oberfläche kriechenden Skink zu über: raſchen,“) jo macht er nur einige kurze, ſchlängelnde Bewegungen und iſt ſofort wieder in dem rotgelben Sandmeere verſchwunden, deſſen winzige Körnchen ſich faſt ebenſo leicht verſchieben wie die Moleküle des Waſſers und das er deshalb mit ausgeſprochen ruder— oder floſſenartigen Bewegungen zu durchſchwimmen vermag. Sein ganzer Leibesbau iſt dieſer Tätigkeit vorzüglich angepaßt. Die breit beſchuppten Sehen ermöglichen die rudernde Schwimmbewegung, indem ſie ſich zu einer vollkommenen Schaufel zuſammenlegen, der breitſchnauzige, keilförmige Kopf wirkt als Erdbohrer, der derbe Hals entfaltet ſeine Muskelkraft, und, der glatte Walzenleib gleitet ohne jede Mühe und Anſtrengung einher. Der weit über den Unterkiefer vorſpringende Oberkiefer iſt dieſem derart aufgeſetzt, daß ein Eindringen von Sand ins Maul ein Ding der Unmöglich— Mer vermag aber auch mit eigentümlich zuckenden Bewegungen recht raſch zu laufen. Be va keit iſt. Einem ähnlichen Swecke dienen auch die die Ohröffnung überlagernden Schuppen, die Naſenlöcher ſind ſehr eng und ſpalt— förmig, und das Auge iſt durch die winzige Lidöffnung gut geſchützt. So gleitet der Skink auf der Jagd nach im Sande lebenden Kerfen wie eine glatte Porzellanſpindel mit unglaub- licher Schnelligkeit weite Strecken unter dem Sande dahin, den die meißelförmige Schnauze wie eine Pflugſchar zur Seite ſchiebt. So fremd alſo auch dem munteren Eidechſentyp an ſich eine unterirdiſche Cebensweiſe zu ſein ſcheint, hier iſt fie bis zur höchſten Vollendung ausgebildet. Einige der damit verbundenen Anpaſſungserſcheinungen ſind allerdings bei gewiſſen anderen Wüſtenechſen noch weiter getrieben. So ſind bei Ophiöps zum Schutze gegen den rieſelnden Flugſand die durchſichtigen Augen lider zu einer Art Uhrglasdeckel miteinander verwachſen, ähn— lich wie bei den Schlangen, und das Tier trägt demnach ge— wiſſermaßen beſtändig eine Schutzbrille, gerade wie unſere ſteine— klopfenden Chauffecarbeiter. Die Krötenköpfe (Phryno- céphalus) der transkaſpiſchen Wüſten, die ich jo oft mit immer erneutem Vergnügen in ihrem Freileben beobachtet habe, beſitzen noch ganz beſondere Schutzvorrichtungen gegen die dort jo häufigen und ſo furchtbaren Sandſtürme. An ihrem unförmlich großen, einer breitgedrückten Swiebel vergleichbaren Kopfe ſtehen die Augen unter dünnen, aber jtark vorſpringenden Augenbrauen- ſchildern und werden von ungemein hräftig entwickelten Lidern völlig bedeckt. Dieſe ſind fo eingerichtet, daß beim Schließen des Auges ihre umgebogenen freien Ränder eine mehrere Milli: meter breite Fläche darſtellen und beim Aneinanderpreſſen einen äußerſt feſten Derſchluß bilden, deſſen Staubſicherheit die unſerer beſten und teuerſten Muſeumsſchränke noch weitaus übertrifft. Zu allem Überfluſſe find aber auch noch auf ihrer Außenjeite aufrechtſtehende, dreieckige Schuppen angebracht, die wie Wimpern zum Abhalten der feinſten fliegenden Staubpartikel dienen. Eine äußere Ohröffnung beſitzen dieſe ſo raffiniert gebauten Kröten— köpfe überhaupt nicht mehr, und die Gffnung der feinen, ſpalt— förmigen Naſenlöcher weiſt praktiſcherweiſe nach rückwärts. Dom Skink ſelbſt wäre noch zu jagen, daß er als ausgeſprochenes Tag— und Wüſtentier natürlich viel hitze verträgt, ja ſich um ſo wohler zu fühlen ſcheint, je mehr der Sand von der Sonne durchglüht ae wird, daß er dagegen während der kalten Wüſtennächte in einen tiefen, lethargiſchen schlaf verſinkt. Seine Bedürfnislojigkeit iſt groß, aber einige Tautropfen zum Trunke kann er nicht entbehren, ſo ſehr er auch ſonſt alle Feuchtigkeit verabſcheut. Auf Erſchütterungen des Erdreichs durch Fußtritte oder Pferdehufe achtet er ſofort, ſonſt aber ſcheint mir, ſoweit meine eigenen, ſowohl im Freien wie im Terrarium gemachten Beobachtungen reichen, ſeine Intelligenz ſehr gering zu ſein. Der Riejfenfkink (Macroscincus coctäéi) der Kap Derden iſt ganz im Gegenſatze zu dem maulwurfsartigen Treiben ſeines Vetters eingefleiſchter Vegetarier und obendrein Baumtier, obwohl er durchaus kein hervorragender Turner iſt, vielmehr nur recht langſam und behäbig klettert, ohne den Schwanz dabei zu hilfe zu nehmen. Mit feinen feiſten hängebacken iſt der dicke, plumpe und ungeſchlachte Geſell (ein Exemplar Tofohrs wog bei nur 59 em Körperlänge nicht weniger als 570 Gramm!) das Urbild eines gutmütigen Phlegmatikers. Don überflüſſiger Bewegung iſt er durchaus kein Freund, trotzdem aber nicht etwa ein ver— ſchlafener Geſelle, achtet vielmehr mit den klugen Äuglein auf— merkſam auf alle Dorgänge in feiner Umgebung. Eine gute Mahlzeit, zu der ihn hauptſächlich das Geruchsvermögen hinzuleiten ſcheint, geht ihm über alles, aber ſie muß nicht nur gut ſein, ſondern auch recht reichlich. Eine Banane vertilgt er in einem Zuge mit Stumpf und Stiel und läßt auch von der Schale nichts verkommen. Es iſt daher begreiflich, daß der dicke Freßſack unter Umſtänden in den Bananenkulturen erheblichen Schaden anrichten kann, und die Pflanzer verfolgen ihn deshalb unerbitt— lich, wo immer er ſich blicken läßt. Dazu kommt, daß ſein Fleiſch infolge des reichlichen Bananengenuſſes einen ſehr feinen und aromatiſchen Geſchmack annimmt, demgemäß auch als viel— begehrter Leckerbiſſen teuer bezahlt wird. Die völlige Ausrottung des ſchon ziemlich ſelten gewordenen und in ſeiner Derbreitung ſo beſchränkten Tieres iſt daher leider wohl nur noch eine Frage der Seit. Da der Kieſenſkink aber die Gefangenſchaft gut ver: trägt, ſieht man ihn verhältnismäßig häufig in unſeren Tier— gärten, und hier wird er, wie Klingelhöffer ſich ausdrückt, bald der Liebling aller älteren Herren, denn es ſieht gar zu gemütlich aus, wenn er den Kopf mit den dicken hängebacken zu ſeiner Höhle herausſtreckt, alles mit feiner blauvioletten Zunge betaſtet und ſich eine Kirſche nach der andern zu Gemüte führt. Etwas ſchreckhaft bleibt der Rieſenſkink aber faſt immer, und wenn er dann flüchtet, ſo geſchieht es mit überraſchender Schnelligkeit und unwiderſtehlicher Wucht, daß alles nur fo kracht. Iſt der Skink die Charakterechſe der afrikaniſchen Sandwüſte, jo der noch viel abenteuerlicher ausſehende Dornſchwanz (Uromästix acanthinürus) diejenige der oft viel furchtbareren Kies- ſteppe, und namentlich im ſüdlichen Marokko habe ich ihn ſehr häufig angetroffen. Die intereſſante Gruppe der Dornſchwänze, die man als die Bären unter den Reptilien bezeichnen könnte, zeigt wieder einmal fo recht die geradezu phantaſtiſche Dielfeitigkeit, die die Echſen im Gegenſatz zu dem uniformen Heer der Schlangen beſitzen, und zwar nicht nur in bezug auf Körperform und Be— ſchuppung, ſondern nicht minder auch hinſichtlich ihrer Biologie. Der kleine, kurze, vorn ſchildkrötenartig ſteil abfallende Dickkopf mit den hellen, lebhaften und ausdrucksvollen, keck und offen- herzig, aber gutmütig in die Welt ſchauenden Augen, der behäbig breite, abgeplattete und niedergedrückte Ceib voller Runzeln und Falten in den Flanken und der kurze, wirtelförmig mit Stachel— ſchuppen beſetzte Breitſchwanz machen den Dornſchwanz ſofort kenntlich. So ſchwerfällig und ungelenk, jo klotzig und ungefüge, wie er ausſieht, iſt er durchaus nicht, vermag vielmehr, obſchon ihm eine gute Portion Phlegma eigen iſt, im Notfall verblüffend raſch zu laufen. Dabei richtet er ſich hoch auf den Beinen auf und ſchießt mit erhobenem Dorderkörper, geſenktem Kreuz, ſteif gehaltenem und mit dem Ende etwas nachſchleppendem Schwanze und mit ſeitwärts weit abſtehenden Hinterbeinen ruckweiſe dahin, indem er dazwiſchen von Seit zu Seit immer wieder ſichernd halt macht. Iſt das furchtſame Geſchöpf in Schrecken gejagt, ſo artet dieſe Flucht nicht ſelten in ein wüſtes und kopflojes Dahinſtürzen aus. So lange aber der Dornſchwanz den Uopf noch nicht verloren hat, vollführt er auch bei großer Haſt recht geſchichte Kreuz- und Quer: wendungen, wobei der maſſive, zackenſtarrende Schwanz die Richtung beſtimmt, indem er mit Wucht jeweils nach der entgegen— geſetzten Seite geſchleudert wird. Der gewöhnliche Gang iſt aller— dings nur ein unbeholfenes Einherwackeln und ſieht wegen der Kürze des plumpen Rumpfes und der Steifheit des Stachelſchwanzes wunderlich genug aus. Sogar ein wenig klettern kann das Tier und nimmt dabei den ſtarken und harten Schwanz als Stütze zu Hilfe. Für das Graben aber zeigt es geradezu eine Leiden- ſchaft, und die großen Hakenkrallen kommen ihm dabei trefflich zuſtatten. Gewöhnlich trägt das apathiſche Geſchöpf ein recht langweiliges Weſen zur Schau, aber es iſt entſchieden jähzornig und zur Paarungszeit überhaupt ſehr erregbar. So furchtſam Abb. 7. Dornſchwanz, in Kiesſteppen heimiſch, benutzt den ſtacheligen Schwanz als wirkſame Derteidigungswaffe. es ſonſt jeden überlegenen Gegner flieht, jo mutig ſetzt es ſich doch zur Wehre, wenn es in die Enge getrieben und ihm der Rückzu] abgeſchnitten iſt. Dann faucht und ziſcht es wütend, plattet den Leib noch mehr ab und teilt mit dem Stachelſchwanz in wagrechter Richtung kräftige Hiebe aus, die ganz empfindlich ſchmerzen und verletzen, wenn ſie etwa die ungeſchützte Haut trafen. Mit dieſer Verwendung des Schwanzes als Waffe mag es wohl zuſammenhängen, daß ihm die bekannte Brüchigkeit des Eidechſenſchwanzes völlig fehlt. Weit ſeltener macht der Dorn— 3 Floericke, Kriechtiere und Lurche fremder Länder. ſchwanz von ſeinem ſtarken Gebiß Gebrauch, läßt aber das, was er einmal gepackt hat, ſo leicht nicht wieder los. Sur Paarungs— zeit kennt die Leidenſchaftlichkeit der Männchen keine Grenzen. Sie vollführen dann mit Kopf und hals zugleich ziemlich raſche, eigentümlich nickende, aber plumpe und ungeſchichte Bewegungen und bemühen ſich, mit den ſtumpfen Sähnen ein vorüber kommendes Weibchen an ſeinen hautfalten feſtzuhalten. Die Jungen ſind überaus niedliche Tierchen, viel flinker und munterer als die Alten, aber auch ſchon von den erſten Lebenstagen an recht jähzornig. Die roſenrote Sunge des Dornſchwanzes iſt zu kurz, als daß ſie eine Rolle als Taſtorgan ſpielen könnte, wohl aber eignet ſie ſich wegen ihrer klebrigen und fleiſchigen Beſchaffen— heit zur Aufnahme der Nahrung. Dieſe iſt gemiſchter Art. Ob— gleich die nordafrikaniſche Art wohl überwiegend von animaliſcher Kojt lebt, werden doch ſehr gern auch bitter ſchmeckende Pflanzen— ſtoffe verzehrt, namentlich ſolche mit Kleeſäuregehalt, und gewiſſe Blüten find begehrte LCeckerbiſſen. Da ſolche Pflanzen 83 bis 90 v. 5. Waſſer enthalten, genügen fie zugleich zur Cöſchung des Durſtes. Wo ſie aber dem Dornſchwanz nicht zur Verfügung ſtehen, kann er das Waſſer nicht entbehren, und zwar trinkt er ſchlürfend unter Suhilfenahme der Sunge. Als echte Steppen— und Wüſtentiere haſſen die Dornſchwänze nichts mehr als die Näſſe, und gierig ſuchen ſie überall Licht, Sonne und Wärme auf. Nicht nur ihre Beweglichkeit, auch ihre Färbung iſt davon ab— hängig. Im Sonnenjchein braungelb mit eiſengrauer Marmo— rierung, werden ſie bei kühlem Wetter mißfarbig und ganz ſchwärzlich. Der etwa halbmeterlange indiſche Dornſchwanz (Uromästix hardwiekei) iſt dagegen auf der Oberſeite eiſengrau, auf der Unterſeite milchweiß, von Geſtalt zierlicher, von Haltung edler und ſtolzer und erhält namentlich durch ſein kluges, faſt vogelartiges Auge etwas ſehr Sympathiſches. In der Tat iſt er nicht jo jähzornig wie fein Detter, vielmehr ſanfteren Gemüts, wird daher auch in der Gefangenſchaft leichter und vollſtändiger zahm, ja bis zu einem gewiſſen Grade anhänglich und bekundet gar nicht geringe Spuren von Intelligenz und Gedächtnis. Er iſt mehr Wald- und Buſchbewohner, außerordentlich grabluſtig und ausgeſprochener Degetarier, beſchränkt ſich dabei aber nicht auf Blätter und Blüten, ſondern nimmt auch mehlige Körner und zermalmt ſogar fteinharte Maiskörner mit erſichtlichem Wohl: behagen und großer Kraft zwiſchen ſeinen ſtarken Kiefern. Wahre Könige des Echſengeſchlechts ſind die Warane, die zugleich zu den phnſiſch höchſtſtehenden aller Reptilien gehören und über den ganzen Süden der Alten Welt verbreitet ſind. Es iſt ein gar ſtolzes, wehrhaftes und mächtiges Geſchlecht von wohlproportioniertem Körperbau und im Beutefangen faſt noch geſchickhter als die Schlangen. Ein ſchmaler, niedergedrückter Kopf, ein ausnehmend langer Hals, überaus kräftige Schenkel, wahre Raubtiertatzen mit mächtigen Krallen, ein mushulöſer, ſeitlich zu— ſammengedrückter Schwanz, ein wohlgeformter, obſchon etwas deprimierter Leib, eine geſpaltene Schlangenzunge, helle, leb— haft und mutig blickende, hühnerartige Augen, ſtattliche Größe (einzelne Arten meſſen mehr als 2 m), würdevolle Haltung, un— bändige Kaubſucht und verwegener Mut charalteriſieren den Waran. der Wüſtenwaran (Varänus griseus) iſt wohl die bekannteſte Art und eine der tollkühniten zugleich. Im Sorn richtet er ſich gänſeartig auf, bläht den Kehljak und ſtürzt verwegen auf die Kamele oder Pferde der Karawane los, über deren Dorüberziehen er ſich ärgert, beißt ſich ihnen in Kehle oder Bauchhaut feſt und veranlaßt ſie ſo unweigerlich zum Durch— gehen. Werner beobachtete, wie ein Wüſtenwaran ſogar im Kampf mit einer biſſigen, däniſchen Dogge glänzend Sieger blieb. Will man ſich ein ſolch intereſſantes Teufelsvieh für ſein Terrarium zulegen (und man tut gut daran, denn die geſcheiten Warane können auch ſehr liebenswürdig ſein, wenn ſie nur wollen), ſo wird man beim Auspaken ſchon hübſch vorſichtig verfahren müſſen, ſonſt kann es einem gehen wie meinem alten Studien— genoſſen Klingelhöffer, der mir ſchreibt: „Als ich den heftig ziſchenden Buntwaran (V. värius) beim Auspaden greifen wollte, machte ich in höchſt unangenehmer Weiſe Bekanntjdaft mit den drei Waffen des wehrhaften Recken. Tief gruben ſich die ſpitzen Krallen in meinen Arm, die ſcharfen Sähne ergriffen meinen rechten Daumen, daß das Blut nur ſo ſtrömte, und zu guter Lett hätte mir faſt noch der lange, muskelkräftige Peitſchen— ſchwanz eins ausgewiſcht. Ein Segen, daß die rieſigen Urdrachen der Vorzeit nicht mehr auf uns gekommen ſind!“ Ein boshaftes Erheben des Kopfes und ein unruhiges Aufblähen und Suſammen— RAN ziehen der Kehle verkündigt, wie de Grijs an gefangenen Exem— plaren beobachtet hat, den nahenden Sorn beim erregten Waran. Dann atmet er tief ein, bläht ſich tonnenartig auf, bläſt unter lautem Siſchen Luft aus, macht ſich durch Ausjpannen der Rippen ganz breit und flach, legt den Kopf ſchief, den Schwanz auf die dem Angreifer abgewendete Seite, zieht den Hals S-förmig ein und führt nun urplötzlich und mit verblüffender Treffſicherheit ſeine kraftvollen Schwanzhiebe. So ungeſtüm der Waran aber auch im Angriff iſt, ſo rückſichtslos er dann auch jedem weit größeren Gegner zu Leibe geht, mit ſo ſtoiſcher Ruhe fügt er ſich doch in das Unvermeidliche, ſobald er unter— legen iſt. Die arabiſchen Fänger nähen dem Überwältigten, um ihm weiteres Beißen zu verleiden, einfach das Maul zu, was er ohne weitere Gegenwehr über ſich ergehen läßt. Diel zu ſchaden ſcheint dem Wüſtenwaran dieſe grauſame Prozedur gerade nicht, wie er überhaupt eine ganz erſtaunliche Lebenszähigkeit beſitzt. Sonſt aber iſt feine Erregbarkeit eine jo große, daß er bisweilen vor lauter Wut heftig exkrementiert und dabei leicht einen Darmvorfall bekommt. So ſehr der Waran einerſeits den vollendeten Eidechſentyp darſtellt, ſo hat er andrerſeits doch auch etwas unverkennbar Schlangenartiges an ſich, ſchon wegen ſeines beſtändigen Züngelns und deshalb, weil er vermöge ſeines ſehr ausdehnungsfähigen halſes die Beutetiere ganz und un— zerkleinert verſchlingt, zumal ſeine ſpitzen und dünnen Sähne lediglich zum Feſthalten, nicht aber zum Serkleinern des Opfers geeignet erſcheinen. Er iſt ein unheimlich gefräßiger Geſelle, der alles lebende Getier, das ihm noch verſchlingbar erſcheint, ohne weiteres mörderiſch anfällt und ſich dann ganz nach Schlangen— art gewiſſermaßen darüber hinwegſtülpt. Ein von Klingelhöffer eben der Derjandkijte entnommener, noch nicht meterlanger V. bengalénsis beförderte ſofort zwei Mäuſe und fünf große Waſſerfröſche in das Dunkel feines unerſättlichen Magens und ſchaute ſich dann lüſtern nach mehr um. Selbſt eine Krähe iſt dem erwachſenen Wüſtenwaran kein zu großer Biſſen. Dem Junggeflügel iſt er ein gefährlicher Feind, und auch Eier führt er ſich gern zu Gemüte, indem er ſie zierlich mit den Kiefern faßt und erhobenen Hauptes zerdrückt, jo daß ihr ſchmackhafter Inhalt die Gurgel hinabrinnt. Ebenſo werden Schlangen ohne a ne ae Umſtände verſpeiſt, gleichviel ob ſie giftig ſind oder nicht, und angeblich auch Skorpione. Ein Koſtverächter iſt der Waran überhaupt nicht, denn er nimmt auch Kadaver an, ſcheint ſogar eine gewiſſe Vorliebe für etwas Hautgout zu haben. Die taſtende Zunge allein entſcheidet, ob etwas verſchlungen werden ſoll oder nicht. So machte Tofohr die Erfahrung, daß ſeine Warane, die bis dahin rohes Fleiſch von Haustieren hartnäckig verſchmäht hatten, dieſes ſofort gierig annahmen, nachdem er es mit Mäuſeurin beträufelt hatte. Mauswitterung war ihnen eben etwas Vertrautes. Am liebſten beſchleicht der Waran ſeine Opfer ſeitlich und packt ſie dann mit plötzlichem Vorſtoß, öffnet beim Suſchnappen das Maul ſehr wenig, jo daß er ſie oft nur an einer Hautfalte erwiſcht und nun arg quälen muß, bis er ſie mundgerecht hat. Iſt das Tier erſt einmal im Rachen, jo wird es durch heftiges und ruckweiſes Dorjtoßen des Kopfes weiter befördert, alſo nicht durch Kieferverſchiebungen wie bei den Schlangen, und der ganze Körper vollführt dabei windende und ſchlängelnde Bewegungen. Dieſe Freßweiſe erinnert alſo einiger— maßen an die der Krokodile, doch wird dabei der Kopf nicht wie bei dieſen nach oben gehalten, ſondern wagrecht oder gar nach unten. Mit kleineren Biſſen, einer Maus etwa, werden freilich nicht ſo viel Umſtände gemacht. Sie verſchwinden einfach mit einem eleganten „Wuppdich“ auf Nimmerwiederſehen. Der gewöhnliche Gang des Warans erinnert faſt an das Tappſen eines Igels, iſt jo hochbeinig, daß der Bauch nicht dem Boden aufliegt, aber ziemlich bedächtig und nicht gerade graziös, obwohl der lange und geſchmeidige Leib dabei fortwährend ſchlängelnde Windungen und Krümmungen beſchreibt, indem die Wirbelſäule der Warane durchaus nicht ſo ſteif iſt wie die der echten Eidechſen. Im Notfalle kann er aber auch zu raſender Schnelligkeit geſteigert werden, und ebenſo vermag der Waran beträchtliche Sprünge zu vollführen. Dagegen iſt ſeine Kletterfähigkeit wegen der wenig gekrümmten faſt wagrecht ſtehenden Krallen beſchränkt, obgleich das Tier dabei auch den Schwanz als Stütze zu hilfe nimmt. Um ſo beſſer verſteht es ſich aufs Graben, dem es mit einer gewiſſen Leidenſchaft und großer Kraft obliegt, daß die Kiefel nur ſo ſtieben und ein mächtiges Gepolter entſteht. Während die Eidechſen in der Regel ihre ganz beſtimmten Schlupfwinkel ee und ſomit feſte Wohnſitze haben, iſt der Waran ein nomadiſierender Sigeuner. Wo's genug zu freſſen gibt, da iſt er zu Haufe. All- täglich durchmißt er beuteſuchend bei Sonnenſchein weite Strecken der Wüſte oder Steppe, um ſich ſchließlich da zu vergraben oder zu verkriechen, wo ihn gerade der Einbruch der Dämmerung