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KUNSTOEWERBEBLATT

NEUE FOLGE

NEUNZEHNTER JAHRGANG

LEIPZIG

VERLAG VON E. A. SEEMANN 1Q08

Inhalt des neunzehFiten Jahrgangs

Seile

Größere Aufsätze

Neues aus dem alten Weimar. Von Nuclcus . . 1, 80 Das deutsche Farbenbuch. Von Prof. M. Sdiaer . 19 Kunstgewerbliches aus dem Qroßherzogtum Baden.

Von Franz Saics Meyir ... 21

Neue Organisation zur Förderung von Kunst und

Gewerbe. Von Richard Omni 41

Die Buchbindekunst der alten Meister. Von f)r. Hans

Vollmtr 44

Die Anfänge der modernen Bewegung rund um

Deutschland. Von Joseph Aus;. I.nx 61

Möbel von Arthur llhes. Von Paul Wohlwill ... 71 Technische Arbeit als Erziehungsmittel. Von Direktor

/)/-. Pabst 81

Verborgene Kunstschätze in Tirol. Von Friedrich

Pollak 90, 220

Arbeiten aus der Abteilung für kunstgewerbliches

Modellieren der Kgl. Kunstgewerbeschule Dresden.

Von Prof. Karl Groji 101

Kunstgewerbliche Zeit- und Streitfragen. Von l'rof.

Karl Groß 115

Einige Bemerkungen über die neueste figürliche

Porzellanplastik. Von Richard Graut 121

Ein Versuch zur künstlerischen Belebung des Gewerbes 141 Ein Stück Selbstbiographie Bernhard Palissys. Von

Dr. Thomas Stettncr 153

Düsseldorfer Kunsthandwerk. Von Heinrich Prau-

hergcr ISl

Arbeiten der Schülerinnen-Abteilung der Kgl. Kunst- gewerbeschule Dresden 201

Die erste Jahresversammlung des deutschen Werk- bundes. Von Pritz Hellwag 215

Ein Landhaus bei Leipzig 221

J. M. Olbrich. Von Dr. Heinrich Pudor 234

Kleinere Beiträge

Vorschlag zu einer Gebührenordmmg für das Kunst- gewerbe 55

Werkstätten für künstlerische Frauenarbeit. Von Otto Kofalil 73

Angestellte und L'nternehmer. Von Pritz Hcllwag . 95

Deutsche bildende Kunst und deutsches Kunstgewerbe im Ausland und im Weltverkehr 117

Delegierlcntag der Kunslgewerbevereine in Hannover. Von Pritz Hellwag 136

Ausstellungen

Die Ausstellung der Hamburger Kunstgewerbcschiile Ostern 1908. Von Dr. Th. Raspe \ 161

Studentenkunst. Preisausschreiben und Ausstellung im Landesgewerbemuseum in Stuttgart 1908. Von Pritz Hcllwag 230

Die Würltembergische Bauausstellung Stuttgart 1908. Von A. B 233

Bücherschau

Reuhne, Ad., Lehrbuch der Perspektive 120

Eyrich, Karl, Das (ilasfirmaschild .140

Forrcr, Dr. A'., Reallexikon der präliislorischon, klassischen und frühchrisilichcn Altertümer , . . 139

Seile Kloock, H., Leitfaden für das Malergewerbe . . . 140 /./f///iro/-/;, /l , Blunienkultus; Wilde Blumen .138 I.ichtwark, A., Vom Arbeitsfelde des Dilettantismus 138 Nigetict und Vogel, Motive für Wand und Decke . 60 Stenzel, Heinrich, Moderne Entwürfe für Dekorations- maler 60

Kunstgewerbliche Rundschau

Äußere Erscheinung des Buches .... 180

Amerika, Urheberschutz ... 118

Angestellte und LInternehmer .118

Aschaf/enhurg, Mit.-Cics für Buntpapierfabrikation 160, 179 Ausnutzung der Entwürfe bei kunstgewerblichen Preis- ausschreiben 78

Berlin, ArchitektenausschuR Groß-Berlin ... 58 Berlin, Ausstellung für Geschäftsausstattung und Re- klame ..... 59

Berlin, Ausstellung der L'hrensammlung von Marfels 59

Berlin, Aiiszeicliiuing von Prof. M. Meurer-Rom . . 198

Berlin, Friedrich-Fggers-Stiftung 80

Berlin, Ernennung von Prf)f. Goecke zum Provinzial-

konservator der Provinz Brandenburg 160

Berlin, Fach- und Fortbildungsschulwesen .... 179 Berlin, Fachkursus für Juweliere über Edelstcinkunde 59 Berlin, Dr. M. Friedländer, Leiter des Kupferstich- kabinetts 240

Berlin, Friedmann & Weber: Ausstellung keramischer

Arbeiten 238

Berlin, Friedmann & Weber: Ausstellung -Der ge- deckte Tisch- 97

Berlin, Sonderausstellung von Grabsteinkunst . . . 238

Berlin, Herstellung echter Spitzen 198

Berlin, Hohenzollern-Kunstgewerbehaus: Ausstellung

französischer Tapeten . 118

Berlin, Internat. Verband zum Schutze von Werken der

Literatur und Kunst 140

Berlin, Abschied von Prof. Kips ISO

Berlin, Große Kunstausstellung 1908 59

Berlin, Große Kunstausstellung 1908: Kunstgew. Abt 238

Berlin, Kunsigewerbenuiseum 176

Berlin, Kunslgew.-Museiim: Erwerbung ostasiatischer

Kunstwerke 238

Berlin, Kunstschule des Westens 20

Berlin, Lyceiimklub: Ausstellung 177

Berliner und Provinzialmiisecn 178

Berlin, Porzellan-Manufaktur 119

Berlin, Preisausschreiben für Abhandlung über die

künstlerische (iestaltung von Wasscranlagcn . . 240

Berlin, Kuskin-Potlery von T.iylor -57, 59 Berlin, Prof. Schniuz-Baiidiß, Leiter der Poncllan-

Manufaktur 240

Berlin, Seideuhaus Michels: Ausstellung japanischer

Bilder in Nadcinrbeit . 159

Bertin, \'erb,ind der Linoleum- und Tapelcndnickcr . 58

Berlin, Vereinigle Werkstätten für Kunst im Handwerk 198

Berlin, Vcrmittclungsstcllc fiir Kunstgewerbe . . . 199

/?(r///;, Wettbewerb Tür Plakat dcrThcrmost icscilschalt 240 Brannschweig, Preisausschreiben für Vorentwürfc lu

kirchlichen Gebäuden . . 58

Bremen, •Mitteilungen des Gewerbcmuscuins m

Bremen- . 198

IV

INHALTSVFRZEICHNIS

Seile

Bremen, Werkstätten für Kunst im Handwerk ... 179

Breslau, Handwerkerscluile 179

Breslau, Meistcrkursus für Buchbinder 199

Brunn, Ausstellung »Kind und Kunst 238

Brüssel, Kunst- und Oewerbeaussteilung 237

Brüssel, WeltausstelluiiK 1910 198

Brunnen und Denkmäler an öffentlichen Plätzen 180

Bunzlau, Errichtung einer Qewerbehalle 199

Cadiner Jubiläum 198

Cliarlottenhurg, Deputation für Kunstzwecke .97 Charlottcnimrg, Seminar für Städtebau . . .58 Charlottenburg, Wettbewerb für Synagoge ... 58 Chemnitz, Verein deutscher Tapetenfabrikanten . . 200 Danzig, Verein für Kirnst und Kunstgewerbe: Wett- bewerbe für Vereinssignet und Winterprogramm . 97 Darmstaclt, Oeneralversamnihmg des Landesgewerbe- vereins für Hessen 239

Darmstadt, Hessische Landesausstellung .... 180

Darmstadt, Zentralstelle für die Gewerbe .... 238

Dietsehe, Prof. I'ridolin 240

Dresden, Große Kunstausstellung lOOS ... 119 Dresden, Kunstgewerbemuseum: Ausstellung von

Metallarbeiten 159

Dresden, Kursus für Materialarbeiten 179

Dresden, Münzkabinett 178

Dresden, Neue Leichenwagen 78

Dresden, Reklamegesetz ... 177

D/v'S(/('«, Sächsische Landesstelle für Kunstgewerbe 78, 118 Dresden, Skulpturen-Kollektiv-Ausstellung von Prof.

Gustav Eberlein 238

Dresden, Werkstätten für Handwerkskunst ... 59 Dresden, Zeichen-Akademie: Ausstellung von Schüler- arbeiten 159

Druck auf Holz 78

Düsseldorf, Akademie: Lehrstelle für kirchliche Monu- mentalmalerei 119

Düsseldorf, Ausstellung für christliche Kunst . 119, 238 Düsseldorf. Ausstellung von jüdischen Bauten und

Kultusgegenständen 237

Düsseldorf, Ausstellung von Vorbildern für den

römisch-katholischen Kultus 237

Düsseldorf, Gesellschaft zur Erforschung jüdischer

Kunstdenkmäler 159

Düsseldorf, Kunstgewerbe - Museum: Olbrich - Aus- stellung 97

Düsseldorf, Kunstgewerbeschule: Dir. Prof W. Kreis 119 Düsseldorf, Prof. Fritz Roeber, Direktor der Kunst- akademie 240

Düsseldorf, Verein der deutschen Textilveredelungs- industrie 178, 199

Düsseldorf, Wettbewerb für ein Brunnendenkmal 240

Eichenholz aufzuhellen 159

Eisenaeher Ordnung 77

Erlali, Preuß., betr. Bauliche Verunstaltung in Stadt

imd Land 177

Etat für Handel und Gewerbe im preuß. Abgeord- netenhaus 97

Faenza, Internationale Ausstellung von Töpfereien . 237 Fiseher, Prof. 77;., Ehrendoktor der Universität Jena 240 Frankfurt ». M., Ausstellung künstlerischer und kunst- gewerblicher Frauenarbeiten 238

Frankfurt a. M., Heddernheimer Kupferwerk . . 179 Frankfurt a. AI., Stiftung Parrot (chines. und Japan.

Kunstgegenstände) 238

Freiberg- i. Sa., Tischlerfachschule 20

Friedrichshagen, Bildgießerei A. G. vorm. H. Gladen-

beck & Sohn 200

Frohburg i Sa., Keramische Ausstellung 119

Fünfundzwanzigpfennigstück, Preisausschreiben . . 220

5/. Gallen, Ostschweizer Schifflistickerei 179

5/. Galler Stickerei 200

Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs . . 98

Gesetz, Italienisches, zum Schutze der Kunstwerke . 139

Glasflaschen, Altägyptische 119

Goldpurpur-Herstellung 77

der Möbelindustriellen

Häuser, Gegossene . .

Hamburg, Salon Cleniatis

Hamburg, Versammlung

Deutschlands

Hannover, Studienreisen der Lehrer der städt. Hand- werker- und Kunstgewerbeschule

Hellerau, Die Gartenstadt

Hochzeitsgeschenk der preuß. Städte für das Kron- prinzen-Paar

Holz, Feuerfest imprägniertes

Holztrust in Amerika

Ingenieurbauten, Künstlerische

Jerusalem, Jüdische Kunstgewerbeschule

St. Johann a. d. Saar, 18. Kongreß des Deutschen Vereins für Knabenhandwerk

Kausis, Antike

Klagenfurt, Preisausschreiben für neue gewerbliche Fremdenartikel

Köln, Akt.-Ges Orivit

Köln, Wallraf-Richartz-Museum: Zwei Direktoren

Königsberg, Kunstgewerbeverein: Vortrag Direktor Jessen

Krefeld, Beratimgen über Fragen der Textilbranche .

Küchenmöbel, Billige

Kulmbach, Türme der gotischen Kirche

Kunstgenossenschaft, Allgem. Deutsche, Vorsitzenden- wahl

Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen

Kunstgewerbebund, Deutscher

Kunstschutz der Bauwerke

Kupferpreise

Kupfervorräte der Welt

Lehrlingsfrage

Leipzig, Akademie für graphische Künste: Preisaus- schreiben für Besuchskarten 58,

Leipzig, Ausschreiben für Entwürfe künstlerischer Innenausstattung 79,

Leipzig, Ausstellung der Modelle für Ferienhäuser des Preisausschreibens der Woche«

Leipzig, Buchgewerbemuseum: Ausstellungen . . .

Leipzig, Kunstgewerbemuseum: Altarschrein . . .

Leipzig, Kunstgewerbemuseum, Schenkung . . . .

Leipzig, Kunstgewerbeverein: Künstler- Entwürfe für Handwerker

Leipzig, Die Kunstindustrie auf der Leipziger Messe

Leipzig, Preisausschreiben der Goldschmiedezeitung

Leipzig, Preisausschreiben B. G. Teubner . . . .

Lcistikow, Walter f

Lesefrüchte

London, 3. Internat. Kongreß für die Entwickelung des Zeichnens 178,

London, Preisnotierungen für Metalle

Lübeck, Künstlerkolonie

Magdeburg, Kaiser-Friedrich-Museum: Ausstellung dreier Zimmer von Paul Dobert

Magdeburg, Kunstgewerbeverein: Preisausschreiben

Maigründe und deren Behandlung

Marmor, Russischer

Materialfälschung

München, Akadern. Verein für bildende Kunst, Vortrag Bcrlepsch . .

München, Ausstellung 1908 59, 97,

München, Bayerisches Nationalmuseum: Glasgemälde- katalog

München, Bayr. Verein für Volkskunde: Preisaus- schreiben für ein Krankenhaus in Friedberg . .

München, Deutsches Museum: Hauptversammlung zu Berlin . .

München, Ernennung von Jul. Diez zum Professor der Kunstgewerbe-Schule

München, Geistliche Aufsicht der Fach- und Fort- bildungsschulen

München, Künstler-Theater

München, Lotterie der Ausstellung 1908

Seite

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INHALTSVERZEICHNIS

Seile Miinclicn, Mcisterkiirsus der Lehr- und Versuchsanstalt

für Photographie 150

Miiiuhcn, I'reisa\isschreiben für ein Orabdenl<nial . 240 München, Das Scinilvvesen Münchens in der Aiis-

steilunu 180

München, Tagung des deutsciien Werkbundes . . . I'J') Münster, Vortrag über die iierechtigung der Moderne

in der F.inbandkunsl 78

Niederbarnim, Heiniatschutz 59

Nürnhero; Bayer. Oewerbeniuseum: Vortrag Prof. Ree 98

Nürnheix, Brand des St. Anna-Institutes 179

Nürnhero; Qernianisches Museum 198

Nürnberg; Wettbewerb für ein Vereinsabzeichen des

Deutschen Schützenbundes 58

Olbnch,J. /M. t 239

Organisation der kunstgewerbhchen Zeichner . . . 178

Paris, Internationale Ausstelhuigs-Konferenz . . 59

I'aris, Sonderaiisstelhmg deutscher neuzeitlicher Kunst 59

Patina auf italienischen Renaissance-Bronzen . . . 197

Persönlichkeit und Kirnst 60

Petersburg, Internation. Kunstgewerbe-Ausstellung 198, 238 Pforzheim, Generalversannnlung des Kunstgewerbe- vereins 239

Pforzheimer Industrie 140

Photographieren von Altertümern und Kunstwerken

in Italien 118

Porzellankrieg 200

['rag. Internationaler Kongreß der Handelskammern 58 Prciii, Wettbewerbe für in Bcihmen ansässige Kunst- gewerbetreibende 240

Psychologie der Kunst 78

Recht der Angestellten an ihren Entwürfen .... 199

Rohmaterialien-Preise 179

Rndersdorf i. d. Mark, Wettbewerb für Landhaus- siedelungen 240

Sachverstandigenkamniern füi Werke der bildenden

Künste und Photographie 57

Schattenseiten der Kultur 176

Seidenindustrie 240

Sportpreise 197

Stileinheit 78

Stocliholni, Allgem. schwedische Kunstgewerbeaus-

stelhing 119, 238

Stockholm, 11. Kongreß für gewerblichen Rechtsschutz 239

Seile

StraßbiirfT i. /f., Ausstellung von Bucheinbiindcn . . 60 Straßbiirg i. /:',, Bibliothek und Vürbildersammlung

des Kunstgewerbe-Museums 239

StraßburfT i./-'., Oründung eines Kunstgewerbeverein» 178

Straßbiirfr i. F.., Plan eines Oesanilmuseunis . . 198

Stuttgart, Bau-Ausstellung l'X)8 80

Stiittga/I, Gewerbliche fortbildungsschulen .... 159 Stiitt/^urt, Kgl. Kunstgcwerbeschulc und Lehr- und

Versuchswerkstätte 198

Stuttfrart, Landesgewerbemuseum 59

Sluttfiart, Wettbewerb Studenlenkunsl. . . 58, 98, 177

Tapete, Zur Geschichte der ... 197

Textilbranche, Die Muster der ... 77

Tischlerlag, Lehrlingsfrage 80

Totschweigen 177

Unechte Farben der Stolfe 79

Untersuchung der Lunge eines Porzellanarbeiters . 200

Urheberscluit/ für Bauwerke ... 80

Verband deutscher Kunstgewerbevcrcinc . . . 20

Verunstaltung des Stadt- und Landschaftsbildcs . . 60

Verzinken und Verzinnen von Metallgegenständen . 180

Warlieh, Hermann, Wohnung und Mausrat .... 200

Wurmbrunn i. Schi., Ilolzschnitzscluile . 180

Weimar, Ausstellung englischer Buchkunst .... 237

Weimar, Kunsigewerbeschulc 159

Weißenfels, Ideenwettbewerb für Neubau der (Jber-

realschule 58

Wien, Ausstellung für Wohnungseinrichtung . . 120

Wien, Internationaler Architektcnkongrelt .... 178

IF/c«, Jubiläums-Ausstellung f.XX'cjhnungseinrichtungen 238

Wien, Wettbewerb fiir eine goldene hhrcnketle . . 240 Wiesbaden, Ausstellung für Handwerk und Gewerbe,

Kunst und Gartenbau 19ü'> 120, 159, 200

Zaponlack 199

Zittau, Preisausschreiben für Entwürfe von Schau- seiten für Wohn- und Qeschällshäuser .58

Zwickau, Kunstgewerbliche Ausstellung 238

Kunstbeilagen

Fächerblatt von CAnr/cs Co/((/»r. Dreilarbendruck vor 41 Malerei in der Eingangshalle des Bahnhofes zu

Aachen von (.'. //(•m////>ii'-Düsseldorf vor 181

Verzeichnis der Illustrationen

Arbeiten in Bronze, Eisen, Kupfer, Messing, Zinn

Elektrische Steh- und Hängelampen, entworfen von

Henrv van de Velde

Denkmünzen aus der Sammlung Pfeiffer in Weimar Getriebene Möbeleinlagen und Bronzevase von Prof.

Fritz iro//;(r-Karlsriilie

Tischlampe von Peter Hueksch/ag-KArhruhe .... Orabkreuz in Schmiedeeisen nach Entwurf von Prof.

Mülter-Salem, Pforzheim .

Tintenzeug (Bronze) von Prof. /l(/t)//\S"(7/w/V/-Pfor7heiin Wandteller aus Messing aus der Lübecker Fraueii-

werkstätte

Axt aus der älteren Bronzezeit

Kupferbeile

Moderne Eisenaxt .

Die deutsche Axt

Die amerikanische Axt

Eisenaxt aus der römischen f i^^'-n/i-it

usw.

Srilc

15

18

24 25

35 36

75 82

82

82 82

Ornamente von nordischen Bron/egcr.ilcn

Bron/egefäß der jüngeren Bron/e/cil

Malsring aus der jüngeren Bron/Cieit

Deutsche Filnln, z. 1. aus der L.i TJne-Zeil

Bron/cfibel . . ...

Bron/emesser mit Pferdekopf

Metall waren in Messing. Zinn und Kupfer von Ad. Snnnen^ehein-Dtcf^Acn

Getriebener Zinnteller von Alfum (.'/ii'r»rr- Dresden .

Schmiedociscnie Grabkrcuzc von Gfrhrrt und Ffutr- riegrl-lMci'iien ... . . . .

Hund in Bron/e von Rr *<lcn

Modelle für Bronze (li ,. i Kunstgcwerbe- schulc) 162,

Hirsch in policrlcrn Messing (lUmhurscr KtinM-

^;iwoibfscltulc) . . .

7i., liliini-.- (Il.iiiilnirgcr Kunsigewerbesdiule»

•- Bfon/e, entworfen von Ctui

■ff . . .

SfMt

83

Sl s ! -> i S.J

83

103 103

106 109

IM

163 173

VI

INHALTSVERZEICHNIS

Seile

Bowle in Scliniiedeeiseii nach Entwurf von Willuim

Zfl/wr-Düsseldorf 194

Bronzeschale mit Verooldung nach Ileinz Miillrr-

Diisseldorf 195

Bronzeplakette an Kamin nach Modell von Schinicde-

/■///»■-Diisseklorf .... 195

Gelochte A\essingfiillnngen von Margarete Kühn-

Ncustadt 206

Zwei Beleuchtimgskörper für Spiritusglühlicht . . . 229 Zwei Messingkandelaber von Ernst y?/V:§rf-Darmstadt 230 Studentenbriefkasten von Otto Ber/i/nr-Berka . . . 232 Studentenbriefkasten von M. von 7"/-ö//-Stuttgart . . 232 Gegenbeispiele aus der heutigen Studentenkunst-In- dustrie 236

Arbeiten in Holz und Elfenbein

Pfeifen, Falzbein und Ring aus Elfenbein, entworfen

von M. van de Velde 17

Hängezierat von Knochen aus der jüngeren Steinzeit 83

Hornhacke der älteren Steinzeit 82

Knochenstab aus der älteren Steinzeit 83

Hölzerner Hobel aus der römischen Eisenzeit ... 83 Geschnitzte Gruppen und Details aus der Krippe von

F. Nissl in St. Johann 92, 93, 94

Entwürfe für Drechslerarbeiten von Rudolf \K'illc-

Berlin 147

Entwürfe für Drechslerarbeiten von Ericli Klcinlicmpd-

Dresden 148, 149, 150, 151

Holzfigur Frierender Knabe (Hamburger Kunst-

gewerbescluile) 164

Holzgitter (Hamburger Kunstgewerbeschule) . . . 167 Kasten in Ebenholz, entworfen von Will). Zaiscr-

Düsseldorf 196

Schrankfüllungen und Leuchter von Grete Wendt-

Dresden 203, 217

Schrankfüllungen von Grcte /\'iti"-^resden .... 203 Drei Schrankfüllungen von Annemarie Hoffmann-

Dresden ' ... 203

Kinderzimmer-Uhr von Marg. A,7//;'/- Neustadt . . . 206

Wandschrank von Marg. Preiiß-Dresden 207

Laute von Aug. Sc/ni/z-Nümberg 235

Arbeiten in Leder und Papier

Kassette in Lederschnitt von Otto 5f/;;VÄ-Karlsruhe . 35 Lederkassette mit Einlagen von Ed. Scholl Nachf.-

Karlsruhe 37

Adressenmappe in weil5em Schweinsleder nach Ent- wurf von [-»rof. H. Göhler 39

Bucheinband von Forster 45

Bucheinband des 16. Jahrhunderts 45

Deutscher Bucheinband des 16. Jahrhunderts ... 45

Französischer Bucheinband 45

Italienischer Bucheinband 47

Orientalischer Bucheinband 47

Bucheinband im Fanfaresstil 49

Bucheinband von Aldus Manutius 47

Einband für Jean Grolier 47

Einband für Heinrich 111. von Frankreich .... 49

Einband für Pius IV ... 49

Einband für Thomas Majoli 49

Einband der »Venedischen Chronika« 51

Bucheinband von Jacob Krause 51

Einband für Pfalzgraf Otto Heinrich 51

Einband für Marx Bener 51

Lyoneser Einband, 16. Jahrhundert 52

Bucheinband in der Art des Florimond Badier . . 53

Zwei Einbände in der Art des Le Qascon .... 53

Einband für Louis XIV 53

Einband für Papst Clemens X 54

Einband für Pius VI 54

Bucheinband in der Art des Derome 54

Bucheinband aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts 54

Bucheinbände (Hamburger Kunstgewerbeschule) . 170

Seite Tapete (Hamburger Kunstgewerbeschule) .... 176 Zwei Bucheinbände von Paul /l(/n'«/-Düsseldorf . . 192 Lederkasten für Ehrenbürgerbrief Düsseldorfs, ent- worfen von U''. Zaiser 192

Papierbonbonnieren in Phantasieblumenform von Eli- sabeth Dutschuianu-Dresden 202

Tafelschnuick von Marie Busch, Gertr. Beschorner wnd

Annemarie Hojfmauu-Dresden 207

Tapeten von Leslawa Micerska-Dxe:sdtn 208

Tapeten von Marg. Kiihu-Dvesden 208

Tapeten von Marg. Preuß-Dresden 208

Arbeiten in Stein

Wandbrunnen von /ean Hiinstei/i-He'ide\berg ... 25

Fliesenbild von Prof. W. Siis 30

Wandbrunnen, Aschennrne und Grabstein aus den

Marmorwerken Rupp & Möller 32

Brunnenfigur in Sandstein von Emil BäuerleStOeorgen 34

Grabrelief von Otto /7V5/-Karlsruhe 35

Porträtbüste (Majolika) von Kari /v7/r/;(v-Karlsruhe 35

Steinaxt der jüngeren Steinzeit 82

Steinmeifiel der jüngeren Steinzeit 82

Feuersteinaxt aus der jüngeren Steinzeit 82

Feuersteinsäge der jüngeren Steinzeit 82

Sichel aus Feuerstein der jüngeren Steinzeit . 82

Feuersteinwerkzeug aus der älteren Steinzeit ... 82

Renntier von Thaingen aus der älteren Steinzeit . . 83 Franz Stellmacher-Dresden :

Gruppe 101

Fenster 110

Zwei Engel für Architektur 110

Grabgruppe HO

Brunnen 112

Fries von K Sr/// ('//-Dresden 102

Erker und Gedenktafeln von Gerbert und Feuerriegel- Dresden 102, 106, 108

Füllung von /vr/t'/cr-Dresden 104

Füllung von ReijSmann-Dresden 104

Wandbrunnen von Ernst Born-Dresden 104

Alb. Peter-Dresden:

Wandbrunnen 104

Grabmal 107

Naturstudien 111

Brunnen 112

Gartenhaus von R. K'aguer-Dresden 107

Gartenhaus von ReijSmann-Dresden 107

Grabmal von fi. Schellbach-Dresden 107

Grabmäler und Naturstudien von Albert Burkhardt-

Dresden 107, 111

Portale von Ad. Sonnenschein-Dresden . ... 108 Naturstudien (Eichhörnchen und Taube)von K-Dänunig-

Dresden 109

Naturstudie von K. Ffilbe-Dresden 109

Fries von K. Schliche-Dresden 111

Brunnen von A'. /////'('-Dresden 112

Kapitell von K- Daniuiig-Dresden 114

Brunnen und Grabmal (Modelle für Stein aus der

Hamburger Kimstgewerbeschule) 171

Engelfiguren an der Südfriedhofskapelle in Düsseldorf

von Adolf Siuiatscheh .... 193

Kamin in einem Lesezimmer, nach Entwurf von Carl

F/euiniing-Düsse]dorf 195

Bauten

Weimar:

Hofecke vom Wittumspalais 1

Durchgang Rittergasse 5 2

Rückseite des alten Hoftheaters 2

Bühnenhaus des alten Hoftheaters 3

Altes Stadthaus an der Kollegiengasse .... 3

Hofmanns Kaffeehaus Teichgasse 3

Teichplatz mit Brunnen 4

Die Bastille, Ostseite 4

Luthergasse 4

INHALTSVERZEICHNIS

VII

Seite

Giebelbau in der Schcrfgasse 4

Alte Bürgerschule (Karl Augustschule) .... 6

Froriepsches Haus in der Biirfrerscliulstraße . . 7

Die alte Kunstschule 8

Bauten in Weimar von Van de Vcldc:

Treppe im Neubau der Kunstschule 8

Neues Kunstgewerbeinstitut mit Garten .... 8

Treppenhaus im neuen Kunstgewerbeinslitut . . ')

Neubau an der Kunstschule

Bauten in Weimar von Bnino Röhr:

Atelierhaus für Ludwig von Hofmann 10

Reihenhauser H

Wohnhaus mit Atelier 12

Haus Heydenreich 13, 14

Kaufhaus Laemmerhirt 14

Modelle für Gartenhaus und Geschäftshaus (Ham- burger Kinisfgewerbeschule) 172

Entwurf zu einem Parkhaus von Ludwig Loriy-

Düsseldorf ' . 186

Landhaus bei Leipzig von Reg.-Baumeister Ludwitr

Hirsc/ißld-tierUu 223, 224, 225

Das Gartentor und der Eingang . . . 221, 222

Buchkunst

(Vergl. auch »Arbeilen in Leder-)

Initial und Vignette von Prof. K- /Tr/Zz-Karlsruhe 21, 40

Exlibris von Prof. /\tir/ L7(-Karlsruhe 37

Exlibris von Frau Prof. Roninit /■0(V5/(v//«o-- Karlsruhe 37

Drei Plakate (Hamburger Kunstgewerbeschule) . . 168

Flächenfüllungen (Hamburger Kunstgewerbeschule) . 175

Kopfstück von Hedwig ;V///7/(V- Dresden 201

Buchdecke von Marie Biie/i-Dresden 212

Buchdecke von Hedwig Miil/cr-Dresden 214

Buchdecke von Lotte Biiseiiniaii/i-Dresden . . . 216

Studentisches Exlibris von Elli Hirse/i-Herhn . . . 234

Edelmetalle

Silbergefäß für Schnittblumen, entworfen von Li. van

de Velde 17

Erinnerungsbecher für das Mannheimer Jubiläums- rennen von K. AV//v/;(7-Karlsruhe ... .25

Schmucksachen nach Entwürfen von Prof. O. Kleemann 38

Halsschmuck und Brosche von R. Kowarzih-VloriWm

38, 43

Schmuck von Prof. E. Rie&ter-V\on\\€\m 39

Mittelstück eines Schmuckes aus der Lübecker Frauen-

werkstätte ... .... 74

Filigranschmuck nach Entwurf von Frau Louise Matz-

Lübeck 74, 75

Bernsteinperlen aus der jüngeren Steinzeit . . 83

Oefäl5e in Silber und Elfenbein (Hamburger Kunst- gewerbeschule) 170

C. A. /JcH///(7s-Düsseldorf:

Seitenschale zu einem Tafelaufsatz 189

Teeservice in Silber 191

Zwei Anhänger mit Edelsteinen 194

Ehrenpreis der Universität Tübingen, modelliert von

L\uil //(;//i7(7«-Stuttgart 234

Gartenkunst

(Ver^I. auch I^Lislik«)

Orangerie in Belvedere bei Weimar 4

Gartenanlage in Trier a. Mosel von Wilhelm Hoeniann 186

Glas-, Kristall- und Mosaik-Arbeiten

Olasfenster von Karl und Alfred GccA-Offenburg und

Wiesbaden ... 26

Glasfenster. Entwurf und Ausführung von Ad. Schell

und Otto I '//'/(///-Offenburg 31

Olasfenster nach Motiven von U". Nagel 31

Olasfenster für die St. Paulus-Kirche in Bern, nach

Entwurf von Prof. M. /.nH!,''(7-Karlsruhe .... 37 Fenster mit Buntverglasung nach Entwurf von Frau

Louise ;l/(;/2-Lübeck Tt

Seile

Graphik

iVcrt^t. auch »Buchkunst«»

Holzschnitt in zwei Farben (Arbeit aus der Hamburger Kunstgewerbeschule) 169

Innendekoration

Zwei Speisezimmer nach Entwurf von R. F.delniaier-

Konstanz 22,

Zwei Dielen und Wohnzimmer nach Entwürfen von

Pfeiffer & G/r)/(OTff////-Karlsruhe .... 22, 23, Ecke eines Speisezimmers mit Anbau von F. Nierholz-

Karlsruhe 26

Treppenhaus im Kasino in Saarbrücken nach Entwurf

von Prof. K- C/n;(rc/-Karlsruhe

Professor H. Z}////«^-Karlsruhe:

Herrenzimmer

Leseraum in der Kunstausstellung Mannheim . . Kinderzimmer, Entwurf und Malerei von Prof. Müller-

Salem

Mittelklasse einer amerikanischen Volksschule bei der

Papparbeit 87

Oberklasse einer amerikanischen Volksschule bei der

Holzarbeit

Klasse einer amerikanischen Mittelschule bei der

Metallarbeit

Damenzimmer nach Entwurf von Emil Dinger-Dresden Entwürfe für Antragstuck \on Erieh Kleinliempel 152, Hamburger Kunstgewerbeschule:

Dornröschen (Antragarbeit)

Wohnzimmer

Halle

Carl L/emming-Diisseldori :

Fürstenzimmer im Bahnhof Bonn

Wohnhalle und Halle im Hause des Kommerzien- rats Baare in Bochum ...

Leseraum des Seinperbundes auf der Kunstaus- stellung Düsseldorf 1907. Raumgestaltung . .

Bibliothekszimmer

Bibliothekszimmer und Diele eines Landhauses nach

Entwürfen von Wilhelm Zaiser-Düsse\dori . 183, Entwurf für Treppenaufgang und Wintergarten von

Ludwig Z.(>/;i'-Düsseldorf 184,

Trauzimmer der Stadt Düsseldorf nach Entwürfen von

Stadtbaurat Radke und Carl Heinniing-Di\sse\dori Halbansicht eines achteckigen Gartensalons von Ac^-

lawa Aiieerska-Dresden

Raumskizze von Lotte ßnsehman/i-Dresden .... Gartenzimmer von .Margarete /'/-.///(-Dresden . . . Landhaus bei Leipzig von Reg.-Baumeister Ludwig

Hirselifeldüerhn:

Diele 226,

Eßzimmer 227,

Ankleidezimmer

Kneipzimmer von Dipl. ing. /.o/r//z- Braunschweig

23

28

27

28 31

29

88

89 100 153

162 167

174

ISl

182

183 188

184

196

185

209 210 210

227 228 229 233

Keramik

Supporla in gebranntem Ton, entworfen von Rob.

Edelmaier-Konsiam 24

Steinzeugfüllung eines Wohnhauserkers von Prof. C.

A'('r////(/.s-Karlsruhc 30

Stcinzciigvasen von Karl Roth 32

Porzellanvasen mit Knstallglastircn und Asdicnurne

von Prof. C A'("'////(».'i-Karlsnihe 33

Wandbninnen von Karl Roth . 33

Tonwaren nach Entwürfen von Frau Louise Matt-

Lübeck 75

Tongefäß der jüngeren Steinzeit 83

Krüge von Kurt Maithes-Drcsdcn 105

Porzellanaufsatz und zwei Schmuckdosen von KoH

/Y///',-r>rcsden . . 105

Schmuckdose in Porzellan von .!</. /Irfir-Drcsdcn 105

Kacheln von K. /W/rm'iy»-/- Dresden 113

Keramische Arbeiten von Oerbfrt und Feumifgri-

Dresden . ... .113

Schreibzeug von /^('/////-Dresden . . 113

vm

INHALTSVERZEICHNIS

Seite

Zwei Tafelaufsätze von Lärche (Sevres) . . . 121, 122 Kinder mit Körben. Aus einem Tafelaufsatz von

Chart (Sevres) 122

Edelfalken von Fritz (Meißen) 123

Taubenpaar von Bäßirr (Meißen) 124

Gruppen von Chr. Thoinscii (Kopenhagen) . . 124, 125

Gruppe von Escoiila (Sevres) 125

Pierette von Wir<^and (Meißen) 125

Ziegenböckclien von Hocsd (Meißen) 126

Tierfiguren von Walthir (Meißen) 126, 127

Mandril und Wüstenfüchse von Pilz (Meißen) . . . 127 Kosfüuifiguren von der Insel Amager von K-M. Hansen

(Kopenhagen) 128

Schäfer von Banicud (Berlin) ......... 129

Badende von Kaufmann (Berlin) 129

Psyche von Bernewitz (Berlin) 130

Diana von Wiese (Berlin) 130

Figur von Chr. Thonisen (Kopenhagen) 131

Roulettespielerinnen von Eichter (Meißen) .... 131 Bauer nnt Külien, und Kind auf Schildkröte von Pilz

(Meißen) 131, 135

Kronleuchter aus Porzellan von Kreis (Meißen) . . 132 Aschenbecher mit Faunen von Dr. Lange- Leipzig

(Meißen) 133

Hunde von Lauritz Jensen u. E. Nielsen (Kopenhagen) 133

Friedrich der Große von Boese (Berlin) 134

Pariserinnen von Eiclüer (Meißen) 134

Der Friede von Mieliel (Sevres) 134

Junges Mädchen mit Reifen von Lange (Meißen) . . 135

Rutschbahn von Konig (Meißen) 135

Zwei Harlekine von Wiegand (Meißen) 160

Keramiken (entworfen in der Hamburger Kunst- gewerbeschule) 171, 173

Unglasiertes und zwei glasierte Tongefäße von C. A.

Bäumers-Düsst\Aoxi 189, 194

Porzellanservice, Teller und Tasse von Hedwig War-

nnith-Dresden 202, 203

Bemalte Porzellanteller und Vase von Adelheid Gähne-

Dresden 202, 203

Bemalte Porzellankachel von Gertrud Beschorner-

Dresden 203

Bemalte Porzellanvase von Emma Kircheisel-Dresden 203 Bemalte Porzellanteller und Tassen von Marg. Preuß-

Dresden ' . 203

Zwei bemalte Schüsseln von Elisabeth Dutschmann-

Dresden 206

Bierkriige von Fritz von //«"(/«--Magdeburg .... 231

Kirchenkunst

Schnitzaltar in der Walpurgakapelle oberhalb Kematen 91

Schnitzaltar in der Pfarrkirche zu Weißenbach . . 91

Malerei

Grabkapellen-Oberlicht. Glasmalerei von Prof. C. Ule-

Karlsruhe 21

Teil eines Wandgemäldes von Prof. A. G/c/z-Karlsruhe 30

Pflanzenstudie von Arthur Itlies 73

Kartonstudie, Aktstudie, Wandbilder und Aquarelle

(Hamburger Kunstgewerbeschule) 165, 166, 167, 176

Decke und Fries (Hamburger Kunstgewerbeschule) . 176 Skizze für Zimmerdecke von Annemarie Hoffmann-

Dresden 202

Vogelstudie von Leslawa Micerska-HrtsAtn .... 204

Seite

Zwei Vogelstudien von Charlotte Buschmann-Dresden 204

Schablonenmalerei von Margarethe L^reuß-Dtesden . 205

Frösche von Gertrud Beschoruer-Dresden .... 211

Kirche und Plakat von Grete Kuhn-Dresden . . . 211

Landschaft von Hedwig Miiller-Dresden 211

Landschaft von Marg. Donath-Dresden 212

Landschaft von Johanna Ludwig-Dresden .... 212 Landschaft und zwei Plakate von Gertrud Franz- Dresden 212, 214

Bildnis von Gertrud Beschomer-Dresden 213

Plakatentwurf von Enimy Kircheisel-Dresden . . . 213

Bildnis von Gertrud Leistikow-Dresden 213

Landschaft von Johanna Ludivig-Dresden .... 214

Landschaft und Plakat von Elisabeth Müller-Dresden 214

Buchdecke von Hedwig Müller-Dresden 214

Möbel

Korbstühle, Sitzbank und Blumentisch, entworfen von

H. van de Velde 17

Möbel von Arthur lllies 70, 71, 72

Möbel aus einem Wintergarten nach Entwürfen von

Emil Dinger-Dresden .100

Heinrich Kooc/fr-Worpswede, Möbel 142, 144, 145, 146 Bücherschrank, Sofa und Spieltisch (entworfen in der

Hamburger Kunstgewerbeschule) 174

Beamtenstnhl im Düsseldorfer Trauzimmer und Prnnk-

sessel, entworfen von Carl Heniming-Düsse]dori . 188

Sammlungsschrank von Wilhelm Za/sc/'-Düsseldorf . 190

Speisezimmermöbel nach Prof. Gg. 0('(/(7--Düsseldorf 191 Studentischer Präsidentensfuhl von Paul Schnwhl-

Stuttgart 235

Münzen und Plaketten

Jubiläumsmedaille derStadt Konstanz und Liszt-Plakette

von Prof. Adolf Schmid-^iorzhem 36

Plakette von R. Kowarzik-Piorzhe'xm 39

Plaketten von Prof. R. A/(7r<v-Karlsruhe 40

Plastik

Gartenplastik von H. Schcllbaeh-Dresden .... 114

Gartenplastik von P. H^VV/i-Dresden 114

Plastiken (Schülerarbeilen aus der Hamburger Kunst- gewerbeschule) 162

Grabmal in Bronze, modelliert von Heinz Müller-

Düsseldorf 187

Textilarbeiten

Kissen von Frau Ldly Edelniaier-Konsi&nz .... 25

Adressenmappe nach Entwurf von Prof. K. Gagel 34 Photographiekasten nach Entwurf von Prof. Hoffacker-

Karlsruhe 34

Album mit vergoldeten Einlagen nach Entwurf von

Frl. E. Wagner 35

Oeschäftsfenstervorhang mit Handtambourierarbeit

nach Entwurf von Frau Louise Matz-Lübeck . . 74 Kissen in Kurbelstickerei (Hamburger Kunsfgewerbe-

schule) 171

Teppich von Elisabeth Müller-Dresden 205

Teppich von Marg. Preuß-Dresden 207

Flügeldecke von Grete l^i?nrf/-Dresden 207

Stoffschablone von Gertrud Beschomer-Dresden . . 209

Stoifschablone von Lotte Buschmann-Dresden . . . 209

nXeue^ aus dem ^[{en ^i

eimar

Habent siia /ata libelli.

ALTEN Städten iiiici Kulturstätten geht es ge- wöhnlich umgekehrt wie Acn Büchern. Wie diese haben sie auch Schicksale. Während aber das Buch im Wechsel der Zeiten immer seinen ursprünglichen Inhalt behält, hängt das Schicksal einer Stadt von weit komplizierteren faktoren ab. Beim Buch wechseln ständig die Besitzer oder die Biblio- thek; es wandert von Hand zu Hand, von Hirn zu Hirn, doch das Wort sie sollen lassen stahn . Eine Stadt ändert sich von innen heraus. Im Werden und Wachsen, im Wirken und Welken ganzer Gene- rationen liegt ihr Geschick.

Unverrückbar auf der Stelle ihrer Gründung, ver- schieben sich nur ihre Grenzen weiter hinaus, wenn es die Bedürfnisse fordern. Aus Baufälligem ragt da und dort verstreut und unregelmä(5ig das Gerüst eines Neubaues als Sinnbild des Werdens empor. Ganz im Stillen, im Stehen gleichsam, wird ein abgetragenes Kleid abgelegt und ein anderes angezogen. Der Zu- schnitt hat sich verändert. Eine Wandlung in Sitten und Unsitten, in Gebräuchen und Gebärden. Ein Anschmie- gen an allgemeine, oder oft nur an örtliche Forderungen verleihen dem Gesicht eines alten Platzes bald verjüngte, bald wieder alternde Züge. Demselben Orte geben die Zeichen der Zeit eine ganz verschiedene F^egung und Richtung des Denkens, eine neue Deutung des Seins!

ilmathcn gehört zu diesen Städten. Zum Unter- schied von Spreeathen, dem reichsdeutsch-preußischen Parvenupolis, kann man an der Um noch den Anhauch einer gro(3en geistigen Vergangenheit, wie ein leises Memento verspüren:

Meine Ufer sind arm, doch höret die leisere Welle, Führet der Strom sie vorbei, manches unsterbliche Lied.

Weimar enthält Höhen- luft. Darin hat Wildenbruch recht. Und Goethe meinte noch in älteren Jahren: Bin Weltbewohner, bin Weimarancr . Diese stille und beschauliche Residenz- stadt ragt wohl noch mit ihren geistigen Gipfeln in die reinen Schichten der Atmosphäre hinauf, aus der die weltumspannenden Ge- danken geboren werden.

Dieser Boden klassischer Erinnerungen wird noch wie vom spätereil Nachtlau ge- tränkt aiisdcM Hochsommcr- tagen Karl Augusts. Jetzt glaubt ein Lauschender das flüsternde Echo zu hören, das um die Brückenbogen

Mofeckc vom WillumipilaU

am Schlosse, um Goethes Gartenhaus oder aus Friedrich Schillers stillem Slubenfenster nachklingt. Der poetische Höhenrauch , den sein flammender Idealismus über die deutsche Sehnsucht hinwehen ließ, schwebt wohl über Weimar und dem benachbarten Jena. Und die brennenden Oedankenwälder der Gegen- wart — um im Bilde zu bleiben halten sowohl die führenden, wie die ausführend mitwirkenden Geister in regem Austausch untereinander.

Gedankentiefe Stimmung überkommt den Spazier- gänger im herrlichen Park, wenn am Abend der Fuchs braut und graue Nebelschwaden über die Wege und Brückeiistege ziehen. Bei der traulichen Naturbrücke am Borkenhäuschen, einst in einer Nacht zu Ehren Anna Amalias errichtet, gleitet leise die kleine, treu- verschwiegene lim vorüber. Wie viel hat sie schon ge- sehen, vom Quell bei Ilmenau, stromab bis Weimar, im Wechsel der Zeiten. Jetzt führen ihre Wasser herbstlich dürres Gezweig und welkes Laub mit sich. Es i|uirlt um das Wurzelgeflecht der Weidcnstämnie und fließt in Wirbeln weiter, Tag um Tag, Nacht um Nacht, immer, immerzu . . .

Aus den ewigen Erdenquellcn dringen gurgelnd deine Wellen, Munter schnellen deine hellen, silbergrauen Bachforellen '

Herbstlaub rostet an den Zweigen, die sich lu den L'fern neigea Und im Wasserspiegel zeigen einen goldnen farbeareigro.

Flüsternd hier vorübergleiten: Licbeslaute, Seligkeiten,

Wie aus längst verflosinen Zeilen, köstliche Vertchwiegenheitcn!

Dichlergrütle klmgen wieder, aus den Tagen hoher Li«dcr, Fallen mit den Blattern nieder. Welke Blilter, tlille Lieder.

Abendläuten, Todesahnen. Dunklen Schicksal« Ritselbahnen. Oelslerworte großer Ahnen, wie ein tieles, emitct Mahnes-

Wie das Ntahncn an eine Zeit, da das deutsche Denken liefer, ernster und innerlicher war, als heute. So mutet den Fremden manches aus dem äl: Weimar an. Der v; loci, einst literarisch, d.n.n unter Franz Liszts Führung musikalisch, steht nun neuerdings, seit einem Jahr- iünfl, im Zeichen der bil- denden und angewandten Künste.

Durch diese ju: Epoche wurde der ki.,^,. sehen Tradition Weimars ein Tropfen rcvolutii>närcn

Kullurblutes zugcfi'ihrf Nicht ohne die unvcti liehen B€glciterscheinui.„.

KunslRCwerbeblalt. N. F. XIX. H i

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Durchgang Riltergasses

menschlich allzumenschhcher Unlieb- samkeit und Unverträglichkeit. Ob der Versuch einer Modernisierung Weimars, dem gewisse Merkmale einer Zwangs- impfungvielleicht nichtganz abzusprechen sind, zur dauernden Verherrlichung und Veredelung beiträgt, muß einstweilen abgewartet werden. Denn das End- ergebnis iiängt ganz davon ab, wie weit die neuen Werte richtig verstanden und in örtlicher Beziehung verwertet, das heißt eingewertet werden können! Hohe Kultur kann vielleicht gezüchtet, aber niemals aufgepfropft werden. Ohne eine mittelbar innerliche, wenn auch nicht unmittelbare Anknüpfung an die Über- lieferung wird auf eine organische Weiter- entwickelung schwer zu rechnen sein. Die rechte Einsicht, Energie vorausgesetzt, Kulturboden solche bildung keineswegs auch hier nicht ausgeschlossen.

Kunstwohlwollend (wenn das Wort

erlaubt) war das Sachsen-Weimarische Fürstenhaus von jeher. Der hohen

Gesinnung Karl Augusts würdig zu bleiben, wurde

zur Tradition. Adel verpflichtet. Im Verkehr mit

Erkenntnis und ist aber auf jedem organische Fort- undenkbar, also

genialen Menschen werden in adeligen Naturen, wenn sie selber frei genug sind, Starke an sich zu fesseln, aufbauende Kräfte frei. Das Gebundene und Gute, leicht von der Konvention Gehemmte, kann dann in schöpferischem Wollen ausgelöst werden.

Dem Enkel Karl Augusts, Großherzog Karl Alexander, hat man kürzlich auf dem Karlsplatz ein Reiterdenkmal errichtet. Der Fürsorge dieses vor- nehmen Mannes, dem Goethes Umgang eine unaus- löschliche Verehrung für den Dichter des »Faust«

hinterlassen, verdanken wir den schwierigen und ver- ständigen Wiederausbau der Wartburg. Seinem Enkel, Wilhelm Ernst, blieb es vorbehalten, auch der Kunst- schule neues Leben zuzuführen. Doch davon später.

Zunächst ein zwangslos peripatetischer Weg durch das ältere Weimar, wobei nur das in weiteren Kreisen weniger Bekannte Berücksichtigung finden mag. Eine Beschreibung des größtenteils Bekannten kann ein jeder Weimarbesucher im unvermeidlichen Bädeker aufschlagen, Da gibt uns jeder Führer Auskunft und Belehrung.

Altweimars bürgerliche Bau- weise war gut. Verständig, mit einem Einschlag ins Behagliche. Wie ein wohlgewachsener Körper seinen Gliederbau auch unter loser Umhüllung verrät, so erkennt der genau Hin- sehende gleichsam den anato- misch soliden Knochenbau der Altstadt noch deutlich hinter mancher Verschleierung und Verschlechterung späterer Ver- besserer und Verbau-Meister. Ach, diese Verbesserer! Dieser Veitstanz der Verunzierung! Der Ornamentenkoller hat, wie überall in deutschen Landen, auch hier sein Sündenkonto. Viel Oberflächliches und Bar- barisches hat eine häßliche Bau- spekulation zwischen das hüb- sche Alte teils hineingeschoben, teils darüber schmückend« geklebt und geklatscht.

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Nomina odiosa. Als Bei- spiele für viele sei hingewiesen auf die ornamentale Verschan- delung des Hotels Russischer Hof am Karlsplatz, dessen vor- nehme, feingegliederte Fläche der Frontfassade leider zu Ver- zierungen hat herhalten müssen. Fliegende Fetzen und Fratzen- geglotze sind des figürlichen Zierrats Geprotze. Ganz zu zerstören, was fein und edel daran war, das gelang den Ver- schönerern nicht. Nur einiger- ma(5en.

Das an der Ecke errichtete Postgebäude ist zwar, im Ver- gleich mit Schlimmerem, eher erträglich, macht aber doch einen wenig durchdachten Ein- druck neben dem langgestreck- ten, vorzüglich gegliederten alten Bürgerschulbau der Karl- August-Schule. Schlimmeres, weit Schlechteres zeigt uns das monströse neuere Gymnasium mit seiner Klotzarchitektur, in der Amalien- straße, und auch das ältere Sophien-Krankenhaus an der Ecke der Junkerstraße. Dagegen gibt das neu- gebaute Sophienhaus, mit der Rückseite nach der Bismarckstraße, sow^ohl in der Inneneinrichtung wie in seiner Außenarchitektur eine klarere, sachliche, gefällig gegliederte Gestaltung. Die ziemlich niedere Be- dachung stört dabei wenig, weil alles in sich logisch durchdacht ist. Ein Spaziergang durch die Sophien- straße liefert noch Abschreckungsbeispiele genug, zur Rechten wie zur Linken. Da ist gleich am Bahnhof, Ecke jubiläumsplatz, Eigentum des Vorschuß- und Spar- Vereins, ein Sammelsurium verschncirkelter Unsinnig- keiten vom Jahre 1 884 (erbaut von Eelbo u. Gutmann). Hingegen zeigen die Bürgerhäuser der älteren Stadt- teile, welche inWei- mar durch quet- schende Enge auf- fallen, die verstän- ili 'c Wohnweise ; leerer Großväter. Die liaticn niimlich noch einen U'c//«- a7//. Welchen? Den ihren täglichen Be- dürfnissen genau angemessenen. Wie diese langgestreck- ten Wohnhäuser zu den behaglich breit angelegten Außen- straßen stimmen.

beispielsweise in der Marienstraße, Ackerwand, Hcrder- platz, Schwanseestraße, am Graben, oder am Markte, das erkennt man beim ersten Vorübergehen. In der inneren Stadt malerisch mit alten Höfen und Gärten gruppiert, scheinen sie so natürlich aus dem Boden gewachsen, als könnte es anders hier nicht sein.

An den auslaufenden Straßen der Stadt gewöhn- lich nur ein bis zwei Stockwerke hoch, zeigen Doppel- häuser dieser Art zwei eingebaute Eingänge in der Mitte, welche durch die .\ußcnmauern vor Wind und Welter geschützt liegen. Hin und wieder einfache Messingdrücker an den Türen, sparsame Ziermotive , meist dem Empire entlehnt, niemals überladen. Das alte Froriepsche Haus mit seinem baumreichen Garten undTeich zähltwotil zu den besten dieser Art. Daß unsere Ur- großväter vernünf- tiger bauen konnten, als unsere Eltern, und daß wir Hei: tigen von der su- genanntcn Bieder- meierzeit und der voraufgehenden Pe- riode (auch vor der französischen Revi lulion) noch ntat: dies lernen und an wenden können w. bezug auf schlichte Zweckmäßigkeit,

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Teichplatz mit Brunnen

Lulhergasse

Giclielbau

in cJer SchcrrVas

Die Bastille Ostseite

unterliegt keinem Zweifel. Wer seine Augen darauf einzustellen versieht, wird unter anderem beim Durch- gang zum Künstlerverein (Zeughof), beim Wittums- palais, beim Hof in der Rittergasse, in der Luthergasse, Scherfgasse, Seifengasse, hinter der Badestube, und in den Hofwinkeln, wie sie unsere begleitenden Ansichten geben, Gutes entdecken. Auch die deutsche Renaissance ist mehrfach charakteristisch vertreten. Hier sieht man Portale, Torbogen, Türrahmen und Türdrücker, z. B. in der Teichgasse (jetzt im Städtischen Museum) das einzige Türgewände, das sich nach außen, gegen die Wand hin durch eine besonders abgesetzte Linie ab- hebt. Als Urheber wird (nach H. O. Vogel) der weimarische Steinmetzmeister Nikolaus Teiner, oder Deiner angenommen, dessen Werkzeichen mit dem am Südportal der Kirche zu Osmannstedt Ähnlichkeit aufweist. Ferner das Tor der Bastille am Schloß (um 1550), die Tür des Deutschherrnordens (Herder- platz), das Portal des roten Schlosses, und ein spätes Säulenportal am Cranachhause (1686).

Solche Schönheiten müssen früher oder später verschwinden. Sie in einer Altweimarer Mappe fest- zuhalten und zur dauernden Erinnerung zu sammeln, stellt eine hübsche Aufgabe für die Großherzogliche Kunstschule. Hoffentlich findet sie verständnisvolle Mitarbeiter und Liebhaber.

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Ein besonderer Schmuck nnd Stimnuingsgcber bilden für Weimar seine Stralicnbrunncn, i 8 an der Zahl. Am Beckenrande spielen, wie anno dazumal, die Buben und Mädclien und lassen noch Segclbote auf dem Spiegel des plätschernden Wassers schwimmen. Häuser, Bäume und Löwenköpfe scheinen darin wie in einen Abgrund vertieft. An solchem Brunnen standen wohl Gretchen und Lieschen im Geplauder über das un- vorsichtige »Bärblc . Weimars einzige Kirche von Bedeutung ist die Sladtkirche mit ihrem riesig hohen Satteldach. Von ihrer Kanzel erscholl einst das Wort Luthers und Johann Gottfried Herders, des damaligen Hofpredigers. Den Altar schmückt ein vorzüglich erhaltenes grol5es Gemälde von Cranach, von tiefer Leuchtkraft der Farben, leider in ungünstiger Be- leuchtung. Ein Werk von bedeutendem Gehalt (vergl. meine frühere Abhandlung über Lucas Cranach in der Deutschen Revue ).

Bietet die ältere Stadt des Guten genug, so sind dafür die Sünden des Jugendstils in den neueren Straßen und Villenkolonien (Wörthslralie, Cranach- straße, Moltkestraße, Lassenstraße) im Süd- und West- viertel um so bedenklicher. Ein Schnörkel rechts, ein Schnörkel links, ein Schnörkel in der Mitten. In Renaissance, Barock und Rokoko haben sie abge- wirtschaftet. Das alte Ornament ist tot es lebe das neue Ornament! Die Fassaden werden aus Mangel an Flächenteilung zur Abwechslung mal ganz »modern« mit KIcbestuck beworfen. Das Spiralfieber, oder die Wurmkrankheit nannte es der verewigte Karl Gehrls. Neuerdings fängt es an, etwas besser zu werden. Sogar zwischen den Mietkasernen wagt sich schon hie und da ein verständig angelegter Bau hervor, seine drei bis vier Stockwerke hoch, aber doch nicht häßlich. So das hohe Etagenhaus Henßstraße Nr. 6, 8 und Sa, mit Giebeln und Balkons; ferner Buch- farterstraße Nr. 15 und ig 21. Beide letztgenannten vom Architekten Röhr gebaut. Nr. 15 zeigt noch Schwächen im Vergleich zu 19 21, wo sowohl das Baumaterial wie die Farben, die Türen und die Fenster- verteilung ebenso erfreulich von außen wirken, wie von innen die Anlage und Durchbildung der Treppen- häuser. Hinsichtlich der Farben von Fensterkreuzen und Läden sei hingewiesen auf den Beitrag über

Bunte Häuser in der Zeitschrift für Innendekoration (und in der Thüringer Warte ). Draußen vor der Stadt auf einem Hügelrücken liegt, weithin sichtbar, ein un- schöner Ziegelrohbau: das Nietzsche- Archiv. Ein erträgliches Eingangsportal nn't schweren Eichentüren hat van de Veldc ihm gegeben. Um so erfrischen- der überrascht das Innere durch Gediegenheit des Materials und der Raumausinitzung. Etwas aufheiternd Klares, ein maskuliner Zug der Mäßigung konnnt in der Bibliotliek und dem angrenzenden Flaume zum Ausdruck. Zum ersteinnal in seiner Entwickelung zur Meisterschaft scheint der flämische Agitator und Diktator hier, in Ehrerbietung vor einem Großen, seiner Un- rast Schranken auferlegt zu haben. Belehrend und interessant ist es zu beobachten, wie dieser radikale Vorwärtsdränger, der selbst von einer guten Tradition, die tatsächlich vorhanden ist, wenig wissen will, doch

jetzt halb imbewußl oder schon bewußt in jener Synthese von Zweck und Form einzulenken beginnt, deren Kommen seit Jahren vorauszusehen und voraus- zusagen wenigen Klarblickenden vorbehalten war (vergl. in der Deutschen Kunst und Dekoration« meine Bei- träge über den Deutschen Wohnhaus- und Villenslil , und Die Wiener Rieht uni; ).

Im Einbau des Nietzsche-Archivs redet solche, zur Offenbarung gewordene Erkenntnis, durchdacht und ohne Fanfarengeblase, eine von Heldenverehrung ge- hobene, vokalreine Sprache in Holz und Metall. Frau Elisabeth Förster-Nietzsches Schwcslertreue hat hier, in der Wahrung der Hinterlassenschaft ihres Bruders, einen Lebensinhalt gefunden. Unter den Nachklängen an den Künstler- Denker an die Tragik im heroischen Leiden des Zerbrechens >alter Gesetz- tafeln« — ragt, auf hohem Untersalz, Ma.v Klingers Nietzschebüste. Ein erlesener Kreis versammelt sich wöchentlich hier zwanglos in den zwei Räumen, die geweiht sind durch die Werkausgaben und Wid- mungen in Bild und Buch. Die neue Lu.xusausgabe des Zarathustra liegt ebenfalls, hinsichtlich der Druck- ausstattung, in den Händen van de \'eldes.

Von der Wesenheit und dem Wirken dieses Kunst- handwerkers im eigenschöpferischen Sinne des Wortes eine psychologische Kennzeichnung zu geben, wäre lohnend, insoweit sie zeigen müßte, wie wertvoll ein zähes Wollen und ruheloses Umwandeln bei gesteigerter Erkenntnis sind. Wie jemand gerade durch seine Fehler und Fehlgriffe weiter kommen kami, dafür ist Henri van de Vclde ein lebendiges Beispiel! Sein rastloses Streben mag von einem ruhigen Gleichmaß wohl vorübergehend, doch nicht wesentlich von seiner Hauptrichtung abgewichen sein. Er lernt beständig durch seine Mängel und wendet das Erkannte beim nächsten Mal an. Auf diesem Wege wird sein Austoben doch zu einem graduellen Ausreifen. Seine eigentümlich verworrenen Grund- züge ringen sich zu immer klarerer Entfaltung durch. So gehört dieser Flamländer sicherlich zu den wenigen Männern, die an ihren Irrtümern auswachscn. Die aufbauend irren. Das ist fast immer ein Zeichen von genialer Unbefangenheit. Darum sollte sein Neuestes wohl stets auch das Reifste, das am reinsten Durch- dachte sein. So arbeiten, heißt aber wcnkn. Und ein Werdender wird immer dankbar sein. Wie reich ist das Innere derjenigen, welche heute alle Grade und Wandlungen einer neuen Kullurrcgung an sich selber durchmachen! Sie leben so das Leben nicht nur eines, sondern vieler Menschen. Freilich auch das Leiden. Wie Wilde sagt:

Denn wer mehr alt ela Leben lebl. Der leidet und »llrbl (flr drd.

Doch gerade dieses: stirb, und: Werde ! ist das höchste Vermögen der Seele. Mit der Berufung Hans Oldes an die Leitung der Oroßherzoglichen Kunst- schule setzte für Weimar auf dem Gebiete der bildi'i- den und angewandten Künste ein neues Werden c;n. Von den verschiedensten Seiten wurden die ver- schiedenartigsten Kräfte zu lehrender Stellung heran-

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Alte Bürger- schule

(Karl-August- Schule)

Aus dem Werke von Lambert & Stallt: Arcliitektur von 1750—18501. Verlag Ernst Wasmuth A.-O., Berlin

gezogen. Begabungen, untereinander so verschieden- artig wie Ludwig Hofmann und Sascha Schneider, die Schleswig-Holsteiner Adolf Brütt und Christian Rohlfs und der Vlame van de Velde. Eine rege Betätigung griff nach allen Richtungen ein, und der Zusammenschluß der im Deutschen Künstlerbunde organisierten Heerschau der Sezessionisten errichtete seinen Hauptsitz in Weimar. Dieser Künstlerbund hat wiederholt innere Krisen zu überstehen vermocht und so darf man dem bereits mehrfach Totgesagten« vermutlich ein längeres Leben prognostizieren. An einer anderen Stelle ist über den Künstlerbund und seine Tätigkeit, insbesondere bezüglich der, nach meinem Dafürhalten, unnötigen Vermehrung von Ausstellungen eingehender gesprochen worden, so daß eine Wieder- holung im einzelnen überflüssig erscheint '). Was damals und später hierüber an die Öffentlichkeit drang, das waren, wie gewöhnlich bei derartigen Affären, halbe Hintertreppenwahrheiten. Ein Ober- hofmarschall, der in Abwesenheit seines Herrn eine verborgene Sprengmine legt gegen einen Grafen von ziemlichem Frondeurtalent, der aber immerhin seinen Reichtum und seine ästhetische Bildung in den Dienst einer aufstrebenden, aristokratisch gerichteten Kultur- bewegung einstellte; dazu noch Zwischenträger und Leisetreter, mitsamt dem häßlichen Wust und Kehricht, der sich leider an den Treppen und zwischen den

!) Vergl. iKunst für Alle«, März 1907.

Tapetentüren von Fürstenhöfen anzusammeln pflegt: das alles läßt eine erquickliche Aufklärung fast nie- mals zu. Das Endergebnis wird dem gesunden Ent- wickelungsgedanken keinen Abbruch tun. Daß dem Künstlerbunde als solchem zeitweilig in Weimar kein Ausstellungslokal mehr zur Verfügung gestellt wurde, mag man als einen Teil von jener Kraft erkennen, die stets das Böse will und doch das Gute schafft! Weshalb noch mehr Ausstellungen? Wer wollte be- haupten, sie füllten eine empfindliche Lücke« aus? Weniger ausstellen, mehr Arbeit im Stillen, weniger Aufsehen erregen, mehr Andacht beim Schaffen: Ach, es war' ein Ziel, aufs Innigste zu wünschen ! Ein Motto für den Künstlerbund, eine Inschrift für seine Fahne: -Nil exponere«.

Über müßiges Gerede dürfen wir endlich zur Tagesordnung übergehen. Soviel steht fest: die ganze Sache war im Grunde des Lärms nicht wert, denn es handelte sich eigentlich um einen persönlichen Machtkonflikt. Der künstlerische Prinzipienstreit war nur die Draperie, hinter der die wundersame Causa movens, der Wille zur Macht, beiderseits agierte und agitierte. Und darum Räuber und Mörder? Wenn man's nicht ein wenig tiefer wüßte. Dieser komische Eifer für die »Ideale, mit allen Schlagwörtern und unentwegten« Prinzipien einer unentwegten Selbstge- fälligkeit. Diese betriebsame Dienstbeflissenheil und eitle Eifersucht liefert den besten Boden für die Schmarotzer- pilze in den Gärten der Großen dieser Erde. Schwer,

NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

Froriepschcs

Haus in der

Bürgerscluil-

straße

Aus dem Werke; Lambert ß: Stahl »Architektur von 1750— 1S50«. Vcriajj Ernst Wasmuth. A.-O., Berlin

sehr schwer mag es den Gebietern oft werden, unter den Miasmen der Hofluft den reinen Atem zu be- wahren. Auch in Weimars Höhenluft wie Ernst V. Wildenbruch sie nennt können schädliche Keime eindringen. In dieser Luft zu atmen ist, wie das Leben überhaupt, keine Gabe, sondern eine Aufgabe. Eine Vorzugspflicht, abgeleitet aus dem Vorzugsrecht des Sachsen-Weimarischen Fürstenhauses.

Mit dem ersten deutschen Kaiser (den der Volks- mund einst Wilhelm den Gerechten nennen darf) scheint Wilhelm Ernst von Weimar eine seltene Herrscher- tugend gemeinsam zu üben: brauchbare Manner an ihren Platz zu stellen. Wer selbst mit Freimut be- kennt: "Mir gefällt's nicht, aber die Gelegenheit, ein- mal zu zeigen, was einer will, habe ich gern ge- geben der darf erwarten und beanspruchen, daß man ihm wie einem Fürsten diene, ilcr Frcinuit und strenge Sachlichkeit verlangen und erkennen wird. Allem versteckten Winkelwesen abhold, braucht der Großherzog um so mehr der ernsten, treuen lieratcr, als solche gegenwärtig atn preuliischen, am kaiser- lichen Hofe allem Anschein nach ausgestorben sind. Wollen wir ernstlich eine deutsche Kultur wieder aufbauen, so kaim sie heute, darüber dürften endlich auch denj Blindesten die Augen aufgehen, nicht von einem berliner zentralisierenden, sondern von dem de- zentralisierenden Prinzip ausgehen. Aus unserer noch erhaltenen kleinstaatlichen Gruppierung, die wir wohl in Deutschland zu beklagen, wie als . Gegengewicht -

zu sc<,'/ii-ri manchmal Ursache haben, kann neuer Segen erwachsen, wofern nur die rechte Persönlich- keit am rechten Platze wirkt. Alle Zänkereien, Sondcr- bündeleien und Machenschaften berühren nicht den Kern, auf den es ankommt. Ob Keßler, Klinger oder Kaickreuth jetzt den Bundessesscl« einnehmen soll, geht nur den Künstlerbund etwas an. L'ns kümmert das wenig. Wir wollen bauen, wo immer Bausteine zu finden sind. In Weimar liegen Bausteine, so gut wie anderswo. Es kommt dabei auf den magistcr lapicidae, auf den Meistersteinmetzen an.

In Weimar, wohin die verdorrende Hitze des großindustriellen Kapitalismus, der wie ein Moloch- polyp alle Kanäle des Lebens mit seinen Saugarmen austrocknet, noch nicht vorgedrungen ist, da kann das alte Adcismollo; Noblesse obligc heule eine er- höhte, zeitgemälie Bedeutung gewinnen. Hier bleibt es dem Fürsten vorbehalten, im Geiste großer Vor- gänger ein Gönner und Spender zu sein. Doch der Weg ist steinig und bisiicr schwer gangbar gemacht Mit allen Hemmnissen, die Unverstand und hohler Oberflächcnkiiltiis, mit rasch zu Reichtum gelangtem Stmnpfsinn verbunden, dem Klaren und Wahren ent- gegenstellen, hat jetzt ein lauterer Wille zu kämpfen. Keines Mediceers Güte lächelt heul' der deutschen Kunst, obgleich Unsummen bereits verbaut und ver- bildhauert worden sind.

Da könnte Weimar schon manches tun, was andctv wo nicht glücken will Ein Karl-Auguslisch Alter der

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bildenden und angewandten Künste mag utopisch klingen. Unerreichbar sollte es nicht sein. Bei vollem Einsatz der gemein- samen Kräfte nach einer Willens- richtung, kann Hohes entstehen. Karl August und Anna Amalia waren zu ihrer Zeit auch Heger und Pfleger der für ihre Zeit modernen« Kunst. Das hat der Kanzler von Müller nach dem Hinscheiden des Fürsten, in seiner Dankrede in der Loge »Amalia« mit einigen Sätzen ausgesprochen, die noch heute nichts von ihrer Geltung verloren haben:

»Nicht immer gönnt das Ge- schick edlen Geistern, in einer ihrem Naturell gerade anpassen- den Zeit hervorzutreten und die ihrige zu verstehen; nur zu oft begegnen wir in der Geschichte charaktervollen Erscheinungen, die um Jahrhunderte zu spät, oder zu früh kommen. Ihm (Karl August) lag es klar vor der Seele, daß jede Periode vorschreitender Ent- wickekmg ihren eigenen Maßstab, ihre eigentüiuliche neuem Leben Temperatur und Anforderungen habe und haben müsse, und daß es die höchste Aufgabe eines Fürstenlebens sei, jenen Maßstab zu prüfen, diese Anforderungen zu würdigen und ihnen mit kluger Umsicht, aber auf- richtig zu genügen.

Die Absicht, die weimarische Kunstschule mit

Die alte Kunstschule

Treppe im Neubau der Kunstschule (V. d. Velde)

zu erfüllen, zeugt von einem feinen Gehör für die Tonschwingungen der Gegenwart. Die Verhältnisse lagen ungünstig. Die gute Tradition der Romantik eines Moriz von Schwind, wie der Klassi- zität der Preller, Genelli, Overbeck mochte eher ver- wehrend als verlebendigend auf die geistige Regsam- keit der Jugend nachwirken. Denn die Jugend besitzt

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Van de Velde

Neues Kunstgewerbe-Institut mit Garlen

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H. van de Vcliie

meist zu gleichen Teilen Elirfiirclit mit Verlangen nach Freiheit vermischt. Für mannigfaltige Ausbildungs- gelegenheit ist nun vorgesehen.

Auch in dem von van de Vclde geleiteten Kunst- gevverbeseminar hat inzwischen die praktische Aus- bildung in l.clirkurscn für die verschiedenen Fächer der kunsthandwerklichen Techniken begonnen. Was nun bereits seil Jahren die Neubelebinig und Anregung älterer, vorhandener, zum Teil aber stockender Kunst- industriezweige (wie die Bürgeier Tiipfcreien, die Korb- flechtereien von Tamiroda bei Kranichfeki, die Elfen- bein- und Bernsteinarbeiten in Ruhla) dem nimmer rastenden Eifer van de Vcldes verdanken, ist bekannt. Sein Streben geht dahin, die alten Erwerbszweige für die Bevölkerung des Oroßherzogtums und des Thü- ringer Landes wieder auf dem Weltmarkt konkurrenz- fähig zu machen. Dieses Bestreben verdient eine um so wohlwollendere Förderung, als es vielfach, und erst kürzlich wieder, mißverständlicher Auffassung und Be- bezw. Verurteilung in der Tagespressc be- gegnet. Ach ja, die Zeitungen hin und wieder kommt man in Versuchung, wenn auch nicht Auf- hebung der Preßfreiheit, so doch eine Beschränkung der Beschränktheit in der Presse von slaatswcgcn sehnlichst zu wünschen I Liest man die von Sach- kenntnis völlig ungetrübten Auslassungen über Kunst,

Ki'nsigewerbcblall. N. f'. XIX II. i

nis im neuen Kunit^cwerb«'ln»ll1ul

SO weiß man nicht, wen man am meisten bedauern soll, die Schreiber oder die Leser. Der neueste An- griff richtet sich gegen den Versuch van de Vcldes, die Holzschnilzbctriebe des Thüringer Waldes dadurch zu heben, daß gute brauchbare Vorbilder geschaffen werden. Für die Schnitzerwcrkstälten zu Empfcrts- hausen und Kaltennordhcim hat nicht etwa van de Velde selber Modelle angefertigt. Dazu besitzt sein Wesen, wie er gern bekcimt, die entsprechende Ein- bildungskraft und den Humor (z. B. für Spielzeug) nicht. Sondern ein Kleinkünsller, Erich Kleinhcmpcl, hat sich damit beschäftigt. Und diese Modelle scheinen mir harmlos genug und im Gcistt' der Sache so auf- gefaßt, daß sie keineswegs die gesunde Ursprünglich- keit einer Heimatkunst- so zu schädigen geeignet sind, wie es leider auch Wilhelm Spolir annehmen zu im-issen glaubte. Bei vorheriger Erkundigimg und lic- augeiischeinigung des Charakters dieser Modelle dürfte es höchst wahrscheinlich sein, daß Spohr. anstatt als Angreifer, als Befürworter der Absichten van de Vcldes aufgetreten wäre.

Wir bringen auf Seile 16 einige Proben von neuen Korbmöbeln, Blumentischen, Elfcnbeinpfcifcn, neb.M Falzbein, und einen» Siibergefäß für Schntil- blunicn. Dazu vier Lampen mit Bcletichtung^körpcm für elektrisches Licht, welche eine Kraft der Durch-

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Neubau an der Kunstschule

bildung ihrer Zweckform zeigen, die zur Anerkennung zwingt. Das ist Reife der Gestaltung.

Unter den jüngeren Architekten Weimars verdient Bruno Röhr Beachtung. Die Schwierigkeiten, bau- künstlerisch Gediegenes in die von den Auftraggebern gezogenen Grenzen hineinzubringen, kann nur be- greifen, wer die Zustände kennt, die mit dem Bauen für andere verknüpft sind. Diese Kompromisse bleiben schmerzlich gebunden an die Unzulänglichkeit des menschlichen Verstandes und Vermögens.

Nach einer Jugendsünde im Warenhausbau Tietz auf dem Markte, hat Röhr beim Kaufhaus Lämmerhirt am Goetheplatz die ihm gestellte Aufgabe in einer Weise gelöst, daß, wer den letztgenannten Eckbau sieht, nicht auf den Gedanken kommen würde, der erstgenannte sei von demselben Urheber!

In Privatbauten hat Röhr sehr Anerkennenswertes geleistet. Die Anlehnung an das bürgerliche Barock

kommt im Haus Heydenreich in Oberweimar, in Ver- bindung mit der terrassenförmigen Gartenanlage, zu einheitlich geschlossener Wirkung. Das Innere dieses Hauses zeigt gleichfalls gute Raumlösungen. Für den Maler Ludwig v. Hofmann baute er das Wohnhaus in der Elisabethstraße Nr. 2, nebst dem dazugehörigen kleinen, anheimelnden Atelierhaus (Abb. Seite 10 u. 11). Das nach Idee und Plan des Malers Gallhof erbaute, im assyrischen Tempelstil modifizierte Haus, mit Atelier und flachem Dach bei interessanter Raum- disposition im Innern, zeigt eine seltene Unabhängig- keit des Geschmackes. Die Vereinigung künstlerischer Bildung mit einer weltmännischen Beimischung von Großzügigkeit erscheint hier in besonders glücklicher Weise gelöst (Seite 12).

Der Erbauer ging bei der äußeren wie inneren Gestaltung von dem Gedanken aus, alle Formen der Mauerflächen, wie der Fenstereinschnitte und der Schränke im Innern dem breiten, liegenden Rechteck einzugliedern. Die gestreckten, festungartigen Bau- einheiten der ägyptisch-assyrischen Periode sind inner- halb der beschränkten heutigen Bauverhältnisse kaum im großen Stile durchzuführen. Von außen nur durch Flächen (Quadrate und farbig-breite Bänder) zu wirken, unter Verzicht auf Ornamente, ist das Leitmotiv des Ganzen. Die Wände sind an den vier Ecken strebe- pfeilerartig vorspringend, wodurch die stark »unter- setzte Kraft der schrägen Wand in monumentaler Wirkung erzielt wird. Das flache Dach zeigt zwei unterbrechende Terrassen mit Plattform und Pergola, welche in verschiedener Beleuchtung scharfe Schatten- wirkungen hervorrufen und mit buntfarbig gestrichenen, rechteckigen Säulen umstanden sind. Darüber eine Holzgitterkrönung für Anbringung von Ranken- gewächs.

Auf dem Hügel am Hörn« hat Schultze-Naum- burg neuerdings mit der Villa Wildenbruch aufs deut-

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Ludwig von Hofmann

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Architekt Bruno Höhr, nach der Zeichnung

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Architekt Bruno Röhr

Reihenhäuser. Eliiabcthslniie 3 und la (Vlohnhiui L v. HotmuiDtj

lichste bewiesen, wie die bürgerliche Bauweise der besten Zeit auch heute modernen Bedürfnissen sich anschmiegt. Was die Saalecker Werkstätten leisten können, beweist die Ausstattung der Zimmer.

Einer kunstgewerblichen Sammlung von kultur- historischer und zum Teil künstlerischer Bedeutung sei hier Erwähnung getan, da sie einzigartig und außer in Weimar nirgends in Europa in solcher Vollständig- keit zu finden ist. Das ist die Münzsammlung des Geh. Hofmedizinalrats Pfeiffer. Die Arbeit eines halben Säkulums mag wohl daran gewendet worden sein, um alle die Medaillen in Erinnerung an die fest, Hungersnot, Teuerung und sonstige Plagen der leiden- den Menschheit zusammenzustellen! Der grausige Gegenstand mag auf den Arzt eine gewisse Anziehung geübt haben. Von der Römerzeit, durchs christliche Mittelalter hindurch, bis ins 18. Jahrhundert hinein, gab es Schutzamulette oder auch Denkschaiunünzen der mannigfachsten Prägung. Unter der Pest verstand ja der Volksmund ehedem alle Arten ansteckender Seuchen, nicht nur den schwarzen» Tod, auch Cholera und ähnliche Massenvergiftungen. Wir sehen beim Erlöschen einer Epidemie Denkmünzen mit der Jahres- zahl geprägt, mit teils deutschen, teils lateinischen In- schriften. In den Abbildungen (Seite 18) erscheint

eine Reihe dieser Plaketten mit lokalen Beziehungen zu Thüringen (ähnlich wie die »Pestsäule« in Wien am Graben). So die Erfurter Medaille, deren Avers einen strahlenden Engel mit dem Schwerte über einem Gerippe darstellt, während auf der Revcrsscite die Sonne Gottes über lErphordia a pcste libcra« auf- geht (Exuente 1683); über der thüringischen Haupt- stadt mit den zahlreichen Kirchtürmen stehen wie ein Regenbogen am Himmel die Worte: »Hoc rcdeuntc perit contagiosa lues«.

Die Wanderheuschrecke und der Komwuchercr werden auch plastisch drastisch in Silber dargestellt. Stadtoberhäupter und Klostervorstchcr trugen Münzen als Talismane. Eine Medaille mit vielen Figuren zeigt die Errichtung der ehernen Schl.iiigc (nach Moses, Numeri XXI): »mach dir en crene Slang und rieht si zum Zeichen auf wer gebissen wird und sieht si an, der sol leben <. Auf dem Revers die Kreuzigung, mit vielen wirklich winzigen Figuren voll Leben, die in ihrer feinen Durchbildimg der Bewegiingcn und Drehung der Gelenke an ähnliche Szenen von M.itlin Schongauer gemahnt. »Post Tcncbras« lautet eine Dankschrift für das Aufhören einer Seuche, während die Taube mit dem (Ölzweig beim Leu ' ' ' ' Sonnenscheins wieder ztnn Erdhall nieder;

Die »groß Thcucrung« von 1771 177-j lit Jaf- gestellt, da ein einziger Scheffel Korn kostete 15 Taler. Gottes Hand, schlagt das Land«, mit einer grofim.

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Wolinliaiis iiiil Atelier und Dacliplaltform. Enlwiirf vom Maler Galihof, ausgeführt vom Architekten Bruno Röhr

aus einer Wolke herauskommenden Rute. Auf einer Seite freut sich das Volk am üppigen Garbenwuchs, während der Geizige im Kornboden sich erhängt. Den »Kornjnden sieht man dahinschreiten mit straff- gespanntem Sack, indessen ihm hinten der auf dem Nacken hockende Satan einen Schnitt in den Sack macht, aus dem das Getreide zur Erde niederfällt. (»Wer Korn sichelt, dem fluchen die Leuthe, aber Segen kommt über den so es verkauft. ) Auch die Wanderheuschrecke zog einst über des Thüringer Landes fruchtbare Fluren und ihr getreulich Kuntcrfci

hält eine Medaille fest vom Jahre MDCXCIIl (ein Diener des Herrn der Heerscharen ). Endlich eine vergoldete Münze von 1714 (aus Hamburg), -Anni funesti memoria, da das Laub von dem Baume fiel, mit dem Revers ein Symbol des Fleißes und der Fruchtbarkeit, als honigtragende Bienen, während am Horizonte Schiffe mit blähenden Segeln daherkommen; auf der anderen Seite ein Totengerippe mit der Sense, welches an einem Baume rüttelt, dessen Laub zur Erde fällt, indes die Bewohner und Bauern trostlos im Hintergrunde stehen (MDCCXIV).

Rückseite des obigen Hauses

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Architekt Bruno Röhr

Unser Rundgang durch Weimar liat den Beweis erbraciit, daß aus dem altklassischcn limboclcn tatsäch- licli eine neue F^egung, eine neue Deutung des Seins (im Rahmen der bildenden und angewandten Künste) im Aufgehen begriffen ist. Von dem Bildnis und der Landschaft, nebst dem seiner Vollendung entgegen- gelienden, neuen 1 iofliieater wird im näciisten, oder übernächsten Hefte die Rede sein.

Was wir wahrnehmen, darf uns mit abwartender Zu- versicht erfüllen. Mit der Hoffnung, daß dem Wachsen das Ausreifen beschieden sein möge. Wenige Keime bieten schon Millionen Möglichkeiten, bei richtiger,

rechtzeitiger Befruchtung. Wird ein starker Baum im Walde gefällt, so stürzt er selten von den andern völlig losgelöst. Sein Wurzelgeflecht und breites Ge- äst bleibt mit den Nachbarn ringsum meist innig verflochten. Sein Fall reißt andere mit.

Geistiges Wachstum folgt den gleichen Gesetzen, nur in aufsteigender Linie. Sein Schwellen und Steigen bleibt nicht auf engen Bezirk beschränkt. Keimende Bewegung pflanzt sich fort in kreisenden Ringen. Jedes wirkliche Leben ist gemeinsam. Es wirkt in radialer Ausstrahlung nach allen Seilen.

NUCLEUS.

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Archilekl Bruno Röhr Haus Heydenreich.

Portal (links) und Gartenfront (rechts)

Architekt Bruno Röhr

Kaufhaus Laeramerhirt Haus Heydenreich

Treppenhaus

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Elektrische

Sich- und Hängdainpen

Messing und Mattglas

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Korbstühle nach Entwürfen von Henry van de Velde

Ausgeführt von der Weiniarischen Korbindustrie iTannroda)

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Blumentisch in Korbllechlerci. Entwurf von H. van de Velde Ausgeführt von der Weimarischen Korbficchtindustrie

in Tannroda

( von fl. van Je Wide

lU-llochlenc Silzi'atik naili Iriiwuil ».'ii lltui. . ..

Ausgeführt von der Weimaribchcn Korbflechtlndujlrie Kunsigcvv'crbeblatl. N. F. XIX. H. i

Pfeilen, Fal'be:

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NEUES AUS DEM ALTEN WEIMAR

DENKMÜNZEN AUS DER SAMMLUNG PFEIFFER

Ootles Hand schlagt das Land

Groß Theueruiig

Post tcnebras

Korn-Wucherer

Münze als Amulett

Heuschrecken

Anni funesti memoria

Erpliurdia a Feste libera

DAS DEUTSCHE FARBENBUCN

EIN GEPLANTES WICHTIGES WERK

MAN kann wohl behaiipfen, daß wir einige Fortschritte in den Malverfahren gemacht haben und daß wir heute mehr von der Technik wissen als vor etwa 37 Jahren. Schon da- durch, daß die Erforschung unserer Technik durch die Gründung amtliciier Versuchswerkstätten an den Akademien jetzt planmäßiger betrieben wird. Gegen- wärü'ff wird ein von der Dentsclien Oesellschaft zur Förderung rationeller Malverfahren (Sitz in München) <;eplantes Deutsches Farbenluich von einer eigens dazu zusammengesetzten Kommission bearbeitet. Es erscheint mir wünschenswert, daß die Künstler sich für dieses sehr lobenswerte Unternehmen interessieren. Bekanntlich ist die Namengebung unserer Farben noch sehr uneinheitlich. Bedauerlicherweise ist unsere solide kleinere Küiistlcrfarbenpalette auch m'cht über- einstimmend mit der Palette der Druckindustrie. Hier wimmelt es an Überfluß und an Phantasienamen. Darum ist bei dem heute erfreulich sich steigernden Zusammenwirken von Malerei luul Druckindustrie für den Künstler eine schnelle Verständigung mit den Druckern sehr erschwert. Mißverständnisse und Ent- täuschungen bei der Arbeit oder wenig gelungene und auch ganz mißlungene Druckwerke sind die Folge. Unser deutscher Kunstdruck aber ist von dem aller- größesten Werte für unsere Kultur und unsere Stellung auf dem Weltmarkte. Die Maler als Mitbeteiligte haben deshalb Ursache, auch hier bestehende Mißstände ab- stellen zu helfen. Viele der Druckfarben sind unnötig, sie tragen nur zur Verwirrung bei. Oft sind sie nur ein weniger haltbarer aber billigerer Ersatz der Künstler- farben. Viele Nuancen sind überflüssig, weil sie durch Zusätze von Weiß oder Verdünnungen mit Binde- mitteln leicht herstellbar sind. Manche schöne Erd- und Mineralfarben sind auf diese Weise abgelöst und ersetzt. Die Ersatzfarben sind auch nicht immer als solche bezeichnet, sondern tragen ncucNamcn. Während nun ernste Künstler und Schulen auf eine haltbare und nicht zu große Farbenskala bedacht sind, ist seitens vieler Farbenfabriken ein umgekehrtes Streben zu beobachten. Das ist aber nicht zu wünschen, im Interesse des Publikums und aller Erzeuger, die Farb- stoffe für ihre Werke brauchen. Hand in Hand dannt wird nicht die Güte und Dauer der Arbeit, nur die Beiiuemlichkeit auf der einen Seite und Eitelkeit oder Eigennutz auf der anderen gefördert.

Unsere gedruckten Bilder wirken durchschnittlich unerfreulicher als die Gemälde, weil sie mit anileren teils im Charakter abweichenden Pigmenten gedruckt sind. Preußischblaue Lüfte in Landschaften, chrom- gelbe Erd- und Sonnenlichttöne, sind die Regel. Die Wahrheit der Wirkungen ist nicht überzeugend. Die Wirkungen des gedruckten Bildes beriihren zumeist unnatürlich.

Ultramarin und Kobalt werden meist nicht verwandt. Sogar dort wo ein lasierender Übcr- cinanderdruck gar nicht nötig ist, werden vielfach die deckenden aber vornehmeren gelben Erden ver- mieden und allerhand scharfe grünslichige Lacke und (^hromgelbersatz verarbeitet. Über ihre Dauer im Licht sind leider noch keine genauen Beobachtungen da. Ich fürchte, sie sind sehr unhaltbar. Man kann jetzt von einer ästhetischen Miloriblau (Preußischblau)- und von einer Chronigelbkrankheit des deutschen Illustra- tionsdruckes sprechen!

Nun scheint es mir erwünscht, um hier vorwärts zu kommen, eine Organisation zu schaffen, durch die eine Einwirkung auf die Kollegen und Fabrikanten möglich wäre.

Vielleicht könnte die Allgemeine Deutsche Kunst- genossenschaft und der Deutsche Künstlerbund durch Umläufe an die Künstlervercine und Kunstschulen und durch Sonderarbeiten in einer Kommission ein- heitliche Forderungen aufstellen, die daiui durchgesetzt werden müßten durch Zusammenschlüsse ilcr gut- gesinnten Künstler zum Schutze ihrer Kunst und zum Schutze des Publikums gegen unrationelle Technik.

Ich stehe auf dem Standpunkt, daß jeder Künstler, schon um Erfahrungen sammeln zu können, fordern müßte 1. Eine möglichst einheitliche Namengebung für alle Pigmentfarben in allen Künsten unii Industrien, 2. Eine Angabe des verkauften Farbstoffes, auf dem Farbengefäße (Tube, Büchse usw.) Nennung der zu- sammengesetzten Farbstoffe mit Angaben über das Verhältnis der Teile, 3. Eine Bürgschaff, daß die Steife mit den Namen oder Bezeichnungen (2.) überein- stimmen, und daß sie rein und preisgemäß sinil, 4. Eine Angabe über Lichlbeständigkcit und Verträglichkeit mit gleichartigen Farbstoffen derselben Kunst oder desselben Gewerbes.

Heute wissen die meisten Künstler und Industriellen nicht, womit sie malen, drucken und sonstwie arbeiten, und ob sie damit arbeiten, womit sie zu arlK-itcn glauben. Sie können es nicht wissen, wenn sie nicht von jeder Farbbüchsc chemische Analysen machen lassen wollen.

Wir sollten, da es sich um große ästhetische und ethische Werke handelt, durch unsere Künstler-, Kunst- und anderen Vereine die Klinke dir (ie^ilz- gebung für ims zu fassen strel>en. Die Nahrungsmiticl- fälschung ist doch auch noch nicht seit langer Zeit gesetzlich verboten! Es stehen hier grolle Kultur- werte auf dem Spiel. Die Gesundheit bedeutender Gruppen von Kunst- uiul Indusiricwcrkcn.

Diejenigen Fabrikate, die unsere Forderungen er- füllen, sollten uns von allen Insonders empfohlen und breit eingeführt werden durch Vereinspropaganda. Jeder könnte seine Beobachtungen den Vorstinden

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

unserer Vereine mitteilen. Diese sollten regelmäßige Analysen machen lassen. Alle Beobachtungen könnten jedem Künstler in vertraulichen Auskünften zugänglich gemacht sein.

Die Fabriken, die sich besonders für uns bemühen und gilt bewähren, könnten seitens der Vereinsvorstände empfohlen werden. Auf diese Weise könnte ein wert- voller Einfluß auf die Fabrikation ausgeübt werden.

Sehr erwünscht scheint mir, neben dem Streben, die Palette solid und niclit zu groß zu gestalten, eine möglichst einheitliche Nomenklatur für Künstlerfarben, Anstreicherfarben, Druckfarben, Textilindustriefarben, (Färbungsstoffe der Färber, Beizen), Holzindustrie- farben usw. Ich meine es wäre zur Erleichterung des Zusammcnarbeilens der Angehörigen aller dieser Künste, Industrien und Gewerbe und aller übrigen Laien sehr nützlich, wenn von jeder Farbe, gemäß ihrem Charakter, die Parallelfarben in den nachbar- lichen Gebieten in dem Dciifsclicii Farbcnbiuiic auch aufgeführt würden. Dazu müßten Skalen hergestellt, diese gegenseitig verglichen und dann könnte end- gültige Wahl und Bezeichnung gefunden werden. In einem Fragebogen der erwähnten Gesellschaft für das deutsche Farbenbuch sind eine Menge der wertvollsten und erwünschtesten Angaben über die Farben aufgezählt.

Das 'Deutsche Farbenbuch< wird, wie mir gut und berechtigt erscheint, die Aufführung der Farben nach ihrem Wesen, Vorkommen, ihrer chemischen Zusammensetzung usw. vornehmen.

Es scheint mir aber auch wünschenswert zu sein, daß in einem Anhang zur gegenseitigen Verständigung für Künstler, Gewerbler, Industrielle und Laien, die Farben nach der Farbe (Erscheinung) in irgend einer Ordnung z. B. gelbe (grüne), blaue (violette), rote (orangene) usw., vielleicht dabei von den hellen zu den dunklen gehend, aufgeführt werden.

Ebenso halte ich für wertvoll und praktisch eine Aufführung der gegenseitigen Synonyma oder Parallel- farben aller beteiligten Parteien.

Vielleicht äußern sich noch andere Kollegen und Vertreter anderer Künste, Gewerbe oder Industrien zu dieser Anregimg und zu dem ganzen lobenswerten Unternehmen in München, damit das Deutsche Farbenbuch ein möglichst vollkommener und prak- tischer Wegweiser für alle wird, die an der Farbe, insbesondere durch ihren Beruf, beteiligt sind.

Ich zweifle nicht, daß solche Anregungen der jetzt mit den Vorarbeiten beschäftigten Kommission will- kommen sein und nicht als Störung empfunden werden. Die Kommission behält ja immer die Freiheit, Un- geeignetes abzulehnen und zuletzt selbständig zu entscheiden.

Stimmen, die nicht in der Fachpresse sich hören lassen wollen, werden auch in direkten brieflichen Wünschen gern gehört. Sie werden sich am besten an Herrn Adolf Wilh. Keim, München, Kgl. Akademie der bildenden Künste, wenden, der Mitglied der Kom- mission zur Bearbeitung des Farbenbuches ist.

Prof. M. SELIGER.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Ein deutscher Kunstgewerbebund soll demnächst gegründet werden. Der Bund will auf den Gebieten des kunstgewerblichen Schaffens gute gediegene Arbeit durch den Zusammenschluß der besten in Kunst und Gewerbe tätigen Künstler fördern. Unsere angesehensten Künstler und Oewerbelreibcnde haben ihre tätige Mitwirkung bei der Bundesarbeit zugesagt. Nach der am 5. und. 6. Oktober in München stattfindenden Gründungsversammlung wird über Zusammensetzung und Arbeit des Bundes Genaueres zu berichten sein. Die derzeitige Geschäftsstelle ist Dresden, Blasewitzerstraße 17.

Der Verband deutscher Kunstgewerbevereine hat eine Gebührenordnung für das Kunstgewerbe ausge- arbeitet, deren Wortlaut wir in der nächsten Nummer des »Kunslgewerbeblattes zu veröffentlichen gedenken.

Freiberg in Sa. Die bisherige Tischlerfachschule wird vom 1. Oktober ab in eine kunstgewerbliche Fach- schule, verbunden mit Lehrwerkstätte, umgewandelt. Die Lehrwerkstätte befindet sich in einem dazu erbauten Räume der Kunsttischlerei von Bernhard Oöbel, der zugleich den praktischen Unterricht übernommen hat. Es wird ange- strebt, die Schüler im Ausführen kunstgewerblicher Arbeiten sowie in einzelnen Techniken, wie Beitzen, Räuchern, Mat- tieren, Polieren, Zusammensetzen der Fourniere, Einlegen von Intarsien usw. zu vervollkommnen und fertig auszu- bilden. Das Ministerium hat eine einmalige Subvention von 500 Mark sowie 1200 Mark für das erste laufende Jahr in Aussicht gestellt. Das Stadtverordnetenkollegium zu Freiberg i. Sa. hat einsiimmig die beabsichtigte Umwand- lung genehmigt und einen entsprechenden Zuschuß be- v.'üligt.

Leipzig. Bekanntlich hatte die Zeitschrift Die Woche« im vorigen Jahre ein Preisausschreiben zur Erlangung von Entwürfen für Sommer- und Ferienhäuser erlassen. Das Resultat war über Erwarten erfreulich, waren doch mehr als 1500 Entwürfe eingegangen. Um die Früchte des Wettbewerbs den weitesten Kreisen zugänglich zu machen, hat sich auf Veranlassung der Jurymitglieder der Verlag entschlossen, von 40 der besten Entwürfe Modelle anfertigen zu lassen imd diese in den größeren deutschen Städten auszustellen. Die Modelle sind auf Grund eines neuen Verfahrens aus Papier, Papiermasche und andern Stoffen im Maßstab 1 : 25 hergestellt und auf Rahmen montiert. Sie zeigen außer den Architekturen das diese unmittelbar umgebende Terrain mit Gärten, Bäumen, Einfriedigungen usw. Auch sind den Modellen die entsprechenden Pläne beigegeben.

Nachdem das Kunstgewerbemuseum in Berlin den Beginn der Ausstellungstourne im vergangenen Monat gemacht hat, werden die Modelle an zweiter Stelle im Leipziger Kunstgewerbemuseum vorgeführt Die Aus- stellung dauert vom 5. bis 25. Oktober.

Die Kunstschule des Westens in Berlin für Zeichnen und Malen, Charlottenburg, Kantstraße 154a, beginnt in diesem Herbst ihr viertes Schuljahr. Neben den Vor- bereitungskursen zur Aufnahme in die Königliche Kunst- schule und den Kursen für Lehrer und Lehrerinnen zum Üben des Freihandzeichnens und Aquarellierens nach der Reformzeichenmethode und der ministeriellen Verfügung vom 3. April igo2 bestehen Klassen für Perspektive, Still- leben, Porträt (Kunstmaler Waldemar Blohm), Kostüm und Akt (Maler Georg Friedrich). Prospekte versendet die Vorsteherin Emmy Stalmann, Sprechzeit 12 i'/^ Uhr.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Druck von Ernst Hedrich Nachf., a. m. b. h., Leipzig

Professor C. Ule, Karlsruhe

OrabkapcUea-ObcrUcJil

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

Initial von Prof. K. Eylh, Karlsruhe

ann man im allgemeinen einen Artikel beliebig be- ginnen, so ist dem im vor- liegenden Fall nicht so. Der Vorsitzende des Badischen Kunstgewerbevereins hat mir ein Bilderbuch von zwanzig Seiten zugestellt mit der Bitte, für die Aus- füllung der zwischen den Illustrationen verbliebenen Leerstellen durch einen ver- bindenden Text besorgt zu sein. Da nun unter dem Kopfstück mit den drei christlichen Kardinallugenden sich das Eythsche Initial eingeklebt findet, beginne ich mit »K«. Mein nächstes Geschäft ist, den Um- fang des Textes zu berechnen; die Rechnung ergibt 17S0 Wörter für 780 Quadratzentimentcr. Zur An- passung an diesen bestimmt zugemessenen Raum empfiehlt sich der Plauderton, weil er ein beliebiges Abbrechen gestattet, wenn das Maß voll ist. Er emp- fiehlt sich auch deswegen, weil mein Auftraggeber mir sagt, daß die Bildersanmilung eine bunte, ziem- lich zufällige Zusammenstellung sei, die keinen An- spruch auf systematische Ordnung machen könne. Vieles, was man gerne gebracht hätte, sei nicht beizu- bringen gewesen und so ist mancher Name gar nicht vertreten, der der guten Leistungen seines Trägers

Kuuslgewerbeblatt. N. F. XIX. H. a

wegen vertreten sein müßte. In bezug auf die beiden neuzeitigen Koryphäen der badischen Raum- und Aus- stattungskunsl, die Professoren ß/V/zV/^' und Länger, ist die etwas stiefmütterliche Behandlung insofern zu ent- schuldigen, als das Juniheft des Kunstgewerbeblaltcs ihnen im Hauptteil gewidmet gewesen ist (»Raum- kunst und Gartenkunst auf der Mannheimer Jubiläums- ausstellung^ von Prof. Korl Widmer). Dem Vorsit- zenden des Vereins, Professor Hoffacker, hat die Bescheidenheit verboten, eigene Arbeiten dem Hefte einzureihen. So ungefähr mein Auftraggeber; das übrige sei meine Sache.