überraſcht. Es iſt unglaublich, in welch enge höhlungen er dabei ſeinen muskulöſen Leib hineinzupreſſen vermag, ja er ſcheint ſich in einer ſolch fürchterlich engen Swangsjacke gerade am allerwohlſten zu fühlen. Bei der gewöhnlichen Schlafſtellung Abb. 8. Nilwaran, etwa 2 m lang, ſchwarz und gelb gezeichnet, nährt ſich von jungem Waſſergeflügel, Kröten, Fröſchen und Krokodileiern. werden die Beine nach hinten gerichtet und an den Körper an— gelegt, der Kopf aber etwas geneigt. Dem ausgeſprochenen Trockentier Wüſtenwaran gegenüber muß der etwa 2 m lange, ſchön ſchwarz und gelb gezeichnete Nilwaran (V. nilöticus) als ein halbes Amphibium bezeichnet werden. Dermag er doch ſogar auf dem Grunde des Waſſers entlang zu laufen. Seinen feuchten Aufenthaltsorten entſprechend, beſteht ſeine Nahrung hauptſächlich aus jungem Waſſergeflügel, Kröten und Fröſchen, aber er ſoll auch mit viel Eifer und Erfolg den Krokodileiern nachſtellen. Was die Warane für die heißen Länder der Alten Welt find, das bedeuten die Leguane für die tropiſchen Gegenden der Neuen. An Körpergröße ſtehen ſie jenen kaum nach, aber biologiſch ſind ſie von ihnen jo verſchieden wie nur möglich. Der Leguan (Iguana tuberculäta) iſt nämlich Baumtier und Pflanzenfreſſer, als ſolcher friedlichen Sinns, obwohl gleichfalls ſehr wehrhaft und unerſchrockenen Mutes. Swerghafte Verwandte von ihm haben wir ja ſchon in den niedlichen Anolis kennen gelernt, und in der Tat hat die Lebensweiſe beider recht viel gemeinſame Süge aufzuweiſen. Stolz, faſt majeſtätiſch iſt die Haltung dieſes könig— lichen Reptils, wenn es mit ſcharfen Krallen am dicken Baumaſte ih feſthält, auf den ſtrammen Dorderbeinen ruhend, den Kopf aufgerichtet, und aus großen, runden Augen ruhig, wie aus Erz gegoſſen, ins Weite ſchaut, während der prachtvolle lange Schwanz nervös hin und her pendelt. Blattgrün iſt die Farbe des herrlichen Tieres, und der mächtige Rückenkamm gereicht ihm nicht wenig zur Sierde. Aufgeſcheucht, eilt es in mächtigen Sprüngen mit der Gewandtheit eines Eichhörnchens durchs Geäſt, hierauf in die Baumkrone, oder es läßt ſich auch bei gegebener Gelegenheit plötzlich ins Waſſer herabfallen, um hier ſchwimmend ſein Heil zu verſuchen, wobei der kraftvolle Schwanz als Steuerruder dienen muß. In die Enge getrieben, ſetzt ſich aber auch der Leguan tüchtig zur Wehre durch Beißen, Kratzen und gutgezielte Peitſchen— hiebe mit dem Schwanz, deſſen ſcharfe Schuppen blutige Male auf der Haut zurücklaſſen. Ein dumpfes, kurzes, faſt brummendes Ziſchen iſt ſein Kampfruf. Auf dem Boden kriecht dieſes Baumtier gewöhnlich langſam mit ſchlapp nachgeſchlepptem Schwanze einher, kann aber auch recht ſchnell laufen, wenn's gerade ſein muß. Gleich den Anolis vermag auch der Ceguan feinen großen Kehl— ſack durch spreizen des Sungenbeins vermittels eines beſonderen Muskelmechanismus zu entfalten, und er nickt dazu eifrig und gravitätiſch mit dem Kopfe. Sum Schlafen drückt er ſich auf einen hohen Aſt, ſenkt den Kopf und ſpreizt die Hinterbeine weit aus. Nur in der feuchtwarmen Luft der tropiſchen Urwälder fühlt ſich der Leguan wohl; bei Trockenheit verblaßt ſofort ſeine wundervoll grüne Farbe, wird bräunlich und unanſehnlich. In feiner Dollkraft aber iſt er eines der ſchönſten Reptile und vielleicht das intelligenteſte von allen. Als Sukoſt zu ſeinen Blättern, Blüten und Früchten verzehrt er auch kleinere Kerfe, 1 namentlich nackte grüne Raupen, die aber ſofort voll Abſcheu wieder ausgeſpuckt werden (nach Tofohr), falls ſie ſich etwa von Naſturtien (Brunnenkreſſe) genährt hatten. Der Ceguan ſcheint alſo über einen im Reptilienreiche ſelten hoch entwickelten Geſchmacksſinn zu verfügen. Auch wird jeder Biſſen vorher nicht nur mit der Sunge, die auch zum Ergreifen der Nahrung dient, abgetaſtet, ſondern überdies noch ſorgfältig beſchnüffelt; ſtark oder eigenartig riechende Blumen zum Beiſpiel verſchmäht er. Das Sehvermögen ſcheint gut zu ſein, denn v. Fiſcher ſtellte durch verſuche feſt, daß ſeine Leguane einen kleinen Mehlwurm auf 5½ m Entfernung wahrzunehmen vermochten. Alle Liebhaber, die die wärmebedürftige große Echſe im Terrarium hielten, find ihres Lobes voll, denn der Leguan wird im Laufe der Seit jo zahm, wie es ein Reptil überhaupt nur zu werden vermag, und gewöhnt ſich an die verſchiedenartigſte Hoſt, ſelbſt an ſüße Mehlſpeiſen. Sein Fleiſch gilt für ſehr ſchmackhaft, und er wird deshalb in Südamerika eifrig gejagt. Impoſanter, klotziger, würde— voller, monumentaler noch als der gemeine Leguan ſtellt ſich der düſter blaugraue, im felſigen Gelände der Inſel Haiti lebende Nashornleguan (Metopöcerus cornütus) dar mit ſeinem maſſigen Kopf, den ſchönen, klugen Augen, den jtark entwickelten Stirn- und Backenwülſten, dem mächtigen Rückenkamm aus jtarren Schuppenſtacheln und dem männlichen Hornſchmuch von drei hohen Kegelſchuppen auf der Mitte der Schnauze. Freilich iſt ſein Körper: bau plumper, auch fein Schwanz kürzer, aber dafür werden deſſen Schläge mit ſolcher Wucht geführt, daß die an ihm befindlichen Wirtelſchuppen ganz bösartige Wunden verurſachen können. Müller erzählt, daß ſein Exemplar eine Gießkanne mit wenigen Schwanzhieben vollſtändig zerbeulte! Das Tier begnügt ſich oft nicht mit der bloßen Derteidigung, ſondern geht auch zum Angriff über, ſpringt den Gegner ingrimmig an und beißt tüchtig zu. Es iſt neu— gierig und menſchenſcheu, brutal und manierlich zugleich, kann nicht jo gut klettern wie ſein Detter vom ſüdamerihaniſchen Feſtlande, aber dafür beſſer graben und ſcharren. Süße Früchte bilden ſeine Lieblingsnahrung. Beim Kopfnicken bleiben die Vorderbeine nach den Beobachtungen Müllers ſteif, während ſie bei den Agamen mit— wippen. In der Gefangenſchaft gewöhnt auch der Nashornleguan ſich an die verſchiedenſten Nahrungsſtoffe und wird mehr und N mehr zum Kllesfreſſer. So bekundete Klingelhöffers Exemplar eine Vorliebe für Fiſche, die es doch auf den ſonnendurchglühten Felſen Haitis unmöglich kennen gelernt haben kann. Der beſte Springer unter den Ceguanen iſt vermöge ſeiner ungeheuer langen und ſtark bekrallten Hinterbeine Crotaphytus colläris, eine ſchon im ſüdlichen Nordamerika vorkommende Swergform von nur 25 em Länge, die ſich auch durch ſchöne Farben und Abb. 9. Nashornleguan, düſter blaugrau gefärbt, plump, doch kräftig, lebt hauptſächlich von ſüßen Früchten. zierlichen Wuchs auszeichnet. Er läuft ſehr raſch und erhaſcht ſeine Beute, hauptſächlich Heuſchrecken, mit eleganten Sätzen. Im öſtlichen Südamerika iſt der faſt meterlange, ziemlich bunt gezeichnete, diche und faule, aber ſehr langſchwänzige Teju (Tupinämbis teguixin) zuhauſe, und namentlich in den Suckerrohr— pflanzungen eine ganz gewöhnliche Erſcheinung, gehört auch ſeiner Unſpruchsloſigkeit wegen zu den in unſeren Tiergärten regelmäßig vertretenen Reptilien. Der gemütlich ausſehende Burſche iſt in Wirklichkeit ein recht gewalttätiger Patron und ein arger Räuber. Wie Tofohr ſchildert, nähert er ſich ſeinem Opfer langſam, be— a Be trachtet es mit erhobenem Kopfe, fährt dann plötzlich ſchräg von oben zu, ſchleudert das im Nacken gefaßte Tier wütend auf dem Boden hin und her und verſchlingt es nach wenigen quetſchenden und ſicher tötenden Kaubewegungen. Während der Schwanz des armen Geſchöpfes langſam in ſeinem Kachen verſchwindet, windet ſich der Teju, um den Biſſen herunterzubringen, unter den fürchter— lichſten Körperverrenkungen, als ob er die gräßlichſten Ceib— ſchmerzen hätte. Wevers will beobachtet haben, daß der Teju auch auf den beiden Hinterbeinen aufrecht zu laufen vermöchte, was aber meines Wiſſens bisher von anderer Seite noch keine Beſtätigung gefunden hat. Klingt ſchon der Teju in feinem Außeren erheblich TE Abb. 10. Erzſchleiche, kommt ſchon in Südeuropa vor, wo das harmloje Geſchöpf beim Volk als überaus giftig verſchrien iſt und deshalb ſchonungslos verfolgt wird. mehr als Warane und Leguane an den gewöhnlichen Eidechſentyp an, ſo gilt dies in noch höherem Maße von den ihm verwandten und ihm auch im Charakter ähnlichen, gleichfalls ſüdamerikaniſchen Ameiven, die allerdings nur halb jo groß ſind. Eine der ſchönſten und bekannteſten Arten it Am&iva chrysol&ma von St. Domingo, die in vielfacher hinſicht an die Smaragdeidechſe er— innert, jedoch noch zierlicher und eleganter gebaut iſt und an den Vorderbeinen richtige Grabfüße beſitzt. Dieſe benutzt das ſehr wärmebedürftige Geſchöpf, um ſich in etwas feuchtem Erdreich Höhlen zu graben, in denen es die kühlen Nächte verbringt. Der Hopf dieſer farbenprächtigen Echſe iſt vogelartig ſpitz und erinnert wegen der abgeſchrägten, roſafarbenen Schnauze faſt an hirſch oder Antilope. Trotz dieſes gutmütigen Ausjehens ſind aber dieſe a Ameiven auch unter ſich arge Raufbolde und traktieren ſich gegenjeitig mit tüchtigen Schwanzhieben. Körperlich ſind ſie vorzüglich ausgerüſtet, laufen pfeilſchnell in etwas geſchlängelter Gangart, klettern und ſpringen vorzüglich, ſind aber bei alledem nervös und ſchreckhaft. Bei behaglicher Stimmung laſſen ſie ein ſeltſames Quieken hören, das wie das Piepen von Mäuſen klingt. Durch mehr oder minder ſtark reduzierte Gliedmaßen zeichnet ſich die ſchon in Südeuropa auftretende Gruppe der lang geſtreckten, glänzend bronzebraun oder ſilbergrau gefärbten Erz— ſchleichen (Chalcides) aus. Bei der auf feuchten Wieſen lebenden, nur drei Sehen an jedem Fuße beſitzenden Ch. tridaàctylus z. B. ſind die Füße noch weit mehr verkümmert als bei der ab— gebildeten Art (Ch. ocellätus), jo daß das Tier jtark an unſere Blindſchleiche erinnert, der es auch in der Lebensweiſe ähnelt. Nicht mit Unrecht hat man das vielgeſtaltige Heer der Gek— konen als das Katzengeſchlecht unter den Kriechtieren bezeichnet, hauptſächlich wohl wegen ſeines Anſchleichens an die Beute und wegen ſeiner ſtreng nächtlichen Lebensweiſe. Ausnahmen beſtätigen jedoch auch hier die Regel. Es gibt auch Taggeckos, und gerade zu ihnen zählen die ſchönſten und intereſſanteſten Formen, ſo der Taggecko von Madagaskar, Phelsüma madagascariense. Krefft hat von ihrem raſtloſen Tun und Treiben eine ſo lebendige und liebevolle Schilderung gegeben, daß wohl in jedem Liebhaber ſchon der Wunſch rege geworden iſt, dieſe prächtigen Tierchen ſelbſt zu beſitzen und ihr anziehendes Weſen zu beobachten. Oberſeits ſind dieſe etwa 20 em langen Baumbewohner un— vergleichlich ſchön lichtgrün mit leuchtend roter Fleckenzeichnung auf dem hinterrücken, und dieſe effektvolle Gegenüberſtellung zweier Komplementärfarben wirkt bei einem Reptil jo verblüffend, daß man meint, es ſei gar nicht Natur, ſondern irgendein Spaß— vogel habe die Tierchen mit Lackfarben ſo angeſtrichen. Dazu kommt noch, daß Phelsüma über ein recht beträchtliches Farb— wechſelvermögen verfügt, das ſich allerdings auf die Grundfarbe beſchränkt. Dieſe durchläuft auf der Oberſeite alle Abſtufungen von Papageigrün bis Graubraun, auf der Unterſeite von Weiß bis Finſtergrauſchwarz, und bisweilen tritt auch noch eine bläuliche Schwanzfärbung auf. Auch während des größten Teiles der Nacht ſind dieſe queckſilbernen Geſchöpfe in raſtloſer Bewegung, und faſt „„ ſcheint es, als nahe überhaupt kein Schlaf ihren nimmermüden Augen. Entſchließen ſie ſich aber doch einmal zu einem Nickerchen, jo nehmen ſie eine Mimikry-Stellung ein, indem ſie lang aus— geſtrecht mit allen Dieren einen ſenkrecht emporſtrebenden Zweig umklammern, und den Kopf nach unten, die Schwanzſpitze aber nach oben richten. Ihre Haft- und Sprungfähigkeit iſt phänomenal und übertrifft noch die der Anolis und Caubfröſche. „Wie von einer Sehne geſchnellt,“ ſagt Krefft, „ſchießen die rotgeperlten Smaragd— leiber in weiten Sprüngen kreuz und quer durcheinander. Bei den Werbungen um die Weibchen verfahren ſie ſo ſtürmiſch, daß die vielbegehrte Schöne im Gedränge nicht ſelten ihre Schwanzeszier verliert, die dann von dem auch mitten im TCiebesrauſch für materielle Genüſſe ſtets empfänglichen Männchen als gute Priſe betrachtet und mit Behagen aufgeknabbert wird. Natürlich fehlt es bei ſo impulſiven Geſchöpfen auch nicht an eiferſüchtigen Raufereien unter den Männchen ſelbſt, und der Stärkere ſchüttelt dabei ſeinen Gegner ab wie ein Hund eine Katze.“ Die außer— ordentlich brüchigen Schwänze bleiben auch hier oft genug auf der Walſtatt, und jo kommt es, daß man eigentlich höchſt ſelten einmal einen Taggecko mit nicht regeneriertem Schwanze antrifft, und bei den gleichfalls recht zankſüchtigen Nachtgeckos iſt es ja auch nicht viel beſſer. Bei dieſen Paarungskämpfen ſtößt Phelsüma in der höchſten Erregung einen wilden und dumpfen Schrei aus, völlig verſchieden von den gewöhnlichen Piep- und Meckerlauten anderer Geckos, und dabei blähen ſich die Schallblaſen zu beiden Seiten des offenſtehenden Schlundes mächtig auf. Las Endergebnis all dieſes Hetzens und Jagens ſind dann ſchließlich zwei bohnen— große Eier, bei deren Ablage ſich das Weibchen fait ſchwarz verfärbt. Solch vielerlei Aufregungen machen aber durſtig, und die Taggeckos ſind deshalb große Secher vor dem herrn. Beſtändig ſchlecken ſie mit ihrer gelenkigen Zunge löſtliche Tau- oder erfriſchende Regen- tropfen aus dem grünen Gelaub, fahren ſich auch ab und zu mit der benetzten Zunge über die Augen, um dieſe zu reinigen, da die Lider verkümmert und unbeweglich ſind. Selbſt dem unan— genehmen Geſchäft der Häutung wiſſen dieſe Lebenshünſtler die beſte Seite abzugewinnen, indem ſie mit dem Maule eifrig nach— helfen, den alten Adam auszuziehen und dann das abgelegte hemd praktijcherweije verjpeijen. DE Ganz anders ſpielt ſich nun freilich das Leben der Nacht— geckos ab, dieſer in Anpaſſung an Felswände oder Baumrinde ſchlicht und unanſehnlich gefärbten, zutraulichen Geſchöpfe, die mir jo manche lange Abendſtunde auf afrikaniſchem Boden ver— kürzt haben, wenn ſie mit ihren BHaftlamellen geräuſchlos und ſicher an den ungetünchten Wänden des arabiſchen Hauſes auf ihrer unabläſſigen Kerbtierjagd herumhuſchten oder wie eine Fliege oben an der Decke herumſpazierten, bis es dann ſchließlich doch mal einer verſah und herunterplumpſte, mehr als einmal mitten hinein in die dampfende Abendſuppe. Die Unterſeite der Finger und Sehen trägt alſo vielfach Haftlamellen, die aber bei den ein— zelnen Arten in ſehr verſchiedener Weiſe ausgebildet und modifi— ziert ſind. Tagsüber unerträglich verſchlafene und langweilige Geſellen, werden dieſe glotzäugigen und geſpenſtiſchen Nacht— ſchwärmer mit Einbruch der Dämmerung zu ſchemenhaften Wild— lingen und flinken Kobolden. Das iſt dann ein unausgeſetztes lautloſes Hhuſchen, ein ſtoßweiſes Jagen, ein erbittertes Kämpfen, ein ſtürmiſches Ciebeln die ganze Nacht hindurch unter dem munteren, ränkeſüchtigen Dölkchen, bis es dann der anbrechende Tag wieder in ſeine Schlupfwinkel ſcheucht. Die Männchen laſſen dabei fleißig ihren piependen oder meckernden Kampfruf hören, und über eine beſonders laute Stimme verfügt Ptenöpus gärrulus aus unſerer ſüdweſtafrikaniſchen Kolonie. Teratoscincus scincus aus Turkeſtan vermag nach Werner auch zirpende Töne hervorzubringen, indem er die großen Schilder der Schwanzober— ſeite aneinander reibt. Am allerlebhafteſten ſind die Geckos während der Abenddämmerung, und auch ihre Sehhraft ſcheint dann am größten zu ſein. Im Sorn richten ſich die Geckos hoch auf den Beinen auf, machen einen richtigen Katzenbuckel dazu, und nun kann das Unurren oder Glucken, Piepen oder Quieken losgehen. Bei Gymnodäctylus kötschyi erinnert die Stimme an das einſt zum Gaudium aller Gaſſenjungen und zum Entſetzen aller ruheliebenden Staatsbürger aus Frankreich ein— geſchleppte Spielzeug „Krikri“, das Ceute mit empfindlichen Nerven zur Verzweiflung bringen konnte. Bei den meiſten Geckonen klingt aber die Stimme gar nicht unangenehm. der tierfreundliche Mohammedaner tut dem luſtigen Nachtgeſindel nichts zu leide, ja er ſieht die niedlichen Tierchen gar nicht ungern innerhalb ſeiner a Behaujung, weil er recht wohl weiß, daß ſie eine Menge Moskitos und anderes läſtiges Ungeziefer vertilgen. In den Ländern romaniſcher Sunge dagegen gelten die harmloſen Geſchöpfe vielfach für giftig und werden deshalb ſchonungslos verfolgt, ſo nament— lich in gewiſſen Teilen Südamerikas. Da ſie auch zahlloſe natür— liche Feinde haben, iſt es ein wahres Glück für ſie, daß ſie während ihres ſtumpfſinnigen hinbrütens am Tage, wobei ſie den Leib ſtark abflachen und ihn der Unterlage förmlich auf— preſſen, durch ihre ſchlichte Färbung, die ſich überdies je nach Beſchaffenheit der Unterlage noch etwas abzutönen vermag, ſo gut geſchützt ſind. Die Seichnung ſpiegelt immer mehr oder weniger das Holorit der Aufenthaltsorte wider, das fahle Sandgelb der Wüſte, das unbeſtimmte Grau der verſengten Steppe, die matten Töne des nackten Felsbodens, die zarte Marmorierung des Kies- gerölls. Im übrigen kennzeichnen ein abgeflachter Kopf mit Hechtſchnauze und großen, meiſt liderloſen Nachtaugen, ein kurzer dicker hals, ein gedrungener, platt gedrückter Rumpf, ein dicker Schwanz und kleine Beine mit abſonderlich geſtalteten Zehen die äußere Erſcheinung der Geckos. Die Hautbekleidung beſteht aus ſehr kleinen, körnchenartigen Schuppen. Die Weibchen legen in der Regel nur zwei weiße, rundliche Eier, die bei den kleinjten Arten verhältnismäßig am größten ſind. Der knapp zugemeſſene Raum dieſes Büchleins verbietet es, auf die einzelnen Geckonengruppen näher einzugehen. Nur wenige Worte ſeien den wichtigſten und intereſſanteſten Arten gewidmet. Der gewöhnliche Mauergecko (Taréntola mauritänica) der Mittelmeerländer, deſſen Lieblingsſpeiſe Spinnen bilden, ſteht zum Menſchen etwa in einem ähnlichen Derhältnis wie der Sper— ling; er läßt alſo bei aller ſcheinbaren Sutraulichkeit die eigene Sicherheit niemals völlig außer acht, wird nicht blindlings ver— trauensſelig, ſondern bleibt ſtets bemüht, ſich in einer gewiſſen Entfernung von dem herrn der Schöpfung zu halten. Seine Der: trautheit beruht oft mehr auf der ihm wie ſo vielen Echſen eigenen Neugier. Das Haftvermögen iſt großartig ausgebildet. Selbſt auf ſenkrechten oder auch überhängenden ſpiegelglatten Glas— wänden eilt er mit derſelben Hurtigkeit und Sicherheit dahin, wie auf ebenem Boden, indem er die beim Berühren des Glaſes noch zuſammenliegenden Sehenblättchen ausſpreizt und ſo zwiſchen a ihnen und der Glasfläche luftverdünnte Räume heritellt. Es ilt alſo allein der Luftdruck, der ihn haften läßt. Je älter die Tiere werden, um ſo mehr wächſt ihre Raufluſt, um ſo ſeltener findet man dementſprechend Stücke mit unverſehrtem Schwanz. Sählungen haben ergeben, daß nur 6 v. H. dieſer Geckonen den Schwanz nicht verſtümmelt hatten. Die beiden rundlichen und ſehr zerbrechlichen Eier find in friſchem Suſtande weich und klebrig und bleiben deshalb an den trockenen Plätzen, wo ſie abgeſetzt werden, haften. Ihre Entwicklung iſt eine ſehr langſame, denn nach den Unterſuchungen Tofohrs vergehen volle ſechs Monate, bis die Jungen zum Kusſchlüpfen gelangen. Beträchtlich größer it T. annuläris, aber ebenſo unverträglich. Die ganze Nacht hindurch balgen ſich die Männchen unter quietſchen— dem Geſchrei herum, das ſie durch heftiges Ausjtoßen der Luft hervorbringen. Ihre Haftfähigkeit iſt jo groß, daß ſie 24 Stunden lang an der Unterſeite einer Glasplatte zu Rle- ben vermögen, ohne daß man ihnen die geringſte Spur von Unbehagen an— merkt; aber ſie wird durch Feuchtigkeit erſichtlich beeinträchtigt, weshalb die Tiere immer ſolche Stellen aufſuchen, die vor Regen geſchützt ſind. Spaßig ſieht es aus, wenn ſie bei der Häu⸗ f N Mi tung die Epidermis der — 24 RES: Beine mit dem Maule „ r . 4. 5 a 4 — — langſam und vorſichtig abſtreifen wie einen hand— ſchuh und dabei die Sehen ee 5 en Abb. 11. Gecko, hält ſich gern in den Häufern auf, wo er gekrümmt halten. Der ſich durch Dertilgung von allerlei Ungeziefer nützlich macht. EEE kleine und zierliche Scheibenfinger (Hemydäctylus türcicus) kommt ſchon im ſüdlichen Dalmatien lich fand ihn 3. B. bei Budua und Spiza) vor, wo er mit Vorliebe in den Mauerritzen der Häuſer ſitzt und im Finſtern faſt milchweiß und durchſichtig wird. Überhaupt iſt das Farbwechſelvermögen bei ihm bedeutender als ſonſt bei Geckonen. So zart das merkwürdige Dingelchen auch ausſieht, ſo ſpringt es doch in leidenſchaftlicher Gier und mit geradezu gewaltigen Sätzen nach Fliegen, die man dann nach dem verſchlucktwerden blaugrau durch die dünne, fein gekörnte, faſt nackte haut durchſchimmern ſieht. Bemerkenswert iſt im Gegenſatze zur vorigen Art, daß Flüſſigkeiten an der haft— vorrichtung der Sehen keinen halt finden, ſondern abgleiten. H. mabüia fehlt in keiner Wohnung des uns jetzt zuge— fallenen Kongogebiets, und das flinke, drollige Geſchöpfchen macht ſich dort dadurch verdient, daß es nicht nur kleine Mücken weg— fängt, ſondern auch die rieſigen, ekelhaft riechenden Schaben. Der reizende und fabelhaft behende Phyllodäctylus e uro— päéus ſtellt mit ſeinem bunten Fellchen und den großen, funkeln— den Augen gewiſſermaßen den Leoparden im Katzengeſchlechte der Geckos vor. Ganz pantherartig iſt auch ſein leiſes Anſchleichen an die Beute, die dann folgende kurze Pauſe, das feſte Insauge— faſſen, der plötzliche Sprung, der ſelten fein Siel verfehlt. Als Vertreter der Baumgeckos ſei hier zunächſt der indiſche Gecko monärchus angeführt, deſſen rauhe, ſtark gekörnte Haut in ihrer Zeichnung bis auf die Rleinjten Einzelheiten der alten Baum: rinde entſpricht, jo daß das Tier ſelbſt für ein ſcharfes Auge nur äußerſt ſchwer zu entdecken iſt. Wie ein Stück Borke ſitzt dieſer Nachtſchwärmer in träumeriſcher Ruhe mit faſt völlig ge— ſchloſſener Pupillenſpalte im hellen Sonnenſchein da, und man erſtaunt nicht wenig, wenn das vermeintliche Stück Borke weiter aufwärts zu rutſchen beginnt, da ſich das Tier entdeckt glaubt. Faſt noch intereſſanter iſt es, daß Lygodäctylus pietu— rätus aus dem Sudan nach Werner in Färbung und Derhalten völlig mit dem gleich ihm auf alten Akazienſtämmen lebenden Weibchen der Mantide Eläéa märchali übereinſtimmt. Beide laufen bei Beunruhigung in Spiralen aufwärts um den Stamm und drücken ſich dann wieder auf der dem Beobachter abgekehrten Seite. L. lugübris von den Marſhallinſeln iſt durch ſeine . eigenartige Fortpflanzungsgeſchichte ausgezeichnet, über die wir Schnee nähere Mitteilungen verdanken. Die beiden erbjengroßen Eierchen paſſen ſich nämlich elaſtiſch dem Verſteck an und find daher nach Form und Größe ſehr verſchieden. Das Auffallendite it, daß fie geſellig (bis zu 50 Stück und mehr) in Perlſchnurreihen unter Baumrinde, in Termitengänge, beſonders aber in ſchadhafte Tür⸗ und Fenſterrahmen alter häuſer abgelegt werden. Der räuberiſchen Eidechſen wegen können die Geckos aber nur Bruthöhlen mit ganz engem Eingang benutzen, und man muß ſich oft wundern, wie ſich die eierbeſchwerten Weibchen durch den winzigen Spalt überhaupt hineinzuzwängen vermochten. Das Abplattungsvermögen dieſer Tiere iſt eben ein ganz erſtaunliches. Die Jungen halten beim Laufen Kopf und Schwanz jo hoch, daß ihr Körper einen richtigen Halbkreis bildet. Noch in einer weiteren Beziehung iſt dieſer Gecko merkwürdig. Er kneipt nämlich gerne. Sein Wirts— haus iſt die duftende Blüte einer Amaryllidee, ſein Trank deren durch Regenwaſſer verdünnter Nektar. So übermütig geht es bei dieſen Kommerſen zu, daß die ausgelaſſene Geſellſchaft ſchließ— lich die ganze Blüte zerreißt und zertrampelt und im Morgen— dämmern ſchwer bezecht nach Hauſe torkelt. Echte Wüſtengeckos ſind die Acanthodäctylus-Formen, die deutſch als Stachel-, Dorn- und Franſenfinger bezeichnet werden, und von denen namentlich Acanthodäctylus syri- a cus häufig in die hände der Terrarienfreunde gelangt. Es ſind ſchmuck gefärbte und zierlich geſtaltete Echslein mit roſenrotem Schwanz und ſägeartig beſchuppten Sehen, die es ihnen ermög— lichen, pfeilgeſchwind über den lockeren, glühendheißen Wüſten— ſand dahinzurennen, ohne einzuſinken. Sie ſind alſo nicht Kletterer, wie die Baum- und Felſengeckos, ſondern Schnelläufer. Schon die Farbe des Gewandes verrät die Kinder der Wüſte. Wie bei manchen Vögeln paßt ſie ſich jo genau der des Bodens an, daß man danach mit ziemlicher Sicherheit auf die herkunft des Tieres ſchließen kann. Einige größere Formen, die auf mehr ſteinigem Gelände leben, ſind gefleckt und klettern auch an den Felſen. Von der pfeil— ſchnellen Geſchwindigkeit des Laufes dieſer übermütigen Stutzer kann man ſich kaum einen richtigen Begriff machen: es iſt ein förmliches Dahinfliegen über den Sand. Mitten im tollſten Rennen aber machen ſie oft plötzlich auf einer kleinen e halt, Floericke, Kriechtiere und Lurche fremder Länder, — 58 richten ſich auf den Vorderbeinen empor und überſchauen ſpähend ihr Jagdgebiet. Don Charakter ſind die ſpitzköpfigen, unſteten Geſellen einerſeits keck und neugierig, andrerſeits aber ſcheu, ungeſtüm und ſchreckhaft, und beim geringſten Geräuſch ſtürzen ſie in verzweifelter Flucht davon. Als Bodentiere verſtehen ſie natürlich auch, ſich in den Sand einzugraben, wobei die paddeln— den Bewegungen ihrer Dorderbeine jo flink vor ſich gehen, daß man ihnen kaum mit den Augen zu folgen vermag, und wenn unfreundliche Witterung anhält, bleiben ſie tagelang darin ver— Abb. 12. Stenodactylus guttatus, ein Wüſtentier, das die Trägheit des Faultiers mit der Drolligkeit des Dackels und der Fleckenzeichnung des Ceoparden vereinigt. borgen. Ein ganz ausnehmend ſchnurriger Geſelle iſt nun aber ein weiterer Wüſtengecko, Stenodäctylus guttätus, den ich in dieſem Jahre ſelbſt im Terrarium gehalten und liebgewonnen habe, obgleich er eigentlich ein höchſt langweiliger Patron iſt, das Faultier ſozuſagen unter dem ſonſt wenigſtens bei Nacht ſo beweglichen Volke der Geckos. Jede Bewegung wird nur gewiſſer— maßen widerwillig vollführt, und hat er wirklich einmal ein paar Schrittchen gemacht, jo bleibt er urplötzlich in der vertrackteſten Stellung ſteif wie eine Gliederpuppe mit unglaublich verrenkten Gliedern ſtehen und döſt nun ſtundenlang vor ſich hin. Dünn— finger heißt das ſpaßige Kerlchen offiziell, aber bezeichnender möchte ich ihn „Hundsgecko“ nennen, denn ſeine linkiſchen Be— wegungen und ſeine köjtlih dummen Stellungen haben etwas unverkennbar Hundeartiges, haben mich insbeſondere immer leb— haft an die bekannten Dackelbilder der „Fliegenden Blätter“ er— innert. Drollig genug ſieht ſchon die Ruhelage aus: der Kopf mit den gutmütigen Glotzaugen lang am Boden, die Dorderbeine nach innen und unten eingeſchlagen, die Hinterbeine lang ausgeſtreckt, das roſenrote Sünglein beſtändig über die breite Schnauze fahrend, der lange Rollſchwanz bei guter Stimmung freundlich wedelnd — alſo echt hundeartig. Unſäglich einfältig und dabei doch wieder ganz bauernſchlau ſieht der kleine Schelm aus, wenn er ſich auf ſeinen krummen Dadelbeinen jo hoch aufrichtet, daß das wüſtenfarbige, leopardenartig gefleckte Körperchen förmlich; in der Luft zu ſchweben ſcheint, wenn dann der breite Kücken den ſchönſten Katzenbuckel macht und der ungewöhnlich bewegliche Schwanz als untrüglicher Gradmeſſer der geheimſten Empfindungen ein- und aufgerollt oder hin und her geſchwungen wird, die bis auf einen haarförmigen Spalt verengten, übrigens recht guten Augen aber mit der Nachdenklichkeit eines Philoſophen nach vorn ſtarren. In dieſer lächerlich wirkenden Hochbeinigkeit bewegt ſich der Hunds- gecko dann auch mit ausgeſtrecktem Schwanze vorwärts. Selbſt das Freſſen ſcheint ihn nicht ſonderlich zu erregen, und eigentlich bekundet er nur für eins wärmeres Intereſſe: fürs Graben im Sande, das er mit gründlich-behäbigen Bewegungen der ſcheinbar jo ſchwachen Vorderbeinchen beſorgt. Trotzdem ſah ich nie, daß er ſich jemals völlig im Sande vergrub; er ſaß immer nur, nach der ſchweren Arbeit ausruhend, in der ausgewühlten Grube. Don meinen Streifzügen in den transkaſpiſchen und buchariſchen Wüſten her erinnere ich mich noch mit beſonderem Vergnügen der ſchon erwähnten Krötenköpfe (Phrynocephalus), die mit Steno- däctylus die hundeartige Beweglichkeit des einrollbaren Schwanzes gemeinſam haben. Su CTauſenden ſchoß dort mit hochgetragenem, nach oben eingerolltem Schwanze Phrynocéphalus inter— scapuläris im ärgſten Sonnenbrande über den Flugſand, jo wahnſinnig ſchnell, daß man eigentlich nur die hin- und her» flitzenden Schatten der unterhaltenden Tierchen ſah. Alle Augen— blike wird der ſtoßweiſe Lauf im Sickzackkurs geändert, dann ſauſt das unfaßbare Ding in weitem Bogen über jteile hänge und auf einmal verſchwindet es mit ein paar ſchüttelnden, welligen Bewegungen im Sande, wo es aber nicht weiter gräbt, ſo daß es nun unſchwer zu ergreifen iſt. Die meiſten Stücke erhielt ich aber dadurch, daß die Kojaken mit großen Beſen einfach die ganze Geſellſchaft zuſammenkehrten. An den gleichen Örtlichkeiten lebt auch der größere und derbere Ph. mystäceus. Sein Mops— geſicht mit dem breiten Maul, den viereckigen blitzenden Augen, dem rojenfarbenen Rachen und den ſpitzigen Sähnen macht einen höchſt originellen Eindruck, wenn er ſich in reizvollem Sorn tapfer zur Wehre ſetzt. Dann iſt ihm eine Schreckſtellung eigen, die Sander beſchrieben hat: Die Hautfalten an den Mundwinkeln ſchwellen zu einer halbmondförmigen Platte an, die vorn tief roſenrot gefärbt iſt, wodurch eine ſcheinbar ungeheuerliche Der- größerung des Maules erzielt wird und das Tier wirklich recht bösartig ausſieht. Es beißt dann auch tüchtig um ſich, ſpringt gegen die Hand, läßt nicht leicht wieder los, was es einmal gepackt hat, und ſeine dreieckigen Sähne machen ſchmerzhafte, ſchlitz— förmige, ſchwer verheilende Wunden. Dazu kommt, daß der Kopf ſich auf dem langen Halje wie auf einem Stiele unter fabelhaft ſchnellem Augenblinzeln hin und her dreht, wodurch das Abenteuer— liche des ganzen Unblicks noch erheblich geſteigert wird. Beim Ausruhen ſoll dieſer Krötenkopf eine ähnliche Stellung einnehmen, wie ein ſitzender Hund, und zwiſchendurch duckt er ſich ein dutzendmal und öfters ſchnell nieder, um ſich ſofort wieder zu erheben. Sander meint ſehr bezeichnend, die Krötenköpfe ſähen aus wie fratzenhafte badende Swergenkinder. Oder die Tiere wärmen ſich ſtundenlang mit behaglich ſchief gehaltenem Kopfe, um dann plötzlich blitzſchnell mit den Vorderbeinen nach Hundeart im Sande zu paddeln und einen unglücklichen Pillendreher ans Tageslicht zu befördern. Dann wieder traben ſie mit emporgerecktem Kopfe hochbeinig wie Affen hinter einem ſolchen drein, betrachten ihn ein Weilchen mit geöffnetem Munde und vorgejtreckter Sunge wie nachdenklich ſchräg von oben und fahren dann endlich zu. Eine dritte Art, Ph. heliöscopus, lebt nicht auf dem Flugſande, ſondern auf dem völlig vegetationsloſen Lehmboden, der für jo viele Gegenden Sentralaſiens charakterijtiih und jo hart und glatt wie Aſphalt iſt, und jagt hier fleißig nach Aſſeln und mi— nierenden Ameiſen, trägt aber im übrigen ein ganz ähnliches Be— nehmen zur Schau. Ein recht vielgeſtaltiges Geſchlecht iſt auch das der Agamen, ſchöne, bunte, ſcheue und äußerſt behende Echſen mit breitem Leib, rauher Beſchuppung und langem, dünnem Schwanz, gewandte Kletterer und vorzügliche Springer, die ſich mit Dorliebe auf den ſonnendurchglühten Felſen des Südens herumtummeln und bei Annäherung des Beobachters in eigenartiger Weiſe mit dem dreieckig abgeſetztem Kopfe niken. Am behannteſten iſt die etwa 50 em lange und in allen Negerdörfern und Saktoreien Afrikas vorkommende Siedleragame (Agäama colonörum), die ſich bei Gefahr auf Bäume mit rauher, riſſiger Rinde zu flüchten pflegt. Es ſind zügelloſe Wildlinge und die Männchen ausgemachte Rauf-: bolde. Mit erhobenem Kopf laufen ſie hochbeinig auf den Gegner los, ducken ſich, ſpringen ihn dann blitzſchnell an, vollführen wuchtige Schwanzhiebe und balgen ſich unter großem Gepolter herum. Dabei zittern ſie vor Wut und zeigen den prachtvollſten Farbenwechſel. Kopf- und Schwanzende werden flammend rot, die Schwanzwurzel gelb, die Flanken ſchillernd grün. Schon das gewöhnliche Prachtkleid des Männchens, das übrigens von der Paarungszeit unabhängig iſt und bei kühler Witterung ſofort verſchwindet, iſt ſehr ſchön. Kopf und Nacken ſind zitrongelb, die Oberſeite prächtig ſtahlblau, die Kehle rötlichweiß mit ziegel— roten Längslinien, der Schwanz an der Wurzel hellblau, in der Mitte weißlich, am Ende gelblich. Jede ſeeliſche Erregung wird durch anmutiges Kopfniken zum Ausdruck gebracht, dazu die Vorderbeine breit geſtellt und die Kehle ausgeſpreizt. Haupt— ſächlich der ſchwarzen Ameiſen wegen, die ihr TCieblingsfutter bilden, hält ſich die Siedleragame gern an und in häuſern auf und legt hier auch in geeigneten Winkeln ihre 8 bis 10 perga— mentſchaligen Eier ab, aber trotzdem zeigt ſich das äußerſt flüchtige Tier dem Menſchen gegenüber keineswegs beſonders zutraulich. Don geradezu unbändiger Scheuheit und nervöſer Schreckhaftig— keit aber iſt der hardun (A. stellio). Jeder ſich bewegende Menſch jagt ihm das größte Entſetzen ein und veranlaßt ihn zu wilder, ſinnloſer Flucht, wobei er zwar wie toll dahinraſt, aber doch immer eine gewiſſe Steifheit der Bewegung bekundet. Sein ganzes Benehmen in ſolchen Fällen iſt recht kopflos und N 54 — ſpricht nicht gerade für ſeine Intelligenz, denn er treibt richtige Dogeljtraußpolitik. Dermöge ſeiner nadelſpitzigen, winklig abſtehen— den Krallen iſt er ein vorzüglicher Kletterer, und die ſtark ent— wickelten Hinterbeine ermöglichen ihm ein froſchartiges Springen. Wie alle Agamen ergreift er ſeine Beutetiere mit Hilfe der klebrigen unge und zermalmt ſie dann vollſtändig zwiſchen den kräftigen Kiefern. Sonſt iſt er ein liebenswürdiger Wildling, geſelliger Natur und gegen ſeinesgleichen ſelbſt am Futternapfe verträglich. Als ein ausgeſprochenes Charaktertier ausgedehnter Ebenen muß A. inermis gelten. Dieſe in ihren Bewegungen etwas ſteife und ungelenke Art iſt ſo ſehr daran gewöhnt, endlos weite und völlig freie Strecken ſchnellen Laufes zu durchmeſſen, daß ſie ſich in anderen Derhältnijjen gar nicht mehr zurechtzufinden vermag, ſondern tolpatſchig gegen alles anrennt, was ihr im Wege ſteht. Sie kennt eben Kaumſchranken ebenſowenig wie die Gefährlichkeit des Falls, die alle kletternden Echſen ſehr wohl zu würdigen wiſſen. Aus den ſteinharten Cehmſteppen Turkeſtans ſteht mir A. sanguinolénta in guter Erinnerung, die dort auf der Ameiſenjagd mit ſehr ſteif getragenem Schwanze fleißig an den Lehmmauern herumkletterte, bei Gefahr aber ſofort ins Gebüſch flüchtete. Die Männchen ſtellen ſich in der Erregung ſtramm auf, ſenken den Kopf, blaſen den kantigen und dabei ultramarinblau werdenden Kehlſack ſtark auf, bekommen einen boshaft ſtarren Ausdruck in ihre weit aufgeriſſenen und faſt vier: eckig erſcheinenden Augen und fahren dann blindwütend auf den Gegner los, um ſich hartnäckig in ihn zu verbeißen. Vorher war ich ſchon im Kaukaſus mit A. caucäsica bekannt gewor— den, die in ihrem Benehmen dem Hardun ähnelt, ſich hauptſäch— lich von heuſchrecken ernährt und ſich auf der Flucht in un— begreiflich ſchmalen Felsſpalten ſo feſtklemmt, daß man ſie kaum herausziehen kann, ohne ſie zu zerreißen. Die flinke Ringelagame (Oplürus torquätus) der braſilianiſchen Wälder, deren Weibchen wie mit goldigem Puder überſtaubt erſcheint, ſitzt gewöhnlich regungslos wie ein ſpähender Raubvogel an Stämmen oder Steinen, um aber nach kurzem Kopfnicken blindlings davon— zuſtürzen, ſobald ihre ſcharfen Augen etwas Derdächtiges wahr: genommen haben. Daß ihr Geſichtsſinn gut entwickelt iſt, be— weiſen auch die Unterſuchungen v. Fiſchers, der feſtſtellte, daß dieſe Agamen eine Stechmücke auf 83 cm Entfernung mit Sicher: heit erblickten. Eine überaus graziöſe und ſchlanke Baumagame iſt die grün gefärbte Schönechſe (Calötes cristatellus), die man in hinter— indien überall ſorglos und ungeniert an den Chauſſeebäumen ſitzen ſieht. Ein prächtiger Nackenkamm ſchmückt den laubgrünen Rumpf, am Kopfe iſt ſie blau, am Schwanze oben oliv, unten gelb gefärbt. Bei Unbehagen verblaſſen dieſe ſchönen Farben, aber im Sorn oder bei geſchlechtlicher Erregung werden Kopf und Dorderkörper rot, weshalb die Singhalejen das Tier „Blutſauger“ nennen. Der kantige Kopf erinnert an das Chamäleon, und der rieſige Schwanz macht faſt / der etwa einen halben Meter be— tragenden Geſamtlänge des Tieres aus. Die ſchlanken Beine be— fähigen es zu mächtigen Sprüngen, aber trotzdem liebt es eine mehr ſeßhafte Lebensweiſe. Freilich kann es ſo flink klettern wie ein Eichhörnchen und auch hochbeinig recht flott laufen, wenn's ſein muß. Trotz des ziemlich entwickelten Farbwechſel— vermögens iſt doch keine Spur von Farbenanpaſſung an die Unterlage vorhanden, und die lebhaft grünen Tiere ſehen deshal! auf den Baumſtämmen auffällig genug aus, zumal ſie den langen Schwanz gewöhnlich ſteif vom Stamme abſtehen laſſen. In die Vverwandtſchaft der Agamen gehört weiter noch eine der merk— würdigſten und intereſſanteſten Eidechſen, die zu beſitzen der ſehnſüchtigſte, aber leider auch der am ſchwerſten erfüllbare Wunſch aller Liebhaber iſt. Ich meine den Flugdrachen (Draco völans), dieſes ſagenumwobene, ſpannenlange Wundertierchen der Sundainſeln, das dort in den höchſten Baumkronen ſein geheim— nisvolles, poeſieverklärtes Weſen treibt und kaum jemals frei— willig zum Erdboden herabkommt. In der Erregung iſt das zierliche, ſehr langſchwänzige Geſchöpf wie mit prächtigem Bronze— ſchimmer übergoſſen, und zugleich richtet es ſeine auffallend lange und ſpitze Kehlwamme in ſenkrechter Ebene auf, jo daß ſie beim Herumklettern wie ein grellgelber Blitz aus dem grünen Gelaub hervorleuchtet. Der dem Tier eigentümliche Fallſchirm iſt dabei zuſammengefaltet und ſo feſt angelegt, daß man ſein Vor— handenſein erſt merkt, ſobald ſich der Flugdrache zum Luftſprung entſchließt. Rückt ihm nämlich eine Gefahr auf den Leib, jo ſcheint, wie Krefft ſich ſo ſchön ausdrückt, ihm „eine gütige a Sauberin plötzlich weite, im Sonnenſtrahl bunt leuchtende Schwingen zu verleihen“. Die Flughaut wird halbkreisförmig ausgeſpannt, und nun ſchwebt der Flieger mit verblüffender Schnelligkeit und Sicherheit 6 bis 10 Meter weit dahin. Auf dieſelbe Weiſe erhaſcht er auch fliegende Inſekten. Der Flugdrache iſt alſo ein richtiger Fallſchirmvirtuos. Machen wir nun gleich den kühnen Sprung