Vom badischen Kunstgewerbe spricht man schon lange; es wurde in demselben schon laboriert, als man an vielen Plätzen des cbengcgründelcn Reiches die neue Bewegung kaum dem Namen nach kannte. Die erste Anregung erfolgte durch den vor wenigen Wochen heimgegangenen Großherzog Friedrich und seine kunstsinnige Gemahlin. Die von ihnen in das leben ge- rufene, erst bescheidene und ilann unter den Direktoren Kachel und Götz emporgehobene Kunstgcwcrbcschulc der badischen Residenz hat für sich selbst und für die Fachschulen des Landes geeignete Lehrkräfte sowie für das heimische und auswärtige Kunstgewerbe eine stattliche Zahl ausführender Künstler ausgebildet. So sind unter anderen die im vorliegenden Sonderheft vertretenen Batterie, Billing, F.yth, Feist, Oagel, Gohler, Groh, Karcher, Kowanik, Läuger, //er- Sa lern, Sier- Iwlz, Riester, Schmid und \X'olber durdi die Karls-

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM BADEN^ _

Speisezimmer. Entwurf : Baupraklikant Rob. Edelmaier, Konstanz; Ausführung: Schreinerarbeit, Hofmöbelfabrik Georg Müller, Baden-Baden.

Diele,

Entwurf von

Pfeiffer u. Oroß-

mann, Architekten,

Karlsruhe

Ausführung : Kachelofen, Fried- rich Geisendörfer, Karlsruhe.

Messinguhr, Stroh und Dürr, Karlsruhe

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM BADEN

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Speisezimmer Entwurf: Baupraklikanl Rob. Edclmaler. KouUiu

Ausführung: Ofen, Jean Heinstein. Heidelberg; BeleuchlunEskörper, Peter Huckschijc, Karlsruhe

Diele,

Entwurf von

Pfeiffer und Orofl-

mann, Architekten.

Karlsruhe

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Aü»lühfUBf I

Stuckdecke,

I ihardi. Katluabe

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HotmAbellabrik

Ad. UcUcr,

rrribwf L 8r.

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KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM BADEN

Supporta in gebranntem Ton.

Entwurf: Baupraktikant Rob. Edelmaier, Konstanz; Ausführung: Karl Kerzinger, Heidelberg

ruher Schule hindurchgegangen. Es ist selbstver- ständlich, daß die letztere sich zur Vervollständigung ihres Lehrkörpers auch fremde Kräfte herbeiholen mußte, so z. B. den Keramiker Konihas (früher in Florenz), den Medailleur und Ziseleur Riid. Mayer (in Wien und Stuttgart), den Glasmaler und Mosaik- künstler Ulc (in München), von welchen einige Ar- beiten im Hefte wiedergegeben sind.

Der Umstand, daß in dem einen der beiden statt- lichen, für die Schule erstellten Neubauten sich ein zur Veranstaltung von Ausstellungen geradezu ein- ladender Lichthof befindet, wurde die Veranlassung zur Gründung eines Kunstgewerbe-Museums. Sie geschah durch den Badischen Kunstgewerbeverein, der es heute noch unterstützt. Das Museum ist seitdem verstaatlicht worden; es blieb mit der Schule verbunden und wird

Professor

Fritz Wolber,

I^forzlieim

Bronzevase und getriebene Möbeleinlagen

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM RADEN

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vom jetzigen Direktor derselben in unermüdlicher Weise und im neuzeitigen Sinne weiter aus- gestaltet. Es liegt hier der merk- würdige Fall vor, daß der Staat gewissermaßen unabsichtlich zu einem für das Kunstgewerbe nützlichen Institut gelangt ist.

Die kunstgewerblichen Bil- dungsanstalten erleben zurzeit eine Verschiebung; sie werden von Haus aus zwischen Kunst und Gewerbe stehend - sozusagen vom Gewerbe abge- drängt und nach der Seite der Kunst hingeschoben; an Stelle des allgemein bildenden Massen- unterrichts tritt mehr und mehr

Preisgekrönter ErinnerunKsbechcr für tl.is

Mannheimer Jubiläumsrennen. Entwurf und

Silberausführung: K- K.irclier, KarKruhe

Baupraklikanl Rob. Edclmaler, Konstanz

Kissen, ausgeführt von Frau Litly Edelmaier;

Wandbrunnen, ausgeführt von Jean Mcinslein, Heidelberg;

Tischlampe, ausgeführt von Peter Hucksctilag, Karlsruhe

die Heranziehung künstlerischer Individualitäten und Speziali- täten. Das liegt im Zug der Zeil, (^b es zweckmäßig ist, daß die Schule das übernimmt, wofür früher der einzelne zu sorgen hatte, mag dahingestellt sein. Eine Verschiebung im genannten Sinne vollzieht sich auch an der Karlsruher Schule und die Folge davon ist, daß die Gewerbe- schulen der Städte Mannheim, Heidelberg, Freiburg usw. sich für das Kunstgewerbe einzu- richten beginnen, welches, so wie die Sache einmal liegt, sich nicht ausschließlich und nicht ein- mal vorherrschend Kräfte erster Güte dienstbar machen kann.

Die zweite Kunstgewerbe- schule des Landes - Pforzheim

trägt mit ihrem Lehrplan der dortigen Edelmetallindustric Rechnung und es versteht sich

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KUNSTGEWERBLICHCS AUS DEM GROSSHERZOOTUM BADEN

F. Nierholz, Karlsruhe

Ecke eines Speisezimmers mit Anbau

Qlasfensler. Entwurf und Ausführung : Karl und Alfred Geck, Offenburg und Wiesbaden

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOOTUM BADEN

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ohne weiteres, daß auch die Lehrer für ihre privaten Arbeiten das Metaligebiet bevorzugen (vergl. Kleemann, Kowarzik, Riester, Schmid, Wolter). Neuerdings hat Pforzheim eine »Goldschmiedeschule eingerichtet, also eine ausgesprochene Fachschule. Eine weitere Kunst- gewerbliche Fachschule, für Schnitzerei und Schreinerei, besteht in Furtwangen neben der rein technischen Uhrmacherschule für die Uhrenindustrie des Schwarz- waldes. Bei dem an sich schon schwierigen Stand- punkt dieser Fachschulen wirkt die oben angedeutete Verschiebung noch erschwerend mit. Sie sollen die Industrie fördern: dazu sind sie gegründet. Die In- dustriellen sind den neuen Moden (neue Stile sind neue Moden der Kunst) nicht abgeneigt, im Gegen- teil; aber sie wollen Entwürfe für billig herzustellende Massenartikel, sie wollen Entwürfe im Geschmack exotischer Kundenkreise usw. und Zugeständnisse in diesem Sinne sind häufig gleichbedeutend mit dem Aufgeben selbständiger künstlerischer Empfindung und Eigenart. Deswegen so viele auf dem Papier ge- bliebene Entwürfe und deswegen so viele modern sein sollende Trivialitäten unter den Marktwaren der Bijouterie- und Uhrenfabrikation.

Der Badische Kunstgewerbeverein kann seinen nicht in Karlsruhe wohnenden Mitgliedern nicht viel mehr bieten als diese Zeitschrift und es ist höchst ehrenwert, da(5 er um der guten Sache willen von ihnen trotzdem unterstützt wird. Von Zeit zu Zeit veranstaltet der Verein in der Residenz eine Ausstellung. Das letzte dieser Unternehmen, diejubiläumsausslcllung des Vorjahres, war im Gegensatz zu den vorausge- gangenen Spezialausstellungen (Fächer-, Schmiedeisen-, Glasmalerei - Ausstellung usw.) allgemeiner Art, litt aber unter ungünstigen Verhältnissen hinsichtlich der Vorbereitung und Beschickung und konnte deshalb kein exaktes Bild vom dermaligcn Stand des badischen Kunstgewerbes geben. Ein grolier Teil der Abbildungen dieses Heftes, hauptsächlich was die Zimmereinrich- tungen betrifft, bezieht sich auf diese Ausstellung. Sic war besonders reich mit allerlei hübschen Brunnen und Öfen gesegnet, von denen ebenfalls einige wieder- gegeben sind. Neben dem Badischen Kunslgewerbc- verein und in guten Beziehungen zu ihm steht der Kunstgewerbeverein Pforzheim, der mehr örtlicher Natur ist, eine zahlreiche Mitgliedschaft hat und wie die dortige Schule sich der Ortsindustrie anpalJL

Treppenhaus im Kasino in Saarbrücken

Entwurf: l'rof»t»or K. Oajcl, KaiUruh«; AatiahniBg. Btllw« üoJ ^_rfi.

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KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOOTUM BADEN

Wohnzimmer. Entwurf; Pfeiffer und Grolimann, Arcliileklen, Karlsruhe; Ausführung: Hofmöbelfabrik Ad. Dietler, Freiburg i. Br

Herrenzimmer.

Entwurf; Prof. H. Billing, Karlsruhe; Ausführung; Hofmöbelfabril< L.J. Peter, Mannheim

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM BADEN

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Wenn die kunstgewerblichen Schulen und Vereine die einzigen Faktoren zur Hebung der lictreffenden Industrie wären, so mülite diese in leiden wohl glänzender dastehen, als es tatsächlich der Fall ist. Immerhin ergibt der Überblick über das Oesamtgebiet ein befriedigendes Resultat. Von denjenigen Betätigungen, die man dem Kunst- gewerbe zuzurechnen pflegt, haben die meisten eine Vertretung im Lande, allerdings in sehr un- f^leicher Verteilung. Von grolien, alteingesessenen Industrien, die sich Weltruf und Wellmarkt ver- schafft haben, sind vorhanden die Pforzheimer Schmuckindustrie und die Uhrenindustrie des Schwarzwaldes. Während die erstere sich der Er- zeugung nach auf Pforzheim und die Umgebung beschränkt, erstreckt sich die letztere auf eine grö(5ere Zahl von Städten und Ortschaften des südlichen Schwarzwaldes (Lenzkirch, Furtwagen, Villingen St. Georgen, Vöhrenbach , Eisenbach, Triberg usw.). An Stelle der ursprünglichen Haus- industrie tritt hier immer mehr die fabrikmäßige Massenproduktion. Hat seinerzeit die Hausindustrie konservativ an ihren hergebrachten naturalistischen Schnitzereien festgehalten und sich gegen alle Neuerungen gesträubt, so sieht der heutige Be- trieb in erster Linie auf die einfache und billige Herstellung gangbarer Muster und steht allem, was dem widerspricht, skeptisch gegenüber. Etwas günstiger in dieser Hinsicht liegt die Sache in Pforzheim.

Die Möbelindustrie und Innenausstattung wird vertreten durch L. J. Pcur in Mannheim, durch Qcbrüdcr liimmdhcbcr , M. Reutlin^cr & Cic, W. Qastcl in Karlsruhe, A. Dietlcr in Freiburg i. Br.,

Kinderzimmer.

Entwurf und Malerei :

Prof. Mi'dlerSalem ;

Ausführunt;:

Ootll. Berlsch, Pforzheim

Kunsigewerbcblalt. N. F. XIX. H

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KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

G. Müller in Baden- Baden, Veilil & Cic. in Pforzheim, Freidinger in Rastatt, A. Ri/ig- walcl in Lahr und andere mehr. Man bei<lagt sich in diesen Kreisen, daß die in der Nachbar- residenz Darmstadt rasch aufgeblühte Kon- kurrenz den Wind aus den Segeln genommen habe. Eine für die feine Möbelindustrie wichtige Technik, die Intarsienschneiderei, hat im Lande zwei Vertreter von hervor- ragender Leistungsfähigkeit: H. Maybacli in Karlsruhe und R. Macco in Heidelberg. Als dritter im Bunde wäre G. Schaiipp in Stetten a. k. M. zu nennen , der sich das Spezialgebiet der Relief Intarsia erwählt hat.

Die Kunstschlosserei findet eine gute Pflege sowohl in Karlsruhe als auch in anderen badischen Städten. Für sie be- deutet der Übergang zum Modernen eine Vereinfachung der Technik, eine Erleichte- rung. Aus der großen Reihe tüchtiger Kunstschmiede seien erwähnt: W. Weiß, G. Groke, Fr. Lang, Stroh & Dürr in Karls- ruhe,/vscA^"/-, K-Dietz in Pforzheim,/. A'ra/c/' in Mannheim. An dieser Stelle kann Peter Nncksclilag-KiiThruhe angegliedert werden, nicht wegen seiner Zinkornamentfabrik, die ihm das tägliche Brot verschafft, sondern wegen seiner Treibarbeiten in Kupfer. Unter den Abbildungen figurieren aus seiner Werkstätte stammende Beleuchtungs- körper, die Nippsachen sind im Vergleich zu den von ihm getriebenen Kolossal- statuen für Kirchenfassaden, Brücken usw.

Wie das Elsaß sein Sufflenheim hat, so kennt auch Baden einige alte Herde keramischer Kunst: Mosbach, Durlach, Zell am Harmersbach, Villingen, Kandern. In Mosbach erstellt heute Fr. Nerbel seine Öfen; iP. Weinrarlen bei Durlach schafft Prof.

Professor A. Oroh, Karls- ruhe, Teil eines Wand- gemäldes

Professor C. Koriilias-Karlsruhe, Stcinzeugfüllung eines Wohnhauserkers

Professor W. Süs: Fliesenbild. Ausgeführt in der Großh. Majolika-Manufaktur in Karlsruhe

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOQTUM BADEN

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Olasfensler. Entwurf und Ausführung: Adolf Schell und Otto Vitlali, O. m.b.H., Offenburg'

Konilias seine Porzellane mit Kristall- glasuren (siehe Abbildung); in Zell fabri- zieren G. Sclimidcr und C. Scitaaf der Hauptsache nach Gebrauchsgeschirr; in Villingen ist /. Glatz der Epigone des berühmten Hans Kraut; in den Tonwerken von Kandern entstehen die weit bekannt gewordenen Vasen und Fließen von Prof. Länger. Aulkrdem entfaltet unter der Leitung von Prof. Si'is und unter Mit- wirkung verschiedener Maler und Bild- hauer (Tlionia, Luntz, V'olz, Dictsclic, Wiirtcmbergcr usw.) die Großh. Majolika- manufaktur ihre künstlerische Tätigkeit. Frau Sclmiiilt-Pi'cht und //. ScklUr, beide in Konstanz, Frau Roman-Focr^krling iti Karlsruhe bebauen ebenfalls das kerami- sche Gebiet, teils nur entwerfend, teils auch ausführend. Moderne Öfen erzeugen Jean Heinstein in Heidelberg, /•'. Geisen- dörfer in Karlsruhe und A^. Roth in Oos- Baden. Der letztere versucht sich neben- bei auch mit Glück wie Prof. Kornlias in Steinzeugsachen mit Lüstcrglasurcn (vergl. die Abbildung).

Eine sehr gut vertretene Spczialkunst des Großherzogtums bilden die Glas- malerei, die Glasatzung, die Kunstver- glasung und die Mosaiktechnik. Obenan

Olasfenster, nach .Moliven von Kunilnialfr W. .Vagtl, ausgeführt von H. Drinncberg, Karlsruhe

I.eseraum In der KunaUnoltlluni; ktanahtiai. Catwnrf. i*rol. ,..-.-- ., .- . ..,,br1k L |. P»««T, V---

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

Steinzeugvasen, zum Teil mit Lustreglasur, von Kar! Roth, Kunsttöpferei, Oos-Baden

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Rupp & Möller, Marmorwerke,

Karlsruhe

Wandbrunnen,

Asclienurne,

Grabstein,

(Ges. gesch.)

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

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Porzellan- vasen mit Kristall- glasuren

stehen als entwerfend und selbstausfiihrend Prof. Gcigcs in Freiburg und Prof. U/e in Karlsruhe. Anschließend sind zu nennen für Glasmalerei und Kunstverglasung: Hans Drinncbi-n^- Karlsruhe, Ä. & K Geck, Sciuil & Vittali, beide Firmen in Offenburg, /. A/'V^'/^sr/z-Mannheim, L. Qicbc/er-F reihurg und für Mosaik die Of/ciibi/ri^cr Okismosaikfcibrik, G. m. b. H.

Eine Bronzegießerei, die sich für dan Kunstguß von Statuen und Büsten im Karlsruher Bannwald eingerichtet hatte, mußle leider infolge ungenügender Aufträge den Betrieb aufgeben. Reliefdarstellungen und Sachen ornamentaler Art können in der Eisen- und Bronzegießerei vormals C. Flink in Mannheim gegossen werden. Ebenso sind im Lande noch einige Gold und Silberschmiede tätig wie/V. 7>///;//(r-Heidelberg und andere. Daneben ist noch die sogenannte Karlsruher Silberfabrik als Filiale von Christojk & Cie. in Paris zu nennen.

Die Monumentkunst in Stein wird repräsentiert durch die Firma Riipp & Möller in Karlsruhe. Unsere Abbildungen zeigen einen Wandbrunnen , eine Aschenurne und einen

■■■■

Prof. K. Kornhas, Kwljnihe, AKhcnurnc (Sleinicugj

Kwl Rolb, Knmllipftfc«, Oa*-B«S«a

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOOTUM BADEN

Emil Bäuerle, St. Georgen ; Brunnenfigur in Sandslein, von der Jubiläums-Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe, Karisrutie 1906

Phoiographiekasten.

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BS HB

/^OCCCCVII.

Entwurf: Prof. Hoffacker Adressen-Mappe

Ausführung: Hofbuchbinder Otto Schink, Karlsruhe

Entwurf: Prof. K. Gagel.

Kl IN^TOEWERBÜCHES AUS DEM OROSSHERZOQTUM BADEN

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Ollo Fc-isl, Karlsruhe Orabrclicf

Karl Karchcr, Karls- ruhe, l'orlrütbüslc (Majolika)

Prof. Müllcr-Salcm,

Pforzheim, Orab-

kreuz in Schniiede-

cisen. Ausführung: Schlosscrmeister

Fischer, Pforzheim

llofbuchbindcr Ollo Schick, Karlsruhe: Kuscilr. Lcdei' Beschule vergoUet

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AlbuHi iiui Ausfaht.

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KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

Vereinzelt wird im Lande die Goldstickerei als Volks- kunst betrieben. (Haubenböden der Volkstrachten.)

Der Unterschied der künstlerischen Ausdrucksweise von vordem und heute ist besonders auffällig in Hinsicht auf die Buchkunst und den Einband; dem letzteren widmet das moderne Kunstgewerbe mit Fug und Recht erhöhte Aufmerksamkeit. In dem ver- storbenen Altmeister Scholl in Durlach hatten übrigens die Karlsruher Künstler für ihre Mappen und Adressen schon seit Jahrzehnten eine ganz bewährte und

Stil hat sich inzwischen des ist.

zuverlässige Hilfe. Der geändert, die Solidität Karlsruhe übergesiedelt gewahrt. Die Leistungen

von

Geschäftes , das nach wird vom Nachfolger Otto Schick, C. Feigler

und anderen reihen sich ebenbürtig an (vergl. die

\ UNDÜtR^OLbEKtK HOCHZEIT ^- AöHOS^HERuO^ nt![DniVH5.

/

Grabstein , hervorgegangen aus den genannten Marmorwerken.

Auf dem Textilgebiet tum- meln sich hier wie anderwärts die Vertreterinnen des schönen Geschlechts; für Leute von Ge- schick und Geschmack gehört es zum guten Ton, sich mit der Applikaturstickerei von Kissen, mit dem Aufputz von Reform- kleidern zu befassen. Ein offizi- elles Institut zur betreffenden Unterrichtung ist die von Fräulein Thelemann und Prof. Gagel ge- leitete Kunststickereischule des Badischen Frauenvereins. Ge- schäfte für Fahnenstickerei und Paramente befinden sich in Karls- ruhe, Freiburg, Gengenbach usw.

Professor Adolf Sclimid, Pforzheim

Liszt-Piakette (Kupfer getrieben).

Jubiläums-Medaille der Stadt Konstanz,

geprägt von Sciimidhäußler & Wielandt,

Pforzheim. Tinlenzeug ^Bronze).

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOGTUM HADEN

37

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Exlibris von Professor Karl Ule, Karlsruhe

Abbildungen auf Seite 34, 35, 37. 39)-

Auf graphischem Gebiete stellt Karlsruhe aus der Reihe der KünstlcTscIiaft der Akade- mie unt! der Kunslgcwerbe- schuie Seil warzweilikünstler zur Genüge; für Plakate und far- bige Stcinzeichuungen als Wandschmuck (Teubncrs Ver- lag, Leipzig) sorgt die Karls- ruher Kunstdruckerei Künstler- bund'.

FRANZ SALES MLVLR.

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Lederkasscilc mit Einlagen

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Olasfcnsler für die St. Paiilus-Kirclic in Hern

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Kunstßcwetbcblatl. N. \r. XIX H

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM GROSSHERZOGTUM BADEN

Schmuck, rnlwurf; Prof. G. Kleemann

Ausführung : Otto Zahn. Pforzheim

Schmuck. Entwut f Prof. G. Kleemann

Ausführung: Otto Zahn, Pforzheim

Halsschmuck, K. Kowarzik, Pforzheim

KL'NSTOEWERßLlCHES AUS DEM GROSSHERZOOTUM BADEN

39

Schmuck. Professor E. Ricsicr. Pforzheim

BroKhc. K Kowudk, PfonlKta

Plakette. R. Kowarzik, Pforzheim

Adrcsscnm.ipi)c in wcillein

Scliweinslcdcr mit Munil-

vcrgoldunc

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40

KUNSTGEWERBLICHES AUS DEM OROSSHERZOQTUM BADEN

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Plaketten von Professor

R. Mayer, Karlsruhe,

ausgeführt von B. H. Mayer,

Hofkunslpräy;eanslaIt,

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DIN TLILNLIlHr.KN

rHYSIOLOGLHlvONGRL^S ZU HIIlDLLBin^G GLV/lDMn VOIn!

VON BAorw

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narp.usgeber und verantwortlicher Redakteur: Professor Dr. R. Graul, Leipzig Verlag von E. A. Seemann, Leipzig

Druck von ERNST HED.^lCri Nachf. G.M.B.H. Leipzig

NEUE ORGANISATIONEN

ZUR FÖRDERUNG VON KUNST UND GEWERBE') Von Richard Oraul

EINE auffällige Erscheinung in unserer Zeit sind die Versuche, die verschiedenen Kräfte, die in der modernen Entvvickelung von Kunst, Ge- werbe und Industrie bestimmend hervortreten, in neuen Bündnissen zusammen- und neuen Zielen zuzu- führen. Offenbar genügen die mannigfachen privaten Vereine und Verbände und auch die offiziellen Organe zur Pflege des Kunstgewerbes nicht mehr den An- forderungen, mit denen die fortschrittlichen Elemente in Kunst und Gewerbe an sie herantreten. Die in allen größeren Städten Deutschlands rührigen Kunstgewerbe- vereine können wohl im lokalen Interesse sich nütz- lich erweisen, besonders wo sie in ihrer Zusammen- setzung aus Vertretern bestimmter zusammengehö- riger Geschäftszweige bestehen oder einen ausge- sprochen handwerklichen Charakter zeigen. Wo sie aber wie in den meisten Großstädten aus einer zu- fällig zusammengelockten Mitgliedermenge mit sehr verschiedenartigen Interessen bestehen aus Hand- werkern, Fabrikanten, Kunstfreunden, Künstlern und bloßen Vereinsmeiern , aus einer vielköpfigen Menge also, in der in der Regel die Nichtfachleute über- wiegen, da treten zu oft Bestrebungen zutage, die mit den grolkn künstlerischen Fragen unserer Zeit nichts zu tun haben oder sich gar dagegen stemmen.

Für alle, die vorurteilslos der jüngsten Entvvickelung des Kunstgewerbes unter künstlerischer Führung ge- folgt sind, hat die Dritte Deutsche Kunstgewerbe- ausstellung von i()o6 in Dresden bewiesen, daß nur in der Zusammenarbeit von freien Künstlern mit dem Gewerbe und mit der Industrie ein gedeihlicher Fort- schritt möglich ist. Keine Kritik am Einzelnen wird diesen Erfolg des Bündnisses von Erfinder und Aus- führendem im Ganzen zu verkleinern vermögen. Und dieser Erfolg ist nicht ein bloß künstlerischer ge- wesen, sondern auch ein wirtschaftlicher.

Daß er das in der Tat gewesen ist, beweisen große Unternehmungen wie die Dresdener und Mün- chener Werkstätten, die auf Grund der Interessen- gemeinschaft von Erfinder und Ausführendem sich

I) Auszug aus einem Vortrage, den der Vcrf.isscr am u. November 1007 im leipziger Kunstgewcrbcvcrcin gehalten hat.

KunslgcwcrbtbUII. N. F. Xl.\ H. j

gebildet und geschäftlich gut entwickelt haben. Und das beweisen nicht zum wenigsten auch noch die Stimmen jener Opposition, die sich im »Fachverband für die wirtschafiliehen Interessen des Kunstgewerbes« zusammengefunden haben. Gerade die nicht mehr zeilgemäße Hervorhebung des einseitig merkantilen Standpunktes, dann die Spekulation auf die Unmündig- keit des Publikums in künstlerischen Fragen, kurz das bedenkenlose Geschäftsinteresse, wie es oft genug auf den Verbandstagen der Kunstgewerbevereine ver- treten worden ist, gerade das zwingt dazu, die Kräfte, welche durch die technische Entwickelung eines Jahr- hunderts einander entfremdet worden sind, wieder zusammenzuführen.

Gewiß war eine Trennung von Hand und Ma- schine im Betriebe und eine weitgehende Teilung der Arbeit notwendig, aber der erfindende Küiibilcr und der ausführende Fabrikant sind deslialb noch keine notwendigen Gegensätze, sondern notwendige Ergänzungen. Sie müssen miteinander auskommen, müssen zusammengehen, wo es sich um die künst- lerische und wirlschaltliche Hebung von Gewerbe und Industrie handelt. Sie müssen das erst recht m einer neuen Zeit, der neben der Wissenschaft und Technik gerade die Kunst wieder ein allgemeines Kultur- bedürfnis zu werden beginnt. Man sollte meinen, daß so einfache VC ahrheilen allgemein einleuchteten, daß gutwillig alle an dieser Kulturfrage Interessierten einander die Hände reichten.

Weit gefehlt! Gerade dieses Zusammenarl>eilen. diese Interessengemeinschaft von Künstler und Fabri- kant hat die heftigsten Proteste hervorgerufen. Von gewissen Seilen ist der Künstler als eine Art Bclricbs- störer hingestellt worden, gerade so wie man die Museumsleiter, welche die moderne Richtung l>e- günstigen, oft als recht unbequeme Vcrfi'ihrer des heben Publikums ansieht. Al>er dergleichen Einwürfe, wie sie unrühmlich genug auf der Düsseldorfer T "c-*

»Fach Verbands« laut wurden, haben der g. e

nicht geschadet, sie haben vielmehr die (.iruiulmig der neuen fortschrittlichen Organisationen wesentlich erleichtert.

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NEUE ORGANISATIONEN

Die erste Organisation einer idealen Interessen- gemeinschaft ist in Dresden gcgründel worden. Die »Seic/isisc/ic Lanclcsstcllc für Kunstgewerbe« suciit aus allen Kreisen diejenigen Elemente zusammenzuführen, die geeignet erscheinen, im Sinne des künstlerischen und wirtschafllichen Fortschritts zu wirken. Bisher sind eine Anzahl Vertrauensmänner gewählt worden, und in vorbereitenden Sitzungen wird ein Arbeits- programm ausgearbeitet.

Bald darauf, beschleunigt durcli die vom Berliner »Fachverband« angezettelte JVluthesiushetze, regten sich auch außerhalb Dresdens die Geister, und so konnte bereits am 5. Oktober 1907 in München der -> Deutsche Wcrkbund'< gegründet werden, ein Bund zu Trutz und Schutz der Kunst, als einer Führerin im nationalen Leben.'

Zu dieser Münchener Oründungssitzung waren etwa hundert von nahezu dreihundert Männern, die eingeladen worden waren, erschienen. Geleitet wurde die Sitzung von Prof. Scharvogcl aus Darmstadt. Die Programmrede hielt Prof. Fritz Schiiinaeher aus Dresden.

Mit vollem Recht wies Schumacher darauf hin, daß ein Werkbund, wie ihn unsere Zeit verlangt, nur auf dem Boden freimütigen gegenseitigen Einvernehmens möglich sei, und dal) es für das Gelingen des Unter- nehmens von guter Vorbedeutung sei, daß der An- stoß dazu aus den Kreisen der Ausführenden hervor- gegangen sei. Was aber den Bund fester zusammen- halten werde als materielle Vorteile, sei das Bewußt- sein, daß in dem Zusammenarbeiten allmählich das Ziel einer harmonischen Entwickelung unserer Volks- kräfte erreicht werden könne.

Schumacher schloß mit den Worten:

»Wenn sich Kunst mit der Arbeit eines Volkes enger verschwistert, so sind die Folgen nicht nur ästhetischer Natur. Nicht etwa nur für den fein- fühligen Menschen, den äußere Disharmonien schmer- zen, wird gearbeitet, nein, die Wirkung geht weit über den Kreis der Genießenden hinaus. Sie erstreckt sich zunächst vor allem auf den Kreis der Schaffen- den, auf den Arbeitenden selber, der das Werk hervor- bringt. Spielt in sein Tun wieder der Lebenshauch der Kunst herein, so steigert sich seine Leistungs- kraft. Jeder, der als Erfinder mit Arbeitenden zu tun gehabt hat, wird diese Beobachtung als einen der schönsten Eindrücke seines Berufes kennen gelernt haben. Die Freude an der Arbeit müssen wir wieder gewinnen, das ist gleichbedeutend mit einer Steigerung der Qualität. Und so ist Kunst nicht nur eine ästhe- tische Kraft, sondern zugleich eine sittliche und end- lich in letzter Linie auch eine wirtschaftliche.

Es ist Zeit, daß Deutschland das begreifen lernt, daß es den Künstler nicht mehr betrachtet als einen Gesellen, der mehr oder minder harmlos seiner Lieb- haberei nachgeht, sondern daß es in ihm eine der wichtigsten Kräfte sieht, um durch Veredelung der Arbeit das ganze innere Leben des Landes zu ver- edeln und dieses Land dadurch nach außen hin im Wettbewerb der Völker sieghaft zu machen. Denn nur die Werke geben im Wettbewerb der Völker den

Ausschlag, die man nicht nachahmen kann, die Qua- litätswerke einer harmonischen Kultur.«

In diesen Worten Fritz Schumachers waren die leitenden Gesichtspunkte für die Debatte und für die Aufsteilung des Arbeitsprogramms gegeben. Vor allem aber war dadurch die Diskussion auf eine be- merkenswerte Höhe gestellt, von der aus die Wirkung des neuen Bundes eine allgemein reformalorische Be- deutung für unser ganzes Kulturleben erhält.

Förderung aller auf die Veredelung der Arbeit gerichteten Bestrebungen, Hebung des Verständnisses für Gediegenheit der Arbeit, Bekämpfung gewerblicher Unkultur wie immer der Zweck des Werkbundes genannt werden möge, er will im letzten Grunde eine sittliche Aufgabe lösen. Seine praktischen Ziele: die Organisation der Arbeit, die Stellungnahme zum Staate in allen künstlerischen und gewerblichen Fragen; die Einwirkung auf den Handel, auf das Submissions- wesen der Behörden und auf das Sachversländigen- wesen, alle diese an sich so reformbedürftigen Dinge treten zurück hinter der Notwendigkeit, eine weit- sichtige Kunstpolitik zu treiben und Einfluß zu ge- winnen auf die Erziehung des gewerblichen Nach- wuchses, auf unstre Jugenderziehung überhaupt. Ohne Zweifel liegt hier eine Hauptaufgabe, denn wir spüren längst die Mängel und sehen die Schäden einer veralteten Erziehung.

Diese wichtigste Aufgabe ist von niemand schärfer ins Auge gefaßt worden als von dem Münchener Stadtschulrat Dr. Kersclicnsteiner. Energisch verfolgt er seit einem Jahrzehnt sein Erziehungswerk. Einige Sätze aus seiner Rede entnehmen wir dem Protokoll der Sitzung vom 6. November. Kerschensteiner knüpfte an eine Bemerkung Prof. Tlicodor Fischers aus Stuttgart an, der das bisherige Ergebnis unserer technischen und künstlerischen Volkserziehung für be- trübend gering hielt, und wies darauf hin, daß der Fehler für diesen Mißerfolg an dem überkommenen System des Unterrichts liegt.

»Was das eiserne Gerüst der Überlieferung trägt, das trägt ein schweres Trägheitsmoment in sich. Dieses falsche System liegt darin, daß wir alle Erziehung in Deutschland, die wissenschaftliche, technische und künstlerische, zu organisieren versucht haben, losgetrennt von der Arbeit!

Als Leiter des städtischen Schulwesens in München hat nun Kerschensteiner versucht, gerade »die Er- ziehung zur Arbeitsfreudigkeit". an Lehrlingen vom 14. bis 18. Lebensjahre zu erproben. »Ich habe mit sämtlichen Fortbildungsschulen sechzig Werkstätten verknüpft, habe das Zeichnen dabei so gut wie möglich ganz hinausgeworfen. Die Lehrlinge sollten an der Arbeit selbst lernen. Ich wollte den Tausenden von Lehrlingen, denen es sonst unmöglich ist, voranzukommen, weil sie durch die sozialen Ver- hältnisse, durch den großen Ticfsijnd der Meister- schaft gehindert werden, Gelegenheit geben, unter tüchtigen Gesellen und Meistern , wenigstens drei bis vier Stunden in der Woche zu sehen, was solide Arbeit ist, sie zu lieben und, soweit es in ihrer Fähigkeit und persönlichen Tüchtigkeit liegt, an dieser

NEUE ORGANISATIONEN

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einfachsten Arbeit gestalten zu lernen. Ich denke, wenn etwa die erste Periode dieser Tätijjkeit vorüber sein wird, etwa nacii vier Jaliren, werden wir sehen, daß von den 1 1 ooo Lehrhngen der Stadt München etwa 10 000 künstlerisch uiihraiichbar sind und da(5 das letzte Tausend geistig und künstlerisch begabt ist, weiter fortzuschreiten. Diese Tausend werden dann die Schule verlassen und werden unter der Hand und Führung derjenigen Meister und Gesellen, welche die Werk- slätte geleitet haben, ausgesucht und alle einzelnen herausgenommen, die fähig und wert sind, weiter- entwickelt zu werden. Es wird ilamit also gewisser- maßen ein Selektionssystem geschaffen sein, in welches nun andere Schulen, etwa die Kunstgewerbeschulen, eingreifen können«. Die so Vorgebildeten werden dann diejenigen sein, die einer weiteren Entwickelung fähig und künstlerischer Befruchtung zugänglich sind. Auf diesem Wege der allinählichen Auslese scheint wirklich ein Weiterkommen zu sein. Möchte nur Kerschensteiners Vorgehen auch an anderen Orten, wo die Beglückung mit Kunstunterricht meist wahllos alle und jeden trifft, die Beachtung finden, die ihr gebührt!

Die Auszüge aus den Reden Schumachers und Kerschensteiners beweisen zur Genüge, auf wie breite Grundlage sich der Werkbund stellt, denn er führt im Grol5en weiter, was die Sächsische Landesstelle für die engeren kunstgewerblichen Bedürfnisse Sach- sens beabsichtigt. Wie der Schriftführer des Bundes, Dr. Wolf Dohni aus Dresden, schon auf der Münchener Tagung ausführte, wird der Werkbund die f'flege lokaler Interessen wohl unterstützen, vor allem aber durch die strenge Wahl seiner Mitglieder dahin zu wirken suchen, daß in diesen der alle einende Bundes- gedanke: »ein Wille zur Qualität^, lebendig sei. Der Bund will überzeugte Männer vereinen, Männer, die das gleiche hohe Ziel einer wachsenden künstlerischen

Kultur beseelt und die entschlossen sind, auch dem Volke ein Recht auf Qualität zu erkämpfen.

Die Auslese neuer Milglieder liegt in den Händen eines von den Gründern des Werkbundes gewählten Aus- schusses von Verlrauensniännern und die Ausarbeitung der Bundessat/ung ist in die Hände eines besondi-ren vorbereitenden Ausschusses gelegt. So wird eifrig und mit Hingebung an dem Ausbau des Werkbundes zu einer ganz Deutschland überspannenden Organi- sation gearbeitet. Und die Namen der bis jetzt auf den Bund eingeschworenen Milglieder bürgen dafür, daß ganze Arbeit getan werden wird.

Es ist ein Vorgehen ohne Zaudern und Zagen, ein Appellieren an alle, die es angehl. Die Idee, die den Werkbund bi*seelt, ist ja so einfach und klar, in ihren kulturellen, sozialen, praktischen Folgerungen so fruchtbar und reich, daß sie nicht nur in den Werkstätten der Künstler oder im Studio der gelehrten Anwälte der modernen Kunst sich heimisch fühlt, sondern sie will eindringen in die weiten Hallen der Fabriken und Warenhäuser, in die Kabinette der Kommerzien- und anderen Räte.

Dann erst, wenn der neue Geist überall bei hoch und niedrig zu wirken beginnt, ist eine Gesundung unseres Kunstgewerbes und unserer Gcschmacksbildung im fortschrittlichen Sinne zu erwarten. Dann erst wird die Grundlage gegeben sein, auf der sich eine nationale Art des Geschmacks und mithin die Mög- lichkeit eines selbständigen und im Wettbewerb der Völker anerkannten Stils moderner und deutscher Prägung einmal entwickeln kann.

Das sind gewiß große und edle Zlde, wette Pläne, aber weil sie hervorgehen aus einer mächtigen Sehnsucht nach einer harmonischen Kultur und

weil sie mit all dein Ernst angefaßt werden, den unsere wirtschaftliche Lage erfordert, werden alle wohlmeinenden und einsichtigen Schätzer unserer jungen künstlerischen Kraft die Sache des Werkbunde» zu ihrer eigenen machen.

Brotehr von R. Kowinili, Ptoribfta

DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN BUCHQEWERBEVEREINS IM LEIPZIGER BUCHGEWERBE- MUSEUM. OKTOBER— NOVEMBER 1907 Von Dr. Hans Vollmer

DIE Buchbindekunst war nicht immer eine so populäre Kunst wie heute, populär in dem Sinne, daß mehr oder weniger jeder zu ihrer Beschäftigung beisteuert. Erst mit der wachsenden Bücherproduktion seit dem 14. Jahrhundert und namentlich seit der Erfindung Gutenbergs, die an die Stelle des kostbaren nur einmal existierenden hand- geschriebenen Buches das auf maschinellem Wege hergestellte wohlfeile gedruckte Buch setzte, konnte auch der Buchbindekunst ein entsprechend größeres Absatzgebiet sich eröffnen. Sobald eine kleine Biblio- thek jetzt auch für den weniger Bemittelten ein er- schwinglicher Besitz wurde, was naturgemäß eine rapid anschwellende Bücherverbreitung zur Folge hatte, war auch die Buchbindekunst genötigt, durch Benutzung wohlfeilerer Materialien eine allgemeine Verbilligung des Bucheinbandes heraufzuführen: die kostbaren mittelalterlichen Metall- und Elfenbeinbuch- deckel, die oft noch nnt Perlen und Edelsteinen förm- lich besät waren, verschwinden, und an ihre Stelle tritt der Lederhand , der seine Herrschaft durch fast vier Jahrhunderte hindurch unbestritten behaupten und erst in jüngster Zeit in dem billigeren Leinenband einen gefährlichen Konkurrenten finden sollte.

Über diesen 400 Jahre umfassenden Abschnitt der Geschichte des Bucheinbandes gibt die vom deutschen Buchgewerbeverein veranstaltete Ausstellung der Buch- bindekunst der alten Meister eine glänzende und selten gründliche Übersicht. Nach chronologischen und geographischen Gesichtspunkten geordnet, umfaßt die Sammlung fast 300 durchweg gut, zum Teil aber tadellos erhaltene, meist für ihre Zeit typische Origi- naleinbände. Daran schließt sich eine Ausstellung alter Buntpapiere an, über deren Herstellungsverfahren wöchentliche praktische Vorführungen unterrichten, wie denn die gesamte Ausstellung einen eminent praktischen, instruktiven Charakter trägt, indem nicht nur der Effekt, sondern auch das Zustandekommen desselben durch Auslagen von Beispielen der haupt- sächlichsten Werkzeuge des Buchbinders wie Stempel, Rolle, Filete, von Lederproben in den verschiedenen Stadien der Bearbeitung usw. gezeigt wird.

Den Grundstock der Einbandabteilung bildet die schöne Sammlung Dr. Becher in Karlsbad. Die zur Komplettierung des historischen Bildes notwendigen Ergänzungen bringen die Schätze der Bibliotheken in Berlin, Dresden, Darmstadt, Gotha, Kassel, der Universitätsbibliotheken von Marburg und Leipzig und endlich der Bibliothek des Börsenvereins deutscher Buchhändler in Leipzig.

Da die Auswahl der Einbände sich auf spezifische Buchbindearbeiten beschränkt, so setzt die Ausstellung füglich erst bei dem späten Mittelalter ein. Bis dahin spielt der Buchbinder eine nur untergeordnete Rolle

der kirchliche Prachtband des frühen Mittelalters ist in der Hauptsache Erzeugnis des Goldschmiedes und Elfenbeinschnitzers erst seit dem 15. Jahr- hundert tritt er für die eigentliche Verzierungsarbeit des Buchdeckels in Aktion. Der älteste deutsche Einband der Ausstellung ist ein stattlicher schwer- fälliger Nürnberger Foliant vom Jahre 1453 aus dem Besitz des Leipziger Buchgewerbemuseums, einer von den fünf berühmten, von dem Dominikanermönch Conrad Forster angefertigten Einbände, der namentlich durch seine wunderbare Erhaltung hervorsticht (Abb. 1). Die Technik ist die der sogenannten Blindpressung, d. h. einer Verzierung des Leders durch eingepreßte Stempel unter Verzicht auf Gold- und Farbenauftrag. Die Fläche des Deckels zeigt eine mit dem Streich- eisen eingedruckte Lineatur in der Form von ref^el- mäßigen rautenförmigen Feldern; rings herum läuft eine aus einzelnen Buchstabenstempeln zusammenge- stellte Inschrift, die den Namen des Verfassers des Einbandes und das Datum der Herstellung nennt. An den vier Ecken und in der Mitte durchbrochene Metallbeschläge mit starken Buckeln, die den Buch- deckel fußartig stützen und so das Leder vor Reibung schützen. Auch die Metallstücke an den Enden der beiden Schließen fehlen nicht, so daß dieses schöne Exemplar eine vollkommene Vorstellung von dem Typus des mittelalterlichen Ledereinbandes in Blind- pressung gibt. Der mittelalterliche Lederschnittbaud ist durch zwei gute Spezimina aus der Dresdener und Marburger Bibliothek repräsentiert, von denen nament- lich letzteres durch die figürliche Ornamentation seines Oberdeckels einen hl. Hieronymus mit seinem Löwen interessant ist. Die Vorzeichnung, der das Messer des Lederschneiders nicht überall genau ge- folgt ist, läßt sich hier noch deutlich erkennen. Für Bucheinbände wurde die Lederschnittechnik bekannt- lich bald verdrängt durch das Verfahren der Blind- pressung mit Stempeln, das, weniger mühselig, als Druckverfahren dazu eine dem Buchdruck selbst mehr analoge Technik darstellte. An einer Reihe charak- teristischer deutscher Einbände der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kann man die reichen Variationen in der Ornamentierung studieren. Da ist der elegante Folio aus der Bibliothek des Börsenvereins d. Buch- händler (Abb. 2), dessen Oberdeckel mit einem Netz rautenförmiger, kielbogenartig geschwungener Felder bedeckt ist, ein dem gotischen Granalapfelmuster nachgebildetes Ornament, das häufig auf deutschen Einbänden dieser Zeit anzutreffen ist. Dieselbe De- koration zeigt ein Band der Sammlung Becher, der noch besonders interessant ist, weil er einen soge- nannten Halbeinband, den Vorläufer unseres Halb- franzbandes, darstellt; nur die eine Hälfte des Deckels ist mit Leder überzogen, die andere läßt die glatte

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Abb. 1. Einband von Förster. Inh.: Nürnberg 1453

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Abb. 3 Einband de» 16. Iihrh. iwahrachtlnllch nledcrUndUch).

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DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

iinverzierie Holzeiiilage sichtbar werden. Die Deckel- ornamentierung eines Baseler Bandes derselben Samm- lung (14S5) besteht aus einer Reihe von blind ein- gepeßten kreisförmigen Stempeln mit Vogeldarstellungen darin.

Dieses immerhin langwierige Einzelstempelver- fahren, das dazu in der Akkuratheit in der Anordnung der JVluster zu wünschen übrig ließ die recht sorglos aneinandergereihten Ringe des letzterwähnten Bandes zeigen das , wurde gegen Ende des Jahr- hunderts durch den Platfenstempcl abgelöst, der zu- erst in den Niederlanden, England und Frankreich Verwendung fand. Eine Reihe kleinerer, der Samm- lung Becher entlehnter Oktavbändchen veranschaulicht den Typus dieser mit Hilfe einer einzigen gravierten Platte dekorierten Buchdeckel, drei darunter mit dem beliebten Muster einer doppelten, regelmäßig sich in- einander verzahnenden Eichelreihe (Abb. 3). Bei größeren Buchformaten wurde derselbe Plattenstempel, um den Spiegel zu füllen, oft zwei- oder viermal neben- und übereinander abgedruckt, wofür der hübsche Band mit doppelter Anordnung der Madonna ein Beispiel ist. Die für England charakteristischen großen Wappenstempel wie die in Frankreich beliebten Stem- pel mit figürlichen Darstellungen sind in einigen Bändchen aus der Sammlung Becher gut vertreten. Etwa gleichzeitig mit dem Plattenstempel tritt die Buchbindeirolle auf, die zur Einpressung laufender Musler dient und das umständliche Verfahren, die Randmuster aus lauter aneinandergesetzten Teilstücken herzustellen, ersetzt. Die Anwendung der Rolle wird meist mit dem Verfahren des Plattenstempels kom- biniert. Ein prachtvolles Spezimen dieser Art ist der Band der Sammlung B., Inhalt Lyon 1514 (Abb. 4), dessen Deckel um ein mit dem Plattenstempel ein- gepreßtes Rechteck mit der Anbetung der Könige mehrere mit verschiedenen Rollenmustern eingedruckte Bordüren zeigt, deren äußerste das schon erwähnte Eichelornament zum Motiv hat.

Es ist ein merkwürdiger Kontrast, wenn man von diesen durchgehends in schlichter Blindpressung her- gestellten Einbänden kommend vor die orientalische Sammlung tritt, wo plötzlich eine schillernde Farben- pracht das Auge blendet, daß man in einen Schrein von Juwelen hineinzusehen glaubt. Außer dieser üppigen Verwendung von Oold und Farbe unter- scheidet sich die Dekoration selbst durch ein beson- deres Kompositionsprinzip: ornamentale Betonung der Mitten und der vier Ecken des Spiegels von den abendländischen Einbandverzierungen der Zeit. Einige prächtige,mit derdem orientalischen Bucheinband eigen- tümlichen Schutzklappe erhaltene Exemplare der Samm- lung B. orientieren über diesen typischen Fall (Abb. 5). Bei einem herrlichen Band des 17. Jahrhunderts aus derselben Sammlung finden wir abweichend die ganze Fläche des Spiegels in eine feine Liniendekoration aufgelöst. Direkt auf orientalische Vorbilder geht der Prachtband (Venedig 1477) für Petrus Ugelheimer zurück, der zu einer Serie von vier berühmten, mit kostbaren Initialen verzierten Codices im Besitz der herzoglichen Bibliothek in Gotha gehört. Das teil-

weise vergoldete Ornament ist aus der Maroqnin- lederdecke ausgeschnitten, der Grund mit farbiger Seide aufgelegt.

Die starke Einwirkung des Orients auf die Buch- bindekunst des Abendlandes, zunächst Italiens, wie sie sich um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert vollzieht, wird deutlich an einer Reihe meist der Sammlung B. entstammender italienischer Bändchen. Stärker und stärker macht sich die Anwendung von Gold geltend, sowie eine direkte Herübernahme ge- wisser ornamentaler Motive, wie vor allem des Band- werks und der Maureske. Das äußerst zierliche dunkelgrüne Maroquinbändchen der Sammlung B. (Inhalt: Neapel 1502) gibt den Niederschlag dieser Einflüsse in konzentriertester Form wieder (Abb. 6). Ein in Goldpressung hergestelltes Knotenornament überzieht gedrehten, durcheinandergezogenen Schnüren gleich die Spiegel der Deckel; nur im Original ist der schöne farbige Kontrast von Grund und Muste- rung recht zu genießen. Das orientalische Prinzip der ornamentalen Besetzung von Mitte und Ecken weist der prachtvolle Band der »Bibliotlieca Corvina« aus der Dresdener Köngl. Bibliothek auf, der eben- falls reiche Vergoldung durch schraffierte Stempel in Anspruch nimmt. Immerhin geben selbst die durch den Orient am unmittelbarsten beeinflußten vene- zianischen Einbände noch lange der billigeren Blind- pressung den Vorzug, die selbst von Aldus Manutius in der ersten Zeit noch ausschließlich angewandt wird. Allmählich beginnt dann die Aufnahme des Gold. Neben der blindgepreßten Aldine in dem be- kannten kleinen Oktavformat liegt eine solche mit vergoldetem Mittelknopf, bis endlich in dem ent- zückenden Bändchen der Sammlung B. (Abb. 7) mit seinen übereck gestellten drei Quadraten mit ihrem feinen Maureskenornament darin, sowie den vier Blatt- stempeln in den Ecken das Gold die entscheidende Note für den Tolaleindruck wird. Ein hübscher Liviusband repräsentiert den bescheideneren, aber nicht weniger geschmackvollen Typus der Klassikerausgaben des Aldus.

Die Verbindung zwischen der Renaissancebuchbinde- kunst Italiens und der Frankreichs stellt Jean Gtolier dar, bekanntlich nicht der Name eines Buchkünstlers, sondern eines Bibliophilen, der, 1479 in Lyon ge- boren, lange Jahre in Mailand, später in Rom lebte und durch seine 1537 erfolgte Übersiedelung nach Paris den Anstoß zu einer glänzenden Entwickelung der Kunst des Bucheinbandes in Frankreich gab. Das Berliner Bändchen ist mit seinem feinen beschei- denen goldenen Bandrahmen ein charakteristisches Spezimen der früheren Groliers aus der Zeit um 1512 20; am unteren Rand des Vorderdeckels die Besitzinschiift: Jo. Grolierii et amicorum . Anspruchs- voller tritt der prachtvolle Grolier der Golhaer Biblio- thek auf (Abb. 8), der mit wesentlich anderen Deko- rationsmotiven arbeitet. Ein mit roten, weißen und grünen Lackfarben bunt bemaltes Bandwerk schlingt sich in kunstvoller geometrischer Anordnung über den Deckel hin; ein Arabeskenornament füllt die Randeinfassungen und die Ecken; aber nirgends ein

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Abb. s. Uiicülalisclicr Einband.

Abb. (i. llillcnUchcr Cinbanil Inh. : Ncjpri lyn.

Abb. 7. Einband von Aidn» Minollui.

Abb. «. tlabwd Hr Ina Orabet.

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DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

Übermaß von Dekoration, indem überall dafür ge- sorgt ist, da(5 genug Ledergrund sichtbar bleibt und der schöne farbige Gegensatz von Leder und Be- nialung zu Worte kommt. Das Bandwerk ist diirch- einandcrgcstcckt, nicht etwa daß es sich in der Fläche durchdringt. Damit ist das absolute Flächenornament aufgegeben, womit das Prinzip der Deckelverzierungen der Majolibände so benannt nach dem Bücher- sammier Thomas Majoli eingeleitet ist. Der Kasseler iV\ajoli das frühere der beiden ausgestellten E,xemplare zeigt statt des geometrischen Musters bei Orolier die Anordnung in Kurven; das Bandwerk ist schwarz und weiß bemalt, auf dem Rückdeckel die Devise: Ingratis servare nefas.< Die Bandwerk- dekoration des späteren Berliner Kodex (Abb. 9), dessen Rücken leider erneuert ist, ist bereits voll- kommen im Charakter des Rollwerkes, also eines plastisch, kubisch gedachten Ornamentes gehalten, dessen Herübernahme in diesen Zusammenhang schon von stark barocken Tendenzen zeugt. Etwas jünger als Orolier und Majoli ist Demctrio Canevari ( 1 559 geb.), dessen Bände jedoch in der ersten Hälfte des 16. Jahr- hunderts entstanden und nicht für ihn gearbeitet sind; sie sind kenntlich an dem in die Mitten der beiden Deckel eingepreßten Medaillon mit der Darstellung Apollos auf dem Sonnenwagen. Zwei braune Maro- quinbändchen mit querovalem, grün ausgemaltem Me- daillon und feinen Rankenstempeln sind dieser kost- baren Sammlung entnommen. Auch aus der 1542 bis 1548 in Bologna angelegten Bibliothek des Deutschen Nicolaus von Ebelcbcn sind zwei hübsche Exemplare zur Stelle, davon das eine noch aus der Pariser Zeit seines Besitzers stammt. Interessant, weil offenbar die Arbeit eines päpstlichen Hofbuchbinders und auf fünf Jahre genau datierbar, ist der äußerst vornehme, für Pius IV. (geb. 1565) gefertigte Band mit Inhalt Rom 1560, aus der Sammlung B. (Abb. 10), ein rot- brauner Foliant in reichster Goldpressung, an den sich zwei ähnliche Stücke zu einer römischen Gruppe anschließen. Die Gruppe der sogenannten Dogen- cinbände, die das Dekorationsprinzip der orientalischen Buchdeckel (vertiefte Mittel- und Eckfelder) nachahmt, ist durch mehrere schöne Exemplare aus der Samm- lung B. vertreten. Etwas abweichend von dem ge- wohnten Schema ist das reichbemalte, goldstrotzende Prachtstück mit dem Wappen der Correr.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts verfällt die Buchbindekunst in Italien mehr und mehr; die führende Rolle nimmt Frankreich für fast drei Jahrhunderte in die Hand. Die Hauptabnehmer waren hier die pracht- liebenden französischen Könige selbst, deren Reihe Franz I. eröffnet, dessen Bibliothek ein kleiner schwarzer Kalblederband in Goldpressung mit schön verziertem Schnitt in unserer Ausstellung entstammt (Universitätsbibliothek Leipzig). Sein Nachfolger Heinrich II. ist mit einem für Diana von Poitiers an- gefertigten eleganten weißen Glacelederbande mit schvv-arz ausgemaltem Bandwerk aus der Dresdener Bibliothek vertreten, der, obwohl inkomplett die Eckbeschläge sowie eine Metalleiste, die in einer noch sichtbaren F^inne zur Schonung um Ober- und Unter-

deckel herumlief, fehlen dennoch die ganze zauber- hafte Atmosphäre eines lichten graziösen Damen- boudoirs atmet. Ein prächtiger roter Band für Hein- rich 111. aus der Sammlung B. (Abb. 11) zeigt ein ovales Mittelfeld mit einer Kreuzigung, von vier Eck- stücken umstanden, also orientalischen Dekorations- rhythmus; in den Intervallen zierliche Spiralranken, die dann bei den Bänden des sogenannten Fanfares- stils zum ornamentalen Hauptmotiv werden. In aus- gesprochenem Fanfaresslil ist das reizende Bändchen, Inhalt Paris 1582 (Abb. 12), aus der Sammlung B. behandelt, dessen Deckel ein feinmaschiges, goldge- preßtes Netz von spiralförmigen Ranken und natura- listischen Pflanzenmotiven wie mit einem Spitzen- schleier gleichmäßig überspinnt. Ein starker Kontrast in seiner Schlichtheit ist der kirschrote Einband für Heinrich IV. aus der Leipziger Universitätsbibliothek, dessen ganze Verzierung sich auf ein schmales Gold- linienprofil mit vier diagonal gerichteten Lilien be- schränkt. Indessen! In dieser Armut welche Fülle! Über manche andere seltene Exemplare aus dieser Zeit (meist der Sammlung B. entnommen, wie der treffliche Band für Margarete von Valois), darunter auch den schönen lehmgelben Maroquineinband für de Thou aus der Bibliothek des Börsenvereins deutscher Buchhändler, müssen wir mit Stillschweigen hinweg- gehen und wenden uns der reichen, fast durchgehends der Sammlung B. entlehnten Auslese der Lyonescr Bändchen zu, deren Deckeldekoration teils mit Einzel- stempeln, teils mit Plattendruck in Blind- oder Gold- pressung hergestellt ist, ebenso wie die Variierung in der Ornamentation eine außerordentliche ist. Un- sere Abb. 13 verdeutlicht Deckel-, Schnitt- und Rücken- dekoration emes solchen Bändchens: das Mittelfeld von einer eleganten Kartusche in rot und grün be- maltem Bandwerk gebildet; oben und unten Ranken in Goldpressung mit blumenkelchartigen Ansätzen in den für Lyon charakteristischen fers azuies. Auch die Dekorierung der Deckel nach orientalischem Muster war in Lyon beliebt, wofür mehrere Beispiele zeugen. Einige spanische Bände orientieren schnell über die nationalen Eigentümlichkeiten: Ein schwarzes Bändchen mit dem blind eingepreßten Bildnis Karls V. in ganzer Figur und dann namentlich der blutrote Maroquinband der Sammlung B. mit vergoldetem und bemaltem Bandwerk und vergoldeten Eckverzierungen in strengem Maureskenornament ein Stück von aus- gesprochen spanisch-maurischem Charakter.

Lichter wird es, wenn man an die hellen blind- gepreßten Schweinslederbände der deutschen Renais- sance kommt. Das Schema ist meist das eines Platten- stempels im Mittelfeld, der von einer oder mehreren mit der Rolle eingepreßten Borden umrahmt wird. So ein Bändchen mit dem Bildnis Maximilians II. 1596 datiert; ein solches von 1546 mit dem Bildnis Friedrichs des Weisen; ein hübsches Bändchen mit der Darstellung einer Judith, darunter die Inschrift: »Sic pereant omnes inimici tui, Domine< ; ein anderes mit dem Urteil des Paris. Ein größerer, sehr reicher Einband des Leipziger Buchgewerbemuseums von 1 561 verwendet mehrere Plattenstempel und doppelte Rand-

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Abb. Q. Einband tür Thomas Majoli.

Abb. lo. EinbjDd ISr Ptn IV.

Abb. II. Einbind Iflr Heinrich III. »on Frinkrcich. KunsiKCwcrbcblalt. N. F. XIX. H. 3

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bortien. Andere Beispiele zeigen Wappendarstellungen im Mittelfeld wie das schöne Exemplar von 1577 des Leipziger Buchgewerbenuiseums, das zu den seltenen in BImdpressung ausgeführten Einbänden des Jacob Krause gehört. Dann folgen einige gleichfalls in Blindpressung mit dem Plattenstempel ausgeführte dunkle Kalblederbände: zwei kleinere Exemplare der Sammlung Becher mit den Rundbildern römischer Kaiser, em anderes mit dem Selbstmord der Lukretia, interessant durch die doppelte Monogrammierung: C. M. R. mit dem Datum 1535 und J. P. im Schilde, nebst Meisterzeichen; daneben ein Bändchen mit der Fides, bezeichnet J. B. (Jacob Bing von Köln) nebst Meister- zeichen. Vorgezogen wurde indes zur Verzierung des dunklen Kalbleders die Goldpressiing, wo sich Grund und Ornament besser voneinander abhoben. Der reiche Band der Dresdener Bibliothek von 1557 mit den starken Doppelbänden am Rücken hat zwar sein Gold fast völlig eingebüßt, ist aber in der Zeichnung gut erhalten. Den Vorderdeckel schmückt ein Bild Luthers, den Hinterdeckel ein solches Melanchthons, darunter die Geschichte des Sündenfalles in vier Dar- stellungen mit einem Stempel gedruckt; das Ganze umrahmt von höchst interessanten goldgepreßten Rand- leisten mit blumenkelchetragenden nackten Putten. Wunderbar erhalten ist dagegen das entzückende Bändchen des Marx Bener von SchwäbischOmünd aus der Sammlung des Börsenvereins d. Buchhändler (Abb. 14). Die F. K. und 1572 bezeichnete Platte stellt um ein erhaben stehengebliebenes Mittelfeld unten die Anbetung der Könige, oben die Erschaffung Evas und den Sündenfall, zu beiden Seiten Verkündigung, Ölbergszene, Kreuzigung und Auferstehung dar; sie ist vertieft geschnitten, der Grund vergoldet. Sehr reizvoll ist auch das Bändchen der Sammlung B. (Inhalt Basel 1565), das nach orientalischem Muster mit fünf Trümpfen und breiter Rankenbordüre verziert ist. Unter den fürstlichen Mäcenen der deutschen Renaissancebuchbindekunst steht Otto Heinrich, der Pfalzgraf und Kurfürst bei Rhein, mit an erster Stelle. Der 1556 datierte, mit feinen Beschlägen versehene hellbraune Kalblederband der Kasseler Bibliothek, der für die Palatina bestimmt war (Abb. 15), zeigt in einer über Eck gestellten Raute das goldgepreßte Bildnis des Fürsten und einen blindgepreßten Rahmen mit Rundmedaillons, die mit Bauwerken abwechseln. Das Ganze äußerst originell in seiner Einfachheit und geschmackvoll. Der große Bibeleinband für Otto Heinrichs Nachfolger, Friedrich III., vom Jahre 15/5 (Kasseler Bibliothek) ist ganz im Grolierstil dekoriert mit von Goldlinien eingefaßtem bunt bemaltem Band- werk und weißen und roten Lederauflagen. Der 1570—73 für Herzog Johann Wilhelm von Sachsen geaibeitete Band derselben Herkunft nimmt sich in solcher Nachbarschaft ziemlich roh aus. Zu den schönsten Einbänden der deutschen Renaissance aber gehören bekanntlich die reichen goldgepreßten Ar- beiten des Jakob Krause für den Kurfürsten August von Sachsen, die in stattlicher Auslese, meist aus dem Schatz der Dresdener Bibliothek, zur Stelle gebracht sind. Zunächst ein gediegener olivgrüner Saffian-

band mit goldumrissenem, doch unbemaltem Band- werk im Grolierstil auf goldgepunztem Grund; im ovalen Mittelfeld das kursächsische Wappen. Dann ein herrlich erhaltener rotbrauner Band aus der Samm- lung B. (Abb. 16), in orientalischer Art dekoriert und mit weiß, blau, rot, grün bemaltem Bandwerk auf schraffiertem Goldgrund; überhöhter Rand mit Gold- musterung zum Schutz des Deckels. Nicht zu über- sehen sind die prachtvollen goldgepunzfen und be- malten Schnitte hier wie an anderen Beispielen. Zwar auch in orientalischer Manier, aber nur in Gold- pressung gearbeitet und sparsamer verziert ist der Dresdener weiße glatte Pergamenteinband von 1578 mit der Eigentumsbezeichnung A. H. Z. S. C., der einen merkwürdigen Reiz aus dem farbigen Zwei- klang von Gold und Weiß zieht. Em Dresdener Band mit dem Rundbild des Kurfürsten im Mittel- feld setzt eine breite, aus zum Teil schraffierten Teil- stempeln gebildete Rankenborde an die Stelle des schmalen überhöhten F-Jandes von vorhin. In dem folgenden Exemplar, das wieder nur Goldpressung verwendet, ist diese Borde gar verdoppelt und sind die vier Eckstücke auf goldumrissene dünne Klam- mern reduziert. Der Einband der Venedischen Chronika« (Abb. 17) endlich hat auf die Eckstücke ganz verzichtet und ist vollständig mit goldgepreßten Maureskenranken überzogen. Andere diesen Meister- werken Krauses angeschlossene sächsische Arbeiten, unter denen sich manches bemerkenswerte Stück, wie der aus dem Besitz des Anton Welser stammende goldgepreßte, in Fanfarenmanier mit schraffierten Eck- stempeln gefertigte Band des Leipziger Buchgewerbe- museums befindet, müssen wir unerwähnt lassen, um uns nunmehr den Einbänden des 17. und 18. Jahr- hunderts zuzuwenden.

Frankreich marschiert wieder an der Spitze. Von den neuen Stilbemühungen des Secento übermittelt der rote Maroquinband (Sammlung B.) in der Art des Le Gascon, der die Ära Louis XIV. in der Buch- bindekunst repräsentiert, eine gute Vorstellung (Abb. 18). Ei le ungeheure Verfeinerung der Augenkultur ist eingetreten, auf die auch die Buchbindekunst eingeht, als deren charakteristisches Werkzeug dieser Epoche die »fers pointilles anzusehen sind, jene minutiösen, gleich zarten Spinneweben den ganzen Deckel über- spinnenden punktierten Stempelmuster, die aus lauter einzelnen Punkten zusammengesetzt, den Eindruck des Flimmernden, Unfaßbaren hervorzaubern sollen. Bei einem zweiten Gascon derselben Provenienz ist das Bandwerk zwischen den feinen pointillierfen Spiralranken schwarzgebeizt. Die andere, jüngere Art der Gascondekoration zeigt der unendlich vor- I ehme Band mit dem Wappen der Rovere auf rotem Grund in kartuschiertem Rahmen, den vier filigran- artig durchbrochene goldgepreßte Rankenbuketts um- stehen (Abb. ig, Sammlung B. Inhalt Paris 1657). Dem signierten Pariser Band des Florimond Badier sehr nahe steht das Kasseler Bändchen Abb. 20, das durch die auffallende Betonung eines starren Horizon- talismus im Bandwerk sich wesentlich von dem aus- schließlich in weichen Kurven verlaufenden Band-

DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

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Abb. 14. Einband für Mnrx lioni.r.

Abb. IS- Einband (Qr Pfdigral Otto Hclnnch

Abb. 16. Einband w.n l.uob Krause.

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DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

werk der Gasconbände unferschciclet. Für den Sonnen- könig selbst bestimmt war der kapitale Einband der Leipziger Universitätsbibliothek (Abb. 21), dessen Deckel abwechselnd mit dem gekrönten L und der Lilie in Goldpressung dekoriert ist, wahrhaft ein Triumph der Ökonomie, die aus trockener Wiederholung zweier an sich absolut reizloser Motive ein derart monu- mental wirkendes Ganzes zu schaffen verstanden hat. Ein Büchlein für den König aus der Bibliothek des Börsenvereins d. Buchhändler zeigt die noch ein- fachere, für kleinere Bände übliche Dekorierung mit dem goldgepreßten Wappen in der Mitte und den vier Lilienstempeln in den Ecken. Zu dem Filigran- muster Le Oascons kommt dann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Fächermuster, die Deco- ration ä l'eventail hinzu, die womöglich noch subtiler, im übrigen in demselben Stilgeleise liegt und nament- lich in Italien und Deutsch- landgepflegtwurde. Einige italienische Arbeiten dieser Art aus der Sammlung B., darunter der schon fast übereich dekorierte rot- braune Band mit dem Wappen Papst Clemens X. (Abb. 22) geben ein typi- sches Bild von den letzten Konsequenzen dieses Stils. Sparsamer sind die Fächer- motive bei dem stattlichen flammenroten Band der ehemaligen Heidelberger Schloßbibliothek (jetzt in Kassel)angewandt. In gün- stigem Kontrast mit kräfti- gen naturalistischen Blüten- und Blättermotiven findet mansiebeidem 1704 wahr- scheinlich in Berlin ange- fertigten Einband der Kas- seler Bibliothek verweitet,

der mit seinem schwarzen, gleichmäßige Muster bil- denden Bandwerk wieder mehr an die Gascondeko- ralion erinnert. Sehr reich im Dekor sind auch die englischen Einbände des 17. Jahrhunderts, die sich aber von der sonstigen kontinentalen Dekoration der Zeit wesentlich unterscheiden. Eine üppige Auswahl von meist kleineren Bändchen aus der Sammlung B., dar- unter mehrere auf Grund der punktierten Tulpe dem Samuel Mearne zugeschriebene, zeigt sowohl im Ganzen eine große Selbständigkeit, wie in den ein- zelnen Stücken untereinander eine außerordentliche Mannigfaltigkeit der Verzierung.

Was der Name Gascon für das Zeitalter Louis XIV. bedeutet, ist der des Derome für das Zeitalter Louis XV. Diesem Meister dürfte der schöne grüne Band der Sammlung B. (Abb. 23) angehören, dessen sauber aus lauter Einzelstempeln zusammengesetztes Spitzenmuster in der typischen sog. »dentelle ä l'oiseau« gehalten ist. Bei Exemplaren kleineren Formats wurden die Randmuster entsprechend vereinfacht, wofür dieSamm-

Abb. 13.

lung B. einige Beispiele beibringt, ebenso wie für solche mit einem Plattenstempel gedruckte Bändchen ä la dentelle, wie den kaffeebraunen Band für Mme. Adelaide, die Tochter Ludwigs XIV. Erwähnt wenigstens sei noch das originelle weiße Schweinslederliändchen von Le Monnier (Sammlung B.) mit den farbigen Leder- einlagen von großen naturalistisch gebildeten Blumen- ranken. Eine reiche Auslage italienischer Einbände des 18. Jahrhunderts zeigt die Aufnahme dieser fran- zösischen Spitzendekoration, die aber hier nicht an- nähernd mit der graziösen Eleganz eines Derome behandelt ist; auch sind die Wappen meist zu schwer für die Randverzierungen. Den Übergang zu klassi- zistischen Formen bringt der immerhin noch sehr stilvolle Band für Pius VI. (f 1799) aus der Biblio- thek des Börsenvereins d. Buchhändler (Abb. 24), dessen Rankenbordüren sich nicht mehr unbehindert

nach der Mitte hin aus- fransen, sondern in zwei Parallelränder fest einge- spannt sich entwickeln. Nur als Kuriosumsei endlichals Spezimenderneogotischen Epoche der mit einer Tem- pelarchitektur verzierte Ein- band aus der Sammlung B. abgebildet (Abb. 25), der das klägliche Ende einer langen glanzvollen Ent- wickelung der Buchbinde- kunst darstellt.

Über die Ausstellung derverschiedenen Arten der alten Buntpapiere, wie sie seit Anfang des 17. Jahr- hunderts, teils als Vorsatz- papiere, teils zum Bekleben von Mappen usw. in Ge- brauch kamen, können wir uns kurz fassen. Keine Worte und auch keine Schwarz- Weiß-Abbildungen können eine Vorstellung geben von der Farbenpracht dieser flüchtig, aber mit sicherer Berechnung der Wirkung improvisierten Musler, die die Erinnerung an schillerndes Papageien- gefieder und funkelnde Ptauenräder wachruft. Nicht nur in der Technik der Herstellung, sondern auch im Effekt unterscheiden sich die Gallen- von den Kleister- papieren, beides handarbeitlich hergestellte Papiere im Gegensatz zu den von Messingplatten geprägten oder vom Holzmodel gedruckten, auf der Presse erzeugten Papieren. Wie eingangs erwähnt, werden die beiden Handverfahren in der Ausstellung selbst vorgeführt.

An die Ausstellung der Buntpapiere schließt sich endlich noch eine kleine Sonderausstellung der Leip- ziger Königl. Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe an, die trotz des naheliegenden gefähr- lichen Vergleiches mit den alten Meisterstücken manchen hübschen modernen Einband aufweist, an dem man auch nach den erlesensten Exemplaren der älteren Abteilungen noch seine Freude haben kann.

Lyoneser Einband. 16. Jahrh.

DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

Abb. 18. Einband in der An des Lc Uascon.

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Abb. 19. Einband in der Art dr> Lc < 1

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Abb. 30. Einband in der Art dct Florlmond Badlcr.

Abh >• rulkad mr loitt XIV

54

DIE BUCHBINDEKUNST DER ALTEN MEISTER

Abb. 22. Einband für Papst Clemens X.

Abb. 23- Einband in der Art des Derome.

Abb. 24. Einband iiir Pius VI. et i799)-

Abb. 25. Einband aus dem Anfang des ig. Jahrb.

KUNSTGEWERBLICHE [RUNDSCHAU

VORSCHLAG zu FINFI^ fillU'jHin NOkDNUNG PUk DAS KUN^Kit Wt klU

Die deulschcn Architekten utui liif^cnieiire berechnen ihre Honorare iiacli einer Oeliiihrenordnung, den dent- schen Kunstjjewerbctreibenden fehhe aber bisher eine solche Grundlage. Der Verband deutscher Kunstgewerbe- Vereine, dessen Vorort zurzeit der Verein für Deutsches Kunstgewerbe in Berhn ist, hat daher auf Antrag dieses Vorortes eine Qebühienordnung für das Kunstgewerbe vorbereitet. Ein vom Delegiertentage des Verbandes ge- wählter Ausschuß hat den Entwurf in Eise ach beraten und so au'^gesiaitet, daß er jetzt allen 17600 Mitgliedern des Verbandes zur Prüfung zugehen kann. Der nächste Delegiertentag des Verbandes Deutscher Kunstgewerbe- vereine, der im Frühjalir igo8 in Hannover zusammentritt, soll dann über die Einführung dieser «Eisenacher Ordnung« beschließen. Das wichtigste dieser vorgeschlagenen Ge- bührenordnung, die wohl noch innerhalb der Vereine eine lebliafte Erörterung finden wird, ist in folgendem enthalten:

§ I. Entwurf und Anschlag

Als Entwurf eines kunstgewerblichen Erzeugnisses im Sinne dieser Gebührenordnung gilt jede Zeichnung und jedes Modell, sofern sie so gehalten sind, daß danach ein Sachkundiger das zur Ausführung des Werkes Erforder- liche vornehmen kann. Als Zeichnung gilt jede flächen- bildliche Darstellung.

Im Sinne dieser Gebührenordnung wird jede schrift- liche Aufstellung, in der die Oesamfkosten einer kunst- gewerblichen Arbeit in Einzelposten angegeben werden, als Anschlag betrachtet.

§ 2. Unverlangte Entwürfe und Anschläge

Unverlangt eingereichte oder freiwillig angebotene Entwürfe und Anschläge sind nicht gebührenpflichtig. Sie werden es aber, sobald sie vom Empfänger genehmigt oder auch nur auf seinen Wunsch abgeändert werden.

i; 3. Art der Entschädigung Die Unterlage aller Entschädigungen für Entwürfe und Anschläge bildet die Grundgebühr nach Maßgabe der für die einzelnen Gruppen kunstgewerblicher Erzeugnisse im Anhange dieser Gebührenordnung aufge>telllen Kegeln und Sät/e. Die Grundgebühr kommt entweder als Vor-, Werk- und Wicdergehülir, oder als l'auschgcbühr in Be- rechnung. Nur wenn keine dieser Berechnungen möglich ist, tritt die Entschädigung nach Zeilgebuhr ein.

i^ 4. Umfang der Entschädigung Für Entwürfe, die von Anschlägen begleitet sind, ist stets die volle Höhe der Gef>ühren zuständig. Ebenso können für Entwürfe ohne Anschläge die vollen Gebühren berechnet werden. D.igegen darf die Entschädigung lur Anschläge allein nur bis zu einem Fünftel der Gebühren getien.

S 5. Grundgebühr Die Grundgebühr bcnilltt sich ttels nach Mundcrl- teilen ((Prozenten) des Verkaufspreises an Hand desTaiilet.

g 6. Vorgebühr Die Vorgebühr beträgt mindestens das Einfache der Grundgebülir; sie findet Anwendung auf Vorcntwü'fe und Voranschläge, die bestimmt sind, Art l'rnf.uig und l'rci« eines Auftrages festzulegen.

S 7. Werkgebühr Die Werkgebühr bctiägt mindestens das Einfache der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf Wctk/cicnnungen und Arbeilsmodelle. die bestimmt sind, der Auifüiiiunc der Arbeit unmittelbar zu dienen.

«j 8. Wiedergebühr Die Wiedergebühr beträgt mindestens das Einfache der Grundgebühr; sie findet Anwendung auf die crtle bis einschließlich zehnte Wiederholung des Werkes, nicht aber auf weitere Wiederholungen.

8 9 l^auschgebühr.

An Stelle der Vor-, Werk- und Wiedergebühr kann die Pauschgebühr treten. Sie unterliegt der freien Verein- barung und kann in Form einer einmaligen Entschädigung oder in Form eines Anteiles am Verkaufspreise gewahrt werden.

«; 10. Zeilgebühr

Die Zeitgebühr (ij 3) wird nach der Zahl der aufge- wendeten Arbeitsstunden berechnet. Für die erste AibeH»- stunde kann ein Betrag bis zu zwanzig Mark, für jede weitere ein Betrag bis zu fünf Mark in Ansatz gebracht werden. Für Hilfsarbeiter können die Arbeils*lundcn, ati« ohne Erhöhung der ersten, mit Beträgen bi» zu drei Mark für die Stunde angesetzt werden. Angefangene Stunden gelten ^U v'>ll

8 II. Schiedsgericht Streitigkeiten aus dieser Gebührenordnung unterliegen zunächst einem Schiedsgericht, zu dem jede Partei einen Beisitzer ernennt. Diese wählen einen Dnlien aU Ob- mann. Die Schiedsrichlei haben .\n%iMuch auf FntNcfudl- gung nach Zeiigeböhr 3).

§ 13. Fälligkeil der Gebuhren Die Gebühren sind mil mindestens zwei Dtilleilen bei Ablieferung der Entwürfe und Anschlage tillig, der Rc»l spätestens nach Ablauf von drei Monaten.

«i 13 Besondere Gebühren Für Reisen, Beaufsichtigung von Arbeiten und »onsiigr in dieser tlebührenoidnung nicht be»onder» erwähnte Arbeiten kommt die Zeilgrbnhi (!< q) in Anrechnung Die erste Stunde wird nicht erhöht, der Tag mil nKhl mehi als dreißig Mark briechnel. Diese GelMihren »md ein- schließlich der \ für Fahrten. Ü*p4c»brf«>fdeiuBg und HilUkr.ific n'

^6

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

§ 14. Gültigkeit der Ordnung Entwürfe und Anschläge, welche nach dieser Ge- bührenordnung gehen sollen, müssen den Vermetk tragen "nacli der Gebiihrenorilniiiio des Virbandes Deutscher Kiinst- gewerbevereine' oder, was gleichbedeutend ist, den Vermerk "nach der Eisenacher Ordnung^.

§ 15. Dauer der Gebührenordnung Diese Gebührenordnung gilt laut Beschluß des Ver- bandes Deutscher Kunsigewerbevereine zunächst bis zum 1. April 1913.

ANHANG Die Grundgebühr berechnet sich nach dem Verkaufs- preise und nach dem Verhältnis zwischen Materialkosten und Arbeitskosten.

Dieses Verhältnis stellt sich in Klasse I das Mateiial ist wertvoller als die Arbeit wie g (Materialkosten) zu 1 (Arbeitskosten), oder 8 zu 2, oder 7 zu 3 (also wie q bis 7 zu 1 bis 3) in Klasse II Material und Arbeit sind annähernd gleich- wertig — wie 6 (Materialkosten) zu 4 (Arbeitskosten), oder 5 zu 5, oder 4 zu 6 (also wie 6 bis 4 zu 4 bis 6) in Klasse III das Material ist weniger wertvoll als die Arbeit wie 3 (Materialkosten) zu 7 (Arbeitskosten), oder 2 zu 8, oder 1 zu g (also wie 3 bis 1 zu 7 bis g).

Verkaufspreis

Klasse I

Klasse II

Klasse III

1— 50 Mark

11%

13"!«

i5''o

51— 100 Mark

lO^O

12%

14%

101— 250 Mark

g°/o

ii%

13%

251— 500 Mark

8<"o

10%

12%

501 I 000 Mark

7%

g%

IlWo

1 001— 2500 Mark

b%

8%

10%

2501— 5000 Mark

5%

7°'o

g'lo

5001 10000 Mark

4%

6%

8%

10001 15000 Mark

3%

5°'»

7%

15001—20000 Mark

2"lo

4%

6"!o

über 20001 Mark

1%

3°'o

50(0

Bei einem Verkaufspreise von 1 50 Mark ist die Summe von Vor- und Werkgebühr, auch wenn sie nach der Gebührenordnung unter 10 Mark bleibt, auf mindestens 10 Mark festzusetzen, ebenso bei einem höheren Ver- kaufspreise auf mindestens 20 Mark auch dann, wenn nach der Gebührenordnung dieser Betrag nicht erreicht wird.

Endsummen dürfen zur vollen Mark aufgerundet werden.

BEISPIELE

1. Ein Glasfenster im Werte von 3000 Mark ist zu entwerfen, zu veranschlagen und auszuzeichnen. Das Ver- hältnis von Material- zu Arbeitskosten weist das Erzeugnis nach Klasse 111. Mithin kommt eine Grundgebühr von g"/u in Ansatz; danach ist

der Vorentwurf samt Ansatz mit mindestens 270. M. die Werkzeichnung mit mindestens . . . 270.— M.

die Gesamtarbeit also mit 540.— M.

zu berechnen.

2. Für ein Glasmosaik im Werte von 6800 Mark sind Entwurf und Werkzeichnung einschließlich Anschlag zu liefern. Das Erzeugnis fällt unter Klasse II; die Grund- gebühr beträgt ö»/,,. Demnach ist

der Vorentwurf mit mindestens 408.— M.

die Werkzeichnung mit mindestens . . . 408.— M.

die Gesamtarbeit also mit ~ 816.— M,

mindestens zu berechnen.

3. Für eine Antragearbeit im Werte von 1500 Mark sind Entwurf und Arbeitsniodell anzufertigen. Das Er- zeugnis gehört zu Klasse III, für die die Grundgebühr sich auf lo"/,! beläuft. Es sind also

der Vorentwurf mit wenigstens 150 M.

das Arbeitsmodell mit wenigstens .... 150. M.

die Gesamtarbeit also mit 300. M.

wenigstens in Rechnung zu setzen.

4. Ähnlich berechnet sich eine Taufkanne aus Messing im Werte von 250 Mark. Klasse III, Grundgebühr i^"'»

Vorentwurf i37o von 250 Mark = . . . 32.50 M. Werkzeichnung oder Arbeitsmodell . . . 32.50 M.

Gesamtbetrag 65.— M.

5. Ein Bucheinband zu 150 Mark. Klasse 111, Grund- gebühr 13%

Vorentwurf i9-50 M.

Werkzeichnung iQ 5" M.

insgesamt 3g. - M.

6. Ein Altar in Marmor zu 6000 Mark. Klasse I, Grundgebühr 4'\

Vorgebühr 240. M.

Werkgebühr 240.— M.

insgesamt 480.— M.

7. Ein Grabmal in Muschelkalk zu 800 Mark. Klasse III, Grundgebühr ii^o

Vorgebühr 88.— M.

Werkgebühr 88.— M.

insgesamt 176. M.

8. Ein Damenzimmer im Werte von 4800 Mark

a) In Klasse I (viel Mobiliar, glatte Arbeit), Grundge- bühr 5",j

Vorgebühr also 240. M.

Werkgebühr 240. M.

Gesamtgebühr . 480. M.

b) In Klasse II (weniger Mobiliar, mehr Arbeit), Grund- gebühr 7''|o

Vorgebühr also 336.— M.

Werkgebühr 336 M.

Gesamtgebühr 672.— M.

c) In Klasse III (reiche Ausführung), Grundgebühr g",,

Vorgebühr 432.— M.

Werkgebühr 432. M.

Gesamtgebühr 864. M.

g. Eine Adrcßdecke im Werte von 550 Mark

a) In Klasse III, Grundgebühr ii",,

Vorgebühr 60.50 M.

Werkgebühr 60.50 M.

Gesamtgebühr 121. M.

b) In Klasse II, Grundgebühr go^

Vorgehühr 4g-50 M.

Werkgebühr 49-50 M.

Gesamtgebühr gg. M.

10. Eine Gedenktafel in Bronze, Wert 1200 Mark, Klasse II, Grundgebühr 8'Vo

Vorgebühr für Entwurf g6. M.

Werkgebühr für Modell g6.— M.

Gesamtgebühr 192.- M.

11. Stroßenkandelaber , Preis 1300 Mark, Klasse I, Grundgebühr 6"/,)

Vorgebühr 78. M.

Werkgebühr 78. M.

Gesamtgebühr . 15Ö.— M.

KUNSTG(:WERBLICHE RUNDSCHAU

57

12. Kronleuchter aus Bronze, Preis 450 Mark, Klasse II, Grundgebühr 10%

Vorgebiihr .. 45. - M.

Werkgcbiihr 45. M.

Oesamtgebühr yo. M.

13. Adresse, I'reis qoo Mark, Klasse III, Grundge- bühr 11",,

Nur Vorentwurf nötig gg - M.

14. Schmiedeeisernes Gitter

a) Gitter einschließhch Tor und Pfeilern, zusammen 23 m lang; Gesamtkosten 1300 Mark, Klasse II, Grund- gebühr 8"„

Vorgebühr 104 M.

Werkgebühr 104.— M

Oesamtgebühr . 208 M.

b) Fortlaufendes Gitter mit Rapport von einem Meter; Preis für den laufenden Meter 20 Mark, Klasse III, Grundgebühr 15",,

Vorgebühr . . 3 M.

Werkgebühr 3 M.

Wiedergebühr zehn Mal 30- M

Gesamtgebühr 36. - M.

15. Blumentopf, Preis 6 Mark, Klasse III, Grundge- bühr 15'\,

Vorgebühr —.90 M.

Werkgebühr . .go M.

Wiedergebühr zehn Mal . g M.

Oesamtgebühr loSoM.

zulässige Aufrundung n. M.

In diesem Falle ist es ratsam, eine Pauschgebühr zu verabreden, oder eine Entschädigung nach Zeitgebühr.

16. Vi'aschtischgarnitur, Preis 35 Mark, Klasse III, Grundgebühr 15",,

Vorgebühr 5.25 M.

Werkgebühr . . 5^5 ^

Wiedergebühr zehn Mal 52 50 ^'^■

Oesamtgebühr 63 M.

Auch hier wäre eine Pauschgebühr in Form einer einmaligen Entschädigung, oder in Form eines Anteiles

am Verkaufspreise vorzuziehen, oder aber eine Vergütung nach Zeltgebühr.

17. \'crlegercinl>and, Preis 65 Pf.

Ergibt nach Grundgebühr einen Mindestsatz von 10 Mark, ist daher besser nur nach Pausch- oder Zeit- gebühr zu berechnen.

8 3. Die einer Kammer angchöriKen Sachverständigen (Mitglieder und Stellvertreter) werden von der Landn- Zenlralbehördc ernannt. Diese ernennt auch den Vor- sitzenden und dessen Stellvertreter aus der Zahl der Mit- glieder. Die Sachverständigen werden gerichtlich beeidigt.

S 4- Auf Erfordern der Gerichte und der Staats- anwaltschaften haben die Kammern ein Gutachten nur ab- zugeben, wenn

1. in dem Ersuchungsschreiben die zu begutachtenden Fragen einzeln aufgeführt,

2. die Akten und das zur Abgabe des Gutachtens er- forderliche Material ühersandt werden.

§ 5. Der Vorsitzende der Kammer bestellt, sobald der Antrag auf Erstattung eines Gutachtens an Ihn gelangt ist, nach seinem Ermessen einen oder zwei Hcrichterstatter. Diese legen dem Vorsitzenden eine schriftliche Bearbeitung der Sache vor. Die Heschlufifassung der Kammer erfolgt auf Grund mündlicher Beratung in einer von dem Vor- sitzenden anzuberaumenden Sitzung nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

S 0. An jedem Beschlüsse müssen mindestens fünf Sachverständige mit Einschiuli des Vorsitzenden teilnehmen. Mehr als sieben Sachverständige dürfen an dem Beschlüsse nicht teilnehmen. Darüber, welche Sachversländi^n im einzelnen falle an der Beratani; und Beschlußfassung teil- nehmen, entscheidet der l'orsilzende, soweit nicht darüber von der Landes-Zentralbehörde allgemeine Vorschriften «r- lasscn werden.

S 7. Die beschlossenen Gutachten werden ausgefertigt, von den Sachverständigen, die an dem Beschlüsse teilge- nommen haben, unterschrieben und mit dem Siegel der Kammer versehen.

S 8. Die Kammer ist befugt, für ihre Tätigkeit im Einzellalle Gebühren im Betrage von dreillig bis drei- hundert Mark zu erheben. Die Gebühren sind von der ersuchenden Behörde der Kammer sofort nach Erledigung des Ersuchens kostenfrei zu übersenden.

i; g. Anträge, durch welche eine Kammer gemiS i; 46 Abs. 2 des Gesetzes vom g, Januar 1907 als Schieds- richter angerufen wird, sind in beglaubigter Form einzu- reichen. Auf die Erledigung solcher Anträge finden die Vorschriften der SS 4 bis S entsprechende Anwendung.

Berlin, den 10. Mai 1Q07.

Der Reichskanzler. In Vertretung: Graf von Posadowsky.

Bestimnuingen über die Zusammensetzung und den Geschäftsbetrieb der Sachversländigenkainnicrn für Werke der bildenden Künste und der Photographie.

(I)ic Kursiv KCilrui-klcn Slcllcn sind in diesem licscl/o neu I

Auf Grund des § 46 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, vom g. Januar 1907 (Reichs-Oesctzbl. S. 7) wird bestimmt:

§1. Für Werke der bildenden Künste (einschlicrtlich der Erzeugnisse des Kunstgewerbes und der Bauwerke) sowie für Werke der Photographic werden gesonderte Sachverständigenkammern gebildet. Rts auf weiteres soll in keinem Bundesstaate von solchen Kammern mehr als eine bestehen.

S 2. Jede Kammer besteht aus mindestens 7 Mit- gliedern und aus der ei forderlichen Anzahl von Stellver- tretern.

KunsIRCwerbebljU. N. F. XIX H j

Die zurzeit in Berlin ausgestellten Proben der Kutkin- Pottcry von Taylor zeigen, nach einem Bericht in Biuhns Fachblatt, matte, dünnflüssige farbige LaulgUsur. matte Lüslereffekte, manche auch Avenlurinanwendung. Nament- lich rote, rolviolettc. gr.iu bis giün nüanarrte Töne sind harmonisch zusammengestimmt. Die Brnis'iirg durch einfache Muster unter Glasur, unter ti Ein-

tauchen in die farbige Glasur hellerer 1 f. gibt

manchen dieser Objekte eigenartige Effekte U cnn auch vereinzelte S:ücke Defekte zeigen (das Plat/en «n solchen Olasurstellen. welche reichliche Anhäufungen von Farb- teilchen enthalten, in Form von Blasen), so darf doch diesen Fabrikaten die technische Verwendung neuartig« Zusammenstellungen und eine malerisch neue K- •"»' ">iioo von Fertigkeiten und Kunslgrilfen nicht m

werden; es lassen »Ich In mancher llinsicln > "•«» englischen Keramik, wie aus der englischen F»»'"Vi'if>n moderner, farbiger PortelUnrb»Hken im »"^'rmfinm frck« viele Anregungen für unsere I'iJustncn «■•■•-rhrnm.

9

"=,8

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Malgründe und deren Behandlung bespricht im »Zetitralblatt für Bauverwaltuiig« der Maltechniker Paul Gerhardt. Zeigen Deckenmalereien und dergleichen geringe Haltbarkeit, so liegt die Ursache in den meisten Fallen in dem ungeeigneten Malgrund oder Mörtelputz. Man muß den Mörtelputz in zwei Arten teilen : einen solchen für künstlerisch zu bemalende Flächen, und einen solchen für dekorative Anstriche. Wandflächen für die erste Malart müssen frei von Feuchtigkeit und anderen Ausschwitzungen bleiben, die Mörtelschicht darf nicht auf die Hauptwand selbst, sondern auf eine vorgebaute Wand aufgebracht werden. Zwischen beiden Wänden muß eine mit der Außenluft in Verbindung siehende Luftschicht bleiben. Der Malgrund soll aus einer gröberen und einer feineren Putz- schicht bestehen, welche der darauf zu bringenden Kunst- malerei angepaßt wird. Bei dekorativen Anstrichen aber will man hauptsächlich Flächenwirkung erzielen, daher ist der Grund rauhkörnig und hellfarbig zu halten. Gips eignet sich für die Herstellung solcher Malgründe nicht. Zusatz von Zement schadet, besonders bei Kaseinmalerei nicht.

Stuttgart. Zur Preisbewerbung in dem vom Württem- bergischen Landesgewerbemuseum ausgeschriebenen Wett- bewerb zur Hebung der deutschen Stiideiiteiikiinst sind zugelassen alle spezifisch studentischen Gegenstände der Kunst und des Kunsthandwerkes ohne Rücksicht auf das Material und auf die Herstellungsweise. Die Erzeugnisse sind bis zum 75. Mai igoS an das oben genannte Mu- seum abzuliefern.

Weißenfels. Der Magistrat erläßt einen Wettbewerb zur Erlangung von Ideen für den Neubau der Oberreal- schule nebst Gymnasialabteilung. Es sind drei Preise von insgesamt 4800 Mark vorgesehen. Die Entwürfe sind bis zum 20. Februar igoS an das Stadtbauamt einzuliefern.

Braunschweig. An dem vom Stadtmagistrat er- lassenen Preisausschreiben für Vorentwürfe zu kirchlichen Gebäuden für die St. Jakobigemeinde können sich alle Architekten deutscher Reichsangehörigkeit und evangelischer Konfession beteiligen. Zur Preisverteilung stehen 6000 Mark zur Verfügung. Einlieferungstermin ist der 2. März igoS.

Charlottenburg. Auf dem Grundstück Fasanen- straße 7g 80 soll eine Synagoge mit einer Religionsschule errichtet werden. Architekten, die sich an dem Wettbewerb beteiligen, haben die Entwürfe bis zum 7. März igoS an den Vorstand der jüdischen Gemeinde in Berlin N. 24, Oranienburgerstraße 2Q, einzuliefern. Zur Preisverteilung ist die Summe von 10000 Mark ausgesetzt.

Nürnberg. Deutschlands Künstler werden hiermit eingeladen, sich an einem Wettbewerb zur Gewinnung von Entwürfen für ein Vercinsabzcichen für die Mitglieder des Deutschen Schiifzenbundes zu beteiligen. Die Zeichnungen oder Probeausführungen wollen, mit einem Kennwort ver- sehen, bis zum 1. Februar igo8 an den Vorstand des Deutschen Schützenbundes, Georg Jilipp, Nürnberg, Adler- straße 5, gesandt werden. In einem beigefügten, mit dem gleichen Kennwort versehenen Briefumschlag, sind Name und Wohnort des Einsenders anzugeben. Für die besten Entwürfe sind als erster Preis 300 Mark, als zweiter Preis 200 Mark und als dritter Preis 100 Mark festgesetzt. Die preisgekrönten Arbeiten gehen in das unbeschränkte Eigen- tum des Deutschen Schützenbundes über.

Berlin. Mit dem Plan des Architektenausschusses »Groß-Derl/n* beschäftigte sich im Berliner Rathaus unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Kirschner eine Kom- mission. In der Konferenz wurde von den Gemeinde- vertretern Groß-Berlins das Vorgehen des Berliner Magistrats in dieser großzügigen Angelegenheit mit Dank anerkannt und d-^r weiteren Förderung des Planes tatkräftige Unter-

stützung zugesagt. Es handelt sich zunächst, wie von uns schon mitgeteilt, um die Veranstaltung eines öffentlichen Wettbewerbes für Städtebaukünsller zur Erlangung eines einheitlichen Bebauungsplanes von Groß- Berlin. Der Architektenausschuß »Oroß-Berlin« hat die Kosten für dieses Preisausschreiben auf 165000 Mark veranschlagt.

Zittau. Die Stadt Zittau erläßt ein Preisausschreiben an alle deutschen Architekten zur Gewinnung von Ent- würfen für die Schauseiteu von Wohn- und Geschäfts- häusern oder für Teüe derselben (Erker, Balkone, Laden- schilder). Vier Preise: 1200, goo, 600 und 300 Mark. Die Entwürfe sind bis zum ;. Februar igo8 beim Stadtrat ein- zuliefern.

Künstlerisch geschmückte Besuchskarten. Mit Unterstützung des Königlich Sächsischen Ministeriums erläßt die Kgl. Akademie für graphische Künste und Buch- gewerbe in Leipzig und der Vorstand des Deutschen Buch- gewerbevereins in Leipzig ein Preisausschreiben an alle Künstler deutscher Reichsangehörigkeit zur Erlangung von Entwürfen oder ausgeführter Arbeiten auf dem Gebiete der künstlerisch ausgestatteten oder geschmückten Besuchs- karte. Zwei weitere mit diesem verbundene Preisaus- schreiben bezwecken die Gewinnung je einer Besuchskarte für die Frau Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen und Frau Prinzessin Johann Georg von Sachsen, die zur Förderung des Unternehmens sich bereit erklärt haben, die preisgekrönten Karten für Höchstihren Gebrauch entgegenzunehmen. Die Anforderungen zur Teilnahme an dem Preisausschreiben, welche auch die Be- dingungen, sowie die ausgesetzten Preise enthalten, werden Ende dieses Monats zum Versand kommen.

Der Verband der Linoleum- und Tapetendrucker zu Berlin beschloß den Anschluß an die Organisation der Lithographen- und Buchdruckervereine.

Der Leipziger Kunstgewerbeverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Künstler der Innendekoration mit den kleineren Handwerkern in engere Beziehungen zu bringen. Die Künstler sollen geeignete Entwürfe herstellen, die zur Verfügung der Handwerker gehalten werden. Die Handwerker sollen ihre Neuheiten im Gewerbemuseum ausstellen. Der Rat der Stadt hat dem Kunstgewerbe- verein hierfür eine einmalige Beihilfe von 1500 Mark ge- währt.

Der nächste internationale Kongreß der Handels- kammern und wirtschaftlichen Vereinigungen wird am 1. September igoS in PrajD' stattfinden. Das permanente Komitee schlägt folgende Tagesordnung vor: 1. Inter- nationaler Wechselverkehr. 2. Handelssfatistik: Mittel, ihr System und die Warenverzeichnisse zu vereinheitlichen. 3. Zollabfertigung: Mittel zu ihrer Vereinfachung.

RussischerMarmor. Zwei Schiffsladungen russischen, in der Hauptsache farbigen Marmors wurden dieser Tage von Libau nach Hamburg und England versandt. Sach- verständige messen diesem in Olonez gewonnenen Material ebenso viel Wert und Qualität bei wie dem Florentiner.

Charlottenburg. Für die Teilnahme an dem neuen Seminar für Städtebau an der Technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenbuig sind jetzt die näheren Bestimmungen getroffen: Die Personen, welche der Technischen Hoch- schule zu Berlin nicht bereits als Studierende oder Hörer angehören, können dem Seminar für Städtebau nur nach den Vorschriften des § 36 des Verfassungs-Statuts als ■Gastteilnehmer« beiwohnen, das heißt, sie müssen min- destens die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig- freiwilligen Militärdienst und ein Prüfungszeugnis von einer Baugewerk- oder mittleren Bauschule besitzen. Ganz ausnahmsweise wird nur dann von dieser Bedingung ab-

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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gesehen werden, wenn die Bewerber die erforderlichen Vorkenntnisse und eine auliergewöhnliche Befähigung nach- weisen. Das Seminar steht außeidem auch während des Semesters gegen Entrichtung des Semesterhonorars den in der Praxis befindlichen Baubeamten, Architekten und Ingenieuren als "Oastteilnchmer. auf kürzere, jeweils mit der Seminarleilung zu vereinbarende Dauer offen.

Berlin. Am 13. Oktober begann unter Teilnahme von 70 Mitgliedern ein aus sechs Vorträgen bestehender Fachkiirsus für liiweliere über Eilelsteiiikunde im Museum für Naturkunde zu Berlin.

Dresden. Die »Dresdener Werkstätten für Hand- werkskunst« haben eine Lehrwerkstätte und eine Fach- schule für das Tischlerliandwerk eröffnet. Der Lehrplan enthält Wcrkstättenarbeit, Malerialkunde, Zeichnen und Modellieren, kunstgeschichtliche und praktische Formen- lehre auf gewerblicher Grundlage, Fragen der Volkswirt- schaft, Rechnen, Deutsch, Buchführung, Museumstührungen an Sonntagen. Die Unterweisungen erfolgen weder in schematischer, schulmeisterlicher noch kathedermäßiger Form, sondern im freundlichen Umgang mit den Lernenden im Wege der Diskussion, der Fragestellung, der positiven Arbeit und der umsichtig geleiteten Übung der wachsenden Kräfte. Die Selbstachtung als Grundlage der Arbeilswürde zu stärken und gesellschaftsfähige Menschen zu erziehen, ist die Leitung in jeder Hinsicht bemüht.

München. Deutsches Museum. Der deutsche Kaiser hat den Protektor des Museums, Prinzen Ludwig, einge- laden, die nächste Hauptversammlung des Deutschen Museums in lierlin abzuhalten. Die Sitzungen des Vor- standsrates und des Ausschusses finden also in Berlin und zwar am 16. und 17. Dezember statt.

Stuttgart. Das Landesgewerbeinuseuni' wird im An- schluß an seine sehr erfolgreiche Ausstellung Symmetrie und Gleichgewicht^ eine besondere ständige Abteilung ein- richten. Dr. G. E. Pazaurek berichtet darüber in der Museumskunde«: >Schlechte Formengebung, passender, dürftiger oder aber überladener Schmuck, auch Schmuck an den unrichtigen Stellen, Materialübergriffe oder Material- surrogate, unerträgliche Farbenzusammenstellungen, Künste- leien und Pimpeleien, namentlich Ausstellungspimpeleien, industrielle Vergröberungen individueller künstlerischer Erzeugnisse, das und manches andere, übersichtlich zu- sammengestellt, würde ohne Zweifel einen gewaltigen Ein- druck auf die Museumsbesucher machen Dali dieser Ein- druck ein erfreulicher sein wird, soll keineswegs behauptet werden; aber man muß auch Medizinen nehmen, die bitter schmecken, wenn die bisherigen Heilmittel nicht hinlangen.

Der Vorstand der Gesellschaft des Salon d'Automne in Paris hat rheinische und süddeutsche Kunsikreise ein- geladen, in Verbindung mit seiner Ausstellung iqoS im Grand Palais Champs Elysees eine Sondcraus^tcllu^g deutscher neuzeitlicher Kunst und Kunst im Hand- werk zu veranstalten. Die Ausstellung soll als privates Unternehmen durch eine Gesellschaft deutscher Kunst- freunde, die schon namhafte Summen hierfür gezeichnet haben, ins Leben gerufen werden. Als künstlerischer Leiter ist Professor Ludwig Dill gewonnen worden; die geschäft- liche Leitung hat der Direktor des Kaiser-Wilhelm-Museums in Krefeld, Dr. Deneken, übernommen.

Berlin. Der Verband Herliner Spezialgeschäfte ver- anstaltet im Februar rgoS eine Ausstellung für »Ocschäfls- ausstatlung und Reklame «

Berlin. Bei Friedmann fi Weber (Hohcn/ollcrn- Kunstgewerbehaus) sind Arbeiten der RusktnPottery von Taylor ausgestellt

Berlin. In der Galerie für alte und neue Kunst ist die berühmte Uhrensammlung von Marfels ausgestellr, die in etwa 70 Taschenuhren ausschlielllich hervorragende Kunstwerke der Uhrmacherci enthält, wie sie in dieser Schönheit und Feinheil in Museen und Privatsammlungen wohl kaum anzutreffen sind. Sie stellt das Resultat erner dreiliigjährigen zielbewußten Sammeltätigkeit dar, die von dem Gesichtspunkte bestimmt wurde, daß der Sammler nur das Allerbedeutendste erwerben und nicht die Quantität sondern die Qualität erstreben solle. Infolge dieses auf dem Gebiete der Kunst einzig richtigen Standpunktes ist es dem Besitzer im Verlauf von drei Jahrzehnten gelungen, alle Kunstperioden in klassischen Meisterwerken der Uhr- niacherei in seiner Sammlung zu vereinigen.

Das 16. Jahrhundert, in dessen erstem Viertel die Taschenuhr erfunden wurde, ist in schönen Exemplaren der Goldschmiedekunst vertreten. Besonders hervorzuheben ist eine Eiuhr in Limogesemail, gemalt von J Reymond, die der Sammler aus dem Nachlasse des Barons Maier Carl von Rothschild in Frankfurt am Main erwarb. Ihr Wert wird von Kennern auf bo bis ioüooo Mark geschätzt Ferner eine Uhr in eniail en resille sur verre, deren Gehäusedeckel aus blau schimmerndem Glase hergestellt und in das schöne Renaissanceornamente eingraviert sind. In diese Verzie- rungen sind dünne Goldplättchen eingehämmert, die dann schließlich mit vielfarbigem Email bedeckt sind.

Berlin. Die Große Berliner Kunstausstellung i<)o8 wird stattfinden vom 1. Mai bis 27. September. Die An- meldung hat bis zum 10. März, die Einlieferung zwischen dem 16. und 26. März zu erfolgen. Die Ausstellungspapiere versendet das Bureau der Großen Berliner Kunstaus<.tcllung, Berlin NW. 40, auf Verlangen. Die Kommission für diese Ausstellung hat gewählt zum I. Vorsitzenden Maler Otto H. Engel; II. Vorsitzenden Prof. Hans Herrniann; I. Schrift- führer Prof. Otto Günther-Naumburg: II. Schriftführer Bild- hauer Sigismund Wernekinck; I. Säckelmeisler Prof Maxi- milian Schaefer; II. Säckelmeister Prof. Georg Koch.

Paris. Internationale Ausstellungs-Konferenz. DasCo- mite Fran(,-ais des Exposilions .i l'Etranger, dem im Ein- vernehmen mit der Regierung in Frankreich die Regelung des Ausstellungswcsens obliegt, ladet soeben die Au»- stellungs-Organisalionen der verschiedenen Länder zu einer Konferenz ein, die in den Tagen vom 2Q und 30. Novemt>er in Paris stattfindet und sich mit wichtigen Fragen de» Ausstellungswesens von internationaler Bedeutung befassen soll. Deutschland wird durch die Delegierten der Stän- digen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie (Berlin W , Linkstraße J5) bei den Beratungen vertreten sein

Mönchen. Für die Ausstellung ..München ujoS- wurde eine .'Vufn.ihniejury gewählt, die aus acht Herren besteht: vier Kiiristlcrn und vier Vertretern der übrigen Gruppen Handel Handwerk, Industrie und Magiilral Diese Jury wird je nach Bedarf tagen und über die aufrunehmenden Gegenstände Beschluß fassen. Auf diese Weise ist da» künstlerische und praktische Element gleichmäßig in der Jury vereinigt. Die vier Herren der Gruppe -Angewindle Kunst- sind dazu berufen, den künUlciischenOrtindchankler der Ausstellung nach jeder Richtung zu wahren; bei Fragen rein technischer Natur werden Sachverständige der betref- fenden Branche als Gutachter zugezogen. Bei «blehnenden Beschlüssen der Jury steht jedem Aussteller da» Beschwerde- recht bei der Vorslandjchaft de» Arbeil»au»tchu»»e» m.

Falscher Heimalschutx. Der Landrat de« Krei»e» Niederbarnim, Gral von Rödem, hat die neue Idee de» Heimalschutzes «ufgegrilfen und will die Verwhjndelung der Ortschaften durch ichlechtc Bauten verhindern. Er

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

sucht dieses Ziel dadurcli zu erreichen, dai? er den Gemeinde- mitgliedern drei Miisterfassaden zustellt und sie auf die Kreisbaubeamten verweist. Nicht nur, daß gerade diese Art des Vorgeiiens einen unleidlichen Zwang bedeutet, wer gewährleistet den Geschmack des Grafen und der Bau- beamten?! So geht es nicht, schreibt das B. T. »Entweder muß eine große Anzahl geeigneter und zu der Landschaft passender Fassaden durch einen öffentlichen Wettbewerb mit einer Jury von sicheren Daiikünstleni gesucht werden. Oder es ist in jedem Fall der private Entwurf von einer künstlerischen Kommission zu prüfen. Nun würde ja auch diese Kommission aus dem Landrat und seinen Beamten bestehen. Aber da ihnen der Architekt im mündlichen Verfahren antworten könnte, so würde doch ein gewalt- samer Eingriff in private Rechte kaum zu befürchten sein, und würde der Architekt einem unter Umständen schlech- teren Geschmack der Kommission gegenüber sich durch- setzen können.«

Die Verunstaltung des Stadt- und Landschafts- bildes. Im Architekten- und Ingenieurverein zu Bremen machte Direktor Högg folgenden Vorschlag: »Die weit- aus wichtigste Maßregel ist die Schaffung einer ästhetischen Baupolizei eines nach gewissen Zeiträumen zu erneuernden Kollegiums von anerkannten Baukünstlern, durch freie Wahl der organisierten Archilektenschaft am Orte gewählt und der örtlichen Baupolizeiverwaltung angegliedert. Wie letztere die Projekte auf ihre Sicherheit und Gesetzmäßig- keit prüft, so hätte die ästhetische Kommission sie auf ihre künstlerische Brauchbarkeit zu untersuchen. Bei richtiger Zusammensetzung und Instruktion dieser Kom- mission ist nicht zu befürchten, daß damit eine einseitige Geschmacksrichtung rücksichtslos und tyrannisch zur Gel- tung käme.«

Daß die Materialfälschung höheren Ortes als eine Verfeinerung gilt und als ein Reservatrecht den oberen Klassen vorbehalten werden soll, hat der »Kunstwart in der -Garnison-Gebäude-Ordnung für die Kaiserliche Marine von 1Q06 entdeckt. Eine Verordnung schreibt dort vor: »Türen und Fenster in Gebäuden, die lediglich praktischen Zwecken dienen, erhalten gewöhnlichen Ölfarbenanstrich. Ausnahmen bilden Gebäude und Gebäudeteile, deren Zweck über das Ofii'ö7;/;//fA^ hinausgeht und reichere Ausstattung (\) durch eichenholzartige Maserung und Lackieren der ge- maserten Holzflächen, oder durch Beizen und Lasieren rechtfertigt (z. B. Offizierspeiseanstalten, Dienstwohngebäude für höhere Offiziere usw.).«

Aus einem unter dem Titel: »Persönlichkeit und Kunst< in der Modernen Kunst erschienenen Aufsatz von Dr. Hans Schmidliunz entnehmen wir folgende Worte: »Ich besuche irgend eine kunstgewerbliche Firma, lasse mir dies und das Werk in Ausführung oder in Zeichnung zeigen. Manchmal, namentlich gegenüber berühmten Namen, mit denen die Firma Ehre einlegen will, erfahre ich, wer der Künstler ist. In vielen anderen Fällen wird meine Frage mit einem Hinweis auf Atelierarbeit , »zu Hause gearbeitet' und dergleichen umgangen. Traurige Bilder entstehen da in meiner Phantasie: von einem großen Ge- schättsbetrieb, in welchem man auch einem Künstler zu tun gibt, gleichsam als einem Beamten neben anderen Beamten des Betriebes. Ob da der Künstler (oder, mit Achtung zu sagen) »Zeichner' auch in einen persönlichen Rapport mit den ausführenden Handwerkskräften kommt insbesondere ob ein Künstler da ist, der diese Kräfte nach

seinem Ermessen auswählt und beschäftigt: das wage ich nicht zu vermuten.'

Straßburg i. E. Die von der Landesverwaltung von Elsaß-Lothringen im Erdgeschoß des Alten Schlosses ver- anstaltete Ausstellung von Buclieinbäuden hat etwa 1600 durchweg gute und charakteristische Einbände, darunter eine ganze Anzahl Stücke ersten Ranges vereinigt. Außer den zahlreichen in einheimischem Privatbesitz befindlichen Bänden, unter welchen die französischen des 17. und 18. Jahrhunderts in besonders schönen Beispielen vertreten sind, lieferten die Bestände der zum Teil weniger bekannten und doch recht reichhaltigen Bibliotheken und Archive des Landes viele vortreffliche Sachen. Auch von außerhalb haben zahlreiche Bibliotheken und Museen viele zur Ergänzung der Ausstellung erbetene Bücher zur Ver- fügung gestellt. Durch dies günstige Zusammenwirken sind viele Kostbarkeiten und Seltenheiten dieses Gebietes in der Ausstellung vereinigt worden. Bern, Berlin, Darm- stadt, Donaueschingen, Hamburg, Nürnberg und Stuttgart sind mit hochinteressanten Stücken vertreten. Dadurch ist eine Ausstellung zustande gekommen, wie sie in Deutsch- land bisher noch nicht stattgefunden hat. Moderne Entwürfe für Dekorationsmaler. 16 farbige

Foliotafeln in Mappe von Heinrich Stenzel. Preis 20. M.

Gilberssche Verlagsbuchhandlung, Leipzig.

Das Werk enthält in seiner Zusammenstellung gut re- produzierte Entwürfe für Wand- und Deckenmalereien, Treppenhäuser, Wandfriese und Wandmuster, die dem heutigen Geschmack angepaßt sind. Durch feinempfundene Unterbrechung ornamentaler Teile sind die Entwürfe ein- fach und klar in den Linien gehalten. Die Farbengebung wirkt ruhig und vornehm. Der ornamentale Schmuck ist größtenteils durch Schablone ausführbar und durch An- wendung der Spritztechnik wird eine wohltuende Abwechs- lung erzielt. Schablonen und Pausen können vom Ver- fasser für jeden Entwurf zu mäßigem Preis bezogen werden, so daß eine unmittelbare Übersetzung für die Praxis hier- durch geboten und dem Werk vielfache Verwendung ge- sichert wird. e. Motive für Wand und Decke. Herausgegeben von

Nigetiet und Vogel. Mit 18 Tafeln. In Mappe 26 Mk.

Verlag Eugen Twietmeyer in Leipzig.

Ein Werk wie das vorliegende muß zu allernächst einer gewissenhaften Prüfung auf den praktischen Wert hin unterzogen werden. Zweifellos sind in der Farben- gebung einzelne Blätter recht gut, wenn auch die tech- nische Behandlung etwas kompliziert erscheint. Es ließe sich wohl mit weniger Mitteln das gleiche oder sogar noch mehr erreichen. Vier bis fünf verschiedene Behandlungen einer Wand mit Kammpinsel scheinen doch, abgesehen vom Zeltaufwand, etwas viel. Die Verwendung des Orna- ments ist bei einigen Blättern gut geglückt, aber von großer Gefahr sind die angebrachten Landschaften in Me- daillons! Wie froh war man, derartiges ausgemerzt zu haben und zu glatt gestrichenen Decken und Wänden übergegangen zu sein, und nun finden wir in diesem Werke diese gefährlichen Zugaben. Je nachdem ein solches Vorlagewerk in die Hände eines Meisters oder Gehilfen gelangt, kann es damit bitteres Unheil stiften. Es wäre dann dasselbe, was wir vor etwa zwei Jahrzehnten hatten, nur in anderer Art. Wir möchten anheim stellen, diesen Punkt noch bei einer weiteren Auflage in Erwägung zu ziehen. H. G.

.er und verantwortliche Reüaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig

DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

Von Joseph Auo.

PAN liic(5 die Zcilsclirift, die seit 1895 die geistige Bewegung in den Jahren vor dem Erwachen des Kunstgewerbes einleitete und das Erscheinen der Modernen vorbereiten half. Das Programm, das die Sezessionen verwirkhchten, hafte der Pan vorgeliiidet. Von Meier-Gracfe, dem unruhigen Entdeckungsreisenden im Kunstland be- gründet, hielt der Pan fleißig Umschau nach allen modernen Regungen, die freilich der Hauptsache nach in der Literatur, in der Plastik und in der Malerei behorcht wurden. Es entsprach Meier-Graefes inter- nationaler Beweglichkeit vorzüglich, die Vorg<änge im Ausland wahrzunehmen, aus denen Deutschland An- regungen schöpfen konnte. Das hatte sein Gutes, denn überall im zivilisierten Ausland halte es sich früher geregt. Deutschland trat zuletzt in die moderne Bewegung ein, wenngleich dann mit nie und nirgend gesehener Intensität. Daß sich der mo- derne Gedanke in Deutschland mit solcher Heftigkeit verbreitete, ist dem f^in zu danken, der in den Jahren vor dem Ausbruch der künstlerischen Revolution die Seelen für den zündenden Gedanken empfänglich ge- macht hatte. Meier-Graefe, unheimlich gewandt, und mil feinem Geruch begabt, Ästhetiker, Literat, Liebhaber und Geschäftsmann in einem, folgte seinen Instinkten. Er halte in den Zeiten der Gärung eine Mission zu erfüllen. Erglich einem geschickten Perlenfischer, der, so oft er in die Tiefe faucht, etwas Glänzendes, Kost- bares in die Höhe bringt. Was ihm auf seinen Ent- deckungsfahrten oder Eroberimgszügen in den Wurf kam, hielt er fest, und es isf sein VerJietisf, daß er Viele, die einsam und in Dimkellieit standen, damals ans Licht gezogen hat. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er schon damals in Berlin die »Maison moderne < gegründet, eine Art modernes Kaufhaus, wie er es tafsächlich einige Jahre später in Paris getan, wo bereits ein anderer, Herr S. Bing, vor ihm, als Japanlicbhaber bekannt, ein modernes kunstgewerb- liches Kaufhaus, die Art nouveau', eröffnet und der modernen Bewegung unmittelbar vor dem Eintritt in Deutschland als erster Slützpimkt gedient hatte. Meier- üraefe kam mit seinem geschäftlichen Unternehmen in Paris zu spät. Die Schlacht war im Oktober iSyO bei Bing geschlagen und selbst dieser Sieg war keine Eroberung. Auch S. Bing halte eine Mission, die nicht auf dem Gebiet der geschäftlichen Erfolge lag. Bings moderne Ausstellung im Oktober iSq6 war das erste Lebenszeichen der modernen kunstgewerb- lichen Bewegung, die gerade den Umweg über Paris

KunsiKcwerhclibll. N. F. XIX. H. t

Lux, DRF.Sr>CN.

nehmen mußte, vielleicht weil damals noch Deutschland gewohnt war, jede Anregung von dorther zu empfangen. Aber während die moderne kunstgewerbliclic Be- wegung in Deutschland zu nationaler Bedeutung em- porwuchs, hatte sie in Frankreich nur den vorüber- gehenden Bestand einer Mode, die mit den nationalen Voraussetzungen der Franzosen nicht vcrscIinK-lzen konnte. Daraus erklärt sich der nachmalige geschäft- liche Mißerfolg beider Unternehmen, während ähn- liche Gründungen in Berlin bestehen konnten. Viel- leicht war es dieser internalionale Händlerinstinkl, der Meier-Graefe mit den anderen Mitgliedern der Pan- Genossenschaft in Zwiespalt brachte, und infolgedessen Meier-Graefe schon im ersten Jahr von dem Pan- Unfcrnehmen zurücktrat. Denn im l'an hatte sich gleichzeitig mit dem von Meier-Graefe vertretenen internationalen Grundzug eine ausgesprochene [Richtung zur Hebung der nationalen Kultur entwickelt, die von der Beobachtung und Prüfung des heimischen Lebens ausging. Kurzum, der Pan hatte die Aufgabe, ein deutsches Kunstblatt zu werden. Die Gefahr, nur er- lesene Kost für einige Feinschmecker zu bieten und darüber eine notwendige nationale Kulturarbeit zu versäumen, wurde früh genug cikannl und vermieden. Der Pan sollte kein internationales Organ werden, das von Japan, New York und allen Kulturzentren Europas das beste, was in Kunst und Literatur jähr- lich entsteht, zusammenfassen will. Das schien als ein Ding der Unmöglichkeit. Das Gebiet war zu groß und das Bedürfnis nach einem internationalen Organ zu gering. Es hätte Kunslhändlerintcrcsscn, nicht aber Volksinteressen pflegen können. Der Pan wollte fleißig Umschau hallen, er wollte die Lehren des Auslands im nationalen Geist verwetten, aber er wollte Deutschland nicht mit internationaler Kunst übcrschwcimnen, indem er selbst ein internationales Kunsibintt wünle. Er wollte vielmehr in Deutschland ilie Selbständigkeit in kulturellen Dingen wahren und entwickeln und den besten Nährboden der Kunst, die Pflege der Heimat, der Eigenart und der Tradition fördern. Die lokalen I'roduktioncn sollten auf diese Art künstlerisch erstarken und erhöhte \X'i ; ' ng der Gebildelen gewinnen. Gerade die bi ^c

künstlerische Entfaltung sollte dahin führen, dau der unleidige Partikularismus in Deutschland vermindert werde. Die Dezenlrnlisicning der Kunst ist die Lösung in Deutschland. Es sollte nicht vergessen werden, daß auch hinter dem Berg noch Leute wohnen. Tal- sächlich haben bis auf den heutigen Tag die Oc-

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DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

bildeten in Deutschland noch keine Ahnung, welcher Reichtum an künstlerischer und lokaler Eigenart, welche Mannigfaltigkeit der Erscheinung und Urwüchsigkeit im deutschen Volkstum vorhanden ist. Es fehlte der Kontakt zwischen den Gebildeten mit der künst- lerischen Produktion des eigenen Volkes. Wie die ausländische Literatur auf dem deutschen Büchermarkt vorherrschte, so herrschte in der Kunst und im Kunst- handel Deutschlands die fremdländische Produktion. Die deutschen Handwerker und die Durchschnitts- architekten leierten die auswendig gelernten Stilformen her, Gotik, Renaissance, Rokoko und Zojjf, ge- stohlene und zusammengebraute Ornamente, die den Zeichnern für das Kunstgewerbe von den Gewerbe- museen verabreicht wurden. An den Akademien, die sich vor jeder Berührung mit dem Leben ängstlich hüteten, wurde der romantischen Überlieferung ge- mäß, Historienmalerei betrieben, nach der in der Praxis kein Mensch verlangt. Die vornehmen Institute machten brotlose Kunst, die Kunstgewerbeschulen er- zogen Kräfte, die gewandt im Kopieren alter Stilformen waren und keine Ahnung von dem Wesen eines wahrhaft künstlerischen Gebildes haben. Sie waren zur völligen Hörigkeit im Dienste eines Kunstgewerbes erzogen, das sein Dasein aus schlecht kopierten, völlig unver- standenen stilhistorischen Ornamenten fristete. Die moderne Industrie, etwa auf dem Gebiet der Metall- waren, der Lederpressuug und Lederimitationen und anderen Gebieten, machte diese Oeschmacksentwicke- lung getreulich mit. War es ein Wunder, daß in den Zeiten eines solchen Niederganges der nationalen Kunstproduktion der ausländische Import den deut- schen Markt überschwemmte und daß die besseren Läden Deutschlands englische Fabrikate, englische Möbel, Stoffe, Bilderbücher, Tapeten, Fayencen, der deutschen Schundindustrie vorzogen? Und daß selbst die deutschen Gewerbemuseen englische und amerika- nische Produkte kauften und ihren Bildersammlungen einverleibten? So tief war die deutsche Produktion gesunken, daß sie bei der Nachahmung ausländischer Produkte gelandet war, und damit ihre völlige Un- mündigkeit und Hilflosigkeit bekannte. In den Er- ziehungs- und Kunstunterrichtsfragen in der Kleidung und in den Umgangsformen begann man längst die Überlegenheit der englischen Kultur zu spüren. Wer in Deutschland eine erträgliche Figur machte, ver- dankte sie der englischen Marke. Man darf nicht glauben, daß es ein Austausch der Güter zwischen zwei verwandten Nationen war. Haben etwa die englischen Dekorateure deutsche Kunst von dem da- maligen Stande verlangt? Oder hat das englische Volk an Stelle seiner Körper und Geist harmonisch entwickelnden Sportpflege etwa die öde deutsche Turncrei eingeführt? Haben sich die großen Er- neuerer des Kunstgewerbes etwa die Kopieransfalten, die unsere Kunstschulen im eigentlichen Sinne waren, zum Vorbild genommen? Oder haben sich die eng- lischen Hausfrauen in den Fragen der Hygiene, der Körperpflege, in den Fragen der Qualität und der Echtheit bei den Einkäufen die Grundsätze der deut- schen Hausfrauen, die noch völlig auf billiges Surro-

gatenwesen gerichtet sind, zunutze gemacht? Man braucht nur die englischen und amerikanischen Witz- blätter nachzulesen, um ein leider zutreffendes Spiegel- bild der deutschen Zivilisation zu finden. Allerdings hat auch Deutschland exportiert und ein bekanntes Wort hat den deutschen Export von Gebrauchs- artikeln gebrandmarkt. Es ist oft genug wieder- holt worden, weshalb hier nur auf das Mißverhältnis aufmerksam gemacht werden soll, das darin besteht, daß ein Volk in allen Fragen der Qualität vom Aus- lande abhängt, und dafür nichts zu geben hat als billige Schundarbeit. Die wirtschaftliche Konsequenz dieser Erscheinungen war mit eine der lebendigen Triebfedern der modernen Bewegung. Wir sollten vom Feinde lernen, Kräfte zu entwickeln und zu ge- brauchen. Und wenn unsere eigenen Kräfte entfaltet sind, wenn wir imstande sind, Qualität zu entwickein und dem Schund Einhalt zu gebieten, dürfen wir die wirtschaftlichen Konsequenzen ziehen. Dann dürfen wir hoffen, den heimischen Markt zu bewahren, den Käufer der eigenen Produktion zu erhalten und, wenn möglich, mit fremden Völkern in Wettbewerb zu treten. Sollte das Ziel einer nationalen Kultur erreicht und die Gefahren der englischen Invasion, wie überhaupt der ausländischen Vorherrschaft in Geschmacksdingen abgewendet werden, dann ist vor allem nötig, die Bildung der Gesamtheit auf neue Grundlagen zu stellen und im Publikum gesteigerte Ansprüche hin- sichtlich des Geschmackes, der Echtheit und der Ge- diegenheit zu erziehen. Das Wesen der Bildung ist in der Qualität begründet, sie muß in der Arbeit des Volkes, in seiner Kunst, in seinen geistigen Interessen das Hauptziel sein. Wie weit sind unsere heutigen Gebildeten noch von diesem Ziel entfernt? Wie weit ist die Industrie davon noch entfernt? Die Geschichte der modernen Bewegung, die ich in den Hauptzügen zu schildern mir vorgenommen habe, ist nach außen hin nicht ein gemeinsames Ringen um geistige Prin- zipien, sondern ein Ringen mit dem Feind im eigenen Lande, mit dem Unverständnis des Publikums, mit der geschlossenen und wohlorganisierten Armee von Händlern, Unternehmern, Industriellen, Fabrikanten, die ihre alte Methode bequemer Gewinnmacherei hartnäckig zu verteidigen suchen und endlich gegen die zu Ehren und Würden gekommene Impotenz im eigenen Lager. Es war ein Kampf mit ungleichen Waffen. Hier ein Häuflein begeisterungstrunkener Neuerer, mit nichts ausgerüstet als mit ein paar Ideen, und dort eine festverschanzfe Hochburg mit wechsel- seitiger Versicherung materieller Interessen, auf das äußerste entschlossen, nicht locker zu lassen. Die Idee hat gesiegt. Der Kampf ist entschieden, aber keineswegs beendet. Ich soll nicht vorgreifen. Denn der Pan war früh am Tag und hat zu seiner Zeit die Ereignisse nicht voraussehen können. Die Ent- wickelung überraschte uns in den darauffolgenden Jahren mit der Plötzlichkeit eines Wunders.

Einer, der die nationalen Ziele bei der Gründung des Pan klargesehen und ausgesprochen hat, war Alfred Lichtwark. ßode, Woldemar v. Seidlitz und andere standen ihm eifrig zur Seite. Den kulturellen Vor-

DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

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Sprung des Auslandes, namentlich Englands, die Rück- ständigkeit Deutschlands in ähnlichen Gebieten, aber auch den unmelibaren Schatz altheiinischer und volks- tümlicher Überlieferung hatte in Deutschland am klarsten Lichtwark erkannt und darauf seine umfassende Kulturarbeit gegründet. Das Verdienst Lichfvvarks um die Wiedererweckung der heimischen Kultur ist un- geheuer. Fast alle geistigen Strömungen, die zu diesem Zweck in Deutschland in den letzten Jahren Platz gegriffen haben, gehen auf seine Anregung zu- rück. Seine Aufsätze im Pan waren Scheinwerfer, die der kommenden Eiitwickelung voranlcuchteten. Die Wiedererweckung der Medaille, die Förderung der Kunstbetätigung im Volke, die organische Idee im Flausrat und im Hausbau, die Beobachtung der Heimat und der heimischen Überlieferung, die Wieder- erweckung des Farbensimics, der filumenfreude und der Gartenkultur, das Städtcstiidiinn und der Heimat- schutz sind in Deutschland zum erstenmal von ihm angeregt worden. Andere haben die Arbeit weiter- geführt, vertieft und spezialisiert, einzelne Gebiete wurden Bundesangelegenheiten, manche dieser Ange- legenheiten wurde seither von vielen zugreifenden Händen angefaßt, verallgemeinert, oft nahm der Strom an Breite, aber auch an Seichtheit zu. Lichtwark hat geradezu bahnbrechend gewirkt. Der Pan schien da- mals der Quellpunkt der zahlreichen parallellaufenden geistigen Bewegungen, die ein gemeinsames Kultur- ziel haben.

Die ersten drei Jahrgänge des Pan von 1895 1898 waren die fruchtbarsten. In dieser Zeit halte er alles gesagt, was er zu sagen hatte. Seine Mission war erfüllt. Die moderne Kirnst war geboren und andere Hände übernahmen ihre Warfung und Förderung oder Verteidigung. Noch zwei Jahre des Siechtums und der große Pan war tot. Er hatte es nicht nötig, sich betrauern zu lassen. Eine Menge von Kunst- zeitschriften, die um 1897 1898 entstanden, die Dekorative Kunst, Deutsche Kunst und Dekoration, Kunst und Handwerk, Ver Sacrum, Kunst und Künst- ler, Die Rheinlande und eine Unzahl anderer, die be- weglicher waren und den Tagesinteressen leichter folgen konnten, nahmen ihm die Arbeit aus den Händen und führten sie auf lokalen Grundlagen weiter. Dresden, München, Wien, Darmsladt, Berlin, Düsseldorf bildeten sich als hohe Warten aus, die ein lokales Gesichtsfeld bestrahlten und doch hoch genug waren, die Oberströme wahrzunehmen, die befruchtend auf die Ertragsfähigkeit wirken konnten.

Alle leitenden Gesichtspunkte hatte der Pan in den ersten paar Jahren seines Bestandes aufgestelll.

In der Literatur regte sich ein neuer Frühling. Der Impressionismus löste eine Parallelbcwegung auf dem literarischen Gebiet aus, unter dem Einfluß der Skandinavier, Belgier und Franzosen gewann in der deutschen Literatur der neunziger Jahre die sensitive, rhythmisch lyrische Stimmung Oberhand, die auf die Überwindung des Naturalismus in der Dichtung ge- richtet war. Paul Verlaine, Baudelaire, Huysmans, Maeterlinck, Gabriel Dante Rossctti, Swinburnc. Pry- byszewski, Knut Hamsun, Jacobscn, Jonas Lic, Lager-

loef und viele andere standen bei der jungen deutschen Literatur Gevatter. Für die neuen Empfindungen des Lebens, für die nie gesehenen Schönheilsmcrk- male sollte der dichterische Ausdruck gefunden werden. Die naturalistische Dichtung mit ihrer er- starrten Methode der Wirklichkeitsschildcrung und des Objektivismus, der gleichsam den Unbeteiligten spielte, die Hände mit im Spiel hatte imd doch zugleich als kalter Zuschauer dasaß, ließ die Seelen unbefricdigl. Man hatte das Gefühl, daß das naturalistische Kimst- werk den seelischen Machlbezirk nicht erweiterte, sonilcrn in die Enge der bloßen Wirklichkeitserfahrung hinabdrückte. Noch viel weniger natürlich entsprach dem modernen Empfindungsleben die Gouvernanten- dichtkunst, die dem Naturalismus voranging und neben diesem die breite Masse der »Gebildeten« be- herrscht, die 'Mumienpoesie Georg Ebers', die senti- mentale Aprilabendweichheit Geibels, die Hoppedanz und Riedewanz- Dichterei Julius Wolffs und Baumbachs und die süßlich geschleckte Frivolität des französischen EhebruchsdramaS'. Unter diesem zuckernen Aufguß hatte das Leben mit seinen Maschinen, mit seiner sozialen Frage eine Umwälzung geschaffen, unbe- kannte und unverstandene Werte hervorgebracht, Schönheiten, die nicht mit den alten Gartenlaube- vorstcllungen und auch nicht mit der peripherischen Wirklichkeitsschilderung ergriffen und seelisch be- wertet werden konnten. Die Dichtung suchte nach einem verwandten Ausdruck, der den Pul&schlag dieses modernen Lebens vernehmen ließ, und sie fand ihn in den Seelen- und Nervenzusländcn, die von der neuen Art zu leben und zu empfinden hervor- gerufen waren. Die Dichtung wurde wieder subjektiv, ein Stück des modernen Nervenlebens, sie ging den Vibrationen und den Ekstasen, den Erschlaffungen und Ängsten des Nervenlebens nach imd suchte in viel- deutigen Symbolen auszudrücken, was dem eindeutigen Naturalismus und der nichtsdeutigen Familicnlisch- poesie versagt blieb. Die belgischen Symbolisten riegelten alle Träume auf, sie schlössen die Gassen- fenster zu und öffneten die inwendigen Ausblicke auf die geheimnisvollen Seelengärten, wo unter den zauber- haften Blumen und den geheimnisvollen schwarzen Tiefen des unbeweglichen Parkes alle Schauer und alle Wunder der modernen Seele wohnten, die in zarten schattenhaften Gestalten auftauchten wie die alten Märchen, die schon vor 1000 Jahren die Menschen beglückt und erschreckt hallen und die nun unter der Last des modernen Gefühls schwankten imd tu- sammenzubrechen schienen. Das Ungeheuerliche, Er- schütternde ließ sich nur auf die unkörp<rrhchstc Art aussagen, unrealistisch im Gleichnis, und in unkörper- lichen Vorgängen, die Träger der I i 'cn schemenhafte willenlose Puppen, d -er bildeten jene geheimnisvollen lew allen

des Schicksals, unter dcnci^ ;.cn nio-

ilernen Seelen hin- und her .vanklcn. wie

die bleichen, hohen B' ' 'f'

dem einbrechenden Sli ''■

tung, begabt mit der nervösen I 1 der

modernen Schule, holte aus dem tu: Schal/

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DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

heimischer Märchen und Sagen seltsame Schönheiten, mit denen sie die Personen und Vorgänge des Alltags geheimnisvoll belebte und den Erscheinungen Zu- sammenhang mit dem märchenhaften Hintergrund der heimischen Landschaft und des heimischen Volks- empfindens gab. Die Eigenart, Kraft und Schönheit der skandinavischen Dichtung und der außerordent- liche Vorrang, den sie in der modernen Literatur ge- wonnen hat, beruht in der ganz seltsamen Verbindimg der reizsamen Modernität mit der grausen Phantastik und dem legendären Spuk def nordischen Nächte. Die skandinavischen Künstler sind alle in die fran- zösische Schule gegangen. Aber sie hatten den Vor- zug, ihre Nerven durch den Trunk aus dem Zauber- brunnen der heimischen Überlieferung zu stärken und vor Blasiertheit zu bewahren. Wie die Dichtung volkstümliche Töne und Farben aufsetzte, so fanden auch die skandinavischen Künstler auf dem gleichen Wege am frühesten den volkstümlichen dekorativen monumentalen Stil, der sich am entschiedensten in Munthes norwegischen Teppichen und in den deko- rativen, altheimische Sagenstoffe behandelnden Ge- mälden des Finnen Axel Gallen darstellt. Während die englischen Malerpoeten von Dante Rossetti bis Burne-Jones und Walter Crane von dem Studium der Früh- Italiener ausgingen und daraus ihren dekorativen Stil bildeten, der es mit sich brachte, daß die Maler dichterisch wurden und die Dichter malerisch, hatten die französischen Symbolisten die kokett-traurige Pose des lächelnd entsagungsvollen Pierrot gewählt. Er kannte alle Torheit und Weisheit der Welt, sein Auge hatte viel gesehen, es kannte nur weiße Nächte, es war überwach und alt, aber sein Gesicht war kind- lich und knabenhaft. Er führte nachts an einem Silberfaden den Vollmond spazieren und lächelte, ob- schon er traurig war, und war traurig, obschon er lächelte. Seine Moral stand über der Moral. Er hatte alle Kulturen gesehen und überall das Beste ge- kostet, er war ein Feind des Rohen und sehr verliebt. Seine zarte Seele war jungfräulich, obzwar sie in Lasterhaftigkeit gedieh, sie bebte unter den Grausam- keiten des Lebens und dennoch schien sie diese Grau- samkeiten wollüstig zu lieben. Den graphischen Aus- druck dieser dichterischen Empfindung bot der Zeichner Beardsley. Dieser junge Engländer, der in Paris lebte und im Alter von 27 Jahren an Schwindsucht starb, besaß diese außerordentlich empfängliche Sensibilität, die seine Seele zu einem unter den leisesten Empfin- dungswellen vibrierenden Instrument machte, das alle seelischen Oberströmungen feinfühlig registriert. Unter seiner Hand wurden alle Regungen der modernen Seele Linie, Klangfiguren, in denen die Geheimnisse des mondänen Empfindens sichtbares Leben wurden. Seine Linie ist so rein, so selbstsicher, daß sie geradezu sonmambulistisch wirkt, im Traum gezeugt, und un- mittelbar aus einer untrüglichen Empfindungssphäre quellend, seine Einfälle waren so kapriziös und sorg- los, daß selbst das Laster unschuldig und naiv drein- sah und die Sehnsucht nach seinem Paradies er- weckte, seine Schwarz-weiß-Technik, sein Stil, war so pekorativ, daß er unbekümmert alte Stile aufgreifen

konnte, wie das Barock, um ihre Motive in seinen Blättern zu verwerten; unter seinen Händen aber wurden sie ein völlig Anderes, ein völlig Neues und Unerhörtes, ein neues Ornament, Kurve und Linie schlechthin, das er dort anbrachte, wo er sie für seine dekorativen Absichten just brauchte. Es ist natürlich, daß er sich ebensowenig wie die Dichter des Sym- bolismus an ein Naturstudium oder an eine Wirklich- keitstreue seiner Erscheinungen und Gestalten hielt. Diese Gestalten hatten nichts von Erdenschwere, sie sind daher keineswegs mit dem Maßstab des Natura- lismus zu messen. Sie sind rein geistig gezeugt, aus Reflexen des Lebens hervorgerufen, die sich im Empfindungsleben zu Gestalten verdichten, schemen- haft und unkörperlich zwar, aber nervenhaft belebt und von der unwirklichen illusionären mondschein- haften Atmosphäre wacher Nächte und von der Brut- hitze der Fieberträume umgeben. Ihre scheinbaren Verzeichnungen sind Gesetzmäßigkeit, entweder de- koratives Geheiß oder notwendige Übertreibung als Ausdruck, Groteske als Merkmale künstlerischer Ein- bildungskraft. Die eingebildete Tragik der Pierrot- Pose, die die Sünde um ihr Haupt flocht wie einen Heiligenschein, trug aber dennoch einen Keim des Verhängnisses in sich, der Wahn befestigt sich und ein Leben, wie jenes von Beardsley, endet in Ver- zweiflung und Wimmern, für wirkliche oder einge- bildete Sünde Gnade und Vergebung im Schoß der belächelten Kirche erflehend, die der entfesselten Hölle Einhalt gebieten soll. Die neuere Geschichte kennt mehr als ein Beispiel, wo die unbefriedigte, frierende, gnadenhungrige Seele der modernen Märtyrer vor der Sphinx des modernen Lebens ihr Haupt in den Schoß der Kirche vergruben und ihr Ohr nur mehr der Stimme der Seligen leihen wollten, die unter den Blutwerkzeugen und den Wundmalen ihres Körpers die Herrlichkeit ihres mystischen Wortes priesen. Wahn über Wahn! Aber was wäre das Leben ohne Wahn? Es wäre schal und unersprießlich, wenn nicht die Märtyrer der Kunst ihre Seelen aufrissen und zerfleischten und nicht auf diese Art die Wunder der Offenbarung zeigten. Die wundersamen, teils ekelhaften Heiligen, wegen ihrer grotesken Gewohn- heiten vom Philister verachtet und vernarrt, sind die Verkünder gesteigerter Lebensenipfindung, die aus ihren Schwächen, ihren Torheiten und ihren Ein- bildungen die tiefsinnigen Symbole bilden, mit denen sie die Ödenhaftigkeit des Lebens paradiesisch um- stellen und ausschließen, die geistige Perspektive bild- sam umgeben, ähnlich wie in den alten Kathedralen die bildhaften Teppiche an den Wänden und die grotesken Heiligenfiguren von den hohen Postamenten eine mystische Welt verwandter ekstatischer Offen- barungswunder verkörpern. Im Grunde ist es einerlei, ob die Wollust des frühchristlichen Asketen oder das moderne Dirnentum und der tragische Pierrot die Quelle der sinnlich-übersinnlichen Offenbarung ist. Die eingebildete Pierrot -Tragik fühlt tief genug die Wesensverwandtschaft mit den heuschreckenfressenden Wüstenheiligen. Es gibt einen Punkt, wo die höchste Lasterhaftigkeit und die höchste Tugendhaftigkeit ein-

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ander zum verwechseln ähnlich sehen. Es ist der Wesenspunkt, der das Genie kennzeichnet. Eine Ahnung von diesem reifen Wissen spricht sich viel- deutig bei den Frühitalienern und namentlich in den Gesichtern des Botticelli aus, weshalb die englischen Präraffaeliten sie als Träger moderner Offenbarung, als Schutzheilige ihrer Kunst anriefen. Auch der Wiistenprediger Jochanaan in Oskar Wildes Salome< ist nur die andere Pose des unschuldig lasterhaften Pierrot. So nah verwandt weiß sich der moderne künstlerische Märtyrer dem Heiligengeschlecht der kirchlichen Olasfc-nster und Rclic|uiensärge, und so stark fühlt er die gemeinsame Mission, die Welt von der Stumpfheit der Gewohnheit durch eine neue be- rückende Sensation zu erlösen und der neuen Schön- heitslehre ein Selbstopfer darzubringen. Sie wirken immer aufregend und ketzerisch; aber Ketzer waren alle Heiligen. Der geistigen IJbereinstimmung nach, wenn auch nicht in äußerlicher Zusammengehörigkeit, gehört der holländische Maler Jan Toorop der sym- bolistischen Kunstrichtung an, die in der Dichtung wie in der ^\alerei verwandte Erscheinungen hervor- rief. Der Künstler, der in Holländisch-Indien geboren, einen Schuß malaiischen Blutes in den Adern trägt, bringt eine ganz neue fremdartige, symbolistische Aus- drucksweise, die in einem streng linearen Stil moderne Seelenzustände auf das intensivste versimibildlichen. Wahrscheinlich ohne äußere Absichtlichkeit und nur auf Grund verwandter Empfindungen verraten seine Kartons und Kreidezeichnungen eine asketische Empfindungsweise, die man leicht gotisch nennen kann. Ohne Zweifel sind Oedankenbrücken herzu- stellen, wenngleich die scheinbaren Archaismen des Künstlers nur der Ausdruck blutechter Modernität sind. Die psychischen Qualen der Rastlosen = muß man erlebt haben, im Garten der Schmerzen- muß man selbst gewandelt sein, mit den grausam uner- bittlichen : Fragen der Sphinx muß man i.|ualvoll gerungen haben, um diese Erfahrungen der modernen Seele bildmäßig zur Anschauung zu verdichten und linear zu dem originellen, gleichsam eingeborenen Ausdruck zu bringen. Die Körper sind zur Fleisch- losigkeit vergeistigt, die Augen sind groß, tief und geschlossen, von der Verworrenheit unti tieni Grübeln der Seele gefangen, ebenso wie die Halliuig, die völlig abgezogen ist, das Fleisch ist willenlos und nur die Arme erheben sich unwillkürlich und mechanisch unter dem Flehen ihrer Seelen. Sie drücken ein Mysterium aus, das mit der ganzen Gewalt iler Rätsel- haftigkeit über die Menschen kommt und stärker ist als die Macht ihres Bewußtseins, ihnen unlösbare Fragen auferlegt, Fragen, die sie zur Ohnmacht verurteilen, zur Ruhelosigkeit, zu tantalischen Seeleni|ualcn, während im Hintergrund die unbewußte Schöpfung nach ihren Natur- notwendigkeiten lebt. Der Anblick der Sphinx, die auf einem Altar von Menschenleibern ruht, macht alle hin- sinken imd an den nagenden Zweifeln des Lebens ver- gehen. Die dekorativen Eigenschaften seines Stils sind natürliche Eigenheilen der Rassigkeit und der geistigen Zucht, wie es analog bei Beardsky der Fall ist. Auch Toorop trägt eine Märtyrerkrone und ein Büßer-

gewand. Auch er hat die Leiden der Menschheit auf sich genommen und an dem Erlosungswerk ge- arbeitet, wie jede schöpferische Kraft. Auch an seine Fersen heftet sich die Tragik und seine Pose ist natürlich. Auch er schleppte sich zur Schwelle der Kathedrale und blickte sehnsüchtig in die kerzen- durchschimmerten, mystisch dämmerigen Halten, wo die einstigen verirrten Wellkinder, die alten ruppigen Ketzer und Heiligen in neuer Herrlichkeit über den Wcihrauchwülken thronen. Der Instinkt will ihm sagen, daß hier die Luft der geistigen Heimat ist. [)ic Tiefen der Mystiker, der Inder, des Thomas Akempis. Tolstois, Richard Wagners, bezeichnen die Stufenleiter, die zu seiner »Annonciation du nouveau Myslicismc führte. Der Neoimpressionisnnis, dem er sich an- schloß, gab ihm ein neues Mittel, durch die Farbe sein mystisches Empfmden auszudrücken und die eigentümliche Milde und traumhafte Schönheit, zu der er diese Technik berechnete, nebst einer gewissen Schmuck- wirkung zu erreichen. Aber den vollen ornamenulen Ausdruck dieses Empfindens konnte er erst in den eigentlichen dekorativen und kunstgewerblichen Ar- beiten finden, in den prachtvollen Bucheinbänden, Umschlägen, Programmen und Plakaten, Kacheln und anderen ornamentalen Erfindungen. Seine erwähnten Gemälde sind nur ein Übergang zu einer rein linearen ornamentalen Kunst, in der er den Ausdruck mystischen Wesens suchte, den Ausdruck der 11; gibelen Schönheit, die in solchen Schmuckbildungen geheimnisvoll und fast musikalisch anklingt Von hier ist leicht auf van de Velde zu schließen. Ganz deutlich wird der Weg, der aus den geistigen und dichterischen Voraussetzungen der Zeit, aus dem Sym- bolismus über die Malerei zum Kunstgewerbe und zur Erneuerung des Ornamentes führt. Ferdinand Khnopff gehört in diesen Kreis, er hat durchaus ver- wandte Züge. Schon im Jahre 18S4 vereinigte sich die Elitegruppe der niederländischen Künstler zur Sociele des \.\. unter der Leitung der Schriftsteller Edmondc Picard und Octave Maus, einer freien Künstlervereinigung, der neben Khnopff und Toorop die Künstler Ensor, Meunier, Finch, Rysselberghc und van de Velde angehörten.

Ich mulite zum Ausgangspunkt zurückkr' modernen Dichtung, und erwähnen, daß tue I des Auslandes auch in Deutschland ein Echo gctuiuim haben. Das fremde Beispiel befeuerte die deutsche Literatur und mancher ging in den Zaubcrwatd, um den I'aradiesvogel abzuschießen. Der Pari hatte alle Dichter um sich versammelt, die auf den nenrn T..11 gestimmt waren. Es mag durch die begründet sein, daß der deutsche B neuen Poesie die Couleurs lieh und daß vielfach für Geist der Ulk einspringen muBte. Ll)cr die Ansitze eines zum Teil sehr verhängnisvollen Lyrismu» kam es nicht hinaus, der Roman und das Drama bl' alle Erfüllung schuldig und jedenfalls waren dir und fruchtbaren Wcchsclbe/iehrmgcn /wischet: '

und Kunst versagt, die im Schafren des A

zutage treten. Nirr einer hat bei uns den Vogel ab- geschossen - Frank Wcdckind. Er war der einzige

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deutsche Dramatiker, der die Kunst besaß, dem mo- dernen Leben die Maske vom Gesicht zu reißen und seine wahren Züge zu zeigen, wenn auch diese Züge häßlich sind. Er ist der einzige, der die deutsche Komödie von dem Vorwurf der Gouvernantenhaftig- keit befreite, soweit es nämlich sein eigenes Schaffen betrifft. Von dem Satiriker abgesehen, bh'eb die deutsche Dichtkunst weit hinter allen Erwartungen der Modernen zurück. Wonach die heulige Aus- stattungskunst im Besitz ihrer neuen Mittel sich sehnt, ist ihr von der heimischen Dichtkunst vollends ver- sagt. Neben der Marzipandramatik eines Fulda ge- winnen die verspäteten Anläufe Gerhart Hauptmanns zum symbolistischen Drama im Glashültenmärchen den Anschein von Jugendlichkeit, die ehrenhalber hervorgehoben werden darf, wenngleich diese künst- lerischen Johannestriebe für die Entwickelung nicht in Betracht kommen. Die deutsche Kunst entbehrte in der Heimat des mächtigen geistigen Untergrundes, der in der Kunst des Auslandes den Antrieb zu den neuen Bildungen verursachte. Die moderne Ent- wickelung in Deutschland ist fremdes Pfropfreis, und es ist ein Glück für uns, wenn es mit dem alten Stamm zu neuer Selbständigkeit verwächst. Auch Versuche einer neuen Bühnenkunst, einer intimen Bühne, brachte der Pan in den ersten Jahren zur Kenntnis. Dürftige, unkünstlerische und unentschlossene Versuche, aber immerhin Versuche. Buchausstattungs- fragen wurden schon im ersten Jahr heftig verhandelt und der Buchschmuck im Pan versucht. Wenngleich suchend, tastend und irrend und von keinem deko- rativen Stilempfinden geleitet. Noch waren die bahn- brechenden ausländischen Vorbilder nicht vorhanden, bei deren Anblick es den heimischen Zeichnern wie Schuppen von den Augen fallen sollte. Allerdings durfte der Pan mit zärtlichem Stolz den Ruhm eines deutschen Künstlers verkünden, der ebenfalls einen dornigen Pfad zur Höhe gegangen war: Arnold Böcklins. Aber es ist doch seltsam, wie wenig Ein- fluß Böcklin auf die deutsche Kultur, auf die Ent- wickelung des dekorativen Stils und auf die Hebung des Kunstgewerbes hatte. Über Böcklin wurden nur ein paar Phrasen geredet, etwas von seelischer Er- hebung und von der Tiefe des Gemütes, und einige Maler, die künstlerisch nicht sehr hoch über dem Anstreicher standen, bildeten aus der Nachahmung Böcklins eine Art dekorativen Stils, in der Auffassung, wie sie das Wort verstanden. Über der Bewunderung des neuen Fabelwesens, das den Philister anfangs er- schreckt und später entzückt hat, vergaßen die Künst- ler den Schatz zu heben, den Böcklin vielleicht selbst unbewußt in seiner Fracht führte. Trotz dieses großen modernen deutschen Künstlers ging die Ent- wickelung des dekorativen Stils, wie ich eben ange- deutet habe, von dem französischen Impressionismus aus über England und besonders Belgien, von Skan- dinavien abgesehen, und bildete den Stil fertig aus, ehe ihn Deutschland aus den Händen der belgischen Künstler empfing. Obzwar das Ausland den Beweis geliefert hatte, daß die Konsequenz des Impressionis- mus der dekorative Stil ist, und daß der Stil, den

wir zunächst im Kunstgewerbe oder in den gewerb- lichen Künsten und im weiteren Sinne in der Raum- kunst und in der Architektur erleben, eine höhere Entwickelungsphase des Impressionismus ist, so be- steht in Deutschland dennoch zwischen beiden Phasen eine gewisse Rivalität und die Kluft einer nicht ein- gestandenen Gegnerschaft. Es ist klar, daß sich hier nur verschiedene Grade der Entwickelung bekämpfen, wovon der eine der Durchgangspunkt des anderen ist. Die Talsache ist deshalb nicht umzustoßen, daß auf jeder dieser Entwickelungsstufen die künstlerische Individualität, auf die es ja zuletzt und eigentlich an- kommt, sich voll entfalten kann.

Es ist interessant, daß der eifrigste Verkünder Böcklins, Meier-Graefe, einige Jahre später seiner Über- zeugung untreu wurde. In seinem vielbekämpften Buch über den Fall Böcklin versuchte er eine Beweis- konstruktion, um Böcklin bedeutend tiefer zu hängen. Meier-Graefe hatte allerdings inzwischen den vollen Glanz des französischen Impressionismus während seines Pariser Aufenthaltes auf sich wirken lassen und in einem dreibändigen Werk alle bedeutenden Er- scheinungen der neuen Malerei einschließlich ihrer Ausstrahlungen auf Deutschland dargestellt. Seinem Auge, ganz erfüllt von dem Glanz jener spezifisch malerischen Schöpfungen und ihren persönlichen Offenbarungen, mußte Böcklin flach, trüb und im spezifischen Sinne unmalerisch vorkommen. Das Bild- liche an Böcklin, das ihm früher kühn und groß- zügig, als eine neue Seelengewalt erschienen war, wollte ihm nun als zahme Familienblatt-Romantik er- scheinen. Es halte keinen Sinn, die Selbstkorrektur Meier-Graefes hier zu charakterisieren, wenn es nicht andern ähnlich ergangen wäre und Interessen im Spiel wären, die den Ausfall vollends rechtfertigen. Denn Böcklin war inzwischen vom Publikum zum Klassiker erhoben worden, und man weiß, wie ge- fährlich solche Klassiker«: für eine junge aufstrebende Kunst wirken. In Deutschland sollten erst die Wellen- kreise der impressionistischen Kunst von Frankreich her ungestört ausschwingen können. Meier-Graefe beging allerdings, wie zuerst das Publikum, den Fehler der Unterschätzung. Er schien vollends zu verkennen, daß einer ein großer Kerl sein kann von unbestrittener hoher Künstlerschaft, wenn er sich auch anderer Aus- drucksmittel bedient, als die einer vorgeschrittenen Anschauung. Wenn das primäre Recht der Indivi- dualität nicht gewahrt bleibt, so kann es eines Tages ganz leicht passieren, daß der Spieß umgedreht und gegen den deutschen Impressionismus gefällt wird. Aber die politische Notwendigkeit möge die über- triebene Verkleinerung des Genies Böcklin recht- fertigen, denn der Ausfall galt nicht dem Künstler, sondern dem lieben Publikum, das die Absicht nicht ohne weiteres merken sollte. Es war ein geschickt verhängter Coup, ein kunstvoller Fechterangriff und ein ergötzliches Schauspiel, wie wenn der Matador bei einem spanischen Stiergefecht in die Arena steigt. Das laute Aufbrüllen bewies, daß der Stoß saß, der dem Ochsen galt. Das Manöver ist hinreichend ge- rechtfertigt durch die Überlegung, daß mit der künst-

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leriscIuMi Produktion selbstverständlich eine Menge wirtschaftlicher, spekulativer und Kunsthändlerinteressen in Verbindung stehen. Im Zeitalter des Kapitalismus ist auch die Begeisterung bare Münze und die geistige und künstlerische Oberleitung bestimmt den Gang der geschäftlichen Spekulation. Es ist anzunehmen, daß diese Dinge ihren ordnungsmäßigen Verlauf ge- nommen haben.

Tatsächlich hat der Impressionismus den stärksten künstlerischen Vorstoß gemacht und am entschiedensten zu dem dekorativen Stil hingeleitct. Der entscheidende Schritt wurde durch den Neoimpressionismus voll- zogen. Georges Seurat kann als der Begründer gelten, der die Experimente Delacroix' und der Im- pressionisten inbezug auf Licht und Farbe weiter ver- folgte und die Technik einer prismatischen Farben- zerlegung ausbildete. Die Neoimpressionisten zer- legen die Farbe, das heißt sie bringen vollkommen reine Farben, solche, die denen des Sonnenspektrums am nächsten kommen, unvermischt auf die Leinwand, so daß sich der Mischungsprozeß auf der Netzhaut des Auges zu vollziehen hat. Die Leuchtkraft und der Glanz wird durch unvermischte Auftragung von komplementären Farben, durch eine Kombination von Kontrasten erzielt. Es hat sich eine Harmonie des Farbenkontrastes uiul Farbengleichgewichtes durchge- bildet, wonach der prismatisch zerlegte Farbenfleck eine aus zwei Kontrastelementen bestehende Kom- bination ist und eines der zahllosen Farbenelemente bildet, die zusammen das Bild ausmachen. Jeder Fleck hat die gleiche Bedeutung, wie die Note in einer Sinfonie. Nicht nur die Pinselstriche müssen in einem richtigen Verhältnis zur Größe des Bildes stehen, damit sich die Mischung im Auge in einem gewissen Abstand vom Bilde vollziehen kann, sondern auch die Farbenkombinationen müssen je nach dem Thema oder der Empfindung variieren, um die beab- sichtigte Wirkung zu ergeben, die in der Verteilung und in der Rhythmik der kalten und warmen, unge- mischt aneinandergeführten Farben liegt. Ruskin war der erste, der auf die Verwendung von ungebrochenen, reinen, wir mögen sagen heraldischen Farben hin- wies, und ein amerikanischer Gelehrter, Rood, ver- suchte eine wissenschaftliche Begründung dieser Farben- theorie, die nachmals in den Neuerimgen der Neo- impressionisten künstlerisch verwertet worden sind. Die gebrochenen, auf der Palette oder auf der Lein- wand gemischten und daher stets schmutzigen Farben sind vollständig ausgeschlossen. Die Malerei der Neo- impressionisten, die ich für eine der fruchtbarsten und überzeugendsten Neuerungen halte, gleicht in gewissem Sinne der Arbeit eines orientalischen Teppichwebers oder der Mosaiktechnik, insofern in geistvoller Weise die reinen ungebrochenen Farben auf die Leinwand aufgetragen und empfindungsmäßig kombiniert werden. Wir wissen, daß schon ein Zeilgenosse Rcmbrandts, Vermeer van Delft, eine ähnliche Technik versuch» hat und ihrer Hilfe die fabelhafte Leuchtkraft und den reinen Farbenglanz seiner Bilder verdankte. Hier war tatsächlich der Punkt gefunden, von dem die Entwickelung des dekomlivcn Slils mit Erfolg weiter-

geführt werden konnte. Im Jahre 1886 sah man in Paris die ersten Bilder dieser Art von Seurat, von Pissaro und von Paul Signac. Die jährlichen Ausstellungen der ,XX., der Libre csthclic)ue, der Association pour l'art-^ in Antwerpen und in Pariser Sonderausstellungen mehrten sich die Anhänger des Neoimpressionismus. Van Rysselberghe, van de Velde, der ebenfalls vom Impressionismus kam, und Jan Toorop gehörten zu jenen, die die Vorzüge der pris- matischen Farbenzerlegung frühzeitig benutzten und vielleicht nicht zuletzt um ihrer dekorativen Möglich- keiten willen ergriffen. Daß sich diese Werke durch die höchste Steigerung von Licht, Farbe und Har- monie und nicht zuletzt durch ihre dekorative Eigen- tümlichkeit für helle Wohnräume vorzüglich eigneten und dort gewissermaßen eine organische Funktion erfüllen konnten, will wenig besagen. Bedeutsamer ist das Prinzip des reinen, unvermischten Farbenauf- trages, die Anstrebung der Harmonie im Kontrast durch absolut reine, geradezu spektrale Farben, die kunstgewerblich von größter Tragweite ist. In Deutsch- land hat sich bis in die unmittelbare Gegenwart, durch die Dresdener Kunstausstellung 1906 dokumcnlicrl, die falsche Theorie entwickelt, daß unter der Führung des Impressionismus die farbige Stimmung der Räume, des modernen Frauenklcides, wie überhaupt der kunst- gewerblichen Gegenstände, auf abgestumpfte, ge- brochene Farben, die infolgedessen harmonisch wirken mußten, angelegt sei. Daß diese, in der Praxis er- härtete Meinung ein Irrtum ist, steht nicht nur seil Ruskin und den Neoimpressionisten und allen davon allgeleiteten dekorativen kunstgewerblichen Schiipfungcn des Auslandes, sondern vor allem auch durch das Beispiel Japans und der heraldischen Kunst unserer eigenen Vergangenheit von den ältesten Zeiten bis in das 16. Jahrhundert und heute noch in der Bauern- kunst fest. Ruskin spricht drastisch aus. daß sich alle Gemeinheit in grau und braun ausdrücke. Die Furcht vor der Farbe ist ein schlimmer Rückstand bei uns, den wir trotz aller Anstrengungen noch nicht überwunden haben. Alle dekorativen Arlicitcn, in denen die Künstler die f arbc in der Hand hatten. der Buchciiihand, die Plakate, bis zu den der modernen Monumenlalmalerei, be/cic! Entwickelung, die von dieser Farbencnldeckung und neoimpressionistischen Anwendung ausgeht. Alle Erneuerer des Kunstgewerbes außerlulb I>rulschlands haben Ruskin gelesen, Toorop clx: ;i de

Velde, und die Konsci|uen/ des N^ mu.*

gezogen. Von diesem Standpunkt ju> i>i ^»lu leicht der Ansatz zu erkennen, wo die Malerei nach ihrer natürlichen Heimat abbiegt, zur Raumkunst, zur Ar- chitektur, zur Fläche. In der Entwickelung des de- korativen Stils, der höchst uncigciillich so bezeichnet wird, ist die ', die die

Künste zur l AI» in

Deutschland ncich keine Ahnung von dem Wesen des Plakatstils und der Fl.ichcnbehandlung dämmertr. brachte der Pan Plakatbcispicle von 0»e«et, Toulouse I aiilrec. Steinten. Brt>thcr^ B' Bradley und anderen, die s<;

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Erfüllungen der sliiislischen Forderungen waren. Der flächige Charakter der Schwarzweißtechnik Beardsleys und der Holzschnitte Vallottons war hier farbig durch- geführt, wohl in der farbigen Technik der Neoim- pressionisten, aber nicht in der Maltechnik mit kleinen Pinselhieben, sondern in breitem, flächigem Farben- auftrag, wie er der Reproduktionstechnik und der Überlegung entsprach. Aber hat nicht Vallotton selbst Bilder gemalt auf jene plakatmäßige Art, in breitem, flächigem Auftrag reiner, leuchtender Farben, und ist nicht Hodler auf diesem Wege weiter gegangen zum monumentalen Stil? Man kann Zusammenhänge finden, wenn man will, oder zu mindest nachbarliche Berührungen, aus denen sich die logische Entwickelung des Impressionismus zum strengen Stil aufzeigen läßt. Auf der Künstlerbundausstellung 1905 waren die Bilder von Hodler die einzigen, die an Farbe und Leuchtkraft neben der grünen Wiese, die zur ge- öffneten Türe hereinsah, standhielten. Alles andere waren, gegen die Natur gehalten, schmutzige Farben, Klimt ausgenommen, der die äußerste stilistische Kon- sequenz des dekorativen Flächencharakters in der Malerei darstellt. Man kann, wenn man will, von Puvis de Chavanne ausgehen, um synthetisch zu Hodler zu gelangen. Aber in der Farbe ist er ein anderer. Er hat, wenn man eine Abhängigkeit überhaupt konsta- tieren will und kann, keine Vorgängerschaft bei den Neoimpressionisten und den Stilisten, die in diesem Umkreis erwuchsen. Seine Schweizer Bauernkraft mußte aus dem Vollen schöpfen, er war nicht zu dekorativer Kleinarbeit geschaffen wie sein liebens- werter meisterlicher Freund Amiet. Ihm genügte nicht die oszillierende Technik der prismatischen Farbenzerlegung, die in kleinen Pinselstrichen die Kontrastfarben nebeneinander setzte, um die optische Verschmelzung im Auge zu bewirken, mit allen Be- gleiterscheinungen des flimmerhaften Glanzes, unter dem das Sujet bis zurTraumhaftigkeit und Unkörper- lichkeit, wie in einem nervenvibrierenden, von Empfin- dung sprühenden Lichtbade unterzugehen scheint. Er nahm die Farbe breit wie Valloton, malte in einem Porträt zu einem kupferrotflammenden Gesicht grüne Haare, und die Harmonie des Kontrastes tat auch hier in dem breiten Auftrag die ausgleichende Wirkung. Der Gesamteindruck war der, daß weder das Gesicht aufreizend rot, noch die Haare anormal aussahen. Seine ungestüme, michelangeleske Robustheit will sich muskelhaft ausleben, sie braucht Monumentalräume, riesige Flächen, sowie räumliche Vorwände, für die die Architektur bis auf den heutigen Tag noch nicht reif genug ist. Fernab liegen die »Gefilde der Seligen «, wo der Pan seine Syrinx erschallen ließ. Fernab die »Toteninsel«.

In Deutschland kam alles plötzlich, erschreckend, umstürzend, jede Botschaft wirkte wie die Trompeten von Jericho. Die Folge ist, daß sich mancher Um- sturz alsbald selber wieder umstürzte. Die Malerei ging damals eben auf das Land, nachdem die Fran- zosen und Engländer vorausgegangen waren. Die »Dezentralisierung der Landschaftsmalerei« nannte es Lichiwark. Neben Glasgow begannen Worpswede

und Dachau einen Klang zu bekommen. Das Pro- gramm der Lokalisierung hatte auch den Karlsruher Künstlerbund und ähnliche Malergruppen in München, Dresden und anderen Orten geeinigt. Sie sahen ihre Aufgabe zunächst darin, die in Paris erworbene im- pressionistische Lehre in der Heimat zu verwerten. Ihre Bilder, wenn auch groß im Format, sind Studien. Noch heute malt die »Scholle in München franzö- sischen Impressionismus, während an der Isar jeder Herbst eine dekorative Farbenpracht entfaltet, die ge- radezu die Elemente eines monumentalen Stils enthält. Nur die Gegend von Leistikow zeigt den Stil einer modernen Landschaftsmalerei. Über diesem Land- frieden könnte man meinen, daß in der Welt nichts weiter geschehen sei. Aber die Anzeichen am Hori- zont brachen schnell herein, wobei viele nicht wußten, ist's ein Kameel oder eine Wolke. Die Tragweite der Erscheinungen konnte damals noch nicht abgemessen werden. Aber der ungeheure Vorstoß, der auf ein- zelnen Kunstgebieten geschehen war, ließ erwarten, daß sich an irgend einem Punkte der Ring schließen muß, und daß die tektonischen Künste notwendig dem Anstoß folgen müssen. Aber noch war in Deutsch- land das Kunstgewerbe, oder wie es damals hieß, die dekorativen Künste, nicht als ebenbürtiges künst- lerisches Wirkungsfeld erkannt. Schon stand eine neue Dichtung da, wenigstens im Ausland, und eine Malerei, die zur Freskenwirkung drängte, eine plas- tische Kunst erwuchs im Auslande, auf idealen Vor- aussetzungen begründet, aber die Architektur, die diese Voraussetzungen hätte erfüllen sollen, zeigte sich noch völlig unfähig, dem geistigen Zug der Zeit Folge zu leisten. Die Architektur, als die rückständigste Kunst, lebt noch vollends in dem Wahn, daß ihre Aufgabe in der Schaffung von ornamentaler Monumentalität bestehe, und sah sich infolgedessen auf den Formen- scliatz der Vergangenheit angewiesen, der sie vollends unempfindlich für die aus der Zweckmäßigkeit ent- wickelten organischen Raumideen machte. Der aka- demische Dünkel verschleierte noch eine Zeitlang die Tatsache, daß der Ingenieur der eigentliche Architekt der neuen Zeit geworden war. Zwar zeigte Wallots Reichstagsgebäude innerhalb der historischen Stil- formen eine freie persönliche Sprache, noch mehr aber erschien Messeis Warenhaus eine Neuheit der Auf- fassung auf Grund praktischer Erfordernisse und klarer Betonung des funktionellen Wesens. Hier scheint der Zwang historischer Bevormundung vollends gebrochen und volle individuelle Freiheit zugunsten der organischen Idee errungen. Die Neuerung dieser Architekten bestand der Hauptsache nach darin, daß sie die akademische Forderung der Stilreinheit zu Fall brachten. Es geniert sie nicht, auf gotischen Grundlinien Barockformen aufzusetzen. Der Haupt- sache nach ist die Architekturerscheinung im Bazar Wertheim auf das Konstruktionsgerüst gestellt. Wie gotische Dienste steigen die stützenden Pfeiler im Wertheimbau in gerader Linie zum Dach empor, von (^)uergebälk und Pfeilern mit Basis und Kapitell ist keine Spur. Das gotische Stildetail hat aufgehört den Bauorganismus zu vergewaltigen. Trotzdem kann

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nicht übersehen werden, daß auch diese vereinfachten, sachlich gewordenen Formen aus der Vorstellung der historischen Architektur gewonnen sind. Trotz der freieren Auffassung, in der sich die geistige Über- legenheit des Architekten bekundet, drücken diese Baufornicn vielmehr die Abhängigkeit von historisch überlieferten Bauformeu aus, als die Freiheit, zu der der Baugeist vergangener Kulturen aufforderte. Nicht nur die moderne Monumentalmalerei, sondern auch die moderne Plastik verlangt eine raumkünstlerische Erfüllung, die ganz abstrakt schafft imd ilie imaginären Beziehungen von Sache und Zweck, die räumlichen Intervallen zwischen dem Menschen und seinen bild- nerischen, zweckvollen und phantasicvollcn Werken, die notwendige Raumatmosphäre und räumliche [Rhyth- mik der geschlossenen und einheitlich zusammenge- faßten Dinge herstellt. Diese Architektur kann nicht aus der räumlichen sinnlichen Anschauung und Wieder- holung alter, ornamentaler Bauformen, und sei es auch in freiester Anwendung, gewonnen werden. Diese Architektur kann nur aus dem Studium und aus der Beobachtung der Gesetze des modernen menschlichen Empfindens und Handelns, aus der modernen Art, sich künstlerisch auszudrücken, ge- funden werden. Diese Architektur kann nur aus dem modernen Kunstgewerbe und der modernen Plastik abgeleitet werden. Man nennt die gewerblichen Künste, um ihre Ebenbürtigkeit in der modernen Malerei, der Plastik oder der Architektur auszudrücken, dekorative Künste, was ich für einen höchst un- passenden und verwirrenden Namen halte. Die Art, das moderne Empfindungs- und Bedürfnisleben, drückt sich sachlich und sj'mbolisch in eigenartigen Gebilden aus, die wir deshalb als modern anzusehen still- schweigend übereingekonnnen sind. In ihrem sinn- gemäßen Zusammenwirken überraschen sie uns und interessieren sie uns, sie steigern sich in richtiger An- wendung vermittels einer geistesverwandten Architektur. Und dieses Sinngemäße, Sachliche, Symbolische und zugleich Architektonische sollte mit dem Schlag- wörtchen dekorativ ausgedrückt werden. Jeder bild- nerische Schmuck, jedes Symbol ist sachlich und geistig vorbedingt, keineswegs als leeres Dekorations- stück zur beliebigen Anwendung aufzufassen, und erst die sinngemäße, ebenfalls sachlich und geistig vorher bestimmte Anwendung macht die Künste dekorativ. Wir gewinnen hieraus einen ganz untrüglichen Prüf- stein, um echte und falsche Kunst zu unterscheiden. Die Erneuerung und Vergeistigung der gewerblichen Künste ist die Grundlage der Architektur, ohne diese Grundlage hängt die Architektur in der Ln(t. Der Geist des alten Ornamentes ist verdorrt, es hat nichts von unserem Leben. Das ist der triftigste Grund, warum die stilnachahmende Architektur aufgehört hat Kunst zu sein und mehr zu bedeuten als ein lolcs Glied. W.as im Anfange der Bewegung in den ge- werblichen Künsten und am allerwenigsten in der Architektur kaum noch zum Bewußtsein gekommen war, war bereits in bedeutsamen geistigen Symbolen aufgetreten in der Dichtung in Frankreich, Belgien und England, die weit mehr Wurzclgcmeinschafl mit

KimsiKfwcrbcblalt. N. F. XI.X. H. 4

den bildenden Künsten hat als heule bei uns; be- sonders stark waren aber von diesen Vorahnungen und geheimnisvollen Wünschen Malerei und Plastik des Auslandes erfüllt und Im einzelnen schon der Vorstoß nach der gewerblichen Seite hin unternommen. Während in Deutschland die Plastik ausnahmslos auch in den talentvollsten Schöpfungen der klassizistischen Form huldigte, erwachte im Ausland das niodcrne Bewußtsein der Plastik. Rodin, Meunier und Minne haben diese Kunst neu erschaffen. Rodin ist der Künstler, der als Plastiker am wenigsten Architektur enthält. Er hat die bildnerische Ausdrucksfähigkcil über die Grenzen seines Materials hinaus erweitert. Er ist der Maler unter den Bildhauern. Er hat jeden Ausdruck der Leidenschaft, des Schmerzes, der Wollust und eine Wucht der Bewegung in dem starren Stein verkörpert und den höchsten dramatischen Effekt in der Plastik erzielt. Sein Werk ist nur in der Nach- barschaft der italienischen Plastik recht zu würdigen. Er hat an Stelle der süßlichen Geschleckiheit Leben. Temperament, Individualität gebracht, aber freilich auch zugleich einen solchen Sturm von Leidenschaft, daß er alle Grenzen sprengt. Sein Werk die Hand Gottes« kann man als Symbol seines Schaffens deuten. Es enthält jeden Ausdruck des Lebens, aber es steht in dem Chaos allein. Rodins Werk steht ebenso allein und lebt nur durch sich selbst und verträgt nichts neben sich. Am stärksten hat Meunier die Enl- wickelung der plastischen Kunst beeinflußt. Mehr als alle Parlamentsredcn hat sein Werk als künst- lerisches Manifest des Sozialismus vermocht. Er hat eine Schönheit entdeckt, wo die Welt bis dahin nur Häßlichkeit zu sehen vermochte. Sein Denkmal der Arbeit ist in allen Einzelheiten die künstlerische Offenbarung des Lebens, wo es am modernsten ist, nämlich bei der InJustriearbeit. Er hat es vermocht, die Merkmale dieses Lebens künstlerisch auszudrücken, ohne bei der Vergangenheit Anleihen zu machen. Während bei Rodin noch das große Pathos de» Klassizismus nachiönt, hört bei Meunier jede Dekla- mation auf. Rodin gibt der Kl.issizität neues Leben. Meunier läßt die Klassizität in der Versenkung ver- schwinden. Was hätte sie auch in der Borinage /u tun gehabt? Es hat sich gezeigt, daß die Sachlich- keit den ergreifendsten Austlruck des Empfinden» nur zu steigern vermag. Auch Meunier hat. wie die Naturalisten der M.ilerei, von der er übrigen', herkam, nur Studien geschalten. Schon beim AuUuu seine» Denkmals hat er die Erfahrung gemacht, daß die geistige Verschmelzung der neuen Elemente »eine Kraft I Sein >Dcnknial der Arbr -ir

eine .N rreihung seiner einzelnen ^

elemenle, semer naturalistischen I falls Architektur, die die Fragn- '•

neuen geistigen Materials zu einer höheren »ym- bolischen Einheit verarbeitet. Diese höheren Auf- gnb'^n vollendet Minne. Er hat den SliL In »einen A- U

heil, deklamaloiische liadiiion. Seine Wrrkr, die ihn berühmt machen, sind "• "•' "" .■.i^im <; imr

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DIE ANFÄNGE DER MODERNEN BEWEGUNG RUND UM DEUTSCHLAND

Stein, der belebt ist. Ganz verinnerlicht, ganz ver- geistigt. Architektur. Hier ist ein Puni<t, wo sich ein weiter Blick auftut, eine ganz neue künstlerische Welt, die alle Zweige umfaßt und in Einheit setzt. Man konnte die möglichst sinnvolle Harmonie, die sich von hier aus erschließt, gotisch nennen, weil ja auch Minne gotische Züge trägt, wenn man nicht sofort den Denkfehler begehen würde, sich gotische Stilimitationen vorzustellen, wie es der Akademismus des IQ. Jahrhunderts gewohnt war. Der völlig neue, selbständige künstlerische Weg, der geistiges Schaffen voraussetzt, gelangt unabsichtlich zur ideellen Ver- wandtschaft mit der feinsten Blüte menschlicher Kunst, zu der ich auch die Gotik rechne, während die stilistische Nachahmung, die von dem überlieferten Motiv ausgeht, regelmäßig das Ziel verfehlt und in Albernheit und Flachheit zugrunde geht.

Ich habe einzelne Adern der Entwickelung weiter verfolgt, als es der Pan zu seiner Zeit tun konnte, und die Verästelung angedeutet, die geistiges Leben in die damals noch abliegenden Gebiete der eigent- lichen künstlerischen Fruchtbarkeit, nämlich der ge- werblichen Künste bringen sollten. Es ist begreiflich, daß der Pan zu seiner Zeit noch nicht die Summe der Erscheinungen ziehen konnte. Vielfache Ent- wickelungsarbeit geht nebeneinander her, für die er die Programme geliefert hat. Aber nicht alle be- gegnen sich in einem Stern, der ihre Wege vereinigt.

Die schwersten Irrtümer sind gerade bei uns aus der Unkenntnis der Zusammenhänge hervorgegangen. Die Kluft zwischen Entwerfer und Hersteller ist bei uns nicht überbrückt und bildet eines unserer schwierigsten Probleme. Um das Ziel zu finden, muß man den Ursprung kennen. Zwar sind diese Zusammenhänge nicht so einfach zu greifen wie die Paternosterperlen eines Rosenkranzes, den man schnellfingrig herunter- leiert. Die Vorgänge des geistig-künstlerischen Ent- wickelungsprozesses sind dunkel und kompliziert, der seelische Kontakt funktioniert telepathisch, der draht- losen Tclegraphie vergleichbar; die Ströme gehen vielverzweigt und nicht sichtlich nachweisbar, und jede Persönlichkeit, die diese ausstrahlenden Energien aufnimmt, wirkt als Kraftstation, die die Einflüsse in dem neuen Sinne verarbeitet und von sich gibt. So will auch diese Darstellung verstanden werden. Es ist vielleicht im einzelnen möglich, den Tatsachen eine andere Logik zu geben. Aber es scheint mir nicht gut möglich, die geistigen Wechselwirkungen der besprochenen verschiedenartigen Entwickelungs- reihen, von der unsere moderne Bewegung hervor- gerufen worden ist, zu bestreiten, wenn nicht die grundsätzliche, lebensvolle Einheit der Künste ver- kannt werden soll. Ihre Lebenseinheit zwingt sie zur Mitleidenschaft; weil sie im Grunde ein Geistiges vorstellen, von Nerven belebt, teilt sich jede belebende oder hemmende Wirkung dem Ganzen mit.

Möbel von Arthur lUies

Möbel von Arthur lllln

MÖBEL VON ARTHUR ILLIES

Es gibt Künstler, die nicht ihre Keilrahmen selbst mit Leinwand bespannen können, andere tischlern mit eigener Hand ihre Biiderraiiinen und ihr Mobiliar. Auf diese hat sich das handwerkliche Geschick vererbt, das zur Zeit, als man noch keine Farbentube kannte, noch mehr als heute die Voraussetzung hoher Künstlerschaft war.

Bei Künstlern mit solcher Veranlagung gesellt sich zum Reiz der rein künstlerischen Aufgabe die Lockung, sich auf die verschiedensten Gebiete künstlerischen Schaffens zu wagen und ihre Kraft an die künst-

lerische Lösung der ihnen entgegentretenden tech- nischen Schwierigkeiten zu setzen.

Auf diesem Weg kann der Künstler zur vollen Be- herrschung der verschiedenen Kunsigebictc gelangen, oder zu einer oberflächlichen Vielseitigkeit, welche die künstlerische Kraft zersplittert.

In hohem Grade ist diese Veranlagung dem liam- burgischen Künstler Arthur lllies eigen.

Durch das Malerhandwerk hat er sich hindurch- quälen müssen, ehe ihm die Künstlcrlaufbahn gcilallct wurde. Es ist hier nicht der Ort, seine Entwickelung

Arthur llUn

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MÖBEL VON ARTHUR ILLIES

als Maler zu würdigen; ein stark dekora- tives und doch persönliches Element zeich- net seine Landschaften aus, sowohl in der Abwägung der Massen und der Linien- führung, wie in der Art, wie er das Bild in den Rahmen setzt und dem Reiz einer stets vornehmen Farbengebung.

In den verschiedensten Techniken gra- phischer Kunst hat er Blätter von großer Feinheit geliefert, besonders in der Zink- ätzung, die er für stilisierende Verein- fachungen und koloristisch reizvolle Wir- kungen mit Meisterschaft verwertet hat. Ein guter Zufall fügt es, daß gerade das Januarheft der »Zeitschrift für bildende Kunst ihn auch mit einer Originalradie- rung vorstellt.

Der feine Geschmack in der Anord- nung und in der unaufdringlichen Aus- nutzung des Technischen, die den Künstler auf diesen seinen Hauptgebieten neben der rein künstlerischen Qualität auszeichnen, deuten darauf, daß sein Talent die nötigen Voraussetzungen enthält für tüchtige Lei- stungen auf kunstgewerblichem Gebiet.

Hamburg ist leider noch nicht der rechte Ort für die Betätigung einer solchen Kraft. Trotz Lichtwark und Brinckmann wendet man sich hier wie in den meisten deutschen Städten für die Einrichtung einer Wohnung noch immer an eine an- erkannte Dekorationsfirma, deren Ruf für eine Leistung von Durchschnittsgeschmack und Befriedigung von Durchschnittsbedürf- nissen bürgt.

Von einem Künstler befürchtet der Auftraggeber extravagante Experimente, für die er nicht das Versuchskaninchen sein will. Auch abgesehen davon trauen sich die wenigsten zu, auf Grund von Entwürfen zu beurteilen, ob die Ausfüh- rung ihren Geschmack und ihre Bedürf- nisse befriedigen wird. Aus Angst davor, sich ihr Leben lang über Stücke ihrer Einrichtung ärgern zu müssen, verzichten sie auf eine originale künstlerische Leistung und begnügen sich mit dem Mittel- mäßigen, an dem niemand Anstoß nehmen kann. Solange daher noch nicht die Mode, die allmächtig erst die Massen mit sich fortreißt, für den Künstler eintritt, wird der Kreis seiner Auftraggeber nur klein sein.

lllies hatte seinen ersten Auftrag natur- gemäß erst gefunden, nachdem er von seinem Können Probe gegeben hatte in seiner eigenen Einrichtung, deren Stücke er nicht nur alle entworfen, sondern auch selbst getischlert hatte. Die Kennt- nis des Handwerklichen und eine hervor- ragende technische Findigkeit befähigen

Möbel von Arthur lllies

WERKSTÄTTE FÜr< KÜNSTLERISCHE FRAUENARBEIT

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ihn in lioliem Ma(5e, eine neue und zweckmäßige Lösung der ihm gestellten Aufgaben zu finden. So hat er bei dem Büfett, das wir wiedergeben, um- gekehrt wie üblich, die Fächer, in denen die täglichen Gebrauchsgegenstände verwahrt werden, so gelegt, daß man sich nicht zu bücken braucht, um sie heraus- zunehmen; Türen, die sich nach unten schieben lassen, anstatt aufzuschlagen, gestatten die Benutzung, auch wenn bei der Mahlzeit jemand vor dem Möbel sitzt.

Die wiedergegebenen Arbeiten zeigen die Begabung des Künstlers für eine monumentale feierliche Wirkung unter Betonung der Konstruktion. Wer aber seine Blumenstudien betrachtet, wird keinen Zweifel haben,

daß er das Leichte, Graziöse ebenso treffen wird, wo es in der Aufgabe liegt.

Für die farbige Ausgestaltung ganzer Räume prä- destiniert ihn sein feiner koloristischer Instinkt. Gerade in Hamburg bietet die herrschende Vorliebe für das eigene Einzelwohnliaus dem Künstler in der Raum- kunst die dankbarsten Aufgaben, der Schiffsbau «jlche, die Anpassung an eigenartige Proportionen und den praktischen Gebrauch heischen

Mögen Auftraggeber, private und amtliche, mehr als bisher geeignete Künstler vor solche Aufgaben stellen: schon als Berater werden sie fördern, wenn das Ver- trauen der Auftraggeber sie in die richtige Stellung zu dem Unternehmen bringt. PAUL WOHLWILL

Pflanzensludic

von Anbur llllci

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WERKSTÄTTE FÜR KÜNSTLERISCHE FRAUEN- ARBEIT Scliiilirinnenausbihtnng zu Kiinstgewirhtirinncn, MiisUr- zeichnerinnen und Kimst/apisstris/i/inrn von Frau Louise Matz, l.ühirk

Diese Einriclilimg ist noch so wenig allgemein bekannt, daß ein Bericht darüber nach mancher Seite liiii erwiinsclil kommen kann; in erster Linie den Kreisen, denen die Er- ziehung und Schulung unserer weiblichen Jugend zu guter und aucii wirklich erreichbarer Kunst am Merzen liegt und die es freudig begrüßen, wenn irgendwo ein frischer pädagogischer Weg für die Bedürfnisse unserer Zeil /u solchem Ziele eingesclila^,'en wird, und ferner solchen, die eine Ausbildunj;sj;e!i;genheit benötigen.

Man ist in Deuiscliland sehr daran gewiihnt, die Aus- bildungen von staatlichen oder siädiisclicn Instituten ge- leistet zu sehen, und Eltern sind oft geneigt zu gl.iubcn, sie könnten nur durch die Oaraiilie einer öffenllithen Ver- waltung ihrem l'fliilitgefühl Genüge tun, wenn es sich um berufliche Vorbereitung ihrer Kinder handelt. Aber es gibt immer Erzielnuigsaiifgaben, die nur außcilialh auch der vorzüglichsten Anstalten geleistet werden. Das sind die Neubildungen, die das Leben stets neben dem Er- probten nötig hat. Das stärkste Ocschehen spielt sich bei allen Lelsensvorgängen im kleinen, neuen Trieb ab, ebenso wie die Pflanze es zeigt; und es gibt einen

sehlichten Wert, der den rciclislen Lcluimllcin ^rolkr Kunstschulen die Wage h.ilt. üocthc säst: Innprr Vt'.irmr. Seelenwärnic Mitlelpunkl . Freilich, wer V will an den erzieherischen Kr.iftcn von - Ein/elperscuilichkeiten, nnil) den .Mut lutHrn, ic^hrr /u fjihlen und zu urleilen, ob er's am .Mittelpunkt cr>;rc ft f .1f r nicht. - lind solchen seien folgende flinwct»c Da Frau Malz nur ernst arbeitende und - Schülerinnen will, s" nnlssen »ie sich beim Er pflichten zu einer festen Ausbildut'!'^''-'' ^"" ' deren Abmessung sicli nach den .• nissen richtet. Auf VX'inisch winl .,.., .-. ,. pflichtung eine Probezeil gewährt. Nach der ViiriibunKcn irn gewerblichen Zeichnen neh' Schülerinnen an der Wcrkslätlenarbeit teil; ii erstens Bestellungen ausfülircn, die An die \X herantreten und zweiten» Mu»lrrcnlwürfc für Ki werker und Fabrikanlcn lcrlig«lellen, vers.iiull werilcn (Tjpcleii, I imilciim waren, S> cn. Viel''

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WERKSTÄTTE FÜR KÜNSTLERISCHE FRAUENARBEIT

Mittelstück eines Schmuckes, hergestellt in der Lübecker Frauenwerkstätte

Filigranschmuck, hergestellt von Goldschmied Arthur Berger in Stuttgart nach Entwurf von Frau Louise Matz, Lübeck

Geschäitsfenstervorhang mit Handtambourierarbeit und Fenster mit Buntverglasung

nach Entwurf von Frau Louise Matz, Lübeck

Ausführung des Fensters von Olasermeister C. Berkentien in Lübeck

eingegangenen Honorar. Stickereien, Por- zellannialereien usw. werden in der Werl<stätte selber attsgefiilirt. Für Sticl<ereien müssen die ScIiiiJerinnen sicii die nölige Übung im Auf- zeichnen und Einricliten der Arbeit, sowie deren Farbstellung aneignen und alles so weit führen, daß eine bezahlte Hilfskraft die weitere mechanische Ausführung übernehiuen kann.

Ich möchte die Punkte herausheben, in denen wohl das Wertvolle der Ausbildung in dieser Werkstatt zu erblicken ist.

Erstens arbeitet die Lehrerin alles gemein- sam mit den Schülerinnen; und sie besitzt neben dem sachlichen Können eine Erfindungs- gabe, die erfrischend i.|uillt und dadurch auch die Schaffenskräfte anderer befruchtet.

Zweitens ist es für die Schülerinnen wichtig, daß sie sich heranbilden durch die Mitarbeit an wirklichen Bestellungen. Sielernen dadurch künstlerisch zu schaffen auch bei der nötigen Rücksicht auf die Wünsche sowohl des Publikums als auch der Bedingungen von Fabrikanten. Dabei kommt den Schülerinnen zugute, daß Frau Matz eine große Anzahl handwerklicher und luaschineller Betriebe in und außerhalb Lübecks gründlich kennt. Sie besuchte allein im vorigen Jahre sieben ver- schiedene Fabriken und belehrte sich über die Herstellung im großen von Qoldwaren, Tonwaren, Gardinen- und Buntwebereien, Maschinenstickereien, Spitzen und Porzellan- waren. An diesen Erfahrungen nehmen die Lernenden teil und sie werden dazu geführt, ihre Entwürfe wirklich brauchbar zu machen.

Drittens steht die Werkstätte in steter Verbindung mit einem Geschäftsgang, da der Gatte von Frau Matz der Inhaber eines alten, an- gesehenenTapeten- und Dekorationsgeschäftes ist; dadurch gibt es Gelegenheit, die Fabri- kanten und deren Vertreter häufiger selber zu hören und ihre wechselnden Wünsche und Bedürfnisse zu erfahren. Besonders aber wird den Schülerinnen enuöglicht, auch die ganze geschäftliche Handhabung einer kunstgewerb- lichen Tätigkeit kennen zu lernen. So wachsen sie hier ins wirtschaftliche Leben hinein und gleichen nicht Treibhauspflanzen, die, später in die freie Wirklichkeit gestellt, nur schwer Wurzel fassen können.

Das Bestreben von Frau Matz ist, ihre Schülerinnen gerade in die Bereiche der Kunst einzuführen, die dem Frauenverständnis und der Frauenkraft aiu geeignetsten liegen. Und hierin wird geradezu eine Kiilturaufgabe angegriffen. Die Frauenkunst der Gegenwart ist nach zwei Seiten hin unerfreulich. Eine große Zahl von Kunstbeflissenen sucht ihre Ausbildung auf den Gebieten, wo sie doch Männern den besten Teil übeilassen müssen und völlig entbehrlich sind. Auf der anderen Seite betätigt sich die weibliche Freude am Schmücken in unzähligen Arbeiten, die gleich ungenügend bleiben, einerlei ob die Mode Malen, Schnitzen, Brennen, Punzen oder Applizieren in Aufnahme bringt. Denn alle diese Verzierungen, seien es naturalistische Blumen oder stilistisch geschwungene wie steifgemachte Stengel und Blätter, seien es

WERKSTÄTTE FÜR KÜNSTLERISCHE FRAUENARBEIT

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alte oder moderne konventionelle Ornamente , bleiben meistens den Gegenständen änlJerlieli anfnelejit und rühren nicht an den tieferen Sinn der Zierform: die Gestalt oder Funktion einer Sache lebendiger fühlbar zu machen.

Das deutsche Volk schickt sich jetzt an, es auch mit seinen ästhetischen Kulturaufgaben ernst zu nehmen. Da ist es nicht gleichgültig, ob in Hunderttausenden von Familien mit Fleiß, Geschick und Liebe die Tiichlcr für den Ungeschinack arbeiten. Irrig ist es aber, über diesen weiblichen Kunsttrieb zu spotten, oder darin nur einen Zeitvertreib im Müßiggang zu erblicken. Hier liegt doch Tieferes zugrunde.

Eine Olstudie des russischen Malers und Polarrcisen- den Borissoff zeigte mir einmal eine Samojedenfrau, ge- kauert unter einem umgelegten Boot, das dürftigen Schutz vor Schnee und eisigem Wind gewährt. Ringsum die Tundra, vereiste Moorfelder. Und diese Frau stickte etwas aus rotem Tuch und Renntierfellen. In all der grauen

Öde und vernichtenden Kälte empfand man dlcbc .-..t Stickerei wirklich als eine lebendige Erquickung. - Wie stark muß der Kunsitrieb aus der Mcnsclienbrust quillen, daß er unter solchen Verhältnissen noch unvcrnichtet weiterwirkt! Die Bedeutung der Kunst für das Menschen- leben erfüllte mich vor diesem primitiven Beispiel mit Ehrfurcht. Aber, um noch eine andere Betrachtung hieran zu knüpfen, es ist dem Kundigen wahrscheinlich, daß die Leistung, welche jenes hültcnlose Samujcdcnwcib in der lichlerloschenen Polarkälte zustande bringt, liefer im echten Kunstempfinden wurzelt, als die nichtssagenden oder falschschwätzenden Zierformen von Frauenarbeiten unserer Durchschniltskultur. Also gilt es nicht auszu- rotten, sondern zu bessern. Ein Volk, das wie das deutsche mit gestaltender Phantasie begabt ist, und dessen Lebensfreudigkeit auch mit den (iegensländen seines Haus- rats in ein Gefühlsverhältnis treten will, muß eben auch auf dem Gebiet der weiblichen, schmückenden Tätigkeil

Teile eines Speiseservices (obere Reihe), Salalscliüsscln (untere Reihe». Tonuarcn nach Enlwürten von Pr»B LooiM Mab, Ltbtdl

Wandteller aus Messlnu, Schülerinncnirbell «u» der LabccVrr Frauenwerkslille, hcrgesIcUl von Schlowerraelsir' < Schmkli m I rib»,k

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WERKSTÄTTE FÜR KÜNSTLERISCHE FRAUENARBEIT

sein inneres Wesen äußern und wird sich auf die Dauer niclit von Eskimo und Lappen überbieten lassen.

Hier haben Berufene die vorliandeneu Anlagen wieder richtig zu leiten und nutzbar zu machen. Aus diesem weiteren Gesichtspunl<t ist eine Erscheinung wie die Werl<- sfätte der Frau Matz mit hoffnungsvoller Freude zu be- grü(5en. Möge sich dort ein Stab von Frauen ausbilden, die durch Beispiel und Lehre veredelnd auf unsere deutsche Frauenarbeit einwirken.

Frau Matz hat sich hauptsächlich durch eigene prak- tische Tätigkeit herangebildet, indem sie stets echt künst- lerische Ziele verfolgte. Eine Ausbildung im Zeichnen genoß sie durch den feinsinnigen Leiter der Lübecker Kunstschule, Professor von Lüigendorf. Später maclite sie noch eine kurze praktische Übungszeit im Kunst- gewerbeafelier bei Erich Kleinhempel in Dresden durch. Dabei blieb sie aber immer in voller Verbindung mit dem Geschäftsleben und machte die ersten Schritte in der Kunst gleich mitten in die Praxis hinein, so gewöhnte sie sich von vornherein daran, ihre Entwürfe stets in wirk- lichem Material zu denken. Diese Art, innerlich nicht in Zeichnungen, sondern mit Stofflichkeiten zu komponieren, gibt ihren Arbeiten eine eigene Unmittelbarkeit.

Zur Veranschaulichung der vielseitigen Arbeilen von Frau Matz sind hier als Abbildungen einige wenige Bei- spiele gebracht. Die Schnnicksachen sind vom Goldschnüed Herrn A. Berger, jetzt Lehrer an der Königlichen Lehr- und Versuchswerkstätte in Stuttgart, ausgeführt. Einfache und doch zierliche Filigranarbeiten hängen an Kettchen und erhalten Annuit durch das wechselvolle Spiel der Kräfte, die sich hier kundgeben in allen Zuständen zwischen straffer Anspannung, schwerem und leichtem Hängen bis zur Beweglichkeit frei hängender Kügelchen. Es ist eine reizvolle Gegenüberstellung und Verflechtung von Linien und Massen, von Tragendem und Gehaltenem, von Starrheit und Schmiegsamkeit. Lhid das Ganze soll wiederum dazu dienen, in seinem zarten Ooldglimmer und seiner feinen Gliederung die Wendungen und leisen Atem- bewegungen des lebendigen Frauenkörpers zu umspielen;

schwingend und zitternd gleichsam sichtbar zu machen die steten, kaum beachteten Lebensregungen.

Die Tonwaren sind in kräftigen bunten Farben glasiert und mit den einfachsten Mitteln hergestellt; z.B. sind die Griffe und Henkel so gehalten, wie sie der Töpfer bequem und schnell als Tonwurst zwischen den Händen wirbeln kann. Diese Gebrauchsgeschirre es sind hier Teile eines Services und Salatschüsseln könnten bei giößeren Bestellungen ganz billig hergestellt werden. Wäre es nicht reizvoll für die Hausfrau, auch die billigen Geschirre im Hause edel in den Verhältnissen zu sehen und wie hier einfach kernig verziert, so daß die Farbenführungen das Wesen der Form betonen?

Das letzte Bild zeigt ein Auslagefenster der Firma bei geschlossenem Vorhang. Von Frau Matz ist die Zeichnung für die Kunstverglasung im oberen Bogen, Ihr Sinn wird erst verständlich, wenn wir die Nachbarschaft der davor hängenden Bogenlampe in Betracht ziehen. Dem Entwurf lag die Beobachtung zugrunde, daß dieser obere Teil nicht mehr der Sichtbarkeit von Auslagen dient; dagegen dringt hier, vom Innern des Ladens aus gesehen, das blendende Licht der Bogenlampe herein. Das wurde zu einem Reiz verwertet: die Figur stellt eine regenbogenfarbige Er- strahlung vor, die nicht allein das Lampenlicht wohltuend abdämpft, sondern sogar von ihr auszugehen scheint als ein magischer Lichthof.

Ähnlich ist beim Qeschäftsvorhang aus der Not eine Tugend gemacht. Die Aufgabe, etwas Hübsches daraus zu gestalten, war dadurch schwierig, daß der Mittelteil hinauf, die Seitenteile nach der Fensterwand gezogen werden sollten, damit der geöffnete Vorhang nicht den Einblick ins Fenster beschränke.

Das Mittelstück war nur glatt anzubringen und die Breite des Stoffes reichte nicht für ihn aus. Darum wurde in dem Entwurf die Stickerei des unteren Streifens so ein- gerichtet, daß darunter angestückt werden konnte. Das klare, sprechende Mustermotiv drückt einmal stark betont eine glatte hängende Fläche aus und wandelt sich dann ungezwungen in ein Band, das alle drei Teile kräftig ver- einigt. OTTO KOFAHL.

BERICHTIGUNG

Der Verband Straßburger Künstler bittet um Abdruck folgender Richtigstellungen des in Heft ii des Kunst- gewerbeblattes erschienenen Artikels Die Entwickelung des Kunstgewerbes in Elsaß-Lothringen seit 18701. Der Vorstand des Verbandes betont ausdtücklich, daß er sich dabei auf die Richtigstellung der tatsächlich falschen An- gaben beschiänkt.

Unrichtig ist die Darstellung auf Seite 219, wo es von C. Spindler heißt: »In Mitarbeit mit Graf brachte ihm sein Musikzimrner in Paris die höchste Auszeichnung« J. J. Graf war der ausführende Schreiner der betreffenden Möbel und erhielt als solcher damals eine Silberne Medaille, während C. Spindler den Grand Prix davontrug. Der Ver- fasser verwischt hier die Scheidelinie, durch welche das Preisgericht die Leistung des Künstlers von derjenigen des ausführenden Handwerkers trennte. Noch deutlicher wird C. Spindlers Unabhängigkeit von der Mitarbeit des genannten ausführenden Schreiners dadurch bewiesen, daß der Künstler

die höchste Auszeichnung auf der Weltausstellung in St. Louis 1904 und den Staatspreis der Kunstgewerbeaus- stellung zu Dresden 1906 erhielt, ohne daß überhaupt eine geschäftliche Verbindung zwischen ihm und Herrn J. J. Graf bestand.