von der elegant fliegenden zu der träge auf dem Bauche kriechenden und in der Erdſcholle wühlenden Echſe! Während meines Aufenthaltes im ſüdlichen Marokko wurden mir von den Krabern wenige Tiere Abb. 13. Sheltopuſik, in ſüdeuropäiſchen Steppen zu finden, iſt ein fleißiger Schneckenvertilger und Mäuſejäger. jo maſſenhaft zugetragen wie die etwa 30 cm langen, ſchlüpfrig anzufaſſenden und gewöhnlich zu einem Kringel zuſammen— gerollten Wurmſchleichen (Trogonöphis wiegmänni). Das war einerjeits nicht verwunderlich, da die lichtſcheuen, ſtreng nächtlich lebenden, nur verkümmerte Augen beſitzenden und den feuchten Humusboden mit ziemlich tiefen und vielſach gewundenen Gängen durchwühlenden Tiere beim Pflügen allenthalben zahlreich ans Tageslicht befördert wurden, und andrerſeits doch, weil es in allen Beſchreibungen heißt, daß die Eingeborenen ſie für giftig halten und deshalb in hohem Maße fürchten ſollen. Auch bei Überſchwemmungen kommen die abſonderlichen Geſchöpfe mit den winzigen Augen und der engen Mundſpalte träge züngelnd oft plötzlich zu Tauſenden zum Dorſchein, während man ſonſt nur höchſt ſelten einmal eines ſieht. Die Wurmſchleiche, bei der das Taſtgefühl noch am beſten entwickelt zu ſein ſcheint, heißt wegen ihrer ſchachbrettartigen Seichnung auch Schachbrettwühle, aber auch der erſte Name erſcheint gut gewählt, da man eher einen Wurm als ein Wirbeltier vor ſich zu haben glaubt, indem der ganze Körper gleichmäßig verläuft und der Kopf nirgends deutlich abgeſetzt iſt. Auch in Südeuropa haben wir eine bedeutend größere fußloſe Echſe, die aber in einen Plattenpanzer gehüllt iſt und nicht einem Wurm, ſondern einer Schlange gleicht: den Sheltopufik (Pseudöpus apus). Wegen der ſtarken Panzerung kann er aber nicht in ſchlangenartigen Windungen kriechen, ſondern ſeine an ſich nicht gerade langſamen Bewegungen behalten immer etwas Hölzernes. Als Steppentier iſt der Sheltopuſik (der Name iſt dem Ruſſiſchen entnommen und bedeutet ſoviel wie Gelbbauch) trotz ſeiner ſcheinbaren Unbeholfenheit ein recht wanderluſtiger Geſelle, verkriecht ſich aber auch gern in Steinhaufen, unter ſtachligem Ge— büſch oder in höhlungen aller Art. Die ſtark ausgeprägten Seiten— linien an ſeinem langgeſtreckhten Körper mögen wohl die durch die Panzerung gehemmte Atmung erleichtern. Dem Charakter nach ſind die Sheltopujiks individuell ſehr verſchieden, was immer auf eine gewiſſe Intelligenz ſchließen läßt, und in der Tat benehmen ſich im Terrarium gehaltene Stücke ſo verſtändig, zeigen ſich dabei ſo gutmütig und anhänglich, daß man ſie trotz ihres unſcheinbaren äußern lieb gewinnen muß. Freilich it er ein gar gefräßiger Patron, der gelegentlich auch mal über Eidechſen herfällt. Außerdem frißt er Fröſche, junge Mäuſe, größere Käfer, Heuſchrecken u. dergl., mit ganz beſonderer Dor- liebe aber Schnecken, die ſamt ihrem Gehäuſe verſpeiſt werden. Er ergreift ſein Opfer mit plötzlichem Suſchnappen ſchräg von oben und drückt es dann kräftig zu Boden, oder er dreht ſich mehrfach um die eigene Achſe und ſchlägt es dabei wiederholt auf; in dieſer Weiſe werden auch zu große Biſſen zerteilt. Wähleriſch iſt der Sheltopuſik nicht gerade und nimmt ſchließ— lich alles mögliche. So pflegte ich lange ein ſchönes Exemplar, deſſen Lieblingsſpeiſe — bayriſche Leberknödel waren. Da der Sheltopuſik zwar ein großer Freund der Sonne, ſonſt aber durch— 55 aus nicht weichlich iſt, und ſchon in Ungarn ſowie in dem im Winter ſehr kalten ruſſiſchen Steppengebiet vorkommt, dürfte er ſich recht wohl zur Einbürgerung in den milderen Landitrichen Deutſchlands eignen. Abgeſehen davon, daß unſere artarme Kriech— tierfauna dadurch einen ſehr erwünſchten Suwachs bekäme, wären ſolche Derjuhe auch deshalb wertvoll, weil der Sheltopuſik als fleißiger Schneckenvertilger und eifriger Mäuſejäger ſich in unſeren Gärten ſicherlich als ſehr nützlich erweiſen würde. Abb. 14. perleidechſe, bis 60 cm lang, prunkend ſmaragdgrün gefärbt, ſchnell und mutig. Als Vertreterin des eigentlichen Eidechſentypus ſei die kraft— volle, ſelbſtbewußte, unbändige, ſchnelle und mutige Per l— eidechſe (Lacerta ocelläta) angeführt, das bekannte und beliebte Prunkſtück unſerer Terrarien. Sie verdient dieſe Bevorzugung in der Tat, da fie mit ihrer prunkend ſmaragdͤgrünen Leibes- farbe, dem prachtvollen Teppichmuſter auf dem Rücken und den himmelblauen, erbſengroßen Flechen in den Flanken in der Tat ein ſehr ſchönes Tier iſt, überdies der Smaragdeidechſe an Leb— haftigkeit gar nicht, an Intelligenz nur wenig nachſteht. In Süd— weſteurope und Nordafrika bewohnt das ſtattliche, bis 60 cm lang werdende Tier hauptſächlich ſtark bewachſene Örtlichkeiten mit einer gewiſſen Bodenfeuchtigkeit. Körperlich iſt es hoch— begabt, läuft ſehr ſchnell, macht meterweite Sprünge, gräbt im Boden wie ein hund und turnt mit großer Gewandtheit im Gezweig herum, kurz das wundervolle Geſchöpf iſt trotz ſeines etwas maſſigen und gedrungenen Körperbaus in allen Sätteln gerecht und bringt namentlich unglaubliche Caufleiſtungen zu— ſtande. Der Appetit iſt dieſer Regſamkeit entſprechend; die aller— größten Regenwürmer, die dickleibigſten Spinnen und ſelbſt junge Mäuſe werden ohne Schwierigkeiten bewältigt und zu einer einzigen Mahlzeit ganz bequem 5 bis 6 Dutzend Grashüpfer ver— ſpeiſt. Drollig wirken die von Tofohr beſchriebenen Paarungs- ſpiele. Das Männchen ſenkt den Kopf tief wie ein wütender Stier, buckelt den Rücken wie ein alter Kater, preßt dabei den ganzen Körper ſeitlich ſtark zuſammen, jo daß er noch höher und gewölbter ausſieht, richtet die Beine hoch empor und ſpaziert nun mit geſpreizten, gravitätiſchen Schritten liebesdurſtig auf ſeine Auserkorene zu und um ſie herum, faſt ebenſo wie ein hahn um die Gunſt ſeiner Henne buhlt. Das Weibchen ſchaut all dieſer Reizentfaltung vergnüglich zu und gibt ſeiner Will— fährigkeit durch ungeduldiges Auf- und Abzappeln mit den Dorder- beinen Ausdruck. Auch die wütenden Eiferſuchtskämpfe der farben— ſchönen Männchen untereinander bieten dem Auge des Natur— freundes ein geradezu prachtvolles Schauſpiel. Bei warmem Sonnen— ſchein gerät dieſe ſtattlichſte der europäiſchen Eidechſen vor lauter Übermut förmlich außer Rand und Band. In Andaluſien, wo ich ſie vielfach beobachtet habe, gilt ſie beim Volke als Glücks— prophetin. Man läßt ſie über Sand laufen und bemüht ſich dann, aus der Spur des nachgeſchleppten Schwanzes die gewinn— verheißende Lottonummer herauszuleſen. Mit den Panzerechſen oder Krokodilen geht es in unſerer Seit intenjiofter Kultur auch ſchon allenthalben unaufhalt— ſam bergab, und aus vielen Candſtrichen, wo ſie früher eine ganz gewöhnliche Erſcheinung waren, ſind ſie heute infolge unab— läſſiger Verfolgung ſchon völlig verſchwunden. In anderen wäre dies wohl ebenfalls längſt der Fall, wenn nicht religiöſer Aber— glaube in ihnen heilige Tiere erblickte, oder wenn nicht — menſch— licher Eigennutz ſie in Schutz genommen hätte. Denn während man früher in den Krokodilen nur die nicht genug zu haſſenden . Räuber und Menſchenfreſſer ſah, hat die Induſtrie der Neuzeit ſehr bald herausgefunden, daß dieſe Tiere auch recht beträcht— liche materielle Werte darſtellen und deshalb nicht völlig aus gerottet, ſondern wenigſtens in halbwildem Zuſtande erhalten bleiben ſollten, um für den Menſchen nutzbar gemacht zu werden. Bekanntlich iſt das Nilkrokodil Jahrtauſende hindurch ſozuſagen das Wappentier Ägyptens geweſen, aber es kam im Altertum ſicher auch in Syrien, wahrſcheinlich ſogar auf Rhodus und Abb. 15. Alligator, ſeines geſchätzten Felles wegen viel verfolgt und neuerdings gezüchtet, wird bis 4 m lang. Sizilien vor. Heute, im Seitalter der Repetiergewehre, iſt es ſelbſt aus dem Pharaonenlande völlig verdrängt. Nicht viel anders wäre es in Nordamerika dem Alligator (Alligator mississi- pénsis) gegangen, der noch vor wenigen Jahrzehnten die Sümpfe Floridas durch fein maſſenhaftes Dorkommen jo unheimlich machte. Aber als man dahinter kam, daß ein erlegter Alligator einen Wert von 25 bis 60 Dollars vorſtelle, und daß die Tiere raſch immer ſeltener wurden, da kam der findige Yankee alsbald auf den Gedanken, die wertvollen Tiere zu züchten, Alligatoren— farmen anzulegen. Und ſiehe da, die Sache ging, erwies ſich ſogar als recht gewinnbringend. Heute gibt es in Arkanjas ſchon eine ganze Reihe von Alligatorenfarmen, deren eine allein jährlich etwa 6000 Felle in den Handel bringt. Auf einer ſolchen Farm finden ſich in ſorgſam eingezäunten und geſicherten Ge— hegen Tauſende von Alligatoren aller Altersſtufen. Herrſcht doch auch nach ganz kleinen Exemplaren eine lebhafte Nachfrage, und nicht etwa nur ſeitens der Terrariumliebhaber. Dielmehr ſind die Dankeeladies auf den ſinnigen Gedanken gekommen, junge Alligatoren als Schoßtierchen à la mode zu erklären; ferner dienen in vielen Schaufenſtern dieſe lieben Tierchen als Aushänge- ſchilder, ſo namentlich in denen des Tabaktruſts. In den Farmen werden die Alligatoreneier auf Brutmaſchinen ausgebrütet, da die Weibchen, wenn man ſie bei ihrem Gelege beläßt, zu wild und gefährlich werden. Die Jungen (ſelbſt kaum ausgeſchlüpfte koſten ſchon 15 Mark das Stück) bekommen in der erſten Seit fünfmal täglich feingehacktes Ochſenfleiſch, während die Alten ſich ein— mal täglich mit Schlachthausreſten zufrieden geben müſſen. Ge— ſchlachtet werden nur die männlichen Tiere, die weiblichen da— gegen ausſchließlich zur Sucht benutzt. Krokodilleder iſt ja gegen» wärtig ſehr Mode und wird mit Vorliebe zur Anfertigung von Brief-, Sigarren- und Geldtaſchen, Damengürteln und Pan— toffeln verwendet. Die Sähne dienen zu Sierraten, aus dem Fett wird cl gekocht, und die ſchwarzen Boys eſſen mit Der: gnügen auch das Fleiſch, trotz des ihm anhaftenden Moſchus— geruchs. Die Alligatoren, die reichlich vier Meter lang werden, ſind nicht auf Amerika beſchränkt, da ſie auffallenderweiſe in A. sinénsis auch einen abgeſprengten aſiatiſchen Vertreter beſitzen. Ja ſelbſt auf deutſchem Boden ſind ſie gelegentlich ſchon als Irrgäſte vorgekommen. So ſtrandete 1879 an der oldenburgiſchen Küſte ein lebender, etwa 2 Meter langer A. lücius, und zwar handelte es ſich dabei nach den Unter— ſuchungen Wiepkens nicht etwa um ein aus einer Menagerie entwiſchtes, ſondern augenſcheinlich um ein durch den Golfſtrom verſchlagenes Stück. Viele Krokodile halten ſich ja mit Vorliebe gerade an der Ausmündung der Ströme und an den Meeresküjten ſelbſt auf und ſchwimmen gern weite Strecken ins Meer hinaus, wie dies ee namentlich von dem verbreitetſten Krokodil Südaſiens, dem mächtigen (es kann neun, in Ausnahmefällen ſogar faſt zehn Meter lang werden!), aber ſchlanken und hellfarbigen Ceiſten— krokodil (Crocodilus porösus) bekannt geworden iſt. Wie weit dieſe Seereiſen unter Umſtänden führen können, mag man daraus entnehmen, daß ein Leiſtenkrokodil auf den Kokosinjeln erlegt wurde (nächſtes Dorkommen auf dem 700 engliſche Meilen ent— fernten Java) und ein Alligator auf Barbados (nächſtes Dor- kommen an der 300 engliſche Meilen entfernten Orinokomün— dung). Daß aber ſolche ausgedehnte Wanderungen nicht ohne Abenteuer verlaufen, beweiſt eine Mitteilung Mitchells, der bei Trinidad beobachtete, wie ein auf einem im Meere treibenden Baumſtamm ſitzender Alligator von haifiſchen bedrängt wurde. Intereſſant iſt es, daß die Krokodile bis zu einem gewiſſen Grade Brutpflege ausüben. So ſcharrt das Alligatorweibchen über den abgelegten Eiern einen mächtigen Haufen faulender Degetabilien zuſammen, und die bei deren Serſetzung entſtehende Wärme hilft die allmählich ganz bräunlich werdenden Eier zeitigen wie in einer Brutmaſchine. Das Weibchen bleibt die ganze Seit über bei dem Haufen als grimmiger Wachtpoſten liegen und verteidigt im Notfall ſein Gelege auf das nach— drücklichſte. Dagegen kümmern ſich die Krokodilmännchen gar nicht um ihre Nachkommenſchaft, bekunden ihr gegenüber viel— mehr häufig kannibaliſche Gelüſte, worauf es wohl auch zurück— zuführen iſt, daß vorſintflutliche verſteinerte Saurier ſo oft Junge der eigenen Art im Leibe haben. Das Nilkrokodil (C. nilöticus) birgt ſeine etwa 100 gänſeeiergroßen Eier einen halben Meter tief im Sande, lagert ſich dann gleichfalls darüber und harrt ſo lange aus, bis die Jungen nach 40 bis 45 Tagen durch quakende Laute zu verſtehen geben, daß ſie aus ihrer Haft befreit werden möchten, worauf ſie von der Mutter ausgegraben werden. Sie ſind dann etwa 15 bis 20 cm lang und wachſen anfangs ſehr ſchnell, ſpäter aber recht langſam. Ruch erwachſene Krokodile haben dieſe quakende Stimme, die allerdings mit zunehmendem Alter immer fauchender wird. Werner hörte von ihnen auch ſeltſam girrende, ſehr laute Töne. Alle Krokodile ſind über: wiegend Nachttiere, die den Tag mit Schlafen oder trägem Sid): ſonnen verbringen (wo die Gewäſſer in der heißen Jahreszeit austrocknen, halten ſie im Bodenſchlamm auch einen Sommer: ſchlaf) und erſt mit Einbruch der Dämmerung zu regerer Tätig- keit ſich aufraffen. Dann aber entwickeln ſie namentlich beim Fiſchfang, den fie mit aufgeſperrtem Rachen betreiben, eine über— raſchende Munterkeit und Gewandtheit. Auch auf dem Lande ſind dieſe Panzerkoloſſe keineswegs jo ſchwerfällig, wie es uns Leſefibelweisheit glauben machen möchte. Ich würde wenigſtens niemandem raten, ſich darauf zu verlaſſen, daß das Krokodil ſich nur unbeholfen und langſam herumdrehen könne. Dies geſchieht vielmehr ſehr ſchnell, indem das Tier mit großer Wucht den ganzen Körper auf einmal herumwirft. Eine furcht— bare Waffe iſt der kräftige Schwanz des äußerſt zählebigen Tieres, und feine Hiebe vermögen recht wohl ein Boot zum Kentern zu bringen. Entgegen der Meinung v. Fiſchers iſt Klingelhöffer der Anſicht, daß das tauchende Krokodil durch die Nickhaut im Sehen behindert wird, da ſie zwar durchſcheinend, aber nicht durchſichtig iſt. Nach vorn ſehen die Krokodile viel ſchlechter als nach den Seiten, und deshalb geſchieht auch das Ergreifen der Beute immer ſeitlich mit den Seiten- und nicht mit den Dorderzähnen. Den Alligator ſah Klingelhöffer auch mit taſtender Zunge gründeln wie eine Ente. Heruntergewürgt wird der Biſſen dann mit hoch erhobenem Kopfe. Nach einer ergiebigen Mahlzeit ſonnt ſich das Tier mit aufgeſperrtem Rachen, und der Alligator iſt dabei bemüht, mit den Krallen der hinterbeine, die Zähne von ſteckengebliebenen Futterreſten zu reinigen. Dem Nil: krokodil beſorgt dieſen Ciebesdienſt ein kleiner, regenpfeifer— artiger Vogel, der ſogenannte Krokodilwächter (Cursörius aegyp- tiacus), den es ruhig gewähren läßt, während es andere Dögel, die ſich in der Nähe zur Tränke niederlaſſen, gierig wegſchnappt. Candausflüge unternehmen die Krokodile nur des Nachts, denn ſo frech und räuberiſch ſie ſich im Waſſer zeigen, ſo furchtſam und ſcheu, ja geradezu erbärmlich feige ſind ſie am Lande. Be— kanntlich galt das Nilkrokodil im alten Ägypten als heilig, und man findet deshalb ſeine einbalſamierten Mumien zu Tauſenden in den Grabhöhlen an den Ufern des merkwürdigen Stromes. Heute freilich will man ſelbſt im Sudan von dieſer Heiligkeit nichts mehr wiſſen, verfolgt die Krokodile vielmehr jederzeit nach Kräften und auf jede nur erdenkliche Weiſe. Nur einige Neger— 1 Wa ſtämme ſollen noch der Sitte huldigen, alljährlich die älteſte Frau des Dorfes den Krokodilen zu opfern, aber ſie machen ſich kein Gewiſſen daraus, die als Leckerbijjen geltenden Eier der Panzerechſe auszugraben und zu verzehren. Daß übrigens die allzu rückſichtsloſe Ausrottung der Krokodile auch bedenkliche Folgen nach ſich ziehen kann, beweiſen Berichte aus Florida, wo die gefürchteten Mohaſſinſchlangen ſeit der Verdrängung der Alligatoren in geradezu unheimlicher Weiſe überhandgenommen haben. Einer gewiſſen Verehrung erfreut ſich dagegen noch bis zum heutigen Tage bei frommen Indern der ungemein ſchmal— und langſchnauzige, etwa fünf Meter lange Gavial (Gaviälis gangeticus) der indischen Ströme, deſſen Männchen einen eigentüm— lich knolligen Aufſatz auf der Schnauzenſpitze trägt. Er iſt in der Tat wohl das harmloſeſte aller Krokodile, da er ſich faſt ausſchließlich von Fiſchen ernährt und das Waſſer nur ausnahms— weiſe verläßt. Wie der Alligator, ſo ſind auch einige Schildkröten für den menſchlichen haushalt bedeutungsvoll geworden, ſo vor allem die das geſchätzte Schildpatt liefernde Karettſchildkröte (Che— lone imbricäta), die mit ihren zu breiten Floſſen umgewandelten Vorderbeinen die tropiſchen Meere unglaublich ſchnell und gewandt mehr durchfliegt als durchſchwimmt. Nur zur Eiablage ſteigen dieſe Tiere an ganz beſtimmten ſandigen Küſten, an denen fie mit großer Sähigkeit feſthalten, ans Land, nur zu oft zu ihrem Der: derben, denn ſo rückſichtslos verfolgt ſie überall der habgierige Menſch, daß ihre Sahl ſchon in recht bedenklicher Weiſe ab— genommen hat. Leider kommen bei dieſen Schlächtereien auch noch gräßliche Tierquälereien vor, indem man die dicken, wunder— voll geflammten Küchkenſchilder durch Einwirkung von hitze viel— fach an dem noch lebenden Tiere ablöſt. Beſonders für Neu— guinea und den Bismarchkarchipel iſt Schildpatt ein ſehr wichtiger Ausfuhrartikel geworden. Bei der großen Schwimmfähigkeit des Tieres kann es nicht weiter wundernehmen, daß vereinzelte und verirrte Karetten auch ſchon an den engliſchen und holländiſchen Küjten erbeutet wurden. häufiger iſt das bei der auch in ge— mäßigten Meeren lebenden Seeſchildkröte (Thalassochelys carétta) der Fall, der „unechten Karette”, die heutzutage wohl den größten Teil des in den Handel kommenden Schildpatts liefert. RD Schon der verſchwenderiſche Carvinius Pöllio machte die Römer mit dieſer Art Schildpatt bekannt, und es hat ſeitdem allen Caunen der Mode getrotzt und ſeine Beliebtheit unverändert bis zur Gegen— wart beibehalten. Freilich iſt es ein recht koſtſpieliges Material, denn ſchon an Ort und Stelle Rojtet ein mittelgroßes Rücken— ſchild 25 bis 40 Mark. Mit jpielender Leichtigkeit ſchweben dieſe großen Schildkröten unter bedächtigen, niemals überhaſteten Ruder— ſchlägen in wundervollem Waſſerflug wie Raubvögel durch die Meere, und dieſe großartige Bewegungsfreiheit geſtattet ihnen auch, ganz die Cebensweiſe von Sugvögeln zu führen. Im Sommer halten ſie ſich regelmäßig auch in den europäiſchen Meeren auf, aber mit Beginn der rauhen Jahreszeit wandern ſie ſchleunigſt nach Süden, und auf dem Markte von Trieſt z. B. ſieht man während des Winters keine einzige mehr. Es ſind ausgeſprochene Hochſeetiere, die nur zum Ruhen und Sonnen in die wärmeren Oberſchichten des Waſſers heraufkommen, ihre Jagden aber in den tieferen Schichten betreiben. Sowohl Seeſchildkröte wie Karette ſind vorzügliche Fiſchjäger, und mit lautem Krachen zerknacken ihre hakenkiefer Krebspanzer und Muſchelſchalen. Schnee jah öfters, daß dieſe Tiere ſich an Korallenriffen anklammerten, wenn fie ausruhen wollten. So behende ſie ſich im Waſſer be— wegen, ſo unglaublich ſchwerfällig ſind ſie am Lande, wo ſie ſich nur mühſelig mit hilfe der kurzen, plumpen Hinterbeine fortzu— ſchieben vermögen. Ihre Eier beſitzen eine richtige Kalkjchale, und deshalb ſind auch die Embryonen zum Durchbrechen