Die auf Seite 219 abgebildete »Glasierte Tonfigur« ist dem allgemeinen literarischen Gebrauche entgegen allein unter dem Namen des ausführenden Keramikers (Elchinger) angeführt. Der Künstlername darf nicht verschwiegen werden: Die Gruppe ist eine Arbeit von Jean Ringel d'llzach. Der gleiche Irrtum herrscht bei der Abbildung auf Seite 222. Nur der Leuchter links und der Krebs (rechts) sind Originalstücke des Keramikers, bei den übrigen be- sorgte er nur die keramische Ausführung nach Originalen (von Konrad Taucher, Robert Rauschert). Selbst die Be- zeichnung des auch in Bronze existierenden Schleichenden Tigers« von Marzolf (Seite 224) als »entworfen von . . führte irre, da das fertige Modell dem Künstler angehört und nur die Keramik dem Keramiker zufällt.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

FRAGE UND ANGEBOT

Billige Küchenmöbcl. Wir enipflti)jen folgendes Schreiben: Geehrte Kedaklioii! Ich bin ein sogenannter >kleiner Beamter-. Wenn ich aiicli tilclit dem Kunstgewerbe selbst angehöre, so stehe ich ihm docli durch meinen Beruf wenigstens nahe. Das hat mich dazu geführt, den Vorträgen in unserem Kunsigewcrbeverein aufmerksam zuzuhören. Als die sogenannte neuzeitliche Bewegung ein- setzte, bin ich ihr mit meinen Freunden mit Interesse ge- folgt. Wir haben die so oft wiederholten Forderungen nach Vermeidung falschen Prunkes, nach Materialechtheit, einfachen und zweckentsprechenden Formen usw. verständ- nisvoll in uns aufgenommen. Und jetzt, da ich mich demnächst zu verheiraten gedenke, wollte ich die neuen Ideen, die mir so oft und warm gepredigt wurden, ins Praktische übersetzen. Ich will mich nämlich einrichten. Bei einem Mann in meiner Stellung hat dies Wort einen dop- pelten Snm, es heilit auch: mit wenigem einrichten. Und ich niul5 sagen, es ist mir geglückt. Ich habe die teuren Sachen vermieden und keine Künstlermodelle gesucht. Ein- zig allein bei der Küche bin ich radikal >aufgesessen.. Ich habe mir unendliche Mühe gegeben, etwas Einfaches und dabei Billiges zu finden. Vergebens! Sie machen sich kernen Begriff von meiner Odysee« bei der Suche nach einem -anständigen Küchenbüfett! Wozu lesen denn die Kunsthandwerker Ihre schöne Zeitschrift, wenn sie immer noch diese schrecklichen Trumm-Küchenmöbel fabrizieren? Ich darf natürlich nicht verallgemeinern, es wird gewiß bei den besseren Kunsttischlern, an die ich mich ihrer Preise wegen nicht wagen durfte, sehr gute und einfache Küchenmöbel geben, aber in den Läden, wo die Erzeugnisse der Industrie zu finden sind, war in diesem Zweige nur das Allergeschmackloseste zu haben. Rechnet man immer noch damit, dalJ die kleinbürgerlichen trauen von einfachen bescheidenen Möbelformen nichts verstehen, sondern diesen abscheulichen angeleimten l'omp der Profilstückchen, der geschnörkelten Kapitale, der grie- chischen, oder gedrehten Renaissancesäulen, diesen Jugend- Wurstsalat verlangen, daß man ihnen für ihr eigenstes Reich, »die Küche-, das und nur das bietet? Aber die Hausfrauen wollen zum mindesten Praktisches, und diese Industrie- Küchcnmöbel sind alles Andere, nur nicht praktisch! Die einen Schränke hatten keine Schubfächer, die anderen keine Auszugplatten, die dritten keinen Raum zum Abstellen des gebrauchten Geschirres; diese hatten nicht die nötige Tiefe, um zwei Teller hintereinander zu stellen, bei jenen müßte für einen einzigen Tellerstapel unvernünftig viel R.ium ver- schwendet werden. .Aber das schlimmste war doch das Äußere, dieses Scheintheater in imitierter Eiche usw ! Man nennt solche Möbel in Bayern Ocraffelwerk«. Ich kann Ihnen versichern, daß ich in mindestens zwölf der größten Geschäfte der Friedrich- und Leipzigerstraße in Berlin ge- wesen bin, und überall dasselbe >Ocrät- gefunden habe. Meine »angewandte- Ästhetik mußte also in der Tat an der Schwelle der Küche Halt machen.. -(Wenn auch in diesem Brief manches ein wenig übertrieben sein mag, so ist doch sicher auch Wahres daiin, das unsere i...i.i-:i"> beachten möge. Red.)

Kunsigewerbcblatl. N. F. Xl.\ H i

TECHNIK MNP HANDWFRK

Warum brennt feuerfest« imprägniertes Holz? Nach einem Bericht in -Möbel und iJekuralion- kennt man bisher nur zwei Substanzen, die dem Hulz die EigcnKhafi verleihen, daß es bei der Berührung mit einer starken, kräftig brennenden Flamme nur kohlt und sofort zu kohlen aufhört, sobald man die Flamme wegnimmt. iJiesc Substanzen sind die Borsäure einesteils und ein Gemisch von Phosphor- säure und Ammoniak andererseits. Das Holz wird in Ge- fäße getan, die man luftleer macht, um dem Hulz die in ihm enthaltene Luft sowie die Feuchtigkeit zu entziehen Dann führt man ihm die feuerfeste Lösung unter Druck zu. Dieser Druck muß nun aber so geregelt werden, dafi äif innere Struktur des Holzes nicht verändert wird; das ist aber sehr schwierig. Sobald nach dieser Richtung hin etwas versehen wird, so ist das ganze Verfahren zwecklos, trotz- dem es ebensoviel kostet, wie das Holz selbst Auf diese Weise erklärt es sich, daß »feuerfestes- Holz ebenso leicht brennt, wie gewöhnliches.

Über die Herstellung von Goldpurpur schreibt das Journal für Goldschniicdrkunsl: -In verschiedenen Sprzial- zweigen unserer Edelmetallbranchc hat sich in Iciricr Zeit auch der Cassiussche OoKIpurpur bekannt gemacht, eine Mischung, die aus sogenanntem kolloidalem Gold und kolloidaler Zinksäure gebildet wird und ein violettfarhrnes Pulver darstellt. Hergestellt wird der Goldpurpur, wenn man eine Goldchloridlösung mittelst Zinnchlorür zur Füllung bringt, oder aber auch, wenn man eine Legiening von Gold, Zinn und Silber mit Salpetersäure behandelt. Unter kolloi- dalen Losungen versteht man die Lösungen von Metallen in nichlmetallischer, wasserlöslicher Form (sogenannte Hy- drosole), die dadurch erhalten werden, daß man das betref- fende Metall durch starke elektrische Entladungen unter dem Wasser zur Zerstäubung bringt. Kolloidales Gold hat z. B. die Eigenschaft eines Substantiven ['arbslolli^.'

KOnSTI FR UND FABRIKANT

Die Muster der Tcxtilbrunchc. J. A. LoeMr er- zählt in der Zeitschrift für gewerblichen l'nlcrrichl, wie in den deutschen Fabriken die französischen .Muster, auf die man sich bei einem französischen Musicragenlen ahonnieti, mit kleinen Änderungen »neu entworfen- werden AUn staunt einfach, bei Betrachtung dieser -neuen» Muster, über die unglaubliche Kunstvcrdrrhung, die gcpicitcrie 'Kunstware-, die den deutschen Abnehmern durch den französischen Geist als vothiKlIich nigr" •'■'»' »»w.t

An der Eisenachcr Ordnung, .In 'en Ge- bührenordnung für das Kunsigcwcib«, »;.. -• koilgen

Hefte mitgeteilt haben, wird m der »Werkstatt der Kunst» von einem Künstler eine Kritik geübt, von der wir ein Beispiel anlühien: Zu einem Armband in Silber mit Hjib- edelsteinen wird ein Entwurf geliefert Veik 'es

Armbandes sei -jj Maik. Das Verhaltnii \ )l-

zu Arbciiskoslen weist da* Caeugnis > Hier bcti.igl die Grundgebühr tj°. Zu

für \'njcntwuif 3.75 Mk.

(Or Wcrkzeiohnung . 3,74

Iflr Wiedergcbtihr (lox) 37 y> zuumnen 4^,— -Mk.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Idi will nun annehmen, nach der gleichen Zeichnung des gleichen Künstlers wird das Armband in Gold ausgeführt und mit Brillanten geschmückt. Es kostet dann allerdings nicht 25, sondern vielleicht 300 Mark. Sofort ist der Künstler so glücklich, für die gleiche Leistung und trotzdem der Entwurf jetzt »nur« nach »Klasse L^ (8% Grundgebühr) berechnet wird,

für Vorentwurf .... 24,— Mk. für Werkteichnung . . . 24,— für Wiedergebühr (lOX) 240.— zusammen 288,— Mk. zu bekommen. Also 2S8 Mark an Stelle von 45 Mark! Für die gleiche Leistung!

Es wäre sehr erwiinscht, auch aus den Kreisen der Industrie und des Kunstliandwcrkes Äiifieningen zu der ■Eisenar/irr Ordnung« zu erlialtcn. Man richte sie freundlichst an die Redaktion des Kunstgewerbeblaftes nach Leipzig. Für Preisausschreiben des Kunstgewerbes wäre es zu empfehlen, die Ausnutzung der preisgekrönten und angekauften Entwürfe nicht wie bisher allein der aus- schreibenden Firma vorzubehalten, sondern künftig die Künstler derjenigen Entwürfe, die zur Ausführung gelangen, auch noch prozentualiter vielleicht mit 2— 5"/o ^ an dem Verkaufspreis des ausgeführten Gegenstandes zu beteiligen. Man hat, z. B. in München, mit diesem System gute Er- fahrungen gemacht, da die Künstler sowohl auf die Aus- führbarkeit als auch auf die Verkäuflichkeit mehr Rücksicht nehmen.

ÄSTHETISCHE ZEITFRAGEN

Die Psychologie der Kunst. Em braver Tapezierer ist von einem Bankgeschäft beauftragt worden, das Konferenz- zimmer und ein Direktorzimmer zu dekorieren«. Er erhält dazu von der Redaktion einer Tapezierer-Zeitung im Brief- kasten folgenden klassischen Rat: ^^Die Fensterdekorationen in den Direktionszimmern müssen einen 50 soliden Eindruck machen, wie die Bank selbst /s/(7fi'«-sr//««?« ir///. Demnach müssen die Dekorationen bezw. Vorhänge 1. dauerhaft sein, 2. haben sie die gute Fundierung der Bank zu reprä- sentieren, und müssen daher einen gewissen Reichtum zeigen, 3. sollen sie in der Stimmung den männiielum Ernst geben, der in dem Wesen des Bankgeschäftes liegt usw. Was wohl der arme Mann hiernach für ein jesuitisches Tapeziererstücklein zusammengebracht hat? Ich erinnere mich, wie ein Tapezierer, den ich beinahe zwangsweise und mit tiefster Verletzung seines Schönheitsgefühles dazu gebracht hatte, die verdunkelnde Vorhangdraperie an einem Fenster erheblich zu reduzieren, endlich kleinlaut eingestand : Sie haben recht, der Horizont erweitert sicli . Ich fürchte, es war nicht der Horizont dieses braven Polsterers und er hat beimnächsten Fenster seine alteMethode wieder angewendet. Druck auf Holz. Ein Magdeburger Tischler will eine Erfindung: beliebige, auch farbige Bildreproduktionen auf Holz umzudrucken, resp. zu übertragen, gemacht haben, die im Prinzip nichts anderes ist, als unsere, im leidigen Angedenken stehenden ^Abziehbilder;. Wir wollen das Verfahren lieber nicht mitteilen, sondern uns gegen die Konsequenzen dieser Erfindung wehren, obwohl wir fürchten, daß es nicht viel helfen werde. Ist es uns, zum extremen Beispiel, nicht immer fatal gewesen, auf dem Boden eines Porzellantellers, wenn wir unsere Suppe aus- löffelten, ein Frauenporträt von Lenbach oder Sichel all- mählich in Erscheinung treten zu sehen? Ähnlich werden wir jetzt auf Blumenstücken von Trübner sitzen, uns im Stuhle gegen Putzsche Umschlagzeichnungen der Jugend anlehnen und au.^ unserem Nachttische die Stucksche Aus- treibung aus deiij Paradiese wiederfinden. Unverwüstlich und nicht wieder vom Holz abzubringen I Die Anwendungs-

möglichkeit des Verfahrens ist eine unbegrenzte«, so schreibt glückselig die Deutsche Möbelzeitung' ! Man nenne uns nicht Schwarzseher, denn wir wissen, daß es keine Geschmacklosigkeit gibt, die nicht von einer, leider nicht auszurottenden, Sorte von Kunstindustrie« mit Behagen aufgegriffen würde.

Stileinheit? Man stößt bei Behörden und maßgeben- den Instituten mit der Bitte um Mittel zur Erhaltung dieser oder jener Kunstwerke oft auf einen passiven Widerstand, der damit begründet wird, daß das betreffende Werk nicht stilrein sei. Ob dieser Gesichtspunkt der richtige ist, möchten wir doch dahingestellt sein lassen, denn es ist nach unserer Meinung nicht allein das kunstgeschichtliche Dokument, das erhalten werden muß, sondern oft auch ein Kunstwerk, das gerade dadurch, daß in verschiedener Zeit daran gearbeitet wurde, einen ganz besonderen Reiz erhalten hat. J. Neuwirth wendet sich auch gegen so kategorisch gestellte Forderungen der Stilreinheit. Er hebt hervor, daß z. B. gerade Rom eine maßgebende Stelle der Vorbildlichkeit für die Einhaltung der Stilreinheit und Stil- einheit in romanischer und gotischer Zeit für sich nicht in Anspruch nehmen könne. Er schreibt im kunstgeschicht- lichen Jahrbuch: »Vielleicht handelt es sich bei der Er- haltung eines Baudenkmales und seiner Zutaten durchaus nicht um die Zurückgewinnung einer in der Zuverlässig- keit oft sehr anfechtbaren und fragwürdigen Stileinheit und Stilreinheit, als vielmehr um die möglichst unveränderte Belassung des künstlerischen Gesamteindruckes mit pietät- voller Schonung aller Alters- und Stimmungswerte. Denn die Meister, welche die L'mänderungen oder Zugaben späterer Zeiten ausführten, haben es in der Regel ver- standen, an Stelle der geopferten älteren stilistischen Einheit eine andere künstlerische Einheit zu setzen.''

Dresden. Der Dresdener Kunstgewerbeverein hat sich dem Dresd. Anz. zufolge mit einer Eingabe an den Rat der Stadt gewandt : »die Stadt möge einen tüchtigen Künstler beauftragen, Entwürfe zu neuen würdigen und vor allem schlichten Leichenwagen zu liefern oder einen Wettbewerb für solche Entwürfe auszuschreiben - Der Rat hat darauf- hin beschlossen, im Falle des Neubaues eines Leichen- wagens eine Ausschreibung für künstlerische Entwürfe zu veranstalten. Kürzlich begegneten uns in Dresden drei würdige Leichenträger, die über ihren dicken Bäuchen breite Schärpen trugen, auf denen in prächtiger Goldstickerei das Wort Friede zu lesen war! Man war versucht, bei dieser ostentativen Trauer« an den Schweinebraten zu denken, der hinter diesen Schärpen in Frieden ruhen mochte. Man sollte nicht nur die Wagen, sondern die ganze Trauer- feierlichkeit gründlich aus der Lüge befreien.

STAAT UND BEHÖRDEN

Dresden. Die Sächsische Landesstclle für Kunstge- werbe, die kürzlich unter Beteiligung des Kgl. Ministeriums des Innern begründet wurde, hat ihre Tätigkeit begonnen. Das Ziel ist, sowohl beim Publikum als auch beim L^rodii- zicrcnden den 5//;« //;/• Qualität zu heben, damit wirtschaft- liche Interessen und künstlerische Ansprüche da, wo sie es jetzt noch sind, nicht mehr Gegensätze bleiben. Als erster resp, zweiter Vorsitzender fungieren die Herren Professor Lossow und Stadtbaurat Erlwein.

VORTRÄGE

Über die Berechtigung der Moderne in der Ein- bandkunst sprach in der Ausstellung der Arbeiten des Meisterkurses im Krameramtshause zu Münster Herr Paul Adam. Wir heben aus seinem im Archiv für Buchbinderei abgedruckten Vortrag folgende Stelle heraus: Jahrzehnte hindurch haben wir immer nur ein ganz unberechtigtes

KUNSTGEWERBLICHE KUNDSCHAU

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Protzentum zur Schau getragen; wir haben unsere Ge- brauchsgegenstände ausgestattet, als ob es sich um große Kostbarkeiten handelte, als ob wir selbst Millionäre und Fürsten wären. Freilich, das verwandle Material war Surrogat, es war oft genug so minderwertig, daß es einer Ornamentierung überhaupt gar nicht wert war. Statt eines einfachen, aber gut gearbeiteten Halblederbandes glänzte man mit einem 'Vcrlegerprachlbandt'- , einem erbäniilichen Machwerke aus gepreßtem Kaliko mit viel Oold und Farbe. Wir Handwerker müssen nicht nn't Ausnahmen, wir müssen mit dem täglichen Bedürfnis rechnen; wir müssen eine sichere brauchbare Handwerkskunst haben, dann füllt lins das Kunsltiandwerk von selbst in den Schoß; experi- mentieren mit dem Oelde unserer Besteller sollen und und wollen wir nicht.- (Im Anschluß hieran sei mitgeteilt, daß die Berliner Buchbinder-Innung vom 2.— 17. Mai igo8 in den Oesamträunien der Philharmonie eine große Fachausstellung veranstalten wird wieder eine Gelegen- heit zu zeigen, daß das Handwerk zur Besinnung gekom- men ist).

Ist es auch gute Qualität? Dr. Paul Krais in Tü- bingen schreibt dem Publikum in den -Orenzboten« einen offenen Brief und fordert es auf »zum Kampf gegen die unechten Farben unserer Stoffe . Folgende Stelle ist auch typisch für den bedauernswerten Tiefstand der Kenntnis unserer Verkäufer über ihre eigene Ware, die sie mit ein paar schalen und für verständige Käufer so überaus ärger- lichen Redensarten zu empfehlen« pflegen: Wenn wir einen Stoff kaufen und einmal ausnahmsweise darauf aus sind, etwas recht Gutes zu kaufen, dann fragen wir ge- wöhnlich, ob es auch eine gute .Qualität« sei. Selbstver- ständlich versichert uns der Verkäufer, daß die Qualität vorzüglich sei, und wir geben uns zufrieden. Aber was wir eigentlicli damit meinen, wissen wir gar nicht, denn es fehlt uns sowohl an der Kenntnis, eine Qualität zu be- stimmen, als auch am richtigen Verständnis des Wortes. Der Verkäufer versteht unter einer besseren Qualität ge- wöhnlich eine schwerere Ware (die auf den Quatratineler mehr Gewicht, mehr Faserstoff oder auch mehr Beschwe- rung 1'^ enthält), aber weitaus in den meisten Fällen ist die .bessere« Qualität genau so gefärbt und aufgeputzt, wie die geringere Wir dürfen uns also nicht damit zu- frieden geben, nur nach Qualität einzukaufen, wir müssen weiter, genauer fragen und werden dann in den meisten Fällen finden, daß der Verkäufer verlegen wird, denn auf solche Fragen ist er nicht vorbereitet, well sie fast nie an ihn gestellt werden. Es wäre so, wie es jetzt steht, unnülzf Mühe für ihn, sich genau zu unterrichten, wie echt die Waren sind, die er verkauft. Hat schon jemand einen Verkäufer gesehen, der mit seinen Waren Waschproben oder gar Belichtungsproben macht?'' Ich nicht«.

PREISAUSSCHREIREN

Ausschreiben für Entwürfe von künstlerischer Innenausstattung für eine Ausstellung im März 1908 im Kunstgewerbe-Museuni zu Leipzig. Am Grund einer Anregung der Gewerbekamincr in Leipzig werden Künstler und Gewerbetreibende im Bezirke der Gewerbe- kammer Leipzig aufgefordert zu einer Ausstellung von Ent- würfen für Innendekoration. Durch das Ausschreiben soll der Versuch gemacht werden, die Anwendung gewisser gewerblicher Techniken in der Innenausstattung vorzuführen, die infolge der neuzeitlichen Geschmacksveränderungen nur noch im geringen Maße oder gar nicht mehr zur Verwendung gelangen. Zunächst sollen die Arbeilen der PoMmenliere. Tapezierer, Drechsler, Holzbildhauer und Stukkateure Be-

rücksichtigung finden. Die Beteiligung kann erfolgen durch Entwürfe oder ausgeführte Einzclarbeilcn, die in einer auch dem bestellenden Laien deutlichen Weise zeigen, wie die oben bezeichneten Gewerbe bei der Ausstattung moderner K'äume gut bürgerlichen Zuschnittes zweckentsprechende Verwendung und lohnende Beschäftigung finden können. Für die Teilnahme an dieser Vorführung gellen folgende Be- stimmungen: I. Die Einsendung der Arbeiten hat bit 25. Februar iyo8 zu erfolgen; 2. der Hin- und Kücklrantporl erfolgt auf Kosten und Gefahr der Einsender. Die zweck- dienliche Aufstellung im Ausstellungsräume übernimmt der Kunstgewerbeverein, soweit größere Objekte nicht in Frage kommen; 3. die Einlieferung und Ausstellung der Arbeiten erfolgt unter voller Namensnennung der Verfertiger; 4. die Arbeiten und Entwürfe sollen im KiinsIgewerbeMuseurn zu Leipzig öffentlich ausgestellt und die besten in einer Auswahl veröffentlicht und besprochen werden; 5 eine Anzahl der künstlerisch wertvollsten und zii-^'lcich dem vir- liegenden Zwecke am besten entspreche durch eine Beurteilungskommission :ii Die durch die Auswahl Ausgezeichneten sollen hniichadi- gungen bis zu 200 Mark im einzelnen Falle erhalten. Die Gewerbekommission erblickt in dieser Vcranstaliung eine künstlerische Anregung für die eingangs bezeichneten Ge- werbe und für das bestellende Publikum. Um dieser Aui- stellung von vornherein eine gewisse künstlerische Höhe zu sichern, hat sich die Kommission an die im gegenwärtigen Kunstgewerbe führenden Künstler mit der Bitte um Be- teiligung an der Ausstellung gewandt. Dieser Aufforderung sind in dankenswerter Weise gefolgt die Herren: Prof. Peter Behrens, Düsseldorf; W. v. Debschitz, München. Sladibautal Hans Erlwein, Dresden; Prof. Karl Groß, Dresden. Prof. Otto Gußmann, Dresden; Erich Kleinheinpel, Drr«den; Prof. Wilh. Kreis, Dresden; Architekten Lo- Dresden; Prof. J. Olbrich, Darmstadt; Prof. Fi Dresden; Prof. Henr)' van de Velde, Weimar, lU; Worpswede; Rudolf Wille, Berlin; und so steht zu ' daß dank dieser künstlerischen L'nterstützung dai l ntcr- nchmen den gewünschten Erfolg finden wird. Zur Be- teiligung an diesem Ausschreiben werden Anmeldungen bis zum I. Februar 1908 erbeten, geeignete Formulare hierzu wie auch Exemplare dieses Ausschreibent sind durch die Expedition des Kunstgewerbe-Museums koticnlot zu er- halten.

Leipzig. Mit Unterstützung des Kgl. Minitlerium« und unter der Fördening der Frau Kronprinrcisln ("eolie von Preußen und der Ftau Prinzessin Johann Oeorjj von Sachsen hat die Kgl Ak.ndemie für graphische Kün»te und Buchgewerbe in Leipzig nunmehr das bereit» anj.' '• (vergl die Dezember - Nummer dieses Blattes) schreiben für

sowohl bloße 1 Arbeiten in R.iilicruii^ schnitt, ZinkätztmtT H"t' Irr drul-ilirr ' \ ur l'iriic Sil

gerichl gehören an: J. V. t. I r.inz Hein, Prof Graf von Khngcr, Prof Max Seliger. Geh Rri; \'.,l.liinr Dr. Ludwig \"olkmann, Dr L

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

AUSBILDUNG UND SCHULE

Die Lehrlingsfrage. Auf dem 14. Deutschen Tischler- tag wurde die Lehrlingsfrage eingehend behandelt. Ein Redner machte eine Rechnung darüber, ivas dem Meister die Ausbildung eines Lehrlings koste und kam zu dem Schlüsse, daß für die ordnungsmäßige Ausbildung ein Auf- wand von mindestens 1200 Mark notwendig sei. »Welcher Lehrling bringt eine solche Summe jemals ein?» Hier ist der Kern angeschnitten: statt dal5 der Lernende den Nutzen habe, will ihn der Lehrende haben oder mindestens Ersatz seiner Kosten; so denken viele Handwerker heut- zutage, und man kann es ihnen bei dem teueren Lebens- unterhalt eines Lehrlings kaum verdenken, wenn im all- gemeinen ihr Interesse an der Ausbildung von Lehrlingen allmählich erlahmt. Hier müssen Schule und Staat das ihre tun.

HANDEL UND VERKEHR

Einheitliche Zahlungs- und Lieferungsbedingungen.

Die Möbel -Industriellen Deiitselilands hielten in Hamburg eine starkbesuchte Versammlung ab. Gegenstand der Erörterung war die Frage der Aufstellung einheitlicher Zahlungs- und Lieferungsbedingungen im Wrketir mit der Privatkundseliaft, für die bereits eine von Hamburger In- teressenten gebildete Kommission eingehende Vorarbeiten geleistet hatte. Die Versammlung setzte einen lygliedrigen AgitationsausschuB ein, der sich auf Grundlage des von der Hamburger Kommission aufgestellten Satzungsent- wuries mit den in Betracht kommenden Firmen Deutsch- lands in Verbindung setzen soll. Vorsitzender des Aus- schusses ist Herr Krause in Firma F. W. Krause & Sohn in Hamburg.

AUSSTELLUNGEN

Stuttgart. Bauausstellung 1908. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt in den Monaten Juni-Oktober igoS eine Bauausstellung zu veranstalten, die nur Werke der biirgerliehen Baukunst im Gegensatz zum Monumentalbau— und zwar von Architekten, die in Württem- berg ansässig sind oder dorther stammen, enthalten soll. Man beabsichtigt, die Entwickelung der bürgerlichen Bau- kunst des Landes zu befruchten.

STIPENDIEN

Stiftung. Zum 1. April 190S hat die Friedrich- Eggers-Stiftung zur Förderung der Künste und Kunst- wissenschaften in Berlin über Mark 600.— zu Stipendien zu verfügen. Nach den Bestimmungen der Stiftung soll diesmal in erster Linie die Bewerbung eines Kunstgewerbe- Beflissenen berücksichtigt werden und erst, wenn geeignete Bewerber nicht gefunden werden, soll die Wahl den anderen Künsten zufallen. Der Sliftungsvorstand fordert die Be- werber auf, unter Bescheinigung ihrer Qualifikation Anträge vom 10. bis 31. Januar 190S bei Herrn Geh. Baurat Franz Schwechten in Charlottenburg, Hardenbergstr. 33-36, ein- zureichen. Näheres teilt das Kuratorium, welches unter dem Vorsitze des genannten Herrn steht, auf Wunsch mit.

ARCHITEKTUR UND INGENIEURKUNST

Künstlerische Ingenieurbauten. Es ist sehr er- freulich, daß die Architekten, nach erfolgreicher Bekämpfung des nüchternen Preußen-Stils rechtzeitig einschreiten, um die weitere Verbreitung der ästhetischen Freudlosigkeit der modernen Ingenieurbauten zu verhindern. In der Tat stehen die Ingenieure dem Künstler-Architekten in ähnlicher hoch- m.ütiger Stellung gegenüber, wie z.B. die typischen Juristen

den Literaten. Die norddeutschen Architektenvereine wol- len nun der Sache mehr oder weniger mit Gesetzen und Verboten beikommen; dagegen legt der > Münchener Ober- bayrische Architekten- und Ingenieurverin , nach unserer Meinung mit sicherem Gefühl, die Hand an die Wurzel des Übels und befürwortet eine Aussaat künstlerischer Ideen unter dem kommenden Nachwuchs. »In dem jetzigen Studien- gange des Bauingenieurs spielt die sinnfällige Erscheinung der Verkehrs- und Wasserbauten so gut wie gar keine Rolle. Der Unterricht in dieser Richtung beschränkt sich bestenfalls auf die oberflächliche Bekanntschaft mit den wichtigsten Gliederungen des Hochbaues, aber meist wegen Zeitmangels ohne tieferes Eingehen auf deren Wesen und vor allem ohne irgendwelche nennenswerte Schu- lung des Auges für jene unbewußt statische Formempfindung, ohne die auch der Ingenieur nicht auskommt, trotz unserer vorgeschrittenen Berechnungsmethoden. Diese Schulung aber kann, ii'/> Jeder Architekt, aber auch jeder Maschi- neningenieur — bestätigen wird, nur erlangt werden durch eifriges, gut geleistetes freihändiges Zeichnen nach der Natur oder als Notbehelf nach dem Modell und dem Lichtbild.» Von jener Gattung Freihandzeichnen«, die früher auch von den angehenden Ingenieuren gefordert wurde und in dem Abzeichnen von so und soviel Orna- menten nach Vorlagen und Gips bestand, ist das, was der Verein will, natürlich weit entfernt.

Als kürzlich der Urheberschutz für Bauwerke beraten wurde, gab die Regierung die Anregung, ob nicht der Kunstschutz der Bauwerke unter gleichzeitiger Berücksich- tigung der Ingenieurkunst in einem besonderen Gesetz zu behandeln wäre. Das wurde von den Aichitekten lebhaft abgelehnt; sie wollten die Tätigkeit der Ingenieure über- haupt prinzipiell nicht als Kunst gelten lassen. Hellwag schreibt in seinem y> Kommentar zum neuen Kunstschntz- gesetzt hierüber: »Wenn auch die Ingenieurbauten durchaus nicht immer zu denjenigen Bauwerken zu rechnen sind, die auf jede Eigenart verzichten, so liegt ihnen (wenigstens bisher Red.) doch nicht jener ästhetische Schaffensakt zugrunde, der baukünstlerische Werke zu schutzfähigen Werken der bildenden Künste« stempelt. Vielmehr ist, nach Martin Dülfer, die Ingenieurkunst ^eine Wissenschajt, die auf Grund von Berechnungen sich mit der bautecli- nischen Verwertung von Materialien befaßt. Auch bei im- posanten Bögen und Gewölbekonstruktionen tritt die In- genieurkunst nur scheinbar selbständig auf, in Wirklichkeit ist sie dem architektonischen Gedanken dienstbar gemacht und hat nur dessen Ausführung üurch genaueste Berechnung der Kräfte der Materialen ermöglicht. Der künstlerische, schutzwerte Gedanke liegt dennoch in der architektonischen Konzeption, die sich ja meist schon auf dem Papier offen- bart. — Eine gemeinsame Behandlung der Architektur und der Ingenieurwissenschaft in eine/u Gesetze könnte nicht die Anerkennung und den Schutz der Kunst zur Folge haben.« Vielleicht kann sich jetzt doch eine selbständige Ingenieur/;'««5^ entwickeln, die die Vorbedingungen eines künstlerischen Urheberschutzes in sich trägt.

ZUR NOTIZ

Die im Oktoberheft auf Seite 1 (die zwei oberen Stücke), 3 (die zwei unteren Stücke), 4 (fünf Stücke), 8, 9 und 10 abgebildeten Ansichten aus Weimar sind ange- fertigt von K. Schwier, photographischer Verlag in Weimar. Die ersten neun Bilder sind einer Sammlung, betitelt »Die Stadt Weimar zur Zeit Goethes«, entnommen, welche auf Veranlassung des Herrn Oberbaudirektor E. Kriesche, Weimar, aufgenommen und auch bereits für einen Vortrag bei der Goelhegesellschaft am 24. Mai 1907 zur Projektion gelangt sind.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig

TECHNISCHE ARBEIT ALS ERZIEHUNGSMITTEL

Von Direktor Dr. Pabst in Leipzig

>D/e ganze Menschengesciuchte, genau geprüft, löst sicli zuletzt in die Geschichte der Erfindung besserer K'erlaeuge auf.* Edmund Reitlinger.

WENN wir die Bedeutung der technischen Arbeit für die gesamte Kulturentwickelung richtig verstehen wollen und das ist nötig, um ihren Wert als Erziehungsmittel zu erkennen so müssen wir auf die Anfänge der menschlichen Kultur zurückgehen.

Menschliche Kultur setzt mit dem Augenblicke ein, in dem das erste Werkzeug geschaffen wurde; seine Erfindung und sein Gebrauch hat die ganze Menschenentwickclung ins Flohen gebracht. Dies ist nicht etwa so zu verstehen, als ob der vorgeschicht- liche Mensch zielbewußt darauf ausgegangen wäre, Werkzeuge zu erfinden; einen solchen Erfindergeist dürfen wir bei ihm nicht voraussetzen. Indem der Mensch mit den ihm vom Schöpfer gegebenen Werk- zeugen, seinen Händen, hantierte, benutzteer wohl auch Werkzeuge, die ihm die Natur in der Gestalt von Feuersteinen und anderen Dingen in die Hand spielte. Durch den Gebrauch der von Natur scharfen Steine lernte er allerlei vorteilhafte Eigenschaften derselben kennen, sie dienten ihm als Instrumente zum Schneiden, zum Schaben und Kratzen, zum Bohren und Stechen. Für diese Zwecke wurden sie allmählich auch künst- lich hergerichtet oder bearbeitet. Auf dieser Stufe unterscheidet sich aber das Werkzeug noch nicht von der Waffe; beide nahmen zunächst nur die Form menschlicher Organe an, denen sie nachgebildet wurden. Die Keule und der Hammer sind dem Vorderarm und der Faust, Meißel und Säge der Zahnreihe, Bohrer und Schaber den Fingernägeln nachgebildet, und so läßt sich an den verschiedensten Werkzeugen eine Grundform er- kennen, auf die sie zurückzuführen sind. Hammer, Messer, Säge, Keil und Meißel, vor allem aber die Axt bieten vortreffliche Beispiele, an denen wir diese Ent- wickelung von den Formen der Urzeit bis zu denen der Gegenwart verfolgen können (Fig. i n). Wie sich aus einer rohen, noch ungeschliffenen Steinplatte allmäh- lich die feingeschliffene und polierte Steinaxt entwickelte, wie dann weiter durch Verwendung der Metalle (Kupfer, Bronze, Eisen) eine größere Mannigfaltigkeit in der Gestaltung ermöglicht wird, während sich der Begriff der ursprünglichen, in der Grundform schon ausgedrückten Tätigkeit durch eine ganze Reihe von Verwandlungen hindurch unverändert erhält, ist an derartigen Beispielen leicht nachweisbar.

Kunsigewerbeblatt. N. F. XIX. H. j

Für jedes Werkzeug kommt vor allem die »Hand- lichkeit in Frage, die Anpassung desselben an die Hand als das Organ, zu dessen Unterstützung das Werkzeug bestimmt isL Ein Werkzeug wird stets um so leichter und bequemer zu handhaben sein, je mehr es sich in seinen Formen den organischen Ver- hältnissen des menschlichen Körpers anpaßt. Dadurch wird bei der Gestaltung des Werkzeuges ebensowohl dem Standpunkt der Nützlichkeit wie dem der Schön- heit Rechnung getragen; Handlichkeit und dem Auge wohlgefällige Verhältnisse bedingen sich gewissermalk-n gegenseitig. Hierfür ist die Axt ein geradezu muster- gültiges fieispiel, wie ein Blick auf die amerikanische A.xt zeigt, die in ihren Verhältnissen sich dem mensch- lichen Arme wunderbar anpaßt (Fig. 12). In den Ein und Ausbiegungen des Helmes, in ihrem Ver- hältnis zum LängsdurchmesscT, sowie in den Abmes- sungen der einzelnen Abschnitte des Helmes und in der Gestaltung des Eisenteiics zeigt sie, namentlich ver- glichen mit unserer gewöhnlichendculschcnAxt(Fig.i3), eine solche Vollkommenheit, daß man sie nicht nur als absolut zwrckmäßii;, sondern auch als schcm bezeichnen darf. Sie könnte direkt als ein Erzeugnis des Kunsthandwerkes gelten und würde sich sehr wahrscheinlich des Beifalls von van de \'clde erfreuen. Zugleich ermöglicht sie bei dem gleichen Kraftauf- wand eine zwei- bis dreimal so große Leistungsfähig- keit als die deutsche Axt.

Was hier von einem Handwerkszeug gesagt worden ist, gilt mehr oder weniger auch von anderen, nur daß sich ihre Fnlwickelung nicht immer in gleicher Klarheit übersehen läßt (Fig. 5 7, U), 20).

Der Urmensch bedurfte zunächst nur solcher Werk- zeuge, die ihm im Kampfe mit seinen Feinden und Meutelieren nützlich waren; Messer, Linzcnspit/cn, Stein- hänuner und andere Waffen sind also wohl die ersten Werkzeuge gewesen, denen sich erst sjüter .NUhUicinc, geflochtene Netze, Tongeläßc und andere Wcrk/eug- Vorrichtungen zugesellten. Der Wert der Werkzeuge steigerte sich nattirgcmäÜ mit der Verwendung lürterrr Stoffe, durch die das Werkzeug eine Halltur-

keit erhielt und wodurch eine zwi '-re Oe

staltiing desselben niöglich wurde. Der enischcidendstc Fortschritt aber war der künstliche Gebrauch da Feuers, der weiterhin zu der Bearbeitung der Mrtalle fülirte. Von der Bedeutung dieses Fort' ' inn

man sich auf den ersten Blick kaum die or-

Stellung machen; jedenfalls erhellt sie sciiutt iknus,

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Fig. 8. Die Entwiclcelung: vom Kupferbeil in S(einbeilform bis zur Lappenaxt der späteren

Bronzezeit (nacli Forrer)

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t Fig. i. Hornliacke Fig. 3. Steinaxt der

der älteren Steinzeit jüngeren Steinzeitl inacli Montelius, Kulturgesctiiclite Scliwedens)

Fig. 9. Axt aus der älteren Bronzezeit (nacli Springers Handbuch der Kunstgeschiclite)

Fig-. 1. Feuersteinwerkzeug aus 1er älteren Steinzeit (nach Monte- ius, Kulturgeschichte Schwedens i

Fig. lo. Eisenaxt mit hölzernem Stiel aus der römischen Eisenzeit

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Fig. 4. Feuersteinaxt mit Holzstiel aus der jüngeren Steinzeit (nach Montelius, Kulturgeschichte Schwedens)

Fig. 7. Feuersteinsäge aus der jüngeren Steinzeit (nach Montelius, Kulturgeschichte Schwedens)

Fig. 11. Moderne Eisenaxt mit hölzernem Stil (vom Congoi

Fig. 5. SIeinmeißel mit Holziassung aus der jün- geren Sieinjcit

Fig. 6. Sichel aus Fig. 12. Die amerikanische Axt und der Fig. 12.

Feuerstein mit Holzgriff menschliche Arm mach Kapp, Philosophie Die deutsche Axt aus der jüngeren Steinzeit der Technik)

(nach Montelius, Kulturgeschichte Schwedens!

Fig. 14. Durch Zeichnungen verzierter Knochenslab aus der älteren Sleinzell nach Springers Handbuch der Kunstgeschichte)

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Fig. ij. Renntier von Thaingen aus der älteren Steinzelt (nach Springers Handbuch der Kunstgeschichte)

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Pig. ». BroniegcHü ui der |la(cf<ti Brownell (nach MoDtchu«, Kuitnrgevcbkiilc Sctow«4a»|

Fig. 21. TongefäB aus der jüngeren Steinzeil (nach Monlellus, Kulturgeschichte Schwedens)

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g. i5. Ik-rnsleinperle aus Fig. 17. Berstcinperle Fig. 18. Hängczicral von

der jüngeren Steinzeit aus der jüngeren Knochen aus der jüngeren

lach Montelius, Kultur- Steinzeit Steinzeit, von zwei Seiten jeschichle Schwedens) gesehen

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Fig. »3. Onuneole »on -■< llroB/ri;'''*"'"

(nach Springer« Mudbacli der KanlgcMliIcklf I

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Fig. 11). Broiizcnitsser luil l'tcrdeküpl (nach Montelius, Kulturgeschichte Schwedens

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Fig. 20. Hölzerner Hobel aus der romuchcii Li.cnicil

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TECHNISCHE ARBEIT ALS ERZIEHUNGSMITTEL

daß die Prometheussage unter den Kulturlegenden eine hervorragende Rolle spielt und sich mit einigen Ab- weichungen bei den verschiedensten Völkern wieder- holt. Mit dem künstlichen Gebrauche des Feuers wurde tatsächlich eine ganz neue Kulturepoche der Menschheitscntwickelung eingeleitet: es entstand der Feuerherd, der Mittelpunkt der Wohnstätte, und damit nahmen auch die geselligen Tugenden ihren Anfang. Mit dem Brennen des Tones, mit dem Sengen, Zu- spitzen und Härten von Hölzern und mit dem Schmieden der Metalle begannen die eigentlich gewerblichen Tätigkeiten. Der künstliche Gebrauch des Feuers machte es ferner dem Menschen möglich, in kältere Regionen vorzurücken.

Ihre Ursachen haben die gewerblichen Tätigkeiten im letzten Grunde zwar immer in der Fürsorge für die Bedürfnisse des Lebens, aber diese Sorge ist nicht das ausschlielMiche, vielleicht nicht einmal das ursprüng- liche Motiv aller Kulturarbeit, denn neben Hunger und Liebe gehört die Eitelkeit zu den Grundeigen- schaften der menschlichen Natur. Schon der Mensch der Urzeit hat sich mit roter Erde bemalt und mit Feuer- steinmesserchen tätowiert, wie aus den Funden der Steinzeit nachweisbar ist. Auch heute noch zeigen uns die Naturvölker dieselben Erscheinungen, und mit dem Bedürfnis des Sichschmückens, das zunächst nur eine Auszeichnung vor anderen seinesgleichen zum Zwecke hatte, vermischten sich bald religiöse Motive. Farben auch, den Leib zu malen, gebt ihm in die Hand, daß er rötlich möge strahlen in der Seelen Land«, wie es im Klagelied um den toten Indianer- häuptling heißt. Auf Renntiergeweihen, die sich in Höhlen- und Pfahlbaufunden erhalten haben, findet man die wichtigsten Typen der Tierwelt vom Ende der Eiszeit bildlich dargestellt, und zwar in Zeich- nungen und Schnitzereien, die eine erstaunliche Kunst- fertigkeit erkennen lassen (Fig. 14 u. 1 5). Der Spieltrieb des Menschen in Verbindung mit seinem Bedürfnis, die Eitelkeit durch irgend welche körperliche Aus- zeichnung zu befriedigen, weiterhin auch religiöse Motive haben somit die ersten Anfänge der Plastik und der Malerei hervorgerufen. Muscheln, Korallen, Bernstein, Schneckengehäuse und Zähne sind nebst Kristallen und anderen Stoffen als Schmuck verwendet worden (Fig. 16 18). Jedenfalls sind die Schmuckstücke viel älter als die Kleidung, wie auch heute noch von Naturvölkern berichtet wird, deren einziges Kleidungs- stück aus irgend einem Schmuckgegenstand besteht. Das Bedürfnis, Schmuck zu besitzen, führte zum Tauschgeschäft, und die allmähliche Scheidung von Schmuck, Kleidung und Tauschmitteln entspricht der EnUvickelung von Gerät, Waffe und Werkzeug. \X'äl'rend das ursprüngliche Gerät Waffe und Werk- zeug zugleich war, bilden späterhin der Ackerbauer und Fischer ihre Geräte, der Jäger und Krieger ihre Waffen und der Mandv^erker und Künstler ihre Werk- zeuge für besondere Zwecke aus (Fig. 19—26).

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie die Kulturentwickelung der Menschheit mit der Erfindung und V^ervoUkommnung der Werkzeuge Hand in Hand gegangen ist. Der Gebrauch von

Werkzeugen gab aber auch den Anlaß zu einer zu- nächst mehr vom Zufall abhängigen Heranbildung des jüngeren Geschlechtes durch die Erwachsenen, die sich allmählich zu einer planmäßigen Unterweisung und Erziehung entwickelte. Somit stehen die An- fänge der Erziehung mit der Werkzeugentwickelung im direkten Zusammenhange.

Das Werkzeug gab ferner dem Menschen eine größere Herrschaft über die Natur und versetzte ihn in die Möglichkeit, ihre Produkte zu seinem Vorteile auszubeuten. Diese Herrschaft wuchs in dem Maße, in dem der Mensch seine Werkzeuge vervollkommnete. Auch die Maschinen, die den heutigen Kulturzusfand herbeigeführt haben, sowie die wissenschaftlichen In- strumente, mit denen der Forscher arbeitet, sind nichts anderes als verbesserte und verfeinerte Werkzeuge; sie dienen in der vollkommenen Form, in der wir sie kennen, nicht nur der menschlichen Hand zur Er- höhung ihrer Leistungsfähigkeit, sondern auch den übrigen Organen des Menschen. Mikroskop und Fernrohr unterstützen das Auge, das Telephon erhöht die Leistungsfähigkeit des Ohres, der Telegraph er- spart uns die Ortsveränderungen, die wir ohne ihn zum Zwecke der Verständigung untereinander aus- führen müßten usw. Alles dies zusammengenommen, muß man wohl die Richtigkeit der Behauptung zu- geben, die Edmund Reitlinger mit den Worten aus- sprach : Die ganze Menscliengcschiclite löst sich, genau geprüft, zuletzt in die Gescliiclite der Erfindung bes- serer Werlizeuge auf.

Aber noch viel überzeugender tritt uns die Bedeu- tung des Werkzeuges für die Kulturentwickelung ent- gegen, wenn wir von dem schon angedeuteten Gedanken ausgehen, daß wir dem Urmenschen nicht soviel In- telligenz zuschreiben dürfen, als zur bewußten Erfin- dung der ersten Werkzeuge notwendig war. Die Werkzeuge sind ebenso wie die Sprache in gewissem Sinne nicht die Produkte der Intelligenz des Menschen, sondern sie haben diese Intelligenz erst geschaffen. Indem der Mensch mit den ersten Werkzeugen, die er seinen eigenen Organen nachbildete, deren Wirksam- keit verstärkte und sich damit eine größere Leistungs- fähigkeit sicherte, wirkte zugleich der Gebrauch der Werkzeuge unmittelbar auf den Menschen zurück. Mit dem Werkzeuge und durch das Werkzeug hat der Mensch das Arbeiten gelernt. Das Werkzeug hat ihn umgebildet, und sobald es eine gewisse Voll- kommenheit erreicht hatte, beherrschte der Mensch nicht mehr das Gebilde seiner Hand, sondern dieses beherrschte ihn. Durch den Gebrauch des Werkzeuges wurde die Hand nicht nur geschont, sondern auch geübt und verfeinert. Die geübtere Hand konnte sich ein besseres Werkzeug schaffen, und dieses vollkom- menere Werkzeug verlangte wiederum eine geschicktere Hand. So potenzierten sich gewissermaßen diese beiden Faktoren bis zur Erreichung von Höchstleistungen, wie sie in der Hand und im Werkzeuge des Operateurs, des Künstlers, des Naturforschers, des Feinmechanikers zu bewundern sind. Der Mechaniker z. B., der mit den feinsten Meßinstrumenten zu arbeiten gewohnt ist, kann seine Hand zu einer so hohen Feinfühlig-

TECHNISCHE ARBEIT ALS ERZIEHUNGSMITTEL

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keit entwickeln, daß sie in gewissen Leisknigen die feinsten Meliinstrnmcnte noch übertrifft; die letzte Prü- fung Ix'i der Einpassnng der Tiilien von Mikroskopen in ihre Fassungen z. B. kann nur mittels des Gefühls durch die Hand vorgenommen werden, die Meliinstrumente versagen bei dieser Arbeit.

Diese Folgerungen gewinnen noch eine ganz andere Bedeutung, wetni man sich vergegenwärtigt, dal? eine geschickte Hand nur dirigiert werden kann durch ein leistuiigsfäliiges Gehirn. Nach dem heutigen Stande der physiologischen Wissenschaft können wir mit voller Sicherheit behaupten, daß die Handgeschick- lichkeit ihren Sitz überhaupt nicht eigentlich in der Hand hat, sondern im Kopf und im Gehirn, und daß demnach Mängel in der Gehirnentwickelung gerade so auf die Muskelbewegimgen einwirken, wie auf Denken und Sprechen. Ein Mann, der tatkräftig und kunstvoll mit den Händen schafft, muß ebensogut wie der Denker einen guten Kopf besitzen, und wenn die Hand eines Idioten nicht fähig ist, eine nemienswerte Geschicklichkeit zu erwerben, so liegt das nicht an ihrer unvollkommenen Bildung, sondern daran, daß die Gehirnzellen des betreffenden Menschen mangel- haft funktionieren. Auf die Folgerungen, die sich hieraus für die Wertung der technischen Arbeit in der Erziehung ergeben, werden wir noch zurückzu- kommen haben.

Fürs erste interessiere uns jetzt die Frage, ob der Satz, daß das verfeinerte Werkzeug eine geschickte, verfeinerte Hand erfordert, auch auf die Maschine übertragen werden kann. Wer oberflächlich urteilt, kann leicht zu der Meinung kommen, daß bei der Verwendung von Maschinen eine weitergehende Aus- bildung der Hand für dieZwecke der Technik überflüssig sei, da die Maschine ja die eigentliche Arbeitsleistung der Hand abnimmt und ihr nur eine Hilfsleistung überträgt. Es ist, was zunächst ins Auge fällt, ein wesentliches Merkmal iniserer maschinellen Arbeits- weise, daß der technisch arbeitende Mensch von der Ma- schine abhängig ist, und zwar Iti den meisten Fällen in einem derartigen Maße, daß er überhaupt nicht mehr Herr seiner Bewegungen ist, sondern daß das Werk- zeug, ursprünglich sein gehorsamer Diener, nun zum Herrn über den Menschen geworden ist. Es diktiert ihm das Maß seiner Bewegungen, der Rhythmus der Arbeit ist dem Willen des Menschen entzogen, der Mensch ist an den toten Stoff und an den von ihm erst kunstvoll geschaffenen Mechanismus gefesselt. Durch diesen Zustand dürfen wir uns indes nicht täuschen lassen über das Verhältnis, in dem in letzter Linie die Arbeit des Menschen zu der der Maschine steht. Ein Fortschritt im technischen Arbeitsprozeß ist auch bei der Verwendung von Maschinen nur daim mög- lich, wenn mit der Verbesserung der Maschine innner auch eine bessere Ausbildung des Menschen I land in Hand geht, der die Maschine bedient, lin nur roh ausgebildeter Arbeiter, der eine einfache landwirt- schaftliche Maschine ohne weitere Vorübimg gut be- dienen kann, würde vollständig versagen, wenn man ihn z. B. an die Maschinen einer mechanischen \X'c- berei stellen wollte. Je kompli/ierlcr die Maschine

wird, desto geschulter muß auch die Hand sein, die sie bedienen soll, und wo geübte Hände fehlen, da sind auch die besten Maschinen vollk(jmnien nutzlos. In einem Vortrage über Technische Arbeit einst und jetzt führte W. von Öchelhäuser die Tatsache an, daß zuweilen kostbare Werkzeugmaschinen außer Be- trieb bleiben müssen, weil man nicht die Arbeiter findet, die zu ihrer Bedienung geschickt und intelligent genug sind (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure IQOÖ, Nr. 2Q). Auch hier hängt also die Leistungs- fähigkeit der Hand ab von der des Gehirns, das der Hand gebietet; wenn es sich bei technischen Arbeiten um Differenzen von Millimetern handelt, so müssen die Finger äußerst exakt arbeiten, und das ist ohne eine entsprechende Ausbildung des Auges und eine gute Entwickelung des Gehirns nicht möglich. Dies gilt für jede Art von mechanischer und technischer Arbeit und leuchtet auch ohne weiteres ein, wenn es sich um den Gebrauch wissenschaftlicher Apparate und feiner Meliinstrumente handelt. Es ergibt sich somit ganz allgemein die Notwendigkeit, daß Hand, Auge und Gehirn des technischen Arbeiters der Gegenwart in einem höheren Maße ausgebildet werden müssen, als dies auf früheren Kulturstufen der Mensch- heit nötig war. Eine größere Leistungsfähigkeit in der Ausführung technischer Arbeiten kann aber in letzter Linie nur gesichert werden durch eine bessere Aus- bildung des Gehirns, und es entsteht somit die Frage, ob und wie man durch die Erziehung auf das Gehirn einwirken und ob insbesondere die technische Arbeit, die für die Menschheit ein so wichtiger Erziehungs- faklor gewesen ist, auch für die Erziehung des ein- zelnen Menschen eine Bedeutung haben kann.

Kann das Wachstum, die I:ntwicktlung und die Leistufios/ü/iigkeit des Gehirns von außen her beein- flußt werden? So müssen wir zunächst fragen.

Es ist ein alter Satz pädagogischer Weisheil, daß nichts im Geiste ist, was nicht zuvor in den Sinnen war. Die Sinne sind gewissermaßen die Tore, durch die die Eindrücke der Außenwelt in den Geist an- ziehen; wenn diese Tore verschlossen bleiben, so bleibt der Mensch auch in seiner geistigen Entwicke- lung zurück. Die unglücklichen Kinder, denen von Geburt an ein so wichtiger Sinn wie das Gesicht oder das Gehör fehlt, können auf normalem Wege nicht zur vollen Geistesbildung geführt werden, aber die Erziehungskunst kann auch dem Blinden und dem Taubstummen eine ausreichende Summe von Ein- drücken der Außenwelt üliermiltcin und damit eine gewisse Bildung sichern. Dem Blinden insbesondere ersetzen seine Hände das Auge als Sinnesorgan bei- nahe vollkommen. Aus der täglichen Erfahrung wissen wir, wie außerordentlich wichtig es für uf» ist, ilaß wir die Gegenstände unserer Umgebung be- tasten, svenn wir uns eine klare Vorstellung von ihrer Beschaffenheit erwerben wollen; wir müssen sie be- greifen', ehe wir ihre Eigenschaften ganz crfissen können. Am besten können uns Ikobachlungen an ganz kleinen Kindern über die Notwendigkeit der- artiger Tastübungen belehren; wesentlich v! Tastsinn unlerriclilel sich das Kind auf eine:

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TECHNISCHE ARBEIT ALS ERZIEHUNGSMITTEL

Altersstufe darüber, ob es ein flächenartiges oder ein körperliches Gebilde vor sich hat. Auge und Hand ergänzen sich gegenseitig, oder wie Goethe mit dichterischer Schönheit sagt: »sehe mit fühlendem Aug', fühle mit sehender Hand<.

Es muß in diesem Zusammenhange daran erinnert werden, daß die Erziehungskunst sich auch in solchen anscheinend ganz verzweifelten Fällen zu helfen weiß, in denen das gleichzeitige Fehlen mehrerer wichtiger Sinne jede Möglichkeit einer geistigen Ausbildung aus- zuschließen scheint. Auch Kinder, die taubstumm und blind zugleich waren, hat man bis zu einem hohen Grade geistiger Ausbildung führen können. Das berühmteste Beispiel dieser Art ist Helen Keller, die taubstumm- blinde amerikanische Schriftstellerin, die durch ihre Erzieherin Miss Sullivan auf eine hohe Bildungsstufe gehoben wurde. Wie dies möglich war, soll wenigstens angedeutet werden.

Unser Körper hat die Fähigkeit, Bewegungen und Änderungen der Lage sowie mechanische Einwirkungen zu empfinden, die z. B. auf die Hand ausgeübt werden. Das Vermögen, diese Empfindungen wahrzunehmen und auf das Gehirn einwirken zu lassen, nennen wir Muskelsinn. Derselbe ist für das Geistes- und Willens- leben sehr wichtig. Wie die Sinneseindrücke auf Auge und Ohr die Basis abgeben für die Vorstellungen von Licht, Farbe und Ton, so liefert der Muskelsinn das Material zu einer Reihe von Begriffen, die für jeden Menschen einen wesentlichen Teil seiner Geistes- bildung ausmachen. Beim taubstumm-blinden Kinde beginnt diese damit, daß der Lehrer einige Tast- empfindungen in der Handfläche des Kindes hervor- bringt, die als eine Art Frage nach seinem Gehirn telegraphiert werden und dasselbe zu weiterer Tätigkeit anregen. Die Möglichkeit geistiger Bildung beruht somit in solchen Fällen allein auf dem Muskelsinn, ohne welchen sie ausgeschlossen wäre.

In ähnlicher Weise muß auch bei der Erziehung solcher Kinder, die zwar vollsinnig, aber doch schwach begabt sind, der Muskelsinn und die Muskeltätigkeit benutzt werden, um auf ihren Geist einzuwirken. Der Unterricht derartiger Kinder, die man neuerdings mehr und mehr in sogenannten >- Hilfsschulen < vereinigt, sollte immer mit Übungen der Sinnesorgane und der Muskeltätigkeiten beginnen. Nur durch entsprechende Übungen der körperlichen Organe, insbesondere der Hände, können bei derartigen Kindern die Voraus- setzungen geschaffen werden für eine geistige Aus- bildung; manche von ihnen erlernen auch das Sprechen erst vermittelst geeigneter Handübungen.

Wir stellen nun die Frage, welche Folgerungen sich hieraus ergeben, die für die Erziehung der nor- malen Kinder von Bedeutung sind.

Das normale Kind entwickelt sich körperlich und geistig eigentlich ganz von selbst, so daß sich die Er- ziehung darauf beschränken kann, Schädlichkeiten fern- zuhalten und Erschwerungen der natürlichen Ent- wickelung aus dem Wege zu räumen. Jedes gesunde Kind hat den unwiderstehlichen Drang, sich körperlich zu betätigen, zu spielen tmd insbesondere mit den Händen zu schaffen. Dieser Tätigkeitstrieb ist die

wertvollste Anlage, die man nur richtig zu entwickeln braucht, um mittelst derselben die Zwecke der Er- ziehung aufs wirksamste zu fördern. Pestalozzi, der Altmeister der Pädagogik, hat gesagt, daß aller Unter- richt nichts anderes sein solle, als die Kunst, dem Haschen der Natur nach ihrer eigenen Entwickelung Handbietung zu leisten«. Wenn man diesen Aus- spruch anerkennt, so gesteht man damit auch zu, daß unser heutiges Unterrichtssystem in der Hauptsache verfehlt ist. Unser Unterrichtssystem unterstützt nicht die kindliche Natur in ihrer Entwickelung und baut sich nicht auf dem Prinzip der Selbsttätigkeit des Kindes auf, sondern beruht auf einer mehr oder weniger passiven Aufnahme von Wissensstoff. Ferner arbeitet unser Unterricht in der Hauptsache mit der Sprache; Lesen und Schreiben spielen von vornherein die Hauptrolle und die ganze Schulzeit hindurch be- haupten die Sprachübungen eine nicht zu recht- fertigende Vorherrschaft. Dadurch wird aber eine bedenkliche Einseitigkeit herbeigeführt, die zu einer Überbürdung derjenigen Gehirnzellen führt, in denen die Sprachfunktionen ihren Sitz haben. Die Wissen- schaft lehrt uns, daß diese in der linken Hirnhälffe zu suchen sind, und da außer der Lautsprache, also außer dem Sprechen und Lesen, auch das Schreiben und das mechanische Rechnen auf diese Hirnhälfte einwirken, so ergibt sich, wie sehr wir sie durch den herkömmlichen Schulunterricht überlasten. Um eine Überbürdung zu vermeiden, müßte man solche Lehr- gegenstände abwechseln lassen, die mit beiden Hirn- hälften arbeiten. Dies gilt sehr wahrscheinlich von allen Handtätigkeiten außer dem Schreiben, vor allem also von solchen, die auch die linke Hand zu ihrem Rechte kommen lassen, wie Formen, Flechten und andere Handarbeiten.

Bei dem heutigen Stande der Physiologie kann man behaupten, daß die stärkere Entwickelung der rechten Hand, wie eine solche bei den meisten Menschen vorliegt, im Zusammenhange mit der Vorherrschaft der linken Hirnhemisphäre steht, die im Sprechen und Handeln den Vorrang hat. Deshalb dürfte die Er- wägung nicht ganz abzuweisen sein, ob sich nicht durch eine systematische Ausbildung der linken Hand eine größere Leistungsfähigkeit der rechten Hirn- hemisphäre anbahnen ließe. Gewisse Fälle, in denen man nach einer durch Krankheit oder Unglücksfall herbeigeführten Zerstörung des Sprachzentrums in der linken Hirnhälfte ein solches in der rechten Hirn- hälfte durch Übungen der linken Hand entwickelt hat, sprechen durchaus für diese Möglichkeit. Auch die Beispiele von besonders geschickten und intelligenten Linkshändern es sei nur an Adolf Menzel er- innert — lassen sich im Sinne einer derartigen Zu- kunftsperspektive verwerten. Jedenfalls ist soviel sicher, daß alle körperlichen Übungen und insbesondere alle feinen Übungen der Handmuskeln nicht bloß Muskel- gymnastik, sondern zugleich auch Nervengymnastik sind. Das Virtuosentum eines Liszt, Rubinstein oder Joachim hatte seinen Sitz im Gehirn und im Nervensystem, trotzdem wir uns solche Virtuosen ohne eine eiserne Handmuskulatur nicht denken können. Ebenso sind

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die Fertigkeiten, die ein geschici<ter Techniker ausübt, sowie alle die mehr oder minder künstlichen Ver- richtungen des täglichen Lebens, die wir mit unseren Händen mühelos ausführen, Verkettungen in der Tätig- keit unserer Nerven und Hirnzellen. Nicht die Hand arbeitet mit dem Werkzeug, sondern der menschliche Geist, eine Wahrheit, die wohl Lessing ahnte, als er fragte, ob Raffael ein großer Maler geworden wäre, wenn er ohne Hände zur Welt gekommen wäre. Erasmus Darwin, der Großvater des berühmten Darwin, machte die feine Bemerkung, daß man beim Drechseln anfangs jede Bewegung der Hand wolle, bis endlich diese Handlungen derartig mit der Wirkung sich ver- schmelzen, daß der Wille in der Schneide des Meißels zu sitzen scheine, das heißt: daß der Arbeitende dem

lernt Hans nimmermehr«. Nur wenn die technischen Übungen schon frühzeitig in der Jugend begonnen werden, Iäi5t sich ein solcher Grad von Cieläufißkeil und Sicherheit bei ihrer Ausführung erreichen, wie er zu guten technischen Leistungen erforderlich ist

Gegen die Forderung der Aufnahme von technischen Übungen in unser Erziehungssystem könnte vielleicht geltend gemacht werden, daß in unserer bisherigen Er- ziehung derartige Übungen gefehlt haben und daß trotz- dem hohe Geistesentwickelung und gute technische Leistungen erreicht worden sind. Es muß aber zu- gegeben werden, daß in früherer Zeit das, was die schulmäßige Erziehung nicht bieten konnte, durch die Erziehung im Hause und durch das Leben reich- lich ersetzt wurde. Unter den früheren Verhältnissen

Fig. 27. Mittelklasse einer «merlleanisclien Volliftcliule bei der Pappubcil

Werkzeuge unbewußt stets die richtige Stellung gibt. Jede Muskelübung legt eben gewissermaßen ein Er- innerungsbild in der Hirnrinde nieder und wird da- durch zu einem dauernden Gewinn für die geistige Entwickelung.

Die Einwirkung der Muskeltätigkeit auf die Oehirn- zentren, mit anderen Worten also: die Ausbildung des Gehirns durch Muskelübungcn, kann aber nur im jugendlichen Alter stattfinden, da sich die Gehirn- zentren etwa in der Zeit bis zum 14. Lebensjahre entwickeln und im höheren Lebensalter nicht mehr den Grad von Vollkommenheit errei-lien können, der sie zu besonderen Leistungen befähigt. Im Grunde genommen ist dies eine uralte Erfalirui: '. die z. B. bei der Erlernung von musikalischen Fertigkeiten all gemein beachtet und im Volksmund durch das Sprich- wort ausgedrückt wird: Was Häuschen nicht lernt,

hatten die Kinder Anteil an der technischen Arbeit und gewannen dadurch einen Einblick in die Pro- zesse, die sich ht\ der Erzeugung von wirtschaftlichen Gütern atispiclen. Der Knabe ging dem V ' den gewerblichen Arbeilen an die Hand, das .\' half der Muller in der Hauswirtschaft. Dalnri er- langten sie nicht nur allerlei Kenntnisse und Fcrlig- keilen in den mancherlei Verrichtungen des gewerblichen und des täglichen Lebens, sondern es Ug ir ' Art der Tätigkeit auch eine foftw.ihrcnde A zur Beobachtung und zum Nai' schiedcnen Arbeitsprozesse, du ihren Augen abspielten. Sic lernten die Hohmalcrulicn kennen und erlangten eine Rc%\isse Übung in der Handhabuni,' verschiedener Werkzeuge. Ihr pr;>kti»cher Hlick wir '■ und die Fähigkeit in ihnen ent-

wickelt, i -ichc und Wirkung nachzudenken.

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ideti klare Anschauungen geschaffen und damit dab beste erreiclit, was die Erziehung auf dieser Stufe überhaupt anstreben kann, denn der Besitz klarer An- schauungen ist das wertvollste Hilfsmittel bei der Lösung der Aufgaben, die im praktischen Leben an uns herantreten. In der Gegenwart bricht sich wohl inuuer mehr die Überzeugung Bahn, daß Wissen allein den Menschen noch nicht befähigt, die Aufgaben des Lebens mit Sicherheit zu lösen. Der oft zitierte Satz: »Wissen ist Macht« hat nur eine sehr beschränkte Geltung und das Geheimnis des Erfolges liegt nicht im Besitz von Wissen, wie ein Blick auf die kultur- geschichtliche Entwickelung überzeugend lehrt. Nicht die gelehrten Leute sind die eigentlichen Kultur- förderer gewesen, sondern die tatkräftigen Willens-

das Form und Gestalt annahm, was aus dem Leben heraus ihm entgegentrat, wie also nach seinem eigenen Ausspruche jedes seiner Gedichte ein Erlebnis war. In ähnlicher Weise besitzen alle groi5en Meister der Malerei und plastischen Kunst die Fähigkeit, anschau- lich zu sehen und das Gesehene persönlich wirken zu lassen. Darauf allein beruht die unmittelbare Wirkung ihrer Werke. Auch dem Techniker im engeren Sinne ist die Eigenschaft des anschaulichen Denkens in hohem Maße eigen, da er überall die Frage stellt, ob sich das Gedachte auch verwirk- lichen lasse. Bei der Beantwortung dieser Frage muß mit allen hierbei in Betracht kommenden Ver- hältnissen gerechnet werden, und dadurch unter- scheidet sich das technische Denken von der philo-

Fig. 2S. Obcrklasse einer amerikanischen Volksschule bei der Holzarbeit (Slöjd)

menschen, die ihr Wissen in der richtigen Weise an- zuwenden verstanden. Ein hervorragendes Beispiel dieser Art ist Goethe, der ein Meister in der Art des anschau- lichen, praktischen Denkens war. »Mein Anschauen ist ein Denken, und mein Denken ist ein Anschauen <, sagt er von sich selbst; er betont, daß er vor allem »die Dinge auf sich habe wirken lassen-. Daher auch die in seinen Schriften immer wiederkehrende und im »Wilhelm Meister« mit der größten Klarheit aus- gedrückte Überzeugung, daß der Weg zur wahren Bildung nur durch die praktische Arbeit des Lebens hindurch gehen könne. »Allem Leben, allem Tun, aller Kunst muß das Handwerk vorausgehen, das nur in der Beschränkung erworben wird. Eines recht wissen und ausüben, gibt höhere Bildung als Halb- heit im Hundertfältigen.« Auch aus »Dichtung und Wahrheit« ersehen wir, wie bei Goethe immer nur

sophischen Denkweise, die eine derartige Probe auf die Richtigkeit des Denkprozesses nicht zu machen braucht. Deshalb ist aber auch gerade das technische Denken die beste Vorbereitung für die Aufgaben des praktischen Lebens, bei denen ebenfalls die Verwirk- lichungsmöglichkeit des Gedachten die Hauptrolle spielt. Nichts zwingt besser und erfolgreicher zum praktischen Denken als der Verkehr mit den Dingen der Umgebung und die Beobachtung der Natur, die der ge- naueste und unnachsichtigste Lehrer ist. Hierauf beruht der Wert aller Kenntnisse, die wir durch praktische Erfahrung gewonnen haben und die den ausschließlich durch theoretische Studien erworbenen Kenntnissen weit überlegen sind. Bei ihrer Arbeit auf dem Felde und in der Werkstatt ist die Menschheit seit Jahr- tausenden durch die beste Schule des Denkens hin- durchgegangen, die ihr geboten werden konnte. Die

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Arbeit mit Werkzeugen und im Zusammetiliange da- mit die Entuickelung der Sprache haben schon auf früher Kulturstufe die Intelligenz des Menschen ge- weckt und in ihm Eigenschaften entwickelt, die den Kulturmenschen auszeichnen. Wenn Emerson mit Recht sagt: »Handarbeit bedeutet Studieren dcräuOcrcn Welt , so bezieht sich diese Äulieriuig zunächst nur auf die eine, gewissernialien auf tlie äußere Seite der Wirkung, die wir der Handarbeit als einem Erzielumgs- mittel zusprechen müssen; die technische Arbeit hatte aber zweifellos noch eine andere, innere Wirkung, indem sie den Menschen zur Sitllichkeit erzog und die Kultur veredelte.

Gründen versagt. Wenn man der Meinung ist, daß die Bildungsziele sich der gesamten Kulturcntwicke- lung anpassen müssen, so wird man auch zu- geben müssen, da(5 unser Erziehimgssystem einer Umgestaltung bedarf. Diejenigen Kulturvölker, die mit einem scharfen Blick für die realen Bedürfnisse des Lebens ausgestaltet sind, haben ihr Erziehungs- System bereis so ausgestaltet, dal5 es dem jugend- lichen Nachwuchs die Eigenschaften anerzieht, auf die es im Leben ankommt. Die junge amerikanische Schule bietet uns ausgezeichnete Beispiele einer Er- ziehung, die den Täligkeitstrieb des Kindes zum Aus- gangspunkt nimmt und auf ihm weiter baut. Die

Fie. 3Q. Klasse einer amerikanischen Millelschutc (Realschule) bei der MeUIUrbeil

Den Begriff Technische Arbeit als Erziehungs- mittel kann man ziemlich weit fassen. Es gehören dazu alle Handarbeilen im engeren Sinne, insbesondere auch die feineren Arbeiten, die nur kleinere Muskel- gruppen der Hand in Anspruch nehmen. Die Be- herrschung derselben ist schwieriger als die der großen Muskelgruppen und bedarf deshalb besonderer Übung. Auch das Zeichnen und Modellieren, das Experimen- tieren mit Apparaten, sowie die Beschäftigung mit hauswirtschaflllchcn Verrichtungen rechnen wir zu den technischen Arbeiten. Schulwerkstatt, Laboratorium und Schulküche sind Einrichtungen, die nicht ent- behrt werden können, wenn sich die Erziehung der technischen Arbeit bedienen will. Man wird derartige Einrichtungen in Zukunft um so nachdrücklicher ver- langen müssen, je mehr in dieser Hinsicht unsere häusliche Erziehung aus den schon angegebenen

Kunsigcwcrbcbia«. N. 1". XIX. M ,

Befriedigung des Tätigkeitslriebcs aber erfordert auf jeder Stufe technisches Arbeiten. Die Kleinen bilden in Ton und Sand und handhaben den Zeichenstift und die Schere zur Darstellung einfacher Formen. Die geübtere Hanil der gröliercn Kinder kann alsdann mit Messer, Hammer, Hobel, Säge, Teile und andern Werkzeugen arbeiten; Pappe, Holz und Mcüll sind dicMaterialien, die sich dazu eignen (Fig. 27 29). Die Herstellung von Flechtwcrk und das Weben in Wolle und Leinen sind ebenfalls Beschäftigungen, die von Knaben unil Mädchen auf verschiedenen Altersstufen betrieben werden können. Aul der Olicrstufc herrscht für die Knaben die eigentliche WerkslatUrbcil vor, während die Mädchen einen hauswirtschaftlichen Unter- richt geniclkn. Daß sich eine dcranigc Er.'icliung gerade in Amerika einer besonderen Wcrtsclui/ung erfreut, ist gewiß kein Zufall, sondern steht im Zu-

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VERBORGENE KUNSTSCHATZE IN TIROL

sammenhange mit einem Gmndziige der amerii<anischen Voiksanschauung, die am Menschen vor allem die Arbeitsfreudigkeit und die Willenskraft schätzt').

In dem geistvollen Buche: »Die Technik als Kultur- niacht in sozialer und in geistiger Beziehung« (eine Studie von Ulrich Wendt, Berlin igo6) wird der geschichtliche Nachweis geliefert, daß die langsame, arbeitsvolle Entwickelung an der Hand der Technik den Menschen allmählich zur heutigen Kulturhöhe erzogen hat. »Man kann getrost und gern sagen, daß für die Entwickelung der gesamten Kultur, der materiellen wie der geistigen, die Arbeit des Hand- werkers und Fabrikarbeiters zum mindesten ebenso notwendig, ebenso wertvoll, ebenso produktiv und also auch ebenso edel ist, wie die Arbeit des Gelehrten, der hinter seinen Büchern sitzt. Sogar an der Ent- wickelung des Geistes hat der Gelehrte vielleicht kaum ein größeres Verdienst. Der Handwerker liefert die

i) Vergl. A. Pabst, Beobachtungen über den praktisch- technischen Unterricht in amerikanischen Schulen und auf der Unterrichtsausstellung in St. Louis. Leipzig, Franken- stein & Wagner, 1Q07. A. Pabst, Die Knabenhandarbeit in der heutigen Erziehung. Leipzig, B. O. Teubner, 1907.

Anschauung, der Gelehrte die Begriffe. Der scheinbar große Unterschied zwischen beider Tätigkeit liegt nur darin, daß der Gelehrte als einzelner die Abstraktionen zieht, zu welcher die Masse der Handarbeiter die Anschauungen gegeben hat. Daher scheint die Arbeit des Gelehrten aristokratischer zu sein.'

Auch unsere größte nationale Dichtung klingt aus in einer Verherrlichung der technischen Arbeit. Goethe läßt seinen Faust am Ende seines Lebens Befriedigung finden in schaffender Arbeit, die er zum Wohle der Menschheit unternimmt. Faust dämmt das Meer zurück und gewinnt ihm neues Land ab, auf dem Menschen wohnen und die Freuden des Lebens ge- nießen sollen.

Und das letzte Werk eines großen Künstlers der Gegenwart, Konstantin Meuniers, ist ebenfalls dem Triumphe der Arbeit gewidmet. Das Denkmal der Arbeit« soll der Menschheit von dem verkünden, was er ihr als ein Evangelium mitteilen wollte: »seinen Glauben an einen ewigen Fortschritt der Menschheit durch die Arbeit .

Möchten wir bei der Erziehung dieses Glaubens immer eingedenk bleiben!

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GEHT man von Sand im Tauferertal eine Stunde nach Luttach, von da links den Kalvarienberg hinan, so kommt man nach abermalig ein- stündigem Steigen nach dem Flecken Weißenbach. Dieses unscheinbare Dörfchen besitzt einen großen Schnitzaltar, den die Lokaltradition keinem Geringeren als Meister Michael Fächer von Bruneck, dem Schöpfer des wundervollen St. Wolfganger Altarschreines zu- schreibt, mit dem unser Werk allerdings nicht all- zuviel zu tun hat. Der Altar (Abb. 2) besteht aus vier Stockwerken. Im Unterbau befindet sich in der Mitte die Anbetung des Kindes mit Joseph, Maria und vier Engeln, rechts ein leidenschaftlich bewegter und höchst realistischer Kindermord zu Bethlehem, links eine Anbetung der hl. drei Könige. Die beiden Seitenflügel sind bemalt rechts die hl. Barbara, links die hl. Anna. Im zweiten Stockwerke ist links die hl. Katharina, rechts die hl. Maria gemalt, während sich in der Mitte unter einem später zugefügten Baldachin ein ganz kleines, schon ziemlich barockes Kruzifix befindet. Die Hauptarbeit des Ganzen ist das dritte Stockwerk. Die Figuren hier sind fast 1 m hoch, voi: '" ' ' und beseelenden Lebens und ge- hören sie, um Schönsten, was in dieser Art existiert. In der Mitte stehen unter einem Kreuz- gewölbe die hi. Andreas, Jacobus und Georgius, hinter ihnen vier kleine Engelsköpfe. Im rechten Seiten- flügel steht der hl. Hyppolitus (nicht Sebastian) mit der Armbrust, links der hl. Hermenegild mit dem gezückten Schwerte. Beide sind goldgelockt, breit- spurig, bartlos, mit goldenem Reif im Haar. Rechts

ist hinten gemalt der hl. Florian, links der hl. Christophorus. Während der Florian stilistisch in die Familie Hans Baidung Griens gehört, ist der Christophorus sowie ein kleines Fresko an der Rück- seite des Altars, ein von zwei Engeln gehaltenes Schweiß- tuch der Veronika, sicher italienisch, deutlich sogar mantegnesk beeinflußt. Zumal die beiden Engel sprechen dafür. Die Landschaft im Christophorus ist auch italienisch. Im Oberbau endlich, unter einem undurchdringbaren Gewirr geschnitzten Geästes ein sehr wohl gebildeter, gar nicht naturalistischer, eher weichlicher Christus am Kreuz, rechts Maria, links Johannes. Datiert ist das Werk 1516, restauriert, resp. verschmiert, 1884. Das Datum, wenn auch bei der Restaurierung erneuert, ist sicher echt, schließt daher Pachers Urheberschaft völlig aus. Damals wurde das im Besitz der Kirche befindliche Triptychon in das allerunterste Stockwerk eingelassen. Dieses allein, es hat natürlich mit dem Ganzen nichts zu tun, wurde 1856 von G. Tinkhauser dem Fächer zugeschrieben, dessen stilistisches Gepräge es auch trägt, wenn auch die Kostüme auf eine spätere Entstehungszeit hin- weisen. Es erinnert stark an die bekannten Altäre in den Franziskanerkirchen zu Bozen und Brixen, sowie in der Umrahmung an einen Altar in Albion im Eisacktal, und stammt wie dieses wohl aus der Bozener Gegend. Diese speziellen Mitteilungen ver- danke ich Herrn Dr. Robert Stiassny in Wien, der sich im Auftrag des Unterrichtsministeriums mit Meister Michael Fächer beschäftigt.

Der Hochaltar selbst mit seiner üppigen Oma-

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Abb. 1. Schnjtzaltar in der Walpurga-Kapelle oberhalb Keniaten

menlik der Spälgolik ist wohl ein Erzeugnis der Pusterfaier Schule aus dem Beginn des ift. Jahr- hunderts. Die gedrungenen Figuren desselben finden wir in Arbeiten dieser Sciiule, in den Ahären zu Hofern bei Bruneck (Tirol) und Corvara im Ennebergtal (Tirol) wieder. Pachers Einfluß ist in dem be- krönenden Kruzifi.x sowie in dem mantegnesken Schweil5tuch zu verspüren. Während die Engel, wie schon erwähnt, italienisierend sind, geht der Typus des Christus auf den des Kolossalkruzifixes in Bruneck zurück, der wohl ziemlich sicher Pacher gehört. Ganz sicher steht in Tirol für Pacher nur der Altar in Gries bei Bozen fest.

Stilistiscii viel interessanter ist der bloli zweistöckige Altar der Walpurgakapclle, ebenfalls nur eine Stunde von Sand, oberhalb des Dörfchens Keniaten. Ich stelle dieses Werk (Abb. i), welches im Gegensatz zum Weil5enbacher Altar in einer etwas harten Tempera gemalt ist, um 1470 80. Im Hauptstockwerke be- finden sich in der Mitte der hl. Georg und der hl. Florian zu beiden Seiten der hl. Walpurga. Im rechten gemalten Seitenflügel befindet sich vorne der hl. Markus, hinten in zwei Feldern die Kreuztragung und die Grablegung. Linker Flügel: Vorne der hl. Hyppolitus, hinten die Kreuztragung und Christus am Olberg. Alle diese Figuren sind etwa 1 m hoch, bemalt, der Goldgrund ist mit eingepflanzten Orna- menten bedeckt. Im Untersatz befinden sich in der

Abb. 2. Schnitullar in der Pfarrkirche tu WeiBenbuh

Mitte die 35 cm hohen Statuetten der hl. Margarete, Barbara, Agnes und Katharina. Rechts im Bilde die hl. Elisabeth, hinten die hl. Anna, links vorne Maria, hinten Christus als Schmerzensmann. Die Schnil/- figuren sind viel realistischer wie die Meister l'achcrs, sowie des obigen Allars; die guten Bilder stehen technisch und stilistisch dem Michael Wohlgemut nahe. Sehr merkwürdig dagegen sind die beiden großen Tafeln des Markus und Hy(ipolitus. Diese beiden, ganz ungemein vornehm und feingezeichneten Figuren stammen ganz sicher nicht aus rcindeutsciur. sondern aus niederländisch beeinflußter Meisterhand. Während der Hyppolitus mehr von Memling abhängt, scheint der Markus von Roger van der Wcyden m- spirierl zu sein. Auch die Gewänder der beiden weisen auf diesen niederländischen Einfluß. Hyppo- litus. goldgelockt, mit einem Bündel Speere (vielleicht ist hier der hl. Sebastian gemeint) trägt s|MniKhe Höflingstracht mit verschnürten Allasärmeln. - Markus dagegen, bartlos, ebenfalls goldgelockt, rotes langes Untergewand mit grünem ( »bcrmantel. Das W< r gänzlich unlicrflhrt, in trefflichem Zustande. Wi Meister dieser beiden herrlichen Figuren war, ist nichi bekannt, es sind aber entschieden Meisterwerke. Da das Salzburgcr Ir/stift gerade in diesen Tälern große Besitzungen halte, und dessen Wanderkünstler in diesen Gegenden nachweisliar viel gearbeitet haben, so ist es immerhin leicht möglich, daß einer dieser weit-

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Abb. 3. Verleugnung des Petrus aus iler Krippe von F. Nissl in St. Joliann

gereisten und tüchtigen Künstler flandrische Schulung genossen hat. Auf direkte flandrische Arbeit in diesen damals, wie heute noch weltentlegenen Gegenden kann man um so weniger denken, als ja die neueste Forschung bewiesen hat, welch ungemein tüchtige Arbeit die Salzburger Schule geleistet hat.

Geht man von Luttach die Landstraße weiter, so gelangt man zuerst nach St. iVlartin mit einer kleinen gotischen Kirche, die 1S87 durch Überschwemmung ganz zerstört wurde. Diese Kirche birgt nun zwei merk- würdige Marmorvotivtafeln, die rechts und links in die Wand eingelassen sind, und eine Höhe von ca.

Abb. 4.

Details aus der Krippe von F. Nissl in St. Johann Abb. 5.

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Ahh 6. '.Ocißelung aus der Krippe von F. Nissl in St. Johann

2 in haben. Dem Künstler, der italienisclien Einfluß sicher erfahren, schwebten im architektonischen Aufbau sichtlich die Professorengräber zu Bologna vor. Stilistisch kämpft in diesen äußerst merkwürdigen Kompositionen noch die Gotik mit einer unverdauten Frührenaissance. Im Rechten ist unter einem gotischen Baldachin, der aber von jonischen Säulen getragen

wird, Christi Auferstehung mit vier um das offene Grab gruppierten Kriegsknechten dargestellt. Diese Kom- position ähneil merkwürdig der gleichen Darstellung Raffaelino del Garbos in der Akademie zu Florenz. Darunter in rundbogigen Arkaden, aus deren Nischen e ein Engelskopf hervorlugf, in der Mitte Maria mit dem Kinde, links die hl. Katharina, rechts die hl.

Abb 7. Kreutigunt lu» der Krippe von F. NUtI la S). JoltMa

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Barbara. Darunter in einem fast 2 m langen und 70 cm hohen Untersatz in der Mitte das Faniiiien- wappen, links der Stifter mit drei Söhnen, alle knieend, in schwarzer spanischer Tracht rechts die Stif- terin mit zwölf Töchtern in Nonnenkleidung. Die darunter befindliche Inschrift besagt, daß der Freiherr zu Wolkenstein und Rodnegg diese Tafel im Jahre 1580 gestiftet hat. Auf dem anderen, gegenüber angebrachten Relief ist im obersten Zwickel Gottvater mit der Welt- kugel (eine an Wilhelm Busch gemahnende naive Darstellung), darunter Christus als Schmerzensmann am Kreuz, jedoch am Fußbrett stehend, dargestellt. Christus, nur mit dem Lendentuch bekleidet, zeigt schon ganz die Formen italienischer Hochrenaissance. Im Hintergrund, ganz als Flachrelief behandelt, sind die zwei Speere, zwei Geißeln, die Würfel, Zange, drei Nägel, der Beutel mit dem herausfallenden Gelde des Judas, endlich der verräterische Hahn abgebildet. So reif die figürliche Darstellung ist, so primitiv ist die Symbolik. Man sieht förmlich die Konzessionen, die ein geschmackvoll italienisch gebildeter Künstler dem Bergdorfe macht. Im Untersatz links und rechts, um eine lateinische Inschrift gruppiert, der Stifter mit Buch und Rosenkranz, und ein Engel, der ein Wappen hält. Die Inschrift nennt wieder das Jahr 1580 und den Hicronimus Scbüsslcr als Donator. Da beide Werke mit S. H. bezeichnet sind, so nehme ich an, daß der Obengenannte auch der Künstler der Votiv- tafeln gewesen ist. Beide Werke sind in starkem Hochrelief gearbeitet, so- wohl die Architektur wie die Figuren sind in rot, gold, schwarz und blau be- malt, sowie glänzend er- halten. — Ungefähr 1 5 Mi- nuten von dieser Kirche befindet sich die von St. Johann, mit schönen Altar- tafeln und Deckenfresken von Schöpf. Das Pfarrhaus jedoch beherbergt eines der allermerkwürdigsten und großartigsten Kunst- werke Tirols, die Krippe von Nissl,diealle ähnlichen Darstellungen in München und Nürnberg weit hinter sich läßt. Weit hinter sich läßt in der Zahl der dar- gestellten Personen, die hier nur 800 beträgt, so- wie in der vollendeten Ausfü* !cr indivi- duelle:! ^ .:;icrisierung

der leidenschaftlich be- wegten Figurinen. Die Höhe desselben beträgt ca. 30 cm. Dargestellt ist das Leben Jesu von der Ge- burt bis zur Himmelfahrt.

Abb. 8. Detail aus der Krippe von F. Nissl in St. Johann

Aus den vielen Gruppen hebe ich als besonders schön den Triumphwagen des Herodes, Christus vor Pilatus, am Brunnen und die Bergpredigt hervor. Ganz wundervoll sind da die Typen der Juden, der Pharisäer wiedergegeben. Unsere Abb. 7 zeigt in der Kreuzigung die Stelle, wo der Heiland spricht: >Mich dürstet;. Rechts würfeln die Soldaten um das Kleid Christi. Die Akte der Gekreuzigten sind alle höchst naturalistisch gestaltet, der des Heilands desgleichen, nur weicher, edler in den Formen. Man beachte den hämisch höhnenden Ausdruck des ganz in der linken Ecke stehenden Pharisäers. In Abb. 6 kontrastiert die Wut der geißelnden Kriegs- knechte stark mit der kaltblütigen Ruhe der Zusehenden. In Abb. 3 der Verleugnung des Petrus, beachte man neben den rohen, schadenfrohen Gesichtern der Knechte die stämmige Frau neben Petrus, sowie dessen charakteristisch abwehrende Bewegung der Hände und die etwas barocke Wendung des Körpers. Bild 4, 5, S geben einzelne besonders glänzend charakterisierte Typen des Werkes aus verschiedenen Szenen wieder. Speziell der reitende Jude ist ein prächtiger Typus. Kein Gesicht trägt die Züge eines anderen. Der Reichtum der Gestaltung ist wahrhaft wunderbar. Viele der Figuren sind laut Bezeichnung eigenhändig von Meister Nissl selbst, das meiste jedoch aus der Werkstatt, deshalb aber nicht minder in der Ausführung. Die Bemalung ist geschmackvoll,

die Erhaltung des Ganzen tadellos. Leider steht das alles kunterbunt auf einem Dachboden untereinander. Die österreichische Zentral- kommission sollte da rasch eingreifen, um den Genuß eines so großen Kunst- werkes zu ermöglichen. Über den Meister Franz Nissl aus Fügen (26. Juli 1731 bis4.Dezemberi8o4) wäre nur kurz zu sagen, daß er nie künstlerische Schulung genossen, also sein eignerMeistergewesen. Weitere Werke von ihm finden sich laut Stoffler« in Stift Fiecht, in der Pfarre zu Schwaz, und im Dom zu Brixen. Alle diese Werke weisen die gleiche Kraft und Fülle des Aus- drucks, dieselbe lebendige Wahrheit und Gestaltungs- kraft auf, wie unsere Krippe. Mögen meine bescheide- nen Zeilen diesen ganz un- bekannten Meisterwerken einige Verehrer finden.

FRIEDRICH POLLAK, Rom.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

ANGESTELLTE UND UNTERNEHMER

Von Fritz Hellwao

Die Frage, ob den Angestellten an den Schöpfungen oder Erfindungen, die sie im Dienste eines Unternehmers hervorbringen, ein Anteil zustehe, beziehungsweise, ob sie auch einen Anspruch an deren pekuniärem Ertrage er- heben können, ist wieder sehr brennend geworden, da kürzlich ein Oesetz über das künstlerische Urheberrecht erlassen worden ist und eine Revision sowohl des Patent- gesetzes als auch des Geschmacksmusterschutzgesetzes be- vorsteht. Der »Verband deutscher Kunstgewerbevereine' veranstaltet deshalb eine Umfrage, der ich folgende Stellen entnehme:

Das deutsche Patentgesetz wird in Bälde einer Neubearbeitung unterzogen werden. Dabei wird voraus- sichtlich auch der Anteil, den die Angestellten eines Ge- schäfts an dem haben, was sie selbständig ersinnen, durch den Gesetzgeber geregelt werden. Die Ange- stellten der technischen Betriebe kämpfen seit Jahren dafür, dali Ehre und Gewinn an ihren Erfindungen nicht mehr in dem Maße wie bisher den Unternehmern, den Firmeninhabern, sondern ihnen selbst zufallen sollen. Die Unternehmer sind naturgemäß nicht gewillt, den Wünschen der Angestellten Rechnung zu tragen. Ein Ausgleich dieser Interessen nnili in der Neubearbeitung des deutschen Patentgesetzes gefunden werden.

Da es aber auch in den Betrieben der Kunstindustrie dringend notwendig ist, den Anteil an der geistigen Arbeit zwischen Unternehmern und Angestellten zu regeln, so hat der deutsche /uristentag, um dem Gesetz- geber Material zu liefern, auf das Programm seiner im Herbst igoS stattfindenden Tagung die Frage gesetzt:

,Welche Änderungen des bestehenden Rechts emp- fehlen sich, um denjenigen f^-rsonen, welche in einem Vertrags- oder Anstellungsverhältnis tälig sind, den ge- bührenden Anteil an Nutzen und Ehre aus ihren Er- findungen und sonstigen geistigen Schöpfungen sicher- zustellen?'

Zwei Juristen haben den Auftrag, Gutachten über diese Frage auszuarbeiten. Die Gutachten werden im Laufe des bevorstehenden Winterhalbjahres durch den Druck veröffentlicht und an die mehr als jooo Mitglieder des Juristentages verschickt Zusammen mit den münd- lichen Berichten zweier anderer Jurisien bilden die Gut- achlen die Unterlage der Beratung und Beschlußfassung des Juristentages. <

Da ist es zunächst notwendig, sich die wichtigsten Unterschiede der vier Gebiete, auf denen solche Anspruch, der Angestellten eventuell vorgebracht werden könnten, klar zu machen, i. Das Kunstschutzgesetx vom g Januar igo7 regelt den Schutz der selbständigen künstlerischen (ästetisch wirksamen) Leistungen. 2. Das Oeschmacks- mustersehutzgesetz vom 11. Januar 1876 gewährt der ge- schmackvollen [)arstellung gewerblicher Erzeugnisse Schutz, also den ästhetischen Oeschmacksniusterschutz. 3. Da» Gebrauchsmusterschutzgesetz vom i.Juni 1891 schützt Modelle

von Arbeitsgerätschaften oder Gebrauchsgegenständen oder von Teilen derselben, insoweit sie dem Arbeits- oder Ge- brauchszweck durch eine neue Gestaltung, Anordnung oder Vorrichtung dienen sollen. Diese Modelle sind demnach kurzweg als Nützlichkeits- oder Gebrauchsmuster zu be- zeichnen. 4 Das Patentgesetz vom 7. April 1891 erteilt Schutz für neue Erfindungen, welche eine gewerbliche Ver- wertung gestatten.

Es ist also bei 1 und 2 die ästhetische Seile und bei 3 und 4 die praktische Seite maiigebend Bei i und 2 haben wir schon jetzt viele Berührungspunkte. Zum Bei- spiel können Werke, die nach 1 schutzf.ihig sind, auch zum Schutz nach 2 angemeldet werden. Es steht zu hoffen, dali, je mehr sich das Gewerbe wieder heben wird, die Unterschiede zwischen 1 und 2 sich mehr und mehr ver- wischen und die beiden Gesetze schlieltlich in eins ver- schmolzen werden. Wünschen wir doch auch nichts sehn- licher, als dali der Name .Kunst>-gewerbe in absehbarer Zeit ein ganz unnötiger Begriff sein werde.

Anders stehen 3 und 4 zueinander. Wenn sie auch beide die praktische Seile schätzen, so bleibt zwischen ihnen doch der fundamentale Unterschied, daß 3 die •Her- stellung einer I ornt', 4 dagegen einen »technischen F-fftkt bezweckten« (Klostermann, Urheberrecht S. 100).

Auf allen vier Gebieten kann ein AngesteilUr in ifiner Arbeit Eigenes hervorbringen : er kann einen künstlerischen Schöpfungsakt vollziehen; er kann einem gewerblichen Er- zeugnis eine geschmackvolle Darstellung geben, er kann für einen Gebrauchsgegenstand eine neue Nül/lichkeilt- form finden; er kann endlich eine Erfindung machen, die durch einen technischen Effekt eine gewerbliche Ver- wertung gestattet.

Der L'mfrage des Verbandes deutscher Kunstgewerbe- Vereine« wäre also folgende Fomiulicning zu geben: Kann ein Angestellter aus solcher, im Dienste eines L'nter- nehmers geleisteten Tätigkeit die eingangs gescMiidtrIen An- sprüche sielten? Sind evenlueU einige Gebiete hierbei aas- zuschließen ? Kann man eine prinzipielle ailgrmftn gülligt l-'orm finden, um die Rechte der AngeUeUten siciur tu stellen und gegebenen I alles zu schützen ''

Die Ansprüche de» Angettellten zerfallen in dr«i Teik: I. Das U'rheberrecht »oll sich an die Per»on de* Ang«-

stellten, als des Urheber», heften. II. Dem l'nlcrnehnier »oll nur zeitweilig, unter O*-

winnbclciligung de» Angestellten, die Nulrnießung

der durch diesen hervorgebrachten Schöpfung ge- stattet sein. III. Für den Fall der Beendigung de» Dicnslverhillni»»« hl für I al» auch für II. auf getetf- Ml VX'ege Klarheit geschaffen werden.

Punkt I muHte natürlich die \'orrau»»el/ung lür die Punkte II und lil bilden. LVthalb i»l es inlrrr-.unl. tu »chen, wie sich die Ge»elzgeber noch :eT Zeil

(in den »Motiven« zum neuen Kumi ' über

diesen Punkt I geiuBert haben, nämlich lii, n;

»Nach den /edesmaJ obwaütnäei \ er \%\

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

photographische Gewerbe wichtige Frage zu entscheiden, ob das Urheberrecht an einem Werke, das jemand im Dienste eines geschäftlichen Unternehmens und für dessen Zwecke hervorgebracht hat, bei dem Urheber verblieben oder auf den Betriebsunternehmer überge- gangen ist.«

»Wird im allgeiiieincn zwar angenommen werden können, daß das Recht auf den Unternehmer übergegangen ist, wenn der Urheber, namentlich als Angestellter, Be- amter usw., seine Dienste dem Unternehmer berufs- mäßig und gegen Entgelt zur Verfügung gestellt hatte, so hat dock von der Aufnahme einer gesetzlichen Prä- sumtion in das Gesetz abgesehen werden müssen, da eine solche Vorschrift der Verschiedenheit der Fälle nicht ge- recht werden würde.« Aus Absatz i kann man wohl in umgekehrter Weise den Schluß ziehen, daß, wenn ein Werk nicht für die be- sonderen Zwecke des Unternehmers hervorgebracht wurde, sondern außerhalb des Rahmens und der Tendenz des Unternehmens fällt, dem Unternehmer dann auch kein Ur- heberrecht, wenn auch vielleicht ein Nutznießungsrecht, zustehe. Da die Motive« zum Kunstschutzgesetz an anderer Stelle, bei der Erläuterung des (fortgefallenen) § 4, betont hatten, daß bei einem Werke der bildenden Künste dcr/enige als der Urheber anzusehen sei, welcher den künstlerischen Gedanken erfaßt und luinstlerisch zur Darstellung gebracht hat,, so wird in den meisten Fällen denjenigen Angestellten, denen man nach der ganzen Art ihrer Beschäftigung ein selbständiges Denken und Schaffen zutrauen darf, auch ein Urheberrecht zugesprochen werden. Das darf man, wieder im umgekehrten Schlüsse, aus einer Bemerkung der genannten Motive« entnehmen, die den unselbständigen Arbeiter von einem Urheberrecht aus- schließen soll. Sie lautet:

Der Gehilfe, Werkmeister, Arbeiter usw., der zur Ausführung vom Arbeitgeber zugezogen wurde, hat dem- nach natürlich keinen Anspruch auf ein Urheberrecht zu erheben. Ähnliches gilt für den Bereich der Photo- graphie. Auch hier wird derjenige, welcher die Auf- nahme leitet, nicht nur dann als Urheber anzusehen sein, wenn er die zur Aufnahme des Bildes, zur Über- tragung des Negativs in das Positiv usw. nötigen Ver- richtungen in Person ausführt, sondern auch dann, wenn er sich bei diesen Verrichtungen anderer Personen be- dient, die nach seinen Anweisungen tätig werden. Ich meine, daß die Gesetzgeber sich zu einer präsum- tiven Festlegung der Frage: -Geht das Urheberrecht auf den Angestellten über oder nicht? auch bei der Revision des Patentgesetzes oder des Geschmacksmusterschutzge- setzes ebensowenig entschließen werden, wie sie es beim neuen Kunstschutzgesetze getan haben.