der Schale mit einer ſpäter wieder verſchwindenden Hornwarze aus— gerüſtet, während die jungen Schlangen und Echſen einen ſolchen „Eizahn“ nicht nötig haben, da bei ihnen die Eiſchale von leder— artiger Beſchaffenheit iſt. Während das Fleiſch der Karette für ungenießbar, ja für geſundheitsſchädlich gilt, findet das der Seeſchildkröte feine Liebhaber, und ein weſtindiſches Sprichwort ſagt von ihm, daß es nach ſiebenerlei Tieren ſchmecke. Originell it die Art und Weiſe, wie die dortigen Eingeborenen den Fang dieſer Schildkröten betreiben. Wie Haddon erzählt, benutzen ſie dazu nämlich einen ſonderbaren „Jagdhund“, den ſogenannten Schiffshalter (Eehenéis). Bemerken die Leute bei jtiller See in der Tiefe eine ruhende Schildkröte, ſo laſſen ſie über ihr einen ſolchen Fiſch, dem eine Leine durch die durchbohrte e Floericke, Kriechtiere und Curche fremder Länder. „ gezogen iſt, ins Waſſer, und faſt immer wird er ſich an dem Panzer der Schildkröte mit ſeiner am Kopf und Nacken ſitzenden Saugſcheibe anheften und ſie ſo feſthalten. Wenn ſie aber tiefer taucht, jo ſtellt er doch eine Verbindung durch die Leine her, bis . ein Taucher hinabkommt, den Koloß feſſelt und die Bootsbeſatzung nun die ſchwere Laſt an einem Tau heraufziehen kann. Eine nahe Derwandte der Karette, die Suppenſchild— kröte (Chelöne mydas) hat in der ganzen Welt hulinariſche Berühmtheit erlangt. Während ihre Hornſchilder faſt wertlos ſind, iſt das Fleiſch vorzüglich und dient insbeſondere zur Be— reitung delikater und ſehr kräftiger Suppen. Auch die Kugel: runden Eier werden von den Eingeborenen überall gern gegeſſen, obſchon ihnen ein europäiſcher Gaumen nicht viel Geſchmack ab— gewinnen wird, da das Eiweiß wäſſerig, der Dotter aber ſo grob iſt, als ſei er mit Sand verrührt. Die Lebensweiſe iſt der der vorgenannten Arten ganz ähnlich, nur leben die Suppenſchild— kröten nicht von Meeresgetier, ſondern von allerlei Pflanzen— ſtoffen, d. h. nur die alten, denn die ſehr ſchnellwüchſigen jungen ſind auffallenderweiſe keine Degetarier. Huch iſt die Suppen— ſchildkröte im Schwimmen nicht ganz jo gewandt wie ihre Der- wandten, und insbejondere ſcheint ihr das Tauchen einige Schwierig— keiten zu machen. Will ſie ausruhen, ſo legt ſie nach Schnee die Vorderfloſſen von ſeitwärts über den Rand des Rückenſchildes und ſieht dann aus, als ob fie Hofenträger anhätte. Gewöhnlich bleibt ſie keine Minute unter Waſſer; dann erſcheint ſchon wieder der Kopf, deſſen unſäglich dummes Ausjehen dem Auge geradezu wehe tut. Nur unter kräftigen, ſtrampelnden Bein— bewegungen kann das große Tier überhaupt nach unten ge— langen, dort aber nicht auf dem Grunde herumſpazieren, wie etwa unſere Sumpfſchildkröten. Alle ihre Bewegungen ſind von einer gewiſſen Schläfrigkeit und Tolpatſchigkeit, auf dem Lande vollends von einer geradezu kläglichen Unbeholfenheit und Lang: ſamkeit, der Charakter von einer blöden Halsſtarrigkeit, und ihre Intelligenz iſt ſo gering, daß ſich das ungeſchlachte Geſchöpf oft ſtundenlang an einem Hindernis herumquält, ſtatt es einfach zu umgehen. Das Freſſen geſchieht ſchwimmend im flachen Waſſer, wobei der Kopf nach unten gehalten wird. Schnee ver— mutet, daß die ſchmackhhaften Tiere früher auf einſamen Inſeln LEBER = öfters durch Seeräuber eingebürgert wurden. So ſehr ſolche, wie überhaupt alle Seefahrer, von jeher das Fleiſch der Suppen— ſchildkröten zu ſchätzen wußten, haben ſie doch die Leber jtets weggeworfen, weil ſie dieſe für giftig halten; ob mit Kecht, muß einſtweilen dahingeſtellt bleiben. Im Haushalte der im Gebiete des Amazonenſtroms anſäſſigen Völker ſpielt die Arrau- Schildkröte (Podocnémis expänsa) eine hochwichtige Rolle, und zwar nicht nur wegen ihres Fleiſches, ſondern namentlich auch wegen ihrer zur Gewinnung von Ceuchtöl dienenden Eier. Wir verdanken dem bekannten Erforſcher Braſiliens, Goeldi, hierüber eine ebenſo eingehende wie anziehende Schilderung. Während des Winters führt das Tier im Schwemm- und TCagunengebiete eine ſehr verſteckte Lebensweije und ernährt ſich von abfallenden Baumfrüchten. Die ſcharfſinnigen Indianer wiſſen es jederzeit unter den Nährbäumen aufzufinden und trotz ſeiner großen Muskelkraft tauchend zu ergreifen, während Anſiedler und Meſtizen die Jagd mit der Harpune betreiben. Wenn dann die Schildkröten in die Flüſſe zurückkehren, verſperrt man die Ausgänge der Lagunen mit Netzen und veranſtaltet förmliche Treibjagden, wobei Pfeile zur Verwendung gelangen. Andre Jäger ſtellen ſich an den genau bekannten Wanderſtraßen auf den Anſtand. Die Hauptmetzelei aber findet dann ſtatt, wenn die vorher im Waſſer begatteten Weibchen zur Eiablage an die Ufer oder auf hohe Sandbänke kommen. An beſonders günſtigen Stellen erſcheinen dann die Schildkröten oft in ſolcher Menge, daß ſie ihre Panzer klappernd gegeneinander ſtoßen und den Nähnen den Weg verſperren. Jedes Weibchen ſcharrt eine Grube von einem halben Meter Tiefe aus, legt 80 bis 200 Eier hinein und deckt ſie dann ſorgfältig wieder zu. Früher wartete man wenigſtens mit dem Morden, bis dies geſchehen war, und infolgedeſſen entgingen auch manche beſonders gut ver— ſteckte Eiergruben der allgemeinen Dernichtung. Heute aber will menſchliche habgier und Kurzſichtigkeit den Tieren oft nicht ein— mal mehr dieſe kurze Gnadenfriſt gönnen, und ſo wird ein großer Teil ſchon vor der Eiablage umgebracht, viele auch an ungünſtige Orte verſprengt, wo die Gelege zugrunde gehen müſſen. Verſchont wird überhaupt nichts mehr, und die Folgen dieſes brutalen Raubbaues, gegen den Goeldi mit Recht ein tatkräftiges Ein— ſchreiten der Regierung fordert, machen ſich denn auch in einer SE erſchrechend raſchen Abnahme der Schildkröten nur zu deutlich bemerkbar. Auch wäre eine hünſtliche Süchtung der Tiere ſehr ausſichtsreich und gewinnbringend. Sur Seit der Eiablage ſammelt ſich die ganze Bevölkerung aus der Umgegend an den Fluß— bänken an, und auf den Sandbänken entwickelt ſich ein richtiges Jahrmarktsgetriebe. In großen Keſſeln brodelt überall an den Tagerfeuern das Schildkrötenfleiſch, das für ſchmackhafter und geſünder gilt als Schweinefleiſch und auch ein recht gutes Küchen fett liefert. Die Eier dienen in friſchem Suſtande als Erſatz für Hühnereier, die meiſten aber werden in umfangreichen Gefäßen mit den Füßen zerſtampft, und der entſtandene Brei wird unter Beifügung von etwas Waſſer umgerührt. Das Albumin löſt ſich, und nach kurzer Seit ſchwimmt das Gl obenauf und kann ab— geſchöpft werden. Aber um 12 Kilo Öl zu erhalten, braucht man 3000 Eier! Wo eine Eiergrube der Aufmerkjamkeit des Menſchen entgangen iſt, da gräbt, wie Goeldi ſchreibt, „ein Inſekt von außen einen Gang zu den Eierlöchern, um die faulen Eier weg— zuräumen; die dadurch eindringende Luft erweckt die Embryonen zum Leben”. Im Januar erſcheinen die Jungen an der Erdober— fläche, aber gleich auf dem kurzen Wege zum Waſſer bedroht ſie eine Unmenge von Gefahren. Den Menſchen gelten ſie als ein beſonderer Leckerbiſſen, die Geier räubern viele weg, und im Waſſer ſelbſt lauern ihrer ſchon gierige Alligatoren und Lachſe. So ſpielt ſich am größten Strome der Erde ein furchtbarer Der- nichtungskampf ab, in dem die ſchwerfällige und wehrloſe Schild- kröte in ſehr abſehbarer Friſt unterliegen muß, da ſie den Tücken dieſer Seit nicht mehr gewachſen iſt. Unter den kleineren Süßwaſſerſchildkröten gibt es eine große Zahl intereſſanter und hübſcher Arten, auf die näher einzugehen der verfügbare Raum leider nicht geſtattet. Von der ſprichwörtlich gewordenen Schwerfälligkeit und Langſamheit der Schildkröten iſt bei dieſen munteren Geſchöpfen blitzwenig zu merken, wenig— ſtens ſolange ſie im Waſſer ſind, denn nur hier entfalten ſie in ſtändig wechſelndem Wogen, Weben und Schweben die ihnen eigene Grazie und Eleganz. „Der plumpe Schildträger,“ ſagt Klingelhöffer, „wird zum gefährlichen und hurtigen Räuber.“ Selten iſt die wilde und aufregende Jagd nach Fiſchen, wobei ſie ſich oft gegenſeitig faſt planmäßig unterſtützen, ohne Erfolg. Und ae gründlich aufgeräumt wird mit der gemachten Beute. „Wie eine Schweineherde“ ſitzen die flachrückigen Gepanzerten dann auf dem Boden des Gewäſſers herum und halten Nachleſe; ſelbſt der harte Schädel wird zerriſſen und nur das ſtärkſte Stück der Wirbelſäule und die nach oben ſteigende Schwimmblaſe des Opfers bleiben übrig. Auffallend iſt es, wie die Süßwaſſerſchildkröten im höheren Alter unbehilflich und linkiſch werden; ſie, die ſonſt ſo zielſicheren Jäger ſchnappen dann oft daneben. Alle dieſe Arten ſind mehr oder Abb. 16. Schlangenhalsſchildkröte, in Auſtralien und Südamerika heimiſch, iſt im Waſſer ſehr beweglich. weniger fürs Aqua-Terrarium geeignet und vermögen hier ungeahnt viel Unterhaltung zu gewähren, wenn man ihnen nur einiger— maßen ihre naturgemäßen Lebensbedingungen erſetzen kann. Gegen— wärtig pflege ich eine Schlangenhalsſchildkröte (Hydro- medüsa tectifera), eine in Aujtralien und Südamerika heimiſche, harte und ausdauernde Art, die auch in den Tiergärten bald die KAufmerkſamkeit der Beſucher zu erregen pflegt, „wenn auf rieſenlangem Hals das rundſchnauzige Köpfchen aus dem Waſſer taucht und mit den ſchwefelgelben, kreisrunden Augen uns an— 7 ſtaunt“. Der lange, muskelkräftige hals leiſtet ihr offenbar in mehr als einer Beziehung ganz gute Dienſte. Beim Abwärts— klettern benutzt ſie ihn als hemmvorrichtung, und bei der Be— wältigung eines großen Biſſens hält er dieſen abwechſelnd den ſchwachen Vordergliedmaßen hin und bewirkt jo eine praktijche Arbeitsteilung. Die hübſch gezeichnete, dickköpfige Buckelſchildkröte (Damönia réévesi) ergötzt durch ihre Paarungsſpiele, wobei das Männchen ſtundenlang im Waſſer vor ſeinem Weibchen hin und her tänzelt, den Hals lang ausreckt und ſeine Schnauze zärtlich an der der herzallerliebſten reibt. Wenn ſie in recht nahrungs— reichen Teichen lebt, wo ſie ſich nicht viel Bewegung zu machen pflegt, wird fie oft zur „Grünhaarſchildkröte“, indem ſich ihr Rücken mit 3 bis 4 cm langen Algenfäden bedeckt, weshalb man ſie auf chineſiſchen Bildern gewöhnlich in einem wallenden Schleier dargeſtellt findet. Sie iſt in China ſehr gemein, und jeder bezopfte Handelsmann, der zum Schachern an Bord der Schiffe kommt, hat die Taſchen mit dieſen Tieren vollgepfropft. Ganz bejonders zier— liche und farbenprächtige, aber auch zarte und wärmebedürftige Geſchöpfe ſind die amerikaniſchen Pfauenaugenſchild— kröten (Chrysémys), bei denen wir eine beſtechende Vereinigung von Rot, Gelb und Grün in allen möglichen Sättigungsgraden vor— finden. Sie ſind äußerſt ſcheu, lebhaft und flink und eilen unter zappelnden Beinbewegungen ſchlammaufwirbelnd gar hurtig durchs Waſſer, wobei die Bruſtſchilder klappern wie Holzſchuhe. Oder ſie laſſen ſich, wie Kammerer beobachtete, mit angelegten Glied— maßen im Sonnenſchein auf der Oberfläche des Waſſers treiben, wobei der glatt polierte Schild, das leuchtende Rot eines heraus— geſtreckten Fußes und das geſättigte Gelb der Kopfjeiten ganz wundervoll erſtrahlen. Bei den derb gebauten, einfach-düſter gefärbten, ſehr ge— fräßigen und biſſigen Weichſchildkröten (Triönyx), die in den Flüſſen Afrikas, Amerikas und Kſiens eine nächtlich-verſteckte, aber keineswegs phlegmatiſche Lebensweiſe führen, finden ſich nur wenige und kleine knöcherne Scheiben in der Rückenmitte, rings herum aber eine weiche Unorpelmaſſe, die mit einer ziemlich zarten Haut bekleidet iſt. Gekennzeichnet werden dieſe merkwür— digen Tiere außer durch das leicht verletzliche Schild auch noch le durch wulſtige Lippen, meſſerſcharfes Gebiß, wütendes Gebaren, die zu einem Rüjjel ausgezogene Naſe, den krokodilartigen Bau der Füße und die mächtigen Schwimmhäute, die durch die Sehen wie durch die Stäbe eines Regenſchirms ausgeſpannt werden können. Wir haben es alſo hier mit einer außerordentlich weit— gehenden Differenzierung zu tun, und alles weiſt darauf hin, daß wir in den Weichſchildkröten ganz ausgeſprochene Waſſer— Abb. 17. Weichſchildkröte, hat nur wenig kleine knöcherne Scheiben in der Rückenmitte und zeichnet ſich durch biſſiges Weſen aus. bewohner vor uns haben. Nach Scherer beſitzen einige Arten ſogar ein kiemenartiges Organ, das ihnen eine Cuftaufnahme direkt aus dem Waſſer ermöglicht, weshalb ſie halbe Tage lang unter der Oberfläche zu bleiben vermögen, wo ſie ſich gern im Sand einpoddeln und nur die rüſſelartige Schnauze hervorſtrecken. Die größeren Arten kratzen und beißen ganz ge— hörig, wobei ſie vermöge des langen halſes blitzſchnell bald nach dieſer, bald nach jener Seite ſchnappen, und werden deshalb ſtets dicht verſchnürt und mit zugenähtem Maule auf den Markt gebracht. Ebenſo führt die nordamerikaniſche Schnappſchild— kröte (Chelydra serpentina) ihren Namen keineswegs umſonſt. Das lichtſcheue und unliebenswürdige Geſchöpf, das viel Schaden am Waſſergeflügel tut, beißt einen ſtarken Rohrſtock glatt durch, und größere Exemplare können ſelbſt badenden Menſchen ge— fährlich werden. Sogar die Jungen ſollen ſchon wütend um ſich beißen, nachdem ſie kaum dem Ei entſchlüpft ſind. Stelzenartigen Ganges und mit erhobenem Kopfe geht ſie fauchend jeden Gegner an und zeigt ſich dabei nicht nur mutig, ſondern geradezu boshaft und heimtückiſch. Die kleinen, aber räuberiſchen Klappſchild— kröten, die ihren aus drei Stücken beſtehenden Bauchpanzer vorn und hinten nach oben zuklappen können, alſo gewiſſer— maßen die Gürteltiere unter den Schildkröten vorſtellen, führen eine rein aquatile, jedoch verborgene Lebensweiſe, indem ſie entweder im Sumpf und Moraſt hauſen, oder ſich tagsüber in den Sand eingraben und erſt nachts zum Dorjchein kommen. Intereſſant iſt es, daß ſie ein dem Sirpen der Inſekten ähn— liches Geräuſch hervorzubringen vermögen, indem die Männchen zur Anlockung der Weibchen den mit zwei ovalen Haufen von Horn— tuberkeln, alſo Schrillorganen, beſetzten Unterſchenkel gegen den ebenſo ausgeſtatteten Oberſchenkel reiben: eine im Reich der Wirbeltiere ſonſt nur noch bei den Geckonengattungen Terato- seincus und Ptenöpus vorkommende Erſcheinung. Beſonders be— kannt geworden iſt von den hierher gehörigen Arten die lang— halſige, ſpitzſchnauzige und ſchlangenköpfige, mit ſchön gelber Zügelſtreifung und Barteln ausgeſtattete Moſchusſchildkröte (Cinostörnum odorätum), welche die Gewohnheit hat, jeden Biſſen vor dem Verzehren erſt hundeartig zu beſchnüffeln, und die ſelbſt einen höchſt eigentümlichen, vom Prinzen Wied mit widerlich ſtarkem Moſchus, von Frau v. Schweizerbarth mit grüner Seife verglichenen Geruch ausſtrömt. Sie führt in den Sümpfen eine jo faule Lebensweiſe, daß ihr KRüchkenſchild gewöhnlich mit einer üppigen Algenflora bedeckt iſt. Auch bei Sternothäérus beſteht der Bauchpanzer aus zwei Stücken, deren vorderes heraufgeklappt werden kann und jo Kopf und Dorderbeine vollſtändig verbirgt. Der im Brackhwaſſer der Kongomündung ein träges Daſein füh— rende St. derbyänus verdient noch deshalb bejonders erwähnt zu werden, weil er durch heftiges Suſammenklappen ſeiner Horn— FR kiefer ein hundeartiges Bellen hervorbringt. Eine indiſche Sumpf— ſchildkröte, Hard élla thürgi, hat die hornigen Kiefer aus— gezackt und ſo ein dräuendes, raubtierartiges Gebiß erhalten, wenn es natürlich auch im hiſtologiſchen Sinne keine Zähne ſind. Wahr— ſcheinlich ernährt ſich das Tier vorzugsweiſe von derben, zelluloſe— reichen und kieſelhaltigen Waſſerpflanzen, vielleicht nebenbei auch noch von Kruſtern und Schaltieren. Als ein wahrer Ausbund von Verfreſſenheit und Unverſchämt— heit muß die nordafrikaniſche Clemmys leprösa bezeichnet werden, die ſogar den Krokodilen Biſſen aus dem Kachen ſtiehlt und dann davon eilt, als ſei ſie vom Teufel beſeſſen. Eine Der- wandte von ihr, die mehr vegetariſch lebende C. japöniae wird in Japan als Sinnbild der Langlebigkeit in heiligen Teichen gehalten. Noch beſſer würden ſich dazu freilich die rieſenhaften, kamelhalſigen Elefantenſchildkröten (Elephantöpus) eig- nen, die jetzt nur noch auf wenigen Inſeln (Galapagos, Aldabra, Seychellen) des Stillen und Indiſchen Ozeans vorkommen, denn unter ihnen findet man in der Tat wahre Methuſalems. 8o ſchätzte Souzier 1895 die feit 1810 im hof der Artilleriekaſerne von Mauritius lebende und jetzt erblindete Elefantenſchildkröte auf 200 Jahre. Das Tier maß in der Krümmung des Kücken— ſchildes 157 cm und wog 484 Pfund. Das größte bekannte lebende Exemplar aber befindet ſich im Beſitze des Lord Rothſchild, und bei ihm lauten die betreffenden Sahlen auf 300 Jahre, 194 cm und 583 Pfund. Täglich verzehrt dieſes Ungetüm 17 bis 18 Pfund Weißkohl, für den es eine beſondere Dorliebe be— kundet. Auch ein 1906 im Londoner Tiergarten verjtorbenes Exemplar, das 250 Kilo wog, und auf 400 Jahre geſchätzt wurde, benötigte im Sommer eine größere Tagesration als eine Kuh, während es allerdings im Winter faſtete. Endlich wurde 1911 eine Elefantenſchildkröte gefangen, die auf ihrem Rücken eine Inſchrift aus dem Jahre 1793 trug, dieſe alſo 118 Jahre lang mit ſich herumgeſchleppt hatte. Intereſſant iſt endlich auch noch die Beobachtung Darwins, daß die männlichen Elefantenſchildkröten bei der Begattung ein heiſeres Blöken und Brüllen hören laſſen. Den wenigſtens teilweiſe ſo beweglichen und lebhaften Waſſer— ſchildkröten gegenüber erſcheinen die Candſchildkröten als wahre Stiefkinder der Natur. Der ſchwere, hochgewölbte Panzer ver— „ urteilt ſie zu bedächtigen Bewegungen, und ihre vegetabiliſche Ernährungsweiſe ermöglicht ihnen ein beſchauliches, ja ein ſtumpf— ſinniges Leben. Manche ſind unglaublich unbehilflich, und Schnee hat nicht ſo unrecht, wenn er ſie als die „Faultiere“ unter den Reptilien bezeichnet. Faſt möchte man ſich wundern, daß ſo ſchwerfällige und wehrloſe Geſchöpfe, die höchſtens in öden Steppen oder im Dunkel der Urwälder ihr eintöniges Daſein zu friſten vermögen, ihre Exiſtenz überhaupt bis heute zu behaupten vermochten. Die Kieſenformen, zu denen auch die eben be— ſprochenen Elefantenſchildkröten gehören, ſind ja auch unweiger— lich im Ausſterben begriffen, aber die kleineren Arten in vielen wärmeren Ländern doch noch recht häufig. Ganz jo dumm, wie es bei flüchtiger Beobachtung den Anſchein hat, ſind aber auch die Landſchildkröten nicht, und man muß bei gerechter Beurteilung ihres Weſens vieles auf Rechnung ihrer Plumpheit, Langjamkeit und Schüchternheit ſetzen. Um ſich vor einem Fall in die Tiefe zu bewahren, den ſie ſehr fürchten, gehen ſie mit einer unleug— baren Überlegung vor, und ebenſo bekunden gefangene Exem— plare, die übrigens in Kloſtergärten auch ſchon viele Jahr: zehnte ausgehalten haben, eine gewiſſe Anhänglichkeit an ihren Pfleger, ſowie einen unverkennbaren Ortsſinn. Mit Vergnügen erinnere ich mich aus meiner Jugend einer im Beſitze von Ver— wandten befindlichen griechiſchen Candſchildkröte (Testüdo gräéca), die in der Wohnung frei herumlief und hier ihre ganz beſonderen Lieblingspläßhen hatte, an denen ſie zu beſtimmten Stunden mit Sicherheit anzutreffen war. Sie folgte ſogar dem Rufe ihres Namens und trabte ſo eilig wie möglich herbei, um Salatblätter in Empfang zu nehmen. Darüber, daß man dieſem Tiere, das der