Ferner scheint es mir technisch unmöglich, die Punkte II und III der Gehilfenforderungen durch eines der vier oben genannten Gesetze zu regeln; das könnte wohl nur im Handelsgesetz, und zwar eventuell durch eine Ein- schiebung nach § 60, geschehen? Man darf auch nicht übersehen, daß es sich bei jenen Gesetzen im besten Falle wahrscheinlich nur um eine dispositive Bestimmung han- deln würde, die jederzeit durch einen Vertrag zwischen dem Unternehmer und Angestellten aufgehoben oder ab- geändert werden könnte. Schon jetzt werden von Unter- nehmern (leider) zuweilen solche Verträge abgeschlossen. Ich sage leider, denn, wenn man auch behauptet, es sei ja ein Akt freier Willensbestiiimiung, wenn der Angestellte einen solchen Vertrag unterzeichne, so kann man darin, daß der Angestellte vor die Alternative gestellt wird, ent- weder den Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte zu ge- statten oder auf die Anstellung zu verzichten, ein unsitt-

liches Moment erblicken. -- Aber selbst wenn der Unter- nehmer das Urheberrecht eines Angestellten anerkennt, so kann er ihn doch auch noch nach seinem Dienstaustritt in der Ausübung seines Rechtes empfindlich hindern. Die deutsche Bauzeitung erzählte einmal den Fall, daß einem Architekten sogar die leihweise Herausgabe seiner Zeich- nungen, die er bei einer neuen Stellenbewerbung vorlegen wollte, von dem betreffenden Stadtbaurat verweigert wor- den wäre, und zwar unter dem Vorwande: die Zeich- nungen gehörten zu den Akten. Andere Unternehmer machen den Einwand, daß ja die Materialkosten für die Herstellung der Modelle von ihnen bezahlt worden seien usw.

Immerhin darf man hoffen, daß die Agitation des Verbandes der Kunstgewerbevereine« die Unternehmer zu einer liberaleren Gesinnung ihren Angestellten gegen- über bewegen wird , wozu auch diese Zeilen beitragen mögen.

PREISAUSSCHREIBEN

Klagenfurt. Preisausschreibung des Landesausschusses des Herzogtums Kärnten für neue gewerbliche Fremden- artikel. Zur Erlangung von guten Entwürfen und Mustern für kleine Gebrauchs- und Ziergegenstände, besonders auf dem Gebiete der Holzschnitzerei, Drechslerei, Korb- flechterei, Töpferei, Leder-, Stein- und Metallindustrie, Stickerei- und Nadelarbeit, welche als eigenartige Er- innerung an das Land Kärnten für Fremde geeignet sind, werden nachstehende Preise ausgesetzt: je ein Preis zu 300, 200, 150, 100 K; zwei Preise zu 50 K, sechs Preise zu 25 K, zusammen 1000 K. Ferner wurde je ein Ehren- preis im Betrage von 100 K von der kärntnerischen Han- dels- und Gewerbekammer und von der Landeshauptstadt Klagenfurt, sowie eine Prämie von je 50 K von der Stadt Villach und von der kärntnerischen Oewerbehalle gewid- met. Zur Preisbewerbung werden Inländer und Ausländer zugelassen. Die Herstellung der Gegenstände soll nicht durch die Fabrikindustrie, sondern durch das Gewerbe und Kunstgewerbe erfolgen und auch die bestehende heimische Hausindustrie kunstgewerblicher Richtung be- leben. Der Verkaufspreis eines ausgeführten Gegenstandes soll sich ungefähr zwischen 50 h bis 20 K bewegen, be- sonders erwünscht sind solche Gegenstände, die sich zur billigen Massenerzeugung eignen und deren Verkaufspreis zwischen 50 h und 3 K liegt. Alle Entwürfe und Muster müssen in natürlicher Größe gehalten sein. Die Arbeilen sind bis 75. März an den kärntnerischen Landesausschuß kostenfrei einzusenden. Maßgebend für die Zuerkennung des Preises ist der Erfindungsgedanke, die eigenartige kärntnerische Form, oder die Technik im Verfahren und in der Ausschmückung. Ferner die Möglichkeit, den be- treffenden Gegenstand als billigen Massenartikel auf den Markt zu bringen. Auch neue Verfahrungsarten, welche bei Herstellung von Gattungsartikeln Verwendung finden, können Preise bekommen. Der Erfinder ist eventuell ver- pflichtet, allfällige Geheinmisse der Erzeugung dem die Arbeit ausführenden Gewerbetreibenden mitzuteilen. Der Landesausschuß hat nach seiner Wahl für die mit den höheren Preisen bedachten Entwürfe den Musterschutz zu erwirken. Der Einsender eines mit höheren Preisen aus- gezeichneten Entwurfes hat das Recht, den Antrag zu stellen, daß auf jedem, nach diesem Muster oder Entwürfe hergestellten Gegenstande »nach Tunlichkeit sein Name und die Zuerkennung des Preises angebracht wird. Dieser Anspruch an den Landesausschuß muß jedoch umgehend nach erlangter Kenntnis der Preiszuerkennung erfolgen. Dem Landesausschusse steht das Ko/-kaufsrecht für die nicht prämiierten Modelle und Entwürfe zu.

KUNSmiiWl.KHLICHE KUNDSCHAU

97

Danzig. Der »Verein für Kunst und Kunstgewerbe« schreibt je einen Wettbewerb aus zur Erlangung von Ent- würfen: 1. für sein Vereinssinncl ; 2. für die erste Seile des Programms der Veranstaltungen des Vereins für Kunst und Kunstgewerbe in Danzig im Winter 19080g. Das Winterprogranitii hat ein Format von 22 cm Höhe und 15 cm Breite. Der Text der ersten Seite lautet: -Verein für Kunst und Kunstgewerbe. Winterprogramm. Danzig igoS 09-. Zulässig sind höchstens zwei Druckfarben. Gestattet ist die Verwendung der von einem anderen Künstler geschaffenen Drucktypen und Ornamente. Wird statt der Verwendung fertigen typographischen Materials eine besondere Zeichnung vorgesehen, so ist darauf Bedacht zu nehmen, daß Zeichnung und Te.xt durch Klischees (Strichätzung) vervielfältigt werden können. Die Ein- tieferang der Entwürfe 1. für das Vereinsignet hat bis spätestens zum 75. Februar igoS (einschließlich), 2. für die erste Seite des Winterprogranims hat spätestens bis zum ;. März tgoS (einschließlich) bei dem Vorsitzenden des Ausschusses für Wettbewerbe, Herrn Baurat Professor Carsten in Langfuhr, Parkweg Nr. 5, zu erfolgen. Für die drei besten Entwürfe in jedem der beiden Weltbewerbe setzt der Verein Ehrenpreise, bestehend in Kleinkunst- werken, aus. Das Preisgericht besteht aus den Herren Professor von Brandis, Baurat und Professor Carsten, Stadtrat Ooeritz, Geheimer Regierungsrat Professor Dr. Matthaei und Landbauinspeklur Renner.

HANDEL UND GEWERBE

Bei der Beratung des Etats für Handel und Gewerbe in der Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses führte der Minister aus:

Die Zahl der obligatorischen Fortbildungsschulen wird beständig größer; von den gewerblichen Anstalten zum Beispiel haben 1505 Zwangsbesuch und nur 74 haben diesen nicht. Man müsse versuchen, durch Landesgesetz an Städten mit über loooo Einwohnern überall obligato- rische Schulen einzurichten. Im Etat sind für das Fort- bildungsschulwesen 590000 Mark mehr eingesetzt.

Die Erhöhung der Position, die für Unterstützung der Rechtsberatungsstellen bestimmt ist, um 15000 Mark, fand Beifall, doch hält man die Gesamtsumme von 55000 Mark, die der Etat enthält, noch für zu gering. Unterstützt werden von der Regierung die Rechtsberatungsstellen der Gemeinden, doch müssen sie unparteiisch arbeiten; die Beihilfe an Vereine ist prinzipiell nicht ausgeschlossen. Die Mitwirkung von Frauen wird gewünscht; die Regierung erklärt, daß sie diese bisher schon empfohlen haben.

Die Porzrllanmanufaktur hat dem Etat zufolge gün- stigere Ergebnisse erzielt. Der Staatszuschuß beträgt nur noch 1200 Mark gegen 10000 Mark im Vorjahre.

Der Minister gab, nach einem Bericht des B. T , ein- gehende Mitteilungen über die Organisation des Gewerbe- amtes. Auch sprach er ausführlich seine Anschauungen über die neue Richtung im Kunstitandwerk aus; er rühmt dieser nach, daß sie überflüssige Ornamente ausscheide), daß sie aber die historische Anknüpfung leicht vermissen läßt und namentlich auch gute, alte Technik nicht mehr benutze; es sei seine Aufgabe, dem entgegenzuarbeiten. Den Meisterkursen steht der Minister sympathisch gegen- über, besonders da sie auch für ältere Gesellen dienen, die sich selbständig machen wollen.

STAATLICHE UND STADTISCHE KUNSTPFLEOE

Eine Deputation für Kunstzwecke bc.ihiriit'-t, wie wir hören, der Magistrat Charlottenburgs i Die Deputation soll als Verwallungsdeputatiun g.;. .. yt Kunslgcwcrbeblatt. N. F. XIX. H -,

der Städteordnung gebildet werden und soll sich aus fünf- zehn Mitgliedern zusammensetzen, die aus je filnf Magistrals- mitgliedern, fünf Stadtverordneten und ///"/ Kümlltrn oder Kunstiachverständigen als Bürgcrdeputierlen bestehen. Die Künstler werden auf Vorschlag der ersten zehn Mit- glieder von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Der Deputation für Kunstzwecke wird überwiesen: die Sorge für die Ausstattung der städtischen Gebäude und Amts- räume, der städtischen Straßen und Plätze durch An- schaffung von Werken der Bildhauerkunst oder Malerei oder des Kunstgewerbes und die Pflege dieser Künste und des Kunstgewerbes auJSerhatb des Rahmens der Kunst- gewerbeschule. Der Kunstdepiitation wird die Verfügung über diejenigen Mittel übertragen, die im Etat oder durch besondere Bewilligung bereitgestellt sind. Ferner hegt der Kunstdeputation die Abgabe von Gutachten in allen Kunstangelegenheiten ob, die seitens des Magistrats von ihr erfordert werden, oder die sie aus eigenem Antrieb zu erstatten wünscht.

AUSSTELLUNGEN

Berlin. Bei Friedmann und Weber wurde eine inter- essante Ausstellung 'Der gedeckte Tisch eröffnet, an der besonders mitgewirkt haben: Karl Walser, Frieda Jacoby, Architekt Ernst Lessing, Julius Senft, Ernst Fiiedmann, Rudolf Alex. Schröder, Marie Kirschner, Frau Steinthal, Franziska Brück, Sophie L. Schlieder, Fia Wille, Cucuel Tscheuchner, Gräfin Montgelas-Dresden, v. Versen, R. Tor- now, Alice Senft, Geheimer Rat Kayser, Korn. -Rat Heyl, Meier-Gräfe, Else Oppler-Legband, Ossip Schubin, Otto Haas-Hcyl, E v. Studnitz und Julius Oipkens.

Düsseldorf. Eine Ausstellung Prof. (oseph Olbrichs, die sein gesamtes Lebenswerk umfaßt, ist im hiesigen Kunstgewerbemuseum eröffnet worden, und soll wohl den Vorschlag des Magistrates, Olbrich das Direktorat der Kunsl- gewerbeschule zu übertragen, wirksam unterstützen. Aber von der künstlerischen Qualifikation Olbrichs ist die preu- ßische Regierung, die sich vorläufig noch gegen seine Be- rufung sträubt, ja überzeugt und ihre Bedenken sind mehr persönlicher Natur. Eineriei, die Ausstellung biete« $0 viel Interessantes, daß man sich nicht um die, vielleicht mit ihr verbundene sogenannte Kunstpolitik zu kümmern braucht. In den drei Sälen finden wir zuerst Tagebuchblälter-Skiacn und Studien aus den Jahren |8<J2 bis 1S98 aus Tuni», Sizilien, Rom, Wien usw., Kircheninterieurs aus Rom und Benevent, die Rekonstruktion des Ren.i in

Piacenza, das alte Theater in Megalupo'. cre

Blätter, die Zeichnungen für den Baseler I ein

Modell der Dreihausgruppc in Darmstadl, d.i ler

Ausstellungsgebäude mit dem 52 m hohen .en

Aussichtsturm, ferner einen gestickten Vt'at im

Musiksaal des Orolther/ogs von Hessen, den ! en

Teppich, viele Schmucksachen, die von dr: tcn

Robert Koch in Frankfurt a. M. und Bojscn in KreicUI aui- geführt sind. Endlich die 7.Mi"nii in /u ,!ri: \\ ..:ri.liju» der Düsseldorfer BaugeS'

Hamburg. Der Kun; ß-

lieh nur die Pflege des U rie

gesetzt und dann sein Oebiii .ivmi .im >. he

Kunst erweitert hatte, ist in Zahlungiv .;e-

ralen und versucht, die Ausgabe von mucII-

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

zwischen dem i. März und 15. April eiiisieliefert werden müssen, damit ihre Ausstellung eine Woche vor der Er- öffnung der Ausstellung vollendet ist. Bekanntlich müssen die auszustellenden Gegenstande, entsprechend dem Pro- gramm, ganz oder teilweise in München hergestellt, oder, wenn sie auswärts hergestellt sind, von Münchener Künstlern entworfen sein. Außerdem sind zulässig alle im Münchener Handel befindlichen Handelswaren, mit Ausnahme der- jenigen, die den gleichartigen Waren Münchener Herkunft Konkurrenz machen. Das wird wohl auf die Mehrzahl der auswärtigen Waren zutreffen.

München. Die Folge der III. deutschen Kunstgewerbe- Ausstellung, in der die führende Rolle ausschließlich den Künstlern zugewiesen wurde, war eine starke Beunruhigung in den Kreisen der Handwerker, welche fürchteten, daß man ihnen ihre Selbständigkeit nehmen wolle. Diese Be- unruhigung ist geblieben und bewirkt, daß man auch der Ausstellung München igoS gegenüber ein ähnliches Miß- trauen hegt. Da wird es interessieren, daß sich in den Amt- lichen Mitteilungen« ein Kunstschriftsteller Wilhelm Michel, natürlich mit amtlicher«; Genehmigung über die Ziele der Ausstellung klar ausgesprochen hat. Wir finden in seinem Aufsatz Der Raum als Kunstwerk- folgende Sätze, die gewiß die heutige Situation richtig beleuchten: Gewiß, Künstler waren es, die zuerst auf die Stimme der Zeit horchten und ihr Verlangen nach umfassenderer Selbstdarstellung ver- standen. Künstler haben eben feinere Ohren für solche Dinge. Aber als sie sich daran machten, jenes Verlangen zu stillen, da waren sie niciüs als Lehrer des Handwerks. Sind ge- schmackvolle Disposition, kluger, materialgemäßer Aufbau und zweckentsprechende Gestaltung etwa integrierende Be- standteile der künstlerischen Produktion? Ich glaube nicht. Die Kunst schöpft aus ganz anderen Quellen. Lehrer waren die Künstler, und wie ihre Anregungen gefruchtet haben, das läßt sich aus dem Formenvorrat jedes intelligenten Schreinermeisters der Gegenwart abnehmen. Was vor zehn Jahren noch mit mancherlei Zweifeln ersehnt wurde, ist heute vollendete Tatsache geworden: Jeder intelligente Handwerksmeister besitzt einen Schatz an Formen, der es ihm möglich macht, eine ganze Reihe der regelmäßig wieder- kehrenden Aufgaben geschmackvoll und dem einzelnen Fall entsprechend zu lösen. Damit ist der Anfang zu der ersehnten Demoliratisierung- der kunstgewerblichen Bestre- bungen gemacht. . . Vom Raum als Kunstwerk konnte man nur so lange reden, als man eben Geschmack und kluge Disposition in der Innenausstattung als etwas Fremdartiges, Ungewohntes, Regelwidriges empfand. Hoffen wir, daß die Ausstellung »München igoS zur Beseitigung dieses Dislanz- gefühles recht viel beitragen werde.«

VORTRÄGE

wohl mit dem inneren Zuge der Zeit zusammen, der heute jeden anweist, sich in der Fülle der Erscheinungen gegen die allzuvielen Ansprüche des Tages auf das Unerläßliche, streng Sachliche und Notwendige zu beschränken. Dies sei auch der Jungbrunnen unseres Kunstgewerbes. Anderer- seits müsse man daran festhalten, daß es sich nicht um die Entdeckung von etwas ganz Neuem handele. Diese Auffassung könne nur dazu verführen, zu früh an eine be- wußte Stilbildung zu denken, anstatt auch die Zierformen aus den reinen Nutzformen sich entwickeln zu lassen.

Warum schmücken wir unsere Gebrauchsgegen- stände? Über dieses Thema hat Prof. Dr. Paul Ree im Bayerischen Gewerbemuseum einen Vortrag gehalten. Er wendete sich gegen die Tendenz des Schmückens unserer Gebrauchsgegenstände. Er wies darauf hin, daß allerdings der ornamentale Schmuck leicht zum Phrasen- tuni führe. Das habe man im Lager der Modernen, wo der Jugendstil groß geworden sei, gerade so erlebt wie in dem historischen Stilisten, wo neben wenig Kunst viel Unkunst aufgewachsen sei. Vor der Phrase rette allein die moderne Schaffensweise. Nur sie gebe unseren Gebrauchsgegenständen das rechte künstlerische Gepräge. Unsere Räume seien erst dann der Widerhall unseres Fühlens und Denkens, wenn sie den Schein des Belebt- und Beseeltseins hätten und uns gleichsam mit lebhaftem Mienenspiel anredeten, und das alles bewirkte die Kunst einmal durch Steigerung des Funktionsausdrucks und dann durch die Oberflächenbelebung mit Hilfe von Tönung, Olättung, Rauhung, Materialveredelung und Ornamentation.

VERMISCHTES

Königsberg. Über ^Nutzformen und Zierformen im alten und neuen Kunstgewerbe« sprach Direktor Dr. Peter 7«sfß-Berlin im Kunstgewerbeverein in einem durch aus- gezeichnete Lichtbilder erläuterten Vortrage. Er ging von dem Grundgedanken aus, daß alle Werkkunst das Not- wendige zum Schönen gestalten will: je restloser sie diese ihre Lebensaufgabe löst, um so höher stehen ihre Werke. Die E.-füllung des Zweckes ist Voraussetzung aller ge- sunden Handwerkskunst; sie zu empfinden, gewährt uns Genuß. Ob dieser Genuß durch das ästetische Gefühl oder mehr durch den Verstand vermittelt wird, sei schwer zu entscheiden und auch von der geistigen Anlage des Genießenden abhängig. Jedenfalls aber kommt es heute mehr als je auf die Sachlichkeit bei den Arbeiten des Kunstgewerbes an. Dieser Sinn für das Notwendige hängt

Preisausschreiben zur Hebung deutscher Stu- dentenkunst. Dieser interessante Wettbewerb des Stutt- garter kgl. Landes-Oewerbemuseums, der am 15. Mai igo8 fällig wird, erfreut sich großer Gönnerschaft. Die als Grund- stock gestiftete Summe von 1000 Mark ist bereits auf das Vierfache angewachsen. So hat z. B. der Sondershäuser Verband deutscher Sängerschaften allein die Summe von 1000 Mark gestiftet.

UNLAUTERER WETTBEWERB

AUSSTELLUNGSSCHUTZ

Die Abänderungsvorschläge der Regierung für das deutsche Gesetz zur Bekämpfung des un- lauteren Wettbewerbs«. Der Reichsanzeiger« ver- öffentlicht den vorläufigen Entwurf eines Gesetzes be- treffend die Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai i8g6. Die wich- tigsten neuen Punkte sind folgende:

§ 7. Eine Ankündigung, die den Anschein hervorruft, daß es sich um den Verkauf von Waren handelt, die den Bestandteil einer Konkursmasse bilden, gilt als unlauterer Wettbewerb, wenn der Verkauf nicht für Rechnung der Konkursmasse vorgenommen wird.

v? g. Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, den Verkauf von Waren unter der Be- zeichnung Ausverkauf ankündigt, ist gehalten, in der An- kündigung die Gründe anzugeben, die zu dem Ausverkauf Anlaß gegeben haben.

Mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr wird bestraft, wer im Falle der An- kündigung des Ausverkaufs Waren zum Verkauf stellt, die den durch die Ankündigung betroffenen Waren nachträg-

KUNSTGEWF.RI5LICIin RUNDSCHAU

99

lieh hinzugefügt worden sind oder für deren Verkauf der bei der Ankündigung angegebene Grund des Ausverkaufs nicht zutrifft.

Der Ankündigung eines Ausverkaufs steht jede sonstige Ankündigung gleich, welche den Verkauf von Waren wegen Beendigung eines Geschäfts, Aufgabe einer ein- zelnen Warengattung oder Räumung eines bestimmten Warenvorrats ans dem vorhandenen Bestände betrifft.«

Diese Paragraphen werden den kleineren Kunstge- werbetreibenden, die zuweilen unter dem unlauteren Wett- bewerb der Bazars und Warenhäuser usw., leiden, etwas mehr Schutz gewähren als früher.

Etwaige Gegenvorschläge mülilen in Form eines An- trages den betreffenden Bundesregierungen unterbreitet werden.

Auch der internationale Schutz gegen unlauteren Wett- bewerb soll künftig besser geregelt werden. In Paris tagte am 29. und 30. November vorigen Jahres eine Internatio- nale Ausstellungskonferenz, auf der Deutschland durch die »Ständige Ausstellungskommission für die deutsche In- dustrie vertreten war, hat unter anderen folgende Be- schlüsse gefaßt:

Zur Herbeiführung eines verstärkten Schutzes des geistigen Eigentums auf internationalen Ausstellungen, und zwar sowohl auf dem Gebiete des künstlerischen und lite- rarischen Urheberrechtes wie auf dem des gewerblichen Rechtsschutzes, wurden auf Antrag der deutschen Dele- gierten die folgenden Resolutionen gefalit:

1. Es ist wünschenswert, daß durch eine internationale Übereinkunft sämtlicher der Berner Konvention bisher nicht angehörender Staaten allen künstlerischen und literarischen Werken, die auf internationalen Ausstellungen zur Schau gestellt werden, ein Urheberschutz für die Dauer einer noch zu bestimmenden, aber jedenfalls mit der Eröffnung der Ausstellung oder mit der Schaustellung beginnenden Frist gewährt werde, und zwar sowohl in den Staaten, in denen die Ausstellung stattfindet, als auch in allen übrigen Vertragsstaaten dieser Übereinkunft. Hierbei soll die Schutz- gewährung an keinerlei Erfüllung von Formalitäten ge- knüpft sein.

2. In Ausführung des Artikels 1 1 der Pariser Konven- tion und auf Grundlage der auf dem Kongreß der Inter-

nationalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz in Lüttich 1905 gefaßten Beschlüsse soll, außer der durch diese letzteren vorgeschlagenen Gewährung eines Priori- tätsrechtes und den hinsichtlich des Ausführungszwange« vorgesehenen Erleichterungen, allen Erfindungen, gewerb- lichen Mustern oder Modellen und Warenzeichen, die auf einer internationalen Ausstellung zur Schaustellung ge- langen, ein zeitweiliger Schutz gewährt werden, und zwar mindestens für die Dauer der Ausstellung beziehungsweise der Schaustellung oder einer mit der Eröffnung der Aus- stellung beginnenden Frist von sechs Monaten.

Die gleiche Regelung ist auch den der l'ariscr Kon- vention nicht angeschlossenen Staaten zu empfehlen.

In Verfolg dieser Beschlüsse hat die erwähnte deutsche ^Ständige Ausstellungskomrtiission für die Deutsche In- dustrie« dem Herrn Reichskanzler den Antrag unter- breitet:

die auf der Pariser Konferenz behandelten Fragen, die für das nationale wie internationale Ausstellungs- wesen und für die Erhaltung der guten Ordnung und Sitten im in- und ausländischen Handelsverkehr von größter Bedeutung sind, wohlwollend zu prüfen und bei dem Ausbau der internationalen Verträge wie bei der bevorstehenden Reform der deutschen Gesetzgebung über gewerblichen Rechtsschutz und zur Bekämpfung de» unlanteren Wettbewerbes auf eine Verwirklichung der Pariser Beschlüsse hinzuwirken. <

Der mit ausführlichen Erläuterungen versehene Antrag bezweckt, einen verstärkten Schutz des geistigen Eigentums auf internati malen Ausstellungen, und zwar sowohl auf dem Gebiete des künstlerischen und literarischen Urheber- rechts wie auf dem des gewerblichen Rechtsschutzes herbei- zuführen, außerdem aber die Grundsätze der Verleihung und des öffentlichen Qebiauches von Ausstcllungsmcdaillen einer durchgreifenden und möglichst einheitlichen Regelung näher zu bringen. Den Handelsvertretungen im Deutschen Reiche ist Abdruck des Antrages übermittelt worden mit dem Ersuchen, die Ständige .Xusstellungskonimission ge- gebenenfalls über die Stellungnahme der Korporation zu den behandelten Fragen zu unterrichten und, falls auf dem Gebiete des Medaiilenunwescns neue Erfahrungen vor- liegen, der Kommission auch fernerhin das betreffende Material zu übermitteln.

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ARBEITEN AUS D. AB TEll UNO F. KUNSTQEWEHBl.. MODELLIEREN, KOL. KUNSTOEWERBESCHULE DRESDEN, PROF. K. OROSS i

Kunstgewerbcblatl. N. F XIX. H. o

ARBEITEN AUS DER ABTEILUNG FÜR KUNSTGEWERBL. MODELLIEfJEN, KCL. KUNSTGEWERBESCHULE DRESDEN, PROF. K. GROSS

Brunnen

von K. Hübe

Brunnen i u. 3 von K. Hübe

Brunnen

Brunnen 2 von Ad. Peter

von Fr. Stellmacher

ARBFITF.N AUS U\\< ABTEILUNG FÜR KUNSTOEWERBL. MODFXLIEREN, KQL. KUNSTOEWERBESCHULE DRESDEN. PROF. K. GROSS

Kacheln von K. Feuerricgel

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Schrcilucu^ von Rohm

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ARBEITEN AUS DER ABTEILUNG FÜR KUNSTGEWERBLICHES MODELLIEREN KCL. KUNSTQEWERBESCHULE DRESDEN, PROF. K. GROSS

Gartenplastik von H. Schellbacli

Gartenplastik von P, Weiß

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Kapitell von K. Dämmig

KUNSTGEWERBLICHE ZEIT- UND STREITFRAGEN

Von Karl Gross

DIE MODEFWE BEWEGUNG UND DIE BREITEN MASSEN

Die breiten Massen mit solidem Geschmack zu durchtränken ist zurzeit ebenso unmöglich, wie Öl in Wasser zu rühren. Man mut5 die obere Ölschicht so verstärken, daß sie eine dichte Decke auf der wässerigen Masse bildet und dieser ihre eigene Bewegungsfähigkeit allmählich nimmt, das heißt es muß eine breitere Schicht Deutscher erstehen, welche nicht nur wässerig zivilisiert ist, sondern auch Gesinnungs- adel und Gemütstiefe besitzt.

Nur auf diese Weise kann das neue Kunstgewerbe heranwachsen; es braucht Gesinnungstüchligkeit zu seiner Entwickelung; der Keim hierzu ist schon ge- steckt und sprießt lebenskräftig. Zu welcher end- gültigen Gestalt er sich schließlich auswachsen wird, ist noch nicht zu sagen. Vorerst haben wir es mit einem noch ziemlich einfachen aber gesund ent- wickelten Trieb zu tun, der bereits da und dort An- sätze zu reicherer Entfaltung zeigt. Wenn nicht neben ihm so viele Wassertriebe wucherten, könnte er bereits kräftiger sein.

Aber nur vor allem die Pflanze natürlich weiter- wachsen lassen und nicht ins Treibhaus geschäftlicher Habgier damit!

Diese Habgier macht sich den Moloch Publikum zu Diensten; der hat einen dicken Bauch und ein breites Maul und möchte im Frühjahr bereits Herbst- früchle zum Fraß, weil er für das Sprießen und Sprossen des Frühlings, für die bescheidene Schön- heit und Kraft des Werdenden keinen Sinn hat. Darum gehört Gesinnungstüchtigkeit dazu, um das Werdende geschäftiicii zu pflegen und zu fördern; doppelte Gesinnungstüchtigkeit, weil hierbei 0<'ir//ä//'5- mann und Erzieher vereint sein müssen.

Es gibt in Deutschland eine Anzahl Unternehmen, welche auf diesem Prinzip gegründet sind und be- reits ihr Publikum finden und vermehren; es gibt auch ältere Geschäfte, welche das Werdende gesinnungs- tüchtig und weitblickend zu fördern suchen, soweit es ihre finanzielle Grundlage erlaubt. Die Mehrzahl dient jedoch unentwegt dem Moloch, darunter auch Kunsthandlungen und NX'arenhäuser, die sich erst des jungen Kunstgewerbes annahmen. Von diesen wird am Ende der moderne Trieb doch nur zu ego- istischen geschäftlichen Zwecken ausgenützt, von Er- ziehungsarbeit ist dabei nicht viel zu reden. Bald

merken diese Unternehmer, daß sich die Sache nicht recht lohnt; es soll alles so solid sein, dadurch wird es teuer, trotz der Einfacheit. Das kauft der Moloch nicht, darum wird er eben wieder mit etwas anderem zu füttern versucht, was ihm den Gaumen kitzelt und das Geld aus der Tasche lockt.

Man richtet daher den Moloch jetzt wieder in alten Stilen ein, aber nicht so wie in den letzten Jahrzehnten, wo man wenigstens den Ehrgeiz hatte, das Äußere alter Stile für Neuaufgaben umzuwandeln, nein, man kopiert alte Möbel, das ist sicherer in be- zug auf (jeschmack und man spart dabei auch noch die teuren Entwürfe. Dem Adel und dem reich Gewordenen ebenso, wie dem nach oben schielenden Bürgersinn gefällt das fabrikmäßig nachgemachte Alte, denn es sieht doch nach etwas aus und man fühlt sich selbstgefällig einer anerkannten Kultur teil- haftig - die andere geschaffen haben.

Nicht die schöpferischen Regungen und Arbeiten zu einer Kultur, die wir aus eigenem Verdienst, mit eigenem Herzblut schaffen wollen, werden geschätzt, sondern man fühlt sich erhaben durch verdienstvolle Arbeit der Vorfahren, die man sich in gewissen Kunsthandlungen oder ähnlichen Warenhäusern für sein Geld in Nachbildungen kauft

Nicht die jungen Triebe voll Lebenssaft werden in ihrem Wachstum geptlegt und gefördert, nun schmückt sich lieber mit nachgemachten Blumen.

Nicht die scliöpferischen Kräfte der Nalinn werden verständnisvoll unterstützt, sondern die Habgier )cncr Fabrikanten und Händler, welche den geistigen Forl- schritt einer Nation für ein Linsengericht verkaufen, wenn es ihnen paßt. Das mögen sich jene merken, welche die äußerlichen Merkmale vergangener Stile in unsere Zeil immer wieder hereinzcrren wollen.

Die Seele dieser Stile hal von diesen Herr^luflcn wohl noch keiner gefühlt, denn sonst müßte er er- fahren haben, daß es dieselbe Seele ist, die auch heule noch die ' ' ' n Talente drängt, das Leben schön zu ihre Zeit Das Verständnis

für geistige l'iiiw.ili!ungen war allerdings zu allen Zeiten zunächst nur bei wenigen, diese haben sicli aber stets bald vermehrt und die Irigc Masse unter- jocht — die Öldecke über dem Wasser.

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KUNSTGEWERBLICHE ZEIT- UND STREITFRAGEN

ERZIEHERISCHE KLEINARBEIT

Große Ziele für eine geistige und wirtschaftliche Bewegung aufzustellen, ist wohl nötig, noch nötiger ist aber dann das praktische Leben, wie es nun ein- mal da ist, tüchtig anzufassen und auf die richtigen Wege zu bringen. Das kann man nicht durch Vor- träge und Aufsätze allein fertig bringen, das voll- bringt nur die praktische Tot!

Zu dieser meist örtlichen Kleinarbeit gehört zu- nächst die Aufgabe, das Publikum zu persönlichen Aufträgen anzuregen, um dem tüchtigen Kunsthand- werker die Existenz zu ermöglichen, eine der wich- tigsten Aufgaben für die Kunstgewerbevereine. Leider haben die Innungen dieser Kernfrage einer gesunden JVlittelstandspolitik bisher wenig Beachtung geschenkt, sie sind im Gegenteil den modernen Bestrebungen, die darauf hinzielen, meist mißtrauisch oder verständ- nislos gegenüber gestanden. Haben es doch Hand- werker und Gewerbekammern fertig gebracht, in Be- richten zu schreiben, »daß es mit dem modernen Stile nun vorbei sei und man sich nun wieder den alten Stilen zuwende«. Diese Kammern handeln wie ein Bauer, der Gefreidesamen und Unkrautsamen nicht auseinanderkennt, Unkraut sät und nun auf Ernte hofft. Wenn dann das Unkraut üppig empor- schießt, wird geklagt, daß es schlecht ums Gewerbe stehe. Wer nicht guten Samen sät, kann auch nicht auf gute Ernte rechnen.

Es herrscht in Handwerkerkreisen vielfach noch zu wenig Klarheit über die eignen Verhältnisse und Möglichkeiten. Früher war das Handwerk der Kern des werktätigen Volkes, heute hat es diese Stellung der Industrie abtreten müssen und sucht nun nach dem ihm zukommenden Rahmen innerhalb des wirt- schaftlichen Lebens. Dabei ist zu bedenken:

Der Handwerker mit technischem Talent entwickelt sich zum Industriellen, der Handwerker mit kauf- männischem Talent zum Händler oder Kaufmann, der Handwerker mit künstlerischem Talent zum Kunst- handwerker. Für jene ohne Talent ist im Handwerk keine Existenzmöglichkeit mehr. Daraus ergibt sich, daß dem eigentlichen Handwerk stets jene Kräfte ver- loren gehen, welche sich nach der Seite des Industrie- ellen entwickeln oder als Händler mit Fabrikwaren

ihr Fortkommen suchen. Beide sind nicht mehr zu den Handwerkern zu rechnen, gehören also auch nicht mehr in die Innungen, sondern zu den Industrie- und Handelsorganisationen. Als zukunftsicherer Kern der Innungen bleibt nur der Kunst- und Qualitäts- handwerker, welcher darauf angewiesen ist, daß ein verständig und solid empfindendes Publikum von ihm persönliche Arbeit verlangt.

Dies allein müßte die Innungen veranlassen, An- schluß an die kunstgewerblichen Ziele zu suchen.

Als die wirtschaftliche Entwickelung die Zusammen- fassungen jenes Kleinhandels brachte, der weniger auf Güte als auf Massenabsatz beruht, riefen die Innungen um Hilfe gegen die Warenhäuser. Sie wollen damit für sich Handelsinferessen retten, die im Grunde nicht handwerklicher, sondern industrieller Natur sind und verwirren beim Publikum so das Unterscheidungsvermögen zwischen handwerklicher Arbeit und Maschinenarbeit noch mehr. Gerade im Gegenteil müßten die Innungen alles von sich ab- schütteln, was rein industrieller Natur ist und sich klar auf den Boden der Handarbeit stellen, der per- sönlichen Qualitätsarbeit, die nur der tüchtige Meister leisten kann.

Diese Entwickelung kann natürlich nur Hand in Hand gehen mit der Verbreitung soliden Geschmacks im Publikum. Dann wird auch der tüchtige Schuh- macher- und Schneidermeister sein Publikum finden, das sich seinen Geschmack nicht von der Industrie diktieren läßt, sondern Persönliches« verlangt, und der Buchbinder wird wieder Bücher solid und ge- schmackvoll binden können usw.

In diesen Fragen kann es keine Gegensätze zwischen Künstler und Handwerker geben, sondern nur verständiges Zusammenhalten, der Künstler muß zum Handwerker, der Handwerker zum Künstler streben, dann gibt es wieder Meister im alten Sinne, die neben der Industrie einen ehrenvollen Platz be- haupten können.

Also Fühlungnahme von Kunstgewerbevereinen und Innungen zu erziehlicher Kleinarbeit im Hinblick auf große Gesichtspunkte!

Scblußvignelte

von Adolf Sonnen- schein , Dresden

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DEUTSCHE BILDENDE KUNST UND DEUTSCHES KUNSTGEWERBE IM AUSLANDE UND IM WELT- VERKEHR

Es ist ein sehr erfreuliches Zeichen unserer heimischen Produktionskraft, daß die iteiitschen Künstler und Kunat- gewerbler sich endlich stark genug fühlen, geschlossen im Ausland aufMtreien und den Fortschritt ihrer Kunst zu dokumentieren. Als geladene Gäste waren sie schon oft auf internationalen und Weltausstellungen mit Erfolg ver- treten. So hat eine am 30. Januar im Reichsamt des Innern unter dem Vorsitz des Geheimen Oberregierungsrats Dr. Lewald und unter Teilnahme von Vertretern des Aus- wärtigen Amts, des Preußischen Handelsministeriums und des Kultusministeriums stattgehabte, von der Ständigen Ausstellungskommission für die Deutsche Industrie; ein- berufene Besprechung zunächst Berliner kunstgewerblicher Firmen überdie Frage einer Beteiligung ander Internationalen Kunstgewn blichen Ausstellung St. Petersburg (September— Oktober icjoS) ergeben, daß eine Reihe hervorragender Firmen die Ausstellung im Rahmen einer Deutschen Ab- teilung zu beschicken wünscht. Die künstlerische Durch- führung der Deutschen Abteilung wird in den Händen des Herrn Professors Bruno Möhring liegen.

Eine derartige Beteiligung deutscher Firmen hat, wie gesagt, schon öfters stattgefunden und auch hier in Hin- sicht auf das Made in Oermany uns Deutschen das Ver- trauen der Ausländer erworben. Neu ist es aber, daß nun auch die Künstler sich hervorwagen und dem Auslande geschlossen entgegen gehen wollen. Der große moralische Erfolg der deutschen Kunstausstellung in London im Jahre 1906, die noch auf Einladung englischer Künstler veranstaltet worden war, hatte den deutschen Künstlern Mut gemacht. Sie wollen jetzt zunächst sich den großen amerikanischen Markt erobern. Nach Rücksprache nut Prüden Clarke, dem Leiter des New Yorker Museums, plant Professor Eberlein eine Ausstellung deutscher Malkunst in New York, eine Ausstellung, die neben den Meisterwerken neuer deutscher Maler sich auch auf Meisterwerke der Bronzekunst erstrecken soll, und der der neuerbaute und demnächst zu eröffnende Flügel des New Yorker Museums eingeräumt wird.

Eine deutschnationale Skulpturausstellung ebenfalls in New York, welche für Ende dieses Jahres vorbereitet wird, hat jetzt feste Gestalt gewonnen. Ein großes künstlerisches Komitee, dessen Vorsitzender Professor Adolf von HiUic- brand ist, beabsichtigt zum ersten Male den Vereinigten Staaten ein vollständiges Bild der neueren deutschen Plastik zu bieten. Als Ausstellungslokal ist das Melropolitan- museum in New York vorgesehen. Unter den Ausstellern sind Reinhold Begas, Hildebrand, Schapcr, Brütt, Stuck, Gaul, Lederer, Klinisch, Diez und Wrba, Hermann Hahn und Netzer, Otto Lessing, Taschner und verschiedene an- dere. Die Ausstellung wird nur Werke in echtem Material, in Marmor und Bronze, enthalten, aber auch Kleinplastik und Plaketten umfassen. Die Meldungen stellen einen Wert von mehreren Millionen Mark dar

Bezwecken diese Ausstellungen nur eine einmalige Vorführung deutscher Kunst, so hat sich die kürzlich ge- gründete » Vereinigung zur Förderung deutscher Kunst im

K'insigcwcrbcblilt. N. f. XIX. H. 6

Auslande' , deren Vorsitz mit Genehmigung des Herrn Reichskanzlers der Kaiserliche Geheime Regierungsraf R. Platz übernahm, sein Ziel schon viel weiter gesteckt: sie will in den hier in Betracht kommenden Landern stän- dige Verkaufsstellen errichten. Die erste di«er Verkaufs- stellen tür deutsche Kunst und Kunstgewerbe soll in New York ins Leben gerufen werden. Die Vereinigung zählt bereits über 200 Mitglieder, darunter die bedeutendsten deutschen Künstler und Kunstgewerbler und viele Persön- lichkeiten der Wissenschaft, der Industrie, der Hochfinanz und des Adels, f'ürst Bülow bringt dem Plan volle Sym- pathie und Unterstützungsbereitschaft entgegen und hat angeordnet, daß die in Frage kommenden Staats- und Bundesbehörden gemeinsame Beratungen mit dem \' '

der Vereinigung pflegen.

In erster Linie wird es gelten, der bisher cinsciiiK ausgeprägten Neigung der Amerikaner für romanische, be- sonders für französische Kunst entgegenzuwirken. Über dieses Thema hat kürzlich Prof. Dr. H. Kiacger im Ka- pellenverein in interessanter Vl'eise geplaudert. In den amerikanischen Kunststätten prädominieren die lirieugnisse französischer Kunst, von denen alle Richtungen und Genre« vertreten sind. »Die jungen amerikanischen Künstler müssen heute nach Paris gehen, um daheim zu Ansehen und Geld zu kommen. Das übrige Europa können sie sich schenken; und so sind Ausstellungen amerikanischer Maler im Grunde nur Ausstellungen französischer Meister, die hinter jedem Bilde schattenhaft und auch ganz deut- lich hervortreten. Die amerikanischen Künstler sehen nicht nur mit den Augen der Franzosen, sie sehen Frankreich statt Amerika und verlieren völlig den Eiodcn unter den Füßen. Das spezifisch Amerikanische fehlt Just ganz in der amerikanischen Kunst.» Es ist nicht zu verwundern, daß Frankreich aus diesen L'msländen großen .Nutzen ge- zogen hat Nach den Veröffentlichungen de» Treasur)- Departements in Washington betrug in den Fiskaljahren iSQg-lQOÖ die Einfuhr nach Amerika zu Ausstellungt- z wecken aus Frankreich das 2 30 fache der deutschen Einfuhr. Die übrige Einfuhr von Kunsigegcnständen be- trug das 6— i4fache der deutschen Einfuhr. [>ieier für die deutsche Kunst wenig befriedigende Zustand i»l darauf zurückzuführen, daß den Amenkanem bisher die Werke der deutschen Kunst nicht in genügendem Malle vermiltell worden sind. Eine solche Gelegenheit will die neuge- gründete «Vereinigung zur Forderung deutscher Kunst im Auslände- jetzt bieten. Sie hat unsere« Er»chtens richtig erkannt, daß vereinzelte Vorführungen deutscher Kunst- werke nicht viel nützen können, sondern daß die Ver- drängung der französischen Kunst vom .irr-enk.ini'fhen Markte sorgfältiger \'orhcreilungen bedarf, [deshalb gründet »ie emr

in New York, in der nur das Allerbeste von allen Kuntl- gebicten zu sehen «ein wird. - Im AUgemeinrn »ollen sich, wie die New N'orker Slaalszeitung »m 3O. Januar be- richtete, die Verhältnisse aul dem amerikaniKhcn Kunst- markt wieder eine Kleinigkeit gcbe««ert haben, wenn gleich die Lage für Künstler und Handlet duichaus noch keine erfreuliche «ei. Demnach l»t es den Hrvtschtn gant besonders zu raten, recht vorsichtig tu Werke zu geben.

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Im Kunstgewerbe wird die neuere deutsche Richtung wohl mehr Aussicht auf Erfolg haben als die eklel<tische, denn in Frankreich, dem Haupt- Exporllande, werden ja die in Amerika hauptsächhch gewünschten Möbel im Empire-Stile oder im Stile Ludwig XV. und XVI. auch in ganz vorzüglicher Weise gefertigt. Im übrigen ist aber der Niedergang des neueren französisclien Kunstgewerbes eine Tatsache, die sich durch keine Schönrednerei mehr aus der Welt schaffen läßt und aus der die Deutschen in Hinsicht auf den großen amerikanischen Markt ihren Nutzen ziehen mögen!

KUNSTLIEBHABEREI UND -WISSENSCHAFT

Über das Photographieren von Altertümern und Kunstwerken in Italien. Nach einem Bericht in der »Sonne« ist für das Photographieren und Abmalen oder -zeichnen eine gewisse Gebühr zu entrichten und durch- aus nicht ohne weiteres gestattet. Um diese Gebühren, die bei längerem Aufenthalt in Italien natürlich sehr ins Geld laufen würden, zu umgehen, wird vorgeschlagen, einen Opernglasapparat zu konstruieren, aber nur mit einem Rohr und mit einem sehr lichtstarken Objektiv. Allerdings würde vielleicht das Anbringen der Auslösung des Momentverschlusses, bei nur einem Rohr, Schwierig- keiten verursachen. Aber sie ließen sich gewiß durch ge- schickte Feinmechaniker überwinden, wodurch den weniger bemittelten Kunstfreunden ein großer Dienst erwiesen würde.

URHEBERSCHUTZ IN AMERIKA

Für Künstler, die in Amerika ausstellen, ist

folgende Entscheidung, die der höchste amerikanische Gerichtshof in einer Klagesache der Photographischen Gesellschaft« gegen eine amerikanische Firma getroffen hat: 1. Die Ausstellung eines Gemäldes, wie die des in Frage stehenden in der Royal Academie, London, gilt nicht als eine Veröffentlichung und kann darum den Schutz nicht beeinträchtigen. (Voraussetzung bleibt allerdings dabei, daß in einer derartigen Ausstellung das Kopieren der ausgestellten Bilder nicht jedermann freisteht.)

2. Es ist niclit notwendig, die sogenannte Copyright- notiz auf dem Gemälde selbst anzubringen. Der Wortlaut des Gesetzes läßt hierüber Zweifel zu. Nach der Ent- scheidung des höchsten Gerichtshofes genügt es indessen, daß die ins Publikum gelangenden Vervielfältigungen mit der Notiz versehen sind.

ZUR REVISION DES PATENTGESETZES

Angestellte und Unternehmer. Zu dem Bericht in der vorigen Nummer sei noch folgende Reichsgerichts- Entscheidung mitgeteilt: »Aus der vertragsmäßigen Ver- pflichtung einer Person, ihre Kräfte zugunsten einer an- deren Person zu verwenden (das heißt: aus dem Engage- mentsvertrag), folgt, daß das wirtschaftliche Produkt dieser Tätigkeit der anderen Person gebührt. Dies gilt für körperliche, wie für geistige Arbeit, für tatsächliche wie für rechtliche Tätigkeit und das Produkt dieser verschie- denen Tätigkeilen. Es gilt also auch für Erfindungen. War diese Tätigkeit, deren Produkt diese Erfmdung ist, vertragsmäßig zugunsten einer anderen Person zu ver- wenden, so gebührt dieser die Erfindung.«

Patentanwalt Dr. L. Gottscho führt, gleichlautend mit unserem Gegenschluß, aus: »War ein z. B. in der Schuh- branche als Konstrukteur angestellter Ingenieur vor dieser Anstellung in der Praxis eines anderen Spezialfaches tätig, und hat er z. B., angeregt durch die frühere Tätigkeit,

nunmehr eine neue Maschine zur Herstellung von Flaschen- kapseln erfunden, so ist ein Anspruch seiner jetzigen Firma (der Fabrik für Maschinen der Schuhfabrikation) auf diese Neuerung nicht vorhanden. Auch die frühere Arbeit- geberin des Ingenieurs, die sich mit Maschinen zur Her- stellung von Flaschenkapseln befaßt, hat nun kein Eigen- tumsrecht mehr an seiner zweiten Erfindung, weil sie nach Ablauf seiner dortigen Tätigkeit erfolgt ist, soweit nicht etwa widerrechtliche Entnahme aus dem Archiv der Firma oder dergleichen vorliegt.-

STAATLICHE KUNSTPFLEGE

Dresden. Die sächsische Landesstelle für Kunstge- werbe versendet jetzt Fragebogen an Korporationen, Künst- ler, Kunsthandwerker, Industrielle usw., um durch deren Beantwortung eine Klärung neuzeitlicher Bestrebungen auf kunstgewerblichem Gebiete herbeizuführen. Die Fragen lauten: i. Was beklagen Sie beim kaufenden Publikum? 2. Welche Mittel halten Sie für geeignet, im Publikum den Sinn für Qualität zu wecken? 3. Halten Sie die stete Hast nach Neuheiten auf Ihrem Gebiet für notwendig und wirt- schaftlich förderlich, oder eine ruhigere Entwickelung mit Steigerung der Qualität für erstrebenswerter? Ist auf Ihrem Gebiet die Möglichkeit, wirklich gute Formen und Muster länger auf dem Markt zu halten, und wenn nicht, warum? 4. Von wem sind Sie in der Geschmacksrichtung Ihrer Erzeugnisse abhängig? Oder: Wer bestimmt die Geschmacksrichtung in Ihrer Branche? Haben Sie selbst Einfluß darauf? 5. Welche Schäden bestehen im Lehr- lingswesen? 6. Was erwarten Sie von den Schulen? 7. Haben Sie Schwierigkeiten im Verkehr mit Künstlern, Kunst- Industriellen, Kunst- Handwerkern oder -Händlern, und welche? 8. Haben Sie eine Art von Konkurrenz, welche als allgemein schädlich zu erachten ist, und inwie- fern? 9. Was erwarten Sie von der neuzeitlichen kunst- gewerblichen Bewegung gegenüber der Nachahmung alter Stile? 10. Was vermissen Sie bei den kunstgewerblichen Fachzeitschriften? 11. Welche Mittel stehen Ihnen zu Ge- bote, um Ihre selbsfgefertigte Handarbeit dem Publikum vor Augen zu bringen? (Im eigenen Laden, durch Händler oder sonstwie?) 12. Führen Sie Fabrikware (Dutzend- artikel) und kunsthandwerkliche Einzelerzeugnisse (Ori- ginalarbeiten) nebeneinander? Welche Erfahrungen machen Sie dabei? 13 Halten Sie kleinere, vorbildliche Fachaus- stellungen für wertvoll und wo? Die Landesstelle in Dresden, Eliasstr. 34, ist gern bereit, auf Wunsch die Fragebogen zuzusenden, um in Besitz von möglichst viel- seitigen Antworten zu gelangen, und ist jederzeit zu wei- teren Auskünften bereit.

VON ALTER UND NEUER TECHNIK

Alte französische Tapeten. Im HohenzoUern-Kunst- gewerbehaus in Berlin sind bis zum 18. März echte Ori- ginaltapeten, Friese, Supraporten aus der Zeit von 1780 bis 1830 ausgestellt, die zum größten Teil von wunder- barer Schönheit sind. Zum Verständnis der ausgestellten Tapeten, die alle aus einer Zeit stammen, da das Rollen- papier noch nicht gekannt war, sondern die Blätter bogen- weise aneinander geklebt wurden, wird im Vorwort des Kataloges erwähnt, daß sie nicht als Tapete in unserem heutigen Sinne verwandt wurden, sondern hauptsächlich zur damals beliebten Panneau- Einteilung der Wände dienten, deren Spiegel als einfarbiger Fond im Grundton der Dekoration beklebt wurde. Die Fläche oberhalb der Türen bekleidete man mit den, in der Ausstellung in be- sonderer Schönheit vertretenen Supraporten und erzielte dadurch eine gefällige Vermittlung zwischen den einzelnen

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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Feldern. Auffallend sind bei den Blättern die ungemein energiscfi wirkenden Farben, welche sich in ihrer ganzen ursprünglichen Frische erhalten haben. Um auf den viel- fach schwarzen Grund jene leuchtenden Farben wirken zu lassen, druckte man das Dessin in breiten Zügen ver- mittelst Klatschformen in weißer Leimfarbe auf. Auf diesen Grund setzte man durch zweite Klatschformen die Mittel- töne und vermittelst Stempel endlich die Licht- und Schatteneffekte. Einige Partien wurden auch durch Scha- blonen aufgesetzt. Es ist begreiflich, dali besonders bunt- farbige Stücke, wie z. B. die Supraporten einen großen Aufwand an Formen erforderten

Altägyptische Glasflaschen. Die alten Ägypter scheinen Olas nicht geblasen, sondern ihre Flaschen auf folgende Art hergestellt zu haben. Nach einem Berichte Petries befestigte man einen Sandkern, der die Innengroße des herzustellenden Gefäßes besaß, an einem Metallstabe, und tauchte diesen so in die geschmolzene Glasmasse und erzielte dann von außen her die gewünschte Form. So ist auch die Tatsache erklärt, daß man in altägyptischen Olasgefäßen immer eine etwa 1 mm dicke Sandschicht findet.

Berlin. Die Kgl. Porzellan - Manufaktur. Die Ver- suche mit Unterglasurmalerei, die von der Kgl. Porzellan- Manufaktur seit einiger Zeit aufgenommen worden sind und die unter der Leitung einer bewährten künstlerischen Kraft stattfinden, bezeigen, daß die Manufaktur als im Kunstgewerbe vorbildliche Anstalt nicht gewillt ist, sich der Verpflichtung zu entziehen, auch neueren künstlerischen Bestrebungen die Tore zu öffnen und hierdurch auch an ihrem Teil zu einer Weiterentwickelung des künstlerischen Schaffens beizutragen. Zu einer grundsätzlichen Änderung ihres bisherigen Standpunktes wird deshalb die Kunst- abteilung in absehbarer Zeit voraussichtlich noch keinerlei Anlaß haben. Die Bedeutung der großen Staatsmanufak- turen Meißen und Berlin vor Privatbetrieben beruht füg- lich darin, daß sie den Schatz alter Formen und Muster, die in größter Reichhaltigkeit und Schönheit in der Blüte- zeit des Porzellans, dem 18. Jahrhundert, entstanden und seitdem stetig durch neue Schöpfungen ergänzt worden sind, weiter pflegen.

SCHULE UND LEHRER

Düsseldorf. Der Staat beabsichtigt, an der Düssel- dorfer Akademie eine besondere Lehrstelle für kirchliche Monumentnl-Malerei einzurichten. Als Grund wird ange- geben, dali gegen viele Arbeiten der Düsseldorfer Künstler, besonders in der Rheinprovinz, von sachverständiger Seile Bedenken geäußert worden seien.

Düsseldorf. Als Nachfolger von ProL Peter Behrens ist Prof Vi'itlielrn Kreis in üiresden zum Direktor der Kunstgewerbeschule berufen worden. Kreis steht im 35. Lebensjahr und war früiier Assistent von i'rof. Vl'allot.

München. In Bayern besteht auch für die Fach- und Fortbildungsschulen die gcistliclie Aufsicht. Gegen eine solche atlgiineine Aufsicht werden sich die Liberalen zur- zeit wohl noch vergeblich wehren. Sehr bedenklich wird die Sache aber, wenn die Geistlichen auch die l'achaupichi erhalten sollen! Kultusminister von Weimer hat dies mit folgenden dürren Worten angekündigt: .Nach der Ver- ordnung soll das gewerbliche Fortbildungsschulwesen aus einer elementaren und mehreren Fachabteilungen bestehen. Bei letzteren kann nur eine tichnische l eitunt; bczw. ein Kuralorium von tiiiiileiiliii in Frage kommen; es kann aber unter Umständen auch dieser Körperschaft der eine oder der andere Geistliche angehören.«

AUSSTELLUNGEN

Dresden. Große Kunstausstellung Dresden 1Q08. In der Abteilung: 'Kunst und Kultur unter den sächsischen Kurfürsten* werden den Jahrhunderten entsprechende Räume hergestellt, zumeist Nachbildungen von noch vor- handenen Originalen, die ja die Königlichen Schlösser in reicher Auswahl bieten, zum Teil aber hat die Leitung auch die Vorlagen aus Privatbesitz genommen. Für die Nach- bildung wurden Studien an Ort und Stelle gemacht Die Möbel, Bilder und sonstigen Geräte für die einzelnen Räume des sächsischen Hauses stammen auch wieder zu- meist aus Königlichem FJesitz, aber auch der sächsische Privatbesitz hat herrliche Gegenstände dazu hergegeben. Vor allem dürften die sechs großen Säle die allgemeine Aufmerksamkeil auf sich ziehen

Düsseldorf. Es ist fraglich geworden, ob die Aus- stellung für christliche Kunst im nächsten Jahre slallfinden kann, weil die Künstler nicht auf ihre profane Ausstellung verzichten wollen. Eine definitive Entscheidung ist aber noch nicht eifolgt.

Frohburg i. Sa^ 31. Januar. Zur Hebung des in den Städten Fiohburg und Kohren eingesessenen, über 400 Jahre alten Töpferhandwerks wurde hier am 19. Januar 1908 durch Herrn Amtshauptmann Dr. von Hübet -Borna eine Ausstellung mustergültiger keramischer Gegenstände aus dem Königl. Kunstgewerbemuseum, aus der Sammlung des Vereins für Sachs. Volkskunde, aus dem Atelier des Herrn Professor Groß-Dresden und aus den Werkställen der Herren Bildhauer Feuerriegel und Gerbert-Dresden eröffnet und damit der praktische Unterricht eingeleitet, der von den letztgenannten Herren in den Werkstätten der Töpfereien abgehallen werden soll, um das keramische Gewerbe kunsl- handwerklich zu beeinflussen und neu zu gestalten. Herr Amishaupimann Dr. von Hübel teilte nach einem ge- schichtlichen Rückblick über Entstehung und Entwickclung des Töpferhandwerks mit, daß die Kgl. Staalsregierung dem Unicrnehincn sympathisch gegenüberstehe. Hierauf hielt Herr Professor Qtoß-Dresdcn einen äußerst an- regenden instruktiven Vortrag über Keramik, in dem er insbesondere die Ziele des Wcrkslätlcnunlerrichts klarlegte. Herr Professor Seylfcrt-Dresdcn übermittelte Grüße des Ausschusses zur Pflege heimatlicher Kunsl und Bauweise und des Vereins für Sächsische \'olkskundc und sprach über den Erfolg der neuzeitlichen Bewegung, die das volks- kundliche Schaffen wieder zu wohlverdienten Ehren bringen will. Beiden Herren wurde lebhafter Beifall zuteil. Herr Bürgermeister Schröter richtete namens der Städte Fruhburg und Kohren Worte des Dankes an die Königliche Slaals- regicrung für die Unterstützung der Bestrebungen, an Herrn Amtshatiptniann Dr. von Hübel für seine Bemühungen um die Hebung des Töpfergewerbes und an Herrn Be/iiksartl Dr. Hcrtzsch für das Entgegenkommen in der Glasutirage, worauf die Versammlung, zu der sich eine große Anzahl geladener Ehrengäste aus Frohburg, Borna und Kohren eingefunden hatte, unter Dank an die beiden Herren Vor- tragenden mit einem Hoch auf Sc. Maj den Konig, den hohen Schützer de» Handweik». geschlossen wurde.

Die Ausstellung war bis aft. Januar eröffnet, sie ci- freute sich eines überaus zahlreichen B' ''er 700

Besucher sind zu verzeichnen gewesen), u :c audi

seitens kunstverständiger Interessenten

Hoffen wir, daß die ausgestreute Saal auf guten Boden fällt und damit das Töpferhandweik wieder nir Blüte kommt

Stockholm. Eine KansIgrterb^auüUtiuni: i:i S;' ck- holm wild auf Anregung des Vereini lür Sdiwedischo Gewerbe und Kunstgewerbe vom 4. Juni bt» id. Seplcmbcr

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

1909 veranstaltet werden. Die Ausstellung, die unter dem Schutze des Königs steht und deren Ehrenpräsident Prinz Eugen ist, genießt einen Staatszuschuß von 112000 M. und seitens der Stadt Stockholm eine Unterstützung von 56 000 M., wozu noch ein durch Subskription gesammelter Qarantiefonds von 560 000 M. tritt. Die Ausstellung wird auf dem für seine Naturschönheit bekannten Djurgarden (Tiergarten) unmittelbar bei Stockholm errichtet werden. Die Bauten werden nach den Plänen des Architekten Ferdinand Boberg ausgeführt werden. Als Kommissare fungieren Hofintendant Karl Benedix und der Schriftführer des Vereins für Schwedisches Gewerbe und Kunstgewerbe F. O. Folcker.

Wien. Der Klub der Industriellen für Wohnungs- einrichtung« in Wien veranstaltet anläßlich des 60 jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers eine Ausstellung für die gesamte Wohnungseinrichtung während der Monate Sep- tember und Oktober 1908 in den Sälen der k. k. Oarten- baugesellschaft Wien I, Parkring 12. Der Ausschuß hat beschlossen, zur Erlangung von entsprechenden Entwürfen zu dieser Ausstellung eine Wettbewerbsausschreibung zu veranstalten, an der sich in Wien ansässige Künstler, Stu- dierende, sowie Kunstgewerbetreibende beteiligen können. Drei Preise: 300 Kr, 200 Kr. und 100 Kr. Orundpläne im Maßstabe von 1:10 sind in der Klubkanzlei V. Bez., Brand- mayergasse 4, 3. Stock, Tür 14 zu haben.

Wiesbaden. Der Finanzausschuß der Ausstellung für Handwerk und Gewerbe, Kunst und Gartenbau zu Wies- baden 190g teilte mit, daß zum Garantiefonds schon über 100000 M. gezeichnet worden sind.

VORTRÄGE

Im »Akademischen Verein für bildende Kunst« in München sprach E. H. von Berlepsch über die Gartenstadt in England. Aus eigener Anschauung heraus schilderte er die traurigen Wohnungsverhältnisse in den engen Lon- doner Arbeitervierteln und hob im Gegensatz hierzu die Vorzüge der Gartenstädte Letchworth, Bournville, Port Sunlight, Richmondund Hampstead hervor. Sein statistisches Material war schlagend und betraf die Mietpreise, Kosten des Baugrundes, Sterbefälle in der Großstadt. Berlepsch gedachte auch der aufblühenden Gartenstadt Hellerau bei Dresden. Prof. E. Petersen, der Direktor der Zeichen- akademie zu Hanau, ließ im Verein für deutsches Kunst- gewerbe in Berlin seine Zuhörer einen Einblick tun in die geistige Werkstatt eines modernen Künstlers«, der mit dem Handwerk in innigster Berührung ist. Er kam aus- führlicher auf das Berliner Landgericht 111 zu sprechen, dessen Oesamteindruck innen und außen öde sei. Alle interessanten Einzelheiten könnten daran nichts ändern. Statt der Monumentalität herrsche Öde, die noch dazu be- absichtigt sei. Gesuchte und gekünstelte Einfachheit sei noch keine Größe, Vernünftelei keine Vernunft. Die holde Unregelmäßigkeit früherer Zeiten habe sich daraus ergeben, daß man dem einzelnen Arbeiter innerhalb seines Bereiches Freiheit in der Gestallung gewährte. Hier sei sie durch den leitenden Künstler »angeordnet . Das sei nicht Kunst, sondern Künstelei. Das Zeigen der Konstruktion dürfe auch niemals auf Kosten der Schönheit geschehen. Weder dürfe der Schmuck sich vordrängen, noch dürfe die bloße Werkform sich zeigen, wenn sie nicht selbst schön sei. Die Barocke und ihre Gegenströmungen behandelte Professor Dr. Moritz Dreger-Wien im Staedelschen Museumsverein. Die Barocke sei die Kunst der Sehnsucht und der Lebens-

ergänzung. Jede große Kulturbewegung habe in gewissem Sinne ihre Barocke und Rokoko besessen, zum Beispiel Spätgriechenland, Rom, die Spätgotik, ja sogar in China und Japan könne man solche Strömungen nachweisen. Im katholischen Italien sei die Barocke zur Zeit der religiösen Konzentration geboren worden. Nach dem Zusammen- bruch der Renaissance sei aus dem Gefühl der Ermattung heraus ein Traum der Kraft und religiösen Innerlichkeit entstanden. Im protestantischen Deutschland habe sich die Renaissance länger gehalten und sei erst durch den Pietis- mus geschwächt worden. Mit dem Kampf und Sieg der Phantasie über den Verstand sei die Barocke immer asym- metrischer geworden und sei schließlich als Witz im Rokoko geendet. Auf diese Zeit der heiteren Tändelei folgte die Ernüchterung im Aufklärungszeitalter, das den Biedermeier- stil gebar. Mit den Worten: Im Anfang war der Rhythmus' leitete Dr. ing. Hermann Muthesius im »Verein für Kunst« einen Vortrag ein, der ein glänzender Beweis von Mäßigung war und dem so viel Angegriffenen vielleicht manchen Feind bekehrt hat. In der langen Reihe der histo- rischen Entwickelung deckte Muthesius die Zusammen- hänge und sozialen Unterströmungen in einer Weise auf, die seinen Vortrag zu einem Genüsse machte. In unserer Zeit sei der Rhythmus wieder in seine Rechte eingetreten und man habe erkannt, daß der Raumgedanke tiefer liege als die plastische Ausgestaltung der Fassaden. Die jüngere Generation habe die liebevolle Pflege und Ausnützung von Sonne, Garten und Hygiene schon in sich als Teil ihrer Empfindung, die im Beginn unserer nationalen Hausbaukunst ihren Ausdruck finde.

LITERATUR

Ad. Beuhne, Lehrbuch der Perspelitive. Heft I, Text; 144 Seiten Lexikon-Oktav. Dazu passend Heft II, Auf- gaben-Sammlung mit 22 Konstruktionsblättern. Leipzig, Degener. Preis 6,50 Mk. Wer sich mit Perspektive befaßt hat, wird sich in dieses Buch mit Vergnügen hineinlesen. Es bringt zwar in bezug auf Lehrsätze und Regeln kaum etwas Neues; sein Wert ist also anderweitig begründet. Zunächst ist zu bemerken, daß das Werk sich einem Spezialgebiet anpaßt, seine Beispiele der modernen Raum- und Mobiliarkunst entnimmt und demnach als zeitgemäß zu bezeichnen ist. Ein weiterer Vorzug ist dann, daß der Verfasser mit Um- gehung theoretischer Beweise und Begründungen rein praktisch auf das Ziel lossteuert. Er schildert kurz die verschiedenen üblichen Methoden, kennzeichnet die Vor- und Nachteile derselben und zeigt, für welche Zwecke die eine, die andere oder Verbindungen derselben angezeigt erscheinen. Alles übrige wird dann besprochen, wenn die Beispiele Gelegenheit hierzu bieten. Dabei ist das, was in erster Linie wichtig ist, in kurze Leitsätze gefaßt, die im Druck fett hervorgehoben sind, wodurch das Buch übersichtlich wird. Originell ist die Aufgabensammlung insofern, als jedem Aufgabenbogen ein Qegenbogen aus durchscheinendem Papier entspricht, der die Richtigkeit der versuchten Lösungen kontrollieren läßt. Der Verfasser drückt sich im Text sachlich und treffend aus und zu- treffend ist es auch, wenn er im Vorwort sagt: Ich glaube durch vieljährige praktische und lehramtliche Ausübung der Linearperspeklive imstande zu sein, dem angehenden Möbelzeichner ein Buch zu bieten, das ihm in den vieler- lei Fragen der geschickten Darstellung seiner Entwürfe ein treuer Ratgeber sein wird.« f. s. m.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Druck von Ernst Hedrich Nachf. g. m. b. h. Leipzig

Die viiT Jahreszeiten. Tafelaufsalz von Lärche. Sivrei

EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE

PORZELLANPLASTIK

Von Richard Grall

WENN niclil alle Zeichen trügen, regt sich seit einigen Jahren auf dem Gebiete der Porzellan- plastik neues künstlerisches Leben. Die fast ein Jahrhundert lang vernachlässigte Figurenplastik zeigt verheißungsvolle Anfänge einer neuartigen, von der Tradition des achtzehnten Jahrhunderts unab- hängigen Kunst.

Die Figurenplastik des Meißener Barocks und Rokoko, die geistreiche Kunst der süddeutschen Fabriken in den sechziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts repräsentiert die klassische Periode der Porzellanplastik. Die darauf folgende feine, mit der Antike und bürgerlichem Sentiment spielende Figuren- plastik von Sevres und anderer Manufakturen, wie der von Hoechst und Ludvvigsburg, von Niederwiller und Capo di Monte tue ist schon hei aller

Anmut der Form und Delikatesse des Dekors die Nachblüte einer frischeren und reicheren Kunst- vergangenheit. Dann vernichtete die frostige Pracht des Empire, was noch an origineller Erfinilung in der Porzellanplastik lebte: der kühle Ernst ihrer alle- gorischen Gestalten, die sklavische Nachahmung an- tiker Vorbilder raubte ihr alle Naivetat und Laune. Und als sich mit der sparsamen Biedermeierei die Mündigkeit des dritten Standes in allen Oeschmacks- fragen meldete, da bedurfte es nur noch des in- dustriellen Aufschwungs, auf den das verflossene Jahrhundert so stolz ist, um die einst blühende Kunst ganz zu vernichten. Denn ein ohne künstlerischen Ehrgeiz rücksichtslos demokratisierender Industrialis- mus hat uns dann, speziell in der Produktion der bayerischen, thüringischen und böhmischen Porzellan- fabriken, mit jener Flut kunstgewerblicher Nichtig- keiten überschwemmt, die als Massenartikel exportiert

Kunslgcwcrbeblalt. N. F. XIX H 7

werden und deren einziges Verdienst die Zerbrech- lichkeit der Ware ist. Noch heute, trotz sehr an- erkennungswerter Besserungsversuchc Einzelner, ge- hören diese alljährlich auf den Leipziger Engrosmessen zuhauf getürmten Stapelwaren, die in die ganze WcU gehen made in Oermany zu den künsllrrisch

rückständigsten Dingen, die unsere OroHindustric auf deti Markt wirft. Diese Waren sind im allgemeinen heute nicht besser, nur billiger als vor Jahrzehnten. Sie illustrieren die künstlerische /\iispruchslosigkeit weiter und weitester Kreise. Diese Galanterien charakterisieren so deutlich die Formlosigkeit unserer Kiinstkultur und eine wahrhaft kunstfeindliche Speku- lation des Handels auf den Ungesclimack, daU mit allen Mitteln der Volksbildung dagegen angekämpft werden muß. Was nützt der moilernc Krcuz/ug um die Kunst für das Volk, die Kunst m allem

wenn es in der Praxis noch so mit ihr aussieht!

Es ist ein echter Hcrerogcschmack, auf dessen geschäftliche Ausbeule in Südamerika und .'Vuslralicn unsere Exporteure stolz sind, und es ist leider di-i>clbc rechte Hererogeschmack, der auf den Nippiischcn weitaus der meisten gutbürgerlichen Einrichtungen empfindsamer Hausfrauen jeden Standes sich breit macht. Der Umsatz in diesem mit wenigen Aus- nahmen geringwertigen Kram ist so außerordent- lich groß, die Verbreitung der Waren so universell, daß jeder Versuch, diese künslIeriKhc Rücksiän- digkeit der volkstümlichen Keramik zu beheben, aussichtslos erscheint. In der Tat, es gehört kein geringer Mut dazu, gegen diesen Strom einer (3«t alle Schichten der Gesellschaft durclulf , !-*en L'nkultur zu schwimmen. \X'ic viele Ki,n>iler, Fabrikanten, Verkäufer, die zuversichtlich im Glauben

IQ

122 EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

Tafelaufsatz von Lärche. Sevres

an ideale Ziele eine künstlerisch bessere Ware ein- zuführen suchten, haben vergeblich gegen die herrschende Allmacht des Ungeschmacks gekämpft. Sie verloren die Lust und ihr Kapital!

Um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts war der Geschmack der industriellen Porzellanplastik schon tief gesunken. Zum Beweis mögen die thüringischen Porzellanfabriken angeführt werden, die während ihrer ersten Entwickelung von den sechziger Jahren bis in die achtziger des achtzehnten Jahrhunderts trotz einer meist unzureichenden Technik doch künstlerischen Ehrgeiz gezeigt und nicht selten sehr Ansprechendes geleistet hatten, um dann während des neuen Jahr- hunderts im Figürlichen künstlerisch ganz zu versagen. Dabei sind sie es gerade gewesen, die die Demo- kratisierung des Porzellans geschäftlich am geschick- testen ausgebildet haben und die in dem Geschirr wenigstens den Segen einer wohlfeilen praktischen Ware im Volk verbreitet haben. Die großen Staats- manufakturen litten ebenso sehr unter dieser Kon-

kurrenz der billigen Ware in Porzellan und Steingut, wie unter der allgemeinen Ungunst einer Zeit, der nichts ferner lag, als eine Passion für das Porzellan zu hegen, wie sie die vornehme Welt im achtzehnten Jahrhundert ergriffen hatte. Erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts beginnt sich außer den technischen Vervollkommnungen auch ein künst- lerisches Interesse am Porzellan wieder zu entwickeln. Aber im Plastischen begnügte man sich gewöhnlich mit der Benutzung alter klassizistischer Modelle. Ohne der Geschichte Gewalt anzutun, kann man daher sagen, daß in den großen Staatsmanufakturen erst seit den achtziger Jahren wirklich ernsthafte Versuche gemacht worden sind , neben dem viel regeren Interesse für die technischen Verbesserungen der Porzellanindustrie und für die malerische De- koration ihrer Produkte auch die Figurenplastik un- abhängig von den alten Modellen zu pflegen.

Den Anstoß zu diesen neuen plastischen Ver- suchen wie überhaupt zu einer neuen Formen- und

Kinder mit Körben. Aus einem Tafelaufsalz von Cfieret. Sevres

«9'

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EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

Taubenpaar von Bäliler in Dresden. Meißener Manufaktur

Farbengebung des Porzellans gab die alte Manufaktur von Kopenhagen, die ihrerseits wieder den Mut zur Abkehr von der Tradition aus Anregungen geschöpft hat, die uns der fernste Osten unseres Kontinents (besonders Makudso) gesandt hat.

Aus der Werdezeit des europäischen Porzellans wissen wir von einer ostasiatischen Befruchtung der Porzellankunst zu berichten, die sich im wesentlichen auf die malerische Dekoration des Porzellans er- streckte und nur wenig die plastische Form anregte. Dieser vorwiegend von China ausgehende Einfluß, die Chineserei, war orna- mental. Die neuere, vor- wiegend von Japan aus- gehende Beeinflussung der europäischen Kunst war viel allgemeiner. Sie taucht in Frankreich um 1860 auf und übt in den achtziger Jahren eine Wirkung aus, die bei den Malern be- sonders der impressionisti- schen Richtung anhebt und bald auf das Kunstgewerbe überspringt. Aus dieser Befruchtung zog wieder wie auch im achtzehnten Jahrhundert die Keramik den größten Vorteil. Nicht mehr gab die krause, bunt dekorierte Ware das Vorbild, sondern jetzt wirk- ten die reichen Glasur- effekte einfach glatter Formen des chinesischen

Gruppe von Chr. Thomsen. Kopenhayener Manufaktur

Porzellans, dann die erstaunlichen Feuerkünste der japanischen Töpfer und nicht zum wenigsten die feine Kunst einer mattfarbigen Unterglasurmalerei. Während die Manufakturen von Scvres und Berlin sich er- folgreich um die Erzeugung von Glasuren im ost- asiatischen Geschmack bemühten, ging die Kopen- hagener Fabrik zur Unterglasurmalerei über und veränderte damit von Grund aus Form und Dekoration ihrer Waren. Diese Formen wurden glatt und die

Farben matt, und damit war die alte Stiltradition, die bunte Malerei und in derFormengebung Bewegt- heit, Freiheit liebte, verlassen und eine neue Kunst ge- funden. Dank vorzüglicher künstlerischer Kräfte traten die nordischen ^Ai^nvädk- tureiT^dieKopc/ihagcnerMa- niifaldiir, die von Bing und Groendahl in Kopenhagen und die von Kocrstiancl in Stoeliholni an die Spitze der fortschrittlichen Por- zellankunst überhaupt. Bald folgten ihnen auf dieser Bahn, wie es die Pariser Weltausstellung von 1900 erkennen ließ, die leitenden Staatsinstitute, Sevres, dann, wenn auch noch zurück- haltend, Meißen und Berlin. Indem diese Institute mehr oder weniger auf verwandte künstlerische Ziele ausgingen, die For- menschlicht hielten, Glasur-

EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

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Figur von Chr. Tlioiiiscn. Kopi-nlinKciur Maiiuialour

effekte versuchten iiiul an- statt der Virtuosität eines bunten Dekors, die in der Skala auf wenige matte Töne beschränkte Untcrt^lasur- nialerci anwendeten, wurden sie in ilircn Produkten, wie getrennt sie auch marschier- ten, ähnlich.

In der ersten Freude über diese von Dänemark ausgehende Kunst mochte es scheinen, als ob das edle Porzellan, das auf eine so glänzende Kunst bunter Dekoration und geist- reich freier Form zurück- blickt, im zwanzigsten Jahr- hundert auslaufen wurde in einer im Geschmack wohl feinen aber einseitig be- schränkten und zur Mo- notonie neigenden Manier. Namentlich die Porzelian- plastik, einst im ersten glor- reichen Anlauf der Ent-

wickelung ein lebendiger .j.ui.ir > .n . .i<.uiji ^cr-.

Beweis originaler deutscher

Gestaltungskraft und in ihrer niannigfaltigen Entwickelung vom Barock zum Rokoko wohl mit

Erbe einer hohen kiinstlerisclien Kultur gerade für die Figurenplastik schien in der neuen däii;

die Bewegungsfreiheit gcläiimt. Die Unterglasurmalerei verlangt glatte, flächenruhige Formen, die Folge

entweder eine weitgeiiende Stilisierung, wie sie

der herben gehaltvollen Figurenplastik von

Wallander eigen ist, oder aber, bei der natura- listischen Wiedergabe der Tierwelt, eine Reduktion

der Farbe auf wenige Töne oder Farbflccke. Mit welchem Erfolg die drei nordischen

Manufakturen innerhalb dieser selbstgesteckten

Grenzen ihre figürliche Plastik entwickelt haben,

das braucht an dieser Stelle nicht mehr gerühmt

zu werden. Ein Blick auf die Illustrationen, die

wir bringen, genügt, um den Wert dieser Ar- beiten ins Gedächtnis zurückzurufen. In den

Motiven sowohl wie naturgemäß auch im L")ekor

sind diese Werke von anderen Fabriken, auch

von kleineren deutschen Fabriken nachgeahmt

worden. Nicht immer mit Glück. Nameiillicli

wo versucht worden ist, das sorgfältig duich-

gebildete Werk, das den lu.xuriösen Ansprüchen

kaufkräftiger Kunstfreunde dient, zu ersetzen

durch ein als billigen Massenartikel verwend- bares Produkt, muß am Modeil und an der

Ausführung so gespart w^erden, ilaß der indivi- duelle künstlerische Reiz, der gerade den guten

Kopenhagener Arbeiten innewohnt, notwendig

verloren gehen muß. Wo diese kommerziell

verständliche Rücksicht nicht besteht, wie bei den

drei großen Staatsmamifakturen von Meißen.

Berlin, Sevres, oder wie bei solchen privaten

Unternehmen, die wie die Nymphenburgcr Fabrik

mit Entschiedenheit auf die künstlerische Ver- 1 .cmir \ > » '.jr- ■■ v^ r «niiiwr »>■«><•'<.

ist

126 EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

edelung ihrer Pro- duktion Wert legen, da wird freilich an der Kunst nicht geknau- sert. Namentlich aber bei den Staats- manufakturen soll natürlich das Streben nach einer der all- gemeinen geschäft- lichen Praxis nütz- lichen und den Stan- dart unseres Kunst- ansehens im Ausland steigernden Vorbild- lichkeit allen ande- ren Rücksichten vor- angehen. Und nach den Erfahrungen der letzten Pariser Welt- ausstellung ist es kein Wunder, wenn gerade unsere deut- schen Institute, ein- gedenk ihrer nicht nurlechnisch experi- mentellen, sondern auch der geforderten künstlerisch prakti- schen Vorbildlich- keit,sich immermehr bemühen, durch die Betätigung tüchtiger künstlerischer Kräfte im fortschrittlichen Sinne voran- zugehen. Indem diese Institute, die unter besonders günstigen Verhältnissen arbeiten, sich erfüllt zeigen von dem nach Neuem drängenden Zeitgeiste und die Ausführung künstlerischer Arbeiten und neuer Ver- suche ermöglichen, deren Durchführung der private Fabrikant unterläßt oder unterlassen muß, leisten sie eine wichtige Kulturarbeit von ungeheurer Tragweite. Durch ihre Kunst vermöchten sie ähnlich wie durch die wahrhaft großartigen technischen Fortschritte, die sie befördert haben, der Industrie nicht nur hohe künstlerische Ziele zu weisen, sondern auch in erfolg- reicher Weise den allgemeinen Geschmack zu ver-

Ziegenböckchen. Von Hoesel in Meißen. Meißener Manufalitur

edeln. Diese Erfolge kämen der ganzen Keramik einem der mächtigsten und wirtschaftlich wert- vollsten Gebiete un- sererExportindustrie zugute. Mit dem Steigen ihres Ruh- mes würde auch das Ansehen und der geschäftliche Erfolg der gesamten deut- schen Porzellan Indu- strie sich heben.

Welcher Segen in einer so künstlerisch geführten Fabrika- tion liegt, beweist das nicht der Erfolg Kopenhagens? Ist es dieser Fabrik, an der, wie bei den unseren , auch der Zopf einer alten Tra- dition hing, nicht gelungen, mit Hilfe tüchtiger Künstler das Interesse an neu- artiger edler Porzel- lankunst überhaupt erst wieder zu be- leben? Die wenigen, die sich noch vor kurzem für die Porzellanplastik interessierten, sind Freunde des alten Porzellans ge- wesen, das waren die Sammler. In der Kunstöde, die ihnen lange Zeit die moderne Produktion bot, ver- liebten sie sich in die alten kuriosen Figürchen, und je mehr sie darnach suchten, desto mehr ging ihnen der Sinn auf für die Kultur, die jene Püppchen ent- stehen ließ, und für die Kunst, die sie so lebendig, so geistreich zu bilden wußte.

Vor zwanzig Jahren war die Schar dieser retro- spektiven Schwärmer gar klein, und mit mäßiger Börse konnte man viel Hübsches sammeln. Jetzt sind ihrer Viele und, nachhinkend, machen ihnen die Museen

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[unge Enten. Von Walter in Meißen. Meißener Manufaktur

Elefant von Waller In Meißen. Meinen

Maki von Wallbcr In Mclilcn, NUndril und Wa«leniadi>< <ioa l*iU la Drc*i<a. M«ul«»«t. MuuUlkbu

128 EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELLANPLASTIK

Kostümfiguren von der Insel Amager. Von Karl Martin Hansen. Kgl. Manufaktur Kopenhagen

Konkurrenz im Sammeln und im Kaufen. Aber diese retrospektive Porzeiianmanie, die die ganze gebildete Welt ergriffen hat und die Unsummen umsetzt, hat ihr Gutes. Während diese Altsammler vor einem Jahrzehnt noch belächelt wurden, wird jetzt kein Ein- sichtiger mehr zögern, anzuerkennen, daß all diese Freunde des guten Alten uns gute Dienste leisten. Einmal haben sie in der Porzellanplastik eine Glanz- seite deutscher Kunst wieder aufgedeckt, die künst- lerisch ebenso wertvoll ist wie die deutsche Elfenbein- plastik des 1 7., die Buchsbaum-KIeinplasfik des 1 6. Jahr- hunderts und die Bronze-Kleinplastik noch älterer Zeit. Aber ebensogut ist der andere Dienst, den uns die Freunde Deutsch-Tanagras leisten! Sie bringen

uns unserer modernen Kleinplastik näher, sie haben die Ansprüche an die Kunst der neuen Porzellan- plastik gesteigert, sie bekämpfen die sklavische Nach- ahmung der alten Weise und sind Schätzer einer diskreteren neuen Art, wenn sie nur künstlerisch originell ist. In der Tat besitzen wir gegenwärtig in Deutschland eine größere, für diese Arbeit ge- schickte Künstlerschar, als wir sie je besessen haben. Sie für die Porzellanplastik nutzbar zu machen ist eine künstlerisch notwendige und welthändlerisch weise Maßregel.

Meißen, das igoo in Paris nur zögernd mit figürlichen Neuheiten hervortrat, hat in den letzten zwei Jahren neue frische künstlerische Kräfte in seinen

Kostümfiguren von der Insel Amager, von Karl Martin Hansen. Kgl. Manufaktur Kopenhagen

EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRI ICHE PORZEI! ANPLASIIK

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Badende. Von Kaufmann (igo7). Berliner KrI Manufaktur

Schaler. \ on naniirdin im/>; Berliner Kgl. Manulaklur

Betrieb eingestellt und hat, wie eine Auswahl von Abbildungen in diesem Hefte zeigt, oft mit viel Glück Figuren geschaffen, die aus dem Geschmacke unserer Gegenwart entstanden sind, und so gut wie gewisse Serien von Rörstrand und Kopenhagen einen doku- mentarischen und künstlerischen VC'ert besitzen. Nicht alle diese Figuren sind nach dem Unterglasurrezcpt dekoriert. Mit Recht nimmt die Meißener Manufaktur, die ja über einen in der alten Malerei wohlbewanderten Malerstab verfügt, auch ältere Dekorationsweisen wieder auf und stimmt sie auf neue koloristische Harmonien. In der Malerei der alten Modelle, die dank dem energischen Eingreifen Hoesels stilgerechter im Sinne der besten Malperioden behandelt werden, ist gegen früher ein erheblicher Fortschritt zu verzeichnen. Uns interessieren natürlich in diesem Zusammenhang ganz besonders die vielfachen Bemühungen um eine moderne Figurenplastik, die nicht nur die in der Fabrik angestellten künstlerischen Kräfte verwendet, sondern auch draußenstehende Künstler beschäftigt. Aus beiden Gruppen sind der Meißener Manufaktur in kurzer Zeit eine Menge neue Modelle geliefert worden, unter denen auch ein anspruchsvoller Kunst- freund charakteristisch neuartige und feine Stücke finden wird.

Diese neuen Figuren sind gewiß verheißungsvolle Ansätze zu einer im fortschrittlichen Sinne gedachten Reform, von der wir nur hoffen, daß sie noch um- fassender und künstlerisch freier durchgeführt werden wird. Gerade ein Institut wie das Meißener, darf nicht auf halbem Wege stehen bleiben, dieAusnahmestellung.

Kunsigewcrbchlall. N. ¥. XIX H. ;

die es kraft seiner glorreichen Vergangenheit inne hat, zwingt die Manufaktur zur technischen und künst- lerischen Initiative.

In einer ähnlichen und in gewissem Sinne günstigeren Lage befindet sich die ßcr/i/wr Staats- nianufaktur. Aus ihrem Laboratorium sind in den letzten Jahrzehnten bewundernswerte technische Ar- beiten hervorgegangen, auf allen Wellausstcllungen hat sie die größten repräsentativen Aufwände gemacht, und es hat ihr auf dem Gebiete der Plastik, das uns hier beschäftigt, nicht an großen Aufträgen gefehlt Der monumentale fkunnen von Schley ist ein vir- tuoses Ausstattungsstück, das in Sl. Louis berech- tigtes Aufsehen erregte. Man sieht, auch die f^liner Manufaktur hat sich die Erfahrungen der Pariser Ausstellung zunutze gemacht und will nicht ver- säumen, den Stab ihrer Künstler nach der nio<lcrnen Seile hin zu vermehren. Was sie iqoö in Dresden ausstellte, ausschließlich eine Orupi>c von Arbeiten von Schnuiz-Baudiß, fand den Beifall der Freunde porzellantcchnischer Neuheiten in einer eigensinnig neuartigen, von allem bekannten, bewußt abweichen- den Stilisierung. Als l'lastiker kam der Künstler indessen bisher nur in Kleinigkeiten zu VX'orte. Die l'flege der Figurenplaslik ist überhaupt in Berlin zuncit verhältnismäßig noch wenig entwickelt. Aber da tnan bemüht ist, die besten Kräfte heranzuziehen und zu- dem über alle technischen Neuheiten verfügt, ist an- /iitielr ■■ auch in Berlin der Hauch r.uIcTncr

Fornu wie er schon 1900 in .Ntct/iicr.> herben

und gedankenvollen Arbeiten hervortrat, mit Ob«r- oder

70

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EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGURLICHE PORZELLANPLASTIK

Psyche von Bernewitz (igo4). Berliner Kgl. Manufaktur

mit Unterglasurfarben noch mehr einziehen wird, als bisher geschehen konnte. Mit besonderem Eifer ist die Biskuitplastik fortgebildet worden, und neben den offiziellen Aufträgen sind aus der Manufaktur eine Anzahl sehr ansprechende neue Werke derart hervor- gegangen, von denen wir noch mehr hier reproduzieren zu können wünschten.

Die Biskuitplastik bleibt auch heute wie in der älteren Zeit eine wichtige Betätigung der Staats- manufaktur in Sevres. T.\i den erfolgreichen und mit Recht von den Franzosen gerühmten figürlichen Arbeiten, die 1900 in Paris in erstaunlicher Menge zu sehen waren, sind seitdem noch viele andere zier- liche Werke gekommen. Das Beharren am einmal erprobten nationalen Geschmack mit seiner Vorliebe für freie Eleganz der Bewegung und eine weitgehende Delikatesse der Durchführung ist für Sevres charak- teristisch. Es hat sich nicht versuchen lassen, Plastik nach dänischer Art zu bilden, und es steht zu fest auf dem Boden der Tradition, als daß es das Biskuit den Versuchen impressionistischer oder hieratisch stili- sierender Bildner auslieferte. So erfolgreich Sevres auf anderen Gebieten seiner durchaus im industriell vor- bildlichen Sinne angelegten Produktion die Pfade der Tradition verlassen hat, in der Porzellanplastik bleibt es der alten Praxis treu und bestellt Modelle oder bringt Reduktionen hervorragender Werke der zeit- genössischen Großplastik. Es hat keinen rechten Sinn, der Manufaktur daraus, daß sie sich auch der Reduktionen nach Werken in anderem Material be- dient, einen Vorwurf zu machen, aber es ist zu be- grüßen, daß sie mehr als früher bestrebt ist, durch

Diana von Wiese (igo6). Berliner Kgl. Manufaktur

große Staatsaufträge ganzer Tafeldekorationen wie der von Leonard oder Lärche die Porzellanplastik anzuregen.

Gerade nach dieser Richtung könnten auch wir in Deutschland weitergehen, denn mit dem Ver- geben einzelner Püppchen an Künstler verschiedener Richtung ist noch wenig erreicht. Vielmehr wäre zu wünschen, daß es wieder Mode würde, größere Tafelarrangements, Kamingarnituren usw. zu bestellen, wie das in der alten Blütezeit des Porzellans Mode gewesen ist. Die Höfe könnten da mit gutem Bei- spiel vorangehen. Vor allem könnten aber auch städtische Verwaltungen, Sport- und andere Klubs, Kasinos sich die Sorge um den künstlerischen Tafel- schmuck etwas zu Herzen nehmen, und nicht zuletzt kämen wohl auch unsere transatlantischen Schiffs- gesellschaften als Besteller in Frage. Gerade sie könnten der deutschen Porzellanindustrie eine sehr wirkungsvolle Reklame bereiten!

So zeigt sich in allen führenden Manufakturen gegenwärtig deutlicher als früher das Bestreben, auch die Porzellanplastik aus dem Banne einer veralteten Überlieferung zu befreien. Diese Versuche, die im modernen Sinne allenthalben unternommen werden, sind ungleich und soweit es die deutschen Staats- manufakturen betrifft, noch nicht viel mehr als erste Ansätze. Sie sind nötig als Gradmesser neuer künst- lerischer Kräfte im Vergleich zu den fremden und vor allem im Vergleich zu den Bemühungen der privaten Industrie, die in einzelnen Fällen, wie das glückliche Vorgehen ganz besonders der Nyinphcn- biirger Manufaktur und die Tätigkeit von Hugo Kii"sch

Figur von Chr. Thomsen. Kgl. Porzellanmanufaktur Kopenhagen

Roulettespicici Innen von Eichler in Meißen. Kgl. MelOner Manulaklur

Uauer mil Kuhcn von i'ii« in l)re«l»ti K»l. M«...«ci \UiiiiUtiUi

EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELI.ANPLASTIK 133

Dachshunde von Laurilz Jensen und E. Nielsen. Kt;!. Kopenhagener Manufaktur

in Wien beweisen, dem herrschenden Ungeschmack und der Nachmacherei der kuranteii plastischen Ware zum Trotz sich müht, ein höheres künstlerisches Niveau zu erreichen.

Die alte, einst künstlerisch hochbedeutende A^/n/j/zc«- burgcr Manufaktur hatte lange ihre stolze Vergangen- heit vergessen. Erst unter der Leitung Bäumls hat sie sich unter die erfrischende Einwirkung der fort- schrittlichen Münchener Kunst gestellt und fand in dem Bildhauer Wackerle eine künstlerische Kraft, der sie ein ganz eigenes, vom Humor des Simplicissi- mus berührtes Genre der figürlichen Plastik dankt. Wackeries Biedermeier sind zudem höchst delikat koloriert. Der junge Hugo Kirsch in Wien hat sich auf eigene Faust an die Herstellung von Porzellan-

figuren, volkstümlichen Figuren aus Wien, gemacht und die gutmütige Laune, mit der er seine Leutchen schildert, sichern ihm die Aufmerksamkeit der Por- zellanliebhaber. Das sind gewiti nicht die einzigen Künstler, denen abseits von den grolJen Manufakturen glückliche Würfe gelungen sind, aber in der Orol5- Industrie begegnen wir nur wenigen ihrer Art und wenn sie auch da sein mögen, so hat ihr \X'crk, auf dem Wege von der bildenden Hand zum fertigen Massenprodukl so viel eingebüßt, daß uns sein Ver- fertiger kaum mehr interessiert.

Das Vorgehen der genannten Privaten, besonders aber unserer Staatsinstitute hat eine hohe werbende Kraft für die allgemeine Geschmacksbildung des großen Publikums, das erst erzogen werden mulJ

Ahchciil'i-tliir Miil rjuncn vim Ur. I Mt\ir in I rip"i: KkI. Mi'illricr Manufaktur

|unf;r tlunJc ron t. NicUr«. K(t Koiwakasn«» ManUktar

Pariserinnen von EicViler in Meißen. Kgl. Meißner Manufaktur

Der Friede. Von Michel. Sevres.

Friedrich der Große von Boese. Kgl. Berhner Manufaktur

EINIGE BEMERKUNGEN ÜBER DIE NEUESTE FIGÜRLICHE PORZELI.ANPI.ASTIK 135

Kiml auf einer Schildkröle von Pilz in Dresden, Ruischbahn von König in Dresden. Kul. Meillner M»nu(aklur

für eine einsichtigere Schätzung einer so edlen Kunst, wie es das Porzellan war und bleiben muß. Seine Masse mag das Porzellan dank der tech- nischen Fabrikationsverbesserungen unserer Zeit ge- schickt machen zur Erzeugung wohlfeiler Geschirr- waren. Wo es aber mit künstlerischem Anspruch auftritt, da kann es nicht billig sein, weil es dann

auf das Sorgfältigste durchgebildet sein will. Aus Künstlerhand muß es als individuelles Kunstwerk hervorgehen, nur so wird es zu einem Wertstück werden, wenn auch zu einem luxuriösen, wie es auch alle wirklich guten allen Porzellane gewesen sind und bleiben werden.

junKfS MldChcn mil Krifrn von 1 anfr Kgl MefBner M»nut»kinr

DELEOIERTENTAG DER KUNSTOEWERBEVEREINE

IN HANNOVER

Der » Verband Deutscher Kunstgewerbevereinet hielt vom 21. bis 23. März in Hannover seinen iS. Delegiertentag ab. Der erste Tag war den Beratungen der Unterkonimissionen und der offiziellen Begrüßung durch den Kunsfgewerbe- verein Hannover gewidmet.

Der Wert solcher Zusammenkünfte liegt durchaus nicht allein in den praktischen Beratungen, sondern vor allem auch in dem persönlichen Kontakt, der bei den Begrüßungs- abenden zwischen den einzelnen iVlitgliedern und Be- ratungsteilnehmern hergestellt wird. In dieser Hinsicht gelang der erste Abend vollkommen; man sah die Gruppen, gemischt aus Künstlern, Fabrikanten, Gelehrten usw. in angeregter Unterhaltung bis in die späten Abendstunden vereint.

Am Sonntag den 22. März begannen vormittags g Uhr im großen Saale des Alten Rathauses die sachlichen Be- ratungen unter dem Vorsitz des Herrn Geheimen Re- gierungsrates Dr. Ing. Hermann Miithesius. Die offiziellen Begrüßungen gipfelten in einer Ansprache des vom Preußi- schen Handelsministerium gesandten Herrn Geheimen Oberregierungsrats Dönhoff.

Der Vorsitzende gab bekannt, daß der Verband zur- zeit aus 51 Vereinen mit 65 Stimmen bestände, und daß auf der Tagung 57 Stimmen durch Delegierte vertreten seien. Aus dem Verbände sind im letzten Jahre 686 Mit- glieder ausgeschieden und 1399 Mitglieder neu eingetreten. Er umfaßt demnach zurzeit 17282 Mitglieder. Ausge- scliieden sind folgende Vereine:

Der Deutsche Graveurverein in Berlin,

die Photosezession in Dresden und

das Bayerische Gewerbemuseum in Nürnberg.

Letzterer Verein, der die stattliche Größe von 1480 Mitgliedern besitzt, gab für seinen Austritt die charakte- ristische Begründung, daß bei ihm das Kunstgewerbe mehr in den Hintergrund getreten sei und daß infolgedessen eine Beteiligung an den Bestrebungen der Kunstgewerbe- vereine für ihn keine praktische Bedeutung mehr habe. Neu eingetreten sind Vereine in Bunzlau, Darmstadt, Elber- feld, Mannheim, Plauen, Würzburg-Aschaffenburg, Zwickau.

Als Resultat der vorjährigen Beratungen wurde zu- nächst hervorgehoben, daß der Beschluß: in den kunst- gewerblichen Ausstellungen lieine Auszeichnungen mehr zu verteilen, sondern das Passieren der Jury an sich als eine Auszeichnung zu betrachten, bereits in die Praxis über- gegangen und den Behörden mitgeteilt worden sei. Be- sonders in München hat man mit diesem Verfahren sehr günstige Resultate erzielt.

Zum stellvertretenden Vorsitzenden der Tagung wurde Herr Professor Dr. Haupt, Hannover, zu Schriftfiilirern die Herren Dr. Lehnert, Berlin, und Hofrat Bruckmann, Heil- bronn gewählt.

Den Kassenbericht gab Herr Günther und erhielt Ent- lastung.

Als Beitragseinheit wurden, entgegen geringem Wider- spruche, 20 Mark festgesetzt.

Für die nächstjährige Tagung überbrachte Herr Dr. Hagelstange die Einladung des Kunstgewerbevereins in Magdeburg. Er begründete die Einladung damit, daß im letzten Winterhalbjahre heftige Kämpfe innerhalb des Vereines zum schließlichen Siege der neueren Richtung geführt hätten. Nun wäre es dem Vorstand sehr erwünscht, durch eine Tagung des ganzen Verbandes in Magdeburg dokumentieren zu können, daß Magdeburg in seinen Zielen mit den übrigen Vereinen des Deutschen Reiches überein- stimme. Die Versammlung sah sich leider außerstande die Einladung des Kunstgewerbevereins Magdeburg schon für das nächste Jahr anzunehmen, weil bereits eine frühere Einladung des Halleschen Vereines vorlag und nun auch angenommen wurde. Der 19. Delegiertentag ist also für den 28. März 1909 in Halle a. S. festgesetzt.

Man trat nun in die Beratungen der Gebührenordnung für das Kunstgewerbe {Eisenaclier-Ordnung) ein. Die Vor- arbeiten der hierfür eingesetzten Kommission waren bis zur allerletzten Stunde fortgesetzt worden; infolgedessen konnten den Teilnehmern die neuen Vorschläge noch nicht abschriftlich vorgelegt werden. Die Beratungen nur nach mündlicher Verlesung der einzelnen Paragraphen waren natürlich wesentlich schwieriger. Es gelang aber, dank der vorzüglichen Beschlagenheit der Herren Dr. Muthesius und Dr. Lehnert, das Schiff durch die Klippen mancher Mißverständnisse sicher hindurchzusteuern. Die Kommis- sionsmitglieder betonten, daß die jetzt vorgeschlagene Fassung durchaus keine definitive sein solle, sondern daß die neue Ordnung sich nach den Bedürfnissen und Er- fahrungen der Praxis erst zu gestalten habe. Wir geben demnächst den Wortlaut der neuen Paragraphen wieder, aus denen ersichtlich sein wird, daß die Gebührenordnung ganz wesentlich an Klarheit und Gebrauchsfähigkeit gewonnen hat. Die Kommission wurde von der Versammlung be- auftragt, jetzt auf der neuen Basis auch einen neuen Tarif aufzubauen.

Als ein Muster klarer und präziser Darstellung eines äußerst komplizierten Themas mußte das Referat des Herrn Professors Dr. Osterrieth über die an den Verband ergangene Umfrage betr. das Recht der Arbeitgeber an den Entwürfen ihrer Angestellten bezeichnet werden.

Das Urheberrecht entsteht in jedem Falle mit der Schöpfung des Angestellten und heftet sich an dessen Person. Der Arbeitgeber kann daher nur durch Über- tragung ein Recht erlangen. Zur Beratung war nun die Frage gestellt: empfehlen sich an dem Patentgesetze usw. Änderungen, die den Angestellten Nutzen und Ehre an

DELEGIERTENTAQ DER KUNSTGEWERKEVEREINE IN HANNOVER

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ihren Schöpfungen sicherstellen? An der schriftlichen Be- ratung der Angelegenheit hatten sich die Vereine Dresden, Hamburg, Ostpreu(5en, Neiße, Krefeld, Berlin, Pforzheim und Chemnitz beteiligt.

Die Ifrkihrung des Hamburger Vereins verlangte, dali bei der Ausstellung kunstgewerblicher Erzeugnisse der geistige Urheber genannt werden sollte, besonders bei größeren Werken, aber erwünscht seien hierfür besondere Vereinbarungen und kein (iesetz. Bei kleineren ffniwürfen hält er die Anbringung der Künstlernamen nicht für er- forderlich. Verträge, nach denen das Urheberrecht an den Entwürfen der Angestellten prinzipiell an den Qcschäfls- herrn übergehen sollen, müssen unbedingt ausgeschlossen sein. Solche Verträge seien als unsittlich zu bezeichnen. Osterrieth empfahl im Einverständnis mit dem Berliner Verein, die sozialpolitische Seite der Frage nicht zu sehr in den Vordergrund zu rücken, weil sonst bei den heute leider noch bestehenden Anschauungen der Regierungen über die Möglichkeit einer richtigen Bewertung geistiger Arbeit die Lösung sonst fraglich werden körmte. Wenn auch das Urheberrecht sich an die Person des schöpferi- schen Angestellten hefte, so könne es doch nicht dauernd bei jenem bleiben, da Geschäft, Inhaber und Angestellter ein Ganzes bilden und deshalb dem Angestellten allein eine Möglichkeit der Wahrung aller Urheberinteressen nicht gegeben seien. Der Künstler, als Angestellter für das Entwerfen gewerblicher Entwürfe zu geschäftlichen Zwecken des Geschäftsherrn, muß deshalb als verpflichtet angesehen werden, dem Arbeitgeber das Urheberrecht zu überlassen, da soirst ein geschäftlicher Betrieb überhaupt unnroglich sei. Es seien hierfür nicht nur die irr den Qe- schäflsstunden entstandenen Entwürfe, sondern auch in der freien Zeit des Angestellten entstandenen Schöpfungen heranzuziehen, denn die schöpferische Tätigkeit ist an keine Zeit lind keinen Ort gebunden. Dies bezieht sich natür- lich nur auf diejenigen Entwürfe, die in den Zweig und die Art desjenigen Betriebes fallen, in denr der Urheber angestellt ist. Alle andersartigen Schöpfungen verbleiben in jeder Hinsicht dem Urheber. Es wird schon durch den § 12 usw. des Kunstscirutzgesetzes bestimmt, daß die An- bringung ebenso wie die Fortlassung des Namens des Urhebers unzulässig sei, wenn eben nicht besondere Ab- machungen vorlägen oder nach Art des geschäftlichen Be- triebes ein stilles Einverständnis des Urhebers vorausge- setzt werden könne. Die Fragen, ob man den Angestellten, dessen Urheberrecht auf den Geschäftsherrn übergegangen sei, am Gewinn beteiligen könnte, erscheint fraglich, weil man ihn gerechtcrweise auch am Risiko resp. Verlust be- teiligen müßte.

Direktor Professor Moser, Kaiserslautern, referierte über Kunstgewerbe- und Gewerbemiiseen. Er befürwortete, die Kunstgewerbemuseen historiscli zu fassen, den Gc- werbemuseen dagegen die Kunst und das Gewerbe der Gegenwart vorzubehalten. Als besonders wichtig wurde die von Herrn Direktor Moser eingeführte Erweiterung seines Museums nach der technologischen Seite hin an- gesehen. An der Debatte beteiligten sich die Herren Kunsthistoriker Glüenstcin und Professor Scliarrvogcl Letzterer betonte, man solle im Gewcrbcmiiscum direkt lesen können, d. h. den Werdeprozeß des ciirzelnen Stückes, wie es aus dem Material herauswächst, erkennen können. Der Handwerker solle sich wirklich Instruktionen holen können. Professor Pfeiffer, München wiinsclii für die süd- deutschen Sammlungen ein Zugänglichmachcn nach Art der norddeutschen Museen. Fabrikant Stöffler, Pforzheim, betont die wirtschaftliche Seite. Der Zug der Zeit hcillc: Spezialisierung. Die alten mit den neuen Beispielen in Kunsigcwcrbcblatl. N. F. XIX. M. 7

Fühlung zu erhalten, sei wichtig, damit auch die heuligt, noch anders vorgebildete Generation bestehen könne. Dr. Grairl warnt die Kunsigewcrbcmuseen vor der Erwerbung moderner Stücke. Direktor Hoffacker wendet tich gegen die Zeichenbureaus der Museen, die meislenii nur eine faule Brücke für die Gewerbetreibenden bedeuten.

Direktor Thormählen referierte über l.ehrwfrkslätlfn, er wünscht, da die Werkstätten an Schulen angegliedert seien, die Einführung der präziseren Bezeichnung Sflm!- Werkstätten. Er betonte, daß aus den Zoghngeri derjenigen Schulen, denen keine Werkstätten angegliedert ieicn, meistens nur Zeichner würden, ein Umstand, der dem praktischen Gewerbe nicht zugute käme. Den Schülern der Werkstätten aber würde eine Beschäftigung mit dem Material ermöglicht, die in der Lehre selten sei und ihnen Liebe zum Material, zur Steigerung der Qualität einflöße. Das Resultat einer solchen Beschäfligniig sei, daß die Schüler ganz von selbst gezvvungen würden, die OcscI/e des Materials zu befolgen Sie lernen vor allem eine rich- tige Kalkulation und wissen, aus wie vielen Klemigkeitcn schließlich der Preis des Werkes entsteht. - An diesen Vortrag schloß sich eine sehr lebhafte Diskussion, an der sich viele Herren beteiligten. Die Äußerungen der Fabri- kanten und Handwerker bewiesen, daß sie Herrn Pro- fessor Thormählen in einigen Punkten vollkommen miß- verstanden hatten. Der Referent betont deshalb nochmals, daß durch die Schulwerksiätten durchaus kein Ersatz der Meisterichre angestrebt werden solle, ganz im Gegenteil. Herr Geheimer Oberregierungsrat Doiihotf führte die [Dis- kussion auf das Wesentliche zurück. Er betonte, daß von den Schulwerkstälten nicht etwa dem Beruf neue Kralle ziigcjuhrl werden sollten, sondern, daß ganz im (jrgcnleil die Besucher der Schulwerkstälten aus dem Beruf htr- kommen und in ihnen weitergebildet werden sollen Die Werkstätten würden nur nach dringendem Bedürfnis er- richtet. Die Schüler sollen nicht für einen beslimmtcn Zweck ausgebildet werden, sondern sie sollten ihren Ge- sichtskreis und ihre Fähigkeiten derartig erweitern, daß sie imstande wären, das Handwerk als Ganzes lu erfassen Der Zug nach den Bureaus sei ein Zug der Zeit. An einen Ersatz der Meislerlehre werde nicht gedacht, sondern höchstens an eine Ergänzung derselben. Nicht Diejenigen würden als Schüler in die Werkstätten aufgenommen, die leicht durch die Meister selbst ausgebildet werden konnten, sondern nur die Vorwärtsstrebcnden, die sich auf eine h(')here Stufe zu erheben wünschten. Es wurde fol^ Resolution angenommen: -Der Dclcjjicrtenlag eibli. den Schiilwerkstätten ein wichtiges Erziehungs- und Forde- rungsmittel des Kunstgewerbes.'

Herr Fabrikant Stöffler befürwortete den Antrag de* Kunslgcwcrbevereins Plor/hcim. die besten Er/rugni«»r der kunstgewerblichen Lehrwerkstätten in Form von U .; iiuastellungen den Verbandsvercincn wechselseitig \i.i,i.- führcn. - Der Plan wird von der N'erMmmlung sym- pathisch aufgenommen. -- Professor PleiKcr, .München, betonte, daß allerdings durch die Arbeiten von Lernenden nichts gelehrt werden konnte, daß ei aber, wie auch Meti Professor Scharrvogel »agic, ein gutes Mittel sei. dem Publikum ein Verständnis für das Kunttgewerbr n\ ^rt milteln. Direktor Meyer, Hamburg, glaublr c t>ct ' 1

daß dem \'erbande hiermit ein Mittel gegeben tri zur An- regung des Publikums und /um Pro|iagieien der /tele det Verbandes. Er »nnsrlitc. daß dirse Sfhulruimi'-iiungen auch in den höheren Ichrantlallcri ;iikii! nrr . '"m Herr I ahmeyer betonte, daß derartige» la . kunstgewerblichen laden /u sehen sei - I vogel widersprach und wie« darauf bm, dalt m den Laacn

2)

13S

BUCHERSCHAU

leider meistens der Kitsch gezeigt würde, weil man daran mehr verdiene. Kunsthistoriker Olüenstein warnt davor, daß diese Schülerausstellungen zu einem Wettrennen der Vereine ausarten. Nachdem Direktor Schulze, Elber- feld, hervorgehoben hatte, daß die besten Schülerarbeiten wirklich würdig seien , öffentlich ausgestellt zu werden, beschloß der Verband, einen Versuch mit solchen Wander- ausstellungen zu machen. Der Kunstgewerbeverein in Pforzheim wird die erste Ausstellung vorbereiten.

Zu später Stunde verstand es Herr Direktor Dr. Pabst, Leipzig, die ermüdeten Teilnehmer durch einen außer- ordentlich interessanten Vortrag über die technische Arbeit als Erziehungsmittel zu erfrischen. Der Aufsalz ist in seinen wesentlichen Punkten bereits erschienen in Heft 5 unserer Zeitschrift, die in zahlreichen Exemplaren durch den Vor- tragenden an die Zuhörer verteilt wurde und ihnen das Verständnis wesentlich erleichterte. Die Technik sei zu allen Zeiten ein sehr wichtiges Erziehungsmittel auf allen Gebieten gewesen, leider sei aber in unseren Tagen die Ausbildung von Hand und Auge in unverantwortlicher Weise vernachlässigt worden. Der Zusammenhang von Kopf und Hand sei so einleuchtend, daß man die in un- seren Tagen geübte abstrakte Lehrmethode kaum verstellen könne. »Es müsse die Ausbildung von Hand und Auge schon bei Kindern angestrebt und auf allen Stufen der Er- ziehung fortgesetzt werden.« Herr Geheimer Regierungs- rat Dr. Ing. Muthesius hob, im Einverständnis mit der ganzen Versammlung, hervor, daß dieser Vortrag nicht nur für das engere Gebiet des Kunstgewerbes Bedeutung habe, sondern daß in ihm ein Mittel liege, die ganze Nation zu heben und auf einen lang ersehnten Weg zu bringen. Infolgedessen wurde noch folgender Nachtrag zu der Re- solution des Referenten beschlossen: »Die Vertreter der Kunstgewerbevereine sind von der Wichtigkeit der Aus- führungen des Herrn Direktor Dr. Pabst überzeugt und

beschließen, bei den maßgebenden Behörden vorstellig zu werden, damit die neue Erziehungsmethode obligatorisch eingeführt werde.«

Damit war die Tagesordnung erschöpft und die Ver- sammlung schloß mit einem Hoch auf den verdienstvollen Vorsitzenden, Herrn Geheimen Regierungsrat Dr. Ing. Muthesius und mit einem Dank an den vielbeschäftigten Schriftführer Herrn Dr. Lehnert.

Außerhalb der Tagesordnung befürwortete noch Herr Professor Pfeiffer, München, daß der Verband der Kunst- gewerbevereine den Bestrebungen des Werlibnndes aufmerk- sam folgen und dem Bunde seine ?ympathien aussprechen möge. Der Antrag fand Aufnahme in das Protokoll.

Der Abend des zweiten Tages vereinigte die Teil- nehmer noch in einer geselligen Unterhaltung im Künstler- hause.

Der dritte Tag war einer Besichtigung der Stadt Hannover und einem Ausfluge nach Hildesheim gewidmet.

Wir konnten an dieser Stelle nur kurz den Gang der Beratungen andeuten, da ein eingehenderes Referat einen erheblich größeren Raum beansprucht haben würde, der uns leider nicht zur Verfügung steht. Wir behalten uns deshalb vor, die Themata noch im einzelnen ausführlicher zu behandeln.

Hierbei werden wir noch auf einen Punkt der Tages- ordnung zurückkommen müssen, von dem wir heute noch nicht gesprochen haben: Er betrifft das Referat des Herrn Professor Groß, Dresden, über Kunstgewerbliche Zeit- schriften. Wenn auch die Diskussion wesentliche Dinge leider nicht zutage gefördert hat, so ist schon die Tatsache allein, daß eine solche Frage ernsthaft und in anregender Weise vorgetragen wurde, 50 wichtig, daß wir auch unserer- seits Stellung nehmen müssen. f, hellkao.

BÜCHERSCHAU

A. Lichtwark: »Vom Arbeitsfelde des Dilettantismus'^ und t Blumenkultus: Wilde Blumen' . Volksausgaben. Bruno Cassirer, Berlin 1907. Gebunden M. 2,50 und M. 3,20. Von dem Werke Lichtwarks Die Grundlagen der künstlerischen Bildung« sind bis jetzt 13 Bände erschienen und davon liegen die am Kopf genannten beiden in zweiter Auflage vor. (Die Seele und das Kunstwerk, 3. Aufl. Die Erziehung des Farbensinns, 2. Aufl. Palastfenster und Flügeltür, 2. Aufl. Drei Programme, 2. Aufl. Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken, 4 Aufl.) In diesen geistreichen Studien, die zum Teil in Druck ge- legte Vorträge des Verfassers sind, bespricht derselbe allerlei zeitgemäße Fragen der Kunst und übrigen Kultur und bringt seine Wünsche mit der Wärme der Über- zeugung zum Ausdruck. Wer sich für die einschlägigen Fragen überhaupt interessiert, wird diese Bücher mit Ge- nuß und Vorteil lesen

Lichtwark verspricht sich vom ernsten, organisierten Dilettantismus das Heil einer neuen Volkskunst (den ober- flächlichen will er erbarmungslos ausgerottet wissen) und macht spezielle Vorschläge in bezug auf Liebhaber- bibliotheken, Buchausstattung, Bucheinbände, Lesezeichen, Exlibris usw. Dabei erfährt der Leser, was auf dem Ver- suchsfelde Hamburg bis jetzt erzielt wurde. Besonders interessant sind die Bemerkungen über die Geschichte des Bucheinbandes und der Vortrag über Bildnismalerei und Aniateurphotographie.

Der Band über Blumenkultur singt das hohe Lied der wilden Blumen, des Chrysanthemums usw. und macht be- herzigenswerte Vorschläge über den Fensterschmuck, die Blumenauslagen, die Haus- und Wintergärten, über Hecken und Gitter, über Töpfe, Vasen, Untersetzer, Blumenkörbe und anderes mehr. An manchen Stellen wird im Leser das Gefühl aufkommen, daß vieles, was der Verfasser sich hübsch im Kopfe malt, sich schwer wird in die Wirklich- keit versetzen lassen, weil dort bekanntlich sich die Sachen hart im Räume stoßen. An anderen Stellen kann man zur Meinung kommen, daß Türen berannt werden, die eigent- lich schon offen sind. So sind z. B. die erhofften klein- und vielblütigen Chrysanthemen schon längst da, in allen Schattierungen vom Weiß bis zum Braunviolett; man sieht und zieht sie nur zu wenig, weil sie zu wenig gekauft werden. Dem Wunsche nach Einführung der Wildblumen und Wildrosen in die Gärten ist ebenfalls längst Rechnung getragen. Eisenhut, Fingerhut, Akeley, Löwenmaul, Kamille, Ooldaster, Virgilaster, Alant, Rainfarn, Ochsenauge, Gold- rute, die Kugeldisteln, die Glocken- und Flockenblumen, die Feder-, Bart-, Kleb- und Lichtnelken, die Nacht- und Mondviolen, die Enziane, Geranien, Malven und Woll- kräuter, Helleborus, Astranlia, Thalictrum, Gemswurz, Germer, Iris germanica und Pseudacorus, die Seerosen, Ehrenpreis, Veilchen, Vergißmeinnicht, Ringelblumen, Primeln, Sinngrün, Trollblumen, beide Maiblumen, Ane- monen, Ranunkel und Hahnenfuß, Kibitzeier,Crocus, Schnee-

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAlJ

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und Märzglöckchen, Traubenhyazinthen und viele Dutzend anderer Vertreter der einheimischen Flora sind mehr oder weniger umgestaltet in unseren Gärten zu finden, wenngleich sie auch vielen als Propheten im Vaterland wenig genug gelten. Ob gerade der Wiesenklee sich zu einer Zucht- blume mit Auszeichnung heranholen lielie, wie der Ver- fasser meint, sei dahingestellt In das Loblied der wilden Rose (Hundsrose) kann man ohne weiteres einstimmen, darf dabei aber nicht übersehen, daß noch viel schönere winterharte Wiklrosen zurzeit in jedem größeren Rosen- garten vorhanden sind, so die einfachen Rugosarosen, die Rubiginosahybriden des Lord Penzance, die brombeer- blütige Rose, die Dawsoniana, die Wichiiraiana, die Rosen »Leuchtstern , f^arkfeuer usw. Es wird ein Verdienst Lichtwarks sein, wenn seine Empfehlung der Wildrose auch diesen zustatten kommt. Für den unbefangenen Beobachter ist es einlgermalien auffällig, daß die Neuerer auf dem Gebiete der Blumenkultur und Gartenkunst einerseits die Rückkehr zur Natur verfechten (Einführung der Wild- blumen, einfache Blumen als Ersatz der gefüllten), während sie anderseits an Stelle der Natur die Geometrie setzen wollen (regelmäßige Oarteneinteilung, geschnittene Hecken und Wände). Erklärlich wird dieser Widerspruch nui dann, wenn man bedenkt, daß es sich in beiden Fällen um eine Auflehnung gegen das Hergebrachte handelt.

F. S. M.

Dr. R. Forrer, RcalUxikon dir prähistori&chen, klassischen und frühchrisilicheii Altertümer. Mit 3000 Abbildungen. Verlag von W. Spemann, Berlin und Stuttgart. Preis geb. M. 28.—.

Forrers Reallexikon soll ein Nachschlagewerk sein, das rasch auf alle Spezialfragen der Archäologie Auskunft gibt. Der Verfasser, dem eine langjährige Erfahrung als Forscher und Sammler auf diesem Geliiete zu Gebote steht, hat mit der Herausgabe dieses Buches sich einer großen Arbeit

unterzogen, iu der er allerdings vor vielen anderen berufen war. Der Zweck, den er sich mit der Bearbeitung gesetzt hatte, ist zweifellos in hervorragender Weise erreicht worden, indem das Buch in der Tat auf alle Fragen, die sich bei archäologischen Studien ergeben, zuverlässige und aus- reichende Auskunft gibt und außerdem durch zahlreiche Literaturhinweise ein eingehenderes Studium der Spezial- fragen möglich macht. Dabei ist die Darstellung durchaus gemeinverständlich gehalten, so daß auch derjenige sich leicht orientieren kann, der nicht gerade über spezielle Fachkenntnisse auf dem Gebiete der Archäologie verfügt Auch die Unparteilichkeit, mit der strittige Fragen behandelt worden sind, verdient Anerkennung Ein besonderer Ver- zug des Buches besteht in der Beigabe der so überaus zahlreichen Abbildungen. Der Verfasser geht niil Recht von der Ansicht aus, daß statt umständlicher Besclireibungen die Abbildungen reden sollen. Die Anschaulichkeil der Darstellung wird dadurch außerordentlich erhöht, und die Abbildungen sind um so wertvoller, als sie zum Teil auf bisher noch nicht veröffentlichten Originalaufnahmcn be- ruhen oder aus Zeitschriften und schwer zugänglichen Spezialwerken entnommen sind. Besonders wertvoll sind die Übersichtstafeln, die der Verfasser in großer Anzahl (nahe an 300) beigegeben hat und die zum großen Teil nach Aufnahmen aus seinen eigenen bedeutenden Samm- lungen angefertigt worden sind.

Die auf diesen Tafeln gegebenen Cntwickelungsreihen. die z. B. allein für die Fibeln über luu Abbildungen um- fassen, sind besonders wertvoll und finden sich in gleicher Vollständigkeit kaum in irgend einem anderen Buche

Nach dem Gesagten kann es nicht zweifelhall sein, daß man in dem Werke eine wertvolle Ergänzung der Literatur erblicken muß und daß man es allen denen empfehlen kann, die sich lür archäologische Studien In- teressieren. /'.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DENKMALSCHUTZ

Das italienische Gesetz zum Schutze der Kunst- werke, das die Kammer kürzlich angenommen hat, betrifft nicht nur die historischen, künstlerischen oder archäo- logischen Monumente, sondern auch die Gärten, Wälder, Seen, Landschaften, Wasserfälle, die ein künstlerisches oder historisches Interesse haben.

TECHNISCHE ZEITFRAGEN

Die Wiederherstellung der antiken Kausis.

Nach dem langen, im vorigen Jahrhundert über die Frage der polychromen Ausstattung der antiken Statuen und Architektur geführten wissenschaftlichen Streite (bei welchem als bedeutsamste Gegner Gottfried Seniper gegen Kugler und seine Partei sich hervortaten), hat sich die Ge- lehrtenwelt dahin geeinigt, daß in der klassischen Kunst neben der noch erkennbaren 'enkaustischen Manier', das heißt Auftrag mit Glasschmelzfarben, die sogenannte Kausis, das heißt eine Färbung der Kunstgegenständc mittels festen, illustren Farben bestanden hat, welche zugleich die Marmor- werke vor dem zerstörenden Einfluß der Witterung schützte und so die l'rsache ihrer teilweise besseren Erhaltung bildete.

Oleicherweise geht aus mannigfachen Äußerungen der alten Autoren mit Gewißheit hervor, daß jene Kausis

chemisch aus einem Wachbpi.iparat zusammengeietzl wir, das durch Erhitzen dem betreffenden Stein- oder Ton- material aufgebrannt wurde, und nach dem Brande als unlösbar harte, durchscheinende Farbenpaste ((ilanzlaibe) erschien.

Da die Kausis sich an keinem antiken Marmori{egen- Stande (wohl wegen der in zu geringem Maß möglichen Erhitzung des Präparates) sichtbar erhielt, $0 glaubte man andererseits in der glänzenden Färbung mancher antiker Gefäße, besonders der sogenannten SigilUta -\K'arc eine Nuance der Kausis erblicken zu können; ein Umstand. welcher viele Gelehrte und Techniker zu wiederholten Versuchen anreizte, jedoch duichgängig wegen der Ver- nichtung eines jeglichen Wachsptaparates bei unmittel- barer Einwiikung der Hilzc zu keinem Resultate führten.

Die Jahrzehnte dauernden Versuche zur Wiederer- gründung der antiken Prozedur zur Herstellung der romi- schen Topferware scheiterten alle an eben diesem Umstände, neuerdings ist dem Architekten Dr. /. Prntrl in Mainz ge- glückt, nach antiker Manier mit Wachspraparal die Kausi» auf Tonmasse wiederherzustellen, welche die traditionellen Eigenschaften eines •(($( erhärteten glasurartigen Überzugs- in vollstem Maße erfüllt.

Ist mit diesem Präparate die einstige in Farbe wie in materieller Beziehung so vielseitige kaustische Polychromlc gewiß keineswegs völlig neu entdeckt, so muß deren tat-

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

sächliche erste Wiederherstellung von Seiten der Archäo- logie mindestens als eine wissenschaftlich bedeutsame Er- rungenschaft begrüßt werden, die in ihren fortgesetzten Versuchen auch für das Gewerbe der Keramik und Kunst- technik praktischen Nutzen bieten dürfte. k.

HANDEL UND INDUSTRIE

Aus der Pforzheimer Industrie. In der General- versammlung der Handelskammer Pforzheim wurde der Jahresbericht für 1907 verlesen. Darin wurde das abge- laufene Jahr als ein günstiges bezeichnet. Die Haupt- industrie- die Bijouterie- und Silberwarenfabrikation hatten, trotzdem die seit 1903 anhaltende Hochkonjunktur bereits anfing, zurückzugehen, durchschnittlich noch gute Beschäftigung. Auch die mit ihr verwandten und zusammen- hängenden Geschäftszweige dürfen auf ein günstiges Ge- schäftsjahr zurückblicken, wenn auch dieGeschaftsergebnisse in allen Branchen der hiesigen Edelmetallindustrie durch zunehmenden Wettbewerb, gestiegene Löhne usw. ungünstig beeinflußt wurden. Indessen dürfen die Resultate noch als befriedigend gelten. Wenn das in Gang befindliche Herabgehen der Konjunktur allmählich und ohne sprung- hafte und gewaltsame Entwickelung sich vollzieht, darf an- genommen werden, daß auch die Pforzheimer Industrie die Depression ohne dauernden Schaden übersteht. In den letzten Wochen, auf welche der Bericht nicht mehr eingegangen ist, haben sich die Beschäftigungsverhältnisse freilich stark verschlechtert. Viele Fabriken arbeiten nicht mehr voll, einzelne nur vier Tage, und in manchen Betrieben wurde auch, weil die Bestellungen nur sehr spärlich ein- liefen, das Arbeiterpersonal reduziert. Das Inland wie das Ausland halten mit Aufträgen gleichmäßig zurück; besonders aus Österreich kommen viele Hiobsposten; doch hat sich der hiesige Platz, der auch im September igoi eine lokale Bankkrisis ohne jede Insolvenz überstand, bis jetzt sehr gesund erwiesen.

LITERATUR

Die Theorie im Malergewerbe. Ein Leitfaden für den Unterricht in Innungs-, Fach- und Fortbildungsschulen sowie ein Handbuch für den Lehrling. Unter Berück- sichtigung der Anforderungen der Gesellen- und Meister- prüfung. Mit Illustrationen. Von H. Kloock, Dekorations- maler. Preis M. 2,50. Verlag von Jüstel & Qöttel, Leipzig.

Das Glas- Firmaschild. Anleitung zur rationellen Behandlung aller einschlägigen Arbeitsweisen. Von Kai'l Eyrich. Preis 1 M. Verlag von Jüstel & Göttel, Leipzig.

URHEBERRECHT

Berlin. Am 14. Oktober wird hier eine internationale Konferenz zur Bildung eines internationalen Verbandes zum Schutze von Werl;en der Literatur und der Kunst stattfinden, zu der außer den Staaten, die der Berner Konvention an- gehören, noch 35 andere Staaten Einladungen erhielten.

PREISAUSSCHREIBEN

Leipzig. Das Ausschreiben für Entwürfe von künstlerischer Innenausstattung, das auf eine Anregung der Gewerhekammer zu Leipzig erfolgt war, um gewisse Techniken der Innenausstattung im künstlerisch fortschritt- lichen Sinne zu befruchten, wird auf mehrfachen Wunsch wiederholt. Die Zahl der zum Märztermin eingegangenen Arbeiten ist unzureichend gewesen, so daß der Termin für die Einlieferung der Arbeiten auf den Herbst verschoben wird Bei der Wiederholung des Ausschreibens soll noch besonders den Wünschen der Aussteller und Bewerber aus dem Gewerbekammerbezirk Leipzig entgegengekommen werden. Die rechtzeitig eingelaufenen Arbeiten sind von dem Preisgericht beurteilt worden. Es sind folgende in Leipzig ansässige Aussteller mit Preisen ausgezeichnet worden: Frau Else Bossert, die Herren Flohr, H Knoppe, O. Schenk, H. Schröter, H Teßnow. Die öffentliche Vor- führung dieser Arbeiten wird bei der Wiederholung der Ausstellung im Herbst erfolgen.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13 Druck von ERNST Hedrich Nachf. g. m. B. H. Leipzig

EIN VERSUCH ZUR KÜNSTLERISCHEN BELEBUNfj

DES GEWERBES

So bereilwillig im allgemeinen der künstlerische Segen einer neuartigen Richtung in Kunst und (lewerbe anerkannt worden ist, so hat es doch, seit die moderne Bewegung im Gange ist, auch nie an solchen gefehlt, die die neue Kunst verantwortlich machen für den wirtschaftlichen Rückgang solcher Gewerbe, die den Anschlu(5 an die neue Kunst nicht finden konnten. Alle, die an eine gewisse Beharr- lichkeit des alten Geschmackes in weiten Kreisen unseres Volkes glauben und der retrospektiven Oe- schmacksträgheit der großen Menge jeden Standes dienen, kamen in ihrem Urteil über den wirtschaftlichen Wert der modernen Richtung darin zusammen, daß die Initiative junger künstlerischer Kräfte, die geschäftliche Ausbeutung der altgewohnten Waren erschwere, wenn nicht gar schädige. Große industrielle Unternehmen gerieten in ernstliche Gefahr, wenn sie plötzlich die gewohnheitsmäßige Produktion aufgaben, und viele Handwerker, die hinter den gesteigerten künstlerischen Anforderungen zurückgeblieben waren, kamen in ernst- liche Schwierigkeiten.

Kein Wunder, wenn sowohl aus dem Lager der Großindustrie als auch ganz besonders aus dem Ge- werbestand die Klagen über die erschwerten Produk- tionsbedingungen und über die Tyrannei der modernen Kunst nicht verstummen. Namentlich von den Po- samentierern und ihren wichtigsten Abnehmern, den Tapezierern, wurde darüber geklagt, daß die neuere Kunst durch Ablehnung der Verwendung von Posa- menten insbesondere bei der Ausstattung von Möbeln und Zimmern« diese Gewerbe schwer benachteilige. Als auch die Drechsler, Stukkateure inui Ihlzhiltt- hauer mit ähnlichen Anklagen gegen die neue Rich- tung hervortraten, ist an verschiedenen Stellen die Berechtigung dieser Klagen untersucht worden. So hatte auch bereits vor anderthalb Jahren das Ministerium des Innern in Dresden die sächsischen Gewerbekammem aufgefordert, sich zur Sache zu äulkrn.

In der Leipziger Gewerbekammer wurde die An- gelegenheit sehr eingehend besprochen und man be- schloß, einen Gewerbeausschuß mit der Einleitung einer Art von Hilfsaktion zu betrauen. Nachdem in- folge dieser Beratungen Ende iqoy ein Ausschreiben

Kunsigcwcrbcblitl. N. \r XIX. H. S

für den Bezirk der Gewerbekammer zu einer Aus- stellung von Entwürfen für neuartige künstlerische Innenausstattung ergangen war und zur Aufmunterung der Einsender vom Staate, von der Stadt Leipzig, von der Leipziger Gewerbekammer und vom Leipziger Kunstgewerbeverein Mittel für die Verteilung von Geldprämien an die besten Einsender bereit gestellt worden waren, glaubte die ausschreibende Gewcrbc- kommission im Frühjahr igo8 auf eine rege Be- teiligung rechnen zu dürfen.

Allein es hatten sich von den Künstlern, die man. um dem Niveau der Ausstellung eine gewisse Höhe von vornherein zu sichern , eingeladen halte . nur wenige mit geeigneten Arbeiten eingefunden, und w.is die ansässigen Vertreter der klageführenden Gewertn: beigesteuert hatten, war nur Weniges und wenig Gutes.

Da aber zahlreiche Künstler und Gewerlietrcibcnde ihre Abwesenheit auf der Ausstellung damit ent- schuldigten, daß die Zeit zur Hers'ellung gctignetcr Arbeiten zu kurz gewesen sei imd da der Kommission noch reichliche Mittel zur Verteilung übrig blieben, wurde eine W'iederholunsi des Ausschnibens bc< ' ' Gewiß sind sich auch viele, die sich an der A beteiligen wollten, nicht ganz klar gewesen Aufgabe und das Ziel des ganzen L'nlci: wie wohl sich die Presse wicderhoK mit der Sache beschäftigt hatte.

Aus diesem Grunde und auch weil die gan/e Angelegenheit eine allgemeine, keine bloß lokale Wvt; tigkeit hat, wiril es vielen willkommen sein, etwa- mehr über die Entwickelung und das nichste Zid der Unternehmung zu hören.

Wie die Sache infolge einer ministeriellen Ver- ordnung ins Rollen gekommen ist, das geht deutlich aus dem gedruckten »stenographischen Bericht über die Sitzung des Oewabcausschusscs« der Leipziger Ocwcrbckammer vom \\ Novemlicr lood hervor.

Die Regierung wünschte von der K.immr' eine Auskunft d.iriibcr, ob die Klagen der I crer.

Tapezierer, Drechsler, Stukkateure, Hol. l-»«-

gründet wären und welche Mittel etwa ins Auge zu fassen wären, um Abhilfe zu schaden, insbeionderr

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EIN VERSUCH ZUR KÜNSTLERISCHEN BELEBUNO DES GEWERBES

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Entwurf von Heinrich Vogeler, Worpswede

a) wie etwa ein Zusammenwirken von Künstlern, vornehmlich Architekten und Vertretern der von ihnen neuerdings weniger als früher in Anspruch genommenen Gewerbe eingeleitet werden könnte und b) wie zu gleichem Zwecke etwa auf die Ab- nehmer einzuwirken wäre. In letzterer Beziehung wurde daran erinnert, dai5 die Wiener Posamentier- Genossenschaft eine Aus- stellung im Österreichischen Museum veranstalten wollte, die das große Publikum zum Richter in dem Wett- kampf zwischen schmucklosen und geschmückten Alöbeln aufrufen sollte. Daraus ist aber nichts ge- worden.

Die eingehende Besprechung der Angelegenheit deckte allerdings erhebliche Rückschritte in mehreren der klageführenden Gewerbe auf und kam zu dem Schlüsse, daß eine künstlerische Hilfsaktion not tue. Auf einige allgemeine, interessante Ausführungen der Fachleute mag ganz kurz hingewiesen werden.

Von dem Posa/ncnfierergcwsrhe wurde bemerkt, daß es 1890 bis 1903 eine aufsteigende Bewegung gezeigt habe. Aber von da ab kam es wesentlich auf die Herren Architekten an, und die Posamenten wurden aus der Innendekoration so ziemlich verdrängt.« Noch ernster lauten die Klagen im Drechslergewerbe. Nur die Betriebe lohnen sich, welche Spezial- und Massen- artikel hervorbringen; in der Möbelbranche ist die

EIN VERSUCH ZUR KÜNSTLERISCHEN BELEBUNG DES GEWERBES

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Drechslerei das Stiefkind des jetzigen Stils. Ähnlich lautete die Klage der Holzbildhauer. Auch die Slitk- kateiire erblicken in der modernen Vorliebe für das Einfache eine Schädigung ihres ohnehin durch Preis- unterbietung leidenden Gewerbes. Mit einem Hin- weis auf die Dresdener Kunstgewerbliche Ausstellung von 1906 wird von den Tapezierern hervorgehoben, daß ihnen für die Inneneinrichtung gar keine Rich- tung von den Künstlern gegeben worden sei. Die stoffliche Dekorationsweise und das Posamentier- gewerbe brauchten aber ebenso wie das von den Künstlern geförderte Tischlergewerbe ganz bestimmte künstlerische Anregungen.

Gegenüber diesen Klagen der Gewerbetreibenden wurde von den in der Sitzung vertretenen Archi- tekten betont, daß die Künstler und das gebildete Publikum nichts mehr wünschten, als daß die Kunst noch mehr Einfluß auf das Gewerbe gewinne. Von anderer Seite wurde darauf hingewiesen, daß auch die kunstgewerblichen Museen bemüht seien, das Publikum für eine edlere Einrichtungskunst empfäng- licher zu machen. Die Museen wollen ein in seinen künstlerischen und technischen Ansprüchen anspruchs- volleres Publikum heranziehen, sie wollen und sollen durch vergleichende Vorführung von guten alten und in wechselnden Ausstellungen erscheinenden guten neuen Sachen den Geschmack verfeinern. Es steht zu erwarten, daß auch auf die zur Nüchternheit im Dekorativen neigende moderne Richtung die aus Opposition gegen den Überschwang des von histo- rischen Rückgriffen lebenden Geschmacks der älteren Generation so werden mußte ein Rückschlag ein- treten wird, der gerade den jetzt klagenden Gewerben zugute kommen wird. Zu wünschen ist nur, daß die zu erwartende reichere Dekoration aus der neu- artigen künstlerischen Befruchtung so stilistisch gesund hervorgehen möchte, daß sie die drohenden Ein- wirkungen des Naturalismus im Dekorationswesen (etwa derart, wie er in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts herrschte) ausschließt. Das Zusammen- arbeiten der klagenden Gewerbe mit der Kunst allein kann also zu einer Besserung der Verhältnisse führen. Daß auch bei der Heranbildung des gewerblichen Nachwuchses auf die modernen Ansprüche Rücksicht genommen werden muß, ist natürlich. Wenn die Schüler nur in der alten Weise unterrichtet würden, fänden sie später keine Beschäftigung. 'Sie müssen auf eine den augenblicklichen Bedürfnissen ent- sprechende Weise unterrichtet werden. <

Nach der Verhandlung, die noch eine Menge ge- werbliche Fragen aufrollte, konnte kein Zweifel mehr sein, daß die Klagen der genannten Gewerbe des Leipziger Gewerbekammerbezirkes in der Tat berechtigt gewesen sind, und daß eine Abhilfe versucht werden muß. Man einigte sich schließlich dahin, die Künstler und Gewerbetreibenden zimächst des Leipziger Bezirkes zu einer Ausstellung von Entwürfen für Innendekoration aufzufordern, bei denen besonders die Arbeiten der Posamentierer, Tapezierer, Dekorateure, Drechsler, Holz- bildhauer und Stukkateure Berücksichtigung finden sollten. Auf eine Umfrage erklärten auch außerhalb

des Kammerbezirkes wirkende Künstler, die auf der Dresdener Ausstellung mit anregenden dekorativen Arbeiten hervorgetreten waren, daß sie die Ausstellung mit beschicken würden.

Von diesen Künstlern fanden sich ein: Heinrich Vogeler in Worpswede, Rudolph und Ha Wille in Berlin, lirich Kleinhempel in Dresden. Einige ihrer Einsendungen sind in diesem Hefte als beachtens- werte Anregungen für mehrere der klageführenden Gewerbe abgebildet worden, und es ist nicht nötig, auf diese Arbeiten , die für sich selber sprechen, einzugehen. Sie sind anregende Beispiele für die An, wie die in dem Ausschreiben gestellte Frage zu behandeln ist. Sie werden manchem, der von der Ausstellung fern blieb, zeigen können, in welcher Weise er für die verschiedenen Zweige der Dekora- tionsgewerbe praktische Vorbilder geben kann. Sowohl ganze Einrichtungen wie auch einzelne Gegenstände sind hier berücksichtigt worden, und es uiiterlicgl keinem Zweifel, daß die Lehre, die in diesen einfachen, aber durchaus künstlerischen Darbietungen liegt, auf fruchtbaren Boden fallen wird. Hat doch die Direktion der Leipziger Gewerbeschule für die Drechslerabtciluin,' das Ausführungsrecht einer Anzahl der hier niüf;«. teilten Entwürfe nachgesucht.

So hat sich denn die Gewerbekommission be- wogen gefühlt, nochmal zum gemeinen Nutzen einer Anzahl wichtiger Gewerbe ein neues Ausschreiben zu veröffentlichen. Dieses Ausschreiben, das am 24. April igo8 beschlossen worden ist, lautet wie folgt:

'Auf ürund einer Anregung der Gewerbekammer in Leipzig werden hierdurch Künstler und Gewerbe- treibende im Bezirke der Gewerbekammer I zig aufgefordert zu einer Ausstellung von lint^.. für Innendekoration, in denen solche gewerbliche Tech- niken Anwendung finden sollen, die infolge der neu- zeitlichen Geschmacksveränderungen in geringem Ma/Ie oder gar nicht zur l 'erwendung gelan/^en.

Namentlich sollen die Arbeiten der Posamentierer, Tapezierer, Drechsler, Holzbildhauer und Stukkateure Berücksichtigung finden.

Die Beteiligung kann erfolgen durch Entwürfe oder ausgeführte F.inzelarbeiten, die in einer auch dem bestellenden Laien deutlichen \X'eise zeigen, wie die oben bezeichneten Gewerbe bei der Ausstar moderner Kiiunie gut bürgerlichen Zuschnittes t*. r entsprechende l 'erwendung und lohnende Beschäftigung finden können.

Für die Teilnahme an dieser Vorführung gelten folgende Bestimmungen

I. lyte Einsendung der .Xrbeiten hat bis 30. Sep- tember igoS zu erfolgen. Die Aussteilung dauert bis Ende November 1Q08. j. t^er Hin- und Rücktransport erfolgt auf Kosten und Gefahr der Einsender. Bei gnH'errn Objekten hh-iht h^^.<r f,-rr Verrwt)arun£ vor behalten 2- Die Einliejeruiig und ' : der Arbeiten

erfolgt unter voller "^ lennung der

Ve/fertiger.

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EIN VERSUCH ZUR KÜNSTLERISCHEN BELEBUNG DES GEWERBES

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Entwürfe von Heinrich Vogeler, Worpswede

Die Arbeiten und Entwürfe sollen im Kunst- gewerbe-Museum zu Leipzig öffentlich aus- gestellt und die besten in einer Auswahl veröffentlicht und im Kunstgewerbeblatt" besprochen werden.

Eine Anzahl der künstlerisch wertvollsten und zugleich dem vorliegenden Zwecke am besten entsprechenden Arbeiten sollen mit Ent- schädigungen von 50 bis zu 200 Mark ausgezeichnet werden. Die Beurteilungs- kommission besteht aus den Herren: Albr. Ditfrich, Architekt Fritz Drechsler, Professor Dr. R. üraul, Hermann Hundt, Dr. Albrecht Kurz- welly, Bildhauer Hermann Schöne, Rich.Schultz,

Professor Paul Schuster, Professor Max Seliger und Architekt R. Tschammer.

Die Gewerbekommission erblickt in dieser Veran- staltung eine beachtenswerte künstlerische Anregung für die eingangs bezeichneten Gewerbe und für das bestellende Publikum.

Wenn auch das erste in dieser Richtung ergangene Ausschreiben im Frühjahr 1908 nicht die Beteiligung fand, die erwartet werden durfte, und die Ausstellung deshalb verschoben werden mußte, so läßt doch das jetzt reger gewordene Interesse vieler, die bisher aus Zeit- mangel oder unzureichender Beachtung der gestellten Aufgaben sich zurückhielten, hoffen, daß die Wieder- holung des Unternehmens zu einem praktischen und

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FIN VERSUCH ZUR KÜNSTLERISCHEN BELEBUNG DES GEWERBES

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Dose und Ptroplen. Enlwürtc lür Drtclulcritbcllcn von Rudolph Wille, I»<rlln

guten Resultat führen wird. Die im f'rülijahr aus- gezeichneten Arbeiten sollen im Herbst mit zur Aus- stellung gelangen, ebenso etwa noch eingehende Arbeiten der früher eingeladenen auswärtigen Künstler.

Zur Beteiligung an dieser Ausstellung werden

Anmeldungen bis zum 1^. September tgoS

erbeten, Formulare hierzu wie auch Exemplare dieses

Programms sind durch die Expedition des Leipziger

Kunstgewerbe- Museums zu erhalten.-

Da der Ocwerbckommission reichliche MiUel zur Präniiierung zur VcrfÜRung stehen, wird eine ziemlich große Zaiil von Ausstellern mit Entschädigungen be- dacht werden liönncn. So steht zu hoffen. <bH das gemeinnützige Unterncliinen ilcn beteiligten» wie auch dem PiiMikiiin crsprieliliche Ai ^ geben wird.

Kunsigcwcrbeblatt. N. t. XIX II. ».

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Entwürfe für Antragstuck. Von Ericli Kleinhempel, Dresden

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Entwürfe von Erich Klrinhempel, Drcsdrn

EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSN'S

Von Dr. Thomas Stettner

Man wird nicht müde, Biographien zu lesen: ileiui man lebt nn't Lebendigen. Die Qe- scliiciite, selbst die beste, hat iniiner etwas Leiclienhaftes, den -Geriicli der Totengruft-. Die Wahrheit dieser seiner Benieri<ung konnte üoelhe durch nichts schlagender beweisen, als durch die Übersetzung der Selbstbiographie Cellinis, denn in ihr zieht die ganze grolSe Zeit der Renaissance in plastischer Lebendigkeit an uns vorüber, ihre Hulicn und Tiefen, Licht und Schalten in ihr werden uns in einer oft erschreckenden Wahrheit geschildert, dali es uns ist, als hätten wir jene Zeit selbst miterlebt. Was Cellini auf dem Gebiet der Arbeiten aus Metall, das war auf dem Gebiet der Topferei sein Zeitgenosse Palissy, ein Schöpfer von Werken von unerreichter Schönheit und ein bahnbrecheniler Entdecker in der Technik seiner Kunst. Er teilt nnt jenem das Schick- sal eines reich bewegten Lebens, das ihn aus Not und Armut /um Liebling der Fürstenhöfe erhob, um ihn dann in der Bastille enden zu lassen; aber wah- rcnil wir in Cellini den stürmischen, gewalttätigen

Sohn einer rücksichtslos sich auslebenden Zeit vor uns sehen, ist f'alissy ein hoher, lauterer Charakter, voll aufopfernder Hingabe an seme Idee, und mehr der still für sich lebende träiunerische Erfmdcr, da- neben aber von unerschütterlicher Festigkeit der Über- zeugung, die selbst den Drohungen des Todes sich nicht beugt.

Leider hat er ims sein Leben nicht selbst beschrie- ben, doch besil/cn wir wenigstens über die bedeu- tendste Zeit desselben seinen Bericht: eine Schilderung des dornenvollen Weges, auf dem er unter NoI und Entbehrungen, verlacht und angefeindet, sein Zid, die Erfindung einer neuen Kunst, erreichte. In ein- fachen \X'orten, gleich weit von Prahlerei wie von unwahrer Bescheiilcnheil entfernt, ist dies alles ge- schildert, aber seine schlichte Beretlsamkeil ergreift und fesselt uns mehr, als die gliniendste Darstellung tun könnte, da wir üIktiII den für seine Idee be- geisterten Künstler her.iush6ren " 'len von so hoher Her/ens- und (i er zu den anziehendsten Gestalten »einer Zeit gehört

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

So durfte denn diese Schilderung, die für eine Perle biographischer Erzähkingskunst gilt, einer Übertragung wohl wert erscheinen.

Die Kunst, Töpferwaren mit Schmelz zu über- ziehen, war schon im Altertum wieder verloren ge- gangen und nur die Mauren scheinen einige Kennt- nis hiervon gerettet zu haben; denn als die Pisaner ihnen Majorka abnahmen, brachten sie unter der Beute solche Schüsseln von maurischer Arbeit mit, die in die Mauern mehrerer Kirchen Pisas eingelassen bis heute erhalten sind. Als die Italiener sie später nachzuahmen versuchten, nannten sie diese Stücke deshalb Majolika.

Der Wiederentdecker der Emaillierkunst war Luca della Robbia, dessen staunenswerter Beharrlichkeit es gelang, die Kunst zu entdecken, Tongefälie mit fast unverwüstlichem Schmelz zu überziehen und diesen beliebig zu färben. - In Frankreich aber war diese Kunst ganz unbekannt, bis Palissy dieselbe für sein Vaterland eroberte und zu einer selbst Robbias Ar- beiten überragenden Vollkommenheit erhob.

Palissy ist um 1510 in der Nähe von Saintes im Mündungsgebiet der Oironde geboren; die Eltern waren zu arm, um ihn in die Schule zu schicken und als Bücher hatte er nur »den Himmel und die Erde, die allen offen sind«. Nach langem Wandern ließ er sich in Saintes nieder als Glasarbeiter und -maier, aber gar oft klopfte die Not an seine Türe. Sein Ziel, die Erfindung des weißen und farbigen Emails, verfolgte er aber trotzdem unentwegt, und als nach 16 jährigem Ringen ihm der Erfolg winkte, schien die Not zu Ende. Aber neue Leiden drohten: als Hugenott wurde er in den Kerker geworfen, der Pöbel zerstörte seine Werkstatt und zertrümmerte seine Werke, und als er durch den Connetable Mont- morency vom Feuertod errettet heimkehrte, war er ein Bettler wie zuvor. Da schüttelte er den Staub der Heimat von den Füßen und begab sich nach Paris. Dort nahm Katharina von Medicis sich seiner an und die Grotte, die er in den Tuilerien für sie aufführte, galt als ein Wunderwerk. Aber auch als Gelehrter feierte er die größten Triumphe: er lehrte zuerst artesische Brunnen graben, gab über Schwere der Luft, Bildung der Kristalle und anderes die ersten wichtigen Lehren und in seinem Auditorium zu Paris lauschten die berühmtesten Ärzte und Mathematiker den Worten des einfachen Mannes, der kein Latein und Griechisch verstand. Aber als unerbittlicher Kämpfer gegen die Alchimie, Astrologie und anderen Aberglauben hatte er sich viele Feinde zugezogen und sie brachten es dahin, daß er als 78 jähriger Greis 1588 wieder als Ketzer in die Bastille geführt wurde. Als Heinrich 111., der ihm sehr wohl wollte, ihn dort besuchte und ihm sagte, wenn er seinen Ketze- reien nicht entsage, sei er gezwungen ihn seinen Feinden zu überlassen, entgegnete er ihm das stolze Wort: j'Sie haben oft gesagt, Sie bemitleiden mich, nun bemitleide ich Sie, der Sie das Wort sagten: ich bin gezwungen. Das heißt nicht wie ein König sprechen, und die, die Sie zwingen, vermögen niemals etwas über mich, denn ich weiß zu sterben« und

ungebeugten Sinnes endete er 1589 in der Bastille sein Leben.

Da er nicht nur Erfinder, sondern auch ein hoch- begabter Künstler war, schuf er in der neuen Kunst Werke von einer noch unerreichten Schönheit. Nament- lich die rustiques figulines, Prunkplatten, auf denen in den prächtigsten Farben und in unübertrefflicher Naturwahrheit das meiste wurde direkt über dem natürlichen Modell geformt Wassertiere, Schlangen usw. in hoch erhabener Arbeit nachgebildet sind, bilden heute den Stolz jeder derartigen Sammlung, und da sie naturalistisch und monumental zugleich wirken, berührt uns der ornamentale Wurf in ihnen oft merkwürdig modern. Palissy hat aber der Nach- welt einen zweiten Schatz hinterlassen, der noch nicht vollständig gehoben ist: eine Reihe von Werken, in denen er die Resultate seiner Forschungen nieder- gelegt hat, und wo unter Unwichtigem und Veraltetem wohl noch manch wertvolle Anregung sich findet. In dem bedeutendsten dieser Werke, das den Titel trägt »Discours admirables de la nature des eaux et fontaines, des Metaux, des Terres, du Feu et des Emaux« ist das Stück seiner Selbstbiographie enthalten. In der Form eines Wechselgesprächs zwischen ihm und einem Neuling in der Kunst gibt er hier in un- eigennütziger Weise Belehrung über alles, was er in seinem reichen Leben entdeckt und gefunden nur als der Schüler im Kapitel »de l'art de Terre» ihn um Belehrung darüber bittet, wie Palissy die Gefäße her- stelle, die ihm so viel Ruhm und Reichtum ein- brachten, hat seine Uneigennützigkeit eine zu harte Probe zu bestehen (man erinnere sich nur, mit welcher Ängstlichkeit damals jeder Meister die ' Ge- heimnisse seiner Kunst hütete!) und wir können sein Verhalten hierbei nicht ohne Lächeln betrachten.

Nachdem er betont hat, wie verderblich es meist für die Kunst sei, wenn zu viele sie auszuüben ver- stünden — er führt als Beispiel unter anderem an, daß auch Dürers Marienleben durch den massenhaften Nachschnitt in Frankreich entwertet worden sei erzählt er die an Leiden und Enttäuschungen reiche Geschichte seiner Erfindung, um dem Fragenden vor Augen zu führen, welch wertvolles Geheimnis er zu erfahren verlange. Aber auf diesen macht die Er- zählung offenbar wenig Eindruck und mit der Be- merkung: »Was singst du ein so langes Lied? Du sprichst nur von den Fehlern, nicht von der Her- stellung des Emails« sucht er eine direkte Antwort auf seine Frage zu erlangen. Über die Bezeichnung seiner Kunst als einer bloß mechanischen, das heißt handwerksmäßigen, stellt sich aber der Meister so empört, daß er den Frager für unwürdig erklärt, das Geheimnis zu erfahren und so muß er und mit ihm wir! uns mit einer dürftigen Erklärung der Materialien, die er zum Email verwendet, und des Baues der Schmelzöfen begnügen.

Der Bericht') über die Erfindung des Emails aber lautet also:

1) Oeuvres completes de B. Palissy par P.A.Cap. t^aris '544. PK- 3" sq. Die Abfassungszeit des Buches ist 1580.

EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

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PRAXIS.

Deinem Wunsche entsprechend teile ich Dir mit, daß mir vor 25 Jahren eine irdene Schale gezeigt wurde, welche so scliön geformt und emailliert war, daß daraufhin in mir Bedenken aufstiegen, da ich an die Gespräche mit gewissen Leuten dachte, die über mich spotteten, als ich meine Bilder malte. Als ich nun sah, daß man sich in meiner Heimat für diese Bilder immer weniger interessierte und daß auch nach Glaswaren nicht viel Nachfrage war, kam ich auf den Gedanken, daß, wenn ich erfinden würde Email zu machen, ich irdenes Geschirr und andere schöne Sachen anfertigen könnte, weil mir Gott etwas Ver- ständnis der Malerei gegeben liaL Und seit dieser Zeit habe ich mich bemüht, trotzdem ich von der Tonerde noch keine Kenntnis hatte, das Email zu erfinden, wie ein Mensch, der im Finstern tappt. Ohne gehört zu haben, aus welchen Materialien man das erwähnte Email herstellen muß, zerstampfte ich da- mals alle Stoffe, von denen ich dachte, daß etwas daraus werden könnte. Nachdem ich dieselben zer- stoßen und zerrieben hatte, kaufte ich mir eine An- zahl irdene Töpfe, die ich in Stücke zerbrach, und belegte die Scherben mit den vorher zerriebenen Substanzen. Alsdann brachte ich an jedem einzelnen Scherben ein Zeichen an und um mich erinnern zu können, notierte ich mir auf einer Liste sämtliche Drogen, mit denen icii die einzelnen Scherben be- legt hatte. Hierauf criiitzte ich die genannten Stücke in einem von mir nach eigener Idee konstruierten Ofen, um zu ersehen, ob meine Drogen eine weiße Färbung annahmen, denn ich suchte einzig und allein das weiße Email, da ich gehört hatte, daß das weiße Email das Fundament aller anderen Emaille bilde. Da ich noch nie hatte Tonerde brennen sehen und auch nicht wußte, bei welchem Hitzegrad das er- wähnte Email schmilzt, war es mir unmöglich irgend etwas auf diesem Wege zu erreichen, selbst wenn meine Drogen gut gewesen wären; denn manchmal hatte ich die Sachen zu sehr erhitzt, ein anderes Mal zu wenig, und wenn die genannten Materien zu wenig erhitzt oder verbraimt waren, wußte ich den Grund nicht, warum ich nichts Gutes erzielte, imd schob die Schuld auf die Ingredienzien, obwohl nicht ausgeschlossen war, daß dieselben doch manchmal gut waren. Wenn ich wenigstens hätte die Hitze so regulieren können, wie es die Materien vorlangten, dann hätte ich einen Anhaltspunkt gefunden, inji meinen Zweck zu erreichen: aber auch wenn ich dies getan hätte, würde ich einen größeren Fehler be- gangen haben, als den oben angeführten, weil ich meine Versuchsstücke ohne jede L'bericgung in den Ofen legte. Infolgedessen war es mir unmöglich etwas Gutes zu erzielen, selbst wenn die Materien die besten der Welt gewesen wären und die Hitze ganz richtig. Obwohl ich auf diese Weise mehrmals unter Aufwanil von großen Kosten und vieler An- strengung Mißerfolg gehabt halte, fuhr ich doch fort, beständig neue Stoffe zu zerstoßen und zu zerreiben

und neue Öfen zu konstruieren, was mir viel Aus- gaben und Verlust an Holz und Zeit verursachte.

Nachdem ich mehrere Jahre hindurch in so un- kluger Weise gearbeitet hatte und zwar mit Betrübnis und Seufzen, weil ich das, was ich wollte, nicht er- reichen konnte und dabei an das verlorene Geld dachte, kam ich auf den Einfall, behufs Vermeidung der großen Ausgaben die Drogen, welche ich ver- suchen wollte, zu einem Töpfer zu schicken. Als ich diesen Entschluß gefaßt halte, kaufte ich wieder mehrere irdene Geschirre, die ich in gewohnter Weise in Scherben zerbrach, von denen ich 300 bis 400 Stück mit Email belegte und sie alsdann einer 1' . Meile von meiner W(jlmimg gelegenen Töpferei mit der Bitte übersandte, die Töpfer möchten gefälligst ge- statten, diese Proben in einigen ihrer Schmelzöfen erhitzen zu lassen, was sie auch gern taten. Als sie aber ihren Brand beendet halten und meine Proben herausnahmen, mußte ich mich schämen und hatte nur Verlust, denn es war nichts Brauchbares erzielt worden, weil die Hitze der erwähnten Schmelzöfen nicht genügt hatte und auch, weil meine Proben nicht in der erbetenen Weise und wie es die Wissenschaft vorschreibt in die Ofen gebracht worden waren.

Da ich nicht wußte, aus welchem Grunde meine Versuche nicht gelangen, schob ich, wie bereits oben erwähnt, die Schuld auf die Ingredienzien. Von neuem machte ich immer wieder andere Mischungen und schickte sie zu denselben Töpfern, um sie in oben genannter Weise behandeln zu lassen : so tat ich es verschiedene Male, immer mit hohen Kosten, Zeitverlust, Beschämung und Betrübnis.

Als ich sah, daß ich auf diese Weise meine Ab- sicht nicht erreichte, gönnte ich mir einige Zeit Ruhe und beschäftigte mich mit meiner Malkunst und Glas- malerei und tat, als wenn mir wenig daran gelegen sei, die Geheimnisse des Emails zu finden. Einige Tage darauf kamen mehrere vom König abgesandte Kommissare, um in der Provinz Xaintongc die Salz- steuer zu erheben; dieselben forderten mich auf, die Inseln und umliegenden Landschaften sämtlicher Salz- teiche der genannten Provinz aufzunehmen. Als der erwähnte Auftrag ausgeführt war und ich wietler etwas Geld halte, bekam ich wieder Lust meine Email versuche fortzusetzen, und da ich weiter in meinen (')fen noch in den Öfen der obgciunnten Töpfer etwas zustande brachte, zerbrach ich ungcfihr drei Dulzend ganz neue irdene Töpfe imd bestrich, naclulem ich eine große Menge vcrschieticncr In- gredienzien zerstoßen hatte, sämtliche Scherben mittels eines Pinsels mit den genannten Drogen. Du muBl aber wissen, daß unter joo bis )o" Stücken nur drti jeder Komposition vorhanden waren. Hierauf nahm ich sämtliche Stücke und brachte sie in eine Glas- hütte, um zu sehen, ob meine Ingredienzien und Mischungen in den Öfen der Glashütte etwa» Gutes geben würden. Ich legte meine sämtlichen Proben in diese, aber da ihre Ofen viel heißer sind als die der Topfer. hemcrklc ich, als ich dieselben am nächsten Tage hemiisnchmen ließ, daß ein Teil meiner Kompositionen angefangen hatte zu schmelzen, wo-

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

durch ich noch mehr ermutigt wurde nach dem weißen Email zu forschen, für das ich schon so viel gearbeitet hatte.

Was die anderen Farben anlangt, so machte ich mir ihretwegen keinerlei Sorge. Die geringe Spur, auf die ich damals kam, ließ mich noch zwei Jahre lang arbeiten, um das erwähnte Weiß zu finden. Während dieser zwei Jahre kam und ging ich un- ausgesetzt zu den nächsten Glashütten, bestrebt, end- lich zu meinem Ziele zu gelangen. Als ich anfing, den Mut zu verlieren und um einen letzten Versuch zu machen, mit einem Manne, dem ich mehr als 300 verschiedene Proben mitgab, in eine Glashütte ging, wollte es Gott, daß eine dieser Proben bereits vier Stunden, nachdem sie in den Ofen gelegt wor- den war, schmolz. Diese Probe wurde weiß und glänzend und machte mir derartige Freude, daß ich mir wie neugeboren vorkam. Ich glaubte damals das weiße Email in seiner ganzen Vollkommenheit gefunden zu haben. Aber hiervon war ich noch weit entfernt: dieser Versuch war für mich einerseits ein großes Glück, aber andererseits auch ein großes Un- glück. Ein Glück insofern, als er den Anfang zu dem bildete, was ich später geworden bin, dagegen ein Unglück, weil meine Stoffe nicht in dem nötigen Verhältnis gemischt waren. Ich war damals so sehr dumm, daß ich sofort, nachdem ich das Weiß, welches wunderschön war, hergestellt hatte, irdene Gefäße anfertigte, obwohl ich die Tonerde bis dahin nicht gekannt hatte. Nachdem ich zur Anfertigung dieser Gefäße sieben oder acht Monate gebraucht hatte, ging ich daran einen ähnlichen Ofen zu bauen, wie diejenigen der Glashütten. Ich baute ihn mit unbeschreiblicher Mühe, denn ich mußte alles allein mauern, mußte meinen Mörtel selbst anrühren und mir dazu das Wasser selbst heraufziehen, auch mußte ich selbst die Ziegel auf dem Rücken herzuholen, weil ich keine Mittel hatte, mir einen Mann zu halten, der mir bei dieser Arbeit hätte helfen können. Ich erhitzte meine Gefäße, um ihnen den ersten Brand zu geben; aber als ich sie zum zweiten Male brannte, hatte ich so viel Verdruß und Mühe, wie niemand glauben kann. Anstatt mich von meiner gehabten Anstrengung ausruhen zu können, hatte ich länger als einen Monat Tag und Nacht zu arbeiten, um die Materien, aus welchen ich das schöne Weiß im Glas- ofen hergestellt hatte, zu zerstoßen. Als ich diese Materien zerstoßen hatte, bestrich ich damit die von mir gefertigten Gefäße und machte, wie ich es in den Glashütten gesehen hatte, in meinem Ofen durch zwei Schürlöcher Feuer. Ich schob alsdann meine Gefäße in diesen Ofen und glaubte, daß die Emaille, mit denen ich dieselben bestrichen hatte, schmelzen werde: Dies war aber eine unglückliche Sache für mich, denn obwohl ich sechs Tage und sechs Nächte vor dem Ofen stand und unausgesetzt durch die beiden Schürlöcher Holz verbrannte, war es nicht möglich, das Email zum Schmelzen zu bringen. Ich war in Verzweiflung. Von dieser Arbeit ganz be- täubt, sagte ich mir, daß in meinem Email zu wenig von demjenigen Stoff enthalten sei, welcher die an-

deren zum Schmelzen bringt, und infolgedessen zer- stieß und zerrieb ich diesen Stoff, ohne daß ich je- doch meinen Ofen kalt werden ließ. Auf diese Weise hatte ich doppelte Mühe, denn ich mußte zu gleicher Zeit zerstoßen, zerreiben und den Ofen heizen. Nach- dem ich so mein Email gemischt hatte, war ich ge- nötigt, noch Töpfe zu kaufen, um das Email zu pro- bieren, denn sämtliche von mir gefertigten Geschirre waren unbrauchbar geworden. Ich belegte die Stücke mit dem Email, schob dieselben in den Ofen und unterhielt fortgesetzt ein starkes Feuer. Dabei hatte ich aber ein anderes Mißgeschick, welches mir großen Ärger bereitete; weil ich nämlich Holz brauchte, sah ich mich gezwungen, die Pfähle zu verbrennen, an denen die Gewächse meines Gartens angebunden waren, und als dieselben verbrannt waren, mußte ich auch noch die Tische und Dielen meines Hauses verbrennen, um die zweite Mischung zum Schmelzen zu bringen. Ich war in einer derartigen Angst, daß ich's Dir nicht sagen kann, denn infolge der Arbeit und der Hitze des Ofens war ich ganz erschöpft und abgezehrt.

Länger als einen Monat hindurch war mein Hemd an mir nicht trocken geworden und, statt mich zu trösten, machte man sich über mich lustig. Diejenigen, welche mir hätten beistehen sollen, verbreiteten in der Stadt das Gerücht, daß ich meinen Fußboden verbrenne. Auf diese Weise brachte man mich um meinen Kredit und hielt mich für verrückt.

Die anderen sagten, daß ich versuche, falsches Geld zu machen und daß dies eine Krankheit sei, die mich ganz herunterbringe. Ich ging ganz nieder- gedrückt durch die Straßen, wie ein Mensch, der sich schämt. An mehreren Orten hatte ich Schulden und stets zwei Kinder bei Pflegemüttern, denen ich das Erziehungsgeld nicht bezahlen konnte. Niemand half mir, im Gegenteil, man hielt sich noch über mich auf und sagte: es geschieht ihm ganz recht, wenn er verhungert, warum hat er seinen Beruf auf- gegeben. Alle diese Reden kamen mir zu Ohren, wenn ich auf der Straße ging. Es blieb mir aber trotzdem immer noch etwas Hoffnung, die mich er- mutigte und stärkte, um so mehr, als die letzten Ver- suche ziemlich gut verlaufen waren und ich seitdem glaubte, genug gelernt zu haben, um mir meinen Lebensunterhalt verdienen zu können. Wie weit war ich aber hiervon noch entfernt! Du wirst dies weiter unten hören und darfst es nicht mißbilligen, wenn ich hierüber etwas länger spreche, um Dich für das mehr zu interessieren, was Dir nützen kann.

Nachdem ich mich eine kurze Zeit lang ausgeruht hatte und zwar mit Bedauern darüber, daß mich niemand bemitleidete, sagte ich zu mir selbst: wes- halb betrübst du dich noch, nachdem du das ge- funden hast, was du suchtest? arbeile jetzt und du wirst deine Verleumder beschämen. Aber mein Ver- stand sagte mir andererseits: du hast nichts, womit du deine Versuche fortsetzen kannst; wovon willst du deine Familie ernähren und wovon die nötigen Ingredienzien kaufen während der 4 bis 5 Monate, welche noch erforderlich sind, bis du aus deiner

EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

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Arbeit einen Nutzen ziehst? Ais ich in solchen Trüb- sinn und Seelcnkampf verfallen war, gab mir die Hoffnung etwas Mut. Nachdem ich mir überlegt hatte, daß es zu lange dauern würde, ganz allein einen Brand herzustellen, übergab ich, um die Arbeit ab- zukürzen und Zeit zu gewinnen und um das Ge- heimnis des weißen Emails, welches ich gefunden hatte, schneller nachzuweisen, einem gewöhnlichen Töpfer einige Zeichnungen mit dem Auftrage, nach meiner Angabe Gefäße herzustellen. Während er dieselben fertigte, beschäftigte ich mich mit verschiedenen Medaillons. Dies war aber eine sehr schlimme Sache, denn ich mußte diesen Töpfer in einem Gasthause auf Kredit verpflegen lassen, weil ich gar nichts in meinem Hause hatte. Als wir sechs Monate lang gearbeitet hatten und das bis dahin Gefertigte gebrannt werden mußte, war ich genötigt, einen Ofen zu bauen und den Töpfer zu entlassen. Letzterem mußte ich, weil ich kein Geld hatte, statt seines Lohnes Kleider von mir geben. Für den Bau des Ofens fehlte mir aber das nötige Material und machte ich mich deshalb daran, den alten Ofen, den ich nach Vorbild der Glashütten gebaut hatte, einzureißen, um die noch brauchbaren Stücke desselben zu benutzen. Da dieser Ofen sechs Tage und Nächte hindurch so stark erhitzt worden war, waren der Mörtel und die Ziegel des- selben derartig geschmolzen und verglast, daß ich mich beim Abbau des Ofens so oft in die Finger schnitt und riß, daß ich meine Suppe mit verbundenen Fingern essen mußte. Als ich diesen Ofen einge- rissen hatte, mußte ich den anderen aufbauen, was nicht ohne große Mühe geschah, denn ich mußte das Wasser, den Mörtel und die Steine herzuholen, ohne irgend eine Hilfe zu haben und ohne mich ausruhen zu können. Nachdem dies geschehen war, gab ich den obengenannten Gefäßen den ersten Brand. Hierauf verschaffte ich mir durch Darlehen oder auf andere Weise die nötigen Mittel, um die Materialien anzu- kaufen, welciie ich zum Email brauchte, mit welchen ich die hergestellicn Gefäße, deren erster Brand gut verlaufen war, belegen wollte. Als ich jedoch diese Materialien gekauft hatte, hatte ich solche Mühe, daß ich glaubte, meinen Verstand /u verlieren. Nachdem ich mich mehrere Tage lang mit Zerstußen und Aus- glühen meiner Ingredienzien angestrengt hatte, mußte ich dieselben ohne jede Beihilfe mit einer Handmühle zermalmen, welche gewöhnlich von zwei starken Männern gedreht werden mußte: der Drang, welchen ich hatte, endlich zu meinem Ziele zu gelangen, ließ mich Dinge machen, die ich für unmöglich gehalten hätte. Nachdem diese Farben wiederum zermalmt waren, belegte ich meine sämtlichen Gefäße und Medaillons mit dem Email und schob dann alles wohl- geordnet in den Ofen. Hierauf machte ich Feuer und war dabei der Meinung, daß ich aus meinem Brand 3 bis 400 Francs erzielen werde. Ich unterhielt dieses Feuer, bis ich ein Anzeichen und Hoffnung hatte, daß mein Email geschmolzen und mein Brand gut ausgefallen sei. Als ich am nächsten Tag mein Werk herausziehen wollte und vorher das Feuer entfernt hatte, steigerte sich meine Betrübnis und mein Kummer

K'instgc\vcrl)Cblatl. N f XIX HS

derartig, daß ich alle Fassung verlor. Denn trotzdem, daß mein Email und meine Gefäße gut waren, waren dem Brande zwei Unfälle widerfahren, welche alles verdorben hatten. (Damit Du Dich in acht nimmst, will ich Dir dieselben schildern und wenn ich von diesen Unfällen gesprochen habe, werde ich auch noch von einigen anderen erzählen, damit für Dich mein Unglück zum Glück und mein Verlust zum Gewinn werde.) Weil der Mörtel, mit dem ich meinen Ofen gemauert hatte, sehr viel Kieselsteine enthielt, zerplatzten dieselben infolge der starken Hitze des Feuers (als das Email zu schmelzen begann) in viele Stücke unter wiederholtem Knallen und Krachen im Ofen. Da die Splitter dieser Kieselsteine gegen meine Gefäße sprangen und das Email bereits flüssig und zu einer klebrigen Masse geworden war, waren diese Kieselspliller an allen Stellen meiner Gefäße und Medaillons kleben geblieben, welche sonst gut ge- raten gewesen wären. Als ich auf diese Weise ge- sehen hatte, daß mein Ofen genügende Hitze gab, ließ ich denselben bis zum nächsten Tag kalt werden. Ich war damals so betrübt, wie ich Dir gar nicht sagen kann, und nicht ohne Grund, denn mein Brand kostete mich mehr als 26 Taler. Ich halte das Holz und die Materialien entliehen, ebenso auch einen Teil meiner Beköstigung, während ich diese Arbeil verrichtete Ich hatte meinen Gläubigern Hoffnung gemacht, daß sie von dem Gelde bezahlt werden würden, welches ich aus den Stücken des beschriebenen Brandes erzielen werde. Infolgedessen kamen schon frühmorgens mehrere Gläubiger zu mir gestürzt, als ich anfing, meine Sachen aus dem Ofen zu nehmen. Dadurch wurde mein Kunmier nur noch erhöht, um so mehr, als ich beim Herausnehmen der Gegen- stände ganz bestürzt und beschämt war. [)enn meine sämtlichen Stücke waren von lauter kleinen Kicsel- splitter besät, welche an den Gefäßen rund herum derartig festklebten und mit dem Email verbunden waren, daß, wenn man mit den Händen darüber fuhr, die kleinen Kieselsleine so scharf wie ein Rasiermesser schnitten. Trotzdem, daß dadurch meine Arbeil mitt- glückt war, wollten einige von diesen Gegenständen zu billigem Preise kaufen. Da dies mich aber hitlc in Verruf bringen und meine Ehre herabsetzen können, zerbrach ich den ganzen Brand in Stücke und lejjle nuch aus Schwernnil ins Bett, nicht ohne (Jrund, denn ich hatte keine Mittel mehr, um meine Familie zu unterhalten. Ich hörte in meinem Hause nur

Vorwürfe: anstatt mich zu trösten, verwi!" '■' nn

mich. Meine Nachbarn, die diese Sache k n.

sagten, ich sei ein Narr und hätte für a:c (.j!.:ailc, welche ich zerbrochen hatte, mehr als 8 Francs be- kommen können. Alles dies Gerede halle ich gleich- zeitig mit meinem Schmerze durchzumachen.

Nachdem ich einige Zeit im Bett zugebracht halle, sagte ich mir, daß ein .Mensch, der in einen Graben gestürzt ist. versuchen muß. wioler lirranviikommen. Da ich mich in einem 'tf

ich mich daran einige I ■:'''

auf verschiedene Weise dafür etwas Geld zu bekommen. Darauf sagte ich mir, daß mein ganzer Verlust und

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EIN STÜCK SELBSTBIOGRAPHIE BERNARD PALISSYS

alle meine Gefahren vorüber seien und daß mich jetzt nichts mehr hindern könne, etwas Gutes anzu- fertigen: und somit machte ich mich wieder (wie früher) an meine Kunst. Bei der Herstellung eines neuen Brandes hatte ich jedoch einen Unfall, den ich nicht erwartete. Die Vehemenz der Flamme hatte nämlich eine Menge Asche auf meine Gefäße geblasen, derartig, daß letztere überall da, wo sie von der Asche berührt worden waren, holperig und rauh waren, weil sich das flüssige Email mit der Asche verbunden hatte. Trotz dieses Schadens behielt ich Hoffnung, durch meine Kunst wieder zu Gelde zu kommen, denn ich ließ mir von mehreren Töpfern eine große Anzahl irdene, Laternen gleichende Gehäuse anfertigen, um in dieselben meine Gefäße, bevor ich sie in den Ofen schob, einzuschließen, damit sie nicht von der Asche berührt würden. Diese Erfindung bewährte sich gut und hat mir bis heute genützt.

Nachdem ich die Gefahr der Asche beseitigt hatte, zeigten sich andere Fehler und Unfälle, z. B. wenn ich einen Brand machte, fiel derselbe das einemal zu stark, das anderemal zu schwach aus, so daß dadurch alles unbrauchbar war. Ich war noch zu sehr Anfänger und konnte deshalb noch nicht unter- scheiden, was zu viel und was zu wenig war. Manch- mal waren meine Gefäße von vorn gebrannt, aber auf der Rückseite gar nicht, und wenn ich einem solchen Mißgeschick ausweichen wollte, ließ ich die Rückseite verbrennen, während die Vorderseite gar nicht gebrannt war. Ein andermal waren die Gefäße rechts verbrannt und links verbrannt, manchmal war der Emailbelag zu dünn, manchmal zu dick ausge- fallen, wodurch mir viel Schaden entstand; wenn ich verschiedenfarbiges Email im Ofen hatte, war manchmal die eine Farbe bereits verbrannt, bevor die anderen Farben geschmolzen waren. Kurz, ich habe auf diese Weise 15 oder 16 Jahre lang probiert. Wenn ich gelernt hatte, mich vor einem Schaden in acht nehmen, trat ein anderer ein, an den ich nie gedacht hatte. Damals baute ich mir mehrere Öfen, die mir großen Verlust brachten, bevor ich gelernt hatte, sie gleich- mäßig zu heizen. Endlich fand ich die Mittel, um einige Gefäße mit einem jaspisartigen Gemisch von verschiedenem Email herzustellen. Davon konnte ich einige Jahre leben. Trotzdem versuchte ich aber immer mit Kostenaufwand und Auslagen weiter zu kommen, wie ich es ja jetzt noch tue. Als ich er- funden hatte, einfache Gegenstände herzustellen, ent- stand mir viel mehr Mühe und Verdruß, als früher. Denn wenn ich eine Anzahl einfache Schüsseln (pieces rustiques) gefertigt hatte und dieselben brannte, war das Email an gewissen Stellen schön und gut ge- schmolzen, an anderen schlecht geworden, andere Stellen waren verbrannt, weil das Email aus ver- schiedenen Materialien hergestellt war, die bei ver- schiedenem Hitzegrad schmelzen. Das Grün der Eidechsen war verbrannt, bevor die Farbe der Schlangen schmolz; ebenso schmolz die Farbe der Schlangen, Krebse, Schildkröten und Krabben, ehe das Weiß gut war. Alle diese Mängel machten mir soviel Mühe und Kummer, daß ich, bevor es mir gelang mein ver-

schiedenes Email bei ein und demselben Hitzegrad zum Schmelzen zu bringen, glaubte sterben zu müssen. Nachdem ich mich bei dieser Arbeit mehr als 10 Jahre lang abgequält hatte, war ich derartig abgemagert, daß weder meine Arme noch Beine eine Spur von Rundung mehr zeigten. Meine Beine waren so dünn geworden, daß, wenn ich ging, mir sofort die Bänder, mit denen ich meine langen Strümpfe befestigte, nebst dem unteren Teil der Hose auf die Fersen herunter rutschten. Ich ging oft in der Wiese von Saintes spazieren und dachte dabei über meinen Kummer und meine Sorgen nach und besonders darüber, daß ich in meinem Hause keine Ruhe haben konnte und niemandem etwas recht machte. Ich wurde von aller Welt verachtet und verhöhnt. Trotzdem fertigte ich unausgesetzt verschiedenfarbige Gefäße an, die mich so leidlich ernährten. Bei dieser Arbeit brachte mir aber die Verschiedenheit der Tonerde, durch die ich vorwärts zu kommen glaubte, in kurzer Zeit mehr Schaden, als alle früher gehabten Unfälle. Denn wenn ich mehrere Gefäße aus verschiedener Tonerde ange- fertigt hatte, war die eine Tonerde verbrannt, bevor die andere gebrannt war; einige Tonerden nahmen das Email an und zeigten sich für diese Sache sehr geeignet, andere täuschten mich hingegen bei allem, was ich mit ihnen anfing. Da meine Emaillen auf ein und demselben Gefäße nicht gleich gut ausfielen, war ich oft enttäuscht, was mir immer Verdruß und Kummer machte. Trotzdem ließ mich die Hoffnung, welche ich hatte, so mutig an meine Sache gehen, daß ich mich manchmal überwandt zu lachen, um Menschen, die mich besuchten, zu unterhalten, obgleich ich in meinem Inneren sehr betrübt war.

Ich setzte meine Arbeit in der Weise fort, daß ich für den gut ausgefallenen Teil meiner Gefäße viel Geld verdiente; aber gleichzeitig mit dem oben an- geführten Verdruß hatte ich einen neuen zu tragen. Der größte Teil meines Werkes wurde mir nämlich vor dem Brande durch die Hitze, den Frost, den Wind und Regen sowie durch die Dachrinne ver- dorben, so daß ich mir Balken, Latten, Dachziegel und Nägel leihen mußte, um alles wieder in Ordnung zu setzen. Da ich aber oft zum Bauen kein Geld hatte, war ich gezwungen, Efeu oder anderes grünes Laub zu verwenden. Als sich aber meine Verhältnisse besserten, riß ich das, was ich gemacht hatte, wieder ein und baute es etwas besser. Infolgedessen sagten gewisse Handwerker, wie Strumpfwirker, Schuster, ferner Gerichtsdiener und Notare, ein Haufen alter Weiber, ohne zu bedenken, daß sich meine Kunst nicht ohne eine große Behausung ausüben ließ, daß ich nichts weiter tue, als bauen und niederreißen, und dabei tadelten sie etwas, das ihr Mitleid hätte erregen sollen, denn ich war gezwungen das, was ich für meinen Lebensunterhalt gebraucht hätte, zur Herstellung der für meine Kunst nötigen Einrichtungen zu ver- wenden. Und was noch schlimmer ist, der Anstoß zu den Verhöhnungen und Nachstellungen ging von meinen Angehörigen aus, die so wenig Verstand hatten, daß sie wollten, ich solle meine Arbeit ohne Hand- werkszeug ausführen, ein mehr als unvernünftiges

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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Verlangen. Icli fand dies so unsinnijj, daß ich mir dadurch immer noch meiir Kummer maciile. Ich hatte jalirelang nicht die Mittel um meine Öfen zu- decken zu können und war alle Nächte dem Regen und Wind preisgegeben, olme Hilfe, Beistand und Trost, au 15er dem der Nacliteulcn, die auf der einen Seite schrieen, und der Hunde, die auf der anderen Seite heulten. Bisweilen erhoben sich Winde und Stürme, die derartig über und unter meinen Ofen hinwegbliesen, dal? ich gezwungen war, alles zu ver- lassen, wodiircii meine Arbeit verloren ging. So mußte ich mehrmals alles im Stich lassen und hatte dabei nichts Trockenes auf dem Leibe infolge des Regens,

der gefallen war. Ich ging um Mitternacht oder bei Tagesanbruch zu Bett und zwar derartig zugerichtet, wie ein Mensch, den man durch alle Schmulzwinkcl der Stadt geschleppt hat, und wenn ich so schlafen ging, taumelte ich ohne Licht hin und her und fiel von einer Seile zur anderen, wie ein vom Wein Be- trunkener, dabei tief betrübt, weil ich, nachdem ich solange gearbeitet hatte, meine ganze Arbeit für ver- loren hielt. Als ich so beschmutzt und durchnifJt zu Bett ging, fand ich in meinem Zimmer einen neuen Verdruß vor, der noch schlimmer war als der erste und bin ich heule noch erstaunt, daß mich der Kummer nicht verzehrt hat.

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

SCHULEN UND UNTERRICHT

München. An dem diesjährigen Meisterkiirsus der 'Lehr- und Versuchsanstall für Photographie, Chemigra- phie, Buchdruck und Gravüre nahmen S6 Personen, 6g Meister und 17 Gehilfen, teil. Im ganzen wurden diese Meisterk\irse nun schon von 385 Tcihiehniern besucht.

Stuttgart. (Gewerbliche l'urtbildungsschulen.) Am 1. April näclistcii Jahres tritt in Württemberg eine Oesetzes- bestinmiung in Kraft, wonach in Württemljcrg die gewerb- lichen Fortbildungsschulen mit Tagesunterricht ins Leben zu treten haben. Die bürgerlichen Kollegien Stuttgarts haben beschlossen, nur die bau- und niaschinentechnischen Berufe sowie die kunstgewerblichen Kategorien zum Schul- zwange heranzuziehen.

Weimar. Der Oroliherzog von Sachsen-Weimar hat die Leitung der Kunstgewerbeschule dem F'rof. Henry van de Velde übertragen und in den Verwaltunjjsausschuß unter anderen berufen: den Ministerialdirektor Dr. SIevogt, den Oberbürgermeister Geh. Reg.-Kat Pabst, den Direktor der OrolSherzoglichen Museen Hofrat Dr Kötschau, den Direktor der Groliherzogiichen Kunstschule Prof. H. Oldc

Dresden. Die königliche Xeichen- Akademie veran- staltete eine Ausstellung ihrer Schülerarbeiten. Die Schule verfolgt einen dreifachen Zweck: für die Praxis vorzubereiten, den Eintritt in die Kimstgewerbeschule zu vermitteln (eine handwerkliche Vorpraxis ist hier mehr zu empfehlen I Red.) und drittens Zeichenlehrer für höhere Lehranstalten und für Volks- und Gewerbeschulen auszubilden.

MUSEEN UND AUSSTELLUNGEN

Leipzig. Das deutsche Buchgewerbemuseum veran- staltete Ausstellungen der Sammlung japanischer F'arbholz- schnilte von A. W. von Heymcl inid der neueren gra- phischen und buchgewerblichen Arbeiten von Oeorg Tappert und Karl Weidenieyer.

Dresden. Im Kunstgewerbemuseum war eine Aus- stelhinK von kinislgewerblichen Mctallarbeiten von Mit- gliedern des Kinistgewcrbevereins.

Düsseldorf. In ihrer sechsten Hauptversammlung in Frankfurt a. M. beschlol) die Oeicllschaft /ur Frforschung jüdischer Kunstdenkmäler, vom 3. Mai bis 15 Juni im Kunstgewerbemuseum zu Diissetdorf eine Ausstellung des

Besitzes der Gesellschaft zu veransUllen und eine mit dieser Ausstellung parallel gehende Schaustellung von Privit- sammlungen, zur Veranschaulichung des ticutigcn Stande» der verschiedenen Sammlungen jüdischer Kur t

und einen IJberblick über die Verschicdcnar: . . . r

Entwickelung, zu geben, im Zusammenhange mit tleui jü- dischen Kultus.

Berlin. Das Seidenhaus Micheh hat eine aultcri.rdcnl- lich interessante Ausstellung japanischer Bilder m \adrl- arbeit veranstaltet. Nischnnura und Janomoto sind mit hervorragenden Arbeiten vertreten.

Wiesbaden. Vom 1 .Mai bis 31. August nächsten Jahres wird hier eine •Ausstellung (ür Handwnl ml Cr. werbe, Kunst und Gartenbau- st.iltfinden Ai gebiet ist der Regierungsbezirk Wiesbaden. I i. . (.>.,,,!- Handwerk ist im Rahmen nicht besonders erwähnt und die Kunst scheint etwas zu sehr zwischen die .Maschinen und die Werkzeuge eingeklemmt zu sein.

ÄSTHETISCHE ZEITFRAOEN

Gegossene Hauser. tdiscn und der Münchencr Bild- hauer Kobert lliiler haben unabhänciK '• ''"' die Erfindung gemacht, Häuser in verMellbti- -. aus einer GuKmasse, die Zement und M-i^nesia I r poröse Stoffe enthält, tu uteiien. Obwuhl r % in hy^jienischer Hinsicht wegen einer (jutcn 1 lation und wegen des lehlens von Slauhrilfrn ! zu empfehlen wäre, so ist es dcxh i.- punkt durchaus zu verwerfen. U'ir »■ kanismus ruhig Herrn Edison überlassen.

TE( HNIK UND HANDWFRK

Eichenholz aufzuhellen. Dem I < der

Technischen Riindsch.iii- dr. nrrlmrr I rnt-

nehmen wir fcl^jcndc \ ' 1

Parkettboden it^w in' säure oder K das iitrhf m.

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dunkel werden. Durch dir idc iVhA

Säurclösungen, die das au» J.. Jung de* '-

dem Ocrbsloil de* Eichenhoizes »ich ergebende dunkle

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Pigment in der Holzmasse zerstören, würde jedenfalls die Oberfläche des Möbels leiden. Es gibt also kein anderes Mittel, die Alterspatina an Eichenholzniöbeln zu beseitigen, als daß man das Holz mit einer scharfen Ziehlilinge abzieht, die dunkle Oberfäche des Holzes also entfernt.«

HANDEL UND GEWERBE

Aschaffenburg, Die Aktiengesellschaft für Buntpapier- fabrikation erzielte einen Reingewinn von 285678 M. und zahlte 10 Prozent Dividende.

In London notierte man Mitte April per Kassa für Kupfer 58';^,, für Zinn 144, für Blei, spanisch i3''Vio> eng- lisch i4'/s> für Zink, gewöhnlich 2i3/„, spezial 22V4.

In London wurde Mitte April die Unze Silber für Kassalieferung mit 25''/i« d. notiert.

Die Weltkupfervorräte betrugen nach Mertons Halb- monatsstatistik am 14. April 23702 Tonnen gegen 23265 Ton- nen am 31. März.

PERSONALIEN

Berlin. Landesbaurat Prof. Goecke-Berlin wurde zum Provinzialkonservator der Provinz Brandenburg ernannt.

Zum 1. Vorsitzenden des Hauptausschusses der All- gemeinen Deutschen Kunstgenossenschaft ist Prof.

Löwith, zum 2. Vorsitzenden Maler Franz Schmidt-Breiten- bach einstimmig gewählt worden. Anfang Juni findet in München ein Allgemeiner Deutscher Künstlertag statt.

LITERATUR

Lesefrüchte. In jedem Material wohnt durch seine Erscheinung und Bearbeitungsfähigkeit ein eigener Geist und eine eigene Poesie, die bei künstlerischer Behandlung den Charakter der Darstellung fördern und die durch nichts zu ersetzen sind: etwa so wie der Charakter eines Musik- stückes auf seiner vorempfundenen Tonart beruht und durch Umsetzen in eine andere verwischt wird. Wo diesem Geiste des Materials bei Konzeption und Ausführung nicht zuge- dacht und zugearbeitet wird, und sei es aus Mangel oder Laune, aus willkürlich oder aus äußerem Zwange ein Ma- terial zu einem anderen zu stempeln gesucht wird, ist die künst- lerische Einheit des Eindrucks schon vor Beginn gebrochen. Unser ohnehin schon leicht abschweifender Gedanke richtet sich von der Darstellung selbst weg auf die angewandten Mittel und auf die Schwierigkeit des erhaltenen Effekts. Ein zu künstlicher Techniker oder Stümper gleicht sich dann im Erfolge: bei beiden übersieht man über dem Ma- terial das Ziel. (Aus Max Klinger, Malerei und Zeichnung. Leipzig, bei Georg Thieme. Zweite Auflage 1907.)

Zwei Harlekine. Von Wiegand. Kgl. Manufaktur in Meißen

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, QuerstralJe 13 Druck von ERNST Hedrich Nachf., a. m. b. h., Leipzig

Durcliblick in den Saal der Klasse U. l.uksch

Scnülcrar bellen

DIE AUSSTELLUNO DER IIAWIU'ROER KUNSTOEWERBESCHULE OSII RN mos

Von Du. Tu. Raspe

Er^ST vor Jaliresfrisl vollzog sich in der staat- lichen Kunslgewerbesciuile zu Hamburg jener Umschwung, der einem Systemwechscl in Arbeitsweise und Arbeitsziel glcichk()mmt. Was der Leiter der Schule, Direktor Richard Meyer, damals als Programm hauptsächlich durch Berufung ziel- bewußter und künstlerisch charakterstarker Lehrer, wie Adler, von Beckerath, Bossard, Czeschka (seit Oktober IQ07), Heller, Luksch, Salzmann, Schmidt, Schöiiauer und Weilie, ankündigte, ist in der dies- jährigen Oslerausstellmig der Schülerarbeiten zu einem man kann kaum weniger sagen einschneiden-

den Ereignis für Hamburg geworden. Die Bedeutung dieser Ausstellung für das gewerbliche und künst- lerische Leben Hamburgs, für die Industrie und weiter für jeden, dem öffentliche und private Kulturarbeit am Herzen liegt, wird freilich nur der ganz über- sehen, der den vollen Wert der Kunslgewerbcschiilcn erkaimt und mit allen noch weit verbreiteten Vor- urteilen aufgeräumt hat. Dem wird auch das vor- liegende, jeden Zweifler anklagende Ergebnis nicht

Kunstgcwcrbcblatt. N. F .KIX II .)

nur eine Reihe von beachtenswerten Leistungen sein, sondern als Oesamlbild ein Ausdruck des Ocislcs, der die mannigfachsten Richtungen und Persönlich- keiten gleichzeitig freimacht und unictordncl.

Mag das Einscliränkeiule denen gegcnülKr betont werden müssen, ilie un^ere Kunslgewerbcschiilcn noch halbwegs als Schädlinge für gediegene, praktische Arbeit verdächtigen, so darf die Freiheit der künst- lerischen Entwickelung jedes Schülers und die Be- freiung vom Überflüssigen, worauf das erste l'ntcr- richtsjahr wesentlich hinzielt, als Ausgangspunkt des neuen Systems im (iegcnsalz zu seinem X'orginger genannt wcnlcn. So lange dieses (rohmachende (jc- fühl der Befreiung den Schüler während seiner Tätig- keit beherrscht, so lange vor allem auch die Lehrer als Künstler frei bleiben, ist die Oelahr il' misnius nicht zu fürchten. Diese Künsllcrf Lehrer gilt natürlich ebensosehr für die alleren "

(Beuhne, Hohle, Sciuoeder und andere), denen l.i;.», ^c

Erfahrung in der Er/ichungsarbcil das Recht gibt, den Fortschritt in ruhiger Anpassung mitzumachen.

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DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

Klasse R Luksch. Modell für Bronze

Bei der Beurteilung der Ausstellung ist die einjährige, zum Teil (bei Czeschka und Salzmann) nur halbjährige Arbeitszeit, sowie die geringe Vor- bildung der Schüler zu berücksichtigen, um einen gerechten Maßstab für die Erfolge der Lehrmethoden zu gewinnen. Für den eigentlicher) Schüleihestaiul, der zum allergrößten Teile aus der Praxis, teils direkt von der Schulbank kommt und der oft über Umfang und Art seines Talentes falsch unterrichtet ist, er- streckt sich der Kursus auf zwei Jahre, so daß die diesjährigen Arbeiten nur mit Einschränkung als Arbeitmesser für die äußersten Leistungsgrenzen gelten können. Daneben ist durch Abend- und Sonntags- unterricht den Berufshandwerkern Gelegenheit ge- geben worden, ihre Leistungen auf eine künstlerisch wie technisch höhere Stufe zu bringen.

Der Entwickehmgsgang wird vortrefflich durch das Mittel einer allgemeinen Vorbildung mit wech- selnder Beschäftigung beschleunigt; es werden sozu- sagen Stichproben gemacht, ob die Begabung des Schülers mehr zum i^lastischen Gestalten oder zur Flächenkimsl, zum dekorativen Schaffen oder zur Klein- arbeit neigt. So schützt man unser Kunstgewerbe vor Verlust an Arbeilkraft und indirekt vor unnötiger Herabnunderung des allgemeinen Niveaus.

Die Lehrmethode selber entspricht in ihrer Natür- lichkeit den Grundsätzen des modernen Kunstge- werbes. Wir bekommen in einzelnen Abteilungen, z. B. in der Klasse von Beckerath, eine Vorstellung, wie durch vernünftige, planmäßige Erziehung dem Schüler Umwege und unnötige geistige Arbeit er- spart wird, wie er die Gesetze nicht neben, sondern mit der Praxis aufnimmt, und wie dadurch befangene Anfänger überraschend schnell gefördert werden können.

Klasse: R. Luksch. Modell für Bronze

Klasse; R. Luksch

An(rag.irbeit

DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTQEWERBESCHULE OSTERN 1908

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Klasse: R- Lukjch

Die verschiedenen üattiinKen von Arbeiten machen den Eindrnck eines so geschlossenen Oesamtknnst- wcrkes, dal5 Einzclerscheinnnj;en dahinter zurricklrclcn. Diese Einheitlichkeit ist grolienteils anf eine Rrinid- sätzliche Unlerordinnig aller Zweige nnter die Archi- tektur zurückzuführen, die damit wieder ihre um- fassende Stellung von ehedem zurückerobert hat. Nur von diesem Gesichtspunkt aus, unter Annahme von Aufgaben, die der Baumeister gestellt hat, sind die piastisciien Werke der Klassen Adler, Bossard und

AutgtlOhrt In pollcrirn Mnting

I uksch, die dekorativen und monumentalen Bilder in den Abteilungen von Beckeralh, Sal/mann und Schroeder, sowie die innencinrichlungen. I'oitalent- würfe und (lartenanlagen, die unter Leitung der Lehrer Beiihne, Heller und Schmidt hergestellt sind, richtig zu vergehen. Durch den sl.indigcn Blick aufs Ganze und durch Anspannung und Sammlung aller früher zersplitterten Kralle wird zuglcicli dem hohen

Ziele des heutigen Kunstgewerbe*, das auch das be- scheidenste Stück nicht der Pflege für unwert hill,

35*

i64 DIE AUSSTELLUNO DER HAMBURGER KUNSTOEWERBESCHULE OSTERN 1908

Klasse: R. Luksch. Ausgef. in Holz

am weitgehendsten Rechnung getragen. Daß dieser Leitgedanke dem Schüler auch den besten Rückhah gegen Wiliküriichkeiten und Abschwei- fungen gibt, dafür legt schon diese Ausstellung hinreichend Zeugnis ab. Andererseits aber ist eine gewisse dienende Rolle und eine damit ver- bundene Vereinfachung keine Verarmung; vielmehr öffnet sich durch Verschließen der vielen künst- lichen Rinnsale jener stärkende Strom, dem das moderne Kunstgewerbe seine Hauptnahrung ver- dankt: an Stelle der Gipsmodelle und anderer künstlicher Vorlagen ist das Naturvorbild getreten. Wie heilsam der Ausschluß künstlicher Vor- lagen gerade für den Anfänger ist, lehren die Arbeiten der Klasse Adler« , die als vorberei- tende Schule in engerem Sinn gelten kann. Hier entfaltet sich schon ein nennenswerter Reichtum an Formen und ein so eigenartiger Wechsel im Ornament, daß die allgemeinste Verwendbarkeit dieser natürlichen Quelle außer Frage steht. Auch wo die Phantasie gering ist und wo früher schnell die Stütze des künstlichen Vor- bildes zu Hilfe genommen wurde, wirkt die be-

Klasse: R. Luksch. Ausgef. in Bronze

Klasse: R. Luksch Modell für Bronze

DIE AUSSTELLUNO DER HAMBURGER KUNSTQEWERBESCHULE OSTERN 1908

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Klasse: W. v. Deckeralli

Oben: Karlonstudic; unten: Teil einet U'uidbtMc*

scheidene Wahrheit immer sympalhisclier als der geliehene Reichtum.

Daß die übrigen Forderungen un- seres Kunstgewerbes, vor allem die Ge- setze von Zweck, Konstruktion und Material, die ja genau genommen sämt- lich ein Ausfluß dieses vornehmsten Grundsatzes sind, erfüllt werden, ist den Schülern zur selbstverständlichen Pflicht gemacht. So sind alle Arbeiten, dar- unter die hier abgebildeten Beispiele eines Brunnens und eines Grabmals, aus dem beabsichtigten Material heraus entwickelt. Dadurch, daß den Schülern das Entwerfen auf dem Papier genommen ist, wird jenes verführerische Durch- einanderspiel des Fornienschatzes ver- mieden, dessen Ausartung in der Zeit der historischen Stile heute so energisch bekämpft wird, ebenso die allzu wilde Überwucherung des Ornaments, eine Folge falschen Schmiicklriebcs.

Es ist gleichgültig, ob die Gesetze des Materialzvvangcs in so schroffer .Vus- prägung dauernd ganz durchführbar sind, ohne dem Kunstgewerbe einen etwas ängstlich trocknen Anstrich zu geben.

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DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 190S

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Klasse: W. v. Beckerath

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Klasse: W. v. Beckerath

Aktstudie

niF AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908 167

Klasse: A. Beulinc (Fachunlcrriclil iür Tischler). 11 \\-,,r,„,inuncr; b) Oillcr; c) Aquarell aus dem Museum in Allona

Jedenfalls wird auch der Historiker, dem eine Überschreitung der Gesetze auf Schrill und Tritt begegnet, seine straffe EinseiliKkcit gerade für die Schule begrülJen. Wir sollten nicht vergessen, da(i die Ausstellung in gewissem Sinne eine OpposiliunsTat sein will und dem- geinäli ihre innere Gesundheit durch kräftige Beispiele illustrieren niulJ. DalJ die Einseitig- keit nicht zu einer Huldigung an die Zeitmode ühertriehen wird, deren Nachteilen gegenüber wir als Kinder der Gegenwart stets etwas blind sind, dafür sorgen schon Gegengewichte. So wird beispielsweise dem extremen Impres- sionismus durch die Abteilung für Zeichen- lehrer, die unter Leitung von Bossard, Hohle, Schroedcr und Wühlers steht, die Wage ge- hallen, womit übrigens nur ein Vorgang in der grolSen Kunst widerspicßelt.