Liebling der ganzen Familie war, ein gewiſſes Erinnerungs- und Orientierungsvermögen unmöglich abſprechen könne, war ich mir ſchon damals völlig klar. Ebenſo iſt ein gewiſſer Drang nach Selbſtändigkeit und Abwechſlung nicht weg— zuleugnen, ſo ſchwach es auch andrerſeits um die Entwicklung der Sinne beſtellt ſein mag. Selbſt in Turnerhünſten ſind dieſe Schild— kröten bei all ihrer Plumpheit nicht ganz unerfahren. Sie klettern ſogar mit einer wahren Leidenſchaft, wenn auch mit mehr Ausdauer als Geſchich, und können recht gut graben. Beſonders bei kühler Witterung machen ſie von dieſer Fertigkeit Gebrauch und ver— bringen dann in ſüßem Halbſchlummer die Tage, die ihnen nicht gefallen. Um ſo regſamer aber werden ſie, wenn bald nach dem Erwachen aus dem Winterſchlaf die Allgewalt des Paarungs— triebes ſich geltend macht. Dann haben die Männchen ſogar fürs Freſſen wenig Sinn, während bei den Weibchen der Futterneid auch jetzt jede andere Regung in den hintergrund drängt. Die durch einen längeren Schwanz mit größerem Enddorn ausgezeich— neten Männchen müſſen daher viel Geduld und Ausdauer auf— bieten, um zum Siele zu gelangen. Ihren Ciebesgefühlen geben Abb. 18. Candſchildkröte, unglaublich widerſtandsfähig, unbehilflich und faul, nährt ſich ö vegetabiliſch. ſie durch heftiges Beißen Ausdruck, und halbe Stunden lang laſſen ſie ſich ſtöhnend und ächzend von den Weibchen herum— ſchleppen, bis dieſe endlich genügend gereizt ſind, eine milch— weiße Flüſſigkeit abſondern und den Küchkenſchild hoch heben. Mit— bewerber ſuchen freilich den Glücklichen oft noch im letzten Augen— blicke zu jtören und von feinem mühſam genug errungenen Fitze herabzuwerfen, worüber er dann trotz allem ſonſtigen Phlegma begreiflicherweiſe in die größte Wut gerät. Die weißlichgelben, hartſchaligen Eier werden in einem ſchiefgehenden, 10 bis 15 em langen Trichter ſorgfältig verſcharrt und liefern nach 2 bis 2½ Monaten die niedlichen, 3 bis 4 cm langen Jungen mit noch 7 weicher Panzerung. Die geſchmachvolle Rückenzeihnung verändert ſich mit zunehmendem Alter inſofern, als das Schwarz auf Kojten des Gelb immer mehr zunimmt. Unglaublich iſt die zähe Wider— ſtandskraft des Tieres gegen die furchtbarſten Derwundungen und Derjtümmelungen, womit aber keineswegs gejagt ſein ſoll, daß es dabei keinen Schmerz empfinde. Haben doch entſetzlich grau— ſame und meines Erachtens durch nichts zu rechtfertigende Der- ſuche der Laboratoriumszoologen gezeigt, daß dieſe Schildkröten mit ausgenommenem Gehirn noch monatelang herumlaufen! T. gräéca tritt ſchon in Dalmatien regelmäßig auf, und ich habe ſie dort hauptſächlich auf ſonnigem, begraſtem oder bebuſchtem Ge— lände gefunden. Sie kann faſt als Allesfreſſer (anſcheinend findet ſie die Nahrung durch den Geruch) bezeichnet werden, und Wiede— mann hat ganz recht, wenn er ſie „das Schwein der herpetologie“ nennt. Ja — hätte ich bei meiner erſten Balkanreiſe ſchon gewußt, daß fie mit Vorliebe auch Menſchenkot angeht, ich würde mir ſchwerlich jo oft Schildkrötenſuppe gekocht und ſie kaum mit jo großem Behagen verſpeiſt haben. Iſt ſchon der zwiſchen Panzerplatten eingeengte Schildkröten— leib keiner übermäßigen Differenzierungen fähig, ſo gilt dies in faſt noch erhöhtem Maße von dem ſchlanken Körper der Schlangen, deren Lebensweiſe auch infolgedeſſen eine ziemlich uniforme iſt, ſo daß wir uns hier kurz faſſen können. Dielleicht den extremſten Typ ſtellen die Baum- und Peitſchenſchlangen vor, bei denen der Körper ganz unglaublich in die Länge gezogen iſt, Jo daß er in der Tat ſtark an eine Peitjchenjchnur erinnert, zumal der ein Drittel der Geſamtlänge ausmachende Schwanz ganz all— mählich in eine fadendünne Spitze ausläuft. Bei Himäntodes gracillimus z. B. verhält ſich die Länge zur Dicke wie 1:150 (bei Diperiden dagegen wie 1:25)! Alle Eingeweide müſſen zu den denkbar feinſten Röhren ausgezogen ſein, ſonſt könnte der kompli— zierte Organismus einer Schlange unmöglich in einer ſolchen peitſchenſchnur platz finden. In der Tat ſind auch die Baum— ſchlangen zarte und nicht beſonders Kräftige, dafür aber äußerſt gewandte Geſchöpfe. Nur auf dem Erdboden, zu dem ſie frei— willig nur äußerſt ſelten herabkommen, bewegen ſie ſich ziem— lich ungeſchicht. Ihr Reich ſind die Wipfel der Bäume, wo ſie entweder träge und etwas ſchlaff in Brezelform von den Zweigen u m herabhängen oder mit ſpielender Leichtigkeit mehr gleitend als kletternd über ſie hinwegeilen, bis ſie eine Baumeidechſe oder dergleichen erſpäht haben und nun in plötzlichem Dorjtoß mit S-förmig erhobenem, ſtark aufgeblähtem Halje und offenem Rachen auf ſie losſchießen. Den meiſten Baumſchlangen, insbeſondere den Angehörigen der Gattung Dryöphis kommt beim Peſchleichen der Beute auch die blattgrüne Färbung zuſtatten, die um ſo täuſchender wirkt, als ſie matt iſt, alſo nicht glänzt. Wenn ſo die fabel— haft geſtreckten, nur bleiſtiftdicken, leuchtend grünen Geſtalten mit dem blattartig zugeſpitzten Kopf in ſtilvollen Wendungen durchs Blattwerk gleiten, müſſen fie als hochmoderne Tiere das Auge eines Sezeſſionsmalers geradezu entzücken. Die erhaſchte Beute wird in eine ſchwebende Lage gebracht und durch einige Kau— bewegungen jo weit vorwärts geſchoben, daß die weit hinten liegenden Giftzähne in Tätigkeit treten und ihre mehr lähmende als tötende Wirkung geltend machen können. Die Scylingfähigkeit iſt enorm, aber der Schlingakt wirkt trotzdem nicht ſo widerlich wie bei anderen Schlangen. An dem gewaltig ſich ausdehnenden Balfe kommen nämlich zwiſchen der grünen Farbe nun auch die ſchwarzen und ſilbrigweißen Interſtitialpartien zum Oorſchein, und Berg meint, daß der farbenſchillernde Hals dann mehr einer Orchideenblüte gliche, in die die Eidechſe ſcheinbar freiwillig hineinkröche, ein Vergleich, den wohl nur eine gewiſſe Vorliebe für dieſe ſchönen und eleganten Schlangen bewirkt haben kann. Beſonders herrlich gefärbt iſt die im tropiſchen Aſien heimiſche Goldbaumſchlange (Chrysopheléa ornäta), die man nicht mit Unrecht auch „fliegende Schlange“ benannt hat, da ſie auch durch die Luft von einem Baum zum anderen zu gleiten vermag. Sie ſtreckt dabei den ganzen Körper ſteif und gerade aus und zieht den Bauch zwiſchen den beiden an ſeinen Seiten entlang laufen— den Nahtlinien ſehr ſtark nach innen ein: jo entſteht eine Cängs— rinne oder Hohlkehle, und — der Gleitflieger iſt fertig. Charakte— riſtiſch für die Baumſchlangen iſt ferner ihre ſtark vorgezogene, faſt rüſſelartige Schnauzenſpitze, die wahrſcheinlich bei der Auf- nahme der Waſſertropfen von den Blättern irgendwelche Rolle ſpielt, denn zum Taſten kann ſie ſchwerlich verwendet werden, da ſie mit dicken Schildern beſetzt iſt. „Baumſchnüffler“ iſt wegen dieſer Rüſſelſchnauze auch kein übler Name für unſere Schlangen, die manchmal mit Sarbholzladungen in einzelnen lebenden Stücken verſehentlich auch nach unſeren Hafenſtädten ver— ſchleppt werden. Sur Erleichterung der Häutung ſondert Dryöphis wie jo viele Schlangen ein Rlebriges Sekret aus, das aber hier nicht gerade wohlriechend und beſonders reichlich iſt, wohl weil der Schlange bei ihrem ausgeſprochenen Baumleben Felsgeſtein zum Abjtreifen der Haut nicht zur Verfügung ſteht. Die gleiche Urſache mag es verſchulden, daß bei den braunen Peitſchenſchlangen (Oxybelis) Amerikas die haut nicht in Geſtalt des bekannten „Schlangenhemdes“, ſondern fetzenweiſe abgeht. Die im Genick ergriffene Beute läßt Oxybelis frei in der Luft ſchweben und erdroſſelt ſie jo ganz langſam nach einem oft eine Diertelſtunde währenden Todeskampf. In der Färbung gleicht dieſe Schlange dürren Sweigen und wohnt auch demgemäß hauptſächlich auf ab— geſtorbenen Bäumen, denn ſo ausgeſprochene Schutzfarben es auch im Schlangenreiche gibt, ſo iſt doch ein Farbwechſelvermögen un— bekannt, obſchon es den Tieren manchmal ſehr von Nutzen wäre. Eine andere, für Schlangenverhältniſſe ziemlich weitgehende An— paſſung an eine beſondere Lebensweiſe ſtellen die Seeſchlangen (Hydröphis) vor, worunter natürlich nicht die rieſigen Fabel— ungeheuer abergläubiſcher und phantaſievoller Seefahrer zu ver— ſtehen ſind, die ſich aus den Wanderzügen von Schwertfiſchen oder Delphinen viel einfacher und harmloſer erklären. Die wirk- lichen Seeſchlangen ſind immerhin ſtattliche und überdies ſehr giftige Schlangen vom Habitus der Muränen, alſo mit ſeitlich zuſammengedrücktem, erhöhtem, ruderfloſſenartigem Ruderſchwanz, der ſich vorzüglich zum Steuern in den Meeresfluten eignet. Don den Matroſen werden dieſe zuzeiten recht wanderluſtigen Schlangen nicht ſelten an mit Schweinefleiſch geköderten Angeln gefangen. Intereſſanter als die von ihnen in Umlauf gebrachten und teil— weile auch in die Naturgeſchichtsbücher übergegangenen aben— teuerlichen Erzählungen ſind aber die Unterſuchungen, die Weſt an einer Art, der Plättchenſchlange (Hydrus platürus) an— geſtellt hat. Der Gelehrte fand nämlich rund um die Sähne des Ober- wie Unterkiefers herum eine Menge von ſehr jtark ge— wundenen und ganz erſtaunlich entwickelten Blutbahnen, die die Swiſchenräume zwiſchen den Sähnen vollkommen ausfüllten und ſich auch noch über einen großen Teil der beiden Kieferjeiten RL ER erſtrechten. Es iſt kaum anzunehmen, daß das in ihnen enthaltene Blut zur Ernährung der Sähne dient, denn andere Schlangen, die verhältnismäßig weit größere Sähne beſitzen, haben doch keine Spur dieſer Einrichtung aufzuweiſen. Dielmehr liegt die Wahr— ſcheinlichkeit ſehr nahe, daß dieſe Einrichtung eine ſogenannte Waſſeratmung ermöglicht, alſo als ein akzejjorijches Atmungs— werkzeug aufzufaſſen iſt, ähnlich wie die zottigen Fortſätze im Maule der Weichſchildkröten. Als dritte biologiſche Anpaſſungserſcheinung aus dem Schlangen— reiche ſei endlich noch die ſchon in Südoſteuropa vorkommende Sandſchlange (Eryx jäculus) erwähnt. Ihr ſchlaff und glitſchig anzufühlender Leib iſt ſo weich und ſchmiegſam, daß er ſich wie der einer Schnecke jeder Unterlage anpaßt, trotzdem aber un— gemein muskelkräftig. Bei unfreundlichem Wetter ganz im Sande vergraben, ſtreckt ſie bei Sonnenſchein das Köpfchen ſo weit heraus, daß Auge und Naſenlöcher freiliegen. Erblickt ſie jo ein für: witziges Mäuslein oder Echslein, ſo fährt ſie plötzlich wie eine los— geſchnellte Uhrfeder aus ihrem Derjte heraus, ſchlingt blitzſchnell nach Rieſenſchlangenart einige Windungen um das Opfer und preßt ihm die Rippen zuſammen, daß ihm hören und Sehen ver— geht; ſo ungeſtüm verfährt ſie bei dieſen Angriffen, daß ſie verſehentlich bisweilen auch einen Teil des eigenen Leibes mit verknotet und dann zuſehen muß, wie fie ſich wieder herauswichkelt. berraſchend ſchnell bewegt ſich das höchſtens dreiviertel Meter lange, harmloſe Schlängelchen, das die Araber für giftig halten und das ihrer Meinung nach auch mit der Schwanzſpitze ſtechen kann, auch. unterirdiſch im lockeren Wüſtenſande fort. Die Sandſchlange iſt eben in jeder Beziehung eine dem Sandleben angepaßte Miniatur— ausgabe der Rieſenſchlangen. Noch ungleich mehr ſind auf eine unterirdiſche Cebensweiſe freilich die Wurmſchlangen (Typhlops) eingerichtet, die in der Tat weit mehr an Regenwürmer als an Schlangen erinnern, kein erweiterungsfähiges Maul und nur rudimentäre Augen haben. Um nun zu den Kieſenſchlangen ſelbſt überzugehen, jo ſind ſie naturgeſchichtlich namentlich inſofern merkwürdig, als die Weibchen ihr Gelege einer regelrechten Bebrütung unterziehen, und dabei ihre eigene Körpertemperatur eine weſentliche Steige— rung erfährt, die bei der in dieſer Beziehung am beſten beob— achteten Tigerſchlange (Python molürus) Indiens nach den Mejjungen Marſhalls 8,25 Grad beträgt. Die mit einer dicken, ledrigen haut verſehenen Eier ſind bei dieſer Art ſo groß wie Gänſeeier und werden kegelförmig aufgebaut, worauf die beſorgte und daher während dieſer Seit ſehr reizbare Mutter die Schlingen ihres gigantiſchen Leibes derart darauflegt, daß fie ein flaches Gewölbe bilden und der Kopf die höchſte Stelle in der Mitte ein— Abb. 19. Tigerſchlange, ſehr muskelkräftige Rieſenſchlange Indiens, das Weibchen bebrütet die Eier. nimmt. Ihr Leib vollführt dabei öfters kurze, zuckende Bewegungen, und dem Maule entfährt ein merkwürdig dumpfes Siſchen. Auch wurde beobachtet, daß das Tier die Eier zeitweilig unterſucht und die abgeſtorbenen mit der Schnauze aus dem haufen entfernt. Die Brutdauer betrug in einem Falle 82, im anderen 57 Tage. Um die ausgeſchlüpften, etwa daumendicken, 60 bis 70 em langen, prachtvoll gezeichneten Jungen kümmert ſich die Mutter nicht mehr. Angriff und Umſchlingung geſchehen bei den meiſten Riejen- ſchlangen ſo fabelhaft ſchnell, daß nur der Bruchteil einer Sekunde dazu nötig iſt, und das zur größeren Sicherheit noch mit den Sähnen 5 ae am Kopfe gepackte Beutetier in der Regel nicht einmal Seit be— hält, ſeinen Todesſchrei auszuſtoßen. Eine ſchier unheimliche Muskelkraft ſcheint in dieſem langen und geſchmeidigen Schlangen⸗ leibe aufgeſpeichert zu ſein, die bei gezähmten Exemplaren ſelbſt dann gefährlich werden kann, wenn ſie gar nichts Böſes beabſich— tigen, ſondern ſich lediglich an dem menſchlichen Körper feſthalten wollen. Meiſt müſſen mittelgroße, warmblütige Tiere herhalten, aber die Anakonda (Eunéctes notäéus) jagt auch im Waſſer auf Fiſche und junge Krokodile, die ſie wie in einen Schraubſtock einpreßt. Von den gewaltigen Biſſen, die dieſe Schlangen zu be— wältigen vermögen, wie auch von ihrer erſtaunlichen Derdauungs» kraft, geben die im hagenbeckſchen Tierpark zu Stellingen an— geſtellten und von Sokolowsky beſchriebenen Fütterungsverſuche einen guten Begriff. Eine ſieben Meter lange Netzſchlange (Python reticulätus) aus Borneo nahm einen Schwan von 17 Pfund und drei Tage ſpäter einen ſibiriſchen Rehbock von 67 Pfund zu ſich; eine andre innerhalb zwei Tagen zwei Siegen von 28 und 39 Pfund und wenige Tage ſpäter eine Steinziege von 71 Pfund, die ſie dann, durch das Blitzlicht des photographiſchen Apparates erſchreckht, innerhalb einer halben Minute wieder ausſpie. Alſo innerhalb neun Tagen 158 Pfund! Ein Schwein von 45 Pfund wurde in einer halben Stunde herabgewürgt. Da erſcheint es ſehr wohl glaublich, daß erwachſene Rieſenſchlangen in freier Natur Tiere von Sentnerſchwere anfallen und verſchlingen. Einige Arten ſollen ſogar aus reiner Bosheit weit über Bedarf morden. Beim Schlinggeſchäft werden dem tüchtig eingeſpeichelten Opfer alle Rippen gebrochen und alle Knochen ausgelenkt. Die Harn- ausſcheidungen beſtehen aus faſt reiner Harnſäure und finden des— halb für chemiſche Präparate Verwendung. Der den Riejen- ſchlangen häufig anhaftende Moſchusgeruch hat dagegen geſchlecht⸗ liche Bedeutung. Nach einer guten Mahlzeit und ebenſo vor der Häutung legen ſie ſich gern für längere Seit ins Waſſer und ſind dann am friedfertigſten. Werner, der jahrelang in der eigenen Häuslichkeit in engem, perſönlichem Verkehr mit dieſen ungemüt⸗ lichen Bieſtern lebte, iſt zu dem Schluſſe gekommen, daß man ſchon an Augen und Geſichtsausdruck einigermaßen erkennen hann, weſſen man ſich von ihnen zu verſehen hat. Je dunkler die Iris— farbe, je hundeartiger der Geſichtsausdruck, deſto e ſind Floericke, Kriechtiere und Lurche fremder Länder. A lie. Für beſonders gutmütig gilt P. régius, die ſich gern tätſcheln und ſtreicheln läßt und von den Tierwärtern „Ball— ſchlange“ genannt wird, weil ſie ſich zu einem Knäuel zuſammen— zuballen pflegt und dann alles mit ſich geſchehen läßt. Bei den Tierbändigerinnen aber heißt ſie „Armbandſchlange“, weil ſie ohne alle Gefahr zu den bekannten Kunſtſtückchen in den Jahr— marktsbuden verwendet werden kann. Ein recht angriffsluſtiger Charakter iſt dagegen die maſſige Bö6a constrictor, deren Sähne böſe Bißwunden hinterlaſſen und die auch unabſichtlich ihren ſofort ſteinhart werdenden Leib jo feſt an die Unterlage anpreßt, daß man nicht einmal eine Meſſerklinge dazwiſchenſchieben kann. Im übrigen hat aber Werner ſicher recht, wenn er den Rieſenſchlangen mehr individuelle als artliche Charakterverſchiedenheiten zuſchreibt, und der aufmerkſame Beobachter wird gerade bei dieſer Gruppe auf die merkwürdigſten Idioſynkraſien und Ciebhabereien jtoßen. Außerlich beſonders ſchön ſind die amerikaniſchen Boaarten, und ihre an ſich ſchon jo bunte haut bekommt unmittelbar nach der Hhäu— tung einen ganz prachtvollen blauen oder grüngoldigen Schimmer. Die ſonſt nicht beſonders farbenprächtige, ſehr träge und waſſer— liebende Epicrates cénchris ſteigert dieſe Schönheit noch dadurch, daß ihre Haut im Sonnenlicht mit blendend tiefblauem Schimmer in hohem Grade iriſiert. Übrigens gibt es unter dieſer Gruppe auch kleinere und harmloſe Formen. So findet man in Braſilien eine höchſtens vier Meter lang werdende Boa der Ratten— plage wegen vielfach als gern geſehenes haustier, und die noch bedeutend kleinere Ungälia maculäta vollends ernährt ſich hauptſächlich von Fröſchen, deren Lebenszähigkeit ihr beim Er— droſſeln genug zu ſchaffen macht, ſo daß ſie ſich oft eine volle Stunde mit ihnen herumquälen muß. Über die Sahl der giftigen Schlangenarten gibt ſich der Laie gewöhnlich ſehr übertriebenen Dorjtellungen hin. Nach Bou— langers grundlegendem Catalogue of the Snakes (1896) kennen wir 1659 (inzwiſchen ſind es einige Dutzend mehr geworden) ſichere Schlangenarten. Davon ſind jedoch nur giftig die 55 Seeſchlangen, die 138 Giftnattern, die 106 Ottern und Klapperſchlangen, aljo insgeſamt 299 Arten gegen 1340 ungiftige. Das Derhältnis iſt demnach nur wie 2:11! Ich kann hier nur ganz wenige dieſer Giftſchlangen flüchtig berühren. Die gefährlichſte von ihnen iſt EB wohl unſtreitig die gefürchtete Brillenſchlange (Näja tripü- dians), oder es fallen ihr doch wenigſtens die meiſten Menſchen— leben zum Opfer, da ſie in zum Teil dicht bejiedelten Gegenden hauſt. Die indiſchen Statiſtiker geben allerdings erſchreckende Sahlen an. Es ſollen dort alljährlich noch heute gegen 20000 Menſchen an Schlangenbiß ſterben und 400 000 Brillenſchlangen— köpfe gegen eine Belohnung von 50 Pfennig für das Stück ab— geliefert werden. Indeſſen iſt dabei zu berückſichtigen, daß unter den Getöteten ein ſehr großer Prozentſatz von ſolchen Menſchen enthalten ſein wird, deren plötzliche Todesurſache oder deren ſpur— loſes „Verſchwinden“ keine Aufklärung fand, und daß weiter das Prämienſyſtem auch hier mal wieder ſeine Kehrjeite zeigt, indem neueren und durchaus glaubwürdigen Nachrichten zufolge pfiffige Indier allein der für ihre Verhältniſſe hohen Prämien wegen die Brillenſchlangen ſogar künſtlich züchten. Für das Gouvernement Bombay allein wurde die Sahl der durch Schlangenbiß Um— gekommenen auf 1209 beziffert, denen eine Ge— ſamtſterblichkeit von 381450 gegenüberſteht, wovon 272403 auf das Konto des Fiebers ent— fallen. Daß aber das giftige Reptil auch in unſerem wohlgeordneten Deutſchland unter Um— ſtänden rieſigen Schaden verurſachen kann, das beweiſt der Münchner „Brillenſchlangenroman“ aus dem Jahre 1882. Damals war im dortigen Aquarium ein 1,4 Meter langes Exemplar, dem obendrein, wie ſich ſpä— ter herausſtellte, die Giftzähne ausgebrochen 2 = Abb. 20. Kopf der Brillenjchlange, waren, ſeinem Behälter der gefürchtetſten und giftigſten Schlange. 