Es ist gewili kein Zufall, dali gerade unter den stärksten Künstlerpcrsönlichkeitcn die größte Mannigfaltigkeit gcilciht und daß von einem blolk'M Abstufen und Abschwächen ihres eigenen Könnens, wie es bei Schularbeilen zu befürchten ist, nicht die Rede sein kann.

So spricht aus den Arbeiten der Klasse (.zcschka geradezu die Freiheil einer Lchr- iMfihode, der jeder Anflug einer akademischen iirsl.irrung fehlt. Abgesehen von einigen übcr- lageiulen Beispielen, wie den Holzschnillen nach althamburgischen Siraßenszenerien von P. Helms, zeigt sich auch sonst eine Frische lind Beweglichkeit, deren Verpflanzung aus der Schule heraus für Industrie und Hand- werk von gröliteni Nutzen sein muß, und der wir deshalb einige Schwächen, vor altem in der Technik, nachsehen.

Mag auch der Fachmann mit gutem Recht die saubere, technische Durcharbeit an den Ledereinbänden mitunter vermissen, so möchten wir iloch in unserer Reaktionsslimmung darin lieber die Befreiung von allzu gewissenhafter Regelmäßigkeit als eine L/nterschätzung der Technik sehen. Soll indessen eine wirkliche \'eriiachlässigimg der technischen Seile gerade l'ci Schülern niemals entschuldigt werden, so vhirfen wir doch über diese .Mängel nicht den :rollen Fotlschritt im Künstlerischen üt)ersehcn. Wenn bei den Bucheinbänden (Czeschka, Weiße) ■ist durchweg mit einfachster, meist geome- ■'ischer \'erzicrung gearlKitel wird, so hat >!.»s neben einer schlichten \X'irkung mxh den i r/ieherischen Vorteil, daß ilem Handwerk der Mißbrauch des Reiclilimis genommen und eine sparsame, richtige Vcrw endung von I liehen- moliven in die Hand gegel>en wird.

,\ucli die Regeln für Plakatkunst sind iil>erall bcobachlei. Jedes Plakat sagt mit fast bi-schränkt einlacher Fnipfchliing und kflnsl- lerischer \'ornchiiiheil dem Beschauer wie ein Momenibild seinen Inhall und Qbl durch kraft- volle Farben die einladendste Wirkung aui.

i68 DIE AUSSTELLUNO DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

PEIZHHNDEL RROLF.RiGH

Klasse: C. O. Czeschka Zwei Piakaie in 3 und eins in 2 Farben

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DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908 169

Klasse : C. O. Czeschki

Holuchnilt In twei Farben

Die Farbe ist als ein wesentlicher Bestandteil des Plakates besonders berücksichtigt. So steht bei der Feucrwerkreklame das helle Gelb des Lichtes auf einem ruhijj liefen Nachtiiiniineiblau also reine

Nattirbcobaclitung in streng stilisierter Umbildmig; in dem unteren Teil tritt an Stelle des Blaus ein mattes Schwarz, aus dem die Buchstaben wie Reflex- lichter des Fenstergelbs hervorleuchten. Ein solcher Zusammenklang von Bild und Schrift kommt fast einem Triumph gleich und iloch steht das Plakat gerade deswegen schon an der Grenze des Zulassigen; ein Schritt weiter und die Zweckmäßigkeit leidet durch die Unleserlichkeit der Worte.

In der Anerziehung eines gesunden reinen Farben- sinnes berührt sich Czeschka mit v. Bcckerath, der die Erneuerung der Wandmalerei gleichzeitig von mehreren Seiten aus betreibt. Der Entwickelungsgang ist erheblich gegen früher abgekürzt, wo die vorbe- reitende Tätigkeit sozusagen ein selbständiges Ganzes

Kunsigewcrbeblatt. N. f. XIX H. «.

ausmachte und den Blick auf das weit cnifcrnte End- ziel, das Bild, verschleierte. Jetzt bestimmt umgekehrt das Bild den Weg und der Schüler schreitet mit richtiger Einschätzung seiner einzelnen Vorstudien die so festbegrenzte Bahn entlang.

Aus der Herrschaft, die jedesmal Raumverhältni&sc und Raumbestimmung auf das Wandgemälde aus- üben, ergibt sich die erste Stufe der Arbeil: da Schüler legt in einer perspektivischen Skiue seine Vorstellung von dem also ' ' le nieder.

Bei dem Übergang zur : die Er-

ziehung zu flächenmäthgem Sehen dafür, dal) der Charakter der Wandmalerei nicht durch Perspektive oder Modellierung verfälscht wird. v. Beckeralh hat mit der schroffen l'mgrcnzung seiner Ansicht, die er aus dem zweidimensionalen Vt'esen der \X'and und aus der Natur der Farbe ableitet, crmcht, dafl das Schülerauge die Gefahren der dreidimensionalen Auf- fassung gar nicht erst kennen lemL Solche Grund-

170

DIE AUSSTELLUNO DER HAMBURGER KUNSTOE WERBESCHULE OSTERN 1908

Klasse :C.O.Czesclika Werkstatt: Fr. Weiße

Ausgeführte Arbeiten mit

Handvergoldung ii. Leder-

auflage

Sätze fördern zugleich die Monunienfalität des Wand- bildes und damit rückwirkend ihren beruhigenden Einfluß »-auf jeden, dem der Raum zum Aufenthalt dient.

In der Form tritt eine mehr konstruktive Auf- fassung zutage, die mit dem flächenhaflen Wesen der Wandmalerei harmoniert und im Gegensatz zum Im- pressionismus eindeutige Klarheit schafft.

Klasse: F. Adler

Werkstall: A. Schönauer

I

Wcfkslaii : A. Schönauer

Pokal, Silber mit Elfenbein

DIE AUSSTELLUNG DER HAMIUIROER KUNSTGPWERRESCHULF OSTERN 1008

•71

Klasse: F. Adler

Modell rür Stein

Brunnen

Klasse: F. Adler

Modell für Slcin

Die Technik der Farbenzerlegung, wie sie der Neoimpressionisinus betrieb, scheint einem zuerst die wenig angenehme Wiederkehr einer überwundenen, experimentierenden Periode zu sein. In Wirkhchkeit iiat sie hier nur erzieiierische Bedeutung. Der Poiiitil- lismus ist ein trcffh'ches Mittel, die charakterlosen l'arbeiiabstufungen zu vertreiben, die in unsere ganze Umgebung so viel Langeweile tragen. So wird der Schüler einfach zu frischen, für verbildete Augen wohl gar etwas verlelzeiul kühnen Farben gezwungen

Die Klagen über den \'crlust eines gesunden Farbensinnes sehen wir auch sonst durchweg als be- rechtigt anerkannt, nicht zuletzt in den Abteilungen für Raumausstaltung. Hier bringt allerdings die Schwierigkeit der l'arhengruppierung manchen falschen Griff mit sich; wir fühlen hier einmal, wie weit uns die gebrochenen oder kranken Farben von dem sicheren Taktgefühl des Mittelalters und der Orientalen enlferiit haben.

^m

KUu« r Adkr

DI» Keruaikm aniftlOkrl In der AatUM 'Wn*ftf**»''*^'r

Kitirn In KurbeUiickrrri

172 DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

Klasse: R. Schmidt

Gartenhaus- Modell

GKfJCHi^Fl

rJiAÜS

Klasse: R. Schmidt, in Verbindung mit der Bildhauerklasse R. Luksch

DIE AUSSTELLUNO DER HAMBURGER KUNSTOEWERBESCHULE OSTERN IQ08

173

I inkt: Abcndlilt»« J Bottvd, ModeU ttr KtnaOi.

Ucchtt: Klute H. Hrllrr, TlKhUmpr, atitcrfahrl la

den WcrkiUltcn von F. Timckc in MimhufK

1*,r

Klaue R. Schmidt

Kcraaikra, latfrf&hit In der k*runi*cbn AuUlt WttMty-Htmbmtf

174 niE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

Klasse: H. Heller

a) Halle; b) Bücherschrank; c) Sofa und Spieltisch

b und c ausgeführt in den Werkstätten von O. Sieverts

in Hamburg

DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

'75

Klasse: M. Sal^manii

Flächenfüllitnfr

KUssi' M Sj;.

I Uchrnlüllunif

Auch in der Abteilung für Piastii< (Lukscli) illu- strieren einige Beispiele die neuzeitliche Bewegung zugunsten des farbigen Bildwerkes, der sich aber wohl nur sehr feinfühlende Künstlernaturen mit Aussicht auf Erfolg werden aiischlielien können. Der grölitc Teil der Arbeiten ist nur bis zum Gipsmodell voll- endet, doch deutet schon eine Bemerkimg darauf hin, daß jedes Bildwerk nur in einem bestinmiten Material gedacht untl im Sinne dieses Materials fixiert ist.

Vo:i den fertigen Stücken ist eine geschnitzte, für einen Pfeilerpfosten bestimmte Lotsenfigur durch kühne, breit-derbe Schnittflächen bemerkenswert, die das Messer nicht verleugnen wollen und für die Ge- samtwirkung vorteilhafter sind, als die übliche klein- liche, aber uimütze Detaiklurclibildimg. Einen Gegen- satz dazu, weil das Material es fordert, liiKlen. ein schreiender Hirsch aus poliertem Messing, die Ligur eines Fechters aus Bronze und eine Gruppe aus po- liertem Granit. Wieder anders ist der hier abgebildete frierende Knabe in Hol/ ausgeführt und von be- sonderer Eigenart Dornr(')Schen , umgeben von Nachtigallen in Perlen und Rosen in Keramik. Kur/, die wenigen Beispiele geben dem Beschauer völligen Aufschluß über das Ziel der Klasse unil die Richtig- keit des Lehrsystems.

Tür die Oroßfilaslik, die mit einer überlebens- großen Gruppe Mutter und Sohn- den Hauptinhalt des reich gefüllten Saales bildet, gilt teilweise wieder die Regel vom Zusanunenwirken aller Kunstgewerbe- zweige im Dienste der Architektur. Die breitflächige Art der Modellierung ist vielleicht nicht zufällig mit den großen ruhigen Wänden der modernen Bauten

verwandt. Hier hat vor allem auch Bossards Klasse mit Erfolg eingesetzt.

Reichen Lohn hat eine Kostspieh'gkcit , die Be- nutzung besonderer ,\ktmodtlle für jeden Einzelfall, eingetragen; der Schüler stellt nämlich, sobald er die Anfertigung einer allgemein gehaltenen Ski/zc erledigt hat, selber für seinen Zweck den .Vkt. Um aber eine gedankenlose Nachahinimg des Naturvorbildcs zu ver- hüten, dient das .Akistudium lediglich als eine Zwischen- stufe, die dann zur L'mbildung nach den innacn Gesetzen des Materials führt. Die letzte Stufe des Arbeitsweges entspricht daher gewissermaßen wietler der Skizze, nur daß alles straffer und durch die Natur geläuterter geworden ist.

In der Benutzung von Zweckmitleln finden sich nach tiem Gesagten allctliand interessante Parallelen zwischen den verschiedenen Lehrmethoden, ein Be- weis mehr für Ihre Vernünftigkeit und Stirke, die die verschiedensten Künstlernaturen miteinander vtr- bindet.

Um dem Beschauer neben den vielen Entwürfen auch hier und ila em Bild von der Brauchbarkeit der Leistungen zu geben, sind einzelne Arbeiten außer- halb der Schule in Hamburg ausgeführt, so vor allem eine ganze Hcrren/immereinrichtnng aus der KUüse Heller in den Vi'crkstallcii < ). S:cvcrl*, ferner eine Schreiblischlam|>e aus Messing IkI der Tirina Timckc und mehrere keramische Modelle in der Wes«rl)-scl»en Tüpferei.

In der Abteilung für Metallarbcilen (Schönaua) setzt lue gründliche " iig, die (ür

kaum geübte H.indc .> iten gcxctiigt

176 DIE AUSSTELLUNG DER HAMBURGER KUNSTGEWERBESCHULE OSTERN 1908

hat und somit einen Rückschluß auf ihre Methodik gestattet, einem oberflächlichen Hasten nach Origina- fität eine Grenze. Überall kehrt die Vereinigung von fein abgewogener Zierlichkeit mit der wohltuenden Ruhe der Flächen wieder, wie es sich aus dem charakteristischen Wechsel der Techniken ergibt. Der hier abgebildete Pokal kann nur von einem Schüler geschaffen worden sein, dessen Vorstellungen sich schon ganz in den verschiedenen Eigenschaften seines Metalls heimisch fühlen. Der Vermeidung von größeren Schwierigkeiten, wie sie nur langjährige Praxis hätte überbrücken können, kommt hier die moderne Vor- liebe für Schlichtheit glücklich zu Hilfe, so daß der Pokal immerhin die Erfüllung der bescheidenen Wünsche symbolisiert, die wir für die künstlerische Seite von Metallhandwerk und Industrie hegen. Daß die Arbeiten dieser Klasse nicht nur mit ihrer Form ganz in das Neuland des Kunstgewerbes hineinpassen, sondern auch sonst der Wandlung des Geschmackes einen zeitgemäßen Ausdruck geben, mag etwa die Verbindung anderer Stoffe mit dem Metall kenn- zeichnen, in der wir die Farbenfreudigkeit unserer Zeit wiedererkennen. Am Pokal z. B. unterbricht der Stamm aus Elfenbein angenehm die farbige Ge- schlossenheit des Silbers.

Besser als Worte bezeugen die Werke selber, welch neues, frisches Leben in die Hamburger Kunst- gewerbeschule eingezogen ist. Wer in manchen ge- meinsamen Zügen der Arbeiten nur den Einfluß des Lehrers in seiner Eigenschaft als Künstler zu er- kennen glaubt, übersieht ganz, wieviel hierbei lediglich Ausdruck unserer Zeitkultur ist, der sich die Schule ja erst jetzt angepaßt hat; er vergißt auch, daß die strengen Grundsätze der Ausbildung eine gewisse Verwandtschaft hervorrufen, die sich bei Anfängern naturgemäß steigern muß. Andererseits bewirken ge- rade diese Gesetze, in erster Linie die durch Zweck und Stoff gebotenen Einschränkungen, einen ge- regelten Wechsel und eine Unterordnung des Künstlers unter seine Lehraufgabe. Ein genauerer Vergleich der Arbeiten wird sogar häufig genug charakteristische Eigenheiten entdecken, die der Verfertiger seinem Werke aufgeprägt hat.

So tritt der Schüler unabhängig von den indivi- duellen Künstlereigenschaften seiner Lehrer, aber ab- hängig von den gemeinsamen Grundsätzen des mo- dernen Kunstgewerbes, mit dem Gefühl, technisch oder künstlerisch Industrie oder Handwerk fördern zu können, ins Leben zurück. Die Ausstellung aber hinterläßt als letzten wie ersten Eindruck den der Einheit aller Zweige, so daß sie im Kleinen das Ziel erreicht, dem wir im Interesse der Erneuerung unserer Lebenskultur zustreben.

"^

DIE NÄCHSTE NUMMER DES KUNSTOEWERBEBLATTES WIRD AUSSCHLIESSLICH ABBILDUNGEN VON WERKEN DES DÜSSELDORrcR SEMPERBUNDES ENTHALTEN. :: :: DEN BEGLEITENDEN TEXT VERFASSTE DIREKTOR FRAUBERGER-DÜSSELDORF

Klasse: C. Schröder

Decke, Fries und Tapete

Klasse: H. Hohle

Aquarell aus der Abteilung lür Zeichenlehrer

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

ZEIT- UND KULTURFRAOEN

Vom "Todschweigen«. Die Tagespresse ladet so oft die Sünde auf sich, den Fortschritt, originelle Künstler, geniale Menschen aus kleinlichen Motiven totzuschweigen, dali man rückschauend zweifeln mag, ob sie wirklich dem wahren Fortschritte dient; sie schweigt, wo wenige Worte unberechenbaren Nutzen, unschätzbare Förderung bringen könnten. Aber reden, schwatzen tut sie, wenn es sich darum handelt, Minter dem Strich das Sensationsbedürfnis ihrer Leser zu befriedigen. Durch alle Zeitungen ging unter der Spitzmatke 'Das Gipsporträt ein gleichlautender Bericht über eine neue Mode«, die seit einigen Wochen das »elegante London beschäftigt und nur zu bald das «elegante Berlin« (wo ist es?) bis zum Überdruli be- schäftigen- wird. »Diese kleinen Oipsporträts, die nur sechs Zoll groß sind, erfordern eine Sitzung von 45 Minuten, die dann vollkommen ausreicht, damit der Künstler bis ins kleinste Detail sein Modell wiedergebe. Die prachtvollen Hüte der eleganten Damen, die Federn und FJlumen, die Spitzen des Kleides, ja selbst die Falten des Handschuhs werden in täuschender Naturtreue in das weiche weiße Material eingegraben und ersetzen dem Freunde das Por- trät. Die Kunsthändler haben sich dieser neuen Leiden- schaft schnell entschlossen angenommen, und da die kleinen Oipsporträts verhältnismäßig sehr billig sind für 10.50 M. kann man das Vergnügen genießen, sich plastisch verewigt zu sehen, hat diese Mode sich rasch verbreitet und viele Anhänger gefunden.' Die Zeitungen wissen nur zu gut, was sie mit solchen halb tadelnden halb empfehlen- den • Entrefilets« anrichten, welche ertötende Unkultur und Unkunst sie da heraufbeschwören aber lieber schweigen sie Lichtwarks und anderer langjährige Bemühungen um die Wiederbelebung der Plakette tot, als daß sie dem ele- ganten Berlin oder Hannover eine -wahre Leidenschaft des eleganten London vorenthielten. Also, gipsen wirl

Schattenseiten der Kultur. Werner Sornbart beklagt, daß uns die Kultur bisher noch nicht «froher, gemütsreicher, tiefer und besser« gemacht habe: >ein großer Aufwand schmählich ist vertan-. Es ist auch ziemlich naiv, das alles von der Kultur zu erwarten. Ist nicht Kultur erst ein Ausdruck unseres Frohsinnes, Gemütsreichtums usw., ein Spiegelbild unserer Tiefe und Besserung? Wenn wir keine persönlichen Beziehungen zu unserer Umgebung haben, liegt es nicht daran, daß wir unserer Umgebung keine Kultur mitzuteilen hatten? Genau vor 100 Jahren jammerten die Romantiker, die Schlegel und Novalis, und später die Sand und Auerbach dasselbe Lied. Wer aber von Techniken und Erfindungen erwartet, daß sie für unser Glück, unsere Zufriedenheit, unsere Tiefe etwas leisten, sollen, etwas anderes als Hindernisse zu beseitigen, der befindet sich mit Werner Sornbart auf dem Wege zum schwächlichen Ästlietentum. Wir aber wollen das Leben, die Entwickelung nehmen, wie sie sind, und aus ihnen zu machen suchen, was zu machen ist. Uns ist vor dem profanum vulgus-, «der Masse«, nicht bange und wir wollen in ihr die gesammelte Kroß ehren und .kultivieren..

Studentenbuden. Am 15 Mai war der Termin für die Teilnahme an dem Wettbewerb 'Studentenkunst-, den das Württembergische Landesgewerbemuseum in Stuttgart ausgeschrieben hatte, abgelaufen. Man kann wohl auf das künstlerische Ergebnis des Wettbewerbes gespannt sein, wenn man sich auch nicht verhehlen darf, daß der Kern der ganzen Frage eigentlich nicht berührt wurde. Es ist Kunsigewcrbeblatl. N. F. XIX H. 9

ja wohl gut, wenn die entsetzlichen Bierzirkel, Wappen, Kommersbücher usw. einer besseren Kunst weichen müssen, man übersieht aber leicht, daß man mit diesen äußerlichen Zeichen studentischer l/nkultur die traurigen Zustände nicht aus der Welt schaffen wird. Das Grundübel liegt immer in dem Unpersönlichen eines ganz zwecklosen Komments, in den unwürdigen deutschen Trinksitten und in dem Mangel jeder Wohnungskullur. Eine künstlerisch ausge- stattete Kneipe ist ein lächerliches Unding, wenn ihr als Heim die zur Schlafstelle herabgesunkene trostlos öde Studentenbude das Gleichgewicht halten soll. Hier müßte man zu bessern anfangen und an den Studenten selbst.

STAATLICHER DENKMALSCHUTZ

Dresden. Die Erste Kammer hat das Gesetz gegen die Verunstaltung von Stadt und Land durch Reklame heule angenommen.

Berlin. Gegen den Preußischen Erlaß betr. liauliche Verunstaltung in Stadt und Land polemisiert /. A. Lux im zehnten Heft der »Hilfe.. Er glaubt, daß z B. die Be- stimmung »bei der Lösung einer Aufgabe von hoher künst- lerischer Bedeutung muß die Beherrschung der Stilformen als unerläßliche Voraussetzung gelten« geeignet sei, die historische Stilimitation, die eben beim Haupttor hinaus- getrieben wurde, durch ein Hinterpförtchen wieder herein- zuführen. Wir sind der Meinung, daß die Beherrschung der Stilformen mindestens in dem Grade unbedingt ge- fordert werden muß, daß eine X'enündigung ^fgtn den Geist des Kunstwerkes durch den Konservator, Restaurator oder Vollender ausgeschlossen wäre. Sehr notwendig er- scheint uns besonders die Kenntnis der alten Handwerks- techniken. Was da durch die Restauratoren vcrbatzl wird, ist kaum zu glauben! Notgedrungen wählt man in Bayern noch das kleinere Übel: Man läßt z. B. mittelalterliche Holzplastiken einfach verfallen, weil niemand zu finden ist, der die alten Handvergolder-Techniken genügend be- herrscht.

Der Wiederherstellungsteufel. Die Türme der gotischen Kirche in Kulmhach, die originellen Wahneichen dieser Stadt, sind manchen Leuten nicht hoch genug und die »Instanzen haben die neuen l'läne schon genehmigt. So ist es: jede Stadt will die liöchsten Türme haben.

AUSSTELLUNCjEN

Berlin. Der Lyceumklub in Berlin plant vom so. Januar bis 20. März iqüq eine internationale (') Aufteilung für Volkskunst, in der die Frauenarbeit eine besondere Berück- sichtigung erhalten soll. Die Ausstellung mochte die Volkskunst in ihrer geschichtlichen Entwickelung vorführen und feststellen, was von dem Schal/ überkommener Formen und künstlerischen Empfindens alter Zeit sich in die Gegen- wart gerettet hat. Man will ermilteln wie weil, auf dem national differenzierten Boden-, das Kunstwerk von hriitc aus den ererbten, echten volkslümlichen An- -i

Anregung für die Produktion der Gegenw-nt f Als Generalsekretär fungiert Herr Woll \X

die Ausstellung in den Räumen des H,i Voßsttaße 32, stattfinden soll, so kann man wohl annehmen, daß die ausgedehnten Beziehungen der Firma Urtlheim dem großzügigen Unternehmen In e"iptießlichrr VX'eije nutzb.ir gemacht werden können. We AnmHJarmen haben bis zum I. Oktober l()o8, die Finlirünirtgrn in der Zeil vom a8. Deiember bi» ö. Januar zu erfolgen.

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

ÖFFENTLICHE KUNSTPFLEGE

Lübeck. Es wird beabsichtigt, in Lübeck, nach dem Vorbilde Darmstadts, eine Ki'mstlerkolonie zu begründen und zwar in der rechtlichen r-orm des Erbbaurechtes. Die Abgelegenheit unserer Stadt hält man hier für keinen er- schwerenden Umstand, da die Künstlerkolonien in bedeu- tend kleineren Städten, wie z. B. in Worpswede, ausschließ- lich vom Fernabsalz leben.

LAUFENDE PREISAUSSCHREIBEN

Leipzig. Preisausschreiben der Buchhandlung B. G. Teubner für K,ünstlermodellierbogen. Diese Modellierbogen haben sich die Aufgabe gestellt, inhaltlich bedeutsame Mo- tive in sachlich richtiger Darstellung und künstlerischer Ausführung zu bieten, die vom Spiel zur Belehrung über- leitend Wissens- und Schaffenstrieb der Jugend wirklich befriedigen und fördern können, sie von der Freude an der Welt der Erscheinungen durch Selbsttätigkeit zur Ge- winnung klarer Vorstellungen von den Dingen führen. Es sind zusammen für looo M. Preise ausgesetzt. Die Ein- lieferung muß am i. September erfolgen. Näheres durch den Verlag B. G. Teubner in Leipzig.

Leipzig. Das Tiermotiv im modernen Schmuck ist der Gegendstand eines Preisausschreibens, das die »Deutsche Goldschmiede-Zeitung in Leipzig veröffentlicht hat. Fünf Preise, zusammen 400 M. Einlieferung der Arbeiten bis 23. Juli igoS

Magdeburg. Der Kunstgewerbeverein zu Magdeburg erließ ein mit 300 M. dotiertes Preisausschreiben für plioio- graphisehe Aufnahmen von alten architektonischen und kunstgewerblichen Denkmälern, die sich im Lfnikreise von 25 km Luftlinie von Magdeburg befinden. Die Einsendung hat bis zum 1. September zu erfolgen.

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN

Über die Organisation der kunstgewerblichen

Zeichner brachte die Werkstatt der Kunst am 2. Juni einen bemerkenswerten Aufsatz, auf den wir noch zurück- kommen werden, da der angestrebte Zusammenschluß aller Zeichnervereine zu einem großen Verbände mit 6000 Mit- gliedern in der Entwickelung des Kunstgewerbes besonders aber der Kunstindustrie ein bedeutsamer Faktor werden wird.

Düsseldorf. Der »D(V Verein der deutschen Textil- veredeinngsiuduslrie- hatte sich entschlossen, in Verbindung mit seiner diesjährigen 14. ordentlichen Jahresversammlung die Frage der Eehtfärberei in einem möglichst großen In- teressenkreise eingehend zu erörtern. Die Versammlung fand am 5. Juni in Düsseldorf statt. Den Verhandlungen wurden drei Referate zugrunde gelegt und zwar ein Vor- trag des Herrn Dr. F. C. GDhring über Entfärbung und unechte Farben , ein Vortrag des Herrn Dr. Tschierschky über Die kunstgewerbliche Seite der Echtfärbung und des Herrn Dr. Wallher über die »Technik der Echtfärbung . Der Verein hatte außer seinen großen Kreis von Mitgliedern auch eine hervorragende Zahl von Interessenten geladen. Ein näherer Bericht folgt.

London. Der dritte internationale Kongreß zur För- derung des Zeichcnunlerrielites findet hier vom 3. bis S Au- gust statt. Deutschlands Abteilung wurde vorbereitet durch Schulrat Dr. Kerschensteiner und Dr. Pallat, diejenige Österreichs durch Prof. R. Bock.

Straßburg i. Elsaß. Von den Lehrern der hiesigen Kunstgewerbeschule ging die Anregung aus zur Gründung eines Kunsigewerbevereins. Unter dem Vorsitz des Prof. Dr. Polaczek bildete sich ein Komitee, das Einladungen

an alle Interessenten ergehen ließ. Die Versammlung vom 8. Mai, in der man die Konstituierung des Vereins beabsichtigt hatte, verlief sehr stürmisch und hatte auch kein befriedigendes Resultat. Nach den uns bisher zuge- gangenen Berichten sind die Gegensätze aber gar nicht so groß, als daß nicht ein Zusammenschluß aller Straßburger Kunstgewerbler möglich sein sollte. Es wurden allerhand »Mißverständnisse verhandelt«, die durch einige Rede- wendungen in dem Einladungsformular verursacht waren. Solche Irrtümer gehören aber in jedem Verein zum eisernen Bestand und bieten unzufriedenen Gemütern stets eine willkommene Gelegenheit, das Redeventil zu öffnen. Im allgemeinen war man sich ja einig, daß eine Forderung der Handwerker, insbesondere der jüngeren, eine Beein- flussung der Hochschulen und eine Besserung des Publi- kumgeschmackes sehr wünschenswerte Dinge seien. Wir zweifeln nicht, daß der Verein sich bald konstituieren wird (wenn es nicht vielleicht inzwischen schon geschehen ist), und dem Aufblühen des elsässischen Kunstgewerbes dienen kann.

Wien. Der Internationale Architektenkongreß hat hier vom 18. bis 23. Mai getagt und viele neue Anregungen gebracht. (Wir werden in der nächsten Nummer einen ausführlicheren Bericht darüber veröffentlichen. Red.) Es wurde beschlossen, den nächsten Kongreß im Jahre 1911 in Rom stattfinden zu lassen.

AUS MUSEEN UND SAMMLUNGEN

Berlin. Der neue Direktor des Kunstgewerbemuseums Dr. Otto von Falke beabsichtigt, für eine bessere Belich- tung der Erdgeschoßräume zu sorgen und die Sammlungen nach den heutigen Ansprüchen der Wissenschaft aufzu- stellen und zu erläutern. Das deutsche Kunstgewerbe soll wieder mehr in den Vordergrund treten. Dr. Peter Jessen wird die Ausstellungen und das Vortragswesen weiter aus- bilden.

Berlin. Der Oberbürgermeister Wilms von Köln hat im Herrenhause bei der Beratung des Kultusetats ge- beten, die Provinzialnuiseen gegenüber den Berliner Museen mehr zu berücksichtigen. Die Anhäufung der Kunstschätze in Berlin habe immerhin etwas Protzenhaftes, Prunkhaftes an sich. Ein neuer Beitrag zu dem Kapitel vom »Wasser- kopf Berlin.

Dresden. Im Dresdener Anzeiger protestiert Prof. Dr. Paul Schumann dagegen, daß man für das Kgl. Münz- kabinett nur einen Direktor im Nebenamt und einen jungen Anfänger als Assistenten anstellen wolle. Eine der Allge- meinheit nutzbare Verwaltung der wichtigen Sammlungen und ein geschicktes Ausbauen durch Einkauf auf Auktionen würde unmöglich sein, weil beiden die nötige Zeit und Erfahrung fehlen würde. Schon unter dem bisherigen Direktor Erbstein hätten böse Mißstände geherrscht. Erb- stein habe den Künstlern und meistens auch den Gelehrten eine Benützung der Sammlungen verweigert oder verekelt. Das Schlimmste und Ungehörigste sei aber gewesen, daß Erbstein auf demselben Gebiete gesammelt habe, auf dem die Hauptstärke des Kabinetts liegt, dessen Bestand also nicht aufgefrischt worden sei. Erbstein konnte das Münz- kabinett auch nur im Nebenamt verwalten und so sei ein unhaltbarer Zustand geworden, den man nun, nach dem Tode Erbsteins nicht fortsetzen dürfe, indem man das Direk- torat des Münzkabinetts wieder nicht als Hauptamt besetze.

Leipzig. Dank der Opferwilligkeit eines Leipziger Kunstfreundes hat das städtische Kunstgewerbemuseum einen umfangreichen Altarschrein erwerben können, der zu den besten Werken spätgotischer sächsischer Schnitzkunst gehört.

KUNSTOFWPRBLICHE RUNDSCHAU

17g

HANDELSNACHRICHTEN

Preise von Roliiiiatcrialicn. Der Kup/trblec/i-Grunö- preis wurde nach der Rh. -W. Ztg. auf 151 M. ermäßigt. Der Preis für Stiaits-7.inn ist seit einem Jalir von 1Q5 1 auf 135' . >-■ Mitte Mai ^esuitlu-n. Der /l/Ms/z/^'-Griindpreis ist auf 130 M. festgesetzt worden. Am 20. Mai wurden für Metalle in London folgende Preise notiert: Kupfer, best seiected 62 >:, Electrolytic 60' , >,, Chili 57'' , t, Zink, gewöhnlich 20' , >,, spezial 21',,, X.. Bei einem im Be- zirk Tuttlingen am 15. April abgehaltenen größeren Werk- Ao/z-Verkauf wurden folgende [-"reise erlöst: Eichen 20 bis 55 M., Eschen durchschnittlich 15M., Linden yi^-, Buchen \b M., Ahorn 22 M., je per Festmetcr. Ende April wurde der Fikf. Ztg. berichtet, daß die Preise für runde und be- arbeitete Blöcke fremdländischer Nutzhölzer infolge man- gelnden Absatzes gedrückt gewesen seien. Der Bedarf in hellfarbigem westafrikanischen Mahagoni ist immer noch groß, besonders ist das Sapeliholz wegen seines streifigen Charakters beliebt, jacaranda wurde nicht in der nur ge- suchten erstklassigen Qualität importiert; auch wurde nur besseres Ebenholz gewünscht, gutes Kocobolo von Amerika wurde nur wenig angeboten, australische Harthölzer haben sich gut eingeführt.

Aschaffenburg. Die Ahl.-Ges. für Buntpapier- und Leimfabnkalion in Aschaifenburg erzielte im Jahre IQ07 285678 M. Reingewinn und verteilt 10", Dividende.

Bremen. Dr. Gustav Pauli berichtet in den »Süd- deutschen Monatsheften nn't Oenugtuung, daß die Bremer Niederlassung der Vi'erkslütten für Kunst im Handwerk' von allen Seiten mit Freuden begrüßt worden sei. >Die Wetterprognose verheißt Sonnenschein und glückliches Gedeihen . . .• In Bremen seien diese Werkstätten auf die gesündere Basis des tiinfamitienhauses gestellt worden, indem sie ein einfaches Bremer Wohnhaus von normalen Abmessungen mit verhältnismäßig geringen Umbauten zum Ausstellungsgebäude herrichteten. Der Generaldirektor des Norddeutschen Lloyd, Dr. IViegand, interessierte sich sehr für dies Unternehmen, das ja bekanntlich von ihm schon erhebliche Aufträge erhalten hat

Frankfurt a. M. Das Heddernheimer Kupferwerk, vorm. F. A, Hesse Söhne, versandte im Jahre 1907 12 Mil- lionen Kilogramm. Die Dividende wurde auf 6"/o fest- gesetzt.

St. Gallen. Das Komitee für die Einschränkung der Produktion In der ostschweizer Schifflistickfrei ciWaxIc, daß eine noch längere Periode Arbeitsniangel bevorstehe, in- folgedessen die Einschränkunfi der Produktion in noch weiterem Umfang durchaus geboten sei.

Köln. Die Akiicngcsellscliaft für kunstgewerbliche Metallwarenfabrikation Orivit ist nach einer längeren Lei- denszeit endgültig in völlige finanzielle Abhängigkeil von der Württembergischen Metallwarenfabrik in Oeislingen geraten.

Aus Krefeld wurde dem B T. geschrieben: •Mille Juni sollen gemeinschaftliche Beratungen von DetaiUislen und Grossisten der Textilbranche stattfinden zur Beilegung von Gegensätzen und Ordnung gcnicinsanier Angelegen- heilen, so auch der Frage der Beschwerung von Seiden- stoffen. .

Nürnberg. In Sulzbach wurde das im Konkurs be- findliche St. Anna-Institut Jiir kirchliche Kunst durch Feuer zerstört.

AUS DER KUNSriNDUSIKIl

Die Kunstindustrie auf der .Leipziger Messe-. Wenn man dies Wort horte, dachte man unwillkürlich an

die »gußeiserne Moderne von i876« und schauderte. Nun soll es anfangen, besser zu werden, wie Dr Carl W'tichardt in der Frankfurter Zeitung schrieb. Er berichtete, daß gc. rade auf dem Gebiete der Metallindustrie ein gesunder, moderner Stil, der aus der zweckmäßigen Form die Schön- heit gewinnt, sich gezeigt habe. Besonders erfreulich sei auch ein Rückgang der Nachfrage nach Nippes und »Kunst- figuren, in Terrakotta gewesen. Dr WcichardI betont, daß nicht nur die Produktion geschmackvoller Sachen, sondern auch ihr Absatz wesentlich gestiegen sei. Z. B. seien I ran- zosen, Einkäufer von besonderer Kultur des Geschmackes also, kaum je so zahlreich vertreten und so kauflustig ge- wesen, als wie auf der diesjährigen ( »stermcsse. Dr. I'udor urteilt in den Leipziger Neuesten Nachrichten weniger op- timistisch und fürchtet die feine Spürnase der imitierenden Industrie, aber im allgemeinen kann man doch auch auf der Leipziger Messe konstatieren: die gute Ware verkauft sich leichter als die schlechte.

SCHULEN UND WERKSTÄTTEN

Das Hochzeitsgeschenk der preußischen Städte für das krouprinzliche Paar wird voraussichtlich erst in mehreren Jahren in edlem Material fertiggestellt sein. Ei besteht in einem reichen künstlerischen Schmuck für eine Prunktafel. Zur Herstellung der einzelnen figürlichen und kunstgewerblichen Teile sind eine Reihe unserer besten Kräfte ausersehen. August Gaul niodrilieit Elefanten, welche Obelisken tragen und als seitliche Abschlüsse des Ganzen dienen werden. Ignatius Taschner hat Reiter und einen Stier zu formen. Ferner arbeiten für das Vl'crk Widemann und August Vogel, Hugo Lederer, Ernst Wenck und Adolf Amberg. Die Arbeiten werden in Silber aus- geführt. Die Gcsamtleitung ruht in den Händen des Ber- liner Stadibaurales Ludwig Hoffmann, des Geh. Rats Altred Messel und des Bildhaueis Prof. Tuaillon.

Berlin. Der Magistrat hat beschlossen, für das städtische l ach- und Eortbddungsschulwnen einen Direktor mit einem Gehalt von 10000 Mk. anzustellen und /war zunächst auf zwei Jahre und nach dieser Probezeit auf Lebenszeit.

Breslau. An der hiesigen Handwerktrschute weiden folgende Kutse stallfindcn: 1. vom 15 Juni bis i^ Juli ein staatlicher Fachzcichcnkiirs für .Maler, 2. vom 6. bis 25. Juli ein staatlicher Faclizeichenkurs für TisthUr, % vom 21). Juni bis 8. August ein slaallichcr Viirl»creilung%kuit für /.eichenlehrer : endlich Meisteikurse der Provinz Schlesien für iWalcr, Kiinslglaser, Ruchbinder, Schlosser, Klempner usw.

Dresden. Der l.ehrtrvereinsausschufi für Kwtiiptl/gf halle im Verein mit der Leitung der sechsten Schülerwriktlalt einen neun Übungsabende umfuitnden Kursus für .Malrrtal- arbfiten eingerichtet Zur Leitung der Arbeiten hatten Mch in uneigennütziger Weise Prof Karl (iroti und I 'ich Klrtn- hempel von der Königlichen Kunstgcweibc*chule bereit- finden lassen. An den ersten beiden Al>enden v 1 einlacher Teller mit einem Schmuck in l'nirr»:lj versehen. An zwei weiteren Abenden -ict- p.ipiere hergestellt zu Buch »xler M.ipr><'n!. und Vorsat/p.ipieren. In der zweiten ' Hc l'iul OroH die Arbeitenden ein in die alte Tik und lehne vor allem die Herstellung ornamcniiicr hormen als Zier für die selbsigcschaifcncn Tongrgen»ünde, wie »ie Material und Werkzeug mit Notwendigkeit ergab Eine ähnliche Übungsgelegenheil, die die geschmackbildende Seite der HoUarbftI beeinflussen »oll, wird vom Ausschuß »orbe- reitet. I>er Inhaber der Deulsehcn WrrktUlten für Haisd- werkskunst, Herr Karl Schmidt, hat »eine ünleistdt/ung in Aussicht gestellt-

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Jerusalem. Die vom Bildhauer Boris Schatz geleitete jüdische Ki'iistocwerbeschule wird von dem Verein »Bezalel mit 23 0ooMk. subventioniert. Sie bemüht sich, ihren Ar- beiten, besonders den gel<niipften Teppichen, national- jüdisches Gepräge zu geben, nach einer Beschreibung von Marie Rotheit durch »stilisierte Anordnung der geometri- schen Formen hebräischer Buchstaben, Kultgeräte und sonstiger Symbole.«

München. Die Mitteilungen der Ausstellung Mün- chen igo8« enthalten einen Aufsatz von Schulrat Dr. G. Kerschensteiner über »Das Schulwesen Münchens in der Ausstellung«, der mit folgenden Worten schließt: Indem die Schulverwaltung so bestrebt ist, in der Ausstellung so- weit als möglich die praktische Arbeit der Schule dtx ÖWcni- lichkeit zu zeigen und den sie beherrschenden Arbeitsgeist, wird sie vielleicht beitragen zu der Einsicht, daß es auch in so schwierigen Verhältnissen, wie sie die Großstadt bietet, möglich ist, gewisse Gruppen von Buchschulen in Arbeitsschulen umzuwandeln und daß dabei die rein geistige Ausbildung nicht nur keinen Schaden zu leiden braucht, sondern weit eher Vorteil daraus zieht. Sie wird vielleicht Zeugnis ablegen, daß die lebhafte Freude des Kindes wie der älteren Knaben und Mädchen an der produktiven prak- tischen Arbeit der allerbeste Bundesgenosse des Lehrers ist, der sich bemüht, die Schüler auf dem Wege der Erfahrung mit jenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Charaktereigen- schaften auszurüsten, die der harte Kampf des späteren Lebens von dem verlangt, der ihn halbwegs siegreich be- stehen will.

Warmbrunn i. Schi. In der von /?./(/«?/■ geleiteten Holzschnilzschule wurden für auswärtige Schüler zwei große geräumige Säle eingerichtet und mit Zentralheizung und Oasbeleuchtung versehen. Jedem Schüler wird Bett, Schrank, Tisch, Waschgeschirr, Spiegel usw. gestellt. Die Monats- miete beträgt 5 Mk., es ist in diesem Preise das Waschen der Hand- und Bettwäsche mit eingeschlossen, ebenso Heizung, Beleuchtung und Reinigung. Die gesamte, ebenso praktische wie freundliche Einrichtung der Säle wurde in der Schule selbst nach den Plänen des Direktors Kieser ausgeführt.

Diese Einrichtung, die zwanzig jungen Leuten eine angenehme und billige Unterkunft gewährt, ist wohl die erste dieser Art an unseren kunstgewerblichen deutschen Fachschulen.

AUS DER TECHNIK

Das Verzinken und Verzinnen von Metallgegen- ständen behandelt die Technische Rundschau des Ber- liner Tageblattes«. Das Verzinken mittels Zinksalzlösungen läßt sich nur durch ein elektrolytisches Verfahren bewerk- stelligen. Für das Verzinnen gibt es eine ganze Reihe Vorschriften. Grundbedingung ist, daß das Eisen voll- ständig rein ist. Größere Gegenstände reinigt man mit dem Sandstrahlgebläse, kleinere mittels Sandpapier. Nach dem mechanischen Reinigen erfolgt eine Ätzung mittels mäßig verdünnter Säure (10- bis 20 prozentige Schwefel- säure). Nach dem sogenannten Kontaktverfahren bringt man die Gegenstände in ein heißes Bad aus 3 Teilen Zinnsalz, 5 Teilen Weinstein in 1 1 Wasser. Auf den Gegenstand breitet man dann Zinkspäne aus und erwärmt, bis die Ver- zinnung vollständig ist. Eine andere Vorschrift lautet: 4 Teile Zinnsalz, 4 Teile Kochsalz, \ Teil Salmiak werden

in 8 Teilen Salpetersäure und 16 Teilen Salzsäure gelöst, oder 1 Teil Zinnsalz, 74 Teile Salmiak, 1 Teil Kochsalz, 2 Teile Salpetersäure und 4 Teile Salzsäure löst man in Wasser, senkt die Gegenstände hinein und bringt sie während ihres Verweilens mit einem Stück Zink in Kon- takt.

KÜNSTLERISCHER UND GEWERBLICHER RECHTSSCHUTZ

Brunnen und Denkmäler an öffentlichen Plätzen.

Ein Künstler hatte auf Bestellung eines Kunstfreundes einen Brunnen hergestellt, der jetzt auf einem öffentlichen Platze aufgestellt ist und fragte bei der »Werkstatt der Kunst« an, ob die Herstellung eines Bronzeaschenbechers in Form dieses Brunnens ohne seine Genehmigung gestattet sei. Er erhielt die Antwort: Nach >; 20 des Kunstschutzgesetzes ist die Vervielfältigung von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, durch malende oder zeichnende Kunst oder durch Photographie zulässig. Die plastische Wiedergabe bedarf also Ihrer Ge- nehmigung.

Die äußere Erscheinung des Buches. In Sachen der geplanten Abänderung des »Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes hat der Vorstand des »Börsen- vereins der deutschen Buchhändler« an das Reichsamt des Inneren eine Eingabe gerichtet, in der der Schutz der äußeren Erscheinung eines Werkes, des Autortitels und des Ladenpreises, als dringend wünschenswert bezeichnet ist.

PERSONALIEN

Berlin. Prof. Kips, der bisherige artistische Leiter der Königlichen Porzellan-Manufaktur, hat nach 22 jähriger Tätigkeit seinen Abschied genommen.

München. Der Maler Professor lulius Diez wurde zum Professor an der Kunstgewerbeschule ernannt.

ERÖFFNETE AUSSTELLUNGEN

Darmstadt. Bei der Eröffnung der hessischen Landes- ausstellung hielt der Großherzog von Hessen folgende Rede: »Das eifrige Vorwärtsstreben unserer hessischen Künstler, von dem besonders des letzte Jahrzehnt zeugt, hat gute Früchte gebracht. Die Geschmacklosigkeit, die Unechtheit in Farbe und Material, die sich noch um die Jahrhundert- wende in Architektur und angewandter Kunst breit machten, mußte einer Schönheit weichen, die aus Wahrheit und Zweckmäßigkeit hervorwächst. Das bestätigt unsere Aus- stellung, auf der die freie Kunst so vortrefflich vertreten ist, wie dies wohl noch auf keiner ausschließlich hessischen Ausstellung der Fall war. Diese Ausstellung soll uns nicht nur den Weg zeigen der zurückgelegt worden ist, sondern uns auch die Richtlinien geben, auf denen nach Weiter- vervollkomninung gearbeitet werden muß. Hierin erblicke ich eine wichtige Aufgabe des Werkes, das wir heute der Öffentlichkeit übergeben. Möge diese Ausstellung der hessischen Künstlerschaft die verdiente Anerkennung bringen. Möge ihr aber auch das Gefühl des Könnens und Ge- lingens ein Ansporn sein zu jugendfrischem Weiterstreben nach den Höhen der Kunst.«

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf Verlag von E. A. Seemann in Leipzig Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h., in Leipzig

FÜRSTENZIMMER IM BAHNHOF BONN Entwurf: Carl Hetnming; Ausführung: Hermann Buylen

Möbel in Birnbaunihol< mit Kliwarf rn Einlagrn.Wand- betpannung erfin, BciQgc der SIttmöb«! hellgrau mit schwarz-wcillcr Stlclicrel, FuObodcnIrppIch bUg.

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

Von Heinrich Frauberoer

OAI_T die Stadt Düsseldorf schon vor Beginn des neuen Jalirluinderls als eine schöne Stadt, so verdient sie iliesen F^tif heute erst recht, nachdem die gewaltige Entwickeltnig lier rheinisclien Industrie und des Handels auch hier nicht ohne be- deutenden Einflu(5 auf alle Zweige des Erwerbslebens und die Gestaltung der Verhältnisse geblieben ist.

Die weit über die Grenzen der Kheinprovinzen, ja des deutschen Vaterlandes hinaus epochemachende Industrie- und Gewerbeausstelliing des Jahres i()02 zeigte nicht nur den riesenhaften Aufschwung iler Großindustrie, sondern die damit verbundene deutsch- nationale Kunstausstellung tat dar, daß Düsseldorf nicht mehr allein liie Statte lier Malkimst sei, vielmehr auch eine tüchtij,'e Bildliatierschule unter Professor K(irl Jiuisscn an der hiesigen Kunstakademie erstanden war, ebenso wie die kunstgewerbliche Abteilung zeigte, daß jeder Zweig des Kunsthandwerks in Düsseldorf

Kunstgcwcrbcblatt. N. F. XIX. H. lo

seine Vertreter hat, die zur Lösung der schwierigsten Aufgaben befähigt waren.

Ebenso wie Malerei und Bildhauerkunst entwickelte sich die Architektur und heute gcl>cn zahlreiche Neubauten öffentlicher inid privater üctüude in ihrer äußeren Gestaltung und inneren Einrichtung Zeugnis von dem Schaffen tüchtiger heimischer Architekten.

Auch an künstlerischen Beratern auf allen Ge- bieten hat es Düsseldorf nicht gefehlt In erster Linie steht hier Professor Üfor);rs Order, welcher als feinsinniger Kütisticr und Sammler einen großen und segensreichen Einfluß in künstlerischen Dingen, namentlich auf die Kreise der rheinisch-westfälischen Großindustriellen, ausübt. Sein mit .1 ■•m

Geschmack eingerichtetes Haus ist dci .kt

dieser Kreise, gleichwie er der beruIcuMe Berater in allen künstlerischen und kunstgewet blichen r'.uTü für beide Teile, Besteller wie Ausführende, is;

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

Halle im Hause des Herrn Kommerzienrat Baare, Bochum

Entwurf: Carl Hemming Ausführung: Herrn. Buylen

Wohnhalle im Landhaus Kommerzienrat Baare in Bochum

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Raumgeslallung: Carl Heinmjni; Ausführung: Hermann ßiiylen

Lncraum det S*Inp*^^a^,!fi «ul der Kuniliuwlr'

Wilhelm Zalicr: Bibliolhrkrimmrt cini% Landhauw». AuifOhrung der Holrarchlltliturcn : Schreincrmciilcr B. ri Bclcuch(unis»iiörprr : Bernh

Inn^narcbtlrhlurm Cicbra- w

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Willi. Zaiser : Diele eines Landhauses. Wände und Deckenleile weiß gekalkt mit Malerei; Holzwerk dunkeleichen; Fußboden: Ziegelsteine gemustert. Ausführung der Holzarchitektur: Schreinermeister Koch; Möbel: Schreiner- meister A. H.Schipperges Söhne in Kleinenbroich; Kronleuchter: Beruh. Förster, Bronzegießerei, Düsseldorf.

Ludwig Lony

Entwurf für einen Treppenaufgang

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Oeneralcntwurt: KOnlKl. und Sladlbiiiril Rjdke Stühle, Teppiche und Leuchter: C*r\ MemmlnB

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.(•rt »Ulmli t. Wwnf^m

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

Ludwig Lony

Entwurf zu einem Parkhaus

Wilhelm Hoemann, Gartenarchitekt

Gartenanlage in Trier a. Mosel

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Audi der Professor für dekorative Kunst an der Königlichen Kunstai<adeniie, Adolf Schill, dessen groli- artige Schöpfungen für das Tafelsilher, welches die Provinzen Rheinland und Westfalen dem Kronprinzen- paar als Hochzeitsgabe dargebracht haben, noch in jüngster Zeit allseitige begeisterte Anerkennung ge- funden haben, zählt zu den stets bereiten Förderern und Beratern des hiesigen Kunstgewerbes und trägt allenthalben zur Veredelinig der entstehenden Kunst- werke bei.

Unter den Architekten hat besonders Sladtbaurat Radke erfolgreich gewirkt; dankt ihm die Stadt wert- volle Schöpfungen monumentaler Baukunst, so erblickt gleichzeitig das heimische Ktmstgewerbe in ihm einen wohlwollenden tatkräftigen Gönner und Förderer nach jeder Hinsicht. In gleicher Weise waren viele Archi- tekten tätig an dem Ausl>au der künstlerischen und kunstgewerblichen Enfwickelung Düsseldorfs.

Für das Kunstgewerbe von grolkm Werte erwies sich der Zentral-Oewcrbc-V'erein , dessen rührige Assistenten Lusius und Wilhelm Zaiser'm steter Fühlung mit den Kunsthandwerkern, durch Entwürfe und mit Rat und Tat an der Entwickelung mitarbeiteten. Zum Teil wurden unter deren Leitung bedeutende Auf- gaben gelöst, beispielsweise die von Wilhelm Zaiser stammende Inneneinrichtung des Landsilzes für einen der größten rheinischen Industriellen.

Die stete intensive Beschäftigung des [Düsseldorfer Kunstgewerbes mit praktischen Aulgaben, die dieser regen gemeinsamen Arbeit zwischen Künstler und Kunsthandwerkern entsprangen, ersparte es den Letzleren, auf Ausstellungen und öffentlich werbend aufzutreten; fehlte einesteils hierfür die Zeit, so ge- stattete andererseits oftmals der Besteller nicht, daß die Einrichtungen öffentlich ausgestellt würden. Trotz alledem ist Düsseldorf in regsamem stillen Schaffen ein Mittelpunkt des künstlerischen und kunstgewerb- lichen Lebens der Rheinlandc geworden, in dem so mancher tüchtige Künstler und Kunstgewerbler seine Tätigkeit mit Erfolg ausübt.

Die Qoldschmiedewerkstättc von C. A. Beumers zählt zu den ersten ihres Faches und ist weil bekannt durch die hervorragendsten Arbeiten der Oold- schmiedekunst.

Zahlreiche Kunsischmiedearbeiten in den heimischen Provinzen und dem benachbarten Holland zeugen von der Tüchtigkeit des Düsseldorfer Meislers Josef Feuer, den schon Fürst Bismarck seiner sauber geschmiedeten und geätzten Prunkwerkzeuge wegen rühmte.

Die Bildgießerei hat in dem Erzgielter lUrnlutrd Förster im Rheinland eine anerkannte \'ertrctung ge- funden. Auf dem Gebiete des Monumenlalbronze- gusses sowohl als dem kleiner Plastiken und kunst- gewerblicher Metallarbeiten.

Bernhard Förster, BronzcfticBercl

artbmal In Broait, moddUrtt tob BiMIumt Hite« MMIfr. MiacMerf

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Beamtenstuhl im Trauzimmer der Stadt Düsseldorf.

Entwurf: C. Hemining; Ausiührung: Hollemann;

Stickerei: Frau T. Frauberger.

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Prunksessel in schwarzpoliertem Holz mit mausgrauem Rindleder. Entwurf: Carl Hemming; Ausführung: Heinrich Brüggemann. Lederarbeit: Hendrick Schulze.

Bibliothekszimmer. Entwurf: Carl Hemming; Ausführung: Glas: Fritz Hauswald; Wandsluck: Fmk u. Haarlild; Holzwerk: H. Buyten.

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWLRK

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C. A. Beumers

SelKnKbile zu einem Tilcliutuli

C. A. Bcumcrs

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

Entwurf: Carl Hemming Ausführung: B. Förster

Stutzuhr in getönter Bronze mit blauem Jaspis und gelbem Onyx

Entwurf: Wilhelm Zaiser Ausführung: B.Ch. Koch

Sanimlungsschrank in Ebenholz mit Ellenbein- und Perlmuttereinlage.

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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C. A.Bcumers

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Perganicntband mit Lederauflage in Handvergoldung Entwurf und Ausführung von Paul Adam

Einband in rot Saffian mit Handvergoldung. Entwurf und Ausführung von Paul Adam

Entwurf: W. Zaiser ; Ausführung: Lederaibeit Hendrik Schulze, Silberbeschlag: Wilh. Slüttgen

Lederkaslen für einen Ehrenbürgerbrief der Stadt Düsseldorf.

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Bildhauer Adolf Simalschek: Engelfifpjren über dem Maupteinsan^e /ur Kjpeiic drt Nudlrtriiriore« in thitteldorf

Mit der Beliandliing der verschiedensten Hölzer durchaus vertraut und zeichnerisch völhg vorgebildet erweisen sich die Kimstschreiner Hermann ßiiytcn sowie B. eil. Koch als zuverlässig und tüchtig, be- fähigt, den höchsten Ansprüchen des Geschmacks zu genügen.

Auf dem Gebiete der Dekorationsmalerei ist Carl Hcmminii bekannt durch hervorragende Arbeiten in Kirchen, Rathäusern und den in den letzten Jahren entstandenen neuen Bahnhöfen, die bedeutendsten Aufgaben Aachen und Hamburg seien hier besonders genannt.

Niciit allein auf rein fachgewerblicheni Gebiete hat Hemmings Tätigkeit vielfach vorbildlich und be- fruchtend gewirkt; wesentlich seiner Initiative ist auch

der ZusammenschlulJ der besten Kräfte des Düssel- dorfer Kunstgewerbes in dem Verein •Stmptrbund* zu danken, einer \'ereinigung, die mit f'rfolg die gemeinsame Forderung des rheiniscltcn Kunstgcwcfl>« verfolgt und deren Vorsit/cndcr Carl Hrmming isl. Die diesen Zeilen vorgedruckten AbbildunRcn zeigen Leistungen der Mitglieder des Semperbundes, ausgeführt zinii Teil nach eigenen Entwürfer», zum Teil nach solchen anderer Künstler, zum Teil Euuel- leistungen, zum Teil gemeinsame Arbeiten. Auller diesen Jüngeren sind übrigens noch viele allere tüchtige Kunsthandwerker hier tätig. Das Streben und die Be- deutung des SrmprröunJrs rechtfertigt es aber volliiuf, dal! diese jüngere Generation in den Vordergrund gestellt wird.

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

C. A. Beumers

Anhänger mit großem Opal und Brillanten

C. A. Beumers

Anhänger mit Steinen und Perlen

C. A. Beumers

Unglasiertes Tongefäß montiert

Entwurf: Wilhelm Zaiser Ausführung: A. Schmitz

Bowle in

Schmiedeeisen

DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

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Modell: llcin< Mülk-r Auslührung: Bernh. Förster

Schale in Bron/e mit V'ert;oIilun£

Kumin In einem Le»e»lmnicr. Marmorgriucf Blfanltii all rru«a Slaka. Entwurf: Cirl Hemming. AutIQliiung: Mttoior Miiihrim, Mijen n. («oM, Kaplnixtia A ^. Bronieplakctle nich Modell na SehmleOetinf cecoM«a <oa B röttlrt

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DÜSSELDORFER KUNSTHANDWERK

Wilhelm Zaiser Photographiekasten, Ehrengeschenk

Kasten in Ebenholz, Beschlag: Silber gehämmert und mit Halbedelsteinen verziert.

Seitlich Perlmuttereinlagen. Im Innern Slaffelalbum.

Ausführung des Kastens: A. H. Schipperges Söhne- Kleinenbroich ; Beschlag: C. A. Beumers- Düsseldorf

Ludwig Lony

Entwurf zu einem Wintergarten

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

ZEIT- UND KULTURFRAGEN

Sportpreise. Die kiinstlerisclie Ausstattung, oder besser zu sagen: Gestaltung, der Ehrenpreise bei sportlichen Veranstaltungen stölit auf ganz besonderen Widerstand, nicht etwa bei den Kunsthandwerkern und Fabrikanten, sondern bei den »Komitees und bei den Gewinnern selbst. Dem Aufwand an körperhchen Kräften bei der Durch- führung des Sportes soll der prunkhafte Dekor des Preis- objektes entsprechen. Dem Geschmack der Sportsleute kommt also ein Oewinngegenstand am nächsten, wenn auf ihm sich ziemlich alle ornamentalen Requisiten der Re- naissance vereinigt finden. Der Bedarf an Sport-Ehren- preisen wird so noch für lange Zeit in Geislingen gedeckt werden; dagegen ist erst etwas zu machen, wenn die ästhetische Kultur mehr in die tieferen Volksschichten ge- drungen sein wird. Es liegt in dem Wesen der Sache, daß die Verehrer der äußerlichen Kraftleistung auf eine künstlerische Einwirkung am spätesten reagieren. Vorläufig haben solche Versuche ein durchaus gegenteiliges Resultat hervorgebracht. Die folgende »Erklärung der Gruppe »Angewandte Kunst« der Ausstellung München igoS beleuchtet die augenblicklichen Zustände sehr deutlich: »Die Preise, welche bei dem Preisreiten der Baye- rischen Campagne- Reiter- Gesellschaft und beim Concotirs Hippiqiie von der Stadt München und der Ausstellung ge- geben wurden, scheinen bei einem Teil der Preisträger wenig Beifall gefunden zu haben. Dem gegenüber er- scheint es notwendig, zu betonen, daß der SportsaitsschnjS an der Gestaltung und an der Auswahl dieser Preise keine Schuld hat. Er hat die Beschaffung der Preise den mit- arbeitenden Künstlern übertragen und es hierdurch in dankenswerter Weise ermöglicht, daß auch in dieser Sache die bei der gesamten Ausstellung festgehaltenen Grund- sätze gleichwertig durcligeführt werden konnten. Die Ver- antwortung für die Gestaltung der Preise muß demnach die Gruppe -Angewandte Kunst ' tragen. Man könnte auch sagen: Die Verantwortung darf diese Gruppe beanspruchen. Denn es sind vortreffliche Arbeiten unter den gegebenen Preisen und Erinnerungsgaben. Die erwähnten Erörterungen haben Anlaß gegeben, zu versuchen, sämtliche Preise noch einmal zusammen zu bekommen, um sie auszustellen; dann wird es möglich sein, diese Behauptungen nachzupnifen. Freilich gehören geschulte Augen dazu, den feinen Reiz der Lim'en an einer kleinen unscheinbaren Bronzearbeit aus Künstlerhand, oder die Schönheit einer edlen Legierung, oder das restlose Sichdecken der Form mit dem wertvollsten Material an einem kleinen Becher aus reinem Gold nachzu- fühlen. Weit leichter ist es, festzustellen, daß ein Pokal infolge seiner Größe und seines Glanzes ,nach viel aus- sieht', daß er viel Verzierungen und sehr .sinnige' Bezie- hungen hat. Es wäre ein großer Fehler gewesen, wenn unterlassen worden wäre, gerade auf dem Gebiete der Sportspreise gegen weitverbreitete Oeschtnacklosigkeit an- zukämpfen.

München. Das Künstler-Theater will an die Stelle der alten Dekorationsmelhode setzen: •Knappe, wirksame Andeutungen, deren Effekt von einem [<aumkünstler klug berechnet wird; Andeutungen, die die Szene kräftig und klar charakterisieren, aber nicht delaillierf wiedergeben; Andeutungen, deren Hauptfunktion darm besteht, durch wenige Daten die Phantasie des Zuschauers anzuregen,

Kunsigcwcrbeblalt. N. F. XIX H. lo

damit sie ein volles, reines, makelloses Bild erschafft. Das Künstler-Theater verzichtet auf die Seitendekorationen und auf die Kulissen, weil sie nicht wesentlich zum Bühnen- bilde gehören. Der Schwerpunkt der Milieustimmung liegt hier auf dem von Künstlerhand gemallen Prospekt, dem verschwenderische IJchtfluten die spröde Stofflichkeil neh- men. Das Künstler-Theater verzichtet auf sllc unnötigen Requisiten und behält nur diejenigen bei, die die Dichtung ausdrücklich vorschreibt und die zur Erzeugung des ge- wünschten Raumeindruckes vonnölen sind.«

AUS DER fiESCHICHTE DES KUNSTGEWERBES

Zur Geschichte der Tapete. Schon im 15. Jahr- hundert wurde die Anregung zur Bekleidung der Wände mit bedrucktem Papier durch holländische und britische Seefahrer aus China, dem Wunderlande des Papiers, nach Europa gebracht. Es waren bilderartige Bogen, mit denen man dort die als Trennungswände dienenden Paravenis bekleidete, die man sich als Kuriosum milhrachte. um sie als Andenken an die überstandene gefahrvolle Fahrt in der Schreibstube aufzuhängen. Bereits um 1600 stellten die Pariser »Dominotiers. ihre Marniorpapiere her, die hauptsächlich zum Bekleben der Tnihcn dienten, vielleicht auch schon als Wandschmuck verwandt wurden. Als äl- teste Urkunde über die Tapete betrachtet man, wie die Hohe Warte berichtet, ein I'alent vom 21. Mai itrj^, wel- ches Karl I. einem Jerome Lanyer zu London ausstellte. Dieser nannte sein Fabrikat in bezug auf seine westüst- lichcn Beziehungen -Londoindiana«. Nach Überlieferun- gen soll bereits 1620 ein Scheidenmacher, namens Fran- i,ois, zu Ronen vermittels Schablonen Tapeten hergestellt haben. Den eigentlichen Tapelcndruck vermittels gr.ivierter Nadeln wandte zuerst Jean Papillun zu Reuen 166S an. Bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde der Tapeten- druck rein handwerksmäßig hergestellt; Fabriken entstanden erst zu jener Zeit in England und Frankreich. Louis XVI. interessierte sich außerordentlich für die TapclenLibrikalion und wandelte das bedeutendste Etablissement der An, die Tapetenfabrik Reveillons, 1784 zur Kgl. Tapelcnnunufaklur um. Diese beschäftigte gegen 300 Arbeiter, und bedeu- tende Künstler, wie Fay, Hiiet, Pricur, Dessais, j. L David. der spätere glühende Revolutionär, lieferten für »ie die Ent- würfe zu herrlichen Tapeten. Leider war die Blütezeit der Kgl. Tapetenmanufaktur nur kurz; sie wurde am 14. Juli 178g, dem Tage der Kaslillenerslürmung, geplündert und demoliert.

Die Patina auf den Bronzen der italienischen Re- naissance. Ein schwärzlicher und undurchsichtiger tack, der nn't dem Pinsel aufgetragen wurde, war, wie Oeheimral Dr. Bodc in den »Amtlichen Berichten« ausführt, in llalien zur Patinierung allgemein in Gebrauch, bis Gian iVnlogna durchsichtigen bräunlichen Lack einführte, neben dem die Benutzung des älteren Lacks sich aber n^^ch l.in;;e efhteH, •Doch war dieser auch im (,'ualtrocr- n

das gebräuchlichste .Mittrl. ntrht die :-

liehen l'alinicrung. D ulcl sich v. f

Patinierung durch pasi •r.ig einer 1

grünen Farbe (?), die die Palma der antiken Hronrei ahmt, wie sie sich in der Erde ru bilden pflegt. F'j .

ein ursprünglicher Auftrag ist, hat man lange verkannt und hat sie daher zumeist ganz oder '-.i" •-.«•• Mipuizcn ge-

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

sucht. Dadurch hat man der Bronze ihren Reiz zum großen Teil genommen. Durch Abgreifen, vielleicht auch durch teilweises Putzen ist diese grüne Patina auch an der neu- erworbenen Statuette des Verwundeten von Francesco da Sant' Agata fast ganz beseitigt worden. An ihrer Stelle hat sich eine hellere Nalurpatina gebildet; doch sind die Reste der ursprünglichen Färbung an den geschützten Stellen noch deutlich sichtbar. Ein ganz vortreffliches Beispiel für diese seltene Art der Patinierung bietet ein kleines Bronzepferd, das die Sammlung kürzlich als Geschenk bekommen hat. Auch hier ist nicht nur die alte grüne Patina erhalten, sondern teilweise auch die bräunliche Lasur darüber. Das Figürchen ist auch künstlerisch von besonderem Interesse, da es einem antiken Vorbilde nachgebildet ist; nicht aber, wie sonst gewöhnlich, einem der Pferde an der Markuskirche zu Venedig oder dem Gaul des MarkAurel, sondern nach einem abweichenden, wohl gleichfalls griechischen Typus. Wie bei dieser Statuette, so scheint man diese künstliche grüne Patina überhaupt gerade bei Bronzen angebracht zu haben, die der Antike nachgebildet waren oder die als antik erscheinen sollten. Diese grüne Patina, die in ihrer Wirkung der dunklen Lackpatina freilich nicht gleichkommt, ist wie sie in ihrer Bedeutung bisher nicht richtig er- kannt worden ist (im Kunsthandel gelten Bronzen mit solcher Färbung als Empirebronzen) so auch von den Fälschern noch nicht nachgeahmt worden, während diese in neuerer Zeit Bronzen mit der schwarzen undurchsichtigen Patina in täuschendster Weise wiederzugeben verstehen. Bis vor kurzem konnte man die Fälschungen unschwer daran erkennen, daß die Patinierung, wie bei modernen Bronzen, auf chemischem Wege hergestellt war. Als die Fälscher dann auf die künstliche schwarze Patina der Re- naissance aufmerksam gemacht waren, wußten sie auch diese nachzubilden, fixierten aber den Staub in den Tiefen durch Beimischung von Leim und putzten die Höhen an Stellen ab, an die die Hand gar nicht kommt. Aber auch solche »Mißgriffe« machen die raffiniertesten Fälscher von heute, die in Florenz und in den Nachbarorten sitzen, nicht mehr; sie kommen den Originalen so nahe, daß ihre Nachahmungen oft nur noch bei genauer Untersuchung des Gusses von der Unterseite erkannt werden können.

PERSONALIEN

Berlin. Professor M. Meurer in Rom, der sich um die Förderung des deutschen Kunstgewerbes mannigfache Verdienste erworben hat, hat vom König von Sachsen das Offizierskreuz des sächsischen Albrechtsordens erhalten.

JUBILÄEN

Zum Cadiner Jubiläum. Anläßlich des zehnjährigen Jubiläums der Cadiner Werke, das in diesem Sommer ge- feiert werden soll, wird von größeren Festlichkeiten ab- gesehen werden, und der Besuch des Kaisers soll vielmehr dazu dienen, eine eingehende Besichtigung der neuen Auf- gaben, die sich die Cadiner Werke gestellt haben, zu ermög- lichen. Namentlich im Auslande scheint großes Interesse für die Cadiner Produkte zu bestehen, da mehrere Bestellungen aus London und aus Paris eintrafen. Die englische Be- stellung ist von Bedeutung für das Werk selbst, da eine Reproduktion alter englischer Stiche und Landschaften auf Majolika gefordert wird, und bisher noch nicht Gelegenheit war zu erproben, ob sich so feine Schattierungen und Nu- ancen, wie sie in so manchen dieser Schaukunstblätter vor- kommen, in dieser Technik so vollendet wiedergeben lassen.

AUS MUSEEN UND SAMMLUNGEN

Nürnberg. Das Germanische Museum in Nürnberg liiuß, wie man uns mitteilt, seine Räume wieder erweitern.

Bremen. Die »Mitteilungen des Gewerbemuseums zu Bremen' , die im Jahre 1885 von Direktor A. Töpfer ins Leben gerufen wurden, stellen jetzt mit Vollendung des einundzwanzigsten Jahrgangs ihr Erscheinen ein. Weitere Publikationen der genannten Anstalt sollen in dem seit 1. Januar d. J. von Direktor G. Pauli herausgegebenen Jahrbuch der bremischen Sammlungen erfolgen; die Schätze des Museums werden also auch fernerhin einem größeren Kreise anregend nahegebracht werden.

Straßburg i. E. Leider mußte der Plan eines Ge- samtmusennis, der schon zu einem Bauprojekt gelangt war, aus finanziellen Gründen vorläufig aufgegeben werden. So werden, wie Dr. Hedicke schreibt, die zahlreichen Gips- abgüsse und Fragmente vom Münster und anderen wich- tigen plastischen Werken also noch länger den Schlummer der Magazine schlafen und ihre bildende Kraft auch ferner- hin auf die Gegenwart nicht äußern können: ohne Zweifel ein bedauerlicher Verlust für die städtischen Museen und für unser städtisches Kunstleben, das so will es scheinen zu einem Aufschwung sich vorbereitet, das zu fördern neue Kräfte an der Arbeit sind. Hoffentlich versäumt die Landesregierung diesen günstigen Augenblick nicht, mit ihrer finanziellen Unterstützung hier helfend einzugreifen und zur Schaffung eines großen Kulturfaktors für Elsaß- Lothringen mitzuwirken.

AUSSTELLUNGEN

Berlin. Die Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk haben in Berlin, Königgrätzerstraße 22 eine Ausstellung ihrer »Typenmöbel für Stadt und Land« nach Entwürfen von Professor Bruno Paul eröffnet.

Brüssel. Die Brüsseler Weltausstellung igio. Über die Beteiligung Deutschlands ist eine endgültige Entschei- dung der deutschen Regierung hauptsächlich deshalb noch nicht erfolgt, weil über die kostenfreie Hergabe des Platzes für die Ausstellung des Deutschen Reiches noch Meinungs- verschiedenheiten bestehen. Deutscherseits wird großer Wert darauf gelegt, für den Ausstellungsplatz entweder gar keine Platzmiete zu bezahlen, wie dies auch in Chicago, Paris und St. Louis der Fall war, oder doch nur eine ganz geringe, wie 1906 in Mailand.

St. Petersburg. Im September 1908 findet in St. Peters- burg eine Internationale Kunstgewerbe-Ausstellung statt, bei welcher auch das deutsche Kunstgewerbe sich beteiligen wird. Für Sachsen sind zwei Räume zur Verfügung gestellt. Das Königliche Ministerium des Innern hat der Sächsischen Landesstelle für Kunstgewerbe (Dresden, Eliasstraße 34) zur Durchführung der Sächsischen Abteilung eine Staatsbeihilfe, durch welche Platzmiete und Fracht gedeckt werden, be- willigt. — Aus Preußen beteiligt sich auch die Kgl Porzellan- manufaktur in Berlin mit einem kleinen retrospektiven Kabinett.

SCHULEN UND WERKSTÄTTEN

Stuttgart. Die Kgl. Kunstgewerbeschule und die Lehr- und Versuchswerkstätte zählt im laufenden Sommersemester je 78 Schüler.

Berlin. Als Erwerbszweig für Frauen soll die Her- stellung echter Spitzen in Deutschland organisiert werden. Es hat sich zu diesem Zweck ein Komitee gebildet, das sich die Aufgabe stellt, Damen, welche dafür Interesse haben, in einem mehrwöchigen Kursus die nötige Anleitung zur Herstellung zu geben. Die Musterentwürfe werden nur von bester künstlerischer Hand hergestellt, zu welchem Zweck entwerfende Künstler ausgebildet und angestellt werden. Es sind eine Zentralschule in Berlin und Zweig-

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

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niederlassiingen in den wichtigsten Provinzstädlen des Landes geplant. Die Ein7ellieiten der Organisation werden in näclister Zeit ausgearbeitet; inzwischen wird von Fräulein Charlotte Decke, Berlin W., Kaiserallee 222, bereitwilligst Auskunft erteilt.

Breslau. An der hiesigen städtischen Handwerker- schule wurde ein Meisterkursiis für Buchbinder eröffnet. Als Lehrer dieses Kursus ist der bekannte Kunstbuchbinder- nieister Paul Adam aus Düsseldorf gewonnen worden. Die Meldungen waren so zahlreich eingegangen, dali etwa nur die Hälfte berücksichtigt werden konnte. Es sind acht Meister und zwei Gesellen von hier und aus der Provinz als Teilnehmer zugelassen worden.

Hannover. Studienreisen können in nächster Zeit von den Lehrern der städtischen Handwerker- und Kunst- gewerbescliule mit I5eihilfen aus den Mitteln des Schuletats unternommen werden.

VEREINE UND VERSAMMLUNOEN

München. Der deutsche Werkbund wird am 11. und 12. Juli in München eine Tagung abhalten und in einer öffentlichen Versammlung die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Hand- werk behandeln. Es werden sprechen Professor Theodor Fischer-Stuttgatt, der Vorsitzende des Deutschen Werk- bundes, und Direktor Oerecke von der Delnienhorster Linoleumfabrik Ankermarke. Für die Diskussion haben ihre Mitwirkung zugesagt der Vorsitzende des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine Geh. Rat Dr.-lng. Herrn. Muthcsius und der Vorsitzende der Münchener Vereinigung für angewandte Kunst, Professor Richard Riemerschmid. Für den zweiten Tag ist eine geschlossene Versammlung der Mitglieder des Deutschen Werkbundes vorgesehen, in der, neben den inneren Bundesangelegenheiten, vor allem die Heranbildung des gewerblichen Nachwuchses im Kunst- gewerbe beraten werden soll. Die Referate haben über- nommen: Dr. Dohrn-Dresden, Hofrat Bruckmann in Firma Bruckmann & Söhne-Heilbronn, Professor [Rudolf Bosselt- Düsseldorf.

In einer uns übersandten Denkschrift des Werkbundes wird als Bundeszweck die Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen bezeichnet. Man will dieses Ziel vor allem in einem Zusammenschluß der Fachleute erstreben. Der Bund, der am 5. und 6. Oktober igoy unter lebhafter Beteiligung der führenden Künstler und Firmen gegründet worden ist, hat sich im Laufe des Jahres zu einer über ganz Deutschland ausgebreiteten Organisation entwickelt. Die öffentliche Versammlung findet in der grolien Bierwirtschaft der Ausstellung München iqoS am 11. Juli um 10' j Uhr statt, die geschlossene Ver- sammlung in der Alten Schießstätte neben dem Ausstcllungs- platze. Weitere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle des Bundes, Dresden, Blasewitzer Straße 17.

Berlin. Eine X'ermittelun^stelle für Kunstgewerbe ist vom Verein für deutsches Kunstgewerbe zu Berlin einge- richtet worden. Ein Verwaltungsausschuß von drei Mit- gliedern und zwei Stellvertretern, der immer auf zwei Jahre gewählt wird, soll zeichnerische Entwürfe und Photo- graphien ausgeführter Gegenstände zu bestimmten Ter- minen und für bestimmte Gegenstände einfordern. Die Geschäftsstelle befindet sich Bcllevuesiralle 3.

Düsseldorf. Der Verein der deutschen Textilvcr- edlungsindustrie hielt am Freitag, den 5. Juni igoS unter sehr starker Beteiligung aus allen Teilen des Reiches eine

außerordentliche Generalversammlung ab unter dem Vor- sitz des Herrn Kommerzienrals A. Schroers, Krefeld, zur Beratung der Frage der Echtßrberei.

Das Ergebnis der Verhandlungen wird in der all- seitigen Anerkennung zusammengefaßt werden können, daß mit wenigen Ausnahmen die technischen Grundlagen für eine bedingte Befriedigung der Echtheitsansprüche vorhanden sind. Eine Schuld, daß trotzdem Klagen über mangelnde Echtfärbung erhoben werden, trifft nicht die einzelnen in Frage kommenden Faktoren, also weder die Färberei, noch die Farbenfabriken, noch auch die Weberei und den Handel oder den Künstler, sondern die heutigen Mängel sind auf ein unt;enügendts Zusammenwirken der beteiligten Faktoren zurückzuführen. Es würde deshalb einen erfreulichen Erfolg dieser Verhandlungen darstellen, wenn die gegenseitige Aulklärung ein solche« Zusammen- wirken für die Zukunft sichert. <

Bunzlau. Der Kunstgewerbeverein, dessen Mitglieder- zahl in der letzten Zeit sehr schnell auf 63 gestiegen ist, beabsichtigt die Errichtung einer GewerbehalU in Bunzlau.

URHEBERRECHT

Das Recht der Angestellten an ihren Entwürfen

hat Professor Dr. Albert Usterrieth nach dem heute be- stehenden Kunstschutzgesetze und den sonstigen gesetz- lichen Bestimmungen in folgenden >Leittätzent gekenn- zeichnet:

1. Das l'rheberrechl an einem VX'erke der bildenden Künste entsteht in der Person des Urhebers, auch wenn er Angestellter ist; 2. der Urheber kann »eine Urheber- rechte an bestehenden oder künftigen Werken auf andere übertragen, somit auch der Angestellte auf den Geschäfts- herrn; 3. falls eine ausdrückliche Vereinbarung über das Urheberrecht an den Entwürfen eines Angestellten nicht vorliegt, geht das Urheberrecht an solchen VCcrken de» Angestellten auf den Geschäftsherrn über, die der Ange- stellte im Auftrage oder in Erfüllung seiner Dienstobliegen- heiten für den Geschäflsherm entwirft oder ausführt S<> weit hiernach die gewerbliche Nutzung an .'■ gewerblichen Werk eines Angestellten dem Oe^ 1

nicht zusieht, verbleiben dem Angestellten die liehen Befugnisse der gewerbsmäßigen Vervu Verbreitung und Vorführung; 4 der Oeschäftsherr 111 be- fugt, an dem in scmem Auftrage oder m Erfüllung allge- meiner Dienstobliegenheiten gcfeniglen Werke »einer An- gestellten solche Änderungen des NX'erkes selbil oder der Urheberbezeichnung anzubringen, die durch die gewertv liehen Zwecke des Ocschäftsherrn erfordert werden; ^ die Anbringung des Namen» oder de* kenntlichen /eichen» des Urhebers auf den von ihm nicht bezeichneten VX'erken ist ohne seine Genehmigung unzulässig; b. hat der ange- stellte Urheber die für den Ge»chäft«herni gelieferten Ar- beiten mit seinem Namen oder einem kenntlichen Zeichen gezeichnet, so d.irf vorbehaltlich anderweiter Abmachungen auf den Ausführungen des Entwurfes der Name cxlrr da« kenntliche Zeichen des Urheber» nur dann »- i

werden, wenn die Anbritifjim;; .^iif dem Matenj nischen Gründen unnii'. nach den Oepflogcnlitiien

de» Ge»chäft»vcrkehr» 1. ' li iit.

AUS DER TECHNIK

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200

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

läßt acht Tage in verschlossenem Gefäß stehen; von Zeit zu Zeit schüttelt man um. Dann hat sich alles zu einer farblosen, klaren, dicken iVlasse gelöst, wenn man farbloses Zelluloid angewandt hat. Es wurden dann 78 Teile Amyl- Azetat zugemischt und der Lack muß sich einige Wochen klären. Die Farblosigkeit, die Härte beim Auftrocknen und das Fehlen der Säure machen den Zaponlack sehr verbrauchs- fähig zum wasserfesten Lackieren von Drucksachen, glas- klaren Lackieruiigen von blankpolierten Mörielbeschlägen und Metallgcgenständen, ebenfalls als Bindemittel für Bronzepulver.

St. Galler Stickerei. Aus St. Gallen wird berichtet, daß deutlich eine Abwendung der Mode von den IV\assen- artikeln der Schiffchenmaschinen zugunsten der feineren Handmaschinen-Produkte hervortrete.

HANDEL UND INDUSTRIE

Zur Trustbildung in der Tapeten-Industrie. Aus

Chemnitz wird berichtet, daß dort 32 von den außerhalb Tiag gebliebenen Tapetenfabriken zu einem neuen \'eretn deutscher Tapetenfabrikanten zusammengetreten sind.

Der Porzellankrieg. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich haben sich die Porzellanfabriken zu- sammengeschlossen und wollen die Händler zur Unter- zeichnung eines Reverses zwingen, nach dem sie nicht mehr bei anderen Fabrikanten kaufen dürfen. Da sich die Händ- ler weigern, ist ein Porzellankrieg« ausgebrochen. Die An- gelegenheit bietet, wie man der Frkft. Ztg. schreibt, ein allgemeines Interesse, weil derartige Belastungsproben für Konventionen, die während der Hochkonjunktur ein leichtes Spiel hatten, jetzt an der Tagesordnung sind, indem an- scheinend auch in anderen leichten Industrien die Ab- nehmer die Konventions-Bedingungen ihrer Lieferanten revidieren.

Ein amerikanischer Holztrust. Infolge der kriti- schen Verhältnisse in Amerika haben sich jetzt fünf große Holzgesellschaften in Winipeg (Nordamerika) zu einem 7"/7;s/ vereint. An der Spitze des Trusts steht die Red Derr Lumber Co. Die vereinigten Gesellschaften repräsentieren ein Kapital von neun Millionen Dollars. Es werden im Jahre von den Firmen etwa drei Millionen Kubikmeter Nutzholz exportiert. Der Trust bezweckt in der Haupt- sache einheitliche Gestaltung (und Erhöhung?) der Ver- kaufspreise.

Berlin. Die Aktiengesellschaft vorm. ti. Gladenbeck Cr Sohn, Bildgießerei in Friedrichshagen hat mit einem Verlust von 114936 M. das letzte Rechnungsjahr abge- schlossen.

VERMISCHTES

In 40 Gramm Asche wurden 0,7343 Gramm Kieselsäure, 0,8524 Gramm Aluminiumoxyd und 0,0888 Gramm Kalzium- oxyd festgestellt. Die Lunge war so hochgradig mit Mineral- bestandteilen durchsetzt, daß sie nur unter großer Gewalt- anwendung mit Messer und Schere zu zerkleinern war.

LITERATUR

Wohnung und Hausrat. Beispiele neuzeitlicher Wohn- räume und ihrer Ausstattung. Mit einleitendem Text von Hermann Warlieh und 650 Abbildungen. Verlag von F. Bruckmann A.-G., München. In Leinen geb. 10 M. Nur selten werden Bücher mit so einmütigem Beifall aufgenommen, wie es der vor Jahresfrist im gleichen Ver- lage erschienenen, von Hermann Muthesius herausgegebenen Monographie Landhaus und Garten« beschieden war. Zu- gleich weckte dieses Buch aber auch den Wunsch, über die Mietwohnung, auf die ja der weitaus größte Teil der Bevölkerung heute angewiesen ist, ein ähnliches Werk zu erhalten, zumal gerade die weniger Begüterten, denen der Besitz eines eigenen Hauses ein unerfüllbarer Wunsch bleibt, an der behaglichen und künstlerisch einwandfreien Durchbildung ihres Heims meist reges Interesse nehmen Die Wohnungsfrage spielt heute in allen Gesellschafts- schichten eine entscheidende Rolle. Die Erkenntnis, daß für die Ausstattung einer Wohnung nicht nur Nützlich- keitszwecke maßgebend sind, daß vielmehr neben der Be- tonung des Praktischen und Hygienischen auch ästhetische Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen, gewinnt immer mehr an Boden. Der einleitende Text behandelt in großen Zügen die Gesichtspunkte, die bei der Wahl einer Wohnung und ihrer Ausstattung zu beachten sind, bespricht im einzelnen die Gestaltung der Möbel, ihre Ver- teilung in den einzelnen Räumen und deren zweckmäßigste Gruppierung, die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Beleuchtungsarten und Heizvorrichtungen u. a. m. Die Auswahl der Abbildungen umfaßt alle Arten von Wohn- räumen und Hausgerät, vom Empfangszimmer bis zur Küche, vom Kamin bis zur Blumenvase und ist durchaus nicht einseitig auf die Interessen der Fachkreise zugeschnitten. Das Buch wendet sich vielmehr in gleicher Weise an Fach- leute wie Laien und ist für beide gleich nützlich und wertvoll.

Im Nahrungsmitteluntersuchungsamt der Universität Jena wurde auf Veranlassung des Professors Dr. Müller die Lunge eines verstorbenen Porzellanarbeiters untersucht.

In Ergänzung unserer Nachricht im Mai-Heft über die Ausstellung für Handwerk und Gewerbe, Kunst und Garten- bau, Wiesbaden igog erfahren wir von der Geschäftsstelle, daß für das Kunstgewerbe wahrscheinlich ein eigenes Heim erbaut werden wird, in welchem sowohl Kunstgewerbe als auch Kunsthandwerk untergebracht werden sollen. Daß der Name Kunstgewerbe im Titel fehlt, ist lediglich ge- schehen, um ihn nicht zu lang zu gestalten.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hemwaq, Berlin-Zehlendorf Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig Druck von ERNST Hedrich Nachf., Q. m. B. H. in Leipzig

RRBEiCEN

DER

scHüLERinnEn-RBiEiLune

DER

liöniGL.KUn5i:GElAlERBE5E]ULE DRESDEn

Oezeichnet von Hedwig Müller

DIF Abteilung wurde der bereits seit vielen Jahr- zehnten bestehenden Schule im Januar igoy angegliedert durch eine Aktzcichenklasse (Maler J. Türk), eine graphische Klasse (Maler Max Frey), eine Klasse für allgemeines Kunstgewerbe (Maler Erich Kleinhempel) und, seit Juni 1907, durch eine Parallelklasse hierzu mit Nebenfach, die künstlerische Frauenkleidung umfassend, von Margarete Junge.

In der kurzen Zeit eines Jahres, wenn man nur bis vor Ostern igo8 rechnet, wo sich die neue Ab- teilung zum ersten Male an einer Schulausstellung beteiligte, kann nicht viel Greifbares geschaffen werden. Dennoch stellt, durch die Verfügung der Regierung: die Aufnahme mit einer entsprechenden Strenge zu betreiben , bestimmt, die Durchschtiittsbegabung eine gewisse Höhe dar, bedenkt man die kur/e Zeit der Übung dabei. Angestrebt wird i. in Lehrprinzip und 2. in Steckung des Zieles eine ä/«/-«' Trennung von den Industrie- und Gewerbeschulen; dafür eine künstlerisch und technisch absolute Sicherheit im Handwerklichen. Selbsterzeugen tmd -ausführen, ini Kein-Gcschmnck- lichen ohne Rücksichtnahme auf schnell Wandelbares, wie Mode und Spekulatidii. Die Grundlagen hierzu bilden nur ernsteste sachliche Nalurstudicn, Siruklivcs in Form und Uewcgung, Charakteristik der farbigen Frscheininig, sichere Erkeinitnis des Wesentlichen, V'ernieiilung des malerisch Kleinlichen und formal Zufalligen und Ncbensächlicheti. Diese grundlegenden Vorstudien sind erste Vorbedingung zur Aufnahme in die f'achklassen.

Abbildungen naluraiistischcrSludi'

Platzmangel vermieden, wie auch Ai^

Margarete Jimgcs erst in einem spateren Helle nnl

weiteren graphischen Arbeiten gezeigt werden sollen.

KunsIticwcrbcbUII N. F. -XIX. H. II

202

I. KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

Annemarie Hoffmann

Skizze für eine Zimmerdecl<e

Oben: Porzellan, teils Unterglasur; großer Teller und Vase von Adelheid Oühne ; Service von Hedwig Warmuth. Unten: Papier-Bonbonnieren in Phantasieblumenform für den Kaffeetisch von Elisabeth Dutschmann.

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

203

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Von Orele Wendt und Orclc Kühn selbst ausgcführlc SchnnklüllunKcn

Drei selbstaiKgelülirte Schrankfailungen von Annemarie Hoftmann

Porzellan, teil« Unlerjlajur

Oben: 1. u. a. Hedwig Warmath; )

l'nfen: 1. Marg.PreuB; a. «. 4. Ade;. -

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204

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

Charlotte Buschmann

Drei Studien nach dem Leben

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

205

Margareihe PreuO

Sctiabluncn-Mjilcrel (Sludicn n>ch dem Lrtm)

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206

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

Elisabeth Dutschmann, Schüssel

Elisabeth Dutschmann, Schüssel

Marg. Kühn-NeustadI, Kinderzimmer-Uhr

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Margarete Kühn-Neustadt

Gelochte Messingfüllungen

SCHÜLERINNEN-ARREITF.N DER KLASSE KLEINHEMI'EL-DRESDEN

207

Tafclschmuck von Marie Busch, Ocrtrud Bcschorner und Annemarie Holfniann. Wuidtchrink von Mug. PrruB

Margarete PreuO : Teppich. Oretc Weodi : nSf cldeckf

208

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

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Marg. Preuß

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SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMI'ELÜKESDEN

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Gertrud Bescliotner

Slolltcliablonr, tclbtl i;c>clmillrn und >ul^ci«l<I

Leslawa Miöerska

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Lotte Buschmann

Kunsigcwcrbeblatt. N. F. XIX. H.

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210

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE KLEINHEMPEL-DRESDEN

Margarete Preuß

Oartenzimmer

Lotte Buschmann

Raumskizze

II. KLASSE MAX FREY

Gertrud Besclioriier

Hedwig Müller

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SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE FREY-DRESDEN

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SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE

FREV- DRESDEN

213

Gertrud Bescliorncr

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214

SCHÜLERINNEN-ARBEITEN DER KLASSE FREY-DRESDEN

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Hedwig Müller

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Elisabeth Müller

Gertrud Franz

Elisabelh Müller

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

DIE ERSTE JAHRESVERSAMMLUNG

DES DEUTSCHEN WERKBUNDES

Br.RiniT VON Fritz Hei.iavao

In München hat am ii. und 12. Juli der »Deutsche Werkbundt seine f«/^ Jahresversammlung abgehalten, deren Programm von uns in der vorigen Nummer schon mit- geteilt worden war.

Nicht ohne besondere Absicht war München als Ort der diesjährigen Tagung gewählt worden. Erstens wollte man zeigen, daß die »Ausstellung München igo8^ ge- wissermaßen als erstes Dokument der Bestrebungen des deutschen Werkbundes anzusehen sei. Zweitens sollte die beinahe als ..Volksinteresse zu bezeichnende Teilnahme des Publikums für diese Ausstellung geschickt für die Zwecke des Werkbundes ausgenützt werden, indem man die erste öffentliche Versammlung in die große Bierwirtschaft der Ausstellung selbst verlegte. Diese •Geschicklichkeit« stand aber nur, oder besser: nicht einmal auf dem Papier. Ob ein Regiefehler vorlag, daß man in den Zeitungen und durch Plakate nicht genügend auf die Ausstellung auf- merksam gemacht hat, oder ob man glaubte, die Aus- stellungsbesucher, deren Zahl übrigens morgens um 10 Uhr nocli gering war, würden die Gelegenheit, Vorträge über das Kunstgewerbe hören zu können, ohnedies wahrnehmen, weiß ich nicht. Jedenfalls gab es in dieser Hinsicht eine Enttäuschung, denn außer den Angehörigen des Bundes kam nur wenig 'Publikum^, auf das die Vorträge eigent- lich berechnet waren.

Dagegen brachten die Regierungen den Beratungen und Vorträgen des Werkbundes vom Anfang bis zum späten Ende ein sehr lebendiges und dankenswertes In- teresse entgegen. Als Vertreter des bayerischen Ministeriimis des königlichen Hauses und des Äußeren wohnte der Re- ferent für Handel und Gewerbe, Ministerialdirektor von Rauck der Versammlung bei, als Vertreter des bayerischen Kultusministeriums Ministerialrat Dr. von Rlaul, als Ver- treter der oberbayrischen Kreisregierung Regierungsrat /'/■///i, als Vertreter der Stadt München Oberbürgermeister Dr. von Borscht mit Stadlschulrat Dr. Kerschensteiner, Rechtsrat Dr. Kühles und Baurat Rehlen, ferner als Vertreter des preußi- schen Handelsministeriums Geheimer Oberregierungsrat Dönhoff.

Den ersten Vortrag hielt der Vorsitzende des Werk- bundes, Prof. Th. Fischer. Er sprach über den 'l'.influß moderner Produktionsformen auf die künstlerische aestaltung< und beklagte, daß wir in den letzten hundert Jahren auf den Standpunkt des technischen Virluosenlums herunter- gekommen seien. Unser Spiel sei glänzend, aber leer. Infolgedessen sei man gegen die Technik überhaupt etwas mißtrauisch geworden und hätte schließlich erkannt, daß man von ihr bisher einen falschen Gebrauch gemacht habe. Insbesondere das Maschinenwesen sei mit uns wie ein wild gewordenes Pferd durchgeg.mgen, über das wir jetzt die Herrschaft wieder erlangen müßten. Die Maschine darf nicht: die Form, namentlich nicht die durch das Werk- zeug mitbestimmte, durcli Handarbeit hervorgebrachte Form nachahmen. Die Maschine muß: notwendig knapp in dci Form arbeiten, wobei die unerläßliche Exaktheit nicht Selbstzweck, Endziel der Arbeit (-) zu sein braucht. Venn

man die Maschine »wirklich als ein Werkzeug verwendft, bleibt auch bei ihrer Arbeit noch genug Raum für kleine, aber höchst wirksame Verschiedenheit, durch die nicht im mindesten die Solidität der Arbeit berührt wird«.

(Ich glaube, daß dieser letzte Salz nur sehr bedingt Geltung haben kann, denn bei der maschinellen Massfn- Produktion wird ja das einzelne Stück in mehrere Teile zerlegt, die, jeder für sich, mit minutiöser Genauigkeit in die Maschine eingespannt und in einförmiger Wiederholung mechanisch gefräst, gedreht, poliert oder sonstwie bearbeitet werden. Wehe dem Arbeiter, der sich das, materiell bei- nahe unmcigliche, Experiment gestatten wollte, seine Ma- schine als ein Werkzeug in handlichem Sinne zu verwenden Eine Abwechslung in der maschinellen Arbeil können nach meiner Auffassung wohl nur die Zufälligkeiten des .Materials und eine handmäßige Bearbeitung beim ■Fertigmachen« des ganzen Stückes bringen Unter »Fertigmachen- verstehe ich aber nicht z. B. die Fälschung, kupferne .Maschinenteile nachträglich zu behämmern, damit sie da» Aussehen von Handarbeit bekommen, sondern das Ausgleichen u»w. beim Zusammensetzen der einzelnen Teile, das Oxy- dieren usw.)

Prof. Fischer nannte seine auf die Masitnproduktion und die Arbeitsteilung bezüglichen Betrachtungen selbst nur «gefühlsmäßige Andeutungen«. Die Wirkung jener beiden Faktoren liege freilich auf einem Gebiete, das dem Künstler sehr fremd sei.

(Deshalb wäre es wohl eigentlich besser, wenn die Künstler eine gefühlsmiillige Einwirkung auf den .Maschinen- Arbeiter vermeiden würden. Der große Irrtum der Küntllcr, der allerdings durch ihre rein subjektive l'roduktioniweiie entschuldbar ist, liegt darin, daß sie glauben, durch eine andere Bedienung der Maschine eine andere Produktion hervorrufen zu können. Gott bewahre! Die .Macht, Kraft und Wirkung der maschinellen Arbeit liegt nicht in der Behandlung, sondern in der Konstruktion der Mavhinen und der zweckmäßigen Aufteilung der Form. In den Händen der Maschinenkonsirukteure liegt nicht mm gering- sten Teil die Zukunft der kunstindusttiellen F'r.wti.iii.." Sie müssen kongeniale Freunde der Künstler, V\. empfindende Nachschöpfer des künstlerischen li>. ;...... ..,

sein. Können tut die Maschine heutzutage Alles. \L% wird kaum eine Form geben, die nicht durch eine oder mehrere Maschinen nachgeschaften werden könnte. Das Was« wird von unserer Technik spielend geloil. dagegen finden sich für das »Wie- nur seilen die richligen Kudc. Statt also von sich aus die mechannch Ausfühtrnden be- einflussen zu wollen, sollten die Künstler besser in den künstlerisch verständigen .Maschineningenieuren ihre Mil- arbeiter und Reriiter sehen.)

Die Gefahren der .M.n n, die heule »on

einer wahnsinnig hastenden K .- gehet/l, irdrt Jahr

möglichst viel Muster auf den Markt werfen ihre Seele deshalb, nach anlänglichem Wehren. «•■ der Mode verschreibt, wurden von Prof. geschildert. Der zweite Fehltritt nach dr: Produktion ist die Anwendung minder« cttigtr Suno(r**c Am deutlichsten ist diese schidlichc Einwirkung aul die CJualiläl in der chemischen Industrie, die durch diese Fäl- scherkünste zu einer der am mculcn g«wiiinhring«id«n

2l6

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

geworden ist, zu beobachten. Die chemische Industrie hat die Farbenfabrikation in einer Weise verdorben, daß heute das japanische Kunstgewerbe und die orientahsche Teppich- weberei zugrunde gehen, daß bei uns Tapetenfabriken'), Färber und Dekorationsmaler zur Produktion für kurze Zeitdauer gezwungen werden, weil sie kein zeitbeständiges Material erhalten können!

Man kann Fischers Schlußworte, die wie zu allen Zeiten auch jetzt ihre volle Geltung haben, mit Nachdruck wiederholen: »Nichts aber scheint unökonomischer als die Arbeit auf kurze Zeitdauer. Die Gefahr liegt eben in dem Außerachtlassen des Gedankens, daß in allem Hervorbringen ein gemeinsames Ziel, eine harmonische Kultur angestrebt werden muß, sonst ist es ein Raubhau, der sich nicht gleich aber später rächt.«

Der zweite Redner, Herr Qericke, Direktor der Delmen- horster Linoleumfabrik Anker-Marke«, faßte die Frage der industriellen Produktion bedeutend realer. Er erklärte rundweg, die Industrie könne in allen ihren Zweigen ohne die Mitwirkung der Künstler eine materialgerechte Qualitäts- arbeit liefern. Wenn sie es nicht tue, so seien jedenfalls nicht nur unkünstlerische, sondern mehr rein kaufmännische Motive maßgebend. Man könne, und das ist ja auch eine bedeutende Aufgabe des Werkbundes, zunächst im Inland aufklärend auf die Käufer einwirken, damit sie unterscheiden lernten, welche Forderungen sie in bezug auf Qualität und Material stellen dürften und müßten. Im Handumdrehen aber gleich das bisherige Fabrikationssystem ändern zu wollen, sei nicht möglich.