2): entkommen. Folgen: wochenlange Schließung des Inſtituts, voll- ſtändiges Demolieren, Umwühlen und Ausſchwefeln, bis der Flücht— ling endlich zur Strecke gebracht war. Hoſten: 30000 Mark. So kam jeder Sentimeter dieſer Unglücksſchlange dem bedauerns— werten Beſitzer auf 214,29 Mark zu ſtehen! Sie hatte ſich bei dieſer Sache als außerordentlich lebenszäh erwieſen, und das iſt überhaupt eine ihrer hervorragendſten Eigenſchaften. Sind doch Beiſpiele bekannt, daß ſie volle zwei Jahre ohne jede Nahrung aushielt. Bekannt iſt ihre Kampfſtellung mit hoch aufgerichtetem Dorderleib und flach und eckig aufgeblähtem Hhalsſchild, in dem der Kopf faſt verſchwindet, während gleichzeitig auf der Rüd- ſeite die ominöſe Brillenzeihnung erſcheint. Dann folgt unter ſtarkem Siſchen der jähe Vorſtoß. Die viel beſprochenen Schau— ſtellungen der indiſchen und arabiſchen Gaukler (bei dieſen handelt es ſich in der Regel um Naja haje oder N. nigricöllis) habe ich unzählige Male geſehen, kann aber nicht ſagen, daß mir die Sache ſonderlich imponiert hätte. Das „Tanzen“ iſt weiter nichts, als ein herumkriechen mit aufgerichtetem und aufgeblähtem Dorderkörper, und die entſetzliche „Muſik“ dazu lediglich ein überflüſſiges Blendwerk. In den allermeiſten Fällen ſind ja den Tieren überdies die Giftzähne ausgebrochen, und ſelbſt wo dies nicht der Fall iſt, muß man ihre überaus träge Natur in Rechnung ziehen. Die Kojaken in Transkaſpien zeigten vor dem faulen Geſchöpf gar keine Furcht und haben mir öfters Stücke gebracht, denen ſie einen Strick um den hals befeſtigt hatten und die ſie ſo zu Pferd hinter ſich drein zogen. Die beiden ſchon genannten afrikaniſchen Formen bezeichnet man gern als Speiſchlangen, und dieſer Name rollt eine alte herpetologiſche Streitfrage auf. Früher haben wohl nur die allerwenigſten Gelehrten an die Wahr— heit von Berichten geglaubt, nach denen ſolche Schlangen ihr Gift dem Bedränger auch auf eine gewiſſe Entfernung entgegenzu— ſpritzen vermöchten. Viel eher war man geneigt, ſolche Erzäh— lungen einfach in das Gebiet der Fabel zu verweiſen. Neuere Forſchungen haben aber doch gezeigt, daß etwas Wahres daran iſt. Afrikareiſende vom Range Höhnels und Salkenjteins haben ſich dafür verbürgt, daß dieſe Reptile im Sorn nach einigen kauenden Vorbereitungen tatſächlich einen Flüſſigkeitsſtrahl reichlich meter: weit gegen den Angreifer ſchleudern und dabei ſcharf nach deſſen 3 Geſicht zielen. Treffen ſie das Auge, ſo kann dieſes ernſtlich gefährdet werden, andernfalls gibt es nur ziemlich belangloſe Entzündungen an den empfindlicheren Hautitellen. Offenbar ſind alle Körperſäfte des Tieres ſchwach giftig, und in den eigentlichen Giftdrüſen iſt das Gift nur in größerer Konzentration vorhanden. Unglücksfälle durch Ipeiſchlangen ſind trotz alledem ziemlich ſelten (viel gefürchteter iſt in den gleichen Landſtrichen die ſcheuß— liche Puffotter), denn in der Regel find dieſe Faulpelze zum Beißen oder Speien viel zu träge. In den kühlen Morgenſtunden ſind ſie überdies geradezu erſtarrt und können dann ohne alle Gefahr aufgehoben werden. Während meines Aufenthaltes in Marrakeſch hielt ich in einem alten Waſſerbehälter längere Seit hindurch wohl ein Dutzend der unheimlichen Geſellen, von denen öfters einige in den Hof entwiſchten. Es hat ſich aber in meinem vielköpfigen Haushalt niemand ſonderlich darüber aufgeregt, und ſie wurden nach längerer oder kürzerer Seit auch immer wieder nach kalten Nächten in halb erſtarrtem Suſtande dingfeſt gemacht. Huch Puffottern pflegte ich damals, dieſe plumpen, abgeflachten Schlangen, die mit ihrem breitgedrückten Kopf von einer geradezu abſchreckenden Häßlichkeit find. Bosheit und heimtücke leuchten ihnen förmlich aus den Augen. Aber ihr Naturell iſt ganz un- berechenbar. Während manche jähzornig ſind wie Teufel, ſind andere die denkbar ſtumpfſinnigſten Sinnbilder apathiſcher Träg— heit. Mußte Dojfjeler es doch erleben, daß die als Futtertiere zu ihnen geſetzten Ratten auf dem Kücken der Schlangen ganz gemütlich Junge warfen! Giftſchlangen reichen weit in der Erdgeſchichte zurück (min: deſtens bis ins Untermiozän), wodurch es ſich erklärt, daß Huſtralien als der altertümlichſte Erdteil am reichſten an ihnen iſt. Indeſſen fehlt es hier an Raum, auf die dortigen Arten näher einzugehen, wenn wir dem Gegenſtück der altweltlichen Cobra, nämlich der ebenſo gefürchteten amerikaniſchen Klapper— ſchlange (Crötalus) noch einige Worte widmen wollen. So häufig dieſe Schlange, ein echtes Kriech- und Bodentier, das nicht klettert und die Nacht in Erdlöchern verbringt, auch auf öden und ſonnigen Halden ſeiner heimat vorkommt, ſind wir doch über ihre Fort— pflanzungsgeſchichte noch nicht genügend unterrichtet. So viel ſteht feſt, daß ſie Eier legt, denen ſchon nach wenigen Minuten BE die Jungen entſchlüpfen. Aber während die älteren Beobachter übereinſtimmend angaben, daß die Mutter ſich nach Schlangenart nicht weiter um ihre Nachkommenſchaft bekümmere, hat neuer— dings Harvey, der Klapperſchlangen in der Gefangenſchaft züchtete, ganz merkwürdige Mitteilungen gemacht. Danach ſoll die Mutter um ihre zu einem Knäuel zuſammengeballten Jungen ſehr beſorgt ſein, ji um ſie herumwickeln und diejenigen, die zu weit weg— kriechen, wieder herbeiholen. Ja, die Jungen ſollen das Innere der Alten als ſicheren Sufluchtsort anſehen und ihr bei Störungen in den Rachen kriechen, aus dem dann manchmal mehrere gleich— zeitig mit ihren Köpfchen herausſehen. Wir hätten hier alſo ein herpetologiſches Seitenſtück zum Nänguruh vor uns! Be— ſtätigungen dieſer höchſt auffallenden Beobachtungen (denn im Schlangenreiche gibt es ſonſt nichts Ahnliches), insbeſondere auch durch ſolche in freier Natur, habe ich in der mir zugänglichen Literatur nicht finden können, und ſie bleiben jedenfalls abzu— warten. Dolkstümlich geworden iſt die überaus träge Klapper— ſchlange namentlich durch das merkwürdige Raſſelinſtrument an ihrem Schwanzende, das ſie hoch hält und in klappernde Be— wegung verſetzt, wenn ſie ſich tellerförmig zur Abwehr zu— ſammenrollt, und das ſie auch beim Forthriechen durch Hoch— halten zu ſchonen erſichtlich beſtrebt iſt. Man darf ſich den dadurch erzeugten Ton, den König mit dem Raſſeln einer Weckuhr oder mit dem Sirpen von Grillen vergleicht, keineswegs beſonders laut vorſtellen. Er iſt auch bei größter Stille höchſtens 20 Meter weit vernehmbar und hält 3 bis 5 Minuten an, um je nach den Umſtänden mit einer Minute Swiſchenpauſe noch mehrfach wiederholt zu werden. Die Raſſel ſelbſt iſt eine vielgliedrige, ſich oben ſichelförmig überneigende Panzerkette von durchſchnitt— lich 5 em Cänge, und ihre einzelnen Glieder beſtehen aus karton— papierſtarken, trockenen Hornplatten mit je einem Millimeter Swijhenraum. Die friſch dem Ei entſchlüpften Jungen haben noch keine Raſſel, ſondern erſt nach der erſten Häutung zeigt ſich das erſte Raſſelglied (es iſt nichts als die nicht von der häutung betroffene Schwanzſpitze) in Form eines kleinen und zarten, faſt ungeſchnürten Unöpfchens. Bei jeder häutung wiederholt ſich der gleiche Vorgang, es bildet ſich alſo jedesmal ein neues Raſſelglied, und die Ulapper wird immer länger, da die bereits REST Te fertigen Glieder als völlig abgejtorbene Hautgebilde dem Häu- tungsprozeß nicht mehr unterworfen ſind. Man würde aljo aus der Sahl der Rajjelglieder ſicher auf das Alter des Tieres ſchließen können, muß aber dabei berückſichtigen, daß durch allerlei Zufälligkeiten leicht einige Glieder verloren gehen, insbeſondere beim Herumkrieden die ſpröden Endglieder trotz aller Dorjicht des Tieres leicht abſpringen, daß ferner mit dem vorſchreitenden Alter die Pauſen zwiſchen den einzelnen häutungen immer größer werden. In der Regel trifft man nicht mehr als zwölf Kaſſel— glieder an, ſelten 15 bis 20. Was darüber hinausgeht, beruht auf Fälſchungen, wie ſie häufig gemacht werden, da die Klappern gern als Amulette getragen und um ſo höher geſchätzt werden, je länger ſie ſind, je mehr Glieder ſie aufzuweiſen haben. Über den Sweck der Klapper ſind ſich die Gelehrten noch nicht recht einig. König faßt das Kaſſeln als Paarungsgeſang auf, der ebenſo wie ein dickbreiiges, moſchusduftendes Sekret urſprüng— lich lediglich zur Anlockung der Geſchlechter dient, im Laufe der Seiten aber, ähnlich wie der Dogelgejang, zu einem Dolmetſcher der Gefühlserregung überhaupt geworden iſt und jo gewiſſer— maßen einen Erſatz für die fehlende Stimme darſtellt. Harvey dagegen meint, daß das Klappern dazu beſtimmt ſei, die weidenden Büffel zu warnen, damit ſie das zum Wegkriehen zu faule Gift— reptil nicht zertreten und dabei ſelbſt einen Biß abbekommen. Faſt mehr noch als die Klapperſchlange hat der japaniſche Rieſenſalamander (Megalobätrachus mäximus) zu den aben- teuerlichſten Sagen, Märchen und Mißdeutungen Deranlafjjung gegeben, bis die Forſchung der Neuzeit das über dem Fabel— weſen laſtende Dunkel zerriß und ihn einfach hinſtellte als den größten und zugleich ſtumpfſinnigſten Schwanzlurch der Gegenwart. Er erregte jhon 1731 ungeheures Aufjehen, als der gelehrte Scheuchzer ſein verſteinertes Skelett auffand, es friſchweg für das des vorſintflutlichen Menſchen (Homo dilüvii testis) erklärte und alſo apoſtrophierte: „Betrübtes Beingerüſt von einem alten Sünder, Erweiche Stein und Herz der neuen Bosheitskinder!“ Später deutete man den Fund auf einen foſſilen Fiſch, und erſt Cuvier erkannte 1811 in ihm richtig einen rieſigen Salamander, „ den (oder deſſen nächſten Derwandten) v. Siebold dann in Japan noch lebend auffand. Freilich ſind die Tage des plumpen und un— geſchlachten, auffallend kleinäugigen Geſchöpfes, das eine Länge von 1½ Meter erreichen kann, gezählt, denn es iſt ſchon heute auf ſchmale, aber ſchnellfließende und geröllreiche Gebirgsbäche des mittleren Japan (etwa vom 34. bis 36. Breitengrade) be— ſchränkt und wird auch hier eifrig gejagt, da ſein Fleiſch eßbar iſt und überdies als unfehlbares Heilmittel gegen Dysenterie gilt. So wird aus dem „Homo dilüvii testis“ wohl bald ein „Animal humänae crudelitätis testis“ werden, und damit kommt der Rieſen— ſalamander ja nur in eine ebenſo zahlreiche wie vornehme Ge— ſellſchaft. Man angelt ihn mit Fröſchen, die in ſeine ausgekund— ſchafteten Wohnröhren eingeführt werden. Sieht man ihn dann heraus, jo ſondert er ein eigentümliches Schleimſekret ab, das an der Luft zu Gelatine erhärtet und ähnlich riecht wie japaniſcher Pfeffer. Er verträgt übrigens ſchwere Derlegungen und führt ſeinen japaniſchen Namen „Hanzaki“ wegen ſeiner enormen Re- generationsfähigkeit. Träge liegt er in feinen Schlupfwinkeln auf der Lauer und wartet geduldig, bis ein günſtiger Sufall ein Beutetier an ſeinem breiten Maul vorüberführt, das er dann mit dumpfſchallendem, blitzſchnellem Ruck wegſchnappt. Alle zehn bis zwölf Minuten kommt er zum Atemholen hervor. 1829 brachte v. Siebold den erſten Rieſenſalamander lebend nach Europa, und dieſes Exemplar lebte bis 1881 im Amſterdamer Tiergarten, nachdem es inzwiſchen ein ihm zugeſelltes Weibchen verſpeiſt hatte und einen Meter lang geworden war. Das mir ſeit langen Jahren bekannte Exemplar des Breslauer Tiergartens war, als ich es zuletzt ſah, reichlich / Meter lang und ſchien ſich wenig daraus zu machen, daß ihm ſein enger Behälter kaum das Um— drehen geſtattete. Im Amſterdamer Garten iſt es ſogar geglückt, den Riejenjalamander zu züchten, und wir haben dadurch die intereſſante Tatſache erfahren, daß das Männchen Brutpflege übt. Es werden 5—600 roſenkranzartig zuſammenhängende Eier an Felsſtücken im Waſſer abgelegt, deren jedes in eine Kapſel von verſchiedenen häutigen hüllen eingebettet iſt. Das jetzt ſehr biſſige Männchen behütet eiferſüchtig dieſen Schatz und iſt be— müht, den Embryonen durch pendelnde Körperbewegungen ſtets friſches Atmungswajjer zuzuführen. Die nach 8 bis 10 Wochen ausſchlüpfenden, etwa drei Sentimeter langen Larven laſſen ſchon eine deutliche Anlage der Extremitäten erkennen, haben aber die Mundöffnung noch ventral. In den gleichen Gegenden Japans lebt auch ein krallenbewehrter Landſalamander, On y cho— däctylus japönicus, der in gedörrtem Zuſtande als unfehl— bares Wurmmittel gilt und deshalb fleißig geſammelt wird. Don den Schwanzlurchen der Mittelmeerländer verdient der namentlich bei Genua häufige Brillenſalamander (Salaman- drina perspicilläta) unſere beſondere Aufmerkjamkeit. Dieſes lang- geſtreckte, nur 6 bis 8 em meſſende, kleinbeinige, überaus zierliche, am Bauche leuchtend zinnoberrote, auf dem Oberkopf mit einer mehr oder minder imaginären Brillenzeichnung geſchmückte Tierchen hat nämlich, obwohl es auf feſtem Cande geſellig in feuchten Geſteins— ſpalten oder vermodernden Baumſtämmen lebt, gar keine Lunge, atmet vielmehr durch die geſamte Körperhaut, insbeſondere durch die der Kachenhöhle. Nur nach reichlichen Regengüſſen im Früh— jahr und Herbit kommen die Brillenſalamander aus ihren Der- ſtecken ruhig kriechend oder in unbeholfen ſchlängelndem Laufe zum Dorſchein, denn die direkten Sonnenſtrahlen töten ſie, obſchon ihre lederartige, nicht ſchleimige Haut ſie ſonſt ziemlich gut gegen das Austrocknen ſchützt. Ins Waſſer gehen ſie nur zur Fort— pflanzungszeit. Sie ernähren ſich von allerlei kleinem Gewürm und lieben dabei viel Abwechſlung, wie überhaupt der Geſchmack auf Koſten des Geſichts entwickelt zu ſein ſcheint, die übrigen Sinne vollends ſtumpf ſind und von Intelligenz kaum die Rede ſein kann. Noch weiter getrieben erſcheint die Hautatmung bei dem in den gleichen Gegenden vorkommenden höhlenmolch (Spelérpes fuscus), indem bei dieſem auch ſchon die Larven darauf angewieſen ſind, alſo ebenſowenig Kiemen beſitzen, wie die Alten Lungen. Infolgedeſſen iſt denn auch die Haut äußerſt zart und empfindlich, ſo dünn wie ein Goldſchlägerhäutchen und ſehr klebrig. Nach den Beobachtungen Comeranos wird die Schlundatmung durch un— regelmäßige Bewegungen der Kehlhaut unterſtützt. Natürlich kann dieſes merkwürdige Geſchöpf nur an feuchten, kühlen und dämmerigen Orten gedeihen, denn Trockenheit bedeutet ihm Tod. Gewöhnlich klebt es apathiſch an den Wänden der Kalkſteinhöhlen, und nur nach anhaltenden Regengüſſen entſchließt es ſich einmal zu einem kleinen Abendausflug, wobei es unter plumpen und 90 ungeſchickten Bewegungen äußerſt langſam und ſchwerfällig einher— kriecht, indem es alle Augenblicke wieder halt macht und mit weit ausgeſpreizten Beinen und Sehen eine ſichelförmig gekrümmte Stellung einnimmt. Je eilfertiger das Tier vorwärts ſtrebt, um jo unbehilflicher ſieht ſein Marſchieren aus. Die Färbung iſt kaffeebraun mit großen, gelblichen Flecken, der Geſichtsausdruck nach der köſtlichen Schilderung Bergs der eines „feiſten Mopſes mit Perlenäuglein“, das ganze Tier der perſonifizierte Stumpfſinn. Seine Beute (Käfer, Aſſeln, Fliegen, Spinnen, Tauſendfüße, ſelbſt kleine Skorpione) erjagt es ſich teils auf der Pürſch, teils auf dem Anſtande. Der höhlenmolch beſitzt nämlich eine erſtaunlich lange, raſch vorſtreckbare Sunge, deren Schaft am Ende einen pilzförmigen, klebrigen Knopf trägt. So „ſchießt“ der unanſehn— liche höhlenmolch kleines Getier faſt noch ſchneller und ſicherer wie das berühmte Chamäleon. Die Fortpflanzung gleicht der unſeres Alpenſalamanders, indem zwei lebende Junge abgeſetzt werden. Recht lange war man über die Fortpflanzungsgeſchichte einer dritten Turchkurioſität Südeuropas im unklaren. Es handelt ſich um den Grottenolm (Pröteus anguinus), dieſes blaß fleiſch— farbige, mit blutroten Kiemenbüſcheln gezierte, ſchweineſchnäuzige, regenwurmartige Geſchöpf mit den kleinen, weit auseinander— ſtehenden Beinpaaren, das in waſſergefüllten Karſthöhlen des Adriagebietes eine ſo verſteckte, aber anſcheinend recht einförmige Tebensweiſe führt. Es wird auch von den Liebhabern der Merk— würdigkeit halber gern im Aquarium gehalten, obgleich es eigentlich der ſtumpfſinnigſte und langweiligſte Patron von der welt iſt. heute ſcheint ſoviel feſtzuſtehen, daß der Grottenolm im Freileben bei der konſtant niedrigen höhlentemperatur ſeine beiden großäugigen Jungen völlig austrägt, während in der Ge— fangenſchaft gehaltene Exemplare durch die wärmere Temperatur des Aquariumwaſſers veranlaßt werden, die Embryonen ſchon im Eizuſtande abzuſtoßen. Einer noch größeren Beliebtheit erfreut ſich ſeiner leichten Süchtbarkeit wegen der mexikaniſche Hxolotl (Amblystoma mexi- cänum) bei den Aquarienfreunden. Der Axolotl (dieſer indianiſche Name heißt ſoviel wie „Waſſerſpiel“) iſt eigentlich gar kein fertiges Tier, ſondern nur die Larve einer Molchart, iſt aber merk— würdigerweiſe ſchon fortpflanzungsfähig, ſo daß man die aus— eg gebildeten Molche, von denen man herzlich wenig weiß, überhaupt nur noch ſelten findet. Humboldt möchte das Suſtandekommen dieſer merkwürdigen Erſcheinung dadurch erklären, daß die Molche früher in dem ehemaligen Waldlande Mexiko zwar ein gutes Fortkommen fanden und ſich regulär fortzupflanzen vermochten, ihre Exiſtenzbedingungen jedoch verloren und in Not gerieten, als mit der fortſchreitenden Entwaldung das feſte Land zu einer ſonnigen Einöde wurde. Die mit ihren Kiemenbüjheln aufs Waſſerleben angewieſenen Larven wurden davon weniger be— troffen, und als ſie ſich auch ſo bei vorgerücktem Alter als Abb. 21. Axolotl, eigentlich gar kein fertiges Tier, ſondern nur die Carve einer Molchart. fortpflanzungsfähig erwieſen, bedeutete das nicht mehr und nicht weniger als die Rettung der Art. Die Weibchen erfaſſen mit den hHinterfüßen geeignete Waſſerpflanzen, drücken ihre Kloake dagegen und preſſen nun unter ſtarken Krümmungen des Leibes 5 bis 4 Caichpakete von je 6 bis 10 ſchon vorher befruchteten Eiern heraus, die an den Pflanzen kleben bleiben. Metzdorf hat darauf aufmerkſam gemacht, wie dankbare und lehrreiche Be— obachtungsobjekte ſolche Axolotleier ſind. Unter dem Mikroſkop kann man die Spermatozoen in der Nähe des Dotters ſehen, ja bei ſtündlicher Beobachtung ihre Wanderung nach dem Dotter zu beobachten. Sogar die ganze weitere Entwicklung läßt ſich auf einem Objektträger mit etwas Waſſer, das öfters erneuert ah = werden muß, verfolgen. Dier Tage nach dem Ablaichen macht ſich eine ſpindelförmige Streckung geltend, bald darauf eine deutliche Gliederung, und ſchon nach 15 Tagen entſchlüpfen die Jungen. Wenn dieſe an der Glaswand des Aquariums hängen, iſt mit der Lupe deutlich die Herzpulſation ſowie der Blutſtrom in den Kiemenbüſcheln und im Schwanz zu erkennen. Im übrigen it aber auch der dickköpfige Axolotl, der in einer ſchwarzen und in einer fleiſchfarbigen Varietät auftritt, ein herzlich langweiliger Geſelle. Unterhaltender wie er und der Grottenolm, aber auch recht lichtſcheu iſt der bedeutend größere Armmolch (Siren lacertina). Gewöhnlich liegt er in höhlungen in möglichſt ſeichtem Waſſer, da er auch zum Luftjchnappen nicht gerne fein Derjteck verläßt. Nur das mit ſchönen Kiemenbüſcheln gezierte Köpfchen ſteckt er aus ſeinem finſteren Winkel hervor. Kommt er aber doch heraus, ſo ſchwimmt er unter eleganten und haſtigen Bewegungen, oder er ſchiebt den ſchlangenartigen Leib recht geſchwind auf dem Grunde entlang und durchwühlt wie ein Schwein den Sand nach etwas Genießbarem mit der Schnauze, wobei auch die Vorderbeine tüchtig mitarbeiten. hat ſchon die Fortpflanzungsgeſchichte unſerer Fröſche und Kröten Lebensbilder mit wunderbarem Wechſel und Wandel auf— zuweiſen, ſo werden ſie doch in dieſer Beziehung noch weitaus übertroffen von gewiſſen exotiſchen Formen, bei denen wir oft eine ſehr weitgehende Brutpflege antreffen. Den meiſten Leſern dürfte aus „Brehms Tierleben“ das abſonderliche Bild der Waben— kröte (Pipa americana) bekannt fein, die ihre Jungen in bienen— zellenartigen Hauttaſchen auf dem Kücken herumſchleppt. Aber es gibt noch viel merkwürdigere Dinge im Keich der Froſch— lurche. So zeitigt das Männchen (bei Pipa iſt es das Weibchen) des Naſenfroſchs (Rhinodérma darwini) die Jungen in dem zu einer Bruttaſche umgewandelten Kehljak. Plate ſucht dies dadurch zu erklären, daß in den dortigen Wäldern alle Niederſchläge von der hohen Humusſchicht aufgeſogen werden, es infolgedeſſen nicht zur Bildung von Tümpeln kommt, und die nur drei Sentimeter langen, bunt gefärbten Fröſchlein deshalb auf den Ausweg ver— fallen ſind, die der Feuchtigkeit bedürftigen Eier in die Mund— höhle aufzunehmen, die ſich dadurch allmählich zum Kehljak erweiterte. Wenn das Tier, deſſen Schnauze in einen ſpitzigen o Sipfel ausläuft, die verhältnismäßig großen Eier verſchluckt, ſo gelangen ſie nach Werner nicht in den Rachen, ſondern durch einen jederſeits der Zunge gelegenen Schlitz in den erwähnten dünnhäutigen und ſich nach und nach immer mehr vergrößern— den Kehlſack. In ihm entwickeln ſich die Eier zu Quappen, indem ihnen aus den Körperſäften des Männchens Nahrung zugeführt wird. Schließlich ſchwillt der Brutſack derart an, daß er eine Nierenſchrumpfung bewirkt und jo den opferwilligen Vater zur Einſtellung der Nahrungsaufnahme zwingt. Dann gefällt's aber auch der Kinderfhar nicht mehr, und fie arbeitet ſich nun aus dem Maule des Vaters heraus. Noch mehr erinnern die gleichfalls im Andengebiet heimiſchen Beutelfröſche (Nototréma), laub— froſchartige Baumfröſche, an die Wabenkröte. Ihre Weibchen beſitzen eine geräumige, torniſterartige Rückentaſche, in der die Eier und Jungen ihre Entwicklung durchmachen. Bei manchen ſchlüpfen letztere ſchon als Kaulquappen aus dem mütterlichen Ruckſack, um zur richtigen Seit in den Waldſümpfen die weitere Verwandlung durchzumachen, bei anderen Arten aber erſt als fertige, wenn auch winzige Fröſchlein. In jenem Falle ſind die Eier zahlreich, aber klein, in dieſem wenige (15 bis 16), aber ſehr groß. Das nur 25 Millimeter lange Weibchen des venezo— laniſchen Nototr&ma pygmäéum hat nur 4 bis 7 Eier zu ſchleppen, aber dieſe ſind ſo unförmlich, daß es ausſieht, als trüge es einen mit ein paar rieſigen Kugeln vollgepfropften Sack mit ſich herum. Wahrſcheinlich ſchiebt das Männchen die großen Eier durch den engen Schlitz in den Ruckſack hinein. Die aus⸗ gebildeten Jungen bringen ihn dann durch heftige Bewegungen zum platzen, die Rudera dorren ab, und die Grundfläche des Ruckſackes wird zu einer neuen Rückenhaut. Ob nun im nächſten Jahre eine Neubildung des Sakes möglich iſt, oder ob überhaupt nur eine einmalige Fortpflanzung ſtattfindet, iſt noch nicht aufgeklärt. Jeden— falls haben alle dieſe merkwürdigen Anpaſſungserſcheinungen den Sweck, das ans Waſſer gebundene Stadium der Entwicklung zu modifizieren und ſomit das Fortpflanzungsgeſchäft von den unregel- mäßigen Regengüſſen unabhängig zu machen. der gleichfalls in Südamerika auf feuchtem Wieſenland lebende Dendrcbates braccätus erreicht dies dadurch, daß er die Larven zwar auch auf dem Rücken herumſchleppt, aber nicht in einem Rudkjak Be oder in Bienenzellen, ſondern indem er fie nach Smith mit einem eigentümlichen Sekret aufklebt. Ein großer Baumfroſch Weſt— afrikas, Hylämbates bréviceps, bringt die Eier, ähnlich wie der Naſenfroſch, im Maule zur Entwicklung, nur daß hier das Weibchen der die Brutpflege ausübende Teil iſt. Der durch ſchwarz— braune Rückenfärbung und metalliſchen, xylophonartigen Ruf ausgezeichnete Rieſenlaubfroſch (Racophörus dennysii) aus China hüllt die Eier in einen durch ein Rückenſekret erzeugten Schaum und hängt dann dieſe weißlichen Schaummaſſen im Gezweig ſolcher Bäume, die ſich über ein Waſſer neigen, auf, damit die ausgeſchlüpften Quappen gleich in das ihnen freundliche Element hinabfallen. Die für einen Caubfroſch jo auffällige Rücken— färbung hält Kreyenberg für eine Art Mimikry, weil die Blätter des Kampferbaums, auf dem ſich die Tiere faſt ausſchließlich auf— halten, faſt ſtets mit braunen Pilzflecken verſehen ſind. Auffallend ſind auch die großen hände und die rieſigen Schwimmhäute dieſes doch nie ins Waſſer gehenden Froſches, die daher wohl nur den zweck haben können, bei weiten und gewagten Sprüngen im Ge— zweig ausgeſpreizt als Fallſchirme zu wirken. Aus Java kennen wir ja auch einen richtigen Flugfroſch (Polypedötes rein- wärdtii), bei dem zu den oben genannten Organen auch noch aus» ſpannbare Hautfalten an den Körperjeiten hinzukommen, jo daß er ein hübſches Stück ſchräg abwärts zu ſchweben vermag, zumal er ſich mit den mächtig entwickelten und ſtark geknickten Hinter: beinen einen tüchtigen Abſtoß gibt, vorher auch noch den Körper ſtark aufbläht und mit Luft füllt, alſo weſentlich erleichtert. Auch bei dieſem Froſch ſetzt das Weibchen zugleich mit den Eiern ein ſchleimiges Sekret ab, das von dem befruchtenden Männchen ganz regelrecht zu Eierſchnee geſchlagen wird, indem es die Gallerte mit den Hinterbeinen jo lange tritt und knetet, bis fie eine dicht mit Cuftbläschen durchſetzte Schaummaſſe darſtellt. Eine ebenfalls zur Gattung Rhacophörus gehörige Art laicht dagegen unter— irdiſch, indem die kopulierten Paare am Ufer des Gewäſſers einen Gang graben und dabei dafür ſorgen, daß die dem Laid): klumpen entſchlüpfenden Muappen ohne allzugroße Schwierig— keiten ins Waſſer gelangen können. Damit ſind wir zugleich bei den neſterbauenden Fröſchen angelangt, denn auch ſolche gibt es. Das Wunderbarſte in dieſer Beziehung iſt wohl ein braſilianiſcher Caubfroſch (Hyla resinifictrix), von dem Goeldi feſtgeſtellt hat, daß er geradezu mit feiner hände Arbeit für die Brut ſorgt, indem er Baumharz ſammelt, damit Ajtlöher verpicht und Jo waſſerdichte Reſervoire ſchafft, in denen er ſeine Eier abſetzen kann, ſobald ſie der nächſte Regenguß gefüllt hat. Das auf auf— dringlich grüngelbem Grunde mit ſchwarzbraunen Querbinden gezierte Tier ſoll ſogar das Harz von gewiſſen aromatiſchen Bäumen (wie Prötium heptophyllum) entſchieden bevorzugen und auf ſeinen Brutbaum übertragen. Es wird ſchwer halten, alle dieſe unzweifelhaft von einem unſerer beſten Forſcher nachgewieſenen Dor- gänge lediglich durch die neuerdings wieder ſo beliebt gewordene „Reflexmaſchine“ zu erklären. Ein äußerſt intereſſanter Burſche iſt ferner die in Paraguay heimiſche Phyllomedüsa hypochon- driälis, für die Mußhoff den Namen „Froſchmaki“ (beſſer wäre „Makhifroſch“) vorgeſchlagen hat, weil dieſe Art als ausgeſprochenes Nacht⸗ und Baumtier die Beute nach Makiart langſam, aber ſicher mit geſpenſtiſcher Geräuſchloſigkeit beſchleicht und dann plötzlich mit der klebrigen Zunge wegklappt. Dazu kommt der mopsartige Ge— ſichtsausdruck mit den großen, ſchwarzen, in der Dämmerung förm— lich aus ihren Höhlen quellenden Augen. Schwimmhäute und Hhaft— ſcheiben fehlen, damit auch das Sprungvermögen, und das lang— ſame hochbeinige Gehen, das äußerſt bedächtige Klettern und das krampfhaft⸗ängſtliche Feſthalten an dem mit den Greiffüßen um— klammerten Sweige erinnert weit mehr an das Chamäleon als an irgendeinen Froſch. Im übrigen aber iſt Phyllomedüsa ein ganz entzückendes Fröſchlein: oben leuchtend hellgrün, unten blendend weiß, auf Schenkeln und Flanken lebhaft orangerot mit ſchwarzer Tigerſtreifung. Brandes und Schoenichen ſchreiben dieſem Froſch ein außerordentlich ſtarkes Farbwechſelvermögen zu, was aber von anderer Seite (Mußhoff, Eiffe u. a.) lebhaft beſtritten wird. Auch das Liebesleben des Srojhmaki ſpielt ſich in luftiger Höhe ab. Das verbundene Pärchen genießt ſeine Hochzeitsfreuden auf einem größeren Blatte und biegt dabei mit den Hinterbeinen deſſen Ränder zuſammen, jo daß ſich eine Tüte bildet, die nun den Caich auf— nimmt. deſſen Gallertmaſſe beſitzt Feſtigkeit und Klebrigkeit genug, um den Blatttrichter zuſammenzuhalten, in dem ſich die Carven bei allmählicher Derflüjjigung der Gallerte entwickeln können, bis ſie endlich ein ſtärkerer Regenguß ins nächſte Waſſer . ſchwemmt. Eine andere Art geht nach einem Berichte Agars noch weiter, indem ſie eine ganze Anzahl von Blättern mit einer aus leeren Eikapſeln gebildeten Gelatine zuſammenklebt und dann auch oben mit leeren Eihüllen verſchließt, jo daß die Eier vor Luft und Licht gänzlich bewahrt find. Andere Caubfröſche machen ſich die Sache bequemer und begnügen ſich damit, ihre Eier in tüten— artigen, vom Regen mit Waſſer gefüllten Blatthülſen abzuſetzen. Als eine vergrößerte und reichlich plump geratene Ausgabe unſeres gewöhnlichen Laubfroſchs iſt der auſtraliſche Korallenfinger (Hyla coerülea) anzuſehen, der ſich nicht mit der Mückenjagd be— gnügt, ſondern gierig auch hinter Eidechſen und kleineren Fröſchen, ja ſelbſt hinter Mäuſen und Vögeln her iſt. Seine Stimme klingt dagegen nicht übermäßig laut und hat einige Ahnlichkeit mit dem heiſeren Bellen eines geärgerten Hundes. Ein kreuzkrötengroßer Oſtindier, Callula pülchra, iſt dadurch intereſſant, daß er bei Bedrängnis zu grotesker Aufgeblajenheit ſeine Zuflucht nimmt und dann in der Hand zu einem förmlichen Kugelballon anſchwillt, um ſchließlich die aufgeblaſene Luft mit mächtigem Siſchen wieder zum Maule herauszuſtoßen. In unſerer oſtafrikaniſchen Kolonie gibt es eine Fülle der merkwürdigſten Fröſche, jo Geckolépis multicolor mit wundervollem, aber mildem Metallſchimmer und Füßen, die ausſehen, als hätten ſie gar keine Schenkel. Ferner ganz winzige Fröſchlein (Nectophryne torniéri und Pseudo— phryne vivipara), die höchſt auffallenderweiſe lebende Junge gebären; Krefft ſah die Flanken der unförmlich dicken Weibchen geradezu wogen unter dem Gewimmel der Quappen. Die Riejen des Froſchgeſchlechtes find bekanntlich die Ochſen— fröſche, und eine der gewaltigſten Arten (Rana göliath) iſt in unſerer Kolonie Kamerun zu hauſe. Die Gefräßigkeit ſolcher Dickbäuche entſpricht ihrem Leibesumfang. Minke ſah einen ſolchen Dielfraß innerhalb 24 Stunden zu ſich nehmen: 25 Mai— käfer, drei Fröſche, ein Kücken, einen jungen Sperling und eine Maus! Dor dieſer reſpektablen Leiſtung wog das Tier bei einer Länge von 19% cm 1?/,, nachher zwei Pfund. Doch gibt es auch Prachtexemplare von drei Pfund Lebendgewicht. Mit wilder Gier klatſchen ſolche Koloſſe ins Waſſer, wenn ſie etwas Genießbares erſpäht haben, und wähleriſch ſind ſie wahrhaftig nicht; vielmehr erſcheint ihnen alles Lebende recht, was ſie zu verſchlingen ver— „„ mögen. In kultivierten Gegenden richten ſie an dem Hausgeflügel viel Schaden an, und deshalb wird namentlich die nordamerikaniſche Art (Räna mügiens) von den Farmern bitter gehaßt und ſchonungslos verfolgt. Doch hat ſich auch hierbei wieder heraus— geſtellt, daß man die Dezimierung nicht zu weit treiben darf, weil ſonſt eine ſtarke Sunahme der Moskitos die unausbleibliche Folge iſt. Auch die Kaulquappen machen ſich dadurch nützlich, daß ſie Abb. 22. Agakröte, eine durch ihre Größe und lebhafte Färbung ausgezeichnete Krötenart Südamerikas, die ſich gern innerhalb der menſchlichen Anſiedlungen aufhält. die Gewäſſer von allerlei Unrat reinigen. Aber auch die Froſch— ſchenkel ſind in Amerika in Aufnahme gekommen und dürfen heute in keinem franzöſiſchen oder elſäſſiſchen Rejtaurant Neuyorks mehr fehlen, während der echte Yankee nichts von ihnen wiſſen will und ſie ſpöttelnd „Franzos“ nennt. Nach den Berechnungen Mulerths überſteigt die Sufuhr während der „Saiſon“ allein in Neuyork eine Million Paar Schenkel wöchentlich. Drei bis vier Paar Schenkel wiegen ein Pfund und hoſten 2.60 Mh., alſo jo viel wie die beiten Forellen. Seit jo die Yankees dahinter ge- Floericke, Kriechtiere und Lurche fremder Länder. f 1 BER ehe kommen ſind, ein wie gutes Geſchäft die Froſchjagd iſt, huldigt man ihr allenthalben aufs eifrigſte mit kleinkalibrigen Gewehren, Angeln (der beſte Köder ſoll ein Stück rotes Flanell ſein), Har— punen, Schleppnetzen, Fallen ujw. Geht es in der gegenwärtigen wWeiſe weiter, jo wird auch der Ochſenfroſch ſich bald zu Büffel und Wandertaube geſellen können. Das Krötengeſchlecht hat eben— falls ganz mächtige Kerle hervorgebracht, jo die Aga (Büfo marinus) Süd- und Mittelamerikas. Sie iſt zwar ſcheu und mürriſch, aber doch von weſentlich gemütlicherem Charakter als der räuberiſche Ochſenfroſch, natürlich ein ausgeſprochenes Nacht— tier. Mit Vorliebe hält ſie ſich in der Nähe des Menſchen auf, und nicht ſelten begegnet man ihr abends mitten in den Straßen der Städte und Dörfer. Hat man ſich erſt einmal an den gemüt— lichen Fettwanſt gewöhnt, ſo wird er einem ſchließlich geradezu lieb und vertraut. Sein afrikaniſches Gegenſtück, die hübſch gefleckte Pantherkröte (Büfo mauritänica) hat mich während meines marokkaniſchen Seltlebens oft aus dem ſchönſten Schlafe empor— geſchreckt, wenn ſie in plumpen Sprüngen patſchend über die Zeltſtricke ſtolperte, während ich von der fernen deutſchen Heimat träumte. Sachregiſter. Acanthodäctylus syriacus 49. Aga (Bufo marinus) 98. Agäma caucäsica 54. Agäma inermis 11, 54. Agäma sanguinolenta 54. Agamen 53. Alligator (Alligätor mississipénsis) 60. Alligätor lücius 61. Alligätor sinensis 61. Ameiva chrysol&ma 42. Anakonda (Eunectes notäcus) 81. Anolis 6. Anölis cristatellus 9. Armmold (Siren lacertina) 92. Arrauſchildkröte (Podocnemis ex- pänsa) 67. Axolotl (Amblystoma mexicänum) 90. Bartagame (Amphibolürus barbä— 1 ET Baumſchlangen 76. Beutelfröſche (Nototréma) 93. Boa constrictor 82. Brillenſalamander perspicilläta) 89. Brillenſchlange (Näja tripudians) 83. Brückenechſe (Hattéria punctäta, Sphenodon punctätum) 21. ee (Damönia r&evesi) Pa (Varänus värius) 35. Cällula pülchra 96. Chalcides ocellätus 43. Chalcides tridäctylus 43. Chamäleon 9. Chamäleon basiliscus 15. Chamäeleon melleri 12, 14. Chamäeleon vulgäris 11. Clemmys leprösa 73. Crotaphytus colläris 41. Dendröbates braccätus 9. Dornſchwanz (Uromästix acanthi- nürus) 32. Dornſchwanz, indiſcher (Uromästix hardwickei) 34. Dryöphis 77. SGoldbaumſchlange (Salamandrina | Dünnfinger (Stenodäctylus guttä- tus) 5 Elefantenjchilökröten (Elephantö- pus) 73. Epicrates cenchris 82. Erzſchleichen (Chalcides) 43. Slojjenfuß (Pygöpus lepidöpus) 21. Flugdrache (Dräco völans) 55. Flugfroſch (Polypedötes reinwärd- tii) 94. Srojhmaki (Phyllomedüsa hypo- chondriälis) 95. Gavial (Gaviälis gangeticus) 64. Gecko monärchus 48. Geckolépis multicolor 96. Geckonen 43. (Chrysopelea ornäta) 77. Grottenolm (Pröteus anguinus) 90. Gymnodäctylus kötschyi 45. Hardella thürgi 73. Hardun (Agäma stellio) 53. Hemydäctylus mabũia 48. Himäntodes gracillimus 76. Höhlenmolch (Spelérpes fuscus) 89. Hyla resinifictrix 95. Hylämbates bréviceps 94. Karettſchildkröte (Chelöne imbri— cäta) 64. Klapperſchlange (Crötalus) 85. Hlappſchildkröten 72. Korallenfinger (Hyla coerülea) 96. Hragenechſe (Chlamydosäürus kingi) 17. Krokodile 59. Krötenechſe(Phrynosöma cornütum) 2 25. Krötenköpfe (Phrynocéphalus) 30, Sr: Krujtenechje(Helodermasuspectum) 26 „Us. Candſchildkröte, griechiſche (Testu- do grãéca) 74. Ceguan (Iguäna tuberculäta) 39. 555 Ceiſtenkrokodil (Crocodilus po— rösus) 62. Lygodäctylus lugübris 48. Lygodäctylus picturätus 48. Mauergeko (Tarentola mauritä- nica) 46. Moloch (Möloch hörridus) 18. Moſchusſchildkröte (Cinosternum odorätum) 72. Näja haje 84. Näja nigricöllis 84. 9 (Rhinoderma darwini) erlegen (Metopöcerus cor- nütus) 40. Nectophryne tornieri 96. Nectophryne vivipara 96. Netzſchlange (Python reticulätus) 81. Nilkrokodil (Crocodilus nilöticus) 62. Nilwaran (Varänus nilöticus) 38. Nototrema pygmäeum 93. Ochſenfröſche 96. Onychodäctylus japönicus 89. Ophiöps 30. Oxybelis 78. Palä£ohatteria 22. Pantherchamäleon pardälis) 12. Pantherkröte (Büfo mauritänica) 98. Peitſchenſchlangen 76. Perleidechſe (Lacérta ocelläta) 58. Pfauenaugenſchildkröten (Chrysé— mys) 70. Phelsüma madagascariense 43. Phrynocéphalus heliöscopus 5. Phrynocéphalus interscapuläris 51. Phrynoc£phalus mystäceus 52. Phyllodäctylus europä£us 48. Plättchenſchlange (Hydrus platürus) 78 (Chamäleon Ptenöpus gärrulus 45. Puffotter 85. Python régius 82. Räna göliath 96. Räna mügiens 97. Rhacophörus 94. Rieſenlaubfroſch (Racophörus den- nysii) 94. Rieſenſalamander (Megalobätra- chus mäximus) 87. Rieſenſchlangen 79. Rieſenſkink (Macroscincus coctä£i) 31. Ringelagame (Oplürus torquätus) 54. Rotkehlanolis (Anölis carolinen- sis) 9. Sandſchlange (Eryx jäculus) 79. Scheibenfinger (Hemydäctylus tür- cicus) 48. Schlangenhalsſchildkröte medüsa tectifera) 69. Schnappſchildkröte (Chelydra ser- entina) 72. Schönechſe (Calötes cristatellus) 55. Seeſchildkröte (Thalassochelys ca- retta) 64. Seeſchlangen (Hydröphis) 78. Sheltopuſik (Pseudöpus apus) 57. Siedleracame (Agäma colonörum) 53: Skink (Scincus officinälis) 28. Speiſchlangen 84. Stachel, Dorn- und Franſenfinger (Acanthodäctylus) 49. Sternothäérus 72. Sternothäerus derbyänus 72. Suppenſchildkröte (Chelöne mydas) (Hydro- 66. Stutzechſe (Trachysãũrus rugösus)20 Taggeckos 43. Tarentola annuläris 47. Teju (Tupinämbis teguixin) 41. Teratoscincus scincus 45. Tigerſchlange (Python molurus) 80. Tuatera 22. Ungälia maculäta 82. Varänus bengalensis 36. Wabenkröte (Pipa americäna) 92. Warane 35. Waſſeragame sueuri) 18. Weichſchildkröten (Trionyx) 70. Wurmſchlangen (Typhlops) 79. Wurmſchleichen (Trogonöphis wieg- männi) 56. Wüſtenwaran (Varänus griseus) 35. (Physignäthus le— + C e Ga EL DEE Ll Zx Sr aus Ian Kun LaR 2a Aa Zul Ai ai per pre pre „„ . pr pr pre „ „„ „% „ „„ „„ „„ „„ „„ „% „„ Die Pflanze im Dienste des Menschen ist ohne frage ein für jeden Menschen interessantes Thema, hängt doch unsere gesamte Kultur von der Verwertung der pflanzlichen Produkte ab. In hochinteressanten Plaudereien erzählen bedeutende Fachmänner in unserem grossen Werke von allen Verwertungsmöglichkeiten. Die Pflanzen u. der Menſch 8 © © 26 Liefe- 7 | Später in rungen 72 2 Bänden zu je 2 zu je 1 Mark 15 Mark Garten · Obſtbau· eld wirtſchaft· Wald © Derwertung der pflanzlichen Produkte herausgegeben von Prof. h. Grüggemann · S. $erenczi: Prof. Or.©.$ränkel- Prof. dr. C. Fruwirth · Dr. Dic. Grafe · Prof. Or. h. Hausrath Willy Lange · h. Schulz · heinz Welten ſosmos : Geſellſchaſt der Naturfreunde · M I. Rl Franckh ſche Verlagshandlung : Stuttgart © — — Glänzend illustriert — Hunderte von Textbildern, viele schwarze u. farbige Tafeln. PER WER TER SER SER EEE DEE DER DIE DIE IE DIE DEE ZZ Zu pr, 9. ® Per WER SIR DIE EIER DIE DIE DIE IE ZZ Z „pr pre pr * 696 . 44 . EEE 6 . 6 . . 0 pre % „ . pr pr 6 . . 6. Hr „„ „ Hr „% . 66 . 6 6“ „ „„ „„ pr „eee ee „„ „„ pro pr, pre Pr „eee Ver 65 pr pr 6 rer N 1 n # © . 2 7 2 3 * HH | 1 10012432 |