Wenn man also dergestalt gewissermaßen qualitativ direkt auf die Käufer und indirekt auf die Fabrikanten ein- wirke, so solle man sich in der künstlerischen Beeinflussung jetzt auf diejenigen Industriezweige beschränken, die bei dem Ringen nach der Form ohne die ständige Fühlung mit den maßgebenden künstlerischen Persönlichkeiten gar nicht aus- kommen könnten.

i) Es sei hier anerkennend betont, daß die Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. in Elberfeld neuerdings ihre ganze Produktion einer sehr sorgfältigen Revision unterzogen hat, so daß von diesen Fa- briken jetzt wirklich Ikhtediie Textil- und Tapetenfarben bezogen werden können. Auf den feurigen Ton, den einige lichtunechte Farben zeigen, wird man im Interesse der Lichtechtheit gewiß gern verzichten. Red.

Lotte Buschmann

Einband

Herr Gericke machte den Vorschlag, Angehörige des Bundes sollten keine Verträge mit Personen und Firmen abschließen können, die nicht Mitglieder sind. Geht dieser Vorschlag vorläufig auch noch viel zu weit, so war doch sympathisch zu begrüßen, daß der Redner bestrebt war, den Werkbund aus abstrakt ästhetischen Formen zu einer mehr wirtschaftlichen Organisation zu führen. Wenn man auch auf die großen neuen Gebilde des wirtschaftlichen Lebens, Trusts, Kartelle und Kreisverbände keine zu großen Hoffnungen setzen dürfe, weil alle diese Verbände nur Sinn für den Profit haben, so sollte man sich doch, zum Anfang in Berlin, eine kaufmännische Kraft, einen Manager sichern und ein Musterlager einrichten. Als idealistische Zukunftsmusik meinte Herr Qericke, daß, wenn überall, in allen Ländern, der Qualitätsgedanke herrschend geworden sei, dann auch der Friede befestigt sein würde, weil nach Fortfall der Schundunterbietung und Täuschung, der Wett- bewerb sich weniger auf dem Gebiete der Preise (?) als auf dem der Qualität nach oben sich abspielen würde. Schutzzölle brauche man dann weniger wie jetzt.

Geh. Rat Dr. Ing. Muthesius und Reichstagsabgeord- neter Fr. Naumann führten in der Diskussion diese etwas utopistisch anmutenden Behauptungen dann auch auf ihr richtiges Maß zurück. Sie wiesen auf die heraufkommenden Völker, Z.B.Japan, hin, mit denen im Preise zu konkurrieren wir uns, bei ihren billigen Arbeitskräften und Rohmaterialien, nicht zu rüsten brauchen. Da nach den heutigen Produktions- zuständen und durch billige Konkurrenz der Wettkampf immer mehr auf das Gebiet der Preise, auf dem wir end- lich, trotz schlimmster Schundfabrikation, doch nicht mehr konkurrieren könnten, hinübergespielt werden und uns voll- ständig ruinieren würde, so müsse sich das deutsche Volk besinnen, worin denn eigentlich seine wahre Kraft bestände. Diese aber liege in einer ungeheueren Aufspeicherung des Geistes, des Wissens und der Denkkraft, die produktiv ge- macht werden müsse und alle Konkurrenz schlagen werde. Billige, tote Arbeit können die niedrig stehenden Völker vielleicht mehr und schneller leisten, was aber in der Tat im Austausch der Völker bezahlt wird, ist die Arbeit mit Geist, Arbeit, die ein anderer, ein anderes Volk nicht machen könne.

Dr. Ing. Muthesius schilderte, wie die neue Bewegung vor zehn Jahren in München in fast revolutionärer Form mit der Umgestaltung der handwerklichen Erzeugnisse be- gonnen habe und dann allmählich bis zur Gestaltung eines großen Komplexes, des Innenraumes, vorgeschritten sei. Und nun sei die »Ausstellung München iqoS« der Beweis, daß die Überwindung des Kunstgewerbes, sein Aufgehen in der architektonischen Bewegung, zur Wirklichkeit ge- worden sei. »Wir stehen heute vor einer Bewegung un- serer gesamten menschlichen Ausdrucksformen, wir stehen vor einer Unterordnung des ganzen menschlichen Schaffens unter einheitliche Stilpunkte. '

Prof. Richard Riemerschmied wendete sich gegen den Unfug, der heutzutage mit den Worten künstlerisch und Künstler getrieben wird.

Dr. ing. Muthesius meinte, man würde das, was durch unsere gemeinsame Bewegung ins Volk getragen werden soll, besser mit Geschmack als mit Kunst bezeichnen.

Vor einiger Zeit gab Sabine Lepsius im »März< fol- gende Definition: »Da es für den Künstler nur die zwei Möglichkeiten gibt, ein Genie zu sein oder Geschmack zu haben, so bekennt man durch diesen, daß man kein Genie sei, sondern nur zu dem, was Größere erfanden, eine per- sönliche Note hinzufügen will, ~ daß man eine Variation auf das Thema, welches ein Genie erdachte, komponieren, das Instrument, das ein Größerer konstruierte, um eine Saite, eine Möglichkeit bereicliern will. . . . Das Geniale,

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

217

Orifiitielle entsland noch nie, weil es gewollt wurde. Es löst sich unbewußt, wie die hrucht vom Baum, von der genialen Persönlichkeit. Die Lebensäuherung des absichtlich Origi- nellen erscheint als Krampf, nicht als Kraß.-

Diese Meinung deckt sich ungefähr mit dem, was Prof. Riemerschmied noch betonte: >Wenn man die Kirnst so versteht, dann wird es deutlich, daß auch unter den Schreinern oder Fiilirilibesitzeni Künstler sitzen können. Mit solcher Kunst ist gut zusammenarbeiten. Diese richtige Anschauung von Kiinstk-r-Schaffen kann zu einem außer- ordentlich wichtigen Bindtglird werden zwischen den ver- schiedenen Gebieten menschlicher Schaffenstiitigkeil.

Mit den Worten Naumanns: »Der Deutsche Werkbund wird, wenn er gedeihen will, eine Stätte sein müssen, von der aus Achtung vor der Arbeit mit Oeist in die Volkssitte hineingetragen wird', schloß die öffentliche Tagung des Werkbundes«.

Der zweite Tag war den Beratungen der geschlossenen Versammlung gewidmet, zu der sich wieder mehrere Re- gierungs- und Stadtvertreter eingefunden.

Prof. 77/. Fischer gab als Vorsitzender des Werkbundes zuerst einige statistische Daten. Im letzten Jahre wurden 150 neue Mitglieder aufgenommen, so daß die Gesamtzahl jetzt 460 beträgt, die sich aus zirka 200 Künstlern, 200 Gewerbetreibenden und Industriellen und 60 Sachverstän- digen zusammensetzt. Es sei hier schon erwähnt, daß, imi jüngeren, unbemittelten Kräften den Beitritt zu er- leichtern, der ;V//«rf«/-Beitrag auf 10 Mark jährlich herab- gesetzt wurde. Die übrigen Beiträge steigen nach frei- williger Selbsteinschätzung von 20 bis 400 Mark. Eine sofort vom Geschäftsführer angestellte Umfrage zeigte eine große Opferwilligkeit der Mitglieder.

Der Sitz des Werkbundes wurde nach München verlegt.

Das erste Referat hielt Dr. Dohrn über Die Erziehung des Nachwuchses im Kanstgewerbe^. Während sich bisher Staat, Stadt und Gewerbe in die Aufgabe der Erziehung des gewerblichen Nachwuchses geteilt haben, müsse jetzt, in der aufsteigenden Entwickelung des Gewerbes, die Ab- grenzung der Befugnisse von Staat und Gewerbe im Er- ziehungswesen einer erneuten Prüfung unterzogen werden. Wenn auch Staat und Stadt zur Zeit des Beginns der großen Umwälzungen im ig. Jahrhundert gezwungen ge- wesen sind, teilweise das gewerbliche Erziehungswesen in die Hand zu nehmen, so muß und darf doch jetzt der Leitsatz aufgestellt werden, daß die Erziehung des ge- werblichen Nachwuchses in der Hauptsache Angelegenheit des Gewerbes sein soll. Der Staat hat nur in den Fällen, in denen das Gewerbe gegen die Gewerbetreibenden zu schützen ist, die Pflicht, einzugreifen. Im allgemeinen hat der Staat aber danach zu streben, sich selbst als Erzieher überflüssig zu machen was ja übrigens jeder gute Er- zieher zu tun pflegt.

Alles kommt darauf an, tüchtige und vielseitig gebildete Persönlichkeiten als Lehrer zu finden oder heranzuziehen, die weder in den bureaukratischen Schematismus versinken, noch die Disziplin und die Praxis des gewerblichen Lebens außer acht lassen. Es ist also unbedingt notwendig, die Erzichungs- frage von dem kleinen Selbslinteressc des Erwerbslebens zu trennen und doch die bestehenden Schulen mit einem leistungsfähigen und entwickelten Gewerbe zu verschmelzen. Allgemeine Regeln können bei der Verschiedenheit der Bedürfnisse nicht aufgestellt werden; es ist demnach luch ganz unmöglich, das Fortbildungswesen von Reichswegcn zu veremheitlichen. Jedenfalls ist das Crziehungswescn kein Unterstützungsmittel für schwache Gewerbe oder gar für die Erlangung billiger Arbeitskräfte.

Kunsigewcrbcblatl. N. F. XIX H. ii

Orele Wcndl

Lrochtrr

Die Ireude an der Arbeit erweckt der Lehrer (oder Meister) durch menschenwürdige Behandlung und durch das eigene Beispiel guter Arbeit. Da nur der fri»chr Mensch gute, frische Arbeil leisten kann, müsse der Unter- richt der Fortbildungsschulen in die Tagctieil und nicht in die müden Abendstunden verlegt werden. Man hat mit dem Tagesunterricht übrigens schon in Baden die betten Resultate erzielt, was dott gerade von den früheren Gegnern dieser Einrichtung ja auch schon seit langer Zeil unum- wunden zugestanden wird.

Die Industrie soW die Erziehung ihre» < '• ich-

Wuchses selbst übernehmen. Der V'crb.ind lief

llulzinduslriellcn' hat m seiner Sil/ung ^ .|o^

bereits beschlossen, seinen Mitgliedern /ut . icn,

in ihren Betrieben Einrichtungen zu treticn, um die Au»- hildung von Lehrlingen durcli tüchtige Arbeiter telhil tu übernehmen. Nach einer amtlichen SUtittik wird in

Sachsen bereits die Mälfle der Lehrlinge in der Induilrte selbst ausgebildet. Es ist deshalb nicht angebracht, die Industrie zur Bestreitung der Erziehungikotten bti den I landwerkskammern beilragsptlichlig ru machen Bettet sollte die Industrie ihre Lehrlinge von dem Hr«uch der öffentlichen Schulen befreien und ihnen, im Antchlull «n den Fabrikbcirieb, eiyjene l ehrwcil» 'rn.

Die Wirtede des ökoni'mi.vhft . MeiUtT'

/Mrr werden vom VCerkbund «ehr anciljiin: u:;J .iinn be- tont, daß man nur ganz aiitnahmtweitc lunpe I n-'r in gewerbliche Schulen aufnehmen will, die k ire

lohr/cil <htrrhi;rm.iclil haben Damit ist rfr- ig.

der \X riwa die Schulweil ilt

einer i »»erbe machen, der 1 n

doch isl nicht zu iit>er»ehen. daß die Lehrw Vcrsuchsort lür bctonderc Tcchr, Vcn und .-v

2l8

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

einer künstlerischen und geschmacklichen Erziehung an- entbehrlich sind.

Über die Ziele und Mittel der gewerblichen Erziehung sagte Dr. Dohrn: »In der Erziehung ist zu unterscheiden zwischen: der Heraiibildung der Handwerker für Handwerk und Fabrikbetriebe und zwischen der Entwichelii/io besondere/ Begabungen zu künstlerischer Befruchtung des Gewerbes. Diese Ziele bedingen indes bis zu einem gewissen Grade eine gemeinsame Erzichungsgrundlage, denn die Heran- bildung der technischen Arbeitskräfte des Gewerbes wäre unvollkommen ohne Hinweis auf die Veredelungsmoo/«/;- keiteii, die auf der geschmacklichen Seite der Ausführung liegen, und die Entfaltung der künstlerischen Begabung kann, wenn sie dem Gewerbe dienstbar gemacht werden soll, nur auf der Grundlage der technischen Arbeit und im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten vor sich gehen.« Beides, die Heranbildung und die weitere Ent- wickelung, wird immer, wenn nur die äußeren Bedingungen hier vorliegen, im Gewerbe selbst geschehen.

Die Staatsschulen sollten hier nur eingreifen, wenn wirklich ein Bedürfnis vorliegt Auf jeden Fall sollte auch in ihnen die vorhergehende Praxis im gewerblichen Leben, als bestes Gegengewicht gegen den gefährlichen Individua- lismus künstlerischer Begabungen, Aufnahmebedingung sein.

Im allgemeinen sei aber der Weg der Förderung des Gewerbes und der Kunst dem Staate genau vorgeschrieben: den Künstlern und Handwerkern gute Aufträge zu ver- schaffen und von dem leidigen Submissionswesen abzu- lassen! Der Staat könne also von sich aus das Erziehungs- und Subniissionswesen zusammenlegen!

Hofrat Bruckmann-Y\e\Voronn sprach als Großfabrikant und erzählte als Beispiel, wie das Bestreben, Gutes und Neues zu bieten, leicht zur Hetze und zur iVlodejagd führt, daß in der Silberwarenindustrie nur für Bestecke 30 neue Muster in kurzer Zeit herausgekommen seien, für die die Maschinenkositn allein 120—150000 Mark betragen haben! Es leuchtet ohne weiteres ein, daß dies ein un- gesunder Zustand ist, der natürlich auch eine Steigerung der Preise hervorruft. In der Tat mußten die Silberwaren- fabrikanten einen Ring zur Aufstellung und Einhaltung von Mindest- Verkaufspreisen bilden.

(Man kann unter den geschilderten Umständen wohl begreifen, daß gerade diejenigen Fabrikanten, die Gutes produzieren wollen, zurückhalten, damit die neue Bewegung nicht der Mode verfalle. In anderen Fabrikationszweigen steht die Sache noch viel bedenklicher. Zum Beispiel konnten die großen Möbelfabrikanten das Modell eines Speise- oder Wohnzimmers fünf bis sechs Jahre lang ver- kaufen, und jetzt veralten, tatsächlich: veralten, die Modelle so schnell, daß fünf bis sechs in einem Jahre kaum ge- nügen. Man könnte sich daher eigentlich nicht wundern, wenn die Qualität darunter litte, was aber meist wohl trotzdem nicht geschieht. Aber, daß als Brotartiliel noch immer und wieder mehr die allen Stilmöbel fabriziert werden, ist die natürliche Konsequenz. Bedauerlich ist auch dabei, daß das Heranreifen geschmackbegabter Arbeiter durch diese Verhältnisse erschwert wird, da man ihre Lebensführung nicht durch Zahlung höherer Löhne ver- feinern kann.)

Zu der Frage der Erziehung des Nachwuchses in und durch die Industrie selbst äußerte sich Hofrat Bruckmann ziistimniend, doch müsse der Werkbund noch neue Wege hierfür ausfindig machen; die bisherigen Arbeiter kennen das Wesen ihres Gegenstandes gar nicht und die Vorarbeiter bcsitz£n nicht das notwendige Lehrtalent. Eine Ver- edelung der industriellen Produktion geschähe nicht nur Gsirch neue Formen, sondern auch durch bessere Lebens- bedingungen für die Arbeiter.

In den Lehrwerkstätten innerhalb der Industrie müsse direkt für den Verkauf und nach Aufträgen gearbeitet werden; die Schüler müssen außer Kenntnis der Kalkulation prak- tische Kenntnisse von der wirtschaftlichen Ökonomie er- langen und das Wesen der Konkurrenz verstehen lernen; sie sollen vielleicht schon an der Schule ihren Unterhalt verdienen können. Die Kosten für diesen Unterricht in Werkstätten der Industrie könnten vielleicht so geteilt werden, daß der Staat die Lehrer und die Industrie die Arbeiter und das Material bezahlt. In diesen Schulen, die natürlich von dem übrigen Betriebe losgelöst werden müßten, könnte man Erzieher für die Eachschulen erziehen! Die Lehrer müßten aber wechseln und selbst zur praktischen Arbeit zurückkehren. Von den Jetzigen Lehrern der Kunst- gewerbeschulen würde die Industrie wohl keinen über- nehmen wollen.

(Ich möchte hier erwähnen, daß ähnliche Versuche, wie Hofrat Bruckmann sie empfiehlt, von intelligenten Handwerkern bereits aus eigener /nitiative eingerichtet worden sind. So hat zum Beispiel der Kunsttischler ßc/77/;«^rf Oö6^/ in Freiberg i. S. (Mitglied des Werkbundes) damit begonnen, Schülern der Freiberger Gewerbeschule resp. der kunst- gewerblichen Tischler-Fachschule Gelegenheit zu geben, wöchentlich 75 Stunden innerhalb seines Betriebes unter seiner Leitung praktisch zuarbeiten. Diese 15 Stunden sind fort- laufend, damit die Arbeit nicht durch zu häufige Unter- brechung vielleicht etwas Spielerisches erhält, und zwar wird der Montag ganz (10 Stunden) und der Dienstag halb (5 Stunden) für diesen Unterricht angewendet. Der Staat vergütet Herrn Göbel die Zinsen der Kosten des für diese Zwecke errichteten Anbaus an seinen Betrieb und zahlt eine kleine Summe als Honorar. Herr Göbel stellt das Material und erhält die gefertigten Arbeiten. Zuerst arbeiten die Schüler nach Entwürfen des Herrn Göbel und später dürfen sie ihre eigenen Entwürfe mitbringen und ausführen. Die Rückwirkung auf die Schule, das heißt auf den theoretischen Unterricht, wird von den Lehrern als ganz vorzügliche geschildert. Diese Schüler (es sind bis jetzt fünf) zeichnen sich durch frische und lebendige Auf- fassung auch im theoretischen Unterricht aus. Dies ist gewiß darauf zurückzuführen, daß die Hände Gelerntes jederzeit ins Wirkliche übersetzen dürfen. Ich halte das Beispiel, das Herr Göbel hier gibt, für sehr nachahmens- wert und, der geringen Kosten wegen, auch für sehr leicht nachzuahmen!)

Professor Bosselt, der Direktor der Düsseldorfer Kunst- gewerbeschule, gab eine ausführliche Darstellung der Ent- wickelung und des Standes der jetzigen staatlichen Kunst- gewerbeschulen.

Direktor Prof. /. /. Scharvogel plädierte für die künst- lerisch ausgebildete Fachschule.

Ministerialrat Dn v. B/anI vom bayer. Kultusministerium bat die Versammlung, ihren sehr schätzenswerten Idealismus ein wenig zurückzuschrauben. Er meinte, aus dem Hand- werker einen Lehrer machen zu wollen, sei bedenklich und auch schwer durchzuführen. Dem Versuch, die als Lehrer wirkenden praktischen Handwerker in ihrer Schule Auf- träge und Bestellungen ausführen zu lassen, werde von Seiten der übrigen Handwerker heftiger, kleinlicher Wider- stand entgegengesetzt. Wenn die Künstler die Forderung aufstellten, selbst die kleinsten Kunstgewerbe- und Gewerbe- schulen der Diaspora müßten in großzügig künstlerischer Weise und von Künstlern geleitet werden, so hätten dies- bezügliche Versuche der Regierung meist zu einem Miß- erfolge geführt, weil entweder die Künstler, mit denen man verhandelt habe, das Verlangen geäußert hätten, der ganze Lehrerbestand und sämtliche Schüler müßten erst entlassen werden, bevor sie selbst ihre künstlerischen Ziele

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

iig

verwirklichen könnten (Heiterkeil), oder sie wünschten, fest angestellt zu werden, wollten nicht in der Einsamkeit bleiben usw. usw., kurz der Idealismus der Künstler ver- sage in dieser Hinsicht vollkoninien, obwohl er gerade hier seine Feuerprobe bestehen könnte und sollte.

Geh. Oberregicrungsrat r Diinhoff bestätigte als Ver- treter des preußischen llandelsministers diese Erfahrungen.

Schulrat Kerschensteiner (sehr lebhaft begrüßt) sagte, eine lokale Lösung der Kunstgewerbe- und Fachschul- frage sei nach seiner Meituuig nicht möglich. Man müsse an der Knabenschule die Hand anlegen. L'nser Knaben- schulen seien zurzeit direkt lebensfeindlich. Einer macht das Maul auf imd achtzig andere die Ohren, so geht es acht Jahre lang! Man solle wenigstens die Hindernisse jeglicher Lebensäulieruiig beseitigen und der >l/-ic//,sfreudig- keit der Kinder, die ihre eigene Seele finden müßten, die Nahrung nicht versagen. Acht Jahre lang würde das Wissen der Erwachsenen in die Kinder hineingestopft und nicht ein einziges Mal versucht, eine eigene Empfindungs- äußerung aus ihnen herauszuholen Zeichnen lernen, Ideen aiis/ii/ireri. Und riai/i der Knabenschule? Wer gar nicht weiß, was er mit sich, was die Eltern mit ihm an- fangen sollen, der geht in die Lehre! Natürlich gäbe das nur Mittelqualität.

Dem allgemeinen Menschen müsse man Fürsorge an- gedeihen lassen, diesen müsse man herauslocken, nicht den Kunstgewerbler! Den Lebenshoffriungen der Arbeiter müsse man Konzessionen machen.

Die Schulwerkstätte soll Ergänzung der mechanischen Tätigkeit sein. Sie soll den Lehrlingen zeigen, was eine ernste sacliliche Arbeit sei. Die Lehrlinge oder Schüler müßten eine staatsbürgerliche Erziehung genießen, den großen menschlichen Interessen-Ausgleich verstehen lernen und durch Arbeitsfreudigkeit das Leben erkennen.

Und was taten die Reaktionären unter den Hand- werkern ? Sie haben die Lehrlinge hinausgeworfen, weil man den Fachschul-Unterricht in die Tagesstunden ver- legt hatte!

(Man muß nur staunen, weiui man h(irt, in welcher Weise gegen die Entwickelung der Fortbildungsschulen gearbeitet wird. Das Kammergericht hatte kürzlich ein Urteil gefällt, in dem es hieß: iDer Lehrling ist nicht Ge- hilfe des Lehrherrn und nicht dazu hestimnit, im Interesse des Lehrherrn in dessen gewerblichem Retriebe tätig zu sein . Hierin erblickten die Handelskammern in Elberfeld und Liegnitz eine Gefahr der Überspannung in der Handhabung der Fortbildimgsschulpflicht und sie haben beitn Herrn Minister für Handel und üewerbe den Erlaß von Aus- führungsbestimmungen befürwortet, durch die einer solchen falschen, mit den Forderungen des täglichen Lebens un- vereinbaren (!?) Auslegung des Gesetzes vorgebeugt werden soll. Ferner wird auch gegen die Hcstrcbungen, die sich auf eine teilweise Einführung der Öffentlichkeit des Fortbitdungs-Schuliinlerrichls beziehen, heftig gearbeitet. - Es ist daran zu erinnern, daß auf dem >2. Kongreß deut- scher Kunstgewerbetreibender in Düsseldorf am 14. Juni 1907» Herr Obermeister Fischer eine Resolution eingebracht hatte, in der er verlangte, daß der Resuch von Fachschulen auch obligatorisch gemacht werden sollte. Diese Reso- lution, die auf eine Verschmelzung der Fachschule mit der Pflichtfortbildungsschule hinzielte, wurde damals einstimmig abgelehnt.)

Dr. ing. Muthesius sagte mit besonderem Nachdruck, daß Schulen den Niedergang des Handwerkes nicht aufheben könnten. Die Schulen können eine große prinzipielle Ent- wickelung nicht zuriickbilden. Dies von den Schulen zu verlangen, sei grotesk.

Universitätsprofessor Cornelius Blellle die Frage: wie ist der Gehilfe, Ausführende des Handwerkers dazu zu er- ziehen, daß er seine Arbeit künstlerisch mitempjindtt? genüge hierbei nicht, daß der Arbeiter sich .in Andacht versetze , sondern, wie die alten Handwerksmeister der Renaissance die Ausbildung des Auges und die (jeselze der Gestaltung für das Auge als etwas ganz Selbstverständ- liches nebenbei mit gelehrt halten, so müsse man die Ar- beiler das Nachschüpien. lehren. Cornelius erzählte, daß er in einem kleinen Orte einen Steinmetzen in seiner Werkstatt gesehen habe, der die Arbeiter dazu angeleilet habe, gegebene Ornamente und Figuren aus freiet Hand, mit freiem Auge - also ohne Zeichnung am dem Stiin zu meißeln. Was der Meisler hier impulsiv von seinen Gesellen verlangte, könnte eins der Lehrprinzipien des Werk- bundes werden.

Baurat ü. tialmhuber, Direktor der Kunslgewerbe^chule in Köln, glaubt, daß die Stagnation unserer Kunstgewerbe- schulen daher käme, daß sieben Achtel aller Direktoren \'erwattungsbecimte seien !

F^rof. li. Meyer, der Leiter der vorzüglichen und fort- schrittlichen Hamburger Kunstgewetbeschulc, wendete »ich temperamentvoll dagegen, daß den Kunslgewetl>eschulcn in so allgemeinen Formen Vorwürfe gemacht würden. Sehr viel von dem, was hier in neuen Forderungen for- muliert worden sei, werde in den neuzeitlichen Kunilge- werbeschulen schon seit längerer Zeil gelehrt oder praktisch betätigt ! Es sei zu bedauern, daß diejenigen, die Ihcorclisch die Kunstgewerbeschulcn tadeln, sich niemals in den Schulen blicken ließen, um den Unterricht aus eigener Prüfung kennen zu lernen. Es sei kaum zu glauben, was für Forderungen aufgestellt würden. So habe z B. kürtjich eine große Vereinigung von Kunsigewerbelreibenden (ge- meint ist der »Fachverband für die wirtschaftlichen Inter- essen des Kunstgewerbes«) gefordert, im L'nlcrricht der Maler müsse dem Gipszeichnen der Vorzug vor dem Kohle- zeichnen gegeben werden!!

Dr. Schäfer, Bremen, berichtet über seine Kurte, die er mit Verkäufern abgehalten hat und auf die wir ausführ- licher ziirückküiimien werden.

Bauinspcklor ,W<m Rerg, Frankfurt, wünscht, daß den Privalarchiickton, den Regierungsbaumeiitern und den l'nlernchmern die PIlichl der Lchreniehung hfi der Aus- führung auferlegt werden solle. Er befürwortet auch eine Reform der technischen Schulen in Hinsicht auf eine Aus- bildung an Hand der Ausführimg.

Ma\eni\ciilvr Anton Grieb, Straubing, enh^'' '■ niger Weise, wie durch die Einrichtung einer \'eil *en-

schafl für künstlerisch gut durchgebildete Gegmw.uuir juch an kleineren Orten Gutes gewirkt werden konnte.

Dr. Robert Rreuer, Berlin, empfahl, »ich der .Mit- wirkung der großen Arbeilerorganisjlinnrn hr\ Art Fr- wcckung der Arbeilsfreudigkcit n sichern. Allerdings düifc man dcni : freudigkeil nicht durch Lohnpolitik Ueii HuJcii «i>)(ial>cn.

Als .Anregungen xumJahrrs-ArbritiplanfWMriitn folgende Beschlüsse gefaßt:

1) Die Heiausg;<bc kurz .

aus den einzelnen rirl,,.-ir,. ^^ .. , \..,.. i .^

Herausgabe von .K n«.

.k K... •.richiit..K . ...eher Auikuntlttlellcn für du kaul< ^um

j; 1 'ir \i .iiil einer •»lind:,:' * ' ' lion für die deutsche Kunst und ' ;>«•

zur Stelluii. " "cn Kxn^w un^<;ti^tn.

33*

220

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

Hierzu überbrachte Regieriingsrai /l//«'/-/^ als Abgesandter des Reichsamles des Inneren, die Einladung der Regierung, der »DeutsclieWerkbund« möge sich an derWeltausstellung in Brüssel 1910 korporativ beteiligen. Der Reichskommissar würde sich um staatliche Aufträge bemühen.

4) Die Lehrlingsausbildung in den gewerblichen Groß- betrieben soll vom Deutschen Werkbund mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln betrieben werden.

5) Der Werkbund wird die Bundesregierungen (nicht das Reich) um die Aufstellung von Bebauungsplänen und Bauordnungen, die dem heutigen Stand des Städtebaues entsprechen, ersuchen. Die Ausführung dieser Pläne und Ordnungen müsse von den Gemeinden unter eine sach- verständige Aufsicht gestellt werden. (Kombinierter Antrag von JVlax Berg- Frankfurt und Hans Kampfmeyer-Berlin).

6) Die erste Jahresversammlung empfiehlt die Ein- wirkung des Deutschen Werkbundes auf die gemeinnützigen Baugenossenschaften durch Vorschläge geeigneter Archi- tekten, Hinweise auf die wesentlichen Bedingungen ein- wandfreier Bebauungspläne, Forderung der Verwendung guter Materialien und Anregung, Häuser und Wohnungen auch mit einfachem, gediegenem, praktischem und schönem Hausrat auszugestalten. (Antrag Dr. H. Worlich-Kassel).

7) Unsere Kunstgewerbemuseen sind in ihrer bis- herigen Verfassung der Mehrzahl nach ausgesprochener- maßen anstatt kunstgeschichtlichen, wissenschaftlichen Charakters, denn sie haben sich eingerichtet auf den Stand- punkt der Stilnachahmung in der Zeit des 19. Jahrhunderts.

Dem heutigen Schaffen im Sinne des Deutschen Werk- bundes zu dienen, wird es vielmehr imstande sein, wenn sie sich zu Arbeitsmuseen umbilden, die zwar in ihren Beständen nach wie vor aufs strengste ihr wissenschaft- liches Wissen wahren, aber außerdem durch Vorträge, Führungen, instruktive Ausstellungen und durch Eingreifen in die Frage der öffentlichen Kunstpflege dem Leben der Gegenwart dienen. Es kann sich dabei weniger um populär- wissenschaftliche Aufklärung handeln, die sich an ein all- gemeines Publikum wendet, als um die Weiterbildung aller mit dem Kunstgewerbe beschäftigten Kreise der Hand- werksmeister, der Industriearbeiter, der Verkäufer, Reisen- den usw. und was sie in diesen Kreisen im Sinne der DWB. -Bestrebungen erwecken müßten, istnichtstilgeschicht- liches Wissen, sondern Liebe zur guten Arbeit, jeder Art Verständnis für Zweckform, für Material und Technik und ihre natürlichen Schönheiten. In diesem Sinne können die Museen eine neue und ohne Frage sehr wesentliche und segensreiche Aufgabe im Dienste der Gegenwart er- füllen. (Antrag Dr. Schäfer-Bremen).

In den engeren Vorstand des »Deutschen Werkbundes« wurden gewählt: Theodor Fischer- München, Hermann Muthesius-Berlin, J. J. Scharvogel-Darmstadt, Gustav Klimt- Wien, Gericke-Delmenhorst und Peter Bruckmann.

Die nächstjährige Versammlung des Deutschen Werk- bundes« wird in Franiifurt a. Main stattfinden.

PREISAUSSCHREIBEN

Zur Gewinnung eines geeigneten Entwurfs für die äußere Ausstattung des durch die Münznovelle vom 19. Mai 1908 geschaffenen Fünfundzwanzigpfennig- stücks wird ein Wettbewerb für deutsche Künstler unter folgenden Bedingungen ausgeschiieben:

1. Für die Münze ist ein Durchmesser von 23 mm geplant. Die Vorderseite soll die Zahl 25« in arabischer Schreibweise groß und deutlich mit dem Worte »Pfennig«

daneben, darunter oder an der Seite als Wertangabe er- kennen lassen, wobei auch eine seitliche Verschiebung der letzteren eintreten kann. Die übrigen gesetzlichen Ge- prägemerkmale sind folgende: a) die Inschrift »Deutsches Reich , b) die Jahreszahl der Ausprägung, c) der Reichs- adler (in der heraldisch richtigen Form, Allerhöchster Erlaß vom 6. Dezember 1888); außer der heraldischen kann noch eine andere Form der Darstellung des Reichsadlers vom Künstler vorgeschlagen werden, d) das Münzzeichen. Die sonstige Anbringung von Verzierungen (Blattzweigen oder anderem Bildwerke) wird dem Künstler überlassen. Wichtig ist die leichte Unterscheidbarkeit von dem Zehn-, Fünfzig- pfennig- oder Einmarkstücke.

2. Verlangt wird ein Modell in Gips oder Wachs oder aus einem anderen geeigneten Stoffe in der Größe der Münze nebst einer entsprechenden Zeichnung oder Photo- graphie. Das Modell soll nach Möglichkeit in der Farbe der Nickelmünzen abgetönt und so sorgfältig durchgearbeitet sein, daß es für die Herstellung des Prägestempels ver- wendet werden kann.

3. Jeder Entwurf muß mit einem Kennworte versehen sein. Name und Wohnort des einsendenden Künstlers sind in einem verschlossenen, dasselbe Kennwort tragenden Briefumschlag anzugeben.

4. Die Entwürfe sind bis spätestens 1. Dezember igo8, nachmittags 3 Uhr, bei dem Reichsschatzamt in Berlin W. 66, Wilhelmstraße Nr. 61, kostenfrei einzuliefern.

5. Es werden drei Preise: 2000 Mk., 1500 Mk. und 1000 Mk., zusammen 4500 Mk. ausgesetzt.

6. Die Entscheidung über Zuerkennung der Preise er- folgt durch ein Preisgericht, dem unter dem Vorsitze des Unterzeichneten folgende Herren angehören werden:

a) Herr Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Bode, Generaldirektor der Königlichen Museen,

b) Herr Professor von Falke, Direktor des Königlichen Kunstgewerbemuseums,

Herr Professor Dr. Menadier, Direktor des König- lichen Münzkabinetts,

Herr Professor Manzel, Mitglied der Königlichen Akademie der Künste,

e) Herr Professor Tuaillon, desgleichen, sämtlich zu Berlin. Sollten preiswerte Entwürfe nicht eingehen, so bleibt vorbehalten, für die drei besten Entwürfe eine angemessene Entschädigung zu gewähren.

7. Die preisgekrönten Entwürfe gehen in das Ver- fügungsrecht des Reichs über, die übrigen Entwürfe werden den Bewerbern kostenfrei zugesandt.

Berlin, den 17. Juli 1908.

Der Staatssekretär des Reichsschatzamtes.

Sydow.

c) d)

Verborgene Kunstschätze in Tirol. Zu dem unter diesem Titel im Februarhefte der Zeitschrift für bildende Kunst« erschienenen Artikel ersucht uns der Autor, Herr Friedrich Pollalt, nachzutragen, daß die darin gegebene näliere Cliaraläeristik der beiden spätgotischen Schnitzaltäre in Weißenbach samt dem vergleichenden Hinweise auf andere südtiroler Arbeiten der nämlichen Schule wie die Zuteilung der Flügelbilder des Altars in Kematen an einen Salzburger Maler des 15. Jahrhunderts auf eine Veröffent- lichung Dr. Robert Stiassnys in der Wiener .Neuen Freien Presse« vom 25. Juli zurückgeht, zu der eine Notiz des Vorgenannten in der Nummer vom 20. Juli desselben Blattes den Anlaß gegeben hatte.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwag, Berlin-Zehlendorf Verlag von E. A. Seemann in Leipzig Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. m Leipzig

DAS OAUIENTOM

EIN LANDHAUS BEI LEIPZIG

DIE Umgebung Leipzigs ist trotz der Orölie und des Reichtums der Stadt nur mit wenigen i<ünstlerischen und originellen Landhäusern umkränzt. An tüchtigen und geschmackvollen Archi- tekten und Kunsthandwerkern fehlt es dabei nicht; auch nicht an landschaftlich schönen und verhältnis- mäßig leicht zu erreichenden Gegenden.

Das Sommerhaus, von dem wir hier eine Reihe von Abbildungen veröffentlichen, liegt in Lindhardt, einer kleinen Villenkolonie, die inmitten großer und frischer Waldungen eingebettet ist. Erbaut wurde das Haus igoy 8 nach den Plänen des Regierungsbau- meisters Ludwig Hirschfeld in Berlin, nach dessen Entwürfen auch das Innere gestaltet wurde.

Das Haus steht iimiitten eines Gartens. Unter Benutzung alter Bestände ist er so angelegt, dal5 links vom Eingangswege ein wilder Bauernbluniengartcn mit Obstbäumen, rechts im engen Anschluß an das Haus große, wellig bewegte reine Rasenflächen, die von einzelnen Baumgruppen begrenzt und gegliedert werden, Abwechselimg bieten. Im Anschluß an den Küchenaufgang liegt der Gemüsegarten; daneben, hinter dem Hause, der Wirtschaflshof.

Die Lage inmitten des Gartens hat auch die archi- tektonische Lösung beeinflußt. Es ist von der für das moderne Einfamilienhaus ziemlich allgemein ge- wordenen Form Erdgeschoß als längliches Recht- eck und gleich liarüber das Dach in gebrochener Umrißlinie mit bewußter Absichtlichkeit abge- wichen worden. Denn in diesem Typus, so praktisch er auch ist, liegt doch die Schwäche, daß das Haus eine ausgesprochene Beziehung zur Straße ei' ' daß sich eine zugleich einheitliche wie i; Wirkung schwer erreichen läßt. .Ml/uhätilig ci- scheinen bei diesen Häuschen Erker, Log gien usw. nur angesetzt, nicht innig mit dem

Kunstgcwcrbcblall. N. F. XIX. H. ii

Hauplkorper verbunden. Nun schaue man einmal dagegen an, wie der Architekt unseres Hauses Fassade und Dach zu einer inneren Einheit verschmolzen hat; wie das Haus aus dem Boden wächst, wie das Dach jeder Wendung der Maucrarchilektur folgt, wie es wirklich die Krönung und Vollendung des Hauses ist und wie reizvoll straff und gedrungen in immer neuer perspektivischer Verschiebung sich der ganze Baukörper von den verschiedenen Seiten präscnticn. Ans den Abbildungen ist ferner ersichtlich, wie es durch geeignete Terrainbewegung gelungen ist. einer- seits die im Keller gelegenen Räume, wie Wasch- küche, Motorraum usw. zu belichten und wie andrer- seits durch die ebenerdige Lage der offenen Halle die innige Verbindung von Haus und Garten ge- wahrt ist.

Das Haus ist nach den Hin i über

Eck gesetzt und zwar so, daß d;c , ^i- und

Nachmitlagssonne nur auf den Korridoren und den

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Nebenräumen liegt; wogegen di soime haben. Die Stufen lU-* I über eine kleine Vorhalle m mit Matten besparuiten (i.i: fang schließt ihn ab gegen den des Korridors, in welchen Küclicv Treppenhaus münden. Von der < man ' le. Hict

besoi; '•• lind i lungen: die I genau in der .\

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vom Eßzimmer. Diele und Eßzimmer sind aber so

lu'iuicn k bis zum t beim Einlritl

in die Diele durch einen im Hmicr-

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222

EIN LANDHAUS BEI LEIPZIG

grund sich öffnenden schönen Blick auf die sanft ansteigende grüne Rasenfläche und die dicht dahinter stehende duni<]e Wand des Waldes überrascht.

Obwohl nun Diele und Eßzimmer als ein Raum zusammengezogen sind, so bilden sie doch nicht die unbehagliche berühmte -Flucht«, sondern die Diele baut sich nach rechts aus und ihre eigentliche Wohn- achse liegt senkrecht zur Achse des Eßzimmers. Der Eingang von der Garderobe liegt also gleichsam an der Seiten wand der Diele.

Die Treppe, welche wir auf der Abbildung der Diele sehen, ist mit einer Schiebetür geschlossen und trifft sich mit der Haupttreppe (vergl. Grundriß). Damit ist bei Anwendung von bloß einer Treppe doch eine gewisse Trennung von »Vorderhaus« und »Hinterhaus« erreicht. Die Diele ist durch die Ge- staltung der Fenster und durch den eigentümlich be- wegten Innenbau zu einem kühl-dämmerigen (wenn auch ganz und gar nicht dunklen) Raum mit wechsel- vollem Licht- und Schattenspiel geworden, im Gegen- salz zu dem blendend hellen Eßzimmer, in dem man nur durch große Glasflächen abgeschlossen mitten im Grünen sitzt. Als besondere Schönheit darf nicht vergessen werden, daß die Fenster des Eßzimmers nach Nordosten und Südosten liegen; daß also das Eßzimmer infolgedessen den ganzen Tag über kühl ist. Das Holzwerk der Diele ist rotgebeizte Eiche, die Täfelung des Eßzimmers ist eine wunderschön gemaserte gelb-graue Esche (Ausführung: Kunsttischler Albert Müller in Leipzig; die Ausführung des ganzen Baues hatte Baumeister O. Hauschild in Leipzig). Über die dekorative Gestaltung der Diele durch die Verbindung großer Putzflächen mit einrahmendem Holzwerk und der ringsum an den Wänden verteilten Kerzenbeleuchtung geben unsere Bilder näheren Auf- schluß.

Übrigens verdienen, abgesehen von dieser natürlich nur dekorative Zwecke erfüllenden Kerzenbeleuchtung, die für Spiritusglühlicht geschaffenen Beleuchtungs- körper des ganzen Hauses besondere Beachtung. Unsere Abbildungen zeigen, daß es also möglich ist, auch

für diese Beleuchtungsart geschmackvolle und künst- lerische Körper zu schaffen. Wenn man die großen Lampenmagazine besucht hat, sollte man das eigent- lich für unmöglich halten. So ist die Not, absolut nichts Brauchbares und Gutes auf dem Markte zu finden, hier zur Tugend geworden. (Ausführung der Kronen in Diele und Eßzimmer G. Leander in Berlin, aller anderen Beleuchtungskörper K. M. Seifert & Co. in Dresden.)

Nun noch ein paar Bemerkungen über die weiteren Räume des Hauses, von denen bisher noch nicht die Rede war: Die große Glastür des Eßzimmers führt in eine offene, sehr geräumige und geschmackvoll ausgemalte (Dekorationsmaler Paul Edlich, Leipzig) Silzhalle, die bei schönem Wetter das natürliche Wohnzimmer bildet. Ihre großen Rundbogen rahmen das landschaftliche Bild panoramisch ein. Die Küche ist vom Eßzimmer durch einen Anrichte- raum getrennt. Das erste Stockwerk enthält die Schlafräume und alles Zugehörige. Hier ist es durch geschickte Disposition gelungen, z. B. ein Kinder- schlafzimmer zu schaffen, das morgens von zwei Seiten Sonne hat und 7,1, m lang ist. Sehr hübsch auch ist die Loggia, welche Elternschlafzimmer und Ankleide- zimmer gemeinsam vorgelagert ist. Im Ankleide- zimmer sind die praktischen Waschtische mit der in Wächtersbach fabrizierten Kippkanne vorbildlich bequem. Im zweiten Stock liegt dann das aus den Notwendigkeiten der Dachkonstruktion achteckig mit außerordentlich reizenden Nischenbildungen gestaltete Fremdenzimmer, ferner noch einige kleinere Räume und ein halbgedeckter Balkon (vergl. Abbildung Süd- westseite), der einen weiten Überblick über die rück- wärtige Landschaft ermöglicht.

So ist dieses Sommerhaus in Lindhardt im schönsten Sinne modern: d. h. es hat nicht den mindesten Fett- ansatz von Prunk oder Pracht, sondern nur solide Zweckmäßigkeit in künstlerisch-anmutiger Form. Zu den Abbildungen, die für sich selbst sprechen, wollten wir mit unserem Texte nur ein paar besondere Finger- zeige geben.

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DER EINGANG

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Ansicht von Osten

LANDHAUS BEI LEIPZIG. ARCHI- TEKT: REQIERUNOSBAUMEISTER LUDWIG HIRSCHFELD IN BERLIN

Ansicht von Südwesten. Wirtschaftseingang

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Ansicht von Nordoilcn

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Im Keller liegen Waschküche >'" ' VC'irtschaflsräumc, im zweiten Obergcschoi. . ......<, v..-,..,.,icf und Nrbmriumc

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Rück in die Diele vom Fenster aus.

EIN LANDHAUS BEI LEIPZIG

ARCHITEKT: REOIERUNGSBAU-

MEISTER LUDWIG HIRSCHFELD

IN BERLIN

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Blick in die Dicic von der i rcppc aui

Durchblick vom EBtlmmcr in <llc tH»l« hkI •■( die oti»«e H4»«

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EIN LANDHAUS BEI LEIPZKJ

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Ernst Riegel-Darmstadt: Zwei Messingkandelaber für das Korps Starkcnburgia in OieüL-n, cm Slaninitischsländer aus Messing für den Akademisclien Verein an der Teclinisclien Hocliscliule in Darmstadt

STUDENTENKUNST- PREISAUSSCHREIBEN UND -AUSSTELLUNG IM LANDESGEWERBEMUSEUM IN STUTTGART 1908

DER Leiter des Landesgewerbemuseums in Stutt- gart, Professor Dr. Q. E. Pazaurek, hat herz- haft einen festen Griff in einen Brennessel- wald unseres heutigen Kulturlebens gewagt, um edleren Gewächsen Licht und Luft zu verschaffen. Mit Er- mächtigung der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel- lenkte er die Aufmerksamkeit der beteiligten Kreise darauf, daß den Kunsthandwerkern und der Kunstindustrie jegliche Fühlung mit dem akademischen Leben fehle und daß sie die künstlerische Gestaltung der studentischen Embleme und Gebrauchsgegenstände ganz vernachlässigt habe. Die Folge davon sei, daß die Bazarproduzenten die Herstellung dieser Artikel voükommen an sich gerissen haben und daß sich

der größte Teil der heutigen Studentenschaft jedes, auch das allergeschmacklosesfe Objekt kritiklos ge- fallen läßt, wenn es nur mit dem Zirkel, Wappen oder Wahlspruch der betreffenden Korporation ver- sehen ist. Pazaurek regte den Versuch an, zwischen den Kunstgewerblern und Studenten eine Brücke zu schlagen, die ein Verständnis für die beiderseitigen Lebensauffassungen vermitteln soll. Die Veranstaltung eines Wettbewerbes für wirklich künstlerische Studenten- artikel erschien ihm als das geeignetste Mittel. »An Stelle sonst überwundener Altertümelei und erstarrten Formenkrams, die in dem frisch pulsierenden Leben unserer Tage einen seltsamen Anachronismus bedeuten, sollen die Studenten, ohne ihr Budget vergrößern zu

STUDENTENKUNST-PREISAUSSCHREIBEN UND -AUSSIhLLUNÜ

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müssen, etwas Gediegenes, Modernes setzen und da- mit die kunstgewerbliche Bewegung unserer Tage wirksam fördern Iielfen.<^

Man iiätte es schier für unmöglich gehalten, dali hier noch einmal Besserung eintreten könnte; mit stummer Resignation wandte man im Restaurant den Blick von der Studentenecke ab, aus der gulkiserne Landsknechte, unechte Geweih- Rauchgeräte, Bierkrüge, bestehend aus Totenköpfen und Bismarckschädeln, Cerevise in schreiender Farbenzusammcnstellung, gläserne Bicrstiefel mit unbeholfen aufgetragenenen Vereinswappen, Holzscliränkclien in massiver, über- ladener Renaissance- Palastarchitektur kurz, die übelste, abgestandenste Unkultur entgegengrinste. Wenn man schon diese Gegenstände mit Stolz als Repräsen- tation der Verbindungen zur Schau stellte, wie mochte es da erst in den Privatzimmern, in den Klubräumen aussehen! Wer sich ein möbliertes Zimmer suchte, konnte sicher sein, die angebotenen Stuben vollge- pfropft mit Dingen der oben geschilderten Art zu finden, die von früheren Semestern zurückgelassen waren, von der Vermieterin und ihrem liebenden Töchterchen sorgsam gehütet und auf wackeligen Etageren zum Schmuck der bunttapezierten Wände benutzt.

Man hatte sich gewölmt, bedauernd die Achseln zu zucken und zu sagen: Aussterben lassen!« Aus- sterben lassen? Sterben denn solche Schäden jemals aus? Entsenden unsere kulturlosen Gymnasien nicht

alljährlich ungezählte Tausende von jungen unreifen Menschen in die Univcrsitätstädle, wo sie in diese Umgebung hineinwachsen müssen; werden nicht die studentischen <jebräuche und Arien von fünfmal so- viel jungen Kaufmannslehrlingen mit heilJcr Be- wunderung nachgeahmt? Werden nicht, nach mäßigster Schätzung, in jedem Jahre zwei Millionen Mark für die erbärmlichste fiamschbazarwarc') ausgegeben?

Und nun soll und kann auch hierin endlich Wandel geschaffen werden! Pazaureks Aufruf zur Veranstaltung eines allgemeinen Wettbewerbes für kunstgewerbliche Studentenartikcl (Kunstgcwerbeblalt voriger Jahrgang, Seite 146) hat den weitesten Wider- hall gefunden. Von allen Seiten fh ' '1 Mittel für die Aussetzung von Preisen; du technischen Hochschulen und ihre DuzeiUcn, und Verbindungen stifteten künstlerisch au^ ■_■ Preisgegenstände; die Universitätsschatzkammern und Archive öffneten sich und zeigten die besten Beispiele früherer Zeiten bis zum guten alten .Mittelalter zurück.

Die Beteiligung am Wettbewerbe war denn auch eine große; erste Künstler, wie Riemerschmid, Riegel, Schmohl, Kleinhcmpel, Obcrie, Lang, v. Heider und

1) Der auf Seite 236 dieser Nummer ahjjrt^tldrtc Sliiilcnt mit den so intelli;;cntcn .Mienen lacleiulcii (jelvHrdcii scheint eins der mei-itti. silcn zu sein, denn er kehrt in den Katalogen der i-abnken immer wieder.

FriU von Hcidcr-Magdcburg : Blerkrilgt, ani(Tiahrl n>a P. Sckaltf, Unu tProTlu

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STUDENTENKUNST-PREISAUSSCHREIBEN UND -AUSSTELLUNG

Otto Berkner-Berka

Studenten-Briefkasten

viele andere reichten vorzüglich durchgearbeifete Gegen- stände aller Art ein, von ganzen Innenräumen bis zu den unscheinbarsten Dingen des täglichen Gebrauches; gute Handwerker aus allen Teilen des Deutschen Reiches bemühten sich um die ernste und material- gerechte Gestaltung ihrer wohldurchdachten Entwürfe. Lief auch hier und da eine kleine Geschmacklosigkeit mit unter, so kann im großen und ganzen das Preis- ausschreiben und die vielbesuchte Ausstellung doch als wohlgelungen bezeichnet werden. Das Resultat war in manchen Beziehungen sogar überraschend, und das Gute, was hier ausgesäet wurde, wird zweifellos erhalten bleiben und soll durch die wieder- holte Veranstaltung von Preisausschreiben weitergepflegt werden.

Es ist sicher keine Bewegung von außen her, sondern sie kommt allen Beteiligten aus innerem Empfinden. Und das Erfreulichste ist die schöpferische Beteiligung der sfiidentischen Korporationen selbst: einigeGesellschaften angehender Architekten haben recht beachtenswerte Entwürfe für Studenten -Wohnungen, -Häuser usw. geschaffen. Sie wollen selbst heraus aus der entsetzlichen Öde und sie werden ja auch zuerst aus der gemeinsamen Bewegung den Nutzen ziehen, der dann später indirekt dem ganzen deutschen Volksleben zugute kommen wird.

FRITZ HELLWAG.

M. von Trott-Stuttgart

Studenten- Briefkasten

DIE WÜRTTEMBEROISCHE BAUAUSSTELLUNG STUTTGART

EINE Überraschuiij,' war es für alle Nicht-Würltem- bergcr, als plötzlich Anfang Juni auch Stuttgart mit einer größeren Ausstellung, die gleichsam über Nacht fix und fertig dastand, hervortrat. Das Programm lautete: Entsprechend der Aufgabe der Beratungssteile, den Fiauleutcii, namentlich auf dem Lande, die Fortschritte der Baukunst nach der künst- lerischen und technischen Seite zu vermitteln, will die Aussteilung keine vollständig neuen Werte schaffen, sie beschränkt sich vielmehr im wesentlichen darauf, abgeklärte, gesunde, in der Praxis bewährte Formen und Konstruktionen vorzuführen. Die Beratungsstelle, oder wie der vollständigere Titel ist, die Beratungs- stelle für (las Baugewerbe bei der K- Centralstelle für Gewerbe und Handel, hat das, was die von ihr ge- schaffene und geleitete Ausstellung will, schon seit Beginn ihres Bestehens - im Herbst werden es drei Jahre zu ihrem Programm erhoben und nunmehr nur in eine auch nach aulien, namentlich dem großen Publikum sichtbare, lebendige Form gekleidet.

Als überaus gelungen muß diese Stuttgarter Bau- ausstellung bezeichnet werden, schon allein darum, daß sie viel mehr hält als sie verspricht. Die in der Praxis bewährten Formen und Konstruktionen werden nämlich mittelst vollständig eingerichteter Sonderbauten, vor- nehmlich ländliche Einfamilienhäuser und Arbeiterhäuser, demonstriert. Undauf welche Weise Iäl5t sich wohl rascher und eindringlicher für geschmackvolles und sachliches

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Bauen und Wohnen, für zweckmäßige kaumgeslaltung, für schlichte Formen, für gediegenes .Material, für solide Ausstattung und ähnliches Propaganda machen als durch reizende Einzelhäuser, die vom Keller bis zum Boden von jedem Ausstellungsbesucher geprüft werden können?

Daneben ist aber auch für den Fachmann durch Spezialbauten, namentlich auf dem Gebiete des Eisen- betons, ausgiebig gesorgt; wie auch innerhalb einer großen, von früheren Ausstellungen herrührenden Halle alles, was sich auf Baumaterialien und Baukonslruk- tionen bezieht, vorgeführt wird.

Neben den Leistungen der Architekten, die in Stuttgart ganz besonders zahlreich ihr Domizil auf- geschlagen haben, ist durch eine kleine Erweite- rung des Programms auch die heimische Möbel- industrie innerhalb der Bauausstellung geschlossen vertreten. Auch hier ist ein erfreuliches Streben nach Zweckmäßigkeit und Gediegenheit unverkennbar, was um so mehr anerkannt sein mag, als Stuttgart im all- gemeinen als Hochburg veralteten Geschmackes an- gesehen zu werden pflegt. Man besuche die Stuttgarter Bauausstellung und revidiere sein Urteil. Überhaupt, man kann nur davon lernen, wie hier in Württcmbcrj} der Staat in geschickter Weise, ohne den Schulmeister zu spielen, in modernem Sinne Volkserziehung treibt. Allerdings ist es nötig, daß derartige Aufgaben in so bewährten Händen liegen wie es beispielsweise bei der Beratungsstelle der Fall ist. a. H.

Dipl. ing. Lorcnt (Akadriniicher Archilcklrn-Vcrctii, BraunKhwcigl

Kaor:

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J. M. OLBRICH

Siudentisches Exlibris von Elli Hirsch, Berlin

J. M. OLBRICH

(geb. 12. Dezember 1867 in Troppaii, gest. 8. August 1908

in Düsseldorf)

Von Dr. Heinrich Pudor

Olbrich war neben Behrens das bedeutendste Talent des Darmstädter Kreises. Er kam nach Darmstadt aus Wien, wo er Schüler Otto Wagners war. Dieser Umstand macht ihn für die geschichtliche Betrachtung besonders interessant. Denn in Wien hatte der Biedermeierstil, der im Grunde deutscher Empirestil war, sich am stärksten und charakteristischsten entwickelt, und in der ersten Zeit seiner Entwickelung erinnert Olbrich, bezngsweise seine Kunst noch recht stark an diesen Wiener' Biedermeierstil vergl. z. B. seinen Damensalon eines Wiener Landhauses, wo die Einteilung der Wände, die Bilderrahnien, die Art der Aufhängung der Bilder, der Ofen in seiner Gestalt und mit dem Kreuzornament, das Sofa, vollständig im Charakter des Biedermeiers gehalten sind (nur der Teppich und der Kronleuchter sind ausgesprochen »secessionistisch ). Ein anderes Beispiel bildet der Salon aus dem Hause J. Stade.

Sein Lehrer Otto Wagner fühlte aber zugleich auch noch die Verbindung mit der der Zeit nach näheren Renaissance des 19. Jahrhunderts und dem Farbenkultus eines Makart. Makart wurde zu seiner Zeit bekanntlich auf Händen getragen; man wallfahrtete nach seinem Atelier und wer nur mitsprechen wollte in der Gesellschaft, war bestrebt, die Einrichtung seines Hauses wenigstens hie und da, sei es in der Gruppierung, sei es in einer malerischen Ecke mit dem Makartstrauß, an die des Ateliers des ge- feierten Künstlers anklingen zu lassen. Heute erscheint uns Makart dagegen fadenscheinig. Er hat bedenklich abgeblaßt. Seinerzeit aber galt auch der Wiener Makart als ein Banner- träger des Koloristischen. Und hier folgte ihm in Wien Otto Wagner, dem wiederum Olbrich folgte. Auf Makart im letzten Grunde geht das in Farben Dichten Olbrichs, seine Farben-Raumpoesie zurück. In seinem eigenen Darm- städter Hause finden wir ein grünes, ein rotes, ein blaues Zimmer und immer ist die Farbenharmonie glücklich durch-

geführt. Am interessantesten waren nach dieser Richtung die drei von der Darmstädter Möbelfabrik Gluckert aus- geführten, von Olbrich entvi'orfenen Ziiumer der Tiiriner Aiisslrllnng. Wesentlich die Farbe ist es, die diesen Räumen den außerordentlichen Reiz verlieh. Man möchte mit An- lehnung an eine von dem Schotten Whistler beliebte Art das eine Zimmer (Schlafzimmer) als Harmonie in braun, das andere (Teezimmer) als Harmonie in gelb bezeichnen. In vielen Fällen tritt hierzu als kontrastierende Hauptfarbe weiß hinzu. Beim Schlafzimmer sind die Möbel in weiß, die Wandtäfelungen in dunkelbraun, beim Teezimmer die Wände in weiß und alles übrige in gelb gehalten. Als Zwischenfarben wirken beim Schlafzimmer die Intarsien der Möbel, beim Teezimmer die Teppiche und einzelne m rotem Raradukholz ausgeführte Möbelteile, sowie in beiden Fällen die Fensterverglasungen. Wenn man sich in dem Teezimmer an der etwas heftig wirkenden Har- monie in gelb satt gesehen hat und tritt darnach in das Schlafzimmer, in diese Harmonie eines satten, tiefen Braun, ist es, als ob das Auge beruhigt und weich gestimmt werden solle. In beiden Fällen erlebt man einen wirk- lichen Farbengenuß. Das Teezimmer wirkt freudig, fast schmetternd wie eine Fanfare, das Schlafzimmer als Zimmer der nächtlichen Ruhe wie ein Nocturne.

Ehrenpreis der L'niversitat Tübingen, modelliert von Paul Hauslein-Slultgarl

J. M. OLHRICH

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Paul SchmohlSlutlgart:

l'räsidcnicnsluhl der Verbindung •Wingolf« in Tübingen

Auf Stiniiiiiing also legte Olbrich von Anfang an Werl und deshalb nannte man ihn einen F^aunipoet und be- zeichnete seine Zimmer als Raunidichtungen'). Auch W. Fred sagt von ihm, er sei oft mehr Dichter als Architekt und hebt sein Oefallen am Symbolischen und Allegorischen hervor. Das paßt freihch 7U dem Bieder- meiertone schlecht genug und kontrastierte auch zu den modernen, gerade von Otto Wagner vertretenen Heslrebungen, einen Nut/slil /u schaffen. So finden wir in der Tal in Olbrich, namenllich im Anfang seiner Enlwickelung Schwan- kungen und Kontraste, Welletilinien der Enlwickelung. Im Ornament verwarf er bald die Nüclilernheil der Hiedermeier- linie und bevorzugte stark bewegte oder gar wilde Linien. Oft aber zeigt er schon 18'>8 modernes Linienornamenl, so auf den Friesen in der Villa Friedmann. Auf einem Blatt derOlbrich-ldeen findet sich ein interessantes modernes Flachornament in Linien direkt daneben ein blumiges Muster .i la Biedermeier. AuHerdem finden wir auch bei Olbrich die Babel -Bibel -Vorliebe, also Schachbrett- und Keilbrett-Ornamente, die Pyramiden- und Spiralmusicr. Manche seiner Architekturen scheinen fiir ' '■ " lur-

sitze wie geschaffen. Auch jener Farbe i ' i<

eher orientalisch, als ok/idental. Das feiiic >■ Zimmer im Darmsl.idicr Hause Olbrichs ist i talisch. Eben dahin zielen die flachen, weit voia|)iuij;cnil!.i;

1) Vergl. Olbrich, Ideen von Ludwig llcvcsi. Wien, Oerlach & Schenk, IS'JS.

Dächer, die Söller, dann seine Vorliebe für I J

l'runk (vergl. besonders den Musiksaal de» (/ ^s

von Hessen), die zu den früheren Bicdcrmeiemeigungen im schroffen (iegensatz steht.

Weiler charakteristisch für Olbrich ist die Vorliebe für Kreisform, welche wohl auch als orienlalisiercnd bezeichnet werden mult. Er geht zwar nicht so weil wie (^arlo Hugatli in Mailand, welcher mdgliclist alle Möbel m Wagcnradfomi konstruiert, aber die Halbkreisform finden wir bei Olbnch in der AuHen- und in der Innenarchitektur. So die Eingang»- Iure zum Hause Gluckert in Darmsladt und zur Villa Fricd- inann') in Wien, der Eingang zum Emst-Lii'! "

das [\jrtal zum Skulpturensaal der Wiener Se. 'i

und sogar das Pianino im Musikzinmier des iJi. bpr^ncr in Wien. Auf der Studie zu einem Mii>-it>-nl"n hat er »ogar das Polster des Doppelfauteuils naii '' -is

heruntergehen lassen, während die l>' . /-

form zeigt.

Durchaus orientalisch waren die Pylonen nm Hnuptporlal der Abteilung Darmsladt, lerner das Ernst-1 il

den flachen Dächern und den grollen Monu' n

Eingang, weiter die Außenarchilektur des Hau

Das seinerzeit so vielbesprochene tjn ;, ..r

Flächenkunsi ist interessant nur als Linie. Hier

kommen wir also bei Olbrich zum ersten Male zu

') In der Villa Friedmann zeigen auch verschiedene Möbel die Kreis- und Radform, so die Pfeilerruhbank mit seitlichen Schmuckkästen.

AdriMTl ftScMMlxHh: Laalt. tMCcMWI ««■ Aafni SctaU. Nti»to<r

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J. M. OLBRICH

dem modernen Problem der Linie. Manche der Olbricli- sclien Aiißenareliitekturen wirken nur als Zeichnungen, als Linie. Das Spielliaus in Darnistadt scheint nur Giebel zu sein, es fehlt das Haus, und richtig ist auf dem Titelblatt des Holzamerschen Buches das Spielhaus als Giebel wieder- gegeben und ein Hans noch daruntergezeichnet Ähnlich bef Olbrichs Entwurf für die Hauptfassade des neuen Bahnhofs in Basel: hier aber erscheint die Giebelaulage passend, weil es sich nur um einen Hallenbau handelt, nicht um einen Stockwerkenbau.

Im übrigen finden wir bei Olbrichs Au Renarchitekturen da, wo er noch nicht die Linie als Prinzip durchführt, einen Strich ins Kompakte, so bei dem Haus Keller. Die Linie aber als architektonisches Prinzip') wendet er vornehmlich am Giebel an und verfällt hier oft wieder in Biedermeier- Reminiszenzen, so bei den drei einfachen Häusern in Darmstadt, bei dem originellen Predigerhaus in Darmstadt, bei dem »blauen Haus«.

So vielfältig, so schwankend, so zerrissen nun aber auch die Natur Olbrichs ist, ein großes Talent darf man ihm nicht aberkennen, am wenigsten auf innenarchitek- tonischem Gebiete. Davon legt beredtes Zeugnis ab die Einrichtung des Hauses Christiansen: das originelle, dabei praktische Herrenzimmer ist geradezu eine innenarchitek- tonische Bravourleistung. Von Talent sprudelnde originelle Ideen findet man auch in der zusammen mit Prof. Hans Christiansen entworfenen Halle des »Hauses in Rosen . Aber auch hier tritt die Zwiespältigkeit und Vielfältigkeit der wirksam gewesenen Einflüsse und Reminiszenzen neben dem ursprünglichen Talent zutage. Olbrich erinnert darin einigermaßen an Pankok. Und in eben diesem Sinne, in dem Hang zum rein Dekorativen, und zur Übertreibung der dekorativen Werte ist Olbrich Wiener bis zum letzten Augenblick geblieben. Sein Haus in Darmstadt ebenso wie sein Hochzeitsturm der diesjährigen Ausstellung zeugen davon. Er führte gewissermaßen die Note des lebens- lustigen Wiener Salontones in die Architektur ein. Aber zugleich haftete ihm immer etwas Vornehmes an. Seine Kunst hatte keineriei sozialen Beigeschmack. Und auf diesem Gebiete würde er uns niemals etwas Großes ge- geben haben. Aber wenn es darauf ankam, einen Schloß-

pavillon oder das Boudoir einer Komtesse zu entwerfen, war Olbrich der rechte Mann. Ich erinnere z. B. an den Qeniäldesaal für ein vornehmes Privathaus, den Olbrich für die Kunsthalle der Mannheimer Jubiläumsausstellung des Jahres 1907 entworfen hatte. Das war eine kunst- aristokratische Leistung echt Olbrichschen Geblütes.

In den Arbeiten der erwähnten Ausstelhuig Mannheim

1907 hat das Olbrichsche Talent die glänzendsten Proben seiner Leistungsfähigkeit gegeben. Gleich der erste von ihm entworfene Raum der Kunsthalle war ein Meisterstück der Innenkunst, in den Farben fein und stimnnmgsvoll ab- getönt. Durch die bemalten Glasfenster, deren Farbe trefflich zu den Möbeln harmonierte, trat ein gedämpftes Licht ein, unterstützt durch ovale Fenster höher hinauf Jedes einzelne der Möbel war ein Meisterwerk an Geschmack und Material und Ausführung und vor allem war jedes für die betreffende Stelle dieses achteckigen Raumes eigens entworfen und zum Teil organisch mit ihm verbunden.

Diese Räume der Mannheinier Kunsthalle waren die reifsten Arbeiten, die wir von Olbrich gesehen haben, denen gegenüber die diesjährigen der Hessischen Landesausstellung

1908 matt wirkten. Der vielbesprochene Hochzeitstuim, diese zum Himmel emporgestreckte Hand, war mehr eine geist- reiche Idee, als eine künstlerische Architektur, abgesehen davon, daß er den Farben nach Olbrichs schon erwähnte Verdienste bestätigte. Grau und farblos war dagegen das Gebäude für freie Kunst derselben Ausstellung, das auch der allgemeinen Anlage nach etwas zusammengestoppelt war. Und in den Innenräumen dieser Ausstellung, soweit sie von Olbrich herrührten, zeigte er schon deutlich die konnnende Erschöpfung, der sein Körper eriegen ist. Aber das Talent hat man ihm niemals absprechen können. Es steckte zweifellos etwas Genialisches in ihm. Das zeigte sich schon darin, wie er die Tradition und Konvention über Bord warf und die von ihm vertretenen Prinzipien rücksichtslos bis hart an die Grenze des Bizarren durch- führte. Und sein größtes Verdienst bleibt es, daß er der Farbe in der Außen- und Innenarchitektur wieder mehr Geltung verschafft hat.

1) Olbrichs Architektur ist in drei Prachtbänden in Folio bei Ernst Wasmuth A.-G. in Berlin erschienen.

Gegenbeispiele aus der heutigen Siudentenl<unst-Industrie

KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

SOZIALER JORTSCMRITT

Die Gartenstadt Hcllerau. In der Nähe von Dresden ist eine Qründunj^ vollzofjen worden, die in vielen Be- ziehunfjen größtes Interesse ervi'ecken niiili. Die »Oarlen- stadt Hellcrau O. m. b. H.« hat sich einen schön gelegenen, zum Teil bewaldeten Landkoiiiplex von 140 ha gesichert und beabsichtigt, dort eine Miisterniederlassung zu gründen. Der Plan geht von den bekannten ^Deutsclien Werkstätten für Handwcrkslninst^ in Dresden ans, tlie ihren notwendig gewordenen Fabrikneubau zur F-rrichtung einer gartenmäliig angelegten Wohnkolonie tnit g'emeinriützige/i I\ndzielen, er- weitern will. Dali die Gründung also nicht auf rein idealer Basis erfolgt, ist sehr gut, denn das wäre ein Boden, der schon manche getäuscht und in Unfrieden und Verluste gebracht hat. Hier ist der Idealismus des echten Geschäfts- sinnes maßgebend geworden. Das Unternehmen ist in zwei Teile geteilt, in die erwähnte Gartenstadtgesellschaft und in eine eingetragene Baugenossenschaft mit beschränkter Haftpflicht. Die erste Gesellschaft besorgt den Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Grundstücken unter Bedingungen, welche die etwaige Wertsteigerung des Bodens möglichst der gesamten Bewohnerschaft von Hellerau und nicht dem Einzelnen zugute kommen lassen. Aller Gewinn über 4"/,, nuiß für die Gesamtheit Verwendung finden. Sie überläßt den Baugrund an die Mitglieder der Baugenossenschaft im sogenannteti Erbbaurecht (das heißt Grund und Boden bleiben ihr Eigentum) und verhindert damit die völlige Freigabe des l^odens, gewährleistet Ord- nung und Sauberkeit und unterstellt, last not least, die gesamte Bautätigkeit der Bau- und Kunstkommission. Dieser untersteht auch der geplante Fabrikbau, der aber nicht im Erbbaurecht, sondern auf bedingungslos erworbenem Grunde errichtet wird. Jedoch hat im Fall der Veräußerung zu Zwecken der Wohnungsspekulation die Hellerau-Gesellschaft das Rückkaufs-Vorrecht. Die Baugenossenschaft erhebt von den Mitgliedern 200 Mark in Raten und baut zum größten Teil mit den zu solchen Zwecken verfügbaren öffentlichen Geldern der Landesversicherungsanstalten. Milglieder werden Privatleute, Bürger und Handwerker und die Arbeiter der VX'erkstälten sein.

Wer sich ansiedeln will, sucht sich ein Grundstück aus, auf dem ihm die Gesellschaft ein Haus nach seinen Wünschen erbaut oder abändert. Er gibt der Gesellschaft zum Bau einen Teil des Baugeldes, das auf das Haus hypothekarisch eingetragen unti verzinst wird. So lange tier Mieter das Haus bewohnt, bleibt diese Hypothek un- kiindliar stehen und wird fünf Jahre nach etwaigem Fort- zug zurückgezahlt. Dem Mieter, der tatsächlich die Rechte eines Hausbesitzers genießt, ohne dessen Sorgen zu über- nehmen, kann nicht gekündigt werden, doch darf er selbst kündigen.

Die Wühltat dieser Gründung, die in manchen anderen Rücksichten ein gemeindlich -ästhclisches Zusammenhaltet! der Bewohner ergeben soll und kann, kommt wohl in erster Linie den Arbeitern der •Deutschen Werkstätten für Hand- werkskunst« zugute. Eine Veri|uickuni; von Miclkoniraklen und Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich ausgeschlossen, weil sie von vornherein ungesunde Verhältnisse schaffen und die freie Entfaltung des Gemeinwesens im Keime ersticken würde. Hellerau soll eine Siedelung //(•/»■z Menschen werden. .Nur aus diesem Stück Hcimatsgefühl in Berufsarbeit un^l im eigenen Heim kann rechter Gcmcinsinn und staats- bürgerliches Pflichtbewußtsein erwachsen.-

Kumlgewcrbehlatl. N. F. XIX H. ij

Die Bebauungpsläne und der Fabrikbau sind von Richard Riemerschmied, der zweifellos auch in der Bau- konimission einen größeren Einfluß haben wird, cntworicn worden. Nach allem, was man von der disziplinierten und sachlichen Schöpferkraft dieses Künstlers schon ge- sehen hat, darf man überzeugt sein, daß er zur künstlerischen Gestaltung und Durchführung der Hcllerau -Gründung durchaus der richtige Mann ist. Wie wir bereits ge- meldet haben, bringt der sächsische Landtag dem Unter- nehmen großes Interesse entgegen und hat bereits den Bau einer elektrischen Bahn von Dresden nach Hellerau ge- nehmigt.

Im Verlag von Eugen Diederichs In Jena ist eine Broschüre von Dr. Wolf Dohrn über die »Oartemtadt Hellerau' erschienen, die über viele Einzelheiten Aufschluß gibt und mit Plänen und Abbildungen hübsch ausgestattet isL

ERÖFFNF.TE AUSSTELLUNGEN

Faenza. Hier findet im August und im September eine internationale Ausstellung von Töpfereien stall, für die 60 Prozent Frachtermäßigung und Zollcrleichlerungen bewilligt wurden. Die ältesten Fayencen stammen bekannt- lich aus Faenza und erhielten von dieser Stadt ihren Namen.

Weimar. In dem hiesigen Museum lindct eine Aus- stellung ei:i;lisc/ii'r liiichkunst statt, die erste in Deutsch- land. Sie wird zwei Monate später in Berlin zu sehen sein.

Brüssel. Vom August bis 1. November findet im Palais du Cinquantenaire d\e fünfte Kunst- und Gen erbeaus- stellung statt. Die Ständige Ausslellungskommisslon für die deutsche Industrie warnt öffentlich vor der lieledigung!

Düsseldorf. In den besonders schönen, von Licht durchfluteten Räumen des Kunstgewerbemuseums halte Direktor Irauherger eine Ausstellung von jüdischen Hauten und Kultusgegenständen für Synagoge und Haus in Origi- nalen und Abbildungen veranstaltet, die in dieser Form wohl kaum wieder zustande kommen wird. Obwohl sie in kurzer Zeit und mit geringen Mitteln zusammengeschalfl worden ist, gibt sie doch Künstlern und Gelehrten Ein- blick in das religiöse Leben, soweit es sich gegenständ- lich zeigen läßt. Die jüdische Ausstellung hätte noch be- deutend glänzender sein können, wenn die Schatzkammern der Synagogen und die kostb^ucn Gegenstände im Privat- besitz reicher Juden als Leihgaben herangeholl worden wären. Diesen wertvollen Silberschmuck, die seltenen Bronzen, die kostbaren Stickerelen und die wunderbaren I landschrillen hat sich Direktor Frauberger aber für eine spälrte Aus- stellung aufgespart und hat eigentlich nur den Besitz der Gesellschaft zur Erforschung jüdischer Ktin<t<trnlimSler« gezeigt. Ein durch seine historischen tint! -n

Angaben ganz besonders interessanter K.i: > li

charakteristische Abbildungen beigefügt wurden, itl er- schienen

DOssctdorf. Im Kunslgfwfrbemusnm wurde Mitte August in sämtlichen Erdgeschc''' "i""-" rinr l.^v.-,- .•..■:(» von Vorbddern für den römische. 1

sich Zeichnungen, Stiche und Oriji ^ „h-.-ü ,

besitz vorfinden, veranslallel. An diese wird »ich im Oktober eine Vorführung von Kim-.wr.K n de» neuen Direktor» der hie»igen Kunstgeweibcjchule def Professors Wilhelm Krris .ir ' '

MaKdcburj;. Im A'.i .h-Mus/vm wurden

drei moderne Zimmer .\ichiteklen Paul /\'bf't,

einem Lehrer der Kun ,chulc. ausgcstelli.

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KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU

München. Für die Lotterie der Ausstellung München IQ08 ist als Teil des Hauptgewinnes von loooo Mark ein silbervergoldeter Tafelaufsatz von Lohr im Werte von 4000 Mark erworben worden, der in den kunstgewerblichen Werkstätten von Steinichcn C- Lohr in München ausgeführt wurde.

Berlin. Die vom Kgl. Kunstgewerbemuseum veran- staltete Sonderausstellung von Grabsteinkunst wurde bis Ende September verlängert. Sie ist wochenläglich außer Montag von 10 bis 6 Uhr und an Sonntagen von 12 bis 6 Uhr geöffnet. Die Ausstellung erregt allenthalben großes Aufsehen und bedeutet für die künstlerische Entwickelung der Friedhöfe einen großen Fortschritt. Die Sucht der Hinterbliebenen, auf den Friedhöfen das Andenken an ihren Verstorbenen über die umliegenden Gräber hinauszuheben und einen Reichtum und eine Prunksucht zur Schau zu tragen, wird bereits auf dem Münchener W'ahlfriedhof von Baurat Orässel unmöglich gemacht, auf dem nämlich nur gleichmäßige Gräber nebeneinander erlaubt werden. Der Einzelne sucht seinem Toten die Stätte aus, nach der Art des Grabmals, das er zu setzen wünscht. Auf der Berliner Ausstellung ist ein künstlerisches Maßhalten und ein verfeinerter Geschmack lobend hervorzuheben. Die besten deutschen Künstler haben sich vereinigt, um unsere Friedhöfe wieder zu Stätten echter Gesinnung und echter Kunst werden zu lassen. Der bittere Ausspruch Fritz Schumachers: »Was an Gemüt fehlt, soll das Material ersetzen« wird bald keine Geltung mehr haben. Ein kleiner Ausstellungskatalog mit einer hübschen Vorrede von Peter Jessen ist erschienen. Die Ausstellung ist ein Markstein in der Wiederbesinnung des deutschen Volkes.

Berlin. Aus der kunstgewerblichen Abteilung der »Großen Berliner Kunstausstellung igo8« wurde die Gesanit- einrichtung des Damenzimmers von Wilhelm Kiinbel verUauit.

Wien. Am 5. September soll Axt Jubiläumsausstellung für Wohnungseinrichtungen, die der Klub der Industriellen für Wohnungseinrichtung« in den Sälen der Gartenbau- gesellschaft veranstaltet, eröffnet werden.

Dresden. In den Vereinigten Werkstätten für Kunst- gewerbe Ranmliunst hat Professor Gustav Eberlein eine Kollektivausstellung von Skulpturen veranstaltet.

St. Petersburg. Am 21. August wurde die /nter- nationale kunstgewerbliche Ausstellung in St. Petersburg eröffnet. Das Protektorat über die deutsche Abteilung hat der Großherzog von Hessen übernommen ; die Veranstaltung dieser Abteilung wurde mit Unterstützung der Ständigen Ausstellungskonimission für die deutsche Industrie orga- nisiert. Die Architektur der deutschen Ausstellung stammt von Professor Bruno Möhring in Berlin. An der Aus- gestaltung des Ehrenhofes sind beteiligt: mit dekorativen Malereien Kurt Tuch und Professor Max Koch, mit Bild- hauerarbeiten Georg Roch und Walter Schmarje, sämtlich in Berlin. Die deutsche Abteilung enthält außer dem Ehren- hof folgende Räume: Einen Saal der Kgl. Porzellan- Manufaktur Berlin, einen Raum für Keramik, ein Kinder- zimmer, ein Damenschlafzimmer, zwei Herrenzimmer, eine Abteilung Raumkunst, ein Kabinett eines Kunstliebhabers, einen Damensalon eines Ozeandampfers, einen Salon von Professor Olbrich, zwei Säle mit sächsischem Kunstgewerbe, ein Lesezimmer und einen Raum mit Metallarbeiten. Das deutsche Komitee hat einen durch Herrn Professor Peter Behrens ausgestatteten Katalog herausgegeben. Die Generalvertretung in der deutschen Abteilung führt E. V. Rämisch, Architekt in St. Petersburg, Sadovajastraße 36.

Berlin. In dem »Hohenzollern-Kunstgewerbehaus von Friedmann & Weber« sind keramische Arbeiten elsässischer Künstler ausgestellt, sowie keramische Arbeiten der Blumen- topfwerke Sufflenheim.

GEPLANTE AUSSTELLUNGEN

Frankfurt. Der Vorstand des L'raukfurter Frauenklubs wird in seinen Klubräumen Hochstraße 14 im November eine Ausstellung künstlerischer und kunstgewerblicher Frauen- arbeiten veranstalten. Die Gegenstände sind mit Adresse und Verkaufspreis versehen vom 20. bis 25. Oktober nach Bockenheimerlandstraße 36 zu senden. Anfragen sind an Frl. Hesse in Waldfried bei Niederrad bei Frankfurt zu richten.

Brunn. Das Erzherzog-Rainer-Museum für Kunst und Gewerbe wird am 2. Dezember eine Ausstellung »Kind und Kunst« veranstalten, die unter anderen auch eine Ab- teilung >'die Wohnung des K'ndes enthalten wird. Hier- für sind auszustellende Gegenstände bis Mitte September an den Direktor des Museums Herrn Architekt Julius Leisching zu richten; die Gegenstände müssen dann spätestens bis 15. November in Brunn, Elisabethstraße 14 eingetroffen sein.

Stockholm. Bekanntlich findet im nächsten Jahre hier die erste allgemeine schwedische Kunstgewerbeausstellung statt, in der das Interieursystem in weitestem Maße durch- geführt werden soll, weil man in erster Linie auf eine sehr starke Beteiligung von Wohnungseinrichtungen rechnet. Der Qeneralkommissar der Ausstellung ist Herr Karl Bendix, Hofintendant des Königs von Schweden.

Zwickau. Der Kunstgewerbeverein beabsichtigt die Veranstaltung einer kunstgewerblichen Ausstellung in Zwickau.

Düsseldorf. Die Ausstellung für christliche Kunst, die im Jahre igog im Städtischen Glaspalaste zu Düssel- dorf stattfinden soll, ist jetzt gesichert und wird vom 15 Mai bis zum 1. Oktober loog dauern. Ein Ehrenpräsidium, ein Ehrenvorstand und ein Kunstausschuß, dem Dr. H. Board und Alfred Graf von Brühl Vorsitzen, bürgt für eine Ver- anstaltung größten Stils. Die Ausstellung soll in der Hauptsache einen Überblick über das künstlerische Schaffen auf kirchlichem Gebiete geben. Es fällt aber auf, daß die Ausstellung nicht den Titel führt »für kirchliche Kunst , sondern den Rahmen viel vorsichtiger und moderner ge- staltet, indem es heißt, »für christliche Kunst<. Sie will an die Ausstellung in Aachen und an die früheren an- knüpfen und die Kunst unserer Tage neben einer rück- schauenden Abteilung zeigen. Es werden vertreten sein die Malerei, die Plastik, das Kunsigewerbe, Grabdenkmäler, die Architektur und die heutige Reproduktionskunst.

AUS MUSEEN UND SAMMLUNGEN

Darmstadt. Die Zentralstelle für die Gewerbe hat ihr Programm des gewerblichen Unterrichtes intensiv revidiert und hat die kritische Sichtung der Gewerbebibliothek und der Vorbildersammlung in die Wege geleitet. Sie beab- sichtigt im Gewerbemuseum, das zum Teil neu geordnet wurde, künftig Sonderausstellungen zu veranstalten.

München. V>a.i Bayerische Nationalmuseum hat einen Glasgemäldekatalog von Dr. Johannes Schinnerer heraus- gegeben und beabsichtigt demnächst einen Katalog des europäischen Porzellans erscheinen zu lassen.

Frankfurt. Der verstorbene Konsul Job. Aug. Parrol hat dem Kunstgewerbemuseum eine Sammlung chinesischer und japanischer Kunstgegenstände vermacht, die öffentlich ausgestellt wurde.

Berlin. Das Kgl. Kunstgewerbemuseum hat in Japan eine Sammlung von ostasiatischen Kunstwerken aus der älteren Zeit erworben, die im Museum ausgestellt wurde. Sie enthält eine Anzahl buddhistischer Kakemono (Hänge- bilder) aus dem 12. und 13. Jahrhundert und viele andere

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sehr interessante kunstgewerbliche Oegenslände. Hervor- zuheben ist eine Sammlung älterer eiserner Schwertstich- blätter, deren Eisen mit vollendeter Meisterschaft ge- schmiedet ist und sehr schöne einfache Ziermolive zeigt.

Straßburg i. Eis. Die /h/iliothek und V'orbildersamm- liirig des Städtischen Kunstgewerbemuseums sind jetzt im Marstall des alten Schlosses untergebracht.

Leipzig. Ein ungenannter Leipziger Kunstfreund hat dem Kunstgewerbemuseum eine bedeutende Summe ge- schenkt und dadurch den Ankauf wertvoller Kunstwerke ermöglicht. Unter anderen wurde eine Meißner Porzellan- figur aus dem Jahre 1735 von Johann Joachim Kandier, eine große florentiner Holztrahe aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und ein sehr großer und schöner altgotischer Altarschrein erworben.

VEREINE UND VERSAMMLUNGEN

Darmstadt. Am 20. September soll in Darmstadt die Generalversammlung des Landesgewerbevereins für das Herzogtum Hessen stattfinden und mit einer Ausstellung verbunden werden, an der sich sämtliche Gewerbe-, Kunst- gewerbe- und Fachschulen und einige Handwerker-Sonn- tagszeichenschulen des Oroßhcrzogtunis Hessen beteiligen werden.

London. Der dritte internationale Kunstkongreß für die Entwickeluno des Zeichnens und des Unterrichtes im Zeichnen hat Anfang August hier stattgefunden und war von 2000 Personen besucht. 22 Länder waren durch offizielle Delegierten vertreten. (Es fiel allgemein auf, daß kein Regierungsvertreter sich blicken ließ.) Die Tendenz der meisten Reden ging dahin, das Zeichnen nicht mehr als Übung und Kunst für sich allein aufzufassen, sondern zu verlangen, daß auch die anderen Lehrfächer so viel graphische Fertigkeit voraussetzen müßten, daß sich die Lehrer und Vortragenden des Zeichnens als eines ergän- zenden Ausdrucksmittels mit genügender Vollendung be- dienen könnten. Es wurde gefordert, die Kunstgeschichte in Verbindung mit der Geschichte zu lehren, weil sie un- trennbar von der allgemeinen Lebensäulicrung der Völker sei. Wir glauben, daß manche dieser Forderung in der allgemeinen Fassung nicht zustimmen werden, denn die Beschäftigung mit der Kunstgeschichte war bisher das letzte Gebiet, welches einer späteren freien und freiwilligen Betätigung vorbehalten war. Ein Hineinziehen der Kunst- geschichte in den Schulunlerricht würde sie der vorurleils- vollen Form, in der bisher die Geschichte gelehrt wurde, preisgeben. Mit dem Kongreß war eine Ausstellung von Schülerarbeiten aus verschiedenen Ländern verbunden. Die Abteilung der Amerikaner wurde besonders gelobt. In bezug auf die Ausbitdung der Zeichenlehrer wurde für die ländlichen Schulen außer der Scniinarbildung ein volles Jahr für das Studium des Zeichenunterrichtes verlangt. Die Lehrer der höheren Schulen sollen eine Vorbildung im Zeichnen besitzen, die dem künftig zu bewältigenden Lehrstoff entspricht. Die Zeichenlehrer, die ihre Befähigung durch ernste Examina erwiesen haben, sollen mit den wissenschaftlichen Lehrern gleichgestellt werden. --- Der nächste Kongreß wird voraussichtlich in München statt- finden.

Pforzheim. Der Kunstgewerheverein hatte am 13. Juli seine von ungefähr 200 Milglicdern besuchte üeneralver- Sammlung unter dem Vorsitz des Direktors .1. Vi'aag ab- gehalten. Den Bericht gab der zweite Vorsitzende Fabrikant Wilhelm Staffier, der das rege Leben im Verein schilderte. Er befürwortete den Antrag, den er auch mit Erfolg auf der letzten Tagung des »Verbandes der Kunst- gewerbevereine« in Hannover vorgebraclil hat, nämlich

den Antrag, die besten Erzeugnisse der kunstgewerblichen Lehrwerkstätten in Form von Wanderausstellungen den Verbandsvereinen wechselseitig vorzuführen. Die erste derartige Ausstellung soll bekanntlich vom f'forzheimer Verein zusammengestellt werden. Aus der Versammlung wurde der Antrag gestellt, zu den Preisgerichten der Wett- bewerbe des Vereins künftig zwei auswärtige Künstler hin- zuzuziehen. Der Verein hatte bereits vor Jahren diesen Weg beschritten, doch keinen großen Vorteil darin gesehen. Es ist jedoch beabsichtigt, in Zukunft immer mehr prak- tische l'achleute als Preisrichter zu berufen.

Stockholm. Der elfte Kongreß für ge\i'erblichen Rechts- schutz, der vom 26. bis 30. August in Stockholm tagte, beschäftigte sich mit dem Patentrecht, ferner mit dem Musterrecht, mit dem Kunstgewerbeschutz und der inter- nationalen Mustereintragung, ferner mit dem Warenzeichen- recht und endlich mit der internationalen Regelung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb.

St. Johann a. d. Saar. Hier tagte im Juli der 18. Kongreß des Diulschen X'ereins für Knabenhandarbeit, der mit einer interessanten Ausstellung von Knabenhandarbeiten verbunden war. Der nächste Kongreß wird in Dessau stattfinden. Man hielt ein stärkeres Vorgehen der staat- lichen Behörden und Gemeinden in bezug auf die Knaben- handarbeit für notwendig.

München. Die t'nion Pronvinciale des Arts D^oratifs hielt eine Versammlung anläßlich der Ausstellung München igoS in München ab. Die Teilnehmer wurden von den Münchener Künstlervereinigungen und den Behörden be- sonders gefeiert und erklärten, das deutsche Kunstgewerbe müsse auf dem diesjährigen Herbstsalon in Paris besonders vertreten sein, wozu die deutschen Künsiler und Kunst- handwerker eingeladen werden sollten. Die Beratungen drehten sich um die kunstgewerblichen Fachausbildungen, das Ausstellungswesen, den Schutz des Urheberrechtes u-w.

PERSONALIEN

Mit J. M. Olbrich scheidet eine der liebenswürdigsten und anregendsten Persönlichkeiten aus der deutschen Kunst. Seine Produktionskraft war ungewöhnlich groß, doch hatte er sie in der letzten Zeit überspannt, so daß sein Tod einem schnellen Zusammenbruch gleichkommt. Olbtich suchte in den letzten Vl'ochcn seines so früh beendeten Lebens Heilung von einem Oallcnleiden, vor allem aber Ruhe in dem Sanatorium »Weißer Hirsch- bei Dresden. Noch wenige Tage vor seinem Tode schrieb er uns von dort, wie gut ihm die absolute Ruhe bekäme, d«nn h«l eine schmerzhafte Operation schnell die wenigen ange- sammelten Kräfte aufgebraucht. Olbrich war *ni 12. De- zember iS()7 in Troppau gelv)ren. Er war Schüler von Otto Wagner, mit dem zusammen er die \X'icner Stadtbahn gebaut hat. I>as Wiener Secc»sion»grhäude machte ihn plötzlich berühmt. Der Oroßherzog von He»»en berief ihn iqoi nach Darmstadt, und es ist bekannt, wie Olbrich in den sieben J.ihren au» dieser Stadt und dem Lande Hessen ein bedeutendes Zentrum des deutschen Kunstgewerbes geschaffen hat. In Düsseldorf baute er bis zuletzt an dem großen Neubau de» Warenhause« Tietz, den er unvollendet zurücklassen mullte. Es i»t lu bedauern, daß Olbrich nicht einmal einen ganz großen monumentalen Auftrag ausführen durfte; /um Beispiel wäre der Neubau des Opernhauses in Berlin eine für ihn paxende Aufgabe geworden.

Wir hätten unseren Lesern gern die letzten kuntt- gewerblichen Arbeiten de» Künstlern im Bilde vorgeführt. Leider wird un« dies durch den urheberrechtlichen Recht»- nachfoiger de» Künstler», der angeblich im Besitze einer

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Generalvollmacht ist, verwehrt, obwohl Olbrich selbst uns ausdrückliche schriftliche Erlaubnis hierfür gegeben hatte. Wir müssen uns infolge dieser rigorosen Nichtbeachtung des besonderen persönlichen Wunsches des Künstlers darauf beschränken, die Außenansicht von Olbrichs letzten Darnistädter Ausstellungsbauten in einer der nächsten Nummern abzubilden.

Prof. Walter Leistikow war, was eigentlich erst nach seinem Tode bekannt wurde, die Seele der Berliner Secession. Er verfiel in seiner künstlerischen Produktion aber nur selten dem Extrem und suchte, seine ganze Kraft in der Gestaltung seiner bekannten Qrunewaldbilder zu- sammenzufassen, und verlieh ihnen damit einen monu- mentalen Gehalt, der sie weit über die üblichen deutschen Landschaftsbilder erhob.

Die Universität Jena ernannte den Erbauer ihres neuen Universitätsgebäudes Prof. Theodor Fischer zum Ehren- doktor.

Das Amt des Direktors des Wallraf-Richartz-iV\u- seums zu Köln, das Aldenhoven verwaltet halte, ist geteilt worden. Als erster Direktor wird Dr. Hagelstange aus iVlagdeburg die Bildergalerie und das Kupferstichkabinett leiten, als zweiter Direktor Dr. Poppelreuter die Plastik und die römischen Altertümer verwalten. Dr. Hagelstange wurde in derStadtverordnetenversammlung mit igZentrums- stimnien gegen lo liberale Stimmen gewählt.

Der neue Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie Prof. Fritz Roeber wurde 1851 in Elbeifeld geboren und studierte bei Bendemann in Düsseldorf. Im Jahre 1893 wurde er Professor. Durch seine erfolgreiche Tätigkeit für die Düsseldorfer Ausstellungen 1902 und 1904 ist er weiten Kreisen bekannt geworden und gilt, als unpartei- ischer Vermittler und Organisator, für den rechten Mann, um die etwas schwierigen Düsseldorfer Verhältnisse sicher und zielbewußt zu ordnen.

Die Leitung des Berliner Kupferstichkabinetts über- nahm Dr. Max Friedländer, während Geheimrat Dr. Lehr nach Dresden zurückgekehrt ist.

Die Kunstgewerbeschule in Karlsruhe verlor in Prof. Fridolin Dietsche einen ihrer begabtesten Lehrer, der als Bildhauer einen guten Ruf hatte. Sein letztes Werk, das Denkmal des Begründers der Stadt Karlsruhe, ist seine bedeutendste Leistung. Dietsche starb an den Folgen einer Blinddarmoperation, nachdem er lange Zeit schwer gelitten hatte, ohne je in seiner künstlerischen Tätigkeit zu ermatten.

Professor Schmuz-Baudiß, der als Nachfolger des Prof. Kips die Leitung der Berliner Kgl. Porzellan-Manu- faktur übernahm, ist unseren Lesern seit langer Zeit als einer der bedeutendsten deutschen Keramiker bekannt.

LAUFENDE PREISAUSSCHREIBEN

Wien. 250 Kronen werden als Preise für eine goldene Ehrenkette, die nicht mehr wie 6500 Kronen kosten darf, ausgesetzt. Die Kette ist für den Rektor der k. k. Hoch- schule für Bodenkultur, Wien XVUl, Hochschulstr. 17 be- stimmt. An diese Adresse sind bis 75. November die Ent- würfe einzuliefern. Nur österreichische Künstler können teilnehmen. Der erste Preis ist die Ausführung.

München. In Friedberg bei Augsburg soll ein Kranken- haus errichtet werden. Der »Bayrische Verein für Volks- kunde« erläßt hierfür ein Preisausschreiben mit drei Preisen zu 700 Mark. Als erster Preis gilt die Übertragung der Ausführung. Einlieferung bis /. Oktober an genannten Verein, Oruftstraße 1, 111.

Prag. Wettbewerb für in Böhmen ansässige Kunst- gewerbetreibende um eine Garnitur von drei Haarkämmen, drei Preise insgesamt 500 Kronen, eine Metall-Blumenvase in Treibarbeit verziert, drei Preise 500 Kronen, Einband des Katalogs der Museums-Bibliothek, drei Preise 250 Kronen. Einlieferung bis /. November An das Kuratorium des Kunst- gewerbemuseums derHandels-undGewerbekammer in Prag.

Düsseldorf. Für ein Brunnendenkmal, das die Eisen- industrie und den Bergbau versinnbildlicht und an die Düssel- dorfer Ausstellung im Jahre 1902 erinnern soll, wird ein Wettbewerb unter den in Rheinland und Westfalen und benachbarten Bezirken wohnenden Künstlern ausgeschrieben. Preise 450oMark. Einlieferung bis i^.Dezeniberan dasKunst- gewerbemuseum am Friedrichsplatz 5 7.

Rüdersdorf in der Mark. Für das Rittergut des Herrn August Thyssen wurden künstlerische Entwürfe für Landhaussiedelungen verlangt. Preise 5000 Mark. Die Wettbewerbsbedingungen erscheinen am 15. September. Einlieferung bis ;. April 1909.

München. Unter bayrischen Bildhauern erläßt Rentier Adolf Wolf-München ein Preisausschreiben für ein Grab- denkmal. Zwei Preise von 1000 und 500 Mark. Bau- summe 15000 Mark. Die Entwürfe sind bis 75. Oktober an den Magistrat (Zimmer Nr. 297 2) einzuliefern.

Berlin. Preisausschreiben der Akademie des Bau- wesens in Berlin für eine Abhandlung über die künstlerische Gestaltung von Wasseranlagen im Städtebau der Gegenwart. Preis 2500 Mark. Einlieferung bis 1. Oktober.

Berlin. Die Thermos-Gesellschaft m. b. H. in Berlin W. 56, Markgrafenstraße 52a wünscht im Wege des öffentlichen Wettbewerbes Entwürfe für ein Plakat in der Größe von 72X96 cm in drei Farben in vollkommener Aus- führung. Preise 1200,800, 400 Mark. Preisrichter: P. Beh- rens, Paul Orlik, E. R. Weiß. Einlieferung bis 75. Oktober.

HANDELSNACHRICHTEN

Der Preis für Kupfer ist bekanntlich im vorigen Jahre schnell von 110 Pfund Sterling für die Tonne auf 56 Pfund gesunken. Infolgedessen wurde von Deutschland erheblich mehr Kupfer aus Amerika bezogen. Obwohl die Preise inzwischen wieder auf 61 5/, Pfund Sterling gestiegen sind, betrug im Juni 1908 der Import von Kupfer nach Deutschland 26,5 Millionen mehr als im Vorjahre. Die amerikanischen Kupferwerke haben ihre Produktion erheblich (um ca. 50 Millionen Pfund) eingeschränkt, um die auf ungefähr 100 Millionen Pfund angewachsenen Vorräte erst abzustoßen. Die amerikanische Ausfuhr von Kupfer betrug immerhin im Jahre 1907 703 Millionen Pfund gegen 414 Millionen Pfund im Jahre 1906 und 591 Millionen Pfund im Jahre 1905.

Die Seidenindustrie befindet sich zurzeit in einer Krisis. Der »Verband der deutschen Samt- und Seiden- waren-Großhändler« hatte schon im Juni bei dem Verband der Seidenstoffabrikanlen Deutschlands« beantragt, eine einheitliche Betriebseinschränkung zu beschließen. Ein solcher Beschluß wurde bisher noch nicht gefaßt, kann aber wohl nicht ausbleiben, denn z. B. ist die Ausfuhr aus dem Bezirk Krefeld nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika auch im zweiten Vierteljahr 1908 sehr stark zurückgegangen. Sie betrug im gleichen Zeitraum des Vorjahres 4,4 Millionen und in diesem Jahre nur 1,6 Mil- lionen, also 60 Prozent weniger. In einzelnen Zweigen hat die Ausfuhr fast ganz aufgehört. Die alte angesehene Seidenfirma Meckel & Co. in Elberfeld ist mit einer Unfer- bilanz von 1,3 Millionen in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf Verlag von E. A. Seemann in Leipzig Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h. in Leipzig

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